oder
Philosophie
der
lebenden Natur
für
Naturforscher und Aerzte.
bey Johann Friedrich Röwer.
1802.
[[II]][[III]]
Vorrede.
Nur die Anwendung, nicht der Besitz, macht
den Werth des Reichthums. Eine geringe
Anzahl aus einem obersten Grundsatze abge-
leiteter, und zu einem consequenten Ganzen
verbundener Sätze ist schätzbarer, als alle un-
zusammenhängende Kenntnisse des gröſsten
Vielwissers. Jede Wissenschaft, deren Leh-
ren blos nach einem willkührlichen System ge-
ordnet sind, ist ein Schatz, der erst Zinsen
tragen soll, aber noch keine trug. Eine sol-
che Wissenschaft war bisher die Naturge-
schichte. Lange standen ihre Lehren so iso-
lirt, wie die Pyramiden in den Wüsten Ae-
gyptens. Als die Menge ihrer Erfahrungen
sich mehrte, fühlte man die Nothwendigkeit,
durch ein gewisses System die Uebersicht der-
selben zu erleichtern. Man suchte ein solches,
fand aber desto gröſsere Hindernisse bey der
Ausführung desselben, je mehr man mit der
Natur vertraut wurde. Diese Schwürigkeiten
* 2reitz-
[IV] reitzten den Wetteifer der Naturforscher. Je-
der sahe jetzt die Aufstellung einer fehler-
freyern Ordnung, als die seiner Vorgänger
waren, für die höchste Stufe in seiner Wis-
senschaft an; jeder schuf jetzt eine neue, und
verwarf alle ältere. Dies dauerte fort, bis
Linné mit einer Classifikation der Naturpro-
dukte auftrat, die den Forderungen Aller gröſs-
tentheils ein Genüge leistete, und die Keiner
ganz zu verdrängen sich getrauen durfte. Von
seiner Zeit an richtete sich alles auf die Aus-
feilung und Erweiterung dieses Systems. Je-
der suchte von nun an das Nehmliche für ein-
zelne Theile der Natur zu leisten, was Linné
für das Ganze gethan hatte. So entstanden
neue Systeme einzelner Zweige der Thier-
und Kräuterkunde in zahlloser Menge, und
zahllose Beschreibungen neuer Geschlechter
und Arten, und dieses Drängen und Treiben
um einerley Punkt währt bis auf den heutigen
Tag, und wird fortwähren, bis die Frage ge-
nugsam beherzigt seyn wird, was der eigent-
liche Zweck dieses Drängens und Treibens
seyn soll, und ob das Alles der Menschheit
wahrhaft frommen könne.
Zwar
[V]
Zwar gab es immer schon Männer, und
Linné selbst gehörte zu diesen, welche ein-
sahen, daſs alle jene künstlichen Systeme, ohne
Beziehung auf höhere Zwecke, nur schwerer
Tand seyen. Allein sie erhoben sich nicht zu
dem höchsten dieser Zwecke, und darum blieb
alles, was sie in Beziehung auf diesen liefer-
ten, bloſses Stückwerk. Das letzte Ziel aller
Naturforschung aber ist die Erforschung der
Triebfedern, wodurch jener groſse Organis-
mus, den wir Natur nennen, in ewig reger
Thätigkeit erhalten wird, und zu diesem Ziele
sind jene künstlichen Systeme, an denen so Vie-
le ganze Lebensalter hindurch ihre Kräfte ver-
schwenden, noch nicht der erste Schritt. Wir
haben erst ein bloſses Register, noch keine
Wissenschaft der Natur, so lange wir ewig
nur an diesen Systemen kleben, und nicht auf
die Erreichung jenes Ziels ausgehen. Ein
Werk, worin die vielen Thatsachen, die in
den Schriften der Naturforscher zerstreut lie-
gen, in Beziehung auf jenen Zweck zu einem
Ganzen verbunden wären, würde einen hö-
hern Werth haben, als alle Beschreibungen
neuer Thiere und Pflanzen, die uns weiter
* 3nichts
[VI] nichts sagen, als daſs diese so oder anders
aussehen, und in diesem oder jenem Winkel
der Erde zu finden sind.
Von der ersten Zeit an, als sich der Ver-
fasser dem Studium der Natur widmete, war
es eine seiner liebsten Ideen, ein solches Werk
für die lebende Natur einst zu liefern. Seine
Lust an diesem Gedanken wuchs, je mehr er
mit der Natur vertraut wurde, und je erhabe-
ner er von ihr denken lernte. Jene Idee wur-
de endlich der einzige Gegenstand seiner Be-
schäftigung in Stunden der Muſse. Zwar fühl-
te er die Last seines Unternehmens. Aber
der Gedanke hob ihn wieder, daſs es ehren-
voller sey, in der Ausführung eines groſsen
Plans zu scheitern, als einen kleinen zu been-
digen, und daſs Fleiſs, Beharrlichkeit und Lust
an der Arbeit, wenn auch nicht Werke des
Genies liefern, doch Werke des Genies vor-
bereiten. In dieser Ueberzeugung gieng er
schon vor acht Jahren an die Ausführung sei-
nes Vorhabens, weihete demselben von dieser
Zeit an jede geschäftsfreye Stunde, und ergriff
jede Gelegenheit, die ihm zur Erweiterung sei-
ner Blicke in das Wirken der Natur behülflich
seyn
[VII] seyn konnte. Jetzt glaubt er, seinen Gegen-
stand von allen Seiten genug erwogen zu ha-
ben, und genug vorbereitet zu seyn, um die
Resultate seiner Arbeiten nach und nach er-
scheinen zu lassen. Ueber die Grundsätze,
von denen er ausgegangen ist, und über die
Ordnung, die er in diesem Werke beobachten
wird, giebt die folgende Einleitung hinreichen-
de Auskunft. Nur über einige Dinge, die
dorthin nicht gehörten, und die dem Leser
doch zu wissen nützlich sind, wird hier eine
Erklärung nicht überflüssig seyn.
Der Verfasser kennt kein traurigeres und
geisttödtenderes Geschäft, als das Schreiben
und Lesen bloſser Compilationen. Schon das
bisher Gesagte wird auch hoffentlich den Leser
keine solche Arbeit hier befürchten lassen.
Was jenen zur Unternehmung dieses Werks
reitzte, war der Wunsch, den Reichthum al-
ler Zeitalter an reinen Erfahrungen unter all-
gemeine Gesichtspunkte zu bringen, und was
der Leser hier finden wird, sind also vielleicht
wankende Systeme, unhaltbare Theorien, und
voreilige Meinungen. Darum mögen die, die
blos nackte Erfahrungen, entkleidet von allem
* 4Ge-
[VIII] Gewande der Meinungen suchen, immerhin
dieses Buch nur gleich wieder bey Seite legen;
für sie wurde es nicht geschrieben. Aber für
die, die mit dem Verfasser glauben, daſs nur
der Geist, den wir der Erfahrung einhauchen,
der Erfahrung Werth giebt, sey Folgendes
gesagt.
Der Verfasser wird, wie gesagt, der Theo-
rien und Meinungen in diesem Werke manche
aufstellen. Aber er ist weit von dem Dünkel
jener entfernt, die ihre Träume und Visionen
für Wirklichkeiten halten, und ihren Behaup-
tungen eine Dauer, wie den Sätzen der Eukli-
des und Archimedes, zutrauen. Er glaubt,
daſs kein menschlicher Verstand die Subtilität
der Natur in irgend einem Stücke erreichen
kann, daſs alles, was Sterbliche über die Na-
tur dachten, denken, und denken werden, ver-
schwinden muſs, wie der Schnee an den Strah-
len der Frühlingssonne, so wie jene immer
mehr von ihrem Innern offenbaren wird, und
er zweifelte nie, daſs auch seiner Gedanken
dasselbe Schicksal warte. Aber er hoffte den-
noch, seinem Werke einen Werth geben zu
können, der es auf einige Zeit vor dem Unter-
gange
[IX] gange aller Meinungen schützen dürfte, wenn
er nicht den Strohm leitete, sondern sich von
diesem leiten lieſse, nicht die Natur seinen Mei-
nungen, sondern seine Meinungen der Natur
anpaſste. Und diesem Grundsatze hat er sich
auch bemühet und wird er sich ferner bemü-
hen, in diesem Werke treu zu bleiben. Der
Leser erwarte also, hier die Natur mit einem
Gewande bekleidet zu finden, das der Verfas-
ser ihr angepaſst hat. Aber er befürchte nicht,
sie in ein Gewand eingezwängt zu sehen, das
dieser für sie verfertigt hatte, ehe er sie
kannte.
Dieses Gewand wird manche Lücken ha-
ben. Der Verfasser wird sich auch keine Mü-
he geben, diese zu verbergen. Es ist Wahn
und Dünkel, zu glauben, daſs Flitterstaat der
Beredsamkeit, oder Blendwerke der Dialektik,
oder ein heiliges Dunkel die Blöſsen eines Sy-
stems auf immer den Augen der Welt sollten
entziehen können. Die, welche diesem Wah-
ne huldigten, zogen Sektirer und wurden von
diesen vergöttert. Aber der Weihrauch ver-
brannte bald, und die unverblendete Nachwelt
setzte sie in die Classe derer, die der Wahr-
* 5heit
[X] heit eben so viel, wo nicht mehr, geschadet,
als genützt haben. Nur der Ruhm derer blieb
unbefleckt, die sich nicht anmàaſsten, das gan-
ze unermeſsliche Gebäude der Natur erleuch-
ten zu wollen, sondern ihren Zeitgenossen und
der Nachwelt zuriefen: diese Seiten glauben
wir erleuchtet zu haben; aber trauet auch dem
Lichte nicht zu viel, daſs es euch nicht blende;
dort hingegen ist noch völlige Dunkelheit, und
dahin Licht zu bringen, wird euer Geschäft
seyn! Diese nützten ihren Zeitgenossen und
der Nachwelt selbst durch ihre Irrthümer. Und
zu dieser letztern Classe wünschte der Verfas-
ser zu gehören.
Von diesen Seiten hat also der Leser hof-
fentlich nichts zu besorgen. Was er aber wirk-
lich zu befürchten hat, ist leider! ein groſses
Werk, also freylich ein groſses Uebel. In-
zwischen, wir müssen groſse Bücher haben,
um kleine zu erhalten. Eines der erstern hofft
der Verfasser über den Gegenstand, worüber
er zu arbeiten sich vorgesetzt hat, einst zu be-
endigen. Aber zu einem kleinern hält er seine
Lebenszeit nicht für hinreichend. Doch wird
er auch nicht durch überflüssige Citate, oder
durch
[XI] durch weitläuftige Erörterung alles dessen,
was Andere vor ihm gemeint und gesagt ha-
ben, seine Schrift ohne Noth ausdehnen. In
einem Zeitalter, wo so oft Thatsachen nach
vorgefaſsten Meinungen gemodelt werden, in
der Hoffnung, daſs Niemand sich die Mühe
geben werde, jene an der Quelle zu untersu-
chen, scheint es dem Verfasser Pflicht zu seyn,
die Schriften, woraus er seine Beweise nahm,
immer bestimmt und treulich anzugeben. Aber
er hält es auch eben so sehr für Pflicht, hierin
die Mittelstraſse zu gehen, und nicht zehn
Gewährsmänner da anzuführen, wo der einzi-
ge, aus welchem alle übrige schöpften, hin-
reichend gewesen wäre. Er glaubt ferner,
daſs einer, der einen eigenen Weg geht, sich
nicht um das Thun und Lassen Anderer auf
dem ihrigen zu bekümmern hat, und daſs es
unrecht ist, von einem solchen hierüber Aus-
kunft zu verlangen. Ihm gehen nur die an,
die entweder schon vor ihm Theile des Weges,
den er eingeschlagen hat, bahnten, oder die
seinen Weg zu versperren suchten, um den ih-
rigen desto weiter und bequemer zu machen;
und nur solcher Vorgänger wird in dieser
Schrift Erwähnung geschehen.
Dies
[XII]
Dies ist es, was der Verfasser vorläufig
zu erinnern hatte. Er fügt noch hinzu, daſs
er seinem Werke das Loos beklatscht zu wer-
den eben so wenig, als das entgegengesetzte,
aber wenn eines von beyden seyn sollte, noch
lieber das letztere, als das erstere wünschen
würde. Ausgepfiffen wurden nicht immer nur
Thoren, sondern auch wohl Weise, die nicht
mithinkten im Lande der Hinkenden. Aber
beklatscht wurden immer nur Gaukler und
Possenreisser, niemals die Wahrheit, so we-
nig wie die Sonne, wenn sie heraufkömmt,
um Licht und Leben auf Erden zu verbreiten.
Uebersehen zu werden von dem groſsen Hau-
fen der Sektirer aller Art, nur die Aufmerk-
samkeit der wenigen ächten Wahrheitsforscher
auf sich zu ziehen, und bey diesen zu blühen
und Früchte zu tragen; ein solches Loos
wünscht der Verfasser seinem Werke, und er
wird sich glücklich schätzen, wenn dieser
Wunsch in Erfüllung geht.
Bremen, im May 1802.
[[XIII]]
Inhaltsverzeichniſs.
- Einleitung. Ueber die Interpretation der
lebenden Natur. - Erstes Capitel. Gegenstand und Wichtigkeit der
Biologie. S. 3. - Zweytes Capitel. Fundamentalsätze der Biologie.
S. 16. - Drittes Capitel. Mögliche biologische Systeme.
S. 83. - Viertes Capitel. Plan des empirischen Theils der
Biologie. S. 103. - Fünftes Capitel. Anhang. Ueber den Gebrauch
der Hypothesen in der Biologie, und über die Schran-
ken der praktischen Heilkunde. S. 119. - Geschichte des physischen Lebens.
- Erstes Buch. Gränzen der lebenden Na-
tur — Classifikation der lebenden Orga-
nismen nach der Verschiedenheit ihrer
Organisation — Gradationen der leben-
den Natur. - Erster Abschnitt. Gränzen der lebenden Na-
tur. S. 155. - Zweyter Abschnitt. Classifikation der le-
benden Organismen überhaupt. S. 160. - Dritter Abschnitt. Thiere.
- Erstes Capitel. Thiere überhaupt. S. 175.
- Zweytes Capitel. Säugthiere. S. 184.
- Drittes Capitel. Vögel. S. 223.
- Viertes Capitel. Amphibien. S. 247.
- Fünftes Capitel. Fische. S. 266.
- Sechstes Capitel. Mollusken. S. 304.
- Siebeutes Capitel. Crustaceeu. S. 340.
- Achtes Capitel. Insekten. S. 353.
- Neuntes Capitel. Würmer. S. 384.
- Vierter Abschnitt. Zoophyten.
Erstes Capitel. Classen der Zoophyten. S. 399. - Zweytes Capitel. Thierpflanzen. S. 405.
- Drittes Capitel. Pflanzenthiere. S. 415.
- Fünfter Abschnitt. Pflanzen.
Erstes Capitel. Allgemeine Bemerkungen über
die Organisation der Pflanzen. S. 426. - Zweytes Capitel. Classen der Pflanzen. S. 433.
- Sechster Abschnitt. Gradationen der leben-
den Natur. S. 447. - Zusätze und Verbesserungen. S. 477.
[[1]]
Einleitung.
Ueber die
Interpretation
der
lebenden Natur.
I. I. A
[[2]]
At illud de nobis ne dubitare quidem fas sit, utrum
nos philosophiam et artes et scientias, quibus utimur,
destruere et demoliri cupiamus: contra enim, earum et
usum et cultum et honores libenter amplectimur. Neque
enim ullo modo officimus, quin istae, quae invaluerunt,
et disputationes alant, et sermones ornent, et ad profes-
soria munera, ac vitae civilis compendia adhibeantur et
valeant; denique tamquam numismata quaedam consensu
inter homines recipiantur. Quin etiam significamus aper-
te, ea quae nos adducemus ad istas res non multum
idonea futura, cum ad vulgi captum deduci omnino non
possunt, nisi per effectus et opera tantum.
(BaconiNov. Organ. l. II.)
[[3]]
Einleitung.
Erstes Capitel.
Gegenstand und Wichtigkeit der
Biologie.
Wir finden die sichtbare Natur in zwey groſse
Reiche geschieden, in die leblose und in die leben-
de. Die erstere wurde schon sehr früh zum Gegen-
stande einer eigenen Wissenschaft gemacht, die
man mit dem zu viel umfassenden Namen Physik
oder Naturlehre belegte. Die letztere blieb dage-
gen immer verwaiset, und nur einzelne Theile
von ihr wurden in andern Wissenschaften, wo
man ihrer nicht entbehren konnte, als Gegenstände
beyläufiger Untersuchungen behandelt. Man frage
nicht, woher diese Vernachlässigung? Der Zufall
gebahr die Wissenschaften, und ihre Eintheilung
fiel daher eben so regellos aus, wie der Zufall
selbst. Wohl aber mag man fragen, wie diese
Vernachlässigung auch da noch fortdauern konnte,
nachdem schon richtigere Begriffe über die ver-
schiedenen Zweige des menschlichen Wissens in
Umlauf gekommen waren? Erst in den neuesten
A 2Zeiten
[4] Zeiten fieng man an zu ahnden, daſs die Lehre
von der lebenden Natur mit eben dem Rechte, wie
die von der leblosen, zum Range einer eigenen
Wissenschaft erhoben zu werden verdiene. Meist
aber blieb es noch bey der bloſsen Ahndung. Erst
Wenige versuchten es, jene Lehre als eine eigene
Wissenschaft zu behandeln, und diese Versuche
wurden immer nur einseitig in Beziehung auf die
Heilkunde gemacht.
Unsere Absicht ist, einen neuen Versuch der
Art zu wagen, wobey wir keine Rücksicht auf die
Anwendungen nehmen werden, die sich von den
Resultaten unserer Untersuchungen in irgend einer
Kunst oder andern Wissenschaft machen lassen.
Die Gegenstände unserer Nachforschungen werden
die verschiedenen Formen und Erschei-
nungen des Lebens seyn, die Bedingun-
gen und Gesetze, unter welchen dieser
Zustand statt findet, und die Ursachen,
wodurch derselbe bewirkt wird. Die
Wissenschaft, die sich mit diesen Gegenständen
beschäftigt, werden wir mit dem Namen der Bio-
logie oder Lebenslehre bezeichnen.
Wir unternehmen hiermit ein Werk, wozu
die Materialien bisher in den verschiedensten
Wissenschaften, vorzüglich aber in der Natur-
geschichte und in der theoretischen Heilkunde,
zerstreut lagen. Aus der Naturgeschichte, einer
Wissen-
[5] Wissenschaft, deren Gegenstand und Umfang nie
gehörig bestimmt war, gehören hierher die Bota-
nik und Zoologie, so wie die Mineralogie einen
Theil der Physik ausmacht. Was jene beyden Fä-
cher uns zu unserm Zwecke Dienliches liefern
können, betrifft indeſs meist nur die verschiedenen
Formen, unter welchen sich das Leben äussert.
Den Bedingungen, Gesetzen und Ursachen des
Lebens forschten bisher fast allein die Aerzte nach,
und aus deren Schriften werden wir daher die
Materialien zu diesem Theile unserer künftigen
Untersuchungen sammeln müssen.
Also nur bekannte Dinge unter einer neuen
Form! ruft man uns entgegen. Aber gesetzt wir
lieferten auch weiter nichts, als dies, so könnte
doch auch blos die neue Form schon von wichtigem
Nutzen seyn. Rechnet ihr es denn für nichts,
groſse Wahrheiten unter einen allgemeinen Ge-
sichtspunkt zu bringen? Leben ist das Einzige auf
Erden, was Reitz für den Menschen hat, das
Einzige, was den Sinn für Einfalt, Schönheit und
Erhabenheit nährt und erhält, das Einzige, was
dem Verstande immer neuen Stoff zum Denken
giebt, und zugleich für die Einbildungskraft eine
unerschöpfliche Quelle der lieblichsten Bilder ist.
Bey dem Leblosen weilt der Mensch nur, insofern
er in ihm einen Abglanz des Lebens, oder Lösun-
gen der vielen Räthsel zu finden glaubt, die ihm
A 3bey
[6] bey seinen Betrachtungen über die lebende Welt
aufstoſsen. Tod und öde Stille
sind für ihn schauderhafte Vorstellungen. Und es
sollte ein so ganz verdienstloses Werk seyn, das,
was Erfahrung und Nachdenken uns über diesen
erhabenen Gegenstand gelehrt haben, und was
bisher in den verschiedensten Fächern zerstreut lag,
zu einem Ganzen zu vereinigen? Es ist eine längst
anerkannte, aber noch nie gehörig angewandte
Wahrheit, daſs der Mensch nur durch eine gleich-
förmige Entwickelung aller seiner Geisteskräfte,
und nicht durch eine einseitige, wenn auch noch
so weit getriebene Cultur zur höchsten Stufe der
Humanität gelangt. Der bloſse Geometer, der
immer nur mit den reitzlosen Bildern des Raums
beschäftigt ist, erreicht diese eben so wenig, als
der bloſse Dichter, der nie das Zauberland der
Phantasien verläſst. Aber wo ist eine Wissenschaft,
die den Verstand und zugleich die Einbildungskraft
so sehr in Thätigkeit erhält, und daher der Erzie-
hung des Menschen zur Humanität so angemessen
ist, als diejenige, die wir in diesem Werke zu
bearbeiten uns vorgesetzt haben? Ihr werdet doch
nicht das, was man bisher Naturgeschichte nannte,
dafür annehmen, es müſste denn seyn, daſs ihr
die bunten Farben der Blumen und Schmetterlinge
für Mittel zur Cultur der Phantasie hieltet, und
Schärfung des Verstandes durch Erlernung will-
kühr-
[7] kührlicher, mit fragmentarischen Beobachtungen
vermischter Systeme zu bewirken glaubtet?
Aber man betrachte auch den Einfluſs, den die
Ausführung unsers Vorhabens auf mehrere der
wichtigsten Wissenschaften haben muſs, und man
wird diesem seinen Beyfall nicht versagen können.
Was waren Zoologie und Botanik bisher, als trock-
ne Namenregister, vermischt mit unzusammen-
hängenden Erfahrungen, und geordnet nach Syste-
men, die nicht, wie es seyn sollte, zum Mittel,
sondern zum Zweck gemacht wurden? Welcher
Mensch, der den Sinn für das Höhere noch nicht
verlohren hatte, konnte an diesem Gedächtniſswer-
ke Geschmack finden? Betrachtet man dagegen
jene Wissenschaften als Theile der Biologie, so
erscheinen beyde in einem ganz andern Lichte.
Wir erkennen dann die Nothwendigkeit der Syste-
me in ihnen an; aber wir behandeln diese nur als
höhern Zwecken untergeordnet, legen ihnen nicht
mehr Wichtigkeit bey, als sie wirklich verdienen,
und vermehren ihren Werth, indem wir sie nicht
blos in der Absicht entwerfen, um die Benennung
der Thiere und Pflanzen, und die Auffindung der
schon ertheilten Namen zu erleichtern, sondern
auch um als Leitfaden bey unsern biologischen
Untersuchungen zu dienen. Die Beobachtungen
über die Lebensweise der Thiere und Pflanzen, die
bisher in der Naturgeschichte ohne Zusammenhang
A 4umher
[8] umher lagen, erhalten dann ihre gehörige Stelle
und vereinigen sich zu einem Ganzen, worin der
Geist Einheit und Harmonie erblickt.
Noch mehr Werth erhält die Biologie, wenn
wir sie in Beziehung auf Oekonomie und Heilkun-
de betrachten. Es giebt keine Kunst, die von jeher
nach einer rohern Empirie getrieben wurde, als die
Landwirthschaft. Noch nie versuchte man es,
ihren Regeln eine vernünftige Theorie unterzule-
gen, und die edelste unter allen Beschäftigungen
des Menschen auch dem Geiste, und nicht blos
dem Herzen des Mannes von Bildung schätzbar zu
machen. Der Gegenstand der Landwirthschaft
aber ist die Erhaltung und Beförderung des vege-
tabilischen und animalischen Lebens. Die Biologie
muſs also die Grundzüge zu einer Theorie jener
Kunst enthalten; blos mit ihrer Hülfe können wir
zu entdecken hoffen, was dem Landwirthe zu wis-
sen Noth thut,
und aus ihrer Erweiterung müssen dem Ackerbau
und der Viehzucht die wichtigsten Vortheile zu-
flieſsen.
Die Biologie endlich ist auch die Basis al-
ler Heilkunde, und ihrer Vernachlässigung sind
unzäh-
[9] unzählige Irrthümer der Aerzte zuzuschreiben.
Der Zweck der Medicin ist Erhaltung der Ge-
sundheit und Heilung der Krankheiten. Ihre
Theorie beruhet also auf der Kenntniſs des gesun-
den und kranken Körpers. Aber um uns diese
Kenntniſs zu erwerben, müssen wir vorher wissen,
was Gesundheit und was Krankheit ist? Beyde
Zustände nun sind verschiedene Modifikationen des
Lebens. Um jene Frage zu beantworten, müssen
wir also erst ausmachen, was Leben ist, und also
die Biologie um Rath fragen. Diesen Weg hätten
die Aerzte gehen sollen, um eine philosophische
Theorie ihrer Kunst zu begründen. Aber wie
verfuhren sie dagegen? Sie stellten Erklärungen
von Gesundheit und Krankheit auf, die nicht aus
höhern Vordersätzen geschöpft, und darum man-
gelhaft waren, baueten hierauf zwey Wissenschaf-
ten, wovon sie die eine mit einem ganz unpassen-
den Namen Physiologie, die andere Pathologie
nannten, und füllten die erstere mit Dingen an,
die für den handelnden Arzt von geringem oder
gar keinem Nutzen seyn konnten. Um sich von
der Wahrheit dieser unserer Behauptung zu über-
zeugen, durchgehe man nur mit einem flüchtigen
Blicke die Schriften der vornehmsten praktischen
Aerzte von Galen an bis auf das letzte Jahrzehnd,
und halte sie gegen die gleichzeitigen physiologi-
schen Lehrbücher. Man wird finden, daſs diese
nie einen bedeutenden Einfluſs auf die Handlungs-
A 5weise
[10] weise jener Aerzte hatten, und daſs da, wo die
bloſse Empirie am Krankenbette nicht ausreichte,
das Verfahren derselben immer durch Dogmen
bestimmt wurde, die man in den damaligen Com-
pendien der Physiologie vergeblich sucht. Nur
Stahls Physiologie macht hiervon eine Ausnahme,
und ist bis auf die neuern Zeiten die einzige, die-
sen Namen führende Schrift, die, wenn auch nicht
in der Ausführung, doch in dem Plan für eine
Grundlage der Heilkunde gelten kann. Aber
Stahl war auch der Erste und der Einzige, der
den Begriff von Leben als den Punkt ansahe, wo-
von alle Untersuchungen der theoretischen Medicin
ausgehen müssen (a).
Nicht
[11]
Nicht weniger auffallend zeigt sich der Mangel
höherer Principien in der Heilkunde bey allen Ge-
legenheiten, wo es nothwendig war, zu bestim-
men, ob eine Erscheinung Resultat des Lebens,
oder Wirkung lebloser Agentien sey. Hätte man
früher eine Wissenschaft gehabt, deren Zweck die
Untersuchung der Formen, Bedingungen, Gesetze
und Ursachen des Lebens gewesen wäre, so würde
man eingesehen haben, daſs erst im Allgemeinen
ausgemacht werden müsse, was Leben sey, ehe
man über die Vitalität einzelner Erscheinungen ur-
theilen könne. Statt aber diesen Weg zu gehen,
disputirte man über die Vitalität einzelner Phäno-
mene, ohne mit Leben überhaupt einen bestimm-
ten Begriff zu verbinden, und disputirte immer fort,
ohne
(a)
[12] ohne am Ende über den streitigen Punkt etwas Ge-
wisses ausgemacht zu haben.
Einen Beweis dieser Behauptung, der selbst ei-
nem in der Theorie der Heilkunde wenig Bewan-
derten auffallen muſs, giebt der bekannte Streit
über die Vitalität des Bluts. Der Erste, welcher
dieser Flüssigkeit Leben beylegte, war Harvey(b).
Derselbe gründete seine Behauptung auf den Undu-
lationen, die er in dem Blute des rechten Herzohrs
bey scheinbarer Ruhe des letztern wahrgenommen
hatte. Blumenbach(c) widerlegte diesen Grund,
indem er fand, daſs jene Bewegung von der innern
Fläche des Herzens herrühre, und eben so gut er-
folge, wenn das rechte Herzohr mit einer Auflösung
von Hausblase, als mit Blute gefüllt wird. Allein
er hätte immerhin jene Undulationen für Wirkun-
gen einer dem Blute selbst beywohnenden Kraft an-
nehmen, und dennoch den Schluſs daraus auf die
Vitalität dieser Flüssigkeit so lange für voreilig er-
klären können, als es nicht bewiesen ist, daſs nicht
auch vom Leben unabhängige Kräfte die nehmliche
Erscheinung zu bewirken vermögen. Aber woher
dieser Beweis, so lange wir nicht wissen, was Le-
ben ist?
Einen
[13]
Einen andern Grund für die Vitalität des Bluts
nahm Hunter(d) von den Blutgefäſsen her, die
sich in gerinnendem Blute erzeugen. Ihn trifft der-
selbe Einwurf, den wir gegen den Harveyschen
Beweis gemacht haben. Zudem, der Dianenbaum
und andere metallische Vegetationen besitzen eine
Struktur, welche dem Aeussern nach der des vege-
tabilischen Organismus ganz ähnlich ist. Und was
fehlt jenen zum Leben? Etwa die Mischung der le-
benden Körper? Aber diese kennen wir ja nicht,
und wenn wir sie kennten, so würde doch noch zu
beweisen seyn, daſs gerade diese und keine andere
zur Hervorbringung des Lebens tauglich sey. Et-
wa das Vermögen durch Intussusception zu wach-
sen? Allein daſs der Dianenbaum durch Ansatz von
aussen wachse, ist eine unbewiesene Voraussetzung.
Kurz, wir sind nicht einmal im Stande darzuthun,
daſs der Dianenbaum aus der metallischen Auflö-
sung durch andere Kräfte, als die Gefäſse aus dem
Blute, gebildet werde, und wir halten uns für be-
rechtigt, diesem Vitalität beyzulegen, und jener
Auflösung dieselbe abzusprechen!
Aber wenn die bisherigen Gründe für die Vita-
lität des Bluts unhaltbar waren, so waren es die für
die gegenseitige Behauptung nicht minder. So wen-
det Blumenbach gegen den obigen Hunterschen
Grund ein, daſs die erwähnten Gefäſse nicht dem
Blute,
[14] Blute, als Blute, sondern der plastischen Lymphe
nach ihrer Absonderung von den übrigen Bestand-
theilen des erstern ihr Entstehen verdanken (e).
Allein wenn gerade die nach der Trennung vom
übrigen Organismus aufhörende Verbindung dieser
Bestandtheile zu einer homogenen Masse Wirkung
der Vitalität des Bluts wäre, so würde dieser Ein-
wurf seine Kraft verliehren. Und wendete man
hiergegen ein, daſs auch die Einwirkung todter
Kräfte auf das gelassene Blut jene Verbindung un-
terhielte, so lieſse sich das Beyspiel der Muskeln
entgegensetzen, die im lebenden Organismus durch
den vitalen Reitz der Nerven in Thätigkeit gesetzt
werden, obgleich auch Kräfte der leblosen Natur
auf sie als Reitze wirken.
Aus dem Angeführten erhellet hinlänglich, daſs
nur die Beantwortung der Frage, was Leben ist?
uns die Data zur Entscheidung des Streits über die
Vitalität des Bluts an die Hand geben kann. Aber
nicht bloſs dieser Punkt erwartet von jener Beant-
wortung seine Aufklärung; bey jedem Blicke in die
theoretische Medicin zeigen sich Dunkelheiten, die
nur von ihr Licht erhalten können. Wir gehen da-
her an die Ausführung unsers Unternehmens in der
festen Erwartung, daſs schon der Entwurf unsers
Werks, wenn auch nicht die Vollendung desselben
von den nützlichsten Folgen seyn wird. Um uns
aber
[15] aber vor Einseitigkeit zu hüten, werden wir, wie
schon einmal erinnert ist, in demselben keine Rück-
sicht auf die Anwendungen nehmen, die sich von
unsern Lehren auf Ackerbau und praktische Heil-
kunde machen lassen. Der Gesichtskreis dessen
verengert sich, der alles nur in Beziehung auf kör-
perliche Bedürfnisse betrachtet. Erhabene und
groſse Wahrheiten zu finden, ist nur dem vorbehal-
ten, der sich über die beschränkte Sphäre der all-
täglichen Welt erhebt, und die Wahrheit nicht in
Beziehung auf diese Sphäre, sondern ihrer selbst
wegen aufsucht. Uebrigens kann auch Wahrheit
nie ohne Einfluſs auf das Wohl der Menschen blei-
ben. Gelingt es uns, sie zu entdecken, so werden
sich ihre Anwendungen ohne unser Zuthun erge-
ben.
Zweytes
[16]
Zweytes Capitel.
Fundamentalsätze der Biologie.
Der Gegenstand unserer Untersuchungen ist das
physische Leben. Der erste Schritt hierin muſs al-
so die Beantwortung der Frage seyn: Was ist Le-
ben? Gerade dieser ist aber der schwerste unter al-
len. Noch keinem Schriftsteller glückte es, jene
Frage befriedigend zu beantworten. Dies soll in-
deſs unsern Muth nicht niederschlagen. Vielleicht
gelingt es unserer Kleinheit, was gröſsere Männer
umsonst versuchten. Finden wir übrigens eine be-
friedigende Erklärung des Lebens, so wird uns da-
mit auch der Gang bey unsern weitern Untersu-
chungen vorgezeichnet seyn.
Unter Leben denken wir uns einen Zustand
von Thätigkeit. Wir nennen ein Thier, eine Pflan-
ze lebend, so lange wir noch Spuhren von Wachs-
thum und Bewegung, also von Thätigkeit, bey ih-
nen antreffen. Allein zugleich denken wir uns die-
se Thätigkeit als etwas in dem Körper, dem wir
Leben zuschreiben, von Innen, nicht von Aussen
hervorgebrachtes. Das Meer, das vom Sturme be-
wegt wird, ist auch in Thätigkeit. Dennoch aber
schreiben wir ihm kein Leben zu: warum? weil
ihm jene Bewegung durch äussere Kräfte mitge-
theilt
[17] theilt ist. Jede Bewegung nun, welche von äus-
sern Kräften herrührt, welche mitgetheilt ist, nen-
nen wir eine mechanische, und diejenigen Bewe-
gungen, wodurch sich das Leben äussert, unter-
scheiden sich von den mechanischen, folglich da-
durch, daſs sie nicht durch äussere, sondern durch
innere Ursachen hervorgebracht werden.
So leicht nun auf den ersten Anblick die Unter-
scheidung der Lebensbewegungen von den mecha-
nischen zu seyn scheint, so unzureichend findet
sich bey genauerer Untersuchung der angegebene
Unterschied. Wäre der lebende Körper ein ganz
isolirtes Wesen, das jeden Grund seiner Bewegun-
gen nur in sich selbst enthielte, so wäre die Gränze
zwischen diesen und den mechanischen Bewegun-
gen freylich leicht zu ziehen. Aber alle Aeusse-
rungen seiner Thätigkeit sind Produkte einer Wech-
selwirkung zwischen ihm und der Aussenwelt, und
eben dies sind auch alle mechanische Bewegungen.
Die durch einen Stoſs in Bewegung gesetzte Masse
reagirt nicht minder gegen den stoſsenden Körper,
als die Muskelfaser gegen den Reitz, der Contrak-
tionen in ihr veranlaſst. Welches ist nun der un-
terscheidende Charakter jener Wechselwirkung,
woraus die mechanische Bewegung entspringt, von
der, welche die vitale Bewegung hervorbringt?
Hier liegt die erste der Schwürigkeiten, womit wir
bey der Erklärung des Lebens zu kämpfen haben.
I. Bd. BEine
[18]
Eine zweyte, noch gröſsere Schwürigkeit macht
die Unterscheidung der vitalen Bewegungen von
den chemischen und physischen. Zu diesen gehö-
ret z. B. das Aufbrausen, welches aus der Vermi-
schung der Alkalien und Säuren entsteht, das Gäh-
ren verschiedener Pflanzensäfte, die Bewegung der
Magnetnadel nach Norden u. s. w. Hier ist wieder
eine Wechselwirkung. Um zwischen ihr und der-
jenigen, woraus die vitalen Bewegungen entstehen,
eine Gränzlinie ziehen zu können, müſsten wir jene
chemischen und physischen Bewegungen von allen
Seiten kennen. An einer solchen Kenntniſs dersel-
ben fehlt uns aber noch vieles. Wir sind bey wei-
tem noch nicht mit allen Modifikationen der durch
die Elektricität, den Magnetismus, die chemische
Wahlanziehung, und so viele andere physische und
chemische Kräfte hervorgebrachten Bewegungen
bekannt. Bis diese Lücken in unserm Wissen aber
ausgefüllt sind, werden wir auch auf eine solche
Erklärung des Lebens, worin gewisse physische
oder chemische Bewegungen als empirische Merk-
male dieses Zustandes aufgenommen sind, Verzicht
thun, bis dahin jede Definition der Art als unbrauch-
bar ansehen müssen.
Unbrauchbar ist daher z. B. die Erklärung
Stahls, nach welcher Leben derjenige Zu-
stand eines, vermöge seiner Mischung,
zur baldigsten Verderbniſs geneigten
Kör-
[19]Körpers seyn soll, in welchem jene Mi-
schung unverändert bleibt(f). Offenbar
heiſst dies eine dunkele Sache durch eine noch dun-
kelere erklären. Denn was sind Mischungsverän-
derungen? Chemische Processe. Und wodurch un-
terscheiden sich diese von denjenigen, welche un-
aufhörlich im lebenden Körper vorgehen? Hier
verläſst uns die Erfahrung, und bloſs Hypothesen
stehen uns zu Gebote. Ferner, wie läſst sich be-
weisen, daſs die Mischung des lebenden Körpers
dieselbe noch ist, die wir nach dem Tode finden?
Bey dieser sehen wir freylich Hang zur Fäulniſs.
Aber daſs auch jene sich dazu neige, ist nicht mehr
Erfahrung, ist bloſse Meinung. Noch unbrauch-
barer ist von Humboldts ältere Erklärung, nach
welcher belebte Körper diejenigen sind, die des
ununterbrochenen Bestrebens ihre Ge-
stalt zu ändern ohngeachtet, durch ei-
ne gewisse innere Kraft gehindert wer-
den, ihre erste ihnen eigenthümliche
Form zu verlassen(g). Versteht man hier
unter Gestalt bloſs die Gröſse, Figur, Lage und
Verbindung der Theile, so wird diese Erklärung
durch die Metamorphose der Insekten widerlegt,
und
B 2
[20] und begreift man unter jenem Ausdrucke zugleich
die Mischung der Theile, so ist die obige Definition
einerley mit der Stahlischen, und daher denselben
Einwürfen, wie diese, ausgesetzt.
Ausser den beyden angeführten Schwürigkeiten
giebt es nun noch ein Drittes, was der Auffindung
einer zureichenden Erklärung des Lebens Hinder-
nisse in den Weg legt. In allen Sprachen nehmlich
wird Leben nicht bloſs von der Körper-, sondern
auch von der Geisterwelt gebraucht (h). Auch in
den Häusern des Orkus, ruft schon Homer aus,
lebt die Seele noch, obgleich kein Leichnam dahin
kömmt! Hierdurch verführt, verwechseln wir ge-
wöhnlich leben und beseelt seyn mit einan-
der. Der Ursprung dieser Verwirrung ist leicht zu
entdecken. In uns selbst finden wir ein gewisses
Etwas, das wir Seele nennen, dessen Wesen im
Empfinden, Denken und Wollen besteht, das vom
Körper afficirt wird, und wieder zurück auf den
Körper wirkt. Wir nehmen ferner wahr, daſs die
Wirkungen desselben auf den Körper gewisse Be-
we-
[21] wegungen zur Folge haben, die wir, wenn eine
freye Wahl dabey statt findet, willkührliche nen-
nen. Aehnliche Bewegungen nun treffen wir auch
bey den Thieren an. Wir sehen ausserdem bey die-
sen ähnliche Organe, wie die sind, die uns jene
Empfindungen zuführen, wodurch wir zu unsern
willkührlichen Handlungen bestimmt werden. Da-
her halten wir uns nach der Analogie für berechtigt,
auch den Thieren eine Seele zuzuschreiben, die
Worte lebend und beseelt seyn für einerley
anzunehmen, und den Körper nur für eine todte
Wohnung, die Seele aber für den lebenden Bewoh-
ner derselben zu halten, der durch drückende Fes-
seln an jenen Kerker gekettet ist, und erst nach Lö-
sung dieser Bande sein eigentliches Leben in schö-
nern Welten, einem Eden, Elysium, oder Walhal-
lah zu führen anfängt.
Ein Blick auf das partielle Leben, das in den
meisten thierischen Organen noch eine Zeitlang
nach der Trennung derselben vom übrigen Orga-
nismus fortdauert, muſs uns aber bald von dem
Ungrunde dieser Meinung überführen. Indeſs ist
jener Doppelsinn des Worts Leben geblieben, und
giebt noch immer zur Verwirrung ganz verschiede-
ner Begriffe Anlaſs. So behauptet Jacob(i), daſs
nichts Leben heiſsen könne, als wo Vorstellungen
die Bewegungen verursachen. “Alle übrige Er-
schei-
B 3
[22] scheinungen”, sagt er, “sind nur ein Analogon,
„nur ein scheinbares Leben. Uns ist kein inneres
„reelles Princip bekannt, als die Vorstellungen, an
„denen unsere Sinne nichts Aeusseres wahrnehmen,
„und an denen sie doch was Wirkliches vorstellen”.
Allein wir sehen, daſs der Herzschlag, die wurm-
förmige Bewegung der Gedärme, und überhaupt
jede thierische Bewegung eine Zeitlang unter Um-
ständen fortdauert, wo keine Einwirkung von Vor-
stellungen auf dieselben mehr statt finden kann.
Sind jene Bewegungen nur ein Analogon des Le-
bens, so frägt sich: was ist denn dieses Analogon?
und so ist das Bedürfniſs einer Erklärung nur auf-
geschoben, nicht weggeräumt.
Inzwischen sollte grade jener Doppelsinn uns
nicht zum Leitfaden dienen können, eine richtigere
Erklärung des Lebens zu finden? Der schlichte
Menschenverstand, der die Bedeutung und den Ge-
brauch der Wörter festsetzte, belegte nie zwey ver-
schiedene Subjekte mit einerley Prädikat, wenn
sich ihm nicht Analogien zwischen beyden, ob-
gleich freylich meist nur in dämmernder Ferne,
zeigten. Klären wir also jene Dämmerung auf!
Vielleicht finden wir auf diesem Wege, was wir
suchen.
Der Charakter des geistigen Lebens ist Will-
kühr. Ist also das physische Leben ein Analogon
des geistigen, so muſs sich in den Erscheinungen
dessel-
[23] desselben ein Schein von Willkühr finden, und
diesen treffen wir wirklich bey ihm an. Denn war-
um schreiben wir den abgeschnittenen und zucken-
den Muskeln noch Leben zu, als weil wir in ihren
Bewegungen noch eine Art von Willkühr erblicken?
Willkühr ist aber nur in Beziehung auf zufällige
Einwirkungen der Aussenwelt möglich, und der
Zweck derselben besteht darin, diese Einwirkun-
gen so zu modifiziren, daſs sie dem Zustande des
von ihnen aſſicirten Wesens angemessen werden,
und also den Schein der Nothwendigkeit erhalten.
Bey dem geistigen Leben ist daher das Gesetz von
der Gleichheit der Einwirkung und Gegenwirkung
aufgehoben. Der Spiegel der Seele wirft die Bilder
des Weltalls nicht so zurück, wie er sie empfan-
gen hat, sondern verändert sie, und bildet sich
aus ihnen eine andere Welt, die ihm angemessener
ist, als die der Urbilder. So muſs es auch bey
dem physischen Leben seyn. Auch der lebende,
aber seelenlose Körper steht unter zufälligen Ein-
flüssen, und er giebt dem Zufälligen bey diesen
Einwirkungen den Schein der Nothwendigkeit.
Das physische Leben ist daher ein Zustand, den
zufällige Einwirkungen der Aussenwelt
hervorbringen und unterhalten, in wel-
chem aber, dieser Zufälligkeit ohnge-
achtet, dennoch eine Gleichförmigkeit
der Erscheinungen herrscht.
B 4Aber
[24]
Aber woher die Gründe für diese Erklärung?
Ist sie richtig, so hat uns blos eine dunkele Ahn-
dung der Wahrheit auf sie geführt, und ehe wir
Gebrauch von ihr machen dürfen, liegt es uns ob,
ihre Wahrheit aus höhern Gründen zu beweisen.
Soviel ist ohne weitläuftige Erläuterung ein-
leuchtend, daſs die Einwirkungen der Aussenwelt
auf den lebenden Körper zufällig sind. Denn alle
lebende Körper sind mittel- oder unmittelbar den
Einflüssen geistiger Naturen, deren Charakter
Freyheit ist, ausgesetzt. Wo aber Freyheit herrscht,
ist Nothwendigkeit beschränkt, oder ganz aufge-
hoben. Einleuchtend ist es auch, daſs, dieser Zu-
fälligkeit der äussern Einwirkungen ohngeachtet,
die Erscheinungen, wodurch sich das Leben äus-
sert, doch einen gleichförmigen Gang behaupten.
Der Mensch und mit ihm jeder andere lebende
Körper wächst, pflanzt sein Geschlecht fort, und
verrichtet mit einem Worte alle vitale Funktionen
bey den verschiedensten Graden des Lichts und
der Wärme, bey den verschiedensten Nahrungs-
mitteln u. s. w. Es ist freylich wahr, daſs diese
Gleichförmigkeit allerdings gestört wird, wenn
jene Zufälligkeit gewisse Gränzen überschreitet.
Aber dies schränkt unsern Satz nur ein, ohne ihn
aufzuheben.
Es ist uns also nur übrig, zu beweisen, daſs
in der leblosen Natur keine Gleichförmigkeit der
Erschei-
[25] Erscheinungen bey zufälligen äussern Einwirkun-
gen statt finden kann, und daſs daher der von uns
angegebene Charakter des Lebens zur Unterschei-
dung desselben völlig zureichend ist. Zu diesem Be-
weise giebt es nur Einen Weg. Wir müssen von dem
Begriffe der Materie alles Unwesentliche absondern,
ihn so entkleidet zergliedern, bis wir die letzte zur
Möglichkeit der Materie überhaupt erforderliche
Grundkraft finden, und nun versuchen, ob sich
blos aus dieser Grundkraft eine Welt bilden läſst,
deren Erscheinungen bey veränderlichen äussern
Einwirkungen dennoch einen gleichförmigen Typus
beobachten.
Nehmen wir nun von dem Begriffe der Mate-
rie alles Unwesentliche hinweg, so erscheint sie
uns, als das Bewegliche, in so fern es
einen Raum erfüllt.
Diese Eigenschaft kann der Materie nur ver-
möge einer eigenen bewegenden Kraft zukommen.
Denn Erfüllung eines Raums und Undurchdring-
lichkeit sind identische Begriffe. Das Eindringen
einer fremden Materie in einen gewissen Raum
besteht in einer Bewegung derselben, und das Auf-
halten jenes Eindringens in einer Verminderung
oder Aufhebung dieser Bewegung. Eine Bewegung
aber kann nur durch eine andere, jener entgegen-
gesetzte Bewegung derselben Materie vermindert
oder aufgehoben werden. Nun ist die Ursache
B 5einer
[26] einer Bewegung eine bewegende Kraft. Folglich
erfüllt die Materie ihren Raum durch eine bewegen-
de (repulsive) Kraft.
Alle Theile der Materie müssen diese repul-
sive Kraft besitzen, weil sonst der Raum der er-
stern nicht ganz erfüllt seyn würde. Alle Theile
der Materie müssen also einander fliehen, und
unaufhörlich bemüht seyn, den Raum, den sie
erfüllen, bis ins Unendliche zu erweitern. Folg-
lich würde die Materie durch ihre repulsiven Kräf-
te allein sich ins Unendliche zerstreuen, und in
keinem anzugebenden Raume würde eine anzuge-
bende Quantität Materie anzutreffen seyn. Mithin
ist ein zweytes Erforderniſs zur Möglichkeit der
Materie eine der repulsiven Kraft entgegenwirkende
zusammendrückende, oder attraktive
Kraft.
Diese von Kant(k) zuerst aufgestellten Schlüs-
se sind Anwendungen der reinen Verstandesbegriffe
auf den Erfahrungsbegriff von der Undurchdringlich-
keit der Materie. Nun aber kennen wir keine Mate-
rie anders, als in Verbindung mit andern Materien.
Wir dürfen daher bey jenen Schlüssen die Materie
nicht als isolirt, sondern nur als einen Theil der gan-
zen Sinnenwelt betrachten. Hierdurch aber wird die
Annahme zweyer verschiedener Grundkräfte, der
Regel
[27] Regel zufolge, nicht mehr Ursachen natürlicher Er-
eignisse anzunehmen, als zur Erklärung der letztern
hinreichend sind, überflüssig gemacht. Widersteht
nemlich jede Materie dem Eindringen der übrigen in
ihren Raum vermöge ihrer repulsiven Kraft, so
werden dieser durch die repulsiven Kräfte jener
übrigen Materien eben so gut Schranken gesetzt,
als sie durch eine eigene attraktive Kraft begränzt
werden würde, und umgekehrt wirkt die repulsive
Kraft jeder einzelnen Materie wieder als beschrän-
kend auf die repulsiven Kräfte aller übrigen. Un-
richtig ist es also, wenn Kant(l) behauptet: “Die
„attraktiven Kräfte könnten nicht ursprünglich
„wieder in der Entgegenstrebung einer andern Ma-
„terie gesucht werden; denn diese bedürfte, damit
„sie Materie sey, selbst einer zusammendrückenden
„Kraft” (m).
Wenn die einzelnen Theile der Materie sich
bis ins Unendliche zu nähern streben, so können
diesem Bestreben eben so wohl durch eine Anzie-
hung von Aussen, als durch eine Zurückstoſsung
von Innen Gränzen gesetzt werden. Besäſsen also
alle
[28] alle Materien blos attraktive Kräfte, so würde die
anziehende Kraft jeder einzelnen auf die anziehen-
den Kräfte aller übrigen, und umgekehrt wurden
die anziehenden Kräfte aller übrigen auf die gleich-
namige Kraft jeder einzelnen als repulsive Kraft
wirken. Da es nun gleichgültig ist, welche von
zweyen entgegengesetzten Gröſsen für die positive
angenommen wird, so ist es einerley, ob wir uns
die zur Möglichkeit der Materie erforderliche Grund-
kraft als attraktive, oder als repulsive Kraft denken.
Aus dieser Annahme einer einzigen Grundkraft
ergeben sich zwey für den Verfolg unserer Unter-
suchungen wichtige Folgerungen, die sich bey der
Voraussetzung zweyer Grundkräfte nicht erweisen
lassen.
Erstens ergiebt sich daraus die Unendlich-
keit des Universums. Ist nehmlich jede Ma-
terie nur dadurch Materie, daſs andere Materien
auf sie einwirken, so kann das Weltall nirgends
Gränzen haben, weil sich sonst alle Materien ins
Unendliche zerstreuen würden.
Eine zweyte Folgerung aus jener Vorausse-
tzung ist: daſs keine partielle Bewegung
im Universum vorhanden seyn kann,
ohne daſs das Ganze daran Theil nimmt.
Denn Bewegung ist Stöhrung des Gleichgewichts
entgegengesetzter Kräfte. Diese Stöhrung aber
ist nur dadurch möglich, daſs die eine der letztern
wächst,
[29] wächst, indem die andere abnimmt. Folglich kann
keine Bewegung der Materie vorgehen, ohne daſs
die zu ihrer Existenz erforderliche Grundkraft zu-
oder abnimmt, indem diejenigen Kräfte, wovon
diese begränzt wird, eine entgegengesetzte Verän-
derung erleiden. Nun wird die Grundkraft jeder
einzelnen Materie durch die Grundkräfte aller übri-
gen begränzt. Also kann keine Bewegung in jener
statt finden, ohne daſs auch diese daran Theil
nehmen.
Ehe wir von diesen beyden Folgerungen wei-
tern Gebrauch machen, ist es nothwendig, zur
Rechtfertigung der erstern etwas beyzufügen. Die
Anwendung der Bedingungen der Erfahrung auf
den empirischen Begriff von der Undurchdringlich-
keit der Materie scheint uns hier auf einen Satz
zu führen, wohin wir mit Hülfe der erstern allein
nicht gelangen können. Inzwischen die Richtig-
keit dieser Folgerung ist nur scheinbar. Wir ge-
ben euch zu, kann man uns entgegensetzen, daſs
das Interesse der Naturforschung es erfordert, zur
Möglichkeit der Materie nur eine einzige Grund-
kraft anzunehmen. Aber ist es darum auch erlaubt,
mit dieser Grundkraft über die Gränzen der Sinnen-
welt hinauszugehen? Kann nicht jenseits des Ster-
nenhimmels, wohin die Erfahrung nicht mehr
reicht, eine Kraft vorhanden seyn, die dem Inbe-
griffe aller repulsiven Kräfte Schranken setzt?
Dieser
[30]
Dieser Einwurf setzt uns in eine ähnliche
Lage, wie die ist, worin sich der Philosoph in
Betreff des Daseyns Gottes, der Unsterblichkeit,
und der menschlichen Freyheit befindet. Jener
sieht sich von allen Mitteln zum Beweise der letz-
tern gänzlich verlassen. Aber es giebt auch keinen
Weg, worauf ihm das Gegentheil bewiesen wer-
den könnte. Er folgt daher blos dem Interesse
der Sittenlehre, und nimmt diese Meynungen an,
weil die Moral ihrer nicht entbehren kann. So
auch hier. Es läſst sich nicht darthun, daſs nicht
die Kette der repulsiven Kräfte, welche die sicht-
bare Welt bildet, durch eine gegenwirkende Kraft
irgendwo beschränkt ist. Aber es läſst sich auch
eben so wenig beweisen, daſs diese Kette sich
nicht ins Unendliche erstreckt. Es giebt hier also
keinen andern Ausweg, als der Voraussetzung zu
folgen, die dem Interesse der Naturwissenschaft
am angemessensten ist, und dieses geht offenbar
auf die einfachere Voraussetzung von einer einzi-
gen Grundkraft und von der Unbeschränktheit des
Weltalls. Wir müssen auch hier, wie bey den
oben erwähnten Gegenständen, ohne Beweis glau-
ben, oder auf alle Naturphilosophie Verzicht thun.
So weit unser Blick reicht, finden wir ewig
rege Thätigkeit im Universum. Wenden wir auf
diesen Erfahrungssatz die letztere der beyden obi-
gen Folgerungen an, so ergiebt sich, daſs auch
jenseits
[31] jenseits der Gränzen unsers Gesichtskreises bis in
die Unendlichkeit hin unaufhörliche Bewegung statt
finden muſs. Bewegung aber kann nur da statt
finden, wo entgegengesetzte Kräfte mit einander
im Streite sind. Soll dieser Streit fortdauern, so
muſs etwas vorhanden seyn, was den Uebergang
desselben zum Gleichgewichte verhindert. Was
ist nun jenes Etwas, das dem Streite entgegenge-
setzter Kräfte, wovon die unaufhörliche Thätig-
keit im Universum abhängt, Fortdauer giebt? Wir
haben hier eine Frage aufgeworfen, ohne deren
Beantwortung jeder Schritt in der Naturwissen-
schaft wankend und ungewiſs ist.
Schon in der Kindheit des Menschengeschlechts
forschte man nach der Lösung dieses Problems,
obgleich keiner sich dasselbe bestimmt dachte.
Aber auch hier gieng der menschliche Geist densel-
ben Weg, wie bey allen Nachforschungen nach
den Ursachen natürlicher Ereignisse. Gottheiten,
Heroen und Dämonen waren für ihn die Triebfe-
dern der ewig regen Thätigkeit im Universum.
Der reifere Verstand schränkte die Zahl dieser hy-
perphysischen Wesen ein. Doch nie gelang es ihm,
sich ganz von ihnen los zu machen. Immer blieb
es der unmittelbare Einfluſs der Gottheit, oder eine
Weltseele, worauf er endlich zurückkam.
Allein den letzten Grund der fortdauernden
Thätigkeit des Weltalls in dem unmittelbaren Ein-
flusse
[32] flusse der Gottheit zu suchen, ist dem Naturfor-
scher nur dann erlaubt, wenn ihm alle übrige
Auswege abgeschnitten sind. Ob dies hier der
Fall ist, werden folgende Betrachtungen zeigen.
Kraft können wir uns nur als etwas Endliches
denken. Endlich aber ist ihrer Natur nach keine
Kraft, als insofern sie durch eine entgegengesetzte
beschränkt wird. Wo wir daher Kraft denken, da
müssen wir auch eine ihr entgegengesetzte Kraft
annehmen. Zwischen entgegengesetzten Kräften
aber kann nur ein doppeltes Verhältniſs statt finden:
entweder sie sind im relativen Gleichgewichte, wo
sie als ruhend gedacht werden; oder man denkt
sie im fortdauernden, nie entschiedenen Streite,
da die eine wechselseitig siegt und unterliegt. Im
letztern Falle aber muſs wieder ein Drittes da seyn,
das diesem Streite Fortdauer giebt. Dieses Dritte
nun kann nicht selbst wieder Kraft seyn, denn
sonst kämen wir auf die vorige Alternative zurück.
Es muſs also etwas seyn, das höher ist, als selbst
Kraft. Allein Kraft ist das letzte, worauf alle
unsere physische Erklärungen zurückkommen: also
müſste jenes Dritte etwas seyn, was ganz ausserhalb
den Gränzen der Naturforschung liegt. Nun wis-
sen wir aber nichts Höheres, für welches Kräfte
überhaupt da seyn könnten, als den Geist: denn
nur ein Geist vermag Kräfte, und Gleichgewicht,
oder Streit von Kräften sich vorzustellen. Mithin
kann
[33] kann nur ein Geist dem Streite wechselseitig sie-
gender und unterliegender Kräfte Fortdauer geben.
Dies sind die Gründe, woraus der Neueste un-
ter den Vertheidigern einer Weltseele auf die Iden-
tität von lebend und beseelt schlieſst, und
ähnliche sind es auch, womit er die Nothwendig-
keit der Annahme einer Weltseele zur Erklärung
der fortdauernden Thätigkeit im Universum zu be-
weisen sucht (n). Keiner vor ihm setzte jene
Gründe mit so vieler Klarheit und Bestimmtheit
aus einander. Aber auch hier bestätigt es sich,
daſs das Irrige einer Meynung desto eher in die
Augen fällt, je deutlicher die Schlüsse, worauf
sich dieselbe stützt, dargestellt sind. Die Voraus-
setzung der Unendlichkeit des Weltalls überhebt
uns der hyperphysischen Hypothese von einer Welt-
seele. Denn was hindert uns jetzt, für jenes zur
Unterhaltung des Streits zweyer entgegengesetzten
Kräfte erforderliche Dritte wieder eine Kraft anzu-
nehmen? Wir kommen freylich hierbey auf die vori-
ge Alternative zurück. Aber da keine Kraft die letz-
te seyn darf, so darf uns diese Alternative nicht
irre machen. Eine Kraft ist es, die dem Streite
jedes Paars entgegengesetzter Kräfte Fortdauer
giebt; jene Dritte wird wieder durch eine vierte ihr
I. Bd. Centge-
[34] entgegengesetzte in Thätigkeit erhalten; und so er-
streckt sich diese Reise von Ursachen und Wirkungen
in die Unendlichkeit. Aber von jenem ersten Paar
entgegengesetzter Kräfte ist auch jede wieder das
für zwey andere entgegengesetzte Kräfte, was die
Dritte der obigen für sie ist; und so geht diese Ket-
te nicht blos von Einer, sondern auch von allen
Seiten in die Unendlichkeit über.
Jede einzelne Kraft in dieser unermeſslichen
Schaar, die der Verstand nicht mehr zu fassen ver-
mag, ist also durch alle übrige, und alle übrige
sind durch jede einzelne. Jede ist Ursache und
zugleich Wirkung, Mittel und zugleich Zweck,
jede ein Organ, und das Ganze ein gränzenloser
Organismus.
Aber nicht nur das Ganze, sondern auch jede
endliche Zahl von Kräften bildet einen Organismus.
Denn keine Kraft erleidet Veränderungen, ohne
daſs nicht auch jede andere daran Theil nimmt.
Je mehr sich unser Blick in die Natur erweitert,
desto mehr Beweise dieses Satzes liefert uns auch
die Erfahrung. Unsere Erde, und das System,
wozu diese gehört, zeugen laut für ihn, und jedes
Atom würde für ihn zeugen, wenn unser Auge
nicht zu blöde wäre, um das zu Kleine, wie das
zu Groſse fassen zu können.
Wäre hier der Ort, diese Zeugnisse, die uns
die Erfahrung für unsern Satz liefert, zu verfol-
gen,
[53[35]] gen, so würden wir zeigen, daſs das Wasser und
die Athmosphäre unserer Erde die Mittel sind, von
deren unaufhörlichen Zersetzungen und Zusammen-
setzungen alle Thätigkeit auf diesem Planeten ab-
hängt; daſs das Wasser den Stickstoff der Athmo-
sphäre erhält, so wie die gehörige Menge Sauer-
stoff in derselben durch das Ausathmen der Pflan-
zen unterhalten wird; und daſs umgekehrt die
Athmosphäre wieder die Erhalterin der gehörigen
Quantität und Mischung des Wassers ist. Wir
würden zeigen, daſs das Mineralreich die Gewässer
in Stickgas umwandelt, indem es diesen einen
Theil ihres Sauerstoffs entzieht, und daſs die Ath-
mosphäre wieder in Wasser übergeht, indem der
Stickstoff derselben mit ihrem Sauerstoff durch den
elektrischen Funken verbunden wird. Wir würden
die Ursache dieser elektrischen Materie in dem
Einflusse der Sonne und des Mondes auf unsern
Luftkreis finden, und beweisen, daſs die Einwir-
kungen jener beyden Himmelskörper auf die Erde
Galvanische Processe sind. Wir würden darthun,
daſs die Erde auch wieder Rückwirkungen auf die
Athmosphäre des Mondes äussert. Das Daseyn der
letztern würden uns aber sowohl Schröters Beo-
bachtungen, als die Gegenwart des Feuers auf die-
sem Begleiter unserer Erde, welche ohne Sauer-
stoffgas nicht statt finden könnte, wahrscheinlich
machen, und der Mangel an Flüssen und Meeren
auf seiner Oberfläche würde uns vermuthen lassen,
C 2daſs
[36] daſs jene Athmosphäre desselben entweder weniger
Sauerstoff, oder weniger Stickstoff als die unsrige
enthalten. Wir würden bemerken, daſs ausser der
Erde und dem Monde auch alle übrige Körper un-
sers Sonnensystems nicht nur in ihrem Laufe und
in ihren Bahnen sich wechselseitig stöhren und er-
halten, sondern auch auf die Organisation ihres
Innern gegenseitig einwirken, und daſs hierin die
Ursache des beträchtlichen Unterschieds zwischen
den Höhen der nördlichen und südlichen Gebirge
des Merkurs, der Venus und des Mondes zu su-
chen ist. Wir würden endlich einsehen, daſs un-
sere Sonne nebst ihren Planeten nur ein Planet mit
seinen Trabanten für ein gröſseres Sonnensystem
ist, ja, daſs das ganze Weltall nur ein einziges
gränzenloses System ausmacht. So würde die
ganze sichtbare Welt bis in die Unendlichkeit hin
den Satz beweisen, daſs alles organisirt ist, alles
von allem in Thätigkeit erhalten wird, und wir
würden einige Materialien zu einem schon von
Lambert(o) unter die desiderata gerechneten Wer-
ke geliefert haben, das auf den Titel Geist der
Naturgesetze Anspruch machen dürfte, an des-
sen Vollendung aber nur Männer von dem Range
der Baco, Newton, Leibnitz und Kant sich
wagen dürften.
Wir
[37]
Wir kehren von dieser Ausschweifung zu un-
serm Gegenstande zurück. Jeder einzelne Orga-
nismus ist abhängig von dem Universum. Wird
die Einwirkung des letztern auf ihn verändert,
so muſs sich eine gänzliche Umwandelung mit ihm
ereignen, und ein neuer, dem vorigen nicht mehr
ähnlicher Organismus muſs aus seinen Trümmern
hervorgehen — Da possim figere pedem, terram
monebo! Gesetzt, einem Archimed würde dieses
Verlangen gewährt, und die Erde aus ihren Angeln
gerissen, was würde erfolgen? Ihre jetzige Organi-
sation würde eine totale Revolution erleiden; keine
Spur derselben würde übrig bleiben; dennoch aber
würde sie zu einem neuen, [obgleich] dem vorigen
ganz unähnlichen Ganzen organisirt werden. Soll
also jedes einzelne, einen Theil des all-
gemeinen Organismus ausmachende or-
ganische System unverändert bleiben,
so darf die Einwirkung von aussen nicht
verändert werden, und der Willkühr
freyer Wesen kein Einfluſs auf dasselbe
gestattet seyn.
Mit diesem Satze ist nun die Absicht unserer
bisherigen Untersuchungen erfüllt, und unsere
obige Erklärung des Lebens gerechtfertigt. Wir
giengen auf die Beantwortung der Frage aus: ob
sich aus der Grundkraft, worauf uns der Begriff
von der Undurchdringlichkeit der Materie führt,
C 3eine
[38] eine Welt bilden lasse, in welcher bey zufälligen
und daher veränderlichen äussern Einwirkungen
doch eine Gleichförmigkeit der Erscheinungen statt
fände? Durch den eben gefundenen Satz wird die-
se Frage verneinend beantwortet, und hiermit ist
es also aus höhern Gründen bewiesen, was der
schlichte Menschenverstand schon längst aus Analo-
gien ahndete, und was uns schon oben die nähere
Beleuchtung dieser Analogien lehrte, nemlich, daſs
Gleichförmigkeit der Erscheinungen bey
ungleichförmigen Einwirkungen der
Aussenwelt den unterscheidenden Charakter
des Lebens ausmacht. Das Ziel, das wir erreicht
haben, ist der letzte Zweck alles Philosophirens
über die ersten Gründe der menschlichen Erkennt-
niſs. Der Mensch kannte diese, ehe noch Philo-
sophen waren. Aber er kannte sie nur in dunkeln
Begriffen. Das Geschäft des Philosophen ist, diese
Begriffe aufzuklären. Stellt er euch am Ende sei-
ner Arbeit ein Bild auf, das dem, was ihr ahndetet,
ganz unähnlich ist, so seyd versichert, daſs er
euch, oder sich selber getäuscht hat.
Ehe wir von der gefundenen Erklärung weitere
Anwendungen machen, wird es nicht überflüssig
seyn, vorher noch auf die Erklärungen, die man
bisher vom Leben gab, einen Rückblick zu thun.
Wir haben schon oben der Stahlschen und
Humboldtschen Erklärungen gedacht, und Bewei-
se
[39] se von der Unbrauchbarkeit derselben geliefert.
Von dem Standpunkte aus, den wir jetzt erreicht
haben, ist die Unrichtigkeit derselben augenschein-
lich. Beyde Männer ahndeten, daſs in der Art
der äussern Einwirkungen und der Reaktionen ge-
gen diese der unterscheidende Charakter des
Lebens liegen müsse. Aber beyde vermogten ihre
Begriffe darüber nicht zu entwickeln, und nahmen
daher zu unerwiesenen Voraussetzungen ihre
Zuflucht.
Nach Kant(p) heiſst Leben das Vermögen
einer Substanz, sich aus einem innern
Princip zum Handeln, einer endlichen
Substanz sich zur Veränderung, und
einer materiellen Substanz sich zur
Bewegung oder Ruhe, als Veränderun-
gen ihres Zustandes, zu bestimmen.
“Nun kennen wir”, sagt er, “kein anderes Princip
„einer Substanz, ihren Zustand zu verändern, als
„das Begehren, und überhaupt keine andere in-
„nere Thätigkeit, als Denken, mit dem, was da-
„von abhängt, Gefühl der Lust oder Unlust, und
„Begierde oder Willen. Diese Bestimmungsgrün-
„de aber und Handlungen gehören gar nicht zu den
„Vorstellungen äusserer Sinne, und also auch nicht
zu
C 4
[40] „zu den Bestimmungsgründen der Materie, als
„Materie. Also ist alle Materie als solche leblos”.
Man sieht, daſs diese Erklärung einerley mit der
oben erwähnten Jakobschen, und also denselben
Einwürfen ausgesetzt ist, die wir gegen die letz-
tere gemacht haben. Blos von uns selber können
wir mit völliger Gewiſsheit behaupten, daſs wir
uns aus einem innern Princip zum Handeln bestim-
men, nicht aber von irgend einem andern, ausser
uns befindlichen Wesen. Nun ist jedes Thier und
jede Pflanze den Einwirkungen unserer Willkühr,
also zufälligen und veränderlichen Einflüssen aus-
gesetzt, und doch lehrt die Erfahrung, daſs, trotz
der Veränderlichkeit dieser Einwirkungen, jene
Körper in der ihnen eigenen Thätigkeit unverändert
beharren. Der Stempel der Eigenthümlichkeit ist
also jenen Körpern zu tief eingedrückt, als daſs
sie sich der leblosen Natur beygesellen lieſsen. Wir
müſsten sie folglich mit einem neuen Namen bele-
gen, und als Mittelglieder zwischen uns, dem ein-
zigen Wesen im Universum, das wir lebend nen-
nen dürften, und der leblosen Natur ansehen. Und
was wäre hiermit gewonnen? Die Naturlehre wür-
de sicher nicht dabey gewinnen, und der schlichte
Menschenverstand sich dagegen empören.
Nicht weniger unrichtig erklärt Schmid(q) das
Leben, als die Wirksamkeit der Materie
nach
[41]nach Gesetzen der Organisation. Organi-
sation aber ist ihm mit Kantdie Einrichtung
eines Körpers, wo jeder Theil sich zu-
gleich als Mittel und als Zweck zu allen
übrigen verhält. Nach den oben erwiesenen
Sätzen bedarf es kaum mehr der Erinnerung, daſs
diese Erklärung viel zu weit, und nicht nur auf
das ganze Universum, sondern auch auf jedes ein-
zelne System desselben, z. B. auf unser Sonnensy-
stem, anwendbar ist. Unrichtig ist es daher auch,
wenn Schmid mit mehrern andern Schriftstellern
die leblose Natur unter dem Namen der unorga-
nischen der lebenden entgegenstellt. Unorga-
nisch ist nichts in der ganzen Natur. Nur unsern
eingeschränkten Blicken verdankt dieser Name sein
Entstehen.
Die nehmliche Erinnerung trifft die Erhard-
sche Erklärung (r), nach welcher der Charakter
des Lebens in dem Vermögen der Bewe-
gungen zum Dienste des Bewegten liegt.
Die Bewegung der Sonne um ihre Axe ist zum
Dienste des Bewegten; die Bewegung der Planeten
um sich selber und um die Sonne ist zum Dienste
des Bewegten, und so gilt mit Einem Worte diese
Definition, gleich der vorigen, so gut von dem
Sonnensystem, als von den Thieren und Pflanzen.
Auf
C 5
[42]
Auf eben so unrichtigen Voraussetzungen, als
die schon oben getadelte Erklärung von Humboldt’s
ist auch die gebauet, die er in der Folge an die
Stelle jener ältern gesetzt hat. Dieser zufolge ist
derjenige Stoff belebt, dessen willkührlich
getrennte Theile, nach der Trennung
unter den vorigen äussern Verhältnissen
ihren Mischungszustand ändern. “Ein
„Metall, oder ein Stein”, sagt von H. “kann ge-
„trennt werden, und bleiben die äussern Bedingun-
„gen dieselben, so werden die zertrennten Stücke
„auch die Mischung behalten, welche sie vor der
„Trennung hatten. Nicht so jedes Atom der be-
„lebten Materie, es sey starr- oder tropfbar flüs-
„sig” (s). Schon ein flüchtiger Blick auf diese Er-
klärung entdeckt einen Widerspruch in derselben.
Wird ein Theil vom Ganzen getrennt, so können
die äussern Verhältnisse desselben nicht mehr die
nehmlichen, wie vor der Trennung bleiben, und
jede Materie, die leblose sowohl, als die lebende,
muſs dann eine Aenderung ihrer Mischung erleiden.
Auch der Stein kann hiervon keine Ausnahme ma-
chen, und nur die Eingeschränktheit unserer Sinne
ist Schuld daran, wenn wir diese Mischungsverän-
derung bey ihm nicht wahrnehmen.
Endlich
[43]
Endlich giebt auch Schelver(t) einen unrich-
tigen Charakter des Lebens an, wenn er sagt:
“Die ganze Natur ist organisch, aber nur ein Theil
„derselben ist es als Phänomen, d. h. erscheint uns
„als ein vollendetes organisches Ganzes. Diese
„Theile der organischen Natur, die uns als vollen-
„dete Organisationen erscheinen, nennen wir die
„lebenden Körper”. Nach dieser Erklärung
wäre also Leben ein blos relativer Begriff, und die
Gränze, die wir zwischen der lebenden und leblo-
sen Natur ziehen, verdankte ihren Ursprung nur
unserm engen Gesichtskreise. Die oben erwiese-
nen Sätze aber widerlegen diese Behauptung. Jeder
lebende Körper ist zwar ein organisches Ganze;
aber nicht jedes organische Ganze ist auch lebend.
Dies mag zum Beweise der Unzulänglichkeit
aller bisherigen Erklärungen des Lebens genug
seyn. Wir gehen jetzt zur Anwendung des von
uns aufgestellten Charakters dieses Zustandes über.
Der Weg, den wir hierbey einschlagen werden,
ist folgender. Wir werden zuerst aus denjenigen
Sätzen, worauf uns die Zergliederung des Begriffs
der Materie führt, und aus dem Charakter des
Lebens die Möglichkeit der letztern darthun; wir
werden hieraus die verschiedenen Erscheinungen
und Modifikationen des Lebens ohne empirische
Voraussetzungen herzuleiten und zu erklären su-
chen,
[44] chen, und in diesem Versuche fortfahren, bis wir
zu einem Punkte gelangen, wo wir die Erfahrung
werden zu Hülfe nehmen müssen. Ehe wir uns
aber dieser Hülfe bedienen, werden wir vorher
die Probleme, die uns die Erfahrung auflösen
muſs, und die möglichen Antworten, die uns die-
se geben kann, festsetzen. Zu diesen Untersu-
chungen bedürfen wir indeſs noch einiger, die Or-
ganisation des Universums betreffender Sätze, die
wir hier erst entwickeln werden, bevor wir zu
jenen übergehen.
Der erste dieser Sätze ist: daſs alle ur-
sprüngliche, im Weltalle stattfindende
Thätigkeit in Veränderungen der Dich-
tigkeitsgrade der Materien und in Be-
wegungen der letztern besteht. Der Be-
weis liegt in der Natur der repulsiven Kraft, die
keine andere Veränderungen der letztern, als Er-
weiterung oder Beschränkung ihrer Wirkungssphä-
re, und Veränderung ihres Mittelpunkts im relati-
ven Raume zuläſst. Erweiterung jener Sphäre
aber giebt das Phänomen der verminderten, Be-
schränkung derselben das der vermehrten Dichtig-
keit der Materie, und Veränderung ihres Mittel-
punkts im relativen Raume erscheint uns als Bewe-
gung. Folglich läſst sich, wie gesagt, alle ur-
sprüngliche Thätigkeit im Universum auf diese
Veränderungen zurückführen.
Vermin-
[45]
Verminderte Dichtigkeit einer Materie nennen
wir Expansion, und vermehrte Dichtigkeit der-
selben Contraktion. Beyde begreifen wir un-
ter dem Namen chemischer Veränderungen.
Die Veränderungen der Mittelpunkte repulsiver
Kräfte im relativen Raume aber heissen mecha-
nische Veränderungen. Also sind alle ur-
sprüngliche Veränderungen im Weltalle
theils chemische, theils mechanische,
und jene bestehen entweder in Expan-
sionen, oder in Contraktionen.
Mit diesen chemischen und mechanischen Ver-
änderungen sind aber noch andere verbunden, von
denen unten die Rede seyn wird. Wir werden
jene durch den Namen der primitiven, oder
Urveränderungen von diesen secundären
unterscheiden.
Bey allen mechanischen Veränderungen einer
Kraft L wird der Raum, den sie mit einer andern
Kraft M einnimmt, erweitert oder verengert, das
heiſst, es finden bey denselben zugleich chemische
Veränderungen, und zwar entweder Expansionen
oder Contraktionen statt. Die Kraft L aber kann
sich weder von M entfernen, noch sich dieser nä-
hern, ohne daſs sich schon vorher eine andere
Kraft K, womit sie auf der entgegengesetzten Seite
in Wechselwirkung steht, im erstern Falle von ihr
entfernt, und im letztern ihr genähert hat. Eben
so
[46] so kann auch M sich von der Kraft L nicht entfer-
nen, oder sich derselben nicht nähern, ohne eine
andere Kraft N, womit sie auf der entgegengesetz-
ten Seite in Wechselwirkung steht, zu verrücken
und den Wirkungskreis derselben zu verändern.
So muſs nun überhaupt diese Reihe von Ursachen
und Wirkungen von beyden Seiten ins Unendliche
fortgehen, und hieraus folgt also:
- 1) Daſs jede mechanische Urverände-
rung eine chemische, und jede che-
mische eine mechanische hervor-
bringt; - 2) Daſs bey jeder Expansion und Con-
traktion einer repulsiven Kraft eine
unendliche Reihe von Kräften die
nehmliche Veränderung erleidet.
In dieser unendlichen Reihe muſs aber doch
eine Kraft seyn, die ihren Wirkungskreis zu-
erst verengert oder erweitert. Diese Verenge-
rung und Erweiterung nun läſst sich nur daraus
erklären, daſs im erstern Falle irgend eine Kraft
aus einer andern Reihe von repulsiven Kräften her-
austritt, und in jene erstere eindringt, im letztern
Falle aber umgekehrt eine Kraft aus der erstern
Reihe heraustritt und in die letztere eindringt. In
beyden Fällen muſs in der einen Reihe eine Expan-
sion erfolgen, indem die andere contrahirt wird.
Bey jeder Contraktion einer Reihe von
repul-
[47]repulsiven Kräften wird also eine an-
dere expandirt, und bey jeder Contrak-
tion der letztern entsteht eine Expan-
sion der erstern, oder mit andern Wor-
ten, alle Urveränderungen des Weltalls
beruhen auf der Sympathie und dem
Antagonismus verschiedener Systeme
von repulsiven Kräften.
Ausser diesen primitiven Veränderungen giebt
es aber, wie schon vorhin bemerkt ist, noch se-
cundäre. Erstens nehmlich bildet jedes
Paar mit einander in Conflikt stehender
repulsiver Kräfte eine zusammenge-
setzte Flächenkraft, deren Richtung
und Stärke verschieden ist, nach der
verschiedenen Intensität der einen
Kraft gegen die andere, und nach der
verschiedenen Lage ihrer Mittelpunkte
gegen den relativen Raum. Denn da jede
dieser beyden Kräfte, gleich dem Lichte, nach
allen Richtungen hin Wirkungsstrahlen aussendet,
so werden nur zwey dieser Strahlen in eine gerade
Linie fallen und einander aufheben. Alle übrige
werden sich scheiden, und also zusammengesetzte
Kräfte bilden, deren Richtung und Stärke von
dem Winkel, den die beyden Wirkungsstrahlen
einschliessen, und von dem Verhältnisse des Stär-
ke- Grades der einen Kraft gegen den der andern
abhängt.
[48] abhängt. Jener Winkel aber hängt von der Lage
der beyden Punkte, woraus die Wirkungsstrahlen
entspringen, im relativen Raume ab. Folglich be-
stimmt diese Lage und das erwähnte Verhältniſs
die Richtung und Stärke der zusammengesetzten
Kräfte. Da nun dieses Verhältniſs für jedes Paar
einander entgegengesetzter Wirkungsstrahlen das
nehmliche ist, so werden die Richtungen aller
jener zusammengesetzten Kräfte in einerley Fläche
fallen, und diese werden also vereinigt eine einzige
Flächenkraft ausmachen.
Man setze jetzt mit den beyden vorigen Kräften
noch eine Dritte in Conflikt, so werden die Wir-
kungsstrahlen der letztern mit denen der beyden
erstern ebenfalls Flächenkräfte bilden; diese werden
sich mit der, welche aus dem Conflikte der beyden
erstern entstand, zu einer neuen Flächenkraft von
einer dritten noch höhern Ordnung vereinigen,
und diese dritte Kraft wird verschieden seyn nach
der verschiedenen Stärke jener Kräfte und nach
der verschiedenen Lage ihrer Mittelpunkte gegen
einander. Man vermehre die Zahl der repulsiven
Kräfte ins Unendliche, und man wird eine unend-
liche Menge unendlich zusammengesetzter Flächen-
kräfte erhalten. Hieraus folgt also zweytens: daſs
in der Natur, ausser den primitiven,
nach allen Richtungen hin wirkenden
Kräften, auch noch secundäre Flächen-
kräf-
[49]kräfte vorhanden sind, deren Zusam-
mensetzung ins Unendliche geht.
Durch die Richtungen dieser Flächenkräfte
werden die Gränzen der repulsiven Kräfte be-
stimmt, und von diesen Gränzen hängen drittens
die Formen der Körper ab. Hiermit ist also
alles abgeleitet, was wir zur Construktion der leb-
losen Natur bedürfen. Unsere Voraussetzung lei-
stet uns folglich dieselben Dienste, die der Corpus-
cular-Philosoph aus seiner Hypothese von ur-
sprünglichen körperlichen Elementen zieht, ohne
einem der Einwürfe, die sich gegen diese machen
lassen, ausgesetzt zu seyn. Zu einem Versuche
jener Construktion ist hier indeſs der Ort nicht.
Wir begnügen uns, nur noch zwey Sätze, deren
wir bey unsern folgenden Untersuchungen bedür-
fen, den bisherigen beyzufügen.
Die Flächenkräfte, und daher auch die Formen
der Körper sind abhängig von der verschiedenen
Stärke der repulsiven Kräfte, wodurch sie gebildet
werden, und von der verschiedenen Lage, worin
sich die Mittelpunkte dieser Kräfte gegen einander
befinden. Nun ist jede Expansion und Contraktion
eines Systems von repulsiven Kräften mit einer
Veränderung jener Lage verbunden, und zugleich
ist jede derselben sowohl Ursache als Wirkung ei-
ner mechanischen Urveränderung. Folglich
werden bey jeder chemischen und me-
I. Bd. Dcha-
[50]chanischen Urveränderung neue Flä-
chenkräfte und neue körperliche For-
men gebildet.
Die Ursachen, wodurch diese primitiven und
secundären Veränderungen beständig unterhalten
werden, entspringen aus der Unendlichkeit. Jede
Ursache kann daher nur einmal und nicht wieder
statt finden. Jedes materielle System durchläuft
also eine unendliche Reihe von Veränderungen,
ohne je zu dem Punkte, wovon es ausging, zu-
rückzukehren. In jener Reihe kann folglich keine
absolute Gesetzmäſsigkeit herrschen: Denn diese
ist nur da, wo ein Kreislauf herrscht. Nun aber
zwingt uns dennoch ein Bedürfniſs der Vernunft,
Gesetzmäſsigkeit in der Natur anzunehmen. Diese
kann daher nur relativ seyn. Die Reihe von
Veränderungen, welche jedes materielle
System durchläuft, muſs so beschaffen
seyn, daſs dieses nach gewissen Revolu-
tionen irgend einem Zustande, worin es
sich vorher schon einmal befand, wieder
nahe kömmt, ohne doch mit demselben
ganz zusammenzutreffen, oder jene muſs
sich unter dem Bilde einer Spirallinie
darstellen lassen, worin sich ein beweg-
ter Körper jedem beliebigen Punkte im-
mer wieder nähert, um sich immer wei-
ter von demselben zu entfernen.
Nach
[51]
Nach diesen Voraussetzungen kehren wir zu
unserm eigentlichen Gegenstande zurück, und
zwar wenden wir uns zuerst zu der Frage: wie
jener Zustand, den wir Leben genannt haben, mög-
lich ist?
Wir haben gezeigt, daſs alle Materie organisirt
und unaufhörlichen Veränderungen unterworfen ist,
daſs aber in jener Organisation und in diesen Ver-
änderungen nur so lange etwas Bleibendes ist, als
die äussern Einwirkungen, wodurch die letztern
erregt werden, unverändert bleiben. Keine Ma-
terie, und also auch nicht die der lebenden Orga-
nismen, kann hiervon eine Ausnahme machen.
Wer diesen Satz läugnet, muſs der Materie des
lebenden Organismus die Undurchdringlichkeit ab-
sprechen, und also zu einer Absurdität seine Zu-
flucht nehmen. Die Ausnahme, welche die Mate-
rie der lebenden Körper von dem obigen Satze zu
machen scheint, kann folglich nur scheinbar seyn.
Es muſs ein Damm vorhanden seyn, woran sich
die Wellen des Universums brechen, um die le-
bende Natur in den allgemeinen Strudel nicht mit
hereinzuziehen. Dieses Mittelglied nun zwischen
dem allgemeinen Organismus und der Materie der
lebenden Organismen, wodurch die veränderliche
absolute Stärke der äussern Einwirkungen relative
Gleichförmigkeit erhält, kann nicht einerley mit
der zur Möglichkeit der Materie erforderlichen
D 2Grund-
[52] Grundkraft seyn, weil sie in diesem Falle entweder
zum lebenden Organismus, oder zur Aussenwelt
gehören, und also die Schwürigkeit nicht gehoben
seyn würde. Wir nennen sie daher Lebens-
kraft (vis vitalis), um sie von jener Grundkraft
zu unterscheiden.
Immer erregt es, wie schon im Vorigen erinnert
ist, ein günstiges Vorurtheil für philosophische
Untersuchungen über die ersten Gründe der
menschlichen Erkenntniſs, wenn die Resultate
derselben mit den Ahndungen des gemeinen Men-
schenverstandes zusammentreffen. Auch zu un-
sern Untersuchungen wird man also um so mehr
Zutrauen fassen, wenn man sieht, daſs wir den
Grund des Lebens in einer Ursache suchen, die
man schon in der Kindheit der Biologie unter dem
Namen eines ὲνοϱμιο῀ν, Lebensgeistes, oder Archeus
ahndete. Zwar verwirft unser jetziges Zeitalter
diese Ahndung, nennt sie eine hyperphysische
Hypothese, und setzt an die Stelle derselben die
bloſse Form und Mischung der Materie. Allein
jede Grundkraft ist ein hyperphysisches Wesen.
Es ist Zweck der Naturwissenschaft, die Zahl dieser
hyperphysischen Wesen so viel, wie möglich, zu
vermindern. Aber der Zusatz, so viel, wie
möglich, schlieſst auch alle willkührliche Voraus-
setzungen bey dieser Vereinfachung aus. Daſs
übrigens die bloſse Form und Mischung der Mate-
rie
[53] rie des lebenden Organismus den Grund des Lebens
enthalten sollte, widerstreitet, wie aus den obigen
Sätzen erhellet, den metaphysischen Lehren der
Naturwissenschaft. Keine Materie, ihre Form
und Mischung mag beschaffen seyn, wie sie will,
kann für sich gleichförmig reagiren, wenn die Ein-
wirkungen, wodurch diese Reaktionen hervorge-
bracht und unterhalten werden, zufällig und also
veränderlich sind. Jene Hypothese fällt mit un-
serer Erklärung des Lebens, und sie würde gewiſs
nie vorgebracht seyn, wenn man sich erst nach
einer Bestimmung der unterscheidenden Charaktere
dieses Zustandes umgesehen hätte, ehe man die
Möglichkeit desselben zu erklären unternahm.
Ich weiſs, was man mir entgegensetzen wird.
Deine Schlüsse, wird man sagen, haben ihre Rich-
tigkeit, sobald eine repulsive, oder attraktive Kraft
das Einzige Agens in der leblosen Natur ist.
Aber wo ist dies bewiesen? Daſs eine einzige
Grundkraft zur Möglichkeit der Materie überhaupt
hinreicht, berechtigt dies, auch alle specifiquen
Qualitäten der Materie von dieser Grundkraft ab-
zuleiten? Sind nicht vielleicht auch chemische Wahl-
anziehung, Elektricität und Magnetismus Produk-
te eben so vieler verschiedener Grundkräfte, und
ist nicht vielleicht das, was du Lebenskraft nen-
nest, ein Resultat des Zusammenwirkens jener
Kräfte im lebenden Organismus, da sie in der
leblosen Natur immer nur isolirt wirken?
D 3Die-
[54]
Dieser Einwurf würde freylich von Gewicht
seyn, wenn der Vorwurf, den Schelling(n) der
Kantischen Hypothese von einer attraktiven und
repulsiven Kraft, als Grundkräften der Materie,
mit Recht macht, daſs sie blos die verschiedenen
Dichtigkeitsgrade der Körper, nicht aber die spe-
cifiquen Qualitäten und Formen derselben erkläre,
auch unsere Voraussetzung von einer einzigen
Grundkraft träfe. Es ist aber oben gezeigt worden,
daſs sich aus dieser eine unendliche Mannichfaltig-
keit von zusammengesetzten Kräften und Formen
herleiten läſst. Und bey diesem Reichthume an
Erklärungsgründen haltet ihr euch für berechtigt,
noch andere Grundkräfte ausser der repulsiven
in die Natur einzuführen?
Gesetzt aber, es wäre auch aufs strengste dar-
gethan, daſs zur Erklärung mancher Phänomene,
die wir gewöhnlich als Wirkungen lebloser Agen-
tien betrachten, noch eine andere Grundkraft aus-
ser der von uns angenommenen nothwendig sey,
so hättet ihr noch zu beweisen, daſs jene zweyte
Grundkraft nicht einerley mit unserer Lebenskraft
sey, und daſs jene Erscheinungen nicht zu denen
der lebenden Natur gerechnet werden können,
ehe ihr einen Einwurf davon gegen uns hernehmen
dürftet. Aber wie diesen Beweis führen? Wir
kön-
[55] können eben so wenig bestimmen, wo der niedrig-
ste Grad des physischen Lebens ist, und wo dieses
zum Leblosen übergeht, als wir die höchsten Stu-
fen des Lebens anzugeben und zu behaupten ver-
mögen, daſs nicht über dem Menschen Wesen von
einem noch höhern Grade der Vitalität stehen.
Noch mehr! Erklärt eure Hypothese auch
wirklich mehr, als die unsrige? Laſst sehen, wie
weit wir mit ihr ausreichen. Sind chemische
Wahlanziehung, Licht u. s. w. nicht Produkte der
repulsiven Grundkraft, sondern Wirkungen eigener
Kräfte, so müssen diese entweder mit der repulsi-
ven Kraft Modifikationen einer und derselben
Grundkraft, oder, wie die letztern, eigene Grund-
kräfte seyn. Ist ferner der lebende Organismus ein
Produkt eines besondern Zusammenwirkens jener
verschiedenen Kräfte, so frägt sich: wodurch wer-
den dieselben zu dieser eigenen Zusammenwirkung
determinirt? Nehmt ihr sie für Modifikationen
einer und derselben Grundkraft an, so ist keine
andere Beantwortung dieser Frage, als aus der
ursprünglichen Einrichtung des allgemeinen Orga-
nismus möglich? Aber woher diese ursprüngliche
Einrichtung? Hier liegt ein Knoten, den ihr ohne
Dichtungen nicht zu lösen im Stande seyd. Nehmt
ihr jene Kräfte für eben so viele verschiedene
Grundkräfte an, so entsteht wieder die Frage, was
diese Grundkräfte in der lebenden Natur an einander
D 4bin-
[56] bindet? und ihr seyd auch bey dieser Voraussetzung
gezwungen, aus dem Lande der Fiktionen einen
Weltgeist zu Hülfe zu rufen. Eure Hypothese ver-
steckt also das groſse Räthsel, aber löset es nicht.
Nach dem bisher Gesagten sind also zwey
Grundkräfte, die repulsive Kraft und die Lebens-
kraft, die einzigen, deren wir zur Möglichkeit der
materiellen Welt bedürfen. Jene bildet die leblose,
diese in Verbindung mit jener die lebende Natur.
Ausser diesen beyden Welten kennen wir aber
noch eine Dritte, die der geistigen Naturen, und
zwar kennen wir diese nur in Verbindung mit dem
physischen Leben. In welchem Verhältnisse steht
nun jene geistige Welt gegen das letztere? Ist nicht
vielleicht die Lebenskraft einerley mit dem denken-
den Princip, und der gemeine Glaube, nach wel-
chem leben und beseelt seyn für einerley
angenommen wird, gegründet? Wir müssen auf
diese, schon oben berührte Frage hier noch einmal
zurückkommen, um einem Miſsverständnisse vor-
zubeugen. Wer nach der Identität von leben
und beseelt seyn fragt, verlangt entweder zu
wissen, ob alle Erscheinungen des physischen Le-
bens ursprünglich willkührliche Handlungen sind?
oder er wünscht zu erfahren, ob jene Phänomene
insgesammt unmittelbare, doch nicht mit Bewuſst-
seyn verbundene Wirkungen der Seele auf die re-
pulsiven Kräfte ihres Körpers ohne Vermittelung
einer
[57] einer Dritten, von ihr und diesen repulsiven Kräf-
ten verschiedenen Grundkraft sind? Man sieht,
daſs in beyden Fällen lebend und beseelt für
einerley, doch in einem ganz verschiedenen Sinne
angenommen werden könne. Beyde sind aber oft,
und besonders von mehrern Schriftstellern aus der
Schule Stahls mit einander verwechselt. Die
Beantwortung der erstern Frage mag ausfallen, wie
sie will, so wird doch dadurch die Hypothese von
einer eigenen Lebenskraft so wenig umgestoſsen,
als bewiesen. Daſs sie indeſs verneinend beant-
wortet werden muſs, erhellet aus der Fortdauer
der Lebenserscheinungen in den thierischen Orga-
nen nach der Trennung der letztern vom übrigen
Organismus, wobey niemand eine fortdauernde
Einwirkung von Vorstellungen auf die getrennten
Organe annehmen wird. Was die letztere Frage
betrifft, so liegen die Gründe zur Bejahung oder
Verneinung derselben ganz ausserhalb der Sinnen-
welt, und es ist also gar keine Antwort darauf
möglich. In diesem Sinne aber kann die Verschie-
denheit oder Identität von lebend und beseelt dem
Biologen auch ganz gleichgültig seyn.
Aus den obigen Sätzen folget, daſs Leben der
Materie etwas durchaus Fremdes ist. Die Bewe-
gungen, die wir an dem lebenden Organismus
wahrnehmen, sind theils mechanische, theils che-
mische. Sie unterscheiden sich in keinem Stücke
D 5von
[58] von denen, die wir in der leblosen Natur finden,
als blos darin, daſs die äussern Anläſse, denen sie
ihr Entstehen verdanken, nicht unmittelbar, son-
dern durch die Lebenskraft modifizirt, auf die
Materie des lebenden Körpers einwirken. Geht
z. B. der Sauerstoff, wie man sagt, in dem thie-
rischen Organismus mit dem Kohlenstoff wirklich
eine Verbindung ein, so geschieht dieser Proceſs
hier bey einer Temperatur, wobey sich derselbe
nie in der leblosen Natur ereignet (v). Aber nichts
desto weniger ist jene Verbindung im thierischen
Körper so gut ein chemischer Proceſs, wie in der
leblosen Natur; nur ist das, was sich in jenem
mit dem Kohlenstoff zur Kohlensäure vereinigt,
nicht mehr Sauerstoff, sondern ein Drittes, welches
blos in der lebenden Natur existirt.
Da also die Materie des lebenden Körpers den-
selben Gesetzen folgt, denen die leblose Natur un-
terworfen ist, so muſs
- 1) jeder Theil desselben Mittel und zugleich
Zweck für das Ganze seyn. - 2) Da aber die Lebenskraft zwischen dem leben-
den Körper und der übrigen Natur eine Schei-
dewand zieht, die wir bey keinem leblosen
Körper finden, so muſs jener den Charakter
der Organisation weit deutlicher als dieser an
sich tragen. In der leblosen Natur macht jede
belie-
[59] beliebige Zahl von repulsiven Kräften einen
Organismus aus. Hingegen bey dem lebenden
Körper ist diese Zahl aufs genaueste bestimmt,
und nichts in ihr der Willkühr überlassen. - 3) Weil der Zweck sowohl des lebenden Orga-
nismus überhaupt, als aller seiner Theile von
dem aller leblosen Organismen verschieden ist,
so muſs die Organisation des erstern vor der
der letztern etwas Ausgezeichnetes haben. - 4) Eben diese Sätze müssen endlich auch von
dem lebenden Organismus in Rücksicht seiner
primitiven und secundären chemischen und
mechanischen Veränderungen gelten. Jede che-
mische Urveränderung muſs auch in ihm eine
mechanische, und jede mechanische eine che-
mische hervorbringen. Auch in ihm muſs bey
diesen Veränderungen das Gesetz des Antago-
nismus und der Sympathie herrschen. Auch
in ihm muſs jede dieser Urveränderungen Bil-
dungen neuer zusammengesetzten Kräfte und
neuer Formen nach sich ziehen. Aber alle
diese Veränderungen müssen sich von denen
der leblosen Natur theils darin, daſs sie weit
deutlicher, als diese, in dem Verhältnisse von
Mittel und Zweck stehen, theils darin, daſs
sie bey aller Ungleichförmigkeit der äussern
Einwirkungen, wodurch sie hervorgebracht
werden, einen gleichförmigen Gang behaupten,
auffallend unterscheiden.
Die
[60]
Die drey erstern Sätze zusammengenommen
lassen sich kürzer dadurch ausdrücken, daſs
nicht nur der lebende Körper, gleich al-
len leblosen, organisirt ist, sondern
daſs auch die Organisation desselben
weit deutlicher, als die der letztern, in
die Augen fällt. Und hieraus erhellet, wie
man darauf verfallen konnte, Organisation für ein
ausschlieſsliches Eigenthum der lebenden Körper
zu halten, und sie als ein charakteristisches Kenn-
zeichen derselben aufzustellen.
Der vierte Satz zeiget, in wie fern sich die
Thätigkeiten der lebenden Organismen, unter dem
Namen der Funktionen, denen der leblosen
Körper, unter dem Namen der Actionen ent-
gegensetzen lassen. Ein Gegensatz findet nur in
so fern unter ihnen statt, als diese ganz abhängig,
jene aber mehr oder weniger unabhängig von den
äussern Einwirkungen sind. Hingegen in Rück-
sicht des Verhältnisses von Mittel und Zweck fin-
det unter ihnen nur ein relativer Unterschied statt,
und es ist unrichtig, wenn man dieses Verhältniſs
zum charakteristischen Merkmale der erstern
macht.
Aus dem vierten Satze läſst sich ferner abneh-
men, was davon zu halten ist, wenn die Biologen
seit Gautier’s(w) Zeiten, ausser der Organisation,
auch
[61] auch das Vermögen, äussere Eindrücke zu
percipiren, und gegen dieselben zu rea-
giren, unter dem Namen der Reitzbarkeit
(irritabilitas) oder Erregbarkeit (incitabilitas),
als etwas dem lebenden Körper ausschlieſslich Ei-
genes angeben (x). Es bedarf hier kaum mehr der
Erinnerung, daſs dieses Vermögen eben so wohl,
als die Organisation, einer jeden Materie ohne
Ausnahme zukömmt. Einige Aerzte (y) suchen
daher dasselbe durch den Zusatz, “äussere Ein-
„drücke auf eine eigene Art zu percipiren,
„und auf eine eigene Art zu reagiren”, auf den
lebenden Körper einzuschränken. Aber woher
läſst sich das Eigenthümliche dieser Art zu perci-
piren und zu reagiren erkennen? Doch nur aus
der Erfahrung. Nun aber soll jene Erklärung uns
wieder als Leitfaden bey der Erfahrung dienen.
Mithin gerathen wir in einen Cirkel, der jene
Definition ganz unbrauchbar macht. Soll Reitz-
barkeit eine dem lebenden Körper ausschlieſslich
zukommende Eigenschaft seyn, so kann sie nur
das Vermögen bedeuten: Einwirkungen der
Aussenwelt so zu percipiren, daſs die
rela-
[62]relative Stärke derselben, ihrer absolu-
ten Verschiedenheit ohngeachtet, un-
verändert bleibt. Die Reaktionen gegen jene
Einwirkungen können in dieser Erklärung nicht
mit in Anschlag kommen, da in ihnen nichts
enthalten zu seyn braucht, wodurch sie sich von
den Reaktionen der leblosen Natur unterscheiden.
Die Gleichförmigkeit jener Reaktionen ist der
Maaſsstab, wonach wir den Grad der Reitzbarkeit
zu schätzen haben. Je gleichförmiger jene bey
ungleichen äussern Einwirkungen, desto höher,
je ungleichförmiger, desto niedriger ist der Grad
der letztern. Nach dem ehemaligen Begriffe von
Reitzbarkeit wurde der Grad derselben durch die
Leichtigkeit bestimmt, mit welcher jene Reaktio-
nen erfolgen. Die Reitzbarkeit war daher höher
bey dem Kinde, als bey dem Erwachsenen, und
höher bey dem Weibe, als bey dem Manne. Nach
unserm Begriffe von Reitzbarkeit kann bey einem
hohen Grade derselben ein geringer Grad von
Empfänglichkeit für die Einwirkungen der Aussen-
welt, und umgekehrt bey einem hohen Grade der
letztern ein geringer der erstern statt finden. Um
Verwirrungen zu vermeiden, werden wir diese
Empfänglichkeit des lebenden Organismus für äus-
sere Einwirkungen unter dem Namen der Recep-
tivität von der Reitzbarkeit in Zukunft unter-
scheiden, und das Vermögen desselben, den Ein-
wir-
[63] wirkungen der Aussenwelt eine mehr oder weniger
gleichförmige Thätigkeit entgegenzusetzen, mit
dem Namen des Reaktionsvermögens be-
zeichnen.
Reitze sind unserer Erklärung von Reitzbar-
keit zufolge: durch die Reitzbarkeit modi-
fizirte Einwirkungen der Aussenwelt
auf den lebenden Organismus, mithin Pro-
dukte einer Wechselwirkung der Reitzbarkeit und
der Aussenwelt. Der Einfluſs der Reitze auf den
lebenden Körper heiſst Reitzung.
Die Stärke eines Reitzes läſst sich in die
absolute und in die relative unterscheiden.
Die absolute Stärke desselben ist diejenige, die
er ausüben würde, wenn er auf die Materie
des lebenden Organismus einwirkte, ohne durch
die Reitzbarkeit modifizirt zu seyn; die relative
diejenige, die er besitzt, wenn er diese Modifika-
tion erlitten hat.
Die relative Gewalt eines Reitzes steht also
mit der absoluten Stärke desselben im umgekehr-
ten Verhältnisse. Je höher die letztere steigt, desto
tiefer sinkt die erstere, und je mehr jene vermin-
dert wird, desto mehr nimmt diese zu.
Laſst uns jetzt versuchen, auszumachen, was
sich aus den bisher erwiesenen Sätzen in Betreff
der verschiedenen Modifikationen des Lebens fol-
gern läſst.
Die
[64]
Die Einwirkungen der Aussenwelt auf den
lebenden Organismus sind, wie wir gesehen haben,
zufällig, und die Fortdauer und Unveränderlichkeit
der durch diese Einwirkungen veranlaſsten Thä-
tigkeit bey jener Zufälligkeit macht den unterschei-
denden Charakter des Lebens aus. Jeder lebende
Körper aber reagirt auch wieder auf die Aussen-
welt. Mithin, wenn die Einwirkungen der letz-
tern auf jenen zufällig sind, so müssen es die
Reaktionen des erstern auf die Aussenwelt für
diese ebenfalls seyn. Nun ist gezeigt worden,
daſs nichts in der leblosen Natur bleibend ist, so-
bald zufällige und daher veränderliche Einwir-
kungen auf dieselbe statt finden. Wie reimt sich
hiermit der unveränderliche Typus, den wir den-
noch in den Bewegungen des Weltalls wahr-
nehmen?
Sollen nicht Dämonen diesen Knoten lösen,
und die Stöhrungen, die der freye Wille der leben-
den Körper in der Maschine des Universums un-
aufhörlich verursachen würde, wieder ausgleichen,
so giebt es nur noch einen Ausweg zur Beantwor-
tung dieser Frage. Wir müssen annehmen, daſs
die Stöhrung, die aus den Reaktionen
eines Theils der lebenden Individuen
in dem allgemeinen Organismus entste-
hen würde, durch die Reaktionen der
übrigen verhindert wird.
Die-
[65]
Diese Voraussetzung macht eine zweyte noth-
wendig. Die Zufälligkeit der äussern
Einwirkungen, bey welchen die Thätig-
keit der lebenden Organismen unverän-
dert fortdauert, muſs ihre Gränzen ha-
ben, und jede Ueberschreitung dieser
Gränzen muſs die Zerstöhrung jener
Organismen nach sich ziehen.
Beyde Voraussetzungen haben die Erfahrung
auf ihrer Seite. Belege zu der letztern anzufüh-
ren, ist überflüssig. Für die erstere liefern uns
die Funktionen der Ernährung und des Athem-
hohlens in den beyden lebenden Reichen die auf-
fallendsten Beweise. Die Nahrungsmittel der Pflan-
zen sind Luft, Wasser und vielleicht auch einige
Erdarten, also Stoffe der leblosen Natur. Das
Thierreich bedarf zwar auch der Luft und des
Wassers zu seinem Unterhalte; aber seine Haupt-
nahrung erhält es zugleich von den Vegetabilien.
Das Pflanzenreich ist also die erste und niedrigste,
das Thierreich die zweyte und höchste Stufe des
Ueberganges der leblosen Materie zum Leben.
Das Thier, nachdem es sein Geschlecht fortge-
pflanzt und den Zweck seines Daseyns erfüllt
hat, stirbt, vermodert, und seine Bestandtheile
kehren zurück zum Luftmeere und zur Erde,
um von neuem zu Pflanzen und aus diesen zu
Thieren gebildet zu werden, und so jenen Ueber-
I. Bd. Egang
[66] gang ewig zu beginnen, zu vollenden, und von
neuem anzufangen. Jedes der drey Naturreiche ist
folglich Mittel und zugleich Zweck, jedes ein
Glied einer in sich zurückkehrenden Kette von
Veränderungen, worin das mittlere immer Wir-
kung des vorhergehenden und zugleich Ursache
des folgenden ist. Ferner äussern alle Erdarten
eine Anziehung gegen den Sauerstoff des Luft-
kreises, der sich mit dem Kohlenstoff derselben
verbindet, und so das Hauptnahrungsmittel der
Pflanzen bildet. Das Thierreich aber, zu dessen
Unterhalte der Sauerstoff ein nothwendiges Erfor-
derniſs ist, würde aussterben müssen, wenn die-
ser Stoff unaufhörlich der Atmosphäre entzogen
würde, ohne wieder ersetzt zu werden. Dieser
Ersatz geschieht durch die Ausdünstung der Pflan-
zen während der Tageszeit, wodurch die Atmo-
sphäre mit jenem, zum Athmen der Thiere erfor-
derlichen Bestandtheile wieder versehen wird (z).
So
[67] So wie endlich die leblose Natur dem Pflanzen-
reiche, und dieses dem Thierreiche seine Nahrung
verschafft, so versorgen auch die Thiere wieder
die Vegetabilien mit Nahrung, indem sie statt
der eingeathmeten atmosphärischen Luft beständig
kohlensaures Gas ausathmen, dessen Basis, die
Kohlensäure, zum Unterhalte der Pflanzen dienet.
Die beyden obigen Voraussetzungen aber be-
antworten noch nicht Alles. Hat die Zufälligkeit
der äussern Einwirkungen, bey welchen die eigen-
thümliche Thätigkeit der lebenden Organismen un-
verändert fortdauert, Gränzen, und zieht jede Ue-
bertretung dieser Gränzen die Zerstöhrung jener
Organismen nach sich, so ist zwar keine fortdau-
ernde Stöhrung des allgemeinen Organismus von
Seiten eines lebenden Individuums möglich. Allein
schon die erste Uebertretung dieser Gränzen wird
Unordnungen in dem erstern nach sich ziehen, und
auch hierauf muſs doch gerechnet seyn. Wie läſst
sich diese Schwürigkeit heben? Wir müssen anneh-
men, daſs jede Abweichung eines leben-
den Individuums von der zur Erhaltung
des allgemeinen Organismus nöthigen
Thätigkeit eine entgegengesetzte Verän-
de-
(z)
E 2
[68]rung desselben nach sich zieht, und daſs
die auf die Uebertretung der erwähnten
Gränzen folgende Zerstöhrung eines In-
dividuums immer durch diese entgegen-
gesetzte Veränderung geschieht. Ein Ue-
bermaaſs von Thätigkeit muſs durch ein Minus,
ein Minus durch ein Plus, und eine anomalische
Abweichung derselben durch eine andere nach ent-
gegengesetzter Richtung gehende anomalische Ab-
weichung wieder gut gemacht werden.
Aus der ersten dieser drey Voraussetzungen
folgt, daſs das ganze Reich der lebenden
Organismen ein Glied des allgemeinen
Organismus ausmacht, und daſs jedes
lebende Individuum zur Erhaltung die-
ses Gliedes das Seinige beytragen muſs.
Aus der zweyten Voraussetzung ergiebt sich,
daſs, je weitere Gränzen die Zufällig-
keit der äussern Einwirkungen auf ei-
nen lebenden Organismus hat, desto hö-
her der Grad des Lebens dieses Körpers
ist. Fortdauer desselben bey absoluter Zufällig-
keit der erstern würde der höchste Grad des Le-
bens (vita maxima) seyn. Ein solches Leben aber
existirt nicht, und kann nicht existiren, weil die
Schrankenlosigkeit desselben unaufhörliche Revo-
lutionen im Universum hervorbringen würde. Je-
des Leben ist nur Näherung zu jener Gränze. So
viele
[69] viele verschiedene Stufen dieser Näherung denkbar
sind, so mannichfaltig ist auch der Grad des Le-
bens. Die niedrigste Stufe (vita minima) macht
den Uebergang zur leblosen Natur.
Wären aber alle lebende Organismen nur nach
dem Grade ihres Lebens unterschieden, so würde
auch in ihren Einwirkungen auf die Aussenwelt kei-
ne andere Verschiedenheit, als in dem Mehr oder
Weniger statt finden. Allein die Erhaltung der gan-
zen Natur macht es, wie vorhin gezeigt ist, noth-
wendig, daſs die Einwirkungen eines Theils jener
Organismen auf die Aussenwelt die entgegengesetz-
ten von denen sind, die ein anderer äussert. Es
muſs also eine Mannichfaltigkeit des Lebens nicht
nur der Quantität, sondern auch der Modalität
nach vorhanden seyn, oder es muſs verschiedene
einander entgegengesetzte Formen des Lebens
geben.
Diese Formen sind nicht anders denkbar, als
unter der Voraussetzung, daſs die verschiedenen
Classen und Ordnungen von lebenden Körpern eine
nicht blos dem Grade, sondern auch der Moda-
lität nach verschiedene Receptivität für die Einwir-
kungen der Aussenwelt haben, und diesen Einwir-
kungen eben so verschiedene Reaktionen entgegen-
setzen. Die Verschiedenheit jener Receptivität und
dieses Reaktionsvermögens kann aber nur in der
Verschiedenheit der Organisation ihren Grund ha-
E 3ben.
[70] ben. Folglich giebt es in der lebenden Natur eben
so viele verschiedene Organisationen, wie sie ver-
schiedene Formen des Lebens aufzuweisen hat,
und einem Gegensatze dieser Formen entsprechen
immer auch entgegengesetzte Organisationen.
Aber nicht nur unter den Organismen von ver-
schiedenen, sondern auch unter denen von einerley
Formen des Lebens müssen Gegensätze in der Re-
ceptivität und dem Reaktionsvermögen statt finden,
indem alle Individuen in der Natur und also auch
diese in dem Verhältnisse von Mittel und Zweck
gegen einander stehen. Jene Gegensätze nun kön-
nen nicht in der entgegengesetzten Modalität der
beyden erwähnten Vermögen gegründet seyn, weil
sonst die Organismen, denen sie angehören, nicht
von einerley, sondern von verschiedenen Formen
des Lebens seyn würden. Sie müssen daher in
dem Verhältnisse der Receptivität zum Reaktions-
vermögen ihren Grund haben. Dieses aber kann
von vierfacher Art seyn:
- 1) Geringe Receptivität mit starkem Reaktionsver-
mögen. - 2) Groſse Receptivität mit schwachem Reaktions-
vermögen. - 3) Geringe Receptivität mit schwachem Reaktions-
vermögen. - 4) Groſse Receptivität mit starkem Reaktionsver-
mögen.
Die-
[71]
Diese vier Verhältnisse der Receptivität zum
Reaktionsvermögen machen das aus, was man
Temperamente nennet. Auf ihnen und den ver-
schiedenen Formen des Lebens beruhet die Man-
nichfaltigkeit der lebenden Natur.
Jede Form des Lebens ist, wie wir gesehen ha-
ben, beschränkt. Diese Schranken aber können in
intensiver und in protensiver Hinsicht statt
finden. Daſs jedes Leben intensive Schranken hat,
folgt unmittelbar aus den obigen Sätzen. Eben die-
se intensive Beschränktheit derselben, verbunden
mit einem, die Organisation der gesamten Natur
betreffenden Satze, den wir oben vorgetragen ha-
ben, beweiset aber auch, daſs der Protension des-
selben ebenfalls Gränzen gesetzt seyn müssen.
Dieser Satz war nehmlich der, daſs jedes System
von repulsiven Kräften eine unendliche Reihe von
Veränderungen durchläuft, die sich von jedem
Punkte ihrer Bahn immer weiter entfernt, indem
sie sich demselben immer wieder nähert. Hiernach
muſs für jeden lebenden Körper, die Energie seiner
Lebenskraft sey so groſs, wie sie wolle, doch end-
lich eine Zeit eintreten, wo seine Organisation mit
der der Aussenwelt nicht länger bestehen kann.
Dies zum Grunde gelegt, so findet ein drey-
facher Uebergang des lebenden Organismus zur leb-
losen Natur, oder auch zu andern Formen des
Lebens statt:
E 41) durch
[72]
- 1) durch übermäſsige Heftigkeit der äussern Ein-
wirkungen, - 2) durch zu geringe Stärke, und
- 3) durch zu lange Dauer derselben.
Das Uebergehen eines lebenden Organismus zur
leblosen Natur, oder zu andern Formen des Lebens
nennen wir Sterben, und alles Aufhören des Le-
bens überhaupt, oder einer bestimmten Form des-
selben Tod. Folglich ist jedes lebende Individuum
einer dreyfachen Todesart ausgesetzt. Die beyden
erstern aber sind zufällig, und nur die letztere ist
nothwendig. Diese ist den Absichten der Natur ge-
mäſs, jene sind derselben zuwider. Der Sprachge-
brauch setzt daher die letztere Art, unter dem Na-
men des natürlichen Todes, den beyden erstern
widernatürlichen, mit Recht entgegen. Beyde
Ausdrücke sind verschiedentlich, und besonders von
Röschlaub(a), angefochten. Indeſs beruhet alles,
was man dagegen eingewendet hat, blos auf der
Verwechselung von widernatürlich mit unnatürlich
und übernatürlich — Ob übrigens das Sterben Ue-
bergang zur leblosen Natur, oder zu andern For-
men des Lebens ist, müssen wir unentschieden
lassen, da die Organisation der Natur mit beyden
Voraussetzungen bestehen kann.
Nach dem Gesetze der Stetigkeit kann in kei-
nem der drey obigen Fälle jener Uebergang, den
wir
[73] wir Sterben nennen, anders als allmählig erfolgen.
Der lebende Organismus muſs sich stufenweise der
leblosen Natur, oder einer andern Form des Lebens
nähern, und in eben dem Verhältnisse muſs er im-
mer unvermögender werden, in dem zur Errei-
chung der Zwecke seines Lebens nothwendigen
Bezirke der Zufälligkeit äusserer Einwirkungen zu
existiren. Dies führt uns auf eine Erklärung von
Gesundheit und Krankheit. Gesundheit ist
das Vermögen, Krankheit das Unvermö-
gen eines lebenden Körpers in der zur
Erreichung der Zwecke seines Daseyns
nothwendigen Sphäre der Zufälligkeit
äusserer Einwirkungen sein Leben fort-
zusetzen.
Da jeder Uebergang vom Leben zur leblosen
Natur, oder zu einer andern Form des Lebens
durch jene Gränze geschieht, die wir vita minima
genannt haben, so ist jede Krankheit, absolut be-
trachtet, ein niederer Grad der Vitalität in einer ge-
wissen Form des Lebens. Aber Krankheit ist ein
relativer Begriff, und als ein solcher involvirt er
nicht nur einen niedern, sondern auch einen sol-
chen Grad des Lebens, der dem Zwecke des Orga-
nismus, wobey er statt findet, nicht angemessen
ist. So können folglich Gesundheit und vita mi-
nima vollkommen mit einander bestehen. Das Le-
ben des Embryo nähert sich der vita minima.
E 5Aber
[74] Aber krank ist dieser erst dann, wenn er auch in
den engen Gränzen der Zufälligkeit äusserer Ein-
wirkungen, worin er lebt, den Zweck seines Le-
bens nicht zu erfüllen vermag.
Der Uebergang des lebenden Organismus zur
leblosen Natur, oder zu einer andern Form des
Lebens kann ohne Krankheit nicht statt finden:
dies ist eine unmittelbare Folge der obigen Sätze.
Nun ist gezeigt worden, daſs jener Uebergang auf
eine dreyfache Art herbeygeführt werden kann.
Folglich muſs auch Krankheit eben so viele ver-
schiedene Ursachen haben. So wie ferner die To-
desart, die aus der zu langen Dauer der äussern
Einwirkungen entsteht, nothwendig ist, so muſs
auch für jedes lebende Individuum aus dieser Quel-
le eine nothwendige Krankheit entspringen, die
sich mit dem natürlichen Tode endigt. Eben we-
gen ihrer Nothwendigkeit aber betrachten wir diese
nicht als Krankheit, sondern nennen sie Alter.
Daher die Benennung des natürlichen Todes, mors
sine morbo. Die beyden übrigen Arten von Krank-
heiten hingegen, die aus zu groſser und zu gerin-
ger Stärke der äussern Einwirkungen entstehen,
sind zufällig, wie die Todesarten, worin sie über-
gehen, und eben so wenig, als diese, den Zwecken
der Natur gemäſs. Nur diese betrachten wir da-
her als Krankheiten, und zugleich als widernatür-
liche Zustände. Daher die Association der Begriffe
von Krankheit und widernatürlich.
Die
[75]
Die Lehren, die wir bisher über Tod und
Krankheit aufgestellt haben, sind Folgerungen aus
den beyden Voraussetzungen: 1) daſs die Stöhrung
in dem allgemeinen Organismus, welche aus den
Reaktionen eines Theils der lebenden Individuen
entstehen würde, durch die Rückwirkungen der
übrigen verhindert wird; 2) daſs die Zufälligkeit
der äussern Einwirkungen, bey welchen die eigen-
thümliche Thätigkeit der lebenden Organismen un-
verändert fortdauert, beschränkt ist, und daſs jede
Uebertretung dieser Schranken die Zerstöhrung
jener Organismen nach sich zieht. Die letztere
geschieht, wie wir gesehen haben, immer durch
ein Herabsinken von einer höhern Stufe des Le-
bens zur niedrigsten, und das Unvermögen eines
lebenden Individuums während dieser Näherung
zur vita minima in der zur Erreichung der Zwecke
seines Lebens nothwendigen Sphäre der Zufällig-
keit äusserer Einwirkungen sein Leben fortzuset-
zen, ist es, was man Krankheit nennet. Ausser
den beyden erwähnten Voraussetzungen haben wir
aber noch eine dritte angenommen. Nach dieser
geschieht die Zerstöhrung eines lebenden Indivi-
duums, welche auf die Uebertretung seiner Schran-
ken folgt, immer durch eine Thätigkeit, welche
der, wodurch diese Gränzen überschritten wurden,
entgegengesetzt ist. Hieraus folgt, daſs mit jeder
Krankheit eine Abweichung des lebenden Körpers
von seiner naturgemäſsen Wirkungsart verbunden
ist.
[76] ist. Allein diese Abweichung kann nicht selber
Krankheit seyn, denn vor ihrer Entstehung muſste
schon eine Abweichung des lebenden Körpers von
seiner naturgemäſsen Wirkungsart vorhergehen.
Nur da, wo sie mit einem Unvermögen des leben-
den Organismus, in der zur Erreichung der Zwecke
seines Lebens nöthigen Sphäre der Zufälligkeit äus-
serer Einwirkungen sein Leben fortzusetzen, ver-
bunden ist, findet Krankheit statt, nur dieses Un-
vermögen ist Krankheit, und von diesem ist jene
Abweichung blos ein Symptom.
Der Uebergang der lebenden Individuen zur
leblosen Natur, oder zu andern Formen des Lebe [...]s
würde eine Stöhrung des allgemeinen Organismus
nach sich ziehen, wenn dem Zuwachse, den im
erstern Falle die leblose Natur, im letztern eine
andere Art von lebenden Organismen dadurch er-
hält, nicht ein gleicher Verlust, und dem Verluste,
den die Gattung dadurch erleidet, nicht ein gleicher
Zuwachs das Gleichgewicht hielte. Dieses Gleich-
gewicht kann nur dadurch erhalten werden, daſs
jeder lebende Organismus, ehe er zu leben aufhört,
ein Individuum seiner Art zurückläſst, oder mit
andern Worten, daſs er sein Geschlecht
fortpflanzt. Bey keinem lebendem Körper
tritt daher das Ziel seines Lebens ein, bevor er
nicht sein Geschlecht fortzupflanzen im Stande ge-
wesen ist.
Das
[77]
Das hierbey entstehende neue Individuum ver-
dankt seinen Ursprung entweder der Verwandelung
lebloser Materie in lebende, oder dem Uebergange
einer gewissen Form des Lebens zu einer andern.
So wenig als derjenige Uebergang der lebenden Or-
ganismen zur leblosen Natur oder zu einer andern
Form des Lebens, den wir Sterben nennen, kann
aber auch jener entgegengesetzte Uebergang nach
dem Gesetze der Stetigkeit anders, als stufenweise,
erfolgen. Nur durch die vita minima kann das
neu erzeugte Individuum allmählig zu höhern Gra-
den des Lebens gelangen. So hat jeder lebende
Organismus eine Periode der Jugend, wo er sich
der höchsten Lebensstufe nähert, und eine Periode
des Alters, wo er zur niedrigsten zurückkehrt; so
geht jeder bey seinem Austritte aus dem Leben die
nehmlichen Stufen wieder herab, die er bey seinem
Eintritte hinaufstieg. Senes bis pueri sagten die
Alten in moralischer Hinsicht, und eben dieser
Spruch gilt auch von der ganzen lebenden Schöp-
fung in physischer Bedeutung.
Soll das neu entstandene Individuum den Aus-
tritt des vorigen aus der Kette der Wesen zu erset-
zen im Stande seyn, so muſs es auf derselben Stu-
fe des Lebens stehen, worauf sich das letztere be-
fand. Diese Stufe aber kann es nur allmählig er-
reichen, und bis diese erreicht ist, muſs das vorige
Individuum noch fortdauern, um das Gleichge-
wicht
[78] wicht im allgemeinen Organismus zu erhalten. In-
deſs würde dieses dennoch leiden, wenn das ältere
Individuum bey der Näherung des neu erzeugten
zur vita maxima dieselbe Energie des Lebens be-
hielte, die es beym Entstehen des letztern hatte.
Folglich muſs sich das ältere in eben dem Verhält-
nisse der niedrigsten Lebensstufe nähern, in wel-
chem das jüngere zur höchsten hinaufsteigt. Da-
her liegt das männliche Alter, die Zeit der
Geschlechtsvermehrung, zwischen den Perioden
der Jugend und des eigentlichen Alters; daher läſst
die Natur das Individuum sinken, sobald sie das
Geschlecht gesichert hat.
Gesundheit, Krankheit, Jugend, Mannheit,
Alter und Sterben sind also verschiedene Modifika-
tionen des Lebens, die Fortpflanzung des Ge-
schlechts ist Bestimmung desselben. Diese zweckt
zunächst auf die Erhaltung der lebenden Natur,
mittelbar auch auf die Erhaltung des allgemeinen
Organismus ab; ohne jene Modifikationen des Le-
bens war dieser Zweck nicht erreichbar.
Hieraus erhellet nun, wie die Erhaltung der
lebenden Natur und des allgemeinen Organismus
mit dem natürlichen Tode bestehen kann. Die un-
gestöhrte Fortdauer derselben bey der intensiven
Beschränktheit des Lebens bleibt indeſs hierbey
noch unerklärt. Folgende Voraussetzungen lösen
aber endlich auch dieses Problem:
1) Nicht
[79]
1) Nicht jede Uebertretung der intensi-
ven Schranken des Lebens darf die
völlige Zerstöhrung des lebenden
Organismus nach sich ziehen. Es
muſs bey der Tendenz zur Zerstöh-
rung bleiben, und der letztere muſs
das Vermögen besitzen, von der nie-
dern Stufe des Lebens, worauf ihn
jene Uebertretung zurückwarf, sich
zu der höhern, worauf er vorher
stand, wieder zu erheben, Krankheit
wieder in Gesundheit zu verwandeln, kurz
wieder zu genesen.
Aber dieses Vermögen muſs so gut beschränkt
seyn, als das Leben selber. Denn ohne diese Be-
schränktheit könnte auch der natürliche Tod nicht
statt finden. Es muſs daher
2) auch bey der Fortpflanzung des Geschlechts
hierauf gerechnet seyn, und jeder leben-
de Organismus muſs nicht blos ein
einzelnes Individuum zum Ersatze
seiner selbst, sondern eine desto
gröſsere Anzahl von Nachkommen er-
zeugen, je mehr die Gattung, wozu
er gehört, widernatürlichen Todes-
arten ausgesetzt ist. So finden wir es
auch wirklich in der Erfahrung. Die Zahl der
Nachkommen eines Thiers steigt, je wehrloser
es
[80] es ist, und je mehr Feinde es hat. Sie ist am
gröſsten bey den völlig wehrlosen Pflanzen.
Es würde uns jetzt obliegen, von den verschie-
denen Modifikationen des Lebens und der Ge-
schlechtsvermehrung, deren Nothwendigkeit wir
aus dem Begriffe des Lebens abgeleitet haben, auch
die Möglichkeit zu erweisen. Allein hier ist der
Punkt, wo wir ohne Hülfe der Erfahrung nicht
weiter kommen können. Um nehmlich den Beweis
jener Möglichkeit führen zu können, müſste vor-
her das Problem aufgelöset seyn: wie die Lebens-
kraft einem System repulsiver Kräfte einen gewis-
sen Grad der Unabhängigkeit von den Einwirkun-
gen der Aussenwelt ertheilen könne? Diese Frage
läſst sich nun zwar durch die Voraussetzung be-
antworten, daſs der Charakter der Lebenskraft in
absoluter Thätigkeit und gänzlicher Unabhängig-
keit von den Einwirkungen der Aussenwelt bestehe;
daſs aber jene absolute Thätigkeit derselben durch
ihre Verbindung mit den repulsiven Kräften, deren
Charakter absolute Trägheit und gänzliche Abhän-
gigkeit von den äussern Einflüssen ist, beschränkt
wird, und daſs diese Beschränkung den mittlern
Zustand zwischen absoluter Thätigkeit und abso-
luter Trägheit, den wir Leben nennen, hervor-
bringt. Allein dann entsteht wieder die Frage:
Was die Lebenskraft nur an gewisse Systeme von
repulsiven Kräften bindet, und warum Leben nicht
ein
[81] ein Attribut der ganzen Sinnenwelt ist? Diese Frage
nach dem ersten Ursprunge des Lebens, das Grund-
problem der ganzen Biologie, läſst sich nun auf
keinen Fall ohne Hülfe der Erfahrung beantworten,
wir mögen Lebenskraft und die zur Möglichkeit
der Materie überhaupt erforderliche Grundkraft als
verschiedene Grundkräfte, oder als Modifikationen
einer und derselben Grundkraft ansehen. Bey der
erstern Voraussetzung würde eine solche Beantwor-
tung auf der Auflösung des Problems beruhen: wo-
her das Universum ursprünglich so und nicht an-
ders organisirt ist? Aber jene Grundkraft ist für
uns, was die Farbe für den Blindgebohrnen, und
eine Philosophie, welche diese Aufgabe a priori zu
lösen sich unterfängt, ist also nicht mehr Philoso-
phie, sondern Schwärmerei. Bey der letztern Vor-
aussetzung sind wir gezwungen, noch eine dritte
Grundkraft anzunehmen, welche die Grundkraft
der Materie an die Lebenskraft bindet. Allein jene
dritte Grundkraft ist wieder für uns ein unbekann-
tes Etwas, worüber sich nur dichten, nicht philo-
sophiren läſst. Hier tritt also auch für uns dieselbe
Schwürigkeit ein, welche dem im Wege steht, der
die Form und Mischung der lebenden Materie für
den einzigen Grund ihrer Vitalität ansieht. Aber
wenn auch gegen die Hypothese des Letztern keine
weitere Einwürfe statt fänden, so würde die unsri-
ge doch schon dadurch vor dieser den Vorzug ver-
dienen, daſs sie uns gleich die Gränzen zeigt, die
I. Bd. Funser
[82] unser Erkenntniſsvermögen nicht überschreiten
kann, und uns nicht mit Hoffnungen schmeichelt,
um uns früh oder spät desto empfindlicher zu
täuschen.
Wäre eine Beantwortung der obigen Frage
a priori möglich, so würde sich eine von den fol-
genden drey Voraussetzungen müssen deduciren
lassen.
- 1) Lebenskraft ist nur da, wo lebens-
fähige Materie ist; die letztere ist ein Pro-
dukt von Kräften der leblosen Natur; sobald
sie gebildet ist, verbindet sich mit ihr Lebens-
kraft, und diese Verbindung weckt die Lebens-
kraft aus ihrem Schlummer. - 2) Lebensfähige Materie ist nur da, wo
Lebenskraft ist; jene ist ein Produkt von
dieser, und keine Kräfte der leblosen Natur
vermögen [lebensfähige] Materie hervorzubringen. - 3) Lebensfähige Materie und Lebens-
kraft sind wechselseitig durch einan-
der. Von Anbeginn des allgemeinen Organis-
mus umschlang beyde ein unauflösliches Band.
Lebenskraft war nie ohne lebensfähige Materie,
und diese nie ohne jene.
Wir werden aus jeder dieser Voraussetzungen
die Folgerungen entwickeln, die sich aus ihnen
herleiten lassen, und so uns die Aufgaben verschaf-
fen,
[83] fen, die wir der Natur vorzulegen haben. Der
Erfolg dieser Arbeit wird beweisen, daſs die Frage,
welche der obigen drey Voraussetzungen die rich-
tige ist? mit Recht das Grundproblem der Biologie
von uns genannt ist.
Drittes Capitel.
Mögliche biologische Systeme.
Erstes System.
Leben besteht in der Gleichförmigkeit der Reak-
tionen bey ungleichförmigen Einwirkungen der
Aussenwelt. Was dieser absoluten Verschiedenheit
in der Stärke der äussern Einwirkungen relative
Gleichförmigkeit giebt, haben wir Lebenskraft ge-
nannt. Wir haben ferner gezeigt, daſs jedes Le-
ben beschränkt ist, und zwar in protensiver so-
wohl, als intensiver Rücksicht. Ist nun Lebens-
kraft da, wo lebensfähige Materie ist, und verdankt
diese Kräften der leblosen Natur ihr Entstehen, so
muſs jeder intensiven Vermehrung oder Verminde-
rung der Lebenskraft eine Vermehrung oder Ver-
minderung der Lebensfähigkeit der Materie vorher-
gehen. Zunahme der Lebenskraft aber ist Nähe-
rung zur vita maxima; Abnahme derselben nähert
F 2den
[84] den lebenden Organismus der vita minima, oder
bringt Krankheit hervor: folglich setzt jede dieser
verschiedenen Modifikationen des Lebens eine
Form- und Mischungsveränderung der lebensfähi-
gen Materie voraus: Allein die Materie bleibt un-
verändert, so lange die Einwirkungen der Aussen-
welt auf dieselbe sich gleich bleiben. Geschähen
nun diese Einwirkungen blos durch das Medium
der Lebenskraft, so würde keine relative Ungleich-
heit in denselben, und daher auch keine Verände-
rung in der lebensfähigen Materie statt finden kön-
nen. Um diese Veränderungen möglich zu machen,
müssen wir also Kräfte der Aussenwelt annehmen,
welche unmittelbar und ohne vorher durch die Le-
benskraft gebrochen zu seyn, auf die lebensfähige
Materie einwirken.
Diese Einwirkungen können die Lebensfähig-
keit der Materie entweder vermehren, oder vermin-
dern. Zunahme der Lebenskraft und also auch der
Lebensfähigkeit der Materie findet in der Periode
der Jugend, Abnahme der erstern, und daher auch
der letztern in der Periode des Alters statt. Wären
diese Perioden zufällig, wie Krankheiten, so hätte
die Erklärung derselben keine Schwürigkeiten.
Aber beyde sind für jeden lebenden Organismus
durchaus nothwendig. Die Voraussetzung, daſs
von dem Ursprunge desselben an bis zu seinen
männlichen Jahren nur Potenzen, welche die Le-
bens-
[85] bensfähigkeit der Materie vermehren, und von den
letztern an bis zum Tode nur solche, welche diese
Fähigkeit vermindern, auf ihn wirken, wäre un-
gereimt. Ausser dieser Hypothese bleibt uns aber
nichts übrig, als anzunehmen, daſs die erstern
Potenzen nur bis zur Periode des männlichen Alters
auf den lebenden Organismus einwirken, daſs hier-
auf ihr Einfluſs durch irgend eine Ursache verhin-
dert wird, und daſs den jetzt erfolgenden Ueber-
gang zur vita minima lebenswidrige Potenzen ver-
ursachen, die zwar auch schon vor jener Periode
auf das lebende Individuum wirkten, deren nach-
theiliger Einfluſs aber damals durch die Einwir-
kung der erstern, die Lebensfähigkeit der Materie
vermehrenden Potenzen wieder gut gemacht wurde.
Jene Ursache, wodurch die fernere Einwirkung
der dem Leben günstigen Potenzen im Alter ver-
hindert wird, kann keine andere, als die Fortpflan-
zung des Geschlechts seyn. Diese Potenzen müs-
sen, gleich allen übrigen Kräften, ihrer Extension
und Intension nach beschränkt seyn. Indem die
erstere zunimmt, muſs die letztere sinken; indem
die Lebensfähigkeit der Materie des einen Indivi-
duums erhöhet wird, muſs die der Materie eines
andern Individuums darunter leiden.
Bey dieser Hypothese ist der höchste Grad der
intensiven Wirkung jener belebenden Potenzen der
Anfang ihrer extensiven Aktion, und das Produkt
F 3der
[86] der letztern ist die Erzeugung eines neuen Indivi-
duums. Aber warum steigt nun dieses Individuum
zur vita maxima herauf, indem das, wovon es
erzeugt wurde, zur vita minima zurückkehrt?
Wodurch wird der Einfluſs der belebenden Poten-
zen von dem ältern abgelenkt, und auf das jüngere
geleitet? Hierauf läſst sich blos bey der Annahme
der Evolutionstheorie antworten, und man sieht
also, in welches System der Biologie diese gehört.
Die Thätigkeit der belebenden Potenzen ist immer
auf die Produktion eines neuen Individuums gerich-
tet. Jeder lebende Organismus ist nur die Schaale, die
ein künftiges Geschlecht einschlieſst. Jene lebt nur
durch dieses. Aber dieser Kern ist nur ein Kern
in Beziehung auf jene Schaale. Auch in ihm ar-
beitet schon die Natur auf die Produktion eines neu-
en Kerns, und in Beziehung auf den letztern ist er
wieder nur eine Schaale, und so geht diese Involu-
tion ins Unendliche. Soll hierbey eine Evolution
möglich seyn, ohne daſs die belebenden Potenzen
mit gleicher Intension immerfort extensiv wirken,
so darf die Thätigkeit derselben nur bis zu einem
gewissen Zeitpunkte mit auf die Schaale gerichtet
seyn. Das neue Individuum muſs diese durchbre-
chen, sobald es eine bestimmte Stufe der Ausbil-
dung erreicht hat, und von dieser Zeit an muſs
jene Thätigkeit sich von der Schaale abwenden,
und ausschlieſslich dem Kerne widmen. Diese
Theorie beantwortet indeſs nur das Warum? Das
Wie?
[87] Wie? bleibt hierbey noch völlig dunkel, und muſs
es bleiben, da uns die Natur der belebenden Poten-
zen unbekannt ist.
Eine andere Art von Potenzen, welche auf die
Materie des lebenden Organismus unmittelbar ein-
wirken, ohne durch die Lebenskraft modifizirt zu
werden, sind diejenigen, welche die Lebensfähig-
keit der Materie vermindern. Diese Verminderung
kann relativ, oder absolut seyn. Auf die er-
stere Art wirken diejenigen Potenzen, welche die
Einwirkung der belebenden Potenzen auf die Ma-
terie beschränken, oder ganz aufheben; auf die
letztere Art diejenigen, welche die Lebensfähigkeit
der Materie gradezu zerstöhren.
Die Wirkung der erstern kann nur in dem Zeit-
punkte statt finden, wo der Organismus noch im
Fortschreiten zur vita maxima begriffen ist, und
sie muſs sich durch einen Stillstand in diesem Fort-
schreiten äussern. Es werden hier also dieselben
Erscheinungen erfolgen, welche das Alter beglei-
ten, nur mit dem Unterschiede, daſs in jenem Fal-
le das lebende Individuum die Stufen des Lebens,
die es seiner Bestimmung gemäſs vor dem Eintritte
des Alters ersteigen muſste, noch nicht erreicht hat.
Die letztern Potenzen, welche die Lebensfähig-
keit der Materie gradezu zerstöhren, können in
jeder Periode auf den lebenden Organismus einwir-
ken. Aber die Folgen dieses Einflusses werden
F 4ver-
[88] verschieden seyn, je nachdem sich der Organismus
im Fortschreiten zur vita maxima, oder in der Pe-
riode des Alters befindet. Im erstern Zeitpunkte
wird jede Verminderung der Lebensfähigkeit der
Materie durch den Einfluſs der belebenden Poten-
zen wieder gut gemacht, so lange jene nur nicht
eine gewisse Gränze überschreitet. In der letztern
Periode hingegen findet keine Einwirkung der be-
lebenden Potenzen weiter statt. Jeder Verlust, den
die Materie an Lebensfähigkeit erleidet, ist hier un-
ersetzbar. Der Organismus steigt desto schneller
zur vita minima wieder herab, je mehr er sich den
lebenswidrigen Potenzen aussetzt, desto langsa-
mer, je mehr er sie vermeidet. Er würde ein ewi-
ges Alter leben, wenn er sich ihnen ganz entzie-
hen könnte. Allein wenn auch einzelne Einwir-
kungen der Aussenwelt für den lebenden Organis-
mus zufällig sind, so ist doch keine Möglichkeit
für ihn, sich allen ganz zu entziehen. Seine Frey-
heit ist beschränkt, und daher auch jene Zufällig-
keit. Er kann den Einfluſs der lebenswidrigen
Potenzen einigermaaſsen vermeiden, und sein Alter
verlängern, aber nicht jenen ganz aufheben, und
nicht dem Tode ganz entfliehen.
Nimmt man die natürliche Krankheit des Alters
aus, so giebt es nach diesen Voraussetzungen zwey
Quellen von Krankheiten: die von verminderter,
oder aufgehobener Einwirkung der belebenden Po-
tenzen
[89] tenzen auf den Organismus, und die vom Einflus-
se lebenswidriger Potenzen auf denselben. Jene
kann nur während der Näherung zur vita maxima
statt finden, und nur in dieser Periode ist Heilung
von Krankheiten möglich. Bey der erstern Ursa-
che geschieht diese durch Wegräumung der Hinder-
nisse, welche den Einfluſs der belebenden Potenzen
auf den Organismus verminderten, oder aufhoben;
im zweyten Falle durch Entfernung der [lebenswi-
drigen] Potenzen.
Allein diese letztern Potenzen sind, wie vorhin
bemerkt ist, nicht absolut zufällig. Der lebende
Organismus kann sich ihnen nur zum Theil, aber
nicht ganz entziehen. Auch in der Jugend ist er
also ihrer Einwirkung nicht minder, als im Alter
ausgesetzt. Soll daher jene Periode nicht in einem
beständigen Wechsel von Verminderung der Lebens-
fähigkeit der Materie, und Heilung der hieraus ent-
springenden Krankheiten bestehen, so muſs etwas
vorhanden seyn, was die Einwirkungen der le-
benswidrigen Potenzen auf den lebenden Organis-
mus beschränkt. Dieses Etwas nun ist die Lebens-
kraft, deren unser gegenwärtiges System zwar bis-
her entbehren konnte, deren Annahme aber von
jetzt an nothwendig wird. Sie nimmt an extensi-
ver und intensiver Stärke zu, so wie die Lebens-
fähigkeit der Materie wächst, und in eben dem Ver-
hältnisse nimmt die Zahl der lebenswidrigen Poten-
F 5zen
[90] zen ab. Ihre gröſste Stärke erreicht sie gegen die
Zeit der Fortpflanzung des Geschlechts. Sobald
aber diese Funktion vollzogen ist, findet keine Zu-
nahme derselben weiter statt. Die lebenswidrigen
Potenzen fangen jetzt an, die Lebensfähigkeit der
Materie wieder zu vermindern; mit dieser Vermin-
derung nimmt auch die Lebenskraft wieder ab; hier-
durch wird die Menge und Stärke der lebenswidri-
gen Potenzen vermehrt, und diese führen endlich
den Organismus zu dem Punkte wieder herab, wo-
von er bey seinem Entstehen ausging.
Zweytes System.
Nach der zweyten Voraussetzung ist die Form
und Mischung des lebenden Organismus blos ein
Produkt der Lebenskraft. Jede Veränderung in je-
nen setzt daher eine Veränderung in dieser voraus,
und alle Einwirkungen der Aussenwelt auf die er-
stern geschehen durch das Medium der letztern.
Das Wesen der Lebenskraft besteht in dem
Vermögen, der absoluten Ungleichförmigkeit der
äussern Einwirkungen relative Gleichförmigkeit zu
ertheilen. Wir können dieses Steigen und Fallen
der relativen Gewalt des Irritaments bey der Ab-
und Zunahme der absoluten Gewalt desselben ent-
weder aus einer Vermehrung oder Verminderung
der Lebenskraft bey unverändertem Reitze, oder
aus einer Vermehrung oder Verminderung des Rei-
tzes
[91] tzes bey unveränderter Lebenskraft ableiten. Neh-
men wir blos das Letztere an, so ist keine Erklä-
rung des Ueberganges von niedern Stufen des Le-
bens zu höhern möglich. Hingegen wird diese
erklärbar bey der erstern Hypothese durch die Vor-
aussetzung, daſs der lebende Organismus nicht blos
gereitzt wird, sondern auch auf andere lebende
Körper als Reitz wirkt, und zwar als ein desto
stärkerer Reitz, je niedriger die Stufe der Vitalität
ist, worauf er steht, und daſs er aufhört, ihnen
Lebenskraft zu entziehen, sobald er einerley Stufe
des Lebens mit ihnen erreicht hat.
Der lebende Organismus aber steht nicht blos
mit der lebenden Natur, sondern auch mit dem
übrigen Universum in Wechselwirkung. Auch
durch die leblose Natur wird ihm also unaufhörlich
Lebenskraft entzogen. Geht diese für die lebende
Natur verlohren, so ist der Untergang der letztern
unvermeidlich. Nur dann ist die Fortdauer der-
selben bey jener Entziehung von Lebenskraft mög-
lich, wenn jede Reitzung auf den Reitz als bele-
bend wirkt. Dieser Satz nun schlieſst sich an die
vorige Hypothese, daſs die Materie als ein desto
heftigerer Reitz wirkt, je geringer ihre Vitalität ist.
Zugleich erhellet, daſs die Gleichförmigkeit der Re-
aktionen nicht blos von der Vermehrung oder Ver-
minderung der Lebenskraft, sondern auch von der
Umänderung der einwirkenden Potenz abhängt,
und
[92] und daſs keine dieser Voraussetzungen allein, son-
dern erst beyde zusammengenommen, eine hin-
reichende Erklärungsart abgeben.
Aber in den Einwirkungen der leblosen Natur
auf das lebende Individuum ist nichts Bleibendes.
Die Materie, die in dem einen Augenblicke auf das
letztere als Reitz agirt, wird in dem folgenden
durch eine andere verdrängt. Die Fortdauer der
lebenden Natur würde also auf keinen festen Ge-
setzen, sondern auf einem regellosen Ohngefähr
beruhen, wenn die leblose Aussenwelt unmittelbar
auf die Lebenskraft einwirkte. Ueberdies darf die
Fortpflanzung des Geschlechts erst dann erfolgen,
wenn der lebende Organismus sich schon bis auf
einen gewissen Punkt der vita maxima genähert
hat. Wir entgehen dieser Schwürigkeit, wenn wir
annehmen, daſs jeder lebende Organismus von sei-
nem Ursprunge an mit einer gewissen Quantität
lebloser Materie in Verbindung steht, und daſs die
übrige leblose Natur nur durch dieses Medium auf
die Lebenskraft einwirkt.
Hierbey stoſsen wir indeſs auf eine neue
Schwürigkeit. Wir haben nehmlich angenommen,
daſs eine Materie einer andern lebenden desto mehr
Lebenskraft entzieht, je geringer die Vitalität der er-
stern in Vergleichung mit der der letztern ist. Eine
leblose Masse wird also einem lebenden Körper wo
nicht mehr, doch eben so viel Lebenskraft rauben,
als
[93] als dieser einem andern, auf einer höhern Stufe der
Vitalität stehenden Individuum entzieht, und so
wird für jenen Körper kein Fortschreiten zur vita
maxima möglich seyn. Diese Schwürigkeit aber
fällt weg, wenn man annimmt, daſs die leblose
Masse, womit jeder lebende Organismus in Verbin-
dung steht, und vermittelst welcher alle Potenzen
der leblosen Natur auf diesen einwirken, sich mit
ihm zu Einem lebenden Ganzen vereinigt, sobald
sie durch die ihm entzogene Lebenskraft selber in
lebende Materie verwandelt ist. Bey jeder Reit-
zung leidet also der lebende Organismus zwar einen
Verlust an Lebenskraft; aber dieser Verlust wird
ihm durch einen gleich darauf folgenden Gewinn
an lebender Materie wieder ersetzt.
Wären diesem Zuwachse an lebender Materie
keine Gränzen gesetzt, so würde sich alle in der
Natur vorhandene Lebenskraft endlich in einem
einzigen Organismus concentriren. Der Grund,
warum dieses nicht geschieht, liegt in der Organi-
sation des Universums, welche eine Mannichsaltig-
keit von Individuen in der lebenden Natur erfor-
dert. Jene Gränzen aber sind nur dann möglich,
wenn ein Zeitpunkt für jedes lebende Individuum
eintritt, wo es aufhört, Lebenskraft zu empfangen,
aber fortfährt, dieselbe zu verliehren. Eine solche
Revolution ist nur auf folgende Art erklärbar. Je-
nes Medium von lebloser Materie, wodurch alle
Poten-
[94] Potenzen der leblosen Natur auf den lebenden Or-
ganismus einwirken, und auf welche jede Reitzung
als belebend wirkt, verbindet sich nach ihrem Ue-
bergange zum Leben nur so lange mit diesem Or-
ganismus, als derselbe eine gewisse Stufe der Vita-
lität noch nicht erstiegen hat. Sobald derselbe sich
der vita maxima bis auf einen gewissen Punkt ge-
nähert hat, hört sie auf, sich mit ihm zu Einem
Ganzen zu vereinigen, organisirt sich zu einem
eigenen Individuum, und giebt das Phänomen der
Fortpflanzung des Geschlechts.
Dieses neue Individuum soll nun ebenfalls ei-
nen gewissen Grad der Vitalität erreichen, um auch
einst sein Geschlecht fortpflanzen zu können. Zu
dem Ende muſs es eine Quelle haben, woraus es
Zuwachs an Lebenskraft erhält. Eine solche Quelle
sind, wie gezeigt ist, andere lebende Organismen,
und es entzieht diesen Lebenskraft, indem es auf
dieselben als Reitz wirkt. Die letztern aber können
keine Organismen seyn, welche noch im Forschrei-
ten zur vita maxima begriffen sind, weil dieses
Fortschreiten mit Verluste an Lebenskraft unver-
einbar ist. Es müssen also Organismen seyn, wel-
che die Periode der Jugend schon zurückgelegt
haben, und wir müssen voraussetzen, daſs bey die-
sen keine Restauration der Lebenskraft weiter statt
findet, weil die Quelle dieses Ersatzes doch endlich
irgendwo aufhören muſs. Bis zur Vollziehung der
Ge-
[95] Geschlechts - Funktion empfängt also der lebende
Organismus nur Lebenskraft, ohne daſs ihm diesel-
be wieder entzogen wird; nach jener Periode wird
ihm nur Lebenskraft geraubt, und keine wieder
ersetzt.
Um zu zeigen, wie bey diesem System Krank-
heiten und deren Heilung möglich sind, müssen
wir die Zeiten der Jugend und des Alters unterschei-
den. In der erstern Periode kann ein doppelter
widernatürlicher Zustand des lebenden Individuums
statt finden: der Zuwachs an Lebenskraft kann ent-
weder geringer, oder gröſser seyn, als zur Er-
reichung des Zwecks, den es in der lebenden Natur
zu erreichen hat, nothwendig ist. In jenem Falle
wird die Erreichung der Stufe des Lebens, auf wel-
cher die Fortpflanzung des Geschlechts erfolgt, ver-
zögert, in dieser beschleunigt. In beyden Fällen
entsteht ein Unvermögen des lebenden Individuums,
auf eine solche Art thätig zu seyn, wie es die Or-
ganisation der lebenden Natur erfordert, d. h.
Krankheit. Zuwachs an Lebenskraft aber erhält
der lebende Organismus nur dadurch, daſs er auf
andere lebende Körper als Reitz wirkt, und diese
Einwirkungen desselben werden durch Einwirkun-
gen der Aussenwelt bestimmt. Folglich können
Krankheiten in der Periode der Jugend einen drey-
fachen Grund haben:
1) ein
[96]
- 1) ein Uebermaaſs in der Stärke der äussern Ein-
wirkungen auf den lebenden Organismus; - 2) zu geringe Stärke derselben; und
- 3) verhinderte Einwirkungen des lebenden Orga-
nismus auf die übrige Natur.
In den beyden erstern Fällen ist die Heilung
nur dadurch möglich, daſs die reitzenden Potenzen
auf einige Zeit unter oder über ihr naturgemäſses
Maaſs vermindert oder vermehrt werden, und daſs
also eine der zu heilenden entgegengesetzte Krank-
heit hervorgebracht wird. Im letztern Falle ist das
erste Erforderniſs zur Heilung Wegräumung der
Ursachen, welche die Einwirkung des lebenden
Organismus auf die übrige lebende Natur ver-
hinderten. Aber so lange dieses Hinderniſs statt
fand, war der Organismus in seinem Fortgange
zur vita maxima aufgehalten. Ein zweytes Erfor-
derniſs zur Heilung ist daher eine temporäre Erhö-
hung der reitzenden Potenzen über ihr mittleres
Maaſs.
In der Periode des Alters lebt der Organismus
nicht mehr für sich, sondern nur für andere. Nur
in Beziehung auf andere lebende Individuen kann
hier also ein widernatürlicher Zustand desselben
eintreten, und dieser kann entweder in stärkerer,
oder geringerer Entziehung von Lebenskraft beste-
hen, als zur Erhaltung anderer Organismen erfor-
derlich ist. Der erste Fall hat seinen Grund in Ue-
ber-
[97] bermaaſs an Reitzungen. Diese aber können entwe-
der von Reitzen der leblosen Natur, oder von Ein-
wirkungen lebender Organismen herrühren. Ist je-
nes, so ist die Heilung nur durch eine temporäre
Verminderung der reitzenden Potenzen unter ihr
naturgemäſses Maaſs, und hierauf durch Erhöhung
derselben bis zu diesem Mittelmaaſs möglich. Die
zweyte Ursache setzt schon eine Krankheit eines
andern Organismus voraus, und die Heilung beru-
het hier also auf der Wiederherstellung des letz-
tern — Im andern Falle, wo dem Organismus we-
niger Lebenskraft entzogen wird, als die Organisa-
tion der lebenden Natur erfordert, liegt die Schuld
ebenfalls an einem andern Organismus, welcher we-
niger reitzt, wie er seiner Bestimmung gemäſs soll-
te, und die Heilung wird auch hier durch Wegräu-
mung der Ursachen bewerkstelligt, welche die Ein-
wirkung des letztern auf den erstern aufhielten,
oder ganz aufhoben.
Drittes System.
Sind lebensfähige Materie und Lebenskraft
wechselseitig durch einander, so ergiebt sich gleich
eine Folgerung, die unsern fernern Untersuchun-
gen den Weg bahnet. Wirklicher Uebergang der
lebenden Materie zur leblosen Natur kann alsdann
nicht statt finden; Sterben kann nur Verwandlung
einer gewissen Form des Lebens in eine andere,
oder dasselbe für das physische Leben seyn, was
I. Bd. Gdie
[98] die Seelenwanderung des Pythagoras für das geisti-
ge seyn würde.
Jeder lebende Organismus steigt also in einer
gewissen Form des Lebens von der vita minima her-
auf zur vita maxima, und kehrt zurück zur vita
minima, und beginnet und vollendet hierauf diesen
Kreislauf in einer andern Form des Lebens.
Wir müssen folglich in diesem System mit
Needham und Büffon gewisse Formen des Lebens
annehmen, worin alle lebende Organismen, sowohl
der Schimmel und das kleinste Insekt, als die Eiche
und der Mensch nach dem Tode übergehen,
Die lebende Materie muſs daher an sich formlos,
und jeder Form des Lebens fähig seyn. Eine be-
stimmte Form muſs sie nur durch die Verbindung
mit Stoffen der todten Natur erhalten, und jene
Form muſs verschieden seyn nach der Verschieden-
heit dieser Stoffe.
Eine andere Folgerung aus der obigen Voraus-
setzung ist, daſs die Gleichförmigkeit der Reaktio-
nen des lebenden Organismus bey ungleichen äus-
sern Einwirkungen in diesem System nicht, wie in
dem vorigen, von einer Entziehung der Lebens-
kraft abgeleitet werden kann, sondern in einer
durch
[99] durch diese Kraft bewirkten Neutralisirung der ein-
wirkenden Potenzen seinen Grund haben muſs.
Die Natur des Lebens besteht in dem Vermö-
gen der absoluten Ungleichförmigkeit der äussern
Einwirkungen relative Gleichförmigkeit zu geben.
Verschiedene Formen des Lebens sind also nur dann
möglich, wenn jede Art von lebenden Organismen
nur für gewisse äussere Einwirkungen jenes Ver-
mögen besitzt, oder mit andern Worten, wenn die
Lebenskraft desselben sich nur gegen gewisse ein-
wirkende Potenzen thätig zeigt, und wenn alle
übrige Potenzen die Materie des lebenden Organis-
mus afficiren, ohne durch die Lebenskraft vorher
gebrochen zu seyn.
Das Fortschreiten des Organismus von der vita
minima zu höhern Stufen der Vitalität in einer be-
stimmten Form des Lebens läſst sich weder aus ei-
ner Zunahme der Lebenskraft allein, noch aus ei-
nem Anwachse der bloſsen Materie erklären. Nur in
der Verbindung des Organismus mit einer andern,
in derselben Form des Lebens befindlichen Materie
läſst sich der Grund hiervon aufsuchen.
Eben so kann auch der Uebergang von höhern
Stufen des Lebens zur vita minima nicht von Ver-
minderung der Lebenskraft, oder der Materie allein
abgeleitet werden, sondern nur eine Trennung des
Ganzen, wobey aber jeder Theil nach wie vor sei-
G 2nen
[100] nen ursprünglichen Antheil von Lebenskraft behält,
kann diesen bewirken.
Intensive und extensive Vermehrung oder Ver-
minderung der Lebenskraft sind also immer mit
einander verbunden. Vom Entstehen des lebenden
Organismus an bis zu seinen männlichen Jahren,
wo die Lebenskraft im Wachsen begriffen ist, ver-
gröſsert sich auch seine Masse; in der Periode des
Alters, wo die Lebenskraft sinkt, wird auch diese
Masse vermindert.
Vom Entstehen des lebenden Organismus an
muſs folglich ein Vermögen in ihm vorhanden seyn,
fremde lebende Materie seiner eigenen zu verähn-
lichen und zu eigen zu machen, und dieses Vermö-
gen muſs bis zu den männlichen Jahren thätig seyn,
nach dieser Periode aber seine Wirksamkeit ver-
liehren.
Ehe dieses Aufhören der Thätigkeit jenes Ver-
mögens eintritt, erfolgt die Fortpflanzung des Ge-
schlechts. Daſs also das letztere entweder Ursache
des erstern, oder Mitwirkung desselben ist, leidet
keinen Zweifel. Aber welches von beyden der Fall
ist, und wie die Fortpflanzung des Geschlechts,
oder die Ursache, worin dieses seinen Grund hat,
die erwähnte Veränderung nach sich zieht? hier-
über läſst sich so wenig bey dem gegenwärtigen,
wie bey den vorhergehenden Systemen, etwas a
priori bestimmen. Nur so viel ist einleuchtend,
daſs
[101] daſs bey dem gegenwärtigen System von den ver-
schiedenen Zeugungstheorien blos die Epigenese zu-
lässig ist.
Wir haben vorhin gezeigt, daſs die lebende
Materie in einer bestimmten Form des Lebens sich
zur vita maxima erhebt, indem sie fremde lebende
Materie ihrer eigenen assimilirt. Da nun die leben-
de Materie an sich gestaltlos ist, und erst durch die
Verbindung mit Stoffen der leblosen Natur eine be-
stimmte Form erhält, so kann diese Verähnlichung
nur darin bestehen, daſs der assimilirende Organis-
mus die zu verähnlichende Materie erst von den-
jenigen Stoffen trennet, welche dieser eine von der
seinigen verschiedene Form des Lebens gaben, und
sie nachher mit denen wieder verbindet, wodurch
die ihm eigene Form des Lebens bestimmt ist. Ei-
ne solche Decomposition und Composition erfordert
aber eine Thätigkeit des assimilirenden Organis-
mus, und jede Thätigkeit des letztern setzt eine
äussere Einwirkung voraus. Hiermit ergeben sich
also dreyerley ihren Ursachen nach verschiedene Ar-
ten von Krankheiten:
- 1) von Mangel an Reitzungen. Hieraus entsteht
aufgehaltenes Fortschreiten zur vita maxima,
oder beschleunigte Rückkehr zur vita minima. - 2) Von Uebermaaſs an Reitzungen. Dieses be-
schleunigt den Fortgang zur vita maxima,
aber eben dadurch auch die Rückkehr zur vita
minima.
G 33) Von
[102]
- 3) Von Mangel an assimilationsfähiger Materie.
Ohne einen hinlänglichen Vorrath von dieser
findet bey einer mittlern Summe von äussern
Einwirkungen eben so wohl, als bey einem
Mangel, oder Uebermaaſs der letztern Krank-
heit statt.
Dagegen läſst sich nicht bloſses Uebermaaſs an
assimilationsfähiger Materie ohne Uebermaaſs an
Reitzungen als eine Krankheitsursache betrachten,
indem jeder Assimilation, wie vorhin bemerkt ist,
Reitzungen vorhergehen müssen. Jene drey Krank-
heitsursachen würden sich übrigens auf zwey zu-
rückführen lassen, wenn die Erfahrung zeigte,
daſs jede assimilationsfähige Materie das Reaktions-
vermögen des lebenden Organismus zur Thätigkeit
erweckt.
Ausser dieser Classe von Krankheitsursachen
giebt es aber noch eine dritte. Verschiedene For-
men des Lebens nehmlich sind nur dann möglich,
wenn es ausser den eigentlichen Reitzen noch an-
dere Potenzen giebt, die unmittelbar und ohne
durch die Lebenskraft vorher gebrochen zu seyn,
auf den lebenden Organismus einwirken, und wenn
diese Potenzen verschieden sind bey verschiedenen
Organismen. Die Einwirkung solcher Potenzen auf
den lebenden Körper aber kann blos in Decompo-
sitionen seiner Materie bestehen, und diese können
dreyerley Veränderungen nach sich ziehen: Exal-
tation
[103]tation der Lebenskraft, oder Depression der-
selben, oder Umwandelung der Form des Le-
bens. Bey jeder dieser Veränderungen vollendet
der lebende Körper den ihm vorgezeichneten Kreis-
lauf früher, als er den Absichten der Natur gemäſs
sollte, und jede derselben ist also krankhaft.
Die Art der Heilung bey diesen verschiedenen
Krankheiten übrigens ist aus der Entstehung dersel-
ben leicht abzunehmen.
Viertes Capitel.
Plan des empirischen Theils der
Biologie.
Auf eines der drey Systeme, die wir im vorigen
Capitel skizzirt haben, muſs sich jedes, das auf
höhern Principien gebauet und consequent ist, zu-
rückführen lassen. Diese Reduktion werden wir
in der Folge anstellen, und dort wird auch man-
ches, was an jenen Skizzen noch dunkel ist, seine
Aufklärung finden. Jetzt sey unser nächstes Ge-
schäft, den vortheilhaftesten Weg zu finden, um
die drey aufgestellten Systeme mit der Erfahrung
zu vergleichen. Ob die Summe unserer Erfahrun-
gen schon so beträchtlich ist, daſs diese Verglei-
G 4chung
[104] chung entscheidende Resultate liefern kann, wird
sich am Ende unserer Untersuchungen zeigen.
Daſs aber unzählige Hindernisse fast jeden unserer
Schritte erschweren werden, wird schon dieses Ca-
pitel lehren.
Das erste jener Hindernisse legt uns schon
gleich die Ordnung in den Weg, worin wir unsere
Untersuchungen anzustellen haben. Wir haben
hier mit einem Gegenstande zu thun, worin alles
ein ewiger Cirkel ist, und wie wir es auch anfan-
gen mögen, so werden wir es doch nie dahin brin-
gen, die Regel, nichts als erklärt oder bewiesen
vorauszusetzen, was erst im Folgenden seine Erklä-
rung oder seinen Beweis findet, immer streng zu
befolgen. Wie leicht sind hier also nicht Trug-
schlüsse, und Cirkel in den Beweisen möglich!
Um indeſs eine Ordnung zu finden, die an je-
nen Mängeln so wenig als möglich leidet, laſst uns
annehmen, ein Wesen aus einer andern Welt, das
in geistiger Hinsicht eben so beschränkt wäre, wie
der Mensch, aber nicht die körperlichen Fesseln
trüge, womit dieser beladen ist, beträte die Erde
und machte denselben Gegenstand, womit wir uns
in diesem Werke beschäftigen, zum Vorwurfe sei-
ner Untersuchungen: nach welchem Plane würde
dasselbe bey seinen Nachforschungen verfahren?
Es würde zuerst eine Gränzlinie zwischen der le-
benden und leblosen Natur zu ziehen suchen, dann
die
[105] die lebenden Organismen nach dem Beharrlichen,
was es an ihnen anträfe, classificiren, hierauf die
ganze lebende Natur als einen einzigen groſsen Or-
ganismus betrachten, und sehen, in welchen Ver-
hältnissen die verschiedenen Classen, Ordnungen
und Gattungen, woraus derselbe zusammengesetzt
ist, gegen einander und gegen die leblose Natur
stehen, und nun in den Ruinen der Vorwelt den
Veränderungen nachforschen, welche diese Verhält-
nisse und jener Organismus selber erlitten haben.
Von diesen Untersuchungen würde es sich zur Be-
trachtung der Lebens-Erscheinungen wenden, die
wir bey den verschiedenen Classen und Familien
der lebenden Körper antreffen, dieselben durch alle
verschiedene Modifikationen des Lebens verfolgen,
und die Bedingungen und Gesetze derselben bestim-
men. Es würde versuchen, diese Erscheinungen
aus den Eigenschaften der letzten Grundtheile,
worin sich der lebende Organismus durch mechani-
sche Hülfsmittel zerlegen läſst, zu erklären, und
wäre dieser Versuch gelungen, so würde es endlich
noch sich bemühen auszumachen, welchen Antheil
die verschiedenen Grundstoffe, woraus die organi-
sirten Körper zusammengesetzt sind, an der Ent-
stehung und Fortdauer der verschiedenen Lebens-
Erscheinungen haben.
Dies ist nun auch der Weg, den wir bey un-
sern künftigen Untersuchungen einschlagen werden.
G 5Wir
[106] Wir werden zuerst unsere Erklärung des Lebens
auf Gegenstände der Erfahrung anwenden, oder die
Frage zu beantworten suchen: welche Körper
zur lebenden und welche zur leblosen
Natur zu rechnen sind? Hierbey aber stoſsen
wir auf eine nicht geringe Schwürigkeit. Wir kön-
nen jene Erklärung nur da anwenden, wo wir
schon eine hinreichende Menge von Erfahrungen
haben. Allein wie viele Körper giebt es nicht, wo-
bey uns diese noch fehlt, ja, woran nicht einmal
Beobachtungen möglich sind. Vielleicht existiren
daher manche Körper, die wir als leblos betrach-
ten, welche aber in der That zur lebenden Natur
gehören.
Der zweyte Gegenstand unserer Untersuchun-
gen wird das Beharrliche in den Erschei-
nungen des Lebens, oder die Organisa-
tion der lebenden Körper seyn. Wir begreifen
aber unter Organisation dreyerley:
- 1) Die Struktur, oder die Gestalt der Organe,
und deren räumliche Verhältnisse. - 2) Die Textur, oder die Beschaffenheit der
Grundtheile, und die Zusammensetzung der-
selben. - 3) Die Mischung, oder die Grundstoffe, wor-
aus diese Grundtheile bestehen.
Dieser Theil unsers Werks würde also eine
Classifikation der Thiere und Pflanzen nach der
Ver-
[107] Verschiedenheit ihrer Struktur, Textur und Mi-
schung, oder eine vergleichende Anatomie und Che-
mie der lebenden Natur enthalten. Allein um das
Ziel unserer Untersuchungen nicht so weit hinaus-
zusetzen, daſs wir die Erreichung desselben nicht
hoffen dürfen, sehen wir uns genöthigt, von die-
sem Theile der Biologie nur das Allgemeine zu be-
rühren, und in Betreff des Speciellen auf die Schrif-
ten unserer Vorgänger zu verweisen.
Wir betrachten hierauf die Organisation
der lebenden Natur, oder die Verhältnisse,
worin die lebende Natur, als ein einziger groſser
Organismus, gegen das übrige Universum und je-
der Theil derselben gegen die übrigen steht. Bey
diesem Gegenstande, dessen ausführliche Bearbei-
tung ohnehin weit mehr Raum erfordern würde,
als uns hier vergönnet ist, fehlt es uns aber fast
noch ganz an Vorgängern, und wir glauben daher
auf Nachsicht Anspruch machen zu dürfen, wenn
unsere Darstellung desselben dem Ideale nicht ganz
entspricht, das man sich davon zu machen berech-
tigt ist.
Die Organisation der lebenden Natur ist eben
so wohl, als die eines jeden lebenden Individuums,
einem beständigen Wechsel unterworfen. Wir wer-
den einen kurzen Abriſs dieser Revolutionen
der lebenden Natur entwerfen, und dann zur
Unter-
[108] Untersuchung der einzelnen Lebenserscheinungen
übergehen.
Die Lebenserscheinungen lassen sich überhaupt
in solche eintheilen, die blos dem Indivi-
duum angehen, und in solche, welche auf
die Fortpflanzung des Geschlechts ab-
zwecken.
Die erstere Classe theilen wir weiter:
- 1) in solche, die im Raume und der Zeit
geschehen, und Gegenstände der äussern
Sinne sind; - 2) in solche, welche blos in der Zeit vor
sich gehen, und nur von dem innern Sinn
wahrgenommen werden.
Zu denjenigen Lebenserscheinungen, welche blos
dem Individuum angehen, und Gegenstände der
äussern Sinne sind, gehört die Erzeugung, in-
sofern sie den erzeugten Organismus be-
trifft; das Wachsthum, nebst der Meta-
morphose und Reproduktion; die Ernäh-
rung, und diejenigen Lebenserscheinungen, die
zunächst von der Ernährung abhängen, nehmlich
der bestimmte Grad von Wärme der leben-
den Organismen, das Leuchten verschiedener
Thiere und Pflanzen, und die Lebenssphäre
derselben.
Erzeugung, Wachsthum und Ernährung sind
Erscheinungen, die allen lebenden Körpern ohne
Aus-
[109] Ausnahme zukommen. Nicht so allgemein sind
schon die drey letztern der obigen Phänomene.
Auf eine noch geringere Anzahl von Organismen
sind aber diejenigen Lebenserscheinungen einge-
schränkt, die nicht wie die vorigen im Raume und
in der Zeit, sondern blos in der Zeit geschehen, die
wir nur an uns selber durch den innern Sinn wahr-
nehmen, und andern Organismen blos nach der
Analogie beylegen. Diese innern Lebenserschei-
nungen zeigen sich entweder als Vorstellungen,
oder als Bestrebungen. Zur Lehre von den erstern
gehört mit die von den äussern Sinnen. Die
Lehre von den letztern begreift die von den Trie-
ben, Instinkten, Leidenschaften und will-
kührlichen Handlungen.
Die zweyte Classe der Lebenserscheinungen
enthält diejenigen, welche die Gattung betreffen,
und auf die Fortpflanzung des Geschlechts abzwek-
ken. Zu diesen gehört die monatliche Rei-
nigung, die Begattung, Empfängniſs,
Schwangerschaft, Geburt und das Säugen.
Alle Lebenserscheinungen finden wir auf ver-
schiedene Art modifizirt, und diese Modifikationen
sind Temperament, Geschlechtsverschie-
denheit, Wachen und Schlaf, Jugend und
Alter, Gesundheit und Krankheit. Die
Betrachtung derselben wird den letzten Theil un-
serer
[110] serer Untersuchungen des ungetrennten leben-
den Organismus ausmachen.
Bey diesen Untersuchungen betrachten wir die
Lebenserscheinungen als Wirkungen der Kräfte des
lebenden Organismus, insofern er ein Körper von
einer eigenen Struktur, Textur und Mischung ist.
Diese Ansicht ist die älteste von allen und die ein-
zige, die in dem gröſsten Theile der ehemaligen
physiologischen Lehrbücher herrscht. An Erfah-
rungssätzen ist daher auch dieser Theil der Biolo-
gie unter allen der reichhaltigste. Indeſs fehlt
noch vieles, daſs jene Erfahrungen so benutzt sind,
wie sie seyn könnten. Ein fruchtbares regulatives
Princip bey der Anwendung derselben liefern uns
die im zweyten Capitel dieser Einleitung bewiese-
nen Sätze. Da nehmlich jede materielle Verände-
rung aus dem Uebergewichte einer Kraft A über ei-
ne ihr entgegengesetzte B entsteht, so muſs, wenn
dieses Uebergewicht nicht fortdauern und nicht
Ruhe das Produkt jener Veränderung seyn soll, ei-
ne dritte Kraft C vorhanden seyn, welche das Ue-
bergewicht wieder auf Seiten der Kraft B bringet.
Wir sind daher berechtigt, zu jeder
Wirkung sowohl einer Classe lebender
Organismen auf die übrige lebende Na-
tur und auf das Universum, als eines
jeden Organs, oder Systems von Orga-
nen auf den übrigen Organismus eine
ent-
[111]entgegengesetzte aufzusuchen. Eben die-
ses Princip findet man in Schellings Werken aus
andern Vordersätzen abgeleitet, dessen Schrift über
die Weltseele (S. 179. ff.) zugleich Beweise von der
Fruchtbarkeit der Anwendung desselben enthält.
Ein ausgerissenes Herz fährt noch eine Zeitlang
fort, zu pulsiren; der Darmcanal äussert noch
ausserhalb dem Körper peristaltische Bewegungen,
und so setzen mit Einem Worte die meisten Organe
nach ihrer Trennung vom übrigen Organismus ihre
Lebenserscheinungen noch einige Zeit fort. Diese
Thatsache giebt uns ein Mittel an die Hand, den
Lebenserscheinungen der Grundtheile des Körpers,
und den Gesetzen und Bedingungen derselben nach-
zuforschen. Nun sind die Eigenschaften des Zu-
sammengesetzten Resultate der Eigenschaften seiner
Grundtheile und deren Verbindung. Gelingt es uns
also, die Eigenschaften der letztern zu entdecken,
so werden wir auch die Eigenschaften der verschie-
denen Organe des Körpers zu erklären im Stande
seyn.
Diese Ansicht der lebenden Organismen von
Seiten ihrer Textur und Mischung ist bekanntlich
erst seit Hallern ein Gegenstand der Untersu-
chung geworden, und daher noch weit weniger
reichhaltig an Erfahrungssätzen, als der vorige.
Inzwischen liegen auch in der Natur dieser Unter-
suchungen Schwürigkeiten, die bey den vorigen
weg-
[112] wegfallen. Erstens nehmlich sind in allen Organen
die verschiedenen Grundtheile so innig mit einan-
der verbunden, daſs in den meisten keine Abson-
derung der letztern möglich ist. Das Hirn- und
Nervenmark ist allenthalben mit Zellgewebe und
Gefäſsen, der Muskel mit Zellgewebe, Gefäſsen,
Nerven und Fett, und das Zellgewebe mit Gefäſsen
und Fett durchwebt und umgeben. Bey Versuchen
über das Hirn- und Nervenmark wird es also in
den meisten Fällen ungewiſs seyn, ob die Resulta-
te derselben ihnen, und nicht vielmehr dem Zell-
gewebe und den Gefäſsen, die man in ihnen an-
trifft, zugeschrieben werden müssen. Dieselbe
Bewandniſs wird es mit Versuchen an den Muskeln
und am Zellgewebe haben. Hier müssen wir also
zu Schlüssen unsere Zuflucht nehmen, die uns
aber meist nur Wahrscheinlichkeit, selten Gewiſs-
heit verschaffen können. Eine zweyte Schwürig-
keit bey diesen Untersuchungen macht der Um-
stand, daſs wir von manchen Organen die Grund-
theile noch nicht kennen. Wir wissen z. B. nicht
mit Gewiſsheit, ob der Uterus und die Iris aus
Zellgewebe oder Muskelfasern bestehen. Ja, bey
einer groſsen Anzahl lebender Organismen reichen
nicht einmal unsere Sinne hin, um hierüber zu
entscheiden. Wer z. B. vermag zu bestimmen, ob
der Körper des zarten Polypen aus Muskelfasern,
oder aus Zellgewebe zusammengesetzt ist?
Fer-
[113]
Ferner geschehen alle Versuche des Biologen
in der atmosphärischen Luft, also in einem Medi-
um, das beständigen Veränderungen unterworfen
und immer mit einer Menge fremdartiger Substan-
zen angefüllt ist, welche den wichtigsten Einfluſs
auf den lebenden Körper haben, und die Reinheit
der Versuche trüben. In dieser Hinsicht hat der
Biologe noch ein weit schlimmeres Schicksal, als
der Chemiker, und jener sollte daher bey jeder sei-
ner Beobachtungen zugleich die Temperatur der
Luft, den Barometer- und Hygrometerstand, und
mit Einem Worte alle veränderliche Eigenschaften
der Atmosphäre, die wir zu erforschen im Stande
sind, mit einer noch weit gröſsern Genauigkeit, als
der letztere, angeben. Ich kenne aber keinen Be-
obachter, der diese Regel befolgt hätte, und eben
daher rühren gewiſs die vielen Widersprüche, die
sich vorzüglich in der Lehre vom Galvanismus
finden.
Endlich macht noch die Beantwortung der Fra-
ge: Was Lebenserscheinungen sind? bey
den erwähnten Untersuchungen Schwürigkeiten.
Solange es an einer Erklärung des Lebens fehlte,
war man nicht im Stande, diese Frage auch nur
im Allgemeinen zu beantworten. Unserer obigen
Erklärung zufolge können nur solche Phänomene
Lebenserscheinungen heissen, welche gleichförmig
bleiben, obgleich sie durch ungleichförmige und
I. Bd. Hver-
[114] veränderliche Einwirkungen veranlaſst sind, solan-
ge nur diese Veränderlichkeit eine gewisse Gränze
nicht überschreitet. Die Kraft, wodurch jene
Gleichförmigkeit bewirkt wird, haben wir Lebens-
kraft genannt. Folglich ist nur das Lebenserschei-
nung, wobey Lebenskraft mit im Spiele ist.
So leicht nun aber auch die Bestimmung des
Charakters der Lebenserscheinungen vermittelst un-
serer Erklärung des Lebens im Allgemeinen ist, so
wird doch die Anwendung hiervon auf einzelne
Fälle immer noch äusserst schwürig bleiben. Ein
Beyspiel giebt das Zellgewebe. An diesem und an
den gröſstentheils aus ihm allein gebildeten Orga-
nen, z. B. der Bauchhaut, dem Hodensacke u. s. w.
bemerkt man zuweilen Contraktionen. Haller sa-
he einen Kranken, dessen Unterleib und Oberschen-
kel ganz steif waren, und wobey diese Steifheit
endlich in eine Beugung desselben überging, ohne
daſs sich eine andere Ursache, als eine Zusammen-
ziehung des Zellgewebes jener Theile entdecken
lieſs (c). Selbst in den harten, aber auch aus Zell-
gewebe bestehenden Knochen zeigen sich zuweilen
solche Contraktionen. Nach dem Ausfallen der
Zähne im Alter schlieſsen sich die Zahnhöhlen,
und bey der Nekrose zieht sich der neu erzeugte
Knochen, nach der Herausnahme des vorigen ab-
gestorbenen, bis zu seiner natürlichen Gröſse zu-
sam-
[115] sammen. Trennen wir Zellgewebe von dem übri-
gen lebenden Organismus, und reinigen dasselbe
von dem Blute und andern fremdartigen Dingen,
so äussert dasselbe keine Zusammenziehungen,
oder sonstige Bewegungen, solange keine äussere
Einwirkungen auf dasselbe statt finden. Jene Con-
traktionen erfolgen aber, wenn es mit kaltem Was-
ser, verdünnter Salpeter- oder Schwefelsäure be-
sprengt wird, und zwar lassen sich dieselben so-
lange hervorbringen, als das Zellgewebe noch
feucht ist. Auch erfolgen sie noch, wenn gleich
alle übrige Organe keine Spuhren des Lebens mehr
äussern, und der Leichnam nur noch weich und
biegsam ist (d).
Sind diese Contraktionen nun Lebenserschei-
nungen? Mehrere Schriftsteller verneinen diese
Frage, und berufen sich auf die Zusammenziehun-
gen, welche die Kälte und jene Säuren auch in leb-
losen Körpern hervorbringen. Allein dieser Um-
stand kann hier nichts entscheiden. Nicht die Art
der Reaktionen, sondern die Art, wie dieselben
durch äussere Einwirkungen erregt werden, macht
den Unterschied zwischen den vitalen und leblosen
Bewegungen. Die Beantwortung jener Frage beru-
het auf der Entscheidung des Punkts: ob bey jenen
Bewegungen des Zellgewebes Lebenskraft mit im
Spie-
H 2
[116] Spiele ist? Das Criterium hiervon ist die Abnahme
der relativen Stärke der äussern Einwirkungen bey
der Zunahme ihrer absoluten Stärke, und die Zu-
nahme der erstern bey der Abnahme der letztern.
Allein die Zusammenziehungen des thierischen Zell-
gewebes geschehen so langsam, daſs es schwer
hält, dieses Criterium darauf anzuwenden. Schnel-
ler gehen die Contraktionen vor sich, welche ver-
schiedene Vegetabilien, z. B. die mimosa pudica,
äussern. Wäre es ausgemacht, daſs der Körper
dieser Organismen blos aus Zellgewebe besteht, so
würde sich jener Punkt durch Versuche an diesen
entscheiden lassen. Aber dann entstände wieder die
Frage: ob sich von dem vegetabilischen Zellgewebe
auch auf das thierische schliessen läſst? Und so
kommen wir hier von einer Schwürigkeit auf die
andere.
In den festen Theilen des lebenden Organis-
mus hören alle Lebenserscheinungen auf, sobald
die Textur desselben zerstöhrt ist. Ueber die Mi-
schung der lebenden Organe können wir also keine
Versuche anstellen, ohne ihre Textur mit in An-
schlag zu bringen, und bey unsern empirischen
Untersuchungen über die erstere müssen wir uns
also begnügen, nur durch Schlüsse auszumachen,
welchen Antheil die Textur und welchen die Mi-
schung an der Hervorbringung der Lebenserschei-
nungen hat. Nur die Aktionen der flüssigen Thei-
le
[117] le sind Resultate ihrer bloſsen Mischung, und nur
an diesen lassen sich daher direkte Versuche über
die letztere machen. Aber hierbey kommen wir
wieder auf die Frage: ob jene Phänomene auch
Lebenserscheinungen sind? Hierher gehört die im
ersten Capitel dieser Einleitung berührte Streit-
frage über die Vitalität des Bluts. Vermittelst des
oben angegebenen Charakters der Lebenserschei-
nungen läſst sich diese Frage jetzt leicht im Allge-
meinen beantworten. Das Blut, und überhaupt
jede Flüssigkeit ist belebt, wenn die Erscheinun-
gen, die wir an demselben wahrnehmen, ohnge-
achtet der Veränderlichkeit der äussern Einwirkun-
gen, wodurch dieselben erregt werden, dennoch
etwas Bleibendes und Unveränderliches haben; hin-
gegen ist sie leblos, und nicht zum lebenden Or-
ganismus, sondern zur Aussenwelt gehörig, wenn
dies nicht der Fall ist. Die Anwendung dieses Cri-
teriums aber wird freylich noch groſsen Schwürig-
keiten unterworfen bleiben.
Hier endigen sich unsere empirischen Untersu-
chungen der Lebenserscheinungen, oder die Na-
turgeschichte des physischen Lebens.
Je ärmer dieser analytische Theil der Biologie an
Erfahrungssätzen ist, desto schwankender muſs
auch der folgende synthetische Theil derselben aus-
fallen; hingegen je reicher jener, desto fester die-
ser. Der Weg der Erfahrung, erleuchtet durch
H 3Phi-
[118] Philosophie der Natur, ist also der einzige, den
wir gehen dürfen, wenn sich die Biologie, und
mit ihr andere der wichtigsten Fächer des mensch-
lichen Wissens ihrer Vollendung nähern sollen.
Er ist dornicht, und von unabsehbarer Länge.
Aber mögen wir das Ende desselben erreichen,
oder nicht; schon unsere Bemühungen, zu diesem
Ziele zu gelangen, werden belohnend genug seyn.
“Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend ein
„Mensch ist, oder zu seyn vermeinet, sondern die
„aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter
„die Wahrheit zu kommen, macht den Werth des
„Menschen. Denn nicht durch den Besitz, sondern
„durch die Nachforschung der Wahrheit vermeh-
„ren sich seine Kräfte, worin allein seine immer
„wachsende Vollkommenheit besteht. Der Besitz
„macht ruhig, träge, stolz — Wenn Gott in seiner
„Rechten alle Wahrheit, und in seiner Linken den
„einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, ob-
„schon mit dem Zusatze, mich immer und ewig
„zu irren, verschlossen hielte, und spräche zu
„mir: wähle! Ich fiele ihm mit Demuth in seine
„Linke, und sagte: Vater gieb! Die reine Wahr-
„heit ist ja doch nur für dich allein”. — So sprach
ein Weiser, und dieser Wahlspruch sey auch der
unsrige.
Fünf-
[119]
Fünftes Capitel.
Anhang.
Ueber den Gebrauch der Hypothesen in
der Biologie, und über die Schranken
der praktischen Heilkunde.
Der Geist strebt nach Einheit im Mannichfaltigen,
und er verschafft sich diese durch Vermuthungen,
wo sie ihm die Erfahrung nicht liefern kann. Jede
empirische Wissenschaft ist aber noch sehr weit
von jener Stufe entfernt, wo das Feld der Erfah-
rungen nicht mehr unangebaute Stellen hat, und kei-
ne weiter als die Biologie. Erwägen wir die im
vorigen Capitel aufgezählten Hindernisse, die sich
jeder biologischen Erfahrung entgegenstellen, so-
ist es sogar unwahrscheinlich, daſs diese Wissen-
schaft jene Stufe von Vollkommenheit jemals errei-
chen wird. Was ist hier also zu thun? Sollen wir
die Lücken, die uns in dem empirischen Theile
der Biologie fast bey jedem Schritte aufstoſsen,
durch Vermuthungen ausfüllen, oder sollen wir
sie unergänzt lassen?
Im Allgemeinen ist die Antwort auf diese Fra-
ge leicht zu finden. Ist Einheit im Mannichfaltigen
ein Bedürfniſs des menschlichen Geistes, so macht
H 4ent-
[120] entweder eure Schüler mit keinen Gegenständen
bekannt, bey denen Wahrscheinlichkeit die Stelle
der Gewiſsheit vertreten muſs, oder stillet ihnen
jenes Bedürfniſs. Und würden sie es auch am En-
de nicht selber befriedigen, wenn ihr es nicht thä-
tet? Zudem, Vermuthungen und Hypothesen aus
Erfahrungswissenschaften verbannen, heiſst den
Weg zu allen weitern Erfahrungen versperren.
Um zu beobachten, müssen wir wissen, worauf
wir unsere Aufmerksamkeit zu richten haben.
Aber woher dies wissen, ohne Erwartung eines
möglichen, oder wahrscheinlichen Erfolgs, das
heiſst, ohne Vermuthungen und Hypothesen? Die
Natur-Wissenschaften würden geistlose Namenre-
gister seyn, wenn man sich blos auf das Sammeln
von Thatsachen eingeschränkt hätte. Sie wurden
das, was sie sind, nur dadurch, daſs man das
Sichtbare an ein höheres Unsichtbares knüpfte, ihm
dadurch Sinn und Deutung gab, und so in das
Mannichfaltige der Erscheinungen Einheit brachte.
Von dieser Seite sind also Vermuthungen und
Hypothesen in der Biologie nicht nur zulässig, son-
dern auch nothwendig. Allein es giebt hierbey
noch einen andern Gesichtspunkt, und aus diesem
erscheint die obige Frage in einem ganz andern
Lichte. Die Biologie nehmlich ist die Grundlage
der praktischen Heilkunde. Indem ihr also, ruft
man uns zu, Thatsachen in jener mit bloſsen Wahr-
schein-
[121] scheinlichkeiten vermischt, macht ihr die Stützen
der letztern wankend, und diese selber zu einer
gefährlichen Kunst. Ihr wendet freylich ein, daſs
der Miſsbrauch den rechten Gebrauch nicht auf-
hebt; aber mit Unrecht. Denn wo der Miſsbrauch
häufiger, als der rechte Gebrauch ist, wird jener
durch diesen allerdings aufgehoben. Haltet euch
also mit uns an die reine Erfahrung, und hütet
euch vor allen schimmernden Hypothesen, die den
Arzt, unter dem Versprechen einer gröſsern Leich-
tigkeit in der Ausübung seiner Kunst, zum Gift-
mischer und Meuchelmörder machen! (e).
So
H 5
[122]
So sprechen alle jene Aerzte, die sich vorzugs-
weise rationelle Empiriker nennen, und es läſst
sich ihnen nichts entgegensetzen, wenn ihre Kunst,
wie sie behaupten, wirklich auf reiner Erfahrung
beruhet — Laſst uns unpartheyisch untersuchen,
was an dieser Behauptung Wahres ist!
Es giebt zwey Wege für den praktischen Arzt,
den der Empirie, und den des Dogmatismus.
Medicinische Empirie nenne ich die Kunst, ei-
nen gegenwärtigen individuellen Fall einem andern,
zuvor beobachteten, in welchem gewisse Arzneyen
die Gesundheit wieder herstellten, anzupassen.
Ihre Theorie besteht in einer Sammlung getreu-
er Beobachtungen über die Wirkungen der Arzney-
mittel in den verschiedenen Krankheiten, und in
einer genauen Bestimmung der Kennzeichen dieser
Krankheiten.
Mit völliger Gewiſsheit kann der Empiriker
nur dann die Wirkung, welche ein gewisses Arz-
neymittel hervorbringen wird, vorherwissen, wenn
der gegenwärtige Fall mit dem schon sonst beobach-
teten in allen Stücken übereinstimmt. Sobald diese
Uebereinstimmung nicht statt findet, muſs er über
den Erfolg seiner Bemühungen mehr oder weniger
in Ungewiſsheit seyn. Hier giebt es für ihn nur
zwey Auswege:
1) Der
[123]
1) Der gegenwärtige Fall stimmt mit dem schon
sonst beobachteten zwar nicht in allen, aber
doch in vielen Stücken überein.
Diese Stücke, worin ein vorhandener Fall mit
einem schon sonst beobachteten übereinkömmt, ma-
chen zusammengenommen das aus, was man In-
dikation nennet. Je mehr solcher Stücke zuge-
gen sind, desto gröſser ist die Indikation zum Ge-
brauche des Mittels, welches in dem schon ehedem
beobachteten Falle eine bestimmte Wirkung her-
vorgebracht hat, desto mehr hält sich der Empiri-
ker für berechtigt, zu schliessen, daſs dieselbe
Wirkung auch in dem vorhandenen Falle erfolgen
wird. Je mehr solcher Stücke, welche die Indika-
tion zum Gebrauche eines gewissen Mittels ausma-
chen, der Empiriker aufzufinden weiſs, desto
gröſser ist sein praktisches Genie; je weniger,
desto mehr nähert er sich dem groben Quacksalber.
2) Die Kennzeichen, wodurch sich der gegen-
wärtige Fall auszeichnet, bestehen aus den
Kennzeichen zweyer oder mehrerer schon ehe-
dem beobachteter Fälle.
Hier hat der Empiriker einen doppelten Weg:
er wendet entweder eine Mischung der verschiede-
nen Mittel an, welche in jedem der beobachteten
Fälle, aus deren Kennzeichen die Merkmale des ge-
genwärtigen Falls zusammengesetzt sind, die er-
wünsch-
[124] wünschte Wirkung hervorbrachten; oder er wen-
det sie nach einander an.
Die Grundlage der Empirie besteht also in Be-
obachtungen der iuuantia und nocentia. Je getreuer
und zahlreicher diese Beobachtungen sind, desto
mehr Gewiſsheit erhält der theoretische Theil der-
selben, dessen Ideal eben so wahr und ungezwei-
felt ist, wie irgend ein Theil der Mathematik.
Der medicinische Dogmatismus lehrt, aus dem
Wesen einer Krankheit die zur Heilung derselben
erforderlichen Mittel finden.
Das Wesen einer Krankheit läſst sich nur aus
den sinnlichen Merkmalen derselben erkennen.
Mithin bedarf der Dogmatiker eben sowohl einer
Kenntniſs dieser Merkmale, wie der Empiriker.
Nur schlieſst dieser unmittelbar aus jenen Merkma-
len auf die erforderlichen Arzneyen, jener hinge-
gen zuvor auf das Wesen der Krankheit, und erst
hieraus auf die nöthigen Mittel.
Der Weg des Empirikers ist also kürzer, als
der des Dogmatikers. Aber wozu denn einen Um-
weg nehmen, wenn wir in grader Richtung zu
demselben Ziele gelangen können?
Allerdings kann der praktische Arzt des Dog-
matismus ganz entbehren, wenn medicinische Er-
fahrung möglich und anwendbar ist. Wir
werden also zu untersuchen haben, ob und in wie
fern dieses der Fall ist.
Erfah-
[125]
Erfahrung ist das anerkannte Verhältniſs von
Ursache und Wirkung zweyer Erscheinungen ge-
gen einander. Es giebt zwey Wege zur Entdek-
kung dieses Verhältnisses. Wir erkennen es ent-
weder daraus, daſs wir jene Erscheinungen oft mit
einander verbunden sehen; oder wir verschaffen
uns in Betreff desselben Gewiſsheit, indem wir die
Umstände abändern, unter welchen die eine Er-
scheinung erfolgt, und sehen, ob diese Abände-
rung Einfluſs auf das andere Phänomen hat. Der
erstere Weg ist der der Induktion, und dieser
führt selten zur Gewiſsheit, meist nur zur Wahr-
scheinlichkeit, und dies häufig erst nach langen und
mühsamen Untersuchungen. Der letztere Weg ist
der des Experimentirens, und der ist der ein-
zige, auf dem sich zur völligen Gewiſsheit gelangen
läſst. Von diesen beyden Wegen nun ist der letz-
tere dem Arzte verschlossen, und blos der erstere
steht ihm offen. Hieraus ergiebt sich erstens:
daſs alle medicinische Erfahrung meist
nur auf Wahrscheinlichkeit, selten auf
Gewiſsheit Anspruch machen kann.
Aber auch der Weg der Induktion ist dem Arz-
te in sehr vielen Fällen versperrt. Erscheinungen
nehmlich, bey denen wir ein Causalverhältniſs
muthmaſsen, folgen entweder auf einander, oder
sind coexistirend. In beyden Fällen läſst sich auf
ein solches Verhältniſs nicht eher schliessen, als bis
darge-
[126] dargethan ist, daſs jene Phänomene nicht Coeffekte
irgend einer dritten Ursache sind. Im erstern Fal-
le, wo die beobachteten Phänomene der Folge nach
mit einander in Verbindung stehen, läſst sich die-
ser Beweis auf dem Wege der Induktion nur daraus
fuhren, daſs bey dem Gleichbleiben oder der Ver-
änderung des einen Phänomens auch ein Gleichblei-
ben oder eine Veränderung des andern statt findet.
Nun beziehen sich die meisten Beobachtungen des
Arztes auf die Frage: ob zwischen gewissen Ein-
wirkungen der Aussenwelt auf den menschlichen
Körper und gewissen Erscheinungen des letztern
eine Causalverbindung statt findet? Der Arzt kann
also nur da auf eine solche Verbindung schliessen,
wo diese Erscheinungen und jene Einwirkungen so
mit einander verbunden sind, daſs bey einer quan-
titativen oder qualitativen Veränderung der letztern
eine ähnliche Veränderung der erstern eintritt. Der
Natur des lebenden Organismus gemäſs, die in der
Gleichförmigkeit der Erscheinungen bey ungleich-
förmigen Einwirkungen der Aussenwelt besteht,
findet aber bey ihm nie ein gleiches Verhältniſs zwi-
schen den Einwirkungen und Gegenwirkungen
statt, als nur da, wo jene gewisse Schranken über-
schreiten. Hier ist also durch Induktion zu keinen
auch nur wahrscheinlichen Resultaten zu gelangen.
Um diese zu erhalten, müſste der Arzt jene Einwir-
kungen nach Gefallen verstärken, schwächen und
verändern, also Versuche mit dem menschlichen
Kör-
[127] Körper anstellen können, welches, wie gesagt, sel-
ten oder gar nicht angeht.
Noch unsicherer aber ist der Weg der Induk-
tion im zweyten Falle, wo die beobachteten Phäno-
mene coexistirend sind. Dieser Fall tritt am häu-
figsten da ein, wo es darauf ankömmt, zu entschei-
den, ob eine Thätigkeit des thierischen Organismus
mit einer andern in Causalverhältnisse steht. Hier
ist es nicht, wie im ersten Falle, hinreichend,
dieses Verhältniſs aus dem Nicht-Vorhandenseyn
einer dritten Ursache, wovon beyde Phänomene
Coeffekte seyn könnten, zu beweisen; es muſs
auch ausgemacht werden, welche von diesen Er-
scheinungen Ursache und welche Wirkung ist.
Sind aber nun jene Phänomene Thätigkeiten eines
und desselben Organismus, so ist hierüber keine
Entscheidung durch die Erfahrung als auf dem
Wege des Experimentirens möglich, folglich wieder
auf einem Wege, den der Arzt nicht einschlagen
darf.
Aus dem Gesagten folgt also zweytens, daſs
es Fälle giebt, wo gar keine medicini-
sche Erfahrung möglich ist.
Inzwischen läſst sich nicht läugnen, daſs in
einigen Fällen diese Schwürigkeiten durch lange und
vielfältige Beobachtungen überwunden werden kön-
nen. Aber ihre Ueberwindung schafft meist nur dem
Ueberwinder selber, und keinem Andern Vortheile.
Je-
[128] Jede Erfahrung nehmlich, die Andern nützen soll,
muſs sich durch Worte, womit jeder einen bestimm-
ten Begriff verbindet, mittheilen lassen, muſs ob-
jektiv seyn. Objektive Begriffe verschffat uns aber
blos der Sinn des Gesichts. Alle übrige Sinne geben
uns mehr oder weniger subjektive Begriffe. Am
meisten objektiv sind noch die des Getastes und
Gehörs, am wenigsten die des Geruchs und Ge-
schmacks. Das Gemeingefühl ist ganz subjektiv,
und kann zu gar keinen objektiven Erfahrungen
führen. Wie wenige medicinische Erfahrungen
giebt es aber, die sich ganz objektiv machen lie-
ſsen! Die Kennzeichen, wodurch sich eine be-
obachtete Krankheit von andern unterscheidet, be-
ruhen immer zum Theil auf subjektiven Empfin-
dungen des Kranken und des Arztes, und alle noso-
logische Systeme sind daher mehr oder weniger ei-
nen Natursystem ähnlich, worin die Pflanzen nach
ihrem Geruche, Geschmacke, der Rauhheit oder
Glätte ihrer Blätter, und die Thiere nach den Tö-
nen, die sie hervorbringen, classifizirt wären.
Man nehme die Kennzeichen der ersten Krankheit,
die einem beyfällt, und man wird sich von der
Wahrheit unserer Behauptung bald überzeugen.
Pathognomonische Charaktere des Faulfiebers z. B.
sind: eine brennende Hitze (calor mordax); ein ge-
schwinder, kleiner, weicher und schwacher Puls;
dumpfe und drückende Schmerzen im Hinterhaup-
te; ein eigener widriger Geruch des Athems, der
Aus-
[129] Ausdünstung, des Harns und des Stuhlgangs;
u. s. w. Ist unter diesen Kennzeichen ein einziges,
das auf andern, als subjektiven Empfindungen des
Kranken, oder des Arztes beruhet? Wäre Bordeu’s
Pulslehre auch, was sie nicht ist, in der Natur ge-
gründet, so würde sie doch, eben weil sie blos auf
subjektiven Erfahrungen sich gründete, für die me-
dicinische Praxis von geringem oder gar keinem
Werthe seyn.
Hieraus läſst sich die Behauptung der empiri-
schen Aerzte erklären, daſs der Anfänger in der
medicinischen Praxis gezwungen sey, die Lehren
der Schule zu vergessen, und aus der Praxis selbst
die Regeln der Praxis zu erlernen. Entweder es
liegt in dieser Behauptung gar kein Sinn, oder es
kann nur der seyn, daſs die Grundsätze der Heil-
kunst gröſstentheils subjektiv sind, und durch kei-
nen Unterricht objektiv gemacht werden können,
sondern blos aus eigener Erfahrung geschöpft wer-
den müssen.
Die obigen Sätze zeigen auch die Richtigkeit
des Satzes: daſs der Arzt mehr als irgend ein ande-
rer Künstler gewisser Anlagen zur Ausübung seiner
Kunst bedarf, und daſs auch die ausgebreitetste Ge-
lehrsamkeit und der gröſste Scharfsinn den Mangel
derselben nicht ersetzen kann. Die Benutzung sub-
jektiver Erfahrungen setzt nehmlich eine gleiche
Stimmung der Empfindungsorgane bey dem, der
I. Bd. Isie
[130] sie zuerst machte, und dem, der sie wiederhohlet,
also etwas voraus, das sich weder durch geistige
Cultur, noch durch Uebung erwerben läſst. — Eben
dieses Erforderniſs aber macht es unmöglich, über
die Tauglichkeit eines Menschen zur Ausübung der
Heilkunde, und über die Gröſse eines Arztes zu
urtheilen. Aus der Menge der Kranken, die unter
der Behandlung des letztern genesen, läſst sich die
Gröſse desselben nicht schätzen: denn jene ist ab-
hängig vom Zufalle. Aus dem Grade seiner geisti-
gen Cultur gilt eben so wenig ein Schluſs auf seine
Talente als Heilkünstler, da diese Folgen der Orga-
nisation sind, und mit jener nichts gemein haben.
Blos er selbst könnte über seine Talente ein Ur-
theil fällen; aber wer schmeichelt sich nicht, der
begünstigte Liebling der Natur zu seyn!
Aus dem Subjektiven der medicinischen Erfah-
rungen läſst sich ferner der groſse Werth erklären,
den die empirischen Aerzte auf ihr sogenanntes
praktisches Gefühl setzen. Dogmatiker ha-
ben diesen Ausdruck als nichtssagend darzustellen
gesucht. Aber versteht man darunter eine ange-
bohrne, durch Uebung vermehrte Fertigkeit in der
Auffindung und Anwendung subjektiver Erfahrun-
gen, so erhält er eine sehr reelle Bedeutung, und
so erscheint er allerdings als ein nothwendiges Er-
forderniſs zu einem geschickten empirischen Arzte.
Aus den obigen Sätzen erhellet endlich, in wel-
chen Theilen der Heilkunde objektive Erfahrung
mög-
[131] möglich, und in welchen dieselbe unmöglich ist.
Möglich ist sie bey den meisten örtlichen Krankhei-
ten, deren Entstehung, Verlauf und Symptome
sich durch den Sinn des Gesichts beobachten las-
sen, also bey den meisten chirurgischen Uebeln.
Unmöglich, oder doch äusserst schwürig ist sie bey
allen übrigen Krankheiten, die keine Gegenstände
des Gesichts sind, also bey den innerlichen, oder
ausschlieſslich sogenannten medicinischen Krank-
heiten. Daher die Vorzüge der Chirurgie vor der
Medicin in Hinsicht ihrer Gewiſsheit.
Das Hauptresultat der bisherigen Sätze aber ist,
daſs bloſse Empirie zur Richtschnur in
der ausübenden Heilkunde durchaus
nicht zureicht. Findet man übrigens die obi-
gen Gründe zum Beweise dieser Behauptung noch
nicht zulänglich, so nehme man hierzu noch fol-
gende, und man wird an der Richtigkeit derselben
nicht mehr zweifeln können.
Die leblose Natur steht gröſstentheils unter un-
serer Herrschaft. Wir können über die meisten Ge-
genstände derselben Beobachtungen und Versuche
anstellen, wenn und wo wir wollen, und jede die-
selben betreffende Frage, die wir auszumachen
wünschen, nach Gefallen beantworten. Und doch
besitzen wir über die leblose Natur der reinen Er-
fahrungen noch so wenige, und wandeln noch in
I 2den
[132] den Vorhöfen derselben, und haben kaum noch
eine Ahndung von dem, was ihr Heiligthum ver-
schlieſst! Wie läſst sich also erwarten, daſs Beo-
bachtungen des lebenden menschlichen Organis-
mus, wobey tausend Schwürigkeiten statt finden,
die dem Physiker nicht im Wege stehen, eine so
groſse Anzahl reiner Erfahrungen, wie der Empiri-
ker zur Ausübung seiner Kunst bedarf, liefern
können?
Jeder Mensch, er gehe mit noch so reinem
Herzen an das Studium der Natur, hat gewisse
Lieblingsmeinungen, die seinem Beobachtungsgei-
ste Fesseln anlegen. Wer sich mit Gegenständen
beschäftigt, worüber objektive Erfahrungen mög-
lich sind, kann diese Ketten abwerfen; ja, sie
müssen ihm endlich abfallen, wenn er nicht schon
von Vorurtheilen ganz verblendet ist. Aber wer
mit Beobachtungen umgeht, die nur zu subjektiven
Erfahrungen führen können, bleibt ewig den Ge-
fahren der Täuschung ausgesetzt. Sieht er Dinge,
die mit seinen Lieblingsideen übereinstimmen, so
kann er gefunden haben, was er finden wollte;
ist er eben dieser Ursache wegen miſstrauisch ge-
gen seine Beobachtungen, und glaubt er nach öf-
terer Wiederhohlung derselben eine Täuschung in
ihnen entdeckt zu haben, wer bürgt uns, daſs gera-
de dieses Miſstrauen nicht die Quelle einer ent-
gegengesetzten Täuschung geworden ist? Die Ue-
berein-
[133] bereinstimmung, oder Nicht-Uebereinstimmung
der Beobachtungen Anderer mit den seinigen ist
ebenfalls zum Beweise oder zur Widerlegung der
letztern nicht immer hinreichend: denn diese An-
dern sind ebenfalls der Täuschung aus vorgefaſs-
ten Meinungen unterworfen, und überdies kann
den Sinnen derselben die zu jener Beobachtung
erforderliche Stimmung fehlen. Hier ist also nicht
einmal bey einem und demselben Menschen, und
noch viel weniger bey verschiedenen Personen Ue-
bereinstimmung zu erwarten. — Dies übrigens giebt
den Schlüssel zur Erklärung der bekannten That-
sache, daſs auch die unsinnigsten Meinungen und
Systeme sich den medicinischen Erfahrungen an-
passen lassen, und es zeigt zugleich, daſs keine
Widerlegung derselben aus der Erfahrung möglich
ist. Wenn Helmont die Seele in den Magen ver-
setzte, und sich dabey auf sein Gefühl berief, wer
konnte ihn widerlegen? Und wenn der Arzt, der
dem Blutlassen hold ist, da einen harten und
vollen Puls fühlet, wo der Freund von reitzen-
den Mitteln Schwäche und Weichheit im Schlage
der Arterien findet, wer vermag den Zwist auszu-
gleichen?
Gesetzt aber auch, diese Schwürigkeiten stän-
den dem beobachtenden Arzte nicht im Wege, wo-
her wissen wir, daſs er seine Beobachtungen uns
unverfälscht überliefert hat? Die Erfahrungen des
I 3Phy-
[134] Physikers lassen sich wiederhohlen und prüfen,
und er darf daher nicht verfälschen, wenn er auch
dazu aufgelegt ist. Aber den Arzt drückt nicht
die Furcht vor der Entdeckung eines Betrugs. Er
kann bey gehöriger Vorsicht täuschen, ohne Ge-
fahr, der Täuschung je überführt zu werden.
Zwar sagt man: die Natur hat ein Gepräge der
Wahrheit, das keine Kunst nachahmen kann.
Aber angenommen, daſs diese Behauptung auch
ihre Richtigkeit hat, so wird doch jenes Gepräge
schwer aufzufinden, und noch schwerer zu entzif-
fern seyn, und kein Menschenalter wird hinrei-
chen, um diese Arbeit mit jeder Erfahrung vor-
zunehmen. Jede Erfahrung, wovon wir Gebrauch
machen wollen, muſs aber dieser Prüfung unter-
worfen werden, und zwar von uns selbst unter-
worfen werden: denn nur auf unser eigenes Ur-
theil, nicht auf die Aussagen Anderer, die von Vor-
urtheilen und Leidenschaften verblendet seyn kön-
nen, durfen wir uns hierbey verlassen.
Endlich, wenn wir auch diese Schwürigkeit
bey Seite setzen, und dem Empiriker einen noch
so groſsen Reichthum an reinen objektiven Erfah-
rungen zugestehen, so bleibt doch bey allem dem
die Anwendung dieser Schätze für ihn höchst be-
schränkt. Um nehmlich mit der Gewiſsheit eines
glücklichen Erfolgs eine Arzney, die in einem beo-
bachteten Falle heilsame Wirkungen hervorbrachte,
in
[135] in einem andern Falle anwenden zu können, müs-
sen beyde völlig mit einander übereinstimmen.
Aber in der lebenden Natur giebt es keine zwey
Fälle, wobey eine solche Uebereinstimmung statt
findet. Sie wechselt unaufhörlich ihre Gestalten,
und nimmt nie die vorigen wieder an, und nir-
gends thut sie dies mehr, als in Krankheiten. Der
Empiriker kann daher blos nach dem Grundsatze
handeln, daſs einerley Ursache in Fällen, die in ei-
nigen Stücken übereinstimmen, ähnliche Wirkun-
gen hervorbringen wird, das heiſst, sich blos
durch Analogie in seiner Praxis leiten lassen.
Analogie kann indeſs nie unmittelbar, sondern nur
mittelbar durch entscheidende Versuche, die sie
veranlaſst, zur Gewiſsheit führen. Aber der Arzt
soll und darf keine Versuche anstellen; er soll Ge-
wiſsheit haben, um zu handeln, und nicht han-
deln, um Gewiſsheit zu erhalten. Was bleibt also
von der Kunst des Empirikers übrig?
Ganz anders ist es mit dem Dogmatiker. Zwar
bedarf auch er, so gut wie der Empiriker, einer
Kenntniſs der Symptome der Krankheit, die er hei-
len soll; zwar stehn auch ihm bey Erwerbung die-
ser Kenntniſs die nehmlichen Hindernisse im We-
ge, womit dieser zu kämpfen hat. Auch er muſs
sich auf das trügliche Zeugniſs des Kranken und
des Gefühls verlassen. Aber, und dies ist der
Hauptvorzug des Dogmatismus vor der rationellen
I 4Em-
[136] Empirie, er braucht sich doch nur zum Theil dar-
auf zu verlassen; er kann jenes Zeugniſs berichti-
gen. Die Krankheitssymptome sind Gegenstände
der sinnlichen Wahrnehmung; was ihnen zum
Grunde liegt, oder die Krankheit selbst, entzieht
sich den Sinnen, und dies ist das Unbekannte,
was der Dogmatiker sucht; die veranlassenden Ur-
sachen der letztern lassen sich wieder durch Beobach-
tungen ausmachen. Die Krankheitssymptome, die
Krankheit selbst, und deren veranlassenden Ursa-
chen machen also eine Kette von Ursachen und
Wirkungen aus, worin der Dogmatiker das erste
und letzte Glied kennt, oder wenigstens zu er-
kennen im Stande ist, und das mittlere aufsucht.
Ist das erste Glied anders, so muſs auch das letz-
te anders seyn, und umgekehrt. Mangelhafte
Kenntniſs des erstern kann folglich der Dogmatiker
durch genauere Untersuchung des letztern, und
mangelhafte Kenntniſs des letztern durch sorgfäl-
tigere Erforschung des erstern berichtigen. Uebri-
gens muſs auch das gröſste Genie bey der Empirie
unter der Last der unzähligen zerstreuten Thatsa-
chen erliegen. Nur dann assimilirt sich das Man-
nichfaltige dem Geiste, nur dann bleibt es ihm im-
mer gegenwärtig, wenn er Einheit darin erblickt.
Und diese Einheit findet er nur beym Dogmatismus.
Nach dem bisher Vorgetragenen läſst sich nicht
weiter zweifeln, daſs medicinische Praxis ohne al-
len
[137] len Dogmatismus schlechterdings unmöglich ist.
Und wirklich spricht auch für diese Unmöglichkeit
die ganze Geschichte der Medicin. Man durchgehe
die Schriften der Sydenham, Bagliv, De Haen,
Stoll u. s. w., und man wird finden, daſs ihr
Verfahren doch gröſstentheils dogmatisch war, so
sehr sie auch gegen allen Dogmatismus eiferten, so
sehr sie sich auch bestrebten, blos die rationelle
Empirie zur Grundlage der praktischen Heilkunde
zu machen. Teste Plinio, sagt z. B. Bagliv, ig-
nota sunt, per quae vivimus; sed si quid ipse iu-
dicare valeo, ignotiora sunt, per quae aegrotamus;
nam minimum illud primo-primum et immedia-
tum, quod morbos producit, a nobis profecto est
incomprehensibile. Undenam igitur in tanta rerum
asperitate hauriendae sunt indicationes curativae in
morbis? Fateor in hisce angustiis ad sola sensuum
testimonia esse refugiendum; id est postquam diu
et patienter observaverimus, quo pacto natura se
gerat in morbi productione, nec non in concoctio-
ne separationeque humoris peccantis, stabiliamus
tandem doctrinam eosdem curandi, naturae vesti-
giis ad amussim respondentem, et prae oculis sem-
per habeamus iuvantium et laedentium observatio-
nem; qua tandem in re ratio a Medicis tantopere
ostentata oportet ut famuletur Empiricae, sed Em-
piricae litteratura expolitae, per plures observatio-
num processus vexatae, et mentis lumine acuatae;
adminicula nempe quae a theoria sumuntur, inflant
I 5pri-
[138] primo spem nostram, postea destituunt. — Aber
wie contrastirt mit diesen Lobsprüchen der Empirie
die gleich darauf folgende dürftige Regel: Fac igitur
ut in tanta rerum caligine et incostantia, theoria tua
te manuducat ad solide hauriendas indicationes, nisi
per cynosuram observationum, quae varios morbo-
rum motus et inclinationes nobis duntaxat manife-
stant, genium illorum prius didiceris, et exinde cu-
rativas indicationes deprompseris (f)!
Was ist es auch anders, als ein Bekenntniſs des
Dogmatismus, wenn unsere Schulen, die immer
nur das Wort Erfahrung im Munde führen, alle
symptomatische Curen verwerfen, und so sehr auf
Erforschung und Hebung der Ursache dringen?
Was ist die von ihnen der empirischen Heilung ent-
gegengesetzte methodische Curart anders, als ein
dogmatisches Verfahren? Alle Aerzte, die sich ra-
tionelle Empiriker nannten, gingen eben so wohl,
als die erklärten Dogmatiker auf höhere Principien
in der Theorie ihrer Kunst aus, und liessen sich
durch die gefundenen in ihrer Praxis leiten. Sie
unterschieden sich von diesen blos in dem Wege,
den sie zur Auffindung dieser Principien einschlu-
gen. Diese eilten von einer gewissen Anzahl rei-
ner, oder wenigstens als rein von ihnen angenom-
menen Erfahrungen zu allgemeinen Grundsätzen,
zogen hieraus Folgerungen, und brachten mit den
letz-
[139] letzten Sätzen, worauf sie kamen, die übrigen
Erfahrungen, die sie vor sich hatten, in Harmo-
nie. Jene hingegen gingen stufenweise; sie ver-
glichen jede Erfahrung mit den übrigen; hielten
die Schlüsse, worauf diese Vergleichung sie geführt
hatte, gegen einander, und suchten so zu den
obersten Principien zu gelangen. Die rationellen
Empiriker gingen also den Weg, den Baco als den
einzig richtigen in der Naturforschung empfahl,
und ihnen wird immer der Ruhm bleiben, die rei-
nen Erfahrungen, welche die Heilkunde wirklich
aufzuweisen hat, entdeckt zu haben. Aber sie über-
sahen den in der Medicin so wichtigen Unterschied
von subjektiver und objektiver Erfahrung; sie
übersahen, daſs Sätze, die auf subjektiven Erfah-
rungen gebauet sind, auch nur subjektive Realität
haben; sie bemerkten nicht, daſs der Weg, den sie
einschlugen, zu keinen allgemein gültigen Princi-
pien führen konnte. Daher stimmten sie meist
nur in ihren Worten, selten in ihren Handlungen
überein; daher stieſsen sie bey der Ausübung ihrer
Kunst allenthalben auf Lücken, die sie mit Hülfe
des Dogmatismus auszufüllen gezwungen waren;
und daher findet man in den Schriften aller Empi-
riker Spuren des Einflusses, den irgend eine dog-
matische Sekte auf ihr Verfahren hatte. Ohne Dog-
matismus, wir wiederhohlen es noch einmal, ist
also keine medicinische Praxis möglich, und es ist
leere Pralilerey, das Gegentheil zu behaupten.
Hat
[140]
Hat dies aber seine Richtigkeit, wozu denn
jenes Sträuben gegen alle neue biologische Vermu-
thungen und Hypothesen? Es giebt nur Eine ver-
nünftige Antwort auf diese Frage. Man kann uns
erwiedern: der praktische Nutzen unserer Vermu-
thungen und Hypothesen ist durch vieljährige Er-
fahrungen erprobt, aber nicht so der der eurigen.
Allein man vergiſst hierbey unsern obigen Beweis
von der Trüglichkeit aller medicinischen Erfahrun-
gen; man vergiſst, daſs von den ältesten Zeiten
her alle medicinische Sekten auf ihre Erfahrungen
trotzten, daſs die Anhänger des Galens von Argen-
tier, Fernel und der Sylvischen Schule, die letz-
tern von Boerhave und Hoffmann, alle Dogma-
tiker von den Empirikern Sydenham, Bagliv,
De Haen u. s. w., und diese wieder von den
Brownischen Aerzten des Irrthums beschuldigt
wurden, und daſs jede Sekte die Wahrheit aus der
Grube des Democrits endlich zu Tage gefördert zu
haben sich rühmte. Man sage nicht, daſs die me-
dicinischen Theorien der vormaligen Zeiten mit den
unsrigen nicht verglichen werden, weil uns so
viele Wahrheiten aus den Hülfswissenschaften der
Heilkunde zu Gebote stehen, die unsern Vorgän-
gern fehlten. Mit jeder neuen Wahrheit keimen auch
hundert neue Irrthümer auf, und gerade so dachten
auch Sylvius, Bagliv u. s. w. von ihren eigenen
medicinischen Theorien in Beziehung auf die ihrer
Vor-
[141] Vorgänger (g). Die Erzählung des weisen Nathan
beym Lessing paſst nicht blos auf den wahren theo-
logischen Glauben. Auch jede medicinische Sekte
glaubte sich im Besitze des ächten Ringes, und
doch waren bisher alle noch mehr oder weniger
Getäuschte.
Aber sollen denn die Regeln einer Kunst, die
unter allen für den Staat und die ganze Mensch-
heit die wichtigste ist, dem Winde jeder neuen
Lehre überlassen werden? Dies können und sollen
sie freylich nicht. Es giebt noch einen andern Aus-
weg, nehmlich die praktische Heilkunde in engere
Gränzen einzuschliessen, als sie bisher hatte, und
dieser Weg ist es, den wir einschlagen müssen.
Wir wollen uns deutlicher hierüber erklären.
Wir haben bewiesen, daſs alle praktische Heil-
kunde nur auf dem Wege des Dogmatismus möglich
ist. Die Grundlage des Dogmatismus aber ist die Bio-
logie, und daſs diese kein vollendetes System ist,
und
[142] und es noch lange nicht werden kann, sahen wir in
dem vorigen Capitel. Jede auf dogmatischen Grund-
sätzen beruhende medicinische Praxis, das heiſst, je-
de medicinische Praxis überhaupt, muſs sich also
auf einem Gemisch von Wahrheiten und Irrthümern
stützen, wird gegen eine Anzahl Kranker, die sie
rettet, vielleicht eine eben so groſse aufopfern,
und läſst sich eben deswegen im Allgemeinen
als verwerflich ansehen. Aber mag sie immerhin
im Allgemeinen noch so verwerflich seyn, bey dem
jetzigen Zustande des Menschengeschlechts wird
doch jeder Vernünftige ihre Unentbehrlichkeit ein-
gestehen müssen. Der Leidende sucht Hülfe, und
hierzu treibt ihn nicht kaltes Räsonnement, son-
dern ein unwiderstehlicher Instinkt. Würde auch
alle Medicin ausgerottet, so würde doch dieser
Trieb bleiben, und nur eine gröſsere Anzahl von
Schlachtopfern würde der kühnen Unwissenheit
überliefert werden. Der Arzt verhütet also wenig-
stens groſse Uebel, wenn er auch nicht viel posi-
tiven Nutzen stiftet, und Aerzte müssen daher
seyn und bleiben, so lange jener süſse Traum, daſs
die Erde ein groſser Garten und das Menschenge-
schlecht, entfesselt von den Ketten der Vorurtheile,
des Aberglaubens und der Tyranney, eine Gesell-
schaft von Brüdern und Weisen werden soll, nur
noch ein Traum seyn wird. Ja, auch dann wird
man ihrer nie ganz entbehren können.
Allein
[143]
Allein ist es vorzüglich nur dieser negative
Nutzen, worauf die Heilkunde Anspruch machen
darf, was ist denn nachtheiliger, als die Gränzen
unserer Kunst immer mehr erweitern, da wir dar-
auf hinarbeiten sollten, sie bis auf erleuchtetere
Jahrhunderte zu verengern; was verwerflicher, als
unaufhörlich nach neuen Arzneyen haschen, da wir
uns bemühen sollten, unserer Kunst erst eine feste
Grundlage zu verschaffen? Jener negative Nutzen
der Medicin muſs von dem Schaden, den sie an-
richtet, überwogen werden, so lange wir fortfah-
ren, mit Hülfe einer unzureichenden Empirie,
oder eines mangelhaften Dogmatismus, Beherr-
scher, oder, was vielleicht eben so schlimm ist,
Diener der Natur seyn zu wollen; so lange wir uns
nicht begnügen, unermüdete, aber, so viel wie
möglich, müssige Beobachter der Autokratie der
Natur oder des Todes zu seyn, und blos da zu han-
deln, wo unser Handeln nur nützen, nicht scha-
den kann. Gelegenheiten dieser Art, um thätig
zu seyn, werden sich noch genug finden. Ein Bey-
spiel giebt die venerische Krankheit. Ueberhaupt
aber gehören hierher alle Fälle, in welchen sich
Regeln, die auf reinen objektiven Erfahrungen ge-
bauet sind, anwenden lassen. Eine Schrift, welche
diese Fälle genau bestimmte, und sie von denen
absonderte, wo alles Handeln schaden kann, wür-
de ihren Verfasser einer Bürgerkrone würdiger
machen, als die Entdeckung von Hunderten neuer
Arzneymittel.
Ju-
[144]
Juvenis! tua doctrina non promittit opes.
Plebs amat remedia. So rief einst ein Anhänger des
Sylvius einem Schüler Stahls zu, und dies
wird auch der Zuruf seyn, den meine Lehre von
Manchen zu erwarten hat. Aber mag es seyn!
Nur euch, in deren Herzen der Hunger nach Gold
das Gefühl für das Wohl der Menschheit noch nicht
erstickt hat, nur euch wünsche ich zu Lesern,
und euch fordere ich auf, zu beherzigen, ob nicht
schon deshalb meine Lehre Beyfall verdient, weil
sie Moralität unter den Aerzten selbst verbreitet,
und unmoralische Handlungen in der Praxis der-
selben verhütet! Sahe man, die Priester ausge-
nommen, je eine Classe von Gelehrten, die sich
pöbelhafter gegen einander betrug, unter welcher
Miſsgunst, Neid und Cabalen aller Art gemeiner
waren, als unter den Aerzten? Sahe man je Ma-
thematiker sich so verläumden und verfolgen, wie
es die gröſsten unter den Aerzten thaten, je ihre
Werke mit solchen nichtswürdigen Zänkereyen an-
füllen, wie Albins Annotat. academ. gegen Haller
enthalten? Und müssen diese Kriege nicht fortdau-
ern, so lange der Glaube an den positiven Nutzen
der Heilkunde noch in dem Maaſse, wie es bisher
der Fall war, herrschend bleibt? Ferner, was si-
chert uns bey dem jetzigen Zustande dieser Kunst
gegen die Immoralität eines Arztes? Nichts, durch-
aus nichts! Beschuldigt ihr den Arzt von Kopf ei-
nes Fehlers gegen die Erfahrung, so setzt er euch
sei-
[145] seine Theorie entgegen, und klagt ihr ihn eines
Fehlers gegen die Theorie an, so schützt er sich
mit seiner Erfahrung.
Betrachtet man endlich meine Lehre von Sei-
ten ihres Einflusses auf die Vervollkommnung der
theoretischen Medicin, so lassen sich auch von die-
ser Seite ihre Vorzüge nicht verkennen. Die prak-
tische Heilkunde war bisher ein Bley, das jeden
Flug der Theorie hemmte. Man scheuete jede An-
wendung der Physik und Chemie auf die letztere,
weil man hiervon einen nachtheiligen Einfluſs auf
die erstere befürchtete. Statt seinen Scharfsinn an
solchen Anwendungen zu üben, häufte man clini-
sche Beobachtungen auf clinische Beobachtungen,
und brachte durch alle diese Tausende von Beobach-
tungen weder die Theorie, noch die Praxis um
einen Schritt weiter. Jene Furcht wird aufhören,
sobald wir von dem Wahne zurückkommen, jede
Krankheit bekämpfen zu wollen. Die Lehre von
der lebenden Natur wird mit Physik und Chemie
in den engsten Bund treten; jene wird durch diese,
und diese werden durch jene vervollkommnet wer-
den, und ist eine praktische Heilkunde möglich,
die auch positiv nützen kann, so werden unsere
Nachkommen sie einst auf diesem Wege erhalten.
Dieser Weg ist es nun auch, den wir bey un-
sern künftigen Untersuchungen einschlagen werden.
Unbekümmert, welchen Einfluſs die Theorien, die
I. Bd. Kwir
[146] wir aufstellen werden, auf die praktische Medicin
haben könnten, werden wir nur danach fragen, ob
sie mit den Regeln der Interpretation der Natur
übereinstimmen. Diese Vorschriften hinterlieſs uns
Baco, und nur diese laſst uns stets vor Augen ha-
ben. Vor allen andern aber laſst uns folgende zwey
beherzigen, denn in ihrer Vernachlässigung liegt
vorzüglich der Keim zu den vielen Irrthümern,
welche die Geschichte der Biologie aufzuweisen hat.
Fast jeder Mensch hat gewisse Ideen, oder ir-
gend eine Wissenschaft, die er vorzüglich liebt,
entweder weil er sich für den Erfinder derselben
hält, oder weil er durch ein langes Studium sehr
vertraut mit ihnen geworden ist. Aber so wie der
Liebende allenthalben seine Geliebte sieht, so ge-
wöhnt sich der, in dessen Seele irgend eine Lieb-
lingsidee oder Lieblingswissenschaft einmal herr-
schend geworden ist, alles nur in Beziehung auf
diese zu betrachten. Sie wird ihm endlich ein ge-
färbtes Glas, wodurch ihm alles in einem ganz an-
dern Lichte erscheint, wie jedem andern Menschen,
wodurch er Analogien entdeckt, die ausser ihm
kein Vernünftiger sieht. So bezieht der Philosoph
alles auf sein philosophisches System, der Mathe-
matiker auf seine Gröſsenlehre, und der Scheide-
künstler auf seine Chemie. So erklärte Xenopha-
nes, verblendet durch die mystischen Lehren des
Pythagoras und Plato von der Kraft der Zahlen in
der
[147] der Natur, die Seele für eine Zahl, der Musiker
Aristoxenus für eine gewisse Harmonie, und der
Stoiker Zeno, in dessen philosophischem System
das Feuer eine Hauptrolle spielte, für ein wahres
Feuer. Diese Einseitigkeit nun war auch von
jeher eine Hauptquelle aller irrigen biologischen
Meinungen, wie eine kurze Skizze der letztern
und ihrer Urheber beweisen wird.
In den frühesten Zeiten der griechischen Medi-
cin standen Biologie und praktische Heilkunde noch
in keiner Verbindung. Die Träume der Leukipp,
Empedokles, Demokrit, Anaxagoras und Hera-
klit über die Natur des Menschen hatten daher
auch auf die damalige Medicin eben so wenig Ein-
fluſs, wie ihre Speculationen über das Wesen der
Götter und der Seele auf die Volksreligion. Hippo-
krates war der Erste, der die bis dahin zerstreuten
medicinischen Bruchstücke zu einem Ganzen ver-
einigte. Dennoch erhielt unter ihm die Biologie
eben so wenig Einfluſs auf die Arzneykunde, als
unter seinen Vorgängern, und obgleich er zuerst
einsahe, daſs ausser der Seele und dem Organismus
noch ein ἐνορμῶν nothwendige Bedingung des Le-
bens sey, so war er doch theils zu sehr von Sy-
stemsucht entfernt, und theils waren seine Vorstel-
lungen von der Sache zu dunkel, als daſs er dar-
aus Schlüsse für die praktische Heilkunde herzu-
leiten im Stande gewesen wäre. Erst die Schule
K 2der
[148] der Dogmatiker bauete ein System der ausübenden
Medicin auf biologischen Grundsätzen. Indeſs ha-
ben wir so wenig genaue und zuverlässige Nach-
richten von den Lehren dieser Sekte, und ihre An-
hänger wichen so sehr von einander ab, daſs sie
sich hier nicht als Beyspiel anführen lassen. Be-
kannter sind wir mit dem System des Galens. Er-
zogen in der Schule der Nachfolger des Plato und
Aristoteles, deren Philosophie in der Vereinigung
der verschiedensten und entgegengesetztesten Mei-
nungen ihrer Vorgänger bestand, bildete sich in
ihm ein Hang zum Syncretismus, den er, seines
wahrhaft groſsen Genie’s ohngeachtet, auch da
nicht verläugnen konnte, als er der Schöpfer eines
neuen, auf biologischen Dogmen sich stützenden
Systems der Heilkunde wurde. Durch diesen Hang
verleitet, suchte er ängstlich und sklavisch die Phi-
losopheme des Plato und Aristoteles mit den Mei-
nungen der Dogmatiker und der übrigen zu seiner
Zeit in der Arzneykunde herrschenden Partheyen
zu verbinden. Dieser Hang untergrub seine Ori-
ginalität, hemmte jeden Flug seines Geistes, und
brachte ein System hervor, worin alles von dem
Genie seines Urhebers zeugt, das aber dennoch voll
von Widersprüchen und Inconsequenzen ist.
Anderthalbtausend Jahre hindurch blieb dieses
System herrschend. Erst im sechszehnten Jahrhun-
dert wurden die Grundfesten desselben durch Ar-
gen-
[149]gentier, Fernel und Vesal erschüttert. Nach
dem Sturze desselben erhielt die Scheidekunst aus
der trüben Quelle der Alchemie eine Menge neuer
Entdeckungen. So wichtig diese für die damaligen
Zeiten waren, so blieben sie doch nur, um mich
der Worte des Baco zu bedienen, pauca experimen-
ta fornacis. Inzwischen hielt sie Sylvius für hin-
länglich, um auf ihnen eine neue Theorie der Heil-
kunde zu bauen, worin er alles aus chemischen
Gesichtspunkten ansahe, alle Lebenserscheinungen
für Wirkungen chemischer Kräfte erklärte.
Eine andere Wissenschaft, die in den damali-
gen und nächst folgenden Zeiten eifrig getrieben
wurde, war die Gröſsenlehre mit ihren Zweigen,
der Mechanik und Hydraulik. Mehrere einseitige
Köpfe unter ihren Bearbeitern, vorzüglich Pit-
cairn, Keil und Borelli, glaubten durch die Fak-
kel dieser Wissenschaften Licht in den dunkeln Irr-
gängen der Medicin verbreiten zu können, und so
entstand die Sekte der Jatromathematiker, in deren
biologischem System mechanische Kräfte die Haupt-
rolle spielten.
Alle Kräfte der leblosen Natur waren jetzt
schon versucht, ohne daſs die praktische Medicin
feste Principien dadurch erhalten hätte. Nur die
Geisterwelt war noch unangetastet geblieben.
Stahl nahm endlich auch diese zur Erklärung der
Lebenserscheinungen zu Hülfe. Bey der Prüfung
K 3der
[150] der Systeme seiner Vorgänger fand er, daſs in die-
sen zu wenig Rücksicht auf den Antheil genommen
war, den die Seele an der Hervorbringung jener
Erscheinungen hat; er fand, daſs sich mehrere
Phänomene in der thierischen Oekonomie weit zu-
reichender aus dem Einflusse dieses Agens, als aus
mechanischen und chemischen Kräften erklären
liessen. Jetzt wurde die Idee, daſs die Seele ein-
zige Ursache alles Lebens sey, bey ihm herrschend;
sie wurde das gefärbte Glas, wodurch er alles an-
sahe, und das Resultat dieser Ansichten wurde ein
System, welches consequenter als irgend eines der
vorigen, und reich an groſsen Wahrheiten, aber
auch reich an den ungereimtesten Behauptungen
ist, worauf nur ein Mensch verfallen kann.
Es ist überflüssig, diese Reihe von Beyspielen
weiter fortzusetzen. Man wird immer finden, daſs
eine Hauptquelle aller biologischen Irrthümer die
war, daſs die Urheber derselben durch gewisse
Lieblingsideen oder Lieblingswissenschaften ver-
führt wurden. Vielseitigkeit ist das Mittel, uns
vor dieser Klippe zu bewahren. Der einseitige
Kopf ist zum Wahrheitsforscher verdorben. Jene
aber erlangen wir nur dadurch, daſs wir uns einen
Ueberblick über das ganze Feld des menschlichen
Wissens zu erwerben, den Zusammenhang der ein-
zelnen Theile desselben einzusehen, und den ge-
genseitigen Einfluſs der letztern auf einander zu
erfor-
[151] erforschen suchen. Durch jene Vielseitigkeit wur-
den die Baco, Descartes, Leibnitz, Newton
und Kant das, was sie waren und sind, und nur
mit Hülfe derselben läſst sich die Biologie ihrer
Vollendung näher bringen.
Eine zweyte Hauptquelle aller biologischen Irr-
thümer ist, daſs man sich mit dunkeln und ver-
worrenen Begriffen statt klarer und distinkter be-
gnügt, und Dinge zu wissen glaubt, die man nicht
weiſs. Wer Belege zu dieser Behauptung sammeln
wollte, und das genus irritabile medicorum nicht
fürchtete, dürfte aus manchem physiologischen
Lehrbuche nur den anatomischen Theil wegstrei-
chen, und der ganze übrige Inhalt würde zu sei-
nem Zwecke dienen können. Doch, dieser Mühe
können wir überhoben seyn. Schon jene Decla-
mationen über den Vorzug der Empirie vor dem
Dogmatismus, die man täglich zu hören gezwun-
gen ist, geben einen Beweis unserer Behauptung.
Keiner der Declamatoren ahndet, daſs er ein Phan-
tom bekämpft, ein Phantom vertheidigt, und den
wahren Feind, gegen den er sich eigentlich waff-
nen sollte, ruhig im Hinterhalte auf sich lauern
läſst. Reine Erfahrungen ohne Hypothesen und
Systeme sind Undinge, so gut wie Hypothesen und
Systeme ohne Erfahrungen. Man betrachte die
Handlungsweise jener Declamatoren! Sind nicht
auch ihre Führer an den Krankenbetten Hypothesen
K 4und
[152] und Systeme, und ist nicht geringere Consequenz
das Einzige, was die ihrigen von denen der erklär-
ten Dogmatiker unterscheidet? Wir alle, Empiri-
ker und Dogmatiker, irren in dämmerndem Hell-
dunkel von wandelnden Gestalten umgaukelt. Wer
diese Erscheinungen für das hält, was sie wirklich
sind, für zusammengesetzt aus Täuschung und
Wahrheit, und die letztern von einander zu son-
dern sucht, und zu dem Ende jene Gestalten mit
der Fackel der Philosophie beleuchtet, und sie von
so vielen Seiten betrachtet, wie er auffassen kann,
wird immer mehr von den wahren Urgestalten er-
kennen, wenn er auch nie dahin gelanget, sie von
aller Täuschung befreyet zu erblicken. Aber wer
die Dämmerung für helles Mittagslicht und die
nächtlichen Schatten für Wirklichkeiten hält, und
nie das Zeugniſs der Sinne zu berichtigen sucht,
irret ewig betrogen umher und umarmet jeden Au-
genblick eine Wolke statt einer Juno. Jener ist der
Dogmatiker, und den lasset unangetastet, oder ihr
verewigt die Kindheit des Menschen! Nur gegen
diesen richtet eure Declamationen: denn dieser hat
den Dünkel des Wissens, da er nichts weiſs, und
glaubt sich im Besitze klarer Begriffe, da ihm alles
dunkel und verworren erscheint.
Ge-
[[153]]
Geschichte
des
physischen Lebens.
Erstes Buch.
K 5
[[154]][[155]]
Erstes Buch.
Gränzen der lebenden Natur — Classifikation
der lebenden Körper nach der Verschiedenheit
ihrer Organisation — Gradationen der le-
benden Natur.
Erster Abschnitt.
Gränzen der lebenden Natur.
Wäre eine lebende Natur ohne eine leblose mög-
lich, und wir hätten nur in jener existirt und
würden durch einen Zauberschlag plötzlich in diese
versetzt; wie würden wir über die Erscheinungen
der letztern urtheilen? Ohnstreitig ganz anders, als
aus unserm jetzigen Gesichtspunkte. Wir setzen
jetzt eine Menge jener Phänomene denen der leben-
den Natur entgegen. Würden sie uns aber dann
nicht vielleicht als Produkte eines geringen Grades
von Vitalität erscheinen? Würden wir nicht viel-
leicht gar mit Cardan, Campanella und Helmont
Leben für ein Attribut der ganzen Sinnenwelt hal-
ten?
[156] ten? So treffen wir z. B. bey allen Organismen der
lebenden Natur ein Vermögen an, selbst bey den
veränderlichsten äussern Einwirkungen ihre einmal
angenommene Gröſse und Gestalt dennoch unver-
ändert zu erhalten. Ein Analogon dieses Vermö-
gens finden wir aber auch bey dem reinen Wasser.
Andere Körper der leblosen Natur werden durch
Erwärmung gleichförmig ausgedehnt. Jenes hinge-
gen macht in der Nähe des Gefrierpunkts von dieser
Regel eine Ausnahme (a). Wir sehen ferner, daſs
jeder lebende Körper zu seiner Entstehung sowohl,
als Fortdauer einer bestimmten Temperatur bedarf,
die ihm bey seiner Erzeugung von aussen mitge-
theilt werden muſs, die er aber nach seiner Bil-
dung sich zum Theil selber schafft. Ein ähnliches
Phänomen bringt auch der Sauerstoff hervor. Zur
Einleitung eines jeden Oxydationsprocesses gehört
ein gewisser Grad von mitgetheilter Wärme. So-
bald aber der säurungsfähige Körper einmal mit
Sauerstoff verbunden ist, trägt der Proceſs zu sei-
ner Fortsetzung selber bey.
Aehnliche Thatsachen liessen sich vielleicht
noch in Menge auffinden. Auf wessen Seite liegt
aber nun die Wahrheit, auf der unsrigen, die wir,
an die Unterscheidung einer leblosen und lebenden
Na-
[157] Natur von Jugend auf gewöhnt, jene Erscheinungen
aus den Gesetzen der erstern, wenn auch nicht er-
klären, doch erklären zu können hoffen, oder auf
Seiten dessen, der aus der letztern in die erstere ver-
setzt, in jenen Phänomenen noch einen schwachen
Widerschein des Lebens findet? Wer unbefangen
diese Frage erwägt, wird schwerlich sich zum
Schiedsrichter in derselben aufwerfen; er wird ein-
gestehen, daſs wir noch nicht im Stande sind, eine
Gränze zwischen der lebenden und leblosen Natur
festzusetzen.
Wenn wir also in diesem Buche eine Classifi-
kation der lebenden Organismen nach der Verschie-
denheit ihrer Organisation zu liefern versprechen,
so halten wir darum jene Gränze doch keinesweges
schon für bestimmt, sondern verstehen unter le-
benden Organismen nur diejenigen Körper,
deren Vitalität keinen Zweifeln unterworfen ist.
Eine nähere Erörterung der Frage, wo die leblose
Natur aufhört und die lebende anfängt? wird sich
erst am Ende unserer Untersuchungen anstellen
lassen.
Alle Zweifel über die Vitalität eines Körpers
hören aber auf, sobald wir jene Merkmale bey ihm
antreffen, die wir im zweyten Capitel der Einlei-
tung als nothwendige Begleiter alles Lebens abgelei-
tet haben, sobald er also eine eigene Mischung und
Struktur hat, sobald er eine Periode der Jugend
und
[158] und des Alters zurücklegt, und sobald er sein Ge-
schlecht fortpflanzt.
In Ansehung der Mischung unterscheiden sich
alle lebende Körper dadurch von den Produkten
der leblosen Natur, daſs sie insgesammt Eyweiſsstoff,
Gallerte und Faserstoff zu nähern Bestandtheilen
haben. Ihre Struktur aber zeichnet sich vorzüglich
durch Regularität verbunden mit Ungleichartigkeit
ihrer Theile aus, da hingegen den Körpern der
leblosen Natur blos das erstere Merkmal, nicht das
letztere eigen ist.
Diese von der Mischung und Struktur herge-
nommenen Kennzeichen können aber für sich nur
beweisen, daſs der Körper, wobey wir dieselben
antreffen, einst Leben besaſs, nicht daſs er es jetzt
noch besitzt. Mit mehrerm Grunde können wir
schon auf das Letztere schliessen, wenn wir zu-
gleich jenen Körper sich von niedern Stufen zu
höhern erheben und von diesen wieder zu jenen
zurückkehren sehen, oder mit andern Worten,
wenn die jenem Körper eigenthümlichen Erschei-
nungen bis zu einer gewissen Periode zunehmen,
nach derselben aber sich wieder mindern. Auch
dieses Merkmal giebt indeſs noch keine völlige Ge-
wiſsheit. Der Körper, dem dasselbe angehört,
kann bey allem dem blos ein lebloses Produkt
eines lebenden Organismus seyn. So sehen wir
z. B. die Pilze, gleich allen lebenden Körpern, von
ihrem
[159] ihrem Entstehen an bis zu einer gewissen Periode
an Masse, an Regularität und an ungleichartigen
Theilen zunehmen, und, sobald sie eine gewisse
Stufe der Ausbildung erreicht haben, wieder ein-
schrumpfen, zerfliessen und vermodern. Aber sie
könnten darum doch, wie auch einige Schriftsteller
behauptet haben, blos Produkte und Wohnungen
kleiner Thierarten seyn.
Mit völliger Gewiſsheit können wir aber einen
Körper in die Reihe der lebenden setzen, wenn
wir neben jenen Merkmalen noch das der Fortpflan-
zung des Geschlechts bey ihm antreffen. Dieses
finden wir, wie in der Folge erhellen wird, bey
den Pilzen, und darum gehören dieselben, man-
cher Erscheinungen ohngeachtet, wodurch sie sich
von den übrigen lebenden Körpern unterscheiden,
doch zu der Zahl derselben. Wir finden dieses,
wie ebenfalls in der Folge gezeigt werden wird,
bey den Infusionsthieren, und auch diese sind also
eben sowohl lebende Körper, als der Mensch, der
Wallfisch und der Adler, obgleich ihre Fortpflan-
zungsweise von der der letztern ganz verschieden
ist, obgleich sie einer Hitze widerstehen, welche
diese und alle ähnliche Organismen tödten würde,
und mehrere andere Phänomene äussern, wodurch
sich Böffon(b) für berechtigt hielt, sie aus der
Zahl der lebenden Wesen auszuschliessen.
Zwey-
[160]
Zweyter Abschnitt.
Classifikation der lebenden Organismen
überhaupt.
Alle jene Körper, wobey wir die im vorigen Ab-
schnitte angegebenen Merkmale antreffen, und de-
ren Vitalität also keinen Zweifeln unterworfen ist,
nach der Aehnlichkeit ihrer Organisation zum Be-
hufe unserer künftigen Untersuchungen zu ordnen,
wird jetzt unser Geschäft seyn. Aber nach welchen
Grundsätzen hierbey verfahren?
Jede verschiedene Form des Lebens erfordert
eine eigene Organisation, oder eine eigene Mi-
schung, Textur und Struktur. Die beyden letztern
aber hängen von der erstern ab. Wäre also die
Mischung eines jeden lebenden Körpers hinlänglich
erforscht, so würde sich die ganze lebende Natur
nach dieser allein classifiziren lassen. Allein die
Beschränktheit unsers Wissens in diesem Stücke
hebt schon den Gedanken an die Möglichkeit einer
solchen Classifikation auf. Wir sind daher gezwun-
gen, die Textur und Struktur bey dieser Einthei-
lung zu Hülfe zu nehmen. Hierdurch aber ent-
steht eine neue Schwürigkeit. Die Mischung eines
Körpers läſst sich durch chemische Reagentien mit
Sicher-
[161] Sicherheit bestimmen; nicht so seine Textur und
Struktur. Ueber diese urtheilt nur das Auge nach
dem so schwankenden Begriffe der Aehnlichkeit.
Man vermehrt noch diese Schwürigkeiten, wenn
man auch die Gleichheit oder Verschiedenheit der
Funktionen zu einem Eintheilungsgrunde macht.
Abgerechnet, daſs diese zum Theil sehr hypothe-
tisch sind, so soll auch eine Classifikation der leben-
den Organismen uns erst zur Entdeckung derselben
verhelfen, und man verfällt also in einen Cirkel,
wenn man sie bey der letztern schon als entdeckt
annimmt.
Diese Schwürigkeiten lassen sich nur dadurch
heben, daſs wir die Kennzeichen der Classen, Ord-
nungen u. s. w. von der Mischung, Textur und
Struktur zugleich hernehmen. Wir müssen zwar
hierbey die Einheit des Eintheilungsgrundes aufge-
ben. Allein diese läſst sich überhaupt nicht bey der
Classifikation der lebenden Körper beobachten. Die
lebende Natur brachte eine gewisse Anzahl von
Grundformen hervor, bildete durch die verschiede-
nen Combinationen derselben alle übrige Gestalten,
und verband so unter ihren Produkten das höchste
mit dem niedrigsten und das mittelste mit dem äus-
sersten. Ein Körper, der in irgend einem Organe
zunächst an einen andern gränzt, ist oft in einem
andern Organe von diesem ganz verschieden und
mit einem dritten Körper verwandt. Jede Classifi-
I. Bd. Lkation
[162] kation nach einem einzelnen Theile giebt also eine
einseitige Verwandtschaftstafel, oder ein sogenanntes
künstliches System, das blos für den Naturalien-
sammler nicht aber für den Biologen paſst. Dieser
sieht auf die Aehnlichkeit oder Verschiedenheit der
gesammten Organisation, und setzt Körper, die in
den meisten Organen harmoniren, in einerley Classe,
ohne auf die Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit eines
einzelnen Theils ängstlich Rücksicht zu nehmen.
Inzwischen, wenn auch ein künstliches System
dem Zwecke des Biologen nicht angemessen ist, so
ist es ihm doch in subjektiver Hinsicht erlaubt, ein
solches so viel wie möglich zu Hülfe zu nehmen,
und von einem einzelnen Theile, der bey einer ge-
wissen Classe von lebenden Körpern unter allen die
meiste Beständigkeit zeigt, den Hauptcharakter die-
ser Classe herzuleiten. Aber er zerreiſst, was die
Natur an einander geknüpft hat, wenn er diesem
Charakter allgemeine Gültigkeit verschaffen will,
und er sucht ein Ding, das nirgends vorhanden ist,
wenn er diesen Zweck erreichen will, ohne sich je-
nes Fehlers schuldig zu machen.
Zwar giebt es Schriftsteller, die das Vorhanden-
seyn solcher allgemein gültiger Charaktere zu be-
weisen sich unterfangen haben. “Wie die Natur,”
sagen diese (c), “ein Ganzes, ein System ist; wie
„nur
[163] „nur eine Darstellung desselben die wahre und ge-
„treue seyn kann, so muſs auch in dieser der Zweck
„des Natürlichen und Künstlichen vereint seyn,
„und dieser Unterschied verschwinden; die wahre,
„natürliche und getreue Copie der Natur muſs auch
„den Zweck der künstlichen Classifikation am voll-
„kommensten befriedigen. Denn daſs Thiere des-
„selben Geschlechts so viel Uebereinstimmendes an
„sich tragen, beruhet doch wohl auf der Verwandt-
„schaft des Princips ihrer innern Organisation; es
„kömmt also nur darauf an, dieses ausfindig zu
„machen, und das äussere Merkmal zu bestimmen,
„worin es ausgedrückt ist, so hätten wir ein Clas-
„sifikationsprincip erhalten, wodurch der Zweck
„des natürlichen und künstlichen Systems zugleich
„erreicht würde.” Aber bey dieser Folgerung ist
etwas vorausgesetzt, was mit der Erfahrung keines-
weges übereinstimmt, nehmlich die erkennbare
Einheit des Princips der Organisation. Die Erfah-
rung lehrt, daſs es nicht einen, sondern sehr viele
Berührungspunkte zwischen jedem lebenden Körper
und der Aussenwelt giebt, und daſs jedem dieser
Berührungspunkte ein besonderes Organ oder Sy-
stem von Organen entspricht. Sie lehrt, daſs Ab-
weichung einer äussern Potenz von ihrer normalen
Wirkungsart häufig blos in dem Organe, das ent-
weder für sie eine specifique Empfänglichkeit be-
sitzt, oder worauf sie zunächst wirkt, nicht aber
in dem übrigen Körper, eine erkennbare Abwei-
L 2chung
[164] chung von der normalen Organisation hervorbringt.
Sie lehrt endlich, daſs diese Abweichungen oft erb-
lich sind, ja, bey fortdauernder anomalischer Ein-
wirkung jener Potenz endlich unauslöschlich wer-
den. Wie läſst sich bey solchen Erfahrungen an
eine wahrnehmbare Einheit des Princips der Orga-
nisation denken? Man sagt freylich, daſs jene ano-
malische Einflüsse nur Varietäten, nicht Arten und
Geschlechter hervorzubringen vermögen. Aber
man sagt es, ohne es zu beweisen.
Soviel ist indeſs gewiſs, daſs es Theile giebt,
welche in engerer Verbindung mit dem übrigen Or-
ganismus als andere stehen, und welche daher zur
Verbindung des Künstlichen mit dem Natürlichen
am tauglichsten sind. Bey den Thieren z. B. sind
diese Theile: das Blut, das Gehirn, das Herz, die
Respirationsorgane, die Verdauungswerkzeuge und
das gesammte Skelett. Unter diesen werden wir da-
her bey der Entwerfung eines natürlichen Systems
der Thiere künstliche Charaktere der Classen und
Ordnungen zu suchen haben. Doch werden wir nie
vergessen dürfen, daſs auch von diesen Kennzei-
chen blos subjektiver, nie objektiver Gebrauch zu
machen ist.
Bey der Classifikation der lebenden Organismen
überhaupt gilt die Regel: da, wo die Mischung uns
bekannt ist, von dieser den Hauptcharakter herzu-
leiten;
[165] leiten; da, wo diese nicht zureicht, die Textur zu
Hülfe zu nehmen; von der Struktur aber keine an-
dere, als untergeordnete Merkmale zu entlehnen.
Nach dieser Regel scheint uns die lebende Natur in
drey Reiche zu zerfallen.
Das erste Reich besteht aus Organismen, in de-
ren Mischung der Stickstoff das Uebergewicht hat,
und deren Theile eine ungleichartige Textur und
Struktur haben.
Zum zweyten Reiche gehören diejenigen Kör-
per, in deren Mischung der Stickstoff ebenfalls herr-
schend ist, aber deren Theile von gleichartiger
Textur und Struktur sind.
Das dritte Reich begreift diejenigen Organis-
men, deren Theile, gleich denen der vorigen, in
ihrer Textur und Struktur unter einander und dem
Ganzen ähnlich sind, unter deren Grundstoffen aber
der Kohlenstoff das Uebergewicht hat.
Wir nennen die Organismen des ersten Reichs
Thiere, die des zweyten Zoophyten, und die
des dritten Pflanzen.
Ausser jenen von der Mischung und Textur her-
genommenen Hauptcharakteren geben uns die Tex-
tur und Struktur noch folgende untergeordnete
Kennzeichen dieser drey Reiche:
L 31. Der
[166]
1. Der Körper aller Thiere, deren Gröſse eine
Zergliederung gestattet, läſst sich durch das anato-
mische Messer in drey verschiedene Bestandtheile
zerlegen, woraus alle Organe zusammengesetzt
sind: in Zellgewebe, Muskelfasern und Nerven-
mark. Mit dem ersten sind alle Organe, wie des
Menschen, so auch aller übrigen Thiere bis zu den
Eingeweidewürmern durchwebt und umhüllet. Ge-
ringer, als die Menge dieses Bestandtheils, ist die
der Muskelfasern. Aber auch sie zeigen sich im
ganzen Thierreiche, so weit die Kunst des Zerglie-
derers reicht. Unter andern fand sie Swammer-
damm(d) in der Schnecke, Lyonnet(e) in der
Raupe, Werner, Zeder und Rudolphi(f) in den
Eingeweidewürmern. Und bey allen diesen Thie-
ren, wo Muskelfasern entdeckt sind, nur wenige
ausgenommen, fanden sich immer auch Spuren
von Nervensubstanz. Das Nervensystem der
Schnecken, der Käsemade, des Holzkäfers, der
Seidenraupe, Bremse, Biene, Ephemera und Laus
bildete Swammerdamm(g), der Weidenraupe Lyon-
net
[167]net(h), des Blutigels Redi(i) und des Regen-
wurms Mangili(k) ab.
Bey den Zoophyten hingegen ist noch kein
Anatom im Stande gewesen, diese drey Grundtheile
des thierischen Körpers von einander abgesondert
darzustellen. Von Nervensubstanz findet sich auch
bey den gröſsten unter ihnen keine Spur. Muskel-
fasern haben nur diejenigen, die zunächst an die
Thiere gränzen (l). In dem Körper der übrigen,
unter andern der Hydern, zeigt selbst die stärkste
Vergröſserung nichts als gelatinöse Kügelchen (m),
und giebt es also auch bey diesen Muskel- und Ner-
vensubstanz, so muſs wenigstens jene aus unend-
lich zartern Fasern bestehen, und dieses nicht sol-
che eigene Organe bilden, wie bey den Thieren.
Die Pflanzen enthalten Zellgewebe und Fasern
ohne Spuren von Nervensubstanz. Aber diese Fa-
sern
L 4
[168] sern sind mehr denen des Asbests, als den Muskel-
fasern der Thiere ähnlich, und haben ausser ihrer
äussern Gestalt nichts mit den letztern gemein.
2. Alle Thiere haben in ihrem Innern wenig-
stens zwey Organe, deren Haupttheile nur einfach
vorhanden sind, nehmlich ein Herz, oder ein stell-
vertretendes Gefäſs, und einen Darmcanal. Jenes
fand schon Harvey(n) in mehrern Mollusken und
Insekten, Redi(o) in den Schnecken, und Baker(p)
in den Läusen. Diesen entdeckten schon Lister(q),
Redi(r) und Swammerdamm(s) in den Mollusken,
Malpighi(t), Swammerdamm(u) und Schäf-
fer(v) in den Insekten, Willis(w), Redi(x),
Vandelli(y) und Tyson(z) in den Würmern.
Hinge-
[169]
Hingegen die Zoophyten haben nur ein einzi-
ges System von innern Organen, dessen Theile nur
einfach vorhanden sind, nehmlich das der Verdau-
ungswerkzeuge. So findet sich z. B. bey den Ho-
lothurien und Seeigeln, Geschlechtern von Thier-
pflanzen, deren innere Organisation der der Thiere
noch am nächsten kömmt, doch keine Spur von
Herzen (a), und noch weniger zeigt sich etwas
diesem Organe Aehnliches bey den Hydern, Alcyo-
nien und Infusionsthieren. Das Innere der letztern
ist ganz Darmcanal (b). Bey den übrigen Organis-
men dieses Reichs, den Conferven, Tremellen,
Meergräsern u. s. w., die wir nebst dem gröſsten
Theile der unter dem Namen der cryptogamischen
Gewächse bisher als Pflanzen betrachteten Organis-
men zu den Zoophyten rechnen, verliehren sich
auch die Spuren von einem Darmcanale, und ihr
Inneres ist blos Eyerstock.
An den Pflanzen endlich beobachten wir gar
keine innere, einfach vorhandene Organe mehr.
Ihre
L 5
[170] Ihre ganze innere Organisation ist ein Gewebe von
Fasern und Gefäſsen.
3. Die meisten Organe der Thiere sind doppelt
vorhanden, und jeder dieser gleichnamigen Theile
stimmt mit dem andern sowohl in seiner Mischung,
Textur und Struktur, als in der Art seiner Verbin-
dung mit dem übrigen Organismus völlig überein.
Es giebt daher eine Fläche, und zwar nur eine ein-
zige, die jeden thierischen Körper in zwey, gröſs-
tentheils congruente Hälften theilt. Hingegen der
Körper der Zoophyten hat immer gewisse gleichar-
tige Organe, deren Menge die Zahl zwey übersteigt,
und diese bilden unter einander eine strahlenför-
mige Figur. Es giebt daher keine Ebene, die den
Körper in zwey congruente Hälften theilt, im Fall
jene Zahl ungerade ist, oder es giebt ihrer mehrere,
wenn dieselbe gerade ist. Bey den Pflanzen findet
sich noch eine gröſsere Anzahl gleichartiger Organe,
als bey den Zoophyten. Von diesen aber giebt es
zwey Classen, die sich in ihrer Struktur und in ih-
rer Verbindung mit dem übrigen Organismus von
einander unterscheiden. Die zur einen Classe ge-
hörigen Theile sind beständig so gestellt, daſs ihre
obere Fläche nach dem Lichte, die untere nach der
weniger erleuchteten Seite hingekehrt ist, und daſs
die obere Fläche des einen Organs nie von der un-
tern des andern bedeckt wird. Bey den Organen
der zweyten Classe findet sich immer, wie bey den
Zoo-
[171] Zoophyten, ein Bestreben zur strahlenförmigen
Bildung.
Die erwähnte Symmetrie der rechten und lin-
ken Hälfte des thierischen Organismus ist schon
auffallend an der Oberfläche desselben und den Or-
ganen, wodurch diese vorzüglich gebildet wird,
nehmlich dem Skelett, den locomotiven Muskeln,
den Haaren, den äussern Sinnesorganen, den Drü-
sen der Brüste, den Hoden, und den Nerven und
Blutgefäſsen, welche diesen Theilen angehören.
Noch ähnlicher aber, und zwar an der Ober-
fläche sowohl, als im Innern, sind sich beyde Hälf-
ten des Hirns und Rückenmarks (c), und hier sind
zugleich Abweichungen von dieser Symmetrie weit
seltener (d), als bey den vorhin genannten Thei-
len (e).
Die nächste Stufe nach diesen Organen nehmen
die Geschlechtsorgane und die harnbereitenden
Theile in Hinsicht des symmetrischen Baues ein.
Hierauf folgen die Respirationsorgane, und auf der
untersten Stufe stehen die Verdauungswerkzeuge,
bey denen jenes Ebenmaaſs ganz verschwindet.
So
[172]
So ist es bey den Säugthieren. Daſs aber eben
diese Sätze auch von den übrigen Thierclassen gel-
ten, lehrt schon eine oberflächliche Betrachtung der
Tafeln, welche Scarpa, Comparetti, Harwood,
Monro, Rösel, Swammerdamm, Bohadsch, Poli,
Malpighi, Lyonnet, Mangili und Andere von
dem innern Baue der Vögel, Fische, Amphibien,
Mollusken, Insekten und Würmer geliefert haben.
Selbst das unvollkommene Skelett der Sepia giebt
eine Bestätigung jener Symmetrie (f). Bey den In-
sekten, die keine Blutgefäſse haben, vertreten die
Bronchien die Stelle dieser Theile, und vertheilen
sich eben so symmetrisch in alle Organe, die der
Verdauung ausgenommen, wie die Arterien und
Venen der höhern Thierclassen (g).
Nur ein einziges Thiergeschlecht, das der
Schollen, (Pleuronectes), macht im äussern Baue
eine Ausnahme von dieser Regel. In der Struktur
des Gehirns, der Nieren und der Zeugungstheile
aber herrscht bey jenen Fischen dieselbe Symmetrie,
wie bey den übrigen Thieren (h).
Von
[173]
Von den Zoophyten zeigen diejenigen, die man
gewöhnlich unter diesem Namen begreift, die er-
wähnte strahlenförmige Bildung immer in der Bil-
dung ihrer Fangarme. Bey manchen, z. B. den
Seeigeln (Echinus), Asterien und Madreporen, er-
streckt sich dieselbe auch auf ihre kalkartigen Ge-
häuse. Bey mehrern von denjenigen Organismen
dieses Reichs, die bisher als cryptogamische Ge-
wächse zu den Pflanzen gerechnet wurden, ist zwar
jene strahlenförmige Bildung nicht so auffallend,
wie bey den erstern; die meisten unter ihnen äus-
sern mehr eine Tendenz zur blätterartigen Bildung
der Vegetabilien. Aber an manchen ihrer Organe,
z. B. an den Hüthen der Blätterschwämme und an
den Büchsen der Laubmoose, ist sie doch immer
noch sehr deutlich.
Bey den Pflanzen sind diejenigen Organe, die
ihre obere Seite immer dem Himmel und die untere
der Erde zukehren, die Blätter, diejenigen aber,
welche zur strahlenförmigen Bildung neigen, die
Befruchtungstheile. Jene Stellung der Blätter bringt
die Natur meist dadurch hervor, daſs sie dieselben
in Schraubengängen um die Aeste und Zweige ord-
net (i). Die strahlenförmige Bildung der Befruch-
tungstheile erstreckt sich meist sowohl auf den Kelch
und die Blumenblätter, als auf die Staubfäden und
Griffel.
[174] Griffel. Am auffallendsten ist sie bey den Salat-
pflanzen (Cichorareae), den Corymbiferis und den
Schirmpflanzen (Umbellatae). Da, wo die Blu-
menblätter und die Geschlechtstheile jene Stellung
nicht beobachten, wie bey den Pflanzen mit rachen-
förmigen Blumen, findet sie sich doch noch an dem
Kelche.
Laſst uns jetzt sehen, durch welche Krüm-
mungen sich der Strohm des Lebens in diesen drey
Reichen windet, wie er bald von seiner Quelle sich
entfernt, bald zu ihr wieder zurückkehrt, sich ihr
nähert, und selbst mit ihr verbindet, und wie er
endlich nach allen diesen Krümmungen in die leb-
lose Natur übergeht.
Drit-
[175]
Dritter Abschnitt.
Thiere.
Erstes Kapitel.
Thiere überhaupt(k).
Der Astronom rühmt sich des Vortheils, daſs der
Planet, den er bewohnt, der tauglichste unter al-
len zur Betrachtung der himmlischen Welten ist.
Der Biologe kann von sich nicht das Nehmliche sa-
gen. Sein Körper ist der zusammengesetzteste unter
allen jenen kleinern Welten der Erde, die den Ge-
genstand seiner Nachforschungen ausmachen, und
bey diesen Untersuchungen ist er gezwungen, von
seinem
[176] seinem eigenen Organismus auszugehen. Er muſs
also von dem zusammengesetztern auf das Einfa-
chere schliessen, und kann nicht, wie er eigentlich
sollte, den entgegengesetzten Weg einschlagen.
Daher modelt er alle lebende Wesen nach sich sel-
ber, und bringt Einförmigkeit, statt Einfachheit
in die Natur.
Hier ist wieder eine von den vielen Klippen,
die uns bey unsern Untersuchungen aufstoſsen, und
zwar eine Klippe, die sich nur umgehen, nicht
wegräumen läſst! Es ist nichts damit gewonnen,
von dem Einfachsten zu dem Zusammengesetzte-
sten in der Biologie fortzugehen: denn jenes hat
nur Sinn für uns durch das letztere. Unser Vortrag
wird auf diesem Wege nur dem Scheine nach den
Regeln der Naturforschung anpassend. Blos da-
durch lassen sich die Täuschungen vermeiden, wo-
zu uns die Schlüsse, die wir von uns selbst auf die
übrige lebende Natur zu machen gezwungen sind,
verleiten können, daſs wir diese nur als Probleme
betrachten, die noch erst durch entscheidende Er-
fahrungen gelöset werden müssen, und auf keinem
derselben weiter bauen, so lange solche Erfahrun-
gen noch nicht vorhanden sind.
Wir werden daher in diesem Abschnitte bey
der Classifikation der Thiere den Menschen zum
Muster nehmen, und von ihm zu den einfachsten
Thie-
[177] Thieren fortgehen, nicht, wie es dem Scheine nach
den Regeln der Naturforschung angemessener seyn
würde, von diesen zu ihm heraufsteigen. Wir wer-
den die Organe der übrigen Thiere nach ihrer Aehn-
lichkeit mit den seinigen benennen, unbekümmert,
ob die Funktionen jener Organe auch mit denen der
seinigen völlig übereinstimmen. Aber wir werden
dann auch diese Classifikation nur als Leitfaden zu
entscheidenden Erfahrungen betrachten, und auf
jener Aehnlichkeit nicht eher Schlüsse bauen, bevor
dieselbe nicht aus anderweitigen Gründen darge-
than ist.
Dies vorausgesetzt, so können wir mit Cuvier
das Thierreich in zwey Hauptclassen eintheilen:
1. In Thiere mit einem innern artikulirten
Skelett und rothen Blute.
2. In Thiere, welche weisses Blut und entwe-
der gar kein Skelett, oder wenigstens nur ein un-
gegliedertes, oder auch ein artikulirtes, aber äusse-
res haben.
Die zur ersten Abtheilung gehörigen Thiere ha-
ben ausser den beyden angegebenen Merkmalen
auch noch insgesammt ein Gehirn, das in einem ei-
genen knöchernen Behälter, dem Schädel, einge-
schlossen ist. Bey allen findet sich die Abtheilung
dieses Eingeweides in zwey Hälften; ein doppelter
I. Bd. MSehe-
[178] Sehehügel; ein kleines Gehirn; eine doppelte vor-
dere und eine unpaare dritte und vierte Hirnhöhle;
eine Wasserleitung; ein Trichter; gestreifte Körper
mit gewölbten Anhängen; vordere und hintere
Commissuren des Gehirns nebst einer Hirnklappe;
eine Zirbel- und Schleimdrüse; und die Vereinigung
des kleinen Gehirns durch zwey Queerschenkel mit
dem übrigen Theile des Gehirns, der von den bey-
den Queerschenkeln des verlängerten Marks ent-
steht (l). Man findet bey ihnen wenigstens drey Ar-
ten von Sinnesorganen, nehmlich die des Geruchs,
Gesichts und Gehörs, und diese sind immer am
Schädel angebracht.
Der Geruchsnerve entspringt bey allen aus der
Marksubstanz der vordern Hirnhälften, und ausser
ihm verbreiten sich bey allen zugleich Hülfsner-
ven vom fünften Paare auf der Schleimhaut der
Nase (m).
Das Auge enthält immer wäſsrige Feuchtigkeit,
eine Crystallinse, einen Glaskörper und eine Iris.
Der Augapfel ist immer beweglich.
Im Ohre finden sich drey halbcirkelförmige knö-
cherne, oder cartilaginöse Canäle, und in diesen
sind
[179] sind eben so viele häutige Canäle von derselben Fi-
gur eingeschlossen. Die letztern schwellen an den
Stellen, wo sich der Gehörnerve in ihnen vertheilt,
zu einer schlauchförmigen Erweiterung an, und
sind sowohl von dem Labyrinthwasser umgeben,
als mit demselben angefüllt (n).
Alle haben durch Zellgewebe vereinigte Mus-
kelfasern.
Das Herz liegt bey allen unterhalb dem Gehirne
und oberhalb den Verdauungs- und Zeugungs-Or-
ganen, zwischen den Respirationswerkzeugen. Es
hat eine oder zwey Kammern, die im letztern Falle
immer nur durch eine bloſse Scheidewand von ein-
ander abgesondert sind.
Das aus einer Ader gelassene Blut trennt sich
bey allen in einen rothen Blutkuchen und in ein
gelbliches Serum. Bey allen enthält dasselbe Ey-
weiſsstoff, der durch mineralische Säuren und Alco-
hol aus demselben niedergeschlagen wird. Mit
Weinessig, zerflossenem Weinsteinsalze und Kü-
chensalze vermischt, erzeugen sich in demselben
schleimige Membranen. In der Mischung mit Wein-
essig löſst sich zugleich ein Theil des Cruors auf;
hingegen ist dies nicht der Fall in der mit zerflosse-
nem Weinsteinsalze und Küchensalze. Die erstere
ver-
M 2
[180] verbreitet immer einen starken Dintengeruch. Der
Cruor geht über einem gelinden Feuer in eine
schlackenartige Masse über, die vom Magneten an-
gezogen wird (o).
Die Kinnladen dieser Thiere liegen horizontal,
öffnen sich von oben nach unten, und entblöſsen
beym Oeffnen die zwischen ihnen befindliche
Zunge.
Der Darmcanal geht ununterbrochen vom Mun-
de bis zum After längs der Wirbelsäule fort.
Alle haben eine eigene Membran (das Bauch-
fell), welche die Verdauungswerkzeuge einschlieſst,
und eine Leber; die meisten auch eine Milz und
ein Pancreas.
Endlich finden sich bey allen zwey Nieren, ge-
trennte Geschlechter, und zwey Hoden beym männ-
lichen Geschlechte.
Zu dieser ersten Abtheilung der Thiere gehören
die Säugthiere, Vögel, Amphibien und
Fische.
Die Säugthiere und Vögel zeichnen sich vorzüg-
lich durch ein Herz mit zwey Kammern, und durch
Blut
[181] Blut von einer Temperatur aus, die dem 96°
des Fahrenheitschen Thermometers nahe kömmt.
Sie haben überdies hohle Knochen; sehr gefäſsrei-
che und daher rothe Muskeln; ein zarteres Zellge-
webe, als alle übrige Thiere; ein Gehirn, welches
die Schädelhöhle völlig ausfüllt; gewundene Kno-
chen (Muschelbeine) in den Nasenhöhlen; einen Ci-
liarkörper im Auge; einen äussern Gehörgang, ein
Trommelfell, eine Eustachische Röhre und eine
Schnecke im Ohre; compakte Lungen; eine Milz
und ein Pancreas.
Den unterscheidenden Charakter der Säugthiere
machen die Brüste (mammae), womit sie ihre Jun-
gen säugen, und Lungen aus, die von allen Seiten
verschlossen sind.
Die Vögel unterscheiden sich von ihnen durch
das negative Kennzeichen des Mangels der Brüste,
und durch das positive der Verbindung, worin ihre
Lungen mit häutigen Luftbehältern und den groſsen
markleeren Höhlen ihrer Knochen stehen.
Unter den gemeinschaftlichen Charakteren der
Amphibien und Fische sind die vornehmsten: ein
Herz mit einer einzigen Kammer, oder mit meh-
rern, die unter einander in unmittelbarer Ver-
bindung stehen, und Blut, dessen Wärme von der
Temperatur des Mediums, worin sie sich aufhalten,
M 3wenig
[182] wenig verschieden ist. Ausserdem zeichnen sie
sich noch durch folgende Merkmale aus: durch
Knochen, die in ihrem Innern blos Zellen, aber
keine gröſsere Höhlen und kein Mark haben; ein
laxes Zellgewebe; wenig blutreiche und daher blasse
Muskeln; ein Gehirn, welches die Schädelhöhle
niemals ganz ausfüllt; die Abwesenheit des Lebens-
baums im kleinen Gehirne; die Kleinheit der den
gestreiften Körpern analogen Theile (p); den Man-
gel des runden Lochs und der Schnecke im Innern
des Ohrs (q).
Die Amphibien haben überdies wahre Lungen,
hingegen die Fische statt dieser Organe Kiemen.
Weit weniger gemeinschaftliche positive Cha-
raktere, als bey dieser ersten Abtheilung der Thiere,
finden wir bey der zweyten, welche diejenigen ent-
hält, die weisses Blut und entweder ein inneres,
aber unartikulirtes Skelett, oder ein artikulirtes,
aber äusseres, oder auch gar keine Knochen haben.
Die Fühlfäden und Fühlhörner sind die einzigen Or-
gane, die noch am weitesten unter ihnen verbreitet
sind. Indeſs giebt es vier Classen unter ihnen, de-
ren Geschlechter in mehrern wichtigen Punkten
übereinkommen.
Es
[183]
Es giebt nehmlich erstens eine Classe, die ein
Herz mit Arterien und Venen, Kiemen wie die Fi-
sche, einen nackten Körper, und in ihrem Innern
einige wenige unartikulirte Knochen hat. Diese be-
steht aus den Mollusken.
Eine zweyte Classe, welche die Crustaceen
begreift, hat ebenfalls ein Herz mit Arterien und
Venen, und athmet auch, wie die vorige, durch
Kiemen; aber sie hat ein äusseres artikulirtes
Skelett.
Zur dritten Classe gehören die Insekten.
Diese sind, wie die vorigen, mit einem äussern
artikulirten Panzer bedeckt. Sie unterscheiden sich
aber von jenen durch ein Herz ohne Arterien und
Venen, und durch bloſse Luftröhren ohne Lungen.
Bey den Würmern endlich, welche die vierte
Classe ausmachen, finden wir Arterien und Venen
ohne ein Herz und entweder Kiemen, oder bloſse
Luftröhren ohne Lungen, oder auch gar keine Re-
spirationsorgane.
M 4Zwey-
[184]
Zweytes Kapitel.
Säugthiere(r).
Wir können den Menschen als den Prototyp in
Rücksicht der Bildung bey den Sängthieren betrach-
ten. Alle haben gleich ihm auf jeder Seite des
Kopfs ein Ohr, mehr nach innen ein Auge mit zwey
Augenliedern, zwischen und unter den beyden Au-
gen eine nach hinten in den Rachen sich öffnende
Nase, und gleich unter dieser einen Mund, an wel-
chem blos die untere Kinnlade beweglich ist. Bey
den meisten Geschlechtern dieser Classe ist ferner,
wie bey dem Menschen, der Kopf durch einen Hals,
welcher wenigstens sechs und höchstens neun Wir-
belbeine enthält, mit dem Rumpfe verbunden, und
der letztere mit vier äussern Bewegungsorganen
versehen, wovon zwey zu beyden Seiten des obern
und die zwey übrigen zu beyden Seiten des untern
Endes desselben befestigt sind.
Man
[185]
Man kann überhaupt annehmen, daſs sich die
Figur des Menschen in die eines jeden andern Säug-
thiers blos durch Verkürzung oder Verlängerung
einzelner Theile verwandeln läſst. So besteht der
Unterschied des Menschenschädels von denen der
übrigen Säugthiere gröſstentheils nur darin, daſs
diese mehr abgeplattet sind, und daſs eine von der
Nasenwurzel zu den Enden der vordern Schneide-
zähne, oder zu der Gegend, wo diese Zähne beym
Menschen sitzen, gezogene Linie, welche beym
Menschen auf der Ebene, worin sich die untern
Enden der Zähne des Oberkiefers befinden, fast
senkrecht steht, bey den übrigen Säugthieren mit
dieser Fläche einen mehr oder weniger schiefen
Winkel macht; am wenigsten beym Elephanten
und Orang-Utang, am meisten beym Hirsche, Del-
phin und Ameisenbären, bey welchem letztern jene
Linie mit dieser Ebene fast zusammenfällt.
Nimmt man das Cervical-Ligament und den
Schwanz aus, so giebt es auch keinen Theil, den
die übrigen Säugthiere zusammen vor dem Men-
schen voraus hätten. Einzelne unter ihnen haben
indeſs freylich Theile, die der Mensch nicht hat,
der Ochse, die Antilope u. s. w. Hörner, der Ele-
phant einen Rüssel, der Bieber, das Ziebetthier,
das Nabelschwein u. s. w. eigene Behälter am Af-
ter, Nabel u. s. w.
M 5Die-
[186]
Dieser letztere Satz gilt auch von den Säug-
thieren in Ansehung ihres innern Baues. Das Ge-
hirn zeigt nur bey einzelnen Familien Eigenthüm-
lichkeiten, die der Mensch nicht hat. Rechnet man
diese wenigen Ausnahmen ab, so läſst sich aller-
dings mit Arnemann(s) behaupten, daſs im thieri-
schen Gehirne kein Theil vorhanden ist, den der
Mensch nicht auch hätte, daſs aber der Mensch viel
Eigenthümliches besitzt, was die Thiere nicht ha-
ben. Der unterscheidende Charakter des Gehirns
der Säugthiere, den Menschen mit eingeschlossen,
besteht übrigens in der Gegenwart des Hirnbalkens,
des Bogens, der Ammonshörner und des Hirnkno-
tens; in der Lage der vier Hügel über der Sylvi-
schen Wasserleitung, zwischen den Sehehügeln und
dem kleinen Gehirne; in dem gänzlichen Mangel
einer Höhle der Sehehügel; in der Lage dieser Hü-
gel innerhalb der Hirnhälften; und in den grauen
und weissen Streifen der gestreiften Körper (t).
Das äussere Organ des Geruchs ist bey den
übrigen Säugthieren nicht so hervorragend, wie
beym Menschen. Bey allen aber ist die innere
Höhle desselben durch eine Scheidewand in zwey
Hälften getheilt, die nach hinten mit dem Rachen,
nach oben und unten mit Höhlen des Stirnbeins
und
[187] und des Oberkiefers Gemeinschaft haben. Zu bey-
den Seiten jener Scheidewand liegen gewundene
oder ästige Knochen, auf deren häutigen Bekleidun-
gen sich die Zweige des Geruchsnerven, nachdem
sie durch die Oeffnungen des Siebbeins gelangt sind,
verbreiten (u).
Der Augapfel ist bey allen Säugthieren, wie
beym Menschen, fast kugelförmig. Alle haben eine
convexe Hornhaut, eine Sklerotika, Chorioidea,
Retina, eine cirkelförmige, flockenartige und von
der Traubenhaut fast unzertrennliche Iris, viel
wäſsrige Feuchtigkeit, einen groſsen Glaskörper,
und eine weit kleinere Crystallinse, die vorne bey-
nahe flach ist. Alle haben einerley Augenmuskeln
mit dem Menschen, ausgenommen den Bulbosus,
der dem letztern fehlt (v). Keines aber, ausser dem
Affen, hat mit ihm den gelben Fleck in der Netz-
haut gemein (w).
Die meisten Säugthiere haben, gleich dem
Menschen, ein äusseres Gehörorgan (auricula) und
einen äussern Gehörgang, alle ein Trommelfell,
eine Eustachische Röhre, einen Vorhof mit drey
Gehör-
[188] Gehörknöchelchen, und ein Labyrinth, worin sich,
ausser den halbzirkelförmigen Bogengängen und
häutigen Canälen, eine spiralförmige Schnecke be-
findet. Das äussere Gehörorgan ist aber bey den
meisten Säugthieren nicht flach und oval, wie beym
Menschen, sondern einem halben, inwendig ausge-
höhlten Kegel ähnlich; ihre häutigen Canäle sind
kleiner, als die des Menschen, und der Raum der
Schnecke ist viel gröſser, als der des Vorhofs und
der Bogengänge, da er beym Menschen dem letztern
gleich kömmt (x).
Die Zunge aller Säugthiere ist, gleich der
menschlichen, fleischigt. Die Nervenwärzchen der-
selben aber sind weit gröſser, als die der letztern,
schwammicht, und mit einer dicken, breyartigen,
bey verschiedenen Thieren an einigen Stellen knor-
pelartigen Epidermis überzogen.
Die Nervenwärzchen an den äussersten Enden
der äussern Bewegungsorgane, worin der Sinn des
Tastens beym Menschen seinen Sitz hat, finden sich
blos bey den Affen und Maki’s. Sie fehlen aber,
wenigstens an dieser Stelle, allen übrigen Säug-
thieren (y).
Die
[189]
Die Lungen der Säugthiere, die fast immer in
mehrere Lappen abgetheilt sind, füllen die Brust-
höhle völlig aus, ohne an der innern Fläche der
letztern befestigt zu seyn. Am obern Ende der
Luftröhre, gleich hinter der Zungenwurzel, befin-
det sich nur ein einziger Kehlkopf mit einem
Kehldeckel.
In der Struktur des Herzens kommen die übri-
gen Säugthiere mit dem Menschen gröſstentheils
überein. Aber die Lage dieses Organs ist bey den
erstern anders, als bey dem letztern. Bey jenen
liegt dasselbe so, daſs die Basis fast gerade nach
dem Kopfe, die Spitze aber gerade nach dem Unter-
leibe hin gerichtet ist, und daſs eine durch die Mitte
des Brustbeins gelegte vertikale Ebene, wie die
Brusthöhle, so auch das Herz in zwey gleiche Hälf-
ten theilt.
Die Vertheilung der Aorta ist ebenfalls bey den
übrigen Säugthieren etwas verschieden von der
beym Menschen. Die beyden Schlüsselbeinarterien
und die linke Carotis entspringen bey jenen nicht,
wie bey diesem, unmittelbar aus dem Bogen der
Aorta, sondern- der letztere spaltet sich in zwey
groſse Aeste, wovon sich der eine aufwärts ge-
hende in die rechte Schlüsselbeinarterie und in die
beyden Carotiden, der andere herabsteigende aber
auf ähnliche Art wie beym Menschen theilt.
Die
[190]
Die Brusthöhle ist von der Bauchhöhle bey al-
len Säugthieren durch ein muskulöses Zwerchfell
geschieden. Nach unten wird diese durch die Bek-
kenknochen begränzt, die bey den übrigen Säug-
thieren nach oben einander näher, nach unten aber
entfernter von einander sind, als bey dem Men-
schen (z).
Alle Säugthiere haben einen muskulösen Darm-
canal, der den Magen an Weite nachsteht. Die
Ausführungsgänge der Galle und des pankreatischen
Saftes öffnen sich in demselben neben einander.
Aus den Gedärmen entspringen Gefäſse, die ei-
nen milchigen Saft aus dem obern Theile desselben
aufnehmen (Milchgefäſse), und bey ihrem Fort-
gange im Gekröse eine Menge Drüsen durch-
kreutzen.
Der Darmcanal ist nach vorne mit einer an dem
Magen und den benachbarten Theilen befestigten
Haut, dem Netze, bedeckt.
Die Milz liegt immer in der linken Seite zwi-
schen dem Magen, den Rippen und dem Zwerch-
felle.
Von
[191]
Von jeder Niere geht bey allen Säugthieren ein
Canal (der Harnleiter) zu einem muskulösen Be-
hälter (der Urinblase), und von diesem eine Röhre
(die Harnröhre) zur Eichel des männlichen Gliedes
beym männlichen, und zur Scheide beym weibli-
chen Geschlechte, wo sie sich nach aussen öffnet.
Alle männliche Säugthiere haben eine mit einer
Eichel versehene Ruthe. Die Ausführungsgänge
des Saamens öffnen sich immer in die Harnröhre.
Das weibliche Geschlecht hat zwey Eyerstöcke und
eben so viele Fallopische Röhren.
Dies sind die wichtigsten Punkte, worin die
Säugthiere unter sich und mit dem Menschen über-
einkommen. Bey der Aufzählung derselben haben
wir schon mehrerer Eigenheiten erwähnt, welche
der letztere vor den übrigen Thieren dieser Classe
voraus hat. Wir finden ausserdem, daſs der Mensch
das einzige, blos zum aufrechten Gange bestimmte
Thier ist. Seine ganze Struktur beweiset diesen
Satz. Ferner hat nur der Mensch zwey Hände.
Bey keinem Thiere finden sich so geordnete und so
gestaltete Zähne, und solche Kinnladen. Er hat
ein flacheres Becken, als alle übrige Thiere. Er ist
das einzige Thier, das Hinterbacken besitzt. Die
Axe der weiblichen Scheide weicht bey ihm von der
des Beckens weit mehr ab, als bey allen andern
Thieren. Nur bey ihm hat das Weib im jungfräu-
lichen
[192] lichen Zustande ein Hymen (a). Diese und die
übrigen schon oben erwähnten Eigenheiten, denen
sich leicht noch mehrere minder wichtige beyfügen
liessen, berechtigen uns, bey der Eintheilung der
Säugthiere, die wir jetzt entwerfen werden, den
Menschen in eine besondere Ordnung zu setzen,
und die übrigen Familien nach der geringern oder
gröſsern Abweichung ihrer Organisation von der sei-
nigen zu bestimmen.
Wir setzen dieser Regel gemäſs in die zweyte
Classe die Affen, welche die Struktur des Men-
schen mit folgenden Ausnahmen haben: ein behaar-
ter Körper mit vier Händen; ein weniger gewölbter
Schädel; mehr hervorstehende Kinnladen, und
ein weiter nach hinten liegendes Hinterhauptsloch,
als beym Menschen; kein vorderer Nasenstachel;
gröſsere Zähne; eine bogenförmige, nicht, wie
beym Menschen, wellenförmige Wirbelsäule; Schen-
kelbeine, die gerade, nicht nach vorne sanft gebo-
gen sind, und deren auswendige Gelenkknöpfe
nicht kürzer, sondern eben so lang, als die inwen-
digen sind; ein Knie, das tiefer, als breit ist; zum
Theil Backentaschen und an der Vorderseite des
Halses liegende membranöse Luftbehälter, die sich
in den Kehlkopf öffnen; eine gröſsere Clitoris, wie
beym Weibe; zwey Muskeln am männlichen Gliede,
die
[193] die dasselbe in die Vorhaut zurückziehen, wie bey
allen vierfüſsigen Thieren, und ein Knochen in der
Ruthe, wie bey der Familie der Hunde (b).
Des Vorzugs der Hände entbehren alle übrige
Familien. Einige von diesen haben statt der Fin-
ger Krallen, und bey den übrigen finden sich ent-
weder Zehen, die mit stumpfen hornartigen Ueber-
zügen bedeckt sind, oder äussere Gliedmaaſsen, die
mit den Flossen der Fische übereinkommen.
Die erste jener Familien mit Krallen ist die der
Hunde. Diese haben drey Arten von Zähnen, wie
die vorigen, aber kürzere, stärkere und zahlrei-
chere Schneidezähne, gröſsere und spitzere Eck-
zähne, und schärfere Backenzähne. Ihre Kinnla-
den und Kaumuskeln sind stärker, und ihre Glied-
maaſsen in Vergleichung mit der Länge des Rumpfs
kürzer, wie bey dem Menschen und den Affen.
Einige Theile, die bey andern Thieren membranös
sind, haben bey ihnen eigene Knochen. So liegt
eine eigene knöcherne Scheidewand zwischen den
groſsen Seitenblättern der harten Hirnhaut, wodurch
das kleine Gehirn vom groſsen abgesondert ist, und
so ist auch die Harnröhre bey ihnen, wie bey den
meisten
I. Bd. N
[194] meisten Affen, von einem Röhrenknochen umgeben.
Das Stirnbein hat sehr groſse und zahlreiche Höh-
len (c). Der Darmcanal ist sehr kurz und der Un-
terschied zwischen dem dünnen und dicken Darm
geringer, als bey den übrigen Säugthieren. Der
Blinddarm fehlt entweder ganz (Mustela, Lutra,
Phoca, Meles, Ursus, Talpa, Sorex, Erinaceus),
oder er ist wenigstens sehr klein. Die Brüste hän-
gen bey allen unter dem Bauche. Die meisten ha-
ben zwey Drüsen am After, die eine starkriechende
Feuchtigkeit absondern, und die drey Geschlechter
Talpa, Sorex und Erinaceus den Mangel der Win-
dungen des Gehirns mit den Thieren der folgenden
Ordnung gemein. Die beyden Geschlechter Lutra
und Phoca zeichnen sich durch die Verwandtschaft
ihrer Organisation mit der der Wallfische, besonders
des Wallrosses (Trichecus rosmarus), aus.
Die zweyte Familie der Säugthiere mit Krallen
besteht aus den Nagethieren. Auch mehrere
von diesen haben, wie die vorigen, eine knöcherne
Scheidewand zwischen dem groſsen und kleinen
Gehirne, einen Knochen in dem männlichen Zeu-
gungsgliede, und Brüste, die unter dem Bauche
hängen. Aber es fehlen ihnen die Eckzähne, und
die langen Schneidezähne sind von den Backenzäh-
nen durch einen weiten Zwischenraum getrennt.
Die
[195] Die vordern Gliedmaaſsen sind kürzer, als die hin-
tern. Der Schwanz ist meist lang und mit starken
Muskeln versehen. Am groſsen Gehirne fehlen die
Windungen. Der Magen hat bey einigen mehrere
Abtheilungen. Der Darmcanal ist sehr lang, und
der Blinddarm so groſs, daſs er oft den Magen an
Weite übertrifft. Die äussern Zeugungsglieder lie-
gen bey mehrern Geschlechtern sehr nahe am After,
bey manchen in diesem ganz verborgen.
Bey einigen Arten aus dieser Familie sind die
hintern Füſse mit den vordern durch eine Haut ver-
bunden, welche den Sprung derselben einem Fluge
ähnlich macht. Diese sind das Verbindungsglied
zwischen den Nagethieren und der dritten Säugthier-
familie mit Krallen, den Fledermäusen, unter
deren charakteristischen Kennzeichen eines der her-
vorstechendsten eine feine, zwischen den hintern
und vordern Gliedmaaſsen ausgespannte Haut ist,
welche aber in ihrer übrigen Struktur mehr an die
Affen und Hunde, als an die Nagethiere gränzen.
Sie haben, gleich dem Menschen und den Affen,
ihre Brüste am Thorax, und, gleich den Hunden,
starke und scharfe Zähne, nebst einem kleinen Ma-
gen und kurzen Darmcanale. Einigen Arten fehlen
indeſs die Schneidezähne, entweder in der einen
Kinnlade (Vespertilio cephalotes, lepturus), oder
in beyden (Vesp. noneboracensis), und Ein Ge-
N 2schlecht
[196] schlecht (Galeopithecus) hat, gleich den Nagethie-
ren, einen groſsen Blinddarm.
Die letzte Familie der Säugthiere mit Krallen
ist die der Faulthiere. Diesen fehlen entweder
die Zähne ganz, oder sie haben höchstens nur Bak-
kenzähne. Ihr Darmcanal hat keinen Blinddarm.
Uebrigens finden sich bey jedem der wenig zahlrei-
chen Geschlechter dieser Familie Eigenthümlichkei-
ten, welche dieselbe zu einer der merkwürdigsten
des ganzen Thierreichs machen.
In mehrern Rücksichten schlieſst sich an diese
Familie die der Säugthiere mit flossenartigen Glied-
maaſsen, der Wallfische, an. Hier finden sich
entweder nur Schneidezähne, oder nur Eckzähne,
oder blos Backenzähne, oder statt der Zähne horn-
artige Blätter. Der Magen ist vielfach, wie bey ei-
nigen Gattungen der Nagethiere und Faulthiere;
aber dem Darmcanale fehlt meist die Grimmdarms-
klappe und der Blinddarm. Jede Niere ist aus einer
groſsen Menge kleinerer Nieren zusammengesetzt.
Die Hoden liegen innerhalb der Bauchhöhle, und die
Brüste entweder beym Anfange des Schwanzes zu
beyden Seiten der weiblichen Geburtstheile, oder an
der Brust. Ihre übrigen Theile sind nach dem Mo-
dell der Fischorgane gebildet. Ihre äussere Form ist
der der Fische ähnlich. Der Kopf ist wie bey die-
sen abgeplattet, und von dem Rumpfe durch kei-
nen
[197] nen deutlichen Hals abgesondert. Die vordern Glied-
maaſsen haben fast die nehmlichen Knochen, wie
die der übrigen Säugthiere; aber ihre äussere Struk-
tur gleicht der der Fischflossen. Die Lendenwirbel-
beine bilden eine ununterbrochene Reihe, die sich
hinten durch eine Flosse endigt. Ausserdem findet
sich bey den meisten auch noch eine wahre Rücken-
flosse. Das Ohr hat keinen äussern Gehörgang, ei-
nen unbeweglichen Hammer, keine halbzirkelför-
mige Canäle, aber eine geräumige Schnecke (d).
Der Kehlkopf öffnet sich meist in die auf dem Schei-
tel des Kopfs liegenden Nasenlöcher, und diese die-
nen zugleich zur Ausleerung des mit den Nah-
rungsmitteln verschluckten Wassers. Bey den
Braunfischen fehlen in den Nasenhöhlen die Ge-
ruchsnerven (e). Endlich sind noch bey ihnen, wie
bey den Fischen, alle innere Höhlen mit einem
flüssigen Oel angefüllt.
Unter denjenigen Thieren, deren Zehen stum-
pfe, hornartige Ueberzüge, sogenannte Hufen,
haben, giebt es einige, bey welchen an jedem Fuſse
mehr als zwey Zehen vorhanden sind; andere haben
deren nur zwey, und bey einigen findet sich nur
eine
N 3
[198] eine einzige. Die erste Familie, die der Schweine,
enthält Gattungen, die sowohl unter einander, als
mit den übrigen Säugthieren so wenig verkettet
sind, daſs sie mehr Ueberbleibsel einer untergegan-
genen Thierwelt, als Glieder der jetzigen lebenden
Natur zu seyn scheinen. Sie sind groſs, plump,
dünnbehaart, und haben einen kurzen Schwanz.
Die Struktur ihrer Zähne ist so anomalisch, daſs
sich nichts Allgemeines darüber festsetzen läſst.
Einigen (Elephas) fehlen die Schneidezähne, an-
dern (Rhinoceros, Tapir) die Eckzähne. Die letz-
tern ragen bey einigen (Elephas, Sus) gekrümmt
weit über die Kinnladen hervor. Der Magen hat
entweder Verengerungen, und zuweilen überdies
noch blinde Anhänge, wie beym Nilpferde (Hip-
popotamus amphibius) und Nabelschweine (Sus
Taiassu); oder es finden sich, wie beym Elephan-
ten, groſse Erweiterungen des dicken Darms, die
sowohl ihrer Struktur, als Funktion nach eben so
vielen Magen ähnlich sind. Der Blinddarm ist ge-
wöhnlich von beträchtlicher Gröſse.
Mehr allgemein passende positive Charaktere
finden sich bey den Rindern, oder denjenigen
Thieren mit Hufen, bey welchen an jedem Fuſse
nur zwey Zehen vorhanden sind. Die meisten von
diesen haben Hörner oder Geweihe an der Stirne.
Ihre Stirnhöhlen sind groſs und zahlreich, wie bey
den
[199] den Hunden (f). In der untern Kinnlade stehen
gewöhnlich acht Schneidezähne; die obere hinge-
gen hat statt der Schneidezähne einen knorpelartigen
Wulst. Die Eckzähne fehlen bey den meisten. Die
Backenzähne sind bey allen wie mit sägeförmigen
Queerfurchen ausgeschnitten, und die Kronen der-
selben liegen nicht horizontal, sondern sie sind
schräg ausgezähnelt, so daſs an denen im Oberkie-
fer die Aussenseite, an denen im Unterkiefer aber
die nach der Zunge hingerichtete innere Seite die
höchste ist. Die untere Kinnlade ist schmal, und
hat eine freyere Seitenbewegung, als bey den übri-
gen Säugthieren. Es giebt hier vier verschiedene,
unter einander zusammenhängende Magen. Der
erste (der Wanst, rumen) ist der weiteste von al-
len. Er füllet den gröſsten Theil der linken Seite
des Unterleibes aus, und ist auf seiner innern Fläche
an mehrern Stellen mit langen dünnen Zotten be-
setzt. Der zweyte (der Netzmagen, reticulum)
liegt zwischen jenem und dem Mittelpunkte des
Zwerchfells, und ist von dem Wanste nur durch
eine Verengerung geschieden. Man findet auf der
innern Fläche desselben gitterförmige Erhöhungen,
deren Zwischenräume Zotten haben. Der dritte Ma-
gen (der Blättermagen, centipellio, omasus)
liegt zur Rechten des ersten, und mit seinem Vor-
dertheile über dem zweyten. Seine äussere Gestalt
ist
N 4
[200] ist kugelförmig. Auf seiner innern Fläche trifft man
viele halbmondförmige Falten an. Vom Schlunde
bis zur Mündung dieses dritten Magens geht eine
Rinne, welche gleich dem ersten und zweyten Magen
mit Zotten besetzt ist. Der vierte Magen (der Fett-
magen, abomasus) liegt auch zur Rechten des
Wanstes unter dem Vordertheile des dritten, und
kömmt in seiner Struktur mit dem Magen der übri-
gen Säugthiere überein. Der Darmcanal überhaupt,
und besonders der Blinddarm, ist von ausserordent-
licher Länge. Die Darmzotten sind ebenfalls sehr
lang. Das Fett ist compakter, das Zellgewebe stär-
ker und häufiger, als bey den übrigen Säugthieren.
Das erstere erhärtet nach dem Erkalten zu einer
bröcklichen Masse. Die Brüste liegen zwischen den
Hinterfüſsen, nicht weit von den weiblichen Ge-
burtstheilen. Den meisten fehlen die Waden-
beine (g). Manche haben keine Gallenblase. Bey zwey
Geschlechtern (dem Ochsen und Hirsche) zeichnet
sich das Herz durch zwey länglichte Knochen aus,
von welchen der eine gröſsere, der nach der Krüm-
mung des Einganges der linken Herzkammer gebo-
gen ist, unter der sigmaförmigen Klappe liegt, die
hinter dem rechten Herzohre ist, der andere klei-
nere sich beym Eingange eben der Herzkammer un-
ter der sigmaförmigen Klappe befindet, die hinter
dem linken Herzohre ist.
Von
[201]
Von der dritten Ordnung der Säugthiere mit
Hufen, deren Fuſs nur Eine Zehe hat, kennen wir
nur erst ein einziges Geschlecht, nehmlich das
Pferd. Schneidezähne in der obern und untern
Kinnlade, und die in der untern etwas hervorra-
gend; isolirt stehende Eckzähne; stumpfe Backen-
zähne; ein kleiner und einfacher Magen, aber ein
sehr langer Darmcanal, ein Grimmdarm mit sehr
weiten Säcken, und ein ausserordentlich groſser
Blinddarm; Brüste, die in der Schaamgegend lie-
gen; Fett, das sich in Ansehung der Consistenz dem
der Rinder nähert: dies sind die vornehmsten Ei-
genthümlichkeiten in der Organisation dieser Fa-
milie.
Die Geschlechter, die zu den charakterisirten
zehn Ordnungen der Säugthiere gehören, nebst ei-
nigen merkwürdigen Eigenheiten in der Struktur
einzelner Geschlechter und Arten, und den vor-
nehmsten Schriftstellern über die Zergliederung der-
selben enthält das folgende Verzeichniſs.
Ordnungen und Geschlechter der Säugthiere.
- 1. SimiaBlumenb. Meist Backentaschen.
S. Satyrus. Camper’s N. G. des Orang-Utang.
S. 111 ff.
N 5Simia
[202]Simia troglodytes. Orang-Utang, sive homo
sylvestris, or the anatomy of a Pigmy. (Von E.
Tyson. London 1699).
S. longimana. D’Aubenton, Hist. nat. T. XIV.
Le Gibbon. p. 98.
S. Ipuus. D’Aubenton, H. n. T. XIV. Le Ma-
got. p. 117.
S. Cynomolgus. Vicq-D’Azyr, Mém. de
l’ Acad. Roy. des sc. à Paris. 1780. p. 478. D’Au-
benton, H. n. T. XIV. Le Macagne. p. 196.
Le Malbrouck. p. 232.
S. rubra. D’Aubenton, H. n. T. XIV. Le Pa-
tas. p. 214.
S. Aethiops. D’Aubenton, H. n. T. XIV. Le
Mangabey. p. 248.
S. Mona. D’Aubenton, H. n. T. XIV. La Mone.
p. 264.
S. Sabaea. Vicq-D’Azyr, Mém. de l’Acad.
des sc. à Paris. 1780. p. 478. D’Aubenton, H.
n. T. XIV. Le Callitriche. p. 277.
Simia Talapoin. D’Aubenton, Hist. nat.
T. XIV. Le Talapoin. p. 292. - 2. PapioBlumenb. Meist Backentaschen.
P. Sphinx. D’Aubenton, Hist. nat. T. XIV.
Le Papion. p. 141.
P. Mandrill. Vicq-D’Azyr, Mém. de l’Ac.
des sc. à Paris 1780. p. 478. D’Aubenton, Hist.
nat. T. XIV. Le Mandrill. p. 160.
Papio
[203]Papio Nemestrina. D’Aubenton, Hist. nat.
T. XIV. Le Maimon. p. 181. - 3. CercopithecusBlumenb. Ein längerer Blind-
darm und zartere dicke Därme, wie bey den vo-
rigen Geschlechtern. Keine Backentaschen.
C. Paniscus. D’Aubenton, H. n. T. XV. Le
Coaïta. p. 28.
C. trepidus. D’Aubenton, H. n. T. XV. Le
Sajou brun. p. 42.
C. Morta. D’Aubenton, H. n. T. XV. Le Saï-
miri. p. 72.
C. Capucinus. D’Aubenton, H. n. T. XV.
Le Saï. p. 56.
C. Jacchus. D’Aubenton, H. n. T. XV. L’Oui-
stiti. p. 102.
C. Rosalia. D’Aubenton, H. n. T. XV. Le
Marikina. p. 112.
C. Oedipus. D’Aubenton, H. n. T. XV. Le
Pinche. p. 118. - 4. LemurCuvier. Ein Darmcanal, wie beym
vorigen Geschlechte.
L. Catta. D’Aubenton, Hist. nat. T. XIII. Le
Mococo. p. 187.
L. Mongoz. D’Aubenton, H. n. T. XIII. Le
Mongous. p. 200.
L. Macaco. Eine trommelförmige Erweiterung
an jedem der beyden Zweige der Luftröhre.
D’Aubenton, Hist. nat. T. XIII. Le Vari.
p. 206.
Lemur
[204]Lemur Lori. D’Aubenton, H. n. T. XIII. Le
Loris. p. 215.
- 1. DidelphisCuvier. Ein gröſserer Blinddarm,
als bey den übrigen Thieren aus der Familie der
Hunde. Aeussere Zeugungstheile, die so nahe
am After liegen, daſs sie fast in demselben ver-
borgen sind. Eine gespaltene Eichel beym Männ-
chen, und zwey Canäle der Mutterscheide beym
Weibchen zur Aufnahme der beyden Zweige des
männlichen Zeugungsgliedes. Eine Duplicatur
der Bauchhaut unter den weiblichen Zitzen, die
durch eigene Muskeln und Knochen geöffnet, ge-
schlossen und den weiblichen Geburtstheilen ge-
nähert werden kann.
D. Opossum. Tyson, Phil. Trans. 1698. p. 105.
1704. p. 1565. Cowper, ibid. 1704. p. 1576.
D’Aubenton, Hist. nat. T. X. Le Sarigne.
p. 316.
D. murina. D’Aubenton, Hist. nat. T. X. La
Marmose. p. 341.
D. Cayopollin. D’Aubenton, H. n. T. X. Le
Cayopollin. p. 355.
D. orientalis. D’Aubenton, H. n. Le Phalan-
ger. p. 96, 106. - 2. Vinerra L.
V. zibetha. De la Peyronnie, Mém. de
l’Acad.
[205] l’Acad. des sc. à Paris 1731. p. 443. D’Auben-
ton, H. n. T. IX. Le Zibet. p. 319.
V. civetta. Bartholini obs. anat. Cent. 14,
n. 1 et Cent. V, n. 49. Perrault etc. Abh. zur
N. G. B. 1. S. 183. D’Aubenton, H. n. T. IX.
La civette. p. 336.
V. genetta. D’Aubenton, H. n. T. IX. La Ge-
nette. p. 349.
V. nasna. Mackenzie, Phil. Trans. n. 430.
Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 1. S. 287.
D’Aubenton, H. n. T. VIII. Le Coati. p. 367.
V. tetradactyla. D’Aubenton, H. n. T. XIII.
Le Surikate. p. 77. - 3. Felis L.
F. catus. Severini zootom. Democrit. p. 311.
D’Aubenton, H. n. T. VI. Le Chat.
F. Chaus. Güldenstaedt in Nov. Comm. Pe-
trop. T. XX. p. 487.
F. Serval. D’Aubenton, Hist. nat. T. XIII. Le
Serval. p. 237.
F. Caracal. D’Aubenton, H. n. T. XII. Le
Caracal. p. 444.
F. lynx. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 1.
S. 143. D’Aubenton, H. n. T. IX. Le Lynx.
p. 283.
F. concolor. D’Aubenton, H. n. T. IX. Le
Congonar. p. 223.
F. leopardalis. Perrault etc. Abh. zur N. G.
B. 1. S. 125.
Felis
[206]Felis Onca. D’Aubenton, Hist. nat. T. IX. Le
Jaguar. p. 211.
F. pardus. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 2.
S. 185. D’Aubenton, H. n. T. IX. La Panthère.
p. 179.
F. tigris. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 2.
S. 167.
F. leo. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 1. S. 3.
Wolf in Nov. comm. Petrop. T. XV. p. 517.
D’Aubenton, H. n. T. IX. Le Lion. p. 152. - 4. Canis L.
C. hyaena. D’Aubenton, Hist. nat. T. IX.
L’Hyaene. p. 283.
C. aureus. Güldenstaedt in Nov. comm. Pe-
trop. T. XX. p. 466.
C. lagopus. Gmelin in Nov. comm. Petrop.
T. V. p. 360.
C. vulpes. D’Aubenton, H. n. T. VII. Le re-
nard. p. 89.
C. lycaon. D’Aubenton, H. n. T. IX. Le loup
noir. p. 366.
C. lupus. Eph. Nat. Cur. d. 2. a. 9. obs. 71.
Ibid. cent. 10. app. 450. D’Aubenton, H. n.
T. VII. Le loup. p. 58.
C. familiaris. D’Aubenton, H. n. T. V. Le
chien. - 5. MustelaBlumenb. Pennant.
M. martes. D’Aubenton, Hist. nat. T. VII. La
Marte. p. 194.
Muste-
[207]Mustela Foina. D’Aubenton, Hist. nat.
T. VII. La Fouine. p. 170.
M. putorius. D’Aubenton, H. n. T. VII. Le
putois. p. 204.
M. Zibellina. Pallas sp. zool. f. XIV. p. 79.
M. furo. D’Aubenton, H. n. T. VII. Le Furet.
p. 218.
M. vulgaris. D’Aubenton, H. n. T. VII. La
belette. p. 232.
M. Sarmatica. Güldenstaedt in Nov. comm.
Petrop. T. XIV. P. 1. p. 389. Pallas sp. zool.
f. XIV. p. 84.
M. Sibirica. Pallas sp. zool. f. XIV. p. 92. - 6. LutraBlumenb. Pennant.
L. vulgaris. Perrault etc. Abh. zur N. G.
B. 1. S. 175. Sue, Mém. présentés. T. 2. p. 197.
Home, Phil. Trans. 1796. p. 385. D’Aubenton,
Hist. nat. T. VII. La Loutre. p. 141.
L. minor. Pallas sp. zool. f. XIV. p. 50.
L. marina. Eingeweide, wie bey der folgenden
Gattung. Steller in Nov. comm. Petrop.
T. II. p. 376. - 7. Phoca L. Eine Sklerotika, woran der mittlere
Gürtel dünn und biegsam, der vordere, an die
Hornhaut gränzende Theil, und der hintere, der
den Sehenerven umgiebt, aber unbiegsam und
fast knorpelartig ist. Eine Traubenhaut, deren
Gefäſse ihrer Substanz nicht eingewebt sind, son-
dern auf der vordern Fläche der Iris in netzför-
miger
[208] miger Gestalt frey aufliegen. Blumenbach in
Commentat. soc. Reg. sc. Gotting. Vol. VII. p. 45,
46. Ein sehr groſser und weiter Magen; ein sehr
enger, aber ausserordentlich langer Darmcanal
ohne Falten und ohne den Unterschied von einem
dünnen und dicken Darm. Eine sehr groſse Le-
ber und groſse Nieren, die aus einer Menge klei-
nerer Nieren zusammengesetzt sind. Eine kleine
Harnblase. Groſse Lungen und weite Venen, aber
verhältniſsmäſsig enge Arterien. Dicke Nerven,
mit Ausnahme der Sehenerven; dünne Muskeln.
Eine groſse, und auch nach der Geburt noch an
Gröſse zunehmende Thymusdrüse. Eine erst spät
nach der Geburt verwachsende ovale Oeffnung im
Herzen, und ein erst spät sich schliessender Ver-
bindungscanal zwischen der Lungenarterie und
Aorta.
Phoca vitulina. Schelhammer in Valentini
amph. zoot. S. 86. Kulmus in den Breſslauer
Samml. 1tes Supplement. Perrault etc. Abh.
zur N. G. B. 1. S. 219. Portal, Mém. de
l’Acad. Roy. des sc. à Paris. 1770. p. 413. Pro-
chaska in den Abh. der Böhm. Gesellsch. 1785.
Abth. 2. S. 13.
P. ursina. Steller in Nov. comm. Petrop.
T. II. p. 341. - 8. MelesBlumenb.
M. gulo. Bartholini obs. anat. Cent. 4. obs. 30.
Pallas spic. zool. f. XIV. p. 39.
Meles
[209]Meles taxus. Eph. Nat. C. d. 2. a. 5. obs. 32.
Ibid. d. 3. a. 3. obs. 163. D’Aubenton, Hist.
nat. T. VII. Le blaireau. p. 115.
M. lotor. D’Aubenton, H. n. T. VIII. Le Ra-
ton. p. 346. - 9. UrsusBlumenb.
U. arctos. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 1.
S. 95. D’Aubenton, H.n. T. VIII. L’Ours. p. 266.
U. marinus. Pallas sp. zool. f. XIV. p. 22. - 10. Talpa L.
T. Europaea. Ein Brustbein, wie bey den Vö-
geln. Keine äussere Ohren. Ein Augapfel, der
länger, als breit ist, sich vorne in eine coni-
sche Spitze endigt, und nicht in einer beson-
dern Höhle, sondern zwischen den Muskeln
des Russels liegt. Ein langer und zarter Sehe-
nerve, der aus einer gemeinschaftlichen Wurzel
mit einem groſsen, zur Schnauze gehenden
Nerven entsteht. Miscell. Nat. Cur. d. 2. a. 1.
p. 323. Harderi apiar. obs. 24. D’Aubenton,
H. n. T. VIII. La taupe. p. 90. Zinn in Com-
mentar. soc. Reg. sc. Gotting. T. IV. p. 248. - 11. Sorex L.
S. moschatus. Gmelin in Nov. Commentar.
Petrop. T. IV. p. 385.
S. D’Aubentonii. D’Aubenton, Hist. nat.
T. VIII. La musaraigne d’eau. p. 67.
S. araneus. D’Aubenton, H. n. T. VIII. La
musaraigne. p. 62.
I. Bd. O12. Eri-
[210]
- 12. Erinaceus L.
E. Europaeus. Du Vernoi in Commentar.
Petrop T. XIV. p. 200. Perrault etc. Abh.
zur N. G. B. 1. S. 319. D’Aubenton, Hist. nat.
T. VIII. L’Herisson. p. 40.
- 1. Hystrix L.
H. cristata. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 1.
S. 305.
H. prehensilis. Sarrazin, Mém. de l’Acad.
des sc. à Paris 1727. - 2. Castor L. Ein dünner, an einigen Stellen häu-
tiger, mit zwey Abtheilungen versehener, und
auf seiner innern Fläche mit blasenförmigen Drü-
sen besetzter Magen.
C. Fiber. Eine gemeinschaftliche Oeffnung für
den Mastdarm, die Zeugungstheile und die Be-
hältnisse des Biebergeils. Eph. N. C. d. 1. a. 2.
obs. 251. Sarrazin, Mém. de l’Acad. des sc.
à Paris 1704. p. 48. Perrault etc. Abh. zur
N. G. B. 1. S. 157. Kulmus in den Breſslauer
Samml. 1tes Supplement. Mortimer, Phil.
Trans. n. 430. Gottwald’s anatomisch-phy-
sikalische Anmerkungen über den Bieber. Nürn-
berg 1787. D’Aubenton, H. n. T. VIII. Le
Castor. p. 312.
C. zibethicus. Sarrazin, Mém. de l’Acad.
des
[211] des sc. à Paris. 1725. D’Aubenton, H. n. T. X.
L’Ondatra. p. 17. - 3. SaviaErxleben.
S. cobaya. D’Aubenton, Hist. nat. T. VIII.
Le cochon d’Inde. p. 8.
S. capybara. D’Aubenton, H. n. T. XII. Le
Cabiai. p. 389.
S. Capensis. Eine gröſsere Menge Rückenwir-
bel und Ribben, als bey irgend einem andern
Säugthiere. Sehr groſse Arm-Nerven. Ein
groſses Herz. Kleine Lungen. Ein kurzer,
aber ungewöhnlich weiter Blinddarm. Zwey
blinde Fortsätze am Anfange des Mastdarms.
An jedem Hodengange (vas deferens) zwey
Nebenhoden. Pallas miscell. zool. p. 38.
Ejusd. spicil. zool. f. II. p. 25.
S. Aguti. D’Aubenton, H. n. T. VIII. L’Agouti.
p. 383.
S. Paca. D’Aubenton, H. n. T. X. Le Paca.
p. 274. - 4. Marmota. (Mures soporosi Pallasii). Eine
sehr groſse Thymusdrüse, und dieser ähnliche
Glandeln auf beyden Seiten des Halses und der
Brust unter dem gröſsern Brustmuskel. Ein
sehr groſses und fettes Omentum mit zwey An-
hängen, die von den Lenden an beyden Seiten
des Bauchs zum Nabel heraufgehen (omenta
lumbaria).
O 2Mar-
[212]Marmota alpina. Perrault etc. Abh. zur N.
G. B. 2. S. 205. D’Aubenton, Hist. nat. T. VIII.
La Marmotte. p. 231.
M. Bobac. Pallas nov. species quadrupedum
e glirium ordine. p. 115.
M. citillus. Güldenstaedt in nov. commen-
tar. Petrop. T. XIV. P. 1. p. 389. Pallas nov.
spec. p. 146. - 5. Spalax (Mures subterranei Pallasii).
S. typhlus. Augapfel ohne Oeffnungen der Haut
in der Augengegend. Keine äussere Ohren;
aber ein sehr weiter äusserer Gehörgang und sehr
groſse innere Gehörorgane. Güldenstaedt in
Nov. comm. Petrop. T. XIV. P. 1. p. 389. Lepe-
chin ibid. p. 504. Pallas novae spec. p. 161.
Olivier, Bulletin de la Soc. philomath. An
VII. n. 38.
S. talpinus. Pallas nov. spec. p. 183. - 6. Lemmus (Mures cunicularii Pallasii).
L. migratorius (Mus lemmus L.) Bartho-
lini obs. anat. C. 2. p. 301. Pallas nov. spec.
p. 202.
L. lagurus. Pallas nov. sp. p. 215.
L. socialis. Pallas nov. sp. p. 230.
L. oeconomus. Pallas nov. sp. p. 236.
L. gregalis. Pallas nov. sp. p. 246.
L. rutilus. Pallas nov. sp. p. 250.
L. alliarius. Pallas nov. sp. p. 254.
Lem-
[213]Lemmus amphibius. D’Aubenton, Hist. nat.
T. VII. Le rat d’eau. p. 352. - 7. Cricetus. (Mures buccati Pall.). Backenta-
schen.
C. germanicus. J. G. Sulzer’s Versuch einer
N. G. des Hamsters. Göttingen. 1774. D’Au-
benton, Hist. nat. T. X. Le Hamster. p. 128.
C. phaeus. Pallas nov. sp. p. 264.
C. arenarius. Pallas nov. sp. p. 268.
C. songarus. Pallas nov. sp. p. 270. - 8. Mus. (Mures myosuri Pall.). Der Blind- und
Grimmdarm bilden eine Art von zweytem Magen.
Der Leber fehlt die Gallenblase.
M. caraco. Pallas nov. sp. p. 339.
M. decumanus. D’Aubenton, H. n. T. VIII.
Le surmulet. p. 211.
M. rattus. D’Aubenton, H. n. T. VII. Le rat.
p. 286.
M. sylvaticus. D’Aubenton, Hist. nat. T. VII.
Le mulot. p. 334.
M. musculus. D’Aubenton, H. n. T. VII. Le
souris. p. 314. Merrem’s verm. Abh. aus der
Thiergeschichte. S. 58.
M. agrarius. Pallas nov. sp. p. 339.
M. minutus. Pallas nov. sp. p. 348. - 8. Glis. (Mures lethargici Pall.). Thymusähn-
liche Drüsen am Halse und unter den Achseln,
wie bey den Murmelthieren.
G. vagus. Pallas nov. sp. p. 330.
O 3Glis
[214]Glis betulinus. Pallas nov. sp. p. 332.
G. avellanarius. D’Aubenton, Hist. nat.
T. VIII. Le muscardin. p. 198.
G. esculentus. Perrault etc. Abh. zur N. G.
B. 2. S. 213. D’Aubenton, H. n. T. VIII. Le
loir. p. 169.
G. quercinus. D’Aubenton, H. n. T. VIII.
Le lérot. p. 185.
G. tamaricinus. Pallas nov. sp. p. 326.
G. longipes. Pallas nov. sp. p. 319. - 9. JaculusBlumenb.
J. giganteus. Ein Magen mit drey Abtheilun-
gen. Gleich dem Beutelthiere (Didelphis)
eine gespaltene männliche Ruthe; zwey Canäle
der Mutterscheide zur Aufnahme der beyden
Zweige dieses Gliedes, die sich nach einer vor-
hergegangenen Krümmung seitwärts in die bey-
den Winkel des Grundes der Gebährmutter ne-
ben den Muttertrompeten öffnen; ein ähnlicher
Beutel mit ähnlichen Muskeln und Knochen,
wie beym Opossum. In der [Schwangerschaft]
entsteht eine Oeffnung nahe bey der Harnröhre,
welche die Stelle des Muttermundes vertritt;
im ungeschwängerten Zustande hingegen ist
keine Spur davon vorhanden. La Billardiere
voyage à la recherche de la Peyrouse. T. I.
Home, Phil. Trans. 1795. P. II. p. 221.
J. Jerboa. Thymusähnliche Drüsen, wie bey
den Murmelthieren und dem Geschlechte glis,
und
[215] und entweder gar kein eigentliches Omentum,
oder doch nur ein kleines und mageres, aber
groſse und fette Lenden-Omente. Pallas nov.
sp. p. 298.
Jaculus Sibiricus. Eine ähnliche Struktur,
wie beym Jerboa. Gmelin in Nov. comm. Pe-
trop. T. V. p. 358. Pallas nov. sp. p. 311. - 10. Lepus L. Ein Blinddarm mit einer langen
spiralförmigen Falte.
L. timidus. Bartholini, Act. Hafn. 1671 et
1672. p. 278. Miscell. N. C. d. 1. a. 3. p. 128.
D’Aubenton, H. n. T. VI. Le lievre.
L. cuniculus. D’Aubenton, H.n. T.VI. Le lapin.
L. Ogotona. Pallas nov. sp. p. 66.
L. alpinus. Pallas nov. sp. p. 55.
L. pusillus. Pallas in nov. comm. Petrop.
T. XIII. p. 531. Ejusd. nov. sp. p. 40.
L. Tolai. Gmelin in Nov. comm. Petrop. T. V.
p. 358. Pallas nov. sp. p. 24. - 11. Sciurus L.
S. vulgaris. Eph. Nat. C. cent. 10. app. 449.
D’Aubenton, Hist. nat. T. VII. L’écureuil.
p. 261.
S. palmarum. D’Aubenton, H. n. T. X. Le
Palmiste. p. 134.
S. volansPall. Du Vernoi in comm. Petrop.
T. V. p. 218. Pallas nov. sp. p. 364.
S. voluccellaPall. D’Aubenton, H. n. T. X.
La palatouche. p. 106.
O 4V. Fle-
[216]
- 1. Vespertilio L. Sehr groſse Lungen und Ner-
ven bey einem kleinen Hirne und dünnen Mus-
keln. Von Humboldt über die gereizte Muskel-
und Nervenfaser. Th. 2. S. 163.
V. vampyrus. Eine Zunge, deren obere Flä-
che mit sehr groſsen, harten, spitzen, zum
Theil dreyzackichten und nach hinten gerichte-
ten Warzen besetzt ist. D’Aubenton, H. n.
T. X. La roussette. p. 69.
V. soricinus. Pallas spic. zool. f. III. p. 29.
V. noctula. D’Aubenton, H. n. T. VIII. La
noctule. p. 138.
V. cephalotes. Pallas sp. zool. f. III. p. 16. - 2. Galeopithecus. Pallas, Act. Petrop. 1780.
p. 208.
- 1. Bradypus L. Brüste am Thorax, wie bey
dem Menschen, den Affen und Fledermäusen;
lange Vorderfüſse, wie beym Orang-Utang und
Gibbon; ein vierfacher Magen, wie bey den Rin-
dern, doch ohne die Gitter und Falten, die sich
in dem Magen der letztern finden; eine gemein-
schaftliche Höhle (cloaca) zur Ausführung des
Koths und Urins, wie bey dem Bieber und den
Vögeln.
Bra-
[217]Bradypus didactylus. D’Aubenton, Hist.
nat. T. XIII. L’Unan. p. 53.
B. tridactylus. Eine Luftröhre, die vor ihrer
Spaltung zwey Biegungen macht, eine gröſsere
nach hinten, und eine kleinere nach vorne über
dem Herzen. D’Aubenton, H. n. T. XIII. L’Aï.
p. 62. - 2. Dasypus L. Hörnerne Reifen, gleich dem Ge-
schlechte Lacerta unter den Amphibien.
D. novemcinctus. D’Aubenton, Hist. nat.
T. X. Le Cachicame. p. 239. - 3. Manis L. Hörnerne Schuppen, gleich dem Ge-
schlechte Scincus unter den Amphibien.
M. pentadactyla. Dahlmann, Abh. der
Schwed. Akad. 1749. S. 274. Burt, Asiatick Re-
searches. Vol. 2. p. 353. - 4. Myrmecophaga L.
M. pentadactyla. Der Darmcanal hat eine
Menge Verengerungen. Statt des Blinddarms
ist er mit zwey blinden Anhängen versehen,
die aber weder in ihrer Organisation, noch in
ihrem Sitze mit dem Blinddarme der übrigen
Säugthiere übereinkommen. D’Aubenton, H. n.
T. X. Le fourmiller. p. 168. - 5. OrnithorynchusBlumenb.
O. paradoxus. Die Totalform der Meerotter;
der Schwanz und die Füſse des Biebers; der
Schnabel der Ente. Blumenbach in Voigt’s Ma-
O 5gazin
[218] gazin für den neuesten Zustand der Naturkun-
de. B. 2. St. 1. S. 215.
- 1. Delphinus L.
D. Phocaena. Ray, Phil. Trans. 1671. p. 2274.
Maior in Misc. Acad. N. C. d. 1. a. 3. p. 25.
d. 1. a. 8. p. 4. Phocaena, or the Anatomy of
a Porpus. (Von E. Tyson. London. 1687).
Kulmus in den Breſslauer Samml. 1tes Supple-
ment. - 2. Physeter L.
- 3. Balaena L.
- 4. Monodon L.
- 5. Trichecus L.
T. borealis. Steller in Nov. comm. Petrop.
T. II. p. 399.
T. Manatus. D’Aubenton, Hist. nat. T. XIII.
Embryon de lamantin de la Guiane. p. 425.
T. Rosmarus. D’Aubenton, H. n. T. XIII.
Le Morse. p. 419.
- 1. HippopotamusBlumenb.
H. amphibius. D’Aubenton, H. n. T. XII.
L’Hippopotame. p. 54. - 2. Rhinoceros L. Camper’s N. G. des Orang-
Utang. S. 28.
R. unicornis. Leigh Thomas, Phil. Trans.
1801. P. I. p. 145.
3. Ele-
[219]
- 3. Elephas L.
E. maximus. Ein Gehirn, das dem menschlichen
sehr ähnlich ist. Eine Gallenblase, die am äus-
sersten Ende des Leberganges liegt. Blair,
Phil. Trans. n. 326, 327, 358. G. Stukeley,
the spleen, its description, uses and diseases,
and some anatomical observations made in the
dissection of an elephant. London. 1723. Per-
rault etc. Abh. zur N. G. B. 2. S. 275. Cam-
per’s kl. Schriften. B. 1. St. 1. S. 50. - 4. TapirBlumenb.
- 5. Sus L.
S. scrofa. D’Aubenton, H. n. T. V. Le cochon.
S. Taiassu. Tyson, Phil. Trans. 1683. p. 359.
D’Aubenton, Hist. nat. T. X. Le Pecari. p. 31.
- 1. Moschus L.
M. moschiferus. Gmelin in Nov. comm. Pe-
trop. T. IV. p. 393. Pallas spicil. zool. f. XIII.
p. 35. - 2. CervusBlumenb.
C. capreolus. D’Aubenton, H. n. T. VI. Le
Chevreuil.
C. Elaphus. Perrault etc. Abh. zur N. G.
B. 2. S. 3. Eph. N. C. d. 2. a. 6. obs. 223. p. 459,
et obs. 117. p. 241. D’Aubenton, H. n. T. VI.
Le cerf.
Cer-
[220]Cervus Tarandus. Ein Luftsack am Kehl-
kopfe, wie bey mehrern Affen. Stenonius in
Act. Hafn. Vol. I. p. 274. Camper’s N. G. des
Orang-Utang. S. 71.
C. Dama. D’Aubenton, Hist. nat. T. V. Le
Dain.
C. Axis. D’Aubenton, H. n. T. XI. L’Axis.
p. 408.
C. Alces. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. I.
S. 207. - 3. GiraffaBlumenb.
- 4. Bos L.
B. taurus. D’Aubenton, Hist. nat. T. IV. Le
boeuf.
B. buffelusBlumenb. D’Aubenton, H. n.
T. XI. Le buffle. p. 340. - 5. AntilopePallas.
A. bubalis. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. I.
S. 297.
A. Saiga. Pallas spicil. zool. f. XII. p. 41.
A. gutturosa. Gmelin in Nov. comm. Petrop.
T. V. p. 349. Pallas spicil. zool. fasc. XII.
p. 57.
A. rupicapra. Perrault etc. Abh. zur N. G.
B. I. S. 235. Gmelin in Nov. comm. Petrop.
T. IV. p. 388. D’Aubenton, Hist. nat. T. XII.
p. 177. Le chamois.
A. cervicapra. Prrrault etc. Abh. zur N. G.
B. I. S. 109. Pallas spicil. zool. f. I. p. 32.
Anti-
[221]Antilope Kevella foemin. Guettard, Hist.
nat. T. XII. La Corine. p. 263. - 6. CapraBlumenb.
C. Ibex. D’Aubenton, H. n. T. XII. Le bou-
quetin. p. 170.
C. hircus. D’Aubenton, H. n. T. V. Le houc.
C. hircus Judaicus. D’Aubenton, H. n.
T. XII. Le bouc de Juda. p. 190.
C. Ammon. D’Aubenton, Hist. nat. T. XI. Le
moufflon. p. 379. Pallas spicil. zool. f. XI.
p. 28.
C. ovis. D’Aubenton, H. n. T. V. Le bélier.
C. ovis polycerata L. D’Aubenton, Hist.
nat. T. XI. Le bélier d’Islande. p. 390.
C. Guinensis. D’Aubenton, Hist. nat. T. XI.
Le bélier des Indes. p. 395. - 7. Camelus L. Fünf Magen, wovon einer blos
zur Aufbewahrung des Tranks dienet.
C. dromedarius. Perrault etc. Abh. zur N.
G. B. 1. S. 83. D’Aubenton, Hist. nat. T. XI.
Le dromadaire. p. 248.
C. Bactrianus. Perrault etc. Abh. zur N. G.
B. 1. S. 83. Messerschmidt in Comm. Petrop.
T. X. p. 326. D’Aubenton, H. n. T. XI. Le
chameau. p. 341.
X. Pfer-
[222]
- 1. Equus L.
E. caballus. G. Blasii obs. anat. p. 50. D’Au-
benton, H. n. T. IV. Le cheval.
E. asinus. D’Aubenton, Hist. nat. T. IV.
L’asne.
E. Hemionus. Pallas in Nov. comm. Petrop.
T. XIX. p. 394.
E. Zebra. D’Aubenton, H. n. T. XI. Le Ze-
bre. p. 17.
Drittes
[223]
Drittes Kapitel.
Vögel(i).
Die Vögel haben gleich den Säugthieren einen
Kopf, Hals, Rumpf und vier äussere Bewegungsor-
gane. Aber der Kopf ist hier immer statt eines
Mundes mit einem hornartigen Schnabel versehen,
dessen beyde Kinnladen beweglich sind; es fehlen
ihm die äussern Geruchs- und Gehörorgane der
Säugthiere; er artikulirt immer nur durch einen
einzigen Gelenkkopf mit dem ersten Halswirbel.
Die Anzahl der Halswirbel variirt von 6 bis 23.
Die Brust ist gewöhnlich sehr ausgedehnt, und das
Brustbein beynahe viereckig. Die Brusthöhle ist
nicht,
[224] nicht, wie bey den Säugthieren, durch ein Zwerch-
fell von der Bauchhöhle geschieden. Die Hüftbeine
machen mit den Lendenwirbeln und dem Kreutz-
beine nur einen einzigen Knochen aus, und von ei-
nem Becken finden sich nur noch Lineamente. Die
vordern Bewegungsorgane sind blos zum Fluge ge-
bauet. Der ganze Körper ist bis auf die Zehen mit
Federn besetzt, wovon sich die stärksten in den
Flügeln und dem Schwanze finden.
Das Gehirn der Vögel ist groſs in Vergleichung
mit der Gröſse ihres Körpers. Es fehlen an demsel-
ben, wie an dem der Nagethiere, die Windungen
(gyri). Das Mark liegt an den meisten Stellen nach
aussen, und die Rinde nach innen. Die Quantität
des erstern in Vergleichung mit der des letztern ist
weit kleiner, als bey den Säugthieren. Ein eigen-
thümlicher Charakter desselben ist eine mit Strah-
len besetzte Wand, welche jede vordere Hirnhöhle
an der innern Seite verschlieſst. Uebrigens hat das-
selbe: 1) weder Hirnbalken, noch Bogen, noch die
von diesen abhängenden Theile; 2) mehr oder we-
niger zahlreiche Hervorragungen, welche den vier
Hügeln analog sind, aber zwischen den gestreiften
Körpern und den Sehehügeln liegen; 3) Höhlen in
den Sehehügeln, und diese selbst ausserhalb den
Hirnhöhlen unter der Grundfläche des Gehirns lie-
gend; 4) keine Hervorragungen zwischen den Sehe-
hügeln und dem kleinen Hirne, so wie auch keinen
Hirn-
[225] Hirnknoten; 5) meist vier vor den Sehehügeln be-
findliche Hervorragungen (k).
Unter den Nerven der Vögel zeichnen sich die
Sehenerven dadurch aus, daſs sie sich deutlich
durchkreutzen und auf dem Queerdurchschnitte ih-
res Vereinigungsknotens abwechselnde Queerstrei-
fen von grauer und markiger Substanz haben.
Dem Geruchswerkzeuge der Vögel fehlen die
beweglichen Nasenlöcher der Säugthiere. Die in-
nere, sehr weite Nasenhöhle ist aber auch hier durch
eine Scheidewand in zwey Hälften getheilt. Zu
beyden Seiten der letztern liegen gewundene, knor-
pelartige oder häutige, den Muschelbeinen der
Säugthiere ähnliche, und mit einer Schleimhaut be-
deckte Organe, auf welchen sich die Geruchsner-
ven nebst den Hülfsnerven vom fünften Paare eben
so wie bey den Säugthieren verbreiten, ausgenom-
men, daſs die erstern nicht wie bey diesen durch
mehrere, sondern nur durch zwey Oeffnungen zum
Schädel hinausgehen. Uebrigens hat auch die Na-
senhöhle der Vögel, gleich der der Säugthiere,
mit zellenförmigen Höhlen des Oberkiefers und
der
I. Bd. P
[226] der Anhänge desselben unmittelbare Gemein
schaft (l).
Im Innern des Auges der Vögel geht von dem
Ursprunge der Netzhaut aus dem Sehenerven zur
hintern Fläche der Crystallinse der sogenannte
Kamm (pecten), ein häutiges, gefäſsreiches,
schwarzbraunes, fächerartig gefaltenes Paralle-
logramm, welches aus dem optischen Nerven zur
Linse eben so viele Arterien und Venen, wie es Fal-
ten hat, herüberführt. Der Eintritt des Sehener-
ven ins Auge hat keine runde, sondern eine eckichte
Gestalt. Die Retina ist nach aussen mit einem
schwarzen Schleime überzogen, und die Hornhaut
von einem Ringe umgeben, der aus ziegelförmig
über einander liegenden Schuppen, über welche
sich die Sehnen der geraden Augenmuskeln aus-
breiten, zusammengesetzt ist. Von einer Tapete
und einem gestreiften Körper findet sich keine
Spur. Die Augenmuskeln sind sehr verschieden
von denen der Säugthiere. Auch giebt es ausser
denjenigen Muskeln, die zur Bewegung des Aug-
apfels dienen, noch zwey andere, den Vögeln ei-
genthümliche, wodurch die Blinzhaut, welche diese
Thierclasse mit den meisten Säugthieren gemein
hat, nach innen und nach aussen gezogen wird (m).
Das
[227]
Das Ohr der Vögel ist einfacher, als das der
Säugthiere. Ein äusseres Ohr ist nicht vorhanden.
Doch wird dieser Mangel einigermaaſsen durch die
regelmäſsige Stellung der Federn in der Gegend der
beyden Gehörorgane ersetzt. Der äussere Gehör-
gang ist kurz und meist häutig, das Trommelfell
von beträchtlicher Gröſse (n). Der Vorhof steht
mit der Trommelhöhle, wie bey den Säugthieren,
durch eine ovale und durch eine runde Oeffnung in
Verbindung. Von der ovalen Oeffnung geht aber
nur ein einziger Gehörknochen zum Trommelfelle.
Die runde Oeffnung ist durch eine Membran ver-
schlossen. Das Labyrinth enthält drey knöcherne
und in diesen eben so viele häutige halbzirkelförmi-
ge Canäle nebst einer Schnecke. Jene öffnen sich
mit fünf Eingängen in den Vorhof, und haben das
Eigene, daſs die eine Oeffnung immer eng, die ent-
gegengesetzte weit ist. Die Schnecke ist ungleich
einfacher, als bey den Säugthieren, und hat blos
die Gestalt eines leicht gebogenen Kegels (o).
Die Zunge der Vögel hat inwendig einen Kno-
chen, und äusserlich ähnliche Papillen, wie die der
Säug-
(m)
P 2
[228] Säugthiere. Ausserdem ist bey einigen Arten auch
der Gaumen mit solchen Papillen übersäet,
Statt der Nervenwärzchen, die sich an den äus-
sersten Enden der Bewegungsorgane einiger Säug-
thiere finden, ist die Schnabelhaut verschiedener
Vögel mit einer groſsen Menge von Zweigen des
fünften Hirnnerven-Paars versehen (p).
Die Luftröhre dieser Thiere hat an beyden En-
den einen Kehlkopf; dem obern aber fehlt der Kehl-
deckel (q). Bey mehrern Vögeln, vorzüglich den
Gattungen Tetrao urogallus, Penelope marail, Pe-
nelope cristata, Phasianus paraca, Crax alector,
Crax pauxi, und den Geschlechtern Ardea, Anas,
Mergus, erweitert sich jene entweder durch Verlän-
gerung und Umbiegung, oder durch Anhänge, oder
durch Erweiterung und Anhänge zugleich. Meist
ist diese Struktur ein Vorzug des männlichen Ge-
schlechts. Doch findet man sie auch bey dem Weib-
chen der Penelope marail (r).
Die
[229]
Die Lungen sind kleiner und lockerer, als die
der Säugthiere, und bestehen auf jeder Seite nur
aus einem einzigen Lappen, der mit den Ribben
zusammenhängt. Aus ihnen gehen Fortsätze der
Bronchien zu groſsen und zarten häutigen Zellen,
den sogenannten Luftbehältern, welche allent-
halben unter der Haut, vorzüglich aber unter der
Brust, unter den Achseln, und am Unterleibe ver-
breitet sind. Diese haben ferner mit den Spuhlen
der Federn und den Höhlen der Knochen, welche
letztere hier gewöhnlich markleer sind, besonders
denen der Armknochen, der Schlüsselbeine, des
Brustknochens, der Ribben, Wirbelbeine, Hüftkno-
chen und bey einigen auch der Schenkelbeine, Ge-
meinschaft, so daſs Luft, welche in die Luftröhre
geblasen wird, in die Lungen, in die Luftbehälter,
in die Spuhlen der Federn und in die Knochenhöh-
len übergeht (s). Das Gas, das sich in diesen Cavi-
täten befindet, muſs specifisch leichter seyn, als die
athmosphärische Luft, weil ein Vogel, dem ein
groſser Knochen des Beins zerschmettert, oder ein
Loch in dem auf der Brust befindlichen groſsen Luft-
behäl-
P 3
[230] behälter geschossen ist, jedesmal aus der Luft her-
abfällt, wenn auch die Wunde sonst von geringer
Bedeutung ist (t).
Das Herz der Vögel, das oben in der Brust mit
der Basis zwischen den Zweigen der Luftröhre und
mit der Spitze zwischen der Leber liegt, weicht
darin von dem der Säugthiere ab, daſs bey einigen
Geschlechtern (den Sperlingen und Hühnern) die
Ventrikel ganz glatt sind, und nicht solche Bündel
von Muskelfasern haben, wie sich im menschlichen
Herzen durchkreutzen. Bey diesen fehlen zugleich
die dreyzackichten Valveln. Bey einigen Arten
(dem Schwan und der Gans) befinden sich in der
linken Herzkammer solche Bündel von Muskelfa-
sern, die rechte hingegen hat eine ganz glatte innere
Fläche. Bey allen Vögeln sind die Arterien von den
Venen in Ansehung der Dicke ihrer Häute weniger
verschieden, als bey den Säugthieren (u).
Das Blut der Vögel enthält weit weniger Serum,
hat aber eine ungleich höhere Röthe, als das der
übrigen rothblütigen Thiere. Das Blutwasser zeigt
eine schwache Spur von Alkali. Der Blutkuchen
ist nicht so fest, wie bey den Säugthieren.
Der
[231]
Der Schlund ist bey den meisten Vögeln weit,
und der Magen bey vielen dreyfach. Erstens nehm-
lich schwillet jener über der Brust, gleich unter der
Haut, zu einem ovalen, sehr dehnbaren, häutigen,
doch auch mit einigen Muskelfasern versehenen,
drüsichten und vollsaftigen Sack, dem Kropfe
(inglunies) auf. Der zweyte Magen liegt am un-
tern Ende des Schlundes vor dem Hauptmagen. Er
ist fleischicht, gleich dem letztern, doch schwächer
als dieser, eyförmig, und mit sehr vielen Drüsen
besetzt. Der dritte Magen findet sich bey allen Vö-
geln, und bey allen ist er muskulös. Aber die
Menge und Stärke dieser Muskelfasern ist sehr ver-
schieden. Bey einigen Vögeln sind sie so dünn und
in so geringer Anzahl vorhanden, daſs der Magen
mehr die Gestalt eines membranösen, als eines
fleischichten Sacks hat; bey andern hingegen sind
sie stärker und zahlreicher, wie in irgend einem
hohlen Muskel eines andern Thiers. Bey den letz-
tern bilden sie zwey strahlenförmige Muskeln, wo-
von der obere in den Schlund, der untere in den
Zwölffingerdarm übergeht, und welche auf der hin-
tern und vordern Fläche des Magens in zwey seh-
nichten Mittelpunkten zusammenkommen. Die in-
nere Höhle dieses Magens ist so klein, daſs ihr
Queerdurchmesser kaum der Dicke ihrer Wände
gleich kömmt, und die innere Fläche desselben nicht
zottig, sondern knorpelartig.
P 4Der
[232]
Der Darmcanal der Vögel ist kürzer und weni-
ger gewunden, als der der Säugthiere. Die innerste
Haut des dünnen Darms hat Falten, Drüsen und
bey vielen auch Flocken (v), wie die der Säugthiere.
Der dicke Darm, der hier weniger, als bey der vor-
hergehenden Thierclasse, von dem dünnen verschie-
den ist, hat meist zwey, oft sehr groſse blinde An-
hänge, die gleich über dem Mastdarme liegen, und
an der Gränze dieser Blinddärme eine der Grimm-
darmsklappe ähnliche Valvel. Das Colon aber fehlt
bey den meisten. Der Mastdarm ist ein weiter mus-
kulöser Sack, in welchem sich zugleich die Harn-
gänge öffnen. Am After liegen Drüsen, die eine
ölichte Feuchtigkeit absondern, wie bey den meisten
Säugthieren aus der Familie der Hunde und Na-
gethiere.
Den Milchgefäſsen fehlen die Gekrösedrüsen.
Die Lymphgefäſse haben blos Drüsen am Halse (w).
Statt des Netzes haben die Vögel bloſse Fett-
klumpen, die in häutigen Behältern eingeschlos-
sen sind.
Die
[233]
Die Milz ist sehr klein, länglicht, sehr roth,
und liegt in der Mitte des Gekröses.
Das Pancreas ist sehr lang und hat bey den mei-
sten Vögeln zwey bis drey Ausführungsgänge, die,
wie bey den Säugthieren, ohnweit dem Pförtner in
den Zwölffingerdarm dringen.
Eine Leber von beträchtlicher Gröſse, welche
zwey bis vier gröſsere und ausserdem noch mehrere
kleinere Lappen hat, füllet gröſstentheils beyde Hy-
pochondrien aus. Bey den meisten Vögeln vereinigt
sich der Ausführungsgang derselben nicht, wie bey
dem Menschen, mit dem excernirenden Gang der
Gallenblase, sondern beyde öffnen sich an verschie-
denen Stellen in den obern Theil des Darmcanals.
Es giebt aber bey ihnen andere Canäle, welche von
der Leber oder dem Lebergange unmittelbar zur
Gallenblase gehen.
Der Nieren, die zu beyden Seiten der Wirbel-
säule von den Lungen bis zum Becken gehen, und
aus länglichten gewundenen Lappen zusammenge-
setzt sind (x), giebt es zwey, wie bey den Säug-
thieren. Aber die Harngänge gehen nicht in eine
besondere Harnblase, sondern in den erwähnten
mus-
P 5
[234] muskulösen Sack über, der zugleich zur Ausfüh-
rung des Koths dienet.
Das Weibchen der Vögel hat nur Einen Eyer-
stock, der durch eine dünne Haut am Rückgrate be-
festigt ist. Die Eyer sind nicht mit so vielem Zell-
gewebe umgeben, wie die der Säugthiere. Statt
der Muttertrompeten geht ein trichterförmiges Or-
gan (infundibulum) zur Mutterscheide. Die äus-
sere Oeffnung der letztern liegt nicht, wie bey der
vorhergehenden Thierclasse, unter, sondern über
dem After.
Die beyden verhältniſsmäſsig sehr groſsen Ho-
den des Männchens, denen die Nebenhoden fehlen,
liegen an den Seiten des Rückgrats unter den Lun-
gen und neben den Nieren. Aus ihnen gehen zwey
Saamengänge ohne Saamenbläschen in die kleine
und kurze, bey den meisten Vögeln aber doppelte
Ruthe, welche beym Anschwellen zum After her-
austritt.
Bey der Eintheilung der Säugthiere wählten wir
den Menschen zum Muster. Wir werden auf ähn-
liche Art bey der Classifikation der Vögel verfahren,
und hierbey den Strauſs zum Archetyp nehmen.
Unter allen Vögeln gränzt nehmlich dieser zunächst
an die Säugthiere und namentlich an das Cameel.
Die Aehnlichkeit seiner äussern Form mit der des
letz-
[235] letztern ist so auffallend, daſs er in mehrern mor-
genländischen Sprachen den Namen des Cameelvo-
gels führt. Er hat auf dem gröſsten Theile des Kör-
pers mehr Haare, als Federn; der lange Hals biegt
sich auf eben die Art, wie der des Cameels; seine
Schenkel sind sehr dick und muskulös; seine ner-
vichten Füſse haben nur zwey Zehen, wie die des
Cameels; seine Flügel gleichen mehr Armen, als
Schwingen; seine obern Augenlieder sind beweg-
lich, wie bey den Säugthieren, und besetzt mit
langen Wimpern, wie beym Menschen und dem
Elephanten; seine Augen haben im äussern mehr
Aehnlichkeit mit den menschlichen, als mit denen
der Vögel; er hat schwielichte Stellen ohne Haare
und Federn am untern Ende des Brustknochens und
in der Gegend des Schaambeins; das Männchen end-
lich hat eine Ruthe, die weit länger als bey den
übrigen Vögeln und der der Säugthiere ähnlich ist,
so wie das Weibchen eine Art von Clitoris.
Der Strauſs macht also den Uebergang von den
beyden letzten Familien der Säugthiere zu den Vö-
geln, und wir werden daher aus ihm, dem ver-
wandten Casuar und dem Amerikanischen Strauſs
die erste Ordnung dieser Thierclasse zusammen-
setzen. Ausser den angegebenen Charakteren finden
sich übrigens im Innern des Strauſses noch folgende
Eigenheiten: Ein sehr weiter und muskulöser
Schlund; zwey muskulöse Magen; zwey pankreati-
sche
[236] sche Gänge, die sich nicht wie bey den meisten Vö-
geln in der Nähe des Leberganges, sondern weit da-
von in den dünnen Darm inseriren; keine Gallen-
blase; ein langer Darmcanal mit zwey groſsen Blind-
därmen; und eine Harnblase.
Zunächst an die Familie der Strauſse gränzt die
der Hühner. Diese hat einen convexen Schnabel,
der an der Wurzel mit einer fleischichten Haut über-
zogen ist, und dessen obere Kinnlade zu beyden
Seiten über die untere hervortritt; Nasenlöcher, die
mit einer knorpelichten Membran zur Hälfte be-
deckt sind; Flügel, die keinen hohen Schwung ge-
statten; kurze Füſse; einen sehr weiten Kropf; ei-
nen sehr muskulösen Magen; und einen langen
Darmcanal mit zwey groſsen Blinddärmen.
Die dritte Ordnung enthält die Sperlingsge-
schlechter, die einen conischen, zugespitzten
Schnabel, ovale, offen stehende und nackte Nasen-
löcher, und kurze schlanke Füſse haben.
Von dieser ist der nächste Uebergang zu den
Spechten mit ziemlich langem, geraden und pyra-
midenförmigen Schnabel, wurm- oder fadenförmi-
ger Zunge und kurzen Füſsen.
Die fünfte Ordnung ist die der Krähen, die
einen gekrümmten, starken, zum Theil unförmlich
groſsen
[237] groſsen Schnabel mit Auswüchsen in der Nähe des
Stirnbeins, und kurze Füſse haben.
Diese drey letztern Familien sind in anatomi-
scher Rücksicht noch wenig bekannt. Die meisten,
und besonders mehrere Sperlingsgeschlechter, haben
indeſs einen sehr fleischichten Magen, einen langen
Darmcanal, und eine gröſsere Anzahl eigener Mus-
keln des untern Kehlkopfs, als alle übrige Vögel. Bey
manchen (den Spechten) trifft man aber auch, wie
bey den folgenden Familien, einen häutigen Magen
und einen kurzen Darmcanal ohne Blinddärme an.
An die letzte der bisher erwähnten Ordnungen
schliessen sich zunächst die Habichte an, die in
ihrer äussern sowohl, als innern Organisation mehr
gemeinschaftliche und auszeichnende Charaktere,
als die drey vorhergehenden Familien haben. Im
Aeussern unterscheiden sie sich vorzüglich durch
einen starken krummen Schnabel, dessen obere
Kinnlade hinter der Spitze an beyden Seiten eine
zahnförmige Hervorragung hat, offen stehende Na-
senlöcher, eine sehr convexe Hornhaut, einen mus-
kulösen Kopf und Hals, kurze und nervichte Füſse
mit groſsen und scharfen Krallen, und durch eine
zähe Haut. Unter ihren innern Organen zeichnet
sich die Zunge durch ihre knorpelartige Struktur
und der Schlund durch seine Weite aus. Der Kropf
fehlt bey den meisten. Der Magen ist häutig und
von
[238] von beträchtlicher Gröſse. Die Gedärme sind klein,
und Blinddärme häufig gar nicht vorhanden. Die
Leber und Gallenblase sind, wie der Magen, von
beträchtlicher Gröſse, hingegen die Nieren nach
Verhältniſs kleiner, wie bey den übrigen Vögeln.
Mehr in der äussern Form, als in der innern
Struktur unterscheidet sich von den Habichten die
Familie der Reiher, woran jene durch den Falco
serpentarius gränzen. Auch hier findet sich ein mit-
telmäſsiger Darmcanal mit kurzen Blinddärmen.
Aber ihr Schnabel ist nicht, wie bey jenen ge-
krümmt, eckig und spitz, sondern mehr gerade, cy-
lindrisch und stumpf, die Zunge nicht knorpelartig,
sondern fleischig, und der Magen muskulöser, wie
der der Habichte, aber nicht so fleischig, wie der
der Hühner.
Bey mehrern Geschlechtern aus der Reiherfa-
milie sind die Zehen durch Schwimmhäute verbun-
den, und vorzüglich durch diese Geschlechter ist
jene Ordnung mit der der Enten verwandt, bey
welchen Schwimmfüſse ein allgemeiner Charakter
sind. Die letztern haben ausserdem, wie jene, ei-
nen stumpfen Schnabel und eine fleischige Zunge;
aber der Schnabel ist nicht cylindrisch, sondern breit
und platt, und die obere Kinnlade endigt sich meist
in ein niederwärts gekrümmtes Häckchen. Alle sind
sehr federreich; aber die Federn sind meist nur
kurz,
[239] kurz, und bey manchen (den Pinguinen) liegen
sie schuppenartig über einander. Bey den letztern
sind auch die Schwungfedern mehr den Flossen der
Fische, als den Flügeln der übrigen Vögel ähnlich.
Die am Schwanze sitzenden Drüsen, mit deren
ölichten Feuchtigkeit diese Vögel ihr Gefieder wie
mit einem Firniſs überziehen, sind hier von vorzüg-
licher Gröſse. Ihre äussere Organisation nähert sie
also auf der einen Seite dem Schnabelthiere (Orni-
thorynchus paradoxus), und auf der andern den Fi-
schen. Untersuchen wir ihre innere Struktur,
so finden wir hier noch auffallendere Aehnlichkeiten.
Der Schnabel jenes Säugthiers ist mit einer Haut
überzogen, in welcher sich Zweige des fünften Ner-
venpaars verbreiten. Wir haben aber bemerkt, daſs
eben diese Organisation bey mehrern Vögeln statt
findet. Wir werden unten sehen, daſs bey mehrern
Fischen der Gaumen mit Zähnen besetzt ist, und
das Nehmliche finden wir auch in der Familie der
Enten. Die Struktur des Nahrungscanals kömmt
übrigens bey den meisten mit der der Hühner, bey
einigen aber auch mit der der Reiher überein.
Ordnungen und Geschlechter der Vögel.
- 1. Struthio.
Stru-
[240]Struthio camelus. Vallisnieri Notomia
dello Struzzo. Rambey, Phil. Trans. n. 386.
Warren, Phil. Trans. n. 394. Perrault etc.
Abh. zur N. G. B. 2. S. 61. - 2. Casuarius.
C. Asiaticus. (Struthio casuarius Linn.). Per-
rault etc. Abh. zur N. G. B. 2. S. 111.
- 1. Otis.
O. tarda. Harderi apiar. obs. 19. Per-
rault etc. Abh. zur N. G. B. 2. S. 45. Bloch
Schriften der Berlin. Gesellsch. B. 3. S. 376. - 2. Pano.
P. cristatus. Bloch, Beschäftigungen der Ber-
lin. Gesellsch. B. 4. S. 616. - 3. Penelope.
P. Marail. Latham, Trans. of the Linnean So-
ciety. Vol. IV.
P. cristata. Latham a. a. O. - 4. Numida.
N. Meleagris. Perrault etc. Abh. zur N. G.
B. 2. S. 12. - 5. Crax.
C. alector. Perrault etc. Abh. zur N. G.
B. 1. S. 259. Lateam a. a. O.
Crax
(y)
[241]Crax Pauxi. Latham a. a. O. - 6. Phasianus.
P. Parraca. Latham a. a. O. - 7. Tetrao.
T. urogallus. Bloch a. a. O. S. 589.
T. arenaria. Pallas in Nov. comm. Petrop.
T. XIX. p. 418. - 8. Columba.
C. oenas. Bartholini act. Hafn. Vol. 1. obs.
96. p. 185.
- 1. Alauda.
- 2. Sturnus.
- 3. Turdus.
- 4. Ampelis.
- 5. Loxia.
- 6. Emberiza.
- 7. Tanagra.
- 8. Fringilla.
- 9. Muscicapa.
- 10. Motacilla.
- 11. Pipra.
- 12. Parus.
- 13. Hirundo.
- 14. Caprimulgus.
- 1. Trochilus.
- 2. Certhia.
- 3. Upupa.
- 4. Merops.
- 5. Alcedo.
- 6. Todus.
- 7. Sitta.
I. Bd. Q8. Jynx
[242]
- 8. Jynx.
- 9. Picus.
P. Martius. Eph. N. C. cent. 7 et 8. p. 335.
P. viridis. Eph. N. C. cent. 9 et 10. p. 452.
- 1. Oriolus.
- 2. Cuculus.
C. canorus. Bloch, Beschäftigungen der Berl.
Gesellsch. B. IV. S. 582. - 3. Bucco.
- 4. Trogon.
- 5. Paradisea.
- 6. Gracula.
- 7. Coracias.
- 8. Corvus.
C. corax. Bloch a. a. O. S. 606.
C. corone. Bloch a. a. O. Schneider’s Samm-
lung verm. Aufsätze zur Aufklärung der Zoolo-
gie etc. S. 157. - 9. Crotophaga.
- 10. Buphaga.
- 11. Buceros.
- 12. Ramphastos.
- 13. Psittacus.
P.… Bartholini act. Hafn. Vol. 2. p. 314.
VI. Ha-
[243]
- 1. Lanius.
- 2. Strix.
S. Bubo. Misc. N. C. d. 2. a. 1. p. 134 - 3. Vultur.
V. fulvus. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 2.
S. 363. - 4. Falco.
F. glaucopis. Merrem’s verm. Abh. aus der
Thiergeschichte. S. 116.
F. Chrysaetus. Misc. N. C. d. 1. a. 2. p. 132.
Bartholini act. Hafn. Vol. 1. p. 6.
F. Melanaetus. Marsilii Danubius. T. VI.
p. 9.
F. Naennius. Prrrault etc. Abh. zur N. G.
B. 2. S. 29.
F. Milvus. Miscell. N. C. d. 1. a. 2. p. 552.
- 1. Psophia.
P. crepitans. Pallas misc. zool. p. 70. Ejusd.
spicil. zool. f. IV. p. 8. - 2. Rallus.
- 3. Parra.
- 4. Vaginalis Forsteri.
- 5. Fulica.
F. atra. Schneider’s Samml. verm. Abh. S. 149.
Q 2Fuli-
[244]Fulica Porphyrio. Perrault etc. Abh. zur
N. G. B. 2. S. 227. - 6. Glareola Brisson.
- 7. Haematopus.
- 8. Recurvirostra.
- 9. Charadrius.
- 10. Tringa.
- 11. Scolopax.
- 12. Tantalus.
T. Ibis. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 2.
S. 237. - 13. Ardea.
A. stellaris. Misc. N. C. d. 2. a. 2. p. 60.
A. virgo. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 1.
S. 271. Latham a. a. O.
A. panonina. Perrault etc. Abh. zur N. G.
B. 2. S. 355.
A. ciconia. Act. N. C. Vol. 2. obs. 98. Per-
rault etc. Abh. zur N. G. B. 2. S. 237. Bloch,
Beschäftigungen der Berl. Gesellsch. S. 605.
A. grus. Bloch, a. a. O. S. 586. Schneiders
Samml. verm. Abh. S. 137. - 14. Cancroma.
- 15. Mycteria.
- 16. Palamedea.
- 17. Platalea.
P. leucorodia. Perrault etc. Abh. zur N. G.
B. 2. S. 193.
18.
[245]
- 18. Phaenicopterus.
P. ruber. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 2.
S. 217.
- 1. Rynchops.
- 2. Sterna.
- 3. Larus.
L. hirundo. Schneider’s Samml. verm. Abh.
S. 151. - 4. Colymbus.
C. cristatus. Schneider’s Samml. verm. Abh.
S. 145. - 5. Phaeton.
- 6. Plotus.
- 7. Pelecanus.
P. carbo. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 1.
S. 247. Schriften der Berlin. Gesellsch. B. 7.
S. 441.
P. onocrotalus. Perrault etc. Abh. zur N.
G. B. 2. S. 341. Marsilii Danubius. T. VI.
p. 9. - 8. Diomedea.
- 9. Procellaria.
- 10. Anas. Bloch a. a. O. S. 599 ff. Ebenders.
Schriften der Berl. Gesellsch. B. 3. S. 371. La-
tham a. a. O.
Q 3Anas
[246]Anas cygnus. Wiedemann’s Archiv für Zoolo-
gie etc. B. 2. St. 1. S. 110. St. 2. S. 68.
A. clypeata. Schneider’s Samml. verm. Abh.
S. 152.
A. clangula. Eph. N. C. cent. 9 et 10. p. 431.
A. ruficollis. Pallas spicil. zool. f. VI. p. 24. - 11. Mergus. Bloch a. a. O.
- 12. Alca.
A. tetracula. Pallas spicil. zool. f. V. p. 26.
A. cirrhosa. Pallas spicil. zool. f. V. p. 12. - 13. Aptenodyta Forsteri.
Viertes
[247]
Viertes Kapitel.
Amphibien(z).
Der Körper der Amphibien ist entweder blos mit
Schleime, oder mit knöchernen Panzern, Reifen,
Schildern, oder Schuppen, nie aber mit Haaren oder
Federn bedeckt. Beyde Kinnladen sind bey den mei-
sten beweglich, und die untere ist mehrentheils (a)
von der obern so bedeckt, daſs sie wie eingelegt in
diese aussieht. Ausser der Bewegung von oben
nach unten gestatten dieselben bey manchen (z. B.
dem
Q 4
[248] dem Crocodill) auch noch eine Seitenbewegung.
Die Wölbung des Schädels ist geringer, als bey den
Säugthieren und Vögeln. Bey einigen ist der Kopf
von dem übrigen Körper durch keinen Hals getrennt,
und da, wo diese Trennung statt findet, variirt die
Anzahl der Halswirbel, so wie überhaupt die Struk-
tur der ganzen Wirbelsäule, mehr als bey den Vö-
geln und Säugthieren. Nur der kleinere Theil hat
Ribben und ein Brustbein. Die übrigen haben ent-
weder jene ohne dieses, oder dieses ohne jene. Die
äussern Bewegungsorgane fehlen mehrern Thieren
dieser Classe ganz. Die übrigen haben vier, oder
zwey, meist sehr kurze Füſse; von diesen aber er-
halten einige dieselben erst in einer gewissen Periode
ihres Lebens.
Das Gehirn der Amphibien hat das Eigenthüm-
liche, daſs die Sehehügel hinter den Hirnhälften
liegen. Dies ausgenommen kömmt es mit dem Ge-
hirne der Vögel in den vier ersten der bey dieser
Thierclasse angeführten und mit Zahlen bemerkten
Eigenschaften überein (b).
Unter den Nerven der Amphibien zeichnen sich
die des Geruchs und Gesichts durch ihre vorzüg-
liche Dicke aus. Jene entspringen, wie bey den
übri-
[249] übrigen rothblütigen Thieren, mit distinkten weis-
sen Fasern aus den vordern Hirnlappen (c), diese
aus Sehehügeln, welche, wie bey den Vögeln, in-
wendig hohl sind. Der eigentliche Gehörnerve
(portio mollis) entspringt neben dem Antlitznerven
(portio dura) aus dem verlängerten Marke, wie bey
den Säugthieren und Vögeln, und beyde Nerven-
paare verhalten sich auch in ihrem Fortgange, wie
bey den letztern Thierclassen (d). Ausser diesen
Nerven erkannte Charas(e) bey der Viper auch
noch ein Paar, welches mit den Zungenschlundner-
ven (glossopharyngaei) übereinkam; eines, den
Stimmnerven (par vagum) analoges, und noch
mehrere andere, welche aus der Basis des Gehirns
hervorkamen, und durch den Schädel drangen, die
er aber, ihrer Feinheit wegen, nicht verfolgen
konnte. An den Bewegungsnerven dieser Thiere,
besonders denen der hintern Gliedmaaſsen, sieht
man sehr deutlich die von Molinelli, Fontana
und Monro beschriebenen Runzeln und Falten.
Nie aber habe ich an den Nerven der Amphibien
Ganglien gefunden, und sie fehlen ihnen also wahr-
scheinlich, wie den Fischen.
In
Q 5
[250]
In Ansehung des Geruchsorgans’ nähern sich die
Amphibien den Säugthieren wieder durch die be-
weglichen Nasenlöcher, die bey den Vögeln ver-
schwunden waren. Die sehr weite Nasenhöhle ist
auch bey ihnen durch eine Scheidewand in zwey
Hälften getheilt, die durch sehr groſse Oeffnungen
mit dem Rachen in Verbindung stehen. Zu beyden
Seiten jener Scheidewand liegen gröſsere und klei-
nere Riechknorpel. Eine dunkelschwarze Riech-
haut bekleidet diese Knorpel, und auf ihr verthei-
len sich, wie bey den vorigen Thierclassen, die
pinselartigen Filamente der dicken und harten Ge-
ruchsnerven, die, wie bey den Vögeln, nur durch
zwey einfache Oeffnungen in die Nasenhöhle ge-
langen (f).
Die Augen mehrerer Amphibien haben eine
durchsichtige unbewegliche Augendecke, hinter wel-
cher sich der bewegliche Augapfel nach allen Rich-
tungen herumdreht. Bey dem Chamäleon findet sich
die Eigenheit, daſs jene Decke an dem Augapfel be-
festigt, chagrinartig und vor der Pupille durch eine
horizontale Spalte getheilt ist. Zugleich können
beyde Augapfel bey diesem Thiere unabhängig von
einander nach verschiedenen Richtungen, und zwar,
nach Bartholin’s Versicherung, blos durch Zu-
sam-
[251] sammenziehungen der erwähnten Augendecke, ohne
Augenmuskeln, bewegt werden. Die Frösche ha-
ben drey Augenmuskeln, wovon einer den Augapfel
in den Grund der Augenhöhle hinabzieht, und die
beyden übrigen jenem entgegenwirken. Ausser die-
sen beyden entgegengesetzten Bewegungen findet
keine weiter statt, und diese gehen, wie beym Cha-
mäleon, in dem einen Auge vor sich, indem das
andere in Ruhe bleibt (g). Der Augapfel ist bey
allen Amphibien verhältniſsmäſsig groſs, und fast
ganz kugelförmig. Die Pupille ist gewöhnlich nicht
so rund, wie bey den meisten Säugthieren und Vö-
geln, bey einigen, z. B. dem Gecko, blos eine ver-
tikale Spalte.
In dem Gehörorgane der Amphibien trifft man
eine merkwürdige Gradation von dem zusammen-
gesetztern Baue der Vögel zu dem einfachern der
folgenden Thierclasse an. Einige (die Schildkröten,
Eidechsen, Schlangen, Frösche und Kröten) haben
über dem Gelenke der untern Kinnlade eine trich-
terförmige Vertiefung, in deren Boden ein knorpel-
artiges Trommelfell sitzt. Die hinter diesem be-
findliche Trommelhöhle ist sehr geräumig, und öff-
net sich in eine Eustachische Röhre. Von dem
Mittelpunkte des Trommelfells geht ein cylindri-
sches Gehörknöchelchen zu der ovalen Oeffnung
des Vorhofs. In dem Labyrinth befinden sich drey
halb-
[252] halbzirkelförmige Canäle mit fünf Oeffnungen, wie
bey den Vögeln, aber statt der Schnecke ein mem-
branöser, durch eine häutige Scheidewand getheil-
ter Sack, dessen obere Hälfte eine kreidenartige Ma-
terie, die untere ein klares Wasser enthält. Auf
diesem Sack ruhet ein länglichter Schlauch, in wel-
chem sich die drey häutigen halbcirkelförmigen Ca-
näle vereinigen (h). Andere Amphibien (die Sala-
mander) kommen in der Struktur derer Organe,
die hinter der ovalen Oeffnung liegen, mit jenen
ganz überein. Aber es fehlt ihnen das Trommelfell,
die Trommelhöhle, die Eustachische Röhre und das
Gehörknöchelchen. Ein knorpelartiger Deckel, der
das ovale Loch verschlieſst, vertritt bey ihnen die
Stelle aller dieser Theile (i).
Die Zunge der Amphibien zeichnet sich darin
aus, daſs sie vorne befestigt, hinten aber frey, und
an diesem Ende bey mehrern Amphibien gespal-
ten ist.
Das Herz scheint bey einigen Thieren dieser
Classe dem ersten Anblicke nach zusammengesetz-
ter, als bey den Säugthieren und Vögeln zu seyn.
Dieser Schein aber verschwindet bey näherer Unter-
suchung. Bey einigen Arten aus der Familie der
Schildkröten besteht es aus drey Ventrikeln und
zwey
[253] zwey Vorkammern. Aber jene machen in der That
nur Eine Herzkammer aus, indem sie alle unter
einander Verbindung haben. Die sämmtlichen Ve-
nen nehmlich ergieſsen sich in einen weiten Venen-
sack; dieser geht in das rechte Herzohr über, und
hieraus findet ein Zugang zur rechten Herzkammer
statt. Die letztere öffnet sich nach oben in die
Aorta, welche alle Theile des Körpers, die Lungen
ausgenommen, mit Blute versorgt, und ausserdem
auf der linken Seite mit zwey Oeffnungen nach hin-
ten in den linken, nach vorne in den dritten vor-
dern Ventrikel übergeht. Aus diesem dritten Ven-
trikel entspringen die Lungenarterien. Die Venen
der Lungen aber endigen sich in der linken Vor-
kammer, und diese geht endlich in den linken Ven-
trikel über. Die Verbindung dieser Theile ist ver-
mittelst Valveln so eingerichtet, daſs sich das ve-
nöse Blut der Lungen durch das linke Herzohr und
durch den linken Ventrikel, das des übrigen Kör-
pers aber durch den Venensack und durch das rechte
Herzohr in die rechte Herzkammer, und hieraus
theils durch den vordern Ventrikel und durch die
Lungenarterien in die Lungen, theils durch die
Aorta in alle übrige Organe ergieſsen muſs (k).
Aehnlich diesem ist das Herz der Eidechsen;
nur sind die drey Ventrikel bey dem letztern nicht
so
[254] so deutlich, wie bey jenem, von einander geschie-
den. Bey den Schlangen und Fröschen aber ergieſst
sich das Blut des ganzen Körpers in ein einziges
Herzohr, und wird auch nur durch einen einzigen
Ventrikel wieder ausgetrieben.
Das Blut der Amphibien enthält mehr Serum,
als das der Vögel, aber weniger, als das der Säug-
thiere. Der Blutkuchen bildet nur eine weiche Gal-
lerte, und keine so feste Masse, wie der der warm-
blütigen Thiere. Nach einigen Versuchen, die ich
mit Froschblute angestellt habe, scheinen mir Alco-
hol und mineralische Säuren aus demselben weni-
ger Eyweiſsstoff, Hirschhorngeist und zerflossenes
Weinsteinsalz, aber mehr Faserstoff, als aus dem der
Säugthiere, Vögel und Fische niederzuschlagen.
Die Lungen dieser Thiere befinden sich in ei-
nerley Cavität mit mehrern von denjenigen Einge-
weiden, die bey den Säugthieren und Vögeln die
Bauchhöhle einnehmen, und jene Cavität ist von
der letztern bey einigen blos durch eine Verdoppe-
lung des Bauchfells, bey den meisten aber gar nicht
geschieden. Die Lungen sind ungetheilt, netzför-
mig, von zarter, durchsichtiger, etwas gerunzel-
ter Substanz, und die Zellen derselben ungleich
gröſser, als die der Säugthiere und Vögel.
Die Luftröhre hat nur Einen Kehlkopf ohne
Kehldeckel. Die Stelle der letztern wird durch das
hintere
[255] hintere bewegliche Ende der Zunge ersetzt, welches
beym Schlingen die Stimmritze bedeckt.
Bey allen Amphibien trifft man unter der Haut,
vorzüglich unter dem Halse, der Brust und dem
Bauche, ein sehr lockeres Zellgewebe an, das wahr-
scheinlich bey einigen, z. B. dem Chamäleon, mit
den Lungenzellen in Verbindung steht, gleich den
Luftbehältern der Vögel während des Einathmens
mit Luft angefüllt wird, und hierdurch den Körper
dieser Thiere in Turgescenz versetzt (l). Andere
(einige Frösche) haben zwey groſse muskulöse Luft-
behälter unter dem Halse, die sich auf der untern
Kinnlade vor der Stimmritze auf eine solche Art öff-
nen, daſs die ausgeathmete Luft in diese Oeffnun-
gen dringt und jene Behälter ausdehnt (m).
Der Schlund zeichnet sich durch seine Kürze
und ausserordentliche Dehnbarkeit aus. Der Magen
ist lang, aber nicht viel weiter, als der Schlund und
Darmcanal, und gleich dem der Vögel drüsicht.
Der Darmcanal ist kurz, wie der Schlund, und nur
wenig gebogen. Der dünne Darm hat viele Falten,
gleich dem der Säugthiere und Vögel. Die Darm-
zotten fehlen wenigstens bey den meisten Amphi-
bien,
[256] bien, wenn auch nicht bey allen (n). Das Nehm-
liche gilt von dem Blinddarme und dem Colon. Es
findet sich jedoch eine Klappe, die der Valvel des
Colons analog ist. Der unterste Theil des Darmca-
nals erweitert sich, wie bey den Vögeln, und dienet
auch hier mit zur Ausführung des Urins und der
Eyer. Am After liegen bey mehrern Thieren dieser
Classe, wie bey den Vögeln, Drüsen, die einen
ölichten Saft absondern.
Das Netz fehlt den Amphibien, wie den Vögeln.
Den Milch- und Lymphgefäſsen fehlen durch-
aus die Drüsen, die sich bey den Vögeln doch noch
am Halse finden (o).
Eine Milz ist ebenfalls bey mehrern Amphibien
nicht vorhanden. Bey den übrigen ist sie klein,
und liegt in der Mitte des Gekröses.
Die Leber liegt in der Mitte der Lungen, und
das Pancreas neben der Gallenblase. Jene ist in zwey
bis vier Lappen getheilt, und mit der Gallenblase
durch Leberblasengänge (ductus hepaticocystici) ver-
bunden. Dieses ist bey mehrern Amphibien sehr
groſs. Einige, z. B. der Crocodil, haben zwey,
andere z. B. die Natter, nur einen einfachen Aus-
füh-
[257] führungscanal dieses Eingeweides, und bey den
letztern verbindet sich derselbe mit dem Lebergange,
bey den erstern aber dringen die beyden Canäle des
Pancreas, abgesondert von dem der Leber, in den
Darmcanal.
Der Harn sammelt sich bey einigen Amphibien
vor seiner Ausleerung durch den After vorher in ei-
ner Blase, bey andern flieſst er aus den Harngän-
gen unmittelbar in den Mastdarm.
Die Eyerstöcke der Weibchen liegen sehr hoch,
in der Nähe der Lungen. Unmittelbar aus ihnen
gehen zwey sehr lange, den Fallopischen Röhren
ähnliche Gänge mit unzähligen Krümmungen bey
einigen Amphibien unmittelbar in den After, bey
andern vorher in einen häutigen Uterus über. Bey
mehrern der erstern endigt sich jeder von jenen Gän-
gen vor seiner Verbindung mit dem Mastdarme in
einer Mutterscheide.
Die Hoden der männlichen Amphibien liegen,
wie bey den Vögeln, in der Nähe der Nieren, und,
gleich den Hoden der letztern, fehlen auch ihnen
die Nebenhoden. Von Saamenbläschen ist ebenfalls
entweder gar keine, oder doch nur eine schwache
Spur vorhanden. Die männliche Ruthe ist bey eini-
gen kurz, bey andern länger, und bey manchen
gespalten. Bey den letztern hat das Weibchen zwey
I. Bd. RMut-
[258] Mutterscheiden. Einige haben gar kein männliches
Zeugungsglied.
Dies sind die vornehmsten Eigenthümlichkei-
ten, welche alle, oder wenigstens die meisten Am-
phibien in ihrer Organisation mit einander gemein
haben. Wir haben schon bey der Schilderung der
Gehörwerkzeuge, des Herzens und der Zeugungs-
organe dieser Thiere einer unter ihnen statt finden-
den Gradation vom Zusammengesetztern zum Ein-
fachern erwähnt. Obgleich sich bey allen in der
That nur Eine Herzkammer findet, so hatten doch
einige drey Abtheilungen derselben und zwey Vor-
kammern. Bey andern aber war nur Eine Abthei-
lung des Ventrikels, und Eine Vorkammer vorhan-
den. Parallel mit dieser Verschiedenheit des Her-
zens geht nun auch die der Gehörwerkzeuge, der
Zeugungsorgane, und überhaupt des gröſsten Theils
der Organisation. Wir würden hiernach also zwey
Ordnungen der Amphibien erhalten. Die erste von
diesen enthält indeſs drey Abtheilungen, die in meh-
rern andern Stücken zu sehr von einander abwei-
chen, als daſs sie sich in Eine Familie bringen las-
sen. Die Trennung derselben giebt also vier Ord-
nungen, und von diesen enthält nun die erste
die Schildkröten, die zweyte die Eidechsen,
die dritte die Schlangen, und die vierte die
Frösche.
Die
[259]
Die Schildkröten haben einen mit einem ge-
wölbten Schilde bedeckten Körper; Kinnladen, wel-
che meist statt der Zähne mit einem hornartigen
schneidenden Ueberzuge bedeckt sind; ein Brust-
bein ohne Ribben; ein Herz mit zwey Vorkam-
mern; einen weitern Magen, als die übrigen Am-
phibien; einen mit einem Blinddarme versehenen
Darmcanal; eine Harnblase; eine Clitoris; und eine
männliche Ruthe (p).
Die Eidechsen haben Panzer von Schuppen
oder schaalenartigen Platten und äussere Glied-
maaſsen; ein Brustbein; Ribben; ein Herz mit
zwey Vorkammern; und eingekeilte Zähne. Das
Männchen hat ein äusseres Zeugungsglied.
Der Körper der Schlangen ist ebenfalls gepan-
zert; aber es fehlen ihnen die äussern Glied-
maaſsen. Die Sehnen ihrer Muskeln inseriren sich
nicht in das Skelett, sondern in die Haut. Sie ha-
ben Ribben, aber kein Brustbein. Das Herz hat
nur Einen Ventrikel und Eine Vorkammer. Eine
Milz scheint nicht vorhanden zu seyn. Das Männ-
chen hat ein äusseres, und zwar doppeltes Zeu-
gungsglied.
Die
R 2
[260]
Die Frösche haben einen nackten und schlüpfri-
gen Körper mit vier Gliedmaaſsen, ohne Ribben
und Brustbein; ein Herz mit Einer Kammer und
Einer Vorkammer; eine ziemlich groſse Milz. Das
Männchen hat kein äusseres Zeugungsglied. Die
Jungen kommen als wahre Fische aus dem Ey und
gehen erst nach mehrern Verwandlungen zur Form
der Amphibien über.
Ordnungen und Geschlechter der Am-
phibien (q).
- 1. Chelonia. Meerschildkröten, mit langen, un-
gleichen, platten, durch Membranen verbunde-
nen Zehen.
C. … Severini zootom. Democrit. P. IV.
p. 321.
C. … Gassendi vita Peirescii. L. II. p. 112.
C. (caretta?) C. Gottwaldt’s physikalisch-
anatomische Bemerkungen über die Schild-
kröten.
C. carettae var. Walbaum’s Chelonographia.
S. 23. - 2. Testudo. Fluſs- und Landschildkröten mit
kurzen und gleichen Zehen.
Testu-
[261]Testudo … Severini zootom. Democrit.
P. IV. p. 321.
T. Indica Schneideri. Perrault etc. Abh.
zur N. G. B. 2. S. 321.
T. tessellata Schneid. Stobaeus in Act. lit-
terar. et scient. Sueciae. 1730. p. 59 sq. Wie-
demann’s Archiv für Zoologie etc. B. 2. St. 2.
S. 177.
- 1. Crocodilus. Eine kurze, fast bis an die Rän-
der festgewachsene Zunge; ein enger, zum Theil
knorpelartiger Magen; kurze, an der Wurzel durch
eine Haut verbundene Zehen; bey einigen Arten
eine gebogene Luftröhre.
C. Niloticus. Ol. Borrichius de Hermetis et c.
sapientia. p. 272 (?). J. Veslingii obs. anat.
c. 5. Hasselquist’s Reise nach Palästina.
S. 344.
C. … Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 3. S. 53.
C. … Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 3. S. 93.
C. alligator. Sloane Voyage to the islands
Madera etc. Vol. 2. Plumier in Schneideri hist.
amph. nat. et litt. fasc. 2.
C. Gangeticus. Merck, Hessische Beiträge.
St. 5. S. 73. - 2. Ignana. Eine kurze, ungetheilte, am Ende
freye Zunge; fünf lange, ungleiche, getrennte
R 3Zehen,
[262] Zehen; ein ausgezeichnet groſser erweiterungsfä-
higer Sack unter der Kehle; bey den meisten,
eine gefranzte oder gezackte Haut auf dem
Rücken. - 3. Draco. Eine kurze, am Ende freye Zunge;
flügelähnliche Häute zwischen den Hinter- und
Vorderfüſsen. - 4. Stellio. Eine kurze, am Ende freye und zuge-
rundete Zunge; eine Kehle ohne Luftsack; ein
plattgedrückter Körper; ein Schwanz, welcher
höchstens so lang, als der übrige Körper ist. - 5. Gecko. Eine kurze, freye, am Ende etwas
ausgeschnittene Zunge; fünf fast gleiche, am En-
de verdickte und an der untern Fläche mit über
einander liegenden Platten versehene Zehen; keine
Augenlieder. Seba thesaur. T. II. p. 125, 126. - 6. Chamaeleo. Eine walzenförmige, verlänge-
rungsfähige Zunge; keine äussere Gehöröffnung;
Pfoten mit fünf Zehen, wovon zwey den übrigen
entgegengestellt sind. Vallisnieri Istoria del
Camaleonte Africano. Gassendus in vita Peires-
cii. L. V. p. 345. Th. Bartholini hist. med.
cent. 2. cap. 62. Hasselquist’s Reise nach Palä-
stina. S. 348. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 1.
S. 31. Swammerdamm’s Bibel der Nat. S. 168. - 7. Lacerta. Eine lange, zurückziehungsfähige,
tiefgespaltene Zunge; ein unten mit Schildern be-
deckter Körper; fünf lange und sehr ungleiche
Zehen an den Hinterpfoten.
Lacer-
[263]Lacerta (vulgaris?). Harderi apiar. ob-
serv. 21. - 8. Scincus. Eine kurze, am Ende etwas ausge-
schnittene Zunge; Körper und Schwanz überall
mit gleichen, ziegelförmig über einander liegen-
den, und an den Rändern abgerundeten Schup-
pen bedeckt. - 9. Chalcides. Eine kurze, am Ende ausgeschnit-
tene Zunge; ein langer cylindrischer Körper; sehr
kurze, kaum sichtbare Pfoten.
C. apoda. Pallas in Nov. comm. Petropol.
T. XIX. p. 435. - 10. Siren. Kiemen und zugleich Lungen.
S. lacertina. J. Hunter, Phil. Trans. Vol. LVI.
p. 307. Cuvier, Bulletin de la Soc. philomath.
An VII. n. 38.
S. anguina. Schreiber, Phil. Trans. 1801.
P. II. p. 241.
- 1. Anguis L.
A. fragilis. Schneider hist. amph. fasc. II.
p. 313. - 2. Amphisbaena L.
- 3. Angaha.
- 4. Crotalus L.
C. horridus. Tyson, Phil. Trans. 1683. p. 25.
Ramby, ibid. 1728. p. 377. Bartram, ibid.
1740. p. 358.
R 45. Vi-
[264]
- 5. Vipera. Giftzähne; eine Reihe halbzirkelför-
miger Schuppen unter dem Bauche; zwey Rei-
hen von Schildern unter dem Schwanze; einer-
ley Schuppen auf dem Kopfe und auf dem
Rücken.
V. Aspis. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 3.
S. 7. Mem. de l’Acad. de Montpellier. 1732. - 6. Coluber. Keine Giftzähne, Bauch-Schuppen
und Schwanz-Schilder, wie bey den Vipern; aber
die Kopf-Schuppen verschieden von den Rücken-
Schuppen.
C. Natrix. Blumenbach in Voigts Mag. f. d.
Neueste aus der Physik etc. B. V. St. 1. S. 3. - 7. Boa L.
- 8. Caecilia L.
- 9. Acrochorda.
- 1. Rana Schneideri.
R. temporaria. Swammerdamm’s Bibel der
Nat. S. 312. Rösel hist. nat. ranarum nostra-
tium. S. I. c. 2.
R. esculenta. Rösel hist. nat. ran. S. III. c. 2.
R. paradoxa. Seba thesaur. T. II. p. 127 sq. - 2. Bufo Schneideri.
B. cinereus. Rösel hist. nat. ran. S. V. c. 2.
B. fuscus. Rösel hist. nat. etc. S. IV. c. 2.
B. igneus. Rösel hist. nat. etc. S. VI. c. 2.
3. Hyla
[265]
- 3. Hyla Laurentii.
H. viridis. Rösel hist. nat. etc. S. II. - 4. Salamandra Schneideri.
S. terrestrio. Wurfbainii Salamandrol. c. 8.
p. 66. Bartholini act. Hafn. Vol. IV. P. 1.
obs. 2. Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 2.
S. 237. Zinn, Götting. Anzeigen von gel. Sa-
chen. 1757. n. 127.
S. taeniata. Du Fay, Mém. de l’Acad. des sc.
à Paris. 1729.
R 5Fünftes
[266]
Fünftes Kapitel.
Fische(r).
Die Fische haben einen ungleich plattern Kopf,
wie die bisher betrachteten Thierarten. Es fehlen
demselben, wie dem der Vögel, die äussern Ge-
ruchs- und Gehörorgane. Beyde Kinnladen gestatten
nicht nur eine Bewegung von oben nach unten, und
umgekehrt, sondern lassen sich bey manchen auch
hervorstoſsen und zurückziehen. Sie sind nicht,
wie bey den Säugthieren, die einzigen Organe, wel-
che Zähne haben, sondern bey manchen Fischen ist
auch der Gaumen, der Schlund und die Zunge da-
mit besetzt. Der Kopf geht geradezu in den Rumpf
über,
[267] über, ohne von diesem durch einen Hals abgeson-
dert zu seyn. Gleich hinter jenem befinden sich die
Kiemen (branchiae), welche allein den Fischen
unter allen übrigen Thieren mit einem innern arti-
kulirten Skelett, nur das Geschlecht Siren und die
Larven der Frösche unter den Amphibien ausgenom-
men, eigen sind. Sie liegen zu beyden Seiten des
Kopfs entweder frey, und blos von einem Schlieſs-
muskel umgeben, oder durch eine halbmondför-
mige, mit Muskeln versehene Schuppe, den Kie-
mendeckel (operculum branchiale) bedeckt.
Der Rumpf ist bey den meisten Fischen platt-
gedrückt, und der Schwanz, so wie der Kopf, durch
keine genaue Gränze von ihm getrennt. Die An-
zahl der Wirbelbeine variirt eben so sehr, wie bey
den Amphibien. Zwischen der Brust und dem Un-
terleibe findet äusserlich keine Trennung statt.
Bey denen Fischen, welche Ribben haben, schlies-
sen diese sowohl die Brust- als die Bauchhöhle ein.
Im Innern ist indeſs jene von der letztern bey meh-
rern durch ein häutiges Zwerchfell geschieden. Ein
Brustbein findet sich nur bey wenigen Arten.
Statt der äussern Gliedmaaſsen besitzen die Fi-
sche Flossen (pinnae), oder knorpelartige, durch
Membranen verbundene Knochen, wovon die, wel-
che die Stelle der vordern Gliedmaaſsen vertreten,
seitwärts an der Brust (Brustflossen, pinnae
pecto-
[268] pectorales), und die, welche statt der untern oder
hintern Gliedmaaſsen dienen, unter dem Bauche
vor, unter oder hinter den Brustflossen (Bauch-
flossen, p. ventrales) sitzen. Ausser diesen Flos-
sen finden sich noch eine oder mehrere auf dem
Rücken (Rückenflossen, p. dorsales), eine am
Schwanze (Schwanzflosse, p. caudalis), und
eine unter dem Schwanze, (Afterflosse, p.
analis).
Die Muskeln der Fische inseriren sich mit ihren
Sehnen, gleich denen der Schlangen, in die Haut.
Die Fasern derselben haben das Eigene, daſs sie
nicht rund, sondern platt sind.
In Ansehung der Bedeckungen des Körpers las-
sen sich die Fische in drey Familien eintheilen. Ei-
nige sind nackt, gleich den Fröschen, und blos mit
einem dünnen Schleime überzogen; andere sind mit
Schuppen, und noch andere mit hornartigen Schil-
dern bedeckt. Sowohl auf der äussern Fläche dieser
Bedeckungen, als in allen innern Cavitäten des Kör-
pers der Fische, vorzüglich denen des Zellgewebes,
findet sich eine groſse Menge eines ölichten Saftes,
welcher auf der Oberfläche des Körpers durch zahl-
reiche Ausführungsgänge mehrerer, zwischen der
Haut und den Muskeln liegenden Canäle excernirt
wird. Bey verschiedenen Fischen enthalten die Zwi-
schenräume zwischen der harten und weichen Hirn-
haut,
[269] haut, dem Herzbeutel und dem Herzen, dem Bauch-
felle und den Gedärmen auch eine Menge salzichter
Feuchtigkeit.
Unter den innern Organen zeigt das Gehirn in
seiner Struktur mehr Abweichungen bey den Fi-
schen, als bey irgend einer andern Thierclasse. Es
harmonirt indeſs in mehrern Stücken mit dem der
Vögel. Wie diesem, so fehlen auch jenem die Win-
dungen (gyri), der Hirnbalken, der Bogen, die
von diesem abhängenden Theile, die Hervorragun-
gen zwischen den Sehehügeln und dem kleinen
Hirne, und der Hirnknoten. Es hat dagegen eben-
falls Hervorragungen, welche den Vierhügeln ana-
log sind, aber zwischen den gestreiften Körpern
und den Sehehügeln liegen. Die letztern sind auch
hier hohl, und liegen ausserhalb den Hirnhöhlen
unter der Basis der Gehirns (s). Von Rinde ist eine
beträchtliche, von Mark aber nur eine geringe Quan-
tität vorhanden (t). Einen unterscheidenden Cha-
rakter desselben machen gewisse, hinter dem klei-
nen Gehirne liegende Hervorragungen aus (u).
Das Rückenmark liegt nicht in der Höhle des
Rückgrats, sondern auf demselben, zwischen den
obern
[270] obern Fortsätzen der Wirbelbeine. Der innere Ca-
nal des Rückgrats ist mit einer gelatinösen Masse
angefüllt.
Das ganze Nervensystem der Fische hat das Ei-
gene, daſs blos der Geruchsnerve, und auch dieser
nicht bey allen, zu einem groſsen Knoten anschwillt,
keiner der übrigen Nerven aber Ganglien hat. Da,
wo jener Knoten am Geruchsnerven fehlt, ist dieser
Nerve weit dicker und härter, als bey denen, wel-
che mit dem erstern versehen sind (x).
Die Sehenerven der Fische haben mehrere Ei-
genheiten in ihrem Laufe und ihrer Struktur. Bey
verschiedenen Fischen mit Gräten gehen diese Ner-
ven nur über einander hin, ohne sich zu durch-
kreutzen; hingegen bey mehrern Knorpelfischen
spaltet sich der Nerve des linken Auges und läſst
durch diese Spalte den Nerven des rechten Auges
durchgehen (y). In dem Sehenerven mehrerer
gröſseren Fische, unter andern des Schwerdt- und
Thunfisches, ist das Mark in lauter wurmförmige,
mit der weichen Hirnhaut bekleidete Fortsätze ver-
einigt, welche bald parallel mit der Axe des Nerven
gehen,
[271] gehen, bald sich in Schlangenlinien unter einander
vereinigen (z).
Der Gehörnerve (portio mollis) ist bey allen Fi-
schen kein eigener Hirnnerve, sondern ein bloſser
Ast des fünften Paars der Hirnnerven. Der Antlitz-
nerve (portio dura) entspringt bey den Knorpelfi-
schen unmittelbar aus dem verlängerten Marke.
Hingegen bey den mit Schuppen versehenen Grä-
tenfischen ist auch dieser nur ein Ast des letzten
Gehirnnerven, der nach der Speiseröhre, den Kie-
men und den Präcordien geht (a).
Der Sitz des Geruchsorgans der Fische sind
zwey vor den Augen, oder auch auf der untern
Fläche des Kopfs ohnweit dem Maule liegende Höh-
len, deren Eingänge sich gleich den Nasenlöchern
der Säugthiere und Amphibien erweitern und ver-
engern lassen (b). Beyde Höhlen haben weder
Riechbeine, noch Riechknorpel. Aber die Riech-
haut erhebt sich bey den meisten Thieren dieser
Classe in eine Menge Falten. Bey den Knorpelfi-
schen sind diese in zwey Reihen paralleler Plätt-
chen vertheilt, von welchen jede, gleich den Zäh-
nen eines doppelten Kammes, an eine mittlere knor-
pelige
[272] pelige Scheidewand befestigt ist (c). Bey den Grä-
tenfischen mit Schuppen bilden die Falten Strahlen
eines Cirkels, indem sie sich von einem in der
Mitte der Nasenhöhle befindlichen Ligamente nach
dem Umkreise derselben ausbreiten (d). Bey den
erstern hat überdies noch jedes Plättchen wieder
eine Menge kleinerer, sehr zarter Falten, welche
strahlenförmig vom gemeinschaftlichen Bande nach
dem Umkreise jedes Plättchens laufen (e). Die Ge-
ruchsnerven der runden Knorpelfische vertheilen
sich vor ihrem Eintritte in die Nase in viele kleinere
Filamente, die durch kleine Oeffnungen häutiger
Scheidewände, welche die Nasenhöhlen von der
Schädelhöhle trennen, in jene Cavitäten dringen (f).
Bey den platten Knorpelfischen, denen jene mem-
branöse Scheidewand fehlt, bildet die harte Hirn-
haut eine scheidenartige Bekleidung für jeden ein-
zelnen Faden der Geruchsnerven bey deren Zeräste-
lung in den Geruchshöhlen (g). Bey den Gräten-
fischen mit Schuppen endlich vertheilt sich der Ge-
ruchsnerve ohne diese Hülfsmittel in strahlenförmi-
ger Gestalt auf dem Nasenboden (h). Uebrigens
erhält
[273] erhält auch die Nase der sämmtlichen Fische, gleich
der der Säugthiere, ausser diesen von den eigentli-
chen Geruchsnerven herrührenden Fäden noch
Hülfsnerven vom funften Hirnnerven-Paare (i).
Das Auge der Fische nähert sich dem der Vögel.
Es ist bey den meisten flach, nur bey den Raub-
fischen convex. Die Sklerotika ist dick und fast
cartilaginös. Der Sehenerve durchbohrt in Zwi-
schenräumen die Sklerotika, Chorioidea, die Gefäſs-
haut und die Ruyschische Membran. Jene Gefäſs-
haut, welche die Chorioidea von der Ruyschischen
Membran trennt, ist eine zarte, den Fischen ei-
gene Haut, welche zur Unterstützung einer aus der
Ciliar-Arterie entspringenden Ramifikation von Ge-
fäſsen dienet. Die Ruyschische Membran hat eine
Grube, in welcher ein sehr rother, ebenfalls nur
den Fischen eigener Muskel liegt, der seine Arte-
rien aus der Gefäſshaut erhält. Aus dem optischen
Nerven kömmt eine Arterie mit zwey Aesten, wovon
der eine sich auf der hintern Fläche des Glaskörpers
vertheilt, der andere um die Netzhaut herum zu
einem von der letztern zur Crystallinse gehenden,
dem schwarzen Fächer der Vögel analogen Organe,
der sogenannten campanula läuft, nachdem er vor-
her zwey Aeste abgegeben hat, welche eben so viele
prachtvolle Cirkel um die Glashaut bilden. Jene
cam-
I. Bd. S
[274] campanula ist bey dem Hechte und der Forelle eine
gefleckte, inwendig weisse, gefäſs- und nervenrei-
che, glockenförmige Membran, wovon die Spitze mit
der Crystallinse, das breite Ende aber mit der Trau-
benhaut zusammenhängt. Bey dem Karpfen ist sie
ein Fortsatz der Ruyschiana und der Netzhaut, der
anfangs die Form eines Beutels hat, nachher aber
die eines breiten Bandes annimmt, und in dieser
Gestalt zur hintern Fläche der Linse geht. Der
Glaskörper ist bey den Fischen klein, aber sehr con-
vex, die Menge der wäſsrigen Feuchtigkeit gering,
und diese zähe. Eine Tapete und ein Ciliarkörper
ist nicht vorhanden. Die Netzhaut ist mit einem
schwarzen Schleime überzogen, und leicht in zwey
Lamellen, eine fibröse und breyartige zu trennen.
Die Iris entspringt aus der Chorioidea, ist aber un-
beweglich. Die Traubenhaut ist mit der Glashaut
verwachsen (k).
Das Ohr der Fische ist von noch einfacherm
Baue, als das der Amphibien. Von einem äussern
Gehörgange, Trommelfelle, einer Trommelhöhle
und Eustachischen Röhre ist keine Spur vorhanden.
Bey den Knorpelfischen, wo es noch am zusam-
mengesetztesten ist, liegt gleich unter den allgemei-
nen Bedeckungen des Kopfs eine ovale, durch eine
gespannte Haut verschlossene Oeffnung, und unter
dieser die Höhlung des Vorhofs. In der letztern
befin-
[275] befinden sich drey Steinsäckchen mit einer gelatinö-
sen Masse, woran hinten ein Steinchen von kalkar-
tiger Substanz hängt, und die Zugänge zu den drey
halbcirkelförmigen cartilaginösen Canälen. Diese
kommen in ihrer Struktur mit denen der Amphibien
überein. Die in ihnen enthaltenen häutigen Canäle
hängen mit den Steinsäckchen durch Zellgewebe zu-
sammen (1). Den übrigen Fischen fehlt sogar das
ovale Fenster und der Vorhof. Statt des letztern
haben sie eine bloſse Vertiefung, die durch eine
dünne, mit Gefäſsen durchwebte Haut vom Gehirne
abgesondert ist. In dieser Grube befindet sich ein
Steinsack mit zwey Steinchen, und über diesem
trifft man Spuren von halbcirkelförmigen Canälen
an (m). Beyde Classen von Fischen haben auch
noch das Eigene, daſs sich nicht, wie bey den Säug-
thieren, Vögeln und Amphibien, blos der eigentli-
che Gehörnerve an den schlauchförmigen Erweite-
rungen der halbcirkelförmigen membranösen Canäle
und an den Wänden der Steinsäcke vertheilt, son-
dern daſs sich mit ihm auch Fäden des Antlitznerven
vereinigen (n).
Die Zunge der Fische ist cartilaginös oder knö-
chern, und bey mehrern am Boden des Mundes be-
festigt.
S 2
[276] festigt. Bey einigen fehlt sie ganz, und da, wo sie
vorhanden ist, finden sich an ihr keine Nerven-
wärzchen (o).
Zum Organe des Tastens dienen wahrscheinlich
mehrern Thieren dieser Classe die langen Bartfasern
(cirri), an deren Wurzeln sich ein Ast des fünften
Hirnnerven-Paars verbreitet (p), und welche bey
einigen Fischen (z. B. dem Geschlechte Silurus)
eine auffallende Aehnlichkeit mit den Fühlfäden der
Mollusken, bey andern (verschiedenen Lophien)
mit den Antennen der Crustaceen und Insekten, vor-
züglich mehrerer Tagschmetterlinge (q), haben.
Die Lungen fehlen, wie schon bemerkt ist, al-
len Fischen, und mit ihnen auch die hintern Oeff-
nungen der Nasenhöhlen, die Luftröhre und der
Kehlkopf. Die Kiemen, die ihnen zum Ersatze die-
ser Organe dienen, sind bey den meisten Fischen
aus mehrern über einander liegenden und mit einer
sehr groſssen Menge von Blutgefäſsen durchwebten
Blättern, zwischen welchen ein freyer Durchgang
vom Rachen zur äussern Kiemenöffnung statt fin-
det, zusammengesetzt. Die einzelnen Blätter be-
stehen
[277] stehen aus Filamenten, die wie die Zähne eines
Kammes geordnet und nach dem Maule hin an klei-
nen Gräten befestigt sind. Die letztern artikuliren
auf der einen Seite mit dem Schädel, auf der andern
mit dem Zungenbeine. Der entgegengesetzte Rand
der Kiemen ist entweder an der innern Seite der
Haut befestigt, und dann giebt es an diesem Rande
eben so viele besondere Oeffnungen zum Durchstrei-
chen des Wassers, als Zwischenräume zwischen den
Blättern vorhanden sind, oder er ist unbefestigt,
und in diesem Falle wird das eingeathmete Wasser
aus den Zwischenräumen der Kiemen durch eine
gemeinschaftliche Oeffnung wieder ausgetrieben (r).
Gewöhnlich giebt es vier Kiemen an jeder Seite,
von welchen jede eine doppelte Lage von Filamen-
ten hat. Mehrere Fische besitzen ausser diesen
noch eine fünfte einfache Kieme (Pseudobran-
chia), die nur aus Einer Lage von Filamenten be-
steht, an der innern Seite des vordern Kiemen-
deckels liegt, bis an ihren äussern Rand mit diesem
zusammenhängt, und bald groſs, bald klein, bald
nur ein bloſser Ansatz ist (s).
Bey einer kleinern Anzahl von Fischen aus der
Abtheilung der Knorpelfische liegen, statt dieser
blätter-
S 3
[278] blätterförmigen Kiemen, sechs bis sieben membra-
nöse Beutel an beyden Seiten des Körpers, von wel-
chen jeder Eine Mündung hat, die nach aussen geht,
und Eine bis zwey andere, wodurch er mit dem
Schlunde in Verbindung steht. Zugleich haben
diese Fische, wie die Wallfische, einen Canal, des-
sen eine Oeffnung am Gaumen, die andere am Ko-
pfe liegt, und wodurch sie Wasser, das von aussen
durch die Kiemen in den Schlund gekommen ist,
wieder aussprützen.
Ausser den Kiemen hat ein Theil der Fische,
zum Ersatze der Lungen, auch noch eine
Schwimmblase, oder einen häutigen, weissen,
durch einen besondern Canal, den Luftgang, mit
dem Schlunde oder Magen in Verbindung stehenden
Sack, der mit vielen und groſsen Blutgefäſsen
durchwebt ist, und sich am Rückgrate herunter bis
tief in die Bauchhöhle erstreckt. Er hängt nahe
unter dem Zwerchfelle an dem zweyten Wirbelbeine
fest an, und bedeckt die hinter ihm liegenden Nie-
ren. Bey einigen Fischen ist er einfach, bey andern
doppelt, und in diesem Falle stehen die beyden
Stücke, woraus er besteht, durch einen Canal mit
einander in Verbindung (t). Die Beschaffenheit des
in ihm enthaltenen Gas ist wahrscheinlich veränder-
lich.
[279] lich. Fourcroy(u) fand in der Schwimmblase des
Karpfen Stickgas, Priestley(v) in denen von meh-
rem Fischen unreines Sauerstoffgas, Brodbelt(w)
in der Schwimmblase des Schwerdtfisches unreines
Sauerstoffgas, und La Cepede(x) in denen von
einigen Schleihen Wasserstoffgas.
Bey mehrern Fischen, vorzüglich den Ge-
schlechtern Balistes und Tetrodon, finden sich, statt
der Schwimmblase, unter den äussern Bedeckungen
ähnliche Luftbehälter, vermittelst welcher sie ihren
Körper in Turgescenz versetzen können, wie bey
den Vögeln und Amphibien. Bey dem Geschlechte
Tetrodon wird der gröſste dieser Luftbehälter durch
die innere Membran des Bauchfells gebildet, und es
findet zwischen ihr und der Höhle, worin die Kie-
men liegen, eine Verbindung statt. Das in diesen
Behältern angesammelte Gas wird wahrscheinlich
durch zwey neben dem After liegende und mit Klap-
pen versehene Oeffnungen, die einen Durchgang
von innen aber nicht von aussen gestatten, wieder
ausgelassen (y).
Zwi-
S 4
[280]
Zwischen dem letzten Kiemenpaare vor dem
Brustbeine liegt das Herz, das cylindrisch, prisma-
tisch, kurz von sehr mannichfaltiger Gestalt ist.
Aus der einfachen Kammer desselben entsteht nach
oben und vorne ein groſser Sack, der einem zwey-
ten Ventrikel ähnlich ist, und, indem er allmählig
enger wird, in die Kiemenarterie übergeht. Diese
theilt sich gleich nach ihrem Ursprunge in vier
Zweige, die zu den Kiemen gehen, und sich auf
deren Blättern verbreiten, nach dieser Vertheilung
aber sich wieder zu einem gemeinschaftlichen Stam-
me, der Aorta, vereinigen, aus welchem die Arte-
rien aller übrigen Organe entspringen. Die des vor-
dersten Kiemenpaars vereinigen sich aber mit die-
sem Stamme erst, nachdem sie sich im Gehirne
und in den Sinnesorganen verbreitet haben. Ei-
nige, die man mit den Lungenvenen der Säugthiere
und Vögel vergleichen kann, ergieſsen sich auch
unmittelbar in die Hohlvene, ohne ihr Blut andern
Orga-
(y)
[281] Organen vorher mitzutheilen. Die sämmtlichen Ve-
nen fliessen zu drey groſsen Stämmen zusammen;
diese vereinigen sich in einem sehr groſsen Behälter
(sinus venosus); die obere Oeffnung dieses Sacks
geht in das Herzohr über, und aus diesem flieſst
wieder das Blut durch eine mit Klappen versehene
Oeffnung in den Ventrikel, woraus es gekommen
war, um durch eine andere, ebenfalls mit Klappen
versehene Mündung von neuem in die Kiemenarte-
rie getrieben zu werden.
Das Blut, das in diesen Gefäſsen circulirt,
kömmt in der Farbe dem der Säugthiere gleich, ent-
hält aber weniger Serum und mehr Cruor, als das
der letztern. Beyde Bestandtheile haben auch weit
mehr Verwandtschaft zu einander, als die des Bluts
der Säugthiere, indem sie bey der geringsten Er-
schütterung des Gefäſses, worin sie aufbewahrt wer-
den, sich wieder zu einer homogenen Masse verei-
nigen. Das Serum zeigt keine Spur von Säuren,
oder Alkalien.
Der Nahrungscanal der Fische nähert sich dem
der Amphibien. Der Pharynx fehlet hier ganz.
Der, zuweilen mit Zähnen besetzte, Schlund ist
kurz, dabey aber weit und membranös. Der Ma-
gen ist lang, von dem Schlunde in der Weite wenig
verschieden, wie bey mehrern Vögeln entweder
ganz häutig, oder doch nur zum Theil muskulös,
S 5und
[282] und bey einigen durch eine Verengerung in zwey
Theile geschieden. Ueberhaupt liegt er, nicht der
Queere, sondern der Länge nach. Seine innere
Fläche ist mit Drüsen besetzt, wie bey den Vögeln
und Amphibien. Bey seinem Eintritte in den Darm.
canal findet sich entweder eine Klappe, oder, wo
diese fehlt, wird sie durch Verengerungen und
Krümmungen des dünnen Darms ersetzt.
An dem Pförtner einer groſsen Menge von Fi-
schen findet sich eine Organisation, die man bey
keiner der höhern Thierclassen antrifft. Aus ihm
entspringen nehmlich cylindrische, auf ihrer innern
Fläche mit Drüsen besetzte, und mit einem schar-
fen salzichten Schleime angefüllte Blinddärme (ap-
pendices pyloricae), deren Zahl sich bey manchen
auf viele Hunderte beläuft. Bey diesen, wo die
Anzahl derselben sehr groſs ist, vereinigen sich je-
doch gewöhnlich mehrere zu einem einzigen Canale,
so daſs der Mündungen im Pförtner doch nicht sehr
viele sind. Was aber vorzügliche Aufmerksamkeit
verdient, ist dies, daſs alle Fische dergleichen
blinde Anhänge haben, bey welchen das Pancreas
fehlt, und daſs jene denen Fischen mangeln, bey
welchen das letztere vorhanden ist.
Der Darmcanal geht bey mehrern Fischen, und
besonders bey denen, welche einen sehr länglichten
Körper haben, fast in gerader Richtung zum After.
Da,
[283] Da, wo er Windungen macht, sind dieser doch
nur wenige, so daſs seine Länge die des ganzen
Körpers nicht viel übertrifft. Der unterste Theil
desselben ist weiter und dicker, als der obere.
Beym Anfange desselben liegt eine Klappe und ein
kurzer Blinddarm. Der obere dünnere Theil des
Darmcanals hat viele und groſse Falten, aber keine
Zotten (z). Der untere dickere Theil, dessen Fi-
bern der Länge nach laufen, und in welchem sich
bey mehrern Fischen die Ausführungsgänge des
Harns und der Eyer öffnen, kömmt mit der cloaca
der Vögel und Amphibien überein. Bey einigen
von denjenigen Fischen, deren Darmcanal fast in
gerader Richtung vom Pförtner zum After fortgeht,
erstreckt sich eine groſse Falte der innersten Darm-
haut in der Gestalt einer Wendeltreppe vom Pfört-
ner bis zum After.
Die Stelle des Netzes wird, wie bey den Vögeln
und Amphibien durch groſse Fettklumpen, so hier
durch eine weisse, schmierige, über den dünnen
Darm verbreitete Materie ersetzt.
Den Milch- und Lymphgefäſsen, die bey den
Fischen von beträchtlicher Gröſse sind, fehlen die
Drüsen, wie denen der Amphibien, und zugleich
die
[284] die Klappen, ausser am Ende des ganzen Systems.
Jene bilden zwischen den beyden innersten Häuten
des Darmcanals unter einander, und gegen ihre En-
den mit denjenigen lymphatischen Gefäſsen, die sich
in der Leber, Milz und dem Pancreas verbreiten,
zahlreiche Anastomosen, und diese Geflechte ver-
einigen sich weiterhin mit den lymphatischen Ge-
fäſsen des übrigen Körpers in zwey Behältern, wel-
che durch eben so viele mit Klappen versehene
Mündungen bey den Knorpelfischen in die Schlüs-
selbeinvene, bey den Fischen mit Gräten aber in
die untere Hohlader übergehen.
Die Milz der Fische ist der der Säugthiere ih-
rer Lage, Gröſse und Struktur nach weit ähnlicher,
als die, welche sich bey den Vögeln und Amphi-
bien findet.
Von dem Pancreas ist schon oben bemerkt, daſs
nur diejenigen Fische damit versehen sind, welche
keine Blinddärme am Pförtner haben.
Eine Leber mit einer Gallenblase haben alle Fi-
sche, und zwar sind beyde hier von beträchtlicher
Gröſse. Jene ist bey einigen Fischen so lang, wie
der ganze Unterleib, und bey manchen einfach, bey
andern in zwey bis drey Lappen getheilt. Sie ist
aber nicht immer, wie bey den vorhergehenden
Thierclassen, braunroth, sondern bey einigen gelb,
bey
[285] bey andern bläulich, bey andern grün, und bey
manchen purpurfarben. Vorzüglich in ihr findet
sich jene ölichte Flüssigkeit, womit alle innere
Theile der Fische getränkt sind (a). Ihr Ausfüh-
rungsgang öffnet sich bey den meisten Fischen, wie
bey den mehrsten Vögeln, abgesondert von dem der
Gallenblase in den dünnen Darm, aber, wie bey
den letztern, so steht auch hier diese Blase mit ihr
durch Leberblasengänge in Verbindung.
Die schmalen und platten Nieren, die so lang
wie der ganze Unterleib sind, liegen parallel neben
einander zu beyden Seiten des Rückgrats auf dem
Bauchfelle. Ihre Ausführungsgänge öffnen sich bey
einigen Fischen in den untersten Theil des Darmca-
nals; einige aber haben eine Harnblase, und diese
öffnet sich nach aussen durch ein besonderes Loch,
welches zwischen der Afterflosse und dem After
liegt. Der Harn der Fische ist consistenter, als der
der übrigen Thiere.
Die Zeugungstheile sind bey den meisten Fi-
schen (den Grätenfischen) einfacher, wie bey irgend
einer andern Thierclasse mit getrennten Geschlech-
tern. Die des Männchen bestehen in einem einfa-
chen,
[286] chen, oder doppelten, länglichten, parallel mit den
Nieren vom After bis zum Zwerchfelle herabgehen-
den, und aus mehrern Lappen zusammengesetzten
Körper, welcher zur Laichzeit mit männlichem Saa-
men angefüllt, ausser dieser Periode aber kaum
sichtbar ist. Die Ausführungsgänge, wodurch der
Saamen excernirt wird, gehen der Länge nach durch
den Hoden herunter zu den Saamenbläschen. Diese
liegen am After und vereinigen sich in einen ge-
meinschaftlichen Canal, der sich neben dem Ende
des Mastdarms und der Mündung der Harnröhre
nach aussen öffnet.
Verwickelter ist der Bau der männlichen Zeu-
gungsorgane bey einigen Knorpelfischen. Der Hode
ist hier theils aus einer weissen Materie, wie der
der Grätenfische, theils aus runden Körperchen zu-
sammengesetzt. Aus diesen entspringt ein Neben-
hode, welcher gröſstentheils aus zusammengewun-
denen Röhren besteht, die sich in ein schlangenför-
miges ausführendes Gefäſs endigen. An dem letz-
tern ist der untere Theil sehr erweitert, und nahe
an der äussern Seite dieser Erweiterung liegt ein
Beutel von ziemlicher Gröſse, der mit einer grünen
Feuchtigkeit angefüllt ist, und sich mit dem Saamen
in den nehmlichen Trichter ergieſst.
Eine männliche Ruthe ist bey keinem Fische,
ausser vielleicht der arktischen Chimäre, vorhan-
den.
[287] den. Die Anhänge am After, womit die Männ-
chen der Rochen und Hayfische versehen sind, und
welche ehedem für ein männliches Glied angesehen
wurden, dienen zur Umfassung des Weibchens bey
der Begattung (b).
Die Zeugungsorgane des Weibchens bestehen
bey den Grätenfischen in einem einfachen oder dop-
pelten, aus mehrern Lappen zusammengesetzten,
und zur Laichzeit von Eyern strotzenden Eyer-
stocke, der fast dieselbe Lage wie der Hode des
Männchens hat, und unten in eine Art von Mutter-
trompete übergeht, die sich an derselben Stelle
nach aussen öffnet, wo der Ausführungsgang des
Saamens bey dem Männchen seine Mündung hat.
Einige Knorpelfische haben bey einem einfachen
Eyerstocke zwey lange und gewundene Muttertrom-
peten, welche beym Zwerchfelle ihren Anfang neh-
men und in eine doppelte Gebährmutter übergehen.
Auch findet sich bey diesen an jedem Eyerleiter ein
drüsenartiger Körper, der bey trächtigen Fischen
eine groſse Menge trüben und salzichten Wassers
enthält, und sich mit einer dicken Warze in die
Muttertrompete öffnet.
Wir haben oben gesehen, daſs die letztern Fi-
sche auch unter allen die am meisten zusammenge-
setz-
[288] setzten Geruchs- und Gehörorgane besitzen. Sie
haben überdies ein knorpelartiges Skelett, in dessen
Mischung die Gallerte von dem phosphorsauren
Kalk überzogen wird, da sich das Verhältniſs die-
ser Bestandtheile in den Knochen der übrigen Fische
demjenigen mehr nähert, das wir bey den höhern
Thierclassen antreffen. Ferner haben jene entweder
gar keine Ribben, oder doch meist nur Spuren der-
selben. Ihre Brusthöhle ist geräumiger, der Darm-
canal meist kürzer, weniger gewunden und weiter,
und das Gehirn in nicht so viele Lappen getheilt,
als bey den Grätenfischen. Das Herz ist bey den
mehrsten nicht, wie bey den letztern und den vor-
hergehenden Thierclassen, in einem Herzbeutel ein-
geschlossen.
Die Classe der Fische zerfällt also in zwey Ab-
theilungen: in Knorpelfische (P. cartilaginosi,
chondropterygii) und Knochen- oder Grätenfi-
sche (P. ossei). Aus dem Obigen erhellet, daſs
die erstern in mehrern Punkten an die höhern
Thierclassen gränzen. Linné, welcher diese Ver-
wandtschaft bemerkte, und ausserdem mehrern un-
ter ihnen unrichtig Lungen zuschrieb, setzte sie
daher unter dem Namen der schwimmenden Am-
phibien in die vorhergehende Thierclasse. Dieser
Irrthum ist nun zwar längst widerlegt (c). Man
hat
[289] hat indeſs seit Linné doch immer die Knorpelfische
als diejenigen betrachtet, welche in der Reihe der
Thiere zunächst auf die Amphibien folgen. Wir
glanben aber diese Stelle den Grätenfischen einräu-
men zu müssen, und zwar theils deswegen, weil
der Bau der Knorpelfische noch mehr Verwandtschaft
mit der Struktur der Mollusken und Crustaceen,
als mit der der Amphibien hat, und theils darum,
weil sich die Familie der Schlangen unter den letz-
tern so genau an die der Aale unter den Knochen-
fischen anschlieſst, daſs sich die Knorpelfische ohne
Zerreissung eines von der Natur geknüpften Bandes
zwischen diese Ordnungen nicht einschieben lassen.
Zum Beweise des erstern Grundes führen wir nur
folgende Analogien an: Die Gattung Myxine, wel-
che offenbar das Bindungsglied zwischen den Knor-
pelfischen und den Mollusken ausmacht; der arti-
kulirte Panzer, womit die Gattung Syngnathus be-
waffnet ist, und der sich so auffallend dem äussern
Skelett der Crustaceen und Insekten nähert; den
Mangel der Zunge bey eben dieser Gattung; die
Gegenwart wirklicher Antennen bey einigen Lo-
phien; die Aehnlichkeit der Kiemenöffnungen bey
den Lampreten und Schleimfischen mit den Stigma-
ten, und ihrer blasenartigen Kiemen mit den Luft-
säcken mehrerer Insekten.
Die Grätenfische zerfallen in zwey gröſsere Ab-
theilungen: in solche, die eine bewegliche Zunge
I. Bd. Thaben,
[290] haben, und in solche, bey welchen dieses Organ
unbeweglich ist. Jede von diesen Abtheilungen hat
ferner entweder einen nackten schlüpfrigen Körper,
oder Schuppen. Hieraus ergeben sich vier Familien
der Grätenfische: die Aale mit einer freyen Zunge
und einem schlüpfrigen Körper; die Lachse mit
einer freyen Zunge und mit Schuppen; die Welse
mit einer unbeweglichen Zunge und einem schup-
penlosen Körper; und die Seehähne mit einer un-
beweglichen Zunge und mit Schuppen.
Die Knorpelfische haben insgesammt weder
eine bewegliche Zunge, noch Schuppen, und von
diesen Organen lassen sich also bey ihnen keine
Eintheilungsgründe hernehmen. Aber die Zähne
geben uns bey ihnen ein Mittel, sie in zwey ziem-
lich natürliche Familien zu theilen. Bey einigen
nehmlich fehlen diese entweder ganz, und die nack-
ten hervorstehenden Kinnladen vertreten die Stelle
derselben, oder sie sitzen doch blos in den Kinnla-
den. Bey den übrigen sind sie in weit gröſserer
Menge vorhanden, und nicht nur die Kiefern, son-
dern auch die Zunge und der Gaumen damit be-
setzt. Jene Familie ist die der Störe, diese die
der Hayen.
In der Familie der Aale fehlen den meisten die
Lippen und die Bauchflossen. Alle haben eine ein-
zige, meist lange und niedrige Rückenflosse. Die
vor-
[291] vornehmsten Eigenheiten in ihrer innern Struk-
tur sind: ein Schädel, der aus einem einzigen Stücke
besteht; ein bewegliches Knöchelchen in der Com-
missur der Kinnladen, wie bey den Schlangen;
zahlreiche und unmerklich abnehmende Ribben und
Wirbelbeine; eine enge Brusthöhle; ein langer, ge-
rader, mit der Länge des Thiers parallel gehender
Magen, ein Darmcanal, der neben dem obern Ma-
genmunde entsteht, mit dem Magen einen Winkel
macht, und dann gerade zum After fortgeht; meist
keine Harnblase; einerley Ausführungsgang des
Harns und der Eyer, oder des Saamens.
Die drey folgenden Familien der Lachse, Welse
und Seehähne haben meist Lippen, und, mit Aus-
nahme der beyden Geschlechter Stromateus und
Xiphias, insgesammt Bauchflossen. In ihrer innern
Struktur kommen sie gröſstentheils mit einander
überein, unterscheiden sich aber von den Aalen vor-
züglich durch einen Schädel, der aus einer groſsen
Menge Knochen besteht; weniger zahlreiche und
nicht so unmerklich abnehmende Ribben und Wir-
belbeine; einen runden Magen mit einem engen
Pförtner; zahlreiche blinde Anhänge an dem letz-
tern; einen ziemlich langen und vielfach gewunde-
nen, aber meist schwachen und engen Darmcanal;
eine Harnblase; und besondere Ausführungsgänge
des Harns und der Eyer, oder des Saamens.
T 2Von
[292]
Von den beyden Familien der Knorpelfische
zeichnen sich die meisten Störgeschlechter entweder
durch eine Schwimmblase, oder durch zellenartige
Luftsäcke, vermittelst welcher sie ihren Körper in
Turgescenz setzen können, und durch einen ge-
wundenen Darmcanal, unter den Hayen aber die
meisten durch einen geraden Darmcanal und die
Männchen mehrerer Geschlechter durch knorpelar-
tige Anhänge zur Umfassung des Weibchens bey der
Begattung aus. Der Spiegelroche (raia miraletus)
und der Carcharias (Squalus carcharias) haben eine
Art Augenlieder, die in der vordern Kammer der
wäſsrichten Feuchtigkeit herabhängt, und ein am
obern Rande des Augapfels befestigter Fortsatz der
Traubenhaut zu seyn scheint. Der knorpelichte
Augenball hat hinten einen Knopf, mit welchem er
sich auf einem unten in der Augenhöhle befindlichen
Knorpel herumdreht. Vielleicht gehört auch diese
Struktur zu den Eigenthümlichkeiten der Hayen.
Ordnungen und Geschlechter (d) der
Fische (e).
- 1. Trichiurus.
- 2. Ophidium.
Ophi-
[293]Ophidium barbatum. Die Schwimmblase
ist mit einem eigenen, an dem Fortsatze der
vierten Ribbe festhängenden Knorpel verwach-
sen, und gestattet eine halbcirkelförmige Bewe-
gung. Broussonet, Phil. Trans. Vol. LXXI.
p. 446. - 3. Muraena.
M. anguilla.Mundinus Carolus in Comm.
Bonon. T. VI. p. 406. - 4. Gymnotus.
G. electricus. Vom Kopfe nach dem Schwanze
laufen 34 Faserbündel (erschütternde Organe),
welche an den Wirbelknochen befestigt und
sehr nervenreich sind. Hunter, Phil. Trans.
Vol. LXV. P. II.
G. carapo.Gronovii museum ichtyol. I. n. 72.
p. 29. - 5. Ammodytes.
- 6. Anarrhichas.
A. lupus.Broussonnet, Mem, de l’Ac. des sc.
à Paris. 1785. p. 161. - 7. Cepola.
- 8. Trachipterus.
- 9. Lepidopus.
- 10. Blennius.
11. Le-
T 3
[294]
- 11. Lepadogaster.
- 12. Echeneis.
- 1. Stromateus.
- 2. Chaetodon.
- 3. Perca.
P. fluviatilis.Schäffer pisc. Bavarico-Ra-
tisbon. pentas. p. 27. Bloch, Schriften der
Berlin. Gesellsch. B. 1. S. 280.
P. lucioperca.Bloch, Schriften der Berlin.
Gesellsch. B. 1. S. 285.
P. Asper, Zindel et Schraetser.Schäffer
pisc. Bavar. p. 72, 67, 56.
P. cernua.Schäffer pisc. Bavar. p. 56. Bloch,
Schr. der Berl. Gesellsch. B. 1. S. 290.
P. Acerina.Güldenstaedt in Nov. commen-
tar. Petropol. T. XIX. p. 455.
P. Nilotica.Hasselquist’s Reise nach Palä-
stina. S. 407. - 4. Sciaena.
S. umbra.Hasselquist’s Reise. S. 400. - 5. Labrus.
- 6. Sparus.
- 7. Zeus.
- 8. Scomber.
S. Thynnus. Eine Gallenblase, welche so lang,
als die Bauchhöhle, und am Darmcanale befe-
stigt
[295] stigt ist. Bloch’s Fische Deutschlands. Th. 2.
S. 102.
Scomber Trachurus.Hasselquist’s Reise.
S. 412. - 9. Trachinus.
- 10. Gadus. Zwischen der harten und dünnen
Hirnhaut, an der äussern Fläche des groſsen und
kleinen Hirns, am obern Theile des Rücken-
marks, an den Geruch- Sehe- und Gehörnerven,
an einem Paare sehr groſser Nerven, welche dem
fünften Paare des menschlichen Körpers analog
sind, an dem Fortgange eines aus dem Gehirne
entspringenden Nervenpaars, welches zu beyden
Seiten des Körpers hinläuft, an den sämmtlichen
Nerven des Rückenmarks, und zwischen den halb-
cirkelförmigen häutigen und knöchernen Canälen
dieser Fische liegt eine Menge kugelförmiger Kör-
per in einer hellen klebrichten Feuchtigkeit. Die
Nerven des Rückenmarks sind mit denselben von
ihrem Ursprunge an bis zu ihrer Vertheilung wie
mit einer Scheide bedeckt. Hier aber wird die
Anzahl dieser Körper immer geringer, so daſs sie
an den kleinsten Zweigen der Nerven ganz fehlen.
Die Körper selbst hängen unter einander und mit
den Bedeckungen der Nerven durch Fasern und
Blutgefäſse fest zusammen, und bestehen aus ei-
ner zähen durchsichtigen Membran, die eine
schleimige, gleichfalls durchsichtige Feuchtigkeit
mit einem weissen undurchsichtigen Kerne ent-
T 4hält.
[296] hält. Monro über die Struktur und Verrichtun-
gen des Nervensystems. Cap. 20. S. 43.
Gadus Merluccius. Der Magen hat, statt
der Anhängsel (App. pyloricae), einen weiten
Blinddarm. Bloch’s ausl. Fische. Th. 2. S. 98.
G. lota.Kölreuter in Nov. commentar. Pe-
trop. T. XIX. p. 424. Bloch, Schriften der
Berl. Gesellsch. B. 1. S. 263.
G. Saida.Lepechin in Nov. commentar. Pe-
trop. T. XVIII. p. 512.
G. callariae var. (Nawaga).Kölreuter in
Nov. commentar. Petropol. T. XIV. P. I. p. 484. - 11. Salmo.
S. Illanca et alpinus.Wartmann, Schrif-
ten der Berlin. Gesellsch. B. IV. S. 67, 73.
S. Maraena.Bloch, Schriften der Berl. Ges.
B. IV. S. 78.
S. Lavaretus et Albula.Kölreuter in Nov.
comment. Petr. T. XV. p. 504. T. XVIII. p. 503.
S. Lencichtys.Güldenstaedt in Nov. com-
mentar. Petrop. T. XVI. p. 538. - 12. Clupea.
C. Harengus. Ein doppelter Magen. Bloch,
Fische Deutschl. T. 1. S. 202.
C. Alosa.Hasselquist’s Reise. S. 433. - 13. Argentina.
- 14. Cyprinus.
C. Idus et cultratus. Zwey Knochen am An-
fange des Magens und an jedem derselben zwey
Reihen
[297] Reihen von Zähnen. Bloch’s Fische Deutschl.
Th. 1. S. 255, 257.
Cyprinus carpio.Petit, Mém. de l’Acad. des
sc. à Paris. 1733. p. 208.
C. Rutulus.Kölreuter in Nov. commentar.
Petrop. T. XV. p. 494.
C. Chalcoides, Capoeta et Mursa.Gül-
denstaedt in Nov. commentar. Petrop. T. XVI.
p. 540. T. XVII. p. 508, 513. - 15. Exocoetus.
E. volitans.Gronovii mus. ichtyol. T. I.
n. 27. p. 9. - 16. Atherina.
A. Hepsetus.Hasselquist’s Reise. S. 416. - 17. Elops.
- 18. Esox.
E. lucius.Camper’s kl. Schriften. B. 2. St. 2.
S. 19.
E. Belone.Gronovii mus. ichtyol. T. I. n. 30.
p. 10.
- 1. Fistularia.
F. paradoxa.Pallas spicil. zool. fasc. VIII. - 2. Xiphias.
X. gladius.Th. Bartholini hist. med. c. 2.
h. 16. Hartmann in Eph. N. C. d. 3. a. 2. app.
p. 1. Schellhammer ibid. cent. 1 et 2. app.
T 5p. 120.
[298] p. 120. Koelpin, Abh. der Schwed. Akad.
1770. S. 7. - 3. Gasterosteus.
G. aculeatus.Bloch, Schriften der Berlin.
Gesellsch. B. 1. S. 295. - 4. Cobitis.
C. fossilis. Eine knöcherne, mit der dritten
und vierten Ribbe verwachsene und inwen-
dig mit Häuten ausgekleidete Schwimmblase.
Schneider in dessen Ausgabe von Artedi Sy-
non. píscium. p. 5, 337.
C. anableps. Die Hornhaut jedes Auges be-
steht aus zwey Kugelabschnitten, einem obern
und einem untern. Jeder Abschnitt hat eine
eigene Kammer für die wäſsrige Feuchtigkeit,
eine eigene Iris und Pupille. Beyde aber haben
einen gemeinschaftlichen Crystall- und Glaskör-
per, und eine gemeinschaftliche Netzhaut. —
Bey dem Männchen sind von den neuen Strah-
len der Afterflosse nur drey sichtbar, und die
übrigen mit einer Röhre, worin sich sowohl
der Saamen, als der Harn ergieſst, in einer
Haut eingehüllt, mit Schuppen bedeckt, steif
und vom Körper abstehend. Bloch’s ausländi-
sche Fische. Th. 8. S. 9, 10. Lacepede, Mém.
de l’Institut National. Sc. mathém. et physiques.
T. II. p. 372. - 5. Silurus.
Silu-
[299]Silurus glanis.Gronovii mus. ichtyol. T. I.
n. 25. p. 7.
S. electricus. Der Schwanz hat eine dickere
Haut, als der übrige Körper, und ein eigenes
weisses und fibröses Gewebe, (das Organ der
Erschütterung). Broussonnet, Mém. de l’Acad.
des sc. à Paris. 1782. p. 696.
S. anguillaris.Hasselquist’s Reise. S. 416.
S. cataphractus.Gronovii mus. icht. T. I.
n. 71. p. 28. - 6. Gobius.
G. Paganellus.Hasselquist’s Reise. S. 376. - 7. Cottus.
- 8. Callionymus.
- 1. Scorpaena.
- 2. Coryphaena.
- 3. Pleuronectes.Autenrieth in Wiedemann’s
Archiv für Zoolog. und Zootomie. B. 1. St. 2.
S. 47.
P. passer et flesus.Kölreuter in Nov.
commentar. Petropol. T. X. p. 327. - 4. Teuthis.
- 5. Amia.
- 6. Mormyrus.
- 7. Uranoscopus.
- 8. Mullus.
9. Tri-
[300]
- 9. Trigla.
- 10. Loricaria.
L. cataphracta.Gronovii mus. ichtyol. T. I.
n. 69 p. 27. - 11. Polynemus.
- 12. Mugil.
- 1. Balistes.
- 2. Ostracion.
- 3. Tetrodon.
T. lineatus.Hasselquist’s Reise. S. 445. - 4. Diodon. Eine doppelte, zellichte, den Frosch-
lungen ähnliche Schwimmblase, die sich sowohl
durch die Oeffnung der Kiemen, als durch den
Mund, aber nur in einer gewissen schiefen Rich-
tung aufblasen läſst. Broussonnet, Mém. de
l’Acad. des sc. à Paris. 1780. Bloch’s ausl. Fi-
sche. Th. 9. S. 80.
D. mola. J. Plancus in Comm. Bonon. T. II.
P. 2. p. 297. T. III. p. 331. - 5. Cyclopterus.
C. lumpus.Schellhammer in Eph. N. C.
cent. 1 et 2. app. p. 126. Bloch, Schriften der
Berl. Gesellsch. B. 1. S. 247.
C. gelatinosus. Die Sehe- und Geruchsner-
ven verbinden sich mit einander und bilden ei-
nen gemeinschaftlichen Knoten. Pallas spicil.
zool. fasc. VII. p. 23.
6. Aci-
[301]
- 6. Acipenser.
A. sturio.Gronovii mus. icht. T. II. n. 131.
p. 43.
A. Huso.Marsilii Danubius. T. VI. p. 15.
Kölreuter, Nov. commentar. Petropol. T.
XVII. p. 521.
A. Ruthenus.Kölreuter, Nov. commentar.
Petrop. T. XVI. p. 511. - 7. Centriscus.
- 8. Syngnathus.
S. acus. Act. med. Hafn. Vol. 2. p. 149. - 9. Pegasus.
- 1. Lophius.
L. vespertilio. Eine Gallenblase, die am äus-
sersten Ende der Lebergänge liegt, wie beym
Elephanten. Entius in Charletoni exerc. de
differ. et nomin. animal. p. 73. König in Mis-
cell. N. C. d. 3. a. 2. p. 204.
L. piscatorius.Camper’s kl. Schriften. B. 2.
St. 2. S. 12. - 2. Squalus.
S. vulpes.Perrault etc. Abh. zur N. G. B. 1.
S. 135.
S. catulus et spinax.Gunnerus, Schriften
der Drontheimischen Gesellschaft. B. 2. S. 216,
284.
Squa-
[302]Squalus carcharias.Stenonii myolog. spe-
cimen. Gunnerus, Schriften der Drontheim.
Gesellchaft. B. 2. S. 299. - 3. Raia.
R. clanata.Olaffen’s und Povelsen’s Reise
durch Island. Th. 2. §. 897.
R. miraletus.Camper’s kl. Schriften. B. 2.
St. 2. S. 24.
R. torpedo. Zu beyden Seiten des Rückens
gleich unter der Haut liegen zwey sichelähnli-
che Organe, die von aussen einem netzartigen
Gewebe ähnlich sind, inwendig aber aus Kö-
chern von der Dicke einer Gänsefeder bestehen.
Die letztern liegen dicht neben einander von
dem Rücken nach dem Bauche zu. Jeder der-
selben enthält der Länge nach ohngefähr drey-
ſsig Zellen, in denen sich eine weisse, weiche
Materie befindet, und worin sich zahlreiche
und groſse Nervenäste verbreiten. Kämpfer
ammoen. exot. fasc. 3. obs. 2. p. 509. Loren-
zini osservazioni intorno alle torpedini. Flo-
rent. 1678. Reaumur, Mem. de l’Acad. des sc.
à Paris. 1774. Phil. Trans. Vol. LXIII. - 4. Chimaera.
C. monstrosa.Gunnerus, Schriften der Dront-
heim. Gesellsch. B. 2. S. 248. - 5. Petromyzon.
P. fluviatilis.Waldschmidt in Misc. N. C.
d. 3. a. 5 et 6. p. 545.
Petro-
[303]Petromyzon marinus. Das Herz liegt unter
dem Zwerchfelle in einer dicken, knorpelichten
Kapsel. Bloch’s Fische Deutschl. Th. 3. S. 40.
Schriften der Berlin. Gesellsch. B. VII. S. 441. - 6. Myxine.
M. glutinosa. Keine Augen. Statt der Kie-
men an jeder Seite des Körpers sechs linsenähn-
liche Bläschen, die durch einen einzigen ge-
meinschaftlichen Canal mit Wasser angefüllt
werden, und durch einen andern einfachen Ca-
nal dasselbe wieder ausleeren. Gunnerus,
Schriften der Drontheim. Gesellsch. B. 2. S. 230.
Bloch’s ausl, Fische. Th. 9. S. 67.
Sechstes
[304]
Sechstes Kapitel.
Mollusken(f).
Immer dunkler werden die Spuren von der Orga-
nisation des Menschen, je näher wir in der Reihe
der Thiere den Zoophyten kommen. Aber der in-
nere Bau zeigt uns doch noch einige Verwandt-
schaft, wenn auch der äussere nach einem ganz an-
dern Modell, wie der des Menschen, geformt zu
seyn scheint. Wer nie eine andere Organisation,
als seine eigene, gesehen hätte, und einen Kugel-
fisch erblickte, würde schwerlich eine der seinigen
ähnliche innere Struktur bey diesem ahnen. Noch
mehr
[305] mehr ist dies der Fall bey den Mollusken. Eine an-
dere lebende Welt eröffnet sich für uns, sobald wir
die äussere Form dieser Thiere mit der unsrigen
vergleichen, ohne auf ihre innere Organisation und
auf die Zwischenglieder, wodurch sie in der Kette
der Natur an uns geknüpft sind, Rücksicht zu neh-
men. Jener Unterschied von Kopf, Brust und Un-
terleib, wovon wir bey den Amphibien und Fischen
doch noch einige, wenn auch nur schwache Spuren
finden, verschwindet hier ganz. Der Kopf läſst sich
bey manchen nur aus der Gegenwart des Mundes
noch erkennen, und selbst dieser ist zuweilen sehr
verborgen. Nur wenige haben an demselben Au-
gen, und noch wenigere Ohren. Keines hat ein
Organ, das sich seiner Struktur nach mit der Nase
der höhern Thierclassen vergleichen liesse. Statt
des fehlenden Geruchswerkzeugs sind indeſs jene
Theile, die wir bey den Fischen Bartfasern (cirri)
nannten, hier als sogenannte Fühlfäden (tenta-
cula) desto mehr ausgebildet und zu desto mannich-
faltigern Zwecken eingerichtet. Sie sitzen auch
hier, wie bey den Fischen, in der Nähe des Mun-
des. Bey mehrern Mollusken aber vertreten sie die
Stelle der äussern Bewegungsorgane, und bey die-
sen sind sie zugleich mit Säugdrüsen zum Festhal-
ten versehen; bey andern tragen sie an ihren Enden
augenähnliche Organe. Nur wenige haben ausser
diesen Fühlfäden auch Flossen, wie die Fische.
Den meisten fehlen alle äussere Gliedmaaſsen, und
I. Bd. Usie
[306] sie bewegen sich entweder durch eine abwechselnde
Zusammenziehung und Erschlaffung ihrer Bauch-
muskeln, oder sie sind einer fortschreitenden Be-
wegung ganz unfähig. Der ganze Körper ist mit
einer Menge Schleimdrüsen besetzt, und bey man-
chen von allen, aktiven sowohl, als passiven Ver-
theidigungsmitteln entblöſst, bey mehrern aber an
einem kalkartigen Gehäuse durch Muskeln befestigt,
das entweder aus mehrern Klappen zusammenge-
setzt ist, die von dem Thiere nach Willkühr geöff-
net und geschlossen werden können, oder welches
nur aus einem einzigen Stücke besteht, das von
dem Bewohner verlassen und wieder bezogen wird.
Im letztern Falle zeichnet sich dasselbe gewöhnlich
durch spiralförmige Windungen aus. Die Grund-
lage desselben ist, wie bey dem Skelett der roth-
blütigen Thiere, eine knorpliche, membranöse,
oder häutige Substanz, die mehrere Gradationen
von der zarten, kaum sichtbaren Gallerte an bis zu
den vollkommen organisirten Häuten durchgeht.
Aber der erhärtende Bestandtheil ist nicht, wie bey
diesen, phosphorsaure, sondern kohlensaure Kalk-
erde (g).
Dieser äussern Verschiedenheit der Mollusken
von den höhern Thierclassen ohngeachtet finden
wir dennoch in ihrem Innern zum Theil die Orga-
nisa-
[307] nisation der letztern wieder. Wir sehen ein Ge-
hirn; ein Herz mit Arterien und Venen; in diesen
Gefäſsen eine Flüssigkeit, welche eben so wohl,
als das Blut der Säugthiere, Vögel u. s. w. Faserstoff
(Fibrine) enthält; Kiemen, wie bey den Fischen;
einen Brust- oder Rückenknochen; eine Art von
Zähnen; einen gewundenen und bey einigen sogar
aus einem muskulösen Magen entspringenden Darm-
canal, und eine sehr groſse Leber. Zum Theil
aber entspricht allerdings auch jener Verschiedenheit
des äussern Baues eine eben so groſse der innern
Organisation. Die Lage aller innern Organe hat
keine Aehnlichkeit mehr mit der, die wir bey
dem Menschen antreffen. Das Gehirn z. B. ruhet
auf dem Schlunde, blos durch eine Fettlage von
diesem getrennt. Von manchen Organen der hö-
hern Thierclassen findet sich nichts Analoges, so
von einer Milz und einem Pancreas. Dagegen fin-
den sich Theile, wovon nichts Aehnliches bey den
höhern Thierclassen vorhanden ist, so bey den Se-
pien der Dintensack, bey mehrern Schnecken der
Purpurbeutel u. s. w. Das Blut ist von weisser
oder bläulicher Farbe, und der Faserstoff bildet sich
nicht im Cruor, sondern seine Fäden schwimmen
frey in dem Serum. Die männlichen und weibli-
chen Geschlechtsorgane sind nur bey wenigen in
verschiedenen Individuen vertheilt, und bey diesen
ist der Bau jener Organe so eigen, daſs sich ihre
Bestimmung oft nicht einmal muthmaſsen läſst.
U 2Bey
[308] Bey einer gröſsern Anzahl von Mollusken sind bey-
derley Zeugungsorgane in einem einzigen Individu-
um vereinigt, und bey diesen ist die Bestimmung
mancher jener Theile in ein noch gröſseres Dunkel
gehüllt, wie bey den vorigen. Bey andern endlich
ist gar keine Spur von männlichen Geschlechtsthei-
len bemerkbar; ihre Zeugungsorgane scheinen sich
blos auf einen Eyerstock zu beschränken.
Die meiste Aehnlichkeit mit der Organisation
der höhern Thierclassen treffen wir unter den Mol-
lusken in der Familie der Sepien an. Ein musku-
löser Sack; ein aus diesem hervorragender, dicker,
mit einem hornartigen Schnabel und groſsen Augen
versehener Kopf; neben diesem ein trichterförmi-
ger Canal, der die Stelle des Afters vertritt; um den
Kopf sitzende und mit Saugplatten versehene Fühl-
fäden: dies sind die vornehmsten unter den äussern
Charakteren dieser Familie. Von den fünf zu ihr
gehörigen Geschlechtern Sepia, Loligo, Octopus,
Argonauta und Nautilus sind die beyden letztern
mit gewundenen Gehäusen versehen, die übrigen
aber schaalenlos.
Die erwähnte Aehnlichkeit der Sepien mit den
höhern Thierclassen zeigt sich vorzüglich im Innern
derselben. Sie haben unter allen Mollusken die
meisten Ueberbleibsel von einem innern Skelett.
Das eigentliche Geschlecht Sepia hat knorpliche
Kapseln, worin das Gehirn und die Augen liegen,
einen
[309] einen Ring von einer ähnlichen Substanz, woran
die Fangarme befestigt sind, ein hornartiges, dem
Schnabel des Papageyen ähnliches Gebiſs, cartilagi-
nöse Säulen zu beyden Seiten der Leber, und einen
groſsen Rückenknochen von einer muschelartigen
Substanz.
Das Gehirn liegt bey diesem Geschlechte zwi-
schen den Augen über dem Schlunde in einem fet-
ten Schleime. Es gleicht einem Kegel, dessen
Spitze und Grundfläche abgerundet sind. Die Basis
hat einen ringförmigen Fortsatz, der dem Schlunde
zum Durchgange dienet, und ruhet auf zwey Hü-
geln (Sehehügeln?), von denen die beyden Ge-
sichtsnerven ausgehen, die vor ihrer Vertheilung in
den Augen zu groſsen Ganglien anschwellen. Un-
ter diesen Hügeln zu beyden Seiten neben dem Aus-
tritte des Schlundes entspringen die Gehörnerven;
ferner ein Nervenpaar, das zur Leber geht; ein
anderes, das einen groſsen Plexus bildet und sich in
den Eingeweiden des Unterleibs vertheilt; und ein
viertes, welches die äussern Theile des Unterleibs
versorgt, nachdem es vorher ein groſses Ganglion
gebildet hat. Aus dem obern Theile des Gehirnke-
gels, über den Augennerven, entstehen drey Ner-
venpaare, die zu den Fangarmen und den Freſs-
werkzeugen gehen. Das eine derselben schwellet
zu einem groſsen Knoten an, aus welchem die Ner-
ven der Fangarme in strahlenförmiger Gestalt ent-
U 3sprin-
[310] springen, einer Gestalt, die überhaupt allen Ner-
venknoten der Sepien eigen ist.
Die Augen sind groſs und haben breite Augen-
lieder. Der Glaskörper hat die gewöhnliche Bil-
dung. Aber die Crystallinse ist hinten in eine wei-
chere Materie eingeschlossen, und vorne, ohne die
Zwischenkunft von einer Iris und wäſsrichten Flüs-
sigkeit, an die Hornhaut geleimet.
Das einfache Gehörorgan liegt an dem hintern
Theile des Kopfs in einer knorpelartigen Erhaben-
heit verborgen. In dieser Hervorragung befinden
sich zwey ovale, durch eine Scheidewand getrennte
Gruben, und jede der letztern enthält ein länglich-
tes, mit einer wäſsrichten Feuchtigkeit angefüll-
tes Bläschen, in welcher an ihrem Grunde bey der
Sepia officinalis ein muschelförmiges Knöchelchen,
bey der Loligo vulgaris ein Steinchen von kreiden-
artiger Substanz und kegelförmiger Figur befestigt
ist. Der Gehörnerve durchbohrt gleich nach sei-
nem Austritte aus dem Gehirne mit drey bis vier
Fäden die knorplichte Wand, wodurch die Höhlung
der Grube, welche die Gehörblase enthält, vom Ge-
hirne abgesondert ist, geht hierauf durch die an
jener Wand befestigte Spitze dieses Bläschens in das-
selbe über, und breitet sich hier in eine blendend
weisse breyartige Substanz aus (h).
Die
[311]
Die Kiemen sind zwey kegelförmige, graue,
mit vielen weissen Blutgefäſsen durchwebte Körper,
wovon an jeder Seite einer, inwendig an der losen
muskulösen Scheide zwischen dieser und den Ein-
geweiden des Bauchs liegt, und deren jeder mit ei-
nem besondern Herzen versehen ist.
Das Herz nehmlich ist dreyfach. Zwey Herzen
liegen zu beyden Seiten des Körpers beym Anfange
jeder Kiemenschlagader, und eines in der Mitte.
Jene bestehen aus Einer Vorkammer und Einem
Ventrikel, und sind in einem groſsen Herzbeutel
eingeschlossen. Die Vorkammer empfängt ihr Blut
aus der Hohlader, die sich nahe an der Rückenseite
der Leber in zwey gleiche Aeste theilt. Aus dem
Ventrikel wird das Blut durch eine groſse Lungen-
arterie in die nächste Kieme getrieben, und hier-
aus durch die Lungenvenen zu dem dritten mittlern
Herzen geführt. Dieses ist muskulös und hat die
Gestalt zweyer, mit der Basis zusammengefügter
Kegel. Aus dem vordern Ende desselben kömmt
eine vordere, und aus dem hintern eine hintere
Aorte hervor. Jene geht zu den Armen, zum Kopfe,
zu der Leber, den auf dem Rückenknochen liegen-
den Muskeln, der Speiseröhre und den Zeugungsor-
ganen; diese versorgt mit ihren Zweigen die beyden
Kiemenherzen, den Dintenbeutel, den Schwanz
und den untern Theil der äussern muskulösen
Scheide.
U 4In
[312]
In der Höhlung des Schnabels breitet sich eine
mit mehrern Reihen von Zähnen besetzte Haut aus.
Der obere, breitere, umgebogene und bewegliche
Theil besteht aus Knorpeln, die sowohl unmittel-
bar, als durch eine Membran an einander befestigt
sind, und dieser vertritt die Stelle der Zunge; der
untere verlängert sich in eine Röhre und bildet den
Schlund.
Der Schlund geht durch den Hirnring nach der
Brust, ruhet hier auf zwey Speicheldrüsen, die mit
ihm zusammenhängen, begiebt sich darauf in gera-
der Richtung nach dem Bauche hin, und endigt sich
dort in einem groſsen muskulösen Magen. Dieser
hat am Pförtner einen groſsen gewundenen Blind-
darm, worin eine ähnliche Feuchtigkeit, wie in
den Pförtner-Anhängen der Fische enthalten ist.
Der Darmcanal ist kurz, macht einige Biegungen
und endigt sich in die oben erwähnte trichterförmige
Röhre, welche die Stelle des Afters vertritt.
An der vordern Seite des Schlundes, der Länge
des Körpers nach, liegt die Leber, die von groſsem
Umfange ist, und zwischen dieser und dem Mast-
darme der Dintensack, ein Behälter, welcher theils
häutig, theils muskulös, mit Blutgefäſsen durch-
webt, und auf seiner innern Fläche von drüsichter
Struktur ist. Die Dinte ist ohne Geschmack und
gerinnbar.
In
[313]
In Ansehung der Zeugungstheile der Sepien
wissen wir nur soviel mit Gewiſsheit, daſs beyder-
ley Geschlechtstheile bey ihnen, wie bey den hö-
hern Thierclassen, in verschiedenen Individuen
vertheilt sind. Der Bau, die Lage und Verbindung
dieser Theile aber haben mit denen der letztern we-
nig Aehnlichkeit.
Die übrigen Mollusken lassen sich nach ihrer
gröſsern oder geringern Aehnlichkeit mit den Sepien
in fünf Familien abtheilen. Zuerst nehmlich zer-
fällt diese ganze Thierclasse in zwey gröſsere Ab-
theilungen: in solche, die ein Analogon von einem
Kopfe haben, und in solche, denen dieses fehlt. Jene
haben entweder ein hornartiges Gebiſs, und diese
sind die eben geschilderten Sepien; oder ihr Mund
ist fleischicht, und diese sind die Lernäen und
Schnecken. Die Lernäen nähern sich den Sepien
durch Fühlfäden, die zugleich als Bewegungsorgane
dienen, da bey den Schnecken diese Organe blos zu
Sinneswerkzeugen, zur fortschreitenden Bewegung
aber blos die Muskeln ihrer scheibenförmigen Bauch-
fläche geeignet sind. Beyde Familien haben gleich
den Sepien entweder gar kein Gehäuse, oder nur
ein einschaalichtes.
Unter den kopflosen Mollusken haben einige
blos fleischichte, andere aber artikulirte, den An-
tennen der Insekten ähnliche Fühlfäden. Die letz-
U 5tern
[314] tern sind die Balanen. Die erstern, ungleich zahl-
reichern, lassen sich weiter eintheilen in Austern,
die einen aus zwey Hälften bestehenden Mantel ha-
ben, welche blos am Schlosse der zweyklappichten
Schaale mit einander verbunden, an den entgegen-
gesetzten Rändern aber frey sind; und in Phola-
den, deren Mantel sackförmig oder cylindrisch,
und an dem einen oder an beyden Enden offen ist.
Die Lernäen und Schnecken haben ausser dem
angegebenen Unterschiede wenige allgemein pas-
sende, positive Eigenthümlichkeiten. Die beyden
Gattungen Aplysia depilans und Helix pomatia las-
sen sich für die Muster annehmen, wonach beyde
Familien gebildet sind, und von welchen die übri-
gen Geschlechter und Arten meist nur in weniger
bedeutenden Punkten abweichen.
Ein eyförmiger Körper; ein länglichter, mit
vier Fühlfäden besetzter Kopf, von welchen aber
doch eigentlich nur die beyden obern diesen Namen
verdienen; an der Basis dieser obern oder hintern
Fühlfäden zwey dunkelschwarze, mit einem weis-
sen Kreise umgebene Augen; ein auf der untern
und rechten Seite des Halses entstehender fleischich-
ter Mantel, der den übrigen Körper umkleidet, von
dem Thiere willkührlich zurückgezogen und aus-
gespannt wird, und im erstern Falle den Rücken
entblöſst, den gröſstentheils ein muschelförmiger,
mit zwey Häuten bedeckter Knochen einnimmt,
unter
[315] unter welchem die Kiemen liegen; neben dem hin-
tern Ende dieses Rückenschildes eine Oeffnung,
welche die Stelle des Afters vertritt; an dem vor-
dern Ende desselben eine zweyte Oeffnung, die zur
Mutterscheide führt, und neben dem Munde eine
dritte, mit jener zweyten durch eine Furche ver-
bundene Oeffnung, aus welcher das männliche
Glied zur Zeit der Turgescenz hervortritt; endlich
eine aus mehrern, nach verschiedenen Richtungen
laufenden Muskelsträngen zusammengesetzte Bauch-
fläche: dies ist es, was die Aplysia depilans dem
Aeussern nach charakterisirt.
Im Innern dieses Thiers findet sich gleich un-
ter den Bauchdecken oben am Munde der Schlund,
diesem zunächst der erste Magen, dann der zweyte,
und an diesem ein Darmcanal, der sich mit meh-
rern Krümmungen in den After endigt. Der Mund
ist zahnlos und der Schlund ohne Runzeln und Fal-
ten. Seine äussere Seite ist gegen die Regel, nach
welcher alle weiſsblütige Thiere weisses Fleisch ha-
ben, mit verschiedenen Lagen von rothen Mus-
keln umgeben. An seinem hintern Theile liegt
eine Speicheldrüse. Der erste Magen hat eine kap-
penähnliche Gestalt und ist häutig. Der zweyte
Magen, welcher gleich unter ihm liegt, hat die Form
eines abgestumpften Kegels, besteht aus ringförmi-
gen, starken und, wie am Schlunde, rothen Mus-
kelfasern, welche auswendig von einer zarten,
durch-
[316] durchsichtigen Haut umgeben, inwendig aber,
gleich dem Magen der Hühner, mit einer festen,
fast sehnichten Membran bedeckt sind, und enthält
drey Reihen von knorplichten Zähnen.
Ueber dem Schlunde liegt das Gehirn, wie bey
allen übrigen Mollusken, in der Form zweyer Halb-
kugeln, welche die Speiseröhre mit einem ringför-
migen Fortsatze umfassen. Die unmittelbar aus
ihm entspringenden Nerven schwellen an mehrern
Stellen zu groſsen Knoten an, die sich, wie bey den
Sepien, in strahlenförmiger Gestalt ausbreiten.
Nach dem zweyten Magen folgt der Darmcanal,
der, gleich dem ersten Magen, häutig ist, und mit
mehrern Krümmungen durch die Leber zum After
geht.
Die Leber, welche alle Krümmungen des Darm-
canals begleitet, besteht fast aus eben so vielen
gröſsern Lappen, als dieser Canal Krümmungen
macht, und ist von einem so groſsen Umfange, daſs
sie der Gröſse aller übrigen Eingeweide zusammen-
genommen gleich kömmt. Sie hat aber keine Gal-
lenblase.
In einerley Höhle mit den Verdauungsorganen
befinden sich die männlichen und weiblichen Ge-
burtstheile, welche hier, wie überhaupt bey den
Schnecken und Lernäen, die sich wechselseitig be-
gatten, ohne sich jedoch wechselseitig zu befruch-
ten,
[317] ten, in Einem Individuum vereinigt sind. Die zun-
genförmige, undurchbohrte, aber zur Zeit der
Turgescenz mit einer Rinne versehene männliche
Ruthe liegt abgesondert von den übrigen Zeugungs-
theilen in einer Scheide am Halse, woraus sie durch
die oben erwähnte Oeffnung hervortritt. Die übri-
gen männlichen Zeugungstheile sind ein herzförmi-
ges, hodenähnliches Eingeweide, das am untern
Theile des Darmcanals und der Leber befestigt ist,
und ein schlangenförmig gewundenes, dem Neben-
hoden analoges Gefäſs, das aus der Mitte jenes Ein-
geweides entspringt, und einen milchichten Saft
enthält. Beyde Organe stehen aber nicht mit dem
männlichen Gliede, sondern mit den weiblichen Ge-
burtstheilen in Verbindung.
Diese weiblichen Zeugungsorgane sind die Mut-
terscheide, ein kugelförmiges Organ von unbekann-
tem Nutzen (i), und der Eyerstock mit dem Eyer-
gange. Die Mutterscheide ist ein gebogener, zum
Theil drüsichter und muskulöser Canal, dessen
äussere Oeffnung an der rechten Seite der Aplysia
liegt. Sie endigt sich in dem erwähnten kugelför-
migen Eingeweide, welches zum Theil unter den
Därmen und in der Leber verborgen ist, eine dem
Gehirne anderer Thiere nicht unähnliche Textur hat,
und den erwähnten schlangeförmigen Nebenhoden
auf-
[318] aufnimmt. Der runde Eyerstock liegt fast in der
Mitte des Körpers. Von ihm entsteht ein dünner
Canal (der Eyergang), der sich in die Spitze der
Biegung, welche die Mutterscheide macht, inserirt,
und zwar so, daſs der Weg aus dem Eyerstocke
in die Mutterscheide offen, der Rückweg aber ver-
sperrt ist.
Die Eyer der Aplysia werden also, wie aus die-
ser Struktur erhellet, bey ihrem Uebergange in die
Mutterscheide durch den Saamen desselben Indivi-
duum’s befruchtet, der sich aus dem Hoden durch
den Nebenhoden in das kugelförmige Organ und
daraus in die Mutterscheide ergieſst, und die wech-
selseitige Begattung dienet blos dazu, die Auslee-
rung des Saamens und der Eyer zu bewirken.
Ausser diesen Eingeweiden enthält der Körper
der Aplysien in einer besondern Höhle noch eine
Giftdrüse, die Kiemen und das Herz. Die Kiemen
füllen den hohlen Theil des Rückenknochens aus,
sind in zwey Lappen getheilt, und durch zwey
starke Bänder befestigt. Jeder Lappen gleicht einer
halbmondförmigen Franze. Den innern glatten Bo-
gen machen die erwähnten Bänder aus; der aus-
wendige Bogen hängt frey, und besteht aus ver-
schiedenen Aesten, wovon sich jeder wieder in klei-
nere Zweige theilt. Zwischen beyden Lappen nach
dem innern Bogen hin läuft die Kiemenschlagader.
Unter
[319] Unter ihnen liegt das Herz, das nur einen einfachen
Ventrikel mit einer einzigen Vorkammer hat, einem
hohlen pyramidenförmigen Muskel ähnlich und mit
zwey Gefäſsen versehen ist, wovon das eine sich
an der Grundfläche der Pyramide endigt, das an-
dere aus der Spitze derselben hervorkömmt.
Dasselbe Muster, wonach die Aplysia gebildet
ist, finden wir auch in der Hauptsache bey der
Weinbergschnecke (Helix pomatia), so wie bey al-
len Lernäen und Schnecken, wieder. Nur in fol-
genden Stücken entfernen sich beyde von einander.
Der Kopf der Weinbergschnecke trägt vier
wahre Fühlfäden, zwey groſse und zwey kleine,
die mit eigenen Muskeln und Nerven reichlich ver-
sehen sind. Die beyden Augen, worin Swammer-
damm die nehmlichen drey Säfte entdeckte, die sich
in den Augen der höhern Thierclassen finden, sitzen
nicht an den Wurzeln, sondern an den Spitzen der
beyden gröſsern Fühlfäden. Der Rücken trägt nicht
ein Schild, sondern ein gewundenes Gehäuse, das
den gröſsten Theil der Eingeweide dieses Thiers
enthält. Statt des Mantels der Aplysia findet sich
hier ein fleischichter Saum, der den Rand des Ge-
häuses umfaſst, und dieses mit dem Rücken der
Schnecke verbindet. Die Oeffnung am Halse, die
bey der Aplysia blos zur Scheide des männlichen
Gliedes führt, enthält bey der Weinbergschnecke
zugleich
[320] zugleich den Eingang zur Mutterscheide. Der Af-
ter liegt rechter Hand an dem Saume, der den Rand
des Gehäuses umgiebt, und neben diesem ist noch
eine andere Oeffnung zum Athmen vorhanden, die
sich nicht bey der Aplysia findet.
Unter den innern Organen unterscheiden sich
zuerst die Freſswerkzeuge von denen der Aplysia.
Zieht man nehmlich die äussern Lippen von einan-
der, so erscheinen acht knorpelartige, unter einan-
der verwachsene Zähne, und am untersten Theile
des Mundes da, wo bey den Säugthieren die untere
Kinnlade liegt, nach vorne zwey inwendige Lippen,
welche beym Fressen die Bewegung der Speise len-
ken. Hinter diesen findet sich ein gebogenes Knor-
pelchen, mit dessen unterm und hinterm Theile die
Zunge verwachsen ist, und unter dessen hohler
Beugung sich diese beym Hinunterschlucken auf
ähnliche Art verbirgt, wie bey uns der Kopf der
Luftröhre unter dem Kehldeckel. Am vordern En-
de der Zunge sitzt noch ein anderer kleiner Knor-
pel, der sich in drey zarte Haken endigt, und mit
welchem die Weinbergschnecke ihre Speise in den
Mund zieht.
Statt dieser zusammengesetztern Freſswerk-
zeuge fehlt aber der Weinbergschnecke der musku-
löse, mit Zähnen versehene zweyte Magen der
Aplysia. Ihr Darmcanal hat nur eine einzige zarte
und dünne Erweiterung, welche die Stelle des Ma-
gens
[321] gens vertritt. Auf diesem liegen zwey schneeweisse
Speicheldrüsen, deren Ausführungscanäle sich hin-
ter den Zähnen am Gaumen öffnen.
Zwischen dem Herzen, der Leber und den Ge-
därmen befindet sich ein Organ, wovon nichs Aehn-
liches bey der Aplysia vorhanden ist, der Kalk-
beutel. Er ist dreyeckig, hängt mit den angeführ-
ten Organen genau zusammen, enthält einen kalk-
artigen Saft, und ergieſst sich durch einen ziemlich
weiten Canal in die Mutterscheide.
Verschieden von der Aplysia ist ferner die
Weinbergschnecke in Ansehung ihrer Zeugungs-
theile. Wir finden zwar auch bey dieser eine männ-
liche Ruthe, eine Mutterscheide, einen Eyerstock,
einen dem kugelförmigen Organe der erstern ähnli-
chen Theil, und einen Hoden, der sich durch ein
geschlängeltes Gefäſs in diesen öffnet (k). Aber das
männ-
I. Bd. X
[322] männliche Glied liegt in seiner Scheide neben der
Mutterscheide, und diese schwellet, gleich jenem,
gegen die Zeit der Begattung an, und tritt mit dem-
selben durch einerley Oeffnung umgestreift hervor,
um das männliche Glied einer andern Schnecke auf-
zunehmen. Auch geht die Mutterscheide nicht, wie
bey der Aplysia, zu dem kugelförmigen Organ,
sondern zu dem Eyerstocke, der hier nicht rund,
sondern eine lange, um ein festes Band spiralförmig
gewundene Röhre ist. Diese Röhre öffnet sich in
das erwähnte Organ, das aber hier nicht kugelför-
mig, sondern oval ist.
Ausserdem finden sich an den Zeugungsorganen
der Weinbergschnecke noch verschiedene andere
Theile, die man nicht bey der Aplysia antrifft,
nehmlich der Liebespfeil, den diese Thiere vor der
Begattung auf einander abschiessen; der Behälter
desselben mit dessen blinden Anhängen; der Pur-
purbeutel; und ein Verbindungscanal zwischen der
Scheide der männlichen Ruthe und der Mutter-
scheide. Der Liebespfeil ist ein kalkartiger, birn-
förmiger Körper mit einem pfriemenförmigen Stiel,
und der Behälter desselben ein fester, muskulöser
Sack, der sich in die Mutterscheide öffnet. In die-
sen Behälter ergiessen sich zwey hohle Canäle, die
sich in Aeste und Zweige vertheilen, an ihren äus-
sersten Enden verschlossen sind, und einen weis-
sen, dicken Saft enthalten, der vielleicht zur Bil-
dung
[323] dung jenes Pfeils dienet (l). Der Purpurbeutel ist
ein hohles, birnförmiges Organ, das nahe am Her-
zen liegt, einen dicken, purpurfarbenen Saft ent-
hält, und sich durch einen länglichten Canal erst
in den Eyergang und dann in die Mutterscheide
öffnet.
Verschieden von der Aplysia ist endlich noch
die Weinbergschnecke in Ansehung ihres Respira-
tionsorgans. Dieses nehmlich ist eine mit einem
Netze von Blutgefäſsen tapezirte Höhle, die sich
innerhalb dem Gehäuse bis zur zweyten und drit-
ten Windung der Gedärme und der Leber erstreckt,
und mit den blasenförmigen Kiemen der Lampreten
übereinkömmt, da hingegen die Respirationswerk-
zeuge der Aplysia den blätterförmigen Kiemen der
Grätenfische gleichen.
Mit
X 2
[324]
Mit einem jener beyden Thiere kommen alle
übrige Lernäen und Schnecken in ihrer Organisa-
tion gröſstentheils überein, und da, wo sich diese
von jenen unterscheiden, betrifft der Unterschied
meist nur Organe, die von geringerer Wichtigkeit
sind, z. B. die Form des Gehäuses, des Mantels,
oder des Saumes u. dgl. Aehnlich der Aplysia de-
pilans ist z. B. Bulla aperta. Mit Helix Pomatia
kommen Helix putris, Helix nemoralis, und Turbo
littoreus überein. Andere nähern sich in einigen
Stücken der Aplysia depilans, in andern der Wein-
bergschnecke, so z. B. das Geschlecht Limax, wel-
ches in allen Stücken der letztern ähnlich ist, nur
daſs es statt des Gehäuses ein Dach mit einem
Rückenknochen, einen muskulösen Magen, einen
Purpurbeutel, der sich nicht in den Eyerstock und
in die Mutterscheide, sondern entweder in ein eige-
nes Loch, das neben den Oeffnungen der Mutter-
scheide und des Behälters der männlichen Ruthe
liegt, wie bey Limax cinereus, oder in die Scheide
des männlichen Gliedes, wie bey L. ater, ergieſst,
und keinen Canal, sondern ein bloſses Ligament
zwischen der Ruthe und dem Ligament des Eyer-
stocks hat; ferner die Wasserschnecke (Helix stag-
nalis), deren Augen nicht an den Gipfeln, sondern
an den Wurzeln der Fühlfäden liegen, welche statt
der einfachen Oeffnung für beyderley Zeugungsglie-
der, die sich bey der Weinbergschnecke finden,
deren zwey hat, und bey welcher der Magen fast
knor-
[325] knorpelartig und mit Zähnen besetzt ist; so auch
Planorbis purpura, Tethys fimbria, Clio borea-
lis u. s. w.
Die letzten Familien der Mollusken waren die
der Austern, Pholaden und Balanen. Bey allen
diesen Thieren findet sich ein bloſser Rumpf ohne
Kopf, der in einen fleischichten Mantel ganz einge-
hüllet ist, und ausser diesem entweder gar keine
weitere Bedeckung, oder ein Gehäuse hat, das aus
mehr als Einem Stücke besteht. Einige haben eine
mit starken Muskelfasern versehene Verlängerung
des Bauchs, die entweder zur Befestigung des
Thiers vermittelst einer klebrigen Materie, wie bey
den Geschlechtern Lima, Pinna, Mytilus u. s. w.,
oder zur fortschreitenden Bewegung, wie bey dem
Holzbohrer (Teredo), den Pholaden u. s. w. die-
net (m), und aus deren knorpelartigen Wurzel alle,
in die Schaale sich inserirende Muskeln entsprin-
gen. Bey andern aber fehlet ein solcher Fuſs, und
diese sind gar keiner, oder höchstens nur einer sehr
geringen, fortschreitenden, aktiven Bewegung
fähig.
Eine elliptische, mit zwey Lippen, und zu
beyden Seiten mit dreyeckigen, ovalen, oder band-
förmi-
X 3
[326] förmigen, auswendig gestreiften Anhängen (Fühl-
fäden?) versehene Spalte am vordern Ende des
Körpers, die sich in einen röhren- oder trichterför-
migen Schlund fortsetzt, vertritt die Stelle des Mun-
des. Bey den Austern ist sie blos fleischicht; bey
den Balanen und den mit Schaalen versehenen Thie-
ren aus der Familie der Pholaden, wo sie Zähne
hat, gleicht sie sowohl durch ihre Form, als durch
die schaalichten Kinnladen und Palpen, womit sie
besetzt ist, den Freſswerkzeugen der Crustaceen
und Insekten. In Ansehung des Magens nähern sich
diese Familien der Aplysia und den ähnlichen Mol-
lusken aus der vorhergehenden Ordnung. Er ist,
wie bey den letztern, meist doppelt und muskulös.
Bey manchen hat er einen scheidenförmigen, oft
an dem dicken Darme befestigten Anhang von knor-
pelartiger Substanz, worin der Krystallgriffel mit
dessen keulenförmigen Ende steckt. Dieser letztere
Theil, dessen Funktion noch problematisch ist, be-
steht aus einer durchsichtigen, dem Flintglase ähn-
lichen, aber im frischen Zustande biegsamen Mate-
rie, und hat an dem, in die Höhlung des Magens
hervorragenden Ende einen dünnen, cartilaginösen,
dreyspitzigen Anhang. Der Darmcanal hat das Ei-
gene, daſs er nicht, wie bey den übrigen Thieren,
weiter, sondern enger vom Magen nach dem After
wird, daſs der Mastdarm von den beyden Aorten
eingeschlossen ist, und daſs der Unrath aus dem
letz-
[327] letztern in den untern Respirationscanal gelangt und
durch diesen ausgeleert wird.
Ueber dem Maule soll, nach Cuvier’s Unter-
suchungen, das Gehirn liegen. Aus diesem sollen
nach vorne zwey Fortsätze entspringen, welche,
wie bey den Sepien, Lernäen und Schnecken, einen
Ring um die Speiseröhre bilden, und nach hinten
zwey Nerven, die nahe am After in einem groſsen
Knoten zusammenkommen (n). Poli hingegen
konnte bey seinen vielen und genauen Zergliede-
rungen dieser Mollusken nie eine Spur von Gehirn
und Nerven entdecken, und auch mir ist dies bey
dem Mytilus edulis, mit dessen Zergliederung ich
mich seit mehrern Jahren beschäftigt habe, immer
unmöglich gewesen. Da, wo Poli anfangs etwas
Hirn- und Nervenartiges gefunden zu haben glaub-
te, zeigte sich bey näherer Prüfung, daſs er entwe-
der das kalkbereitende Organ, oder den Milchbehäl-
ter und die Milchgefäſse für Theile des Nervensy-
stems angesehen hatte (o). Wahrscheinlich wurde
auch
X 4
[328] auch Cuvier durch diese letztern Organe getäuscht:
denn gerade bey den Geschlechtern Pholas und So-
len, wo er das Nervensystem entdeckt haben
will (p), hat der Milchbehälter nebst dessen Ge-
fäſsen, nach Poli’s Abbildung (q) und Beschrei-
bung (r), dieselbe Lage und Figur, welche, Cu-
vier’s Angabe zufolge, das Gehirn mit den daraus
entspringenden Nerven haben soll.
Die
[329]
Die groſse Leber umfaſst auch hier, wie bey
den Lernäen und Schnecken, den Magen und einen
Theil der Gedärme, und auch ihr fehlt die Gallen-
blase. Die Galle wird durch mehrere Canäle in den
Magen geführt.
Zwischen dem Mastdarme und der Leber findet
sich auch bey diesen Mollusken jenes drüsichte,
mit einer kalkartigen Materie angefüllte Organ wie-
der, das wir bey den Schnecken den Kalkbeutel
genannt haben, und an jeder Seite des Mantels ein
Behälter, der mit einem rothen Safte angefüllt ist,
und mit dem Purpurbeutel der letztern über-
einzukommen scheint.
Noch gröſser, als die Leber, ist der Eyerstock,
das einzige Zeugungsorgan, das man in diesen Fa-
milien antrifft. Er besteht aus ästigen, gekrümm-
ten und unter einander verwickelten Schläuchen,
die in den Zwischenräumen der Muskeln liegen,
alle übrige Eingeweide bedecken, und zur Zeit der
Trächtigkeit die ganze Bauchhöhle einnehmen, ja
sogar in die Duplicatur des Mantels eindringen.
Ausser der Zeit der Fruchtbarkeit ist er hochroth.
Gegen diese Periode wird er braun, und endlich
milchfarben. Die Eyer werden nach ihrer Auslee-
rung aus dem Ovarium noch eine Zeitlang in klei-
nen, reihenweise geordneten Säckchen, womit die
Kiemen an ihren innern Rändern versehen sind,
aufbewahrt.
X 5Die
[330]
Die bisher angeführten Eingeweide liegen in ei-
ner Höhle, welche von muskulösen Decken gebil-
det wird. Verschieden von jener Cavität ist dieje-
nige, worin sich das Herz befindet. Diese ist in
dem hintern Theile des Rumpfs enthalten, und von
jener durch die Bauchdecken und durch eine eigene
Haut abgesondert. Das von einem Herzbeutel
umgebene Herz ist oval, muskulös und hat nur Ei-
nen Ventrikel, aber eine bis zwey Vorkammern,
welche den Ventrikel um Vieles an Weite übertref-
fen. Bey einigen, z. B. Arca Noae, finden sich, wie
bey den Sepien, zwey Herzen, eines an jeder Seite
des Thiers. Bey manchen, z. B. dem Geschlechte
Pinna, entspringet die absteigende Aorta aus zwey
Anhängen des Herzens, welche Vorkammern ähn-
lich sind, und diesem Organe das Ansehn eines
Herzens mit vier Herzohren geben. Die Gefäſse,
welche unmittelbar zum Herzen gehören, sind
zwey gröſsere Arterien und zwey Venen. Von je-
nen entspringt die eine aus dem obern Ende des
Herzens, und geht vorzüglich zum Herzen selber,
zum Herzbeutel und zum Mantel. Die andere,
welche aus dem untern Ende des Herzens entsteht,
vertheilt sich in den Verdauungsorganen, im Eyer-
stocke, im Fuſse, und in den Kiemen. Beyde Aor-
ten umfassen, wie schon oben bemerkt ist, den
Mastdarm. Uebrigens hat das Gefäſssystem dieser
Mollusken, nach Poli’s Beobachtung, noch das Ei-
gene, daſs sich weder die Venen durch die Arterien,
noch
[331] noch die Arterien durch die Venen anfüllen lassen,
obgleich das eingesprützte Quecksilber ungehindert
bis in die feinsten Haargefäſse dringt.
In Ansehung der Respirationswerkzeuge ma-
chen die Austern, Pholaden und Balanen den Ue-
bergang von den Fischen zu den Insekten. Sie ha-
ben, gleich jenen, groſse, gefäſsreiche Platten, die
zu beyden Seiten des Fuſses, der Leber, des Nah-
rungscanals und des Herzens gleich unter dem Man-
tel liegen, und das eingesogene Wasser zwischen
sich hindurch streichen lassen. Aber mehrere ha-
ben zugleich den Luftröhren der Insekten ähnliche
Canäle (Tracheen), welche meist aus dem obern
Ende des Mantels entstehen, und dey den Phola-
den, wo sie eine Verlängerung des Mantels sind,
die Kiemen selbst einschliessen. Sie enthalten zahl-
reiche kleinere, zum Einsaugen und Aussprützen
des Wassers eingerichtete, mit Sphinkteren verse-
hene, muskulöse Canäle, welche der Länge nach in
jenen fortgehen, an deren Mündungen in der Ge-
stalt zarter Fäden (cirri) auswendig hervorstehen,
mit ihren innern Enden in einem geräumigen Be-
hälter (lacunaPoli), der mit den Kiemen in un-
mittelbarer Verbindung steht, zusammenkommen,
und theils das aufgenommene Wasser den Bran-
chien zuführen, theils dasselbe wieder fortschaf-
fen. Daſs durch die Eine jener Tracheen sich
der Mastdarm entleert, ist schon oben bemerkt.
Bey
[332] Bey manchen dienet diese auch zur Exkretion
der Eyer.
Ordnungen und Geschlechter der Mol-
lusken.
- 1. Sepia. Lamarck, Mem. de la Soc. d’Hist. nat.
de Paris. Prairial. An. VII. p. 1.
S. officinalis. Swammerdamm’s Bibel der
Nat. S. 346. Tilesius in Isenflamm’s und
Rosenmüller’s Beiträgen für die Zergliede-
rungskunst. B. 1. H. 1 u. 2. - 2. LoligoLamarck.
L. vulgaris. Lister Tab. anat. IX. X. XXI.
Le Cat, Journal des Savans. 1765. Avril. p. 474.
T. Needham nouv. observ. microscop. Monro
Vergl. des Baues und der Physiol. der Fische etc.
S. 84. - 3. OctopusLamarck.
- 4. ArgonautaLinn.
- 5. NautilusLinn.
N. (Pompilius?). Severini Zootom. Demo-
crit. p. 355.
- 1. Lernaea L.
- 2. Scyllaea L.
3. Tha-
[333]
- 3. ThalisCuvier.
- 4. Clio L.
C. borealis. Cuvier, Bulletin de la Soc. phi-
lomath. An. VIII. n. 31. p. 52.
- 1. PterotracheaForskal.
- 2. Tethys L.
T. fimbria. Bohadsch marin. C. 2. - 3. PhyllidiaCuv.
- 4. Doris L.
- 5. Tritonia L.
- 6. Aplysia L.
A. depilans. Reaumur, Mém. de l’Acad. des
sc. à Paris. 1715. Bohadsch marin. C. 1. Cu-
vier Tableau élém. de l’Hist. nat. des anim.
Tab. VIII. IX. - 7. Limax L.
L. ater. Lister Tab. anat. V. fig. 1-3. Swam-
merdamm’s Bibel der Nat. Tab. IX. f. 1. p. 70.
L. cinereus. Redi de animalc. vivis etc. p. 58.
Lister Tab. anat. V. fig. 6-10. Swammer-
damm. Tab. VIII. fig. 7. p. 69. Comparetti
de aure intern. comp. p. 314.
L. agrestis. Lister Tab. anat. V. fig. 11.
L. flavus. Lister Tab. anat. V. fig. 4. - 8. Patella L.
- 9. Halyotis L.
10. Ne-
[334]
- 10. Nerita L.
N. fluviatilis. Swammerdamm. Tab. X.
fig. 2. p. 80. - 11. PlanorbisMülleri.
P. purpura (Helix cornea L.). Lister Tab.
anat. VII. fig. 2. 3. Swammerdamm. Tab. X.
f. 3. p. 80.
P. carinatus. Swammerdamm. Tab. X. f. 5.
p. 81. - 12. HelixMülleri. L.
H. Pomatia. Redi de animalc. vivis. p. 77.
Lister Tab. anat. I. Swammerdamm. Tab.
IV. p. 44.
H. vivipara. Lister Tab. anat. VI. f. 1. 2.
Swammerdamm. Tab. IX. f. 5-13. p. 73.
H. nemoralis. Lister Tab. anat. II. f. 1-5.
Swammerdamm. Tab. VIII. f. 6. p. 68.
H. stagnalis. Lister Tab. anat. VI. f. 3. 4.
Swammerdamm. Tab. IX. f. 4. p. 71.
H. lapicida. Lister Tab. anat. II. f. 8.
H. putris. Swammerdamm. Tab. VIII. f. 4.
p. 67.
H. heliotoidea. Cuvier, Bulletin de la Soc.
philomath. An. VIII. n. 31. p. 52. - 13. Bulla L. Olivi Zoolog. Adriatica. P. 1.
p. 138 sq.
B. aperta. Cuvier, Bulletin de la Soc. philo-
math. An VIII. n. 31. p. 52. - 14. Turbo L.
Turbo
[335]Turbo littoreus. Swammerdamm. Tab. IX.
f. 14. p. 78. Baster opusc. subseciv. T. I.
L. III. p. 110. - 15. Trochus L.
- 16. Murex L.
- 17. Strombus L.
- 18. Buccinum L.
B. ..Lister Tab. anat. VIII. - 19. Voluta L.
- 20. Cypraea L.
- 21. Conus L.
- 1. OstreaCuv.
O. edulis. Willisus de anim. brut. c. 3. p. 9.
Lister, Phil. Trans. 1697. p. 567. Cuvier
Tabl. élém. Tab. X. Poli Testacea. Tom. II.
p. 173.
O. cochlear. Poli Test. Tom. II. p. 180. - 2. Spondylus L.
S. gaideropus. Poli Test. Tom. II. p. 106. - 3. PlacunaCuv.
P. turbinata. Poli Test. Tom. II. p. 190.
Anomia turbinata.
P. truncata, Poli Test. T. II. p. 191. Anomia
truncata. - 4. AnomiaCuv.
A. caepa. Poli Test. Tom. II. p. 183.
Ano-
[336]Anomia squamula. Poli Test. T. II. p. 188. - 5. PectenCuv.
P. Jacobaeus. Lister Tab. anat. IX. f. 2.
Tab. XIII. f. 1-3. Tab. XVII. Tab. expl. p. 6.
Poli Test. Tom. II. p. 153. Ostrea Jacobaea.
P. maximus (?). Comparetti de aure inter-
na comp. p. 321. - 6. LimaCuv.
L. alba. Poli Test. Tom. II. p. 167. Ostrea
lima.
L. glacialis. Poli Test. T. II. p. 165. Ostrea
glacialis.
L. sanguinea. Poli Test. T. II. p. 162. Ostrea
sanguinea. - 7. PernaCuv.
- 8. AviculaCuv.
A. margaritifera. Le Beck, Asiatic resear-
ches. Vol. V. p. 393.
A. hirundo. Poli Test. T. II. p. 222. Mytilus
hirundo. - 9. MytilusCuv.
M. edulis. A. de Heyde anatome mytuli. Am-
stolod. 1684. Cuvier Tabl. élém. Tab. X.
Poli Test. Tom. II. p. 199.
M. lithophagus. Poli Test. Tom. II. p. 217. - 10. Pinna L.
P. nobilis. Poli Test. Tom. II. p. 238. - 11. AnodontitesCuv.
Ano-
[337]Anodontites cygneus. Mery, Mém. de
l’ Acad. des sc. à Paris. 1710. Poli Test. T. II.
p. 212. Mytilus cygneus. - 12. UnioCuv.
U. pictorum. Poli Test. Tom. I. O. 2. p. 4.
Mya pictorum. - 13. Tellina L.
T. planata. Poli Test. Tom. I. O. 2. p. 32.
T. nitida. Poli Test. T. I. O. 2. p. 37.
T. inaequalis. Poli Test. T. I. O. 2. p. 40.
T. fragilis. Poli Test. T. I. O. 2. p. 44.
T. lactea. Poli test. T. I. O. 2. p. 47. - 14. Cardium L.
C. rusticum. Poli Test. T. I. O. 2. p. 53.
C. edule. Poli Test. T. I. O. 2. p. 58.
C. echinatum. Poli Test. T. I. O. 2. p. 61.
C. flamma. Poli Test. T. I. O. 2. p. 63. - 15. Mactra L.
M. Neapolitana. Poli Test. T. I. O. 2. p. 68. - 16. Venus L.
V. ...Cuvier Tabl. élém. Tab. X.
V. Chione. Poli Test. Tom. II. p. 87.
V. verrucosa. Poli Test. T. II. p. 91.
V. gallina. Poli Test. T. II. p. 93.
V. laeta. Poli Test. T. II. p. 96.
V. exoleta. Poli Test. T. II. p. 100. - 17. Donax L.
D. trunculus. Poli Test. Tom. II. p. 76.
D. rhomboides. Poli Test. T. II. p. 82.
I. Bd. Y18.
[338]
- 18. Chama L.
C. cor. Poli Test. T. II. p. 114.
C. antiquata. Poli Test. Tom. II. p. 116.
C. cancellata. Poli Test. T. II. p. 120.
C. gryphoides. Poli Test. T. II. p. 123. - 19. Arca L.
A. Noae. Poli Test. T. II. p. 129.
A. pilosa. Poli Test. T. II. p. 140.
- 1. Ascidia L.
A. ...Cuvier, Bulletin de la Soc. philom.
An V. n. 1. p. 1.
A. papillosa. Bohadsch marin. C. VII. p. 130.
A. intestinalis. Gunnerus, Schriften der
Drontheim. Gesellsch. B. 3. S. 75. - 2. SalpaForskålii.
- 3. Solen L.
S. ...Cuvier Tabl. élém. Tab. X.
S. ...Comparetti de aure intern. comp. p. 328.
S. siliqua. Poli Test. Tom. I. O. 2. p. 12.
S. vagina. Poli Test. T. I. O. 2. p. 17.
S. ensis. Poli Test. T. I. O. 2. p. 18.
S. legumen. Poli Test. T. I. O. 2. p. 20.
S. strigilatus. Poli Test. T. I. O. 2. p. 23. - 4. MyaCuv.
- 5. Pholas L.
P. ...Cuvier Tabl. élém. Tab. X.
Pho-
[339]Pholas dactylus. Poli Test. Tom. I. O. 2.
p. 43. - 6. Teredo L.
T. navalis. Baster, Phil. Trans. n. 455.
Sellius de teredine marina. Adanson, Mém.
de l’ Acad. des sc. à Paris. 1759. p. 249.
- 1. TerebratulaCuv.
- 2. Ligula C.
- 3. Orbicula C.
- 4. Anatifa C.
A. laevis. Poli Test. Tom. I. O. 1. p. 32. Le-
pas anatifera.
A. coriacea. Poli Test. T. I. O. 1. p. 37. Le-
pas coriacea. - 5. Balanus C.
B. vulgaris. Poli Test. T. I. O. 1. p. 17. Le-
pas balanus.
B. depressus. Poli Test. T. I. O. 1. p. 28.
Lepas depressa.
Y 2Sieben-
[340]
Siebentes Kapitel.
Crustaceen(s).
Die Mollusken scheinen ein Versuch der Natur zu
seyn, mit der gröſsten Eingeschränktheit des Sy-
stems der Bewegungsorgane die gröſste Mannichfal-
tigkeit der Absonderungsorgane zu verbinden. Die
Crustaceen lassen sich als ein Versuch von entgegen-
gesetzter Art betrachten.
Es giebt eine Familie unter den letztern, die
ein äusseres Skelett mit einer gröſsern Menge von
Gelenken, als irgend ein Thier aus der vorherge-
henden Classe hat. Jenes Gerippe besteht aus knor-
pelartigen, durch eine Mischung von kohlensaurem
und phosphorsaurem Kalk erhärteten (t), und bey
der Verbindung mit Sauerstoff sich roth färben-
den (u) Platten, in welchen alle weiche Theile ein-
geschlos-
[341] geschlossen sind. Nur eine einzige Platte bildet den
Kopf, die Brust und den Leib. Aber der Kopf
trägt artikulirte Röhren, an deren Gipfeln die Au-
gen sitzen; neben diesen zwey lange conische Or-
gane, die mit den Fühlfäden der Mollusken über-
einkommen, aber, gleich allen übrigen Theilen,
ebenfalls in knöchernen Scheiden eingeschlossen,
mit einer groſsen Menge von Gelenken verse-
hen (x), und bey einigen Arten allenthalben mit
zarten Borsten besetzt sind; unter den Augen und
zwischen diesen gröſsern Fühlfäden noch zwey Paar
kleinere, den letztern ähnliche Organe (Palpen),
deren jedes gleichfalls mehrere Gelenke hat; und
unter diesen die Freſswerkzeuge, die aus mehrern
Paaren ebenfalls artikulirter, auf ihrer Rückenfläche
mit kleinern Palpen besetzter, und sich seitwärts
bewegender Kinnladen bestehen. Am Rumpfe sit-
zen nach vorne zwey Arme mit fünf Artikulationen,
von welchen letztern das vorderste mit einer Schee-
re bewaffnet ist, und hinter diesen auf jeder Seite
meist vier Füſse, wovon jedes der beyden vordern
Paare sechs und jedes der beyden hintern fünf Ge-
lenke hat. Endlich ist noch der Schwanz mit meh-
rern
Y 3
[342] rern Gelenken, mit Flossen und bey manchen Ar-
ten auch mit kleinern artikulirten Füſsen versehen.
Aber bey dieser groſsen Menge von Bewegungs-
organen ist die Zahl der secernirenden Eingeweide
jener Thiere ungleich kleiner, als bey den vorigen
Thierclassen. Ein kurzer und gerader Schlund
führt in den muskulösen Magen, der auf seiner in-
nern Fläche mit drey Zähnen besetzt ist, und von
diesem geht der Darmcanal, in welchem sich beym
Anfange des Mastdarms ein ziemlich langer und ge-
wundener Blinddarm öffnet, fast in gerader Rich-
tung zum After. Es giebt keine Leber, keine Gal-
lenblase, keine Milz, kein Pancreas und keine harn-
absondernde Organe. Dagegen aber öffnen sich zu
beyden Seiten in den Pförtner zwey ästige und kno-
tige blinde Gefäſse, welche so lang und so vielfach
zertheilt sind, daſs sie fast die ganze Bauchhöhle
ausfüllen. Zu beyden Seiten des Magens liegen
bey den männlichen Thieren dieser Familie zwey
Hoden, und bey den Weibchen zwey Eyerstöcke,
deren Ausführungsgänge sich bis zu dem ersten
Gliede des vierten Paars der Beine bey dem Männ-
chen, und des dritten bey dem Weibchen erstrecken,
wo die erstern auf jeder Seite in eine Ruthe und die
letztern in eine Mutterscheide übergehen.
Dies sind alle Absonderungsorgane, die wir
bey den Thieren dieser Familie antreffen. Ihre
übrigen
[343] übrigen Eingeweide sind theils nach dem Muster
der Fische und Mollusken, theils nach einem eige-
nen Model gebildet. Mit jenen kommen sie in An-
sehung des Herzens überein. Auch bey ihnen ist
dieses Organ muskulös, in einem Herzbeutel ein-
geschlossen, und mit Einem Ventrikel und Einer
Vorkammer versehen. Es liegt hinter dem Magen,
nach der Rückenseite zu, zwischen den Hoden,
oder Eyerstöcken. Aehnlich sind ferner die Werk-
zeuge des Athemhohlens den blätterartigen Kiemen
der Fische. Sie liegen zu beyden Seiten der Brust
unter dem Brustharnisch, der eine Oeffnung zur
Aufnahme des Wassers hat.
Mehr Eigenheiten hat das Nervensystem, nebst
den Sinnesorganen dieser Thiere. Das Gehirn be-
steht, wie bey den Mollusken, aus zwey Halbku-
geln und einem ringförmigen Fortsatze zur Durch-
lassung des Schlundes. Aber es unterscheidet sich
von dem der letztern durch einen vom Kopfe bis
zum Schwanze sich erstreckenden und an mehrern
Stellen zu groſsen Ganglien anschwellenden Fort-
satz, der mit dem Rückenmarke der Säugthiere,
Vögel u. s. w. übereinkömmt, und allen gröſsern
Nerven, ausser den Sehenerven, welche unmittel-
bar von den beyden Halbkugeln des Gehirns ausge-
hen, zum Ursprunge dienet. Die Fühlhörner sind,
wie schon oben bemerkt ist, hornartige gegliederte
Röhren. Jedes Glied ist mit kleinen Oeffnungen
Y 4ver-
[344] versehen, woraus weisse Papillen hervortreten (w),
zu welchen Nervenäste vom vierten Paare ge-
hen (x). Das Auge enthält eine Netzhaut, die nach
Innen mit einem schwarzen Schleime überzogen ist,
einen unmittelbar auf dieser ruhenden gallertartigen
Glas- oder Krystallkörper, und eine Cornea, die
aus unzähligen kleinern, regelmäſsige Sechsecke
bildenden Hornhäuten von geringer Convexität zu-
sammengesetzt ist. Die Gehörorgane liegen gleich
an den Wurzeln der Antennen, in der Gestalt
zweyer knöcherner Warzen, deren in die Höhe und
etwas nach Innen gerichtete, abgerundete Spitzen
eine runde, mit einer gespannten elastischen Mem-
bran verschlossene Oeffnung haben. In jeder von
ihnen befindet sich eine häutige Röhre von gleicher
Gestalt, die allenthalben verschlossen, und an der
erwähnten elastischen Membran befestigt ist. Diese
Röhre enthält ein klares Wasser, und auf ihrer in-
nern Fläche verbreitet sich der Geruchsnerve, der
ein bloſser Ast des zu dem gröſsern Fühlhorne ge-
henden Nerven ist (y).
Die
[345]
Die Familie der Crustaceen, von deren Organi-
sation die wichtigsten Punkte bisher angeführt sind,
ist die der Krebse. Eine zweyte Familie in dieser
Classe ist die der Kiemenfüſsler. Die Haupt-
charaktere, wodurch sich diese im Aeussern von
den Krebsen unterscheiden, sind folgende: Augen,
die nicht, wie bey den letztern, gestielt (peduncu-
lati), sondern mit dem Kopfschilde verwachsen
(sessiles) sind; sehr zahlreiche, blätterartige Kie-
men, welche ausser dem Leibe zum Theil an den
Füſsen liegen; und schaalenartige Rückenschilde,
welche bey den meisten eine so täuschende Aehn-
lichkeit mit den Gehäusen der Mollusken haben,
daſs sie jeder, der die Bewohner nicht kennet, für
wahre Muscheln halten wird. Durch diese Aehn-
lichkeit gränzen die Kiemenfüſsler von der einen
Seite mehr an die vorhergehende Thierclasse, als
an die Krebse und Insekten. Aber in ihrem übri-
gen Baue sind sie noch näher, als die Krebse, den
Insekten verwandt. Die Menge der Artikulationen
ihres äussern hornartigen Skeletts ist noch gröſser,
als die der letztern. Bey der Daphnia pennata be-
läuft sich die Anzahl der Gelenke nach einem ohn-
gefähren Ueberschlage auf 2000000 (z).
Dagegen ist das System der Ernährungs- und
Absonderungsorgane noch einfacher, als bey den
Kreb-
Y 5
[346] Krebsen, wenn man die zahlreichen Kiemen aus-
nimmt, die indeſs ohne Zweifel hier zugleich als
Bewegungsorgane dienen Die Freſswerkzeuge
kommen mit denen der Krebse ziemlich überein.
Aber der ganze Nahrungscanal besteht in einer ge-
raden einfachen Röhre, an welcher sich kaum noch
Spuren von einem Unterschiede des Schlundes, Ma-
gens und Darmcanals finden. Die Stelle der Leber
wird auch hier durch zwey enge, aber sehr
lange und ästige Blinddärme ersetzt, die den gröſs-
ten Theil der Bauchhöhle ausfüllen, und sich in die
Mitte des Nahrungscanals öffnen. Das Herz hat
eine auffallende Aehnlichkeit mit dem der Insekten.
Es ist ein Gefäſs, das vom vordersten Ende des
Kopfs bis zum Schwanze fortgeht, aus mehrern,
von vorne nach hinten am Durchmesser abnehmen-
den Säckchen zusammengesetzt zu seyn scheinet,
und, nach Cuvier’s Untersuchungen (a), Blutge-
fäſse aus den Kiemen empfängt.
Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen in
zwey sehr groſsen Eyerstöcken, die sich, wie bey
den Krebsen, an dem ersten Gelenke eines der Fuſs-
paare öffnen. Die beyden Zeugungsglieder des
männlichen Geschlechts liegen entweder an der
Brust ohnweit dem Kopfe (Daphnia), oder an den
Fühl-
[347] Fühlhörnern (Cyclops). Die Hoden des letztern
sind noch unentdeckt.
Ausser diesen Theilen findet sich bey dem Li-
mulus palustris an jedem Fuſse noch ein problema-
tisches Organ, nehmlich ein Bläschen, das gleich
hinter der mit dem Fuſse verbundenen Kieme liegt,
und bald zusammengefallen, bald mit einer weissen,
durchsichtigen Feuchtigkeit, oder auch mit einem
rothen, gerinnbaren Safte angefüllt ist.
Von dem Gehirne dieser Thiere wissen wir nur
so viel, daſs es, wie bey den Mollusken und Kreb-
sen, auf dem Schlunde liegt. Das Auge, das bey
einigen (Argulus, Caligus, Limulus, Lynceus)
nur einfach, bey den meisten aber doppelt und drey-
fach ist, hat, wie bey den Krebsen, eine aus un-
zähligen, mit ihren convexen Flächen nach aussen
liegenden Hohlgläsern zusammengesetzte Cornea.
Bey den Kiemenfüſslern liegt aber diese Membran
nicht, wie bey den Krebsen, unbedeckt, sondern
über ihr befindet sich noch eine zweyte, glatte, und
nicht zusammengesetzte Hornhaut. Von den einzel-
nen Abtheilungen der erstern scheint jede einem ei-
genen Auge anzugehören, indem zu jeder ein eige-
ner Sehenerve geht. Die Fühlhörner dienen bey
den meisten Kiemenfüſslern auch als Bewegungs-
organe, und sind gleich den Vorderfüſsen bey meh-
rern ästig und mit langen Zweigen versehen. Sie
fehlen
[348] fehlen bey dem Polyphem, dessen Kopf aber dafür
ganz Auge ist.
Wir haben im ersten Capitel dieses Abschnitts
für die unterscheidenden Charaktere der Crustaceen
weisses Blut, ein äusseres artikulirtes Skelett, ein
wahres Herz mit Gefäſsen, und Kiemen angegeben.
Aus dem bisher Gesagten ergeben sich nun noch
folgende untergeordnete Merkmale der Krebse und
Kiemenfüſsler: ein Gehirn, das auf dem Schlunde
ruhet und mit einem ringförmigen Fortsatze diesen
umgiebt; ein Rückenmark, das bey seinem Laufe
zu groſsen Ganglien anschwellt; ein Auge, das aus
mehrern kleinern zusammengesetzt ist; Fühlhör-
ner, die den Bartfasern mehrerer Fische und den
Fühlfäden der Mollusken analog, aber in hornarti-
gen und artikulirten Scheiden eingeschlossen sind;
ein Nahrungscanal, der fast in gerader Richtung
zum After fortgeht; statt der Leber zwey enge,
aber sehr lange und ästige Blinddärme, die sich in
den Pförtner öffnen; getrennte Geschlechter; zwey
Eyerstöcke mit eben so vielen Mutterscheiden bey
dem Weibchen, und zwey äussere Geburtsglieder
bey dem Männchen.
Ausser den Krebsen und Kiemenfüſslern glau-
ben wir noch eine dritte Familie der Crustaceen
annehmen, und zu diesen diejenigen Thiere rech-
nen zu müssen, die bisher unter dem Namen der
Chi-
[349]Chitonen zu den Mollusken gezählt wurden.
Eine Beschreibung derselben wird unser Verfahren
rechtfertigen.
Die äussere Form gleicht der der Phyllidien.
Aber der Rücken ist mit sechs bis acht neben einan-
der liegenden, und unter sich artikulirenden Plat-
ten bedeckt, die weit mehr mit den Schaalen der
Krebse und Kiemenfüſsler, als mit denen der Con-
chylien übereinkommen. Zu Organen der örtlichen
Bewegung dienen den meisten Chitonen, wie den
Schnecken, blos die Bauchmuskeln. Der Chiton
fascicularis aber hat zu diesem Zwecke auch noch
an jedem Gelenke auf beyden Seiten einen Bündel
steifer Borsten. Alle Arten haben eine gröſsere An-
zahl Muskeln, als die Schaalthiere (b).
Die Eingeweide sind meist denen der Phola-
den und Balanen ähnlich. Manche aber sind auch
von ganz eigenem Baue. Zu diesen gehören die
Freſswerkzeuge. Beym Chiton cinereus bestehen
diese in einer platten muskulösen Röhre, einer knor-
pelichen gezahnten Haut, und den Muskeln. Die
sehr dünne durchsichtige Haut ist gleich nach vorne
mit einem Ringe von rhomboidalischen Plättchen
ausgelegt. Hierauf folgen drey Reihen von Zähnen.
Die in der obersten sind den Fangzähnen des Ebers
ähnlich. Die mittlere Reihe hat schwarze dreyspit-
zige
[350] zige Zähne von fast eisenartiger Härte. Die unter-
sten nehmen allmählig an Härte ab. Jeder sitzt auf
einem besondern muskulösen Stiele, und ist mit ei-
nem zurückziehenden Muskel versehen. Die un-
tersten Zähne, welche reihenweise nach der Axe der
erwähnten Haut liegen, sind äusserst elastisch.
Die gezähnte Haut liegt so in der muskulösen
Röhre, daſs die wagerechten Zähne gegen einander
gerichtet sind. Der oberste Theil dieser Haut wird
von einer sehr verwickelten Reihe von Muskeln
umgeben, die den Kopf des Thiers ausmachen.
Einige ziehen den Kopf vorwärts, andere rück-
wärts; von einigen wird die gezähnte Haut zusam-
mengeschnürt, von andern erweitert (c).
Ferner finden sich bey diesem Chiton einige
Theile, wovon nichts Analoges bey den Schaalthie-
ren vorhanden ist. So trifft man an dem untern
Theile des Eyerstocks zwey glandulöse, röthliche
Körper an, die mit den obern Enden an die Schaale
befestigt sind, und mit den untern in einen häuti-
gen Canal übergehen (d). Und so liegt an jeder der
beyden Hohlvenen, unweit dem Herzen, eine co-
nische Röhre von röthlicher, oder gelblicher Farbe,
deren oberes Ende fasericht ist (e).
Man
[351]
Man sieht, daſs die Chitonen zu keiner Familie
der Mollusken recht passen, sondern zwischen die-
sen und den Crustaceen in der Mitte stehen, und
daſs sie sich mit eben so vielem Rechte den letztern,
als den erstern beygesellen lassen.
Ordnungen und Geschlechter der Cru-
staceen.
- 1. Chiton L.
C. cinereus. Poli Test. T. I. O. 1. p. 4.
- 1. Amymone.
- 2. Nauplius.
- 3. Argulus.
- 4. Limulus.
L. palustris. Schäffer’s krebsartiger Kiefen-
fuſs. S. 64. - 5. Caligus.
- 6. Cythere.
- 7. Cypris.
- 8. Lynceus.
- 9. Daphnia.
D. pennata. Die grünen Armpolypen, die ge-
schwänzten und ungeschwänzten Wasser-
flöhe u. s. w. von Schäffer. S. 28.
10. Po-
[352]
- 10. Polyphemus.
- 11. Cyclops.
- 1. Cancer.
- 2. Inachus.
- 3. Pagurus.
P. Bernhardus. Swammerdamm’s Bibel der
Nat. S. 84. 86. Olivi Zool. Adriat. P. 1. p. 58. - 4. Astacus.
A. fluviatilis. Willisius de anim. brut. P.
phys. C. 3. p. 11. Portius in Miscell. Acad.
N. C. d. 2. a. 5. obs. 19. p. 90. Lister Tab.
anat. II. fig. 9. Rösel’s Insektenbelustigung.
iter Nachtrag. S. 321. 329. Comparetti de
aure interna comp. p. 306.
A. marinus. Lister Tab. anat. XXII. f. 1. 2. - 5. Palinurus.
- 6. Scyllarus.
- 7. Squilla.
Ach-
[353]
Achtes Kapitel.
Insekten(h).
Die nehmlichen untergeordneten Charaktere, wel-
che die Kiemenfüſsler und Krebse mit einander ge-
mein haben, sind auch den Insekten eigen, ausge-
nommen, daſs hier die äussern Zeugungsglieder
meist nur in einfacher Zahl vorhanden sind. Zwey
wichtige Merkmale unterscheiden aber diese von
der vorigen Thierclasse, nehmlich ein Herz ohne
Arterien und Venen, und Luftröhren ohne Lungen.
Das
I. Bd. Z
[354] Das erstere ist eine von allen Seiten verschlossene
Röhre, welche gleich unter der Rückenhaut liegt,
und von dem Fette, wovon es umgeben ist, ein
knotiges Ansehn hat, von diesem abgesondert aber
sich als eine Röhre zeigt, die blos gegen ihre Enden
etwas dünner, sonst aber fast von gleicher Dicke
ist, worin sich zu beyden Seiten dreyeckige Mus-
keln (i), deren Spitzen an dem Skelett befestigt
sind, mit ihren breiten Enden inseriren, und an
welchem sich weder mit anatomischen, noch mit
optischen Hülfsmitteln Spuren von Blut- und Schlag-
adern entdecken lassen. Statt der letztern verthei-
len sich in alle Organe der Insekten zahlreiche Luft-
röhren, deren äussere Oeffnungen zu beyden Seiten
des Körpers liegen, und welche eben so, wie die
Blutgefäſse der vorigen Thierclassen, unter einan-
der anastomosiren und sich auf eben die Art zer-
ästeln. Die äussern Oeffnungen derselben (stigmata)
bestehen in hornartigen Platten, die in der Mitte
durchbohrt und am innern Rande mit Filamenten
besetzt sind. Ihre Höhlungen werden durch drey
Membranen gebildet, von welchen die innerste aus
knorpelartigen, spiralförmigen Dräthen, deren Win-
dungen dicht an einander liegen, zusammenge-
setzt ist.
Ausser diesen Eigenheiten läſst sich kein Cha-
rakter angeben, den alle Insekten in ihrer Organi-
sation
[355] sation mit einander gemein hätten. Bey keiner
Thierclasse finden wir in diesem Stücke so viele
Verschiedenheiten, als bey dieser. Schon gleich im
Gröbern der äussern Form treffen wir einen auffal-
lenden Unterschied an, indem einige geflügelt, an-
dere ungeflügelt sind, und beyde in der Anzahl
und Form ihrer Glieder aufs mannichfaltigste von
einander abweichen. Unter den erstern giebt es die
Familie der Spinnen, bey welchen Kopf und
Brust aus Einem Stücke bestehen, und wo mit
diesem Stücke acht gegliederte Füſse verbunden
sind. Es giebt andere, bey welchen der Kopf ein
abgesonderter Theil ist, und unter diesen besteht
bey den Asseln der ganze Rumpf aus einer groſsen
Meuge Artikulationen ohne Unterschied von Brust
und Rumpf, und aus einer eben so groſsen Menge
artikulirter Füſse, bey den Milben aber nur aus
zwey gröſsern Gliedern, wovon eines der Brust,
das andere dem Bauche der höhern Thierclassen
ähnlich ist, und nur jenes sechs bis acht Füſse hat.
Der Rumpf der geflügelten Insekten hat nie
mehr als zwey gröſsere Artikulationen, eine für die
Brust und eine für den Bauch. Auch geht die Zahl
ihrer Füſse nie über sechs. Die Bildung der Flü-
gel scheint hier die der Gelenke zu verhindern.
Aber in der Struktur der erstern variiren diese In-
sekten eben so sehr, wie die vorigen in Ansehung
ihrer Glieder. Bey allen sind Rudimente von vier
Z 2Flü-
[356] Flügeln vorhanden. Doch verdienen bey mehrern
nur zwey derselben diesen Namen. Die Mücken-
geschlechter (diptera L.) haben statt der untern
Flügel auf jeder Seite blos ein gestieltes, meist mit
einer gewölbten Schuppe bedecktes Knöpfchen (Ba-
lancierstangen, halteres). Umgekehrt ist es
bey den Käfern (Coleoptera L.). Hier sind blos
die untern Flügel wahre Schwingen, hingegen die
obern blos hornartige Decken der letztern (elytra).
Vier wahre Flügel sind den Heuschrecken,
Wanzen, Schmetterlingen, Libellen und
Wespen eigen. Von denen der Heuschrecken
(Orthoptera Olivier.) und Wanzen (Hemiptera L.)
nähern sich die obern den Flügeldecken der Käfer,
indem sie nur zur Hälfte häutig, halb aber gleich
jenen horn- oder lederartig sind. Die untern Flügel
der Heuschrecken liegen unter diesen obern der
Länge nach gefalten, die der Wanzen aber ge-
kreutzt. Die Flügel der Schmetterlinge (Lepidop-
tera L.), Libellen (Neuroptera L.) und Wespen
(Hymenoptera L.) sind insgesammt ganz membra-
nös. Aber die erstern zeichnen sich durch die bun-
ten Schuppen, womit ihre Flügel bedeckt sind, die
Libellen durch die netzförmigen, oder gitterartigen,
und die Wespen durch die ästigen, starken Adern
ihrer Schwingen aus.
So mannichfaltig aber auch die Insekten in An-
sehung ihrer Bewegungsorgane sind, so kommen
doch
[357] doch alle unter einander und mit den Crustaceen
darin überein, daſs die Zahl dieser Organe bey ih-
nen gröſser ist, wie bey den Säugthieren, Vögeln,
Amphibien, Fischen und Mollusken. Es giebt eine
Skolopenderart, welche 184 artikulirte Füſse hat,
und eine Phalänenraupe (Ph. cossus), woran Lyon-
net 4061 Muskeln zählte, da der Mensch deren
nicht viel über 400 besitzt. Die Muskeln der In-
sekten haben zugleich das Eigene, daſs ihre Fibern
nicht durch Zellgewebe zusammenhängen, sondern
frey neben einander liegen, und blos an ihren En-
den befestigt sind.
Nicht weniger Verschiedenheit, als in den Be-
wegungsorganen der Insekten, findet in ihren Sin-
neswerkzeugen statt. Die Antennen sind gewöhn-
lich über den Augen an der Stirne befestigt, und
immer gegliedert. Aber bey einigen giebt es nur
vier dieser Glieder; bey andern geht die Zahl
derselben in die Hunderte. Ihre Gestalt ist dabey
so mannichfaltig, daſs sich nach deren Verschieden-
heit schon blos die Familie der Schmetterlinge in
sechs gröſsere Classen und mehrere Unterordnungen
abtheilen läſst (k).
Die Hornhaut der Augen besteht aus vielen
sechseckigten Abtheilungen, deren innere Flächen
mit
Z 3
[358] mit einer farbigen Schleimhaut und einer Retina be-
deckt sind. Dies ist aber auch das Einzige, was
die Insekten in Ansehung der Augen mit einander
gemein haben. Diese Sinneswerkzeuge variiren bey
ihnen in der Farbe, Gestalt, Stellung, Gröſse und
in der Anzahl der Abtheilungen. Es giebt schwar-
ze, schneeweisse, goldfarbene u. s. w. Es giebt
ganz runde, halbkugelförmige, sphäroidische u. s.
w. Es giebt einige, die nur hundert, andere, die
viele tausend Abtheilungen haben.
Ausser jenen zusammengesetzten Augen besit-
zen auch die Insekten noch andere einfache Au-
gen (Stemmata), die aus einer convexen, mit kei-
nen Abtheilungen versehenen, auf ihrer innern
Fläche mit einem farbigen Pigment überzogenen,
und unmittelbar auf dem Gehirne liegenden Horn-
haut bestehen (l). Diese einfachen Augen sind al-
len Insekten eigen, da hingegen jene bey den mei-
sten ungeflügelten Thieren dieser Classe fehlen.
Der zusammengesetzten Augen giebt es auch nie
mehr, als zwey (m); die Zahl der einfachen hinge-
gen ist verschieden von zwey bis achten. Die letz-
tere Zahl findet sich bey den meisten Spinnen, und
merk-
[359] merkwürdig ist es, daſs bey diesen der nehmliche
Antagonismus zwischen den Augen und den Anten-
nen herrscht, den wir im vorigen Capitel beym Po-
lyphem angetroffen haben. Diejenigen, die nur zwey
Augen haben, sind mit Fühlhörnern versehen, und
die, welchen die Antennen fehlen, haben sechs bis
acht Augen.
Gehörorgane sind bey den Insekten noch nicht
gefunden. Die durchsichtigen, mit einer wäſsrich-
ten Feuchtigkeit und weissen breyartigen Nervenfä-
den angefüllten Säcke, welche Comparetti(n) bey
mehrern dieser Thiere in Höhlen unter den Aug-
apfeln antraf, und für Gehörwerkzeuge hält, lassen
sich schwerlich dafür annehmen.
Der Verschiedenheit, die wir in den Bewe-
gungsorganen und Sinneswerkzeugen der Insekten
antreffen, entspricht ohne Zweifel eine eben so
groſse Verschiedenheit des Nervensystems. Schon
unsere bisherigen, in Vergleichung mit der Feinheit
des Gegenstandes und den zahlreichen Geschlech-
tern und Arten dieser Thierclasse sehr groben und
eingeschränkten Untersuchungen liefern Beweise da-
für. Vorzüglich variirt das Rückenmark dieser
Thiere, das hier, wie bey den Crustaceen, am
Bauche liegt, und aus mehrern, durch doppelte
Ner-
Z 4
[360] Nervenstränge verbundenen Ganglien besteht, in der
Zahl seiner Knoten und in seiner Länge. Bey der
Biene giebt es 7 jener Ganglien, beym Nesselvogel
(Papilio urticae), der Larve der Musca Chamaeleon
und der Ephemera horaria 11, bey dem Seiden-
wurme und der Weidenraupe 12, und bey der Larve
des Scarabaeus nasicornis 14. Ueberhaupt scheint
die Anzahl dieser Knoten mit der Zahl der Bewe-
gungsorgane, und vorzüglich der Segmente des Lei-
bes, in geradem Verhältnisse zu stehen. Ferner
sind jene Knoten bey der Larve des Nashornkäfers
und der Musca Chamaeleon fast in unmittelbarer
Berührung mit einander; hingegen liegen sie bey
eben diesen Insekten nach ihrer Verwandlung von
einander entfernt. Bey den Raupen nähern sie sich
während deren Verwandlung in Puppen, und ent-
fernen sich wieder während dem Uebergange der
letztern in Schmetterlinge. Jene Larven und Pup-
pen haben daher ein kurzes Rückenmark mit lan-
gen Nerven, die Raupen und vollkommenen Insek-
ten ein langes Rückenmark mit kurzen Nerven.
So wenig übrigens das Nervensystem der Insekten
in seiner Struktur mit dem der rothblütigen Thiere
gemein hat, so ähnlich ist es diesem in seiner Tex-
tur. Das Gehirn und die Rückenmarksknoten der
Weidenraupe haben zwey Häute, eine äussere, die
mit der harten, und eine innere, die mit der wei-
chen Hirnhaut der Säugthiere übereinkömmt. Auf
beyden Flächen der äussern Haut verbreiten sich
zahl-
[361] zahlreiche Zweige der Luftröhren. In der Substanz
des Gehirns und der erwähnten Knoten glaubte
Lyonnet auch Rinde und Mark zu unterscheiden.
Die Substanz der Knoten unterscheidet sich von der
der übrigen Theile des Rückenmarks darin, daſs
diese gar keine Luftgefäſse hat, da jene damit ganz
durchflochten ist.
Noch gröſser, als diese Verschiedenheiten, sind
aber die, die wir in den Ernährungsorganen der In-
sekten antreffen. In Ansehung der Freſswerkzeuge
zerfällt diese Thierclasse in zwey gröſsere Abthei-
lungen: in solche, die ihre Nahrung vor deren Auf-
nahme in den Schlund vorher zermalmen, und in
solche, die sich blos durch Einsaugen thierischer
oder vegetabilischer Flüssigkeiten nähren. Zu den
erstern gehören die Spinnen, Asseln, drey Arten
von Milben (Podura, Lepisma und Ricinus), die
Heuschrecken, Käfer, Wespen und Libellen. Bey
diesen sind die Freſswerkzeuge denen der Krebse
ähnlich. Sie haben gewöhnlich zwey Paar Kinnla-
den, die sich in horizontalen Flächen bewegen, und
wovon das obere Paar (die Freſsspitzen, man-
dibulae Fabricii) knöchern, das untere (die Kinn-
laden, maxillae Fabr.) aber schwächer, oft häutig
ist; eine obere und eine untere Lippe, von welchen
die letztere sich in eine Art von Zunge endigt; und
auf den auswendigen Flächen dieser Kinnladen und
Lippen kleinere Fühlfäden (palpi). Bey jeder der
Z 5ange-
[362] angeführten Familien, die mit diesen Werkzeugen
versehen sind, finden indeſs Abweichungen in der
Form. Verbindung und Anzahl der letztern statt.
Vorzüglich zeichnet sich die Familie der Heu-
schrecken durch ein Organ, das den übrigen fehlt,
den sogenannten Helm (galea) aus, zwey beweg-
liche, membranöse, kegelförmige, platte Theile,
die auf dem Rücken der Kinnladen sitzen und den
Mund gröſstentheils bedecken.
Bloſse Saugorgane ohne Freſswerkzeuge sind
den Familien der Schmetterlinge, Wanzen und Mü-
cken, und den drey Geschlechtern Pulex, Pedicu-
lus, Acarus aus der Milbenfamilie eigen. Bey den
Schmetterlingen bestehen jene in einem spiralförmig
zusammengerollten Rüssel mit einer doppelten Röh-
re (Lingua Fabr.); bey den Wanzen in einer arti-
kulirten, spitzen, unterwärts gekrümmten Röhre
mit drey feinen Stacheln (Rostrum Fabr.), und
in einer Oberlippe, welche die Basis dieses Stachels
bedeckt; und bey den Mücken in einem oder meh-
rern Stacheln nebst einer Rinne, worin diese ausser
der Zeit des Gebrauchs liegen, und welche an
ihrer Basis häufig zwey Palpen hat (Haustellum
Fabr.) (o).
Der Nahrungscanal variirt in seiner Länge, sei-
nen Krummungen und seiner Weite; in der Anzahl
seiner
[363] seiner Erweiterungen und Verengerungen; in der
Textur seiner verschiedenen Theile; und in der
Struktur der blinden Anhänge, die sich in ihn öff-
nen. In Ansehung der Länge, der Beugungen und
Weite desselben ist es bey den Insekten ein allgemei-
nes Gesetz: daſs jede der beyden erstern
im umgekehrten, die letztere aber im ge-
raden Verhältnisse mit der Anzahl der
Artikulationen des Thiers steht. Am auf-
fallendsten bestätigt sich dieses Gesetz bey der Ver-
gleichung des Nahrungscanals der Larven mit dem
der vollkommenen Insekten. Da, wo jene eine
gröſsere Menge von Artikulationen, als diese, be-
sitzen, ist der Nahrungscanal dort kurz, gerade
und sehr weit, hier aber lang, gebogen und enge;
das Gegentheil zeigt sich, wenn die Larve weniger
Artikulationen, als das vollkommene Insekt, hat.
Die erstere Bedingung findet z. B. bey den
Schmetterlingen statt. Bey der Raupe ist da-
her der Schlund und Darmcanal sehr kurz, hin-
gegen der Magen ausserordentlich weit und sehr
lang. Aber schon bey der Puppe ist der Magen
merklich kürzer, hingegen der Schlund und Darm-
canal ungleich länger geworden. Und bey dem
vollkommenen Schmetterlinge hat der Darmcanal
eine solche Länge erhalten, daſs er jetzt mit meh-
rern Windungen zum After fortgeht. Das nehmli-
che gilt von der Biene und dem Scarabaeus nasicor-
nis. Hingegen bey der Musca Chamaeleon, wo die
Larve
[364] Larve weniger Artikulationen, als das vollkommene
Insekt, hat, verkürzt sich der Nahrungscanal, der
bey der erstern eng, lang und gewunden ist, desto
mehr, je näher die Zeit der Verwandlung her-
anrückt.
Bey allen Insekten ist der Nahrungscanal durch
Verengerungen und Schlieſsmuskeln in mehrere
Abschnitte von verschiedener Länge, Weite und
Textur getheilt. Der erste Abschnitt, der mit dem
Schlunde der höhern Thierclassen übereinkömmt,
hat gewöhlich die Gestalt eines mit seinem weiten
Ende nach dem Munde und mit dem engen nach
dem After hingekehrten Trichters. Am Munde in-
seriren sich in ihn bey allen mit Kinnladen versehe-
nen Insekten zwey lange und gewundene Spei-
chelgefäſse(p), die gewöhnlich aus einem cy-
lindrischen, oder blasenförmigen Behälter entsprin-
gen. Der zweyte Abschnitt, der die Funktion des
Magens zu vertreten scheint, ist gewöhnlich oval
und liegt immer der Länge des Thiers nach, ist
aber übrigens eben so vielen, und vielleicht noch
gröſsern Abänderungen, als der der Säugthiere un-
terworfen. Bey der Laus z. B. hat er an der obern
Mündung zwey aufwärts gerichtete blinde Anhänge,
die ihm ein gabelförmiges Ansehn geben, fast wie
beym Nabelschweine und Nilpferde. Beym Ohr-
wurme
[365] wurme ist er durch eine Verengerung in zwey Be-
hälter, einen obern, fast kugelrunden und kurzen,
und einen untern cylindrischen und sehr langen ab-
getheilt. Zugleich sind hier beyde Mündungen der
obern Abtheilung auf ihrer innern Fläche mit zwey
Reihen von Zähnen besetzt. Das Heupferd (gryl-
lus verrucivorus) hat einen kleinen, kugelförmi-
gen Magen, dessen innere Fläche in viele, der Län-
ge nach laufende und durch Queereinschnitte abge-
theilte Falten besteht. Auf jeder Seite desselben
liegt ein runder, häutiger Körper von unbekanntem
Nutzen. Bey einigen Insekten, z. B. der Larve der
Musca Chamaeleon, ist der Magen häutig; bey der
Larve der Musca putris sieht man durch den häuti-
gen Stoff, woraus er besteht, einige muskulöse Fa-
sern hindurch scheinen; und bey den Raupen lassen
sich drey Häute an ihm unterscheiden, von welchen
die mittelste ganz muskulös ist: Bey der Weiden-
raupe und den Raupen mehrerer verwandter Phalä-
nen ist der Magen mit Fortsätzen der Rückenmus-
keln von oben bis unten umwunden. Von den
4061 Muskeln jener Raupe gehen 2186 allein auf
den Nahrungscanal.
An dem Pförtner inseriren sich in den Darm-
canal bey den Insekten, wie bey den Crustaceen,
auf jeder Seite zwey ästige blinde Gefäſse (q), de-
ren
[366] ren Weite, Länge und Krümmungen sich nach der
Weite, Länge und den Krümmungen des Darmca-
nals richten. Manche Insekten, z. B. der Seiden-
wurm, der Nashornkäfer (Scarabaeus nasicornis)
und der fliegende Hirsch (Lucanus cervus), haben
ausser diesen Lebergefäſsen noch andere, aber sehr
kurze blinde Gefäſse, die sich in den Magen inseri-
ren und um denselben eine kronenförmige Figur
bilden. Die Seidenraupe hat nur Eine solche Krone
von blinden Gefäſsen um den obersten Theil des
Magens; der Nashornkäfer hat deren drey, Eine am
Anfange, Eine in der Mitte und Eine am Ende des
Magens; und bey dem fliegenden Hirsch finden sich
ihrer vier, zwey an den beyden Enden und zwey
in der Mitte des Magens. Bey einigen Käfern (Ca-
rabus, Dytiscus), die zwey Magen haben, sieht
der untere wie behaart aus. Eine genauere Unter-
suchung aber zeigt, daſs diese Haare ebenfalls sehr
kurze blinde Gefäſse (Zotten, villi) sind.
Wir haben gesehen, daſs die erwähnten blin-
den Anhänge am Darmcanale bey den Krebsen und
Kiemenfüſslern die Stelle der Leber, des Pancreas
und überhaupt des ganzen Apparats von drüsichten
Organen ersetzen, der bey den höhern Thierclassen
die Verdauung und Ernährung bewirken hilft. Bey
den Insekten findet nicht nur das Nehinliche statt,
sondern hier ist überhaupt auch von Drüsen gar
keine Spur vorhanden. Immer sind es darmähnli-
che
[367] che blinde Gefäſse, welche die Funktion der letz-
tern vertreten. Solche Gefäſse liefern bey den Spin-
nen die Materie zum Gewebe, bey den Raupen und
Afterraupen den Stoff zum Gespinnste, bey der Ga-
belschwanz-Raupe (Phalaena vinula) den Saft, den
dieses Thier, wenn es gereitzt wird, von sich
sprützt, und bey den Bienen das Gift, das der Sta-
chel dieser Insekten mittheilt.
Solche Gefäſse sind es ferner, wodurch alle zur
Zeugung erforderliche Säfte bey den Insekten zube-
reitet werden. Die des Männchen lassen sich mit
den Nebenhoden, den Saamengefäſsen und den Saa-
menbläschen der Säugthiere vergleichen. Zu bey-
den Seiten des Leibes liegt nehmlich ein Körper,
der aus einem sehr langen, zugleich aber sehr zar-
ten und engen, in sich verschlungenen Canale be-
steht, und dieser Körper ist es, der mit dem Ne-
benhoden der Säugthiere übereinkömmt. Aus ihm
geht eine weitere Röhre, die sich mit dem Saamen-
gange der letztern vergleichen läſst, zur männlichen
Ruthe, vereinigt sich aber vor ihrem Eintritte in
die letztere mit der aus dem andern Nebenhoden
entspringenden Röhre, und in den Ort dieser Ver-
einigung ergiessen sich zwey weitere, zugleich
aber längere, darmähnliche Schläuche, die den Saa-
menbläschen analog sind.
Die innern Zeugungstheile des Weibchens be-
stehen in einem doppelten Eyerstocke, zwey Mut-
tertrom-
[368] tertrompeten, einem Uterus, oder einer Mutter-
scheide, und einem leimabsondernden Organ. Von
den beyden Eyerstöcken ist jeder aus mehrern, pa-
rallel neben einander liegenden und durch Luftge-
fäſse unter einander verbundenen Röhren zusam-
mengesetzt, deren Anzahl mit der Fruchtbarkeit
des Thiers in geradem Verhältnisse steht. Die Ver-
einigung dieser Röhren bildet die Muttertrompete,
und die Verbindung der letztern mit der des andern
Eyerstocks einen noch weitern Canal, dessen unte-
rer Theil bey der Begattung das männliche Glied
aufnimmt, und der also den Namen des Uterus,
oder der Mutterscheide verdient. In den obersten
Theil dieses Canals öffnet sich ein darmähnliches
Organ, worin bey mehrern Insekten ein leimichter,
wahrscheinlich zur Befestigung der Eyer dienender
Saft enthalten ist.
Nimmt man die Abwesenheit drüsichter Organe
aus, so nähern sich also die Insekten in der Struk-
tur ihrer innern Zeugungsorgane den Säugthieren
weit mehr, als die Mollusken, und selbst mehr als
manche Amphibien und Fische. Diese Näherung
wird dadurch vermehrt, daſs sich noch bey keinem
Insekt eine Spur von Hermaphroditismus fand, daſs
alle männliche Thiere dieser Classe immer ein äus-
seres Zeugungsglied haben, und daſs beyderley Ge-
schlechtsorgane auch hier, wie bey den meisten
Säugthieren, ausserhalb dem After sich nach aus-
sen
[369] sen öffnen. Indeſs giebt es auf der andern Seite
auch wieder Eigenthümlichkeiten an den Zeugungs-
theilen der Insekten, wovon sich bey den Säugthie-
ren keine Spur findet. Zu diesen Abweichungen
gehört zuerst die Lage der äussern Zeugungsorgane,
und besonders derer des Männchen, die nicht im-
mer in der Nähe des Afters ist. Bey mehrern Spin-
nen befindet sich an jedem der beyden Fühlhörner
eine männliche Ruthe. Bey den Afterspinnen (Pha-
langium) liegt dieser Theil am Maule, und bey den
Libellen am Bauche. Die letztern, die Schmetter-
linge und mehrere andere Insekten haben zugleich
zangenförmige Organe zur Umfassung des Weib-
chens bey der Begattung, fast wie die Rochen und
Hayfische.
Eine andere und noch wichtigere Abweichung
von der Struktur der Säugthiere ist die völlige Ab-
wesenheit der Zeugungstheile, die allen Insekten
in ihrem Larvenzustande, und einigen, z. B. den
Arbeitsbienen, ihr ganzes Leben hindurch eigen ist.
In Betreff dieses Punkts findet bey den Insekten ein
merkwürdiges Gesetz statt, worauf wir in der Folge
zurückkommen werden. Alle geschlechtslose
Thiere dieser Classe haben statt der Zeu-
gungstheile gewisse andere Organe, wel-
che einen Stoff zur Hervorbringung von
Kunstwerken liefern, und alle wenden
auch diesen Stoff zur Bildung der letz-
I. Bd.Aatern
[370]tern entweder ihr ganzes Leben hin-
durch, oder bis zu ihrer Verwandlung
an. Indeſs läſst sich dieser Satz nicht umkehren.
Es giebt Insekten, z. B. die Spinnen, welche aus
einem, durch eigene Organe zubereiteten Stoff
Kunstwerke verfertigen, ohne darum geschlechts-
los zu seyn.
Die bisher erwähnten Eingeweide sind insge-
sammt mit sehr vielem Fett umgeben, worin sich
zahlreiche Luftröhrenzweige verbreiten. In vor-
züglich groſser Menge findet man diese Substanz
bey den Larven, und besonders um den Darmcanal.
Bey der Larve der Phalaena Cossus, des Sphinx li-
gustri und bey mehrern andern Raupen ist dieser
Canal, nebst den Leber-, Speichel- und Seidenge-
fäſsen von allen Seiten mit einer Fettmasse umge-
ben, welche Windungen bildet, die denen des
menschlichen Gehirns nicht unähnlich sind.
Um dieses Gemählde von der Organisation der
Insekten vollständig zu machen, müssen wir noch
der Verschiedenheiten, die sich in der Struktur des
Herzens und der Luftröhren dieser Thiere finden,
und ihrer Verwandlungen erwähnen.
Die Verschiedenheit des Herzens der Insekten
scheint indeſs blos in der Länge und Weite dessel-
ben zu bestehen, also von nicht groſser Bedeutung
zu seyn.
Wich-
[371]
Wichtiger ist der Unterschied, den man in dem
Baue der Respirationsorgane dieser Thiere antrifft.
Die Milben, Mücken, Raupen und Käfer athmen
durch Luftlöcher, die an den beyden Seitenrändern
des Körpers liegen, und hier variirt die Anzahl die-
ser Oeffnungen eben so sehr, wie die Menge der
Segmente des Körpers. Bey den Afterspinnen (Pha-
langium) findet man vier Oeffnungen der Luftröh-
ren, zwey oben auf dem Körper, nahe beym An-
fange der Vorderfüſse, und zwey gröſsere unter den
Oberschenkeln der Hinterfüſse. Die Libellen haben
in ihrem vollkommenen Zustande nur zwey Luftlö-
cher an der Brust. Die Larven der Libellen und
mehrerer Mücken, so wie das Geschlecht Nepa, ath-
men durch zwey Oeffnungen, die sich an dem äus-
sersten Ende des Schwanzes befinden und sich bey
der Nepa in lange Röhren endigen.
Bey den Milben, Mücken, Raupen und Käfern
entsteht aus jedem Luftloche eine cylindrische Luft-
röhre, die mit denen der beyden nächsten Oeffnun-
gen von derselben Seite anastomosirt. Durch diese
Anastomosen werden zwey groſse, sowohl oben,
als unten etwas eingedrückte Luftröhrenstämme ge-
bildet, die zu beyden Seiten des Körpers hinlaufen,
und bey jedem Ringe des Körpers, ausgenommen
die beyden vordersten, einen Schlieſsmuskel haben.
Bey den Raupen bleiben die Zweige dieser Stämme
während ihrer Vertheilung immer cylindrisch; bey
Aa 2den
[372] den Käfern aber schwellen ihre Ramifikationen zu
ovalen Bläschen an, welche nicht, wie die Tra-
cheen, aus einem spiralförmig gewundenen, knor-
pelartigen Drathe, sondern aus einer einfachen
Membran bestehen, und daher nicht, wie die letz-
tern, immer offen sind, sondern beym Austreten der
Luft zusammenfallen. Bey den Libellen erweitern
sich die beyden Hauptstämme der Luftröhren bald
nach ihrem Ursprunge aus den Luftlöchern zu ähn-
lichen, aber noch weit gröſsern Luftblasen, wie bey
den vorigen, und aus diesen begeben sich Zweige
von Luftröhren, welche ebenfalls bey ihren Rami-
fikationen sich in Bläschen erweitern, zu den
sämmtlichen Organen. Die Larven mehrerer Libel-
len und Mücken haben groſse cylindrische Luftröh-
renstämme, die sich von den am Schwanze liegen-
den Luftlöchern zu beyden Seiten des Leibes bis
zum Kopfe hinschlängeln, und sich mit cylindri-
schen Seitenästen durch den Körper verbreiten.
Zugleich aber trifft man bey mehrern von diesen,
z. B. den Larven der Ephemeren, kiemenartige Blät-
ter an, worin sich zahlreiche Luftröhrenzweige ver-
theilen. Bey einigen, die nicht solche Blätter ha-
ben, sind die Luftlöcher am Schwanze mit einem
Cirkel von gefiederten Borsten umgeben. Dies ist
z. B. der Fall bey der Larve der Musca Chamaeleon.
Es giebt einige Insekten, die ihr ganzes Leben
hindurch die nehmliche Gestalt behalten, womit sie
aus
[373] aus dem Ey hervorgehen. Diese Insekten sind die
sämmtlichen Geschlechter aus der Familie der Spin-
nen, und mehrere aus den beyden Ordnungen der
Asseln und Milben. Alle übrige Thiere dieser Classe
erleiden während ihres Lebens eine partielle oder
totale Verwandlung. Sie kommen als Larven aus
dem Ey, gehen aus diesem Zustande in den der
Puppen über, und werden hieraus in vollkom-
mene Insekten verwandelt. Da, wo die Me-
tamorphose nur partiell ist, unterscheidet sich die
Larve von der Puppe und diese von dem vollkom-
menen Insekt gröſstentheils nur in der geringern
Anzahl, oder in der geringern Ausbildung ihrer
Organe. Hingegen bey der totalen Verwandlung
findet keine Aehnlichkeit zwischen der Larve, der
Puppe und dem vollkommenen Insekt statt. Die
Larve, die immer ungeflügelt ist, nähert sich in ih-
rer äussern Struktur den Asseln, oder den Wür-
mern. Sie hat entweder gar keine Zeugungstheile,
oder doch nur bloſse Rudimente derselben. Der
Nahrungscanal hat meist die entgegengesetzte Struk-
tur von der, die sich bey dem vollkommenen Insekt
findet. Er ist kurz, weit und gerade bey jener,
wenn er bey diesem lang, eng und gewunden ist;
und umgekehrt. Im erstern Falle hat die Larve,
wie schon oben bemerkt ist, mehr Articulationen,
als das vollkommene Insekt; im umgekehrten Falle
findet das Gegentheil statt. Die Puppe hat entwe-
der keine, oder unbewegliche äussere Gliedmaaſsen.
Aa 3Und
[374] Und bey dem vollkommenen Insekt ist keine Spur
mehr von dem übrig, was das Thier in seinem
Larvenzustande war (s).
Wir
[375]
Wir haben im Anfange dieses Capitels die In-
sekten nach der Verschiedenheit ihrer Bewegungs-
organe in zehn Familien eingetheilt. Es würde uns
jetzt noch obliegen, für jede dieser Ordnungen auch
Charaktere, die von ihrer innern Organisation her-
genommen wären, anzugeben. Bey der geringen
Anzahl von Insekten, die bis jetzt mit hinreichen-
der Genauigkeit zergliedert sind, und der groſsen
Menge von Geschlechtern und Arten, welche diese
Thierclasse enthält, ist es indeſs unmöglich, ana-
tomische Kennzeichen, die auch nur auf den
gröſsern Theil jeder Familie paſsten, mit Sicherheit
aufzustellen. Wir müssen uns daher begnügen,
dem folgenden Verzeichnisse eine Recapitulation
dessen beyzufügen, was schon oben über die Ver-
schiedenheit der Insekten in Ansehung ihrer äussern
Organisation und ihrer Metamorphose gesagt ist.
Ordnungen und Geschlechter (t) der
Insekten.
Keine Flügel. Kopf und Brust bestehen nur aus
einem einzigen Stücke, und blos dieses ist mit
Füſsen
(s)
Aa 4
[376] Füſsen versehen. Kleine, oder gar keine Kinn-
laden. Keine Verwandlung.
- 1. Scorpio.
- 2. Aranea.
A. diadema.Rösel’s Insektenbelustigung.
Th. 4. S. 258. - 3. Phalangium.Latreille, Bulletin de la Soc.
philomath. An VI. n. 15. p. 113. - 4. Hydrachna.
Keine Flügel. Ein distinkter Kopf. Zahlreiche
Artikulationen des Leibes und eine groſse Men-
ge Füſse. Kinnladen. Keine Verwandlung,
oder höchstens eine partielle, welche blos in
dem Anwachse neuer Füſse besteht.
- 1. Oniscus.
- 2. Julus.
- 3. Scolopendra.
Keine Flügel. Ein distinkter Kopf. Sechs bis
acht Füſse. Bey den drey ersten der folgenden
Geschlechter Kinnladen; bey den drey folgen-
den Saugrüssel. Keine Verwandlung, oder nur
eine solche partielle, wie bey einigen Asseln
statt findet, ausgenommen den Floh.
- 1. Podura.
2. Le-
[377]
- 2. Lepisma.
- 3. Ricinus.
- 4. Acarus.
- 5. Pediculus.
P. humanus.Swammerdamm’s Bibel der Na-
tur. S. 31. - 6. Pulex.
Zwey Flügel. Zwey Flügeldecken, die an der
Basis hornartig, an der Spitze häutig sind.
Eine artikulirte, mit Stacheln besetzte und an
ihrer Basis mit einer Oberlippe bedeckte Saug-
röhre. Eine partielle Verwandlung.
- 1. Coccus.
- 2. Chermes.
- 3. Aphis.
- 4. Thrips.
- 5. Cicada.Malpighi de bombyce. p. 18.
- 6. Fulgora.
- 7. Notonecta.
- 8. Nepa.
N. cinerea.Swammerdamm’s Bibel der Nat.
S. 98. - 9. Cimex.
Zwey Flügel. Zwey Flügeldecken, die zur Hälfte
hornartig, und zur Hälfte membranös sind.
Aa 5Kinn-
[378]
- Kinnladen mit einem Helm (galea). Eine par-
tielle Verwandlung. - 1. Forficula.
F. auricularia.Posselt diss. sist. tentamina
circa anatomiam forficulae auriculariae. Jenae.
1800. Wiedemann’s Archiv für Zoologie etc.
B. 2. St. 2. S. 230. - 2. Blatta.
- 3. Mantis.
- 4. Gryllus.Malpighi de bomb. p. 18.
G. verrucivorus.Rösel’s Insektenbelusti-
gung. Heuschrecken. S. 58.
G. gryllotalpa.Cuvier, Bulletin de la Soc.
philomath. An VI. n. 10. p. 74. Mém. de la Soc.
d’Hist. nat. de Paris. An VII. p. 34.
Vier häutige Flügel, die mit gitterförmigen Luft-
adern durchzogen sind. Kinnladen. Eine par-
tielle Verwandlung.
- 1. Ephemera.
E. horaria.Swammerdamm’s Bibel der Nat.
S. 105. - 2. Phryganaea.De Geer’s Abh. zur Gesch.
der Insekten. B. 2. Th. 1. S. 378, 393. - 3. Raphidia.
- 4. Panorpa.
- 5. Hemerobius.
6. Myr-
[379]
- 6. Myrmeleon.
- 7. Termes.
- 8. Libellula.Reaumur Mém. pour servir à
l’hist. des insectes. T. VI. P. 2. Mém. 11. p. 184,
212.
L. grandis.Cuvier, Bulletin de la Soc. philo-
math. An VI. n. 10. p. 75. Mém. de la Soc.
d’Hist. nat. de Paris. An VII. p. 34.
Vier Flügel, die mit farbigen Schuppen bedeckt
sind. Ein doppelter spiralförmiger Saugrüssel.
Eine totale Verwandlung.
- 1. Papilio.
P. urticae.Swammerdamm’s Bibel der Nat.
S. 229. - 2. Phalaena.
P. mori.Malpighi de bombyce. Swammer-
damm’s Bibel der Nat. S. 132. Reaumur Mém.
pour servir à l’hist. des ins. T. I. P. 1. Mém. 3.
p. 163. T. II. P. 1. Mém. 2. p. 103. Rösel’s
Insektenbelustigung. Iter Nachtrag. S. 55. Bi-
biena in Comm. Bonon. T. V. P. 1. p. 9.
P. cossus.Lyonnet Traité de la chenille du
saule. De Geer’s Abh. zur Gesch. der Insek-
ten. Th. 1. S. 29.
P. castrensis.De Geer’s Abhandl. Th. 1.
S. 11.
Pha-
[380]Phalaena vinula.De Geer’s Abh. Th. 1.
S. 19.
P. bucephala.De Geer’s Abh. Th. 1. S. 74. - 3. Sphinx.
S. ligustri.De Geer’s Abhandl. Th. 1. S. 15.
Vier häutige Flügel, die mit ästigen Luftröhren
durchzogen sind. Eine Unterlippe mit einer
Zunge. Zwey Kinnladen mit einem membra-
nösen Fortsatze zur Bedeckung der Zunge.
Zwey Freſsspitzen. Eine vollkommene Ver-
wandlung.
- 1. Mutilla.
- 2. Formica.
- 3. Cynips.
- 4. Sirex.
- 5. Ichneumon.
- 6. Tenthredo.
T. lutea.De Geer’s Abhandl. zur Gesch. der
Insekten. B. 2. Th. 2. S. 217. - 7. Chrysio.
- 8. Sphex.
- 9. Vespa.
- 10. Apis.
A. mellifica.Swammerdamm’s Bibel der Nat.
S. 164, 167, 172, 178. Reaumur Mém. pour
servir
[381] servir à l’hist. des insectes. T. V. P. 2. Mém. 8.
p. 84. Mém. 9. p. 130.
Zwey Flügel. Zwey Balancierstangen. Stachel-
förmige Saugrüssel, welche ausser der Zeit des
Gebrauchs mit einer Scheide bedeckt sind. Eine
vollkommene Verwandlung.
- 1. Oestrus.Clerk, Transactions of the Linnean
Society. T. III. n. 26. - 2. Hippobosca.
- 3. Asilus.
- 4. Conops.
- 5. Bombylius.
- 6. Empis.
- 7. Tabanus.
- 8. Musca.
M. tenax.Reaumur Mém. pour servir à l’hist.
des ins. T. IV. P. 2. Mém. 11. p. 210.
M. Chamaeleon.Swammerdamm’s Bibel der
Nat. S. 262. Reaumur Mém. T. IV. P. 2.
Mém. 7. p. 41.
M. putris.Swammerdamm’s Bibel der Nat.
S. 276. - 9. Culex.
- 10. Tipula.
X. Kä-
[382]
Zwey Flugel. Zwey hornartige Flügeldecken.
Sechs Fuſse, zwey an der Brust vor den Flü-
geln. Zwey Kinnladen. Zwey Freſsspitzen.
Eine Unterlippe, die auf einem eigenen schup-
penartigen Theile (Ganache) ruhet. Eine voll-
kommene Verwandlung.
- 1. Staphylinus.
- 2. Cicindela.
- 3. Carabus.
- 4. Gyrinus.
- 5. Dytiscus.
D. … Swammerdamm’s Bibel der Nat. Tab.
XXII. f. 5. - 6. Necydalis.
- 7. Leptura.
- 8. Cerambyx.
- 9. Hispa.
- 10. Chrysomela.
- 11. Cassida.
- 12. Mordella.
- 13. Tenebrio.
- 14. Meloe.
- 15. Cantharis.
- 16. Lampyris.
- 17. Buprestis.
- 18. Elater.
- 19. Ptinus.
20. Der-
[383]
- 20. Dermestes.
- 21. Byrrhus.
- 22. Hister.
- 23. Silpha.
- 24. Coccinella.
- 25. Bruchus.
- 26. Curculio.
- 27. Attelabus.
- 28. Scarabaeus.
S. nasicornis. Swammerdamm’s Bibel der
Nat. S. 130. Rösel’s Insektenbelustigung. Th. 2.
Erdkäfer. 1te Classe. S. 57. - 29. Lucanus.
L. cervus. Malpighi de bombyce. p. 18. Rö-
sel’s Insektenbelustigung. Th. 2. Erdkäfer.
1te Classe. S. 65.
Neun-
[384]
Neuntes Kapitel.
Würmer(u).
Indem die Natur von gewissen Formen des Lebens
zu andern übergeht, beobachtet sie in einigen Or-
ganen eine Gradation, und vereinigt mit diesen an-
dere, wobey keine solche Stufenfolge, oder oft gar
eine entgegengesetzte bemerkbar ist. Vorzüglich
ist die Classe der Würmer nach dieser Regel gebil-
det. In dem Gefäſs- und Nervensystem herrscht
hier eine noch gröſsere Einfachheit, als bey den
Mollusken, Crustaceen und Insekten. Alle übrige
Organe jener Thiere kommen mit denen der letztern
gröſstentheils überein.
Das Gefäſssystem besteht in zwey oder meh-
rern Stämmen, die sich der Länge nach durch den
Körper neben dem Nahrungscanale hinschlängeln,
und von welchen einige den Arterien, die übrigen
den
[385] den Venen der höhern Thierclassen ähnlich zu seyn
scheinen. Aber es giebt hier kein wahres Herz,
und der Umlauf der Säfte scheint von dem der er-
wähnten Thierclassen sehr verschieden zu seyn.
Das Nervensystem hat sich bey allen Würmern,
wo es bis jetzt gefunden ist, immer als ein einfa-
cher Markstrang gezeigt, der vom Kopfe nach dem
Schwanze längs dem Bauche hinläuft, und in Zwi-
schenräumen Nerven in strahlenförmiger Gestalt
aussendet. Noch bey keinem dieser Thiere hat sich
ein Gebirn gefunden, und bey den meisten trifft
man auch nicht einmal Ganglien an. Nur das Rü-
ckenmark der Aphroditen und Blutigel hat an den
Stellen, wo die Nerven aus demselben entspringen,
geringe Anschwellungen. Auch scheint keines die-
ser Thiere Augen zu haben (v). Fühlfäden sind
ver-
I. Bd.Bbnehm-
[386] vermuthlich die einzigen Sinnesorgane, welche die
Natur mit dem einfachen Nervensystem der Wür-
mer zu vereinigen im Stande gewesen ist.
In ihrer übrigen Organisation nähern sich die
Würmer theils den Mollusken, theils den Insekten,
und theils den Zoophyten. Fast jedes Wurmge-
schlecht hat irgend ein Organ, bey dessen Bildung
eines jener Thierclassen und dieses Reichs von le-
benden Körpern zum Model gedient zu haben
scheint. Jedes aber nähert sich auch im Ganzen
mehr entweder den Mollusken, oder den Insekten,
oder den Zoophyten.
Am nächsten mit den Mollusken, und beson-
ders den Balanen, ist die Familie der Röhren-
würmer verwandt, deren Unterscheidungszeichen
vorzüglich in einem kegelförmigen Körper, Fühlfä-
den, Kiemen, und der Vereinigung beyder Ge-
schlechtsorgane in Einem Individuum bestehen.
Mehr den Insekten, vorzüglich den Asseln, nä-
hern sich die Familien der Aphroditen und Nai-
den, von welchen sich jene durch einen ovalen
Kör-
(v)
[387] Körper, Fühlfäden, Kiemen und getrennte Ge-
schlechtstheile, diese durch einen cylindrischen,
oft plattgedrückten Körper, durch den Mangel der
Fühlfäden, durch die Vereinigung beyder Ge-
schlechtstheile in Einem Individuum, und zum
Theil auch durch den Besitz von Tracheen aus-
zeichnen.
Das Meiste mit den Zoophyten haben die Ein-
geweidewürmer gemein, bey welchen die strah-
lenförmige Bildung gewisser, um den Mund sitzen-
der Organe der allgemeinste Charakter ist.
Ein Beyspiel von der Struktur der Röhrenwür-
mer giebt die cylindrische Terebelle (Terebella cy-
lindraria). Der Körper dieses Thiers gleicht einem
langen, etwas zusammengedrückten, abgestumpf-
ten Kegel, der mit der Basis in den Kopf über-
geht und an seiner abgestumpften Spitze einen
kahnförmigen Fortsatz hat, an welchem der Af-
ter liegt. Seiteneinschnitte theilen ihn in meh-
rere Segmente, und jeder von diesen hat zu bey-
den Seiten einen Fuſs, der aus einer fleischich-
ten Warze mit einem Anhange von einer gleichen
Substanz und einem Bündel steifer Borsten besteht.
Zu beyden Seiten des Kopfs liegen zwey Kiemen-
Paare, und an dem hintern Ende desselben zwey
Blätter, die aus flachen, steifen, nach dem Rücken
hin etwas gekrümmten und auf einander liegenden
Borsten zusammengesetzt sind. Vor diesen Blättern
Bb 2befin-
[388] befindet sich eine warzenförmige Erhöhung, in de-
ren Mitte der Mund liegt, und welche nach hinten,
unter den erwähnten Blättern, von einem halbcir-
kelförmigen, mit franzenähnlichen Fühlfäden be-
setzten Saume, nach vorne von zwey gröſsern und
zwey kleinern Bartfasern umgeben ist. Das ganze
Thier wohnt in einem conischen, aus einer theils
steinichten, theils hornartigen Masse bestehenden
Köcher.
Die Form des Körpers, die zahlreichen Fühlfä-
den, die Kiemen und der Köcher nähern also dieses
Thier den Balanen, indem die Einschnitte und Bor-
stenfüſse dasselbe den Asseln ähnlich machen. Noch
ähnlicher den erstern sind die Geschlechter Denta-
lium und Serpula, und den letztern die Geschlech-
ter der Aphroditen und Nereiden, so ähnlich, daſs
auf den ersten Anblick manche dieser Würmer mit
jenen Mollusken und Insekten nicht nur zu Einer
Ordnung, sondern auch zu Einem Geschlechte zu
gehören scheinen.
Bey der Zergliederung der erwähnten Terebelle
zeigt sich eine ähnliche Organisation des Muskelsy-
stems, wie bey den Insekten. Den ganzen Körper
nimmt eine länglichte muskulöse Binde ein. Zu
beyden Seiten des Bauchs an den Borstenfüſsen lau-
fen fleischichte Bänder herab, und ausserdem ist je-
der dieser Füſse noch mit eigenen Muskeln ver-
sehen.
Vom
[389]
Vom Kopfe nach dem Schwanze, zwischen den
beyden muskulösen Seitenbändern, läuft der Stamm
der Nerven in der Gestalt eines weissen Streifens
herunter.
Der Schlund steigt wie ein Faden vom Maule
herab, und endigt sich in einem kleinen, ovalen,
fleischichten Magen. Der Darmcanal geht von dem
letztern bis auf drey Viertel der Länge des Thiers
fort, steigt dann wieder herauf zum Magen, und
begiebt sich nach einer zweyten Umbiegung gerade
zum After. Diese drey Theile desselben sind unter
einander und mit den Integumenten durch eine zarte
Membran, wie durch ein Gekröse, verbunden.
Den ganzen Darmcanal begleitet ein pulsiren-
des, mit rothem Blute angefülltes Gefäſs, das nach
dem After hin enger, nach dem Magen zu aber wei-
ter wird, und sich an dem letztern Orte in mehrere
Aeste vertheilt, von welchen die beyden gröſsten
zu den Kiemen gehen, zwey kleinere sich an dem
Schlunde vertheilen, und ein einfacher Zweig sich
neben dem Rückenmarke hinschlängelt. Ausserdem
gehen zu beyden Seiten des Bauchs an den Füſsen
noch zwey zarte, rothe Gefäſse fort.
Auf jeder Seite des Schlundes liegt ein darm-
förmiges, sehr saftiges und weiches Eingeweide,
das sich in den Darmcanal zu inseriren und die
Bb 3Stelle
[390] Stelle der Speicheldrüsen, der Leber oder des Pan-
creas zu vertreten scheint.
Vor der Insertion der Kiemengefäſse und zwi-
schen den eben erwähnten Eingeweiden finden sich
zwey Eyerstöcke, und hinter der Insertion der
Branchialgefäſse zwey Bläschen, deren jede einen
groſsen Nerven aus dem Rückenmarke erhält, und
welche Saamenbläschen zu seyn scheinen.
Eine ähnliche Struktur findet sich im Innern
der Terebella conchilega. Die Familie der Aphrodi-
ten aber unterscheidet sich von jener in mehrern
Stücken.
Bey den Geschlechtern der Amphinomen und
Amphitriten liegen die Kiemen nicht zu beyden Sei-
ten des Kopfs, sondern zu beyden Seiten des Rü-
ckens, und es findet hier kein Hermaphroditis-
mus statt.
Vorzüglich zeichnet sich das Geschlecht der
Aphroditen durch mehrere Eigenheiten aus. Das
Muskel- und Nervensystem ist hier dem der Rau-
pen sehr ähnlich. Der Schlund ist weit, und, wie
bey den eben genannten Insekten-Larven, mit Mus-
keln versehen, welche in die Rückenmuskeln über-
gehen. Der Magen ist zum Theil knorpelartig, wie
der der Hühner, und bey einigen Arten an seiner
obern Mündung mit Zähnen besetzt. Der Darmca-
nal
[391] nal ist kurz, gerade und der Länge nach auf jeder
Seite mit ohngefähr zwanzig ästigen Blinddärmen
besetzt, die sich in länglichte Säcke endigen, und
mit einem dunkelgrünen, etwas bittern Safte ange-
füllt sind. Bey einigen Individuen liegt zwischen
dem Darmcanale und dessen blinden Anhängen ein
Gewebe von weichen, krausen Filamenten, die sich
im Sommer als Eyerstöcke zeigen. Bey andern ist
um die nehmliche Zeit die Bauchhöhle mit einer
milchartigen, etwas zähen Materie angefüllt.
Bey den Nereiden scheinen die Kiemen am Af-
ter zu liegen. Der Nahrungscanal ist eine Röhre,
die sich vom Munde bis zum After in gerader Rich-
tung herunterschlängelt. Das Gefäſssystem besteht
in zwey Stämmen, die zu beyden Seiten dieses Ca-
nals liegen, und von welchen das eine mit einer
rothen, das andere mit einer weissen Flüssigkeit an-
gefüllt ist. Beyde Gefäſse pulsiren; aber die Pul-
sationen des einen gehen vom Kopfe nach dem
Schwanze, die des andern vom Schwanze nach dem
Kopfe.
Den Nereiden nähern sich mehrere Thiere aus
der Familie der Naiden. Diese haben ebenfalls ei-
nen langen, schmalen, in zahlreiche Abschnitte ein-
getheilten Körper, und oft auch, gleich jenen, an
jedem Segmente Borstenfüſse. Aber kein Thier aus
dieser Familie hat Fühlfäden, und nicht alle schei-
Bb 4nen
[392] nen Kiemen zu haben, sondern einige, unter an-
dern die Erdregenwürmer, durch Tracheen zu re-
spiriren. Da, wo Branchien vorhanden sind, z. B.
bey dem Geschlechte Nais, liegen diese am After.
Die Struktur des Nahrungscanals und des Gefäſssy-
stems kömmt mit der der Nereiden überein, ausge-
nommen, daſs hier der After nicht immer am Ende
des Schwanzes, sondern bey einigen, z. B. den
Sprützwürmern (Sipunculus), am Bauche liegt und
der untere Theil des Darmcanals aufwärts gebogen
ist. Vorzüglich merkwürdig ist es, daſs sich bey
allen Thieren dieser Familie, die genauer unter-
sucht sind, immer in einem Theile des Gefäſssy-
stems eine rothe Flüssigkeit gefunden hat. Im Erd-
regenwurme zog sie schon die Aufmerksamkeit des
Willis auf sich. O. F. Müller fand sie in den
sämmtlichen Arten aus dem Geschlechte der Naiden,
die er zu beobachten Gelegenheit hatte, so wie im
Lumbricus tubifex und Lumbricus lineatus. Und
daſs der rothe Saft der Blutigel nicht eingesogenes
fremdes, sondern eigenes Blut ist, hat Cuvier ge-
zeigt. In Ansehung der Geschlechtstheile ist die
Familie der Naiden mit der der Röhrenwürmer ver-
wandt. Sie bestehen in Saamenbläschen und Eyer-
stöcken, welche ohnweit dem Kopfe liegen, und
mit vielen und groſsen Blutgefäſsen versehen
sind.
Die
[393]
Die Familie der Eingeweidewürmer (w) ent-
hält die untersten Stufen der thierischen Organisa-
tion. An keinem dieser Körper ist bisher etwas ge-
funden, was sich für Nerven, Sinneswerkzeuge,
Respirationsorgane und Blutgefäſse hätte annehmen
lassen, und nur die Duplicität und Symmetrie ihrer
äussern Struktur, und die nahe Verwandtschaft der-
selben mit der, die wir bey den Naiden antreffen,
veranlaſst uns, sie den Thieren, und nicht den
Zoophyten, beyzugesellen. Es giebt sogar Organis-
men in dieser Ordnung, woran sich gar keine, so-
wohl innere, als äussere Organe entdecken lassen.
Solche sind die Riemenwürmer (Ligula). Aber die
meisten haben doch wenigstens Saugwarzen und
Haken, welche gewöhnlich in kranzförmiger Stel-
lung den Mund oder Rüssel umgeben, einen in Seg-
mente abgetheilten Körper, einen oder mehrere Ca-
näle,
Bb 5
[394] näle, die den Nahrungsstoff im Körper vertheilen,
und einen sehr fruchtbaren Eyerstock. Manche ha-
ben sogar getrennte Geschlechter und ein äusseres
männliches Zeugungsglied. Bey den meisten aber
scheinen beyderley Geschlechtstheile in Einem Indi-
viduum vereinigt zu seyn.
Eine einfache Röhre ist der Nahrungscanal bey
den meisten runden Eingeweidewürmern, und hier
ist gewöhnlich auch ein After vorhanden. Zwey
blinde Canäle, die von dem Rüssel in den Körper
herabhängen, sind bey den Kratzern (Echinorhyn-
chus) vorhanden. Unter den platten Eingeweide-
würmern haben die Bandwürmer an jedem Segmen-
te des Körpers Saugwarzen, und aus jedem von
diesen entspringt ein Nahrungscanal, der der Länge
nach durch den Körper läuft, und mit den übrigen
Canälen durch Queerröhren verbunden ist (x). Bey
den Leberegeln (Fasciola hepatica) entsteht aus ei-
ner der Saugöffnungen ein Gefäſs, das sich ästig im
Körper verbreitet (y).
Ein bloſser, wie Laubwerk gestalteter Eyer-
stock ohne andere sichtbare Geschlechtsorgane fin-
det sich bey den Bandwürmern. Der Hermaphro-
ditis-
[395] ditismus ist dem Geschlechte Fasciola, und die Tren-
nung der Geschlechter den Askariden eigen. Bey
den letztern hat das Männchen ein an dem Schwanze
hervorragendes Zeugungsglied, worin ein langes,
sich über den Darmcanal hinschlängelndes Saamen-
gefäſs übergeht, und das Weibchen ohngefähr in
der Mitte des Körpers eine Oeffnung, die zu einer
Mutterscheide mit zwey langen Eyerschläuchen
führt.
Ordnungen und Geschlechter der
Würmer.
- 1. Dentalium L.
- 2. Serpula. Ein kappenförmiges Organ am
Kopfe.
S. gigantea. Pallas misc. zool. p. 145. - 3. Terebella. Schuppen, oder Kämme am
Kopfe.
T. cylindraria. Pallas misc. zool. p. 128.
Nereis cylindraria.
T. conchilega. Pallas misc. zool. p. 136.
Nereis conchilega. - 4. Amphitrite. Blos Fühlfäden und Kiemen
am Kopfe.
II.
[396]
- 1. Amphinome. Längs dem Rücken liegende
nackte Kiemen.
A. carunculata. Pallas misc. p. 105. Aphro-
dite carunculata.
A. complanata. Pallas misc. p. 112. Aphro-
dite complanata. - 2. Aphrodite. Längs dem Rücken liegende, mit
Schuppen bedeckte Kiemen.
A. aculeata. Redi de animalc. vivis. p. 276.
Hystrix marina. Swammerdamm’s Bibel der
Nat. S. 356. Die sammetne Meerschnecke.
Physalus. Gunnerus, Schriften der Dront-
heim. Gesellsch. Th. 3. S. 51. Th. 4. S. 82. Pal-
las misc. zool. p. 83.
A. punctataMülleri. Pallas misc. p. 93.
Aphrodite squamata.
A. complanataMüll. Pallas misc. p. 97.
Aphrodite cirrhosa. - 3. Nereis. Am After liegende Kiemen.
N. versicolor. Müller von Würmern u. s.
w. S. 125 ff.
- 1. NaisMülleri.
N. proboscidea. Müller von Würmern.
S. 27.
Nais
[397]Nais digitata. Müller von Würmern.
S. 95 ff. Die blinde Naide. - 2. Lumbricus L.
L. tubifex. Müller hist. vermium. Vol. I.
P. 2. p. 28. n. 160.
L. lineatus. Müller hist. verm. Vol. I. P. 2.
p. 29.
L. terrestris. Willisius de anima brut. in
opp. p. 13. Redi de animalc. vivis. p. 132,
140, 144. Vandelli de nonnullis insect. ter-
restribus etc. Patavii. 1758. Mangili de syst.
nerveo hirudinis etc. in Reil’s Archiv f. d Phy-
siol. B. 2. S. 114. Comparetti de aure interna
comp. p. 319. - 3. Sipunculus L.
S. echiurus. Pallas misc. p. 149. Ejusd. spi-
cil. zool. f. X. p. 6. Lumbricus echiurus.
S. saccatusLinn. (?). Pallas spicil. zool.
fasc. X. p. 13. Lumbricus phalloides.
S. oxyurus. Pallas spicil. zool. f. X. p. 16.
Lumbricus oxyurus. - 4. Hirudo L.
H. medicinalis. Redi de animalc. vivis etc.
p. 129. 314. Tab. XIV. Poupart, Journal des
sçavans. 1697. n. 28. Dillenius in Eph. N. C.
c. VIII. obs. 57. Mangili de syst. nerv. hirud.
in Reil’s Archiv f. d. Physiol. B. 2. S. 113.
Cuvier, Bulletin de la Soc. philomath. An VII.
n. 19.
[398] n. 19. p. 146. Comparetti de aure intern.
comp. p. 316. - 5. Planaria L.
- 6. Gordius L.
nales(z).
- 1. Filaria.
- 2. Trichocephalus.
- 3. Ascaris.
- 4. Ophiostoma.
- 5. Cucullanus.
- 6. Strongilus.
- 7. Liorhynchus.
- 8. Echinorhynchus.
- 9 Haeruca.
- 10. Festucaria.
- 11. Fasciola.
- 12. Amphistoma.
- 13. Linguatula.
- 14. Scolex.
- 15. Caryophillaeus.
- 16. Ligula.
- 17. Tricuspidaria.
- 18. Taenia.
- 19. Cysticercus.
- 20. Echinococcus.
Vier-
[399]
Vierter Abschnitt.
Zoophyten.
Erstes Kapitel.
Classen der Zoophyten.
Für den Charakter des zweyten Reichs der leben-
den Natur, des Reichs der Zoophyten, haben wir in
der Einleitung eine thierische Mischung, verbun-
den mit einer homogenen, also pflanzenartigen Tex-
tur angenommen. Wir glauben, diesem Charakter
gemäſs, einen Theil der lebenden Organismen, der
bisher unter dem Namen der cryptogamischen Pflan-
zen zu den Vegetabilien gezählt wurde, von diesen
trennen, zu den Zoophyten rechnen, und das Reich
der letztern in zwey Classen, 1) in Thierpflan-
zen (Zoophyta) im engern Sinne, oder Po-
lypen, deren unterscheidendes Merkmal in der
Verwandtschaft ihrer innern Struktur mit dem in-
nern Baue der Thiere und ihrer äussern Form mit
der der Pflanzen besteht, 2) in Pflanzenthiere
(Phytozoa), deren innere sowohl, als äussere Struk-
tur vegetabilischer Art ist, eintheilen zu müssen.
In
[400]
In wiefern diese Eintheilung den gewöhnlichen
Begriffen von Thier und Pflanze gemäſs ist, wird
sich in der Folge zeigen. Hier ist es hinreichend,
darzuthun, daſs dem von uns angegebenen Charak-
ter der Zoophyten gemäſs die cryptogamischen Ge-
wächse zu diesen gerechnet werden müssen. Ihre
pflanzenartige Textur aber bedarf keines Beweises.
Nur ihre Mischung kann hier in Betracht kommen,
und daſs diese thierischer Art ist, lehren alle bishe-
rige chemische Untersuchungen derselben.
Bey der Zerlegung der Staubpflanzen, Confer-
ven, Ulven und Pilze erhielten Ingenhouss(a),
Girod-Chantran(b) und von Humboldt(c) die
nehmlichen Produkte, welche die Decomposition
thierischer Substanzen liefert.
Die Kalkerde, die ein Hauptbestandtheil aller
Thiere und Thierpflanzen, und nach Vauquelin’s
Versuchen (d) ein animalisches Produkt ist, findet
sich ebenfalls sehr häufig in den Pflanzenthieren.
Von
[401]Von Humboldt(e) erhielt aus 1 Unze 5 Drachmen
des Agaricus campestris L. 66 Gran, oder 0,12, die
aber mit einer geringen Quantität Kohlenstoff ver-
mischt waren; Girod-Chantran aus der Conferva
canalicularis L. ohngefähr 0,05 kalkartigen Ruck-
stand (f), und aus der Conferva intestinalis (Ulva
intestinalis L.) 0,05 Asche, welche aus 0,7 Kalk-
und 0,3 Kieselerde bestanden (g); Bauvier(h) aus
dem Ceramium helmintochortos 0,002 phosphorsau-
ren und 0,075 milden Kalk; Sage(i) aus der Asche
des Varech (Fucus vesiculosus) 0,34 Kalkerde;
endlich Klaproth aus einem Pfunde der Chara vul-
garis L. 5 Unzen 6 Drachmen 31 Gran, also etwa
0,48 jener Erde.
Vielleicht wird sich die Kieselerde, die, wie
Becker’s und Sage’s Versuche beweisen, ein Be-
standtheil des thierischen Körpers ist (k), und wel-
che Abilgaard sowohl aus der Röhre der Serpula
chrysodon (Sabella chrysodon L.), als aus den as-
bestar-
I. Bd.Cc
[402] bestartigen Haarstacheln des Alcyonium lycurium L.
erhielt (l), bey künftigen Untersuchungen auch in
den Pflanzenthieren finden. Georgi(m) traf sie in
einer Conferve, Bauvier(n) in dem Ceramium
helmintochortos, und, wie schon oben angeführt
ist, Girod-Chantran in der Conferva intestina-
lis an.
Nimmt man zu diesen Gründen noch die auffal-
lende Aehnlichkeit mehrerer Geschlechter und Ar-
ten der Thierpflanzen mit manchen Pflanzenthieren,
und die Gegenwart innerer Organe, welche denen
der Thiere und Thierpflanzen analog sind, bey ver-
schiedenen Gattungen der letztern, so ist unsere
Eintheilung der Zoophyten wohl gerechtfertigt.
Jene Aehnlichkeit ist am auffallendsten bey der
Vergleichung der Blätterschwämme mit den Medu-
sen, der Conferven mit den Hydern, Vorticellen
und Sertularien, der Tremellen mit den Alcyonien
und Spongien, der Tange mit den Seefedern, Cap-
sularien, Sertularien und Corallinen, und der Flech-
ten mit den Geschlechtern Eschara und Madrepora.
Die Conferven sind mit den Sertularien so nahe ver-
wandt, daſs es noch immer zweifelhaft ist, ob die
Sertu-
[403] Sertularia cuscuta zu diesen, oder zu jenen gerech-
net werden muſs (o). Die Tange theilen sich in
ähnliche Aeste, wie manche Seefedern, sind auf der
Oberfläche ihrer Zweige mit ähnlichen büschelför-
migen Organen, wie die letztern versehen, und er-
zeugen, gleich manchen von diesen, im Innern ih-
res Stammes und ihrer Aeste Eyer (p). Die Ulva
Panonia nähert sich so sehr der Corallina Opuntia,
daſs sie von Pallas(q) sogar zum Geschlechte der
Corallinen gerechnet ist. Selbst mit den Würmern
sind einige Pflanzenthiere sehr nahe verwandt.
Eine, von O. F. Müller unter dem Namen des
Armbands (Conferva moniliformis) beschriebene
Confervenart hat die äussere Struktur des Band-
wurms (r), und eine von eben diesem Schriftsteller
entdeckte und abgebildete Wurmart unterscheidet
sich blos durch ihre thierischen Funktionen von den
Conferven (s).
Bey-
Cc 2
[404]
Beyspiele von innern Organen, welche denen
der Thiere und Thierpflanzen ähnlich sind, finden
wir unter den Pflanzenthieren bey den Conferven,
welche gröſstentheils aus einem, dem Eyerstocke
mehrerer Eingeweidewürmer ähnlichen Theile be-
stehen; und bey dem Gichtschwamme (Phallus
impudicus L.), in dessen hohlen Stiele am obern
Ende sich ein zartes, membranöses, trichterförmi-
ges Organ befindet, wovon die engere Mündung
auf dem Hute des Schwammes in den Nabel nach
aussen geht, die weitere aber nach unten gekehrt,
und, gleich der ganzen Oberfläche dieser hohlen
Membran, durch weisse, haarähnliche Fäden, wel-
che an den Stiel hinanlaufen, straff ausgespannt
ist (t).
Zweytes
[405]
Zweytes Kapitel.
Thierpflanzen(u).
Die nehmliche Regel, nach welcher die Thiere
und vorzüglich die Würmer gebauet sind, beobach-
tet die Natur auch bey den Zoophyten. Auch hier
geht sie zum Einfachern über, indem sie in gewis-
sen Organen eine entgegengesetzte Gradation beo-
bachtet. Die Classe der Thierpflanzen ist die, wor-
in die einfachsten Organismen der lebenden Welt
ihre Stelle haben. In ihr ist keine Spur mehr von
symmetrischer Duplicität der Organisation, keine
von Umlauf der Säfte, und keine von einem Ner-
ven-
Cc 3
[406] vensystem. In ihr finden sich lebende Atome, in
ihr die Gränzen zwischen dem Gestalteten und dem
Formlosen. Aber eben diese Classe enthält zugleich
Geschlechter, die sich durch ein inneres Skelett,
durch Kiemen, und durch mehrere andere Theile
den Mollusken wieder um eben so viel nähern, wie
sie sich in ihrer übrigen Organisation von den letz-
tern entfernen.
Ein Beyspiel giebt die röhrenförmige Zitterblase
(Holothuria tubulosa Gmel.). Die Gestalt dieses
Körpers ist walzenförmig. Der Rücken hat pyra-
midenförmige fleischichte Wärzchen, die einen
weiſslichten Schleim absondern, und von der Thier-
pflanze nach Willkühr eingezogen und ausgestreckt
werden. Der Bauch ist mit cylindrischen Fühlfä-
den dicht besetzt, deren Spitzen wie Näpfchen (ace-
tabula) gebildet sind, und vermittelst welcher sich
die Zitterblase an dem Grunde des Meers anhängt.
Die letztern werden ebenfalls, wie die Rückenwärz-
chen, nach Willkühr eingezogen und ausgestreckt.
Den Kopf umgiebt eine häutige Franze (Kieme?)
und den Mund ein Kranz von ästigen Fühlfäden.
Aber von Augen und andern Sinnesorganen ist keine
Spur zu bemerken. Dem Munde ist am andern
Ende des Körpers eine Oeffnung entgegengesetzt,
welche die Verrichtung des Afters hat.
Auf der innern Fläche der dicken Haut, wel-
che unmittelbar den Darmcanal und die übrigen
Ein-
[407] Eingeweide umgiebt, liegen fünf Muskeln, die sich
vom Munde bis zum After erstrecken, und in der
Höhle des Mundes beym Anfange dieser Muskeln
befindet sich ein knöcherner Ring, welcher fünf
Zähne hat, und durch zwey breite Bänder am An-
fange des Mundes befestigt ist. Die Zähne sind auf
der einen Seite erhaben, auf der andern ausgehöhlt.
Mit der erhabenen Fläche eines jeden Zahns sind
vier kegelförmige, mit einem hellen Safte angefüllte
Körperchen verbunden, deren Spitzen zwischen der
Haut und den Zähnen frey herabhängen. An dem
untern Rande der Zähne ist die Speiseröhre befe-
stigt, die mit geringen Erweiterungen und Krüm-
mungen zum After fortgeht, und mit welcher klei-
ne, ästige, cylindrische, gegen das Ende zuge-
spitzte Blinddärme verwachsen sind, die bey ihrer
Insertion in den Darmcanal sich zu einem einzigen
Stamme vereinigen. Den ganzen Gang der Speise-
röhre herunter läuft auswendig ein grünlichtes,
weites Gefäſs, das in zwey Aeste gespalten ist. Der
eine dieser Aeste verliehrt sich in verschiedene klei-
nere Zweige, welche theils mit einer doppelten,
sehr feinen Haut umgeben sind, und das Gekröse
ausmachen, theils unter der ersten Krümmung des
Darmcanals frey herabhängen, und theils sich bey
der zweyten Krümmung dieses Canals mit dem an-
dern groſsen Aste vereinigen. Ausser diesen Thei-
len ist in der röhrichten Zitterblase nichts enthalten.
Cc 4Man
[408] Man findet kein Herz, kein Gehirn, keine Nerven
und kein anderes Eingeweide.
Wer erkennet in diesem Gemählde nicht die Or-
ganisation der Zoophyten? Aber wer sieht auch
nicht die nahe Verwandtschaft eben dieser Thier-
pflanze mit den Sepien? Es giebt eine andere Zit-
terblase (Holothuria Phantopus L.), die sogar ei-
nen Schnabel, wie die letztern Thiere, und eine,
dem Dintenbeutel derselben analoge Blase hat, wor-
in sich eine der Umbra ähnliche Substanz befindet.
Eine verwandte Struktur ist auch dem Ge-
schlechte der Asterien und der Seeigel (Echinus)
eigen, und diese, nebst den Zitterblasen, machen
die Familie der Asterien aus, deren Charakter in
einem mit Zähnen bewaffneten Munde und Kie-
men (?) besteht.
Mehr Einfachheit, als bey den Asterien, treffen
wir schon bey den Actinien an, die einen wei-
chen, gallertartigen Körper, zahlreiche, strahlen-
förmige Fühlfäden, eine oder mehrere Oeffnungen,
welche die Stelle des Mundes und zugleich des Af-
ters vertreten, und eben so viele darmähnliche
Schläuche, die sich bey einigen ästig im Körper ver-
breiten, aber keine harte Theile und keine kiemen-
ähnliche Organe haben. In dieser Familie ist es,
wo sich am auffallendsten die Verwandtschaft der
Pflan-
[409] Pflanzenthiere mit den Thierpflanzen zeigt. Hier
finden sich die Medusen, Beroen und Wurzelmäu-
ler (Rhizostoma), die auf den ersten Anblick mit
den Pilzen zu Einer Ordnung zu gehören scheinen.
An den Wurzelmäulern läſst sich, wie an den letz-
tern, ein Hut, Stiel und eine Wurzel unterschei-
den. Die Wurzel endigt sich in acht dreyeckigte
und gezähnte Blätter. Die Zahl der Zähne beläuft
sich auf 800, und an jedem derselben ist eine Oeff-
nung, welche die Stelle des Mundes vertritt. Aus
jeder Oeffnung entspringt ein kleines Gefäſs, das
sich mit den übrigen desselben Blatts zu einem
gröſsern Canale verbindet. Diese acht Canäle ver-
einigen sich wieder Paarweise, und endigen sich in
einem Behälter, der den empfangenen Nahrungs-
saft durch sechszehn andere ästige Gefäſse in dem
Hute vertheilt.
Eine eigene, zwischen den Actinien und den
beyden folgenden Ordnungen in der Mitte stehende
Familie machen ohne Zweifel auch die Seefedern
aus, die meist aus einem Knochen bestehen, der
mit einer thierischen Materie überzogen, und bey
einigen zur Hälfte gefiedert ist. An dem obern, oft
gefiederten Ende (rachis) bildet diese Materie Fühl-
fäden, von welchen jeder einer Hyder ähnlich und
mit einem eigenen Munde versehen ist. An der
Basis des untern Theils befindet sich eine gröſsere
Oeffnung, wodurch die Thierpflanze Wasser ein-
Cc 5zieht
[410] zieht und wieder aussprützt (x). Der Knochen
übrigens fehlt dem Geschlechte Bohadschia. Statt
dessen geht hier von der Spitze zur Basis in der
Axe der Thierpflanze ein Ligament, das durch zahl-
reiche tendinöse Fibern mit der Haut zusammen-
hängt.
Nahe mit den Actinien sind die Corallen,
und mit den Seefedern die Gorgonien verwandt,
bey welchen ebenfalls zahlreiche Fühlfäden die ein-
zigen äussern, und darmförmige Gefäſse die einzi-
gen innern Organe sind. Die Corallen aber unter-
scheiden sich von den übrigen Thierpflanzen durch
eine steinartige Grundlage, die aus einer gelatinö-
sen, oder membranösen, durch kohlensauren Kalk
erhärteten Substanz besteht (y), die Gorgonien
durch eine horn- oder lederartige, entweder blos
durch phosphorsauren Kalk, oder durch eine Mi-
schung von kohlensaurem und phosphorsaurem
Kalk erhärteten Basis (z), woran sie befestigt sind.
Diese Basis ist bey den meisten von pflanzenartiger
Struktur. Das Geschlecht der Gorgonien ist sogar
mit Rinde, Holz und Mark versehen. Blos der
Theil
[411] Theil, welcher das Holz vorstellet, weicht von die-
ser Aehnlichkeit ab, indem seine Substanz mehr
hornartig, als holzicht ist. Die Thierpflanzen sel-
her machen mit dieser Basis ein einziges Ganzes
aus. Bey den Madreporen sind alle, zu einerley
Stamme gehörige Polypen durch membranöse Bän-
der mit einander vereinigt, die sich in verdünntem
Salpetergeiste als Fortsätze der kalkichten Zellen
zeigen, in welchen sich die Thierpflanzen aufhal-
ten. Bey dem Geschlechte der Gorgonien sind die
Polypen Fortsätze der Rinde des Stammes. Die
Alcyonien sind Aggregate von Polypen, die aus klei-
nen membranösen Röhren bestehen, deren Aus-
gänge sich über die ganze Oberfläche der Seehand
erstrecken (a).
In der Familie der Gorgonien giebt es Geschlech-
ter, bey welchen blos die horn- oder steinartige
Basis, nicht aber die Thierpflanze selbst eine be-
stimmte Struktur hat, und diese blos eine fleischichte
Masse zu seyn scheint. Bey den Infusionsthieren
verschwindet auch die regelmäſsig geformte Basis,
und hier ist nicht mehr eine sichtbare Organisation,
sondern blos noch die Aeusserung von Lebensbe-
wegungen der Beweis von Vitalität. Hier ist die
Gränze der lebenden Natur, hier der Uebergang zu
den formlosen flüssigen Körpern. Aber hier ist zu-
gleich
[412] gleich die unterste Stuffe der Pflanzenthiere, der
Punkt, von dem sich die lebende Natur wieder zu
einem andern Reiche von Organismen, zu den Ve-
getabilien, erhebt.
Ordnungen und Geschlechter der Thier-
pflanzen.
- 1. HolothuriaCuv.
H. Phantopus L. Von Strussenfeld, Abh.
der Schwed. Akad. 1765. B. 27. S. 268.
H. frondosa L. Gunnerus, Abh. der Schwed.
Akad. 1767. B. 29. S. 122.
H. tubulosaGmel. (H. tremula L.). Bo-
hadsch marin. C. IV.
H. doliolum. Pallas misc. zool. p. 155. Acti-
nia doliolum. - 2. Echinus L.
E. esculentus. Monro’s Bau und Physiol. der
Fische. Cap. 13. S. 90.
E. miliaris. Baster opusc. subsecin. T. I.
L. 3. p. 112. - 3. Asterias L.
A. rubens. Baster opusc. subs. T. I. L. 3.
p. 118.
- 1. PhyssophoraForsk.
Phys-
[413]Physsophora hydrostatica. Forskål de-
script. animal. p. 119. - 2. MedusaMülleri.
- 3. BeroeMüll.
- 4. Rhizostoma. Cuvier, Bulletin de la Soc.
philomath. An VIII. n. 33. p. 69. - 5. Actinia L.
- 6. HydraCuv.
- 7. BotryllusCuv.
- 8. CorineCuv.
- 9. Cristatella C.
- 10. BrachionusMüll.
- 11. VorticellaMüll.
- 1. Bohadschia. Ein Ligament, statt eines Kno-
chens.
B. cynomorium. Pallas misc. zool. p. 178.
Pennatula cynomorium. - 2. Veretillum. Ein Knochen. Ein ungefieder-
ter Körper. Zur Seite sitzende Fühlfäden.
V. phalloides. Pallas misc. zool. p. 180.
Pennatula phalloides. - 3. Encrinus. Ein Knochen. Ein ungefiederter
Körper. An der Spitze sitzende und eine Dolden-
traube bildende Fühlfäden. - 4. Pennatula. Ein Knochen. Ein gefiederter
Körper.
P. rubra. Bohadsch marin. C. VI. §. 3. p. 101.
P. grisea. Bohadsch marin. C. VI. §. 4. p. 110.
IV. Co-
[414]
- 1. Tubularia.
- 2. Capsularia.
- 3. Sertularia.
- 4. Cellularia.
- 5. Eschara.
- 6. Millepora.
- 7. Madrepora.
- 8. Corallina.
- 9. Isis.
- 1. Trichoda.
- 2. Cercaria.
- 3. Bursaria.
- 4. Kolpoda.
- 5. Gonium.
- 6. Paramecium.
- 7. Cyclidium.
- 8. Vibrio.
- 9. Enchelis.
- 10. Volvox.
- 11. Monas.
Drittes
[415]
Drittes Kapitel.
Pflanzenthiere(e).
Bey der Classifikation der Thiere und Thierpflan-
zen nehmen wir die Hauptmerkmale der Abtheilun-
gen immer von Organen her, die zur Erhaltung des
Individuums dienen; die Geschlechtsorgane liefer-
ten uns meist nur untergeordnete Charaktere. Bey
den
[416] den Vegetabilien tritt der entgegengesetzte Fall ein.
Hier sind es die Zeugungsorgane, worin der Cha-
rakter jeder Classe, Ordnung und jedes Geschlechts
am beständigsten ausgedrückt ist. Die ersten Spu-
ren dieser Wichtigkeit der Geschlechtstheile zeigen
sich bey den Pflanzenthieren. Ein bloſser Eyer-
stock ist auch in dieser Classe der Zoophyten, wie
bey den Thierpflanzen, das Einzige, was sich mit
Wahrscheinlichkeit für ein Zeugungsorgan anneh-
men läſst. Aber eben dieser einfache Eyerstock ist
unter allen Theilen durch die Beständigkeit seines
Sitzes, oder seiner Bildung bey einer und derselben
Familie und durch die Verschiedenheit desselben
bey verschiedenen Ordnungen am meisten, oder gar
allein, zu einem Eintheilungsgrunde geeignet.
Es giebt erstens eine Abtheilung der Pflanzen-
thiere, wo das Zoophyt ganz Eyerstock ist. Es
giebt eine zweyte, wo die Eyer, oder Saamenkör-
ner nur auf einzelne Organe eingeschränkt sind.
Bey der weitern Eintheilung der erstern sind
wir aus Mangel hinreichender Untersuchungen ge-
zwungen, die Mischung und Textur zu Hülfe zu
nehmen. Hiernach zerfallen diese in fleischar-
tige, fadenartige, und membranöse, oder
lederartige Pflanzenthiere. Die ersten sind die
Pilze, die zweyten die Conferven, und die
dritten die Tange.
Diese
[417]
Diese Familien enthalten die ersten Spuren der
vegetabilischen Organisation, wie die Infusions-
thiere und Gorgonien die der thierischen Bildung.
Die Pilze sind sowohl in ihrer Mischung, als
Textur den Muskeln der Thiere sehr ähnlich, und
lassen sich auch, gleich diesen, durch Salpetersäure
in eine fettartige Substanz verwandeln (f). In ih-
rer Struktur nähern sich fast alle irgend einer Thier-
pflanze. Die Eyer, oder Saamenkörner liegen ent-
weder ohne bemerkbare Ordnung in der ganzen
Masse zerstreut, oder in Löchern, Poren, Stacheln,
Warzen, Lamellen u. s. w. verborgen, oder auch
frey auf der Oberfläche.
Die Conferven sind einfache, oft gegliederte
Fäden, deren äussere Haut einen, oder mehrere,
der Länge nach fortgehende Canäle umschlieſst, in
welchen frey liegende runde Körperchen (Eyer,
oder Saamenkörner) enthalten sind.
Bey den Tangen zeigen sich die ersten Spuren
der blätterartigen Struktur. Ihr Inneres besteht aus
bloſsen Fibern, die im Stamme und den Aesten pa-
rallel neben einander fortlaufen, in den Blättern sich
durchkreutzen. Die Saamenkörner liegen entweder
in
I. Bd.Dd
[418] in der Substanz des Stammes; oder sie erzeugen
sich an den Enden der Aeste und Zweige in einem
schleimichten Safte.
Bey der zweyten Abtheilung der Pflanzenthiere,
wo die Eyer auf eigene Zeugungsorgane einge-
schränkt sind, bestehen diese entweder in offenen,
schildförmigen Theilen, oder in verschlossenen
Kapseln. Zu jenen gehören blos die Flechten;
zu diesen die Lebermoose, Laubmoose,
Farrnkräuter und Najaden.
Die Flechten fliessen theils mit den Pilzen,
theils mit den Tangen zusammen. Auch unter ih-
nen, wie unter den Pilzen, finden sich Körper, die
in Rücksicht der Einfachheit ihrer Organisation an
den Gränzen der lebenden Natur stehen, und auch
unter ihnen mehrere Arten (g), die manchen Thier-
pflanzen sehr ähnlich sind.
Ein charakteristisches Kennzeichen der Leber-
moose ist ein verschlossener Saamenbehälter, der
zur Zeit der Reife der Länge nach aufspringt,
und seine Saamenkörner, die gewöhnlich vermit-
telst spiralförmiger, elastischer Dräthe an seiner in-
nern Fläche befestigt sind, auswirft. In dieser Fa-
milie zeigt sich schon, ausser der blätterförmigen
Struktur, auch die grüne Farbe der Pflanzen.
Der
[419]
Der Saamenbehälter der Laubmoose ist eine
Büchse, die nicht der Länge nach aufspring, son-
dern durch Abwerfung eines Deckels sich öffnet.
In ihrer innern Höhle geht von dem Orte der Inser-
tion des Stengels zum Mittelpunkte des Deckels ein
säulenförmiges Organ (sporangidium), an welchem
die Saamenkörner befestigt sind. Der Deckel ist
oft durch einen elastischen Ring mit der Mündung
der Buchse verbunden, und diese häufig mit häuti-
gen Zähnen, oder Haaren besetzt. Hier finden sich
übrigens, ausser den grünen Pflanzenblättern, die
sich schon bey den Lebermoosen zeigen, auch deut-
liche Wurzeln, wovon bey den letztern nur erst
schwache Spuren vorhanden sind.
Mit den Farrnkräutern geht die Natur auf der
einen Seite zur vegetabilischen Organisation über.
Auf der andern Seite aber erscheint in dieser Fami-
lie wieder die Struktur der Thierpflanzen, die bey
den Laubmoosen fast schon ganz verschwunden
war. Sie enthält die palmenartigen Geschlechter
Zamia und Cycas, aber in ihr hat zugleich das den
Enkriniten ähnliche Equisetum seine Stelle. Ihre
Haupt-Charaktere sind lange, spröde, vielfach ge-
fiederte, bey ihrem Entstehen meist zusammenge-
rollte, an der Basis oft mit Schuppen besetzte, und
entweder wechselsweise, oder sternförmig geord-
nete Blätter; runde Saamenbehälter, die entweder
einzeln, jeder auf einem eigenen Stiele, an der
Dd 2Wur-
[420] Wurzel sitzen, wie bey den Geschlechtern Salvinia,
Isoetes, Lemma, oder an einem gemeinschaftlichen
Schafte eine Aehre bilden, wie bey der Onoclea,
Osmunda und dem Ophioglossum, oder in der Sub-
stanz der Blätter liegen und regelmäſsige Reihen
bilden (Epiphyllospermae); eine dünne Haut (die
Decke, Indusium), die den Saamenbehälter vor
der Zeit der Reife bedeckt, und bey einigen ein ela-
stischer, gegliederter Ring, welcher jenen umgiebt.
Wir haben im Anfange dieses Capitels einen
bloſsen Eyerstock für das einzige Zeugungsorgan
der Pflanzenthiere angenommen, und auch bisher
keiner andern Geschlechtsorgane bey ihnen erwähnt.
Wir dürfen nun zwar nicht unbemerkt lassen, daſs
einige Naturforscher bey mehrern dieser Zoophyten,
vorzüglich den Laubmoosen, auch männliche Ge-
schlechtstheile entdeckt haben wollen. Doch würde
eine nähere Beschreibung dieser angeblichen Zeu-
gungsorgane hier am unrechten Orte stehen. Ei-
nige jener Entdeckungen beruhen auf so willkühr-
lichen Voraussetzungen, und führen auf so augen-
scheinliche Ungereimtheilen, daſs sie kaum einer
Prüfung werth sind. Die übrigen, die einige
Wahrscheinlichkeit für sich haben, werden in einem
der folgenden Bücher dieses Werks untersucht wer-
den, und dort wird dann auch die Beschreibung
jener Organe ihre Stelle finden.
Es
[421]
Es giebt indeſs eine Familie von Pflanzenthie-
ren, wobey sich allerdings deutliche Geschlechts-
organe von beyder Art finden, nehmlich die Naja-
den. Man trifft hier einen Kelch, Staubfäden, und
einen oder mehrere Griffel mit Narben an. Aber
bey allen Organismen dieser Ordnung, die ich näher
zu untersuchen Gelegenheit gehabt habe, ist mir
nie etwas vorgekommen, was sich mit Wahrschein-
lichkeit für Staubbeutel hätte annehmen lassen.
Die männlichen Geschlechtstheile dieser Körper ha-
ben also vermuthlich blos ein scheinbares Daseyn,
und dieser Umstand, nebst dem Mangel der Coty-
ledonen an ihren Keimen und der nahen Verwandt-
schaft ihrer ganzen Struktur mit der der Farrnkräu-
ter, veranlaſst uns, sie zu den Zoophyten und nicht
zu den Pflanzen zu rechnen.
Ordnungen und Geschlechter der
Pflanzenthiere.
- 1. Sphaeria (F. angiocarpi, solenocarpi Per-
soonii). - 2. Tuber (F. angiocarpi, sarcocarpi Pers.).
- 3. Lycoperdon (F. angiocarpi, dermatocarpi,
trichospermi Pers.). - 4. Mucor (F. angiocarpi, dermatocarpi, gym-
nospermi P.).
Dd 35. Cy-
[422]
- 5. Cyathus (F. angiocarpi, dermatocarpi, sar-
cospermi P.). - 6. Clathrus P.
- 7. Phallus P.
- 8. Agaricus (F. gymnocarpi, hymenothecii, aga-
ricoidei P.). - 9. Boletus (F. gymnocarpi, hymenothecii, bo-
letoidei P.). - 10. Hydnum (F. gymnocarpi, hymenothecii,
hydnoidei P.). - 11. Thelephora P.
- 12. Merisma P.
- 13. Clavaria (F. gymnocarpi, hymenothecii,
clavaeformes P.). - 14. Helvella (F. gymnocarpi, hymenothecii,
helvelloidei P.). - 15. Byssus (F. byssoidei P.).
IV.
[423]
- 1. Collema.
- 2. Peltigera.
- 3. Umbilicaria.
- 4. Stereocaulon.
- 5. Usnea (?)
- 6. Lobaria.
- 7. Psora.
- 8. Verrucaria.
- 1. Riccia L.
- 2. Blasia L.
- 3. Anthoceros. L.
- 4. Targionia L.
- 5. Marchantia L.
- 6. JungermanniaEhrharti.
- 7. AndreaeaEhrharti.
- 1. Phascum.
- 2. Sphagnum.
- 3. Gym [...]ostomum.
- 4. Tetraphis.
- 5. Splachnum.
- 6. Grimmia.
- 7. Encalypta.
- 8. Dicranum.
- 9. Trichostomum.
- 10. Didymodon.
- 11. Tortula.
- 12. Weissia.
- 13. Pohlia.
- 14. Funaria.
- 15. Bryum.
- 16. Timmia.
17. Me-
Dd 4
[424]
- 17. Meesia.
- 18. Bartramia.
- 19. Fontinalis.
- 20. Hypnum.
- 21. Leskia.
- 22. Neckera.
- 23. Buxbaumia.
- 24. Polytrichum.
- 1. Lycopodium L.
- 2. Osmunda L.
- 3. Ophioglossum L.
- 4. Onoclea L.
- 5. Acrostichum.
- 6. Polypodium.
- 7. Asplenium.
- 8. Darea.
- 9. Hemionitis.
- 10. Scolopendrium.
- 11. Blechnum.
- 12. Woodwardia.
- 13. Pteris.
- 14. Lindsaea.
- 15. Vittaria.
- 16. Lonchitis.
- 17. Adiantum.
- 18. Davallia.
- 19. Dicksonia.
- 20. Cyathea.
- 21. Trichomanes.
- 22. Hymenophyllum.
- 23. Schizaea.
- 24. Gleichenia.
- 25. Marattia.
- 26. Danaea.
- 27. Zamia L.
- 28. Cycas L.
- 29. Pilularia L.
- 30. LemmaJuss.
- 31. SalviniaJuss.
- 32. Isoetes L.
- 33. Equisetum L.
- 34. Chara L.
VIII.
[425]
- 1. Hippuris.
- 2. Ceratophyllum.
- 3. Myriophyllum.
- 4. Naias.
- 5. Saururus.
- 6. Aponogeton.
- 7. Potamogeton.
- 8. Ruppia.
- 9. Zanichellia.
- 10. Callitriche.
- 11. Lemna.
Dd 5Fünf-
[426]
Fünfter Abschnitt.
Pflanzen.
Erstes Kapitel.
Allgemeine Bemerkungen über die Orga-
nisation der Pflanzen.
Man hat die Pflanzen umgekehrte Thiere ge-
nannt, und nicht mit Unrecht. Schon eine ober-
flächige Betrachtung derselben lehrt, daſs gewisse
Gegensätze zwischen ihnen und den letztern vor-
handen sind. Aber eben so auffallend sind auch ge-
wisse Aehnlichkeiten, die zwischen diesen beyden
Reichen der lebenden Natur statt finden. Die vor-
nehmsten Verschiedenheiten in ihrer Organisation
sind schon im zweyten Abschnitte dieses Buchs an-
geführt. Wir werden diese jetzt weiter verfolgen,
und zugleich die Analogien der Vegetabilien und
Thiere so weit zu bestimmen suchen, wie es blos
aus der Vergleichung ihrer Organisation möglich ist.
Eine Analogie findet zwischen den Thieren und
Pflanzen erstens in Ansehung ihres Nahrungssaftes
statt. Die Flüssigkeit, welche bey den Vegetabilien
die
[427] die Stelle des Bluts vertritt, äussert ähnliche Er-
scheinungen, wie der letztere Saft nach seiner Ab-
sonderung vom lebenden thierischen Körper. Jene
absorbirt, gleich dem letztern, den Sauerstoff der
athmosphärischen Luft, und verändert dabey ihre
Farbe. Auf ihrer Oberfläche erzeugt sich eine Mem-
bran, und auf dem Boden des Gefäſses, worin sie
aufbewahrt wird, eine Menge flockenartiger Con-
cremente, die unter dem Vergröſserungsglase als
Aggregate von Kügelchen erscheinen. Nach einiger
Zeit zeigt der Geschmack, Geruch, und das Auf-
brausen mit Alcalien, daſs sich eine Säure gebildet
hat. Zuletzt tritt eine entgegengesetzte Verände-
rung ein; blaue Pflanzensäfte werden von der Flüs-
sigkeit geröthet; der Geschmack und Geruch wer-
den faulicht; kurz, es bildet sich Ammoniak. Al-
les ist hier also, wie beym Blute.
Verschieden aber ist die Pflanze von dem Thiere
in Ansehung der Behälter dieses Nahrungssaftes.
Wir haben gesehen, daſs alle Thiere wenigstens
Einen Canal haben, worin dieser Saft zubereitet,
oder aufbewahrt wird. Bey den Gewächsen hinge-
gen sind es blos häutige Zellen, welche diese Flüs-
sigkeit enthalten. Es giebt hier keine lymphatische,
keine zuführende, keine rückführende Gefäſse. Al-
les, was man bey den Pflanzen für Gefäſse aus-
giebt, nur die Luftröhren ausgenommen, sind bloſse
Fasern. Wir behaupten hier einen Satz, der wich-
tige
[428] tige Autoritäten gegen sich hat. Aber dies sind
unsere Gründe:
1) Wären jene Theile, die man für Gefäſse aus-
giebt, wahre saftführende Canäle, so müſsten sie
sich am deutlichsten in saftreichen Pflanzen zeigen.
Aber gerade in diesen ist keine Spur derselben vor-
handen. Man bringe ein junges Blatt der Lemna,
oder Callitriche unter das Microscop, und man wird
darin nichts, als einfache Bläschen entdecken.
Man findet eben so wenig, wie schon ein eifriger
Vertheidiger der saftführenden Gefäſse, Hedwig
selbst (o), bemerkt hat, eine Spur derselben in
den Blättern der Leber- und Laubmoose. Nur da
sieht man einen gefäſsartigen Bau, wo man ihn am
wenigsten erwarten sollte, in holzigen, saftleeren
Gewächsen und Pflanzentheilen. Sagt man, daſs
die Holzfasern aus verhärteten Gefäſsen entstehen,
und daſs diese bey jungen, saftreichen Pflanzen
noch nicht genug verhärtet sind, um sichtbar zu
seyn, so behauptet man etwas, wofür auch nicht
ein Schatten von Beweis vorhanden ist.
2) Man lasse eine Pflanze, worin kein gefäſsar-
tiger Bau sichtbar ist, bey einer erhöheten Tempe-
ratur eine Zeitlang in einer Tinktur des Fernam-
bukholzes stehen, und man wird jenen Bau darin
wahrnehmen. Was, sagt man, läſst sich nach die-
ser
[429] ser Thatsache gegen das Daseyn von Gefäſsen bey
den Pflanzen einwenden? Ich antworte: man be-
netze Löschpapier mit jener Tinktur, und bringe
es unter das Vergröſserungsglas, und man wird
auch darin dunklere, stärker mit der Flüssigkeit ge-
tränkte Streifen erblicken. Jener Versuch beweiset
also nichts, indem er zuviel beweiset.
3) Es giebt eine Classe von Thieren, bey wel-
chen der Nahrungscanal und ein einfaches Herz die
einzigen Behälter des Nahrungssaftes sind, und in
deren Organen sich statt der Blutgefäſse unzählige
Tracheen vertheilen, nehmlich die Insekten. Nun
treffen wir ähnliche Luftgefäſse, eine eben so groſse
Menge und eine ähnliche Vertheilung derselben,
wie gleich näher gezeigt werden wird, bey den
Pflanzen an. Sollte also diese Aehnlichkeit sich
nicht auch auf den Mangel an Blutgefäſsen er-
strecken?
Aehnlich ist ferner die Pflanze dem Thiere in
Ansehung der Respirationsorgane. Sie athmet,
gleich dem Insekt, durch zahlreiche Luftgefäſse,
die sich in alle Theile ihres Körpers verbreiten, und
welche, wie bey den Tracheen der eben erwähnten
Thiere, aus einem zarten, häutigen, auswendig
mit spiralförmigen Fasern umwickelten Canale be-
stehen (p). Zugleich finden sich bey ihr zahlreiche
Orga-
[430] Organe, die sich mit keinen andern animalischen
Theilen, als den Kiemen vergleichen lassen, nehm-
lich die Blätter. Auch öffnen sich jene Luftgefäſse
auf der Fläche dieser Blätter (q), die der Wasser-
pflanzen ausgenommen, so wie auf der des Kelches,
der Zweige und Stengel, aber nicht der Blumen-
krone, der Antheren und der Wurzel, durch zahl-
reiche Spalten, die mit Ringen (Schlieſsmuskeln?)
eingefaſst sind (r), und eine groſse Aehnlichkeit
mit den Stigmaten der Insekten haben.
Entgegengesetzt aber ist die Pflanze dem Thiere
in dem Verhältnisse des Raums, worin die Ober-
fläche der Respirationsorgane zusammengedrängt
ist, gegen den des ganzen Körpers. Bey dem
Thiere schränkt die Natur jenen Raum in Verglei-
chung mit dem letztern desto mehr ein, je höher
die Stufe der Thierheit ist, worauf sich der Organis-
mus befindet. Sie ersetzt aber diese Einschränkung
durch Vervielfältigung und Verkleinerung der Fal-
ten oder Zellen, welche die der Luft oder dem Was-
ser
(p)
[431] ser ausgesetzte Oberfläche der Lungen oder Kiemen
bildet. Hingegen ist kein Pflanzenblatt gefalten,
oder mit einathmenden Zellen versehen. Bey den
Gewächsen vergröſsert die Natur den Raum, den
die Respirationsorgane einnehmen, in Vergleichung
mit dem des Stammes desto mehr, je weiter die
Pflanze sich in ihrer Bildung von den Thieren ent-
fernt und dem Maximum der vegetabilischen Orga-
nisation nähert.
Aehnlich ist endlich die Pflanze dem Thiere in
Ansehung der Geschlechtstheile. Sie hat nicht blos
weibliche Zeugungsorgane, wie die Zoophyten,
sondern auch männliche, wie die meisten Thiere.
Aber die letztern neigen sich desto mehr zur Tren-
nung der Geschlechtstheile, und desto weniger zum
Hermaphroditismus, je höher die Stufe der Thier-
heit ist, worauf sie sich befinden. In den Pflanzen
hingegen ist eine desto stärkere Neigung zum Her-
maphroditismus, je deutlicher der vegetabilische
Charakter in ihnen ausgedrückt ist. Dieser ist deut-
licher bey der Rose, als bey der Palme, und darum
trägt jene beyderley Geschlechtsorgane in Einem
Individuum, indem sie bey der letztern in verschie-
denen Individuen vertheilt sind. Ferner neigt sich
in der Struktur der thierischen Geschlechtsorgane
alles zur Einheit oder Duplicität. Es giebt bey dem
Weibchen der höhern Thierclassen zwey Eyer-
stöcke, zwey Muttertrompeten, einen einfachen
oder
[432] oder doppelten Uterus, und eine einfache oder dop-
pelte Mutterscheide; bey dem Männchen zwey Ho-
den, zwey Saamengänge, doppelte Saamenbläschen,
und ein einfaches oder doppeltes Zeugungsglied.
Im Pflanzenreiche findet sich diese Einheit oder
Duplicität zwar ebenfalls, doch meist nur bey sol-
chen Organismen, die zunächst an die Pflanzen-
thiere gränzen, und also auf der niedrigsten Stufe
der vegetabilischen Organisation stehen, z. B. bey
manchen Gräsern, Cannen und Lysimachien. Je
weniger Aehnlichkeit aber eine Pflanze in ihrer Or-
ganisation mit dem Thiere hat, desto gröſser und
unbestimmter ist die Anzahl ihrer Staubfäden.
Groſse und zahlreiche Blätter, die
Vereinigung der männlichen und weibli-
chen Zeugungstheile in Einer Blume,
und eine groſse und unbestimmte Anzahl
dieser Organe sind also Charaktere des
Maximum, das Gegentheil Kennzeichen
des Minimum der vegetabilischen Orga-
nisation. Auf diesem Satze werden wir im fol-
genden Capitel eine Eintheilung der Pflanzen bauen.
Zweytes
[433]
Zweytes Kapitel.
Classen der Pflanzen(s).
Wie bey der Classifikation der Thiere und Zoo-
phyten, so müssen wir auch bey der Eintheilung
der Pflanzen auf den Satz Rücksicht nehmen, daſs
beträchtliche Abweichungen in der innern Organisa-
tion uns auch auf eine eigene Lebensweise zu
schliessen berechtigen. Finden wir also einen Theil
der Gewächse in seinem innern Baue von den übri-
gen beträchtlich verschieden, und ist mit dieser
Verschiedenheit eine Unähnlichkeit der äussern
Struktur verbunden, so wird sich hierauf eine un-
serm Zwecke entsprechende Eintheilung der Vege-
tabilien bauen lassen.
Eine solche Verschiedenheit giebt es aber wirk-
lich. Das ganze Gewächsreich besteht aus zwey
groſsen, natürlichen Haupt-Abtheilungen, deren
Basis
I. Bd. Ee
[434] Basis die innere Textur der Pflanzen ist. Zur er-
sten Abtheilung gehören alle Vegetabilien, welche
deutliche concentrische Ringe haben, deren Solidi-
tät vom Umfange zum Mittelpunkte abnimmt, de-
ren Mark in den longitudinalen Zwischenräumen
der Fasern liegt, und bey welchen diese Marksub-
stanz keine strahlenförmige divergirende Fortsätze
hat. Die zweyte Abtheilung enthält diejenigen
Pflanzen, welche deutliche concentrische Ringe ha-
ben, deren Solidität von der Peripherie nach dem
Centrum zunimmt, wo das Mark in einem längli-
chen Canal eingeschlossen ist, und strahlenförmig
divergirende Fortsätze hat(t).
Diese Verschiedenheit im innern Baue steht
aber auch mit der äussern Struktur in Verbindung.
Alle Gewächse der ersten Abtheilung sind zugleich
Monocotyledonen, und alle der zweyten Dico-
tyledonen(u). Die Monocotyledonen gränzen in
ihrer Mischung sowohl, als Struktur zunächst an
die Pflanzenthiere. Unter ihnen finden wir die,
gleich den Zoophyten, Kalk- (v) und Kiesel-
erde
[435] erde (w) enthaltenden Gräser und Cannen, unter
ihnen die dem Tang verwandten Gattungen Zostera,
Typha und Sparganium, und unter ihnen die den
Farrnkräutern ähnlichen Palmen. Alle Pflanzen die-
ser Abtheilung tragen das Gepräge des Minimum
der vegetabilischen Organisation. Alle haben keine
Aeste
(v)
Ee 2
[436] Aeste, keine Zweige und wenig Blätter. Fast alle
haben Blumen, an welchen ein farbiger Kelch die
Stelle der Corolle vertritt, und deren Staubfäden
nur in bestimmter Anzahl vorhanden sind.
Eine Menge Aeste, Zweige und Blätter, eine
vielblättrige Corolle, eine unbestimmte Anzahl
Staubfäden, kurz das Maximum der vegetabilischen
Organisation, findet sich nur bey den Dicotyledo-
nen. Doch besitzen auch unter diesen nicht alle
dasselbe in gleichem Maaſse. Die Blume ist der
Theil, in welchem sich die Entfernung der Dico-
tyledonen von jenem Maximum vorzüglich äussert.
Sie ist entweder unvollständig, oder voll-
ständig, und im erstern Falle hat entweder jede
Blume einen eigenen Kelch, oder mehrere sind
in einem gemeinschaftlichen Kelche vereinigt;
im letztern Falle aber besteht die Blumenkrone ent-
weder aus einem einzigen Blatte, oder aus
mehrern Blättern. Hieraus ergeben sich vier Ab-
theilungen der Dicotyledonen, und eben so viele
Grade der Näherung dieser Pflanzen zur höchsten
Stufe der vegetabilischen Organisation.
Diejenigen Dicotyledonen mit unvollständigen
Blumen, bey welchen jede der letztern einen eige-
nen Kelch hat, gränzen zunächst an die Monocoty-
ledonen. Die meisten tragen kleine unansehnliche
Blumen. Fast alle haben keine Corollen, sondern
blos
[437] blos Kelche, oder Schuppen, und eine einfache
nackte Frucht. Da, wo eine wahre Blumenkrone
vorhanden ist, findet fast immer eine Trennung
der Geschlechter statt, und zwar besteht diese nicht
blos in der Unfruchtbarkeit einzelner Geschlechts-
theile, sondern in der wirklichen Abwesenheit der
männlichen, oder weiblichen Zeugungsorgane. Die,
welche groſse Blätter besitzen, haben entweder gar
keine, oder doch nur wenige Aeste und Zweige,
und die, bey welchen die letztern zahlreicher sind,
haben nur kleine und schmale, oder auch oft, wie
es z. B. bey der Anabasis aphylla (x), Anabasis cre-
tica (y) und dem Calligonum Pallasia (z) der Fall
ist, gar keine Blätter.
Das Mittel zwischen den Dicotyledonen mit
unvollständigen und vollständigen Blumen halten
diejenigen, bey welchen mehrere Blumen in einem
gemeinschaftlichen Kelche vereinigt sind. Der Man-
gel eines eigenen Kelchs an jeder einzelnen Blume,
die einfache, nackte Frucht, und die Unfruchtbar-
keit mehrerer ihrer Blumen nähern sie den Pflanzen
der vorhergehenden Abtheilung.
In
Ee 3
[438]
In geringerer Entfernung von dem Maximum
der vegetabilischen Organisation, als die Pflanzen
der zweyten Abtheilung, stehen die Dicotyledonen
mit vollständigen Blumen und einer einblättrigen
Corolle. Aber der Umstand, daſs man selten eine
unbestimmte Anzahl von Staubfäden und Keimen
in einerley Blume bey den Gewächsen dieser Abthei-
lung antrifft, was bey denen der folgenden so häu-
fig ist, deutet doch auf einen geringern Grad von
Vollkommenheit in den wesentlichen Theilen dieser
Gewächse hin. Selten findet man unter ihnen eine
Pflanze, die mehr als Zehn Staubfäden hat. Die
meisten haben deren nur fünf. Auch sind diese
Organe fast immer an der Blumenkrone befestigt,
da in der folgenden Classe dieser Charakter sehr
selten ist.
Auf der höchsten Stufe der vegetabilischen Or-
ganisation, sowohl in der Zahl, als der Ausbildung
der Organe, stehen die Dicotyledonen mit vollkom-
menen Blumen und einer vielblättrigen Corolle.
Die mehrsten derselben haben, ausser einem Kelch
und einer aus mehrern Stücken bestehenden Blu-
menkrone, eine unbestimmte Menge Staubfäden
und oft auch sehr zahlreiche Keime.
Die meisten dieser Abtheilungen sind aber noch
zu reichhaltig an Pflanzen, um zu Classen dienen
zu können. Wir theilen sie daher weiter nach der
von
[439] allen Botanikern als sehr beständig anerkannten Be-
festigung der Staubfäden in Beziehung auf das Pi-
still ein.
Die Staubfäden sind an den weiblichen Ge-
schlechtsorganen entweder unmittelbar, oder
vermittelst der Blumenkrone befestigt. Im
erstern Falle sitzen jene entweder über dem Pistill
(Stamina epigyna), oder unter diesem (Stamina
hypogyna), oder vermittelst des Kelchs um dieses
(Stamina perigyna). Im letztern Falle vertritt die
Blumenkrone die Stelle der Staubfäden, und sie hat
ebenfalls ihren Sitz entweder über dem Pistill (Co-
rolla epigyna), oder unter demselben (Corolla
hypogyna), oder um dasselbe (Corolla perigyna).
Nun findet bey allen Monocotyledonen, und unter
den Dicotyledonen, sowohl bey denen, welche un-
vollständige Blumen tragen, als bey denjenigen, de-
ren Corolle vielblättrig ist, eine unmittelbare, hinge-
gen bey den Dicotyledonen mit einer einblättrigen
Blumenkrone eine mittelbare Befestigung der Staub-
fäden an dem Pistill statt. Hieraus ergeben sich
also drey Classen der Monocotyledonen, und drey
der Dicotyledonen ohne Blumenkrone. Zu den letz-
tern kömmt aber noch eine vierte, welche die Pflan-
zen mit getrennten Geschlechtern begreift, die sich
unter keine der drey übrigen Classen dieser Abthei-
lung bringen lassen. Die Abtheilung der Dicotyle-
donen mit zusammengesetzten Blumen ist nicht
Ee 4reich-
[440] reichhaltig genug, um einer weitern Classifikation
zu bedürfen. Bey allen Pflanzen dieser Classe trifft
man eine mittelbare Befestigung der Staubfäden
über dem Pistill an. Nur in der Gestalt der Blu-
menkrone, die bey einigen zungenförmig, bey an-
dern röhrenförmig ist, und in den Antheren, die
bey einigen frey, bey andern verwachsen sind, fin-
det ein bedeutender Unterschied unter ihnen statt.
Von den beyden letzten Abtheilungen der Dicotyle-
donen endlich zerfällt wieder jede, gleich der der
Monocotyledonen, nach der Befestigung der Blu-
menkrone, oder der Staubfäden über, neben oder
unter dem Pistill in drey Classen.
Wir fügen hier ein Verzeichniſs der zu jeder
dieser vierzehn Classen gehörigen Familien bey.
Wegen der Charaktere dieser Familien und der un-
ter ihnen begriffenen Geschlechter müssen wir in-
deſs auf Jussieu’s und Ventenat’s angeführte
Werke verweisen.
Classen und Familien des Pflanzenreichs.
ter dem Pistill befestigt sind.
- 1. Aroideen. Aroideae.
- 2. Rohrkolben. Typhae.
- 3. Binsengräser. Cyperoideae.
- 4. Gräser. Gramineae.
II.
[441]
um das Pistill befestigt sind.
- 1. Palmen. Palmae.
- 2. Spargelartige Pflanzen. Asparagi.
- 3. Graslilien. Junci.
- 4. Lilien. Lilia.
- 5. Ananas-Familie. Bromeliae.
- 6. Asphodelen. Asphodeli.
- 7. Narcissen. Narcissi.
- 8. Iris-Familie. Irides.
über dem Pistill befestigt sind.
- 1. Musen. Musae.
- 2. Cannen. Cannae.
- 3. Orchideen. Orchideae.
- 4. Hydrochariden. Hydrocharides.
men, deren Staubfäden über dem Griffel
befestigt sind.
- 1. Aristolochien. Aristolochiae.
men, deren Staubfäden um den Griffel
befestigt sind.
- 1. Oleaster-Familie. Elaeagni.
- 2. Thymeläen. Thymelaeae.
Ee 53. Pro-
[442]
- 3. Proteen. Proteae.
- 4. Lorbeern. Lauri.
- 5. Ampherartige Pflanzen. Polygoneae.
- 6. Ballblüthen. Atriplices.
men, deren Staubfäden unter dem Griffel
befestigt sind.
- 1. Amaranthen. Amaranthi.
- 2. Wegerich-Familie. Plantagines.
- 3. Wunderblumen. Nyctagines.
- 4. Grasblumen. Plumbagines.
men und getrennten Geschlechtern.
- 1. Zapfenbäume. Coniferae.
- 2. Kätzchenbäume. Amentaceae.
- 3. Nesselartige Pflanzen. Urticae.
- 4. Kürbispflanzen. Cucurbitaceae.
- 5. Euphorbien. Euphorbiae.
Blumen.
- 1. Salatpflanzen. Cichoraceae.
- 2. Schirmpflanzen. Corymbiferae.
- 3. Distelpflanzen. Cinarocephalae.
- 4. Scabiosen. Dipsaceae.
IX.
[443]
Blumenkrone, die unter dem Griffel be-
festigt ist.
- 1. Lysimachien. Lysimachiae.
- 2. Euphrasien. Euphrasiae. (Pediculares Jussieu).
- 3. Acanthen. Acanthi.
- 4. Jasmine. Jasmineae.
- 5. Müllenartige Pflanzen. Vitices.
- 6. Lippen-Pflanzen. Labiatae.
- 7. Scrophularien. Scrophulariae.
- 8. Solaneen. Solaneae.
- 9. Borretschartige Pflanzen. Borragineae.
- 10. Windenartige Pflanzen. Convolvuli.
- 11. Polemonien. Polemonia.
- 12. Bignonien. Bignoniae.
- 13. Gentianen. Gentianae.
- 14. Apocineen. Apocineae.
- 15. Sapoten. Sapotae.
Blumenkrone, die um den Griffel befe-
stigt ist.
- 1. Guajakanen. Guaiacanae.
- 2. Alpenrosen. Rhododendra.
- 3. Heiden. Ericae.
- 4. Glockenblumen. Campanulaceae.
XI.
[444]
Blumenkrone, die über dem Griffel be-
festigt ist.
- 1. Labkräuter. Rubiaceae.
- 2. Geiſsblattartige Pflanzen. Caprifolia.
Blumenkrone, und Staubfäden, die über
dem Griffel befestigt sind.
- 1. Aralien. Araliae.
- 2. Doldenpflanzen. Umbelliferae.
Blumenkrone und Staubfäden, die unter
dem Griffel befestigt sind.
- 1. Ranunkeln. Ranunculaceae.
- 2. Mohnartige Pflanzen. Papaveraceae.
- 3. Schootengewächse. Cruciferae.
- 4. Kapperpflanzen. Capparides.
- 5. Sapinden. Sapindi.
- 6. Ahorne. Acera.
- 7. Malpighien. Malpighiae.
- 8. Johanniskräuter. Hyperica.
- 9. Guttäpflanzen. Guttiferae.
- 10. Orangenartige Pflanzen. Aurantia.
- 11. Melien. Meliae.
- 12. Weinstöcke. Vites.
13. Ge-
[445]
- 13. Geranien. Gerania.
- 14. Malven. Malvaceae.
- 15. Magnolien. Magnoliae.
- 16. Anonen. Anonae.
- 17. Mondsaamen-Gewächse. Menisperma.
- 18. Berberitzen. Berberides.
- 19. Linden. Tiliaceae.
- 20. Cisten. Cisti.
- 21. Rautenartige Pflanzen. Rutaceae.
- 22. Nelkenartige Pflanzen. Caryophylleae.
Blumenkrone, und Staubfäden, die um
den Griffel befestigt sind.
- 1. Saftpflanzen. Sempervivae.
- 2. Steinbrechartige Pflanzen. Saxifragae.
- 3. Cacten. Cacti.
- 4. Portulakartige Pflanzen. Portulaceae.
- 5. Ficoideen. Ficoideae.
- 6. Nachtkerzen. Onagrae.
- 7. Myrten. Myrti.
- 8. Melastomen. Melastomata.
- 9. Salicarien. Salicariae.
- 10. Rosen. Rosaceae.
- 11. Hülsenpflanzen. Leguminosae.
- 12. Terpentinpflanzen. Terebintaceae.
- 13. Kreutzdornartige Gewächse. Rhamni.
Sechs-
[446]
Sechster Abschnitt.
Gradationen der lebenden Natur.
Man spricht von einer Stufenfolge, von Verwandt-
schaften und Verkettungen der lebenden Körper.
Man vergleicht die Natur bald mit einer Leiter, bald
mit einem Netze. Man frägt, ob sie blos Indivi-
duen, oder auch Arten, oder auch Geschlechter
hervorgebracht hat? Man streitet über diese Gegen-
stände, und jeder der Streitenden widerlegt die Be-
hauptungen seiner Gegner, ohne hellere Ideen an
deren Stelle zu setzen. Wir maaſsen uns nicht an,
Fragen, die sich nicht blos aus Erfahrungssätzen
beantworten lassen, hier völlig aufs Reine bringen
zu wollen. Wir glauben indeſs durch unsere bis-
herigen Untersuchungen in den Stand gesetzt zu
seyn, wenigstens Data zur Beantwortung derselben
zu liefern.
Nach welchen Gesetzen verfuhr die lebende Na-
tur bey der Hervorbringung ihrer mannichfaltigen
Formen? Dies ist das Problem, das wir aufzulösen
haben. Unsere Antwort ist folgende:
Die
[447]
Die ganze lebende Natur läſst sich in Anse-
hung der Mischung ihrer Organismen unter zwey
groſse Abtheilungen bringen: in der einen hat der
Stickstoff, in der andern der Kohlenstoff das Ue-
bergewicht. Jene begreift die Thiere und Thier-
pflanzen, diese die Pflanzenthiere und Pflanzen.
Die erstern nähern sich insgesammt der animali-
schen, die letztern der vegetabilischen Orga-
nisation.
Es giebt für jede dieser beyden Abtheilungen
ein Maximum und ein Minimum in der gesamm-
ten Organisation. Das Maximum besteht in der
gröſsten, das Minimum in der kleinsten Anzahl
ungleichartiger, in einem und demselben Indivi-
duum vereinigter Organe. Das Maximum der
thierischen Organisation finden wir bey den Säug-
thieren, und vorzüglich bey dem Menschen, das
Minimum bey den Infusionsthieren. Das Maxi-
mum der pflanzenartigen Bildung ist den Dicoty-
ledonen mit einer vielblättrigen Blumenkrone, das
Minimum mehrern Geschlechtern aus den Fami-
lien der Schwämme, Conferven, Tange und Flech-
ten eigen.
Es giebt eine ununterbrochene Gradation von
jedem Maximum der lebenden Natur zu jeder ih-
rer einfachsten Gestalten. Aber diese Gradation
erstreckt sich nur auf die ganze Summe der un-
gleich-
[448] gleichartigen Organe, und auf die Gröſse und
Menge gewisser einzelner Theile. In andern
Theilen beobachtet die Natur entweder eine ent-
gegengesetzte, oder eine unterbrochene, mit je-
ner in keiner Verbindung stehende Stufenfolge.
Wir werden beym Beweise dieser Sätze unsere
Gründe vorzüglich von dem Thierreiche herneh-
men, nicht aber, weil sie sich nur in diesem auf-
finden lassen, sondern weil sie hier wegen des zu-
sammengesetztern Baues am auffallendsten sind.
Das Erste, was wir darzuthun haben, ist also,
daſs die Säugthiere und vorzüglich der Mensch auf
der höchsten Stufe der thierischen, und die Dicoty-
ledonen mit einer vielblättrigen Blumenkrone auf
der höchsten Stufe der vegetabilischen Organisation
in Betreff der Anzahl ihrer ungleichartigen Theile
stehen, und daſs von jenen bis zu den Infusions-
thieren, so wie von diesen bis zu den Schwämmen
eine abnehmende Stufenfolge in dieser Anzahl statt
findet.
So viel folgt schon aus den im zweyten Ab-
schnitte dieses Buchs bestimmten Merkmalen der
Thiere und Zoophyten, daſs die Thierpflanzen
zwar mehr gleichartige, aber weniger ungleichartige
Theile, als die Thiere, haben. Bey diesen ist jedes
Organ entweder nur einfach, oder höchstens dop-
pelt,
[449] pelt, bey jenen aber in unbestimmter Menge vor-
handen. Bey den Thieren finden sich mannichfal-
tige Muskeln, Knochen, Blutgefäſse mit einem
Herzen, Nerven mit einem zusammengesetzten Ge-
hirne, Respirations- und Stimmwerkzeuge, Ver-
dauungs-, Nutritions- und Geschlechtsorgane. Bey
den Polypen sind zahlreiche Fühlfäden und ein ein-
facher Darmcanal die einzigen ungleichartigen
Theile, die sich bey den meisten unterscheiden
lassen.
Aber auch die untern, weiſsblütigen Thierclas-
sen haben weniger ungleichartige, obgleich oft
mehr gleichartige Theile, als die obern, rothblüti-
gen. Der Körper der Würmer besteht aus Abschnit-
ten, welche, wenn man den ersten und letzten aus-
nimmt, insgesammt einerley äussere Struktur, ei-
nerley Muskeln und Nerven haben. Das Organ des
Ursprungs der Nerven ist ein einfacher Markstrang
ohne Gehirn, und selbst ohne Ganglien. Fühlfäden
sind die einzigen Sinnesorgane, und auch diese feh-
len bey vielen. Die Bewegung des Bluts geschieht
ohne ein Herz durch bloſse Gefäſse, und bey man-
chen sind diese Gefäſse nur Zerästelungen des
Darmcanals. Blos dieser letztere Canal und die
Zeugungstheile sind bey einigen von etwas zusam-
mengesetzterm Baue.
Fast eben so groſs ist die Einfachheit und Ein-
förmigkeit in der Organisation bey den Insekten,
I. Bd. F fund
[450] und vorzüglich bey deren Larven. Die Raupe hat
mehr als acht mal so viel Muskeln, wie der Mensch.
Aber welche Einförmigkeit findet nicht in der Ge-
stalt, Lage und Verbindung der Muskeln jener In-
sekten, und welche Abwechselung in der Struktur
dieser Theile bey dem Menschen statt! Ungleichar-
tiger sind eben diese Organe schon bey den voll-
kommenen Insekten. Allein auch diese stehen in
der Mannichfaltigkeit sowohl ihrer Muskeln, als al-
ler übrigen Theile den rothblütigen Thieren nach.
Das zusammengesetzte Gehirn der letztern ist dort
fast ein bloſser Nervenknoten. Ausser Fühlhörnern
und Augen lassen sich keine weitere Sinnesorgane
entdecken, und die Augen sind zwar zahlreicher,
aber auch von einfacherm Baue, als die der roth-
blütigen Thiere. Das Herzohr und die Herzkam-
mer, nebst den übrigen Blutgefäſsen der Amphibien,
Fische, Mollusken und Crustaceen fliessen in einen
einzigen Canal zusammen, und es entsteht ein Or-
gan, das mit dem Herzen der Säugthiere und Vögel
kaum noch verglichen werden kann. Die Respira-
tion geschieht ohne Lungen, blos durch Tracheen.
Statt der mannichfaltigen Absonderungsorgane der
rothblütigen Thiere trifft man hier blos Schläuche,
oder zerästelte Canäle an, und unter diesen giebt es
keine, die sich ihrer Lage und Verbindung nach
für eine Milz, für Nieren und eine Harnblase an-
nehmen lassen. Nur auf die Ausbildung des Darm-
canals und der Zeugungsorgane scheint auch bey
man-
[451] manchen Insekten, wie bey verschiedenen Wür-
mern, mehr Sorgfalt von der Natur verwandt zu
seyn. Doch gilt auch dies nur von einigen, nicht
von allen, und selbst bey jenen ist der Darmcanal
einfacher, als bey den meisten rothblütigen Thieren.
Gehen wir zu den Mollusken über, so finden
wir zwar weniger Einförmigkeit in dem System der
Muskeln, als bey den meisten Insekten und Wür-
mern. Dagegen aber ist auch die Anzahl dieser Or-
gane hier weit geringer, als bey den letztern und
den rothblütigen Thieren. In der Familie der Au-
stern und Pholaden besteht jenes System blos aus
den wenigen Muskeln, wodurch die Schaale geöff-
net und geschlossen, und bey denen, die einen Fuſs
haben, dieser ausgestreckt, gelenkt und zurückgezo-
gen wird: Auf ähnliche Art verhält es sich mit dem
Nervensystem dieser Thiere. Es finden sich hier
nicht so viele gleichförmig gebaute Nerven und
Ganglien, als bey den Insekten, aber auch über-
haupt weniger Nerven, als bey den rothblütigen
Thieren. Bey allen fehlen die Geruchsnerven, und
bey den meisten auch die Nerven des Gesichts und
Gehörs. Das Gehirn unterscheidet sich bey den
meisten nur durch seine Theilung in zwey Hälften,
und durch den ringförmigen Fortsatz, womit es die
Speiseröhre umfaſst, von den groſsen Nervenkno-
ten des Unterleibs. Die Augen und Ohren stehen
da, wo sie vorhanden sind, denen der rothblütigen
Ff 2Thiere
[452] Thiere an Ausbildung weit nach. Unter den übri-
gen Eingeweiden der Mollusken giebt es zwar ei-
nige, welche den höhern Thierclassen fehlen, z. B.
bey den Sepien der Dintensack, und bey den Schne-
cken, Austern, Pholaden und Balanen der Purpur-
und Kalkbeutel. Allein jene haben dafür weit mehr
Eingeweide, die man umsonst bey den letztern
sucht, so die Milz, das Pancreas, die Nieren und
die Harnblase.
Aber auch unter den rothblütigen Thieren fin-
det diese Gradation in der Menge der ungleicharti-
gen Organe statt. Die Fische haben deren im Gan-
zen weniger, als die Amphibien; diese weniger,
als die Vögel; die letztern weniger, als die Säug-
thiere; und unter allen steht der Mensch in dieser
Rücksicht auf der höchsten Stufe.
Sieht man zuerst auf das Skelett, so ist hier
kein ungleichartiger Theil, den die Säugthiere vor
dem Menschen voraus hätten, als etwa das Zwi-
schenkieferbein. Und auch von diesem finden sich
Spuren bey dem Menschen. Nur in der Menge der
Wirbelbeine und Rippen, also gleichartiger Theile,
übertreffen die Säugthiere den Menschen, und die
Vögel, Amphibien und Fische die Säugthiere. Aber
bey den letztern werden dagegen die Knochen des
Beckens und die äussern Gliedmaaſsen immer ein-
facher, und verliehren sich endlich ganz, oder fast
ganz bey den Schlangen und Aalen.
Schon
[453]
Schon aus dieser Zunahme in der Einfachheit
des Skeletts bey den niedern Classen der rothblüti-
gen Thiere läſst sich schliessen, daſs eine ähnliche
Gradation in ihren Muskeln statt finden muſs. Die-
ser Schluſs bestätigt sich auch schon bey einer Ver-
gleichung der Muskeln des Menschen mit denen der
Vögel. Jener hat ungefähr 230, der Schwan hinge-
gen nur etwa 130 ungleichartige Muskeln. Bey den
Schildkröten sind blos Muskeln des Kopfs und der
äussern Gliedmaaſsen, ohne Brust-, Bauch- und
Rückenmuskeln vorhanden; bey den Schlangen fin-
det das Gegentheil statt. Die Fische haben höch-
stens nur 20 verschiedenartige Schwimm-Muskeln,
nehmlich ein Paar, das beyde Seitenflächen des Kör-
pers einnimmt, und aus mehrern kleinern, gleich-
artigen Muskeln zusammengesetzt ist; sechs Paare
an der Schwanzflosse; vier Paare an den Brustflos-
sen; drey Paare an den Bauchflossen; höchstens
drey Paare Rückenmuskeln; Ein Paar Schwanz-
muskeln; endlich bey denen Fischen, welche Rü-
ckenflossen haben, an jedem Strahle dieser Flosse
zwey Paare (a).
Ferner bestätigt sich diese Gradation bey dem
Gehirne. Schon bey den Säugthieren vermiſst
man viele Eigenthümlichkeiten des menschlichen
Gehirns. Bey den meisten von jenen sind sich die
Win-
Ff 3
[454] Windungen beyder Hirnhälften sehr ähnlich, da sie
beym Menschen immer Verschiedenheiten zeigen.
Sie fehlen ganz bey mehrern Geschlechtern aus der
Familie der Hunde und bey den Nagethieren. Es
fehlt auch den übrigen Säugthieren der groſse Syl-
vische Einschnitt (fossa Sylvii); es fehlen ihnen die
hintern Verlängerungen der Seitenhöhlen des Ge-
hirns, die oliven- und pyramidenförmigen Körper,
und im kleinen Gehirne, das fast blos aus dem
wurmförmigen Fortsatze (vermes) besteht, die
Markkerne (corpora dentata), so wie in den Mark-
bündeln die schwarzen Flecke (loca nigra crurum
cerebri).
Bey den Vögeln verschwinden die Windungen
des Gehirns gänzlich, und mit diesen der Hirnbal-
ken (corpus callosum), die Scheidewand der Seiten-
höhlen des Gehirns (septum lucidum), der Bogen
(fornix), die vier Hügel (corpora quadrigemina),
die Zirbel, der gerollte Wulst, der markige Saum,
der Streif (centrum semicirculare geminum) und
die Markkügelchen (eminentiae candicantes).
Noch einfacher ist das Gehirn der Amphibien
und Fische. Es besteht aus vier bis acht Kügel-
chen, die nur eine sehr entfernte Aehnlichkeit mit
denjenigen Theilen haben, welche man in dem
menschlichen Gehirne antrifft.
Auf
[455]
Auf ähnliche Art verhält es sich mit dem Ge-
hörorgane der rothblütigen Thiere. Das äussere Ohr
hat eine zusammengesetztere Struktur bey dem
Menschen, als bey den übrigen Säugthieren. Bey
den Vögeln wird es nur noch durch die regelmäſsige
Stellung der Federn am äussern Gehörgange ersetzt.
Bey den Amphibien und Fischen ist gar keine Spur
davon mehr vorhanden. Die Vögel haben zugleich
nur Einen Gehörknochen und eine weit einfachere
Schnecke, als die Säugthiere. Bey den Amphibien
verwandelt sich die letztere in einen bloſsen Stein-
sack. In der Classe der Fische verliehrt sich end-
lich auch der äussere Gehörgang, das Trommelfell,
die Trommelhöhle, die Eustachische Röhre, ja bey
manchen sogar der Vorhof, und der Gehörnerve
wird zu einem bloſsen Aste des fünften Paars der
Hirnnerven.
Vergleichen wir endlich noch die höhern Thier-
classen in Ansehung der Werkzeuge der Ernährung,
des Blutumlaufs, der Respiration und der Zeugung,
so finden wir auch in diesen eine deutliche Grada-
tion vom Mannichfaltigern zum Einfachern.
Bey den Säugthieren werden die Nahrungsmit-
tel durch ein sehr zusammengesetztes Organ, den
Pharynx, in die Speiseröhre gebracht. Bey den
Fischen hingegen ist von diesem Organe keine Spur
mehr vorhanden. — Der Darmcanal des Menschen
Ff 4besteht
[456] besteht aus zwey Theilen, die, sowohl in ihrer
Textur, als Struktur, merklich von einander abwei-
chen, dem dünnen und dicken Darm. Geringer ist
dieser Unterschied schon bey mehrern Säugthieren,
noch geringer bey den Vögeln, und er verschwin-
det ganz bey vielen Amphibien und Fischen. — So
haben auch nur die Säugthiere ein wahres Omen-
tum. Bey den übrigen rothblütigen Thieren wird
es blos durch Fettklumpen ersetzt. — Von einer
Milz ist ebenfalls entweder gar keine Spur, oder
doch nur ein Analogon vorhanden, und das Pan-
creas verwandelt sich bey mehrern Fischen in blinde
Anhänge am Pförtner.
Alle Säugthiere und Vögel haben ein Herz mit
einer vierfachen Höhlung, wovon zwey zur Auf-
nahme beträchtlicher Venen, und die beyden übri-
gen zum Ursprunge groſser Arterien dienen. Das
Herz der Amphibien und Fische hingegen hat nur
Eine Vorkammer mit einer einzigen Vene, und Ei-
nen Ventrikel mit einer einzigen Arterie.
Die compakten, in mehrere Lappen abgetheil-
ten und mit einem sehr zusammengesetzten Larynx
versehenen Lungen der Säugthiere und Vögel ver-
wandeln sich bey den Amphibien in ungetheilte,
lockere und mit einer einfachen Stimmritze verse-
hene Luftbehälter, und bey den Fischen in frey lie-
gende, gefaltene Häute ohne Bronchien.
Die
[457]
Die männlichen Zeugungsorgane, die bey den
Säugthieren so deutlich in die Augen fallen, wer-
den von den Vögeln zu den Fischen herab immer
verborgener. Die männliche Ruthe ist am zusam-
mengesetztesten bey den Säugthieren, einfacher bey
den Vögeln und Amphibien. Die Fische haben meist
statt ihrer eine bloſse Spalte. Die Saamenbläschen
verliehren sich schon bey den Säugthieren aus der
Familie der Hunde. Die Vögel und vierfüſsigen
Amphibien haben nur noch eine geringe Spur der-
selben. Bey den Schlangen und Fischen sind sie
gar nicht mehr vorhanden.
Von den weiblichen Geschlechtsorganen sind
die Brüste ein ausschlieſsliches Eigenthum der Säug-
thiere. Die äussern weiblichen Zeugungstheile, die
Mutterscheide, der After und die Harnröhre, wel-
che bey jenen eben so viele verschiedene Theile aus-
machen, vereinigen sich bey den Vögeln und Am-
phibien zu einem einzigen Organe, der cloaca.
Doch findet man bey diesen noch einen Uterus, und
den Muttertrompeten ähnliche Organe. Bey den
meisten Fischen aber verschwinden auch diese Thei-
le, und die Eyerstöcke gehen hier unmittelbar in
die cloaca über. Ja, nicht selten vereinigen sich
hier, wie bey den Mollusken und Würmern, bey-
derley Geschlechtstheile in Einem Individuum, und
es entstehen wahre Hermaphroditen, die auf der
Ff 5einen
[458] einen Seite Milch, auf der andern Rogen ha-
ben (b).
Durch alle Formen der thierischen Organisation
wird also der Satz bewiesen, daſs jede niedere Classe
der höhern an der Zahl der ungleichartigen Organe
nachsteht. Indeſs gilt derselbe, wie gesagt, nur
von den ungleichartigen Theilen. In der
Menge der homogenen Organe werden die hö-
hern Thierclassen von manchen der niedern und
von vielen Thierpflanzen weit übertroffen. Anders
ist es bey den Vegetabilien. Hier steigt von dem
Minimum an bis zum Maximum mit der Anzahl
der heterogenen Organe zugleich die der homoge-
nen. Die Schwämme, Conferven und Tange ha-
ben keine Blätter, keinen Kelch, keine Blumen-
krone, keine Staubfäden und Griffel, ja meist nicht
einmal Wurzeln und Zweige. Bey den Moosen und
Farrnkräutern erscheinen Blätter, aber entweder
nur kleine und schmale, wenn sie zahlreich sind,
wie bey den Laubmoosen, oder wenig zahlreiche,
wenn sie gröſser und breiter sind, wie bey mehrern
Farrnkräutern. Dabey fehlen auch ihnen wahre
Blumen. Diese erscheinen erst bey den Monocoty-
ledonen, aber auch hier nur erst mit einem bloſsen
Kelch ohne Blumenkrone, mit wenigen Staubfäden
und
[459] und Griffeln, und häufig mit getrennten Geschlech-
tern. Hier zeigt sich auch das, den Pflanzenthie-
ren fehlende Saamenblatt, doch nur erst in einfacher
Gestalt. Die übrigen Blätter werden hier zahlrei-
cher, als bey den Phytozoen. Aber wie groſs bleibt
nicht doch noch der Unterschied zwischen dem dürf-
tigen Schatten der Palmen und dem heiligen Dun-
kel der Linden, Magnolien, Platanen und Adanso-
nien. Die meisten sowohl gleichartigen, als un-
gleichartigen Organe finden sich bey den Dicotyle-
donen, und vorzüglich bey denen, deren Blumen-
krone vielblättrig ist. Diese haben zwey Saamen-
blätter, und ihre übrigen Blätter sind nicht nur in
gröſserer Menge vorhanden, als bey allen andern
Pflanzen, sondern oft findet selbst unter diesen eine
beträchtliche Verschiedenheit statt, wie der Wasser-
Ranunkel (Ranunculus aquaticus), die Tauben-
Scabiose (Scabiosa columbaria) u. s. w. beweisen.
Die zahlreichen Kelch- und Blumenblätter um-
schliessen eine unbestimmte Menge von Staubfäden
und Griffeln, und diese sind immer in Einer Blume
vereinigt.
Alles bestätigt also den Satz, daſs eine Grada-
tion in der Menge der ungleichartigen Organe unter
den thierischen und vegetabilischen Formen statt
findet. Parallel mit dieser Gradation geht nun auch
eine Stufenfolge in der Gröſse und Menge gewisser
einzelner Theile.
Wir
[460]
Wir finden nehmlich erstens, daſs die Grö-
ſse des Gehirns gegen die Dicke der Ner-
ven desto mehr abnimmt, und die Gröſse
der Nervenknoten desto mehr wächst, je
weiter wir von dem Menschen zu den
Würmern herabsteigen.
Der erste Theil dieses Satzes wurde zuerst von
Hallern(c), Barthez(d) und Sömmering(e)
aufgestellt, und nachher sowohl von dem letztern
in spätern Schriften (f), als von Monro(g),
Ebel(h), Camper(i), Vicq-D’Azyr(k), Blu-
menbach(l) und von Humboldt(m) bestätigt.
Daſs aber auch mit der Abnahme des Gehirns die
Gröſse
[461] Gröſse der Nervenknoten wächst, beweisen vorzüg-
lich die Mollusken, Insekten und Würmer.
Bey dem Dintenfische entspringen aus jeder
Hirnhälfte zwey dicke Hauptnerven, welche vor ih-
rer Vertheilung zu Knoten anschwellen, die dem
Gehirne wenig an Gröſse nachgeben (n).
Bey der Weinbergschnecke geht aus jeder Hälfte
des Gehirns ein dicker Nerve hervor, welcher sich
mit dem gleichnamigen der andern Seite zu einem
Ganglion vereinigt, das fast eben so groſs als das
Gehirn ist, und sich von diesem nur in seinem we-
niger symmetrischen Baue unterscheidet (o).
Auf ähnliche Art verhält es sich bey der Aply-
sia (p).
Bey den Crustaceen und Insekten ist die Gröſse
und Anzahl der Ganglien so beträchtlich, daſs sie
bey weitem den gröſsten Theil des Nervensystems
ausmachen (q).
Aus dem Gehirne der Krebsschnecke (cancer
Bernhardus) entspringen nur vier Nerven, wovon
die vordern zu den Augen gehen, und die hintern,
nach-
[462] nachdem sie einen Ring zur Durchlassung des
Schlundes gebildet haben, sich zu einem Knoten
vereinigen, welcher sowohl an der Gröſse, als Men-
ge der aus ihm entstehenden Nerven das Gehirn
übertrifft (r).
Hiermit kömmt auch der Bau des Nervensy-
stems bey der Musca Chamaeleon überein (s).
Die Ephemera hat fast gar kein Gehirn mehr,
sondern die dicken Gesichtsnerven gehen hier, ab-
wechselnd getrennt und wieder vereinigt, vom Ko-
pfe bis zum Schwanze fort, und bilden bey diesen
Vereinigungen eilf Knoten, aus welchen siebenzehn
Nervenpaare entspringen (t).
Vergleicht man endlich noch Swammerdamm’s
Tafeln und Beschreibungen des Nervensystems der
Biene (u), des Nashornkäfers (v), der Seiden-
raupe (w), und Lyonnet’s Abbildungen des Ner-
vensystems der Weidenraupe (x), so wird man auch
hier Bestätigungen unsers Satzes finden.
Unter den Würmern hat der Blutigel blos eine
Art von Rückenmark, das sich vom Kopfe bis zum
Schwan-
[463] Schwanze erstreckt, und mit 23 Ganglien versehen
ist, wovon das erste und letzte die gröſsten sind (y).
Bey der Aphrodite aculeata (z) und dem Re-
genwurme (a) findet man nur noch schwache Spu-
ren von Ganglien. Ein langer, von dem einen Ende
des Körpers bis zum andern fortgehender Faden ver-
tritt die Stelle des Rückenmarks, und an diesem
trifft man da, wo die Ringe hervorstehen, geringe
Anschwellungen an, aus denen die Nerven ent-
stehen.
Ohngeachtet übrigens die vier niedern Thier-
classen den zweyten Theil unsers obigen Satzes am
auffallendsten bestätigen, so fehlt es doch auch bey
den Vögeln, Amphibien und Fischen nicht an Be-
weisen desselben. Bey keinem dieser Thiere ist das
Gehirn eine so zusammenhängende Masse, wie bey
den Säugthieren. Es besteht bey jenen aus fünf,
sechs und mehrern Theilen, die bey weitem nicht
so genau unter einander verbunden sind, als die
Hälften des groſsen Gehirns, des Cerebellum und
der Hirnknoten bey den letztern, und hat fast das
Ansehn eines Aggregats von groſsen Ganglien. Bey
den Vögeln und Amphibien ist auch der Hirnknoten
in
[464] in Vergleichung mit dem übrigen Gehirne weit
gröſser, als bey den Säugthieren; und bey verschie-
denen Fischen, z. B. der Raia clavata (b), schwillt
der Geruchsnerve vor seiner Ausbreitung in der
Nase zu einem Ganglion an, das den mittlern Halb-
kugeln des Gehirns an Gröſse wenig nachgiebt.
Wir können ferner annehmen, daſs die
Menge des im Gehirne circulirenden
Bluts, verglichen mit der, welche den
übrigen Organen zugeführt wird, bey
den Säugthieren und Vögeln gröſser ist,
als bey den niedern Thierclassen.
Man mag die im menschlichen Gehirne enthal-
tene Quantität von Blut mit Malpighi auf den drit-
ten, oder mit Hallern auf den sechsten Theil der
ganzen Blutmasse schätzen (c), so lehrt doch eine
Vergleichung des Ursprungs und der Gröſse der Ca-
rotiden mit denen der übrigen Arterien, daſs jene
Quantität auf jeden Fall gröſser ist, als die Blut-
menge eines jeden andern Eingeweides. Die, von
Sömmering(d) diesem Satze entgegengesetzte Nie-
renarterie, welche in Rücksicht der Niere gröſser
ist, als die vier Hirnarterien in Rücksicht des Um-
fangs
[465] fangs und der Masse des Gehirns, stöſst denselben
nicht um, da das Blut der Nierenarterien nicht blos
für die Nieren, sondern auch für den Urin bestimmt
ist, hier aber nur von demjenigen die Rede seyn
kann, welches den Nieren selbst zugeführt
wird.
Ganz anders verhält es sich bey den niedern
Thierclassen, z. B. den Fröschen. Die Aorta theilt
sich hier, gleich nach ihrem Ursprunge aus dem
Herzen in zwey Aeste, wovon der eine zur rechten,
der andere zur linken Seite der Brust geht. Aus
jedem dieser Aeste entspringen wieder drey Haupt-
zweige. Das unterste und kleinste Paar derselben
geht theils zu den Lungen, theils zum Munde.
Das oberste vertheilt sich ebenfalls in den Muskeln
des Mundes, und in denjenigen, die zum Athem-
hohlen dienen. Das mittlere und gröſste geht in
einem Bogen abwärts zur Gegend der Hüften, und
vereinigt sich hier zu einem einzigen Stamme, wel-
cher die Bauch- und Gekrösearterie, die Schlag-
adern der Zeugungstheile und Nieren, und die Ar-
terien der hintern Gliedmaaſsen abgiebt. Vor dieser
Vereinigung zu einem gemeinschaftlichen Stamme
entstehen aber aus jenem mittlern Paare erst nach
oben die Arterien der vordern Extremitäten, unten
mehrere Vertebralarterien, und in der Mitte diejeni-
gen, welche zum Gehirne gehen. Schon diese Ent-
stehungsart der letztern beweiset, daſs die zum Ge-
I. Bd.Gghirne
[466] hirne der Frösche gehende Blutmenge der, welche
zum menschlichen Gehirne geht, bey weitem nicht
gleich kömmt. Darf man sich auf Swammerdamm’s
Zeichnung (d) verlassen, so sind aber auch die Ca-
rotiden der Frösche nicht einmal dicker, als die Ver-
tebralarterien. Da nun jene nur ein einziges, diese
hingegen mehrere Paare ausmachen, so flieſst bey
den Fröschen nicht einmal so viel Blut zum Ge-
hirne, als zum Rückenmarke.
Aber nicht nur im Gehirne, sondern
auch im ganzen Körper eines Thiers fin-
den wir desto weniger Blut, je mehr sich
dasselbe in seinem Baue von dem Men-
schen entfernt, und den Insekten und
Würmern nähert.
Ich kann mich wegen dieses Satzes auf meine
eigene Beobachtungen berufen. Immer habe ich
bey Zergliederungen lebender Thiere von Säugthie-
ren mehr Blut, als von Vögeln, und von diesen
mehr, als von Fischen und Amphibien erhalten.
Eben diese Beobachtung wird auch jeder gemacht
haben, der sich mit anatomischen Untersuchungen
lebender Thiere von verschiedenen Classen beschäf-
tigt hat. In einer Viper, welche 30½. Drachme wog,
fand man nur 80 Gran Blut, also den 27ten Theil
ihrer ganzen Masse, und noch weniger erhielt Men-
Ghini
[467]ghini aus Aalen, nehmlich nur eine Unze von hun-
dert Individuen (e). Bey den Mollusken und Wür-
mern ist es, wegen der groſsen Menge Schleimes,
womit der Körper dieser Thiere bedeckt und ange-
füllt ist, unmöglich, das Blut unvermischt zu er-
halten, und die Menge desselben zu schätzen. Bey
den Insekten aber erhellet die Richtigkeit des obi-
gen Satzes schon daraus, weil bey ihnen die ganze
Blutmasse blos in einem einzigen Canale von mäſsi-
ger Weite und Länge eingeschlossen ist.
Dieser Satz führt uns auf eine andere wichtige
Bemerkung. In eben dem Verhältnisse, wie die
Quantität des Bluts bey den verschiedenen Thier-
classen abnimmt, vermindert sich auch die Gröſse
ihres Herzens in Vergleichung mit der Gröſse ihres
übrigen Körpers. Ein groſses Herz haben die Säug-
thiere und Vögel, ein sehr kleines die Amphibien
und Fische, besonders die letztern, bey welchen es
nach Robinson’s (f), Haller’s (g) und Brousso-
net’s (h) Untersuchungen acht bis neunmal kleiner
ist,
Gg 2
[468] ist, als bey Vögeln von einem gleichen Volumen.
Noch kleiner ist es bey den Mollusken und Crusta-
ceen. Es verschwindet ganz bey den Würmern.
Wir haben aber oben gesehen, daſs bey den niedern
Thierclassen die Gröſse des Gehirns in Vergleichung
mit der Menge der ungleichartigen Organe und mit
der Dicke der Nerven und Ganglien geringer ist,
als bey den höhern. Folglich steht die Grö-
ſse des Herzens und mit ihr die Menge
des Bluts in geradem Verhältnisse mit
der Anzahl der heterogenen Organe und
mit der Gröſse des Gehirns, aber in um-
gekehrtem mit der Dicke der Nerven und
Ganglien.
An der zunehmenden Dicke der Nerven und
deren Knoten haben wir schon einen Beweis, daſs
es auch Gradationen giebt, die in entgegengesetzter
Richtung fortgehen. Auf ähnliche Beweise stöſst
man aber auch allenthalben im ganzen Thierreiche.
Doch erstrecken sich alle übrige bekannte Gradatio-
nen, welche der in der Ungleichartigkeit der
Theile
(h)
[469] Theile statt findenden Stufenfolge entgegengesetzt
sind, höchstens nur auf einige Classen von Thieren,
nie auf das ganze Thierreich. Eine solche Grada-
tion trifft man in dem Volumen der Leber an. Die-
ses ist gröſser bey den Vögeln, als bey den Säug-
thieren, noch gröſser bey den Amphibien und Fi-
schen, und am gröſsten bey den Mollusken (i).
Aber mit den letztern ist diese Gradation auch unter-
brochen. Bey den Insekten giebt es zwar Gefäſse,
welche die Stelle der Leber wahrscheinlich vertre-
ten; aber wegen des ganz veränderten Baues läſst
sich keine Vergleichung zwischen diesen und der
Leber der höhern Thierclassen mehr anstellen.
Eine solche entgegengesetzte, aber ebenfalls unter-
brochene Stufenfolge findet auch in manchen Thei-
len des Gehirns und des Auges statt. An dem er-
stern ist der Trichter bey den Säugthieren gröſser,
als bey dem Menschen, und noch gröſser bey den
Vögeln. Das Auge ist in gewisser Rücksicht zu-
sammengesetzter bey den Vögeln, als bey den Säug-
thieren, wegen des den letztern eigenen Fächers,
und noch zusammengesetzter bey manchen Fischen,
z. B. der Cobitis anableps. Aber jene erstere Stu-
fenfolge erstreckt sich nicht über die Vögel, und
diese nicht über die Fische hinaus.
Noch
Gg 3
[470]
Noch giebt es eine dritte, von den beyden vori-
gen ganz unabhängige Art von Gradation. In je-
der Familie, jedem Geschlechte, ja, je-
der Gattung von lebenden Körpern bil-
det nehmlich die Natur irgend ein Or-
gan, oder System von Organen vorzugs-
weise aus, indem sie unter den übrigen
Organen einige unverändert läſst, ande-
re vereinfacht; und jene Ausbildung so-
wohl, als diese Vereinfachung ist ge-
wöhnlich blos Wiederhohlung einer und
derselben Grundform. So entstehen Verwand-
schaften und Gradationen in einzelnen Organen, bey
der gröſsten Unähnlichkeit in der übrigen Organi-
sation.
Wir treffen allenthalben, wohin wir unsern
Blick in der lebenden Natur wenden, Bestätigun-
gen dieses Gesetzes an. Den Schnabel der Vögel
finden wir in dem Schnabelthiere (Ornithorynchus)
mit der Form der Meerotter, in der Sepia mit der
Struktur der Mollusken, und in mehrern Holothu-
rien mit der Organisation der Thierpflanzen verei-
nigt. Der cartilaginöse Magen der hühnerartigen
Vögel erscheint auch bey dem Nilcrocodile, bey der
Sepia, der Aplysia, und sogar auf der untersten
Stufe der thierischen Bildung bey den Aphroditen.
Den Rindern nähern sich in Ansehung des vielfa-
chen Magens mehrere Nagethiere, das Faulthier,
der
[471] der Delphin, und manche Insekten aus der Familie
der Heuschrecken. Das rothe Blut der Thiere, die
ein inneres artikulirtes Skelett haben, ist auch der
Wurmfamilie der Naiden, und ein inneres, sogar
einigermaaſsen gegliedertes Gerippe den Thierpflan-
zen aus der Ordnung der Asterien eigen. Die männ-
lichen und weiblichen Zeugungstheile sind bald ge-
trennt, bald in Einem Individuum vereinigt, bald
einfacher, bald zusammengesetzter, ohne daſs diese
Verschiedenheit mit der übrigen Organisation in
auffallender Verbindung steht. Unter den Thier-
pflanzen giebt es Körper, die sich blos durch einen
Darmcanal von manchen Pflanzenthieren unter-
scheiden, und unter den letztern giebt es Organis-
men, denen nichts als der Darmcanal fehlt, um
Thierpflanzen zu seyn. Bey den Pflanzen verbin-
det die Natur mit den unähnlichsten Blüthen ähn-
liche Blätter, mit den Blumen der Veronica hede-
raefolia und der Glechoma hederacea die Blätter
des Epheu, und mit den Blumen der Spiraea hy-
pericifolia die Blätter des Johanniskrauts; ja in
der Phyllachne und Forstera (k) vereinigt sie die
Struktur der Laubmoose, und in den parasiti-
schen Gewächsen Hydnora Africana (l), Sarcophy-
te
Gg 4
[472] te sanguinea (m), Cynomorium (n) und Balano-
phora (o) die Organisation der Pilze mit der der
Pflanzen.
Nie aber bildet die Natur ein einzelnes Organ,
oder System von Organen bey einem lebenden
Körper aus, ohne daſs sie ein anderes darunter lei-
den läſst, und sie beobachtet diese Regel desto stren-
ger, je weniger ungleichartige Theile jener Kör-
per besitzt. Dieser letztern Ursache wegen finden
sich mehr Belege zu jenem Satze bey den niedern
Thierclassen, als bey den höhern. Bey den Cru-
staceen und Insekten ist das System der Bewe-
gungsorgane auf Kosten der Ernährungs- und Ab-
sonderungsorgane, und bey den Insekten auch das
System der Respirationswerkzeuge auf Kosten des
Systems der Blutgefäſse ausgebildet. Der Kopf
des Polyphemus oculus ist ganz Auge; dafür aber
sind keine Fühlhörner bey ihm vorhanden. Die-
jenigen Spinnenarten, die mit Fühlhörnern verse-
hen sind, haben nur zwey Augen; hingegen bey
denen, welchen die Fühlhörner fehlen, beläuft
sich die Zahl der Augen bis auf sechs oder acht.
Alle geflügelte Insekten haben nur sechs Beine,
die
[473] die ungeflügelten aber eine unbestimmte Anzahl
dieser Gliedmaaſsen. Endlich steht bey allen In-
sekten der Darmcanal in Ansehung seiner Länge
und Krümmungen in umgekehrtem, hingegen in
Rücksicht seiner Weite in geradem Verhältnisse
mit der Anzahl der Artikulationen des Thiers.
Aber auch bey den höhern Thierclassen fehlt es
nicht ganz an Beweisen dieses Antagonismus. Bey
den Robben und Wallrossen finden sich dicke
Nerven, ausgenommen den Sehenerven, aber sehr
schwache Muskeln, ausgenommen am Kopfe und
an den Füſsen. Das Gehirn ist klein; aber der
Magen, die Leber, die Lungen und der Darmca-
nal sind von beträchtlicher Gröſse. Groſs sind
auch die Nieren; sehr klein aber ist die Harn-
blase.
Diese Gesetze sind es, durch deren Befolgung
die Natur Einheit bey der gröſsten Mannichfaltig-
keit, und Aehnlichkeit bey der gröſsten Verschie-
denheit unter alle ihre Gestalten bringt. Frägt
man jetzt, ob der Inbegriff dieser Formen, wie
Bradley(p) und Bonnet(q) wollten, eine Stu-
fenleiter, oder, wie Donati(r) und Olivi(s)
be-
Gg 5
[474] behaupteten, ein Netz bildet, so läſst sich auf jede
dieser Fragen eine bejahende und eine verneinende
Antwort geben, je nachdem man von diesem, oder
von jenem Gesichtspunkte ausgeht. Eine Stufen-
leiter bilden jene Gestalten, sobald man nur auf
einzelne Theile ihrer Organisation Rücksicht
nimmt; sie machen ein Netz und nicht eine Stu-
fenleiter aus, wenn man ihre gesammte Organisa-
tion in Anschlag bringt. Frägt man weiter, ob
die Natur blos Arten, oder auch Geschlechter, Fa-
milien und Classen hervorgebracht hat, und setzt
dabey voraus, daſs ein Unterschied der Arten,
Geschlechter u. s. w. in der gesammten Organisa-
tion statt findet, so antworte ich, daſs Arten so
wenig, als Geschlechter und Ordnungen Werke
der Natur, sondern nur Geschöpfe der Phantasie
des Menschen sind. Nimmt man aber jenen Un-
terschied nur in einzelnen Theilen an, so glaube
ich allerdings, daſs es nicht blos Individuen, son-
dern auch Arten und Geschlechter in der Natur
giebt.
Die Natur, sagte Leibnitz, bildet ein Gan-
zes, dessen Theile in so enger Verbindung ste-
hen, daſs es den Sinnen und selbst der Einbil-
dungskraft unmöglich ist, den Punkt anzugeben,
wo der eine aufhört und der andere anfängt.
Dieser Ausspruch bleibt wahr und gewiſs! Aber
wenn eben dieser Weltweise jenes Ganze eine
ein-
[475]einfache Kette nannte (t), so darf diese Ver-
gleichung nicht wiederhohlt werden. Nicht eine
einzige, sondern Tausende und noch viele Tau-
sende von Ketten, die mit unendlicher Kunst
zu dem engsten Knoten verschlungen sind, ma-
chen das Ganze der Natur aus. Viele standen
schon vor diesem Knoten, um ihn zu lösen.
Aber alle thaten nichts weiter, als ihn zerhauen.
Einige bekannten, ihn zerhauen zu haben; ande-
re triumphirten über die gelungene Lösung. Wir
treten den erstern bey; aber wir glauben auch,
daſs jenes Zerhauen in subjektiver Hinsicht zu-
reichend ist, und nur in dieser Hinsicht werden
wir in Zukunft davon Gebrauch machen.
Zu-
[476]
Zusätze und Verbesserungen.
Zu S. 197. Z. 9 und 10.
Die Wallfische haben allerdings ebenfalls halbzirkel-
förmige Canäle. Nur sind diese Organe hier ausserordent-
lich dünn, und schwer zu entdecken. Cuvier’s Vorlesun-
gen über vergl. Anat. und Physiol. Th. 2. S. 503.
S. 207. Zu dem Artikel Phoca.
Denselben Bau, den Blumenbach bey diesem Thiere
in Ansehung der verschiedenen Dicke des vordern, mitt-
lern und hintern Theils der Sklerotika fand, traf Rudol-
phi auch bey dem Pferde, dem Rindviehe, dem Hasen
und Schweine an. Rudolphi’s anatomisch - physiologische
Abhandlungen. S. 8 ff.
S. 208. Nach Z. 4 von unten setze man hinzu:
Phoca monachus. Kein eyförmiges Loch im Her-
zen. Ein Magen, welcher dem des Schweines ähnlich ist.
Ein sehr dichter Glaskörper. La Billardiere Voyage
à la recherche de la Peyrouse. T. I. c. 5.
S. 209. Nach Z. 22 setze man hinzu:
Talpa gigantea. Zähne, die einer willkührlichen
Bewegung fähig sind. Allamand, Hist. nat. Supplément.
T. VI. La grande taupe du Cap. p. 257.
S. 215. Z. 4 von oben. Nach dem Citat. Pallas nov.
sp. p. 293, setze man hinzu: Hunter in Russel’s N. G.
von Aleppo. B. 2. S. 26.
S. 218.
[477]
S. 218. Z. 6 von unten. Nach dem Citat: D’Auben-
ton, H. N. T. XII. L’Hippopotame p. 54, setze man hin-
zu: Ibid. Supplément. T. VI. p. 73.
S. 219. Nach Z. 11 von oben setze man hinzu:
Tapir suillus. Buffon Hist. nat. Supplément.
T. VI. p. 6. 13.
S. 221. Zum Artikel: Camelus.
Nach Hunter’s Untersuchungen hat der Camel nur
vier Magen. Aber der zweyte Magen ist von ganz eigener
Struktur. Dieser besteht aus zahlreichen, mehrere Zolle
tiefen Zellen, die zu oberst ihre Mündungen haben, und
sich an diesen, dem Anscheine nach, wie Muskelfasern
zusammenziehen können. Russel’s N. G. von Aleppo.
B. 2. S. 42, 43.
S. 254. Nach Z. 3 von unten setze man hinzu:
Die Larven der Amphibien aus der Familie der Frösche
haben statt der Lungen anfangs ästige, ausserhalb dem
Körper liegende, den Respirationsorganen mehrerer Wür-
mer ähnliche Branchien. Späterhin ziehen sich diese in den
Körper zurück, und verwandeln sich in blätterartige Fisch-
Kiemen. Zugleich findet man zu beyden Seiten der Bauch-
höhle an den Stellen, wo bey den ausgebildeten Fröschen
und Salamandern die Lungen liegen, zwey länglichte Bla-
sen, deren obere Enden sich vermuthlich in den Magen
öffnen (Schwimmblasen?)
Druck-[]
Appendix A Druckfehler.
- S. 8. Z. 21. Statt ulmioque l. m. ulmisque.
- S. 36. Z. 3. St. enthalten l. m. enthalte.
- S. 37. Z. 9. St. monebo l. m. movebo.
- S. 47. Z. 24. St. scheiden l. m. schneiden.
- S. 71. Z. 11. St. derselben l. m. desselben.
- S. 102. Z. 18. St. dritte l. m. zweyte.
- S. 140. Z. 22. Nach verglichen werden setze man
hinzu: können. - S. 141. Anmerk. (g). Z. 5. St. Symptoma l. m. sympto-
mata. - S. 202. Z. 6. St. Ipuus l. m. Inuus.
- Ebendas. Z. 10. St. Macagne l. m. Macaque.
- S. 204. Z. 2. von unten. St. Vinerra l. m. Viverra.
- S. 205. Z. 9. St. nasna l. m. nasua. Einige ähnliche
Druckfehler, wo n und u, oder o und s verwechselt
sind, wird der Leser leicht bemerken und verbessern. - S. 415. Z. 2. St. nehmen l. m. nahmen.
[][][]
humani conservare, laesiones illi impendentes, mo-
nendo atque consulendo, quin etiam obsistendo, prae-
occupare, labefactatam etiam sanitatem et periclitan-
tem qualitercunque vitam integritati atque libertati
sui restituere, pro vero suo objecto habeat: necesse
proinde utique est, ut Medicus recte certus sit uni-
versae constitutionis atque indolis harum rerum,
quarum ita curam gerere debet, ut secundum hanc
notitiam, quid ita constitutis rebus quadret, atque
tali rerum indoli conveniat, per rectam rationem
comparare atque colligere possit. Necessaria Medico
est haec scientia non solum propterea, ut mox a
priori intelligere possit, quid hujusmodi indolis con-
stitutioni prodesse, aut nocere possit: sed etiam ad
quem
atque debita constitutione defecerunt: cujus ipsius
etiam defectus gradum necunde agnoscere aut metiri
possit, nisi veram atque debitam constitutionem in
se ipsa recte cognitam atque perspectam habeat. An-
te omnia itaque scire convenit, quid sit
illud, quod vulgata appellatione Vita
dicitur? In quo consistat formaliter?
circa quid versetur et occupetur, tam
materialiter seu subjective, quam fina-
liter et objective? cui usui, imo cui ne-
cessitati, in corpore serviat? quid cor-
pori praestet? an et quando utilis sit
corpori, vel absolute necessaria? (G. E.
Stahlii Theoria med. vera. p. 253).
pag. 3.
der Pflanzen. §. 1.
lum nimis ambiguum, et tribuitur spiritibus non
minus ac corporibus (Vateri physiol. experim. p.
348). Seine gleich darauf folgende Erklärung des
Lebens aber, quod sit motus intestinus et automati-
cus, quo corpora generata et viventia nutriuntur et
augmentantur, enthält, wie man leicht sieht, einen
Cirkel im Erklären.
u. 52.
schon Schelver (Elementarlehre der organischen Na-
tur. Th. 1. S. 21 ff.) gemacht, ohne indeſs die Fol-
gerungen daraus zu ziehen, welche sich aus dersel-
ben herleiten lassen.
S. LVIII. — Ebenderselbe von der Weltseele.
schaft. S. 120.
S. 69.
kel- und Nervenfaser. B. 2. S. 433.
S. 106.
§. 9.
S. 82. §. 12 — Röschlaub’s Pathogenie. Th. 1. S. 234.
§. 287.
kunde. B. 1. St. 1. S. 74.
Luft im Sommer mehr Sauerstoffgas, als im Winter
enthalten müſste, wenn die Pflanzen wirklich einen
bedeutenden Beytrag zur Erhaltung des Oxygene in
der Atmosphäre lieferten, daſs aber eudiometrische
Untersuchungen von dieser Folgerung das Gegentheil
lehrten. Aber man vergiſst bey diesem Einwurfe,
daſs der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre im Som-
mer vielleicht noch geringer seyn würde, wie er
in
haltung desselben beytrügen. Doch hiervon in der
Folge umständlicher.
pestes sunt in schola medica, tum quod discere et
dediscere temporis irreuocabilis iactura sit; tum quod
systema docere, idque mutare, aliud forsitan ineptius
adoptare, reiicereque, docentibus turpe sit, et no-
xium discentibus. Utinam demum foecunda fingen-
di ingenia Systematum suorum inanitate defatiga-
ti, deque eorumdem nocumento conuicti eo demum
usque saperent, ut caducae inuenti systematis glo-
riolae abnegantes, ad salutare Naturae studium, quo
vnico Hippocrates, quo solo, quotquot magni viri
Hippocratem sequuti sunt, claruerunt, aeternumque
clarebunt, animos nobiscum intenderent, Artisque
pomoeria more Hippocratico extendere satagerent!
(De Haen rat. med. T. VIII. p. 201.) Aehnliche Er-
eiferungen gegen alle medicinische Systeme s. beym
Sydenham (opp. med. P. I. p. 8, 407), Bagli [...]
(Prax.
(L. c. T. XII. C. IV).
lenicorum. Illius nempe fundamenta iacta sunt in
experimentis sedulo et coaceruatim factis, e naturalis
philosophiae penu depromptis; morborumque causas
et symptoma non per incertas coniecturas, sed per
mathematicam veritatem, tamquam per radios solis
delineat et demonstrat, quaeque olim apud Barbaros
barbara evaserant, et apud Doctos in dubium revoca-
bantur, nunc clara luce corruscant, discussa ambigui-
tatis nebula (Baglivi Prax. med. L. I. C. XI. §. 4.).
Th. I. S. 361, 439. Schmidt in Gren’s neuem Journal
der Physik B. I. S. 228. Gilpin ebendas. B. 2. S. 374.
St. 1. S. 138.
B. 2. St. 1. S. 5.
f. 7. etc.
Abh. der Schwed. Akad. 1765. T. X. f. 5. f.
von Abilgaard, in von Humboldts Aphorismen aus
der chemischen Physiol. der Pfl. S. 31. angeführten,
übereinstimmen.
ebendas. J. 1767. S. 122. Monro Bau und Physiol. der
Fische. Cap. 13. S. 88.
L. XXIV. S. 1. §. 1. p. 1.
Zergliederungskunst. B. 1. H. 1. S. 7 ff.
H. 1. T. III. f. 2, 3.
Zoot. B. 1. St. 2. S. 4 ff.
ter bey den Pflanzen. 2. Abth.
Idem cura J. F. Gmelin.
J. R. Forster enchiridion hist. nat.
J. F. Blumenbach’s Handbuch der N. G. 6te Ausg.
J. Herrmann tabula affinitatum animalium.
A. v. Haller elementa physiol. c. h.
G. Cuvier Tableau élémentaire de l’ Hist. nat. des ani-
maux.
G. Cuvier Vorlesungen über die vergl. Anatomie. Ue-
bersetzt von Fischer.
n. 27. p. 18.
von Hühnern, Fröschen, Eidechsen und Stören (Aci-
peuser sturio).
particulière. T. II-XV. Quadrupédes.
J. C. P. Erxleben Systema mammalium.
J. C. D. Schreber’s Säugthiere.
Th. Pennant’s allgemeine Uebersicht der vierfüſsi-
gen Thiere. Uebersetzt von Bechstein.
5, 6.
phys. Vol. IX. p. 123.
senmi ller’s Beiträgen für die Zergliederungskunst.
B. 2. H. 2. S. 190.
S. 28 ff. Camper’s N. G. des Orang-Utang. S. 111 ff.
B. 3. S. 396. Cuvier, Bulletin de la Soc. philomathi-
que. 1797. n. 4. p. 26.
per’s N. G. des Orang-Utang etc. S. 103.
Buffon Hist. nat. T. XVI-XXIV. Hist. nat. des oi-
seaux.
J. Latham’s allgemeine Uebersicht der Vögel. Ue-
bersetzt von Bechstein.
Vicq-D’Azyr, Mémoires pour servir à l’ Anatomie
des oiseaux, in den Mém. de l’Acad. des sc. à Paris.
1772. P. II. p. 617. 1773. p. 566. 1774. p. 489. 1778.
p. 381.
Blumenbach specimen physiologiae comparatae inter
animantia calidi sanguinis ovipara et vivipara, in
Commentat, soc. reg. sc. Gotting. phys. Vol. IX.
Cuvier, Bulletin de la Soc. philomathique. An. VII.
n. 27. p. 18.
vergl. Anat. und Physiol. S. 28 ff.
Trans.
Zinn in Commentat. soc. Reg. sc. Gotting. antiqu.
T. I. p. 49.
Mem. de l’Acad. des sc. à Paris. 1781. p. 369. Bloch,
Beschäftigungen der Berlin. Gesellschaft. B. IV. S. 587.
Ebenders. Schriften der Berlin. Gesellsch. B. 3. S. 370.
Latham, Trans. of the Linnean Society. Vol. IV.
per’s kl. Schriften. B. 1. St. 1. S. 94, 108, 151. J. Hun-
ter, Phil. Trans. Vol. LXXIV. p. 205. Merrem in
Schneider’s verm. Abhandlung. zur Aufklärung der
Zool. etc. S. 323. Blumenbach specimen phys. comp.
p. 119.
neuer Reise in das Innere von Afrika. B. 1. S. 344.
stica, Loxia curvirostra und Parus maior. Rudolphi
in Reils Archiv f. d. Physiol. B. IV. H. 1. S. 68. H. 3.
S. 346.
sis of the thorax etc. Hewson, Phil. Trans. Vol.
LXVIII. p. 217.
den
weichungen in ihrer Struktur wegen, zu einem eige-
nen Geschlechte (Casuarius) rechnen zu müssen.
Hist. nat. des quadrupèdes ovipares et des serpens,
par de la Cepede.
Blumenbach specimen physiologiae comparatae inter
animantia calidi et frigidi sanguinis, in Commen-
tat. soc. Reg. sc. Gotting. phys. Vol. VIII.
J. G. Schneider hist. amphibiorum nat. et litteraria.
Fasc. I et II.
bouya (La Cepede a. a. O. T. 1. p. 378), und es ist
also unrichtig, wenn Schelver (Wiedemanns Ar-
chiv für Zoologie etc. B. 2. St. 2. S. 155) hiervon den
einzigen unterscheidenden Charakter der Amphibien
hernimmt.
n. 27. p. 18,
und Physiol. S. 36. Abschn. 9.
Moroagni adn, anat. V, 18. p. 26 sq.
merdam’s Bibel der Nat. S. 168, 169.
S. 72, 348,
Schneider’s allgem. N. G. der Schildkröten.
la Soc. philomath. An VIII. n. 35, 36.
M. E. Bloch’s ökonomische N. G. der Fische Deutsch-
lands.
M. E. Bloch’s N. G. der ausländischen Fische.
Hist. nat. des poissons, par La Cepede.
M. Vicq-D’Azyr, Mém. pour servir à l’Histoire
anatomique des poissons. Mém. présentés. 1773.
p. 18, 223.
A. Monro Vergleichung des Baues und der Physio-
logie der Fische mit dem Baue des Menschen und
der übrigen Thiere.
n. 27. p. 18.
Camper’s kl. Schriften. B. 2. S. 14. Sömmering in
den Hessischen Beyträgen. 1781. St. 2.
vergl. Anat. u. Physiol. S. 34.
T. II. p. 461, 462.
T. I. p. 328.
Broussonet, ebendas. 1785.
Fische.
der Naturlehre. B. 2.
sche
steller schreiben diesen Oeffnungen einen andern
Zweck zu, nehmlich die salzichte Flüssigkeit, die in
den Höhlungen des Schädels, der Brust und des Un-
terleibs der Fische enthalten ist, einzulassen. Aber
es ist gar nicht wahrscheinlich, daſs diese Flüssigkeit
von aussen eindringt, und wenn dies auch der Fall
wäre, so könnte es doch unmöglich durch jene Oeff-
nungen geschehen, wegen der Klappen, womit die-
selben versehen sind.
S. 73, 349.
bloſses Fett. Vauquelin, Annales de Chimie. T. X.
p. 193.
B. VI, S. 377. B. IX. S. 9.
B. VII. S. 197.
chen,
aus dessen beyden gröſsern Werken nur die wichti-
gern hier angeführt,
Huddesford.
Adanson coquillages du Senegal.
D’Argenville zoomorphose.
O. F. Müller historia vermium terrestrium et flu-
viatilium.
Ejusd. prodromus zoologiae Danicae.
Ejusd. zoologia Danica.
P. Forskål Icones rerum naturalium etc.
Poli testacea utriusque Siciliae eorumque historia et
anatome.
Lamarck Système des animaux sans vertèbres. p. 51-
142.
Journal der Chemie. B. VI. H. 33. S. 256.
Comparetti de aure interna comp. p. 312. 314.
gan der Eyerstock, und bey beyden sind auch Eyer
darin abgebildet. Ich habe indeſs nie Eyer in dem-
selben angetroffen, und finde überhaupt nicht die
mindeste Aehnlichkeit zwischen diesem Theile und
einem Eyerstocke. Seine Struktur, die Abwesenheit
eines andern Organs, das sich mit Wahrscheinlich-
keit für einen Hoden annehmen liesse, und die Ana-
logie der Aplysia lassen vermuthen, daſs in ihm der
männliche Saame abgesondert wird.
die Sekretionsorgane des männlichen Saamens. Al-
lein diese Meinung beruhet auf der unrichtigen, mit
der Struktur des männlichen Gliedes der Schnecken
ganz unvereinbaren Voraussetzung, daſs sich diese
Thiere nicht nur wechselseitig begatten, sondern
auch wechselseitig befruchten. Blos durch eine sehr
unwahrscheinliche Hypothese liesse sich jene Mei-
nung retten, nehmlich, wenn man annähme, daſs
die Befruchtung durch den Liebespfeil bewirkt
würde.
1711. 1712.
p. 83.
lentia percitos, iterum iterumque singulas istorum
animalium partes minutim perlustrasse; et quamvis
acri studio, ac diligentia pene incredibili illud prae-
stiterimus, nullum umquam adparuisse, neque cere-
brum
mentitur, ac vasa lactifera nuper descripta. Nos in
hypogaea solenis strigilati eorumdem ra mos abdomen
transvehentes, absque ulla labefactatione a ceteris par-
tibus divulsos, ea ratione super crystalli laminam
digessimus, ut non nisi pro nervis ab omnibus acci-
piendos arbitrabamur. Tempore autem procedente,
ac saepe iterato molimine, eo tandem pervenimus,
ut non modo eorum truncos, sed etiam multiplices
ipsorum surculos, in quos dirimuntur, hydrargyro
complere potuimus: unde errorem nostrum perspicue
deteximus. Poli Testac. T. 1. O. 1. p. 49. — Cf. O. 2.
p. 8.
que non audemus, nos in primis tum a glandula te-
stacea, tum a cisterna et vasis lacteis fuisse deceptos;
quae praesertim prae nimia exilitate nervorum habi-
tum referebant: subinde autem re melius ad examen
revocata, quantum a vero aberraverimus, dilueide
cognovimus. Poli Testac. T. 1. Introd. p. 44.
aucta.
Ejusd. supplementum entomolog. systemat.
O. F. Mülleri Entomostraca.
B. VI. H. 33. S. 263.
drey gröſsere und mehr als 120 kleinere Gelenke, Ba-
ster (Verhandl. door de Holl. Maatsch. der Weten-
schapen te Haarlem. D. XII. p. 147) beym Astacus
marinus sogar 250 Artikulationen.
de aure interna comp. p. 306 sq. 318. Cavolini über
die Erzeugung der Fische. S. 119. Fabricius, Nye
Skrifter af det Danske Videnskabers Selskab. D. II.
p. 376.
Reil’s Archiv f. d. Physiologie. B. V. St. 1. S. 116 ff.
M de Reaumur.
Lesser theologie des insectes. Avec des remarques
de Mr. Lyonnet.
De Geer Abhandlungen zur Geschichte der Insekten.
Uebersetzt von J. A. E. Goeze.
Gfoffroy Histoire des insectes des environs de Paris.
Olivier Entomologie.
Fabricii philosophia entomologica.
Ejusd. entomologia systematica, emend. et aucta.
Ejusd. supplementum entomologiae systematicae.
Sur la maniere dont se fait la nutrition dans les in-
sectes, par le C. Cuvier. Mém. de la Soc. d’Hist.
nat. de Paris. An. VII. p. 34.
P. 1. Mém. 5. p. 273.
pour servir à l’hist. des ins. T. IV. Tab. 19. f. 3. 4.)
deren vier entdeckt haben.
beym Lyonnet.
Phalène, on n’y trouve presque plus aucnne trace de
ce qu’ il étoit dans son état de Chenille. Ce nombre
prodigieux de muscles, repandus dans tout son corps,
et arrangés avec tant d’ordre, a disparu dans la Pha-
lène, pour faire place à des muscles d’une forme et
d’une structure entièrement différente. Il n’y reste
plus que quelques debris grossiers de l’Oesophage, du
Ventricule, des Intestins, et des Vaisseaux soyeux et
dissolvans. L’Oeconomie du Coeur est entièrement
changée, de même que celle des Nerfs, dont neuf
ganglions ont disparu. Les Bronches n’ont plus
qu’une seule tunique. La plûpart ont perdu leur
usage, et ne tiennent à rien. En la place de tout celà,
l’on trouve une Tête entièrement nouvelle, à tous
égards différente de celle de la Chenille, et pourvüe
de plus de vingt et deux mille yeux, dont chaque
oeuil est probablement un Telescope à trois lentilles
pour le moins. Un corcelet, dont la charpente écail-
leuse, intérieure et extérieure, forme un assemblage
très composé de pièces d’une structure fort singulière,
auquel tiennent des muscles aussi singuliers, qui font
agir des jambes, bien différentes des premières, et des
ailes d’une composition admirable. Un Corps, qui
renferme, dans les Femelles, un uterus, un ovaire,
remplis de quelques centaines d’oeufs, des vaisseaux,
dont le suc rend les oeufs gluans, et un instrument
arti-
oeufs. Dans le Corps des Mâles, on ne voit rien de
pareil, mais en la place on y trouve les parties pro-
pres à la génération, et à l’accouplement.
gen Wassers.
Ejusd. historia vermium. Vol. I. P. 2.
Ejusd. Zoologiae Danicae prodromus.
Ejusd. Zoologia Danica.
P. S. Pallas miscellanea zoologica.
Ejusd. spicilegia zoologica. Fasc. X.
Stirne schwarze Punkte, die von manchen Naturfor-
schern, unter andern von O. F. Müller, für Augen
angenommen sind. Aber eben dieser Schriftsteller
traf eine gezüngelte Naide (Nais proboscidea) an,
der diese Augen fehlten, und bey der bunten Nereide
(Nereis versicolor) fand er dieselben nur an jüngern
und kleinern Exemplaren; bey gröſsern und ältern
schien sich oft eine geschwollene Haut über die Au-
gen gelegt zu haben (Müller von Würmern des
süſsen und salzichten Wassers. S. 24, 122). Dem
Augen bey der Hirudo hyalina von vier bis sechs
(Müller hist. verm. V. I. P. 2. p. 49). Verdienten
jene Punkte wirklich den Namen der Augen, so wä-
ren dies Thatsachen, wozu noch kein analoges Bey-
spiel im ganzen Thierreiche beobachtet ist.
Eingeweidewürmer.
P. C. Werner vermium intestinalium etc. brevis ex-
positio.
J. A. E. Goeze’s Versuch einer N. G. der Eingewei-
dewürmer.
J. G. H. Zeder’s erster Nachtrag zur N. G. der Ein-
geweidewürmer von J. A. E. Goeze.
K. A. Rudolphi’s Beobachtungen über die Einge-
weidewürmer, in Wiedemann’s Archiv für Zoo-
logie und Zootomie. B. 2. St. 1. 2.
Vol. II.
S. 234 ff.
Th. 1. S. 176.
S. 199. ff.
S. 307.
S. 651.
§. 6 et 7. p. 127.
Vergl. dessen Hist. verm. Vol. I. P. II. Fasciola
tremellaris — Dicquemare, Journal de phys.
Oct. 1780. Lichtenbero’s Magazin für das Neueste
aus der Physik. B. 2. St. 2. S. 25. La pellicule
animée.
S. 242.
Idem, cura J. F. Gmelin.
G. Cuvier Tableau élémentaire de l’hist. nat. des
animaux.
P. S. Pallas Elenchus zoophytorum.
O. F. Müller prodromus zoologiae Danicae.
Ejusd. zoologia Danica.
Ejusd. historia vermium. Vol. I. P. 1.
Icones rerum naturalium, quas in itinere orientali
depingi curavit P. Forskål.
Descriptiones animalium, quae in itinere orientali
observavit P. Forskål.
Voigts Magazin für das Neueste aus der Physik u,
s. w. B. V. St. 2. S. 51.
B. VI. H. 33. S. 281-283.
63 ff.
Ejusd. genera plant. Ed. J. C. D. de Schreber.
A. L. de Jussieu genera plantarum. Cur. Usteri.
C. H. Persoon synopsis methodica fungorum.
A. W. Roth catalecta botanica.
Ejusd. tentamen florae Germanicae.
Ebenderselbe über das Studium der cryptogamischen
Wassergewächse.
G. F. Hoffmann enumeratio lichenum.
Ejusd. plantae lichenosae.
Ebendesselben botanisches Taschenbuch für das Jahr
1795.
F. Ehrhart Beiträge zur Naturkunde.
J. Hedwig theoria generationis et fructificationis plan-
tarum cryptogamicarum.
Ejusd. fundamentum historiae naturalis muscorum
frondosorum.
S. E. Bridel muscologia recentiorum.
Smith, Mém. de l’Acad. Roy. de Turin. Vol. V.
venfaser. Th. 1. S. 177.
Hed-
untern Fläche, bey saftigen Pflanzen und niedrigen
Gewächsen in gleicher Menge auf beyden Flächen
der Blätter. Krocker de plantarum epidermide.
p. 42.
dam. hist. nat. muscor. frondos. P. 1. Tab. 2. f. 9.
La Marck sur les classes les plus convenables à
établir parmi les Végétaux. Mém. de l’Acad. des
sc. à Paris. 1785. p. 437.
E. P. Ventenat Tableau du regne végétal, selon la
méthode de Jussieu.
thém. et physiques. T. I. p. 478.
Preisschriften über die eigentl. Beschaffenheit und Er-
zeugung der erdigen Bestandtheile in den verschiede-
nen
B. XXII.) fand sie in dem Stroh von Roggen, Ger-
sten; Weitzen, Haber, und in den Reiſsgraupen. In
den letztern traf sie auch Crell (Neueste Entdeckun-
gen. B. 3. S. 75.), und in der Weitzenkleye Proven-
zale (Crell’s chem. Annalen. 1796. B. 2. S. 637.) an.
Neumann (A. a. O.) erhielt aus 32 Unzen Gersten
66,7 Gran, oder 0,0043tel Kieselerde; aus 32 Unzen
Roggen 15,6 Gran, oder 0,00091tel; aus 32 Unzen
Weitzen 13,2 Gran, oder 0,00085tel; und aus 32 Un-
zen Roggenstroh 152 Gran, oder 0,0092tel. Ferner
wurde diese Erde von Russel und Macie im Arundo
bambos und Arundo phragmites entdeckt (Crell’s
chem. Annalen. 1792. B. 2. S. 237). Endlich fand sie
Davy im Zuckerrohr, Bambusrohr, indischem Rohr,
Rohrschilf (Arundo phragmites), Weitzen, Haber,
Gersten, dem Anthoxantum odoratum und der Po [...]
pratensis (Scherer’s allg. Journal der Chemie. B. III.
H. 13. S. 75.).
Gran, oder ohngefähr 0,0016; in 32 Unzen Roggen
13,4 Gran, oder den 0,00085ten Theil; in 32 Unzen
Weitzen 12,6 Gran, also 0,00078tel, und in 32 Un-
zen Roggenstroh 46,2 Gran, oder 0,0029.
Tab. 284.
sischen Reichs. B. I. Tab. K.
p. 21. Pallas Reise durch verschiedene Provinzen
des Russischen Reichs. Th. 2. S. 341.
vom Europäer. S. 21, 58 ff. Tabula baseos encephali.
p. 5 sq.
stems. S. 19.
B. 3.
faser. Th. 1. S. 277.
pa disqu. anat. Tab. IV. f. 7. 10. 11.
élément. Tab. VIII.
Taf. 3. Fig. 1.
S. 35.
sonet, Mém. de l’Acad. des sc. à Paris. 1785. p. 187.
Idem on the animal oeconomy. T. II. p. 408.
gen steht auch, bey übrigens gleichen Umständen,
die
rer Respirationswerkzeuge in geradem Verhältnisse
(A. a. O. S. 179). Dieser Satz mag bey den Fischen
allgemein seyn. Aber von den Säugthieren gilt er
wenigstens nicht, wie die Savia capensis beweist,
die, nach Pallas, kleine Lungen bey einem groſsen
Herzen hat.
bodies.
in Schrader’s Journal für die Botanik. B. 1. 1798.
B. 2. 1799.
S. 68.
S. 301.
don. 1739.
qu’une seule chaine, dans laquelle les différentes clas-
ses, comme autant d’ anneaux tiennent si étroitement
les unes aux autres, qu’il est impossible aux sens
et à l’ imagination même, de fixer précisement le
point, ou quelqu’ une commence ou finit.
- License
-
CC-BY-4.0
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- Citation Suggestion for this Edition
- TextGrid Repository (2025). Treviranus, Gottfried Reinhold. Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bppt.0