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[figure]
[[I]]
SPIELE
ZUR
UEBUNG UND ERHOLUNG
DES
KÖRPERS UND GEISTES,
FÜR DIE
JUGEND
, IHRE ERZIEHER
UND ALLE
FREUNDE UNSCHULDIGER JUGENDFREUDEN.


Ihr könnt fröhlich ſeyn und ſcherzen;
Doch verſcherzt die Unſchuld nicht.


Mit einem Titelkupfer und ſechzehn kleinen Riſſen.

SCHNEPFENTHAL,:
IM VERLAGE DER BUCHHANDLUNG DER ERZIEHUNGSANSTALT.
1796.

[[II]][[III]]

Vorrede.


Erholung iſt dem Menſchen, beſonders
im jugendlichen Alter, durchaus nothwen-
dig. Wenn demnach die Jugend, deren
Zahl allein in unſerm Vaterlande Millionen
beträgt, täglich nur zwey Stunden ſpielt:
ſo beträgt dieſs viele Millionen Stunden
menſchlicher Exiſtenz. Sollte es denn da
einer groſsen Nation wohl gleichgültig
ſeyn, ob ein ſo beträchtlicher Theil der
Zeit, ja was noch mehr ſagen will, der
Bildungszeit, verlohren geht, oder ge-
nutzt wird; ob man ihn zum leidigen Zeit-
vertreibe, oder zur nöthigen Ausbildung
der Kräfte; unſittlich, geſchmacklos, kurz
ſchädlich, oder unſchuldig, anſtändig und
nützlich verwendet? Dieſs iſt der ernſt-
*2
[IV] hafte Geſichtspunckt, aus dem ich dieſs
Buch zu betrachten bitte. Wahrlich ich
wollte mit dieſen mühſam geſchriebenen
Tändeleyen nicht tändeln.


Seit Tranquillus Suetonius, der ein,
für uns verlornes, Buch über die Spiele
der Griechen ſchrieb, ſind unglaublich
viel Bücher über Spiele abgefaſst. Den-
noch übergebe ich hier dem Publikum
das meinige mit der Ueberzeugung, daſs es
noch kein vollkommenes Spielbuch ſey; ob
es aber für den beabſichtigten Gebrauch
beſſer, ob es zweckmäſsiger, und ſyſtema-
tiſcher als die bisherigen ſey, daran zwei-
fle ich keinen Augenblick. Möchte
doch jeder Schriftſteller, der davon nicht
deutlich und mit Gründen überzeugt iſt,
ſeine [Schrift] lieber zerreiſsen als drucken
laſſen. Alle Bücher über Spiele zerfallen
in zwey Claſſen; ſie ſind entweder philo-
logiſch-hiſtoriſch, wie die ſchätzbaren klei-
nen Werke des Meurſius, Bulengerus, Hy-
de und kommen folglich hier gar nicht in
Betracht; oder ſie ſind in praktiſcher Hin-
[V] ſicht geſchrieben, um im geſellſchaftli-
chen Kreiſe danach zu ſpielen. Ich ken-
ne davon eine anſehnliche Menge, aber
kein einziges, das mit gehöriger Auswahl,
nach einem beſtimmten Zwecke, für be-
ſtimmte Subjecte, mit geläutertem Ge-
ſchmacke, und durchdachter Schätzung
des Werths jedes einzelnen Spiels, nach ei-
nem nur etwas gründlichen Syſteme ab-
gefaſst wäre. Daher ſind alle dieſe Bücher
auf gut Glück gleichſam zuſammen gewür-
felt, theils entſetzlich ſchlecht, nicht nur
geſchmacklos, ſondern oft pöbelhaft, un-
ſittlich, voll Zweydeutigkeiten und Zoten.
Sollte mans wohl glauben, daſs in einem
kleinen, 1792 in Leipzig verlegten, ſehr be-
liebten Buche Sachen abgedruckt wurden,
die aus einer der elendeſten Schmierereyen,
die 1757 in Frankfurt erſchien, entlehnt
ſind? Spielformeln wie dieſe: „Mit Gunſt
ihr Meiſter und Geſellen, der Teufel iſt in
der Höllen, der Meiſter giebt wenig Lohn
und viel Knochen, mit Gunſt ihm ſey“ etc.
oder wie in Dreiſsigs, des Zuſammenſchrei-
bers, Machwerke, dem Angenehmen Ge-
* 3
[VI]sellschafter 1792: „Auf einem meiner
Bäume, den ich habe daheime, hab ich 2,
3 etc. Blätter, auf dem dritten Blatte war
eine Schnecke, die hatte ein Haus zur
Decke, die kroch unter 2, 3, Zweige, ſie
wollte fitzen träuge, mit ihren zwey Hör-
nern, kroch ſie auf zwey Dörnern, und da
kamen behende, 2, 3, 4 Hände und nah-
men die Schnecke, mit 5 Fingern hin-
wecke.“


In Paedagogischer Hinſicht iſt noch
gar keine Sammlung von Spielen veran-
ſtaltet. Hielt man Spiele für nichtswürdi-
ge Poſſen, die der Zeit, der Mühe und
des Papiers nicht werth ſind? Schämten
ſich Gelehrte ſie zu beſchreiben? Ach
wie viel Tauſend ſeicht- und tief-gelehrte
Nichtswürdigkeiten hätte man dann unge-
druckt laſſen müſſen! Bey Büchern iſt es
nur Nebenſache, ob die Buchmanufactur
im Gange bleibt oder nicht, ob Papier-
müller, Buchhändler und Gelehrte dabey
gewinnen oder nicht, ob ſie grundgelehrt
ſind oder nicht, die Hauptfrage bleibt da-
[VII] bey immer, und ſollten fie auch nur über
die Stoppeln des Feldes geſchrieben ſeyn,
können ſie merklichen Einfluſs auf die
phyſiſche oder geiſtige Vervollkommnung
des Menſchen haben? — Wahrlich eine
böſe Frage; man thue ſie an manches dick-
leibiges, grundgelehrtes Werk, da er-
ſcheints wie eine Seifenblaſe, die trefflich
glänzt, ſich prächtig aufblähet und ohne
Folgen bleibt.


Dieſs Buch enthält Spiele für die Ju-
gend, aber es iſt nicht für die Jugend ge-
ſchrieben, ſondern für ihre Eltern, Erzie-
her und Freunde; daher nicht nur Be-
ſchreibungen, ſondern auch Beurtheilun-
gen der einzelnen Spiele; daher die Blicke
auf das alte Griechenland als hiſtoriſche
Erläuterungen und als angenehme Erinne-
rungen an ein liebenswürdiges Volk; da-
her der Ton, welcher mehr trocken be-
ſchreibend als unterhaltend iſt. Ich hätte
leicht einige Familien erdichten, ihre ver-
gnügten Zuſammenkünſte ſchildern und ſo
die Spiele einweben können; dem Tone
* 4
[VIII] mag dieſs gemäſs ſeyn; allein ich haſſe al-
le Papierverſchwendung und ſchrieb nie,
um Bogen zu füllen. Daher endlich die
Einleitung, die, wie der erſte Blick lehrt,
nicht für die Jugend beſtimmt iſt. Damit
will ich jedoch nicht geſagt haben, daſs
junge Leute die meiſten Spiele dieſer
Sammlung nicht ſollten verſtehn und nach-
ſpielen können; ich wollte mich nur be-
ſtimmt erklären, für wen das Buch geſchrie-
ben ſey. Spiele ſind Blumenbänder, durch
welche man die Jugend an ſich feſſelt; da-
her übergebe ich ſie lieber ihren Erziehern,
als ihr ſelbſt. Was ſoll aber die Jugend
machen, die — ach es iſt wahrhaftig lei-
der oft, ſehr oft der Fall! — entweder kei-
nen Erzieher, oder wenigſtens keinen für
die Zeit hat, wo ſie nicht ſtudirt, deren
Eltern entweder keine Zeit oder keine Luſt
haben, ſich mit ihr zu beſchäfftigen? Ich
bin bis jetzt noch unſchlüſſig, ob ich einſt
ein leichtfaſsliches, wohlfeiles Spielbuch
für dieſe ausarbeite und erwarte darüber
erſt die Winke des Publikums.


[IX]

Von jedem Spiele findet man im vor-
liegenden Buche eine möglichſt ge-
naue und umſtändliche Beſchreibung, die
bey den Bewegungsſpielen faſt ohne alle
Ausnahme, bey den Sitzenden gröſsten-
theils auf wirkliche Experimente gegrün-
det iſt. Sollte ſie manchen bey dieſem
und jenem Spiele zu umſtändlich ſchei-
nen, ſo bitte ich zu bedenken, daſs man
auch auf ſolche Leſer Rückſicht nehmen
müſſe, die das nicht gleich finden, was
ſich ſchon von ſelbſt verſteht, ſondern de-
nen es erſt geſagt werden muſs; und daſs
der Zweck des Buchs, der auf praktiſche
Anwendung geht, umſtändliche Auseinan-
derſetzung erforderte, weil ſich nach all-
gemeinen Angaben gewöhnlich nichts aus-
führen läſst. Man wird dem ungeachtet
bey den etwas verwickeltern, namentlich
bey den Ballſpielen, immer noch genug zu
thun haben, ſie im jugendlichen Kreiſe
bis zu der Geläufigkeit zu bringen, daſs
ſie in ihrer angenehmen Geſtalt völlig her-
vortreten. So lange man dieſe Geläufig-
keit noch nicht erlangt hat, iſt jedes Spiel,
* 5
[X] zumal jungen Perſonen ſehr widrig; man
muſs daher kein Spiel nach den erſten
Eindrücken beurtheilen, die es bey noch
unvollkommener Rutine macht.


Die Beurtheilungen der einzelnen Spie-
le ſind zwar nicht umſtändlich — denn ich
hatte eben ſo wenig Luſt, mehrere Bände
zu ſchreiben, als meine Leſer haben, ſie zu
leſen — aber doch hinreichend, auf den
Gehalt derſelben aufmerkſamer zu machen,
als man bisher wohl geweſen iſt.


Alle, etwa drey ausgenommen, wel-
che mir mitgetheilt wurden, ſind entwe-
der aus eigener Erfahrung niedergeſchrie-
ben, oder aus verſchiedenen deutſchen
und fremden Gegenden, wozu meine La-
ge ſehr günſtig war, zuſammengetragen,
verſucht, beſchrieben, ergänzt und hin
und wider verbeſſert. Es ſind 106, weil
die beſtimmte Bogenzahl nicht mehr faſſen
konnte und mich nöthigte, bey den Brett-
ſpielen abzubrechen. Ich hoffe man wird
damit zufrieden ſeyn, bezahlt man doch
[XI] einzeln herausgekommene Spiele häufig
mit 6, 12, 24 und mehr Groſchen.


Obgleich die Zahl ſchon ziemlich an-
ſehnlich iſt und ob ich gleich ſelbſt noch
einen ziemlichen Vorrath beſitze, ſo wäre
es mir doch ſehr angenehm, wenn man
mir aus nahen und fernen Gegenden Spie-
le mittheilte; Alter und Geſchmack, Fä-
higkeiten und Kenntniſſe, häusliche Lage
und Geſellſchaften der Jugend; der beſon-
dere Geſchmack der Eltern und Erzieher,
Tags- und Jahrszeiten, häusliche Umſtän-
de u. ſ. w. machen eine groſse Zahl von
Spielen nöthig. Ich werde daher Nachträ-
ge liefern und mich bemühen, nach und
nach eine Spielbibliothek zu Stande zu
bringen, wie ſie noch keine Nation hat.


Die treffliche Ausführung meiner Idee
im Basrelief des Titels verdanke ich der
Meiſterhand unſers Rambergs und dem
einſichtsvollen und treuen Künſtler Stöl-
zel. Die Erziehung, in ſchöner weiblicher
Geſtalt, an den Altar der Natur gelehnt,
[XII] neben ihrer Rechten das Symbol der Bil-
dung
, in ihrer linken Hand das der Lei-
tung
, wacht über die Spiele der unſchuldi-
gen Kleinen. Möchten doch Eltern dieſen
einfachen Gedanken beherzigen. Schne-
pfenthal bey Gotha, April 6. 1796.


[[XIII]]

Ueberſicht.


  • Einleitung Seite 1—46
  • Erſte Claſſe. Bewegungsſpiele. S. 50—284.
  • A Spiele des Beobachtungsgeiſtes und des
    ſinnlichen Beurtheilungsvermögens. 50-258
  • a Ballſpiele50-122.
  • 1. Das Ballonſpiel 52.
  • 2. Das deutſche Ballſpiel 57.
  • Dreyball 72.
  • Freyball 73.
  • 3. Ball mit Freyſtäten, das engl. Baſe-ball 78.
  • 4. Das deutſch engliſche Ballſpiel 84.
  • 5. Thorball oder das engl. Cricket 85.
  • 6. Handball ein engl. Spiel. 96.
  • 7. Prellball 103.
  • 8. Kreisball 104.
  • 9, Treibball, oder das Geyerſpiel 108.
  • 10. Schnurball 113.
  • 11. Fangball 114.
  • 12. Steht Alle! 116.
  • 13. Federball 121.
  • b Scheibenſpiele122-139.
  • 14. Das Scheibenſpiel, le Palet 122.
  • 15. Das Fuſsſcheibenſpiel, la Merelle 126.
  • 16. Das Steinſpiel 134.
  • c Kugelſpiele139-183.
  • 17. Das Kugelſchlagen oder Mail 139.
  • 18. Das Schottiſche Mail oder Golf 154.
  • 19. Das groſse Kugelſpiel; Jeu de Boules 158.
  • 20. Das kleine Kugelſpiel 161.
  • 21. Das Billard 165.
  • Das befeſtigte Billard 166.
  • Das Kegelbillard, Piroli 175.
  • 22. Das Kugelwerfen, Ihs boſseln 180.
  • d Kegelſpiele183-194.
  • 23. Das gewöhnliche deutſche Kegelſpiel 183.
  • 24. Das Kegelwerfen. 187.
  • 25. Der Kegeltiſch 191.
  • e Pfahl- Ring- und andere Spiele194-212.
  • 26. Das Pfahlſpiel oder der Kindaliſmus 194.
  • 27. Das Ringrennen 198.
  • 28. Das Ringwerfen 200.
  • 29. Das Topfſchlagen 201.
  • 30. Der Drache 204.
  • 31. Das Klinkholz oder Kliſchſpiel 209.
  • f Winterſpiele212-221.
  • 32. Schneeſpiele 213.
  • 33. Eisſpiele 217.
  • g Geſellſchaftsſpiele221-255.
  • 34. Blindekuh 221.
  • Stille Blindekuh, Colin Maillard 224.
  • 35. Jacob wo biſt du, oder die beyden Blinden 226
  • 36. Marcus und Lucas 229.
  • 37. Das böſe Ding, oder der Plumpſack etc. 230.
  • 38. Das Mattmachen 232.
  • 39. Foppen und Fangen 235.
  • 40. Die Jagd 239.
  • Nachtſpiele243.
  • 41. Die Wächter und die Diebe 247.
  • 42. Miau! 253.
  • 43. Die Jagd im Dunkeln 254.
  • h Einſame Spiele255-258.
  • 44 Kreiſel und Reifentreiben 255.
  • 45. Das Solo-Ballſpiel 257.
  • B Spiele der Aufmerkſamkeit 258. Alle Ge-
    ſellſchaftsſpiele, bis 280.
  • 46. Der ſchwarze Mann 259.
  • 47. Das Plumpſack-Verſtecken 262.
  • 48. Tag und Nacht 264.
  • 49. Fuchs zu Loche 266.
  • 50. Vögelverkaufen 269.
  • 51. Der Bildhauer 270.
  • 52. Das Verwechſeln der Plätze 272.
  • 53. Das Kämmerchen vermiethen 273.
  • 54. Wie gefällt dir dein Nachbar 274.
  • 55. Der Laſtträger 275.
  • 56. Das Drittenabſchlagen 276.
  • 57. Die Glucke und der Geyer 277.
  • C Spiele der Phantaſie und des Witzes 280.
  • 58. Das Handwerksſpiel 281.
  • D Reine Körperſpiele 283.
  • Zweyte Claſſe, ſitzende oder Ruheſpiele 285
  • A Spiele des Beobachtungsgeiſtes und des
    ſinnlichen Beurtheilungsvermögens 287-
    309.
  • a Geſellſchaftsſpiele288-306.
  • 59. Wer wars, oder die warme Hand 288.
  • 60. Der Gerichtshof oder das Amtmannsſpiel 290.
  • Vexierſpiele293.
  • 61. Das Suchen der Pfeife 295.
  • 62. Die Kelle 296.
  • 63. Wer das nicht kann etc. 298.
  • 64. Das Augenräthſel 299.
  • 65. Der Ringſucher 300.
  • 66. Die Freunde oder der Wahrheitsſpiegel 302.
  • 67. Das Federſpiel 304.
  • b Einſame Spiele306.
  • 68. Das Bilboquet 307.
  • 69. Das Bullenſpiel, Joujou 308.
  • B Spiele der Aufmerkſamkeit 309-334.
  • a Geſellſchaftsſpiele309-331.
  • 70 Der Rechenmeiſter 309.
  • 71 Die Orthographiſche Lehrſtunde 311.
  • 72. Kaufmann 314.
  • 73. Das Advokatenſpiel und Parlament 317.
  • 74. Die Reiſe nach Ieruſalem 318.
  • 75. und 76. Das Tauben und Farbenſpiel 322.
  • 77. Alle Vögel fliegen 323.
  • 78. Der König iſt nicht zu Hauſe 325.
  • 79. Das Commandirſpiel 326.
  • 80. Nachſprecheſpiele 328.
  • b Einſame Spiele331.
  • 81. Das Ringſpiel oder Nürnberger Tant 331.
  • C Spiele des Gedächtniſſes 334-356. alle
    Geſellſchaftlich.
  • 82. Das Reiſeſpiel 336.
  • 83. Das Geographiſche Kartenſpiel 342.
  • 84. Hiſtoriſch-Chronologiſches Spiel 349.
  • 85. Regentenſpiel 353.
  • 86. Phyſikaliſches Kartenſpiel 354.
  • D Spiele der Phantaſie und des Witzes 356-
    391. Alle ſind geſellſchaftlich.
  • 87. Das Spiel der Aehnlichkeit 356.
  • 88. Sprichwörter 361.
  • 89. Die Erzähler 368.
  • 90. Die Zeichnungswürfel 378.
  • 91. Die ſtummen Spieler oder Pantomine 379.
  • 92. Die Mimik 381.
  • 93. Das Wortverbergen 383.
  • 94. Das Ritterſchlagen ein Vexirſpiel 389.
  • E Spiele des Geſchmacks 391-394.
  • 95. Das Täfeleyſpiel oder Parquet 391.
  • 96. Bauſpiele 393.
  • F Spiele des Verſtandes und der höhern Be-
    urtheilungskraft 394.
  • a Geſellſchaftsſpiele395-440.
  • 97. Die Akademie der Wiſſenſchaften 395.
  • 98. Action nach Muſik 402.
  • 99. Die Kauflente 408.
  • 100. Das Arithmeriſche Spiel 410.
  • 101. Das Ringſpiel 412.
  • 102. Das Frageſpiel 421.
  • 103. Das Sylbenräthſel oder Charaden 431.
  • 104. Das Geſellſchafts-Räthſel 437.
  • 105. Das Anwendungsſpiel 438.
  • b Brettſpiele106.
  • 106. Das Schachſpiel 440.
  • Anhang I. Ueber Wählen und Loſen.
  • Anhang II. Ueber Pfänderſpiele.

[[XVII]]

Verzeichniſs der Subſcribenten in der Ordnung,
in welcher ſie ſubſcribirt haben.


  • Herr Cammerhr. u. O, Steuereinnehmer Baron von Frieſen zu Rötha bey
    Leipzig. 1 Exempl.
  • — Heyne der jüngere, Erzieher der Barone von Lorenz zu Leipzig. 2
  • Frau von Malapert in Frankf. a. M. 3
  • Herr Joh. Georg Hausknecht Predig. in Frankf. a. M, 2
  • — Kaufm. Jacob Eichel in Eiſenach. 2
  • Frau Soph. de Neufville in Frankf. a. M. 2
  • Herr Prediger Wichmann in Zelle. 10
  • — Kriegsregiſtrat. Schenk in Gotha. 1
  • — Cand. Walther in Rammelburg. 1
  • — Joh. Fr Greiner in Breitenbach. 1
  • — Dr. u. Burgem. Krügelſtein in Ohrdruf. 1
  • — Secretair Fr. Chr. Kypke in Wiederau bey Leipzig. 1
  • — Hofrath Loder in Jena. 1
  • — Hauptm. von Pufendorf beym 5ten Churhänn. Infant. Reg. zu Ver-
    den 1
  • — Kaufm. Fr. Meſſow in Calbe. 1
  • — Kaufm, Frölich in Copenhagen. 3
  • — Kaufm, Gottl. Graeſer in Laugenſalze. 1
  • — Ioh. Chr. Weiſs daſ. 1
  • — Carl Weiſs jun. daſ. 1
  • — Kupſerfrech. Stölzel in Dresden. 1
  • — Cand. Reinhardt Privaterz. zu Sondershauſen. 1
  • — Joh. Wolf Lehrer am Büchnerſchen Erziehungsinſt zu Nürnberg. 1
  • — Regierungsr. von Boyneburg in Weilar. 1
  • — Fräul. Caroline von Ketelhodt in Rudolſtadt. 1
  • — Conferenz Rath von Heinrich in Copenhagen. 2
  • — Lexmund von Heinrich in Schnepfenthal. 1
  • Herr [Landſchuleninſpector] Haun in Gotha. 1
  • Mlle Böck daſ. 1
  • Herr E. C. F. Oberländer, dritter Schulkollege in Hildburghauſen. 1

Durch Herrn Wendland Rector in Thorn:


  • — Major von Krajewsky in Thorn. 1
  • — Pred. Kleſel daſ 1
  • — Mag. Pred. Arnold daſ. 1
  • — Mag. Pred. Degenkolb daſ. 1
  • — Stadtrath Kannenberg daſ 1
  • — Bürger Pannenberg daſ. 1
  • — Kaufm. Krambitz daſ. 1
  • — Kaufm. Wede aus Strzellnow in Weſtpreuſsen. 1
  • — Frz Von Huſarzewsky d. ſ. W. Befl. in Thorn. 1
  • — Apothek. Witt daſ. 1
  • — Steuer.-Inſp. Hennig daſ. 1
  • — Capt. von Pfau daſ. 1
  • — R. C. G. Aſſeſſor von Oetinger in Wetzlar. 1
  • — C. F. Perlet in Ohrdruf. 1
  • — Buchhändl. Hammerich in Altona. 12
  • Die Durchlauchtigſte verwittwete Fürſtin Frau Joſina Eliſabetha von Ho-
    henlohe. 1
  • Herr Major von Witzleben zu Liebenſtein. 1
  • — D. Fr. Caeſar Cand. zu Delitzſch bey Leipzig. 1
  • — Prediger Suhr in Ploen. 1

Durch ihn:


  • — Cand. Harder zu Brahetrollenburg. 1
  • — Graf Reventlau daſ. 2
  • — Subr. Schröder in Kiel. 1
  • — Cam. Rath Haſſelmann in Ploen. 1
  • — Cam. Rath Moritzen in Ahrensböck. 1
  • — Prof. Müller in Kiel. 1
  • — Rittmeiſt. Fries in Ploen. 1
  • — Ober Gerichtsadvok. Jenſen in Glückſtadt. I
  • — Prof. Jenſen in Kiel. 1
  • — Regier. Rath Chop in Sondershauſen. 1
  • — von Truchſeſs in Wetzhauſen. 1
  • — Kaufm. Feldmeyer in Gotha. 1
  • — Buchhändl. Ettinger in Gotha. 9
  • — Kaufm. Joh. Fried. Danneil in Quedlinburg. 1
  • — Gotthelf Albert Wippermann daſ. 1.
  • — Paul Heinr. Krage daſ. 1
  • — Buchbinder Meuſel in Coburg. 4
  • — Pred. Joh. Traugott Aſchenberg in Göllingen. 1
  • — von Sybery zu Buſch in der Grafſchaft Mark. 1
  • Herr Reg. Referend. Bölling zu Bochum. 1
  • — Cant. Joh. Heinr. Schrikel zu Friedrichswerth. 1.
  • — A. G. Peters Hofmeiſter bey dem Herrn Erbgrafen von Iſenburg
    Meerholz zu Meerholz. 1
  • Die Buchhandlung des Waiſenhauſes zu Halle. 8
  • Herr Buchhändl. Schöps in Zittau. 6
  • — Buchhändl. Gerhard Fleiſcher in Leipzig. 3
  • — Dieter. Herrmann Stud. der Phil. zu Ulm. 1

Durch ihn:


  • — Dan. von Beſſerer Garniſonslieut. daſ. 1
  • — Kriegsſekret. Faulhaber daſ. 1
  • — Fiſcher, Lehrer am Ulmiſchen Gymnaſ. 1
  • — geh. Secretär Frick zu Ulm. I
  • — Heilbronner des Raths Bau und [Holzherr] daſ. 1
  • — Heinkel Stud. der Phil. daſ. 1
  • — Kaufm. Miller daſ. 1
  • — Miller J. U. D. und Rathsconſul daſ: 1
  • — Joh. Jac. Schad. von Mittelbiberach des Raths und Pflegeherr daſ. 1
  • — M. C. Beſſerer von Thalſingen des Raths und Steuerdeputatus daſ. 1
  • — Sautter Handelsmann daſ. 1
  • — Stud. Kröner daſ. 2
  • — Buchhändler Nauck in Berlin. 1

Durch ihn:


  • — Cand. Schulz in Crome. 1
  • — Fried. Hevelke in Culm. 2
  • — Baron Schulz von Aſcherade zu Ludwigsluſt. 1
  • — Fr. Fiſcher Conrect. am Lyceum zu Hirſchberg. 1
  • — Hofbuchhändl. Michaelis in Neuſtreulitz. 4
  • — Buchhändl. Palm in Erlangen. 2
  • — Hofrichter Bierling in Lübenau 2
  • — Buchhändl. Danner in Mühlhauſen. 1
  • Die Rengerſche Buchhandl. in Halle. 3
  • Herr Buchhändl. Troſchel in Danzig. 1
  • Die Hellwingſche Buchhandl in Hannover. 1
  • Herr Paſt. M. Heiligenſchmidt in Münchenbernsdorf. 1
  • — Gerichts-Direct. Lindner daſ. 1
  • — Heinr. May daſ. 1
  • — Geleits-Einnehm. Alander in Groſsebersdorf. 1
  • — Hofrath v. Welek in Meiſsen. 1
  • — Pred. I. G. Piper in Reinshagen im Mecklenburg. I

Durch ihn:


  • — Bollbrügge Erbgeſeſſener auf Niendorf. 1
  • — K. F. Franke Präpoſitus zu Sternberg. 1
  • — Cand. Hermes in Vietgeſt. 1
  • Herr Cand. I. H. S. Piper in Relnshagen. 1
  • — Kaufm. Woltersdorf in Roſtock. 1
  • — Rönnberg in Güſtrow. 1
  • — Paſtor primar, Dieterich in Nordhauſen. 1

Durch ihn:


  • — Secretair Riemann daſ. 1
  • — Senator Seidler daſ. 1
  • — Kaufm. Arens daſ. 1
  • — Juſtitz Comm. Lange daſ. 1
  • — Cand. Dilthey daſ. 1
  • — Amtsrath Smalian in Lohra. 1
  • — Mag. Rötting zu Bendleben. 1
  • — Paſt. Plieth zu Salze und Herröden. 1
  • — Paſt. Steiger zu Windehauſen. 1
  • — Cand. Söllig zu Heringen. 1

Durch Herrn Bertels in Flensburg:


  • Mad. Chriſtianſen daſ. 1
  • — Stuhr daſ. 1
  • Herr Paft. Claufen in Bau. 1
  • — Kaufm. Pet. Hennigfen daſ. 1
  • — Kaufm. Jo [...]as Lork daſ. 1
  • — Cand. Greif daſ. 1
  • — Cand. Frieſe daſ. 1
  • — Nicolaiſen daſ. 1
  • — Kaufm. Paul Hanſen daſ. 1
  • — Kaufm. Gorriſen daſ. 1
  • — Paſt. Broderſen daſ. 1
  • — Kaufm. Jürgen Fries daſ. 1
  • — Kaufm. Pet. Jevers daſ. 1
  • — Nicol. Hallenlen daſ. 1
  • — Kaufm. D. Harries daſ. 1
  • — Buchdrucker Jäger daſ. 3
  • — Canzleyrath Cirſovius in Kiel. 2
  • — Prof. Jenſen daſ. 1
  • — Kaufm. Schulz daſ. 1
  • — Rittmeiſter von Hopfgarten in Geuſitz bey Zeitz. 1
  • — Cand. Lorenz in Schloſs Annaburg. 1
  • — Kaufm. Lorenz zu Arnau in Böhmen. 3
  • — Rect. Starke in Bernburg. 1
  • — Pfarrer Günther daſ. 1
  • Eine Leſegeſellſchaft von Gymnaſiaften in Bernburg. 1

Durch Hrn. Contrib. Einnehm. Kunze in Leipzig:


  • Herr Auditeur Eſchke in Torgau. 1
  • — Kaufm. Fr. Gottl. Meiſsner in Leipzig. 1
  • — Studioſ. Suhl daſ. 1
  • — Kaufm. P. W. Kraft daſ. 1
  • — Ober-Einnehm. Ritterich daſ. 1
  • — Dr. Junghans Beyſitzer der Juriſtenfacultät daſ. 1
  • — Ober-Poſt. Commiſſ. Dörrien daſ 1
  • — Plato, Direct. der Freyſchule daſ. 1
  • — Prof. Eck daſ. 1
  • — Buchhalter Thieleke daſ. 1
  • Sr. Exellenz der Hr. Landmarſchall von Sacken Erbhr. auf Brozen etc.
    in Kurland. 12

Durch denſelben:


  • Sr. Exellenz der Hr. Landrath von Fircks Erbhr. auf Waldegahlen in
    Kurland. 1
  • Sr. Exellenz der Hr. Präſident von Behr Erbhr. auf Edwahlen in Kur-
    land. 1
  • Sr. Exellenz der Hr. Staroſt von Korff, Erbhr. der Nerſtſchen Güter in
    Kurland. 1
  • Herr Capitain von Sacken Erbhr. auf Paddern in Kurland. 1
  • — von Heyking Erbhr. auf Gatten in Kurland. 1
  • — Kirchenviſitator von Heyking in Kurland. 1
  • — von Koſchkul Erbhr. auf Adſern in Kurland. 1
  • — Burſi. Paſtor zu Blieden in Kurland. 1
  • — Tiling, Erzieher im Hauſe des Hrn. Landmarſchall von Sacken
    Exell. in Kurland. 2

Durch ihn:


  • — Prof. Tiling in Mirau. 1
  • Frau Majorinn von den Brinken in Kurland. 1
  • Herr Superint. Ockel in Mitau. 1
  • — Actuar. Brettſchneider in Kurland. 2.
  • Die Leſegeſellſchaft in Mitau. 2
  • Herr Candidat Böhm in Mitau. 1
  • — Kaufm. Erdm. Pieſchel in Magdeburg. 1
  • — Superint. J. Ch. Geudner in Eisfeld. 1
  • — Buchhändl. Kummer in Leipzig. 1
  • — Buchhändl. Monath und Kuſsler in Nürnberg. 6
  • — Porzellanmahler Kieſewetter in Lichte bey Wallendorf. 1
  • Herr [Stiftsſyndic]. Schmidt in Merſeburg. 1

Durch Hrn. Crecelius Erzieher in Frankfurt a. M.:


  • Fr. Hollweg in Frankf. a. M. 1
  • — Deluze daſ. 1
  • Herr Schreibmeiſter Höflich daſ. 1
  • — Erzieher Hofmann daſ. 1
  • — Erzieher Melsheimer daſ. 1
  • — Collab. Hänle in Idſtein. 1
  • — Freyburg aus Ungarn. 1
  • — G. H. Gwinner aus Stuttgardt. 1
  • — M. F. Gwinner aus Stuttgardt. 1
  • — Erzieher Mieg in Frankf. 1
  • — D. Rieſe Erzieher daſ. 2
  • — Muck Erzieher daſ 1
  • — Kaufm. Reſpinger in Baſel. 1
  • — Fr. Johannot in Offenbach. 1
  • — Erzieher Bertelsmann in Frankf. 1
  • — Cand. Enzelman aus der Pfalz. 1
  • — Erzieher Reck in Kirchheim Poland. 1
  • — Erzieher Stein in Frankf. 1
  • — Kämmeter Direct. eines Inſtituts daſ. 1
  • — Erzieher Zeyſs in Offenbach. 3
  • — Piſtorius, Hofm. der Grafen zu Wittgenſtein. 1
  • — Heyder Arledter in Frankf. 1

Durch Hrn. Treudt Praeceptor am Gymnaſ. in Heilbronn:


  • — Handelsm. Auguſt Orth daſ. 1
  • — Handelsm. Jac. Gſell daſ. 1
  • — Aſſeſſor Hauber daſ 1
  • — Amtm. Moſer in Kirchheim. 1
  • — Gruis in Heilbronn. 1
  • — Poſtſekret. Cludius daſ. 1
  • — Dr. Irnſinger daſ 1
  • — Conſulent Reuſs daſ. 1
  • — Handelsm. Kubach daſ. 1
  • — Poſthalter Schmalzigaug daſ. 1
  • — Steuerverwalt. Schüoler daſ. 1
  • — Aſſeſſ. Hoppelt daſ. 1
  • — Senat. Schreiber daſ. 1
  • — Lederhändl. Müller daſ 1
  • — Actuar. Kübel daſ. 1
  • — Senat. Titot daſ. 1
  • — Landkommiſſar Schreiber daſ. 1
  • — Privatorzieher Stephan daſ. 1
  • Herr Hofin. Zainüjer daſ. 1
  • — Kaufin. Gmehlin daſ. 1
  • — Cand. H. G. Wahn zn Neuſtadt bey Dresden. 2
  • — Joh. Ph. Broſendt in Uelzen. 2
  • Nochmals durch Hrn. Pred. Piper:
  • — Kammerrath Pommereſche in Stralſund. 1
  • — Cand. Kray in Roſtock. 1
  • — Cand Jur. I. Wuesthof zu Marnitz. 1
  • Herr G. von Rüdt zn Eberſtadt. 1
  • — Buchhändl. Thomas in Braunſchweig. 2
  • — Rector Brende in Eiſenberg. 1
  • — Leibarzt Collenbuſch daſ. 1
  • — Graf Emerich von Bethlen. 1
  • — Stiehl Erzieher der Prinzeſſlnnen zu Naſſau Uſingen. 1

Durch ihn:


  • — van Herzeele aus Amſterdam. 1
  • — Maas zu Hamburg vor d. H. 1
  • — Banſa daſ. 1
  • — Carl Geuke Privaterzieher zu Torgau. 3
  • — Prediger Stolterſoht in Lübeck. 1

Durch ihn:


  • — Kaufm. von Bartels daſ. 1
  • — Pred. Becker daſ. 1
  • — Kaufm. Blohm daſ. 1
  • — Cand. Brandes daſ. 1.
  • — Kaufm. Mart. Joach. Brandt daſ. 2
  • — Kaufm. Bruhns. daſ. 1
  • — Kaufm. Gädecke daſ. 1
  • — Lic. Hach daſ. 1
  • — Cand. Haſſe jun. daſ. 1
  • — Kaufm. Joh. Mart Heusler daſ. 2
  • — Pred von der Hude daſ. 1
  • — Kaufm. Hin. Nölting daſ. 1
  • — Kaufm. Joh. Peters daſ. 1
  • — Pred. Peterſen daſ. 1
  • — Kaufm. Joh. Andr. Peterſen daſ. 1
  • — Cand. Rechlin daſ. 1
  • — Kaufm. Sager daſ. 1
  • Herr Gaſtwirth Schultz daſ. 1
  • — Schreibm. Tanck daſ. 1
  • — Pred. Weſterwick daſ. 1
  • — Kaufm. Weſtphal daſ. 1
  • — Lic. Zeller daſ. 1
  • — Cand. Zietz daſ. 1
  • — Schmidt Erzieher des Erbgrafen zu Schaumburg Lippe. 2
  • — Erzieher Groſse in Prag. 1
  • — Comiſſ. Rath Hänel in Pegau. 1
  • — Banquier Küſtner in Leipzig. 1
  • — Buchhändl. Wilh. Opitz in Torgau. 2
[[1]]

Einleitung.


Über den Begriff des Spiels und über den
moraliſchen, politiſchen und pädagogi-
ſchen Werth der Spiele; über ihre
Wahl, Eigenſchaften und Claſſification.


Als die Langeweile zuerſt die Hütten der Men-
ſchen beſuchte, trat das Vergnügen zugleich
herein, bot ihnen die Hand und forderte dieſe
Naturkinder zum Tanz auf. So entſtanden die
natürlichſten, unſchuldigſten Spiele, nämlich die
Bewegungsſpiele. Die Hütten verwandelten ſich
in Palläſte, auch hier erſchien die Langeweile;
aber man verbat ſich die Bewegung, das Vergnü-
gen verband ſich den Mund und praſentirte die
Karten.


Langeweile iſt immer nur die Veranlaſſung
zum Spiele; der natürliche Trieb der Thätigkeit
ihr Schöpfer. Die Äuſerung dieſes Triebes
zeiget ſich bey den Spielen, nach dem Grade
der Cultur und der Verfeinerung der Völker und
einzelnen Menſchen, bald körperlich, bald gei-
Aſtig
[2] ſtig, bald aus beyden gemiſcht. Daher die ver-
ſchiedenen Spielgattungen. Beym Spiele im
ſtrengen Sinne hat der Spieler keinen Zweck,
als den der Beluſtigung an der freyen Wirkſam-
keit ſeiner Thätigkeit *), davon iſt hier die Rede
nicht; denn wo ſind die Spiele der Art, wo
bloſs äſthetiſche Gröſsen nämlich Form und Ge-
ſtalt das Materiale derſelben machten? Ich ken-
ne nur Ein Spiel, was hierher zu gehören ſcheint,
nämlich das ſogenannte Parquet. Es iſt nun
einmal gewöhnlich, alle, wenn auch ſpielende
Beſchäfftigungen mit Formen und Geſtalten nicht
Spiel zu nennen. Beym Spiele im gewöhnli-
chen Sinne iſt der nächſte Zweck Beluſtigung,
der entferntere Erholung oder Schutz gegen Lan-
geweile. Daſs dieſe Beluſtigung ebenfalls aus
der Wirkſamkeit unſerer Thätigkeit geſchöpft
werde, iſt gewiſs. Die Mittel dieſe Thätigkeit
wirkſam zu machen, ſind erſtlich das Materiale
des Spiels, welches ſich bald als träge, bald als
active Maſſe unſerer Thätigkeit widerſetzt. Da
aber das Materiale faſt bey keinem einzigen unſe-
rer Spiele allein ſchon Intereſſe genug für unſere
Thätigkeit hat und ſie folglich nicht hinläng-
lich reizt; ſo wird zweytens irgend ein, Affect vor-
[3] züglich Ehrliebe, mit hineingezogen und als
Sporn der Thätigkeit gebraucht, drittens dem
Zufalle bald mehr bald minder Herrſchaft über
das Materiale eingeräumt, wodurch die Erwar-
tung geſpannt und die Thätigkeit rege erhalten
wird. Allein der Grund des Vergnügens beym
Spiele liegt doch nicht allein in unſrer Thätig-
keit, ſondern auch in der Anſchauung der Form
des Spieles, d. i. der verabredeten ſyſtemati-
ſchen Ordnung unſerer Thätigkeit; wird dieſe
geſtört, ſchmiegt ſich unſere Action dem Syſte-
me des Spiels nur unvollkommen an: ſo min-
dert ſich die Beluſtigung. Spiele ſind alſo Belu-
ſtigungen zur Erholung geſchöpft aus der Wirk-
ſamkeit und verabredeten Form unſerer Thä-
tigkeit.


Auf Haſardſpiele paſst ſich dieſe Definition
nicht, ſie ſind die Kette, an welcher der Zufall
den Spieler nach Belieben an der Naſe herum-
führt, indem er ihn mit der Geiſsel der Affecten
bald ſtreichelt bald züchtiget.


Nach dem obigen läſſt ſich der moraliſche
Werth der Spiele an ſich ſelbſt im allgemeinen
nun leicht beſtimmen. Er richtet ſich nach der
Natur des Affects, der zur Spannung unſerer Thä-
tigkeit hineingezogen wird. Je unſchuldiger
dieſer iſt, deſto unſchuldiger iſt das Spiel. Sein
Werth iſt daher ſo verſchieden als die Natur der
A 2
[4] Ehrliebe, der phyſiſchen Liebe, der Habſucht.
Nach dem Grade des Affectes, denn jede Steige-
rung macht ihn nicht nur bedeutender, ſondern
mindert auch die Freyheit unſerer Thätigkeit;
das Spiel würde aber am unſchuldigſten ſeyn, wenn
dieſe ganz frey dabey bliebe und durch gar kei-
nen Affect rege erhalten würde[.] Endlich nach
dem Grade der Herrſchaft, welche dem Zufalle
beym Spiele zugeſtanden wird; geht dieſe nur
ſo weit, als es nöthig iſt zur mäſsigen Spannung
der Erwartung und der Thätigkeit: ſo wird das
Spiel mehr Werth haben, verſchwindet aber die-
ſe völlig daraus, bewegt ſie nur höchſtens noch
die Fingerſpitzen zum Umſchlagen der Karte,
zum Hinrollen der Würfel, überlaſſen wir uns
bloſs dem Zufalle, der uns durch unſere eigene
Affecten geiſselt und das Spiel dadurch pikant
wie Brenneſſel macht: ſo entſtehen die Haſard-
ſpiele, die ſchlechteſten von allen unmoraliſchen.


Aber es iſt Zeit den Weg trockner Beſtim-
mung der Begriffe zu verlaſſen; man hält jetzt
nicht viel von Definitionen, es ſey denn die der
Liebe in einen Roman ausgeſponnen. Viel-
leicht bin ich im Stande, einen weniger be-
ſchwerlichen Weg zu finden.


Spiele ſind wichtige Kleinigkeiten; denn ſie
ſind zu allen Zeiten, unter allen Völkern, bey
Jung und Alt Bedürfniſſe geweſen, weil Freude und
[5] Vergnügen zur Erholung von Arbeit, leider auch
wohl zum Schuz gegen Langeweile, eben ſo gut
Bedürfniſſe ſind, als Befriedigung der Verdau-
ungs- und Denkkraft. Spiele ſind daher über
den ganzen Erdkreis verbreitet; Alles ſpielt,
der Menſch und ſein Kind nicht nur, ſondern
auch das Thier und ſein Junges, der Fiſch im
Waſſer, der Hund, das Pferd, der Löwe und
ihre Jungen ſpielen. Wer hat die Geheimniſſe
der Pflanzen, die Dunkelheiten der Elemente,
die Myſterien des Wärmeſtoffs, der Electrici-
tät des Magnetiſmus, die endloſen Entfernungen
der Weltkörper durchſchauet, um hier alles
Spiel geradezu verneinen zu können *). „Spie-
len, ſagt der unvergleichliche Wieland: iſt die er-
ſte und einzige Beſchäfftigung unſerer Kindheit
und bleibt uns die angenehmſte unſer ganzes Le-
ben hindurch. Arbeiten wie ein Laſtvieh iſt
das traurige Loos der niedrigſten, unglück-
lichſten und — zahlreichſten Claſſe der Sterbli-
chen; aber es iſt den Abſichten und Wünſchen
der Natur zuwider. — Die ſchönſten Künſte
A 3
[6] der Muſen ſind Spiele und ohne die keuſchen
Grazien ſtellen auch die Götter, wie Pindar ſingt,
weder Feſte noch Tänze an. Nehmt vom Le-
ben hinweg, was erzwungner Dienſt der eiſer-
nen Nothwendigkeit iſt; was iſt in allem übri-
gen nicht Spiel? Die Künſtler ſpielen mit der
Natur, die Dichter mit ihrer Einbildungskraft,
die Philoſophen mit Ideen, die Schönen mit
unſern Herzen und die Könige, leider! — mit
unſern Köpfen?“


Die Tradition trug ſie von jeher in alle Win-
kel der Welt und es mag ſchwerer ſeyn, eine
nützliche Erfindung, die Verbeſſerung eines
landwirthſchaftlichen Inſtruments, aus einem
Lande in das andere zu verpflanzen, als ein
Spiel Polyneſiens in Deutſchland einzuführen.
Unſere kleinen Mägdchen wiſſen es nicht, daſs
ihr Spiel mit [fünf] Steinchen griechiſchen, *) oder
wer weiſs was für Urſprungs iſt, und unſere Kna-
ben nennen das Pflöcken, was die Griechiſchen
Kindalismos hieſsen. Die Bauern in Ströbke
ſpielen mit denen am Ganges, am Seïnde-rud,
am Tigris und an den Jökeln von Island ein
Spiel, ich meine das Schach; und der Lappe
mahlt ſich Kartenblätter mit Rennthierblut auf
[7] Fichtenrinde, weil bey ihm weder Pariſer noch
Berliner Fabrik iſt. Dieſe Verbreitung durch
ſo lange Zeiten, die ſo allgemein und oft ſo
ſchell geſchah, iſt eben ein Zeichen des allge-
meinen Bedürfniſſes. War es nicht eben der
Fall mit den Kartoffeln? Und wenn auch der
heil. Antonin, Erzb. von Florenz an den Wür-
feln ſo viel Sünden als Punkte findet *) und der
heil. Bernard dem Abte von Clairvaux die Leh-
re gab, jeden Biſſen Brod mit Thränen zu be-
netzen, weil der Hauptzweck der Klöſter Thrä-
nenvergieſsung ſey, über die Sünden des Volks
und der Kloſterbewohner; ſo tritt doch ein
gewiſser Abt Abraham **) auf die andere Seite
und erſtreitet ſogar den Einſiedlern Zeitvertrei-
be, troz ihrer ſolideſten Pietät und äuſserſten
Pönitenz. Er führt ſogar das Beyſpiel des heilgen
Evangel. Johannes an. Ich weiſs nicht, aus welcher
Legende er das hat; allein er ſagt auch nur on dit,
und geſunder Menſchenverſtand gilt in jedem
Kleide. Seine Worte ſind lang, ich will ſie ab-
kürzen. Der Evangeliſt Johannes ſpielte einſt
mit einem Rebhuhne, das er mit ſeiner Hand
ſtreichelte. Da kam ein Mann, ein Jäger von
Anſehen, und betrachtete den Evangeliſten mit
A 4
[8] Verwunderung, weil er ſich auf eine — nach
ſeiner Idee — ſo unwürdige Art an dem Thier-
chen beluſtigte; Naturgeſchichte war damals
noch nicht Mode. Biſt du denn wirklich der
Apoſtel, von dem alle Welt redet und deſſen
Ruhm mich hier herzog, wie paſst ſich dieſe Be-
luſtigung zu deinem Ruhme? Guter Freund,
antwortete der ſanfte Johannes, ganz ſocratiſch:
Was ſeh ich da in deiner Hand? — Einen Bo-
gen, erwiderte der Fremdling. Und warum
haſt du ihn nicht geſpannt und immer bereit
zum Schuſs? — Ey das darf nicht ſeyn; wäre
er immer geſpannt, ſo würde er ſeine Kraft ver-
lieren und bald untüchtig ſeyn. Nun ſo wun-
dre dich denn nicht über mich, fuhr Johannes
fort: doch meine Leſer wiſſen ſchon die Anwen-
dung von einem Bogen.


Nascitur ex assiduitate laborum animorum
hebetudo quaedam et languor. — danda
eſt remiſſio animis: meliores acrioresque
requieti resurgent
*).


An den Bedürfniſſen, oft ſchon an einem
einzigen erkennt man den Charakter des ein-
zelnen Mannes, ſo wie oft ganzer Nationen; aus
[9] der kindiſchen Begierde nach Nürnberger Tant
blickt der ungebildete kindiſche Geiſt des Ne-
gers; der Branntwein, ſo wie das Fluchen, verra-
then den halb oder ganz rohen Menſchen; Putz
und Schminke den ehemaligen ewig Cour ma-
chenden Franzoſen und die alabaſternen Heili-
genbilder, die der Spanier aus Nürnberg zieht,
verkündigen ſeinen Aberglauben. Eben ſo läſst
ſich aus den Spielen auf den Charakter eines
Volkes ſchlieſsen. Sie ſind ein ſehr ſicherer
Probierſtein, auf welchem ſich, wie beym Silber,
der Grad der Roheit und Verfeinerung eines
Volkes ziemlich unzweydeutig erkennen läſst.
Rohe Nationen lieben in allen Zeiten und Welt-
gegenden die Spiele des Krieges und des Zufalls
(Haſardſpiele), deren Abwechſelung von dem
[Bedürfniſſe] der Bewegung und Ruhe des Kör-
pers geleitet wird. Heftige und gefährliche Bewe-
gungen, die Nachahmungen kriegeriſcher Vor-
fälle, wobey man ſich zu durchbohren und die
Köpfe zu zerſchmettern droht, begleitet von
einer wilden, harmonieloſen Muſik bezeichnen
in jenen den rohen noch ganz unverfeinerten
und ungeſchwächten Heldengeiſt; ſo wie die
Ergebung in die Fügung des blinden Zufalls bey
dieſen Unaufgelegtheit zum Denken und Man-
gel an Kultur des Geiſtes ankündigen, der unter
der Binde des Aberglaubens gern in der öden
A 5
[10] Finſterniſs des Ungefährs umhertappt, wo er
zwiſchen Furcht und Hoffnung den böſen oder
guten Einfluſs der Geiſter erwartet und in dieſer
Erwartung allein das gröſste Intereſſe findet,
deſſen ſein kindiſcher Geiſt fähig iſt. Die krie-
geriſchen Spiele unſerer älteſten Vorfahren, ſo
wie ihr raſender Hang zu Glücksſpielen ſind be-
kannt. Vom Gebrauche der Waffen gegen
Menſchen oder Thiere ermüdet, kehrte man
zur Hütte zurück und verſchlief die läſtige Zeit,
oder verſpielte ſie wie Habe, Gut und Frey-
heit mit Würfeln. Durch Ruhe wieder geſtärkt,
griff man, wenn Noth, Magen oder Thätigkeits-
trieb es geboten, wieder zu den Waffen, zum
Jagdgewehr oder begann kriegeriſche Spiele.
Würfel und Waffen waren die Lieblinge der
Hunnen, man kannte faſt keine Geſetze als die
des Haſardſpiels. Ganz germaniſch lebt man
in dem nordamerikaniſchen Germanien bey den
Delawaren und Irokeſen; Krieg oder Jagd, Eſ-
ſen oder Schlafen, Haſardſpiel oder kriegeriſche
Spiele. Auch hier iſt die Spielſucht unerſätt-
lich. Pflaumenkernen, die auf der einen Seite
ſchwarz gefärbt, auf der andern gelb gelaſſen
ſind, machen die Würfel. In eine Schüſſel ge-
legt, ſtöſst ſie der Spieler gegen den Boden, dem
Zufalle entgegen, und erwartet leidenſchaftlich
den Aufſchwung und das Niederfallen derſelben.
[11] Er zählt fünf, wenn er die gröſste Zahl von der
Preisfarbe hat, und gewinnt das Spiel, wenn er
achtmal fünf zählt. Ein gewältiges Geſchrey
der Zuſchauer, das ſich bey jedem Wurfe unter
das Gepraſſel der Kerne miſcht, verräth ihre
lebhafte Theilnahme, ſo wie die fürchterliche
Geſichtsverzerrung der Spielenden und ihr af-
fectvolles Murren gegen die böſen Geiſter, die
Roheit ihres Kopfes, die Ungezähmtheit ihrer
Leidenſchaften ankündigt. So ſpielen oft gan-
ze Dörfer, ja ganze Stämme gegen einander.
Der Inſtinkt ruft, man kehrt zur Jagd oder zu
bewegenden Spielen, beſonders zu Tänzen, die
zur Tagesordnung gehören. Eine Hirſchhaut
über ein Faſs, einen Keſſel oder über ein Stück
eines hohlen Baumes geſpannt, giebt in dum-
pfen Tönen den Takt an. Die Männer tanzen
voran, von ihren Stampfen erzittert der Boden,
von ihrem Geſchrey die Luft. Das ſittſame Weib
folgt mit wenigen Bewegungen ſprach- und
ſcherzlos nach. Heldenmäſsiger wird der Tanz
für Männer allein. Jeder tanzt einzeln mit
Kühnheit und Leichtigkeit, ſeine eigenen oder
die Thaten ſeiner Vorfahren beſingend, indem
die herumſtehenden mit einem rauhen, zu
gleicher Zeit ausgeſtoſsenen Tone das Zeitmaaſs
angeben. Noch fürchterlicher iſt der Kriegs-
tanz, die Nachahmung eines allgemeinen krie-
[12] geriſchen Gemetzels. Wem liegen nicht durch
das Erzählte die Hauptzüge dieſer Nationen
unverholen und offen vor Augen? — Laſst uns
auf einige Augenblicke den Culturzuſtand der
alten Thracier vergeſſen; ein artiges Spiel, das
bey ihnen gewöhnlich war und von dem Athe-
naeus *) Nachricht giebt, wird uns ſogleich dar-
auf zurück führen. Man trat auf einen leicht
umzuwerfenden Stein, in der Hand eine Sichel.
Den Hals ſteckte man durch eine von der Dek-
ke herabhängende Schlinge. Unverſehens ſtieſs
ein anderer von der Geſellſchaft den Stein um;
da hieng der Arme, der durchs Loos dazu ge-
wählt worden war. Hatte er nicht Gegenwart
genug, den Strick ſogleich mit der Sichel ab-
zu ſchneiden, ſo zappelte er ſich unter dem Ge-
lächter der Zuſchauer zu Tode. Niemand wür-
de mir glauben, wenn ich dieſs Spiel den feinen,
gebildeten Griechen oder nur den ſanften Ota-
heiten zueignen wollte; weit wahrſcheinlicher
könnte ichs nach Neuſeeland verſetzen; ein
Zeichen, daſs Volkscharakter und Volksſpiele in
ſehr naher Verbindung mit einander ſtehen.
Dem Geſchichtsforſcher, welchem es nicht bloſs
darauf ankommt, Regenten- ſondern vielmehr
[13] Volksbiographien zu bearbeiten, ſollten daher
dieſe verrätheriſchen Kleinigkeiten nicht ent-
wiſchen. „Ein aufgeklärter Geiſt verachtet
nichts. Nichts, was den Menſchen angeht, nichts
was ihn bezeichnet, nichts was die verborgenen
Federn und Räder ſeines Herzens aufdeckt, iſt
dem Philoſophen unerheblich. Und wo iſt der
Menſch weniger auf ſeiner Hut, als wenn er
ſpielt? Worin ſpiegelt ſich der Charakter einer
Nation aufrichtiger ab, als in ihren herrſchen-
den Ergötzungen? — Was Plato von der Mu-
ſik eines jeden Volkes ſagt, gilt auch von ſeinen
Spielen; keine Veränderung in dieſen — (wie
in dieſer) die nicht die [Vorbedeutung] oder die
Folgen einer Veränderung in ſeinem ſittlichen
oder politiſchen Zuſtande ſey!“ *)


Ich habe geſagt, Spiele ſeyen wichtige Klei-
nigkeiten; denn wenn man von der einen Sei-
te aus den Spielen auf den ſittlichen und poli-
tiſchen Zuſtand einer Nation ſchlieſsen kann:
ſo darf man von einer andern, aus jener genauen
Verbindung, den Schluſs machen, daſs die Spiele
auf den Charakter merklichen Einfluſs haben
werden, daſs ſie daher zu den Erziehungsmit-
teln ganzer Nationen gehören. Es liegt frey-
lich in der Natur der Sache, daſs ſie oft nach
[14] dem ſchon ſtattfindenden Charakter erſt ge-
wählt werden, daſs dieſer alſo ſchon eher da iſt
als jene. Dann werden ſie ihn wenigſtens im-
mer mehr befeſtigen und ausbilden helfen. Al-
lein es iſt dem ungeachtet nicht zu läugnen,
daſs ſie oft vor dieſem und jenem Zuge des Cha-
rakters da waren und ihn mit hervorbringen
halfen. Es bedarf hierzu oft nur des ſehr zufäl-
ligen Beyſpiels irgend eines Angeſehenen. Gien-
ge irgend ein König, von Regierungsſorgen er-
mattet, aus dem Kabinette gewöhnlich auf den
Schloſshof und ſpielte daſelbſt Ballon oder Ball,
ſo würden in ſeiner Reſidenz der Ballon und
Ball bald die Karten verdrängen, die Provin-
zialſtädte würden bald nachfolgen und beyde
Spiele würden einen ganz merklichen Einfluſs
auf den Charakter und den Geſundheitszuſtand
ſeines Volkes haben, wenn zumal der Kronprinz
nicht verweichlichet würde und da fortführe,
wo ſein Vater aufhörte. Am Ende des vierzehn-
ten Jahrhunderts erfand man das Kartenſpiel
und führte es zur Unterhaltung des faſt 30 Jahre
lang verrückten Königs Carls VI bey Hofe ein.
Die Folgen dieſes klein ſcheinenden Umſtandes
ſind ſchlechterdings nicht zu berechnen. Ganz
Europa hat ſie gefühlt und fühlt ſie noch, ja ſie
nagen in gewiſſer Rückſicht an den Wurzeln
[künftiger] Generationen. Die Hofluft blieſs die
Kar-
[15] Karten nach und nach über ganz Frankreich,
über Spanien, Italien, über ganz Europa! Die
Karten waren es, welche nach und nach die beſ-
ſern Uebungsſpiele verdrängen und die Ver-
weichlichung der Nationen, beſonders der vor-
nehmern Klaſſen befördern halfen. Die Pro-
ſcriptionen der Kriegs- und Jagdübungen, der
Turniere, des Mail, Ball und Kugelſpiels u. ſ.
w. waren beſonders mit von den Kartenkönigen
unterſchrieben; ſie halfen ſtark zur Umwand-
lung der mannbaren Ritterſchaft in Nobleſſe,
der nervigten Bürger in Muscadins.


Regenten, Geſetzgeber, Philoſophen, die
den wichtigen Einfluſs der Ergötzlichkeiten auf
den Volkscharakter und auf das Wohl und Weh
der Nationen einſahen, hielten von jeher die
Spiele ihrer Aufmerkſamkeit ſehr werth; Lycurg
ordnete die Leibesübungen, Geſellſchaften und
Tänze der Spartaner; Plato die der Bewohner
ſeiner Republik; Kaiſer Juſtinian hob die Haſard-
ſpiele auf und ſetzte Bewegungsſpiele an ihre
Stelle *). Carl der Groſse und Ludwig der
Heilige gaben Spielgeſetze; Carl V. von Frank-
reich gab [Befehle] gegen alle Haſardſpiele und
empfahl reine Bewegungsſpiele und Uebun-
[16] gen *); Peter der Groſse nahm ſich der Volks-
beluſtigungen an, um ſein Volk geſelliger zu
machen u. ſ. w. kurz man könnte mit ſolchen
Befehlen einen guten Quartanten anfüllen und
wenn man auch die unendliche Menge, die von
Concilien und Synoden gegeben wurden, über-
gienge. Oft waren die Befehle unbilliger Köni-
ge wie die Axt des Holzſpalters, ſie zerſplitterten
ganze Länder; haben ſie aber je die Kartenkö-
nige ganz bezwingen können? Oft trugen ſie
Aufruhr in benachbarte Staaten; aber brachten
ſie je die Unterthanen der Kartenkönige zur
Rebellion? Geh in Städte, in Geſellſchaften in
Familien, wo der Geiſt der Glücks- und der
Kartenſpiele herrſchend iſt, und unterſuch die
daſige Denkungsart, ſo wie den wirthſchaftlichen
und körperlichen Zuſtand: der Satz: an den
Spielen ſollſt du ſie erkennen
, wird ſich bewährt fin-
den. Dieſs bleiche, gramvolle Geſicht hat
Spadille entfärbt; dieſe Zerſtreuung hat Baſta
verurſacht; Baſta gällts in den Ohren des Schrei-
[17] bers, da liegt die Feder; Baſta in denen des
Richters, da liegen die Acten u. ſ. w. — Vom
Lotto will ich nichts erzählen, dies ſey die Sa-
che der Pfänder in den Leihhäuſern. Schade,
ewig Schade! daſs meine Spiele nie Finanzſache
werden können, dann machte ich damit Cour;
ſie erhielten allen möglichen Vorſchub und be-
wirkten dann wahrſcheinlich ein Plus von Ge-
ſundheit und Stärke, das leicht ſo groſs wäre,
als das Minus im Beutel beym Lotto. Doch
genug — hier nur Winke; die Materie betref-
fend den ſittlichen und politiſchen Werth der
Spiele erſchöpft kaum ein ganzes Buch.


Können die Spiele auf ganze Nationen wir-
ken und in ihrem Zuſtande eine merkliche Ver-
änderung hervorbringen, ſo ſind ſie auch ein
Erziehungsmittel für die Jugend, und ich getraue
mir, wenn auch die Erziehung nach den neue-
*)
B
[18] ſten Hannöverſchen Entdeckungen weder Wiſ-
ſenſchaft noch Kunſt, ſondern wer weiſs was iſt,
aus zwey Knaben von völlig gleichen Anlagen
durch entgegen geſetzte Behandlung in Spielen
zwey, in Rückſicht ihres körperlichen und gei-
ſtigen Zuſtandes, ganz verſchiedene Geſchöpfe
zu machen. Oder läſst ſichs denn von vornher
ſo ſchwer einſehen, daſs ein Knabe, den man
zehn Jahre hindurch in vernünftiger Abwechſe-
lung zwiſchen geiſtigem Ernſte und körperlichen
Scherze
, ich meine zwiſchen geiſtiger Ausbildung
und geſunden körperlichen Uebungen und Spie-
len erhält, daſs ein ſolcher Knabe weit beſſer
gedeihen müſſe, als wenn man ihn bey derſelben
Bildung ſeines Geiſtes in Karten und Würfeln
Erholung finden läſst? So lange man mir nicht
das Gegentheil darthun kann, halte ich dieſe
Tändeleyen für Sachen von pädagogiſcher Wich-
tigkeit. Ich muſs hier einiges über den päda-
gogiſchen Nutzen und die Nothwendigkeit der
Spiele ſagen.


Wenn das gröſste Geheimniſs der Erziehung
darin beſteht, daſs die Uebungen des Geiſtes und
Körpers ſich gegenſeitig zur Erholung dienen:
ſo ſind Spiele, beſonders Bewegungsſpiele, ſo
wie Leibesübungen überhaupt, unentbehrliche
Sachen. Stünde dieſer Satz auch nicht im Emil,
ſo würde ihn ja ſchon jeder Schulknabe verkün-
[19] digen, wenn er nach der Lection die Bücher
wegwirft. Dergleichen allgemein von der Ju-
gend geäuſserte Triebe beweiſen ſo ſcharf als
das ſchärfſte Vernunftſchlieſsen. Allein es giebt
demungeachtet Leute, die auf obigen Satz durch-
aus nicht Rückſicht nehmen. Aber ſagen ſie mit
Cicero

ad ſeveritatem potius et ad ſtudia quaedam
graviora atque majora facti ſumus

Ich bin ſelbſt herzlich davon überzeugt, glau-
be aber, daſs es für Jung und Alt kein ernſteres
Studium nach der Geiſtesbildung geben könne,
als das, was auf Geſundheit, Ausbildung des
Körpers und Heiterkeit des Geiſtes hinzielt,
weil ohne dieſe die Geiſtesbildung wenig nützt,
ſondern als ein [todtes] Kapital da liegt, an dem
der Roſt nagt; und wer wirklich der Meynung
iſt, daſs man die Stunden, wo es mit ernſter An-
ſtrengung des Geiſtes nicht mehr fort will, ſtets
zu irgend etwas [nützlichem] z. B. zum Zeichnen,
Clavierſpielen, zum Ordnen der Inſecten und
Mineralien u. dergl. anwenden müſſe, der hat
von der Oekonomie, ſowohl des jugendlichen
als erwachſenen, menſchlichen Körpers keine
richtige Vorſtellung, er weiſs das nützliche nicht
gegen das nützlichere gehörig abzuwägen, er
zieht den Mond der Sonne vor, weil er ſo ſanft
iſt und das Oel der Gaſſenerleuchtung erſpart.
B 2
[20] Es iſt freylich lehr gut möglich, alles eigentli-
che Spiel gänzlich zu vermeiden und ſich durch
bloſse Abwechslung zwiſchen ernſtlicher Anſtren-
gung des Geiſtes und jenen ſpielenden Beſchäf-
tigungen hinzuhalten; allein ich glaube nicht,
daſs ſich auf dieſe Art beſonders bey der Jugend
eine gewiſſe weibiſche Weichlichkeit, Unthä-
tigkeit und Schlaffheit des Körpers vermeiden
laſſe. Kurz man beweiſe erſt ſtreng und red-
lich, daſs die Bildung des Körpers eine Poſſe ſey, die
für uns nichts werth iſt, daſs unſer Geiſt des
Körpers nicht bedürfe, daſs dieſer auf unſre
Thätigkeit, auf unſern Charakter und auf Bele-
bung oder Erſtickung des göttlichen Funken,
der in uns glimmt, gar keinen Einfluſs habe:
wenn man das gethan, die Forderungen der
Natur, der gröſsten Aerzte und der denkendſten
Männer widerlegt haben wird, dann will ich
ſchweigen und einſehen lernen, daſs ich Thorheit
gepredigt habe, dann will ich gern behaupten,
daſs man die Zeit zur Erholung wohl edler als
zu Spielen und Leibesübungen verwenden kön-
ne. Kann man das aber nicht, ſo will ich nicht
bloſs Aerzte und Denker ſondern ſogar die Hei-
ligen zu Hülfe rufen und mit Franz von Sales *)
[21] behaupten: „qu’il est force de relacher quelque
„fois notre ésprit et notre corps encore à quel-
„que ſorte de recreation; et que c’eſt un vice ſans
„doute que d’être ſi rigoureux, agreste et ſauvage
„qu’on n’en veille prendre aucune ſur ſoi, ni en
„permettre aux [autres."] Sollten aber junge oder
alte Gelehrte und Jugendbildner ein Scandal da-
rin finden, mit der Jugend zu ſpielen; ſo verwei-
ſe ich ſie auf Heraclit, der am Dianen Tempel zu
Epheſus die Knabenſpiele als Mitſpieler ordnete;
auf Socrates wie er mit der Jugend ſpielt, auf
Scaevola, Julius Caeſar und Octavius die Stu-
dioſiſſime Ball ſpielten, auf Coſmus von Medicis,
der ſeinem kleinen Enkel auf öffentlichem Plaz-
ze die Pfeife verbeſſerte, auf Guſtav Adolph, der
mit ſeinen Officieren Blindekuh ſpielte u. ſ. w. Nur
durch eine unbegreifliche Folgefalſchheit iſt es
möglich das Billard, die Kugelbahn und die Kar-
ten in öffentlichen Häuſern für wohlanſtändig,
öffentliches Spielen mit Kindern für unanſtändig
zu halten.


2. Langeweile iſt eins der drückenſten Übel, ſie
macht, wie manche Krankheit, aus dem Patien-
ten ein unleidliches Geſchöpf. Die Jugend, die
in der Vergangenheit noch wenig Stoff zur Un-
terhaltung findet, in die Zukunft wenig oder gar
nicht hinſiehet, ſondern faſt immer nur für den
B 3
[22] gegenwärtigen Augenblick empfindet, denkt und
handelt, leidet auch öfter und gewöhnlicher an
dieſer Krankheit, als der gebildete Mann. Die
Vergangenheit und Zukunft nehmen ihn in ihre
Mitte und machen Geſellſchaft mit ihm, und wenn
jene ihn mit Leiden und Freuden und ihren Ur-
ſachen unterhalten hat: ſo giebt ihm dieſe Stoff
zu Berechnungen, Planen, Luftſchlöſſern und
Sorgen, bis die unverdrängliche Gegenwart das
Wort nimmt und befehlsweiſe von dem ſpricht,
was jetzt zu laſſen und zu thun ſey. So fehlen
der Jugend zwey Geſellſchafter, denen an Un-
terhaltung nichts gleich kommt. Wer ſoll ſie er-
ſetzen als ihre erwachſenen Freunde; von ihnen
erwirbt ſie Stoff zur Thätigkeit, bald durch ern-
ſte Beſchäfftigungen, bald durch Spiel.


3) Arbeiten, ernſte Beſchäfftigungen und
Umgang mit Erwachſenen ſind künſtliche Rollen
der Jugend, in welchen ſie auf dem groſsen
Schauplatze allmählich debitirt; Spiele ſind na-
türliche Rollen derſelben in ihrem jugendlichen
Paradieſe. Dort erſcheint ſie im verſtellenden
Bühnengewande, hier in klarer Nacktheit; da-
her iſts dort oft ſchwer, hier immer leicht ihren
wahren Charakter zu erkennen. Selbſt die Nei-
gung zur künftigen Lebensart ſcheint hier und
dort beym Spiele durch.


4) Gleichgültigkeit gegen alles Wiſſenſchaft-
[23] liche iſt dem Erzieher in ſeinem Zöglinge ein
Fehler, der alle ſeine Geduld auf die Probe
ſtellt. Er arbeitet an einem Bäumchen, das
weder Blüthe noch Frucht verſpricht; er ſieht
am Ende keine Folge von dem was er gethan
hat; ſeine Gehülfin, die natürliche Wiſsbegierde
der Jugend iſt abweſend. Er verliert bald alle
Hoffnung, weil er den Grund dieſer Gleichgül-
tigkeit im Temperamente des Kindes zu finden
glaubt. Er laſſe es ſpielen; iſt es hierbey theil-
nehmend, eifrig und thätig: ſo liegt die Schuld
der Gleichgültigkeit nicht im Kinde, ſondern
in einer Veranlaſſung von auſsen her. Aber
auch ſelbſt dann, wann es von der Natur Opium
erhielt, müſste ſich, dächt ich, durch Spiele,
beſonders durch Bewegungsſpiele viel ausrichten
laſſen.


5) Es giebt eine gewiſſe Empfindlichkeit, die es
macht, daſs wir leicht jede Kleinigkeit übel neh-
men und dieſs ſogleich durch unſer Betragen äu-
ſern. Wie ſchlecht man damit in Geſellſchaften
fortkomme iſt bekannt; wer faſst ein Gefäſs
gern an, das gleich zerberſten will, wenn man es
berührt. Es giebt Leute, die aus Unempfind-
lichkeit und gutem Humor Jedermann gern
zum Ball dienen, und in das Gelächter über ſich
mit einſtimmen. Geſchieht dieſs aus Mangel an
Delikateſſe oder vermöge einer gewiſſen Stumpf-
B 4
[24] heit, ſo iſt es zwar ein bedeutender Fehler, aber
ein gröſserer, wenigſtens weit unerträglicherer, iſt
jene Empfindlichkeit. Der Unempfindlichere be-
findet ſich überall wohl und ſeine Geſellſchaft ſieht
ihn immer gern, er heiſst ein Mann mit dem ſich
gut auskommen läſt, der nichts übel nimmt; die-
ſer der übertrieben Empfindliche leidet bey je-
dem kleinen Anlaſſe, die Züge des Miſsvergnü-
gens und der Beſtürzung drücken ſich ſchon auf
ſein Geſicht, wenn er wegen eines kleinen Ver-
ſehens, wegen einer kleinen Ungeſchicklichkeit
und dergleichen nur im mindeſten belächelt wird,
es iſt ihm unmöglich, dieſs zurückzuhalten und
eben dadurch wird er unangenehm. Dieſe Art
von Empfindlichkeit abzuſtumpfen, das Ausla-
chen im gehörigen Falle mit einer gewiſſen männ-
lichen Faſſung und Freymüthigkéit ertragen zu
lernen, ſind manche Spiele ſehr gut. Sie gewöh-
nen durch Spaſs zum Ernſte, lernt man das Nek-
ken und Belachen erſt in der ſcherzenden Spiel-
welt ertragen, ſo übernimmt man es auch mit mehr
Leichtigkeit in der ernſtlichen Welt. Hat jener
Fehler ſeinen Grund in einer zu groſsen Reizbar-
keit der Nerven, folglich im Körper, ſo können
Leibesübungen, folglich auch bewegende Spiele
im Freyen, durch ihren Einfluſs auf jenen ihn oft
ganz wegſchaffen, wenigſtens vermindern; ent-
ſtand er durch eine zu zarte und zu iſolirte Er-
[25] ziehung, wobey ſich jedes Kind leicht an ei-
ne gewiſſe beſtimmte Behandlung gewöhnt und
jede andere ſehr übel findet und aufnimmt; ſo
iſt das Spiel das vortrefflichſte und ſichtbar wirk-
ſamſte Mittel. Dieſer Fehler weicht nicht der ver-
nünftigen Vorſtellung und Überredung, ſondern
bloſs der Übung und Erfahrung; Knaben der Art
müſſen häufig aufgezogen, belacht, über ihre
Empfindlichkeit beſonders von ihres Gleichen ge-
tadelt und geneckt werden, nicht vorſetzlich, aber
wohl durch den natürlichen Anlaſs eines Spiels.


6. Um die Herzen der Kinder zu gewinnen,
ſpiele man mit ihnen; der immer ernſte, ermah-
nende Ton kann wohl Hochachtung und Ehr-
furcht erwecken, aber nicht ſo leicht das Herz
für natürliche, unbefangene Freundſchaft und Of-
fenherzigkeit aufſchlieſsen. Am offenſten iſt man
immer nur gegen ſeines Gleichen; die eigen-
thümliche Geſinnung der Aeltern und der höhern
Claſſe machen uns zurückhaltender, darum ge-
ſellt ſich Gleich ſo gern zu Gleichem. Durch
Spiele nähert ſich der Erzieher der Jugend, ſie
öffnet ihm ihr Herz um ſo mehr, je näher er
kommt, ſie handelt freyer, wenn ſie in ihm den
Geſpielen erblickt, und er findet Gelegenheit
zu Erinnerungen die beym Studiren nicht ver-
anlaſst werden würden. Überdem aber ſind Er-
innerungen um ſo fruchtbringender je gleicher
B 5
[26] an Alter und Stande der uns iſt, welcher ſie giebt.
Wir hören dann in ihm die Stimme unſerer eige-
nen ganzen Claſſe, darum beſſert die Ermahnung,
die ein Zögling dem andern im Stillen und im
Bunde der Freundſchaft und Gleichheit giebt, ge-
wöhnlich mehr, als die des Lehrers; im Munde
des letztern klingt ſie zu erwachſen zu alt, in
dem des andern juſt jung genug, um befolgt zu
werden.


7) Spiele bilden auf die mannichfaltigſte Art
den Gang des menſchlichen Lebens mit einer
Lebhaftigkeit im Kleinen nach, die ſich auf
keinem andern Wege, durch keine andere
Beſchäfftigung und Lage der Jugend errei-
chen läſst. Denn nirgends iſt die Jugend in ih-
ren Handlungen, in ihrem ganzen Betragen ſo
wenig von Seiten der Erwachſenen beſchränkt,
nirgends handelt ſie daher natürlicher, freyer und
dem Gange des menſchlichen Lebens gleichlau-
tender, als hier. Hier iſt eine kleine Beleidigung,
Übereilung, Unbilligkeit, Pralerey, Überliſtung,
die Fehlſchlagung einer Hoffnung, ein unange-
nehmer Charackter, ein langſamer Kopf, ein Pin-
ſel, ein Geck eine Überlegenheit an Geiſtes-
und Körperkräften zu ertragen; hier iſt Anlaſs
zum Schmerz und Kummer, ſo wie zur Freude
und Fröhlichkeit, hier iſt Gelegenheit zur Schäz-
zung der Gefälligkeit, Geſchicklichkeit, Güte
[27] u. ſ. w. im Nebenmenſchen. Der junge Menſch
wird abgerieben, wie ein Kieſel im Bach; immer
beſſer geſchieht es früher als ſpät, nur ſey der
Strom nicht ganz verdorben und modrig. El-
tern, die ihr eure Kinder eyländlich im kleinen
häuslichen Kreiſe erzieht und ſie von der übri-
gen Kinderwelt zurückhaltet, eure Meynung iſt
gut, aber euer Erziehungsplan gewiſs ſehr übel
berechnet; ihr ſeyd in Gefahr eigenſinnige, un-
duldſame, unerfahrne, und zu empfindliche
Nachkömmlinge zu haben.


8) Spiele verbreiten im jugendlichen Kreiſe
Heiterkeit und Freude, Luſt und Gelächter.
Wären alle Menſchen ſtets luſtig und vergnügt,
ſicher würde nicht ſo viel Böſes geſchehen. Mür-
riſche Laune iſt nicht die Stifterin des Guten
und Angenehmen; ja ſchon ein ſtets ernſthafter
Charakter iſt weniger moraliſch vollkommen, als
der aus Ernſt und Scherz lieblich gemiſchte, bey
gleicher Herzensreinigkeit. Die Anlage von
allen dreyen wird angeboren, aber die Ausbil-
dung liegt in Erziehung und in erziehenden Um-
ſtänden. Immer bleibt es doch rathſam die Ju-
gend in einem heitern, fröhlichen Tone zu er-
halten und ſelbſt Spiele zur Beförderung deſſel-
ben in die Erziehung aufzunehmen. Jemehr
die Jugend, jedoch von eigentlichen Leichtſinne
entfernt, ſcherzt und lacht, je mehr man ihr
[28] Platz läſst, ſich in ihrer natürlichen, liebenswür-
digen Offenheit zu zeigen, um ſo mehr entfernt
man ſie von ſtiller trauriger Verſchloſſenheit,
die nirgends angenehm iſt, weil ſie ſelbſt bey
der reinſten Sittlichkeit Miſstrauen einflöſst;
kurz um deſto beſſer gedeihet ſie an Leib und
Seele. Der heil. Bernhard, den ich oben an-
führte, ſoll eben ſo wenig Erzieher ſeyn, als der
heil. Baſilius, der das Lachen aller fidelen Chri-
ſten für unerlaubt hielt, und damit die Zahl
voll werde, die heil. Gorgonie nicht Erzieherin,
weil ſie alles Lachen verabſcheuete und ſelbſt
das Lächeln als eine Ausſchweifung betrachte-
te *). „Jemehr ſie zum Lachen reitzen,“ ſagt
Baſedow von den Spielen **), deſto zweckmäſsi-
ger ſind ſie. Ich wollte, daſs auch die Erwach-
ſenen, ſo wohl unter den geringern als vorneh-
mern Ständen mehr ſcherzten und lachten, als
geſchiehet. — Das Lachen iſt eine menſchliche
Handlung, die ſowohl Leib als Seele übt und
ſtärkt, und muſs alſo ihre Zeit haben, was auch
die Blödſinnigen und gallſüchtigen Andächtler
davon ſagen mögen.„ Er giebt ſogar einem
Verleger den Rath ein Werk von 4 bis ſechs
[29] Alphabeten unter dem Titel: die unſchuldigen
Lacher
zu übernehmen.


9) Spiele ſind nöthig zur Erhaltung der Ge-
ſundheit, zur Stärkung, Uebung, Abhärtung
des jugendlichen Körpers. Daſs hier weder von
Karten noch Würfeln und Haſardſpielen die Re-
de ſey, ſondern einzig von Bewegungsſpielen
im Freyen verſteht ſich von ſelbſt. Ich habe ſehr
vielfältig und lange Gelegenheit gehabt, den
Einfluſs dieſer Spiele, ſo wie der Leibesübungen
überhaupt, auf manchen verweichlichten, furcht-
ſamen, körperlich bequemen, unthätigen und
ungeſchickten zu beobachten und ihn immer
vortrefflich gefunden. Da ich hierüber ſchon
vieles in meinem Buche über die Leibesübun-
gen *)[geſagt] habe: ſo fällt hier alle weitere Aus-
einanderſetzung weg.


Dieſs ſey genug über den Nutzen der Spie-
le, ſie haben auch ihre Nachtheile, das iſt nicht
ganz zu leugnen. Plato meint, es ſey nichts
ſchädlicher als den Kindern vielerley Spiele zu
geben, weil ſie dadurch flatterhaft, zum Über-
druſſe und zur Begierde nach Neuerungen ge-
[30] wöhnt werden. Ich habe das Original nicht bey
der Hand *) die Rede ſcheint mir vielmehr von
Spielzeugen zu ſeyn. Dann iſt nichts wahrer **).
Es iſt indeſs nicht nöthig nach Griechenland zu
gehen; ich habe ſelbſt Gelegenheit genug ge-
habt den Einfluſs der Spiele auf eine Kinderge-
ſellſchaft zu beobachten, die übermäſsig groſs ge-
nug iſt, um ihn zu verrathen; denn eben durch
die Gröſse einer ſolchen beyeinander lebenden
Geſellſchaft wird der Einfluſs des Spieles ver-
ſtärkt. Ich habe bemerkt, daſs bey weiten nicht
alle, ſondern nur manche Kinder flatterhaft da-
durch werden, dann mehr ans Spiel als an die
Arbeit denken und in eine etwas zu muthwillige
Stimmung gerathen. Dieſs ſind jedoch gewöhn-
lich nur ſolche Knaben, deren Lebhaftigkeit oft
leicht bis an Wildheit hervorſpringt. Am auf-
fallendſten zeigt ſich dieſs im Frühlinge, zur Zeit
wann alle Geſchöpfe in eine gewiſſe freudige Re-
bellion verfallen, zur Zeit wann in Frankreich
[31] die Väter einer gewiſſen Congregation, die ſich
vorzüglich mit Unterricht beſchäfftigte bey ihren
Schulviſitationen den Rectoren zuriefen:
„Voila un tems orageux qui s’eleve; vos
„écoliers vont devenir intraitables: mettez-
„vous donc ſur vos gardes, armez vos bras
„et doublez les châtiments!“

Es iſt nicht bloſs wahrſcheinlich, daſs die Jahres-
zeit dann mehr thut als das Spiel; eigene Beob-
achtungen überzeugen hier am beſten.


Sollte denn die Jugend allein kalt bleiben,
wann die Natur an der Wiedergeburt aller Ge-
ſchöpfe arbeitet und aller Säfte in Wallung ge-
rathen? — Indeſs wenn wir auch nichts auf die
Jahreszeit, alles auf die Spiele ſchieben, ſo wird ein
verſtändiger Kinderfreund jene Flatterhaftigkeit
theils durch Vorſtellungen, theils durch Methode
zu mäſsigen willen; und überdem bleibt es auch ei-
ne ſehr wahre Bemerkung, daſs ſolche lebendige
Kinder häufig nur dann die gröſste Aufmerkſam-
keit zum Unterrichte mitbringen, wann ihr Kör-
per durch Bewegung bis zu einem gewiſſen Gra-
de ermüdet iſt.


Spiele benehmen der Jugend die Luſt zu arbei-
ten, ſie ſehnen ſich nach dem Spiele und ver-
nachläſsigen die Arbeit. Das iſt nicht zu leugnen.
Nur ein ſehr kleiner Menſchentheil arbeitet aus
[32] dem wahren Grundſatze der Vervollkommnung
und Stiftung des Guten um ſich her; könnten die
andern ihren Magen beyſeite legen, auf ihrer
Oberfläche, wie Schafe, die Kleidung reprodu-
ciren und in ſelbſtgewachſenen Häuſern wohnen:
ſie arbeiteten wahrhaftig nichts, ſondern amuſir-
ten ſich nur; denn wenn auch dem Menſchen Thä-
tigkeit angeboren wurde, ſo liebt er doch nicht
gleich die, welche mit trockner Anſtrengung
verbunden iſt, ſondern nur die, welche ihm Ver-
gnügen macht; jene gewinnt er nur erſt allen-
falls durch Gewohnheit und Geläufigkeit (Rutine)
lieb. Wenn Grundſatz und Nothwendigkeit die
einzigen Triebfedern ſind, die Hand und Kopf
der Menſchen in Action ſetzen, ſo gehören ſie
auch beyde in den Plan der Jugenderziehung,
weil wir für dieſe Welt erziehen. Es iſt daher
nicht genug, jenen Grundſatz der Vervoll-
kommnung einzuprägen, ſondern auch bare
Nothwendigkeit halte den Arbeitsplan für die Ju-
gend aufrecht, bleibe, ſo lange es ſeyn muſs, der
Sporn ihrer Thätigkeit bis Geläufigkeit und Liebe
zur Arbeit entſteht. Man hat von Spielen nichts
zu beſorgen bey Kindern und Jünglingen, die
von der Heiligkeit jenes Grundſatzes überzeugt
ſind, nichts bey ſolchen, deren Arbeitsplan nach
unabänderlichen Geſetzen feſtſteht, bey denen
es Geſetz iſt: erſt Arbeit, dann Spiel. Aus dem
[33] bisherigen ergiebt es ſich ganz deutlich, daſs der
Grund der Arbeitsſcheue nicht ſowohl in den
Spielen, ſondern in einem Fehler der Erziehung
liegt, der ſich auf einen [Berechnungsfehler] der na-
türlichen Thätigkeit gründet.


Man hat die ſehr üble Gewohnheit, Kinder
durchs Spiel zur Arbeit zu reizen: wenn du recht
fleiſsig biſt, ſollſt du auch ſpielen!


„Um der Spiele willen ſich anzuſtrengen,
ſagt dagegen ſo gut ein ehrwürdiger Alter: und
zu arbeiten, iſt thöricht und kindiſch; aber ſpie-
len, um zu arbeiten, iſt recht.“ *) Es iſt unpä-
dagogiſch und unverantwortlich, der Jugend den
Zweck der Arbeit auf ſolche Art zu verrücken.


Was den Muthwillen beym Spiele ſelbſt be-
trifft, ſo muſs die Gegenwart des Erziehers ſo viel
Gewicht haben, ihn gehörig nieder zu drücken.
Endlich aber bleibt es ja immer noch ein ſehr na-
türliches Mittel, jedem Kinde, das, durch Ver-
anlaſſung der Spiele, in jene Fehler verfällt, an-
zudeuten: du kannſt nicht mitſpielen, weil das
Spiel einen nachtheiligen Einfluſs auf dich hat;
ſuche des Spieles Herr zu ſeyn, dann nur ſollſt
du ſpielen u. ſ. w.


C
[34]

Es giebt mehrere Arten von Spielen, Sitzen-
de
*)Bewegende, Inſtructive, Geſellſchafftsſpiele, Kar-
ten- Würfel
- und Haſard-Spiele. Welche Spiele ſind die
beſten? welche ſoll man vorzüglich ſpielen
?


Ich bin weit davon entfernt, die eigentlich
ſitzenden, nämlich Würfel- und Haſardſpiele zu
befördern, daſs es vielmehr bey dieſem Buche
eine meiner Hauptabſichten iſt, den Geſchmack
an denſelben, aus den jugendlichen Zirkeln ver-
drängen zu helfen. Dieſe abſcheulichen Spiele,
die weder für Körper noch Geiſt etwas leiſten,
ſondern für beyde gleich ſchädlich ſind, ge-
hören entweder auf die unterſte Stufe der
Menſchheit, in die Hände des rohen Wilden,
der nicht denken kann; oder in die des
ſchwachen Verfeinerten; der nicht denken mag,
ſondern nur leidend ſich vom Zufall kitzeln läſst.
Beydes ſoll die gutgezogene Jugend nicht ſeyn,
ſie müſſe alſo beyderley Spiele gar nicht kennen
lernen. Auch die beſten Kartenſpiele gehören
nicht in den Bildungsplan der Jugend. Wenn
ich ſie auf der einem Seite dem Manne, deſſen
Kräfte den Tag über die Handarbeiten zerbra-
[35] chen, am Abend nicht ganz entreiſsen mögte, ob
ſich gleich weit beſſere Spiele an ihre Stelle ſetzen
lieſsen: ſo bleiben ſie doch auf der andern Seite
für alle die, welche nicht mit ihm im Falle des
Handarbeitens ſind, verwerflich. Der Lydiſche
König Atys war nach Herodot der Erfinder der
meiſten altgriechiſchen Spiele. Sein Land kam
in unabwendbare Hungersnoth; Noth weckt jede
Kraft, bey ihm die Erfindungskraft; ſo erhielten
die Spiele einen majeſtätiſchen Urſprung. Er
verkürzte durch ſie ſeinem Völkchen die Zeit,
welche es beym Hungern natürlicher Weiſe ſehr
langweilig finden muſste. Er theilte es in zwey
Theile; der erſte aſs heute, indeſs der andere
ſpielte, morgen wars umgekehrt. Jederman
wird mit dieſem Zuge eines königlichen Kopfs
zufrieden ſeyn; wer wird aber nicht lachen, wenn
er zugleich vernimt, daſs Atys auch Bewegungs-
ſpiele z. E. das Ballſpiel vornehmen lieſs, das wohl
bequem iſt, den Hunger zu erregen, aber nicht
zu ſtillen. Im Grunde iſt doch dieſe Albernheit
noch nicht ſo groſs, als eine ähnliche, wo nicht
noch gröſsere, die von den kultivirteſten Claſſen
der Europäer begangen wird, welche doch wohl
einſichtsvoller ſeyn ſollten, als weyland König
Atys zwey und ein halb Jahrhundert vor dem
Trojaniſchen Kriege? Was würde denn wohl die-
ſer ſagen, wenn er von ihnen hörte, daſs ſie
C 2
[36] ſich, nach ſitzenden Kopfarbeiten an ſitzenden,
den Kopf eben ſo ſehr angreifenden, und die fa-
talſten Leidenſchaften erregenden Spielen erho-
len wollen, daſs ſie in ihren Geſellſchaften, vor
und nach dem Eſſen an den Spieltiſchen ſtunden-
lang halb ſtumm wie angenagelt zubringen. Weh
dir o Jugend, wenn du dich nach dieſer lächerli-
chen Sitte richteſt, es wäre faſt beſſer, du ſpiel-
teſt unter König Atys lieber bis zum Hungersto-
de, als hier bis zur Verderbung deines noch ge-
ſunden Geiſtes und Körpers. Im Charakter ei-
ner Nation müſste es für jeden Verſtändigen ein
ſehr ſchätzenswerther Zug ſeyn, wenn ſie jene
Spiele, wo nicht durchaus verſchmähete, doch
weit minder begünſtigte, als geſunde Uebungs-
und andere unſchuldige Spiele. Wie ſchlecht
kleidet es Herkules, wenn er das Symbol ſei-
ner Stärke die Keule verwirft, das Spiel ſeiner
rüſtigen Muſkeln hemmt und weibiſch am Spinn-
rocken tändelt. Ihm gleichen die ſogenannten
edlern Volksklaſſen, die urſprünglich ſtark und
tapfer im Schoſse der Weichlichkeit ihre Kräfte,
ſo wie ihre Waffen verroſten lieſsen. Sitzende,
beſonders Karten- und Haſardſpiele haben hier-
auf ſeit langer Zeit einen unglaublichen Einfluſs
gehabt. Ich entlaſſe ſie hier auf immer, indem
ich ihnen zum Abſchiede den Vers in den Mund
lege
[37]„Initio furiis ego ſum tribus addita quarta.“


Jetzt bleiben uns, in Rückſicht der obigen Fra-
ge, noch eine ganze Menge verſchiedenartiger
Spiele übrig. Manche von ihnen ſind vorzüglich
auf Übung des Körpers, andere auf Übung des
Geiſtes, entweder ganz allein bey völliger Ruhe
des Körpers abgezweckt, oder ſie laſſen bald
mehr bald weniger Bewegung des Körpers zu.
Die Entſcheidung jener Fragen wird ſich am beſten
aus dem Zwecke des Spielens überhaupt erge-
ben. Warum ſpielt man? Der Zweck iſt immer


  • a) Unterhaltung gegen Langeweile oder
  • b) Gewinn oder
  • c) Erholung von Arbeit.

a) Wer Langeweile empfindet, ſucht ſich
zu unterhalten. Hat er bloſs dieſen einzigen
Zweck, ſo ſind alle Arten der Spiele gleich gut,
für die ſein Geſchmack, im Vertrage mit Zeit und
Ort, entſcheidet. Hier iſt mithin gar kein Maſs-
ſtab zur allgemeinen Entſcheidung. Uberdem
aber gehöret Langeweile nicht in das Leben des
thätigen Menſchen und eben ſo wenig in die Er-
ziehung.


b) Vom Gewinn iſt hier eben ſo wenig die
Rede als von Eroberung der Haſelnüſſe und Man-
deln; aber der Gewinn an Geiſtesvervollkomm-
nung an Bildung und Stärkung des Körpers
kommt hier ſchon mehr in Betrachtung; denn das
C 3
[38] Leben iſt kurz und die Reihe der Glieder in der
Kette der Ausbildung lang. Allein zur Entſchei-
dung der obigen Frage kann dieſs wenig bey-
tragen, denn alle an ſich guten Spiele, ſowohl
die ſitzenden als bewegenden, gewähren dieſen
Vortheil und für die Anwendung der verſchiede-
nen Spielarten wird dadurch nichts entſchieden.


c) Erholung iſt der rechtmäſsigſte Zweck bey
allem Spiel. Nach ihm wird die Entſcheidung
der obigen Frage äuſserſt leicht. Erholung iſt
Bedürfniſs, ſo wie Schlaf. Sie gründet ſich immer
auf Abwechſelung der Beſchäfftigungen. Dieſe ſind
hauptſächlich von zweyerley Art geiſtig und kör-
perlich. Wäre der menſchlichen Natur, beſonders
der Jugend ſtete ernſte Beſchäfftigung erträglich:
ſo würde in der Abwechslung geiſtiger und kör-
perlicher Arbeiten ſchon die vollkommenſte Er-
holung liegen. Allein ſie will auch Abwechſe-
lung zwiſchen Ernſt und Scherz, weil hierdurch
die Erholung zu einem weit höhern Grade geſtei-
gert wird. Aus dieſem natürlichen Geſetze der
Abwechſelung flieſst die Beantwortung der obi-
gen Fragen; alle Spielarten ſowohl die ſitzenden
als bewegenden ſind an ſich gleich gut, ſo wie ſich
dieſs auch ſchon aus a und b ergab. Ihre An-
wendung beruht auf den [vorhergegangenen] ern-
ſten Beſchäfftigungen; waren dieſe geiſtig, ſo ſey das
Spiel körperlich und ſo umgekehrt
. Dieſer Grundſatz
[39] iſt ſo einleuchtend, daſs ſich ſchwerlich etwas
gründliches dagegen einwenden läſst. Sitzende
Spiele gehören folglich hauptſächlich nur denen
zu, die wenig mit dem Geiſte, alles mit dem Kör-
per unter viel Bewegung arbeiten; bewegende
dem ruhigen, ſitzenden Handarbeiter, ſo wie dem
Freunde der Wiſſenſchaften und Künſte. Aber
Dank ſey es unſerer widernatürlichen Lebensart
unſre Gelehrten, Künſtler, unſre Vornehmen,
kurz die, welche in China lange Nägel tragen
würden, ſpielen wie Krieger, Fechter und Pflü-
ger; vom Schreibtiſche gehts zum Schach, aus
dem Kabinette oder vom langen Gaſtmale zur
Karte.


Die geiſtige Ausbildung bleibt bey der Er-
ziehung das Hauptwerk, weil der Geiſt eigent-
lich den Menſchen macht. Man habe Nachſicht
mit dieſem ſehr bekannten aber hier ſehr brauch-
baren Gedanken. Muſs man die Wahrheit deſ-
ſelben anerkennen, ſo ſollte geiſtige Ausbildung,
nach Maaſsgabe des zu bildenden Gegenſtandes,
immer mit Ernſt getrieben, nie zum Spiele ge-
macht werden, um dadurch Erholung für Arbei-
ten des Geiſtes zu verſchaffen; einmal, weil die-
ſe Erholung nicht ächt iſt, zweytens weil man
dadurch aus der natürlichen Ordnung heraus tritt
und dem Körper in ſeine Rechte fällt; je we-
niger dieſer aber noch ausgebildet iſt, um deſto
C 4
[40] mehr ſollte man auf ſeine Rechte halten. Be-
wegende Spiele ſind folglich für die Jugend zur
Erholung ihres noch ſchwachen Geiſtes die
zweckmäſsigſten und vorzüglichſten. Allein die-
ſer an ſich wahre Satz leidet doch ſehr häufige
Ausnahmen, die durch Zeit, Ort und Umſtän-
de veranlaſst werden. Die Jugend ſitzt nicht im-
mer, ſie hat oft den Tag über hinlängliche Be-
wegung gehabt, Zeit und Ort verbieten Bewe-
gungsſpiele, dann ſind alle andere Arten zweck-
mäſsig.


Man findet in dieſem Buche eine groſse Men-
ge Spiele; eine noch gröſsere habe ich verwor-
fen. Ich bin meinen Leſern Rechenſchaft ſchul-
dig, dieſe will ich jetzt geben, indem ich meine
Gedanken über die nöthigen Eigenſchaften der
Spiele überhaupt darlege.


Wir überlaſſen den frivolen Geſellſchaften
der Erwachſenen alle Spiele, die mit Zweydeu-
tigkeiten, Anſpielungen auf Liebe, Küſſen u. ſ. w.
gewürzt ſind. Die Jugend ſpiele nur unſchuldig,
nichts ſchmückt ſie ſo ſehr, als Unſchuld.


Kein Spiel für ſie ſey unehrbar, führe etwas Un-
ſittliches
mit ſich; doch ſetze ich hinzu, daſs in mei-
ner Moral für Kinder Lachen, Lermen, lautes
Rufen, Laufen und Springen am rechten Orte
und zur rechten Zeit, nicht zu den Unſittlichkei-
ten gehören.


[41]

Kein Spiel enthalte etwas gegen das Gefühl
des Edlen und Schönen, wenn es auch nicht zur
Verſtärkung dieſes Gefühls beyträgt. Ich hoffe,
man ſoll hier kein Spiel der Art finden. Hinein
tragen kann man freylich jede Unſittlichkeit, das
wird nicht meine Schuld ſeyn, ſondern die des
Tones der Geſellſchaft. Knaben ſpielen oft Dieb,
ſie verurtheilen und hängen, das iſt häſslich und
thraciſch roh wie die Anchonä.


Ein Spiel kann kindiſch ſeyn, das iſt kein Feh-
ler, wenn es für Kinder iſt; aber ein Spiel kann
nach dem feinen Tone ehrbar, oder angemeſſener
geſprochen, reizend und ſchön ſeyn, und iſt für
Kinder noch unehrbarer als für Erwachſene.
Dieſs ſey meine kurze Schutzrede für kleine Tän-
deleyen, die man hier und dort finden wird.


Gefährliche Spiele taugen nichts, denn mit Ge-
ſundheit und Leben iſt kein Scherzen. Ich habe
daher manches Spiel, das durch ſeine Neuheit
gefallen haben würde, unterdrückt. Doch gebe
ich noch zu bedenken, daſs gefährlich ein ſehr be-
ziehender (relativer) Begriff ſey; man iſt ſelbſt
im Sofa nicht ſicher.


Kein Spiel ſey endlich leer von allem Gehal-
te, von allem Nutzen; Niemand handelt gern
ohne Abſicht. Spiele müſſen daher Uebungen
ſeyn, die für die Jugend (für die Alten auch) auf
irgend eine Art vortheilhaft ſind. Sie müſſen den
C 5
[42] Körper bald mehr bald minder bewegen und ſeine
Geſundheit befördern, es geſchehe nun durch Lau-
fen, Springen u. ſ. w. oder durch fröhliches La-
chen und ſanftere Bewegung. Sie müſſen Schnellig-
keit, Kraft und Biegſamkeit in die Glieder brin-
gen, den Körper bald zufällig, bald abſichtlich
gegen Schmerz abhärten und bald dieſen, bald je-
nen Sinn in lebhafte Thätigkeit ſetzen. Sie müſ-
ſen für die Jugend unterhaltend ſeyn, bald ihre
Erwartung, bald ihre Ehrliebe, bald ihre Thä-
tigkeit ſpannen, bald ihre zu groſse Empfind-
lichkeit abſtumpfen, ihre Geduld prüfen, ihre
Beſonnenheit und ihren jugendlichen Muth ge-
wiſſermaſsen auf die Probe ſtellen. Sie ſeyen
endlich Übungen für Beobachtungsgeiſt, Ge-
dächtniſs, Aufmerkſamkeit, Phantaſie, Verſtand
u. ſ. w.


Wir haben kein Spiel, daſs dieſen vielſagen-
den Forderungen allein und vollkommen Gnü-
ge leiſtet, aber doch viele, die ſich dieſem Bilde
ſehr nähern, wenigſtens bald dieſer bald jener
Forderung entſprechen.


Der menſchliche Geiſt iſt in Spielen ſehr ſinn-
reich, denn ſagt Leibnitz: il ſ’y trouve à ſon aiſe.
Das iſt eine groſse Lobrede auf die Spiele in wenig
Worten. Die Zahl der Spiele iſt wirklich Legion.
[43] Jener groſse Mann bringt [ſie] unter drey Claſ-
ſen, er theilt ſie a) in ſolche, die bloſs auf
Zahlen beruhen, b) bey denen es noch auf
eine beſtimmte Lage der Dinge ankommt,
(„où entre encore la ſituation“) und c) in be-
wegende *). Mir gefällt dieſe Abtheilung nicht,
theils weil ſie nicht alle Spiele umfaſst, theils,
weil ſie bloſs nach dem Materiale des Spiels
gemacht iſt, welches bey den Spielen bey wei-
ten nicht die Hauptſache iſt. Nach der ge-
wöhnlichen Claſſification zerlegt man die Spie-
le in ſitzende **) und bewegende, das iſt gut, wenn
man aber ferner von Geſellſchafts, belehrenden
und Haſardſpielen redet, ſo iſt hier nichts als Ver-
wirrung der Begriffe.


Die einzige richtige Abtheilung der Spiele,
muſs, ſo ſcheint es mir, von ihrem Hauptprin-
cipe, nämlich von der Thätigkeit hergenommen
werden, indem man ſie nach den verſchiedenar-
tigen Aeuſerungen derſelben ordnet. Im Körper
iſt nicht der Quell der Thätigkeit, daher giebt es
gar keine reine Körperſpiele, man müſste denn
paſſive Bewegungen des [Körpers] dafür anneh-
men; ſondern allein im Geiſte. Eben daher ſind
[44] alle bewegenden Spiele mit Uebungen der Geiſtes-
kräfte verbunden. Allein der Trieb zur Thätigkeit
äuſert ſich oft mehr durch den Körper, daher
körperliche oder Bewegungsſpiele; [oft]mehr und oft
ganz allein durch geiſtige Kräfte, daher Spiele des
Geiſtes, die man ſitzende, beſſer Ruheſpiele nennt,
[weil] der Körper dabey weniger, gleichſam nur
beyläufig oder auch gar nicht in Bewegung ge-
ſetzt wird. So entſtehen zwey Klaſſen der Spie-
le. Eine [ſcharfabſchneidende] Theilungslinie,
die durch die Natur der Sache ſelbſt ſich zöge,
ſcheint beym erſten Anblicke zwiſchen beyden
Klaſſen nicht Statt zu finden, ſie iſt aber allerdings
da zwiſchen dem gröſsten Theile der Spiele.
Nur bey manchen hält es ſchwerer, ihre Claſſifi-
cation zu entſcheiden. Bey dieſen, ſo wie über-
all, unterſuche man den Werth der Uebung, die ſie
auf der einen Seite für den Körper, auf der an-
dern für den Geiſt gewähren. Iſt jene bedeuten-
der als dieſe, ſo gehören ſie unter die Bewe-
gungsſpiele und ſo umgekehrt. So iſt z. E. das
Spiel, der König iſt nicht zu Hauſe mit körperli-
cher Bewegung verbunden, allein die Uebung
der Aufmerkſamkeit iſt doch überwiegender und
bedeutender als die wenige Bewegung im Zim-
mer, ich rechne es daher zu den Ruheſpielen;
ſo bald aber daſſelbe Spiel, unter dem Namen
der Bildhauer iſt fort, im Freyen getrieben, mit
[45] mancherley Körperſtellungen, auch mit Laufen
und Springen verbunden wird: ſo hat die Kör-
perbewegung hier mehr Werth als die Uebung
der Aufmerkſamkeit, folglich gehört es dann un-
ter die Bewegungsſpiele.


Die Thätigkeit des Geiſtes, die ohne Ausnah-
me bey allen Spielen ſtatt findet, wirkt durch die
verſchiedenen Erkenntniſskräfte, bald durch die
Phantaſie, bald durch das Gedächtniſs, bald durch
den Witz u. ſ. w. Wenn auch dieſe Kräfte in ih-
ren Aeuſerungen nie völlig getrennt erſcheinen,
ſondern, wie die Theile einer Maſchine, immer
in einer gewiſſen Verbindung wirken: ſo zeigt
ſich doch bald dieſe bald jene allein, oder mit ei-
ner andern gemeinſchaftlich vorzüglich wirk-
ſam. Hierdurch entſtehen die verſchiedenen Ord-
nungen
der Spiele, nämlich:


  • 1 Spiele des Beobachtungsgeiſtes und des
    ſinnlichen Beurtheilungsvermögens
  • 2 — der Aufmerkſamkeit.
  • 3 — des Gedächtniſſes.
  • 4 — der Phantaſie und des Witzes.
  • 5 — des Verſtandes und der höhern Beur-
    theilungskraft.
  • 6 — des Geſchmacks.

Endlich iſt bey einem Syſteme der Spiele
wegen der Methode im Vortrage noch Rück-
ſicht zu nehmen auf das Materiale dieſes be-
[46] ſteht in Kugeln, Bällen, Scheiben, u. ſ. w. oft
ſelbſt in den ſpielenden Perſonen. Hierdurch
entſtehen die verſchiedenen Arten der Spiele,
als Ballſpiele, Kugelſpiele, Scheibenſpiele und Geſell-
ſchafftsſpiele
, zu welchen letztern alle diejenigen
gehören, bey denen die Perſonen ſelbſt das Ma-
teriale ausmachen.


[[47]]

Erſte Claſſe
Bewegungsſpiele
.


[[48]] (SENECA.)

Indulgendum est animo, dandum ſubinde etium, quod alimen-
ti et virium loco ſit; et in ambulationibus apertis vagandum, ut
coelo libero et multo ſpiritu augeat attollatque ſe animus

de tranquill. animi.


das iſt


Dem Geiſte gebühret Nachſicht und öſtere Muſse zur Nahrung und
Stärkung; ſtreif’ im Freyen umher, daſs er unter offenem Himmel durch
freyes Athmen ſich ſtärk’ und erhebe.


[[49]]

A. Spiele des Beobachtungsgeiſtes und des
ſinnlichen Beurtheilungsvermögens.


Zu dieſer Ordnung gehören die meiſten Arten
der Bewegungsſpiele. Der Beobachtungsgeiſt be-
ſchäfftiget ſich mit den Eindrücken, welche die
Sinne ihm zuführen; er iſt die Kraft der Seele,
ſie genau zu betrachten, ihr Mannigfaltiges, ih-
re Aehnlichheit, ihre Verſchiedenheit auch bis
ins Unmerkliche zu verfolgen, zu vergleichen.
Bewegungsſpiele ſind ganz dazu geeignet, ihn
ſtets zu beſchäfftigen, weil ſie auf ſinnliche Ein-
drücke berechnet ſind, nach deren richtiger Vor-
ſtellung und Beurtheilung ſich der Spieler in ſei-
ner Action richten muſs; daher die Abſtraction
von allen Eindrücken, die nicht zur Sache gehö-
ren und die geſpannte Aufmerkſamkeit auf die
entgegengeſetzten. Das Beurtheilungsvermö-
gen äuſert ſich gröſstentheils nur im Betreff der
ſinnlichen Eindrücke, es vergleicht und miſst
unaufhörlich Richtungen, Entfernungen, Töne,
Gefühle, Schwere des Spielmaterials und Ver-
D
[50] hältniſſe der Spieler ſelbſt. So muſs das Aufſtei-
gen eines Balles genau beobachtet, der Bogen
deſſelben gemeſſen werden, wenn man ihn fan-
gen will; ſo muſs die Richtung der Billardku-
geln zu dieſem oder jenem Loche genau bemerkt,
die Kraft des Stoſses nach den Entfernungen be-
urtheilt, d. i. abgemeſſen werden u. ſ. w. Be-
wegende Spiele ſind daher kein bloſses Durch-
ſchütteln des Körpers, ſondern ſtets in einem ho-
hen Grade verbunden, mit Uebungen der un-
tern Erkenntniſskräfte. Man redet und denkt
daher von ihnen viel zu eingeſchränkt, wenn
man ſie bloſs körperliche Spiele nennt und keinen
andern Nutzen von ihnen anerkennt, als Bewe-
gung des Körpers. Ich rechne zu dieſer Ord-
nung die folgenden Gattungen und Arten.


a) Ballſpiele.


Bey Griechen und Römern war das Ballſpiel
eines der beliebteſten Spiele. Lacedaemon, Si-
cyon und Lydien ſtritten ſich um ſeine Erfindung.
Die Griechen hatten in ihren Gymnaſien einen
beſondern Platz (Σϕαιρηςηριον) zum Ballſpiel und
beſondere Ballmeiſter dafür. Ja der Carier Ari-
ſtonicus, Ballſpieler des weyland groſsen Alexan-
ders, erhielt von den Athenern nicht nur das
Bürgerrecht, ſondern ſogar eine Statüe. Bey
den Römern ſpielten es die angeſehenſten Per-
ſonen. Jedermann hat wenigſtens von den gro-
[51] ſsen nun leider verſchloſſenen Ballhäuſern der
neuern Europäer gehört, und in Italien ſieht man
noch Leute vom Stande auf öffentlichen Plätzen
Ballon ſchlagen. So iſt das Ballſpiel von jeher
geſchätzt, bis ihm die Kartenkönige den Krieg
ankündigten. Die Alten ſchätzten es auch be-
ſonders in diätetiſcher Hinſicht. Die Sinnbilder
an der Bildſäule des Arztes Herophilus beſtanden
in gymnaſtiſchen Inſtrumenten und darunter war
auch der Ball; Galens Buch vom kleinen Balle
enthält eine ſehr warme Lobrede auf dieſes Spiel,
die auch noch auf unſere jugendlichen Ballſpiele
paſst. Mercurialis zählt vier griechiſche und eben
ſo viel römiſche Hauptarten des Ballſpiels (μεγα-
λην, μικραν, κενην σϕαιραν und den etwas gewaltſam
herbey gezogenen κωρυκον) den groſsen und kleinen
mit mehrern Unterarten, den leeren mit Luft ge-
füllten und den Korykus; ferner bey den Rö-
mern war der follis unſer Ballon, der trigonalis ein
kleiner Ball zum Zuwerfen und Fangen, der pa-
ganica von Leder mit Federn geſtopft und der
Harpaſtum. Anſchauliche Begriffe von ihren
Spielarten fehlen uns, aber ohne Zweifel iſt in
unſern jetzigen Ballſpielen noch viel Klaſſiſches,
ohne daſs wir es wiſſen, ſo wie der Korykus, ein
Gefecht mit einem von der Decke herabhängen-
den Sacke, der mit Feigenkernen, Mehl oder
Sande gefüllt war, noch jetzt in China üblich iſt.


D 2
[52]
1. Das Ballonſpiel.
(Jl Giuoco del Ballon groſſo.)

In Italien iſt das Ballonſpiel zum Nationalſpiel
geworden, und wahrſcheinlich mögte man es
wohl nirgends in der Vollkommenheit ſpielen,
als dort, wo es in den drey ſchönen Jahrszeiten
das Lieblingsſpiel in allen Städten iſt. Hier for-
dern ſich die vornehmſten Spieler verſchiedener
Städte oft auf 50 Stunden weit heraus, für einen
beſtimmten Preis, oder bloſs aus Ruhmbegierde
mit einander zu ſpielen. Die Bürger nehmen
den lebhafteſten Antheil, unzähliges Volk ver-
ſammelt ſich hinter den Mauern der Stadt, wo
man gewöhnlich ſpielt, und ſitzt auf Gerüſten
ſtufenweiſe umher, um dieſe nationelle Feyer-
lichkeit mit anzuſehn. Man ſchreyet ſeinen Spie-
lern Muth zu: bravi, braviſſimi e viva, man klatſcht
Beyfall, man wettet dabey. Hier ſieht man Edel-
leute und Perſonen von Charakter öffentlich mit
jedem Handwerksmann ſpielen, der geſchickt
darin iſt und der fertige Spieler kann ſich dadurch
durch halb Italien berühmt machen. Ich werde
daher bey der Beſchreibung dieſes Spiels das ganz
benutzen, was Bareti und Jagemann davon er-
zählen.


[53]

Was ein Ballon ſey, weiſs bey uns Jedermann,
ich will alſo nur erinnern, daſs man eine recht
runde Blaſe wählen müſſe, damit der lederne
Ueberzug nicht länglicht auseinander getrieben
werde. Das Schlagen dieſes Balls geſchieht bey
uns mit der Fauſt, die bloſs mit einem ledernen
Handſchuhe bekleidet wird; da aber die Fauſt
ein ganz irregulärer Körper iſt: ſo können die
Schläge nicht die regelmäſsige Richtung erhal-
ten, die das Spiel erfordert; ferner kann die
Hand leicht Schaden nehmen, und es iſt nichts
ungewöhnliches, daſs man ſich einen Finger auf
einige Zeit lähmt. In beyden liegt vielleicht die
Urſache, daſs die Italiener den Arm mit einer
hölzernen Schiene bewaffnen, welche ſie Braccia-
le nennen. Dieſes Inſtrument hat einige Aehn-
lichkeit mit einem Muffe. Der Spieler ſteckt die
Hand faſt bis an den Ellenbogen hinein und hält
es an einem Pflocke feſt, der inwendig im Braccia-
le in die Quere befeſtigt iſt. Aeuſserlich iſt das In-
ſtrument über und über wie ein Igel mit kurzen
ſpitzigen Hölzern verſehen, die viereckigt ge-
ſchnitten ſind.


Man ſpielt am liebſten an einer hohen Mauer
oder langen Reihe von Gebäuden. Zum voll-
kommenen Spiele müſſen wenigſtens 6 Spieler
ſeyn, 3 auf jeder Parthey; gemeiniglich aber ist
D 3
[54] die Zahl der Spieler 12, ſo daſs jede Parthey aus
6 beſteht.


Anfangs iſt der Mittelpunkt der Spielbahn die
Gränzſcheidung der beyden Partheyen, in der
Folge aber jede Linie, welche dieſen Punkt durch-
ſchneidet; denn ſo wie ſich die beyden Par-
theyen in den Umkreiſen des Platzes herumtrei-
ben, ſo muſs ſich jene Gränzlinie mit herum-
drehen.


Beym Anfange des Spieles wird der Ballon
den Spielern von einer dazu beſtimmten Perſon
vorgeworfen und von dieſem Augenblicke
kömmt es darauf an, ihn aus ſeinem Felde in das
der Gegenparthey zu ſchlagen. Dieſs wird ſo
lange fortgeſetzt, bis er zur Erde fällt und liegen
bleibt, dann verliert die Parthey, auf deren Fel-
de er liegt, weniger oder mehr Punkte (points),
je nachdem er mehr oder minder weit in daſſel-
be hineingetrieben iſt. Dieſs kann jede Geſell-
ſchaft bey uns leicht ausmachen; ſie kann ent-
weder überhaupt nur für das Liegenbleiben im
Felde der Gegner Points zählen, ohne auf die
Weite zu ſehn, in welcher er von der Gränzli-
nie liegt, oder wirklich die Entfernung meſſen
und für jede 10 Schuh einen Point mehr rech-
nen. Streift der Ballon eine Perſon, ſo wird
ſie um einen Punkt geſtraft. Man ſpielt gewöhn-
lich bis zu 60 Punkten.


[55]

Dieſes Spiel hat faſt alles, was zu einer guten
körperlichen Uebung gehört. Es gewährt viel
Vergnügen, giebt dem Körper viel Bewegung
im Freyen und befördert ſeine Geſundheit und
Schnelligkeit; es übt und ſtärkt den Arm, ſo wie
das Augenmaaſs, zumal wenn man ſich auf wirkli-
che Meſſungen der Weiten einläſst, auf welcher
der Ballon im Felde der Gegner liegt. Nichts iſt
hier natürlicher, als vor der Meſſung erſt zu
ſchätzen. Dadurch bekommt die Jugend aber bald
das Maaſs von 10 Schuhen als fixirtes Maaſs in
den Kopf, und das iſt allerdings ſehr nützlich.
Auf die obige Art verdient das Spiel alle Em-
pfehlung unter der Jugend; nur muſs ſie es nicht
auf die bey uns gewöhnliche Art ſpielen, wo man
ſich ohne Partheyen in einem Kreis ſtellt, den
Ballon ſchlägt, ohne weiter einen Zweck zu ha-
ben, als ihn in der Luft zu erhalten, und wo
jeder ſucht, ihn zum ſchlagen recht oft für ſich zu
bekommen und zu behalten.


Das in England gewöhnliche Foodball iſt auch
ein Ballonſpiel, wobey der Ball bloſs mit den
Füſsen geſchlagen wird, ſo wie beym Giuoco del
Calcio der Italiener, die es aber nur bey groſsen
Freudenfeſten ſpielen.


Schon bey den alten Griechen findet man das
Ballonſpiel unter der Benennung Επισκυρος und Επι-
D 4
[56] κοινος *) und bey den Römern war es ebenfalls
ſehr gewöhnlich. Von ihnen verbreitete es ſich,
als ein klaſſiſches Spiel, über den gröſten Theil
von Europa und iſt noch überall bekant. — Bey den
Alten theilte ſich die Geſellſchaft in 2 Partheyen
und dieſe ſtellten ſich gleichweit von einer Linie
(σκυρος) die mitten durchgezogen wurde. Im
Rücken der Partheyen wurde wieder eine Linie
gezogen und beym Spielen kam es dann darauf
an, den Ball in das Gebiet der Gegner zu ſchla-
gen, vermittelſt der Hände und Füſse. Hier-
bey kam es zu heftigen Stöſsen und Schlägen,
ſo wie beym engliſchen Food-ball, wo jeder den
ſchlägt, welcher den Ballon mit den Händen
aufhebt. Daher der Nahme Sphäromachie. **)


[57]
2. Das deutſche Ballſpiel.

Dieſes noch nirgends bearbeitete Spiel ver-
dient ganz vorzüglich eine genaue Beſchrei-
bung. Unterhaltend zu ſeyn, iſt hier mein
Zweck nicht; man ſuche dieſe trocknen Sa-
chen zu verſtehen, die Unterhaltung liegt in
der Praxis.


Spielplatz. (Zeichnung 1.) Man bezeichne
auf ebenem Raſen den Anfangs und Endpunkt
X und Y der Spielbahn, etwa 30 bis 40 Schritte
von einander, ſo iſt die Vorbereitung fertig;
will man aber genauer ſeyn, ſo werden die bey-
den Linien A B und C D etwa 30 Schritt lang
mit einem Stabe in den Boden geriſſen und ihre
Enden ſo wie auch die Stellen 4 und 5 mit Stä-
ben bezeichnet. Hierdurch wird auch zugleich
die Breite der Spielbahn beſtimmet.


Die Linie A B heiſt das Schlag- C D aber das
Fangemal.


Ball. Man macht ihn von ſehr haltbarem wol-
lenen Garne, ohne alle Zuthat, ſo feſt und rund
als möglich gewickelt, und mit durchnäſſten
**)
[58] weiſsem oder Däniſchen Handſchuhleder, ſo ſtraff
als möglich überzogen. Dieſer Ueberzug wird
nicht aus mehreren Stücken zuſammengeſetzt,
ſondern man nimmt dazu nur ein einziges, das
beym Nähen nach und nach durch die Schere
in 2 runde Klappen geſchnitten wird, die durch
eine Nath vereinigt werden, welche nicht ganz
um den Ball geht. Ein guter Ball von 2 Zoll Leipz.
im Durchmeſſer ſpringt, ſtark niedergewor-
fen 25 Fuſs hoch und iſt neu faſt wie Gummi
elaſticum. Auch erhält man ſehr elaſtiſche Bäl-
le, wenn man das locker gewickelte Garn ſo lan-
ge in Waſſer legt bis es untergeht, dann den Ball
davon [äuſserſt] feſt wickelt, ihm flüchtig einen
Ueberzug von Papier giebt, welches man mit
Bindfaden darum bindet und dann dieſen Knaul
im Backofen ſo lange bäckt, bis das Papier dun-
kelgelb geſengt iſt. Hierauf wird nach abgemach-
ten Papier dem Knaul der obige Ueberzug gege-
ben. Die Bälle für die Ballhäuſer werden von
kleinen Stückchen wollenen Zeug gewickelt, mit
weichem Bindfaden regelmäſsig umwunden und
mit weiſsem Tuche überzogen. Die erſte Art
halte ich für die beſte zu dieſem Spiele.


Ballſtock (Racquette). Man hat Unrecht ein
breites Holz dazu zu nehmen; denn es wider-
ſetzt ſich der Luft und man kann daher nie ſo
ſtarke Schläge thun, als mit einem völlig run-
[59] den, nach dem Griffende zu etwas verjüngten
Stocke, der von einem jungen Fichtenſtämm-
chen gemacht iſt. Nur mit ſolchen iſt man im
Stande den Ball 80 bis 100′ hoch und bis an
100 Schritt weit zu ſchlagen. Das Griffende
wird, um das Ausfliegen zu vermeiden, da, wo
die Hand es umſpannt, etwas ausgeſchnitten,
ſo daſs am Ende ein kleiner Knopf ſtehen bleibt.
Dieſe dünne geſchnittene Stelle umwickele man
entweder mit Bindfaden und überſtreiche ihn
ein Paarmal mit Leim, der nach dem Trocknen
die nur wenig gefeuchteten Hände ſtark anhält,
oder man verſehe den Stab mit einem Riemen,
durch welchen die Hand beym Anfaſſen greift.


Spiel. Auf unſerm Platze verſammelt ſich
eine Geſellſchaft von 8, 10, 12 und mehrern
Perſonen. klein und groſs durch einander. Frey-
lich wird das Spiel weit angenehmer, wenn alle
Fertigkeit darin haben. Die zwey geſchickte-
ſten Spieler werden zu Anführern angenommen,
und dieſe haben die Anordnung des Spiels zu
beſorgen, kleine Streitigkeiten zu ſchlichten u.
ſ. w. Ihr erſtes Geſchäfft iſt es, die Geſellſchaft
in zwey Partheyen zu theilen, die ſich in Spiel-
fertigkeit ziemlich gleich ſind. Dieſs geſchieht
nach Anhang I. Sind ſo beyde Partheyen ge-
macht, ſo muſs nun noch durch den Wurf ei-
nes Geldſtückes (Anhang I. 2.) entſchieden
[60] werden, welche von beyden die Herrſchende und
welche die Dienende ſeyn, das heiſst, welche das
Recht haben ſoll, den Ball zu ſchlagen, oder auf-
zuwarten
. Hierauf nimmt das Spiel ſelbſt ſeinen
Anfang. Beyde Partheyen ſind unaufhörlich
gegen einander in Arbeit; die Herrſchende ſucht
ſtets herrſchend zu bleiben, und die Dienende
jener den Schlag abzugewinnen. Dieſs iſt der
Hauptinhalt des Spiels; ich will ihn jetzt erſt in
Rückſicht auf jede Parthey etwas mehr entwik-
keln und dann die Regeln deſſelben nachholen.


1. Beſchäfftigung der dienenden Parthey. Wir
nehmen hier 6 Perſonen für jede Parthey an.
Der Anführer ſtellt ſich und ſeine Gefährten
beym Anfange des Spiels oder, nachdem ſeine
Parthey den Schlag verloren hat, jedesmal vom
Neuen in die Plätze 1. 2. 3. 4. 5. 6. — die be-
ſten in 1. 2. 3. 6; denn die Seitenplätze können
allenfalls weniger gut beſetzt ſeyn. 1 und 2
müſſen gut werfen, 3 und 6 den Ball gut fangen
können.


Die Perſon in 1 heiſst der Aufwerfer; er muſs
jedem Schläger den Ball zum Fortſchlagen auf-
werfen. Zu dieſem Ende ſtellt er ſich 2 Schrit-
te vor dem Schläger, der in E iſt, und wirft den
Ball in der Mitte zwiſchen ſich und jenem per-
pendiculär etwas über die Kopfhöhe aufwärts.
Indem der Ball wieder zurückfällt, muſs ihn der
[61] Schläger aus der Luft fortſchlagen. Alle übri-
gen Dienenden in 2. 3. 4. 5. 6. müſſen der herr-
ſchenden Parthey den Ball immer ſchnell ins
Schlagmal ſchaffen, folglich beſtändig bald links,
bald rechts, bald rückwärts, bald vorwärts laufen
und ſpringen, um den Ball zu erhaſchen, und
dem Aufwerfer zu zuwerfen. Alles das muſs ſehr
ſchnell und flink von ſtatten gehen, jeder muſs da-
her richtig zuwerfen und fangen können, links,
rechts, mit beyden Händen und in aller-
ley Lagen des Körpers ſelbſt im vollen Lau-
fen. Der Körper gewinnt bey dieſem [Geſchäff-
te]
nach und nach ſehr viel an Fertigkeit, Bieg-
ſamkeit und Stärke.


Unter der Verrichtung dieſer Dienſte iſt es
aber die Hauptabſicht der dienenden Claſſe, ſich
vom Dienſte zu befreyen, d. i. den Schlag zu ge-
winnen
. Dieſs kann geſchehen a) wenn ein Die-
nender den geſchlagenen Ball aus der Luft fängt.
b) Wenn er nach einem Schläger, der von X
nach Y oder zurückläuft, mit dem Balle wirft und
ihn trifft. c) Wenn er den Ball in das Schlag-
mal X zu der Zeit ſchaffen kann, wann daſelbſt
kein Schläger gegenwärtig iſt. — Die beyden
letzten Fälle werden in der Folge deutlich
werden.


2. Geſchäfft der herrſchenden Parthey. Sie genieſst
das Vergnügen den Ball zu ſchlagen; aber jeder
[62] Schlag muſs von jedem Schläger erſt dadurch er-
kauft werden, daſs dieſer aus dem Schlagmale X
nach dem Fangmale Y hin und zurückläuft.


Da er dieſs aber nicht kann, ſo lange der
Ball in den Händen irgend eines Dienenden
iſt, der ihn beym Laufen damit zu werfen ſucht:
ſo muſs er entweder ſelbſt den Ball fortſchlagen,
oder wenn er ihn verfehlt, ſo lange auf die Stel-
le X treten und daſelbſt warten, bis einer der
folgenden Schläger den Ball fortſchlägt und
ihn dadurch löſt; dann erſt kann er fortlaufen.
Kommt er nach Y und der Ball iſt noch immer
nicht in der Nähe, ſo kann er auch gleich wieder
nach X laufen. Im entgegen geſetzten Falle aber
bleibt er hinter Y ſtehen, bis ein guter Schlag
geſchiehet, der ihn wieder herein nach X löſt.


Es iſt oft der Fall, daſs von allen Schlägern
nur noch ein einziger im Schlagmale iſt, indem
die andern ſchlecht geſchlagen, oder den Ball ganz
verfehlt haben und noch in X oder Y zum laufen
ſtehen. Dieſer einzige noch übrige Schläger heiſt
dann der Löſer, weil er die andern löſen muſs.
Er hat das Recht drey Schläge zu thun, da man
es ſonſt immer nur zu einem hat.


Wenn der Löſer ein ſchlechter Schläger iſt,
ſo thut er ſeine 3 Schläge oft, ohne den Ball zu
treffen; geſchieht dieſs wirklich, ohne daſs von
denen bey Y ſtehenden ſich einer durch Liſt und
[63] Schnelligkeit ins Schlagmal arbeitet: ſo iſt der
Schlag verloren, weil der Ball im Male liegt, ohne
daſs daſelbſt ein gelöſter Schläger iſt. Hierauf
müſſen es die drauſsen ſtehenden Schläger nicht
ankommen laſſen, ſondern ſich mit Liſt und
Schnelligkeit wagen, [irgendeinen] ins Schlagmal
zu bringen, indem einige zu gleicher Zeit und
von verſchiedenen Seiten nach X zu laufen, und
dadurch die Aufmerkſamkeit der Dienenden zer-
ſtreuen. Aber ſo viel ſichs thun läſst, muſs immer
darauf geſehen werden, daſs der Löſer ein gu-
ter Schläger ſey, der den Ball nicht oft verfehlt.
Beym Anfange des Spieles, wo die Ordnung des
Schlagens noch nicht beſtimmt iſt, läſst daher
der beſte alle Andere vor ſich ſchlagen und bleibt
zuletzt, um allenfalls löſen zu können. Da aber
im Fortgange des Spiels das Schlagen ſich nach
der Ordnung richtet, in welcher man früher oder
ſpäter von Y nach X ankommt: ſo muſs die herr-
ſchende Parthey dann ſtets dafür ſorgen, daſs von
mehrerern Hereinkommenden der beſte Spieler
der letzte ſey, damit er Löſer werde. Z. B. a. b. c.
drey ſchlechte und d. ein guter Spieler wären
drauſsen bey Y, es geſchähe ein Schlag, wo-
durch ſie gelöſt würden, ſo muſs d jene 3 zuerſt ins
Mal X laſſen und ſelbſt einen Augenblick ſpäter
anlangen. Oder: jene a b c wären bey Y und
d. e. f. drey gute Schläger wären noch zum Schla-
[64] gen in X, ſo dürfen a. b. c. wenn ein Schlag ge-
ſchiehet nicht hinein laufen, ſondern ſie müſſen
warten, bis einer von den 3 beſſern erſt heraus
kommt, welcher denn beym nächſten Herein-
laufen der Letzte bleibt, um in der Folge Löſer
werden zu können.


Der Löſer muſs ſich hüten gleich auf den er-
ſten den beſten ſeiner Schläge zulaufen; er müſs-
te denn mit Gewiſsheit ſehen, daſs die drauſsen
ſtehenden Schläger von Y hereinkämen, ehe der
geſchlagene Ball wieder ins Mal geſchafft werden
könnte; denn liefe er auf einen kleinen Schlag
fort, und die Dienenden ſchafften den Ball eher ins
Mal, als die drauſsen ſtehenden hereinkämen:
ſo wäre der Schlag verloren. Siehe p. 6, unter c)
Jetzt werden folgende Regeln für die Spielenden
verſtändlich ſeyn.


1. Regeln für die dienende Parthey.

a) Aufwerfer. Seine Rolle iſt eine der wich-
tigſten, er muſs ſie gut verſtehen. Er iſt gleich-
ſam die Feder des Spiels, er muſs die Dienenden
ſtets aufmuntern, ihm den Ball hereinzuwerfen,
und die Schläger antreiben, nicht ſaumſeelig zu
ſeyn. Durch beydes muſs er das Spiel lebendi-
ger machen. Seine Aufmerkſamkeit richtet ſich
1) auf den jedesmaligen Schläger. Treibt dieſer
den Ball gewöhnlich ſchief über die Stellen 4 und
5 hinaus, ſo muſs er ſich beym Aufwerfen gegen
[65] ihn in eine Richtung ſtellen, wodurch dieſs ver-
hindert wird. — Je beſſer er aufwirft und ſich
hierbey nach dem Wunſche eines jeden bequemt,
deſto häufiger geſchehen gute Schläge, und deſto
leichter können ſie folglich von ſeinen Mitſpie-
lern gefangen werden. 2) Auf den Ball. Oft
trifft ihn der Schläger nur im Viertel oder Ach-
tel und prellt ihn nur leicht in die Höhe, der-
gleichen Bälle muſs er fangen, um den Schlag
zu gewinnen. 3) Auf die Schläger überhaupt.
Er muſs ſich bemühen, jeden der von X ausläuft,
oder von Y zurückkommt, entweder ſelbſt mit
dem Balle zu treffen, oder der Perſon in 2,
wenn ſie dem Laufenden näher iſt, den Ball zu
zu werfen, damit dieſe ihn gegen den Laufen-
den gebrauche. Er muſs ferner auf die Schlä-
ger ſehn, die beym Auslaufen bey X ſtehen;
treten ſie nur mit einem Fuſse über die Linie A
B in die Spielbahn, ſo hat er das Recht, ſchon
nach dieſem Fuſse zu werfen, um ſo viel mehr
aber, wenn ſie völlig darüber hinausſchreiten.
Trifft er ſie, ſo iſt der Schlag gewonnen. 4) Auf
ſich ſelbſt. Er muſs im Augenblicke des Schla-
gens einen guten Schritt zurücknehmen, damit
ihn die Raquette nicht treffe.


b) Die übrigen Dienenden haben 2 Gegen-
ſtände unabläſſig zu beobachten, nämlich den
Ball und die laufenden Schläger. Jeder muſs
E
[66] ſchon wiſſen, wie weit dieſer und jener Schläger
und in welcher Richtung er den Ball treibt.
Vermuthet er ihn in ſeiner Gegend, ſo muſs er
achtſamer ſeyn. Beym Aufſteigen des Balls be-
rechnet er ſchon den Bogen und die Stelle des
Niederfallens, er verläſst daher ſchnell ſeinen
Platz, um ſich dorthin zu begeben, und den Ball
zu fangen, oder ihn hurtig zu erhaſchen, um da-
mit die Laufenden zu treffen, oder den Ball
demjenigen ſeiner Geſpielen zuzuwerfen, der
dem Laufenden am nächſten iſt, und daher am
ſicherſten treffen kann. Wenn keiner von dieſen
Fällen möglich iſt, ſo wirft er ihn dem Aufwerfer
zu, um dem Spiele Fortgang zu verſchaffen.
Ferner ſieht jeder Dienende darauf, ob die Sei-
tenlinien A. C, und B. D. von den Laufenden
überſchritten werden, denn hierdurch wird der
Schlag verloren und endlich darauf: ob etwa
kein gelöſter Schläger im Male iſt, alsdann muſs
der Ball ſchnell ins Mal geworfen werden, daſs
wird durch den Ausruf den Ball ins Mal! allen an-
gekündigt, damit ſie ihn ſchnell dahin werfen,
ehe ein Schläger hinein läuft. Auch hierdurch
verliert jene Parthey den Schlag.


2. Regeln für die Schläger. Keiner
von ihnen darf unnöthiger Weiſe laufen, wenn
der Ball in den Händen eines naheſtehenden
Dienenden iſt; denn er kann leicht getroffen
[67] werden und den Schlag verlieren. Nur dann
darf er es, wenn kein tüchtiger Schläger mehr
im Schlagmale iſt, der die andern löſen kann.


Jeder muſs ſich bemühen, den Ball ſtark und
voll zu treffen, denn kleine Schläge werden zu
leicht gefangen. Er muſs den Ball in jede Ge-
gend ſchlagen können, und die wählen, wo kein
geſchickter Fanger ſteht. Er ſchlägt den Ball nicht
nach Y wenn ſeine Geſpielen juſt dorthin laufen
wollen, und umgekehrt, er ſchlägt ihn dahin,
wenn ſie von dorther herein kommen; denn da-
durch entfernt er den Ball und die Möglichkeit
getroffen zu werden von ihnen. Sehr ſtarke und
weit hinaus über 6 gehende Schläge thun in-
deſs daſſelbe. — Wird nach ihm geworfen, ſo
iſt er ſchnell im Ausweichen, er läuft daher
faſt immer mit dem Geſicht hinter ſich; und legt
ſich lieber ſchnell nieder, ehe er ſich treffen läſst.
Er wagt aber alles, um ins Mal zu kommen,
wann der Löſer nur noch einen Schlag hat.
Beym Laufen muſs er nicht vergeſſen innerhalb
der Seitenlinien zu bleiben.


Ich mache den Schluſs mit einem allgemei-
nen Geſetzbuche für dieſes Spiel.


1. Dem Anführer jeder Parthey muſs von ſei-
nen Geſpielen Gehorſam geleiſtet werden. Wenn
ein Streit entſteht, der darauf hinausläuft, ob
der Schlag verloren oder nicht verloren ſey,
E 2
[68] und man kann zu keiner Gewiſsheit kommen;
ſo wird vom neuen darum gelooſet.


2. Wer ſich an den Boden legt, hat ſeiner
Parthey, wenn er ein Schläger iſt, den Schlag
verloren, iſt er aber ein Dienender: ſo muſs
ſeine Parthey nun doppelt gewinnen, ehe ſie
zum Schlage gelangt. Zur Strafe aber darf der,
welcher ſich legte, in der nächſten Parthie nicht
ſchlagen, muſs aber allemal mit dem Anführer
hinaus und hereinlaufen.


3. Wechſelt das Spiel zu oft, d. h. wird zu
oft von der einen und andern Parthey gewon-
nen: ſo macht man aus, daſs doppelt, ja drey-
fach gewonnen werden müſſe, ehe die Dienen-
den zum Schlagen kommen.


4. Den ſchlecht aufgeworfenen Ball braucht
kein Spieler zu ſchlagen. Iſt kein Schläger mit
dem Aufwerfer zufrieden, ſo können ſie bey den
Dienenden darauf dringen, daſs ein beſſerer ge-
ſtellt werde. Kommt der Löſer zum dritten
Schlage, ſo kann er ohne zu Schlagen den Ball
mit Fleiſs fallen laſſen, um ihn am beſten der
Hereinkommenden auf einen Augenblick aus
den Händen des Aufwerfers zu bringen; doch
darf er dieſs nur zweymal thun.


5. Die ganze Reihe von Schlägen, die eine
Parthey gemacht hat, bis ſie den Schlag verlohr,
heiſt ein Gang. Um zu beſtimmen, welche
[69] Parthey am Ende des ganzen Spiels gewonnen
habe, muſs jede die wirklichen Fortſchläge des
Balls laut zählen, und ſie am Ende des dermali-
gen Ganges, d. i. wenn der Schlag verlohren iſt,
auf eine Tafel notiren. Kleine Schläge, die
nicht über Mannshöhe gehen, werden nicht mit-
gerechnet.


Am Ende des Spiels, wenn beyde Seiten
gleichviel Gänge geſpielt haben, rechnet man
die Schläge zuſammen und erkennt derjenigen
Parthey den Sieg zu, welche die meiſten Schlä-
ge gethan hat.


6. Der Schlag wird verlohren


a) Wenn irgend ein Dienender den geſchla-
genen Ball aus der Luft fängt. Hat er den Bo-
den ſchon berührt, ſo iſts ungültig; aber er kann
von Perſonen und andern Gegenſtänden abge-
prallt, noch gültig gefangen werden.


b) Wenn irgend ein Schläger in dem Platze
zwiſchen A. B. C. D. mit dem Balle geworfen
wird, es ſey unter welchen Umſtänden es wolle,
doch kann der Aufwerfer nie gültig werfen, wenn
er ſelbſt innerhalb jenes Platzes iſt. Er muſs
ſchlechterdings vor der Linie A B ſtehn; denn
wenn ihm dieſs erlaubt wäre, ſo könnte er hin-
ter jeden Schläger, der ſchlechter liefe als er,
herſetzen, ihn einholen und treffen, wenn der-
E 3
[70] ſelbe von X nach Y laufen wollte, um ſich zu
löſen.


c) Wenn ein Dienender den Ball ins Schlag-
mal wirft zu der Zeit, wenn daſelbſt kein Schlä-
ger gegenwärtig iſt.


d) Wenn ein Schläger beym Laufen aus den
Seitenlinien A C und B D läuft.


e) Wenn ein löſender Schläger ſeine drey
Schläge gethan hat, und nach dem dritten der
Ball eher im Male liegt, als ein neuer Schläger
daſelbſt anlangt. Dieſer Fall ſtimmt mit c) über-
ein, und tritt beſonders dann ein, wenn der
dritte Schlag nicht getroffen wird und der Ball
vor dem Male A B niederfällt.


f) Wenn einer von der ſchlagenden Parthey
den Ball angreift.


g) Wenn ein Schläger den Ballſtock mit über’s
Mal in die Spielbahn nimmt, indem er nach Y
laufen will.


h) Wenn er nach vollbrachtem Schlage
den Ballſtock ſo eilfertig wegwirft, daſs irgend
einer ſeiner Geſpielen getroffen wird.


i) Wenn er ihn beym Schlagen aus der Hand
fahren läſst.


7. Wenn der Schlag von der dienenden Par-
they gewonnen wird; ſo hat der Gewinner das
Recht zum erſten Schlage, ihm folgt der Aufwer-
fer
, dann die andern willkührlich. Aber in der
[71] Folge des Spiels richtet ſich die Ordnung des
Schlagens nach der Reihe des Hereinkommens.
Tritt dadurch bisweilen der Fall ein, daſs ein
ſchlechter Schläger beym Hereinkommen der
Letzte iſt, und folglich im nöthigen Falle löſen
muſs: ſo brauchen es die Dienenden nicht zu zu
geben, daſs er früher ſchlage, damit nur ein beſ-
ſerer zum Löſen komme.


8. Der Ball wird nie zugetragen, ſondern
jedem Mitſpieler zugeworfen und dann aus der
Luft gefangen.


Unter allen Arten von Jugendſpielen iſt die-
ſes eines der vorzüglichſten, weil es mehrere
Zwecke körperlicher Spiele erreichen hilft. Es
gewährt viel Bewegung im Freyen, befördert die
Ausbildung der Schnelligkeit, Geſchwindigkeit
und Kraft des Körpers; das Schlagen und Wer-
fen giebt dem Arme Geſchicklichkeit und Kraft,
das häufige Laufen befördert die Schnelligkeit
der Schenkel und Beine. Es erfordert viel
Schnelligkeit dem geworfenen Balle auszuwei-
chen. Das Augenmaaſs wird bey dieſem Spiele
in vieler Rückſicht geübt, bald um den aufge-
worfnen Ball aus der Luft fortzuſchlagen, bald
um einen Laufenden damit zu werfen, bald um
ihn aus der Luft wegzufangen, die er oft in Bo-
gen von 70 Fuſs Höhe und 80 Schritt weite
durchſchneidet. Es erfordert überdem ſtete
E 4
[72] Aufmerkſamkeit und führt, für die nicht ver-
weichlichte Jugend, ſo viel Vergnügen und In-
tereſſe mit ſich, daſs ſie im Frühlinge faſt jedes
andere Spiel darüber vergiſst.


Ich habe ſchon geſagt, daſs dieſs Spiel von
mehreren und wenigern Perſonen, ja ſchon von
4 Perſonen geſpielt werden kann. Dieſe letzte
Art, die man gewöhnlich Vierball nennt, iſt weit
angreifender, weil wenige Perſonen eben ſo viel
dabey verrichten müſſen, als oben 12. Von den
Dienenden iſt auch hier einer Aufwerfer, der an-
dere ſteht drauſsen und ein Schläger wird ge-
meiniglich Löſer des andern.


Erſte Abänderung. Dreyball.

So heist daſſelbe Spiel, wenn nur von drey
Perſonen geſpielt wird. Es läuft zwar im Gan-
zen alles auf das vorige hinaus, iſt doch aber in
ſeiner Einrichtung abgehend. — Drey Knaben
looſen unter ſich, wer den Schlag erhalten ſoll.
Die andern beyden dienen. Es ſind alſo hier-
bey auch 2 Partheyen, nur arbeiten zwey Perſo-
nen gegen einen Schläger. Die Entfernung von
X nach Y wird höchſtens nur auf 30 Schritt ge-
ſetzt. Der eine Dienende ſteht in Y der ande-
re in X. Das Spiel geht an, der Schläger ſey
z. B. in X. Er hat das Recht zu 3 Schlägen und
er kann auf jeden Schlag nach Y laufen, d. h.
er braucht nicht alle 3 Schläge abzuwarten, ſon-
[73] dern kann ſchon zum erſten oder zweyten Male,
wenn er den Ball trifft, ablaufen: ja er kann fort-
laufen, ohne den Ball geſchlagen zu haben, nur
iſt er dann in Gefahr, von irgend einem der
beyden Dienenden, der den Ball am ſchnellſten
ergreift, geworfen zu werden. Kömmt er nach Y
ſo geſchieht hier ganz daſſelbige. Der Dienen-
de bey Y wirft den Ball auf, und er ſucht durch
einen Schlag ſich wieder nach X zu verhelfen,
So geht es von einem Male ſtets zum andern
fort. Er verliert den Schlag wenn er ſich werfen
läſst, oder wenn er 3 Mal zuſchlägt und den Ball
nicht trifft, oder wenn ſein Schlag gefangen
wird, oder endlich, wenn er den Ballſtock beym
Laufen nicht mitnimmt, ſondern ihn in dem
Maale läſst, wo er eben geſchlagen hat. Dage-
gen gewinnt von den Dienenden derjenige den
Schlag, 1) welcher den Laufenden trifft, 2) wel-
cher den Ball fängt, 3) der Aufwerfer, bey wel-
chem der Schläger 3mal nicht getroffen hat,
dieſer Fall iſt ſelten, denn der Schläger läuft lie-
ber, als daſs er zum dritten Male nach dem Bal-
le ſchlüge. 4) Der Aufwerfer, in deſſen Male
der Ballſtock liegen bleibt.


Zweyte AbänderungFreyball.

Zu dieſem Spiele ſind wenigſtens 4 Perſonen
nöthig; am angenehmſten iſts aber, wenn 8 bis
12 es ſpielen. Die Geſellſchaft ſondert ſich für
E 5
[74] einen Augenblick in 2, in Abſicht auf Spiel-
fertigkeit einigermaſsen gleiche Partheyen. Man
loſt um den Schlag Anhang I. 2. und das Spiel
beginnt. Die Schläger vergleichen ſich ohne
Gezänk über die Ordnung, in welcher das
Schlagen beginnen ſoll, ſo wie die Dienenden
über die Plätze, wo ſie ſich hinſtellen wollen.
Das Spiel ſelbſt iſt dem oben beſchriebenen
deutſchen Ballſpiele ganz ähnlich, verlangt den-
ſelben Spielraum, daſſelbe Schlag- und Fange-
maal
, nur macht man beyde weiter, folglich bis
50 Schritte von einander. Auch der ganze Gang
des Spiels iſt der Hauptſache nach derſelbe, wer
folglich das obige gut verſtanden hat, dem brau-
che ich hier nur das abgehende anzugeben; und
dieſs beſteht in folgendem:


1) Obgleich die ganze Geſellſchafft, wie ich
vorhin geſagt habe, in zwey Theile getheilt iſt,
ſo entſtehen dadurch doch keine zwey Par-
theyen, von denen jede ein Ganzes ausmacht
und gemeinſchaftlich gegen die andere handelt;
ſondern jeder Spieler hat hier nur für ſich ſelbſt
zu ſorgen, jeder ſucht für ſich das Recht zum
Schlagen zu erwerben und zu erhalten, und je-
der, der es verliert, bringt, ſich nur ganz allein
darum. Dieſs wird durch das folgende deutlich
werden.


[75]
2. Vorſchriften für die Schlagen-
den
.

a) Jeder Schläger hat das Recht im Maale X
dreymal nach dem Balle zu ſchlagen. Es hängt
aber ganz von ihm ab, ob er nur ein- zwey-
oder wirklich drey Mal darnach ſchlagen will.


b) Dieſes Recht muſs ſtets von Neuem dadurch
erkauft werden, daſs er von X nach Y läuft. Um
dieſs zu können, ohne geworfen zu werden,
wählt er den Zeitpunkt, wo er den Ball weit
weggeſchlagen hat, kurz, wo er dem Dienenden
nicht gleich zur Hand iſt, um damit zu werfen.


c) Iſt er erſt drauſsen bey Y angelangt, ſo
kann er frey wieder nach X herein gehen, d. i.
keiner hat das Recht, ihn jetzt zu werfen. Von
dieſem Umſtande, ſo wie von dem, daſs man an
keine Parthey gebunden iſt, ſondern bloſs für
ſich handelt, hat das Spiel den Namen Freyball.


d) Jeder Schläger ſteht bloſs für ſich ſelbſt;
wenn er daher in ſeinem Laufe mit dem Balle von
den Dienenden getroffen, oder wenn der von
ihm geſchlagene Ball gefangen wird, oder wenn
er den dritten Schlag wagt und den Ball nicht
trifft, und endlich wenn er den Ballſtock beym
Laufen mit ſich fort aus dem Maale nimmt:
ſo hat er den Schlag verloren; aber die übrigen
Schläger geht dieſs nichts an. Derjenige Schlä-
ger, welcher auf eine der obengenannten Arten
[76] den Schlag verloren hat, ſinkt zum Dienſte her-
ab und bekommt die hinterſte Stelle hinter Y.


3. Vorſchriften für die Dienenden.

Ich habe ſchon geſagt, daſs ſich die Dienen-
den beym Anfange des Spiels über ihre Plätze
vergleichen müſſen, und dieſs iſt ſehr leicht, denn
es hängt nicht von den Plätzen allein ab, ob man
den Schlag bald erwerben werde, ſondern vor-
züglich von der Thätigkeit und Fertigkeit des
Spielers. Indeſs wird die Stelle des Aufwerfers
für die beſte gehalten. Man muſs es alſo an-
fangs durchs Loos entſcheiden, oder geradezu ei-
nen [dazu] annehmen. Die drauſsenſtehenden
Dienenden ſtellen ſich hinter einander in der
Linie von X über Y hinaus, (doch ſteht es je-
den frey, ſeitwärts zu treten) jeder etwa 10
Schritte von dem andern ab. Die Pflichten und
Rechte der Dienenden ſind:


a) Jeder muſs ſichs angelegen ſeyn laſſen, den
geſchlagenen oder geworfenen Ball ſchnell wie-
der ins Maal X dem Aufwerfer zu zuwerfen. Es
iſt billig, daſs immer derjenige, welcher dem ge-
ſchlagenen oder geworfenen Balle am nächſten
iſt, dieſs thue; denn hierdurch gewinnt das Spiel
ſchnellern Fortgang. Die Pflicht des Aufwer-
fers iſt ſein Amt ſchnell zu thun, und die Schlä-
ger und übrigen Dienenden anzutreiben, recht
ſchnell zu ſeyn.


[77]

b) Jeder Dienende, welcher drauſsen ſteht,
gewinnt dem Schläger das Recht des Schlages ab,
wenn er entweder den Ball fängt, oder wenn er
ihn im Laufen von X nach Y mit dem Balle
wirft. Es kann ihn hierbey jeder Dienende, der
ſich des Balls am erſten bemächtigt auf alle Art
verfolgen. Der Aufwerfer kann den Schlag nicht
nur auf eben die Art verdienen, ſondern er er-
hält ihn auch, wenn der Schläger den Ballſtock
beym Laufen mit fortnimmt, oder wenn ſein
dritter Schlag den Ball verfehlt.


c) Jeder Dienende, der den Schlag gewonnen
hat, tritt unter den Schlägern in die Stelle deſ-
ſen, der ihn verlohr; ſo bleibt die Ordnung un-
ter ihnen ununterbrochen. Wenn von den Die-
nenden der Aufwerfer den Schlag gewinnt, ſo
kömmt der erſte Drauſsenſtehende an ſeine Stel-
le; gewinnt aber einer von den Letztern, ſo er-
hält ſeinen Platz derjenige, welcher zunächſt hin-
ter ihm ſteht, alle folgenden rücken um eine Stel-
le vor und die hinterſte erhält der Schläger, wel-
cher eben verlohr.


Alles übrige von dieſem Spiele ergiebt ſich
gelegentlich von ſelbſt.


[78]
3. Ball mit Freyſtäten.
(oder das engliſche Baſe-ball.)

Bey der Beſchreibung dieſes Spiels werde ich
mich kurz faſſen können; denn es kommt mit
dem deutſchen Ballſpiele in der Hauptſache über-
ein; folglich bin ich berechtigt, meine Beſchrei-
bung nur für ſolche Spieler einzurichten, die das
deutſche Ballſpiel verſtehn.


Faſt alles iſt bey dieſem Baſe-ball, das in
England ſehr häufig getrieben wird, kleinlicher
und erfordert weniger Kraftäuſerung im Schlagen
und Laufen u. ſ. w. Dagegen verlangt es, wo
nicht noch mehr, doch eben ſo viel Aufmerkſam-
keit, und bindet ſich mehr an allerley kleine Re-
geln. Das deutſche Ballſpiel wird es, ſo ange-
nehm es auch iſt, nie völlig verdrängen können.
Man ſpielt, ſo wie bey jenem, mit zwey Par-
theyen, wovon eine die dienende, eine die herrſchen-
de
iſt. Auch ihre Verrichtungen ſind im ganzen
wie beym deutſchen Ballſpiele; man ſchlägt, läuft
u. ſ. w. Das Abgehende liegt in folgenden: die
Racquette iſt leichter, 1 Schuh acht Zoll lang, an
ihrer breiteſten Stelle etwa 4 Zoll breit, einen
Zoll dick und ſieht aus wie Zeichnung 2. Y. Man
[79] kann daher nur kurze leichte Schläge thun. Der
Aufwerfer ſteht 5 bis 6 Schritt vom Schläger und
wirft ihm den Ball in einem geſtreckten Bogen zu.


Eine Bogenlinie A B Zeichn. 2. macht das
Schlagmal, von hier wird der Ball, wie beym deut-
ſchen Ballſpiele ausgeſchlagen.


Statt des Fangemals ſind ſeitwärts ſo viele Frey-
plätze
mit Stäben aufgeſteckt und mit Taſchentü-
chern bezeichnet, als eine Parthey Perſonen hat,
doch wird hierbey das Schlagmal als ein Frey-
platz mitgezählt. Sie ſind mit 1. 2. 3. 4. 5.
bemerkt, und werden 10 bis 15 Schritt von ein-
ander ganz nach willkührlicher Richtung abge-
ſteckt. Der Schläger hat im Male 3 Schläge.
Hat einer davon den Ball nur ſo viel berührt, daſs
man es ziſchen hört, oder will man weniger ſtreng
ſeyn, daſs der Ball dadurch aus dem Male her-
ausgeſtoſsen wird, oder hat er dreymal durchge-
ſchlagen, ſo muſs er von A. B. ab, durch alle jene
Plätze nach und nach fortlaufen, bis er wieder
ins Mal kommt. Sind viel Perſonen auf einer
Parthey, ſo ſind der Freyplätze mehr, mithin
wird die Laufbahn dadurch auch länger, — Die
Dienenden ſtehen willkührlich hinter, neben und
zwiſchen dieſen Freyplätzen z. E. in a. b. c. d. e.
weil der Ball dorthin geſchlagen wird.


Der Schlag kann für die herrſchende Parthey
auf drey Arten verloren gehn, nämlich durch
[80]Fangen, verbrennen, und berühren. Ich erläutere
dieſe drey Fälle, dann ſind die Regeln und Ge-
ſetze des Spiels gegeben.


1. Fangen. Wenn der geſchlagene Ball von
irgend einem Dienenden, es ſey wer es wolle,
unter den Bedingungen, wie beym deutſchen
Spiele gefangen wird; ſo hat die andere Parthey
den Schlag verloren. Auf dieſe Art wird der
Schlag am ſicherſten und ohne alle Widerrede
gewonnen, nur muſs derjenige, welcher fieng,
ſeinen Mitdienenden zurufen: herein! herein! oder
ins Mal! und wenn dieſe dahin laufen und faſt
angelangt ſind, dann muſs er den Ball über den
Kopf rücklings fort werfen, damit ihn die verlie-
rende Parthey nicht erhaſcht, die Erklärung
ſiehe unten unter 3 in e) und ſelbſt ins Mal lau-
fen. — Rücklings geſchieht der Wurf deſshalb,
damit nicht zu weit geworfen werden könne.


2. Verbrennen. Es geſchieht in zwey Fällen.


a) Wenn ein laufender Schläger vergeſſen
hat, einen Freyplatz mit der Hand zu berühren:
ſo läuft der erſte beſte Dienende, der es bemerk-
te, nachdem er ſich den Ball, ohne Angebung der
Urſach, oder vermittelſt heimlichen Zuwinkens
von ſeinen Mitſpielern hat geben laſſen, nach der
nicht berührten Freyſtäte, ruft ſeinen Mitdienen-
den zu, herein; herein! und [wirft] dann den Ball
unter dem Ausrufe: verbrannt! an den Freyplatz.
[81] Das daran werfen muſs ſo geſchehen, daſs der
Ball nur ſtreift und mithin weiter fortfliegt, und
der Werfende muſs dann ſchnell ins Mal laufen.
Das Warum ſiehe unter 3 in e.


b) Wann kein Schläger im Male iſt. Dann
nimmt der Aufwerfer den Ball, ruſt wieder ſeinen
mitdienenden Geſpielen zu: herein! und wirft
den Ball unter dem Ausrufe: verbrannt! in ſchrä-
ger Richtung gegen den Boden des Males, ſo daſs
er weiter fortfliegt und nicht gleich liegen bleibt.
Urſach ſiehe unten 3. e. Er ſelbſt aber darf beym
Werfen nicht innerhalb des Bogens A B ſtehn,
und muſs nach dem Wurfe gleich hinein ſpringen.


3. Berühren oder werfen. Kein Schläger darf
ſich auſser dem Male mit dem Balle berühren, d. i.
werfen laſſen, ſonſt hat ſeine Parthey den Schlag
verloren. Dieſes Geſetz iſt ſehr wirkſam und äu-
ſert ſich in den folgenden Fällen.


a) Hat der Schläger den Ball getroffen, ſo läuft
er nach 1. 2. 3. u. ſ. w. fort, bis der Ball ins Mal
geworfen iſt, alsdann darf er nicht weiter, ſon-
dern muſs auf dem freyen Platze ſtehn bleiben,
wo er iſt, bis ein neuer Schlag geſchiehet oder
der Ball auf ſonſt eine Art aus dem Male kömmt.


Läſst er ſich nun bey dieſem Laufen von ir-
gend einem Dienenden werfen: ſo iſt der Schlag
für ſeine Parthey weg. — Es iſt ſchon oben ge-
ſagt, daſs der Schläger im Male das Recht zu 3
F
[82] Schlägen habe, trifft er alle drey Mal den Ball
nicht, ſo muſs er doch laufen, und da der Aufwer-
fer den Ball gleich bey der Hand hat, ſo wirft er
gewöhnlich nach ihm. Trifft er den Laufenden
ehe er den erſten Freyplatz berührt, ſo iſt der
Schlag verloren. — Ganz derſelbe Fall tritt ein,
wenn er den Ball nur ſo wenig berührt, daſs er
nicht fortfliegt.


b) Wenn mehrere Schläger ſchon geſchlagen
haben und ausgelaufen ſind, ſo ſind mithin ſchon
mehrere Freyplätze beſetzt. Wir wollen anneh-
men, dieſs ſey mit 3. 4. der Fall. Da trifft ſichs
nun oft, daſs bey einem neuen Schlage, die Per-
ſon in 3 weiter läuft, daſs aber 4 aus Unacht-
ſamkeit, oder weil ihm ein Dienender mit dem
Balle zu nahe iſt, ſtehn bleibt, und daſs mithin
in dem Freyplatz 4 dann zwey Perſonen ſtehn.
Dieſs iſt wider die Ordnung des Spiels, denn es
darf immer nur eine Perſon in einem Platze ſtehn.
Läuft in dieſem Falle die Perſon in 4 nicht ſchnell
nach 5, oder die zuletzt angekommene wieder
nach 3 zurück: ſo kann der erſte beſte Dienen-
de, der den Ball hat oder ſchnell dazu fordert,
hinzulaufen und entweder die Perſonen werfen,
oder einen von den Freyplätzen auf obige Art
verbrennen, und dann iſt der Schlag verloren.


c) Wenn ein Schlag geſchiehet, kann jeder
Schläger immerfort von einem Freyplatze zum
[83] andern weiter laufen, ſo lange bis der Ball von
den Dienenden wieder ins Mal geworfen
iſt. Dann muſs er im Freyplatze, wo er iſt, ſte-
hen bleiben; iſt er aber etwa ſchon weiter,
als über die Hälfte bis zum nächſten Platze, ſo
kann er jedoch noch bis ganz dahin laufen.
Verſieht ers aber, und läuft nach der Ankunft des
Balles im Male doch weiter, ſo kann, wenn er
nicht ſchnell zurückläuft, jeder Dienende herbey
eilen und ihn mit dem Ball berühren, oder den
Freyplatz verbrennen. In beyden Fällen iſt der
Schlag verloren. Daſselbe findet ſtatt, wenn er
beym Zurüklaufen mit dem Balle getroffen wird.


d) Wenn ein Schläger ohne Erlaubniſs des
Aufwerfers aus dem Schlagmale A B geht, ſo
kann ihn derſelbe berühren und der Schlag iſt
verloren.


e) Wenn die eine Parthey A, die bisher am
Schlage war, auf irgend eine der bisher unter
1. 2. 3. angeführten Arten den Schlag verloren
hat: ſo wird, von dem Augenblicke an, die bis-
her dienende Parthey B als Herrſchende angeſe-
hen. Daher müſſen alle Perſonen von B, die
noch drauſsen ſtehen im Augenblicke des Ge-
winnens äuſserſt ſchnell in das Mal eilen; denn
wenn jetzt Jemand von A denn Ball erhaſchen
und irgend einen von B, der noch auſser dem
Male iſt, damit treffen kann: ſo hat B den
F 2
[84] Schlag ſchon wieder verloren, und A iſt wie-
der herrſchend. Dagegen hat Augenblick B jezt
wieder das Recht irgend einen von A zu berühren.
Thut ſie dieſs, ſo iſt ſie wieder herrſchend. Hier-
durch entſteht mithin eine ſehr luſtige, nur kurze
Zeit dauernde Bataille, und diejenige Parthey
bleibt am Ende [herrſchend], welche Einem der an-
dern den letzten Wurf beybrachte. Hierin liegt
die Urſach, daſs beym Fangen, der Ball rücklings
fortgeſchleudert, und beym Verbrennen und
Berühren ſo geworfen werden muſs, daſs er von
dem geworfenen Gegenſtande noch weiter fort-
fliegt, damit ihm keiner von der Gegenparthey ſo-
gleich erhaſchen und wieder damit werfen kann.


Aus dem Bisherigen ergiebt ſich zugleich,
was jede Parthey zu verrichten habe. Dieſs
Spiel hat alle Vollkommenheiten des deutſchen
Ballſpiels, nur erfordert es auf der einen Seite
weniger Kraftäuſserung und dagegen auf der
andern mehr Aufmerkſamkeit, weil es an mehr
Regeln gebunden iſt.


4. Das deutſch-engliſche Ballſpiel.

Deutſche Spieler, die es gewohnt ſind, den
Ball aus allen Kräften zu ſchlagen, und hier-
in ein Hauptvergnügen finden, gewöhnen ſich
[85] nicht ganz leicht an jenes kleinlichere engliſche
Spiel. Auf der andern Seite gewähren die Re-
geln deſſelben bey der Ausführung viel Vergnü-
gen, man muſs daher beyde Arten zu vereini-
gen ſuchen. Dieſs iſt ſehr leicht; man lege die
engliſchen Freyplätze nur nicht ſeitwärts, ſon-
dern ſo an, wie ſie in der Zeichn. 1. mit dop-
pelten Kreuzen bezeichnet ſind, daſs ſie nämlich
nach Y hinausliegen, gebrauche das deutſche
Ballholz und laſſe übrigens die Regeln des Baſe-
ball gelten.


5. Thorball,
oder
das engliſche Cricket.

Dieſs bey uns unbekannte Spiel iſt aus England
herüber geholt; da wird es ja den wohl allge-
meinen Beyfall finden, zumal wenn ich noch
hinzuſetze, daſs es dort, ſo wie das Billard, or-
dentlich auf Regeln gebracht, ſelbſt von den
vornehmſten Perſonen, um Guineen geſpielt
wird und daſs eben deſswegen dabey alles ab-
gewogen, gemeſſen und nach Regeln beſtimmt
iſt. Im Ernſt, es iſt ein vortreffliches Spiel, es
läſst ſich auch ohne Guineen von Jung und Alt
ſpielen und verdient, ſelbſt als Spiel um Geld,
F 3
[86] wenn Erwachſene nun einmal nicht anders ſpie-
len können, vor den Karten den gröſsten Vor-
zug; denn hier iſt das Geld doch wenigſtens mit
ſehr reellen Gewinſte für die Geſundheit angelegt.


Inſtrumente. In England koſten ſie ſchön ge-
macht wohl eine Guinee, wir Deutſchen brau-
chen wenige Groſchen dazu. Der zum Ball be-
ſtimmte Knaul von groben wollenem Garne,
wird erſt eine Nacht lang im Waſſer geweicht,
dann um ein rundes Stückchen Kork äuſserſt
feſt gewickelt, dann gebacken, wie oben S.
85. angegeben iſt. Der Ueberzug iſt von ſtar-
ken lohgaren und naſs darumgemachten Leder
äuſserſt ſtraff. Die Schwere des Balls iſt genau
fünf und eine halbe höchſtens fünf und drey
Viertel Unzen. So genau iſt das nicht zu neh-
men. — Die Rakette (Bat) muſs für Erwachſene
von feſten, für die Jugend kann ſie von leich-
tern Holze ſeyn; drey und einen halben Fuſs
Leipz. lang (noch beſtimmter bis zur vollen Hö-
he der Hüften des Spielers) vier und einen hal-
ben bis drey Viertel Zoll breit. Ihre Form ſiehe
Zeichnung 3 a, und ihre übrige Bearbeitung im
Durchſchnitte b. Es iſt ein ziemlich maſſives
Inſtrument, das unten an der dickſten Stelle
anderthalb Zoll dick iſt. — Die Thore (Wickets,
Pförtchen) können ſchön gedrechſelt ſeyn, aber
man gebraucht auch bloſs Ruthen dazu, die
[87] man vom nächſten Zaune ſchneidet, ſiehe Zeich-
nung 3 c. Ein [ſolches] Wicket, von drey gega-
belten Ruthen, das im Boden feſtgeſteckt wird,
iſt geſetzmäſsig 2 Leipz. Fuſs hoch (nach belie-
ben) hat oben ein in den Gabeln liegendes Quer-
holz (the Bail) von ſechs und einen halben Zoll
Länge. Die Ruthen ſtehen ſo nahe zuſammen,
daſs der Ball nicht zwiſchen ihnen durchgewor-
fen werden kann, ohne ſie zu berühren.


Das Spiel iſt von zweyerley Art, doppelt und
einfach.


Vom doppelten Thorball, (double
Wicket).

Die Geſellſchaft kann nicht wohl unter 8, am
bequemſten 12, aber auch mehr Perſonen ſtark
ſeyn. Sie theilt ſich, wie beym deutſchen Ball-
ſpiele, durchs Loos oder Uebereinkunft in zwey
an Zahl und Fertigkeit gleiche Partheyen. Dann
wird geloſt etwa nach Anhang I. 2. welche Par-
they zuerſt ins Spiel gehen d. i. den Anfang ma-
chen ſoll. Die Thore werden auf einen mög-
lichſt ebenen Platze, der mit kurzen Raſen über-
zogen oder auch ganz kahl und feſt ſeyn
kann, 25 bis 30 Schritte (genau genommen 66
engl. Fuſs) weit von einander in den Boden ge-
ſteckt, ſo daſs ſie ſich parallel ſind. Man ſehe
Zeichn. 3 x y. Man reiſst in den Boden die
F 4
[88] drey und einen halben Fuſs lange Rollgränze oo.
(Bowlingcreaſe) mit ihren zurücklaufenden Sei-
tengränzen nn. und innerhalb der beyden Tho-
re 4 Fuſs von ihnen abwärts, oder etwas mehr
als die Rakette lang iſt, die beyden Schlaggränzen
mm. Nach dieſen Vorbereitungen mag das Spiel
angehen.


Wir nehmen hier jede Parthey zu 6 Perſonen
an, nämlich a b c d e f und 1. 2. 3. 4. [5.] 6. Jene
ſollen zuerſt ins Spiel gehen, das heiſt ſie ſollen
den Ball ſchlagen, um Points zu machen. Zu dem
Ende ſtellen ſich zwey von ihnen, z. E. a b (ge-
wöhnlich nimmt man die beſten Schläger nicht
zuletzt) jeder mit einer Rakette verſehn, in
den beyden Schlagräumen, das heiſst, zwiſchen
oo und mm ſeitwärts neben ihr Thor, folglich
jeder auf eine der Stellen p. Die übrigen Per-
ſonen ihrer Parthey haben jetzt nichts zu thun,
auſser Einer, der das Kerbholz zum Einſchneiden
der Points führt. Ihre Gegner aber gehn in die
Stellen 1 2 3 4 5 6. Die Perſonen 1 und 2, wel-
che in der Rollgränze ſtehen, rollen den Ball an
den Boden weg nach den Thoren, nämlich 2
nach Y und 1 nach X, in der Abſicht dieſelben
zu treffen. Dieſs geſchieht mit aller Schnellig-
keit und ziemlicher Kraftanwendung. Die bey-
den Schläger a und b aber ſind gleichſam die
Thorwächter und ſuchen den Ball jedes Mal mit
[89] den Raketten davon zurückzuſchlagen und ſo aus
den Händen der Gegenparthey 1 — 6 zu brin-
gen. So oft einer den Ball fortſchlägt, oder
überhaupt ſo oft der Ball aus den Händen der
Gegner 1 — 6 fortkommt und erſt wieder her-
bey geſchafft werden muſs, [wechſeln] a und b ihre
Plätze
d. i. a läuft auf den bisherigen Schlagplatz
des b und dieſer auf den des a. Iſt der Ball
weit genug, ſo ſuchen ſie dieſs ſo oft als mög-
lich zu wiederholen; denn für jede Abwechſe-
lung ſchneidet ihre Parthey a — f einen Punkt
ins Kerbholz. Dagegen bemühen ſich ihre
Gegner ſo bald als möglich den a oder b vom
Schlage abzubringen, dieſs kann auf mancher-
ley Art geſchehen und ſoll in der Folge angege-
ben werden. Verliert wirklich a oder b den
Schlag, ſo tritt einer ihrer Mitſpieler, z. B. c an
ſeine Stelle und man ſpielt wie vorhin weiter.
Auf dieſe Art kommt ein Schläger nach dem an-
dern vom Spiele ab und wird ſo lange von den
andern noch nicht am Schlage geweſenen erſetzt,
bis von a — f keiner mehr übrig iſt. Sind ſo
die beyden letzten Schläger in Arbeit und es
verliert einer von ihnen den Schlag, ſo gehen
beyde ab, weil zum Erſatze des einen keiner
mehr da iſt, und die Parthey a — f hat ihren
erſten Gang geendigt. Izt gehen die Gegner
1 — 6 ins Spiel, um ſich Points zu verſchaf-
F 5
[90] fen, und a — f treten an die bisherigen
Plätze derſelben. So geht das Spiel fort wie
vorhin; hat 1 — 6 den erſten Gang gemacht,
ſo kommt dann a — f wieder ans Spiel und
macht den zweyten u. ſ. w. Die Zahl der zu-
machenden Points kann allenfalls zu Anfange
des Spiels feſtgeſetzt werden, auf 44, 36, ja bis
101 wenn viele Spieler da ſind, und es kommt
darauf an, welche Parthey ſie in den wenigſten
Gängen und mit den wenigſten Schlägern voll
hat. Weit gewöhnlicher und beſſer iſt es aber
die Zahl der Points gar nicht, hingegen die
Zahl der Gänge jeder Parthey feſtzuſetzen, wo-
bey denn diejenige gewinnt, welche in einem,
zwey oder mehreren Gängen die meiſten Punk-
te zu Stande bringt.


Jetzt werden folgende Geſetze über den Ver-
luſt des Schlages
verſtändlich ſeyn. Der Schläger
kommt vom Schlage ab


1. Wenn der gerollte Ball ſein Thor berührt, ſo
daſs das Querholz herabfällt oder eine Ruthe aus
dem Boden herausfährt. (Wenn man lieber will
überhaupt, wenn der Ball das Thor nur berührt.)


2. Wenn der zurückgeſchlagene Ball in die
Luft ſpringt und von einem der andern Par-
they gefangen wird.


3. Wenn das Querholz von einem der Geg-
ner mit dem Balle in der Hand herabgeſtoſsen,
[91] oder durch einen Wurf mit demſelben herab ge-
bracht wird, indem der Schläger nicht in der
Schlaggränze ſteht; oder die Rakette nicht hin-
ein hält
(Dieſs iſt häufig der Fall, wenn die Schläger
die Plätze wechſeln und nicht ſchnell genug
ankommen; oder wenn der Schläger nach
verfehltem Schlage aus dem Schlagplazze ge-
ſprungen iſt, oder ſich vergiſst und die Rakette
nach dem Schlage nicht ſchnell genug in den
Platz niederſtoſst.)


4. Wenn der Schläger von ſeinem Platze
läuft, um das Fangen des aufgeſchlagenen Balls
zu hindern.


5. Wenn ſein Gehülfe den Ball in die Luft
geſchlagen hat, und er ſchlägt ihn noch einmal,
oder der ſo geſchlagene Ball berührt ſein Thor.


6. Wenn er den gerollten Ball mit der Hand
berührt oder aufnimmt, ehe er ſtill lag.


7. Wenn er ſein Bein gebraucht um den Ball
vom Thore abzuhalten, es ſey durch Stoſsen
oder bloſses Vorſetzen und der Ball dann wirk-
lich an das Bein kommt.


8. Wenn er durch Unvorſichtigkeit beym
Schlagen das Thor mit der Rakette berührt, oder
gar das Querholz herabſchlägt.


9. Wenn beym Wechſeln der Plätze die
Schläger ſchon neben einander weggelaufen ſind,
[92] und es wird von den Gegnern das Querholz von
einem Thore herabgeſtoſsen: ſo iſt derjenige
vom Schlage, der nach demſelben hinläuft. Sind
ſie aber noch nicht neben einander vorbey, ſo
iſt der vom Schlage, der das berührte Thor ver-
läſst.


Geſetze und Regeln für die Spie-
lenden
.

a) für die Schläger. —


1. Wenn der Ball den Gegnern aus den Hän-
den gekommen aber nur wenig entfernt iſt, und
die Schläger wollen wechſeln, ſo muſs derjenige,
deſſen Thore der Ball am nächſten liegt, nicht
gleich zu dem andern laufen, ſondern warten,
bis der andere Schläger faſt in ſeinem Platze an-
gekommen iſt. Warum das, lehrt die Praxis.


2. Er darf die Rakette nicht vor das Thor
halten, wenn der rollende Ball kommt; eben ſo
wenig darf er ſelbſt davor treten. Die Rakette
muſs, zum Schlage bereit, von dem Boden in die
Höhe gehalten werden, ſo bald der Rollende,
welcher vom andern Thore den Ball herüber rol-
len will, ruft Achtung! (play!)


3. Er darf nicht mit der ganzen Länge
der Rakette an dem Boden durchſtreichen,
ſondern muſs einen ordentlichen Schlag nach
dem Balle thun; und zwar nur einen Einzigen.


[93]

4. Wenn er nach dem Balle ſchlägt, ſo kann
er zwar, durch Heftigkeit getrieben, aus dem
Schlagplatze weichen; er muſs aber augenblick-
lich Hand, Fuſs oder Rakette wieder ins Mal
ſtellen, denn wenn der Rollende, oder ſonſt ein
Gegner, den Ball ſchnell erhaſcht und damit das
Querholz herabſtöſst, ehe er Hand, Fuſs oder
Rakette im Male hat, ſo iſt er vom Schlage ab.
Aber ſo bald als der gerollte oder geſchlagene
Ball wieder in den Händen des Rollenden iſt, und
er, der Schläger hat Hand, Fuſs etc. ſchon wie-
der im Male gehabt, ſo braucht er dann nicht
mehr ſeine Stelle zu halten, bis wieder gerufen
wird Achtung!


Man macht es auch wohl bey dieſem Spiele
zum Geſetze, daſs Hand oder Fuſs nichts gilt,
ſondern daſs man mit der Rakette nach dem
Schlage an den Boden niederſtoſsen muſs, thut
man das ſpäter, als der Rollende das Thor mit
dem Balle in der Hand oder durch Werfen be-
rührt, ſo iſt man vom Schlage ab. Dieſs ſcheint
mir noch beſſer.


5. Hat der Ball von dem gegenüber Stehen-
den einen Schlag erhalten, daſs er wieder auf das
Thor fliegt, woher er kam, und das Querholz her-
abſtreift, ſo iſt der dabeyſtehende Schläger vom
Schlage; er hat daher das Recht, einen ſolchen
Ball auf alle Art, ſelbſt mit ſeinem Körper, abzu-
halten.


[94]

6. Wenn der Ball aufgeſchlagen iſt und die
Gegner ihn fangen wollen, ſo können es die
Schläger auf alle Art verhindern, nur darf weder
die fangende Perſon, noch der Ball berührt
werden.


b) für die Gegner. 1. Die Perſonen in 3 4
5 6 ſehen darauf, daſs ſie den aufgeſchlagenen
Ball fangen, und was faſt ſtets der Fall iſt, ihn ſo
ſchnell als möglich in die Hände der Rollenden
ſchaffen. Sie müſſen daher den Ball gut in die
Hände werfen können; denn hierdurch wird
das Wechſeln der Plätze gehindert.


2. Die Rollenden in 1 und 2 dürfen den Ball
nur rollen aber nicht werfen, denn ein auf das
Thor geworfener Ball iſt ungültig. Sie müſſen
den Ball, wenn er heran rollt, auf alle mögliche
Art und ſchnell aufhalten, um wo möglich das
Thor eher damit zu berühren, als der Schläger
ſeine Rakette ins Mal ſtöſst.


3. Beym Abrollen müſſen ſie einen Fuſs in-
nerhalb der Rollgränzen nn oo haben, ſonſt iſt
der Ball ungültig.


4. Sie können den Schlägern befehlen, auf
welcher Seite des Thors ſie ſchlagen ſollen.


Vom einfachen Thorball; Single Wicket.


Iſt die Geſellſchaft nur etwa 6 Perſonen ſtark,
ſo ſpielt man das Cricket einfach. Hierzu braucht
[95] man nur ein Thor, und einen Schläger. Wir
nehmen in Gedanken das Thor Y, legen in die
Mitte zwiſchen beyde Thore die eine Rakette
bey 7, theilen die Geſellſchaft in zwey gleiche
Partheyen a b c und 1 2 3, und laſſen jene zuerſt
ins Spiel gehn. a) der Schläger ſtellt ſich alſo auf
p, der Roller auf 7, ſein einer Gehülfe 2 hinter
das Thor Y und die Perſon 3 in dieſelbe Gegend;
die Perſon 1 nämlich, um den Ball von 7 nach
dem Thore zu rollen, 2 und 3 um ihn aufzufan-
gen und dem Roller wieder zuzuwerfen. So oft
der Ball fortgerollt, ſucht ihn der Schläger zu-
rück und weg zuſchlagen, thut er dieſs wirklich,
oder kommt auf ſonſt eine Art der Ball aus den
Händen der Gegner, ſo läuft er, ſo oft es die
Abweſenheit des Balles zuläſst, nach dem Ballhol-
ze bey 7, berührt es mit dem ſeinen und eilt
zum Schlagplatze zurück. So oft er dieſs thut,
ſchneiden ſeine Kammeraden eine Kerbe ins
Holz. Verliert er den Schlag, ſo kommt b und
nach dieſem c daran; dann geht die Parthey
1 2 3 ins Spiel u. ſ. w. Für diejenigen, welche das
doppelte Cricket inne haben, brauche ich weiter
nichts hinzu zuſetzen; denn auch beym Einfa-
chen, gelten die Geſetze und Regeln des dop-
pelten.


Es iſt unnöthig dem Cricket eine lange Lob-
rede zu halten, es ſpricht ſelbſt für ſich; denn es
[96] hat faſt Alles, was man von einem Bewegungs-
ſpiele fordern kann. Es iſt eine vortreffliche
Bewegung im Freyen, gewährt ſehr viel Ver-
gnügen, übt die untern und obern Glieder im
Laufen, Werfen und Schlagen, iſt unſchuldig,
läſst ſich ohne Gewinn ſehr gut und unterhaltend
ſpielen, langſamer und thätiger, wie man will.
Es iſt zugleich Uebung des ſinnlichen Beurthei-
lungsvermögens in mannigfaltiger Rückſicht,
und erfordert viel Aufmerkſamkeit.


6. Handball.
(Handball)

Dieſs engliſche Spiel hat ſeinen Nahmen davon,
weil der Ball ohne Inſtrument, bloſs mit der Hand
geſchlagen wird. Ich will die Vorrichtung dazu
genau angeben; bey der etwannigen Ausführung
mag jeder nachlaſſen, was er nicht ausführen
kann. Es gehört dazu eine ganz eben über-
tünchte Wand von etwa 20 Leipz. Fuſs Höhe
und etwa 21 Fuſs Länge; ſie kann jedoch unbe-
ſtimmt länger ſeyn. Da dieſs Spiel in England
unter der Jugend ſehr gemein iſt, ſo findet man
in manchen Erziehungsanſtalten daſelbſt Mau-
[97] ern, die bloſs zu dieſem Spiele aufgebauet ſind,
wenn man an Gebäuden, wegen der Fenſter,
keinen Platz dazu hat. In Zeichn. 4 ſtellt A B
C D die Mauer vor. E F iſt eine ſtarke mit
ſchwarzer Farbe darauf gezogene Linie vom Bo-
den etwa 4 Fuſs entfernt.


Der Platz A B G H vor der Mauer beſteht aus
Thon, oder Lehm und Fluſsſande und iſt feſtge-
ſchlagen, wie eine Tenne. Er heiſse der erſte
Platz
. Seine Breite von A nach G iſt etwa 16
Fuſs. Er iſt etwa einen halben Fuſs erhabener
als der übrige Boden umher; auf der Linie G H
läuft er durch eine Behſchung mit dem vorliegen-
den Grunde zuſammen. Dieſer muſs ebenfalls ganz
eben und hart ſeyn. Er heiſse der zweyte Platz.
Die Linien A G und B H, die von den beyden
Enden der Mauer etwas auseinander laufend
bis G und H gehen, ſind Grenzlinien des Spiels.
Der Ball iſt etwa ſo groſs wie beym deutſchen
Ballſpiel, elaſtiſch und auf eben die Art gemacht
und gebacken, wie der Ball zum Cricket. Die
Zahl der Spieler kann ſich auf 4 ja bis über 24
Perſonen belaufen, wenn die Mauer ſo lang iſt,
daſs alle davor Platz zum Spielen haben. Sie
theilen ſich in zwey gleiche Partheyen in Abſicht
auf Zahl und Fertigkeit; doch können auch
zwey gegen 10 Andere ſpielen, die nicht ſo ge-
ſchickt ſind. Wir wollen hier 6 Spieler anneh-
G
[98] men, nämlich a b c und x y z. Sie loſen, wel-
che von beyden Partheyen zuerſt anfangen ſoll;
wir nehmen a b c dazu an. Einer von dieſen
geht zuerſt ins Spiel und iſt Aufſchläger. Da es
einerley iſt, welcher, ſo kommt man leicht hier-
in überein. Es ſoll a ſeyn. Da ſich der Auf-
ſchläger
allemal in der Mitte vor die Mauer ſtellt,
ſo kommen nun alle drey auf den erſten Platz in
b a c. Ihre Gegner ſtellen ſich hinter ſie in den
zweyten Platz in x y z. Es kommt nun darauf
an, den Ball in ſchiefer Richtung aufwärts gegen
die Mauer zu ſchlagen, ſo daſs er beym Zurück-
prallen in den Platz der Gegner fällt. Fällt der
Ball auf den erſten Platz zurück, ſo ſchlägt ihn
irgend einer von der Parthey a b c; fällt er aber
auf den zweyten zurück, ſo thut einer von den
Gegnern x y z daſſelbe. Bleibt der Ball auf der
Erde liegen, indem man vorbey ſchlägt, ſo zählt
die Parthey a b c einen Punkt, wenn ihn x y z
fallen lieſsen. Fällt der Ball aber in den erſten
Platz zurück und er wird von der Parthey a b c
daſelbſt im Aufſchlagen verfehlt, ſo zählt zwar die
andere Parthey x y z keinen Punkt, aber a b c
beſchleunigen dadurch das Ende ihres Spielgan-
ges. Nach dieſer allgemeinen Anzeige muſs ich
mich in nähere Zergliederung einlaſſen, weil
man ſonſt die Sache nicht verſtehen kann; die
Plätze will ich der Kürze wegen 1 und 2 nen-
nen.


[99]

a. Der Aufſchläger nimmt den Ball in die
Linke, oder wirft ihn an den Boden und ſchlägt
ihn beym Aufprellen mit der Rechten Hand
über die Linie E F an die Mauer. Er fällt nach
2, einer von x y z ſchlägt ihn wieder zurück an
die Mauer; er fällt nach 1, einer von a b c,
der der Nächſte iſt, ſchlägt ihn wieder an die
Mauer, ſo daſs er nach 2 ſpringt u. ſ. w. ſo lan-
ge das Spiel ſo fort geht, iſt es ohne Tadel und
keine Parthey zählt einen Point. So bald aber
der Ball auf 2 fällt und von x, y oder z nicht
wieder zurückgeſchlagen wird: zählt a für ſeine
Parthey einen Point; er läſst ſich den Ball zu-
reichen und ſchlägt ihn von neuen aus wie vor-
hin. Fällt der Ball, es mag ihn zuvor geſchla-
gen haben wer da will auf 1 und keiner von a
b c ſchlägt ihn wieder auf, ſo iſt a nicht mehr
Aufſchläger, b tritt an ſeine Stelle und ſchlägt
wieder auf, jedoch zählt die andere Parthey
nichts. Man ſchlägt weiter und alle Fehler wel-
che von x y z gemacht werden, rechnen ſich a b
c als Points an, dagegen iſt b vom Amte des
Aufſchlagens beym erſten Fehler ſeiner Parthey,
er ſelbſt oder a, oder c mag ihn gemacht ha-
ben. An ſeine Stelle tritt der letzte nämlich c.
Dieſem geht es bey dem erſten Fehler nicht
beſſer. Iſt er endlich auf obige Art vom Spiele
ab, ſo geht nun die andere Parthey x y z ins
G 2
[100] Spiel auf 1 und a b c, die ihren erſten Gang geen-
digt haben, gehen nach 2. Jene fangen nun an
ihre Points zu machen und ſich eben ſo wie vor-
hin alle Fehler der Gegner a b c als Points zuzu-
zählen. Diejenige Parthey, welche die feſtge-
ſetzte Zahl von Punkten, ſie iſt ganz willkühr-
lich, zuerſt vollzählen kann, hat das Spiel ge-
wonnen. Doch iſt dabey folgendes zu bemer-
ken, wenn diejenige Parthey, welche das Spiel
anfängt, gleich im erſten Gange die Zahl der
Points voll macht, ſo muſs der andern auch erſt
ein Gang zugeſtanden werden, und ſie hat denn
nur verloren, wenn ſie in demſelben die Points
nicht erhält. Beſſer iſt es auch hier, ſo wie
beym Thorball, nicht die Zahl der Points, ſon-
dern die der Gänge feſtzuſetzen und derjenigen
Parthey den Sieg zuzuerkennen, welche in den-
ſelben die mehrſten Punkte hat. Fehler ſind
in dieſem Spiele.


1. Wenn der Ball im Schlagen verfehlt wird.
Man kann den Ball, ſo wie er von der Mauer
zurückprellt, gleich aus der Luft wieder zurück-
ſchlagen oder erſt nach ſeinem erſten Aufſprunge
vom Boden. Läſst man ihn zum zweyten Auf-
ſprunge kommen, ſo iſts ein Fehler.


2. Wenn der Ball unterhalb der Linie E F
an die Mauer trifft


3. Oder die Mauer gar nicht berührt.


[101]

4. Wenn der zurückprellende Ball weder
nach 1 noch nach 2, ſondern über die Seiten-
gränzen des Spielraums A G oder B H fällt.
Doch ſpielt man auch häufig ohne dieſe Seiten-
gränzen und denn findet hier kein Fehler
Statt.


So oft als die Parthey in 2 einen von dieſen
Fehlern begeht, rechnet ſich die andere in 1 ei-
nen Punkt an; ſo oft aber dieſe einen derglei-
chen macht, es geſchehe nun vom Aufſchläger
oder von einem Nebenſpieler: ſo iſt der derma-
lige Aufſchläger ſeiner Stelle verluſtig und ein
anderer kommt an ſeine Stelle. Die Points wer-
den laut gezählt.


Spielregeln: 1) Jeder ſucht ſeinen Schlag ſo
abzumeſſen, daſs der Ball in den feindlichen
Platz fällt, aber man hütet ſich, ihn ſo zu ſchla-
gen, daſs er in den eigenen kommt, denn da
er wieder aufgeſchlagen werden muſs; ſo
ſetzt man ſich der Gelegenheit aus, einen Fehler
zu machen. 2) Man ſchlägt den Ball gern ſo
wenig als möglich über die Linie E F denn je-
mehr ſich ſein Abſprung von der Mauer der Ho-
rizontallinie nähert, um deſto ſchlechter zum
Wiederaufſchlagen wird auch ſein darauffolgen-
der Aufſprung vom Boden.


Ich halte dieſs Spiel für eines der beſten
Ballſpiele, es gewährt ſehr mannigfaltige Bewe-
G 3
[102] gung und da dieſe bald in kurzen Springen,
Laufen, und in Biegungen des Körpers nach
allen Richtungen geſchieht, ſo iſt das Spiel ſehr
fähig, den Körper junger Leute immer biegſa-
mer und flinker zu machen, Ueberdem erfor-
dert es viel Aufmerkſamkeit, richtige Abmeſ-
ſung der Kraft des Armes und der Hand, gute
Berechnung der Haltung der Handfläche beym
Schlagen u. ſ. w. [Knaben, die] weiche ſeidene
Händchen haben ſollen, dürfen es nicht ſpie-
len, denn es macht ſie hart und ſtark, und durch
Handſchuh, die man gewöhnlich dabey anzieht,
wird dieſs nicht ganz verhütet. Man kann ſich
gewöhnen, es mit Raketten, ſo wie man ſie zum
Federball gebraucht, zu ſpielen, aber dann müſ-
ſen die Schläge ſehr gemäſsigt werden, oder die
Mauer muſs ſehr hoch ſeyn.


[103]
7. Prellball.

Dieſe Art des Ballſpiels iſt ganz einfach, erfor-
dert aber Schnelligkeit und Augenmaaſs und er-
laubt eine beliebige Anzahl von Spielern. Auf
einem freyen Platze wird eine Vertiefung in den
Boden gemacht, und in dieſe wird ein 18 bis 20
Zoll langer hinlänglich breiter und dicker Stab
von feſten Holze bis zu ſeiner Hälfte ſchreg
hinabgeſteckt, ſo daſs die Mitte auf dem Rande
des Loches liegt. An ſeinem tiefliegenden En-
de hat er eine löffelartige Aushölung, in dieſe
legt man den Ball, auf die andere geſchieht ein
Schlag mit einem ſtarken dazu bequemen Knit-
tel, und der Ball ſteigt in die Luft. Derjenige,
welcher den Ball ſo prellt, hat die Hauptrolle im
Spiel, die andern ſind Dienende und ſtehn im
Kreiſe umher, jeder etwa 10 Schritte vom obi-
gen Loche auf einer bezeichneten Stelle. Dieſe
Dienenden ſuchen den Schlag zu gewinnen,
und dieſs kann jeder auf dreyerley Art. 1) Wenn
er den geprellten Ball aus der Luft fängt. 2) Wenn
er den Spieler damit wirft. 3) Wenn er den ge-
prellten Ball eher wieder ins Loch ſchafft, als
der Schläger ſich löſst. Um dieſs zu verſtehen,
muſs ich folgendes hinzuſetzen. Iſt der Schlag
geſchehen, so laufen gewöhnlich mehrere nach
dem Balle, um ihn zu erhaſchen. In dieſer Zeit
G 4
[104] muſs der Schläger ſein Loch hurtig verlaſſen
und mit ſeinem Stabe auf alle bezeichneten Pläz-
ze derjenigen klopfen, die nach dem Balle ge-
laufen ſind, hierauf aber ſchnell zurückkehren
und ſeinen Stab hurtig in das Loch ſetzen. Wird
er, ehe dieſs letztere [geſchehen] iſt, von einem
der Dienenden geworfen, oder ſchafft einer der-
ſelben den Ball eher ins Loch, als der Schläger
ſeinen Stock, ſo iſt der Schlag für ihn verloren
und ſein Gegner hat ihn gewonnen. Das Weg-
ſpringen des obigen Hebels läſst ſich dadurch
verhüten, daſs man ihn an eine ſtarke Schnur
bindet, die an einem nebenſtehenden kleinen
Pfale befeſtigt iſt.


8. Kreisball.

Eine Geſellſchaft von unbeſtimmter Anzahl ſtellt
ſich auf einem ebenen und freyen Platze in einen
Kreis. Die Entfernungen zwiſchen den einzelnen
Perſonen richten ſich nach der Zahl der Geſell-
ſchaft; denn der Durchmeſſer des Kreiſes wird
ſtets ſo groſs gemacht, als man mit einem nicht
zu ſchweren und ziemlich weichen Balle be-
quem im Kernwurfe nach einem Ziele werfen
kann. Jeder bezeichnet ſeinen Platz mit einem
[105] Steine oder ſonſt etwas und das Spiel beginnt.
Die Hauptidee iſt ein beſtändiger Krieg Aller
gegen einander, um ſich, nach gewiſſen Geſetzen
des Spiels, in den Kreis zu bringen. Nur ein
Einziger, der ſich nicht hat hineinbringen laſ-
ſen, erhält zuletzt das Recht, alle Hineingebrach-
te durch Ballwürfe matt oder todt zu machen;
kann er dieſs, ſo hat er das Spiel gewonnen.


1. Wenn die Perſonen, wie oben geſagt
iſt, ſtehen: ſo wird der Ball herumgeſchickt, d. i.
Einer wirft ihn dem Andern zu, nicht bloſs der
Reihe nach, ein Nachbar dem andern, ſondern
jedem, er ſtehe wo er wolle. Jeder muſs dabey
ſehr aufmerkſam ſeyn, den Ball immer im Au-
ge behalten und ihn zu fangen ſuchen; denn
der Erſte, z. E. A der ihn fallen läſst, muſs nun
in den Kreis. (Dieſs gilt aber nur von dem Er-
ſten, die Andern kommen auf andere Art hin-
ein).


2. Jetzt wird es Hauptabſicht der Spieler,
die den Ball unaufhörlich herum ſchicken, den
A, welcher im Kreiſe ſteht, mit dem Balle einen
Wurf beyzubringen. A muſs alſo ſehr auf ſeiner
Hut ſeyn und ſich immer mit äuſserſter Schnel-
ligkeit aus der Gegend der Peripherie ent-
fernen, wo der Ball iſt; da aber die andern eben
den Ball juſt ſolchen Mitſpielern zuwerfen, de-
nen A am nächſten iſt, ſo hat er immer viel Ge-
G 5
[106] legenheit, ſeine Beine im Laufen zu üben. End-
lich geſchieht ein Wurf. Wir müſſen hier zwey
Fälle annehmen. Wird A verfehlt, ſo muſs der
B, welcher warf, auch zu ihm in den Kreis, das
Spiel geht fort, wie vorhin und man hat nun 2
Perſonen, die ſich, um den Wurfe auszuweichen,
im Kreiſe herumtummeln. Wird aber A ge-
troffen, ſo bemächtiget er ſich ſo ſchnell als
möglich des Balls; alle Übrigen aber entfernen
ſich eben ſo ſchnell von ihren Stellen und laufen
vom Kreiſe weg. So bald aber A den Ball mit
der Hand berührt, ſo hat er das Recht zu rufen
halt! dann müſſen alle ſtehen, wo ſie ſind und
A geht, wenn er etwa den abgeprellten Ball erſt
auſſer dem Kreiſe holen muſste, wieder in den
Kreis, und von hier aus, denn von keiner Stel-
le auſſer dem Kreiſe darf er es, wirft er mit
dem Balle nach irgend einem Entflohenen, den
er am leichteſten zu treffen gedenkt. Trifft er
Einen, ſo muſs dieſer zu ihm in den Kreis, und
alle Übrigen gehen an ihre Stellen. Trifft er
Keinen, ſo iſt ſeine Mühe vergebens, alle neh-
men ihre Plätze wieder ein und A muſs wieder,
wie oben, ſich im Kreiſe herumtummeln.


3. Auf dieſe Art kommen ſehr bald mehre-
re in den Kreis, und müſſen dann nach ſich
werfen laſſen. Immer hat dann nur der Getrof-
fene
das Recht vor den übrigen, mit dem Balle
[107] nach den Entflohenen zu werfen; jedoch kann
er es, wenn er kein guter Werfer iſt, einem
beſſern übertragen und es iſt überdem die
Pflicht eines jeden, den Ball ihrem getroffenen
Mitſpieler, ſo ſchnell als möglich in die Hände
zu bringen, damit er halt! rufen, und die Flie-
henden zum Stehen bringen kann.


4. Iſt endlich das Spiel ſo weit gediehen,
daſs Alle bis auf Einen in dem Kreiſe ſind, ſo
nimmt dieſer, den wir M nennen wollen, den
Ball. Er umläuft die Gränzen des Kreiſes bald
hier bald dort, die darin Stehenden fliehen vor
ihm; er ſucht ſich ihnen möglichſt zu nähern,
um irgend einen mit dem Balle zu treffen. Je-
der Getroffene tritt aus dem Kreiſe und iſt matt
(todt). Macht er auf dieſe Art Alle matt, ſo hat
er das Spiel gewonnen. Allein die andern ha-
ben das Recht, den M, wo ſie nur können, wie-
der aufs Korn zu nehmen. Sie ſuchen nämlich,
wenn er geworfen hat, aufs ſchleunigſte den
Ball zu erhaſchen und damit nach ihm zu werfen.
M iſt daher ſehr auf der Hut und entfernt ſich
nach dem Wurfe ſogleich von dem Kreiſe.
Wird er aber wirklich getroffen, ſo hat er das
Spiel verloren und muſs entweder allein oder
mit ſeinen etwa ſchon matt Gemachten in den
Kreis treten; ſeine Gegner aber treten auf die
Kreisgränze und fangen das Spiel vom Neuen
[108] an. Daſſelbe geſchieht auch, wenn M nach
einem im Kreiſe wirft und ihn nicht trifft.


Bey dem Mattmachen kann M zwar, wie er
will, quer durch den Kreis laufen, um ſeine Geg-
ner gleichſam deſto beſſer zum Schuſs zu be-
kommen, er darf aber nie innerhalb des Kreiſes
nach ihnen werfen, eben ſo wenig, als jene,
beym Wurfe nach M heraus treten dürfen.


Dieſes in den Rheingegenden übliche Spiel
vereinigt mehrere Uebungen auf eine unterhal-
tende Art; es ſetzt durch häufiges Laufen und
Ausweichen des Wurfs den ganzen Körper in
Bewegung, macht ihn ſchneller und biegſamer;
es übt und ſtärkt den Arm, fordert Aufmerk-
ſamkeit und beſchäfftigt das Beurtheilungsver-
mögen.


9. Treibball.
oder
das Geyerſpiel.

Dieſes, in Deutſchland hin und wieder gewöhn-
liche, Spiel hab ich auch in England unter dem
Namen Hawkgame und in Frankreich wieder ge-
funden. Wenn es mit Eifer geſpielt wird, ſo
ſtrengt es den Körper vortrefflich an, verurſacht
[109] viel Aufheiterung, viel Gelächter und iſt voll-
kommen unſchuldig.


Ein freyer Wieſenplatz giebt den Spielraum.
Die Geſellſchaft kann aus 6, 12, 20 und meh-
reren Perſonen beſtehen. Jeder verſieht ſich
mit einem ungefähr 2 bis 3 Schuh langen, etwas
ſtarken Stocke. Man macht ein Loch in den
Boden, von der Gröſse eines kleinen Hutkopfs,
und im Umkreiſe um daſſelbe ſo viel kleinere
Löcher, als Spieler da ſind, weniger eins. Dieſe
Löcher können zwey, drey Schritte von einan-
der entfernt ſeyn: hierdurch beſtimmt ſich die
Gröſse der Peripherie und ihre Entfernung
vom groſsen Loche von ſelbſt. Die Spieler ma-
chen durch das unter der Jugend ſehr bekannte
Abzählen, Einen zum Geyer. Oder ſie gehn Al-
le an das Mittelloch, halten ihre Stöcke hinein,
laſſen, 1, 2, 3 rufen, und ſpringen ſchnell an
den Umkreis, wo jeder ſeinen Stock in ein
Loch ſetzt. Derjenige, welcher keines hat,
iſt Geyer. Dieſer erhält den Ball, welcher ei-
ne Fauſt dick ſeyn kann und nur mit Haaren
ausgeſtopft iſt. Jeder andere aber bleibt bey ſei-
nem Loche im Umkreiſe, in welches er die Spiz-
ze ſeines Stocks ſetzt, indem er ſich mit dem
Rücken aus dem Kreiſe herausſtellt. — Jetzt
verſucht es der Geyer, welcher auſſerhalb des
geſchloſſenen Kreiſes ſtehet, den Ball mit klei-
[110] nen Schlägen ſeines Stockes an der Erde weg
zu rollen, um ihn in den Kreis zu bringen. Er
iſt behutſam, wählt diejenige Stelle, wo der
Kreis mit weniger ſchnellen und geſchickten
Perſonen beſetzt iſt, dringt mit ſeinem Balle zu-
gleich hindurch, um ihn in das Mittelloch zu rollen.
Dieſs iſt der Zweck ſeiner Arbeit, der aber ſchwer
und ſelten erreicht wird. In dieſem Augenblik-
ke ſchreyet alles, der Geyer, der Geyer! Alle ſind
in tauſend Stellungen und Wendungen beſchäff-
tigt, den Ball aus dem Kreiſe heraus zu bringen.
Der Geyer hingegen thut alles mögliche, um ihn
hinein zu bringen, oder irgend einem Andern,
der ſichs eben recht angelegen ſeyn läſst, da-
durch ein Loch abzugewinnen, daſs er ſeinen
Stock in deſſen verlaſſenes Loch ſteckt. Hier-
durch wird der, welcher das Loch verliert ſo-
gleich Geyer. Aber oft glückt dem Geyer bey-
des nicht; ehe man ſichs verſiehet, bekömmt
der Ball einen Schlag, daſs er weit fortfliegt, und
unter Gelächter zieht der Geyer ab, um bald
vom neuen wieder zu kommen. Iſt der Geyer ein
recht flinker Burſche, ſo macht er allen andern
oft genug zu ſchaffen und das Spiel wird unge-
mein lebhaft und luftig; iſt er aber zu ſchläfrig,
ſo verliert es viel von ſeiner Annehmlichkeit.
Die Geſellſchaft thut daher beſſer, 2 ja 3 Perſo-
nen zu Geyern zu machen, und jedem einen
[111] Ball zum Hereintreiben zu geben. Nur muſs
man dann auch 2 3 bis 4 Kreislöcher weniger
machen, als Spieler da ſind.


Regeln. Der Geyer darf mit ſeinem Stocke
alles thun, um den Ball fort zu bringen und vor
den Schlägen zu ſchützen, indem er ihn, wenn
einer nach dem Balle ſchlägt, vor dem Balle
auf die Erde ſtützt, ſo daſs der Schlagende nur
den Stock treffen kann. Hierin beſteht einer
ſeiner gröſten Vortheile. Aber er darf weder
Hände noch Füſse gebrauchen, um den Ball zu
decken oder ins Loch zu bringen, und dieſs darf
auch keiner von den Uebrigen.


Wenn der Geyer in den Kreis eindringt, ſo
darf keiner ſeine Perſon antaſten und ihn etwa
herausſtoſsen. Man hat es bloſs mit dem Balle
zu ſchaffen.


Wenn es dem Geyer unmöglich fällt, ſeinen
in den Kreis gebrachten Ball länger zu verthei-
digen, ſo muſs er alles mögliche thun, irgend ein
vom Stocke verlaſſenes Loch der Umſtehenden
zu gewinnen; wenn jeder Geyer dieſs thut, ſo
ſind die Umſtehenden deſto mehr genöthigt,
ihre Löcher mit den Stöcken beſetzt zu halten,
und ſich weniger darauf einzulaſſen, den Ball
fortzuſchaffen.


Bringt der Geyer den Ball ins Mittelloch,
ſo muſs jeder ſein bisheriges Loch verlaſſen und
[112] ſeinen Stock in irgend ein anderes zu ſtecken
ſuchen. Auch der bisherige Geyer ſucht eines
zu erhalten. Wer keines bekommt, iſt wieder
Geyer[.]


Daſs kein Spieler nach dem Balle ſchlagen
müſſe, wenn die Beine ſeiner Geſpielen im Wege
ſtehen, verſteht ſich von ſelbſt. Mit Heftigkeit
und weit ausgeholten Schlägen wird überhaupt
nur dann geſchlagen, wenn der Ball frey genug da-
zu liegt. Im Gegentheile ſind es nur immer kurze
zurückgehaltene zum Fortrollen paſſende Schlä-
ge die horizontal an der Erde weggeführt werden.


Niemand der Umſtehenden darf von ſeinem
Loche weggehn, um etwa den Ball auſſer dem
Kreiſe zu ſchlagen; hier darf man ihn nur ſo weit
verfolgen, als man noch reichen kann, wenn
man den einen Fuſs an ſein Loch ſezt. Ja man
kann auch, wenn man den Geyer mehr begün-
ſtigen will, ausmachen, daſs der Ball durchaus
nur geſchlagen werden darf, wenn er innerhalb
der Peripherie des Kreiſes liegt. Doch hängt
dieſs bloſs von dem Willen der Geſellſchaft ab,
da es nicht nothwendig zum Spiel iſt.


Wenn aber der Geyer den Ball in den Kreis
gebracht hat, dann kann jeder auf ſeine Gefahr
ſeine Stelle verlaſſen und hinein gehn, um den
Ball fortzuſchaffen. Kein im Kreiſe Stehender
darf ſein Loch mit dem Fuſse bedecken.


[113]
10. Schnurball.

Wenn man im obern Stockwerke eines Ge-
bäudes eine Stange ſo befeſtigt, daſs ſie aus ei-
nem Fenſter weit genug heraus ſtehet; an die
äuſerſte Spitze eine recht haltbare, hanfene
Schnur bindet, und an dieſer, ſo feſt als mög-
lich, einen etwas dicken Ball befeſtigt, ſo daſs
er an der Schnur herunter hängt, bis 3, 4
Fuſs vom Boden: ſo erhält man die Vorrich-
tung zu einem ganz einfachen Ballſpiele, das
von zwey und mehr Perſonen geſpielt werden
kann. Die eine ſchlägt den Ball, die andre
ſucht ihn zu fangen, wann er wieder zurück-
fällt, doch ehe er noch die ſenkrechte Linie
durchfährt, in welcher die Schnur im Stande der
Ruhe herabhängt. Ein gefangener Ball macht
den Schläger des Schlages verluſtig. Wollen
ſich mehr als zwey Perſonen damit unterhalten,
ſo kann man mit Punkten und Parthien ſpielen.
Dann kommt es darauf an, den Ball ſo ſtark zu
ſchlagen, daſs er einen, auch wohl zwey Um-
ſchwünge um die Stange macht. Jede Perſon
ſchlägt, unter Abwechſelung mit den andern,
4 Mal; 4 Schläge machen daher einen Gang,
und 6 Gänge die ganze Parthie. Jeder Um-
ſchwung gilt einen Punkt; werden durch einen
Schlag aber 2 Umſchwünge gemacht, ſo gelten
H
[114] ſie drey Punkte. Wer am Ende die meiſten
Punkte zählt, gewinnt das Spiel. Ein Schlag un-
terhalb des Balles durch iſt gleichgültig; wer aber
dreymal hinter einander unten durchſchlägt, ver-
liert, wie man das nun feſtſetzen will, entweder
alle noch übrigen Schläge dieſes Ganges, oder
beſſer man rechnet ihm die drey Fehlſchläge als
einen Schlag an. Wer bloſs die Schnur trifft
verliert einen Punkt.


Der Ballſtab kann bey dieſem Spiele etwas
breit ſeyn, damit man weniger in Gefahr iſt,
die Schnur zu treffen.


Dieſes Spiel empfiehlt ſich dadurch der Ju-
gend, weil es wenig Platz erfordert und den
Körper, beſonders den Arm ſo wie das Auge
übt.


11. Fangball.

Dieſe Art des Ballſpiels kann ſchon von zwey
Knaben ausgeführt werden, ſo wohl im Freyen
an einer Mauer, als auch im Hauſe, wenn der
Platz nur oben ſo weit frey iſt, als die Höhe
eines guten Stockwerks beträgt. Die Haupt-
ſache beſteht bloſs im Fangen des Balles unter
allerley Abänderungen. Dieſe ſind: 1. der Ball
wird 6 Mal gegen die Wand geworfen und mit
[115] beyden Händen gefangen. 2) Sechsmal Rechts
gefangen. 3) 6 Mal Links, doch mit der rech-
ten Hand geworfen. 4) Links geworfen rechts
gefangen. 5) Links geworfen links gefangen.
Darauf kommt der Spieler aus dem Lehrlings-
ſtande
heraus und wird Geſell. 6) Rechts von hin-
ten unter dem Schenkel durch und rechts frey ge-
fangen. 7) Links daſſelbe und links gefangen.
8) Rücklings rechts geworfen und gefangen.
9) Daſſelbe links. Der Geſell iſt Meiſter. 10) Der
rechts geworfene Ball wird mit der flachen Hand
5 Mal an die Wand zurück geſchlagen und zum
6ten Male gefangen. 11) Ebendaſſelbe mit der
linken Hand. 12) Der geworfene Ball wird
nach jedem Wurfe mit dem Ellenbogen in die
Höhe geprellt und dann gefangen. 13) Zwey
Bälle werden unabgeſetzt, einer nach dem an-
dern, mit der rechten Hand an die Wand gewor-
fen, mit der linken gefangen und der rechten
wieder zugereicht, welche ſie dann vom neuen
aufwirft und zwar ſo oft bis jeder Ball die linke
Hand 6 Mal durchlaufen iſt. 14) Zwey Bälle
werden mit der rechten und linken Hand gleich-
zeitig geworfen und gefangen. 15) Dieſelben wer-
den übers Kreuz geworfen und gefangen. Nun
iſt der Meiſter Virtuoſe. Jede dieſer Uebungen
kann willkührlich 5 oder 6 Mal gemacht werden.
Es iſt leicht abzuſehen, daſs ſich noch mancher-
H 2
[116] ley Abänderungen machen laſſen. Dieſes Spiel
bekommt viel Intereſſe durch Wetteifer und
durch die Schwierigkeit, welche damit verbun-
den iſt. Es ſetzt den Körper ſtark in Bewe-
gung, erfordert genau abgewogene Kraft der
Hand, viel Augenmaaſs und ſehr viel Gelen-
kigkeit und Schnelligkeit des Körpers. Es
läſt ſich nur an einer ganz ebenen Wand mit
recht runden, nicht glatten aber elaſtiſchen Bäl-
len ſpielen. Fällt der Ball zu Boden, ſo ſind
alle ſchon gemachten Würfe derſelben Aufga-
be vergebens und ſie muſs noch einmal gemacht
werden. Die Spieler können auch die Fehler
notiren, und am Ende Rechnung machen, wel-
che mit ſpashaften Würfen auf den Rücken be-
zahlt wird.


12. Steht Alle!

Dieſes Spiel verdient es ſehr, der Jugend em-
pfohlen zu werden. Es gewährt mäſsige Bewe-
gungen des Körpers, denn man muſs oft dabey,
wie wohl nicht anhaltend, laufen; es übt den
Arm durch Werfen, erfordert mithin auch Au-
genmaaſs; verlangt Aufmerkſamkeit und iſt mit
Luſtigkeit verbunden.


[117]

Die Geſellſchaft kann ziemlich zahlreich
ſeyn und über 12, 16 Perſonen ſteigen. Für
jede Perſon wird auf dem ebenen Boden ein
Loch in der Gröſse einer Fauſt gegraben, ent-
weder in einer einzigen Reihe nebeneinander,
oder noch beſſer unordentlich auf einen Haufen
zuſammen, oder wie die Felder eines Damen-
bretts[.] Die Löcher ſind nur etwa einer guten
Hand breit von einander entfernt. Jeder zeich-
net das Seinige, indem er irgend etwas z. E.
ein Meſſer, einen Knopf etc. hinein legt, wor-
an er es ſogleich wiedererkennen kann. Iſt al-
les ſo vorbereitet, ſo nimmt einer von der Ge-
ſellſchaft den nicht zu harten Ball und rollt ihn
in einer Entfernung von etwa 3, 4 Schritten
nach den Löchern, um welche die übrige Ge-
ſellſchaft in einem drey Viertels Kreiſe umher
ſteht und mit groſser Begierde auf den Lauf des
Balls achtet. Fällt er in ein Loch, ſo ſpringen
Alle mit gröſster Schnelligkeit [auseinander] und
entfernen ſich von den Löchern. Ein Einziger
bleibt ſtehen, nämlich der, in deſſen Loch der
Ball gerollt iſt. Dieſer ergreift ihn beym Hin-
einrollen augenblicklich, und ruft: ſteht alle!
Er kann dieſs nicht ſchnell genug ausrufen, da-
mit die andern nicht ſo weit fortkommen, und
darf doch nicht eher, als bis er den Ball mit
der Hand berührt. Auf jenen Ruf ſtehen Alle
H 3
[118] augenblicklich. Offenbar erfordert das Spiel
alſo Aufmerkſamkeit und ſchnelle Beſonnenheit.
Unſer Spieler, er heiſse A, hat nun das Recht,
nach dem nächſten dem beſten, B zu werfen.
Trifft er ihn nicht, ſo iſt der erſte Gang des Spiels
aus. Alle kommen zu den Löchern zurück und
dem A wird zur Strafe ein Steinchen ins Loch
gelegt. Trifft er ihn aber, ſo nimmt B ſo
ſchnell als möglich den Ball auf und ruft gleich-
falls: ſteht alle! denn jeder hat das Recht, ſich
von dem, der am Werfen iſt, ſo lange zu entfer-
nen, als der Ball nicht in der Hand iſt. Alle
ſtehen und B wirft nun wieder nach dem Näch-
ſten den Beſten C. Trifft er ihn nicht, ſo en-
digt ſich jetzt der Gang und B bekommt einen
Stein ins Loch. Trifft er ihn aber, ſo machts
C wie ſein Vorgänger, ergreift den Ball und
ruft den Laufenden zu: ſteht alle! u. ſ. w. So
können 3, 4, 6 und mehr Perſonen ans Wer-
fen kommen, bis ein Wurf fehl trifft, der Gang
des Spiels ſich dadurch endigt und der, welcher
nicht traf, ein Steinchen ins Loch bekommt. —
Oft tritt der Fall ein, daſs Einer werfen ſoll, der
es nicht gerne wagen mag, entweder weil er kei-
ne Fertigkeit im Treffen hat, oder weil er nicht
früh genug, ſteht alle! rufen konnte, wodurch
folglich Alle zu weit von ihm weggelaufen ſind:
darum iſt es denn auch jedem erlaubt, ſowohl
[119] dem A als allen Übrigen, jemanden durch ſtil-
les Zuwinken aufzufordern, an ſeiner Statt zu
werfen. z. B. A hat nicht Luſt ſelbſt zu werfen
und er fordert einen Andern, Namens B, auf, es
für ihn zu thun. B kann nicht dazu gezwungen
werden, hat er aber Luſt, ſo wirft ihm A den
Ball ſchleunig zu. Da er folglich in dem Au-
genblicke in keines Mitſpielers Hand iſt, ſo ha-
ben Alle das Recht, ſich ſo lange und ſo ſchnell,
von B zu entfernen, bis B ruft: ſteht alle! d. i.
bis er den Ball hat. Hierauf kann er ſich Einen
zum Wurfe auserſehen, aber es iſt ihm ſchlech-
terdings nicht erlaubt, den Wurf vom neuen ei-
nem Andern zu übertragen. Wirft er fehl, ſo
geht ein neuer Gang an, und nicht A, ſondern
B bekommt einen Stein ins Loch; trifft er aber
einen Andern, Namens C, ſo kann dieſer ſelbſt
werfen oder übertragen u. ſ. w.


So bald der Fehlwurf geſchehen iſt, gehen
Alle wieder zu den Löchern und man rollt den
Ball vom neuen. Hat endlich nach vielen
Gängen Einer 6 Steinchen in ſeinem Loche, das
iſt, 6 Mal fehl geworfen, ſo wird er dafür auf
folgende Art beſtraft. Seine Mitſpieler ſtellen
ſich in zwey gleichzählige Fronten, 24 Schritt
von einander, und nehmen den Strafbaren in
die Mitte. Einer nach dem Andern hat das
Recht, mit dem Ball einen Wurf auf ihn zu
H 4
[120] thun und er Gelegenheit, ſich im Ausweichen
zu üben.


Geſetze. 1. Das Rollen des Balls geſchieht
von den Spielern nach ihrer Gröſse. Jeder hat
das Recht 3 Mal zu rollen, iſt dann der Ball
noch nicht in ein Loch gefallen, ſo kommt ein
Anderer an die Reihe. Es geſchieht, wenn die
Löcher nicht in einer Reihe gemacht ſind, ab-
wechſelnd von vier Seiten her, und jede Per-
ſon muſs von einer andern Seite her den Ball
nach den Löchern abrollen.


2. Kein Spieler darf eher rufen ſteht alle!
bis der Ball in ſeinen Händen iſt, und keiner
von den Übrigen darf dann noch einen Schritt
weiter laufen. Thut ers aber dennoch, ſo muſs
er, auf Verlangen des Erſtern, die Schritte zurück
thun.


3. Der erſte Spieler, in deſſen Loch der Ball
gerollt wurde, ſtellt ſich beym Wurfe neben
die Löcher, alle in der Folge getroffenen dahin,
wo der von ihnen abgeprallte Ball liegt; alle dieſe
Leute haben dann noch das Recht von den ge-
nannten Standpunkten einen Sprung nach der
Perſon hin zu thun, nach welcher ſie werfen
wollen, um ihr näher zu kommen. Dagegen
ſteht es Jedem, nach welchem der Wurf ge-
ſchieht, frey, ihm durch alle mögliche Biegun-
gungen und Wendungen des Körpers auszu-
weichen.


[121]
13. Federball.
Volant.

Die zu dieſem Spiele gehörigen Inſtrumente ſind
allgemein bekannt und bey den Galanteriehänd-
lern zu haben; es iſt daher keine umſtändliche
Beſchreibung nöthig, doch will ich hier noch an-
führen, daſs die Federbälle in den franzöſiſchen
Ballhäuſern, wo dieſs Spiel, unter der Regent-
ſchaft des Herzogs von Orleans, deſſen Lieblings-
ſpiel es war, ſehr ſtark getrieben wurde, zwey
Zoll im Durchmeſſer und 2 1∫2 Zoll lange Fe-
dern hatten. Die Raketten waren viel leichter,
als die zum ordentlichen Ballſpiele. Unſre Fe-
derbälle werden gewöhnlich zu klein gemacht.


Das Spiel beſteht bloſs aus einem geſchick-
ten Zuſchlagen zwiſchen zwey oder mehr Perſo-
nen, ſo daſs der Ball unaufhörlich hin und her
getrieben wird, bis er durch Verſehen zum Fal-
len kommt. Wer dieſs am beſten zu verhin-
dern weiſs, ſpielt am beſten. Die Sache ſcheint
beym Zuſehen ſehr leicht, es gehört aber mehr
dazu als man glaubt, Ball, Rakette und Hand im-
mer in ein richtiges Verhältniſs zu bringen, das
in jedem Augenblicke völlig neu iſt, weil der
Ball immer in verſchiedene Lagen kommt. Hier-
zu müſſen die Bewegungen und Wendungen
der Rakette, der Hand und des ganzen Kör-
H 5
[122] pers erſt erfunden, und zwar ſogleich auf der
Stelle, erfunden werden, weil die Lage des Balls
nur auf einen Augenblick dieſelbe bleibt. Aus
dieſem Geſichtspunkte betrachtet iſt dieſs Spiel
ſehr vortrefflich als Uebung des Beobachtungs-
geiſtes; aber es ſetzt auch den Körper auf eine
heilſame Art in Bewegung und macht ihn durch
unzählbare Biegungen und Wendungen ge-
ſchickter. Im Freyen läſst es ſich jedoch nur
ſelten ſpielen, wegen des Luftzuges, aber deſto
beſſer in geräumigen und hohen Zimmern. Ich
empfehle es vorzüglich auch dem weiblichen
Geſchlechte.


b) Scheibenſpiele.


14. Das Scheibenſpiel.
(Le palet).

Dieſes Spiel empfehle ich der Jugend für die
ſchläfrige Zeit nach Tiſche, beſonders an heiſsen
Sommertagen; denn es hat alles, was zu einem
ſolchen Spiele gehört, indem es weniger An-
ſtrengung als Geſchicklichkeit erfordert, und
unter kleinen Promenaden zu Scherz und La-
chen Anlaſs giebt. Man kann es im Freyen
und im Zimmer, ſelbſt auf dem Tiſche, ſpielen.


[123]

Vier bis ſechs Perſonen ſpielen es am be-
quemſten. Jeder hat 1. 2. 3. und mehr metal-
lene Scheiben, mit welchen nach dem Ziele, das
in einer kleinen Scheibe beſteht, geworfen wird.
Für jede Scheibe, welche die eine Parthey dem
Ziele näher wirft, als die andre, zählt ſie einen
Punkt, und diejenige Parthey, welche zu-
erſt 12 Punkte zählt, hat das Spiel gewonnen.
Dieſs iſt der Gang des Spiels. [Jezt noch] noch einige
Erläuterungen.


Die Zahl der Scheiben für jede Perſon iſt
willkührlich. Sie ſind von Bley, ſo groſs als ein
Thalerſtück. Um ſie beym Spielen zu kennen,
werden ſie numerirt, oder mit haltenden Farben
überzogen. Es iſt bequem, wenn jeder Spieler
ſeine eigene Farbe hat, aber gar nicht nothwen-
dig. Nothwendiger iſt es aber, daſs jede Par-
they der Spieler eine eigene Farbe habe, und
da ſich die ganze Zahl der Spieler nicht bloſs in
2, ſondern auch in 3 und 4 Partheyen theilen
kann: ſo iſt es gut, 4 Farben zu haben, um die
abgeworfenen Scheiben der Partheyen leicht
auseinander finden zu können. Hat man aber
dergleichen Scheiben gar nicht, ſo laſſen ſich
auch Thalerſtücke gebrauchen, wenn man ſie
mit Zahlen bezeichnet.


Um die Sache mehr zu verſinnlichen, will
ich ein Spiel angehen laſſen, daſs von 2 Par-
[124] theyen, A und B geſpielt wird. Ob jede Parthey
aus 2, 3 oder 4 Perſonen beſtehe, kömmt hier
weiter nicht in Betracht. Man legt das kleine
Stück Geld auf den Boden, etwa 4, 6; bis 10
Schritt weit von dem angenommenen Stand-
punkte. Im Fortgange des Spiels geſchieht dieſs
aber nicht wieder, ſondern derjenige wirft es
aus, der dem Ziele eine Scheibe am nächſten
brachte. Man kann darum loſen, welche Par-
they den Anfangswurf thun ſoll, oder die Ent-
ſcheidung der Höflichkeit überlaſſen. Angenom-
men, eine Perſon von A mache den Anfang,
ſo folgt nun eine von B. Wirft dieſe näher als
die Scheibe von A liegt, ſo kommt die Parthey
A wieder an den Wurf und die Perſonen dieſer
Parthey — es iſt ganz gleichgültig wer es ſey,
werfen ſo lange bis eine von ihren Scheiben nä-
her liegt, als die Scheibe von B; dann fangen
die Perſonen von B wieder an. Die Regel heiſt
kurz: jede Parthey bleibt ſo lange am Wurfe, bis
eine ihrer Scheiben dem Ziele näher liegt, als
irgend eine der andern.


Die Ordnung des Werfens richtet ſich
alſo immer nach der Entfernung der Schei-
ben, darüber muſs ſtreng gehalten werden,
mithin iſt es nöthig, die Entfernungen immer
mit den Augen zu meſſen. Dieſe Einrichtung
iſt vortrefflich, das Augenmaaſs der Jugend zu
[125] ſchärfen, ſie muſs daher durchaus nicht vernach-
läſsiget werden. Im ſtreitigen Falle wird mit
einem Stabe gemeſſen. Sind die Scheiben von
allen Spielern abgeworfen, ſo kommts zur Be-
rechnung und diejenige Parthey, welche 1, 2,
3, u. ſ. w. Scheiben dem Ziele näher gebracht
hat, als irgend eine der andern liegt, zählt 1,
2, 3 u. ſ. w. Punkte weiter. — Uebrigens
zeigt man, wie beym Billard, den Stand der
Points der Partheyen an; oder ſind mehr als 2
Partheyen, ſo notirt man die Punkte einer jeden
mit der Bleyfeder. — Derjenige, deſſen Schei-
be dem Ziele beym vollendeten Gange am
nächſten lag, nimmt das Ziel, wirft es vom
Neuen aus, und thut beym folgenden Gange
den erſten Wurf. So wird die Stelle des Ziels
nach jedem Gange, d. i. nach jedesmaligen völ-
ligen Abwerfen aller Scheiben der Partheyen,
verändert.


Man kann es in dieſem Spiele zu einer an-
ſehnlichen Fertigkeit bringen, z. E. die Per-
ſon 1 wirft mit dem Ziele ziemlich nahe, 2 legt
ſich zwiſchen ſie und das Ziel, 3 trifft das Ziel
ſo, daſs es ſich von 1 und 2 entfernt und ihr
am nächſten liegt. Oder 1 legt ſich ans Ziel,
2 bedeckt das Ziel, 3 wirft 2 vom Ziele herab
oder vom Tiſche herunter, ſo daſs in dieſem
letzten Falle nichts gezählt werden kann.


[126]

Man kann auch ohne Partheyen einzeln für
ſich ſpielen. Dieſs geſchieht gewöhnlich, wenn
die Zahl der Perſonen ungleich iſt.


Ueber das mechaniſche des Wurfes läſst ſich
nur folgendes ſagen: die Scheiben werden auf
die Finger gelegt und in einem geſtreckten Bo-
gen ſo fort geworfen, daſs ſie nicht ins Rollen
kommen.


Dieſs Spiel hat viel Zweckmäſsiges; es er-
fordert unaufhörlich ein genau meſſendes Auge,
richtig abgewogene Kraft der Hand beym Wur-
fe, gute Behandlung der Scheiben und zugleich
auch Glück; denn oft vernichtet ein kleiner
Zufall den geſchickteſten Wurf und erregt Ge-
lächter.


15. Das Fuſsſcheibenſpiel.
(La Merelle).

Dieſes angenehme Knabenſpiel, welches hin
und wieder in Deutſchland gewöhnlich iſt, ha-
be ich auch in England und Frankreich wieder-
gefunden. Dort heiſst es hopping Scotch und
hier la Merelle oder Marrelle. Der Spieler
hüpft auf einem Fuſse und ſtoſst mit dieſem, im
[127] Niederhüpfen, einen platten Stein am Boden
fort, und zwar nach gewiſſen Geſetzen und durch
die Fächer einer gewiſſen Figur, die an den Bo-
den gezeichnet iſt. Hierin beſteht die Haupt-
ſache des Spiels.


Der Stein muſs platt, nur etwa einen klei-
nen Finger dick ſeyn. Man nimmt dazu gern
ein Stück Dachziegel, das man ganz rund, oder
länglicht rund, abklopft. Er iſt faſt ſo groſs,
als die Mündung eines Trinkglaſes. Spieler
können zwey, drey und mehr ſeyn. Auf ei-
nem groſsen Saale zeichnet man die Figur mit
Kreide, im Freyen muſs man einen ebenen, et-
was ſandichten, oder überhaupt einen weichen,
Boden haben, damit man ſie mit einem Stabe
hineinreiſsen kann. Sie iſt etwa 12 bis 14 Schrit-
te lang. Im Grunde iſt eine ſolche Figur ſehr
willkührlich, um ſich aber eine Vorſtellung da-
von zu machen, muſs ich ſchon ein Paar als
Muſter aufſtellen[.] Siehe Zeichn. 5 und 6. Je-
ne iſt aus England entlehnt. Die Spieler A. B.
u. ſ. w. ſtellen ſich vor die Linie a b, denn von
hier aus wird das ganze Spiel getrieben. A ſoll
den Anfang machen. Er wirft den Stein in das
Fach 1. hüpft auf einem Fuſse hinein, ſtöſst
ihn über a — b heraus und tritt wieder an die
Anfangslinie. Itzt wirft er den Stein nach dem
Fache 2, hüpft wieder hinein und ſtöſst ihn eben
[128] ſo heraus; dann wirft er ihn nach 3, hüpft auch
dahin und treibt den Stein ſtoſsweiſe über die
ſchon paſſirten Fächer zurück. Auf eben die
Art wirft er ihn nach 4 und wiederholt das Her-
ausſtoſsen wie vorher. Nach dem Wurfe ins
5te Fach hüpft er über die erſten 4 Fächer auf
einem Fuſse, dann ſpringt er auf beyde Füſse,
ſo daſs er das Kreuz überſpannt und mit dem
einen in 5 mit den andern in 6 ſteht; hierauf
wieder auf einem Fuſse ins 5te Fach, ſtöſst den
Stein nach 4, überſpannt dann wieder das Kreuz,
hüpft nach 4 und von da über 3, 2, 1 hinaus.
Beym 6ten Fache gehts eben ſo. Das 7te iſt
ein Freyfach, hier darf er nach Ueberſpannung
des Kreuzes auf beyde Füſse niederſpringen und
nach Belieben einige Augenblicke ruhen. Dann
aber muſs der Stein der Reihe nach von 7 nach
6, nach 5 und nach 4 geſtoſsen werden und ſo
oft als der Spieler hierbey in ein neues Fach
übergehen will, muſs er erſt das Kreuz wie vor-
hin überſpannen. Von 4 wird er endlich nach
und nach, oder auf ein Mal, wieder [herausge-
worfen]
. Nach dem Wurfe in 8 hüpft der
Spieler über 1, 2, 3, 4 überſpannt dann das
Kreuz, ſpringt in 7 auf beyde Füſse und auf ei-
nem nach 8, von hier muſs der Stein wieder
durch alle Fächer gebracht werden wie vorhin.
9 bleibt wieder ein Freyplatz. Hier darf er eben-
[129] falls auf beyden Füſsen gehn und ſtehn, bis er
anfängt, den Stein wieder heraus zu ſtoſsen.


Die ſechste Figur iſt franzöſiſch. 4 und 8
ſind Freyplätze, wo der Spieler zur Erholung auf
beyde Füſse treten darf. Will er von dieſen
Plätzen aus den Stein zurücktreiben, ſo ſteht es
ihm frey, dieſs durch alle ſchon paſſirten Fächer
zu thun, nämlich von 10, nach 9, 8, 7, 6 u. ſ. w.
oder er legt den Stein auf den hüpfenden Fuſs
und ſchleudert ihn, indem er einen kleinen Auf-
ſprung macht, von 8 oder 4 ſo weit er kann,
über 3, 2 fort, aus der Figur hinaus.


Wenn dieſs Spiel von zwey und mehr Perſo-
nen geſpielt wird, ſo ſetzt man erſt die Folge feſt
und richtet ſich dann nach folgenden Geſetzen.


1. Der Stein wird von der Linie a-b aus in
das beſtimmte Fach geworfen, fällt er in ein an-
deres Fach, oder bleibt er auf einer Linie lie-
gen: ſo darf der Spieler für dieſen Gang nicht
ſpielen, ſondern ſein Nachfolger kommt ans
Spiel.


2. Berührt der Spieler beym Hüpfen und
Fortſtoſsen mit dem Fuſse eine Linie der Figur,
ſo tritt er ebenfalls ab.


3. Bleibt der geſtoſsene Stein auf einer Li-
nie liegen, ſo geſchieht eben das.


4. Fährt der geſtoſsene Stein über eine Seite
der Figur heraus, ſo verliert er gleichfalls den
I
[30[130]] Gang, denn der Stein muſs ſtets beym Heraus-
ſtoſsen die Linie a b durchgehen.


5. Vergiſst er das oben angedeutete Ueber-
ſpannen des Kreutzes, ſo iſt er ebenfalls ab.


6. Springt er, durch den Verluſt des Gleich-
gewichts getrieben, aus der Figur heraus, wenn
der Stein noch darin iſt, oder berührt er mit
dem verbotenen Fuſse den Boden;


7. Ueberſpringt er beym Herausſtoſsen aus
den Fächern des Kreiſes oder des Kreuzes ein
Fach, ſtöſt er ihn z. E. von 8 nach 5, oder von 7
nach 4: ſo darf er den Gang nicht machen.


8. Derjenige, welcher den Stein zuerſt in das
letzte Fach und wieder herausbringt, hat die Par-
thie gewonnen.


Alle dergleichen Regeln, ſo wie die Figu-
ren ſelbſt ſind, ſehr willkührlich, und hängen
von der Erfindungskraft der jungen Spieler ab.
Dieſs macht das Spiel um deſto angenehmer.
Ich habe es zwiſchen den Windungen einer gro-
ſsen Spirallinie ſpielen geſehen, wobey jeder ſei-
nen Stein bis zum Mittelpunkte nach und nach
fortſtoſsen muſste.


Dieſs Spiel hat mancherley Gutes an ſich; es
bewegt den Körper bis zum Schweiſse, übt die
Schenkel und Waden; verlangt viel Haltung des
Gleichgewichts auf einem Fuſse; ein gutes Au-
genmaaſs bey der Fortwerfung des Steines in
[131] das beſtimmte Fach, und viel Aufmerkſamkeit,
um nichts von dem zu vergeſſen, was in den Ge-
ſetzen ausgemacht iſt. Es iſt für junge Leute
ſehr unterhaltend und reizend; vor wenigen Ta-
gen ſah ich es daher von einigen ſo gar nach
einem Marſche von ſechs ſtarken Stunden ſpie-
len. Allein mir gefällt bey dieſem Spiele das
beſtändige Hüpfen auf einem Beine nicht, zu-
mal wenn immer nur ein und ebendaſſelbe ge-
braucht wird. Dieſs letzte ſollte man nicht zu-
geben; es muſs, lange fortgeſetzt und wieder-
holt, auf den unvollendeten Bau übeln Einfluſs
haben, wenigſtens wird die Stärke und Ausbil-
dung der Schenkel dadurch ungleich werden.
Man mache es daher zum Geſetze des Spiels,
rechts hinein und links herauszuhüpfen, und
wechſele auch hierin ab. Hierdurch wird der
etwannige Schade ſicher gehoben. Dieſs Spiel
hat ungewöhnlich viel Anlage zu einer weit grö-
ſsern gymnaſtiſchen Vollkommenheit
, und es kann zu
einem der vortrefflichſten Bewegungsſpiele wer-
den, wenn man ſtatt des bloſsen Hüpfens, aller-
ley leichte und ſchwere Körperbewegungen hin-
einbringen will. In dieſer Rückſicht iſt es jun-
gen Leuten ganz beſonders zu empfehlen. Die-
jenigen, welche in den Tanzſchritten (Pas), ſo
wohl in den niedrigen als hohen, geübt ſind, wer-
den ſehr leicht einen ganz neuen Gang des Spiels
I 2
[132] herausbringen, indem ſie es zum Geſetz machen,
daſſelbe mit Bewegungen des Tanzes zu verbin-
den, in dieſem Fache der Figur ein Jetté, in
einem andern ein Entrechat, eine Cabriole
u. ſ. w. zu machen. Durch eine geſchickte
Verbindung und Ausführung von dergleichen
Tanzſchritten würde das Spiel ein vortreffliches
Anſehn erhalten. Zur weitern Auseinanderſez-
zung iſt aber hier der Platz nicht. Junge Leute,
die aber hiervon nichts verſtehen, ſollten aller-
ley weniger künſtliche Sprünge hinein bringen.
Um mich verſtändlich zu machen, will ich ein
Beyſpiel angeben.


Man ſteht in der erſten Poſition vor a b, die
Hände in die Seiten geſtüzt, die Bruſt heraus.
Aufgeſprungen, mit den Füſsen an das Geſäſs
geſchlagen und nach 1 in die erſte Poſition über-
geſetzt.


1. Aufgeſprungen, in der Luft die Ferſen
zuſammengeſchlagen, in die erſte Poſition nie-
dergefallen, auf einer Fuſsſpitze völlig umgedre-
het, und nach 2 übergeſetzt.


2. Die Beine etwas geſpreitet, aufgeſprungen,
in der Luft halb umgedrehet, niedergefallen;
dann wieder die Beine etwas geſpreitet und
eben ſo mit Umdrehen in die erſte Stellung und
von da nach 3 geſprungen.


3. In der erſten Poſition aufgeſprungen, in
[133] der Luft rechts völlig umgedrehet. Niederge-
ſprungen und nach 4 übergeſetzt.


4. Wie in drey, aber links herumgedreht
und nach 5 übergeſetzt.


5. Aufgeſprungen die Ferſen 2 Mal in der
Luft zuſammengeſchlagen. Dann wieder auf-
geſprungen, ſo daſs der Abſtoſs mit dem linken
Fuſse geſchieht, in der Luft mit eben dem Fuſse
gegen den rechten geſchlagen, und ſo ſeitwärts
nach 6 übergeſetzt.


6. Anfangs wie vorher in 5 Aufſprung und dop-
pelter Anſchlag. Dann Aufſprung mit dem rech-
ten Fuſse, Anſchlag an den linken, Ueberſpan-
nung des Kreutzes, ſo daſs der linke in 5 der rech-
te in 6 ſtehet. Nochmaliger Aufſprung nach 7.


7. Hier iſt ein Freyplatz zum Ausruhen.


8. Ueber das achte Fach wird mit gleichen
Füſsen weggeſetzt, denn es wird als verſchloſſen
angeſehn.


9. Hier wird am hinterſten Ende der Stein
zwiſchen beyde Füſse gefaſst; man macht damit
2 kurze Fortſprünge, dann einen ſtarken Auf-
ſprung, ſchlägt beyde Füſse ans Geſäſs und
ſpringt nieder. Der Stein darf dabey nicht fal-
len. Itzt ſpringt man, immer den Stein feſthal-
tend, über 8 weg, dann von 7 nach 4, nach 3 u. ſo
fort aus der Figur heraus. Nach dieſen Angaben
wird ſich jeder leicht eine Vorſtellung von der
I 3
[134] verbeſſerten Geſtalt dieſes Spiels machen können.
Dergleichen Bewegungen laſſen ſich auf man-
cherley Art abändern. Dieſs macht Vergnü-
gen und zur Uebung und Bildung des Körpers
ſind ſie vortrefflich. Die für jedes Fach beſtimm-
ten Sprünge werden bloſs gemacht, indem man
ſich zu dem Fache begibt, wo der Stein liegt;
von hier ſchnellt man den Stein entweder mit
einem Fuſse hüpfend, vor ſich hin nach und nach
heraus, oder man legt ihn auf den Fuſs und
ſchleudert ihn beym Aufſprunge fort, oder man
faſst ihn zwiſchen beyde Füſse und ſpringt damit
aus der Figur heraus. Die Geſetze über den
Verluſt eines Ganges, wird jeder leicht, nach den
oben gegebenen, für dieſs neue Spiel bilden
können.


16. Das Steinſpiel.

Man gebraucht zu dieſem Spiele nichts, als
Steine, daher gebe ich ihm dieſen Namen, ob
es gleich in Deutſchland und in der Schweiz un-
ter manchen andern Namen bekannt iſt. Der
Boden des Platzes ſey eben und feſt und man
bezeichne hier den Spielraum auf folgende
[135] Art, ſiehe Zeichn. 7. Auf die Stelle a legt man
2, 3 bis 4 Steine aufeinander von der Gröſse
eines Hühnereyes, oder man ſtellt hier her einen
kleinen hölzernen Kegel, oder pyramidaliſchen
Stein, einer kleinen Spanne hoch. Dieſs iſt das
Ziel, wonach jeder Spieler wirft. Zu dieſem
Ende verſieht ſich jeder Mitſpieler, deren 6, 12
und mehr ſeyn können, mit einem platten,
höchſtens einen Zoll dicken, Steine, der etwas
abgerundet ſeyn kann und ſo groſs als eine Un-
tertheetaſſe iſt. Man kann auch hölzerne Schei-
ben dazu gebrauchen. b iſt die Stelle, von wo
aus nach dem Ziele geworfen wird, ſie iſt etwa
10 Schritte von a entfernt. c e und d f die et-
wa 5 Schritte von einander gemacht werden,
ſind in den Boden geriſſene, oder durch Steine
bezeichnete Grenzlinien; ſo wie auch c d und
e f. Ehe das Spiel angeht, wird durchs Loos
erſt einer zum Wächter gewählt. Dieſer ſpielt
die Rolle des Dienenden, denn er muſs bey
dem Ziele a immer Wache halten und es wieder
aufſetzen, wenn es von den Mitſpielern umge-
worfen iſt. Die Werfenden ſind in dem Freyplaz-
ze vor e f und einer nach dem andern wirft, von
der Stelle b aus, ſeine Scheibe nach dem Ziele.
Hat man ſie abgeworfen, ſo muſs man den näch-
ſten Wurf erſt dadurch löſen, daſs man ſie wie-
der holt, ohne von dem Wächter berührt, oder mit
I 4
[136] ſeinem zuſammengewundenen Schnupftuche ge-
troffen
zu werden. In dieſer Kleinigkeit liegt
der Reiz des Spieles; denn es iſt nicht ganz
leicht, wenn der Wächter auf ſeiner Hut iſt,
aber doch durch Schnelligkeit möglich. Jeder
Spieler, der ſeinen Stein abgeworfen hat, kann
nicht ſogleich hinauslaufen, um ihn wieder zu ho-
len, denn er würde ſich ja dem Wächter gerade
in die Hände liefern, ſondern er bleibt neben
b und beobachtet den Wächter; findet er ihn
unaufmerkſam, ſo läuft er pfeilſchnell hinaus
und ſtellt dort ſeinen Fuſs auf den Stein. Iſt
der Wächter aber zu aufmerkſam, ſo müſſen die
Spieler bey b warten, bis einer von ihren fol-
genden Mitſpielern das Ziel umwirft und dann
laufen alle augenblicklich und ſchnell hinaus,
um ihre Steine zu holen; denn es iſt die Pflicht
des Wächters, das umgeworfene Ziel augen-
blicklich wieder aufzuſtellen, und eher kann
er Keinen auf eine gültige Art berühren[.] Oft iſt
es der Fall, daſs man, durch Schnelligkeit, ſo wie
durch Langſamkeit des Wächters beym Aufſtel-
len geholfen, hinaus kommt und den Stein auch
ſogleich mit nach b zurück bringt. Liegt in die-
ſem Falle der Stein jenſeits der Linie c d zum
Beyſp. in x, ſo kann man ihn gerade zu nehmen
und damit nach b zurücklaufen; liegt er aber vor
der Linie zum Ex. in y, ſo muſs man ihn auf-
[137] nehmen und erſt die Linie c d damit berühren,
ehe man damit zurücklaufen darf.


Ein anderer Fall iſt noch gewöhnlicher: wird
nämlich der Wächter zu früh fertig, ſo kann
man nicht gleich mit dem Steine zurück laufen.
Liegt der Stein dann jenſeits c d, ſo ſtellt man
ſich mit dem Fuſse darauf und bleibt ſo ſtehen;
ja man kann auch den Stein von x her bis an die
Linie c d heranſchieben, um ſich den Rückweg
zu verkürzen. So lange man ſo durch den Fuſs
oder die Hand mit dem Steine in Berührung
bleibt, hat der Wächter kein Recht zu berühren,
läſst man aber davon ab, ſo kann er es ſogleich.
Liegt der Stein aber vor c d, ſo darf man hier
nicht auf demſelben ſtehen bleiben, denn der
Wächter kann hier jeden berühren, es ſey wann
es wolle, weil der Raum c d e f als verboten an-
geſehen wird. Man muſs daher den Stein erſt
aufnehmen, ihn auf, oder hinter die Linie c d
bringen und kann dann hier, wie vorhin, ſo lan-
ge mit ihm in Berührung bleiben, bis man in
der Unachtſamkeit des Wächters, oder im Um-
geworfenen Ziel eine Gelegenheit findet, wie-
der nach b zurück zu kommen.


Bisweilen tritt der Fall ein, daſs kein Spie-
ler das Ziel umwirft und daſs folglich keiner ſei-
ne Scheibe holen kann: dann müſſen mehrere
von beyden Seiten den Wächter bald hier bald
I 5
[138] dort necken, als wollten ſie hinauskommen, und
dadurch ſeine Aufmerkſamkeit theilen, bis einer
wirklich ſeine Scheibe auf dieſe Art zurück-
bringt.


Spielgeſetze: 1. Wer auf obige Art und un-
ter den obigen Umſtänden berührt wird, iſt
Wächter.


2. Wer beym Hinaus- oder Hereinlaufen
die Seitenlinien übertritt, wird es gleichfalls.
In beyden Fällen nimmt der bisherige Wächter
die Stelle deſſelben unter den Werfenden ein.


Dieſs Spiel iſt leicht zu beurtheilen. Es ge-
währt Fröhlichkeit, Bewegung, Uebung des Au-
genmaaſses; verlangt Schnelligkeit des Körpers,
iſt durchaus unſchuldig und überall, ſelbſt in Zim-
mern ausführbar, wenn man hier, ſtatt der Stei-
ne, weichere und leichtere Scheiben von ſehr
dick über einandergelegten Pappdeckel nimmt.


[139]

c). Kugelſpiele.


17. Das Kugelſchlagen
oder Mail.

Unter den Bewegungsſpielen bleibt dieſs immer
eins der trefflichſten. Da es faſt ganz, ſelbſt in
vielen Gegenden von Frankreich, in Vergeſſen-
heit gerathen und bey uns ſo gut als ganz un-
bekannt iſt: ſo wird meinen Leſern eine mög-
lichſt genaue und gründliche Anweiſung dazu
gewiſs willkommen ſeyn, da zumal noch gar kei-
ne deutſche Beſchreibung davon zu finden ſeyn
mögte, und die, welche man in der franzöſiſchen
Encyclopaedie findet gar nichts ſagen will. *)


Die Hauptſache des Spiels beſtehet darin,
hölzerne Kugeln, mit dazu gehörigen [Schlägeln],
an dem Boden nach gewiſſen Regeln bis zu ei-
nem Ziele zu treiben: ich muſs daher bey dieſer
Beſchreibung auf drey Gegenſtände Rückſicht
nehmen, 1) auf Inſtrumente und Ort, 2) auf
das Verhalten der Spieler, 3) auf die conventio-
nellen Regeln des Spiels. Bey jedem dieſer
[140] Punkte werde ich auf das Rückſicht nehmen,
was für uns ausführbar iſt.


1. Von den nöthigen Inſtrumenten
und der Mailbahn
.

Die Kugeln ſind aus den Wurzeln des Buchs-
baums gemacht und diejenigen ſind die beſten,
welche aus heiſsen Gegenden kommen. Das
Hauptſächlichſte zur Bildung dieſer Kugeln muſs
die Natur thun. Die Wurzeln des Baums
bilden hier und da in den Spalten und Höhlen
der Felſen rundliche Knollen, dieſe geben den
vollkommenſten Stoff dazu. Man trocknet ſie
einige Zeit, drehet ſie zu vollkommenen Kugeln
und härtet ſie bis ſie die nöthige Feſtigkeit ha-
ben, den heftigſten Schlägen zu widerſtehn, oh-
ne Beulen zu bekommen[.] Zu dieſem Ende wer-
den ſie zuförderſt gekörnt, das heiſst mit einem
Hammer, deſſen Bahn gekörnt iſt, über und
über geklopft, bis ſie das Anſehen von gekö-
perten Zeuge oder von Schagrin haben, (on
les bat a grains d’orge) und dann fängt man
an, ſie einzuſpielen, das heiſst man ſchlägt ſie
mit dem Schlägel auf einem Platze, der mit Fluſs-
ſande überdeckt iſt, anfangs mit kleinen, in der
Folge immer ſtärker werdenden Schlägen her-
um und reibt ſie nach jedesmaligem Gebrauche
mit Glaskraut (Parietaria). So werden ſie end-
[141] lich hart. Die beſte Art, ſie auſſer dem Gebrau-
che zu verwahren, iſt in einem, mit ſchmutziger
Wäſche angefülltem[,] Sacke[.] — Eine ſolche Ku-
gel muſs etwa halb ſo ſchwer ſeyn, als die Maſ-
ſe, womit man ſie ſchlägt. Am [gewöhnlichſten]
ſind Maſſen [von 13] bis 14 Unzen und Kugeln von 5
bis 6 Unzen. Dieſes Verhältniſs ſucht man, ſo
viel als möglich, beyzubehalten. Da aber das
Holz nicht von gleicher ſpecifiſcher Schwere iſt,
ſo entſtehen kleinere und gröſsere Kugeln von
gleichem Gewichte. Wenn der Wind günſtig,
der Boden ſandig und unmerklich abhängig iſt,
ſo nimmt der kluge Spieler gröſsere Kugeln
(Tabacans), um ſtärkere Schläge zu machen;
bey naſſem Wetter, wenn der Boden das Rollen
verhindert, nimmt er gern etwas leichtere; bey
trockenem Wetter und ebenen Boden aber am
liebſten kleine, doch vom gehörigen Gewichte
(des voguets). Eine vollkommene Kugel muſs,
auſſer der gehörigen Schwere und Gröſse, noch
eine Haupteigenſchaft haben, nämlich ſie muſs
in ihrem ganzen Umfange, das iſt in allen ihren
Theilen bis zum Mittelpunkte, gleich ſchwer
und nicht etwa auf einer Seite zu leicht ſeyn;
denn ſie wird ſonſt ſchief rollen, hüpfen und
ſpringen und ihr Rollen nicht ſo lange fortſetzen.
Aechte Mailſpieler ſtudiren ihre Kugeln, ſie wiſ-
ſen genau, ob ſie durch einen Schlag auf die
[142] Seite oder auf die Enden der Holzfaſern weiter-
getrieben werden. So läſst ſich im menſchli-
chen Leben auf jede Kleinigkeit geſunder Men-
ſchenverſtand und Nachdenken anwenden. Ein
Kugelhändler brachte einſt einen groſsen Sack
ſeiner Waare nach Aix und ſeine Kugeln gien-
gen reiſſend ab, das Stück zu 30 Sols. Nur ei-
ne wollte niemand, weil ſie ohne Anſehn war.
Bernard, ein ſehr geſchickter Mailſpieler, kaufte
ſie für 15 Sols. Er behandelte ſie und ſie wurde
ſo vortrefflich, daſs ſie ihm unfehlbar die Parthie
gewann. Sie wurde unter dem Namen La Ber-
narde ſehr berühmt und ihr nachfolgender Be-
ſitzer, der Präſident von Lamanon, ſchlug mehr-
mals 100 Piſtolen dafür aus. Nach Verſuchen,
die ein Meiſter im Mail, nämlich Louis Brun,
damit anſtellte, lief ſie immer 50 Schritte wei-
ter, als 6 andere Kugeln, die er mit ihr zum
Vergleichen ſchlug; und ſeine Schläge waren ſo
abgemeſſen, daſs dieſe 6 immer nur einen oder
zwey Fuſs von einander lagen. Dergleichen
vollkommene Kugeln mögen ſehr ſelten ſeyn.
Das Bisherige war zur richtigen Beſchreibung
des Mail nöthig. Jeder ſieht von ſelbſt leicht
ein, daſs für uns zu jugendlichen Spielen Ku-
geln von Buchsbaumholz ſchon hinreichend
ſeyen, da jene Wurzelauswüchſe bey uns ſchwer
zu erhalten ſind. Läſst man beym Drechſler
[143] dergleichen von Buchsbaum Holz machen, ſo
beſtellt man ſie zu 2 4∫5 Leipziger Zoll im
Durchmeſſer, dann werden ſie etwa 5 1∫2 Unze
wiegen. Ich habe ſogar nur Kugeln von Weiſs-
buchen (eigentlich Hornbaum, Carpinus betu-
lus) gebraucht, und ſie ziemlich brauchbar ge-
funden, freylich halten ſie nicht ſo lange ſtarke
Schläge aus.


Der Schlägel (ſiehe die Zeichnung, (Mail),
womit die Kugeln fortgetrieben werden, beſteht
aus der Maſſe a und dem Stiele a b. Die Maſſe
iſt tonnenförmig gedrehet aus dem Holze der
immergrünen Eiche. Beyde Enden ſind mit
eiſernen Ringen [beſchlagen], die doch aber
nicht bis auf die Fläche der Bahn vortreten dür-
fen, damit das Eiſen nicht auf die Kugeln trifft.
Sie iſt anfangs nicht hart genug und muſs daher
nach und nach ſo abgehärtet werden, wie vor-
hin die Kugeln, beſonders wird ſie hart durch
anfangs kleine und in der Folge immer heftiger
werdende Schläge. Genau durch die Mitte er-
hält ſie ein Loch für den Stiel, der ſehr haltbar
darin befeſtigt werden muſs. Da es bey uns kei-
ne immergrünen Eichen giebt, ſo muſs man da-
zu eine andere feſte Holzart wählen, z. B. die obi-
ge ſogenannten Weiſsbuche, oder auch den wil-
den Birnbaum. Die Schwere der Maſſe iſt wenig-
ſtens 10, gewöhnlich 13 bis 14 Unzen, wenn die
[144] Kugel 5 bis 6 wiegt. Der Durchmeſſer ihrer bey-
den Bahnen iſt dem der Kugel ziemlich gleich. Die
Wölbung ihres Bauches ſollte eigentlich gleich
ſeyn, einem Bogen deſſen Mittelpunkt c in der un-
tern Hand des Schlagenden liegt. Doch iſt dieſe
Genauigkeit ſo pünktlich nicht zu beobachten.
Wichtiger iſt es, den Schlägel nach Verhältniſs
ſeiner perſönlichen Gröſse zu wählen; zu ſchwer
und lang faſt man gern den Boden, zu kurz und
leicht nimmt man die Kugel gern bey den Haa-
ren, d. i. faſst ſie nur oberhalb etwas. Man muſs
bey dem einmal angenommenen Verhältniſſe
bleiben. Der Stiel wird in Frankreich vom Stech-
palmenholz (Ilex aquifolium) genommen, denn
er muſs äuſerſt zähe und recht biegſam ſeyn. Bey
uns können junge, recht gerade Stämmchen vom
Weiſsdorn (Crataejus Oxiacantha) recht gut in
den Gegenden die Stelle des Stechpalmholzes
vertreten, wo dieſes nicht wächſt. Eine gröſ-
ſere Biegſamkeit erhalten ſie dadurch, wenn man
ſie im Safte abſchneidet und über Feuer ſo ſtark
erhizt, bis die ſchwarzwerdende Schale zerſpringt.
Noch beſſer ſind dergleichen Stämmchen von
Taxus, aber nur ſchwer zu haben. Der Stiel
läuft vom obern, noch keinen Leipziger Zoll ſtar-
ken, Ende verjüngt fort bis in das Loch der Maſ-
ſe. Seine Länge macht man in Provence und
Languedoc der Hüfte des Spielers gleich. Zu
[145] Paris und am Hofe hatte man ſie bis zur Achſel-
grube, und fand, daſs man mit dieſen die ſtärk-
ſten Schläge machen könne; aber Anfänger
können mit dieſer Länge nicht fertig werden
und müſſen ſich erſt nach und nach daran ge-
wöhnen. Überhaupt müſſen junge, noch nicht
ausgewachſene Perſonen Kugeln und Schlägel
nach ihren Kräften abmeſſen.


Die Mailbahn iſt 3, 4 und mehrere Hundert
Schritte lang, beſteht aus recht ebenem, zube-
reiteten Boden mit Abzügen für das Waſſer und
iſt an den Seiten, wie eine Allee, mit Bäumen
beſetzt u. ſ. w. An jedem Ende der Bahn ſteht
ein kleiner eiſerner Bogen (La paſſe oder L’Ar-
chet), durch welchen die Kugel am Ende der
Parthie paſſiren muſs. Bey uns gehören die
Mailbahnen zu den Seltenheiten; doch findet
man leicht bey jedem Orte Alleen und Plätze,
wenigſtens ganz ebene Wieſen, wo man das
Mail treiben kann. Eine krummgebogene Ru-
the, die mit beyden Enden in den Boden ge-
ſteckt wird, vertritt die Stelle des eiſernen Bo-
gens hinlänglich.


Verhalten des Spielers. Der Spieler hat die Ku-
gel vor ſeinen Füſsen liegen und ſoll ſie mit
dem Schlägel (Mail), nach einer beſtimmten
Richtung mit möglichſter Kraft fortſchlagen[.]
Hierzu iſt eine regelmäſsige Stellung nothwen-
K
[146] dig, die ich hier angeben will, weil man ſich
ſonſt ſehr häufig ganz links dabey benimmt.
Der Körper iſt etwas vorwärts geneigt, weder
zu grade noch zu krumm. Zum Ausholen des
Schlages drehet er ſich im Kreuz nach der Rech-
ten zu etwas aufwärts und beym Schlage eben
ſo zurück zur Linken. Hierdurch erhält der
Mail einen gröſseren Schwung und mithin mehr
Gewalt. Man nennt dieſs mit dem Kreuze ſpie-
len
(jouer de reins). Dieſes Drehen muſs mit
voller Gewiſsheit geſchehen, das heiſst, man
darf ſich dabey weder zu ſehr vorwärts noch
rückwärts neigen, weil ſonſt die Kugel verfehlt
wird. Mit ſteifem Rücken zu ſchlagen, ſieht
ſchlecht aus und läſst nie ſo viel Gewalt zu. Die
Füſse dürfen weder zu nahe noch zu entfernt
von der Kugel ſtehn. Der linke ſteht ihr mit
der Ferſe gerade gegen über, beyde ſind etwas
von einander geſpreitet und der rechte iſt et-
was rückwärts gezogen, um dem Schlägel freyes
Spiel zu laſſen. Die Knie müſſen in der anfäng-
lichen, doch nicht ſteifen Stellung bleiben,
nach welcher das Auge den Schlag abmaſs. Auf
die Haltung des Mail kommt vorzüglich viel an.
Die Hände dürfen beym Feſthalten des Stiels we-
der zu nahe noch zu entfernt von einander ſeyn.
Zu oberſt faſst die linke Hand ſo an, daſs ihr
Daumen vorn auf dem Stiele gerade herab liegt
[147] und auf die Mitte der Maſſe hinweiſt. Die Rech-
te liegt tiefer, ihr Daumen weder ganz oben
noch ganz an der Seite des Stiels, ſondern mit-
ten inne und zwar etwas ſchreg, ſo daſs er auf
die Bahn der Maſſe hinzielt, womit man die Ku-
gel ſchlägt. Nur mit dieſen Handgriffen iſts
am ſicherſten, die Kugel nicht zu verfehlen.
Man muſs vor dem Schlage nicht lange mit dem
Schlägel meſſen oder zielen, ſondern ihn ein
einziges Mal nur der Kugel nähern, dann die
Maſſe etwa bis zur Höhe der Schulter heben
und zuſchlagen. Sie weniger zu heben, giebt
zu wenig Kraft. Zum Commentar dieſer Vor-
ſchriften muſs man den Schlägel und die Kugel
ſelbſt nehmen. Es giebt eine Menge Perſonen,
welche jedes Inſtrument, das in beyden Hän-
den geführt wird, ſo faſſen, daſs die linke
Hand vorgreift. Dieſe müſſen von dem meiſten
obigen das Gegentheil thun. Vollkommene
Spieler verbinden Sicherheit mit groſser Stärke
des Schlags. Der obige Bernard machte ſich
durch ſein Spiel berühmt, er ſchlug die Kugel
auf ebener Bahn, ohne Hülfe des Windes und
des Abhanges, bis auf 405 Schritte in beſtimm-
ter Richtung. Auf einer blosſen Wieſe iſt dieſs
unerreichbar. Anfänger dürfen nicht gleich
ſtark ſchlagen und die Kugel gleich ſo weit fort-
treiben wollen, als Geübte. Nur durch kleine
K 2
[148] Schläge erwirbt man nach und nach Sicherheit
der Fauſt und Stellung; die Stärke des Schlags
folgt dann bald von ſelbſt.


Kommt man ans Ende der Mailbahn, ſo
muſs man ſeine Kugel durch den ſchon oben ge-
nannten eiſernen Bogen treiben. Hierzu nimmt
man eine eigene, eiſerne Kugel (boule de
Paſſe) die man zum Paſſiren auf die Stelle der
ſeinigen ſetzt. Das Paſſiren geſchieht mit einem
beſondern Inſtrumente, das die Geſtalt einer
ganz kleinen Schaufel mit einem langen Stiele
hat. Sein ſchaufelförmiger Theil iſt nur ſo groſs,
daſs man die Kugel bequem damit fortſchleu-
dern kann, es heiſst la Léve, und gewiſſe Be-
diente der öffentlichen Mailbahnen hatten da-
von den Namen Portes-Léves. Auſſer derglei-
chen Bahnen gebraucht man ſehr häufig den
Stiel des Schlägels ſelbſt dazu, der deſshalb an
ſeinem obern Ende Keil- oder Meiſselförmig
geſchnitten iſt; auch braucht man keine beſon-
dere Paſſierkugel ſondern kann ſeine gewöhn-
liche dazu nehmen.


Einrichtung des Spiels ſelbſt. Oeffentliche
Mailbahnen giebt es bey uns nicht, ich würde
alſo eine vergebliche Arbeit übernehmen, wenn
ich alle Geſetze des regulirten Mail, die ſehr
zahlreich ſind, hier mittheilen wollte; denn ſie
paſſen gröſstentheils nur für das Spiel in beſter
[149] Form, und ich habe es hier nur mit der Jugend
zu thun, die das Spiel bloſs zur körperlichen
Erholung und Uebung anwendet: ich werde
folglich nur das anführen, was für ſie brauchbar
iſt.


Es giebt vier Arten, dieſs Spiel zu treiben,


1. Au Rôuet, ohne Partheyen. Hierbey ſteht je-
der Spieler nur für ſeine Perſon und jeder kann
nur für ſich gewinnen.


Die Kugeln werden an den Anfang der an-
genommenen Bahn gelegt und jeder Spieler
ſchlägt, wenn die verloſte Reihe an ihn kommt,
ſeine Kugel fort, jeder zählt ſeine Schläge und
derjenige, welcher mit den wenigſten am Ende
der Bahn die Kugel durch den Bogen bringt,
hat gewonnen. Iſt die Parthie auf dieſe Art ge-
endigt, ſo kann man gleich wieder zurück ſpie-
len bis zu dem Bogen der im Anfange der Bahn
iſt.


2. En Parthie, mit Partheyen. Die Geſellſchaft
theilt ſich hierbey in zwey Partheyen, und jeder
Spieler arbeitet für den Gewinn derjenigen, zu
welcher er gehört. Iſt aber die Zahl ungleich,
ſo kann einer die Stelle von zwey Perſonen ver-
treten, indem man ihn zwey Kugeln ſtatt einer
ſpielen läſst. Jeder Spieler zählt ſeine Schläge,
und diejenige Parthey, welche ihre ſämmtlichen
K 3
[150] Kugeln mit den wenigſten Schlägen durch den
Bogen bringt, hat gewonnen.


Bey beyden Arten kann man auch eine be-
ſtimmte Anzahl von Schlägen feſtſetzen, mit wel-
chen jeder ſeine Kugel bis vor den Bogen brin-
gen, das heiſt, zum Durchgange (en paſſe) ſtellen
ſoll. Auf ordentlichen Bahnen ſetzt man ſich
gewöhnlich mit 3 bis 4 Schlägen zum Durchgan-
ge
; im Freyen muſs man ſich nach der Länge der
angenommenen Bahn und nach den Kräften der
jungen Spieler richten. Derjenige, welcher ſei-
ne Kugel dann nicht mit den beſtimmten Schlä-
gen ſo weit bringt, iſt ab; derjenige aber, wel-
cher ſie in weniger Schlägen (en paſſe) bringt,
muſs ſie wieder eine beſtimmte Zahl von Schrit-
ten 30, 40, 50 zurücktragen, und ſie von da
noch einmal ſchlagen. Folgende Geſetze kann
man bey beyden Spielarten überall annehmen.


1. Man kann ſeine Kugel zurecht legen, wenn
ſie zum Schlage nicht bequem liegt, man nimmt
ſie daher gern aus Hölungen, die den Schlag
hindern und legt ſie auf eine höhere Stelle; nur
darf man ſie weder vor noch rückwärts legen.


2. Wer im Schlagen ſeine Kugel verfehlt,
(qui fait une pirouette) verliert einen Schlag,
denn er muſs auch dieſen Fehlſchlag mit zäh-
len, und das ſo oft, als es immer geſchehen
mag.


[151]

3. Zerbricht der Schlägel, oder reiſst ſich die
Maſſe vom Stiele los, ſo wird der Schlag nicht
mitgezählt, wenn das abgebrochene Stück noch
hinter der Kugel liegt; liegt es aber vor der Ku-
gel, ſo wird der Schlag gezählt.


4. Jeder, welcher zuerſt zum Durchgange
kommt, (der Bogen ſteht auf einer Stein-
platte, und es heiſst, man ſey en paſſe, wenn
die Kugel bis zu dem Steine getrieben iſt. Im
Freyen muſs man vor dem Bogen einen Quer-
ſtrich ziehen, weil kein Stein da iſt,) kann
ſeine Kugel durchtreiben, ohne erſt auf die zu
warten, welche noch nicht ſo weit ſind.


5. Zum Durchtreiben wird beym regulirten
Mail zwar die Schaufel, La léve, oder der Stiel
des Mail gebraucht; und derjenige, deſſen letz-
ter Schlag die Kugel zufällig durch den Bogen
jagte, muſs ſie wieder auf die Stelle des letzten
Schlages zurücktragen und nochmals ſchlagen;
allein da alle dergleichen Sachen ſehr willkühr-
lich ſind: ſo kann man auch ohne Léve ſpielen
und die Kugel mit dem Schlägel durchtreiben.
Zur Uebung des Augenmaaſses iſt dieſs noch
viel vortheilhafter.


6. Liegt einem beym Paſſiren die Kugel ei-
nes Nebenmannes auf irgend eine Art im We-
K 4
[152] ge, ſo darf man ſie nicht wegnehmen, ſondern
muſs ſehen wie man fertig wird.


7. Iſt die Kugel einmal durch den Bogen ge-
laufen, ſo wird ſie für paſſirt angeſehen und
wenn ſie auch durch Zufall wieder zurückliefe.


8. Stöſst man beym Paſſiren auf die noch
nicht paſſirte Kugel eines andern und treibt ſie
durch, ſo wird auch dieſe für richtig paſſirt an-
geſehen.


9. Steht die Kugel ſchreg vor dem Bogen,
ſo darf man ſie nicht mit der Léve drehend her-
um lenken, ſondern muſs gerade damit fortſto-
ſsen, ſonſt verliert man.


10. Verfehlt der Spieler die Kugel mit der
Léve, ſo verliert er einen Schlag.


3. Aux grands Coups, mit ſtarken Schlägen. Hier-
bey kommt es bloſs darauf an, wer ſeine Kugel
mit einem einzelnen Schlage, oder mit einer
vorher ausgemachten Zahl von Schlägen, am
weiteſten bringt. Der ſchwächere Spieler
läſst ſich hierbey etwas vorgeben. Gewöhnlich
ſpielen nur zwey. Stöſst die Kugel des zweyten
Schlägers an die ſchon fortgeſchlagene des er-
ſten; ſo hat jene gewonnen und wenn ſie auch
hinter dieſer liegen bliebe.


4. A la Chicane ſpielt man im Felde, Alleen,
Wegen, überall, und iſt gezwungen die Kugel zu
nehmen wie ſie liegt, ohne ihre Lage verbeſſern
[153] zu dürfen. Zum Ziel wird ein Baum oder ir-
gend ein Paſs zwiſchen zwey Bäumen, Gebü-
ſchen etc. feſtgeſetzt; wer mit den wenigſten
Schlägen bis dahin gelangt, oder, bey gleicher
Zahl von Schlägen, die Kugel am weiteſten hin-
aus bringt, hat gewonnen.


Dieſs ſind die vier gewöhnlichen Arten des
franzöſiſchen Mail. Jede Spielergeſellſchaft
wird ſich leicht ſelbſt beliebige Geſetze geben
können; ich habe daher vieles überſprungen,
was bloſs konventionell iſt.


In Frankreich iſt dieſs Spiel ſehr lange Zeit
ganz ungemein geſchätzt. Wann es entſtanden
ſey, iſt unbekannt; aber es iſt alt, obgleich
nicht den Galliern bekannt. Carl V. verbot es,
weil man zu ſehr Haſardſpiel daraus machte.
Unter Ludwig XIV. war es das Spiel groſser
Herren. Der König ſpielte es, ſo wie ganz Pa-
ris. Beſonders gewöhnlich war es in Provence
und Languedoc. Man fand überall öffentliche
Spielbahnen mit einem Maitre und ſeinen Com-
mis. Der König hatte ſeinen ordentlichen Porte-
mail, der ihm die Inſtrumente herbey trug und
wer weiſs was noch für andere Bediente des
Spiels. Weichlichkeit, Mode, ſo wie Karten
und Würfel verdrängten dieſs ſehr geſunde
Spiel, doch wird es noch immer ziemlich häufig
in Frankreich getrieben.


K 5
[154]

Es empfiehlt ſich durch die mannichfaltige
Bewegung, die es dem Körper im Freyen ge-
währt. Der Grad dieſer Bewegung hängt ganz
von den Spielern ab; man kann langſam und
geſchwind ſpielen. Selbſt mitten im Winter,
wenn der Boden ſchneefrey iſt, kann man es an-
wenden. In Frankreich hielt man es daher für
ein der Geſundheit ſehr zuträgliches Spiel und
empfahl es, gegen alle Arten von Rheumatismus,
als ſehr wirkſam. Es übt überdem Hand, Arm
und Augenmaaſs ungemein, verlangt eine ge-
naue Richtung der Kraft und ſichere feſte Hal-
tung des Körpers bey aller Kraftäuſerung und
iſt dabey vollkommen unſchuldig indem es auch
ohne allen Gewinnſt unterhält. Es iſt daher
Groſsen und Kleinen zu empfehlen, aber die —
Karten! die Karten ſind ſo bequem! —


18. Das Schottiſche Mail
oder
Golf. (Goff.)

Die angenehmſte Sommerbeluſtigung der
Schottländer iſt ein Spiel mit Schlägeln (clubs)
und Bällen. Der Schlägel iſt kegelförmig, und
[155] endigt ſich in den Theil, welcher den Ball ſchlägt.
Dieſe Stelle iſt von Horn und mit Bley ausge-
goſſen. Doch ſind die Schlägel hierin bey guten
Spielern von ſechs Arten, nämlich der gewöhnliche
Schlägel
wird gebraucht, wenn der Ball auf einem
guten, bequemen Boden liegt; der Schraper (Scra-
per) und halbe Schraper, im langen Graſe; der Löffel,
in einer Höhlung; der ſchwere eiſerne Schlägel, zwi-
ſchen Steinen und Koth, und der leichte eiſerne,
auf ſandigtem Boden. Der Ball iſt beträchtlich
kleiner, als der beym Cricket aber viel härter,
von Roſsleder auf eine beſondere Art mit Fe-
dern ausgeſtopft und geſotten.


Die Spielbahn kann zirkelrund, dreyeckigt
oder ein Halbzirkel ſeyn. Die Zahl der Löcher
iſt nicht beſtimmt, dieſs hängt ſtets von der Län-
ge der Spielbahn ab. Die Entfernung eines Lo-
ches vom andern iſt allgemein 1∫2 Viertelſtun-
de, (1∫4 engliſche Meile). Hier iſt das Spiel
jedesmal geendigt, und diejenige Parthey, wel-
che ihren Ball in den wenigſten Schlägen hinein
bringt, hat gewonnen. Es können 2 bis 8 und
mehr Perſonen zuſammenſpielen, aber unter 4
Perſonen iſts am angenehmſten, weil alle Ver-
wirrung wegfällt, die bey 6, 8, 10 oder 12 Spie-
lern Statt findet. Ein unebener Boden erfor-
dert mehr Genauigkeit und Sachkenntniſs des
Spielers, und um zu lernen, giebt man ihm
[156] daher den Vorzug. Leichte Bälle ſind gewöhn-
lich, wenn man mit dem Winde, und ſchwerere,
wenn man gegen ihn ſpielt. Beym Anfange des
Spieles kann der Spieler ſeinen Ball auf eine be-
liebige Erhöhung legen, um deſto bequemer
ſchlagen zu können; in der Folge aber iſts nicht
erlaubt. Man thut es vermittelſt etwas Sandes
oder Lehms. Der Ball, mit welchem man die
Parthie anfängt, darf nicht umgetauſcht werden,
bis er das nächſte Loch erreicht hat, wenn er
auch berſten ſollte. Wenn ein Ball verloren wird,
ſo iſt das Loch auch für die Parthey verloren.
Wenn ein Ball zufälliger Weiſe aufgehalten
wird, ſo kann der Spieler ſeinen Schlag noch
einmal thun. Geſetzt es ſpielen vier Perſonen
A und B gegen C und D, jede Parthey hat ihren
Ball und ſpielt ſo:


A ſchlägt zuerſt, nach ihm C, aber dieſer
treibt den Ball vielleicht nicht halb ſo weit als
A; in dieſem Falle ſchlägt D, ſein Gehülfe, zu-
nächſt, und das heiſt, Eins mehr (one more), um
den Ball ſo weit fortzubringen, als die Gegner,
oder ſo viel weiter, als möglich. Iſt dieſes ge-
ſchehen, ſo ſchlägt B den Ball des A, dieſs heiſt
ins Gleiche ſchlagen, (the like) nämlich mit den
Schlägen der Gegner. Wenn aber C und D
wegen übler Lage ihres Balles, durch den
Schlag Eins mehr den Ball nicht ſo weit brin-
[157] gen können, als der erſt einmal geſchlagene Ball
ihrer Gegner, ſo ſchlagen ſie wechſelſeitig weiter,
bis ihr Ball mit dem des A gleich iſt, und dann
erſt kommt B zum Schlage. In dem Falle zählt
man Eins zu zwey, Eins zu drey u. ſ. w. Liegen
die Bälle gleich, oder ziemlich gleich, ſo ſchla-
gen die Partheyen abwechſelnd.“


Ich habe dieſe Beſchreibung aus dem engli-
ſchen überſetzt. Sie iſt ſehr unvollſtändig, aber
man wird für die Jugend ſehr leicht ein gut be-
wegendes Spiel daraus formen können, wenn es
auch nicht ganz regelrecht ſchottiſch iſt. Der
dazu gehörige Schlägel beſteht aus zwey Theilen,
wie beym Mail, ja man kann gerade zu einen
ſolchen Maillet dazu nehmen. Genauer genom-
men, iſt der Stiel etwa 3, 4 Fuſs lang, und ſteckt
ſenkrecht in einem abgekürzten Kegel von feſtem
Holze. Die abgeſtumpfte Spitze iſt von Horn und
mit Bley ausgegoſſen. Die Schläge werden ge-
zählt; und es kommt darauf an, mit wenigern
Schlägen das nächſte Loch zu erreichen, als die
Gegner. Da dieſs Spiel ſehr viel Aehnlichkeit
mit dem Mail hat, ſo bleibt mein Urtheil im Gan-
zen daſſelbe, es verdient alle Empfehlung.


[158]
19. Das groſse Kugelſpiel.
(Jeu de Boules, Giuoco delle Pallotole).

Die Zuſammenſetzung dieſes Spiels iſt von der
des Scheibenſpieles (ſiehe Seite 22) gar nicht
verſchieden, aber ſein Gewand iſt auf eine ſehr
vortheilhafte Art verändert; denn ſtatt der
Scheiben werden hier Kugeln gebraucht. Ueber
den Gang des Spiels habe ich hier nichts zu ſa-
gen, man beliebe nur das zu leſen, was beym
Scheibenſpiele geſagt iſt; aber über das Materia-
le und die dadurch veranlaſsten Veränderun-
gen muſs hier das Nöthige nachgeholt werden.


Die Kugeln ſind von hartem Holze, 3, 4
Zoll und darüber im Durchmeſſer. Da die Per-
ſonen nicht immer einzeln, oder nur in 2, ſon-
dern auch in 3, 4 Partheyen, jede zu 2, 3, 4
Perſonen getheilt, ſpielen: ſo ſind zu einem
recht vollſtändigen Spiele 4 halbe oder ganze
Dutzend Kugeln nöthig, jedes von anderer Far-
be, um die abgeworfenen Kugeln der verſchie-
denen Partheyen ſchnell unterſcheiden zu kön-
nen. Allein auch ſchon mit 8 bis 12 nicht be-
malten, ſondern bloſs bezieferten Kugeln kön-
nen 4 bis 6 Perſonen vollkommen unterhal-
tend ſpielen. Zum Ziele wird eine kleinere
Kugel gebraucht, ſo wie beym Scheibenſpie-
le eine kleinere Scheibe. Beym Abwerfen
[159] der Kugeln nach dieſem Ziele iſt es nicht
gleichgültig, ob ſie vorwärts, rückwärts, oder
gar nicht in Umſchwung (Rotation) kommen.
Legt man ſie auf die Hand, ſo daſs ſie beym Ab-
werfen über die Fläche derſelben und der
Fingerſpitzen hinausrollen: ſo rollen ſie auch,
nach dem Niederfallen am Boden, weiter; wirft
man ſie durch einen gewiſſen Handgriff, den je-
der leicht findet, ohne alles Umrollen fort, ſo
werden ſie am Boden immer noch beträchtlich
fortlaufen. Anfänger müſſen folglich dieſs Fort-
rollen berechnen, oder vermeiden lernen. Je-
nes geſchieht durch öftere Beobachtung, dieſes
dadurch, daſs man beym Abwerfen die Kugel
unter der Hand hat, und ſie folglich von oben
faſst. Dann erhält ſie eine Rotation, die ihrer
Bewegung entgegen wirkt, und ihr Fortrollen
am Boden faſt ganz verhindert. Es ergiebt ſich
nun von ſelbſt, daſs die Kugeln in einem Bogen
durch die Luft, nicht an der Erde weg, geworfen
werden müſſen.


Den bequemſten Spielraum gewährt ein frey-
er Sandplatz, hier rollen die Kugeln wenig oder
gar nicht; den Uebungsvolleſten eine ebene Wie-
ſe, denn hier muſs das Rollen mit in Rechnung
gebracht oder vermieden werden. Aber auch
jeder beſchränkte Platz iſt brauchbar, wenn
man wenigſtens 20 Schritte frey hat.


[160]

Durch die Kugeln iſt der Maaſsſtab dieſes
Spiels viel gröſser als der des Scheibenſpiels;
die abzuwerfenden Körper ſind ſchwerer, die
Entfernung gröſser und dadurch wird der da-
mit verbundene Spaziergang beträchtlicher;
denn da von dem letzten Gewinner das Ziel
bey jedem Gange von neuen 10, 16 bis 20
Schritte weit ausgeworfen wird: ſo ſpielt man
ſich unvermerkt einige hundert Schritte auf dem
Platze herum. Das Abwerfen der Kugeln er-
fordert ein genaues Abwiegen der Kraft des Ar-
mes, gehörige Schätzung der Schwere gegen
die Entfernung des Wurfs. Bliebe der Spiel-
platz immer derſelbe, ſo würden ſeine Eigen-
heiten bald bekannt ſeyn; aber er ändert ſich
bey jedem neuen Gange, immer erſcheinen
andere Vertiefungen, Erhöhungen und Abda-
chungen. Dieſe muſs das Auge ausſpähen, und
ſie werden ein Gegenſtand der Beurtheilung.
Hierzu geſellt ſich endlich noch das ſtete Abmeſ-
ſen der Kugelentfernungen. Dieſs alles macht das
Spiel kunſtvoll, nützlich und intereſſant, ſo wie
es durch Zufall, der die Kugeln bald ſo, bald ſo
jagt, ungemein unterhaltend wird. Es verdient
daher eine recht allgemeine Aufnahme bey jun-
gen und erwachſenen Perſonen. Bey den Fran-
zoſen iſt es unter dem obenſtehenden Namen,
ſo wie auch unter dem des La Bauche gewöhnlich.
[161] Bey den Italienern heiſt es il giuoco delle Pallotole,
und wird von 4 bis 6 Perſonen geſpielt, die ſich
in 2 Partheyen theilen. Die Kugeln haben wohl
6 Zoll im Durchmeſſer, und ſind auf der einen
Seite mit Bley ausgegoſſen, um ſie ſteter zu
machen. Die Points zählt man bis 21 und
wenn die eine Parthey noch nicht 11 hat, indem
die andere ſchon 21 zählt, ſo hat ſie das Spiel
doppelt verloren.


Das Schottiſche Ourling iſt im Grunde wohl
daſſelbe Spiel, nur in anderer Form. Man
ſpielt es auf dem Eiſe mit 40 bis 60 Pfund ſchwe-
ren, halbkugelförmigen Steinen, die oben mit
einem hölzernen oder eiſernen Handgriffe ver-
ſehen ſind. Vermittelſt derſelben ſchleudert
man ſie auf der Oberfläche des Eiſes nach einem
Ziele fort. Jeder Spieler ſucht den ſeinigen ſo
nah als möglich daran zu bringen und diejeni-
gen ſeiner Mitſpieler davon wegzuprallen. Man
ſehe Pennants Reiſen I. S. 206. Es muſs ein ſehr
geſundes Spiel ſeyn.


20. Das kleine Kugelſpiel.

Dieſes Spiel hat für Knaben viel Intereſſe, da-
her findet man es überall im Gange. Da es
ſowohl im Hauſe als auch im Freyen getrieben
L
[162] werden kann, mäſsige Bewegungen giebt und
das Augenmaaſs übt: ſo verdient es, hier mit
aufgenommen zu werden.


Die dazu gehörigen Kugeln ſind entweder
von einer ſchlechten Art Marmor gemacht,
oder auch nur von Thonerde im Töpferofen ge-
brannt, einen kleinen Zoll im Durchmeſſer.
Man kann damit ganz ſo ſpielen, wie beym obi-
gen Kugel- oder Scheibenſpiele, indem man
eine von dergleichen Kugeln zum Ziele nimmt.
Gewöhnlich aber ſpielt man auf mancherley
Art, um die Kugeln ſelbſt. Man macht ein
Loch einer Fauſt groſs in den Boden, welcher
ziemlich eben und feſt ſeyn muſs. Der Spieler
können 2, 3, 4 und mehr ſeyn. 3 bis 5 Schritt
von dem Loche iſt die Stelle, von wo aus die
Kugeln nach dem Loche geworfen werden.
Hier ſtellt ſich ein Spieler nach dem andern
hin und wirft die beſtimmte Anzahl Kugeln ab.
Wie groſs dieſe ſeyn ſoll, wird allemal unter
den Spielern ausgemacht, man kann daher nur
mit einer oder zwey Kugeln werfen, aber auch
dieſe Zahl immer fort vermehren, bis man nicht
mehr in die Hand faſſen kann; man wirft da-
her oft mit 6, 12, 24 und mehr Kugeln auf ein-
mal nach dem Loche. Jeder ſucht gleich recht
viel hinein zu bringen, denn nach der Zahl
derſelben richtet ſich in der Folge die Ordnung
[163] der Spieler. Hat nun jeder Spieler geworfen,
ſo kommt es jetzt noch darauf an, diejenige Ku-
geln, welche ſich rings um das Loch her ver-
laufen haben, ebenfalls hinein zu ſpielen. Der-
jenige welcher die meiſten Kugeln im Loche hat,
macht damit den Anfang. Er ſtoſst mit dem
krummgebogenen Zeigefinger eine Kugel nach
der andern ins Loch und es ſteht ihm dabey
frey, welche er nehmen will; gewöhnlich wählt
man diejenigen, welche dem Loche die näch-
ſten ſind. Aber er darf jeder Kugel nur einen
einzigen Stoſs geben. So lange er mit ſolchen
einzelnen Stöſsen Kugeln ins Loch rollt, kann er
immer weiter in dieſer Arbeit fortfahren; miſs-
lingt es aber bey irgend einer: ſo folgt ein an-
derer Spieler, nämlich derjenige, welcher nach
ihm die meiſten Kugeln ins Loch warf. Auf dieſe
Art ſpielt man in der Reihe fort. Derjenige, wel-
cher die letzte Kugel ins Loch bringt, hat ſie alle
gewonnen. Darauf geht das Spiel vom Neuen an
wie oben, und der Gewinner kommt zuerſt
zum Wurfe.


Bey dem Fortſtoſsen mit dem Zeigefinger
gilt dieſs Geſetz: Wenn man zu einer Kugel
kommt, die man nicht wohl ins Loch bringen
kann, ſo muſs man ſie doch wenigſtens demſel-
ben näher bringen und darf ſie nicht mit Fleiſs
weit darüber hinausſtoſsen. Beſonders gilt
L 2
[164] dieſs bey der letzten Kugel, auf welche alles
ankömmt.


Ich habe noch auf andere Arten Knaben da-
mit ſpielen geſehen. Sie ſetzen die Kugeln in ei-
ne Reihe, einer ſo viel als der andere. Dann
tritt einer nach dem andern 5 bis 8 Schritte vor
dieſe Fronte und rollt eine Kugel nach derſel-
ben hin. Jedes Stück, das er dadurch aus der
Reihe ſtöſst, gehört ihm.


Oder: A ſetzt ſich aus, d. i. rollt ſeine Ku-
gel ab, B rollt die ſeinige nach ihr, C rollt
nach der des A oder B. D nimmt mit ſeiner
A B C aufs Ziel u. ſ. w. Wer des Andern Ku-
gel trifft, erhält jedesmal von ihm eine als Ge-
winn.


Die Griechiſchen Knaben hatten ein Nuſs-
Spiel
, welches Ωμιλλα hieſs. Sie beſchrieben an
dem Boden einen kleinen Kreis, ſtellten ſich
in eine kleine Entfernung und warfen mit Nüſ-
ſen darnach. Derjenige, deſſen Nuſs im Krei-
ſe liegen blieb, erhielt die übrigen ſeiner Mit-
ſpieler, die ſich daraus verlaufen hatten. *)


Dieſs Spiel kann nicht nur mit Nüſſen, ſon-
dern auch mit den obigen Kugeln nachgemacht
[165] werden. Ein Kreis mit Kreide iſt bald gemacht.
Jeder Mitſpieler wirft eine Kugel nach demſel-
ben. Bleibt von allen nur eine darin liegen, ſo
gewinnt ihr Beſitzer alle verlaufenen. Haben
zwey Spieler a und b jeder Eine hineingebracht:
ſo müſſen ſie ſtechen, d. i. ſie müſſen jeder noch
eine abwerfen. Bringt dann nur Einer ſeine 2te
Kugel hinein, ſo gewinnt er alle übrigen; brin-
gen aber Beyde die Kugeln wieder in den Kreis,
ſo muſs vom Neuen geſtochen werden. — Will
man aber dieſs öftere Stechen vermeiden: ſo
gebe man dem Kreiſe einen Mittelpunkt und
laſſe jedesmal die Kugel gewinnen, welche ihm
am nächſten liegt. — Iſt gar keine Kugel im
Kreiſe liegen geblieben, ſo gewinnt diejenige,
die demſelben nur am nächſten iſt.


21. Das Billard.

Die Vortrefflichkeit dieſes Spiels hätte mich
leicht verleiten können, hier eine Beſchreibung
davon zu liefern, wenn es meine Sache wäre,
Waſſer in den Fluſs zu tragen. Ueberall findet
man Billards, und Spieler, welche Anweiſung
geben können. Zum Ueberfluſs verweiſe ich
noch auf ein ziemlich gutes Buch über dieſes
Spiel, Namens: Anweiſung und Regeln zum Billard-
L 3
[166]Spiel von C. G. Huhn. Leipzig 1791. 90 S. 80, über-
gehe alle gewöhnlichen Spielarten, und laſſe
mich hier nur auf die Beſchreibung von zweyen
ein, die bey uns wenig oder gar nicht bekannt
ſind.


Das befeſtigte Billard

iſt meines Wiſſens bey uns nirgends üblich, aber
wohl in England, von wo ich es herüberhole
und eine Beſchreibung davon gebe, die hoffent-
lich jedem Billardſpieler genugthuend ſeyn
wird.


Die Billardtafel (man ſehe Zeichn. 9) iſt
durch eine Linie über die Mittellöcher in zwey
gleiche Theile getheilt. Hierdurch entſtehen
zwey feindliche Quartiere zum Exempel ſey das eine
Oeſtereichiſch, das andere Franzöſiſch. Jedes hat
5 Forts von Holz, in Geſtalt von Caſtells ge-
macht, inwendig zum feſtſtehen ſtark mit Bley
beſchwert, und eine ähnliche doch dreyſeitige
Batterie die vor dem mittelſten Fort ſtehet. An
der Fronte eines jeden Fort, nach des Feindes
Seite hin, macht ein kleines offenes Thor den Ein-
gang zu einem Gewölbe. Beyde ſind ſo groſs,
daſs eine Billard Kugel bequem hinein geht,
um das Fort zu attakiren. Im Gewölbe der
Forts hängt eine kleine Glocke, ſobald der atta-
kirende Ball dieſe zum Klingeln bringt: iſt das
Fort erobert. Im Oeſtreichiſchen Quartir ſind
[167] alle Forts und die Batterie weiſs gemalt, wie von
Stein; im franzöſiſchen roth, wie von Backſtein;
dort wehen auf der Fronte über dem Thore ei-
nes jeden Forts weiſse, hier rothe Fahnen. Die
Batterien ſind ohne Fahnen. Die beyden Forts,
welche den Mittellöchern, oder dem feindli-
chen Quartire am nächſten ſtehen heiſsen vordere
oder avancirte Forts, die andern vor den Eck-
löchern, hintere oder Reſerve-Forts. Das Mit-
telſte heiſst das groſse Fort, weil es gröſser iſt
als die andern. Auf dem Mittelpunkte des
Billards ſteht der Paſs, durch welchen der An-
griffsball
erſt paſſiren muſs, ehe man die feindli-
chen Forts damit angreifen kann. Er iſt juſt wie
ein Fort eingerichtet, und hat einen Durchgang
für die Kugel, der ſich auf beyden Seiten in ein
offenes Thor endigt. Da die eine Hälfte des
Paſſes auf öſtereichiſchem, die andere auf fran-
zöſiſchem Boden liegt, ſo iſt jene weiſs dieſe roth
gemahlt, und über dem Thore jener ſteht eine
weiſse, hier eine rothe Fahne.


Die Stellung dieſer 13 hölzernen Körper iſt
nach den Löchern und den Stöſsen der Bälle
berechnet, ſo daſs mancherley Schwierigkeiten
entſtehen, deren Vermeidung und Ueberſtei-
gung für die Spieler ſehr viel Intereſſe haben
muſs. Der Maaſsſtab und die Linien, worin in der
Zeichnung die Tafel getheilt iſt, giebt über je-
L 4
[168] ne Stellung die beſte Aufklärung. Jeder Tiſch-
ler verfertigt dieſe kleine Feſtungswerke. Eine
nähere Anleitung für ihn liegt im Folgenden:


c, c, c, c, die 4 Vordern oder Avancirten Forts,
Höhe fünf und einen halben Zoll, Breite und
Länge fünf Zoll, im Viereck.


d, d, d, d, die 4 Hintern oder Reſerve Forts,
Höhe und Länge fünf und einen halben Zoll.
Sie ſind nicht viereckicht, ſondern auf der ei-
nen Seite abgerundet und daher der Hälfte ei-
nes Cylinders ähnlich, wenn er längſt ſeiner
Axe durchſchnitten wird.


f, f, die beyden Groſsen Forts, Höhe fünf und
einen halben Zoll, Breite und Länge ſechs und
und einen Viertel Zoll.


b Der Paſs, Höhe fünf und einen halben
Zoll, Breite ſechs und einen Viertel Zoll, Länge
ſieben Zoll.


g, g die Batterien ſind dreyeckicht, ohne
Thor. Hoch 3 Zoll. Die Breite am äuſserſten
Ende zwey und einen halben Zoll, ihre beyden
längſten Seiten jede drey und einen halben Zoll.


Die Thore und Höhlungen in den Forts und
dem Paſse, wo hinein der attakirende Ball gehen
muſs, ſind hoch drey Zoll, breit zwey und einen
halben Zoll, tief zwey bis drey Zoll.


Die Glocke in den kleinen Gewölben der Forts
hängt, anderthalb Zoll hinein, im Innern derſel-
ben.


[169]

Die Bälle ſind, wenn man dieſes Maaſs beo-
bachtet, einen und drey Achtel Zoll im Durch-
meſſer. Alles angegebene Maaſs iſt engliſch, jeder
Zoll enthält daher 13 Leipz. duodecimal Linien.


Regeln und Geſetze. Zur Schonung des Raums
heiſse S Spieler, G Gegner, F Fort.


1. Es ſpielen nur 2 Perſonen, bis 20 Points,
und derjenige macht den Anfang, welcher ei-
nen Ball an die gegenüberſtehende kurze Ban-
de ſtöſst, und ihn der am nächſten bringt, vor
welcher er ſteht. Er erhält auch das Quartier
das er am liebſten will, — denn viele ſind auch im
Spiele ächt öſtereichiſch, oder franzöſiſch ge-
ſinnt, — und macht den Anfang des Angriffs.


2. Jeder hat 3 Bälle, einen Angriffsball und
zwey Vertheidigungsbälle.


3. Sie werden auf die Linien geſtellt, die
von einem Reſerve F. zum andern geht, der An-
griffsball in die Mitte, die andern beyden neben
ihn zur Seite. Dieſe Linie heiſst das Lager.


4. Der zur franzöſiſchen Seite gehörige An-
griffsball iſt blau gefleckt, und die Vertheidi-
gungsbälle haben kleine ſchwarze Ringel; auf
der öſtereichiſchen Seite iſt jener weiſs und die-
ſe haben ſchwarze Flecken. Doch das ſteht in
eines jeden Belieben.


5. Die Attake geſchieht von beyden Seiten
in beſtimmter Ordnung, nämlich man paſſirt erſt,
[170] dann nimmt man die vordern F, hierauf die hin-
tern
, endlich das groſse F. Hiervon darf man
nicht abweichen.


6. Vor der eigentlichen Attake muſs man al-
ſo erſt paſſiren, das heiſt, ſeine Kugel durch den
Pals bringen.


7. Iſt dieſs geſchehen, ſo nimmt man die Fah-
ne von der feindlichen Seite des Paſſes; dann
kann man eines der vordern F. angreifen.


8. Nimmſt du die Fahne nicht herab, ſo muſst
du von neuem paſſiren; doch iſts nicht nöthig,
hierbey den Ball erſt wieder ins Lager zu brin-
gen.


9. Wenn du ein F des G nimmſt, ehe du
paſſirt biſt, und des G Fahne herabgenommen
haſt, ſo verlierſt du 2 Points, und muſst mit dem
Balle wieder ins Lager.


10. Iſt der Paſs aber ordentlich gemacht und
dann ein F genommen, ſo wird dann der Ball
beym nächſten Stoſse vom Lager aus geſpielt;
d. h. du muſst erſt ins Lager zurück.


11. Iſt der Paſs geſetzmäſsig einmal gemacht,
ſo braucht man im Ganzen Spiele nicht wieder
zu paſſiren.


12. Die Einnahme eines F gilt 4 Points; aber
wenn du nach der Einnahme eines F die Fahne
nicht herabnimmſt: ſo muſst du das Fort noch
einmal nehmen, um jene Points zu gewinnen.


[171]

13. Zum Nehmen eines F muſs der Attakir-
ball nicht bloſs hineinlaufen, ſondern die Klin-
gel muſs klingeln, ſonſt iſts ungültig.


14. Der Angegriffene kann ſeine F verthei-
digen, oder ſeinen Angriffsball in des G Quartier
ſpielen, um deſſen F anzufallen.


15. Kein F kann anders genommen werden,
als mit dem Angriffsballe; wer es mit einem
Vertheidigungsballe thut, verliert 2 Points und
muſs wieder ins Lager.


16. Wenn der S mit einem Balle des G ſpielt,
ſo muſs er ins Lager gelegt werden, wenn es der
G verlangt.


17. Die Vertheidigungsbälle kann jeder ein-
zeln oder zuſammen in des G Quartier ſenden.


18. Wer nicht in der oben Nr. 5 vorge-
ſchriebenen Reihe bleibt und ein F früher ein-
nimmt, welches ſpäter genommen werden müſs-
te, verliert 2 Points, und muſs ins Lager zurück.


19. Wenn ein F erobert, oder der Ball verlau-
fen (in ein Loch gemachten), oder verſprenget
iſt, ſo muſs ihn der S ins Lager ſetzen. Thut ers
nicht, ſo darf er für kein F, das er fernerhin
nimmt, etwas rechnen, bis der Ball ins Lager ge-
ſetzt iſt.


20. Wenn du ein F durch Sturmlaufen, oder
auf andre Art genommen haſt, und der G nimmt
den Ball aus demſelben, (es geſchehe nun, um
[172] ihn ins Lager zu ſtellen, oder in anderer Ab-
ſicht) nimmt aber die Fahne nicht herunter: ſo
iſt demungeachtet das F als genommen zu be-
trachten und die Fahne muſs abgenommen wer-
den.


Anmerkung. Man hat ein F mit aller Kraft
angegriffen, aber der G vertheidigt und bewacht
es zu gut; dann iſt oft Kriegsliſt das beſte. Du
bringſt deinen Ball in einen bequemen Winkel,
ſtoſst ihn gegen die entgegen geſetzte Bande, ſo
daſs er par Bricolle ins F geht. Dieſs heiſt mit
Sturmlaufen nehmen.


21. Wenn der S einen feindlichen Ball in
eines ſeiner eigenen F ſpielt, das noch nicht ge-
nommen iſt, ſo macht er dadurch einen Kriegs-
gefangenen
und gewinnt 6 Points. Spielt er ihn
aber in ein ſchon genommenes F, ſo iſt der Ball
nicht Kriegsgefangen, doch gewinnt der S da-
durch 2 Points.


22. Spielt er des G Ball in deſſen eigenes
F, ſo gewinnt er 2 P.


23. Wenn der S einen oder mehr Bälle des
G macht, (in ein Loch bringt), ſo gewinnt er für
jeden 2 P. Wenn er aber einen oder mehrere
ſeiner eigenen Bälle macht, (ſich verläuft), ſo
verliert er für jeden 2. P.


24. Sprengt der S einen oder mehr Bälle des
Gegners vom Billard, oder auf ein F, (alle Be-
[173] feſtigungswerke ſind nämlich oben ganz platt)
oder auf die Bande; ſo gewinnt er für jeden 2 P.;
thut er aber daſſelbe mit ſeinem Eigenen, ſo ver-
liert er auch für jeden 2 P.


25. Sprengt der S. des G. Ball auf eine der
vorigen Arten, oder macht ihn und erobert durch
den Stoſs zugleich ein feindliches F: ſo gewinnt
er 6 P. Iſt es aber ein ſchon genommenes F,
oder eines, das noch nicht an der Reihe des Er-
oberns iſt, ſo verliert er 2 P.


26. Spielſt du deinen Ball in eines deiner ei-
genen F, oder in ein feindliches noch nicht ge-
nommenes, oder noch nicht an der Reihe ſey-
endes: ſo verlierſt du 2 P.


27. Jeder gemachte, oder auf obige Arten
(24) [geſprengte] Ball muſs wieder ins Lager. Stün-
de hier zufälliger Weiſe ſchon ein Ball, ſo muſs
jener dicht dahinter geſetzt werden, doch ſo, daſs
er ihn nicht berührt.


28. Wer ein ſchon genommenes fahnenloſes
F nochmals nimmt, verliert 2 P.


29. Wenn des Gegners Ball wegen eines da-
vor liegenden F von dem S nicht geſehen wer-
den kann, und er, der S. hat doch Luſt, par
bricolle auf ihn zu ſpielen: ſo kündigt er es mit
dem Worte an, ungeſehn! Trifft er dann den
Ball, ſo gewinnt er 2, aber im Gegentheil ver-
liert er 2 P.


[174]

30. Trifft er im vorigen Falle, aber verläuft
ſich ſelbſt in ein Loch, in ein eigenes F, oder in
ein feindliches, das ſchon genommen iſt, oder
noch nicht genommen werden kann, oder ver-
ſprengt
er ſich auf obige Art (24); ſo verliert er 2
P. und rechnet für den getroffenen Ball nichts.


31. Geſetzt ein Ball des G liegt vor irgend
einem F des S, das noch nicht genommen iſt.
Dieſer hat Luſt auf ihn par bricolle zu ſpielen,
ob er ihn gleich vor dem F nicht ſehen kann:
ſo gewinnt er 6 Point, wenn er den Ball in ſein
F bringt und dadurch zum Kriegsgefangenen
macht. Auch muſs der Gefangene dann ins La-
ger zurück.


32. Sagt der S. ungeſehn! ſo kann dieſs aber
erſt unterſucht werden, vom G, dem Anmerker
oder ſonſt Jemand.


33. Macht der S. einen Vertheidigungsball
des G, oder ſprengt er ihn auf obige Arten (24) ſo
muſs bekanntlich dieſer Ball ins Lager zurück.
Sind hier aber beyde Stellen der Vertheidigungs-
bälle offen, ſo kann ſein Herr ihn ſtellen, auf
welche er will.


34. Werden die beyden Bälle mit der Maſ-
ſe oder dem Stoſskegel (Queue) zugleich getrof-
fen: ſo iſts ein Fehler und die Wirkung ei-
nes ſolchen Abſtoſses iſt ungültig. Auch bleibt
es dann bloſs dem G überlaſſen, ob er damit
[175] weiter ſpielen, oder den des fehlſtoſsenden S
ins Lager ſetzen laſſen will.


35. Jeder Fehlſtoſs, das Verlaufen, und
Verſprengen (24) des eigenen Balls gilt 2 P.,
und es kommt dann bloſs auf den Gegner an,
ob er ferner darauf ſpielen oder ihn ins Lager
removiren will.


36. Das Blaſen, Aufhalten der Bälle, das
Spielen auf einen noch laufenden, das Hindern
eines Stoſses und das Aufheben beyder Füſse vom
Boden, indem man ſtöſst, gilt 2 P.


37. Wer zuerſt 20 zählt hat gewonnen. Je-
des Fort regelmäſsig genommen gilt 4.


Man kann übrigens die Geſetze des einfachen
Billard
(en deux oder partie blanche) nach belie-
ben auf dieſes Spiel anwenden.


Kegelbillard oder Piroli.

Die 5 elfenbeinernen Kegel, jeder etwa 2
und ein Viertel bis einen halben Zoll hoch, wer-
den auf die Mitte des Billards geſtellt. Der Kö-
nig ſteht juſt in der Mitte, auf dem Flecke der
Caroline; die andern auf den Ecken eines
Vierecks, deſſen Winkel nach der Mitte der
vier Banden hinweiſen. Ihre Entfernung von
einander iſt dem Durchmeſſer der Kugeln
gleich. Bey dieſem Spiele gelten die Ge-
ſetze des einfachen Billards (en deux) überall;
[176] das Machen der Bälle, das Verlaufen, Sprengen, Ver-
ſprengen
u. ſ. w., alle Fehler und Verdienſte wer-
den ſo berechnet; auch geſchieht das Ausſetzen
auf gleiche Art. Man ſpielt bis 16. — Man kann
es auch als Quarambole ſpielen. Die beſondern
Geſetze dieſes Spieles beſtehn in folgenden.
(B. heiſt Ball, K. Kegel, G. Gegner).


1. Werfe ich mit meinem eigenen Balle einen
K, ſo verliere ich 2 P.


2. Thue ich eben das, aber mit des G. B, ſo
gewinne ich 2 P.


3. Werfe ich den König allein um mit mei-
nem
B, ſo verliere ich 5 P.


4. Thue ich daſſelbe mit des G. B., ſo ge-
winne ich 5 P.


5. Mache ich mit des G. B. juſt ſo viel K, als
zugleich mit meinem B: ſo werden nur die letzten
als Verluſt berechnet.


6. Mache ich aber mit des G. B. 2 K., und
mit meinem nur einen, ſo gewinne ich nur 2 P.
weil für den letztern 2 P. abgezogen werden.


7. Mache ich mit des G. B. eine K, aber
verlaufe mich zugleich: ſo wird bloſs für das Ver-
laufen gerechnet, und ich verliere 2 P.


8. Werfe ich durch des G. B. eine K, und ma-
che zugleich den B: ſo gewinne ich 4 P; wenn
ich zugleich 2 K. werfe, 6 P. u. ſ. w.


9. Mache ich einen B, werfe aber mit meinem
[177] B einen K, ſo zählt nur der letzte zu meinem
Verluſte.


10. Werfe ich durch des G. B alle K auf ein-
mal, ſo hab ich die Parthie ſogleich gewonnen;
allein auch ſogleich verloren, wenn ichs mit mei-
nem eigenen B that.


11. Bleibt ein B zwiſchen den K ſtehn, ſo
wird er ordentlich herausgeſpielt, und hat er beym
Hineinlaufen einen K geworfen, ſo wird dieſer
erſt auf der Stelle aufgerichtet, wo er liegt, und
ſollte es auch dicht neben dem B ſeyn. Hier-
auf kommt es erſt zum Herausſpielen des B, und
iſt dieſer Ball herausgeſtoſsen, dann wird jener
K an ſeinen ordentlichen Platz geſtellt. Alles,
was dabey geworfen wird, kommt nach den obi-
gen Regeln in Rechnung als Plus, wenn es des
G. B warf, aber auch als Minus, wenn es der
meinige that.


Anmerkung[.] Das Aufſtellen jenes K geſchieht
deſswegen, weil er von dem B beym Herausſpie-
len geworfen werden könnte, lieſse man ihn lie-
gen, ſo wäre dieſs nicht möglich. Bey dieſem
Herausſpielen iſt viel Vorſicht nöthig[.] Iſt es mein
B, ſo muſs ich ihn heraus auf den des G ſpielen:
ſo gut es gehen will. Iſt es aber des G. B, ſo iſt
es rathſam, ihn nur leiſe zu treffen; denn als-
dann muſs der G ſelbſt das Herausſpielen über-
nehmen.


M
[178]

Es iſt gar keinem Zweifel unterworfen, daſs
das Billard eines der vollkommenſten Spiele ſey.
Es intereſſirt durch groſse Mannichfaltigkeit der
vorkommenden Fälle, die ins Unendliche geht,
weil die Lagen der Bälle, ihre Entfernungen und
Winkel zu den Löchern unabſehbar verſchieden
ſind; durch Mannichfaltigkeit der Mittel, den
jedesmaligen vorliegenden Fall zu behandeln;
durch das damit verknüpfte ſinnliche Beobach-
ten und Beurtheilen der Winkel und Entfer-
nungen, der Art des Stoſses, die hier am beſten
anzuwenden iſt, und der Abwiegung der Kraft
des Arms und der Hand zum Stoſse. Alles dieſs
gewährt für den Geiſt eine mäſsige Anſtrengung,
und giebt ihm Gelegenheit in der gehörigen Lei-
tung des Körpers ein ſtilles Vergnügen zu fin-
den. Hierzu kommt endlich noch die ſehr heil-
ſame Bewegung des Körpers, die zwar nur mä-
ſsig, aber daher für manche Zeiten, beſonders
nach Tiſche und nach ſitzenden Arbeiten, um de-
ſto zweckmäſsiger, durch einige Dauer dennoch
ſehr wirkſam, und durch die unzähligen damit
verknüpften Bewegungen und Stellungen des
Körpers ſehr vortheilhaft iſt. Alle dieſe guten
Seiten des Billards ſind auch für die etwas her-
angewachſene Jugend genieſsbar, warum, das
ſieht Jedermann leicht von ſelbſt ein. Ich wür-
de eilen, ſie zu dieſer Uebung zu führen, um ih-
[179] ren Beobachtungsgeiſt und ihrer Beurtheilungs-
kraft an ſinnlichen Gegenſtänden zu ſchärfen;
denn beyde ſind von äuſserſt groſsen Einfluſ-
ſe, weil wir der Körperwelt erſt mit dem Tode
entfliehn können. Auch kann dieſes Spiel viel
zur Geſchicklichkeit und Biegſamkeit ihres Kör-
pers beytragen. Schade, ewig ſchade, daſs
man allmählig anfängt, das Billard zu einem
Spiele des Gewinns zu machen, hierzu iſt es viel
zu edel; ferner, daſs es ſo koſtbar durch die dazu
gehörigen Anſtalten wird, und daher nur von
reichen Familien angeſchafft werden kann. Es
giebt indeſs ganz kleine Billardtafeln, die man
mit allem Zubehör für 10 bis 15 Thaler anſchaf-
fen kann, und die dennoch ſehr brauchbar lind.


Mein, im Allgemeinen über das Billard ge-
fälltes Urtheil, gilt auch im vollen Maaſse von
beyden oben mitgetheilten Arten deſſelben.
Durch den Zuſatz von Feſtungswerken erhält das
Spiel noch weit mehr Mannichfaltigkeit, wird
gedankenvoller und noch unterhaltender. Daſ-
ſelbe gilt, doch nicht ganz in dem Maaſse, vom
Piroli.


Die Natur des Billards macht es deutlich ge-
nug, daſs viel Uebung nöthig ſey, ehe man ein
guter Spieler wird; wenigſtens möchte es wohl,
obgleich natürliche Anlage vieles thut, keinem
ſo bequem gehen, als dem lieben Ignatius Lojo-
M 2
[180] la, der zwar dieſs Spiel gar nicht verſtand, aber
einem fertigen Spieler dennoch die Parthien, ver-
möge eines Mirakels, abgewann. Durch Wun-
der wird freylich dem Körper und Verſtande al-
les leicht.


22. Das Kugelwerfen.
(plattdeutſch: Ihsboſseln, auch Klootſcheten.)

In den nördlichen Marſchgegenden Deutſch-
lands, an den Ufern der Nord und Oſtſee, hat
unſre Nation ein Kampfſpiel, welches im Win-
ter, wenn Gräben und Moräſte feſt gefroren
ſind, von Jung und Alt, ja häufig ſelbſt von gan-
zen Dorfſchaften geſpielt, und durch fröliche
Trinkgelage gefeyert wird. Es verbreitet dort
mehr Leben unter den Menſchen, weckt den
Unternehmungsgeiſt, und macht die Stärke des
Armes und der Hand ſchätzbarer, als in ſolchen
Gegenden, wo man dieſs Spiel nicht kennt. Es
ſezt eine ziemlich ebene Fläche voraus, und
verlangt zum Materiale nichts, als Kugeln von
hartem Holze, 6 bis 32 Loth ſchwer, welche
durchlöchert, und mit Bley ausgegoſſen ſind. Die
Spielenden bilden 2 Partheyen, und ſtellen Mann
[181] gegen Mann. Man ſezt den Anfang und das En-
de der Wurfbahn feſt, und es kommt nun darauf
an, welche Parthey ihre Kugel mit den wenig-
ſten Abwürfen zum Ziele bringt, das oft ein bis
drey Viertel Meilen entfernt iſt.


Es können auf beyden Seiten mehrere wer-
fen, ſo daſs ſich auf dieſer A, B, C, etc. auf jener
a, b, c, etc. ablöſen; ſo daſs A gegen a, B ge-
gen b, C gegen c u. ſo fort, wirft. Haben alle
durchgeworfen, ſo fangen A a wieder an u. ſ. w.
Diejenigen, welche nicht am Wurfe ſind, gehn
auf der Bahn voraus, zeigen dem Werfer die be-
ſte, das iſt, ſeine ſolche Stelle an, wo die Kugel
beym Niederfallen noch weiter rollt, und geben
Acht auf die fallende Kugel. Man hat drey be-
ſondre Spiele, oder vielmehr Werfarten bey die-
ſem Spiele, denn man wirft unter und über der
Hand und mit einem Schwunge. Hat man aus-
gemacht, daſs man vom Ende der Bahn wieder
zum Anfange zurück werfen will, ſo bekommt die
Parthey, die ihre Kugel am weiteſten brachte,
noch einen Vortheil, der im folgenden beſteht.
Geſezt a habe mit dem zwanzigſten Wurfe 40
Schritte über das Ziel hinaus, bis nach Y ge-
worfen; A aber nur bis nach X, ſo daſs ihm et-
wa noch 20, 30 Schritte bis zum Ziele fehlten:
ſo tritt beym Zurückwerfen a oder ſein Nach-
folger b nicht auf Y, ſondern auf X, und A, oder
M 3
[182] deſſen Nachfolger B auf Y, mithin kommt das,
was a mehr warf, dem B zum Schaden und ſo
umgekehrt.


Werfen nur 2 Perſonen gegen einander, ſo
ſteckt man das Ziel minder weit. In Ditmar-
ſchen iſt dieſs Spiel ſehr gewöhnlich, und eine
Dorfſchaft ſucht nicht wenig Ruhm darin, wenn
ſie der andern im Ihsboſseln den Rang ablief.
Man ſieht Knaben aus dem Dorfe A, mit denen
aus B im Handgemenge, weil A den Sieg in je-
nem Spiele nicht über B erhalten hatte, und dann
hört man wohl: Syn Jü uck Kirls, jü könnt ja
ihsboſseln, als ehn döde Hehn! — Auch für
die gebildetere Jugend iſt dieſs Spiel unter Ein-
ſchränkung und nöthiger Vorſicht empfehlungs-
werth, denn Sie, die ihren Körper durch ſitzen-
de Arbeit zu ſchwächen, ſo viel Anlaſs hat, be-
darf der Bewegung weit mehr, als jene rüſtigen
Landleute; für ſie iſt Wetteifer in körperlicher
Thätigkeit ſehr zweckmäſsig, und vielleicht in
vieler Rückſicht noch heilſamer, als in geiſtiger.
Eine richtig und ſcharf werfende Fauſt iſt
mehr werth, als eine geladene Piſtole, denn ſie
fehlt gemeiniglich, wenn wir ſie brauchen; je-
ne iſt immer unſer treuer Gefährte. Ueberhaupt
kann dieſs Spiel zur Geſundheit, zur Stärkung
und Ausbildung des Körpers ſeinen Theil bey-
tragen, noch mehr, wenn man es oft zum Ge-
[183] ſetze macht, auch die linke Hand zum Werfen
zu gebrauchen. Die Schwere der Kugeln rich-
tet ſich nach der Kraft des Knaben oder Jüng-
lings, daſs man nicht in Wurf treten müſſe,
verſteht ſich von ſelbſt. Ein ins Einzelne ge-
hendes Urtheil über dieſes Spiel, findet ſich in
Ehlers Betrachtungen über die Sittlichkeit der
Vergnügungen. Leipzig 1790 O wie wahr iſt es,
vortrefflicher Ehlers, „zur Behauptung der allge-
meinen Gerechtſame des menſchlichen Ge-
ſchlechts, iſt es höchſt wichtig, daſs viel Muth,
Kraft und Leben unter den Menſchen ſey, und
ſie erhalte.“


d) Kegelſpiele.


23. Das gewöhnliche deutſche Kegelſpiel.

Es iſt zu bedauern, daſs dieſs Spiel durch man-
che andere, beſonders auch durch das Billard
verdrängt wird, denn es iſt weit leichter zu ha-
ben, als dieſes, und in vieler Rückſicht unend-
lich beſſer, als die Kartenſpiele. Ich gönne ihm
daher in der Abſicht hier eine gedrängte Be-
ſchreibung, um es vielen Perſonen, die es nur
M 4
[184] dem Namen nach kennen, wieder zu empfehlen.
Es giebt zwey Arten deſſelben, die ſich jedoch
nur durch Verſchiedenheit ihrer Bahnen unter-
ſcheiden, nämlich das lange Kegelſchieben auf einer
langen Kegelbahn, und das kurze auf einer kreis-
förmigen Bahn, in deren Mittelpunkte die Kegel
ſtehen, und bey welcher die Spieler beym Wer-
fen auf einen beliebigen Punkt des Umkreiſes
treten. Bey beyden iſt die Spielmethode fol-
gende: Jedem, der 6, 8, oder 12 Spieler, wer-
den 12 oder 16 oder 24 Points unter ſeinen Na-
men geſchrieben, d[.] h., ſie werden ihm im Stam-
me angeſchrieben
; dieſe ſind gleichſam eine Schuld,
oder ein Minus, was er abverdienen muſs. Nach
jedem Wurfe werden die gemachten Kegel von
jenem Minus abgezogen, und der Reſt unter den
Namen des Spielers geſezt. So bald als er nach
und nach durch mehrere Würfe, die beſtimmten
Points gemacht, d. i. ſein Minus gleichſam ab-
bezahlt, und alſo nichts mehr im Stamme hat: ſo
werden alle darüber geworfenen Kegel ſein Plus,
das nennt man, ſie werden ihm gut geſchrieben,
und von den andern Spielern, die noch minus
haben, bezahlt. Jeder Spieler beſtrebt ſich folg-
lich, recht viel Kegel zu werfen, um bald, und
ſo viel als möglich plus zu machen. Iſt man,
nachdem jeder Spieler mehrere Würfe gemacht
hat, ſo weit gekommen, daſs Einige ſchon plus
[185] haben und Andere dagegen noch minus, ſo wird
jenes ſummirt, und mit der Summe des Minus
verglichen[.] Hierauf wird noch ſo lange gewor-
fen, bis das Plus dem Minus juſt gleich iſt, dann
endigt ſich das Spiel, und diejenigen, welche
noch minus, d. i. noch Kegel im Stamme haben,
bezahlen jeden Kegel an die andern. Die Schwie-
rigkeit iſt hierbey durch den lezten Wurf jene
Gleichheit herauszubringen, d. i. das Spiel aus-
zumachen
. Wenn zum Beyſpiel der Spieler A 4,
B 5, C 6 Kegel gut geſchrieben oder plus hat,
und dagegen D 3, E 6, und F 7 minus, ſo daſs
hier 16 minus und dort 15 plus ſind: ſo darf
derjenige, an welchem die Reihe des Werfens
iſt, nur noch Einen Kegel machen, und jeder, den
er mehr wirft, wird ihm von der Zahl ſeiner ge-
machten Kegel abgezogen u. ſ. w.


Die vorzüglichſten Geſetze der Kegelbahn
ſind folgende:


1) Niemand darf über das beſtimmte Mal
hinaustreten. 2) Wer nichts trifft, dem wird
ein Kegel abgeſchrieben. 3) Eine Kugel, die
über das Wurfbrett hinaus geworfen wurde, kann
keine gültige Kegel werfen, und ihr Werfer ver-
liert 1. Dagegen iſt jeder Wurf neben das Brett,
oder an die Seitenwände der Bahn gültig. 4) Wird
die Kugel durch irgend etwas aufgehalten, ehe
ſie über das Wurfbrett hinaus iſt, ſo darf noch
M 5
[186] einmal geworfen werden. 5) Prellt ſie einen
Kegel vom Leg, (hölzernen oder blechernen
Fundamente, worauf die Kegel ſtehn) ſo, daſs
er auſſer demſelben wieder ſteht, ſo iſt dennoch
derſelbe als gemacht, anzuſehn; aber nicht ſo,
wenn er innerhalb des Legs ſteht. 6) Der Kö-
nig allein, gilt ſtets 3; der vorderſte Eckkegel im
Stamme 2, aber beym Ausmachen 2 und auch
nur. 1, wie es das Ausmachen erfordert. 7) Wenn
nur noch 3, 4, oder 5 Kegel zu werfen ſind,
und es wirft ſie wirklich Jemand: ſo muſs er ſei-
nem Nachfolger 1 abgeben; wirft er aber mehr:
ſo werden dem Nachfolger auch die mehr gefal-
lenen Kegel, als gut zugerechnet. Dieſs nennt
man überhalten. Sind aber 6 Kegel zu werfen,
und werden geworfen, ſo wird dem Nachfolger
nichts abgegeben. 8) Wer 7 Kegel wirft, löſcht
ſein Debet (alle Kegel, die er noch im Stamme
hat) und erhält 7 gut. Wirft Jemand 8, ſo iſts
eben ſo, aber er erhält 16 gut. Werden 8
um den König, oder alle 9 Kegel geworfen, ſo
iſt das Spiel geendigt, und der Werfer erhält al-
le Kegel bezahlt, welche die übrigen Spieler noch
im Stamme haben. 9) Sind beym Ausmachen
nur noch wenig Kegel zu werfen, und es fallen
7 oder 8, ſo iſt das Spiel dennoch ausgemacht.


Beſchäfftigung des Geiſtes iſt bey dieſem
Spiele vorzüglich nur für Kinder, die im Rech-
[187] nen noch nicht die erſten Anfangsgründe ver-
ſtehen; dieſe erhalten beſtändig kleine arithme-
tiſche Aufgaben, die ſie im Kopfe aufzulöſen ha-
ben. Hierdurch wird das Spiel für ſie empfeh-
lungswerth. Erwachſene Spieler finden Stoff
zum denken und beobachten in der eigenthüm-
lichen Beſchaffenheit der Bahn, wornach ſie den
Wurf der Kugel einzurichten haben. Noch mehr
findet dieſs aber bey dem kurzen Kegelſchube
ſtatt. Weit mehr leiſtet es in Hinſicht des Kör-
pers, in ſofern es denſelben auf eine wohlthätige
Art bewegt, den Arm, noch beſſer, wenn man
auch oft links ſpielt, die Arme [ſtärkt] u. ſ. w.


24. Das Kegelwerfen.

Dieſe Art des Kegelſpiels iſt bey uns weit ſelte-
ner, als in der Schweitz und Frankreich. Die
Kegel ſind vollkommen ſo groſs, wo nicht noch
etwas gröſser, als unſere gewöhnlichen; eben
ſo die Kugeln. Beyde müſſen bey der Jugend
nach Verhältniſs ihrer Kräfte gewählt werden.
Die Kugeln haben eine Vertiefung oder ein Loch
für den Daumen, und ein gröſsers zum Einlegen
der 4 übrigen Finger. Vermittelſt dieſer Löcher
[188] faſst der Spieler die Kugel feſt, und wirft ſie in
einem geſtreckten Bogen durch die Luft nach
den Kegeln, die aber hier ſo weitläuftig ſtehen,
daſs die beyden äuſserſten Kegel einer Seite wohl
6 Fuſs von einander entfernt ſind. Bey dieſem
erſten Wurfe iſt es ihm freylich lieb, gleich ei-
nen oder mehr Kegel zu werfen; aber noch mehr
ſieht er darauf, daſs ſich die Kugel nicht zu weit
von den Kegeln entferne. Iſt dieſer Wurf ge-
ſchehen, ſo geht er nun hin, ſtellt ſich in den
Platz der abgeworfenen Kugel, und wirft mit
dieſer zum zweyten Male auf die Kegel. Je nä-
her er izt ſteht, je vortheilhafter iſt es. Jezt
muſs er die Wirkungen der mancherley mögli-
chen Richtungen des Wurfs gegen die Kegel
aus Erfahrung kennen und ſo werfen, daſs die
zuerſt getroffenen Kegel in ihrem Falle ſo viel als
möglich von den andern mitnehmen. So macht
es, der verloſten Reihe nach, jeder Spieler, und
derjenige, welcher in ſeinen zwey Würfen die
meiſten Kegel traf, erhält diejenigen von jedem
[Mitſpieler] bezahlt, die er mehr als dieſer mach-
te. Der Gewinner macht beym neuangehenden
Spiele nicht nur den erſten Wurf, ſondern er be-
ſtimmt auch den Ort, und mit ihm die Entfernung,
aus welchen jeder Spieler ſeine erſte Kugel ab-
werfen muſs. Es verſteht ſich von ſelbſt, daſs
man auf dieſes Kegelwerfen auch die Berech-
[189] nungsart des gewöhnlichen Kegelſpiels anwen-
den könne.


Dieſes Spiel iſt auf jeden Fall viel gehaltvol-
ler, als das vorige. Es erfordert gar keine Bahn,
ſondern jeder freye Platz, wo man nur eine Stel-
le für den Stand der Kegel ebnet, iſt hinläng-
lich dazu; dieſs iſt nicht nur ſehr bequem, ſon-
dern es hat viel Einfluſs auf den Werth des Spie-
les. Denn da der Standpunkt beym Abwerfen
bald hier bald dort iſt, je nachdem es dem lez-
ten Gewinner gefällt: ſo wird dadurch das wei-
tere Fortrollen der Kugel beſtimmt, in ſofern es
von den mannichfaltigen kleinern oder gröſsern
Abdachungen des Bodens abhängt. Der Wurf
in einem Bogen durch die Luft, erfordert weit
genauere Abmeſſung der Kraft des Arms, der
Schwere der Kugel und der Weite des Wurfs
gegen einander, als das bloſse Fortrollen in ge-
wiſſen Schranken beym vorigen Spiele. Es ge-
hört hierzu, ſo wie auch beſonders zu dem zwey-
ten Wurfe in der Nähe, mehr Beobachtungsgeiſt,
als bey jenem. Die körperliche Bewegung möch-
te bey beyden gleich ſtark und heilſam ſeyn;
doch kann man bey dieſem nach Belieben die
Entfernung des Wurfes gröſser machen und da-
durch den Armen mehr Arbeit verſchaffen.


Beyderley laſſen ſich nicht nur im Freyen
treiben, ſondern auch ſelbſt auf geräumigen Sä-
[190] len, mit ledernen Kegeln und Kugeln, die mit
Haaren ausgeſtopft ſind. Dergleichen Kegel er-
halten zum feſtern Stehen nur eine zolldicke,
hölzerne Scheibe zur Baſis.


Eine andere hin und wieder in Schleſien ge-
bräuchliche Art des Kegelwerfens iſt dieſe: Der
Spieler A ſtellt ſeine 4, 5, ja 9 Kegel in eine
Reihe, und B auch eben ſo viel; es iſt daher
gut, mehr als 9 Kegel zu haben. Beyde 10, 12
15 Schritte nach Belieben von einander entfernt
und die Kegel in beliebiger Entfernung einzeln
von einander. Darauf wirft A mit ſeiner Kugel
von der Stelle ſeiner Kegel herüber zur feindli-
chen Kegelfronte, um einen nieder zu ſtrecken.
Geſchieht dieſs Leztere nicht, ſo wirft B nach
den Kegeln des A; aber trifft A einen Kegel, ſo
nimmt B nicht bloſs die Kugel, ſondern auch hin-
terher den umgefallenen Kegel, und wirft damit
nach den Kegeln des A. Allein A hat nun auch
das Recht ſeinen Muth an des B Kegeln zu küh-
len; er nimmt erſt die herübergeworfene Kugel,
dann den Kegel, und alle etwa von ſeiner Fronte
gefallenen Kegel, und bombardirt damit gegen
die feindliche Fronte, dann folgt B wieder, der
es eben ſo macht, u. ſ. w. A und B wechſelswei-
ſe. Weſſen Kegel zuletzt am erſten alle umge-
worfen ſind, der hat verloren.


[191]

Das Spiel iſt einfach, aber luſtig und unter-
haltend für den, der gern körperlich thätig ſeyn
will. Das beſtändige Zuſammenholen und Auf-
ſuchen der Kegel und Kugeln, ſo wie das Fort-
ſchleudern derſelben, giebt Bewegung und
Uebung des Augenmaaſses. Wer ſich ans Bein
treffen läſst, dem ſchmerzt es, man muſs es folg-
lich nicht in den Weg ſtellen.


25. Der Kegeltiſch.

Das gewöhnliche Kegelſpiel hat man ſchon da-
durch ins Haus verpflanzt, daſs man, wie oben
geſagt iſt, ſtatt der hölzernen Kegel und Kugeln,
lederne gebraucht. Man iſt weiter gegangen,
und es iſt geglückt, in jedem Zimmer eine Art
von verjüngter Kegelbahn zu haben. Hier iſt
eine Beſchreibung: Zeichn. 10 ſtellt einen Ke-
geltiſch vor. Seine Länge iſt etwa 5 und einen
halben bis 6 Leipziger Fuſs, und er iſt etwa halb ſo
breit. Auf der einen Seite iſt er halbzirkelicht
abgerundet. a b c d iſt ein herumlaufender Rand
4 Zoll hoch, wodurch der ganze Tiſch zu einem
4 Zoll tiefen Kaſten wird. Mit dieſem Rande
läuft durch e f g h, ein anderer paralell, ſo daſs
[192] durch beyde ein langer Gang oder eine Rinne
entſteht. Von h ſchlägt ſich dieſer Gang in ei-
nem halben Zirkel herum, deſſen gröſste Peri-
pherie ſich in der Mitte des Tiſches bey i endi-
get. Hier öffnet ſich der Gang. Eine Kugel,
am beſten iſt eine gewöhnliche Billardkugel, die
bey n in die Rinne gelegt, einen Stoſs bekommt,
wird den ganzen Gang durchlaufen, und von i
nach k gegen die Kegel rollen. Die Kugel wird
durch einen Stoſs mit einer Maſſe fortgebracht,
welche von feſtem Holze gemacht, und der Maſ-
ſe des Billards ziemlich ähnlich iſt. Sie ſieht et-
wa aus wie l. Die obige Rinne wird, um das
ſtarke Geklapper zu verhüten, mit Flanell ausge-
futtert, und von m an, bis zu ihrem Ende völlig
mit einer bretternen Decke verſchloſſen, damit
die Kugel nicht herausſpringen kann. Um den
Abſtoſs der Kugel recht bequem zu machen, läſst
man den Grund der Bahn von dem Rande des
Querbrettes e a ſchreg herab bis nach n in die
Tiefe laufen.


Man muſs dieſe Art des Kegelſpiels nicht mit
dem wirklichen Spiele im Freyen vergleichen,
denn dieſes hat in körperlicher Hinſicht viel
mehr Vollkommenheit. Man kann aber nicht
immer im Freyen ſeyn, und dann iſt der Kegel-
tiſch doch unendlich beſſer, als die Karte oder
dergleichen. Es iſt ein unterhaltendes Spiel,
[193] das faſt ganz die ſanfte Bewegung des Billards
gewährt.


Eine Abänderung dieſes Spiels entſteht, wenn
man ſtatt einer Kugel eine Art Kreiſel gebraucht.
Man kann hierzu denſelben Kegeltiſch gebrau-
chen, und es iſt daher unnöthig, einen eigenen
dazu verfertigen zu laſſen, der etwa von eben
der Gröſse und Geſtalt, doch ohne die obige
Rinne, nur mit dem Rande a b c d a verſehen
ſeyn müſste u. ſ. w. Man mache auf dem ſchon
angegebenen Tiſche bey o nur einen Sägenein-
ſchnitt in das vordere Bret, ſo iſt die ganze Ein-
richtung fertig. Der Kreiſel p beſteht aus ſei-
nem Fuſse und der Schwungſcheibe. Jener wird
etwas länger gemacht, als die Höhe des Seiten-
bretes, in welches der Einſchnitt o gemacht ist.
Beym Gebrauche wickelt man eine Schnur
ſchraubenartig um den Fuſs, von unten nach
oben hin, zieht das übrige Ende durch den Ein-
ſchnitt von innen nach auſſen, ſtellt den Krei-
ſel inwendig vor den Einſchnitt, hält ihn durch
einen Druck auf die Schwungſcheiben mit der
Linken aufrecht und zieht die Schnur mit der
Rechten los: ſo beginnt das Kreiſeln wodurch
denn mehr oder weniger Kegel umgeworfen wer-
den. Da die Bewegung des Kreiſels, wie es mir
ſcheint, weniger von dem Spieler abhängt als die
Bewegung der Kugel und Maſſe, ſo möchte der
N
[194] Mechaniſmus des vorigen Spiels wohl vorzügli-
cher ſeyn.


e) Pfahl- Ring- und andere Spiele.


26. Das Pfahlſpiel
oder
der Kindaliſmus.

Auf die Zahl der Spieler kommt bey dieſem Spie-
le wenig an. Jeder von ihnen hat einen runden
Pfahl (Pflock) von feſten Holze, der im Durch-
meſſer etwas mehr als einen Zoll hält und 2 Fuſs
und darüber lang iſt. Das dickſte und ſchwer-
ſte Ende deſſelben wird zugeſpitzt und das dün-
nere beym Werfen in die Hand gefaſst. Jeder
muſs übrigens die bequemſte Gröſse und Schwe-
re für ſeine Kräfte ſelbſt finden. Dieſe Pfähle
werden gegen die feuchte Erde geworfen, ſo daſs
ſie darin ziemlich feſt ſtecken und der Hauptin-
halt des Spiels iſt: Wirf deinen Pfahl feſt in
den Boden, doch ſo, daſs er zugleich einen an-
dern deiner Mitſpieler herausprelle.


Dieſs kann nicht gleich ein Jeder; die Lage
des da ſtehenden und heraus zu werfenden
[195] Pfahls will beurtheilt, der Schwung desjenigen,
den man abwirft, gehörig abgemeſſen ſeyn.
Alles das lehrt die Erfahrung. Geſchickte
Spieler, die ihre Beurtheilungskraft hierin durch
Erfahrung geſchärft und Kraft im Arme haben,
werfen faſt jeden Pfahl aus dem Boden und be-
feſtigen den ihrigen durch ebenden Wurf un-
gemein indem jener oft mehrere Schritte fort
fliegt.


Pfäle, die man ſo in den Boden wirft, ſtehen
ſelten ſenkrecht, ſondern machen mit der Hori-
zontalfläche des Bodens einen ſpitzen Winkel.
Wenn du deinen Pfahl ſo niederſchleuderſt,
daſs ſeine Mitte das Griffende des andern
niederprellt, ſo iſt dieſs nur ein Anfänger-
wurf, der ſelten glückt, ſondern ihn gewöhnlich
nur etwas nieder drückt; die beſte Art des Wer-
fens iſt, wenn man ſeinen Pfahl ſo ſchleudert,
daſs ſein unteres, dickes Ende dem ſchreg ſte-
henden des Gegners auf die Seite trifft, welche
nach dem Boden gerichtet iſt. Der Gang des
Spiels iſt dieſer: Wenn A ſeinen Pfahl in den
Boden geworfen hat, ſo wirft B den ſeinigen
nach demſelben, um ihn heraus zu prellen und
ſich zugleich feſtzuwerfen. Gelingt jenes nicht,
ſo kommt C wirft ſich feſt und ſucht dabey den
Pfahl des A oder B herauszuſchnellen. Gelingt
es dieſem nicht beſſer ſo kommt D u. ſ. w. So
N 2
[196] lange kein Pfahl herausfliegt, folgen die Spieler
der Reihe nach hinter einander fort, bis alle
feſt ſtehen; wenn aber einer herausgeworfen
wird, muſs er von ſeinem Beſitzer erſt wieder
feſtgeworfen werden, wobey er aber keinen
andern zum Ziel nehmen und heraus zu werfen
ſuchen darf. Haben ſich endlich Alle feſt ge-
worfen, ſo zieht A ſeinen Pfahl wieder aus und
wirft ihn, indem er zugleich Einen zum Ziele
nimmt, wieder feſt. Ihm folgen dann B, C u. ſ. w.
Für jeden umgeworfenen Pfahl zahlt der Umwer-
fer 1 Point und wer zuerſt ſeine 6, 12, 16 etc.
Points zählt, hat das Spiel gewonnen. Fehler
ſind: 1) Wenn der geworfene Pfahl gar nicht
ſtecken bleibt, ſondern zu Boden fällt. 2) Wenn
er ſein Ziel gar nicht berührt. In beyden Fäl-
len verliert man ein Viertel Point. 3) Wenn er
weder ſtecken bleibt noch berührt, einen hal-
ben Point. 4) Wenn er ſein Ziel zwar heraus
wirft, aber auch ſelbſt umfällt, dann wird nichts
gezählt. Gewöhnlich iſt der Sieg Belohnung
genug; man ſpielt aber auch ohne Points, um die
herausgeworfenen Pfähle. Mehrentheils nimmt
man bey dieſem Spiele keine beſtimmte Grän-
zen an, im nördlichen Niederſachſen wird da-
gegen ein Kreis gemacht, in welchem die Pfähle
niedergeworfen werden müſſen und dabey iſt
es Geſetz, bey dem Abwerfen ſeinen Standpunkt
[197] 1, 2, 3, Fuſs von dieſem Kreiſe abwärts zu neh-
men. Hierdurch wird das Spiel weit ſchwieriger.


Dieſes klaſſiſche Spiel war in Griechenland ſo
gewöhnlich als bey uns, und die Beſchreibung
des Pollux paſst noch genau auf unſer deutſches
Spiel *). Es iſt einfach, aber unterhaltend, ſelbſt
für erwachſene Perſonen; es übt den Arm und
die Hand ungemein, ſollte aber auch bisweilen
links geſpielt werden. Für den Beobachtungs-
geiſt und das Augenmaaſs hat es mehr Beſchäff-
tigung, als man denken ſollte. Man hüte ſich
aber in den Wurf zu treten, ſonſt könnte man
Schaden nehmen. Der Nahme Kindaliſmus iſt
griechiſch, man könnte es auch das Pattalenſpiel
nennen, auf beyderley Art zum Andenken ſei-
nes Urſprungs. Pfählzen, Pflöcken und Pickpahl
ſind provinzielle Namen.


[198]
27. Das Ringrennen.

Im nördlichen Deutſchlande, namentlich in Dit-
marſchen, haben die rüſtigen Landleute ein jähr-
liches Feſt, vielleicht zu der Zeit, wann in vie-
len andern feſtloſen deutſchen Gegenden der
Bauer Grillen fängt, — wobey ſie, auf muthigen
Roſſen, im vollen Gallopp reutend, nach einem
Ringe ſtechen. Selbſt die reichern Bewohner
nehmen daran Theil, und Jung und Alt ahmt
dieſes Kampfſpiel häufig, auch zu jeder andern
Zeit, zu Fuſse nach. Vergnügen, Aufregung der
Thätigkeit, Bewegung des Körpers im Freyen,
und Uebung des Augenmaſses empfehlen dieſes
Spiel. Hier iſt eine Beſchreibung davon. Statt
des Ringes hat man gewöhnlich eine hölzerne,
noch beſſer eiſerne Scheibe, ſiehe Zeichnung 11,
von beliebiger Gröſse. Sie iſt mit 5 Löchern
und oben bey a und b mit zwey Federn verſe-
hen, deren Strebkraft von einander abwärts ge-
richtet iſt. Zwängt man dieſe Federn in irgend
eine Oeffnung, ſo daſs ſie etwas zuſammen ge-
drückt werden: ſo wird man ſie nur mit einiger
Gewalt wieder herausziehen können, weil ſie an
die Seitenwände andrücken. Man drehet eine
hölzerne Kapſel oder Röhre, zwängt die Federn
hinein, und hängt jene an einem Stricke auf, der
[199] zwiſchen 2 Pfählen befeſtigt iſt. So hängt die
Scheibe frey, und zum Wegreiſsen bequem,
wenn ſie aufgeſpieſst wird. Die Kampfluſtigen
verſehen ſich jeder mit einem kurzen, runden,
hölzernen Spieſschen, (Stecher), deſſen Dicke
mit der Weite der 5 Löcher ziemlich überein
kommen muſs, und ſetzen der Reihe nach ihre
Füſse in die ſchnellſte Bewegung, um mitten im
Laufe nach einem der beſtimmten Löcher zu ſte-
chen. Erſt nach dem obern linker, dann rechter
Hand, dann nach dem untern linken und endlich
nach dem mittlern, und zwar nach dieſem drey-
mal
. Wer folglich in der beſtimmten Folge der
Löcher, und in den wenigſten Läufen ſeine 6
Stiche zu Stande bringt, jedesmal dabey die
Scheibe aus der Kapſel zieht, und auf dem Ste-
cher fort nimmt, iſt Sieger. Nach dem untern
Loche rechter Hand, wird nie geſtochen, es iſt
mit Schimpfe, ja wohl auch mit Strafe verbun-
den, dadurch die Scheibe herab zu bringen.


N 428. Das
[200]
28. Das Ringwerfen.

Von der Decke des Zimmers herab hängt eine
Schnur, und an ihrem herabhängenden Ende
ein metallener Ring, von der Gröſse eines gan-
zen oder halben Guldens, ſo ſchwer, daſs er die
Schnur, beym Fortwerfen bequem mit ſich fort-
ziehet. Die Schnur reicht mit dem Ringe
ohne ſtarke Ausſpannung, bis zu einem Ha-
ken, der gegenüber an der Wand, etwa 6
Schuh hoch, befeſtigt iſt. Es kommt bey dem
Spiele darauf an, den Ring ſo zu werfen, daſs er
auf dem Haken hängen bleibt. Zu dieſem Ende
wird er vermittelſt der Finger ſo fortgeworfen,
daſs er durch die Luft einen Bogen beſchreibt,
deſſen Radius die Schnur iſt. Der Bogen muſs
aber neben dem Haken aufſteigen und ſich
über ihm endigen, ſo daſs der Ring beym Zu-
rückfallen darauf hängen bleibt. Ich habe die-
ſe Uebung hin und wieder in Deutſchland gefun-
den. Jeder Knabe kann dieſs ſtille Spiel für ſich
ſpielen. Sind mehrere zuſammen, die es ſpie-
len wollen, ſo machen 24 Würfe in 6 Gängen,
jeder zu 4 Würfen, das Spiel aus. Nach jedem
Gange kommt der Mitſpieler an den Wurf.
Bleibt der Ring hängen, ſo wird ein Point gut
geſchrieben; bleibt er aber im ganzen Gange,
[201] das iſt 4 Mal hinter einander, hängen: ſo giebt
dieſs 6 Points. Jedoch jeder kann das feſtſez-
zen, wie er will. Schwere, Entfernung, Rich-
tung des Wurfes, Abmeſſung der Kraft der
Hand, beſchäfftigen hier den Beobachtungsgeiſt
und üben das Augenmaaſs. Die übrige Bewe-
gung des Körpers iſt ſehr ſanft, das Spiel eignet
ſich daher ganz für die Zeit nach Tiſche.


29. Das Topfſchlagen.

Dieſes Spiel, eine Art von Blindekuh, kann eine
zahlreiche junge Geſellſchaft ſchon ein Stünd-
chen ſehr angenehm unterhalten und durch häu-
figes Lachen die Verdauung befördern. Ich
würde es am liebſten nach Tiſche ſpielen laſſen,
da es mit gar keiner heftigen Bewegung verbun-
den iſt.


Man ſetzt einen Topf auf den platten Erdbo-
den nieder, dieſer iſt der Gegenſtand des Spiels.
Der erſte der beſte von der Geſellſchaft — (denn
alle drängen ſich hierbey dazu, Blindekuh zu
ſeyn) — läſst ſich die Augen verbinden, nach-
dem er ſich 6, 8 bis 10 Schritt von dem Topf ge-
ſtellt hat. — Man kann ihn auch die Schritte
N 5
[202] vom Topfe bis zu ſeinem Standpunkte vorher
abmeſſen laſſen. — In ſeine Hand bekömmt er
einen derben Stock, womit er den [Topf] zu zer-
trümmern Willens iſt, und ſo bewaffnet iſt es ſei-
ne Pflicht, vor Eröffnung des Feldzuges ſich mit
zugebundenen Augen 2 bis 3 mal umzudrehen. Dieſs
nun ſo zu vollbringen, daſs die Naſe nach dem
3ten Umwenden wieder genau nach dem Topfe
hinweiſt, dann grade aus, ohne links noch rechts
auszuweichen, fortzugehen; die Entfernung bis
zum Topfe wieder gehörig auszumeſſen und den
Schlag von oben nach unten, alſo nicht hori-
zontal, grade auf den Topf zu führen, hierin be-
ſteht die Kunſt des Spiels. Es glückt ſelten. Die
Blindekuh dreht ſich, und bey jedem Male weicht
ſie von der erſten Richtung etwas ab. Ein ver-
biſſenes Gelächter ziſcht durch die ganze Geſell-
ſchaft. Er marſchirt vorwärts, und zwar nach
einer ganz andern Weltgegend; er ſchlägt zu
und mit dem Schlage bricht ein allgemeines
Gelächter los; denn er iſt weit vom Topfe ent-
fernt. Da ſteht er nun, nach abgeriſſenem Tu-
che, mit groſsen Augen und ſucht den Topf, deſ-
ſen Zertrümmerung er ſo ſicher berechnet zu ha-
ben glaubte.


Man kann es, wenn man will, zum Geſetz
machen, daſs niemand einen Laut von ſich gebe,
ſo lange der Schlag noch nicht geſchehen iſt; die
[203] Luſtigkeit des Spiels gewinnt dadurch und die
Blindekuh findet ſich ſchwerer nach dem Ziele.
Man kann in den Topf einen Preis legen, Obſt
oder ſonſt etwas, doch iſt dieſs nicht nothwen-
dig. Die Spieler nehmen, wie ich jedesmal be-
merkt habe, alle Kräfte ihrer Sinnen und ihres Be-
obachtungsgeiſtes zuſammen, um die erſte Rich-
tung nicht zu verlieren. Sie ſuchen ſich auf man-
cherley Art zu helfen; bald wird der Stock vor
den Füſsen, gleichſam als Wegweiſer nach dem
Topfe, niedergeſtemmt, bald werden um den
Standpunkt mit den Füſsen vier rechte Winkel
gemeſſen u. ſ. w. Kurz jeder ſchafft ſich ſeine
eigene Methode, ſo daſs dies Spiel das ſinnliche
Beurtheilungsvermögen mehr beſchäftigt als man
von ſeiner Einfachheit vermuthen ſollte.


Stellt man die neun Kegel an die Stelle des
Topfes und giebt dem Blinden die Kugel zum
Werfen in die Hand: ſo bekommt das Spiel ei-
ne neue Einkleidung, die zum Abwechſeln an-
genehm iſt.


30. Der
[204]
30. Der Drache.

Dieſe Maſchine iſt der Jugend ungemein inte-
reſſant, weil ſie geſchickt iſt, in eine Region zu
ſteigen, wohin niemand gelangt. Dieſs ſpannt
die Erwartung der Knaben ungemein, regt ſeine
Thätigkeit [und] ſeinen jugendlichen Unterneh-
mungsgeiſt auf. Ich rede hier nur von derje-
nigen Iugend, welcher man nicht alles in die
Hände ſchenkt; ſondern die ſchon früh anfängt,
ſich ihre Bedürfniſſe zu erarbeiten und ihre Spiel-
zeuge ſelbſt zu verfertigen, ſo weit, als es unter
guter Anleitung nur möglich iſt. Für dieſe iſt
der Drache nun juſt ein Gegenſtand der Selbſt-
verfertigung, und dieſs allein macht ihn ſchon
zu einem zweckmäſsigen Gegenſtande der Ju-
gendſpiele, wenn wir auch hier auf die damit
verbundene Bewegung im Freyen und das damit
verknüpfte Vergnügen weiter keine Rückſicht
nehmen wollen. Hier iſt daher, vermittelſt der
Zeichnung 12 eine Beſchreibung. Man ſieht hier
die Abbildung eines Gerippes zu einem Drachen,
nämlich a b der Rückgrad, c d das Schulterblatt.
c f d das Bruſtbein, e a h der Schnabel.


Alle dieſe Theile werden von recht leichtem
Holze gemacht, etwa nach folgendem Verhält-
niſſe: Der Rückgrad 5 Fuſs 7 Zoll Leipz., das
[205] Schulterblatt 3 Fuſs u. 5 Zoll, beyde ſind vier-
ſeitig, einen halben Zoll und etwas darüber
ſtark. Von a bis g iſt 2 Fuſs u. 2 Zoll. Hier bey
g iſt die Mitte des Schulterblatts mit dem Rück-
grade gut zuſammen [gefügt]. Das Bruſtbein wird
von einem leichten Faſsreifen genommen. Sei-
ne beyden Enden ſchlieſsen ſich an die Enden
des Schulterblatts, und ſind feſt damit verbun-
den, ſo wie ſeine Mitte bey f mit dem Rückgra-
de. Von e und h laufen noch zwey ſchwache
Hölzer, die den Schnabel bilden, nach a, und
ſind mit ihren Enden ſo wohl an das Bruſtbein,
als an das obere Ende des Rückgrads gut befe-
ſtigt. Wenn man dieſe Theile gehörig zuſam-
mengefügt hat, ſo wird von c über b nach d ei-
ne ſtarke Schnur geführt und ſo ſtraff angezogen,
als es die dünnen hölzernen Stäbe vertragen.
In c und d wird ſie feſt geknüpft, an dem Ende
b aber in eine kleine Rinne gelegt, damit ſie
nicht abgleite. Jezt iſt das Gerippe fertig, bis
aufs Abwägen. Man lege ſein Schwanzende b auf
den Fuſsboden, a hingegen auf eine Fingerſpiz-
ze und ſehe zu, ob die Hälfte a c b ſo ſchwer als
a d b iſt. Durch Wegſchneidung des Holzes
läſst ſich dieſs bald in Richtigkeit bringen, zu-
mal da eben nicht viel darauf ankommt.


Die Verfertigung der Haut oder des Ueber-
zuges macht wenig Mühe. Klebe von ſtarkem
[206] Papiere eine Fläche zuſammen, die an allen
Seiten etwa eine Hand breit gröſser als der Um-
fang des Gerippes iſt; lege ſie an den Fuſsboden,
das Gerippe darauf und leime, nach gehörigem
Beſchneiden, den Rand des Papiers auf allen Sei-
ten um den äuſerſten Rand des Gerippes. Jetzt
fehlt es unſerm Luftgeſchöpf noch an den Floſſen,
ſo wie an einem Schwanze, der ihm ganz unent-
behrlich iſt. Jene ſind Quaſten von 2, 3 in Strei-
fen geſchnittenen Papierbogen, die bey d und c
angebunden werden; dieſer beſteht aus einer
langen Reihe Papierſtücken, die an einer Schnur
befeſtigt ſind. Zu jedem Stücke nimmt man ein
Quartblatt, faſst es in der Mitte feſt zuſammen,
zieht die Schnur mit einer Schlinge darum, ſo
daſs die beyden Enden des Blattes faltig und auf-
gebauſcht bleiben. Solche Papiere befeſtigt man
etwa je von 8 zu 8 Zollen hinter einander fort
an die Schnur, bis man ein Stück hat, das etwa
3 Mal ſo lang ſeyn kann, als der Drache ſelbſt.
Dieſer Schwanz wird mit ſeinen einem Ende an
b geknüpft; ans andre aber erhält er eine groſse
Papierquaſte, welche wie die Floſſen, doch grö-
ſser gemacht iſt.


Bände man eine Schnur an irgend eine Stel-
le eines ſolchen Drachen, um ihn daran in die
Luft ſteigen zu laſſen, ſo würde dieſs ſchlechter-
dings nie glücken, weil das Aufſteigen ganz al-
[207] lein von der ſchregen Lage abhängt, welche er in
der Luft halten muſs. Um dieſe zu bewerkſtel-
ligen, binde man eine haltbare Schnur in der
Stelle x, einen Schuh von a entfernt, am Rück-
grade feſt, bohre ein Loch durch die Haut, und
laſſe die Schnur durchgehen. Bey dem zehn-
ten Zolle von der Verknüpfung in x an gerech-
net, mache man in die Schnur eine Schlinge
(Oehr) und binde ihr andres Ende, bey y durch
das Papier geſteckt am Rückgrade wieder feſt.
y iſt von b 1 Fuſs und 6 Zoll, und die Schnur
kann vom obigen Oehre bis nach Y 2 Fuſs u. 4
bis 5 Zoll lang ſeyn. An jenes Oehr kommt
dann endlich die lange ſehr haltbare, aber mög-
lichſt dünne Schnur, an welcher der Drache auf-
ſteigt. Uebrigens müſſen junge Leute ſelbſt
Beobachtungen anſtellen, über die beſte Stelle
des Oehrs in der Schnur, ſo wie über die gehö-
rige Schwere des Schweifes. Iſt dieſer zu leicht,
ſo geht die Maſchine unſtet; zu ſchwer, ſo ſteigt
ſie gar nicht, oder nur mit Schwierigkeit. Oft
iſt man genöthigt, noch etwas Schweres, z. E.
Holz an den Schweif zu hängen. Man muſs da-
her die Erfahrung zu Hülfe nehmen; denn ſelbſt
die mathematiſchen Berechnungen der Maſchi-
ne, wie man ſie, wenn ich mich recht erinnere,
in den Verhandlungen der Berliner Academie
findet, möchten wohl durch [Nebenumſtände], z.
[208] Exempel durch die Dicke der Schnur und den
davon abhängenden Druck der Luft, bald ſo,
bald ſo leiden. Die bequemſte Art ihn zum
Aufſteigen zu bringen, [iſt] folgende: A nimmt
den an die lange Schnur gebundenen Dra-
chen, und geht damit einige hundert Schritt
Wind abwärts; B folgt ihm, doch ſo, daſs
er etwa hundert Schritte hinter ihm bleibt,
er faſst die Schnur an ſeiner Stelle feſt. C
geht gar nicht fort, ſondern wickelt bloſs die
Schnur ab, welche jene mitnehmen. Iſt man
faſt mit der Schnur zu Ende: ſo giebt C dem B
und dieſer dem A ein Zeichen zum Stillſtehn.
Dieſer richtet den Drachen gegen den Wind und
gibt ihm einen ſanften Stoſs aufwärts, nachdem
er die Schnur etwas ſtraff gezogen hat. So ſteigt
er von der Hand des B gehalten ſchnell auf. Hat
er die mögliche Höhe erreicht, ſo läſst auch B
los, dadurch wird das Steigen ohne weitere Mü-
he ungemein beſchleunigt, indem ihn C feſthält
etc.


Franklin ſpannte ſeinen Drachen einſt vor ei-
nen Kahn und lieſs ſich von ihm ganz bequem
über einen See fortziehen. Ein etwas groſser
Drache würde einen gut gebaueten kleinen Wa-
gen, groſs genug, um einen Knaben aufzuneh-
men, auf gleichem Boden fortziehn. Brächte
man über einem Zirkelausſchnitte in ſeinem Ue-
[209] berzuge einen Trichter von Pappdeckel an, deſ-
ſen enge Oeffnung eine Pfeife umſchlöſſe, ſo
würde er in der Luft pfeifen etc. Mit dieſer
Maſchine läſst ſich allerley machen, wenn man
darüber nachdenken will.


31. Das Klinkholz.
oder
Kliſchſpiel.

Ich verdanke dieſes Spiel einem Freunde in Hol-
ſtein. Es wird auf vielerley Art geſpielt. Man
ſetzt einen runden, 4–5 Fuſs langen, etwa einen
und einen halben Zoll im Durchmeſſer halten-
den, Stab in die Erde, nach einer Richtung, daſs
er mit der Erdoberfläche einen Winkel von 50–
60 Graden macht. Auf dieſen legt man oben
einen ſogenannten Klink oder eine Kliſch, ein
Ding von Holz, etwa 4 Zoll lang und etwas drü-
ber, rund, von ſtarker Fingerdicke, einen klei-
nen Zoll vom Ende halb eingeſägt und von dem
andern Ende her ſchreg herab (diagonal), bis in
den Grund des Sägenſchnittes, weggeſchnitten.
So hat die Klink oben einen Haken, womit ſie
ſich, wenn ſie auf das obere Ende des vorhin ge-
O
[210] nannten Stabes gelegt wird, an dem Rande deſ-
ſelben feſt hält. Siehe Zeichnung 13 a die Kliſch,
b das obere Ende des Stabes. Der Stab ſelbſt
ſteht im Mittelpunkte eines beliebigen Cirkels,
deſſen Radien 12 bis 24 Fuſs halten, auch gröſser
oder kleiner ſeyn können. Mit einem, zwey bis
drittehalb Fuſs langen, daumendicken Stabe
ſchlägt Einer Namens A, der im Kreiſe ſteht, die
Kliſch fort; die Uebrigen ſind auſſer demſelben,
ſuchen ſie zu fangen, doch ohne in den Kreis zu
kommen, oder ſo nahe, als möglich, an das
Centrum zurückzuſchlagen und zwar mit der blo-
ſsen Hand. Gelingt das Fangen ſo iſt A ſeines
Schlagamtes verluſtig; gelingt das Zurückſchla-
gen
: ſo miſst er vom Mittelpunkte bis zur Stelle,
wo der Klink liegt, zum Beyſpiel 1, 2, 3 u. ſ. w.
Ellen. Dieſe Ellen machen ſein Credit, und wer-
den von dem, beym Anfange für jeden Spieler
feſtgeſetzten Debet, zum Beyſpiel 40 Ellen, ab-
gezogen. A, am Mittelpunkte, will ſein Debet
je eher, je lieber ſolviren; ſeine Gegner drauſsen
hindern ihn daran aus allen Kräften. Wird der
Klink nicht gefangen, oder zurückgeſchlagen,
ehe er niederfällt: ſo fallen die Gegner des A dar-
über her, ſuchen es an das Centrum zu ſtoſsen
oder zu ſchlagen; Er aber wehrt dieſs ab, und
ſucht es davon weg zu ſchlagen. Glückt das Ei-
ne oder das Andere, ſo bleibt es liegen, und von
[211] ſeiner Stelle miſst A ſeine Ellen. Man ſetzt gern
eine gewiſſe Zahl von Gängen, z. Exemp. ſechs
oder 10 u. ſ. w. feſt; wer darin ſein Debet
bezahlt, erhält den feſtgeſezten Preis, braucht er
aber mehr Gänge: ſo muſs er allen Mitſpielern
geben, was verabredet iſt. Auch wird es ge-
wöhnlich zum Geſetze gemacht, daſs der Schlag
mit dem Stabe von unten herauf gehen muſs;
dadurch wird das Spiel für A ſchwieriger. Fängt
aber A den Klink im Kreiſe mit der Hand, wenn
die Andern ihn herein ſchlagen, ſo giebt ihm
dieſs 8 bis 12 Ellen Credit. Kann er es in eben
dem Falle mit ſeinem Stabe noch einmal fort-
treiben: deſto beſſer. Schlägt er dreymal fehl,
d. h. thut er drey Schläge und bringt die Kliſch
dadurch nicht aus dem Kreiſe: ſo kommt B an
den Schlag, und ſo ferner. Dieſs Spiel iſt auf
mancherley Art für die Jugend vortheilhaft; es
übt den Körper in tauſend ſchnellen Biegun-
gen, Wendungen und Sprüngen; es fordert
raſche Thätigkeit der Sinnen, und viel Beurthei-
lungskraft in Hinſicht der Schläge, die auf das
Stückchen Holz gethan werden ſollen, um es juſt
dahin zu bringen, wo ſich kein Gegner befindet,
und wo es daher ſeinen Schlägen nicht ausgeſetzt
iſt.


O 2f) Win-
[212]

f) Winterſpiele.


Der menſchliche Körper läſst ſich gegen Hitze
und Kälte bis zu einem hohen Grade abhärten.
Ich ſetze dieſs als ausgemacht voraus, und ent-
halte mich aller Beyſpiele, um des Raums zu
ſchonen. Der Nutzen einer ſolchen Abhärtung
liegt deutlich genug vor Augen, und es iſt zu
verwundern, daſs im Ganzen noch ſo wenig
Rückſicht darauf genommen wird. „Was ſoll
man mit einem Knaben anfangen, der, wenn es
heiſs iſt, ſchmelzen will, und bey jedem Froſte
zittert und bebt?“ So ſpricht ſchon ein grie-
chiſches Weib, Theano zu ihrer Freundin Eubu-
la, über weichliche Kinderzucht. In die Erzie-
hung gehört weder Barometer, noch Thermo-
meter, und ſtreng genommen, ſchlechterdings
keine Klage über das Wetter, über Kälte oder
Hitze; beyde erträgt man am beſten, wenn man
ihren Grad nicht kennt, und die Jugend fragt
weder nach dieſer, noch nach jener, wenn ſie
früh dazu gewöhnt wird. Dieſs läſst ſich auf kei-
ne angenehmere Art bewirken, als durch Spiele;
das damit verknüpfte Vergnügen macht die Ju-
gend der unangenehmen Eindrücke, der Käl-
te [und] Rauhigkeit des Climas vergeſſen, und
[213] mit einer Jahrszeit vertrauter, die durch ihre
überaus reine, kalte, ſtärkende Luft für die Ge-
ſundheit von ſo augenſcheinlich guten Folgen iſt,
daſs derjenige, wahre Bedaurung verdient, wel-
chen Geſchäffte oder Vorurtheil und Weichlich-
keit ins Zimmer ſperren. — Geſunde Kinder
ſollten im Winter ohne Ausnahme täglich we-
nigſtens einmal eine Zeitlang heraus ins Freye,
um ſich bey allerley Spielen abzuhärten, flinker,
geſunder und ſtärker zu machen. Hier ſind ei-
nige Winterbeluſtigungen.


32. Schneeſpiele.

Warum ſollte es der Jugend kein Vergnügen
ſeyn, Schneemänner zu machen, ſo wie der
Wandsbecker Bote; oder hohe Säulen von
Schnee zu errichten, und ſie mit einer Treppe
zu verſehen, um hinaufſteigen zu können. Fan-
den doch die Groſsen viel Freude an dem Eis-
pallaſte zu Petersburg, warum nicht die Kleinen
an allerley Figuren, die ſich bey eintretendem
Thauwetter aus Schnee bilden laſſen? Dieſe
Spielereyen ſind nützlich für ihren Körper, nicht
bloſs durch Abhärtung, ſondern auch durch An-
O 3
[214] wendung der körperlichen Kräfte; denn es ver-
langt Anſtrengung, groſse Schneebälle zuſam-
men zu rollen, und einen auf den andern zu
thürmen, um eine Säule daraus zu bilden.


Einſt war es die Freude des franzöſiſchen A-
dels ein Fort von Schnee zu bauen und es mit
Schneebällen zu beſchieſsen. So kommandirte
1546, wie uns de Thou erzählt, der damalige
Dauphin die Belagerungsarmee eines ſolchen
Forts, welches auf der andern Seite Franz von
Bourbon Herzog von Enghien vertheidigte. Wa-
rum könnte nicht eine zahlreiche Jugendgeſell-
ſchaft eine Feſtung von Schnee errichten, und
ſich in Vertheidiger und Belagerer theilen?
Schneebälle verträten die Stelle der Kanonen-
und Bombenkugeln, man liefe Sturm und ero-
berte oder würde zurückgeſchlagen etc. Ich ha-
be nur eins dabey zu erinnern. Wenn ſich der
Schnee bey dieſem Spiele nicht gut ballen läſst,
ſo iſt es unausführbar; hat er aber dieſe Ei-
genſchaft zu ſehr: ſo iſt ein kernhaft geworfener
Schneeball für das Geſicht nicht ohne alle Gefahr,
man muſs alſo ausmachen, nicht ſcharf zu werfen,
oder die Spieler müſſen Helme von Karton haben.


Höchſt angenehm iſt für die Jugend das Schlit-
tenfahren
überhaupt, aber ganz beſonders von ei-
ner Anhöhe herab. Ueber dieſs letztere will ich
hier einige Bemerkungen machen. Der Abhang
[215] darf durchaus nicht zu ſteil ſeyn; und es iſt hin-
länglich, wenn die ſchräge Fläche in einem Win-
kel von 10 Graden über die Horizontalfläche
hinaufläuft; 15 Grade ſind ſchon zum Ueber-
fluſs ſteil. Wollte man ſteilere Bahnen wählen,
ſo würde die Bewegung zu gewaltſam und zu ge-
fährlich, ſo bald der Schnee glatt gefroren wäre;
ſelbſt eine Bahn von 10 Grad Neigung iſt nicht
mehr zu gebrauchen, wenn der Schnee durch
Fahren und Sonnenblicke zu Eis geworden iſt.
Die Bahn muſs ſchon vor dem erſten Froſte von
allen Steinen gereinigt werden und ſie iſt je län-
ger je beſſer.


Ein gewöhnlicher Schlitten Zeichnung 14 A
iſt hierzu hinreichend. Kufen von Pflaumenholz
ſind die beſten; weil ſie wegen ihrer Härte ſehr
gut gleiten. Der Schlitten B iſt aus ſtarken Bret-
tern zuſammengeſetzt. Seine Kufen müſſen eben-
falls von feſtem Holze ſeyn. Auf dieſem letz-
tern hat der Fahrende einen ſo feſten Sitz in der
Vertiefung, daſs hier gar kein Anhalten nöthig
iſt; bey dem erſten Schlitten aber ſitzt er frey
auf dem Sitzbrette, welches auf den beyden Bö-
cken befeſtigt iſt. Um hier feſtzuſitzen, faſst er
die beyden Enden des hintern Bockes, und
ſchlieſst die Beine vorn an die Hörner der Ku-
fen. Der Geübte hat das erſte nicht nöthig, ſon-
dern ſitzt ganz frey. Das Lenken des Schlittens
O 4
[216] geſchieht am ſicherſten mit den Füſsen. Iſt er
im Laufe und geht zuweit links, ſo darf man nur
mit dem Abſatze des rechten Fuſses etwas auf den
Boden ſchlagen, ſo dreht er ſich ſogleich rechts;
denn es iſt natürlich, daſs er ſich hinten links
ſchwenkt, wenn man ihm vorn, auf der Seite
rechts einen feſten Punkt giebt, um den er ſich
drehet.


Die ſehr ſchnelle Bewegung, ſo wie vorzüg-
lich das Gefühl der Herrſchaft über den Schlit-
ten macht jungen Leuten dieſe Uebung intereſ-
ſant, und durch das ſtete Berganſteigen, nach
dem Herunterfahren, erhält der Körper eine
heilſame Bewegung. Noch weit mehr Vergnü-
gen gewährt ſie, wenn man ſie in ein Ringelren-
nen verwandelt und dieſs mit Preiſen verbindet.
Man hänge zu dem Ende einen Ring auf die
gehörige Art an einen Stab, den man von auſ-
ſen her bis faſt über die Bahn richtet; oder
man nehme ganz die Einrichtung von den Ring-
rennen oben Seite 198. Ich würde dazu juſt ei-
ne Stelle wählen, wohin der Schlitten von ſelbſt
nicht gienge, ſondern wohin er gelenkt wer-
den müſste. Auf ähnliche Art kann man auch
das Hauen nach einem Türkenkopfe damit ver-
binden. Statt des Kopfs dient ein hölzerner Cy-
linder, der auf einer 3 Zoll hohen beweglichen
[217] Unterlage ruhet, die durch den Hieb wegge-
ſchlagen wird, ſo daſs jener Cylinder ſtehn bleibt.


33. Eisſpiele.

Nichts geht über das Vergnügen des Schlittſchuh-
laufens an einem ſchönen heitern Wintertage im
zahlreichen Kreiſe junger Leute; wie Bedauerns-
werth ſind Knaben und Jünglinge, welche die
Karten und Würfel vorziehen!


Mit dem Eislaufe laſſen ſich manche Spiele
verbinden. Beyde werden dadurch weit inter-
eſſanter; denn jenes erhält dadurch einen ganz
andern Zweck und dieſe bekommen einen ganz
neuen Anſtrich, theils weil die dazu erforderli-
che Hauptbewegung des Laufens mit den Flügeln
Merkurs geſchieht; theils weil die Beſchaffen-
heit des Bodens ungewöhnlich iſt.


Auf einer ſehr groſsen Eisfläche iſt das Mail,
oben Seite 139, ein vortreffliches Eisſpiel. Mit
mäſsigem Schlagen rollen die Kugeln faſt unab-
ſehbar weit, weil die Reibung auf einer Spie-
gelfläche nur klein iſt. Jünglinge werden es mit
Vergnügen ſpielen.


O 5
[218]

Der Kreiſel iſt hier gleichfalls gegen die Schlä-
ge des Knaben weit empfindlicher, er kreiſet
ungewöhnlich gut und geht leicht wohin man ihn
haben will.


Das, weiter unten vorkommende Jagdſpiel
iſt für geübte Schlittſchuhläufer ſeinem Hauptin-
halte nach vollkommen ausführbar, nur fällt das
Verſtecken weg, und das Berühren muſs mit ei-
ner etwas langen Ruthe geſchehen, damit kei-
ner zu nah auf den andern treffe.


Das Reiftreiben iſt auf dem Eiſe vollkommen
brauchbar und macht den Knaben ſehr viel Ver-
gnügen.


Ich komme zu einer Hauptübung, die ſich
von guten Schrittſchuhläufern mit vielem Anſtan-
de und mit Schönheit ausführen läſst; ich meine
Caruſſelübungen. Ordentliche Caruſſelübungen
zu Pferde ſind für junge Leute nur ſehr ſelten
wegen ihrer Koſtbarkeit. Carouſſelſpiele wobey
man ſtatt lebendiger Pferde hölzerne gebraucht,
die auf der Peripherie einer Horizontalſchau-
kel herumgedreht werden, ſind ebenfalls viel zu
umſtändlich zu koſtbar, und nicht ganz zweck-
mäſsig, weil ſich der Reuter gegen die Bewegung
bloſs leidend verhält; aber am leichteſten und
zweckmäſsigſten laſſen ſich einige dieſer Uebun-
gen auf den Schlittſchuhen ausführen, doch ganz
beſonders das Ringelrennen und Schlagen nach
[219] dem Mohrenkopfe. Die Vorrichtungen ſind äu-
ſerſt leicht gemacht; ich habe oben beym Schlit-
tenfahren ſchon davon geſprochen. Bey der
Führung des Stiches oder Hiebes auf beyden
Füſsen hinzugleiten, müſste nur Anfängern er-
laubt werden. Alle dieſe mit dem Schlittſchuh-
laufen vereinigten Spiele haben nicht nur den
Vortheil für die Jugend, der ihnen ſchon allein
eigenthümlich iſt; ſondern ſie werden durch je-
ne Combination noch gehaltvoller, wie das je-
der leicht von ſelbſt einſieht.


Der Carouſſelſchlitten. Eine Horizontalſchau-
kel, von der ich ſo eben ſprach, iſt zu umſtänd-
lich; aber ſie läſst ſich durch einen Eisſchlit-
ten erſetzen, der um einen Punkt im Krei-
ſe herumbewegt wird. Den feſten Mittelpunkt
erhält man durch einen Pfahl, welchen man durch
eine Oeffnung des Eiſes in den Grund ſchlägt
und der durch das Einfrieren noch feſter wird.
An dieſen Pfahl wird in der Höhe von etwa 3
Fuſs, eine 15 bis 20 Fuſs lange Stange gebun-
den, doch ſo, daſs ſie ſich mit der Bindung leicht
um den Pfahl herum bewegen läſst. An ihr äu-
ſerſtes Ende kommt der Schlitten. Am brauch-
barſten iſt hiezu nach der Zeichnung 14, unter B,
angegebene. Die Kufen gleiten aber beſſer, wenn
ſie mit ziemlich ſchmalem Eiſen unterlegt ſind;
doch iſt das juſt nicht nothwendig. Man kann
[220] das Ende der Stange entweder in die Mitte des
Schlittens bey 1 einzapfen und ihr durch zwey
Stricke, welche durch die Löcher 2 und 3 gezo-
gen und an der Stange vollkommen feſtgebun-
den werden, Strebebänder geben, oder allen-
falls auch nur die letztern gebrauchen. Iſt alles
ſo vorbereitet, ſo ſetzt ſich eine Perſon in den
Schlitten, eine andre aber fängt an, ihn dadurch
in Bewegung zu ſetzen, daſs ſie die Stange im
Kreiſe herumſchiebt. Iſt er erſt einmal im Gange,
ſo wird das Schieben, vermöge der Fliehkraft,
immer leichter und der Schiebende kann ſich
weit näher an den Mittelpunkt ſtellen. Daſs ſich
dieſes Spiel auch mit Ringſtechen verbinden
laſſe, läſst ſich leicht einſehen.


Der Eisſchlitten. Der Schlitten B, kann faſt
nur allein hierzu gebraucht werden, und ſeine
Kufen müſſen mit ſchmalen Eiſen belegt ſeyn.
Der Fahrende hilft ſich ſelbſt fort, denn er hat zu
dem Ende zwey kurze Stäbe in den Händen, die
unten mit Stacheln verſehen ſind. Indem er die-
ſe auf die Eisfläche niederſtoſst, und die Arme
heftig auf beyden Seiten gleichzeitig nach hin-
ten hinausbewegt, ſo gleitet der Schlitten vor-
wärts mit anſehnlicher Geſchwindigkeit fort.
Für die Bruſt, ſo wie für die Arm- und Bruſt-
muſkeln iſt dieſe Uebung vortrefflich. Der Raum
verbietet es, noch mehrere Spiele aus dieſer
[221] Sammlung auszuheben und ſie für den Winter zu
empfehlen; jeder wird ſie leicht ſelbſt aufzufin-
den wiſſen.


g) Geſellſchaftsſpiele.


34. Blindekuh.

Dieſe Benennung iſt nun einmal im deutſchen
aufgenommen, ich behalte ſie daher bey, weil ich
kein Recht habe, der Sprache eine andre aufzu-
dringen. Ich nenne dieſes Spiel vorzugsweiſe
Blindekuh, weil es ohne Zweifel die Grundlage
von allen andern Abarten iſt. Es iſt ein klaſſi-
ſches Spiel, und hieſs bey den Griechen μυα χαλκη
Die Geſellſchafft verband Einem die Augen und
tummelte ſich lermend in einem Kreiſe um ihn
her, indeſs der Geblendete die Worte ſang:
χαλκην μυαν ϑηρασω, d. i. ich will eine eherne Fliege
jagen. ϑηρασεις antworteten dieſe: αλλ̕ ȣ ληψεις,
d. i. du wirſt ſie jagen, aber nicht fangen, und
dabey rupften und zupften ſie ihn ſo lange, bis
[222] er Einen erwiſchte, der dann für ihn die Rolle
übernehmen muſste. *)


Ganz daſſelbe ſehr luſtige Spiel, iſt unſer ge-
wöhnliches Blindekuh, auch gebraucht man da-
bey allerley Formeln, wie die griechiſche Ju-
gend. Man entledige, wenn das Spiel im Hau-
ſe geſpielt werden ſoll, das Zimmer ſo viel als
möglich von allen Geräthſchafften, über die man
fallen, oder an welche man ſich ſtoſsen könnte,
und laſſe von den Sehenden ringsumher die
Wände einnehmen. Auch mache man es, wie
es gewöhnlich iſt, jedem zur Pflicht, zu rufen:
es brennt, wenn der blinde Mann in Gefahr iſt,
mit einem harten Gegenſtande zuſammen zu ren-
nen.


Wenn die Augen verbunden ſind, ſo wird die
blinde Kuh erſt ausgeführt, mit den Worten:
Blindekuh wir führen dich.


Wohin?


In die Wüſte: wehre dich!


Gegen wen?


Es giebt da der Hunde viel, davon dich jeder
beiſsen will. Wenn ſie dir zu mächtig ſind, fleuch
vor ihnen wie der Wind! Hier bekommt ſie
einen kleinen Stoſs, und wird entlaſſen.


[223]

Je lebhafter die Blindekuh ihre Rolle ſpielt,
je mehr die Sehenden um ſie herſpringen und ſie
im freundſchaftlichen Spaſse foppen, je angeneh-
mer wird das Spiel. Die Blindekuh ſpizt die Oh-
ren, um zu erforſchen, wo ein Umſtehender
ſey; ſie ſchreitet mit hochaufgehobenen Beinen
mehr heran, die Arme werden weit ausgeſtreckt,
ihr Gegner drückt ſich in einen Winkel, ſie fährt
zu, und ergreift — nichts; durch eine ſchnelle
Wendung des Körpers rettet ſich jener unter ih-
ren Armen weg, und ein allgemeines Gelächter
belebt auf einmal die Geſellſchaft.


Dieſes Spiel vereinigt ſehr viel Zweckmäſsi-
ges in ſich: Bewegung, Fröhlichkeit, Geſchick-
lichkeit des Körpers und Beobachtungsgeiſt.
Wenn man es auf einem freyen Raſenplatze vor-
nehmen will, ſo iſt es nöthig, den Spielraum in
Gränzen einzuſchlieſsen, ſonſt möchte es der
Blindekuh unmöglich werden, je einen zu er-
haſchen.


Abänderung. Die Blindekuh wird nicht ſchon da-
durch frey, wenn ſie irgend einen erhaſcht, ſon-
dern ſie muſs, nachdem ſie dem Gefangenen durch
das Wort Halt! Stillſtehn geboten hat, ſeine
Hände, oder das Profil ſeines Geſichts betaſten
und daraus die Perſon erkennen. Kann ſie dieſs,
ſo iſt ſie frey und der Erkannte, Blindekuh.
Durch dieſe Uebung des Gefühls in Beurthei-
[124[224]] lung ſinnlicher Eindrücke erhält das Spiel eine
Vollkommenheit mehr, ſo wie mehr Aehnlich-
keit mit der griechiſchen Μυινδα, bey welcher die
Umſtehenden den Blinden neckten und foppten,
bis er Einen ergriff, den er aber beym Nah-
men nennen muſste, um ſeine Rolle auf ihn zu
bringen. *)


Die ſtille Blindekuh.
(Colin Maillard.)

Die Geſellſchaft bildet einen Kreis um den Ge-
blendeten, der mit einem Stabe in der Mitte
ſteht. Man tanzt Hand in Hand um ihn her,
bis er mit dem Stocke an den Boden klopfend,
[225] Stillſtehen gebietet. Jetzt ſtreckt er den Stock
nach irgend einer Perſon des Kreiſes aus. Die-
ſe muſs ihn ergreifen und die Blindekuh hat das
Recht, einen dreymaligen Laut von ihr zu for-
dern. Man verſtellt hierbey die Stimme ſo viel
als möglich. Iſt der Laut dreymal gegeben, ſo
muſs die Blindekuh hieraus die Perſon erken-
nen. Kann ſie dieſs nicht, ſo bleibt ſie Blinde-
kuh, man verlacht ſie bey Nennung des falſchen
Namens und fängt den Ringeltanz von neuem an;
kann ſie aber die Perſon nennen: ſo iſt ſie frey,
und der Genannte wird Blindekuh.


Dieſes Spiel empfiehlt ſich durch Beförderung
der Fröhlichkeit, durch Uebung des Gehörs und
durch einige damit verbundene Bewegung.


Faſt ganz daſſelbe und nur wenig davon ver-
ſchieden, iſt das Franzöſiſche Colin Maillard, wel-
ches auf zweyerley Art geſpielt wird. Colin, die
Blindekuh, ſteht in der Mitte, und ſeine Geſpie-
len ſitzen um ihn her. Dieſe verwechſeln ihre
Plätze, Einer von ihnen führt die Blindekuh
zu einer Perſon und fragt: wer iſt das? Co-
lin muſs errathen, darf aber die Hände gar nicht
gebrauchen, und iſt auch nicht berechtiget, ei-
nen Ton zu verlangen. Er hat alſo gar keinen
Beyſtand, als das Ungefähr. Trifft er die Per-
ſon, ſo iſt er frey, im entgegengeſetzten Fal-
le wechſelt man vom neuen und läſst wieder
P
[226] errathen. Dieſs Errathen taugt nichts; die Blin-
dekuh gehe nach der Verwechſelung der Plätze
ſelbſt zu einer Perſon, und ziehe mit dem Finger
über das Geſichtsprofil, oder betaſte ihre Hand
und ſuche ſie dadurch zu erkennen.


Man ſpielt dieſes Spiel auch ſtehend. Es ge-
hört eigentlich nicht zu den Bewegungsſpielen,
hat aber hier ſeinen Platz erhalten, wegen ſei-
ner Verwandſchaft mit dem vorigen.


35. Jacob wo biſt du?
oder
Die beyden Blinden.

Ich kenne faſt kein Spiel, das ſo ganz dazu ge-
macht wäre, ein allgemeines, alle Augenblick
erneuertes Gelächter zu erregen, als dieſes. Ein
Herr iſt böſe auf ſeinen Knecht, er ſucht ihn un-
abläſsig, um ihn durchzuſchlagen; dabey ſind
ihm aber die Augen verbunden und er muſs ſich
durchs Gehör und Gefühl zu ihm hinfinden. Ja-
cob, der Knecht, ſucht dem erzürnten Herrn zu
entgehen; das wäre zwar leicht, aber auch ihm
ſind die Augen zugebunden und mit einer klei-
nen Pfennigsſchalmeye oder ſonſt etwas muſs er,
[227] wenn ſein Herr ihn gar nicht mehr merkt, oder
verloren hat, und dann im ernſten Tone ruft:
Jacob wo biſt du? einen Ton von ſich geben. Sein
Herr ſpitzt dabey gewaltig die Ohren, und Ja-
kob ſieht aus, als wollte er das Gras wachſen hö-
ren; er zieht ſich ſchnell aus der Gegend, wo
die Stimme ſeines Herrn herkam; und jener tritt
ſo äuſerſt fein auf, als wenn er auf Eyern gien-
ge und nähert ſich der Gegend, wo Jacob pfiff.
Er hebt allmählich die Hand, die mit einem lok-
ker gedreheten Schnupftuche bewaffnet iſt, um
recht bald zuzuſchlagen; allein Jacob iſt indeſs
ſchon wieder weit weg, hinter dem Rücken des
Herrn und ſchneidet Grimaſſen, die Furcht und
Angſt bedeuten, ob er gleich auſser aller Gefahr
iſt und jener vergebens in die Luft ſchlägt. Aber
Jacob wird von Furcht fortgetrieben. Er ent-
flieht von da, um Sicherheit zu ſuchen. Er
ſchleicht wohlbedächtig auf den äuſerſten Fuſs-
ſpitzen wieder vorwärts, horcht, macht wieder
ein Paar Schritte und prellt, wie vom Donner
gerührt, zurück, indem ihm zwey, drey Hiebe
ankündigen, daſs er unvermuthet auf ſeinen
Herrn geſtoſsen ſey. Die ganze Geſellſchaft
bricht in ein lautes Gelächter aus. Es iſt auch
in der That unmöglich bey dieſem Spiele ernſt-
haft zu bleiben, wenn beyde ihre Rollen gut und
lebhaft genug ſpielen, unmöglich, das Lachen zu
P 2
[228] laſſen, bey den ſonderbaren Geſtalten, die mit
dem behutſamen Gehn auf den Fuſsſpitzen, dem
Horchen, vor- und rückwärts Springen, Zuſchla-
gen, Zurückprellen, Entlaufen u. ſ. w. verbun-
den ſind.


Die Umſtehenden haben bey dieſem Spiele
nichts zu thun als zu zu ſehen, zu lachen und den
Jacob nebſt ſeinem Herrn vor Schaden zu hüten.
Sie müſſen ſich nämlich an den Wänden des ſo
viel als möglich von allen Hinderniſſen entledig-
ten Zimmers herumſtellen, und die beyden Blin-
den warnen. Der Aufſeher der jungen Geſell-
ſchaft muſs von Zeit zu Zeit, wenn die Ausbrü-
che des lauten Lachens vorüber ſind, Stille ge-
bieten, denn dieſe iſt durchaus nöthig, damit die
beyden Blinden ſich durchs Gehör ausſpüren
können.


Von Zeit zu Zeit werden Jacob und ſein
Herr abgelöſt, und durch andere von der Geſell-
ſchaft erſetzt.


Das Spiel empfiehlt ſich durch Einfachheit,
Fröhlichkeit und durch Uebung des Beobach-
tungsgeiſtes.


[229]
36. Markus und Lukas.

Auf einen freyen Platz, auch in die Mitte des
Zimmers, wird ein einbeiniger Tiſch geſetzt.
Zwey geblendete Perſonen, Marcus und Lucas,
legen ihre linken Hände an den Rand des Ti-
ſches, doch in ſolcher Entfernung, daſs nur die
Fingerſpitzen den Rand berühren. Die Rechte
hat jeder mit einem zuſammen gedreheten Tu-
che bewaffnet. So gehen ſie um den Tiſch
herum und Lukas ruft, wenn es ihm Zeit zu ſeyn
ſcheint, Markus! dieſer nutzt dieſe Aufforderung
und ſchlägt mit ſeinem Tuche nach Lukas, wel-
cher ſich aber durch Biegungen und Wendun-
gen gegen den Schlag zu verwahren ſucht, auch
wohl gar unter das Tiſchblatt kriecht, wobey er
aber ſeine Hand nicht vom Rande entfernen darf.
Hat Markus den Schlag gethan, ſo muſs er um
den Tiſch gehen und Lukas! rufen. So kommt
die Reihe des Schlagens nun an Lukas u. ſ. w. —
Das Spiel hat mit dem vorigen viel Aehnlichkeit.
Es beluſtigt durch die mancherley Biegungen,
Wendungen und Luftſtreiche die Spieler und
Zuſchauer, zumal wenn jene nicht geübt ſind,
den Ort, aus welchem der Schall kommt, gehö-
rig zu beurtheilen, oder wenn ſie ihre Sprach-
P 3
[230] organe ſo in ihrer Gewalt haben, daſs der Schall
aus einer andern Gegend zu kommen ſcheint.


37. Das böſe Ding.
oder
der Plumpſack geht herum.

Die zahlreiche Geſellſchaft ſtellt ſich auf einem
ebenen Platze in einen Kreis, Mann an Mann,
die Geſichter in den Kreis gewendet, und mit
den Händen auf dem Rücken. Aber Einer, Na-
mens A, geht oder läuft mit dem zuſammenge-
dreheten Taſchentuche bewaffnet, um den Kreis
herum und ruft: der Plumpſack geht herum, ſeht
euch nicht um!
oder ſingt (allenfalls der Melodie:
War einſt ein Rieſe Goliath.


Es geht ein böſes Ding herum,

Das wird euch tüchtig zwacken;

Sieht einer nur nach ihm ſich um,

So fährts ihm auf den Nacken;

Alle
noch-
mals
Und kehrt es gar bey einem ein,

So mögt’ ich nicht ein Nachbar ſeyn!

Er kann 1, 2, 3 Mal herum gehen, das iſt will-
kührlich. Wer ſich umſieht, bekömmt von ihm
einen Schlag mit dem Tuche. Unter dem Ge-
[231] ſange giebt er unvermerkt irgend einem Gliede
des Kreiſes, Namens B, den Plumpſack in die
Hand, und läuft noch einmal um den Kreis her-
um, bis er wieder an B kommt, um ſich an
deſſen Platz zu ſtellen. In dieſem Augenblicke
fängt B an ſeinen rechten Nachbar C mit dem
Tuche zu verfolgen, und unter Schlägen um den
Kreis herum zu jagen, bis C wieder an ſeinen
Platz gelangt; und das zur Strafe, weil er das
Abgeben des Plumpſackes nicht bemerkt hat.
Nun fängt B den Geſang und den Umlauf um
den Kreis wieder vom neuen an, kurz, macht
es wie oben A. Jeder muſs bey dieſem luſtigen
Spiele, das beſtändig Lachen erregt, auf ſeiner
Hut ſeyn, genau die Bewegungen und Mienen
des Herumgehenden und aller Uebrigen beob-
achten, um daraus zu ſchlieſsen, wo das Tuch
abgegeben ſey. Merkt er, daſs es ſein Nach-
bar linker Hand habe, ſo muſs er ſchnell aus ſei-
ner Stelle um den Kreis herum, bis wieder da-
hin laufen, um den Schlägen deſſelben zu ent-
gehen. Oft verſieht man dieſs, und erhält dann
die Bezahlung; oft bemerkt man falſch, läuft oh-
ne Urſach und erregt Gelächter in der Geſell-
ſchaft.


Die urſprüngliche Einrichtung dieſes ſehr al-
ten Spieles iſt etwas abgehend, ich muſs ſie als
Abänderung angeben.


P 4
[232]

Die Perſonen des Kreiſes ſitzen alle am
Boden. A läſst den [Plumpſack], indem er ſin-
gend um den Kreis herumgehet, ſo heimlich
als möglich, hinter dem Rücken eines andern,
Namens B fallen, und läuft nochmals um den
Kreis, bis an B. Hat dieſer den Plumpſack nicht
hinter ſich bemerkt, und ihn folglich liegen laſ-
ſen: ſo nimmt ihn A wieder auf, und jagt den
aufſpringenden B damit um den Kreis herum,
bis wieder an ſeinen Platz, und dann fährt A wei-
ter fort, wie vorhin. Merkt es aber B, wenn
das Tuch fällt, ſo ſpringt er ſchleunig auf, und
jagt den A um den Kreis.


Ganz auf dieſe Art war das Spiel bey den
Griechen, unter dem Namen Σχοινοφιλινδα, üblich.
Eine kurze Beſchreibung findet man davon bey
Pollux Lib. 9. Cap. 7; man ſehe den Meurſius
in Gronov. Theſaur. Tom VII. p. 990. Sie
ſtimmt mit der oben gegebenen völlig überein.


38. Das Mattmachen.

Auf einem ebenen und freyen Raſenplatze wird
vermittelſt kleiner Büſchchen eine Linie abge-
ſteckt, die wohl 50 Schritt lang iſt, welche der
[233]Wall heiſt. Die Geſellſchaft; die ſo zahlreich
ſeyn kann, als ſie will, theilt ſich in zwey Theile
und bildet ſo zwey Partheyen. Beyde ſtellen
ſich 10 bis 20 Schritte von einander, ſo daſs ſie
den Wall als Gränzſcheidung zwiſchen ſich ha-
ben. Jetzt kommt es für jede Perſon der bey-
den Partheyen darauf an, bald hier bald dort ins
feindliche Gebiet hinüber zu laufen, unter dem
Ausrufe matt! irgend einen mit der Hand auf die
Schulter zu klopfen, ohne ſich erwiſchen zu laſ-
ſen. Kann man dieſs, ſo iſt die Perſon die ſo
berührt wurde matt, d. i. ſie muſs vom Spiele ab-
treten; wird man aber von der gegenſeitigen
Parthey erwiſcht und feſtgehalten: ſo iſt man
ſelbſt matt gemacht und muſs gleichfalls abtre-
ten. Auf dieſe Art geht das Spiel fort, bis alle
Perſonen der einen Parthey matt gemacht ſind,
dann hat die andre gewonnen und man fängt
von neuem an. Iſt die Geſellſchaft zahlreich, ſo
iſt es nöthig, daſs ſich die eine Parthey durch
ein Zeichen, z. E. durch ein Tuch am Arme von
der andern unterſcheide, damit ſich die einzel-
nen Perſonen nicht verwechſeln.


Dieſes Spiel, welches ich aus der Beſchrei-
bung des Hyde *) genommen habe, iſt aus Me-
P 5
[234] ſopotamien, und heiſst dort Gjitucum Chudûni,
von der dabey gebräuchlichen Formel Gjitucum
Chuduni akli galab gjunûni, d. i. ich komme zu
euch, fangt mich, aber meine Vorſicht übertrifft
meine Unbeſonnenheit.


Da es viel Bewegung giebt, viel Schnelligkeit,
Gelenkigkeit und Vorſicht fordert, ſo iſt es nicht
zu verachten.


In Frankreich wird das Jeu de Barres daſſel-
be ſeyn. Hyde führt das engliſche Priſonners-
baſe als daſſelbe an; allein zu ſpielen, war dieſer
Mann glaube ich zu gelehrt, ſonſt würde er nicht
ſo verworrene Beſchreibungen geliefert haben,
als manche bey ihm ſind, das engliſche Priſon-
ners-baſe iſt ſehr abgehend, wie man aus folgen-
der Beſchreibung ſehen wird.


[235]
39. Foppen und Fangen.
Priſonners-baſe.

Auf einem ebenen Platze werden vier Linien
mit einem Stabe in den Boden geriſſen, nach die-
ſer Figur:

[figure]


Nämlich a b und c d etwa 20 Schritte lang und
40 bis 50 Schritt von einander; ferner e f und
g h, nur einen Schritt von den vorigen entfernt
und etwa 8 Schritte lang, endlich ſind hin-
ter den beyden groſsen Linien ein Paar Plätze
i und k auf eben die Art an dem Boden be-
zeichnet.

[figure]


Dieſe ſtellen Gefängniſſe vor, auch kann man zur
[Bezeichnung] derſelben in i und k bloſs einen Stab
einſtecken, hinter welchem die Gefangenen ſo
[236] lange bleiben müſſen, bis die Parthie geendigt
iſt. Jezt komme ich zum Spiele ſelbſt.


Die Geſellſchaft kann aus 10, 20, 30 und
mehr Perſonen beſtehen. Man wählt 2 Anfüh-
rer, und theilt die Uebrigen in Paare, und zwar
ſo, daſs ſich die beyden Perſonen eines Paares
in Rückſicht auf Schnelligkeit im Laufen ſo viel
als möglich gleich ſind. Dann haben die An-
führer abwechſelnd das Recht, ſich von den Paa-
ren einen auszuwählen, mithin entſtehen ſo 2
Partheyen. Die eine ſtellt ſich dicht hinter die
Linie c d, die andere hinter a b in die Stellen
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Wenn alle ſo ſtehn,
ſo beginnt das Spiel. Eine von den Partheyen,
es iſt gleichviel welche, ſchickt einen Mann ab,
zum Exemp. ſey es 6, von der Parthey a b, um
die andern zu foppen. 6 kommt herüber gelau-
fen, bis auf einen Schritt vor die Linie g h.
Kaum ſieht dieſs der Anführer in c d, ſo kom-
mandirt er gleich irgend einen von ſeinem Hau-
fen, zum Exemp. 5, wenn er nicht ſelbſt will, um
dieſem Ankommenden aufzulauern. Der An-
führer muſs Einen dazu wählen, der Jenem in
Abſicht auf Schnelligkeit gleich iſt, oder ihn
übertrifft. In der Folge, wenn ſeine beſten Läu-
fer ſchon gefangen genommen ſind, kann er
dieſs freylich nicht immer. Die Perſon 5 ſtellt
ſich nun ſogleich, ehe noch 6 ganz heran iſt, auf
[237] die Linie c d mit dem einen und auf g h mit dem
andern Fuſse, und paſst ſehr ſcharf auf, wenn 6
mit der Fuſſpitze g h berührt. 6 ſteht und foppt
ihn ſo lange er Luſt hat, indem er immer thut,
als wolle er mit dem Fuſse die Linie g h berüh-
ren, unaufhörlich ihn vor, zurück, ſeitwärts ſezt,
damit zappelt u. ſ. w. Bis er den günſtigſten Au-
genblick abwartet, wo 5 nicht recht aufzumer-
ken ſcheint. Jezt berührt er die Linie und läuft
augenblicklich nach ſeiner Freyſtatt a b zurück;
5 ſezt mit aller Anſtrengung hinter ihn her, und
kann er ihn nur ſo viel einholen, daſs er ihn im
mindeſten berührt, ſo iſt er gefangen, und muſs
ſich in das Gefängniſs k begeben; die Perſon 5
aber läuft gegen die andre Parthey, um hier wie-
der zu foppen. Er ſtellt ſich eben ſo, wie vor-
hin 6, vor die Linie e f, thut daſſelbe, berührt
ſie endlich und läuft, um ſeinem Verfolger zu
entfliehen, nach c d zurück, oder wird gefan-
gen und muſs dann nach i ins Gefängniſs. Sein
Verfolger tritt nun wieder vor g h hin und foppt
u. ſ. w. So wird wechſelsweiſe von beyden Par-
theyen einer zum Foppen und Verfolgen abge-
ſchickt, bis die Perſonen der einen Parthey alle
gefangen ſind. Dann hat die andre gewonnen,
und man fängt nach Belieben vom neuen an.
Jeder Anführer kann ſelbſt, ſo oft er will, zum
Verfolgen des Foppenden ausgehen, und es kann
[238] überhaupt Jeder mehrmals dazu gebraucht wer-
den, indem er ſich entweder dazu anbietet,
oder von dem Anführer dazu aufgefordert wird;
nur muſs dieſer dahin ſehen, daſs er dem Fop-
penden im [Laufen] gewachſen ſey.


Der Foppende kann auch Liſt gebrauchen;
er thut oft, als habe er die Linie berührt und
läuft etwas fort. Läſst ſich ſein Verfolger da-
durch hintergehen und verfolgt ihn: ſo kommt
jener wieder zurück, berührt die Linie, und
läuft dann deſto ſicherer wieder nach Hauſe;
denn nach der Regel des Spiels muſs ſein Ver-
folger in dieſem Falle erſt wieder die groſse, hin-
terſte Linie berührt haben, ehe er ihn fangen
kann, da nun hierzu etwas mehr Zeit gehört, als
zur [Berührung] der kleinen Linie: ſo entflieht der
Foppende weit leichter.


So wird dieſs Spiel unter dem Nahmen Pri-
ſonners-baſe ganz genau in England geſpielt.
Es iſt auch in der Schweiz üblich. Da es den
Körper ziemlich ſtark bewegt, Gelenkigkeit,
Schnelligkeit und Achtſamkeit erfordert, auch
mit Vergnügen verbunden iſt: ſo verdient es al-
lerdings empfohlen zu werden. Man ſpielt in
England noch ein ähnliches Spiel, unter dem
Nahmen Soldiers-baſe, da es aber äuſserſt leicht
Zänkereyen verurſacht: ſo verdient es nicht be-
ſchrieben zu werden.


[239]
40. Die Jagd.

Der Knabe ahmt gern die Beſchäfftigung des
Mannes nach; denn er mögte gern recht bald
ein Mann ſeyn. Daher haben die Beluſtigungen
des Mannes für ihn den gröſsten Reiz: und
wahrlich der Knabe, welcher nicht ſchon im Kin-
derröckchen auf jedes Pferd zu klettern wünſcht,
verräth nicht die gröſste Anlage zum Manne in
beſter Form. Möchten wir doch recht viel ſol-
cher Spiele haben; welche das Vorſpiel von der
künftigen Beſchäfftigung des Mannes, ich mei-
ne die das im Spaſse wären, was einſt der Mann
im Ernſte ſeyn muſs. — Hiermit habe ich das
folgende einfache aber luſtige Spiel, eine Nach-
ahmung der Jagd, genug empfohlen.


Am ſchönſten läſst es ſich in einer Gegend
ſpielen, die mit Bäumen, Gebüſchen, Holwe-
gen, Hügeln und dergleichen abwechſelt, weil
hier das Verbergen leicht iſt. Man beſtimmt
hier die Gränzen des Jagdreviers, wie es die Ge-
legenheit an die Hand giebt, hier durch einen
Bach oder Weg, dort durch eine Hecke, einen
Berg u. dergl. Man kann es, wenn Platz ge-
nug da iſt, eine gute Viertelſtunde lang und ei-
nige 100 Schritt breit machen. Alles dieſs müſ-
ſen die örtlichen Umſtände an die Hand geben;
[240] Gränzen müſſen aber, wenn man im Freyen
ſpielt, gemacht werden, weil ſich ſonſt die Ge-
ſellſchaft ganz auseinander verlieren würde.


Sie kann ſehr zahlreich und muſs wenigſtens
10 bis 12 Perſonen ſtark ſeyn, ſonſt hat das Spiel
zu wenig Leben; am angenehmſten ſpielt es ſich
mit 20 und mehr jungen Leuten. Der beſte
Läufer wird zum Oberjäger gewählt; am ſchick-
lichſten iſt es, wenn der Aufſeher der Jugend
dieſe Rolle übernimmt. Alle Uebrigen machen
das Wild aus. So ſtellt man ſich in den Anfang
des Reviers. Hier giebt der Oberjäger ein Zei-
chen, und in dem Augenblicke flüchtet alles
Wild vorwärts. Er ſezt hinter her, und ſucht
ſo viel zu erwiſchen, als er in dem erſten Au-
genblick, da das Wild noch nicht ſo ſehr zer-
ſtreut und entfernt iſt, nur immer kann. Jedes
Wild, was er einholt und berührt, wird dadurch
ſogleich zum Jäger, und ſteht dem Oberjäger
bey.


Auf dieſe Art erhält er bald 2, 3, 4 Gehül-
fen, die mit ihm zugleich Jagd machen; und weil
überhaupt alles Wild, was man erjaget auch Jä-
ger wird, ſo vermehrt ſich die Zahl der Jäger
immerfort. Weil aber das übrige Wild nicht
wiſſen könnte, wer auf dieſe Art nach und nach
zum Jäger geworden wäre, ſo muſs jeder derſel-
ben ſein Taſchentuch um den Arm binden, um
[241] dadurch kenntlich zu werden. Das Wild thut
alles mögliche, um nicht erjagt zu werden: es
läuft ſo ſchnell als möglich vorwärts, verbirgt ſich
dann in Holwegen, drückt ſich hinter Gebüſche,
liegt unbeweglich und ohne hörbar zu athmen,
im Geſträuch, kriecht auf allen Vieren über ge-
fährliche Plätze, wo es entdeckt werden könn-
te, um zu entwiſchen, oder die Gegenwart des
Jägers auszukundſchaften; ſpührt mit dem Ohr
am Boden den Fuſstritt des Jägers aus, winkt
ſeinem Gefährten, um ihn zu benachrichtigen,
es durchläuft mit möglichſter Anſtrengung gan-
ze Strecken, überſpringt Geſträuche, Holwege
und Gräben, u. ſ. w. Jeder Jäger im Gegen-
theile gebraucht alle Liſt, um das Wild zu erja-
gen. Alle ſtehn unter dem Befehl des Oberjä-
gers. Er verſammelt ſie von Zeit zu Zeit im nö-
thigen Falle durch ein Zeichen, giebt ihnen die
nöthigen Befehle, welchen Weg ſie einzeln neh-
men ſollen, um das Wild zu erforſchen und ein-
zuſchlieſsen. Jeder iſt dabey auf ſeiner Hut, un-
vermerkt heran zu ſchleichen, um ſich dem Wil-
de zu nähern; jeder durchſucht die Geſträuche,
Holwege, Gebüſche und Bäume; jeder horcht,
ob ſich nichts regt, ſezt nach, wenn etwas auf-
ſpringt, und verfolgt es muthig über Stock und
Stein.


Q
[142[242]]

So wird vom Anfange des Reviers bis an das
Ende fortgejagt, hier geſchieht gewöhnlich der
ſtärkſte Fang, wenn anders an dieſer Stelle die
Umſtände zum Verſtecken bequem ſind. Man
wendet um, und durchſtreicht das Revier, wenn
noch nicht alles Wild gefangen iſt, wieder rück-
wärts, bis zum Anfange. Hier ſchlieſst ſich dann
die dieſsmalige Jagd.


Jedes Wild, das ſich durch Liſt, Klugheit
und Schnelligkeit den Jägern zu entziehen wuſs-
te und bey der Rückkunft derſelben am Anfan-
ge des Reviers ſteht, iſt frey und hat die Ehre des
Siegs
über den Jäger. Aber jedes Wild, das die
Gränzen des Reviers überſchreitet, iſt ſeiner
Freyheit verluſtig, und muſs Jäger werden.


Es giebt nicht leicht ein Spiel, das bey einer
ſolchen Einfachheit ſo unterhaltend, ſo un-
ſchuldig und für den Körper und Geiſt der Ju-
gend ſo nützlich wäre. Es gewährt ſtarke Be-
wegung, übt den Körper im Laufen und Sprin-
gen, hält die Sinne in ſteter Wachſamkeit, und
belebt den Muth junger Leute. Man muſs nur
bedenken, daſs es für dieſe nicht Spiel, ſondern
Ernſt iſt, daſs ihr Herz oft vor Erwartung und
Angſt pocht, wenn ſich ein Jäger nähert, daſs
dann immer ein Entſchluſs nöthig iſt, der in ih-
rer Lage Muth erfordert.


[243]

Nachtſpiele.


Die Nacht iſt für die meiſten Menſchen fürchter-
lich. Vernunft, Aufklärung, Geiſt und Muth
ſchützen nur wenige gegen dieſe natürliche
Furcht. Raiſonneurs und ſtarke Geiſter, Phi-
loſophen und Krieger ſind am Tage unerſchüt-
terlich, und Zittern oft des Nachts, wenn ſich
ein Blättchen reget. Die Urſach liegt nicht in
Ammenmährchen, ſondern ſie iſt dieſelbe, ver-
möge welcher der Taube miſstrauiſch und das
Volk abergläubiſch iſt; ſie liegt in der Unkunde
der Dinge und Ereigniſſe um uns her. Heilung
iſt nur durch Gewöhnung möglich, denn dieſer
unterliegt die Imagination. Es iſt folglich ver-
gebens, dem Furchtſamen vor zuraiſonniren, wie
eitel ſeine Furcht ſey; wirkſamer, als alle philo-
ſophiſchen Gründe iſt es, ihn oft in die Finſter-
niſs zu führen. Der Dachdecker wird nicht mehr
ſchwindlicht, und wer ſich an Finſterniſs gewöhnt
hat, empfindet dabey keine Furcht mehr. Um die
Jugend dahin zu bringen, ſind Spiele ſehr bequem,
aber ſie müſſen mit Lachen und Scherz verbun-
den und geſellſchaftlich ſeyn. Dadurch werden
die Füſse eines ſo erzogenen Menſchen ſicher,
die Hände, um mich ſo auszudrücken, verſtändi-
ger. Seine Imagination mit angenehmen Bildern
Q 2
[244] der jugendlichen Nachtſpiele angefüllt, wird nicht
leicht auf ſchreckliche Gegenſtände verfallen.


In dem bisherigen liegt die Quinteſſenz deſ-
ſen, was Rouſſeau im Emile ſo ſchön über die-
ſen Gegenſtand ſagt. Was er indeſs von den
Ammenmährchen behauptet, widerlegt ſich da-
durch, daſs ſehr viele Menſchen ſich auch am
hellen Tage vor Geſpenſtern fürchten, auch
dann, wann ſie alles um ſich her auch noch ſo gut
erkennen können.


Rouſſeau ſchlägt darauf ſelbſt nächtliche Spie-
le oder vielmehr pädagogiſche Uebungen vor.
Er will, daſs man Abends eine Geſellſchaft von
Kindern zuſammenbringe, und ſie an finſtern Or-
ten allerley verrichten laſſe.


Keines müſste ganz allein gehen, ſondern ge-
ſellſchaftlich bis man ſicher wäre, daſs es nicht
zu ſehr erſchrecken würde.


„Ich finde nichts ſo luſtig und nützlich, als
dergleichen Spiele, wenn man ſie nur gehörig
einzurichten weiſs. In einem groſsen Saale wür-
de ich von Tiſchen, Stühlen, Schirmen etc. ei-
ne Art von Irrgang machen. In die verworr-
nen Krümmungen dieſes Labyrinths ſtellte ich,
mitten unter acht bis zehn Vexirbüchſen, eine
ziemlich ähnliche mit Zuckerwerk gefüllte. Ich
beſtimmte kurz, deutlich und genau die Stelle
derſelben; ich gäbe eine ſolche Anweiſung, die
[245] für Leute, welche weniger unaufmerkſam und
flatterhaft als Kinder wären, hinreichen würde,
um ſie zu finden. Jetzt zöge ich das Loos für die
kleinen Wettſtreitenden, und ſchickte ſie einen
nach dem andern fort, bis die gute Büchſe ge-
funden wäre. Die Schwierigkeit des Findens
würde ich nach dem Grade ihrer Geſchicklich-
keit abmeſſen. Man denke ſich einen kleinen
Herkules, wie er, ſtolz auf ſeine That, mit der
Büchſe zurückkommt. Man ſtellt ſie auf den
Tiſch und öffnet ſie mit vieler Ceremonie. Ich
höre das Gelächter, das Jauchzen des luſtigen
Haufens, wenn man, ſtatt der erwarteten Nä-
ſcherey einen Maykäfer, eine Schnecke, Kohle,
oder Eichel in Baumwolle oder Moos recht ar-
tig eingewickelt findet. Ein andermal würde
ich in einem neugeweiſsten Zimmer nah an der
Wand ein Spielzeug, ein kleines Hausrath auf-
hängen, das muſste dann geholt werden, ohne
die Wand zu berühren. Kaum käme der Sucher
wieder zurück, ſo würde, wenn er die Bedin-
gung nur in etwas verfehlt hätte, der weiſse Fleck
an der Spitze ſeines Hutes, ſeiner Schuh, u. ſ. w.
ſeine Ungeſchicklichkeit verrathen.


Dergleichen Uebungen wird jeder geſchickte
Erzieher ſelbſt zu erweitern, mannichfaltiger zu
machen und abzuändern verſtehn. Rouſſeau
will dadurch auch bloſs den Geiſt derſelben zu
Q 3
[246] verſtehen geben. Ich mögte noch den Rath da-
bey ertheilen, dergleichen Uebungen nicht im-
mer im Hauſe, ſondern auch ganz beſonders
drauſsen vorzunehmen. Wir verbinden zwey,
drey und mehreren Knaben von der Geſellſchaft
die Augen. Die Sehenden führen ſie unter Be-
gleitung ihres Aufſehers hinaus ins freye Feld,
auf eine viertel und halbe Stunde weit vom
Wohnorte weg. Hier öffnet man ihnen die Au-
gen und verlangt, daſs ſie ſich nach Hauſe finden
ſollen. Der Abend iſt ſo dunkel, daſs die Au-
gen wenig oder gar keine Dienſte leiſten; das
Feld unbekannt, denn man iſt, gleichſam wie vom
Himmel gefallen, dahin gekommen; keine
Weltgegend iſt bekannt. Weit ſchlimmer iſt
dieſs alles, wenn man zur Uebung ein anderes
Mal einen Wald wählt. Ich ſetze indeſs voraus,
daſs die Zöglinge ihre vaterländiſche Gegend
wenigſtens im Ganzen etwas kennen; ſo geht
dann die Unterſuchung durch Gefühl und Ge-
hör vor ſich. Man unterſucht die Natur des Bo-
dens, man benezt mit dem Munde einen Finger,
ſtreckt ihn über den Kopf hinaus, um den Zug
der Luft daran zu bemerken, man beobachtet
die Wolken, den Stand der Sterne, die lezten
Ueberreſte der Abendröthe, das Moos an den
Bäumen, man fühlt mit den Füſsen nach einem
Wege, man horcht auf entferntes Getöſe u. ſ. w.
[247] Auf alle dergleichen Merkmale gründet man
Schlüſſe. Die vorher Geblendeten berathſchla-
gen ſich über die zu nehmende Richtung, ſind
alle einſtimmig, ſo folgt ihnen der Aufſeher mit
allen Uebrigen ungetrennt. Iſt ihre Meinung
aber verſchieden, ſo giebt er jedem einen Be-
gleiter, der der Gegend kundig iſt, um das gänz-
liche Verirren im Nothfalle zu verhüten. —
Oder: Ein anderes Mal ſezt man Rouſſeaus Büch-
ſen hinaus in den Garten, oder wenn das freye
Feld ſehr benachbart iſt, hinaus auf die Flur, und
verfährt übrigens ſo wie Rouſſeau es vorſchlägt.
Ich komme endlich zur Beſchreibung eines förm-
lichen Nachtſpiels.


41. Die Wächter und die Diebe. *)

Eine Geſellſchaft von 16, 20, 30 Perſonen, je
zahlreicher je beſſer, verſammelt ſich am be-
Q 4
[248] quemſten auf einer groſsen, mit einzelnen Ge-
büſchen verſehenen, oder theils umgebenen Wie-
ſe, oder einem ähnlichen Gartenplatze. Einer
wird zum Kadi ernannt, und dieſer theilt die Ge-
ſellſchaft in Paare ab, um aus dieſen nach Anhang I
Nro. 1 zwey Partheyen zu bilden, indem er von
jedem zu ihm kommenden Paare die eine Per-
ſon zum Wächter, die andere zum Diebe ernennt.
So entſteht die Vertheilung der Geſellſchaft
durchs Loos in Wächter und Diebe. Beyderley
ſondern ſich in 2 Haufen ab, und der Kadi nennt
die Namen beyder Partheyen öffentlich, damit
ſie ſich gegenſeitig nach ihren Rollen kennen ler-
nen. Jezt giebt er jeder Parthey eine Parole
z. B. den Wächtern das Wort Bordeaux, den
Dieben Rouen, und befiehlt jenen, ſich zu be-
zeichnen
und dieſen ſich zu bewaffnen; worauf die
Wächter ein weiſses Tuch oder ein Stück Pa-
pier um den Arm befeſtigen und die Diebe ſich
mit zuſammengedreheten Schnupftüchern ver-
ſehen. Hierauf müſſen ſich die Diebe entfernen,
um ſich zu verſtecken und in Hinterhalt zu le-
gen, wo ſie nur können. Der Kadi giebt ihnen
dazu etwa 2 Minuten und weniger, binnen wel-
cher Zeit er laut bis 20 zählt. Iſt die Zahl 20
ausgeſprochen, ſo gehet der Kadi mit den Wäch-
tern aus, um die Diebe zu ſangen. Man ſpürt
aus, wo ſich Diebe befinden, der Kadi detaſchirt
[249] bald hier bald dorthin einen Trupp oder einen
Einzelnen ſeiner Wächter, um den Ort zu um-
ſtellen, den Paſs zu verhauen, zu recognoſciren,
zu rapportiren u. ſ. w. Alles muſs, wie bey mi-
litäriſchen Expeditionen ſtrengen Gehorſam lei-
ſten, und der Kadi ernennt bald zu dieſem, bald
zu jenem Zwecke dieſer Art die Unteranführer
willkührlich. Kann irgend ein Wächter unter
Gebung der Parole einen Dieb beym Arme faſ-
ſen oder nur deutlich berühren, ſo iſt der Dieb
ſein, und die Regeln des Spiels verbieten alle
Widerſezlichkeit. Der Wächter ruft den Ka-
di und ſeine Gehülfen, alle verſammeln ſich, der
Kadi hält Gericht, und läſst den Dieb zwey,
dreymal durch die locker gedrehten Schnupftü-
cher der Wächter Gaſſenlaufen. Hat er dieſe
Strafe überſtanden, ſo wird er nun durch Um-
bindung des Zeichens unter die Zahl der Wäch-
ter aufgenommen.


Indeſs aber auf dieſe Art die Jagd auf die Die-
be ununterbrochen fortdauert, ſind dieſe nicht
müſsig, ſondern unabläſſig bemühet, die Wäch-
ter zu Dieben zu machen.


Jeder Dieb hat nämlich das Recht, jeden
Wächter mit aller möglichen Liſt heimlich zu
verfolgen, ſich an ihn heran zu ſchleichen, oder
ſchnell zu überfallen und ihm mit dem Schnupf-
tuche unter Nennung ſeiner Parole (Rouen) ei-
O 5
[250] nen Hieb zu verſetzen. Kann er dieſs, ehe der
Wächter ſeine Parole (Bordeaux) ausſpricht: ſo
iſt der Wächter dadurch auf der Stelle zum Die-
be
gemacht und muſs ſich ſchleunig fortmachen,
damit ihn die Wächter nicht erhaſchen.


Es arbeiten hier alſo zwey Partheyen unauf-
hörlich gegen einander. Gelingt es den Wäch-
tern, alle Diebe nach und nach zu fangen: ſo
hat ihre Parthey gewonnen; können die Diebe
aber nach und nach die Wächter zu Dieben ma-
chen, ſo findet das Gegentheil Statt. Glückt es
den Dieben an den Kadi zu kommen und ihn
auf die obige Art zum Diebe zu machen: ſo er-
heben ſie ein allgemeines Hurrahgeſchrey, die
Parthie iſt geendigt und ſie haben den Sieg.


Dieſer leztere Fall iſt ſehr gewöhnlich, daher
muſs der Kadi auſſerordentlich auf ſeiner Hut
ſeyn, um nicht durch ſchnelle Ueberfälle über-
liſtet zu werden.


Oft bemerkt er z. E. zur Rechten die Bewe-
gung einiger Diebe, ſeine Gehülfen machen Jagd
und fangen einen; dieſer Angriff war mit Fleiſs
von den Dieben veranlaſst, um die [Aufmerk-
samkeit]
des Kadi dahin zu ziehen; denn in demſel-
ben Augenblicke ſtürzen von der linken Seite her
unerwartet ein Paar der entſchloſſenſten Diebe
unter den Haufen der Wächter, und ehe er ſich
noch beſinnen kann, iſt der Schlag geſchehen
[251] und er iſt gefangen. Er muſs daher immer ſehr
aufmerkſam ſeyn und immer ein Paar Mann von
ſeinen Wächtern als Leibwache haben.


So viel von dem Gange des Spiels im Allge-
meinen. Mich hier in eine weitere Entwicke-
lung einzulaſſen, würde nicht ganz ſchicklich
ſeyn. Streitige Fälle kommen nicht häufig vor.
Einige Geſetze will ich hier noch angeben.


Die Gränzen des Spielraums dürfen von Nie-
mand überſchritten werden.


Kein Dieb darf das Zeichen der Wächter an
den Arm machen, oder ſein zuſammengedrehe-
tes Tuch zur Nachahmung deſſelben auch nur
über den Arm hängen.


Kein Wächter darf ſeine Parole ausſprechen,
als bis er wirklich einen Dieb ſieht, der ihn an-
fallen, oder den er ergreifen will.


Die Diebe können ſich zwar vereinigen, um
von allen Seiten her einen Trupp Wächter zu
überfallen; merken es aber die Wächter früh ge-
nug und rufen ihre Parole, ſo haben jene weiter
kein Recht einzudringen, ſondern ſind in Gefahr
gefangen und ſchärfer als gewöhnlich beſtraft zu
werden. Auf dieſs Geſetz muſs vorzüglich ge-
halten werden, wenn nicht ſogleich das ganze
Spiel ausarten ſoll.


Dieſs Spiel hat für die Jugend ganz ungewöhn-
lich viel Intereſſe, wenn es von beyden Seiten
[252] mit Lebhaftigkeit, Vorſicht, Muth und der dazu
nöthigen Verſchlagenheit geſpielt wird. Man iſt
dabey in einer ſteten Erwartung deſſen, was ſo
eben vorgehen wird, von Minute zu Minute
wird ſie befriedigt, und wieder von neuem ge-
ſpannt. Jeder Schritt erfordert Vorſicht, Aug
und Ohr ſind unaufhörlich beſchäftigt, jede klei-
ne Bewegung und jedes Geräuſch zu bemerken.
Es erfordert Muth und ununterbrochene Gegen-
wart des Geiſtes, denn die Angriffe ſind mit Liſt,
Schnelligkeit und Ueberraſchung verbunden.
Hier kann der Jugendaufſeher, wenn er die
Rolle des Kadi übernimmt, manchen ſeiner
Zöglinge näher kennen lernen, indem er ſei-
nen Muth, ſeine Entſchloſſenheit und Gegen-
wart des Geiſtes auf die Probe ſtellt und bald die-
ſem bald jenem eine Expedition aufträgt, wobey
ſeine Furchtſamkeit ins Gedränge kommt u. ſ. w.
Es gewährt zugleich viel körperliche Bewegung
und verlangt Schnelligkeit. Sehr bequem iſt dieſs
Spiel für die etwas rauhen und ſehr dunkeln
Abende des Herbſtes. Kleineren Knaben, die
mit dieſem nicht gut fertig werden können, em-
pfehle ich das folgende, das von einer Geſell-
ſchaft Knaben erfunden wurde, ganz einfach aber
doch nicht ohne Intereſſe iſt.


[253]
42. Miau!

Die Kleinen ſind wieder auf einer Wieſe oder
in einem Garten. Der Abend muſs ſehr dunkel
ſeyn. Der flinkſte Knabe wird zum Miau gewählt.
Dieſer läuft von der Geſellſchaft fort, um ſich zu
verſtecken, und man giebt ihm dazu etwa 4 Mi-
nuten Zeit, binnen welcher man 20 zählt. Hie-
rauf geht die Geſellſchaft fort, um ihn zu erha-
ſchen. Man kommt in die Gegend, wo man ihn
vermuthet und findet ihn nicht. Man umſtellt
indeſs den Platz, und der kleine Anführer der
Geſellſchaft fordert den Miau auf, mit den Wor-
ten: Miau laſs dich hören! Alle andere wiederho-
len dieſen Ruf und erwarten dann mit groſser
Begierde die Antwort. Man iſt ſchon auf dem
Punkte zuzufahren, um ihn zu ertappen, weil
man ihn ganz nahe glaubt; aber ehe man ſichs
verſieht, erſchallt die Antwort: Miau! weit ent-
fernt, auf einer ganz andern Seite. Schnell bil-
det die Geſellſchaft eine weit ausgedehnte Li-
nie und läuft vorwärts nach der Gegend,
wo der Laut Miau! herſchallte. Hier will
man ihn denn recht ſicher einſchlieſsen; aber
ehe man ſichs verſieht, iſt Miau wieder durch die
Glieder der Linie entwiſcht und täuſcht die an-
dern zum zweyten Maale. Iſt Miau aber end-
lich glücklich eingeſchloſſen und man fordet ihn
[254] auf ſich hören zu laſſen, ſo braucht er zwar nicht
zu antworten, wenn man ihm zu nahe iſt; aber
eben dadurch verräth er ſeine zu groſse Nach-
barſchaft und man ſucht dann deſto eifriger. So
dauert das Spiel fort, bis Miau unter allgemei-
nen Gelächter gefangen wird. Ueber die Grän-
ze des Spielraums darf er nie hinauslaufen. Die-
ſes ſehr unſchuldige Spiel iſt mit vielem Geläch-
ter verbunden, gewährt viel Bewegung, und iſt
ſehr bequem die Kleinen an die Dunkelheit zu
gewöhnen.


43. Die Jagd im Dunkeln.

Das ſchon oben Nr. 40. angegebene Spiel der
Jagd ſehe ich unter der hieſigen Jugend bey dun-
keln Abenden mit ungemein vielem Vergnügen
ſpielen. Man treibt es ganz auf dieſelbe Art, nur
wählt man zum Jagdrevier eine ganz ebene Wie-
ſe, die von kleinen Gebüſchen eingefaſst iſt, und
dadurch deutliche Gränzen hat. Es erfüllt ganz
den Hauptzweck, die Jugend auf eine luſtige Art
an die Dunkelheit zu gewöhnen, in ihrer Imagi-
nation die Vorſtellung der Dunkelheit mit der
des Vergnügens zu verknüpfen. Es verlangt
[255] überdem viel Munterkeit der Sinne, jugendli-
chen Muth, und Schnelligkeit des Körpers.


e) einſame Spiele.


44. Der Kreiſel und das Reiftreiben.

Dieſes Knabenſpiel, bey welchem ein hölzerner,
kegelförmiger Körper auf ſeiner Spitze vermit-
telſt einer kurzen Peitſche herum getrieben wird,
iſt zu bekannt, als daſs hier eine Beſchreibung
nöthig wäre. Es iſt ſelbſt für erwachſene Knaben
ſehr unterhaltend, an ſich ſehr unſchuldig und
für den Körper wohlthätig, denn es kann, je-
nachdem man will, wenig und viel Bewegung
veranlaſſen. Ich ſah einen Knaben mehrere
Kreiſel treiben, alle hatten ihre Namen, zu allen
ſprach er mit naiver Unbefangenheit. Der, wel-
cher am längſten lief, war ſein Liebling. Er ſtell-
te ſie oft auf die Probe, ſezte ſie nämlich alle in
die ſtärkſte Bewegung und entfernte ſich dann,
indem er treppab in den Hof lief, und bald wie-
der zurückkehrte. Welche Freude hatte er über
die, welche noch liefen! — Knaben müſſen nicht
nur 2, 3 Kreiſel treiben, ſondern auch in jede
Hand eine Peitſche nehmen und beyde gebrau-
[256] chen lernen. Da in dieſem Falle der Umſchwung
(Rotation) bey einem links bey dem andern rechts
iſt: ſo dürfen ſie beym Zuſchlagen nicht ver-
wechſelt werden; denn bey einem einzigen
Schlage gegen die Rotation, würde ſie ſogleich
aufhören.


Der Brummenkreiſel beſteht aus einer hohlen
Kugel, die an der Seite mit einem Loche und
unten mit einem etwa 3 Zoll langen und run-
den Stabe, der ihm zum Fuſse dient, verſehen
iſt. Jeder Drechsler macht dergleichen; die Art
damit zu ſpielen, iſt allgemein bekannt. Von
der unterſten Spitze des Fuſses wird eine Schnur
ſchraubenartig bis oben an den Kopf heraufge-
wickelt, das noch übrige Ende durch das Seiten-
loch des Schlüſſels von innen nach auſſen durch-
gezogen und dann der Fuſs mit der Schnur durch
den Schlüſſel geſteckt. Hält einer den Schlüſ-
ſel und zieht ein andrer die Schnur ſchnell durch
das Seitenloch deſſelben, ſo kommt der Krei-
ſel in Umſchwung, welches er unter Geheul eine
Zeitlang fortſetzt. Von ſonderlichem Gehalte
iſt dies Spiel nicht; jedoch zur Beluſtigung nicht
zu verachten. Starke Knaben nehmen die Schnur
in die eine, den Schlüſſel in die andre Hand
und werfen den Kreiſel ohne Gehülfen ab. Daſ-
ſelbe läſst ſich noch leichter thun, wenn man die
Schnur an einen feſtſtehenden Gegenſtand knüpft
[257] und bloſs den Schlüſſel führt. Das Reifentreiben
gehört ebenfalls hieher, inſofern es der Jugend
zur einſamen Beluſtigung dienen kann. Eine nä-
here Beſchreibung iſt ſchon davon gegeben in
meiner Gymnaſtik S. 464.


45. Soloballſpiel.

Auf den Sandwich- und Freundſchaftsinſeln ſpie-
len alle Kleinen Fangball, jedesmal mit vier bis
fünf Bällen, die von Baumlaube gemacht ſind.
Fangen und Aufwerfen folgt ununterbrochen
aufeinander. Dieſe Uebung mit ordentlichen
Bällen, die nur ganz weich gemacht und ſo groſs
ſeyn müſſen, daſs man zwey davon bequem mit
der Hand halten kann, iſt auch bey uns nicht
unbekannt. Der eine Ball liegt zwiſchen den
Fingerſpitzen, der andere in der Hand, der Spie-
ler wirft den erſten perpendikular bis faſt zur
Höhe des Zimmers, und indem er wieder zu-
rückfallen will, wirft er den zweyten und fängt
den erſten wieder, und ehe der zweyte völlig
niederkommt, läſst er den erſten ſchon wieder
ſteigen, und ſo fort. Auf dieſe Art iſt immer ein
Ball in der Luft, und ehe er wieder in die Hand
fällt, ſteigt der zweyte ſchon auf. Künſtlicher
R
[258] wird dieſe Uebung, wenn man für jede Hand 2
Bälle hat, und es gewährt einen ganz hübſchen
Anblick, wenn es mit Fertigkeit gemacht wird.
Auf ähnliche Art laſſen ſich zwey Federbälle mit
einer, Raqueten behandeln. Beyde Spiele ſind
mit heilſamer Leibesübung verbunden und er-
fordern ununterbrochen genaue Beurtheilung
der Aufwürfe ſo wie Abmeſſung der Kraft, wel-
che man dazu anwendet.


B. Spiele der Aufmerkſamkeit.


Bey allen Spielen dieſer Ordnung findet wenig
oder gar kein eigentliches Beobachten und Be-
urtheilen ſinnlicher Eindrücke ſtatt; hier iſt bloſs
Richtung der Seele auf einen Gegenſtand, um
irgend eine beſtimmte Veränderung deſſelben
ſchnell wahrzunehmen und ſein Verhalten danach
einzurichten. Sie haben mithin weniger Werth
als die bisher genannten; bleiben aber immer
ſehr nützlich, bald als Veranlaſſung zu heilſamer
Bewegung, bald als Mittel den ernſten, ermü-
denden Ideengang zu unterbrechen und ſich zu
erholen. Dieſe Erholung iſt gleichſam ſchon die
[259] Bedingung unter der ſie nur geſpielt werden
können, inſofern es ſtets nöthig iſt, alle frem-
den Ideen zu verbannen und ſeine Aufmerkſam-
keit auf das Spiel zu richten. Unterläſst man
dieſs nur einige Augenblicke, ſo verfällt man in
den Fehler der Zerſtreuung und büſst dafür. Es
giebt viel junge Leute, bey denen die Opera-
tionen der Seele ſehr langſam von ſtatten gehen.
Der Weg vom Auge oder Ohre bis zur Seele
ſcheint zehn Meilen lang, und von da bis zu den
Händen oder Beinen ſinds gar wohl hundert Mei-
len. Für dieſe giebt es keine heilſameren Spiele.
Endlich empfehle ich ſie noch für alle jungen,
flüchtigen Köpfe, die ſich nirgends fixiren kön-
nen. — Alle hierher gehörigen Spiele ſind geſell-
ſchaftliche
.


46. Der ſchwarze Mann.


Man ſteckt auf ebenem Boden ein langes Vier-
eck ab. Es iſt ſchon hinreichend, die vier Ecken
deſſelben mit Stäben zu bezeichnen, die man in
den Boden ſteckt, und die Seitenlinien durch ei-
nige Steine zu bemerken. Faſt an beyden
Enden des Vierecks liegen 2 Steine, der eine
bey A. der andere bey B. Hinter jedem Steine
R 2
[260] iſt ein Freyplatz. Dieſe Figur macht die Sache
deutlich.


[figure]

Die Knaben wählen durchs Loos oder Ueber-
einſtimmung einen zum ſchwarzen Mann. Dieſer
ſtellt ſich auf einen der Freyplätze zum Exemp.
hinter A, die Andern treten auf den andern hin-
ter B. Jezt ruft der ſchwarze Mann den andern
zu: fürchtet ihr den ſchwarzen Mann nicht?Nein!
antworten die muthigen Knaben hinter B, und
laufen vorwärts, um auf den Freyplatz A zu kom-
men, aber der ſchwarze Mann kommt ihnen ent-
gegen und bemühet ſich, ſie zu fangen. Jeder
iſt ſein, wen er faſst und dem er, unter dem Aus-
ruf eins, zwey, drey! drey kurze Klapſe giebt.
Dieſer muſs ihm jezt mit fangen helfen und mit
ihm auf den Freyplatz B, indeſs ſich die andern
Knaben jezt in A befinden. Jezt tritt der kleine
ſchwarze Mann wieder hervor, und fordert ſie
wieder auf wie oben: fürchtet ihr den ſchwarzen
Mann nicht? nein!
erwidern die andern und lau-
[261] fen von A nach B zu. Unterwegs kommt ihnen
der ſchwarze Mann mit ſeinen Gehülfen wieder
entgegen und fängt weg, wen er kann. So
dauert das Auffo[r]dern, Hin und Herlaufen und
Fangen immer fort, bis endlich Alle, bis auf Ei-
nen
gefangen ſind. Dieſer Eine, oder wenn es
der Fall iſt, daſs Alle gefangen wurden, derjeni-
ge
, welcher ſich am lezten fangen lieſs, wird nun
wieder der ſchwarze Mann, und das Spiel hebt
von Neuem an. Jeder, den der ſchwarze Mann
gefangen hat, iſt verbunden mit fangen zu helfen.
Innerhalb der Freyplätze kann Niemand gefan-
gen werden. Wer über die Schranken hinaus-
läuft, um auszuweichen, iſt ſo gut als gefangen,
und gehört dem ſchwarzen Manne.


Für noch unverzogene Knaben, die an reiner
körperlicher Thätigkeit, an Laufen und Sprin-
gen noch Vergnügen finden, iſt dieſs Spiel, bey
aller Einfachheit, ungemein angenehm. Ihr Kör-
per gewinnt an Schnelligkeit, er iſt unaufhör-
lich genöthigt, tauſenderley Wendungen und
Sprünge zu machen, um zu entwiſchen; denn
jeder hält es für eine nicht kleine Ehre, nicht
gefangen und dadurch ſchwarzer Mann zu wer-
den.


R 3
[262]

47. Das Plumpſack-Verſtecken.


Die Geſellſchaft von unbeſtimmter Perſonen-
zahl, je gröſser je beſſer, ſetzt ſich in eine Reihe,
Stuhl dicht an Stuhl. Jeder hält ſeine Hände
hinter dem Rücken in Bereitſchaft, den hin und
her laufenden Plumpſack damit zu faſſen und
weiter zu geben. Ein Einziger, der anfangs
durchs Loos dazu gewählt wird, iſt Sucher und
wirft der ſitzenden Geſellſchaft den Plumpſack
zu, wenn das Spiel ſeinen Anfang nimmt. Man
nimmt ihn ſogleich hinter den Rücken und läſst
ihn hier Reihe auf und ab paſſiren, bald hier bald
dort hin aus Hand in Hand, ſo wie es die Nach-
forſchungen des Suchers nothwendig machen, ihn
bald von dieſer bald von jener Stelle zu entfer-
nen, damit er ihn nicht erhaſche.


Die Rolle des Suchers iſt ſchwieriger als man
glaubt. Da ſteht er vor der lachenden Fronte,
ſchleicht hin und her, paſst genau auf, wo das
Tuch ſey; merkt auf jede Bewegung der Geſell-
ſchafter, welche ihm dieſs verrathen kann. Er
fährt ſchleunig nach der Stelle, wo er es zu be-
merken glaubt, durchſucht mit ſeinen Händen
bald hier bald dort die Räume hinter den Rü-
cken, ſo wie die Hände der Spielenden Reihe
auf und ab, und wird nicht nur zwanzig mal ge-
täuſcht, weil jeder das Tuch ſchnell weiter giebt,
[263] wenn ſich der Sucher ihm nahet, ſondern erhält
noch dazu bald rechts bald links einen derben
Schlag mit dem Tuche; denn jeder, wer das Tuch
in den Händen hat, indem der Sucher bey irgend
einem Andern in der Nachbarſchaft durchſucht,
hat das Recht, ihm einen oder mehrere Schläge
zu geben, nur muſs er dieſs ſehr ſchnell thun,
und das Tuch augenblicklich wieder hinter die
Reihe bringen, denn wenn es der Sucher erhaſcht,
ſo muſs der Schläger Sucher werden. — Geſetze
bey dieſem Spiele ſind etwa dieſe: 1) Nie-
mand darf, um zu ſchlagen, von ſeiner Stelle
gehen. 2) In weſſen Händen oder Kleidern,
oder unter weſſen Sitze der Sucher das Tuch
findet, der wird Sucher.


Man ſitzt zwar bey dieſem Spiele; demunge-
achtet giebt es viel Bewegung, wenn es nur et-
was eifrig getrieben wird, daher findet man es
in dieſer Claſſe. Es erfordert Aufmerkſamkeit,
Schnelligkeit der Hände und von Seiten des Su-
chers Beobachtungsgeiſt. Die Schläge fallen oft
etwas derbe aus und ſind zur Abhärtung nicht ſo
ganz undienlich.


R 4
[264]

48. Tag und Nacht.


Man theile die Geſellſchaft in Abſicht auf per-
ſönliche Gröſse, noch beſſer nach der Fertig-
keit im Laufen, in zwey gleiche Partheyen und
ſtelle ſie 10 bis 15 Schritte von einander in zwey
Linien (Fronten,) ſo daſs beyde ſich die Rücken
zuwenden. Zwiſchen dieſe Linien tritt der Auf-
ſeher oder Anführer des Spiels mit einer kleinen
hölzernen Scheibe, die auf der einen Seite weiſs
gelaſſen, auf der andern ſchwarz gefärbt iſt; jene
heiſst Tag dieſe Nacht. In Ermangelung einer
ſolchen Scheibe iſt ein Stück Geld, deſſen bey-
de Seiten man zu Tag und Nacht geſtempelt hat,
eben ſo brauchbar. Er läſst von den Perſonen
der einen Linie eine und von denen der andern
die andere Seite wählen, ſo daſs die Linie A zum
Beyſpiel Tag, B im Gegentheile Nacht hat, und
wirft dann die Scheibe in die Luft. Alles kommt
jezt auf das Niederfallen an; liegt nämlich der
Tag oben: ſo verfolgt die Linie A alle Perſonen
der Linie B, und wer ſich erwiſchen läſst, iſt
todt oder matt, und darf nicht mehr mitſpielen.
So gehn nach und nach die Perſonen der einen
und andern Parthey ab, und diejenige, welche
zuerſt ganz todt iſt, hat die Parthie verloren. Es
läſst ſich aber leicht einſehen, daſs die Parthey
B gleich nach dem erſten Wurfe ganz und gar
[265] gefangen werden würde, wenn A das Recht hät-
te, ſo lange Jagd auf ſie zu machen, als ſie woll-
te. Hier müſſen folglich dem Verfolgen Schran-
ken geſezt werden. Man macht daher jeder
Fronte gegen über und etwa 40 Schritte von ihr
entfernt, einen Freyplatz und zwar ſo, daſs der-
jenige, welcher vor der Fronte A liegt, der Par-
they B gehört, und daſs A ihren Freyplatz vor
der Fronte B hat. Tritt nun nach dem Wurfe
der Fall ein, daſs A die Parthey B verfolgt: ſo
muſs B erſt um A herumlaufen, um nach ihrem
Freyplatze zu kommen, dadurch wird das Ent-
wiſchen zwar erſchwert, doch nicht unmöglich
gemacht. Geſetze bey dieſem Spiele ſind,
1) Wenn die Scheibe geworfen werden ſoll, darf
ſich Niemand umſehen, um zu bemerken, wel-
che Seite oben liege. Der Aufwerfer kündigt
dieſs an, indem er Tag oder Nacht ruft. 2) Wenn
die eine Parthey, zum Beyſpiel A, die andere
B verfolgt, ſo muſs ſie ordentlich hinter ſie her-
ſetzen und darf nicht nach dem Freyplatze der-
ſelben laufen, um ihn zu verſperren.


Dieſes Spiel iſt altgriechiſch und hieſs Οςρακιν-
δα, weil man ſtatt der Scheibe eine Muſchel ge-
brauchte. Nachrichten findet man davon beym
Pollux Lib. 9. Cap. 7. und beym Euſtathius ad
Jliad 6. Die Beſchreibung des Leztern läuft auf
folgendes hinaus: Die Knabengeſellſchaft theilt
R 5
[266] ſich in zwey Theile. Eine durch die Mitte ge-
zogene Linie trennt ſie. Einer von der Geſell-
ſchaft wirft eine Muſchel in die Höhe, die auf der
einen Seite mit Pech ſchwarz gemacht, auf der
andern weiſs gelaſſen iſt. Jene heiſst νυξ dieſe
῾ημέρα. Jeder Theil der Geſellſchaft wählt ſich ei-
ne Seite davon, dieſe den Tag jene die Nacht.
Man wirft die Muſchel, und diejenige Parthey
der Knaben, deren gewählter Theil der Muſchel
oben hinfällt, verfolgt die andre. — Wer er-
wiſcht wurde, erhielt nach Pollux den Ehrenti-
tel Ονος. Man ſehe den Bulengerus und Meur-
ſius de Lud. gr. in Gronov. Theſ. Tom. VII.


Das obige Spiel verdient alle Empfehlung;
es iſt unſchuldig, einfach, intereſſant für die Ju-
gend durch ſtete Spannung der Aufmerkſamkeit;
es ſezt ſie auf eine äuſserſt lebhafte Art in Action,
denn das Wort Tag oder Nacht ſchlägt gleichſam
wie ein Bliz unter ihre Geſellſchaft. Dem Kör-
per giebt es viel Bewegung, übt ungemein im
Laufen und ſchnellen Wendungen.


49. Fuchs zu Loche.


Eine Perſon der Geſellſchaft wird durchs Loos
oder durch eigenes Erbieten Fuchs. Eine kennt-
liche Stelle des Spielplatzes, z. Exemp. eine klei-
[267] ne Grube, ein Maulwurfshügel, oder der Win-
kel eines geräumigen Saals — denn das Spiel
läſst ſich auch im Hauſe ſpielen, wenn Lerm und
Staub nicht geſcheut werden — iſt ſeine Woh-
nung oder eingebildete Höle. So wohl Er, als
auch die übrigen Perſonen ſind mit zuſammen-
gedreheten Taſchentüchern verſehen. Alle ſind
wie ein Bienenſchwarm um ihn her, machen al-
lerley Spaſs und zupfen ihn an den Kleidern.
Ehe ſie ſichs verſehen, macht der Fuchs von Zeit
zu Zeit einen Ausfall auf ſie, und fängt an, ſie
mit dem Plumpſacke zu verfolgen. Aber er darf
dabey ſchlechterdings nur auf einem Beine fort-
hüpfen, da die andern auf beyden laufen dür-
fen. Jeder iſt aufmerkſam auf den Fuchs, 1) ob
er etwa das andere Bein an den Boden bringt —
thut er dieſs, ſo ſchreyen alle: berührt! und ſchla-
gen ihn mit den Plumpſäcken ſo lange, bis er ſei-
ne Höle wieder erreicht hat. Sind ſie hierbey
nicht ſehr ſchnell, ſo entwiſcht der Fuchs augen-
blicklich, ohne einen Schlag. 2) Muſs jeder ge-
nau auf ihn achten, um nicht von ihm mit dem
Plumpſacke erreicht zu werden; denn durch ei-
nen einzigen Schlag mit demſelben, wird der
Fuchs befreyet, der Getroffene kömmt an ſeine
Stelle, und alle verfolgen ihn mit den Plumpſacke
unter dem Geſchrey: Fuchs zu Loche! bis er die
Höle erreicht.


[268]

Um dem Fuchs ſein Spiel nicht zu ſehr zu er-
ſchweren und den andern das Entfliehn zu leicht
zu machen, zieht man um die Höle des Fuchſes
eine Gränzlinie in einer Entfernung von etwa
10 Schritten, über welche niemand hinauswei-
chen darf, ohne auf der Stelle dadurch Fuchs
zu werden und ſich mithin den Schlägen der an-
dern auszuſetzen. Im Zimmer iſt dieſs nicht nö-
thig, denn die Wände ſind ſelbſt die Gränze.


Duldet der Aufſeher keine zu feſt gedrehten
Tücher und werden die Köpfe, wie ſichs von
ſelbſt verſteht, mit Schlägen verſchont: ſo iſt
dieſs Spiel unſchuldig, luſtig, erfordert ſtete Auf-
merkſamkeit, und ſetzt den Körper recht gut in
Bewegung.


Dieſes bey uns ziemlich gewöhnliche Spiel
iſt ohne Zweifel von den Griechen entlehnt, oder
wenigſtens dem griechiſchen Aſkoliaſmus (Ασκω-
λικσμος) nachgebildet. Die Hauptſache beſtand
darin, auf einem Beine fortzuhüpfen. Man zähl-
te die Aufſprünge und entſchied den Sieg da-
nach. Bisweilen verfolgte der Einbeinige die
andern, welche auf beyden liefen, bis er einen
erhaſchte; und dieſs leztere halte ich für den ei-
gentlichen Aſkoliaſmus. *)


[269]

50. Vögel verkaufen.


Kleine muntere Knaben ſpielen gern einfache
luſtige Spiele, die viel Bewegung geben. Hier
iſt eines:


Der Aufſeher der Geſellſchaft macht den Ver-
käufer
, alle Kleinen ſind Vögel, nur Einer von
ihnen ſpielt die Rolle des Käufers. Der Verkäu-
fer ſtellt ſeine Vögel in Fronte und giebt jedem
einen Vogelnahmen: du biſt ein Stieglitz, du
ein Staar, du ein Finke u. ſ. w. Das muſs aber
der Käufer nicht hören. Hierauf kommt die-
ſer und fragt den Verkäufer: Haſt du Vögel zu
verkaufen? — ja! — Haſt du einen Raben? —
nein! — einen Sperling? — nein. So gehts
immer fort nein, bis der Käufer einen z. E. hier
den Staar nennt der wirklich unter der Anzahl
iſt. Dann ſchreyt alles ja! und der genannte
Vogel fliegt ſo ſchnell als möglich aus, das heiſst,
läuft fort, um ſeinem neuen Herrn zu entfliehen.
Um ſeine Flucht zu begünſtigen muſs der Käufer
erſt thun, als zähle er dem Verkäufer das Geld
für den Vogel in die Hand. Jetzt ſetzt er nach.
Holt er den Vogel ein, ſo iſt er ſein; kommt die-
ſer aber, ohne erwiſcht zu werden, wieder zum
Verkäufer zurück: ſo gehört er dem Verkäufer
wieder, und dieſer giebt ihm auch wohl Futter,
[270] Aepfel, Birnen, Pflaumen. Diejenige Parthie,
die am Ende die ſtärkſte iſt, hat gewonnen.


Für Knaben hat dieſs Spiel ſehr viel ange-
nehmes; denn ſie werden, wie alle Menſchen,
vorzüglich durch Spannung der Erwartung un-
terhalten. Dieſe Spannung findet hier unun-
terbrochen Statt; erſt unter der Nennung der
Vogelnahmen, wobey jeder befürchtet genannt
zu werden; dann bey der Flucht des Kleinen,
deren Erfolg ſo ungewiſs iſt. Es erfordert Auf-
merkſamkeit, weil man bey der Nennung des
erhaltenen Namens augenblicklich laufen muſs,
und macht die Kleinen ſchnellfüſsig.


51. Der Bildhauer.


Die Geſellſchaft befindet ſich drauſsen im Freyen.
Einer iſt Bildhauer, die andern ſeine Bildſäulen;
hier am Gebüſch ſteht ein Mars, dort am Baum
ein Jupiter, ein Herkules, u. ſ. w. in mannich-
faltigen Stellungen, unbeweglich, wie es Bild-
ſäulen zukommt. Er, der Meiſter, geht gravi-
tätiſch auf und ab, den Schlägel (Plumpſack) in
der Hand, um an dieſer oder jenen Bildſäule zu
beſſern, wenn ein Fehler, d. i. hier, ein Geziſch,
[271] verbiſſenes Gelächter, eine Bewegung oder eine
falſche Stellung bemerkt wird, und die Verbeſ-
ſerung beſteht in einem mehr oder minder fühl-
baren Hiebe, je nachdem die Bildſäule aus feſte-
rem oder weicherem Steine gemacht iſt. Endlich
ruft der Meiſter, des Verbeſſerns müde: der Bild-
hauer iſt fort
! und plötzlich werden die Statüen
lebendig, ſpringen von ihren Plätzen, hüpfen,
tanzen, ſpringen, lermen, ſingen nach Herzens
Luſt durch einander. Der Bildhauer ſieht das
eine Zeitlang mit an und ruft dann eben ſo un-
verhofft: Der Bildhauer iſt da! Nun fliegen alle
wieder an ihre vorigen Plätze in eben die Stel-
lungen. Der Letzte, welcher am ſpäteſten an
ſeinem Platze anlangt, giebt ein Pfand, oder
fühlt, wenn man keine Pfänder ſammeln will,
den Schlägel des Meiſters. Hierauf geht er
wieder aufs Verbeſſern aus wie oben, auch rückt
er die Perſonen wieder in die Stellungen, wel-
che ſie haben ſollen. Allein ſeine Rolle iſt auch
nicht ohne Gefahr; er muſs jedesmal Einen als
den letzten angeben und beſtrafen, kann er dieſs
aus Unachtſamkeit nicht, oder beſtraft er, nach
dem Zeugniſſe der Uebrigen, einen Unſchuldigen,
ſo muſs er ſelbſt ein Pfand geben und iſt abge-
ſetzt, oder wird, wenn man nicht um Pfänder
ſpielt, von den Statüen in Corpore mit Taſchen-
tüchern bis zu einem etwas entlegenen, vor-
[272] her beſtimmten Freyplatze verfolgt und verliert
ſeine Meiſterſchaft. — Das Spiel iſt luſtig,
unſchuldig, und gewährt ſo viel Bewegung, als
jeder wünſcht, weil ſie ganz von jedem abhängt.
Es erfordert ſchnelle Wahrnehmung und kann
kleine Knaben, wenn es oft geſpielt wird, eini-
germaſsen zur hurtigern Vollführung gegebener
Befehle gewöhnen. Es iſt übrigens eine Nach-
ahmung des in der zweyten Claſſe vorkommen-
den Spiels: der König iſt nicht zu Hauſe, aber
mehr für das Freye eingerichtet.


52. Das Verwechſeln der Plätze.


Im Zimmer iſt ein Stuhl weniger als ſpielende Per-
ſonen. Alle ſchlieſsen Hand in Hand tanzend
einen Kreis, ſingen ein beliebiges Lied oder laſ-
ſen ſich mit einem Inſtrumente Muſik machen.
Im Kreiſe ſteht eine Perſon, dieſe gibt durch
Klatſchen in die Hand oder durch Niederſtoſsen
mit einem Stabe plötzlich das Zeichen zum
Schweigen des Geſangs oder der Muſick und dann
muſs jeder ohne Ausnahme ſich ſchnell auf ei-
nem der Stühle ſetzen; wer keinen bekommt,
giebt ein Pfand. Drauſsen im Freyen, wo dieſs
[273] Spiel angenehmer wird, werden die Plätze durch
hingelegte Taſchentücher, oder auf ſonſt eine
Art bezeichnet; je entfernter man ſie da anlegt,
um deſto merklicher wird die Bewegung.


53. Das Kämmerchen-vermiethen.


Jeder von der Geſellſchaft hat einen Platz, auf
einem Stuhle, neben einem Baume oder einer
ſonſt bezeichneten Stelle. Nur Einer hat keinen.
Der geht umher und frägt bey jedem an: kein
Kämmerchen zu vermiethen?
und erhält zur Ant-
wort nein! oder: beym Nachbar! — Oder auf
eine andre Art: wo iſt gut Bier feil? und man
antwortet: bey meinem Nachbar! — Indeſs er
ſo in dem Kreiſe herum läuft, winkt Einer dem
Andern zur Verwechſelung der Plätze und man
läuft dann heimlich, daſs es der Platzſucher nicht
gleich merkt, geſchwind hinüber und herüber.
Dieſer aber iſt ſtets hinter die ſo verlaſſene Plät-
ze her, bis er einen davon erlangt. Dann tritt
der, welcher ihn verlohr, an ſeine Stelle. Man
giebt demjenigen, welcher den Platz ſucht, auch
wohl das Recht nach etwas langen vergeblichen
Suchen im Nothfall ein Zeichen zu geben durch
Händeklatſchen, oder durch den Ausruf: rührt
S
[274]euch! und verpflichtet ſich dann zur allgemeinen
Platzverwechſelung.


54. Wie gefällt dir dein Nachbar.


Wiederum hat jeder ſeinen Platz, auſſer Einem,
der herum geht und ſtets bey dieſem oder jenem
anfrägt: wie gefällt dir dein Nachbar? Iſt die Ant-
wort: gut, ſo gehts fragen weiter, bis er an eine
Perſon kommt, die ihm zur Antwort giebt: die-
ſer hier
(zur Linken oder Rechten) gefällt mir
eben nicht
! — Und wer wäre dir lieber? erwidert
der Sucher: dann muſs ſie irgend eine andre Per-
ſon im Kreiſe anzeigen und mit dieſer muſs der
Nachbar den Platz wechſeln. Kann unter dem
Wechſel der Sucher einen von beyden für ſich
bekommen, ſo nimmt er ihn, und der, welcher
ihn verlohr, wird Sucher, und fragt vom neuen
herum.


Man giebt dem Sucher auch wohl einen
Plumpſack in die Hand, womit er ſeinen Nach-
folger zur Succeſſion einweihet.


[275]

55. Der Laſtträger.


Die Geſellſchaft ſitzt auf Stühlen im Kreiſe um-
her. Nur Einer iſt ohne Platz, trägt ein rund-
lichtes Bündel und heiſst deſshalb der Laſtträger.
Die Andern wechſeln insgeheim, unter Zuwin-
ken die Plätze, und der Laſtträger bemüht ſich,
ſein Bündel auf einen leergewordenen Stuhl zu
werfen. Kann er dieſs, ſo gehört der Stuhl ihm,
und der, welcher ohne Stuhl iſt, trägt an ſeiner
Stelle das Bündel. Wirft er aber aus Ueberei-
lung ſein Bündel neben den Stuhl, oder ſo dar-
auf, daſs es wieder herunter rollt: ſo bleibt er
Laſtträger und bekommt Strafe mit dem Plump-
ſacke.


Alle dieſe Spiele ſind für die Jugend bey al-
ler ihrer Einfachheit intereſſant genug. Sie ſind
unſchuldig, geben Bewegung und erfordern
Schnelligkeit und Aufmerkſamkeit. Das erſte
kann durch Pfänder belehrend und das lezte
durch den Plumpſack gegen zu groſse Empfind-
lichkeit einigermaſsen wirkſam werden. Die
Bewegung hängt hauptſächlich ab von lebhafter
Action der Spieler und vorzüglich von den Ent-
fernungen der Plätze.


S 2
[276]

56. Das Drittenabſchlagen.


Unſere Geſellſchaft muſs geradzählich, und we-
nigſtens 12 Perſonen ſtark ſeyn. Wir machen
eine davon zum Abſchläger, und geben ihr ein zu-
ſammen gedrehetes Tuch; wir Uebrigen aber
ſtellen uns paarweiſe in einen Kreiſs, Perſon hin-
ter Perſon dicht angeſchloſſen, die Geſichter
Kreiseinwärts; ein Paar von dem Andern 5 bis
8 Schritte entfernt. Da die Zahl der Perſonen
durch den Abgang des Abſchlägers ungleich ge-
worden iſt, ſo wird bey dem Paarweiſen Stellen
natürlich eine Perſon übrig ſeyn, die keinen Ne-
benmann hat, um ein Paar zu bilden. Dieſe ſtellt
ſich fürs erſte allein mitten in den Kreis, und der
Abſchläger iſt auſſer demſelben. Soll das Spiel
nun angehen, ſo ſtellt ſich jene einzelne Perſon
ſchnell vor das erſte beſte Paar, ſo daſs nun aus
dem Paare drey werden. So bald der Abſchlä-
ger dieſs ſieht, läuft er ſchnell hinzu, um der
hinterſten Perſon des Dryllings einen Schlag zu
geben; allein dieſe wartet nicht ſo lange, ver-
läſst ſchnell ihren Platz und läuft, wo ſie nur
kann, vor das erſte beſte Paar. Der Abſchläger
ſezt hinter her, um hier den Hinterſten dritten
abzuſchlagen; allein dieſer entwiſcht wieder,
flüchtet ſich vor ein anderes Paar und ſo fort.
Der Abſchläger verfolgt immer die hinterſte Per-
[277] ſon des Drillings; erreicht er ſie daſtehend, oder
im Laufen nach einem andern Paare und bringt
ihr einen Schlag bey, ſo wird ſie Abſchläger.


Dieſs Spiel iſt ſehr einfach, in wenigen Mi-
nuten gelernt, ganz unſchuldig, ſehr luſtig und
abwechſelnd. Es gewährt dabey die trefflichſte
Bewegung; man läuft nicht immer, aber faſt alle
Augenblicke etwas, und oft mit den ſchnellſten
Wendungen des Körpers. Es erfordert ziemlich
viel Aufmerkſamkeit, denn man iſt keinen Au-
genblick ſicher, daſs ſich nicht Jemand vor das
Paar anſtellt, von dem man der hinterſte Mann
iſt; oft iſt der Abſchläger noch dazu unmittelbar
im Rücken. Die Rolle dieſes Leztern iſt die be-
ſchwerlichſte wegen des ſteten Laufens, aber ſie
währt nie lange, es iſt ein ſtetes Wechſeln, weil
man leicht ertappt wird.


57. Die Glucke und der Geyer.


Eine Henne vertheidigt ihre Jungen gegen die
Anfälle des Geyers, dieſs iſt der Gedanke des
Spiels.


Die Geſellſchaft kann aus 10 bis 20 Perſonen
beſtehen. Einer davon, der flink genug iſt, über-
nimmt die Rolle des Geyers. Der ganze Ueber-
S 3
[278] reſt der Geſellſchaft ſteht in einer langen Reihe,
Mann hinter Mann, wie die wilden Gänſe im
Fluge, und einer faſst den andern hinten am Rok-
ke feſt. An der Spitze dieſer Reihe ſteht die
Henne, wozu eine ſtarke und ſchnelle Perſon ge-
nommen werden muſs. Der Geyer nähert ſich
mit Springen und Laufen bald links bald rechts
und ſucht durch ſehr ſchnelle Wendungen den
Jungen der Henne in die Flanken zu fallen;
dieſe aber, mit ihrer ganzen Reihe in ſteter Be-
wegung, ſpringt ihm immer in den Weg, um
ihm den Paſs zu verhauen, ſtoſst ihn zurück
und hält ihn ab, wie ſie nur immer kann. Die
Jungen machen hinten unaufhörlich Schwenkun-
gen bald links bald rechts, um dem Geyer aus
dem Wege zu kommen, ſie dürfen ihn daher nie
aus dem Geſichte laſſen. Glückt es dem Geyer
in die Flanke zu kommen und ein Junges feſt zu
halten: ſo gehört es ihm mit allen den andern,
die in der Reihe noch hinter demſelben ſtehen.
Dieſe ſo Gefangenen müſſen ſogleich ablaſſen
und bey Seite treten. Der Geyer fährt auf eben
die Art fort, bis die Henne aller Jungen beraubt
iſt.


Dieſes Spiel verdient auf der einen Seite al-
le Empfehlung, und gewährt den jungen Leuten
ungemein viel Vergnügen, das ſich faſt durch ein
ununterbrochenes Gelächter äuſert; es giebt ei-
[279] ne ſehr ſtarke Bewegung und macht ſchnellfüſsig
und flink; aber auf der andern muſs es doch auch
mit Vorſicht geſpielt werden. Meine Bemer-
kungen ſind folgende:


Der Platz dazu darf durchaus kein anderer,
als völlig ebener und weicher Raſen ſeyn. Die
Mitſpielenden, welche die Kette hinter der Hen-
ne ausmachen, dürfen in Rückſicht auf Gröſse
und Stärke nicht gar zu ungleich ſeyn; achtjäh-
rige ſchwächliche Knaben unter 12, 14 jährige
zu ſtellen, iſt miſslich. Jene werden bey den
ſteten Schwenkungen der Reihe zu heftig fort-
geſchleudert, indem ſie den Kräften der leztern
nicht genug wiederſtehen können.


Geſchiehet das Anfaſſen bey den Kleidern, ſo
leiden dieſe leicht Gefahr, zerriſſen zu werden;
bey den Händen, ſo geſchehen leicht zu gewalt-
ſame Verdrehungen ſelbſt Verrenkungen der Ar-
me; läſst man jeden ein Tuch um den Leib bin-
den und daran faſſen, ſo werden die Eingewei-
de zu heftig dadurch gedrückt. — Alles dieſs
kann nur vermieden werden, wenn die Perſo-
nen, welche ſich anfaſſen nicht heftig ziehen,
ſondern ſich nur mäſsig anhalten. Man laſſe aber
durchaus nie Hand in Hand faſſen.


S 4
[280]

C. Spiele der Phantaſie und des Witzes.


Die Phantaſie bringt die ehemals gehabten ſinn-
lichen Vorſtellungen wieder zurück und ſtellt
ſie entweder einzeln dar, oder verbindet ſie
mit ſchöpferiſcher Kraft bald regelmäſsig,
bald unregelmäſsig nach ungebundener Will-
kühr. So wird ſie gleichſam der Hofmahler
der Seele. Der Witz ſteht gewöhnlich neben
ihr, miſcht die Farben und beſorgt vorzüglich
das Colorit. Alle Spiele dieſer Ordnung ſez-
zen beyde in Action, bald jene, bald dieſen
mehr. Wir wollen das geringſte dieſer Spiele,
das Handwerksſpiel nehmen. Die Phantaſie muſs
dabey augenſcheinlich ganze Reihen von Bil-
dern zurückrufen, wodurch körperliche Actio-
nen aller Art dargeſtellt werden, und ſie in eine
gewiſſe Verbindung ſtellen. Allein es fehlen al-
le Inſtrumente und Umſtände, die zur wirkli-
chen Darſtellung jener Actionen gehören. Sie
nimmt daher den Witz zu Hülfe, ſucht ähnli-
che Actionen, ſtellt ſie in gehörige Verbindung
und bildet ſo pantomimiſche Darſtellungen. Un-
ter den Bewegungsſpielen gehört nur dieſs ein-
zige hieher.


[281]

58. Das Handwerksſpiel.


Für Knaben zur Abwechſelung ein ganz ange-
nehmes und luſtiges Spiel. Von den beyden
Partheyen der Geſellſchaft bleibt die Eine auf
dem Platze, die Andre geht ſeitwärts, um unge-
ſehn das zu verabreden, was man vorſtellen will.
Dieſs iſt allemal ein Handwerk oder irgend eine
Beſchäfftigung im bürgerlichen Leben, die ſich
durch ſtumme Handlung des Körpers nachma-
chen läſst. Es iſt daher gut, wenn auf jeder
Parthey eine Perſon iſt, welche die Aufſicht über
die Vorſtellung übernimmt. Iſt der Plan verab-
redet, ſo gehn die kleinen Schauſpieler wieder
zu den Andern, ſtellen ſich vor ſie und beginnen
die Darſtellung einer ſolchen Beſchäfftigung, z.
E. da kömmt der Meiſter zu einem vornehmen
Herrn, macht tiefe Bücklinge, nimmt ihm das
Maaſs, kommt zu Haus, ſchneidet das Zeug zum
Kleide zu und vertheilt es unter die umherſiz-
zenden Geſellen. Dieſe nähen, und ehe man
ſichs verſieht, iſts Kleid fertig. Der Meiſter zieht
ſich an, trägts fort, ſchneidet wieder Bücklinge,
erhält Bezahlung und geht fort. Dieſe Darſtel-
lung iſt ſehr kenntlich, aber es giebt ſehr viele,
die weit ſchwerer zu errathen ſind, z. Beyſ. die
Wachsbleiche, Spiegelfabrik, und dergleichen.
Man wechſelt mit beyderley ab.


S 5
[282]

Jeder iſt bey dieſem Spiele mit einem Plump-
ſacke verſehn. Die Spieler ſtellen ihre Arbeit
nur einmal vor und nun fragen ſie die andre Par-
they: was wars? — Dieſe kann zweymal rathen;
erräth ſie es, ſo werden die Acteurs mit den
Plumpſäcken fort getrieben, und müſſen eine
neue Vorſtellung geben, erräth ſie es aber nicht,
ſo wird ſie ſelbſt von den Spielenden aus dem
Hauſe geſchlagen: jene nehmen ihren Platz ein
und ſie ſelbſt iſt nun an der Reihe etwas darzu-
ſtellen.


Baſedow hat dieſs Spiel belehrend gemacht,
indem er es ſo einrichtete, daſs den Kleinen da-
durch technologiſche Kenntniſſe mitgetheilt wer-
den; hier wo die Rede bloſs von Spielen, nicht
von ſpielendem Unterrichte iſt, konnte ich da-
von keinen Gebrauch machen, da überdem Mo-
delle und Inſtrumente dazu nöthig ſeyn würden.


[283]

D. Reine Körperſpiele.


Alle bisherigen Bewegungsſpiele waren Actio-
nen des Körpers, verbunden mit der Wirkſam-
keit geiſtiger Kräfte. Reine Körperſpiele wür-
den bloſs aus Actionen des Körpers beſtehen,
und ſo die niedrigſte Stufe der Spiele ausmachen.
Wenn aber der Körper ohne Theilnahme des
Geiſtes gar nicht thätig ſeyn kann: ſo giebt es
ſtreng genommen, gar keine reine Körperſpiele,
weil es der Begriff des Spiels verbietet, Paſſive
Bewegungen dafür anzunehmen. Will man indeſs
bey einer Sache, die von keinem groſsen Belang
iſt, weniger genau ſeyn: ſo kann man hierher
ſolche Spiele ziehen, die viel körperliche Action
und äuſerſt wenig geiſtige Kraftverwendung er-
fordern. Hier iſt eines der Art, eine kleine lu-
ſtige Poſſe, die für den günſtigen Augenblick
Intereſſe haben kann. Die Geſellſchaft ſteht
Mann neben Mann im Kreiſe. A wendet ſich
ſeitwärts zu ſeinem Nachbar B mit den Worten:
guten Tag Herr Nachbar, und hüpft dabey unun-
terbrochen mit beyden Füſsen ſchnell wieder-
holt auf und nieder. B thut daſſelbe von jezt
an immer fort und erwidert: ſchönen Dank Herr
Nachbar!
A Wie gehts denn Herr Nachbar? B Wie
[284] Sie ſehn, aber ich habe keine Zeit!
Hiermit wen-
det ſich B zu C und bringt jene Worte und das
Hüpfen auf ihn, ſo wie A ſich nun zu ſeinem
Nachbar Z linker Hand wendet, und es durch
dieſen auch von der andern Seite in den Kreis
bringt. Wer einmal im Hüpfen iſt, darf nicht
wieder aufhören, bis das Spiel herum iſt. Bis jezt
kenne ich weiter kein Spiel von der Art.


[[285]]

Zweyte Claſſe.
Sitzende oder Ruheſpiele
.


[[286]]
ARIST: Eth.

Αναπαυσ [...] γαρ εο[Ϟ]κεν ῾η παιδια, αδυνατȣντες δε συνεχως πονε [...]
α απαυσεως δεοντα [...] ȣ δη τελος ηαναπαυσις, γινεται γαζ ενε
κα της ενεργϵ [...]ας.
das iſt
Das Spiel iſt der Ruhe ähnlich, wer nicht ununterbrochen arbeiten
kann, bedarf ihrer: Ruh iſt daher nicht Zweck, fondern Mittel wirkſam
zu ſeyn


[287]

A. Spiele des Beobachtungsgeiſtes und des
ſinnlichen Beurtheilungsvermögens.


Da die meiſten dieſer Spiele Geſellſchaftliche
ſind, bey denen entweder kein Materiale des
Spiels ſtatt findet, oder wenigſtens nicht in Be-
trachtung kommt: ſo wird hierdurch die Be-
ſchäfftigung der genannten Geiſteskräfte auf an-
dre Gegenſtände geleitet. Hier iſt daher kein Ab-
meſſen und Beurtheilen der Gröſsen, Bewegun-
gen und Verhältniſſe etc. der Spielkörper; aber
da die Perſonen gleichſam das Spielmaterial ſelbſt
ausmachen: ſo richtet ſich hier unſer Beobach-
tungsgeiſt bloſs auf Perſonen und Handlungen,
auf Veränderungen in den Geſichtszügen, und
Bewegungen. Nur die beyden letzten Spiele
dieſer Ordnung machen hievon eine Ausnahme.


[288]

a) Geſellſchafftsſpiele.


59. Wer wars?
oder
die warme Hand.

Der Aufſeher ſitzt auf einem Stuhle, ſeine jun-
gen Geſellſchafter ſtehn um ihn her. Man loſt
und die dadurch gefundene Perſon neigt ſich mit
dem Geſichte nieder auf den Schoſs und in die
Hände des Sitzenden, ſo daſs ihre Augen da-
durch verſchloſſen ſind. Die kleine Blindekuh
legt eine von ihren Händen gutwillig auf den
Rücken und giebt dadurch jedem Umſtehenden
das Recht, einen Schlag darauf zu geben. Ge-
wöhnlich ſchlägt man mit der bloſsen Hand.
Im Moment des Niederſchlagens die ſchlagende
Hand durchs Gefühl zu beobachten und ſich gleich
aufzurichten, iſt bey der blinden Kuh eins. Oft
bemerkt ſie dann noch die Bewegung deſſen,
der ihr den Schlag gab; iſt dieſs nicht der Fall,
ſo geht ſie ſchnell umher und beobachtet die Ge-
ſichter, um daraus auf den Thäter zu ſchlieſsen.
— Man ſieht leicht ein, daſs dergleichen Ue-
bungen für junge Leute nützlich ſind; man kann
nicht früh genug anfangen, Geſichtsveränderun-
gen bemerken zu lernen. — Endlich giebt ſie
einen als Thäter an. Trifft ſie ihn wirklich, ſo
muſs dieſer an ihre Stelle, im Gegentheil muſs
[289] ſie vom neuen die Hand herhalten und nach dem
Schlage wieder Einen als Thäter angeben. So
geht das luſtige Spiel fort, bis ſie ihn wirklich
trifft und dadurch frey wird. Gut beobachten-
de Knaben lernen bald aus dem Eindrucke der
Hand und der Veränderung im Geſichte mit Ge-
wiſsheit ſchlieſsen. Das Spiel hat, auſſer dem
ſchon angegebenen, auch für die Umſtehenden
den Nutzen, feſte Farbe halten, ich meine ihre
Geſichtszüge beherrſchen zu lernen, und der Er-
zieher kann hier gewiſs mehr nützliche Beobach-
tungen über dieſen und jenen Charakter ſam-
meln, als in den meiſten ernſthaften Lehrſtun-
den. Für ſehr empfindliche Knaben, die weder
Schmerz noch Gelächter ertragen mögen, iſt
dieſs Spiel heilſam. Man ſchlägt dabey auch
wohl auf den H —, dieſs iſt einmal nicht wohl
ſchicklich, und überdem verliert das Spiel da-
durch von ſeinem Gehalte; denn bekanntlich
ſitzt der Sinn des Gefühls nicht dort, ſondern in
der Hand; wird alſo dieſe nicht gebraucht: ſo
fällt die Beurtheilung durchs Gefühl weg. — Es
darf nur ein Schlag auf einmal geſchehen, und
nach jedem einzelnen Schlage hat die Blindekuh
das Recht, den Thäter anzugeben; geſchehen
aber zufällig zwey Schläge, ſo kann ſie auch
zwey Perſonen als Thäter angeben und ſie wird
frey, wenn ſie auch nur Einen davon trifft. Daſ-
T
[290] ſelbe iſt auch der Fall, wenn ſie die ſchlagende
Hand ergreift und feſthält.


In Frankreich heiſst das Spiel La main chaude
in England Hot-Cockles. Bey den Griechen war
der Κολλαβισμος daſſelbe; denn das Κολλαβιζϵ [...] be-
ſtand darin, daſs der Geblendete den errieth,
welcher ihm einen Schlag gegeben hatte, oder
vielleicht auch, daſs er angab, mit welcher Hand
es geſchehen ſey. Hier heiſst es, Wer wars?
weil dieſs die Hauptfrage dabey iſt.


60. Der Gerichtshof,
oder
das Amtmannsſpiel.

Obgleich dieſs Spiel in manchen Gegenden be-
kannt genug iſt, ſo gebe ich ihm doch vor man-
chen nagelneuen Spiele den Vorzug, bey wel-
chem es weder mit Ernſte noch Spaſse recht fort
will. Es ſind wenigſtens ſechs Perſonen dazu
nöthig, können aber auch mehrere daran Theil
nehmen. Man nimmt aus einem Spiele ſo viel
Karten, als Perſonen da ſind. Der Daus bedeu-
tet den Amtmann, der Ober den Kläger, der Un-
ter den Gerichtsdiener oder Büttel, die Sieben den
Dieb. Alle Uebrigen, nämlich die Zehn, Neun,
Acht ſind Bauern. Iſt die Geſellſchaft noch ſtär-
[291] ker an Perſonen, ſo kann man noch andre Far-
ben der Karten zu Hülfe nehmen, und ſie Bau-
ern
ſeyn laſſen, auch eine davon zum König, eine
andre zum Edelmann ſtempeln. Man miſcht und
vertheilt ſie ſo, daſs Jeder eine bekommt, und
von jetzt an iſt jede Perſon das, was ihre Karte
vorſtellt; Amtmann, Kläger, Gerichtsdiener, Bauer,
König, Edelmann
oder Dieb. Der neue Amtmann
giebt ſich ein gravitätiſches Anſehn, und macht
ſich durch Auflegung ſeiner Karte in dieſer Wür-
de bekannt. Ihm folgt der Gerichtsdiener mit
ähnlichem Air, und bewaffnet ſich mit einem zu-
ſammen gedreheten Taſchentuche. Ihm ſchleicht
endlich der Ankläger ängſtlich nach, weil er wohl
weiſs, daſs er auf ein heiſses Pflaſter gerathen
wird, und legt ſeine Karte ebenfalls auf. Alle
übrigen Perſonen halten ſich in ihren Würden
geheim. Jetzt kommt der Ankläger ins Amt, um
die Rolle einer Perſon zu ſpielen, der etwas ge-
ſtohlen iſt: Herr Amtmann ich klage! mir iſt
das und das geſtohlen. — Wiſſt ihr den Dieb?
— Ach nein! erwiedert er: aber geben ſie mir
ihren Gerichtsdiener mit, ich will ihn ſuchen.
Der Amtmann warnt ihn, nicht auf unſchuldige
Perſonen zu treffen, weil es ihm ſonſt theuer zu
ſtehn kommen würde und dergl. Endlich mar-
ſchiren Gerichtsdiener und Kläger ab. Dieſer
durchſpäht die Geſichter der übrigen Mitſpieler
T 2
[292] mit gröſtem Eifer, um eine verrätheriſche Spur
zu finden. Man muſs geſtehn, daſs hierzu
Beobachtungsgeiſt gehört, ſo wie beym vori-
gen Spiele.


Nach bedächtigem Erwägen läſst er endlich den
Büttel anklopfen. Holla! ruft dieſer: indem er mit
dem Plumpſacke vor dem Platze der verdächti-
gen Perſon auf den Tiſch klopft; hier ſolls nicht
gar richtig ſeyn. Was giebts? erwidert der Auf-
geforderte. Der Büttel giebt ihm nun zu ver-
ſtehn, wie ihm ſein Begleiter des Diebſtahls ver-
dächtig hielte u. ſ. w. Es kommt zum kurzen
luſtigen Wortwechſel, bis er die Karte aufleget
und dadurch den Beweis der Schuld oder Un-
ſchuld giebt. Hat er die Sieben und iſt alſo der
Dieb, ſo muſs er ſich ergeben und wird zum Amt-
mann geführt, der ihm nach Urtheil und Spruch
einige Schläge mit dem Plumpſacke von dem Büt-
tel in die Hand geben läſst; iſt er aber unſchul-
dig als Bauer, König oder Edelmann, ſo ent-
ſteht ein fingirtes luſtiges Gezänke, die unſchul-
dige Perſon eilt mit Beyden zum Amtmanne,
zeigt dieſem ihre Karte z. Ex. die Zehn vor, ſagt,
daſs ſie um 10 Uhr zu Hauſe geweſen wäre und
alſo nicht geſtohlen haben könne, und der An-
kläger erhält auf Befehl des Amtmanns zehn
Streiche in die Hand. Iſt gar der König des
Diebſtahls angeklagt, ſo wird die Strafe noch
[293] ſtärker dictirt. Hierauf muſs der Ankläger wie-
der fort und den Dieb ſuchen. So oft er auf ei-
nen Unſchuldigen ſtöſst, erhält er ſeine Strafe,
bis endlich der Dieb gefunden und abgeſtraft
wird. Hier endigt ſich dann der Spielgang, man
miſcht vom neuen. — Man verachte doch dieſs
Spiel nicht, weil es gemein iſt. Es gewährt den
jungen Leuten ungewöhnlich viel Vergnügen
und iſt dabey unſchuldig. Dieſs iſt zur Empfeh-
lung eines Spiels ſchon genug; überdem aber iſt
auch hier der Plumpſack für zu zärtliche junge
Leute ein ganz nüzliches Inſtrument. — Man hat
bey dieſem Spiele noch manche Geſetze, wo-
durch die Aufmerkſamkeit rege erhalten, Ver-
geſslichkeit beſtraft und die Luſtigkeit befördert
wird. Z. Beyſ. der Büttel muſs vor der Straf-
exekution allemal erſt mit dem Plumpſacke auf
den Tiſch klopfen [und] zum Beſchluſſe dieſs wie-
derholen. Vergiſst er es, ſo bekommt er von
dem Beſtraften alle Schläge zurück. Doch iſt
dieſer an ebendaſſelbe Geſetz gebunden. Daſ-
ſelbe findet auch Statt, wenn der alte Büttel dem
neu angekommenen den Plumpſack übergiebt.


Vexirſpiele.


Necken heiſst Jemand zum Zorn reizen, um ſich
über die Ausbrüche deſſelben zu beluſtigen.
Jeder Affect iſt im gewiſsen Grade des Ausbruchs
T 3
[294] lächerlich; wer lacht nicht, wenn der Reuter
ſein Pferd nicht bändigen kann, ſo lange ihm kein
Unglück drohet? Weil nun alle Welt lieber
lacht als weint, ſo iſt das Necken etwas ſehr ge-
wöhnliches; aber immer bleibt es unmoraliſch und
nur in einzelnen pädagogiſchen mit vieler Behut-
ſamkeit verbundenen Abſichten erlaubt. Vexi-
ren
heiſst nicht necken, ſoll wenigſtens hier nicht
ſo viel heiſsen. Freylich wird die Moral immer
noch durch die Finger ſehen müſſen, wenn wir
uns auf eine leichte freundſchaftliche Art über
irgend eine Unbehülflichkeit des andern luſtig
machen. Allein, es kommt hier doch ſehr viel
auf die gegenſeitigen Verhältniſſe der Perſonen,
auf Ort Zeit und Abſichten an; und ſo giebt es
eine Art des Vexirens, die ſelbſt der ſtrengſte
Moraliſt nicht verwerfen kann. Von dieſem iſt
hier die Rede. Vexirſpiele dieſer Art, und ſoll-
ten ſie auch zuweilen etwas derb ausfallen, ſind
gewiſs nicht zu verwerfen, als Vorbereitungen
zu den gröſsern Vexirſpielen, die im menſchli-
chen Leben alltäglich ſind. Auch bitte ich, ſich
hier an das zu erinnern, was ich oben Seite 23.
Nro. 5, von der Behandlung zu groſser Empfind-
lichkeit
[geſagt] habe.


[295]
61. Das Suchen der Pfeife.

Die Hauptperſon, welche die Pfeife ſucht, muſs
das Spiel noch nicht kennen. Die Geſellſchaft
ſetzt ſich im Kreiſe umher dicht zuſammen; auch
muſs der Kreiſs nur enge ſeyn, damit jeder den
Sucher mit Bequemlichkeit erreichen kann.
Indeſs dieſem zum Scheine von irgend einem das
Spiel erklärt wird, heftet ihm ein anderer heim-
lich die Pfeife mit einer Nadel an das Hinter-
theil des Kleides. Iſt dieſs geſchehen, ſo nimmt
einer die Pfeife und pfeiſt. Der Sucher wendet
ſich ſchnell um, um ſie zu erhaſchen, indem er
aber die Hände der Perſonen durchſucht, pfeift
ſchon wieder einer. So kömmt er in ein beſtändi-
ges Herumwenden und Suchen; denn es ſcheint
ihm, als wenn die Pfeife immer im Kreiſe he-
rumgehe, weil jeder thut als verlange er ſie und
reiche ſie weiter. Wenn diejenigen, welche im
Rücken pfeifen recht behutſam ſind, ſo wird dem
Suchenden die Entdeckung ſchwer. Er wird
lange hin und her vexirt und ein lautes Geläch-
ter endigt mit der Erklärung das Spiel. Man
ſieht leicht ein, in wie fern zu dieſem Spiele auch
Beobachtungsgeiſt nöthig iſt.


[296]
62. Die Kelle.

Auch bey dieſem Vexirſpiel iſt eine Perſon, die
ſeiner noch nicht kundig iſt. Dieſe, Namens A,
kniet mit B einem andern von der Geſellſchaft
der das Spiel kennt, mitten ins Zimmer und
beyde werden in ein Laken gehüllt, welches ſie
vor dem Leibe mit den Händen zuſammen faſ-
ſen, ſo daſs ſie einander nicht ſehen können, ob
ſie gleich ganz nah an einander ſind. Die Ue-
brigen, welche um jene beyden hertanzen, ha-
ben eine hölzerne Kelle, welche anfänglich aus
Hand in Hand gehet und mit der ſie den Knie-
enden einige Schläge verſetzen. Indeſs macht
B ſeine Hände und Arme frey, man übergiebt
ihm heimlich die Kelle und dieſer ertheilt dem
A nun bald links bald rechts einen Hieb, indem
er hinter dem Rücken die Kelle bald in dieſe bald
in jene Hand faſst. A muſs nun errathen, die
Geſellſchaft tanzt lachend umher und fragt: wer
wars? und B der Schläger ſchreit mitunter ſein
Auweh, als wenn auch er derbe Püffe bekäme.
Hat A lange genug vergebens auf die Herum-
tanzenden gerathen, ſo deckt man endlich das
Tuch auf und entdeckt unter Gelächter den ſpaſs-
haften Betrug, wenn ihm ſein Beobachtungsgeiſt
nicht ſelbſt aus der Schlinge half.


[297]

Oder auch:


Zwey Perſonen X und Y, die das Spiel ken-
nen
und mit denen man ſich verabredet hat, ſet-
zen ſich auf zwey Stühle mit den Lehnen gegen
einander unter das Laken. A welcher dagegen
das Spiel nicht kennt und gegen welchen es ei-
gentlich angelegt iſt, tanzt mit im Kreiſe herum.
Eine beſtimmte, dem X und Y bekannte Perſon
B führt anfangs die Kelle und verſetzt bald die-
ſem bald jenem einen Schlag. Sie rathen mit
Fleiſs auf andre Mitſpieler. Jetzt aber giebt B
dem A die Kelle und er fängt damit an Püffe
auszutheilen. Um nun den beyden Blinden an-
zudeuten, daſs jetzt A ſchlage, legt man in die
Frage: Wer wars? eine kleine verabredete Ab-
änderung und fragt nun: Aber wer wars? —
Hiedurch wird A bald errathen und muſs des X
Stell auf dem Stuhle einnehmen. Dahin wollte
man ihn juſt haben. Sein Nebenmann Y, wen-
det ſich indeſs unvermerkt auf ſeinem Stuhle
herum, man gibt ihm die Kelle und er ertheilt
dem A einen Schlag nach dem andern u. ſ. w. wie
oben. Das Perſiſche Ser der Kilim iſt nach Hyde,
de ludis oriental
. Lib. II pag. 265 daſſelbige Spiel.


T 5
[298]
63. Wer das nicht kann, der kann nicht viel.

Dieſe kleine Poſſe iſt eigentlich kein förmliches
Spiel, doch fähig, einige Augenblicke zu unter-
halten. A nimmt irgend ein Meſſer, einen Schlüſ-
ſel oder ſo etwas in die Rechte, klopft damit,
indem er die Worte ſpricht: Trallirum larum Löf-
felſtiel, wer das nicht kann der kann nicht viel
, takt-
mäſsig und gleichſam die Sylben abzählend auf
den Tiſch und giebt es dann mit der linken ſei-
nem Nachbar B an der linken Seite. So geht
das Ding die Reihe herum. Jeder, wer das ei-
gentliche Que nicht weiſs, glaubt es ſo gleich nach-
machen zu können, zählt eben ſo taktmäſsig die
Sylben her und wird am Ende ausgelacht. Man
machts ihm nochmals vor, er wiederholts und
wird wieder verlacht; er verſuchts auf alle Art
ohne Erfolg. In dieſer Form iſt die Sache ein
wirkliches Vexirſpiel; ich habe oft geſehen, daſs
Perſonen empfindlich darüber geworden ſind,
weil das Gelächter immer zunimmt, je öfter man
den Verſuch wiederholt. Wer gar nichts von
dem Spiele weiſs, den führt ſein Beobachtungs-
geiſt nur ſehr ſchwer darauf, daſs das Meſſer mit
der linken Hand dem Nachbar übergeben werden
müſſe. Noch hat der Gedanke dieſes Spiels das
Gute, daſs er ſich auf tauſenderley Art abändern
läſst. Sitzt ein Kreis junger Leute zuſammen,
[299] ſo kann jeder der Reihe nach ſo ein Que erfin-
den und die andern verſuchen, ob ſie es wohl
bemerken: Hierdurch würde die Sache zur wirk-
lichen Uebung des jungen Beobachtungsgeiſtes.


64. Das Augenräthſel.

Bey dieſem Spiele muſs eine gewiſſe kleine Ver-
richtung, die man verheimlichet, ob ſie gleich in
der Gegenwart Aller geſchiehet, durchs Auge
errathen werden, daher der Name. Die im Kreiſe
befindliche Geſellſchaft wählt einen zum Caſſirer
und errichtet unter gleicher Theilnahme eine
gemeinſchaftliche Caſſe. Aus dieſer nimmt
der Caſſirer eine beſtimmte Zahl Marken, wi-
ckelt ſie in Papier, geht im Kreiſe von einer Per-
ſon zur andern, und thut, als wenn er ſie einer
jeden in die zuſammengeſchloſſenen Hände gä-
be. Einer Perſon überläſst er denn auch wirk-
lich die Marken. Jeder Theilnehmer beobach-
tet die Bewegungen der Hände und die Verän-
derungen der Geſichter, um daraus die Ueber-
gabe der Marken zu ſchlieſsen, und hierin liegt
die Nützlichkeit des Spieles. Iſt der Caſſirer fer-
tig, ſo kömmt er zu Jedem mit der Frage: Wer
hat die Marken? Die Antwort mag treffend
oder fehlend ſeyn, ſo geht er erſt alle Perſonen
[300] mit der Frage durch, auch die nicht ausgeſchloſ-
ſen, welche die Marken hat, um das Spiel deſto
mehr zu verdecken. Iſt er endlich fertig, ſo nennt
er den Innhaber der Marken, und dieſer zeigt
ſie vor. Jeder Treffes erhält dann aus der Caſſe
eben ſo viel, als im Gegentheile jeder Fehler
hinein zahlt. — Haſardſpiel iſt hier nicht;
denn der Zufall hat dabey nichts zu ſchaffen;
man gewinnt, aber es iſt wirklicher Erwerb durch
angewandte Mühe. Man geht, ſo ſcheint es mir,
zu weit, wenn man bey der Jugend allen Gewinnſt
bey den Spielen entfernen will, folglich auch
den, welchen ſie nur durch Anſtrengung erwirbt
u. ſ. w. Will man demungeachtet um nichts
ſpielen, ſo laſſe man die Kaſſe weg, und jeder
Fehler bezahle ein Pfand. Wer die Marken hat-
te, wird beym nächſten Gange Caſſirer. Aehn-
lich iſt folgendes:


65. Der Ringſucher.

Die Geſellſchaft ſitzt im Kreiſe und jeder hält
mit beyden Händen ein Band feſt, das durch
einen Ring gezogen und mit beyden Enden zu-
ſammengeknüpft iſt. Indem man nun den Ring
in einem fort von Nachbar zu Nachbar ſchiebt
[301] und allenfalls dabey nach der Melodie: Jung
fröblich und
etc. ſingt:


Fort Ringelchen gleite behende wiſch wiſch!

Entſchlüpfe den Augen des Suchenden friſch;

Kommt dann dieſer Herr vor die unrechte

Thür:

So grüſst ihn liebkoſend mein Plumpſack-

chen hier.

Oder indem man durch ähnliche Action ihn zu
ſchieben und zu verbergen vorgiebt: ſteht der
Sucher im Kreiſe, durchſpürt Hände und Geſich-
ter, um dem Ringe auf die Spur zu kommen. Glaubt
er dieſe zu haben, ſo fährt er zu und hält die
Hände feſt, in denen er ſie vermuthet. Hat er
ihn wirklich erwiſcht, ſo giebt die Perſon, bey
welcher er gefunden iſt, ein Pfand und muſs das
Amt des Suchers übernehmen; im Gegentheile
aber giebt ſie ihm einen Schlag mit ihrem Plump-
ſacke, den jeder Sitzende dazu bereit hat, und
der Sucher bleibt Sucher. Auf dieſe Art ent-
ſtehn allerley lächerliche Auftritte und das Spiel
iſt nicht bloſs übend für den Sucher, ſondern
auch beluſtigend für die Andern.


[302]
66. Die Freunde,
oder
der Wahrheitsſpiegel.

Es iſt eine bekannte Wahrheit, daſs der unſer
Freund ſey, welcher uns unſre Fehler aufdeckt;
leider iſt ſie aber nie recht Mode geweſen. Viel-
leicht iſt die Jugend dafür empfänglicher; we-
nigſtens meine ich es recht gut, indem ich ihr
folgendes Spiel mittheile, das zwar ſchon ziem-
lich bekannt iſt, aber hier etwas umgearbeitet
erſcheint. Man theilt jedem von der Geſell-
ſchaft ein Octavblatt Papier mit, worauf er oben
ſeinen Namen als Ueberſchrift ſezt, dann rollt
jeder dieſs Blatt zuſammen und wirft es, wie
beym Loſen, in ein Behältniſs. Iſt dieſs geſche-
hen, ſo zieht nun jeder ein Blatt heraus und
ſchreibt unter den Namen etwas über die Per-
ſon, die er gezogen hat, nieder. Dieſs et-
was iſt Tadel, entweder den körperlichen An-
ſtand im weitſten Sinne, oder das Verhalten der
Perſon betreffend, wie man das nun vorher aus
gemacht hat. — Gebrechen des Körpers oder des
Geiſtes können als unwillkührliche Gegenſtän-
de, wie ſichs von ſelbſt verſteht, dem Tadel nie
mit unterworfen werden. — Hat jeder ſeinen
kurzen Satz plan oder witzig, proſaiſch oder
poëtiſch, doch immer mit Humanität und An-
[303] ſtande im Ausdrucke niedergeſchrieben: ſo wer-
fen alle die zuſammen gerollten Blätter wieder
hinein, vermiſchen ſie, ziehn ſie vom neuen, und
ſchreiben ferner unter. Dieſs wird ſo lange wie-
derholt, bis die Seiten voll geſchrieben ſind.
Zieht Jemand ſeinen eigenen Nahmen heraus, ſo
muſs er mit einem Andern das Blatt vertauſchen.
Will man dieſs aber vermeiden, ſo kann man
die Ziehung ganz weglaſſen und die Einrichtung
ſo treffen, daſs Jeder das ledige Blatt, nachdem
er ſeinen Nahmen darauf geſchrieben hat, dem
Nachbar rechter Hand giebt, und daſs alle Blät-
ter von Allen nach und nach rechts herum, von
Perſon zu Perſon, bis an ihren Eigenthümer zu-
rückgehen. Die Ziehung hat jedoch andre Vor-
züge. Iſt man endlich mit dem Niederſchreiben
der Bemerkungen fertig, ſo wählt man einen
zum Vorleſer. Dieſer nimmt die Blätter, ſezt ſich
abgeſondert, ſo daſs Niemand einſehen kann,
zieht eines nach dem andern aus dem Gefäſse,
nennt den Namen und lieſt die darunter geſchrie-
benen Bemerkungen einzeln vor. Bey jeder
hat die genannte Perſon das Recht, den ihr un-
bekannten Kritiker zu errathen. Sie durchſpä-
het zu dem Ende die Geſichter und ſucht ihm
hieraus auf die Spur zu kommen. Hierin liegt
das Beobachtende des Spiels, und nicht ſowohl in
den Bemerkungen, welche man niederſchreibt
[304] und die auf Beobachtung gegründet ſind. Er-
räth ſie den Kritiker, ſo muſs er ein Pfand geben.
Im Gegentheile aber wiſcht er ungeſtraft durch.
Jedes Pfand aber wird am Ende dadurch einge-
löſt, daſs der Herr deſſelben einen ſeiner Feh-
ler frey bekennen muſs. Hat man nach
der obigen Angabe ohne Ziehung bloſs unter
Cirkulation der Blätter die Bemerkungen ge-
ſchrieben: ſo darf ſie der Vorleſer nicht nach der
Reihe vorleſen, weil man ſonſt ihren Verfaſſer
leicht abzählen könnte. Der übrige Nutzen des
Spiels, beſonders in moraliſcher Hinſicht, iſt für
den Erzieher deutlich genug; aber es verlangt
gute Aufſicht und gute Stimmung der Theilneh-
mer.


67. Das Federſpiel.

Dieſe kleine Spielerey kann für den Augenblick
intereſſant ſeyn, ſo wie ſie bey aller ihrer Klein-
heit nicht ohne Anſpruch auf Beobachtungsgeiſt
und Beurtheilung iſt, wenn kleine Knaben oder
Mädchen damit tändeln. Man kann das Mate-
riale von Elfenbein gemacht zwar kaufen; beſſer
iſts, Fritzchen macht ſichs ſelbſt. Er ſchneidet
aus einem Schachteldeckel 60 oder 100 kleine
Hölzchen, dick wie eine ſtarke Stricknadel, lang
[305] 4 Zoll und bittet Fränzchen zur Theilnahme,
weils ruhig im Zimmer zugehn ſoll. Er faſst alle
Hölzer zuſammen und läſst ſie eine gute Spanne
hoch aus der Hand herab, mit den Enden unten,
auf den Tiſch fallen, dann liegt alles in einem
verworrnen Haufen über einander. Jezt kommt
es darauf an, ein Hölzchen nach dem andern
von dem Haufen herabzunehmen oder zu ſchnel-
len, doch ſo, daſs kein andres benachbartes da-
durch im mindeſten bewegt oder berührt wird.
Hierzu hat jeder ein ähnliches, kleines, doch
am Ende etwas krumm und hakenförmig gebo-
genes Holz zwiſchen den Fingern. Er betrach-
tet den Haufen genau, ſucht ſich das am freye-
ſten liegende Hölzchen, faſst es mit dem Haken
und ſchnellt es behende von dem Haufen hin-
weg. Dann macht er ſich über ein zweytes her,
hebt es heraus u. ſ. w. ein Stück nach dem andern,
ſo lange fort, bis ein benachbartes berührt oder
durch das Wegſchnellen in Bewegung geſezt
wird; dann kommt Fränzchen ans Spiel und
macht es eben ſo. Wer am Ende die meiſten
Hölzchen herab gebracht hat, iſt Gewinner.


U
[306]

b) Einſame oder Soloſpiele.


Der Menſch iſt zur Geſellſchaft geſchaffen, da-
her ſtehn einſame Spiele immer im Widerſpruch
mit ihm, ſind nie ſo angenehm als die andern;
und wenn ſie auch einen ſtarken Grad des Ver-
gnügens gewähren: ſo werden ſie juſt hierdurch
den Spieler in die Geſellſchaft zurück treiben,
denn der Menſch kann ſchlechterdings nicht
mehr allein ſeyn, wenn er ſehr vergnügt iſt. Für
das Drückende der Einſamkeit im ſtrengen Sin-
ne, möchte daher wohl kein Spiel taugen, wenn
es nicht mit einem Grade von Geiſtesanſtren-
gung verbunden iſt, der uns unſere ganze Lage
vergeſſen macht. Allein von ſolcher Einſamkeit
kann hier die Rede auch nicht ſeyn; es iſt aber
oft der Fall, daſs die Jugend an Geſellſchaft von
ihres Gleichen Mangel hat, daſs Eltern und Er-
zieher am Spiele nicht Theil nehmen können,
und daher im Falle, daſs weder Luſt noch Ge-
legenheit zu irgend einer andern Beſchäfftigung
da iſt, Spiele wünſchen, wodurch die Kleinen
in ihrer Gegenwart oder Nähe unterhalten wer-
den können. Für dieſen Fall giebt es einige Spie-
le, die ich wohl nicht überſpringen darf. Ich
rechne hierher


[307]
68. Das Bilboquet.

Ein etwa 4Zoll langer, zierlich gedreheter Stab
von Knochen, Holz oder Elfenbein hat am obern
Ende eine kleine Schaale, die in Form einer
Halbkugel ausgedrehet iſt; ſein unteres Ende
lauft hingegen in eine Spitze aus. In der Mitte
jenes Stäbchens iſt eine ſeidene Schnur befeſtigt,
und an dieſer hängt eine Kugel. In derjenigen
Stelle der Kugel, die beym Hängen die unter-
ſte iſt, befindet ſich ein Loch. Der Spieler, wel-
cher das Stäbchen mit den Spitzen der Fin-
ger hält, übt, ſich die herabhängende Kugel durch
einen ſchnellen Aufzug der Schnur in die Höhe
zu ſchnellen und ſie mit dem Becher zu fangen,
ſo daſs ſie darin liegen bleibt; dieſes iſt bald ge-
lernt. Er kehrt das Stäbchen um, ſo daſs die
Spitze nach oben ſteht, wirft wieder die Kugel
aufwärts und ſucht die Spitze in das Loch zu
bringen, um ſie ſo auf zu ſpieſsen; dieſs iſt weit
ſchwerer. Die Bewegung der Kugel kann auf
einige Arten abgeändert werden, am leichteſten
iſt das ſenkrechte Heraufziehen, ſchwer wird das
Fangen, wenn man ſie in einen Bogen bald von
vorn, bald von der linken oder rechten Seite
heraufſchwingt. Erleichtert wird das Fangen
mit der Spitze, wenn man die Kugel mit den
Fingern herumſchnellt, ſo daſs ſie beym Fangen
U 2
[308] rotirt. Das Spiel iſt nicht neu. Heinrich III. von
Frankreich ſpielte es ſchon. Es verlangt, bey aller
Beſchränktheit, doch ziemlich viel Augenmaaſs
und Beurtheilung der Behandlung des Materiale.


69. Das Bullenſpiel.

Ich meyne hier kein Stiergefecht, ſondern das
Spiel mit dem Inſtrumente, welches der Bulle
eines Dokuments ähnlich iſt; kurz das Joujou.
Zwey zierlich gedrechſelte Scheiben von Holz
oder Elfenbein ſitzen an einer gemeinſchaftlichen
Axe, wie zwey kleine Räder, aber völlig feſt und
ſo nahe zuſammen, daſs nur ein Meſſerrücken
zwiſchen beyden Platz hat. An der Axe iſt ei-
ne ſeidene Schnur befeſtigt; dieſe wird um die-
ſelbe herumgewickelt, das Ende davon aber um
die Hand geſchlungen, und das Inſtrument
mit den Fingern derſelben Hand gehalten. Läſst
man es fallen oder wirft man es in willkührlicher
Richtung fort, ſo erhält es durch das ſchnelle Ab-
wickeln der Schnur eine rotirende Bewegung
und ſteigt wieder nach der Hand herauf, vermö-
ge der Centrifugalkraft, indem ſich die Axe wie-
der an der Schnur herauf wickelt.


Eine etwas geübte Hand benuzt dieſe Eigen-
ſchaft auf allerley Art und ſchwenkt das Joujou
[309] nach Belieben in allen Richtungen. Dieſs Spiel
iſt noch ganz neu und ſoll durch die revolutio-
näre Vernichtung der franzöſiſchen Adelsdocu-
mente veranlaſst worden ſeyn, indem dadurch
der Adel ſowohl als dieſe Bullen, auſser der
Centrifugalkraft, alle Kraft verloren. Es wur-
de in manchen Städten bis zur Lächerlichkeit
geſpielt, ſo daſs ſatyriſche Blätter und Kupfer-
ſtiche dagegen erſchienen. Dem ungeachtet
bleibt es ein unſchuldiges, nicht ganz unnüz-
zes und unter den ſchon genannten Umſtänden
nicht verwerfliches Spiel.


B. Spiele der Aufmerkſamkeit.


a) Geſellſchaftsſpiele.


70. Der Rechenmeiſter.

Die Geſellſchaft ſitzt in einer Reihe und jede
Perſon derſelben ſtellt eine Ziffer vor, 1, 2, 3,
4, 5, 6, 7, 8 9, 0; ſind mehr als 10 Perſonen, ſo
wird die eilfte wieder Null, die zwölſte 1 und ſo
fort. Der Rechenmeiſter ſtellt ſich in einige
Entfernung vor die Reihe und unterhält die Ge-
ſellſchaft durch mündlichen Vortrag auf irgend
eine Art, bald durch kleine Erzählungen, bald
U 3
[310] durch Fragen an dieſe und jene Perſon, doch
immer ſo, daſs ſo viel Zahlen als möglich darin
vorkommen. z. E. dieſe Nacht, es war viel-
leicht 12, 3 oder 4 Uhr, (denn man träumt ge-
wöhnlich die Zeit nicht mit,) träumte ich, es
kämen 4 Kerl in mein Schlafzimmer, die ſich vor-
genommen hatten, mir eine ſo derbe Motion zu
machen, wie ſie, vielleicht ſind es 100 Jahr her,
der berühmte Sancho zu machen die Unluſt hat-
te. Die Thür knarrte wirklich in meinen 2 Oh-
ren, 1, 2, 3, 4 Mal, ich hörte das Geſchlürfe
von 8 Füſsen, ſah endlich die 4 Böſewichter ſich
von 4 Seiten her meinem Bette nähern und be-
merkte, daſs jeder Mine machte, einen der 4
Zipfel meines Betttuches mit ſeinen 2 Fäu-
ſten felt zu faſſen, um mich bis zur Decke
8 bis 10 Schuh hoch in die Höhe zu prel-
len. Zum Glück habe ich immer 2 Piſtolen im
Bette, ich nahm eine davon, brannte los, und
fort waren die 4 Kerl u. ſ. w. — So oft der Re-
chenmeiſter eine Zahl nennt, muſs die Ziffer auf-
ſtehn
und ihm eine Verbeugung machen; iſts ei-
ne zuſammen geſetzte Zahl, wie oben die 12,
ſo treten beyde Perſonen auf den Platz vor dem
Rechenmeiſter, 1 auf die rechte Seite der 2, und
bleiben ſo lange ſtehn, bis eine neue Zahl ge-
nannt wird. Wer dieſe Geſetze nicht erfüllt,
oder auch aus Verſehen aufſteht, wenn ſeine Zahl
[311] nicht genannt iſt, giebt entweder ein Pfand,
oder erhält von dem Rechenmeiſter die Bezah-
lung dafür mit dem Plumpſacke. Nennt aber
der Rechenmeiſter eine Zahl, die nicht in der
Geſellſchaft iſt, auch nicht von zwey oder meh-
rern Perſonen durch Zuſammenſtellung gemacht
werden kann: ſo giebt er ſelbſt ein Pfand, oder
die Geſellſchaft jagt ihn mit ihren Plumpfäcken
vom Platze und er verliert in beyden Fällen ſein
Amt. Aehnlich iſt das Folgende.


71. Die orthographiſche Lehrſtunde.

Die Geſellſchaft ſitzt im Halbkreiſe, der Schreib-
meiſter
als Hauptperſon vor derſelben. Will man
nicht um Pfänder ſpielen, ſo hat jeder, was Kna-
ben weit mehr Spaſs macht, einen Plumpſack
bey der Hand. Der Schreibmeiſter giebt jedem
einen Buchſtaben, du biſt a, du b, du c, d, e, f
u. ſ. w. Reicht die Perſonenzahl nicht das gan-
ze Alphabet hinaus, ſo läſst man die ſelten vor-
kommenden Buchſtaben weg. Die Vertheilung
geſchieht nicht in der Reihe hin nach alphabe-
tiſcher Folge, ſondern verworren durch einan-
der, ſo daſs die Perſon n neben a ſitzen kann.
Das Spiel nimmt ſeinen Anfang. “So laſst uns
denn, beginnt der Schreibmeiſter: unſre Arbeit
U 4
[312] anfangen, lieben Kinder! Gebt mir gehörig
Acht, damit mein Lineal (der Plumpſack)
nicht nöthig hat, auf euern Rücken Linien zu
ziehen. Du, mein lieber Heinrich, buchſtabire
mir einmal das Wort Rechtſchreibung.„ Dieſer
erhebt ſich, läuft nach und nach zu den Perſo-
nen R, E, C, H, T, buchſtabirt dabey laut r-e-
c-h-t recht
und zupft jedem Buchſtaben am
Ohre. — Gut mein Sohn, ruft der Meiſter,
nun weiter!„ — er buchſtabirt auf eben die Art
ſ-c-h-r-e-i-b — “Was? du ziehſt mir das b
mit in die Silbe?„ ſogleich erhält er vom Mei-
ſter einen Klapps. “Machs beſſer!„ — ſ-c-h-
r-e-i ſchrei
. — “Gut!„ Jetzt kommt Heinrich
in Verlegenheit, er weiſs nicht recht, ob die
Silbe bung hart oder weich geſchrieben wird und
dann hat er vergeſſen, welche Perſon das u vor-
ſtellt. Sein Unſtern führt ihn zum p, er will es
beym Ohr zupfen und Klapps! erhält er erſt von
ihm und dann auch vom Schulmeiſter einen Hieb.
Nun wandert er zum b, kömmt dann aber zum
d weil er glaubt es ſey u. Das d giebt ihm wie-
der einen Klapps, welchen der Meiſter gleich
repetirt und ihn zum u hinführt. Endlich buch-
ſtabirt er richtig heraus bung, und iſt damit fer-
tig. Von Zeit zu Zeit wenn das Gelächter, das
beym Ohrzupfen und Zuſchlagen oft losbricht,
zu laut wird, klopft der Meiſter die Spieler mit
[313] dem Lineale zur Ruh. — Aus dem bisherigen
ergiebt ſich, daſs ein jeder genau aufmerken und
behalten müſſe, wie die Buchſtaben vertheilt
werden; denn wenn der Buchſtabirer zur un-
rechten Perſon kommt, und wie vorhin das d
zupft, wenn er das u zupfen ſoll, ſo erhält er
von der Perſon d einen Streich, ſo wie vom
Schreibmeiſter auch, der ihm wohl noch gar am
Ohre zum u hinleitet. Der Schreibmeiſter muſs
ſich die Buchſtaben eben ſo gut merken; denn
auch er erhält einen Schlag, wenn er den Spie-
ler zu einen falſchen Buchſtaben bringt, ſelbſt
falſch buchſtabirt, falſch verbeſſert oder ein
Wort aufgiebt, wozu nicht alle Buchſtaben da
ſind.


Beyde Spiele haben Aehnlichkeit mit einan-
der, daher ziehe ich ihre Beurtheilung hier zu-
ſammen; der Rechenmeiſter erfordert weit mehr
ſchnelle Aufmerkſamkeit, und iſt für flüchtige
junge Perſonen trefflich. Die Hauptperſon
erhält überdem Gelegenheit ihr Mundwerk auf
allerley Art zu üben, und ihre Phantaſie in aller-
ley kleinen Erfindungen anzuſtrengen. — Noch
weit vorzüglicher iſt aber die Orthogr. Lehrſtunde.
Es fordert neben geſpannter Aufmerkſam-
keit auch Gedächtniſs, und iſt mit weit mehr
lächerlichen Auftritten verbunden, wenn die
Geſellſchaft mit natürlicher Unbefangenheit
U 5
[314] ſpielt und der Schreibmeiſter etwas pedantiſirt.
Ich halte es für eins der zweckmäſsigſten Spiele
für junge Geſellſchaften. Kleine Kinder können
bey gehöriger Einrichtung durch dieſs Spiel wirk-
lich in der Ortographie zunehmen. Beyde Spie-
le haben noch das Gute, daſs ſie einige Bewe-
gung gewähren.


72. Kaufmann.

Der Plumpſack regirt bey dieſem ’Spiele ’eben
ſo wie bey dem vorigen, ja noch mehr. Wird
es gut gemacht, ſo verurſacht es viel Gelächter.
Den Zank und Streitſüchtigen entferne man von
allen Spielen, vorzüglich von dieſem. Von 6,
8 und mehr Perſonen iſt einer Kaufmann. Dieſer
miſcht und theilt jedem drey Karten zu, das übrig-
gebliebene Packet der Karten wird hernach der
Reihe nach herumgegeben, und jeder ſucht ſeine
Karten daraus ſo zu komplettiren, daſs er in drey
Blättern entweder 31 Augen oder 3 gleiche Blät-
ter z. Exemp. 3 Könige, 3 Achten etc. hat.
Der Daus gilt eilf; jedes Bild und die Zehen,
10, wie das bekannt iſt; zwey Bilder und ein
Daus, oder 2 Däuſer und eine Neun etc. ma-
chen alſo 31 Augen. Sind die Karten ſo der
Reihe nach herumgegeben, ſo nimmt der Kauf-
[315] mann den Reſt in Verwahrung und unterſucht,
ob jeder ſeine 31 Augen oder drey gleiche Blätter
habe. Wer ſie nicht hat, bekommt von ihm und
jedem der Geſellſchaft einen Schlag mit dem
Plumpſacke, der Kaufmann vertheilt dann vom
neuem. So weit alſo iſt dem Spiele etwas Glück
beygemiſcht, und um jeden ſeine Portion nach
Billigkeit zukommen zu laſſen, müſſen die übrig
gebliebenen Karten nicht immer einer Perſon zu-
erſt
gegeben werden, ſondern man rückt beyje-
dem neuen Spiele damit auf die nächſte Perſon
fort, daſs im erſten Spiele A, im zweyten B, im
dritten C u. ſ. w. zuerſt die Karten bekommt.


Zu gleicher Zeit aber wird auch die Vorſich-
tigkeit und Unbedachtſamkeit der Spieler mit ins
Spiel gezogen; denn der Austheiler heiſst Kauf-
mann
, die Karten Waaren, der Plumpſack die El-
le
, die Kreide die Dinte, das Spiel von drey Kar-
ten, ſo wie auch der Tiſch auf dem man ſpielt
der Laden, und die Striche die man mit der Krei-
de macht Rechnungen. Hat Jemand ſeine 31 Au-
gen gefunden, ſo muſs er ſagen: ich ſchlieſse mei-
nen Laden
, und ſeine Karten dem Kaufmanne
übergeben. Wer dieſe Gegenſtände mithin auch
den Kaufmann mit ihrem wahren Namen nennt,
erhält vom Kaufmann einen Strich. Zu dieſem
Ende hat er die Namen aller vor ſich auf den
Tiſch geſchrieben. Der Kaufmann darf alles ge-
[316] wöhnlich benennen; bemerkt er es aber nicht,
wenn jemand die Sachen anders nennt, ſo macht
ihm der Jemand einen Strich. Der Kaufmann hat
daher ein ſehr ſchwieriges Amt, denn jeder Mit-
ſpieler ſucht ihm Rechnungen anzubringen, und
nennt folglich oft mit Fleiſs die Karte, Karte, die
Striche, Striche u. ſ. w. wenn er ſieht, daſs der
Kaufmann nicht aufmerkſam genug iſt. Wenn
der Kaufmann die kompletten Spiele durchge-
ſehn hat, und jeder, der es nicht komplet hat,
dafür beſtraft worden iſt: ſo gehts auch an die
Bezahlung der Rechnungen. Der Kaufmann
giebt jedem ſo viel Streiche, als er Rechnungen
hat, und erhält auch von dieſen zurück, was er
bey ihnen an Strichen hat.


Auch dieſes Spiel erfordert viel Aufmerkſam-
keit und Beſonnenheit, es iſt für die Spieler
nicht ſo ganz leicht von den wahren Benennun-
gen der Sachen zu abſtrahiren und die angenom-
menen
zu gebrauchen, ſo wie es für den Kauf-
mann viel Schwierigkeit hat, beym Geſpräche
durch einander die Fehler zu bemerken.


[317]
73. Das Advocatenſpiel
und
das Parlament.

Die Geſellſchaft ſitzt im Kreiſe, und in dem-
ſelben befindet ſich der Sprecher oder Anführer
des Spiels, der bald dieſe bald jene Perſon a ‒
redet, fragt u ſ. w. Allein die gefragte Perſon
darf bey Strafe eines Pfandes, oder Streichs mit
dem Taſchentuche, nie ſelbſt antworten; denn
jeder hat ſeinen Nachbar linker Hand zum Ad-
vocaten
, der für ihn antworten muſs oder bey
Unterlaſſung in die Strafe verfällt. Werden von
dieſem oder jenem Fehler begangen, und der
Sprecher merkt es nicht, ſo iſt er eben ſo ſchul-
dig — Die ganze Sache iſt einfach; ſehr ange-
nehm und luſtig, wenn der Sprecher eine mun-
tere Perſon iſt, die ohne Stocken immer Sprech-
materien bereit hat, unaufhörlich frägt, ver-
langt, ſich erkundigt, ſcherzt, bald dieſen bald
jenen bey Nahmen ruft, auf eine luſtige Art an-
klagt und ihn dadurch zur Antwort reizt; ſie
verlangt ſchnelle Aufmerkſamkeit und iſt daher
nützlich wie die vorigen Spiele. Allenfalls kann
der Sprecher auch ſelbſt der Advokat einer Per-
ſon ſeyn, auch ſelbſt einen Advokaten haben,
wenn er ſich ſelbſt auf eine luſtige Art als Spre-
[318] cher anredet. Faſt daſſelbe Spiel iſt das ſoge-
nannte


Parlament. Hier iſt einer König, ein ande-
rer Canzler, Secretär, Parlamentsglied u. ſ.
w. Der Sprecher iſt wieder in der Mitte, han-
delt aber hier mehr von Staatsſachen auf
eine komiſche Art, macht kurze Anträge, ob
man ſich mit der Pforte alliiren, die Republick
anerkennen, den Krieg fortſetzen, eine neue
Taxe machen ſolle oder nicht; er ſammelt die
Stimmen u. dergl. Jeder antwortet für den an-
dern in fortgeſetzter Ordnung, der Canzler für
den König u. ſ. w. Bey dieſem Spiele iſt in dem
Falle noch weit mehr Aufmerkſamkeit als bey
dem vorigen nöthig, wenn man die genannten
Rollen durch Kartenblätter an die ſchon ſitzen-
de Geſellſchaft vertheilt; denn nun ſitzt der
Advokat nicht mehr neben demjenigen, an
welchen ſich der Sprecher addreſſirt; der Kö-
nig iſt dann vielleicht auf dieſer, der Canzler auf
jener Seite des Kreiſes.


74. Die Reiſe nach Jeruſalem.

Die Geſellſchaft ſetzt ſich in eine Reihe und
vor ihr ſteht der Erzähler, der im Begriff iſt, ihr
ſeine Reiſe nach Jeruſalem zu beſchreiben. Vor-
[319] her aber giebt er jedem ein Wort und zwar ein
ſolches, das in ſeiner Erzählung oft vorkommt
als, Schiff, Matroſe, Segel, Hafen, Anker, Wind,
Sturm, See, Waſſer, Zwiback, Seeräuber, Inſel, Com-
pas, Kanonen, Seekrankheit, Verdeck, Tau, Maſt,
Hayfiſche
u. d. gl. Man kann allenfalls auch je-
der Perſon zwey dergleichen Wörter geben. So
oft er nun in ſeiner Erzählung ein ſolches Wort ge-
braucht, muſs diejenige Perſon, welcher es zuge-
theilt iſt, ſchnell aufſtehn ſich herum drehen und
ſtehn bleiben, bis eine andre zum Umdrehen ge-
bracht wird. Vergiſst oder thut ſie es zur Unzeit, ſo
bekommt ſie von dem Erzähler entweder einen
Schlag mit dem Plumpſack, oder muſs ein Pfand
geben. Kommt das Wort Jeruſalem in der Er-
zählung vor, ſo müſſen ſich alle umdrehen bey
derſelbigen Strafe. Hat der Reiſende ſeine Er-
zählung geendigt, ſo werden die Pfänder wie-
der eingelöſt.


Meine Herrn und Damen, ſie wünſchen von
mir eine Erzählung meiner Reiſe nach Jeruſalem,
und ich bin bereit, ihnen dieſe Waſſerreiſe, die
ich in einem engliſchen Schiffe machte zu erzäh-
len. Man kann auch zu Lande nach der ſchö-
nen Stadt Jevuſalem, aber zur See iſts doch be-
quemer, wenigſtens hat man auf der See nicht
ſo viel vom Staube auszuſtehen, und bekommt
man auch die Seekrankheit, ſo iſt die nicht ſo
[320] ſchlimm als die Stöſse, welche man auf übeln
Wegen vom Wagen leidet; denn die Seektank-
heit
vergeht bald wieder, aber die Wege blei-
ben ſchlecht, bis man zu Jeruſalem ankommt;
erſt kurz vor Jeruſalem werden ſie beſſer. Un-
ſer Schiff lag im Hafen von Portsmouth. Es war
ein groſses Schiff; ein Schiff das viele Kanonen
führte; das Ankertau, meine Herrn, war ſo
dick wie ein Mann. Ich kaufte Proviant, Zwi-
back
u. dgl.; die Matroſen lichteten den Anker,
ſpannten die Seegel, löſsten die Kanonen zum Ab-
ſchiede und ſchrieen alle: lebt wohl, es geht
nach der ſchönen Stadt — — Wir waren kaum
aus dem Hafen, ſo wurde mir das Herz ſchwer;
ungern ſah ich das Land verſchwinden, aber
der Gedanke an Jevuſalem beruhigte mich, auch
war eine Seereiſe für mich etwas neues. Das
Waſſer wurde nun nach und nach ſo groſs, die
See ſo weit, daſs ichs nicht mehr überſehen
konnte; der Wind gieng in den Rücken, blieſs
ſtark, das Schiff flog davon, und ich dachte,
wenn das ſo fort geht, werden wir bald nach
Jeruſalem geblaſen ſeyn. u. ſ. w. Die Hauptſa-
che bleibt, jene Wörter recht oft vorzubringen,
damit die Zuhörer fleiſsig im Drehen bleiben;
übrigens erdichtet man allerhand Vorfälle von
Sturm. Verſchlagung, Landung auf einer Inſel,
von Schiffbruch, Gefechten mit Seeräubern,
[321] groſsen Hayſiſchen u. ſ. w. Durch dergleichen
Sachen läſst ſich die Erzählung aufmuntern, und
iſt man geſchickt genug, ſie komiſch zu ma-
chen: ſo werden die Zuhörer zum Lachen be-
wogen und vergeſſen darüber das Umdrehen.


Dieſs Spiel iſt ſehr unſchuldig und macht die
Jugend fröhlich; es iſt mit Lachen und mit ei-
nem Grade von Bewegung verbunden, den der
Erzähler dadurch vergröſsern kann, wenn er
die gegebenen Wörter oft mit einflechtet. Es
verlangt Aufmerkſamkeit der Zuhörer, um ih-
re Wörter nicht zu verhören, und erhält ſie da-
durch in ſteter Spannung. Aber ein geſchick-
ter Kinderfreund könnte es mit unter auch nütz-
lich machen. Er kann der Jugend da bey vie-
lerley Begriffe beybringen, wenn er die Sache
nicht bloſs zum Spaſse macht, ſondern ſie
wie eine wirkliche Reiſe behandelt, zur Ab-
wechſelung nicht immer zur See, ſondern auch
zu Lande nach Jeruſalem reiſet und, was ja ganz
unverwehrt bleibt, nicht immer Jeruſalem ſon-
dern bald Boſton, bald Liſſabon, Petersburg,
Moskau, Kopenhagen zum Ziele der Reiſe
nimmt. Hierdurch kann dieſs Spiel eines der
beſten von den belehrenden Spielen werden. Er
muſs dann nur bey jeder von dergleichen Rei-
ſen ſolche Wörter vertheilen, die ſich am häu-
figſten in die Erzählung verflechten laſſen.


X
[322]
75 und 76. Das Taubenſpiel
und
Farbenſpiel
.

Die Geſellſchaft ſitzt im Kreiſe und jeder wählt
ſich den Nahmen irgend einer Getreideart, Ger-
ſte, Hafer, Erbſen, Weizen u. ſ. w. Einer von
der Geſellſchaft macht den Anfang und ſpricht
ſchnell: „Ich laſſe meine Taube fliegen in —“
hier nennt er ein von den gewählten Sämerey-
en z. E. Gerſte! Derjenige, welcher den Namen
davon genommen hat, ruft ſchnell: „Nein, nicht in
Gerſte ſondern in
—“ hier nennt er ſchnell wieder
eine andere Saamenart und bringt ſo das Spiel
auf einen andern, dieſer auf einen dritten u. ſ.
w. Wer auf die Art aufgefordert iſt und nicht
ſchnell[antwortet]; mit der Antwort gar aus leibt;
nicht dieſelbe Redensart gebraucht oder durch
Mangel an Faſſung eine Sämerey nennt, die von
keinem Geſellſchafter gewählt iſt, giebt ein
Pfand u. ſ. w.


Das Spiel iſt nicht nur unſchuldig und luſtig
ſondern auch ſehr zweckmäſsig beſonders für
junge Leute, die gern mit den Gedanken her-
umflattern oder langſamen Kopfs, ich meine
nicht ſchnellſchlüſſig (reſolut) ſind; denn es er-
fordert Aufmerkſamkeit, ſchnelle Schlüſſigkeit,
[323] raſches Mundwerk und ſtete Gedächtniſshülfe
im Behalten der Getreidearten.


Das Farbenſpiel läuft mit ihm auf eins hinaus,
ich darf es daher nur ganz kurz angeben. Je-
der hat ſeine Farbe, wie vorhin eine Getreide-
art, gewählt. Einer macht den Anfang und
ſpricht: meine braune Farbe iſt eine schöne Farbe, aber
nicht die hässliche gelbe
! Der, welcher Gelb hat, fällt
gleich ein: nein, meine Farbe iſt eine bubsche Farbe,
aber nicht die — — hier nennt er eine andere
. So
bringt einer das Sprechen auf den andern. Wer
gar nicht, oder nicht gleich antwortet, wer an
den Ausdrücken etwas ändert, oder ein Wort
ausläſst, gibt ein Pfand, oder erhält von dem
im Kreiſe ſtehenden Mahler einen Pinſelſtrich,
d. i. einen Streich mit dem Plumpſacke.


77. Alle Vögel fliegen.

Ich führe dieſe kleine luſtige Poſſe hier mit an,
weil ich nichts unſittliches und ſchädliches, aber
wohl Vergnügen und eine kleine Verwendung
des Geiſtes darin finde, die ich mit keinem
andern Worte als Geiſtesſchnelligkeit oder
ſchnelle Aufmerkſamkeit zu bezeichnen weiſs.
Die zahlreiche Geſellſchaft ſezt ſich oder ſteht
in einer Reihe und iſt äuſerſt aufmerkſam auf den
X 2
[324]Vorſpieler. Dieſer ſteht mit einem gedreheten
Tuche vor der Fronte und harangirt ſie auf al-
lerley Art, z. Beyſp. Meine Herrn, ich bin
weit in der Welt herum geweſen, habe viel Län-
der geſehn, und bin ein ſtarker Naturkündiger
geworden, ich weiſs z. Ex. daſs alles was Federn
hat fliegt, — Sie müſſen freylich alle Bett- und
Schreibfederbehältniſſe davon ausnehmen. —
Aber alle Vögel fliegen! — Hier hebt er ſeine
Hände auf, und alle Zuhörer müſſen in dem Au-
genblicke daſſelbe thun, wer es nicht thut, be-
kommt einen Schlag. — Alle Enten fliegen, al-
le Hühner fliegen, alle Rebhühner, alle Staaren
fliegen. (So nennt er ſchnell hinter einander her
allerley Vögelarten, und bey jeder müſſen die
Hände von allen zum Zeichen des Fliegens ge-
hoben werden. Aber plözlich nennt er mitten
unter den Vögeln irgend etwas, das nicht fliegen
kann, z. E. alle Berge fliegen, alle Pferde flie-
gen. Die Hände ſind da einmal im Gange des
Auffahrens, daher verſehen ſich immer einige
und laſſen Berg und Pferd mitfliegen. Daſezts
denn etwas ab, und dieſs macht Gelächter.


[325]
78. Der König iſt nicht zu Hauſe.

Einer iſt König, die Andern ſitzen ganz ernſthaft
und arbeiten was ſie wollen; ſchreiben, zeich-
nen, leſen, nähen, ſtricken u. ſ. w. Auf einmal
ruft ſeine Majeſtät, der König iſt nicht zu Hauſe,
da verändert ſich plözlich die ganze Scene nach
dem Sprichworte, wenn die Katze nicht zu Hau-
ſe iſt, ſo tanzen die Mäuſe auf Tiſch und Bän-
ken; man ſingt und tanzt man thut was man will.
Aber plötzlich und unvermerkt ruft Jener wieder:
der König iſt wieder zu Hauſe und im Nu muſs ſich je-
der an ſeinen Platz begeben. Der Letzte giebt
ein Pfand. Der König entſcheidet es, wer ſeinen
Platz zulezt erreichte. Irrt er ſich hierin, ſo giebt
er ſelbſt ein Pfand und iſt abgeſezt, aber der un-
ſchuldig Angeklagte wird König. Wer nach dem
Ausrufe des Königs noch einen lauten Ton von
ſich giebt, oder laut lacht, giebt auch ein Pfand.
Der König muſs durchaus jedesmal einen als den
Letzten angeben oder ein Pfand geben, wenn er
es nicht kann.


Dieſs Spiel hat ſein Entſtehn dem Könige Frie-
drich II. von Dänemark zu verdanken. Es war
ihm oft unangenehm, ſeine Hofleute in ſteifer
Hofregel um ſich her verſammelt zu ſehen.
Dann rief er wie oben: der König iſt nicht zu
Hauſe! und alles überlieſs ſich ſeiner natürli-
X 3
[326] chen Munterkeit, bis er des Lermens ſatt war
und durch die andern Worte alle wieder in die
Schranken der Ehrfurcht zurück rief. Das
Spiel iſt unſchuldig und gut, es gewährt Fröh-
lichkeit, einige Bewegung und fordert pünktli-
che Aufmerkſamkeit. Für die kleinere Jugend
iſt es ſehr beluſtigend, zumal wenn man ſtatt
der Pfänder den Plumpſack wählt und den Lez-
ten vom Könige damit verfolgen läſst.


79. Das Commandirſpiel.

Für kleine Kinder iſt dieſes Spiel vortrefflich;
„man kann, ſagt Baſedow, von dem es her-
rührt: Leib und Seele der Kinder dadurch üben,
Sachenlehre und Nahmenlehre dadurch erleich-
tern; die gröſsern Kinder zu Lehrern der klei-
nen machen; nützliche Anmerkungen auch et-
was Sittenlehre einſtreuen, und die Jugend da-
durch vergnügen. Wenn der Befehlshaber (Kin-
derfreund, Lehrer) ſeine Sache verſteht: wenn
er genug ſcherzt, genug abwechſelt, zuweilen
Strafen in Scherz und kleine Belohnungen aus-
theilt, und durch Mäſsigung den Ekel verhütet:
ſo wird dieſer lehrreiche Zeitgebrauch die Kin-
der immer ſehr vergnügen, und er iſt das beſte
Mittel, in fremden und todten Sprachen den Kin-
[327] dern die zuerſt nöthigen Wörter und Redensar-
ten beyzubringen. „— Ich mögte noch hinzu-
fügen, es iſt ein gutes Mittel die Kinder zu
schneller Aufmerkſamkeit, aufdas, was um ſie her
gethan und geſagt wird, zu gewöhnen; auch
kann es dazu beytragen, schnelle Folgſamkeit
leiſten zu lernen.


Der Kinderfreund ſtellt die Kleinen vor ſich
hin, um ſie alle leicht überſehen zu können,
und beginnt, ſie bald durch Fragen, bald durch
Befehle in Thätigkeit zu ſetzen. Z. Exempel:
„Gebt Acht! wenn ich ſage: wo iſt dieſs und
das? ſo greift es an. Wo iſt der Kopf, die
Bruſt, der Unterleib, die Schenkel, der Hals,
die Beine u. ſ. w. Marſchirt! — Halt! —
Ah, Carl ſtand nicht, er ſoll 2 Plumpſack lei-
den. Detlef ſoll ſie ihm [geben]. — Achtung!
Streckt vor den rechten Arm, den linken, das
rechte Bein, das linke; nun beyde! ha ha ha!
das könnt ihr nicht. Bauz da liegt Fritz. —
Achtung! — Marſchirt — lauft — ſteht! Wer
kann am geſchwindeſten zum Sitzen kommen?
— Emilie war die klügſte; ſie ſetzte ſich gleich
zu Boden. — Bleibt ſtill ihr Mädchen! Ihr Kna-
ben lauft! — Ey Dorchen lief auch. Sie muſs
mit den Händen auf dem Rücken ſtehn, bis ich
zehn zähle. — — Ihr alle ſtellt euch drey
bey drey in Haufen, ich will immer nur einen
X 4
[328] Haufen fragen, um zu ſehen, wer von dreyen
am erſten antworten kann. Was iſt in der
Stube ſchwarz? — Die Tafel, der Hut, meine
Schuhe, meine Strümpfe etc. was iſt weiſs?
u. ſ. w.


Aus dieſem Beyſpiele, das ich aus des Er-
finders Elementarbuche Band I. II. b. oder Sei-
te 104 entlehne, wird man leicht erachten, wie
dieſs Spiel angeſtellt werde. Belehrung, Mun-
terkeit, Lachen, Scherz, Bewegung ſind hier
ganz in der Gewalt des Befehlenden, und das
Spiel iſt unerſchöpflich, wenn er es ſelbſt iſt.


80. Nachſprecheſpiele.

Alle Spiele dieſer Art verlangen mehr Aufmerk-
ſamkeit als Gedächtniſs; denn gewöhnlich iſt die
kleine Reihe von Gedanken leicht zu behalten
und die Ordnung ihrer Verbindung unter einan-
der iſt ſo natürlich und ſo leicht, daſs das Ge-
dächtniſs wenig Mühe hat; allein beym ſchnel-
len Herſprechen iſt nichts gewöhnlicher, als daſs
man aus Uebereilung dieſen und jenen über-
ſpringt oder an die unrechte Stelle ſetzt. Man
ſieht in dieſem Falle ſeinen Fehler gleich hinter
her ein, ein Zeichen, daſs die Schuld nicht am
Gedächtniſſe, ſondern an der Aufmerkſamkeit
[329] lag, und daſs dieſe hierbey mehr in Anſpruch
kommt als jenes. Daher ordne ich dieſe Spiele
unter die Aufmerkſamkeit. Die Formeln derſel-
ben, welche oft ziemlich lang ſind, werden Stück-
oder Satzweiſe in der Geſellſchaft nachgeſpro-
chen, ſo oft ein Satz im Kreiſe herum von jedem
nachgeſprochen iſt, ſezt der Anfänger einen
neuen hinzu, als: Ich verkaufe meine Perrucke; —
ich verkaufe die Ratte, die meine Perrucke zernagte; —
ich verkaufe die Katze, welche die Ratte fraſs, die
meine Perrucke zernagte. — ich verkaufe den Hund
der die Katze biſs, welche die Ratte fraſs, die meine
Perrucke zernagte. — ich verkaufe den Stock, welcher
den Hund ſchlug, der die Katze biſs, welche die Rat-
te fraſs, die meine Perrucke zernagte
u. ſ. w., wird
in der Folge noch das Feuer das den Stock ver-
brannte und das Waſſer verkauft, welches das
Feuer löſchte. Das Nachſprechen muſs ſchnell,
mit denſelben Worten, in eben der Ordnung
ohne das geringſte Stocken geſchehen, ſonſt
werden Pfänder bezahlt oder der Plumpſack
ſpielt ſeine Rolle, den jeder für ſeinen Nachbar
bereit hält. Dergleichen Spiele haben gemeinig-
lich viel Luſtiges. Formeln der Art kann je-
der leicht komponiren. Bekannt ſind die: Wenn
mancher Mann wüſste etc.
und die: der Herr ſchickt
einſt den Jochen aus etc.
und die: Es kam einſt eine
Maus in unſer Bornhaus
.


X 5
[330]

Eine andre Gattung dieſer Nachſprechſpiele
iſt mehr für die Uebung der Sprachorgane ge-
macht. Es giebt davon eine groſse Menge, jede
Provinz hat dergleichen; aber die meiften ſind
ſchlecht, theils als bloſse Sylbenkompoſition oh-
ne Verſtand, theils weil ſie mit Fleiſs ſo gemacht
ſind, daſs durch das Verſehn in der Aus-
ſprache ſchmutzige Ausdrücke entſtehn. Iſt dieſs
vermieden, ſo haben dergleichen kleine Formeln,
die man mehrmals hinter einander ſagt und bey
denen man die Fehler ebenfalls auf irgend eine
Art beſtraft, den Nutzen, daſs ſie die Sprachor-
gane üben und auf einige Minuten luſtige Un-
terhaltung gewähren. Bloſs als Beyſpiele, juſt
nicht als Muſter mögen folgende gelten: Der
Metzger wetzt das Metzger meſſer; — Sechs und ſech-
zig Schock ſächſiſche Schuhzwecken; — Der Sperber fragt
was machſt du Wachtel? Was fragſt du Sperber ſprach
die Wachtel? — Le ris tenta le rat; le rat tenté tâ-
ta le ris
.


[331]

b Einsame Spiele.


81. Das Ringſpiel
oder
Nürnberger Tant.

Dieſs ziemlich allgemein bekannte Spiel, ver-
langt nur Nachdenken, wenn man es noch
nicht kann und den Verſuch macht die Ringe
auf- und ab zu ſpielen; ſo bald man aber die
ganz leichten Regeln des Spiels kennt, wird es
bloſs zum Spiele der Aufmerkſamkeit und übt
dieſe, ſo wie die Finger, und beſonders dann,
wenn man ſich eine kaum hinreichende Zeit
ſezt, in der die Ringe herab und heraufgeſpielt
werden ſollen. Es ergiebt ſich daraus, daſs es
nur von geringem Gehalte, allenfalls nur ein
Spiel für kranke Kinder ſey, denen es erlaubt
iſt, die Zeit zu vertreiben, weil ſie dieſelbe mit
nichts ausfüllen können. Nur in dieſer Rück-
ſicht folgende Beſchreibung nach Zeichnung 15.
— A iſt eine von Drat gebogene, vorn geſchloſ-
ſene, ohne den Handgriff 7 Zoll lange Gabel;
B ein Blech mit 7 Löchern durch welche 7 Stif-
te herauf treten, die unten mit Köpfen verſe-
hen, und oben zu Oehren umgebogen ſind. Je-
des Oehr hält einen Ring von einem Zoll Wei-
te; übrigens ſind die Ringe und Stifte auf
eine Art mit einander verſchlungen, die man
[332] am beſten aus der Zeichnung ſehen kann. Das
Spiel beſteht darin, die Ringe ſo auf die Gabel
zu bringen, daſs zugleich alle Stifte von unten
mitten durch die Gabel heraus treten und ein Sy-
ſtem bilden, wie es in C gezeichnet iſt; ferner
die Ringe auch wieder herabzuſpielen. Beydes
läſst ſich durch Befolgung einer Regel zu Stande
bringen, und die heiſst: Es hann kein Ring her-
auf oder herunter geſpielt werden, es ſey denn,
daſs nur noch ein einziger vor ihm auf der Ga-
bel iſt. Nur die beyden erſten Ringe 1 und 2
machen davon eine Ausnahme, denn man kann
ſie jederzeit von unten durch die Gabel hinauf-
ſtecken und dann über ihren Schnabel ziehen.
Um alſo den dritten herauf zu bringen, müſſen
erſt 1 und 2 herauf geſteckt, und 1 wieder her-
unter geworfen werden, dann kann man 3 von
unten her durch die Gabel ſtecken und über
den Schnabel ziehen. Oder will man den 7ten
hinaufſpielen, ſo müſſen erſt 1, 2, 3, 4, 5, 6
hinauf und dann 5, 4, 3, 2 und 1 herabgeſpielt
werden ehe man 7 hinauf bringen kann.


Einen Ring auf die Gabel bringen, heiſst
ihn von unten her durch den Spalt der Gabel-
ſtecken, oben horizontal darauf legen, bis an
den Schnabel vorziehen und den Schnabel
durchſtecken. Einen Ring abwerfen heiſst,
das Gegentheil thun.


[333]

Man nehme die Gabel in die linke Hand,
faſſe damit zugleich den Schwanz des Blechs B,
halte dieſes unter die Gabel, die Ringe nach
oben, und verfahre mit aufſtecken und abwer-
fen wie folget. a bedeutet aufſtecken, b abwer-
fen
.


12a. 1b. 3a. 1a. 12b. 4a, 12a.
1b. 3b. 1a. 12b. 5a. 12a. 1b.
3a. 1a. 12b. 4b. 12a. 1b. 3b.
1a. 12b. 6a. 12a. 1b. 3a. 1a.
12b. 4a. 12a. 1a. 3b. 1b. 12b.
5b. 12a. 1b. 3a. 1a. 12b. 4b.
12a 1b. 3b. 1a. 12b. 7a. (Hier-
mit ſind die beyden erſten Ringe hinaufgeſpielt
nämlich 7 und 6.) 12 a. 1b. 3a. 1a.
12b. 4a. 12a. 1b. 3b. 1a. 12b.
5a. 1∫2a. 1b. 3a. 1a Jezt hat der Spie-
ler alle 7 oben. Auf folgende Art ſpielt er ſie
wieder ab. 1b. 3b. 1a. 12b. 5b. 12a.
1b. 3a. 1a. 12b. 4b. 12a. 1b. 3b.
1a. 12b. 7b. (Jezt iſt ein Ring herunter.)
12a. 1b. 3a. 1a. 12b. 4a. 12a.
1b. 3b. 1a. 12b. 5a. 12a. 1b. 3a.
1a. 12b. 4b. 12a. 1b. 3b. 1a.
12b. 6b; 12a. 1b. 3a. 1a. 12b.
4a. 12a 1b. 3b. 1a. 12b. 5b;
12a. 1b. 3a. 1a. 12b. 4b; 12a.
1b. 3b; 1a. 12b. Hiermit ſind die Rin-
[334] ge wieder abgeſpielt. Der Anfänger laſſe ſich
dieſs vorleſen und verfahre mit den Ringen
darnach, ſo wird er gewiſs nicht fehl gehen.


Hat das Inſtrument 7 Ringe, ſo ſpielt ſie der
Geübte in 3 und 1∫2 Minute auf und ab. Zu 9
Ringen braucht er 10 bis 12 Minuten, zu 20
Ringen würde er, nach darüber angeſtellten Be-
rechnungen, über 64 Tage, zu 30 Ringen ſchon
über 2760 Jahre, und zu 50 Ringen mehr Mil-
lionen Jahre gebrauchen.


C. Spiele des Gedächtniſſes.


Das Gedächtniſs hat hier hauptſächlich nur die
Rolle der Reminiſcenz, weil es bey dieſen Spie-
len mehr darauf angelegt iſt, ſchon gehabte Be-
griffe wieder zurück zu rufen, als neue einzuprä-
gen. Hierdurch eignen ſich die hierher gehö-
rigen Spiele zur Wiederholung wiſſentſchaftli-
cher Kenntniſſe, und daher kommt es eben, daſs
faſt alle wiſſentſchaftliche Spiele zu dieſer Ord-
nung gehören. Man hat neuern Erziehern, als
Erfindern ſolcher Spiele, oft den Vorwurf ge-
macht, als wollten ſie Wiſſenſchaften zu Spielen
herabwürdigen und Wiſſenſchaften durch Spiel
beybringen. Allein wiſſentſchaftliche Kennt-
[335] niſſe mit jungen Lehrlingen unter gewiſſen Um-
ſtänden im Spiel wiederholen, heiſst wohl nicht
mit Wiſſenſchaften ſpielen und ſie herabwürdi-
gen; ſondern ſich mit den Wiſſenſchaften an
Zeit, Ort, Umſtände und Jugend anſchmiegen;
und wenn Spiele der Art ſchon die Kenntniſs
wiſſentſchaftlicher Gegenſtände vorausſetzen, ſo
kann man ja nicht den Zweck haben, dieſe zu
lehren, ſondern nur gelegentlich zu wieder holen.
Wer über das Wiederholen etwas nachgedacht
und gefunden hat, daſs dieſes Wiederkäuen
ſchon gehabter, von aller Neuheit entblöſster Be-
griffe dem menſchlichen Geiſte, aber beſonders
der Jugend widerſtehend iſt, der wird in guten
Spielen der Art nichts Anſtöſsiges finden, und
für die Gründlichkeit nichts befürchten, weil es
denn doch wohl immer gründlicher ſeyn mag,
mit Campen Geographiſche Kenntniſſe zu wie-
derholen, als Hübner auswendig zu lernen. Wiſ-
ſentſchaftliche Spiele ſind überdem nichts weni-
ger als neue Erfindungen; ſchon mit dem lech-
zehnten Jahrhundert findet man Geographiſche,
Heraldiſche, Mathematiſche, Hiſtoriſche, ſogar
Juriſtiſche Spiele, wie man aus Clodii Bibliothe-
ca luſoria ſehn kann. Alle Spiele dieſer Ord-
nung ſind geſellſchaftliche.


[336]

82. Das Reiſeſpiel.


Dieſes ſehr artige geographiſche Spiel rührt ei-
gentlich von Herrn Campe her, der es in das
ſiebente Bändchen ſeiner Kinderbibliothek
einrückte. Hier iſt die Beſchreibung mit des
Erfinders eigenen Worten und den nöthigen Ein-
ſchaltungen:


„Einer von uns ſtellt immer den Wanders-
mann
vor, dieſer verläſst das Zimmer, holt ſich
Hut und Stock“ — Kindern macht es noch mehr
Vergnügen, wenn man ſie ſich ganz vermummen
läſst — „geht dann an die Thür und ruft:


Holla! Holla! macht auf die Thür!


dann antwortet einer von uns, der den Hausva-
ter vorſtellt, indeſs wir alle hier am Tiſche ſiz-
zen:


Wer biſt du denn und was begehrſt du hier?
darauf erwiedert der Wandersmann;


Ich bin ein Wandersmann und bitt’ um
Nachtquartier.


Und der Hausvater antwortet:


Herein, herein, du Wandersmann!

geöffnet iſt die Thür;

doch willſt du übernachten hier,

ſo ſag uns erſt dein Sprüchlein an.

Nun muſs der Wandersmann ſich auf irgend
einen Denkſpruch, auf ein Paar hübſche Verſe
[337] gefaſst gemacht haben. Die ſagt er dann; und
dann ſpricht der Hausvater wieder:


Dein Sprüchlein iſt gar hübſch und fein;

komm denn und nimm dein Plätzchen ein.

Da kommt denn der Wandersmann völlig
herein und ſetzt ſich neben uns an den Tiſch; und
der Hausvater fährt fort:


Beſchreib uns nun, o Wandersmann,

die Reiſe, die du jetzt gethan,

vom Anfang’ an.

Der Wandersmann erzählt hierauf die gan-
ze Route ſeiner (eingebildeten) Reiſe; nimmt
die vorzüglichſten Städte, über die er gekom-
men iſt, die Ströme und Meere, über die er
ſchiffen muſste, und die merkwürdigſten Gebir-
ge, über welche, oder zwiſchen denen hindurch
ihn ſein Weg führte (und zwar bloſs den Nah-
men nach). Man ſetzt dabey voraus, daſs er im-
mer den geraden Weg genommen habe, und er
muſs ſich daher hüten, in ſeinen Weg einen Ort
zu bringen, den er, wenn er die Reiſe wirklich
gethan hätte, nicht auch in der That hätte be-
rühren müſſen.


Da bey dergleichen Beſchreibungen Bey-
ſpiele immer nöthig ſind, ſo ſchalte ich hier gleich
eine ſolche Reiſeroute des Verfaſſers ſelbſt ein:
Ich reiſte von Hamburg nach Drontheim. Näm-
lich zu Schiffe auf der Elbe bey Staade, Glück-
Y
[338] ſtadt, Ritzebüttel weg in die Nordſee, neben
Helgoland vorbey, Rechts lieſsen wir die Küſte
von Schleſswig und Jütland und ſegelten nach
Norden bis Bergen Von hier giengs ziemlich be-
ſchwerlich bis Drontheim.


„Iſt ſo die Reiſeroute angegeben, ſo ſpricht
der Hausvater abermals zu ihm“:


Was ſahſt du denn o Wandersmann,

was man bey uns nicht ſehen kann?

„Jezt kommt denn allerley Merkwürdiges
von den Städten, Gegenden, durch die ſein Weg
ihn geführt hat, und jeder von uns giebt acht,
daſs er auch nichts Unwahres in ſeine Erzählung
einmiſcht.“


Dergleichen Merkwürdigkeiten waren: der
Mangel an Trinkwaſſer und die Cyſternen zu
Glückſtadt, die ſechs Baken und eine Blüſe zwi-
ſchen Ritzebüttel und der Inſel Neuenwerke;
der Haven Kuxhaven bey Ritzebüttel; die Inſel
Helgoland; die Heringszüge an der Küſte von
Bergen; die Stadt Bergen; der fürchterlich rau-
he Weg zwiſchen Bergen und Drontheim nebſt
der Geſtalt des Landes; das Gebirge Kölen mit
den ſogenannten Bergſtuben oder Ruhehäuſern
zur Bequemlichkeit der Reiſenden, und endlich
die Stadt Drontheim. Alle dieſe Gegenſtände
wurden im nöthigen Falle beſchrieben und er-
[339] klärt, woran die Zuhörer oft geſprächsweiſe Theil
nahmen.


Sind dieſe Merkwürdigkeiten erzählt, ſo fragt
der Hausvater von Neuem:


„Welch Clima, welch Gewächs und welche

Sitten

fandſt du an jedem Ort’, durch den dein

Fuſs geſchritten?“

(Hier erzählt der Wanderer im vorliegenden
Falle von der Sanftheit des Climas an der Nor-
wegiſchen Küſte und giebt die Urſachen davon
an, dann von der ſtrengern Kälte im Innern, auf
den hohen Gebirgen; von den Schneſchuhen,
womit die Normänner über dieſe Schneegebir-
ge laufen; von dortigen Schneelawinen; von
der Norwegiſchen Mode Bärte zu tragen und
von den Produkten unter allerley erläuternden
Bemerkungen.)


„Hat der Wanderer auf alle dieſe Fragen
richtig geantwortet, ſo ſagt endlich der Haus-
vater zu ihm:


Hab’ Dank, hab’ Dank, du guter Mann,

für das was du geſagt.

Bleib’ bey uns bis es wieder tagt,

und — nimm dieſs Schüſslein an.

Hierbey übergiebt der Hausvater dem
Reiſenden einige Früchte, die zum Behufe des
Spieles herbey geſchafft ſind. Bringt er aber im
Y 2
[340] Gegentheil etwas Falſches in ſeine Erzählung,
z. Ex. einen falſchen Ort, der auf dem Wege
nicht liegt, oder ein Produkt, das in dem Lan-
de nicht wächſt, läſst er z. E in Norwegen Ko-
kosnüſſe wachſen, ſo fällt die ganze Geſellſchaft
mit zuſammengedreheten Schnupftüchern über
ihn her und jagt ihn mit den Worten zur Thür
hinaus:


Fort, fort mit dir, du böſer Gaſt;

dieweil du uns beflunkert haſt!

Erwachſene Mitſpieler flunkern den Kleinen
zu Gefallen, weil ihnen dergleichen Auftritte
Freude machen, ſchon dann und wann mit Fleiſs
einmal.


Eben daſſelbe Schickſal hat der Gaſt, wenn
er auf die Fragen nichts zu ſagen weiſs, da ver-
jagt man ihn mit den Worten:


Fort, fort mit dir du ſtummer Gaſt;

dieweil du nichts bemerket haſt.

Unter den belehrenden Spielen nimmt die-
ſes einen vorzüglichen Platz ein; Erwachſene
erhalten dadurch Gelegenheit, mit der Jugend al-
lerley Geographiſche, Phyſiſche und Hiſtoriſche
Kenntniſſe zu wiederholen, und die Kleinen An-
laſs, das nicht nur wieder ins Gedächtniſs zurück
zu rufen, was ſie hier und da gelernt haben, ſon-
dern es auch auf eine neue Art einzukleiden und
ſich im mündlichen Ausdrucke zu üben. Auf die-
[341] ſes lezte ſetzte ich vorzüglich viel. Was nun aber
das Kleid betrifft, worin hier Unterricht als Spiel
erſcheint: ſo iſt es mir faſt etwas zu leicht über-
geworfen; denn es beſteht bloſs in dem Herein-
kommen als Fremder, in den gereimten Fragen,
den Plumpſäcken und einem kleinen Schmauſe.
Die Hauptſache bleibt doch immer nur Erzäh-
lung, und die Fröhlichkeit und Luſtbarkeit wird
hauptſächlich nur durch den Ton der Geſell-
ſchaft und den des Erzählers befördert; bleibt
dieſer Leztere zumal immer nur bey allgemeinen
geographiſchen Angaben ſtehen, weiſs er nicht
ſo ins Einzelne zu gehn, als wenn er die Reiſe
wirklich gemacht hätte, hat er nicht die Kunſt
lebhaft und anſchaulich zu beſchreiben und
ein Späſschen mit unter zu machen: ſo fällt die
Sache ins Langweilige. Dagegen weiſs ich hier
keinen Rath, als daſs ſich Jeder einzelne Stellen
aus guten Reiſebeſchreibungen ganz zu eigen ma-
che, und hierauf ſeine Erzählung gründe.


Um die Einkleidung für kleine Zuhörer noch
ſpielähnlicher zu machen, rathe ich zur gänzli-
chen Verkleidung des Wanderers; ſie kann zur
Belebung des Spiels dienen.


Ferner wäre es vielleicht gut, daſs man es
den Zuhörern, den Hausvater ausgenommen,
zur Pflicht machte, auf die Art des Vortrags zu
achten, und dem Reiſenden bey einem bemerk-
Y 3
[342] ten argen Sprachfehler durch den Zuruf auf-
merkſam zu machen.


Ey holt doch die Grammatik her

der Herr ſezt Wörter in die Quer!

Jezt würde der Fehler in Proſa berichtiget
und hinzugeſezt


Heraus heraus mit einem Pfand,

denn Wörter ſind bey uns kein Tant.

Der Reiſende und der Hausvater im Gegen-
theile müſsten zugleich darauf Achtung geben,
daſs die Herren Cenſoren jedesmal ohne Aus-
nahme, jeder ein Pfand gäben, wenn ſie
einen Sprachfehler oder ein unedles Wort
durchlieſsen, ohne es durch den obigen Vers an-
zukündigen. Alle Pfänder werden am Ende des
Spiels eingelöſt. Hierdurch glaube ich, könnte
das Spiel mehr Spiel und zugleich mehr Beleh-
rung werden.


83. Das Geographiſche Kartenſpiel.


Ich darf bey dieſem Spiele nicht umſtändlich
ſeyn; denn diejenigen, welche es gebrauchen
wollen, müſſen es doch kaufen, und da erhal-
ten ſie mit den Karten zugleich eine vollſtändi-
ge Beſchreibung.


[343]

Die drey hundert kleinen Karten dieſes
Spiels betreffen bloſs Deutſchland in ſeinen 10
Kreiſen und Nebenländern. Den Unterſchied
der Farben im gewöhnlichen Kartenſpiele ma-
chen hier die Kreiſe und die Nebenländer Böh-
men, Mähren, Schleſien, Lauſiz werden auch
als ein Kreis angeſehen. Die Karten ſind bey
jedem Kreiſe folgende;


1. Kreiskarte (Daus) auf ihr ſteht ein Ver-
zeichniſs der Kreisländer.


2. Kreis Produktencharte (König) nennt die
Hauptprodukte


3. eine Stromkarte (Dame) enthält die Be-
ſchreibung eines Stromes, indem ſie den Ur-
ſprung, Gang, Ausfluſs und ſeine Nebenſlüſſe
anzeigt. (Es ſind aber nur 6 dergleichen Kar-
ten im Spiele, dieſs ſcheint mir fehlerhaft. Der
Verfaſſer hätte die Haupt- und Nebenflüſſe und
Seen jedes Kreiſes auf einem Blatt anzeigen und
ſo 11 Gewäſſerkarten ins Spiel bringen lollen.


Ferner vermiſſe ich als vierte die Bodenkarte,
welche die Beſchaffenheit des Bodens, die Ge-
birge und Berge, Haiden und Waldungen etc,
und Kultur hätte anzeigen können.


4, 5, 6 u. ſ. w. folgen nun die merk-
würdigſten Städte, jedes Kreiſes. Die vorzüg-
lichſte iſt mit Nro. I, die folgende mit II und
ſo fort bezeichnet, ſo daſs beym Spielen Nro. I
Y 4
[344] alle folgende ſticht. Auf jeder dieſer Stadtkar-
ten iſt angezeigt, ob die genannte Stadt eine
Haupt-Reſidenz-Handels- oder Fluſsſtadt, ei-
ne Feſtung, eine Univerſität ſey; ſie zeigt die
Zahl der Einwohner, die Beſchaffenheit und ei-
nige Merkwürdigkeiten.


Endlich gehört zu dem Spiele noch eine
Landkarte, ein bloſser Umriſs von Deutſchland,
der nichts enthält als die Kreisgränzen, Flüſſe
und Städte, doch ohne alle Namen.


Man nimmt nur ſo viel Kreiſe als Mitſpieler
da ſind, und von den Kreiſen die Karten 1, 2,
3, als Daus, König, Dame, und ſo viel Städte als
den Mitſpielern durch den Geographiſchen Un-
terricht bekannt ſind, alſo 10, 12, 20 und mehr.
Alle dieſe ausgewählten Farben miſcht und giebt
man, jedem Spieler 6, die andern werden zum
Abnehmen hingelegt, die oberſte davon wird
aber aufgeſchlagen, und dadurch alles zum
Trumpf gemacht, was zu ihrem Kreiſe gehört:
iſt z. Exempel die umgeſchlagene Karte Schwein-
furt
: ſo ſind alle Karten des fränkiſchen Krei-
ſes Trumpf.


Ehe es noch zum Ausſpielen kommt muſtert
jeder ſeine Karten; hat er 4 Städte, die ſich in
einer oder mehr Rückſichten gleichen, z. Exem-
pel 4 Städte die darin übereinkommen, daſs ſie
Manufacturſtädte, Handelsſtädte oder Fluſs-
[345] ſtädte, Feſtungen oder Univerlitäten u. ſ. w.
ſind, welches ihm die Karten anzeigen: ſo ſagt
er: ich melde 4 Univerſitäten oder u. ſ. w. eben
ſo kann er vier Kreiskarten u. ſ. w. melden.
Oft kommen die Städte in doppelter, drey,
vier, und fünffacher Rückſicht überein, dann
ſagt er, ich melde doppelt, dreyfach u. ſ. w.
Dafür ſchreibt ihn der Vorſteher des Spiels ein,
zwey, drey Augen gut. — Hierauf wird von
der Vorhand ausgeſpielt, die andern müſſen von
derſelben Farbe bedienen, wenn ſie davon ha-
ben, ſonſt dürfen ſie auch mit Trumpf ſtechen.
Nach jedem Stiche wird abgenommen, und
man kann von neuem melden, doch keine der
vorigen Städte in derſelben Qualität. Dann
wird wieder ausgeſpielt, und ſo fort, bis der
liegende Haufen vergriffen iſt.


Hieraufzählt jeder die Karten der Stiche, die
er gewonnen hat, und jede wird mit einem Au-
ge in der Rechnung gut geſchrieben. Iſt dieſs
geſchehen, ſo geht das examiniren an. Man
muſs die Städte und Flüſſe, welche die Karten
enthalten, auf der Landkarte zeigen, ohne erſt
lange zu ſuchen; fehlt, ſo wird man ein Au-
ge abgeschrieben, und derjenige von den Mit-
ſpielern, welcher zurecht weiſt, erhält eins gut.
Endlich nimmt der Vorſteher den Spielern
die Stiche ab, und da iſt jeder verbunden
Y 5
[346] von den Städten, die in ſeinen Stichen waren,
das Merkwürdigſte zu ſagen. Kann er gar nichts
vorbringen, oder ſagt er etwas Unrichtiges; ſo
wird ihm ein Auge ab und dem gut geſchrieben,
der ihm aushilft. Am Ende wird jedem die
Rechnung gemacht, und derjenige, welcher die
meiſten Augen hat, gewinnt den Preis, der in
eingeſezten Marken oder Obſt und dergleichen
beſteht. Man kann auch mit denſelben Karten
L’Hombre, Quadrille oder noch beſſer Treſet
ſpielen.


Wenn man dieſs Spiel mit der Jugend vor-
nehmen will, ſo muſs die Geographie von
Deutſchland von ihr ſchon bis zu einem mäſsigen
Grade gefaſst ſeyn, ſonſt läſst ſich’s nicht ſpielen.
Sie würde ſehr bald die Karte wegwerfen, wenn
ſie das Spiel unauf hörlich daran erinnerte, daſs
ſie nichts wüſste. Hieraus ergiebt ſich die Ab-
ſicht des würdigen Verfaſſers, des Hrn. Cam-
pe, von ſelbſt, nämlich die, daſs er es nicht
zur Erlernung oder zum Unterricht in der Geo-
graphie gemacht hat, ſondern bloſs zur gele-
gentlichen Wiederholung in müſsigen Stunden
nach Tiſche. Kenntniſſe laſſen ſich ſchwerer
erſpielen als erarbeiten. Dieſs ſage ich zum
Troſte derjenigen Herren, die ohne alle pädago-
giſche Einſicht, die wahrhaftig nicht bloſs durch
Lesen erworben wird, Pädagogik beurtheilen
[347] wollen. Ich ſelbſt habe lange Vorurtheil gegen
dieſs Spiel gehabt, nach gründlicher Prüfung,
die ich nach zwölfjährigem Unterrichte wohl
anſtellen konnte, habe ich aber gefunden, daſs
es vortrefflich ſey, ob ich gleich damit nicht ge-
ſagt haben will, daſs man Geographie überall
nicht beſſer repetiren könne. Die Vortheile
dieſes Spiels ſind kurz dieſe: Eine Menge von
geographiſchen Notizen geht den Kindern nach
und nach durch die Hände, die Lage von vielen
Städten wird bey jedem Spiele mit Schnellig-
keit angezeigt; durch das ganze Spiel hindurch
werden beym melden mancherley Aehnlichkeiten
der Städte verglichen, und am Ende die Merk-
würdigkeiten jeder Stadt, die dieſsmal mit ins
Spiel aufgenommen iſt, rekapitulirt. Alles dieſs
iſt mit Gewinn an Augen verbunden, ohne wel-
che das Spiel nicht gewonnen werden kann,
daher entſteht für Kinder ein ſtarker Reiz,
in den Inhalt der Karten, ſo wie ſie in
die Hände kommen, ſogleich einzudringen und
die darauf enthaltenen Data zu faſſen, d. i. Geo-
graphie zu repetiren. Der Vorſteher muſs
aber Geographie verſtehen.


Möchte doch Herr Campe den Gehalt der da-
zu gehörigen Karten noch weiter vervollkomm-
nen, hierin lieſse ſich noch ſehr viel thun —.
Ferner iſt das äuſere der Blätter ſehr elend. Mit
[348] Karten auf ſolch Papier läſst ſich faſt nicht ſpie-
len; es müſste wirkliches Kartenpapier dazu ge-
nommen und das Format der Karten dazu ge-
wählt werden. — Es giebt noch viel derglei-
chen Spiele von ſehr verſchiedenem Werthe, hier
mag es genug ſeyn, das beſte angeführt zu haben,
wonach jeder Lehrer der Luſt dazu hat, ſich das
Materiale zu Spielen über jedes Land ſelbſt ver-
fertigen kann. Zum Beſchluſs noch folgende
Anzeige von dergleichen Spielen:


  • Anleitung zu einem Geograph. Kartenſpiele über die Schweiz in Ta-
    bellen. Zürich. 1785.
  • Geograph. Zeitvertreib nebſt 80 geograph. Spielkarten. Stuttgard.
    1787. 8. Ggr.
  • Geograph. Spiel für Kinder von 6 bis 9 Jahren, enthaltend eine
    Kenntniſs der Karte von Europa. Bremen bey Cramer 1780. 8 Ggr.
    Iſt wenig werth.
  • Geograph. Spiel für Kinder. Preſsburg bey Löwe 1785. 1 Rthlr. 16
    Ggr.
  • Etwas zur mathematiſchen und natürlichen Geograph. in Form
    eines Spiels für Kinder, Bremen 1780.
  • Ruſsland ein geograph. Kartenſpiel. Riga bey Hartknoch. 16 Ggr.
  • Hiſtoriſch geogr. Kartenſpiel von Bayern und der Oberpfalz von
    V. Ball. München 1782. 12mo.

[349]

84. Hiſtoriſch-Chronologiſches Spiel.


Dieſes Spiel rühret von Herrn P. F. Catel in
Berlin her, der es 1791 durch eigenen Verlag
bekannt machte. Ich darf nur eine kurze An-
zeige davon geben, denn wer es ſpielen will,
muſs es ſelbſt kaufen; doch ſoll ſie ſo vollſtändig
ſeyn, daſs jeder ſelbſt ein Spiel danach machen
kann.


Der Verfaſſer hat auf 40 Duodez Kartenblät-
ter die Nahmen der merkwürdigſten Perſonen
aus der alten und neuen Geſchichte geſezt.
Für die erſten unbekannten beyden Jahrtauſen-
de ſind nur zwey Blätter beſtimmt. Vom Jahr
2000 an bis zu uns, hat jedes von den 38 Jahr-
hunderten ſeine Karte. Jede Karte hat die Nah-
men von 12 der berühmteſten Personen aus einem
Jahrhundert. Die Jahrhunderte ſind in 3 Men-
schenalter
getheilt, und darnach die Karten in 3
Columnen über einander, welche durch Linien ge-
trennt ſind. In jeder Columne ſtehn 4 berühmte
Nahmen von Perſonen, die in demselben Drittheile
des Jahrhunderts lebten. Jede Karte hat oben
das Jahr der Welt, und im nöthigen Falle die Zahl
des Jahrhunderts nach Chriſti Geburt. Hier iſt
eine ſolche Karte zum Beyſpiel.


[350]

5791. (18)


[figure]

Das ganze Spiel enthält folglich 480 berühm-
te Nahmen. Dieſe ſind nach alphabetiſcher Ord-
nung in einem zum Spiele gehörigen Buche hiſto-
riſch kurz erläutert, um im nöthigen Falle nach-
ſchlagen zu können. Zum Spiel gehören ferner
noch 40 andere Karten, auf denen bloſs die Jahrzah-
len der Jahrhunderte ſtehn, und endlich noch 12
Blätter, die mit den Zahlen 1. 2. bis 12 bezeich-
net ſind.


Die Nahmenblätter werden gemiſcht, und ge-
braucht wie bey einem Zahlenlotto. Man theilt
ſie der Geſellſchaft aus, und für jedes Blatt be-
zahlt die Perſon 4 Marken in den Pot. Jeder
legt die Karten offen vor ſich auf den Tiſch nach
chronologiſcher Folge.


Die Ziehung beginnt. Man miſcht die an-
dern Blätter mit den Zahlen der Jahrhunderte
und zieht 10 heraus. Jeder Spieler ſieht ſogleich
[351] nach, ob er von den gezogenen Jahrhunderten
eines unter ſeinen Blättern habe; er nimmt es
heraus und legt die übrigen Karten indeſs bey-
ſeite, ſo daſs nur die zehn gezogenen Blätter
auf dem Tiſche bleiben. Jezt kommt es zur
2ten Ziehung. Man miſcht nämlich die Blätter
mit den 12 Zahlen und zieht 4 davon aus. Da
jeder Nahme auf den Karten mit einer darü-
bergeſetzten Zahl bezeichnet iſt, ſo werden
durch dieſe Ziehung die Nahmen ſelbſt be-
ſtimmt. Stehen ſie als gleichzeitige Perſonen
in einer Columne neben einander, ſo hat man
eine Quaterne; ſind 3 oder nur 2 davon in einer
Columne, eine Terne oder nur eine Ambe; fal-
len ſie vereinzelt, ſo hat man einfache Auszüge.
Jezt werden die Perſonen der Reihe nach aufge-
fordert, von ihren berühmten Nahmen etwas
zu erzählen, und hiernach richtet ſich der Ge-
winn. Wer eine Quaterne hat, und weiſs von
allen 4 Perſonen etwas vorzubringen, bekommt
die Quaterne in 30 Marken aus dem Pot be-
zahlt; kann er nur von 3, 2 oder gar von einer
Perſon erzählen, ſo erhält er rückſichtlich die
Terne mit 14, die Ambe mit 8 oder den Auszug
mit 2. Der Nahme von dem man nichts weiſs,
wird als nicht gezogen angeſehen, und man
gibt Strafe dafür in den Pot. Wer folglich ge-
winnen will, muſs ſich mit der Geſchichte der
[352] aufgenommenen Perſonen bekannt machen und
ſie zu behalten ſuchen.


Die Erfindung iſt gut erſonnen; ſie kleidet
nützliche Kenntniſſe auf eine geſchickte Art
in das Gewand eines Spiels. Aber es kann
nur von jungen Leuten geſpielt werden,
die 1) den hiſtoriſchen Curſus ſchon vollen-
det haben und dann das alphabetiſche Nah-
menregiſter zur Wiederholung durchlaufen.
Kinder, die bey dieſen anfangen und hiſtoriſche
Nahmen und Facta behalten ſollen, ohne hiſto-
riſche Vorkenntniſs und Ueberſicht, füllen ihren
Kopf mit dunkeln Begriffen und falſchen Vor-
ſtellungen an; und fahren überhaupt beym Spiel
zu kurz, woran ſie doch nicht ſchuld ſind. 2) Nur
ſolche, die nach gleicher oder ſehr ähnlicher Me-
thode der Zeitrechnung unterrichtet ſind, ſonſt
möchten leicht Verwirrungen entſtehen. Kurz,
wenn man für wiſſenſchaftliche Spiele überhaupt
geſtimmt iſt, ſo laſſe man hier Kinder von ziem-
lich gleichmäſsigen hiſtoriſchen Kenntniſſen, die
einerley Unterricht gehabt haben, zuſammen
ſpielen; oder noch beſſer, verfertige ſich nach
dem vorgetragenen Curſus der Geſchichte ſelbſt
ein Spiel nach dem Modelle des obigen.


[353]

85. Regentenſpiel.


Man ſchreibt die Nahmen der Regenten, ihrer
Gemahlinnen und ihrer Reſidenzen einzeln auf Stück-
chen Kartenblätter oder Pappdeckel, die nicht
gröſser als ein Dominoſtein ſind, vertheilt ſie,
und läſst Domino damit ſpielen. Da legt einer
den König von England auf, wer die Königin
hat, legt ſie daran, dann folgt der dritte mit der
Reſidenz. Wer die Reſidenz hat fährt jedesmal
fort, wieder einen neuen König anzulegen.
Wer alle drey beſitzt, legt gleich alle drey hin-
tereinander hin, u. ſ. w. Wer zuerſt mit ſei-
nem Kärtchen zu Ende iſt, erhält von jedem
Mitſpieler ſo viel Mandeln, Roſinen und dergl.
als er noch Karten in Händen hat.


Dieſs Spiel iſt im Buchladen zu haben *).
Für die kleine Jugend iſt es nicht, denn was
ſoll die mit der Regentenliſte, ehe ſie weiſs,
was ein Regent iſt. Die Erwachſenern können
es bisweilen mit Vortheil gebrauchen, wenn ſie
ſonſt nicht, wie ich ſehr fürchte, mehr Ge-
ſchmack an den Mandeln und Roſinen als an
den Nahmen finden. Knaben ſollten hier lie-
ber den Plumpſack zur Hülfe nehmen, und den,
welcher zuerſt fertig wird, berechtigen, ſeinen
Z
[354] Mitſpielern ſo viel Streiche zu geben, als ſie
noch Blätter in Händen haben. Wem das
Spiel Bedürfniſs iſt, der wird es leicht, nach der
neueſten Einrichtung, die der Tod an den Hö-
fen veranſtaltet hat, verfertigen können.


86. Phyſikaliſches Kartenſpiel.*)


Ein Erwachſener von der Geſellſchaft iſt Aufſe-
her, dieſer miſcht und vertheilt die Karten, de-
ren dieſs Spiel 40 im Zwölftelformat hat. Auf
denſelben ſtehen allerley Fragen aus der Phy-
ſik; nahmentlich handeln 7 Blätter von den
Körpern überhaupt und ihren Eigenſchaften, 4
vom Feuer, 2 vom Lichte, 3 von der Luft, 3
von dem Waſſer u. ſ. w. von der Elektricität,
dem Magnete, von dem Weltgebäude, von den
Körpern auf der Erde und von den Lufterſchei-
nungen. Jede Karte iſt beziefert und hat 6
Fragen, die Antworten ſtehn zum Nothbedarf in
einem kleinen dazu gehörigen Büchelchen, oft
noch durch Anmerkungen erläutert. Der Auf-
ſeher theilt jedem ſeiner Geſellſchaft ein Kar-
tenblatt zu, und giebt ihm 15 Marken in den
[355] Kauf. Auf dem Tiſche ſteht die Kaſſe mit Mar-
ken. Iſt dieſs ſo veranſtaltet, ſo nimmt er das
Büchelchen zur Hand, läſst ſich die Nummern
der Karten der Reihe nach ſagen und die darauf-
ſtehenden Fragen friſch weg beantworten. Wer
das kann bekommt die Zahl von Marken als
Gewinnſt, welche im Buche notirt ſteht, oder
giebt im entgegengeſetzten Falle die ebenfalls
beſtimmte Strafe. Sind die Blätter durchgefragt,
und nach dem Buche die Antworten berichtigt,
ſo werden wieder Karten ausgetheilt u. ſ. w.


Dieſe ganze Compoſition iſt elend, ſie taugt
weder als Spiel, noch als Unterricht. Als Spiel;
denn das bloſse Examinatorium liegt nackt am
Tage, die Kinder werden es in alle Ewig-
keit nicht glauben, daſs dieſs Spielen heiſse.
Als Unterricht; denn der Verfaſſer hat ſich kei-
ne beſtimmte Subjecte des Unterrichts gedacht,
daher ſtehen hier die abſtracteſten Ideen neben
den ſimpelſten Begriffen, als: Ausdehnung, Un-
durchdringlichkeit, Bewegbarkeit, Ort, Schwe-
re. Iſt das für Kinder? Nun denn für Jüng-
linge; was ſollen denn die aber mit manchen
andern Fragen, als: was iſt ein Berg? — Ueber-
dem ſind manche Sachen verworren vorgetra-
gen, z. Exemp. was iſt verſteinertes Waſſer,
was ſind fliegende Sonnen. Dochſchon zu viel.
Wer dem ungeachtet glaubt Nutzen aus dieſem
Z 2
[356] Spiele ziehen zu können, der muſs das Materi-
ale deſſelben kaufen. Weit beſſer aber wäre
es, wenn jeder Jugendlehrer eines nach der
Form des obigen Catelſchen hiſtoriſchen Spiels
für das beſtimmte Bedürfniſs ſeiner Zöglinge
entwürfe.


D. Spiele der Phantaſie und des Witzes.


Alle ſind geſellſchaftliche.


87. Das Spiel der Aehnlichkeit.

Die verſchiedenartigſten Gegenſtände haben
unter gewiſſen Beziehungen noch Aehnlichkeit
mit einander, und wenn ſie auch in Gröſse, Form,
Maſſe u. ſ. w. noch ſo unähnlich ſind. Meine
Schreibfedern und die Tanne im Walde haben
in allen jenen Punkten nichts mit einander ge-
mein, aber ſie ſind doch beyde gewachſen und
haben hierin Aehnlichkeit. Dieſer Umſtand hat
zu einem ſehr angenehmen und nüzlichen Spiele
Anlaſs gegeben. Man ſezt ſich in einen Kreis
zuſammen und giebt ſich der Reihe herum der-
gleichen Aufgaben. Gewöhnlich nimmt man
[357] nur zwey Gegenſtände, man kann unter gewiſſen
Umſtänden aber auch drey und mehrere geben.
Als Beyſpiele muſs ich hier einige herſetzen.
Welche Aehnlichkeit finden ſie, fragt A den B,
zwiſchen einem Marmorblock und Papier? Antw.
Sie können beyde zu Denkmälern gebraucht
werden. — Zwiſchen Stahl und Glas? Sie gehö-
ren beyde zum Mineralreich. — Sind beyde
ſehr hart — können beyde zu Inſtrumenten ge-
macht werden, womit man Feuer anzündet. —
Zwiſchen einem Clavier, einer Blume, einer Ana-
nas
? Sie vergnügen alle drey die Sinne. — Zwi-
ſchen dieſem marmornen Briefbeſchwerer und ei-
nem Schwätzer? — Sie beſchweren beyde. —
Zwiſchen einer Taſchenuhr und der Sonne? -- Sie
zeigen beyde die Zeit an. -- Zwiſchen dem Fe-
dermeſſer
dort und dem Glaſe? — Man kann
ſich mit beyden verwunden. — Beyde ſind fa-
brikmäſsig gemacht u. ſ. w. So oft Jemand kei-
ne Aehnlichkeit finden kann, bekommt er abge-
redetermaſsen den Plumpſack, oder muſs ein
Pfand geben. Will man dieſe Beluſtigung noch
mehr in das Gewand eines Spiels verkleiden, ſo
lege man ſich eine Sammlung von 500 bis 1000
dergleichen Wörtern an, ſchreibe davon je 10
oder 20 auf die Seiten eines kleinen Buches und
numerire die Wörter jeder Seite von 1 bis 10
oder 20. Dieſs Buch geht nach und nach von
Z 3
[358] Perſon zu Perſon im Kreiſe herum. Jede nennt
zwey Zahlen und beſtimmt dadurch zwey Wör-
ter irgend einer Seite, die ſie vergleichen will
z. Ex. 10 und 3. Nun nimmt ſie das Buch, ſticht
mit einer Nadel zwiſchen die Blätter und über-
läſst es ſo dem Zufalle, welche Seite, die ſie ſelbſt
vorher durch rechts oder links beſtimmt hat, ihr
die Wörter angeben ſoll; dann nimmt ſie das
10te und 3te Wort und vergleicht beyde.
Schreibt man nur 6 Wörter auf jede Seite, ſo
kann man auch mit 2 Würfeln jedesmal ein Paar
herauswürfeln.


Ich halte dieſe Unterhaltung für ein ſehr treff-
liches Spiel, meine Gründe ſind dieſe: Die gan-
ze Geſellſchaft befindet ſich immerfort in einer
lebhaften Erwartung was wohl für Antworten her-
auskommen werden, und ſie hat meiſtentheils
Anlaſs zum Lachen, ſie mögen nun mehr oder
minder witzig ausgedacht oder fade und ſtumpf
ſeyn. Jeder nimmt überdem an der Aufgabe
Theil und ſucht für ſich im Stillen eine Aehn-
lichkeit heraus zu bringen, ſo erhält man am En-
de eine kleine Sammlung davon; alles dieſs iſt
ſehr unterhaltend, doch ſollte man dieſs Spiel
nie lange fortſetzen.


Um Aehnlichkeiten zu finden iſt es ſchlechter-
dings nöthig, beyde mit einander zu verglei-
chenden Gegenſtände in allen ihren mannich-
[359] faltigen Eigenſchaften und Beziehungen ſo
ſchnell als möglich zu überdenken. Dieſes Ue-
berdenken erſtreckt ſich ſogar auf die Nahmen,
womit die Gegenſtände ſelbſt, oder ihre Eigen-
ſchaften und Beziehungen benennt werden, denn
ſehr oft liegt die Aehnlichkeit bloſs in einem Wort-
ſpiele. So iſt die Aehnlichkeit zwiſchen einem
Briefbeſchwerer und Schwätzer bloſs Wortſpiel,
ſo beruhet ſie zwiſchen einer Zunge und Nadel,
zwiſchen einer Pomeranze und einem Mönche
bloſs auf einem Wortſpiele; bey jenem kommt
das Stechen der Nadel eigentlich und der Zunge
nur uneigentlich zu, bey dieſem iſt der Biſchof,
welcher aus beyden gemacht werden kann, bloſs
der Benennung nach ähnlich. Mit dem Ueber-
denken iſt die zweyte Operation nämlich die
Vergleichung vermöge des Witzes verbunden,
und beyde haben ſehr oft, nach Maaſsgabe der
kurzen Zeit, in welcher es geſchehen muſs, ein
ſehr groſses Feld zu durchlaufen, wenn die Ge-
genſtände nur ziemlich entfernt von einander
liegen; meine Leſer mögen es z. B. einmal ver-
ſuchen die Aehnlichheit zwiſchen einer Scheere
und einem Stück Wachs zu finden; ſie werden
wahrſcheinlich ziemlich lange zubringen, ehe ſie
darauf kommen. Daſs dieſs Ueberdenken und
Vergleichen für Jung und Alt ſehr nüzlich ſey,
bezweifelt niemand.


Z 4
[360]

Ich muſs endlich dieſem ächt pädagogiſchen
Spiele noch einige Anmerkungen anhängen.
1) Alle allgemeine Eigenſchaften der Körper,
als Schwere, Theilbarkeit, Sichtbarkeit, Un-
durchdringlichkeit und dergleichen dürfen
durchaus nicht mit in die Aehnlichkeit gezogen
werden; denn ſie ſind ja allen gemein; aber
wohl ſolche, die nur manchen zukommen, als,
Electricität, Flüſſigkeit, Durchſichtigkeit u. ſ. w.
2) Eine ſo ſchöne Sache auch der Witz iſt, ſo
halte ich es doch für ganz unpädagogiſch, ihn
auf Koſten ſeiner Nebenmenſchen, ja gar ſeiner
Geſpielen zu gebrauchen; es mag z. E. ganz be-
beluſtigend ſeyn, die Frage zu geben, was iſt
zwiſchen dem Kopfe des N. und ſeinem Geld-
beutel für Aehnlichkeit, und darauf die Antwort
zu hören, beyde ſeyen leer; aber bieder iſt es
doch nicht; bey jungen Leuten iſt ganz vorzüg-
lich darauf zu ſehn, daſs ſie nicht in dieſen Ton
verfallen, er iſt ſchlechterdings gegen Treuher-
zigkeit und Herzensgüte. 3) Der Erzieher hat
bey dieſem Spiele viel Gelegenheit, gegebene
Kenntniſſe z. E. in der Geographie, Naturge-
ſchichte und Geſchichte zu wiederholen; daher
Fragen wie dieſe: Welche Aehnlichkeit iſt zwi-
ſchen Kopenhagen und Stockholm? — Zwi-
ſchen Sicilien, Jsland, Teneriffa? u. ſ. w.


[361]
88. Sprichwörter.

Der Zweck dieſes Spiels iſt ſinnliche Darſtel-
lung eines Sprichworts durch theatraliſche
Handlung, welche entweder in bloſsem Minen-
ſpiele
(Pantomine) beſteht, oder mit wirklichen
Geſprächen verbunden iſt. Beyderley Art der
Darſtellung iſt vortheilhaft, und die Schwierig-
keiten mögen bey beyden etwa gleich groſs
ſeyn. Eine etwas zahlreiche Geſellſchaft theilt
ſich in zwey Partheyen und kommt überein,
welche von ihnen das Spiel beginnen ſoll. Die-
ſe verläſst das Zimmer, um ſich dazu vorzube-
reiten. Sie wählt ſich ein Sprichwort und verab-
redet umſtändlich die Art der Darſtellung. Je-
dem wird zu dieſem Ende ſeine beſtimmte Rolle
gegeben, jedem ſein Minenspiel oder die Mate-
rie worüber geredet werden ſoll, und die Haupt-
wendung der Geſpräche zugetheilt. Man wählt
im nöthigen Falle zu den Rollen eine leichte
Veränderung der Kleidung, und verſucht, wenn
man noch nicht ſehr geübt iſt, vorläufig das
Spiel. Hierauf geht man zu der übrigen Ge-
ſellſchaft zurück und führt das Verabredete aus.
Die Zuſchauer dürfen nichts dazwiſchen reden,
und kein Spieler darf fremdartige Sachen da-
zwiſchen bringen. Iſt man fertig, ſo müſſen
die Zuſchauer das Sprichwort aus der Action
Z 5
[362] errathen, und dann kommen dieſe aus Spiel.
Man hat Sammlungen von dramatiſirten Sprich-
wörtern *). Zur bloſsen Lectüre kann das gut
ſeyn, aber wenn man ſich daran hält, um
darnach zu ſpielen, ſo vereitelt man dadurch
den beſten Theil des Spiels; die Jugend muſs
die Darſtellung ſelbſt erfinden und nicht nachbe-
ten
; gut iſt es aber wenn ein erwachſener Ju-
gendfreund dabey zu Rathe gezogen wird. —
Um die Sache anſchaulicher zu machen, wähle
ich ein Beyſpiel aus dem Kinderallmanach oder
der Familie von Bernheim, an welchem man
die Bearbeitung und Darſtellung eines ſolchen
Sprichworts ſehen kann.


„Es währte nicht lange, ſo kamen Jettchen,
Luiſe und Guſtav wieder herein, und ſezten ſich
mit Handarbeit an einen Tiſch. Bald darauf
erſchien auch Lotte, welche einen Rock der
Amtmännin angezogen, und oben dicht unter
den Armen befeſtigt hatte. Sie gieng auf die
beyden Mädchen zu, um ſie zu umarmen; aber
eben ſo ſchnell gieng ſie wieder zurück.
[363] Wie? ſagte ſie, was ſehe ich? Sie tragen
noch ſolche lange Taillen an ihren Kleidern?
Pfui! ſchämen ſie ſich. Das trägt ja kein
Menſch mehr. Nein ſehen Sie mich an, ich ha-
be mir dieſs Kleid erſt machen laſſen; ſo muſs
man’s tragen. Eine lange Taille! Pfui.


Jettchen. Finden Sie es denn hübſcher, gar
keine Taille zu haben?


Lotte. Ich finde alles hübſch, was nur keine
lange Taille iſt. Eine Taille im Kleide! das ekel-
hafteſte von der Welt!


Luiſe. Ich muſs geſtehen, ich finde es nicht ſo:
ich glaube, daſs die Schönheit des Körpers darin
beſtehet, wenn die Taille das gehörige Eben-
maaſs —


Lotte. Ach was Schönheit! Ebenmaaſs! —
Schönheit iſt eine recht kurze, kurze Taille,
und einen recht langen langen Rock haben. Al-
le Welt trägt jezt eine kurze Taille; und eine
Taille, die nicht recht kurz iſt, iſt häſslich.


Luiſe. Aber, ich bitte Sie, dieſe Kleidung
iſt doch gar nicht natürlich, denn —


Lotte. Natürlich? Natur iſt dumm Zeug; ei-
ne Taille wie die Ihrige, unausſtehlich; und ei-
ne kurze Taille Mode.


Jettchen. Ich finde, daſs Sie Recht haben;
ich will mir gleich auch ſolch ein Kleid machen
laſſen. (geht um einen Rock von ihrer Mutter
eben ſo anzuziehn.)


[364]

Luiſe. Je nun, wenn ſie Alle ſo tragen, kann
ich nicht die einzige ſeyn, die ſich anders klei-
det. (ſie zieht ſich auch ſo an.)


Jezt trat auch Ferdinand als Mitſpieler mit
einer Lorgnette vor dem Auge in die Stube. Gu-
ten Tag, Bruder, ſagt er zu Guſtav; ich habe
dich lange nicht geſehen. Wie gehts?


Guſtav. Mir recht gut. Aber ich glaube faſt,
du haſt Schaden am Auge gekriegt, weil du das
Glas immer vorhälſt? Kannſt du mich denn nicht
ſehen?


Ferd. O ja recht gut! meinen Augen fehlt
nichts, ich kann in die Nähe und in die Ferne
ſehen.


Guſtav. Aber doch wohl durch das Glas ge-
nauer?


Ferd. Nein, gerade umgekehrt; ich kann
mit bloſsen Augen beſſer ſehen.


Guſtav. Warum trägſt du es denn? So wirf
doch das dumme Ding weg.


Ferd. Bewahre! Lieber wollte ich einen
Finger miſſen! Jedermann trägt jezt ein ſol-
ches Ding, und ich ſollte keines tragen?


Guſtav. Wenn es dir nicht nüzt, wie du ſagſt.


Ferdin. Nein, das thut es nicht; es iſt mir
vielmehr beſchwerlieh. Aber deſswegen miſſe
ich es doch um keinen Preis.


[365]

Guſtav. Aber ich bitte dich —


Ferd. Sieh nur, alle Welt ſieht jezt durch
ein ſolches Glas; was würde man ſagen, wenn
ichs nicht thäte? Man glaubte wirklich, ich ver-
ſtünde mich auf den Ton nicht: Ich rathe dir
ſehr, dich nicht öffentlich ohne daſſelbe ſehen
zu laſſen, man würde dich auslachen.


Guſtav. Ja wenn du das glaubſt, ſo will ich
lieber auch einen Gucker nehmen. Wenn ich
nur gleich einen hätte!


Ferd. Hier habe ich zum Glücke noch einen
bey mir. Nimm ihn.


Guſtav nahm ihn; und nun tanzten die drey
Mädchen mit ihren langen Röcken und die bey-
den Knaben mit ihren Guckern, bis ſie von den
übrigen mit groſsem Gelächter aus der Thür ge-
jagt wurden. Sie kommen dann wieder herein
und fragen was wars; am Ende kommts heraus,
nämlich: Ein Narr macht leicht mehrere.


Offenbar gehört dieſs Spiel zu den beſten
Geſellſchaftsſpielen. Es iſt fähig eine Geſell-
ſchaft ungemein zu unterhalten, aufzuheitern
und häufig in allgemeines Lachen zu verſez-
zen; es läſst ſogar ſehr oft einige Bewegung
zu. Da die dramatiſche Darſtellung eines
Sprichworts ſehr mannichfaltig bewerkſtelligt
werden kann, ſo bietet ſich der Jugend ein wei-
tes Feld dar, Phantaſie, Witz und Erfindungs-
[366] kraft ſpielend zu bilden, die verſchiedenen Ar-
ten, welche von dieſem und jenem vorgeſchla-
gen werden, zu beurtheilen, die beſte zu wäh-
len, um in der Anlage und Ausführung des
Spiels ihren Geſchmack theils auf die Probe zu
ſtellen, theils ihn durch Hülfe erwachſener
Freunde zu verbeſſern. Die Ausführung ſelbſt
giebt Anlaſs zu einem gewiſsen, ſehr ſchätzbaren
unbefangenen Betragen im Handeln und Re-
den. Da ſich nicht jedes Sprichwort zu drama-
tiſcher Darſtellung eignet, ſo will ich zum Be-
ſchluſs noch eine kleine Sammlung herſetzen.


  • Viele Köche verderben den Brey.
  • An vielem Lachen erkennt man den Narren.
  • Wer den Schaden hat, darf für Spott nicht
    ſorgen.
  • Man ſucht keinen hinterm Strauch, man habe
    denn ſelbſt dahinter geſteckt.
  • Gebrannte Kinder ſcheuen das Feuer.
  • Wie die alten ſungen, ſo zwitſcherten die Jun-
    gen.
  • Jedem Narren gefällt ſeine Kappe.
  • Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans ſehr
    ſchwer.
  • Eigenlob ſtinkt.
  • Gleiche Brüder gleiche Kappen.
  • Gleich und gleich geſellt ſich gern.
  • Der Horcher an der Wand hört ſeine eigne
    Schande.
  • Gelegenheit macht Diebe.
  • Hochmuth kommt vor dem Falle.
  • Wer Pech angreift beſudelt ſich.
  • Wer lang hat läſst lang hängen.
  • Wer A ſagt muſs auch B ſagen.
  • Ein voller Bauch ſtudírt nicht gern.
  • Was lange währt wird gut.
  • Eine Hand wäſcht die andre.
  • Undank iſt der Welt Lohn.
  • Kurze Haare ſind bald gebürſtet.
  • Allzuviel iſt ungeſund.
  • Borgen macht Sorgen.
  • Kleider machen Leute.
  • Der Apfel fällt nicht weit vom Stamme.
  • Der Krug geht ſo lang zu Waſſer bis er bricht.
  • Durch Fragen wird man klug.
  • Ehrlich währt am längſten.
  • Ein Narr kann mehr fragen als zehn Kluge be-
    antworten.
  • Ein Vogel in der Hand iſt beſſer als zehn auf
    dem Dache.
  • Eine Schwalbe macht keinen Sommer.
  • Es iſt nicht alles Gold was glänzt.
  • Es iſt nichts ſo böſe es iſt zu etwas gut.
  • Wer zuletzt lacht, lacht am beſten.
  • Vor gethan und nach bedacht, hat manchen in
    groſses Leid gebracht.
  • Traue ſchaue, wem?

89. Die Erzähler
oder das
Geſchichtemachen.

Eine Jugendgeſellſchaft, die in ihrer Geiſtes-
bildung ſchon ziemliche Fortſchritte gemacht
hat, ſitzt im Kreiſe umher, und jeder verpflich-
tet ſich, wenn die Reihe an ihn kommt, etwas
zu erzählen. Der Gegenſtand der Erzählung
bleibt ſeiner Wahl überlaſſen; aber er iſt ver-
bunden gewiſſe Wörter in die Erzählung zu ver-
flechten, welche ihm von den andern gegeben
ſind; ja er muſs ſie ſelbſt in der Ordnung vor-
bringen, in welcher ſie ihm ſind gegeben wor-
den. Er kann mithin keine ſchon gehörte oder
geleſene Erzählung gebrauchen, ſondern muſs
aus dem Stegreife ein Geſchichtchen erfinden,
und jene Wörter auf eine ungezwungene Art hin-
einweben. Hierzu gehört Nachdenken, und
Erfindungskraft, genauer genommen, dichten-
de Phantaſie und Witz, um die Wörter gehörig
und zwar ſchnell miteinander in gewiſſe Ver-
hältniſſe zu ſchieben, und ſie vortheilhaft mit-
[369] einander zu verbinden. Hieraus ergiebt ſichs,
daſs dieſs ſehr ſchöne, mit häufigem Lachen
verbundene Spiel eine vortreffliche Geiſtesü-
bung der Jugend ſey. Für Kinder iſt es ſchwer,
aber ſie werden ſchon durch Zuhören unterhal-
ten, und will man ſie ins Spiel ſelbſt ziehen; ſo
muſs man ihnen zu Hülfe kommen; ja ihre
kindiſchen Wendungen und ihre naiven und
muntern Einfälle erſetzen alle andern Vollkom-
menheiten der Erzählung. Um die Sache an-
ſchaulich zu machen, will ich ein Beyſpiel her-
ſetzen. Neun junge Leute geben dem Zehnten
jeder ein Wort, dieſe ſind Topf, Lichtputze, Pa-
pier, Uhr, Brot, Schreibtafel, Schiebkarren, Pferd,
Citrone
. Und hieraus macht er folgende Er-
zählung.


Fritz war ein ſehr gefräſsiger Knabe, dem bis
dahin das Eſſen über Alles gieng. Es war daher
etwas gewöhnliches, daſs er des Morgens an der
Küchenthür herumgieng, um mit ſeiner Naſe
auszuſpüren, was es heute zu eſſen gebe; und
konnte die ihm nicht Beſcheid thun, ſo nahm er,
wo möglich, die Augen zu Hülfe und guckte in
den Topf; denn mit fragen kam er nicht gut
mehr zurecht, die Köchin hatte ihn ſchon oft
ausgelacht und auf die Frage: was eſſen wir denn
heute? zur Antwort gegeben, eine gebrate-
ne — Lichtputze oder fricaſſirtes — Papier. Das
A a
[370] hatte ihn denn mächtig verdroſſen, aber demun-
geachtet lieſs er von dieſem kindiſchen Fehler
nicht ab. Nie ſchlug ihm die Uhr angenehmer,
als dann, wann ſie durch 12 Schläge zum Eſſen
rief. — Vier Worte habe ich nun glücklich hin-
eingebracht, auch das Brot ſoll mir nicht ſchwer
hineinzuſchieben werden; ihr wiſst ja, daſs es
die gewöhnlichſte Sache bey Tiſche iſt, ich darf
alſo nur ſagen, daſs Fritz mit dem Brote ſehr
ſparſam umgieng, um ſeine Eſsluſt für die an-
dern Speiſen recht lebendig zu erhalten; was
ich aber mit den andern Worten anfangen ſoll,
weiſs ich bis dato nicht; denn Schiebkarren wer-
den ja nirgends gegeſſen und Pferde nur bey
den Tatarn. Jedoch es ſey gewagt. Sein Va-
ter hatte die gute Gewohnheit, jährlich ein Paar-
mal mit ſeinen Kindern und dieſem und jenem
ihrer Freunde eine kleine Fuſsreiſe in die be-
nachbarten Gebirge zu machen, um der ſchönen
Gegend zu genieſsen, und ihnen unter ſteter
Bewegung manche Kenntniſſe zu verſchaffen,
die ſie zu Hauſe nicht erhalten konnten. Eine
ſolche Reiſe ſollte am 4 Jun. auch angeſtellt
werden. Alles freute ſich darauf, und machte ſich
dazu fertig. Fritz that es auch, vergaſs auch ſei-
ne Schreibtafel nicht, um allerley Merkwürdig-
keiten zu notiren, die ihm aufſtoſsen könnten.
Die gröſste Merkwürdigkeit war ihm ein Schieb-
[371] karren
. Wiſst ihr warum? — Die Dörfer lagen
in den Gebirgen ſelten, und die Gaſthöfe waren
ſchlecht, man muſste ſich daher mit Nahrungs-
mitteln verſorgen. Nun werdet ihr ſchon mer-
ken, warum unſerm Fritz der Schiebkarren ſo
merkwürdig war; er enthielt nämlich in einem
daraufſtehenden und mit einem ſchönen wei-
ſsen Tuche bedecktem Korbe, allerley Gegen-
ſtände, die dem Kleinen ſehr am Herzen oder
vielmehr am Gaumen lagen; Braten, Kuchen,
Obſt und dergl. Ich kann euch die Freude
nicht beſchreiben, welche Fritz hatte, als die
Mutter den Korb ſo reichlich ausſteuerte; er
hätte ihn küſſen mögen. Der Mann, welcher
den Karren ſchieben ſollte, kam endlich. Ad-
je Mutter, adje! adje! es gieng fort, nach-
dem man erſt ein ſtarkes Frühſtück eingenom-
men hatte. Eine Stunde vergieng nach der an-
dern; ich will euch nichts von allen den Sa-
chen ſagen, die man bald hier bald dort be-
merkte; von den einzelnen Erdbeeren, auf wel-
che die Kinder am Wege Jagd machten und
ſie mit unter dem lieben Vater brachten; von
den ſchönen Gegenden, Felſen, Thälern, Pflan-
zen, Steinen u. ſ. w. nur muſs ich bemerken,
daſs Fritzens Eſsluſt bey jedem Schritte eifriger
wurde, und daſs ſein liebſter Gegenſtand in der
ganzen Landſchaft der Korb blieb. Er ſoll ihn
A a 2
[372] ſogar bisweilen im ſtillen recht freundſchaftlich
angeredet und mit allerley Schmeicheleyen
beehrt haben. Eine Frage lag ihm ganz beſon-
ders am Herzen, nämlich die, wo werden wir
eſſen; denn es war ſchon 11 Uhr. Er ſelbſt
mochte ſich dadurch beym Vater hierin nicht
gern eine Blöſse geben, ſchickte alſo Carln ab,
der muſste fragen. Es hieſs, 2 Stunden von
hier iſt ein Hammerwerk, da wirds am ſchick-
lichſten ſeyn. Friſch! Kinder, laſst uns recht
zu gehen! rief Fritz, der nun ſah, daſs es ſobald
noch nicht zum Eſſen kommen würde. Aber
der Mann mit dem Schiebkarren konnte nicht
ſo ſchnell fort. Fritz entſchloſs ſich zu hel-
fen, er zog an einem Stricke, der vorn an-
gebunden wurde und bisher den Korb an
den Karn befeſtigt hatte. Da kam ein Karn
mit einem Pferde beſpannt. Links war eine ſtei-
le Bergwand, rechts ein Fluſs und auf dem Ufer
nur ein ſchmaler Fuſsweg. Der Schiebkarn
muſste ausweichen und ſich folglich auf den
ſchmalen Weg begeben. Friz, armer Friz!
faſſe dich, dein Liebling iſt in Gefahr! Die
Axe des Karns giebt dem Schiebkarn einen
kleinen Stoſs, der Korb verliert das Gleichge-
wicht und taumelt und rollt hinab in den Fluſs.
Das Elend kann ich nicht beſchreiben, ein allge-
meines Oh!-kündigte es an; aber Friz iſt untröſt-
[373] lich. Wie Gellerts Henne mit ſtrupfichtem Gefie-
der läuft er am Ufer umher. Da ſchwimmen die
ſchöne Sachen, Braten, Kuchen u ſ. w. und Fritz
wurde in der Herzensangſt ein Fiſcher. Mit
einem abgebrochenen Baumzweige eilt er hin-
zu und fiſcht euch nichts heraus als eine Citro-
ne
. Wie ſauer ihm die im Wirthshauſe bey
Käſe und Brod ſchmeckte, könnt ihr leicht
denken. Meine Geſchichte iſt aus.


Ein ganz paſſendes Muſter iſt dieſe Erzählung
freylich nicht, denn ob ſie gleich nach den vor-
her beſtimmten Wörtern zuſammengeſetzt iſt,
ſo wurde ſie doch am Schreibtilche gemacht
und iſt daher nicht völlig extemporirt. Alle
Zwiſchenreden der Umherſitzenden ſind um der
Kürze Willen weggelaſſen. Ein Paar ſehr nied-
liche Beyſpiele findet man auch im Kinderalma-
nach von 1795 ſammt dem ganzen Tone, den ich
in dergl. Jugend geſellſchaften wünſchte.


Dieſes Spiel verdiente allgemein bekannt,
und recht oft geſpielt zu werden; es iſt überall
auch im Freyen auf einem Spaziergange aus-
führbar. Die Jugend gewöhnt ſich dabey an
eine gewiſſe Ordnung im Denken, ſie erwirbt
ſich bey guten Muſtern allmählich guten Aus-
druck und das Flieſsende, Zuſammenhängende,
ohne welches die Erzählung verkrüppelt zur
Welt kommt. Blöde Kinder erlangen, wenn
A a 3
[374] man ſie gehörig behandelt, mehr Freymüthig-
keit und Selbſtzutrauen, empfindliche haben
Gelegenheit das Lachen der andern ertragen
zu lernen u. ſ. w.


Ein hier und da nachhelfender und verbeſ-
ſern der Aufſeher iſt bey dieſem Spiele nöthig. In
ſeiner Hand iſt ein Plumpſack er beſtraft einen
jeden ſpaſshaft für falſche, niedrige, undeutſche
Ausdrücke, für auffallende Unwahrheiten, die
ſeine Erzählung an ſich trägt, oder für gänzli-
ches Steckenbleiben. Weiſs er die Hiebe auf
eine gute fröhliche Art auszutheilen, ſo wirds
an Gelächter nicht fehlen, und dadurch wird
das Spiel nur zweckmäſsiger. Man kann ſich
auch ſtatt deſſen Pfänder geben laſſen.


Man hat von dieſem Spiele verſchiedene Ab-
änderungen die ich hier noch angeben will.


1) Einer von der Geſellſchaft nimmt ſo viel
Stückchen Papiere als Perſonen da ſind, nume-
rirt ſie mit 1, 2, 3, 4… und ſchreibt auf jedes
ein Wort. Man wirft ſie vermiſcht in einen Hut,
jede Perſon zieht eins heraus und diejenige,
welche Nummer 1 hat, iſt verpflichtet in die Mit-
te zu treten und über die ſämtlichen Wörter,
die ihm jezt bekannt gemacht werden, et-
was zu erzählen, auf die Art wie oben angege-
ben iſt; ſey es nun eine wirklich gemachte, oder
erdichtete Reiſe, eine kleine Erzählung, oder
[375] was es will. Nennt er bey dieſer Gelegenheit
eins von den ausgetheilten Wörtern, ſo iſt die Per-
ſon, die es hat, verbunden, ſogleich aufzuſtehn
und mit dem bisherigen Erzähler ein Geſpräch
anzuſpinnen, das auf ſeine Erzählung Beziehung
hat, und wodurch ſie weiter fortgeſezt wird.
Dieſe Perſon darf aber bey Strafe eines Pfandes
keines von den Wörtern gebrauchen, die den
Uebrigen zugetheilt ſind; ja man ſezt auch wohl
feſt, daſs ſie bey ihrer Unterredung weder nein
noch nicht ſagen darf. Ihre Converſation mit
dem Erzähler dauert ſo lange fort, bis dieſer ein
anders von den ausgetheilten Wörtern einwebt,
dann ſezt ſie ſich und die andre Perſon, die das
oben genannte Wort hatte, eilt ſchnell herbey,
um es eben ſo zu machen, wie die eben abge-
tretene. Dieſe Abändrung hat das Empfehlende,
daſs nach und nach alle Perſonen in Thätigkeit
kommen. Pfänder werden bey dieſem Spiele ge-
geben 1) von dem Erzähler, wenn er ein
ſchon eingewebtes Wort noch einmal vorbringt.
Man macht es ihm auch wohl zum Geſetze, daſs
ſich mit dem zulezt noch allein übrigen ausge-
theilten Worte ſeine Erzählung ſchlieſse, und
daſs er für jedes noch hinterher folgende und
zum Schluſs nöthige Wort ein Pfand geben muſs.
2) Von den aufgeſtandenen Perſonen; wenn ſie
ihr Wort überhören, nicht augenblicklich auf-
A a 4
[376] ſtehn und ſogleich mit ihrem Geſpräche einfal-
len, ſo wie auch in den oben ſchon erwähnten
Fällen.


2) Man wählt zwey Perſonen den A und den
B aus der Geſellſchaft, den übrigen aber werden
Wörter zugetheilt. A erzählt eine Geſchichte,
Reiſe oder ſo etwas, und verwebt die ausgetheil-
ten Wörter, die er aber hier mehr als einmal
anbringen kann. So oft er ein ſolches Wort
nennt, muſs die Perſon, der es gehört, aufſtehn
und pfeifen, bey Strafe eines Pfandes. B ſitzt
im Kreiſe vor dem A und unterhält dieſen bald
durch Fragen, bald durch eingeſtreute Späſschen.
Hierbey ſucht er ebenfalls die ausgetheilten Wör-
ter recht oft einzuweben; wer da nicht auf-
merkſam iſt und auch aufſteht und pfeift, wenn
B ſolch ein Wort gebraucht, muſs ein Pfand ge-
ben. Hierdurch wird die Sache auch zur Uebung
ſchneller Aufmerkſamkeit.


3) Einer von der Geſellſchaft wird durchs
Loos oder Uebereinkunft zum Erzähler gewählt.
Indeſs dieſer auf ein Thema irgend einer Art
denkt, ſagt Jeder ſeinem Nachbar im Kreiſe ein
Wort ins Ohr, welches dieſer geheim hält. Es
iſt geſchehen, der Erzähler beginnt unter völ-
liger Freyheit ſeiner Phantaſie. Wann es ihn
beliebt, beſonders bey jedem kritiſchen Zeit-
punkte in ſeiner Erzählung, weiſst er mit dem Fin-
[377] ger auf eine Perſon im Kreiſe, und dieſe, dadurch
aufgefordert, ſagt ihm ihr bisher geheim gehal-
tenes Wort, das er nun in ſeine Erzählung, ohne
alle Hemmung, verflechtet, auf eine Art, die
ganz von der Fähigkeit ſeines Witzes abhängt.
Jedermann ſieht leicht ein, wie viel dieſs zur Be-
luſtigung der Geſellſchaft, ſo wie zur Uebung
des Erzählers beytragen müſſe. Laſst uns an-
nehmen, er ſey in der Erzählung einer Reiſe bey
einer Räubergeſchichte; die Nacht war ſchauer-
lich, das Geräuſch in den Gipfeln des Waldes,
die undurchdringliche Finſterniſs und das Ge-
brüll dieſer vier Unmenſchen, die uns Geld oder
Leben abforderten, machte ſie zu der ſchauder-
vollſten meines Lebens. Da ergriff ich ſchnell —
hier zeigt er auf eine Perſon und dieſe nennt —
Perrücke — ein Degen oder eine Piſtole wäre
freylich bequemer geweſen, allein es’ iſt nun ein-
mal nur eine Perrücke — meine Perrücke, nahm
meinen ganzen Muth zuſammen und ſtopfte ſie
dem ärgſten Brüller, der mir auf den Leib woll-
te, beym Schimmer ſeiner Laterne, ſo tief in
den Schlund, daſs er aus Mangel an Athem zu
Boden ſtürzte. Jezt, da die andern ihn von
dieſem tödtlichen Haarwulſte befreyen wollten,
drückten wir ganz bequem die Piſtolen auf ſie
ab u. ſ. w.


A a 5
[378]
90. Die Zeichnungswürfel.

Folgendes noch ſehr wenig bekannte Spiel, das
der Phantaſie eine ſchwierige aber ſehr edle Be-
ſchäfftigung darbietet, wird allen Freunden der
Zeichnungskunſt, die ſchon ſo weit ſind, daſs ſie
ſich über bloſses kopiren hinauswagen, ſehr will-
kommen ſeyn. Ich entlehne es aus einem Briefe,
den man in den Libationen findet. Man hat 5
Würfel; der erſte zeigt auf allen Seiten 1, der
andere 2, der dritte 3, u. ſ. f. Jeder Zeichner
läſst ſie alle fünf zugleich auf eine gemäſsigte Art
aus der Hand auf das Papier oder auf die Tafel
fallen, die er zum Zeichnen vor ſich hat, und
dieſer Wurf entſcheidet die Lage der Theile von
der zu zeichnenden Figur; denn, dem angenom-
menen Geſetze nach, beſtimmt der Würfel 1
die Stelle des Kopfs, 2 der rechten, 3 der lin-
ken Hand, 4 des rechten, 5 des linken Fuſses.
Er bezeichnet dieſe Punkte und giebt die Wür-
fel zu eben dem Gebrauche weiter. Von jetzt
an erhält ſeine Phantaſie freyen Spielraum;
denn es kömmt nun darauf an, eine Menſchen-
figur ſich in irgend eine Lage, ſey es laufend,
liegend, ſtürzend, kämpfend, arbeitend zu den-
ken, ſo daſs die genannten Theile auf die durch
das ungefähre Auseinanderprellen der Würfel
entſtandene Stellen fallen. Selbſt dann, wenn
[379] das Ungefähr einen Würfel auf den andern z.
Exempel 1 auf 4 bringen ſollte, muſs der rech-
te Fuſs unter den Kopf gezeichnet werden;
kurz man darf keine nur denkbare Conſtella-
tion der Würfel verwerfen, es ſey denn daſs der
Zufall irgend einen davon ſo weit von den an-
dern abjagte, daſs der Arm, das Bein etc. da-
durch aus den Gränzen aller Proportion träte.
Welch ein weites Feld erhält durch ein ſo leich-
tes Mittel die ſchöpferiſche Phantaſie für ihre
Wirkſamkeit!


91. Die ſtummen Spieler,
oder
Pantomime

Die Geſellſchaft wählt, etwa nach Anhang I, 4,
Einen zum Anführer des Spiels. Dieſer befindet
ſich im Kreiſe der übrigen, und fragt links und
rechts, bald dieſen bald jenen mancherley, z. E.
Wie haben ſie die Nacht geſchlafen? Was früh-
ſtücken ſie heut? Auf welche Art reiſen ſie am
liebſten? Welche Jahrszeit iſt ihnen die ange-
nehmſte? Warum ſind ſie ſo gegen den Winter
eingenommen? u. ſ. w. Niemand darf anders
[...] als durch Minen antworten; wers verſieht und
irgend einen Laut von ſich giebt, muſs ein Pfand
[380] geben oder bekommt den Plumpſack. — Für
junge Leute iſt dieſs Spiel bey ſeiner Einfachheit
ungemein luſtig und unterhaltend. Die Fragen
geſchehen ſchnell auf einander, und man fragt
gewöhnlich ſo, daſs weder ja noch nein zur Ant-
wort hinreicht. Die Gefragten ſind daher ge-
nöthigt, ſchnell auf pantomimiſche Ausdrücke
zu denken. Betrifft dieſer Ausdruck oder die-
ſe Darſtellung bloſs einen körperlichen Gegen-
ſtand oder eine körperliche Action: ſo wird es
für Phantaſie und Witz gewöhnlich nicht ſehr
ſchwer, durch Gebärden zu ſprechen, mit dem
Körper Bewegungen nachzuahmen, mit den Hän-
den anzuzeigen oder gleichſam zeichnend aus-
zudrücken; leiten die Fragen ins Gebiet der
Empfindungen und Affecten ſo wächſt die
Schwierigkeit ſchon etwas; führen ſie aber gar
ins Reich der Ideen, ſo geräth Witz und Phan-
thaſie gewöhnlich auf die Folter. Der Frager muſs
hierauf, ſo wie auf die Fähigkeiten ſeiner Geſell-
ſchafter, Rückſicht nehmen; es iſt daher beſſer,
ſeine Stelle nicht durchs Loos, ſondern durch
freye Wahl zu beſetzen und die fähigſte Perſon
dazu zu nehmen. Aehnlich iſt folgendes.


[381]
92. Die Mimik

Man wähle, nach Anhang I. 4. einen Anführer
oder Richter des Spiels. Dieſer läſst aus einem
Spiele Karten, — wovon jedes Blatt die Benen-
nung einer Leidenſchaft oder Gemüthsbewegung
trägt, indem man eins der Worte Freude, Furcht,
Sehnſucht, Zorn, Neid, Andacht, Scham, Er-
ſtaunen, Miſstrauen u. ſ. w. darauf geſchrieben
hat — von jeder Perſon ungeſehen ein Blatt zie-
hen. Iſt die Ziehung durch den ganzen Halb-
kreis der Geſellſchaft geſchehen: ſo iſt nun der-
jenige, welcher zuerſt zog, verbunden, die auf
ſeinem Blatte bemerkte Leidenſchaft oder Ge-
müthsbewegung pantomimiſch darzuſtellen. Er-
räth ſie die Geſellſchaft, ſo folgt der Nachbar in
eben dem Geſchäfte nach; erräth ſie aber die
Geſellſchaft nicht, ſo giebt er ein Pfand und
muſs ſo lange ein neues Blatt ziehen und dar-
ſtellen, bis ihm bey einem die richtige Darſtel-
lung glückt, dann entläſst ihn der Spielrichter,
nachdem er ſo viel Pfänder als verfehlte Karten
von ihm erhalten hat, und geht zum Nachbar.


So iſt die Form des Spiels in den Libationen
angegeben; Mir ſcheint ſie auffolgende Art einer
Verbeſſerung fähig. Jeder, der ſo eben im Be-
griffe iſt, ein Blatt mimiſch darzuſtellen, zeigt
ſeine Karte dem Spielrichter, welcher dann nach
[382] der Vorſtellung ſchnell von Perſon zu Perſon
geht und ſich heimlich von jeder ſagen läſst, was
ſie unter den Gebärden verborgen glaube. Fin-
det er, daſs die meiſten Perſonen die Vorſtellung
verſtanden, ſo geben alle die ein Pfand, welche
ſie nicht verſtanden; konnten ſie aber die mei-
ſten nicht einſehen, ſo giebt der Mimiker ein
Pfand, und muſs wie oben andere Blätter zie-
hen. Hierdurch iſt jeder, der nicht gern Pfän-
der giebt, genöthigt, genau zu beobachten um
jene Mimik mit Hülfe ſeiner Phantaſie und ſei-
nes Witzes zu enträthſeln. Werden die Stim-
men im Gegentheile nicht einzeln geſammelt, ſo
können alle Unachtſamen von einem einzigen
Aufmerkſamen gedeckt werden. Fertige Kar-
ten zu dieſem Spiele mit paſſenden Fingetten
auf jedem Blatte verkauft Artaria in Wien. Ue-
bung jener Seelenkräfte, ſo wie beſonders der
Beurtheilungskraft in richtiger Erkennung und
Schätzung affectvoller Ausdrücke auf den ver-
ſchiedenſten Menſchengeſichtern machen es nüz-
lich und für Menſchenkenntniſs nicht ganz
gleichgültig.


[383]
93. Das Wortverbergen.

Wir ſchicken Einen zum Zimmer hinaus und
ſagen uns indeſs im Kreiſe herum einer dem
andern ein Wort ins Ohr; kommt dann Jener
wieder herein: ſo thut er an jede Perſon eine
willkührliche Frage, und in die darauf zu ge-
bende Antwort wird jenes Wort ſo verwebt, daſs
es ſchwer herauszufinden iſt. Der Frager muſs
nach einigem Bedenken ein Wort angeben,
trifft er das gegebene nicht, ſo giebt er; trifft er
es aber, ſo giebt die gefragte Perſon ein Pfand.
Hier ſind Beyſpiele: gegebene Worte waren in
einer Geſellſchaft folgende: 1) Siegellack, 2)
Witz, 3) Freude, 4) Meſſer, 5) Henne, 6) Wind,
7) Geduld, 8) Nichts, 9) Vergnügen, 10) Geld, 11)
Langeweile, 12) [Freundſchaft], 13) Papier, 14) Schnee,
15) Freund, 16) Genügſamkeit, 17) Kamm, und der
Hereinkommende fragte bey


  • Nro. 1. Wie haben Sie die Nacht geſchlafen?
    • Antwort: Sehr ſchlecht; ich verbrann-
      te mich geſtern mit Siegellack, dieſs
      machte mir die ganze Nacht ſchmer-
      zen.
  • — 2) Was frühſtückten Sie heut?
    • Antwort: Thee, Butterbrod und Witz,
      denn ich las im Rabner.
  • — 3) Auf welche Art reiſen Sie am liebſten?
    [384]
    • Antw. In Geſellſchaft der Freude; mit
      Trübſinn und Langeweile mag ich nicht
      gern etwas zu thun haben.
  • — 4) Welche Jahreszeit iſt Ihnen die ange-
    nehmſte?
    • Antw. Die wo das Meſſer des Gärtners
      die Bäume pfropft und okulirt.
  • — 5) Warum ſind Sie gegen den Winter ein-
    genommen?
    • Antw. Ich denke ökonomiſch; Holz ko-
      ſtet Geld; und die Henne legt keine
      Eyer.
  • — 6) Möchten Sie wohl eine Reiſe nach
    Amerika machen?
    • Antw. O ja, wenn ich auf guten Wind
      rechnen könnte; aber oft iſt dieſer
      ein Windbeutel, der nicht Wort
      hält.
  • — 7) Welches Land haben Sie am liebſten?
    • Antw. Nur Geduld! ich wills Ihnen
      gleich ſagen, das Land der Freyheit,
      zumal wenns mein Vaterland iſt.
  • — 8) Haben Sie das Schachſpiel gern?
    • Antw. Nichts macht mir mehr Vergnü-
      gen, wenn ich vorher Bewegung ge-
      habt habe.
  • — 9) Was für ein Unterſchied iſt wohl zwi-
    ſchen Neu- und Wiſsbegierde?
    [385]
    • Antw. Jener macht es Vergnügen, in den
      Topf zu gucken; dieſer, durch ein
      gutes Buch Kenntniſſe zu erwerben.
  • — 10) Warum beſuchen Sie nie das Schau-
    ſpiel?
    • Ant. Dazu habe ich weder Geld, noch
      Luſt, noch Zeit.
  • — 11) Was halten Sie für die gröſste Selten-
    heit?
    • Ant. Einen Menſchen, der in der gan-
      zen Zeit ſeines Lebens nie einen
      Augenblick von Langeweile geplagt
      wurde.
  • — 12) Haben Sie Luſt, morgen mit mir ſpa-
    zieren zu gehen?
    • Ant. O mit vielem Vergnügen, wenn
      ſie die Freundſchaft haben bis 4 Uhr
      zu warten; bis dahin halten mich Ge-
      ſchäffte ab.
  • — 13) Möchten Sie wohl gern ein Pfand ge-
    ben?
    • Ant. Warum nicht, wenn Sie mit die-
      ſem Stückchen Papier zufrieden ſeyn
      wollen; denn ich habe ſchon Schlüſ-
      ſel, Brieftaſche und alles fortgeben
      müſſen.
  • — 14) Was mags denn wohl geſchlagen [ha-
    ben]
    ?
    B b
    [386]
    • Ant. Ich kanns Ihnen nicht ſagen, denn
      ich habe meine Uhr im Schnee verlo-
      ren.
  • — 15. Welche Arten von Spielen lieben
    Sie am meiſten?
    • Ant. Ich bin kein Freund von ſolchen,
      die bloſs vom Zufalle, ſondern von
      denen, die mehr von meinen Kräf-
      ten abhangen.
  • — 16) Welche Menſchen ſchätzen ſie am
    meiſten?
    • Ant. Alle Verehrer der Gnügſamkeit, Zu-
      friedenheit und Tugend.
  • —17) Wie viel koſtet ihnen dieſs Kleid?
    • Ant. So viel als alles übrige, was ich an
      mir habe, Schuhſchnallen, Hemd-
      knöpfe und Kamm nicht ausgenom-
      men.

Die Rolle des Antwortenden iſt bey dieſem
Spiele am ſchwierigſten. Das erhaltene Wort muſs
in die Antwort verſteckt werden. Iſt es mit ihm
in einer natürlichen Verbindung, ſo verſteckt
ſichs von ſelbſt durch die Ungezwungenheit ſei-
ner Stelle, wie z. Exemp. in Nro. 6 das Wort
Wind; man darf dann nur noch ein Paar Haupt-
wörter hinein weben, die ſich natürlich damit
verbinden laſſen. Dieſs iſt nicht ſchwer. Paſst
[387] es ſich aber gar nicht auf die Frage, ſo muſs man
zwiſchen ihr und dem Worte ſchnell eine künſt-
liche Verbindung erſinnen; dieſs iſt oft nicht
leicht. So hat das Wort Kamm in Nro. 17 gar
keine Verbindung mit der Frage, was koſtet ihnen
ihr Kleid
! Es iſt daher ſchwer, es ſo in die Ant-
wort zu verflechten, daſs es ſich nicht durch ſei-
ne Gezwungenheit verräth. Das beſte Mittel
iſt dann, noch andere Wörter hinein zu weben,
die eben ſo gezwungen ſind, um dadurch das
Errathen zweifelhafter zu machen: daher fin-
det man dort das Wort Kamm unter Schuh-
ſchnallen und Hemdknöpfe verſteckt, und eben
darum wird bey keiner Antwort das verſteckte
Wort ſo leicht zu finden ſeyn als in Nro. 14
das Wort Schnee. Kann man im Gegentheile
das gegebene Wort ganz natürlich ungezwun-
gen hinein weben, und ein anders mit dem
Scheine der Gezwungenheit hinein ſchieben: ſo
wird der Frager dadurch leicht irre geleitet. Ein
Beyſpiel davon giebt Nro. 9 wo das Wort Ver-
gnügen
eine ſehr natürliche Stelle hat, hingegen
Topf mit Gewalt herbeygezogen iſt. Der Fra-
ger wird hier gewiſs Topf für das gegebene Wort
halten. Hieraus ergiebt ſich zugleich für den
Fragenden im allgemeinen die Regel: er muſs
ſich hüten, ſolche Wörter für die verſteckten an-
zugeben, welche mit ſeiner Frage in ganz naher
B b 2
[388] Beziehung ſtehen, wie in Nro. 14 die Uhr, ſonſt
wird er meiſtentheils falſch angeben. Im Ue-
berdenken dieſes Umſtandes, ſo wie im Erſin-
nen der Fragen liegt für den Frager die Haupt-
übung bey dieſem Spiele. Je ſpecieller Gegen-
ſtände ſeine Fragen bezielen, je ſchwerer iſt es,
das gegebene Wort in die Antwort zu bringen;
je allgemeiner ſie ſind, um ſo leichter iſt’s. Auf
die Frage: was halten ſie für die gröſste Selten-
heit? läſst ſich leicht mit allen obigen 17 Wör-
tern antworten; aber man verſuche daſſelbe ein-
mal mit der ſpeciellen Frage: was koſtet ihnen
das Kleid? Die Hauptübung bey dieſem Spie-
le fällt aber auf den Antwortenden. Er muſs ſein
Wort ſchnell mit der Frage in eine gewiſſe na-
türliche Beziehung bringen; er muſs daher ver-
möge ſeines Nachdenkens die möglichen Be-
ziehungen ſchnell aufſuchen; oft vermöge ſei-
ner Phantaſie und ſeines Witzes eine neue
ſchaffen und ſie gehörig ausſtaffiren. Alles das
erfordert Gewandtheit und Gegenwart des Gei-
ſtes. Aus dieſem Geſichtspunkte betrachtet, iſt
dieſs Spiel unter den pädagogiſchen eines der
trefflichſten.


[389]
94. Das Ritterſchlagen.

Zum Lachen und fröhlich ſeyn giebt dieſs Spiel
viel Veranlaſſung. Man muſs dazu folgendes
vorbereiten. Ueber zwey Stühle, zwiſchen wel-
chen ſo viel Platz gelaſſen wird, als ein dritter
Stuhl noch einnehmen würde, wird ein Laken
gedeckt, das bis zum Boden herabreicht, da-
mit man die Lücke nicht ſieht. Die ganze Ge-
ſellſchaft verkleidet ſich ſo gut ſie kann in Ritter.
Papierne Federbüſche auf den Hüten, Schürzen
ſtatt Spaniſcher Mäntel über den Schultern, gro-
ſse Schnurbärte unter den Naſen, lange Stöcke
ſtatt der Lanzen in den Händen, hölzerne oder
wirkliche Degen an den Seiten u. ſ. w. geben
das Ritterkoſtum. Zwey, welche die beyden
älteſten Ritter vorſtellen, ſetzen ſich auf obige
beyden Stühle, die andern ſtehen von ihnen ab-
wärts in zwey Halbzirkeln; in der Mitte befin-
det ſich der Groſsmeiſter mit dem gröſsten De-
gen den man bekommen kann. Eine alte häſs-
liche Maſke bedeckt ſein Geſicht, eine Stutzpe-
rücke ſeinen Kopf, ſein Ganzes abentheuerliche
Kleidung. Ein groſser Foliant ruht auf ſeinen
Händen. Er macht die Hauptperſon und muſs
komiſche Laune und einige Beredtſamkeit ha-
ben.


B b 3
[390]

Indeſs dieſe Veranſtaltungen getroffen wer-
den, wird der neu Aufzunehmende von zwey
andern an einem andern Orte zur Feyerlichkeit
vorbereitet. Man ſagt ihm, wie er ſich zu beneh-
men habe und wartet ſo lange bis die Geſand-
ſchaft kommt die ihn einladet. Der Groſsmei-
ſter ſendet, wenn alles fertig iſt, einen Ritter, der
ihn feyerlich beym Namen nennt und einladet.
Seine zwey Gefährten führen ihn hinein. Das
Zimmer iſt halb hell, oder wohl gar durch Spi-
ritus erleuchtet, oder durch viel Lichter blen-
dend gemacht. Der Groſsmeiſter fordert ihn
vor ſich; er wird gebracht und läſst ſich auf ein
Knie vor ihm nieder. Jezt beginnt jener eine
pathetiſche Anrede, über die Veranlaſſung der
Feyerlichkeit, über das Weſen und den Zweck
des Ordens. Er lieſt ihm aus dem Folianten die
Ordensgelübde z. E. Verſchwiegenheit, Tapfer-
keit u. ſ. w. vor und läſst ihn geloben. Er er-
hält das obige ritterliche Koſtum und der Groſs-
meiſter ertheilt ihm hierauf mit ſeinem Schwerd-
te feyerlich drey Ritterſchläge. Hierauf führt
er ihn zu den beyden älteſten Rittern, um ihn un-
ter die Zahl der Geſellſchaft dadurch aufzuneh-
men, daſs er ſich zwiſchen Ihnen niederläſst.
Er thut dieſs und ſezt ſich, indem die beyden
Ritter gleichzeitig aufſtehn zwiſchen den beyden
Stühlen nieder, wenn man will, in eine vorher
[391] untergeſezte platte zinnerne Schüſſel mit Waſ-
ſer.


E. Spiele des Geſchmacks.


Geſchmack iſt das Vermögen das Schöne zu
empfinden und zu beurtheilen. Es wäre zu wün-
ſchen, daſs wir recht viel Spiele des Geſchmacks
hätten; allein auf reinen Trieb der Thätigkeit
gegründet verſchwinden bey ihnen alle Leiden-
ſchaften, ſind wenigſtens bey ihnen nicht durch-
aus erforderlich. Schon in dieſer Rückſicht ver-
dienen ſie alle Empfehlung. Leider muſs ich
hier eine Lücke laſſen, weil ich nur folgende
zwey Spiele in dieſer Ordnung anführen kann.
Beyde ſind einſame.


95. Das Täfeley.
oder
Parquetſpiel.


Man denke ſich von einem Damenbrete die Fel-
der weg, ſo hat man den Spielraum zu einem
Parquetſpiele, nämlich eine durch niedrige Lei-
ſten eingefaſste regulär vierſeitige Fläche. Es
B b 4
[392] kommt bey dem Spiele darauf an, dieſe Fläche
mit einer Menge kleiner verſchieden gefärbter
Tafeln ſo zu belegen, daſs dadurch wie auf ei-
nem ſchön getafelten Fuſsboden allerley hüb-
ſche Muſter entſtehn. Zu dieſem Zwecke ſind
die kleinen Tafeln alle gen[a]u gleich groſs und
gegen den Spielraum ſo abgemeſſen, das eine
gewiſſe beſtimmte Zahl derſelben z. E. 64 ihn ge-
nau ausfüllt. Sie ſind nur ſo dick als ein Meſ-
ſerrücken, um ſie bequem in einem kleinen Käſt-
chen unter dem Spielraume aufbewahren zu
können. Die Hauptſache beſteht aber in’ der
Illumination dieſer Täfelchen. Eine jede von
ihren beyden Seiten iſt nämlich durch eine Dia-
gonallinie (von der einen Ecke bis zur gegenü-
ber ſtehenden) in zwey gleiche Hälften getheilt
und jede dieſer vier Hälften iſt mit einer feinen
Lackfarbe überſtrichen, ſo daſs jedes Täfelchen
auf der einen Seite z. E. roth und weiſs auf der
andern grün und gelb iſt. Man erhält daher durch
dieſe Einrichtung auf 64 Tafeln 256 dreyſeitige
gefärbte Felder, die man nach Willkühr ſehr
mannichfaltig in allerley hübſche ſymmetriſche
Zeichnungen zuſammenſtellen kann. In dieſer
Zuſammenſtellung liegt einige Uebung für den
Erfindungsgeiſt und den Geſchmack der Jugend,
die gewöhnlich an dieſem ſtillen und ſehr un-
ſchuldigen Spiele viel Vergnügen findet. Fer-
[393] tige Spiele der Art kann man in Magdeburg,
Nürnberg und vielen andern Orten kaufen.


96. Bauſpiele.


Es iſt ein ſehr guter Gedanke den Kindern klei-
ne Materialien zum Bauen in die Hände zu ge-
ben, um ihren Geſchmack und ihre Erfindungs-
kraft dadurch gelegentlich zu bilden, auch wohl
um ſie die Theile eines Gebäudes kennen zu leh-
ren; allein er iſt ſchon längſt durch die gewöhn-
lich ſehr elende, unvollſtändige und ſehr häufig
geradezu zweckwidrige Ausführung verhunzt,
denn bald beſtehen jene Materialien in Holz-
klözchen, die ohne alle Genauigkeit und Berech-
nung gemacht, bald in Klötzen, die ganze Ge-
bäude oder deren Etagen mit darauf gepinſel-
ten oder gekleiſterten Thüren und Fenſtern vor-
ſtellen. Mit jenen kann das Kind nichts aus-
führen, mit dieſen noch weniger, denn die Ge-
bäude ſind ſchon fertig und ganz ſo gemacht, um
ſeinen Geſchmack zu verderben, ſie ſind alſo
ganz zweckwidrig. Zu einem guten Baukaſten
gehört eine anſehnliche Menge von Bauſteinen,
groſsen und kleinen Werkſtücken, theils zu
Mauern, theils zu Gewölben und Treppen, ei-
ne Menge von Säulen, Balken, Pfoſten und Fen-
B b 5
[394] ſterſtücken u. ſ. w. von feſtem Holze; von einem
Bauverſtändigen gegen einander berechnet; ge-
nau ausgeführt, aber nicht von einem Spielzeug-
macher ohne Verſtand fabricirt. Dann nur kön-
nen Kinder nüzlich damit unterhalten werden.


F. Spiele des Verſtandes und der höhern
Beurtheilungskraft.


Bey dieſen Spielen äuſsern ſich die meiſten Er-
kenntniſskräfte des menſchlichen Geiſtes; hier
iſt Beobachtungsgeiſt, Aufmerkſamkeit, Phanta-
ſie, Witz, Gedächtniſs, kurz das, was wir Ver-
ſtand nennen, und ſelbſt die höhere Beurthei-
lungskraft ſtets geſchäftig, bald mehr, bald we-
niger. Vor allen zeichnet ſich hier das treffli-
che Schach aus.


[395]

a) Geſellſchaftsſpiele.


97. Die Akademie der Wiſſenſchaften.

Dieſes von Hrn. Campe erfundene, und im 12-
ten Bändchen ſeiner Kinderbibliothek mitge-
theilte Spiel hat ſeinen Nahmen daher, weil es
Nachahmung einer ſolchen Akademie iſt. Ich
gebe davon eine kurze doch vollſtändige Be-
ſchreibung.


Die etwas zahlreiche Jugendgeſellſchaft wählt
ſich zuerſt einen Präſidenten, und nimmt hierzu
die verſtändigſte Perſon, den Vater oder den
Lehrer; denn der Präſident iſt der vornehmſte
im Spiele, er leitet daſſelbe und ſitzt oben an.


Hierauf wird einer zum Secretär der Akade-
mie ernennt, der ebenfalls einer der gebildete-
ſten von der Jugendgeſellſchaft ſeyn muſs.


Drittens macht man irgend einen kleinen
Nichtskönner zum König, dieſer ſpielt nur eine
ſtumme Rolle.


Alle übrigen jungen Perſonen werden zu
Mitgliedern der Akademie angenommen und un-
ter dieſe werden die wiſſenſchaftlichen Fächer
vertheilt; da wird einer zum Hiſtoriker, ein ande-
rer zum Geographen. ein dritter zum Mathematiker,
ein vierter zum Philoſophen, ein fünfter zum Phy-
ſiker
, ein ſechſter zum Naturhiſtoriker u. ſ. w. er-
nennt. Sind noch mehr Perſonen übrig, ſo macht
[396] man auch einen zum Belletriſten, oder zum Oeko-
nomen
, zum Handwerksverſtändigen; man kann
auch, wenn noch nicht alle verſorgt ſeyn ſoll-
ten, manche Fächer theilen, die Geographie,
ſo wie die Geſchichte, in die alte und neue, die
Naturgeſchichte in die drey Naturreiche und
jedem einen Theil davon zueignen.


Indeſs ſich alle Glieder über die Wahl
der Fächer miteinander vereinigen, ſchreibt
der Präſident allerley leichte Fragen aus den ge-
nannten Wiſſenſchaften auf Kartenblätter. z. E.


  • 1) Bey welchem Volke iſt die Verfertigung
    des Glaſes, die gröſsere Schiffarth, die Pur-
    purfarbe und die Buchſtabenſchrift erfun-
    den worden?
  • 2) Wie und wo ſtarb Carl der XII König von
    Schweden?
  • 3) Was für Naturgüter hat Preuſsen, die
    Deutſchland nicht hat, und welche können
    die Deutſchen nach Preuſsen ſchicken, die
    dort fehlen?
  • 4) Welches ſind die gröſsten Ströme und Ge-
    birge in der Welt, und wo ſind ſie?
  • 4) Was iſt eine gerade Linie?
  • 6) Was iſt ein Winkel?
  • 7) Wie ſieht unſre Seele aus?
  • 8) Warum iſt es nicht gut zornig zu ſeyn?
  • 9) Die Akademie verlangt, daſs ihr Belletriſt
    ſie mit einer Fabel unterhalte.
  • 10) Die Akademie verlangt, daſs ihr Belletriſt
    ſie durch ein gut deklamirtes Liedchen be-
    luſtige.

Allerley dergleichen auf Kartenblätter ge-
ſchriebene Fragen, die natürlicher Weiſe nicht
über den Horizont der Jugend ſeyn müſſen,
werden in ein Gefäſs gethan. Auch verfertigt
der Präſident eine groſse papierne Mütze, auf
welcher mit groſsen Buchſtaben der Nahme Mi-
das
ſteht.


Jetzt ſetzt ſich der Präſident vor einen Tiſch,
der Secretär neben ihn, der König hinten auf
einen Thron, die Akademiſten in einen Halbcirkel
vor jene.


Der Präſident ſchlägt mit einem Stabe auf den
Tiſch, und alles iſt mauſeſtill. Er ſchüttelt die
Fragen im Gefäſse durcheinander, und beginnt:


Schaut auf, ihr Herren allzumal!

Wir ſchreiten jetzt zur groſsen Wahl

der groſsen Frage, die für heut

uns Stoff zum ernſten Denken beut.

Mit dieſen Worten zieht er ein Kartenblatt
heraus, und reicht es dem Secretär. Dieſer er-
hebt ſich von ſeinem Sitze, macht dem Präſi-
denten und der Verſammlung eine Verbeugung,
lieſst die Frage mit lauter Stimme vor, und ſezt
[398] ſich nach einer abermaligen Verbeugung wieder
nieder.


Hierauf überreicht der Präſident das Blatt
demjenigen Akademiker, zu deſſen Fache die
Frage gehört, mit den Worten:


Erhebe dich du weiſer Mann,

und zeig uns deine Antwort an!

Der weiſe Mann erhebt ſich, beantwortet
nach einer Verbeugung die erhaltene Frage mit
langſamer und vernehmlicher Stimme, und ſezt
ſich nach einer abermaligen Verbeugung nieder.
Wird die Antwort gebilligt, ſo klatſcht der Prä-
ſident Beyfall und die Verſammlung thut [daſſel-
be]
; iſt im Gegentheile die Antwort falſch, oder
weiſs der Akademiker gar nichts zu antworten:
ſo erklärt ihn der Präſident für einen Midas und
ſetzt ihn mit den Worten die Midasmütze auf


O Midas, Midas hochgeboren,

verberge deine lange Ohren

wohl unter dieſem Mützchen ſein

wird anders Raum für ſie da ſeyn!

Midas! die ganze Geſellſchaft erhebt ein lau-
tes Gelächter, unterdrücke deine Empfindlich-
keit und lache mit! — Alle ſtehn auf, ziehn
dem Midas die Mütze über die Augen, binden
ſie mit einem Tuche zu und ſingen, im Kreiſe
tanzend:


[399]
Wilkommen Herr Midas,

o gehn Sie nicht fürbaſs!

es iſt ja hier ſchön.

Man ſaget, Herr Midas,

Sie hätten ſo etwas

Apartes zu ſehn;

wir bitten wir flehn,

o laſſen Sie ſehn!

o laſſen Sie ſehn!

Jetzt macht der Kreis halt; einer aus demſel-
ben zupft den Midas beſcheiden am Ohrläppchen.
Erräth er, wer ihn gezupft hat, ſo iſt er frey und
man geht zu ſeinen Plätzen, um fortzufahren;
erräth er aber die Perſon nicht, ſo fangen Geſang
und Tanz von vorn an u. ſ. w.


Wenn endlich alle niederſitzen und der Prä-
ſident wieder das Zeichen zum Stillſchweigen
gegeben hat: ſo gehts wieder ans Herauszie-
hen und Vorlegen der Fragen wie oben, bis der
Präſident glaubt die Sitzung aufheben zu müſſen.
Dann nimmt zum Beſchluſs der Sekretär alle be-
antworteten Blätter in die Hand, begiebt ſich
vor den Thron und ſtattet nach einer tiefen Ver-
beugung von den heutigen Geſchäften der Aka-
demie Bericht ab, etwa nach folgendem Beyſpiele:
Sire,


Eurer Majeſtät allerunterthänigſte Akade-
miker haben mir den Auftrag gegeben, den Er-
[400] folg ihrer heutigen gelehrten Unterſuchungen
vor höchſt Dero erhabenen Throne nieder zu le-
gen. In der Claſſe der Geſchichte wurde die Fra-
ge aufgeworfen u. ſ. w. Hier wiederholt er die
vorhin gezogene Fragen mit den darauf ertheil-
ten Antworten der Reihe nach und zieht ſich un-
terthänigſt vom Throne zurück.


Endlich beſchlieſst der Präſident die Verſamm-
lung mit Ausſetzung einiger Preiſsfragen und er-
muntert die Akademiker, an der ſchriftlichen Be-
antwortung derſelben bis zur nächſten Sitzung zu
arbeiten. Er beſtimmt zugleich die Preiſe, um
welche gekämpft werden ſoll.


Der Character dieſes Spiels iſt pathetiſch-
komiſch. Für das letztere iſt jede Jugendgeſell-
ſchaft geſtimmt, für das erſte zwar nicht immer
ſo ganz, es wird ihr leicht etwas zu ſchwerfällig,
beengt ihre Natürlichkeit leicht zu merklich;
allein, iſt der Ton der Geſellſchaft nicht ganz
widerſprechend, und weiſs der Präſident durch
heitere Luſtigkeit alles zu beleben: ſo wird das
Spiel ſelbſt für Kinder ſehr unterhaltend und lu-
ſtig. Seine Nützlichkeit iſt beträchtlich; ſie be-
ſteht wenig oder gar nicht im Zulernen wiſſen-
ſchaftlicher Kenntniſſe, ſondern vielmehr in Ge-
wöhnung an Unbefangenheit im Reden und Be-
tragen bey öffentlichen Auftritten, in ſchneller
Zuſammenfaſſung der Gedanken beym Antwor-
[401] ten und, was mir das beſte ſcheint, in Ab-
ſtumpfung einer übermäſsigen Empfindlichkeit, wo-
ran leider überall viel groſse und kleine Leute
krank liegen. Der geringſte Fehltritt, ein klei-
nes auf ſie gehendes Gelächter macht ſie be-
ſtürzt; ſie wiſſen nichts mit Groſsmuth und ge-
fälliger Unbefangenheit zu ertragen, und ver-
ſtehen die Kunſt nicht mit einer guten freymü-
thigen Art ſich ſelbſt verlachen zu helfen. Die-
ſe Kunſt will ſehr früh erworben ſeyn. Hude-
leyen in Spaſs und Ernſt, gehören nun einmal
ins Menſchenleben; gewöhnt die Jugend, jene
mit Lachen, dieſe mit ernſter Geſetztheit zu er-
tragen. Aus Gründen billige ich daher die Be-
handlung des Midas; ob ſie aber für dieſen und
jenen jungen Anfänger in jener Kunſt vielleicht
nicht zu derbe ſeyn möchte? — Ich wünſchte daher
und ſchlage vor, daſs der Midastanz nicht immer
angewendet werde. Der Präſident muſs ſeine
Hrn. Akademiker kennen; iſt dieſer und jener
ſeiner Einſicht nach noch zu empfindlich: ſo
lieſse er ihn die Strafe mit einem Pfande büſsen.
Dieſs Pfand nähme der Secretär in Verwahrung
und brächte es, wenn er Bericht von der Sitz-
ung abſtattet, vor den Thron Seiner Majeſtät,
mit anzeige dieſer Unwiſſenheit des Mitgliedes.
Der König geruhete dann in Gnaden, daſſelbe
zu ſo oder ſo vielmaligen Gaſſenlaufen durch
C c
[402] die Schnupftücher der Akademiſten zu verdam-
men. Gaſſenlaufen gehört freylich nicht in
Akademien, allein der Midastanz eben ſo we-
nig. Spiel iſt Spiel. Bey ſehr vielen Menſchen
verträgt aber der Rücken mehr als Kopf und
Herz.


98. Action nach Muſik.

Dieſes ſanfte, ſehr empfehlenswerthe Spiel ver-
dient es ganz vorzugsweiſe in allen jugendlichen
Cirkeln eingeführt zu werden; denn es iſt leicht
zu allen Zeiten im Zimmer zu veranſtalten, ge-
währt Vergnügen und Lachen, übt das Nach-
denken und die Erfindungskraft und kann auch
von Mädchen geſpielt werden. Ich habe es noch
nie in Vorſchlag gebracht ohne ſogleich die
ſtärkſte Beyſtimmung zu erhalten. Die Haupt-
ſache beſteht darin: Einer von der Geſellſchaft
wird heraus geſchickt, damit ſich die Andern in
ſeiner Abweſenheit heimlich verabreden können,
was er im Zimmer vornehmen ſoll z. B. Er ſoll
einer Perſon einen Schlüſſel aus der Taſche ho-
len, den dazu gehörigen Schrank im Zimmer
aufſuchen, aus einer gewiſſen Schublade deſſel-
ben eine Brieftaſche holen, zuſchlieſsen und die
Brieftaſche einer gewiſſen Perſon in die Taſche
[403] ſtecken. Ein Clavier- oder Violinſpieler giebt
ihn, nicht durch Worte, ſondern durch das Spiel
auf ſeinem Inſtrumente zu erkennen, was er
vornehmen ſoll. Nachdenken und Erfindungs-
kraft müſſen ihn dabey leiten. Er kommt her-
ein, alles iſt ſtill und die Muſik geht langſam und
leiſe. Er beginnt ſeine Promenade im Zimmer
umher, und indem er ſich der Perſon nähert,
welche den Schlüſſel hat, hebt ſich der Ton und
verräth ihm, daſs hier der Gegenſtand ſeiner
Action ſey. Er berührt jene Perſon und der Ton
hebt ſich noch mehr. Er wird jezt allerley mit
ihr unternehmen, ſie ſträucheln, ihre Hand faſ-
ſen, aber vergebens. Er wird endlich mit bey-
den Händen von ihrem Kopfe langſam bis zu den
Füſsen herab fahren und die Verſtärkung der
Muſik wird ihn in der Gegend der Weſtenta-
ſchen anzeigen, daſs hier etwas zu ſchaffen ſey.
Seine Hände finden bald die Taſche, ſie holen
wirklich etwas heraus, aber plözlich ſinkt die
Muſik ins pianiſſimo zurück; denn es iſt ein Meſ-
ſer. Er ſteckt es ſchleunig wieder in die Taſche,
die Muſik hebt ſich wieder und wird noch ſtär-
ker als er den Schlüſſel herauszieht. Mit dem
Schlüſſel in der Hand wird er nun allerley ver-
geblich verſuchen, die Muſik wird ſich ins Piano
zurückziehen; ja ſie wird ins pianiſſimo herab-
ſinken, wenn er den Schlüſſel wieder in die Ta-
C c 2
[404] ſche ſtecken wollte; aber ſie wird ſich heben,
wenn er die Perſon verläſst und ſich dem Schran-
ke nähert. Schlüſſel und Aufſchlieſsen ſind zu
verwandte Sachen, als daſs man ſie nicht augen-
blicklich kombiniren ſollte. Er öffnet den
Schrank, berührt nach und nach die Schubla-
den bis er an die kommt, in der die Brieftaſche
iſt. Er holt ſie heraus und die Muſik wird ſtär-
ker. Er will ſie öffnen und ſie ſinkt ins piano,
er will zehn andre Sachen damit vornehmen und
ſchlummert die Muſik immer mehr ein. Er will
damit fort gehn und ſie wird immer träger und
iſt nah am Schweigen. Aber ſie wird lebendig
wenn er die Thür des Schrank es faſst. Dieſs wird
ihm bey einigem Nachdenken bald verrathen,
was zu thun ſey. So wird der Schrank verſchloſ-
ſen indem die Muſik lauter ihren Beyfall giebt
u. ſ. w.


Durch das Bisherige iſt die Einrichtung des
Spiels wohl deutlich genug. Es bleibt jezt auch
übrig einige Regeln feſtzuſetzen.


Es kommen hier 3 Gegenſtände in Betrach-
tung. 1) Die Aufgaben, welche herausgebracht
werden ſollen. 2) Das Verhalten desjenigen,
der ſie löſen ſoll. 3) Die Muſik.


1. Aufgaben. Das ganze Spiel beruht auf Com-
bination der Ideen. Da nun jeder Gegenſtand
[405] in Rückſicht auf andre in mannichfaltiger natür-
licher Beziehung ſteht, ſo iſt es ſchon hinrei-
chend, immer nur bey dieſen richtigen Bezie-
hungen zu bleiben und alle unrichtigen d. i. will-
kührlich erſonnenen nicht natürlichen zu ver-
meiden. Z. B. die natürlichſte Beziehung hat
der Schlüſſel auf das Schloſs und auf die Hand-
lung des Auf- und Zuſclieſsens, allein alle ande-
re zwar willkührlich zum Theil erſonnene, aber
doch gewöhnlichen Handlungen, die mit einem
Schlüſſel vorgenommen werden, ſind mit ihm
immer noch in Beziehung und man fordert keine
unrichtige Combination, wenn man von der ſpie-
lenden Perſon verlangt, den Schlüſſel einzuſtek-
ken, ihn aufzuhängen, darauf zu pfeifen, Zuk-
ker damit zu klopfen u. d. gl. Wollte ich hin-
gegen die Aufgabe damit ſo machen, daſs ein
Band hindurch gezogen und der Schlüſſel damit
über das Ohr gehängt werden ſollte, ſo verfiel
ich ins poſſenhafte, willkührlich erdachte, un-
richtige Combination. Dieſe ſollten aus 2 Ur-
ſachen ſo viel als möglich vermieden werden.
a) Das Spiel hat zum Zwecke den Suchenden
auf eine angenehme Art zum Nachdenken zu
reizen, indem es ihn veranlaſst, irgend einen
Gegenſtand ſich in ſeinen oft ſehr mannichfalti-
gen Beziehungen auf andere Gegenſtände zu
denken. Sind dieſe Beziehungen ganz unge-
C c 3
[406] wöhnlich und unnatürlich, ſo findet mehren-
theils kein Nachdenken mehr ſtatt, und man
muſs ſich ſclaviſch an die Muſik binden um das
Begehrte herauszubringen oder es bloſs zufäl-
lig errathen. b.) Es wird dadurch auf eine un-
nütze Art erſchwert. Beabſichtiget man dieſs
aber wirklich, ſo läſst es ſich theils durch eine
ausgedehntere Aufgabe und ganz beſonders da-
durch hineinbringen, daſs man jene entfernteren
Beziehungen mit ins Spiel ziehet. Die obige
Aufgabe wird ſchon ſchwerer werden, wenn ich
verlange, daſs aus dem Schranke Zucker geholt,
dann ein Meſſer geſucht und das Zerſchlagen
des Zuckers vermittelſt jenes Schlüſſels verrich-
tet werden ſoll. Ich brauche übrigens wohl
kaum zu erinnern, daſs man den ungeübten
Spieler mit zu verwickelten Aufgaben verſcho-
nen und mit ihm nur Schrittweiſe zu den Schwe-
rern fortgehn müſſe.


2. Die Hauptregel für den Spielenden läſst
ſich aus dem vorigen leicht ableiten, ſie iſt:
durchdenke ſo vollſtändig und ſo geſchwind
als möglich die mannichfaltigen Beziehungen
des Gegenſtandes, mit welchem man dich ver-
mittelſt der Muſik in Verbindung ſetzen will.
Durch das obige iſt dieſe Forderung hinlänglich
erklärt. Um aber den Gegenſtand ſobald als
möglich aufzufinden, darf der Spielende beym
[407] Hereintreten nicht gleich ängſtlich in der näch-
ſten Gegend des Zimmers alles durchſuchen und
berühren; ſondern er wird wohl thun, wenn er
ſich zuförderſt flüchtig vom Kopfe bis zu den
Füſsen mit den Händen überfährt — denn es
könnte ſeyn, daſs er mit ſich ſelbſt etwas vor-
nehmen ſollte, — und dann ſchnell in dem
Zimmer umher gehe. Auf dieſe Art wird er
den Gegenſtand vermittelſt der Muſik am ſchnell-
ſten auffinden. — Alles übrige hängt zu ſehr
von Umſtänden ab und erfordert eine zu weit-
läuftige Entwickelung, als daſs ich mich darauf
einlaſſen könnte.


3. Die Muſik kann bey dieſem Spiele frey-
lich im Nothfalle durch bloſses Händeklatſchen
oder Klopfen auf dem Tiſche einigermaſsen er-
ſetzt werden, aber man ſieht leicht ein, daſs
hierdurch für etwas empfindliche Ohren leicht
Ueberdruſs verurſacht werde. Erſetzt wird da-
durch Muſik niemals, und wenn der Spieler
auch nur ſimple Accorde oder ein leichtes An-
fängerliedchen herausbringen kann. Vollkom-
men aber wird die Sache, wenn er die ſchöne
Kunſt des phantaſirens auf dem Forte piano
oder der Violine in einem ſo anſehnlichen Gra-
de beſitzt, daſs er den Acteur nicht bloſs durch
Hebung und Verminderung der Töne, ſondern
auch durch Abwechſelung des Tactes, des Tem-
C c 4
[408] po und der muſikaliſchen Gedanken unter-
ſtützt.


Für kleinere Knaben, die dieſem Spiele noch
nicht gewachſen ſind, hat man ein leichteres,
nämlich das Nadelſuchen, wobey eine verſteckte
Nadel auf obige Art nach der Muſik geſucht
wird.


99. Die Kaufleute.

Der Zweck dieſes Spiels iſt Rechnen im Kopfe. Das
Vergnügen dabey liegt nicht ſo wohl in ihm ſelbſt,
ſondern es entſteht durch den gefälligen, freund-
ſchaftlichen Ton der jungen Geſellſchaft und be-
ſonders durch das Betragen der Hauptperſon.
Dieſe ſtellt den Käufer vor, alle übrige Kaufleu-
te. Jeder wählt ſich ſeinen Handelsartikel. Der
Käufer geht von dem einen zum andern, begehrt
dieſen oder jenen Artikel, bezahlt mit Fleiſs ſo,
daſs wieder herausgegeben werden muſs. Dieſs
muſs der Kaufmann ſchnell berechnen; macht er
es nicht recht, ſo giebt ihm der Käufer Plump-
ſack. Der Käufer muſs alſo ſelbſt gut aus dem
Kopfe rechnen können, um die Fehler leicht ein-
zuſehn und zu berichtigen, ſo wie er zweytens
auf das Alter und die Fertigkeit der Kaufleute
Rückſicht nehmen muſs, damit er nicht dem
[409] Kinde Aufgaben ertheilt, die nur für den ältern
Knaben gehören. Er kauft z. Exemp. von dem
kleinen Bäcker 9 Semmeln, giebt ihm in Ge-
danken ein 2 Groſchenſtück und läſst ſich von
ihm die Zahl der Pfennige ſagen, die er her-
ausgeben muſs. Von dem Gröſsern nimmt er
für 24 Pfennige Pfeffernüſſe, zahlt ein 8 Gro-
ſchenſtück und läſst ſich die Zahl der heraus-
zugebenden Pfennige ſagen. Bey dem Klei-
nen nimmt er 4 Pfund Kaſtanien à 2 Groſchen
6 Pfennige und bezahlt mit einem Gulden; bey
dem gröſsern nimmt er 1∫8 Centner, bezahlt
mit einem Laubthaler, Ducaten, u. ſ. w. und
verlangt den Reſt in Groſchen zu wiſſen. Von
dem kleinen Mädchen nimmt er 20 Ellen Band
à 1 Pfennig, zählt 7 Groſchen, und will die
übrigen Pfennige heraus haben; bey dem
gröſsern 4 1∫2 Elle Kattun zu 12 Groſchen und
zahlt ihm 5 Rthlr und läſst ſich Groſchen zurück-
geben. u. ſ. w.


Wenn alles unter Scherz und Lachen ge-
ſchiehet, ſo iſt dieſs Spiel ſehr zweckmäſsig und
giebt eine vortreffliche Gelegenheit, den Kin-
dern nicht bloſs Uebung im Kopfrechnen zu
verſchaffen, ſondern ihnen auch den Werth von
mancherley Münzſorten, Maaſs und Gewicht,
ſo wie den Preis von allerley Waaren bekannt
C c 5
[410] zu machen. Ein ſehr hübſch ausgeführtes Bey-
ſpiel findet man im Kinderalmanach von 1795.


100. Das Arithmetiſche Spiel.

Es giebt ſchon ſeit den älteſten Zeiten arithme-
tiſche Spiele; das berühmteſte von allen iſt die
Pythagoriſche Rhythmomachie *). Ich führe
von allen nur eins an, das im vorigen Jahre zu
Leipzig erſchien **), weil es im Ganzen ſehr
zweckmäſsig und leicht zu haben iſt. Es iſt auf
das alte ſehr bekannte Gänſeſpiel gebaut, ſo wie
mehrere neue Spiele der Art, z. Exemp. das
Poſt- und Reiſeſpiel, das Ritterſpiel und andere,
verdient aber allen dieſen weit vorgezogen zu
werden. Die Spieltafel beſteht in einem Spi-
[411] ralförmigen Gange, in welchem man ſich mit ei-
nem zehnſeitigen Drehewürfel, der die Ziffern
1 bis 9 und 0 trägt, von dem Platze 1 bis 100 in
dem Mittelpunkt fortwürfelt. Die Folge davon
iſt, daſs die kleinen Spieler entweder addiren, in-
dem ſie die Zahl des neuen Wurfs zu den vo-
rigen hinzu zählen; — oder ſubtrahiren, indem
ſie von zwey Drehungen die kleine Zahl von
der gröſsern abziehen und ſo viel Felder weiter
ſetzen als der Reſt angiebt; — oder multipliciren,
indem ſie die beyden Zahlen zweyer Drehungen
miteinander multipliciren und ebenfalls um ſo
viel Felder weiter rücken, als das Produkt an-
giebt, wenn es nicht gröſser als 9 iſt; denn im
entgegengeſetzten Falle, wird nur nach der letz-
ten Ziffer fortgerückt, z. Exemp. wenn 4 und 9
gewürſelt iſt, und folglich das Produkt 36 macht,
ſo wird nur um 6 Felder weiter gerückt; —
oder endlich dividiren, indem ſich nach zweyma-
ligen Würfeln die groſsen Nummern durch die
kleinen Theile und den Reſt zum Quotienten
addiren. Schon aus dieſem wenigen werden
meine Leſer einſehen, daſs dieſs Spiel für die
kleinere Jugend recht nützlich ſeyn könne; zu
ihrer Hülfe ſind auf den vier Ecken der Spielta-
fel kleine Tafeln für die genannten Rechnungs-
arten angebracht. Auſſer dieſen kleinen Ue-
bungen im Rechnen hat der Erfinder noch auf
[412] eine recht gute Art die Kenntniſs der Maaſse,
Gewichte, Zeitrechnung und Münzen hinein
gewebt; die moraliſchen Winke aber die auf
verſchiedene der obigen Felder Beziehung ha-
ben, ſind für die kleinere Jugend, welcher
doch das Spiel gewidmet iſt, viel zu geſucht
und affectirt, ſie hätten ganz wegbleiben oder
doch ganz anders eingekleidet ſeyn müſſen. —
Eine vollſtändige Beſchreibung iſt hier nicht
ſchicklich, man muſs das Materiale kaufen, und
hierzu glaube ich mit Recht aufmuntern zu dürfen.


101. Das Ringſpiel.

Die zahlreiche Geſellſchaft ſezt ſich im Kreiſe
herum und läſst einen gewöhnlichen Fingerring
in demſelben von Perſon zu Perſon gehen, wo-
bey gewiſſe kleine Verſe geſagt werden. Wenn
zum Beyſpiel Aden Ring ſeinem Nachbar B giebt,
ſo ſagt


A. Nimm hin das!


B. Was iſt das?


A. Es iſt ein Ring von meiner Hand
mit einem kleinen Diamant
darin ſteht geſchrieben fein
mein Nahm und meines Liebſten Nahm,
meine Freude,
[413] mein Leid,
mein Humeur,
meine Culeur,
mein Reim,
mein Sprichwort.


Da nicht jeder im Stande iſt, dieſe Worte
ſogleich alle zu behalten, ſo läſst man den Ring
dreymal herum kreiſen und ſezt jedesmal einen
von den beyden Abſätzen hinzu. Iſt dieſs ge-
ſchehen und iſt der Ring wieder an A. gekom-
men, ſo muſs jeder eine Erörterung über die ge-
ſagten Reime geben. B. fragt daher den A. Wie
ſein Nahme heiſse, was ſeines Liebſten Nahme ſey,
d. i. welche Perſon oder Sache er vorzüglich
ſchätze: worin ſeine Freude beſtehe; worin ſein
Leid; was ſein Humeur, welche ſeine Lieblingsfar-
be
, welches ſein liebſter Vers und Sprichwort
ſey. So geht denn das Fragen von Perſon zu
Perſon, bis ſich mit der letzten das Spiel endigt.


Ich muſs von dem Tone, der in dieſs Spiel
hinein zu wünſchen iſt, noch Proben geben.
Hier ſind ein Paar aus Schummels Kinderſpielen
und Geſprächen. Mehrere Kinder ſizten mit ihrer
Mutter im Kreiſe.


Hänschen. Wie iſt dein Nahm?


Guſtav. Guſtav Friedrich.


Mutter. Ey du ſprichſt ja deinen Nahmen
mit einem ſo ſtolzen Tone aus.


[414]

G. Das thue ich auch Mutter, heiſst doch der
König von Preuſsen auch Friedrich. Und dann
waren auch einmal zwey Könige von Schweden,
die hieſsen alle beyde Guſtav. Das waren recht
groſse Leute.


M. Nun wohl Guſtav, ſo mache, daſs auch
einmal ein ganzer Mann aus dir wird.


H. Wie heiſst deines Liebſten Nahm?


G. Juliana Maria. (der Nahme ſeiner Mut-
ter. Er küſst ihr die Hand, ſie küſst ihn wie-
der und drückt ihn an ſich.)


H. Was iſt deine Freude?


G. Wie du ſiehſt, Hänschen, wenn ich mir
einen Kuſs von meiner lieben Mutter verdient
habe.


H. Was iſt dein Leid?


G. Ich habe keins; aber wenn Mutter ſtür-
be, oder wäre krank, oder wäre böſe, das wä-
re mein gröſstes Leid.


H. Wie iſt dein Humeur?


G. Manchmal ein biſschen hitzig, aber es
gereuet mich bald wieder.


H. Was iſt deine Culeur?


G. Wie der Himmel in der Nacht ausſieht,
blau mit Gold.


H. Was iſt dein Reim?


G. ſagt die Verſe. Lobt den Herrn die Mor-
genſonne u. ſ. w.


[415]

H. Dein Sprichwort?


G. Gott fürchten iſt der Weisheit Anfang, —
Jetzt examinirt Sophie den kleinen naiven
Hans:


H. H. Nun komm ich dran. Fiekchen fragt
mich.


Soph. Wie iſt ihr Nahme?


H. Hänschen.


S. Haben Sie nicht noch einen Nahmen?


H. O ja, Mutter heiſst mich manchmal Flat-
terhans und wilde Hummel; und Lieschen heiſst
mich einen Huſaren.


G. Und wie heiſse ich dich denn?


H. Du heiſst mich auch manchmal ſo, aber
denn heiſse ich dich wieder was.


S. Wie iſt ihres liebſten Nahme.


H. (Zählt auf den Fingern.) Mutter — Fiek-
chen — Lieschen — Guſtav, und dann mein
neues Steckenpferd.


M. Das iſt ſchön! das gefällt mir! Haſt dei-
ne Mutter nicht lieber als dein Steckenpferd?


H. O ja liebe Mutter, darum habe ich ſie
auch zuerſt geſezt. Aber ich kann ja doch mei-
nem Steckenpferde auch gut ſeyn, nicht wahr?


M. Ja aber es wäre bald einmal Zeit, daſs
du deinen Steckenpferden den Abſchied gäbſt.
Biſt ja nach gerade ſchon ein groſser Mon-
ſieur.


[415[416]]

H. O wenn ich nur erſt ein ordentliches Pferd
habe, dann werfe ich die Steckenpferde weg.


S. Nun, was iſt denn ihre Freude?


H. Meine Freude! Wenn ich erſt einmal
groſs wäre, und könnte auf einen ſchönen wei-
ſsen Schimmel reiten, und hätte einen Treſſen-
hut auf und einen Degen an: Heyſa das wäre
eine rechte Freude. — —


S. Was iſt denn ihr Leid?


H. Mein Leid? Ach ich habe viel Leid:
Wenn ich Kegel ſpiele und kann in meinem Le-
ben keine Neun treffen — und hernach, wenn
ich ſoll Vokabeln lernen, und ſie wollen mir
gar nicht in den Kopf, und hernach, wenn ich
mich manchmal ein Bischen dreckigt —


M. Pfui, das iſt ein garſtig Wort; Wer woll-
te ſo ſprechen.


H. Ich meine nur, Mutter, wenn ich mich
auf dem Spielhofe manchmal ſo voll gemacht
habe, und ich ſoll dann zu Ihnen kommen; das
iſt mir immer ein rechtes Leid.


M. Das Leiden könnteſt du dir aber hübſch
erſparen, wenn du nur immer Achtung auf dich
gäbſt.


S. Was iſt ihr Humeur?


H. I — luſtig und vergnügt.


M. Mit unter ein bischen wild und ausge-
laſſen.


[417]

H. O manchmal nur.


S. Ihre Couleur?


H. Weiſs, ſchneeweiſs, wie ein Schimmel.


S. Und ihr Reim?


H. O ich habe einen recht hübſchen Reim:
Wenn ich artig bin und ohn’ Eigenſinn u. ſ. w.


Man kann dieſs Spiel um Pfänder und Plump-
ſack ſpielen. Wer die Reime nicht ohne An-
ſtoſs ſagt, im Examen Sprachfehler begeht, kei-
nen Vers oder kein Sprichwort kann, muſs ein
Pfand geben, oder bekommt im Spaſs Plump-
ſack. Wenn er beym Auslöſen der Pfänder
nicht gehörig antworten kann, ſo kommt eben-
falls der Plumpſack über ihn. Der Spielrichter
dictirt die Strafe.


In einem Kreiſe von fröhlichen, zumal noch
nicht erwachſenen, ganz unſchuldigen, aufrich-
tigen und naiven Kindern werden oft allerley
luſtige Antworten zum Vorſchein kommen, aber
Erwachſene werden mit der Wahrheit nicht
gleich herausrücken und in Ziererey verfallen.
Sagen ſie aber die ſtrenge Wahrheit, ſo wird
das Spiel ſehr einförmig und iſt mit einem Ma-
le, wo nicht für immer, doch auf einige Zeit ab-
genutzt; denn ihr Name bleibt immer, ihr
Liebſtes bleibt wenigſtens auf lange Zeit ihr
Liebſtes, ſind es gar ihre Eltern, ſo werden ſie
ihnen immer die liebſten Perſonen bleiben.
D d
[418] Aehnlich iſts mit ihrer Freude, mit ihrem Leiden
u. ſ. w. Dieſs kommt alles daher, weil das gan-
ze Spiel urſprünglich für einen Punkt berech-
net iſt, um den ſich die meiſten Tänze, Schau-
ſpiele und Romane drehen; für die Jugend blei-
be er ein Mathematiſcher Punkt, ſo lange es
gehn will.


Weit lehrreicher und mannichfaltiger iſt die
Campiſche Umarbeitung dieſes Spiels. Die
Verſe ſind:


A. Nimm hin das!


B. Was iſt das?


A. Es iſt ein Ring von meiner Hand
mit einem kleinen Diamant;


Beym zweyten Herumkreiſen kommen zu die-
ſem noch folgende Verſe:


Darinnen ſteht geſchrieben fein
mein Urtheil über groſs und klein
viel Wunderbars von manchem Ort;
mein Räthſel, Reim und Sprichwort.


Man kann die Verſe nach Belieben abbre-
chen, je nachdem es für das Gedächtniſs der
Kinder erforderlich iſt.


Hierauf fängt man wie beym obigen Spiele das
Examen der Reihe nach an; B fragt den A und die-
ſer muſs ihm ein Urtheil, etwas Merkwürdiges von
irgend einem Orte, Lande, Gebirge, oder ſeinen
Produkten, Thieren; ein Räthſel, einen Vers und ein
[419]Sprichwort ſagen. Um dieſs Spiel noch beluſtigen-
der zu machen könnte man es mit Pfänder ſpielen.
Sodann müſste jeder ein Pfand geben, der auf
eine Frage nichts vorzubringen wüſste, oder et-
was Falſches ſagte; folglich müſsten auch für ein
falſches Urtheil, für eine unrichtige Merkwür-
digkeit, für einen Vers und für ein Sprichwort,
die falſche Gedanken enthielten Pfänder gege-
ben werden; und man gebrauchte, wie oben, den
Plumplack, wenn jemand das Pfand nicht ein-
löſen könnte. Ein Beyſpiel aus Campens Kin-
derbibliothek: Es war Regenwetter, die Kin-
der verlaſen Salat und ſpielten dabey.


C. Dein Urtheil?


K. Regenwetter iſt auch gut.


V. Wozu denn?


K. I es würde ſonſt nichts wachſen; und
dann ſo hätten Menſchen und Thiere nichts zu
trinken, wenns nicht zuweilen regnete.


V. Könnten denn nicht Brunnen, Bäche,
Flüſſe ſeyn?


K. Ja wie bald würden die vertrocknen! und
dann ſo kann man auch zu Hauſe ſpielen, wenns
drauſsen regnet.


C. Etwas Merkwürdiges aus der Geogra-
phie?


K. Zu Surinam in Amerika giebt es eine Art
Ameiſen, die man Viſitenameiſen nennt. Die-
D d 2
[420] ſe ziehen zuweilen in groſsen Heeren aus, und
wo ſie hinkommen, da freuen ſich die Leute und
machen ihnen Thüren und Fenſter auf.


F. I warum denn?


K. Ja wo die Ameiſen hinkommen, da durch-
ſuchen ſie das ganze Haus, und wo ſie nur eine
Ratte, Maus, eine Weſpe, eine Fliege oder ſo
etwas finden, da beiſſen ſie ſie todt und freſſen
ſie auf u. ſ. w.


L. Das ſind ja ſcharmante Thierchen!


K. Jawohl!


C. Dein Räthſel?


K. Ich habe ein Paar Pferde geſehen, die
fraſsen täglich mehr als hundert Scheffel Haber.


Alle Ho! ho!


K. Ja und ſie ſtanden noch dazu auf den Köp-
fen und fraſsen mit den Beinen.


F. Das iſt doch gewiſs nicht wahr.


K. Und da war noch ein Huhn dabey, das
legte täglich mehr als tauſend Eyer!


In der Folge wird dann das Räthſel welches
Anfangs niemand glauben will geſprächsweiſe
gelöſt nämlich: hundert Scheffel Haber freſ-
ſen freylich nichts, und tauſend Eyer le-
gen kein einziges. Die Pferde ſtehn auf den
Köpten der Hufnägel und ihre Zähne ſind
von Knochen oder Bein; dann gehets wei-
ter, Konrad ſagt die Verſe: Unſchuld und Freu-
[421] de ſind ewig verwand; es knüpfet ſie beyde ein
himmliſches Band; und endlich kommt ſein
Sprichwort: Jung gewohnt alt gethan.


Jedermann ſieht leicht ein, daſs dieſs Spiel
Uebung des Verſtandes und des Gedächtniſſes
ſeyn kann, zumal wenn ein Jugendfreund das, was
geſagt wird, im nöthigen Falle berichtiget, erwei-
tert und Erläuterungen darüber giebt.


102. Das Frageſpiel.

Dieſs Spiel iſt eine Art von Blindekuh, wobey
der Geiſt ſo lange im Dunkeln herumſucht, bis
er den Gegenſtand erwiſcht, den er gern haben
möchte. Man nimmt ſich irgend Etwas aus der
wirklichen oder aus der Ideen - Welt in den
Sinn, das ein Anderer durch geſchickte Fragen
zu erforſchen ſtrebt, ohne daſs er andre Ant-
worten als ja und nein auf ſeine Fragen erhält.
Um den geheimen Gegenſtand zu treffen, wür-
de alles Errathen vergebens ſeyn; denn der Ge-
genſtände, die gedacht werden können, giebt
es ja ſo unendlich viel: folglich muſs der Fra-
gende bey ſeinem Geſchäffte von den Allgemein-
ſten Begriffen bis zu den individuelſten nach und nach
herabſteigen
, ſo wie die Blindekuh erſt die Arme
weit ausbreitet, um einen möglichſt weiten Raum
D d 3
[422] zu umſpannen, dann ihren Gegenſtand immer
mehr und mehr einſchlieſst, bis ſie ihn endlich
feſt faſſet. Dieſs iſt die erſte Hauptregel des Spiels.
Ich will mir etwas in den Sinn nehmen, und es
durch meine Leſer heraus fragen laſſen. Alle
Nebengeſpräche und Kurzweile, wodurch das
Spiel zur angenehmen Unterhaltung wird, bleiben
hier weg, um des Platzes zu ſchonen. Ich ha-
be etwas, das Fragen hebt an:


Gehörts zur Körperwelt? — ja! Iſts ein
Weltkörper? nein! — Ein geographiſcher Ge-
genſtand unſrer Erde? nein! — Ein natürlicher
Körper, ein Naturprodukt? nein! Alſo ein Fa-
brikat? ja! — Genommen aus dem Thierreiche?
nein. Zum Theil nur aus dem Thierreiche?
nein. Aus dem Mineralreiche? ja, und ganz al-
lein? ja. — Von Stein? nein. Von Metall? ja!
— von einem edeln? nein. Von Kupfer? nein!
von Eiſen? ja. Von künſtlichem Eiſen (Stahl)?
ja.


Der Sachen, die von Stahl gemacht werden,
ſind ſehr viel, es kommt folglich darauf an, ſie
ſogleich im Kopfe zu claſſificiren und die gedachte
Sache in eine Claſſe zu ſchaffen, ferner den Ge-
brauch derſelben auszukundſchaften. Hier neh-
men folglich die Fragen eine andre Richtung.


Iſts eine Maſchine? nein! — Ein Inſtru-
ment? ja. Des Künſtlers? nein! Bauern? nein.
[423] Handwerkers? ja. (Jezt kömmt es noch darauf
an den Handwerker heraus zu bringen. Das iſt
auf zweyerley Art möglich; entweder kann man
die Handwerker im ſtillen gleich klaſſificiren,
oder den Stoff herausfragen, den er bearbeitet.)
Verarbeitet er etwas aus dem Thierreiche? ja.
Von einem Säugethiere? ja! Wilden? nein. Von
der Kuh? nein! Vom Schafe? ja. Die Wolle?
nein! Von Wolle? ja. Tuch? ja der Schneider?
ja! die Scheere? nein! das [Biegeleiſen]? nein!
die Nähnadel? ja. Hier bin ich ertappt.


Ein zweytes Beyſpiel: Die erſten Fragen wie
oben, dann ferner: ein Naturprodukt, natürli-
che Körper? ja! Flüſſiger? nein Ein Thier?
nein. Eine [Pflanze]? nein. Mineral? nein. (oder
anders: gehörts zum Thierreiche? ja! iſts ein
Thier? nein! ein Theil davon? ja.) Ein einzel-
ner Theil davon? ja. Von einem Thiere? ja
Von einem Menſchenähnlichen? ja. Von einem
Menſchen? ja. Von den obern Theilen des Kör-
pers? ja. Der Kopf? nein. Etwas am Kopfe? ja.
Stirn, Ohren, Mund etc? nein. Naſe? ja. Die
Menſchennaſe überhaupt? nein. Alſo eine be-
ſtimmte. Jetzt alſo von was für einem Men-
ſchen: lebt er noch? nein. Lebte er vor Chriſti
Geburt? nein. In Europa? ja. Im weſtlichen?
ja. Portugall? etc. nein. Frankreich? ja. Eine
berühmte Perſon? ja. Ein König? ja. Der er-
D d 4
[424] ſten: der zweyten Race! nein. Einer von den
lezten der dritten? ja. Ludwig XVI. — XV?
nein. Ludwigs XIV? ja. Alſo Ludwigs des Vier-
zehnten Naſe.


Drittes Beyſpiel. Etwas aus der Ideen und
Geiſterwelt? nein Die Eigenſchaft, die Action
eines Körpers? nein. Ein Weltkörper? nein.
Ein geographiſcher Theil der Erde? nein. Ein
Naturprodukt? ja. Ein Flüſſiges? nein. Zum
Thierreiche gehörig? ja. Ein Säugethier? ja.
Ein Menſch? ja. Noch lebend? iſt zweifelhaſt.
Männlichen Geſchlechts? ja. In den alten Erd-
theilen? nein. In Amerika? nein. Polyneſien?
ja In Süden des Aequators? nein. In Süden des
nördlichen Wendekreiſes? ja. Auf den Sandwich-
inſeln? ja. Auf Owaihi? ja. Hat er etwas merkwür-
diges gethan. ja. Der Mörder Cooks? Allerdings.


Da dieſs ſehr ſchöne Spiel gemeiniglich ſehr
unordentlich geſpielt wird, und man oft bloſs ins
Gelag hinein fragt: ſo iſt es wohl der Mühe werth,
dieſe Anleitung etwas vollſtändiger zu machen.
Alle Fragen bey demſelben ſind nur von dreyer-
ley Art; ſie betreffen immer nur das Was, Wo
und Wann.


Es iſt nothwendig mit dem Was allemal den
Anfang zu machen; denn erſt muſs ich die Sa-
che wiſſen, ehe mir ihre Beſtimmung durch Wo
und Wann, d. i. nach Ort und Zeit nüzlich wer-
[425] den kann. Ich gebe hier folglich einen kurzen
Entwurf, nach welchem die Fragen nach dem
Was etwa zu ordnen ſeyn möchten. Für voll-
ſtändig gebe ich ihn nicht aus. Ich habe im gan-
zen nur die Fäden angeſponnen, an welchen die
Fragen fortlaufen ſollen; doch wird er eben kei-
ne Lücken übrig laſſen, durch welche der ge-
heime Gegenſtand entwiſchen könnte, wenn es
ein körperlicher Gegenſtand iſt *). Hier wird
man zugleich deutlich überſehen können, wie
die Fragen von dem Allgemeinen zum Individu-
ellen übergehen.


  • A. Ein Gegenſtand aus der Ideenwelt? — Geiſterwelt?
  • B. Aus der Körperwelt?
    • a. Die Eigenſchaft eines Körpers?
      die Actíon, Handlung?
    • b. ein Körper ſelbſt?
      • 1. ein Weltkörper? — ein Theil davon?
        • * Fixſtern? Geſtirn? Comet? Planet?
        • * die Erde?
          • ein geographiſcher Theil der Erde?
            • . ein Gewäſſer?
            • . ein Land? ein alter Erdtheil? Europa? Nordeurpoa?
              Mitteleuropa? Deutſchland? Niederdeutſchland?
              Oberſachſen? Churſachſen? Meiſsner Kreis? u. ſ. w.
            • . ein Berg?
            • . eine Gegend?
            • . ein Wohnplatz? Stadt, Dorf, Schloſs. Haus? etc.
      • 2. Naturprodukt? ganz oder ein Theil davon?
        • * Unbelebt?
          • ** flüſſig? Waſſer? Luft? Feuer? electriſche? magnetiſche Ma-
            terie? etc.
          • ** feſt?
            • *** Zum Mineralreiche gehörig? ein uneigentliches Mineral?
              Verſteinerung? aus dem Pflanzen - Thierreiche etc.
              ein eigentliches Mineral?
              • . Erde? — Stein?
                • .. Kalkart
                • .. Thonart etc.
                  • … Porcellanerde?
                  • … Serpentin? u. ſ. w.
              • . Salz?
                • .. ſaures?
                • .. Laugenſalz u. ſ. w.
            • *** zum Pflanzenreiche?
              • u. ſ. w. durch die Abtheilungen der Pflanzen.
        • * Belebt
          • ** Zum Thierreiche?
            • *** Säugethier?
              • . Menſchenähnlich? — ein Menſch? u. ſ. w. Geſchlecht, Alter,
                Stand, Wohnort, Zeit.
              • . Raubthier? etc.
              • . Wiederkäuend?
                • fremd?
                • hieſig? wild? zahm? Kuh? Schaf? etc.
            • *** Vogel
              • Raubvogel?
              • . Spechtartiger
              • . Schwimmvogel? Pelikan? Erſte etc. u. ſ. w.
            • *** Amphibie u. ſ. w.
            • *** Fiſch u. ſ. w. durch alle Thierklaſſen, Ordnungen, Geſchlech-
              ter, Gattungen, Arten.
      • 3. Ein verarbeitetes Naturprodukt, Kunſtprodukt, Fabrikat?
        • * genommen aus dem Mineral - Thier - Pſtanzenreich? —
          aus 2 oder dreyen zugleich? hier gehen die Fragen
          wieder fort ins Naturgebiet.
        • * gemacht durch die Hand eines Künſtlers? Handwerkers u. ſ. w.
        • * von welcher Art iſt der Gegenſtand? hier folgen alſo die Fragen
          • . Inſtrument?
            • für ein Handwerk? Kunſt? Oekonomie? Wiſſen-
              ſchaft? Handel? Bergbau? Vergnügen? Hausge-
              räth u. ſ. w.
          • . Maſchine?
          • . Gefäſs? Behältniſs, Wohnſitz, Schiff etc.
          • . Kleidung? oder dazu gehörig.
          • . Zur Nahrung?
          • . Verſchönerung? u. ſ. w.

Man prüfe die obigen Beyſpiele, man neh-
me ſich einmal die Nähnadel in den Sinn und
frage nach dieſem Entwurfe ſie aus ſich ſelbſt her-
aus, ſo wird man den Gang des Spiels einſehen
lernen.


Hat ſich der Gegner etwas in den Sinn ge-
nommen, was weder durch Ort noch Zeit be-
ſtimmt iſt; das heiſst, hat er ſich bloſs eine Claſ-
ſe, Ordnung, Gattung oder Art gewählt, ſo
kömmt man mit den Fragen nach dem Was? voll-
kommen aus. Ich will dieſs deutlicher machen.


[428]

Beym erſten Beyſpiele war nur eine Gattung
gewählt, nämlich eine Gattung von Inſtrumen-
ten, die man Nähnadel nennt. Nähnadeln giebts
allerwärts, hier iſt alſo keine Beſchränkung des
Ortes. Ferner läſst ſich hier annehmen, es gäb
immer Nähnadeln daher findet auch keine Be-
ſchränkung der Zeit ſtatt. Hätte ich aber die
Nähnadel im Sinne gehabt, welche hier an mei-
nem Fenſtervorhange ſteckt, ſo wär mein Ge-
genſtand ein Einzelweſen (Individuum) das erſt
durch den Ort beſtimmt wird, folglich hätte nach
dem Orte gefragt werden müſſen. — Im zwey-
ten Beyſpiele iſt der Gegenſtand individuell,
nämlich die Naſe Ludwigs des XIV, hier iſt alſo
Beſtimmung nach Zeit und Ort, dieſs würde der
Fall nicht geweſen ſeyn, wenn man ſich den Gat-
tungsbegriff Naſe überhaupt gedacht hätte.
Hieraus ergiebt ſich die zweyte Hauptregel, daſs
man aufhören müſſe nach dem Was zu fragen, wenn
man die Gattung oder Art heraus bat, und ſogleich nach
dem Wo? oder Wann fragen müſſe, um auf das Indi-
viduum zu Kommen
. Bey dem Wo können die Fra-
gen im nöthigen Falle beym Ganzen der Erde
anfangen und ſie werden ſich oft bey einem klei-
nem Plätzchen im Zimmer endigen. Eben ſo iſt
es mit dem Wann; man geht von gröſsern Zeit-
räumen bis in die kleinſten hinein.


[429]

Für die Theorie dieſes Spiels mag das Bishe-
rige genug ſeyn, aber für die Praxis habe ich
noch manches aufgeſpart. Hier iſt es.


Wenn man den Gegenſtand ausgefragt hat,
ſo gehe man hinterher noch einmal die ganze
Reihe der Fragen durch, die man gethan hat,
und unterſuche, wo man hätte beſſer fragen
und kürzer zur Sache kommen können; noch
mehr iſt dieſs Wiederholen nöthig, wenn man
den Gegenſtand nicht heraus bringen konnte;
man ſieht dabey am beſten worin man gefehlt
hat, und wird dadurch vorſichtiger.


Man thue keine doppelte Fragen, z. E. iſts
ein Mineral oder eine Pflanze? denn der Andre
muſs ſonſt ja und nein zugleich ſagen.


Anfängern ſage man gleich das Fach, woraus
man ſich etwas in den Sinn nimmt, z. E. aus der
Naturgeſchichte, Geographie u. ſ. w. und man
wähle für ſie keinen Gegenſtand, der über ihren
Geſichtskreis hinausliegt.


Das Errathen darf bey dem Spiele nicht ge-
duldet werden, ob es gleich, um das Fragen ab-
zukürzen oft ſehr gut iſt, die allgemeinern zu
überſpringen und gleich einmal eine ſpecielle
Frage zu thun, wenn man Scharfſinn genug hat,
allerley Nebenumſtände aufzufaſſen, um ſchon
auf die Spur zu kommen, ehe noch eine Frage
gethan iſt.


[430]

Da alles auf richtige Beantwortung ankommt,
ſo iſt es gut, wenn junge Perſonen ihren Gegen-
ſtand einem Freunde mittheilen, damit er im
Nothfalle berichtigen kann.


Unter den Spielen, die auf Bildung des Gei-
ſtes abzwecken, iſt dieſs eines der vollkommen-
ſten, und ſein Nutzen für die Jugend, ſo wie für
ſehr viel Erwachſene unverkennbar. Ihre Be-
griffe ordnen ſich unter gehöriger Leitung Sach-
verſtändiger allmählig in ein feſtes Syſtem, in-
dem ſie gezwungen ſind, die Gegenſtände nach
wiſſenſchaftlichen Syſtemen zu klaſſificiren, oder
wo dieſs fehlt, ſelbſt die Gegenſtände der Ord-
nung in Gattungen und dieſe in Arten zu zerle-
gen; hierzu gehört Ueberblick des Ganzen, Scharf-
ſinn und Nachdenken. Ueberdem beſteht das
ganze Spiel in einer ununterbrochenen Reihe
von Schlüſſen, die man nach den erhaltenen
Antworten bildet. Daſs es ſich ferner ſehr gut
als Wiederholung wiſſenſchaftlicher Kenntniſſe
gebrauchen laſſe, und daſs man der Jugend da-
durch ſelbſt manche noch nicht erlernte Sachen
beybringen könne, ſieht jeder leicht ein. Auch
das Gedächtniſs und die Aufmerkſamkeit werden
dabey geübt, denn man muſs nothwendig die
ſchon erhaltenen Antworten und die dadurch
bewirkten nähern Beſtimmungen des Gegenſtan-
des behalten. Endlich iſt es auch für die Ju-
[431] gend ein ſehr angenehmes Spiel, denn vermö-
ge ihrer natürlichen Wiſsbegierde und Neugier-
de liegt ſehr viel Reizendes darin, das heraus zu
bringen, was ein anderer ſo geheim hält.


103. Das Silbenräthſel
oder
Charaden.

Alle Wörter beſtehn aus Sylben, und dieſe ein-
zelnen Sylben haben oft für ſich eine Bedeutung.
Dieſs iſt am häufigſten der Fall bey zuſammen-
geſezten Wörtern, z. E. Landkarte, Strickna-
del, Sandbank, Baumoel, Süſsholz. Hier hat je-
de Sylbe ihre eigene Bedeutung, wie der Au-
genſchein lehrt. Oft findet dieſs auch bey nicht
zuſammengeſezten Wörtern ſtatt; ſo ſind in den
Wörtern Breyhahn, Inſekt, Eidam die einzel-
nen Sylben bedeutend. Oft bezeichnet die ei-
ne Sylbe einen wirklichen Gegenſtand und die
andre einen Buchſtaben; ſo iſts in den Wörtern
heute, Oſtern, gelinde, ſauer. Oft darf man nur
einen Buchſtaben wegſchneiden, ſo erhält das
Wort eine neue Bedeutung; man nehme aus den
Wörtern Hexel, Flachs, Maynz, Pavian die Buch-
ſtaben l, F. z. n, ſo entſteht daraus, Hexe, Lachs
Mayn, Pavia. Oft läſst ſich ein Wort in bloſse
Buchſtaben zerlegen; ſo wird aus Elbe l und b,
[432] Dieſe Eigenſchaften der Wörter hat man benuzt,
um daraus Sylbenräthſel (Charaden) zu machen.
Man ſagt demjenigen, der das Räthſel löſen ſoll,
die Zahl der Sylben, giebt ihm dann die Be-
deutung jeder einzelnen Sylbe durch eine unbe-
ſtimmte, ſich bloſs auf die Gattung beziehende
Beſchreibung an, ſezt endlich die Bedeutung des
Ganzen eben ſo unbeſtimmt hinzu und läſt erra-
then.


Beyſpiele. 1) Ein dreyſylbiges Wort. Die
erſte Sylbe bedeutet etwas, wonach ſich der See-
fahrer ſehnt; die zwey lezten etwas, womit
man häufig ſpielt; das Ganze iſt ein Grundriſs
des erſten. 2) Drey Sylben. Mit der erſten
kann man binden, mit den andern beyden ſte-
chen; das Ganze gehört in die Hände des Frau-
enzimmers. 3) Zwey Sylben. Mit der erſten
kann die Magd die Stube reinigen, auf die zwey-
te ſetze dich, und das Ganze vermeide, wenn du
ſchiffeſt. 4) Zwey Sylben. Die erſte eine Pflan-
ze, die zweyte etwas brennbares, das Ganze
wächſt auf der erſten und iſt auch brennbar und
eſsbar zugleich. 5) Zweyſylbig. Die erſte Syl-
be eine Art Speiſe; die zweyte ein Vogel, das
Ganze ein Getränk. 6) Zwey Sylben. Die er-
ſte iſt etwas Gebornes, was weder lebt noch tod
iſt, die zweyte iſt bey Ueberſchwemmungen ſehr
nüzlich, das Ganze iſt eine Art von Anverwand-
[433] ten. 7) Zwey Sylben. Die erſte ein Neben-
fluſs der Donau, die andre der Name eines Buch-
ſtabs, das Ganze empfindet man nur durch die
Zunge und Naſe. 8) Zwey Sylben. Jeder Ge-
genſtand wird durch Entfernung zur erſten; die
zweyte iſt ſehr nüzlich in Gefahr; das Ganze
aber bey Gefahr ſehr ſchädlich. 9) Zwey Syl-
ben. Schneide vom Ganzen den lezten Buch-
ſtaben ab, ſo iſt der Reſt etwas, was der Aber-
glaube ſonſt verbrannte; ſetze ihn hinzu, ſo kön-
nens die Pferde freſſen. 10) In einer Sylbe der
Name eines ſehr nüzlichen Gewächſes; ſchnei-
de den erſten Buchſtaben ab, ſo wirds ein ſehr
beliebter Fiſch. — Die Auflöſungen ſind der
Reihe nach 1) Landkarte, 2) Stricknadel, 3)
Sandbank, 4) Baumoel, 5) Breyhahn, 6) Ei-
dam, 7) ſauer, 8) Kleinmuth, 9) Hexel, 10)
Flachs.


Dieſes Spiel verbindet das Angenehme mit
dem Nüzlichen und es iſt unerſchöpflich. Der-
jenige, welcher dergleichen Räthſel macht, muſs
Nachdenken, Phantaſie und Witz gebrauchen,
um ſie zu erfinden und gehörig einzukleiden.
Er hat hierbey alle mögliche Freyheit, er kann
von der ſimpelſten Angabe durch alle Grade des
ſcheinbar Sonderbaren bis zum ſcheinbar Un-
glaublichen, wie oben bey dem ſechſten Räthſel,
fortgehen; aber er darf dabey der Wahrheit
E e
[434] nicht zu nahe treten und muſs, um billig zu ſeyn,
bey den Beſchreibungen der einzelnen Sylben
Begriffe angeben, wodurch die Gattung oder
Art im Allgemeinen, doch auf eine ſo beſchränk-
te Art bezeichnet wird, daſs es noch möglich
bleibt, den Gegenſtand zu finden, der durch die
Sylbe ausgedrückt wird. Thut man das nicht,
ſo wird das Räthſel unauflösbar z. E. Mein Wort
hat 6 Sylben 1 ſieht gelb aus, 2 iſt ein Geſchenk
der Erde, 3 hat ein Handwerker gemacht, 4 und
5 iſt ein Mann in Franken, 6 eine Perſon in Preu-
ſsen; das Ganze ein Menſch. Wer ſoll das je
errathen? Richtig iſt die Angabe: 1) Das Fa-
brikat eines Thieres. 2) Der Saame einer nüz-
lichen Pflanze, die man mit vielem Fleiſse bauet.
3) Ein Theil des Hauſes. 4 und 5 Der Name
eines bekannten Geographen. 6) Der Name ei-
nes berühmten Philoſophen; das Ganze ein
Handwerker. — Derjenige, welcher das Räth-
ſel löſen ſoll, muſs mit Schnelligkeit ganze Claſ-
ſen und Gattungen von Dingen überſehen; die
gefundenen Benennungen auf allerley Art zu-
ſammenſetzen und trennen und dabey ſtets auf
die Merk male Rückſicht nehmen, welche der an-
dre zur Bezeichnung der Sylben angegeben hat
u. ſ. w. Alles das erfordert Nachdenken, Witz
kurz eine gewiſſe Gewandtheit des Geiſtes in Re-
producirung der Begriffe. Die damit verbun-
[435] dene Geſchäfftigkeit und die ſonderbaren, oft
lächerlichen Zuſammenſetzungen gewähren Un-
terhaltung und Vergnügen, wenn man es nicht
oft und nie lange fortgeſezt ſpielt. — Um mehr
Verändrung und Abwechslung hinein zu bringen
und um dieſer Uebung mehr die Form eines Spiels
zu geben, verbinde man es nach Campens Vor-
ſchlage mit Erzählungen und Pfändern. Ich will
dieſen Vorſchlag mit einigen kleinen Zuſätzen
hier angeben.


Wenn A dem B ein ſolches Räthſel auf-
giebt, ſo giebts zwey Fälle, 1) B kann es nicht
löſen; dann giebt er ein Pfand und iſt gehalten,
der Geſellſchaft eine kleine Geſchichte, Fabel
oder ſo etwas zu erzählen. So oft er hierbey
ſtottert, einen auffallenden Sprachfehler begeht,
oder ein unedles Wort gebraucht, muſs ers wie-
der mit einem Pfande büſsen. Iſt die Erzählung
geendigt, ſo wird das Räthſel nochmals der gan-
zen Geſellſchaft vorgelegt. Hier treten folgen-
de Fälle ein.


a) Es wird von irgend jemand gelöſt. In die-
ſem Falle muſs jeder der Geſellſchaft etwas wiſ-
ſenswürdiges von dem gefundenen Worte ſagen
und zwar ganz kurz und gedrängt, entweder
nach eigenem Gefallen, oder als Antwort auf die
Fragen, welche der Spielrichter vorlegt. Die-
ſes kann die einzelnen Sylben, oder auch das
E e 2
[436] Ganze betreffen. Wie viel läſst ſich nicht über
dergleichen Wörter als Landkarte, Sandbank,
Baumoel u. ſ. w. angeben. Hier erhält der Er-
zieher eine vortreffliche Gelegenheit Begriffe zu
berichtigen, mitzutheilen, zurückzurufen u. ſ. w.
Wer gar nichts angeben kann, giebt ein Pfand.


b) Es wird nicht gelöſst; dann erhält der Auf-
geber A dafür, daſs er es bekannt macht, ein
Pfand zurück; hat er es aber in einer falſchen
Einkleidung vorgebracht, ſo daſs es unmöglich
war, es zu errathen: ſo bekömmt er nicht nur
kein Pfand zurück, ſondern muſs zwey geben.


2) Kann im Gegentheile B das Räthſel löſen:
ſo iſt A verbunden eine Erzählung zum beſten
zu geben, und zwar unter den obigen Bedingun-
gen. Iſt die Erzählung geendigt, ſo iſt jeder
verbunden, das zu thun, was unter a) geſagt iſt.
So geht das Spiel herum, ſo weit als man Luſt
hat, dann kommts zur bekannten Auslöſung der
Pfänder.


Man hat ſtarke Sammlungen von dergleichen
Sylbenräthſeln; für die Jugend iſt die beſte: Cha-
raden eine angenehme Uebung des Witzes und Nach-
denkens für Kinder, Leipzig 1784 von Salzmann
; weit
zweckmäſsiger und unterhaltender iſt es aber of-
fenbar, daſs jeder ſie ſelbſt erfinde und zuſam-
menſetze.


[437]
104. Das Geſellſchaffts - Räthſel.

Dieſes Spiel hat mit dem vorigen einige Aehn-
lichkeit. Einer von der Geſellſchaft entfernt ſich
und die Uebrigen vereinigen ſich über einen Ge-
genſtand, den er errathen ſoll; dieſs iſt ein
Menſch, Thier, eine Pflanze, eine Stadt u. ſ. w:
was man will, Jener tritt dann wieder herein,
und nun ſagt ihm Jeder eine Eigenſchaft des auf-
gegebenen Dinges. Sein Kopf muſs alle ihm auf
dieſe Art gegebenen Merkmale, die den Gegen-
ſtand nur auf entfernte Art bezeichnen, vereini-
gen und daraus den Begriff zu bilden ſuchen, der
ihm zum errathen aufgegeben wurde. Man ſieht
leicht, daſs dieſs die Operation der Phantaſie,
des Witzes, des Nachdenkens ſey, und daſs da-
her dieſs Spiel eine recht gute Uebung gewähre.
Dieſs findet auch für diejenigen Statt, welche das
Räthſel aufgeben, zumal wenn die Geſellſchaft
etwas ſtark iſt; einer raubt da dem andern oft
die Merkmale, welche er anzugeben Willens war,
dieſs ſetzt in Verlegenheit, und nöthigt, den ge-
gebenen Gegenſtand ſchnell von den ver-
ſchiedenſten Seiten zu betrachten, um ihm ein
neues Merkmal abzugewinnen. Wie viel dieſs
zur Aufhellung der Begriffe beytragen könne,
ſieht Jedermann leicht ein. In beyden Rück-
ſichten iſt das Spiel ächt pädagogiſch und empfeh-
E e 3
[438] lungswerth; es unterhält überdem ſehr gut und
macht viel Vergnügen, zumal wenn man Gegen-
genſtände wählt, die an ſich ſelbſt, oder für die
Geſellſchaft etwas lächerliches haben. Die äu-
ſere Form des Spiels iſt willkührlich; man kann
das Errathen der Reihe nach herum gehen laſ-
ſen und ſo das Spiel ohne weitere Einkleidung
treiben; oder man läſst den Hereinkommenden
ein Pfand geben, wenn er den Gegenſtand nicht
erräth, und ſchickt ihn jedesmal wieder hinaus,
bis er glücklicher iſt. So könnte auch der ein
Pfand geben, der ein falſches Merkmal angäbe.
Jungen Leuten macht es weit mehr Vergnügen,
wenn ſie denjenigen, der den Gegenſtand nicht
trifft, auf eine ſpaſshafte Art mit ihren Tüchern
zum Zimmer hinaustreiben können. Ort und
Umſtände, ſo wie der Ton der Geſellſchaft müſ-
ſen hier entſcheiden.


105. Das Anwendungsſpiel.

Ein Vater, Lehrer, oder Kinderfreund tritt in
den Kreis der Kleinen, erbietet ſich Kaufmann
zu ſeyn und fordert ſie auf, ihm etwas abzukau-
fen. Er hat in ſeinem Waarenlager eine groſse
Menge von Waaren: Federn, Heu, Stroh, Kar-
toffeln, Papier, Aepfel, Birnen, Roſinen, Citro-
[439] nen, Zucker, Milch u. ſ. w. kurz alles was man
haben will, und Alle haben Luſt zu kaufen. Ermacht
bey Fritz den Anfang: „Was willſt du kaufen?“
Milch. „Wozu willſt du ſie gebrauchen?“—
ich will ſie trinken! Nun geht der Vater von Nach-
bar zu Nachbar, und Jeder muſs ihm angeben,
wozu er die Milch gebrauchen will; da will ſie
der Eine verbuttern, der Andre verkäſen, der
Dritte will damit bleichen, der Vierte Milchzuk-
ker daraus machen u. ſ. w. wer keinen ordentli-
chen gewöhnlichen Gebrauch davon anzugeben
weiſs, oder das nochmals ſagt, was ſchon von
den Andern angegeben iſt: erhält von ihm einen
ſpaſshaften Klapps. Iſt man mit der Milch her-
um und merkt der Vater, daſs wohl eben nichts
mehr davon zu ſagen übrig ſeyn möchte: ſo läſst
er ſich von Fritzens Nachbar einen neuen Arti-
kel abkaufen und es geht damit wie oben. Auf-
merkſamkeit, Gedächtniſs, Wiedererinnerung
und Nachdenken kommen dadurch bey den
Kleinen in Uebung; ſie gewöhnen ſich bey den
Sachen mehr als den Namen zu denken und die
Geſtalt vorzuſtellen; ſie lernen mit ihren Ge-
danken weiter greifen, die Aſſociation der Ideen
wird lebhafter. Es iſt daher ein gutes Spiel. Das
Unterhaltende deſſelben beruht auf dem geſell-
ſchaftlichen Tone, ſo wie auf der Stimmung der
Kinder; ziehn dieſe ſchon Würfel und Karten
E e 4
[440] dem Denken vor, dann iſts nichts für ſie; im
entgegengeſezten Falle finden ſelbſt Erwachſe-
ne Vergnügen daran.


b) Brettſpiele.


106. Das Schachſpiel

Giuoco degli Scacchi; jeu des Echecs; Game of Chess; juego del Axe-
drez; Shaniludium; ludus latrunculorum.


Ueber die Erfindung dieſes ſehr berühmten Spie-
les iſt ungemein viel geſtritten worden. Ein ge-
wiſſer Mariniere, der in der Hälfte des vorigen
Jahrhunderts ein elendes Buch über Spiele her-
ausgab, wundert ſich, daſs es bey dem darüber
erregten Gezänke nicht bis zu Schlägen gekom-
men ſey. Man hat es dem Palamedes, der zu Tro-
jas Zeiten lebte, dann wieder dem Diomed un-
ter Alexander zugeſchrieben. Andern iſt das
nicht genug; es ſoll in den grauen Zeiten eines
Königs von Babylonien von ſeinem Miniſter Ser-
ſes erfunden ſeyn. Selbſt Saumaiſe eignet es
den Griechen zu, ſehr viele andre finden es bey
den alten Römern im Gange, obgleich das Spiel
ganz offenbar den Stempel des Morgenlandes an
ſich trägt. Der Irrthum entſtand daher, weil
man in dem ganz unähnlichen Spiele mit den
Πςσσαις die Freyer der Penelope und in dem ähn-
[441] lichen Ludo Latrunculorum der Römer das
Schachſpiel fand; thut man dieſs, ſo kann man
freylich ſchon Stellen aus vielen alten Schrift-
ſtellern anführen, die vom Schachſpiel reden.
Der obige Martiniere gibt einem gewiſſen Ring-
hier, der in Italien eine Menge ſelbſterfundener
Spiele herausgab eins ab, weil er das Schach-
ſpiel mit abdrucken läſst. Er hat eher Luſt, es
den Franzoſen zu zuſchreiben; denn dieſe, als
ein ſehr kriegeriſches Volk, welches das römi-
ſche Reich mehr als einmal bis zum Ruin brach-
te, könnten das Schach, meint er, recht wohl
erfunden haben.


Brettſpiele gab es ſchon unter Griechen und
Römern, aber das Schach iſt Morgenländiſchen
Urſprungs. Die Perſer und Chineſer wollen
es von den Hindus erhalten haben und unter
dieſen ſoll es im fünften Jahrhundert unter einer
Veranlaſſung erfunden ſeyn, die von Arabiſchen
Schriftſtellern *) auf folgende Art erzählt wird.
Behub ein junger König in Indien deſpotiſirte
ſeine Unterthanen. Die Rechtſchaffnen, welche
ſich ſeinem Throne näherten und ihm warnende
Wahrheiten ſagten, erhielten Gefängniſs und
E e 5
[442] Tod zur Vergeltung. Da getraute ſich keiner
mehr an das königliche Raubthier, und die Un-
terthanen trugen forthin das äherne Joch des
Deſpotiſmus, bis ſie ſich endlich ihres Menſchen-
rechts bewuſst wurden und überall die Wehen
einer Revolution, das Innere des Staats zu durch-
dringen begannen. Da jammerte den Braman
Naſſir das Elend ſeines Vaterlandes, und er be-
ſchloſs, alles zu wagen, um den Wütrich zu
Verſtande zu bringen. Er erfand das Schach, ein
Spiel, worin der König die Rolle eines Ohnmäch-
tigen ſpielt, aber worin ſeine Diener und Bauern
alles thun, um ihn vor den Angriffen der Geg-
ner zu ſchützen; worin die niedrigſten Steine,
wenn man ſie gehörig behandelt, zur Vertheidi-
gung von groſsem Werthe ſind, aber wo der
Verluſt eines Einzigen oft den König ſchachmatt
macht. Der König hörte bald von dem Spiele,
das dem Hange des Orients zur Körperruhe ſo
angemeſſen war und ſich daher ſchnell bekannt
machte. Naſſir, der Sohn Dahers, muſste er-
ſcheinen, um das Spiel zu zeigen. Er lehrte es
dem (den) jungen Tyrannen und verflochte in
die Erklärung der Steine und Züge auf eine ſo
feine und doch anſchauliche Art die Regeln der
Regentenweisheit, daſs der König ſich getroffen
fühlte, überzeugt wurde, ſeine Regierungsart
abänderte und ſich nun die Liebe ſeiner Unter-
[443] thanen erwarb. Dieſs rührte den König. Er
drang in den weiſen Braman, ſich etwas zur Be-
lohnung auszubitten und wenn es auch die Hälf-
re ſeines Reichs wäre. Naſſir fiel demüthig zur
Erde und ſprach: Sieh o mein König die Tafel
meines Spiels hat 64 Felder; willſt du mich mit
Gnade überſchütten, ſo laſs die Knechte deiner
Kornhäuſer legen auf das erſte Feld 1 Waizen-
korn, auf das andre zwey, auf das dritte 4 und
ſo fort auf das nächſtfolgende noch einmal ſo viel
als auf das Vorhergehende. Da erzürnte der
weiſe König über die kindiſche Bitte des Erfin-
ders, ſchalt ihn einen Dummkopf und verlangte,
er ſollte etwas beſſers bitten; allein Naſſir blieb
bey dem Geſagten und der König willigte mit
Unwillen ein und gab den Befehl. Allein bald
erſchien der Aufſeher der Magazine und meldete
ſeiner Majeſtät, es ſey eine etwas wunderliche
Rechnung, man wiſſe vor lauter multipliciren
nicht, was man anfangen ſollte; er habe ſie erſt
halb vollendet, aber die Zahl der Waizenkörner
ſchon ſo groſs gefunden, daſs im ganzen Reiche
wohl nicht ſo viel ſeyn möchten, um den Bra-
man nur halb zu bezahlen. — Nach einer Berech-
nung darüber möchte wohl der ganze Erdboden
ſeit der Schöpfung nicht ſo viel Waizenkörner
getragen haben, denn das Ganze, beträgt ge-
nau berechnet 18‴ 446 744″ 073 709′ 551 615,
[444] und wenn eine jede von 16384 Städten 1024 Korn-
häuſer, in jedem aber 174762 Maaſs Waizen jedes
zu 32768 Körnern hätte, ſo würde dieſs erſt den
zweyhundertſten Theil davon ausmachen. Da
muſste Naſſir kommen, der König umarmte ihn
und behielt ihn auf immer bey ſich als Freund
und Bruder.


Von den Perſern und Arabern iſt es nach dem
Abendlande gekommen, wozu wahrſcheinlich
die Kreuzfahrer das meiſte beytrugen. Jene
nennen es nach Chardins Angabe Schetreng d.
i. hundert Gedanken oder Sorgen; die Araber
Al Xadrez. Es hat ſich von allen Spielen am
meiſten verbreitet, denn man kann die Gren-
zen des Schachs anſetzen von Ochotzk bis Liſſa-
bon und von Island bis zu den Wohnungen der
Neger in Afrika und ſezt noch nicht zu viel, wenn
man auch noch etwas darüber hinaus zugiebt.
Jezt zur Beſchreibung. Ich fühle es, daſs es nicht
leicht ſey, ſich ſolchen Perſonen, die das Spiel
gar nicht kennen, deutlich zu machen; und für
dieſe ſchreibe ich doch vorzüglich. Ich werde
mein Möglichſtes thun.


Das Schachſpiel ſtellt einen Krieg im Kleinen
vor; zwey kleine hölzerne Heere ſtehn hier
ſchwarz und dort weiſs gegen einander über in
Schlachtordnung; Feldherrn, Adjutanten, Ca-
vallerie und Infanterie ſind bereit, ſich einander
[445] anzugreifen und den gegenſeitigen König zu fan-
gen
; dieſer aber ſteht da in ſeiner Hölzernheit und
erwartet, wie das häufig der Fall in der Wirk-
lichkeit iſt, ohne Selbſtthätigkeit, alles von ſei-
nem Kriegsminiſter oder Kriegsrathe, d. i. von
dem Spieler, welcher die Steine in Bewegung
ſezt.


1) Vom Schachbret. Man ſehe Zeichn. 16.
Das Schachbret iſt ein gewöhnliches Dambret von
64 Feldern, nämlich von 32 weiſsen und eben ſo
viel ſchwarzen. Die Spieler legen es ſo zwiſchen
ſich, daſs jeder in der Ecke zur rechten Hand
ein weiſses Feld hat.


Um in der Folge verſtändlich zu ſeyn, und
um die Stellung der Steine, ſo wie ihre Züge
angeben zu können, wollen wir die Felder des
Schachbrettes bezeichnen, ſo daſs wir dieſelben,
ſo wie in der Geographie die Oerter nach Län-
ge und Breite, angeben können. Wenn das
Brett zwiſchen beyden Spielern liegt, ſo laufen
von dem einen zum andern 8 Reihen Felder hin-
über, dieſe nennen wir a, b, c. d. e, f, g, h,
Allein dieſe Felder bilden wieder 8 andre Rei-
hen quer zwiſchen beyden Spielern hindurch,
dieſe bezeichnen wir auf beyden Seiten mit 1,
2, 3, 4, 5, 6, 7, 8. Hierdurch läſst ſich jedes
Feld auf dem Brette angeben; das Feld X heiſst
nun d 5 und ſtünde hier ein Stein, von dem man
[446] ſagen wollte, er ſolle nach Y geſezt werden: ſo
würde dieſs durch die Bezeichnung heiſsen d 5
nach f 3. Man ſchreibe die Bezeichnung auf den
Rand des Brettes.


2) Von dem Werthe und dem Gange der Steine.
Jedes von den beyden kleinen Heeren beſteht
aus einem Könige, einem Feldherrn, zwey Läufern,
zwey Springern, zwey Thürmen und 8 gemei-
nen Soldaten.


Der König (le roi, the king, il Re) iſt der vor-
nehmſte Stein im Spiel, darum iſt er auch der
gröſste. Der Zweck des Spiels gehet einzig da-
hin, ihn ſo einzuſperren, daſs er ſich ergeben
muſs. Sein Gang iſt ſehr gravitätiſch langſam,
denn er kann auf einmal nicht mehr gehn als ei-
nen Schritt, aber dieſen kann er nach Belieben
nach allen Richtungen thun, vorwärts, rückwärts
ſeitwärts und auch über die Ecken ſeines Fel-
des in die benachbarten. So kann er auch je-
den feindlichen Stein, der ſich neben ihn auf ein
Feld ſtellt, in alle den Richtungen nehmen, wenn
er ſich dadurch nicht einem andern feindlichen
Steine bloſs ſtellt.


Die Königin, Dame, (La Dame, la Regina, the
Queen), beſſer und richtiger der Feldherr (denn
das iſt dieſer Stein auch urſprünglich), iſt der
wirkſamſte Stein im ganzen Spiele. Er geht vor-
wärts, rückwärts, ſeitwärts und übereck wie der
[447] König, aber nicht bloſs einen Schritt, ſondern
durch ſo viel Felder als nöthig iſt und als offen
ſind; er nimmt auch in eben den Richtungen
im zuträglichen Falle jeden feindlichen Stein weg,
der ſich ihm bloſs ſtellt.


Neben den beyden vorigen ſtehn die Läufer,
richtiger könnte man ſie wohl Adjutanten nen-
nen; aber auf eine lächerliche Art heiſsen ſie bey
den Engländern Biſhops und bey den Franzo-
ſen gar Fous, Narren, puisque, ſagt Mariniere
auf eine naive Art: les premiers inventeurs de
ce jeu n’ont pas voulu que les fous s’eloignaſſent
de la principauté. — Sie können im ganzen
Spiele, gute Dienſte leiſten und ſind daher wichti-
ge Officiere. Sie gehn bloſs übereck, aber nach allen
Richtungen und ſo viel Schritte auf einmal als
die ſchräge Reihe offen iſt. Sie nehmen in eben
der Richtung jeden feindlichen Stein. Man muſs
ſichs wohl merken, daſs der Läufer, welcher An-
fangs auf dem weiſsen Felde ſtand, auch immer
auf dem weiſsen bleibe, ſo wie der ſchwarze auf
dem ſchwarzen.


Die Springer (les chevaliers, the Knights, i Ca-
valli) ſind in den gewöhnlichen Spielen an ihren
Pferdeköpfen kenntlich und haben den deut-
ſchen Namen davon, weil ſie über andre Steine
wegſpringen können. Sie bezeichnen offenbar
[448] Cavallerie. Sie ſind ſo wichtig als die Läufer;
beſonders brauchbar im Anfange des Spiels aber
auch am Ende noch ſehr nüzlich. Sie haben
einen ganz eigenthümlichen Gang nach allen
Richtungen, ſie ſpringen nämlich von ihrem
jedesmaligen Standpunkte auf ein benachbartes
dritte Feld von entgegengeſezter Farbe von
Weiſs auf Schwarz und ſo umgekehrt, auch ſelbſt
über die andern Steine weg; folglich z. Ex. von
b 1 nach a 3 oder c 3 oder d 2.


Die Thürme, eigentlich Kriegselephanten mit
Thürmen (Les Tours, the Rooks, Le Torri, i
Rocchi) die in den vier Ecken des Schachbrettes
ſtehen, werden für die wichtigſten Steine nach
dem Feldherrn gehalten. Ihr Gang iſt grade
über die Felder hin, ſo weit ſie offen ſind, ſeit-
wärts, rückwärts und vorwärts, und ſie können
alles nehmen, was ihnen in den Weg kommt.


Die gemeinen Soldaten; (Bauern Les Pions, the
Pawns, Le Pedine) ſind zur Beſchützung des
Königs ſehr wichtig, zum Angriff und zum Zu-
rücktreiben der obigen Officiere ſehr brauch-
bar unter guter Anführung des Spielers.
Dringt ein Bauer von ſeinem erſten Stand-
punkte über das ganze Brett bis in die erſte Rei-
he der feindlichen Felder, das heiſt von 2 nach
8 oder von 7 nach 1: ſo wird er dadurch zum
Feldherrn; iſt aber ſein Feldherr ſelbſt noch
[449] nicht von den Feinden genommen: ſo kann der
Spieler einen beliebigen Officier, einen Thurm,
Springer oder Läufer daraus machen, wenn ihn
ſchon einer davon fehlt. Wäre dieſs nicht der
Fall, ſo bleibt der Bauer ſo lange müſsig ſtehn,
bis einer von jenen Officieren verlohren geht,
deſſen Rolle er dann bekommt. Der Gang des
Bauers iſt bloſs vorwärts grade aus; vom Hauſe
aus, das iſt, von ſeiner erſten Stelle an, kann er
zwey Schritte machen, folglich von der Reihe 2
auf 4 und von der 7 nach 5. Man merke ſich
aber, daſs dieſer Doppelſchritt nicht erlaubt iſt,
wenn er dabey neben einem feindlichen Bauer
vorüber müſste. Z. B. wenn der Bauer g 2 nach
g 4 rücken wollte, indem in h 4 oder f 4 ſchon
ein feindlicher Bauer ſtünde, ſo ſteht es bloſs
im freyen Willen des Gegenſpielers, dieſen
ſo vorüberſchreitenden Bauer wegzunehmen
und den ſeinigen nach g 3 zu ſetzen.
Schlagen kann der gemeine Soldat nur immer
über Eck vorwärts: ſtünde er z. Ex. in x ſo kann er
jeden andern Stein der auf c oder e 6 ſteht, ſchla-
gen.


3. Von der Stellung der Steine. Auf die Reihe
1 und 2 ſezt der eine Spieler die weiſsen, auf 7
und 8 der andre die ſchwarzen Steine. Haben es
Beyde gethan, ſo ſtehn nun auf den 4 Eckfeldern
des Brettes die 4 Thürme, neben dieſen die 4
F f
[450] Springer, neben dieſen die 4 Läufer, auf den bey-
den Feldern d 1 und d 8 die beyden Königinnen
und auf e 1 und e 8 die beyden Könige. Vor
dieſen Officieren ſtehn die Bauern nämlich auf
der Querreihe 2, 2 die weiſsen auf 7,7 die ſchwar-
zen und bilden folglich das Vordertreſſen. So
ſtehn die Steine allemal beym Anfange des Spiels.
Zum Ueberfluſſe merke man ſich noch, daſs die
beyden Königinnen immer auf ihrer eigenen
Farbe ſtehn, folglich die weiſse auf dem mittlern
weiſsen Felde, die ſchwarze auf dem ſchwarzen.


Dieſs ſind ſehr langweilige Sachen; aber man
muſs ſie wiſſen, ſonſt kann man nie ſpielen ler-
nen. Zur Erholung einiges von Schachſpielen.
Araber und Perſer haben nur ſchlechte Steine
und ein Stück Tuch, auf welches die Felder von
zweyfarbigen Zeugen gemacht ſind, vertritt die
Stelle des Schachbrettes. Ein berühmtes Schach-
ſpiel befand ſich in Frankreich in der Abtey St.
Denys. Es hatte groſse elfenbeinerne Figuren
und man ſagte, es ſey ein morgenländiſches Ge-
ſchenk für Carl den Groſsen geweſen. Es bleibt
aber ſehr unwahrſcheinlich, daſs Carl ſchon et-
was vom Schach gewuſst habe. *) Einem Italie-
ner, Namens Ringhier, ſind todte Figuren nicht
[451] genug, er will Menſchen an ihre Stelle haben,
hier Weiber dort Männer und ein groſser Saal
ſoll das Schachbrett ſeyn. Darüber hält ſich Ma-
riniere auf. Uns iſt das nichts neues, ſagt er:
Wir haben das ſchon im Traume des Polyphile
geleſen, wo die Nymphen bey ihrer Königin die
Rolle der Schachſteine vertreten. Ihm iſt der
Saal nicht groſs genug, er will einen ganzen Hof
mit darauf gepflaſtertem Schachbrette, oder mit
einem gewürfelt gemalten groſsen Laken über-
deckt. Die Spieler ſitzen auf Tribünen gegen
einander über und kommandiren die menſchli-
chen Schachſteine. Die Zuſchauer nehmen auf
Seitenterraſſen Platz. Don Juan di Auſtria Phi-
lipps des IV. Sohn ſoll wirklich einen groſsen
Schachſaal gehabt und Menſchen ſtatt der Steine
gebraucht haben. Ein ſonderbarer Menſchen-
gebrauch, ſagt vielleicht mancher Leſer; allein
iſt Krieg nicht Schachſpiel im Ernſt? In einem al-
ten Ritterromane (man ſehe Wielands deutſchen
Merkur) kommt Ritter Galleret auf ſeinem Zuge
an das Schloſs der Fee Floribelle. Hier erſcheint
ein Fräulein, das ihn zu einer Parthie Schach
einladet. Er nimmt es an und wird von Flori-
bellen erſt herrlich bewirthet und nach Tiſche in
einen Prachtſaal geführt, der ein Schachſpiel
darſtellte, das einzig in ſeiner Art war. Schwar-
zer und weiſser Marmor bildete den Fuſsboden
F f 2
[452] zum Schachbrette; die Figuren, waren von El-
fenbein und Ebenholze in Lebensgröſse; ihre
Waffen von gediegenem Golde, ihre Kleidung
überdeckt mit Perlen und Edelgeſteinen. Die
Pracht der Könige und Königinnen blendete die
Augen, die Läufer, welche man damals Banner-
träger
nannte, waren herrlich gewaffnet und tru-
gen in der Hand prächtige Fahnen von zwey ver-
ſchiedenen Farben, in dieſen ſahe man zweyer-
ley Denkſprüche mit Gold und Perlen geſtickt,
Die Springer glichen Rittern auf goldenen Pfer-
den, geſchmückt mit überaus prachtvollen Rüſtun-
gen, Waffen und Pferdedecken. Die Thürme
wurden von goldenen Elephanten getragen; die
Bauern waren Soldaten zu Fuſs mit Streitäxten
bewaffnet. Doch war dieſs alles nichts gegen
die Feerey wodurch dieſe Steine in Bewegung
geſezt wurden. Hätte man die Steine mit eige-
nen Händen auf den Feldern fortſetzen ſollen,
ſo wäre dieſs eine Arbeit geweſen, wodurch das
Schachſpiel zu einem Bewegungsſpiele geworden
wäre, aber leider ſoll das nie der Fall ſeyn; denn
man kommandirte ohne alle Anſtrengung mit ei-
nem Zauberſtäbchen die bezauberten Steine durch
Berührung von Stelle zu Stelle. Der Ritter er-
ſtaunte beym Anblicke dieſer Herrlichkeit, aber
er erſchrak, als Floribelle ihm jezt eine Parthie
anbot, auf deren Gewinn ſie den ganzen Schach-
[453] ſaal, das ganze Schloſs und ſogar ſich ſelbſt ſez-
te; durch deren Verluſt aber Galleret auf ewig
ihr Sclave werden ſollte. Doch er ermannete ſich;
denn bekanntlich darfkein Ritter einen dummen
Streich ausſchlagen, wenn Muth und Ehre dabey
ins Spiel kommt. Die Schlacht begann, die
Stäbchen ſezten die Krieger in Bewegung und
Galleret wurde, ehe er ſich’s verſah — matt. Er
forderte Genugthuung; ein zweytes Spiel gieng
an und er gewann es, aber er verlohr das dritte
und gerieth in die Sclaverey. Wir laſſen ihn da-
rin ohne Barmherzigkeit, ob ihn gleich der alte
Romancier in ſeiner fortlaufenden Erzählung
wieder herauszubringen weiſs. — Beym de Ser-
res *) kommt ein hiſtoriſch merkwürdiges Echi-
quier vor, das wahrſcheinlich nur ein Dambret
war. Robert und Heinrich, Wilhelms des
Eroberers Söhne, waren 1061 zum Beſuche bey
Philipp I. von Frankreich. Sie ſpielten mit deſ-
ſen Sohn Louis im Brett. Es gab Streit und Hein-
rich war im Begriffe, Louis mit dem Brete todt
zu ſchlagen, hätte Robert es nicht gehindert.
Dieſs gab den Anlaſs, ſagt de Serres, zu den 400-
jährigen kriegeriſchen Unruhen zwiſchen Eng-
land und Frankreich. In den neueſten Zeiten
hat das Schachſpiel des Herrn von Kempeln unge-
F f 3
[454] mein viel Aufſehn gemacht; denn hier ſpielte
eine hölzerne Figur, die ſich durch mechaniſche
Geſetze in Bewegung ſezte mit jedem Meiſter
Schach und gewann die Parthie. Dieſe Maſchine
wurde durch ganz Europa berühmt, bis man end-
lich entdeckte, was ſich von ſelbſt verſtand, näm-
lich daſs ſie durch einen geſchickten Schachſpie-
ler unter dem Spielen in Bewegung geſezt wurde.


4. Gebrauch der Steine. Vom Schlagen, Schach-
bieten, Rochiren
. Jeder Spieler läſst ſeine Steine
nach und nach auf die feindlichen losmarſchiren.
Man zieht wechſelsweiſe, immer nur einen Stein
auf einmal und fängt gewöhnlich wo nicht immer
damit an, daſs man den Bauer des Königs 2
Schritt d. i. von e 2 bis auf e 4 oder von e 7 auf
e 5 rückt; denn durch dieſen Zug wird gleich
dem Feldherrn und einem Läufer die Bahn
geöffnet. Alle andre Züge ſind unbeſtimmbar,
denn jeder richtet ſich entweder, wenn es
nöthig iſt, nach dem lezten Zuge des Gegners,
oder er bildet ſich allmählig einen Plan, den Kö-
nig des Gegners zu fangen. Dieſer Plan bleibt
die Hauptſache des Spiels, um ihn aber deſto
ungehinderter ausführen zu können, ſucht man
den Verluſt ſeiner eigenen Steine zu vermeiden
und den Gegner zu ſchwächen, das iſt, Steine
zu nehmen. Beym Damenſpiele überſpringt
der nehmende Stein denjenigen, welchen er
nimmt, beym Schach iſt es nicht ſo; der Neh-
[455] mer (ſchlagende Stein) ſezt ſich an die Stelle des
genommenen. Wenn z. Beyſp. ein feindlicher
Stein bis auf das Feld c 3 heran käme, ſo kann
ich ihn, um ein Beyſpiel zu geben, entweder mit
meinen Bauer in b 2 oder mit dem Springer in
b 1 oder mit dem Läufer in f 1 nehmen, und ei-
nen davon an die Stelle ſetzen. Wenn der Kö-
nig auf die Art in Gefahr kommt genommen zu
werden, ſo heiſst es, er ſteht im Schach, es wird ihm
Schach geboten
, und der Gegner kündigt dieſs alle
Mal durch das Wort Schach! an. Um in dieſem
Falle den König zu retten, ſind folgende Fälle
möglich, erſtlich der König ſelbſt nimmt den
Stein, der ihm Schach bietet. Dieſs iſt nur dann
thunlich, wenn der feindliche Stein nicht gedeckt
iſt, d. i. noch einen andern Stein im Rücken
hat der ihn ſchüzt. Beyſpiel. Der König iſt in
e 1. Ein feindlicher Bauer kommt nach d 2 und
bietet ihm Schach, dieſen kann der König nicht
nehmen, wenn ein anderer feindlicher Bauer
auf c 3, oder ein Thurm oder der Feldherr irgend-
wo auf der offenen Reihe d d ſteht u. ſ. w.


2. Man nimmt den Schachbietenden Stein
mit irgend einem andern.


3. Man ſtellt einen andern Stein zwiſchen
den feindlichen und den König, nur geht dieſs
nicht, wenn ein Bauer oder Springer Schach
bietet.


F f 4
[456]

4. Man rückt den König von ſeinem Platze
weg.


Iſt kein einziger Fall von dieſen möglich, ſo
iſt der König matt, der Gegner hat gewonnen
und das Spiel iſt geendigt. Man kann dem feind-
lichen Könige mit jedem Steine Schach bieten,
nur mit dem Könige nicht; denn dadurch wür-
den ja beyde Könige im Schach ſeyn.


Oft iſt es der Fall, daſs der König auf ſeinem
Standpunkte z. B. der weiſse auf e 1 ſo ſtark be-
drohet wird, daſs er ſehr in Gefahr kommt, in-
dem der Gegner ſeine Hauptkraft auf dieſe Stel-
le richtet und ſein Plan dahin geht, den König
hier matt zu machen, oder ſo in die Enge zu
treiben, daſs darüber wichtige Steine verloren
gehn und der König bald matt wird. Der ge-
ſchickte Spieler, der den Plan des ſo angreifen-
den Gegners im ſtillen durchſchauet, läſst ihn bis
auf den nächſten Grad der völligen Reife kom-
men und macht ihn dann einem Strich durch die
Rechnung, indem er ſeinen König rochiren (ro-
chen, ſauter, ſaltare, arrocare, caſtle;) läſst; das
heiſt, er rückt den Thurm rechter Hand von h 1
auf f 1 und läſst den König darüber wegſpringen
nach g 1; oder auf der linken Seite: er rückt
den Thurm von a 1 auf d 1 und ſezt den König
nach c 1; oder mit andern Worten der König
ſpringt 2 Schritt rechts oder links und der Thurm
[457] lagert ſich vor ihm. Mit dem auf die Art ſchnell
veränderten Standpunkte des Königs muſs der
Gegner ſeinen Plan natürlicher Weiſe umän-
dern. Es iſt ſehr ſelten oder niemals gleichviel,
auf welche Seite man den König rochiren läſst;
man wählt diejenige, wo er vor den Angriffen
des Feindes am ſicherſten iſt. Am gewöhnlich-
ſten ſezt man ihn hinter drey Bauern, die man
zu dem Ende auf den Feldern f g h 2 in Reſer-
ve behält. Das Rochiren iſt aber in gewiſſen Fäl-
len nicht erlaubt, dieſe ſind:


  • a) Wenn der König ſeinen Platz ſchon vor-
    her einmal geändert hatte. Eben daher thut
    man alles mögliche, den König ſo lange auf
    ſeiner Stelle zu erhalten, als es gehen will.
  • b) Wenn der Thurm, mit dem er rochiren
    will, ſchon vorher einmal gezogen worden
    iſt.
  • c) Wenn ihm Schach geboten wird, ſo darf
    er nicht rochen, um heraus zu kommen.
  • d) Wenn er über ein Feld rückt, wo ihm
    Schach geboten wird. Geſezt der König will
    von e 1 nach g 1, ſo muſs er über das Feld f 1
    ſteht nun in y oder auf der Felderreihe von
    f bis f der feindliche Feldherr oder ein
    Thurm, kurz ſteht irgend ein feindlicher
    Stein ſo, daſs er auf das Feld f 1 zielet: ſo
    kann der König nicht darüber und muſs das
    F f 5
    [458] rochiren für jezt auf dieſer Seite unterlaſ-
    ſen.
  • e) Wenn ſich zwiſchen ihm und dem Thur-
    me ein andrer Stein befindet.

5. Spielgeſetze a) Ein berührter Stein muſs ge-
ſpielt werden, und ein fortgeſezter Stein iſt ge-
ſpielt.


  • b) Der Bauer geht zwey Schritt vom Hauſe
    aus, aber nicht neben einem feindlichen
    Bauer vorbey.
  • c) Iſt der König ſo in die Enge getrieben,
    daſs er keinen Schritt mehr thun kann, oh-
    ne in Schach zu kommen, und können ſeine
    etwa noch übrigen Steine auch nicht mehr
    ziehen, ſo iſt er nicht Schachmatt ſondern
    Schachpatt, (Echec ſuffoqué, Stale - mated)
    und das Spiel iſt nur halb verloren. In Eng-
    land gewinnt ſogar der ſchachpatte König
    das Spiel.
  • d) Giebt, d. i. bietet der Gegner dem Köni-
    ge Schach, ohne es zu ſagen: ſo braucht man
    nicht darauf zu achten, wenn man es vor-
    theilhaft findet, bis er es anzeigt.
  • e) Macht der Gegner den König matt, ohne
    zu ſagen ſchachmatt! oder vielmehr ohne es
    ſelbſt zu wiſſen, ſo hat er ſtreng genommen
    das Spiel nur halb gewonnen.

[459]
  • f) Wird ein Stein durch Verſehn auf eine fal-
    ſche Art bewegt und der Gegner bemerkt es
    erſt, wenn er ſchon wieder einen Zug ge-
    than hat; ſo können beyde nicht zurück-
    ziehn.
  • g) Wird ein Stein durch Verſehn weiter ge-
    ſezt als er gehn kann, ſo kömmts bloſs auf
    den Gegner an, es zu erlauben, oder nicht.

6. Praktiſche Beyſpiele. Alles bisherige war nur
das nothwendigſte aus der Theorie des Schach-
ſpiels, ich bin dem Anfänger noch praktiſchen
Unterricht ſchuldig. Ich ſetze voraus, daſs die
Bezeichnung des Schachbretts ganz gefaſst ſey
und daſs der Anfänger die Stellung, den Werth,
Gang, Gebrauch ſo ziemlich gelernt habe; dann
iſt es dienlich, folgende Spiele vorzunehmen;
ſie werden ihm das Weſen des Schachſpiels viel
deutlicher und praktiſcher beybringen und zur
Wiederholung des bisherigen die beſte Veran-
laſſung geben. Das Kreuz neben den Zahlen be-
deutet, daſs durch den Zug Schach geboten wird.


[460]

Zweytes Spiel


[461]

Drittes Spiel.


Viertes Spiel.


[462]

Fünftes Spiel.*)


[463]

Sechſtes Spiel.


Wenn Anfänger die bisherigen Spiele genau
durchgeſpielt haben, ſo muſs Uebung das Uebri-
ge thun. Ich rathe ihnen, dieſs oder jenes von
den bisherigen etwa halb durch zu ſpielen, dann
das Buch weg zu legen, und es für ſich zu endi-
gen.


Die erſten Züge ſind gemeiniglich unintereſ-
ſant und leiden wenig Abänderung, wie dieſs
auch die obigen Spiele zeigen. Nach und nach
legen die Gegner Plane an, das Spiel wird immer
verwickelter, die Erwartung immer mehr ge-
ſpannt, auf beyden Seiten wird die Stellung im-
mer entſcheidender; dann hängt von jedem
einzelnen Zuge alles ab und daher wächſt die Be-
dachtſamkeit immer mehr. Für diejenigen, die
ſchon Fortſchritte gemacht haben, ſetze ich ei-
nige dergleichen Ausgänge theils zum Vergnü-
gen, theils zum Nachdenken her. Die Steine
[464] werden ſo geſtellt, wie es die Ueberſchriften an-
geben, K heiſst König, F Feldherr, T Thurm, L
Läufer, S Springer. Die kleinen Buchſtaben und
Zahlen bezeichnen bekanntlich die Felder. Der
Weiſse hat immer den erſten Zug. Man ſpiele
die Züge nicht gleich nach, ſondern verdecke ſie
und gehe erſt ſelbſt zu Rathe, welchen Zug man
wohl für den beſten hält; es macht viel Vergnü-
gen den wahren zu finden, oder ihn im Gegen-
theile hinterher nach dem Buche zu verändern.


Erſtes Spiel.


Zweytes Spiel.


[465]

Drittes Spiel.


Viertes Spiel.


G g
[466]

Fünſtes Spiel.


Sechſtes Spiel.


[467]

Siebentes Spiel.


Achtes Spiel.


G g 2
[468]

Neuntes Spiel.


Zehntes Spiel.


[469]

Elftes Spiel.


Zwölftes Spiel.


G g 3
[470]

Dreyzehntes Spiel.


Vierzehntes Spiel.


[471]

Funfzehntes Spiel.


7) Spielregeln ſind für den Anfänger von ge-
ringem Nutzen, weil er noch nicht fähig iſt, ſie
einzuſehn; aber nach längerer Uebung und Er-
fahrung ſind ſie brauchbar, denn warum ſollten
die Erfahrungen anderer bloſs beym Schachſpiel
unnütz ſeyn? Ich will daher hier einige mit-
theilen.


  • a) Beym Anfange eines Spiels iſt die Oeff-
    nung deſſelben von Wichtigkeit. Mit dem
    Bauer vor dem Könige, dem Feldherrn und
    auch wohl vor den Läufern wird der Anfang
    gemacht. Die geringern Officiere, die Sprin-
    ger und Läufer folgen bald zur Deckung
    nach. Ehe man auf dieſe Art das Spiel geöffnet
    hat, iſt jeder Angriff tadelhaft; denn ge-
    braucht man dazu Officiere, ſo werden ſie
    G g 4
    [472] leicht durch Bauern zurückgejagt; man re-
    tirirt und kommt dem Avancement des Geg-
    ners zu Hülfe. Eben daher iſts unüberlegt,
    die Officiere früher zu ſpielen als die Ge-
    meinen. Alles geht im Anfange auf gute
    Oeffnung, auf gute Deckung der zuerſt ge-
    zogenen Steine und zugleich auf Sicherſtel-
    lung des Königs. Daher rathen manche,
    gleich nach der gehörigen Oeffnung zu ro-
    chiren; entwickelt ſich des Gegners Plan
    ſchon ſo früh, ſo iſt es allerdings gut.
  • b) Schon während der Oeffnung des Spiels
    legt man nach und nach einen Plan an und
    nimmt bey der Stellung der Steine darauf,
    ſo viel als es ſeyn kann, Rückſicht. Die
    Fortſchritte des Gegners geben Veranlaſ-
    ſung ihn immer mehr und mehr zu verfol-
    gen. Dieſs muſs mit Standhaſtigkeit ge-
    ſchehen, und man muſs ſich nicht durch
    kleine Nebenvortheile darin aufhalten laſſen;
    dadurch wird man nur zu Seitenſchritten
    verleitet, die gewöhnlich mehr ſchaden als
    nützen. Merkt der Gegner den Plan und
    vereitelt ihn, ſo muſs man nicht vom Neuen
    denſelben anlegen wollen; ſondern einen an-
    dern entwerfen ſo gut man kann; denn ein
    bekannter Plan, den man mit eigenſinniger
    Hartnäckigkeit verfolgt, macht das Spiel
    [473] verlieren. Die erſte Haupteigenſchaft eines
    guten Plans iſt die, daſs ihn der Gegner
    nicht kennt, die zweyte die, daſs er gut be-
    rechnet
    iſt. In richtiger Berechnung aller
    zum Plane gehörigen Züge liegt die Haupt-
    kunſt des Schachſpieles. Seine eigenen
    Züge zu berechnen iſt leicht, aber man
    muſs auch die zu finden ſuchen, welche der
    Gegner dagegen thun kann. Dieſs iſt nicht
    ſo leicht, und noch ſchwerer iſts, die vorher
    zu beſtimmen, die er vermöge der gröſsten
    Wahrſcheinlichkeit thun wird. Das Ver-
    ſteken eines Plans erlangt man vorzüglich:
    a) daſs man ihn auf die Hülfe geringer Stei-
    ne baut und die vornehmern, beſonders den
    Feldherrn und die Thürme davon ausſchlie-
    ſset. b) Dadurch, daſs man die Steine,
    welche den Angriff machen ſollen, hinter
    ſehr gleichgültige ſtellt; ſie gleichſam in
    Dunkelheit begräbt. Sind die Züge mit
    Gewiſsheit berechnet, ſo opfert der feine
    Spieler ſeine wichtigſten Steine gerne auf,
    wenn es ſeyn muſs, und zur Ausführung des
    Plans oder zur Irremachung des Gegners ge-
    hört; ja er opfert ſie mit Fleiſs auf, um dem
    Gegner Hoffnung zum Gewinn zu machen;
    er beſtärkt dieſe Hoffnung bis zum letzten
    Augenblicke, und macht den Gegner Matt
    G g 5
    [474] indem er zu gewinnen glaubt. Hierin be-
    ſteht die ſeltnere und feinſte Spielart. Weit
    gewöhnlicher iſt es, ſeine Abſicht zu ver-
    heimlichen, ſo lange ſie noch vereitelt wer-
    den kann; aber mit offenbarer Gewalt
    zu ſpielen, wenn dieſs nicht mehr der Fall
    iſt.
  • c) Dem Könige Schach bieten ohne Kraft,
    iſt ſchlecht geſpielt, wenn man nicht einen
    beſondern Vortheil dadurch erlangen will.
    Kann der Gegner den ſchachbietenden Stein
    gleich wieder zurückſchlagen, ſo verliert man
    einen Zug und der Gegner iſt zum Vorrük-
    ken gebracht. Greif alſo nur mit guter
    Vorbereitung an; dazu gehört, daſs die
    Officiere ſchon gröſstentheils im Spiele ſind.
    Schlägt der Angriff gut an, ſo laſs dich
    durch keine Lockſpeiſe hindern, die dir
    der Gegner hinſtellt; man ſpielt nicht um
    Steine zu gewinnen, ſondern um Matt zu
    machen; gieb daher lieber Steine hin, um
    dir die Verſchanzungen zu öffnen.
  • e) Iſt ein feindlicher Stein zu ſchlagen, ſo
    ſieh erſt zu, ob du ihn ohne Schaden neh-
    men kannſt; unterſcheide ob ihn der Geg-
    ner aus Verſeben, aus Zwange oder mit Fleiſse
    verliert. Kurz es iſt nicht immer Gewinn,
    einen Stein zu nehmen, man kann den
    [475] Feldherrn nehmen und dadurch Matt wer-
    den. Nimm nicht gleich den Bauer, der
    ſich vor deinen König ſetzt; er ſchützt ihn
    oft beſſer als die eigenen Bauern, weil er
    nicht genommen werden kann. Kannſt du
    einen Stein nicht mehr retten, ſo ſuche ihn
    durch einen andern Zug zu vergüten, wo-
    durch du einen Stein des Gegners eroberſt,
    oder die Stellung deines Spiels beſſerſt.
    Kannſt du einen feindlichen Stein auf zwey
    und mehrerley Art nehmen, ſo unterſuche,
    welche die beſte iſt; im allgemeinen gilt da-
    bey die Regel, den Stein von ſchlechterem
    Werthe zuerſt zu gebrauchen, wenn ihn
    der Gegner wieder nehmen kann. Steine
    von gleichem Werthe ohne beſondere Ab-
    ſicht gegen einander aufzuopfern, iſt ganz
    gegen den Geiſt des Schachſpiels; aber man
    giebt bisweilen gern den Feldherrn gegen
    einen Bauer hin, wenn er am Mattmachen
    hindert; oder man giebt gern gleich gegen
    gleich, wenn man den feindlichen Stein,
    der jetzt in beſonderer Action iſt, erhalten
    kann; denn ein Bauer der in einer Haupt-
    action begriffen iſt, gilt weit mehr als der
    beſte Officier, der müſsig zuſchauet, oder
    unvollkommen deckt.
  • e) Vergiſs nicht, deine Steine gehörig zu
    decken. Steht gegen deinem gedeckten
    Steine ein feindlicher doppelt gedeckter,
    ſo muſst du den deinigen auch doppelt und
    mehrfach decken. Die beſſern Steine müſ-
    ſen mit ſchlechtern gedeckt werden, aber
    nicht umgekehrt; denn deckt der Gegner
    ſeinen geringen Stein mit einem andern
    geringen, ſo kannſt du deinen beſſern Stein
    nicht zum ſchlagen gebrauchen, denn er
    würde genommen werden. Ueberdem aber
    verliert man durch dergleichen üble Dek-
    kung immer einen Stein aus dem Spiele,
    denn er kann ja nicht gebraucht werden;
    wenn er Schildwach ſteht. Ein weit vorge-
    rückter Bauer muſs gut unterſtüzt werden.
    denn theils hat er Anwartſchaft auf die
    Würde des Feldherrn, theils iſt er oft zum
    Mattmachen unentbehrlich.
  • f) Bereite früh zum rochiren zu, aber laſs es
    deinen Gegner nicht merken, auf welcher
    Seite du es thun wirſt, dadurch wird er bey
    der Anlegung ſeines Plans ungewiſs, wohin
    er allmählig ſeine Hauptkraft richten ſoll.
    Warte wo möglich erſt dieſe Richtung ab,
    rochire dann auf die Seite wohin der Angriff
    nicht gerichtet iſt und mache ihm ſo einen
    Strich durch die Rechnung. Hat dein Geg-
    [477] ner rochirt, ſo laſs deine Bauern auf der Sei-
    te vorwärts marſchiren und wohl unterſtüzt
    von Officieren die 3 feindlichen vorſtehen-
    den Bauern angreifen. Man giebt die Re-
    gel, die drey Bauern vor dem rochirten
    Könige nicht aufzuziehn; dieſs iſt nicht im-
    mer gut; denn oft iſt das Aufziehen die ein-
    zige Rettung des Königs, und überdem wird
    die Deckung der Bauern ſtärker, wenn ei-
    ner oder der andere einen Schritt voraus
    thut.
  • g) Man muſs ſeine Steine nicht zu ſehr häu-
    fen, weil dieſs die Bewegung hemmt. Feſt-
    ſtehende Steine ſind nicht viel beſſer als ver-
    loren; ja oft noch viel ſchädlicher, weil ſie
    im Wege ſtehn. Suche dagegen des Geg-
    ners Steine zu häufen, gewöhnlich gelingt
    dieſs, wenn er ſeine Officiere zu früh ſpielt,
    dann von deinen Bauern zurück gedrängt
    und durch dein Vorrücken in einen engern
    Platz geſchloſſen wird. Häuft ſich dein
    Spiel unverſehens, ſo gieb lieber die läſti-
    gen Steine durch Tauſch gegen gleiche weg.
  • h) Thu keinen Zug ohne deutlich einzuſehn
    warum? ohne zu wiſſen, ob dich der letz-
    te Zug des Gegners nicht in Gefahr ſetze;
    ohne zu überrechnen, ob dein Gegner nicht
    Züge dagegen thun könne, die dir Gefahr
    [478] bringen. Hüte dich vor den feindlichen
    Springern, ſie bieten oft doppelt Schach,
    dem Könige und Feldherrn oder Thurme
    zugleich. Iſt ein ſolcher in der Nähe, ſo
    halte dergleichen Hauptſteine nicht mit dem
    Könige auf einerley Farbe. Hüte dich, daſs
    kein feindlicher Bauer zwey von deinen
    Officieren zugleich angreife: hüte dich vor
    zwey, noch mehr vor drey feindlichen Of-
    ficieren, die auf ein und denſelben Platz
    Abſichten verrathen, zumal wenn er neben
    dem Könige iſt: decke dieſen Platz ſo gut
    es gehn will, oder verhaue jenem den Paſs
    durch Zwiſchenſtellung eines Bauers oder
    eines gedeckten Officiers. — Laſs den Feld-
    herrn nicht vor dem Könige ſtehn: es iſt
    leicht ihn da zu verlieren, wenn ſich der
    feindliche Thurm davor legt.

8. Ich ſoll endlich mein Urtheil über das
Schach ſagen und könnte damit mehrere Seiten
anfüllen, aber ich muſs kurz ſeyn. Ich halte es
im allgemeinen betrachtet für das edelſte von allen
Spielen. Sein Erfinder war ein ſehr tiefdenken-
der Kopf und errichtete ſich durch das Schach
ein ſehr ſprechendes Denkmal für dieſe Eigen-
ſchaft. Wer ſie liebt und dieſs Spiel kennen
lernt, wird ein unerſättlicher Schachſpieler; die-
ſes ſtete Durchgrübeln der Gedanken und Plane
[479] des Gegners, dieſe Beobachtung der leiſeſten
und geheimſten Schritte deſſelben, die ſtets le-
bendige Wachſamkeit, welche zu ihrer Vereit-
lung unaufhörlich nothwendig iſt, auf der einen
und das tiefe Nachdenken zur Erfindung und An-
legung des eigenen Planes, die nothwendige
Feinheit in der Ausführung, die Ueberlegung
jedes einzelnen Schrittes, die Berechnung einer
Reihe eigener und entgegengeſezter, auf der an-
dren
machen das Schach zum intereſſanteſten Spie-
le, zum Spiele von hundert Gedanken und Sor-
gen, wie es die Perſer nennen. Hier herrſcht
gar kein Glück, ſondern allein Nachdenken;
man kann ſich daher nie auf jenes zu ſeiner Ent-
ſchuldigung berufen, ſondern muſs ſeine Blöſse
im Mangel oder in der Kraft des Nachdenkens
und der Aufmerkſamkeit erkennen. Folglich
wirkt es heftig auf die Ehrliebe; wer in dieſem
Punkte zu empfindlich iſt, für den iſt das Spiel
nicht, auſſer wenn er ſiegt, oder ſich überzeu-
gen lernt, daſs der ſcharfſichtigſte Kopfſich ver-
ſehen könne. So vortrefflich ich das Schach, auch
mir das liebſte von allen Spielen, im allgemeinen
betrachtet finde, ſo nachtheilig halte ich es im
Gegentheile in ſeiner gewöhnlichen Anwendung.
Es iſt im Grunde ein Bauernſpiel. Wer ſeine Glie-
der den Tag über gebraucht und ſeinen Körper
durch Bewegung ermüdet hat, der ſpiele Schach.
[480] Wir Europaer finden aber die wiederſinnigſte Ge-
wöhnung nicht lächerlich. Der Landmann und
Handarbeiter kegelt am Abend, der ſitzende
und denkende Arbeiter ſpielt Karte und Schach;
ſie ſollten tauſchen, um ſich beyde zu erholen.
Montagne ſagt in ſeinen Eſſais *)je hay et fui le
jeu des Echecs decequ'; il [n'est] pas aſſer jeu et qui’l nous
eſhat trop ſerieuſement
; und Jacob I. in ſeinem Do-
no regio ſeu de inſtitutione principis **)Latrun-
culorum Luſus diſplicet. Eſt enim nimis conſulta et
philoſophica ſtultitia. Cum enim omnes ludi eum in fi-
nem inventi ſint, ut tantiſper animos avocent a negoti-
orum moleſtiis, hic ludus operoſo nugarum apparatu ma-
gis intendit animos quam priores curae
. Sie haben
beyde Recht, wer lange ſaſs und dachte, ſpalte
lieber Holz, um ſich zu erholen; und wen die
Krone drückt, der erhole ſich nicht im Schach.
Kurz das Spiel iſt eben wegen ſeiner Vortreff-
lichkeit gar nicht dazu geeignet geiſtige Erholung
zu geben, Jungen Leuten vom 12ten bis 14ten
Jahre an, die des Tags hinlängliche Bewegung
haben, empfehle ich das Schach; aber beſon-
ders Erziehern für ſolche Zöglinge, die bey gu-
ten Anlagen ſich nicht fixiren laſſen, weil ſie
lieber auf eine lärmende Art luſtig ſind; als am
ſtillen Nachdenken Vergnügen finden.


[481]

Ueber das Schach kann man eine kleine Bi-
bliothek aufſtellen; mir ſind mehr als 89 Schrif-
ten darüber bekannt, und darunter ſind zwey
Heroiden und zwey andere Gedichte italieniſch,
ein hebräiſches, ein polniſches, ein franzöſi-
ſches Gedicht, ferner einige Trauer- und Luft-
ſpiele und endlich noch 3 lateiniſche Gedichte.
Das berühmteſte von allen iſt das ſchöne Ge-
dicht des Vida, Biſchofs von Alba *), eine liebli-
che mythologiſche Fiction, die mit den Worten
anhebt:


Ludimus effigiem belli, ſimulataque veris

Praelia, buxo acies fictas, et ludicra regna,

Ut gemini inter ſe reges albusque nigerque

Pro. laude oppositi certent bicoloribus ar-
mis.

Jetzt richtet ſich ſein Geſang an die Nym-
phen des vaterländiſchen Fluſſes Serio. Sie lei-
ten den Dichter durch die noch unbekannten
Pfade dieſer Gefilde der Dichtkunſt. Jupiter
erhebt ſich nach Aethiopien in die Memnoni-
ſchen Gefilde, um die Hochzeitfeyer des Ocea-
nus mit der Tellus zu verherrlichen, der ganze
H h
[482] Götterhaufe findet ſich da ein und die Geſtade
des unermeſslichen Meeres erſchallen von dem
Jubel der hohen Geſellſchaft. Das Mal iſt vor-
über, die Tiſche verſchwinden; da war Spiel
wie bey dem ſterblichen Geſchlechte die Zu-
flucht des Oceanus zur Unterhaltung ſeiner
Gäſte.


— tabulam afferri jubet interpictam.

Sexaginta inſunt et quatuor ordine ſedes,

Octono parte ex omni via limite quadrat

Ordinibus paribus, nec non forma omni-
bus una.

Sedibus, aequale et ſpatium, ſed non color
unus.

Alternant ſemper varie, ſubeuntque vicil-
ſim

Albentes nigris, testudo picta ſuperne

Qualia devexo gestat discrimina tergo.

Da ſtehn die Götter in ſtiller Verwunderung.
Oceanus erklärt den Zweck des Spiels


— et versa in tabulam depromiſit ab urna

arte laboratum buxum, ſimulataque nostris

Corpora, torno acies ſictas, albasque, ni-
grasque,

agmina bina pari numeroque et viribus
aequis.

Bis nivea cum veste octo, totidem nigranti.

[483]

Er giebt den Göttern Unterricht über die
Bedeutung der Steine, über ihre Stellung, ih-
ren Gang, und dieſe trockne Sache wird unter
den Händen des Dichters zum Bewundern in-
tereſſant, ſelbſt die kleinſten Regeln ſchmiegen
ſich hier in die niedlichſten Verſe. Es kommt
endlich zum Spiel. Von jeher war der irdiſche
Krieg das Signal zum himmliſchen; Götter
theilten ſich zum Schutze dieſer und jener Par-
they und ſo entflammte ſich ſtets der lebhafteſte
Götterzwiſt im Olymp. Jupiter ſieht diefs auch
jetzt voraus und verbietet, was beym Schach-
ſpiel allerdings unerträglich iſt, alle Theilnahme
der Zuſchauer


Tum Phoebum vocat intonsum, Atlantis-
que nepotem

egregium furto peperit quem candida Maia,

inſignes ambos facie et florentibus annis.

Dieſe fordert er zum Spiel auf. Es war noch
ſehr früh, die Füſse des Götterboten waren noch
unbeflügelt und Phöbus mit Diamanten beſetz-
ter Himmelswagen war noch nicht angeſpannt.
Jupiter ſetzt für den Sieger eine Belohnung
aus, die groſsen Götter nehmen, wie es bey
Hofe gewöhnlich iſt, Platz, die kleinen ſtehen
umher; alle ſchweigen dem hohen Mandat zu
folge und das Treffen beginnt. Man glaubt ſich
im Getümmel der Schlacht. Die trockne Be-
H h 2
[484] ſchreibung eines Spiels ſtrömt unterhaltend in
lieblichen Verſen dahin Der Dichter nuzt je-
den Umſtand des Schachs zu allegoriſcher
Schönheit. Beyde Königinnen fallen, beyde
Cohorten, beyde Könige ſind untröſtlich. Ihr
Wittwerſtand wird ihnen unerträglich und der
weiſse ſucht ſich bald einen Krieger aus, der
durch alle Reihen gedrungen ſich zum königl.
Ehebette würdigen ſoll u. ſ. w. Am Ende ge-
winnt der Atlantiade, Mercur unter dem laute-
ſten Beyfalle der hohen Göttergeſellſchaft und
ſpringt frohlockend umher. Jupiter giebt ihm
zur Belohnung den Schlangenſtab. Bald wurde
das Spiel den Sterblichen angenehm. Scac-
chis, die ſchönſte der Nymphen des Fluſſes Se-
rio weidet am blumichten Ufer die ſchneewei-
ſsen Schwäne. Der Götterbote erſcheint.


compressit ripa errantem, et nil tale putan-
tem

Da ſchenkt er ihr das zweyfarbichte Schachſpiel
und ein ſchönes Schachbrett von Gold und Sil-
ber. Von ihr erhält das Spiel den Namen.


Man hat Veränderungen an dem Schachſpiele gemacht, die ich hier
aus Mangel an Raume nur erwähnen kann. Zu Ulm erſchien 1664
Fol. Chr. Weickmans neueröffnetes Königsſpiel,
welches
ſich zwar mit dem Schachſpiel etwas ver-
gleichet
etc. mit 8 Kupfern. Es iſt ein Kriegsſpiel für 2 bis 8
Perſonen. Ferner das dreyſeitige Schachbret. Regensb
[485] 1765. 8.; Le jeu de la guerre ou raffinement du jeu des echecs
á Prague 1770. Die berühmteſte und ſchönſte Verwandlung des
Schach iſt Hellwigs taktiſches Spiel: I. C. L. Hellwig Verſuch
eines aufs Schachſpiel gebaueten taktiſchen Spiels 2 Theile Leipzig
1780. 8, mit Kupfern 7 fl. 30 Xr. wovon der praktiſche Theil
auch einzeln zu haben iſt. Leipzig. 1782. 8vo.


[486]

Anhang I.


Vom Loſen und Wählen.


1. Um zwey Partheyen zu bilden, die an Spiel-
fertigkeit gleich ſind, ſtellt man zwey und zwey
gleiche Perſonen zuſammen. So entſtehen Paa-
re. Darauf nimmt jede Perſon den Nahmen ei-
nes Thieres an, damit kommen ſie Paarweiſe
zu den beyden Perſonen, welche das Loſen ver-
anſtalten, und nennen ihnen ihre angenomme-
nen Nahmen, z. Exemp.: hier kommt ein Adler
und Falke, welchen wollt ihr? Da die Loſenden
nicht wiſſen, wer Adler oder Falke iſt, ſo findet
keine Auswahl ſtatt; wer den Falken nimmt,
erhält zu ſeiner Parthey die Perſon, die ſich hin-
ter dieſen Namen verſteckt hatte u. ſ. w.


2. Kommt es darauf an, welche von zwey
Partheyen den Vorzug haben ſoll, ſo wählt je-
der ihrer beyden Anführer die Seite einer Geld-
münze, man wirft ſie in die Luft und derjenige,
deſſen gewählte Seite beym Niederfallen oben
liegen bleibt, hat mit ſeiner Parthey den Vor-
zug.


3. Daſſelbe thut man auch auf folgende Art
durch Abzählen. Wenn z. Exemp. A und B lo-
ſen wollen, ſo machen ſie erſt aus, ob bey A
[487] oder B das Zählen angehen ſoll Dann ſchlägt
jeder mit ſeinen Händen an ſeine Schenkel und
ſtreckt eine beliebige Zahl von Fingern aus.
Die ausgeſtreckten Finger werden zuſammen
gezählt und ihre Zahl zum Abzählen der Perſo-
nen gebraucht. Iſts z. Beyſp. die Zahl 7 und
man fängt an auf A 1, auf B 2 u. ſ. w. zu zählen,
ſo fällt 7 auf A, und dieſer erhält mit ſeiner Par-
they den Vorzug.


4. Um eine einzige Perſon aus der Menge
herauszuleſen, was bey Spielen oft der Fall iſt,
ſtellt ſich die Geſellſchaft in Fronte. Der erſte
des rechten Flügels läſst ſich von ſeinem Ne-
benmanne im Stillen eine Zahl ſagen (höch-
ſtens ſo groſs als die Perſonenzahl der Geſell-
ſchaft) dann geht er zur erſten Perſon des lin-
ken Flügels, dieſe reicht ihm eine Hand; iſt es
die linke und er erhielt vorhin die Zahl 7 ſo iſt
der 7te Mann vom linken Flügel der Gewählte,
und ſo umgekehrt der 7te vom rechten, wenn er
die rechte Hand erhielt.



[488]

Anhang II.


Ueber Pfänderſpiele.


Es ſind oben viel Spiele vorgekommen, bey
denen Pfänder als Anreizungsmittel gebraucht
werden. Jedermann weiſs, was dieſs zu bedeu-
ten habe; es macht eine Perſon beym Spiel ei-
nen Fehler und iſt gehalten, dafür irgend etwas
dem Einſammler als Pfand zu geben. Am Ende
des Spiels iſt ſie verbunden, dieſe oder jene Auf-
gabe aufzulöſen, dieſs oder jenes zur Strafe zu
thun, um ihre Pfänder dadurch wieder einzu-
löſen. Bey den gewöhnlichen Spielen zielen
dieſe Sachen faſt durchaus alle auf einen Punkt.
Beſteht die Geſellſchaft aus Erwachſenen, ſo ha-
be ich, wenn Sittſamkeit die gehörigen Schran-
ken zieht, nichts dagegen einzuwenden- Im
Kreiſe der Jugend iſt es anders; ſie ſoll weder die
Spaniſche Liebe vorſtellen, noch hangen und
verlangen, weder die Liebe mit Ellen meſſen,
noch ſtumm betteln; denn darin ſind wir alle
einverſtanden, daſs es nicht nöthig ſey, Gefüh-
le, die bey dergleichen Aufgaben zum Grunde
liegen, zu üben. Sie bedürfen keiner Uebung.
Aber was ſoll ſie denn thun? — Sie ſoll ihre kör-
[489] perlichen und geiſtigen Kräfte anſtrengen es ſey
auf welche Art es wolle, bald mehr bald minder
im Ernſt oder Spaſs. Der Menſch hat unend-
lich viel Kraft, folglich können allerley kleine
Aufgaben, die zu ihrer Uebung abzwecken, nicht
ſchwer fallen; wenigſtens braucht man zu ihrer
Erfindung den geſunden Menſchenverſtand weit
weniger zu radebrechen, als bey denen von obi-
gem Schlage, die für jeden nur etwas gebildeten
Menſchen ſchlechterdings unbegreiflich abge-
ſchmackt und widerlich ſind. Man findet ſchon
in Weiſsens Kinderfreunde, in Campens Kinderbi-
bliothek und in Schummels Kinderſpielen und Ge-
ſprächen beſſere Beyſpiele von dergleichen Auf-
gaben, hier ſind auch einige, die als Beyſpiele
gelten können. Denjenigen, die mit dem Pfän-
derweſen noch gar nicht bekannt ſind, muſs ich
noch vorläufig andeuten, daſs alle Pfänder,
wenn es zum Auslöſen derſelben kommt, in ein
Behältniſs gethan und nach und nach von irgend
einem der Geſellſchaft herausgezogen werden.
Dieſer frägt zugleich was ſoll der Eigenthümer die-
ſes Pfandes thun?
und die Geſellſchaft beſtimmt es,
ehe noch das Pfand hervorgezogen wird, als:


  • 1 Er ſoll ſagen, warum das Waſſer Bergab läuft.
  • 2 — — eine kleine Geſchichte erzählen.
  • 3 Er ſoll aus drey gegebenen Wörtern eine Ge-
    ſchichte machen.
  • 4 — — ein Exempel aus dem Kopfe rechnen.
  • 5 — — eine Fabel erzählen.
  • 6 — — ein Urtheil über einen gegebenen Ge-
    genſtand ſagen.
  • 7 — — ein ſelbſt gemachtes Sylbenräthſel auf-
    geben.
  • 8 — — ein Räthſel aufgeben.
  • 9 — — ein Räthſel löſen, das ihm aufgegeben
    wird.
  • 10 — — ein Liedchen ſingen.
  • 11 — — ein Liedchen pfeifen ohne zu lachen.
  • 11 — — mit den Fingern, ohne ſie ins Waſſer zu
    tauchen, ein Stück Geld aus dem Waſ-
    ſer holen, womit ein Teller faſt halb
    angefüllt iſt.
    • 12 — — die gröſsten Städte
    • 13 — — Flüſſe
    • 14 — — Berge
    • 15 — — Seen
    • 16 — — Meere
  • 17 — — Produkte etc.
    • 18 — zwey drey Perſonen
    • 19 — — Begebenheiten
    • 20 — — Erfindungen
    • 21 — — Völker etc.
  • (So laſſen ſich aus allen für das jugend-
    liche Alter beſtimmten Wiſſenſchaften
    Aufgaben machen.)
  • 22 Er ſoll herumgehen und jedem etwas fehler-
    haftes im Anzuge zeigen.
  • 23 — — aus zwey gegebenen Wörtern einen
    Reim machen.
  • 24 — — Pantominiſch eine Leidenſchaft dar-
    ſtellen.
  • 25 — — Pantominiſch anzeigen was das nächſte
    Pfand thun ſoll.
  • 26 — — ſeinem Nachbar ſpaſshaft aus der Hand
    wahrſagen.
  • 27 — — die Aehnlichkeiten zwiſchen zwey ihm
    gegebenen Sachen anzeigen.
  • 28 — — drey Plumpſack leiden.
  • 29 — — etwas auf beſtimmte Zeit mit ſteifem
    Arme halten.
  • 30 — — ſtehend ſeinen Fuſs küſſen.
  • 31 — — ſich ohne Gebrauch der Hände an den
    Boden ſetzen und wieder aufſtehn.
  • 32 — — auf einem Bein ſtehend ein Paar Sätze
    aus einem Buche leſen, das auf dem her-
    aufgezogenen Knie liegt.
  • 33 — — ſehr ernſthaft ausſehn und eine Minute
    lang keinen Laut von ſich geben.
  • 34 — — abwechſelnd recht freundliche und ſau-
    re Minen machen.
  • 35 Er ſoll thun als käme ein Fremder zur Thür
    herein und ihm feine Achtung bezeigen.
    u. ſ. w.

[[493]]

Appendix A Regiſter.


  • Action nach Muſik 402
  • Ad vokatenſpiel 317
  • Aehnlichkeit, das Spiel der 356
  • Akademie der Wiſſenſchaften 395
  • Alle Vögel fliegen 323
  • Amtmannsſpiel 290
  • Anwendungsſpiel 438
  • Apodidraſkinda 224
  • Aristonicus, Ballſpieler 50
  • Arithmethiſche Spiele 408410
  • Aſkoliaſmos 268
  • Atys erfindet Spiele 35
  • Augenräthſel 299
  • B
  • Ballonſpiel, italieniſches 52
  • Ballſpiele 50
  • — Baſeball 78
  • — deutſches 57
  • — deutſch. engl. 84
  • — Dreyball 72
  • — Fangball 114
  • — Federball 121
  • — Freyball 73
  • — mit Freyſtäten 78
  • — Fuſsball 55
  • — griechiſche und römiſche 50
  • — Handball 96
  • — Kreisball 104
  • — Prellball 103
  • — Schnurball 113
  • — Solo 257
  • — Steht Alle! 116
  • — Thorball, Cricket, 85
  • — Treibball 108
  • Barres, jeu de 234
  • Bauſpiele 393
  • Bewegungsſpiele 49
  • Bilboquet 307
  • Bildhauer 270
  • Billard 165
  • — befeſtigtes 166
  • — mit Kegeln, Piroli, 175
  • Blindekuh 221
  • — ſtille 224
  • Blinden, die beyden, 226
  • Boules, jeu de 158
  • Bullenſpiel, Joujou 308
  • C
  • Carouſſelſchlitten 219
  • — Spiele 198. 214. 218
  • Charadenſpiel 431
  • Colin Maillard 224
  • Commandirſpiel 326
  • Cricket oder Thorball 85
  • D
  • Ding, das böſe 230
  • Drache 204
  • Dreyball 72
  • Drittenabſchlagen 276
  • E
  • Einſame Spiele 255. 306. 331
  • Eisſchlitten 220
  • Eisſpiele 217
  • Epiſkyros 55
  • Erholung iſt der einzige recht-
    mäſsige Zweck der Spiele 39
  • Erzähler, die 353
  • [[494]]F
  • Fangball 214. 257
  • Farbenſpiel 322
  • Federball 121
  • Federſpiel 304
  • Foodball 55
  • Foppen und Fangen 235
  • Frageſpiel 421
  • Freunde, die 302
  • Freyball 73
  • Fuchs zu Loche 266
  • Fuſsſcheibenſpiel 126
  • G
  • Geographiſches Spiel 342
  • Gerichtshof, der 290
  • Geſchichtemachen, das 368
  • Geſellſchafts-Räthſel 487
  • Geſellſchaftsſpiele, bewegende 221
    280
  • — ſitzende 288. 309. 336.
    356. 395
  • Geyerſpiel 108
  • Glucke und Geyer 277
  • Golf 154
  • H
  • Hand, die warme 288
  • Handball 96
  • Handwerksſpiel 281
  • Haſardſpiele ſind nur für Wil-
    de oder Ueberverſeinerte 34
  • Haſſas wa Harami 247
  • Hawkgaine 108
  • Hiſtoriſch Chronol. Spiel 349
  • Hot-Cockles 290
  • I
  • Jacob wo biſt du 226
  • Jagdſpiel 239
  • — bey Nacht 254
  • Jeruſalem, Reiſe nach 318
  • Ihsboſseln 180
  • Johannes der Evangeliſt und
    das Rebhuhn 7
  • K
  • Kämmerchen vermiethen 273
  • Kartenſpiel, deſſen Einführung
    in Frankreich 14
  • Kartenſpiele ſind nicht für die
    Jugend 34
  • Kartenſpiel, geographiſches 342
  • — phyſikaliſches 354
  • Kaufleute, die 408
  • Kaufinann 314
  • Kegelbillard 175
  • Kegelſchlagen 203
  • Kegelſpiel, deutſches 183
  • Kegeltiſch, der 191
  • Kegelwerfen, das 187, 190
  • Kelle, die 296
  • Kindalismus 194
  • Klinkholz, das 209
  • Kliſchſpiel 209
  • König, der, iſt nicht zu Hauſe 325
  • Kollabiſmus 290
  • Korykus 51
  • Kreisball 104
  • Kreiſel 255
  • Kreigsſpiel 214
  • Kugelſchlagen 139
  • Kugelſpiele 139
  • Kugelſpiel, groſses 158
  • — kleines 161
  • Kugelwerfen 180
  • L
  • Laſtträger, der 275
  • Latrunculorum Ludus 441
  • Lehrſtunde, die orthographiſche 311
  • Loſen, einige Arten davon 486
  • M
  • Mail 139
  • — das Schottiſche 154
  • — auf dem Eiſe 217
  • Main, la, chaude 290
  • Mann, der ſchwarze 259
  • Marcus und Lucas 229
  • Mattmachen, das 232
  • Merelle, la 126
  • Miau, ein Nachtſpiel 253
  • Mimik, die 381
  • Muſik, Action nach 402
  • Myinda 224
  • N
  • Nachbar, wie gefällt dir dein 274
  • [[495]] Nachſprecheſpiele 328
  • Nachtſpiele, deren Nutzen 243-254
  • O
  • Omilla 164
  • Orthographiſche Lehrſtunde 311
  • Ostrakinda 265
  • Ourling 161
  • P
  • Palet, le 122
  • Pallotole-giuoco delle 158
  • Pantomime 379
  • Parket 391
  • Parlement, das 317
  • Pfählzen, das 194
  • Pfänderſpiel, wie ſie für die Ju.
    gend etwa anzuordnen 488
  • Pfahlſpiel 194
  • Pfeife, das Suchen der 295
  • Pflöcken 194
  • Pickpahl —
    Piroli, Kegelbillard 175
  • Plätze, das Verwechſeln der 272
  • Plumpſack, der geht herum 230
  • verſtecken 262
  • Prellball 103
  • Priſonners-baſe 235
  • R
  • Räthſel, das Geſellſchafts 437
  • Rechenmeiſter, der 309
  • Regentenſpiel 353
  • Reiſentreiben, das 255
  • Reiſe nach Jeruſalem 318
  • Reiſeſpiel 336
  • Rhythmomachia 410
  • Ringrennen 198
  • Ringſpiel, Tant 331
  • Ringſpiel 412
  • Ringſucher, der 300
  • Ringwerfen, das 200
  • Ritterſchlagen, das 389
  • Ruheſpiele 286
  • S
  • Schachſpiel 440
  • Scheibenſpiele 122
  • Schlittenfahrt mit Ringrennen 214
  • Schlittſchuh mit Mail 217
  • Schlittſchuh und Kreiſel 218
  • — und Caruſſelübungen 218
  • Schneeſpiele 213
  • Schnurball 113
  • Schoinophilinda 232
  • Ser der Kilim 297
  • Soloſpiele. ſiehe einſame
    Sphäromachie 56
  • Spiele, Begriff der derſelben 1
  • — moraliſcher Werth 3
  • — ſind Bedüfrniſſe 4
  • — Verrathen den Volks-
    charakter 9
  • — haben Einfluſs auf den
    Volkscharakter 13
  • — ſind Erziehungsmittel 17
  • — der Jugend unentbehrlich 18
  • — ſchützen vor Langeweile 21
  • — enthüllen den Charakter 22
  • — ſtumpfen zu groſse Em-
    pfindlichkeit ab 23
  • — bewirken Liebe für den
    Erzieher 25
  • — Bilden das menſchliche
    Leben im kleinen 26
  • — verbreiten Vergnügen 27
  • — ſtärken den Körper 29
  • — ihre Schädlichkeit —
    — als Aufmunterung zum
    Fleiſse 33
  • — Arten derſelben 34
  • — welche ſind die beſten? —
    — Haſard und Karten —
    — Atys erfindet manche 35
  • — verſchiedene Zwecke
    derſelben 37
  • — ihre Anwendung 38
  • — nöthige [Eigenſchaften]
    derſelben 40
  • — ihre Claſſifikation 43
  • — des Beobachtungsgeiſtes 49
    287
  • — der Bewegung 49
  • — einſame 255
  • [[496]] Spiele der Aufmerkſamkeit 258. 309
  • — der Phantaſie und des
    Witzes 280. 356
  • — reine Körperſpiele 283
  • — ſitzende oder Ruheſpiele 286
  • — des Gedächtniſſes 334
  • — des Geſchmacks 391
  • — des Verſtandes 394
  • Sprichwörter 361
  • Steht Alle 116
  • Steinſpiel 134
  • Stummen Spieler, die 379
  • Sylbenräthſel 431
  • T
  • Täſeleyſpiel, Parquet 391
  • Tag und Nacht 264
  • Tant, nürnberger 331
  • Taubenſpiel 322
  • Thätigkeit iſt [Schöpferin] der
    Spiele 1
  • Thorball, Cricket 85
  • — einfaches 94
  • Topfſchlagen 201
  • Treibball 108
  • V
  • Verwechſeln, das der Plätze 272
  • Vexirſpiele 389. 393
  • Vögel verkaufen 269
  • Volant 121
  • W
  • Wächter und Diebe 247
  • Wählen, einige Arten zu 486
  • Wahrheitsſpiegel, der 302
  • Wer das nicht kann 298
  • Werth, moraliſcher der Spiele 3
  • Wer wais? 288
  • Wicket-ſingle 94
  • Winterſpiele, bewegende, nütz-
    lich für den Körper 212
  • Wortverbergen, das 383
  • Z
  • Zeichnungswürfel, die 378
  • Zweck der Spiele 37

[][][]
Notes
*)
In der Zeitſchrift die Horen findet man hierüber einen ſehr durch-
dachten Aufſatz.
*)
Neque homines neque bruta in perpetua corporis et animi con-
tentione esse possunt, non magis quam fides in cithara aut nervus
in arcu. Ideo ludu egent. Ludunt inter ſe catuli, equulei-
leunculi, ludunt in aquis pisces, ludunt homines labore fracti
et aliquid remittunt ut animos reſiciant. Jul. Caes. Bulengerus
de ludis Veterum. Gronov. thes
. T. VII. pag. 906.
*)
πενταλιϑα. Pollux lib. IX. cap. 7. auch Meursius de ludis
Graecor.
*)
Quot in taxillis ſunt puncta, tot ſcelera ex eo procedunt.
**)
In einer ſeiner Conferences de Caſſien, Collat. 24. C. 20 u. 22.
*)
Seneca de tranquill. animi. cap. XV. d. i. anhaltende Arbeit
wird Schwächung und Abſtumpfung des Geiſtes. Gieb ihm Er-
holung, ſie wird Schärfung ihm ſeyn und Stärkung.
*)
Lib. IV. Nach ihm erzählt Meursius de ludis Graec. in Gronovii
Thesaur. Tom. VII. p. 943. Es hieſs Ανχονη.
*)
Wieland in d. Merkur 1781. Febr. Seite 140.
*)
Sie waren: das Springen, das Stockſpringen, der Wurfſpieſs
doch ohne Spitze, das Wettrennen zu Pferde und das Ringen.
*)
Voulons et ordonnons que nos ſujets apprennent et entendent à ap-
prendre les jeux et ébattemens à cux exerciter et habileter au fait
de trait d’arc ou d’arbalête en beaux lieux et places convenables
à ce, en villes et terroirs; faſſent leur don de prix au mieux
traïant et leurs fêtes et jouës pour ce, ſi comme bon leur ſem-
blera. In ſeiner Ordonnance de 1369. Bey uns hat der Geiſt
der Induſtrie ſchon angefangen, über die bürgerlichen Scheiben-
ſchieſsen Bemerkungen anzuſtellen. Unter dem Volke möchte ich
*)
leben, das nur wie ein Laſtvieh arbeitet und bürgerliche Freuden
nicht kennt. Sein Geiſt verſchrumpft und wird in ſich gekehrt
ſo wie ſeine Hände und Finger; Magen und Geldbeutel werden
ſeine Abgötter, Eigenliebe wird bey ihm die Nächſtenliebe bald
ganz verdrängen; denn das ſchönſte Band, das den Bürger an
Bürger feſthält, die öffentliche Bürgerfreude, iſt zerriſſen. Kurz
wenn man Armuth durch Aufopferung der Volksfreuden ab-
kaufen will, ſo iſt der Verluſt gröſſer als der Gewinn. O, es
giebt ganz andere Seiten im Verhältniſſe der Staatsökonomie zur
Oekonomie des Bürgers, wo man Verbeſſerungen machen könnte!
*)
St. François de Sales ſogar in ſeiner introduction à la vie devote
part. III. ch. 31.
*)
Ihr Bruder Gregorius nazianz. lobpreiſet ſie deſshalb in ſeiner
Leichenrede.
**)
Elementarbuch 1. S. 62.
*)
Gymnaſtick für die Jugend [enthaltend] eine praktiſche Anweiſung zu
Leibesübungen. Ein Beytrag zur nöthigſten Verbeſſerung der Er-
ziehung. Schnepfenthal in der Buchhandlung der Erziehungsan-
ſtalt. 1793. 697 S. 8. mit Kupfern und Riſſen. 3 Rthl.
*)
Sondern nur Hochheimers Syſtem der griechiſchen Pädagogik I.
S. 125.
**)
Auch Locke erklärt ſich ganz dagegen in ſeinem 19ten Abſchnit-
te, und zwar ſo vortrefflich, daſs ich ſolche Eltern bitte, dieſe
Stelle zu beherzigen, welche ihre Kleinen aus Liebe mit allerley
Spielſachen gleichſam überſchütten. Solche Sachen ſollten ſich die
Kinder ſelbſt machen.
*)
Aristor. Eth. X. 7. Σπȣδαζειν δε και πονειν παιδιμς χαριν
ηλιϑιον ϕαινεται και λιαν παιδικον. παιζειν, δε ῾οπως [...] σπȣ-
δαζῃ ο [...]ϑως εχειν δοκει.
*)
Spiele ſitzen freylich nicht, ſo wenig als Lebensart ſitzt, und doch
ſagt man Sitzende Lebensart. Sitzeſpiele wäre freylich beſ-
ſer, iſt aber ungewöhnlich.
*)
In einem Briefe an den Mathematiker Remond. Oevres Tome 5.
p. 28.
*)
Bulengerus leitet den Namen von der Linie ab, die zwiſchen den
beyden ſpielenden Partheyen gezogen wurde und Σκυρος hieſs.
Daſſelbe Spiel hieſs auch Σφαιρομαχια deſswegen, weil
es nach gewiſſen Regeln mit Fauſtkampf verbunden war. Dann
muſs man es nicht mit der wirklichen Sphaeromachie verwechſeln,
wobey die Fauſtkämpfer ſtatt der Caeſtus Metallkugeln in die Hän-
de nahmen. Daſs aber die Sphäromachie mit dem Epiſcyrus einer-
ley geweſen ſey, ſagt Pollux Lib. 9. εξεςι δε και Σϕαιρομα-
χιαν ειπειν την επισκυροττης σϕαιρας παιδ ιαν. Es führte auch
den Nahmen des Harpaſtonſpiels von dem Balle (ἁρπαςον) mit
welchem es geſpielt wurde. Mercurialis iſt aber anderer Meinung,
er rechnet den Harpaſton zu der kleinen Ballart.
**)
Bulengerus de lud. Vet. in Gronov. Theſaur. antiq. graec. Tom. VII.
**)
p. 913 und 14 und Sabbathier in ſeinen Exercices du Corps chez
les Anciens Tom. I. p. 114 beſchreiben dieſes Spiel.
*)
Die beſten Nachrichten davon finde ich in der Academie univer-
ſelle des jeux à Paris 1739. Vieles iſt aus eigener Erfahrung ge-
nommen.
*)
Jul. Cäſ. Bulengerus de ludis veterum in Gronovii Theſauro. Tom.
VII. pag. 920.
*)
Ὁ δε κινδαλισμος δια πατταλαν εςι παιδια, κινδαλȣς
γαρτȣς πατταλȣς ωνομαζον. ην δε εργον [...] ȣ μονον αυτῳ τιν [...]
καταπηξαι τον πατταλον κατα γης διυγρȣ αλλα και το [...]
καταπαγειτα εκκρȣσαι, πληξαντ ατην κεϕαλην ἑτεζῳ πατ-
ταλω. Lib, IX. Cap. 7.
*)
Pollux lib. IX. Cap. 7. Siehe Meurſium de ludis Graecor. in
Gronovii Thefaur. Tom. VII. p. 977.
*)
Siehe den Heſychius unter Μυινδα und den Pollux am angeführ-
ten Orte. Eine andre Art von Blindekuh Spiel führe ich im Vorbey-
gehn an, denn nach der gewiſs ſehr unvollſtändigen Beſchreibung, die
uns Pollux am angeführten Orte — ſiehe auch Meurſius in Grenov.
Theſaur. Tom. VII. p. 948 — davon macht, läſst ſich eben nichts
herausbringen. Das Spiel hieſs Αποδιδρατκινδα. Die Blinde-
kuh ſaſs in der Mitte ihrer Geſpielen. Ihre Augen waren verſchloſ-
ſen, oder wurden von einem Andern zugehalten. Indeſs, die an-
dern fortliefen und die Blindekuh anfieng ſie zu ſuchen bemüheten
ſich die Uebrigen an die Stelle derſelben zu kommen.
*)
de ludis orientalium Oxonii 1694. lib, II. p. 240.
*)
Die Idee dieſes Spiels iſt genommen aus Thomas Hyde de Ludis
Orientalium. Oxonii 1694. 12mo. Im 2ten Buche Seite 262
findet man die Beſchreibung eines Meſopotamiſchen Spiels, das den
Namen Haſſas wa Harami führt. Sie iſt aber, wie mehrere Be-
ſchreibungen dieſes Verfaſſers, ſo unzulänglich und verworren, daſs
ich erſt ein Spiel daraus machen muſste.
*)
Nachrichten darüber geben Heſychius und Euſtathius ad Odyſſ. [...]k. am
vollſtändigſten aber Pollux Lib. IX. Cap. 7. Siehe Meurſius de lu-
dis Graec. in Gronov. Theſaur. Tom. VII. p. 949.
*)
Es erſchien bey Schöps in Zittau ohne Jahr, damit es neu bleibe.
*)
— zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung für Kinder. Qued-
linburg bey Ernſt. 1792. 12. 12 gl.
*)
z. Exempel: Thalia und Sphinx oder dramatiſche Sprichwörter, ein
Geſchenk für jede antihypochondriſche Geſellſchaft. 1ſte Lieferung.
Leipzig 1795. Auch erinnere ich mich ſchon vor mehrerern Jah-
ren eine ſolche Sammlung angezeigt gefunden zu haben. Da ich
keins in Händen habe, kann ich weder zu ihrer Empfehlung noch
Verwerfung etwas fagen.
*)
Dieſe und andere Spiele der Art findet man in Nic. Ozanam
Recreations de Mathematiques et Phyſiques. à Pa-
ris
1796. und 1751; in Claude Caſp. Bachet Proble-
mer plaiſants et delectables qui ſe font par les
n[o]mbres. à Lyon
1612. 8; in Claude de Boiſſiere
tres excellent et ancien jeu Pytagorique dit Rhyth
momachie
etc. à Paris 1556; in Jac. Fabri ſtapulen-
ſis Rhytmomachia ſ. pugna numerorum
, und andern.
**)
Arithmetiſche Unterhaltungen ein Geſellſchaftliches Spiel für junge
Knaben und Mädchen. Nach dem Engliſchen. Leipzig bey Baum-
gärtner. 1795. 16 gl.
*)
Auf Gegenſtände aus der Geiſter und Ideenwelt habe ich mich nicht
eingelaſſen; denn ſie ſind für den gröſsten Theil der Jugend zu ent-
legen und gehören nur für reifende Jünglinge, die ſchon eine Zeit
lang philoſophiſchen Unterricht genoſſen haben. Dieſe wiſſen ſich
ſelbſt zu helfen.
*)
Man findet ſie bey Hyde de Ludis Orientalium, ſo wie auch im deut-
ſchen Merkur.
*)
Richard Twiſs hat hiſtoriſche Unterſuchungen darüber angeſtellt
Cheſs London 1787.
*)
Im Inventaire general de l’Hiſtoire de France, im Leben Philipps I.
*)
Dieſes Spiel iſt vorzüglich bequem, dem Anfänger zu zeigen,
was es heiſse, dem Gegner Schach bieten; es geſchieht hier
16 Mal, ſo daſs der Gegner gar keine Zeit gewinnt, einen Gegen-
plan zu machen, ſondern nur immer darauf denken muſs, dem Schach
zu entgehen.
*)
Wenn man ſtatt des 5ten Zuges c 2 nach c 4 ſetzt, ſo iſt der
Schwarze gleich Matt. Aber das Spiel verliert ſeine Beluſtigung.
*)
Chap, 50.
**)
Pag. 74. edit. Francof. 1679. 4. Die Hanauer Ausgabe 160[2].
pag. 193 geht in Worten ganz davon ab.
*)
Marci Hieronymi Vidae Opera Lngdun. Bat. 1585.
12. Scacchia Ludus p. 354. Es iſt ſehr oft und an vielen Orten
abgedruckt. Nicol. Mutonus ſchrieb eine Paraphraſe darüber.
Es iſt in manche Sprachen, auch in die Deutſche überſetzt. Mag.
deb 1772.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 3. Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bq3d.0