[][][][][][]
[figure]
[]

Sieben-Jaͤhrige und gefaͤhrliche
Welt Beſchauung
Durch die vornehmſten Drey Theil
der Welt
Europa/ Aſia und Africa.

Worbey alles/ aller Orte Denckwuͤrdiges fleiſ-
ſig erforſchet und aufgezeichnet worden/ dergleichen vorhin
niemahls an Tag kommen.

Nunmehr auf Befoͤrderung deſſen Hochanſehnlichen Herrn
Bruders aus des Seligen Hand-Buche in dieſe richtige Ordnung
gebracht und denen Raritaͤt-Begierigen uff Begehren
Einer hohen Perſon
Durch den Druck mitgetheilet
Von
Mgr. Chriſtoff Jaͤgern/ zu S. Afra und der
Churfuͤrſtl. S. beruͤhmten Land-Schule in Meiſ-
ſen Paſtore Prim.

Mit Churfl. Saͤchſ. Freyheit.

Jn Budißin zufinden bey Barthol. Kretzſchmarn Buchhaͤndl.
Gedruckt von Chriſtoph Baumann/ Jm Jahr
Chriſti 1666
.

[]

Erklaͤrung des Kupffer-Titul-Blats.


Diß Leben gleichet ſich der Wanderſchafft auf Erden/

Die Muͤh und Ungemach/ Gefahr und voll Beſchwerden.

Wer Himmel aufgedenckt/ der muß durch Dornengehn

Und unters Teufels Bruth von Ungeziefer ſtehn.

Wer ſelig ſtirbt/ der geht und ſchreitet aus dem Leiden

Mit breitem ſichern Fuß dort auf den Pfat der Freuden/

Geht hin auf Roſen fort zur Himmels-Freuden-Stadt/

Da GOTT ihm Ehr und Cron laͤngſt beygeleget hat.

Drumb fort! nur hurtig fort von uͤberhaͤuffter Muͤhe

Hinauf geſchritten fort zur ewig ſtoltzen Ruhe/

Da Chriſti Mittler-Hand nimmt auf und weiſet ein.

Es muß ein ſaurer Tritt darnach gewaget ſeyn.

[3]Zuſchrifft.

Dem Hoch-Edelgebornen/ Geſtrengen
und Wohl-Mannveſten
Herꝛn Rudolph von Neitzſchitz auf
Roͤhrsdorff/ Borthen und Cunerſtorff/ etc. Rittern/

Churfuͤrſtl. Durchl. zu Sachſen/ ꝛc. hochanſehnlichen Obriſten
uͤber Dero Teutſchen Leib-Guardi zu Roß/ Cammerherrn und Ambts-
Hauptmann zum Stolpen/ Radebergk und
Hohnſtein.
Meinem Hochgeehrten Herrn und vornehmen geneigten
PATRON,
Von GOTT durch Chriſtum unſern Heyland
GOttes Gnade/ Geſundheit/ Friede/ Gluͤck/
Segen und Seligkeit ſambt aller ſelbſt erwuͤnſch-
enden
ProſperitätLeibes und der Seelen zuvor


HOch-Edelgeborner Herr und Hochge-
ehrter vornehmer geneigter Patron. Vertraut Gut
wil ohne Schaden wieder gegeben ſeyn/ wanns von
dem rechten Herrn begehret wird; Dahero es in de-
nen Rechten ſeine ſonderliche Freyheiten hat/ und ha-
ben auch die Heyden beſtaͤndig druͤber zuhalten wiſſen/ wie zuſe-
hen/ daß der beruͤmte Heydniſche Meiſter der natuͤrlichen Weiß-
heit/ Ariſtoteles, ſchreibet: Es ſey viel ungerechter und unverant-
wortlicher vertraut Gut vorzuhalten und zuverleugnen/ als
ein geliehenes/ Sect. 29. Probl. 2. tom. oper. Alſo leſen wir beym
Herod. im 6. Buch/ daß des Glauci zu Spaꝛta gantzes Geſchlecht/
als eines untuͤchtigen Mannes/ ausgerottet worden/ darum/
A 2daß
[4]Zuſchrifft.
daß er das ihm von Mileſio auf zuheben gegebenes Geld leug-
nen und nicht flugs ſeinen Soͤhnen zufoͤrdern wollen/ als ſie
nach Sparta kommen/ das Warzeichen deßwegen aufgewie-
ſen und das Geld begehret haben.


Und wiewohl das Urthel eben hart/ ſo ſehen wir doch dar-
aus der weiſen Heyden Tugend und Gerechtigkeit/ damit ſie
uns Chriſten offt weit vorgehen und am Juͤngſten Tage be-
ſchaͤmen werden.


E. Hoch-Adel. Excell. haben mir hiebevorn ein Reiſe-
Handbuch vertrauet: Das halte ich billich auch nicht vor ein
geringes/ dieweil zum theil GOttes Ehre/ zum Theil auch des
Nechſten Nutz damit zuſchaffen und dann dero Hertzgeliebter
Herr Bruder ſein Leben druͤber geendet und hielte ich mirs vor
GOTT und in meinem Gewiſſen unverantwortlich/ wenn ich
etwas dran haͤtte ſparen/ was E. Hoch-Adel. Excell. deß-
wegen meiner Wenigkeit angeſonnen/ oder damit zuruͤcke hal-
ten ſollen/ da Sie daſſelbe bißhero in angeregter Form ſo
Schrifft als muͤndlich wieder begehret.


Wann dann nun dabey gethan/ was GOTT durch mei-
nen Fleiß und Arbeit aus Gnaden verliehen/ daß das Werck
nicht allein ſeine richtige Ordnung und Abtheilung in Theile/
Buͤcher und Capitul erlanget/ ſondern auch die materi und
Sachen darinnen ein iegliches an ſeinen Orth/ ſo viel immer
muͤglich getragen und geſetzet und dieſelben mit verſtaͤndlichem
Teutſch beſchrieben worden/ welches denn einem Reiſenden in
ſeinem Hand- und Tage-Buche zuthun nicht muͤglich/ weiln er
vor taͤglicher Unruhe und Unbeſtaͤndigkeit ſeines Lebens zu Ge-
dancken nicht kommen kan/ dann auch Sein Wille und Vor-
haben den vollkommenen Zweck noch nicht erreichet und uͤber
diß alles ſeine Mutterſprache mit ſo viel andern Sprachen zer-
ruͤttet und verwirret wird. Als uͤberreiche nun E. Hoch-
Adel.
[5]Zuſchrifft.
Adel. Excell. ich daſſelbe mit freudigem Gemuͤthe/ als Dero es
auch von Rechtswegen gehoͤret/ der ſichern Hoffnung lebende/
Sie es ſich auch mit Chriſtlichen Hertzen werden gefallen laſ-
ſen und mir/ wie bißhero ruͤhmlich geſchehen/ mit Dero hohen
Gunſt und vornehmen Gewogenheit noch ferner zugethan
verbleiben.


Denn ſo dort Themiſtocles, der beruͤhmte Fuͤrſt zu Atheen/
ſeine Beuthe/ die er vor ſeinem Feinde erworben/ nicht beſſer an-
zuwenden wuſte und demnach dieſelbe mit Freuden ſeiner Mut-
ter in Schoß ſchuͤttete/ weil er wuſte/ daß ſie daſelbſt willkom-
men und angenehm waͤre: So wird deßwegen auch mich nie-
mand verdencken/ daß ichs mit dieſer Ubergabe wage und der
Verſicherung lebe/ Sie werde bey E. Hoch-Adel. Excell. nicht
unfreundlich angeſehen/ ſondern angenehm und willkommen
ſeyn. Denn was ja meiner Arbeit halben dran mangeln wird/
wil ich mir mit meinem Gebet fuͤr derſelbten und dero gantzen
Hoch-Adelichen Hauſes Leibes- und Seelen-Wohlergehen al-
lezeit fleißig laſſen angelegen ſeyn. Die ich auch hiemit in Goͤtt-
liche Obhut treulich befehle. Meiſſen auf meinem Afraniſchen
Zion den 1. Januar. des 1666. Jahrs.


E. Hoch-Adel, Excell.
zum Gebet und aller Moͤglichkeit
ſtets verbundener
Mgr. Chriſtoff Jaͤger
von Schkeuditz.



[6]An den woͤhlgeneigten Leſer.

Vom Reiſen/ wie man reiſen und Reiſe-
Buͤcher leſen und gebrauchen

ſoll.


DAs Reiſen iſt dreyerley: Das Eine iſt ein Noth-Rei-
ſen/ wen die Noth darzu bringet und zwinget/ daß er reiſen muß/
wie offtmahls Verfolgung/ Krieg/ Peſtilentz/ Armuth und Hun-
gersnoth verurſachet. Das andere iſt ein Aberglaubiges Reiſen/
wie diejenigen thun/ fuͤrnemlich im Papſthumb/ welche/ um ſonderbares Ver-
dienſts willen der Gnade GOttes/ an den/ oder jenen Orth Wallfahrten und
ſich/ als die unverſtaͤndigen Kinder/ was ſie ſonderbahres ſehen und hoͤren/ fuͤr
ſonderbahre Heiligthuͤmer einbilden. Mit dieſen beyden Arthen wollen wir
nichts zuſchaffen haben/ dieweil ſie weder Ehre/ noch Nutzen ſchaffen. Das
Dritte iſt ein Ehren-Reiſen/ da einer Luſt und Unluſt uͤber ſich nimmet/ Laͤnder
und Staͤdte/ Waſſer und Land durchreiſet und nach Ehre/ Kunſt und Tugend
ſtrebet/ damit er hernach andern Leuten ehrlich zudienen gedencket. Und das
iſt eine Tugend/ welche an hohen Perſonen/ Herren und Edlen zuruͤhmen und
ihnen allerdings gebuͤhren wil/ dahero der Gelehrte Mann Bernegger in der
173. Frage aus dem Tacito gar herrlich ausgefuͤhret/ daß hohe Perſonen und
wie ſie reiſen ſollen/ dergleichen auch ſonſt andere vornehme und gelehrte Maͤn-
ner gethan.


Denn das Reiſen iſt gar ein noͤthig und nuͤtzlich Werck. Noͤthig iſts um
der Erfahrung willen/ daß man da mit Augen ſehe und glaubwuͤrdig nachſa-
gen kan/ wie ſich die Laͤnder und Leuthe von Jahren zu Jahren veraͤndern und
entweder verringern/ oder beſſern und daraus mercke/ daß alle Dinge ihrem
gewiſſen Ziel und Ende entgegen gehen/ was zeitliche Dinge ſeyn und wie wenig
darauf zubauen und dann wie wunderbar und unbegreiflich GOTT in ſeinem
Regimentund Gerichten.


Zum Exempel: Willibald/ geweſener Biſchoff zu Aichſtet/ der des Papſts
Canon unter die Heiligen geſetzet/ hat im ſiebenden Seculo das heilige Land auch
durchreiſet; Aber weit anders habens hernach andere nach ihm befunden. Der
Edle Bernhard von Breitenbach und hernach Dechant und Caͤmmerer des
Ertzſtiffts Meintz/ hat dergleichen gethan im Jahr Chriſti 1483. und wie ers
befunden/ in Latein beſchrieben und ein gantz Buch davon drucken laſſen/ aus
wel-
[7]An dem wohlgeneigten Leſer.
welchem hernach Buͤnting ſeine meiſte Nachricht zu ſeinem Alt- und Neu-Te-
ſtamentiſchen Reiſe-Buche genommen. Allein in vielen beſchreibts hernach
Chriſtoff Fuͤhrer anders in ſeinem Reiſe-Buche und nun auch nach ihm der
von Neitzſchitz in gegenwaͤrtiger ſeiner Reiſe-Beſchreibung/ der alles ſelber
mit Augen geſehen/ mit groſſer Gefahr und Ungemach alle Winckel durchkro-
chen und gar genaue Nachricht von ſolchen Leuten/ die er ſelber auf ſeine Ko-
ſten und Speeſen gehalten und mit ſich gefuͤhret/ eingezogen.


Und ob ſich gleich die Laͤnder nicht aͤndern/ was ihren Situm und Stand
betrifft/ ſo aͤndern ſie ſich doch am Zuſtande/ daß die Grentzen/ die Namen/ die
Herrſchafften/ die Jnwohner und Fruchtbarkeit/ die Mores/ Sitten/ Klei-
dung und Gebraͤuche/ die Religionen/ das Regiment/ anders/ ja viel Or-
the gar zerſtoͤhret und aufgehaben/ andere aber angelegt/ gebauet/ oder
die gebauete an Gebaͤuen verbeſſert und geaͤndert werden/ welches uns
denn ein groſſes Liecht zu nuͤtzlicher und noͤthiger Wiſſenſchafft giebet/ ſonder-
lich einem andaͤchtigen Chriſten/ in dem Stuͤcke/ daß/ wenn er da lieſet und ſi-
het/ wie das Juͤdiſche Land ſo gar zu Grunde verderbet und geaͤndert und in
frembde Haͤnde und Herrſchafften vertheilet/ er deſto mehr verſichert und ge-
ſtaͤrcket werde in ſeinem Glauben/ daß gewiß die Goͤttliche Weiſſagung des
Ertzvaters Jacobs/ da er alſo geſagt zu ſeiner Zeit im 49. Cap. des 1. B. M.
Es wird das Scepter von Juda nicht entwendet werden/ noch ein Meiſter
von ſeinen Fuͤſſen/ biß der Held komme/ das iſt: Nicht ehe wird der Heyland
kommen/ der/ als ein Held/ das Menſchliche Geſchlecht aus des Teufels und
der Hoͤllen Gewalt erloͤſen wird/ als wenn das Juͤdiſche Volck ſein eigen Koͤ-
nigreich und Meiſterſchafft zu rathen und zu helffen wird verlohren haben und
frembder Obrigkeit muß unterworffen ſeyn/ nunmehr erfuͤllet/ der Heyland
und Held kommen und wir mit den verſtockten Juͤden auf keinen andern war-
ten doͤrffen.


Aus dieſen Urſachen bin ich auch bewogen worden/ daßich zu Ende die-
ſes Reiſe-Buchs einen Bericht von dem Juͤdiſchen Koͤnigreich/ wie ſichs nach
und nach geaͤndert und endlich auch gar geendet undaufgehoͤret/ mit angehen-
get: Jngleichen/ wie auch der gantze Moſaiſche Gottesdienſt gefallen und dem
neuen Bunde des Neuen Teſtaments des Herrn Meßias Jeſu Chriſti/ das
iſt/ der Oſſenbahrung ſeines heiligen Evangelij/ gewichen und nachgegeben.


BSind
[8]An dem wohlgeneigten Leſer.

Sind demnach diejenigen zuloben/ welche darnach reiſen und uns/ als
ausgeſchickte Bothen/ die rechte Warheit heimbringen und berichten/ damit
wir nicht an ungewiſſen Dingen hengen bleiben und uns damit behelffen doͤrf-
fen/ das wir doch anders wiſſen koͤnnen/ als es die Vorfahren ihrem befinden
nach aufgezeichnet.


Nuͤtzlich iſt das Reiſen auch/ denn es beſſert im Wiſſen und Leben und
ſagt jener fleißige Reiſemann nicht unbillig: Reiſen iſt ein fleißiger Lehrmeiſter.
Denn indem einer nicht nur Staͤdte und Laͤnder/ ſondern auch der Menſchen
Sitten/ Sprachen/ Trachten/ Wercke und Gemuͤther und wie dieſelben regi-
ret werden/ ſelber ſihet und erforſchet/ ſo ſihet er nicht allein Guts @nd Boͤſes
beyſammen und hab die Wahl/ welches wohl oder uͤbel ſtehet/ Schaden/ oder
Nutzen ſchaffet/ ſondern auch es mag einer ſtudirt haben und ſo gelehrt ſeyn
als er immer wolle/ ſo wird doch ſeine Geſchicklichkeit dadurch vermehret/ ge-
ſtaͤrcket und das Gemuͤthe zur Ehr und Erbarkeit angetrieben und weiß her-
nach auch andere weißlich und loͤblich zu regiren/ oder andern regiren zuhelf-
fen/ wie Sirach im 39. Cap. ſeines Hauß-Buchs den Gereiſeten zuſchreibet.
Drumb ſagen unſere Alten: Wer nicht auskoͤmmet/ der koͤmmet auch nicht
ein.


Heimgebackene und Selbſt-kluge richten ſelten viel Gutes aus/ oder muͤſ-
ſen ſich mit Einbildungen und Aufſchneiden behelffen. Denn die Baͤuriſche
Arth/ die man zu Hauſe angewohnet/ wird mit dem auslaͤndiſchen Saltz der
Hoͤflichkeit ſubtil gemacht/ daß man hoͤflich/ Geſpraͤchig/ demuͤthig und recht
vernuͤnfftig wird/ da man ingegen ſihet/ daß die/ ſo zu Hauſe im Schatten bey
denen ihrigen/ als die Jungen bey den Alten im Neſte/ ſitzen bleiben/ gemeinig-
lich gantz wilde/ eigenwillig/ einbildig/ und ſtaͤrrig bleiben/ die mit niemande
umzugehen/ noch ſich zuſchicken wiſſen. Beſihe hierbey auch den fleißigen
Schreiber Zeilerum und ſeine 99. Epiſtel im Dritten Hundert.


Daß aber auch wohl welche das Boͤſe von ihrem Reiſen mit nach Hauſe
bringen und nicht allein vor ihre Perſon davon Boͤſe werden/ ſondern auch
wohl loͤbliche Ordnungen/ Regimenter/ Sitten und Religionen damit be-
ſchmitzen/ verfaͤlſchen/ zerruͤtten und verderben/ das gibt die Erfahrung leider!
offt und viel/ zumahl in dieſen ietzt verderbten letzten Zeiten/ mit Schmertzen
zu beklagen.


Poli-
[9]An dem wohlgeneigten Leſer.

Politici ſchreibt Herr Schupp am 8. Blat Diſſert. de Nila. \& Italia \& Gal-
lia reduces à Patrum noſtrorum moribus recedunt \& omnes pulices tu-
ſtire audiunt, ſemperq́ nova inſtituta crepant, non quia bona, ſed quiæ
nova,
viel Politici/ wenn ſie aus Welſchland oder Franckreich wieder heim-
kommen/ aͤndern flugs ihrer Vor-Eltern Sitten/ hoͤren die Floͤh huſten und
wollen lauter neue Anordnungen haben/ nicht daß ſie ſo gut/ ſondern weils nur
was neues iſt. Alſo wird in des ſel. Luth. Tiſchreden am 74. Blat gedacht/ es
ſey dem ſeligen Manne uͤber Tiſche einsmahls erzehlet worden/ daß einer von
Seckendorff ſich bey einer Gaſterey verlauten laſſen: Wenn GOTT ihm ſein
Reichthumb und Wolluſt lieſſe/ daß er tauſend Jahr leben und allein ſeinen
Willen treiben moͤgte/ ſo wolte er hernach GOTT ſeinen Himmel gerne laſſen.
Der hatte eine rechte Saue mit aus Franckreich bracht/ wie ihn der ſel. Luth.
genennet/ in welchen nichts anders als Treber gehoͤren.


Solche Leute ſind/ traun! wie unerfahrne Aertzte/ die alle Patienten oh-
ne Unterſcheid mit einerley Artzeney curiren wollen. Oder ſie ſind gleich wie
Unweiſe/ die ſich mit dem Meſſer ſchaden thun/ das ſie zu ihrer Nothdurfft und
beſten gebrauchen ſolten. Oder ſie ſind/ wie dort Heroſtratus, der ſich beruͤhmt
zumachen den herrlichen und in aller Welt beruͤhmten Tempel Dianae zu
Epheſo in Brand ſteckte/ wie Strabo im 4. Buch davon ſchreibet. Dahero
denn dieſelben mit ihrem boͤſen Verhalten dem ohne des noͤthigen und nuͤtzli-
chen Reiſen keinen Schandfleck aufklecken/ noch iemand daſſelbige verleiten
koͤnnen.


Und ob gleich auch viel Fabeln/ ſonderlich bey den Antiquitaͤten und alten
Sachen und mach ungewiß Ding mit einlauffen/ ſo kans dennoch auch der
Wiſſenſchafft des Reiſens nicht ſchaden. Wo iſt ein Geſchichtſchreiber der
nicht geirret haͤtte/ vors (1.) weil unſer Wiſſen/ wie die Schrifft redet/ in die-
ſem Leben nichts/ als ſtuͤckwerck iſt/ und wir alle klagen und bekennen muͤſſen:


Hæret im ambiguis hominum prudentia rebus,

Was der Menſche weiß und dencket/

Jſt in Zweiffel eingeſencket.

Und dann vors (2.) weil ein Geſchichtſchreiber anderer Leute Bericht nach-
ſchreiben muß/ was er ſelber nicht ſehen und erfahren kan. Drumb muß man
B 2mit
[10]An dem wohlgeneigten Leſer.
mit Verſtande leſen/ andere dagegen halten und beſcheidentlich urtheln/ im
uͤbrigen aber doch ihren unverdroſſenen Fleiß loben als welches gleichwohl beſ-
fer thut/ daß uns etwas mitgetheilet wird/ als daß wir gar nichts davon wiſſen
ſolten.


Wer auf den Jahrmarckt zeicht/ muß ſich nach den Kaͤuffern richten und ih-
nẽ allerhand Wahꝛen zufuͤhꝛen/ unterdeſſen aber einem ieglichen die Wahl laſſen
zunehmen/ was ihm gefaͤllet: Alſo auch/ wer Reiſebuͤcher ſchreiben/ Laͤnder und
Staͤdte beſchreiben und/ was allda zuſehen/ der Welt mittheilen wil/ der muß
doch gleichwohl alles/ ſo man ihm iedes Orths zeiget/ berichtet und zuſehen iſt/
mit hinein bringen/ damit ſich niemand zubeſchweren habe/ als wenn er untreu
und nicht fleißig gnung geweſen/ im uͤbrigen aber einem iedlichen frey laſſen an-
zunehmen/ was ihm gefaͤllet/ einem diß/ dem andern ein anders.


Und alſo iſt billig auch zuloben und zudancken dem weiland Hoch-Edlen
Herrn George Chriſtoff von Neitzſchitz aus dem Hauſe Wehlitz und Werns-
dorff/ ꝛc. Daß derſelbe mit hindanſetzung ſeines Vaterlandes/ mit Aufwen-
dung ſeines Vermoͤgens und ſeiner Geſundheit/ ja auch mit Ausſtehung vie-
ler Gefahr/ Muͤhe und Ungemach zu Waſſer und Lande/ ſintemahl es doch
war iſt, von denen/ ſo da reiſen und frembde Laͤnder beſehen wollen/ was im
Froſchmaͤußler angefuͤhret wird:


Wer reiſen wil hin durch die Welt/

Und gehen uͤber Meer und Feld/

Weiß aber nicht mit kluger Liſt

Zurathen/ wies gelegen iſt/

Der koͤmmet leicht in Angſt und Noth

Und leidet Raub/ wohlgar den Todt.

Dahero Dalby, ein gelaͤhrter Daͤne/ dem loͤblichen Rath giebt/ da er
c. 8. p. 74. de Peregrinatione mortalium, alſo ſchreibet:


Si peregrè pergas, ſemper de nocte quieſcas.
Manè citò ſurge, boſpitium de luce capeſſas.
Manè Deum lauda ſurgendo, ſicut alauda.
()

Wann du zureiſen haſt/ ſo laß die Nacht ſeyn Nacht.

Steh deſto fruͤher auf und reiſe mit Bedacht.

Kehr
[11]An dem wohlgeneigten Leſer.
Kehr ein zu rechter Zeit/ weil noch der Himmel leucht.

Machs/ wie die Lerche thut/ die in den Luͤfften fleucht

Zuloben GOTT mit Macht/

Daß dus ſo weit gebracht.

Daß/ ſag ich/ Ehrngedachter Cavallier Sieben Jahr lang gereiſet und nicht
allein andere/ ſondern auch das gelobte Land/ da vor deſſen das Volck Jſrael
gewohnet und GOTT ſeine Kirche gehabt und die heiligen Ertz-Vaͤter/ Pro-
pheten/ Chriſtus und die lieben Apoſtel gewandelt/ gepredigt und viel Zeichen
und Wunder gethan/ durchzogen und alle Nachricht davon mit ſeiner eigenen
Hand fleißig aufgezeichnet hinterlaſſen/ nach dem er bald nach ſeiner Heim-
kunfft den Weg alles Fleiſches gangen/ nur daß ſelbige in richtige Ordnung und
Verſtaͤndlich teutſch gebracht werden muͤſte/ zu deſſen Befoͤrderung denn deſ-
ſelben geliebter Herr Bruder/ der Hoch-Edelgeborne und Geſtreng-Mannve-
ſte Herr Rudolph von Neitzſchitz uff Roͤhrsdorff/ Borthen und Cunnersſtorff
Ritter und Churfuͤrftl. Durchl. zu Sachſen hochanſehnlicher Cammerherr
und Hof-Obriſter/ mein vornehmer und großgeneigter Patron keinen Fleiß
geſparet/ zumahln er geſehen/ daß einige hohe Perſonen groß Verlangen dar-
nach getragen.


Nun habe ich das meinige durch Gottes Huͤlffe/ nach beſtem Vermoͤgen/
dabey gethan/ ſo viel mir neben meinen ordentlichen Ampts-Geſchaͤfften muͤg-
lich geweſen/ und uͤberreiche es allhier deinen Haͤnden. Darumb nimms zum
beſten auf/ brauche es zu deinem Nutzen bey guter Geſundheit und Frieden
und gedencke meiner/ als eines/ der nichts liebers wuͤnſchet/ als der gemeinen
Wohlfahrt nach hoͤchſtem Vermoͤgen zudienen/ im beſten und bitte
GOTT fuͤr mich/ gleich wie ich auch fuͤr dich/ auf
daß wir alle ſelig werden/
Amen.


B 3Der
[12]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung

Der Erſte Theil
Der Sieben Jaͤhrigen und gefaͤhrlichen
Welt-Beſchauung
Des weilant Hoch-Edelgebornen
Herrn Georgen Chriſtoff von Neitzſchitzens
aus dem Hauſe Wehlitz und Wernsdorff/ ꝛc.


Jſt eine Beſchreibung der Reiſe deſſelben durch Jtalien und
von Venedig uͤbers Meer nach Conſtantinopel und was er unterwe-
gens fuͤr Laͤnder und Orthe beruͤhret/ geſehen
und beſuchet.


Das Erſte Buch


Haͤlt in ſich die Anſtellung zur Reiſe und endlichem Fortzug
uͤbers Alpen-Gebuͤrge biß an die Jtalianiſchen Grentzen und
was unterwegens zuſehen geweſen.


Das Erſte Capitel


Von der Anſtellung zur Reiſe.


NAchdem ich bey mir erwogen/ wie Edel
der Menſch von ſeinem GOTT erſchaffen
und mit Verſtande und vernuͤnfftiger Seele
begabet/ allen andern unvernuͤnfftigen Thie-
ren ſo weit vorgezogen/ als Himmel und Er-
den von einander ſind und dannenhero/ wo es
bedacht wird/ ein ſolch Gemuͤthe ſich billig in
die Hoͤhe ſchwinget und ſich alſo in dieſer Welt zuleben vorſetzet/
damit es zufoͤrderſt ſeinem GOTT recht diene und durch die
Gnade Gottes in Chriſto des Ewigen verſichert werde und
dann auch mehr lerne/ erfahre und wiſſe/ als andere gemeine
Creaturen und nicht/ wie ein Schiff auf der See/ ohne nach-
blei-
[13]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung
bleibende Spur durch diß Leben hindurch ſtreiche/ iedoch alles
aus Liebe dem Nechſten und gemeinen Beſten zudienen/ als ha-
be auch ich ſolches zuthun im Namen Gortes bey mir feſtiglich
beſchloſſen.


Und ſolches werckſtellig zumachen habe ich im Jahr nach
Chriſti unſers Heylandes Geburt 1630. meine Sachen zu Hau-
ſe/ ſo viel muͤglich/ richtig gemachet und ohne Verzug mit groſ-
ſer Luſt und Begierde mich im Namen der Heiligen Dreyfal-
tigkeit auf die Reiſe begeben und zu erſt nacher Naumburg/
umb allda mit denen auf der Meſſe anweſenden Kauffleuthen
Compagnie zumachen/ welches auch gar gluͤcklich fuͤr ſich gan-
gen.


DasII. Capitel.


Von der Fort-Reiſe biß ans Alpen-Gebuͤrge.


VOn Naumburg bin ich mit denen Augſpurger Kauf Leu-
then den 27. Apr. ſt. v. Nachmittage umb drey Uhr obge-
dachtes 1630. Jahres fortgereiſet und den 15. May dar-
auf gar gluͤcklich und wohl mit gedachten Kauffleuthen in Aug-
ſpurg angekommen/ allwo ich im Wirthshauſe zur Traube
eingekehret.


Augſpurg iſt ſonſt ohne daß eine beruͤhmte und wohlbe-
kante Stadt und demnach unnoͤthig viel Worte davon zuma-
chen/ auſſer zugedencken/ daß allda die herrliche Waſſerkunſt/
der heimliche Einlaß und das wolbeſtallte Zeughauß ſonderbar
zuſehen ſind. Deßgleichen auch iſt denckwuͤrdig/ daß keine Ra-
tzen allda gefunden werden/ und fuͤr gewiß geſagt wird/ daß ſie
weilant Biſchoff Ulrich daſelbſt/ ſo Anno 973 geſtorben/ hinweg
gebethet. Ja wenn man auch gleich von andern Orthen wel-
che dahin bringe/ wie offtmahls ſol verſucht worden ſeyn/ ſo
ſterben ſie und bleiben nicht.


Es
[14]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Es hat aber mit ietztgedachtem Einlaß eine ſolche Be-
wandtnuͤß: Es ſind die Thoren und Zugbruͤcken alſo gebauet/
daß/ ob ſie gleich noch ſo groß und ſchwer ſind/ dennoch ſie ſich
von ſich ſelber aufthun und niederlaſſen/ vor denen/ ſo man in
der Nacht allda hinein laͤſſet/ und hernach auch von ſich ſelber
wieder zuthun und aufziehen/ wenn die Leuthe hinein ſind und
ſihet man niemand weder hinter noch fuͤr ſich/ biß man zum in-
nern letzten Thore koͤmmt/ da wird eine brennende Latern her-
unter gelaſſen und muͤſſen die Eingelaſſene ihre Namen von
ſich geben und darbey ein Trinckgeld. Und wenn das geſchehen
ſo oͤffnet ſich auch dieſes Thor und werden die Eingelaſſene auch
vollend in die Stadt gelaſſen. Und auf ſolche maſſe kan man al-
le Nacht in Augſpurg kommen/ heraus aber wird ſelten iemand
zu Nachtszeit gelaſſen.


Nachdem aber faſt maͤnniglich die Staͤdte/ zwiſchen
Naumburg und Augſpurg gelegen/ bekant/ achte ich unnoͤthig
mit deren Beſchreibung das Werck weitlaͤufftig und dem Leſer
verdruͤßlich zumachen. Wil nur dieſelben/ ſo wir durchreiſet/
kuͤrtzlich erzehlen. Von Naumburg aus ſind wir demnach
zukommen.


1. Nach Jehna/ allwo eine herrliche und weitberuͤhmte Aca-
demia
und Hohe Schul. Sind aber nur durchgereiſet und wei-
ter kommen:


2. Nach Sahlfeld/ da wir auch uͤber Nacht verblieben. Wie
wir allhier zum Thore einkommen/ ſind wir von dem Thuͤr-
mer auf dem Thurm mit Trompetenſchall empfangen wor-
den/ welches auf eine Vereehrung angeſehen geweſen/ die er
auch von uns im Wirthshauſe/ da wir eingekehret/ abgeholet
und empfangen hat.


3. Nach Donawerth/ 4. Coburg/ 5. Bamberg/ 6. Forch-
heim/ 7. Nuͤrnberg und 8. Augſpurg.


Als
[15]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung

Als ich mich nun in die acht Tage in Augſpurg aufgehal-
ten/ habe ich nach Gelegenheit getrachtet mich mit ehiſter
und beſter Zufaͤlligkeit nacher Venedig zubegeben. Und weil
gleich gewuͤnſcht von Venedig Muͤth-Roſſe kommend/ allda in
meinem Quartier zur Trauben eingekehret/ habe ich alsbald
das Gedinge mit ihnen gemacht/ ein Roß von ihnen gemuͤthet
und bin benebenſt des Biſchoffs von Wuͤꝛtzburg Abgeſandten/
dañ einen Schleſiſchen von Adel und des Herrn Geſandten Vet-
ter den 23. May Nachmittage von Augſpuꝛg foꝛt uñ nacher Rom
zugegangen/ unterwegens aber kommen 1. auf Landsberg/
welches ein Staͤdtlein am Berge liegend fuͤnff ſtarcke Meilen
von Augſpurg und hat auf der Hoͤhe ein Schloß/ allwo wir
uͤber Nacht verblieben. Des folgenden Tages ſind wir kom̃en 2.
auf Schoncka und 3. Amborgau. Allhier faͤngt ſich das Alpen-
Gebuͤrge an.


DasIII. Capitel.


Von der Reiſe uͤber das Alpen-Gebuͤrge.


Auf dem Alpen-Gebuͤrge wird kein Heu gemacht auf den
Winter zur Beduͤrffnuͤß/ ſondern den Sommer uͤber wird
das Vieh drauff gehuͤtet/ welches man nennet zu Alp fah-
ren. Von Amborgau ſind wir kommen 1. auf Seiga ſind
drey Meilen/ 2. auf Porte-Kirchen vier Meilen/ 3. auf Seelfeld
ſechs Meilen/ 4. auf Jnsbruck vier Meilen.


Zwiſchen dieſen beyden Staͤdten liegt das felſichte Ge-
buͤrge/ worauf ſich Keyſer Maximilianus der Erſte dieſes
Namens/ auf der Gemſen-Jagt verſtiegen und in Leib und Le-
bens-Gefahr gerathen/ iedoch endlich durch Gottes Gnade ge-
rettet worden.


Weiter ſind wir kommen 5. auf Stoͤnach vier Meilen/
Cdann
[16]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung
dann uͤber den hohen Berg/ zwey Meilen lang ſich erſtreckend
und der Brenner genant/ 6. auf Stoͤrtzing vier Meilen/ wel-
ches eine feine Stadt iſt.


Von hier aus ſind wir unterwegens im freyen Felde kom̃en
zu einem gar hohen Stein/ welcher unten ein Loch hatte: Und iſt
ein alter Brauch/ daß/ der zuvorn da zu nicht gereiſet/ ſich durch
das Loch dringen muß und hat einer/ ſo ſonderlich corpulent iſt/
wohl zuthun/ daß er durchkoͤmmet/ welches denn unſerer Reiſe
Gefaͤrten einer wohl in acht genommen und deßwegen lieber
einen Ducaten ſpendiret/ als daß er gleich uns durchkriechen
wollen/ fuͤr welchen Ducaten wir uns hernach luſtig gemachet/
als wir kommen 7. auf Brixſin vier Meilen von Stoͤrtzing/
welches Brixſin eine Stadt iſt in der Ebene am Gebuͤrge lie-
gende/ allwo ein Biſchoff reſidiret. Von hieraus ſind wir kom-
men 8. auf Blumau/ ein Wirthshauß fuͤnff Meilen. Weiter 9.
auf Potzen eine Stadt an der Etzſch eine Meile. 10 auf Salur-
na ein Dorff vier Meilen und folgends 11. auf Trient drey Mei-
len.


Trient iſt eine bekandte und ſchoͤne Stadt/ worinnen
Teutzſch und Welſch geredet wird/ wie ſich denn auch flugs eine
Meile davon uͤber dem Berge ſo Platte genannt wird/ das
Gebiethe Welſchlandes anhebet. Jſt mit guten Mauren und
Graͤben wohl verwahret/ und iſt ſonderlich auch beruͤhmt von
der groſſen Kirchen-Verſamlung/ ſo daſelbſt angangen Anno
1546. und gewaͤret biß 1563. welcher viel Fuͤrſten und Herren/
Praͤlaten/ Cardinaͤle/ Patriarchen/ Ertz-Biſchoffe uñ Biſchof-
fe des Papſthums beygewohnet. Jn dieſer Stadt Kirche zur lie-
ben Frauen bey dem Altar ſihet man den Coͤrper des H. Simo-
nis,
ſo ein kleines Knaͤblein von ohngefaͤhr 4. Jahren geweſen/
welches die Juͤden hiebevorn gemartert haben/ noch gantz und
gar
[17]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gar und unverweſet mit Haut und Haar/ aber gantz ſchwartz/
wie denn auch die Inſtrumenta, damit ſie es gemartert haben/
gewieſen werden/ weßwegen ſich noch biß dato von ſelbiger Zeit
an allda kein Juͤde aufhalten darff/ und in dieſer Kirchen iſt ob-
gedachtes Concilium gehalten worden.


Von hieraus ſind wir kommen 12. auf Clauſe/ welches ein
feſter Paß/ dem Ertz-Hertzog in Tyrol gehoͤrig: Jſt ſehr hoch
und fuͤnff und zwantzig Klafftern in Felß gehauen/ zwantzig
Elen breit und acht Elen hoch. Endlich ſind wir kommen 13.
auf Carpenzi, ſo nur etzliche Haͤuſer und endet ſich allhier das
Alpen-Gebuͤrge.


Das ander Buch.


Haͤlt in ſich die Reiſe durch Welſchland und uͤbers Meer biß in
Aſia und nach Smirna und was dabey mit vorgelauffen denckwuͤrdig
zuvermelden iſt.


Das Erſte Capitel.


Von der Reiſe durch Welſchland.


WElſchland iſt ohne deß bekant und von andern
Reiſenden ausfuͤhrlich beſchrieben/ daß ohne Noth ich
mich lange damit aufhalten ſol/ auſſer was ich im
durchreiſen biß nacher Venedig einen und andern Ort
beruͤhren muͤſſen/ deren ich kuͤrtzlich gedencken wil und ſind wir
von Carpenzi kommen 1. nach Caſtel franco, welches eine ziemli-
che Stadt/ 2. nach Tervis, ſo eine groſſe Stadt/ dieſe Stadt ſol
lange vor Chriſti Geburt geſtanden haben. Denn man haͤlt
dafuͤr daß ſie Oſyris, welcher zehen Jahr in Jtalien regiret und
hernach Koͤnig in Egypten worden/ gebauet haben ſol/ maſſen
denn die Buͤrger noch an vielen Orthen den Ochſen zum War-
zeichen deſſen denen Reiſenden in alten Gemaͤhlden weiſen/ wel-
C 2cher
[18]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
cher nach Heydniſchen Brauche von dem Volcke verehret wor-
den/ weil er nach Abſterben Oſyridis erſchienen und die Heydni-
ſchen Pfaffen fuͤrgeben/ als wenns Oſyris waͤre. Dieſe Stadt
liegt faſt umb und umb im Waſſer/ hat ſtarcke Mauren/ und iſt
mit Munition und Stuͤcken wohl verſehen. Vordeſſen haben
die Lombardiſchen Marggraffen allda ihren Sitz gehabt/ ietzt
aber gehoͤret ſie den Venetianern. Von hier aufs ſuͤſſe
Waſſer ins Meer und in zwey Stunden 3. zu Venedig ange-
langet. Allda habe ich im weiſſen Loͤwen acht Tage ſtille
gelegen und den 8. Junij drauff Nachts zwiſchen 11. und 12. Uhr
mit einem Schiffe/ ſo gemeiniglich alle Nacht dahin zulauffen
pfleget/ 4. nacher Padua kommen und ſind wir ohngefaͤhr mor-
gens umb 9. Uhr allda angelanget und im guͤldenen Stern ein-
gekehret.


Als ich mich nun einen Monat allda aufgehalten und/
was zubeſehen geweſen/ fleißig in Augenſchein genommen/ bin
ich mit GOTT ſchluͤßig worden meine Reiſe mit dem foͤrder-
ſamſten nach Conſtantinopel fortzuſetzen/ habe mich demnach
wieder auf einer gemuͤtheten Land-Gutſchen zuruͤcke nacher
Venedig begeben/ ſind ſechs Meilen/ und habe allda mein Logier
im ſchwartzen Adler genommen.


Weil ich mich aber des Schiffs halber/ ſo nacher Conſtan-
tinopel ſegeln wollen/ in etwas allda aufhalten muͤſſen/ habe ich
mich aus dem Wirthshauſe in Cameram locantem begeben und
allda nach meinem belieben ſelber bekoſtet/ dieweil im Wirths-
hauſe die Speeſen ziemlich hoch anlauffen wollen.


Und wiewohlich gerne der Stadt Venedig allhier etwas
gedencken wolte/ ſo iſt doch des Dings ſo viel/ daß ichs faſt nicht
wagen darff. Kurtz aber zuſagen/ ſo halte ich nicht/ daß eine
Stadt in gantz Europa der Stadt Venedig an Herrligkeit/
Pracht
[19]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Pracht und Macht vorgehet. Denn zuverwundern iſt ſich 1.
uͤber die Groͤſſe derſelben/ in welcher 190714. Menſchen wohnen
ſollen. 2. Uber die unzehlichen/ praͤchtigen Pallaͤſte/ auch wohl
gemeiner Leuthe. 3. Uber die viel herrliche und gantz kuͤnſtlich er-
bauete Kirchen faſt alle von Marmel/ Jaſpis/ Alabaſter und
Porphyrſteinen/ inwendig aufs praͤchtigſte ausgeſchmuͤcket.
Es werden aber drinnen gezehlet 66. Haupt-Kirchen/ 26. Stiff-
ter/ 54. Kloͤſter/ 18. Capellen/ und 17. Hoſpitaͤle/ 114. Glocken-
thuͤrmer/ 27. gemeine Schlag-Uhren. 4. Uber die vortreffli-
che Bibliothek/ 5. Uber das groſſe reiche Arſenal oder Zeughauß.
6. Uber der Stadt und Jnwohner groſſes Reichthumb und
Vermoͤgen/ 7. Uber ihre loͤbliche Policey und Regirung/ ſinte-
mahl allda 56. Gerichte gehalten werden/ Klaͤgern und Beklag-
ten zum beſten/ 8. Uber die vielen Bruͤcken/ deren 450. gezehlet
werden/ unter welchen die zu Rivo alto die fuͤrnehmſte/ denn ſie
ſehr kuͤnſtlich und viel tauſend Kronen koſtet. So liegen auch
taͤglich und ohn unterlaß in die 800. Gundelen/ oder Schifflein
zum uͤberfahren fertig/ weil Venedig gantz im Waſſer liegt und
mit vielen Canalen durchfloſſen iſt. 9. Uber S. Marx Platz
und Kirche: Da iſt Pracht und Herrligkeit zuſehen/ daß mann
druͤber erſtarret und vernarret. 10. Uber die Kauffmanns-
Poͤrſen/ deren 53. ſind/ da ich Nachricht/ glaub ich/ aus der
gantzen Welt haben und hoͤren/ nicht was vor Alters/ ſondern
von der Zeit paſſiret und vorgehet/ 11. Uber die ſchoͤnen ſonder-
baren Luſt-Gaͤrten/ deren 185. an der Zahl. Zuverwundern iſt
ſich auch 12. uͤber der Venetianer Glaßhuͤtten. Dieſelben ſind
auf einer kleinen Jnſul/ ohngefaͤhr eine halbe Meile von der
Stadt/ da werden die bey uns in Teutſchland beruͤhmten ſchoͤ-
nen Glaͤſer in groſſer Menge gemachet. Anderer Rariteten zu-
geſchweigen. Sonderlich iſt zuverwundern. 13. Uber die viel
C 3Laͤn-
[20]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Laͤnder der Stadt Venedig/ denn an Jnſuln und Laͤndern ha-
ben ſie Corfu, Zefalonia, Cerigo, Zante und Creta, oder Candia,
faſt gantz Friaul und Hiſtria, oder Jſterich. Am Meer in Dal-
matia Cataro, Spalato, Zara und andere mehr. An Land-Staͤd-
ten Caſſano, Caſtell-Franco, \&c. Bergamo, Brixia, Crema, Vero-
na, Vicentia, Tervis, Padua,
und andere mehr/ wie davon bey an-
dern Scribenten Nachricht zufinden.


DasII.Capitel.


Von der Reiſe zur See nach Aſia und deſſelben
beruͤhmten Stadt Smirna.


NAch dem nun das Schiff gantz und gar expedirt und zum
ablauffen fertig habe ich mich mit meiner zur Reiſe gehoͤ-
rigen Proviſion im Namen GOttes zu Schiffe begeben.
Weiln ich aber damals der Jtaliaͤniſch- und Tuͤrckiſchen Spra-
chen noch nicht kuͤndig war/ habe ich einẽ Niederlaͤnder/ ſo derſel-
ben erfahren und in die 9. Jahr zu Conſt antinopel ſich in Dien-
ſten des Niederlaͤndiſchen Ambaſſadeurs aufgehalten/ von dem
er auch aus ſeiner langwierigen Tuͤrckiſchen Dienſtbarkeit erloͤ-
ſet worden war/ mit mir auf gedachtes Hn. Ambaſſadeurs Vet-
ters Recommendation, mit dem er nur vor zwey Tagen von
Conſtantinopel zu Lande nacher Venedig kom̃en war/ wieder
zuruͤcke nach Conſtantinopel genommen/ wiewohl mit groſſen
Koſten/ maſſen ich ihm/ weiln er mit Kleidern uͤbel verſehen ge-
weſen/ Mantel und Kleider ſchaffen muͤſſen/ welches auf Vier-
tzig Reichsthaler hinan gelauffen/ mich aber ſelber habe ich auf
Tuͤrckiſch ausſtaffiret.


Hiernebenſt/ als ich mich mit aller zum Winter und aufs
Meer behoͤrender Nothdurfft an Kleidern/ Mattratzen/
Hauptpolſtern/ Leilachen/ Bettdecken und Proviſion an Victua-
lien
und guten rothen Wein auf zwey Perſonen gnungſam
ver-
[21]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
verſehen/ bin ich den 28. Auguſti ſt. n. Nachts zwiſchen drey- und
vier und zwantzig Welſcher Uhr/ teutſcher aber ohngefaͤhr ſie-
ben und achte im Namen Gottes ſammt meinen Niederlaͤnder
nach dem Reiſefertigen Schiffe auf einer Gundela zugefahren:
Sind aber/ weil noch alles Gut nicht im Schiffe/ umb Mitter-
nacht erſt in die weite der See/ nebenſt noch zweyen andern
groſſen Schiffen/ mit guten Winde fortgeſegelt/ wiewohl wir
nur mit halben Segeln und gemachſam fort gehen doͤrffen/
weil unſer Schiffherr umb einiger Verrichtung willen zuruͤcke
bleiben muͤſſen und erſt auf den Tag zwiſchen 10. und 11. Uhr auf
einer groſſen Parquen nachkommen nebenſt zween Trompe-
tern/ welche unſer Schiff von weiten erſehend mit ihren Trom-
peten-Schall luſtig beehret/ biß ſie endlich gar zu uns kommen.


Nachdem nun unſer Schiff-Patron unſerm Schiffe ſich
genahet und daſſelbe mit Trommel- und Trompeten-Schall/
wie gedacht/ froͤlich empfangen/ welches ſchoͤn zuhoͤren war/
auch unſer Capitain demſelben mit loͤſung dreyer Stuͤcken be-
willkommet/ ſind wir drauff im Namen Gottes mit heller
Stimme dreymahl JESUS/ JESUS/ JESUS ſchrey-
end mit vollen Segeln der weite des Meeres zugefahren. Sind
alſo vom 29. Auguſt. biß den 2. Sept. ſt. n. gar gluͤcklich fortkom-
men und haben dieſen gedachten 2. Sept. im voruͤber Segeln ohn
gefaͤhr auf funffzehen teutſche Meilen zu Geſichte bekommen/
1. Ancona.


Dieſes Ancona iſt eine ziemliche groſſe Stadt und ſonder-
lich beruͤhmt wegen der Schiff fahrt und ſtarcken Handlung/
die allda getrieben wird/ wie ſie denn auch noch ziemlich feſt iſt/
liegt allenthalben ſehr luſtig/ unten an einem groſſen Berge am
Meere/ welcher Berg genennet wird Monte d’ Ancona: Dabey
liegt auch ein Caſtell zur Stadt gehoͤrig/ wor auf ein Cardinal
woh-
[22]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchanung.
wohnet/ ſo dieſelbe guberniret, gehoͤret alles unters Papſts Ge-
biethe. Es iſt zwar vor langer Zeit dieſe Landſchafft denen Ve-
netianern zuſtaͤndig geweſen/ aber hernach von ihnen ſelber
Paͤpſtlicher Heiligkeit præſentirt und geſchencket worden.


Vierzehen Meilen davon liegt der beruͤhmte und heilige
Orth 2. Loreto eine halbe Meile vom Meer abe. Wird ſonſt
S. Maria di Loreto genennet. Jſt zwar eine kleine aber luſtige
Stadt/ feſt und wohl verwahret und wird von dreyerley Leu-
ten bewohnet als Geiſtlichen/ Gaſtwirthen und Pater noſter-
machern. An dieſem Orthe iſt zuſehen das Haͤußlein der heili-
gen Jungfrauen Marien/ worinnen ſie zu Nazareth den Gruß
vom Engel empfangen und ſol von den Engeln dahin gebracht
worden ſeyn. Dahero denn dahin weit und nahe unzehliche
Wallfahrten geſchehen/ wovon auch der Orth meiſtens alſo be-
ruͤhmt worden. Solch Haͤußlein aber iſt von Ziegelſteinen und
ſteht in einer ſehr groſſen Kirche/ die trefflich ſchoͤn erbauet und
iſt der Schmuck/ Schatz und Vorrath an Kleinodien/ Gold/
Edelſteinen/ Perlen und Silber bey dieſem Marien-Bilde nicht
zuglauben/ noch zubeſchreiben.


Den 3. Sept. haben wir bey groſſer Hitze wenig Wind ge-
habt/ alſo/ daß wir unſere Segel nicht viel brauchen koͤnnen.
Den 4. Sept. haben wir etwas mehr Wind gehabt und von fer-
ne zur Lincken Hand geſehen 3. die Jnſul S. Andreæ, welche gar
klein und ōde iſt. Weiter aber auf ſelbiger Hand ſind wir an-
ſichtig worden 4. einen groſſen Felſen mitten im Meere/ ſo we-
gen der Form eines Apffels Pomo genañt wird und werden dar-
auf viel Falcken gefangen. Geſehen haben wir 5. die Jnſul Leiſſa,
welche nicht groß und denen Venediern zuſtaͤndig/ liegend
bey Sclavonia oder Dalmatia, wie das Land auch genennet wird.
Den 5. Sept. ſind wir anſichtig worden der Jnſuln 6. Katſcha
und
[23]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und 7. Katſchola, auch denen Venediern zuſtaͤndig/ wiewol ſie
beide wuͤſte/ den 6. Sept. ſahen wir 8. die Jnſul Curſolo, wel-
che groß und bewohnt iſt/ der Stadt Rapuſa unterthaͤnig und
ligt in Sclavonia. Jtem 9. die Jnſul Pelloſa, oder Pellopoſa, ſo
auch wuͤſt und unbewohnt lieget.


Den7. Sept. haben wir den erſten Port wegen groſſes
Tobens deß Windes und Meers bey einem Flecken 30. Caſtello
Novo
. ſo Tuͤrckiſch/ unfern von Rapuſan nehmen muͤſſen.


Dieſer Flecken liegt gerade im Meer in terra ferma un-
term Gebuͤrge und ſind die Jnwohner derſelben Gegend ſehr
boͤſe und denen frembden Chriſten abſcheulich nachſtellende
Tuͤrcken/ weßwegen denn/ als wir/ weil unſer von der Fortun
zerbrochenes Schiff daſelbſten neun Tage/ umb ſolches wieder
zu beſſern/ verbleiben muͤſſen/ wie im folgenden Capitul mit
mehrern ſoll gedacht werden/ unter ſolcher Zeit unterſchiedene
mahl den Flecken/ Leuthe und Gegend zubeſichtigen auff un-
ſerm Neben Kaicklein hinuͤber ſchiffen wollen/ hats uns der
Schiff-Capitain treulich widerrathen/ mit Vermelden/ daß/
ſo bald dieſelben Tuͤrckiſchen Beſtien einen fremden deß Landes
und Sprachen unerfahrnen Chriſten antreffen/ ſie denſelben
alsbald gefangen naͤhmen/ ſo lang verborgen hielten/ biß
niemand mehr mit Ernſt nach ihm fragte und ſo dann zu ſol-
chenſchweren Dienſten gebrauchten/ worzu man faſt kein un-
vernuͤnfftig Thier gebrauchen ſolte/ ja ihn mit Geiſſeln/ Pruͤ-
geln und Plagen auffs alleraͤrgſte tractirten/ oder anderweit
in ewige Dienſtbarkeit verkaufften.


Es ſind aber gleichwol Griechen ſelbiger Gegend zu uns
kommen/ die uns allerhand Lebens-Mittel zuverkauffen ge-
bracht/ da wir auch/ was noͤthig/ um billichen Preiß von ih-
nen erhandelt.


DUnd
[24]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Und weil wir zur lincken der Einfahrt ſolches Hafens/ oder
Ports ein ſchoͤn gruͤnes baͤumichtes Gebuͤrge hatten/ ſuchten
wir etzliche mahl uns alda zuerluſtigen/ auch mit Holtz zum
Kochen ins Schiff zuverſehen/ wiewol in moͤglichſter Stille/
und ſo/ daß wir kein lautes Wore reden dorfften auß Furcht
fuͤr denen vorgedachten raͤuberiſchen Tuͤrcken/ damit ſie uns
nicht hoͤren und nachſtellen ſolten.


DasIII. Capitul.


Von einem ſchweren See-Sturm/ worinnen
wir bey nahe verdorben weren.


DJe Fortun aber und Ungeſtuͤhm belangende/ die uns in
ietztgedachten Hafen genoͤthiget/ hat ſich dieſelbe albe-
reits den 6. Sept. gegen Abend ziemlich ſtarck angehal-
ten. Nach dem aber die Booßgeſellen ſampt andern dem Schif
zugeordneten auß dem Gewitter eine groſſe Ungeſtuͤhm auff
bevorſtehende Nacht vermercket/ haben ſie ſich aufs Meer
hinauß zu begeben nicht rathſam befunden/ ſind demnach auf
Bitte der Paſſagiers zum Schiff-Capitain gangen/ jhm gegen-
wertige und ie laͤnger ie mehr zunehmende Gefahr der allge-
mach hereinfallenden Fortun angezeiget/ zugleich bittende/ den
noch alda ietzo in ſeiner Macht habenden Port einzunehmen
und mit dem Schiffe bey zeit einzulauffen/ damit die vor Au-
gen ſchwebende Leibs- und Lebens-Gefahr und aller im Schiff
habenden Guͤther verhuͤtet werdenmoͤgte.


Weil aber ſolche treue Warnung ſtat nicht finden moͤgen/
in dem der Capitain fuͤrwendete/ es wuͤrde dahin nicht kom-
men/ haben wir nach Verlaſſung deß guthen Ports unſern
Curs fortnehmen muͤſſen: Seynd alſo mit groſſem von denen
Booßgeſellen wegen deß auch hernach alſo erfolgten groſſen
Sturms
[25]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Sturms eingejagten Schrecken im Namen Gottes mit eife-
rigem Gebeth fortgeſeglet und haben uns in ſchneller Eil weit
von dem Port gefernet und nunmehr ohn einige menſchliche
Mittel allein in Gottes Gewalt geſtanden.


Als nun die Nacht eingebrochen und die ſtarcken Winde/
wie gemeiniglich zu Nachts am meiſten zugeſchehen pfleget/
aufgeſtanden/ auch es gantz dickfinſter worden und ein ſtar-
cker Regen noch darzu mit eingefallen/ nebenſt unauf hoͤrlichen
Donnern und Plitzen/ iſt erſt die vorhin prophezeyete und in
Wind geſchlagene Ungeſtuͤm mit Macht herein gebrochen/ hat
das Schiff von einer Seiten zur andern/ bald uͤber/ bald un-
terſich mit grauſamer Gewalt geworffen. Weilen wir aber zu
dem vorhin verlaſſenen Port nunmehr unmuͤglich wieder ge-
langen koͤnnen/ wie ſehr der Capitain darnach gewuͤnſchet/ ha-
ben wir uns drein ergeben/ fleiſſig gebethet und alles Gott und
ſeiner Barmhertzigkeit anheim geſtellet.


Zwiſchen 11. und 12. Uhr in der Nacht iſt der Sturm der-
maſſen hefftig worden/ daß auch/ weilen die Segel wegen deß
uͤberauß ſtarcken Windes ſo geſchwinde nicht herab genom-
men werden koͤnnen/ der Wind den Hauptmaſtbaum oben her-
ab/ iedoch zu unſerm groſſen Gluͤck/ ins Meer geſchlagen/ daß
er das Schiff nicht beruͤhret/ da denn erſt Lachen zuverbeiſſen
war. Dann in dem wir in ſolchem groſſen windigen/ regenhaf-
ten finſtern Sturm-Wetter auf dem Meer durch die noch
ſtets zunehmende Ungeſtuͤhm in Ermangelung unſers Maſt-
baums mit dem Schiffe bald unter/ bald uͤber ſich geworffen
wurden/ daß auch das Schiff von denen hefftigen und ſchreck-
lichen Erſchitterungen der Meeres-Wellen/ welche nit anders
als hohe Berge von ferne auf das Schiff daher waltzeten/ uͤber
alle maſſe gekrachet und geknacket/ haben wir anders nicht ver-
meinet/ als daß es dieſen Augenblick zu Truͤm̃ern gehen wuͤr-
D 2de
[26]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
de und wir ſammt Schiff und Guͤthern in der finſtern Nacht
im Meer verderben muͤſten.


Bald iſt das Schiff auf die Seite geſchlagen/ daß alle
Keſten/ Laden und was drinnen geweſen/ uͤbern Hauffen gele-
gen/ welches denn ein ſolches Krachen und Prauſen verurſa-
chet/ daß man ſich allein daruͤber gnugſam entſetzen muſte/
wenn gleich ſonſt keine Ungeſtuͤhm/ noch einige andere Gefahr
waren verhanden geweſen.


Jm Schiffe hat man weder ſtehen noch gehen koͤnnen/
auf den Lagern aber ſind wir dermaſſen herum geworffen
worden/ daß uns Hoͤren und Sehen vergangen und in War-
heit kein anders Außſehen da war/ als daß uns die Wellen/ die
bereits an allen Orthen mit groſſem Grauſen und Brauſen zu
uns eingeſchlagen/ lebendig verſencken uñ ertraͤncken wuͤrden:
Und iſt uns alſo dieſe einige Nachtlaͤnger/ als ſonſt eine gantze
Woche/ vorkommen/ mit unzaͤhlichen Wuͤnſchen nach dem An-
bruche deß lieben Tages.


Jn dieſem grauſamen See-Sturm ſind gleichwol zwey
Venetianiſche Schiffe/ ſo mit uns von Venedig außgelauf-
fen/ wiewol uns vorkommen/ verdorben/ eins/ ſo zu Druͤm-
mern gangen/ das andere/ ſo verſuncken/ dahero wir Gott
nit gnugſam zu dancken gehabt/ daß er uns allein ſo gnaͤdig-
lich erhalten und auß ſo augenſcheinlicher Todes-Gefahr dar-
von geholffen. Deñ da war wohl recht Lachen zuverbeiſſen und
muͤſte ein ieder/ der mit auf dem Schiffe war/ den gemeinen
Teutſchen Rheim laſſen waar ſeyn/ da man zu ſagen pfleget:


Wer nicht fleiſſig bethen kan/

Der werde nur ein Schiffmann.

Das
[27]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasIV.Capitul.


Von unſerm Aufbruch und Fortzug von
Caſtello Novo.


ZU Caſtello Novo haben wir uns/ wie oben gedacht/ im Port
9. Tage aufgehalten/ von welchem ohngefaͤhr in die 18. wel-
ſche Meilen abgelegen 1. die Stadt Cataro, ſo an dem Scla-
voniſchen/ oder Dalmatiſchen Ufer gelegen und von Natur
feſt iſt/ weil man ihr um der vielen Berge/ rauhen Wege und
engen Clauſen zu Lande nicht beykommen kan. Jſt ſonſt
denen Venetianern zuſtaͤndig/ wie auch 2. die Stadt Ra-
puſa,
welche zwantzig Welſche Meilen von gedachtem
Caſtello Novo gelegen. Dieſe Stadt hat ein freyes Regiment.
Weil aber ihre Macht nicht groß gnug/ ſo muͤſſen ſie es mit den
Nachbarn halten/ und ſonderlich dem Tuͤrcken jaͤhrlich 14000.
Ducaten Tribut bezahlen. An ſich ſelber iſt ſie zwar Volckreich/
ob ſie gleich ſo gar uͤbrig groß nicht iſt. Auſſer der Stadt liegt
das Schloß/ S. Laurentij genannt/ welches feſt und nicht groß/
aber ſehr bequem zur Gegenwehr iſt/ dabey es auch gegen
Auffgang einen bequemen Fort hat. Bey dem Caſtell auf der
andern Seiten iſt ein Bergen an welchem unten die Stadt ge-
legen/ nicht weit vom Meer und gar an einem luſtigen Orth.
Es gibt viel Spring Brunnen denn die von den Bergen herab
kommen. Jhre Sprach iſt Sclavoniſch/ ſie reden aber alle
auch Jtalieniſch.


Nach dem nun unſer Schiff wieder ergaͤntzet und fertig
war/ auch wir uns mit Nothdurfft zur Reiſe wider verſehen/
ſind wir den 16ten Sept. mit ſehr guthem Winde wieder auß-
gelauffen und den 17. Sept. vorbey geſegelt 3. bey der Jnſul Cor-
fu,
die bey dem alten Griechiſchen Poëten Homero ſehr beruͤhmt
geweſen.

D 3Die
[28]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Die Hauptſtadt auf dieſer Jnſul heiſt auch Corfu; iſt ſehr
feſte und hat drey Caſtell/ deren zwey gegen einander/ das eine
auff einen ſehr hohen ſpitzigen Berge/ das andere aber etwas
niedriger gelegen/ und das dritte liegt unten am Meer/ und
ſind alle denen Venetianern zuſtaͤndig. Das Land iſt ſehr
fruchtbar und findet man gantze Waͤlder von Pomerantzen/
Zitronen und Granataͤpfeln drinnen/ Wein und Baumoͤhl
Honig und Wachs iſt die Menge da/ wie auch kein Mangel an
Getreide iſt. Keine Raubthierer gibts nicht/ aber ſonſt aller-
hand gut Wildpert.


Den 18 den und 19. Sept. haben wir ſtets guthen Wind
gehabt/ biß wir den 20ſten um den Mittag gluͤcklich erreichet
4. die Jnſul Zante und in derſelben Stadt auch Zante genant/
angelendet.


Gedachten 18. Sept. aber ſind wir zwiſchen ſechs groſſen
Steinklippen/ mitten im Meer liegend/ mit groſſer Furcht und
Gefahr gar nahe hindurch geſegelt/ unter welchen einer Vanus
genannt zur rechten Albaniæ den Venetianern gehoͤrig/ wird
von Griechen bewohnet und iſt gar groß. An dieſem Felſen iſt
manch Engliſch- und Hollaͤndiſch Schiff zu ſcheitern gangen/
die der Wind da angetrieben hat: Dahero wir im vorbey Se-
geln groſſe Vorſichtigkeit gebrauchen und das Schiff mit al-
lem Fleiß guberniren muͤſſen/ damit es uns nicht auch ungluͤck-
lich gehen ſollen. Es erbauet dieſer Berg oder Felß auch et-
was an Oehl und Getreydig/ die andern 5. Klippen haben wir
auf der lincken Hand/ wiewol gar ſehr nahe/ gelaſſen.


DasV. Capitul.


Von dem Gebrauch der Contumaciæ.


ALs wir nun zu Zante im Port eingelauffen/ haben wir da-
ſelbſt vier groſſe Hollaͤndiſche Schiffe mit Soldaten/ wel-
che
[29]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
che denen Venetianern zu kommen/ angetroffen/ ſeynd in
die 2000. Mann geweſen. Es hat ſie aber die Stadt Zante
ohne Contumacia nicht einnehmen wollen/ weil ſie dazumahl
der Peſt halber in Furcht geſtanden. Es hat aber mit dieſer
Gewohnheit/ Contumacia genannt/ ſolche Bewantniß und
Beſchaffenheit.


Contumaciam machen iſt ſo viel/ als auff eine gewiſſe Zeit
ſich der Stadt/ oder eines Orths/ dahin man begehret/ ent-
halten: Und geſchicht bißweilen wol von 20. biß auff 30. Tage.
Da hat man gewiſſe Haͤuſer/ wo vornehme Handelsſtaͤdte/
gebauet/ worinnen ſolche Contumacirer eingeſperret und wie
im Arreſt/ biß zu Außgang der geſetzten Tage ſitzen muͤſſen.
Wo aber keine ſolche Haͤuſer/ kan man ſich die Zeit uͤber auf ſei-
nem Schiffe enthalten. So bald ſie nun vermeinen/ daß ein
Schiff von verdaͤchtigen Orthen wegen der Peſte ohne Fede
oder Teſtimonio von dem Orth/ davon es abgeſegelt/ ertheilet/
anlanget/ muß es ſich beſagter maſſen auf eine Zeit/ ſo nach
Gelegenheit der Umbſtaͤnde/ darzu beſtimmet/ deß Orthes
entaͤuſſern.


Als wir nun in die Stadt kommen/ ſeind wir von einer
darzu beſtellten Perſon in eine Griechiſche Kirche gefuͤhret
worden/ allda wir unſer Gebeth ein jeglicher ſeiner Religion
nach/ zu Gott fuͤr geleiſteten gnaͤdigen Schutz auf dem wilden
Meer inbruͤnſtig abgeleget und gedancket.


DasVI. Capitul.


Von der Beſchreibung der Jnſul und Stadt Zan-
te,
oder Zacynth@, wie ſie auch pflegt
genennet zu werden.


DJe Jnſul Zante, iſt ungefaͤhr 600. Jtalieniſche Meilen
umfangen und liegt Achaja und Cephalonia zwiſchen inne.
Die
[30]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Die Stadt hat den Namen von der Jnſul: iſt nicht ſonderlich
groß und liegt nach der Laͤnge am Meer/ iſt von den Tuͤrcken
etliche mal abgebrannt und zerſtoͤret/ jedoch immer wieder er-
bauet und bey Macht erhalten worden. Sie hat uͤber dreiſſig
Griechiſche Kirchen und zwey Catholiſche/ und iſt Volckreich.
Die Jnnwohner ſind mit Gewehr wol verſehen/ auch bauet
es allda ſehr guthen und ſtarcken Griechiſchen Wein/ welcher/
wenn er geraͤth/ in die 18000. groſſe Vaſſe giebet. Die Oehlbaͤu-
me/ wenn ſie wol zuſchlagen/ koͤnnen in die 13000. Vaß Oehl
einbringen. Die kleinen Roſinen ſind Haͤuffig zu finden/ daß/
ſo ein guth fruchtbar Jahr iſt/ zehen Engliſche Schiffe ein Jahr
lang alda koͤnnen beladen werden/ von Korn/ aber Vieh und
andern Sachen/ was ſie beduͤrffen/ koͤmmt ihnen auß Tuͤr-
ckey gnugſam zu.


Jm Caſtell/ ſo auf einem hohen Berge gelegen und
1200. kleine Haͤuſerlein begreifft/ ſind 150. Soldaten/ wiewol ih-
rer ſonſt von rechtswegen 300. ſein ſollen. Und weil das Caſtell
hoch liegt/ kan man ſehr weit in die Jnſul hinein ſehen. Dieſelbe
iſt ſchoͤn eben und unten voller Oelbaͤume und kleiner Roſinen-
Straͤucher/ auch ſind in der Veſtung uͤber 70. Stuͤck Ge-
ſchuͤtz. Oben ſind mehr Catholiſche/ als Criechiſche Kirchen/
und/ wie man mich berichtet/ uͤber 20. Catholiſche ſammt den
Capellen und 8. Griechiſche. Sonſten ſollen ſich auf der gantzen
Jnſulin 14000. wolbewehrter Mann befinden und geſchehen
jaͤhrlich zu Herbſtzeiten erſchroͤckliche Erdbeben drauf/ wie
denn zu meiner Zeit/ als ich drauff geweſen/ drey langwaͤrende
grauſame Erdbeben entſtanden/ daß ich anders nicht gemei-
net/ als daß die gantze Stadt untergehen ſolte/ maſſen denn
das Hauß/ darinnen ich logiret/ ſich hefftig erſchuͤttert/ daß
ich nicht zu bleiben gewuſt fuͤr Angſt und Schroͤcken. Der
Wirth aber hat mir geſagt/ ſie weren deß all gewohnt/ weils
alle
[31]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
weils alle Jahr geſchehe und niemals auſſen bliebe. Auch bin
ich berichtet worden/ es pflege alda gar ſelten zu regenen/ wenn
es aber anhuͤbe/ ſo regene es oft gantzer vier Wochen aneinan-
der. Die Hitze iſt uͤber auß groß/ daß die Jnwohner nicht zu
bleiben wiſſen/ wie es denn keinen ſonderlichen Winter gibt und
mehr Regen als Schnee faͤllet.


DasVII. Capitul.


Von unſerer Fortreiſe von Zante und was un-
terwegens mit vorgelauffen-


GEgen dieſer Jnſul Zante uͤber haben wir geſehen 1. More-
am
und 2. Caſtellum Porneſo. Den 28ſten Sept. aber ſind
wir mit ziemlichen Winde von dannen auffgebrochen/
haben den 29ſten Moream auf der lincken Hand gelaſſen/ wo-
ſelbſt zwey Caſtell Nuovo l’uno Vecchio, l’altro Xlaverino detto
zu ſehen.


Morea (alſo wird ietzt genennet die Jnſul Peloponneſus)
iſt ein feſte Land und keine Jnſul zwiſchen dem Joniſchen und
Egeiſchen Meer inne gelegen/ ietzo dem Tuͤrcken gehoͤrig und
iſt zehen Tagereiſen im Umkreiße groß. Jn dieſem Land ſind
gelegen die vor deſſen zun Zeiten der heiligen Apoſtel und ihrer
reinen Nachfolger beruͤhmten Staͤdte 3. Corinthus. 4. Lace-
dæmon,
ſo auch Sparta genennet worden und 5. Athen, iſt uͤber-
auß fruchtbar an Korn/ Oel/ Seide/ Wein/ und Vieh/ wel-
ches man in groſſer Menge drinnen findet. Dieſes Land war
vordeſſen der allerbeſte Theil Griechenlandes und hatte/ wie
ietzt gedacht/ die allerberuͤhmteſten Staͤdte und Republicen,
ſind aber ietzt alle gefallen und von dem Tuͤrcken zerſtoͤret wor-
den/ wiewols dennoch mehr bewohnet iſt/ als andere Orthe in
Griechenland.


EDen
[32]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 30. Sept. haben wir den Berg 6. bey Corinthus, da-
hin S. Paulus zwey Epiſteln geſchrieben/ geſehen und haben
an dieſem Orthe nicht geringe Gefahr wegen der Meer-Raͤu-
ber gehabt/ wiewol uns der Allerhoͤchſte noch in Gnaden
durchgeholffen/ denn eben dieſe Nacht/ als wir auß dem Port
von Zante auffgebrochen/ haben drey Engliſche Schiffe/ deren
eins nacher Venedig/ das andere nach Conſtantinopel/ das
dritte aber in die Jnſul Cypern ſegeln wollen/ mit zwey groſſen
Tuͤrckiſchen Meerraͤuberiſchen Schiffen hart geſchlagen/ ie-
doch haben nach langem Gefechte die Engliſchen die Oberhand
behalten und ſind gluͤcklich davon kommen/ welches zwiſchen
dem Caſtell Cerigo und Xlaverino geſchehen.


Den 1. Octobr. ſt.n. haben wir unſern Curs nach Cerigo
auß Furcht der Curſaren zunehmen wollen/ haben aber wegen
Contrari Windes darzu nicht gelangen koͤnnen und alſo zwey
Tage und drey Nachte mit groſſer Furcht und Gefahr zuge-
bracht. Denn indem wir uns nicht wenig geaͤngſtet/ wie wir
den Tuͤrckiſchen Seeraͤubern entkommen mōgten und uns das
Schiff zu foͤrdern gemartert/ ſind wir den z. Octobr. fruͤh
Morgens von einem unverbofften ploͤtzlichen Sturmwind auf
einen im Meer liegenden ſehr hohen Steinfelſen/ Civo duro ge-
nannt nahe am Caſtell auf die rechte Hand mit ſolcher Hefftig-
keit zweymal aneinander zugetrieben worden/ daß wir anders
nicht vermeinet/ als daß uns die Macht deß Windes/ welche
uns ſtets der Klippen zugetrieben/ dieſen Augenblick an
den Felſen ſchlagen und wir elendiglich wuͤrden untergehen
muͤſſen/ ſintemal uns die Strenge deß Windes nicht zulaſſen
wolte/ die Segel/ ſo voller Wind/ ſo bald/ als von noͤthen war/
zurichten/ gleichwol aber das Schiff/ als ein Pfeil/ in deß den
Felſen zuſchoſſe/ worbey ich mir denn ſchon vorgenommen/ der
Augenſcheinlichen Gefahr zuentwerden/ da das Schiff wie-
der
[33]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
der die Klippen lauffen wuͤrde/ daß ich einen Sprung nach
dem Felſen wagen wolte.


Wir haben uns einen gantzen Tag biß in die Nacht hinein
um das Caſtell herumb gedrehet und doch unmuͤglich ankom-
men koͤnnen. Einmahl ſchlug die Ungeſtuͤhm das Schiff der-
maſſen auf die rechte Seite/ daß es bereits Waſſer zu ſchoͤpffen
anfing und wir nit anders vermeinet/ als daß es ietzt zu grun-
de gehen wuͤrde/ dahero deß lamentirens/ Furcht und Schre-
ckens im Schiffe kein Ende war.


Den 4ten Octobr. haben wir ein wenig beſſern Wind ge-
habt und den 5. dito 7. Malvaſiam zur lincken Hand vorbey ge-
ſegelt. Jſt ein Caſtell wiewol nicht groß und iſt auch noch in Mo-
rea
oder peloponneſo gelegen und den Tuͤrcken zuſtaͤndig. Alda
wurden wir umb dieſe Gegend zwey Galeen und zwoͤlff Schiffe
von weitem anſichtig/ die uns nicht wenig Schrecken verur-
ſacheten/ weil wir vermeinet/ es der Tuͤrckiſchen Curſaren Ar-
mada ſeyn werde. Und weil die zwey Galeen auf uns zulieffen/
giengen wir zu Rathe/ welcher Geſtalt wir ihnen aufs beſte/ ſo
muͤglich/ begegnen moͤgten/ ſind aber endlich vorbey gangen
und haben uns die andern Schiffe/ welche Griechen waren/
auf unſer freundliches Nachfragen nicht berichten koͤnnen/
wer ſie geweſen/ biß wir endlich erfahren/ daß es Maltheſer
Galeern geweſen/ wiewol wir doch deſſen gleichwol keinen gar
gewiſſen Grund gehabt.


Zur rechten Hand haben wir gar nahe erſehen die Jnſu-
len 8. Mafrocaraſia, 9. Antimilo und 10. Milo, zur lincken Hand
aber 11. einen groſſen Steinfelſen im Meere/ welcher eine Jn-
ſuliſt und Falconera genant/ aber nicht bewohnet wird/ wie
auch ſonſt viel andere Jnſulen mehr umb dieſe Gegend unbe-
wohnt liegen. Von Malvaſia liegt Lacedæmonia zwey kleine
Tagreiſen zu Lande. Milo iſt vor Zeiten Melos genennet wor-
E 2den
[34]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
den und hat ein hohes Ufer/ ſo uͤber das Waſſer gehet gegen
das Vorgebuͤrge Malea in Poloponneſo und iſt dieſe Jnſul faſt
rund und umgriffen in die 24. Franzoͤſiſche Meilen. Sie hat
gar einen Fetten fruchtbarn Boden/ da das Korn und ſonder-
lich der Weitzen in 40. oder manchmal wenig Tagen druͤber zu
vollkommener Hoͤhe koͤmmet und hernach kurtz drauf ge-
ſchn dten werden kan. Sie gibt auch Oel und Wein/ Silber
und @den beſten Schwefel/ als an einem Orthe gefunden werden
mag.


Die Jnſul Cerigo, welche ſonſten fruchtbar und denen
Venetianern zuſtaͤndig iſt/ hat in die zwantzig Doͤrffer und ein
Caſtell/ wird von Griechen bewohnet und iſt bey ſolchem Ca-
ſtell gar ein gefaͤhrlicher Hafen. Denn ſo ein Ungeſtuͤhm auff
dem Meer entſtehet/ ſind die Schiffe wegen der Felſen in dem-
ſelben in groſſer Gefahr.


Von der Jnſul Zante biß Cerigo rechnet man 300. Jta-
lieniſche Meilen: Und iſt vielleicht unſer groß Gluͤck geweſen/
daß wir die zwey Tage uͤber in ſolchen Port bey dem Caſtell
Cerigo nicht einkommen koͤnnen/ wegen deß damahls geweſe-
nen Sturmwindes und Ungeſtuͤhme deß Meeres/ indem uns
dadurch leicht ein groſſer Schade erwachſen koͤnnen/ der uns
aufreiben ſollen/ da wir vermeinet am ſicherſten zu ſeyn.


Den 4. Oct. Morgens fruͤh/ weil gleich damahls der Tag
S. Franciſci war/ ſeind ihm zu Ehren drey Stuͤck geloͤſet worden
auf unſerm Schiffe/ damit/ der Meinung nach/ durch ſeine in-
terceſſion
wir beſſern Wind erlangen moͤgtẽ/ wie denn auch ge-
ſchehen. Den 6. Oct. haben wir guhten Wind gehabt und ha-
ben im vorbey Segeln zur lincken Hand geſehen 12. Romaſniam,
auf der Rechten aber/ wiewol von ferne die Jnſulen 13. Cervo,
14. Termia, 15. Sia, 16. Silia, 17. Sonſuſa, 18. Diſchir,
und 19. Tol-
buro.
Werden von Griechen/ der Tuͤrcken Unterthanen/ be-
wohnet/
[35]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
wohnet/ ſind ziemlich groß und bauen Getreydig. Termia aber
hat um und um 45. Jtalieniſche Meilen und gibt guth Volck
darinnen. Zur lincken Hand haben wir auch unter andern ge-
ſehen 20. Napolun, welches eine Stadt iſt in Griechenland ge-
legen.


Den 7. Oct. haben wir Vormittage guthen Wind ge-
habt und ſind gegen Abend/ wiewol mit ſchlechtem Winde/ in
Port der Jnſul Termia eingelauffen/ daſelbſt uns wieder mit
friſchen Waſſer zuverſehen/ weil uns unſer Waſſer faſt ſtin-
ckend werden wollen.


Dieſe Jnſul hat drey Doͤrffer und iſt ſonſt von hohem
Gebuͤrge und weitlaͤufftig/ und der Hafen derſelben iſt uͤber-
auß guth/ um und um mit Gebuͤrge zu beſſerer Gewahrſam
der Schiffe von Natur verſehen.


Allhier haben wir auch dieſen Tag geſehen 21. die Ge-
gend/ da vordeſſen Athen, die beruͤhmſte Stadt und Haupt-
ſtadt in Griechenland geſtanden/ von Termia ungefaͤhr acht
und zwantzig Teutſche Meilen/ welche wir auf der lincken
Hand gelaſſen.


Den 8. Oct. ſind wir auß dieſem Port wieder aufgebro-
chen/ als wir uns zu Fortſtellung unſerer Reiſe mit friſchem
Waſſer und andern nothwendigen Dingen verſehen und ſind
den 9. Oct. die Jnſuln 22. S. Andreæ zur Rechten und 23. Nigro-
ponto
zur Lincken nahe vorbey pasſiret, und den 10. dito 24. die
groſſe Jnſul Scio, ſo Tuͤrckiſch/ die Jnſul S. Andreæ liegt im Ein-
ſtreich deß Meers Marede Marmora, welches vor Alters Pro-
pontis,
das iſt/ das Vor-Meer genennet worden/ weil Con-
ſtantinopel dahinter liegt. Gehoͤret den Tuͤrcken zu/ wie auch
gantz Griechenland/ dahero auch alle der weiſſe Wein/ ſo
drauff erbauet wird/ gen Conſtantinopel gelieffert werden
E 3muß
[36]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
muß/ und iſt dieſe Jnſul meiſt von Griechen und wenigen Tuͤr-
cken bewohnt.


Nigroponto, welche die Tuͤrcken Egripos heiſſen/ hat vor-
deſſen Eubæa geheiſſen. Jſt eine vortreffliche Jnſul in Archipe-
lago.
Die Hauptſtadt darinnen iſt geweſen Chalcis, wird aber
ietzt auch genennet/ wie die Jnſul ſelbſt und liegt gantz eben/
das Land iſt an ſich ſelber gar fruchtbar und hat keinen Man-
gel an allerhand nothduͤrfftigen Fruͤchten. Man hat mich fuͤr
gewiß berichtet/ daß man den Amiantſtein drinnen finde/ wel-
cher ſo zubereitet werden kan/ als wenn er geſponnen were. Und
die Leinwat/ ſo dar von gewebt wird/ wird nicht gewaſchen/
wenn ſie unrein worden/ ſonderu wird ins Feuer geworffen
und dardurch geſaͤubert und wieder rein und ſchoͤn.


Scio, ſo auch Schio, oder Chius genennet wird/ iſt vordeſ-
ſen eine maͤchtige Jnſul in Archipelago geweſen/ von groſſem
Reichthum und einem loͤblichen Regiment/ iſt aber ietzt
ſchlecht beſtellt/ weil ſie der Tuͤrck unter ſeiner Macht hat/ wel-
che auſſer dem Biſchoff keinen Chriſten in der Stadt wohnen
laſſen. Derſelbe verrichtet den Gottesdienſt in ſeinem Hauſe.
Rephuͤner aber findet man gnug auf dieſer Jnſul/ denn viel
Leuthe drauff gefunden werden/ die nichts thun/ als Rephuͤ-
ner aufziehen/ wiewol das Land an ſich ſelber wegen ſeiner
Fruchtbarkeit nicht zu tadeln iſt/ denn da waͤchſt gar ein herr-
licher Malvaſir/ Pomerantzen ſo haͤuffig/ daß gantze Donnen
außgepreßtes Pomerantzen-Saffts daher kommen/ an Fei-
gen und andern Fruͤchten mangelts auch nicht/ ſonderlich
waͤchſt der Maſtix alda in groſſer Menge. Der Maſtix-Baum
iſt nicht hoch und groß/ bluͤhet faſt wie der Lerchenbaum und
wenn die Jnwohner den Maſtix haben wollen/ ſo ritzen ſie
die Rinde auf an demſelben/ ſo dringet er herauß/ als ein
Hartz: Und das thun ſie das Jahr uͤber gar vielmahl.


Wei-
[37]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Weiter haben wir auch geſehen 25. die Jnſul Ipſola, wel-
che nicht groß und von dem Tuͤrcken unterworffenen Griechen
bewohnet iſt.


Zur lincken Handwerts haben wir/ ſo feſte Land iſt/ und
keine Juſul/ liegen laſſen 26. Natoliam, welches in Aſia, dem an-
dern Theil der Welt gelegen und klein Aſia genennet wirde.
Jtem 27. Die Jnſul Mitylene nahe an Aſiam ſtoſſend/ oder
doch noch zu Europa gehoͤrend: Jtem 28. Carabarum, welches
auch feſte Land iſt/ in Aſia gelegen/ und habens von Scio zur
rechten Handwerts gelaſſen.


Dieſe verwichene Nacht haben wir Gefahr wegen deß
Golfi, ſo zu ſegeln gefaͤhrlich/ außgeſtanden/ wie wir denn fol-
gendes Tages groß Ungeſtuͤhm zwiſchen Scio und Natolia
nach Carabarum zu in Canal außgeſtanden/ indem das Schiff
faſt umgeſegelt were worden.


Den 11. Oct. haben wir wegen ſolcher groſſen Ungeſtuͤhm
auf dem Meer/ welches wir vorige Nacht durch Gottes gnaͤ-
dige Huͤlffe und Beyſtand uͤberſtanden/ wiewol nicht ſonder
groſſe Gefahr/ Vormittage in einem Port gar nahe unter
Natolia Ancker geſencket und ſind alſo nun dißmahl Gott lob in
Aſia angelanget/ welches wir geſtern zur lincken Hand hatten
im vorbey Seglen liegen laſſen.


Das dritte Buch.


Haͤlt in ſich eine Beſchreibung eines Theils vonAſia
und was darinnen zu ſehen und wir unſers Theils alda außge-
ſtanden/ auch wie wir weiter gen Conſtantinopel kommen
und was unterwegens geſehen und
er fahren worden.


Das Erſte Capitul.


Von einem abermahls außgeſtandenem ſchweren
See-Sturm.


Die
[38]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DJe Gegend umNatoliaiſt eine über alle maſſe
luſtige Gelegenheit/ alwo es von Oelbaͤumen/ Wein-
wachs und Ackerbau gleichſam lachet und iſt darne-
ben etwas Gebuͤrgig und das Land ſehr fruchtbar/ von dan-
nen man biß vollends nach Smirna rechnet 50 Meilen.


Gedachten 11. Oct. vier Stunden vor Abend hat uns in
dieſem Hafen ein ſolcher Sturm uͤberfallen/ daß wir anders
nicht gedacht/ als wir alle zu Grunde gehen wuͤrden/ wie denn
vor unſern Augen eine groſſe Barcke/ noch auſſer dem Hafen/
elendiglich untergangen/ daß war uns ein ſchlechtes Will-
kommen in Aſia.


Dieſen Sturmwind nennet man paraffski, welcher ein boͤ-
ſer und ſehr ſchaͤdlicher Wind iſt. Er erhebt ſich gehling und
wehet bald gemach/ bald reißt und tobet er dermaſſen/ als
wenn alles uͤbern Hauffen gehen ſolte/ weßwegen wir drey
Ancker werffen muͤſſen/ wiewol ſie Anfangs nicht eingreiffen
wollen/ ſo uns nicht wenig Furcht verurſachet Denn indem
das Schiff von einer Seiten zur andern ſchlug und die An-
cker nicht greiffen wolten/ beguͤnte der Schiff-Capitain ſelber
auch kleinlaut zuwerden/ welches uns unſere Furcht ziemlich
vermehrete. Zu unſerm Gluͤck aber waren die Maſtbaͤume oben
abgelaſſen/ ſonſt hette ſie leicht der ſtarcke Wind herunter ſchla-
gen und das Schiff damit zerſcheitern koͤnnen. Were ſonderlich
auch der Wind auß dem Meere auf uns geſtanden/ als er uns
vom Lande ins Meer anſtieß/ were unmuͤglich Rath geweſen/
daß er uns nicht haͤtte ans felſichte Land und zu ſcheitern getrie-
ben/ wie der Schiffleuthe Bericht nach an dieſem Orthe
manchmahl geſchehen/ weil ſich die Felſen vom Lande ziemlich
ins Meer ziehen.


Gott gab aber endlich ſeine Gnade/ daß die Ancker ein-
griffen
[39]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
griffen und das Schiff/ nach dem wir uns ſtatlich geaͤngſtiget
und gemartert hatten/ ſteiff anhielten/ daruͤber wir uns alle
im Schiffe hoͤchlich erfreuet und einer dem andern ſein außge-
ſtandenes Leid und furchtſame gehabte Gedancken den noch-
waͤhrenden Sturm uͤber offenbahret und erzehlet.


Dieſe Fortun und greulicher Sturm hatte biß auf den 13.
Oct. in die Nacht hefftig angehalten/ daß auch der Capitain
ſelbſt bekannt/ dergleichen Wind habe er/ ſo lange er zur See
gereiſet/ nicht gehabt. Es wiſſens aber die Seefahrende auf
ein genaues/ wenn ſich dieſer Wind will mercken laſſen/ weß-
wegen ſich dieſelben flugs bey Zeit fleiſſig in acht nehmen und
auf die Segel ein genaues Auge haben/ damit ſie dieſelben
herunter bringen und dem Winde die Gelegenheit zu toben
auß dem Wege raͤumen.


Den 13. Octobr. als in der Nacht der Sturm nachgelaſ-
ſen und wir beſorget/ der Wind moͤgte ſich wenden und unſere
Gefahr groͤſſer werden/ ſind wir im Namen Gottes auß dem
Hafen wieder in die See gangen und haben uns ſo den Tag
drauff mit ſchlechtem Winde behelffen muͤſſen/ iedoch gleich-
wol den 14 Octob. drauf/ Gottlob/ die Stadt Smyrna gluͤcklich
erreichet.


DasII. Capitul.


Von der uhralten Stadt Smyrna.


ES iſt dieſes Smyrna eine ſehr alte und beruͤhmte Stadt in
Aſia am Meer gelegen und zwar an einer ſehr luſtigen Ge-
gend/ wiewol ſie nicht ſo gar groß iſt.


Jn dieſer Stadt iſt deß heiligen Apoſtels und Evangeli-
ſten Johannis Juͤnger/ Polycarpus, wegen der eyfferigen Be-
kantnuͤß Chriſti mit der Crone der heiligen Maͤrtyrer gekroͤ-
Fnet
[40]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
net worden. Denn zun Zeiten deß heiligen Apoſtels Pauli war
an dieſem Orthe eine herrliche Kirche der Glaubigen/ welche
gedachter Polycarpus hernach mit ſeinem Maͤrtyrer-Todte ge-
ſtaͤrcket hat.


Es bauet an dieſem Orthe ein trefliches Getreyde/ daß
auch andere Laͤnder dahin kommen und ſich daſelbſt der Le-
bensnothdurft erholen/ maſſen denn eben dieſes Venetianiſche
Schiff/ darauf ich biß hieher gereiſet/ zu dem Ende allhero ge-
ſegelt war/ um Getreyde zu laden und abzuholen/ dem ich auch
deßwegen valediciren und mich nach anderer Gelegenheit/ wei-
ter fort zu kommen/ umthun muͤſſen. Habe mich von Hertzen
druͤber erfreuet/ in Betrachtung der auf ſolchem Schiff auß-
geſtandenen groſſen Gefahr/ welcher ich nun zugleich mit va-
ledicir
et.


Weiln ich aber flugs ein groß Engliſch Schiff im Ha-
fen antroffen/ welches nach Conſtantinopel gewolt/ habe ich
mich auch mit aufgedinget/ mir nothwendige Proviſion an
Huͤntern/ Wein/ Granataͤpffeln/ Lemonien und andern aufs
Meer dienliche Dinge geſchaffet und bin mit meinem Hollaͤn-
der den 17. Oct. Abends im Namen Gottes zu Schiffe gangen
und folgende Nacht mit abgefahren.


Von hier haben wir noch acht/ oder neun Tagereiſen vol-
lend biß gen Conſtantinopel zu ſegeln gehabt. Das Schiff aber
war ſehr wol außgeruͤſtet/ hatte uͤber dreyſſig groſſe Stuͤcke
ſammt anderer armatur von Mußqueten/ Helleparten/ Degen
und allerhand munition, deren man zu Schiffe benoͤthiget iſt.


DasIII. Capitul.


Von unſerm Aufbruch zu Smyrna und fernerer Reiſe zur
See biß gen Conſtantinopel/ ſampt denen mit beruͤhr-
ten Orthen.


Den
[41]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DEn 18.19. und 20. Oct. haben wir ſehr guthen Wind ge-
habt/ der uns auch ſo fort gefoͤrdert/ daß wir den 19.
flugs 1. die Jnſul auch Metlin und Mytilene, ſo vor Zeiten Lesbos
genennet worden/ erreichet/ iedoch zur lincken Hand gelaſſen/
uf der rechten Hand aber 2. die Jnſul Chio wieder ins Geſicht
bekommen/ Mitylene iſt an Fruchtbarkeit gar eine beruͤhmte
Jnſul/ ſonderlich gerathen da die Baͤumfruͤchte ſo wol/ als
ſonſt faſt an keinem Orthe/ der Wein gehet allen Griechiſchen
Weinen vor.


Den 20. Octob. ſind wir 3. die Jnſul Tenedos vorbey geſe-
gelt und 4. die Gegend der uhralten Stadt Troja in Aſia und
Griechenland cum montibus Idæ, denn gerade Tenedos gegen
uͤber/ in einer Kruͤmme deß Meeres iſt noch zu ſehen viel alt
zerfallen Gemaͤuer und wird fuͤr gewiß vorgegeben/ daß es die
Stadt Troja geweſen. Man ſihet in ſolchem Gemaͤuer noch
einen groſſen viereckichten Thurm und kan man daran gnug
abnehmen/ was Troja fuͤr eine herrliche Stadt muͤſſe geweſen
ſeyn/ zumahl dennoch hin und wieder Stuͤcken Mauren und
Thuͤrne von Marmel mit unter gefunden werden. Ohngefaͤhr
eine Stunde hiervon ſoll auch der Pallaſt deß Koͤnigs Priami
geſtanden haben in lauter ſchoͤnen Wieſen an einem Lorber-
baumwalde iſt aber nichts mehr davon zu ſehen als ein Haufen
zerbrochener ſchwartzer Marmel/ aufs fleiſſigſte poliret und
ſonſt viel zerbrochene Seulen uñ Bildwerck von Marmel/ ſind
alſo zwiſchen Aſia und Europa, den beiden Theilen der Welt/
deren das erſte zur lincken/ das andere zur rechten Hand blie-
ben/ gar nahe durchhin geſe gelt.


Obgedachten 20. Oct. iſt unſer Schiff nahe bey der Stadt
Callipoli in Helleſponto wegen Seuchte deß Waſſers auff den
Grund angeſtanden/ weßwegen es groſſe Muͤhe gekoſtet ſelbi-
F 2ges
[42]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ges wieder zu ruͤcke zu bringen und haben zu dem Ende vier An-
cker ſencken muͤſſen das Schiff zu ruͤcke zu ziehen/ daruͤber aber
von Mittag an/ da uns der Wind contrar worden/ biß in die
Nacht/ gantzer ſieben Stunden lang/ vollauf zu arbeiten ge-
habt.


Den 21. Oct. haben wir nur mit dem Schiffe hin und her
geſchwebet wegen wieder wertiges Windes und haben den/ ob
gleich nahe fuͤr uns habenden Hafen nicht erreichen koͤnnen/
biß den 22. Oct. da ſind wir endlich 5. zu Callipoli eingelauffen/
wiewol mit ſchlechtem Winde/ allwo wir uns wieder mit Pro-
viſion
und behoͤrender Nothdurft verſehen/ dieweil wir noch
170. Meilen biß nach Conſtantinopel hatten/ weßwegen wir
uns auch hier den 23. Oct. aufgebalten. Dieſes Callipoli liegt auf
dem Lande/ ſo heut zu Tage Sanct Georgen Arm genennet
wird/ iſt eine halbe Jnſul in den engen Fuhrt deß Meers/ Helle-
lpontus
genannt ſich erſtreckend Alhier iſt eine Uberfahrt auß
Europa in Aſiam, darum der Tuͤrcke ſo lang dahin getrachtet/
biß er ihm in ſeine Gewalt bekommen/ wie auch geſchehen An.
1363. und iſt diß der erſte Paß/ den er in Europa gewonnen hat.
Nunmehr hat ers gewaltig befeſtiget mit zween Dardanellen
und Schloͤſſern auf jeglicher Seite mit einem. Uber dieſem Hel-
leſpont,
ſchreiben die Poeten/ ſoll Leander oft zu ſeiner Buͤlerin/
Hero genannt/ geſchwummen ſeyn/ dieweil das Meer alda nur
etwann einer vierthel Meile breit iſt.


Den 24. nach dem der Wind wieder ftille worden/ haben
wir uns gegen Callipoli, welches wir doch ſchon etwas/ wiewol
mit ſchwerem Winde/ hinter uns gebracht/ wieder wenden
und zu Ancker legen muͤſſen/ ſeynd aber den 25. Oct. zu Mitter-
nacht mit guthem ſtarcken Winde wiederum außgelauffen
und den 26. Oct. darauſ 6. die Jnſul Marmoream auff der rech-
ten Hand nahe vorbey geſegelt/ von welcher Jnſul auch das
Meer
[43]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Meer an dieſem Orthe den Namen bekommen/ daß es Mare
Marmoreum
genennet wird. Dieſe Jnſul hat den Namen von
Marmel/ dieweils viel Marmel drauff gibt und darfuͤr gehal-
ten wird/ daß vorgedachtes Troja ſo praͤchtig wol hat koͤnnen
gebauet werden/ weil ſie den Marmel dahin auß dieſer Jnſul
kaum 10000. Schritte zu holen gehabt.


Den 27. Oct. ſind wir mit einem ſtarcken Contraren Win-
de/ im truͤben und ſtarcken Regenwetter umb den Mittag/
Gott lob/ gluͤcklich angelanget 7. zu Conſtantinopel/ wiewol
wir ſchon vergangene Nacht nicht weit davon geweſen/ nur
daß wir wegen Mangel deß Windes nit hinan kommen koͤnnen


Das Vierdte Buch.


Haͤlt in ſich eine Beſchreibung der Tuͤrckiſchen Keyſer-
lichen Reſidentz-Stadt Conſtantinopel und was daſelbſt in
Tuͤrckey herum durch Griechenland und Thracia hin und
her denckwuͤrdiges zu ſehen iſt.


Das Erſte Capitul.


Von unſerer Ankunfft zu Conſtantinopel und was dar-
bey vorgegangen.


NAch dem wir vns nun Conſtantinopel genahet
und ſonderlich an deß Tuͤrckiſchen Keyſers Burg zur
lincken Hand hingeſegelt/ ſind dem Tuͤrckiſchen Key-
ſer/ wie auch andern und ſonderlich einem daſelbſt befindlichen
groſſen Engliſchen Schiff/ zu Ehren dreyzehen Stuͤcke Geſchuͤtz
auf unſerm Schiffe geloͤſet worden.


Es hat uns aber ſolch Schiff im Port an unſerm Pandir
alsbald erkannt und hat uns fuͤr allen andern anweſenden
Schiffen mit mehreen Freudenſchuͤſſen beehret und freundlich
empfangen.


Conſtantinopel gegen uͤber liegt eine feine und ſehr luſti-
F 3ge
[44]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ge Stadt Gallata genannt/ dahin ein jeder im Schiffe ſeinen
Sinn gerichtet hatte um ſich daſelbſt zuerluſtigen/ welches ich
mir auch gefallen lieſſe/ damit ich allenthalben mich recht um-
ſehen und was dieſes Orths ſonderbar/ erfahren moͤgte.


Demnach verfuͤgten ſich alsbald/ wol in die zwantzig Pür-
me,
welches ſind Tuͤrckiſche Schifflein/ an unſer Schiff/ und
ward manches von einer/ zwey/ drey/ vier/ biß ſechs Perſo-
nen/ entweder Tuͤrcken Griechen/ oder armen Sclaven/ von
ihren Herren darzu angehalten/ mit Reemen regieret: die bo-
then ihre Dienſte an die angekommene Fremden/ ſammt ihren
Sachen/ ſo ein ieder bey ſich hatte/ uͤber Meer zu fuͤhren/ wel-
cher Gelegenheit auch ich mich bedienet und bin alſo hinuͤber
nach Gallata gefahren.


DasII.Capitul.


Von der Stadt Gallata und wie daſelbſt zu leben
ſey/ ſo auch Pera genennet wird.


DJe Stadt Gallata iſt zwar nicht gar ſchoͤn und praͤchtig/
aber ſie liegt uͤber alle maſſe luſtig und recht in einer
Schmaltzgrube/ da man alles was zum delicaten Leben von
noͤthen/ gar umb einen guthen Preiß haben kan/ ſo ſchoͤn als
Conſtantinopel/ an Gebaͤuen/ ob ſie gleich nit ſo groß iſt/ weil
ſie meiſten theils vor Alters von Genueſern erbauet worden.
Sie hat eine Ringmauer umher/ ſo wol am Lande/ als gegen
das Waſſer und halten ſich da die meiſten Kauffleuthe von J-
talienern/ Franzoſen/ Engellaͤndern/ Niederlaͤndern/ Tuͤr-
cken/ Juden/ und Griechen auf/ auch wohnen allhier die Am-
baſſadeur
ietzt erzehlter außlaͤndiſchen Chriſtlichen Kaufleuthe
und zwar an einem ſonderlichen Orte Pera genannt/ weßwegen
denn auch die gantze Stadt pflegt alſo genennt zu werden. Deß
Roͤmiſ. Keyſers Reſident aber hat ſeine Wohnung zu Conſtan-
tinopel gemeiniglich am Meer.


Es
[45]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Es haben auch die Catholiſche etliche Kirchen in Gallata
unter welchen S. Franciſci Kirche die groͤſte und ſchoͤneſte iſt.


Jch hatte mein Quartier bey einem Franzoͤſiſchen Pa-
ſteten Koch genommen/ biß mir ein Grieche durch meinen Nie-
derlaͤnder ein eigen Hauß zugemuͤthet/ ieden Tag davon zu ge-
ben 6. Aſper/ ſo ungefaͤhr nach unſerer Muͤntze auf 2. Groſchen
koͤm̃et/ maſſen man an dieſem Orthe ein gantz Hauß mit etzli-
chen Zimmern/ wiewol ſchlecht/ um ein Geringes haben kan.
Das meinige hatte drey Kammern/ drey Camin und zwey
Vorhaͤuſer/ darneben aber auch einen uͤberauß ſchoͤnen Pro-
ſpect
und Außſicht in der Hoͤhe aufs ſchwartze Meer zwiſchen
Europa und Aſia und weiſete an deß Tuͤrckiſchen Keyſers Pal-
laſt hinauß/ wie auch ein groß Theil der Stadt Conſtantino-
pel und das Aſiatiſche Gebuͤrge/ an welchem unten am Meer
viel ſchoͤne Gaͤrten zu ſehen ſind. Da kan man von Gallata auß
in ſehr ſchoͤnen und luſtigen Orthen voller Cypreſſen Baͤume
am ſchwartzen Meer weit hinauf ſpatziren zu Land und auf dem
Meer. Da gibts allerhand ſchoͤne Gaͤrten/ in welchen die
Roßmarie Manns hoch waͤchſet/ wird aber nur fuͤr wild Ge-
ſtraͤuche und nichts geachtet.


Sonderlich iſt uns ein Garte am ſchwartzen Meer und
darinnen ein uhraltes von auſſen gantz mit Graß uͤberwachſe-
nes Gewoͤlbe in dicken Straͤuchern von unſern Janitſcharen
gezeiget worden/ darinnen die Siebenſchlaͤffer ſollen gelegen
ſein und muß man durch ein enges Loch hinein kriechen. Und
wenn man hinein koͤmt/ ſo iſts gantz finſter und ſind ſieben un-
terſchiedene Winckel darinnen. Jch meines theils halte aber
vielmehr dafuͤr/ daß vor deſſen ein Einſiedler drinnen ge-
wohnet.


Nach dem ich nun uͤber 8. Tage bey dieſem Franzoͤſiſchen
Paſtetẽ Koche gelegen und viel Geld anworden/ habe ich dieſes
Orths
[46]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Orths Gebrauch nach einen eigenen Koch umb ein Geringes
durch meinen Niederlaͤnder angenommen und habe alſo viel
um ein leichters/ als im Wirthshauſe/ auß kommen koͤnnen/ ob
ich gleich neben mir zwey Perſonen zu unterhalten gehabt/
denn die victualien gar umb einen leidlichen Werth zubekom-
men ſind und gilt die Occa Rindfleiſch/ welches an unſerm Ge-
wichte kommt auf anderthalb Pfund/ 3. Aſper/ die machen ei-
nen Groſchen. Ein Occa Weins/ ſo groß maß/ welcher uͤber-
auß guth/ ſuͤſſe und ſtarck iſt/ gilt 6. biß 8. Aſper das Brodt iſt
auch ſehr guthes Kauffs: Fiſche und allerhand edle Fruͤchte
von Lemonen/ Zitronen/ Pomerantzen/ Granataͤpffeln/ Fei-
gen/ Zwibeben und was man ſonſt erdencken kan/ alles ſehr
wolfeil/ daruͤber ich mich zum allerhoͤchſten verwundern muͤſ-
ſen. Von Auſtern kan man das hundert fuͤr 6. Aſper haben/
da in der Chriſtenheit/ ſonderlich wo Hofſtadten ſind/ das
hundert wol umb 6. biß 8. fl. bezahlet werden muß.


DasIII.Capitul.


Von Beſchreibung der Tuͤrckiſchen Keyſerlichen
Reſidentz. Conſtantinopel.


ZWar weil andere die Geſtalt und Gelegenheit dieſer Stadt
auch beſchrie ben/ will ich mich der Kuͤrtze befleiſſen und nur
in den vornembſten Stuͤcken Meldung thun/ wie ichs vor
meine Perſon befunden und angetroffen.


Es iſt dieſe Stadt Conſtantinopel vor Zeiten Byſanz geneñet
worden/ von ihremerſten Grundleger Byzas genannt/ Keyſer
Conſtantinus aber hat ſie hernach zu ſeiner Zeit erhoben und
faſt gantz neu erbauet/ dahero er auch aldahin ſeine Hofhal-
tung gelegt und ſie nach ſeinem Namen Conſtantinopel genen-
net. Die Tuͤrcken nennen ſie heute zu Tage Stampo Ida. Das
Land
[47]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Land daherum iſt vordeſſen Thracia genennet worden/ ietzt a-
ber heißts die Romaney. Es iſt aber diß Conſtantinopel uͤber-
auß groß und wie man gewiß dafuͤr haͤlt/ hat ſie in ihrem Um-
ſchweiff uͤber 15. Jtalieniſche Meilen/ welches ich nicht widerre-
de/ ſintemahlich die gantze Stadt/ ſo zu Lande/ als auff dem
Meer umreiſet/ an Menſchen ſchaͤtzt man ſie in die acht mahl
hundert tauſend ſtarck. Sie liegt in der Geſtalt einer Triangul
in drey Spitzen/ oder Winckel eingetheilet/ der eine bey deß Tuͤr-
ckiſchen Keyſers Pallaſt/ da gleich gegen uͤber Pontus Euxinus,
oder das ſchwartze Meer zwiſchen Europa und Aſia ſtarck herein
fleußt und in das weiſſe Meer faͤllet; der ander bey den ſieben
Thuͤrmen/ welches ein uhraltes Gebaͤu/ weitlaͤufftig und die
Thuͤrme mit Bley gedeckt/ auch ſehr luſtig gelegen iſt; das drit-
te aber bey dem alten Pallaſt deß Keyſers Conſtantini, welcher
gar verwuͤſtet/ ſonſt aber ein alt Gebaͤu voller Winckel iſt an
der Stadt-Mauer angelegen. Dieſe Seite aber von den
Thuͤrmen biß ans alte Gebaͤu Conſtantini und zwar noch et-
was wenigers abwarts zum Waſſer/ iſt groͤſſer/ als der an-
dern zweyen eines/ ſo am Meere liegen und den Triangul
ſchluͤſſen.


Die Mauren ſind ſehr hoch und dicke und in die Ring-
mauren ſind ſieben Berge und Huͤgel mit eingefaſſet. Der
eine liegt bey deß Tuͤrckiſchen Keyſers Schloß und Pallaſt/
welcher deßwegen auch erhoben liegt. Am letzten Berge ſteht
ein alt Schloß mit ſieben Thuͤrmẽ/ deren ich zuvor gedacht und
iſt zuverwundern/ wenn man in dem einen Thurme etwas re-
det/ ſo kan mans durch alle ſiebene hindurch hoͤren. Es liegt ei-
ne gewiſſe Beſatzung drinnen/ davon kein einiger herauß gehen
darff ohne ihres Baſſen Befehl und auf die Tuͤrckiſchen zwey
hohen Feſte im Jahr. Zwiſchen dem dritten und vierdten Ber-
ge iſt ein Thaal/ in welchem von neun Jtalieniſchen Meilen
Gfriſch
[48]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
friſch Waſſer in die Stadt gefuͤhret wird/ daß kein Mangel
daran in der gantzen Stadt zu ſpuͤren iſt.


Die Gebaͤu der Stadt Conſtantinopel belangend/ ſind
dieſelben von gar ſchlechten Haͤuſern von Holtz auffgebauet/
haben von auſſen gar kein Anſehen und ſind aufs ſchlechteſte/
und liederlichſte zugerichtet: Weñ man aber hinein kom̃et/ ſind
ſind ſie aufs zierlichſte an Waͤnden und um und um auf der Er-
den mit ſchoͤnen Teppichen gezieret/ auch ſind die Decken oben/
und wo keine Teppiche hengen/ die Waͤnde mit Gold uñ andern
ſchoͤnen Farben außgemahlet/ daß mans von auſſen nicht ge-
glaͤubet haͤtte.


Keine Glaſefenſter brauchen ſie/ daß man außſehen koͤnte
und wenn man ja welche ſindet in den Zimmern/ ſo ſind ſie in
der Hoͤhe unter der Decken/ iedoch von groben dicken Glaſe/
welches ſtat deß Bleyes in weiſſen Thoon eines queerfingers
dicke und breit eingeſetzet: Wo man aber außſiehet/ ſind vier-
eckichte offene Fenſter/ ſo man mit Fenſterlaͤden ſchluͤſſen kan/
und dieſelben macht man im Winter mit Papier zu von Oel uͤ-
berſtrichen/ daß ſie deſto liechter ſeyn.


Die Gaſſen betreffend/ ſind ſelbige ſchmaal und unge-
pflaſtert/ außbenommen an Haͤuſern ſind ſie auf beiden Seiten
mit ſteinern Abſaͤtzen und ſind dieſelben von groſſen breiten Kei-
ſelſteinen/ wie auch/ wo etwan eine Gaſſe ja gepflaſtert/ mit der-
gleichen Steinen beleget iſt.


Sonſt aber hat Conſtantinopel viel leere Plaͤtze/ unter
welchen ihrer viel mit Cypreſſen- und andern fruchtbaren
Baͤumen außgeſetzet ſind/ welches denn der Stadt gar einen
anmuhtigen Wolſtand giebet.


Die Kirchen alle deren ſammt den Capellen in den
Ringmaueren uͤber zwey tauſend ſind/ ſind uͤberauß ſchoͤn/ in-
wendig von dem ſchoͤnſten Marmel von allerhand Farben/ ſo
wol
[49]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
wol auf der Erden/ als oben und an den Seiten/ ohne das
die Tuͤrcken durch auß keine Bilder/ weder gemahlte noch ge-
ſchnitzte/ drinnen leiden/ und die Taͤcher ſind meiſtentheils
rund und alle mit Bley zugedecket/ wie denn auch die Kirch-
Thuͤrme/ welche ſehr ſchmaal und umb und umb/ ſeinen
zwey und wol drey Gaͤnge uͤbereinander haben Brauchen
keine Glocken/ ſondern wenn Zeit zur Kirchen zu gehen/ welches
ſechs mahl deß Tages geſchiehet/ ſo trit ein Tuͤrcke oben auf ei-
nen ſolchen Gang/ hat beyde Ohren zugeſtopfft und ſchreyet
mit aller Macht/ was er kan/ und deutet den Gottesdienſt den
leuthen an. Wenn aber ihr Sontag/ welcher bey ihnen den
Freytag gehalten wird/ zu feyren iſt/ ſo ſtehen ihrer 8. 12. oder
auch wohl mehr auf ſolchen Gaͤngen und ſchreyen zugleich/
welches denn in der gantzen Stadt auf allen Thuͤrmen/ deren
uͤber auß viel ſind/ ein erſchroͤcklich Gethoͤne verurſachet: Und
ehe die Tuͤrcken in ihre Kirchen gehen/ waſchen ſie ſich zuvor
auſſen vor den Thuͤren an Haͤnden/ Armen/ Fuͤſſen/ Geſicht
und mit ehren zu melden/ hinden und fornen/ wie denn zu dem
Ende auſſen vor den Kirchen viel Laßzapffen/ oder Haͤhne/ das
Waſſer her auß zu laſſen eingemauret/ vermeinen alſo deſto
reiner von Suͤnden in die Kirche zukommen und angenehmer
vor Gott zuerſcheinen.


Jhre Baͤder ſind naͤchſt den Kirchen die ſchoͤnſten Ge-
baͤude in der Stadt/ deren ſehr viel alle mit runden von Bley
gedeckten Taͤchern/ auf welchen oben runde glaͤſerne Hafen/
dadurch daß Liecht hinein fallen kan. Sind inwendig unten uñ
oben von lauterm Marmel außgebauet und voller ſchoͤnen
Marmel-Saͤulen.


Der Griechen Kirchen ſind dagegen klein und ſchlecht er-
bauet. Jn deß Patriarchen Kirche zu Conſtantinopel ſihet
man ein Stuͤck graue Seule/ rund und zwey Elen lang und
G 2ſoll
[50]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſoll/ Vorgeben nach/ von der Seule ſeyn/ woran Chriſtus der
HErr gegeiſſelt worden/ von welcher noch andere zwey Stuͤ-
cke mehr/ eins zu Rom/ das andere zu Jeruſalem/ zu ſinden
ſeyn/ maſſen ich ſie denn alle drey geſehen habe. Jſt gar ein ſon-
derbares Wunder/ daß gleichwol/ wie ich ſelber mit Augen ge-
ſehen/ zur Faſten-Zeit dieſe Seule ſchwitzet und wenn ich die
Tropffen noch ſo rein abgewiſchet/ ſo ſind flugs andere dage-
gen wieder herfuͤr gedrungen.


Sonſt ſiehet man auch in dieſer Kirche noch etzliche Coͤr-
per der Heiligen/ welche gantz unverſehrt und bekleidet ſind/
ungeacht ſie der Griechiſchen Moͤnche Vorgeben nach/ ſchon
vor viel 100. Jahr verſtorbẽ ſind. Der Stuhl dar auf der Pa-
triarch in gedachter Kirche ſitzet/ iſt mit Tuͤrckoißẽ verſetzet. Die
Kirche iſt an ſich ſelbſt ſonſt nicht groß und niedrich vom Tache/
der Boden aber mit Marmel gepflaſtert. Die Decke oben iſt
rund und mit Farben außgeſtrichen/ an deren kleine Fenſter-
lein zur Seiten/ dadurch das Liecht in die Kirche faͤllet.


Sonſten wird auch in einer uhralten Kirchen/ S. Sophia
genannt/ ſo vor alten Zeiten eine Kirche der Chriſten geweſen/
anietzo aber Tuͤrckiſch/ und unter etzlich hunder Tuͤrckiſche Kir-
chen die allerſchoͤnſte und am Gebaͤu die kunſtreichſte iſt/ darin-
nen von den Tuͤrcken eine ſteinerne Mulde/ auß welcher die
Jungfr au Maria ihr Chriſtkindlein gebadet haben ſoll: Jtem
in der Mauer ein brauner Marmelſtein/ welcher deß Nachts
helle glaͤntzen ſoll/ gewieſen wird.


Dieſe Kirche hat innwendig faſt mehr Marmelſtein/
Porfyr- und andere edle Steine als andere gemeine Steine/
und iſt ihrer kunſtreichen Erbauung wegen nicht gnugſam zu
beſchreiben.


Man haͤlt ſie vor ein Werck deß Keyſers Iuſtiniani und
wird von den Tuͤrcken auch Ala Sophia, das iſt H. Sophia ge-
nannt/
[51]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nannt und halten offt und viel ihre Andacht drinnen/ ſonderlich
weil ein Stuͤck Marmel drinnen ſtehet/ auf welchem die Jung-
frau Maria ihrem Sohne/ den die Tuͤrcken gleichwol fuͤr einen
groſſen Propheten halten und ehren/ pflegen ſein Geraͤthe zu
waſchen.


Jhre deren vier ſind Thore/ ſind alle auß Ertz und uͤ-
berauß hohen und allerhand geiſtlichen Figuren außgearbei-
tet/ auch ſihet man noch da die alten Gemaͤhlde der Chriſten/
welche aber von den Tuͤrcken alle zerkratzet/ weil wie gedacht
ſie kein Bild leiden/ außgenommen das Bild Maria mit dem
Chriſt kindlein auf den Armen/ ſtehet noch drinnen/ wiewol
mit einem Tuch behenget/ daß mans nicht ſehen ſoll.


Dieſe Kirche hat auch vier Thuͤrme mit Bley gedeckt/ wie
denn die gantze Kirche an ſich ſelbſt auch uͤber und uͤber mit
Bley gedeckt iſt. Oben iſt ſie innwendig gewoͤlbt und ruhet
das Gewoͤlbe auf ſechzehen koͤſtlichen ſtarcken Pilaren oder Pfei-
lern. Viere ſind von Marmel dem Jaſpis gleich/ viere auß
ſchneeweiſſen Marmel/ viere auß Porphyrſtein/ und viere auß
derm koͤſtlichem Marmel.


Nicht weit von dieſer Kirche iſt eine andere ſehr ſchoͤne
gantz neuerbaute Tuͤrckiſche Kirche/ hat 6. Thuͤrme/ deren vier
oben an der Spitze/ ſo mit Bley bedeckt/ uͤber und uͤber verguͤl-
det/ die andern zwey uͤbers Bley gruͤn verglaſſet ſind. Solche
Kirche iſt innwendig uͤber alle maſſen ſchoͤn und durchauß mit
dem allerſchoͤnſten Marmel von allerhand Farben außgezie-
ret/ auſſerhalb iſt ein groſſer und weiter Hof voller der ſchoͤn-
ſten Marmelſeulen.


Dieſer Hof wird genennet auf Tuͤrckiſch Admeidan, auff
Teutſch ein Roß-Platz/ darum/ weil die Tuͤrckiſchen Spahilar,
daß ſind der Tuͤrcken Soldaten zu Roß/ an ihrem Sabbath/
ſo den Freytag gefaͤllet/ ſich mit Rennen und Stechen darauff
G 3exerciren.
[52]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
exerciren. Solcher Platz iſt uͤber 400. Schritte lang/ und 200.
breit/ von welchem unterſchiedene Stiegen und Thuͤren hin-
auf auf vorgedachte Kirche gehen.


Auf dieſem Platze ſtehet ein groſſer Marmelſteinerner
Pyramis von allerhand außgehauenen Egyptiſchen Charatern
und iſt auß einem gantzen Stuͤcke Stein von Marmel in die
30. Elen hoch/ ſtehend auf vier groſſen runden Kugeln von Me-
tall/ darunter ein hohes ſchoͤnes mit allerhand Figuren auß-
gehauenes marmelſteinern Poſtament. Nicht weit davon iſt ein
andere Seule von Ertz/ ſo gantz gewunden/ mit drey Schlan-
genkoͤpffen/ ungefaͤhr zwey Mann hoch uñ nebenſt dieſer ſtehet
eine gar hohe von Marmelſtein auffgefuͤhrte ſehr alte Seule/
welche/ wie man ſagt/ der Satan aufgebauet haben ſoll unter
waͤrender Zeit/ ehe der marmelſteinerne Pyramis iſt aufgefuͤhret
worden und iſt hoch zuverwundern/ wie eine ſolche groſſe
ſchwere Laſt von einem Stuͤck in die 40. Elen hoch/ wie ichs deñ
ſelbſt abgemeſſen/ hat aufgerichtet werden koͤnnen.


Sonſt iſt auch noch eine uͤberauß hohe Columna von brau-
nen Stein/ ſo von einem gantzẽ Stein ſeyn ſoll: iſt rund und um
uñ um mit vielen eiſeꝛen Reiffen umſchloſſen. Wegen unterſchie-
dener Feuerbruͤnſt iſt ſie gar bruͤchig und muͤrbe worden. Auß
der daran befindlichen Jahrzahl kan man abnehmen/ daß ſie
uͤber 1200. Jahr alt/ ſtehet bey dem Teutſchen Han, welches ein
groſſes viereckichtes Gebaͤu iſt mit vielen gewoͤlbten Zellen/ wie
in Kloͤſtern/ darinnen der Keyſerl. Legat, ſo einer zum Tuͤrcki-
ſchen Keyſer abgefertiget dahin koͤmmet/ ſammt den Seinigen
logiret. Jſt uͤber und uͤber mit Bley gedeckt. Auſſer den Kaͤm-
merlein ſind/ als in einem Cloſter/ Gaͤnge umher und von auſ-
ſen in der Hoͤhe runde mit Bley gedeckete Daͤcher.


Auch iſt noch eine andere Columna, Hiſtorialis genannt/
ſtehet bey dem Auratbaſchar welches ein Tuͤrckiſch Wort und ſo
viel
[53]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
viel heißt/ als Weiber-Marckt. Dieſe Seule iſt inwendig hohl/
hat eine Schnecken hinauf und iſt ſehr hoch von ſchoͤnen weiſſen
klaren wie ungearbeiteten Marmelſtein und von auſſen mit
uͤberauß kuͤnſtlichen groſſen außgehauenen Bildern und Figu-
ren gezieret und ſtehet auf einem weiſſen ſehr langen hohen und
breiten Marmelſteinern mit groſſen Bildern außgehauenen
Grunde.


Uber dieſes iſt noch eine runde hohe Marmelſteinerne
Seule zuſehen/ auf welcher oben ein ſteinerner Kaſten/ und iſt
dieſelbe zu dem Ende allda aufgerichtet worden: Als eines
Tuͤrckiſchen Keyſers Gemahl einsmals den elenden Zuſtand
eines toden Menſchen/ ſo im Grabe von Schlangen und Wuͤr-
men verzehret werden muß/ bey ſich betrachtet/ hat ſie ſich dar-
uͤber hefftig entſetzet und deßwegen angeordnet/ wenn ſie ſter-
ben wuͤrde/ ſolte man ſie mit dem ſteinern Sarge auff eine ſehr
hohe ſteinerne Seule ſetzen/ damit ſie fuͤr den Schlangen und
anderm Gewuͤrme moͤgte ſicher ſeyn und von ihnen nicht ver-
zehrt werden koͤnte/ welchem ihrem Begehren auch nach ihrem
Tode ein Genuͤgen geſchehen.


Es ſind aber die Schlangen wunderbarer weiſe die glatte
marmelſteinerne Seule hinauf zum Sarge gekrochen und den
toden Coͤrper zuverzehren geſuchet/ welches ja eine augen-
ſcheinliche Straffe Gottes geweſen der verzweiffelten Hoffart/
damit ja wahr bleibe/ was Gottes Wort ſaget: GOTT wi-
derſtehe denen Hoffaͤhrtigen/ aber denen Demuͤthigen gebe er
Gnade.


Am Ende der Stadt ſtehet auſſen vor Conſtantini Pfor-
te ein hoch aufgemauerter Garte voller ſchoͤnen Cypreſſen-
Baͤume/ welcher uͤber die maſſen luſtig anzuſehen.


Jn Conſtantinopel gibts fuͤnff groſſe Schulen/ darin-
nen die Tuͤrckiſchen Sofhi, oder Studenten unterwieſen werden.
Da
[54]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Da hat ein ieglicher ſein Bett in ſeiner Cammer/ ein Tapet/
ſtat deß Tiſches/ auf der Erden. Jeden Tag giebt man einem
ieglichen zwey Broͤtlein und ſein Getraͤncke von Gerſtenwaſ-
ſer gemacht/ und deß Jahrs zwey Kleider. Damit muß er das
erſte Jahr zu frieden ſeyn. Das andere Jahr bekommt ein ie-
der deß Tags noch einen Aſper darzu/ und der wird folgends
alle Jahr mit noch einem Aſper verbeſſert. Wollen ſie was
mehr haben/ ſo muͤſſen ſie es mit Schreiben bey andern verdie-
nen/ wenn ſie ſonſt von den Jhrigen keine Zubuſſe haben. So
ſind in Conſtantinopel auch ſehr viel Hoſpitaͤl fuͤr Frembde/ Ar-
me und Krancke von groſſen Einkommen/ maſſen denn die Tuͤr-
cken es den Chriſten an Gutthaͤtigkeit und Wercken der Liebe
weit zuvor thun. Die Korn und Proviant-Haͤuſer werden
ſtets voll gehalten/ iedoch alle drey Jahr erneuert/ damit der
Vorrath friſch bleiben ſoll/ und ſtehen ſolche Kornhaͤuſer an ei-
ner Ecke der Stadt gegen Gallata uͤber und ſind mit maͤchtigen
eiſern Thoren verwahret. Das groſſe Zeughauß hat mich auch
uͤber die maſſe verwundert/ und ſteht flugs am Ufer deß Mee-
res. Jſt ſehr weitlaͤufftig/ maſſen ich 180. gewoͤlbte Bogen ge-
zehlet/ die alle voller Ruͤſtung ſeyn/ und hat man mich fuͤr ge-
wiß berichtet/ daß 46000. Arbeiteꝛ drinnen zu thun haben/ und
gehet doch alles gar ordentlich zu. Das Regiment und Iuſtiz iſt
hoͤchlich zu loben. Der Obriſte Richter/ ſo uͤber Tod und Leben
zu ſprechen hat/ heißt Stambol Cadiſh. Sonderlich ſind die
Tuͤrcken dem Diebſtahl feind und ſtraffen ihn ohn alle Gnade
an Leib und Leben.


Der Ort da man die Gefangene Chriſten verkaſtffet/ iſt
eine groſſe Gaſſe/ da denn abſcheulich anzuſehen/ wenn ein
Tuͤrcke einen ſolchen armen Menſchen Manns und Weibs-
Geſchlechtes kauffen will. Er ſihet demſelben in den Mund/ ob
er etwann Mangel an den Zaͤhnen. Er bekuͤcket und befuͤhlet
ihn
[55]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ihn an Haͤnden/ Fuͤſſen/ Armen und faſt am gantzen Leibe/ ob
er etwan hie/ oder da Mangel habe. Nach dem ein ſolcher
Kauffbarer Sclave jung/ ſchoͤn/ geſund und zu arbeiten ge-
wohnt/ ſo wird er auch deſto hoͤher geſchaͤtzet von 500. biß 1000.
mehr oder weniger Thaler. Wenn ich offt durch gangen bin/
haben ſie mich um Gottes willen gebeten ihnen in ihrer Außloͤ-
ſung zu Huͤlffe zu kommen/ maſſen ſie lieber von Chriften/ als
von Tuͤrcken gekaufft wollen ſeyn/ dieweil ſie von Tuͤrcken un-
barmhertzig gequaͤlet und gemartert werden. Das iſt alſo
die kurtze/ iedoch warhafftige und eigentliche Beſchreibung der
Stadt Conſtantinopel.


DasIV. Capitul.


Von Beſchreibung deß Meeres zu Conſtantinopel.


DAs Meer ober- und unterhalb Conſtantinopel iſt gar
ungleich breit und groß und hat deme nach auch unter-
ſchiedene Namen. Oberhalb Conſtantinopel gegen Mitter-
nacht heißt es Pontus Euxinus und iſt maͤchtig weit/ aber eben
bey Conſtantinopel zeucht ſichs in eine Enge/ daß es auß Eu-
ropa
in Aſiam uͤber die Enge nicht mehr als 4. ſtadia ſind/ oder
eine halbe welſche Meile/ denn ein ſtadium haͤlt 125. Schritte
und 8. ſtadia machen eine Jtalieniſche Meile/ das iſt ein Vier-
thel von einer Teutſchen Meile. Dieſe Enge aber heißt Boſpho-
rus Thracius
und iſt 120. ſtadia lang und heißt am ſelben Orth
Propontis. Darnach thut ſichs wieder zuſammen und wird
gantz enge/ alſo/ daß von Europa in Aſiam hinuͤber nicht mehr
ſind/ denn ſieben ſtadia und heißt am ſelben Orthe Euripus, oder
Helleſpontus und darnach geußt ſichs ins Egeiſche Meer.


Am Helleſpont liegen zwey Schloͤſſer gegen einander/ ei-
nes in Cherſoneſo, mit Namen Seſtus, das andere druͤbẽ in Aſia,
HAbydus
[56]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Abydus genannt/ dieſelbén hat vor Zeiten Xerxes mit einer
Bruͤcke zuſammen gehenget und ſieben mahl hundert tauſend
Mann zu Roß und Fuſſe druͤber gefuͤhret. Helleſpontus wird
heute zu Tage genennet Stritto di Callipoli und die beyde Schloͤſ-
ſer Seſtus und Abydus werden auf Tuͤrckiſch genennt Bogazaslar,
das iſt/ Schloͤſſer an der Enge deß Meeres.


DasV.Capitul.


Von der uhralten Stadt Chalcedonia, wie ſie
dieſe Zeit beſchaffen und was um ſelbige Ge-
gend zu ſehen.


DJeſe uhralte und vordeſſen beruͤhmte Stadt iſt ietzt ein
Dorff/ liegt auch uͤber dem Boſphoro deß Thraciſchen
Meeres in Aſia, woſelbſt deß Tuͤrckiſchen Keyſers Pallaſt/ ie-
doch beſſer hin außwerts zum Meere uͤber. Da hat man uns
auch die Kirche gewieſen/ worinnen vordeſſen das Concilium
gehalten worden. Sehr alt iſt dieſelbe/ aber nicht gar groß. Da
ſiehet man am Meer hinauß auch unterſchiedene ſchoͤne Gaͤr-
ten/ welche alle dem Tuͤrckiſchen Keyſer gehoͤren.


Als ich einsmahls mit deß Roͤm. Keyſers Reſidenten auf
dem Meer hinauß in etliche Jnſulen/ darinnen Griechiſche
Cloͤſter/ gereiſet/ als das Cloſter S. Andrea und S. Maria und an-
dere mehr/ ſind wir in einem deß Tuͤrckiſchen Keyſers Luſtgar-
ten gelaſſen worden/ darinnen wir eine ſchoͤne Cyſterna voll kla-
res lauter Waſſer geſehen/ in welcher ſich deß Tuͤrckiſchen Key-
ſers Weiber/ wenn ſie mit ihm ſpatzieren fahren/ zu Sommers-
Zeiten in Gegenwart ihres Keyſers baden muͤſſen. Jſt o-
benauff ein ſchoͤnes Springwaſſer und nicht weit darvon ſeine
Schlaff kammer/ darinnen er mit ſeinen Concubinen ruhe haͤlt/
welche wir auch beſehen haben. Die Betten ſind alle von rothen
Sammet und Atlaß uͤberzogen und mit ſchoͤner Wolle auß-
ge-
[57]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gefuͤllet: Auch ſind allda etzliche ſeine Tuͤrckiſche ſeidene Roͤ-
cke/ die er im Garten gebrauchet.


Als wir aber auf die Jnſuln zu den Griechiſchen Muͤn-
chen kommen/ haben ſie uns gar freundlich empfangen und
uns in Cloͤſtern und Kirchen uͤberall herumb gefuͤhret. Wir
hatten aber auch einen Tuͤrckiſchen Tſchauſch bey uns/ ſo zuvor
auch ein Griechiſcher Muͤnch geweſen war und ſeine Lateini-
ſche/ Jtalieniſche/ Griechiſche und Tuͤrckiſche Sprache per-
fect
verſtund/ der mit uns reden und tolmetzſchen konte/ was
wir nicht verſtunden. Und weil ſehr viel Caninichen in denſelben
Jnſuln zubefinden/ haben wir mit denſelben unſere ſonderba-
re Luſt gehabt/ biß wir nach etzlichen Tagen wieder nach Con-
ſtantinopel geſchiffet.


Das fuͤnffte Buch.


Haͤlt in ſich meine Reiſe von Conſtantinopel durch
Thraciam und Ungarn hindurch nacher Wien
in Oeſterreich und was unterwegens
mit vorgangen.


DasI. Capitul.


NAch dem ich mich nun ein gantzes Jahr zu Con-
ſtantinopel auf gehalten/ bin ich bey mir ſchluͤſſig woꝛ-
den/ mich auch nunmehr weiter umbzuſehen und ſon-
derlich meine Reiſe durch Thraciam hindurch zu Lande auf
Wien zu nehmen/ worzu mir denn der Keyſerl. Reſident groſſe
Huͤlfe gethan. Habe mich demnach/ als ich meinen Wechſel von
Hauſe erhalten/ den 29. Oct. ſt. n. deß 1631. Jahres mit einem
Tuͤrckiſchen Tſchauſchen uñ einem Curirer auf der Poſt/ ſo uns
biß nacher Ofen in Ungarn begleiten muͤſſen/ im Namen Got-
tes auf die Reiſe begeben und meinen Weg nacher Wien in
H 2Oeſterreich
[58]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Oeſterreich zugenommen und ſind wir zu Conſtantinopel ge-
dachtes Tages gegen dem Mittag miteinander aufgeweſen.


Es hat aber gedachtes Keyſerl. Reſidentens Befoͤrder-
ung unter andern auch dieſes gefruchtet/ daß mich weder
Poſtroſſe/ noch andere Speeſen andeꝛs gekoſtet/ als daß ich dem
Tuͤrckiſ. Tſchauſchen 3. Ducaten/ dem Currirer 10 Reichstha-
ler und unter wegens dem Poſtilionen ein Trinckgeld verehret/
damit ſie mich mit guten Roſſen verſehen moͤgten.


Die erſte Poſt haben wir gehabt 1. zu Selymbria, ſieben
Meilen von Conſtantinopel. Jſt eine kleine Stadt am Vor-
Meere Propontis genannt gelegen und pflegt wol ſonſt der Cur-
rirer biß hieher auf dem Meer zu reiſen weils einen Port hat
fuͤr kleine Schiffe/ die groſſen aber muͤſſen hauſſen im Meere
bleiben: Aber weil dazumahl wegen groſſes Sturm\&ſr/ der viel
Schiffe Anckerloß gemachet/ unmuͤglich war/ haben wir uns
zu Lande zu reiſen muͤſſen gefallen laſſen.


Von dar haben wir noch eine Stunde/ ehe es Abend
worden/ reiſen koͤnnen/ und ſind deß Nachts in groſſem Regen
2. nach Tſchorli kommen. Jſt ein groſſer Marck/ ſo aber vor Zei-
ten eine Stadt geweſen und iſt allda die andere Poſt. Und als
wir etwann anderthalbe Stunde geruhet/ ein wenig geſpeiſet/
ſo guths uns die Tuͤrcken fuͤrgeſetzet/ und uns am Feuer in et-
was wieder außgetrucknet/ ſind wir in der Nacht wieder auf
geweſen und 3. nach Pornaſs kommen. Allda iſt die dritte
Poſt/ haben demnach wieder friſche Roſſe genom-
men und ſind biß 4. nach Adrianopel geritten/ welches
eine ſehr alte und groſſe Stadt in Thracia gelegen und iſt
alda die vierdte Poſt. Diß Adrianopel iſt vordeſſen der Tuͤr-
ckiſchen Keyſer Reſidentz eine geweſen/ wiewol ſie jetzt mit Graͤ-
ben und Waͤllen ſchlecht verwahret iſt und wird von den Tuͤr-
cken Endrem genennet.


Von
[59]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Von dar ſind wir mit friſchen Pferden kommen 5. nach
Muſtafabaſcht ſchopri, alwo abermahls eine neue und zwar die
fuͤnffte Poſt/ da wir denn friſche Pferde bekom̃en und 6. nach
Haſpai, welches die ſechſte Poſt/ gangen und drauff 7. nach
Philippopolis die ſiebende Poſt. Jſt eine groſſe Stadt zwiſchen
uͤber auß groſſem und zwar etwas abgelegenem Gebuͤrge/ ie-
doch meiſt auf dem Berge Hæmo gelegen/ wiewol ſie ſehr zer-
ſtoͤrt iſt. Sonderlich iſt allda noch zu ſehen ein alt Amphithea-
trum,
daran noch viel Marmel/ aber die marmelſteinerne
Stuffen haben die Tuͤrcken meiſt alle hinweg gefuͤhrt/ worauß
wol zuerkennen/ was es fuͤrdeß muß fuͤreine Stadt geweſen
ſeyn. Nicht weit davon liegt auch Nicopolis.


Und nach dem wir abermals allhier unſere Roſſe geaͤn-
dert und vor unſere ermuͤdete friſche bekom̃en/ ſind wir 8. nach
Tartarbaſſartſchitz gangen/ welches die achte Poſt: Weiter
mit friſchen Roſſen 9. nach Ichtiman, allwo auch eine Poſt und
zwar die 9. geweſen/ weßwegen wir uns abermahls mit friſchẽ
Pferden verſehen und geritten ſind/ biß 10. nach Sophia, welches
eine groſſe Stadt iſt im Koͤnigreiche Bulgaria gelegen.


DasII.Capitul.


Von der Reiſe durch die Bulgarey.


SOphia iſt/ wie ietzt gedacht in Bulgarey/ die erſte und zwar
eine gꝛoſſe Stadt/ iedoch hat ſie keine Maurẽ. Hier ſind wir
wieder mit neuen Poſt-Roſſen verſehen worden und ſind
fort geritten 2. nach Tſchargoi, allwo die 12. Poſt iſt.


Von dannen ſind wir kom̃en 3. auf Niſſe. Das iſt die 13. Poſt:
Jſt vor alten Zeiten eine vornehme Stadt geweſen/ wie noch
auß denen alten Mauren abzunehmen. Und nach dem wir fri-
ſche Roſſe bekommen/ ſind wir 6. nach Jagetna gangen/ welches
H 3iſt
[60]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
iſt die 14. Poſt/ allwo abermals friſche Roße zuerlangen. Von
dannen ſind wir kommen 4. nach Pitiſcina, iſt die 15. Poſt/ da
wir wieder friſche Roſſe bekommen und damit 5. nach; Iſſart-
ſchin
gangen/ welches die 16. Poſt und endlich 9. abermahls
mit friſchen Roſſen vollends nach Griechiſch Weiſſenburg/ all-
wo ſich Ungern anhebet und unſere Poſt-Roſſe auffgehoͤret.


DasIII.Capitul.


Von der Reiſe durch Ungarn biß auf
Wien.


GRiechiſch Weiſſenburg iſt die erſte Stadt in Ungern/ bey
welcher zwey Waſſer/ als die Donau und Sau/ an der
Feſtung/ ſo in der Hoͤhe liegt/ unten weg flieſſen/ und hat
dieſelbe der Tuͤrcke inne/ der ſie hiebevorn der Chriſtenheit durch
Krieges-Macht abgenommen im Jahr Chriſti 1520. und wird
Belgrad genennet.


Von hier haben wir von Tuͤrckiſchen und unſern Unter-
thanen Wagen bekommen biß nacher Wien und ſind demnach
alſo zu Wagen kommen von Griechiſch-Weiſſenburg 1 auf Pe-
geba
2. auf Mitrovviz, 3. auf Okovvar, 4. auf Oſſek, welches eine
Stadt/ Ferner 5. auf Pernovvars. 6. auf Mochatſch. 7. auf Patoſ-
ſek.
8. auf Tona 9. Fodvvar 10. Tſchoan, 11. Kordera, alsdenn
12. auf Ofen. Ofen wird auch Buda genennet/ dieweil ſie Buda deß
Attilæ Bruder erbauet haben ſoll/ liegt wol am beſten Orth in
Ungern und iſt ſehr feſte und doch im Jahr Chriſti 1526. vom
Tuͤrcken eingenommen und biß dato behauptet worden.


Hier haben wir uns wegen einiger Verrichtung bey dem
daſelbſt regierendẽ Baſſa in etwas verhalten uñ ſind taͤglich von
einem Tuͤrckiſchen Tſchauſch bewachet worden/ zu dem Ende/
damit uns von den Tuͤrcken kein Leid wiederfahren ſollen. Von
dannen
[61]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
dannen ſind wir aufgebrochen und 13. nach Gran kommen/
welches abermahls eine Feſtung und vordeſſen eine Ertz-
biſchoffliche Stadt geweſen nunmehr aber gleichfalls dem Tuͤꝛ-
cken zu theil worden.


Von Gran ſind wir kommen 14. auf Commora oder Go-
morra welches eine gewaltige Feſtung und dem Roͤmiſchen
Keyſer zum Koͤnigreich Ungern zuſtaͤndig iſt. Flieſſen hart an
ſolcher Feſtung zwey Waſſer/ als die Donau und Wage/ zu-
ſammen/ alſo/ daß ſie zwiſchen beiden inne/ wie auf einer Jnſul
lieget/ gleich wie auch zu Gran zwey Waſſer/ als die Donau
und Gran/ zuſammen kommen.


Von Comorra oder Gomorra ſind wir vollends fort ge-
reiſet/ weils nun immer gemach ſich zum Ende genahet und
drauf den 26. Nov. ſt. n. gegen 4. Uhr auf den Abend gluͤcklich und
wol nach Wien kommen: Und ſage ich meinem Gott von Her-
tzen danck fuͤr ſeine mir biß hiher geleiſtete Huͤlffe und wunder-
baren Beyſtand/ deme ich mich auch noch ferner zu
ſeinem Schutz in hertzlichem Vertrauen
befehle.



Der
[62]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Der Andere Theil.
Der ſiebenjaͤhri
gen und gefaͤhrlichen
Welt-Beſchauung.
Deß weilant Hoch-Edelgebornen
Herrn Georgen Chriſtoff von Neitzſchitzens
aus dem Hauſe Wehlitz und Wernsdorff/ ꝛc.


Jſt eine Beſchreibung der ander weiten Reiſe deſſelben von
Wien auß nach Conſtantinopel und was ſich bey ſolcher Reiſe iedes
Orths denckwuͤrdiges begeben und zubeſchreiben von noͤ-
rhen geweſen.


Das Erſte Buch.


Haͤlt in ſich die Reiſe von Wien biß wieder nach Con-
ſtantinopel mit beygefuͤgtem Bericht/ was unterwegens ge-
ſehen und merckwuͤrdiges von iedem Orthe beyzubringen
geweſen iſt.


Das Erſte Capitul.


Von der Gelegenheit und Anſtellung zu ſolcher Reiſe.


ZU Wien/ deß Roͤmiſchen Keyſers und allge-
meinen Oberhaupts der gantzen Chriſtenheit
Reſidenz in Oeſterreich an der Donau belegen/ ha-
be ich mich in die zwey Monat lang auff gehalten.
Will mich aber mit der Beſchreibung ſolches Orts
und Hofes nicht auffhalten/ weiln es vorhin gnugſam bekañt/
den Unwiſſenden aber von vielen andern zum beſten fleiſſig be-
ſchrieben iſt.


Jch
[63]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Jch habe mich aber hier auf meiner Andacht halben/ auch
hinunter nacher Preßburg in Ungern begeben und allda in die
drey Monat enthalten/ weilen daſelbſt die Evangeliſche Luthe-
riſche Lehre ihre freye Ubung hat/ von dannen ich mich wieder
den u. Maij Anno 1632. nacher Wien begeben und allda biß den
23. Nov. ſt. n. verblieben/ weil ich von darauß wegen meines
Wechſels nach Hauſe zuſchreiben beſſere Gelegenheit haben
koͤnnen.


Den 10. Dec. aber bin mit Jhrer Gn. Herrn Johann
Euſtachio, Freyherrn von Althañ von Duͤrrenholtz in Maͤhren
nacher Kirchſtaͤdten auf ſein Schloß in Oeſterreich verreiſet
und daſelbſt bey ihm in die 5. Monat verblieben/ auch ſo dann
mit Jhr. Gn. Herrn Vetter/ Herrn Johann von Althann auf
die Feſtung Loͤbens in Ungern/ dahin derſelbe von Roͤm. Keyſ.
Majeſt. als Commiſſarius verſchicket worden/ da wir denn un-
terwegens auf Nidrau zukommen/ welches geſchehen im Jahr
Chriſti 1633. den letzten Aprilis.


Jndeß/ als wir wieder nacher Wien kommen/ nach dem
wir ſechs Wochen auſſen geweſen waren/ begab ſichs/ daß von
damahls regierender Roͤm. Keyſerl. Majeſt. Ferdinando II.
Chriſtmildeſter Gedaͤchtniß eine Legation nacher Conſtanti-
nopel an die Ottomanniſche Pforte beſchloſſen und zu ſelbiger
der Herr Graf von Buchhaim ernennet war/ in deſſen Suite
auch der Herr Graf von Althann mit zu gehen und eine Reiſe
nacher Jeruſalem und ins gelobte Land zu thun willens hatte/
habe auch ich mich durch recommendation deſſelben Herrn
Vettern/ Herrn Johann Euſtach von Althann zugedachten
Herrn Grafen begeben um auch nun die Morgenlaͤnder zu be-
ſehen/ wornach ich laͤngſt groß Verlangen getragen hatte/
welcher mich auch gar gnaͤdig aufgenommen und michs die
Reiſe uͤber wol genieſſen laſſen.


JDenn
[64]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Denn Herrn Legaten haben 150. Perſonen/ unter wel-
chen fuͤnff Trompeter und ein Paucker geweſen/ aufgewartet
und iſt alſo mit einer anſehnlichen Suite den 8. Jan. Anno 1634.
von Wien außgezogen Nachmittage zwiſchen 2. und 3. Uhr/
deme Jhre Gn. der Herr Graf aber und ich bey deſſelben Suite
erſt 8. Tage hernach/ weiln denſelben noch einige Verrichtun-
gen zuruͤcke gehalten/ gefolget/ dahero wir den Herrn Legaten
Grafen von Buchhaim/ erſt zu Ofen eingeholet. Und diß iſt al-
ſo die Gelegenheit und Anſtellung zu dieſer meiner andern Rei-
ſe geweſen.


DasII.Capitul.


Von unſerm Auffbruch und Fortzug von
Wien.


DEn 16. Jan. ietzt gedachtes Jahres ſind wir denmach zu
Wien Nachmittage ohngefaͤhr um 3. Uhr auff gebrochen
1. auf die Schwecht/ einen groſſen Marckt zwey Meilen von
Wien gelegen/ kommen und ſelbigen Tag noch 2. Fiſchemund
erreichet/ welches ein ziemlicher Flecken vier Meilen von Wien
abgelegen iſt/ allwo wir auch die Nacht uͤber blieben. Den 17.
Jan. ſind wir fruͤh Morgens kurtz fuͤr Tage wieder fort gerei-
ſet und um 9. Uhr 3. gen Bruͤck angelanget 2. Meilen von Fi-
ſchemund allda wir flugs vor der Stadt uͤbers Waſſer/ die
Leith genannt/ welcher Fluß Oeſterreich und Ungern ſcheidet@
gefahren und gegen Mittag 4. nach Muͤnchhofen/ welches
ein Dorff iſt/ kom̃en/ eine Meile von Bruͤck an der Leith uñ all-
da Mittagsmahl gehalten: nach einer Stunde uns aber fort
gemachet und ſelbigen Abend biß 5. nach Zanneck/ 3. Meilen von
Muͤnchhofen kommen/ allwo wir auch uͤbernachteten. Den 18.
Jan. ſind wir fruͤh Morgens um 4. Uhr wieder aufgeweſen
und
[65]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und ſelbigen Tag in einem Futter biß 6. nach Raab/ welches
gar eine vornehme Feſtung in Ungern in der Donau gelegen
iſt/ ſo vor unuͤber wuͤndlich geſchaͤtzet wird vor und noch zur Zeit
in der Chriſten Haͤnden iſt/ gereiſet/ allwo wir auch um 4. Uhr
gegen Abend angelanget/ allda wir uͤber Nacht verblieben und
iſt von Zanneck 6. ſtarcke Meilen biß dahin.


Den 19. Jan. fruͤh um 4. Uhr/ noch bey fuͤnſterer Nacht/
ſind wir mit einer Zſcheuͤcke welche zwey Stuͤcklein gefuͤhret
und auf ieder Seiten zwoͤlff Ruder von Raab aufgebrochen/
weßwegen uns auch die Feſtung geoͤffnet werden muſſen/ wel-
ches ſonſt nicht leicht geſchicht/ und um 7. Uhr auf der Donau 7.
zu Comorha/ 5. Meil wegs von Raab/ angelangt/ vermeinend/
allda den Herrn Legaten vor uns zu finden/ wiewol vergebens.


Den 20. Jan. Nachmittage ſind wir auf unſerer Zſcheuͤ-
cke auf der Donau wieder fortgefahren und Abends um 6. Uhr
8. zu Nirgesfifalo, welches ein Dorff 3. Meilen von Comorrha/
ankommen und daſelbſt uͤbernachtet.


Den 21. Jan. als wir kurtz fuͤr Tage aufgeweſen/ ſind wir
endlich 9. biß nach Gran kommen/ zwey Meilen von Nirgesfi-
falo,
welches Gran eine vornehme beruͤhmte Feſtung in Un-
gern dem Tuͤrcken gehoͤrig/ und iſt der Herr Geſandte nur ei-
ne Stunde zuvor allda mit einem ſtarcken Comitat von ſechs in
ſiebenhundert Tuͤrcken zu Roß aufgebrochen/ und haben wir
ihn alſo abermahls nicht angetroffen. Zu Gran hat uns der
Ober Waivvoda, nach dem er Jhre Gn. den Herrn Grafen Al-
thann wol tractiret, drey Wagen geben laſſen/ hat Jhre Gn.
nicht allein biß zum Wagen gar freundlich begleitet/ ſondern
auch mit 40 Heiducken/ von welchen Jhr. Gn. aber nur zwoͤlf-
fe zu Danck angenommen/ convouiren laſſen. Sind alſo dieſen
Tag biß in die Nacht um 10. Uhr unterwegens geweſen und ha-
ben deßwegen 10. zu Altofen uͤbernacht bleiben muͤſſen. Jſt
J 2nur
[66]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nur ein Dorff von Ofen ohngefaͤhr eine guthe vierthel Meile
abgelegen.


Den 22. Jan. ſind wir fruͤh um 7. Uhr 11. zu Ofen ankom-
men/ allwo wir den Herrn Geſandten angetroffen/ welcher den
vorigen Tag auf der Feſtung daſelbſt mit Loͤſung etzlicher 20.
Stuͤcke gar ſolenn empfangen uñ angenommen war worden/
wie wir ſolches unſers theils unterwegen gehoͤret/ da wir ein
Stuͤck Wegs von Gran herauß geweſen.


DasIII. Capitul.


Von den Viſiren zu Offen abgelegt und wie wir
allda tractirt worden.


DEn 23 Jan. haben Jhre Excellenz, der Herr Legat Graf
von Buchhaim die Viſite bey dem Vezier angeſtellet/ bey
welcher 23. Cafftan/ ſeynd lange Tuͤrckiſche Roͤcke mit langen
fliegenden Ermein von guͤldenen/ ſilbern und allerhand Far-
ben ſeidenen Blumwerck gearbeitet/ denen Cavallieren und
Officirern geſchencket worden/ den andern Dienern aber Tuch.
Den 24. Jan. aber haben Jhre Graͤfl. Gn. den Vezier abſon-
derlich erſuchet und iſt ihm der andere Cafft an verehret wor-
den/ welcher durchaus mit groſſen guͤldenen in weiſſe ſeide ge-
wuͤrckten Blumen geweſen. Bey der Audienz haben die Beegen
und Baſſen aufgewartet und dem Herrn Grafen iſt neben den
Vezier ein Seſſel gerucket werden.


Den 25. Jan. hat Jhre Excellenz zum andernmahl bey
dem Vezier viſite abgeleget und ſind ihm drey Gefangene loß
gegeben und geſchencket worden.


Dieſen Tag haben wir auch mit ihrer Excellenz die war-
men Bade eine vierthel Meile von der Stadt beſehen/ da denn
dieſelbe und viel Cavallier und Officirer gebadet. Sind vor Zei-
ten mit Bley bedeckt geweſen/ inwendig von lauterm Marmel.
Das
[67]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Das Waſſer iſt von Natur ſo heiß/ daß man eine Henne drinnen
bruͤhen und Eyer in geſchwinder Eilgar ſieden kan und fleußt
endlich in die Donau/ welche hart darbey wegfleußt.


Den 26. Jan. haben Jhre Gn. bey dem Murath Baſſa gar
fruͤh Audienz gehabt und iſt allda wol und mit vielen Hoͤflig-
keiten und complimenten tractiret worden.


DasIV.Capitul.


Von unſerm Auffbruch und weiterm Fortzug
von Ofen auß.


ALs wir uns nun ziemlich in Ofen umgeſehen und gar wol
tractirt waren worden/ gingen unſere Wagen den 27. Jan.
voran hin und brachen Jhre Excell. den 28. Jan. drauff
fruͤh um 9. Uhr auch auf und reiſeten wir alſo ſelbigen Tag/
wiewolin gar unfreundlichen Schnee- und bloͤder Wetter biß
1. nach Ertzſchin. Jſt ein Dorff an der Donau/ allwo ein Ca-
ſtell/ drey ſtarcke Meilen von Ofen gelegen/ und ſind allda uͤ-
ber Nacht verblieben/ da denn die Tuͤrcken bey unſer Ankunft/
dem Herrn Legaten zu Ehren etzliche Doppelhacken abgeſchoſ-
ſen/ maſſen denn auch auf der Straſſen von gedachtem Caſtell
eine Cavallerie in guther Ordnung auf uns gewartet/ die uns
vollends in Ertzſchin begleitet.


Den 29. Jan. ſind wir fruͤh um 7. Uhr von Ertzſchin ab-
gereiſet und Abends um 3. Uhr 2. nach Foͤdwar kommen/ ſind
ſechs Meilen und allda zu Nacht logiret. Den 30. fruͤh um ſechs
Uhr ſind wir wieder aufgebrochen und Abends zwiſchen 3. und
4. Uhr 3. nach Tolno, ſo 6. Meilen/ kommen. Hier ſind wir den
31. Jan. ſtille gelegen um anderer Wagen willen/ ſo uns die
Bauren verſchaffen ſollen. Der Pagagi und anderer unſerer
Wagen ſind uͤber ſechzig geweſen.


J 3Den
[68]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 1. Feb. ſt. n. haben wir uns von Tolno wieder auf den
Weg gemachet fruͤh um neun Uhr und Nachts um acht
Uhr 4. nach Mohatſch, ſechs Meilen kommen/ und
haben wir dieſe beide Tage faſt in lauter Gehoͤltze und
Weingebuͤrge/ beſchwerlich reiſen gehabt/ weßwegẽ wir
auch den 2. Febr. ſtille liegen muͤſſen/ biß die Wagen alle nach-
kommen/ die um deß boͤſen Weges willen nicht gleich folgen
koͤnnen. Kurtz vor Mohatſch iſt das Baͤchlein/ oder vielmehr
ietzt eine Pfuͤtze und Moraſt/ darinnen der Koͤnig in Ungarn
umkommen und zwiſchen dieſem Mahatſch und Oſſeck hat da-
mahls/ als dieſer Koͤnig geſchlagen worden/ der Tuͤrckiſ. Keyſer
ſeine Schantze und Zelt gehabt.


Den 3. Febr. ſind wir wieder aufgebrochen fruͤh mit dem
Tage und Abends um 3. Uhr 5. nach Oſſeck angelanget fuͤnff
Meilen von Mohatſch. Jſt eine Stadt mit einer Mauer umher/
wiewol die Stadt nicht gar groß iſt. Hierhaben wir den 4. Febr.
um andere Wagen zuerlangen abermahls ſtille liegen muͤſſen.


Den 5. Febr. fruͤh zwiſchen 7. und 8. Uhr ſind wir wieder
fortgezogen und Mittags um 11. Uhr 6. nach Wocovvar, ein
Staͤdtlein mit einem groſſen alten ſteinern Caſtell kommen/
drey Meilen von Oſſeck. Allhier haben wir uͤber eine lange ſtei-
nerne Bruͤcke gemuͤſt/ worunter gar wenig Waſſer/ ſo ein
Stuͤck von der Donau/ fleuſt/ dergleichen Bruͤcke wir auch
hatten/ ehe wir nach Oſſeck kommen/ die ſich zu Tarta, einem
Tuͤrckiſchen Dorffe anfaͤhet/ und eine gute Teutſche Meile waͤ-
ret uͤber lauter Moraſt/ hat bißweilen auf beiden Seiten Ab-
ſaͤtze/ da man etwas bey Seite fahren und einander weichen
kan/ wann Reiſende auf derſelben zuſammen kommen.


Als wir nun dieſer Brucken ein Ende gehabt/ ſind wir in
einer Platten uͤber die Trage/ welches ein Fluß/ ſo bald am
ſelben Orth in die Donau faͤllet/ geſetzet worden/ welches gar
lang-
[69]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
langſamb und verdruͤßlich damit zugangen und ſind ſo dann
nach gedachtem Wocovvar kommen/ und haben uns auſſer
dem Staͤdtlein in einem Holtze gelagert.


Den 6. Febr. ſind wir fruͤh um 7. Uhr von hinnen wieder
abgereiſet und Mittags zwiſchen 11. und 12. Uhr 7. nach Dovvar-
nick,
ſind 3. Meilen/ kommen. Den 7. Febr. ſind wir fruͤh mit
Anbruch deß Tages/ ſo ungefaͤhr um 6. Uhr geweſen/ wieder
reiſefertig worden und Mittags um 12. Uhr 8. nach Mizrovvitz
ankommen/ welches 5. Meilen. Hier iſt alles um ziemlichen
Preiß geweſen/ als ein Haſe um 2. Aſper/ eine Henne 4. Aſper/ ꝛc.
Unſer Wirth/ ſo ein Tuͤrcke war/ hat dem Herrn Grafen eine
Ganß verehret/ welches/ weil die Tuͤrcken ſonſt gewaltig Geld-
gierig und ohne Geld wenig vergeben/ man fuͤr ein groß Præ-
ſent
halten muͤſſen/ wie geringe es auch an ihm ſelber gewe-
ſen.


Den 8. Febr. um Sonnen Aufgang ſind wir fortgereiſet
und Mittags um 11. Uhr 9. auf Tobrinzi kommen/ ſind drey
Meilen. Jſt ein Dorff unter der Erden. Oben uͤber der Erden
ſiehet man nicht mehr davon/ als etwas die Daͤcher von den
Haͤuſern/ die Wohnungen aber ſind alle unter der Erden ein-
geſchnidten und eingebauet/ welches gar ſeltzam und wunder-
lich anzuſehen.


Den 9. Febr. ſind wir fruͤh kurtz fuͤr 7. Uhr wieder aufge-
weſen und um den Mittag 10. nach Semon kommen drey Mei-
len. Zur lincken Hand liegt ein Berg/ auf welchem ein alt ſtei-
nern Caſtell ſtehet/ nunmehr mit einer Mauer umzogen mit
4. Thuͤrmen/ da unten beyhin ein Fluß/ die Sau genannt
fleußt.


Den 10. Febr. um 7. Uhr fruͤh Morgens ſind wir 11. zu
Griechiſch-Weiſſenburg gluͤcklich ankommen. Jſt eine vorneh-
me Feſtung/ den Tuͤrcken gehoͤrig eine halbe Meile von Semon
und
[70]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und flieſſen zwey Waſſer bey derſelben hin. Wegen ſolcher zwey
Waſſer liegt die Stadt gar ſonderlich luſtig und viel Schiff-
Muͤhlen auf der Donau. Oben auf der Hoͤhe auſſer dem Ca-
ſtell ſiehet man die Stuͤcken/ welche in Eroberung dieſer Fe-
ſtung den Chriſten von den Tuͤrcken abgenommen worden/
und kan man da in einem Luſthaͤußlein alldar gar anmu-
thig in die beiden Fuͤſſe und ſonſt allenthalben weit herum
ſehen.


Den 16. Febr. ſind wir von dannen um zehen Uhr Vor-
mittage wieder aufgebrochen und darauff Abends um 5. Uhr
12. zu Jſartſchick 3. Meilen von Griechiſch-Weiſſenburg ankom-
men. Allhier haben wir zu erſt in eine Carabaſſari einkehren
muͤſſen. Der Herr Geſandte iſt eine Stiege oben auf logirt
worden/ wir aber haben uns unten bey den Roſſen behelffen
muͤſſen/ wie es denn in dieſen Landen/ wegen Mangel der
Wirthshaͤuſer/ die Gelegenheit anders nicht giebet.


Es ſind aber ſolche Carabaſſarien groſſe Weite viereckichte
und theils mit Bley gedeckte Gebaͤu/ welche auf allen vier E-
cken herum inwendig Cammine haben/ daß man Feuer drin-
nen machen und Kochen/ auch zu Winterzeit dabey waͤrmen
kan. Solche Cammine ſind uͤber einen von Steinen aufge-
fuͤhrten Abſatz nicht gar eines Mannes hoch gebauet und un-
ter ſolchem Abſatz ſtehen die Roſſe und liegen dabey auch die
Perſonen/ ſo darzu gehoͤren. Jſt eine ſchlechte bequemlichkeit/
ſonderlich zu Winterszeit und mag zwar allda einkehren/ wer
da will/ aber bringt er ſelber nicht zu eſſen mit/ ſo wird er wol
ungegeſſen laſſen muͤſſen und wird Hungerleiden ſeine beſte Ar-
beit ſeyn. Und wo es wol zutrifft und an manchem Orthe
noch ja etwas zu kauffen funden wird/ ſo iſts mehr nicht/ als
trucken Brot.


Den
[71]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 17. Febr. fruͤh mit dem Tage haben wir unſere wuͤ-
ſte Carabaſſari mit Freuden verlaſſen/ und wieder auf den Weg
begeben und ſind gleich zu Mittage/ da der Tuͤrcke auf dem
Thurm Mittag geſchryen @2. nach Colar, drey Meilen von J-
ſartſchick kommen: Den 18. Feb aber/ als die Sonne aufgan-
gen/ wieder allda aufgebrochen und nach Mittage um 1. Uhr
angelanget 14. zu Haſſanbaſchabalanka, vier Meilen/ allwo
dem Herrn Geſandten zu ehren auf dem Caſtell etzliche Stuͤck-
lein und Doppelhacken geloͤſet worden. Wir ſind aber dieſe drey
Tage ſtets ohne groſſes Gebuͤrge nur im Felde und Holtze
gereiſet.


DasV.Capitul.


Von einer ſonderbahren Ehe-Steuer und von dem
Preiß der Victualien.


HJeſiges Orthes haben die Tuͤrcken gar einen boͤſen Brauch
unter ihren armen Chriſtlichen Unterthanen/ welches ein
Catholiſcher Prieſter dem Herrn Geſandten gar wehemuͤhtig
beklagte. Wenn ein Chriſt ſich zum erſtenmahl verheyrathet/ ſo
muß er dreiſſig Aſper/ nach unſerer Muͤntze/ zehen gute Gro-
ſchen/ geben/ heyrathet er zum andern mahl und eine
Jungfer 12. Silber-Cronen/ nimbt er aber eine Wittwe/ ſechs
Silber-Cronen und von ieder Kirche muͤſſen die Chriſten jaͤhr-
lich zahlen einen Zickin/ welches der Schiſmatiſche Biſchoff/ alſo
nennet man den Biſchoff/ ſo uͤber die Chriſten geſetzet/ gleich
wie etwann in Paͤpſtiſcher Kirchen die Inquiſition Meiſter/
durch Janitſcharen einbringen laͤſſet.


An vielen Orthen ſind die Victualien ſehr wolfeiles Kaufs.
Zu Colar ein Reheboͤcklein um 25. biß 30. Aſper. Zu Griechiſch-
Weiſſenburg ein Occa Weins/ welches ſo groß iſt/ als ein Un-
Kge-
[72]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
geriſch Pint/ um 4. Aſper. Zu Haſſanbaſchabalanka anderthalb
Occa um 5. Aſper.


DasVI. Capitul.


Von unſerm Aufbruch zu Haſſanbaſchabalanka.


VOn hinnen ſind wir den 19. Febr. aufgebrochen und wie-
der fort gegangen um Aufgang der Sonnen und zwi-
ſchen 3. und 4. Uhr auf den Abend 1. nach Patiſchina, ſo ein
groß Dorff/ kommen/ und ſind drey Meilen: Den 20. Febr.
kurtz nach der Sonnen Aufgang wieder aufgebrochen und
nach Mittag um 2. Uhr 2. nach Japotna kommen. Sind 3. Mei-
len und iſt ein groß Dorff. Allhier haben wir die erſte Uhr gehoͤ-
ret/ ſo bißhero in der Tuͤrcken Gebiethe nicht braͤuchlich gewe-
ſen/ den ſie weder Glocken noch offentliche Schlag-Uhren ha-
ben/ außgenommen kleine Halßuͤhrlein/ die ſie ſehr gerne ha-
ben und viel drauff halten. Und dieſe Uhr iſt von Caniſche an
den Orth gebracht worden/ als die Tuͤrcken ſelbiges Caniſcha
eingenommen und unter ihre Gewalt gebracht.


Zu Japotna ſind wir biß auf den 22. Febr. ſtille gelegen/
nicht auß Noth/ ob wir gleich vorigen Tag eine ſchwere Reiſe
uͤber lauter holtziges Gebuͤrge zu reiſen gehabt/ ſondern weilen
unſere Wagen/ deren uͤber 60. waren/ nicht ſo geſchwinde uͤber
den Fluß Morava gefoͤrdert werden koͤnnen/ wie wir denn den
22. Febr. fruͤh um 10. Uhr ans Waſſer kommen und dennoch
bey Untergange der Sonnen erſt alle hinuͤber gefoͤrdert wur-
den/ da wir denn hernach noch zwey Stunden in die Nacht in
ſtarckem Wind/ Plitzen und Regen reiſen muͤſſen/ ehe wir 3.
Barochin, drey Meilen von Japotna, erreichet/ da wir uͤber
Nacht Quartier genommen/ wiewol wir nicht einen Trunck
Waſſer hatten bekommen koͤnnen unſern den Tag uͤber erlit-
tenen groſſen Durſt zu ſtillen.


Von
[73]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Von Griechiſch-Weiſſenburg biß auf den Fluß Moravam
wird das Land Servia genennet/ von dar aber hebt ſich das Koͤ-
nigreich Bulgaria an und ſein wir darinnen gereiſet biß 3. an Te-
mir Capi.
Das iſt gar ein merckwuͤrdiges Orth. Denn da ſtehet
auf einem hohen Gebuͤrge gar ein uhraltes von gehauenen
Steinen ſehr hohes und oben rund zugewoͤlbtes Thor/ welches
vor alten Zeiten ein feſter Paß geweſen/ dahero es auch auff
Tuͤrckiſch Temir Capi, das iſt/ ein eiſern Thor genennet worden.
Von Temir Capi ſind wir an Macedoniam, das uhralte be-
ruͤhmte Koͤnigreich kommen/ wie unten im 9. Capitul mit meh-
rerm ſoll gedacht werden.


Den 27. Febr. fruͤh gegen 7. Uhr haben wir uns wieder
auf den Weg gemachet und ſind Abends gegen 7. Uhr 4. nach
Alexintſchi kommen/ welches ſind 4. Meilen. Haben alſo den
gantzen Tag in lauter Wald und hohem Gebuͤrge gar ſchwer
Reiſen gehabt. Und weil da keine Gelegenheit den Herrn Lega-
ten
zu logiren/ hat er an einer Tuͤrckiſchen Kirchen in einem Ve-
ſtibulo,
oder Halle vorlieb nehmen muͤſſen/ wir aber ſind in der
Carabaſſari verblieben.


Den 24. Febr. fruͤh um 6. Uhr ſind wir aufgebrochen und
Nachmittage um 2. Uhr 5. nach Niſſa kommen/ ſind 4. Meilen
und iſt abermahls um deß hohen Gebuͤrgs und vielen Gehoͤltze
willen eine ſehr beſchwerliche Tagesreiſe geweſen/ wobey wir
den Fluß Moravam immer zur rechten gelaſſen.


DasVII. Capitul.


Von Niſſa der alten Hauptſtadt deß Bulgariſchen
Reiches.


DJeſes Niſſa ſoll vorzeiten die Hauptſtadt deß Bulgari-
ſchen Reichs geweſen ſeyn/ wie man denn an dem alten
Gemaͤuer und andern Dingen wol ſiehet/ daß es eine
K 2groſ-
[74]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
groſſe Stadt muß geweſen ſeyn. Der Fluß Niſſena fleußt mit-
ten durchhin und theilet gleichſam den Flecken/ uͤber welchen
Fluß eine ſchoͤne ſteinerne Bruͤcke/ oben mit hoͤltzern Geſpren-
ge/ gehet/ welche der Baſſa zu Ofen verfertigen laſſen.


Es lieget daſſelbe faſt um und um in und zwiſchen Gebuͤr-
ge ſehr luſtig und hat um ſich her viel Aecker und Weinberge/ ſo
wol diſſeits hinein/ als jenſeits den Weg nach Conſt antinopel
zu. Es waͤchſet auch viel Reiß allda und gilt die Occa deſ-
ſen/ welches unſers Gewichts iſt anderthalb Pfund fuͤnff
Aſper:


DasVIII.Capitul.


Von unſerm Auffbruch und Fortreiſen von
Niſſa.


ALs wir nun den 26. Febr. wiederumb fruͤh mit der Sonnen
Auffgang von dannen fortgezogẽ/ ſind wir Abends um 6.
Uhr als es dunckel worden/ 1. nach Isvvar kom̃en/ vier Mei-
len von Niſſa gelegen/ da wir denn uͤber das hohe Gebuͤrge/
Conavviza, ſo voller Holtzung und etwas Weinwachs und
flugs vor Niſſa her auſſen noch von weiten geſehen werden kan/
in ſehr boͤſen und grauſamen Wege reiſen muͤſſen/ woruͤber uns
Zeit und Weile lang worden.


Den 27. Febr. fruͤh um Aufgang der Sonnen haben wir
uns wieder aufgemacht und ſind Nachmittag um 1. Uhr unge-
faͤhr 2. zu Pieroth, Tuͤrckiſch Schörkoi genannt/ ankommen
drey Meilen. Jſt ein gepflaſterter Marckt/ wiewol man ſonſt
viel vornehme Staͤdte bey den Tuͤrcken ungepflaſtert findet.
Es iſt ein ſehr altes Schloß allda mit zwey ſteinern Mauern
umher/ ligt aber oͤde und unbewohnt und nahe dabey fleußt
ein kleiner Arm von der Niſſeua, ſo auch ſonſt unterſchiedener
Orthe durch dieſen Marck rinnet und von ſolchem Waſſer ge-
theilet wird/ als wie die Stadt Niſſa.


Die-
[75]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Dieſer Marckt/ wie mich ein Tuͤrcke berichtet/ beſtehet in
vierthalb hundert Feuerſtaͤdten. Umher iſt ein ziemlich luſtiges
Gebuͤrge und auſſerhalb deß Marcks reiſet man uͤber eine ſchoͤ-
ne groſſe und ziemlich weite Heide.


Den 28. Febr. haben wir in Pieroth ſtille gelegen und zu
unſerer Ergetzung die Faßnacht gehalten.


Den 1. Martii ſind wir fruͤh um 6. Uhr von dannen wieder
auf gebrochen und um 4. Uhr Abends 3. nach Dragomanti kom-
men/ drey Meilen von Pieroth. Zwey Meilen haben wir ohn-
gefaͤhr zwiſchen ſchoͤnen ebnen Aeckern zu beiden Seiten aber
holtzigem Gebuͤrge/ und den uͤbrigen Weg zwiſchen gar engen
ſehr hohen Steinfelſen hingereiſet. Sonderlich aber ſtehet zur
rechten Handwerts zwiſchen vorgedachten Felſen ein uͤber die
andern außgehender ſehr groſſer und hoher Stein/ gantz frey
und allein/ von welchem die Tuͤrcken fuͤr geben und feſtiglich
glaͤuben/ ihr Heiliger einer/ Hali auf Tuͤrckiſch genannt/ iſt
ſo viel/ als Elias, habe dieſen Felſen mit einem Sebel auf einen
Hieb alſo voneinander gehauen/ wie man denn den Hieb na-
tuͤrlich ſiehet und das abgehauene Theil an dem groͤſſern an-
lehnet/ welches billig zuverwundern.


Da haben wir im tieffen Schnee/ ſtarckem Wind und
ſtetigem Ploͤdern durch diß enge Gebuͤrge hindurch gemuͤſt/
weßwegen wir auch auß dem Quartir etzliche Bulgariſche
Bauern mit Schauffeln/ die uns Bahne machen uñ den Weg
weiſen muͤſſen/ welchen wir vor dem groſſen Wind- und
Schnee-Stoͤbern unmuͤglich haͤtten treffen koͤnnen/ mitge-
nommen biß ins Nachtquaꝛtier. Kurtz auſſer dem hohen Felſich-
ten Gebuͤrge ſind wir uͤber die Niſſau/ woruͤber eine hoͤltzerne
Bruͤcke gangen/ gefahren.


Von Dragamenti ſind wir den 2. Martij fruͤh um 8. Uhr
wieder aufgeweſen/ haben zwar ſtets eben Weg gehabt in lau-
K 3ter
[76]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ter Ackerbau ohne Gebuͤrge/ aber den gantzen Tag nichts/ als
Schnee und Ploͤdern und ſind Nachmittage um 1. Uhr 4. nach
Pötrötſchon kommen/ und ſind zwey Meilen.


DasIX.Capitul.


Von der ſtrengen Faſten der Bulgaren.


ALs wir in groſſem ſchneeichten und windigen Wetter zu
Pötrötſchon ins Quartier kommen/ und den Stall einnah-
men/ da die Bauren ihr Vieh unſerm Begehren nach
außgetrieben/ damit wir Platz haben moͤchten/ fintemahl bey
ihnen der Stall alles in allen iſt/ wir allda ein Feuer/ uns zu
truͤcknen und zu waͤrmen/ angemachet/ haben wir endlich un-
ſer Kaͤß und Brot/ weils beſſer nicht vorhanden/ herfuͤr geſu-
chet unſern Hunger zu ſtillen.


Nach dem wir aber den Bauer und ſein Weib/ ſo ein Klei-
nes Kind auf den Armen hatte/ anſichtig worden/ haben wir
ſie neben uns auch zum Feuer ſitzen laſſen und ihnen von un-
ſerm Kaͤß und Brote fuͤrgeleget/ aber ſie haben ſich davon zu eſ-
ſen zum hoͤchſten entſchuldiget um ihrer Faſten willen. Es er-
greifft aber das Kind ohngefaͤhr nur ein kleines Broͤcklein vom
Kaͤſe/ faͤhret alsbald damit zum Munde und iſſets hinunter.
Was geſchahe? Da es die Mutter gewahr werde/ ſtunde ſie
mit ſolchem Wehklagen und Zettergeſchrey alsbald auf/ daß
wir meinten/ ſie were unſinnig/ biß wir uns der Urſache we-
gen durch einen unter uns/ der ihrer Sprache in etwas kundig
war/ bey ihr erkundigten/ da ſie uns ſagen lieſſe: Jhr Kind het-
te ietzo eine ſchwere und faſt unvergebliche Suͤnde begangen/
indem daſſelbe etwas von dem Kaͤſe genoſſen/ weßwegen ſie ſich
eine ſchwere Verantwortung auf den Halß geladen. Und ob
wirs ihr wol beſtes Fleiſſes auß dem Sinne geredet/ hats doch
nichts
[77]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nichts helffen wollen/ biß wir endlich geſagt/ daß wir die Suͤn-
de vor Gott zuverantworten auf uns nehmen wolten/ welches
ſie zwar in etwas zu frieden geſtellet/ iſt aber doch gleichwol biß
auf die letzte Stunde unſerer Abreiſe immer noch bekuͤmmert
druͤber geweſen. Es ſind dieſe Leuthe Griechiſches Glaubens
und iſt hoch zubeklagen/ daß man auch bey dem hellen Liecht der
Chriſtlichen Lehre Gott zu ehren und ſeiner Seelen zu zeitli-
chem und ewigen Heil nicht halb ſolchen Abſcheu vor Suͤnde
und Unrecht traͤget/ als ſolche arme Leuthe nur bey ihren Ein-
bildungen. Darum/ ob ſie es an jenem Tage wol nicht entſchul-
digen wird/ ſo werden ſie doch gleichwol alle ſolche muthwillige
Suͤnder unter uns beſchaͤmen und verdammen.


DasX. Capitul.


Wie mir und meinen Reiß-Gefehrten die Bulgariſche
Hochzeit geſegnet worden.


HJer faͤllet mir gleich auch mit ein zuerzehlen/ wie mirs auff
meiner erſten Reiſe von Conſtantinopel nacher Wien/ die
ich mit einem Curirer auf der Poſt gethan/ um dieſer
Gegend Landes zu Isvvor, deſſen ich oben im 8. Capitul dieſes
erſten Buchs und dieſes andern Theils gedacht/ ergangen iſt.


Es hat uns der Tuͤrcke/ ſo mich und den Currirer biß
nach Ofen in Ungern begleiten muͤſſen/ in ein Bauerhaͤußlein
auf eine Bulgariſche Bauer-Hochzeit gefuͤhret. Zwar als
wir hinein kommen/ ſind wir von den Bauren vertraulich
gnug auff genommen und an einen langen ſchmalen Tiſch/ al-
wo zwey groſſe Kuͤbel/ oder Faſſe voll mit rothen und ſehr
ſtarcken Wein ſtunden/ gefuͤhret und zu ſitzen gebethen worden.
Jn ſolchen Weinfaſſen lagen von außgehoͤlten Kuͤrbiſſen/ der-
gleichen denn im Lande viel wachſe/ etzliche Trinckgeſchirre/
damit
[78]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
damit/ wem beliebete zu trincken/ von dem Weine ſchoͤpffete
und tranck/ ſo viel und oft er wolte/ worbey ſich denn dieſe Bau-
ren recht barbariſch erzeigeten/ wie ſie es auch ſonſt waren.


Weil ich aber ein Tuͤrckiſch Kleid anhatte/ fragten ſie
mich/ ob ich ein Chriſte were/ denen ich theils auf Tuͤrckiſch/
theils auch mit Zeichen zuverſtehen gab/ daß ich ein Chriſt
were/ woruͤber ſie denn hoͤchlich erfreuet worden und haben
auß ihren Wein-Kuͤbeln den Wein/ wie Waſſer geſchoͤpffet
und auff mich loß getruncken. Es iſt aber auf den Morgen auß
ſolcher Freude und Luſt eine ziemliche Unluſt kommen/ deren
wir uns zwar nicht verſehen hetten. Es iſt aber dieſelbe/ kurtz
zuerzehlen/ daher entſtanden:


Als wir damahls von Pieroth mit andern Roſſen abge-
reiſet und zwey davon nicht wol fort konten/ iſt uns ein Bauer
mit etzlichen Roſſen begegnet/ mit dem unſer Tuͤrcke ein
Wechſel hielt und unſere Schwache fuͤr ſeine friſche gab/ iedoch
mit der Bedinge und Verheiſſung/ daß er ſie zu Isvvor wieder
finden ſolte/ wie denn auch warhafftig geſchehen were. Es
war aber der Bauer keines Wegs zu frieden und koͤmmt uns
nach gegen Morgen voller Zorn und Unmuth in beſagtes
Dorff und beklagt ſich gegen ſeine noch volle Nachbarn und
Mitbauren/ wie es ihm mit uns geſtern ergangen were/ gleich
da wir uns ietzt zur Reiſe fertig machten und wieder fortreiſen
wolten/ maſſen wir uͤbernacht ſchlecht accommodament ge-
habt und unter freyem Himmel im Hofe verlieb nehmen muͤſ-
ſen. Da kommen die Bauren mit Pruͤgeln und groſſer unge-
ſtuͤhm auf uns zu und ſchlugen tapffer auf den Tuͤrcken und
Poſtilion loß/ ich aber/ der ich bereits zu Pferde ſaß/ habe mich
aller Orthe fleiſſig umgeſehen/ ob ich auch was haben ſolte: al-
lein es iſt doch gleichwol das Ungewitter neben hingeſtrichen
und haben mich vielleicht/ daß ich mich den Abend zuvor ei-
nen Chriſten erklaͤret/ genieſſen laſſen.

Weil
[79]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Weil aber kein Aufhoͤren/ noch Verſoͤhnen ſtat finden
wolte/ iſt der Currirer zum Tuͤrckiſchen Richter gangen und
hat die Barbariſchẽ Bauren verklaget/ worauf alsbald befoh-
len worden die Anfaͤnger ſolches Streits mit funffzig Strei-
chen auf die Fußſohlen einen ieglichen abzuſtraffen/ woruͤber
ſie hefftig erſchrocken und kleinlaut worden/ maſſen es denn
auf geſtrig-genoſſenen ſtarcken Wein auch ein ziemlicher ſtar-
cker Brantewein war/ der ſich ſchwerlich gar zu wol drauf ſchi-
cken moͤgte. Allein wir geſegnetens ihnen und ritten mit un-
ſerer Part Stoͤſſe auch fort.


DasXI. Capitul.


Wie der Herr Legat zu Sophia eingeholet
worden.


DAmit ich aber wieder auf dieſe meine andere Reiſe/ mit
Jhrer Excell. Herrn Grafen von Buchhaim/ Jhrer
Roͤm. Keyſ. Majeſt. Abgeſandten in die Ottomanniſche
Pforten verrichtet/ kom̃e/ davon ich mit jetzt gethaner Erzeh-
lung abgeſetzet/ ſind wir den 3. Martij von Pötrötſchon kurtz
nach der Sonnen Auffgang aufgebrochen und nach Mittage
um 2. Uhr zu Sophia ankommen/ zwey Meilen. Denn ob wir
gleich in lauter ebnen Wegen und zwiſchen Feldern gereiſet/ ſo
iſt doch der Weg ſehr boͤſe geweſen/ weßwegen wir auch vori-
ges Tages Sophiam nicht erreichen koͤnnen.


Als wir nun eine gute vierthel Meile nach von der Stadt
abgeweſen/ ſind uͤber 1000. Tuͤrcken zu Roß und Fuß/ nemlich
600. zu Roß und 400. zu Fuß uns entgegen kommen und ha-
ben uns mit Trom̃eln und Trompeten/ ihrer Manier nach
einbegleitet/ welches ſehr ſchoͤn anzuſehen geweſen/ dieweil
Roß und Reiter aufs ſchoͤnſte außgeputzt waren. Und welches
wol zu mercken/ konte man unterm Fuß-Volcke/ das ſich bey
Lun
[80]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
unſerm Einzuge zu beiden Seiten eingetheilet/ flug an ihren
ſeltzamen Kleidungen und inſtrumenten erkennen/ was Profeſ-
ſion
und Handwercks ein jeder war. Jhrer viel hatten von dem
edelſten Rauchwerck an Tieger und andern Haͤuten/ ſo zu
Roß als zu Fuſſe/ ſich behenget. Uñ ſind wir alſo ſolenn un̄herr-
lich zu Sophia, davon die gantze Stadt rege worden/ wie doch
zugeſchehen pfleget/ wann etwas ungewoͤhnliches zu ſehen iſt/
eingezogen.


Den 4. und 5. Martii ſind Jhre Excell allhier zu Sophia
ſtille gelegen und haben etwas außgeraſtet/ womit auch uns
gedienet geweſen.


DasXII.Capitul.


Von unſerm Aufbruch zu Sophia und fernerer
Fortreiſe.


SOphia iſt ſonſten eine ziemliche Stadt iedoch ohne Ring-
mauren. Jſt ietziger Zeit die Hauptſtadt in Bulgaria/ hat ein
ſchoͤnes warmes Bad/ 2. Waſſerkuͤnſte und eine kleine Kir-
che Patrum S. Franſciſci, und ſind um dieſelbe herum uf etzliche
Meilen in ſchoͤnen ebenen der Felder gar viel Huͤgel zu ſehen/
von zehen biß fuͤnffzehen Elen hoch und haͤlt man dafuͤr/ daß
es tieffe Gruben geweſen/ darein man vor Zeiten die Todten
zu werffen und zu begraben pflegen.


Den 6. Martii fruͤh Morgens um halb 8. Uhr ſind wir
wieder aufgebrochen und um 3. Uhr 1. nach Wackarel kom-
men/ 4. Meilen von Sophia. Sind in ſchoͤnen ebenen Feldern
zwiſchen etwas abgelegenen hoͤltzigen Gebuͤrge/ ohngefaͤhr a-
ber eine Meile von Wackarell in und uͤber das hohe Gebuͤrge
Kabra genannt/ gezogen/ in welchem ietztgedachtem Gebuͤrge
viel ſchoͤne klare Fluͤßlein flieſſen/ biß wir endlich uͤber ein Waſ-
ſer/ die Isker genannt/ kommen.


Den
[81]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 7. Martij haben wir uns zu Wackarell fruͤh um 7.
Uhr wieder auf den Weg gemacht und ſind nach Mittage um
2. Uhr kommen 2. nach Ichtimon, welches drey Meilen von Wa-
karel
abgelegen. Den 8. Martij fruͤh um 8. ſind wir wieder fort
und 3. nach Capitſchik, da die TemirCapi iſt/ deren oben in 6. Ca-
pitul gedacht worden/ kommen: Und haben wir von Ichti-
mon
uͤbers hohe Gebuͤrge gemuͤſt/ auf welchem gedachte Temir
Capi,
oder eiſernes Thor/ ſtehet/ worbey ein Doͤrfflein/ Derfent
genannt/ da ſich auch im vorigen Capitul gedachte und um die
Stadt Sophia herum angefangene Begraͤbniß-Huͤgel enden.


Von der Stadt Sophia biß auf Conſtantinopel haben
wir das uͤberauß hohe Gebuͤrge/ Herebum, und zur lincken Hæ-
mum
gehabt. Dieſer iſt 6000. Schrit/ oder anderthalbe Meile
hoch und wie die Hiſtorien vermelden/ ſoll der Koͤnig Philippus
in Macedonien/ Alexandri M. Vater vier Tage hinauf und zwey
herunter gereiſet ſein und kan man da Welſch- und Teutſchland
den Donauſtrom und das Venetianiſche Meer ſehen/ unge-
acht es doch in die hundert Meilen davon gelegen. Von Ca-
pitſchik
ſind wir 4. nacher Wedrin, drey Meilen voneinander
gelegen kommen/ wo wir denn auch uͤber Nachts verblieben
und iſt allhier das Gebuͤr ge Nofak.


Den 9. Martii fruͤh um 6. Uhr ſind wir wieder aufgewe-
ſen und um 12. Uhr 5. nach Tattarbaſſartſchik, welches ein ſchoͤner
Marckt ankommen/ welchen Tag wir auch alda ſtille gelegen
und uͤbernachtet/ ſind drey Meilen. Den 10. Mart. als wir fruͤh
um 6. Uhr wieder aufgeweſen/ ſind wir nach Mittags 6. zu
Philippopoli ankommen/ welches abermalhs drey Meilen von
Tattarbaſſartſchik abgelegen iſt.


DasXIII. Capitul.


Von Philippopoli, der Koͤnigl. Macedoniſchen Reſi-
den
tz-Stadt.


L 2Die-
[82]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DJeſes Philippopolis iſt eine ſehr alte Stadt/ abſonderlich
deßwegen beruͤhmt/ weil Alexandri M. Vater allhier auf
einem Berge/ deren etzliche in der Stadt gelegen/ ſeine Re-
ſiden
tz gehabt/ wie deñ das alte Gemaͤuer/ ſo noch davon uͤbrig
aber wegen langwieriger Zeit mit Graß uͤberwachſen/ auß-
weiſet.


Dieſe Stadt ligt in dem uhralten beruͤhmten Koͤnigrei-
che Macedonia unten am Gebuͤrge Rhodope. Sie hat keine
Mauren/ iedoch ſind um und um Berge von unaußſprechlicher
Hoͤhe und haben wir da die andere Uhr ins Tuͤrcken Gebieth
ſchlagen hoͤren. Auf obgedachter Berge einem in ſolcher Stadt
auf der ecke oder Spitze deſſelben ſtehet eine ſehr alte gar kleine
Capelle/ oben rund zugewoͤlbet und von Steinen in- und auß-
wendig aufgefuͤhret/ inwendig aber mit alten Gemaͤhlden
außgezieret und ſagt man/ daß der Apoſtel Paulus Meſſe
darinnen geleſen haben ſoll.


Dieſem Berge gegen uͤber auf einem andern ſeynd wir
mit 5. Trompetern und Heerpaucken luſtig geweſen und von
Wein und Semmel uns allda eine Collation gemacht und ha-
ben wir uns uͤber alle Maſſe weit herum umſehen koͤnnen.


DasXIV. Capitul.


Von unſerm Auffbruch und fernerer Fortreiſe
von Philippopoli.


VOn Philippopoli ſind wir den 12. Martij fruͤh um 6. Uhr
wieder aufgebrochen und Abends um 5. Uhr 6. zu Soſo-
vvitze
ankommen. Den 13. Martij fruͤh um 6. Uhr ſind wir
wieder aufgeweſen und um 2. Uhr 7. nach Uſumtſchova, ſo drey
Meilen/ kommen/ an welchem Orthe denn eine ſchoͤne Kirche
zu ſehen iſt.


Den 14. Martij fruͤh um 6. Uhr haben wir uns wieder von
dan-
[83]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
dannen aufgemacht und ſind 8. Hermanli kommen/ drey Mei-
len Hat ein flieſſend Waſſer/ Büukterſa genannt und eine ſehr
lange ſteinerne Bruͤcke. Und eine Meile von dieſem Orthe wird
die Erde/ Bolus Armenus genannt/ gefunden und gegraben.
Den 15. Martij fruͤh um 6. Uhr ſind wir wiedeꝛ aufgeweſen und
9. nach Muſtofa Baſchatſchopri kommen/ welches von Herman-
li
drey Meilen abgelegen. Hat auch eine ſteinerne Bruͤcke von
400. gemeinen Schritten lang und 9. Schritte breit/ maſſen
denn auch gar eine ſchoͤne Carabaſſari 135. Schritte lang und 35.
Schritte breit/ alſo/ daß eine groſſe Anzahl Roſſe darinnen ge-
ſtellet werden koͤnnen. Von dannen ſind wir den 16. Martij in
aller fruͤhe aufgeweſen und drauff um 11. Uhr gluͤcklich ankom-
men 10. zu Adrianopel, von welchem Orthe im folgenden Ca-
pitul ſoll geſagt werden.


DasXV. Capitul.


Von der Stadt Adrianopel, wie wir allda empfangen
worden und was denckwuͤrdiges allda zu ſehen iſt.


WJe wiꝛ uns an dieſe Stadt genaͤheꝛt/ ſind Jhre Excell. von
den Tuͤrcken zu Roß und Fuß gar praͤchtig angenommen
und eingeholet worden/ kurtz aber vor der Stadt haben
uns 12. Tuͤrcken und Zigeuͤner aufgewartet mit ihrer Barba-
riſchen Muſic und alſo damit in die Stadt begleitet.


Es liegt die Stadt in einem Thaal/ weßwegen wir ſie
auf eine Meile wegs ſehen koͤnnen/ ehe wir hinan kommen und
fleußt dran hin das Waſſer Moriza, uͤber welches eine ſehr lan-
ge ſteinerne Bruͤcke gehet. Sie iſt ziemlich groß und hat eine
neue Kirche mit vier Thuͤrmen/ allenthalben mit Bley gede-
cket und iſt wol zu ſehen/ denn es gewiß ein uͤber auß ſchoͤnes
Werck iſt/ nach dem es die Tuͤrcken erbauet haben/ von denen
L 3man
[84]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
man ſonſt dergleichen nicht wol gewohnt iſt/ worbey den
der Marmelſtein nicht geſparet worden.


Einsmahls gehe ich mit etzlichen der unſern auf deren Thuͤr-
me einẽ um die Stadt der ſchoͤne halber und ihre luſtige Gegend
herum recht zu beſehen und ſtoſſe unvorſichtig im Tunckeln einẽ
Oelkrug um. Als aber der Tuͤrcke/ ſo die Ampeln auf dẽ Thurm
um ihres heiligen Abends willen anzuͤnden wollen/ uns zu-
gleich auch wieder herunter fuͤhren/ ſolches gewahr worden/
hub er uf ſeine Sprache an zu ſchelten und zu fluchen und wolte
es kurtzum von uns bezahlet haben/ oder wolte uns von dan-
nen nicht laſſen. Weil wir denn andere Ungelegenheit befahren
muſten/ haben wir uns mit ihm um 8. Aſper verglichen und
ſind in Frieden voneinander geſchieden.


Wann ſie ihren Wairam, alſo nennen ſie ihr hoͤchſtes Feſt/
halten/ zuͤnden ſie vier gantzer Wochen lang auf allen Thuͤr-
men/ deren eine unaußſprechliche Summa/ wil nicht ſagen zu
Conſtantinopel, ſondern nur allhier zu Adrianopel, ſchoͤne Figu-
ren von Lampen von einem Thurm zum andern mit langen
Seulen an/ als wie halbe Monden/ Cypreßbaͤume und ande-
re mehr/ welches denn deß Nachts/ ſonderlich wenns ſehr fin-
ſter/ ein uͤberaus ſchoͤnes Anſehen gibt/ daß mans weit und
fern ſehen kan/ wie ich denn oftmahls deß Nachts/ ſonderlich
zu Conſtantinopel deß Tuͤrckiſchen Keyſers Burg uͤber/ die
vornehmſten Kirchen in der Stadt auß meinem Hauſe zu Gal-
lata und die auff den Thuͤrmen derſelben angezuͤndete Lam-
pen Figuren lange mit hoͤchſter Luſt und Verwunderung an-
geſehen und betrachtet.


Die vier Wochen uͤber halten ſie den gantzen Tag/ auch
in der groͤſten Hitze im Sommer/ welche denn uͤberaus groß
allda iſt/ ihre Faſten ſo ſtrenge/ daß keiner einen Tropſſen
Waſſer/ noch Biſſen Brod genieſſen darff/ biß man die Ster-
nen
[85]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nen am Himmel ſiehet: Da bringen ſie denn wieder ein/ was
ſie den Tag uͤber verſaͤumet/ in dem ſie die gantze Nacht in Freſ-
ſen/ Sauffen und allerhand abſcheulichen Suͤnden und Un-
zucht zubringen. Auf ſolche vermeinte vierwoͤchentliche Faſten
folget denn ihr Feſt und waͤret drey Tage und haben dabey al-
lerhand Freudenſpiele nach ihrer Weiſe.


Von Unglaͤubigen Heiden gehets hin/ wann aber nur
der Allerhoͤchſte nicht auch von denen meiſten Chriſten klagen
und ſagen muͤſte: Was verkuͤndigeſt du meine Rechte und
nimmſt meinen Bund in deinen Mund/ ſo du doch Zucht baſ-
ſeſt und wirffeſt meine Worte hinter dich?


DasXVI.Capitul.


Von unſerm Aufbruch zu Adrianopel und fernerer
Fortreiſe.


DEn 18. Marti@ fruͤh um 6. uhr ſind wir von Adrianopel
fortgezogen/ unterwegens kommen 1. auf Opolbaſſa und
2. auf Hapſa, welches ein Marckt/ allwo auch ein Hann/
da man logiren kan. Haben den gantzen Tag im truͤben Re-
genwetter zubracht und eine ſchwere Reiſe uͤber Berg und Thal
gehabt, biß wir auf den Abend 3. gen Babba kommen/ ſo 7. Mei-
len und uns in Hann daſelbſt logiret.


Allhier hats gar eine ſtatliche Bruͤcke uͤber 200. gemeine
Schritte lang und ſehr breit/ uͤber den Fluß Mariza, ſo doch
nicht ſehr breit/ wie denn unſer etzliche von den Wagen abgeſeſ-
ſen und uͤber die Bruͤcke/ ſelbige recht in Augenſchein zu neh-
men/ gangen. Zur lincken Handwerts iſt eine uhralte Capelle
mit einer oben rund gemauerten Coppel/ darinnen haben wir
ein Grab eines Heiligen/ Namens Nicolai, geſehen/ ſo von ei-
nem Griechiſchen Weibe bewachet wird/ wiewol die Capelle
ietzo Tuͤrckiſch/ da ſie zuvor Griechiſch geweſen. Unfern von die-
ſes
[86]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſes Heiligen Grabe ſiehet man auch einen uͤberauß groſſen
Pfeil von Eiſen und ein Armbruſt/ welches er im Leben gefuͤh-
ret haben ſoll.


Den 19. Martij ſind wir fruͤh um halb 7. Uhr zu Babba
aufgeweſen im ſtarcken Re gen und Wind und haben aber-
mahls einen ſehr boͤſen Weguͤber Berg und Thaal und um ein
Uhr nach Mittage 4. nacher Borgas kommen/ allwo wir uͤber
eine ſteinerne Bruͤcke fahren muͤſſen nach dem Hann/ da wir uͤ-
bernacht logiret. Dieſes Borgas iſt ein Marckt und iſt ein Tuͤr-
ckiſch Geſtiffte daſelbſt/ daß man die Durchreiſende allda ſpei-
ſen muß. Hier ſind wir ans Meer/ Propontis genannt/ kom-
men.


Den 20. Martij ſind wir wieder fortgezogen fruͤh Mor-
gens um 3. Uhr und um halb 7. Uhr 5. nach Schorli kommen. Jſt
ietzo ein Marckt/ vorzeiten aber eine beruͤhmte Stadt geweſen
und iſt 7. Meilen von Borgas gelegen/ das Waſſer ſo bey hin
fleußt/ wird Johann genennet und der Herr Logat muſte an ei-
ner Tuͤrckiſchen Meſchit, oder Kirche logiren.


Den 21. Martij ohngefaͤhr eine Stunde nach der Son-
nen Aufgang ſind wir zu Schorli wieder fort und Abends um
5. Uhr 6. nach Selymbria kommen fuͤnff Meilen von Schorli ab-
gelegen.


Jſt eine Stadt nicht uͤbrig groß am Meere gelegen und
haben wir dieſe Tagreiſe abermahls in lauter truͤben Regen-
wetter und boͤſen Wegen zwiſchen engen Thaalen und Bergen
zugebracht/ und iſt uns hier S. Agnetis Coͤrper unverweſet in deꝛ
Hoͤhe gewieſen worden/ wie denn auch eine ſehr ſchoͤne Bruͤcke
von 32. ſteinern Jochen allda zu ſehen/ wiewol wenig Waſſer
unter hinfleuſſet.


Den 22. Martij fruͤh um 7. Uhr haben wir uns wieder auf
den
[87]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
den Weg gemacht und ſind Mittags um 2. Uhr 7. nach Ponte-
grande,
weiches ein Dorff/ zwey Meilen ankommen.


Auſſer Selymbria iſt uns der Roͤmiſ. Keyſerl. an der Otto-
manniſchen Pforten reſidirende Rath/ Herr Johann Ru-
dolph Schmid/ entgegen kommen/ welcher Jhre Excell. den
Herrn Geſandten/ vollends nach Conſtantinopel begleitet.


Zu Pontegrande iſt eine ſehr ſchoͤne lange und breite ſtei-
nerne Bruͤcke/ wovon auch das Dorff den Namen bekommen
daß es Pontegrande, das iſt/ Großbruͤcke heiſſet. Dieſe Bruͤ-
cke iſt gar ſonders wol erbauet/ denn bald gehet ſie auf-bald nie-
derwerts und fleußt ein Arm vom Meere drunter hin.


Von hier ſind wir kommen 8. nacher Ponte Piccolo den
23. Martij und alda biß auf den 25. Martij ſtille gelegen/ ehe
wir vollends nach Conſtantinopel fortgangen.


Auſſer der Stadt Conſtantinopel/ ungefaͤhr eine halbe
Meile/ habẽ ihre Excell. alle Wagen/ deren uͤber 50. geweſen/ im
freyen Felde ſtille halten laſſen und ſich zum Einzuge geſchicket.
Auſſer der Stadt aber ſind Jhre Excell. der Hollaͤndiſche/ Ve-
netianiſche und Engellaͤndiſche Reſident entgegen kommen und
haben denſelben aufs freundlichſte empfangen. Haben uns al-
ſo gemachſam der Stadt Conſtantinopel genaͤhert und ſind/
Gott Lob/ nach lang auß geſtandener Kaͤlte/ Froſt/ Regen und
Schnee und ſonſt vielem Ungemach um Mittage daſelbſt gluͤck-
lich angelanget/ von Tuͤrcken zu Roß und Fuß begleitet. Un-
ſere Trompeten aber haben wir nicht hoͤren/ noch die Paucken
ruͤhren laſſen doͤrffen/ wie wir denn auch mit zu gewikkelten
Cornet eingezogen.


DasXVII.Capitul.


Wie wir in Conſtantinopel tractirt und gehalten
worden.


MAls
[88]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

ALs nun der Herr Geſandte das erſte mahl bey dem Tuͤrcki-
ſchen Keyſer audienz haben ſollen/ ſind uns von den Tuͤr-
cken die aufs ſchoͤnſte gebutzte Roſſe vorgezogen worden/
wor auf wir in die Keyſerl. Burg einreiten ſollen/ da wir denn/
nach dem wir in die Burg kommen/ unten auf der Erden in ei-
nem weiten Hofe geſpeiſet worden/ auf gut Barbariſch/ ohne
Tiſch/ Baͤncke und Tiſchtuch. An ſtat deß Weins haben wir
friſch Waſſer/ oder Scherbeth gehabt.


Haben alſo kurtze Tafel gehalten/ da wir gar fein ver-
nuͤnfftig blieben. Was aber nach uns in den groſſen Schuͤſſeln
uͤbrig blieben/ das haben die Tuͤrcken/ da wir aufgeſtanden/
alsbald hinweggenommen und ſich drum geriſſen und faſt ge-
ſchmiſſen. Hetten wir nicht ſorgen muͤſſen/ daß wir die Tuͤr-
cken/ als ob wir ſie ver achteten/ erzuͤrnen moͤgten/ hetten wir
ihnen ihr Pancket wol gelaſſen.


Jhre Excell. der Herr Geſandte nebenſt den anweſenden
vornehmſten Tuͤrckiſchen Baſſen, Veziern, Muffti, \&c. ſind ab-
ſonderlich tractirt worden in einem darzu deputirten und aufge-
putzten ſonderlichen Zimmer Die Grafen und Herrn/ ſo ihrer
Excell angehoͤrig geweſen/ haben auchi hre tractation abſon-
derlich gehabt.


Als nun hier auff die audienz verrichtet/ ſind wir wieder-
umb nach unſerm Hann/ da wir logiret/ gekehret und ſind ih-
rer Excell. dero Cavallirn und Officirern bey dieſer Keyſerl. Au-
dien
tz ſchoͤne Cafftan von Gold/ Silber und Seiden gewuͤrckt
außgetheilet worden/ darinnen ſie/ biß in den Hann/ reiten
muͤſſen: Und als wir dahin kommen/ ſind alsbald Tuͤrckiſche
Muſicanten mit ihren Schallmeyen/ Trummeln/ die ſie oben
mit einem und unten zugleich mit einem Kloͤppel ſpielen und
mit meſſingen Trommeten/ wiewol anders/ als unſere ge-
macht/ uns aufzuwarten erſchienen und dem Herrn Legaten
da-
[89]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
damit zubeehren/ welches aber ſchlecht genug und alſo geklun-
gen/ daß man bald die Ohren darfuͤr zuſtopffen moͤgen.


DasXVIII. Capitul.


Von der Tuͤrcken ruͤhmlichen Gerechtigkeit ein
ſonderbares Exempel.


ALhier muß ich eine ſonderbare Geſchicht/ die ſich zu unſer
Zeit etwann zehen Schritt von unſerm Hann uͤber zu
Conſtantinopel zugetragen/ erzehlen. Es wurde eins-
mahls in der Nacht zu verbothener Zeit ein Tuͤrcke auf der
Gaſſen von der Wache er griffen/ welcher ein kleines Kaͤſtlein
untern Armen gehabt und endlich auf ſcharffe Zurede geſtan-
den/ daß ers geſtohlen. Den nimmt alsbald die Wache ohn al-
le Verantwortung/ Urthel und Recht/ wirfft ihm einen Strick
um den Hals und hing ihn an den nechſten Baum bey gedach-
tem Hann. Das Kaͤſtlein aber ſetzte man unter den Baum/
daran der Dieb hieng/ damit iederman deß erhenckten Ubel-
that wuͤrcklich ſehen ſolte/ wie dem Fuͤrgeben nach/ der Tuͤrcki-
ſche Keyſer ſelber dabey geweſen und ſelbiges beſehen haben ſoll.
Denn den Gebrauch hat der Keyſer/ welches gewiß/ daß er deß
Nachts oft und vielmahls hin und her reitet und alſo die Juſtitz
zubefoͤrdern und zuerhalten hoͤchlich beflieſſen iſt. Ja auch deß
Tages wol gehet er vielmahl mit ſchlechten Kleidern und mit
wenig/ oder wol gar keinen Dienern die Gaſſen und Maͤrckte
durch/ da das meiſte verkaufft und gekaufft wird/ damit er ſie-
het/ ob man verbothenen Wucher und Uberſatz treibet. Das
were wol noth bey unſern Kramern/ welche das fuͤr ihr beſtes
Gluͤck achten/ ie mehr ſie an einer Wahr gewinnen koͤnnen und
nicht betrachten/ obs wieder Gewiſſen und Chriſtliche Liebe
lauffe oder nicht.


M 2Die
[90]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Dieſer Tuͤrckiſche Dieb/ ſo damals in der Nacht aufge-
hencket ward/ muſte hernach drey Tage und Sonnenſchein/
andern zum Exempel und Abſcheu/ am Baum hengen bleiben:
Und haſſen die Tuͤrcken unter andern Laſtern ſonderlich auch
den Diebſtahl zum hoͤchſten. Solchem alle Gelegenheit abzu-
ſchneiden/ darff ſich zu nachts keiner nach verbothener Zeit auf
der Gaſſen betretten laſſen. Wird aber einer ertappet und hat
nicht hohe wichtige Urſachen deſſen fuͤrzuwenden/ ſtehet traun
ſein Leben in hoͤchſter Gefahr. Ein hoher Cavallir/ ſo ein
Chriſt und dem Tuͤrcken gedienet hatte/ ſagte mir einsmahls/
wenn man etwas bey den Tuͤrcken auß der hoͤchſten Gefahr
unter eine Wache gebracht/ ſo wirds geachtet/ als haͤtte mans
Gott in ſeine Haͤnde aufzuheben gegeben.


Wird demnach gewiß von denen Barbariſchen Tuͤrcken
in allen Stuͤcken/ nichts außgenommen/ die liebe Juſtiz uͤber
alle maſſen eiferigſt befoͤrdert und gehandhabet/ und werden
ohn einige Verlaͤngerung der Rechts-Haͤndel und vieles Ad-
voca
ten-Gebetſſe die Sachen in wenig Tagen/ oder wol
Stunden zu Ende gebracht und die Parten außeinander ge-
ſetzet. Bey vielen Regierungen unter den Chriſten gehets lei-
der mit Rechtshaͤndeln/ wie bey ungewiſſenhafften Artzten/
welche die Schaͤden darumb auffhalten/ daß ſie deſto mehr
Geld drauß ſchneiden koͤnnen und verderben damit ſehr viel
Patienten gar/ daß ſie zu Kruͤpeln werden/ oder gar Erde druͤ-
ber kaͤuen muͤſſen.


DasXIX. Capitul.


Von unſerm Aufbruch und Ruͤckzug von Conſtantino-
pel wieder nacher Wien.


ALs nun Jhre Exell. der Herr Legat ſeine Verrichtung am
Tuͤrckiſchen Hofe zu Conſtantinopel abgeleget/ hat ſich der
Tuͤrckiſche Keyſer nach Adrianopel erhoben/ ſich wider den
Koͤ-
[91]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Koͤnig in Pohlen ins Feld zu ruͤſten und etzliche Tage darauff
ſind auch wir auff gebrochen den 4. May Anno 1634. und ha-
ben unſern Ruͤck-Weg wieder nach Wien zugenommen@/ wie
wir denn auch allda den 27. Junij ietztgedachtes Jahres mit
Gottes Huͤlffe gluͤcklich angelanget.


Ehren und Schuldigkeit halben bin auch ich wieder mit
Jhrer Gn. zu ruͤcke gezogen/ wiewol doch ſonſt mein Vorha-
ben weit anders gefaſſet war. Will demnach auch allhier
nicht melden und viel ſchreiben von unſerer Ruͤck-Reiſe/ weil
wir doch meiſt die Orthe wieder beruͤhret/ dar auff wir im Hin-
reiſen nach Conſtantinopel kommen ſind/ damit meine Reiſe-
Beſchreibung nicht allzuweit leufftig fallen und der Leſer zum
Eckel und Mißfallen verurſachet werden moͤge. Beſchlieſſe al-
ſo hiermit das andere Theil und ſchreite im Namen
Gottes zum Dritten.




[92]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Der Dritte Theil.
Der ſiebenjaͤhrigen und gefaͤhrlichen
Welt-Beſchauung.
Deß weiland Hoch-Edelgebornen
Herrn Georgen Chriſtoff von Neitzſchitzens
aus dem Hauſel Wehlitz und Wernsdorff/ ꝛc.


Jſt eine Beſchreibung der dritten Reiſe deſſelben nach
Palæſtinam, oder dem gelobten Lande/ gen Jeruſalem und an
andere Orthe im Morgenlande herum und was allda rares zu
ſehen und zuerfahren geweſen.


Das Erſte Buch.


Begreifft die Zurüſtung gegen ſolche Reiſe und darauf
erfolgter Aufbruch und Fortzug durch Oeſterreich/ Steuer-
marck/ Kaͤrndten/. Krain und Jtalien/ biß nach
Venedig.


DasI. Capitul.


Von der Zuruͤſtung zu ſolcher Reiſe.


NAch dem nun bey Jhrer Gnaden/ dem
Herren Grafen von Buchhaim ich mich biß
in den vierdten Monat auffgehalten/ habe
ich wiederumb eine Reiſe nach Preßburg
meiner Andacht halben in Ungern gethan
und daſelbſt biß faſt zu Ende deß Monats
May
[93]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
May Anno 1635. verblieben. Hier auf bin ich wieder zu ruͤcke
nach Wien und von dar nacher Baden gezogen um auch allda
mich in etwas umzuſehen und meinem Gemuͤthe Gnuͤge zu
thun.


Es iſt aber gedachtes Baden eine Stadt unter in Oeſter-
reich 2 Meilen von Wien gelegẽ/ und iſt ein wollerbauetes war-
mes Bad allda/ deme zugefallen viel hohe und niederige Per-
ſonen/ Fuͤrſten/ Grafen/ Freyherrn/ Edle und andere/ ja offt-
mahls wol der Keyſer und die Keyſerin ſelber dahin reiſen und
baden/ fuͤrnemlich im Fruͤhlinge/ da das Bad am kraͤfftigſten
gehalten wird/ dieweil viel Kranckheiten dadurch curiret
worden.


Von Baden bin ich nach Edenburg/ welches eine kleine
Stadt in Ungern/ gereiſet. Nach dem aber Jhre Gn. Herr
Euſtach/ Freyherr von Althann von meiner Ankunfft ver-
nommen/ mich zu ſich erfordern laſſen und mir gnaͤdig ange-
bothen/ wo mirs beliebe/ ich mich ſo lange/ als ich wolle/ bey
ihm auffhalten ſolle/ habe ichs auch in Unterthaͤnigkeit ange-
nommen und mich biß auf den 19. Febr. ſt.n. deß 1636 ſten Jah-
res/ da ich auch meinen Wechſel von Hauſe bekommen/ auff ge-
halten und iſt mir ieder Zeit/ ſo wol vor jetziger Reiſe nach Con-
ſtantinopel/ als auch dißmahl von Jhrer Gn. alle Gnade und
Gutes erwieſen worden/ die ich nicht gnugſam ruͤhmen
kan.


Dieweilich nun meinen Wechſel und Geld in die Haͤnde
bekommen hatte/ war mein einiges Tichten und Dencken auff
die Reiſe nach dem gelobten Lande/ habe demnach von Jhrer
Gn in aller Unterthaͤnigkeit und mit ſchuldigſter Danckſagung
Uhrlaub genommen und vorgedachtes 19. Febr. fruͤh um 8.
Uhr in groſſem Schnee von Edenburg mit einem Landgutſcher
abgereiſet/ zu Mittage nach Wampersdorff/ welches ſchon
wie-
[94]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
wieder in Oeſterreich lieget und 4. Meilen von Edenburg/ ge-
ſpeiſet/ ſintemahl der Fluß Leithau/ Ungern und Oeſterreich
voneinander ſcheidet.


Von hier ſind wir auf Windpaͤſſing kommen. Jſt ein
Marckt uͤber der Leithauer Bruͤcken gelegen/ allwo es ein ſchoͤ-
nes Kloſter hat oben auf einem Berge liegend Minoriten
S. Franc.
Ordens. Von dar auf Hohenau gegen Abend kommen
zwey Meilen/ da wir auch uͤber Nacht verblieben. Deß folgen-
den Tages haben wir die uͤbrigen zwey Meilen vollends biß
nach Wien vollbracht/ allda wir den 20. Febr. fruͤh um 7. Uhr
in grimmiger Kaͤlte und ſcharffen Winde ankommen. Habe
mich demnach alsbald mit einem Tuͤrckiſchen Kleide und an-
derer zur Reiſe nach Jeruſalem behoͤrender Nothdurfft ver-
ſehen und mich alſo/ ſo viel muͤglich/ auf den Weg geſchickt
gemacht.


DasII. Capitul.


Von meinem Auffbruch zu Wien und Fort-
zuge.


NAch dem ich nun alſo zur Reiſe fertig war/ habe ich mich
den 5. Martij ſt. n. fruͤh Morgens um 9. Uhr im Namen
der heiligen Dreyfaltigkeit zu Wien auffgemacht und ſel-
bigen Tag noch 1. nach Dreiſſigkirchen 4. Meilen von Wien ge-
legen/ gereiſet. Jſt gar ein luſtig Dorff und hat um die Kirche
einen Graben mit Waſſer/ eine Mauer und Bruͤcke uͤbers
Waſſer/ anzuſehen/ wie ein Kloſter.


Den 6. Martij ſind wir uͤber die Neuſtaͤdter Heide/ ſo 7.
Meilen lang und biß nach Klockenitz gehet/ gereiſet 2. auf Sa-
lanau und ſo foͤrters um 2. Uhr 3. zur Neuſtadt angelanget vier
Meilen. Jſt eine feine luſtige Stadt und eine Biſchoͤffliche Re-
den
tz.

Den
[95]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 7. Martij ſind wir mittags 4. zu Neutaverna an-
kommen: Jſt nur ein Wirthshauß und gehoͤret zum Schloſſe/
Potſchaff/ abends aber 5. nach Schettwien. Jſt ein langer
Marckt/ duꝛch welchen mitten hin ein Floͤßlein gehet/ auf deſſen
beiden Seiten die Haͤuſer langs hin gebauet ſtehen. Hat zwey
Thor und eine ſtarcke Feſtung auf einem hohen ſcharffen Fel-
ſen/ welcher gar gehlings ſich in die Hoͤhe ziehet und iſt die Stie-
ge hinauf gantz in Felß gehauen/ der Marckt aber ligt zwiſchen
gar engen Felſen in der Tieffe.


Fruͤh Morgens den 8. Martij ſind wir wieder auff gewe-
ſen und uͤber den hohen Berg Soͤmmering/ der ſich flugs auſ-
ſen vor dem Marckt anhebet und drey vierthel Meilen hoch iſt/
gereiſet. Zu oͤberſt auf ſolchem Berge ſtehet ein hoͤltzern Creutz
welches Oeſterreich und die Steuermarck voneinander ſchei-
det/ davon ohne Zweiffel auch der nechſt angrentzende Orth
Schedwien den Namen bekommen und ſo viel heiſſen ſoll/ als
ſcheide Wien/ weil ſich dabey Wienerland und die Steuermarck
ſcheiden.


An dieſem Berge haben die Fuhrleute groſſe Noth ehe ſie
hinuͤber kommen und muͤſſen immer von 26. biß 30. Ochſen fuͤr
einen Wagen ſpannen/ ſo ſchwer gehets daher und fuͤhren ſol-
che Fuhrleute gemeiniglich Ochſenhaͤute uñ Kupffer in Kaͤrnd-
ten. Der Schnee liegt gar lange drauf/ da unten keiner zu ſehen
iſt. Haben alſo dieſen Tag uͤber lauter Berg und Thal reiſen
muͤſſen/ ſind 6. auf Klocknitz zu kommen/ da ein Benedictiner-
Cloſter auf einem Berge gelegen/ worinnen ein Abt wohnet:
Weiter 7. nach Spittel/ da wir Mittags-Mahlzeit gehalten
und dann ferner 8. nach Meerzuſchlag. Jſt ein ſchoͤner und
wolgebauter Marckt/ welcher auch zwey Thor einander gleich
entgegen hat/ eben wie Schetwien/ wiewol er nicht ſo groß iſt/
Nvier
[96]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
vier Meilen von Schettwien abliegend/ biß wir auf den Abend
9. nach Langwang kommen/ da wir auch uͤbernachtet.


Langwang gehoͤrt dem Herrn von Schoͤfftenberg: das
Schloß ligt in der Hoͤhe zur lincken Hand gar luſtig. An dieſem
Orthe bin ich von einem Gutſcher um einen gantz neuen gefuͤt-
terten Rock und Saͤbel betrogen worden/ dem ichs mit auf ſei-
nen Wagen vertrauet/ weil er ſich von Graͤtz genennet. Kurtz
vor dem Dorff Langwang iſt er in einem Waͤldlein zuruͤcke
blieben. Alsich aber in Graͤtz unter den Gutſchern und Fuhr-
leuten nach ihm gefraget/ iſt er niemand bekant geweſen und
muͤſte ich alſo meinen guten Rock und Saͤbel entperen.


Den 9. Martij ſind wir fruͤh wieder aufgeweſen 10. nach
Kruͤgel und dann um Mittag/ da wir geſpeiſet/ 11. nach Wart-
berg kommen: von darauß 12. nach Kinnberg/ welches ein
Keyſerlicher Marckt/ weiter 13. nach Mertzhofen 14. Morein/
15. Haffendorff und 16. nach Karpffenberg/ allwo wir uͤber-
Nacht blieben.


Es iſt aber ſolch Karpffenberg ein Marckt/ den Herrn
von Stubenberg gehoͤrig. Das Schloß ligt gar auf einem ho-
hen Berge und fließt unten das Waſſer/ Mertz genant/ beyhin
und um den halben Flecken umher und gehet eine Bruͤcke druͤ-
ber. Sind alſo dieſen Tag vier Meilen gereiſet.


Den 10. Martij fruͤh um 9. Uhr ſind wir wieder fort ge-
reiſet und um 10 Uhr 17. zu Bruͤck an der Muer in der Ober-
Steuermarck eine Meile von Karpffenberg einkommen/ Jſt
eine kleine/ iedoch die Hauptſtadt in Ober - Steuermarck von
170. Haͤuſern/ ohne Vorſtadt und hat vier Thore einander ge-
gen uͤber und fleußt das Waſſer die Muer an derſelben hin/
wie denn auch auf der andern Seiten die Mentz von Karpfen-
berg her flieſſend drein faͤllet. Das Schloß ligt auf der Hoͤhe/
und iſt mit Mauren umzogen. So hat es auch allhier gar
einen
[97]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
einen ſchoͤnen groſſen Platz gleich wie der Burgplatz zu Wien
iſt.


Den 10. Martij ſind wir fruͤh auf die Muer geſeſſen und
alſo zu Waſſer dieſen Tag zwiſchen hohen von Dannenbaͤu-
men bewachſenen und ſteinfelſichten Gebuͤrge hingefahren/ ſo
gar luſtig geweſen/ auf einen Marckt 18. Frohnleiden genannt/
zukommen und gegen Abend 19. nach Eckenfeld/ da wir denn
auch uͤber Nacht verblieben.


DasIII. Capitul.


Von dem Jungfer-Sprung.


ZWiſchen Frohnleiden und Eckenfeld iſt zur rechten Hand
ein zimlich hoher jaͤhlinger Felß/ den man den Jungfer-
ſprung nennet und hat mit demſelben eine ſolche Beſchaffen-
heit. Einsmahls hat um ſelbige Gegend eine Jungfeꝛ die Geiſſen
gehuͤtet und als ſie ein Soldate nothzuͤchtigen wollen und ſie
ihre Ehre zuretten auf dieſen Felſen ſich begeben uñ geſehen/ daß
kein ander Mittel geweſen auß deß Boͤſewichts Haͤnden zuent-
kommen/ iſt ſie oben vom Felſen her ab uͤber die Muer unverlezt
ihrer Ehre und Lebens geſprungen.


Als ſolches der Soldate geſehen/ iſt der Boͤßwicht auß
Gottes gerechtem Gericht an ſolchen Felſen angeſchlagen und
ein groß Loch drein geſchlagen und ſich druͤber zerſchmettert/
daß man den Fall gar eigentlich ſehen uñ erkennen kan. Ein we-
nig uͤber den Jungfer-Sprung zur lincken Hand iſt von der
Muer auf ein langer Weg in den Felſen gehauen.


Den 11. Martij ſind wir von Eckenfeld zu Waſſer wieder
auff geweſen und 20. uf Grewein zur rechten Hand werts lie-
gend kommen/ auf der lincken Hand aber haben wir 21. S. Veit
liegen laſſen und ſind darauff fruͤh um 9. Uhr 22. auf Graͤtz kom-
men.

N 2Das
[98]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasIV.Capitul.


Von Beſchreibung der Feſtung Graͤtz in
Steuermarck.


DJeſe Feſtung liegt auf einem Felſen/ der Hoͤhe nach der
zu Preßburg in Ungern faſt gleich/ erbauet/ iſt uͤber auß
feſt und Starck/ hat viel Paſteyen und war dieſer Zeit
mit hundert Soldaten beſetzt. Oben ſind drey Brunnen/ da-
von einer ſein Waſſer auß der Muer/ ſo unten vorbey fleuſt/
hat/ iſt ſo tieff/ daß man gar wol ein Vater unſer außbethen
kan/ ehe ein Stein hinab faͤllet. Gegen der Stadt iſt der Felß
gar/ auf der andern Seite aber wo er ans Land henget
iſt er vom Lande mit einer tieffen Krufft abgeſchnidten. Oben
auf dem Wall ſtehen in dreyen Wachhaͤuſern/ an beyden E-
cken und in der Mitten Soldaten/ welche ſo oft die Uhr ſchlaͤgt/
ein ieglicher eine Glocke anziehen/ die flugs bey ihm im Wacht-
hauſe henget/ und einen Loͤſungs Schrey thun muß/ alſo/ daß/
ſo bald der eine nur den Mund zuthue/ der andere flugs mit
ſeiner Glocke und Geſchrey antwortet.


Unten liegt die Stadt Graͤtz/ welche die Hauptſtadt und
Reſidentz der Ertz-Hertzogen von Oeſterreich in Nieder-
Steuermarck und ziemlich groß und wol erbauet iſt/ alſo/ daß
man gleichwoleine Stunde haben muß/ wenn man herumb
gehen will. Die Muer fleußt gar nahe beyhin/ woruͤber eine
lange Bruͤcke in die Vorſtatt gehet/ auf welcher in die 15.
Krahmladen ſind.


Unterm Schloß iſt ein Thiergart/ in welchem dißmahl
Dannhirſche giengen. Um die Stadt umbher ſind acht ſtar-
cke Paſteyen von gebrandten Steinen wie auch die Stadt-
maͤu er von ſolchen Steinen iſt. Auf den Paſteyen ſtunden
dißmahl 36. Stuͤcke alle mit Daͤchern beſonders verwahret/
und hat die Stadt vier Thore: das Sackthor/ an welchem
wir
[99]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
wir bey unſerer Dahinkunfft vorbey gefahren und iſt drey-
fach/ das Unter-Mittel- und Ober Sackthor.


Das Ober iſt bey dem Muer-Thor/ hernach iſt wieder
noch ein Muer-Thor auſſerhalb bey der Paſtey; das andere
Stadt-Thor iſt das Eiſen-Thor/ iſt ſehr feſt und gantz mit Ei-
ſen beſchlagen: Das dritte iſt das Pauls-Thor/ deren auch 2.
hintereinander/ eins auſſen/ das andere innen. Der Graben
iſt tieff/ hat aber kein Waſſer/ außbenommen bey dem erſten
Muerthor/ biß an das Eiſen-Thor. Das euſſerſte Sack-
Thor iſt von der Feſtung ab mit einer Mauer umſchloſſen/ wie
auch das Pauls-Thor.


Damals war Jahrmarck allda/ welcher drey Wochen
wārete und darff ſich in der Zeit niemand ſchlagen bey hoher
Straffe. So bald aber der Marck wieder außgeleutet iſt/ mag
einer kuͤhnlich ſeine revange ſuchen.


Wo man von Sommering den hohen Berg/ nach Lang-
wang gehet/ iſt das Mentzthaal/ allwo etzliche Eiſen-Schmeltz-
Huͤtten ſind und hat ſolch Thalden Namen von dem Waſſer
Mentz/ ſo durch denſelben hinfleußt.


Jn Steurmarck und Kerndten wohnen die Bauren auff
hohem Gebuͤrge/ brennẽ Spaͤhne von Dannen Holtz an ſtatt
der Liechte/ die ſie arthlich auf hohe Leuchter/ oben mit einer ey-
ſern Scheere/ die den Spahn haͤlt/ ſiecken/ und kan mans hoch
und niedrig ziehen/ oder ſie legen gedachte Spaͤhne auff ein
klein gemachtes Heerdlein mit einem Rauchfange. Von Klock-
nitz an biß an Graitz waͤchſet gar wenig Wein.


DasV. Capitul.


Von meinem Auffbruch von Graitz.


NAch dem ich mich um drey Tage in Graitz auffgehalten
und umgeſehen/ bin ich den 14. Martij nach Mittage um
2. Uhr
[100]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
2. Uhr wieder aufgebrochen und auf Feldkirchen/ Sultz/ Neu-
dorff und durch Waldhan/ welchs ein ſchoͤner langer Marck
mit zweyen Thoren iſt und noch einmahl ſo lang/ als Schett-
wien/ gangen. Auf der Hoͤhe eines hohen Berges liegt ein
Schloß/ den Fuͤrſten von Eckenberg zuſtaͤndig. Hauſſen vor
Waldhan muß man uͤber eine Bruͤcke/ worunter die Muer
hingehet/ und reiſet man uͤber etwas Gebuͤrge auff S. Mar-
greten zu/ allwo wir uͤbernachts blieben und alſo dieſen Tag
vierthalbe Meile gereiſet.


Den 15. Martij ſind wir auf Handſchuh zukommen/ allwo
die Sulm fleuſt und auf den Mittag S. Johann erreichet
vierdthalbe Meil und allda verblieben. Unterwegs haben wir
uͤber den Eſelsberg gemuͤſt/ ſo nicht ſonderlich hoch und Lem-
nitz/ ſo ein Marck iſt/ zur lincken Hand gelaſſen/ nahe aber da-
bey ein Schloß auf einem hohen Berge/ dem Biſchoff von Se-
kau gehoͤrig/ ſo Leidtnitzſch genannt/ wo unten die Sulm hin-
flenßt und faͤllet nicht weit davon in die Muer.


Dieſen ietztgedachten Tag ſind wir uͤber oben und unten
mit Tannenbaͤumen bewachſenes Gebuͤrge gereiſet/ ſonderlich
uͤber den gar hohen Berg Raͤmſchnick/ ſo ſich faſt eine vierthel
Meile vor S. Johann anfaͤhet und iſt eine Meil Wegs hinauf.
Zu hoͤchſt oben liegt eine Kirche wie auch etliche Bauer huͤttlein/
und kan man drauff das Graitzer Schloß gar eigentlich ſehen/
obs gleich neun Meilen davon lieget.


Um S. Johann iſt ſehr hoch Gebuͤrge/ dahero allda
ſchwer Reiſen iſt und haben wir zwar dieſen Tag noch Tragar-
ten/ wiewol ſehr ſpat/ erreichet und dieſe Nacht allda verblie-
ben. Hat von der Traga den Namen/ welche bey Tragarten
hinfleuſt. Von S. Margreten biß Tragarten rechnet man
ſechs Meilen.


Den 16. Martij ſind wir auf Marrburg/ ſo ein Dorff iſt/
kom-
[101]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
kommen/ allwo ein Nonnen-Kloſter S. Dominici, auſſer dem
Dorffe bey einem Berge/ worauff ein Schloß gelegen dem
Herrn Stuͤbig gehoͤrig/ ſind wir zu kommen auf einen Marck/
die Meut genannt und iſt auf einer Hoͤhe gelegen/ dabey unten
die Traga hinfleußt/ ſo wir zur lincken Hand gehabt.


Nicht weit von dieſem Marckt liegt eine Kirche/ worbey
ein Baͤchlein/ da ſcheidet ſich Steuermarck und Kaͤrndten/ deſ-
ſen wir nun hier nechſt gedencken wollen/ wie ichs auf meiner
Reiſe befunden habe.


DasVI.Capitul.


Von meiner Reiſe durch Kaͤrndten.


VNweit/ ja gar nahe von dem Orth/ da ſich Steuermarck
und Kaͤrndten ſcheiden/ iſt die Clauſe/ ſo geſperret werden
kan daß weder Wagen noch Pferd hindurch
kan. Auf der lincken Hand iſt die Traga gar nahe am
Paß: Zur Rechten ſehr hoch Gebuͤrge. Auf den Mittag ſind
wir auf Trageberg kommen/ welches iſt ein verſchloſſener
Marckt mit einem Schloſſe/ ſo auf einem Berge liegt und den
Prælaten von S. Paul gehoͤret und wird biß hieher gerechnet
auf dritthalbe Meile/ da wir dieſen gantzen Tag in lauter ho-
hem Gebuͤrge/ welches voller Schnee gelegen und noch den
gantzen Morgen darzu geſchneyet/ reiſſen muͤſſen.


Allhier gibts mehr Weinwachs/ als in der Steuermarck
und gilt ein Vierthel/ welches ſo viel/ als 2. gute Meißniſche
Kannen guter Wein zu Tragberg mehr nicht/ als 6. Teutſche
Groſchen.


Und weil gleich dieſer 16. Martij war der Palmen-Son-
tag/ ſo brachte das Volck hauffenweiſe groſſe lange Buͤnd
außgeſchlagene Waſſerweiden auß den Doͤrffern uͤber Feld
daher getragen zu denen Kirchen um dieſelbe weihen zu laſſen/
mit
[102]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
mit welchen ſie hernach das Jahr uͤber raͤuchern fuͤr allerhand
Boͤſes.


Dieſe Nacht uͤber ſind wir zu Eiß verblieben/ ſo nur drey
Haͤußlein ſind gar allein im Gebuͤrge gelegen und hatte den
Namen recht mit der That/ ſintemal es eine gar kalte Herber-
ge und Kuͤche war/ auf unſer beſchwerliche Tagesreiſe/ da wir
dieſen Tag ſechs ſtarcke Meilen gereiſet/ und ſind wir von Tra-
geberg auß/ unter Wegs uͤber ein Waſſer zu einem Marckt/
Lauffmuͤnde genannt/ von dannen auf Warmſtuͤbel/ ein
Wirthshauß allein im Holtze gelegen/ kommen/ ehe wir die
kalte Eiß-Herberge erreichen koͤnnen.


Den vorigen 16. und den 17. Martij haben wir zwiſchen
und uͤber lauter hohes Gebuͤrge voller Schnee und mit
Schnee bedeckte Aecker reiſen muͤſſen/ (denn Kaͤrndten ligt
viel hoͤher/ als Steuermarck weßwegen es auch groͤſſere Kaͤlte
und mehr Schnee darinnen gibt als in Steuermarck)
biß wir den ſiebenzehenden Martij auff den Mit-
tag auf Faͤlckenmarckt/ vorhero aber auch auf ein Wirths
hauß/ Tieffenbach genannt/ kommen. Und iſt dieſes Faͤlcken-
marckt eine Stadt nur mit zwey Thoren und liegt etwas in deꝛ
Hoͤhe drittehalbe Meile von Eiß/ und habe ich allda fuͤr ein
Vierthel Bier zwey Kreutzer gegeben/ auf den Abend ſind wir
nach Klagenfurth kommen/ drey ſtarcke Meilen von Faͤlcken-
marckt da wir auch uͤber Nacht verblieben.


DasVII.Capitul.


Von der Stadt Klagenfurth und ihrer
Gegend.


DJeſe Stadt liegt faſt viereckigt/ iſt ſehr feſt und ſo groß/
daß man ſie in einer halben Stunde umgehen kan. Auſſer
der Vorſtadt fleußt ein Waſſer/ die Gurck genannt und
hat vier Thore/ als das Faͤlckenmaͤrcker das Vitringer- das
Vil-
[103]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Villacher- und S. Veit-Thor. Jſt um die Stadt herum ein
tieffer Waſſer graben/ hat einen ſehr breiten Wall/ an der
Mauer und 7. oder 8. Paſteyen und in den Thoren ſehr ſtar-
cke Wache.


Eine halbe Meile vor der Stadt iſt eine See uͤberauß
groſſer Tieffe/ die ſich biß nach Felden/ ein Dorff/ auf 2. Meilen
erſtrecket/ auß welcher ein Canal biß an den Stadt-Graben
am Villacher Thore gehet/ durch welchen das Waſſer in den
Stadt-Graben gefuͤhret wird/ ſo viel man hinein haben will.
Sonſt gehet auch ein Fluͤßlein durch die Stadt/ welches uͤber
den Stadt-Graben auff einem mit viel Hoͤltzern Saͤulen ge-
faßten hohen Gang/ bey S. Veits-Thore hinein gefuͤhret
wird. Das Gebuͤrge aber iſt nicht gar zu ſonderlich weit von
der Stadt gelegen.


An ietzt gedachter See liegt ein ſehr ſchoͤnes Schloß/ hie-
bevorn den Grafen Kaͤfenhiller gehoͤrig/ ſo aber hernach
Kayſerl. Majſtaͤt denſelben/ da ſie Lutheriſcher Religion hal-
ber das Land raͤumen muͤſſen/ abgenommen.


Das.VIII.Capitul.


Von unſerm Auffbruch von Klagefuhrt.


DEn 18. Martij ſind wir von Klagefuhrt nach dem Dorff
Felden gereiſet zwey Meilen und allda uͤbernacht blieben
haben allezeit den gedachten See zur lincken Hand ge-
habt.


Den 19. Martij ſind wir auff Villach kommen/ auch 2.
Meilen. Jſt eine Stadt um und um mit der Trage umgeben/
woruͤber eine Bruͤcke gehet. Die Stadt ligt in die Laͤnge und
hat zwey Thor/ oben und unten eins und bey dem Ober Thor
ſtehet die Pfarrkirche/ S. Jacob genannt und iſt mit Bley
Oge-
[104]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gedecket. Die Stadt iſt ſo groß/ daß man ſie in einer guten vier-
thel Stunde umgehen kan und iſt nicht feſte/ iſt aber eine Han-
dels Stadt und eine groſſe Niederlage der Wahren alldar.


Auſſerhalb derſelben eine ſtarcke halbe Meile davon iſt ein
groſſe Grube/ allda vor Zeiten eine groſſe Stadt geſtanden/
welche verſuncken: Und ſiehet man noch zur lincken Hand eine
ſehr uhr alte Kirche uͤbrig/ in die Grube aber ſoll ein ſehr hoher
ſtatlicher Thurm verſuncken ſeyn/ der vorhero auff der Stette
geſtanden.


Gegen Abend ſind wir vollend auf das Dorff Tzſchau ei-
ne halbe Meile von Villach kommen und allda uͤbernacht ver-
blieben. Unterwegs ſind wir uͤber ein Waſſer mit einer Bruͤcke/
die Geil genannt gefahren.


Den 20. Martij haben wir uͤber den gar jaͤhen und hohen
Berg/ die Wurtzel genannt/ gemuſt/ daß wir auf das Dorff
Wurtzel/ ſo unten am Berge liget/ kommen und unweit hiervor
entſpringet das groſſe Waſſer/ die Sau/ wie ſie dann deßwegen
auch an dieſem Orthe gar klein und ſchmaal iſt: Und ehe man
in das Dorff/ Wurtzel/ koͤmmt/ ſcheidet ſich unten am Berge
Kaͤrndten und Krain.


Und das iſt alſo auch das Land Kaͤrndten/ ſo ſich ein we-
nig unterm unter Tragberg anfaͤngt und zu Ober-Tragberg
endet/ ohngefaͤhr dreiſſig Meilen lang/ iedoch nicht breit.


DasIX. Capitul.


Von meiner Reiſe durchs Land Kraͤin.


DJeſes ietztgedachte Dorff Wurtzel iſt das erſte Dorff in
Kraͤin und ſind wir dieſen Tag noch auf Eßling kom̃en
fuͤnff ſtarcke Meilen von Villach gelegen/ da wir auch uͤ-
ber Nacht verblieben ſind.


Den
[105]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 21. Martij ſind wir von Eßling wider auffgeweſen
und nach Roßmandorff und alſo forder nach Gradenburg/
iſt ein Staͤdtlein in der Hoͤhe auff einem Felſen gelegen mit ei-
ner Mauer und zween Thoren und einem kleinen Schloͤßlein.


Auff der rechten Hand im Reiſen nach Labach fleußt die
Sau unten an der Stadt beyhin/ uͤber welche eine hoͤltzerne
Bruͤcke gehet von dreyhundert gemeinen Schritten und ſoll
nach Labach die vornehmſte ſeyn/ zur andern Seite fleußt die
Sau. Jſt von Eßling biß hieher zwiſchen dieſe Waſſer auff
Kraͤineriſch Metbaddoma genannt fuͤnffthalbe Meil/ allda wir
auch uͤber Nacht bey einem Teutſchen blieben.


Den 22. Martij/ welchen/ wie auch vorigen Tag/ wir nicht
mehr hohes Gebuͤrge/ ſondern ebenen Weg zu reiſen gehabt/
ſind wir auff Labach kommen.


DasX.Capitul.


Von der Hauptſtadt Labach in Kraͤin.


DJeſes Labach iſt die Hauptſtadt in Kraͤin/ zwiſchen
Stadt und Vorſtadt fleußt das Waſſer/ die Labach hin-
durch/ uͤber welches eine Bruͤcke gehet.


Die Stadt hat fuͤnff Thore/ als das Spittal-Thor/ das
Vitzthumer-das Teutſche Thor/ wobey auch eine Teutſche
Kirche und etwas vor dieſer Kirche das Kloſter-Thor und das
Carlſtaͤter Thor. Das Scholß ligt auf einem hohen hoͤltzigten
Berge und kan die Stadt von dem Schloſſe etwas beſchuͤtzt
werden. Jnsgemein wird Windiſch in der Stadt geredet/ weil
ſie auff der Grentze deß Windiſchen Landes gelegen iſt.


Eine halbe Stunde ohngefaͤhr von der Stadt iſt
S. Chriſtoffs Kirche/ wo man noch die Graben ſihet/ da vor-
deſſen der Tuͤrcke die Stadt belagert/ wiewol nicht einbekom-
O 2men
[106]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
men/ und ſind auch in ſelbiger Kirche biß dato eine Tuͤr ckiſche
Trummel und zwey Fahnen zu ſehen.


Der Wein iſt allhier ziemlich theuer und muſte die Kanne
deß Rothen um 12. Kreutzer bezahlen/ das Pfund Rindfleiſch
9. Pfennige/ das Bier 4. Kreutzer.


DasXI. Capitul.


Von meiner Fortreiſe von Labach.


DEn 23. und 24. Martij wegen einfallenden Oſterfeſts ſind
wir allhier ſtille gelegen/ den letzten Oſtertag abeꝛ/ als den
25. Martij bin ich mit zween Patribus S. Franciſci zu Schif
auff der Laͤbach aufgeweſen und ſind den 26. Martij fruͤh um
Sonnen Aufgang zu Ober Labach/ vier Meilen von Labach
gelegen/ ankommen/ allda wir Roſſe biß nach Tꝛieſt/ eine Stadt
in Iſtria am Meere gele gen/ gedinget/ welche von Ober Labach/
12. Teutſche Meilen liget und haben wir von iedem Roß 2. fl.
5. Groſchen Teutſcher Muͤntze geben muͤſſen.


Alsbald eine Stunde nach unſerer Anherokunfft ſind wiꝛ
von Ober-Labach wider auff gebrochen und nacher Trieſt zu-
geritten. Es gehet aber ein gepflaſterter Weg in die 9. Meil
Weges lang dahin/ wiewol er oft ſehr boͤſe und zerbrochen iſt
und reilſet man ſtets zwiſchen und uͤber Felſichtes Gebuͤrge/
koͤm̃t auch auf einen mit Mauren beſchloſſenen Marckt/ Tsino-
ſchitz
genannt/ dabey auf einem hohen Felſen ein alt zerſtoͤrtes
Schloß/ den Grafen von Portzi zugehoͤrig.


Von hierauß ſind wir uͤber den Jaberg gereiſet. Derſelbe
iſt zwar nichr ſehr hoch/ dennoch erhebt ſich oft ein ſolcher ſtar-
cker Wind auf demſelben/ wie wir vor gewiß berichtet worden/
daßer Roß und Mann ohn alles erhalten zu Boden wirfft.
Weiter ſind wir kommen auf Tuatſchli, ein Dorff/ allwo wir
auch
[107]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
auch uͤber Nacht bleiben muͤſſen weil uns die Nacht uͤberfallen/
ehe wir uͤber den Berg kommen/ der ſich auch biß an Tuatſchli
erſtrecket.


Den 27. Martij ſind wir fruͤh vor Mittage nach Trieſt
kommen und haben wir dieſen gantzen Tag in und zwiſchen
ſehr groſſen Steinen/ einen ziemlichen Weg reiſſen muͤſſen/ ſo
uns ſehr verdrießlich geweſen/ ſintemal der Weg dermaſſen
mit Steinen verfallen/ daß kuͤmmerlich fortzukommen gewe-
ſen und endlich die Roſſe die Felſichten Hoͤhen herunter gefuͤh-
ret werden muͤſſen/ da wir denn mit Grauen geſehen/ in was
gefaͤhrlicher Hoͤhe wir gereiſet/ ſo wir vorhin auf der Hoͤhe ſel-
ber nicht in Acht genom̃en/ biß wir die Jaͤhlinge herab gemuſt
und die Stadt Trieſt und das Meer vor uns geſehen.


DasXII.Capitul.


Von der Stadt Trieſt und mein er Ankunfft
zu Venedig.


DJe Stadt Trieſt ligt uͤber die Maſſe ſchoͤn am Meer/ iſt
feſt und bat 3. Thore/ als das Labacher-das Capuciner-
und Meer-Thor/ da die Schiffe/ ſo nach Venedig und
weiter gehen/ anlauffen/ weßwegen auch der Hafen genennet
wird Golfo di Trieſte. Es hat dieſelbe auch ein Schloß/ welches
auf einem hohen Berge lieget/ welches mit 50. Soldaten pfle-
get beſetzet zu ſeyn. Hart dabey iſt die Domkirche/ ſo ein ſehr al-
tes groſſes finſter Gebaͤude. Gehoͤret dieſe Stadt noch dem
Roͤmiſchen Keyſer zu und iſt nicht beym beſten allda vor Rei-
ſende/ alſo/ daß man zu ſeinem Gelde faſt hunger leiden
muß.


Den 2. April fruͤh um 3. Uhr nach Teutſcher Rechnung
bin ich von dannen aufgebrochen und mit vorgedachten zwe-
en Patribus Franciſcanis auf einer zufaͤlliger Parquen nacher
O 3Be-
[108]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Venedig gereiſet/ und habe fuͤr meine Perſon allein 6. Pfund/
welches mehr iſt nach Teuſcher Muͤntze/ als 1. fl. Faͤhrlohn ge-
ben muͤſſen. Sind von Trieſt biß Venedig uͤber Meer 100. Jta-
lieniſche Meilen/ woruͤber wir faſt drey Tage zubracht/ indem
wir den 4. April nach Mittage ohn Gefaͤhr um 3. nach Teut-
ſcher Uhr daſelbſt ankommen.


Das andere Buch.


Begreifft die Reiſe von Venedig uͤber Meer biß in Egy-
pten und die beruͤhmte Stadt darinnen/ Alexandria/ ſampt
dem/ was vor Orthe unter Wegs und ſonſt von andern denckwuͤrdigen
Dingen zu ſehen geweſen.


DasI. Capitul.


Von meinem Aufbruch und Zuruͤſtung zu Vorhabender
See-Reiſe zu Benedig.


NAch dem ich mich nun achtzehen Tage zu
Venedig aufgehalten/ habe ich mich auf ein Fran-
zoͤſiſch/ ſo von ihnen Latino, Von den Venetia-
nern aber Tartana geneñet wird/ verduͤnget/ mich
deßwegen mit allerhand zur See nothwendigen
Victualien und Proviſion verſehen/ und ſind im Namen Got-
tes gleich den Sontag/ war der 27. April Nachts um 9. Uhr
zu Venedig aufgebrochen und haben uns in die See begeben/
wiewol mit ſchlechtem Winde. Es fuͤhrete ſelbiges 6. kleine
und ein groſſes Stuͤck und war mit drey Segeln verſehen. Den
folgenden Tag haben wir biß Mittag die Stadt Venedig noch
immer/ wiewol von weiten im Merr ſehen koͤnnen. Nach Mit-
tage haben wir mittel Wind bekommen und Abends die Stadt
Maco
[109]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Maco zur lincken Hand geſehen/ und haben wir dieſen 21. und 22.
Aprill gar ſchoͤn und helle Wetter gehabt.


DasII.Capitul.


Von weiterer und voͤlliger Fortſtellung unſerer
Reiſe nach Egypten.


DEn 22. Aprilis haben wir die Stadt Parenza und Roinno,
ſo klein/ zur lincken Hand gar nahe und mit geringem
Winde gelaſſen/ uñ iſt dieſes Land alles Iſtria. Iſtria, Jſter-
reich/ iſt eine Landſchafft Welſchlandes und faͤngt ſich daſſel-
be ſchon zu S, Veit an/ wie theils wollen.


Unterwegs aber/ ehe wir noch auff Roinno kommen/ ſind
wir auch Roſchera, ſo dem Papſt gehoͤret/ vorbey paſsiret. Zur
lincken Hand ſind wir an etzlichen Schochlinen mit etwas
Straͤuchern bewachſen vorbey geſegelt/ und Abends drauff
Campo Dipola, alda eine kleine Stadt in der Hoͤhe deß Gebuͤr-
ges/ zur lincken Hand gelaſſen.


Den 23. April hatten wir ſchwachen Wind und ſind den
Berg Carnero Onia, eine Jnſul/ zur lincken Hand beyhin pasſi-
ret. Der 24. Apr. war regenhafftig und ſind wir zu S. Piedro di
Nimre in Sclavonia
ankommen/ ſo wir vorigen Abend nichts
voll endserreichen koͤnnen.


Es iſt aber dieſes S. Piedro eine Kirche zur lincken Hand in
Punta, oder an der Ecke/ ehe wir den hohen Steinfelß im Meer
verlaſſen. Und weil wir ſchwachen Wind hattẽ haben wir nach
Mittage ohngefaͤhr um 2. Uhr dẽ Port bey der Jnſul Parmuida
eingenommen/ ſind alſo aufs Land geſtiegen und in ein auf ei-
nem hohen Berge gelegenes Dorff/ welches Schelna genannt
wurde gangen/ willens etwas von friſchem Fleiſch/ Eyern oder
anderer Nothdurfft einzu kauffen/ haben aber nichts/ als ein
klein Geißlein bekommen und mit auf unſer Schiff gebracht/
wel-
[110]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
welches unten bey einem kleinen Kirchlein am Meere auf An-
cker lage.


Jn dieſem Monden Aprilis hat an dem Orthe ſchon das
Korn anfangen zu bluͤhen/ wie denn auch alsbald am Ende deß
Auguſt Monats die Wein-Erndte angehet. Es iſt ſonſt die-
ſer Orth umher gantz ſteinicht und mit gruͤnen Geſtraͤuche/
ſonderlich mit der Mirtella, wie es die Einwohner nennen/ be-
wachſen. Jſt unſern Buchsbaͤume nicht ungleich/ nur daß es
einen uͤberauß lieblichen und ſtarcken Geruch hat/ den man
von weitem riechen kan.


Allhier haben wir uns wider mit friſchem Waſſer und
gruͤnem Buſchholtze/ ſo wir abgehauen/ verſehen und haben
wir dieſen Abend uf dem Lande unſere Abend-Mahlzeit ver-
zehret/ da uns ein Sciavonier einen gar groſſen Meer-Krebs/
ohngefaͤhr einer Elen lang/ verkaufft um 3. Solt/ oder nach
Meißniſcher Muͤntze um 6. Pfennige.


Dieſe Jnſul ligt von der Stadt Zara, 40. Jtaliuͤniſche
Meilen und hat der Zariſche Biſchoff druͤber zugebiethen.


Weil nun der Wind hefftig ſtarck uns zuwider war/ ſind wir
mit unſerm Schiff in Port eingelauffen und fruͤh den 26.
drauff wieder/ iedoch mit ſchwachem Winde/ außgangen. Den
27. Aprill haben wir eine ſtarcke Fortun im Meer mit dem wi-
drigen Winde Schieroko gehabt/ weßwegen wir gezwungen
bey der Jnſul Melada uns auf Ancker legen muͤſſen.


Dieſe Jnſul Melada wiſt eine ſehr groſſe Jnſul und groͤſſer
als Parmuida, und wird von einem Gentil Huomo von Zara ſo
noch 19. Jtalieniſche Meilen von dannen ligt/ gubernirt, deſſen
Caſtell wir zur rechten Hand auf einem hohen Berge ligen ſe-
hen/ da wir den Port eingenommen/ welcher Port um und
um mit kleinen Bergichten und mit gruͤnen Geſtreuche be-
wachſenen Jnſulen umgeben und iſt beſſer/ als der zu Parmui-
da,
der nicht alſo umbgeben iſt.

Die-
[111]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Dieſen Abend iſt ein junger Paͤpſtiſcher Pfaffe zu uns
aufs Schiff kommen und hat uns friſche Fiſche zuverkauffen
bracht/ die er uns auch verzehren helffen und haben wir aller-
hand luſtige Geſpraͤche und Kurtzweil mit ihm gehabt.


Der Wein hat an dem Orth das Jahr hindurch man-
chen harten Stand/ ſintemal der Wind Borio, wenn ſich derſel-
be erhebt/ ihn in Grund verderbet.


Entzwiſchen wir aber/ wie ietzt gedacht/ allda auf Ancker
gelegen/ ſind noch mehr Schiffe zu uns kommen/ daß wir faſt
eine ziemliche Armada zuſammen bracht. Venedig ligt von
hier 200. Jtaliaͤniſche Meilen und hatten wir noch von Ale-
xandria
in Egypten 1600. Jtaliaͤniſchen Meilen zu Teutſchen
Meilen gerechnet fuͤnff hundert und drey und dreyſſig und ein
Vierthel drey Meilen Jtal. wie zur See Gebrauch/ vor eine
Teutſche.


Den 29. Aprill war es regenhafftig: den 30. ſind wir
mit gutem Winde fortgangen und hatten wir denſelben im
Hintertheil deß Schiffs/ wiewol nicht ſonderlich ſtarck.


Zwiſchen Parmuida und Melada haben wir in der Naͤhe
keine andere Stadt/ als Zara, ſo unten am Meer gelegen/ ge-
habt/ welcher wir dieſen Abend zur lincken Hand vorbey
pasſiret.


Der 1. Maij ſt. n. ließ ſich fruͤh Morgens mit ſtarckem
Donner und ſtarckem Regenwetter an und hatten wir nach
Mittage faſt keinen Wind/ biß wir gegen Abend die Jnſul
Liſna zur lincken Handwerts vorbey pasſiret.


Den 2. Maij lieſſen wir vor Mittage zur lincken Hand die
Jnſul Lieſna, den Venetianern zuſtaͤndig/ welche Jnſul ziem-
lich groß iſt und hat ein Cloſter drauff/ dem wir nahe vorbey
muͤſſen/ von welcher Jnſul die Stadt Spaladra 25. Jtal. oder
acht und ein Vierthel Teutſche Meilen gelegen.


PVon
[112]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Von der Jnſul Lieſna ſind wir zwiſchen Turcula, welches
eine kleine Jnſul zur lincken Handwerts und der Jnſul Corſu-
la,
ſo ſehr groß und zur rechten gelegen hin pasſiret.


Etliche Tage vor unſerer Ankunfft iſt ein Venetianiſches
Schiff Barca longa genannt aus dieſer Jnſul Corſula, durch den
Sturm wieder eine an dieſem Orth unterm Waſſer verbor-
gene Klippe getrieben/ zerſcheitert und in Grund geſtuͤrtzt
worden.


Von Venedig auß/ biß hieher/ haben wir entweder con-
trari
Wind/ ſonderlich Schirono, oder Bonaza und gar keinen
Wind gehabt und werden von Venedig/ biß hieher 400. Jtal.
Meilen und von hier/ biß auf die Jnſul Zara auch 400. Jtal.
Meilen gerechnet: Von Zante aber biß in die Jnſul und Koͤ-
nigreich Creta, ſo ietzt Candia genannt wird/ 500. Jtal. Meilen
und weiter von Creta biß nach Alexandria im Koͤnigreich
Egypten auch 500. Jtal. Meilen.


Den 2. Maij Abends haben wir uns unfern von der
Stadt Corſula, ſo von der Jnſul Corſula den Namen hat bey
etzlichẽ Haͤuſerlein in einem Port auf Ancker leget/ weil wir we-
gen einfallender finſteren Nacht die Stadt nicht vollends er-
reichen koͤnnen/ zumal bey ſchwachem Winde/ und ſind alſo
dieſe Nacht im Meer verblieben/ da wir zur lincken Handwerts
feſte Land hatten/ zur rechten Hand Corſulam. Zu gedachter
lincken Hand iſt uns auf dem feſten Lande ein hoher Berg ge-
zeiget worden/ worauff eine Kirche ſtehet/ da ſich der Rapuſer
Land anfahen ſoll/ deſſen Hauptſtadt die Stadt Rapuſa iſt 701.
Jtal. Meilen von der Stadt Corſula gelegen.


Den 3. Maij ſind wir fruͤh vollends an die Stadt Corſu-
lem lavir
end kommen und haben alſo nicht weit davon unſer
Schiff mit Anckern befeſtiget.


Das
[113]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasIII.Capitul.


Von der Stadt Corſula und ihrer Gegend in der
Jnſul Corſula.


DJe Stadt Corſula iſt keine groſſe Stadt/ mehr am Meer/
als am Lande liegend und gegen dem Meere zu faſt rund
etwan ohngefaͤhr/ wie deſſen Jnnwohner berichten/ von
150. Haͤuſern/ ſo bewohnt. Hat eine wohlerbauete ſchoͤne hohe
ſteinerne Mauer mit groſſen Thuͤrmen.


Faſt mitten in der Stadt iſt ein hoher zierlicher Thurm/
der der gantzen Stadt ein Anſehen macht. Die Stadt hat zwaꝛ
hohe ſteinerne Haͤuſer/ aber gar niedrige ſtrumpſige Daͤcher/
enge Gaͤßlein und einen kleinen Platz/ allerhand Sachen
drauff zuverkauffen/ auf welchem eine hohe ſteinerne Seule
mit der Venetianer Wapen/ als ein Loͤwe ein Buch in der
Klaue haltend zum Zeichen ihrer Herrſchafft uͤber ſie.


Bey der Stadt iſt ein außbuͤndiger ſchoͤner Hafen/ und
auſſer derſelben auf einem Berge eine feine Kirche und unten
am Berge ein Kloſter Prediger-Ordens damals von ſechs
Muͤnchen bewohnt/ davon ihrer zwey auff einem kleinen
Schifflein zu uns auf unſer Schiff kommen und uns um ein Al-
moſen angeſprochen.


Die Jnſul Corſula hat ſonſt keine Stadt mehr/ als dieſe/
beynebenſt aber derſelben doch gar viel Doͤrffer/ unter welchen
ſonderlich das Dorff Platta weit groͤſſer/ als die Stadt Corſula
ſelbſt iſt.


Zur lincken Handwerts hat die Stadt Terram firmam,
oder Feſte Land/ zur Rechten aber die Jnſul Corſulam und iſt
ohngefaͤhr das feſte Land 3. oder 4. Mußqueten Schuͤſſe von
dieſer Jnſul.


P 2Dein
[114]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Der Wein iſt in dieſer Jnſul trefflich guthes kauffs und
kaum halb ſo theuer/ als zu Venedig/ ſintemal ein Pocal
7. biß 8. Solt/ zu Venedig aber wol 16. Solt gilt/ das iſt zwey
Groſchen 8. Pfenning nach Meißniſcher Muͤntze: Ein Pocal
aber haͤlt guth anderthalbe Kanne.


DasIV.Capitul.


Von unſerm Auffbruch zu Corſula.


ALs wir nun lange mit Schmertzen auf guthen Wind ge-
wartet/ in dem uns an einer Seiten lauter ſchwartz truͤ-
bes Gewoͤlcke ſchreckete/ an anderer Seiten ſchoͤn heller
Sonnenſchein anblickete und unſere Hoffnung zur See zoge/
ſind wir den 4. Maij fruͤh/ wiewol ohne Wind im Port aufge-
brochen und haben auf der Barka unſer Schiff an Seilen
ins Meer ziehen laſſen/ biß endlich ein Wind aufgeſtanden/ der
die Segel gefuͤllet und uns der Jnſul Auguſta zugetrieben/ wel-
che klein iſt/ gegen Abend aber ſind wir der Jnſul Melitæ, ſo
groß iſt zur rechten Hand vorbey pasſiret/ da wir den gantzen
Tag faſt contrari Wind gehabt.


Den 5. Maij haben wir ſtets laviren muͤſſen und hatten
wir den Wind im Vordertheil deß Schiffs/ alſo/ daß wir zur
rechten Hand die Jnſul Melite gar nahe/ zur lincken Hand a-
ber der Rapuſer Land hatten. Und weil der coatrari Wind ſehr
ſtarck warde/ ſind wir gegen Abend bey der Ponta, oder Ecke
der Jnſul Melite zwiſchen Rapuſar Land zur Lincken und der
Jnſul Schopona zur Rechten in Bocca di Stanphono von der
Stadt Stanphono nahe vorbey gelanffen.


Bocca di Stanphono iſt ein geſchloſſener Port/ ſonderlich
wol verwahret.


Den 6. Maij iſt der Wind ſehr ſtarck im Foͤrdertheil deß
Schiffs im Port geweſen/ daß alſo den gantzen Tag biß Abend
groſſe
[115]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
groſſe Fortun und contrari Wind ſich erzeiget/ weßwegen wir
denn den Port inne behalten muͤſſen/ weil das Schiff auch
im Port ſtarck von den Wellen bewegt worden/ uñ haben uns
alſo dieſen Tag in der Nechſten Jnſul mit Holtz wieder ver-
ſehen.


Den 7. Maij ſind wir ſtille gelegen wegen eben derglei-
chen contraren Win des im Foͤrdertheil deß Schiffs/ wie vori-
ges Tages/ weßwegen wir denn nahe zur Stadt Rapuſa dieſe
beyde Tage/ wiewol der Schiff-Capitain vermeinet/ unmuͤg-
lich gelangen koͤnnen.


Den 8. Maij fruͤh haben wir uns wegen Wind Mangels
auf unſerer Barka auß dem Port ziehen laſſen muͤſſen: Kurtz a-
ber darauff iſt uns gar guter Wind hinter dem Schiff auff-
geſtanden/ ſo uns den gantzen Tag favoriſiret. Auff der rech-
ten Hand ſind wir die Jnſul Del Mezo S. Andrea vorbey pasſi-
ret/ ſo den Rapuſern gehoͤrig/ wie zuvor gedacht worden.


S. Andrea iſt nicht groß/ aber bewohnt und ſind hin und
her Haͤuſer auf der Hoͤhe erbauet.


Nicht weit davon gegen uͤber faſt auf der lincken Hand
iſt feſtes Land und ſind wir von dannen mit guthen Wind der
Stadt Rapuſa nahe fuͤrbey pasſiret/ welche ohngefaͤhr ſo groß/
als Corfu, von welcher Stadt faſt im Anfang meiner Rei-
ſe Meldung geſchehen.


Unfern von der Stadt Rapuſa liegt die Jnſul Cruma, de-
nen Venedigern zuſtaͤndig. Jſt gar klein/ worauf ein Kloſter
und gar groß hohes Gebuͤrge/ ſo dißmal voller Schnee lag.


Gegen Sonnen Untergang ſind wir der Gegend/ da die
Stadt Cattaro zur lincken Hand bey einem hohen Berge und
Pelaſtro, wiewol jene naͤher am Meer/ als dieſe gelegen/ pasſiret/
deren Gebiethe und Land uͤber und auſſer der Stadt Rapuſa
ſehr weit ſich endet und iſt alles Tuͤrckiſch.


P 3Die-
[116]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Dieſen 8. Maij/ als es beguͤnte finſter zu werden/ ſtund
uns der ſchaͤdliche boͤſe Wind Schirocko ſo ploͤtzlich auff/ daß/
da die Segel nicht alsbald/ wiewol mit groſſer Muͤhe und Ar-
beit/ weren herunter gelaſſen worden/ das Schiff ohn allen
Zweifel von der grauſamen ſtuͤrmenden Macht deß Windes
were umgeſegelt worden/ und zu Grunde gegangen. Haben
demnach an ſtat der groſſen/ zwey Kleine Segei am Haupt-
maſtbaum auffgezogen/ worauff denn folgende Nacht das
Meer gantz ſtille worden.


DasV.Capitul.


Von dem ſchaͤdlichen Meer-Winde Schirocko.


MJt dieſem Winde Schirocko hats die Beſchaffenheit: Er
entſtehet in einem Augenblick und ehe man ſichs verſie-
het. Erſt erhebt er ſich zwar mit einem gar leiſen uñ gerin-
gen Blaſen/ bald aber wird er ſo hefftig und ſtarck und bricht
dermaſſen ein ins Schiff/ daß wo nicht alsbald die Segel her-
unter gelaſſen werden/ er ſolche groſſe Gewalt im Schiffe ge-
winnet/ daß ers in einem Augenblick uͤbern Hauffen wuͤrffet
und in Grund ſtuͤrtzet. Lange waͤret er nicht und ſelten uͤber
eine halbe Stunde/ aber die kurtze Zeit weiß er ſeine Gewalt
deſto beſſer zu brauchen.


Dahero wann ſolche und der gleichen Ungeſtuͤmmen auf-
geſtanden/ ſind wir Marinarien und reiſe Perſonen auf dem
Schiffe allemahl vom Schiff-Capitain hinab in die finſtere
Sentina deß Schiffs geſchaffet worden/ damit die Bootsleu-
te das Schiff deſto ungehinderter bearbeiten und der Gefahr
vorbauen koͤnnen/ welches uns zum theil angenehm/ zum theil
auch verdruͤßlich und beſchwerlich geweſen. Jenes/ weil wir
uns alle gerne wolten geholffen wiſſen/ dieſes aber/ weil es un-
ſaͤg-
[117]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſaͤgliches Schrecken giebet und man da im Finſtern und im
Stancke ſtecken und ſich nicht beſehen kan/ ſondern immer in
Sorge und Furcht ſtecket/ wenn die Macht der Wellen an das
Schiff ſtoͤſſet/ als wenn groſſe Stuͤcken auf daſſelbe loß gien-
gen/ jetzt gehe es in Stuͤcken und zu Grund und Boden.


Es wiſſen aber die Schiffleute dieſes Windes Natur und
Eigenſchafft gar genau/ wenn er auſſtehen und ſich erheben
will/ weßwegen ſie deñ alsbald bedacht ſeyn/ wie ſie ihm durch
Mittel vorkommen und der Gefahr abhelffen koͤnnen.


Wenn nun aber das Meer ſo hefftig bewegt wird/ ſo
ſcheinets bey der Nacht/ welches/ als ein ſonderliches Werck
der Natur/ wol zu mercken/ als wenn man durch gluͤend flieſ-
ſend Metall hin ſchiffe/ wie ich den wunderhalben ſelber probi-
ret/ daß/ wenn man eine Hand ins Waſſer tauchet und her-
außzeicht/ ſie gantz gluͤhend feuricht ſcheinet/ auch ſo man das
Waſſer auf die Erde gieſſet/ es nicht anders/ als gluͤend Metall
flieſſet und anzuſehen iſt.


DasVI. Capitul.


Von fernerm Progreſs unſerer Reiſe.


DEn 9. Maij gegen Sonnen Aufgang haben wir/ und ſel-
bigen gantzen Tag/ den Wind im Hintertheil deß Schiffs
gehabt/ da wir noch das Raguſer Land von weiten ſehen
koͤnnen. Gegen Abend aber iſt der Wind etwas ſchwach wor-
den/ weßwegen denn das Meer das Schiff hin und her ge-
worffen/ weils nur geſchwebet und nicht ſtarck fort ſegeln koͤn-
nen auß Mangel deß Windes/ da uns denn ſelbige Nacht der
Schirocko abermals und zwar mit einem groſſen Platzregen
ploͤtzlich angefallen und uns mit aller Macht zugeſetzet/ daß
wir die Segel wieder abnehmen muͤſſen/ damit er nicht Scha-
den verurſachen ſolte.

Nach
[118]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Nach außgeſtandenem Sturm aber iſt uns der Wind
wider ins Hintertheil deß Schiffs kommen/ mit welchem wir
einem Schiffe/ das uns allzeit weit vor geweſen war/ geſchwin-
de vorkommen/ daß wir uns alle verwundern muͤſſen.


Wann ſich denn auf dem Meer ſolche Ungeſtuͤmmen er-
heben und man keinen Port erreichen kan/ ſo muß man kleine
oder halbe Segel machen und alſo das Schiff im Namen Got-
tes auf dem weiten und wilden Meere hinſegeln laſſen.


Denn @0. Maij haben wir den gantzen Tag das Meer ruh-
ig/ oder Bonaza gehabt/ ſind bey einer vierſpitzigen Scolio, das
iſt/ einer im Meer ligenden Steinklippe zur lincken Hand/ mit
faſt groſſem Unwillen/ verblieben/ zumal weiln wir da feſte
Land vor uns ſahen/ maſſen ſich denn allda der Raguſer Land
endete und Griechenland angienge. Dieſen Curſ hatten wir die
Jnſul Corfu, den Venetianern zuͤſtaͤndig/ im Geſichte/ worzu
uns ein ſchwacher Wind/ der uns gegen Sonnen Untergang
zur Seiten entſtund/ befoͤrderlich war.


Den 11. Maij haben wir den gantzen Tag ſchwachen
Wind gehabt und ſind vier mit gruͤnen Straͤuchern bewachſe-
nen felßſichten Jnſuln/ ſo wir zur rechten Hand gehabt/ wie
auch der Jnſul Corfu zugefahren/ zur lincken Handwerts die
Gegend Pilermo habend/ ſo noch weit von Corfu. Und weil ſich
der Wind etwas ſchwach anließ/ ſind wir ſelbige Nacht zwi-
ſchen oftgedachter Jnſul und Griechenland bey einer alten am
Meer gelegenen Kirche auf Ancker blieben.


Als wir dieſen Abend den Port zugeſegelt/ ſeind Sentinol-
le Morte,
welche Feuer haben aufgehen laſſen/ von gar weiten
in dieſer Jnſul Corfu von uns geſehen worden. Dieſen Tag iſt
eine Griechiſche Polacro, iſt ein Schiff von den Griechen alſo
genannt/ auſſer der Jnſul Corfu zu unſerer Latino geſegelt/ auf
welchen etzliche Franzoſen/ ſo uns berichtet/ daß ſie ihr Schiff
wel-
[119]Siebenjaͤhrige Reiß-Beſchauung.
welches von Alexandria auß Egypten kommen/ vor 14. Tagen
auſſer der Jnſul Zante in dem weiten Meer 200. Jtal. Meilen
mit dem Schiff-Capitain und andern vielen darauff gewe-
ſenen Perſonen/ Sachen und Wahren/ den Tuͤrckiſchen Meer-
Raͤubern gefangen uͤbergeben muͤſſen/ ſie aber vor ihre Per-
ſon haͤtten ſich alsbald auf die kleine damals am groſſen Schiff
liegende Barka begeben und mit der Flucht ſalviret, uͤber welcher
Poſt wir nicht wenig erſchrocken/ ſintemahl wir eben ſelbige
Straſſe mit unſerm Schiffe zumuſten.


Weil aber dazumahl gleich zu unſerm groſſen Gluͤck ein
groſſes Schiff von 30. Stuͤcken und zehen Segeln zu uns kam/
worauff 150. Soldaten waren/ ſo die Venetianer auf ihr Ca-
ſtell oder Feſtung im Koͤnigreich/ oder der Jnſul Creta, ſchick-
ten/ und mit uns in Compagni, biß dahin ſegelte/ gaben wir
uns beſſer zu frieden und giengen im Namen Gottes miteinan-
der fort.


Den 12. Maij ſind wir mit ſchwachem Winde fruͤh auß
dem Port gangen und den gantzen Tag allzeit nahe bey feſtem
Lande zur Lincken und der Jnſul Corfu zur rechten geſegelt und
ſind alſo um 19. Jtalieniſcher Uhr/ Teutſcher aber nach Mitta-
ge um 1. Uhr in Port zur Stadt Corfu, eben wie die Jnſul ge-
nannt/ mit unſerm Schiff eingelauffen und nicht weit vom
Caſtell Vecchio, ſo ans Gebuͤrgige Land ſtoͤßt/ Ancker geſencket
und nach Ablaſſuug der Segel ein Stuͤcklein im Schiffe ge-
loͤſet.


DasVII. Capitul.


Von der Jnſul Corfu und derſelben Hauptſtadt/
auch Corfu genannt.


DJeſe Jnſul iſt vor Zeiten Corcyra geneñer worden und iſt
maͤchtig zur See geweſen/ liegt im Joniſchen Meer nicht
Qweit
[120]Siebenjaͤhrige Reiß-Beſchauung.
weit auf der einen Seite von Albania, auf der andern von Ca-
labrien. Und weil ſie bald dieſen/ bald jenen Herrn gehabt und
alſo iedermans Raub geweſen/ dahero ſie von allen Kraͤfften
kommen/ hat ſie ſich Anno 1382. an die Venetianer ergeben/ die
ſie auch noch ietzt haben und ſehr verbeſſert.


Man findet dar auff gantze Waͤlder Pomerantzen/ Zitro-
nen und Granaten/ welches zuverwundern/ ſo iſt weder
Wolf/ Beer/ noch ander ſchaͤdliches Wild/ ſonſt aber viel gu-
tes Wildpert auf dieſer Jnſul.


Jn dieſer Jnſul Corfu wird viel Flachs erbauet und in
der Stadt Corfu iſt noch ziemlich zu leben und gilt 1. Pfund
Rindfleiſch @1. Solt unſerer Muͤntze 2 Pfennige ein Pocal
Wein/ ſo kleiner/ als in Venedig/ groͤſſer aber/ als ein Unge-
riſch Bind/ 6. biß 7. Solt/ welches nach unſerer Muͤntze 1. Gro-
ſchen oder 15. Pfenninge außtraͤgt: Aber ſehr untreu und boͤ-
ſe Volck gibts in dieſer Stadt/ ſo iſt auch das Waſſer in derſel-
ben gantz ungeſund uñ muß deß guten Waſſers von der Stadt
Papiopoli nicht weit davon holen/ als bey welcher gar ein ſchoͤ-
ner geſunder Brunn iſt und um ſelbige Gegend ſind auch wel-
che Saltzbrunnen/ die ſo reich/ daß die gantze Jnſul faſt alle
ihre Gefaͤlle den Venetianern davon entrichten koͤnnen.


Als wir nun mit ſtarcken Regen dieſen Port zugeſegelt/
und uns auf Ancker im ſelben geleget/ ſind wiꝛ außgetreten
um die Stadt zubeſehen/ da haben wir befunden/ daß daſelbſt
drey ſonderbare unterſchiedene Feſtungen zu finden/ welche
dem beſorgenden Erb- und andern Feinden den Paß im Meer
verwehren und ſie zu ruͤcke halten koͤnnen. Zwey Feſtungen
ſind neu/ welche beyde auff einem ſehr hohen Berge aneinan-
der/ die dritte aber/ ſo alt/ unten am Meere gelegen und nicht
ſonderlich hoch erbauet.


Auſſerhalb der Stadt iſt ein Wachthauß/ S. Matonna
ge-
[121]Siebenjaͤhrige Reiß-Beſchauung.
genannt/ zur lincken Hand im Einfahren/ wie denn auch der
Stadt naͤher eine luſtige gruͤne Jnſul gleicher Geſtalt zur lin-
cken Hand/ wird Fito genannt/ ſo etwas von Haͤuſern erbauet.
Zur rechten Hand ligt ein ſchoͤn groß Lazaret, ſo mit dem Meer
umgeben.


Die Stadt liegt ſonſt am Berge und ſcheinet das alte Ca-
ſtell in der Hoͤhe/ wann man im Port liegt/ etwas hoͤher ſeyn/
als die Stadt/ da es doch nicht etwas/ ſondern bey weitem
hoͤher. Die Caſtell/ wie gedacht/ ſind einander gegen uͤber/ das
eine nach dem Meere zu/ ſo nicht ſo hoch/ hat dreyfache Pa-
ſteyen und unter den neuen zwey Caſtellen kan man von einem
zum andern unter der Erden kommen.


An Haͤuſern und Gebaͤuen iſt ſonſt die Stadt nicht ſon-
derlich ſchoͤn/ wie denn auch die Gaſſen nicht ſo gar groß und
ſauber gehalten werden und iſt von Venedig 700. Jtal. Mei-
len und der halbe Weg biß nach Alexandria in Egypten und
200. Jtal. Meilen bis in die Jnſul Zante.


Gleich bey unſerer Ankunfft hielten die Griechen deß vor
etzlich hundert Jahren zu Alexandria geweſenen Biſchoffs
Athanaſij Feſt mit aller Glocken Schall/ Trummeln und Pfeif-
fen zu Abwendung kuͤnfftiger grasſiren den Seuche der Peſti-
lentz/ da gleich den Tag vorhero ſich ein groſſer runder Zirckel
mit Regenbogen-Farben um die Sonne herum ſehen lieſſe/ in-
wendig aber deß Zirckels unterſchiedene ſchwartze runde Wol-
cken/ wie Berge/ welches von vielen Leuten vor gut/ von vielen
auch boͤſe gedeutet wurde.


Von dieſem Orth muſte wieder eine iegliche Perſon ihre
Fede mit nehmen/ gleich wie auch eine jegliche von Venedig eine
mitbracht hatte/ zum Zeugnuͤß/ daß er von geſunden Orten
komme/ ſintemal man ſonſt/ wenn er gleich in drey hundert
Meilen gereiſet were/ nicht eingelaſſen wird/ ſondern muß
Q 2ent-
[122]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
entweder wieder zuruͤcke reiſen dergleichen Fede zu holen/ oder
auf 3. oder 4. Wochen lang ſich in einem groſſen von der Stadt
abgelegenen Hauſe auff halten/ welches von ihnen Contumacia
genennet wird und allda mit groſſer Beſchwer zehren/ biß man
ſiehet/ daß er nicht mit der Seuche angeſteckt iſt/ geſtalt deñ zu
dem Ende ſchon in Jtalien an den vornehmſten Orthen ſolche
Haͤuſer erbauet ſeyn.


Den 13. Maij hatten wir truͤbe Regenhafftig Wetter und
groſſe Hitze dabey und kam eine Chriſten Gallee im Port vor
Corfu zu uns/ welche in die 40. Tuͤrcken-Koͤpffe/ die ſie Coiſa-
ren oder Meer-Raͤubern/ abgenommen/ auffzuweiſen hatte/
dieſen und folgenden Tag deß 14. Maij war Bonaza, oder
Windſtille auf dem Meer/ nach Mittage aber ſtund uns ein
ſtarcker Wind auf.


DasVIII. Capitul.


Von unſerm Auffbruch zu Corfu.


WEil uns denn der Wind ziemlich fuͤgete/ brachen wir
den 14. Maij nach Mittage zu Corfu im Hafen auf und
lieſſen das Feſte/ nemlich Griechenland/ hinter uns/
welches ſich unſerm Anſehen nach auch zugleich mit der gegen
uͤber gelegenen Jnſul Corfu endete.|


Zur lincken Hand ſind wir eine ſteinfelſichte Jnſul/ Pock-
ſchin
genannt/ nahe vorbey pasſiret, und gehoͤret den Venetia-
neren zu/ nicht weit von der Jnſul Corfu abgelegen/ welche wir
nach der Sonnen Untergang verlaſſen. Auſſer dieſer Jnſul iſt
uns ein Franzoͤſiſch Schiff/ oder Tartana, ſo auß der Franzoͤ-
ſiſchen Provintz und derſelben ihr gleich genanten Stadt Mar-
ſilia
kommen und ſeinen Cours nach Venedig gerichtet gehabt/
ſo allbereits einen Monat unterwegen geweſen war/ begegnet/
wel-
[123]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
welches wir mit Abſchuͤſſung eines Stuͤcks auf unſerm Schiff/
Meeres Gebrauch nach/ ſalutiret/ wie ſie denn uns dergleichen
auch gethan: Seynd drauff luſtig mit unſerm Schiff fort ge-
ſtrichen/ weil wir dieſe Nacht ſehr guten/ ob gleich nicht allzu
ſtarcken Wind hatten/ dergleichen denn auch folgenden 15.
Maij war.


Dieſen Tag ſind wir vor Mittags die Jnſul Cephalonia,
auch den Venetianern gehoͤrig/ welche wol ſo groß/ als Zan-
te,
kleiner aber/ als Corfu, vor bey pasſiret. Jm Anfange iſt ſie
weit vom Lande/ gegen dem Ende aber iſt ſie nicht weit von
feſtem Lande.


Dieſen Tag war die Hitze ſehr groß/ und weil wir ſehr
weit im Meere waren und die Vogel/ ſo ſich zu weit vom Lande
gemachet/ vor ſolcher Hitze ermuͤdet das Land nicht erreichen
koͤnnen/ haben ſie ſich zu uns aufs Schiff nieder gelaſſen/ daß
wir derſelben unterſchiedene gehaſchet.


Um dieſe Gegend/ wie ſonſt gemeiniglich/ war es der
Corſaren uñ Meerr aͤuber halben ſehr unſicher/ weßwegen deñ
auf dem Ober Hauptmaſt baum im Korbe ſtets durch die Boß-
knechte Wechſels weiſe fleiſſige Wache halten laſſen muſten/ da-
mit uns das Ungluͤck nicht/ ehe wirs vermuthet hetten/ uͤbern
Hals kommen ſolte/ noch koͤnte.


Cephalonia iſt/ wie zuvor gedacht/ eine groſſe Jnſul und
hat eine Stadt und Veſtung nach ihr genennet. Jn dieſer Jn-
ſul Cephalonia gibts weder Bruͤnne noch flieſſende Waſſer/ o-
der Baͤche/ daher denn das Vih darauf wenns Menſchen nicht
traͤncken/ Abends und Morgens hin trit unter freyen Him̃el
und den Thau mit aufgeſperten Rachen auffaͤnget und alſo
ſich ſelber traͤncket.


Die Stadt iſt nicht groß und ligt etwas auf der Hoͤhe in-
ſchoͤnen gruͤnen Gebuͤſche ein wenig vom Caſtell@ abe am Ber-
Q 3ge.
[124]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ge. Jſt nicht/ wie die Stadt Zante, am Meer gelegen/ ſon-
etwas davon entlegen/ die Hoͤhe an und haben wir gegen
Abend um Sonnen Untergang unſern Cours gar nahe am Ca-
ſtell weggenommen. Uns entgegen war uns gelegen eine kleine
Jnſul/ zwiſchen welcher und Cephalonia wir hin ſegelten/ biß
wir endlich die Jnſul Zante, die wir den vorigen gantzen Tag
von weitem im Geſichte hatten/ erreichet und den folgenden
16. Maij noch eine guthe Zeit vor der Sonnen Auff gang zu
Zante im Port gluͤcklich eingelauffen.


DasIX.Capitul.


Von unſerer. Ankunfft zu Zante und was daſelbſt
vorgegangen.


WEil wir nun ſo gar fruͤh ankommen/ da noch alles ſtille
und in Ruhe war/ haben wir nicht flugs außtreten und
in die Sadt gehen wollen/ ſondern haben uns indeſſen
im Schiffe fertig gemacht und ſonderlich unſere ledige Waſſer-
Faſſe zur Hand geſchaffet/ damit wir ſie wieder zur Reiſe mit
nothduͤrfftigen friſchen Waſſer fuͤllen und mit anderer Noth-
durfft foͤrderlich verſehen und verſorgen koͤnnen.


Als nun die Sonne Auf gangen war/ haben wir Brauche
nach/ ein Stuͤcklein im Schiffe geloͤſet/ und ſind nach abgege-
bener unſerer Fede drauff in die Stadt gefahren mit unſerer
Barcka um allda friſch Fleiſch/ Butter/ Eyer/ Brot und ande-
re zur Meerfahrt behoͤrende Labungen einzukauffen: Wir ha-
ben aber groſſen Mangel am Brote darinnen befunden/ alſo/
daß man ein klein Broͤtlein/ kaum der holen Hand breit und
dicke/ um 3. Solt oder 6. Pfennige bezahlen muͤſſen und noch zu
groſſer hoher Bitte/ daß mans erlangen koͤnnen/ maſſen denn
offt uͤber die hundert Perſonen vor dem Hauſe/ da das Brodt
zu Kauffe geweſen/ geſtanden/ davon der wenigſte Theil etwas
er
[125]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
erlangen koͤnnen und haben ſich alſo die arme Leute ſtat Brots
mit rohen Erbſen und Bohnen ſaͤttigen muͤſſen/ und alſo ha-
ben auch wir keine Pißkoten zu Kauffe bekommen koͤnnen/ wie
hoch wirs auch benoͤthiget geweſen.


Zante iſt auch eine Jnſul den Venetianern Zuſtaͤndig/ iſt
vordeſſen Zazynthus genennet worden und ligt zwiſchen Acloa-
ja
und Cephalonia innen. Jſt von Getreide und Roſinen/ Wein
und Oel gar reich. So hat ſie auch keinen Mangel an geſunden
Brunnen und Holtze.


Dieſen Tag iſt abermahls eine groſſe Hitze geweſen und
haben wir wieder unſere leere Faͤſſer mit friſchem Waſſer gefuͤl-
let und aufs Schiff geſchaffet/ damit wir zur fort Reiſe geſchickt
ſeyn moͤgten. Abends kam das groſſe Schiff/ deſſen oben ge-
dacht iſt/ Nave di Fortuna genannt/ mit 30. Stuͤcken und 10.
Segeln und 150. Soldaten/ die in die Jnſul Candia zur Beſa-
tzung ſolten/ im Port mit Trommeln und ſechs blaſenden
Trompetern an/ welches wir mit Loͤſung eines Stuͤckleins
freundlich empfingen. Und obs gleich einen Tag vor uns zu
Venedig außgangen war/ haben wirs doch nicht allein auf
dem Meer eingeholet/ ſondern auch weit zu ruͤcke gebracht/
weiln unſer Schiff viel leichter ſiegelte/ als daſſelbe.


Es hat aber ſolch Schiff in Port nicht einkommen koͤn-
nen/ weil es nicht Waſſer gnug hatte/ ſondern eine gute Ferne
von der Stadt bleiben muͤſſen wegen ſeiner Groͤſſe und hat
das Venetianiſche Pandir außgeſtecket/ welches war ein Loͤ-
we/ der ein Buch in einer Klauen hielte/ hat auch etzliche Stuͤcke
zur ſalutation abgehen laſſen.


Den 17. Maij regnete es den gantzen Tag gar ſtarck und
Abends kam gar ſpat ein groß Engliſches Schiff ſo mit Trom-
mel und Trompetenſchall/ auch Loͤſung eines Stuͤcks im
Port empfangen ward/ welches auch wider drey Stuͤcken ab-
gehen lieſſe.

Den
[126]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 18. Maij fruͤh ſind auch fuͤnff Galeen von Corfu im
Port ankommen/ ſo von drey andern ſchon im Port ligenden
Galeen mit vielen Freuden-Schuͤſſen empfangen worden.
Gedachten fuͤnff Kriegs Galeen ſeynd mit kleinen Paucken
und Schalmeyen/ wie denn der Gebrauch im Meer-Hafen
iſt/ eingelauff en/ und haben drauff alle mit Stuͤcken Feuer
gegeben.


Dieſen Morgen iſt die ſchlechte Reuterey allhier in der
Stadt Zante ſo zur defenſion allda liegen/ mit ihrem Gewehr/
als Copien/ aufgefuͤhret worden. Vorgedachte drey Galeen/
ſo damals allbereit/ als die andern fuͤnffe eingelauffẽ/ im Port
auf Ancker gelegen/ ſind die vorige Nacht/ da wir folgenden
Morgen drauff im Port vor Zante ankommen/ im Meere zu
uns kommen und ſich erkundiget/ wer wir weren und wo wir
her koͤmmen/ ſintemal ſie vermeinet/ daß wir Feind/ oder Cur-
ſar
en/ weil ſie um Corfu und Zante das Meer rein zu halten be-
or dert und beſtellet waren: Als ſie aber vernamen/ daß wir
Freund waren/ haben ſie ihren Curs weiter fort genom̃en und
uns Gluͤck auf die Reiſe gewuͤnſchet.


Vorgedachtes Engliſches Schiff hat dieſen Mittag
fuͤnffzehen Stuͤck/ weil es gleich Sontag war/ mit Trommel
und Trompeten Schall/ auch Außſteckung zweyer Pandir/
deren iedes ein weiß Creutz im rothen Felde gehabt/ maſſen
denn Schiff Gebrauch nach alle Sontage zugeſchehen pfleget/
abgehen laſſen und auff den Abend hat es widerum 20. Stuͤck
abgeſchoſſen.


Heut und geſtern iſt im Hintertheil deß Schiffs guter
Wind geweſen/ welcher uns denn zu unſerm Auffbruch ſehr
dienlich geweſen. Weil aber unſer Schiff-Capitain/ Wein
auf die Reiſe zu nehmen/ noch keine Licentz erlanget/ haben wir
nicht fortkommen koͤnnen/ ſondern noch laͤnger bleiben muͤſſen
und
[127]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und iſt dar auff den Tag das Meer ſo ungeſtuͤm geweſen/ daß
das Sch iff im Hafen bald uͤber/ bald unter ſich gangen/ weß-
wegen denn auch die groſſen zwey Segelbaͤume/ damit der
Wind und Sturm keine ſolche groſſe Gewalt haben ſolte/ halb
herunter gelaſſen worden/ dergleichen ſich denn dieſes Orths
gar offt begeben ſoll/ ob gleich der Wind noch ſo klein/ wie wir
denn von denen Matinarien berichtet worden.


Einer groſſen nahe an uns ligenden Galee gieng in ſolcheꝛ
Ungeſtuͤhm der Timon auß/ welchen zwey Perſonen mit Leib
und Lebens Gefahr hinter der Galee im Meer/ weil ſie der
Sturm mit Wind und Regen hin und her warff/ endlich wie-
der einhoben.


Dazumal war das Feld ſchon voller Flachs/ Reiß/ Ha-
fer/ die Weinſtoͤcke voller Traͤublein an den Haͤuſern und die
Feigenbaͤume mit gnugſamen Feigen zu ſehen/ nur daß ſie noch
hart und nicht reiff waren/ daß es eine Luſt zu ſehen war.


Den 19. Maij um Mittag iſt ein groß Hollaͤndiſch Schiff
auß der Jnſul Creta ankommen und hat im Einlauff drey
Stuͤcke geloͤſet. Dieſen Tag habe ich auch mit meinen Bißkot-
Vorrath reine Arbeit gemachet/ weil ich in der Stadt keins/
noch auch zwierback bekommen koͤnnen und habe mich biß auf
einen andern Orth gedulden muͤſſen/ wie wir denn auch dieſen
und vorigen Tag den Wein auf fernere Reiſe einpartiret.


Den 20. Maij iſt das unlaͤngſt eingekommene Engellaͤn-
diſche Schiff fruͤh von dannen fort geſegelt/ welchem zu Ehren
und Valet die andern Engliſchen im Port Trommeln und
Trompetenſchall ſtattlich klingen laſſen. Es iſt aber mit dem-
ſelben zugleich auch ein Griechiſches Schiff abgeſegelt und
nach Mittage ſind auch wir ſammt einer andern Latino, oder
Franzoͤſiſchen Schiff/ Di Fortuna, mit Freuden auff gebrochen:
Und weil der Wind damals etwas ſchwach/ haben zwey groſſe
RGa-
[128]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Galeen daſſelbe auß dem Meer-Hafen mit Macht ziehen muͤſ-
ſen.


DasX.Capitul.


Von unſerer Fortreiſe von Zante.


NAch dem nun gedachte zwey Galeen ſolch Franzoͤſiſch
Schiff Di Fortuna etwas dem Winde in die Ferne deß
Meeres zugefuͤhret hatten/ giengen ſie nach genommem
freundlichem Abſchied von uns wider dem Hafen zu und ließ
mehrgedachtes groſſes Schiff 9. Stuͤck in die weite See gehen/
als denn auch wir auf unſerm Schiffe zwey Stuͤcke zuͤnden lieſ-
ſen/ indem die beyden Galeen uns vorbey ſtrichen/ dergleichen
wir auch vorhin mit drey Stuͤcken thaͤten/ als wir im Port
auf wahren.


Es kamen aber vor unſerm Aufbruch zween Auguſtiner
Muͤnche/ auß der Jnſul Malta buͤhrtig/ auf unſer Schiff/ wel-
che unſer Capitain auf ihr Bitten mit ins Koͤnigreich Candia
nahm.


Dieſen und folgenden 21. Maij haben wir keinen Wind
gehabt/ da haben wir fruͤh noch beide Jnſulen Zante und Cepha-
lonia
ſehen koͤnnen/ wie denn auch zur rechten Hand auf 40.
Jtal. Meilen von Zante die Jnſul Steplia, allda unten am
Meer ein Kloſter gelegen. Jſt eine kleine Jnſul und gehoͤrt auch
den Venetianern/ zur lincken Hand aber haben wir geſehen
das feſte Land Moream in Griechenland. Den 22. Maij iſt uns
die Jnſul Sapienza, ſo unbewohnt/ zu Geſichte kommen zur
lincken Handwerts liegend und iſt gar klein.


Heute iſt abeꝛmals kein Wind geweſen und haben bey ietzt
gedachter Jnſul von ferne 4. Schiffe und eine Galee geſehen/
daruͤber wir hoch beſorget worden/ es moͤgten Corſaren/ oder
See-
[129]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
See-Raͤuber ſeyn/ haben demnach auf dem hoͤchſten Maſt-
baum/ auf welchem man ſehr weit ins Meer ſehen konte/ fleiſ-
ſige Wache angeordnet/ um zuerfahren/ welchen Strich ſie
vornehmen wuͤrden.


Dieſen Tag ſind auch unſere drey Schiffe/ ſo zugleich mit
uns auß dem Port gelauffen/ offt auf dem Meer durch den
Wind ſo nahe zuſammen getrieben worden/ daß wir miteinan-
der freundlich reden und kurtzweilen koͤnnen/ als denn auch der
Kauffmann auß unſerm Schiffe/ Paul Nordio ein Jtaliener/
ſo daſſelbe beladen/ im fortſegeln auf das groſſe Schiff uͤber ge-
ſtiegen um mit Spielen und anderer Kurtzweile die Zeit zuver-
treiben.


Den 23. Maij deß Nachts hatten wir guten Wind und
haben fruͤh Morgens die Jnſul Ceripo von ferne geſehen/ wel-
che wir auch um halben Abend vorbey pasſiret/ wie dann auch
die Jnſul Cerichotto eben falls auff der lincken Hand/ welches
eine kleine Jnſul alſo/ daß zwiſchen beyden Jnſuln innen liegt
die bekandte greuliche Meer-Klippe Ovo duro genannt.


Weit uͤber Cerichotto haben wir das Koͤnigreich/ oder
die Jnſul Creta, oder Candia geſehen. Weil uns aber dazumahl
ein trefflicher guter Wind auffſtund/ unſere Tartana aber leich-
ter fort ſegelte als das groſſe Schiff/ ſo bey uns war/ wir auch/
weiln wir Candia ſtets im Geſichte behielten/ wegen der See-
raͤuber keine Gefahr mehr zubeſorgen hatten/ haben wir mit ei-
nem Stuck-Schuß freundlich valediciret, dergleichen auch das
groſſe Schiff wider gegen uns gethan/ und ſind im Namen
Gottes vor aus hingeſtrichen/ da wir denn das groſſe Schiff
gar geſchwind weit zuruͤcke gebracht.


Ceripo liegt von Candia etwas unter 200. Jt. Meilen/ von
Zante aber ohngefaͤhr 300. von vor gedachtem groſſen Schiffe
trat auch auf unſer Schiff ein Griechiſcher Edelman mit ſeinem
R 2eini-
[130]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nigen Soͤhnlein ſammt drey Dienern/ der Meinung deſto ge-
ſchwinder fort und auf Candia zu kommen/ wie denn auch ge-
ſchahe.


Den 24. Maij um Mittag ſeynd wir zur laͤngſt verlang-
ten Jnſul mit Gluͤck angelanget und liegt nicht weit davon im
Meer eine Jnſul Carboſa genannt/ ſo viel mehr eine Scochlio.


Heute habe ich Cerichotto zur lincken Hand von ferne ge-
ſehen. Weil uns aber der Wind zu unſerer Einkunfft im Port
allerdings nicht favorabel, haben wir uns in die Jnſul und an
die Stadt Candia hinan laviren muͤſſen. Und obwol geſtern A-
bend der Wind ſich gut angelaſſen/ hat er doch nicht angehal-
ten. Auſſer dieſen beiden Jnſulen Cerichotto und Candia haben
wir ſonſt kein Land geſehen und zwar Candia zur rechten und ge-
gen uͤber Cerichotto.


Als wir nun vor Candia eingangen/ ſind wir nahe bey
der Stadt Canea vor bey pasſiret/ welches eine kleine am Meer
und unter hohem Schnee-Gebuͤrge gelegene Stadt/ allwo die
mit uns von Zante außgelauffene andere Tartano, oder Latino
verblieben/ auch ſind wir dieſe Nacht vor der Stadt Sitia vor-
bey geſtrichen/ ſo auch auf der Jnſul Candia liegt.


Den 25. Maiſ nach Mittage ſeynd wir der laͤngſt ver-
langten Stadt Candia, ſo bey und unter ſehr hohem Schnee-
Gebuͤrge am Meer gelegen/ mit groſſen Freuden anſichtig
worden.


Den 26. Maij iſt eine uͤber auß groſſe Hitze geweſen/ und
ward die Ernde damals in dieſer Jnſul ſchon vor vier Wochen
angangen/ wie ſich denn dieſelbe gemeiniglich mit dem Meyen
anhebet/ dahero man auch ſonſt von allerhand Fruͤchten ha-
ben konte.


Gegen halb Abend kamen wir im Port vor Candia
der Stadt in der Jnſul Candia an und legten uns
hart
[131]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
hart bey dem Caſtell auf Ancker und wurden auf unſerm
Schiffe zwey Stuͤcke geloͤſet. Nachmals/ als der Griechi-
ſche Gentil huomo außgetreten und in die Stadt gan-
gen/ iſt ihm zu Ehren wegen geleiſteten præſents vom Schiff-
Capitain auch ein Stuͤck geloͤſet worden/ dergleichen denn
auch unſerm Schiff zum Willkommen von einer andern Lati-
no,
ſo im Porte lag/ geſchehen.


DasXI.Capitul.


Von der Stadt und Jnſul Candia und was etwan ſon-
derliches allda zu ſehen.


DJe Jnſul Candia liegt im mittellaͤndiſchen Meer und iſt
der bequemſten/ beſten und beruͤhmteſten Jnſulen eine in
demſelben. Wie groß ſie ſey, kan man nicht gewiß wiſſen/
iedoch wird ſie ins gemein auff 700. Jtal. Meilen geſchaͤtzet und
hat den Namen von der Hauptſtadt Candia/ wiewol ſonſt
noch drey Staͤdte drinnen ſind nemlich Canea, Sitia und Rheti-
mo.
Vor Zeiten aber ſollen hundert Staͤdte auf dieſer Jnſul
geweſen ſeyn/ davon ſie auch Heccatompolis genennet worden/
und hat damals geheiſſen Creta, zu Rhetimo hats gar einen
ſchlechten Hafen/ aber der zu Candia und Canea ſind viel beſſer
ingegen aber ſind Rhetimo und Sitia von Natur feſte.


Die Stadt Candia hat in ihrem Umkreiß ſechs Jtal. Mei-
len. Und als wir allda ankommen/ wurden unten am Caſtell
bey der untern Paſtey unſere Feden und Zeugnuͤß Brieffe von
denen darzu verordneten Perſonen/ welche gar von ferne von
uns ſtunden auß Furcht der Peſt/ bey uns abgefordert.


Die Stadt iſt ſonſt ziemlich fein erbauet/ hat aber uͤber
den Haͤuſern gar ſehr kleine/ flache und niedrige Taͤcher gleich
wie corfu, corſula und Zante, alſo/ daß man drauff hernm ſpa-
zieꝛen und die ankom̃ende und abgehende Schiffe im Meere von
R 3wei-
[132]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
weitem ſehen kan/ welches denn ſehr luſtig anzuſehen. Wenns
aber regnet/ ſo ſind die Taͤcher mit Roͤhren verſehen/ durch wel-
che das Waſſer ablauffen kan.


Jetzt vorgedachte Staͤdte ſind meiſten theils ungepfla-
ſtert/ die Haͤuſer ohne Glaßfenſter und nur mit hoͤltzern Laden/
oder Holtzguͤttern vermacht. Der Port an der Stadt Candia
iſt klein/ faſt wie ein Hertz formirt und theils mit der Stadt/
theils mit der Feſtung umſchloſſen. Jſt fuͤr groſſe Schiffe nicht
ſonderlich/ denn er nicht tieff/ noch weit gnug/ dahero dieſel-
ben denn weit im Meer auſſer der Stadt/ da ſie Raum und
Tieffe haben koͤnnen/ liegen muͤſſen.


Das Gemaͤuer der Veſtung ſtoͤßt vom Caſtell biß ans
Stadtthor/ unten ans Meer/ welches gewaltig dran ſtreicht/
wenns wuͤtet und ſtuͤrmet/ daß es einem ein Grauen anzuſehen
machet. Sonſt wird auf der Feſtung/ wie auch hin und wider
in der Stadt fleiſſige Auffſicht und Wache gehalten.


Auſſen am Port iſt ein breiter gepflaſterter Weg und ge-
het eine Mauer mit groſſen Fenſter-Loͤchern vom Caſtell an/
biß ans Stadthor/ ſo breit/ daß oben drey Perſonen gar wol
neben einander gehen koͤnnen. Auff der Feſtung iſt eine Glocke/
ſo zweymahl aneinander/ die Stunde anzudeuten/ geſchlagen
wird.


Bey dem Thore zum Meerhafen iſt ein neu lang erbau-
tes Hauß/ an welchem uͤber einer Pforten/ oder Thor deſſel-
ben ein groſſer ſteinerner Loͤw zu ſehen/ der eine Metalline Kro-
ne auff dem Kopffe hat/ welches das Zeichen deß Koͤnigreichs
Creta iſt/ denn dieſe Jnſul gehoͤret den Venetianern/ dahero ſie
auch den Loͤwen in ihrem Wappen fuͤhren. Jn dieſem Hauſe
ſind der Signori Schiff Pißkotten/ oder Zwier back verwahret.


Auſſen beym groſſen Port bey S. Marcus Thurm/ allwo
drey Seulen vom Holtz zu ſehen/ ſtehet ein lang Hauß an einem
Gra-
[133]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Graben/ welches der Signori Provianthauß und am Platze
bey S. Marcus iſt ein uͤberauß ſchoͤner kuͤnſtlicher Brunn/ doch
iſt einer bey den Juden daſelbſt in ihrer Stadt/ welcher natuͤr-
lich/ als ein Felß erbauet und demnach jenen weit uͤbertrifft.


Auf ſolchen Juden-Brunn ſtehet Moſes mit der rechten
Hand einen holen Stecken/ in den Felſen befeſtiget/ mit der lin-
cken Hand aber das Geſetz-Buch haltende: Zur rechten Hand
aber ſtehet Aaron/ ſein Bruder/ beide in vollkommener Lebens-
Groͤſſe in Stein gehauen/ welcher in der rechten Hand ein
Raͤuchfaß/ die lincke Hand aber uͤberſich haͤlt. Hinter Aaron
ſtehen etzliche Perſonen/ wie auch hinter Moſe und ſpringet das
Waſſer gar friſch auß dem gemachten Felſen in ein rundes weiſ-
ſes Marmel-Gefaͤß und auß demſelben wieder herab in ein
groͤſſer und weiteres/ an Geſtalt den Kleinern gleich/ durch Loͤ-
wen-Koͤpffe und iſt der Felß von Leim ſo kuͤnſtlich zuſammen
geleimet/ als wenn es gewachſener Felß were und iſt krauß und
knoͤpfficht.


Die Figuren hinter Moſe und Aaron/ welche auch Man-
nes-Groͤſſe haben/ ſollen bedeuten die Kinder Jſrael in der Wuͤ-
ſten/ da ſie Waſſer von Moſe zu trincken haben wollen: Und
gehet dieſes Waſſer durch ein Canal weit auß dem Gebuͤrge her-
ein unter der Stadt her.


Den 26. Maij bin ich in die Kirche zum Salvator genannt/
gangen/ allda iſt mir ein Coͤrper gewieſen worden/ welcher wei-
land eines Großmeiſters in der Jnſul Rhodis geweſen/ hatte
noch Haut an den Beinen/ ungeacht er ſchon eine ſehr lange
Zeit todt geweſen. Jtem ein Marmelſteinern Marien-Bild/
Chriſtum im Schoſſe habende/ ſtehet auff einem Altar neben
ietzt gedachten Coͤrper und iſt von vorgedachtem Großmei-
ſter Feindes halben von Rhodis dahin geflehet worden/ ſind
hernach allda verblieben. Wird fuͤr ein ſonderbares Kunſt-
Stuͤck
[134]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Stuͤck gehalten/ dieweil man alle Adern an Chriſti Armen er-
kennen kan und nicht anders iſt/ als wenns leibhafftig alſo we-
re. Jtem ein Adler von Ertz/ welcher ſehr groß und von einer
Seite zur andern gewendet werden konte. Hatte außgebrei-
tete Fluͤgel/ darauff man ſtat eines Pulpets die Buͤcher le-
gete.


Die Gaſſen in der Stadt Candia ſind gar enge und faſt
nur die Gaſſe vom Thor unten am Meer biß auf den Platz/ da
man feil hat/ gepflaſtert und werden die Jnnwohner dieſer Jn-
ſul von der uͤberauß groſſen Hitze gewaltig verbrennt und ge-
faͤrbet.


Die Bauren auf dieſer Jnſul gehen in weiſer Leinwat/
nach welſcher manier, gemacht in Hoſen und Camiſolen/ haben
auf den Ruͤcken groſſe breite Dolche/ oder lange Degen/ wenn
ſie von denen Doͤrffern in die Staͤdte gehen.


An der Stadt Candia ſind zwey hohe Berge/ einer etwas
uͤber der Stadt Monte di Geove, oder der Jupiter Berg/ wel-
cher uͤber alle maſſe hoch und der hoͤchſte Berg im gantzen Koͤ-
nigreich iſt und hat allda vor langẽ Zeiten ein maͤchtiger Fuͤrſt
gewohnet/ ſo ſich vor den Gott Jupiter außgegeben/ dahero
auch der Berg ſolchen Namen bekommen. Der andere Berg/ ſo
auch ſehr hoch und zugeſpitzt/ iſt etwas unterhalb der Stadt
Mente di S. Cruce, der Berg deß heiligen Creutzes genannt.


Allhier muß ich noch eines ſonderlchen Wunders geden-
cken/ daß wol zu mercken iſt. Jn dieſer Jnſul haben die Weiber
gar eine ſonderbare boͤſe gifftige Natur. Denn wenn ſie zornig
werden und einen Mann ſo etwann mit ihnen in Zanck geraͤth/
beiſſen/ derſelbe muß davon deß Todes ſeyn und kan von ſolchen
gifftigen Biß nicht geheilet werden. Da moͤgte wol der Wunſch
gelten/ als ſonſt an einem Orthe in der Welt/ wenn Sirach
@pricht: Kein Zorn iſt bitterer/ denn der Frauen Zorn. Jch
wol-
[135]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
wolte lieber bey Loͤwen und Drachen wohnen/ denn bey einem
b@oſen Weibe.


Was die Fruchtbarkeit anlanget/ ſo gibt damit dieſe Jn-
ſul keiner nach wie ſie auch Namen haben mag/ denn ſie traͤgt
allerhand ſchoͤne und herrliche Fruͤchte/ ſonderlich waͤchſt da
der Malvaſier in groſſer Menge und iſt deßwegen gar wol-
feil/ maſſen denn ein Pocal deſſelben/ wie auch anders Weins/
nicht hoͤher denn 7. Caſſet/ ſo etwas mehr iſt/ als 12. Solt/ ſo
nach unſerer Meißniſchen Muͤntze ein wenig uͤber 2. Groſchen
iſt/ gilt. Deßgleichen wachſen auch die Cypreſſen Baͤume ſehr
groß und in groſſer Menge auf dieſer Jnſul.


Alsbald im Junio hats reiffe Weinbeeren/ auch waren
ſchon vor vierzehen Tagen Reiffe/ Aepffel/ Kirſchen/ Morellen
und ander Obſt zu bekommen geweſen/ wie wir auch noch bey
unſerer Ankunfft zubefinden gehabt.


Die Muͤntze in dieſer Jnſul iſt von Kupffer meiſtentbeils
von allerhand Sorten/ ſonderlich Caſſet, deren viere acht Solt/
oder 12. Quatrin außtragen: achthalb Solitiu machen 3. Qua-
trin,
welche ſind ein Caſſet und gibt ein Spaniſch Real 10. Pfund
und 8. Solt.


Und weil Brot/ Wein/ Fleiſch und andere Lebens Mit-
tel allhier beſſer/ als in der obgedachten Jnſul Zante, zubekom-
men und ſehr wolfeil ſind/ habe ich mich wider aufs Schiff zu
fernerer Reiſe verſehen und eingekaufft/ was mir abgegangen
war.


DasXII. Capitul.


Von unſerm Auffbruch und Fortreiſe auß
Candia.


NAch dem ſich den 28. Maij gegen halb Abend ein uͤberauß
guter ſtarcker Wind/ den wir lange gewuͤnſcht harten/ er-
Shub
[136]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
hub/ ſind wir im Namen Gottes alsbald aufgeweſen/ und ha-
ben uns/ wiewol mit ſehr groſſer Gefahr/ auß dem engen Port
auf einer Barcken hinauß in die See gezogen/ ſintemahl wir
uns nicht getrauen doͤrffen wegen der groſſen Macht deß Win-
des mit aufgezogenen Segeln auß dem Hafen zu lauffen/ denn
uns der Wind gar leicht wider das Caſtell treiben und das
Schiff zuſcheittern koͤnnen/ maſſen uns gar nahe auch alſo ge-
ſchehen were/ daß der ſtarcke Wind den Hintertheil deß Schiffs
aus Caſtell geſchlagen haͤtte/ wenn wir nicht demſelben mit ſo
fleiſſiger Arbeit vorkommen waͤren/ dergleichen nur vorm
Jahre einem Frantz-Schiffe geſchehen war/ daß es am Caſtell
geſcheittert/ als es einfahren wollen/ und alles was drauff ge-
weſen/ verlohren gangen/ ſo auf 10000. Real geſchaͤtzet worden/
woruͤber ſich auch der Kauffmann dermaſſen bekuͤmmert/ daß
er kurtz darauf deß Todes geweſen.


Als wir nun auß dem Port kommen/ haben wir zur rech-
ten Hand im Hinaußſegeln an einer Eck/ oder Spitze/ daß Ho-
ſpital/ ſo gar wol erbauet geweſen/ gelaſſen/ und da haben wir
auch das vorige groſſe Schiff wieder angetroffen/ deme wir
mit Loͤſung eines Stuͤcks Valet gegeben/ dergleichen daſſelbe
auch gegen uns gethan und ſind alſo im Namen Gottes der
Weite deß Meeres zugeſegelt und gegen der Sonnen Unter-
gang zur lincken Handwerts die Jnſul Eſthanthia, welche klein
iſt und abſonderlich hinaußwerts eine Scochlio dabey geſehen.
Ehe wir aber gar zur Jnſul kommen/ hat die Prora oder foͤr-
der Theil am Schiff ſchon Waſſer geſchoͤpffet und haben wir
anders nicht vermeinet/ als daß das Schiff gantz verſincken
wuͤrde/ haben deßwegen das groſſe Hauptſegel muͤſſen herun-
ter laſſen und ein kleines auffziehen/ damit der uͤberauß groſſe
Wind nicht ſo groſſe Macht haben koͤnnen in die Segel einzu-
brechen.


Die
[137]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Die folgende Nacht hatten wir gar guten Wind und ſind
der Jnſul Locaſo zur lincken Hand vorbey pasſiret, die ich Mor-
gens fruͤh drauff den 29. Maij von ferne geſehen/ den Tag aber
uͤber biß auf halben Abend wards wider ſtille/ deßwegen/ als
wir fruͤh um 7. Uhr bey Capo di Candia, allwo der gute beque-
me Port/ Policaſtro, iſt/ an kamen/ ſind wir allda liegen blie-
ben. Da uns aber der Wind wider gut ward/ haben wir die Jn-
ſul Candia zur rechten Handwerts gantz verlaſſen und dieſen
gantzen Tag kein ander Land mehr/ als ietzt gedachtes Capo,
oder Ecke von Candia geſehen/ welches wie das Ende dieſes
Koͤnigreichs war.


Den 30. Maij zur Nacht war gar kein Wind/ ſondern
befandt ſich untern Waſſer/ dahero das Meer ſehr ungeſtuͤm
und unruhig war/ daß die Wellen das Schiff von einer
Seite zur andern mit erſchrecklichen Krachen und Praſſeln
warffen. Darauff erhub ſich gar ein guter Wind und hielt
denſelben gantzen 31. Maij Tag und Nacht im Hintertheil deß
Schiffs ſtarck an und ſahen wir nirgends kein Land.


Weil wir aber von Zante auß biß nach Alexandrien in E-
gypten wegen der Meer-Raͤuber/ ſo Mohren und Tuͤrcken
waren/ groſſe Gefahr und Unſicherheit zubefuͤrchten hatten/
lieſſen wir/ derſelben vorzukommen/ auf dem hoͤchſten Maſt-
baum von den Boßknechten Wechſels weiſe fleiſſige Wache
halten/ biß wir endlich mit Freuden nach Alexandrien kamen
nach außgeſtandener vielfaltigen Gefahr und Noth/ welche
unmuͤglich alle zuerzehlen iſt.


Das dritte Buch.


Begreifft die Reiſe in Egyypten herum und was allda
allenthalben denckwuͤrdiges zu ſehen iſt.


S 2Cap.
[138]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasI. Capitul.


Von Egyptenland und deſſelben Beſchaffenheit.


EGypten iſt ein beruͤhmt und auch in Gottes Wort bekan-
tes Land und Koͤnigreich/ deſſen Koͤnige vordeſſen Pha-
raones
genennet worden und reich und gewaltig geweſen
ſind/ ietzt aber hats der Tuͤrcke unter ſich.


Wo daſſelbe eigentlich hin zu rechnen/ ob in Aſiam, oder
Africam, ſind die allen Geographi zwar nicht einig: allein weil
man insgemein im ſelbigen das rothe Meer fuͤr die Theilung
Aſiæ und Africæ haͤlt/ ſo kans nicht anders ſeyn/ Egypten muß
nothwendig zu Africa gehoͤren.


An Fruchtbarkeit/ wiewol ungleich/ iſt in dieſem Koͤnig-
reiche kein Mangel/ iedoch nechſt Gott hats auch dieſelbe meiſt
dem Fluß Nilo zuzuſchreiben. Denn wenn diß Waſſer thaͤte/
welcher mit ſeinem Auß- und Ubeꝛlauff/ dem Wachſen und Fal-
len nach/ iedes Jahr 80. Tage lang das Land waͤſſert und
durch ſeinen mit ſich fuͤhrenden fetten Schlamm duͤnget/ ſo
wuͤrde es ſchlecht beſchaffen ſeyn. Es iſt abeꝛ/ wie ich ſage/ gleich-
wol ungleich. Denn unter der Stadt Alkair theilet ſich der Ni-
lus
in zwey groſſe Arm/ welche. Schiffreich ſind und faͤlt einer
davon bey Damiata, der ander bey Roſſeto ins Meer und thei-
len das Land wie eine Triangel/ weßwegen es auch am ſelben
Orte die Einwohner Delta nennen/ nach der Geſtalt deß Grie-
chiſchen Buchſtabens Delta, Δ, weil daſſelbe einem Triangul
gleich ſiehet/ um deßwillen iſt nun auch dieſe Gegend das
fruchtbarſte Theil Landes/ weils von dem Fluß Nilo um-
floſſen iſt/ und ſonſt auch noch von zwey kleinen Abtheilungen
des N@li mehr gewaͤſſert wird: Und iſt dieſe Refier nicht klein/
ſondern alſo/ daß ſie ſich in ihrem Umgrieff auf 300. Jtal. Mei-
len erſtrecket.

Jn
[139]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Jn Egypten wird meiſten theils die Arabiſche Sprache
geredet/ maſſen denn auch daſſelbe meiſtentheils von Arabern
und Mohren bewohnet wird.


Die Schafe im Lande ſind wunderlich anzuſehen. Haben
groſſe runde fette Schweiffe/ als eine ziemliche zieñerne Schuͤſ-
ſel und ſind dieſelben an manchem Schafe ſo ſchwer von Fett/
daß ſie ſie nicht tragen koͤnnen/ ſondeꝛn man ihnen dieſelben auf
kleinen Waͤgelein nach fuͤhren muß/ wie mich die Egyptier ſel-
ber fuͤr wahrhafftig berichtet und auch der Augenſchein ſelber
gab. So haben ſie auch groſſe hengende Ohren und lange zoti-
ge Fuͤſſe/ daß ſie recht abſcheulich anzuſehen.


Mit der Tracht und Kleidung der Mohren in Egypten
hats dieſe Beſchaffenheit: Manns- und Weibs. Perſonen tra-
gen lange weiſſe/ oder blaue weite Hembden mit langen Erme-
len faſt zwey Elen weit/ welche ſie um den Leib mit einem brei-
ten ledern Guͤrtel auf@chuͤrtzen. Unter ſolchen Hembden aber
tragen theils auch eben von ſolcher Leinwat lange Hoſen biß
auf die Fuͤſſe hinab und gehen barfuß/ ſonderlich auf den Doͤrf-
fern.


Die Haͤuſer auf den Doͤrffern in Egypten ſind faſt wie
die Backoͤfen anzuſehen/ nur daß ſie hoͤher und groͤſſer ſind. An
ſich ſelbſt ſind ſie von grund auf entweder von ſchwartzen Lei-
men/ oder von ſolchen dar auß zugerichteten ungebranten Zie-
geln aufgebauet/ haben unten herum niedrige und enge Daͤ-
cher/ als die Schuͤrtze und oben in der Mitte ein rund Loch/ in
welches eine irdine Roͤhre geſetzet/ dadurch der Tag in die Huͤt-
ten hinein fallen kan. Jnwendig ſind auch wol theils mit rohen
ungebranten Ziegeln außgeſetzet und oben auch wol damit
außgemaͤuert und gleichſam gewoͤlbet. Die Ziegel aber machen
ſie alſo: Wenn ſie dieſelben nun auß der Erde geformet undge-
S 3truck-
[140]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
trucknet/ ſo ſetzen ſie dieſelben in groſſe Hauffen und machen ein
Feuer/ davon werden ſie hart und roth.


Jn Egypten gibts gar keinen Winter/ weßwegen die Ein-
wohner deß Feuers zum Waͤrmen nicht bedoͤrffen und um ſo
viel deſto mehr auch mit wenigern Holtze und Feurung auß-
kommen koͤnnen. Und weil das Holtz gar ſehr ſeltzam iſt/ ſo ge-
brauchen ſich dieſe Barbariſche Voͤlcker ſtat deſſen/ aufgedoͤrr-
ten Cameel- oder Puͤffel-Koth.


Unter deß aber regnet es doch gleichwol in Egypten auch/
und iſt ſeltzam Ding/ daß man es hiebevorn vermeinet/ ſinte-
mal ichs mit Augen ſelber geſehen/ aber es ſoll gar ſelten geſche-
hen und der Regen auch nicht ſo ſtarck und haͤuffig ſeyn/ als
wol anderer Orthen zugeſchehen pfleget.


Die Staͤdte in Egypten ſind Alexandria, Caipo oder Al-
kair,
oder Babylon/ ſo auch Gran cair genennet wird/ Fuoa, Roſ-
ſeto, Damiata
und der Flecken Sues an der Ecke deß rothen
Meers/ auf dem halben Wege von Babylon nach dem Berge
Sinai in der ungeheuren Arabiſchen Wuͤſten.


DasII.Capitul.


Von der beruͤhmten Stadt Alexandria in
Egypten.


GLeich den 1. Junii ſt. n. welcher damals ein Sontag war/
ſind wir zu Alexandria ankommen/ um welche herum die
Gegend meiſtens eine ſchoͤne/ wiewol ſandige Ebene iſt/
dahero wir das Land eher nicht/ als die Stadt ſelber ſehen koͤn-
nen. Und als wir im Port ankommen/ ſind wir von zween Po-
lacri
oder Schiffen mit zween Stuͤcken empfangen worden/ de-
nen wir auch wider mit dreyen geant wortet/ wie denn auch Ge-
brauch nach eins herauſſen beym Caſtell geloͤſet ward.


Ale-
[141]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Alexandria iſt eine uhralte Stadt in Egypten noch von
Alexandro M. erbauet/ von dem ſie auch den Namen bekom̃en/
alsdenn auch noch ietzo deſſelben Koͤnigliche Burg und Schloß
daſelbſt nicht weit von der Stadtmauer zu ſehen iſt/ iedoch der-
maſſen zerſtoͤrt/ das nichts mehr davon uͤbrig/ als ſehr ſtarck
weitlaͤufftig zerfallenes Gemaͤuer.


Nach Alexandri M. Tode hat allda der andere Koͤnig
Ptolemæus Philadelphus, ein ſehr gelehrter Herre/ regieret/ wel-
cher eine ſtatliche Hohe Schul und derſelben zum beſten eine ge-
meine Biblioteck von ſiebenmal hundert tauſent Buͤchern an-
gerichtet/ ſonderlich hat er auch durch die 72. Tolmetſcher das
Alte Teſtament laſen in die Griechiſche Sprache bringen Weil
denn damals alles noch geſchrieben werdẽ muͤſſen/ iſt zuachten
was vor Muͤhe und Unkoſten hierzu erfordet worden/ und wie
hoch ſich dieſer loͤbliche Koͤnig um die Studia verdienen koͤnnen.
Solte heute zu Tage ein ſolcher Landes Vater gefundẽ werden/
ſo ſolte es groſſe Muͤhe koſten. Mehr aber iſt ietzt nicht davon zu
ſehen/ als wo etwa das Hauß geſtanden. Alles iſt verwuͤ-
ſtet.


Auch iſt die Stadt an ſich ſelbſt wuͤſt und meiſtentheils
zerſtoͤret und voller Schuͤtt- und Steinhauffen/ welche Steine
die Tuͤrcken außgraben und zu andern Gebaͤuen brauchen. Jſt
doppelt/ alt und neue Stadt/ ſehr groß und liegen beyde am
mittel Meer hinan faſt wie ein halber Monden. Die alte Stadt
hat doppelte Mauren/ welche noch gantz uñ in vollem Stande
ſind/ dahero die Stadt denn ſehr feſt/ ſonderlich gegen das
Meer zu/ da man gar luſtig unter Schwibbogen gehen kan/
und iſt darneben mit viel hohen Thuͤrmen gezieret/ dergleichen
die neue Stadt nicht hat/ iedoch iſt dieſe luſtiger/ als die
Alte.


Jn der Alten Stadt ſind etzliche Erd-ſonderlich aber ge-
gen
[142]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gen die Neu-Stadt nach S. Athanaſiii Kirchen zu gar ein der-
gleichen Berg/ auf welchem ein hoher Wach-Thurm ſtehet/
ſtets mit einer Wache beſetzet/ damit dieſelbe Land und Meer
darauff beſehen kan und ſoll. Auch ſind in dieſer alten Stadt zu
ſehen etzliche Piramides, oder obenauß zugeſpitzte Seulen gantz
von Marmel unaußſprechlicher Hoͤhe und Dick gantz auß ei-
nem Stuͤcke gearbeitet/ worein allerhand Bilder von Stoͤr-
chen/ Katzen/ Hunden und der gleichen/ geſtochen/ ſintemal auf
ſolche maſſe die alten Egyptier zuſchreiben und ihre Meinung
an Tag zu geben pflegen/ gleich wie man heute zu Tage mit
Buchſtaben thut. Und weil ſie ohne Zweifel uͤber 2000. Jahr
geſtanden/ ſind theils davon nieder gefallen/ theils aber ſtehen
noch/ wiewol unten herum um die Fuͤſſe die Erde ziemlich auf-
gewachſen/ vielleicht alſo vom Winde hinan getrieben Die Gaſ-
ſen ſind nicht gepflaſtert/ ſondern mit Sande beſchuͤttet/ damit
ſie nicht ſollen Kothig ſeyn/ wenns etwan regnet. Auch ſind die
Haͤuſer ohne Daͤcher/ es iſt aber die Stadt an keinem Orthe
noch ſo erbauet/ als auff der Seite gegen das Caſtell zum
Anſehen.


Wol zu ſehen iſt die Kirche S. Catharina, welche ziemlich
tieff in die Erde ſtehet/ weßwegen man viel Stuffen hinunter
zu gehen hat. Jn derſelben ſtehet ein vierckichter Marmelſtein/
welcher in der Mitte ein Loch/ hat/ iedoch nicht gantz durch/ auf
welchem S. Catharina ſoll enthaͤuptet worden ſeyn. Und nahe
bey dieſer Kirche iſt das Canal, worinnen das ſuͤſſe Waſſer in die
Stadt gefuͤhret wird. So wird auch allda gewieſen die Kantzel
auf welcher Marcus der heilige Evangeliſt geprediget/ als er deñ
in dieſer Stadt der erſte Biſchoff geweſen/ und der Stein/ auff
welchem er endlich enthauptet worden. Nach dieſem iſt auch
der beruͤhmte Lehrer Athanaſius, der das bekante Symbolum
und
[143]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und Glaubens-Bekentniß gemachet hat/ Biſchoff allda gewe-
ſen und hat die Apoſtoliſche Lehre treulich fort gepflantzet.


Auſſerhalb der Stadt ſind ſehr viel ſchoͤne luſtige Gaͤrten
von Pomerantzen/ Feigen/ Tatteln uñ andern koͤſtlichẽ Fruͤch-
ten/ ſonderlich auch findet man allda die Adamsaͤpffel/ oder
Pharaonis Feigen/ welche drunten unter der Stadt Baruth ſol-
len beſchrieben werden. So ſtehet auch auſſen vor der Stadt
eine gar hohe braune Marmelſteinerne Seule/ rund und
auß einem Stuͤcke. Der Grund iſt zwey Klafftern und drey
Spannen dick von groben Marmel. Oben auf demſelben lag
damals ein groſſer viereckichter Stein/ von welchem ein
Stuͤck abgebrochen gar unten lag/ das ſieben Elen dicke war/
worauß abzunehmen/ was das gantze Corpus fuͤr ein Stuͤck
muͤſſe geweſen ſeyn. Und dieſe Seule wird von theils Pompeij,
von theils Cæſaris Seule genennet/ weil ſie Keyſer Cajus Julius
richten laſſen zum Siegs-Zeichen/ da er den Pompejum uͤber-
wunden.


Sonderlich iſt allhier zu Alexandria zu ruͤhmen das neue
uͤber alle maſſe feſte Caſtell/ ſo uns im Einſegeln an der Ecke
der Stadt zur rechten Hand gelegen war und wird genennet
Torre del Pharro. Daſſelbe iſt mit groſſen ſtarcken Mauren
wohl verwahret. Es liegt zwar eine groſſe ſtrecke ins Meer
herauß auf einem Felſen/ aber es iſt mit zwey ſtarcken Mauren
durchs Meer an die Stadt gehencket und ſtehen auf ſolchen
Mauren ſechzehen Thuͤrme. Und wenn die Schiff im Poꝛt ein-
lauffen/ muͤſſen ſie dem Taſtell zu Ehren die Segel ſtreichen und
herunter laſſen/ ſonſt hat der Caſtellan macht ein Stuͤck auf
ſolch Schiff abgehen zu laſſen. Kein Chriſte wird auff ſolch Ca-
ſtell gelaſſen/ weil ſie ſich drauff der Verraͤtherey und anderer
Ungelegenheit befuͤrchten.


Um Alexandria herum und in ſelbiger Gegend waͤchſt ein
Tklein
[144]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
klein niedriges Kraͤutlein/ oder vielmehr Straͤuchlein/ wel-
ches die Jnwohner zu Aſche brennen und dieſelbe Aſche ver-
kauffen/ denn ſie gar haͤuffig nach Venedig gefuͤhrt und allda
Seiffe drauß geſotten wird.


Zu Alexandria, wie auch anderer Orte in Egypten iſt ein
ſonderlicher Orden/ die man Santoni nennet. Gehen meiſt na-
ckend/ oder die wenigſten behengen ſich etwan mit einem Tuch
um die Scham. Die haͤlt man fuͤr heilige Leute und bauet ihnen
zu Ehren Kirchen nach ihrem Tode/ dariñen viel Leute ihre Be-
graͤbniſſe nehmen und Katzen hinein ordnen/ fuͤr welchen ſie ein
gewiß Jahr auß kommen ordnen/ davon ſie geſpeiſet und er-
halten werden koͤnnen/ ihres Begraͤbnuͤſſes zu huͤten/ weil die
Egyptier die Katzen vor andern Thieren hoch halten.


Allhier gibts auch um Alexandria herum und in Egypten
uͤber die maſſe viel Cappern und wachſen dieſelben im freyen
Felde und bluͤhen und ruͤchen faſt/ wie der Mohn. Die Blaͤtter
geſtalten faſt/ wie ein Hertz. Zeit meines da ſeyns waren theils
reiff/ theils ſtunden noch in der Bluͤht/ da ich denn
auch geſehen/ daß man von den Reiffen abgenommen zum ein-
machen.


Jm Anfang deß Meymonats neues Calenders findet
man zu Alexandria ſchon reiffe Fruͤchte und ſonderlich die Me-
lonen gar haͤuffig. Nur diß iſt zuverwundern/ daß allda und
zu Roſſeto weder Kirſchen noch Aepffel wachſen.


Zu Alexandria habe ich auch beym Venetianiſchen Con-
ſul
zwo junge Strauſſen geſehen/ ſo ſchon ziemlich groß und
ſtarck waren und werden mit Gerſte gefuͤttert. Die Naturkuͤn-
diger ſchreiben dieſem Vogel nach/ daß er Eiſen ſoll verdauen
koͤnnen/ welches ich aber nicht geſehen/ wiewolich offt darnach
gewuͤnſchet.


Das
[145]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasIII.Capitul.


Von der Stadt Roſſeto und meiner Reiſe
dahin.


ALs ich mich nun zu Alexandria gnug umgeſehen hatte/ ha-
be ich mich den 2. Junii um halb Abend/ oder Ikindi, wie es
die Egyptier nennen/ nebenſt noch 4. andern Perſonen/
worunter auch ein Janitzſchar war/ aufgemacht und ſind auf
Maul Eſeln nach Roſſeto geritten/ da wir deñ bald vor Alexan-
dria
herauſſen zur lincken Hand bey lauter Tattel- und Pal-
menbaͤumen hin und meiſt am Meere geritten/ biß ohngefaͤhr
zwey Stunden vor Roſſeto, da wir daſſelbe zur lincken Hand
gelaſſen.


Die Straſſe iſt ſehr tieff ſandig/ alſo/ daß an vielen Orten
der Sand vom Winde/ wie hohe Berge/ zuſammen gewehet
lieget/ wie wir denn auch den gantzen Weg nichts/ als ſolche
Sandberge/ zu ſehen gehabt. Und weil denn offt die Wege und
Straſſen vom Sande anders nicht/ als im Winter allhier vom
Schnee verwehet werden/ daß man nicht weiß/ wo auß und
wozu man reiſen ſoll in ſolcher wuͤſten Flaͤche/ ſo gibts allent-
halben auf den Straſſen von groſſen dicken Steinen zuſam̃en
gemauerte/ iedoch nicht gar zu hohe Seulen/ bey welchen man
die Wege und Straſſen kennen und finden ſoll.


Auſſen vor Roſſeto ſihet man nichts/ als Sand/ biß
gantz an die Stadt hinan und Tattel- und Palmenbaͤume in
groſſer Menge/ welche auß dem heiſſen und weiſſen Sande her-
fuͤr gewachſen und gar anmuthig anzuſehen ſeyn/ wie es
denn auch nicht wenig zuverwundern/ daß der tode Sand
noch ſo viel Frucht treiben ſoll.


Den 4. Junij fruͤh eine Stunde nach der Sonnen Auf-
T 2gang
[146]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gang ſind wir nach Roſſeto kommen und im hineinreiſen ſahen
wir einen hohen Thurm auf einem auch hohen Berge. Jſt
ſonſt noch eine ziemliche Stadt von Gebaͤuden/ hat aber keine
Mauren/ ſondern wird auf einer Seite von dem Schiffreichen
Waſſer Nilo, dem ich da zum erſten mahle ſahe/ umgeben/
der denn an dem Orthe ziemlich breit iſt/ und gegen uͤber iſt ein
gewaltiger groſſer Campo oder Platz mit Palmenbaͤumen be-
wachſen/ welches ſehr luſtig zu ſehen iſt.


Die Gaſſen in der Stadt ſind ungepflaſtert und voller
Sand/ die Haͤuſer aber meiſtentheils von Ziegelſteinen auff-
gebauet uñ nahmen wir unſer Quartier in einem groſſen Hau-
ſe/ ſo die Tuͤrcken einen Han heiſſen/ worinnen auch der Vene-
tianiſche Conſul logirte/ der uns alle Ehr und Liebe erwieſe.


Sonſt iſt zu Roſſeto uͤber die maſſe gut und wolfeil zu zeh-
ren. Vor ein Mettin, ſind 3. Tuͤrckiſche Aſper/ konte man zwey
groſſe Brat fiſche kauffen. Um 4. Mettin ein Pocal Wein/ groͤſ-
ſer/ als ein halb Ungriſch Pint. Fuͤr ein Mettin ein Brot/ ſo weiß
als Keyſer- oder Zucker-Brot und ſo groß/ als in Alexandria,
noch einmal abeꝛ ſo groß/ als in der Jnſul Zante.


DasIV.Capitul.


Von meiner Reiſe nach Gran Cair, oder
Babylon.


DEn 4. Junij um Mittag habe ich mich auf eine Mohren-
Barka geſetzet und bin auf ydem Fluß Nilo von Roſſeto
nach Gran Cair, oder Babylon mit gefahꝛen/ darum denn
hierbey zu melden nicht undienlich/ was enzwiſchen merckwuͤr-
diges etwan mit vorgegangen.


Dieſen Tag hatten wir gar guten Wind und pasſirten
folgende Nacht ein Egyptiſch Dorff/ Fria genannt/ vorbey/
bey
[147]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
bey welchem ein ſchoͤner Wald von lauter Palmen und Gra-
nat-Baͤumen/ dahero denn dieſes Orths die Granat-Aepffel
gar wolfeillſeyn und einer zweyer Haͤnde groß mehr nicht gilt/
als einen Aſper/ das iſt vier Pfennige.


Nicht weit von dieſem Walde iſt zwiſchen zweyen kleinen
Huͤgeln der Orth/ wo der Nilus in die Stadt Alexandriam ge-
fuͤhret wird.


Auch fuhren mit uns zugleich von Roſſeto auß noch etzli-
che andere Schiffe mit zerhackten Stroh ohne Gefaͤhr eines
Gliedes lang beladen. Soll ſo viel ſeyn/ als bey uns der Hecker-
ling. Daſſelbe koͤnnen ſie artig laden/ und in einander ſchrenckẽ/
daß/ uneracht es hoch uͤbers Schiff gehet/ dennoch der Wind/
wie ſtarck er auch iſt/ es nicht von einander wehen und zerſtreu-
en kan/ welches denn von ſolchen Barbariſchen Leuten zu ſe-
hen/ nicht wenig zuverwundern und ſolch Stroh fuͤhren ſie al-
ſo aller Orthen hin zuverkauffen zum Futter vor das Vieh im
Lande.


Allhier am Nilo ſind viel groſſe Raͤder zu ſehen/ unter
welchen tieffe von Steinen außgeſetzte und gewoͤlbte Gruͤben/
worinnen ſich das Waſſer ſamlet/ welches hernach durch viel
groſſe dicke Hafen/ oder Toͤpffe von zwey Ochſen/ ſo am Ra-
de ziehen/ herauß und ins Felde geleitet wird daſſelbe damit zu
waͤſſern und zu feuchten.


Um dieſe Gegend herum hats ſehr boͤſe raͤuberiſche Leute/
die auch wol um eines Hellers willẽ einen Frembden erſchlagen
ſollen/ wie wir denn deßwegen auß unſerm Schiffe mit keinem
Fuſſe aufs Land treten doͤrfften/ wo wir nicht den Janitſcha-
ren allewege zur Salvaguardi mit genommen.


Den 5. Junij und die folgende Nacht war es gantz ſtille
vom Winde/ dahero die Mohren das Schiff meiſt mit Seilen
auf dem Lande ziehen/ ja wir auch endlich unter einem Egypti-
T 3ſchen
[148]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſchen Dorffe/ Tunop genannt/ gar ſtill liegen muſten. Jndeß
ſtiegen wir auß/ giengen aufs Land/ der Meinung etwas von
Vogeln/ oder andern Thieren zu ſchieſſen/ haben aber mehr
nicht/ als zwo Turteltauben bekommen koͤnnen/ weil wir uns
der Raͤuber halben nicht gar zu weit von unſerm Schiffe wa-
gen dorfften. Dieſelben Tauben wolten uns hernach weder
Tuͤrcken/ noch Mohren zurichten/ denn es bey ihnen vor groſſe
Suͤnde gehalten wird Turteltauben zu ſchieſſen/ oder umzu-
bringen/ andere Vogel aber und Tauben umbzubringen und
den Chriſten zuzurichten achten ſie nicht fuͤr unrecht und Suͤn-
de.


Durch den Fluß Nilum tragen die Egyptier allerhand
hindurch wie ich denn ſelber geſehen/ daß die Mohren groſſe
Buͤrden und Buͤndel von Palmen-Zweigen hindurch getra-
gen. Sie ziehen ihre Hembden auß/ binden ſie auff die Koͤpffe/
nehmen ihre Tracht auf den Halß und lauffen alſo nackend da-
mit hindurch/ dergleichen auch unſere Mohren auf der Bar ka
thaͤten. Wenn der Wind halbicht ſchwach war/ entbloͤßten ſie
ſich vor uns allen ohne Scham und Scheu/ ſprungen ins Waſ-
ſer und zogen alſo das Schiff mit Seilen. Jſt alſo bey dieſen
Barbariſchen Voͤlckern ſo wenig Schaam/ als bey dem un-
vernuͤnfftigen Vieh.


Den 6. Junij ſind wir zur rechter Hand lauter ſandiges
Gebuͤrge vorbey pasſiret und war den Tag/ wie auch folgende
Nacht/ gar guther Wind/ biß wir den 7. Junij fruͤh vor Son-
nen Aufgang nach Bulaco kommen und waren deßwegen alle
froh/ weil wir vorige Nacht wegen der Raͤuberiſchen Mohren
groſſe Furcht und Gefahr außgeſtanden hatten.


DasV.Capitul.


Von der Stadt Bulaco und ihrer Beſchaffenheit.


Dieſe
[149]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DJeſe Stadt ligt am Fluſſe Nilo zur lincken Hand/ wenn
man hinein ſegelt/ iſt noch einmal ſo groß/ als Roſſeto
mit gar feinen nach Landes Arth erbaueten Haͤuſern/
ohne gefaͤhr eine halbe Stunde von Babylon gelegen/ dahero
es auch faſt fuͤr eine Vorſtadt derſelben zu rechnen. Denn da iſt
das Zollhauß/ da alle Schiffe aufahren und ſich viſitiren laſſen
muͤſſen So hats auch gar einen ſchoͤnen Garten allda/ der mit
hohen Mauren verſchloſſen und ſtehen allerhand ſchoͤne frucht-
bare Baͤume darinnen/ worunter man ſich erkuͤhlen und belu-
ſtigen kan.


Von Roſſeto an/ biß an den Nilum hinauf nach dieſem
Bulaco iſt das das Land nicht hoch/ ſondern gar niedrig. Und ge-
gen Bulaco uͤber liegt jenſeits deß Nili gar ein luſtig Dorff mit-
ten in und zwiſchen Palmen- und andern fruchtbaren Baͤu-
men.


DasVI. Capitul.


Von dem beruͤhm ten Fluß Nilo und dem darinnen ſich
auffhaltenden Crocodil.


ES iſt der Fluß Nilus groͤſſer und viel breiter/ als die Do-
nau und koͤnnen wegen ſeiner Tiefe ziemliche groſſe Schif-
fe drauf ſegeln. Hat keinen geraden Lauff/ ſondern fleuſt
krumm und gebogen/ welches denn fuͤr eine ſonderbare Gabe
Gottes fuͤr diß Land iſt. Denn wenn es gerade fuͤr ſich hin/ wie
andere Waſſer/ floͤſſe/ wuͤrde es das gantze Land erſaͤuffen/
wenn er außfleuſt. Er hat gar ein fuͤſſe/ lieblich und geſund
Waſſer und haͤlt ſich der abſcheuliche ſchaͤdliche Wurm/ der
Crocadil drinnen auf.


Dieſer Wurm iſt von fuͤnff biß ſechs Elen lang/ faſt ge-
ſtalt/ wie ein Eidex/ hat vier Fuͤſſe und eine harte ſcharffe Haut/
einen
[150]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
einen langen zugeſpitzten Schwantz und groſſen langen ſpitzi-
gen Kopff/ in ſeinem Rieſſel groſſe lange Zaͤhne/ den Hauer-
Schweinen nicht ungleich. Und wo derſelbe einen Menſchen zu-
berwaͤltigen Gelegenheit bekommet/ ſo verſchlingt er ihn als-
bald/ dergleichen denn ehermals geſchehen ſeyn ſolle/ ſonderlich
wenn die Leute Andacht halben kommen/ alda am Nilo nieder
fallen und ihr Gebet verrichten/ wie die Egyptier ſehr im
Brauch haben und es halbicht etwann darbey verſehen/ wie
einsmals einem Tuͤrckiſchen Tzſchauß zu Cairo wiederfahren/
indem er allda am Ufer gedachtes Nili auf ſeinem aufgebreite-
ten Tapet gelegen und gebethet/ wie mir glaubwuͤrdig allda er-
zehlet worden,


Ehe es aber geſchicht/ daß dieſer gifftige Wurm einen
Menſchen verſchlinget und friſſet/ ſoll er zuvor auß den Augen
haͤuffig Waſſer herauß fallen laſſen/ gleich als weinte er und
waͤre ihm ſelber leid/ daß er ſolches thun und einen Menſchen
freſſen ſolte. Dahero dann dieſer Wurm gar eine augenſchein-
liche Abbildung iſt aller falſchen und unrichtigen Hertzen und
Gemuͤther/ welche vorwarts ſich freundlich gegen dem Nech-
ſten ſtellen und auch wol darzu weinen/ im Hertzen aber auf
Schaden und Verderben dencken.


Daß ich aber deß Nili weiter gedencke/ ſo ſoll derſelbe einer
ſeyn von den vier Fluͤſſen und Waſſern deß Paradiſes/ der Gi-
hon iſt genannt wordẽ/ dieweil er von Morgen durch Mohren-
land/ biß in Egypten fleußt. Und weil derſelbe ſo gar fruchtbar
iſt/ wo er hinfleußt/ ſo wird beſtaͤndig darfuͤr gehalten/ er fuͤh-
re eine fette Erde auß dem Paradeiß mit ſich/ wiewol es eine
betruͤgliche muthmaſſung iſt. Unterdeß aber iſt doch gleichwol
diß gewiß/ daß man ſeinen Urſprung nicht erfahren/ noch die
Urſache ſeines jaͤhrlichen Außlauffs wiſſen noch ergruͤnden
kan.


Und
[151]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Und wiewol man offtmals Schiffe uff lange Zeit außge-
ruͤſtet und gnugſam verſehen außgeſchicket und nachforſchen
laſſen/ ob denn was gruͤndliches davon zuerfahren/ ſo haben
ſie doch mehr nicht zu ruͤcke gebracht/ als daß/ wenn ſie binter
Jndien hinein kommen/ ſie nichts/ als groſſe Wildnuͤſſe ange-
troffen/ auß welchen der Nilus herauß gefloſſen kommen und
grauſame groſſe Hitze/ weiter hinein aber greuliche hohe Ber-
ge und Felſen/ unter welchen das Waſſer mit erſchrecklichem
Sauſſen und Prauſen haͤuffig herauß geſchoſſen kommen/ daß
von dar nicht weiter zu kommen geweſen und ſie von fernerm
Nachforſchen abſtehen und zur richtigen Nachricht nimmer
gelangen koͤnnen.


Sonſt theilet derſelbe dieſe beide Theile der Welt/ Aſiam
und Africam, voneinander/ alſo/ daß man Africam zur lincken
und Aſiam zur rechten Hand hat/ wenn man von Babylon auf
dem Nilo nach Roſſeto ſchiffet.


Die Griechen ſchreiben Νειλος und weil ſie mit Buchſta-
ben zehlen und Ν bey ihnen bedeut 50. das ε 5. das ι @0. das λ 30.
das ο 70. und das ς 200. ſo koͤmmt gleich herauß die Zahl der
Tage im Jahre/ deren ſind 365. gleich als haͤtte Gott fuͤr dieſe
Laͤnder auf iedes Jahr biß ans Ende der Welt die groſſe Wol-
that der fruchtbaren Uberſchwemmung dieſem Waſſer in ſei-
nem Nahmen gefaſſet gehabt. Und ſo viel von dieſem Fluß
Nilo.


DasVII. Capitul.


Von der Egyptier Treſch-Arth.


NAch dem ich in Egypten auch geſehen/ wie man allda das
Getreide zu treſchen pfleget/ will ich allhier auch etwas
davon melden.


VSie
[152]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Sie haben ein Inſtrument, faſt einem Schlitten gleich/
mit drey/ oder vier runden hoͤltzern Wellen/ in deren ieder vier
eiſerne Rincken/ faſt wie bey uns herauſſen die Stoß-Scheu-
ben/ ſo man vorne an die Wagen-Raͤder zuſtecken pfleget/ dar-
an ſpannen ſie ſtarcke Puͤffel-Ochſen und ziehen ſolchen Treſch-
Wagen auf dem im freyen Felde außgebreiteten Korn
herum.


Dieſe gedachte runde ſcharffe Rincken/ oder Scheiben
ſchneiden das Stroh klein/ indem die Puͤffel den Wagen auff
dem Korn herum ſchleppen/ und da fallen alsdann die Koͤrner
fein ſauber auß den Aehren herauß/ welches gar luſtig anzuſe-
hen und doch auch zuverwundern iſt/ daß ſolche Barbariſche
Voͤlcker noch ſo viel Witz und Verſtand haben ſolche kuͤnſtliche
Handgriffe zuer finden und zugebrauchen.


DasVIII.Capitul.


Von meiner Reiſe von Bulaco biß vollends
gen Babylon.


ZUr Zeit dieſer meiner Reiſe war die Ernde ſchon vor zwey
Monden allhier geſchehen. Und weil kein Wein allda waͤchſt
oder doch gar wenig/ ſo er von andern Ortẽ/ ſonderlich auß
auß der Jnſul Tenedo und denen zween Koͤnigreichen Candia
und Cypern/ dahin gebracht. So iſt auch/ wie bereits oben
gedacht worden/ groſſer Holtz-Mangel in dieſen Laͤndern und
muß daſſelbe vom ſchwartzen Meer her/ nach Alexandriam ge-
fuͤhret werden/ weßwegen es dann ſehr theuer und habe ich ge-
ſehen/ daß zu Gran Cair, oder Babylon ein Buͤndlein von zwoͤlf
kleinen Knittelchen kaum einer Elen lang/ um zwey Mettin,
welches faſt zwey Meißniſche Groſchen macht/ verkaufft wor-
den
[153]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
den. Auch wird zum wenigſten das Waſſer in den Staͤdten
von Camelen in groſſen weiten ledern Schlaͤuchẽ und Saͤcke zu
kauffe von Gaſſen zu Gaſſen umgefuͤhret. Und wiewol es in
Egypten zu Winters Zeit zuweilen etwas zu regnen pfleget/
ſo gibts doch allda weder Schnee noch Eiß.


Vorgedachten 7. Junij fruͤh gegen Morgen ſind wir
Bocca de Damiata vorbey paſſiret. Drauff habe ich einen
kleinen Eſel/ dergleichen man in den groſſen Staͤdten ſtat der
Pferde zubrauchen pfleget/ wenn man weitlaͤuftigkeit halben
weit zugehen hat/ um etzliche Mettin gemuͤthet und noch
einem andern dabey/ welcher meine Sachen getragen/ und
bin alſo vollends/ biß nach Babylon/ geritten/ um daſelbſt
mich auch umzuſehen und zuerfahren/ was es mit dieſer be-
ruͤhmten Stadt vor Gelegenheit habe.


Der Weg von Bulaco biß hieher/ wie auch dieſe gantze
Gegend herum iſt lauter tieffer Sand/ iedoch gleichwol mit
ſchoͤnen gruͤnen Palmen-Baͤumen bewachſen/ welches gar
luſtig zuſehen iſt.


Ehe und bevor ich aber fort reiten und reiſen dorffte
muſte ich denen Tuͤrcken alle meine bey mir habende Sachen
durchſuchen laſſen/ um zuvor davon den gewoͤhnlichen Tri-
but/ oder Zoll zuentrichten/ wo etwas drunter waͤre/ das
verzollet werden muͤſte. Weil ich mich aber gutwillig darzu
ſtellete/ begehrten ſie ſo genau nicht zuſuchen und lieſſen ſich
mit einem geringen Trinckgelde vergnuͤgen/ ich aber haͤt-
te gar wohl die koſtbareſten Sachen durchbringen koͤnnen/
die ſich ſonſt nur ſelber im Felleiß zuverwahren geſchickt haͤt-
ten.


Bin alſo im Namen deß HErꝛn fortgeritten und gegen
Mittag in Gran Cair, oder Babylon einkom̃en/ da ich Gott von
V 2Her-
[154]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Hertzen gedancket/ daß er mich bißhero ſo gnaͤdig gefuͤhret und
behuͤtet hat.


DasIX. Capitul.


Von der uͤberauß groſſen Stadt Gran Cair, oder Baby-
lon was daſelbſt geſchehen und zu ſehen iſt.


DJeſe Stadt hat unterſchiedene Namen und wird genen-
net Cairo, oder Gran Cair, den Cair, auf Arabiſch eine
Stadt heiſt und die Tuͤrcken nennen ſie Miſtier, ins ge-
mein aber Babylon.


Sie iſt aber ietziger Zeit die rechte Hauptſtadt in Egy-
pten und die vornemſte Handelsſtadt in gantz Tuͤrckey/ dahin
aus aller Welt ſehr ſtarcker Handel getrieben wird.


Nach dem ich nun in die Stadt kommen/ bin ich gleich in
deß Herrn Nordi, welcher ein Venetianiſcher Kauffmann war
und von Venedig auß mit mir biß hieher gereiſet hatte/ Bru-
dern Hauß zur Mittags-Mahlzeit ankommen und bey dem-
ſelben eingekehret. Denn die Tuͤrcken und Mohren haben den
Brauch/ daß ſie gar zeitlich Mittags-Mahlzeit halten.


Nach gehaltener Mahlzeit habe ich meine Recommenda-
tion
-Schreiben/ ſo mir von Venedig mit gegeben worden wa-
ren/ um halb Abend durch einen Niederlaͤndiſchen Kauffmann
dem Herrn Santo, Niederlaͤndiſchen und Venetianiſchen Con-
ſul,
uͤbergeben laſſen/ welcher mir nach Verleſung derſelben alle
Ehre/ Liebe und Freundſchafft angeboten/ ſolches auch her-
nach die gantze Zeit uͤber/ als bey ihm ich mich aufgehalten/ mit
der That erwieſen und es an nichts fehlen laſſen/ was mir zu
meiner Befoͤrderung und Beſten noͤthig geweſen.


Den 9. Junij habe ich mich mit meinem Janitzſcharen
ieglicher auf einen kleinen Eſel geſetzet und bin alſo neben ihm/
mich
[155]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
mich umzuſehen/ durch die Stadt geritten. Denn ſelbiges Orts
iſt es alſo braͤuchlich/ ja auch die Weiber pflegen auf ſolchen klei-
nen Eſeln durch die Stadt zu reiten. Und wenn alſo Frembde
geritten kommen/ ſonderlich wenn ſie vermercken/ daß es Chri-
ſten ſeyn/ da gibts ein greuliches Zulauffen/ von dem Tuͤrckiſ.
Poͤfel/ allermaſſen denn mir wiederfuhr/ weßwegen auch mein
Janitzſchar immer voran reiten und Platz machen muſte/ wol-
te er mich anders ohne Schimpff und Ungelegenheit durch-
bringen. Dannenhero/ wie ichs befunden/ ſo wol dieſes/ als
auch das andere wal bey meiner Ruͤckreiſe auß Egypten/ da ich
laͤnger in Babylon war und alſo mehr Zeit hatte mich umbzu-
ſehen und nach ein und anderer Nachricht zu forſchen/ will ich
hieher zuſammen ſetzen/ damit es den wolgeneigten Leſer nicht
irren ſoll/ wenn ers hier und da mit Verdruß Stuͤckweiſe zu-
ſammen ſuchen ſoll.


Dieſe Stadt ſoll von etzlichen Maͤnnern von Babylon
auß Chaldea auf Erlaubniß einer Egyptiſchen Koͤnigin an-
fangs nur als ein Caſtell und mit gar wenig Haͤuſern erbauet
und deßwegen zum Gedaͤchtniß von ihnen Babylon genennet
worden ſeyn. Hernach aber hat ſie von Jahren zu Jahren
zugenommen/ daß ſie nunmehr eine Stadt iſt/ die ſich auff ſie-
ben groſſe ſtarcke Teutſche Meilen erſtrecket/ ohn alle andere um
und anliegende Orthe/ doch meiſtentheils in die Laͤnge und in die
Breite eineguthe halbe Teutſche Meile.


Die Groͤſſe dieſer Stadt iſt etzlicher maſſen auch hierauß
abzunehmen/ daß/ wie zum Theil zu ſehen geweſen/ zum Theil
ich auch glaubwuͤrdig berichtet worden/ man alle Nacht in die
dreyzehen biß vierzehen tauſend Gaſſen/ wegen ſo groſſer Weit-
laͤufftigkeit und deſto ehe Auffruhr zu verhuͤten/ veꝛſchleußt/ ob
ſie gleich alle aneinander ſtoſſen.


V 3Auch
[156]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Auch ſind ſehr viel Tuͤrckiſche Muſqueen oder Kirchen in
der Stadt/ welche inwendig von lauter hell pollirten Marmel
aufs zierlichſt gebauet ſeyn und umher allenthalben voll bren-
nende Lampen hengen/ welche denn die Kirchen von dem Mar-
mel voll Glantz und Klarheit machen/ ſo uͤber alle maſſe praͤch-
tig zu ſehen iſt.


Solten die Kirchen den Contraten nach gerechnet wer-
den/ deren in die vier und zwantzig tauſend/ in ieder aber drey
und auch wol vier Kirchen zu finden ſind/ ſo wuͤrde man/ nur
zu dreyen zurechnen/ in die zwey und ſiebenzig tauſend Muß-
queen/ oder Kirchen aufbringen. Und ſind dieſelbe nicht
ſchlecht/ ſondern meiſt ſehr ſtatlich erbauet/ maſſen dann die
Tuͤrcken viel auf ihren Gottesdienſt halten. An und um ſolche
Kirchen herum ſtehen wunderſchoͤne hohe Thuͤrme/ die mei-
ſten oben zu hoͤchſt drauff mit runden ſteinern/ oder bleyern
Knoͤpffen und Spitzen und manche mit drey Gaͤngen uͤberein-
ander umher/ welches denn gar zierlich und praͤchtig anzuſe-
hen iſt.


Und weil die Tuͤrcken keine Glocken/ wie wir in der Chri-
ſtenheit/ haben/ ſintemal ſie uns Chriſten das fuͤr Suͤnde und
Thorheit zurechnen/ daß wir Glocken gebrauchen/ da uns doch
GOTT den Mund und die Stimme zu ſeinem Lob und Ehren
gegeben/ ſo muͤſſen durch gantz Tuͤrckey ihre Hotſchilar, die bey
ihnen ſo viel/ als bey uns die Gloͤckner und Meßner ſind/ auff
ſolche Kirch Thurm-Gaͤnge treten und uͤber die Staͤdte den
Gottes-Dienſt mit Schreyen andeuten. Und damit die-
ſelben ja ſtarck gnug ſchreyen koͤnnen/ ſo ſtopffen ſie beyde Oh-
ren mit den Fingern zu und ſchreyen ſo greulich/ daß ſie ver-
ſchwartzen moͤgten. Dergleichen geſchicht alle Tage ſechs/ deß
Freytags aber ſteben mahl deñ der iſt ihr Sabbath/ oder Son-
tag/ da ſtehen offt auf einem Thurm und deſſelben unterſchie-
denen
[157]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
denen Gaͤngen von achtzehen/ biß zwantzig Hotſchilaren. Und
weil manche Kirche vier/ ja wol ſechs Thuͤrme hat/ wie ſonder-
lich in Conſtantinopel/ ſo iſt leicht zu achten/ was es fuͤr ein
Barbariſches Geſchrey geben muͤſſe/ zumahl weil ihrer ſo viel
und ſie alle zugleich auß gantzen Leibes Kraͤfften ſchreyen. Wers
nicht wuͤſte und ſolte es unvermuthet mit anhoͤren/ der ſolte
meinen/ daß es lauter tolle und unſinnige Leute waͤren.


Jhren Gottes-Dienſt aber haben ſie den Tag uͤber
alſo eingetheilet/ daß ſie ieden Tag ſechs Stunden drauff wen-
den/ die erſten zwey Stunden fruͤh vor Tage/ die andere weñ
der Tag anbricht/ die dritte vor Mittage/ ohngefaͤhr um 9.
Uhr/ die vierdte zu Mittage/ die fuͤnffte um halb Abend und
die ſechſte wenns finſter worden: Freytags aber/ weils/ wie
gedacht/ ihr Sabbath/ nehmen ſie noch eine Stunde darzu uñ
halten dieſelbe drey Stunden vor Mitternacht. Sind alſo dieſe
Barbariſche Voͤlcker viel fleiſſiger emſiger und unverdroſſener
zu ihrem falſchen Gottes-Dienſt/ als wir Chriſten bey unſerm
wahren Gottes-Dienſt/ welches hoch zubeklagen iſt.


Wenn nun die Tuͤrcken zur Kirchen gehen/ worzu denn
das Weibs Volck nicht verbunden/ ziehen ſie her auſſen vor den
Kirchthuͤren alle ihre Schuh aus/ ſo meiſtentheils von roth o-
der gelben Leder/ und da gehen die Hotſchilar vor ihnen her und
treiben ihr Tuͤrckiſches gemurmel daß man nicht weiß/ was es
iſt. Und wenn ſie nun in die Kirche kommen/ fallen ſie auf die
Erde nieder und kuͤſſen dieſelbe zuviel unterſchiedenen malen/
drauff richten ſie ſich wider auf/ bleiben aber kniend und
Murmeln etwas daher/ bald ſtecken ſie die Finger
in die Ohren/ bald ſtehen ſie auf und legen beyde Haͤnde
in die Seiten/ bald fallen ſie wieder auf die Erde und trei-
ben mit vielen ſtarcken Gemurmel ſolche Gauckeley eine
lange Zeit/ biß ſie endlich meinen daß ſie ihren Sachen
gnug
[158]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gnug gethan/ alsdann gehen ſie wider herauß zu ihren Schu-
hen/ ziehen ſie an und gehen nach Hauſe und hat alſo ihr ver-
meinter Gottesdienſt ein Ende.


Moͤgte ſich aber hier iemand wundern/ wie denn ein iegli-
cher ſeine Schuh wider funden und kennen koͤnne und ob ihm
denn der weile dieſelben nicht geſtohlen wuͤrden/ indeß er in der
Kirchen ſeines Gottes-Dienſt abwartete? dem iſt zu antwor-
ten: Ein ieglicher iſts verſichert/ daß wie er ſeine Schuh ſetzet/
er dieſelben gewiß auch alſo wieder findet und darff alſo nicht
lange ſuchen und fragen/ wenn er nur die Stelle in acht nim-
met. Zu dem ſo iſt ers auch gewiß/ daß ihm dieſelbe niemand
ſtielet/ ſintemahl der Diebſtahl bey den Tuͤrcken fuͤr das groͤſte
Laſter geachtet und ohn alle Barmhertzigkeit geſtrafft wird.
Und alſo behaͤlt ein ieglicher das Seinige und wird viel unnoͤ-
thiges Sorgen/ Zancken/ Rechten und Fechten/ ja Mord und
Todſchlag vermieden. Jn welchem Stuͤck dieſe unglaͤubige
Barbariſche Voͤlcker abermals die Chriſten weit uͤbertreffen
und am Juͤngſten Gerichte beſchaͤmen und anklagen wer-
den.


Die Stadt Babylon iſt uͤberaus Volckreich/ alſo/ das
alle Gaſſen voll wuͤmmeln und anzuſehen ſeyn/ wenn mans
von der Hoͤhe herab ſiehet/ als ein lebendiger Amſen-Hauffen
Wenn die Peſtilentz halbicht graſſiret/ ſo koͤnnen flugs einen
Tag von 12. bis 14000. Menſchen dahin ſterben/ woraus leicht-
lich abzunehmen/ was fuͤꝛ eine greuliche Menge Volcks muͤſſe in
ſolcher. Stadt zu finden ſeyn.


Vordeſſen ſind in dieſer Gegend unterſchiedene auch ge-
waltige Staͤdte geſtanden/ als Tanis, oder Zoan, allwo damals
die Koͤnige in Egypten Hof gehalten/ wo auch die Kinder Jſra-
el/ beſage des andern Buchs Moſis/ ſo ſind geplagt und end-
lich von Gott erloͤſet worden/ wo Moſes auch ſo viel Wunder
vor
[159]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
vor Pharao dem Koͤnige in Egypten gethan/ davon der 78.
Pſalm ſagt: Fuͤr ihren Vaͤtern thaͤt er Wunder in Egypten-
Land auf dem Felde Zoan/ oder Taneos und iſt eine herꝛliche
und praͤchtige Stadt geweſen/ maſſen denn auch noch
in ietzigem ihrem Stande zum Wahrzeichen der vorhin daſelbſt
geſtandenen Stadt Tanis zwoͤlff groſſe Korn-Behaͤltniſſe ge-
zeiget werden/ welche Joſeph/ der ſorgfaltige und fleiſſige Lan-
des Vater und Vice-Roi, das Getraide in den wolfeilen Jah-
ren auffzuſchuͤtten bauen laſſen und werden Magaſine di Joſeph
genannt.


Geſtanden hat an dem Orte Heliopolis, welche im 19. E-
ſa. Irheres genennet worden/ auch eine ſchoͤne und praͤchtige
Stadt/ noch vom Koͤnige Buſiris erbauet/ maſſen denn auch
noch ietzt ihre ſtelle/ wo ſie ohngefaͤhr geſtanden haben ſolle/ an
etzlichen Merckmahlen gezeiget wird. Es ſoll gar eine fuͤrtreffli-
che Hohe Schule daſelbſt geweſen und die freyen Kuͤnſte fleiſ-
ſig getrieben worden ſeyn/ wie gnugſam abzunehmen auß ietzt
angezogenen 19. Capitul Eſaias. Dahero auch fuͤr gegeben
wird/ ob dem alſo ſey/ daß Dyoniſius zur Zeit deß Leidens Chri-
ſti allda geweſen/ und nach dem er geſehen/ daß die Sonne am
hellen Tage verfinſtert worden/ zu einem Sophiſten geſagt:
Entweder leidet Gott der Natur/ oder die Welt wird unter-
gehen/ welchen Dyonyſium hernach S. Paulus zu Atheen be-
kehret und zum Chriſtlichen Glauben gebracht hat.


Geſtanden hat an dem Orthe auch Memphis, welche
Noph genennet wird im 19. Eſaias. Tanis lag von Heliopolis
zwey Teutſche Meilen und eine Meile von Memphis, ſechs und
funffzig Teutſche Meilen von Jeruſalem. Folgender Zeit aber
nach dem dieſe Staͤdte zum Theil zerſtoͤret/ nachmals aber wie-
der zugenommen und mit obgedachtem Schloß und Flecken
Babylon zuſammen gehenget und eine Stadt drauß worden/
Xhat
[160]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
hat ſie den Namen Babylon behalten und die andern verloh-
ren/ wiewol doch die Rudera von Memphis die Gegend der Py-
ra miden
uͤber den Nilum eine Strecke von Babylon ab im fla-
chen Sand-Felde gezeiget werden/ da noch viel zerbrochene
Marmelſteinere Seulen ſtehen und liegen und viel altes Ge-
maͤuer zu ſehen/ daß ich darfuͤr halte/ wie auch einige Nach-
richt davon vorhanden/ das alte Memphis mag ſich wol biß
dahin erſtrecket und geſchleppet haben. Denn man ſiehet auch
noch daſelbſt etzliche verfallene Gebaͤude/ die nicht ſchlecht muͤſ-
ſen in ihrem Stande geweſen ſeyn/ von denen vorgegeben wiꝛd/
daß es Potiphars Pallaſt geweſen/ bey dem Joſeph gedienet
und von ſeiner unzuͤchtigen Frauen zum Ehebruch gereitzet
worden.


Die Gaſſen in Babylon ſind nicht gepflaſtert/ ſondern
nur voller Sand und fleußt der Nilus durch die Stadt. Die
Haͤuſer ſind hoch/ aber wenig von Steinen und oben ohne Daͤ-
cher/ daß man drauff herum gehen und ſich weit und fern um-
ſehen kan/ aber inwendig ſind ſie gar ſchoͤn gemahlet und mit
Teppichen gezieret/ daß mit Luſt hinein zu gehen iſt.


Das Schloß worauff der Tuͤrckiſche Baſſa Hof haͤlt und
das vortreffliche Caſtell/ welches mit lauter Janitzſcharen
ſtarck beſetzt iſt/ ſind meines Erachtens und Befindens wol die
weitlaͤufftigſten und fuͤrtrefflichſten Gebaͤude in der Stadt.
denn das Caſtell iſt vortrefflich erbauet/ hat viel ſtarcke Thuͤr-
me und Mauren und ſehr viel lauter eiſerne Thuͤren/ durch wel-
che man in die Hoͤhe hinauff gehen muß und iſt ſo hoch/ daß ich
faſt die gantze Stadt uͤberſehen koͤnnen/ ſammt dem Waſſer
Nilus, welches denn uͤber die maſſe ſchoͤn zuſehen war/ wiewol
ſonſt die Stadt in ſich ſelber offen und ohne Mauren iſt und in
zwey Staͤdte/ alt und neu Babylon/ getheilet/ iedoch das alte
nicht ſo wol erbauet/ noch ſo Volckreich bewohnet wird/ alſ
das Neue.

Es
[161]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Es hat ſehr viel Baͤder in dieſer Stade/ wie denn die Tuͤr-
cken gar viel drauff halten und deßwegen dieſelben ſehr ſtatlich
bauen. Auch hat S. Petrus drinnen vordeſſen ſeine erſte Epi-
ſtel geſchrieben/ wie darauß abzunehmen/ daß/ indem er am
Ende derſelben ſeine bekehrte Heiden nicht allein im Namen ſei-
ner glaͤubigen Babylonier ſondern auch Marci, der ihm ſein E-
vangelium von Chriſto nachgeſchrieben/ gruͤſſet/ weil er ihn
nahe hatte und derſelbe Biſchoff zu Alexandria war.


Uber diß iſt auch gar ein vornehme beruͤhmte Apotheke
allda/ dergleichen ſonſt unter denen Barbariſchen Leuten gantz
ungewoͤhnlich und nicht zufinden iſt.


Uber Zehrung und Lebens-Mittel iſt auch nicht zu klagen
und fehlet an nichts/ als an Wein-Wachs. Man hat mich fuͤr
warhafftig berichtet/ daß in die 20000. Garkuͤchen allda ſeyn
ſollen/ welches nicht unglaͤublich/ ſintemal wie ich ſelber geſe-
hen/ unglaͤublich viel von Tuͤrcken und Mohren allda ſind/ die
nichts thun/ als nur fuͤr andere Leuthe kochen/ bey denen die/ ſo
nicht ſelber kochen wollen/ noch koͤnnen/ die Speiſen alſo warm
holen laſſen und zwar um einen leidlichen Preiß/ daß michs
Wunder genommen. Ja daß noch mehr iſt/ ſo gehen auch wol
die meiſten von ſolchen Koͤchen auf oͤffentlichen Gaſſen herum/
haben kleine Heerdlein mit Feur auf den Koͤpffen/ die Speiſen
drauff und bringen ſie alſo den Leuten vor die Thuͤren und gar
in die Haͤuſer hinein/ und bedoͤrffen dieſelben keine groſſe Muͤ-
he weit darnach zu gehen/ oder zu ſchicken/ welches den Reiſen-
den und Einheimiſchen gar bequem faͤllet/ bevorab weil das
Holtz theuer und ſeltzam iſt.


Man hat in Babylon auch eine ſonderliche Arth Bruͤth-
Oefen/ die ſind alſo zugerichtet/ daß man die Eyer von aller-
hand Feder-Vieh drinnen bey groſſer Menge auf einmal auß-
bruͤten kan/ iedoch wollen ſie gleichwol ihre gewiſſe Zeit haben
X 2und
[162]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und mit ſonderbarer Beſcheidenheit geheitzet ſeyn/ wie ſie a-
ber eigentlich allenthalben formiret und zubrauchen ſeyn/ habe
ich nimmer erfahren koͤnnen/ wie ſorgfaltig ich auch dar-
nach geweſen bin.


Als ich nun mit meinem Janitzſcharen/ wie oben gedacht
worden/ durch die Stadt dahin geritten/ ſind wir endlich zu ei-
ner Kirchen kommen/ Della Madonna genannt/ ſo den Cofthi,
das iſt/ denen Ketzeriſchen Chriſten/ zuſtaͤndig war/ in welcher
neun Stuffen hinunter unter der Erden ein Orth und Hoͤle
gezeiget ward/ da ſich die heilige Jungfrau Maria mit ihrem
lieben Jeſulein ſoll verborgen gehalten haben/ als ſie von He-
rode verjagt in Egypten kommen. Und weils ſehr finſter drun-
ten war/ muſten wir ein Liecht anzuͤnden/ daß wir uns beſehen
konten. Es ſteht auch ein viereckichter Marmelſteinerner Ka-
ſten drunten/ nicht ſehr tieff/ in welchem die Jungfrau Maria
ihrem lieben Jeſulein ſein Geraͤthe ſoll gewaſchen haben. Deß-
gleichen ſiehet man auch noch ein kleines Heerdlein drunten/
worauff@ſte gekochet/ wie auch nicht weit davon einen Brunn/
darauß ſie ihr Waſſer geholet. Und unten in der Mauer iſt ein
Loch/ wie ein Backofen/ darinnen ſie ſoll gebacken haben. Vor-
an aber im Ofen liegt ein viereckichter weiſſer Marmel in der
Mitte mit einem Creutz/ auf welchem der Prieſter Meſſe lieſet
und ſcheinet uͤber alle maſſe alt ſeyn.


Dieſe Kirche iſt in alt Cairo nechſt bey einer Kirche und
Nonnen-Kloſter/ S. Georg genannt/ welches ſehr hoch gebauet
daß man auf demſelben nicht allein faſt uͤber die gantze groſſe
Stadt/ ſondern auch faſt ſehr weit hinauß ins weite flache
ſandige Feld/ biß zu dem Pyramidibus uͤberm Nile gelegen/ ſe-
hen kan.


Ehe ich aber zu ſolcher Kirche S. Madonna kommen/ ſind
wir zur rechten an einem Stuͤck vom Fluß Nilo, zur lincken aber
an
[163]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
an einem groſſen alten ſteineckichten Gebaͤu hingeritten uñ da
ſind die Aqua-Ductus. Sind uͤberaus viel und ſehr hohe weit
außgewoͤlbte Schwibbogen/ auf welchen das Waſſer in bley-
ern Roͤhren ins Caſtell gefuͤhret wird und in vorgedachten al-
ten Hauſe wird das Waſſer durch gewiſſe Raͤder in die Hoͤhe
den Schwibbogen zugetrieben und alſo einen langen Weg ins
Caſtell gefuͤhret.


Nicht weit davon liegt eine alte zerbrochene Tuͤrckiſche
Muſquee oder Kirche/ worinnen der Jnwohner Fuͤrgeben nach
nimmer keine Fliege zu finden und zu ſehen ſeyn ſoll/ dieweil et-
was drinnen/ ſo den Fliegen ſolle zu wider ſeyn. Die Mohren
und Egyptier moͤgen ſonſt die Fliegen noch wol vertragen koͤn-
nen/ denn zuverwundern iſt/ wer es ſehen ſoll/ wie ſie offt dieſel-
ben ſo haͤuffig in und um die Augen herum/ ſo wol an ſich ſelbeꝛ/
als ſonderlich ihren Kindern koͤnnen kriechen beiſſen uñ ſchmeiſ-
ſen laſſen/ daß ſie dieſelben kaum dafuͤr auffthun koͤnnen und
begehren ſie nicht einmahl weg zu ſchlagen. Koͤnten demnach
nur in ietzgedachte ihre Kirche gehen/ ſo koͤnten ſie leicht deß
Unzieffers loß werden.


Den 10. Junij bin ich mit meinem Janitzſcharen nach
S. Chatharinen gangen/ welches ein Griechiſches Muͤnchs-
Kloſter iſt/ um daſſelbe auch zubeſehen. Auf dieſem Kloſter hat
man gar ein luſtiges Außſehen und kan man weit und ferne
herum ſehen/ wie die gantze Stadt ſo gar ſchoͤn/ luſtig und an-
muthig unter allerhand gruͤnen/ meiſtentheils aber Palmen-
Baͤumen lieget.


Den 17. Junij bin ich mit meinem Janitzſchar aberm als
auf zweyen kleinen Eſeln hinauß fuͤr die Stadt faſt auf drey
Vierthel Wegs nach S. Mattoria geritten. Da iſt ein ſchoͤner
Garte von Balſam Palmen/ Lemonien und andern mir un-
bekanten fruchtbaren Baͤumen/ unter welchen auch waren
X 3zwey
[164]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
zwey groſſe Feigen-Baͤume/ deren Holtz gar bewehrt vor das
Fieber ſeyn ſoll/ wenn man davon trincket/ weßwegen ich denn
wundershalben auch etwas davon geſchnidten und zu mir ge-
ſtecket uñ kan mit Warheit ſagen/ daß daſſelbe bey mir gewach-
ſen und zugenommen/ wie und auf was maſſe/ kan ich nicht
wiſſen/ maſſen ichs wol ſo eigentlich in acht genommen/ als ich
immermehr gekont/ ſonſt haͤtte ich leicht gedencken koͤnnen/ als
wenn mirs iemand heimlich außgewechſelt gehabt.


Das ſoll der Garte ſeyn/ worinnen ſich die Jungfrau
Marie mit dem lieben Jeſulein ſieben Jahr lang in ihrem Exi-
lio
vor Herode auff gehalten und haͤlt iederman dafuͤr/ daß
davon dieſer Baum ſolche vorgedachte Krafft bekommen/ wie
denn auch mehr betheuret wird/ daß derſolbe vordeſſen ein
außgehoͤltes Loch gehabt/ wie die holen Baͤume zu haben pfle-
gen/ worein kein uneheliches Kind ſteigen/ oder kriegen koͤnnen/
wiewols ietzo nun von den Tuͤrcken auß Neid gegen die Chriſten
verderbet iſt.


Auch iſt in ſolchem Garten ein Brunn von trefflichen
klaren und geſunden Waſſer. Und ehe man in den Garten koͤm-
met/ iſt ein Hauß und mitten in demſelben eine mit Steinen
angeſetzte Ciſtern, oder Waſſer-Haͤlter/ in welchem ein ſchoͤnes
klares und geſundes Waſſer/ ſo tieff/ daß es einen biß unter die
Arm gehet. An der Mauer dabey iſt ein viereckicht Loch zwey
Spannen hoch/ darinnen ſtets eine brennende Lampe zu fin-
den/ unten im Loche iſt eine weiſſe helle Marmelſteinerne Schei-
be/ wie ein ziemlicher Teller/ oben aber und an den Seiten/
braun gruͤnlicht und grauer Marmel/ damit das Loch außge-
ſetzt und gleich wie getaͤffelt iſt. Jn ſolch Loch ſoll die Jungfrau
Maria offt und viel ihr Kindlein geſetzet haben/ wie die Egy-
ptier fuͤr geben. Jch hatte im Willen/ zum Waꝛzeichen ein Stuͤck
davon abzubrechen und mit zu nehmen/ allein es ward
mir
[165]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
mir zum allerhoͤchſten widerrathen/ mit Fuͤrwenden/ es haͤt-
te vor weniger Zeit ein Franzoß auch ein Stuͤcklein abgebro-
chen/ und mit ſich genommen/ der were bald drauf kranck wor-
den und endlich zu Rodiß geſtorben.


Noch eines zugedencken: Wer in Babylon/ oder Gran
Cair
fremd iſt/ der darff ohne Geleitſchafft eines Tuͤrcken/ oder
welches ſicherer/ eines Janitzſcharen nicht uͤber die Gaſſen ge-
hen/ ſonſt hat er entweder von Tuͤrcken/ oder Mohren Ungele-
genheit/ oder/ koͤnnen ſie es muͤglich ſchaffen/ muß er gar ge/
waͤrtig ſeyn/ daß ſie ihn verſchleppen und in ewige Dienſtbar-
keit verkauffen/ darum ſich einer wol fuͤrzuſehen und fuͤr ſolcher
Gefahr zu huͤten hat.


Den 22. Junij haben wir etzliche uns zuſammen beredet
hinauß zu denen kuͤnſtlichen Pyramidibus und Wunder-Saͤu-
len/ welche unter die ſieben Wunderwercke der Welt von denen
Geſchichtſchreibern gerechnet werden/ zureiten/ haben dem-
nach abermals wegen der raͤuberiſchen Mohꝛen zweene Janitz-
ſcharen zur Salvaguardi mit uns genommen/ daß unſer zuſam-
men dreyzehen waren/ ſind eine Stunde vor Tage auf kleine
Eſel geſeſſen und nach dem wir uͤber den Nilum ſetzen laſſen/ im
Namen Gottes miteinander dahin geritten und ein wenig
nach der Sonnen Aufgang dahin zugedachten Pyramidibus
und Wunder-Seulen kommen.


DasX.Capitul.


Von der Egyptier Waſſer-Freude/ wann der Nilus
waͤchſt und endlich uͤbergehet.


EHe und bevor ich aber die Pyramides beſchreibe/ will ich
auch der Egyptier Freude und Frolocken gedencken/ ſo
ſich unter ihnen erhebt/ wenn der Nilus begint zu
wachſen
[166]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
wachſen und endlich auch auß- und uͤber gehet und das Land
uͤberſchwemmet.


Allda zu Babylon/ oder Alkair iſt ein Thurm/ in welchem
eine groſſe hohe Seule ſtehet mit gewiſſen Abtheilungen/ daran
man das Wachſen und Fallen abmercken/ wie auch ſehen kan/
wenn und an welchem Gemercke er ein guthes Jahr bedeutet.
Darzu ſind gewiſſe Perſonẽ beſtellet/ die acht drauf geben muͤſ-
ſen/ auſſer denen ſonſt niemand leichtlich darzu gelaſſen wird.


Und wenn denn gedachter Nilus ins Wachſen und zuneh-
men koͤmmet/ ſo entſtehet deßwegen im gantzen Koͤnigreich
groſſe Freude und kommen alsdenn die Waſſer-Waͤchter/
Mohren und Araber/ vom Nilo in die Stadt gelauffen und
ſchreyen auf den Gaſſen auß/ wie hoch das Waſſer denſelben
Tag und Nacht gewachſen/ weßwegen ihnen denn die Jnn-
wohner fuͤr Freuden viel Trinckgeld geben. Und das geſchicht
alle Tage/ ſo lange der Nilus waͤchſet.


Es hebt aber der Nilus den 15. Junij an zu wachſen und
waͤret funffzig Tage alſo. Und wenn derſelbe nun gnug ge-
wachſen hat/ ſo gehet er alsdenn aus und uͤber und trit in der
Stadt Babylon/ oder Gran Cair, in die an vielen Orthen dar-
zu gemachte Graben und Schleuſſen/ daß man mit Schiffen
durch die Stadt fahren kan und ſtehet alſo von 16. biß 20. Ta-
ge lang/ ehe er wider faͤllet und das geſchicht alle Jahr nur ein-
mahl.


Jch habe geſehen/ daß das Erdreich vor groſſer Duͤrre
ſo aufgeriſſen geweſen/ daß man mehr als eine gute quer Hand
drein legen koͤnnen/ dahero denn freylich iederman froh wird/
wenn der Nilus uͤbergehet/ damit das Erdreich erquicket wird.


Jch habe geſehen/ daß die vornehmſten Tuͤrcken von Ba-
ſchen und auch andern auf Schiffen hinaus an den Nilum ge-
fahren mit allerhand ihrer Art nach Muſicaliſchen Jnſtru-
men-
[167]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
menten/ als kleinen Baͤuckgen/ die ſie unten und oben mit ab-
wechſelnden Schlaͤgen ſchlagen: mit Schallmeyen und meſ-
ſingen Trompeten/ auch faſt den Schalmeyen gleich geſtalt:
mit Tuͤrckiſchen Geigen/ welche einen langen geraden Halß/
unten aber ein rundes Corpus, als eine ziemliche groſſe Boß-
Kugel/ haben und auf der Seite nach den Seiten zu mit Per-
gament uͤberzogen ſind. Gar unten aber im runden Corpus ha-
ben ſie einen langen ſpitzigen Stachel/ wie unſere Baß-Geigen/
damit ſie in Fiedeln gewiß ſtehen und nicht wancken koͤnnen.


Weiter haben ſie auch noch ein ander und ſonderliches In-
ſtrument.
Jſt ein rundes Corpus, nicht gar zu hoch/ ohngefaͤhr
als unſere Wuͤrtz-Siebe geſtalt/ welches auch mit Pergament
uͤberzogen und um und um mit viel kleinen hellklingenden
Schellen behenget iſt und wenn ſie drauff ſpielen/ ſo geſchichts
auf ſolche maſſe: Sie ſchlagen mit beyden Haͤnden wechſels-
weiſe oben und unten aufs Pergament da gibt nicht allein das
Pergament einen halben Paucken-Klang/ ſondern es machen
auch die Schellen ein greuliches helles geſchwirre drein/ daß
es einen durch den Kopff ſchmittertund wenn mans gehoͤret/ es
lange nicht wider drauß loß werden kan.


Mit ſolchen Inſtrumenten machen ſie ſich uͤber dem Auß-
Fluß deß Nili luſtig. Dabey ſparets denn das Volck auch nicht/
ſondern treiben ein greuliches Barbariſches Schreyen drun-
ter/ daß man beyde Ohren dafuͤr zuſtopffen moͤgte. Heiſſen mit
ſolchem Geſchrey gleichſam den Nilum willkommen und dan-
cken Gott/ daß auf ſolche Maſſe das Land befeuchtet/ getraͤn-
cket/ erquicket und fruchtbar gemachet werden ſoll/ ohne wel-
ches ſonſt daſſelbe von allzu groſſer Hitze verbrennen muͤſte und
nichts von Fruͤchten auff bringen wuͤrde/ weils um den Re-
gen ein ſehr ſeltzam und wunderſparſames Ding iſt.


YDas
[168]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasXI.Capitul.


Von denen koͤſtlichen Pyramidibus und Wunder-
Saͤulen in Egypten.


ALs wir nun zu denen Pyramidibus kommen und dieſelben
allendhalben wol betrachtet/ ſind unſerer etzliche willens
worden hinauff zu ſteigen und uns allda recht umzuſehen.
Und obs uns zwar zum fleiſſigſten widerrathen worden/ die-
weils eine uͤberaus groſſe Hoͤhe und uͤber alles die Steine und
Stuffen ſehr zerfallen/ daß entweder ſchwerlich/ oder doch mit
Gefahr Leibes und Lebens hinauf zu kommen war/ haben wirs
doch auß groſſer Begierde der gruͤndlichen Wiſſenſchafft da-
von/ gewaget/ unſere Eſel und abgelegete Kleider/ die uns be-
ſchwerlich dauchten/ den Janitzſcharen in Verwahrung gege-
ben und den Anfang gemachet.


Es hat aber mit ſolchen Pyramidibus von auſſen eine ſolche
Beſchaffenheit/ ſonderlich mit dem/ dar auf wir geſtiegen ſeyn.
Es iſt derſelbe wie auch die andern Pyramides alle viereckicht
von unten/ biß obenauß/ immer ein groſſer langer Stein auff
den andern geſetzet/ daß einer dem andern vorgehet/ wie Stuf-
fen und man alſo hinauf/ biß auf die oberſte Spitze/ ſteigen
kan/ wie ſie unten denn ſcheinet/ da ſie doch ſo breit/ als ein ziem-
licher groſſer Tiſch iſt/ wenn man hinauf koͤmmet/ daß man
drauf gar geraͤum und ohne Gefahr ſitzen kan wenn ihrer
gleich ziemlich viel ſind. Und gehet alſo der gantze Pyramis von
der Erden auf immer ſchmaͤler und ſchmaͤler zu. Uff der Seite/
da ich hinauf geſtiegen/ habe ich gezehlet 230. Steine/ oder
Stuffen/ iede von ein/ anherthalbe/ biß zwey Elen hoch und
dritthalbe Elen lang/ theils auch wol drey Elen und ſind ins
gevierde gearbeitet uñ gantz glatt/ als ein wolpolirter Marmel.


Auf der einen Seite unten auf der Erden iſt ein Loch/
dadurch wir mit groſſen Grauſen und Beſchwer hinein gekro-
chen
[169]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
chen/ nachdem wir wieder von der Hoͤhe herunter kommen/
und ſind von ſolchem Loche biß an die eine Ecke dieſer Seite
160. meiner gemeinen Schritte und eben ſo viel auch biß zur
andern Ecke/ daß alſo/ weil das Loch recht in der Mitte/ die
gantze Seite 320. Schritte breit iſt/ dahero deñ bald zu achten/
wenn man alle vier Seiten zuſammen rechnet/ daß der gantze
Umgriff und die Dicke ſolcher Wunder-Saͤule auf der Erden
ſeyn muß 1280. Schritt.


Als wir nun endlich mit Gefahr und groſſer Muͤhe hin-
auff kommen/ haben wir uns uͤber alle maſſe luſtig umſehen
koͤnnen. Denn wir konten die gantze groſſe Stadt Babylon
und den Fluß Nilum gantz wol und eigentlich uͤber das flache
ſandige Feld hinuͤberſehen und ſonderlich das ohne das auf ei-
nen ſehr hohen Berg erbauete Caſtell. Und wenn wir Menſchẽ
herunten auf der Erden ſahen/ ſchienen ſie uns vor groſſer Hoͤ-
he/ als gar kleine Kinder. Deñ die Pyramides ſind nicht allein an
ſich ſelber hoch/ ſondern ſtehen auch an einem erhabenen Orte/
woherum es etwas ſteinigt und ſandicht/ ſonſt aber allenthal-
ben eine ſchoͤne Ebene und flache Gegend iſt/ daß einen recht
umzuſehen nichts hindern kan. So wohnen auch nahe an den
Pyramidibus viel Araber und Ziegeuͤner/ unter groben brau-
nen/ oder ſchwartzen leinwaten Zelten/ welche vielmahl die
Fremden/ ſo ſich ohne Janitzſcharen hinauß wagen/ berauben/
oder wol gar ermorden/ wie ſie denn auch uns/ ungeacht un-
ſere bey uns habenden Janitzſcharen/ hart anfielen und Geld
von uns haben wolten.


Als wir uns nun wol umbgeſehen und wieder herunter
kamen/ Gott Lob/ ohne Schaden/ wolten wir gleichwol auch
nun gerne wiſſen/ wie der Pyramis inwendig beſchaffen wer und
machten uns demnach miteinander an voꝛgedachtes Loch/ daß
auf der Seiten unten auf der Erden war. Und weils uns was
langweillig und Muͤhſam vorkam/ zumal weil wir uͤberm
Y 2Lo-
[170]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Loche eine ſchoͤne in Stein gearbeitete/ iedoch mit Steinen ge-
blendete ungeſchloſſene Thuͤr anſichtig worden/ ſo namen wir
vorhero etwas von Speiſe zu uns und er quicketen uns mit dem
was wir bey uns hatten/ lieſſen auch etzliche Mohren um ein
Trinckgeld den Sand auß dem Loche/ vom Winde hinein ge-
wehet hinweg raͤumen/ ſintemal der Eingang zu ſolchem Loche
ſehr enge/ daß ſich eine Perſon mit groſſer Muͤhe durchdrin-
gen/ ſehr niederig/ daß man ſich gantz zuſammen buͤcken und ge-
waltig finſter und tieff war/ daß man/ wie in einen Abgrund/
hinunter kriechen muſte.


Jn dem es nun darzu kam/ daß wir hinunter ſolten/ kam
etzlichen ein ſolch Grauen an/ daß ſie zu ruͤcke blieben/ wir un-
ſers Theils aber wagtens/ ſchickten aber zweene Mohren mit
brenenden Liechtern voran hinein/ nicht allein darum/ damit
wir uns deſto beſſer beſehen und von ihnen von einem und an-
dern Bericht erlangen koͤnten/ ſondern auch/ weil wir uns be-
ſorgeten/ daß entweder Moͤrder/ oder wilde Thiere drinnen
ſeyn moͤgten und krochen alſo einer nach dem andern hernach
durch den finſtern/ engen/ niedrigen und tieffen Einſchluff/
da man faſt weder Lufft/ noch Athem ſchoͤpffen konte. Und
weils unten am Boden den gantzen Gang enhinder von Stei-
nen ſehr glatt geweſen war/ hat man/ um daß man deſto beſ-
ſer fuſſen koͤnnen/ vordeſſen Gruben/ ſtat der Stuffen/ ge-
hauen.


Als ich nun in ſolchem Loche geſtecket/ habe ich weder hin-
der/ noch vor ſich kommen koͤnnen/ daß mir auch recht Angſt
uñ bange worden. Muͤſte mich demnach laͤngſt auf den Ruͤcken
legen und alſo bey den Fuͤſſen mit ſchwerer Muͤhe fortſchleppen
laſſen/ biß ich hinein kam/ wie wir denn alle von Hertzen froh
waren/ da wirs uͤberſtanden hatten und waͤre gewiß keiner
un-
[171]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
unterm Hauffen geweſen/ der es um viel noch einmal gewa-
get haͤtte.


Nach dem wir nun gar in ſolche Wunder-Saͤule hinein
waren funden wir zu allererſt einen groſſen gewoͤlbten Raum
und Platz/ da zuͤndeten wir alle unſere Liechte an/ und giengen
erſt in ein und ander finſter Gewoͤlbe/ von dannen ſind wir ei-
nen engen und etwas jehlingen glatten felſichten/ oder ſteinich-
ten Gang/ in welchen mit fleiß Stuffen gehauen waren/ da-
mit man im Hinaufſteigen deſto beſſer ſolte hafften koͤnnen/
hinauf geſtiegen/ welches denn ſehr lange gewaͤret alſo/ daß wiꝛ
auf beyden Seiten eine greuliche tieffe Grufft unter uns ge-
habt/ uͤber welche wir hingehen/ ja faſt mehr klettern muͤſſen.


Endlich ſind wir auf einen gar engen ſteinernen Gang
kommen/ dazu ende deſſen ein Gemach/ oder Kammer gewe-
ſen/ welche viereckicht/ ſehr hoch und finſter war und oben an
der Decke waren neun ſchoͤne groſſe viereckichte ſteinerne Ta-
feln eingeſetzet/ an den Mauren aber braun und weiß ſprenckli-
che groſſe gleiſſende Steine/ meinem Anſehen und Erachten
nach/ als Porphyr Stein/ nur daß er grob war.


Jn dieſer Kam̃er ſtehet ein groſſer Sarg in einem gantz
ſchwartzen Stein gehauen/ iſt zehen gute Maͤnner-Spannen
lang und viere breit und wenn man mit etwas dran ſchlaͤgt/ ſo
klingets/ als wie eine Glocke/ iſt aber offen und ſtehet auf der
blatten Erden/ zum Fuß Orthe deß Sarges gehet ein Loch in
die Erde hinab: Und ſoll Koͤnig Pharao in dieſem Sarge bey-
geſetzt worden ſeyn/ nach dem er im rothen Meer erſoffen und
umkommen/ maſſen er ihm denn auch vorhero ſolch Begraͤb-
niß mit uͤberauß groſſen Unkoſten zu ewigen Ruhm und Ge-
daͤchtnuͤß ſoll haben erbauen laſſen.


Dieſe Pyramides und Wunder Saͤulen ſind zu keinem an-
dern Ende vor Zeiten erbauet worden/ alſo daß die Koͤnige in
Y 3Egypten
[@72[172]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Egypten ieglicher eine zu ſeinem Begraͤbnuͤß haben ſollen.
Gleich als haͤtten ſie gewuſt/ daß ihr Reich gantz in frembde
Haͤnde kommen wuͤrde/ damit ihr Gedaͤchtnuͤß gleichwol blei-
ben ſolte. Deßwegen den auch ſolche Saͤulen ſo ſonderlich und
koſtbar erbauet worden ſind. Man gibt fuͤr gewiß aus/ das uͤ-
ber einer in die 360000. Mann zwantzig Jahr lang zu thun
gehabt/ ehe ſie fertig worden/ dahero auch theils Koͤnige/ ob ſie
gleich noch ſo reich und vermoͤgend geweſen/ ſich gar arm druͤ-
ber gebauet haben ſollen. O vanitaͤt/ was iſts nun! Und den-
noch haben ſie noch viel Geſellen in der Welt/ welche mit ihrem
Schaden und Verderben der Welt ihre vanitaͤten bauen helf-
fen und nicht gedencken/ daß ſie davon muͤſſen und wie ſie wol
davon kommen wollen.


DasXII. Capitul.


Von meiner Ruͤckreiſe wider gen Babylon und ei-
nem Oraculo unterwegens.


NAch dem wir uns nun bey denen Pyramidibus gnugſam
umgeſehen/ haben wir uns wieder auf die Ruͤckreiſe nach
Babylon gemacht. Nicht weit aber von demſelben ſind
wir kommen zu einem Felſen unaußſprechlicher Groͤſſe/ und
natuͤrlich wie ein Menſchen Kopff geſtalt mit groſſen Ohren/
Augen/ Haren und langem Halß.


Jn dieſem ungeheuren Kopffe/ ſoll vor viel hundert Jah-
ren ein Oraculum oder Teufeliſcher Wahrſager-Geiſt gewoh-
net haben/ welcher zu erſt in vorbeſchriebenem Pyramide in ei-
nem gar tieffen finſtern Loche/ dem wir auch vorhin mit groſ-
ſer Vorſichtigkeit im Auf- und Abſteigen vorbey gehen muͤſſen/
ſoll geſeſſen/ hernach aber unter der Erden hin in dieſen Kopff
gezogen ſeyn und aus demſelben den Heiden Rath und Lehre
gegeben haben von denẽ Dingen/ warum ſie es gefraget haben.


Wenn der Wahrſager-Geiſt die Geſtalt/ als der Kopff
außſiehet/ præſentiret/ were kein Wunder/ man were mehr vor
ihm
[173]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ihm gelauffen/ als ihm einige Lehre und Warheit zugetrauet.
Drum kan man ſich nicht hoch gnug uͤber die groſſe Blindheit
der armen Leute verwundern und Gott dancken/ daß wir da-
von erloͤſet und mit der ſeligmachenden Erkentniß deß einigen
wahren Gottes erleuchtet ſind.


Nicht weit von dieſem ungeheuren Kopffe zur lincken
Hand ſind uhralte Gemaͤuer zu ſehen/ welche/ wie man uns
glaubwuͤrdig berichtet/ ſchon vor Pharaonis Zeiten ſollen ge-
ſtanden haben und haͤlt man dafuͤr/ daß es die uhralte Stadt
Memphis geweſen.


Als wir nun wieder zuruͤcke und an Babylon hinan kom-
men/ hielten wir uns zu Mittage in einem ſchoͤnen luſtigen
Tuͤrckiſchen Garten auf/ und Fruͤhſtuͤckten von der kalten Kuͤ-
che/ ſo wir eruͤbriget hatten. Es war der Tag uͤber die Maſſe
ſehr heiß und deßwegen kam uns auch deſto mehr anmuthig zu
ſtatten ein ſehr ſchoͤner/ hoher/ breiter und vierfach ſchattichter
Feigenbaum/ worunter wir uns fuͤr der groſſen Sonnen Hitze
bergen konten und brachten allda zu/ faſt biß auf halb Abend.
Denn bey ſolchem Feigenbaum war gar ein ſchoͤn Luſthauß/ in
welchem eine mit Quaterſtuͤcken außgeſetzte Ciſtern, darinnen
man zu baden pflegte/ wiewol dißmal kein Waſſer drinnẽ war
und konte man oben auf dem Luſthauſe gar luſtig unter den
Aeſten deß vor gedachten Feigenbaums hin und her gehen.


Der Garten an ſich ſelbſt war ſehr lang von Palmen-
Lemonien-Pomer antzen und andern Baͤumen wol ausgeſetzet
und war nahe gelegen an dem Ort/ da man/ wie oben gedacht/
den Fluß Nilum, wenn er waͤchſet und zunimmet/ miſſet und in
acht nim̃et/ weßwegen wir denn auch von hier aus vollends in
dem weitẽ/ tieffen langen Graben/ worinne ſonſt der gewachſe-
ne Nilus in die Stadt gehet/ weil er gleich damahls ausgefuͤhret
und gereiniget war/ biß in die Stadt und vor unſer Quartir/
deß Herrn Conſulis Santo Behauſung geritten.

Das
[174]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Das vierdte Buch.


Begreifft die Reiſe durch die grauſame groſſe Arabiſche
Wuͤſtung biß zu dem heiligen Berg Sinai.


DasI. Capitul.


Wie ich mich zur Reiſe geſchicket und bereit gemacht
und endlich auß Babylon fortgereiſet.


ALs ich mich in Egypten gnugſam umgeſe-
hen und meinen Sinn auch auf Arabien/ allda
den Berg Sinai und andere denckwuͤrdige
Dinge zu ſehen zugerichtet hatte/ war nur mei-
ne einige Sorge/ wie ich fortkommen moͤgte/
damit ich die groſſe Gefahr/ ſo ich wol wuͤſte in
etwas ringern koͤnte.


Es wurde mir aber Nachricht gegeben/ daß eine ſtarcke
Carovan von tauſent Mohren und Arabern und 700. Came-
len nach dem Berge Sinai gehen und denen daſelbſt wohnen-
den Griechiſchen Muͤnchen allerhand Victualien von Wein/
Oehl/ Mehl/ Oliven/ gedoͤrreten Fiſchen und andern Faſten-
Speiſen zu fuͤhren wuͤrden/ der gleichen alle Jahr drey/ oder
viermahl geſchicht/ dieweil ſelbige Muͤnche ihr lebetage kein
Fleiſch zu eſſen pflegen/ weßwegen ich mich deſſelben gewiß
machte und mit aller Nothdurfft zur Reiſe verſahe. Vor allen
Dingen aber wolte mir/ weil mir weder Volck noch Sprache
bekannt/ ein getreuer Gefaͤhrte hoͤchſt von noͤthen ſeyn/ auf
den ich mich auf allen Nothfall verlaſſen koͤnte. Und weil mir
der Venetianiſche Conſul, Herr Sauto, einen Tuͤrcken Namens
Deff Baſcha, vorſchlug/ der neben ſeiner Mutter-Sprache
auch
[175]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
auch der Arabiſchen/ Armeniſchen und Jtalieniſchen Sprache
kundig war/ bin ich mit ihm eins worden und demſelben 16
Reichsthaler gegeben/ habe zweene Cameel/ das eine vor mich
und das andere vor ihn um 9. Ducaten gemuͤthet/ mit nach
folgenden Victualien/ als mit Wein vor 60. Mettin/ mit Meh
vor 45. Mettin/ und Pißkotten vor 35. Mettin/ in zwey ſtarcker
weiten Egyptiſchen viereckichten Saͤcken/ um 29. Mettin er
kaufft/ mit gedoͤrtem Rindfleiſch/ vor 18 Mettin/ welches aber
weils nicht im Rauch/ wie bey uns Teutſchen/ ſondern nur an
der Lufft gedoͤrret war/ ich ſelber nicht eſſen konte/ ſondern dem
Tuͤrcken allein laſſen muſte/ dem es gar wol bekam/ mit Oel vor
40. Mettin in einem Oel-Schlauch um 7. Mettin erkaufft und
zween Rauch ledernen Saͤcken mit friſchem Waſſer angefuͤl-
let beladen/ habe ſie im Namen Gottes mit der Carovan voran
hingehen laſſen und bin ich den 25. Junij fruͤh Morgens auf
2. gemuͤtheten Eſeln mit meinem Tuͤrcken auß Babylon nach
geritten und habe meine Camele im ſandigen Felde bey einer
ſchoͤnen Tuͤrckiſchen Kirchen mit zwey ſchoͤnen hohen zierlichen
Thuͤrmen angetroffen.


DasII. Capitul.


Von Babylon biß nach Sues und wie ſich meine
Reiſe angelaſſen.


DJe gantze Reiſe von Babylon aus biß an den Berg Si-
nai und die gantze Wuͤſte hindurch iſt nicht mehr/ als ein
einiges Staͤdtlein/ Sues genannt/ und ſonſt weder Hauß/
noch Dorff zu ſehen/ wie auch weder Graß/ noch Kraut/ ſon-
dern nichts als Himmel und Sand/ dahero es recht die Wuͤ-
ſten genennet werden kan und muſten wir alſo die gantze Zeit
uͤber im Sande unter freyem Himmel logiren/ bald wegen der
Zgroſſen
[176]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
groſſen Hitze abbacken/ und ein wenig raſten/ bald wieder auf-
backen und ſonderlich den Abend/ die Nacht und den Morgen
mit nehmen: und warde mir flugs die erſte Tagreiſe/ als ich
unter einem gemachten Zeltlein mit zweyen Griechiſchen Muͤn-
chen ein wenig ſpeiſete/ von einem Mohr ein groſſe ſteinerne
Egyptiſche Flaſche mit Weine geſtohlen und lieff der Dieb da-
mit wieder in die Stadt Babylon hinein/ allwo ich ihn wol un-
gefunden muͤſte laſſen.


Den 26. Junij ſind wir fruͤh mit der Sonnen Aufgang
wieder aufgebrochen und auf den Mittag haben wir abermals
in der Sand-Wuͤſten die Camel abgeladen und habe ich unter
meinem Zeltlein in ſehr heiſſen Sande mein Mittags-Mahl
verzehret/ welches war Bißkotten/ eingemachte Oliven und ein
Trunck Weins und damit war mein Vorrath vollends hin
und muſte ich die groſſe heiſſe Wuͤſten hindurch vielmahl greu-
lichen Durſt leiden/ wolte ich das ſtinckende triebe Waſſer/
worzu wir offtmals raͤumen muſten/ nicht in mich ſchlagen/
wiewol ich doch ohne deß aus hoͤchſter Noth manchen Tag uͤ-
ber in die ſechs/ oder acht Kannen getruncken/ es moͤgte geſund
oder ſchaͤdlich ſeyn/ ſintemahl Durſt ſehr wehe thut.


Nach ohngefaͤhr anderthalber Stunde ſind wir wieder
fortgereiſet/ haben luſtig und ſchoͤn Wetter gehabt und ſind
wir gar nahe zur rechten Hand an dem Orthe vor bey gereiſet/
allwo Alexander M. 400. Elen tieff nach Waſſer graben laſſen
und keines ſindẽ koͤnnen/ welche Grufft anietzo meiſt mit San-
de durch den Wind wieder zugewehet worden. Auf dieſer
rechten Seite auch haben wir ziemlich Stein-Gebuͤrge
gehabt.


Abends eine Stunde nach der Sonnen Untergang ſind
wir wieder zur Carovan welche etwas voran gegangen war/
kommen/ gleich da mir uns im heiſſen Sande lagern wollen/
und
[177]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und da habe ich geſehen/ wie und auf was Manier dieſe Moh-
ren auf der Reiſe ihr Brot zu backen pflegen.


Sie machten etzliche Feuer auf den Sand/ hernach na-
men ſie ihre rauchhaͤrige lange Roͤcke/ ſchuͤtteten Mehl drauff/
feuchteten daſſelbe mit Waſſer an/ und ruͤhretens/ wie einen
Teig/ daraus machten ſie Kuchen/ in ſolcher Groͤſſe und Run-
de als ein ziemlicher Teller und eines Daumens dicke/ ſchoben
dieſelben in den vom Feuer erhitzten Sand/ daß ſie gantz mit
Sande bedeckt warden. Und wenn ſie kaum eine halbe vierthel
Stunde gelegen hatten/ als denn zogen ſie ſie wider herfuͤr und
konten den Sand ſo rein wieder davon ſtreichen/ daß man nicht
ein Koͤrnlein dran gewar ward/ oder erbeiſſen konte. Solch
gebackenes Brot namen ſie hernach ſo warmes war/ brock-
tens in eine tieffe hoͤltzerne Schuͤſſel/ goſſen Oehl und Eſſig
drauf/ ruͤhre@ens ſtat der Loͤffel/ mit den Haͤnden um/ die offt
ſo ſchoͤn ausſehen/ als wenn ſie in Jahr und Tag nicht waͤren
gewaſchen worden/ ſetzten ſich in den Sand dahin und fraſſen
auch ſo mit den Haͤnden/ wie die Schweine. Das mogte
wol eine Sau-Mahlzeit ſeyn/ ob ſie gleich ſo begierig darzu
waren.


Nach dem es nun den 27. Junij beguͤnte wieder Morgen
zuwer den/ machte ſich die Carovan wieder auf den Weg und
haben wir denſelben Tag zur rechten und lincken Hand hoch
Stein-Klippen-Gebuͤrge gehabt/ in der Ebene aber ein uhral-
tes Caſtell angetroffen/ an den Ecken mit Rundelen darinnen
ein Thurm/ auſſen aber etzliche gemauerte Graͤben und dabey
kleine Thuͤrmlein.


Jn dieſem Caſtell liegen in die 150. Mohren und Tuͤrcken/
auch ſind etzliche Stuͤck drinnen und wird zu dem Ende ge-
halten/ damit ſie den raͤuberiſchen Mohren wehren
Z 2ſol-
[178]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſollen/ welche die reiſende Carovanen anzugreiffen und zuer-
morden pflegen/ wie wir denn viel unterſchiedene Graͤber ſol-
cher Erſchlagenen angetroffen haben. Bald hier auf haben wir
iedoch noch von weiten das rothe Meer zu Geſichte bekommen:
Gegen Mittag aber ſind wir zu einem Brunnen kommen/
welcher viereckicht und außgemauert geweſen/ bey welchem ein
Mohr wohnet/ der das Waſſer mit Ochſen aus einer tieffen
Hoͤle herauß ziehet/ nicht allein vor die Carovanen/ ſondern
daſſelbe wird auch in das Staͤdtlein Sues zuverkauffen getra-
gen/ wiewol ſolch Waſſer mehr ſaltzig als ſuͤſſe iſt/ weil der
Brunn dem rothen Meer faſt nahe gelegen iſt.


DasIII.Capitul.


Von dem Staͤdtlein Sues, auſſer welchem ſonſt weder
Stadt/ noch Dorff in der Arabiſchen Wuͤſten zwiſchen
Babylon und dem Berge Sinai zu finden
iſt und von dem rothen
Meer.


DJeſes Staͤdtlein Sues iſt ein ſehr uhr altes Staͤdtlein/ nicht
ſonderlich groß und von gar kleinen geringen/ engen und
finſtern Haͤuſerlein. Die Gaſſen ſind ungepflaſtert und
voller Sand. Hat vor Zeiten eine Mauer gehabt/ die nun ſehr
zerfallen iſt/ ſonderlich iſt noch zu ſehen ein ſtarckes Rundel und
iſt daſſelbe Staͤdtlein meiſtentheils mit dem rothen Meer um-
floſſen.


Von gedachtem Brunn/ wobey die gantze Carovan gele-
gen/ ligts ohngefaͤhr eine halbe Teutſche Meile/ das rothe
Meer aber von dieſem Brunn eine vierthel Meile und wird
der halbe Weg zwiſchen Babylon und dem Berg Sinai ge-
rechnet.


Allhier
[179]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Allhier am rothen Meere haben wir zu Zeiten gar ein
liebliches anmuthiges Luͤfftlein gehabt/ welches uns bißhero
in der Wuͤſten ſelten ſo guth worden war. Deñ weil der Sand
aͤrger als die heiſſeſte Aſche brennet/ und dem/ ſo drinnen reiſen
ſoll/ eine unſaͤgliche Beſchwerung machet/ hat uns denn der-
gleichen Luͤfftlein gewaltig erquicket/ ſonſt waͤre unmuͤglich/
daß man fuͤr groſſer Hitze thauren koͤnte und nicht verſchmach-
ten und verderben muͤſte.


Allhier habe ich wegen groſſer Hitze im rothen Meere ge-
badet. Auch kan man von hier aus auf dieſem Meere biß in Jn-
dien hinein ſchiffen. Es verhaͤlt ſich aber mit demſelben alſo:
Das Waſſer ſcheinet roͤthlicht und geſchicht ohn allen Zweifel
von dem rothen Grund und Boden/ denn es hat/ abſonderlich
aber/ wenn die Sonne hell drein ſcheinet/ ie roͤther es alsdenn
auch iſt und waͤchſet an vielen Orthen auch Schilff darinnen.
Liegt ohngefaͤhr noch drey Tage-Reiſen vom Berge Sinai.
Und wenn hier in der Wuͤſten der ſtarcke ſchaͤdliche Wind Schi-
rocko
wehet/ ſo treibt er das Meer wol faſt eine Teutſche Meile
herauß auf den ſandigen Boden/ da man denn mit Leib und
Lebens-Gefahr reiſen muß/ wem es ertappet/ zumal man in
lauter tieffen Sande waten muß/ welches nicht foͤrdert.


Die Araber in dieſer Wuͤſten ſind wilde und Viehiſche/
ſchwartze oͤhlfarbige ungeſtalte Leute/ welche meiſtentheils na-
ckend gehen/ nur daß ſie irgends ein haͤrin Tuch um ſich haͤn-
gen/ gehen mit einem langen Spießlein auf den Raub herum/
leben/ wie die unvernuͤnfftigen Thiere/ in wuͤſten Steinklip-
pen/ auch wol drey Tage ohne Eſſen und Trincken und haben
Gemeinſchafft mit den Camelen/ Haben ſie aber Weiber/ ſo
ſinds nicht ehelich getraute Weiber/ wie dieſer Leute unten mit
mehrern gedacht werden ſoll.


Allhier hab ich mich wieder mit friſchem Waſſer verſor-
Z 3get
[180]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
get und habe einen Uter/ oder Schlauch/ ſo ohngefaͤhr als ein
mittelmaͤſſig Felleiß groß geweſen/ um 3. Metrin/ Meißniſcher
Muͤntze um 3. Groſchen bezahlen muͤſſen.


Auch giebts hier einen Tuͤrckiſchen Tranck Buſo genannt/
welcher an Farbe und Dicke den Hefen gleich iſt und ſtarck von
Geſchmack und deßwegen wol Tuͤrckiſch Bier genennet werden
koͤnte. So ſind auch allhier die eingemachten Datteln ſehr gu-
tes Kauffs/ denn ich die Occa, welches anderthalb Pfund/ vor
ein Mettin kauffen koͤnnen.


DasVI. Capitul.


Von den zwoͤlff Moſis-Brunnen.


DEn 28. Junij ſind wiꝛ kurtz vor der Sonnen Aufgang wie-
der fort gezogen und um Mittag zu den 12. Brunnen Mo-
ſis kommen in einem Grunde ohngefaͤhr eine Teutſche
vierthel Meile vom rothen Meer gelegen und werden darum
alſo genennet/ weil Moſes ſich mit den Kindern Jſrael allda
gelagert und Oſtern gehalten/ nach dem ſie von Babylon/ in
Egypten nach dem gelobten Lande außgegangen.


Von dieſen Brunen ſind wir/ biß nach dem Berge Sinai
eben die Straſſe gereiſet/ als Moſes mit den Kindern Jſrael/
wie wir denn zum Wahrzeichen deſſen noch viel groſſe Steine
unterweges angetroffen mit uhr alter hebreiſcher/ wiewol faſt
verblichener uñ unleßbarer/ Schrift: Aber biß zu dieſen Brun-
nen iſt Moſes weiter nach der rechten Hand/ als wir/ kommen/
weil er von Alt-wir aber von Neu Babylon außgezogen und
iſt derſelbe alſo mit den Kindern Jſrael uͤbers Gebuͤrge her ab
gerades Weges alsbald ans rothe Meer kommen und ſo denn
truckenes Fuſſes durch daſſelbe hindurch gangen und alsdenn
erſt zu vorgedachten Brunnen gelanget.


Dieſe
[181]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Dieſe zwoͤlff Moſis Brunnen ſoll Moſes den Kindern
Jſrael auß dem duͤrren Sande von Gott erbeten haben und
ſind ietzo meiſtentheils verwuͤſtet/ und etzliche nur als kleine
Pfuͤtzen/ iedoch noch ziemlich tieff. Weil aber gleichwol noch
Waſſer drinnen/ iedoch voller Schlamm und Sand/ haben
wir etzliche derſelben durch die Mohren raͤumen laſſen/ damit
wir Waſſer gnug haben moͤgten/ weil unſer viel uñ in der groſ-
ſen Hitze alle erdurſtet waren. Und wiewol ſolch Waſſer gantz
ſchwartz ſchlammicht und faul war/ zwangs uns doch die groſ-
ſe Noth und Durſt zu Halſe.


DasV. Capitul.


Von etzlichem ſonderbaren Arabiſchen
Ungezieffer.


ES hat aber an dieſem Orthe herum ſehr viel allerhand Un-
geziefer/ als von Schlangen/ Eydexen/ Egyptiſchen Maͤu-
ſen/ Pharaonis Laͤuſen und dergleichen/ die ſich im tieffen
Sande aufhalten.


Die Eydexen ſind einer guten Spanne lang und auch
theils laͤnger/ faſt wie ein Croco diel geſtalt mit einem langen
zugeſpitzen Schwantze/ vier Fuͤſſen und einem langen ſpitzigen
Kopffe/ nur daß ſie nicht ſo eine harte ſcharpffe Haut haben/
gleich wie der Crocodiel.


Die Egyptiſchen Maͤuſe/ ſo auch Pharaonis Maͤuſe ge-
nannt werden/ ſind ſilberfarbig/ auch theils weiß bund/ haben
vorne hoͤhere Fuͤſſe/ als hinten/ einen Schwantz am Ende mit
einem Buͤſchelein/ gleich wie ein Loͤwe/ einen Kopff/ faſt wie ein
Katzen Kopff und ſind an Groͤſſe/ wie ein jung Kaͤtzlein/ nur
daß ſie faſt Schweinruͤſſel und ſehr ſcharpffe ſpitzige Zaͤhne ha-
ben. Sie thun groſſen Schaden in Zuckerrohr auf dem Felde.
Da-
[182]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Dahero die Bauren den Huͤtten Rauch nehmen und in die Ae-
cker unterſchiedener Orthen legen. Denn wenn ſie davon freſ-
ſen/ oder auch wol nur den Geruch empfinden/ ſo muͤſſen ſie
ſterben.


Die Pharaonis Laͤuſe aber ſind ſo groß und rund/ als
eine Haſelnuß/ grau und braunlichter Farbe und beiſſen uͤber
die maſſen ſehr und ſcharff/ deñ ſie haben die Staͤrcke uñ Macht
darnach. Jſt daß Pharaonis Plage geweſen/ da er die Kinder
Jſrael nicht ziehen laſſen wolte/ ſo iſt ſie gꝛoß gnug geweſen/ denn
ſie koͤnnen Menſchen und Vieh gewaltig abmatten. Wenn die
Cameel unter ihrer Laſt ſich in Sande niederlegen und ruhẽ ſol-
len/ ſo kriechen ſie auß dem faſt unleidlichen heiſſen Sande
herfuͤr und freſſen ſich in ſolcher Menge in die armen Thiere ſo
tieff ein/ daß man ſie offt nicht wider herauß kriegen kan/ man
wehre auch/ ſo fleiſſig man immer wolle.


Um deßwillen ſind wir von dieſen zwoͤlff Moſis Bruñen
faſt gegen halb Abend wider aufgebrochen und noch eine gute
halbe Stunde weiter fort gerucket/ da wir uns in einem Thal
geleget und die von unſerer Carovan zuruͤcke gebliebene erwar-
tet/ biß ſie nachkommen.


Allhier habe ich wider ans rothe Meer/ weils nicht weit
von uns geweſen/ und wir ohne deß dieſen Abend ſtille gelegen/
gehen wollen/ habe aber wegen deß tieffen Sandes/ wie man
mich berichtet/ ich auch zum Theil ſelber geſehen/ unmuͤglich fort
kommen koͤnnen und alſo zu ruͤcke bleiben muͤſſen.


DasVI. Capitul.


Von unſerer Reiß biß vollends zum Berge
Sinai.


DEn 29. Junij/ welcher auf einen Sonntag gefiel/ nach
dem wir eine gute Stunde vor Aufgangder Sonnen
wi-
[183]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
wieder aufgebrochen/ haben wir einen ſtets abhengenden/
huͤglichten und ſehr ſandigten Weg gehabt und fiel den Morgen
ein ſolcher ſtarcker Thau/ davon ich/ weil ich einen gar duͤnnen
blau und weiß gewuͤrckten Egyptiſchen Rock an hatte/ der
nicht lange nachhalten konte/ mir aber ſonſt in der groſſen Hi-
tze gleichwol gar bequeme war/ durch und durch naß ward.


Das rothe Meer hatten wir ohngefaͤhr drey Teutſche
vierthel Meilen zur rechten Hand im vorbey Reiſen und war
ſehr breit anzuſehen und ſind darauf ſelbigen Mittag an den
Orth kommen/ den Moſes von obgedachten Brunnen aus biß
vollends an den heiligen Berg Sinai mit dem Volck Jſrael ge-
zogen/ allwo wir uns zwiſchen gruͤnem Gebuͤſche in Sand leg-
ten/ unſere Camele abluden und ein wenig ruheten.


Zu beyden Seiten hatten wir ſehr hohe Steinklippen/
konten aber das rothe Meer noch immer ſehen/ ſonderlich kam
uns wol zu ſtatten/ daß uns der heiſſe Sonnen-Schein mit ei-
ner anmuthigen Lufft temperiret ward.


Nach dem nun die Carovan, ſo etwas zuruͤcke geblieben
war/ allhier wieder zu uns kam/ haben wir unſere Cameel wie-
der belaſtet/ und um halb Abend weiter fortgereiſet/ biß eine
Stunde nach der Sonnen Untergang/ da wir uns alsdenn
wieder lagerten und hatten zur lincken Hand hohes Ge-
buͤrge.


Dieſen Abend erhub ſich zwiſchen einem Griechiſchen
Muͤnch und einem Mohr ein harter Streit. Der Mohr hatte
dem Muͤnch ſeinen Rock genommen und wolte ſich die Nacht
damit decken und weiler denſelben nicht wider her geben wolte/
erſahe der Muͤnch ſein Vorthel und nahm dem Mohren ſeinen
vornen auf der Bruſt habenden groſſen Dolch und ſchlugen
drauf einander tapffer mit Faͤuſten herum/ biß der Mohr den
Rock wieder von ſich gab und alſo der Streit geſchlichtet ward.
A aAuch
[184]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Auch kam dieſen Abend ein Grieche zu uns/ welcher unterwe-
gens/ da er vom Berge Sinai mit einem Cameel und Treiber
auf deß oben gedachte Sta@em Sues zum rothen Meer reiſen
wollen/ von 60. Mohren beraubet und bey nahe waͤre ermor-
det worden.


Den 30. Junij eine halbe Stunde vor Tage ſind wiꝛ wider
aufgebrochen und mit einem kuͤhlen und ziemlich ſtarcken Win-
de/ der ſich nur gegen Morgen erhub fortgereiſet.


Vorige Nacht aber zog uns der Capo, oder Haupt der
gantzen Carovan, da wir noch im Sande ruheten/ welcher zu
Sues zu ruͤcke blieben war mit 60. Reutern und einer Baucke
vorbey. Denn derſelbe pflegt gemeiniglich deß Nachts zureiſen/
wegen der groſſen Hitze deß Tages/ die Carovan aber der Ca-
mei deß Tages/ weil ſie die Hitze und Durſt beſſer thauren
koͤnnen.


Folgendes Tages den 1. Julij ſind wir in aller fruͤh dem
Capo, zur rechten Hand/ da er in einem Thal unter Zelten
lag/ voꝛbey gangen uñ vor Mittage zwiſchen viel hohen/ Sand-
Huͤgeln/ ſo der ſtarcke Wind vor langen. Zeiten alſo zuſammen
getrieben/ hingezogen und iſt ſo wol zur rechten/ als lincken
Hand uͤber den Huͤgeln groß Gebuͤrge geweſen und ſind drauf
in einem abhengenden Thaal/ ſo anfangs zwar ſteinig und
ſandig anzuſehen/ nachmals aber mit ſchoͤnen anmuthigen
gruͤnen Gebuͤſche bewachſen geweſen/ kurtz vor Mittage an-
kommen/ und wird derſelbe von den Mohren/ oder Arabern
Ugrim-Thaal genennet. Da haben wir unſere Cameel ab-
geladen.


Dieſer Thaal war ſehr lang und allendhalben voll gruͤn
Gebuͤſche/ iedoch mit hohen ſteinfelſichten Gebuͤrge beſchloſ-
ſen und hab en wir alſo dieſen gantzen Tag/ als ſonſt noch nie-
mals
[185]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
mals/ in lauter groſſem Gebuͤrge reiſen muͤſſen/ da wir uns
denn unter einen gruͤnen Baum/ dem Sadenbaum nicht un-
gleich/ in Schatten geleget. Zur rechten Handwerts dem Meere
zu/ ſtieß uns ein ziemlicher Wind an/ wiewol wir nun ſchon
ſo weit vom Meere abwaren/ daß wirs nicht mehr ſehen
konten.


Nachmittage ſind wir wieder aufgebrochen und war
ſehr heiß/ iedoch kam uns ein kuͤhles Luͤfftlein zu ſtatten und
ſind auf das hohe Steinklippen-Gebuͤrge kommen/ worauf
wir den ſchoͤnen gruͤnen langen Thaal/ darinnen wir Mittags-
Ruhe hielten/ gar luſtig durchſehen koͤnnen. Nach halb A-
bend habẽ wir uns wieder gelagert auf ſolcher Hoͤhe dieſes Fel-
ſes und hatten zur lincken Hand abermals viel gruͤn Gebuͤſche
und lagen biß gegen Mitternacht: da wir denn wider fort zo-
gen und reiſeten etzliche groſſe alte Steine vorbey/ in welchen
uhralte Hebreiſche Schrifft/ welche aber ziemlich außgangen
war/ gehauen war/ von den Kindern Jſrael zum Wahrzei-
chen/ daß ſie alle durch gereiſet/ zu ruͤcke blieben/ wie uns die
Mohren berichtet und ſind gegen Anbruch deß Morgens zwi-
ſchen Gebuͤrge auf einen ebenen Weg kommen.


Den 2. Julij ließ ſich flugs fruͤh Morgens eine groſſe Hi-
tze an/ da wir denn nach zweyſtuͤndigem Reiſen durch einen
gar engen Paß zwiſchen grauſamen ſchwartzen und braunen
gleiſſenden wie zerſchmetterten hohen Steinfelſen zu beiden
Seiten hindurch gehen muſten und war der Weg nicht anders
anzuſehen/ als wenn er gehauen und mit Fleiß durch den Felß
gearbeitet geweſen waͤre. Uf beiden Seiten aber ſolches Weges
waren gruͤne Buͤſchlein auff Sand-Huͤgeln gewachſen/ wie
ſonſt an vielen Orthen mehr durch dieſe Arabiſche Wuͤſten hin-
durch.


A a 2Ein
[186]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Ein par Stunden vor Mittage kamen wir in einen Thal/
da legten wir uns unter einem hohen ſtachlichten Gummi-
Baum in den heiſſen Sand und laſteten unſere Cameel abe/
damit ſie auch ein wenig raſten ſolten/ und ſolcher Thal war
um und um umgeben mit dergleichen hohen ſchwartzen und
braunen gleiſſenden Felſen/ weit und breit in die Wuͤſten hinein
welche ſich auch biß uͤber den Berg Sinai erſtreckten.


Dieſe hohe und in groſſer Menge allhier ſtehende grauſa-
me Felſen/ wie auch die groſſe Menge deß Sandes/ werden
von der Sonnen Hitze dermaſſen erhitzet/ daß auch/ da ich von
meinem Cameel abgeſeſſen/ und unerachtet gleich mit guten
ſtarcken Schuhen angethan geweſen/ ich demnach auf dem
heiſſen Sande unmuͤglich ſtehen und thauren koͤnnen/ ſondern
mich entweder alsbald wieder aufſetzen/ oder auf mein bey mir
habendes Wollen Bette treten/ oder ſitzen muͤſſen/ ſintemahl
die Hitze alsbald durch die Sohlen brennet und das Leder an
den Fuͤſſen verſenget. Die Mohren aber/ weil ſie es gewohnt uñ
ihre Fuͤſſe wie ein hartes Horn todt gebrannt ſind/ lauffen ohn
alle Empfindung der Hitze in dem allerheiſſeſten Sande par-
fuß dahin/ woruͤber ich mich nicht gnugſam verwundern
koͤnnen.


DasVII.Capitul.


Vom Gummi Baum und wie leicht ich unter dem-
ſelben zu Schaden kommen
waͤre.


JCh muß aber allhier den Gummi-Baum etwas eigentli-
cher beſchreiben und erzehlen/ wie leicht ich unter einem
ſolchen Baume zu groſſen Schaden kommen koͤnnen/ wo
mich GOTT nicht ſonderlich behuͤtet und bewahret
haͤtte.


Dem
[187]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Der Gummi-Baum/ dergleichen wir nun folgenden Weg
biß zu dem Berge Sinai viel angetroffen/ iſt ſo hoch und groß/
als ein Pirn- oder Aepffel-Baum/ breitet ſich mit ſeinen Aeſten
ſehr weit auß/ hat dornichte Stacheln eines halben Fingers
lang/ traͤgt Fruͤchte wie Bohnen/ von Geſtalt und Schalen
denſelben gleich/ iedoch nicht ſo groß/ ſondern etwan noch
zweymahl ſo groß/ als eine zimliche Linſe und ſchwartz und hat
der Baum kleine zaͤckichte Blaͤtterlein/ faſt wie Wickenſtroh.


Jndem ich nun auf meinem Cameel ſitzend daher kam
und entſchlaffen war/ das Cameel aber die Frucht unter den
Gummi-Baͤumen/ ſo in ziemlicher Menge abgefallen waren uñ
auf der Erden lagen/ gewahr ward und derſelben nachging/
ſintemal es den Cameelen gar ein angenehme Futter iſt/ haͤtte
es gar leicht geſchehen koͤnnen/ daß mirs die Augen auß dem
Kopffe unter ſolchem ſtachlichten Baume herauß geriſſen/ oder
mir das Geſichte und den Leib wol ſozugerichtet haͤtte/ daß ich
wuͤrde haben muͤſſen deß Todes druͤber ſeyn. Der allerhoͤchſte
aber gab ſonderlich ſeine Gnade/ daß ich erwachte und gewahr
ward in was groſſer Gefahr ich ſtack. Und weil ich nicht wieder
zu ruͤcke konte/ legte ich mich auf dem Cameel nieder/ ſo tieff ich
konte und ließ es gehen/ da es denn gewaltig uͤber meinen pun-
ten Rock ging/ daß wenig dran blieb/ iedoch war es gleichwol
ehe zuvergeſſen/ als wenn ich gar ums Geſichte und mein Leben
haͤtte komm en ſollen.


Von denſelben Gummi-Baͤumen nun rinnet ein ſolches
Gummi oder Hartz herab/ faſt wie von Kirſchbaͤumen/ nur daß
es haͤrter und ſuͤſſer iſt/ dahero es deñ die Mohren vor eine ſon-
derbare delicate und anmuthige Speiſe freſſen/ derglichen deñ
auch mir ein Mohr ein ziemlich Stuͤcke dar both/ in Meinung
A a 3mir
[188]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
mir dadurch gar einen ſonderlichen Gefallen zu thun. Und weil
ich das vermerckte/ nahm ichs auch mit freundlichen Geber-
den an und leckte mit der Zungen dran/ welches er ſich gar wol
gefallen ließ/ warff es aber verborgener Weiſe weg und ſtel-
lete mich/ als wenn ichs gar wol verwahret haͤtte zu meinem
Gebrauch und Genieſſung/ damit ich ihn nicht verunwillen
wolte.


DasVIII. Capitul.


Von weiterer Forſtellung unſerer
Reiſe.


DAs ich aber wieder auf unſere Reiſe komme/ ſo habe ich
in dieſem ſandigen Thaale unter und zwiſchen dem grau-
ſamen groſſen hohen Steinklippen-Gebuͤrge abermals
etzliche ſehr groſſe breite herab gefallene ſchwartze Steine geſe-
hen und angetroffen/ in welche die Kinder Jſrael Hebreiſche
Schrifft gegraben/ ſo hoͤher/ als ein Finger lang iſt/ war/ wie-
wol ſie vor Alter uͤbel mehr zuerkennen und manche Buchſta-
ben faſt dem Steine gleich worden waren. Auch habe ich dar-
neben geſehen allerhand Egyptiſche Character/ welche aber
auch ſchon ziemlich verloſchen und uͤbel mehr zuerkennen
waren.


Eine halbe Stunde nach Mittage ſind wir wiedeꝛ mit den
Cameelen aufgebrochen. Zur rechten Hand gar nahe hatten
wir lauter Huͤgel und noch immer Stein-Klippen/ zur lincken
aber lauter hoch Stein-Gebuͤrge. Der Weg war von Sand
und gewachſenen glatten Steinen/ die Huͤgel ſtunden in ebe-
nen Thaal. Zwiſchen dieſen Huͤgeln uñ Steinfelſen iſt ein Mohr
mit ſeinem Weibe/ die das Geſichte verdeckt hatte/ auß einer
tieffen und hohlen Stein-Klufft/ in dergleichen ſich denn die
Moh-
[189]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Mohren und Araber/ als das wilde Vieh/ auff halten/ zu uns
kommen/ hatte einen ledern Sack bey ſich und bath uns um et-
was Waſſer/ wie wir ihm denn auch etwas mittheileten/ ob
wirs gleich nicht uͤbrig hatten und es lieber behalten haͤt-
ten.


Und weil ich oben bey Beſchreibung deß Staͤdtleins
Sues der Mohren zugedencken den Anfang gemachet/ als will
ich allhier ein wenig außfuͤhrlicher reden von ihrem Zuſtande/
Leben und Sitten.


Ein Viehiſches Volck iſt es/ denn ſie wohnen entweder in
ſolchen tieffen finſtern Hoͤhlen und Kluͤfften/ oder ſpannen da
in der Wuͤſten auf dem Sande ſchwartze/ oder weiſſe grobhaͤri-
ge Tuͤcher auf/ darunter ſie vor der Sonnen Hitze kriechen/ le-
ben/ wie das unvernuͤnfftige Vieh/ nehmen zwar Weiber/ aber
keine zur Ehe und achten keine Bluthfreundſchafft und leiden
Hunger und Durſt/ wie ſie denn nichts haben/ als was ſie rau-
ben und ſtehlen/ davon ſie ſich und ihre Kinder erhalten. Jhre
Cameel laſſen ſie da in der Wuͤſten im Sande frey gehen und
moͤgen ſehen/ wie und wovon ſie ſich erhalten/ dann von ihren
Herrn ſie ſich weniger Huͤlffe zugetroͤſten.


Dieſer Mohr ſatzte ſich auf ſein Cameel und ritte mit uns
freywillig einen ziemlichen Weg/ da kamen wir an einen
Orth/ woſelbſt etzliche ſolche grobe haͤrinne Tuͤcher aufgeſpan-
net waren/ worunter Mohren wohneten/ bey denen er zuruͤ-
cke blieb. Kurtz hier auf kam wieder eine Mohrin und bath um
einen Trunck Waſſer/ den ſie auch erlangete.


Gegen halb Abend kamen wir in einen Thaal. Und
weil wir allda eine Mohrin antraffen unter einem
ſchwartzen aufgeſpanten haͤrinnen Tuche wohnend/ deren
Mann
[190]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Mañ aber eine Zeit lang von ihr geweſen und ſich ohne Zweifel
auf dem Raube mit ſeinen Geſellen aufhielt/ haben wir uns
bey ihrem Tuche gelagert/ weil ihr Mann ſonſt darzu beſtellet
war/ daß er wegen der groſſen Unſicherheit der hieherum ſtreif-
fenden Mohren die Carovanen deß Nachts bewachen muͤſſen/
allermaſſen es denn auch dieſe Nacht das Weib in Abweſenheit
deß Mannes verrichtete.


Dieſen Abend/ als wir uns gelagert hatten/ iſt eine Moh-
rin zu uns kommen mit zweyen ſchon erwachſenen und gleich-
wol gantz nackenden Kindern/ die uns einen Krug mit guthen
friſchen Waſſer verehrete/ welches ſie gar weit geholet hatte und
thaͤt uns damit einen ſehr groſſen Dienſt/ weil wir Mangel
dran hatten und das wenige/ ſo wir noch im Vorrathe hat-
ten/ gantz warm und ſtinckend worden war.


Hiervor verehrete ich ihr und ihren Kindern hinwiderum
etzliche weiſſe Pißkotten/ welche ihnen gar groß Ding waren/
krochen demnach bald damit unter ihre haͤrinne Decke und
brachten bald darauf auch einen Krug voll Kameel Milch/ die
ich nicht trincken konte/ mein Tuͤrcke aber ſoffe ſie alſo warm/
wie ſie gemolcken war/ mit Luſt hinein/ goſſe auch davon ein
Schuͤſſel voll ein/ brockte Pißkotten drein und aß ſie auß mit
ſeinem natuͤrlichen Loͤffel/ nemlich ſeinen Haͤnden/ die er wol
wie lange/ dem hoͤflichen Anſehen nach/ nicht gewaſchen hat-
te. Das haͤtte einem wol einen appetit erwecken koͤnnen/ wenn
er gleich ſonſt nicht hungerig/ noch durſtig geweſen waͤre.


Und weil ich von ietzt gedachter Mohrin Nachricht be-
kam/ wo ſolch friſch Waſſer im Gebuͤrge zu holen/ ſchickte ich
mit einem Mohr dahin und ließ mir auf einem Kameel auch ei-
nen Uter deſſelben holen/ damit ich mich wieder auf die Reiſe be-
helffen konte.


Den 3. Julij fruͤh um Sonnen Aufgang ſeynd wir wie-
der
[191]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
der fort gereiſet und haben uns eine Stunde vor Mittage un-
ter einem ſtachlichten Gummi-Baum gelagert/ weil wir dieſen
Morgen unaußſprechliche Hitze außgeſtanden. Seynd allezeit
im Thaal unter und zwiſchen uͤberauß hohen groſſen Steinfel-
ſen und etwas Bergen gereiſet und halte ich dafuͤr/ weil dieſes
Gebuͤrge weit um und um anders nicht/ als ſchwartz roth und
Braun gleiſſend und alſo wie verbrannt ſcheinet/ daß ſolches
von der uͤber auß groſſen unaußſprechlichen und faſt unertraͤg-
lichen Hitze verurſachet werde. Es moͤgte hier wol iemand
wundern und fragen: Wo doch die Mohren herkommen we-
ren? ohne iſt zwar nicht/ daß ſie die grauſame Sonnen-Hitze
alſo verbrennet/ weil ſie harte Steine und Felſen verbrennen
und ſchwaͤrtzen kan. Allein weil ſie gleichwol auch flugs ſchwartz
gebohren werden/ ſo wolte ich gleichwol nicht vermeinen/ es
muͤſſe auch zugleich noch eine andere innerliche/ ob gleich uns
verborgene Urſache dabey ſeyn. Es gibt gleichwol nirgendswo
ſolche ſchwartze Leute/ als in Africa, an denen Mittellaͤndiſchen
Orthen. Schlage demnach keines Weges in Wind/ was mir
einsmahls ein vornehmer Juͤdiſcher Rabbi ſagte: Cham/ der
Gottloſe Sohn Noha/ haͤtte ſich auch in der Arche mitten un-
ter waͤrender Suͤndfluth aus groſſer Geilheit deß Beyſchlaffs
gebrauchet/ dahero hernach der Sohn/ ſo drauf waͤre geboh-
ren worden und alle ſeine Nachkommen ſolche ſchwartze Leute
worden waͤren/ uñ muͤſte alſo ihre ſchwaͤrtze ſo eine Straffe von
Gott zum ewigen Zeugnuͤß der Boßheit ihres Groß- und Ur-
ſprungs-Vaters Chams/ als auch daher folgends von Na-
tur und nicht nur von der aͤuſſerlichen Sonnen-Hitze ſeyn. Und
das beſtaͤttiget die Sache auch um ſo viel deſto mehr/ (1.) weil
Chus, der ein Enckel war Chams/ und ſeine Nachkommen die-
ſe Laͤnder bewohnet und (2.) ohn allen Zweiffel daher kommen/
daß man einen Mohr Chuſaph nennet/ das iſt/ ein Nachkoͤm̃-
B bling
[192]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ling Chus. Jedoch ruͤcke ichs zu dem Ende mit ein dem begierigẽ
Leſer Gnuͤge zu thun und nicht diſputirens halben/ oder einen
Glaubens-Artickel drauß zu machen.


Allhier haben wir unterwegen viel Stein-Huͤgel geſehen
an und unter denen die Mohren ihre Wohnungen hatten/ wie
wir denn auch hierum gar viel Spuren der Schlangen und
Heydexen geſehen.


Jn dieſem Thal fließt ein Waſſer/ faſt einer Elen tieff/
koͤmmt von dem hochſchwartzen-Gebuͤrge herab und gehet ei-
ne Tager eiſe von hier zur rechten Hand/ da wir reiſeten/ ins
rothe Meer. Auch ſihet man noch allda etzliche uhralte mit von
den Stein-Felſen abgebrochenen Steinen erbauete ſteinerne
Mauren etwas den Felſen hinan die aber ietzt mehren theils zu
Steinhauffen worden/ und ſollen/ wie man mich berichtet/ zu
uhralten Zeiten Juͤden allda gewohnet haben.


Die Mohren welche hier zu der Carovan der Cameelen be-
ſtellet/ werden in ihrer Sprache Pedubeen genannt/ die aber zu
den Eſeln/ Muk ker. Die Cameelotten/ oder Pedubeen gehen/
wie oben gemeldet/ in den allerheiſſeſten und von der Sonnen
entbrandten Sande entweder gantz barfuß/ welches ich doch
in guthen ſtarcken Schuhen nicht thun koͤnnen/ oder brauchen
Sohlen von Cameel-Haut/ die ſie feſt anbinden/ tragen lange
weiſſe/ oder blaue Hemden mit langen weiten Ermeln von an-
derthalben Elen weit und ſonſt keine andere Kleider. Um den
Leib guͤrten ſie ſich mit einem breiten ledern Guͤrtel und auf der
Bruſt fuͤhren ſie an demſelben Guͤrtel einen langen ſpitzigen uñ
krummen Dolch/ oder Meſſer/ ihr Gewehr aber iſt ein langer
Spieß/ deſſen Schafft ohngefaͤhr eines guthen Daumens di-
cke und von 14. biß 16. Schuh lang/ woran oben ein klein ſpitzi-
ges eiſen.


Allhier regnet es gar ſelten/ ſchneyet aber offt im Winter/
dennoch
[193]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
dennoch bleiben die Mohren in der Wuͤſten in den finſtern tief-
fen außgehoͤlten Steinklippen/ obs gleich im Winter noch ſo
kalt iſt in dieſem Gebuͤrge.


Anderthalbe Stunde ohngefaͤhr nach Mittage ſind wir
wieder fortgezogen in einen roth ſandigen und mit gruͤnen
Buͤſchen bewachſenen gantz ebenen Thaal zwiſchen gar hohen
ſchwartz/ braun und rothgleiſſenden Felſen/ ſo uns gar nahe
auf beiden Seiten war/ alſo/ daß der Thal nicht eines Buͤchſen-
ſchuſſes breit anzuſehen war/ welches ohngefaͤhr ein vier Stun-
den alſo gewaͤhret/ hernach hat er ſich angefangen mit groſſen
rothen/ braunen Steinen und iſt uͤber alle maſſe ſchwerlich mit
den Kameelen fortzukommen geweſen und hat gewaͤhret ſo
lange/ biß ſich Tag und Nacht geſcheiden hat: Da iſts erſt noch
ſchlimmer worden und war der gantze Thaal ſo voll Steine
und Felſen/ daß gar kein Weg mehr zu reitem war/ ſondern ha-
ben abſitzen und die Cameel fuͤhren muͤſſen/ welches wol eine
gute Stunde alſo angehalten/ alsdenn folgte wieder ein ebe-
ner ſandiger Boden. Da haben wir in einem rothſandigẽ Thal
viel Graͤber funden dahin Reiſende begraben werden/ die von
den Raͤuberiſchen Mohren ſind erſchlagen worden.


Dieſen Abend ſeynd wir zwey Stunden in die Nacht zu
der Carovan, welche wir im Finſtern von weiten zwiſchen ſehr
hohen Steinklippen liegend an ihren angezuͤndeten Feuern er-
kennen koͤnnen/ kommen und haben uns auch bey ſie gelagert/
mat und muͤde und habe ich mich widerum erquicket/ wiewohl/
wie ſehr/ iſt leicht zu achten/ ſintemalich mich die gantzen elff
Tag und Nacht/ die wir auß Egypten in der Wuͤſten gereiſet/
mit lauter harten Pißkotten/ mit ſtinckendem faulen Waſſer/
Oehl und Eſſig behelffen muͤſſen/ welches meine Speiſe und
Tranck war/ welches ſchlechte Kraͤffte und Staͤrckung geben
kan.


B b 2All-
[194]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Allhier habe ich auch den alten Griechiſchen Muͤnch bey
der Carovan wieder gefunden/ welcher mit der ſtaͤrckſten Men-
ge den erſten Julij voran gangen war/ der gleichen er allemahl
thaͤt/ weil er zu dem Ende vom Kloſter zu Sinai geſandt war/
daß die Victualien/ ſo ſolchem Kloſter zugebracht werden ſolten/
nit allein gehen ſolten. Der gieng nun auch dißmal gegen Mor-
gen wider mit voran und reiſeten wir im̃er auf etliche Parten.


Es war aber zu Nachts ein Cameel verlohren worden/
ſolches wieder zu ſuchen die Mohren und Pedubeen in aller fruͤh
außgelauffen waren und mich damit den andern Cameelen al-
leine gelaſſen. Nachdem ich nun eꝛwacht und niemand um mich
ſehe/ auch kein Geſchrey/ der Mohren Gebrauch nach hoͤre/ bin
ich zum hoͤchſten erſchrocken und gedacht/ daß nun andeꝛs nicht
ſeyn koͤnte/ als daß die raubende Mohren kommen und mich
da in der Wuͤſten verlaſſenen auf meinem Wollen-Sacke mau-
ſe todt ſchlagen wuͤrden. Und ob ich gleich die zuruͤck gelaſſene
Cameel ſahe/ wolte michs doch wenig troͤſten/ weil ich wuſte/
daß die Mohren ihre Cameel alſo im Sande loß gehen zu laſ-
ſen/ ſie aber in Hoͤlen und Kluͤfften zu wohnen und hernach die
Reiſenden zuuͤberraſchen pflegten/ welches mir auch leichtlich
geſchehen koͤnte/ ehe ich mirs vermut hen doͤrffte.


Nach dem ich mich aber mit ſolcher Furcht und Gedan-
cken plage/ kommen zu meinem groſſen Gluͤck die Mohren mit
dem gefundenen Cameel wieder zuruͤcke. Wer war froͤher als
ich/ daß ich zugleich auch meinen Tuͤrcken und Camelotten wi-
der bekam?


Hier auf haben wir mit zwey Cameelen in einem etwas
im Gebuͤrge entlegenen Orthe/ knine genannt/ ohn gefaͤhr eine
Jtalieniſche Meile weit friſch Waſſar holen laſſen und rei-
ſeten alſo den 4. Julij wieder mit Freuden fort und kamen bald
drauff in einen ebenen ſandigen und buͤſchigen Thaal und ha-
ben den Tag abermals groſſe Hitze außgeſtanden. Sind zwi-
ſchen
[195]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſchen ſehr hohen Steinfelſen zu beiden Seiten hingezogen/ biß
wir wegen der unertraͤglichen groſſen Hitze einen ſehr anmu-
thigen hohen weiten Felſen angetroffen und Mittags Ruhe
drunter genommen und uns mit Speiß und Tranck/ ſo guth
wirs hatten/ wieder erquicket. Und wie mich der Muͤnch berich-
tet/ ſo ſolte dieſes unſaͤgliche Wuͤſte Stein-Gebuͤrge ſich biß an
den Berg Sinai erſtrecken und mit dem Griechiſchen Kloſter
grentzen.


Jch hatte mich bißhero in der ſtarcken Sonnen Hitze heff-
tig abgemattet/ nimmer keinen warmen/ noch guthen Biſſen
geſſen und Tag und Nacht in Unruhe/ Hunger und Durſt/
Furcht/ Angſt und Gefahr/ wie ich ohne Schaden in ſolcher
wilden fremde und wuͤſten Einoͤde unter ſo viel Barbariſchen
Voͤlckern hinkommen moͤgte/ zubracht/ darum war mir dieſer
erquickende Felſen ſonders angenehm und ſehr erfreulich zur
Ruhe/ ob es gleich eine geringe Weile waͤren konte.


Denn mit ſolchem Felſen war es alſo beſchaffen: Er war
von unten hinauf ſo hoch/ als ich kaum mit aufgehabenen Haͤn-
den reichen koͤnnen und weit enhinder gantz hohl 250. Spannen
umbher als wenn er mit fleiß außgewoͤlbet/ oder außgearbeitet
geweſen were. Und wenn man von auſſen hinein ſahe/ ließ eꝛ ſich
anſehen/ wie man die Hoͤlle mit ihrem abſcheulichen
Rachen abzumahlen pfleget. Dahero weil die Son-
ne nicht hinein ſcheinen konte/ es drunter ziemlich friſch und
kuͤhle war. Der Felß war roth/ weiß und ſchwaͤrtzlich vom
Stein und ſo hart/ als ein Kieſelſtein und waren weiland He-
breiſche Buchſtaben drein gehauen geweſen/ die man doch Al-
ters halben nicht wol mehr erkennen konte. Sollen auch von
denen Kindern Jſrael/ wie mich die Mohren berichtet/ allda
zum Warzeichen ihrer Reiſe hinterlaſſen worden ſeyn. Bey
dieſem Felſen ſtehet auch noch ein anderer/ der et-
was kleiner iſt: Und wird dieſer Orth von den Mohren Prach
B b 3ge
[196]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
genennet/ deme nicht weit gegen uͤber ein Brunnen iſt/ ſo Fer-
dama
genennet wird.


Nach Mittage ſind wir wieder aufgebrochen und fort
gezogen und zur rechten Hand das lange ſpitzige und hohe Ge-
buͤrge Pharan anſichtig worden und hernach allgemach hinter
uns gelaſſen. Jnwendig dieſes Gebuͤrges ſihet man eine alte
zerbrochene und zerſtoͤrte Stadt und Schloß/ welche Stadt
vordeſſen auch Pharan genennet worden/ von der noch eine an-
dere Wuͤſten/ ſieben Meilen von Jeruſalem gegen Mittag ge-
legen/ in welcher Jſmael/ Abrahams und Hagar Sohn/ ge-
wohnet haben ſoll/ den Namen bekommen/ daß ſie auch die
Wuͤſten Pharan iſt genennet worden.


Gegen halb Abend ſind wir in einen gar roth ſteinigten
Thaal/ wie geſtern Abend kommen/ der doch nicht lange ge-
waͤhret/ hernach in eine groſſe weite Ebene/ und haben das Ge-
buͤrge Pharan hinter uns im Ruͤcken verlaſſen.


Eine Stunde nach der Sonnen Untergang haben wir
gar nahe zur rechten Hand bey dem gꝛentzenden und dem Grie-
chiſchen Kloſter angelegenen Gebuͤrge unſere Cameel abgela-
den und allda im Sande verblieben.


Und obwol diß Gebuͤrge an deß Kloſter Grentzen anſtoͤſ-
ſet/ ſo iſts doch demſelben noch ſehr weit entlegen und erſtreckt
ſich jenes zur rechten Handwerts in eine Wuͤſten hinein.


Den 5. Julij ſind wir alſo ein paar Stundẽ vor der Son-
nen Auffgang wider aufgebrochen und etwann noch andert-
halbe Stunde zu einem engen Thaal kom̃en/ allda Moſes einen
uͤberauß hohen ſchwartzen ſich weit erſtreckenden und aneinan-
der hangenden Felſen mit ſeinem Stabe voneinander getheilet/
damit er die Kinder Jſrael deſto naͤher dem Berge Sinai zufuͤh-
ren koͤnte. Sind alſo zwiſchẽ uͤberaus grauſamen hohẽ gleiſſen-
den und zerſtickelten Steinfelſen hingeritten und haben zur
lincken
[197]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
lincken Hand einen hohen rothen abſonderlichen Stein geſehen.
Uff deſſen Hoͤhe iſt ein Loch/ wie in einem ledern Stuhl ſo glat/
als wenn er eine lange Zeit were gebraucht und drauff geſeſſen
worden/ etwas abhengig und gehen etzliche Stuffen hinan.
Jn dieſem Stuhl ſol Moſes geſeſſen ſeyn/ ſonderlich zu der
Zeit/ wenn ſie GOtt ein Opfer in der Hoͤhe gethan. Denn
da wird auf den Felſen auch noch ein Stein gewieſen/ welcher
weiß iſt/ worauff geopffert worden. Halte dafuͤr/ daß man
ietzt ſchwerlich drauf ſitzen koͤnte/ weil er abhengig und ſehr
glatt iſt/ auch unten die Fuͤſſe wegen der Tieffe nicht ruhen koͤn-
ten.


Von dieſem rothen Felß iſt der enge Thal/ nicht wol eines
Piſtol Schuſſes weit/ gelegen/ hat auf beiden Seiten gantz
ſchwartz und braunlichtes unaußſprechliches jehes ſteinfelſig-
tes Gebuͤrge.


Ferner hinaus unten auf dem Thaal iſt ein ander groſſer
rother Stein/ in deſſen Mitte ein rundes Loch: und ſagen die
Mohren/ daß zur ſelbigen Zeit/ als Moſes mit ſeinem Stabe
den Felß zertheilet/ er daſelbſt eine groſſe Schlange gefun-
den/ dieſelbe zerhauen und den Kopf auf das hohe Gebuͤrge
zur rechten Hand/ wenn man in den Thal reiſet/ geworffen
haben ſolle.


Jn dieſem Thal ſind wir alſo fortgezogen und ſind noch
vor Mittage/ GOTT Lob/ nach aus geſtandenem groſſen
Hunger/ Durſt/ Hitze/ Wachen/ Tag- und Nachts-Reiſen vie-
ler Angſt und Leib- und Lebens-Gefahr an den heiligen Berg
Sinai und in das Griechiſche Kloſter dabey gluͤcklich und mit
Freuden ankommen/ da ich denn meinem GOTT von Her-
tzen gedancket/ daß ichs mit ſeiner Huͤlffe ſo weit gebracht und
geſeufftzet/ Er wolle mich auch noch weiter durch ſeinen heili-
gen Macht-Engel fuͤhren und behuͤten.


Das
[198]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Das fuͤnffte Buch.


Begreifft einen Bericht von dem Berge Sinai in Ara-
bien und was ſelbiger Orthe denckwuͤrdiges
zu ſehen iſt.


DasI. Capitul.


Von meiner Ankunfft im Kloſter und wie ich im ſel-
bigen angeſehen geweſen.


NAch dem ich nun ins Kloſter kommen/
haben mich die Muͤnche alsbald gar freund-
lich empfangen und meine Sachen in Ver-
wahrung nehmen laſſen/ mich abeꝛ in eine Ca-
pelle gefuͤhret und begleitet/ damit ich daſelbſt
auf meinem Glauben zu meinem Gott mein
Gebet und Danckſagung ablegen ſolte/ wie
denn auch geſchehen und ich deſſen hohe Urſache hatte. Unter-
deſſen habe ich mich bey dem Herꝛn Biſchoff anmelden und um
gnaͤdige Audientz anhalten laſſen/ wie mir ſolches auch gar
gnaͤdig bewilliget worden.


Hierauf bin ich in ein groß Zimmer gefuͤhret worden/
worinnen der Biſchoff auf einem hohen Throne ſaß und um
ihn her ſtunden ſeine gantze Cleriſey und Muͤnche in aller devo-
tion
und Sittſamkeit. Und nach dem ich meine devotion und
reverentz abgeleget/ ließ ich durch meinen Tolmetſcher/ den
Tuͤrcken/ mein Anbringen thun in Arabiſcher Sprache/ wel-
ches er mir hernach Jtalieniſch erklaͤrete: Nemlich aus was
Urſachen und warum ich dieſe ſchwere und gefaͤhrliche Reiſe
dahin gethan durch dieſe Wuͤſte und wilde Wuͤſten zu dieſem
heili-
[199]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
heiligen Berge Sinai/ woruͤber er denn ein groſſes Gefallen
hatte und fertigte alsbald einen von ſeinen Muͤnchen abe/ ließ
eine Schuͤſſel voll ſchoͤne Pirn holen und mir vortragen und
mich zu Genieſſung derſelben noͤthigen.


Hiernebenſt ließ er auch eine Flaſche mit Brantewein
langen/ ein Glaͤßlein davon einſchencken und mir præſentiren.
Weil mirs aber hoͤchſt zu wider/ ſintemal ich den Brantewein
mein Tage nicht wol vertragen koͤnnen/ meiſt mich aber beſor-
gete/ ſo ich dieſes ungewohnte hitzige Getraͤncke auf bißhero
außgeſtandene groſſe und nochhabende Hitze in mich gieſſen
wuͤrde/ daß ich mir eine ſchwere Kranckheit uͤbern Halß ziehen
moͤgte/ da ich denn unter ſolchen barbariſchen Leuten der
elendeſte Menſch geweſen waͤre/ habe ich mich durch
meinen Tuͤrcken und Tolmetſcher aufs beſte muͤglich ge-
weſen/ entſchuldigen und meine bewegliche Urſachen
melden laſſen. Solches nam auch der Biſchoff gar
freundlich auf und ließ mir nicht allein nach meinem ſelbſt ei-
genen Gefallen ein halb Glaͤßlein einſchencken/ welches ich
auch zu groſſem Dancke annahm/ ſondern griff auch zu Be-
zeigung ſonderbarer affection in die Schuͤſſel und reichete mir
eine Hand voll Pirn. Und war alſo alle Sache mit mirguth.


Weil ich damals das Meinige verrichtet hatte/ habe ich
durch meinen Tollmetſcher fuͤr die mir erwieſene groſſe Gnade
dancken und bitten laſſen mir einen gnaͤdigen Abtritt zuveꝛſtat-
ten/ mit Fuͤrwenden/ daß Jhrer Gnaden ich nicht laͤnger be-
ſchwerlich ſeyn/ noch ſie an ihrer hochwichtigen Ampts-Ver-
richtung hindern wolte/ wie vielleicht ich ohne deß bißhero mehr
als zu viel gethan/ auch daß mich Jhre Gnaden ferner zu ihrer
Gnade und Foͤrderung wolle befohlen ſeyn laſſen/ welches er
mir auch verſprochen und in der That bewieſen hat.


Hierauff hater mich in eine Kammer bringen laſſen/
worinnen etwann einer halben Elen hoch von der Erden mit
C cBretern
[200]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Brettern eine Stelle erhaben und mit ſchoͤnen Tapeten bede-
cket war/ dar auf lagen zwey unterſchiedene Wollene Matra-
tzen. Uber meiner ein roth ſammete Decke und Polſter/ auf wel-
chem man deß Tages zu ſitzen pfleget/ meines Tuͤrcken aber und
Tolmetſchers war von allerley Farben gemahlter klarer
Baumwolliner Leinwat mit Wolle geſtopffet und gefuͤllet.


Auf den Abend kamen zwey Muͤnche zu mir in die Kam-
mer und wolten mir Kloſter Brauch nach und zu Bezeugung
der Liebe das Haupt und die Fuͤſſe waſchen/ davon ich endlich
auch das erſte geſchehen laſſen muſte/ deß andern aber mich mit
ſchwerer Muͤhe erwehrete.


Dieſe Kammer/ wie denn in den Griechiſchen Kloͤſtern
gemeiniglich der Brauch/ ich auch in vielen ſelbſt geſehen/ war
in der Hoͤhe mit ſtarckem Rohr beleget/ uf welchem hernach
Erdreich und Eſtrich geſchlagen war/ und hatte kleine enge
Fenſter ohne Glaß. Wenn ich aus dieſer meiner Kammer
ausgeſehen/ habe ich das grauſame rauhe gantz erſchreckliche
ſteinigte Gebuͤrge gar nahe fuͤr den Augen gehabt.


Dieſes Kloſter liegt in einem tieffen Thaal auf einer Sei-
ten im hinein Reiſen in lauter hohem Stein-Gebuͤrge/ flugs
vor demſelben her auſſen iſt ein langer ſchoͤner Luſtgarten mit
hohen Mauren umbgeben. Unten umher im Thaal faſt biß an
die Kloſter-Mauren wohnen Mohren. Auſſer dem Thaal zur
rechten Hand nicht weit vom Garten iſt ein kleiner rothſandi-
ger felſichter Berg/ allda Aaron den Gottesdienſt in aufge-
ſchlagenen Zelten verrichtet haben ſoll/ auch wo das Feuer
vom Himmel gefallen und ſeine zween Soͤhne Nadab und A-
bihu verzehret/ darum/ weil ſie fremde Feuer fuͤr den HErrn
geopffert hatten/ davon zu leſen im 3. Cap. deß 3. B. M.


Uber das Kloſter/ nach dem Berge Sinai zu/ iſt der Berg/
ſo von unten gruͤnlicht ſcheinet und zwar ein lauter hoher Felß/
den-
[291[201]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
dennoch aber mit hart ſtengligten Kraͤutern bewachſen/ auf
welchem Moſes ſeine Schafe gewie@et und ſchleuſt gleich das
Thal/ wo das Kloſter in der Mitte lieget/ wiewol auch noch an-
dere Thaͤler zur Seiten zuſehen ſeyn.


DasII.Capitul.


Von dem Griechiſchen Kloſter und ſeinem Zuſtande
Jnſonderheit.


DJeweil es doch meines erachtens/ mit dieſem Kloſter in
dieſer grauſamen Einoͤde gar ein beſonderes iſt/ als kan
ich nicht unterlaſſen/ deßwegen einen richtigen Bericht
hieher zu ſetzen/ damit dem begierigen Leſer ein Genuͤgen ge-
ſchehe.


Dieſes Kloſter/ wie kurtz vorhero gedacht worden/ liegt
in einem tieffen Thaal unten am Fluſſe deß Berges Sinai in
lauter Steinklippen und iſt in die 1200. Jahr alt/ eben von dem
Meiſter erbauet/ welcher die in aller Welt beruͤhmte Kirche
S. Sophia zu Conſtantinopel gebauet hat und hat daſſelbe der
beruͤhmte Keyſer Juſtinianus M. der das Recht durch den gelehr-
ten Mann Trebonianum in ein richtiges Corpus bringen laſſen-
fundiret und geſtifftet/ die Muͤnche drinnen ſeynd deß Ordens
S. Catharinæ.


Es iſt ein ſehr weit groß und feſte Gebaͤu/ hat um und um
ſehr hohe ſtarcke ſteinerne Mauren mit groſſen Qua@erſtuͤcken
von unten/ obenaus aber von andern Steinen erhoͤhet und hat
drey ſtarcke eiſerne Thuͤren im Eingange/ uͤber der Mittlern
aber oben ein Loch/ da die Muͤnche wenn die Mohren e@wann
mit Gewalt was ſuchen wollen/ wie zum oͤfftern geſchiehet/
ſiedend Waſſer unter ſie gieſſen uñ mit Steinen werffen koͤñen.


Denn da muͤſſen ſie taͤglich in die 50. und bißweilen wol in
die hundert in den Steinklippen wohnende Mohren
ſpeiſen und unterhalten/ und wo ſie es nicht thaͤten/
C c 2muͤſten
[202]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
muͤſten ſie in Leib und Lebens Gefahr ſitzen und im-
mer gewaͤrtig ſeyn/ daß das loſe Geſindlein das Kloſter
anfiele und ſie mit Strumpf uñ Stiel außrottete. Zu dem Ende
werden auch/ jaͤhrlich drey oder viermahl auß Egypten dem
Kloſter ſo viel victualien zugefuͤhret/ daß ſie ſolch Anlauffen
außſtehen und der hungerigen Mohren Boßheit ſtillen koͤñen.


Vor Zeiten iſt ein groß Thor ins Kloſter geweſen/ ietzt a-
ber iſt es zugemauert/ daruͤber drey groſſe runde Steine und
oben drauff ein Loch/ wie ietzt gedacht zu ihrer defenſion.


Das Kloſter hat kein Tach und kan man oben wie auf ei-
nem Althan ſpatziren gehen/ die Zimmer aber in demſelben/
wie auch viel Capellen ſind oben mit ſchwachen Balcken/ wor-
uͤber die Tecke mit Rohr eines ſtarcken Fingers dicke geleget
und Eſtrich drauff geſchlagen iſt.


Jm Kloſter hats eine uͤberaus ſchoͤne Kirche/ welche in-
wendig unten am Boden mit allerley ſchoͤnen klaren farbich-
ten Marmel beſetzet iſt/ wie denn auch auf ieder Seite in die
Laͤnge ſechs ſtarcke ſolche Marmelſteinerne Saͤulen ſtehen/ in
deren ieder ſonderliche Heiligthuͤmer alter Heiligen/ ſo uͤber ie-
der Seule in einer viereckichten uͤberguͤldten Tafel abgemahlet
in darzu eingehauenen viereckichen Gruben/ oder Schrancken
eingefaſt/ verwahret ſind.


Die Kirche iſt von lauter Quaterſtuͤcken und oben mit
Bley gedeckt/ wiewol die Daͤcher flach und ſchmal ſind/ unter
welchen durch die Mauer viel kleine Fenſter und unter denſel-
ben wieder ein ander Dach mit Bley gedeckt iſt.


Hinten an dieſer Kirchen gegen Morgen iſt eine Capelle/
Joh. Baptiſtæ genannt/ worinnen unten an denen Waͤnden
herum die aͤltiſten Hiſtorien der Buͤcher Moſis abgemahlet zu
ſehen. Gegen uͤber iſt auch flugs der Berg/ auf welchen Moſes
hat ſehen den Buſch brennen und nicht verbrennen.


Den
[203]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 6. Julij bin ich auf Bitte auch in dieſe Capelle/ wie-
wol barfuß/ gefuͤhret worden. Denn weil Gott damals Moſi
um ſeiner heiligen Gegenwart willen heiſſen ſeine Schuh auß-
ziehen/ da er zum feurigen Buſch hinzu tretten wollen/ ſo muͤſ-
ſen nun noch heute zu Tage alle Pilgriam ihre Schuh außzie-
hen/ wenn ſie da hinein gehen wollen.


Das Oerthlein/ wo der Buſch gebrannt/ iſt ietzt unter ei-
nem weiſſen viereckichten Marmel einer Spanne hoch umher
mit Kupffer gefaſſet/ als ein halb Rundel/ ſo in die Mauer ge-
arbeitet und oben iſt wieder ein Blat von weiſſen Marmel auf
vier dergleichen runden Saͤulen/ welche ſchmal und nicht ſon-
derlich hoch ſind. Unterm Blat zwiſchen den vier Saͤulen bren-
nen drey Lampen und muß zum wenigſten eine davon ohn Un-
terlaß brennen/ damit dieſer heilige Orth nimmer ohne Liecht
ſey. Die Decke obẽ iſt viereckicht roth mit vielem Holtzwerg auch
in viereckichte Felderlein iedes einer Spannen weit aneinander
außgetheilet und weiß angeſtrichen/ mit viel ſilbernen bren-
nenden Lampen behenget.


Als ich aus gedachter Capelle gangen/ bin ich gleich in die
groſſe Kirche zu S. Catharinen Kaͤſtlein genañt kommen an
dem hohen Altar zur lincken Hand/ von welcher hernachmals
Meldung geſchehen ſoll.


Dem Ausgange dieſer Kirche gleich gegen uͤber iſt eine
ſehr tieffe Ciſtern/ oder Brunn/ meiſtentheils in Felſen ge-
hauen/ aus welcher Moſes ſeine Schafe getraͤncket/ dieweil er
ſchon zu Moſis Zeiten allda geweſen ſeyn ſoll. Hat gut friſch
Waſſer/ welches von ſich ſelber quillet und nimmer abnimmet/
dergleichen wir unter wegens wol mit Fingerlecken haͤtten
wuͤnſchen ſollen/ da wir uns mit dem warmen faulen und ſtin-
ckenden Waſſer behelffen und plagen muͤſſen.


C c 3Das
[204]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasIII.Capitul.


Von dem Berge Sinai und was auf demſelben
denckwuͤrdiges zu ſehen iſt.


DEn 6. Julij hat mir der Biſchoff einen Muͤnch zugeord-
net/ mit demſelben ſammt meinem Tuͤrcken/ der mein
Tolmetſcher war/ und zween Mohren/ ſo uns die Koſt
und Brantewein nachtragen muſten/ bin ich auf den Berg
Sinai geſtiegen. Flugs unten vor dem Kloſter am Aufgange
deß Berges iſt ein tieffer weiter und langer Brunn/ darein von
dem Moſis-Gebuͤrge das Regenwaſſer faͤllet und hat denſel-
ben eben der Meiſter verfertiget/ der das Kloſter gebauet hat/
welcher oben von auſſen nach dem Kloſter zu gewoͤlbet iſt.


Als wir nun ein wenig den Berg hinan kommen/ ſeynd
wir zu einem Brunnen kommen/ ſo unter einem Steinfelſen
entſpringet/ dahero wir uns auch in demſelben/ weil er ſehr
friſch und wir uns ziemlich erhitzet hatten/ recht wol erquicke-
ten.


Dieſer Brunn iſt wunderlich und auf ſolche Weiſe ent-
ſprungen: Es ſind einsmals in dieſem Kloſter ſo viel gifftige
Wuͤrmer/ Schlangen und ander Unziefer geweſen/ daß auch
die Muͤnche Willens geweſen daſſelbe gar zuverlaſſen und ſich
mit dem Leibe S. Catharina anderswohin zubegeben. Weil ſie
aber noch zu guther Letzt die heiligen Steten hin und wieder
mit andacht erſuchten und mit einer Procesſion um die heiligen
Berge giengen und nun wieder im herab gehen waren/ iſt in deꝛ
Hoͤhe uͤber dem Brunn/ wo ietzo ein Kirchlein im rauhen fel-
ſichten Gebuͤrge zum Gedaͤchtnuͤß erbauet iſt/ ihnen die Jung-
frau Maria erſchienen und hat ſie mit ſolchen Worten angere-
det: Sie ſolten keines Weges auß dem Kloſter weichen/ ſie wol-
[205]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
te bey Gott ſo viel zu wege bringen/ daß hinfort kein Wurm/
noch ſchaͤdlich Unziefer drinnen mehr ſolte geſehen werden/ und
iſt hierauf bald fuͤr ihren Augen verſchwunden/ woruͤber ſich
die Muͤnche hefftig entſetzet und vermeinet/ daß es ein Geſpenſt
geweſen. Seynd demnach mit Furcht vollends herab/ biß
an dieſen Brunn gangen/ allda auf ihre Knie gefallen und
Gott im Himmel angeruffen und gebeten/ daß/ dafern es ein
Goͤttliches Geſichte geweſen/ Gott zu Beſtettigung deſſen an
dem Orthe einen Brunn entſpringen laſſen wolle. Und das iſt
auch geſchehen. Denn in dem ſie im vollen Beten ſind/ ent-
ſpringet dieſer Brunn allda unterm Felſen in einem Augenblick/
welcher ein ſchoͤn lauter und wolſchmeckendes Waſſer hat und
noch heute zu Tage allda zu ſehen iſt. Drauff ſind die Muͤnche
wiedeꝛ ins Kloſter gangen und haben von da an biß auf die heu-
tige Stunde vom Ungeziefer Friede gehabt.


Das muß man einem Papiſten ſagen: Bey denen Evan-
geliſchen erleuchteten Chriſten iſt es/ Gott Lob nunmehr zu
helle zu dergleichen Fabeln und Legenden/ dieweil ſie wiſſen/
daß ſie im Namen CHRJSTJ GOTT ſelber um ſeine
Wolthaten anſprechen und nicht erſt der Heiligen Vorbitte
gebrauchen/ noch Gott verſichen doͤrffen.


Der Weg von unten im Thaal an/ biß faſt zu
hoͤchſt hinauff/ iſt ſo beſchaffen/ daß man faſt wie Stuffen
ſteigen kan.


Als wir ein wenig uͤbern Brunn hinauf kommen/ ſtieß
uns von der Hoͤhe ein ziemlicher ſtarcker Wind an/ drauff ka-
men wir in eine kleine alte Capelle mit einem gar niedrigen en-
gen Thuͤrlein/ Sanct Maria genannt/ an welcher
war ein klein Kaͤmmerlein. Jn dieſer Capelle raͤucher-
te der Muͤnch/ zuͤndete ein Wachsliechtlein an/ und ließ es
bren-
[206]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
brennen/ als wir her aus giengen. Auſſerhalb der Capelle ſind
zwey reihen Steine geleget/ allwo die Muͤnche/ ſo vor langer
Zeit allda gewohnet/ zu eſſen pflegen.


Ein wenig weiter hinauf wie auf einer Stiege
ſind wir zu einer oben rund gewoͤlbten Thuͤr kommen/ welche
zwiſchen den Klippen/ als einem engen Paſſe vor alten Zeiten
erbauet worden/ worbey vordeſſen allemahl ein Muͤnch Wa-
che halten muͤſſen und keinen ohne deß Biſchoffs eigenen Befehl
auf den Berg Sinai doͤrffen kommen laſſen.


Bey dieſer Pforten hat ſich vor deſſen gar ein ſonderba-
res zugetragen/ welches ich allhier zuerzehlen nicht unter laſ-
ſen kan. Es hat ſich auf eine Zeit ein Juͤde zugleich mit unter etz-
lichen Chriſten hinauf auf den Berg Sinai partiren wollen
und hat auch niemand anders gewuͤſt/ als wenn er auch ein
Chriſt were/ denn ſonſt durchaus kein Juͤde wiſſentlich hinauf
gelaſſen wird. Was geſchicht? Als er nun neben den Chriſten
vor dieſe Pforte koͤmmt/ der Meinung/ vollends mit auf den
Berg Sinai hinauf zu kommen und die Chriſtliche Pilgrim
ſchon alle hinein ſind/ kan er weiter von der Stelle nit/ noch eini-
gen Fuß fort ſetzen. Und als ſie ihn fragen: Warum er nit nach-
kaͤme/ gab er zur Antwort: Er ſehe uͤbeꝛ der Thuͤr Chriſtum/ den
Heyland der Chriſten/ am Creutze hangẽ und weil er kein Chri-
ſte/ ſondern ein Juͤde were/ ſo were ihm unmuͤglich uͤber die
Schwelle zu ſchreiten/ hat ſich alsbald tauffen laſſen und iſt
auch ein Chriſte worden/ alsdenn er hernach auch freudiges
Gemuͤthes und ungehindert durch dieſe Pforte und auf den
heiligen Berg Sinai gehen koͤnnen. Um welches wunders wil-
len ſich noch biß auf den heutigen Tag kein Juͤde unterſtehet
zuverſuchen/ daß er durch dieſe Pforte begehrte auf den Berg
Sinai zu gehen/ die anders Wiſſenſchafft darum haben.


Von dieſer Thuͤr etwas weiter hinauf iſt wieder eine an-
dere
[207]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
dere/ dabey Winterszeit der Schnee ſo tieff faͤllet/ daß man
ohne Gefahr nicht hinein kommen/ noch gehen kan. Hernach
ſind wir zu einem zwiſchen dem hohen rauhen Klippen-Gebuͤr-
ge weiten ebenen Platze kommen/ allda der Berg Horeb an-
gehet/ welcher von rothen und braunen Steinfelß/ der wie zer-
ſchmettert und zerbrochen iſt/ und ſtehet ſolcher Berg gantz
frey und iſt ſehr hoch/ der viel hoͤher iſt/ als der Berge Sinai/ ob
gleich der Berg Sinai gleichſam der Fuß deß Berges Horeb
iſt. Denn unten iſt der Berg einfach/ oben aber theilet er ſich
in zwey Spitzen/ deren eine der Berg Sinai genannt/ der an-
dere aber Horeb genennet wird.


Von unten im Thaal beym Kloſter an/ biß auf obgedach-
ten weiten Platz/ heiſſet der Berg Sinai von der Gegend der
Wuͤſten/ welche die Wuͤſten Sin genennet wird/ als auch in
heiliger Schrifft geſchicht/ hernach aber theilen ſich die Namen
den beyden Spitzen nach.


Auf obgedachten ebenem Platze war ein ſchoͤn luſtig
Gaͤrtlein/ zur lincken Hand aber drey kleine laͤnglichte ſchmale
Capellen aneinander gebauet mit flachen niedrigen Taͤchern
ſo von Eſtriche geweſen waren und ſind hart an den Berg Ho-
reb angebauet. Die erſte wird genennet S. Mariæ die andere und
mittelſte deß Propheten Eliſæi und die dritte deß Prophetẽ Eliæ
Capelle. Jn denſelben raͤucherte der Muͤnch gar lieblich und
fleiſſig/ denen ietzt gedachten Heiligen zu Ehren/ fuͤr welche ſol-
che Capellen auch erbauet ſind.


Die Capelle deß Propheten Eliſei war noch da die beſte/
oben rund und gewoͤlbet/ weßwegen wir auch unſer Nachtla-
ger drinnen aufzuſchlagen willens waren/ weil uns die Nacht
uͤbern Halß kam.


Und wiewol uns der Berg Horeb wegen ſeiner Hoͤhe und
Rauhe uͤber die maſſe ſchrecklich anzuſehen war/ iedennoch/
D dweil
[208]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
weil wir faſt noch eine Stunde Tag hatten und ich begierig
war mich auch allda ein wenig umzuſehen/ ſo weit zukommen
wuͤrde muͤglich ſeyn/ habe ichs mit dem Griechiſchen Muͤnche
gewaget und ſind durch das rauhe unebene und uͤber und uͤber
wie zerbrochenes und hangendes Stein-Gebuͤrge dahin ge-
klettert/ worinnen er mir etzliche uhralte kleine zwiſchen die ho-
hen Steinklippen erbauete Capellen/ S. Gregorii die eine/ die
andere S. Johannis und die @. S. Bartholomæi und daran gelege-
ne Gaͤrtlein gewieſen. Allein die groſſe Gefahr/ der Abend und
mir eingebildete Unmuͤgligkeit weil anders nichts/ ſo weit man
ſehen konte/ als Klippen und Felſen grauſamer Geſtalt und un-
außſprechlicher Hoͤhe/ zuſehen waren/ noͤthigte mich wieder zu
ruͤcke herunter und ſtiegen alſo mit ſehr muͤden Fuͤſſen uͤber ſol-
ches zerbrochene und rauhe unebene Gebuͤrge wieder herab
und kamen ziemlich ſpat in vorgedachte unſere Nachtherberge/
die Capelle deß Propheten Eliſei/ namen unſere Nacht mahl/
zeit ein/ welche war von eingemachten Oliven mit Oehl und Eſ-
ſig ſammt einem Brantewein aus Tatteln gemacht auf einem
alten verwuͤſteten Altar in ſolcher Capelle/ den wir ſtat eines
Tiſches gebrauchten und legte ich mich drauf an die Wand auf
die Erden auf harte Dornſtengel und Diſteln/ nam einen
Stein/ ſtat deß Polſters unters Haupt und ſchlieff alſo bey
ſtets brennendem Liechte vor groſſer Muͤdigkeit auf meinem
weichen Bette/ ſo gut es ſeyn konte/ gar ſanffte die gantze
Nacht hindurch/ biß an den hellen Morgen/ und hatten wir
drauf gar einen ſchoͤnen hellen Tag/ der uns noch weiter umzu-
ſehen ſehr dienlich war.


An und in S. Elias Capellen Gemaͤuer auſſen an der
Ecke iſt ein ſehr harter rother Fels/ ſo abſonders und niedrig
und inwendig gantz ſchwartz rund und hohl iſt/ worinnen der
Prophet Elias geſteckt haben ſoll/ vor der Koͤnigin Jeſabel
Grimm und Blutdurſt/ da er hatte die Baalspfaffen erwuͤr-
get
[209]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
get und Gott mit Jhm geredet und ihn getroͤſtet/ daß er ihm
ſeine Kirche ſchon erhalten haͤtte/ obs gleich dem euſſerlichen
Anſehen nach ſchiene/ als weñ alles auf die Baalitiſche Abgoͤt-
terey gefallen waͤre/ biß auf ſeine eintzige Perſon.


An dem Gaͤrtlein obgedachtes Platzes iſt ein groſſer
rother Stein/ worauf die Kinder Jſrael Hebreiſch gegraben
und vor dem Garten drey aneinander geſetzte Zeilen Steine/
auf deren zwey euſſerſten die Muͤnche vor viel hundert Jahren
geſeſſen/ wenn ſie geſpeiſet und auf dem mitelſten/ als ihrem Ti-
ſche/ das Eſſen ſtehen gehabt. So iſt auch ein ſchoͤner friſcher
Brunn an dieſem Orthe nahe bey dem Garten.


Die Capellen S. Mariæ und Eliæ ſind oben mit Rohr be-
legt und Eſtrich drauff geſchlagen/ ohne Tach und haben gar
enge und niedrige Thuͤrlein/ daß man nit hinein gehen/ ſondern
gar ſehr gebuͤckt kriechen muß und kan man auß einer in die an-
dere gehen. So ſind auch alle drey Capellen erhoͤhet/ ſonderlich
deß Elia nach dem Berge Sinai zu/ da wir hinauf ſtiegen und
wieder herab.


Dieſer Platz iſt umher mit wilden und ſehr hohen ſtein-
felſichtem Gebuͤrge umſchloſſen: Und ſagt man/ ja weiſet auch
Nachricht/ daß S. Helena, deß groſſen Conſtantini Mutter/ von
Conſtantinopel aus Griechenland hier auf zu kommen und ih-
ren Weg ſo fort weiter nach Jeruſalem gewallet.


Zu hoͤchſt auf einem hohen Felſen kamen wir zu drey
Kaͤmmerlein ſo in den Felß gearbeitet waren. Jn demſelben
ſollen zweene Bruͤder/ eines Griechiſchen Keyſers zu Conſtan-
tinopel Soͤhne/ ſammt einem Diener/ als Einſiedler/ ge-
gewohnet haben welche hernach Muͤnche worden und unten
im Griechiſchen Kloſter am Berge Sinai geſtorben ſeyn.


Den 7. Julij fruͤh um Sonnen Aufgang ſeynd wir vollends
den Berg Sinai und Horeb hinauf geſtiegen/ da uns deñ zur
lincken Hand im Felſen ein Loch gezeiget worden worinnen ein
D d 2Ma-
[210]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Marien-Bild geſtanden. Der Muͤnch ſtellete/ es recht zubeſe-
hen/ ein brennen des Liecht hinein und erzehlete: Es waͤre auf ei-
ne Zeit ein Altvater voller Unmuths dahin kommen ſein Gebet
und Andacht zu halten/ zu dem waͤre die Jungfrau Maria
kommen und haͤtte ihn gefragt/ was die Urſache und warum
er ſo Unmuths und traurig waͤre? Derſelben haͤtte er zur Ant-
wort gegeben/ es waͤre das Kloſter unten am heiligen Berge
Sinai von den Mohren geſperret. Hier auf haͤtte ihn die heilige
Jungfrau Maria getroͤſtet und mit ſolchen Worten angere-
det: Gehe nach Cairo in Egyptenland und bleibe im ſelbigen
Kloſter. Und deßwegen iſt hernach und biß auf dieſe Stunde
ſolcher Orth gar ſonders hoch und heilig geachtet und geehret
worden. Haͤtten ſies auch nicht Urſache? Aber den Orth/ da
Gott Moſe im feurigen Buſche erſchienen war/ hoch zu achten
belohnet der Muͤhe mehr.


Nechſt dieſem war ein anderer zerſprungener rother
Stein/ in welchem eine rechte natuͤrliche Cameel-Trappe/ oder
Tritt zu ſehen war und ſagen die Mohren diß davon: Es waͤre
ihr Prophet Mahometh mit einem Cameel den heiligen Berg
hinauf geritten und da haͤtte das Thier durch Gottes Schi-
ckung einen ſolchen Tritt und Gedaͤchtnuͤß-Spur nach ſich laſ-
ſen muͤſſen/ die nun noch biß auf den heutigen Tag zu ſehen waͤ-
re und ſich im geringſten nicht aͤnderte. Ignorantas delectantur
fabulis.


Beſſer hinauf/ nicht weit von dieſem/ iſt ein langer brei-
ter/ abhengiger/ brauner und ebener Stein/ von welchem ein
groß Stuͤck von oben biß untẽ aus/ als wie mit einem Schwert
abgehauen und alſo vom Felſen zertheilet und ſagt man vor ge-
wiß davon nach folgende Geſchicht: Als einsmahls der Pro-
phet Elias zu oberſt auf den heiligen Berg ſteigen wollen und
an dieſen Orth kommen/ waͤre der Ertz-Engel Michael mit ei
nem-
[211]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nem bloſſen Schwerdte da geſtanden/ und haͤtte mit demſel-
ben vor dem Propheten dieſen Felſen zerhauen und eine ſolche
Klufft gemachet/ damit zuverſtehen gebende/ daß er nun nicht
weiter gehen/ ſondern Gott wolte/ daß er wieder umkehren
und auf den Berg nicht kommen ſolte. Man ſiehet den Hieb ſo
natuͤrlich/ wie man mit einem Schwerdte hauen kan/ daß man
drauf ſchweren ſolte/ es waͤre nicht anders/ wenn ſonſt etwas/
es zu glaͤuben/ dran gelegen waͤre. Alſo ſpielet offtmahls die
Natur in ihren Geſchoͤpffen durch die wunderbare Hand
Gottes.


Ehe wir auf die hoͤchſte Spitze deß Berges Sinai von
unten im Thaal ankommen/ haben wir wol vier Stunden zu-
bracht/ dahero leicht zu achten/ wie hoch er ſeyn muͤſſe. Da Mo-
ſes die zehen Geboth in zwo ſteinerne Tafeln mit Gottes Fin-
ger geſchrieben empfangen/ iſt zu hoͤchſt oben geſchehen. Zur
lincken Seiten derſelben Stelle im hinauf Steigen iſt eine
ſteinerne Capelle mit einer geſchloſſenen eiſern Thuͤr gantz auff
der euſſerſten Spitze deß Berges. Solche Capelle iſt oben auf
mit Rohr belegt und Eſtrich drauf geſchlagen/ inwendig aber
iſt ſie unterſchieden/ denn in einem Theil die Catholiſchen und
andere fremde Chriſten/ im andern aber die Griechen ihr Ge-
beth verrichten/ iedoch iſt der Catholiſchen Theil etwas kleiner
als der Griechen. Der Altar in ſolcher Capelle iſt nur ein
Stein und ſtehen etzliche Bilder dabey und bey ſolchem Altar
iſt eine hole oben zugemauerte runde Wand/ wie eine halbe
Kugel/ habe aber nicht erfahren koͤnnen/ was ſie bedeute.


Jn dieſer Capelle kan deß Nachts kein Menſche bleiben/
denn es treibets ein Geſpenſt und boͤſer Geiſt ohn Unterlaß mit
Werffen und anderm gepolter uͤber alle maſſe drinnen/ wie
man denn unterſchiedene mahl verſucht hat/ aber unmuͤglich
drinnen thauren koͤnnen.


D d 3Ge-
[212]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Gegen uͤber und faſt auf der andern Spitze deß Berges
iſt eine Mohren Capelle/ darinnen ſie ihren vermeinten Got-
tes Dienſt verrichten/ wenn ſie den Heiligen zwar mit groſſer
devotion und Andacht thun/ beſuchen. Unter dieſer Capelle
iſt ein hoher/ hohler und geraumer Stein/ darinnen Moſes ſei-
ne vierzigtaͤgige Faſten ohn einige Speiſe und Tranck gehal-
ten. Gehen eilff Stuffen hinunter in dieſen hohlen Felſen Mo-
ſis/ alſo daß die Capelle recht auff ſolcher Hoͤhle ſtehet und ge-
bauet iſt.


An der Ecke deß Berges/ da der Chriſten Capelle iſt/ iſt
noch ein groſſer merckwuͤrdiger Stein/ der ſich wol und mit
Verwunderung ſehen laͤſſet. Denn in ſelbigem ſiehet man ei-
ne natuͤrliche Geſtalt eines groſſen Menſchen mit Kopff/ Ach-
ſeln und Leibe allenthalben hohl/ gleich als wenn er ſich zur lin-
cken Hand im hinauf Steigen an den andern Felſen etwas an-
lehnete. Und unter dieſem Stein ſoll ſich Moſes geſetzt haben/
wenn Gott mit ihm reden und ſich offenbahren wollen. Denn
weil ihm derſelbe im Feuer und Plitzen erſchienen/ habe er ſich
auß Furcht da hinein begeben/ daß er daher aus ſehen koͤnnen/
wie die Figur und Bildung deß Steins ausweiſet/ ſintemahl
das Haupt ſchief auf die lincke Seite uͤber ſich gerichtet/ als ei-
nes/ der mit ſonderbarer Andacht noch etwas in die Hoͤhe ſie-
het und alſo der Leib rechten Seite nach mit der vollkommenen
Achſel zu ſehen/ die Lincke aber wie in den Felſen gedruckt iſt.
Wundershalben bin ich hinein gekrochen/ wiewol das Loch
ziemlich enge war und mirs hinein zu kommen nicht wenig
Muͤhe machte und habe mich recht in die Form geleget. Allein
ich habe es in weiten nicht ausfuͤllen koͤnnen und muͤſte deme
nach Moſes ein groſſer Mann geweſen ſeyn.


Nachdem wir uns nun zu hoͤchſt droben auf dem Berge
wol gnug umgeſehen/ ſeynd wir im herunter Steigen nach dem
Klo-
[213]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Kloſter der viertzig Maͤrtyrer in einem langwaͤrenden wie zer-
brochenen rauhen felſichten Gebuͤrge gegangen/ wol ein zwey
Stunden lang/ und ſind hinab endlich in einen Thaal kommen
allwo wir etwas vom Brote zu uns genommen und uns mit
einem friſchen Trunck Waſſer auß einem Brunnen daſelbſt er-
quicket.


Dieſer Thaal nun/ welcher lang und tieff iſt/ lieget unter
und zwiſchen dieſem Berge Sinai Horeb und den Berg Sinai-
Catharinæ
und ſcheidet ſie von dem andern Gebuͤrge/ wiewol
doch daſſelbe gleicher Geſtalt auch mit dem gemeinen Namen
das Gebuͤrge Sinai genennet wird/ dieweil ſie alle nahe anein-
ander grentzen/ ob gleich das eigentlich der rechte Berg Sinai
iſt/ der ſammt dem Berge Horeb zwiſchen dieſen Bergen oben
uͤber die andern alle vor und ausgehet/ ausbenommen den Ca-
tharinen Berg/ welcher der allerhoͤchſte iſt.


Auf einem am Berge Sinai nechſt anſtoſſenden Felſen iſt
auch noch ein Kloſter/ welches wir von ferne geſehen.


Den Berg Sinai an ſich ſelbſt kan man in einem halben
Sommertage umgehen/ wie wir ihn denn ziemlich umgangen
ſeyn. Oben iſt er nicht ſo gar weit und breit umfangen: Die
angrentzende aber und zu nechſt dem Berge Sinai angelegene
felſichte Berge erſtrecken ſich biß ans Kloſter der viertzig Maͤr-
tyrer und iſt uͤber alle maſſe hoch/ weñ man herunter ins Thaal
koͤmmet. Von dem Berge/ wo das Geſetz auffgegeben worden/
biß zu dem Kloſter/ hat man fuͤnf Stunden weit zu gehen/ vom
Berge Sinai aber/ biß zum Kloſter der viertzig Maͤrtyrer zwey
Stunden/ ungeacht wir doch nicht gar langſam gegangen
ſeyn.


Jn dieſem Kloſter der viertzig Maͤrtyrer iſt eine Capelle/
ſo oben gewoͤlbet/ welches dieſer Lande nicht gemein. Auſſer
dieſer ſind noch vierzig und wohl mehr andere Ca-
pellen viereckicht/ ohne Tach und wuͤſte immer eine
an
[214]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
an die andere gebauet mit kleinen engen und niedrigen Thuͤr-
lein.


Jnwendig im Kloſter iſt eine groſſe eiſſerne Thuͤr flugs
beym Garten. Solcher Garten iſt ſehr lang/ ſo im Thaal
laͤngſt hinab zwiſchen dem hohen Gebuͤrge und zur lincken
Hand den Berg Sinai/ zur Rechten aber den Berg Catharinæ
zu gehet.


Jn demſelben ſtehen die Oelbaͤume/ wie ein Wald dicke/
davon ſich die Griechiſchen Muͤnche der Oliven zum Einma-
chen und deß Baumoͤls zu ihrer Nothdurfft erholen muͤſſen/
wie denn auch ſonſt an andern koſtbaren Baͤumen/ als Man-
del-Granat- und andern fruchtbarn Baͤumen kein Mangel.
Allda muß ſtets ein Muͤnch wohnen nebenſt einem Mohren/
welcher denen in der Wuͤſten im Sand und Hoͤhlen wohnen-
den Mohren taͤglich Speiſe reichen muß/ damit das Kloſter
Friede vor ihnen haben moͤge.


Nachmittage/ ohngefaͤhr um ein Uhr/ bin ich mit dem
Muͤnche und meinem Tuͤrcken auß dem Kloſter den hohen
ſchiefferigen und ſteinigten ſchwartzen und braungleiſſenden
S. Catharinen-Berg hinauf geſtiegen und haben unter wegs
etzliche kuͤhle Bruͤnnlein gefunden/ um welche herum es voll
wolriechende fremde und mir unbekante Kraͤuter geſtan-
den.


Von dieſem Kloſter der viertzig Maͤrtyrer biß auf die
Hoͤhe dieſes S. Catharinen Bergs hin und her ſind zwoͤlff J-
talieniſche Meilen/ wiewol vom Kloſter biß an den Berg gar
nicht weit iſt und ſolcher Weg gegen die Hoͤhe deß Bergs nicht
zu rechnen iſt.


Jch habe mich offt verwundert/ wie alle Felſen in der gan-
tzen Wuͤſten ſo gar harte/ daß ſie auch klingen als ein Ertz/ o-
der Eiſen/ und einerley Farbe/ nemlich ſchwartz und rothbraun
ſeyn
[215]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſeyn und kan nicht anders dencken/ als daß es von der immer-
waͤrenden grauſamen Sonnen Hitze/ die mit gantzer Macht
an dieſelben ſchlaͤget/ alſo zugerichtet werden.


Auf dieſen S. Catharinen-Berg/ welcher vor Sinai und
Horeb vorgehet und der hoͤchſte iſt/ haben wir mit groſſer Muͤ-
he und hoͤchſter Leib- und Lebens-Gefahr ſteigen muͤſſen. Deñ
ſo einem eine Hand oder Fuß entgangen waͤre/ haͤtte er ſich un-
muͤglich erhalten koͤnnen/ ſondern ohn alle Huͤlffe herab zu
tode geſtuͤrtzet und zerſchmettert.


Als wir nun zu hoͤchſt hinauf kommen/ haben wir auf der
Spitze ein von Steinen aufgefuͤhrtes kleines Gemaͤuer und
Huͤttelein funden/ ſo oben gantz ſchlecht und eben mit groſſen
Steinen auf kleinen Balcken gedecket war/ das ſoll der Orth
ſeyn/ wohin der heiligen Jungfrau Catharinæ Leib und Coͤrper
von den Engeln auß Egyptenland nach wegen ihres Glaubens
Beſtaͤndigkeit ausgeſtandenem ihrem Maͤrtyrer-Kampff und
Todt gebracht und getragen worden/ maſſen man denn allda
ſiehet einen weiſſen glatten Stein von 10. Spannen lang/ wor-
auf der Engel den Coͤrper geleget und ſiehet man gar eigentlich
die proportion und Spur/ wie er gelegen. Wo das Haupt gele-
gen/ iſt eine Grube: Die Bruͤſte/ Achſeln/ Halß/ Bauch und
Fuͤſſe abwarts liegend alles erhoben ſind gantz eigentlich zu ſe-
hen/ als wenns alſo mit Fleiß aufs gletteſte polirt in den Stein
gearbeitet waͤre. Und ſo groß der Stein iſt/ ſo weit iſt auch das
Huͤttlein. Jch habe verſucht zum Gedaͤchtnuͤß etwas davon
abzuſchlagen/ iſt mir aber/ weils ein natuͤrlicher Felß und der-
ſelbe wie Stahl und Eiſen war/ unmuͤglich geweſen.


Vor dieſem Huͤttlein herauſſen kan man den zweyſpitzi-
gen Berg Sinai und die Mohren-Capelle uͤber alle maſſe
ſchoͤn und eigentlich ſehen.


Dieſer ſehr hoher felſichter Berg S. Catharinæ, iſt um und
E eum
[216]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
um mit einem ſonderlichen Thaal/ wie auch der Berg Sinai
Horeb umgeben und hat derſelbe oben ein kleines/ iedoch nicht
tieffes/ Thaͤlichen/ welches den Berg theilet und demſelben 2.
Ecken macht/ auf deren einer obgedachtes Catharinen-Huͤtt-
lein ſtehet/ wo von ohne Zweiffel/ und das/ vorgeben nach/
die heilige Martyrin Catharina dahin ſoll gebracht worden
ſeyn/ dieſer Berg ſeinen Namen bekommen und der Cathari-
nen Berg genennet worden.


Auf dieſem Berg Sinai-S. Catharinæ, welcher/ wie mehr
gedacht und man augenſcheinlich ſehen kan/ unter allen vie-
len groſſen Felſen in der Wuͤſten der allerhoͤchſte iſt/ kan man
nicht allein das rothe und Jndianiſche Meer zur lincken Hand
werts und zur Rechten das Einſiedler Kloſter S. Antonii, ſo
doch drey ſtarcke Tagereiſen davon gelegen/ ſondern auch
daſſelben fernes und weites Gebuͤrge und Egyptenland gar
eigentlich ſehen/ woraus unzweiffelich zuerachten die grauſa-
me und faſt unglaubliche Hoͤhe dieſes Berges/ welche ich mir
ſelber nicht wol einbilden wuͤrde koͤnnen/ wenn ichs nicht mit
Augen geſehen haͤtte.


Uber alle Maſſe aber luſtig ſind zuſehen die vielfaͤltigen
ſchoͤnen luſtigen Gaͤrtlein/ welche die Griechiſchen Muͤnche
allda in der groſſen Wildnis in denen zwiſchen ſolchen ſchreck-
lichen hohen Bergen in denen Thaͤlern erbauet und gepflan-
tzet. Wenn man da von dem rauhen und bloſſen hohen Ge-
buͤrge herunter und in dieſelben hinein und wie ſie mit aller-
hand ſchoͤnen Baͤumen und Fruͤchten gezieret/ ſiehet/ ſo er-
quicket und erfreuet es einen gar.


Das iſt auch der armen Muͤnche/ die allda in der groſ-
ſen weiten Wildnis/ als Einſiedler/ von allen Menſchen ab-
geſondert und weit und fern herum weder Staͤdte/ Doͤrffer/
noch Haͤuſer wiſſen/ leben muͤſſen/ ihre einige Luſt/ davon ſie
auch
[217]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
auch zugleich/ wie oben gedacht worden/ ihre Nahrung ha-
ben muͤſſen.


Noch eins zu gedencken: Als wir aus dem Kloſter der
40. Maͤrtyrer ausgegangen und ſchon ziemlich hoch auf den
Berg hinauf geweſen/ haben wir zur rechten Hand im Gehen
einen ſehr hohen ſich weit ausbreitenden Felſen geſehen/ deꝛ hat-
te uͤber und uͤber rechte natuͤrliche Aeſte/ Zweige und Blaͤter/
einen langen Stamm und viel Wurtzeln und konte man alles
ſo vollkommen ſehen/ als wenns ein warhaftiger Baum gewe-
ſen und zum Stein verwandelt worden were. War ein rechtes
Wunder/ daß man ſich nicht ſatt ſehen kunte/ dahero ich auch
bewogen worden/ daß ich etzliche Zweige davon mit herauß ge-
bracht. An Farbe iſt dieſer Felß ſonſt grau/ um ſich her aber
hat er allenthalben weit und breit nichts anders/ als ſchwartz
braunes Gebuͤrge.


Die Griechiſchen Muͤnche daſelbſt geben fuͤr/ es ſolle die-
ſer Felß ſeiner Geſtalt nach/ den in der Wuͤſten zun Zeiten Mo-
ſis brennenden Buſch bedeuten.


Als wir uns nun wol und nach Hertzens-Luſt umgeſehen
ſind wir nach Sonnen Untergang wieder vom Berge herun-
ter geſtiegen/ wiewol mit groſſer Muͤhe und Furcht und Ge-
fahr von den raͤuberiſchen Mohren/ die ſich in denen Klippen
aufhalten und nichts guthes ſtifften und ſind ins Kloſter der
viertzig Maͤrtyrer kommen/ darinnen wir auch dieſe Nacht uͤ-
ber blieben ſind.


Es iſt aber ſolch Kloſter gar ſchlecht gebauet/ viereckicht
und im Hofe mit zweyen Gaͤngen uͤbereinander und wachſen
uͤbers Hauß ſchoͤne Weinſtoͤcke und hat/ wie vorhin gedacht
worden/ den ſchoͤnen luſtigen Thal und Garten von allerhand
frucht baren Baͤumen/ ſonderlich Oliven.


Folgendes Tages/ war deß 8. Julij/ nach Soñen Aufgang
E e 2nach
[218]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nach dem uns der daſelbſt wohnende Muͤnch Brodt und ein-
gemachte Oliven vorgeſetzet und wir uns auch damit geſaͤttiget
hatten/ ſind wir wieder nach genommenem Abſchiede fortgan-
gen und in einen langen tieffen ſteinigten Thaal kommen/ da
wir einen ſehr hohen/ dicken und gantz frey liegenden Felſen an-
getroffen/ an Farbe weiß/ roͤthlich und grau ſprenglich von
greulicher Haͤrte und hat zwoͤlff langlichte Spalten. Es ſtehet
aber dieſer Felß in dieſem langen Thaal zwiſchen dem Berge
Sinai und S. Catharinæ.


Und das iſt der Felß/ den Moſes mit ſeinem Stabe ge-
ſchlagen/ daß das Waſſer haͤuffig draus geſprungen und die
durſtigen Jſraeliten zu trincken bekommen die viertzig Jahr/
weil ſie dieſes Orths in der Wuͤſten gewohnet/ ehe ſie ins gelob-
te Land Canaan eingegangen ſind/ maſſen denn auch unter
dieſem Felſen ein groß Loch iſt/ worinnen das Wunder-Waſ-
ſer zuſammen gefloſſen und wie in einem Brunnen von GOtt
gefaſſet worden. Und dieſer Orth wird genennet Raphidim, wie
davon zu leſen im 17. des 2. B. Moſis ohne Zweiffel darum/
weil Moſes den durſtigen und vermatteten Jſraeliten mit
ſeiner Hand eine Artzney geſchaffet/ daß ſie nicht durſts ſterben
doͤrffen/ denn Raphidim wird verteutſcht eine Hand Artzeney.


Von hieraus ſind wir kommen zu dem Orthe/ da die Kin-
der Jſrael ſich unten am Berge enthalten und blieben ſind/ da
Moſes oben auf der Hoͤhe das Geſetz von Gott empfangen in
denen zwo ſteinern Taffeln. Jſt ein ſehr weiter ſandiger Thaal
umher und uͤberaus hohes Stein-Gebuͤrge: Und iſt das Waſ-
ſer von dem Felſen/ ſo Moſe geſchlagen/ gefloſſen biß hieher an
den Orth/ da die Kinder Jſrael gelegen ſind.


Ehe wir aber zu dieſem Waſſer-Felſen kommen/ ſind wir
auch in ein Gaͤrtlein gefuͤhret worden/ worinnen ein hoher
Felß geſtanden/ an dem eine kleine alte wuͤſte Capelle ſtund
und
[219]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und eine Hoͤhle dabey/ in welcher vor alten Zeiten der alte Onu-
phrius
gewohnet und gar ein ſtrenges Leben gefuͤhret/ auch all-
da geſtorben iſt.


Weiter ſind wir kommen in ein kleines Kloͤſterlein/ zun
Apoſteln genannt/ worinnen Griechen wohneten/ und dabey
gar ein luſtiger Garten zu ſehen war.


Gegen uͤber zur rechten Handwerts war das Kloſter
S. David/ allda auch gar ein groſſer luſtiger Garten von
Mandeln/ Granaten/ und andern frembden Baͤumen und Ge-
waͤchſen und Fruͤchten/ wiewol dißmal noch nichts reiff war.
Auch ſind ums gantze Kloſter herum lauter ſchoͤne luſtige
Gaͤrtlein und einer noch auſſerhalb/ welcher groß und einen
herrlichen friſchen Brunnen hat.


Das Kloſter S. David hat zween Kirchlein/ eins S. An-
tonii,
ſo ſehr finſter und das ander S. Maria und wo man hinein
gehet ins Kloſter/ ſeynd alte eiſerne Thuͤren/ welchem Kloſter
Jaͤhrlich 500. Spaniſche Real von Mesſina, einer Stadt in der
Jnſul und Koͤnigreich Sicilia, wie auch 900. vor die um Jeruſa-
lem herum wohnende Griechiſche Muͤnche/ mit Bewilligung
deß Pabſts ausgezahlet und gereichet werden und koͤm̃t das
erſte Geſtiffte der 500. Spaniſcher Realen her von der Capelle
oben auf dem Berge Sinai.


Es ſoll vor ſehr langen Jahren einsmals ein alter Grie-
chiſcher Muͤnch von einẽ Engel nach Rom in deß Papſts Kirche
gebracht worden ſeyn. Als ihn der Papſt geſehen/ nicht aber ge-
wuſt wo er her kommen/ biß er eines Schluͤſſels bey ihm an-
ſichtig worden/ worauf geſchrieben geweſen: Aus und vom
Berge Sinai/ hats der Papſt gar fuͤr eine ſonderbare Schi-
ckung Gottes gehalten/ ſich hoͤchlich druͤber verwundert und
diß Geſtiffte dahin zu gedachter Capelle gemachet.


Jn dieſem Kloſter wohnte nur ein einiger Muͤnch/ maſ-
E e 3ſen
[220]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſen denn die Araber in keinem Kloſter mehr zulaſſen/ und hatte
derſelbe einen Mohren bey ſich/ welcher ſein Schutz und gleich-
ſam Salvaguardi ſeyn muſte wieder andere ſtreiffende Mohren
und wie gedacht/ ſo muß der in ſolchen Kloͤſtern wohnende
Muͤnch ieglicher Orts die umſchweiffende Mohren taͤglich mit
Nahrung unterhalten/ ſonſt waͤre kein Kloſter eine Stunde/
noch ſie alle ihres Lebens nicht ſicher/ die in ſolchen Kloͤſtern
ſich enthalten.


Hier regnet es im Sommer nicht/ oder doch gar ſehr ſel-
ten/ aber an Statt deß Schnees im Winter regnet es im Ge-
buͤrge nur.


Nicht gar ſo weit von S. David nach dem Griechiſchen
Kloſter unten am Berge Sinai/ da ich gaſt und vor etlichen
Tagen mit meinem Muͤnch und Tuͤrcken außgegangen war/
iſt ein weiſſer Stein im weiten Thaal/ wo die Kinder Jſrael das
gegoſſene Kalb angebetet und Moſes im herab-Gehen vom
Berge Sinai im Zorn die zwo ſteinerne Geſetz-Tafeln zerworf-
fen/ und iſt davon ein Loch/ wie ein Ochſen-Kopff mit Hoͤrnern
im Steine.


Nicht weit von dannen zur rechten Hand ſiehet man uhr-
altes Gemaͤuer/ Binnen welchem der Kinder Jſrael Begraͤb-
nuͤſſe geweſen/ ſo an und unters Gebuͤrge angebauet. Die Graͤ-
ber ſind aneinander gemauert/ recht alſo mit Maͤuerlein/ faſt
wie die Zellen der viertzig Maͤrtyrer.


Bald hier auff ſind wir zur rechten Handwerts zu einem
weißgrauen Stein kommen/ allwo Moſis die Schlange erhoͤ-
het hat/ auf welchem lange Schrammen und Streiffe zu ſehen
gleich wie Schlangen Spuren ziemlich tieff in den Stein: Und
ſagen die Griechen/ daß die Tafeln Moſis unter dieſem Stein
verborgen liegen.


Hier herum iſt auch der Orth/ da den Kindern Jſrael das
Man-
[221]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Manna/ oder Himmel-Brodt vom Himmel in Geſtalt/ wie
Coriander oder wie kleine Erbſen-Samen/ gegeben worden/
wie es auch noch zu gewieſer Zeit im Jahr zu fallen pfleget. Jſt
ein dicker Thau/ wie mir gewieſen worden/ ſuͤßlichs Geſchmacks
welches man/ wie ein zerſchmoltzenes Wachs/ oder viel mehr
wie einen weichen Teig zuſammen ſammlen und behalten kan.


Vorgedachtes 8. Julij vor halb Abend/ nach dem wir nun
in der Wuͤſten allerhand uhralte Sachen beſichtiget/ ſeind wir
wieder zu ruͤck ins Kloſter/ da wir fruͤh Morgens außgegangẽ
waren/ kommen/ und biß den 10. Julij ſtille gelegen und haben
außgeruhet/ da ich denn mit dem Muͤnche fruͤh vor der Son-
nen Aufgang auf den Berg gegangen/ auf welchen Moſes ſei-
ne Schafe geweidet. Alda iſt noch dieſe Stunde zu ſehen der
Stein/ auf welchem Moſis zu ſitzen pflegen/ weñ er die Schafe
geweidet und iſt derſelbe gantz roth. Unten im Thaal iſt der
Orth/ da er den Buſch brennen ſehen. Sind alſo in die andert-
halbe Stunde den Berg auf und abgangen: Unterwegens a-
ber nach dem Kloſter zu iſt ein langer ſchwartzer nackender
Mohr auß den Steinklippen zu uns kommen/ welcher nicht
mehr/ als ein lang Cameelhaͤrin Tuch an ſich hatte/ auf den
Achſeln einen langen ſchwachen Spieß/ fuͤr welchem wir uns
nicht wenig entſetzten/ weil wir allein in der Wuͤſten waren und
kein Gewehr bey uns hatten/ begehrte aber anders nichts/ als
Brodt/ maſſen er auch alsbald dem Muͤnch uͤber all beſuchte
und wegnam/ was er am B rote fande/ und verſchlug ſich als-
bald wieder in das rauhe/ wuͤſte/ wilde und ſteinigte Gebuͤrge
und ließ uns unſern Weg zum Kloſter vollends pasſiren.


Dieſen Abend bin ich einen ſchoͤnen langen luſtigen Gar-
ten auſſer dem Kloſter von 2. Griechiſ. Muͤnchen ſo uͤber denſel-
ben zugebiethen hatten zu Gaſte geladen wordẽ/ die mich auch
ihrer
[222]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ihrer Gelegenheit nach/ mit gruͤnen Mandeln/ Feigen/ Oliven
und Aepffeln aufs freundlichſte tractirer. Jn dieſem Garten iſt
auch ein Capelle und Brunn.


Den 11. Julij hat mich mein Muͤnch/ ſo mich bißhero al-
lenthalben herum gefuͤhret/ zwey Stunden vor Tage aufgewe-
cket mir die Hand und Hirnſchale S. Catharinæ zu zeigen/ wel-
ches denn allemahl mit ſonderbaren Ceremonien zugeſchehen
pfleget.


Solche Stuͤcke/ als die Hirnſchale/ ſo ſehr groß und gantz
braun iſt/ als waͤre ſie lange in Oel gelegen/ und lincke Hand/
welche noch alle Glieder und ihre vollkom̃ene Haut hat und am
Daumen und Zeiger-Finger mit viel Ringen gezieret iſt/ liegen
in Baunwolle gar ſauber eingewickelt in einem weiſſen mit al-
lerhand Figuren außgehauenen Marmelſteinern kleinen Kaͤſt-
lein mit drey Schloͤſſern verwahret und ſtehet neben dem Al-
tar zur rechten Hand im Hinzugehen etwas hoch. Es wird von
den Muͤnchen gar als ein ſonderbares Heiligthum gehalten.
Denn nicht allein im Hinzugehen ward es von allen Muͤnchen
mit ſonderbarer Reverentz veneriret ſondern dergleichen auch
wider gethan/ als ichs beſichtigte und von ihnen allen mit groſ-
ſer Andacht und Seuffzen gekuͤſſet. Jch meines theils habe ei-
nen Ring mit drey Rubinen ſammt drey Ducaten ins Kaͤſtlein
præſentiret/ weil mir die Zeit uͤber von den Muͤnchen alle Ehre
und Dienſte geſchehen waren/ welches ihnen denn ſehr lieb und
als eine ſonderbahre Ehrerbietung erkannt und angenommen
ward.


Und nach dem ich nun dieſer Orte allenthalben alles/ was
denckwuͤrdig zu ſehen geweſen war/ beſehen hatte/ habe ich mich
wieder auf meine Ruͤckreiſe nach Babylon in Egypten geſchickt
gemachet/ zu welcher mich die Muͤnche mit Mehl/ Oel/ Brodt
und Oliven ziemlich verſahen/ und war mir gar ein ange-
neh-
[223]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
mer Dienſt/ als wir ſonſt mit nichts erwieſen haͤtte werden koͤn-
nen/ weiln ich mich gantz verzehret gehabt/ und bin ich noch die-
ſen Tag drey Stunden ohngefaͤhr vor Mittage im Namen
Gottes aufgebrochen.


Das ſechſte Buch.


Begreifft einen Bericht von meiner Ruͤckreiſe
vom Berge Sinai wieder nach Babylon
in Egypten.


DasI. Capitul.


Von meinem Aufbruch im Griechiſchen Kloſter unten
am Berge Sinai.


NAch dem ich mich nun wieder/ wie ietzt
gedacht/ auf den Weg gemachet und die bei-
den Kloͤſter S. David und Apoſtolorum noch
ein wenig hinter uns ſehen koͤnnen/ haben wir
uns in einem Steinfelſen im Sande gelagert
und ſind ein wenig ſtille gelegen/ biß der Mit-
tag vorbey war/ alsdenn ſind wir wieder auf
geweſen und einen engen ſteinigten Thaal hinab/ ſo ſich ziem-
lich gefaͤhrlich anſehen lieſſe/ kommen/ in welchem wir Felß auf/
Felß ab zwiſchen ſehr hohen zerbrochenen Stein-Gebuͤrge in
die zwey Stunden gereiſet und am Ende deſſelben auf der Hoͤ-
he ein weites tieffes ſandiges Thaal voraus gehabt/ in welches
hinab ſehr grauſam zu ſehen/ geſchweige zu ziehen war/ wie-
wol wirs nicht aͤndern konten.


Vor halb Abend ſind wir wieder unter einen ſehr groſſen
hohlen Stein zu raſten kommen/ welches darumb geſchehen
F fmu
[224]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
muſte/ weiln uns unſere Camele nach Sonnen-Untergang
von etwas abgelegenen Orthen zugebracht werden muͤſſen/
und deßwegen drauf warten muͤſſen. Nach dem aber un-
ſere Camele nach zwey Stunden in der Nacht ankommen/
ſind wir wieder auf geweſen und haben in die drey Stunden
gereiſet und hernach in der Wuͤſten im Sande/ biß an dem
Morgen/ etwas geruhet.


Den 12. Julij nach Sonnen Aufgang ſind wir wieder
auf unſern alten Weg/ den wir im Hineinreiſen gehalten/
kommen bey den Gebuͤrge Pharan ſo uns ietzo in der Ruͤckreiſe
zur lincken Hand blieb/ ſind in einen ebenen luſtigen Thaal/
fortgereiſet/ alwo wir auch biß Mittags gelegen.


Geſtern und heute iſts ſehr heiß geweſen/ dieſe Nacht aber
ziemlich friſch. Nach Mittage ſind wir in einem ſchoͤnen
ebenen weiten Thaal zwiſchen hohen felſichten Gebuͤrge/ an-
derthalbe Stunde ohngefaͤhr geritten/ hernach in einen buͤr-
gichten etwas auf- und abgehenden ſteinigten Wege/ ſo etzli-
che Stunden lang gewaͤhret/ dann uͤber die alten Steinhauf-
fen der zerfallenen Haͤuſer der Kinder Jſrael/ da wir endlich
faſt eine Stunde vor Sonnen Untergang in einen tieffen Thal
kommen/ alwo wir geruhet/ wiewol in lauter Furcht und Ge-
fahr vor den Mohren. Habe auch alſo meine Mahlzeit/ ob
gleich ſchlecht gnung von Pißkoten und Waſſer/ dennoch in
Furcht/ verzehren muͤſſen. Denn wo es die Mohren inne
worden waͤren/ haͤtten ſie mirs doch nicht gelaſſen. Nach etz-
lichen Stunden ſind wir wieder aufgebrochen/ und des Nachts
fortgereiſet/ biß zu Anbruch des Tages/ damit wir einen be-
quemern Orth angetroffen/ weil wir an dieſem Orthe um der
daſelbſt befindlichen vielen ſchwartzen Schlangen willen nicht
bleiben koͤnnen. Waren groſſe lange ſchwartze und ſehr gif-
tige
[225]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
tige Schlangen in treflicher Menge/ davon auch die Mohren
mit ihren Spieſſen gar viel umgebracht und erſtochen ha-
ben.


Den 13. Julii ſind wir Bergab ziemlich hoch und ſteinigt
gezogen/ hernach in einen langen Thaal kommen/ da wir
drey Stunden vor Mittage geruhet/ unter einen ſtachligten
Gummi-Baume und haben wir uns wegen der raͤuberiſchen
Mohren abermals ziemlich fuͤrchten muͤſſen/ ſintemahl uns
etzliche Mohren/ ſo aus dem wuͤſten Gebuͤrge zu unſern Moh-
ren kommen und mit denſelben geſſen/ ſo viel zuverſtehen ge-
geben/ daß ſich dergleichen ſehr raͤuberiſches Geſinde aufhiel-
te in dieſer Gegend.


Von Mittag aus haben wir erſtlich ſandig Gebuͤrge/
auf gehabt/ vor halb Abend aber ſind wir zwiſchen ſehr engen
ſteinigten hohen Gebuͤrge widerum in Thaal abkommen/ ſo
ſehr tieff von Sande war/ weßwegen wir abgeſeſſen und uns
ein wenig niedergelaſſen und ſtille gelegen/ wiewohl es aber-
mals an dem Orthe ſehr viel Schlangen/ Ottern und Edexen
gegeben/ die uns nicht wenig vexiret haben.


Als ſich nun Tag und Nacht geſcheiden/ ſind wir wieder
auf geweſen und in drey biß vier Stunden in der Nacht mit
groſſer Furcht und ſtille geritten/ hernach bis an den Mor-
nen in ſandigen Wege geruhet/ wiewohl leicht zu achten/ wie
die Ruhe ſeyn koͤnnen.


Den 14. Julii ſind wir wieder fort und durch einen Thaal
voll tiefes Sandes gezogen/ biß wir hernach in einen engen
weißfelſichten Thaal kommen/ ſo uͤber zwey Stunden
lang gewaͤhret/ da wir kurtz vor unſern Mittags
Lager das rothe Meer ohngefaͤhr auf eine halbe teutſche
F f 2Meile
[226]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Meil Wegs wieder ſehen koͤnnen. Und haben wir uns geſtern
und heute der Mohren wegen/ ſo ſich zur rechten Hand in ei-
nem weiten Grunde/ Grundel genennt/ wegen deß Waſſers/
ſich und die Cameele dabey zu traͤncken/ oft aufzuhalten pfle-
gen/ abermals ſehr zubefuͤrchten gehabt/ wiewol uns der aller-
hoͤchſte bißhero noch immer in Gnaden behuͤter hat.


DasII.Capitul.


Vom Pharaonis-Bade.


KUrtz zuvor/ ehe wir aus dem weißfelſichten Thaale/ deſ-
ſen vorhin gedacht worden/ kommen/ haben wir unter ei-
nem gar tieffen finſtern Felſen zur lincken Handwerts
Pharaonis-Bad geſehen/ mit welchem es folgende Beſchaf-
fenheit hat.


Es iſt ſolch Pharaonis-Bad ein ſehr finſter langes Loch
und ziemlich tieff in den weiſſen Steinfelſen hinein. Zur lincken
Handweit hinein gehet ein Seil/ daran man ſich halten muß/
wer hinein gehen will. Und weil es ſehr finſter drinnen iſt/ kan
man ohne Liecht nicht hinein kommen. Jnwendig iſt ein klein
Oertlein fuͤr eine Perſon/ allwo ein tieffer Stein/ wie ein Moͤr-
ſel/ darein heiſſes Waſſer oben aus dem Felſen herab rinnet und
hernach unten hinweg ins rothe Meer laͤufft: Weñ man neun
Eyer in ſolch heiß Waſſer im Loche leget/ findet man nimmer
davon mehr als achte wieder/ daruͤber ſich den hoch zuverwun-
dern und weiß niemand zu ſagen/ wie es zugehe/ noch wo das
neunde hinkomme. Man ſagt daß der boͤſe Feind leibhafftig
drinnen wohnen ſoll und iſt eine uͤberaus groſſe Hitze drinnen.
Und ſo viel von Pharaonis Bade.


Das
[227]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasIII.Capitul.


Von meiner fernern Fortreiſe.


VNd daß ich wieder auf meine Reiſe komme/ ſo haben wir
dieſen obgedachten 14. Julij aus Furcht und Gefahr vor
den Mohren wieder einen andern Weg nehmen muͤſſen.
Haben unausſprechliche Hitze im heiſſen Sande und hohen
Steinfelſen ausſtehen muͤſſen/ wo wir den Mittag gelegen/ iſt
es wieder lufftig geweſen und haben wir das rothe Meer un-
gefaͤhr noch etwan eine kleine Teutſche Meile vor uns gehabt.
Unſere Ruhe aber dieſen Mittag war abermals unter einem
ebenen weiten ſandigen Thaal fortgereiſet und hatten wir ei-
nen ſtarcken/ aber doch ſehr warmen Wind/ den Thaal aber
Grundel genannt/ haben wir nicht weit von unſerm Mittags
Lager zur lincken Hand gelaſſen.


Und weil wir daſelbſt Cameele liegen ſahen/ erſchracken wir
nicht wenig/ vermeinende/ daß es welche von ſtreiffenden Moh-
ren waͤren/ und lieſſen alsbald zweene von unſern Camelotten
hingehen und Kundſchafft einziehen/ obs Feind oder Freund
waͤre/ erfuhren aber/ daß es eine Carovan waͤre/ ſo zum Berge
Sinai zu reiſen willens/ welches uns wider erfreuete. Sind alſo
unſern Weg fortgeritten und an dem rothen Meer anderthal-
be Stunde vor Sonnen Untergang ſtille gelegen. Allhier habe
ich mich ein wenig wider abgekuͤhlet und gewaſchen/ weils ſehr
heiß war und war mir nicht ſo gar unangenehm.


Da ſich Tag und Nacht nun ſcheidete/ ſind wir wider fort
gerucket/ haben das rothe Meer und das daran gelegene hohe
Gebuͤrge ſtets zur lincken Hand gehabt und ſind etzliche Stun-
den in der Nacht abermahls in groſſer Furcht und Stille
gereiſet.


F f 3Den
[228]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 15. Julij fruͤh Morgens mit oder Sonnen Aufgang
haben wir uns gelagert und ein wenig geraſtet/ drauf ſind wir
wieder fort und einen ſchoͤnen ſehr weiten ebenen ſtrauchichten
und Buͤſchichten Weg gezogen/ da wir zu zweyen Brunnen
kommen/ wiewolmit truͤbem Waſſer/ allda wir unſere Cameele
getraͤncket.


Es hat aber unter dieſen Barbariſchen Voͤlckern mit den
Cameelen ein ſeltzame Arth und Gewohnheit. Wenn ſie trin-
cken ſollen/ ſo ſingen die Cameloten/ oder Knechte dabey ihre
Barbariſche Geſaͤnge/ oder Geſchreye/ ſo heßlich und abſcheu-
lich/ daß es einem in Ohren und Kopffe wehe thut/ damit ſie die
Camele deſto beſſer trincken ſollen/ gleich wie man bey uns
zu dem Ende den Pferden pfeiffet/ damit ſie deſto beſſer trin-
cken ſollen/ welches alſo dort die Camele gewohnet ſeyn und ver-
ſtehen/ gleich wie bey uns die Pferde das Pfeiffen aus Ge-
wohnheit verſtehen.


Bißher ſind wir die Zeit/ als wir vom Griechiſchen Klo-
ſter außgezogen/ ziemlich fortgereiſet/ welches auf unſerer hin-
ein Reiſe nicht geſchehen war/ wiewol uns auch vielmahl die
Noth und Gefahr wegen der Unſicherheit der rauberiſchen
Mohren fortriebe.


DasIV. Capitul.


Von denen Raritaͤten und unterſchiedenen ſeltzamen Din-
gen deß rothen Meeres und der Mumia.


NAch dem ich/ wie vorgedacht/ mich im rothen Meer ge-
waſchen/ habe ich mit Verwunderung geſehen/ wie daſ-
ſelbe allerhand Dinge außgeworffen/ wie denn ſeine
Arth ohne unterlaß alſo ſeyn ſoll/ wie ander Reiſende und Ein-
heimiſche ſelbiger Lande wiſſen und berichten. Unter andern a-
ber wirfft er auch groſſe Meerſchnecken aus faſt einer halben
Elen lang und ſehr weit/ ſo unten Spitz zu gehen und an vielen
Orthen
[229]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Orthen der Chriſtenheit/ dahin ſie von den Seefahrenden ge-
bracht werden/ vor Trinckgeſchirre gebraucht werden.


Am Strande deß Meeres habe ich auch groſſe weiſſe Co-
rallen-Aeſte mit vielen Zacken in groſſer Menge gefunden/ und
wachſen in dieſem Meere unter dem Waſſer rechte hohe Co-
rallen-Baͤume mit vielen Aeſten und Zweigen/ wie ich mit
Verwunderung geſehen: Und ſind ſolche Baͤume ſo ſtarck und
dicke/ daß offtmahls die Schiffe/ wenn ſie anfahren/ ſich
dran zerſtoſſen und zu Stuͤcken gehen.


So gibts auch in dieſem Meere allerhand ſeltzame Thiere
als Meerhunde/ welche die Menſchen freſſen/ Meer-Maͤnner
oder Meer Wunder welche oben Menſchen-Geſtalt/ unten a-
ber Fiſch Geſtalt haben/ wie ich denn zu Babylon in Egypten
oder Kair bey einem Franzoſen eine gantze Hand von derglei-
chen Meer Menſchen geſehen/ welche die gantze Geſtalt einer
Menſchen-Hand mit Gliedern/ Haut und Naͤgeln hatte/ nur
daß die Finger mit einem duͤnnen Haͤutlein zuſammen giengen
und hiengen/ wie an Gaͤnſen/ Aenten und andern ſchwim̃enden
Thieren zu ſehen iſt.


Dieſer Franzoſe/ welcher ein Goldſchmiede war/ war
gar ein ſonderbarer Liebhaber dergleichen fremder und wun-
derbarer Thiere/ wie er denn auch unter andern Fiſche hatte
mit Fliegeln/ dergleichen ich auch hernach gar viel zu Ptoloma-
dis,
welches gar eine beruͤhmte Stadt iſt im heiligen Lande/
aus dem Meere fliegen ſehen/ auch hat er zwey lebendige Cro-
codil/ ein Cameleon/ welches ein kleines Thierlein iſt und aller-
ley Farben an ſich nehmen kan/ bey denen es liegt/
oder zu welchen es koͤmmet/ deßgleichen gantz weiſe
rothſprencklichte und von Gifft gantz gleiſſende Egypti-
ſche Schlangen/ welche vorn am Kopffe zwey weiſſe
Hoͤrner haben/ ſammt andern viel ſeltzamen gifftigen
Thie-
[230]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Thieren/ ſonderlich hatte er auch eine Mumiam, wie mans nen-
net/ oder gantzen Menſchen-Coͤrper/ der gar ſehr alt und alſo
mit ſonderbarem Balſam balſamiret erhalten worden
war.


Denn in denen Egyptiſchen Landen/ ſonderlich in der
Stadt Babylon/ pflegt man die Verſtorbene durch und durch
zu balſamiren/ hernach nehmen ſie Leinwat/ leimen ſie faſt
zwey Finger Dick aufeinander wie einen Kaſten/ legen den
Todten drein und ſetzen ihn auſſer der Stadt in ſonderliche im
Sande tieff gemachte Hoͤhlen/ dergleichen in Babylon bey
groſſer Menge geſchiehet. Und ſolche Coͤrper liegen gar ſehr
lange Zeit unverweßlich/ wie man den gefunden/ die zu tauſend
Jahren gelegen. Und dieſelben nennet man Mumia und werden
weit und fern in die Apotecken bracht und fuͤr einen groſſen
Schatz in der Arrtzney gehalten/ ſintemal das Fleiſch, von dem
Balſam dermaſſen durchkrochen/ daß es gantz hart worden
und mit dem Meſſer geſchabt werden kan.


DasV. Capitul.


Von weiterm Verlauff meiner Ruͤckreiſe durch die
wilde Arabiſche Wuͤſten.


NUn komme ich wieder auf die groſſe/ wilde Arabiſche
Wuͤſten/ nach dem ich wegen der Raritaͤten deß rothen
Meeres und der Mumia etwas davon abſchreiten muͤſ-
ſen.


Dieſe Nacht iſt ein ſehr ſcharffer Wind entſtanden und
drauf ein kalter Thau gefallen. Haben wegen der Mohren
und Rauber fleiſſige Wache halten muͤſſen.


Vorgedachten 15. Julij ſind wir zu Mittage nicht weit
vom rothen Meer unter Buͤſchen und Decken im Sande gele-
gen/
[231]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gen/ weils ſehr heiß war. Eine Stunde aber nach Mittage ſind
wir mit unſern Cameelen wieder fort gereiſet und zur rechten
Hand das Sueſſer Gebuͤrge/ das man in dem oben gedachten
Staͤdtlein Sues ſehen kan/ zur Lincken aber das Meer gar na-
he gehabt.


Und weil ſolch Meer ſeiner unergruͤndlichen Natur und
Eigenſchafft nach taͤglich zu gewiſſer Zeit abzulauffen pfleget/
und dergleichen eben auch da geſchehẽ war/ bin ich mit meinem
Cameel an den abgelauffenen Orth und Boden deß Meeres
mit ſonderbarer Luſt dahin geritten. Weil aber der Grund et-
was ſchlipfferig war/ fing das Cameel an zu gleiten/ bevorab
weil ich gleich zu meinem Ungluͤck keinen Zaum hatte/ damit
ich regiren und ihm helffen haͤtte koͤnnen und haͤtte nicht viel ge-
fehlet/ es haͤtte mit mir geſtuͤrtzet und mir nicht geringer Scha-
de meiner Geſundheit/ oder des Lebens gar daraus entſtehen
ſollen.


Denn weil ein Cameel ein hoch und ſtarck Thier iſt/ iſt
leicht zu achten/ daß wenns ins Fallen kaͤme/ deꝛ einen ſchlechten
Vorthel davon haben wuͤrde/ ſo darauf ſitzet/ wiewol ſie ſonſt
gewiß und ſicher gnung gehen und zwar einen langſamen/ ie-
doch dabey ſehr ſtarcken Schritt.


Nach der Sonnen Untergang haben wir zur rechten
Hand in der Hoͤhe die zwoͤlff Brunnen Moſis gelaſſen und
nicht weit davon uns hernach in einem Grunde gelagert. Als
es aber dunckel worden/ ſind wir noch zwey gute Stunden
fortgerucket und uns alsdeñ wieder gelagert und biß an Mor-
gen liegen blieben/ wiewol ich dieſe Nacht fuͤr wachen wegen
der Raͤuber wenig geſchlaffen.


Den 16. Julij ſind wir mit der Sonnen Aufgang wieder
aufgebrochen/ war ſehr warm und ſind faſt im halben Mittag
zu dem Staͤdtlein Sues, ſo faſt vom vom rothen Meer umge-
G gben
[232]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ben iſt/ gluͤcklich und deßwegen mit groſſen Freuden wieder an-
kommen und haben unſere Sachen in der Stadt bey und
an der Stadt-Mauer abgeladen.


Und weil wir auſſer der Stadt/ nach den Brunnen zu/ eine
Carovan von vielen Cameelen anſichtig worden/ haben wir
uns druͤber erfreuet und gedacht mit derſelben deſto ſicherer
vollends biß nach Egypten hindurch zu kommen/ haben uns
demnach aufs muͤglichſte wieder fort gefoͤrdert/ nach dem ſich
ein jeglicher und ſonderlich auch ich mich wieder mit friſchem
Waſſer in meine rauche Bockhaͤute und Schleuche verſehen.


Als wir aber gedachte Carovan eine halbe Teutſche Mei-
le von der Stadt antraffen/ welche uͤber hundert Cameel ſtarck
war und hoͤreten/ daß ſie einen andern Weg hielten/ haben wir
ſie liegen laſſen und ſind unſern Weg fortgezogen/ da wir denn
wieder in die vorige Straſſe kommen/ die wir im Hineinrei-
ſen gehalten und alſo in drey biß vier Stunden in die Nacht in
lauter ſandigem Wege/ nicht mit geringer Beſchwer/ reiten
muͤſſen/ biß wir uns alsdenn gelagert und unſere Nachtruhe
nehmen wollen.


Zu meinem Ungluͤck aber hatten eben an dem Orthe/ wo
ich liegen ſolte/ die Mohren eine groſſe abſcheuliche Schlange
umgebracht/ dergleichen ſie denn/ wie ich geſehen/ gar oft ge-
than. Auch haben wir den Weg von Sues aus am rothen Mee-
re viel todte Cameel im Sande liegen ſehen/ ſo aus Arabien von
der Stadt Mecha wieder zu ruͤcke nach Egypten ziehen wollen
und umgefallen waren/ welches denn einen greulichen Stanck
gab/ davon uns Maul und Naſe voll kroch/ weil es ſehr heiß
war und der Wind uns den Geſtanck auf den Halß trieb/ daß
ich mich auch druͤber ziemlich uͤbel auf befand. Es gehet aber
von Kair aus Egypten der Weg nach Mecha in Arabien gleich
auf das Staͤdtlein Sues zu.


Den
[233]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Denn 17. Julij ſind wir fruͤh ſo bald der Himmel ange-
fangen zu grauen/ wieder aufgebrochen und ſtets im hartſan-
digen Wege gereiſet und ſind Alexandri M. Brunn/ deſſen auch
oben gedacht worden/ vor halb Mittag/ wiewol ziemlich weit/
zur lincken Hand vorbey pasſiret/ denn wir wieder etwas von
unſerm Hinein Wege abgangen.


Allda fanden wir auf der Straſſe zweene todte Mohren/
ſo von der groſſen Sonnen Hitze faſt gantz gebraten waren/
deßgleichen wir auch geſtern und heute uͤber dreiſſig tode Ca-
meel gefunden/ ſo wegen unaußſprechlicher Hitze und auß
Mangel deß Waſſers verſchmachtet geweſen/ von welchen
uns denn abermahls die Lufft einen greulichen Stanck von
weiten flugs zugetrieben/ daß kein Wunder geweſen/ wir vor
Stancke gar ſterben/ geſchweige kranck werden moͤgen/ wenn
uns Gott nicht in Gnaden geſtaͤrcket haͤtte.


Als wir aber nicht mehr weit von Babylon hatten/ ka-
men etzliche Mohren auf ihren Cameelen zu mir und meinem
Tuͤrcken geritten und begehrten mit groſſer Ungeſtuͤmm das
von der Reiſe noch uͤbrig behaltene Meel/ Waſſer und Pißko-
ten. Nun haben wir zwar nicht weit mehr zur Stadt iedoch
weil wir gleichwol dieſe Nacht noch im Felde bleiben muͤſſen
und nicht allein dieſe Mohren hart droheten uns die Haͤlſe zu-
brechen/ ſondern auch wegen der andern ſtreiff enden Mohren
allerhand zubefuͤrchten war/ hats mein Tuͤrcke muͤſſen folgen
und fahren laſſen und haben wir alſo ſelber dieſe Nacht faſten
muͤſſen/ nach dem wir uns anderthalbe Stunde in die Nacht
wegen groſſer Furcht und Sorge vor den Mohren/ die gar
ſonderlich pflegten hieherum zu ſtreiffen/ in einem tieffen Thaal
allda nieder gelaſſen und uns in groſſer Stille biß auf den Mor-
gen halten muͤſſen.


G g 2Den
[234]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 18. Julij mit Anbruch deß Tages ſind wir wieder
fortgereitet und kurtz nach der Sonnen Aufgang nach viel-
faltiger in der weiten und wilden ſteinigten Sandwuͤſten aus-
geſtandener Leib und Lebens-Gefahr/ Hunger/ Durſt/ Hitze/
Wachen und anderer Ungelegenheiten mehr durch Gottes
Gnade gluͤcklich wieder aus den rauhen unfruchtbaren wild-
nuͤſſen deß Koͤnigreichs Arabien in das luſtige und fruchtbare
Koͤnigreich Egypten und deſſelben Haupt-Stadt Babylon
angelanget und ſind eben durch dieſe Pforte wieder eingezo-
gen/ durch welche wir ausgereiſet waren. Auſſer der Stadt a-
ber ſind wir zur lincken Hand bey einem Egyptiſchen Koͤnigs-
Grabe vorbey gereiſet. War mit einer Kirche uͤberbauet/ wel-
che oben/ Landes Brauch nach/ gantz eben und ohne Tach war
mit vielen ſpitzigen aus gehauenen Steinen/ und zwey ſchoͤnen
hohen Thuͤrmen/ deren ieglicher auswerts drey Gaͤnge uͤber-
einander hatte und war ein uͤberaus ſchoͤn und groß Ge-
baͤu.


Zur rechten Hand war noch einander Koͤnigs-Begraͤb-
niß/ welches auch ſchoͤn aber etwas kleiner/ als voriges
war.


DasVI.Capitul.


Wie ich in S. Catharinen Kloſter zu Babylon aufgenom-
men und tractirt worden.


ALs wir nun in die Stadt hinein kamen/ ſeynd wir alsbald
nach dem Griechiſchen Kloſter/ S. Catharinæ genannt/ zu-
geeitten/ da ich auch meine Sachen gelaſſen/ nach dem ich
ſie aus dem alten Gemaͤuer vor der Stadt/ woſelbſt die Camee-
le abgeladen worden/ durch zweene Pedubeen oder Cameel-
Knechte herein bringen laſſen. Denn dieſe Pedubeen, und Moh-
ren/
[235]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ren/ ſo mir meine Cameel in der Wuͤſten und auf der Reiſe hin-
durch gewartet/ ſich in die Stadt nicht wagen doͤrffen/ weil ſie
nur vom Raub und Mord in der Wuͤſten ohne Obrigkeit leben.
Denn wenn dieſelben in den Staͤdten erkannt und ertappet
werden/ ſo haben ſie nichts gewiſſers/ als daß man ſie ſpieſſet/
zubefoͤrchten/ weßwegen ſie ſich denn leicht nicht in eine Stadt
machen. Wem ſie aber ihre Dienſte verſprechen/ bey dem wa-
gen ſie gewiß auch Leib und Leben auf der Reiſe gegen andere
rauberiſche Mohren/ wenn ſie von denſelben angefallen wer-
den.


Jn gedachtem Kloſter aber habe ich meine Danckſagung
vor allen Dingen abgeleget gegẽ den Vornehmſten uñ Obriſten
darinnen wegen mir geleiſteter guten Befoͤrderung zu dieſer
gluͤcklich vollbrachten Reiſe uñ ſind demſelben zugleich auch die
Briefe/ ſo der Biſchoff vom Berg Sinai durch meinen Tuͤrcken
zuruͤcke geſendet/ uͤberantwortet worden/ die er auch unten im
Hofe in Gegenwart 23. anweſender und ſitzender Muͤnche ab-
geleſen/ worauff ich ſam̃t meinem Tuͤrcken zur Danckbarkeit in
ein langes Gemach gefuͤhret/ und mit Wein und kleinen einge-
ſaltzenen Fiſchlein in Oel zugerichtet tractiret worden.


Und weil dazumahl eine uͤber aus groſſe Hitze war/ iſt alle-
zeit/ ſo lange wir bey der Mahlzeit geſeſſen/ ein Muͤnch geſtan-
den/ der uns Lufft und Kuͤhlung machen muͤſſen/ ſolcher Ge-
ſtalt und alſo: Er hatte ein ſonderbares von Bretern zugerich-
tetes Inſtrument, war breit und muſte ohne Zweifel inwendig
in der Hohle/ wie ein Blaßbalg/ zugerichtet ſeyn/ denn wenn
er daſſelbe an einem Bande zog/ ſo gab es gar einen anmuthi-
gen Wind und Kuͤhlung/ welches in ſolcher unglaͤublichen Hi-
tze/ wie in Egypten iſt/ eine uͤber alle maſſe angenehme Erqui-
ckung giebet.


G g 3Als
[230[236]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Als wir nun vom Tiſche aufgeſtanden/ ſind wir zu hoͤchſt
aufs Kloſter/ weils oben gantz eben und ohne Tach war/ und
darneben ſehr hoch/ hinauf gefuͤhret worden/ da man denn
die gantze Stadt Babylon/ guthes Theils uͤberſehen koͤnnen/
wie denn auch das uf dem hohen Berge liegende Caſtel und
Paſchen-Hauß in alt Cairo.


Vor Mittage bin ich durch zwey Griechiſche Muͤnche uf
Befehl ihres Obriſten wiederum nach des Herrn Santho
Hauß/ allwo ich mich vor meinem abreiſen vorhin aufgehal-
ten und herrlich tractiret worden war/ einen ziemlichen Weg
begleitet worden. Denn das ſoll alſo der Brauch ſeyn/ wie
man mich berichtet/ daß man die Pilgrim/ wenn ſie vom Ber-
ge Sinai wieder zuruͤck kommen/ auf ſolche Maſſe in ihre Her-
bergen/ oder Quartire begleitet.


Bey gedachten Herrn Santho Venetianiſchen und Hol-
laͤndiſchen Conſul/ bin ich biß auff den 28. Julii und alſo/ biß
zu meiner gaͤntzlichen Abreiſe verblieben und uͤberaus wol in
einem und andern der Nothdurft nach in acht genommen
worden/ welches denn in ſolcher wilden Frembde kein gerin-
ges Stuͤck der Liebe iſt und ſolte wol in Teutſchland/ mitten
in der erleuchteten Chriſtenheit/ ein ſeltzam Wilpret ſeyn/ ehe
man ſolche Liebe und Wolthaten finden ſolte/ wenn man gleich
bey hellem Tage mit Diogenis brennender Laterne umſuchen
wuͤrde.


DasVI. Capitul.


Von dem/ was ich noch bey meiner Wieder Kunft zu
Babylon/ oder Alkair geſehen.


DAs Caſtell zu Babylon wird ſo genau in acht genom-
men/ daß kein Menſch hinauf gelaſſen wird/ er ſey denn
gar wohl bekannt. Jch hatte aber allda einen ſonderba-
ren guthen Freund/ welcher ein Doctor Medicina war/ de Kroy
genan-
[237]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
genannt/ und auß Niederland gebuͤhrtig Und weil derſelbe etz-
liche Tuͤrckiſche Patienten unter der Beſatzung drauff hatte/
und mir anbot mit ihm zu gehen/ hielt ichs fuͤr ein Gluͤck und
bin zwey Tage nacheinander mit ihm hinauf gegangen/ als
den 24. und 25. Julj/ da ich mich denn allendhalben wol umge-
ſehen/ ſo viel mir anders ohne Verdacht muͤglich geweſen und
dem wolgeneigten Leſer unten im 9. Cap. deß 3. Buchs bey der
Beſchreibung der Stadt Babylon/ oder Alkair Part davon
gegeben.


Allhier zu Alkair habe ich geſehen/ das trefflich auf Ge-
rechtigkeit gehalten worden. Man hat mich fuͤr glaubwuͤrdig
berichtet/ wenn ſich ein Handwercksmann auf Untreu ertap-
pen lieſſe/ er hefftig geſtrafft wuͤrde/ maſſen mir denn Exempels
weiſe gedacht/ auch die Straffe gewieſen ward/ wenn ein Be-
cker das Brodt zu klein gebacken haͤtte/ wie man mit ihm umzu-
gehen berechtiget/ nemlich: Er wuͤrde gantz nackend außgezo-
gen und nur mit einem Tuch unten behenget/ hienge ihm ein
Inſtrument, welches wie ichs geſehen/ von etzlichen ſchweren
Bretern/ faſt wie eine Thuͤr anzuſehen/ zuſam̃en gemachet waꝛ
und in der Mitten ein Loch/ unten aber Schellen hatte ziemli-
cher Groͤſſe/ an den Halß/ daß der Kopff oben herauß gienge
und das ſchwere Inſtrument auf den Achſeln ruhete ſetzte ihm
einen ſpitzigen Papirnen Hut auf und peitſchte ihn alſo zur
Stadt hinaus mit ledernen knotigen Peiitſchen. So wird auch
auf die Wahren-Steigerung der Kauffleute fleiſſige Auffſicht
gehalten/ damit niemand uͤberſetzt werden ſoll.


Die Todtſchlaͤger und Moͤrder werden/ nach Befindung
der Mordthat/ entweder geſpieſſet/ oder in groſſe ſpitzige Ha-
cken entweder durch den Halß/ oder durch den Leib geſchlagen/
leben oft daran noch wie viel Tage und muͤſſen ſich hefftig quaͤ-
len/ ehe ſie ſterben.


Den
[238]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den Raͤubern und groſſen Dieben hauet man Haͤnd und
Fuͤſſe ab und die Ehebrecher und Ehebrecherin werden entwe-
der erſaufft/ oder auf andere Weiſe hingerichtet und nichts de-
ſto weniger gehen doch greuliche Raubereyen/ Hurereyen/
Blutſchanden/ Sodomitereyen und andere ſchreckliche Laſter
im Schwange/ die nicht geſtrafft werden/ entweder daß ſie
vertuſchet/ oder ſonſt auß Gunſt uͤberſehen werden. Ja auch
wol an denen Orthen/ welche die Tuͤrcken und Araber ſelber
vor heilig und dahin ihre Wohlfahrten halten/ Vergebung ih-
rer Suͤnden zuerlangen/ ſchlagen die Huren ihre Zelte und
Huͤtten auf/ freſſen und ſauffen/ haben ihre Spielleute/ tantzen
und ſpringen und locken alſo die Reiſende hinan zu ihrer
Wolluſt und Unzucht/ wie ſonderlich auf der Reiſe nach Mecha
und Medina geſchiehet.


Uber dem Gottes Dienſt wird ſo ſteiff gehalten/ daß/
wenn iemand am Sabbath ergriffen wird/ daß er einige Ar-
beit thut/ weil andere Leute in der Kirchen ſind und Gott die-
nen/ derſelbe fuͤr die Kirch Thuͤre hingeſtellet und entweder
mit ſtinckendem Rinds-Geſchluͤncke ums Maul geſchlagen/
oder mit einem Ohre angenagelt wird/ da er ſo lange ſtehen
und außhalten muß/ biß der gantze Gottes-Dienſt geendiget
iſt. Geſchehe das bey uns Chriſten/ O wie mancher wuͤrde deß
Brantewein-Hauſes und ſonſt anderer nichtswuͤrdigen Ver-
richtungen muͤſſig gehen und ſich ingegen fleiſſiger und andaͤch-
tiger zur Kirchen halten.


Den 27. Julij bin ich mit meinem Tuͤrcken in ein Nonnen-
Kloſter der Coffiten/ daſſelbe zubeſehen/ gegangen/ da uns denn
die Aebtißin darinnen ſehr wohl tractiret/ wie es ihres Landes
Brauch war. Denn ſie ſetzte uns fuͤr einen groſſen Krug
vollſonderliches von Roſen und andern koͤſtlichen Spetzerey-
en gantz ſuͤſſe und ſehr wohlſchmeckendes Waſſers/ welches gar
friſch
[239]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
friſch und kuͤhlend war/ wie denn auch das Getraͤncke/ Caffa
genannt. Daſſelbe iſt gantz ſchwartz dicke und ſiedend heiß
und wird alſo auch getruncken. Dem Geſchmack nach iſt es/ als
wenn harte Rinden Brot drinnen geſotten/ oder gekocht waͤ-
ren/ ſoll aber gar geſund und der Geſundheit fuͤrtraͤglich zu
trincken ſeyn.


Dergleichen Getraͤncke der Caffa pflegen die Tuͤrcken von
fruͤh an/ biß in die Nacht/ gantz heiß und flugs vom Sode hin-
weg/ iedoch wenig auf einmahl/ in groſſer Menge zu trincken.
Es ſind gar ſonderliche Haͤuſer darzu erbauet/ in welchen die
Caffa geſotten/ oder gleichſam gebrauen wird: Da gehen ſie
hinein/ ſetzen ſich zuſammen hin und trincken/ gleich wie unſere
Bier- oder Wein-Bruͤder in oͤffentlichen Schenck-Haͤuſern mit
einander zu trincken pflegen.


Weiter ließ uns auch obgedachte Aebtißin in ihrem Klo-
ſter fuͤrſetzen Mandeln mit Zucker-Brodt und eine Schuͤſſel
mit braunen zugerichteten und geliefferten Zucker/ welches
denn eine groſſe Ehre ſeyn ſolte.


Es waren aber damahls in dieſem Kloſter mehr nicht/
als drey und zwantzig Nonnen/ iedoch lebeten ſie gleichwol
nicht ſo ſtrenge und eingezogen/ als wol ſonſt zu geſchehen pfle-
get oder doch von rechts wegen geſchehen ſoll. Denn die Aebtiſ-
ſin nebenſt zweyen Nonnen kam ſelber zu uns/ ſetzte ſich zu uns
auf die Erde und redete gar freundlich und luſtig mit uns.


Jch meines theils war ihrer Sprache nicht maͤchtig/ da-
hero mir mein Tuͤrcke alles erklaͤren und auslegen muſte/ da-
mit ich Red und Antwort geben konte auf das/ was ſie redete
und mich fragte. Wir ſaſſen aber in der Aebtiſſin Capelle auf
der Erden/ ſo mit ſchoͤnen Tapeten beleget war. Oben in der
Mitte der Capelle war ein groß Loch/ das war das Fenſter/
dadurch der Tag hinein fiel/ daß man drinnen ſehen konte.


H hMit
[240]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Mit der Muͤntze hat es dieſer Landes-Arth nach und in
Egypten eine ſolche Beſchaffenheit: Der Ungeriſche Ducaten
gilt 64. Mettin/ wenn man denſelben verwechſeln will/ acht
und ſechzig Mettin aber/ wenn man etwas kauffet/ vier und
dreyſſig Mettin machen ein Spaniſch Real, welches ein wenig
mehr iſt als ein Reichsthaler. Die Ungeriſchen Ducatẽ nennen
die Tuͤrcken und Araber Ebrimi, einen Tuͤrckiſchen Ducaten a-
ber Scheriff und einen Venetianiſchen Zickin. Dieſe gelten im
Wechſeln 66. im Kauffen aber wol biß 70. Mettin/ wenn ſie
recht wichtig ſind.


Ein Real di Piaſtro gilt im Wechſel drey und dreiſſig/ im
Kauffen aber fuͤnff und dreiſſig Mettin. Ein Mettin macht
drey Aſper/ welche machen einen Teutſchen Groſchen/ ieder
Aſper vier Pfennige.


Es gibt auch Kupffer-Muͤntze allda. Ein Stuͤck/ ſo groß/
als ein Dreyer und eines Meſſerruͤckens dicke/ deren achte ma-
chen ein Mettin. Und damals konte ich neun biß zehen Granat-
Aepfel um einen Mettin kauffen.


Man ſiehet aber nicht/ daß ſonſt in der Muͤntze einige
Aenderung fuͤrgienge/ wie es denn auch einem Herrn an ſeinen
Unterthanen keinen Vorthel und Foͤrderung gibt/ ſondern viel
mehr groſſe Unrichtigkeiten verurſachet/ wenn die Muͤntze ge-
aͤndert und entweder abgeſetzet/ oder der Preiß gemindert
wird.


DasVII. Capitul.


Von der Tuͤrcken Walfahrt nach Mecha und Me-
dina Thalnabi
in Arabien.


Wer
[241]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

WEr dahin will/ muß abermals die Gelegenheit wol in
acht nehmen/ daß er mit reiſet/ wenn die Caravanen und
und ſehr ſtarcke Geſpanſchafften dahin reiſen. Denn weil
nicht allein der Weg an ſich ſelber rauh und wuͤſte/ ſondern
auch weit und um deꝛ grauſamen Rauberey willen ſehr gefaͤhr-
lich/ ſo doͤrffen ſich wenig dahin nicht wagen/ ſondern muͤſſen
Hauffenweiſe reiſen/ als wenn ſie fuͤr einen Feind ziehen wol-
ten. Da gehoͤret Proviant/ Volck und munition darzu.


Man rechnets von Alkair biß nach Medina auf 1000.
Welſche Meilen und daruͤber bringen ſie zu ſechs Wochen und
wiſſen ſich unterwegs nichts ums Geld zuerholen/ darum deñ
alles mit nachgeſchleppet werden muß und hat mich nur wun-
der genommen/ daß die armen Leute ſo blind ſeyn und einem
ſolchen Verfuͤhrer und Betruͤger zugefallen wie der Mahomet
geweſen iſt/ ſo viel Unkoſten/ Gefahr und Muͤhe aufwenden
und nach ſeiner Gebuhrt und Begraͤbnuͤß-Stadt ziehen und
Walfahrten. Der rechte Weg aber von Alkair gehet auf das
Staͤdtlein Sues zu/ alwo ſich Egypten und Arabien theilen und
ſcheiden.


Von dieſem Staͤdtlein hat man noch biß nach Mecha
zwantzig Teutſche Meilen. Daſſelbe iſt zwar eine offene/ iedoch
mit dem Gebuͤrge faſt verwahret und wie befeſtiget und iſt ge-
legen in dem Theil Arabien/ daß man das gluͤckſelige Arabien
heiſſet. Da ſoll der Mahomet gebohren ſeyn. Die Kirche
ſtehet mitten in der Stadt und etwas in die Erde hinein/ daß
man etzliche Stuffen hinunter ſteigen muß und von auſſen her-
um ſind allerhand Kramlaͤden. Mitten in der Kirchen iſt das
Hauß deß Ertzvaters Abrahams welches weiland der Ertz-
Vater Abraham erbauet und bewohnet haben ſoll/ dahero der
Orth gar heilig gehalten wird und henget voll brennender
Lampen/ oben aber gehet ein Loch hinein/ dadurch der Tage in
die Kirche faͤllet.

H h 2Nechſt
[242]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Nechſt dabey ſtehet eine Capelle/ mit eiſſern Gattern um
und um beſchrencket/ darinnen ſoll der Ertz-Vater Abraham
begraben liegen. Derowegen wiſſen ſie nicht/ was ſie vor groſ-
ſer Andacht thun ſollen/ die dahin Walfahrten kommen. Sie
waſchen ſich/ wie vielmahl/ lauffen hin und her/ murmeln und
bremmeln/ ſcheren die Haar vom Haͤupte/ ziehen die Schuh
aus und ſtellen ſich/ als wenn ſie nicht wol bey Sinnen waͤren/
denn ſie halten dafuͤr/ daß auf ſolche Maſſe an dem Orthe ge-
wiß Vergebung ihrer Suͤnden zuerlangen.


Wenn das geſchehen/ ſo nehmen ſie ihren Weg weiter
fort nach Medina Thalnabi. Das iſt eben eine ſolche Stadt/ wie
Mecha und wird eine der andern nicht viel nachgeben. Frucht-
barkeit darff man bey keiner viel ſuchen/ ob ſie gleich im gluͤckſe-
ligen Arabien liegen und liegt dieſe von jener ſechs/ oder ſieben
Tagereiſen. Der Tempel ſtehet auch mitten in der Stadt/ in
welche der Tag von oben hinein faͤllet und darinnen iſt das
Grab Mahomets/ welches mit einem eiſern verguͤldeten Guͤt-
ter umſchraͤncket iſt. Und weil keiner hinein darff/ ſo lauffen ſie
dreymahl auſſer ſolchem Gitter um das Grab herum mit eben
denen Ceremonien/ wie zu Mecha geſchicht und ruffen mit lau-
ter Stimme La aſah alla Muhamed rahul allah, das iſt/ Gott iſt
allein Gott und ſein Goͤttlicher Prophet Mahomet.


Keinen einigen Chriſten iſt vergunnt ſolche und andere
der Tuͤrcken Heilige Orthe zubetreten. Wuͤrde er ertappet/ ſo
waͤre es um ſein Leben geſchehen und muͤſte ohn alle Barmher-
tzigkeit verbrannt werden.


Man hat vor deſſen geſchrieben und vorgegeben/ als
wenn deß Mahomets Sarg von einem Magnet in dieſer Kirche
oben am Gewoͤlbe ſchwebend gehalten wuͤrde/ iſt aber nichts.
Denn waͤre dem alſo/ ſo koͤnte ja ein Vernuͤnfftiger ſelber er-
achten/ daß es mit Zauberey und durch die Macht eines Magne-
t en
[243]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ten nicht geſchehen koͤnte. Allein der Augenſchein gibt das Wi-
derſpiel/ daß er nicht ſchwebet/ ſondern in etwas auf erhoͤheten
Seulen ſtehet und wie vorgedacht mit eiſern Gittern um und
um umſchraͤncket iſt.


Wann nun die armen Leute das geſehen/ ſo ziehen ſie wie-
der heim/ eben in ſolcher Gefahr und Beſchwer/ als ſie kommen
ſind. Keiner hat mehr davon als die Kauffleute die ihre Wah-
ren dabey anwerden und mit einem guten Gewinn nach Hau-
ſe ziehen. Denn wie der Teufel bey ſolchen Teuteleyen ſeinen
Seelen-Marckt haͤlt: Alſo halten auch die Kramer ihren
Wahren-Marckt.


DasVIII.Capitul.


Von der groſſen ungeheuren Arabiſchen
Wuͤſten.


EHe ich mich nun aus Egypten wende/ muß ich auch noch
eine Beſchreibung derſelben allhier mit beyfuͤgen.


Wenn ich aber ſolche Wuͤſten anſehe und gruͤndlich da-
von reden ſoll/ ſo muß ich mit Warheit bekennen/ daß ich ſie ſo
nimmermehr beſchreiben und abbilden kan/ als man ſie be-
findet/ wer ſelber durch dieſelbe reiſet und alles mit Augen
ſiehet.


Zwar die groſſe Begierde muß einem die Luſt machen
und den Grauen vertreiben/ ſonſt wuͤrde es keiner wagen hin-
durch zu reiſen/ wenn er nur den geringſten Blick und Vor-
ſchmack der darinnen obhanden ſchwebenden Gefahr haben
ſolte.


Dieſe Wuͤſten hat wol recht den Namen mit der That.
Denn es iſt ein wuͤſter Orth von Menſchen/ Vieh und Fruͤch-
ten. Da ſiehet man weder Doͤrffer/ noch Staͤdte/ auſſer dem
H h 3kleinen
[244]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
kleinen alten Staͤdtlein Sues am rothen Meer und deßwegen
wohnet kein Menſche drinnen/ als abſcheuliche nackende Moh-
ren/ die ſich deß Raubens und Mordens befleiſſigen ohne Reue
Scheue und Barmhertzigkeit und in den Hoͤhlen und Kluͤfften
wohnen/ wie das unvernuͤnfftige grimmige Vieh.


So ſind auch weder Aecker/ noch Wieſen drinnen/ ſinte-
mahl nichts/ als brennender Sand und ſonſt weder Laub/
noch Graß/ Sondern allein von unſaͤglicher Sonnen-Hitze
verbrante duͤrre Stengel zu ſehen und zu finden ſind/ dahero
das Land von Natur zu bauen und zu nutzen gantz untauglich
und im geringſten nicht geſchickt iſt und demnach auch weder
lauffende/ noch fliegende Thiere tragen und ernaͤhren kan.
Jngegen aber gibts ſchreckliche hohe/ ſchwartze und zerſchmet-
terte Steinklippen/ ſo ſich weit und fern durch die gantze Wuͤ-
ſten hin erſtecken und darneben auch abſcheuliche Tieffe und
zum Theil enge Thaale/ daß man meinte/ die Berge legen ei-
nen auf dem Halſe/ oder woltẽ einen in die Erde hinein ſchlagen/
wenn man zwiſchen hinreiſet. Dahero es an abſcheulichen Gif-
tigen Unziefer und Gewuͤrme nicht fehlet/ daß die Reiſende wol
zu ſehen muͤſſen/ wie und wo ſie ſich lagern/ damit ſie Friede
fuͤr demſelben haben und nicht Schaden nehmen moͤ-
gen.


Wol recht nennet ſie die heilige Schrifft im 2. Jerem. Ein
Bilde deß Todes/ mit ſolchen Worten/ da der heilige Geiſt den
Juͤden ihre Undanckbarkeit gegen Gott vorruͤcket und ſpricht:
Keiner denckt nie einmahl/ wo iſt der HERR/ der uns aus E-
gyptenland fuͤhret und leitet uns in der Wuͤſten/ im wilden
ungebaͤhnten Lande/ im duͤrren und finſtern Lande/ (im
Lande deß Schattens deß Todes/ wie es in der Grund-Spra-
che
[245]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
che lautet) im Lande/ da niemand wandelt noch kein Menſche
wohnet.


Denn weil Gott dennoch das Jſraelitiſche Volck in dieſer
Wildniß gantzer viertzig Jahr wunderbarlich erhalten/ geſpei-
ſet mit Brote vom Himmel herab/ getraͤncket mit Waſſer aus
dem harten Felſen heraus geſchlagen/ gekleidet/ indem ihre Klei-
der am Leibe/ noch ihre Schuh an Fuͤſſen nicht reiſſen muͤſſen/
da ſie aus Egypten Land kamen und ehe ſie ins gelobte Land
gelangeten/ ſo war es gleichwol ein ſchaͤndlicher Undanck/ daß
ſie es nicht erkannten und GOTT dem HERRN/ als
fromme Kinder/ von Hertzen dieneten/ ſondern mit allerhand
groben Suͤnden/ Schanden und Laſtern hefftig zu wider wa-
ren und deß Abweichens nur mehr machten/ ie oͤffter ſie
GOTT ſtraffte und warnen lieſſe. Kein Wunder demnach/
daß ſie es endlich auch mit ihrem euſſerſten Verderben buͤſſen
und bezahlen muͤſſen.


DasIX.Capitul.


Von meiner Reiſe nach Damiata und was mir
unterwegs denckwuͤrdiges vorge-
ſtoſſen.


NAch dem ich mich nun in Egypten und Arabien wol umge-
ſehen und nun meinen Sinn in Syrien gerichtet hatte
und aber am bequemſten bey Damiata uͤber Meer dahin
gelangen konte habe ich mich nach Nothdurfft zur Reiſe ver-
ſehen/ habe ich mich den 28. Julij kurtz vor Mittage zu Babylon
oder Alkair im Namen GOttes aufgemacht. Es gab mir
aber
[246]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
aber Herr Santo einen Janitzſcharen wegen der Mohren zur
Salva Guardi und einen Juͤdiſchen Tolmetſcher zu/ damit ich de-
ſto beſſer fortkommen ſolte. Die muſten mich biß nach Herpo-
laco,
welches ein klein Staͤdtlein iſt eine gute halbe Stunde
von Babylon/ am Nilo gelegen bringen. Jch hatte aber auch
noch einen Goldſchmieds Geſellen bey mir der ein Franzoſe
war.


Und weil von hier alle Mon und Freytage pflegt eine
Scherme nach Damiata auf dem Nilo zu gehen/ habe ich den
Janitzſchar und Juͤden um ein Trinckgeld wieder zu ruͤck ge-
ſchickt und habe mich mit dem Goldſchmiede aufs Schiff bege-
ben/ da ich denn vor meine Perſon/ biß nach Damiata, ein und
zwantzig Mettin zum Fuhrlohne geben muͤſſen.


Den 30. Julij in dem wir nun auf dem Nilo dahin ſegel-
ten/ kam in der Nacht/ weils uͤber aus finſter war und wir im
ſichern Schlaffe lagen/ eine Barcka mit Mohren/ welches ein
Raubſchiff war/ gar nahe an unſere Scherme und gedachten
ihr Heil zuverſuchen/ obs ihnen gelingen moͤgte uns zu uͤber-
raſchen. Zu unſerm groſſen Gluͤck aber war auf unſerer Scher-
me,
worauf ſonſt lauter Mohren und Tuͤrcken waren und ich
ſammt dem Goldſchmieds-Geſellen gantz allein unter ihnen/
auch mit ein Tuͤrckiſcher Spahilar, oder Reuter/ der ſolches
Raubſchiffes noch flugs bey Zeit gewahr ward und ſie an-
ſchriehe und fragte: Warum ſie uns ſo nahe auf den Halß kom-
men und was ſie begehrten? Sie ſolten ſich packen und ihrer
Straſſe fahren/ oder es wuͤrde nicht gut werden. Weil ſie aber
ſtille ſchwiegen/ gab er alsbald Feuer auf ſie/ da giengen ſie
zur Seite. Und als er den andern Schuß thaͤt/ da thaueten ih-
nen die Maͤuler auf/ fingen an zu ſchreyen und ſagten: Wir
ſolten gemach thun/ ſie begehrten uns ja das geringſte Leid
nicht
[247]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nicht zu thun. Moͤgten alſo damit zu frieden ſeyn/ was ſie be-
kommen hatten/ dann ohne Zweifel war er von dieſen beiden
Schuͤſſen ſo gar ohne Schaden nicht abgangen: Wir aber
danckten Gott/ daß wir alſo angeputzt weg kommen/ da wir
ſonſt leicht um Leib und Leben haͤtten kommen koͤnnen/ wenn
dieſer Spahilar gethan haͤtte. Denn der Nilus iſt wegen der raͤu-
beriſchen Mohren ſehr gefaͤhrlich und unſicher zu reiſen/ ſon-
derlich bey der Nacht/ da man wol Wache und gefaſt ſeyn
muß/ wenn man nicht in Schaden und Ungluͤck gerathen
will.


Den 31. Julij fruͤh mit Sonnen-Aufgang ſind wir gluͤck-
lich zu Damiata ankommen/ da ich denn meines Theils GOtt
von Hertzen gedancket/ daß er mir abermals ſo gnaͤdiglich
durch eine ſo augenſcheinliche Gefahr hindurch geholffen.


DasX. Capitul.


Von der Stadt Damiata und was allda zu ſehen
geweſen.


NAch dem wir nun ankamen/ muſten ich und der Gold-
ſchmied wol eine guthe halbe Stunde herauſſen am Waſ-
ſer verziehen/ die Urſachen deſſen war dieſe: Es war der
Divan, allwo die Tuͤrcken zu Rathe gehen/ noch nicht offen.
Derowegen/ als derſelbe nun geoͤffnet war/ ward ich von etzli-
chen Tuͤrcken abgeholet und an den Orth hingebracht: Da
muſte ich mein Felleiß biß auf den Grund ausraͤumen und ſe-
hen laſſen/ ob ich auch etwas bey mir hatte/ das einigen Ver-
dacht machen koͤnte. Weil ſie aber nichts fanden/ lieſſen ſie mich
pasſiren und mogte ich einkehren in der Stadt/ wo mirs belie-
big war.


Weil ich aber vom Herrn Santo zu Alkair Lobe-Briefe
mit bekommen hatte an einen Kauffmann daſelbſt/ Higlorenzo
genannt/ welcher gar eine luſtige Wohnung am Nilo hatte/
J iun-
[248]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
unter welcher im ſelben Hauſe das ſchwartze warme Tuͤrckiſche
Getraͤncke/ Caffa zu kauffe war/ bin ich bey demſelben auch ein-
gekehret und verblieben/ ſo lange ich da zu Damiata war.


Dieſes Damiata iſt gar eine feine und beruͤhmte Stadt
von Groͤſſe/ Gebaͤuen und Gegend. Sie liegt faſt am Meere
da der Nilus ins Meer faͤllet/ dahero man auch von daraus zu
Schiffe in Syrien/ und wohin man in der Welt begehret/
kommen kan und moͤgte dieſelbe gar wol ein Schluͤſſel zu Egy-
pten genennet werden. Und wiewol ſie noch feſt gnung iſt/ ſo
muß ſie doch vor Zeiten noch viel feſter geweſen ſeyn/ ſintemahl/
wie noch daſelbſt Nachricht gewieſen wird/ die Teutſchen mit
ihren Bunds-Verwandten im Jahr Chriſte 1217. viel Muͤhe
gehabt/ daß ſie dieſelbe einbekommen und noch vielmehr die
Tuͤrcken/ da ſie ſelbige wieder belagert und im Jahr Chriſti
1222. eingenommen.


Uber nichts habe ich mich mehr verwundern muͤſſen/ als
daß man da zu Damiata Tauben hat/ alſo abgerichtet/ daß ſie
gar in geſchwinder Eyl die Poſt nach Alkair/ oder Babylon
bringen/ wenn die Schiffe zu Damiata aus dem Meee ankom̃en
ſeyn. Man bindet ihnen die Brieffe unter die Fluͤgel/ oder an
die Fuͤſſe und laͤßt ſie damit hinfliegen.


Es iſt ober gar wolfeil zehren da vier ſchoͤne weiſe Brote
der Farbe nach faſt wie das Zucker-Brodt und ſo groß/ als ein
ziemlicher hoͤltzerner Teller und faſt zwey quer Finger dicke/
konte ich um ein Mettin kauffen. Dahero/ weil ich immer wie-
der fort gedachte ich mich auch alsbald auf die Reiſe verſorge-
te und kauffte/ was ich von noͤthen hatte/ von Brodt/ Eyern
und eine Tſchare Cypriſchen Wein/ dafuͤr ich nicht mehr/ als
17. Mettin gab/ da ich wol zu Babylon 30. Mettin hatte geben
muͤſſen.


Jndem ich abeꝛ bey gedachtem Hiplorenzo gleich zu Tiſche
ſitze/ werde ich berichtet/ daß auſſen vor der Stadt noch auff
dem
[249]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Nilo eine Mohren-Galliott lege/ welche ihren Curs nach Syri-
en haͤtteund bald aufbrechen wuͤrde. Das war mir demnach
eine gewuͤnſchte Poſt/ machte mich auch alsbald auf/ dingte
mir eine eigene Barcka und nam um ein Trinckgeld einen Ja-
nitzſchar durch Huͤlffe Herrn Hiplorenzens zu mir/ damit ich der
Mohren wegen nicht allein moͤgte deſto ſicherer ſeyn/ ſondern
auch damit er mich an dem Galliott-Capitain gedachtes Hi-
plorenzens
wegen beſtes antragen und mit ihm der Gebuͤhr
halben handeln ſolte/ und fuhr alſo im Namen Gottes von
Damiata ab dahin nach gedachter Galliott/ die wir auch eine
gute Stunde von der Stadt bey einem Dorffe/ zur rechten
Hand gelegen/ antraffen. Dieſelbe hatte auf beiden Seiten
dreyſſig Ruder/ zwey Maſte und Segel und darneben etzliche
kleine Stuͤcklein Geſchuͤtz.


Es waren aber auf ſolcher Galiott lauter Mohren und
hatten etzliche gar die Peſt am Halſe/ woruͤber ich mich nicht
wenig entſatzte/ weil mir nicht dar von war geſagt worden/ ehe
ich ihnen auf den Halß kam. Und weil mirs der eine wol anmer-
cken konte/ iedem ich mich ſeiner euſſerte/ wo ich konte ergrim-
mete er hefftig wider mich uñ drohete mir offt mit ſeinem krum-
men Meſſer/ daß er/ der Araber Brauch nach/ vorn auf der
Bruſt trug. Allein weil ich ihn mit dem Galiott-Capitain/ als
dem ich fleiſſig anbefohlen worden war/ trohete/ muſte er ſich
doch gleichwol etwas ſcheuen und dorffte ſich ſo muthwillig an
mir ohne gegebene Urſache nicht vergreiffen.


Unterdeß aber/ weil wir beyde Chriſten gleichwol unter ſol-
chen Barbariſchen Voͤlckern allein ſeyn muſtẽ/ iſt leicht zu ach-
ten/ wie uns muͤſſe zu gute geweſen ſeyn. Traun anders waren
wir nicht/ als die Eylen untern Vogeln/ in Leib uñ Lebens-Ge-
fahr und muſten wir muthe Fremdlinge/ verlaſſen von aller
Menſchliche Liebe und Treue/ uns ſchmie gen und biegen/ woltẽ
wir durchkom̃en/ alsdeñ hernach weitlaͤufftiger geſagt werden.
ſoll.

J i 2Und
[250]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Und hiermit beſchlieſſe ich nun das Koͤnigreich Egypten
und Arabien/ weil ich mich zur Gnuͤge drinnen aufgehalten
und kehre mich von dannen auch in Syrien zuerzehlen/ wie
ichs drinnen geſehen und gefunden habe.


Das ſiebende Buch.


Begreifft meine Reiſe in Syrien und andere anliegen-
de Orte und wie ich allenthalben die heiligen Staͤten/
da Chriſtus/ unſer lieber Seligmacher/ gewandelt
und gelebet/ fleiſſig beſich.
tiget.


DasI.Capitul.


Jſt eine Beſchreibung von dem Lande
Syrien.


DAs Land Syrien wird ingemein dafür
gehalten/ als wenns vordeſſen von Aram/
einem Sohne deß Ertz-Vaters Sems/ der
ein Sohn war Noha/ nach der Suͤndfluth
waͤre erbauet und bewohnet worden und
demnach auch Aram nach ſeinem Namen
genennet worden. Es iſt aber daſſelbe im an-
dern Theil der Welt/ nemlich Aſia, gelegen/ an einem bequemen
und fruchtbaren Orthe der Welt/ iſt ſehr weitlaͤuftig/ alſo daß
viel andere Laͤnder/ ja Koͤnigreiche und Herrſchafften drinnen
begriffen ſeyn. Und wenn ich genau davon reden will/ ſo iſts
als wenns die Natur ſelber in drey Theil unterſchieden und ge-
theilet haͤtte.


Das erſte Theil hebt ſich an bey Tyro/ welches die Bar-
ba-
[251]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
baren heute zu Tage Sait heiſſen/ gleich wie aus Sydon Sur,
und erſtreckt ſich biß an den Golfo di Lajace. Die Gegend zwi-
ſchen den beiden Bergen Libanus und Antilibanus iſt der andere
Theil und die Gegend am Euphrat Strom biß an Armenien
hinan/ iſt der dritte Theil. Jm erſten Theil liegen die Staͤdte
Barutho, Tripoli, Tortoja, Damaſcus und Laodicea. Jm andern
Theil liegt Antiochia welches aber ietzt gantz zerſtoͤrt und nur
aus dem alten zerfallenen Gemaͤuer etzlichen Thuͤrmen uñ dem
Caſtell auf einem Berge noch zu ſehen/ was es fuͤr eine herrliche
und praͤchtige Stadt muͤſſe geweſen ſeyn. Das denckwuͤrdigſte
iſt/ daß die lieben Apoſtel allda zu erſt eine Kirche beſtaͤtiget/ da-
hero auch allda die Glaͤubigen zu erſt Chriſten genennet wor-
den/ wie zu leſen im 11. deß Apoſtoliſchen Geſchicht Buchs. Ja
man zeiget allda auch noch den Orth/ wo der Apoſtel Petrus
ſolle haben pflegen mit hauffen Chriſten zu tauffen. Darum
auch/ waͤre ein Orth/ oder Kirche werth fuͤr das Haupt der
Kirchen zu halten/ ſo waͤre es Antiochia und nicht Rom. Allein
weil Gott damit nicht gedienet/ ſo muß Antiochia auch zerſtoͤ-
ret ſeyn. Jm dritten Theil liegt die beruͤhmte Tuͤrckiſche Han-
dels Stadt Aleppo. Jſt zwar an ſich ſelber groß gnung/ aber
an Gebaͤuen ſchlecht erbauet/ ausgenommen die Muſqueen, o-
der Tuͤrckiſchen Kirchen und das Schloß darinnen/ worunter
dieſes noch ziemlich/ jene aber deſto ſchoͤner anzuſehen ſind.
Deßgleichen iſt auch gar ein ſchoͤner groſſer Han allda fuͤr die
fremden Kauffleute.


Die vornehmſten Handels-Staͤdte in gantz Tuͤrckey ſind
dieſe: Babylon oder Alkair in Egypten/ Gemming/ die ge-
waltige Stadt in Arabien Damaſcus und Aleppo in Syrien/
welche mit Carovanen und groſſen Geſellſchafften nach Mecha
und Medina Thalnabi Wallfahrten/ in Arabien reiſen und
handeln.


J i 3Sonſt
[252]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Sonſt wird Syrien an fuͤnff Provintzen und Laͤnder ein-
getheilet/ als Palæſtinam, oder Philiſter Land/ weils vorhin die
Philiſter inne gehabt/ ehe es durch Gottes Gnad und Schi-
ckung/ in deß Juͤdiſchen Volcks Haͤnde kommen/ in Phœnici-
am, Celeſyriam, Syriam
und Comagenem.


Palæſtinam theilet der Jordan wieder in zwey Theil. Deñ
das Juͤdiſche/ oder das Volck Jſrael theilte ſich alſo nach
Gottes ſelbſt eigenen Anſchlage in dieſes Land/ daß der Stam̃
Ruben/ Gad/ und der halbe Stamm Manaſſe den Theil deß
Landes uͤbern Jordan einnahmen und ſich alda zu wohnen
gaben/ die andere Helffte aber deß Stamms Manaſſe ſam̃t
den uͤbrigen andern Staͤmmen kamen heruͤber und wohne-
ten diſſeits des Jordans. Dieſes Theil nun wird widerum in
drey Provintzen und Laͤnder/ als in Judæam/ zwiſchen dem
todten und mittel Meer/ worinnen Jeruſalem die Hauptſtadt
iſt und recht mitten in der Welt gelegen ſeyn ſoll/ in Samariam
und Galilæam.


Wenn man genau rechnen wolte/ ſo belaͤuft ſich diß Theil
Syrien kaum uͤber acht und viertzig Teutſche Meilen in die
Laͤnge und neun biß zehen Meilen in die Breite/ noch dennoch
hat ſich ein ſolch maͤchtig und herrlich Koͤnigreich/ nemlich J-
ſrael/ davon erhalten und groß Reichthumb ſamlen koͤnnen.
Denn da Koͤnig David das Volck und die ſtreitbare Mann-
ſchafft zehlen lieſſe/ da wurden ohne die zwey Staͤmme/ Levi
und Benjamin/ befunden dreyzehen mal hundert tauſent
Mann. Ja daß noch mehr iſt/ ſo muſte hernach diß Land tra-
gen zweene Koͤnige/ nach dem ſich das Reich theilete ins Koͤnig-
reich Juda und Jſrael wo were es heute zu Tage muͤglich/ man
moͤchte lauffen und ſuchen in der Welt/ wo man wolte? Denn
der Staat waͤchſet ſammt den Suͤnden und der Seegen
Gottes nimmet ab und neiget ſich alles zum Ende und Fall/
gleich wie die Krone und alle Herrligkeit deß Juͤdiſchen Koͤnig-
reichs gefallen und ein Ende genommen hat.

Das
[253]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasII. Capitul.


Von meiner Reiſe uͤbers Meer nach Syrien und wie mirs
unterwegs ergangen iſt.


GLeich den 1. Auguſti ſt. n. ſind wir mit obgedachter Moh-
ren-Galliott aus dem Nilo ins Meer gegangen und mu-
ſte ich vor meine Perſon/ biß nach Baruth in Syrien
fuͤnff Real zum Schifflohne geben.


Wir brachten aber wol eine halbe Stunde druͤber zu/ ehe
wir auskommen konten/ denn wir muſten ein groß lediges
Schiff dingen/ weils uns nicht fuͤgen wolte und unſere Galli-
ott aus dem Nilo ins Meer ziehen laſſen. Nach dem wir aber
hinaus waren/ konten wir mit gutem Winde ziemlich fort-
ſtreichen/ alſo/ daß wir unſerer dreyſſig Ruder nicht von noͤthen
hatten.


Zwar laͤnger waren wir nicht unterwegs/ als vier Ta-
ge und Nacht: Allein weil wir nichts/ als Himmel und Waſ-
ſer ſahen/ und man unter denen Barbarn ſeyn muſte/ als weñ
man blind/ taub und ſtumm waͤre/ dieweil man ſich mit ihnen
einzulaſſen nicht getrauen dorffte/ ward mir Zeit und Weile
lang und haͤtte mich lieber aufs weiteſte von ihnen gewuͤnſchet
wenns muͤglich geweſen waͤre. Uber diß alles/ ſo thaͤten mir und
dem Franzoſen die untreuen muͤrriſchen Mohren zu wider was
ſie konten/ daß wir wol vergaſſen uns das geringſte gute zu
ihm zuverſehen.


Es hatte uns der Capitain auf der Galliott o-
ben gar einen feinen Platz eingegeben im Hindertheil
deß Schiffs und einen ſchoͤnen Tuͤrckiſchen Teppich drauff/
worauff wir leegen ſolten: allein die Mohren/ ſo die
Peſtilentz am Halſe hatten/ trieben uns mit Sturm und
Gewalt davon und droheten uns/ wo wir uns wehren und we-
gern wolten/ ſie wolten uns alsbald uͤber Port ins
Meer
[254]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Meer ſiuͤrtzen. Muͤſten alſo/ weil wir uͤbermannet waren/
ſchweigen und noch die freundlichſten Minen darzu machen.


Und ob wirs gleich dem Capitain klagten und ihn ſeiner
Zuſage erinnerten/ auch vorwandten/ wir muͤſten ihm gleich-
wol unſern guten Lohn geben/ deßwegen er uns auch Schutz
und Friede ſchaffen ſolte/ ſo ſtund er doch mit dem Hertzen bey
ſeinen Mohren und wieſe uns nur mit falſchen Worten abe, da
nichts darhinter war und waͤre wol gewiß/ daß es ſchon verge-
ben geweſen waͤre/ wenn wir gleich ins Waſſer waͤren ge-
worffen worden. Derowegen weil wir ihren Pact zuſammen
mercketen/ druͤckten wir und behalffen uns auf einem kleinen
engen und unebenen boͤſen Raͤumlein/ das nimmer treuge
ward von dem ſtetig drauff ſchlagenden See-Waſſer/ ſo gut
wir konten ferner Ungluͤck zuverhalten und getroͤſten uns/ daß
es bald ein Ende nehmen und nicht lange waͤren wuͤrde.


Hierzu kam auch noch das ſtets waͤrende Rumoren/
Zancken und ſchlagen der muͤrriſchen und unbaͤndigen Araber
unternander und muſten wir immer in Furcht und Sorgen
leben/ wenn auch wir moͤgten mit Haaren drein gezogen wer-
den. So war auch das ſuͤſſe Waſſer ſo ſeltzam/ daß wir nicht ſo
viel haben konten/ womit wir uns deß Durſts haͤtten erweh-
ren koͤnnen und kan ich mit Warheit ſagen daß ich kaum mei-
ne gantze Reiſe uͤber ſo viel Durſt erlidten/ als dieſe vier Tage
unter dieſen untreuen Leuten allein geſchehen.


Nach dem wir nun gnuſam ausgeſtanden/ ſind wir ja
endlich durch Gottes Huͤlffe unſerer Angſt loß worden und
den 4. Aug. gluͤcklich zu Baruth in Syrien ankommen/ da wir
denn unſere Galliott an dem groſſen Caſtell daſelbſt auf An-
cker geleget/ woſelbſt auch flugs das Stadt-Thor war/ da wir
hinein in die Stadt giengen nach unſerm Logiment/ worinnen
wir uns aufhalten und ſo lange bleiben wolten/ biß wir unſere
Reiſe weiter fortſtellen koͤnten.

Das
[255]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasIII.Capitul.


Von der Stadt Baruth in Syrien und was ſich
allda begeben und zugetragen.


DJeſes Baruth iſt eine ſehr alte Stadt/ wie man denn lie-
ſet/ ſo muß dieſelbe ſchon zu den Zeiten deß Propheten E-
zechiel geweſen ſeyn/ weil er ihrer gedencket im 47. Cap.
ſeiner Weiſſag. Sie liegt um die Gegend Antiochia und dem-
nach uͤber 70. Meilwegs von Jeruſalem. Jſt ſonſt noch an
Groͤſſe und Gebaͤuen ziemlich/ wiewol auch verwuͤſtet und iſt
vordeſſen Beeroth, ietzt aber Barutho, oder Baruth genennet
und hat noch ietzt gar ein gutes Caſtell/ ſo ſtets mit Tuͤrckiſcher
Beſatzung beſetzt iſt.


Einen ſtattlichen Han hat es daſelbſt/ der ſehr groß und
weitlaͤufftig iſt. Der Hof iſt ins gevierdte und uͤberaus groß/ in
welchem an den Seiten herum etzliche Brunnen ſind/ oben a-
ber iſts voller Kaͤmmerlein/ wie in den Kloͤſtern die Zellen/ auff
welchen man/ weil ſie eben ſind/ umher ſpatzieren und ſich lu-
ſtig umſehen kan und unten drunter im Hofe herum ſind Ge-
woͤlbe und Staͤlle.


Dergleichen groſſe weitlaͤufftige Haͤuſer und Hoͤfe gibts
in denen Morgenlaͤndern gar viel und werden von denen Jn-
wohnern Hanne genennet. Sonderlich iſt keine Handelsſtadt/
da nicht welche innen zu finden ſeyn/ zu dem Ende/ damit die
fremden Kauffleute und ſonſt auch andere fremdereiſende
Herren ihr Gelaß und Logir darinnen haben und nehmen
ſollen.


Und in dieſem Han bin auch ich mit meinem Gefaͤhrten
dem Franzoͤſiſchen Goldſchmieds Geſellen/ bey einem Fran-
zoͤſiſchen Kauffmanne/ Faber genannt aus der Stadt Marſilia
buͤhrtig/ eingekehret/ weiler eine Kammer allda vor ſich innen
hatte.


K kBey
[256]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Bey dieſem Kauffmann ſind wir auch die Zeit uͤber/ als
wir allda geweſen/ zu Tiſche gegangen und hat einer vor die
Mahlzeit ein Vierthel eines Reals geben muͤſſen/ welches gar
wol zu geben war/ weil man derer Orthe nicht ſo Gaſt-Hoͤfe/
oder Wirthshaͤuſer hat/ wie in der Chriſtenheit: Mit dem
Nacht-Lager aber muſten wir unter freyem Himmel oben auf
dem Hauſe im Kuͤhlen verlieb nehmen neben zween Capuziner
Muͤnchen@


Hart an dieſem Hauſe unten war ein Gottes-Acker/ auf
welchem die Maronitiſchen Weiber oft wol drey Tage nach
einander/ wie ich in acht genommen/ Hauffenweiſe mit groſ-
ſem Klagen/ Heulen und Weinen zuſammen kommen. Gehen
gantz in weiſſen langen Hembden und ſchlagen immer die
Haͤnde zuſammen/ als waͤre ihnen noch ſo groß Hertzeleid wi-
derfahren/ knien neben die Graͤber ihrer verſtorbenen Freun-
de/ pruͤllen und heulen/ wie vorgedacht und ſtellen ſich aufs
ungeberdigſte/ daß ſich einer druͤber entſetzen muß/ der es vor-
hin nicht geſehen/ noch deßwegen gewohnt iſt.


Dieſe Maroniten ſind Chriſten/ ſo von Marone, ihrem Or-
dens-Stiffter/ herkommen ſollen/ haben zwar ihren eigenen
Patriarchen/ der zu Tripoli in Syrien wohnet/ erkennen aber
doch den Pabſt zu Rom fuͤr das Haupt der Kirchen und Chri-
ſtenheit/ welches die Griechiſchen Chriſten nicht thun. Sie
veneriren ſo wol ihre/ als die Paͤpſtiſche Pfaffen mit tieff ge-
buͤcktem Leib und Haͤupte und mit Haͤnde kuͤſſen und legen den-
ſelben ihre Haͤnde/ als auch an ihre ſelbſt eigene Bruſt/ welches
fuͤr ein ſonderbares Ehren-Zeichen gehalten wird. Jhre Wei-
ber laſſen ſie in den Haͤuſern niemand ſehen/ noch zu Geſichte
kommen und ihre Prieſter gehen/ wie andere Leute und Welt-
liche in Kleidungen gantz ſchlecht und hat ein ieglicher ſein Weib/
hey-
[257]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
heyrathen aber nicht wieder/ wenn dieſelbe ſtirbet und mit
todt abgehet.


Hier muß ich doch wuuderhalben erzehlen/ wie es mei-
nem Tiſch und Reiſe-Geſellen/ dem Fanzoſen/ allhier zu
Baruth ergangen iſt.


Den 6. Auguſti gehet er ohngefaͤhr ſeinen Geſchaͤfften
nach uͤber die Gaſſe und als er wieder heimgehen will/ ſitzt ein
voller Mohr in einem finſtern Kram-Laden/ und da derſelbe
ihn anſichtig wird/ koͤmmt er heraus gelauffen und faͤllet
ihn mit groſſer Furi, und Ungeſtuͤm an/ der Meinung/ Geld
aus ihm zu zwingen. Weil ſich aber der Franzoſe darzu nicht
verſtehen will/ ſondern mit ihm reiſſet und ringet/ daß er ſeiner
loß werden will/ zeicht endlich der Mohr ſeinen Sebel aus und
will dem Franzoſen mit Gewalt zu Leibe/ der aber die Hand
vorwirfft und ſich hefftig verwundet/ indem derſelbe ohnge-
faͤhr den Sebel in die Hand zu faſſen bekoͤmmet und der Mohr
ihm denſelben durch die Hand zeucht.


Und weil das Geſchrey ehe in den Han kam/ als er/ bin ich
alsbald mit unſerm Wirth/ Herr Fabern/ dahin gangen und
recht nach der Sachen Beſchaffenheit gefraget. Es konte uns
aber niemand anders berichten/ als daß es aus lauter Frevel
und Muthwill geſchehen war/ dahero Herr Faber alsbald
zum Richter allda gieng/ den man Muſalem hieſſe und verklag-
te den Mohr deßwegen. Den ließ der Muſalem auch alsbald ſu-
chen und ihn/ da er vorgebracht ward/ auf Tuͤrckiſch von der
Fußſohlen an jaͤmmerlich abpruͤgeln und alſo ſeinen Muth-
willen wol eintraͤncken/ der arme Schweiß aber muſte gleich-
wol ſeinen Schaden und Schmertzen behalten.


Dieſer Streit aber kam daher: Als wir auf dem Meere
K k 2zwey
[258]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
zwey Tage und Nacht kein Land ſehen konten und gleichwol
unter dieſen Barbaren in Leib und Lebens Gefabr viel Unluſt
dulden muſten/ ward uns Zeit und Weile lang und hatte et-
wann dieſer Franzoſe gegen dieſen Mohr lauffen laſſen/ weil
er damals auf unſerer Galliott ein Booßknecht war/ er wolte
ihm ein guth Trinckgeld geben/ wenn er vom Korbe am Maſt
herab die Zeitung und gute Poſt bringen wuͤrde/ daß man
Land ſehen koͤnte. Weil nun ſolches geſchehen und der Franzoſe
ſein Wort nicht gehalten/ hatte der Mohr gemeinet/ weil er
ihn allda gleich gelegen antreffe/ er wolte ſich auff ſolche Maſſe
bezahlt machen/ welches ihm aber gar uͤbel bekam. Auß dieſem
Exempel iſt abermals zu ſehẽ/ daß gleichwol auch unter ſolchen
Barbariſchen Leuten auf Gerechtigkeit gehalten wird/ da es
oft wol unter Chriſten dran fehlet.


Allhier in Syrien habe ich dieſe Zeit faſt groͤſſere Hitze/ als
in Egypten/ befunden und wird gleichwol unerachtet deſſen/
die Frucht allda und im Juͤdiſchen Lande ſpaͤter reiff/ als in E-
gypten/ woruͤber ſich zuverwundern. Als zum exempel: Zu
Baruth wird der Wein faſt gar zu Ende deß Julij reiff/ in E-
gypten aber und zu Babylon flugs im Junio, wiewoles im Ge-
buͤrge gleichwol auch noch ſpaͤter geſchiehet.


Zu Baruth habe ich auch gar eine ſonderbare Arth Wein-
trauben geſehen. Eine Beere warſo groß/ als ein groſſer Spil-
ling. Auch hats gar ſonderliche Feigen allda/ dergleichen ich
auch in Egypten zu Alexandria geſehen/ welche Pharaonis Fei-
gen genennet werden. Sie wachſen aus den dicken Aeſten/ wie
Weintrauben und ſind nicht wie andere Feigen/ ſondern in der
Groͤſſe/ als eine kleine welſche Nuß von 12. biß 20. an einem Puͤ-
ſchel. Sind ſafftiger und vielſuͤſſer/ als andere Feigen und dar-
neben uͤber alle maſſe lieblich und anmuthig zu genieſſen. Etzli-
che heiſſen ſie Adams-Aepffel und halten dafuͤr/ daß diß die
Frucht
[259]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Frucht deß Verbotenen Baums im Paradiß ſolle geweſen
ſeyn/ daran ſich Adam und Eva ſollen verſuͤndiget haben/ die-
weil man alle mahl ein Crucifix drinnen ſiehet/ ſo offt man ein
Scheiblein abſchneidet/ das Laub und die Blaͤtter ſind auch gar
ſonderbar und ungewoͤhnlicher Groͤſſe.


Die Gaſſen in der Stadt Baruth ſind zwar zum Theil
gepflaſtert/ aber doch iſt das Pflaſter gantz zerbrochen und al-
lendhalben voll Gruben und Loͤcher. Es gibt viel ſchoͤne Gaͤr-
ten allda/ in welchen um der Seidenwuͤrme willen viel Maul-
beer-Baͤume gezeuget werden/ weil die Seidenwuͤrme von de-
nen Maulbeer-Blaͤttern ernehret und erhalten werden. Denn
an dem Orte wird ſo viel Seide gemacht/ als ſonſt irgendswo/
zu dem Ende denn die Jnwohner die Seidenwuͤrme halten und
ſpinnen laſſen.


Von Tattel-Baͤumen gibts auch ſehr viel allda und
waͤchſt die Frucht nicht/ wie ſonſt/ aus den Zweigen/ ſondern
Puͤſchel Weiſe/ einer von 3. biß 4. geballten Faͤuſten groß/ wel-
ches denn gar anmutig zu ſehen iſt/ wenn ſie alſo auf den Baͤu-
men hengen.


Auſſen vor der Stadt wird auch gezeiget der Brunn/
bey welchem der ungeheure Drache deß Koͤnigs Tochter ſoll
begegnet und derſelbe vom Ritter S. Georgen ertoͤdtet und
alſo deß Koͤnigs-Tochter von ihm errettet worden ſeyn. Liegt
ohngefaͤhr 400. Schritte vom Meere und iſt gar ein ſehr luſti-
ger Weg hinaus zu ſolchem Brunnen zwiſchen lauter ſchoͤnen
fruchtbaren Gaͤrten/ weßwegen denn auch ich ſammt einem
Franzoͤſiſchen Kauffmanns Diener hinaus geritten und mich
daſelbſt umgeſehen/ dieweil ſo viel Schreibens uñ Sagens von
dieſer Geſchichte iſt und dieſelbe nicht allein vor warhafftig/
ſondern auch gedachter Ritter vor einen groſſen Heiligen allda
gehalten wird.


K k 3Dem
[260]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Dem Caſtell gleich gegen uͤber anderthalbe Tagereiſe von
der Stadt iſt das ſehr hohe gruͤne und ſchoͤne Gebuͤrge Liba-
nus,
oder Libanon/ deſſen in heiliger Schrifft offt gedacht wird
und uͤbern Libanon liegt die beruͤhmte Handels-Stadt Alep-
po
drey Tagereiſen von der Stadt Baruth/ die Jnſul Cypern
aber einen Tag und Nacht.


Sonderlich aber hat mir an dieſem Orte bey vorgedach-
tem Brunne uͤber alle Maſſe wol gefallen/ daß man die Stadt
Baruth und ihre Gegend ſo gar luſtig und anmuthig ſehen
kan/ wie ſie ſo ſchoͤn gelegen iſt.


Und da wir uns gar wol umgeſehen hatten/ ſind wir beide
wieder in die Stadt hinein geritten und haben uns zur Abreiſe
geſchicket/ weil ich mich nun vor meine Perſon in die ſechs Ta-
ge zu Baruth aufgehalten und gnugſam umgeſehen
hatte.


DasIV. Capitul.


Von meiner Reiſe von Baruth nach Sydon und
was unterwegs und iedes Orts denckwuͤrdiges zu ſehen.
iſt.


DEn 10. Auguſti ſt. n. bin ich zwey Stunden nach der Son-
nen Aufgang von Baruth aufgebrochen und habe den
nechſten Weg nach Sydon zugenommen. Es begleiteten
mich aber biß dahin mein geweſener Wirt/ Herr Faber, mit noch
ſechs andern Franzoͤſiſchen Kauffleuten alle zu Pferde. Und ob
ich gleich fuͤr mein muͤth-Roß und Zehrung ſechs Real/ wel-
ches mehr/ als ſechs Reichsthaler iſt/ geben muſte/ ſo lieſſe ich
mir doch wol genuͤgen/ weil ich alle gute Ergetzlichkeit dafuͤr
hatte.


Der
[261]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Der Weg war ſehr luſtig. Erſtlich ſind wir zwiſchen lau-
ter luſtigen Gaͤrten/ hernach durch Tannen-Baͤume/ die nie-
drig und dicke von Zweigen waren und ſich weit ausbreiteten/
hingeritten und endlich zwiſchen gar viel Oehl-Feigen- und Jo-
hannis-Brodt-Baͤumen/ da wir uns denn mit dergleichen
Fruͤchten wol ergetzten/ weils niemand gewehret/ noch ver-
boten war zu nehmen und abzubrechen/ wie viel ihm beliebte/
ſintemal ſolche Baͤume da ſtehen im freyen Felde/ als wilde
Baͤume/ die niemand achtet und wartet/ gleich wie bey uns
hier zu Lande die wilden Holtz-Aepffel und Birn-Baͤu-
me.


Das Johannis-Brodt war gleich damahls reiff und ſa-
he ſo ſchoͤn ſchwartz braun aus/ als mans hierauſſen bey uns
in den Apothecken/ oder Zucker Kraͤmen bekoͤmmet. Allein
friſch alſo zu eſſen iſts gar eine ſonderliche angenehme Frucht/
wie wir uns denn wohl drinnen hielten und deß Abgefal-
lenen nicht achteten/ ſondern nach dem beſten griffen wie
es denn zu gehen pfleget/ daß/ ie mehr man eines Din-
ges hat/ ie mehr man auch darinnen wehlet und ſich
immer zuverbeſſern gedencket/ biß es endlich abnim-
met.


Hierauff bekamen wir das mittel-Meer gar nahe
an die rechte Hand/ uͤber welches wir kein Land erkennen
konten. Zur lincken Hand hatten wir Gebuͤrge und gar
nahe wiewol nicht gar hoch/ welches auch voll gruͤn Gebuͤſche
und Johannis-Brot-Baͤume ſtund.


Mittags nahmen wir unſere Ruhe bey einem Dorffe/
Bariaſch genannt/ unter einem Johannis-Brodt-Bau-
me und verzehreten allda unſere Mittags-Mahlzeit: Un-
ſere Pferde aber bunden wir derweil am Meere an
Oehl-
[262]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Oelbaͤume/ anmaſſen denn dieſes Dorff mit lauter Oelbaͤumen
umgeben war. Kamen alſo/ weil wir uns etwas unterwegs
aufhielten/ nach halb Abend gen Sydon/ allwo wir auch
dieſelbige Nacht uͤber verblieben ſind.


DasV. Capitul.


Von der Stadt Sydon und ihrer Gegend
und was allda zu ſehen und davon zu
melden iſt.


DJeſe Stadt Sydon iſt vordeſſen eine ſehr groſſe/ reiche
und maͤchtige Kauff- und Handels-Stadt geweſen/ wie
auch Gottes Wort ſie deßwegen ruͤhmet. Hat den Na-
men Sydon von der Seyde/ und von der koͤſtlichen Leinwat
Sindon genannt/ wie denn auch der Purpur allda gemachet
worden iſt. Um ihrer Hoffart aber und Gottloſigkeit willen hat
ſie Gott gantz umkehren und zerſtoͤhren laſſen/ wie ſie denn
auch noch heute bey Tage alſo lieget/ ausgenommen/ daß ſtat
ihrer am Mittel-Meer ein klein geringe Staͤdtlein wider auff-
gebauet iſt/ welches ietzt Sait genennet wird.


Einen feinen Hafen und Port hats allda/ darinnen
auch Galleen ſtellen koͤnnen. Nicht weit davon zuꝛ lincken Hand
vorwarts wird noch gewieſen die Stelle/ wo Sarepta ſoll ge-
ſtanden haben/ da der Prophet Elias einer Wittwen verſtor-
benen Sohn vom Tode erwecket und lebendig gemachet/ da-
von zu leſen im 17. deß 2. B. der Koͤn. Weiter noch zur lincken
Hand iſt gelegen geweſen das groſſe Cana/ woraus das Ca-
naneiſche Weib ſoll geweſen ſeyn/ deren Tochter uͤbel vom Teu-
fel geplagt ward/ wie ſie Chriſto klagte. Dahero auch noch an
der Stelle hart am Meere eine kleine alte viereckichte Capelle
zum Warzeichen von andaͤchtigen Hertzen vor Alters erbauet
zu ſehen/ wo gedachtes Cananeiſche Weib dem HErrn JEſu
den Weg verlauffen und geſchryen: Ach HErꝛ/ du Sohn Da-
vid/
[263]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
vid/ erbarme dich mein! Meine Tochter wird vom Teufel uͤ-
bel geplagt/ daß er derſelben helffen ſolte.


Dieſe Gegend wird Phœnicia genennet/ ietzt aber Caſamia.
Und weil ſie im Lande Syrien gelegen/ ſo nennet die Schrifft
dahero gedachtes Cananeiſche ein Syro-Phoeniciſche Weib.
Weiter hinuͤber zur lincken Hand da liegt der Berg Libanon
und Antilibanon/ und wird dieſer Berg darum alſo genennet/
weil er zweyhuͤglicht iſt. Vorwarts gegen die Stadt Sydon
zu wird er Anti Libanon/ auf der andern aber Libanon genen-
net/ auf deſſen Seite vor ſich hin iſt gelegen die St adt Da-
maſco
.


Unten aus dem Fuſſe deß Anti-Libanons entſpringet der
Jordan/ der mitten durchs Juͤdiſche Land fleußt und daſſelbe
theilet. Bey Capernaum faͤllet er ins Gallileiſche Meer/ oder/
wie es auch geneñet wird/ in die See Genezareth/ fleußt durch-
hin und endlich ins tode Meer/ da vor Zeiten Sodom/ und Go-
morrha geſtanden/ die Gott um ihrer Gottloſigkeit willen mit
Feuer und Schweffel vom Himmel verderbet hat. Erſt ſinds
zwey Quelle/ deren einer Jor der ander Dan genennet wird
und weil ſie hernach an dem Orthe/ wo vor Zeiten Cæſarea Phi-
lippi
geſtanden/ in einen Strom zuſammen flieſſen/ ſo wird
derſelbe Jordan genennet/ welcher hernach ſich von 23. biß 24.
Teutſche Meilen lang erſtreckt und ein groß tieff und breites
Waſſer iſt. Beſage heiliger Goͤttlicher Schrifft ſind gar viel
Goͤttliche Wunder in und bey demſelben geſchehen/ wie der
wolgeneigte Leſer ſich daſelbſt Nachrichts erholen kan.


DasVI. Capitul.


Von meiner Reiſe von Sydon biß nach Tyro und was
unterwegs geſchehen und geſehen worden.


L lDen
[264]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DEn 11. Auguſti halb um Mittag bin ich mit gedachtem
Herrn Fabern von Sydon wieder abgereiſet und ſind
nach Tyro miteinander zugegangen/ welches von Sy-
don vier gute Teutſche Meilen abgelegen/ fuͤnff und zwantzig
Meilen aber von Jeruſalem.


Erſt ſind wir durch lauter luſtige Gaͤrten/ hernach aber
zur lincken Hand bey ſteinfelſigtem Gebuͤrge/ ſo iedoch nicht all-
zu hoch war/ hin pasſiret/ worunter gar eine ſchoͤne Ebene war/
welche voller ſchoͤn Getreyde und Baumwolle ſtund/ daß es
mit Luſt zu ſehen und hindurch zu reiſen war.


Es war aber dißmal die Baumwolle noch nicht reiff/ deñ
daſſelbe geſchicht erſt im September hin und hat mit derſelben
wie ſie waͤchſet und hernach/ wie ſie zum Gebrauch handthie-
ret wird/ eine ſolche Beſchaffenheit: Sie waͤchſet an kleinen
ſubtilen Stengeln einer Elen bißweilen hoch/ biß weilen auch
hoͤher und niedriger. Solche Stengel haben kleine Blaͤtterlein
und runde Knoͤpffe einem groſſen Kirſch-Kern gleich/ in wel-
chen die Baumwolle ſtecket. Und wenn ſie recht reiff/ berſten die
Knoͤpff lein von ſich ſelber auff und blicket alsdenn die weiſſe
Baumwolle herfuͤr. Wunders und Nachrichts halben habe ich
etzliche ſolche Knoͤpfflein abgebrochen und aufgemacht/ da
fand ich die Baumwolle noch in einer naſſen und ſuͤſſen waͤſſeri-
gen materi liegen/ weil ſie/ wie vorgedacht/ dißmal noch nicht
reiff war und konte ſie zermuſen/ wann man ſie riebe und druck-
te. Wenn ſie aber gantz reiff iſt/ ſo haben ſie ſonderliche inſtru-
menta
darzu/ damit ſie dieſelbe aus den Schalen gar behende
heraus treiben/ aufſammlen und hernach gebrauchen/ oder in
fremde Lande verfuͤhren und verhandeln.


Das Meer hatten wir ſtets zur rechten Hand/ und um
halb Abend kamen wir wie oben gedacht worden/ der Capelle
deß Caneniſchen Weibes vorbey und da hatte ich ein groß Un-
gluͤck
[265]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gluͤck/ daß ich faſt deß Auffſtehens vergeſſen ſollen. Denn in-
dem mein Pferd mit mir ſtuͤrtzte/ thaͤt ich einen ſolchen Fall/
daß man mich fuͤr tod auffhub und ich hernach uͤber vier Wo-
chen dran zu klauben hatte/ ehe ich mich wider erholen konte.


Hier auff kamen wir zu einem Fluß/ welcher ſehr tieff und
das Waſſer driñen gantz gruͤn war/ und ſoll/ wie man mi be-
richtete/ ein Arm vom Jordan ſeyn. Es gieng eine alte boͤſe zer-
brochene und loͤcherige Bruͤcke hinuͤber/ uͤber welche wir ge-
faͤhrlich reiten hatten und konten doch nicht um hin. Wir legten
uns aber zuvor ein wenig dabey nieder und ruheten in etwas/
da befand ich mich von meinem Fall erſt recht uͤbel und war
mir nicht wol zu muthe dabey/ in Erwegung/ daß ich da in der
weiten Fremde unter ſolchen Barbariſchen Leuten war/ von
denen ich wenig guten Willen und Liebe/ dem Anſehen nach/
wuͤrde zu hoffen gehabt haben/ wenn ich mich kranck haͤtte le-
gen ſollen/ oder waͤre doch an Artzneyen und Nothduͤrfftigen
Wartungs-Mitteln nichts zuerlangen geweſen/ wie in dieſen
Laͤndern es gehet/ wenn ich gleich ſonſt allen guten Willen ge-
habt. Aber Gott halff mir/ daß es uͤberhin gieng und dar-
nach ſaſſen wir wieder auf/ wagtens und kamen auch/ Gott
Lob/ ohne Schaden uͤber dieſe boͤſe Bruͤcke/ woruͤber wir alle
froh waren.


Allhier haben wir Tyro ſchon ſehen koͤnnen/ welches wir
denn auch bald nach halb Abend erreichet und uns nach
Nothdurfft allda umgeſehen haben/ wiewol wir nicht drinnen
blieben ſeyn.


DasVII. Capitul.


Von der Stadt Tyro/ Tripolis, Damaſco und
Laodicæa.


DJe Stadt Tyro iſt ietziger Zeit nach gar ein kleines und
faſt ja ſo ein geringes Staͤdtlein/ als Sydon/ wiewol ſie
L l 2vor
[266]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
vor Zeiten eine uͤber aus groſſe maͤchtige uñ faſt unuͤberwindli-
che Feſtung geweſen von ſolcheꝛ groſſen Gewalt uñ Reichthum/
daß ſie andere vornehme Staͤdte bauen und ſich ihre Kaufleute
als Fuͤrſten halten koͤñen/ wie zu ſehen im 23. Eſa. Dahero ſie oh-
ne Zweifel auch Zor, das iſt/ ein Felß/ genenn et worden. Sie iſt
mehr ins Meer/ als aufs feſte Land gebauet/ eine geſchlagene
Meile davon/ wo ſonſt das alte Tyro geſtanden und wird ietzo
Sur genennet und der Port und Hafen dabey El porto de Sur.


Es hat ſie aber ihre grauſame Abgoͤtterey und Gottlo-
ſigkeit und Gottes Zorn alſo zugerichtet und verderbet/ da-
hero ich dieſe Orthe ohne Bewegung meines Gemuͤthes nicht
anſehen koͤnnen.


Man hat mir fuͤr gewiß geſagt/ daß Keyſer Friedrich
Barbaroſſa, der ſo ritterlich wider den Erbfeind fuͤr die Chriſten
gefochten und es ſehr weit gebracht/ wie in denen Hiſtorien zu
leſen/ im Jahr nach Chriſti Gebuhrt 1190. in vorgedachtem
Waſſer mit der boͤſen Loͤcherigen Bruͤcke ſoll ertruncken/ indem
er mit dem Pferde hinein geſtuͤrtzet und hernach zu Tyro be-
graben worden ſeyn. Auch ſoll der beruͤhmte alte Kirchen-
lehrer/ Origenes, allda geſtorben und begraben ſeyn/ maſſen
denn auch allda die Kirche/ zum heiligen Grabe genannt und
in derſelben ſein Grab gewieſen wird.


Weil ich aber noch in dieſer Gegend mich auffhalte/ kan
ich nicht vorbey gleichwol auch der Staͤdte Tripolis, Damaſco
und Laodicea in etwas mit zugedencken.


Tripolis iſt eine feine Stadt/ darinnen allerley Handel
und Wandel getrieben wird und liegt auch am groſſen Mittel-
Meer/ wiewol noch uͤber Sydon und Baruth/ dahero wir
auch nicht drauf zukommen ſeyn/ ſondern nur dieſelbe von fern
geſehen. Soll um und um mit gar ſchoͤnen luftigen Gaͤrten um-
geben und gleichſam geſchmuͤcket und gezieret ſeyn.


Da-
[267]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Damaſcus aber iſt huͤbſcher und feiner dem Anſehen nach
und liegt auch in einer uͤber die maſſe luſtigen Gegend und
treibt gar einen groſſen Handel von allerhand Kunſt und an-
dern Wahren/ die allda gemacht werden. Sonderlich hats
ein ſchoͤn Caſtell allda/ welches vordeſſen ein zum Tuͤrckiſchen
Unglauben gefallener Chriſt von Florentz ſoll erbauet haben/
dem der Tuͤrckiſche Keyſer dieſe Stadt geſchenckt gehabt/ weil
der ſelbe ihme das Gifft wieder abgetrieben/ ſo ihm beyge-
bracht worden war. Sie iſt auch noch gar Volckreich und iſt zu
verwundern/ daß ſie ſich noch ſo lange vor den unglaubigen
Saracenen erhalten hat. Jedoch haben ſie auch groß Genieß
davon.


Man ſiehet in heiliger Schrifft/ daß ſie ſchon zun Zeiten
deß Ertz-Vaters Abrahams geſtanden Denn ſein Haußvoigt/
Eleazar/ der Jſaac auf die Freyhte fuͤhrte/ war aus derſelben
buͤhrtig/ wie zu ſehen im 15. deß @. B. M. v. 12.


Die armen Chriſten allda muͤſſen ſich ſchmuͤgen und bie-
gen und wenn ſie ſterben/ ſo haben ſie kaum die Erde/ darein
ſie ſollen begraben werden. Man ſagt/ die Stelle/ da ſie einge-
ſcharret werden/ ſolle warhafftig die Stelle ſeyn/ da der HErr
JEſus Saul vom Himmel angeſchryen und geſagt: Saul
Saul/ was verfolgſt du mich? und ihn alſo erleuchtet und be-
kehret/ daß er ein hochnuͤtzlicher Paulus worden/ davon zu le-
ſen im 9. der Apoſtel Geſchichte.


Auch reiſet man um die Gegend Damaſco den Orth/ da
Cain ſeinen Bruder ſoll erſchlagen haben. Damaſcus heißt ein
Sack deß Blutes. Wolte man dem Namen nachgehen/ ſo
waͤre es auch keines Wegs zuverneinen/ weil der Allerhoͤchſte
ſelber ſagte von dieſer ſchaͤndlichen Bruder Mordthat: Die
Erde haͤtte ihr Maul aufgethan und das unſchuldige Blut
von der Moͤrder Haͤnden empfangen und gleichſam eingeſa-
L l 3cket/
[268]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
cket/ daß es vor Gott zur Rache ſolle behalten werden und
ohn unterlaß um Rache anhalten und ſchreyen/ wie das 4.
Cap. deß 1. B. M. zeiget.


Laodicæa iſt auch eine Stadt in Syrien/ iſt aber nicht
groß beruͤhmt. Denn ſie nicht iſt das Laodicæa in Phrygia, da
S. Paulus ſeine erſte Epiſtel uñ Brief an Timotheum geſchrie-
ben hat. Sie iſt gar abgelegen in Syrien zu euſſerſt hinterm Li-
banon und in die 60. Teutſche Meil wegs von Jeruſalem/
deßwegen ich mich nicht lange druͤber auffhalten will.


Damit ich demnach wieder auf den ordentlichen Curs
meiner Reiſe komme/ ſo ritten wir von Tyro ab vollends hin-
aus zu den Brunnen der Lebendigen/ weiche eine gute Stunde
oder Meil Wegs von der Stadt abgelegen ſind.


Dieſe Brunnen ſoll/ wie vorgegeben wird/ Koͤnig Salo-
mo haben bauen laſſen und hat derſelbe ſie genennet Fontes a-
quarum viventium,
Brunnen lebendiges Waſſer/ ohne Zwei-
fel darum/ weil ſie ſters gequollen und ihren beſtaͤndigen Zu-
gang vom Libanon gehabt. Wir kamen aber zu denſelben
Brunnen/ da es ſchon Nacht und finſter war/ weßhalben wir/
uns recht dabey umzuſehen/ es biß an den folgenden Morgen
verſparen muſten.


Es verhaͤlt ſich aber mit ſolchen Brunnen alſo: Es ſind
derſelben viere/ einer aber iſt doch der groͤſte/ viereckicht und
viertzig Schuh lang und breit und ſind ſehr tieff/ aus gemauert
und um und um mit einem gemauerten Schurtz und haben gaꝛ
ein ſchoͤn klar und reines wolſchmeckendes Waſſer/ dahero
auch daſſelbe/ wie noch die gemauerten Canale ausweiſen/ in
die Stadt Tyro gefuͤhret worden und moͤgen ohngefaͤhr eines
guten Bogen Schuſſes vom Meere abgelegen ſeyn.


Daß dieſe Brunnen aber gewiß vom Koͤnige Salomo
moͤgen erbauet worden ſeyn/ er ſcheinet daraus eꝛweißlich/ daß
er
[269]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
er ihrer im 4. Cap. ſeines Hohenl. gedencket und ſpricht: Sein
Koͤnigreich/ oder unter demſelben die Chriſtliche Kirche gemei-
net/ ſey wie ein Garten-Brunn und wie ein Brunn lebendiger
Waſſer/ die von Libanon flieſſen.


Jnſonderheit aber iſt an ſolchen Brunnen nicht ohne
Verwunderung zu ſehen/ daß an dem Gemaͤuer/ woruͤber
weiland das Waſſer gefuͤhret worden/ eine Materiin groſſer
Menge henget/ welche anzuſehen iſt/ als Bimsſtein/ ja auch
leicht iſt/ als ein Bimsſtein und von dem Waſſer alſo worden
iſt wegen deß ſtetigen Rinnens. Niemand ſolte es glauben daß
ietzo ein Stein ſeyn ſolte/ welches vor Jahren duͤnnes uñ leichte
Waſſer geweſen/ weñichs nicht ſelber haͤtte mit Augen geſehen.
Deßwegen habe ich zum Wahrzeichen 2. ziemliche Stuͤcke abge-
ſchlagen und dieſelben mit in die Chꝛiſtenheit heraus genom̃en.


DasVIII.Capitul.


Von meiner Reiſe nach Ptolemais und dem Berge Karmel
und was unterwegs und allda zu ſehen geweſen.


NAch dem wir nun die Nacht bey dieſem Brunnen zuge-
bracht und der Morgen anbrach/ wir uns auch bey den-
ſelben wol umgeſehen hatten/ ſind wir den 12. Auguſti wi-
der aufgeweſen und drauff zum weiſſen Meer kommen/ zur
lincken Hand aber hatten wir Gebuͤrge/ da wir denn ſo fort
nahe am Meer uͤber gantz kreidenweiß Gebuͤrge gar gefaͤhrlich
hin reiſen muſten.


Da iſt der erſte Caffar, oder Tuͤrckiſ Zoll/ welcher in einem
daſelbſt zu dem Ende erbauten Hauſe/ an welchem unten an
der Mauer ein ſchoͤner friſcher Brunn/ gegen uͤber aber hart
am Meere ein viereckichter ſtarcker ſtumpffer Wach-Thurm
liegt/ eingenom̃en wird und muß iede Perſon einen Real geben
vor unſere Perſon wiewol wir durch Herrn Fabern erhielten/
daß wir nur ein vierthel eines Reals geben dorfften.


Als wir nun unſern Zoll erlegt hatten/ und unſere
Straſſe
[270]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Straſſe fortreiſeten/ kamen uns etzliche Mohren mit Roͤhren
nachgelauffen/ die fielen uns mit Ungeſtuͤm und Gewalt an/
der Meinung/ als wenn wir ohne abgelegten Zoll davon ge-
ritten waͤren. Nach dem ſie aber hoͤrten/ daß wir gezahlet hat-
ten/ gaben ſie gar gute Wort und lieſſen uns unſere Straſſe
frey und ungehindert pasſiren.


Sonſt iſts hie herum der Mohren halben ſehr unſicher/
dieweil ſie allenthalben ihren Unterſchleiff haben koͤnnen/ indem
es bald Gebuͤrgig/ bald etwas in der Ebene zu reiſen iſt.


Gegen Mittag haben wir/ unter einem Feigenbaume et-
was geruhet und da haben wir die Stadt Ptolemais und den
Berg Karmel zu erſt ins Geſichte bekommen. Da wir aber
wieder fortzogen/ hatten wir ſolche grauſame Hitze/ daß wir
uns kaum erhalten konten und endlich gezwungen wurden
Mittags Ruhe zu halten. Wir traffen aber allda zu unſerm
Glūcke an einen groſſen von Quaterſtuͤcken gemauerten
Schwibbogen/ durch welchen wir ohne deß Hinreiſen muſten:
Da zogen wir unſere Eſel unter und warteten ſo lange/ biß die
grauſame Hitze vorbey und es ein wenig kuͤhler war/ auch wir
und unſere Eſel ein wenig Mahl und Futter genoſſen hatten.


Hierauf giengen wir der Stadt Ptolemais zu und reiſeten etz-
liche Wach-Thuͤrme vorbey/ biß wir um halb Abend nach
Ptolemais kommen.


DasIX. Capitul.


Von der Stadt Ptolemais und dem Berg
Karmel.


PTolemais iſt vor Zeiten gar eine vornehme Handels-
Stadt geweſen/ von dem Koͤnige Ptolæmæo in Egypten
erbauet und nach ihm Ptolemais vorhin/ aber auch Akon
genennet worden/ weßwegen ſie ohne Zweifel auch noch ietzt
S. Joann de Acria genennet wird. Liegt 19. Meilen von Jeruſa-
lem
[271]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
lem und mehr ins Meer erbauet/ als aufs feſte Land/ wiewol
ſie heute zu Tage meiſtentheils zerſtoͤrt iſt und voll alter zerbro-
chener Mauren und dermaſſen mit tieffem Sand in allen Gaſ-
ſen angefuͤllet/ daß man darinnen/ wie im Schnee gehet und
waten muß. Da liegen hier und da groſſe Schutthauffen von
Steinen und Erde von denen alten zerfallenen und wuͤſten
Haͤuſern/ daß man kaum davor fort kommen kan und iſt alſo
nichts ſonderliches mehr daſelbſt uͤbrig zu ſehen von ihrer vori-
gen Herrligkeit/ ausbenommen/ daß es einen ſchoͤnen Port al-
da hat vor die Galleen/ welcher mit groſſen Steinen ausgeſetzt
und unterſchieden iſt.


Es hat auch ein Schloß da/ flugs der Johannis Kirche
gegen uͤber und iſt nicht groß und gar ſchlecht und ohne beſon-
der Anſehen erbauet. Gedachte Johannis-Kirche aber iſt ſchoͤn
und von lauter groſſen Mauer-Steinen gebauet und vordeſ-
ſen ohn allen Zweiffel ein kuͤnſtlich und praͤchtig Werck gewe-
ſen/ wie annoch dran zu ſehen iſt.


Jn der Stadt ſonderlich wo wir hinein kamen/ ſtunden
ſehr viel Feigen-Baͤume im tieffen Sande/ welches mich wun-
der nam/ daß ſie gedeyen konten/ denn ſie waren uͤber und uͤber
ſo vom Sande beſtoben/ als wenn ſie waͤren beſchneyet gewe-
ſen.


Hauſſen vor der Stadt im Hineinreiten zur lincken
Hand kamen wir etzliche uhralte zerſtoͤrte Kirchen und Gebaͤu-
de vorbey woraus abzunehmen/ wie weit vordeſſen die Stadt
muß heraus gegangen ſeyn.


Nach dem wir aber hinein kamen/ kehrten wir in einem
Hann ein/ wo ſonſt alle Kauffleute auß der Chriſtenheit von
den Jtaliaͤnern/ Franzoſen/ Nieder und Engellaͤndern pfle-
gen einzukehren und giengen bey einem Franzoͤſiſchen Koche zu
Tiſche/ wie wir miteinander kommen waren/ allwo ich
M mauch
[272]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
auch ſo lange verblieben/ biß ich meinen Stab weiter ſetzen
konte.


Jn dieſer Stadt iſt weiland Jonathas/ der tapffere
Held und Bruder Judæ Maccabæi, von dem untreuen Manne
Tryphon ſchelmiſcher weiſe unter dem Vorwandt und Schein
guter Freundſchafft hingerichtet und auf die Fleiſchbanck ge-
opffert worden/ davon zu leſen im 12. Cap. deß 1. B. der Macc.


Der Berg Karmel liegt von Ptolemais drey Meilen und
ſechzehen Meilen von Jeruſalem auch am groſſen mittel-Meer
und am Bach Kiſon und iſt ein hoher Berg/ bey welchem vor-
deſſen zu Joſua Zeiten ein Heidniſcher Koͤnig gewohnet/ wie zu
leſen im 12. und 15 Capituln Joſua. An dieſer Bach Kiſon/ wie
ihn die Schrifft nennet/ haben vor deſſen die Jſraeliten den
Cananiter Koͤnig/ Jabin von Hazor ſammt ſeinem Feldmar-
ſchall Siſſera erleget und ſich ſeines Landes bemaͤchtiget wie zu
leſen im 4. Cap. deß B. der Richt worauff ſich auch der 83. Pſ.
berufft v. 10. An dieſer Bach hat weiland der Prophet Elias
auch aus Goͤttlichem Eifer die Abgoͤttiſchen Baalspfaffen ge-
ſchlachtet und der Aergernuͤß im Volck Gottes abgeholffen/
wie zu leſen im 18. Cap. deß @. B. der Roͤn. v. 40. Hernach hat
ſich der Prophet und Mann Gottes/ Elias/ eine geraume Zeit
drauff aufgehalten und ſeine Wohnung gehabt/ an welche
Stelle nun eine Kirche und Kloſter erbauet iſt von andaͤchtigen
Chriſten/ in welcher hiebevor Muͤnche gewohnet/ ſo man die
Carmeliten geneñet hat/ davon auch ihr Orden ſeinẽ Urſprung
genom̃en/ daß man ihn den Carmeliten Orden geheiſſen hat.


Es hatten aber damals die Muͤnche den Orth aus
Mangel ihres Unterhalts verlaſſen/ und ſich anderswohin
wenden muͤſſen und ſtund alſo gantz wuͤſte und oͤde und war
kein Menſche mehr auf demſelben Berge bey gedachter Kirche
und Kloſter zu ſehen/ noch zu hoͤren.


Das
[273]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasX. Capitul.


Von meiner Reiſe gen Cana und Nazareth und was
unterwegs und allda zu ſehen
geweſen.


DEn 14. Auguſti bin ich nebenſt meinem Franzoſen um
Mitternacht von hier wieder aufgebrochen/ da wir denn
biß dahin am Meere unter freyem Himmel verlieb
nehmen muſten/ weil der Han geſchloſſen ward/ ſo bald die
Kauffleute den vorigen Tag auch hinweggezogen waren und
konte alſo der Han uns allein zugefallen nicht offen gehalten
werden/ noch dorffte.


Von hier aus ſind wir erſt in eineꝛ ſchoͤnen Ebene zwiſchen
Baumwollen Gebuͤſche und Getreyde/ hernach gegen Mor-
gen zwiſchen luſtigen gruͤnen Gebuͤrge/ nicht ſonderlich hoch/
hingereiſet und war es wegen der ſtreiffendẽ Mohren hieherum
ſehr unſicher/ weßwegen wir im̃er in Furcht und Sorgen ſtehen
muſten/ daß wir ihnen in die Haͤnde kommen moͤgten/ wie
auch wol geſchehenwaͤre/ wenn uns Gott nicht gefuͤhret haͤtte.


Weiter ſind wir zur lincken Hand an und unter ziemli-
chem hohen Gebuͤrge die Gegend und Gelegenheit Cana an-
ſichtig worden/ indem wir zur rechten Hand ein zerſtoͤrtes
Dorff vorbey ritten/ allwo wir einen ſchoͤnen reinen und fri-
ſchen Brunnen antraffen. Und weils ſehr warm und dem-
nach ich meines theils ſehr durſtig war/ habe ich mich recht ſat
getruncken und wol gelabet/ auch ſo/ daß ich mich faſt nicht ſatt
trincken konte/ dieweil das Waſſer zumal ſo gar ſchoͤn klar/ an-
muthig und wolſchmeckend zu trincken war.


Nach dieſem kamen wir Cana nahe. Allein wir hatten
gewiß dahin einen ſolchen boͤſen Weg uͤbers Gebuͤrge/ bald in
die Hoͤhe/ bald jaͤhling herab zu reiſen/ dz man im̃er ſorgen muſte
M m 2man
[274]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
man wuͤrde ſtuͤrtzen und Hals und Beine brechen. Zu hoͤchſt o-
ben lag ein Dorff/ worbey wir hinreiſeten und weil wir einen
Pater und zweene Fratres und Muͤnche aus dem Kloſter zu Na-
zareth bey uns hatten/ die uns gar hoͤflich tractitten und be-
gleiteten/ ſo gaben ſie uns die Nachricht/ daß der Prophet Jo-
nas in demſelbigen Dorffe begraben lege/ allwo man auch
noch das Grab weiſen koͤnte.


Diß iſt das Cana in Gallilea/ ſo zum Unterſcheid deß an-
dern Cana in Phoenicien/ um die Gegend Tyro und Sydon
gelegen/ das kleine Cana genennet worden/ weil jenes das
groſſe Cana hieß/ allwo der HErr Chriſtus zu ſeiner Zeit ſam̃t
ſeiner Mutter und Juͤngern zur Hochzeit geweſen und ſein er-
ſtes Wunderwerck in ſeinem angetretenen Predigampt ge-
than/ indem er Waſſer zu Weine gemacht hat.


Es liegt ſehr luſtig unten am Gebuͤrge in der Ebene/ iſt a-
ber ietzo gantz zerſtoͤret und nur ein Dorff: Da zeiget man
noch den Brunn/ woraus die Hochzeit-Diener und Auffwaͤrter
das Waſſer geſchoͤpffet/ ſo der HErr JEſus zu Weine gema-
chet. So weiſet man auch noch den Ort und die Stelle allda/
wo das Hochzeit Hauß ſoll geſtanden ſeyn/ welches man um
ſo viel gewiſſer glauben muß/ weil es tieff in die Erde gehet/ daß
man etzliche Stuffen hinunter ſteigen muß/ ſintemal draus zu
ſchlieſſen/ daß die Chriſten ieder Zeit uͤber ſolche Orthe muͤſſen
gehalten und die Heiden durch ſo vielfaltiges Zerſtoͤren und
Verſchuͤtten derſelben und der Chriſten Nachraͤumen verur-
ſachet/ daß ſie ſo unter die Erde gerathen.


Von hierab ſind wir in der ſchoͤnen Ebene eine ziemliche
Weile fort gereiſet/ endlich aber wieder uͤber Gebuͤrge voller
Oelbaͤume und alte zerbrochene Haͤuſer/ ſonderlich aber zur
lincken Handwerts hohes zerfallenes Gemaͤuer/ ſo wir unten
in der Ebene ſchon haben koͤnnen liegen ſehen. Und das waͤrete
alſo/
[275]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
alſo/ biß nach Nazareth/ daß wir abermals bald Berg auf/
bald Berg unter reiſen muſten und kamen wir dahin den 15.
Auguſtigegen Abend.


Nazareth iſt gleichsfalls gar ein luſtiger Orth der Gele-
genheit nach. Es liegt zwar theils Berg an/ theils Berg ab/
und mit lauter duͤrren Bergen umgeben/ wiewol dieſelben
nicht hoch ſind allein es ie tzt nur ein Dorff und nicht groß/ ie-
doch hats zur lincken Hand gar ein ſchoͤn luſtiges Thaal und
fruchtbare Gegend. So hats auch ein fein Kloſter deß Ordens
S. Franciſci allda und ein Hauß/ da der Tuͤrckiſche Caffar, oder
Zoll eingenommen wird.


Allhier hat die Jungfrau Maria die Potſchafft vom En-
gel Gabriel bekommen/ daß ſie ſolte Gottes Sohn zum Hey-
land der Welte gebaͤhren und wird die Stelle noch gezeiget/ wo
das Hauß Mariæ ſolle geſtanden ſeyn/ darinnen dieſe Geſchicht
geſchehen iſt/ zu deſſen Gedaͤchtnuͤß vordeſſen eine Kirche dahin
erbauet worden. Allda iſt hernach Chriſtus auch erzogen
worden/ an welchem Orthe vor Zeiten auch eine Kirche erbau-
et worden/ wie hiervon im folgenden 11. Capitul am Ende wei-
ter ſoll gedacht werden.


Es iſt gaꝛ wolfeil zehren zu Nazareth/ denn ich ein ziemlich
groß wild Schwein habe ſehen um ein Real bezahlen/ ein Rep-
hun fuͤr ein Mettin uñ fuͤr ein Mettin konte man wol dreyſſig
Eyer kauffen/ daß ich mich verwundern muͤſſen. So ſind auch
Huͤner und andere Victualien gar gutes Kauffs. Jch meines
theils aber habe mich im Kloſter allda aufgehalten und iſt mir
von dem Convent alle Guͤte und Wolthat erwieſen worden/ ſo
lange ich da geweſen bin.


Noch denſelben Abend/ als wir gen Nazareth kommen/
haben mich die Muͤnche auf den Berg und an den Ort auf dem-
ſelben gefuͤhret/ wo die Juͤden Chriſtum haben wollen herun-
M m 3ter
[276]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ter ſtuͤrtzen. Jſt ein ſehr hoher Berg und der Orth gantz jeh
hinab. Gegen uͤber war ein ſehr boͤſer abhengender ſteinigter
Thaal/ der ſich biß an das weite und ebene Campo, Esdrelon in
der Schrifft genannt zwiſchen ſehr nahe zuſammen gelegenen
hohen gruͤnem Gebuͤrge/ von welchem Campo wir an ſeinem
Orte weiter reden wollen.


Darnach kamen wir zu dem Felß/ worinnen ſich Chri-
ſtus verborgen haben ſolle/ vor der Juͤden Grimm/ da ſie ihn
den vorgedachten Felß hinab ſtuͤrtzen wollen und er ihren
Haͤnden entgangen iſt/ und wird fuͤr gewiß ausgegeben/ daß
ſich ſolcher Felß ſelber ſolle haben voneinander gethan und den
HErrn JEſum/ als ein armes geſcheuchtes Taͤubelein/ auf-
genommen. Er iſt faſt/ wie eine Triangul mit drey Spitzen.
Die Orientaliſchen Griechiſchen Chriſten haben ihn hernach
beſſer und tieffer ausgehauen/ damit ſie Meſſe drinnen halten
koͤnnen.


Oben auf dieſem Felſen kan man ſich uͤber die maſſe luſtig
umſehen und ſonderlich abermals das ſchoͤne weite Feld Esdre-
lon.
Daſſelbe liegt zwiſchen den Bergen Thabor/ Hermon und
und Gilboa und fleußt der Bach Kiſon dahindurch. Jn dieſem
Felde ſind viel blutige Schlachten geſchehen/ nemlich da Gi-
deon die Midianiter geſchlagen/ Saul von den Philiſtern/
worauf derſelbe verzweifelt und ſich mit ſeinem eigenen
Schwerte erſtochen hat und andere mehr.


Der Berg Thabor iſt ein ſehr hoher Berg und liegt Es-
drelon
von Nazareth aus zur Rechten/ der Berg Hermon aber
welcher dagegen gantz niedrig iſt/ zur Lincken und dabey liegt
Naim, wo Chriſtus den Juͤngling/ der Wittwen Sohn daſelbſt
vom Tode erwecket/ als man ihn ſchon unterm Thore heraus
zu Grabe getragen.


Dieſes Naim aber iſt ie tzt nur ein Dorff und nicht mehr
zu-
[277]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
zuſehen daß es zu Chriſti Zeiten eine mit Mauren und Thoren
verwahrte Staͤdt geweſen.


Von da weiter heruͤber uͤber den Bach Kiſon liegt eine
halbe Meile vom Berge Hermon daß Gebuͤrge Gilboa und er-
ſtreckt ſich in die zwey Teutſche Meilen. Um die Gegend hat ſich
Koͤnig Saul erſtochen und aus dieſem Gebuͤrge entſpringet
der Bach Kiſon in zwey Stroͤme und fleußt einer gegen Mor-
gen zu ins Galileiſche Meer/ der andere aber gegen Mitter-
nacht ins groſſe mittel-Meer.


Weiter iſt um dieſe Gegend auch zu ſehen der Orth/ wo
die zehen Ausſaͤtzigen Maͤnner dem HErrn JEſu begegnet
ſeyn/ aber von dem Marck/ oder Flecken iſt ietzt weder
Strumpff noch Stiel mehr zuſehen/ ſondern ſtat deſſen ein
Dorff/ davon Nachricht im 12. Capitul zu finden.


Nach dem wir uns nun allenthalben wolumgeſehen und
uns der Abend vollends auf den Hals kommen wolte/ giengen
wir wieder zu ruͤcke ins Kloſter und kamen eben mit der Son-
nen Untergange hinein.


DasXI. Capitul.


Von meiner Reiſe von Nazareth ans Galileiſche Meer
und gen Tyberias.


DEn 16. Aug. gegen Mitternacht machten wir uns zu Na-
zeth wieder auf und reiſeten nach dem Galileiſchen Meer/
oder dem See Genezareth. Wir muſten uns aber in aller
Stille und wie verſtohlen fortleſen/ daß man unſer nicht ge-
wahr ward/ denn wie mich die Muͤnche berichteten/ ſo ſolten
die Leute daherum die Reiſendẽ gewaltig ſchatzen uñ ums Geld
prenckeln. Sind bald im Gebuͤrge/ bald in der Ebene zwiſchen
Aeckern mit Baumwolle bepflantzet hinkom̃en. Anderthalbe
Stunde ohngefaͤhr vor Tage haben wir uns im Felde unter
ei-
[278]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
einen Oelbaum ſchlaffen nieder gelegt und geruhet/ biß der
Tag anbrach/ unſere Maulthiere aber bunden wir derweile an
die Baͤume/ weil wir nunmehr etwas ſicherer waren.


Mit Anbruch deß Tages machten wir uns wieder auff
den Weg und kamen mit der Sonnen Auffgang dem Galilei-
ſchen Meere ſo nahe/ daß/ weil wir auf der Hoͤhe daher kamen/
wir daſſelbe unten im Thaal gar eigentlich uͤberſehen konten/
wie uns auch die Stadt Tyberias ſtets im Geſichte war/ als
zu welcher wir ſtets Berg ab zu reiſen hatten und dieſelbe ohn-
gefaͤhr eine gute Stunde nach Auffgang der Sonnen erreich-
ten.


Die Stadt Tyberias iſt vor Zeiten eine groſſe beruͤhmte
Stadt geweſen am Galileiſchen Meere ohngefaͤhr 13. Meilen
von Jeruſalem gelegen/ iſt aber damals von ſolchem Meer/
welches faſt die Geſtalt/ als eine Harpffe hat/ Cinnereth ge-
nennet worden/ wie zu ſehen im 34. C. deß 4. B.M.v. 11. undim 13.
deß Buchs Joſua v. 27. denn das Wort Chinnereth/ oder Cin-
nereth heiſſet in der Hebreiſchẽ Sprache eine Harffe. Nachdem
ſie aber hernach Herodes/ der Johannis-Moͤrder/ verbeſſert/
hat er ſie einen Fuchsſchwantz zuverkauffen/ dem damals re-
gierenden Roͤmiſchen Keyſer/ Tyberio, zu Ehren und Gefal-
len Tyberias genennet. Jetziger Zeit aber iſt ſie gantz zerſtoͤret
und ſind uͤber zwoͤlff Haͤuſer nicht mehr da. Die Mauren ſte-
hen noch/ zum Theil zerfallen/ zum theil noch gantz/ daß man
ſehen kan/ wie weit ſich vordeſſen die Stadt am Galileiſchen
Meere hin erſtrecket/ wie man denn auch noch von denen Ge-
baͤuden Steine und Stuͤcken daherum zerflreuet liegen ſiehet.
Gegen das Meer iſt ſie offen geweſen. Wie ſie ietzt iſt/ hat ſie
nur noch ein Thor und eins/ wie man ſiehet/ das zugemauert
iſt.


Von der Stadt zur lincken Handwerts gegen Mittag zu
gehet
[279]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gehet man aufs Gebuͤrge: Da hat es ſehr koͤſtliche geſunde
warme Baͤder. Die befanden wir ſo heiß/ daß wir harte Eyer
drinnen ſieden und uns alſo eine Mahlzeit bereiten konten.
Satzten uns demnach und verzehrten dieſelbe mit einem guten
Trunck Wein/ den wir mit dem Waſſer aus dem See Gene-
zareth/ oder dem Galileiſchen Meere vermiſchten.


Das Waſſer in dieſer See iſt nicht geſaltzen/ wie ander
Seewaſſer pflegt zu ſeyn/ ſondern gar klar/ ſuͤſſe und lieblich zu
trincken und reich von allerhand guten Fiſchen/ iedoch iſt auch
der ſchaͤdliche Crocodil driñen/ wie im Nilo. Die Muͤnche/ ſo bey
uns waren/ badeten drinnen/ dergleichen ich meines theils wol
gerne auch gethan/ wenn mirs nicht an reinem Weiſſen ge-
raͤthe gefehlet haͤtte/ denn man es gar fuͤr ein geſund Bad
haͤlt und verdroß mich alſo nicht wenig/ daß ichs wider mei-
nen Willen muſte anſtehen und bleiben laſſen.


Jn dieſer Stadt iſt auch ein Tuͤrckiſcher Caffar- und Zoll-
oder Geleits-Hauß und muſte iede Perſon ein Vierthel/ oder
Orth vom Real geben und zahlen.


Nicht weit von dem Meere in der Stadt iſt noch zu ſehen
eine vor alters wol ſchoͤn geweſene/ ietzo aber gantz zerbroche-
ne Kirche/ worinnen an der Mauer zwey Fiſche und Netze in
einem ziemlich groſſen runden Stein gehauen ſind. Daraus
ſchließt man/ daß ſolche Kirche vor Zeiten von andaͤchtigẽ Chri-
ſten den lieben Apoſteln zu Ehren und Gedaͤchtniß erbauet
worden/ weil ſie meiſt Fiſcher geweſen uñ in dieſer See gefiſchet
haben/ maſſen denn auch fuͤr gewiß berichtet wird/ daß der
HErr Chriſtus an dem Orthe/ wo nun dieſe Kirche ſtehet/ Pe-
tro den Binde- und Loͤſe-Schluͤſſel ſolle vertrauet haben/ weil
er von Chriſto ſo ein herrliches Bekaͤntniß gethan und geſagt:
Du biſt Chriſtus deß lebendigen Gottes Sohn/ unterdeſſen
aber ihn gleichwol nicht zum Papſt und Haͤupt der gantzen
N nChriſt-
[280]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Chriſtlichen Kirchen gemachet/ dieweil den andern Apoſteln
dergleichen eben auch/ ſo wol als ihm/ vertrauet worden.


Nur das iſt Schade und hoch zubeklagen/ daß diß ſo uhr-
alte Gebaͤu und gleichwol geweſene Gottes-Hauß ietzo von den
Mohren ſo ſchaͤndlich verunehret und unflaͤtig gehalten wird/
indem ſie Eſel und ander Vieh drinnen ſtallen und halten. Al-
lein ſo gehets zu: Wann Gott in ſolchen Haͤuſern von den
Menſchen nicht von Hertzen will gedienet werden/ daß er ſie
hernach in die Rappuſe gibt und entheiligen und ſchaͤnden laͤſ-
ſet.


Darum denn der rechte Schmuck und Ruhm der Kirchen
nicht beſtehet in der/ oder jener Ruhmwuͤrdigen Antiquitaͤt und
daß dieſes/ oder jenes Merckwuͤrdige drinnen geſchehen iſt/ oder
daß ſie ſonſt von Kunſt/ Golde/ oder einiger euſſerlichen Zierde
gleiſſen und ſcheinen/ ſondern wenn Gott mit ſeinem Heilig-
thumb drinnen wohnet/ welches iſt/ wenn ſein Wort und Sa-
cramenta darinnen rein und unverfaͤlſcht nach Chriſti Ord-
nung und Einſetzung zu finden und die Leute dabey andaͤchtig/
Chriſtlich und Gottsfuͤrchtig ſeyn.


Oben auf der Hoͤhe bey den warmen Baͤdern haben wir
unten zur lincken Handwerts am Galileiſchen Meere auch die
Stadt Capernaum liegen ſehen in einer uͤber die maſſe ſchoͤ-
nen luſtigen und fruchtbaren Gegend.


Vor deſſen iſt dieſes Capernaum eine herrliche und geehꝛ-
te Stadt geweſen/ darinnen Chriſtus der ewige Sohn Got-
tes und Erloͤſer der Welt perſoͤhnlich gewohnet/ viel geprediget
und groſſe Wunder gethan/ dahero ſie auch Chriſti Stadt
genennet worden/ wie es auch ihr Nahme gibt/ ſintemal das
Wort Capernaum ſo viel/ als Lieb oder Luſt-Stadt heiſſet-
Es liegt recht in der Mitte zwiſchen Tyro und Sydon und zwi-
ſchen
[281]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſchen Jeruſalem. Und da wolte der Mittler/ Chriſtus/ wohnen
damit Juͤden und Heiden ſich zu ihm halten ſolten.


Allein um ihrer Sicherheit und Verachtung willen die-
ſer Gnadenreichen Heimſuchung iſt ſie von Gottes Angeſicht
biß in die unterſte Hoͤlle verſtoſſen worden/ wie ihr Chriſtus
geweiſſaget hatte im 11. Matth. v. 23. und liegt dieſelde nunmehr
gantz zerſtoͤret und iſt mehr nicht/ als ein Dorff/ wiewol von
wenig Haͤuſern/ die gar geringe und von armen Fiſchern be-
wohnet ſeyn.


Auf ſolcher Hoͤhe haben wir auch ein wenig weiter von
der Stadt Capernaum am Galileiſchen Meere hin geſehen die
zerſtoͤrte Stadt Bethſaida/ aus welcher die beyden Apoſtel Pe-
trus und Andreas buͤhrtig geweſen. Wir haben geſehen den
Brunn Joſeph und Jacobs Bruͤcke und weiter hinuͤber nach
der See Genezareth zu haben wir eine ſchoͤne lange und weite
Ebene geſehen/ da ietzo Getreide und Baumwolle waͤchſet/ auf
derſelbẽ ſoll der HErr Chriſtus vordeſſen fuͤnff tauſend Mann
mit fuͤnff Gerſten Broten und zween Fiſchen geſpeiſet haben/
die ſeinem Wort und Wunderwercken nachgezogen waren/
davon in denen Evangeliſchen Geſchichten zu leſen iſt.


Es iſt die luſtige Gegend nicht gnugſam zu beſchreiben
und ſihet man noch heute bey Tage/ daß freylich zu der Zeit/ da
diß Wunder allda geſchehen/ viel Graß am ſelben Orthe muß
geweſen ſeyn/ dieweil man noch ſihet am Berge herum viel fett
Graß ſtehen/ das andere aber iſt nun davon eingeackert wor-
den.


Von hier ab haben wir uns wieder zuruͤcke nach der
Stadt zugewendet/ da ſind wir uͤber die Stelle geritten/ wo
vor Zeiten die rechte Stadt Tyberias geſtanden. Da ſihet man/
anders nichts/ als lauter alt zerbrochenes Gemaͤuer
herum geworffene und zerſtreuete Steine und Schutt
N n 2und
[282]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und Erdhauffen/ woraus zuerkennen/ was die Stadt vordeſ-
ſen einen weiten Umfang muͤſſe gehabt haben. Was ſind
doch alle zeitliche Dinge? Nichts/ als lauter Vergaͤngligkeit
davon endlich nur das Zeugnuͤß zuruͤcke bleibet/ daß ſie da ge-
weſen ſind und man hernach mit dem Prediger Salomo da-
bey ſeuffzen und ſprechen muß: Es iſt alles gantz eitel! Es iſt
alles gantz eitel!


Darnach ſind wir nach dem Berge der acht Seeligkei-
ten geritten/ unterwegs aber gleich da der Tuͤrckiſche Hotzſchi-
lar
auf dem Thurm zu Mittag geſchryen/ unten am Berge der
acht Seeligkeiten in ein Dorff kommen/ Hattin genannt und
allda unter Pomerantzen- und Lemonen-Baͤumen/ ſo an die-
ſem Orte in groſſer Menge geſtanden/ ein wenig ausgeruhet
und haben in die 1000. kleine und noch nicht gantz reiffe ſaͤuerli-
che Lemonien fuͤr 11. Mettin, ſo ohngefaͤhr ein halber Teutſcher
Guͤlden/ kauffen koͤnnen. Auch ſtehen daherum/ weil die Ge-
gend ſchoͤn eben und fruchtbar iſt/ gar viel fruchtbare Oehl-
Baͤume.


Um halb Abend ſind wir wieder aufgeweſen und vollends
auf den Berg der acht Seeligkeiten geritten. Dieſer Berg iſt
ſehr hoch und felſicht iedoch lehn und nicht jeh auf/ und mit viel
ſtarckem ſtenglichten und theils ſchilffichten Graß bewachſen.
Und weil der HErr JEſus auf demſelben die ſchoͤne Predigt/
im 5. Matth beſchrieben von den achterley Seeligkeiten ge-
than/ ſo iſt ſolcher Berg deßwegen genennet worden der Berg
der acht Seeligkeiten in Wellſcher Sprache Ill Monte d’ otto
Beatitudini,
maſſen denn an dem Orthe/ wo Chriſtus unter-
waͤrender ſolcher Predigt oben auf dem Berge geſtanden/ eine
tieffe Grotta, oder Hoͤhle/ da man von oben hinab ſteigen kan/
wiewol ſie nunmehr faſt verfallen will. Sehr weit kan man ſich
auf dieſem Berge umſehen/ denn er gleichſam dreyfach uͤber-
ein-
[283]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
einander iſt und ſtehen viel Oehlbaͤume drauff. Auch hat vor
Zeiten eine Capelle drauf geſtanden/ wie man noch an dem Ge-
maͤuer ſehen kan/ bey welchem auch noch eine Hoͤhle iſt unter
der Erden mit drey ſtarcken Bogẽ ausgemauret/ ſo noch gantz
und unzerfallen ſtehet.


Nach dem wir uns nun allendhalben wolumgeſehen und
uns ziemlicher maſſen erluſtiret/ ſind wir wieder zu ruͤcke gen
Nazareth/ unterwegens aber einer zur lincken Hand gelegenen
Kirche/ darinnen noch ein Krug von denen ſechs ſteinern Waſ-
ſer-Kruͤgen zu Cana gezeiget wird/ vorbey gangen und andert-
halbe Stunde in die Nacht dahin kommen. Weil wir aber ſehr
muͤde und matt waren nachdem wir ins Kloſter kamen/ haben
wir uns/ ſo bald wir nur ein wenig Speiſe genoſſen/ zur Ruhe
begeben/ damit wir den morgenden Tag mit dem fruͤheſten
wieder auf ſeyn und uns noch weiter umſehen konten/ was wir
dieſes Orts noch zu ruͤcke hatten.


Den folgenden 17. Aug. mit Anbruche deß Tages bin ich
ſammt zweyen Franciſcaner Muͤnchen und einem Maroniti-
ſchen Pfaffen zu Nazareth aufgeweſen und nach dem Berge
Thabor in einem luſtigen Wege fortgeritten.


Anfangs ſind wir uͤber eine Hoͤhe gangen/ da wir den
Berg ſchon ſehen konten. Hernach ſind wir unten am Berge in
ein Dorff kommen/ Thebora genannt/ haben die Pferde und
Maul-Eſel allda in eine alte zerbrochene und wuͤſte Kirche ge-
zogen/ worinnen eine Ciſtern war oben mit einem rundẽ Loche/
wie ein Brunn ziemlich tieff mit ſchwartzen Steinen ausgeſetzt
darinnen aber kein Waſſer/ wie auch im Dorffe ſelber wenig
Waſſer anzutreffen war.


An dieſem Orte ſoll damals der HErr JEſus die andern
Juͤnger zu ruͤcke gelaſſen haben/ als er mit denen dreyen/ nem-
lich Petro/ Jacobo dem Groͤſſern und Johannes ſeinem Bru-
N n 3der
[284]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
der auf den Berg Thabor gangen und darauf verklaͤret wor-
den/ zu dem Ende hernach die alten Gottſeligen Chriſten an
die Stelle ſolche Kirche zum Gedaͤchtnuͤß erbauet haben ſol-
len.


Als wir nun auf den Berg Thabor geſtiegen/ haben wir
gut zwey Stunden zugebracht/ ehe wir gar hinauf kommen
ſeyn/ dieweil er oben naufwarts ſehr ſteinig und voller groſſer
Kieſelſteine und demnach gar ſchwerlich und muͤhſam zuſtei-
gen iſt. Von unten auf und von andern Bergẽ ſcheinet er anzu-
ſehen/ als wenn er gantz rund und wie eine halbe Kugel waͤre/
wenn man aber hinauf koͤmmt/ ſo iſt er gar breit und weitlaͤuf-
tig/ faſt auf eine Vierthel Meile im Umfange und uͤber und uͤ-
ber mit allerhand gruͤnen Baͤumen und vielem groſſen Gebuͤ-
ſche bewachſen und ſehr luſtig/ zumal weil die Vogel haͤuffig
darauf aufs lieblichſte in den Baͤumen ſingen.


Vor alten Zeiten ſoll eine groſſe feſte Stadt drauf geſtan-
den ſeyn von gewaltigem Steinwerck erbauet die noch zun Zei-
ten der Jſraelitiſchen Kriege geſtanden haben ſoll/ ietzo aber
gantz zu Grunde zerftoͤret iſt. Man kan noch allenthalben/ ſon-
derlich die Gegend nach Nazareth zu/ ſehen daß ſehr ſtarcke fe-
ſte Gemaͤuer/ wie auch auf dem Berge umher einen ausge-
mauerten tieffen Graben und einen ſchoͤnen groſſen luſtigen
Platz/ den es in der Stadt gehabt und hat man gewiſſe Nach-
richt/ daß allezeit Koͤnige drauff gewohnet und allda ihren
Sitz gehabt/ den ſie ſich auch nicht beſſer haben wuͤnſchen koͤn-
nen. So funden wir auch drauf eine tieffe Ciſterne/ iedoch
wenig Waſſer drinnen uñ die drey Tabernacul und Huͤtten un-
ter der Erden/ welche S. Helena, Conſtantini M. Mutter bauen
laſſen. Bey ſolchen Tabernaculn iſt eine alte zerbrochene Kirche/
wobey ſtehend man den Berg Hermon und das daran gelege-
ne Naim gar eigentlich hat liegen ſehen koͤnnen/ wie denn auch
das
[285]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
das ſehr luſtige Feld und groſſe Thaal Esdrelon, welches wei-
land wie oben gedacht zu Kriegs-Zeiten der Kinder Jſrael oft
und viel mit Blute gefeuchtet worden.


Nach dem wiꝛ uns nun wol muͤde geſtiegen hatten/ ſetzten
wir uns unter einen Baum/ ein wenig vor Mittage/ und ver-
zehrten das jenige vollends mit rechter Luſtund Ergetzlichkeit/
was wir von Eſſen und Trincken mit aus Nazareth gebracht
hatten/ dieweil wir uͤber dem Eſſen zugleich auch unſere Au-
gen und Gemuͤther mit dem Anſchauen ſo vieler heiliger Staͤd-
ten weiden konten. Und weil wir nahe bey ietzt gedachter Ciſter-
ne ſaſſen/ muſte uns auch derſelben Waſſer dienen unſern
Wein damit zu miſchen und zuerfriſchen.


Nach verrichteter Mahlzeit habe ich mich allein von mei-
ner Geſellſchafft abgeſondert/ denn ſie wolte ich weiter nicht be-
muͤhen/ und damit ich mich noch einmal recht ſatt ſehen wolte/
bin eilend durchs alte Gemaͤuer hindurch gelauffen/ und an ei-
ner Ecke des Berges zu einer hohen dicken Mauer kommen/
auf welche ich mit groſſer Lebens-Gefahr/ iedoch mit noch
groͤſſerer Luſt geſtiegen/ da ich denn ſehr weit und ferne herum
ſehen uñ viel heilige in Gottes Wort mit eingefuͤhrte denckwuͤr-
dige Orte mit Luſt beſchauen koͤnnen.


Das waͤre mir bald/ als ein Fuͤrwitz/ uͤbel bekommen/ ſin-
temal ich nicht vermeinet/ daß ich mich ſo weit von meiner Ge-
ſellſchafft ſolte verlaufen haben/ als doch in dem alten zerfallen-
en Gemaͤuer geſchehen war. Lief alſo herum/ als ein irre Schaf/
ruffte und ſchrye/ was ich konte/ aber da war niemand/ der mir
antworten wolte und war mir Angſt und bange/ unwiſſend
wie ichs in der Wuͤſteney/ da mir alle Haare zu Berge ſtunden
machen und angreiffen ſolte/ biß ich ſie endlich plumbs halben
anſichtig ward/ da ich lange gnug gelauffen war. Da ward
mir ſolcher mein Vorwitz erſt verwieſen und dabey Bericht
ge-
[286]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gethan/ daß es ſehr unheimlich auf dieſem Berge waͤre/ wel-
ches mich noch mehr haͤtte ſchrecken ſollen/ wenn ichs vorhere
wuͤrde gewuſt haben/ ſintemal es eben in der Mittags-Stun
de war/ da ich alſo in der Jrre herum gelauffen war.


Hierauf ſind wir alsbald wieder vom Berge geſtiegen
und uͤber luſtiges Holtziges Gebuͤrge noch vor halb Abend wi-
der in Nazareth hinein kommen und iſt mir herauſſen vor dem-
ſelben ein groſſer dicker Stein/ der unten etwas ausgehoͤlet
war/ gezeiget und vor gewiß dabey geſagt worden/ daß der
HErr JEſus offt und viel mit ſeinen Juͤngern auf demſelben
ſolle geſeſſen haben. Auch hat man mir den Brunn gezeiget/ bey
dem die Jungfrau Maria/ weil ſie in Nazareth gewohnet/ und
das Kindlein JEſus pflegen Waſſer zu holen/ wie denn auch
den Orth/ da ſie gewohnet und den HErrn JEſum erzogen/
worauff ietzo ein alt Griechiſches Kirchlein ſtehet/ deßgleichen
auch/ wo ihr der Engel Gabriel die Bottſchafft gebracht/ daß
ſie eine Mutter werden ſoͤlte deß ewigen Sohns Gottes/ an
welche Stelle auch eine kleine Kirche gebauet iſt/ ſo aberiezo zer-
ſtoͤret und verwuͤſtet iſt.


Und weil ich mich nun durch ſo viel Klettern und Steigen
der Berge ziemlich ermuͤdet hatte/ bin ich in Nazareth den 18.
Aug. noch ſtille gelegen/ habe ein wenig ausgeruhet und mich
zu weiterer Fortſtellung meiner Reiſe fertig und geſchickt ge-
machet.


DasXII. Capitul.


Von meiner Reiſe nach Samaria/ ietzt Sebaſte ge-
nannt und was allda und unterwegens zu
ſehen geweſen.


DEn 19. Aug bin ich noch halb Abendzeit zu Nazareth auf-
geweſen und haben erſtlich in und zwiſchen Gebuͤrge rei-
ſen muͤſſen/ hernach haben wir das lange luſtige Thaal
und
[287]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und Feld Esdrelon einbekommen und ſo lange im ſelbigen fort
gereiſet/ biß wir endlich das Gebuͤrge Gilboa gar nahe zur lin-
cken Hand vorbey gegangen. Drauff ſind wir an den Orth/
Marckt oder Flecken kommen/ vor welchem die zehen Auſſaͤtzi-
gen dem HErrn Chriſto begegnet/ da derſelbe hinein gehen
wollen. Jſt ietzo ein ziemlich groß Dorff Janin genannt und
liegt von Nazareth ſechs gute Stunden zu reiten/ dahero wir
drey Stunden in die Nacht erſt allda ankommen/ weils ſchon
nach halb Abend war/ da wir uns zu Nazareth auf den Weg
machten/ und muſten wir alſo im Caffart oder Zollhauſe die
Nacht bleiben/ da wir uns denn im Hofe unter freyem Him̃el
ein par Stunden nieder legten und ruheten.


Zwey Stunden vor Anbruch deß Tages den 20. Aug.
haben wir uns wider aufgemacht und muſten bald uͤber Ge-
buͤrge da es denn ziemlich friſch war/ bald in Thaͤlern reiten.
Da begegnet uns ein Caffartſchi reitend/ die uns hart anfiel
und Tribut/ oder Zoll von uns haben wolte/ oder uns Trotz
both/ wo wir von der Stelle reiten wuͤrden. Weil wir aber den-
ſelben ſchon zu Nazareth erlegt hatten und iede Perſon vor ſich
und ſein Pferd acht Ducaten biß nach Jeruſalem erlegen muͤſ-
ſen/ war er zu frieden/ da wirs ihm unſere Mucker oder Geleits-
Tuͤrcken/ denn ſo werden die auf Tuͤrckiſch genennet/ ſo mit den
gemietheten Pferdten/ oder Maulthieren mit lauffen/ um
dieſelben wieder zu ruͤcke zu bringen/ ſagen lieſen/ auch ſelbſten
mit freundlichen Geberden zuverſtehen gaben. Kamen alſo
von ihm ab und reiſeten im Namen Gottes unſern Weg wieder
fort/ bald in der Ebene/ bald im Gebuͤrge und konten wir ſchon
oben von der Hoͤhe die Stadt Samaria/ oder Sebaſte/ unten
zwiſchen den Bergen liegen ſehen/ da es denn am Hange her-
unter ſehr viel Oelbaͤume gab und gar luſtig zu reiten war/ wie
wolder Weg ſo uneben und ſteinigt war/ daß man gar ſchwer-
O olich
[288]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ilch reiten konte und der Thaal unten war gar enge/ in welchem
wir endlich zwiſchen lauter Oelbaͤumen und Bergen hin an ein
Dorff kamen Purka genannt/ allwo die Mukir ihre Maulthie-
re fuͤttern wolten/ muſten aber wider ihren Willen weiter mit
uns fort/ biß nach Sebaſte, oder Samaria/ alldahin wir noch
vor Mittage mit guter Muſſe ankamen.


Dieſe Stadt iſt vor Zeiten eine ſchoͤne Stadt und Reſi-
den
tz der Koͤnige Jſrael geweſen/ faſt drey Vierthel Meilen um-
fangen und Samaria genennet worden. Nachdem ſie aber die
Aſſyrer zerſtoͤret und ſie nach dieſem Herodes/ der Kindermoͤr-
der/ ja ſo ſchoͤn und groß wieder aufgebauet und zu ſeiner Reſi-
den
tz genommen/ nach dem ihn Keyſer Auguſtus zum Vierfuͤr-
ſten ins Land geſetzet/ hat er ſie Sebaſte genennet/ welchen Na-
men ſie noch bißhero behalten. Sie iſt aber ietzo gantz zerſtoͤret
und nur noch ein kleines Dorff/ auf der Hoͤhe gelegen/ daß
mans ihr nicht das geringſte anſiehet/ wer ſie vordeſſen gewe-
ſen iſt. Das hat ſie mit ihrer Boßheit und Verachtung Gottes
verdienet/ maſſen noch allda ein finſter Gewoͤlbe/ oder Hoͤhle
gewieſen wird/ worein Johannes der Taͤuffer von ſeinen Juͤn-
gern begraben worden/ nach dem er zu Macheruat auf Anſtif-
tung der Herodias enthaͤuptet worden war/ uͤber welcher noch
eine alte numehr gantz zerſtoͤrte Kirche ſtehet. Auch kan man
noch ſehen dem ietzigen Sebaſte gegen uͤber/ wo die alte Stadt
Sebaſte vordeſſen geſtanden iſt. Alſo hat Gott ſein Heer aus-
geſchickt/ dieſe Moͤrder umgebracht und ihre Stadt angezuͤn-
det/ weil ſie dieſen getreuen Knecht Gottes gegriffen/ gehoͤhnet
und getoͤdtet/ welcher auch wie ietzt gedacht allda begraben lie-
gen ſoll zwiſchen dieſen beiden Propheten Eliſa und Obadja.
Sehr luſtig liegt ſie/ zwiſchen lauter ſchoͤnen fruchtbarn Oel-
baͤumen/ und um und um mit Bergen umgeben. Das iſt auch
alles/ was an ihr zu ſehen und ietzt zu loben iſt.


Das
[289]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasXIII.Capitul.


Von meiner Reiſe nach Sichem/ ietzt Napoloſa ge-
nannt und was unterwegens und daſelbſt zu
ſehen iſt.


ALs wir nun zu Sebaſte gefuͤttert und ein wenig geruhet
hatten/ machten wir uns wieder auf den Weg. Ohngefaͤhr
eine Stunde von Sebaſte ab kamen wir in einen langen
ſchoͤnen uͤber und uͤber mit fruchtbaren Oelbaͤumen bewachſe-
nen Thaal und waͤrete biß eine halbe Stunde an Napoloſa hin-
an/ da wir vollends zwiſchen lauter luſtigen Gaͤrten hinein zu-
reiten hatten und brachten in allen in die dritthalbe Stunde zu
von Sebaſte biß nach Napoloſa, wie ſie ietzt von den Einwoh-
nern genennet wird/ vordeſſen aber Sichem. War der 20. Aug.
da wir gen Napoloſa kamen anderthalbe Stunde noch vor A-
bends blieben aber herauſſen vorm Thore/ legten uns in einen
Garten unter einem dicken Baume nieder und ruheten die
Nacht aus/ biß zwey Stunden vor Morgen/ welcher war der
21. Auguſti.


Jn etwas aber dieſer Stadt zugedencken/ weil ſie in heili-
ger Schrifft mit angefuͤhret/ und was ſich daſelbſt begeben/
gedacht wird/ ſo iſt dieſelbe deßwegen in GOTtes Wort be-
ruͤhmt/ daß die Tochter deß Patriarchen Jacobs/ Dina/ da-
ſelbſt von Sichem/ Hemors Sohne/ von welchem ſie ohne
Zweifel damals erbauet/ auch er Herre druͤber geweſen/ ge-
ſchaͤndet und beſchlaffen worden/ weßwegen die Soͤhne Jacob
dieſe Untreue an den Jnwohnern gethan/ daß/ ungeacht dieſel-
ben ihren Glauben angenommen/ ja auch die Soͤhne Jacob ſie
in ihre Freundſchafft aufgenommen/ dennoch aber dieſelben uͤ-
berfallen und mit der Schaͤrffe deß Schwerts geſchlagen/ woꝛ-
uͤber ſich auch der alte Vater Jacob hoch betruͤbt und geeifert
hat.


O o 2Die-
[290]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Dieſe Stadt liegt gantz im Grunde am duͤrren ſteinigten
hohen Gebuͤrge in einem Thaal hinab. Jſt lang/ aber nicht
breit/ iedoch zur rechten Hand liegt ſie naͤher ans gedachte Ge-
buͤrge/ als zur lincken Hand/ dahero man mit Steinen von den
Bergen in die Stadt werffen kan/ weil das Thaal enge und die
Stadt nicht ehe zu ſeben iſt/ als biß man gar nahe darzu koͤm̃t
und ſtehen um und um viel Pomerantzen-Feigen- und andere
edle Baͤume und luſtige Gaͤrten/ zwiſchen welchen ein anmu-
thiges friſches Waͤſſerlein hinfloß/ an dem ſichs die Nacht uͤ-
ber nicht unſanffte ſchlaffen lieſſe.


Nach dem wir nun/ wie obgedacht/ den 21. Aug. zwey
Stunden vor Morgen wieder fort reiſeten/ kamen wir in einer
guten halben Stunde an den Brunn/ zur rechten Hand an
der Straſſen/ ſo nach Jeruſalem gehet/ gelegen bey welchem
Chriſtas mit dem Samaritiſchen Weibe/ die am ſelbigen Waſ-
ſer holen wollen/ ein freundlich Geſpraͤche gehalten/ davon zu
leſen im 4. Johan. Wird Jacobs-Brunn genennet/ weil ihn
der Ertzvater Jacob ſoll haben machen laſſen/ maſſen denn
auch bald dabey der Orth gezeiget wird/ da derſelbe ſeinen Hof
gehabt und gewohnet hat Liegt uͤber alle maſſe luſtig/ daß ich
faſt dergleichen luſtige Gegend noch nie geſehen habe/ iſt aber
ietzt gantz wuͤſte und der Brunn mit Schutt und Steinen zu-
gefuͤllet/ daß nichts/ als die Spur davon zu ſehen iſt.


Zur lincken Hand deß Brunnen/ etwann ein gute halbe
Stunde davon iſt noch zu ſehen alt zerfallen und zerſtoͤrtes
Mauerwerck/ welches vordeſſen die alte Stadt Sichem ſoll
geweſenſeyn.


Von dieſem Brunn an hatten wir eine weile gar einen
ebenen Weg/ drauff kamen wir gleich mit Anbruche deß Tages
zur lincken Hand uͤber eine ſteinigte Hoͤhe und dann in einem
luſtigen holtzigem Gebuͤrge eine Hoͤhe an/ biß wir endlich wie-
der
[291]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
der ein ſchoͤn eben Feld einbekamen/ welches aber nicht lange
waͤhrete/ ſo muſten wir wieder uͤber einen holtzigen luſtigen
Berg. Endlich kamen wir in eine ſchoͤne luſtige Ebene/ die voll
Oelbaͤume ſtund und war daſelbſt auch ein alt baufaͤlliges
Hauß/ einem Tuͤrckiſchen Hann gleich/ darinnen man mit Pfer-
den/ Maulthieren und Eſeln zu logiren pfleget.


Nach dieſer Ebene muſten wir wieder uͤber einen hohen
ſteinigten Verg voller Baͤume/ auf welchem man denn ein uͤ-
ber alle maſſe luſtiges Abſehen in ietztgedachtes ſchoͤne gruͤne
Thaal hatte und war darum zumal anmuthig zu ſehen/ weils
nicht allein zwiſchen den Bergen gelegen/ ſondern auch an
ſich ſelber von Oliven- und andern ſchoͤnen Baͤumen luſtig be-
wachſen war-So war auch zur rechten Handwerts den Berg
hinab noch ein ander Thaal/ welche beide Thaale hernach un-
ten zwiſchen den Bergen zuſammen lieffen/ da wir denn zur
rechten Hand ein friſches Bruͤnnlein antraffen/ welches unter
einem Steinfelſen heraus qualle/ dahero wir uns auch dieſer
Luſt zubedienen gegen demſelben uͤber und nicht weit davon
unter einen Baum geleget/ eine halbe Stunde geruhet und ei-
ne kalte Kuͤche und Flaſche Wein/ ſo wir bey uns hatten/ zu uns
genommen.


Hierauf kamen wir theils zwiſchen/ theils uͤber Gebuͤrge
zu einem langen wuͤſten ſteinigten Hauſe/ ohne Dach und dañ
an den Orth/ wo vordeſſen der Ertzvater Jacob im Schlaffe
die Himmels-Leiter geſeben/ daran die heiligen Engel auf- und
abgeſtiegen und Gott der HErr oben drauf ihm und ſeinen
Nachkommen ſelbige Gegend und Land folgender Zeit zu eigen
zu geben verheiſſen/ welches auch geſchehen/ weßwegen Jacob
ſolchen Orth Bethel/ das iſt/ ein Hauß GOTTES genennet
hat.


Vor alten Zeiten haben die andaͤchtigen Chriſten eine
O o 3Ca-
[292]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Capelle dahin gebauet/ die zwar nunmehr gantz zerſtoͤret iſt/
biß aufs Gemaͤuer uñ ein Stuͤcke Gewoͤlbe von der Thuͤr auf/
da denn flugs zur rechten Hand derſelben die Schlaffſtete Ja-
cobs zu ſehen/ gar tieff in die Erde hinab und iſt um und um ſtei-
nigt und mit Holtze bewachſenes Gebuͤrge. Auch iſt ein wenig
vorwarts zu ſehen noch viel alt verfallenes Mauerwerck/ wie
von Haͤuſern/ daraus zu ſchluͤſſen/ daß vordeſſen der Orth Be-
thel auch muß von Leuten bewohnet und es eine Stadt gewe-
ſen ſeyn.


Hierauf ſind wir abermals uͤber und zwiſchen ſteinigt
und buͤſchiges Gebuͤrge hingereiſet und ſo dann zur rechten
Hand uͤber eine ſteinigte Hoͤhe kommen/ da wir viel alt Ge-
maͤuer und groſſe zuſammen geworffene Steinhauffen antra-
fen und dabey einen tieffen Brunn. Soll vordeſſen die Stadt
Lutz oder Luß geweſen ſeyn/ da der Ertzvater Abraham ſeine
Huͤtte aufgeſchlagen und gewohnet/ als er von Ur in Chaldea/
aus ſeinem Vaterlande auf Gottes Befehl ausgegangen/ wie
davon zu leſen im 13. und 28. Cap. deß 1. B. M.


Zwiſchen hier und Jeruſalem/ recht auf halben Wege/
liegt ein kleines Dorff/ Pira genannt/ da es denn/ ehe man auff
ſolches Dorff koͤmmet/ viel ſteinigt und buͤſchicht Gebuͤrge und
unterſchiedene kuͤhle Brunnen giebet/ auch wegen der ſtreiffer-
den Mohren groſſe Unſicherheit und Leib und Lebens-Gefahr
fuͤr Reiſende.


Nicht weit aber von dieſem Dorffe haben wir zur lincken
Hand auf der Hoͤhe eine alte Kirche angetroffen/ welche drey
runde Bogen und auf ieder Seite zum Altare zu drey kleine o-
ben gerundete Fenſter/ wiewol gantz zerbrochen/ hatte. Liegt
gar ſehr luſtig/ wie gedacht/ auf der Hoͤhe im Gebuͤſche und
wird fuͤrgegeben/ als wenn die werthe Mutter Maria allda ihꝛ
liebes
[293]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
liebes Jeſulein mit Schmertzen geſucht haben ſolle/ nachdem
ſie daſſelbe zu Jeruſalem verlohren gehabt.


Flugs auſſen vor ietztgedachtem Dorffe Pira ſind zwey
groſſe ſchoͤne gemauerte Ciſternen nebeneinander/ iedoch iſt ei-
ne groͤſſer als die andere/ haben aber beide kein Waſſer. Neben
der Kleinern iſt ein ſchoͤner friſcher Brunn/ woruͤber eine Tuͤr-
ckiſche Muſquee, oder Kirche gebauet iſt. Da traͤncketen wir un-
ſere Maulthiere und Pferde und oben in der Muſquee zwiſchen
den friſchen Mauren namen wir unſere Ruhe und kuͤhleten uns
von der groſſen Hitze ein wenig ab/ daß wir hernach vollends
biß gen Jeruſalem thauren konten.


Alsbald auch vor Pira herauſſen kamen wir in einen ſtei-
nigten Thaal/ welcher gar lange waͤhrete zwiſchen Bergen und
Steinhuͤgeln/ da uns denn zur lincken Hand auf dem Gebuͤrge
der Maccabeer Begraͤbnuͤſſe gewieſen worden. Und als wir
den nechſten Berg vom Thaal aus einbekamen/ konten wir
ſchon Jeruſalem unten im Grunde zwiſchen den Bergen liegen
ſehen/ aber doch noch viel eigentlicher und ſchoͤner auf dem hier-
auf nechſt folgenden Berge/ woruͤber wir alle hoͤchlich erfreu-
et waren.


Ehe wir aber noch uͤber dieſen Berg kamen/ hatten wir
zur lincken Hand einen ſehr dicken ſtarcken/ hohen und runden
Thurm auf der Hoͤhe/ wiewol oben ohne Spitze. Und von die-
ſem Berge an gehet vollends zwiſchen lauter Mauern und
Gaͤrten ein in etwas erhabener Weg biß vor die Stadt Jeru-
ſalem hinan. Wir kamen aber an das Thor Porta di Damaſco
genannt/ welches viereckicht und nicht ſehr hoch iſt mit zween
Fluͤgeln, ſo mit ſtarckem eiſern Bleche beſchlagen ſind.


Das
[294]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasX. Capitul.


Von dem Oelberg und ſeiner heutig-taͤgigen
Beſchaffenheit.


WEil wir auf ietzt gedachtem Berge und deſſelben Hoͤhe un-
ter andern auch gar eigentlich den Oelberg/ uns damals
zur lincken Hand/ konten liegen ſehen/ gibt mirs Anlaß
allhier davon zuſchreiben/ wie wir hernach denſelben bey un-
ſerm Augenſchein auch befunden haben.


Es hat der Oelberg drey Spitzen und Abtheilungen. Auf
der foͤrderſten gegen uns zu im Hinanreiſen nach der Stadt ſte-
het ietzo ein ſchoͤn Tuͤrckiſches Baſſen-Hauß. Auf dieſem Berge
ſollen die Apoſtel geſtanden und dem HErrn JEſu nachgeſe-
hen haben/ als derſelbe gen Himmel gefahren/ welchen zweene
Engel/ oder wie ſie in der Apoſtel Geſchichte genennet werden/
zweene Maͤnner in weiſen Kleidern/ zuredeten und ſagten:
Jhr Maͤnner von Galilea/ was ſtehet ihr und ſehet gen Him-
mel? dieſer JESUS/ welcher von euch iſt aufgenommen
gen Himmel/ wird kommen/ wie ihr ihn geſehen habt gen Him-
mel fahren.


Auf dem andern und mittelſten Berge iſt der Orth/ wo
Chriſtus gen Him̃el gefahren und das iſt eigentlich der Oelberg.
Da ſtehet eine achteckichte Capelle drauf und in der Mitte iſt ein
ebener Platz mit einer Mauer umgeben. Die Capelle iſt aus-
wertsvon lauter ſchoͤnen Marmel aufgefuͤhret uñ oben hat ſie
eine runde ſteinerne Capell. Jn der Capelle drinnen iſt es oben
herumb mit vielen kleinen Marmelſteinern Seulen gezieret/
auch haben die Tuͤrcken in die Mauer einen Abtrit/ ſo groß/ daß
ein par Perſonen drinnen knien/ oder ſtehen koͤnnen/ aus ſon-
derbarer Andacht zur Himmelfahrt Chriſti/ da ſie ihren ver-
meinten Gottesdienſt halten laſſen/ wem es unter ihnen belie-
bet/ maſſen denn auch flugs anſolche Mauer auſſen eine Tuͤr-
ckiſche
[295]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ckiſche Muſquee angebauet iſt. Unten auf der Erden in ge-
dachter Capelle ſiehet man einen Stein/ welcher viereckigt und
gantz glatt iſt/ als ein ſchoͤner weiſer Marmel/ da es doch nur
ein gemeiner Stein iſt/ und ſiehet man gar eigentlich einen bloſ-
ſen lincken Fuß-Tritt im ſelbigen Steine/ recht/ als wenn der
Fuß/ wie im weichen Wachs/ oder Thoon/ gegleitet/ oder ge-
ſchleppet haͤtte. Und das ſoll der letzte Tritt Chriſti auf Erden
geweſen ſeyn/ da er gen Himmel gefahren. Den rechten Fuß-
Tritt deſſelben haben die Tuͤrcken fuͤr groſſer Andacht hinab in
die Stadt in den Tempel Salomonis getragen. Da kan und
darff nunkein Chriſte bey Verluſt ſeines Glaubens und Le-
bens hinein kommen/ ſondern die Tuͤrcken allein. Denn ſie hal-
ten ſolchen Tempel gar fuͤr ein ſonderbares Heiligthumb und
die Chriſten viel zu unwuͤrdig denſelbigen zubetreten.


Die dritte Spitze deß Oelberges gegen den toden Meere
zu iſt kleiner und niedriger ohne Graß und Baͤume/ da ſonſt
der Oelberg allendhalben mit Palm- und Oelbaͤumen und an-
dern mehr gar ſchoͤn bewachſen und luſtig anzuſehen iſt/ zumal
der Palm- und Oelbaͤume halben/ welche Winter und Som̃er
gruͤn bleiben. Und ſo viel vom Oelberge.


DasXI. Capitul.


Von unſerer Ankunfft gen Jeruſalem und was
allda denckwuͤrdiges zu ſehen
iſt.


DEn 21. Aug. ſt. n. ſind wir gluͤcklich zu Jeruſalem ankom-
men/ gleich da der Tuͤrcke auf dem Thurm halb Abend
ruffte/ muſten aber hauſſen vorm Thore gute anderthal-
be Stunde warten/ ehe wir Beſcheid bekamen/ ob ſie uns hin-
ein laſſen wolten/ oder nicht/ weches uns nicht wenig zuwider
war/ muſten aber doch die beſten Worte geben und darzu bit-
ten und flehen.


P pEnd-
[296]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Endlich/ da der Beſcheid kam/ war derſelbe alſo beſchaf-
fen: Wir muſten unſer Wehr ablegen und von uns geben/ wel-
ches ein Tuͤrcke zu ſich nahm und der weile verwahren ſolte/ ſo
lange biß wir wieder von dannen reiſen wuͤrden/ neun Tuͤrcken
aber fuͤhrten uns zu fuſſe in die Stadt ins Convent und Klo-
ſter der Franciſcaner Muͤnche/ dahin wir auch begehrten.


Kein fremder Chriſte darf ſich unterſtehen in dieſe heilige
Stadt zu reiten/ ausbenommen die Einheimiſchen. War uns
dennoch gut/ daß wir unſere Pferd und Maulthiere nicht wei-
ter/ als biß hieher gedinget hatten. Schickten ſie demnach wie-
der zu ruͤcke und giengen wir alſo zu fuſſe deſto Sorgenfreyer
mit unſern Fuͤhrern/ denen gedachten neun Tuͤrcken/ in die
Stadt hinein.


Nach dem wir nun ins Kloſter bracht worden/ ſatzte ſich
der Vornehmſte unter ſolchen neun Tuͤrcken/ der ohne Zwei-
fel ein Befehlshalber war/ alsbald an einen von der Erden et-
was erhoͤheten Orthe auf einen aufgebreiteten ſchoͤnen Tuͤr-
ckiſchen Teppich nieder und traten die uͤbrigen acht Tuͤrcken al-
le um ihn herum. Wer kein gut gewiſſen gehabt haͤtte/ ſolte ſich
wol eingebildet haben/ als wenn ſie Halsgerichte uͤber uns hal-
ten und uns zum tode verurtheln haͤtten wollen. Allein wir
muſten mit unſern Felleiſen hervor/ dieſelben aufmachen und
allendhalben durchſuchen laſſen/ zu dem Ende/ ob wir vielleicht
von wichtigen Wahren etwas bey uns haͤtten/ ſo Brauche nach
verzollet haͤtte werden muͤſſen. Weil ſie aber nichts fanden/
waren alsbald die Franciſcaner-Muͤnche zugegen/ welche die
offenen Felleiſſen zuſammen nahmen und in ein groß Gemach
trugen/ darinnen ſie verwahret werden ſolten.


Nach geendeter Veſper/ weil wir gleich nun dieſelbe Zeit
ankamen/ kamen auch die andern Muͤnche und der Pater Guar-
dian,
als Regent deß Kloſters zu uns/ empfiengen uns gar
freund-
[297]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
freundlich und fuͤhrten uns in eine Kammer von drey Betten/
in welcher wir uns aufhielten und ſchlieffen/ ſo lange wir da-
ſelbſt waren. Auch ward ein Muͤnch beſtellet/ der uns alle Auf-
wartung thun muſte/ maſſen ers auch an nichts fehlen lieſſe/
woraus ſeine Liebe verſpieret werden konte. Und weils ſehr heiß
war/ brachte er uns alsbald eine Kanne mit friſchem ſuͤſſen
und weiſſen Wein und darbey gar ſchoͤn weiß und wolſchmaͤ-
ckend Brot.


Als aber indeß Eſſens-Zeit herbey kam/ wurden wir ins
Refectorium, ſo nennen ſie das Gemach/ darinnen die Muͤnche
ſpeiſſen/ gefuͤhret/ allda wir/ ich ſammt meinen Reiſe-Gefaͤhr-
ten/ nemlich denen drey Franciſcaner Muͤnchen/ die von Na-
zareth mit mir kommen waren/ abſonderlich uͤber einen langen
ſchmalen Taͤflein gar wol tractiret warden/ alſo/ daß einem ie-
dern ſein Schuͤßelgen mit Speiſe und Kaͤnnichen mit Wein
fuͤrgeſetzt ward/ maſſen denn auch die andern Muͤnche auf ſol-
che Maſſe an etzlichen dergleichen Taffeln beyſammen ſitzende
geſpeiſſet warden.


Nach gethaner Mahlzeit fuͤhrte mich ein Muͤnch oben
aufs Kloſter/ ſintemal daſſelbe kein Dach hatte/ wie bey uns o-
ben zugeſchaͤrffet/ ſondern war nach Arth der Morgenlaͤndi-
ſchen Haͤuſer gantz flach und eben/ daß man drauf herumb ge-
hen konte/ wie auf einem Altan. Da habe ich nicht allein die
gantze Stadt Jeruſalem/ ſondern auch den Oelberg/ den Berg
Zion und andere Orthe auſſer der Stadt/ ſammt dem Tempel
Salomonis binnen derſelben/ das heilige Grab und andere
heilige Staͤdten mehr uͤberſehen und gar wol betrachten koͤn-
nen/ daruͤber ich mich nicht wenig in meinem Hertzen er-
freuet.


Jndeß ließ ſich der Muͤnch mit mir ins Geſpraͤch ein und
P p 2frag-
[298]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
fragte/ wenn ich denn ſolche Orte zubeſuchen willens/ damit ich
nuch vorhero mit andaͤchtiger Confesſion und Communion
darzu ſchicken koͤnte/ weil es hoͤchſt unbillig/ daß einer ohne vor-
hergehende gnungſame Vorbereitung dieſelben beſuchen und
ſehen ſolte.


Hierauf gab ich ihm diß zur Antwort/ weil ich wol mer-
cken konte/ daß der Muͤnch zu dem Ende mit dieſem Geſpraͤch
an mich abgeordnet war/ damit man Nachricht meiner Reli-
gion und Glaubens erfahren moͤgte: Es waͤre an dem/ daß ich
freylich mit hoͤchſter Begier dieſen fernen und gefaͤhrlichen
Weg daher kommen ſolche heilige Orte zubeſehen und ſtellete es
zu der Herren Fratrum ſelbſt eigenem Gefallen und guten Gele-
genheit/ wenn ſie mir die hohe Gunſt erweiſen und mich an ſol-
che Orte fuͤhren wolten/ iedoch wanns alsbald den morgenden
Tag geſchehen koͤnte/ waͤre mirs um ſo viel deſto lieber/ damit
ich mich deſto ehe wieder zu meiner vorhabenden Reiſe foͤrdern
koͤnte. Belangende aber meine Confesſion und Communion,
ſo koͤnte ich mich ſonder Verletzung meines Gewiſſens darzu
nicht verſtehen/ alldieweil ich der reinen waren Evangeliſchen
und Lutheriſchen Religion mit Hertz/ Mund und Leben zuge-
than waͤre/ wolte auch deßwegen den Herrn Pater Guardian
zum hoͤchſten gebeten haben mich in dem Fall nicht zuverun-
ruhigen. Denn wie ich keines wegs hoffen/ noch Sorgetragen
wolte/ daß ſie mir das geringſte zumuthen wuͤrden/ alſo wuͤrde
auch ich durch Gottes Huͤlffe im geringſten Punct nicht wei-
chen von der einmahl erkannten Evangeliſchen ſeeligmachen-
den Warheit und ſolte ich auch gleich unverrichteter Sache wie-
der von dannen ziehen und von denen heiligen Orthen und re-
liquien
mein Tage nicht das geringſte ſehen.


Hierauf bin ich auch alsbald mit dem Muͤnche wieder
herunter gegangen und ihn gebeten/ er ſolle mit mir hingehen
zum
[299]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
zum Pater Guardian, damits ihm beyzeit wiſſend gemacht wuͤr-
de/ was meine Erklaͤrung waͤre und auch ich erfuͤhre/ weſſen ich
mich zuverſehen haͤtte/ alsdenn auch geſchahe. Da wir aber ka-
men/ fanden wir ihn gleich im Hofe auf einem Stuhl im Kuͤhlen
ſitzen. Und nach dem ihme der Muͤnch meine Erklaͤhrung erzehl-
te/ hat er ſich verwundert und auf Jtalieniſch zu mir geſagt:
Es muͤſſe gar eine ſonderbare Gnade Gottes ſeyn/ daß ich ſo ei-
nen weiten gefaͤhrlichen Weg zu Waſſer und Lande ohn allen
Schaden und Verletzung einiges Gliedes/ ja/ welches noch
mehr/ ohne Zuſtoß einiger Kranckheit und deß Todes/ wie na-
he mirs doch ſonder Zweifel vielmahl wuͤrde geweſen ſeyn/ an
den Orth kommen und koͤnne nicht anders gedencken/ als daß
mich Gott um der Urſache willen durch den Schutz ſeiner heili-
gen Engel ſo gluͤcklich geleitet und fort gebracht/ damit ich zu
dem waren aͤlteſten Catholiſchen Glauben bekehret werden
ſolle.


Jm Fall ich um dieſe mir an die Hand gegebene heilſame
Mittel und Wege nicht woll in acht nehmen/ ſondern ausſchla-
gen und verachten wuͤrde/ duͤrffte ich mir keine andere Gedan-
cken machen/ als daß Gott billig Hand von mir abziehen und
mich nim̃er ſo gluͤcklich wieder zu ruͤcke nach Hauſe zu den Mei-
nigen kommen laſſen wuͤrde/ wie er bißhero mich ſo Vaͤterlich
gefuͤhret und ſo wunderbarlich erhalten haͤtte.


Und als ich mich abermals erklaͤrte und ſagte: Es waͤre
mit Gott meine beſtaͤndige Meinung und ſolte nimmermehr
kein Menſch anders von mir erfahren/ als daß ich in dem Glau-
ben/ auf den ich getaufft und in welchem ich erzogen und unter-
wieſen waͤre/ durch Gottes Gnade zu leben und zu ſterben ge-
daͤchte/ gewiß verhoffende dabey vor Gott gerecht und ſeelig
zu werden/ es ſchickte es auch derſelbe/ wenn und wie er immer
wolte/ hat er ſich dieſe meine Standhafftigkeit zwar nicht miß-
P p 3fallen
[300]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
fallen laſſen und mir mein Suchen verſaget/ iedoch dieſes da-
gegen eingewandt und geſagt: Er wolle doch hoffen/ es wuͤrde
noch GOTT alsdenn endlich wol einen rechtſchaffenen Eiffer
zur wahren Catholiſchen Religion in mir erwecken/ wenn ich
wuͤrde die heiligen Staͤtten mit Andacht beſchauen und beſu-
chen/ zu dem Ende denn ich den Allerhoͤchſten fleiſſig anruffen
ſolle/ dergleichen er denn auch ſelbſten zuthun nicht unterlaſſen
wolle. Und damit ich ſeine groſſe Begier und Liebe zu meiner
Erleuchtung ſpuͤhren ſolle/ ſolle mir hiermit voͤllig verguͤnſtiget
ſeyn alle heilige Oerther und Antiquitaͤten ſo in/ als auſſer der
Stadt Jeruſalem/ nach meinem ſelbſt eigenen Gefallen und
Willen zubeſichtigen und ſolle mir auch das Geringſte biß zum
Groͤſten nicht verhalten werden. Das geſchach auch alſo/ ſin-
temal er alsbald einen von den anweſenden Muͤnchen zu ſich
geruffen/ welcher ein Franzoß war/ und demſelben anbefohlen
daß er mich morgendes Tages in aller Fruͤhe und Kuͤhle aus-
fuͤhren und mir in und auſſer Jeruſalem alle denckwuͤrdige Sa-
chen von dem Kleinſten biß zum groͤſten zeigen und genaue
nach- und Unterricht davon geben ſolle/ welches denn ſolcher
Muͤnch gehorſamlich zu thun verſprochen.


Und nach dem ich mich demuͤthig bedancket/ um fernere
affection und Gewogenheit gebeten und Abſchied und gute
Nacht von ihm genommen/ habe ich mich in meine Kammer
begeben und ohne Sorge/ iedoch mit erfreulichem Ver-
langen deß morgenden Tages/ im Namen Gottes ſchlaffen
geleget.


Deß andern Tages gar fruͤh kam der Muͤnch flugs vor
meine Kammer/ weckte mich auf und ſagte: Dafern mirs be-
liebte/ ſolte ich aufſtehen und mit ihm gehen. Das war mir gar
eine liebe Poſt/ ſagte ihm Danck und machte mich alsbald fer-
tig. Nach dem wir uns nun mit einer guten Flaſchen Wein und
etzli-
[301]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
etzlichen guten Broten verſehen hatten/ ſind wir den 22. Aug. im
Namen GOTTES mit angehendem Tage miteinander aus-
gegangen und die heiligen Orthe zubeſehen einen Anfang ge-
machet.


Erſtlich ſind wir zu einem alten und halb zugemauerten
Thor kommen/ welches zur lincken Hand an der Ecke der
Stadt war und Porta Judiciaria genennet wird/ daran eine
gruͤne Saͤule in der Mauer zu ſehen iſt. Und iſt dieſes das Thor/
durch welches der HERR CHriſtus zum Creutz Tode nach
dem Berge Calvaria ausgefuͤhret worden/ da er ſein Creutze ſel-
bertrug/ daran er leiden und ſterben ſolte.


Allhier faͤngt ſich an die Schmertz-Straſſe/ welche auff
beiden Seiten Abſaͤtze hat/ in der Mitte aber voller Staub und
Sand iſt/ dahero leicht zu achten/ wie der liebe Heiland da ei-
nen verdruͤßlichen Gang mit ſeinem ſchweren Creutz hinaus
gehabt. Dieſe Straſſe wird ſo heilig gehalten/ daß der Muͤnch
ehe er noch einen Fuß darauf geſetzet/ ſeine Holtz-Schuh aus-
gezogen und barfuͤſſig gegangen/ welches er denn auch mir
zwar zugemuthet zu thun: Allein weil ich mich entſchuldiget/
ich haͤtte gar enge Tuͤrckiſche Stieffeln an und koͤnte dieſelben
ſo gar ſchwerlich aus- und anbringen/ hat er mich ferner damit
verſchonet und nichts weiter vom Barfußgehen gedacht.


Hiervon abe zur lincken Hand gehet man zum Gefaͤng-
nuͤß/ worinnen der Apoſtel Petrus in Ketten und Banden ge-
legen/ da ihn der Engel deß HErrn aufgewecket und loß und le-
dig heraus gefuͤhret/ maſſen auch noch der Stein drinnen ge-
wieſen wird/ auf welchem Petrus geſeſſen iſt und iſt derſelbe
ſehr groß und glatt: Auch ſtehet nahe bey ſolchem Gefaͤngniß
eine alte zerſtoͤrte Kirche/ welche vordeſſen die Maltheſer Ritter
eine lange Zeit inne gehabt.


Weiter kamen wir zum Tempel deß heiligen Grabes/
ſo
[302]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſo eben in dieſer Gaſſe/ oder Schmertz-Straſſe zur rechten
Hand/ weiter hin auf den Berg Moria/ auf welchem ietzt ein
alter Abyſſiner Muͤnch wohnet/ ſo ein Mohr iſt. Zur rechten
Hand im Hinauffteigen auf den Berg Moria ſiehet man oben
einen Oelbaum/ um welche Gegend der Orth gewieſen wird/
da der Ertzvater Abraham den Wieder im Buͤſche verfitzt ge-
ſehen zum Opffer/ daß er ſeines Sohnes ſchonen konte.


Von der Porta judiciaria abwerts die Schmertz-Straſſe
hin iſt zur rechten Hand das Hauß der heiligen Veronica, oder
vielmehr der Ort/ wo ſie dem HErrn Chriſto/ als er mit ſeinem
Creutz matt und voller Schweiß vorbey gangen/ ein Wuͤſch-
tuch vor Jammer und Mitleiden gereichet/ daß er ſich damit
abtruͤcknen koͤnnen/ in welchem auch ſein allerheiligſtes Ange-
ſichte/ gar eigentlich zu ſehen/ zum Warzeichen ſoll geblieben
und alſo der heiligen Veronica zu ruͤcke gegeben worden ſeyn/
wie man vor warhafftig berichtet und vorgiebet.


Als wir aus dieſer Gaſſe geweſen/ ſind wir vor das Da-
masker Thor kommen/ durch welches wir hinein gangen/ da
ward mir der Ort gezeiget/ wo der reiche Mann gewohnet/ der
den armen Lazarum vor ſeiner Thuͤr verſchmachten laſſen/
weßwegen er auch hinwiderumb mit Unbarmhertzigkeit zur
Hoͤllen verſtoſſen worden und allda ewige Qual und Pein lei-
den muͤſſen.


Zur rechten Hand nach dem Thore zu im Anfange der
Gaſſen/ ehe man hinein koͤmmt/ zeiget man einen Ort/ da der
HErr JEſus mit dem ſchweren Creutze/ das er ſchon biß da-
her aus dem Hauſe Pilati getragen hatte/ zu Boden ſoll gefal-
len ſeyn und wird dabey berichtet/ daß/ als der HErr JEſus
alſo darnieder gefallen und ſeine liebe Mutter/ ſo ihme nach-
gefolget/ es geſehen/ fuͤr Hertzeleid an der Ecke der Gaſſen in
Ohn-
[303]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Ohnmacht gefallen/ maſſen denn auch noch an dem Orte zum
Gedaͤchtnuͤß ein weiſſer glatter Stein zu ſehen iſt.


Beſſer hinauf zum Thor S. Stephani iſt erſtlich zur rech-
ten Hand die Staͤtte/ da ſich Chriſtus umgeſehen und die
Gottſeligen Weiber/ ſo ihm nachgefolget und uͤber ihn gewei-
net anſichtig worden und ſie alſo angeredet: Jhr Toͤchter von
Jeruſalem weinet nicht uͤber mich/ ſondern weinet uͤber euch
ſelber und uͤber eure Kinder. Hernach zur lincken Hand auf der
Hoͤhe liegt Herodis Hauß/ welches ſehr groß iſt und Pilati
Hauß nicht weit davon. An ſolchem Hauſe Pilati ſiehet man
auch noch einen alten gewoͤlbten Bogen/ ſo ſich uͤber die Gaſſe
hinuͤber ſtrecket/ auf welchen heraus Pilatus den HERRN
Chriſtum gefuͤhret denſelben dem Volcke gezeiget/ wie blutig
ihn die Kriegs-Knechte zergeiſſelt und geſagt: Ecce homo, ſe-
het/ welch ein Menſch! Auf ſolchen Bogen bin ich mit dem
Muͤnche hinauff geſtiegen/ iſt oben ziemlich breit und hat
zweene Fenſter.


Weiter nach dem Stephans-Thor iſt ein alter Gewoͤlb-
ter Stall/ an deſſen Stelle der HErr Chriſtus ſoll gegeiſſelt
worden ſeyn. Beſſer aber droben zur rechten Hand iſt der Tem-
pel Salomonis und gegen uͤber ein alter Thurm/ ſo ziemlich
hoch/ welchen der Roͤmiſche Keyſer M. Antonius erbauen laſſen.
Zur lincken Hand herauſſen am Tempel Salomonis iſt Piſci-
na probatica,
oder probir-Teich auf Teutſch genannt. Jſt ein
groſſer tieff ausgemauerter Teich/ der zu Chriſti Zeiten zu ge-
wiſſer Zeit von einem Engel vom Himmel pflegte bewegt zu
werden und ward allemahl der Krancke geſund/ der zu erſt auf
ſolche Bewegung hinein kam und ſich baden konte/ mit was
Kranckheit und Leibs-Beſchwer er auch beladen war/ und
ward derſelbe Bethesda genennet worden. An ſolchem Teiche
gar nahe iſt das Thor in den Tempel Salomonis.


Q qSolcher
[304]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Solcher Tempel Salomonis iſt ſehr ſchoͤn/ wie ich von
auſſen ſehen koͤnnen. Hat ein rundes mit Bley gedecktes Tach/
auf welchem widerum ein kleines Spitzlein/ oder vielmehr run-
des Haͤublein ſtehet. Unterm Tache ſind umher blaue und gruͤ-
ne glaſurte Steine eingemauert/ ſo gar zierlich ausein ander
kommen und nicht uͤbel anzuſehen ſeyn. Von der innern Zierde
und Schoͤnheit dieſes Tempels kan ich nichts ſagen/ ſintemahl
wie obgedacht/ weil kein Chriſte bey Verluſt ſeines Glaubens
und Lebens zum wenigſten auch nicht auf die euſſerſte Stuffen
treten/ geſchweige gar hinein gehen darff/ auch ich mich deſſen
enthalten muͤſſen und hat mir ſo gut nicht werden koͤnnen/ wel-
ches mich nicht wenig gekraͤncket.


Man hat mich aber berichtet und mir nicht Wunders ge-
nug erzehlen koͤnnen/ wie wunderſchoͤn er von Marmel erbau-
et und gezieret ſeyn ſoll und henget derſelbe ohn Unterlaß voller
brennenden Lampen. Jſt ſchade/ daß die Tuͤrcken denſelben in-
ne haben und ihre Mahometiſche Greuel in demſelben treiben
ſollen/ die ſie doch mit ſo groſſer Andacht verrichten.


Umher um den Tempel iſt ein ſehr groſſer luſtiger Hof
mit ſehr viel hohen Cypreſſen-Baͤumen beſetzet/ welches gar
ſchoͤn anzuſehen iſt/ zumal weil oben umher gar luſtige Gaͤnge
mit ſchoͤnen zierlichen Marmelſteinern Saͤulen und unten un-
terſchiedene friſche Brunnen ſind. Es waͤre mir aber dieſe Luſt
bald gar uͤbel bekommen/ wenn ich alleine geweſen waͤre.


Denn nachdem ich mit dem Muͤnche/ meinem Geſellen
und Anweiſer/ dahin auf den Platz kam und mich in Beſichti-
gung deß Tempels und Hofs am beſten beluſtigte/ kam ein
Mohr daher/ der einen Waſſer-Krug auf dem Kopffe hatte/
willens im Hofe Waſſer zu holen/ rannte wider mich die
Stiegen hinauf und ſchnauſete mich aufs aͤrgſte an: Jch haͤtte
ihr Recht gebrochen und waͤre uͤber das geordnete Ziel am hei-
ligen
[305]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ligen Tempel geſchritten/ deſſen ich incht wenig erſchrack und
mir faſt nicht trauen wolte/ ob mich der Muͤnch deſſen gruͤnd-
lich gnung und recht treulich unterrichtet/ oder nicht. Allein der
Muͤnch nam ſich meiner gar ernſtlich an uñ entſchuldigte mich
nicht allein gegen alle zulauffende Tuͤrcken/ ſondern uͤberwieſe
auchdieſen Boͤſewicht/ dz er mir Gewalt uñ Unrecht thaͤte und
endlich ſich ſchaͤmen und ſchweigen muſte/ als ich denn auch
mit Wiſſen dergleichen nicht gethan und ich mich wol ſo genau
in acht genommen hatte/ das ich beſſer nicht thun haͤtte koͤnnen.
Es lernete ſich auch wol/ denn ſagte der Muͤnch/ wenn ich auch
nur einen Fuß auf die Stuffen geſetzet haͤtte/ und haͤtte dieſer
verlogene Mohr/ oder Tuͤrcke/ es auf mich bringen koͤnnen/ ſo
waͤre es um mich und mein Leben geſchehen geweſen/ welches
alles mir der Muͤnch vorhero zur Warnung geſagt
hatte.


Von vorgedachtem Geſund-Teiche ſind wir endlich vol-
lends zum Stephans-Thor kommen und dabey in eine groſſe
wuͤſte und ietzo Tuͤrckiſche Kirche/ ſo vordeſſen ein ſchoͤner
Chriſten-Tempel geweſen/ in welchen uns die Tuͤrcken um ein
Trinckgeld gar gerne lieſen. Jn ſolcher Kirche wieſe man uns
den Orth unter der Erden und war ein finſter Gewoͤlbe/ alſo/
daß man von oben mit Liechten durch ein enge Loch hinunter
ſteigen muſte/ damit man ſich beſehen konte/ da die Jungfrau
Maria von ihrer Mutter/ Anna/ ſoll geboren worden ſeyn.
Es ſtehet auch an dieſer Kirche ein alter zerſtoͤrter hoher
Thurm/ auf welchem ich abermals die heilige Stadt Jeruſa-
lem mit allen in und umliegenden Bergen und luſtigen Gegen-
den gar ſchoͤn und eigentlich uͤberſehen koͤnnen/ woran ich
mich auch eine ziemliche Weile erluſtiret.


Von hieraus ſind wir abwarts zum Thal Joſaphat gegan-
Q q 2gen/
[306]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gen/ etwas aber vom Thor ab hinunter iſt der Ort/ wo S. Ste-
phanus
geſteiniget worden. Allda hat man mir einen Stein ge-
wieſen/ in welchem eine Grube war/ recht nach der Runde ei-
nes halben Kopffs und ſoll S. Stephanus, nach dem er zu boden
geſteiniget worden/ daß er fallẽ muͤſſen/ auf ſolchem Steine im
Fallen aufgeſchlagen und davon diß Warzeichen blieben ſeyn.


Unten im Thaal muſte man uͤber einen Gewoͤlbten und
gemauerten Bogen gehen/ unter welchem war der Bach Ki-
dron/ woruͤber der HErr Jeſus zu ſeinem blutigen Leiden ein-
gegangen. Dieſer Bach Kidron fleußt ſonſt durchs Thaal
Joſaphat/ war aber dißmal gantz trucken und ſagt man/
daß er nur bißweilen und zu gewiſſen Zeiten im Jahre Waſſer
haben und flieſſen ſolle.


Hierauf ſind wir zur Kirchen und Begraͤbniß der heiligen
Jungfrauen Marien kommen/ ſo unten am Oelberge gelegen
iſt. Dieſe Kirche iſt oben gewoͤlbt und gehet unten gar tieff in die
Erde/ alſo daß man in die dreiſſig Stuffen hinunter gehen
muß/ iſt ſehr lang und breit und von ſchoͤnen glatten Steinen
gebauet und hat unten in der Tieffe einen Brunn und zur rech-
ten Hand/ wenn man hinunter koͤmmet/ iſt das Begraͤbniß
der heiligen Jungfrau Marien/ welches etwas groͤſſer/ als das
Grab Chriſti iſt. Die Kirche hat zwey Thuͤren/ durch deren
eine man hinein und durch die andere wieder heraus gehet und
iſt mit lauter ſchoͤnen Marmel uͤberzogen und gezieret:


Um dieſelbe herum haben die Armenier/ Griechen und
andere Chriſten ihre Altare/ iedoch haben die Catholiſchen den
beſten Orth/ nemlich das Grab der Jungfrau Maria. Jſt
ſonſt ziemlich tunckel hinunter/ wenn man vom Tage hinein
koͤmmet/ ungeacht ſonſt eine groſſe Thuͤr hinein iſt/ durch wel-
che das Liecht hinein fallen kan.


Wenn man die lange und weite Stiege wieder herauf ge-
het/
[307]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
het/ weiſet man zur lincken Hand das Grab S. Annæ der Mut-
ter der Jungfrau Maria und darnebẽ das Grab S. Joachim/
deß Vaters der J. Maria; zur rechten Hand das Begraͤbnuß
S. Joſephs/ deß Braͤutigams der Jungfrau Maria und dar-
neben Simeons/ ſo Chriſtum zu Jeruſalem im Tempel bey ſei-
ner lieben Mutter Kirchgange auf ſeine Arm genommen und
geſagt: HErr nun laͤſſeſtu deinen Diener im Friede fahren/
wie du geſaget haſt/ denn meine Augen haben deinen Heiland
geſehen/ welchen du bereitet haſt fuͤr allen Voͤlckern/ ein Liecht
zuerleuchten die Heiden und zum Preiß deines Volcks Jſrael.


Als wir nun wieder herauf geſtiegen/ habe ich unten am
Oelberge/ nechſt an der Begraͤbnuͤß eine Grufft geſehen/ das
ſoll die Staͤtte ſeyn/ da Chriſtus zur Zeit ſeines angehen-
den Leidens etzliche mahl von ſeinen Juͤngern allein gebetet
und endlich auch druͤber blutigen Schweiß geſchwitzet. Die
Grufft iſt/ wie ich ſie ſelber gemeſſen/ ſechs und zwantzig gemei-
ne Schritte und alſo/ wie die Schrifft bezeuget/ freylich einen
Steinwurff lang/ oder weit von dem Ort/ wo Chriſtus ſeine
drey mit gar an den Oelberg genommene Juͤnger gelaſſen
und dieſelben hernach ſchlaffend gefunden. Man muß acht/ odeꝛ
neun Stuffen in dieſe Grufft hinunter ſteigen und ſind im Hin-
unterſteigen zur rechten Hand vier andere ſchmale Hoͤhlen mit
Seulen in Felß gehauen unterſcheiden und an den Seiten of-
fen/ daß man aus einer in die andere gehen kan/ und von oben
gehet ein Loch hinunter/ dadurch der Tag hinein faͤllet.


Wenn man wider herauf ſteiget/ iſt beſſer hinauf den Oel-
berg nan mir ein ſonderlicher Stein gewieſen worden/ auf wel-
chem man ſoll uñ wil den Guͤrtel der Jungfrau Marien gefun-
den haben/ den ſie ſoll haben fallen laſſen/ als ſie gen Himmel
aufgenommen worden/ gleich wie dort der Prophet Elias ſei-
nen Mantel/ da er mit feurigen Roſſen und Wagen gen Him-
Q q 3mel
[308]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
mel fuhr. Und ſolchen Guͤrtel ſoll der heilige Apoſtel Thomas
auf gehoben haben. Und weil man in dem gedachten Stein ei-
nen Krummen Strich ſiehet/ der zwar nunmehr ziemlich ver-
wiſchet/ ſo gibt man fuͤr/ der Guͤrtel ſoll denſelben im Fallen al-
ſo geſchlagen haben.


Ein wenig abwarts nach dem Garten/ oder Hofe Geth-
ſemane zur lincken Hand weiſete mir der Muͤnch einen Stein
an einer Ecke/ oder Maͤuerlein/ auf welchem die Jungfrau
Maria geſeſſen/ da der H. Stephanus waͤre geſte iniget wordẽ.
Und eben von dieſem Maͤuerlein gehen drey Stuffen hinauf
in den Garten Gethſemane/ da flugs oben drauf die drey A-
poſtel deß HErrn/ Petrus und die beide Soͤhne Zebedæi/ nem-
lich Jacobus und Johannes/ die der HErr JEſus gar ſonder-
lich zu ſpectatoren und damit ſie ſeinen blutigen Seelen-Kampf
mit anſehen ſollen/ mit genommen/ gelegen und geſchlafen/ wie
die Evangeliſten bezeugen. Flugs anter dieſen Stuffen ſtehet
ein ander runder Stein und ſoll der Ort ſeyn/ da Petrus dem
Malchus/ deß Hohenprieſters Knechte/ das Ohr abgehauen
und flugs um ſelbige Gegend herum wurde mir auch die Stel-
le gezeiget/ welche auch ihr Merckmahl hat/ wo Judas dem
HErrn JEſu den verraͤtheriſchen Kuß gegeben und der HErr
JEſus von den Kriegs-Knechten gefaͤnglich angenom̃en wor-
den.


Unten am Oelberge ſtehen viel Oelbaͤume/ unter welchen
ich neun gar ſonderlich groſſe gezehlet habe. Nach dieſem bin ich
auch vollends gar auf den Oelbeꝛg geſtiegen und habe mich wol
drauff umgeſehen/ auch alſo befunden/ wie ich ihn vorhin von
ferne geſehen/ als ich gen Jeruſalem vors Thor kommen und
ihn beſchrieben habe/ weßhalben ichs auch hier nicht wiederho-
len/ ſondern den geneigten Leſer vorthin gewieſen haben wil-
Auſſer
[309]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Auſſer dem aber was ich etwan noch ſonderliches auf dem Oel-
berge geſehen/ ſoll folgend mit beruͤhret werden.


Von hier ab ſind wir ins Thaal Joſaphat gangen und
erſtlich an den Orth kommen/ wo Chriſtus die uͤbrigen Apoſtel
gelaſſen/ indeß er mit vorgedachten dreyen an den Oelberg
gangen und iſt derſelbe mit einem Maͤuerlein bezogen. Dar-
nach ſind wir zu Abſolons Grabe kommen/ daſſelbe iſt in einem
ſchoͤnen dicken und kuͤnſtlichem Felſen/ welches der ungerathe-
ne Abſalom ihm zum Gedaͤchtnuͤs erbauet hatte/ und nicht
hinein kam/ ſondern von dem Volcke im Walde in eine Grube
geworffen ward/ ſo veracht/ daß ſie ein groß Hauffen Steine
auf ihn warffen/ weil er den Fluch deß vierdten Gebots an ſei-
nem Vater David verdienet und es am Eichbaume mit dem
Leben ausbaden hatte muͤſſen/ wie davon Nachricht zu leſen
im 18. Cap. deß 2. Buchs Sam. unterm 17. und 18. Verſiculn.
Denn was die Gottloſen gerne wolten/ das iſt verlohren. Da-
hero denn auch ſolcher Orth ietzt aus Gottes Gericht von Tuͤr-
cken und Mohren voll Steine hat muͤſſen geworffen werden/
damit ja ſeine/ als eines Gottloſen/ Ehre zur Schmach und
Schande worden und nun allen ungerathenen Kindern allda
zur Warnung ſtehen ſoll.


Nicht weit davon wird auch gezeiget und gewieſen das
Begraͤbniß deß Koͤnigs Joſaphats/ in welches eine viereckich-
te Thuͤr gehet. Beſſer envor aber iſt der Orth/ da ſich der Apo-
ſtel Jacobus/ ſo lange der HErr Chriſtus im Grabe gelegen/
ungeſſen und ungetruncken ſoll enthalten und den ſchmaͤhlichen
Tod ſeines lieben HErrn und Meiſters betrauret haben. Nicht
weit davon iſt auch das Begraͤbniß deß Propheten Zacharias/
iedoch ſo iſt auch/ ehe man noch zum ſelben koͤm̃et/ der Ort noch
zu ſehen/ wo ſich Judas aus Verzweiflung erhencket und am
Stricke entzwey geborſten/ daß ihm ſein Eingeweide vor die
Fuͤſ-
[310]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Fuͤſſe gefallen/ wie davon zu leſen im 1. Cap der Apoſt. Geſch.
unterm 18. Verſicul.


Weiter ins Thaal Joſaphat hinein iſt ein Brunn/ der
Brunn S. Mariæ genannt/ welcher trefflich gut Waſſer
hat und ſehr friſch iſt/ maſſen ich denn/ mich zuerfriſchen/ dreiſ-
ſig Stuffen hinab geſtiegen bin/ dahero denn auch die Tuͤrcken
und Mohren das Waſſer aus dieſem Brunn in groſſen ledern
Schlaͤuchen haͤuffig in die Stadt Jeruſalem zuverkauffen
fuͤhren und daſſelbe von den Jnwohnern noch eins ſo lieb/ als
ander Waſſer gekauffet wird.


Nach dieſem ſind wir zum Brunnen Siloha kommen. Jm
Hingehen aber etwas auf der Hoͤhe iſt der Orth/ wo der Pro-
phet Eſaias von dem Gottloſen Koͤnige Manaſſeſoll mit einer
hoͤltzern Sege entzwey geſchnidten worden ſeyn/ an welcher
Stelle ietzund ein ſchoͤner gruͤner und luſtiger Baum ſtehet.
Jetzt gedachter Brunn Siloha iſt gar tieff in Felß gehauen. Der
Felß hat einen groſſen Riß/ als wenner zerſpalten waͤre und
gehet tieff hinein/ und als ich etwas hinein getreten/ habe ich
das Waſſer drinnen gar grauſam rauſchen hoͤren. Auſſen vor
dem Brunnen aber iſt eine kleine Grube voll Waſſer/ daß man
ſich drinnen friſchen und waſchen kan. Deßwegen wir uns alda
geſetzet und etwas von unſerm bey uns habenden Brot und
Wein zu uns genommen/ weil wir den Wein mit dieſem geſun-
den Waſſer zu miſchen gute Gelegenheit hatten.


Endlich ſind wir zum Brunn Nehemiæ kommen/ da ſich
der Thaal Joſaphat endet/ da denn nicht weit davon ein Orth
gezeiget wird/ da ſich die lieben Apoſtel aus Furcht ſollen ver-
krochen haben/ nachdem ſie flohen und ihren HErrn und Mei-
ſter verlieſſen/ als er zu ſeinem Leiden gefuͤhret ward. Jſt eine
rauhe und gantz finſtere Hoͤhle zur rechten Hand ein wenig auf
der Hoͤhe/ darinnen es ſchiene/ als wenn ſich noch gar kuͤrtzlich
ie-
[311]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
iemand muͤſte aufgehalten haben/ wie auch wohl muͤg-
lich/ weil die Mohren/ ſo ſich vom Raube nehren/ gerne ſolche
Loͤcher ſuchen und ſie zu ihrem Vorthel gebrauchen. Zur lin-
cken Hand war ein Thaal/ CampoSanto. oder das heilige Feld
genannt/ in heiliger Schrifft aber Hakeldama, oder Blut-A-
cker/ darum alſo genennet/ weil er um die dreiſſig Silberlinge/
fuͤr welche der untreue Judas den HErrn Jeſum Verrathen/
erkaufft worden zum Begraͤbniß uñ Gottes-Acker fuͤr die Pil-
grim. Und darzu wird er noch heute zu Tage gebraucht/ wie ich
denn ſelber von oben herab unten etzliche Coͤrper in weiſſer Lein-
wat nach der Ordnung da liegen ſehen.


Umher ſind ſehr viel lange/ tieffe und weite Hoͤhlen in Fel-
ſen/ welche Sommerszeit ſehr friſch und in denen man ſich ſo
gar gemachlich niederſetzen und ruhen kan/ weilen darinnen
gar ordentliche Seſſel in Felß gehauen ſeyn.


Nach dieſem ſind wir auf den Berg Sion geſtiegen/ der-
ſelbe iſt ſehr hoch alſo/ daß man faſt die gantze Stadt drauff uͤ-
berſehen kan und deßwegen iſt vor Zeiten auch Davids Schloß
und Reſidentz drauf geſtanden/ die nim gantz zerſtoͤret iſt iedoch
ſtehet gar eine ſtatliche Kirche drauf. Weil ſie aber die Tuͤr-
cken inne haben und gebrauchen/ laſſen ſie keinen Chriſten hin-
ein und ſich drinnen umſehen. Es iſt aber auch ſonſt auf dieſem
Berge Sion noch eine andere Capelle mit Bley gedeckt und
ſoll der Ort ſeyn/ wo der heilige Geiſt in ſichtbarer Geſtalt uͤber
die heiligen Apoſtel außgegoſſen worden/ wie denn auch Koͤnig
David allda begraben ſeyn ſoll.


Auf dieſem Berge Zion beym Thor an der Pforten Si-
on/ gleich dem Convent, oder Kloſter gegen uͤber wird gezeiget
der Ort/ da Caiphas gewohnet/ dahin ietzt ein Kloſter der Ar-
menier gebauet iſt. Jm Hof aber deſſen/ wenn man hinein ge-
het zur lincken Hand weiſet man den Ort in der Mayer/ wo der
R rHahn
[312]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Hahn geſeſſen und gekrehet/ als Petrus den HErrn Chriſtum
verlaͤugnet. Auch iſt allda ein Platz mit Steinen umlegt/ wo
ſich Petrus am Kohlfeuer gewaͤrmet und ſeine Verlaͤugnung
gethan/ durch eine elende Magd darzu erſchrecket und veran-
laſſet. Etwas davon wird auch gezeiget der Orth/ wo Petrus
ſeinen Fall bitterlich beweinet/ als er vom Kohlfeuer hinaus
gangen war.


Jn der Kirchen dieſes ietztgedachten Kloſters/ nicht weit
vom Altar/ iſt ein enge dunckel gemauertes Oerthlein/ darin-
nen der HErr Chriſtus gefangen geſeſſen/ auch wird allda ge-
zeiget der Stein/ welcher vor dem Grabe Chriſti gelegen. Und
mdem man nun wieder hinab in die Stadt gehet/ iſt zur rech-
ten Hand das Hauß deß Hohenprieſters Hannæ, welches ietzo
auch die Armenier/ als Orientaliſche Chriſten/ inne haben.
Da ſtehet ein uhr alter Oelbaum/ an welchem der HErr Jeſus
zur Zeit ſeines Leidens ſoll gebunden geweſen ſeyn.


Hierauf bin ich in die Kirche gefuͤhret worden. Da ſlehet
ein Stein/ welcher in der Mitte ein Loch hat und gibt man vor/
daß der heilige Apoſtel Jacobus drauf ſoll gekoͤpfft woꝛdẽ ſeyn/
und hengen um und um viel brennende Lampen. Beſſer hinab
nach dem Paͤpſtiſchen Kloſter zu/ wo ich ausgangen war/ iſt
das Hauß der drey heiligen Marien/ von dem wir endlich zum
Schloſſe in der Stadt kommen. Daſſelbe Schloß iſt von ho-
hen/ ſtarcken/ dicken und feſten Mauern und hat einen Gra-
ben/ uͤber welchen eine Bruͤcke gehet.


Und nach dem wir nun ſo weit kommen waren und uns
allenthalben nach Nothdurfft umgeſehen/ auch uns der Abend
auf den Hals kommen wolte/ daß wir weiter nicht gehen kon-
ten/ ſind wir wieder ins Kloſter gangen und die Nacht uͤber
allda blieben und haben ausgeruhet.


Deß folgenden Tages haben wir uns fruͤh wieder auf-
gemacht/ ſind durch die geſtrigen Gaſſen der Stadt und zum
Ste-
[313]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Stephans Thor hinaus gangen/ haben im Thaal Joſaphat
enhinder/ da wir unterwegens den Feigenbaum/ welchen Chri-
ſtus/ weil er keine Fruͤchte dran fand/ verfluchte/ geſehen und
wol beſehen. Drauf ſind wir zum Hauſe Simeonis deß Auſſaͤ-
tzigen kommen und iſt davon mehr nicht zu ſehen/ als alte wuͤ-
ſte Mauern/ wie denn auch nicht weit davon ein uhraltes ver-
wuͤſtetes ſteinernes Hauß gezeiget und dabey vorgegeben
wird/ daß Lazarns drinnen gewohnet haben ſoll. Und dann
ſind wir vollends nach Bethanien kommen. Jſt ietzo nur ein
klein Doͤrffgen ohngefaͤhr eine halbe Meilwegs vou Jeruſa-
lem etwas im Grunde gelegen. Allda zeiget man auch das
Grab Lazari/ in welches wir hinab geſtiegen und iſt unten eine
kleine Hoͤhle/ da Chriſtus Lazarum von den Toden erwecket/
als er bereits vier Tage im Grabe gelegen war und ſchon
ſtanck/ wie deß Toden Schweſter/ Martha zu Chriſto ſagte
und klagte im 11. Joh. unterm 39. Verſicul.


Auſſer Bethanien iſt zur rechten Hand etwas auf der
Hoͤhe Maria Magdalenen und nicht weit davon Martha/ ih-
rer Schweſter Hauß geſtanden/ von denen man aber nichts
mehr/ als alt zerſtoͤrtes und wuͤſtes Gemaͤuer ſiehet/ wie denn
auch die gantze Gegend/ biß hieher/ voll lauter Wuͤſte zerſtoͤrte
und zerbrochene Mauern iſt/ daß man ſehen kan/ daß vor Zei-
ten Bethanien ſo weit gangen iſt. Jetzund aber iſt der Ort vol-
ler Eydexen/ Schlangen und ander Unziefer/ maſſen wir denn/
indem wir alſo herum gangen/ eine Schlangen Haut in den
Steinen gefunden/ die gut eines Mannes lang war.


Hier hat man die luſtige Gegend um Jericho herum und
dann den ſehr hohen Berg in der Wuͤſten/ auf welchen der Sa-
tan den HERRN CHriſtum zur Zeit ſeiner vierzigtaͤ-
gigen Faſten und Verſuchung gefuͤhret und ihm alle Reiche
der Welt und ihre Herrligkeit gezeiget/ der albern
Meinung/ der HERR JESUS wuͤrde ſich drinnen
R r 2ver-
[314]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
verblieben und ſeinen lieben himmliſchen Vater verlaͤugnen/
davon zu leſen im 4. Matth. zwiſchen andern hohen Bergen
gar eigentlich herfuͤr ſehen koͤnnen.


Allhier ſtehet auch in ebenem Felde/ ein wenig von dieſer
wuͤſten Staͤtte/ ein Stein/ wie mir gezeiget und geſagt worden
auf welchem Chriſtus ſoll geſeſſen ſeyn/ als er mit Maria und
ihrer Schweſter Martha ſein heiliges Geſpraͤch gehalten.


Und weil wir von hierab nach dem Oehlberge zu gegan-
gen und hinauf geſtiegen ſeynd/ muß ich allhier vollends bey-
bringen/ was ich allda geſehen und es am vorigen Berichte und
Beſchreibung fehlen laſſen/ iedoch den geneigten Leſer drauff
vertroͤſtet/ damit ich ſeiner Begierde ein Genuͤgen thue.


Als wir nun von obgedachtem Steine nach dem Oelberg
dahin gangen/ iſt nicht weit davon ein Brunn/ bey welchem ein
Mohr an meinen Muͤnch kommen/ ihn mit groſſer Ungeſtuͤm
angefallen und die Flaſche mit Wein/ ſo wir/ gleich wie voriges
Tage@ geſchehen war/ aus dem Kloſter mitgenommen hatten/
nehmen wollen: Weil er ihn aber auf Arabiſch hart angeredet
und ihm gedrohet/ er es klagen wolle bey der Obrigkeit/ hat er
gebrummet und gemurret/ von uns abgelaſſen und uns wider
ſeinen Willen unſern Weg gehen laſſen. Drauf ſind wir gen
Bethphage/ ſo ietziger Zeit mehr nichts iſt/ als altes der Erden
gleich zerſtoͤrtes und wuͤſtes Gemaͤure/ kommen. Und weils
ſehr warm war/ wir auch allbereit ziemlich herum gegangen
und muͤde waren/ haben wir uns allhier ein wenig niedergeſe-
tzet und etwas von unſerm bey uns habenden Brodt und Wein
zu uns genommen/ da mir denn der Muͤnch den Orth gezeiget/
wo der HErr Chriſtus das Fuͤllen und die Eſelin abloͤſen und
holen laſſen.


Nachdem wir nun ein wenig geruhet hatten/ machten
wir uns wieder auf und ſtiegen vollends auf den Oehlberg hin-
auf/
[315]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
auf/ da wir denn oben auf der Hoͤhe deſſelben das tode Meer/
gleich wie in einem halben Zirckul/ unter dem hohen felſichten
Arabiſchen Gebuͤrge/ ſonft der Moabiter genannt/ gar ſchoͤn
und eigentlich ſehen koͤnnen/ weil gleich die Sonne gar helle
ſchien und der Himmel klar war. So iſt mir auch gezeiget
worden der Orth/ wo S. Appolonia, die vorhin geweſene groſſe
Suͤnderin/ ernſtliche Buſſe gethan/ ſich auch gutwillig ver-
mauern laſſen und endlich geſtorben und allda begraben wor-
den. Das uͤbrige findet der geneigte Leſer droben bey der Be-
ſchreibung deß Oelberges.


Jm Herunterſteigen ward mir gezeiget eine graue ſtei-
nerne Seule/ an welcher Stelle Chriſtus ſeinen Juͤngern vom
Juͤngſten Gerichte geprediget und gegen uͤbeꝛ/ wo er ihnen das
Vater unſer zu beten gelehret/ beſſer hinabwerts aber/ wo die
zwoͤlff Apoſtel ihr Chriſtliches Glaubens-Bekaͤntnuͤß in zwoͤlf
Artickuln aufgeſetzet und ſich alſo eine gleichſtimmige Lehr und
Glaubens-Formul abgefaſſet/ wornach ſie alle ihre Lehre rich-
ten und anſtellen wolten/ da ſie in alle Welt ausgehen und
nach Chriſti befehl das Evangelium predigen ſolten. Solcher
Ort beſtehet in zwoͤlf unter der Erden ausgemauerten und ge-
woͤlbten Bogen/ nach der Zahl der zwoͤlff Apoſtel/ deren iegli-
cher abſonderlich in einer ſolchen Hoͤhle ſeine Andacht vor ſich
gehabt und gleich wie ſein Seelen-Geſpraͤch mit dem heiligen
Geiſt uͤber ſeinen Artickul gehabt und gehalten.


Weiter hinunter ſind wir auf die Staͤte kommen/ da der
HErr JEſus ſoll ſtille geſtanden ſeyn/ die Stadt Jeruſalem
angeſehen und uͤber ihre Unbußfertigkeit und ihr deßwegen
vorſtehenden endlichen Zerſtoͤrung und Untergang bitterlich
geweinet haben/ wie man denn an dem Orte die Stadt ſo ei-
gentlich uͤberſehen kan/ als wenn man ſie auf eine Tafel ge-
mahlt vor ſich haͤtte. Hierauf ſind wir vollends den Beꝛg hinab
R r 3gange
[316]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
gangen und unten im Garten Gethſemane/ nicht weit vom
Bache Kidron/ ein wenig ausgeruhet und endlich wieder durch
die Stadt hinein ins Convent, oder Kloſter eingekehret.


Weil wir aber noch etwas am Tage uͤbrig hatten/ bin ich
vollends auch noch zur Porta ſpecioſa bey dem Tempel Salo-
monis gangen/ da man allerhand Sachen feil hat und da zur
rechten Hand man uͤber eine Stiege/ dem Tempel zu/ gehen kan
und denn zur lincken Hand zum Hauſe der Kinder Zebædei, her-
nach zur eiſern Thuͤr/ wo der Engel deß HErrn den Apoſtel Pe-
trum heraus gefuͤhret. Weiter ſind wir kommen zu S. Marx-
Kirchen/ welche ietzo die Surianer/ ſo auch Orientaliſche Chri-
ſten ſeyn/ inne haben. Weiter ſind wir kommen/ wo der Apoſtel
Thomas gewohnet haben ſoll. Und hiermit iſt alſo auch der 23.
Aug. beſchloſſen worden und bin ich wieder mit im Kloſter ein-
gekehret und habe dieſe Nacht abermals drinnen ausgeruhet.


Den folgenden 24. Aug. welcher damals war der Son-
tag/ haben wir uns nach verrichtetem Gottes-Dienſt wieder
aufgemacht und ſind um halb Abend von Jeruſalem na-
cher Bethlehem/ welches von Jeruſalem gute andert-
halbe Teutſche Meilen war/ auf kleinen gemuͤtheten Eſeln/
Landes Brauch nach/ geritten und nahmen wir zugleich auch
einen Mohr mit/ damit wir vor den andern ſtreiffenden Moh-
ren wolten deſto ſicher ſeyn. Wir ritten zur Bethlehemiti-
ſchen Pforte/ oder Porta di Rama, hinaus/ da ich denn auſſer
dem Thor zur rechten Hand den Teich geſehen/ worinnen
Bathſeba deß Urias Weib/ ſoll gebadet haben/ als Koͤnig Da-
vid/ nach dem er ſie von ſeiner Burg und Wohnung herab/
nicht weit davon zur lincken Hand auf dem Berge Sion ge-
legen/ geſehen/ mit unehrlicher Liebe gegen ſie entbrannt und
hernach ſo viel Hand zu wercke geleget/ biß er ihren Mann/
Uriam/ auf die Fleiſchbanck geopffert und er dieſelbige zum
Weibe bekommen/ nach dem er ſie vorhero zum Ehebruch ge-
brau-
[317]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
brauchet hatte/ maſſen denn annoch das alte Gemaͤuer allda
in der Hoͤhe daran zu ſehen iſt. Solcher Teich iſt ſehr tieff/ lang
und weit mit Steinen gantz ausgemauert und muß man auf
ſteinern Stuffen hinab ſteigen/ wiewol dißmal kein Waſſer
drinnen und derſelbe gantz drucken war.


Von hier ſind wir uͤber eine ſteinerne Bruͤcke geritten/ ha-
ben zur rechten Hand ein altes zerfallenes Hauß auf der Hoͤhe/
welches uͤber die maſſe luſtig gelegen/ gelaſſen/ darinnen vor
Zeiten der alte Simeon/ welcher Chriſtum zu Jeruſalem im
Tempel auf ſeine Arme genommen und geſagt: HErr nun
laͤſſeſt du deinen Diener im Friede fahren/ ꝛc. gewohnet haben
ſoll. Drauf ſind wir zu einem Baume kommen/ von welchem
dieſes Wunder fuͤrgegeben wird. Als auf eine Zeit die Jung-
frau Maria mit ihrem Jeſulein von Jeruſalem nach Bethle-
hem gehen wollen und unter und zu dieſem Baume kommen/
ſoll er ſich gar ſehr und faſt biß zur Erden gebogen und alſo dem
lieben Jeſu und ſeiner lieben Mutter in der groſſen Hitze Kuͤh-
lung/ Lufft und Schatten gegeben haben/ wie er denn noch die-
ſe Stunde ſo krumm und gebogen da ſtehet/ als wenn er im
Buͤcken erſtarret waͤre. Jſt gar ein alter dicker Baum und hat
kleine runde Blaͤtter und darff kein Chriſte/ noch Tuͤrcke was
davon hauen/ oder ſchneiden/ ſo heilig wird er gehalten


Allhier ſind wir zur lincken Hand zu einer Ciſterne kom-
men/ da den heiligen drey Koͤnigen/ als ſie aus Jeruſalem von
Herode fort und nacher Bethlehem reiſen wollen/ der Stern/
ſo vorhin/ da ſie vor die Stadt Jeruſalem kommen/ ver-
ſchwunden war/ wieder erſchienen. Zur rechten Hand aber
iſt ein altes zerſtoͤrtes groſſes Gemaͤuer uf der Hoͤhe zuſehen/
von welchem man vorgibt/ daß an dem Orthe der Prophet
Habacuc von den Engel des HERRN bey dem Schopf/
als er den Schnittern auffs Feld Eſſen bringen wol-
len/ ergriffen und in Chaldeam gefuͤhret worden
zum
[318]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
zum Propheten Daniel im Loͤwen-Graben und ihm daſelbſt
die Speiſe bringen und reichen muͤſſen.


Ein wenig weiter hin auch zur rechten Hand ſtehet ein
Griechiſches Kloſter und flugs auſſen vor und an demſelben
ein groſſer breiter Stein/ auf welchem der Propher Elias viel-
mahl ſoll geruhet und gelegen ſeyn/ maſſen denn auch noch in
ſolchem Stein die Geſtalt eines Menſchẽ zu ſehen. Hierauf ſind
wir wieder zu einem ſehr alten hohen zerbrochenen Gemaͤuer
kommen/ in welchem vor Zeiten der Ertzvater Jacob gewoh-
net haben ſoll/ wie denn auch zum Warzeichen deſſen ſeiner lie-
ben Rahel Begraͤbnuͤß zur rechten Hand hinabwerts gar
nahe dabey gewieſen wird/ welches eine kleine alte gemauerte
Capelle iſt/ oben mit einer runden ſteinern Haube und ſtehen
da im Felde/ eben an dem Orte allwo ſie in Kindes-Noͤthen
blieben und geſtorben und allda von ihrem Manne/ dem Ertz-
vater Jacob/ begraben worden.


Unter dieſem alten zerfallenen Gemaͤuer abwarts iſt ein
Acker mit dem ſich nachfolgende Geſchichte zugetragen haben
ſoll: Als einsmals die Jungfrau Maria bey dieſem Acker mit
ihrem Jeſulein vorbey gangen und einen Seemann auf dem-
ſelben funden und gefragt/ was er ſee? Derſelbe aber zur ant-
wort gegeben/ er ſee Steinlein und die liebe Maria drauf ge-
ſagt: Seyns Steinlein/ ſo bleibens Steinlein/ ſo waͤren die
Erbſen alsbald allemal in Steine verwandelt worden/ ſo offt
er andere Erbſen geſeet haͤtte/ biß er endlich nachlaſſen muͤſſen.
Nun iſt es gewiß an dem/ daß der gantze Acker voll uͤber und uͤ-
ber ſolche runde Steinlein lieget/ welche an Groͤſſe/ Runde/ Ge-
ſtalt und Farbe den Erbſen natuͤrlich ſehen/ daß man ſich druͤ-
ber verwundern muß und niemand weiß/ wie es zugehet/ da-
hero ich denn ſolcher Erbsſteinlein viel mit heraus in die Chri-
ſtenheit gebracht und hernach nach und nach unter gute
Freun-
[319]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Freunde zum Warzeichen vertheilet habe. Ja welches noch
mehr iſt/ ſo ſiehet man nicht das geringſte/ daß ſie abnehmen
und weniger wuͤrden/ ob gleich dieſelben von denen Reiſenden
ſo haͤuffig mit hinweg genommen werden.


Abwerts nach Bethlehem/ ohnegefaͤhr eine gute halbe
vierthel Teutſche Meile iſt die Ciſterne Davids/ wie ſie genen-
net wird/ daraus er Waſſer zu trincken ſich geſoͤhnet/ da er
um ſelbige Gegend wider die Philiſter zu Felde gelegen und
die Philiſter ſolchen Brunn ſtarck beſetzt gehabt/ welches Waſ-
ſer ihm auch drey tapffere Helden geſchaffet und gebracht/ in
demſie ſich mitten durch die Feinde durchgeſchlagen und etwas
davon geholet/ wiewol es David hernach nicht trincken wollen
ſondern dem HErrn geopffert und ausgeſchuͤttet und geſagt:
Gott ſolte ihn vor ſolcher Vermeſſenheit bewahren/ daß ers uf
ſolche maſſe begehren und trincken ſolte/ denn es waͤre der
Maͤnner und Helden Blut/ die ihr Leben druͤber gewaget und
es geholet haͤtten.


Dieſe Ciſterne iſt ſehr tieff und weit/ auch etwas an dem
Wege zur Seite abgelegen. Sind alſo drauf etwas Thaal ab
Abends/ gleich da die Muͤnche geſpeiſet/ nach Bethlehem ins
Kloſter kommen/ wiewol wir daſſelbe ſchon herauſſen auff der
Hoͤhe gar ſchoͤn und luſtig vor uns liegen ſehen/ dieweils ein
groß und weitlaͤufftig Gebaͤude und ſehr wol erbauet iſt.


Da wir nun hinein kommen/ iſt mir noch dieſen Abend
flugs der Orth gewieſen worden/ wo Chriſtus von der Jung-
frauen Marien ein wahrer Menſche zur Welt gebohren wor-
den. Seind von einer Capelle oben aus mit brennenden Liech-
tern eine ſteinerne Stiegen hinab zwiſchen einem engen fin-
ſtern Wege zu erſt in den Stall kommen/ da die Krippe geſtan-
den. Dieſer Orth iſt nicht ſonderlich weit und groß/ oben aus-
gemauert und mit vielen ſilbern brennenden Lampen behenget
S ſund
[320]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und unten ſind auf beiden Seiten groſſe Steine gelegt/ darauf
die Muͤnche ſitzen und knien koͤnnen. Oben druͤber ſtehet die
ſchoͤne Kirche Helenæ, von welcher hernachmals ſoll gedacht
werden. Aus derſelben herab gehen zwey unterſchiedene lange
breite Stiegen/ iede von neun Stuffen/ die lincke im Hinge-
hen zum Altar gedachter Kirche gebrauchen die Catholiſche/ die
andere aber zur rechten Hand gebrauchen die Griechiſchen
Chriſten. Auf der Seite/ wo die Griechen hinunter gehen/ iſt
eine kleine gemauerte Hoͤhle/ und das ſoll eigentlich der Orth
ſeyn/ da die Krippe und dabey das Vieh geſtanden und wird
vorgegeben/ daß dahin das liebe Jeſulein von ſeiner werthen
Mutter aus ſonderbarer muͤtterlichen Sorgfallt ſey gebracht
und geleget worden/ nachdem ſie ihn zur Welt gebohren ge-
habt/ weils allda vom Viehe warm geweſen und ſolches ihrem
lieben neugebornen Kindlein zu gute kommen ſollen. Jn ſolcher
Hoͤle ſtehet auch ein klein Altaͤrlein an der Stelle/ wie man vor-
gibt/ da die Weiſen aus Moꝛgenland vor Chriſto nieder gefallẽ/
ihn angebetet und ihr glaͤubiges Bekaͤntniß von ihm gethan/
und drauf auch ihre irrdiſche Schaͤtze aufgethan und ihn mit
Gold/ Weyrauch und Myrrhen beſchencket.


An dieſer gemauerten kleinen Hoͤhle iſt noch eine andere
Groſſe/ aus welcher man drey ſteinerne Stuffen herunter in
die Kleine gehet/ worbey eine Marmelſteinerne Seule ſtehet
und in ſolcher kleinen Hoͤhle hengen etliche ſilberne brennende
Lampen zur Andacht und Gedaͤchtniß/ daß das Liecht der
Welt/ JEſus Chriſtus/ allda gefunden worden/ daß in der
Finſternuͤß dieſer Welt erleuchtet alle/ die es begriffen und an-
genommen haben.


An dieſem Orte/ wo die Krippe geſtanden/ iſt ietzt zu ſe-
hen ein wunderſeltzamer grauer Marmelſtein/ wie denn auch
ſonſt daherum alles mit ſchoͤnen klaren Marmel uͤberzogen iſt/
das
[321]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
daß es ſchimmert und glaͤntzet. Jn demſelben grauen Marmel
ſiehet man ein Bildniß eines alten Muͤnchs mit ſeiner Kutte
und Caput/ mit einem langen Bahrt/ Geſicht und allen Glied-
maſſen deß Leibes ſo natuͤrlich und eigentlich/ als wenns drauf
gemahlt waͤre und iſt doch von Natur alſo gewachſen/ welches
ein groß Wunder der Natur iſt/ daß ichs nicht gnung an-
ſehen koͤnnen. Mann hat mir geſagt/ es ſolle das Bildniß deß
alten heiligen Kirchenlehrers Hieronymi ſeyn. Derſelbe ſchlug
um dieſe Gegend in ſeinem hohen Alter/ da er nicht mehr fort
konte/ im Lehr- und Predigampte/ ſeine Wohnung auf und
war von dem Kripplein ſeines JEſu nicht hinweg zu bringen/
biß in den Tod/ ob er gleich zu einem vornehmen Biſchoff-Am-
pte beruffen ward. Er ſagte: Nein/ man bringt mich vom Krip-
lein Chriſti nicht hinweg/ denn nirgends iſt mein Seele ruhiger
und froͤlicher/ als hier. Darum eben an dem Orte/ da mir Gott
aus Liebe ſeinen Sohn vom Himmel gegeben/ will ich ihm bil-
lig auch meine Seele gen Himmel ſchicken.


Kurtz aber vor ſeinem Ende hat er geſagt und geſchrie-
ben: So offt ich dieſen Ort anſchaue/ ſo haͤlt mein Hertz ſein
Seelen-Geſpraͤche mit dem Kindlein Jeſu. Jch ſpreche: Ach
HErr JEſu/ wie zitterſtu/ wie hart liegſtu um meiner Seelig-
keit willen! Wie ſoll ich dirs im̃ermehr verdancken? Da duͤnckt
mich/ als wenn mir das Kindlein antwortete: Nichts begehre
ich lieber Hieronyme, als ſinge von Hertzen: Ehre ſey Gott in
der Hoͤhe! Laß dirs nur lieb und deinen Troſt ſeyn/ ich wil um
deinetwillen noch viel geringer werden am Oelberge und am
Stamme deß Creutzes.


Jch ſpreche weiter: Liebes Jeſulein! Jch muß dir gleich-
wol auch was geben. Jch will dir mein Geld und mein gantzes
Vermoͤgen geben/ da antwortet mir das liebe Jeſulein: Jſt
doch vorhin Himmel und Erden mein/ drum bedarf ichs
S ſ 2nicht.
[322]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nicht. Gibs armen Leuten/ das will ich annehmen/ als haͤtte
ichs ſelber empfangen. Jch rede weiter: Liebes Jeſulein/ ja das
will ich gerne thun/ aber ich muß dir auch ſelber etwas geben/ o-
der ich muß fuͤr Leide ſterben. Das Kindlein gibt mir zur Ant-
wort: Lieber Hieronyme, weil du ja ſo koſtfrey biſt/ ſo will ich
dir ſagen/ was du mir geben ſolſt: Gib mir her dein boͤſes Ge-
wiſſen/ deine Suͤnde und Verdamniß. Jch ſpreche: Was wilſt
du denn damit machen? Da antwortete mir das liebe Jeſulein:
Jch wils auf meine Schultern nehmen. Das ſoll meine Herr-
ſchafft und herrliche That ſeyn/ wie Eſaias vor Zeiten verkuͤn-
diget hat/ daß ich deine Suͤnde tragen und hinweg tragen wol-
le. Da fange ich alsdenn an/ ſpricht Hieronymus, bitterlich zu
weinen und ſage: Kindlein/ ach liebes Kindlein/ wie haſt du mir
das Hertz geruͤhret! Jch dachte du wolteſt was gutes haben/
ſo wilſtu bey mir haben alles/ was in und an mir boͤſe iſt. So
nimm demnach hin/ was mein iſt und gib mir dagegen was
dein iſt/ ſo werde ich der Suͤnden loß und deß ewigen Lebens ge-
wiß. Das habe ich alſo allhier mit gedencken wollen/ was der
heilige Hieronymus an dem Orte bey dem Kripplein Chriſti fuͤr
geiſtreiche ſeelige Gedancken gehabt/ wannenhero ſchwerlich zu
glauben/ daß die Natur mit ſeiner Geſtalt im Muͤnchs-Habit
alſo in obgedachtem grauen Marmel ſpielen koͤñen/ dieweil die
Muͤnche vom Wege zur Gerechtigkeit und Seeligkeit weit
anders glaͤuben und reden/ als Hieronymus allhier beym
Kripplein Chriſti geglaͤubet und davon geredet hat.


Uber obgedachten drey Stuffen herauſſen zwiſchen den
auch gedachten beiden Stiegen/ gleich da oben in der Kirchen
Helenæ der Altar druͤber ſtehet/ iſt der Orth/ wo die allerheilig-
ſte Jungfrau Maria den Heiland aller Welt gebohren/ von
dannen ſie ihn hernach in obgedachte kleine Hoͤhle getragen
und in die Krippe geleget hat.


Von
[323]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Von dieſer Gebuhrts-Stelle der Lenge nach iſt die Thuͤr
zu welcher wir von oben herab in den Eingang kommen und
zur lincken Hand im Winckel iſt unten ein Loch mit Marmel-
ſtein ausgeſetzt/ aus welchem wie man mich berichtet/ zur Zeit
der Gebuͤhrt Chriſti dieſelbige gantze Nacht Oel gequollen ha-
ben ſoll.


Auſſerhalb dieſer Hoͤhle/ oder Stall/ ſind unten herum
an Seiten noch andere ſteinerne Hoͤhlen/ als: Wo Joſeph/
Chriſti Pflegvater/ im Traum vom Engel gewarnet und auf-
geweckt worden/ vor Herodis Bluthdurſt mit Maria und dem
lieben Jeſulein in Egypten zu fliehen. Darnach das Begraͤb-
niß deß heiligen Hieronymi und anderer Heiligen/ ſonderlich
auch/ wo die unſchuldigen Kinderlein ſollen zuſammen hinbe-
graben worden ſeyn/ welche deß lieben Jeſuleins Maͤrtyrer
und Blut-Zeugen ſeines Elendes in der untreuen und undanck-
barn Welt worden ſind. Ja zum wenigſten auch die Thuͤr
weiſet man/ da die Weiſen in den Stall eingegangen ſeyn/ als
ſie den Heiland aller Welt ſehen/ ehren und beſchencken wollen.


Nach dem ich nun unter der Erden alles wol und fleiſſig
beſichtiget hatte/ bin ich wieder hinauf in die Kirche/ uͤber dem
Stall und die Krippe erbauet/ gefuͤhret worden. Dieſe Kirche
hat deß Keyſers Conſtantini Magni Mutter/ S. Helena dem
Kripplein Chriſti zu Ehren erbauen laſſen/ wie man denn
fuͤr gewiß ſaget/ daß ſie hin und wieder im Juͤdiſchen Lande uͤ-
ber dreyhundert Kirchen und am Meere herum/ ſonderlich
auf den Vorgebuͤrgen/ ſehr viel hohe Thuͤrme/ als Warten
und Wach-Thuͤrme/ erbauet.


Dieſe Kirche nun der Helena zu Bethlehem iſt uͤber alle
maſſe ſchoͤn/ ſehr lang uñ weit/ daß ich nit wuͤſte/ ob dergleichen
heute zu Tage ſonſt ſolte zu finden ſeyn. Sie hat erſtlich inwen-
dig vier Reihen gar hohe und gantz Marmelſteinerne Seulen
S ſ 3und
[324]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und Pfeiler/ darnach iſt ſie uͤber und uͤber inwendig mit dem
reinſten und hell pollirteſten Marmel uͤberzogen und drittens
an den Waͤnden um und um mit der allerſchoͤnſten gemahlten
und verguͤldeten Moſaiſchen Arbeit gezieret von auſſen hat ſie
vors vierdte ein ſehr langes Tach mit groſſen bleyern Taffeln
uͤber und uͤber bedecket und hat noch einen alten zerbrochenen
ſtumpffen Thurm ohne Tach/ iedoch ohne Glocken/ weil die
Tuͤrcken keine Glocken leiden und alsbald abſchaffen/ wann ſie
einen Ort uͤbermeiſtern. Und eben ſo iſt auch die Kirche ſelbſt
inwendig ſehr verwuͤſtet und zernichtiget/ welches hoͤchlich zu
bethauren/ iedoch kan man gleichwol noch alles ſehen/ was fuͤr
ein herrliches Kunſt-Stuͤck und Gedaͤchtnuͤß es geweſen
iſt.


Jch habe auch geſehen/ wie hoch die Tuͤrcken ſelber dieſe
Kirche gehalten und daß ſie gleichwohl CHriſto zu Ehren drin-
nen kniend ihre Andacht gar fleiſſig uͤben/ weil ſie Chriſtum
fuͤr einen groſſen Propheten halten/ vor GOTTES Sohn
aber und der Welt Heiland gleichwol nicht erkennen wol-
len.


Auſſer dieſer groſſen Kirch e ſtehet zur lincken Hand/ weñ
man hineingehen will/ S. Nicolai Capelle und in derſelben nicht
weit von einer Stiegen iſt ein ſchoͤner friſcher Brunn. Weil
uns aber die finſtere Nacht uͤbereilete/ haben wir uns dieſen
Tag weiter nicht umſehen koͤnnen/ ſondern es biß auf den
folgenden Tag verſparen muͤſſen.


Den 25 Aug. war Montag/ bin ich nebenſt zween Muͤn-
chen hinaus gegangen in den luſtigen Thaal/ wo die Hirten
ihre Heerde gehuͤtet/ als ihnen der Engel deß HErrn vom Him-
mel herab die Gebuhrt Chriſti verkuͤndiget und der geſammte
Chor der Himmliſchen Heerſcharen drauf abgedancket und
dem Menſchlichen Geſchlecht angekuͤndiget/ weß ſie deß lieben
Chriſtkindleins ſolten gebeſſert ſeyn.

Die-
[325]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Dieſer Orth liegt auſſer Bethlehem/ ohngefaͤhr eine
Teutſche vierthel Meile davon/ und iſt mit ſehr luſtigem Ge-
buͤrge umgeben. Da iſt unter andern auch das Gebuͤrge
Engeddi/ wo Koͤnig David vor der Verfolgung Koͤniges
Sauls ſich in eine Hoͤle verſteckt hatte und Koͤnig Saul gleich
auch hinein kam/ unwiſſend/ daß David drinnen war. Und
als ſich Saul drinnen ſatzte ſeine Fuͤſſe zudecken/ das iſt/ ſeine
Nothdurfft/ mit Ehren zumelden/ zuthun/ wolte David ſei-
ne Hand nit an ihn legen/ wie er leichtlich thun haͤtte koͤñen/ auch
ſeine beyſich habende Knechte riethen/ ſondern gieng hin ſchneid
ihm einen Zippel vom Rocke/ zum Wahrzeichen/ daß er Liebe
und Barmhertzigkeit an ihm gethan/ da ingegen er/ Koͤnig
Saul/ es bißhero nicht um ihn verdienet/ ſondern ihn unſchul-
diger weiſe verjaget und geplaget/ wormit er hernach Koͤnig
Saul zur Erkaͤntnis brachte/ daß er beſchloß/ er wolts nim̃er-
mehr mehr thun/ David ſolts nur die Seinigen nicht entgelten
laſſen/ wenn er nach ihm wuͤrde Koͤnig werden. Alſo iſts doch
war/ was S. Paulus ſagt/ daß man mit Wohlthun und Liebe
auch ſeinen aͤrgſten Feinden gluͤhende Kohlen aufs Haͤupt
ſammlen kan.


Dieſer Thal iſt lang und weit und ſtehet/ wenn man von
Bethlehem aus hinein gehet/ dicke voll ſchoͤne Oehl-Baͤume/
dahero es uͤber allemaſſe ſchoͤn und luſtig iſt. Und an dem
Orthe/ wo die Hirten die Himliſche Freuden-Poſt bekommen/
iſt vor alters eine ſchoͤne Kirche erbauet geweſen/ die man ge-
nennet Angelus ad Paſtores, der Engel zu den Hirten/ von wel-
cher aber itziger Zeit mehr nicht/ als ein Gewoͤlbe und alt zer-
brochenes Gemaͤuer zuſehen iſt.


Als wir nun wieder zuruͤcke hinein nach Bethle-
hem gegangen/ ſind wir zur lincken Hand an eine
Ci-
[326]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Ciſterne kommen/ darinnen Waſſer war/ von welcher die Jn-
wohner dieſes berichten: Als auf eine Zeit die heilige Jungfrau
dahin kommen/ ſehr durſtig geweſen und das Waſſer nicht er-
reichen koͤnnen/ ſey es alsbald auf ihr ſoͤhnliches Seuffzen und
Weinen ſo haͤuffig zugequollen/ daß der Brunn uͤbergelauffen
und ſie ohne Muͤhe trincken koͤnnen.


Auſſerhalb dieſes Hirten-Thaals iſt auf der Hoͤhe ein alt
zerbrochen Gemaͤuer/ woſelbſt vordeſſen Joſeph/ Mariæ
Braͤutigam/ gewohnet haben ſoll/ wie denn auch noch in die-
ſem Thaal etzliche Haͤuſer ſtehen/ welche zuſammen ein Doͤrff-
lein bedeuten ſollen.


Hierauf ſind wir wieder in Bethlehem hinein gangen
und daſelbſt in eine Grufft und Hoͤle unter der Erden gefuͤhret
worden. Erſt muſten wir durch ein enges niedriges Thuͤrlein
hinein gehen/ hernach weit unter der Erden fort kriechen/ biß
in gedachte Grufft/ von welcher man fuͤrgibt/ daß ſich die
Jungfrau Maria darinnen eine Zeitlang mit ihrem lieben
Jeſulein aufgehalten/ damit ſie vor ihren Feinden habe wollen
ſicher ſeyn. Der Grund unten in dieſer Grufft iſt gantz Krei-
denweiß/ gantz milde und mirbe/ wie das beſte Krafftmehl/
und hat nicht allein gar einen ſuͤſſen/ lieblichen und anmuthi-
gen Schmack/ ſondern ſoll auch zu vielen Gebrechen in der
Artzney einen kraͤfftigen Nutzen haben. Das alles ſoll Fuͤrge-
ben nach daher kommen: Es ſolten der lieben Jungfrauen
Marien ihre Bruͤſte mit Milche ſo haͤuffig uͤbergangen ſeyn/
daß der felſichte Boden in dieſer Grufft davon alſo durchnaͤſ-
ſet und uͤbergoſſen und gantz muͤrbe/ weiß/ wolſchmaͤckend und
geſund worden waͤre. Jſt ſonſten gantz finſter drunten und die
gantze Hoͤhle in Felſen gearbeitet wie ein tieffer Keller/ daß
man ohne Liecht nicht einen Stich ſehen kan.


Was
[327]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Was aber hiervon zu halten/ beides daß ſich Maria al-
da mit ihrem Jeſulein ſolle verborgen gehalten haben/ als auch
daß ihre Bruͤſte ſo viel Milch von ſich ſchieſſen koͤnnen und den
Felſen ſo weiß und kraͤfftig damit gemachet/ wird jenes ein er-
leuchteter Chriſt aus der Gegenhaltung heiliger Schrifft/ die-
ſes aber ein Natur-Erfahrner leicht abnehmen koͤnnen. Qui
facilè credit, facilè fallitur.
Hexel mit unter.


Nach der Mittags-Mahlzeit habe ich einen kleinen Eſel
gemuͤthet und bin nebenſt einem Maronitiſchen Chriſten/
welcher der Jtalieniſchen Sprache kundig war/ zum Bruñen
Salomonis geritten. Anfaͤnglich ſind wir zwiſchen Gaͤrten/
nachmals aber uͤber ſteinigte Berge hinkommen/ biß wir zu
gedachtem Brunn kommen.


Jn dieſen Brunnen muß man von oben hinunter unter
einem groſſen Baum durch ein Loch mit groſſer Muͤhe ſteigen/
iſt deßwegen gantz finſter drunten/ daß man Liechte gebrau-
chen muß/ wenn man ſich recht beſehen will. Und auf ſolche maſ-
ſe habe ich geſehen/ daß der Brunn ſehr weit mit etzlichen Bo-
gen umfangen iſt und hoͤret man mit Luſt das liebliche und an-
mutige Rauſchen deß ſuͤſſen friſchen Waſſers in denen zum
theil felſigten und zum theil gemauerten tieffen und langen Hoͤ-
len. Koͤnig Salomon aber ſoll dieſen Brunn haben bauen laſ-
ſen/ wannenhero er auch den Namen bekommen/ daß er Sa-
lomonis Brunn genennet wird/ als er denn auch um dieſen
Brunn herum ſeine ſchoͤne Weingaͤrten gehabt.


Von dannen ſind wir zu drey groſſen weiten und tieffen
Teichen kommen/ welche/ wie leicht zu achten/ mit groſſen Un-
koſten in harten Felß gehauen ſind. Man muß an etzlichen
Stuffen hinein ſteigen und daß Waſſer ſammlet ſich hinein
vom hohen Gebuͤrge herab/ wenns regnet. Auß ſolchen Teichen
wird/ wie ich geſehen/ das Waſſer in Canalen und Roͤhren zwi-
T tſchen
[328]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſchen und um das Gebuͤrge krum herum/ welches ſich biß an
Jeruſalem hinan erſtrecket/ auf die fuͤnff Teutſche Meilen/ ge-
fuͤhret/ welches denn mit Verwunderung anzuſehen/ wie es ſo
eine lange Zeit und mit ſo groſſen Unkoſten erhalten worden.


Hierauf ſind wir gegen die Stadt Jeruſalem hinan zu
denen Luſt-Gaͤrten Salomonis kommen/ welche unten im
Thaal bey einem Dorffe gelegen geweſen/ maſſen denn noch
allda wie ich geſehen/ allerhand ſchoͤne gruͤne Baͤume davon
uͤbrig zu ſehen ſeyn/ wiewol ſie nicht mehr in ſo gutem Stande
und fruchtbar ſeyn/ weil ſie keine rechte Wartung mehr haben.
Von hieraus ſind wir uͤber groß ſteinigtes Gebuͤrge wieder
nach der Stadt Bethlehem zugeritten/ allda hin wir um halb
Abend kom̃en uñ die Nacht uͤber wie der im Kloſter blieben ſind.


Den 26. Aug. fruͤh Morgens zwey Stunden vor Tage
haben wir uns wieder aufgemacht/ der Meinung/ das
Juͤdiſche Gebuͤrge und den Ort wo Johannes geprediget/ zu-
beſichtigen: Sind drauf an den Ort kommen gegen Morgen-
werts/ wo Joſua und Caleb/ die Moſes abgeſchicket das Land
Canaan zuverkundſchaffen/ die groſſe Traube abgeſchnidten
und zum Wahrzeichen an einer Stange getragen mit zu ruͤcke
gebracht.


Dieſes Gebuͤrge iſt zur rechten Hand ziemlich hoch und
liegt uͤber alle maſſe ſchoͤn: Und kan ich mit Warheit ſagen/ daß
ich da Trauben geſehen uñ davon gegeſſen/ die einer halben Ele
lang und die Beere daran zwey Glied lang waren eines Fin-
gers/ dahero leicht abzunehmen/ daß jene Traube ſehr groß
muß geweſen ſeyn/ die Joſua und Caleb gebracht haben.


Hernach zur lincken Hand ſind wir an den Ort kom̃en/ wo
der Apoſtel Philippus der Koͤnigin Candaces in Mohrenland
Kaͤmmerling bekehrt und getaufft hat. Dieſer Brunn laufft in
einen groſſen weiten ſteinern Kaſten durch das Gebuͤrge hin-
durch.
[329]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
durch. Weiter vonhieraus ſind wir zur rechten Hand uͤber ho-
hes Gebuͤrge im dicken ſtarcken Nebel geritten. Und weil we-
gen der Hoͤhe und groſſen ſtarcken Steine deß Berges mein E-
ſel der zugleich auch meine kalte Kuͤche tragen ſolte und muſte/
mich nicht hinauff tragen konte/ muſte ich zu Fuſſe hinuͤber ge-
hen und einmal einẽ Eſeltreiber geben/ damit ich alles veꝛſuchte.


Als wir nun hinuͤber waren/ kamen wir an Johannis
deß Taͤuffers Wuͤſten/ allwo auf der Hoͤhe eines felſichten Ber-
ges ein uhraltes zerſtoͤrtes groſſes Gemaͤuer zu ſehen war und
ſoll vor Zeiten ein Kloſter und Kirche geweſen ſeyn/ dabey iſt ei-
ne Hoͤhle/ oder Grotte gehauen/ in welche zwey Thuͤren/ oder
Loͤcher gegangen/ da man vor den Felß hinausgehen und ſich
luſtig umſehen kan/ ſintemahl umher ſehr hohes ſteiniges und
gruͤnes Gebuͤrge/ unter dem herunten und tieffen Thaal Ara-
biſche Haͤuſer ſtehen. Und in ſolcher Hoͤhle zeiget man noch den
Orth/ wo Johannes der Taͤuffer ſeine Ruhe und Lager ge-
habt/ maſſen denn der Felß an demſelbigen Orthe noch dieſe
Stunde anzuſehen/ als ob er durch langes ligen nach der Ge-
ſtalt eines Menſchẽ eingedruckt uñ gleichſam abgenuͤtzet waͤre.


Von hinnen ſind wir den jehen Felß wieder hinab geſtie-
gen: Und als wir bald hinunter waren/ war ein tieffes uñ ziem-
lich weit in Felſen ausgearbeitetes Loch/ uͤber welches der Felß
uͤberhieng und war daſſelbe voller Waſſer/ darinnen ſich mein
Mohr/ ſo mit mir gieng/ ziemlich luſtig machte/ kuͤhlete und ba-
dete. Und als wir uns allhier gnugſam umgeſehen/ haben wir
uns unten im Thaal in der Wuͤſten nieder geſetzet und unſere
kalte Kuͤche mit einander verzehret/ die wir an Wein/ Brot/ ge-
bratenen Huͤnern und Eyern mitgenom̃en hatten. Endlich ha-
ben wir unſern Ruͤckweg wieder nach Jeruſalem zugenom̃en.


Nicht weit von hinnen kamen wir zu einem erhoͤheten
Stein/ auf welchem Johannes der Taͤuffer ſoll geſeſſen ſeyn/
T t 2wenn
[330]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
wenn er in der wuͤſten geprediget hat. Zur lincken Hand hier-
von abe haben wir unten ein tieffes weites Thaal gehabt/
welches ſehr luſtig war und das Thaal Terebinth genennet
wird und ſoll eben der Orth ſeyn/ wo Koͤnig Davidden groſſen
Rieſen Goliath erleget und zu tode geſchleudert hat.


Beſſer envor ſind wir auf der Hoͤhe zu uhralten ſteinern
Maͤuer-Werck kommen/ worbey auch eine alte zerbrochene
Capelle war und gibt man fuͤr/ daß Zacharias Johannis deß
Taͤuffers Vater allda gewohnet und ſeinen Lobgeſang ver-
fertiget haben ſoll. Liegt ſonſt an einem ſehr luſtigen hohen
und mit gruͤnen Baͤumen bewachſenem Orte.


Unter dieſem Hauſe iſt ein alt Gewoͤlbe ziemlich unter der
Erden in welchem die Jung-Maria ihre Muhme Eliſabeth be-
ſucht. Unter ſolchem Hauſe Zacharias zur rechten Hand am
Wege iſt auch ein luſtiges friſches Spring-Bruͤnnlein. Ab-
warts iſt die alte Stadt Juda ein wenig auf der Hoͤhe und iſt
noch eine alte finſtere gewoͤlbte Kirche allda zu ſehen/ woſelbſt
Johannes der Taͤuffer ſoll gebohren worden ſeyn. Beſſer vor-
warts zur rechten Hand war ein alt zerbrochenes Gemaͤuer
und ſoll das Hauß ſeyn/ in welchem Simeon ſoll gewohnet ha-
ben.


Endlich ſind wir in einen Thaal kommen voll allerhand
edler und fruchtbarer Baͤume/ da ſtehet ein Kloſter der Geor-
gianer genannt.


Jn dieſem Kloſter iſt mir in der Kirche ein ziemliches wei-
tes und tieffes Loch gewieſen worden/ in welchem der Stamm
ſoll geſtanden ſeyn/ davon Chriſti Creutz gezimmert worden.
Und um dieſe Gegend herum ſoll Koͤnig Salomo auch ſeine
Luſt-Gaͤrten gehabt haben/ wie denn der Orth an ſich ſelber
luſtig gnung darzu iſt/ daß deme nach wol nicht daran zu zwei-
feln.


Nach
[331]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Nach dem wir nun bald wieder ans Thor vor Jeruſa-
lem hinan geweſen/ welches das Bethlehemitiſche Thor genen-
net ward/ hat man mir zur lincken Hand ein Orth gezeiget/ wo
Koͤnig Salomon ſoll gekroͤnet worden ſeyn/ und ſtehen drey
kleine Capellen dabey.


Weiter hat man mir auch noch auſſerhalb der Stadt
vor dem Thor Ephraim eine ſehr groſſe Hoͤhle gewieſen/ wel-
che ſo hoch iſt/ daß man kaum mit einer langen Picquen oben
anreichen kan. Jſt in die ſechzig gemeine Schritte lang und
wird La Grotta di ſan Jeremiæ genannt/ darum/ weil/ wie ſie
vorgeben/ der Prophet Jeremias ſeine Klage-Lieder drinnen
geſchrieben/ wie man denn flugs zur lincken Hand im Hinein-
gehen im Winckel den Orth zeiget/ an welchem er geſeſſen ſeyn
ſolle. Dahero auch die Tuͤrcken und Mohren einen ſonderli-
chen Ort darinnen mit Breten verſchlagen haben/ da ſie dem
gedachten Propheten zu Ehren ihren falſchen Gottes-Dienſt
zu halten pflegen.


Von hier ab bin ich weiter kommen an den Orth/ wo der
Evangeliſte Marcus ſoll gewohnet haben und alſo dꝛauf wieder
in die Stadt Jeruſalem. Weils aber noch gar zeitlich war nach
Mittage/ habe ich die Zeit nicht ſo vergeblich wollen hinſtrei-
chen laſſen/ ſondern mir vorgenommen mich noch weiter um-
zuſehen/ wo noch etwas denckwuͤrdiges moͤgte zu ſehen und zu-
erkundigen ſeyn.


Haben uns demnach um halb Abend-Zeit wieder aufge-
macht und ſind zum Tempel deß heiligen Grabes Chriſti auff
dem Berge Calvariæ gegangen.


Es halten aber die Tuͤrcken dieſen Tempel gar hoch und
heilig weßwegen ſie ihn ſtets verſchloſſen und verwahret hal-
ten. Da ſitzet vorm Thore deſſelben allezeit ein Tuͤrcke und war-
tet auf die Pilgrim und Reiſende/ der nicht allein auf und zu-
T t 3ſchlieſſen/
[332]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſchlieſſen/ ſondern auch den Tribut davon einnehmen muß/ den
die Tuͤrcken drauf gelegt haben/ anders ſonſt niemand hinein
gelaſſen wird/ er mag auch ſeyn/ wer er immer wolle/ dannen-
hero denn/ als auch wir dahin kommen/ habe ich als bald ehe
er noch die Thuͤr angeruͤhret/ zwoͤlff Ducaten Tribut zahlen
muͤſſen. Daraus denn leicht zu ſehen/ warums denen unglaͤu-
bigen Barbaren mit den heiligen Orten zu thun/ nemlich weil
ſie ihnen viel eintragen und man vor gewiß ſaget/ das nur das
heilige Grab allein dem Tuͤrcken jaͤhrlich in die 30000. Zickin/
oder Ducaten einbringen ſoll. Waͤre es ohne das/ man wuͤrde
wol all laͤngſt von einem und dem andern Orte ſchon vor lan-
Zeit nichts mehr gewuſt haben.


Nach dem wir nun in ſolche Kirche hinein kommen/ ſind
wir zuerſt zu einem langen und faſt viereckichten weiſſen glat-
ten Stein kommen/ welcher auf der Erden lieget/ und laͤngſt
herunter an einem Bande mit vielen aufgehenckten brennen-
den Lampen behenget iſt. Auf dieſem Stein ſoll der allerheilig-
ſte Leichnam Chriſti/ als er vom Creutz abgenommen worden
von Joſeph und Nicodemo geſalbet und in weiſſe Leinwat ein-
gewickelt worden ſeyn.


Hierauf ſind wir in den Felſen deß heiligen Grabes kom-
men. Derſelbe iſt innwendig weißgrauer Farbe/ allein von de-
nen ſtets drinnen brennenden Lampen gantz beraͤuchert und
vom Rauche ſchwartz worden. Jſt nicht gar lang und koͤnnen
uͤber fuͤnff Perſonen der Laͤnge nach neben einander nicht ſte-
hen. Der Sarg/ oder Kaſten/ darinnen der HErr Chriſtus ge-
legen/ iſt ietzt gantz mit weiſſen Marmel uͤberzogen und iſt wie
ichs gemeſſen habe/ acht Spannen lang und fuͤnff Spannen
breit. Der Felß iſt inwendig mit Steinen gewoͤlbt und ausge-
maue rt/ ohne der Ort zur rechten Hand im Hineingehen in den
Felſen/ wo das Grab iſt/ iſt der Felß gelaſſen worden/ wie er
von
[333]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
von Natur iſt/ allwo man denn auch ſehen kan/ daß es ein na-
tuͤrlicher Felß iſt. Hat keine Fenſter/ dahero es auch gantz ſtich
finſter drinnen ſeyn wuͤrde/ wenn die brennende Lampen nicht
waͤren. Denn da henget derſelbe voller ſilbern brennende
Lampen uͤber dem heiligen Grabe/ wo Chriſtus/ der HErr/ ge-
legen und geruhet hat.


Ehe man aber noch in dieſen heiligen Felß deß Grabes
Chriſti koͤmmet/ muß man in der Kirchen Helenæ etzliche
Schritte lang barfuß uͤber einen von ſchoͤnen glatten und hell-
pollirten groſſen Marmelſtein hingehen durch ein kleines
Thuͤrlein in eine kleine Capelle/ welche auſſen an den Felß deß
Grabes Chriſti angebauet iſt. Jns Grab aber hinein iſt noch
ein klein niedriges Thuͤrlein und auſſen davor iſt unten ein
Stein eingemauert/ der etwas vorgehet/ auf welchem der En-
gel ſoll geſeſſen ſeyn/ als die Weiber fruͤh morgens zum Grabe
kommen und den Leichnam Chriſti ſalben wollen. Muß man
ſich alſo buͤcken und kriechen/ ehe man gar hinein ins H. Grab
koͤmmet. Und wenn man hinein koͤmmt und weil man drinnen
iſt/ iſt einem Angſt und bange und hat nichts/ als Grauen und
Schrecken/ wie ich nicht allein an mir ſelber erfahren/ ſondern
auch von allen gehoͤret/ die drinnen geweſen/ daß ihnen derglei-
chen begegnet und weiß niemand/ wo es her koͤmmet.


Uber daſſelbige iſt gar eine ſchoͤne von allerhand faꝛbigem
pollirten Marmel kleine Capelle gebauet/ welche oben ein run-
des ſteinernes Haͤublein hat/ ſtehet auf glatten Marmel-Saͤu-
len in der groſſen Kirchen Helenæ gantz frey/ unten aber um den
Felſen herum iſts mit dem allerſchoͤnſten helleſten Marmel be-
kleidet und belegt. Um dieſe Capelle herum ſindrunde ge-
woͤlbte Bogen uͤbereinander mit allerhand ſchoͤnen Marmel-
ſteinernen Figuren und Bildern/ auf und uͤber welchen
ein
[334]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ein weites hohes rundes Tach als das aͤuſſerſte unter dem
freyen Himmel in die Hoͤhe gefuͤhret/ und hat zu oberſt mitten
in ſolche Dache ein groſſes rundes Loch/ durch welches das Ta-
ge-Liecht hinein auf den Grabes-Felß fallen kan. Jnwendig
und unterm Bley iſt dieſes Tach mit ſchoͤnen gelben Cedern
Bretern ausgekleidet und gefuͤttert.


Unten an dieſer Capelle haben die Chriſten auch noch ein
ander kleines Raͤumlein/ da ſie ihren Gottes-Dienſt und An-
dacht halten und verrichten/ wie denn in dieſer groſſen Kirchen
Helenæ ſtets Chriſten wohnen und die heilige Staͤte gebrau-
chen/ denen man durch ein viereckichtes Loch in der Thuͤr das
Eſſen und Trincken hinein langet und giebet/ weil die Thuͤr wie
oben gedacht/ allezeit verſchloſſen gehalten wird.


Als ich nun nach Hertzens-Luſt und mit Freuden hier-
herum und in den heiligen Felſen deß Grabes Chriſti alles mit
Fleiß beſichtiget hatte/ bin ich wieder heraus und in der groſſen
Kirche Helenæ an einen Orth nicht weit von dem heiligen Gra-
be gefuͤhret worden/ allda zween runde ſchoͤne Marmelſteine
fuͤnff biß 6. Schritte von einander auf der Erden gelegen/ auf
deren eines Stelle der HErr Chriſtus am heiligen Oſtertage
der Marien Magdalenen in Gaͤrtners Geſt alt (maſſen denn
damals noch an der Stelle der Garten geſtanden/ wo ietzo die-
ſe Kirche ſtehet/) erſchienen/ auf der andern Stelle aber die
Maria Magdalena ſoll geſtanden ſeyn/ vermeinende/ daß es
der Gaͤrtner im Garten waͤre/ biß ſie den HErrn an der Stim-
me erkant/ iedoch ſo nahe zu ihm nicht hinan und ihn anruͤhren
doͤrffen/ weil der HErr zu ihr geſagt: Ruͤhre mich nicht an/
denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Gehe
aber hin zu meinen Bruͤdern und ſage ihnen: Jch fahre auf zu
meinem Vater und zu eurem Vater/ zu meinem GOtt und zu
eurem Gott/ wie davon zu leſen im 20. Cap. Johann. unterm
17. Verſicul.

Von
[335]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Von hierab bin ich in die Kirche oder Capelle der Muͤr-
che gefuͤhret worden. Jn derſelben liegt auf der Erden ein run-
der weiſſer Marmelſtein und wird davon fuͤrgegeben/ es ſolle
der Orth ſeyn/ an welchem die Gottſelige Helena, Keyſers Con-
ſtantini M.
Mutter/ nachdem ſie die Creutzen deß HErrn Chri-
ſti und der beiden Schecher funden/ dieſelben auf die Probe ge-
ſetzet/ welches unter denſelben Chriſti waͤre/ indem ſie eins nach
dem andern auf ein todes Weib geleget/ und daſſelbe lebendig
worden/ da das Creutz Chriſti auf ſie geleget worden/ woran
man auch erkennet/ daß es Chriſti Creutz ſeyn muͤſſe.


Weiter iſt in dieſer Capelle der HErr Chriſtus nach ſei-
ner Aufferſtehung ſeiner lieben Mutter/ der heiligen Jung-
frau Maria/ erſchienen. Jm Eingange zur rechten Hand iſt in
der Mauer ein blind und vergittiert Fenſter/ in welchem ein
Stuͤck weiß graulichte ſteinerne Seule zuſehen/ von der Seule/
daran Chriſtus in Pilati Richthauſe gegeiſſelt worden/ wie
denn auch ein Stuͤcke vom weiſſen Felſen deß Grabes CHriſti-
Und in dieſer Capelle haben die Catholiſchen Muͤnche auch ih-
rem Chor und Stuͤle und um ſolcher Heiligthuͤmer willen ih-
ren Gottesdienſt.


Von hieraus zur lincken Hand bin ich in eine andere Ca-
pelle gefuͤhret worden/ welche in einem Felſen gehauen und ge-
arbeitet iſt und iſt ein Altaͤrlein drinnen/ weil davon fuͤrgege-
ben wird/ ob ſolten die Juͤden Chriſtum ſo lange dahinein ge-
ſteckt und verſperret gehabt haben/ biß das Creutze waͤre fertig
und die Grube gemacht geweſen/ darein das Creutz geſetzet
werden ſollen auf dem Berge Calvariæ, oder an der Schedel
Staͤte.


Weiter bin ich gefuͤhret worden an den Ort/ wo die Creu-
tziger deß HErrn JEſu um ſeine Kleider geſpielet und iſt derſel-
be auf dem Berge Calvariæ, Golgata/ oder Schedelſtaͤte/ auf
U uwel chem
[336]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
welchem der HErr JEſus neben zweyen Ubelthaͤtern gecreu-
tziget worden. Auf ſolchem Berge iedoch noch nicht gar oben
ſtehet eine Kirche/ aus welcher wir erſtlich eine breite ſteinerne
Stiege von dreiſſig Stuffen hinab in eine Capelle/ S. Helenæ
genannt/ gegangen/ in welchem bey dem Altar Fenſter vol-
lends hinab in tieffſte Hoͤhle/ wo/ wie ietzo gedacht werden ſoll/
das Creutz Chriſti gefunden worden/ gehen. Auch ſtehen in
dieſer Capelle vier ſteinere Seulen/ worauf das gantze Ge-
woͤlbe der Capelle ruhet und ſollen dieſe Saͤulen hiebevor in Pi-
lati
Hauſe geſt anden ſeyn/ wannenhero/ wie ſie bey der Ver-
urthelung Chriſti angefangen/ alſo noch biß dato und auf die-
ſe Stunde ſchwitzen ſollen/ wie ich denn mit meinen Augen ge-
ſehen/ und nachdem ich etwas von ſolchem Schweiß abgewi-
ſchet/ befunden/ daß derſelbe roͤthlicht anzuſehen geweſen.
Wenn man aber dieſe Stiegen herab koͤmmt in S. Helenæ Ca-
pelle/ ſind auf beiden Seiten noch zwey Capellen/ welche in den
Felſen gearbeitet und deßwegen gantz finſter ſind. Und in der
zur lincken Hand gehet man noch elff Stuffen in Felß gehauen
hinab in eine laͤnge grauſame tieffe finſtere Hoͤhle und alſo oben
vom Berge zuſammen ein und viertzig Stuffen. Und ſoll dieſe
Hoͤhle der Orth ſeyn/ an welchem die heilige Helena drey hun-
dert und ſiebentzig Jahr nach CHRJSTJ Leiden und Ster-
ben Chriſti Creutz und der beiden Schecher ſoll gefunden und
aus der Erden wieder hervor haben arbeiten laſſen/ nachdem
es allda zum Theil verfallen/ zum Theil auch von denen Un-
glaͤubigen verworffen und verſchuͤttet geweſen war/ weßwe-
gen denn auch oben in der Capelle bey dem Altar am Fenſter
ein alter ſteinerner Stuhl ſtehet/ auf welchem Helena geſeſſen
ſeyn ſoll/ damit ſie hinab den Arbeitern in der Grufft und Hoͤ-
le zuſehen koͤnnen.


Dieſer Felß iſt unten gar ſchoͤn weiß. Allein weil ſtets
bren-
[337]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
brennende Lampen drinnen hangen/ welche einen gewaltigen
Dampff von ſich geben/ ſo iſt der Stein gantz beraucher und
ſchwartz davon worden.


Als ich mich nun unten in der Hoͤhle und auf dem Berge
Calvariæ allendhalben wol beſehen hatte/ ſind wir wieder hin-
auf in den Tempel geſtiegen und von dar weiter in eine Capelle
der Abyſſiner/ gleich herauſſen zur Lincken an der Kirch-Thuͤr
der groſſen Kirche ſtehend/ in welcher Capelle unter einem Al-
tar ein ſchlechter dicker Stein gewieſen und von demſelbigen ge-
ſagt wird/ daß Chriſtus im Richthauſe Pilati drauf geſeſſen/
als ihm die Gottloſe Schaar der Juͤden die Dorne Crone aufs
Haupt geflochten/ ihm ein Rohr ſtat Koͤnigliches Scepters in
die rechte Hand gegeben/ ſich fuͤr ihm gebeuget und geneiget/ ihn
angeſpeyet und das Rohr auf dem Haupt entzwey geſchlagen
und aufs aͤrgſte verſpottet/ und geſagt: Gegruͤſſet ſeyſtu Juͤ-
den Koͤnig/ gleich als haͤtte er groß Unrecht gethan/ daß er ſich
einen Koͤnig genennet.


Vorgedachte Abyſſiner aber ſind auch eine Arth der Mor-
genlaͤndiſchen Chriſten und halten ihren Gottesdienſt und An-
dacht in dieſer Capelle auf dem Berge Calvariæ. Haltens zwar
nicht mitdem Papſt/ deñ ſie gebrauchen das Abendmal in bey-
derley Geſtalt uñ ihre Prieſter leben ehelich ꝛc. Allein darneben
haben ſie doch gleichwol noch viel Jrrthuͤme/ denn ſie halten die
Beſchneidung und nicht allein bey denen Knaͤblein/ wie die Juͤ-
den und Tuͤrcken/ ſondern auch bey denen Maͤgdlein. So tauf-
fen ſie auch die Kinder/ iedoch nicht mit Waſſer/ wie Gott be-
fohlen ſondern mit Feuer und ſo fortan.


Nach dem ich wieder aus ſolcher Capelle heraus kom-
men und an der groſſen Kirche herum gangen/ bin ich
zu einer Stiege von vierzehen Stuffen kommen und auf
derſelben vollends hinauf auf den Berg Calvariæ geſtiegen/ da
hab ich gefunden zwey gewoͤlbte ſchoͤne weite Bogen.
U u 2Jn
[338]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Jn dem einen zur lincken Hand im Hinaufgehen wird gewieſen
das Loch/ darinnen das heilige Creutz Chriſti geſteckt haben
ſoll/ als derſelbe dran gehangen hat. Und iſt ſolch Loch eines gu-
ten Elenbogens tieff und einer gute Spanne weit/ wie ichs ſel-
ber gemeſſen und inwendig umher iſts mit Bleche ausgefuͤt-
tert. Aber die Loͤcher/ darinnen die Creutzen der Schecher ge-
ſtanden/ ſiehet man nicht/ weil ſie verſchuͤttet oder gantz ver-
fallen ſind.


Unter dieſem Bogen bey gedachtem Creutz-Loche Chriſti
brennen ſtets Lampen und darneben iſt eine ſchreckliche Klufft
tieff in den Felß hinunter/ recht als wenn derſelbe zerbrochen
waͤre und ſoll alſo zur Zeit/ da Chriſtus am Creutze verſchieden/
zuriſſen und zerſpalten ſeyn/ wie die Schrifft bezeuget. So iſt
auch ein Altar unter ſolchem Bogen/ dieweil die Griechiſche
Chriſten allda ihren Gottes-Dienſt zuhalten pflegen.


Jn dem andern gewoͤlbten Bogen zur rechten Hand im
Hinaufſteigen wird gezeiget der Ort/ wo die Juͤden den HEr-
ren CHriſtum ans Creutz genagelt und iſt auch ein Altar da-
bey/ welchen die Catholiſchen zu ihrer Andacht brauchen und
inne haben/ aber es iſt vor demſelben gar ein ſchoͤner groſſer ge-
woͤlbter Chor und alſo mehr Raum drinnen/ als in dem vori-
gen Gewoͤlbe und Bogen.


Von hieꝛ ſind wir wieder hinab in die Kirche geſtiegen und
dann unten in eine weite Capelle untern Berg kommen/ da
man den vorgedachten Riß und Spalte gar eigentlich im Fel-
ſen ſehen konte/ welcher oben bey Chriſti Creutz-Staͤte ange-
het. Man gibt vor/ daß in ſolchem Felß-Riſſe Adams-Haupt
ſoll gefunden worden ſeyn. Jn ietztgedachter Capelle liegen be-
graben die beiden Hieroſolimitiſchen Chriſten-Koͤnige/
Gottfried von Bolognia und ſein Bruder Baldvvin. Liegen ein-
ander gleich gegen uͤber in langen ſchoͤnen ausgehauenen
weiſ-
[339]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
weiſſen Marmelſteinernen Kaſten/ darauf ihre Ahnen ſtehen/
wiewohls uͤbel zu leſen iſt und ſolche Kaſten ſtehen auf Marmel-
ſteinernen Seulen von der Erden empor. So iſt auch noch ein
ander Begraͤbniß alda zu ſehen/ von welchem man ſagt/ daß
es Melchiſedechs deß Koͤnigs und Prieſters deß Hoͤchſten zu
Salem/ das iſt/ Jeruſalem ſeyn ſoll/ von welchen die Altvaͤter
gewiß darfuͤr halten/ daß er geweſen der Ertz-Vater Sem/ als
zu leſen im 14. deß 1. B. Moſe und ein Vorbild auf Chriſtum/
wie zu leſen im 110. Pſalm und im 7. Cap. an die Hebreer. Deñ
gleich wie dieſer Melchiſedech Abraham und ſein Volck mit
Brot und Wein ſpeiſete/ als ſie aus der Schlacht kamen von
den Kedorlaomar: Alſo ſpeiſet Chriſtus alle Welt mit ſeinem
heiligen Evangelio.


Weiter iſt auch diß noch zu ſehen auf dem Berge Calvariæ:
Eben an der Stelle/ wo der HErr Chriſtus gecreutziget oder
ans Creutz genagelt worden/ ſtehet eine kleine Capelle und ge-
het man bey dem Platze der groſſen Kirche vollends eine Stie-
ge hinauf zu derſelben/ ſoll zum Gedaͤchtniß der heiligen Jung-
ſrauen Marien dahin gebauet worden ſeyn/ weil ſie an dem
Orthe/ mit was Thraͤnen und Hertzens-Schmertzen/ iſt leicht
zu achten/ mit anſehen muͤſſen/ wie ihr liebſtes Kind ans Creutz
geſchlagen worden. Dieſe Capelle war bißhero vermauert ge-
weſen und ward erſt ietzt bey meinem Daſeyn wieder aufgebro-
chen.


Weiter wird auch zur rechten Hand dieſer Capelle/ wenn
man hinauf koͤmmt/ ein rundes Loch gewieſen unten in der Er-
den/ von welchem geſagt wird/ daß alda das Centrum und
Mittel-Theil der Welt ſeyn ſoll und iſt ein weiſſes Zelt druͤber
gezogen.


Endlich iſt mir auch noch gezeiget worden das Begraͤb-
niß Nicodemi und Joſephs von Arimathia. Sind gar nahe
U u 3beym
[340]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
beym heiligen Grabe/ enge und in Felſen gehauen und habens
ietzt die Syrianer zu ihrer Andacht und Gottes-Dienſt inne.
Dieſelben ſind auch Griechiſche Chriſten/ warten aber derſel-
ben nicht ſo fleiſſig abe/ weil ſie meiſt arme Tageloͤhner ſind und
ihr Brot unter den Tuͤrcken/ denen ſie dienen und zur Hand ge-
hen/ zu Waſſer und Lande ſuchen muͤſſen. Und alſo ward dieſer
Tag hingebracht und beſchloſſen.


Den 27. Aug. fuͤhrte mich der Muͤnch auſſer der Stadt
an den Orth/ wo der Apoſtel Petrus den ſchweren Fall ſeiner
Verlaͤugnung bitterlich beweinet und iſt derſelbe Orth uͤber
dem Miſt Thor nicht weit von dem Hauſe Caiphas gelegen
unter altem zerſtoͤrten und zerbrochenen Gemaͤuer.


Und das war alſo/ was ich in und auſſer Jeruſalem und
in ſelbiger Gegend herum deß heiligen Landes geſehen habe/
worfuͤr ich denn meinem Gott von Hertzen gedancket/ daß er
mich deſſen gewuͤrdiget und dadurch in meinem Chriſtenthum
erbauet hatte und nam mir vor meinen Stab nun auch wei-
ter zu ſetzen und mich auch anderer Orten vollends umzuſehen/
wo etwas denckwuͤrdiges moͤgte zu ſehen ſeyn.


DasXII. Capitul.


Von meiner Reiſe gen Rama und Joppen und
was allda denckwuͤrdiges zu ſehen iſt.


NAchdem ich nun alſo zu Jeruſalem/ Bethlehem auf dem
Juͤdiſchen Gebuͤrge und in der Wuͤſten Johannis deß
Taͤuffers alles fleiſſig beſichtiget und durchgekrochen
hatte/ dem Pater Guardian eine danckbare Verehrung gethan/
daß er mich in ſeinem Kloſter dieſe Tage her ſo freundlich be-
wirthet und ſonſt zu meinem Vorhaben alle moͤgliche Foͤr-
derung gethan/ auch noch mit einer guten Flaſche ſuͤſſes Jeru-
ſalemitiſchen Weins auf die Reiſe beſchencket und mich einem
Griechen beſtes zu fernerer Begleitung anbefohlẽ/ bin ich noch
die-
[341]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
dieſen Tag ſammt dieſem Griechen/ der Jtalieniſchen Sprache
kundig und mit mir reden kondte/ einem Mohren und Tuͤrcken
im Namen GOTtes von Jeruſalem aufgebrochen und nach
Joppen zugegangen.


Mein Gleitsgeſelle/ der Muͤnch/ ſo mich bißhero aller Orte
herum gefuͤhret/ gab mirs Geleite/ biß vors Thor/ allda wir
freundlich voneinander Abſchied nahmen und loͤſete ich meinen
Tuͤrckiſ. Sebelum ein Trinckgeld in der Wache wieder ein/ den
ich vorhin bey meiner Hinkunfft/ dem Brauche nach/ hatte ab-
legen muͤſſen/ wie oben gedacht worden. Meinen Eſel ließ ich
durch die Stadt hinaus fuͤhren/ weil kein frembder Chriſte
durchreiten darf und gieng alſo mit gedachtem Muͤnche zu
Fuſſe nach. Satzte mich alſo vorm Thore auf und bin dieſen
Tag noch wiewol erſt gegen Mitternacht gen Rama kommen.


Dieſer Orth wird in heiliger Schrifft auch Arimathia ge-
nennet und iſt aus derſelben der fromme Joſeph buͤrtig gewe-
ſen/ der den Leichnam deß HErrn JEſu bey Pilato vom Creu-
tze loß bath und nebenſt Nicodemo in ſeinem eigenen neuen
Grabe/ das er vor ſich hatte laſſen in einen Felß hauen/ gar
Chriſtlich und ehrlich beyſetzen halff/ weßwegen er auch einen
unſterblichen Ruhm in Gottes Wort erlanget und von ihm
geſagt worden von denen Gottſeligen alten Chriſten: Ein
frommer Mann bath einen Schalck/ das war Pilatus/ um ei-
ne Gabe/ die groͤſſer ward denn Himmel und Erde: Das war
der Leib Chriſti.


Es liegt aber dieſe Stadt in der Hoͤhe auf dem Gebuͤrge
Ephraim und wird anderswo/ als im 1. Cap. deß 1. B. Sam.
Ramathaim Zophim genennet. Der Prophete Samuel iſt
daſelbſt geboren und auch begraben/ wie noch zu ſehen und
auch die Schrifft bezeuget. Jſt eine ziemliche. Stadt ie-
doch ohne Mauren/ der Weg von Jeruſalem dahin iſt
ſehr
[342]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſehr boͤſe und hat man erſt einen groſſen ſteinigten Weg hernach
uͤber lauter Berg und Thaal zu reiſen/ biß man endlich eine
groſſe ſteinigte Hoͤhle hinab koͤmmt in ein Thaal/ welches weit
und ſehr luſtig und ſchoͤn gruͤn bewachſen iſt/ liegt vom Hinrei-
ſen zur lincken Hand und wird Therebynthi genannt und ge-
ſagt/ das allda David mit ſeiner Schlaͤuder den Goliath er-
leget/ der im Heer der Philiſter dem Volck Gottes Hohn
ſprach und daſſelbe ausforderte. Dieſes Thaal hatte ich auch
vorhin ſchon von ferne geſehen und trug Verlangen/ biß ich
dißmal nun gar dahin kam und mich recht allda umſehen
kente.


Jn dieſem Gebuͤrge blieb unſer Mohr zuruͤcke und hatte
gedacht ſich mit denen ihm vertrauten Sachen davon zu ma-
chen/ ward aber noch wieder ereilet und zuruͤcke gebracht. Von
hinnen kamen wir auf ebener Straſſe zu einem groſſen Caſtell/
Caſtello di Latroni genannt/ aus welchem der eine Schecher/ ſo
mit Chriſto gecreutziget worden/ buͤrtig ſoll geweſen ſeyn/ und
haben zur rechten Hand den Flecken Emahus liegen laſſen.
Sind vom Caſtell aus Thalab in der Ebene erſt zu einem Dorf-
fe und hernach um Mitternacht/ wie vorgedacht/ gen Rama
kommen-Allda ſind wir in einem groſſen weiten Hauſe/ mit ei-
nem Hof umgeben/ und mit vielen Gewoͤlben und Kammern/
eingekehret/ allein dieſe Nacht daſelbſt unter freyem Him̃el
blieben/ dieweil es gar lieblich und kuͤhle war und gehoͤret dieſes
Hauß den Muͤnchen zu Jeruſalem.


Jch lidte aber dieſe Nacht wegen ausgeſtandener groſſer
Hitze uͤber die maſſen groſſen Durſt/ und mein Mohr und
Tuͤrcke hatten mir meinen Wein/ ſo mir im Kloſter mitgegeben
ward/ verpartiret. Allein weil zu meinem Gluͤck meines Grie-
chen/ der mein Gleitsmann war/ Vater allda wohnete/ wel-
cher gar ein reicher Mann war/ und ich ihn bitten lieſſe mir um
Be-
[343]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Bezahlung einen Trunck Wein zu ſchicken/ ſchickte mir derſel-
be alsbald eine gute Flaſche und ließ mir ſagen/ weils nun-
mehr ſehr ſpat waͤre/ ſolte ich mich biß morgen gedulden/ ehe
wir wuͤrden von dannen nach Joppen reiſen/ wolte er zu mir
kommen und eine auf Tuͤrckiſch gekochte fette Henne und noch
einen Krug voll Wein mit bringen und mit mir ſpeiſen/ welches
denn auch geſchahe und muſte ich ihm fuͤr ſolche Mahlzeit einen
Ducaten zahlen.


Den 28. Aug. ſind wir nach Mittage zu Rama aufgewe-
ſen und ſind um halb Abend nach Joppen kommen. Der Weg
entzwiſchen iſt gut/ luſtig und eben. Auf beiden Seiten ſtehen
nach der Laͤnge hin ſchoͤne fruͤchtbare Oel-Baͤume in groſſer
Anzahl/ zwiſchen denen man luſtig hinreiſet/ wie es uns denn
auch Anlaß gab/ weil uͤberaus groſſe Hitze war/ daß wir uns
allda der Gegend bedieneten/ im lieblichen Schatten nieder-
legten und etwas ausruheten/ dieweil wir doch noch mit guter
Muſſe um halb Abend uns getraueten zu Joppen zu ſeyn/ wie
denn auch geſchahe.


Und als wir dahin kommen/ ſind wir dieſelbe Nacht nahe
am Meer zwiſchen und auf den Felſen blieben.


Joppen iſt eine Uhralte/ iedoch ietzo gantz verwuͤſtete
Stadt/ da man faſt anders nichts/ als altes zerſtoͤrtes und zer-
brochenes Maͤuer-Werck ſiehet/ ohne das auf der Hoͤhe noch 2.
ſtarcke Thuͤrme und unten am Gebuͤrge und Meere etzliche
ſchlechte Haͤuſerlein ſtehen und unterſchiedene tieffe Hoͤhlen im
Felſen gegen dem Meere zu ſehen. Allda berichtet man gar fuͤr
glaubwuͤrdig/ daß dieſe Stadt noch vor der Suͤndfluth er-
bauet worden/ welches nicht unglaublich/ weil ſie im alten Te-
ſtament Japho genennet wird und es das Anſehen hat/ als
wenn ſie Japhet/ der Sohn Noha erbauet. Dahero ſie ohnal-
len zwelfel anjetzo Jaffa heiſſet. So wird ihrer auch im Buͤchlein
X xJudith
[344]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Judith gedacht und ſonſt hin und wieder in heiliger Schrifft/
daß viel denckwuͤrdiges Dings allda geſchehen/ ſonderlich daß
ſich der Apoſtel Petrus allda aufgehalten und die Tadæam eine
bekehrte Juͤngerin/ oder Chriſtin/ vom Tode aufferwecket/
wie zu leſen im 9. der Apoſtel Geſchichte und im 1. und 2. Buch
der Maccabeer. An dem alten Spurzeichen kan man ſehen/ daß
die Stadt Joppen auf den Bergen in der Hoͤhe gelegen und
ſich nach dem Meer abwerts gezogen. Denn es iſt gar ein ſchoͤ-
ner Hafen da/ da man aus dem groſſen Mittel Meer anlandet
wenn man vollends zu Lande gen Jeruſalem reiſen will. Dar-
umb auch der Prophet Jonas allda zu Schiffe gegangen und
aufs Meer geflohen/ da er nicht nach Ninive wolte/ Buſſe zu
predigen/ wie Gott geboten hatte.


Allhier muſte ich abermals denen Tuͤrcken ſieben Duca-
ten Caffar, Zoll/ oder Tribut zahlen/ wie alle Reiſende thun
muͤſſen/ damit ſie ungehindert fort kommen koͤnnen.


DasXIII.Capitul.


Von meiner Reiſe nach Jericho und was daherum denck-
wuͤrdiges zu ſehen und davon zu melden iſt.


JNdeß ich nun zu Joppen oder Jaffa war/ und mich ohne
deß etwas gedulden muſte/ ehe mir Gelegenheit fort zu-
kommen fuͤrſtieß/ nam ich meine Reiſe auch vollends hin
nach Jericho. Deñ ob dieſelbe gleich von hier aus etwas wieder
zu ruͤcke lag gegen Nordoſten zu/ ſo wolte ich michs doch um
der Antiquitaͤten willen/ ſo daſelbſt zu ſehen/ nicht abſchrecken
und zu ruͤcke halten laſſen.


Ob nun zwar ſolches Jericho gantz und gar zerſtoͤret war
und ietziger Zeit nur ein klein Doͤrflein iſt von wenig kleinẽ Haͤu-
ſerchen/ ſo ſiehet und weiſet man doch gleichwol allda noch die
Orte und Spurzeichen eines und anders denckwuͤrdigen Din-
ges/ welche allda geſchehen ſeyn/ beſage H. Goͤttlicher Schrifft/
als: Daß Zachæus, der groſſe reiche ſuͤndhafftige Zoͤllner da-
selbſt bekehret worden/ da denn noch die Stelle gewieſen wird/
wo
[345]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
wo ſein Hauß ſolle geſtanden haben und der Maulbeerbaum/
auf welchen er geſtiegen vor groſſer Begierde und Liebe den
HErrn Jeſum zu ſehen/ weil er von Perſon klein war und vor
dem groſſen Gedrenge deß Volcks nicht hinan zu dem HErrn
Jeſu kommen konte.


Deßgleichen auch herauſſen vor Jericho dem Ort/ wo der
blinde Bettler Bartimæus geſeſſen und dem HErrn JEſu zuge-
ſchryen: Ach HErr du Sohn David/ erbarme dich mein/ auch
darauf von Chriſto ſehend und geſund gemacht worden.


Der Gegend und Landes Arth nach liegt Jericho uͤber
die maſſe luſtig und iſt auch daherum ſehr fruchtbar Land/ aber
doch koͤmts dem nicht gleich/ wie es geweſen fuͤr alten Zeiten/ da
die Jſraeliten noch da gewohnet/ wie in Gottes Wort davon
Nachricht zu finden iſt/ als zum Exempel: Vordeſſen iſt allda
zu finden geweſen die edle Roſe von Jericho/ wie ſie alſo deßwe-
gen dem Orte nach genennet worden/ ietzt aber nicht mehr/ ſon-
dern Jericho gegen uͤber jenſeit deß Jordans wol in die vier
Meilwegs davon/ iedoch kan man ſie da bekom̃en/ wer nicht ſel-
ber darnach reiſen und ſie doch gerne haben will. Sie wird aber
beſchrieben/ daß ſie wie Pflaum-Baͤume Geſtalt/ iedoch gleich-
wol denẽ Roſenſtraͤuchern nach ſtachlicht ſeyn ſollen. Die Bluͤh-
ten ſeynd gantz treuge und duͤrre dem Anſehen nach/ und thun
ſich in der Chriſtnacht auf und auſſer derſelben wieder zu. Wie
das zugehen mag/ das iſt Gott bekañt. Niemand kan Rechen-
ſchaft davon geben/ Sir. im 24. Cap. gedenckt dieſer Roſen/ oder
Blumen und ſpricht: Die Weißh. ſey gleich wie die Roſenſtoͤcke/
die man zu Jericho erzeiht. Etwan eine kleine Stunde zu gehen
von der Stadt iſtein Waſſer/ dz ſeinen gewiſſen Quell hat. Daſ-
ſelbe iſt vordeſſen bitter und ungeſund geweſen/ auch ſo/ daß/
woruͤber es gelauffen/ allda nichts aufkommen und wachſen
koͤnnen/ wie denn die Einwohner gegen den Propheten Eliſa
druͤber zu ſeiner Zeit geklaget und geſaget: Siehe! Es iſt gut
wohnen in dieſer Stadt/ wie mein HErr ſiehet/ aber es iſt boͤſe
X x 2Waſ-
[346]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Waſſer und das Land unfruchtbar/ biß der Prophete Eliſa
Saltz in den Quell warff/ Da ward es wolſchmeckend/ geſund
und das Land fruchtbar/ wie davon zu leſen im 2. Cap. deß 2. B.
der Koͤn. und bey dieſem Brunn herum ſollen dieſe Roſen von
Jericho vordeſſen gewachſen und geſtanden ſeyn. Die Theolo-
gi
machen von ſolcher Roſe eine Deutung auf die unbefleckte
heilige Gebuhrt der Jungfrauen Marien/ welches ich denen-
ſelben zuerklaͤren anheim ſtellen will.


Weiter: Daß vordeſſen auch hieherum und bey Jericho
viel Balſam-Gaͤrten geweſen/ da der allerbeſte Balſam ge-
ſamlet worden/ wie denn auch koͤſtliche Weinberge und Pal-
men-Baͤume ohne Zahl/ davon auch Jericho in der Schrifft
Palmen-Stadt genennet worden im 1. und 3. Cap. deß Buͤch-
leins der Richter: Aber ietzo iſts nicht mehr zu ſehen und iſt ein
augenſcheinlich Exempel deß Goͤttlichen Gerichts/ weil dort
Joſua/ der Fuͤrſt deß Volcks Gottes/ ſeinen Ampts-Schwur
und Fluch uͤber ſie gethan und geſagt/ nachdem er ſie ſo wun-
derbarlich gewonnen und geſchleifft hatte: Verflucht ſey der
Mann fuͤr dem HErrn/ der dieſe Stadt Jericho wieder auf-
richtet und bauet/ wie bekannt aus dem 6. Cap. deß Buchs Jo-
ſua. Darum hat man ſich wol zu huͤten fuͤr dem Fluchen und
Wuͤnſchen frommer oͤffentlicher Ampts-Perſonen.


Zwiſchen Jeruſalem und Jericho/ iedoch Jericho naͤher als
Jeruſalem/ iſt eine groſſe Wuͤſtẽ/ Quarentene genannt/ in wel-
cher es gar ſehr unſicher iſt/ weßwegen ich mir denn auch gera-
de dahin durchzureiſen nicht habe trauen wollen/ dieweil die
raͤuberiſchen Mohren und Tuͤrcken uͤbel drinnen hauſen ſollen/
mit Stehlen/ Rauben uñ Morden/ weßwegen deñ auch wol zu
glauben/ daß der HErr Jeſus auf ſolche Wuͤſten ſein Abſehen
gehabt in dem Gleichniß von dem unter die Moͤrder gefallenen
und verwundeten Menſchen/ ſo von Jeruſalem hinab gen Je-
richo
[347]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
richo gegangen/ zu leſen im 10. Luc. So wird auch in dieſer Wuͤ-
ſten gewieſen der Bach und Waͤſſerlein/ ſo in der Schrifft der
Bach Crith genennet wird/ an welchen hin Gott den Prophe-
ten Elias gehen und ſich daſelbſt verſtecken hieſſe/ da er Jſrael
um ihrer ſchrecklichen Suͤnde willen mit Duͤrre/ theuer-Zeit
und Hungers Noth ſtraffen wolte/ damit er nicht fuͤr ſie bitten
ſolte/ ihn aber den Propheten Eliam/ ernaͤhrte Gott wunder-
barlich durch die Raben/ ſo ihm Abends und Morgens Brot
und Fleiſch zutragen muſten/ wie zu leſen im 17. Cap. deß 1. B.
von den Koͤnigen.


Der vierdte Theil.
Der ſiebenjaͤhrigen und gefaͤhrlichen
Welt-Beſchauung.
Deß weyland Hoch-Edelgebornen
Herrn Georgen Chriſtoff von Neitzſchitzens
aus dem Hauſe Wehlitz und
Wernsdorff/ ꝛc.


Jſt eine Beſchreibung ſeiner Rückreiſe aus Orient wie-
der in die Chriſtenheit/ und was ihm allda unterwegens zuge-
ſtoſſen und iedes Orths denckwuͤrdiges zu ſehen
geweſen.


Das Erſte Buch.


Begreifft meinen Abſchied in Orient und Reiſe über
Meer nach dem Koͤnigreich Franckreich.


DasI.Capitul.


Von meinem Abſchied zu Joppen und wie ich mich
zur Reiſe uͤbers Meer verdinget und fertig
gemachet.


NAch dem ich nun in und um Jericho herum alles
X x 3in
[348]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
in Augenſchein genommen und erkundiget hatte/ habe ich mich
wiederum zu rucke nach Joppen oder Jaffa begeben. Und weil
ich gleich ein Schiff antraff/ das zu meinem Vorhaben gewil-
let war/ habe ich mich alsbald Seefertig gemachet/ mich zu
Schiffe begeben und ſind noch ſelbigen Tag den 29. Auguſti
von Joppen abgefahren und gegen Abend nach Ptolemais
kommen mit Gluͤck und ohne Gefahr/ weil wir auſſerleſenen
guten Wind hatten. Und eben an dem Orthe/ wie bereits o-
ben auch gedacht worden/ habe ich die gefluͤgelte Fiſche ge-
ſehen/ wie ſie ſich aus dem Waſſer empor in die Lufft geſchwun-
gen.


Den 30. Auguſti haben wir unſern Curs nach Tyro zuge-
nommen. Weil wir aber hoͤrten/ daß es wegen der Seeraͤuber
dahin zu kommen ſehr mißlich und demnach nacher Sydon
leichter kommen koͤnten/ haben wir/ gleich wie auf der Wage
ſtehend/ zweymal ab und wieder dahin zugeſegelt/ und hat
uns Gott endlich doch gluͤcklich dahin geholffen.


Denn es hat an dieſem Orthe/ wie bereits auch oben ge-
dacht worden bey meiner Reiſe zu Lande/ gar einen ſonderba-
ren guten Port und Hafen/ weßwegen auch zu Winters-Zei-
ten die Schiffe von Sydon und Ptolemais oder wie es heute zu
Tage genennet wird/ Joan di Acria hieher gebracht werden/ die-
weil an beiden/ Orthen die Porte nicht ſo gut ſind/ ſondern un-
term Waſſer voller ſcharffen Felſen/ daran ſich die Ancker-
Seile zerfitzſcheln und zuſchneiden von dem ſteten hin und wie-
der Schwancken der Schiffe/ durch den Wind und die Gewalt
deß Waſſers verurſachet/ dahero denn vielmahl geſchehen/ daß
die Schiffe loß worden und ſich untereinander zerſcheitert und
zerſtoſſen.


Die Stadt Tyro iſt vordeſſen mitten im Meere gelegen
geweſen/ ietzo henget ſie/ wiewol das wenigſẽ Theil/ am Lande
und
[349]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und der groͤſte Theil davon erſtreckt ſich ins Meer hinein/ wo-
von der guͤnſtige Leſer oben ein mehrers finden und leſen kan/
dahin ich ihn freundlich will gewieſen haben.


Dieſen Tag um Mittag haͤtten wir gar bald ein ſolch Un-
gluͤck nehmen koͤñen davon wir alle waͤren zu Grunde gangen.
Denn zwiſchen Tyro und Ptolemais lieff eine Griechiſche Barka
mit vollem Segel auf uns zu und konte ſo geſchwinde kein Se-
gel herab gewinnen/ daß es nicht eine Haare gefehlet/ ſie haͤtte
uns uͤbern Hauffen geworffen/ wenn wir nicht das Gluͤck ge-
habt uñ mit unſerer Barcka ein wenig auf die Seite gerichtet.


Gegen Abend verlohr ſich der Wind gar/ weßwegen wir
uns vollends nach Sydon in den Hafen rudern und arbeiten
muſten/ daß wir auch erſt zwey gute Stunden in die Nacht hin-
ein kamen.


Zwiſchen Tyro und Sydon worden wir zur rechteu
Handwerts auf dem Lande anſichtig eine Capelle/ und ſoll e-
ben der Ort ſeyn da das Cananeiſche Weiblein den HErrn Je-
ſum angefallen und fuͤr ihre vom Teuffel beſeſſene und uͤbel ge-
plagte Tochter gebeten und zwar 3. harte Staͤnde gehabt/ ie-
doch aber Huͤlffe und Rath erlanget hat/ welche Capelle ich
vorhin im Ausreiſen von Sydon zu Lande auch zur rechten
nach Hand hatte.


Dieſen Abend ward ich von unſern Griechiſchen Schiff-
leuten berichtet/ daß ſich den Tag uͤber allda ein Franzoͤſiſche
Tartana, oder Latino ausgeruͤſtet und folgenden Tag drauf
Marſilien ſegeln wolte.


Und weil ich den willens war wieder in die Chriſtenheit
heraus zu reiſen/ zumal ich nun ziemlich muͤde war mit denen
unglaͤubigen und barbariſchen Leuten umzugehen/ war mirs
eine groſſe Freude zu hoͤren/ dingte mit dem Schiff-Capitam/
welcher ein Franzoſe war/ uͤber Haupt ihm fuͤr Koſt- und
Fuhrlohn von Sydon biß nach Marſilien 25. Reichsth zugeben
und ging im Namen Gottes drauf den folgendẽ Ta zu Schiffe.


Der
[350]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Der Preiß war zwar endlich nicht hoch/ ſintemahl wir
uͤber ſechs Wochen unterwegens waren/ ehe wir nach Marſi-
lien kamen; Allein die Noth zwang mich darzu/ weil ich in ſo ge-
ſchwinder Eyl zu nothduͤrfftigen Lebens-Mitteln aufs Schiff
nicht rathen konte und gleichwol wuſte/ daß/ wenn mir dieſe
Gelegenheit entgienge/ keine andere zu hoffen war. Denn ich
hatte vorhin ſchon erfahren/ wie man einen um ſein Geld auf
den Schiffen zubekoͤſten pfleget/ wie ich auch dißmahl hernach
wol erfahren muͤſſen/ ſintemal ich zu vielmalen den gantzen
Tag mit harten Pißkoten und etzlichen Glaͤſſerlein Wein muͤſ-
ſen verlieb nehmen. Und ob ich mich gleich gegen den Capitain
druͤber beſchweret/ ſo hat er ſich doch entſchuldiget und fuͤrge-
wendet/ man koͤnne der Ungeſtuͤmm wegen keinen Topff am
Feuer behalten und etwas warmes zurichten. Und iſt demnach
viel beſſer/ wers nur immer thun und ſchaffen kan/ es bekoͤſte
ſich einer ſelber/ wer auf dem Meere zu Schiffe reiſen ſoll und
will. Man kan nicht allein genauer weg kommen/ ſondern ſich
auch um ſein Geld viel beſſer warten und guͤtlicher thun.


Und wie es hernach darzu kam/ ſo mangelte es uns nicht
nur am Wein und Eſſen/ ſondern auch am Waſſer gar/ daß
wirs vielmahl ſtehlen muſten uns deß Durſts zuerwehren. Und
wenn uns/ wie manchmal geſchah/ der Capitain druͤber ertap-
pete/ konte er zwar nicht viel ſagen/ weil ers uns ſchuldig war/
bath aber vor Gott und nach Gott/ wir ſolten doch das Waſ-
ſer ſparen/ weil wir nicht wuͤſten/ ob wir ſo bald Land antreffen
wuͤrden wiederum friſch Waſſer zuerlangen oder nicht. Er
wolle uns lieber Wein zu trincken geben/ weil er haͤtte/ damit
wir den Durſt loͤſchen koͤnten.


Ehe wir aber forgeſegelt/ habe ich mich vorhero noch um
Sydon herum auf dem Lande recht umgeſehen und bin in eine
gewoͤlbte Capelle gefuͤhret worden/ zwiſchen ſchoͤnen Gaͤrten
und
[351]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und Weinwachs gelegen/ in welcher Sebulon/ ein Sohn deß
Ertzvaters Jacobs und Bruder Joſeph/ ſoll begraben liegen/
da ich denn auch das Grab noch ſehen koͤnnen. Jſt ſehr lang und
zugemauert und habens die Juͤden in ihrer Verwahrung.
Denn die Stadt Sydon liegt ſehr ſchoͤn und luſtig am Meere/
da denn nicht weit davon der in H. Schrifft beruͤhmte Berg
Libanus, da Koͤnig Salomo die Cedern hauen und gen Jeruſa-
lem fuͤhren laſſen zu ſeinem damals vorhabenden Tempel-
Bau. Hat drey Caſtelle und viel ſchoͤne luſtige Gaͤrten/ welche
alle zur Stadt gehoͤren/ alſo/ daß an dieſem Orte ſehr luſtig zu
wohnen iſt.


DasXX. Capitul.


Von meiner Fortreiſe uͤbers Meer nach Franckreich
und was unterwegens mit vorgegangen und
denckwuͤrdiges geſehen worden.


DEn 21. Aug. ſind wir aufgeweſen/ haben aber dieſen Tag
ſchlechten Wind und folgende 1.2.3. und 4. Sept. ſt. n. wi-
derwertigen Wind und zum Theil Bonzza, das iſt/ ſtille
und keinen Wind gehabt. Den 2. Sept. fruͤh haben wir das
Koͤnigreich und Jnſul Cypern/ das ſich in die 700. Jtalieniſche
Meilen weitet/ ins Geſichte bekommen. Gehoͤret ietzo den Tuͤr-
cken/ die es hiebevorn den Venetianern abgenommen. Nach
Mittage ſind wir gar nahe bey der Stadt Salvia, ſo auf die Jn-
ſul Cypern gehoͤret und am Meere liegt/ vorbey geſegelt. Und
weil gleich damals etzliche Schiffe/ worunter auch ein Franzoͤ-
ſche Polacro war/ allda im Port und Hafen lagen/ haben wir
dieſelben/ See-Brauche nach/ im Vorbeyſegeln mit Loͤſung
eines Stuͤcks und Zeigung unſers weiſſen Panthirs/ worinnen
drey gelbe Lilien ſtunden/ begruͤſſet und verehret/ worauf uns
zu Ehren die Polacro gleicher Geſtalt ein Stuͤcklein geloͤſet und
uns gleichſam Gluͤck zur Reiſe gewuͤnſchet. Wir haben aber
Y ydieſe
[352]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
dieſe Jnſul und Koͤnigreich vom andern biß den 5. Sept. zur
rechten Hand ſtets im Geſichte gehabt/ und den 5. Sept. das
hohe Gebuͤrge darauf von ferne gelaſſen.


Den 6. Sept. hatten wir zur Nacht groß Ungeſtuͤmm/
alſo/ daß unſer Schiff von denn Wellen bald in die Hoͤhe/ bald
zu Boden/ bald auf die Seiten und hin und her weidlich ge-
worffen ward/ biß fruͤh am Morgen/ da bekamen wir guthen
Wind/ den wir mit groſſem Verlangen gewuͤnſchet und er-
wartet hatten/ dahero wir auch den 7. und 8. Sept. kein Land
mehr ſehen konten/ ob gleich den 8. Sept. der Wind ſchwach
war/ ſo war er uns doch gut und einſtehend und ward gegen
Abend erſt recht ſtarck.


Den 9. Sept. war ein ſtarcker Wind/ der uns zur lincken
Hand gegen die Barbarey trieb/ alſo/ daß wir zur rechten Hand
die Jnſul und Koͤnigreich Candia gar von weiten ſahen.


Den 10. Sept. haben wir gar von weiten die Jnſul wieder
ins Geſichte bekommen.


Den 11. Sept. ſind wir in aller Fruͤhe zur lincken Hand
wieder Land anſichtig worden/ welches die wilde Barbarey
war/ wie wir hernach gewahr worden/ da wir um Mittag gar
nahe allda vorbey ſegelten.


Es iſt aber ſolche Barbarey zwar ein eben/ iedoch ſandi-
ges/ buͤſchiges und wuͤſtes Land/ da man ſehr weit hinein we-
der Hauß/ noch Dorff/ vielweniger einige Stadt ſiehet/ ſon-
dern nur ſtat deſſen etzliche kleine ſchwartze Arabiſche Zeltlein
haben wir geſehen/ welche da im Sande aufgeſchlagen waren/
ſonderlich ſollen viel Loͤwen drinnen zu finden ſeyn.


Wegen der Meer-Raͤuber ſind wir auch in dieſer Gegend
in groſſer Gefahr geweſen/ weßwegen wir auf dem groſſen
Maſt fleiſſige Wache muͤſſen halten laſſen/ maſſen wir denn die-
ſen und vorigen Tag ſtets zwey Schiffe von weiten nachgehen
geſehen
[353]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
geſehen und nicht gewuſt/ obs Freund oder Feind ſeyn moͤgte/
weil wir ſo nahe zuſammen nicht kommen konten wegen ſteti-
ges widerwertigen Windes.


Den 12. Sept. um halb Mittag aber kamen wir der einen
Barcka naͤher/ machten uns fertig und gedachten/ es wuͤrde
nun zum Fechten kommen/ biß wir noch naͤher kamen/ daß
wir unſer Panthir aufzogen und fliegen lieſſen/ dergleichen auch
von ihnen geſchahe/ da ſahen wir/ daß es ein Franzoͤſiſch Schiff
war mit Guͤtern und Wahren beladen und hatten wir uns al-
ſo keins fuͤr dem andern zufuͤrchten. Das andere Schiff war
etwas kleiner und kam erſt um halb Abend an uns und loͤſete/
indem es geruhet bey uns hin ging/ ein Stuͤckgen/ nachdem
wir vorhero zu beiden Seiten einander die Panthire gewieſen/
denen auch wir mit einem Stuͤcke auf unſerm Schiffe antwor-
teten und uns alſo miteinander freundlich geſegneten.


Gegen Abend entſtund gar ein ſtarcker Wind/ daß wir
uns auch an der Barbarey eine gute halbe Stunde ſchon vor
Sonnen Niedergang muſten auf Ancker legen/ und dem
Ungeſtuͤmm ein wenig ſeinen Willen laſſen/ ehe wir wieder fort
kommen konten.


Nach Mitternacht brachen wir/ iedoch mit widerwerti-
gem Winde/ wieder auf/ dieweil er uns nit ſo ſehr als der vorige
ſchaden konte/ da wir denn den 13. Sept. die Barbarey noch ſe-
hen konten und kam dieſen Tag eine Barcka an uns/ welche
hefftig klagte/ es waͤren die Maltheſer an ſie kommen und haͤt-
ten ihnen ihre Bißkotten und Wein und was ſie gehabt abge-
nommen. Es ſind aber die Maltheſer Galleen/ ſo auf dem
Meere wegen der Curſaren/ oder Meer Raͤuber Creutzen
muͤſſen/ um dieſelben zu wehren und Widerſtand zu
thun.


Y y 2Den
[354]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 14. Sept. haben wir weiter kein Land geſehen und iſt
dieſen Tag von fruͤh morgens an/ biß nach halb Abend/ das
Meer mit groſſen Wellen gegangen/ auch ſtarcker contrari.
Wind geweſen/ weßwegen wir der ſteten Bebung und Er-
ſchuͤtterung wegen deß Schiffs keinen Topff beym Feuer be-
halten/ noch etwas kochen koͤnnen/ ſondern uns mit Bißkotten
und etzlichen Glaͤſerlein Wein behelffen muͤſſen.


Jn ſolchem Ungeſtuͤm war Lachen zuverbeiſſen/ maſſen
denn unſer Schiff dermaſſen geworffen ward/ daß es ſchon
Waſſer ſchoͤpffte/ weßwegen wir drey Segel herunter nehmen
muſten und alſo mit gar einem kleinen Segel am mittel Haupt-
Maſtbaum in Gottes Gewalt dahin fahren/ biß nach Son-
nen Untergang der Sturm etwas nachließ und die Nacht
drauf ſtille ward.


Den 15. Aug. hatten wir wieder Contrari-Wind/ auch
lieff das Meer gewaltig wieder an und auf. Den 16. Aug. be-
kamen wir die Barbarey wiederum ins Geſichte/ welches wir
gegen Sonnen-Untergang vorbey ſegelten.


Den 17. Aug. hatten wir abermals wieder wertigen Wind
und haben die Barbarey nicht mehr ſehen koͤnnen. Dieſer Wind
verſchlug uns vom 13. biß 17. Sept. zuruͤckwarts hinter die Jn-
ſul Candia/ da wir denn erſt wiederum unſern groſſen Haupt-
ſegel den 17. Sept. um Mittag gebrauchen konten/ den wir biß-
hero unterm Maſtbaum hatten muͤſſen liegen und gleichſam
ruhen laſſen. Und haͤtte es laͤnger gewaͤhret/ ſo haͤtten wir auch
unſerm ſchon gefaßten Willen nach unumgaͤnglich auf die
Jnſul Candia zulauffen und uns ſalviren muͤſſen.


Den 18. Sept. als es zu Tagen begunte ſind wir mit
contrarem Winde Candia zur rechten Hand vorbey pasſiret/
alſo/ daß wir nach Sonnen Aufgang ſchon nicht mehr ſehen
koͤnnen und da fing uns an der Waſſer-Mangel zu plagen/
weil
[355]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
weil uns das uͤbrige/ ſo wir noch hatten/ gantz ſtinckend wor-
den war.


Den 19. und 20. Sept. war uns der Wind wieder contrar
und zuwider/ hatten darzu ein Schiff im Geſichte/ weßwegen
wir uns immer gefaſt halten muſten mit ihm zuſchlagen/ weil
wir nicht wuſten/ obs Feind oder Freund ſeyn moͤgte/ wiewol
es uns endlich aus dem Geſichte lieff und nicht an uns kam/ da-
hero wir auch unſerer gefaſten reſolution nicht bedorfften.


Den 21. Sept. war fruͤh ſchwacher Wind/ welcher aber
hernach den Tag uͤber und ie naͤher den Abend und die Nacht
hindurch immer ſtaͤrcker worden und von hinten ins Schiff
eingeſtanden/ welches uns ſehr angenehme war.


Den 22. Sept. hat ſich der Wind gewandt und uns gegen
die Jnſul und das Koͤnigreich Sicilien getrieben/ alſo/ daß wirs
zur rechten Hand hatten. Um halb Abend aber hat er ſich wie-
der gewandt uñ uns zur lincken Hand gegen die Jnſul Maltha
getrieben. Den 23. Sept. hatten wir noch den geſtrigen Abend
Wind. Den 24. Sept. aber hatten wir abermals gantz wider-
wertigen Wind/ welcher uns gegen Sicilien verſchlug/ iedoch
hatten wir noch dieſe Luſt dabey/ daß die groſſen Meer-Schilt-
Kroͤten hauffenweiſe zu uns ans Schiff hinan kamen und das
Brodt auffchnappeten/ ſo wir ihnen hinaus wurffen.


Den 25. Sept. plagte uns abermals widerwertiger
Wind/ ſo uns nach der rechten Hand verſchlug/ wie es denn
vom 22 biß den 25. nicht anders ging/ daß wir immer laviren
und das Schiff den einen Tag und Nacht zur rechten/ und den
andern zur lincken Seite halten muſten und alſo die Segel im-
mer von einer Seite zur andern wenden.


Dieſen Tag kam/ gleich da wir aſſen/ ein groſſer Hauffe
Delphine oder Meerſchweine ans Schiff/ ſo bald unters Waſſer
fuhren/ bald wieder empor kamen und ſich im Waſſer rund
Y y 3um-
[356]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
umher warffen/ welches denn ein greulich Prauſen/ Spruͤtzen
und Platzſchern gab. Es ſind ſolche Delphine groſſe Fiſche/
welche Koͤpffe und Ruͤſſel haben/ wie die Schweine/ deßwegen
ſie auch Meerſchweine genennet werden.


Den 26. Sept. kam in der Nacht ein ſehr ſtarcker Wind/
welcher uns biß um den Mittag entgegen war. Um Sonnen-
Untergang ſind wir einer wuͤſten Jnſul oder dreyſpitzigen Sco-
gli diſcedendo
anſichtig worden/ wuſten aber nicht/ obs Maltha
ſeyn mogte/ worzu wir den 27. Sept. fruͤh kommen ſind. Allhier
vermeinten wir gewiß friſch Waſſer zubekommen/ dieweil wir
groſſen Mangel dran lidten/ aber es war vergebens und nichts
allda zuerlangen/ ob gleich die Boß-Knechte ausſetzten und ſich
in ſolcher wuͤſten Jnſul fleiſſig darnach umſahen/ ſo kamen ſie
doch leer wieder zuruͤcke und brachten nichts/ als Habichte und
Stein-Falcken/ die ſie in den Steinklippen ausgenommen hat-
ten. Unſer Capitain ließ dieſelben kochen und ſpeiſſen/ war
aber ein ſchlecht Eſſen/ deſſen man bald gnung kriegen
konte.


Heute Morgens hatten wir gar ſchlechten und ſehr
ſchwachen Wind. Um Mittag biß an den Abend hatten wir
ihn zwar zum Vorthel im Hintertheil deß Schiffs/ allein er
war uns gar zu ſchwach/ daß wir nichts damit richten konten/
dahero uns nicht wohl dabey war/ weils bey dieſer wuͤſten Jn-
ſul wegen der Curſaren ſehr unſicher war und wir uns immer
zum Schlagen und Widerſtand fertig halten muſten. Dieſe
wuͤſte Jnſul wird genennet Lignoſo und liegt/ wie die Schiff-
leute berichteten ſechzig Jtalieniſche Meilen von der beruͤhm-
ten feſten Jnſul Maltha und iſt von dannen noch acht hundert
Jtalieniſche Meilen biß vollends in Franckreich nach Marſi-
lien.


Den
[357]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Den 28. Sept. war deß Nachts guter Wind/ wie auch
den dar auf folgenden Tag/ an welchem wir fruͤh zweene
Schiffe zur lincken Hand/ eins gegen Morgen zu/ das ſeinen
Lauff fort nahm/ das andere aber gerade gegen uns gewendet
geſehen. Und weil wir den Wind hinden im Schiffe hatten/ der
uns trefflich zu ſtatten kom̃en waͤre/ wars uns nicht wenig zu
wider/ daß wir ihn nicht brauchen dorfften/ ſondern wider zu
ruͤcke wenden muſten nach Pandeleria, allwo eine Stadt und
Caſtell war/ damit wir einen Vorthel innen haͤtten und ſicher
waren/ dieweil uns das Schiff zu groß und gantz unbekannt
war.


Dieſe Jnſul iſt gar eine Weinreiche Jnſul/ denn es waͤchſt
gar viel und guter Wein drinnen. Es war uns aber gleich-
wol auch nicht wohl bey der Sache/ daß uns die Noth dahin-
ein getrieben hatte/ dann dieſe Jnſul gehoͤrte den Spaniern/
und ſelbiger Koͤnig war gleich damals deß Koͤnigs von Franck-
reich Feind. Dahero wir dieſen Tag uns ſo gewiß deß Schla-
gens verſehen muͤſſen/ als bißher noch niemalhs geſchehen war/
weil uns die Raubſchiffe auf den Halß gingen/ als daraus ab-
zunehmen war/ daß ſie ihren Curs aͤnderten und uns ſtarck
nachfolgeten/ welches gute Schiffe nicht zu thun pflegen und
denn auch wir uns aus der Jnſul nichts gutes zuverſehen hat-
ten.


Allhier muß ich etwas mit wenigen gedencken: Wenn
die Maltheſer/ ſo der Tuͤrcken Feinde ſind/ auf Tuͤrckiſchen
Schiffen/ welches gar offt geſchiehet/ reiſende Chriſten an-
treffen/ indem ſie dieſelben Tuͤrckiſche Schiffe uͤbermei-
ſtern/ ſo pflegen ſie ihnen alles/ was ſie bey ſich haben/
abzunehmen/ ausgenommen Leben und Freyheit laſſen
ſie
[358]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſie ihnen/ den Tuͤrcken aber nemen ſie nicht allein Schiffe und
Guͤther/ ſondern auch Leben und Freyheit.


Dieſen 28. Sept. war gleich Sonntag ſind wir flugs gar
fruͤh die Jnſul Pandeleria vorbey pasſiret/ 60. Jtal. Meilen von
dem Koͤnigreiche Tunis in Barbarien. Auf dem Meer werden
drey Jtalieniſche Meilen fuͤr eine Teutſche gerechnet und waͤ-
ren alſo nicht weiter/ als 20. Teutſche Meilen von der Baꝛbarey
geweſen und/ wie die Schiffleute berichten/ kan man in ieglicheꝛ
Stunde mit gutem Winde vier Teutſche Meilen ſegeln.


Als wir nun wider zu ruͤck gingen nach dieſer Jnſul Pan-
deleria
und zwar wider den Wind/ haben wir dieſelbe um hal-
ben Mittag wieder ins Geſichte bekommen und ſind nach halb
Abend gar nahe dabey geweſen alſo/ daß Curſaren Latino hin-
ter uns im Hindertheil deß Schiffes blieb.


Den 29. Sept. war biß um halb Abend gar ſchwacher
Wind/ hernach aber biß zuꝛ Soñen-Untergang Bonaza, das iſt/
Stille deß Meers. Den 30. Sept. aber deß nachts hatten wir
groſſen Sturm/ daß wir auch die Segel herab nehmen muſten
und doch denſelben gantzen Tag drauf Bonaza und Stille deß
Meeres und dabey Regen/ Donnern und Plitzen/ ſonderlich
gegen Untergang der Sonnen und um den Abend hin.


Und weil wir um ſolche Noth und Mangel am Waſſer
hatten/ ja auch endlich am Weine gar uñ man deßwegen ſo ge-
nau damit thun muſte/ daß keiner zwiſchen der Mahlzeit einen
Tropffen Wein mehr bekommen konte/ weil wir nicht wuſten/
ob wir bald Land erreichen koͤnten/ oder nicht/ haben wir we-
gen unausſprechlicher Hitze und heiſſen Wetters dermaſſen
Durſt leiden/ aͤchzen und Lechzen muͤſſen/ daß ichs nicht be-
ſchreiben kan und haͤtte man ſich lieber den Todt wuͤnſchen als
laͤnger ſolches ausſtehen und leiden ſollen Dahero denn ich aus
hoͤchſter Noth und weil ichs zumahl uͤbel gewohnet war/ heim-
licher
[359]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
lich erweiſe uͤber einen groſſen im Schiff verſteckten Wein-Eſ-
ſig Krug kam/ etzliche mahltapffer anſetzete und den Durſt ein
wenig damit ſtillete. Alſo ſammlet man denn zu Schiffe und
auf den Reiſen nach und nach immer mit ein/ daß ſich hernach
an der Geſundheit und Leben weiſet und ausſchaͤlet.


Den 1. Oct. ſt. n. hatten wir deß Nachts widerum contra-
ren Wind/ und den folgenden Tag uͤber ward er ſo ſtarck daß
er uns gegen Morgen trieb. Fruͤh Morgens ſahen wir gegen
Morgenwarts Land/ welches war die Jnſul Jacheita, welche
wuͤſt und unbewohnt war und ſonſt nichts/ als wilde Ziegen/
haͤuffig drauf zu ſehen. Aber wer war froher/ als wir/ weil wir
friſch Waſſer da antraffen. Das war uns ein recht gluͤckſeliger
Freuden-Tag/ ſintemahl keine Seele im Schiffe war/ die ſich
nicht von Hertzen druͤber erfreuet haͤtte daß wir der unſaͤglichen
Pein deß Durſts entlediget warden und nunmehr wider ſatt
Waſſer zu trincken haben ſolten. Dahero wir uns alle wol be-
ſacketen und labeten/ als wenns der koͤſtlichſte Malvaſiir/ oder
Nectar geweſen waͤre.


Jn dieſer Jnſul waͤchſt auch die Roßmarie in groſſer
Menge/ wie auch die Corallen an dieſem Orte im Meere gar
haͤuffig und ſchoͤn zu finden ſeyn.


Wir hatten aber dieſen Tag gegen Morgen den Wind in
puppi
und hinder uns/ welches auch ein ſonderlich Gluͤck war/
dahero wir deſto beſſer an dieſer Jnſul ankommen konten und
haben als Tag und Nacht ſich ſcheideten/ allda Ancker geleget.
Zur rechten Hand aber im Hineinſegeln war abſonderlich eine
ſpitzige Scoglio, wie ein Pyramis, die wir noch weit von ferne ſe-
hen konten. Auch haben wir dieſen Tag die Barbarey/ wiewol
von ſehr weitem/ geſehen.


Jn dieſer Jnſul iſts mehrertheils ſteinfelſigt/ duͤrre und
wenig Graß zu ſehen und war dißmahl daherum auch ſehr un-
Z zſicher
[360]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſicher der Raubſchiffe wegen von denen Barbarn/ weßwegen
wir da mit hoͤchſter Furcht und Gefahr im Port lagen und
immer die Beyſorge haben muſten/ daß wir uͤberrumpelt und
in Schaden geſetzet werden moͤgten/ wie auch leicht geſchehen
koͤnnen.


Den 2. Oct. hatten wir einen ſehr ſtarcken Sturm und
den gantzen Tag truͤbe Regenwetter und die vorige Nacht
greulichen Platz-Regen/ weßwegen wir wieder unſern Wil-
len im Port muſten ſtille liegen bleiben und aushalten. Wir
hatten aber gleichwol auch unſere Luſt dabey mit einem ſonder-
baren Fiſch-Fange.


Es giebt am ſelben Orte bey dieſer Jnſul Jacheita eine Art
Fiſche/ etwas groͤſſer/ als groſſe Karpen/ welche/ wie die
Schiffleute berichten/ ſich haͤuffig und gerne zu den Schiffen
halten und denſelben in die 200. Jtal. Meilen nachſchwimmen
ſollen/ darum weil die Schiffe unten am Bauche dicke mit
Schmeer und Fett geſchmieret werden/ damit ſie deſto leichter
ſegeln und dann auch das ſcharffe See Waſſer das Holtz nicht
ſo geſchwind angreiffen und wandelbar machen ſoll/ und aber
gedachte Fiſche das Fett gerne Freſſen und abnagen/ woruͤber
ſie denn auch hernach ſo haͤuffig gefangen werden/ und zwar
auf folgende Maſſe und Weiſe: Sie haben aufden Schiffen
lange Stangen/ an welchen unten ein breit Eiſen zweyer queer
Haͤnde breit/ an denen Enden aber Zincken waren/ in Geſtalt
einer Gabel. Die lieſſen ſie hinab in das Waſſer deß Meers/ da
faßten ſich die Fiſche zwiſchen die Zincken und lieſſen ſich alſo gar
leicht aus dem Waſſer her aus ins Schiff ziehen. Deßgleichen
haben wir auch auf dieſer Jnſul viel Sperber gefangen/ die
hernach auf dem Schiffe/ iedoch ſchlecht gnung/ zugerichtet
und verſpeiſet wurden.


Den 3. 4. und 5. Oct. war uns der Wind contrar und dar-
auf Bonaza, kontens demnach nicht aͤndern und muſten den ge-
dach-
[361]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
dachten 3. Sept. zwey Stunden in die Nacht dennoch mit con-
trar
en Winde fort und hatten den 4. uñ 5. die Barbarey wiedeꝛ
im Geſichte/ ſonderlich den 5. ſind wir gar nahe dran vorbey
geſegelt/ da wir denn faſt dieſen gantzen Tag Bonaza, oder
Windſtille hatten und demnach nicht groß foͤrdern/ noch fort
kommen konten.


Den 6. Oct. zur Nacht hatten wir gar ſtarcken Wind hin-
den im Schiffe und von Abend biß an den Morgen ſtetiges
Plitzen und Wetterleuchten worauf ein ſtarcker Regen am
Morgen folgete/ da ſich denn am ſelben Morgen fruͤh wieder-
um 2. groſſe Schiffe ſehen lieſſen/ welche uns denn abermahl
groſſe Furcht und Sorge verurſachten und muſten uns mit
der Flucht ſalviren und dem ſchoͤnen Winde zu wider ſegeln/
weil wir mit ihnen zu ſchlagen uns nicht baſtant befanden und
gleichwol in Gedancken ſtehen muſten/ als wenn ſie Feind waͤ-
ren. Und ob wir gleich ein wenig Nachricht bekamen/ daß es
entweder Engellaͤnder/ oder Hollaͤnder waͤren/ die aus Orient
kaͤmen/ ſo dorfften wir doch nicht trauen/ ſondern muſten un-
ſern Vorthel/ aufs beſte wir konten/ in acht nehmen und uns
nicht ſelber in Gefahr geben. Alſo muß ſich auf dem Meere im-
mer einer vor dem andern fuͤrchten/ weils wegen der Meerraͤu-
ber ſo vielfaltige Noth/ Gefahr uñ Unſicherheit zur See giebet.


Von heute an haben wir noch 400. Jtal. Meilen biß nach
Mar Glien in Franckreich vor uns gehabt/ auf deren Ende und
Beſchluß ich denn mit groſſen Verlangen wartete/ weil ich der
Unruhe nunmehr faſt ziemlich ſatt und muͤde war.


Dieſer Tag der 6. Oct. war durch und durch truͤbe/ hatten
aber guten Wind im Hindertheil unſers Schiffs/ der uns wol
foͤrderte. Um den Mittag erkanten wir erſt die beiden groſſen
Schiffe und ſahen/ daß ſie Engliſch waren/ dahero wir unſere
Panthier aufzogen und fliegen lieſſen/ dergleichen ſie
aber nicht thaten aus Hoffart/ weil ſie uns deſſen
Z z 2nicht
[362]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
nicht wuͤrdig achteten. Denn das haben die groſſen Engliſchen
und Hollaͤndiſchen Schiffe im Brauch/ iedoch aber ſich aus
Hochmuth und wider Meeres-Gebrauch angenommen/ daß
ſie andern und geringern Schiffen/ denen ſie baſtand ſind/ zu
Ehren ihre Panthire nicht fliegen laſſen/ ſintemal ſie ſich den
Koͤnig deß Meeres zu halten und zunennen pflegen.


Dieſen Tag haben wir abermahls kein Land geſehen und
gegen Abend hatten wir uns einer groſſen Ungeſtuͤm zube-
fuͤrchten/ wie ſich denn der Himmel allendhalben gantz ſchwartz
bezog/ weßwegen wir beide Segel herunter lieſſen und dage-
gen den kleinen aufzogen/ dar auf es hefftig zu regnen anfing
und das Meer lieff darzu auf und ſtuͤrmete und tobete gewal-
tig/ daß unſer Schiff gewaltig/ grauſam und ſchrecklich hin und
wieder geſchlagen und geworffen ward/ daß einem die Haare
empor ſtunden/ wer es mit anſehen und ausſtehen ſolte.


Den 7. Oct. war wieder ſehr guter Wind im Hindertheil
deß Schiffes/ wiewol der Tag truͤbe und es gegen Abend re-
genhafftig war und hatten wir abermals kein Land zu ſehen.


Den 8. Oct. hatten wir deß Nachts guten inſtehenden
Wind/ welcher aber auf den Tag gar ſchwach ward und ſahen
wir um Mittag etwas buͤrgicht Land/ vermeinend/ es waͤre
die Provintz/ in welcher Marſilia gelegen war/ ſo aber Spaniſch/
Catalonia war/ wie wir denn den 9. Oct. fruͤh gar nahe an die
Stadt Palamo kamen/ auch ſo/ daß wir ſchon die Galleen und
Schiffe im Port unter der Stadt gar eigentlich ſe-
hen und erkennen konten/ da wir denn erſt ſahen/ daß wir be-
trogen und in Gefahr waren/ dar auf wir denn denſelben gan-
tzen Tag gnung zu thun hatten/ daß wir wieder zuruͤcke ge-
gen Levent nach Morgenwerts wenden konten/ dieweil uns
der Wind noch ziemlich fuget/ ober gleich nicht eben inſtehend
war. Muſten alſo durch den Golfo di Lyon hindurch/ welcher
ſehr
[363]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſehr gefaͤhrlich wegen deß Sandes/ wenn eine Ungeſtuͤmm ent-
ſtehet und iſt von hier noch 150. Jtalieniſche Meilen/ biß nach
Marſilien in Franckreich. Das war uns gut/ daß wir vorige
Nacht nicht ſo gar ſtarcken Wind gehabt hatten/ ſonſt wuͤrden
wir ſchrecklich weit haben muͤſſen wieder von Palamo nach Ori-
ent zu ruͤcke gehen.


Konten alſo dieſe elende Schiff leute ihr eigen Land nicht
erkennen von dem Spaniſchen/ noch ſich finden/ wiewol ſie doch
dieſen Weg ſehr offt geſegelt hatten. Um den Abend giengs uns
eben auch alſo/ daß ſich die Schiff leute nicht finden konten/ wo
ſie ſegelten/ wiewol ſie offt uͤber ihre Mappen und Charten
lieffen. Was demnach einer fuͤr Gefahr bey dergleichen Faͤl-
len mit ausſtehen muß/ iſt leicht zuerachten/ ſintemahl keinem
gar wohl dabey war auf dem Schiffe/ dahero denn ein Fran-
zoͤſiſcher Kauffmann/ Monnſi cur di Lilo einem/ der am erſten
Franckreich anſichtig werden und die Poſt davon bringen
wuͤrde/ eine mit allerhand Farben uͤber die maſſe ſchoͤne Tuͤr-
ckiſche Bett Decke fuͤr drey ſpaniſche Real zur Belohnung und
Trinckgelde aufſetzte/ denn wir nun vom 9. Oct. an biß auf den
11. auf dem Meere hin und her/ bald gegen Morgen/ bald ge-
gen Mittag/ geſchwancket und herum geſchweiffet und dort
und da die Provintz, Franckreich anzutreffen und zu finden ver-
meinet und es doch dahin nicht bringen koͤnnen.


Den 10. Oct. hatten wir deß Nachts und folgenden Ta-
ges ſchwachen Wind und haben noch immer Spanien zur lin-
cken Hand/ ſonderlich einen hohen Berg davon geſehen/ wel-
ches uns denn keinen geringen Verdruß verurſachete.


Den 11. Oct. zu Nachts hatten wir noch weniger Wind/
wurden aber morgens fruͤh Franckreich/ darauf wir mit hoͤch-
ſten Verlangen gewartet/ etwas zur rechten Hand/ iedoch
mehr fuͤr uns/ anſichtig/ welche Zeitung zu erſt ein Booß-
Z z 3Knecht
[364]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Knecht brachte und alſo das verſprochene Præſent von gedach-
tem Kauffmanne erlangete/ woruͤber er zwar ſehr/ iedoch wir
uͤber ſeiner Poſt noch vielmehr erfreuet waren/ als ſolche/ die
mit Schmertzen auf Erloͤſung warteten.


Den 12. Oct. deß Nachts gabs groſſe Ungeſtuͤmm/ die
uns abermals wiedeꝛ zuruͤcke trieb Abeꝛ ohngefaͤhr 2. Stunden
vor Morgen ſtund ein ander Wind auf/ der uns zu laviren ver-
urſachte und gegen die Stadt Marſilien zu trieb. Beſchlieſſe alſo
hiermit das Orient/ welches ich Gott Lob/ durch Gottes Gnad
zuruͤcke gebracht und ſchreite nun wieder in die liebe ge-
wuͤnſchte Chriſtenheit/ aus der Nacht und Finſternuͤß in den
Tag und das helle Liecht.


Das andere Buch.


Haͤlt in ſich meine Reiſe in Franckreich/ wie weit ich
drinnen kommen und wie mirs da ergangen und
ich denckwuͤrdiges allda geſehen habe.


DasI.Capitul.


Wie ich nach Marſilien kommen und wie mirs da er-
gangen iſt.


ALs wir nun den Wind alſo zum Vorthel
hatten/ kamen wir flugs fruͤh noch bey guter
Zeit vor Marſilien an/ dafuͤr wir Gott alle hoch
dancketen/ daß er uns ſo gnaͤdiglich auf dieſer
gefaͤhrlichen Reiſe aus Orient durch die Bar-
barey uͤbers wilde Meer gefuͤhret und behuͤtet
hatte.


Es kam aber auch noch ein ander Schiff/ ſo von Smirna
aus Aſia abgeſegelt war/ neben uns und daſſelbe lieff flugs im
Port und Hafen ein/ wir aber muſten mit unſerm Schiffe zu
zu ruͤcke und auſſer der Stadt auff Ancker liegen bleiben/
die-
[365]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
dieweil wir aus Syria von der Peſt wegen verdaͤchtigen Or-
then kamen.


Um Mittag fuhren wir mit einem kleinen Booth an das
Hauß/ oder Orth an/ wo man den ankommenden Schiffen
der Contumacia wegen Beſcheid ertheilet/ baten die Herren in-
ſtaͤndig uns in Port und die Stadt einzulaſſen/ ward uns a-
ber abgeſchlagen/ wenn wir nicht vorhero die gewoͤhnliche
Contumaciam leiſten wolten/ wurden demnach drauf an den
Orth gebracht/ Infermaria genannt/ da wir etzliche Wochen in-
ne liegen ſolten/ biß man der Verdacht wegen einiger mit ge-
brachten infection an uns verſichert waͤre/ da wir denn unſere
Sachen auf dem Bothe vom Schiffe abholen und auch an die-
ſen Ort der Contumaciæ bringen lieſſen. Das Schiff aber/
muſte mit ſeiner zu Sydon geladenen Wolle wieder zuruͤcke/
ſich auſſer der Stadt am Caſtell ſtellen und allda etzliche Wo-
chen auf Ancker liegen.


Dieſer Orth Infermaria iſt ein von der Stadt fern abge-
legenes Hauß/ um her mit einer Mauer umgeben/ hat unten
und oben viel Kammern/ und iſt der Laͤnge nach faſt wie ein
Kloſter gebauet. Liegt gar luſtig am Meer/ hat unten einen
groſſen weiten Hof und im ſelbigen ſchoͤne luſtige Weingaͤrten/
friſche Brunnen und eine gar einſame Capelle mit einem Kaͤm-
merlein dabey/ welche ein Einſtedler zu ſeiner Andacht zu brau-
chen inne hat. Und in ſolch Hauß werden die inficirten/ oder die
zum wenigſten nur den Verdacht der infection habẽ/ gebracht
und muͤſſen ſich drinnen etzliche Wochen/ nachdem ihnen zuer-
kant wird/ aufhalten und werden/ wo ſie nicht anders rathen
koͤnnen/ aus der Stadt um ihr Geld geſpeiſet und unterhalten.
Wir aber kochtẽ uns entweder ſelber/ was wir gerne eſſen wol-
ten/ oder lieſſens uns in der Stadt zugericht einkauffen. Und
weil der Aufſeher ſolches Hauſes ſchon Wein in Vorrath hat-
te/ ſo namen wir/ ſo viel wir bedorfften/ bey ihm und dorfften
nicht erſt in der Stadt holen laſſen.

Das
[366]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DasII. Capitul.


Wie ich aus der Contumacia in der Infermaria loß
laſſen und mir in die Stadt Marſilia zu gehen
verſtattet worden.


NAchdem ich nun biß auf den ſechſten Tag in der Inferma-
ria contumaciam
gehalten/ und gute lange Weile gehabt/
iedoch gleichwolgeſund dabey blieben war/ ward mir end-
lich den 18. Oct. auf vielfaltiges Bitten und Anhalten erlaubt in
die Stadt zu gehen. Und weil ich ſonderlich unter den Kauff-
leuten nach Lands-Leuten Teutſcher Nation nachfragen lieſſe/
die mich aus der infermaria in die Stadt begleiten moͤgten/ kam
einer mit Namen Zolicover, welcher ein Schweitzer und von
S. Gallen war/ unten in Hof zu mir/ empfing mich gar freund-
lich und erbot ſich aller Liebe und Freundſchafft gegen mich/
wiewol gantz Frembden und Unbekanten/ fuͤhrte mich uͤbern
Port in einem kleinẽ Schifflein mit in ſein Hauß/ gab mir einen
Teutſchen Diener zu/ der ſein Schneider war/ welcher mich gar
in ein gut Logiment brachte/ in welchem ich auch verblieben
und nicht allein alle Liebe und Freundſchafft von ſolchem
Kauffmanne genoſſen/ ſondern auch um mein Geld wol be-
wirthet worden/ ſo lange ich mich allda zu Marſilien aufgehal-
ten und verblieben bin.


Und weil ich damals noch in Tuͤrckiſchen Kleidern ging
und damit nicht in die Stadt gehen wolte/ auch nicht konte/
weil ich mich gantz ablegen und auf Anordnung der zur Infer-
mari
verordneten Inſpectorn meine Kleidung noch zwey oder
drey Tage allda laſſen und alſo mich von bloſſem Leibe auf an-
ders kleiden muſte/ in Gegenwart einer hierzu verordneten
Perſon/ die mit fleiß acht drauf geben muß/ damit zum wenig-
ſten auch die alten und verdaͤchtigen Kleider die neuen nicht be-
ruͤhren und anſtecken ſollen/ ließ mir derſelbe durch ſeinen Die-
ner
[367]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ner gar ein ſchoͤn Tuchenes Kleid holen mit aller Zubehoͤr und
und gab mir frey es ſo lange zubrauchen/ biß ich mich ſelber/
guter Gelegenheit nach/ auskleiden koͤnte/ welches mir denn
nicht eine geringe angenehme Freundſchafft und Foͤrderung
war.


DasIII.Capitul.


Von der Stadt Marſilia und was allda zu ſehen
geweſen.


DJe Stadt Marſilia liegt ſehꝛ luſtig am Meer und von dem-
ſelben Berg an/ da denn aus derſelben gegen das Meer
hinaus uͤber die Mauer gar viel Stuͤcken liegen. Jſt an
Gebaͤuden nicht ſonderlich ſchoͤn aber ziemlich groß und weit-
laͤufftig und hat einen ſehr bequemen tieffen Port/ daß auch die
groͤſten Schiffe biß an die Haͤuſer hinan lauffen und allda lie-
gen koͤnnen. So kan man auch ſolchen Port quer uͤber von ei-
nem Ufer biß zum andern mit Ketten verſchlieſſen/ welches ſonſt
gar ſelten zu finden iſt.


Die Stadt hat keinen Graben um ſich iedoch gleichwol
eine Mauer und alte zerbrochene Paſteyen und iſt alſo nach
dem Lande zu gantz nicht feſte/ nur daß ſie Volckreich und die
Haupt-Stadt in Provence iſt/ dahero ſie auch die Franzoſẽ Mar-
ſe ille en Provence
heiſſen. Sie hat zwey Pforten uñ fuͤnff Tho-
re/ unter welchen eins Porta di Re, das iſt/ deß Koͤnigs Thor ge-
nennet wird/ darum/ weil der Koͤnig dahinein zu ziehen pfleget/
wenn er dahin koͤm̃et und iſt daſſelbe mit hohen ſtarcken Thuͤr-
men befeſtiget und mit allerhand ſchoͤnen Figuren gezieret.


Die Franzoͤſiſche Sprach wird nicht zierlich/ ſondern
gar grob allda geredet: Aber was die Victualien und Wein
betrifft ſo iſt gar wolfeil da zu leben. So hab ich auch vor ein ei-
gen Logiment und Bette nicht mehr als zweene Stuͤber oder
Solt 15. Pfennige/ unſerer Muͤntze nach/ ieden Tag geben
A a adoͤrf-
[368]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
doͤrffen. Man gibt vor/ daß dieſe Stadt in die 600. Jahr vor
Chriſti Gebuhrt erbauet worden und zwar von den Griechen/
welche mit ihrem Haupt Perano alldahin kommen der deß da-
mahligen Koͤnigs Tochter geheyrathet.


Auſſer der Stadt und derſelben faſt gegen uͤber liegt ein
altes Caſtell auf feſtem Lande und etwas vom Meer abe/ wel-
ches mit Soldaten beſetzt iſt/ darum/ daß ſie der Raubſchiffe
wegen muͤſſen Wache und Aufſicht halten/ denn man kan ſich
auf ſolchem Caſtell gar ſehr weit umſehen/ dahero ſie allmahl/
wenn ſie groſſe Schiffe ſehen/ ſo viel Zeichen geben muͤſ-
ſen/ als derſelben ſeyn/ deß Nachts aber thun ſies mit angezuͤn-
deten Feuerwiſchen/ welches man denn unten gar eigentlich ſe-
hen kan.


Es hat auch einen Thum in der Stadt. Bey derſelben iſt
eine alte finſtere Kirche/ daran ſtehet ein uhr alter hoheꝛ Heydni-
ſcher Thurm damahls ohne Tach/ auf welchem uͤberaus ſchoͤ-
nes Gelaͤute iſt/ welches auch gar auf ſonderbare Manier pflegt
gelautet zu werden/ alſo/ daß die Glocken bald gar langſam
und gravitaͤtiſch/ bald wider geſchwind und ſo fort gezogen wer-
den.


Nicht weit von dieſer Kirche iſt eine kleine Capelle und
wird geſagt/ daß an dem Ort die groſſe Suͤnderin/ Maria
Magdalena/ den damals Heidniſchen Voͤlckern oͤffentlich den
Chriſtlichen Glauben geprediget/ ehe ſie ſich in die Wildniß hin-
aus in einen ſehr tieffen finſtern Felſen/ nicht weit von der
Stadt begebẽ allda wahre Buſſe zu thun. Auch ſoll ihr Bruder
Lazar aus/ von Chriſto zu Bethanien von den Todten aufer-
wecket/ in der Stadt/ nachdem ſie zum Chriſtlichen Glauben
bekehret worden/ der erſte Biſchoff geweſen und in vorgedach-
ter Dumkirche begraben ſeyn. Und ſoll dieſer Lazarus wunder-
bar-
[369]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
barlich dahin kommen ſeyn/ nemlich: Er ſoll mit zween
Schweſtern und andern frommen glaͤubigen Hertzen auf ei-
nem Schifflein ohne Ruder allein durch GOTTES
Huͤlffe und Regirung aus dem heiligen Lande auf dem
wilden ſtuͤrmenden Meere daher geſchwommen kommen ſeyn.
Was davon zu halten/ ſtellet man vernuͤnfftigem Nachden-
cken billich anheim.


Dem Port/ oder Hafen gegen uͤber liegt ein altes weit-
leufftiges/ groſſes und reiches Benedictiner Cloſter/ in welchem
mir das Creutz/ woran der heilige Apoſtel Petrus gecreutzi-
get worden/ und andere ſehr viel Heiligthuͤmer gezeiget wor-
den.


Auſſerhalb der Stadt gibts viel Oel-Baͤume und Wein-
Gaͤrten/ wie denn das Baumoͤl allda in groſſer Menge und gaꝛ
wolfeil zubekommen iſt.


DasIV. Capitul.


Was in der Marſiliſchen Gegend und Pro-
vintz denck wuͤrdiges zu ſehen
geweſen.


NAchdem ich nun etwas von meiner Meer-Reiſe in
Marſilien ausgeruhet und mich in die drey Wochen allda
in der Stadt gnungſam umgeſehen hatte/ wolte ich
auch gerne wiſſen/ was denn auch auſſerhalb in ſelbiger
Gegend denckwuͤrdiges zu ſehen waͤre/ habe ich mich hinaus
nach S. Pomo begeben/ und bin demnach den 8. Nov. ſt. n.
aufgeſeſſen und ſammt etzlichen guten Freunden dahin gerit-
ten.


Dieſes S. Pomo liegt ohngefaͤhr zwey biß dritthalbe Mei-
le von der Stadt. Erſt muſten wir uͤber ſehr hohes Gebuͤrge
reitten/ iedoch iſt daſſelbe mit ſchoͤner ſtarcker und dicker
Roßmarie eines ziemlichen Mannes hoch/ wie auch
A a a 2mit
[370]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
mit andern wolriechenden Kraͤutern/ als Jſop und Lavendel
bewachſen/ welches/ alſo hindurch zu reiten/ eine groſſe Luſt und
anmuthigen/ auch ſonderlich er quickenden Geruch giebet/ daß
ob gleich das Gebuͤrge ſonſt wegen ſeiner Hoͤhe und Rauhigkeit
noch ſo beſchwerlich zu reiſen iſt/ einem dennoch durch dieſen
lieblichen Anblick und Geruch alle Beſchwer und Unluſt ver-
gehet und einem Zeit und Weile nicht lang wird.


Darnach kamen wir in einen ebenen Weg biß an ein Holtz
uͤber welches wir den ſehr hohen jehen Felß heruͤber ragen ge-
ſehen/ darinnen Maria Magdalena ihre Buſſe gethan. Da
wir demnach vollends durchs Holtz waren/ welches denn ſehr
lange waͤrete/ ſind wir an denſelben Felſen kommen. Sehr hoch
droben ſtehet ein ziemlich groß Gebaͤude/ oder Hauß/ welches
natuͤrlich wie ein Schwalben-Neſt lebet und wunderbarlich
von unten hinauf anzuſehen iſt. Sind demnach miteinander
hinauf geſtiegen/ muſten aber erſt durch etzliche eiſerne Thuͤren
gehen und alſo auf ſteinern Stuffen hinauf ſteigen/ da funden
wir einen Wirth/ welcher frembde Leute/ die dahin kom̃en den
Ort zubeſehen/ mit Eſſen/ Trincken/ Betten und anderer Noth-
durfft um ihre Zahlung gar wol verſorget. Der empfieng auch
uns gar freundlich uñ fuͤhrete uns in ein Zim̃er/ das hinaus ge-
gen das Gehoͤltze lag/ und ließ es an nichts mangeln/ wormit
wir wol und ſtatlich tractirt und bewirthet werden konten.


Nach dieſem fuͤhrten ſie mich hinunter in eine tieffe Hoͤhle
welche im Felſen war/ woruͤber ich mich hoͤchlich verwundern
muſte/ denn ſie war ſehr lang/ tieff und hoch und naſſete al-
lenthalben ſo/ daß ſie troffe/ ausgenommen der Orth/ wo Ma-
ria Magdalena ihre Buß-uñ Thraͤnen-Staͤte gehabt/ biß an
ihr Ende/ da war es treuge und haͤtte man weder Naͤſſe/ noch
Tropffen geſehen/ maſſen denn derſelben Bildnuͤß eben an der
Stel-
[371]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Stelle die Laͤnge noch in klaren weiſen Stein gehauen lieget/
gleich als wenn ſie ruhete.


Man ſagt vor gewiß: Es ſoll ihr einsmals zeitwaͤrender
ihrer Buſſe am Waſſer gefehlet haben/ daß ſie groſſen Durſt
leiden muͤſſen. Als ſie aber Gott hertzlich drum gebeten/ waͤre
durch Gottes Schickung flugs gar nahe herauſſen vor ihrer
Hoͤhle deß Felſen ein ſuͤſſer lieblicher Quell entſprungen/ welcher
noch dieſe Stunde allda zu ſehen iſt und iſt derſelbe ziemlich
tieff und weit. Jnwendig in der Hoͤhle ſind auch Altare/ die-
weil zweene Prediger-Muͤnche drauf beſtellet ſind/ welche or-
dentlich den Gottes-Dienſt drinnen halten und verrichten
muͤſſen.


Und nachdem ich nun mich an dieſem Orthe gnungſam
umgeſehen hatte/ nam ich meinen Ruͤckweg wieder zu ruͤcke
nach Marſilien/ dieweil ich nun gedachte mit dem eheſten von
dar ab nach Welſchland wieder zu reiſen/ dahero auch/ als ich
in die Stadt wieder kam/ ich alsbald im Logiment Richtigkeit
machte und mich auf ein Schiff dingete/ das nach Genua wolte
und ſchon da Segelfertig lag/ nur daß es auf bequemen Wind
wartete.


Das dritte Buch.


Haͤlt in ſich meine Reiſe über Meer vonMarſiliain
Franckreich nach Jtalien und was mir entzwi-
ſchen vorgeſtoſſen.


DasI. Capitul.


Wie wir zu Marſilien aufgebrochen und biß nach Casſi
kommen und wie mirs enzwiſchen ergangen.


DEn 16. Nov. ſt. n. deß Nachts um 10. Uhr ſind wir
zwar mit gutem/ iedoch ſchwachen Winde/ allda vor
Marſilien auf einer Barcke mit 6. kleinem und einem
A a a 3groſſen
[372]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
groſſen Stuͤcke aufgebrochen und abgeſegelt. Denn weil wir
Hoffnung hatten dieſe Stadt durchzugehen/ haben wir uns
alsbald darzu geruͤſtet und ſind gegen Abend auſſer den Ket-
ten hinaus geruͤcket und haben uns am Port geleget/ wiewol
wir nicht weit kommen konten und alſo in unſerer Hoffnung
betrogen worden.


Den 17. Nov. ſind wir nach Mittage mit ſtarckem Regen
und Sturm in einen gar engen Port zwiſchen Felſen gelegen
mit groſſer Furcht und Gefahr eingelauffen/ denn es das An-
ſehen hatte/ als wenn wir gerade auf den Felſen lauffen und
den Augenblick zu Trim̃ern und boden gehen ſolten und hat-
ten wir alſo nicht mehr/ als drey Franzoͤſiſche Meilen von
Marſilien zuruͤcke gebracht.


Den 18. Nov. ward ich gewahr/ wie mirs zu Marſilien bey
unſerm Aufbruche ergangen war. Jch hatte aus Orient eine
Schachtel mitbracht/ darinnen ich allerhand Briefe hatte und
unter andern auch die Capelle deß Grabes Chriſti zu Jeruſa-
lem und deß Stalls zu Bethlehem gar ſauber und kuͤnſtlich
in Oel-Holtz geſchnitzet/ ſammt andern Raritaͤten mehr. Die
hatte ich allda zu Marſilien vergeſſen und ſtehen laſſen/ woruͤ-
ber ich nicht wenig betruͤbt und bekuͤmmert war/ vermeinende
es wol all dahin und verlohren ſeyn und bleiben wuͤrde. Weil
ich aber gleichwol wuſte/ daß ich bey guten Leuten geweſen
war und demnach alle Muͤgligkeit verſuchen wolte zuerfahren
wie es damit ſtuͤnde/ begab ich mich aufs Land/ bevorab weil
da flugs ein groß Dorff am Meere lag etwann eine gute halbe
Stunde vom Port Casſi genant. Da muͤthete ich zweene Pfer-
de und einen Knecht um 25. Solt/ macht einen halben Thaler/
ohne Futter und Eſſen und ritte damit wieder zu ruͤcke nach
Marſilien, fand aber meine Schachtel nicht/ ſondern bekam die
Nachricht ſie waͤre auf ein ander Schiff/ das nach uns ſelbige
Nacht
[374[373]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Nacht von Marſilien abgelauffen waͤre/ mit gegeben und mir
nachzubringen dabey befohlen worden. Muſte alſo in Zweiffel
und Hoffnung wieder zu ruͤcke nach Casſi reiten. Als ich aber
auf den Abend wieder dahin kam/ ward mir meine Schachtel
von ietzt gedachtem Schiffe unverſehrt gegen Darlegung ei-
nes Trinckgeldes an Port gebracht/ woruͤber ich froh war und
gedachte ſelbige Nacht in Casſi zu bleiben/ weil ich auch andere
Paſſagiers von unſerm Schiffe allda antraff.


Als wir aber am luſtigſten waren und uns mit einem gu-
ten Weinlein guͤtlichen thaͤten/ bekamen wir Poſt von unſerm
Capitain/ daß wir uns alsbald aufs Schiff begeben ſolten/
ſintemal er gewiß hoffete dieſe Nacht gluͤcklich durchzugehen/
wie denn auch alſo geſchahe/ weil uns der Wind fuͤgete.


Als wir nun nach dem Schiffe zueileten/ zuͤndeten wir
ein groß ſtuͤcke Kuͤhn an/ weils gantz ſchwartz finſter war und
wir keine Fackel hatten/ auch weder Weg noch Steg wuſten
und nur nach Geduncken gehen muſten. Allein Kurtzweile hal-
ben muß ichs doch erzehlen/ wie poſſirlich es uns ging.


Unſere Kuͤhn-Fackel ging uns aus/ da muſten wir den
Weg uͤber Berg und ſteinigte Wege oft kriechen/ fuͤhlen und
ſuchen/ wie wir konten Und nachdem wir endlich das Meer er-
reichten mit Muͤhe und Marters-Noth/ kamen wir in einen
gar engen Winckel/ da ein klein Schifflein ſtund angehencket an
dem Ufer. Da kam uns ein alter Man/ ein Franzoß und De-
mant-Schneider/ wie er ſich ausgab/ welcher gantz voll und
Fadennacket war/ entgegen und wolte uns an unſere Barcka
fuͤhren/ worzu wir noch ziemlich weit ins Meer hatten. Und
wenn ich nicht zum hoͤchſten widerſprochen uñ geſagt/ wie leicht
wir Ungluͤck haben und gar um Leib und Leben kom̃en koͤnten/
weil
[374]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
weil auch wir etwas truncken waren und uns in der finſtern
Nacht mit einem ſolchen fremden tollkuͤhnen vollen Manne
aufs Meer wagen und ſelber in Gefahr geben wolten/ ſo haͤt-
tens die meiſten gewaget/ es haͤtte moͤgen gerathen/ oder ver-
derben. Wurden demnach ſchluͤſſig und rufften unſern eignen
Schiffleuten zu/ welche auch endlich nach langem Ruffen mit
einem Kaicklein an Strand kamen und uns nach unſerm
Schiffe abholeten.


DasII. Capitul.


Von unſerer Reiſe von Caſſi biß vollends uͤbers
Meer nach Jtalien.


DA wir nun alle wieder beyſammen im Schiffe waren/
ſind wir noch dieſe Nacht fort geſegelt. Der Wind aber
war uns zu wider und trieb uns zu einem Caſtell præpau-
ſon
genannt und den Franzoſen gehoͤrig funffzehen Franzoͤſi-
ſche Meilen von Marſilien gelegen/ daß wir da im Port ein-
lauffen muſten.


Den 19. Nov. noch vor Sonnen Aufgang ſind wir von
dieſem Caſtell wieder abgeſegelt/ weil wir guten Wind in puppi
und Hindertheil deß Schiffs hatten. Es ſind uns aber dieſelbe
Nacht wegen ſtarcken Windes unterſchiedene Barcken an un-
ſer Schiff gelauffen/ ſonderlich ging uns eins mit vollem Se-
gel dermaſſen hart an/ daß unſer Schiff-Zeichen/ welches war
das Bildniß S. Laurentii, mit greulichen Krachen herunter fiel
und daſſelbe Schiff ein groß Loch in unſere Barcka ſtieß/ von
welchem ſchrecklichen Praſſeln ich aus dem Schlaff erwachte/
nicht anders gedachte/ als daß wir entweder an einen Felſen
zu Scheitern gelauffen/ oder/ da ich vom Loch ſtoſſen hoͤr-
te/ es waͤre nun das Schiff ſchon all voll Waſſer und muͤſten
zu-
[379[375]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
zuſammen erſauffen. Es befand ſich aber zu unſerm Gluͤck/ daß
ſolch Loch uͤberm Waſſer uñ hinden im Schiffe war/ da es nicht
ſo leicht Waſſer ſchoͤpffen kan/ als unten und auf der Seite/
weßwegen wir uns zu frieden gaben/ alsbald zu ſolchem Loche
raͤumeten und wieder ergaͤntzen lieſſen/ und fuhren alſo bald
mit gutem/ bald mit widerwertigem Winde dahin.


DasIII. Capitul.


Wie wir zu Genua in Jtalien ankommen und wie
es uns bey unſerer Ankunfft
gangen.


NAch dem wir nun etzliche Tage alſo/ bald mit gutem/ bald
mit widerwertigem Winde geſegelt und auf dem Meere
daher geſchwebet hatten/ kamen wir den 25. Nov. war der
Tag S. Catharinæ, vor Mittage mit ſtarckem Regen/ Wind
und Sturm/ den wir vorhergehende Nacht ausgeſtanden hat-
ten/ zu Genua an/ welches von Marſilien 300. Jtalieniſche Mei-
len lieget und von Genua biß nach Livorno iſt 120. Jtalieniſche
Meilen.


Und ob wir gleich von einem der Peſt wegen unverdaͤch-
tigen Orte kamen/ auch deßwegen unſer Fede und Zeugniß vor-
zuweiſen hatten/ wolte man uns doch nicht einnehmen/ ſon-
dern muſten uns etzliche Tage auſſer der Stadt im Port auff
dem Schiffe aufhalten und nicht unters Volck gehen/ biß man
ſahe/ ob wir vielleicht etwas an uns haben moͤgten/ dieweil es
offt geſchicht/ daß/ weil man alſo auf den Schiffen beyſam̃en
ſteckt und offt Hunger und Kummer leiden muß/ ſich auch auf
den Schiffen eine Kranckheit entſpinnet und hernach einer den
andern anſtecket/ dahero ſolche Fuͤrſichtigkeit nicht zuverach-
ten.


Weil wir denn nun ja im Port bleiben muſten und es kalt
war/ wir aber von Regen ſehr durchnaͤſſet und erkaltet/ haben
B b bwir
[380[376]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
wir das Schiff mit ſtarcker doppelter Leinwat uͤberzogen/ da-
mit wir vor dem noch anhaltenden ſtarcken Wind und Regen
ſicher waren/ machten ein Feuer und truckneten und waͤrmeten
uns wieder aus/ damit wir uns ſo lange behelffen konten. Un-
terdeſſen aber hielten wir ſo lange an und bathen/ daß wir end-
lich in die Stadt gelaſſen wuͤrden/ zumahl weiln man ſelber ſa-
he/ daß wir mit Gefahr und Ungemach allda liegen muſten.
Denn ob gleich der Port vor dieſer Stadt Genua an ſich ſelber
ſehr gut und die Schiffe drinnen gar gut liegen haben/ ſo iſt
doch offtmals der Wind ſo hefftig/ wie es denn dißmahl auch
alſo war/ daß er die groſſen Schiffe/ Thau- und Anckerloß ma-
chet und entweder ineinander ſchmeißt/ oder an den Strand
und Ufer ſchmeißt uñ zerſcheittert/ wo nicht mit hoͤchſtem Fleiſ-
ſe und Aufſicht demſelben vorgebauet und ſolch Unheil verhuͤ-
tet wird.


DasIV. Capitul.


Von der beruͤhmten Stadt Genua und was allda
denckwuͤrdiges zu ſehen und zu ruͤhmen
iſt.


WEil ich denn nun frey hatte nicht allein in die Stadt hin-
ein zu kom̃en/ ſondern auch mich allendhalben umzuſehen
muß ich gleichwol dem guͤnſtigen und wolgeneigten Le-
ſer hiervon eine kurtze Beſchreibung derſelben mit beyfuͤgen.


Es iſt dieſe Stadt Genua ſehr luſtig am Meere gelegen/
iedoch etwas dem Lande zu Berg an/ iſt ſehr groß und mit einer
ſtarckẽ Mauer umgeben und von hohen uñ voꝛtrefflichen Haͤu-
ſern und Pallaſten nicht gnugſam zu ruͤhmen/ daß auſſer Ve-
nedig in gantz Welſchland faſt ihres gleichẽ nicht zu finden. Und
wie ich ſage/ ſo ſind die Haͤuſer ſolcher ſchrecklichen Hoͤhe/ daß
ſie den Gaſſen/ ſonderlich wo ſie nicht gar ſehr weit ſind/ Lufft
und
[381[377]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
und Liecht benehmen und man in den unterſten Zimmern gar
zeitlich im Tage Liecht gebrauchen muß. Auch ſind die Haͤuſer
ſo gar kuͤſtlich und wol gebauet/ daß man ſie mit Luſt und Ver-
wunderung anſiehet/ zumahl der ſonſt der gleichen nicht geſe-
hen hat. So gibts auch allda uͤber alle maſſe viel koſtbare Luſt-
Gaͤrten/ deren Vortrefflichkeiten mit Worten nicht zubeſchrei-
ben/ noch gnungſam zu ruͤhmen ſind.


Sie hat ihre eigene Rempublicam und freyes Regiment/
auch ihren eigenen Hertzog/ den ſie erwehlet/ wo ſie will/ gleich
wie die Stadt Venedig/ wiewol ſie an Macht und Reichthum
Venedig nicht gleich iſt. Sonderlich iſt wol zu ſehen deß Her-
zogs Palatium, denn es iſt daſſelbe uͤberaus ſchoͤn/ groß und
hoch an einem luſtigen Platz und Orthe der Stadt aufgefuͤh-
ret.


Die Guardibeſtehet in lauter Teutſchen/ wie denn in Jta-
lien bey denen vornehmſten Potentaten die Teutſchen vor al-
len Nationen in hohem Werth gehalten werden/ dahero auch
der Papſt ſelber ſeine Leib-Guardi, an ſeinen nechſten Zimmern
und Gemaͤchern aufzuwarten/ aus Teutſchen erwehlet und
laͤſt ſie auf Schweitzeriſch kleiden/ von gelben/ rothen und viol-
blauen Strichen/ ieglichen einer guten Hand breit/ wechſels-
weiſe das gantze Kleid und Strimpffe alſo zuſammen geſetzet.
Und faſt eben alſo hat auch der Groß-Hertzog zu Florentz ſei-
ne Teutſche Trabanten/ oder Leib-Guardi, ſo er in unterſchie-
denen ſeinen Staͤdten/ wie ich ſelber zu Florentz und Siena ge-
ſehen/ gekleidet.


Weiter iſt auch zu Genua ein gewaltiger groſſer Handel
von allerhand fremden Kauff- und Handels Leuten aus un-
terſchiedenen Laͤndern/ auch zu Land und Meer weit entlegenen
Voͤlckern. So iſt zu dem Ende auch am Meer ein ſchoͤn groſſes
Arſenal vor die Galleen erbauet.


B b b 2Bey
[382[378]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Bey ſolcher Beſchreibung laſſe ichs vor dißmal bewenden/ da-
mit meine Reiſe-Beſchreibung nicht zu Land-Beſchreib-
ung werde/ weil hiervon bey dergleichen Schreibern mehr zu
finden und fahre fort/ wie ich meine Reiſe ferner durch Jtalien
und nach meinem lieben Vaterlande fortgeſtellet.


DasV. Capitul.


Von meiner Reiſe nach Livorno und was davon
denckwuͤrdiges zu melden iſt.


NAchdem ich mich nun vom 25. Nov. biß auf den 10. Dec.
und alſo biß in die dritte Woche zu Genua wol umgeſehen
hatte/ habe ich mich wieder aufgemacht eben mit dieſem
Schiffe/ auf welchem ich von Marſilien kommen war/ und
ſind von Genua den 10. Dec. fruͤh um Glocke 8. Teutſcher Uhr/
nach Welſcher aber um 15. abgefahren und den 11. Dec. deß
Nachts ungefaͤhr nach Teutſcher Uhr zwiſchen 11. und 12. und
alſo in einem Tage und halber Nacht nach Livorno 120. Jtal.
Meilen bey hellem klaren Monden-Schein kommen.


Dieſes iſt eine kleine/ aber feſte Stadt mit vielen ſtarcken
Paſteyen/ Waͤllen und Caſtellen wol verwahret. Sie gehoͤret
dem Groß-Hertzog von Florentz/ welcher ſie auch damahls al-
ſo hatte befeſtigen laſſen und hat ziemliche weite Gaſſen/ mit
groſſen Steinen ausgeſetzet/ wie auch zweene ſchoͤne Port und
Hafen/ den einen auſſer der Stadt vor die groſſen ankommen-
den Schiffe/ den andern vor die Galleen/ von welchem man
um und um biß ans Thor gehen kan. Jſt ſehr lang und mit ei-
ner ſehr hohen dicken Mauer von dem andern abgetheilet und
gehet biß an das alte Caſtell/ ſo mit dem Meere/ wie zwar auch
ſonſt faſt die gantze Stadt/ umſchloſſen.


Denn diß Livorno iſt auch eine gewaltige Handels-
Stadt/ ſo wol/ als Genua, dahin viel fremde Nationen und
Voͤlcker kom̃en uñ ihre Kauf- und Handelſchafft datrieben. Jch
mei-
[383[379]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
meines theils habe mich nicht lange allda aufgehalten/ ſondern
bin alsbald den andern Tag/ als den 13. Dec. wieder aufgewe-
ſen und weiter fort gereiſet/ habe demnach mit dem Capitain
deß Marſiliſchen Schiffs Richtigkeit getroffen/ dem ich drey
Ducaten vor die Schiff-Fuhre von Marſilien biß nach Livorno
zahlen muͤſſen und habe mich nach anderer Gelegenheit/ ſo
nach Piſa ging/ umgethan und meine Reiſe dahin genom-
men.


DasVI.Capitul.


Von meiner Reiſe von Livorno biß gen
Piſa.


DEn 13. Dec. fruͤh zwiſchen 8. und 9. nach unſerer Teutſchen
Uhr habe ich mich zu Livorno aufs ſuͤſſe Waſſer/ Foſſa di
Piſa
genannt/ geſetzet und bin gegen Abend nach 3. Uhr zu
Piſa ankommen und allda im Gaſt Hofe Alle tre Donzelle, oder
zum dreyen Jungfern genannt/ eingekehret.


Piſa iſt eine groſſe Stadt und groͤſſer/ als Livorno, wiewol
nicht am Meere/ ſondern an dem groſſen Waſſer und Fluß Ar-
na
gelegen/ uͤber welchem jenſeits noch eine Stadt lieget/ die et-
was kleiner iſt/ als die hieruͤben diſſeits dem Waſſer. Dieſe beide
Staͤdte ſind mit einer ſehr langen Bruͤcke uͤbers Waſſer/ die
Arna, zuſammen gehencket/ daß man aus einer zur andern fah-
ren/ reiten und gehen kan.


Es hat auch ein ſtatliche Academi an dieſem Orte/ wiewol
ihr doch die zu Siena vorgehet und gehoͤret dieſe Stadt auch den
Groß-Hertzogen von Florentz. Eins muß ich gedencken: Es iſt
ein ſehr hoher/ dicker/ runder und ſtarcker Thurm da zu ſehen/
uͤber welchen man ſich verwundern muß. Er hat oben in der
B b b 3Hoͤhe
[384[380]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
Hoͤhe unterſchiedene Gaͤnge uͤbereinander mit ſtarcken Mar-
melſteinern Saͤulen umher und ſo kuͤnſtlich und gantz krumm
gebauet/ als wenn er ſich beugte und man gedencken ſolte/ er
wuͤrde dieſen Augenbluͤck uͤbern Hauffen fallen.


Gegen uͤber iſt ein wunderſchoͤne Marmelſteinerne Kir-
che/ mit Bley gedeckt. Die iſt ſehr groſſer Hoͤhe und allendhal-
ben mit ſchoͤnen Figuren gezieret/ und die Thor und Pforten
ſind von Metall aufs kuͤnſtlichſte gearbeithet. Auch hat die
Univerſitaͤt allda einen wunderſchoͤnen Garten/ in welchem ich
geſehen/ wie zierlich er angeleget iſt/ und koſtbar gebauet und
beſetzet mit allerhand ſchoͤnen Fruͤchten und fremden Gewaͤch-
ſen/ darneben denn auch ein herrliches Hauß ſtehet/ darinnen
viel ungewoͤhnliche und ſehr wunderbare Rieſen-Gebeine und
Gliedmaſſen zu ſehen ſind.


Jndem wir uns an dieſem Orthe gnungſam umge-
ſehen hatten/ bin ich mit meiner Reiſe-Geſellſchafft zu Rathe
gangen und ſind zuſammen ſchluͤſſig worden/ daß wir nun un-
ſern Weg am nechſten nach Rom zunehmen wolten/ weßwe-
gen ich denn dem wolgeneigten Leſer allhier auch beyfuͤgen
muß/ wie fuͤr Reiſende allda am bequemſten fort zu kommen
iſt.


DasVII.Capitul.


Von meiner Reiſe von Piſa biß gen Rom und was
unterwegens denckwuͤrdiges zu ſehen
iſt.


DEn 14. Dec. Mittags um 11. Uhr ſaſſen wir zu Piſa zu Pfer-
de/ die wir bey unſerm Wirthe daſelbſt muͤtheten und rei-
ſeten
[385[381]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
ſeten im Nahmen Gottes mit einander fort und kamen auf den
Abend nach 6. Uhr zu Scala an/ allwo wir auch dieſe Nacht uͤ-
ber blieben.


Den 16. Dec. machten wir uns wieder auf und reiſeten
vollends nach der Stadt Florentz zu/ kamen auch durch Got-
tes Gnade gar gluͤcklich dahin/ lagen etzliche Tage ſtille allda uñ
ſahẽ uns wol um. Unterwegens zwar kamẽ wiꝛ auch auf etzliche
kleine Staͤdtlein/ von welchem aber nichts zu melden/ weßwe-
gen auch nicht noͤthig/ derſelben abſonderlich zugedencken.


Nachdem wir aber von hier nach Rom keine andere Ge-
legenheit haben konten/ haben wir andere friſche Pferde ge-
muͤthet/ ſeynd den 29. Dec. aufgeſeſſen und wieder fortgeritten/
da wir denn drauff nach Siena kommen. Jſt eine kleine Stadt/
liegt aber auf der Hoͤhe gar luſtig und iſt eine ſtatliche Hohe
Schule allda/ dahero denn auch die Jtalieniſche Sprache vor
allen andern Staͤdten in Welſchland daſelbſt am zierlichſten
geredet wird.


Von dannen ſind wir auf Viterbo kommen. Jſt eine
ziemliche groſſe Stadt/ wiewol nichts ſonderbares allda zu ſe-
hen iſt/ dahero auch/ als wir uns nach Nothdurfft daſelbſt
umgeſehen hatten/ ſind wir wieder fortgeritten und haben den
nechſten Weg nach Rom geſuchet/ muſten aber unterwegens
durch einen gantzen Kaſtanien-Wald hindurch/ ehe wir dahin
kommen.


DasVIII.Capitul.


Wie wir nach Rom kommen und was allda denckwuͤrdi-
ges zu ſehen und davon zu melden
iſt.


Den
[386[382]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

DEn 12. Jan. ſt. n. ſind wir Anno 1637. gluͤcklich nach Rom
kommen. Und weil mirs ſonderlich wol allda gefiel/ habe
ich mich in die 6. Wochen daſelbſt aufgehalten und mich
allendhalben in der Stadt/ in Kirchen/ Kloͤſtern und wo was zu
ſehen war fleiſſig umgeſehen und ſind mir ſehr viel Heiligthuͤ-
mer gezeiget worden.


Weil mich aber fuͤrm Kopff ſtoͤßt/ daß diß mein ſchlechtes
Reiſe Buch allzuweitlaͤufftig werden moͤgte/ wil ich nur der
vornehmſten davon gedencken und der uͤbrigen wegen den
wolgeneigten Leſer zu andern Schreibern weiſen/ die hiervon
gantze Buͤcher verfertiget und geſchrieben haben.


Als in der Kirchen S. Joan di Lat. wird gewieſen das Tuch
der heiligen Veronica, in welchem das vollkommene Angeſicht
Chriſti/ unſers allerliebſten Heilandes/ zu ſehen iſt/ wie es von
Natur geſtalt geweſen. Und daſſelbe iſt ſo damit zugangen.
Man ſagt/ daß ſolch Tuch dem HErrn JEſu/ als er unter ſei-
nem ſchweren Creutz zu Jeruſalem zur Stadt hinaus an ſei-
nen Creutz-Tod gegangen/ aus dem Hauſe Veronicæ gereichet
worden/ worein er alſo ſein blutſchweiſſiges Angeſichte gewi-
ſchet haben ſoll/ weßwegen es auch zum Gedaͤchniß deſſen/ als
gar ein groß Heiligthum/ allda zu Rom in dieſer Kirche ver-
wahret und gewieſen wird.


Deßgleichen werden auch allda gewieſen acht lange ſtei-
nerne Stuffen/ welche zur Zeit deß Leidens CHRJSTJ zu
Jeruſalem an Pilati Hauſe ſollen gelegen ſeyn/ auf welchen
man von der Gaſſen hinauf ins Hauß Pilati gegangen. Und
weil der HERR CHRJSTU Sauch druͤber gehen muͤſſen/
ſo hat man ſo ein groß Heiligthum draus gemacht/ daß man
ſie von Jeruſalem her geholet und gen Rom gebracht hat.


Sie
[387[383]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Sie ſind von grau und weiſſen glatten Marmelſtein/ in
deren einer ein Loͤchlein zu ſehen/ uͤber welches ein viereckicht
meſſinges Guͤterlein gemacht und gelegt/ deſſen Urſache dieſe
ſeyn ſoll/ weil ſonderlich auf dieſe Stuffe/ Vorgeben nach/ der
HErr Chriſtus ſeine allerheiligſte Bluts-Troͤpfflein ſoll haben
fallen laſſen/ davon hernach ſolch Loͤchlein hinein worden/ nach
dem man die Staͤtte vor groſſer Andacht mit ſo viel Roſarien
beſtrichen und mit Thraͤnen und andern Heiligthuͤmen beruͤhe
ret und angenetzet hat.


Ja es werden dieſe acht Stuffen heute zu Tage ſo heilig
gehalten/ daß kein Menſch mit Fuͤſſen drauf treten/ oder druͤber
gehen darff/ ſondern/ weil ſie herauſſen an gedachter Kirch-
S. Joan. Lat. vor der Kirch-Thuͤr liegen/ ſo muͤſſen die jenigen/ ſo
zum Gottes-Dienſt in dieſelbe hinein wollen/ auf den Knien
hinauf gehen und kriechen. Es ſind aber dieſelben nim̃er ledig/
ſondern/ wie ich ſelber mit Augen geſehen/ alle Augenblick mit
ſolchen armen (ich ſage albern) Kriechern angefuͤllet.


Ach wenn die Kinder deß Liechts bey dem hellen Liecht deß
heiligen Evangelij ſolchen Eifer brauchen ſolten/ nimmermehr
wuͤrden ſie es thun/ oder doch die allerwenigſten von denſelben.
Drum iſt hieraus zu ſehen/ wie feſt der Teufel die Seinigen zu
ſeinem falſchen Gottes-Dienſt verbindet und wie leicht er das
Menſchliche Hertz zu allen Aberglauben bereden kan/ wenn
daſſelbe von Gottes Wort abweichet und iſt ja wol wahr mit
ihnen/ was S. Paulus ſagt im 2. der 2. Ep. an die Theſſa-
lonicher untern 10. 11. und 12. Verſiculn: Dafuͤr/ daß ſie die Liebe
zur Warheit nicht haben angenommen/ daß ſie ſelig wuͤrden/
darum ſendet ihnen Gott kraͤfftige Jrrthuͤme/ daß ſie glaͤuben
der Luͤgen/ auf daß gerichtet/ oder geſtrafft werden
C c calle/
[388[384]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.
alle die der Warheit nicht glaͤuben/ ſondern haben Luſt an der
Ungerechtigkeit.


DasIX. Capitul.


Wie ich von Rom meinen Weg vollends wieder
nach Teutſchland und in mein Vaterland
genommen.


ALs ichs nun zu Rom auch ſatt hatte/ ſintemal mich die Lie-
be meines geliebten Vater-Landes nicht wenig zog/ bin
ich den 19. Febr. ſt. n allda wieder aufgebrochen und aber-
mals zu Pferde den nechſten Weg nach Loreto gangen/ d@ ſoll
das Hauß ſeyn/ darinnen die Jungfrau Maria den Engliſchen
Gruß empfangen und mit dem ewigen Sohne GOTTES
ſchwanger worden und ſoll daſſelbige von Nazareth dahin ge-
bracht worden ſeyn.


Von dannen bin ich auf Ancona kommen/ welches eine
groſſe Handels-Stadt iſt am Meere gelegen. Hier habe ich an-
dere Pferde gedinget und bin nach Bononien, welches auch ei-
ne vornehme und ſehr groſſe Stadt und deß Papſtes iſt. Von
dannen auf Ferrara, eine uhralte und ſehr feſte Stadt. Weiter
nach Ruigo, auch eine Stadt und von dannen auf die beruͤhm-
te ſehr groſſe und feſte Stadt Padua den Venetianern gehoͤrig
und endlich auf Venedig/ allda ich wieder zum weiſſen Loͤwen
eingekehret/ da ich hiebevorn auch auf meiner Hinein-Reiſe lo-
gir
et hatte/ wie der wolgeneigte Leſer drunten in dieſer meiner
Reiſe-Beſchreibung finden/ auch von einem und anderm Orte
Nachricht haben wird/ welches ich Kuͤrtze halben hier nicht wie-
derholen kan.


Habe
[389[385]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Habe mich demnach vor dißmal laͤnger nicht/ als zwey
Tage/ in Venedig aufgehalten/ ſondern alsbald meine Reiſe
durch Friaul genommen/ erſtlich auf die Stadt Palma. Jſt zwar
nicht groß/ aber eine uͤberaus ſtarcke Feſtung und iſt nimmer
ohne Beſatzung. Die Waͤlle um dieſelbe ſind trefflich ſtarck und
ſo hoch/ daß man die Haͤuſer darvor nicht ſehen kan.


Von dannen bin ich nach Kratiskia kommen. Jſt zwar
auch nicht eine groſſe Stadt/ iedoch noch eine ſtaͤrckere Feſtung
als Palma und iſt dem Roͤmiſchen Keyſer zuſtaͤndig und ge-
hoͤrig.


Aus Friaul bin ich den nechſten Weg durch Kerndten ge-
zogen und darinnen auf die Stadt Villach und dann auf S.
Veit eine andere kleine Stadt kommen.


Darnach durch die Steyermarck und darinnen auf die
Staͤdte Juͤdenburg/ ſo auf der Hoͤhe gelegen/ auf Knittelfeld/
Laban an der Muer und dann auf Bruck/ auch an der Muer.


Drittens durch Oeſterreich und darinnen auf die Staͤdte/
als Neuſtadt/ welche wegen deß Morraſts daherum ſehr feſte/
auf Bruck an der Leitte. Vors vierdte durch das Koͤnigreich
Ungern und darinnen auf die ietzige Haupt-Stadt Preßburg
und dann wiederum auf die Roͤmiſche Keyſerliche Reſidentz-
Stadt Wien in Oeſterreich.


Vors fuͤnffte durch Maͤhren und darinnen auf die
Staͤdte Nickolsburg/ Znehm/ Jglau und andere Fle-
cken.


C c c 2Vors
[390[386]]Siebenjaͤhrige Welt-Beſchauung.

Vors ſechſte durch das Koͤnigreich Boͤhmen und darin-
nen auf die Haupt-Stadt Prage/ ꝛc. biß ich endlich wieder ins
werthe Meißner-Land kommen und im ſelbigen auf die be-
ruͤhmte Berg-Stadt Freyberg/ Dreßden/ Meiſſen/ Oſchatz/
Wurtzen und Leipzig/ am allerfreulichſten aber zu meines Va-
ters Hauſe und zu meiner laͤngſt gewuͤnſchten Freundſchafft.
Alſo beſchlieſſe ich dieſes Reiſe-Buch/ gebe Gott die Ehre/ dem
wohlgeneigten Chriſtlichen Leſer den Nutzen und mir durch
Chriſtum/ meinen allerliebſten Heyland einſeliges


ENDE.



[][][][]

Lizenz
CC-BY-4.0
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Neitzschitz, Georg Christoph von. Des weilant Hoch-Edelgebornen/ Gestrengen/ und Vesten Herrn George Christoff von Neitzschitz/ uff Stöckelberg/ Wöhlitz und Zörbitz/ Sieben-Jährige und gefährliche Welt Beschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bpr2.0