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VORLESUNGEN
ÜBER DIE
ALGEBRA DER LOGIK
(EXAKTE LOGIK)


ZWEITER BAND
ZWEITE ABTEILUNG

HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAG
DER DEUTSCHEN MATHEMATIKER-VEREINIGUNG
VON
Dr. EUGEN MÜLLER,
PROFESSOR AN DER OBERREALSCHULE ZU KONSTANZ
MIT EINEM BILDNIS ERNST SCHRÖDERS

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LEIPZIG:
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER
1905

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VORLESUNGEN
ÜBER DIE
ALGEBRA DER LOGIK
(EXAKTE LOGIK)


ZWEITER BAND.
ZWEITE ABTEILUNG

HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAG
DER DEUTSCHEN MATHEMATIKER-VEREINIGUNG
VON
Dr. EUGEN MÜLLER,
PROFESSOR AN DER OBERREALSCHULE ZU KONSTANZ.
MIT EINEM BILDNISS ERNST SCHRÖDERS.

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LEIPZIG:
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER
1905

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[[III]]

Ernst Schröder †.


Von J. Lüroth in Freiburg i. Br.


Am 16. Juni 1902 starb Ernst Schröder, großh. badischer
Hofrat und Professor der Mathematik an der technischen Hochschule
Karlsruhe, nach einer Krankheit von nur wenigen Tagen an Gehirn-
entzündung. Mit ihm ist ein guter und liebenswürdiger Mensch, ein
tüchtiger Mathematiker, und mir vor allem ein lieber und treuer
Freund verschieden, mit dem mich seit vierzig Jahren nahe Beziehungen
verbanden.


Indem ich es unternehme, dem Verblichenen hier einige Blätter
der Erinnerung zu weihen und über seine mathematischen Leistungen
zu berichten, verhehle ich mir nicht die Schwierigkeiten, die mit dieser
Aufgabe verbunden sind. Sie haben ihren Grund in dem Forschungs-
gebiete, das Schröder besonders in den letzten Jahrzehnten pflegte,
das von den gewöhnlichen Wegen mathematischer Bethätigung weit
ab liegt. Wenn ich auch, durch den öfteren Verkehr mit Schröder,
vielleicht etwas mehr in den Logikkalkul eingeweiht bin als manche
Fachgenossen, so bin ich von einer gründlichen Vertrautheit weit ent-
fernt; und ich muss daher die Kenner bitten, den Bericht über diese
Dinge nachsichtig zu beurteilen.


Ernst Schröder stammte aus einer ursprünglich hannoverschen
Familie. Sein Vater war G. Fr. Heinrich Schröder1), „der sich durch
viele mineralogische, chemische und physikalische Arbeiten, am meisten
vielleicht als Vorläufer Pasteurs durch seine Untersuchungen über Fil-
tration der Luft“ eine geachtete Stellung in der Wissenschaft erworben
hatte. Zuerst in seiner Vaterstadt München am polytechnischen Zentral-
institut, dann an der Kantonschule in Solothurn thätig, siedelte er 1840
nach Mannheim über, wo ihm die Direktion der höheren Bürgerschule
a*
[IV]Ernst Schröder †.
übertragen wurde, aus der später das Realgymnasium hervorging. Er
leitete diese Schule bis zu seiner 1873 erfolgten Pensionirung, nach
der er 1876 seinen Wohnsitz in Karlsruhe nahm, wo später ausser
seinem ältesten Sohne Ernst noch ein zweiter Sohn in hoher Staats-
stellung thätig war. Er starb am 11. Mai 1885. Als erstes Kind aus
seiner Ehe mit Karoline Walther, der Tochter des Pfarrers und
Seniors Walther in Haunsheim, wurde Ernst am 25. November 1841
in Mannheim geboren. Er genoss zunächst zu Hause, dann zwei Jahre
lang bei seinem Grossvater Walther eine vortreffliche Erziehung. Sein
gutes Wortgedächtniss und ein grosses Sprachtalent befähigten den Kna-
ben, der dem Unterricht von anderen Zöglingen seines Grossvaters bei-
wohnte, spielend das Lateinische so weit zu erlernen, dass er im Alter
von acht Jahren ziemlich gewandt lateinisch sprach.


„Diese Frühreife hatte jedoch auch ihre Schattenseiten, indem sie
den Knaben auf Unterrichtsgemeinschaft mit meist sehr viel älteren
Genossen verwies, ihn der gleichaltrigen Spielkameraden beraubend und
so den Grund zum Sondertum und einem Hang zu Einsamkeit legte.


Diesem Übelstande wurde einerseits entgegengewirkt durch mehr-
malig freiwilliges Repetiren und Hospitiren in dem nun folgenden
Besuch der drei Oberklassen der Schule seines Vaters, wo neuere
Sprachen, Chemie und Naturgeschichte ihn besonders anzogen und er
auch den Unterricht des namhaften Mathematikers August Weiler
(der heute noch in Karlsruhe lebt) genoss.


Andererseits wurde derselbe gemildert durch die Pflege jeder
Art von körperlicher Kräftigung gewidmeten Sports. Endlich wurde
Schröder vor dem Übergang zum Gymnasium vier Monate lang zu
einer befreundeten Oberförstersfamilie gegeben“. Im Jahre 1856 ging
Schröder an das Lyceum in Mannheim über und trat in die viert-
oberste Klasse, damals Unterquinta geheissen, ein.


Schröder muss mit seinen Mitschülern wenig Beziehungen gehabt
haben. Er selbst kam nie auf solche zu sprechen, und, wenn ich, der
zwei Jahre hinter ihm dieselbe Anstalt durchlaufen hat, manchmal
solche Genossen erwähnte, zeigte sich gewöhnlich, dass Schröder sie
kaum kannte. Im Herbste des Jahres 1860 bekam er das Zeugniss der
Reife. „Begeisterung für Naturerkenntniss und reges Interesse an philo-
sophischen Spekulationen zeigten sich schon früh, so dass die Berufs-
wahl nicht schwer fiel und im zehnten Lebensjahre schon für Schröder
der Plan fest stand, sich mathematischen und physikalischen Studien,
somit dem Lehrberufe zu widmen.“ Um diesen Plan auszuführen,
wandte er sich nach Heidelberg, um unter Hesse, Kirchhoff und
[V]Von J. Lüroth.
Bunsen zu studiren. Er that dies mit solchem Eifer und Erfolg,
dass er bereits 1862 das Doktorexamen mit der besten Note bestehen
konnte.


„Ein ihm verliehenes Stipendium führte Schröder dann nach
Königsberg, wo er neben dem Hören von mathematisch-physikalischen
Vorlesungen bei Neumann und Richelot sich eifrig an den Seminar-
übungen über diese Disziplinen beteiligte und einige der dafür aus-
gesetzten Preise erwarb. Der Herbst des Jahres 1864 schloss die
Studienjahre ab.“


Schröder bestand bald darauf in Karlsruhe die Prüfung für Lehramts-
praktikanten mit der Note „gut“. Er hätte wahrscheinlich sofort eine
Anstellung im badischen Schuldienst gefunden, wenn er es nicht vor-
gezogen hätte, sich zunächst nach Zürich zu wenden. Dort habilitirte
er sich für Mathematik am Eidgenössischen Polytechnikum und lehrte
gleichzeitig in Vertretung des erkrankten Prof. Gräffe als Vikar an
der Kantonschule.


In Zürich verkehrte Schröder sehr viel mit Waadtländern, wobei
er Gelegenheit hatte, seine guten Kenntnisse des Französischen wesent-
lich zu üben und zu verbessern. Seinen Neigungen zu Leibesübungen
getreu benutzte er den Aufenthalt in der Schweiz zu vielen Bergtouren.
Unter anderm besuchte er mit einem Freunde zusammen die Gletscher-
welt im Hintergrund des Bagnethals, eines der südlichen Nebenthäler
der Rhône, und machte dort zum Teil ohne Führer mehrere grosse Be-
steigungen.


Obgleich die Stellung in Zürich Schröder seinen Lebensunterhalt
sicherte, „so schienen doch die Chancen für die geplante Laufbahn bei
solcher Doppelstellung nach beiden Richtungen hin nicht sonderlich
hohe“. Dieser Umstand und unliebsame Vorkommnisse persönlicher
Art veranlassten Schröder im Sommer 1868 die Thätigkeit in Zürich
aufzugeben und sich wieder dem heimischen Schuldienst zuzuwenden.
Er erhielt zunächst eine Aushilfsstelle an der höheren Bürgerschule in
Karlsruhe und kurze Zeit darauf eine Lehrstelle am Pädagogium in
Pforzheim. Im Oktober 1869 legte er noch das zweite Examen, die
sog. Dienstprüfung, mit der Note „vorzüglich“ ab.


Schröder war in diesen Jahren schon literarisch thätig gewesen.
Er hatte damals eine gewisse Neigung zu Verallgemeinerungen. So
interessirten ihn lebhaft die Bestrebungen, die Definition von Funk-
tionen, die von natürlichen Zahlen abhängen, auch auf andere Zahl-
formen auszudehnen. Einen Versuch ähnlicher Art hatte er selbst
schon gemacht in der kleinen Arbeit über „Vielecke mit gebrochener
[VI]Ernst Schröder †.
Seitenzahl“ (1)1), die er noch als Heidelberger Student veröffentlicht
hatte, indem er hierin den Begriff des p/q Ecks aufstellte. Ähnliche
Verallgemeinerungen für den Raum führten ihn auf Polyeder von
gebrochner Seitenzahl, und ich erinnere mich sehr sauber gearbeitete
Pappmodelle von solchen Körpern bei ihm gesehen zu haben, die er
während einer Masernkrankheit in Königsberg angefertigt hatte. Doch
hat er über diese Dinge nichts veröffentlicht. Auch beschäftigte er
sich eingehend mit den Versuchen Liouvilles und anderer, den Be-
griff des Differentialquotienten auf beliebige Indices auszudehnen. In
seiner Probevorlesung bei der Habilitation in Zürich behandelte
Schröder diese Fragen. Eine Verallgemeinerung anderer Art knüpfte
er (2) an die Maclaurinsche Summenformel. Er untersucht die
Summe. einer Reihe von Funktionswerten, deren Argumente nicht
wie gewöhnlich reelle Zahlen, sondern äquidistante Punkte einer be-
liebigen Geraden der komplexen Zahlenebene sind. Er kommt hierbei
auf Verallgemeinerungen der Bernoulli’schen Funktionen und gewisser
von Ubbo Meyer eingeführter Zahlen, die mit den Binomial-Koeffi-
zienten zusammenhängen und auf die er durch Kinkelin aufmerksam
geworden. In einigen späteren Publikationen (5, 6, 16, 17) kommt er
auf diese Dinge öfter zurück. Trotz der Belastung mit etwa 26 Schul-
stunden konnte Schröder, der Zeit seines Lebens ein überaus fleissiger
Arbeiter war und sich viele Nachtarbeit zumutete, während seines Pforz-
heimer Aufenthaltes einige Arbeiten veröffentlichen (3, 4, 5, 6). Zwei
von ihnen (3 und 4) beziehen sich auf eine von Eggers angeregte
Methode, um Gleichungen durch Iteration aufzulösen. Die beiden anderen
(5 und 6) sind wol entstanden bei den Vorarbeiten für das Lehrbuch
der Arithmetik und Algebra. Sie behandeln die Frage, auf wie viele
verschiedene Arten man ein Produkt von Zahlen berechnen könne.
Als der Krieg im Jahre 1870 ausbrach, meldete sich Schröder in
patriotischer Begeisterung freiwillig zum Dienst und wurde auch, der
seiner Zeit bei der Konskription seiner Augen wegen zurückgewiesen
war, als tauglich erklärt. Nach einer kurzen Ausbildungszeit in der
Heimat wurde er der 4. schweren Batterie des badischen Feldartillerie-
Regiments unter Hauptmann v. Froben zugeteilt. Sein jüngster Bruder
stand gleichzeitig bei der Infanterie. Er machte die Belagerung von
Strassburg und nach dessen Einnahme den Vormarsch der badischen
Division nach Süden gegen Dijon mit, der mit einer Reihe von kleinen
[VII]Von J. Lüroth.
Gefechten verbunden war. Aber vor den ernstlichen Zusammenstössen
mit der französischen Südarmee erhielt Schröder die Nachricht, dass
er zum Professor befördert sei und wurde bald darauf, am 1. Nov. 1870,
nach Reklamation durch die Schulbehörde in die Heimat zurückgeschickt.
Er wurde zum Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften an dem
Pro- und Realgymnasium zu Baden-Baden ernannt. Diese Stelle behielt
er bis zum Jahre 1874.


Während seines Aufenthaltes in Baden beschäftigte sich Schröder
wesentlich mit den Arbeiten an seinem Lehrbuch der Arithmetik und
Algebra, das 1873 erschien. Allerdings kam er nie dazu, seinen ursprüng-
lichen Plan vollständig auszuführen und das auf 4 Bände berechnete
Werk zu vollenden. Es blieb auf den ersten damals erschienenen Band
beschränkt. In ihm behandelt er zunächst sehr ausführlich und ein-
gehend den Zahlbegriff und erwähnt dabei, wol als der erste, das
allem Zählen zugrunde liegende Axiom, dass die Anzahl unabhängig sei
vom Zählprozess; dass man also, wenn man eine Menge wiederholt zähle,
immer dieselbe Anzahl bekommen müsse, vorausgesetzt man habe sich
nicht verzählt. Dann folgt eine ausführliche Erörterung über die arith-
metischen Operationen und zwar über die direkten und inversen. Die
direkten Operationen werden einmal untersucht auf Grund einer in-
dependenten Definition, und dann, wesentlich nach Grassmann, unter
Annahme eines rekurrenten Bildungsgesetzes. Um den Gebrauch von
Klammern möglichst einzuschränken, gibt Schröder zwei Konventionen,
die seither allgemeine Aufnahme in die Lehrbücher gefunden haben. In
einem Anhang wird das Rechnen mit Produkten und Summenzeichen
ausführlich erörtert, insbesondere werden die Regeln aufgestellt, die bei
Vertauschung der Summationsordnung bei mehrfachen Summen die
Änderung der Grenzen ergeben. In den vorhergehenden Kapiteln führt
Schröder nun aber eine wesentliche Neuerung ein, indem er die
gewöhnlich festgehaltene Eindeutigkeit der Umkehrungen fallen lässt
und das Operiren mit mehrdeutigen Ausdrücken eingehend behandelt.
Er benutzt hierbei schon das Unterordnungzseichen ⊂ und das Ein-
ordnungszeichen
, das in seinen späteren Veröffentlichungen über die
Logik eine so grosse Rolle spielt. Ferner wurde er — wenn ich nicht
irre durch die monatelange Einstellung des Druckes, die durch den grossen
Setzerstreik des Jahres 1872 hervorgerufen war —, nach Hankels
Vorgang veranlasst, weitergehende Untersuchungen einzufügen über die
Gestalt, welche die arithmetischen Formeln annehmen würden, wenn
die Operationen anderen als den gewöhnlichen Gesetzen gehorchten.
Inbesondere dachte er dabei, dass die Multiplikation weder kommutativ
[VIII]Ernst Schröder †.
noch assoziativ sein könnte. Sie würde dann zwei Umkehrungen, also
zwei Divisionen zulassen, die Schröder als Messen und Teilen be-
zeichnete und durch Doppelpunkt und Bruchstrich unterschied. Bei
diesen Untersuchungen, die hier begannen, befolgte er zunächst den
Zweck, die Folgerungen der einzelnen Annahmen von einander zu trennen,
also herauszubringen, welche Formeln alleinige Folgerungen des Kommu-
tationsgesetzes seien, welche die Folgen des Assoziationsgesetzes, welche
endlich nur beim Zusammenwirken der beiden Gesetze Geltung hätten
u. s. w. Im weiteren Verlauf dieser Spekulationen, die Schröder
während seines ganzen Lebens beschäftigten, von denen aber nur wenige
Resultate publizirt sind, stellte er sich eine sehr viel umfassendere
Aufgabe. Die Multiplikation mit ihren beiden Umkehrungen kann als
symbolische Bezeichnung einer Funktion von zwei Argumenten auf-
gefasst werden mit ihren zwei möglichen Umkehrungen, und das Studium
von Gleichungen zwischen solchen Funktionen war nun sein Ziel. Um
dieses Problem einigermassen einzuschränken, benützte er den Umstand,
dass in den gewöhnlichen arithmetischen Fundamentalgleichungen höch-
stens sieben Buchstaben auftreten. Er beschränkte sich daher auf die
Betrachtung von solchen Gleichungen mit nur sieben Buchstaben. Die
Buchstaben sollen auf der rechten und linken Seite der Gleichungen
nur durch Multiplikationen oder ihre beiden Umkehrungen verbunden
sein. Ein spezieller Fall ist der, wenn auf der rechten und linken
Seite je nur eine Operation zur Anwendung kommt. Bei den ent-
sprechenden arithmetischen Gleichungen treten dabei höchstens sechs
Buchstaben auf, und deswegen beschränkt sich Schröder auch bei
seinen Untersuchungen des speziellen Falles auf Gleichungen mit höch-
stens sechs Buchstaben. Er betrachtet dabei diese Buchstaben als ganz
allgemeine Zahlen, schliesst alle speziellen Zahlenwerte wie 0, 1 u. dergl.
aus, und nimmt an, die Multiplikation wie ihre Umkehrungen seien voll-
kommen eindeutig. Er hatte nun die Absicht, die bei den angegebenen
Beschränkungen möglichen Gleichungen auf ihre Folgerungen zu unter-
suchen, d. h. alle aus einer Gleichung folgenden anderen Gleichungen
aufzustellen. Die Gesamtheit aller dieser Folgerungen nannte er in
dem allgemeineren der oben genannten Fälle einen „Kalkul“, im speziellen
einen „Algorithmus“. Die Gleichungen eines solchen Algorithmus oder
eines Kalkuls zerfallen in zwei Klassen, indem nämlich aus einer
Gleichung die sämtlichen anderen folgen oder nicht. Schröder hat
einen ausserordentlichen Fleiss und eine grosse Arbeitskraft auf diese
Studien verwendet, von deren Resultaten er Einzelheiten in einer
Reihe von Arbeiten veröffentlicht hat (10, 11, 20, 22, 24, 25, 26).
[IX]Von J. Lüroth.
Insbesondere beschäftigte ihn ein System von 990 Gleichungen,
die in der Gesamtheit von 7342 möglichen Gleichungen eine hervor-
ragende Rolle spielen und deren Struktur er eingehend untersucht. Um
die Möglichkeit der Algorithmen oder Kalkule und ihre Unabhängig-
keit von einander zu beweisen, wendet er zwei Mittel an. Er kon-
struirt Lösungen mit Hilfe der gewöhnlichen mathematischen Formeln,
indem er einen Bruch, dessen Zähler und Nenner bilineare Funktionen
von zwei Veränderlichen sind, so einrichtet, dass er die gegebene
Funktionalgleichung erfüllt. Ferner konstruirt er Funktionstafeln,
d. h. Tafeln, die zu gegebenen Argumentwerten den Funktionswert
liefern, indem er dabei die Anzahl der möglichen Argumentwerte klein,
höchstens gleich 8 annimmt. Für den Fall von nur 4 Argumentwerten
stellt er die sämtlichen 576 Funktionstafeln auf, die bei eindeutigen
Umkehrungen möglich sind, und für den Fall von acht Argumentwerten
solche Tafeln, die gegebenen Funktionalgleichungen genügen, während
sie bei weniger als acht Werten unmöglich sind. Bei all diesen Unter-
suchungen zeigt Schröder eine grosse Gewandtheit in der Behandlung
kombinatorischer Probleme, wie er solche auch in einigen speziellen
Abhandlungen untersucht hat. Einige habe ich schon früher erwähnt.
In einer anderen (21) bestimmt er die Anzahl der Substitutionen, welche
in eine gegebene Zahl von Zyklen zerfallen. Bei all diesen Problemen
kommt ihm seine Übung in der Benützung der Ubbo Meyer’schen
Fakultäten-Koeffizienten, von denen schon früher die Rede war, zugute.


Während seines Aufenthaltes in Baden-Baden begann Schröder
auch die Erlernung der russischen Sprache und benutzte seine freie
Zeit, um die schöne Umgebung der berühmten Bäderstadt nach allen
Richtungen hin in tüchtigen Fussmärschen, auf denen ich ihn öfter
begleitete, kennen zu lernen.


Seine mathematischen Arbeiten bewirkten, dass er im Jahre 1874
nach Darmstadt an die technische Hochschule als ordentlicher Professor
der Mathematik berufen wurde. Im Jahre 1876 folgte er einem Rufe
an die technische Hochschule nach Karlsruhe; hier lehrte er, seiner
Neigung entsprechend, die Fächer der Arithmetik, Trigonometrie und
höheren Analysis. In dieser Stellung blieb er, später zum Hofrat er-
nannt, bis zu seinem Tode. Das Vertrauen seiner Kollegen berief ihn
im Jahre 1890 zum Direktor des Polytechnikums, während er dem
Senat der Hochschule wiederholt angehört hatte.


Unter den Arbeiten, die er in Darmstadt und Karlsruhe veröffent-
lichte, verdient neben den sofort zu besprechenden besonders die über
„Ein auf die Einheitswurzeln bezügliches Theorem der Funktionen
[X]Ernst Schröder †.
lehre“ (12) Erwähnung, weil Schröder hier ein einfaches Beispiel einer
analytischen Formel gibt, die in verschiedenen Teilen ihres Gebietes
verschiedene Werte annimmt. Dieses Beispiel wurde später von Weier-
strass
benutzt.


Schon bei der Vorbereitung zu dem Lehrbuch der Arithmetik und
Algebra war Schröder, wol durch Robert Grassmann’s Formenlehre,
auf die rechnerische Behandlung der Logik aufmerksam geworden.
Diese Disziplin war es, welche seit seiner Übersiedlung nach Karlsruhe
sein wissenschaftliches Leben vollständig erfüllte. Er lernte die Werke
von Boole, De Morgan, Ch. S. Peirce und anderen besonders englischen
und amerikanischen Autoren über die mathematische Logik kennen und
studirte eifrig die Schriften von Sigwart, Trendelenburg, Lotze,
Überweg, Wundt u. s. w. über den philosophischen Teil dieser Disziplin.


Er ging nun daran die von den Vertretern der mathematischen
Logik erhaltenen Resultate in einheitlicher Weise darzustellen. Es
gelang ihm zunächst das System von Boole dadurch zu verbessern,
dass er die Benutzung der gewöhnlichen Zahlen als unnötig nachwies.
Die Division und Subtraktion ersetzte er durch Einführung der Nega-
tion. Er hatte schon in seinem Lehrbuch der Arithmetik sich dahin
ausgesprochen, dass man dann im Stande sein müsse, mit der Termino-
logie, die einem nun zu Gebote stehe, alle Beziehungen auszudrücken,
in denen Begriff dem Umfang nach stehen. In dem kleinen Buche (13)
„Operationskreis des Logikkalkuls“, das 1877 erschienen ist, gibt er in
diesem Sinne eine kurze Übersicht der Theorie. Er operirt mit
Klassen von Dingen, d. h. mit der Gesamtheit aller Dinge, die gegebene
Merkmale gemein haben. Zwei Klassen a und b können Individuen ge-
mein haben; deren Gesamtheit wird mit a · b oder a b bezeichnet. Da-
gegen soll unter a + b die Klasse der Dinge verstanden werden, die
entweder zu a oder zu b gehören. Indem man nun immer auf die
Individuen zurückgeht, beweist man die Rechengesetze, die mit den ge-
wöhnlichen identisch sind, aber deswegen einfacher ausfallen, weil in
der Logik a + a = a und a · a = a ist. Die Menge der Dinge, die
nicht zu a gehören, wird mit bezeichnet. Dies ist die in späteren
Schriften adoptierte Bezeichnung, früher schrieb Schröder dafür a1.
Für diese Negation gelten die Gesetze () = · und (a̅ b̅) = + .
Diese wenigen Formeln reichen hin, um einen grossen Teil der Logik
des Umfanges der Begriffe im rechnerischen Gewande darzustellen.
Erst im Jahre 1890 liess Schröder diesem kleinen Werke den ersten
Band (27) einer ausführlichen auf drei Bände berechneten Darstellung
der Logik in mathematischem Gewande, der exakten Logik, wie er sie
[XI]Von J. Lüroth.
gern nannte, folgen. In diesen „Vorlesungen über die Algebra der
Logik“ gibt uns Schröder eine ausführliche systematische Dar-
stellung der ganzen Theorie, in der er die Forschungen der Engländer
und Amerikaner, insbesondere von Charles S. Peirce, in einheitlichem
Gewande, vermehrt durch zahlreiche eigene Untersuchungen vorträgt.
Wie in seinem früheren Schriftchen, beschränkt er sich hier auf
die Logik des Umfangs. Während er aber früher die Beweise und
Definitionen auf die Betrachtung der Individuen gründete, stellt er jetzt
in rein formaler Weise Definitionen an die Spitze, die einen Kalkul
darstellen, den er als „identischen“ bezeichnet. In dieser Weise wird
zunächst die Subsumtion definirt, oder wie Schröder sagt, die Ein-
ordnung, dann die Summe und das Produkt. Um die Formeln all-
gemein gültig zu machen und gewisse Ausnahmen zu vermeiden, be-
nutzt er mit Boole die durch das Symbol 0 bezeichnete Nullklasse,
zu der im Gegensatz die Klasse 1 steht, die allen anderen übergeordnet
ist und den ganzen Denkbereich umfasst. Es gelingt mit Hilfe von
diesen Definitionen, eine ganze Anzahl der Rechnungsregeln des identischen
Kalkuls zu beweisen. Insbesondere auch den einen Teil des Distributions-
gesetzes a b + a c a (b + c). Dagegen gelingt es nicht, auch dessen
zweiten Teil a (b + c) a b + a c abzuleiten; und in einem Anhang an
das Buch gibt sogar Schröder einen strengen Beweis dafür, dass dies
unmöglich ist, indem er eine Gruppe von Operationen aufzeigt, welche
die Gesetze des identischen Kalkuls erfüllen, ohne dass der zweite Teil
des Distributionsgesetzes gilt. Die genannten Deduktionen werden
unterbrochen durch eine Untersuchung über die Deutung der Operationen,
über die Übersetzung aus der Wortsprache in die Zeichensprache, wobei
besonders die verschiedene Bedeutung von „oder“ genau studirt wird. Um
nun auch den zweiten Teil des Distributionsgesetzes zu beweisen, benutzt
Schröder die Negation und setzt jenen zweiten Teil für einen speziellen
Fall voraus. DieNegation einer Klasse a, die Schröder das Negat von a
nannte und „a-Strich“ aussprach, definirt Schröder ebenfalls rein formal
und zeigt dann ihre Identität mit denjenigen Dingen des Denkbereiches
auf, die zur Klasse a nicht gehören. Die Frage, wie Urteile, die eine Ver-
neinung enthalten, in die Zeichensprache zu übersetzen seien, macht eine
genauere Untersuchung nötig über die Bedeutung eines Urteils, das eine
Negation enthält; er entscheidet sich dafür, „a ist nicht b“ zu übersetzen
durch a = , womit er sich an die Ansicht von Aristoteles und Wundt
anschliesst. Die Negation erlaubt, die Subtraktion und die Division, welche
die englischen Logiker noch benutzt hatten, ganz zu umgehen und damit
gewisse Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich sonst einstellen. Die Be-
[XII]Ernst Schröder †.
handlung von Gleichungen gestaltet sich im Logikkalkul besonders einfach,
da man alle Gleichungen in eine einzige zusammenfassen, die eine Seite
auf 0 bringen und die andere in eine lineare und homogene Funktion der
unbekannten Klasse und deren Verneinung entwickeln kann. In dieser
Form lässt sich dann leicht die Bedingung für die Löslichkeit, d. h.
die Resultante, und der Ausdruck für die unbekannte Klasse ablesen.
Eine Reihe von Beispielen zeigt die Übersetzung eines Systems von
Prämissen in die Zeichensprache und die weitere Behandlung durch die
Rechnung, die sich öfters überraschend einfach gestaltet. Ein Nachteil
dieser Theorie ist es, dass sie nur universale Urteile behandeln kann
und dass partikulare Urteile sich in ihr nur schwer unterbringen lassen.
Diesem Übelstand begegnet Schröder in dem 1891 erschienenen zweiten
Bande seiner Vorlesungen, von dem aber leider nur die erste Abteilung
herauskam. Schröder führt in diesem Buche neben dem Subsumtions-
zeichen das Ungleichheitszeichen ein, für das er das Zeichen ≠ benutzt.
Er kann dann das Urteil, einige a sind b durch die Formel a b̅ ≠ 0
ausdrücken. Um die Deduktionen zu erleichtern, und in gewisser Be-
ziehung auch als eine Anwendung des identischen Kalkuls, benutzt
Schröder den ebenfalls von Boole erfundenen sog. Aussagenkalkul
d. h. eine symbolische Zusammenfassung von Aussagen durch Zeichen.
Man kann (nach Mac Coll) jedem Urteil oder jeder Aussage ein Wert-
zeichen zuteilen; und zwar das Zeichen 0, wenn die Aussage falsch ist,
und das Zeichen 1, wenn sie richtig ist. Dann kann man, indem man
unter den Aussagen oder den sie vertretenden Buchstaben, diese Wert-
zeichen versteht, mit den Aussagen rechnen, indem man die Gesetze
0 + 0 = 0; 0 + 1 = 1 + 0 = 1 + 1 = 1
0 · 0 = 0 · 1 = 1 · 0 = 0; 1 · 1 = 1
0 0 0 1 1 1
0̅ = 1, 1̅ = 0

benutzt. Die Formel a b zwischen den zwei Aussagen a und b,
sagt dann aus: wenn a gilt, so gilt b, oder aus a folgt b, oder a zieht
b nach sich (nicht wie man etwa versucht wäre zu denken, aus b
folgt a). Schröder benutzt mit Boole, um den identischen Kalkul
anwenden zu können, immer die Zeiträume, in denen die einzelnen Ur-
teile gelten. Die getroffenen Festsetzungen verlangen, dass ein Urteil,
das niemals wahr ist, immer einem richtigen eingeordnet ist. Hier-
durch werden zwar Ausnahmen vermieden, es ergeben sich aber anderer-
seits auch Sätze, die auf den ersten Blick etwas Fremdartiges haben
und deren Richtigkeit man sich erst besonders zum Bewusstsein bringen
muss. Schröder betrachtet nach sorgfältiger und eingehender Dis-
[XIII]Von J. Lüroth.
kussion des Aussagenkalkuls die fünf möglichen Beziehungen, die nach
Gergonne zwei Klassen zu einander haben können, und deren Ver-
bindungen miteinander. In ähnlicher Weise untersucht er die vier
primitiven Urteile De Morgan’s über zwei Klassen. Hierbei macht die
Zulassung der 0-Klasse einige Schwierigkeiten. Mit Hilfe der ge-
wonnenen Resultate werden dann die Syllogismen der alten Logik
sorgfältig studirt und gezeigt, dass sie auf die von Miss Ladd gegebene
Regel hinauslaufen, dass drei Klassen a, b, c, nicht gleichzeitig die
Gleichungen a b = 0, b̅ c = 0 und die Ungleichung a c ≠ 0 befriedigen
können. Diese syllogistischen Untersuchungen werden noch erweitert,
indem andere zwischen drei Begriffen mögliche Prämissen betrachtet
werden, welche in der gewöhnlichen Syllogistik nicht auftreten. Bei
all diesen Eliminationsproblemen zwischen Gleichungen und Ungleichungen
ergibt sich die Notwendigkeit, den Resultanten eine Klausel beizufügen,
die das Auftreten von Ausartungen unmöglich machen soll. Und diese
Klausel wieder leitet Schröder dazu über, den Begriff des Individuums
festzustellen, d. h. in einer Formel auszusprechen, wann eine Klasse
ein Individuum ist. Die ganze Untersuchung dieses zweiten Bandes
macht ausführliche Erörterungen über verschiedene Gegenstände der
allgemeinen Logik, partikulare Urteile, die Verneinung, die Kon-
version und dergleichen nötig. Auch eine Reihe von Beispielen werden
mit der Rechnung behandelt. Im Jahre 1895 erschien der dritte
Band der Algebra der Logik (34) mit dem Untertitel „Algebra und
Logik der Relative“. Allerdings ist von diesem Buch nur eine erste
Abteilung publizirt und ob sich eine zweite Abteilung aus Schröder’s
Manuskripten wird zusammenstellen lassen, ist zur Zeit noch nicht
bekannt. Der Schöpfer dieser Logik der Relative ist Charles S. Peirce,
und seine Theorie ist es im wesentlichen, die Schröder vorträgt.
Unter einem Relativ versteht bekanntlich Peirce die Gesamtheit aller
Aussagen, die sich darüber machen lassen, ob sich irgend zwei Individuen
i und j des Denkbereichs in einer bestimmten Beziehung A zu einander
befinden. Zu der Aussage „i steht zu j in der Beziehung A“ gehört ein
Wertzeichen ai j, ein Relativkoeffizient, wie Schröder sagt, der diese
Aussage, je nachdem er 1 oder 0 ist, als wahr oder unwahr kennzeichnet.
Das zu A gehörige Relativ a ist dann die Gesamtheit aller Aussagen
oder aller Relativkoeffizienten, die allen möglichen Paaren von Ele-
menten des Denkbereichs entsprechen.


Aus zwei Relativen, a und b, werden nach bestimmten Regeln neue
Relative abgeleitet. Und zwar betrachtet man zwei Additionen und
zwei Multiplikationen: je eine identische und eine relative.


[XIV]Ernst Schröder †.

Die identische Summe a + b und das identische Produkt, bezeichnet
durch a · b oder einfacher a b, sind Relative, die durch die Relativ-
koeffizienten ai j + bi j bezw. ai j · bi j definirt sind, wobei hier, wie im
folgenden, die Rechnungen mit den Wertzeichen nach den beim Aus-
sagenkalkul angeführten Regeln erfolgen. Das relative Produkt be-
zeichnet Schröder mit a ; b und spricht es a von b. Bei ihm ist der
Relativkoeffizient (a ; b)i j = 1, wenn es irgend ein Element h des Denk-
bereiches gibt, für das ai h bh j = 1 ist, dagegen ist er Null, wenn dies
nicht der Fall ist.


Die relative Summe bezeichnet Schröder mit a b, was er
a piu b“ aussprach. Sie ist dadurch definirt, dass der Relativkoeffizient
(a b)i j = 1 ist, wenn für jedes Element h des Denkbereichs ai h + bh j = 1
ist, Null dagegen, wenn dies nicht eintritt.


Neben diesen sich auf zwei Relative erstreckenden Operationen
beziehen sich die Negation und Konversion auf nur ein Relativ. Das
negirte Relativ a, das Schröder mit bezeichnet, hat den Relativ-
koeffizienten i j und und das konvertirte , das Schrödera convers“
aussprach, den ai j. Ein Relativ a ist einem b eingeordnet, oder in
Zeichen es ist a b, wenn zwischen allen Relativkoeffizienten die Be-
ziehung ai j bi j besteht.


Die gegenseitigen Beziehungen, die zwischen Relativen hiernach
stattfinden können, und deren Zahl gegenüber den bei Zahlen möglichen
gross ist, werden ausführlich untersucht. Während die Peirceschen
Arbeiten, an sich nicht leicht zu lesen, durch den Wechsel der Be-
zeichnungen sehr schwer verständlich sind, bietet das Studium des
Schröderschen Buches keine wesentlichen Schwierigkeiten, indem es
in einheitlicher Durchführung und hinreichender Ausführlichkeit die
einschlägigen Fragen beantwortet. Ähnlich wie bei dem identischen
Kalkul lässt sich jedes System von Gleichungen durch eine einzige
Gleichung ausdrücken. Der relative Kalkul leistet aber noch mehr,
indem sich auch jedes System von Ungleichungen, ja sogar die Forderung,
dass von einer Anzahl Gleichungen und Ungleichungen eine oder die
andere gelte, durch eine einzige Gleichung ausdrücken lässt. Schröder
behandelt ausführlich die Herstellung der Resultante, die erfüllt sein
muss, damit die Auflösung möglich ist, und die Auflösung selbst.
Während aber die erstere sich herstellen lässt, erfordert die letztere so-
gar unter Umständen unendliche Operationen. Für eine begrenzte An-
zahl von Gleichungen werden alle möglichen Aufgaben ausführlich er-
ledigt. Als eine Anwendung der Theorie gibt dann Schröder die
Darstellung der Lehre von den Zahlen, wie sie in Dedekind’s
[XV]Von J. Lüroth.
bekannter Schrift „Was sind und was sollen die Zahlen“ enthalten ist,
im Gewande des Relativkalkuls. Er weist zunächst nach, dass die
wichtigsten Sätze Dedekinds als allgemeine Sätze über Relative unter
der Geltung gewisser Prämissen erscheinen. Dann aber zeigt er, dass
sich die Theorie noch wesentlich vereinfachen lasse.


Weitere Studien betreffen die Mengen oder Systeme von Individuen,
die man auch als Relative auffassen kann, und deren Abbildung auf
einander, wobei die von Cantor und von Dedekind eingeführten Be-
griffe der Gleichmächtigkeit und Ähnlichkeit, die auf der eindeutigen
Abbildung beruhen, zur Sprache kommen. Schröder formulirt die
nötigen Definitionen durch Beziehungen zwischen Relativen, die ge-
statten, daraus Sätze abzuleiten, ohne dass man nötig hat, auf die
Individuen zurückzugehen. Weitere Anwendungen werden endlich noch
gemacht auf den Begriff der Funktion und den der Substitution. Als
eine Fortsetzung der zuletzt erwähnten Untersuchung erscheinen zwei
Abhandlungen (36, 37, 38) aus dem Jahre 1896, die allerdings erst 1898
erschienen sind. In der einen vergleicht Schröder eine von Peirce
herrührende Definition der Endlichkeit eines Systems mit der Dedekind-
schen Definition der Unendlichkeit und zeigt durch Rechnung, dass die
eine die Negirung der andern ist. Im Anschluss daran beweist er vier
von den fünf Sätzen, die Cantor über Mengen von gleicher Mächtig-
keit aufgestellt hat, ohne dass er dabei von den transfiniten Zahlen
Gebrauch machen muss. Den fünften Satz allerdings konnte er damals
noch nicht herleiten.


In der zweiten stellt er mit Hilfe der Relativoperationen die Be-
dingung her, dass zwei Relative, die Systeme sind, gleich viele Indi-
viduen enthalten und ferner die Bedingung, dass die Anzahl dieser
Individuen 0, 1, 2 oder 3 ist.


Durch diese Relativoperationen, glaubt Schröder, sei ein wesent-
licher Schritt vorwärts gethan nach dem Ziel einer allgemeinen Pasi-
graphie, nach einer allgemein verständlichen, von den nationalen Sprachen
unabhängigen Zeichensprache zur Darstellung wissenschaftlicher Er-
örterungen. Dass die Peirce’sche, von ihm verbesserte Zeichensprache
des Relativkalkuls neben dem Aussagenkalkul dies eher zu leisten im-
stande ist als die Symbole Peano’s und seiner Schüler, ist wol sicher.
Ob aber das Schrödersche Ideal, wie er es in einer geistvollen Karls-
ruher Rektoratsrede über das Zeichen (31) und einem Vortrag auf dem
Züricher Mathematikerkongress (39 und 40) hingestellt hat, sich ver-
wirklichen wird, muss zur Zeit dahingestellt bleiben.


Schröder hat in seinem grossen Werke über Logik eine ganz
[XVI]Ernst Schröder †.
ausserordentliche Menge von mühevoller Arbeit und von höchst scharf-
sinnigen Untersuchungen niedergelegt. Nur kann man vielleicht sagen,
dass er dem Leser etwas zuviel dargeboten hat. Auch war er zu sehr
systematisirender Mathematiker, dem es Freude machte, innerhalb eines
gegebenen Rahmens alle Möglichkeiten zu erörtern und alle sich darbieten-
den Fragen zu lösen. Es ist schade, dass er uns die zweite Abteilung
des dritten Bandes nicht mehr geben konnte, er hätte uns dann vielleicht
an einfacheren Beispielen und Aufgaben, als die oben erwähnten sind,
die Nützlichkeit der Lehre von den Relativen gezeigt. Was die Zu-
kunft dieser logischen Disziplinen angeht, so glaube ich nicht, dass die
enthusiastischen Hoffnungen, denen Schröder so oft Ausdruck gab,
sich in Bälde erfüllen werden. Mir scheint es von Wichtigkeit zu sein,
dass Aufgaben gefunden werden, die nicht künstlich gemacht sind, die
sich aber durch den Logikkalkul in einfacherer Weise lösen lassen, als
dies die gewöhnlichen Methoden gestatten.


Um sich bei den anstrengenden Arbeiten zu zerstreuen, trieb
Schröder während seines Karlsruher Aufenthaltes eifrig Sprachstudien.
Er vervollkommnete sich im Englischen und lernte das Spanische.
Daneben beschäftigte er sich viel mit der Blumenzucht, der er viel
von seiner Zeit widmete. Er hatte sich dabei sehr eingehende botanische
Kenntnisse angeeignet und grosse Übung in Behandlung der Pflanzen
erlangt, so dass seine Pflanzen, obgleich er bei seiner Junggesellen-
wohnung kein Treibhaus und keinen Garten hatte, gut gediehen. Wie
früher trieb er auch den Sport eifrig. Neben Schwimmen und Schlitt-
schuhlaufen, denen er von jeher gehuldigt hatte, übte er einige Jahre
das Reiten. Später wurde er ein überaus enthusiastischer Radfahrer,
da er hierdurch in kurzer Zeit sich kräftig ausarbeiten und nicht nach-
denken könne. Freilich glaube ich, dass später für ihn der Genuss
mehr darin bestand, viele Kilometer in möglichst kurzer Zeit zu durch-
messen, als behaglich durch eine schöne Gegend zu fahren. Wenige
Tage vor seinem Tode soll er noch eine grosse Radtour gemacht haben,
und manche seiner Kollegen glauben, dass eine Erkältung, die er sich
dabei holte, die tödliche Krankheit verursacht habe. Im Winter
1901—2, wo er das sechzigste Lebensjahr schon überschritten hatte,
find er noch den jüngsten Sport, das Skilaufen, an.


Als ich Schröder im März 1902 zum letzten Male sah und ihn
von seinen Ski- und Radtouren erzählen hörte, machte er noch in
jeder Beziehung den Eindruck eines überaus rüstigen Mannes, dem
man ein langes Leben prophezeit hätte. Merkwürdig war mir nur in
den letzten Jahren seines Lebens erschienen, dass die mit dem Leben
[XVII]Von J. Lüroth.
und dem Amte unvermeidlich verbundenen Reibungen immer schwerer
auf ihm lasteten und offenbar seine Leistungsfähigkeit hemmten, so
sehr, dass er sich nicht entschliessen konnte, das grosse Lebenswerk
seiner Logikvorlesungen zu vollenden.


Haben sich in dieser Depression die Anfänge eines tieferen Leidens
gezeigt, so kann man einem gütigen Geschick nur dankbar sein, das
Schröder durch einen raschen Tod nach kurzer Krankheit vor längerem
Siechtum bewahrt hat.


Verzeichniss der Schriften Schröders nach ihrer Zeitfolge, mit An-
gabe der Datirung
.


  • 1. Über Vielecke von gebrochener Seitenzahl oder die Bedeutung der Stern-
    polygone in der Geometrie. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 7. Seite 55—64.
  • 2. Eine Verallgemeinerung der Mac Laurinschen Summen-Formel nebst Beiträgen
    zur Kenntniss der Bernoullischen Funktion. 28 Seiten. Programm der Kantons-
    schule in Zürich. Zürich, Druck von Zürcher \& Furrer 1867.
  • 3. Über unendlich viele Algorithmen zur Auflösung der Gleichungen. Pforzheim
    im Januar 1869. Math. Ann. Bd. 2. Seite 317—365.
  • 4. Über iterirte Funktionen. Pforzheim im Juni 1869. Math. Ann. Bd. 3. S. 296—322.
  • 5. Vier kombinatorische Probleme. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 15. S. 361—376.
  • 6. Berichtigung zu dem Aufsatze „Vier kombinatorische Probleme“. Baden-
    Baden im Dezember 1870. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 16. S. 179—180.
  • 7. Die Umformungsregeln für algebraische Ausdrücke. Zeitschr. f. d. math. u.
    nat. Unterricht. Bd. 2. S. 410—415.
  • 8. Lehrbuch der Arithmetik und Algebra für Lehrer und Studirende. Erster
    Band: Die sieben algebraischen Operationen. Baden-Baden im September 1873.
    Leipzig 1873. XI u. 360 S.
  • 9. Abriß der Arithmetik und Algebra für Schüler an Gymnasien und Realschulen.
    Erstes Heft: Die sieben algebraischen Operationen. Leipzig 1874. 48 Seiten.
  • 10. Über die formalen Elemente der absoluten Algebra. Zugleich als Beilage zum
    Programm des Pro- und Realgymnasiums zu Baden-Baden für 1873/74. Baden-
    Baden, 7. Juli 1874. Stuttgart 1874. 31 Seiten.
  • 11. Über von Staudts Rechnung mit Würfen und verwandte Prozesse. Darmstadt,
    Dezember 1875. Math. Ann. Bd. 10. S. 289—317.
  • 12. Ein auf die Einheitswurzeln bezügliches Theorem der Funktionenlehre. Januar
    1876. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 22. S. 183—190.
  • 13. Der Operationskreis des Logikkalkuls. Karlsruhe im März 1877. Leipzig 1877.
    V u. 37 S.
  • 14. Note über den Operationskreis des Logikkalkuls. Karlsruhe, 7. Juli 1877.
    Math. Ann. Bd. 12. S. 481—484.
  • 15. Hermann Graßmann. Sein Leben und seine mathematisch-physikalischen Ar-
    beiten. Februar 1878. Math. Ann. Bd. 14, S. 1—45. (Darin von Schröder
    wohl nur Seite 30 Absatz bis 32 incl.)
  • 16. Bestimmung des infinitären Wertes des Integrals (u)n d u. Karlsruhe im
    August 1879. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 25. S. 106—117.

Schröder, Algebra der Logik. 2. II. b
[XVIII]Ernst Schröder †.
  • 17. Über die Eigenschaften der Binomialkoeffizienten, welche mit der Auflösung
    der trinomischen Gleichung zusammenhängen. Karlsruhe im Oktober 1879.
    Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 25. S. 196—207.
  • 18. Anzeige von Gottlob Freges Begriffsschrift. Karlsruhe 1879. Zeitschr. f. Math.
    u. Phys. Bd. 25. Historisch-literarische Abteilung S. 81—94.
  • 19. Selbstanzeige der unter 11., 12., 13., 14. genannten Schriften im Repertorium
    für reine und angew. Mathematik. Bd. 2. S. 81—87 mit Nachschrift auf
    S. 162.
  • 20. Über eine eigentümliche Bestimmung einer Funktion durch formale An-
    forderungen. Karlsruhe im Mai 1880. Journ. f. reine u. angew. Math. Bd. 90.
    S. 189—220.
  • 21. Über die Anzahl der Substitutionen, welche in eine gegebene Zahl von Cyklen
    zerfallen. Karlsruhe, November 1881. Archiv f. Math. u. Phys. Teil 68.
    S. 353—377.
  • 22. On the most commodious and comprehensive calculus. Exposition of a logical
    principle, as disclosed by the algebra of logic but overlooked by the ancient
    logicians. Report of the British Assoc. 1883. S. 411—412.
  • 23. Über das Eliminationsproblem im identischen Kalkul. Tageblatt der Natur-
    forscherversammlung zu Straßburg 1885. S. 353—354.
  • 24. Tafeln der eindeutig umkehrbaren Funktionen zweier Variablen auf den
    einfachsten Zahlgebieten. Karlsruhe in Baden, eingesandt Dezember 1886.
    Math. Ann. Bd. 29. S. 299—317.
  • 25. Über Algorithmen und Kalkuln. Karlsruhe in Baden im Januar 1887. Archiv
    f. Math. u. Phys. 2. Reihe, Teil 5. S. 225—278.
  • 26. On a certain method in the theory of functional equations. Report of the
    British Assoc. 1887. S. 621.
  • 27. Vorlesungen über die Algebra der Logik (exakte Logik). Erster Band. Karls-
    ruhe in Baden im März 1890. Leipzig 1890. XII u. 717 S.
  • 28. Eine Berichtigung zum ersten Band meiner Algebra der Logik. Karlsruhe,
    17. Juni 1890. Math. Ann. Bd. 36. S. 602.
  • 29. Neues über die Bernoullischen Funktionen von natürlicher Ordnungszahl.
    Verhandl. d. Gesellsch. Deutsch. Naturf. u. Ärzte, 63. Vers. zu Bremen 1890.
    2. Teil. S. 5—6.
  • 30. Über bestimmte Integrale, die sich rational durch π und log 2 ausdrücken.
    ibidem S. 8—9.
  • 31. Über das Zeichen. Festrede bei dem Direktoratswechsel an der Technischen
    Hochschule zu Karlsruhe am 22. November 1890. Karlsruhe 1890. 24 Seiten.
  • 32. Vorlesungen über Algebra der Logik (exakte Logik). Zweiter Band. Erste
    Abteilung. Karlsruhe im Juni 1891. Leipzig 1891. XIII u. 400 S.
  • 33. Note über die Algebra der binären Relative. Karlsruhe in Baden, September
    1894. Math. Ann. Bd. 46. S. 144—158.
  • 34. Vorlesungen über die Algebra der Logik (exakte Logik). Dritter Band: Algebra
    und Logik der Relative. Leipzig 1895. VIII u. 649 S.
  • 35. Selbstanzeige des eben genannten Buches in Teubners Mitteilungen 1895. Nr. 1.
  • 36. Über zwei Definitionen der Endlichkeit und G. Cantorsche Sätze. Karlsruhe
    in Baden, Januar 1896. Nova Acta d. Leop.-Carol. Akad. d. Nat. Bd. 71.
    S. 301—312.

[XIX]Von J. Lüroth.
  • 37. Die selbständige Definition der Mächtigkeiten 0, 1, 2, 3 und die explicite
    Gleichzahligkeitsbedingung. Karlsruhe in Baden, im Februar 1896. ibidem
    S. 363—376.
  • 38. Über G. Cantorsche Sätze. Jahresbericht d. Deutsch. Math.-Vereinigung. Bd. 5.
    S. 81—82.
  • 39. On pasigraphy, its present state and the pasigraphic movement in Italy.
    The Monist, Oktober 1898. S. 44—62.
  • 40. Über Pasigraphie, ihren gegenwärtigen Stand und die pasigraphische Bewegung
    in Italien. Verhandl. d. 1. internat. Mathem. Kongresses in Zürich. Leipzig 1898.
    S. 147—162.
  • 41. Sur une extension de l’idée d’ordre. Bibliothèque du congrès internat. de
    Philosophie. III. Paris. S. 235—240.


[[XX]]

Vorbemerkung des Herausgebers.


Der Verfasser der „Algebra der Logik“ hat bei seinem Ableben
Manuskripte wissenschaftlichen Inhaltes in beträchtlicher Menge hinter-
lassen. Dieselben sind insgesamt der „Deutschen Mathematiker-Ver-
einigung“ letztwillig zugeeignet, behufs Veröffentlichung, so weit thunlich.
Ich erfülle eine angenehme Pflicht, indem ich der genannten Vereinigung
und der von derselben niedergesetzten Kommission zur Verwaltung des
Schröderschen handschriftlichen Nachlasses danke für den mir sehr
erwünschten und mich ehrenden Auftrag, Schröders unvollendetes
Haupt- und Lebenswerk, die Algebra der Logik aus seinen hinter-
lassenen Papieren fortzusetzen und möglichst zu vervollständigen.
Seitens der Kommission hatte insbesondere Herr Geheimrat Lüroth
die Güte, das Manuskript zu dem nunmehr vorliegenden Halbband
durchzusehen und mir vielfach mit Rat und That beizustehen. Dies,
sowie auch die Beigabe des vorstehenden Nekrologs verbindet mich zu
ganz besonderem Dank.


Das Manuskript war schon vom Verfasser ziemlich vollständig
ausgearbeitet. So konnte sich die Thätigkeit des Herausgebers auf
einige weniger ausgeführte Stellen und etliche Flüchtigkeiten des Text-
entwurfes beschränken. Ausgenommen hiervon ist der letzte Anhang
über die Kempesche Abhandlung, den der Verfasser nur bis zu der
bezeichneten Stelle (Seite 575) bearbeitet hatte, während von da ab
keinerlei Anhaltspunkte aufzufinden waren. Ich habe mich deshalb
bemüht, das Fehlende möglichst im Sinne des Verfassers nach dem
Kempeschen Original zu ergänzen.


Wer sich an gewisse Eigenheiten Schröderscher Diktion und
besonders an seine breite, oft abschweifende Darstellungsweise einmal
gewöhnt hat, der erkennt bald gerade auch darin das durchaus gründ-
liche, ernste und schlichte Wesen und Streben des wissenschaftlichen
Forschers und Lehrers, der alle Kunst prunkhaften Vortrages, alle
glänzenden und blendenden Sprachmittel verschmäht, — der nicht be-
wundert, nur verstanden sein will, — und zwar von Jedermann, auch
[XXI]Vorbemerkung des Herausgebers.
vom Laien und vom jugendlichen Studirenden; für Studirende vorzugs-
weise hat er sein Buch geschrieben.


Dies will nun freilich nicht sagen, dass ich die vom Verfasser ge-
wählte Ausdrucksweise auch in allen einzelnen Fällen billigte. — Ebenso
kann ich auch inhaltlich seinen Ausführungen wol im grossen und
ganzen, nicht aber in allen Einzelheiten beitreten. In dieser Hinsicht
war ich wiederholt versucht, meinen abweichenden Standpunkt wenigstens
etwa in einer Note oder einem kritischen Anhang darzulegen. Doch
unterblieb dies — vor allem deshalb, damit der neu herauszugebende
Teil des Werkes sich möglichst gleichförmig an die schon vorhandenen
angliedere. Auch die am Schluss beigefügten „Anmerkungen des
Herausgebers“, auf welche hier zum voraus besonders hingewiesen sei,
enthalten daher lediglich sachliche Berichtigungen und Ergänzungen,
von denen anzunehmen ist, dass der Verfasser sie gleichfalls auf-
genommen hätte, wenn er darauf aufmerksam geworden wäre.


Solche Berichtigungen sind mir mehrfach von den Herren Lüroth,
Korselt und Couturat in freundlichster Weise zur Verfügung ge-
stellt worden, nebst anderen Mitteilungen mehr rezensirenden Inhaltes;
so zutreffend mir indessen auch diese letzteren erscheinen mochten,
und so dankbar ich sie entgegennahm, so musste ich mir deren Auf-
nahme unter die Anmerkungen dennoch versagen mit Rücksicht sowol
auf die Wünsche der Einsender als auch auf den einheitlichen Charakter
des gesamten Schröderschen Werkes.


Bezüglich der Stoffeinteilung, wie sie durch das schon dem ersten
Bande vorgedruckte Inhaltsverzeichniss zum ganzen, ursprünglich nur
auf zwei Bände berechneten Werke angekündigt war, und bezüglich
der seitherigen Änderungen kann ich auf das unten folgende Vor- und
Zwischenwort des Verfassers verweisen. Nach dessen Absicht sollte
dem gegenwärtigen zweiten Teil des zweiten Bandes Titelblatt, Vorwort
und Inhaltsverzeichniss in nunmehr teilweise abgeändertem Wortlaut
für den ganzen zweiten Band beigegeben werden, wofür dann beim
Einbinden das ursprüngliche nur provisorische Titelzeug der ersten Ab-
teilung zu beseitigen und durch das neue zu ersetzen wäre.*) Die
[XXII]Vorbemerkung des Herausgebers.
zweite Abteilung sollte nur durch das „Zwischenwort“ eingeleitet sein.
— War es dem Verfasser nicht mehr vergönnt, sein Werk noch selbst
in dieser Weise abzuändern, so wird man sich heute wol kaum dazu
entschliessen. Zeigt der posthume Teil doch auch sonst der Spuren
noch mehr, dass hier dem Werke mitten im Werden und Wachsen der
Schöpfer entrissen wurde.


*)


[[XXIII]]

Neues Vorwort des Verfassers zum zweiten Bande,


(zum Ersatz für das ältere Bd. 2 I, Seite III bestimmt).


Schon im ersten Bande findet sich ein Inhaltsverzeichniss zum
zweiten Band, wonach dieser in seiner ersten Abteilung im wesent-
lichen den Aussagenkalkul, in der zweiten die Beziehungslogik behandeln
sollte. Inzwischen hat sich nun aber die Notwendigkeit herausgestellt,
die Beziehungslogik aus dem zweiten Bande auszuscheiden und in einen
besondern dritten Band zu verweisen, und zwar aus zwei Gründen:


Einmal ist in der Zwischenzeit noch so viel hinzugekommen, teils
an neuen oder dem Verfasser jetzt erst zugänglichen Arbeiten, z. B. von
Poretzki und Kempe, teils auch an zahlreichen von der Kritik er-
hobnen Einwänden, welche einer Richtigstellung benötigten, so dass
selbst bei Beschränkung der Beziehungslogik auf den ihr ursprünglich
zugedachten Umfang der Band schon allzu sehr hätte anschwellen müssen.


Sodann aber hat bei der bis zuletzt aufgesparten Überarbeitung
jener Schriften, die den Grund zu einer Logik der Beziehungen über-
haupt
, oder der Beziehungsbegriffe, „Relative“, gelegt haben, dieses
Forschungsgebiet sich zu einem derartigen Umfange ausgewachsen, dass
es auch bei knappster Diktion einen eigenen Band beanspruchte, — wie
es denn als eine ungeahnt grossartige Disziplin von unermesslicher
Tragweite und noch unabsehbarer Entwicklungsfähigkeit sich darstellt.


So werde ich denn in dem Rahmen der Paragraphen des zweiten
Halbbandes ganz andere Dinge abzuhandeln haben, als das provisorische
Inhaltsverzeichniss in Aussicht gestellt, und glaube nicht um Ent-
schuldigung dafür bitten zu sollen, wenn ich im ganzen doch so viel
mehr als vorgesehen zu bieten in der Lage bin.


Zwischenwortdes Verfassers.


(Die beiden Abteilungen des zweiten Bandes sollten nach der Absicht des Ver-
fassers nur durch ein Blatt mit diesem Zwischenwort getrennt werden.)


Bei Herausgabe der ersten Abteilung dieses Bandes im Juni 1891
glaubte ich das Erscheinen der zweiten Hälfte, deren Inhalt die Logik
der Relative bilden sollte, für den Herbst desselben Jahres in Aussicht
[XXIV]Neues Vorwort des Verfassers zum zweiten Bande.
stellen zu können. Selten wol in meinem Leben bin ich in einer
Schätzung so weit fehlgegangen, als damals bei der Beurteilung von
Grösse und Schwere der Lücken meines Manuskripts. Dies kam daher,
dass die mir einzig brauchbar erscheinende Arbeit des Herrn Peirce
über Relative in 9c, die auch wirklich die hauptsächliche Grundlage
zu meinem Band 3 abgegeben hat, blos einen Umfang von 18 Druck-
seiten einnimmt, (die auf halb so viele von den unsrigen gehen würden),
und dass ich wähnte, mit einem möglichst reproduzirenden Referat
darüber — nicht ohne kritische Randbemerkungen — davonzukommen.
Die ungeheure Tragweite dieser Abhandlung wurde mir erst bei der
Detailbearbeitung klar. — Wer nun aber den Inhalt meines Bd. 3, I
mit dem vergleicht, was man davon auf 9 Seiten sagen könnte, der
wird auch ohne Kenntniss der Literatur leicht gewahr, wie wenig die-
jenigen meinem Buche gerecht werden, die dasselbe als ein blosses
Sammelwerk hinstellen möchten.


[[XXV]]

Der Rückverweisungen halber geben wir auch hier wieder mit bei den
Inhalt des ersten Bandes.


  • Seite
  • Anzeige und Vorwort III
  • Einleitung.
    A. Vorbetrachtungen über Charakter und Begrenzung der zu lösenden Auf-
    gabe mit Bemerkungen über Induktion, Deduktion, Widerspruch und
    folgerichtiges Denken. Denkendes Subjekt, seine Vorstellungen und die
    Dinge. (Chiffre αι1) 1
  • B. Vorbetrachtungen über Zeichen und Namen. ϰ1ο2) 38
  • C. Über Begriffe. Einteilung, Definition und Kategorieen, Pasigraphie. Logik
    des Inhaltes oder des Umfangs? Über Urteile, Schlüsse und deren Folge-
    richtigkeit. Warum Algebra der Logik. π2ξ3) 80
  • Erste Vorlesung.
    § 1. Subsumtion 126
  • § 2. Vorläufige Betrachtungen über Darstellbarkeit der Urteile als Subsum-
    tionsurteile 141
  • § 3. Euler’s Diagramme. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannig-
    faltigkeit 155
  • Zweite Vorlesung.
    § 4. Erste Grundlagen: Prinzip I und II, Definition von Gleichheit, 0 und 1,
    nebst Folgesätzen 168
  • Dritte Vorlesung.
    § 5. Die identische Multiplikation und Addition. Peirce’s analytische
    Definition von Produkt und Summe 191
  • § 6. Kritische Untersuchungen über die gegebene Definition 201
  • § 7. Deutung von 0, 1, a b, a + b als Gebiete nebst zugehörigen Postulaten.
    Konsistente Mannigfaltigkeit 211
  • Vierte Vorlesung.
    § 8. Interpretation für Klassen 217
  • § 9. Fortsetzung. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse. Reine
    Mannigfaltigkeit 237
  • Fünfte Vorlesung.
    § 10. Die nicht von Negation handelnden Sätze. Reine Gesetze, von Mul-
    tiplikation und Addition je für sich 254
  • § 11. Gemischte Gesetze, den Zusammenhang zwischen beiden Operationen
    zeigend 270
  • Sechste Vorlesung.
  • Seite
  • § 12. Nichtbeweisbarkeit der zweiten Subsumtion des Distributionsgesetzes
    und Unentbehrlichkeit eines weiteren Prinzipes. — Prinzip zur Ver-
    tretung des unbeweisbaren Satzes 282
  • Siebente Vorlesung.
    § 13. Negation (mit Postulat) und darauf zu gründende Sätze. — Ihre Ein-
    führung für Gebiete 299
  • § 14. Der Dualismus 315
  • § 15. Kritische Vorbemerkungen zum nächsten Paragraphen: Inwiefern nega-
    tive Urteile als negativ prädizirende anzusehen und disjunktiv prädi-
    zirende Urteile von den disjunktiven zu unterscheiden sind 319
  • Achte Vorlesung.
    § 16. Deutung der Negation für Klassen. Satz des Widerspruchs, des aus-
    geschlossenen Mittels und der doppelten Verneinung im Klassen-
    kalkul. Dichotomie. Gewöhnliche Mannigfaltigkeit 342
  • § 17. Fernere Sätze für Gebiete und Klassen. Kontraposition, etc. 352
  • Neunte Vorlesung.
    § 18. Verschiedenartige Anwendungen: Rechtfertigungen, Studien und
    Übungsaufgaben 365
  • Zehnte Vorlesung.
    § 19. Funktionen und deren Entwickelung 396
  • Elfte Vorlesung.
    § 20. Spezielle und allgemeine, synthetische und analytische Propositionen:
    Relationen und Formeln 434
  • § 21. Das Auflösungsproblem bei simultanen Gleichungen und Subsumtionen.
    Das Eliminationsproblem bei solchen 446
  • § 22. Fortsetzung, auch für mehrere Unbekannte 466
  • Zwölfte Vorlesung.
    § 23. Die inversen Operationen des Kalkuls: identische Subtraktion und
    Division als Exception und Abstraktion. Die Negation als gemein-
    samer Spezialfall beider 478
  • § 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen 496
  • Dreizehnte Vorlesung.
    § 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben 521
  • Vierzehnte Vorlesung.
    § 26. Besprechung noch andrer Methoden zur Lösung der bisherigem Kalkul
    zugänglichen Probleme.
    Das primitivste oder Ausmusterungsverfahren von Jevons. Lotze’s
    Kritik, und Venn’s graphische Modifikation des Verfahrens 559
  • § 27. Methoden von McColl und Peirce573
  • Anhänge.
  • Seite
  • Anhang 1. Beiläufige Studie über Multiplikation und Addition. (Zu § 6.) 595
  • Anhang 2. Exkurs über Klammern. (Zu § 10.) 599
  • Anhang 3. Ausdehnung von Begriff und Sätzen über Produkt und Summe
    von zweien auf beliebig viele Terme. (Zu § 10.) 609
  • Anhang 4. Logischer Kalkul mit „Gruppen“ — hiernächst von Funktional-
    gleichungen, mit Algorithmen und Kalkuln. (Zu § 12.) 617
  • Anhang 5. Substrat zum vorigen Anhang und Material zu dessen Belegen 633
  • Anhang 6. Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls. Geometrisch-
    logisch-kombinatorische Probleme von Jevons und Clifford.
    (Zu § 12, 19 und 24.) 647
  • Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen 700
  • Namenverzeichniss zum ersten Bande 716

Inhalt des zweiten Bandes.
(Erste Abteilung.)


  • Fünfzehnte Vorlesung.
    § 28. Übergang zum Aussagenkalkul. Taxirung von Aussagen nach ihrer
    Gültigkeitsdauer und Klasse der Anwendungsgelegenheiten 1
  • § 29. Übersichtlichste Darstellung der bisherigen Sätze in der Zeichensprache
    des Aussagenkalkuls.
    Das Summenzeichen Σ und das Produktzeichen Π25
  • § 30. Fortsetzung über Σ, Π. Aufhören des Dualismus 35
  • Sechzehnte Vorlesung.
    § 31. Die Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet. Inkonsistenz. 49
  • § 32. Vom Gewicht der Aussagen. Direkte Verifikation der Sätze des Aus-
    sagenkalkuls durch diesen 63
  • Siebzehnte Vorlesung.
    § 33. Herkömmliche Einteilung der kategorischen Urteile nach Qualität
    und Quantität. Modifizirte Deutung der universalen in der exakten
    Logik und Unzulänglichkeit des früheren Kalkuls zur Darstellung der
    partikularen Urteile 85
  • § 34. Die fünf möglichen Elementarbeziehungen Gergonne’s und die vier-
    zehn Grundbeziehungen in anschaulich geometrischer Einführung 95
  • § 35. Analytische Definition dieser Beziehungen und Zurückführung der-
    selben auf einander 106
  • Achtzehnte Vorlesung.
    § 36. Reduktion sämtlicher Beziehungen auf den Typus der Gleichung und
    ihrer Negation (der Ungleichung) 118
  • § 37. Entwickelung der Produkte und Summen von Grundbeziehungen 124
  • Seite
  • § 38. Erweiterung des Beziehungskreises durch Zuzug auch der negirten
    Gebiete 131
  • § 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt und ihre Darstellung
    durch vier primitive (De Morgan’s). Die möglichen Aussagen über
    n Klassen, und Peano’s Anzahl dersel ben 136
  • Neunzehnte Vorlesung.
    § 40. Umschau über die gelösten und noch zu lösende Probleme. Mitchell’s
    allgemeine Form der gegebene Urteile zusammenfassenden Gesamt-
    aussage 179
  • § 41. Das Eliminationsproblem gelöst für ein paar typische Spezialfälle,
    dann allgemein (aus dem Rohen). Bemerkung das Auflösungsproblem
    betreffend 199
  • Zwanzigste Vorlesung.
    § 42. Die Syllogismen der Alten. Traditionelle Übersicht derselben 217
  • § 43. Miss Ladd’s rechnerische Behandlung der fünfzehn giltigen Modi.
    Beispiele 228
  • § 44. Die inkorrekten Syllogismen der Alten und ihre Richtigstellung in
    der exakten Logik. Über Subalternation und Konversion. Zusammen-
    gesetzte Schlüsse 239
  • Einundzwanzigste Vorlesung.
    § 45. Besonderheiten des Aussagenkalkuls im Kontrast mit dem Gebiete-
    kalkul. Dilemma, Modus ponens und tollens, disjunktiver Schluss.
    Formeln gemischter Natur 256
  • § 46. Diverse Anwendungen, Studien und Aufgaben, darunter: Wesen des
    indirekten Beweises, Hauber’s Satz, Mitchell’s Nebelbilderproblem,
    nochmals McColl’s Methode, etc. 277
  • Zweiundzwanzigste Vorlesung.
    § 47. Definitionen des Individuums, Punktes, und ihre Zurückführung auf
    einander. Auf Individuen bezügliche Sätze. Duales Gegenstück zum
    Individuum 318
  • Dreiundzwanzigste Vorlesung.
    § 48. Erweiterte Syllogistik 350
  • § 49. Studien über die „Klausel“ und noch ungelöste Probleme des Kalkuls 371

[XXIX]

Des zweiten Bandes
zweite Abteilung.


  • Seite
  • Ernst Schröder †. Von J. LürothIII
  • Vorbemerkung des Herausgebers XX
  • Vor- und Zwischenwort des Verfassers XXIII
  • Vierundzwanzigste Vorlesung.
    § 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes 401
  • § 51. Zum Kapitel der symmetrisch allgemeinen Lösungen 423
  • Fünfundzwanzigste Vorlesung.
    § 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neuern Literaturzuwachse.
    Kritisches und Antikritisches 437
  • Sechsundzwanzigste Vorlesung.
    § 53. Meine Kontroverse mit Frau Franklin-Ladd ein lehrreiches Kapitel. 464
  • § 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile. Konstitution des Be-
    griffes, und „negative“ Merkmale 476
  • Siebenundzwanzigste Vorlesung.
    § 55. Über Knüpfungen von bestimmten formalen Eigenschaften im iden-
    tischen Kalkul 493
  • § 56. Über die Modalität der Urteile 506
  • Anhänge.
    Anhang 7. McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls zur Ermittelung
    der neuen Grenzen mehrfacher Integrale bei Abänderung der
    Integrationsfolge 515
  • Anhang 8. Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der
    Geometrie der Lage 564
  • Anmerkungen des Herausgebers 593
  • Literaturverzeichniss598
  • Namenverzeichniss zum zweiten Bande 606

[][]

VORLESUNGEN
ÜBER DIE
ALGEBRA DER LOGIK


(EXAKTE LOGIK).


[][[401]]

Vierundzwanzigste Vorlesung.


§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.


In der Zwischenzeit seit dem Erscheinen der ersten 1½ Bände bin ich
der Möglichkeit inne geworden, den Lehrgang des ersten Bandes schon in
einigen Hinsichten zu vervollkommnen, welche mir zu bedeutsam erscheinen,
als dass es sich empfehlen könnte, ihre Besprechung blos unter die Berichtigungs-
nachträge einzureihen. Ich will vielmehr die einschlägigen, nicht durchweg
miteinander zusammenhängenden Verbesserungen und Fortschritte in gegen-
wärtiger Vorlesung darlegen.


Man fasse den Überblick des in Band 1 befolgten Lehrganges ins
Auge, wie er sich etwa S. 28—34 des gegenwärtigen Band 2 gegeben
findet.


Derselbe bedarf (vergl. die Berichtigungsnachträge) nur der einen
Richtigstellung, dass in der Aussagengleichheit S. 34, Z. 12 v. u. rechter-
hand der Aussagenfaktor (a b = 0) beizufügen ist, so dass die Gleichung
lautet:
(a x + b x1 = 0) = (a b = 0) (x = b x1 + a1x)
Dementsprechend sollten auch in der verbalen Fassung des „Hülfstheorems
des § 24“, Bd. 1, S. 502 die nachher kursiv gedruckten drei Worte
eingeschaltet werden, so dass es lautet: die Gleichung a x + b x1 = 0
ist, ihre Möglichkeit vorausgesetzt, (oder: sofern sie überhaupt erfüllbar
ist
), äquivalent der: x = b x1 + a1x.


Bei dem dort angeführten Beweise ist nämlich — für die rückwärtige
Aussagensubsumtion — von der Resultante a b = 0 der erstern Gleichung
in der That wesentlich Gebrauch zu machen.


Hiervon abgesehen, gibt sich nun noch eine Unvollkommenheit
unserer Theorie kund in der späten Stellung, welche unser System dem
Theoreme 37) anweist, nämlich dem Satze von der (Konversion durch)
Kontraposition bei Subsumtionen:
37) (a b) = (b1a1)
— trotz der Einfachheit und des überaus hohen Grades von unmittel-
barer Evidenz, deren dieser Satz sich erfreut.


Zum Beweise desselben hatten wir uns Bd. 1, S. 357 berufen auf
die Theoreme 20), 32) und 36), die von Gleichungen handeln, wogegen
Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 26
[402]Vierundzwanzigste Vorlesung.
es natürlicher erschiene, umgekehrt das Kontrapositionstheorem für
Gleichungen:
32) (a = b) = (a1 = b1)
kraft Def. (1) auf dasjenige 37) für Subsumtionen zu gründen. Zum
mindesten ist es wünschenswert, jenes auf dieses auch gründen zu
können.


Die gerügte Unvollkommenheit kam mir früh zum Bewusstsein. Die-
selbe entsprang daraus, dass ich mich lange Zeit ganz vergeblich bemühte,
den von Herrn Peirce5 p. 27 für das Th. 37) gegebnen „Beweis“ zu ver-
stehen, woran dessen Darstellung nicht ohne Schuld ist. Wäre ich statt
dessen zeitig darauf ausgegangen, selbst einen Beweis aufzusuchen, so würde
mir der Erfolg wohl früher zuteil geworden sein. Zuletzt fand ich zwei
einander dual entsprechende sehr einfache Beweise, deren einer sich aber
als zusammenfallend mit dem Kern des Peirce’schen Beweises erwies, als
dieser selbst also, gewissermassen befreit von verdunkelndem Beiwerk.


Die fragliche Verbesserung ist aber darum von besondrer Wichtig-
keit, weil sie es erst ermöglichen wird, auch höchst beachtenswerte
Beweise von noch andern Sätzen, nämlich den De Morgan’schen
Theoremen 36), in den Lehrgang aufzunehmen, bei denen solches bis-
lang ohne Zirkelschluss nicht angängig gewesen ist.


Das ersehnte Ziel lässt sich in der That sehr einfach erreichen,
wenn man die Reihenfolge der Theoreme 36), 37), 38) in die entgegen-
gesetzte verwandelt
.


Um keine Verwirrung bei den Citaten zu verursachen, werde ich in-
dessen die bisherigen Chiffren der Sätze beibehalten. — Wenn ich von neuem
zu chiffriren hätte, würde ich überdies vorziehen, den Satz 35) „vom Dualismus“
unchiffrirt zu lassen, da derselbe, ohnehin — vergl. S. 33 oben — von
anderer Natur als die übrigen „Theoreme“, eine Art von zunächst nur
empirisch anerkanntem „Prinzip“ statuirt.*)


Das Theorem
38) (1 a1 + b) = (a b) = (a b1 0)
lässt sich in der That ohne weiteres — z. B. dicht hinter das Th. 35) —
vorannehmen. Denn in Bd. 1, S. 358 haben wir dazu Beweise gegeben,
die nur die Theoreme 5), 15), 16), 20), 21), III× oder 27) und 30)
voraussetzten.


Wenn wir uns nun also schon hierauf berufen dürfen, so kann
jetzt angereiht werden das Theorem:
37) (a b) = (b1a1)
mit den folgenden beiden Beweisen:


[403]§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.

Beweis 1. (a b) = (1 a1 + b) = {1 (b1)1 + (a1)} = (b1a1)
nach 38+), 31) und 38+), — wobei wir durch die Klammer um a1 nur
darauf hinweisen wollten, dass a1 demnächst wie ein einfaches Symbol
angesehen werden möchte.


Beweis 2. Desgleichen hat man dual entsprechend
(a b) = (a b1 0) = {(b1) (a1)1 0} = (b1a1)
nach 38×), 31) und 38×).


Schliesst man übrigens im Geiste des ersten Bandes noch verbal, also
ohne wirkliche Aussagenäquivalenzen zu statuiren, so wird man b1a1
als Folgerung aus a b, also nur: (a b) (b1a1) erhalten und dieses
(blos verbal angesetzte) Ergebniss nach demselben Schema in Verbindung
mit Th. 31): (b1a1) {(a1)1 (b1)1} = (a b) auch als rückwärts
gültige Aussagensubsumtion nachzuweisen haben, mit der es sich erst zur
Aussagengleichung 37) gemäss der für Aussagen in Anspruch genommenen
Def. (1) zusammenzieht.


Mit jenem Th. 38) kann jetzt auch der Satz 37) der Kontraposition
ebenfalls noch vor das Th. 32) gestellt werden, und dann lässt sich
auch dieses Theorem
32) (a = b) = (b1 = a1)
der Kontraposition von Gleichungen nun kraft 37) aus
(a b) = (b1a1)
(b a) = (a1b1)

durch überschiebendes Multipliziren, oder die darauf hinauslaufenden
„Überlegungen in Worten“ sofort beweisen.


Der erheblichste Gewinn aus der Umstellung der Sätze ist aber
der, dass wir jetzt auch die schönen Beweise in unsere Theorie auf-
nehmen können, welche Herr Peirce5 p. 37 für die De Morgan’schen
Theoreme 36) gibt. Allerdings muss zu dem Ende diesen Theoremen
auch ferner noch vorangestellt werden das Theorem 41) von Peirce
41) (a b c) = (a b1 + c).


Für dieses haben wir Bd. 1 S. 364 auch einen Beweis gegeben, welcher
von keinem späteren Satze als von Th. 33) Gebrauch machte, so dass
die Voranziehung auch dieses Satzes ohne weiteres angängig ist. Und
mehr in den Vordergrund der Theorie gerückt zu werden, als es in
Bd. 1 geschah, verdient auch dieses Th 41) schon seiner eminenten
Wichtigkeit halber, die z. B. auch in Bd. 3 deutlich zutage treten wird.
Bildet dasselbe doch ein Gegenstück zu den fundamentalen Definitionen (3).
Während nämlich letztere zeigen, wie eine Subsumtion, deren Prädikat
ein Produkt
, resp. deren Subjekt eine Summe ist, zerfällt werden kann in
26*
[404]Vierundzwanzigste Vorlesung.
einfachere Subsumtionen, lehrt dieses Th. 41): welche Umformungen mit
einer Subsumtion vorgenommen werden dürfen, bei der umgekehrt das Sub-
jekt ein Produkt
oder das Prädikat eine Summe ist. Für a = 1 resp. c = 0
geht zudem das Th. 41) über in die beiden Theoreme 38), von denen
es eine Zusammenfassung und zugleich Verallgemeinerung vorstellt.


Hiernach hat man nun für De Morgan’s bekannte Theoreme:

36) (a b)1 = a1 + b1(a + b)1 = a1b1

den folgenden Peirce’schen


Beweis. Nach Th. 30) ist

(a b) (a b)1 = 01 = (a + b) + (a + b)1

oder nach Def. (1) und dem Assoziationsgesetz 13)

a b (a b)1 01 a + b + (a + b)1

Bringt man in diesen Subsumtionen gemäss Th. 41) regelrecht
den Faktor a (von links) nach rechts | das Glied a (von rechts) nach links,
so kommt:

b (a b)1 0 + a1 = a1a1 · 1 = a1b + (a + b)1,

und wenn darnach ebenso der Term b hinübergeschafft wird:

(a b)1a1 + b1a1b1 (a + b)1,

womit die Theoreme zunächst einseitig als Subsumtionen bewiesen er-
scheinen.


Um auch die umgekehrten Subsumtionen zu beweisen, wendet
Peirce den Schluss der Kontraposition gemäss Th. 37) an auf die
Theoreme 6):

a b a, a b ba a + b, b a + b

wonach wir haben:

a1 (a b)1, b1 (a b)1(a + b)1a1, (a + b)1b1

und sich nach Def. (3) in der That diese noch ausstehenden Subsumtionen:

a1 + b1 (a b)1(a + b)1a1b1

ergeben, die sich endlich mit den vorhin gefundenen kraft Def. (1) zu
den Gleichungen zusammenziehen, welche zu beweisen gewesen.


Was ich von Begründungsweisen der elementaren Sätze unserer
Theorie sonst noch gerne in den Bd. 1 aufgenommen haben möchte,
ist vor allem folgendes.


Die Art, wie Herr Robert Grassmann die Eindeutigkeit der
Negation und den Satz 31) der doppelten Verneinung beweist, bildet eine
Variante der Bd. 1, S. 302 sq. und S. 305 von uns gegebenen Beweise,
welche keinen Gebrauch macht von dem Hülfstheorem 29), Bd. 1, S. 299.


[405]§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.

Der Zusatz 1 zur Def. (6) der Negation knüpft l. c. an die Vor-
aussetzungen

30×)a a1 = 0a + a1 = 130+)
30'×)a a'1 = 0a + a'1 = 130'+)

die Behauptung
a'1 = a1
und wird von R. Grassmann wie folgt bewiesen.


Nach Th. 21×), der Voraussetzung 30'+), Prinzip III×, der Voraus-
setzung 30×) und Th. 21+) haben wir:
a1 = a1 · 1 = a1 (a + a'1) = a1a + a1a'1 = 0 + a1a'1 = a1a'1,
und ebenso, nur 30') mit 30) bei den Citaten vertauscht:
a'1 = a'1 · 1 = a'1 (a + a1) = a'1a + a'1a1 = 0 + a'1a1 = a1a'1,
also a'1 = a1 kraft Th. 4), q. e. d.


Das Theorem 31)
(a1)1 = a
wird ferner so bewiesen.


Nach Th. 21), 30), Pr. III×, Th. 30×) und 21×) ist:
(a1)1 = (a1)1 · 1 = (a1)1 (a + a1) = (a1)1a + (a1)1a1 = (a1)1a + 0 = (a1)1a,
a = a · 1 = a {a1 + (a1)1} = a a1 + a (a1)1 = 0 + a (a1)1 = (a1)1a,

also (a1)1 = a wiederum nach Th. 4), q. e. d.


In ähnlicher Weise lässt sich auch bei dem Beweise der Theoreme 36)
De Morgan’s Bd. 1, S. 352 das Hülfstheorem 29) entbehren.


z. B. links vom Mittelstriche:
Th. 36×) (a b)1 = a1 + b1;


Beweis. Nach 21×), 30×), III×, 27×) 13×), 30+) und 21+) ist
a1 + b1 = (a1 + b1) · 1 = (a1 + b1) {(a b) + (a b)1} = (a1 + b1) (a b) +
+ (a1 + b1) (a b)1 = a1a b + b1a b + (a1 + b1) (a b)1 = 0 + 0 +
+ (a1 + b1) (a b)1 = (a1 + b1) (a b)1

und ebenso nach 21×), Zusatz zu 34), 27×) usw.
(a b)1 = (a b)1 · 1 = (a b)1 (a1 + b1 + a b) = (a b)1 (a1 + b1) + (a b)1 (a b) =
= (a b)1 (a1 + b1) + 0 = (a b)1 (a1 + b1),

sonach a1 + b1 = (a b)1 kraft Th. 4), q. e. d.


Man sieht jedoch, wie diese Beweise eben durch Vorannehmen des
Hülfstheorems 29) in unserem Bd. 1 einfacher gestaltet sind.


Gleichwol erscheint der in Bd. 1, S. 352 von mir gegebene Beweis
des Th. 36) dem oben vorgetragenen Peirce’schen gegenüber, — nachdem
dieser zur Aufnahme in unser System geeignet geworden, — nun als ein
minderwertiger.


[406]Vierundzwanzigste Vorlesung.

Resumirend können wir etwa sagen, dass die Umordnung der
chiffrirten Sätze unserer Theorie in die nachstehende Reihenfolge: 1)
bis 31), 38), 37), 32), 33), 34), 35), 41), 36), 39), 40), 42) usw. durch-
führbar ist und hinsichtlich der Eleganz der dadurch ermöglichten
Beweisführungen nicht zu verachtende Vorteile bietet.


Hiermit gelangt eine erste Gruppe unserer Vervollkommnungs-
bestrebungen zum Abschluss.


In einem ganz kurzen „Abriss“ der algebraischen Logik, den ich
plane, gedenke ich den nach vorstehenden Andeutungen (vergl. auch
unten S. 423) verbesserten Lehrgang zu verwirklichen.


Eine zweite Gruppe von auf Vervollkommnung der Theorie im
ersten Bande abzielenden Bemerkungen bezieht sich auf die Theoreme 45)
und 46) des § 19, Bd. 1, S. 420 … 424, sowie Bd. 2, S. 33 f., welche
lehren, wie mit im Sinne Boole’s „entwickelten“ Funktionen identisch
zu rechnen sei.


Zunächst, — wie wir jedoch sehn werden, blos „formell“ — lassen
diese Sätze eine naheliegende Verallgemeinerung zu, indem an die Stelle
der „Konstituenten“ in den Boole’schen Entwicklungsschemata auch
treten darf irgend ein System von Argumenten (Gebieten, Klassen),
von denen weiter nichts bekannt zu sein braucht, als dass sie unter
sich disjunkt sind
. Für solche Argumente mögen wir füglich den
Namen „Konstituenten“ beibehalten.


Dann aber handelt es sich von vornherein nicht sowol um
Funktionen, welche gemäss den Boole’schen Schemata nach jenen Ar-
gumenten „entwickelt“ zu denken wären, als vielmehr einfacher blos
um Ausdrücke, welche eben inbezug auf diese Argumente linear und
homogen
sind.


Gedachte Verallgemeinerungen präsentiren sich in der That als
die Hülfssätze:


Funktionen oder Ausdrücke, welche homogen linear sind inbezug
auf ein System von disjunkten Argumenten
(den „Konstituenten“), können
gleichwie durch Addition, so auch — durch Multiplikationüberschiebend
(„durch Superposition“) verknüpft werden; das heisst: man braucht immer
nur die Koeffizienten ihrer gleichnamigen Glieder durch die betreffende
Rechnungsart zu verknüpfen.


Letztere mag man vielleicht kurz ihre „gleichstelligen“ oder „korre-
spondirenden“, „homologen“ Koeffizienten nennen, — jenes, insofern man
sich die Glieder einer jeden von den Funktionen nach den Argumenten
„geordnet“ denkt. Als „gleichnamig“ sollten hier wiederum nur diejenigen
[407]§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.
Glieder gelten, welche den nämlichen Konstituenten, also dasselbe Argument
zum Faktor haben.


Desgleichen: eine solche Funktion kann koeffizientenweise negirt werden.


In Zeichen: wenn
x y = x z = … = y z = … = 0
ist, hat man, — wie ohnehin
(a x + b y + c z + …) + (α x + β y + γ z + …) =
= (a + α) x + (b + β) y + (c + γ) z + …,

so auch analog
(a x + b y + c z + …) (α x + β y + γ z + …) = a α x + b β y + c γ z + …,
und ferner
(a x + b y + c z + …)1 = a1x + b1y + c1z + ….


Der Beweis ist völlig analog dem der früheren Sätze.


Das heisst: Für den Produktensatz ist er zu leisten durch mentales
Ausmultipliziren nach dem Distributionsgesetze, resp. der Multiplikations-
regel für Polynome, unter Rücksichtnahme auf die Voraussetzungen und
das Tautologiegesetz 14×). Bezüglich des Satzes über Negation zeigt man,
dass der Negand mit dem angeblichen Negate die Summe 1 und das
Produkt 0 richtig liefert kraft der vorhergehenden beiden Sätze.


In Anbetracht dass auch die Boole’schen Konstituenten als unter
sich disjunkt nachgewiesen wurden, kann man die früheren Theoreme 45),
46) als besondre Fälle unter die eben aufgestellten Hülfssätze subsumiren,
welche letzteren aber den Vorzug grösserer Einfachheit besitzen.


Es lassen sich jedoch auch umgekehrt diese Hülfssätze als eine
partikulare Anwendung jener früheren Theoreme hinstellen.


Denn sollte eine Funktion f (x, y, z, …) nach diesen ihren als disjunkt
vorausgesetzten
Argumenten im Boole’schen Sinne entwickelt werden, so kann
die Entwickelung nur die bezüglich x, y, z, … selbst lineare homogene
Form haben:
f (x, y, z, …) = a x + b y + c z + …,
sintemal durch Entwickelung von x selbst nach den sämtlichen Argumenten
leicht zu zeigen ist, dass wegen der Voraussetzungen sein muss:
x = x y1z1 …, y = x1y z1 …, usw.,
nämlich jeder Boole’sche Konstituent, in welchem mehr als ein Argument
unnegirt vorkäme, jenen zufolge verschwinden und aus der Entwickelung
herausfallen muss.


Desgleichen würde sich auch nach andern Schlussweisen die Prämisse
x y = 0 umschreiben lassen in x y1 oder x = x y1, ebenso die x z = 0 in
x = x z1, womit auch gefunden ist x = x y1z1, und so weiter. —


Hiermit ist auch die Berechtigung erwiesen, den Namen „Konstituent“
vom Boole’schen x y1z1 … auf unser x selbst zu übertragen.


[408]Vierundzwanzigste Vorlesung.

Die Verallgemeinerung konnte deshalb blos als eine „formelle“
bezeichnet werden. Wesentlich haben wir nur eine Vereinfachung des
Ausdrucks jener Theoreme damit gewonnen.


Diesen reihen sich nun noch ein paar Sätze an, bei denen ich
ebenso wie bei den vorigen — namentlich im Interesse des dritten
Bandes — Gewicht darauf legen muss, sie statuirt zu haben. Zunächst:


Zwei Funktionen, welche nach einem System von solch disjunkten
Konstituenten „entwickelt“ sind, m. a. W: Zwei homogen lineare Funktionen
von den nämlichen disjunkten Argumenten können nicht anders einander
gleich sein
, als indem die (inbezug auf diese Argumente) gleichnamigen
Glieder für sich jeweils einander gleich sind;
kurz: einander gleiche
Funktionen derart müssen gliedweise übereinstimmen. In Zeichen: ist
a x + b y + c z + … = α x + β y + γ z + …,
und sind die x, y, z, … wie oben disjunkt, so muss sein:
a x = α x, b y = β y, c z = γ z, ….


Beweis. Multiplikation der ersten Prämisse beiderseits mit x gibt
wegen x y = x z = … = 0 sofort a x = α x; etc. q. e. d.


Umkehren lässt sich der Satz nur insofern, als die Gleichungen der
„Behauptung“ ihrerseits selbstverständlich (durch Überaddiren) die erste
Prämisse garantiren.


Formell mit Beschränkung auf im Boole’schen Sinne entwickelte
Funktionen wurde obigen Satzes schon einmal (Bd. 2, S. 309 f.) beiläufig
Erwähnung gethan.


Aus der Übereinstimmung der gleichnamigen Glieder kann nun
im allgemeinen nicht auf die Gleichheit ihrer Koeffizienten geschlossen
werden; aus a x = α x folgt bekanntlich nicht, dass a = α sein müsse.


Wol aber lässt sich diese Gleichheit beweisen, wenn von den
Koeffizienten a und α etwa noch bekannt sein sollte, dass sie (gleich-
wie Aussagen) lediglich der Werte 0 und 1 fähig seien, und wenn
man ausserdem weiss, dass x ≠ 0 ist. Hier würde nämlich die An-
nahme, dass a und α nicht entweder gleichzeitig = 1, oder alle beide
= 0 wären, die Annahme also, dass der eine Koeffizient 1, der andere
dagegen 0 wäre, zu dem Widerspruche x = 0 mit der letztern Voraus-
setzung führen.


Sonach können wir sagen:


Wenn zwei Funktionen der nämlichen unter sich disjunkten und
von
0 verschiedenen Argumente*)einander gleich sein sollen, und wenn
die Koeffizienten ihrer Entwicklung nach diesen Argumenten auf den

[409]§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.
Bereich der beiden Werte 0 und 1 angewiesen sind, so müssen die
Koeffizienten der gleichnamigen Glieder
(resp. eines jeden Konstituenten)
in beiden Funktionen einzeln übereinstimmen.


Zwei mit den letzten analoge Sätze gelten schon über die Ein-
ordnung, Subsumtion, zwischen derartigen Funktionen, nämlich erstens:


Von zwei (homogenen linearen) Funktionen der nämlichen disjunkten
Argumente kann die eine der andern nicht anders eingeordnet sein
, als
indem die gleichgesinnte
(gleichstimmige) Einordnung zwischen je zwei
gleichnamigen Gliedern der entwickelten Funktionen besteht
, — gleichwie
auch umgekehrt selbstverständlich — gemäss Th. 15), — wenn die
Einordnung zwischen den homologen Gliedern durchgängig besteht,
auch deren Summen, die Funktionen im Subsumtionsverhältnisse stehen
müssen. In Zeichen:


Wenn für x y = x z = … = y z = … = 0 ist:
a x + b y + c z + … α x + β y + γ z + …,
so muss sein a x α x, b y β y, c z γ z, …, (sowie umgekehrt).


Beweis. Denn beiderseitiges Multipliziren mit x gibt wegen erst-
erwähnter Voraussetzung a x x α x x oder a x α x, wie zu zeigen war, usw.


Sind zweitens die Koeffizienten wieder auf das Gebiet der Werte 0
und 1 beschränkt, die Argumente aber von 0 verschieden, so folgt aus
der Einordnung zwischen den Funktionen auch die im selben Sinn ge-
nommene zwischen ihren homologen Koeffizienten
, — sowie selbstverständ-
lich auch das Umgekehrte zutreffen wird.


Denn wäre bei a x α x und x ≠ 0 etwa a α, so müsste a = 1
und α = 0 sein, weil in den drei andern noch denkbaren Fällen eben a α
sein würde. Alsdann aber führte die schon erwiesene Subsumtion a x α x
zu dem Widerspruche x 0 mit der Voraussetzung x ≠ 0.


Eine dritte Gruppe von Vervollkommnungsbestrebungen steht im
Dienste des Satzes von der „Nichtbeweisbarkeit der zweiten Subsumtion
des Distributionsgesetzes
“ — vergl. § 12 des Bd. 1, — für welche ich
im Anhang 4, 5 und 6 zwei Beweise erstmals gegeben habe, von denen
wenigstens der zweite, Bd. 1, S. 685 ff., sich ganz innerhalb des Rahmens
der logischen Disziplin selbst hielt und keines extralogischen Substrates
zu der Exemplifikation, auf die es ankommt, benötigte.


Die Wichtigkeit des gedachten Satzes beruht bekanntlich darauf,
dass durch ihn die selbständige Existenz jener Disziplin verbürgt ist,
die ich als einen „logischen Kalkul mit Gruppen“ oder kurz als
Gruppenkalkul“ bezeichnete, um sie von „identischen Kalkul“ unter-
scheiden und diesem gegenüberstellen zu können.


[410]Vierundzwanzigste Vorlesung.

Die beiden Kalkuln haben die Prinzipien und Sätze 1) bis 25)
unseres Lehrganges gemein, unterscheiden sich dann aber dadurch, dass
in jenem das Th. 26), mithin das volle Distributionsgesetz nicht zu
gelten braucht, dagegen in diesem gilt.


Insofern man die Geltung oder Nichtgeltung von Th. 26) in jenem
unentschieden lässt, kann man sagen, dass der identische Kalkul sich
als ein Unterfall in den Gruppenkalkul einordnet, und dass alle Sätze
dieses Gruppenkalkuls, als des allgemeineren von beiden, auch im
identischen Kalkul gelten müssen, aber nicht umgekehrt. Nimmt man
dagegen etwa das Nichterfülltsein des Th. 26+) a (b + c) a b + a c unter
die Prinzipien des Gruppenkalkuls auf, so steht derselbe dem identischen
Kalkul abgeschlossen und ihn ausschliessend gegenüber.


Für jenen Satz der Nichtbeweisbarkeit des Th. 26) aus den vorher-
gegangenen Prinzipien und Sätzen unserer Theorie sind nun alsbald von
Herrn Lüroth, sodann auch von den Herren Voigt und Korselt
noch drei (oder vier) andere Beweise geliefert oder angedeutet worden,
bei denen wol mit einem geringeren Aufwand von Vorbetrachtungen
das Ziel erreicht wird, und die ich darum, gleichwie im Interesse der
Vollständigkeit meines Werkes, glaube in Kürze hier aufnehmen zu
sollen. Ich will sie in der Reihenfolge ihrer zeitlichen Succession
numeriren, doch ausser der Reihe besprechen.


Der Beweis 4, von Voigt2, p. 303 f. mehr nur angedeutet, im
folgenden unter seiner Beihülfe näher ausgeführt, gibt uns zugleich
Veranlassung, zur Klärung der Frage einer „Inhaltslogik“ oder eines
etwaigen, Bd. 1, S. 100 nur von mir gestreiften, identischen Kalkuls
mit (idealen?) Begriffsinhalten weiteres Material beizubringen, welches
vielleicht auch zu den Erörterungen in der „Einleitung“ unseres Bd. 1
und der von andern Seiten an diese geknüpften Polemik eine nicht
unwichtige Ergänzung bildet. — Herr Voigt sagt l. c.:


„… Dieser“ (der ideale Begriffsinhalt) „besteht in der Gesamtheit
der Merkmale, welche die Objekte, die einen bestimmten Begriff erfüllen,
gemein haben. Die Logik dieser idealen Begriffsinhalte ist aus der elemen-
taren Logik ganz auszuscheiden, da sie ihren Gesetzen nicht durchaus folgt.
Ein Kalkul der idealen Inhalte wäre ein Gruppenkalkul im Schröderschen
Sinne, für den also das dritte Prinzip nicht gilt.“


„Addiren wir z. B. den idealen Inhalt des Begriffes: Rechtwinkliges
Dreieck, zu dem idealen Inhalt des Begriffes: Gleichschenkliges Dreieck,
d. h. bilden wir aus diesen beiden Begriffen einen neuen, dessen Inhalt
alle Merkmale derjenigen Objekte ausmacht, die beide Begriffe zugleich
erfüllen, so wird der ideale Inhalt dieses Begriffes keineswegs blos die
[411]§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.
Summe der Merkmale der beiden gegebenen Begriffe sein, sondern der
Begriff enthält auch Merkmale, die weder dem einen noch dem anderen
zukamen, z. B. den, dass die Hypotenuse doppelt so gross ist als die
zugehörige Höhe.“


„Es wäre in der That, wie Schröder bemerkt, ein Hysteronproteron,
wenn man mit einem solchen Inhaltskalkul beginnen wollte, und wenn
Husserl2 es dennoch thut oder zu thun glaubt, so hat das allein darin
seinen Grund, dass er sich so „kurz fasst“, anstatt ihn wirklich durch-
zuführen. Auffallend ist, dass Schröder nicht die Bemerkung gemacht
hat, dass eine Logik idealer Inhalte eine Gruppenlogik sein müsse. Er
hätte dann näher liegende Beispiele für die Nichtbeweisbarkeit der zweiten
Subsumtion des Distributionsgesetzes, als die im Anhang entwickelten,
haben können.“


Dass in der That aus inhaltslogischen Betrachtungen naheliegende
„Beispiele“ zu letzterm Zwecke sich schöpfen lassen, wollen wir zu-
nächst an der Hand eines andern ebenfalls von Voigt mir gelieferten
Beispiels ausser Zweifel stellen.


Es bedeute — etwa mit Beschränkung auf den Denkbereich der
Merkmale von ebenen Figuren — a die Merkmale des Rechtecks
b die Merkmale des Rhombus
c das Merkmal „vierfach“, d. h. in

Bezug auf vier verschiedene Axen „symmetrisch“, — wie es z. B. das
Quadrat ist in Bezug sowol auf seine beiden Diagonalen als auch auf
die beiden Winkelhalbirenden dieser; wogegen der Rhombus nur in Bezug
auf jene, das Rechteck nur in Bezug auf diese symmetrisch ist, beide
also blos „zweifachsymmetrisch zu nennen wären, — ein Merkmal,
welches d heissen möge.


Da das Rechteck mit allen vierfach symmetrischen Figuren nur
die Eigenschaft gemein haben kann, in Bezug auf zwei Axen symme-
trisch zu sein, so bedeutet a c nichts als dieses Merkmal, welches wir d
genannt haben. Dasselbe d bedeutet auch b c, denn auch der Rhombus
hat mit einer durchweg beliebigen vierfach symmetrischen Figur nichts
als dieses Merkmal gemein. Also stellt auch a c + b c, als eine Tauto-
logie d + d, nur dieses Merkmal d vor.


a + b dagegen bedeutet den Merkmalkomplex, der allen denjenigen
Figuren zukommt, welche die Merkmale des Rechtecks und die Merk-
male des Rhombus in sich vereinigen*), d. h. es bedeutet die Merkmale
des Quadrates. Da die vierfache Symmetrie c zu diesen Merkmalen
gehört, so bedeutet also (a + b) c nur eben dieses Merkmal c.


[412]Vierundzwanzigste Vorlesung.

Nun ist offenbar das Merkmal c der vierfachen Symmetrie nicht
dem d der zweifachen Symmetrie eingeordnet, (sondern umgekehrt, und
diese umgekehrte Einordnung ist hier eine wirkliche Unterordnung).
Also gilt die Subsumtion (a + b) c a c + b c hier nicht, q. e. d.


Um diese wol unanfechtbaren Überlegungen beweiskräftig zu finden,
scheint mir der Nachweis doch unerlässlich, dass diejenigen Prinzipien, in
denen der identische Kalkul mit dem Gruppenkalkul übereinstimmt, auch
wirklich Geltung haben für die vorstehend adoptirten Deutungen von Ein-
ordnung, Produkt und Summe zweier Merkmalkomplexe.


Ein Merkmalkomplex g war hier eingeordnet genannt einem Merkmal-
komplex h, wenn sich jedes Merkmal des ersteren unter den Merkmalen des
letzteren vorfindet. (Der Subsumtion g h würde also entsprechen die
umgekehrte Subsumtion zwischen den Umfängen der Begriffe, die durch unsere
Merkmalkomplexe bestimmt sind.) Trifft auch das Umgekehrte zu, d. h. ist
sowol g h als h g, so besteht zweifellos Identität zwischen den beiden
Merkmalkomplexen, d. h. es besteht hier unsere Def. (1) der Gleichheit, g = h,
zu Rechte. Ebenso müssen offenbar Prinzip I g g und II: Wenn f g
und g h, so ist auch f h, allgemein gelten.


Ferner musste der Merkmalkomplex 0, welcher sich in jedem Merkmal-
komplex mit vorfinden soll, bei uneingeschränktem Denkbereich als völlig
leer vorgestellt werden, — dem Begriff „Etwas“ entsprechend, — bei Be-
schränkung des Denkbereiches, z. B. auf die Merkmale ebener Figuren dagegen
als dieses Merkmal selbst, eben zu sein, während 1 den Komplex aller er-
denklichen, — darunter auch kontradiktorisch entgegengesetzter — Merkmale —
irgendwelcher oder bezw. ebener — Figuren bedeutet, — dem Begriffe des
„Nichts“ entsprechend. Dann sind die Formeln (2) erfüllt.


g + h sollte sodann bedeuten den Merkmalkomplex, der allen denjenigen
Figuren gemeinschaftlich zukommt, die sowol die Merkmale g als auch die h
besitzen, nnd dieser wird gebildet nicht nur von den Merkmalen g und h
selber, sondern auch von allen denjenigen Merkmalen, die nach den Axiomen
der Geometrie aus der Verbindung dieser beiden Merkmalkomplexe g und h
hinzufolgen. (Der Umfang dieses Begriffes g + h wäre in unserer Umfangs-
logik als das identische Produkt der den Begriffen g und h einzeln zukommenden
Umfänge zu bezeichnen.) Evident ist nun hieraus, dass wenn g + h f ist,
dann auch g f und h f sein muss.


Keineswegs ohne weiteres einleuchtend erscheint dagegen die umgekehrte
Behauptung, dass so oft g f und h f ist, auch g + h f sein müsse.
Der Komplex f könnte in der That zwar die Merkmale g und h für sich
umfassen, aber irgend ein weiteres Merkmal ausschliessen, welches weder
aus g allein, noch aus h allein, wol aber aus der Verbindung beider aufgrund
geometrischer Axiome hergeleitet werden kann und somit zum Komplex g + h
gehört. Und zwar ist dies möglich, so lange man sich den Merkmalkomplex f
ganz ad libitum zusammengesetzt denkt. Wird nun aber der Denkbereich
auf die den geometrischen Axiomen unterworfenen Merkmale der ebenen
Figuren eingeschränkt, so wird auch f entweder einen solchen Merkmalkom-
plex vorstellen, der einer ebenen Figur wirklich zukommen kann, wonach
[413]§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.
sodann letztere Figur, falls sie die Merkmale g und h besitzt, auch alle die-
jenigen Merkmale mit umfassen wird, die aus der Verbindung beider folgen,
d. i. alle Merkmale des Komplexes g + h; — oder f bedeutet einen Komplex
von Merkmalen aus unserm Denkbereich, welche, als nach den geometrischen
Axiomen mit einander unverträglich, keiner ebenen Figur gleichzeitig zukommen
können, und ist dann hier mit 1 zu bezeichnen, da man aus dem in ihrer
Unverträglichkeit liegenden Widerspruch noch jedes andere erdenkliche Merk-
mal hinzugefolgert denken kann (vergl. Bd. 2, I, S. 18, Z. 13 v. o.), sodass f
alle
Merkmale des Denkbereiches umfasst; und dann gilt nach (2) selbst-
verständlich g + h 1 neben g 1 und h 1.


Für die angegebene Deutung der Symbole treffen somit auch die Pro-
positionen (3) zu. Übrigens erscheint hier nur die von mir sogenannte
„extensive Schreibung“ mit der „intensiven“ vertauscht, — vergl. Bd. 1,
S. 623, — d. h. es haben und , 0 und 1, Produkt und Summe, jede
Proposition und deren duales Gegenstück, ihre Rollen gewechselt, — wobei
indes Inhaltsprodukte bisher hier nicht zur Sprache gekommen.


Sollte das inhaltslogische Produkt g h in gleicher Weise das Gegenstück
sein zur umfangslogischen Summe, so wäre ersteres zu definiren als derjenige
Merkmalkomplex, welcher allen den Figuren gemeinsam ist, die den Merkmal-
komplex g oder den h besitzen. Anders im Voigt’schen Beweis. Hier be-
deutet g · h nur das wirkliche „identische Produkt“ der beiden Merkmalkom-
plexe, den Merkmalkomplex, den g und h gemein haben.*) (Vergl. Bd. 1,
S. 627, Fussnote.) Selbstverständlich werden dann die formalen Forderungen
unserer Def. (3×) sich erfüllt erweisen: (f g) (f h) = (f g h).


Ergebniss dieser Überlegungen ist also, dass in der That das
Voigt’sche Aperçu beweiskräftig ist für unsern Satz der Nichtbeweis-
barkeit des Distributionssatzes, und dass an der Hand der Betrachtung
idealer Begriffsinhalte naheliegende „Beispiele“ („crucial tests“) gefunden
werden können.


Wegen der Deutung, welche Voigt dem Produkt zweier Begriffe bei-
legt, ist der Voigt’sche Kalkul mit idealen Begriffsinhalten allerdings nur
ein Gruppenkalkul; derselbe deckt sich aber auch aus dem gleichen Grunde
keineswegs mit demjenigen inhaltslogischen Kalkul, auf welchen ich Bd. 1,
S. 100 anspielte, der sich durchaus als „identischer“ Kalkul darstellt, auch
mit der vollen Geltung des Distributionsgesetzes, lediglich unter durch-
gängiger Vertauschung der „intensiven“ mit der „extensiven“ Schreibung,
gemäss der bekannten Thatsache, dass mit einer Einordnung zwischen zwei
Begriffsumfängen stets die entgegengesetzte Einordnung zwischen den zu-
gehörigen Begriffsinhalten parallel geht. Darum ist es wol auch nicht so
„auffallend“, wie Voigt meint, dass ich die bewusste Bemerkung nicht ge-
macht habe, da diese Bemerkung nur für den Voigt’schen Inhaltskalkul
zutrifft, nicht aber für den meinigen. — Dem Voigt’schen Inhaltskalkul
jedoch würde eine wichtige, für die Wissenschaft wie für das gemeine Denken
gleich unentbehrliche Operation abgehen: die Operation, welche aus zwei ge-
[414]Vierundzwanzigste Vorlesung.
gebenen Begriffen a und b den Begriff „was a oder b ist“ ableitet. Dieser
Begriff, ohne Zuhülfenahme von Umfangsbetrachtungen, dürfte ohnehin jeder
Inhaltslogik Schwierigkeiten machen.*)


Nun noch ein Wort über die Frage: mit welchen Begriffsinhalten denn
eine exakte Logik, ein Kalkul, aufzubauen wäre, wenn nicht mit den „idealen“?
Mit den letzteren lehnt sie neben Herrn Voigt l. c. auch Herr Husserl1
p. 255 sq. a limine ab, und so scheint das Hysteron-proteron, das mit ihnen
in die Logik Eingang fände, allseitig zugegeben.


Den Inhalt z. B. des Begriffes „Kreis“ (in der Euklid’schen Geometrie)
bilden die Merkmale des Kreises. Es frägt sich blos, ob alle, ob nur einige
von dessen Merkmalen, und dann welche?


Diejenigen Merkmale, welche dem oder jenem Denkenden als Vorstellungs-
gehalt seines Kreisbegriffes gerade eben vorschweben, habe ich den faktischen
Inhalt des Begriffes „Kreis“ (für diesen Denkenden in diesem Augenblick)
genannt (Bd. 1, S. 83). Ich denke, keinen Widerspruch gewärtigen zu
müssen, wenn ich es für ausgeschlossen erkläre, diesen wechselnden und
wol meist gar nicht einheitlichen Merkmalkomplex als Substrat für logische
Untersuchungen hinzustellen.


Nun wird von andern Seiten versucht, den fraglichen Begriffsinhalt ein-
zuschränken auf den Komplex derjenigen Merkmale, welche in einer be-
stimmten, zugrunde gelegt gedachten „Definition“ des Kreises „liegen“, wie
z. B. in der Definition Bd. 1, S. 87 sq., wo als wesentliches Merkmal unter
andern die Gleichheit der Radien gefordert ist.


Dann kann man doch unmöglich von dem Inhalt des Kreisbegriffes
z. B. das Merkmal ausschliessen, dass irgend zwei Radien nicht von einander
verschieden seien! Und ebensowenig, meine ich, irgend ein andres Merk-
mal, welches aus dem in der Definition gegebenen Komplex denknotwendig
oder logisch, ohne Berufung auf spezifisch geometrische Thatsachen, folgt,
auch wenn dieses Merkmal in der Definition nicht ausdrücklich erwähnt ist.
Dergleichen zu thun, hiesse ja geradezu: an dem Buchstaben der Definition
kleben und die Logik in Abhängigkeit setzen schon von der Grammatik!


Wird aber dies zugegeben, so ist, beiläufig bemerkt, schon für weite
Gebiete den Begriffen gerade dasjenige als ihr „Inhalt“ gesichert, was ich
ihren „idealen“ Inhalt nenne, nämlich für die Begriffe der rein deduktiven
Disziplinen, der Logik, Arithmetik und höhern Analysis.


In einer Disziplin hingegen, die wie die Geometrie noch obendrein eine
axiomatische Basis hat, könnte man allerdings bei den bisher besprochenen
Merkmalen halt machen und so von dem „Inhalt“ des Kreisbegriffes will-
kürlich jedes Merkmal ausschliessen, welches, obzwar allen Kreisen gemein-
sam, wie z. B. das von der Gleichheit der Peripheriewinkel, die auf demselben
Bogen stehen, lediglich mittelst geometrischer Axiome aus der Definition ge-
folgert werden kann. Allein es wäre doch allem Usus in Wissenschaft und
Leben zuwiderlaufend, zu sagen, diese Gleichheit der Peripheriewinkel sei
kein Merkmal des Kreises. Warum also sie, nebst unzähligen andern Eigen-
[415]§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.
schaften vom Inhalt des Kreisbegriffes ausschliessen? Jedenfalls müsste
ein solches Verfahren Weiterungen verursachen wie die, dass man „zum
Begriffe des Kreises gehörige“ Merkmale des Kreises von den „ausser-
begrifflichen“(!) Merkmalen desselben zu unterscheiden hätte; und dem
Hysteronproteron entgeht man mit diesen Weiterungen dennoch nicht. Oder
wollen mir vielleicht die Inhaltslogiker die Frage beantworten, ob unter
Zugrundelegung der obigen (Bd. 1, S. 87) gewöhnlichen Kreisdefinition —
das Merkmal: eine „überall gleichartige“ Linie zu sein, (deren jeder Teil
in ihr selbst verschoben werden kann ohne Änderung an Gestalt und Grösse),
ob dieses Merkmal dem in ihrem Sinne beschränkten „Inhalt“ des Kreis-
begriffes angehört oder nicht? Eine solche Frage zur Entscheidung zu
bringen, erfordert ja wol eben schon die ganze Kunst des Schliessens, deren
Theorie die Inhaltslogiker gleichwol auf die Betrachtung solch zweifelhafter
„Inhalte“ erst gründen wollen.


Der Beweis 5 von Korselt1 nimmt die Euklid’sche Raumgeometrie
zum Substrate:


Es mögen a, b, c … oder auch p1, p2, …, g1, g2, …, e1, e2, …
Raumelemente“, d. h. Punkte, Geraden, Ebenen, 0 das Nichts, 1 den
ganzen Raum bedeuten.


Eine Subsumtion a b heisse gleichwie im Gebietekalkul über-
haupt: Das Raumelement a liegt in dem Raumelement b.


Dagegen bedeute a · b das in a und b enthaltene Element höchster,
a + b das a und b enthaltende Element niedrigster Dimension.


Die Anschauung zeigt uns, dass die formalen Grundlagen I, II, (1),
(2) und (3) erfüllt sind.


Dies bedarf noch besonderer sorgfältiger Überlegung nur hinsichtlich
der zu (3) gehörigen Subsumtionen

(c a) (c b) (c a b)(a c) (b c) (a + b c),

was Herr Korselt nicht ausführt.


Als selbstverständlich erfüllt können auch diese beiden Formeln gelten
in dem Falle, dass eines oder mehrere der drei Raumelemente a, b, c den
Wert 0 oder 1 besitzen sollten. Desgleichen, wenn a = b ist, da a a und
a + a den vorausgeschickten Definitionen zufolge die Bedeutung a haben
werden. Endlich ist auch, wenn das eine Raumelement b im andern a
liegt (b a),

b die Bedeutung von a ba die Bedeutung von a + b

und die Gültigkeit unserer Subsumtionen wiederum ohnehin ausser Frage,
(da dann die Thesis blos einen Teil der Hypothesis wiederholend statuirt).
Es bleiben noch die Fälle durchzugehen, wo a und b als Punkte, Gerade
oder Ebenen „auseinanderliegen“, einschliesslich der Fälle, wo sie — als
Geraden oder auch Ebenen — einander schneiden. Fälle der Parallellage
von Raumelementen a und b sind dabei den Fällen des Nichtschneidens bei-
zuzählen, insofern das „unendlich ferne“ Schnittgebilde im vorliegenden
[416]Vierundzwanzigste Vorlesung.
Denkbereich gar nicht existirt, und somit auch kein im Schnittgebilde „ent-
haltenes Element höchster Dimension“, kein Produkt a b; wogegen bezüglich
des durch a und b bestimmten und „beide enthaltenden Raumelements
niedrigster Dimension“, d. i. bezüglich a + b, dieselben Fälle des Parallelis-
mus
mit denen des Schneidens zusammenrangiren werden.


Ist a ein Punkt ausserhalb b,
(welches ein anderer Punkt oder eine
Gerade oder eine Ebene sein mag,)
so muss c, um in a und b zugleich
enthalten sein zu können, selbst = 0
sein; dann gilt aber c a b kraft (2).
Ist a eine Ebene ausserhalb b,
(welches eine andre Ebene oder eine
Gerade oder ein Punkt sein mag,
jene beiden die Ebene a schneidend
oder auch nicht schneidend), so muss c,
um sowol a als b enthalten zu können,
= 1, nämlich der ganze Raum sein,
und dann gilt a + b c kraft (2).

Damit ist links vom Mittelstrich der Punkt, rechts die Ebene als zu-
lässige Bedeutung von a und b abgethan.


Stellen a und b zwei einander
nicht schneidende (und auseinander-
gelegene) Raumelemente vor, nämlich
entweder zwei windschiefe oder auch
zwei parallele Gerade, oder auch eine
Gerade und eine zu ihre parallele Ebene,
oder endlich zwei parallele Ebenen,
so muss c, um in beiden zugleich
liegen zu können, wiederum = 0 sein,
und dann gilt c a b kraft (2), und
übrigens auch kraft I, da auch a b
hier 0 bedeuten wird. Somit bleiben
(links) nur noch schnittige Raum-
elemente in’s Auge zu fassen.
Sind a und b zwei windschiefe
Gerade, so muss c als beide enthalten-
des Raumelement der ganze Raum 1
sein; desgleichen ist dann auch a + b
= 1 und es gilt a + b c kraft (2)
und I.
Sind a und b zwei schneidende
Geraden, oder eine Ebene und eine
sie schneidende Gerade, so stellt a b
deren Schnittpunkt vor, und c muss,
um als ein „Raumelement“ in a und
b zugleich liegen zu können, (sofern
c nicht 0 ist,) eben dieser Schnitt-
punkt sein. Dann gilt c a b kraft I.
Sind a und b zwei einander
schneidende oder auch zwei parallele
Gerade, oder eine Gerade und ein
Punkt ausserhalb, so stellt a + b die
dadurch bestimmte Ebene vor, und c
muss, um a sowol als b zu enthalten,
als ein „Raumelement“ entweder selbst
diese Ebene oder der ganze Raum 1
sein, so dass a + b c nach I oder
(2) gilt.
Sind endlich a und b zwei schnit-
tige Ebenen, so ist a b die Schnitt-
linie beider. Hier muss c, um in a
und b zugleich enthalten zu sein, auch
in dieser Schnittlinie liegen als dem
geometrischen Ort, dem Inbegriff der
den beiden Ebenen gemeinsamen Punk-
te, — mag c nun (= 0 sein oder)
einen Punkt (der Schnittgeraden) oder
eine Gerade (diese Schnittgerade
selbst) bedeuten: es muss c a b sein.
Sind a und b zwei verschiedene
Punkte, so stellt a + b deren Ver-
bindungsgerade vor. Dann kann c,
worin beide enthalten sein sollen, kein
Punkt und auch nicht 0 sein. Eine
Gerade, Ebene oder ein (Euklid’scher)
Raum dagegen, der beide enthält,
wird immer auch deren Verbindungs-
gerade enthalten, und es muss a + b
c
für die genannten drei Bedeu-
tungen von c zutreffen.
[417]§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.

Dass unsere Aufzählung*) der Möglichkeiten eine vollständige ist, wird
man leicht erkennen, und somit ist die Geltung der Sätze (3), mithin sämt-
licher Grundlagen der Theorie, nun für Herrn Korselt’s Denkbereich ver-
bürgt. Es gelten daher auch alle in Bd. 1 aus diesen abgeleiteten Sätze,
und insbesondere die erste Subsumtion des Distributionsgesetzes: a b + a c
a
(b + c).


Nun seien p1, p2, p3 drei verschiedene Punkte einer Geraden g, also
p1p2 = p1p3 = 0, p1g = p1, p2 + p3 = g.
Dann ist
p1 (p2 + p3) = p1g = p1, p1p2 + p1p3 = 0 + 0 = 0,
also
p1 (p2 + p3) ≠ p1p2 + p1p3, q. e. d.


Der Beweis 3 von Lüroth1 nimmt das Gebiet der natürlichen
Zahlen zum Substrat und verwendet die arithmetischen Rechnungsarten.
Es sollen die Buchstabensymbole α, β, γ, …, p, q, r, … stets positive
ganze Zahlen, die Null zugelassen, vorstellen. Sodann sei eine „Klasse“ a
ebensolcher Zahlen definirt als die Gesamtheit aller Zahlen, (der
Elemente dieser Klasse a), die durch eine bestimmte Linearform
α p + β q + γ r + … + λ z
dargestellt sind, worin die Koeffizienten α, β, γ, …, λ bestimmt ge-
geben und für alle Elemente der Klasse a dieselben seien, dagegen die
Konstituenten p, q, r, …, z zunächst unbestimmte Zahlen oder Para-
meter vorstellen, denen einzeln und unabhängig von einander die
Werte 0, 1, 2, 3, … der Reihe nach beizulegen sind, wenn man sämt-
liche Elemente der Klasse a bilden will. Diese Elemente sind hiernach
nebst 0 die Zahlen α, β, γ, … λ, sodann deren Vielfache, endlich alle
Zahlen, die durch arithmetische Addition aus zwei oder mehreren unter
den genannten Elementen, oder überhaupt aus irgend welchen Elementen
der Klasse a entstehen. — Während somit die p, q, … innerhalb
einer Klasse von Element zu Element ihre Werte wechseln, sind die
für alle Elemente einer Klasse konstanten, erst von Klasse zu Klasse
sich ändernden α, β, … für eine Klasse a charakteristisch oder „be-
stimmend“; die Klasse kann auch durch (α, β, γ, … λ) bezeichnet werden.


Beispielsweise wird (3, 2, 0) die Zahlen von der Form 3 p + 2 q + 0 r,
also die: 0, 2, 3, 4, 5, …, alle Zahlen ausgenommen 1 enthalten, die
Klasse (0, 3, 0) oder (3) die Vielfachen 0, 3, 6, 9, … von 3, die
Klasse (4, 5) die Zahlen 0, 4, 5, 8, 9, 10, 12, 13, 14, … und von 15
ab alle Zahlen umfassen.


Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 27
[418]Vierundzwanzigste Vorlesung.

a b bedeute, dass die Zahlen der Klasse a auch alle zur Klasse b
gehören
. Dann werden die Aussagen „a b nebst b a“ und „a = b
einander gegenseitig bedingen. Ferner folgt aus a b und b c
auch a c, und die Klasse (0, 0, 0, …) oder (0), welche blos
die Zahl 0 enthält, ist eingeordnet einer jeden Klasse a, und jede
Klasse a ist eingeordnet der das Zahlengebiet selbst repräsentirenden
Klasse (1, 1, 1, …) oder (1, 0, 0, …) oder (1), so dass die Klassen (0)
und (1) hier die Moduln 0 und 1 unserer theorie vertreten.


a b sei die Klasse der Zahlen, welche gleichzeitig die durch a und b
verlangte Form haben; a
+ b dagegen enthalte alle Zahlen, die durch
(arithmetische) Addition einer Zahl der Form a zu einer der Form b
entstehen
.


„Dass die zu a + b gehörigen Zahlen eine Klasse in dem hier defi-
nirten Sinne bilden, ist leicht zu sehen.“ Die allgemeine Form dieser
Zahlen ist nämlich die arithmetische Summe der a und b repräsentirenden
beiden Linearformen, nachdem man die Konstituenten p, q, … in der
einen von beiden Linearformen, wenn nötig, durch neue in der andern
nicht vorkommende Parameterbuchstaben ersetzt hat.


„Der Beweis, dass auch die zu a b gehörigen Zahlen eine Klasse bilden,
der nicht so einfach ist, sei der Kürze wegen fortgelassen.“ Derselbe wird
nämlich leicht erbracht werden speziell für die Klassenprodukte des nach-
herigen ausschlaggebenden Beispiels, ist also im übrigen hier entbehrlich.*)


Ist dann c a und c b, so ist auch c a b, und umgekehrt.
Und ist a c und b c, so ist auch a + b c, da c die Elemente
von a und diejenigen von b nicht gleichzeitig enthalten kann, ohne
auch die durch additive Vereinigung der beiderseitigen Elemente zu ge-
winnenden Zahlen mit zu umfassen. Endlich ist auch selbstverständlich
a c und b c, wenn a + b c, und die formalen Grundgesetze der
Theorie sind hiermit erfüllt.


Sei nun a = (3) die Klasse der Zahlen von der Form 3 p, die
Klasse der Vielfachen von 3 : 0, 3, 6, 9, …, ferner b = (2) die der
Zahlen von der Form 2 q : 0, 2, 4, 6, …, der geraden Zahlen, endlich
c = (5) die der Form 5 r : 0, 5, 10, 15, …; dann ist a + b = (3) + (2) = (3, 2)
die Klasse der Zahlen von der Form 3 p + 2 q : 0, 2, 3, 4, …, aller
ganzen Zahlen von 0 an aufwärts, ausgenommen die Zahl 1, —
worunter auch die Zahlen der Klasse c = (5) sich befinden; es ist also
c a + b, (5) (3) + (2), oder auch (a + b) c = c, (3, 2) · (5) = (5),
d. h. die Klasse (a + b) c wird gebildet von denjenigen Zahlen, welche
zugleich von der Form 3 p + 2 q und von der Form 5 r sind, was bei
allen der letzten Form zutrifft. Andererseits sind die Zahlen a c = (3) · (5),
[419]§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.
welche zugleich Vielfache von 3 und von 5 sind, (3) · (5) = (15)
Vielfache von 15, gegeben durch die allgemeine Form 3 p · 5 r = 15 s,
die Zahlen b c = (2) · (5) = (10) durch 2 q · 5 r = 10 t, und die
a c + b c = (15, 10) durch 15 s + 10 t = 5 (3 s + 2 t):0, 10, 15, 20, …,
die man erhält als Fünffache der Zahlen (3, 2), — alle durch 5 teil-
baren Zahlen mit Ausnahme der Zahl 5 selbst. — Eben weil hier die
Zahl 5 in (15, 10) oder a c + b c fehlt bezw. nicht die Form 15 s + 10 t
bei ganzen positiven Werten von s und t — besitzt, in (5), c oder
(a + b) c dagegen vertreten ist, gehören zwar alle Zahlen der Klasse (15, 10)
auch der Klasse (5) an, oder es ist a c + b c (a + b) c, — wogegen
aber das umgekehrte nicht der Fall ist: es gilt die erste, aber nicht
die zweite Subsumtion des Distributionsgesetzes.


Herr Lüroth schickte seinem Beweis die Bemerkung voraus:
„Nachdem ich erkannt hatte, dass die Ungültigkeit des Distributions-
gesetzes bei diesem“ (dem einen vom Verfasser gegebenen) „Beispiele
dadurch bedingt ist, dass a + b nicht nur die Individuen der beiden
Klassen a und b enthält, sondern auch noch andere, war es mir leicht,
noch einfachere Beispiele zu konstruiren.“ Mit dieser Bemerkung ist in
der That der Kernpunkt der Frage gekennzeichnet.


Herrn Voigt verdanke ich noch folgende auf diesen Kernpunkt
bezügliche Wahrnehmung, die geeignet erscheint, die Auffindung von
noch weiteren derartigen „Beispielen“, die sich als Substrate für den
Gruppen-, aber nicht den identischen Kalkul empfehlen, allenfalls zu
erleichtern.


Theorem. Mit der zweiten Subsumtion des Distributionsgesetzes
26×) (a + b) c a c + b c
ist auch äquivalent der Satz:


„Aus c a + b folgt (allgemein) c a c + b c“, oder, aussagen-
rechnerisch dargestellt:
{(a + b) c a c + b c} = {(c a + b) (c a c + b c)}


Beweis. Ist nämlich c a + b, somit c = (a + b) c, so ergibt sich
unmittelbar aus c a c + b c — durch Einsetzen links — auch die Sub-
sumtion 26×).


Und gilt umgekehrt diese, so wird aus c a + b oder (a + b) c = c
auch c a c + b c folgen, — q. e. d.


Den ersten Teil des Beweises kann man auch nach Voigt so führen:


Folgt allgemein c a c + b c aus c a + b, so folgt auch aus der
nach Th. 6×) selbstverständlichen Subsumtion
(a + b) c a + b,
27*
[420]Vierundzwanzigste Vorlesung.
worin (a + b) c die Stelle des c der Voraussetzung vertritt,
(a + b) c a · (a + b) c + b · (a + b) c,
was sich aber nach dem Absorptionsgesetz 23×) vereinfacht zu 26×).


Hiernach braucht man also, um für ein gruppenlogisches Beispiel
die Ungültigkeit der zweiten Subsumtion des Distributionsgesetzes darzuthun,
nur ein c nachzuweisen, das in einem a + b enthalten ist, ohne doch in
a c + b c enthalten zu sein.


Von verschiedenen Seiten sind mir auch noch andre Mannigfaltig-
keiten zur Beurteilung vorgelegt worden als Versuche, damit etwas
auf unser Thema bezügliches zu beweisen, und ich glaube, ohne eine
Indiskretion zu begehen, der Sache dienen zu dürfen, indem ich die-
selben namhaft mache.


Als Denkbereich 1 betrachtete Herr Voigt die Mannigfaltigkeit aller
Kreisflächen der Ebene, — den Punkt, in welchen ein Kreis degeneriren
kann, mit zugelassen, — so dass also ein „Gebiet“ wie a, b, c, … stets
die Innenfläche eines Kreises vorstellt. Als a b wird der grösste Kreis er-
klärt, der sowol in a als in b gelegen ist, und die 0, falls a und b keinen
Punkt gemeinsam haben, — als a + b der kleinste Kreis, der sowol den a
als den b umfasst. Die beiden Ausdrücke a b und a + b sind damit ein-
deutig bestimmt, und zwar, sofern sie nicht 0 oder mit einem der beiden
Kreise a und b selbst zusammenfallen, als Berührkreise von diesen beiden.
Die Geltung der beiden Assoziationsgesetze, sowie der ersten Subsumtion des
Distributionsgesetzes lässt sich dann an interessanten Figuren nachweisen,
desgleichen die Ungültigkeit der zweiten Subsumtion dieses Gesetzes. Allein
hier treffen, wie leicht zu sehen, auch schon die beiden Teilsätze unserer
Definition (3)

(3×)' (c a) (c b) (c a b)(3+)' (a c) (b c) (a + b c)

nicht allgemein zu, während die umgekehrten Subsumtionen (3×)'', (3+)''
allerdings selbstverständlich gelten. Die Betrachtung ist somit für unsern
Zweck nicht beweisend.


Nähme man für 1 den beschränkteren Denkbereich aller der Kreis-
flächen (der Ebene), die ihren Mittelpunkt auf einer bestimmten Geraden
(in ihr) haben, so würde zwar (3) volle Geltung erlangen, zugleich aber
auch das volle Distributionsgesetz mit seinen beiden Subsumtionen.


Erhebt man zum Denkbereiche die Mannigfaltigkeit aller Strecken
einer festen Geraden 1, diese „Strecken“ im landläufigen Sinne als ein-
fach zusammenhängende, kontinuirliche Punktgebiete oder „Innenstrecken“
auffassend, — und definirt man a b als die grösste sowol in a als in
b liegende Strecke (wo nicht 0), a + b als die kleinste sowol a als b
enthaltende Strecke, so stimmt a b mit unserm „identischen Produkte“
völlig überein, wogegen a + b die „identische Summe“ übertreffen wird,
sobald die Strecken a und b auseinanderliegen, und zwar um die sie
[421]§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.
trennende Zwischenstrecke. Hier gelten zunächst alle formalen „Grund-
lagen“ des Gruppenkalkuls, dagegen nicht das volle Distributionsgesetz.
Denn versteht man unter a und b zwei auseinanderliegende (disjunkte)
Strecken und unter c eine innerhalb a + b gelegene, welche z. B. mit
a einen (echten) Teil a c (ihrer selbst), mit b aber nichts gemein hat,
so wird (a + b) c = c, dagegen a c + b c = a c + 0 = a c von c verschieden
ausfallen. — Ich will diese sehr bequeme Exemplifikation nach ihrem
Urheber als den
Beweis 6 von Korselt registriren.


Lässt man nun aber mit Herrn Korselt als „Gebiete“ auch „Aussen-
strecken“ zu, so wird obendrein zwar der Begriff der Negation anwendbar
und jedem Gebiet ein Negat in Gestalt von dessen Ergänzung zur ganzen
Geraden zugeordnet. Auch kann man bei den Definitionen von a b und
a + b den Begriff des „grössten“ oder „kleinsten“ Gebietes beibehalten in
dem Sinne, dass jedes unendliche Gebiet, also jede Aussenstrecke für „grösser“
erklärt wird, als jedes endliche Gebiet, d. i. jede Innenstrecke, dass ferner
von zwei Aussenstrecken diejenige als grösser gilt, die von der ganzen Ge-
raden das kleinere Innenstück übrig lässt. Wie leicht zu sehen, trifft dann
die zweite Subsumtion des Distributionsgesetzes häufig nicht zu. Allein es
gelten auch schon die beiden oben erwähnten Teilsubsumtionen (3)' nicht
mehr allgemein, und überdies wird sowol a b als a + b in gewissen Fällen
zweideutig, — in solchen nämlich, wo a eine Innenstrecke, b eine Aussenstrecke
vorstellt und die Endpunkte der einen zu denen der andern bezw. deren
Mitte symmetrisch liegen.


Um die vorliegende Gruppe von Vervollkommnungsbestrebungen
zum Abschluss zu bringen, liegt es mir endlich noch ob, über eine
Bemerkung von Herrn Korselt zu berichten, die mir von ihm brieflich
zu diesem Zwecke vorgelegt wurde und die Frage betrifft, ob nicht bei
Aufstellung der Grundlagen des identischen Kalkuls die zeitweilige Preis-
gebung des Dualismus
, wie sie in unserer sechsten Vorlesung, Bd. 1 § 12
sich aufgedrängt, vermieden werden könne. Es handelt sich darum,
unser „drittes“ Prinzip, das ich in dualistischer Hinsicht unsymmetrisch als
III×. (b c = 0) {a (b + c) a b + a c}
formulirt habe, zu ersetzen durch ein symmetrisches, mit dessen Hülfe
sich dann ebenfalls das volle Distributionsgesetz beweisen liesse, —
und zwar ohne Argumentiren auf Individuen oder Punkte unserer
Punktgebiete.


Diese letztere Einschränkung, (welche Herr Korselt nicht durchweg
berücksichtigt, so dass ich nur von einem Teile seiner Mitteilungen Gebrauch
machen kann), ist unerlässlich, wenn die Beweisführungen überhaupt in den
Lehrgang unseres Bd. 1 passen sollen. (Vollends Beweisführungen, bei denen
[422]Vierundzwanzigste Vorlesung.
auf die Unterscheidung von endlichen und unendlichen Systemen resp. Klassen
einzugehen wäre, müssten wol als Hysteron-Proteron bezeichnet werden.)


Als ein Sonderfall des Prinzips III× war Bd. 1, Seite 294, Anm. 2
bereits hervorgehoben das Prinzip
III°×(b c = 0) (b + c = 1) {a (b + c) a b + a c},
— worin a (b + c) auch kürzer durch a · 1, = a ersetzbar, und ich hatte
dabei bemerkt, dass es nicht gelinge, mit diesem einfacheren Prinzip III°×,
selbst in Verbindung mit seinem dualen Gegenstücke auszukommen.
Dies ist nunmehr dahin zu berichtigen, dass letzteres doch gelingt.


Erheben wir nämlich in Anlehnung an Herrn Korselt zum dritten
Prinzip den Satz III°× nebst dualem Gegenstück, nämlich dass
Wenn b c = 0 und b + c = 1 ist,

III°×.a (b + c) a b + a cIII°+ (a + b) (a + c) a + b c,

oder weil unter den gegenwärtigen Voraussetzungen
a (b + c) = a · 1 = a = a + 0 = a + b c,
III°. (b c = 0) (b + c = 1) {(a + b) (a + c) ͇ a͇ a b + a c},
wo dann die Subsumtionen rechterhand, weil als rückwärtige ohnehin
gültig, die Kraft von Gleichungen haben, — so lassen sich die Beweise
der Sätze 29), 33×) und 34×) nebst Zusätzen aus III°+ genau dual ent-
sprechend denen der Theoreme 29), 33+) und 34+) in Bd. 1, S. 300 und
308 f. gestalten, wo das Prinzip III°×) ausreichte, und hier kann dann
der Beweis der De Morgan’schen Theoreme 36) unverändert wie in
Bd. 1, S. 352 angeschlossen werden. Setzt man jetzt der Einfachheit
halber
a (b + c) = p, a b + a c = q
so gilt nach 25×) ohnehin q p, oder nach 15×), (6×) und (30×)
q p1p p1 0, q p1 = 0. (Vergl. auch 38×)!)
Ferner ist zufolge 36)
p1 = a1 + b1c1
und, bei wiederholter Anwendung des Zusatzes zu 33+), sowie nach 30+),
und 22+)
q + p1 = a b + a c + a1 + b1c1 = a1 + b + c + b1c1 = a1 + b + c + c1 = 1.
Aus dem damit gewonnenen Ergebnisse
q p1 = 0, q + p1 = 1,
zusammengehalten mit
p p1 = 0, p + p1 = 1
ergibt dann aber das Th. 29)
q = p, q. e. d.


[423]§ 51. Zum Kapitel der symmetrisch allgemeinen Lösungen.

Diese Ableitung des Distributionsgesetzes hat den Vorteil, dass
die Dualität überall erhalten bleibt. Allerdings sind dazu unter III°
zwei Prinzipien aufgestellt, die auch wirklich beide unentbehrlich
scheinen.*)


Statuirt man das Prinzip III° dicht vor dem Th. 29), so lassen sich
auch für dieses
29) (a b = a c = 0) (a + b = a + c = 1) (b = c)
noch zwei einander dual entsprechende Beweise geben an Stelle des früheren
Bd. 1, S. 300:


Es ist nach den Voraussetzungen von 29) und dem Schema III°
(b + a) (b + c) = b = b a + b c

b + a = c + ab a = c a

(c + a) (c + b) = c = c a + c b,
ergo b = c.


Auch dieser Verbesserung soll in dem oben Seite 406 erwähnten
„Abriss“ Rechnung getragen werden.


§ 51. Zum Kapitel der symmetrisch allgemeinen Lösungen.


Unbeschadet der sonstigen Zwecke dieses Werks kann der Leser
gleichwie den § 24 des Bd. 1 auch diesen Paragraphen überschlagen und
braucht darauf allenfalls erst dann zurückzukommen, wenn im dritten Band
auf die einschlägigen Untersuchungen — nebenher, blos der Heuristik zu-
liebe — verwiesen wird. Wer sich jedoch etwa in selbstthätiger Forschung
an noch ungelöste „Auflösungsprobleme“ im Gebiet der Algebra der Relative
wagen sollte, dürfte dieses Kapitel gelegentlich mit Vorteil zurate ziehen, —
wie mir denn auch auf diesem Felde die hiernächst weiter zu führenden
Vorarbeiten thatsächlich gute Dienste geleistet haben zur Entdeckung zahl-
reicher Sätze und Problem-Lösungen, welche dann freilich im dritten Band
auch ohne Bezugnahme auf den heuristischen Gang verifiziert oder bewiesen
werden.


Zunächst ist behufs Vervollkommnung des in § 24 Gebotenen den
Lösungen zweier dortiger Aufgaben noch eine bessere Form zu geben.
Sodann sollen im folgenden noch weitere Aufgaben gelöst werden.


Bei Aufgabe 12 (desgleichen auch 14) und 15 l. c., wo es sich
um die symmetrisch allgemeine Bestimmung zweier Unbekannten x, y
handelt, die eine gegebne Forderung zu erfüllen haben, wurde zwar
jeweils das allgemeinste System von Wurzeln richtig aufgestellt, welches
in symmetrischer Weise der Aufgabe genügt, wobei die Unbekannten
[424]Vierundzwanzigste Vorlesung.
durch (mindestens ebenso viele) unbestimmte Parameter ausgedrückt
waren. Dabei erscheint aber noch als Missstand, dass man jene Werte
oder Ausdrücke, welche für die unbestimmten Parameter eingesetzt
werden müssen, wenn man ein bestimmt gegebenes Wurzelpaar x, y
aus ihnen erhalten will, entweder für die Anwendungen im Gedächtniss
behalten oder so, wie sie sich l. c. angegeben finden, nachschlagen
muss. Und schon aus diesem Grunde versteht sich die Anforderung:
die Ausdrücke für die symmetrisch allgemeinen Wurzeln x, y so ein-
zurichten, dass jeder Unbekannten ein eigener Parameter, dem x ein u,
dem y ein v, als sogenannter „wesentlicher“ Parameter entpricht, und
dass man, um irgend ein gewünschtes Wurzelpaar x, y zu erhalten, nur
u
= x, v = y selbst zu setzen habe.


Diese Anforderung wird sich bei den in Bd. 3 behandelten Auf-
gaben auch noch anderweitig motiviren; sie wird dort von mir, weil
sie keineswegs im Begriff der Lösung selbst gelegen, als die „Adventiv-
forderung
“ bezeichnet. Sie ist auch bereits bei den Lösungen der
übrigen Aufgaben des § 24 erfüllt, nur bei den vorhin genannten noch
zu erfüllen. Zuvor sei blos noch bemerkt, dass wenn im Ausdruck
der Wurzeln neben den „wesentlichen“ unbestimmten Parametern noch
andre vorkommen, diese letztern als „unwesentliche“ oder „Luxus-Para-
meter“ bezeichnet werden mögen. Solche bleiben unter allen Umständen
willkürlich und können unbeschadet der Allgemeinheit der Lösungen be-
liebig spezialisirt, z. B. auch ein jeder für sich gleich 0 oder gleich 1
angenommen werden, — wie dies sogleich an dem nachfolgenden sich
illustriren wird.


Aufgabe 12. Nach x, y die Gleichung
1) x y1 + x1y = c
symmetrisch allgemein zu lösen.


Ich will die Lösungen erst angeben, dann verifiziren, zuletzt ihre
Herleitung skizziren.


Die Auflösung ist:

2)
  • x = (c1 + r) u v + (c + s) u v1 + c1s u1v + c r u1v1
    y = (c1 + r1) u v + c1s u v1 + (c + s) u1v + c r1u1v1
    x1 = c r1u v + c1s1u v1 + (c + s1) u1v + (c1 + r1) u1v1
    y1 = c r u v + (c + s1) u v1 + c1s1u1v + (c1 + r) u1v1,


wo u, v die wesentlichen, r, s die Luxusparameter vorstellen.


Beweis durch Verifikation.


Erste Probe, auf die Richtigkeit der angeblichen Lösungen 2) bei be-
[425]§ 51. Zum Kapitel der symmetrisch allgemeinen Lösungen.
liebigen u, v, r, s, — durch Einsetzen der Werte 2) in die Gleichung 1),
stimmt:
x y1 + x1y = (c r + c r1) u v + c u v1 + c u1v + (c r + c r1) u1v1 =
= c (u v + u v1 + u1v + u1v1) = c.

Die Ausdrücke 2) liefern mithin, wie immer auch die Gebiete oder
Klassen u, v, r, s bestimmt werden mögen, stets nur richtige Wurzeln
der Gleichung 1).


Eine zweite Probe soll aber noch die Vollständigkeit unserer Lösung
des Problems erweisen, also darthun, dass die Ausdrücke 2) uns auch
alle Wurzelsysteme der Gleichung 1) liefern. Zu dem Ende stellen
wir uns unter x, y jetzt irgend ein Wertepaar vor, welches die Glei-
chung 1) oder
1') c (x y + x1y1) + c1 (x y1 + x1y) = 0
erfüllt, und denken uns ferner r, s irgendwie fixirt. Es ist zu zeigen,
dass es dann jedesmal ein Wertepaar u, v überhaupt gibt (also min-
destens eines) derart, dass auch die Gleichungen 2) erfüllt sein werden;
d. h. dass uns für dieses Wertepaar u, v unsere Lösungen 2) das ge-
wünschte Wurzelpaar x, y liefern.


Prinzipiell, behufs Erweises der Vollständigkeit unserer Lösungen,
müsste zwar blos die Existenz solchen Wertepaars u, v dargethan
werden, wie verwickelt auch dieses durch die gegebenen x und y sich
ausdrücken mag. Der Adventivforderung gemäss wird nun aber
u = x, v = y
selbst ein solches Wertepaar sein müssen. M. a. W. durch Einsetzen
des letztern müssen sich die beiden ersten Gleichungen 2), aus welchen
die beiden andern durch Negiren folgen, kraft der Voraussetzung 1)
oder 1') als identisch erfüllt erweisen:
x = (c1 + r) x y + (c + s) x y1 + c1s x1y + c r x1y1
y = (c1 + r1) x y + c1s x y1 + (c + s) x1y + c r1x1y1.

Lässt man hierin die Glieder fort, die kraft 1') ohnehin verschwinden,
nachdem man die Summen c1 + r, c1 + r1, c + s in c1 + c r, c1 + c r1,
c + c1s umgeschrieben, so bleibt zu zeigen, dass
x = x (c1y + c y1), y = y (c1x + c x1)
zutrifft, was nun aber mittelst Addition von 0 rechterhand, d. h. durch
Hinzufügung geeigneter Glieder, die kraft 1') ebenfalls verschwinden,
sich äquivalent umsetzen lässt in
x = x (c y + c1y + c y1 + c1y1) = x · 1 = x,
y = y (c x + c1x + c x1 + c1x1) = y · 1 = y

und sich in der That augenscheinlich bewahrheitet, q. e. d.


[426]Vierundzwanzigste Vorlesung.

Eine dritte Probe, nämlich die Prüfung unserer Lösungen 2) auf
die Symmetrie bezüglich der in der Problemstellung 1) zulässigen Ver-
tauschungen erledigt sich so. Die Gleichung 1) bleibt ungeändert (oder
geht nur in sich selbst über) durch die folgenden drei Systeme von
Vertauschungen
(x, y) (x1, y1), (x, y1) (x1, y), (x, x1) (y, y1).
Diese aber, mit
(u, v) (u1, v1), (u, v1) (u1, v), (u, u1) (v, v1)
und
(r, r1), (s, s1), (r, r1) (s, s1)
bezüglich verbunden, führen allemal das System 2) unserer Lösungen
nur in sich selbst über, wie man fast mühelos nachsieht.


Von den Bd. 1, S. 514 gefundenen Lôsungsformen
x = α c1 + β c, y = α c1 + β1c
aus konnte ich die Lösungsformen 2) systematisch entdecken, indem ich
zunächst — was etwas mühsam ist — aus den vorstehenden beiden Gleichungen
in Verbindung mit 1) das Symbol c eliminirte; aus der Resultante
0 = x1α β + x α1β1 + y1α β1 + y α1β + x1y1α + x y α1 + x1y β + x y1β1
hernach α oder β eliminirend gelangt man zu den Gleichungen
x1y1α + x y α1 = 0, x1y β + x y1β1 = 0,
deren Auflösung nach α, β
α = x y + s (x + y), β = x y1 + r (x + y1)
die allgemeinsten Werte zeigt, welche für die Parameter α, β zu setzen
sind, wenn man ein bestimmtes Paar von Wurzeln x, y erhalten will.
Wird in diesen nun u für x und v für y geschrieben, so ergibt sich durch
Einsetzen in die frühere Lösungsform notwendig eine solche, welche auch
die Adventivforderung erfüllt, nämlich (wenn noch vollends nach den u, v
entwickelt wird,) unsere Lösung 2).


Diese kann nun freilich noch vereinfacht werden. Nähme man z. B.
s = r, so käme
x = r u + (r + u) (c1v + c v1),
y = v (c r1 + c1r + c1u + c u1) + c1r u + c r1u1,

und ähnlich für s = r1
x = u (c r + c1r1 + c1v + c v1) + c1r1v + c r v1,
y = r1v + (r1 + v) (c1u + c u1);

noch einfacher hätte man für r, s gleich 0, 0, resp. 0, 1; 1, 0 oder 1, 1
die Systeme der Lösungen:

3)
  • x = u (c1v + c v1)x = u v1 + c1vx = u v + c v1x = u + c1v + c v1
    y = u v + c u1y = v + c1u + c u1y = v (c1u + c u1)y = u1v + c1u
    x1 = u1 + c v + c1v1x1 = u1v1 + c vx1 = u1v + c1v1x1 = u1 (c v + c1v1)
    y1 = u v1 + c1u1y1 = v1 (c u + c1u1)y1 = v1 + c u + c1u1y1 = u1v1 + c u

[427]§ 51. Zum Kapitel der symmetrisch allgemeinen Lösungen.
und auf ebendiese wird man auch geführt, wenn man die Werte der
Luxusparameter r, s überhaupt irgendwie aus der Gruppe der Werte c, c1, 0, 1
auswählt.


Jedes von diesen Systemen ist eine Darstellung der allgemeinsten
Wurzeln der Gleichung 1) (nunmehr ohne überzählige Parameter), welche
inbezug auf die wesentlichen Parameter u, v der Adventivforderung genügt.
Allein es erscheint die Symmetrie in denselben nun dermassen verhüllt,
dass man, wo es auf die Wahrung solcher ankommt, besser thut, die
Lösungsform 2) und damit die Luxusparameter beizubehalten.


Aufgabe 15. Die allgemeinste Gleichung mit zwei Unbekannten x, y:
4) a x y + b x y1 + c x1y + d x1y1 = 0
nach diesen symmetrisch allgemein aufzulösen unter der Voraussetzung,
dass die Resultante ihrer Elimination
5) a b c d = 0
erfüllt sei — Bd. 1, S. 515 . . . . 519.


Auflösung. Das allgemeinste, auch der Adventivforderung ge-
nügende System von Wurzeln ist gegeben durch

6)
  • x = {a1 + (b1r + c r1) d} u v + {b1 + (a1s + d s1) c} u v1 +
    + (b1 + a1s + d s1) c u1v + (a1 + b1r + c r1) d u1v1
    y = {a1 + (b r + c1r1) d} u v + (c1 + a1s + d s1) b u v1 +
    + {c1 + (a1s + d s1) b} u1v + (a1 + b r + c1r1) d u1v1
    x1 = (d1 + b r + c1r1) a u v + (c1 + a s + d1s1) b u v1 +
    + {c1 + (a s + d1s1) b} u1v + {d1 + (b r + c1r1) a} u1v1
    y1 = (d1 + b1r + c r1) a u v + {b1 + (a s + d1s1) c} u v1 +
    + (b1 + a s + d1s1) c u1v + {d1 + (b1r + c r1) a} u1v1,


wo u, v die wesentlichen, r, s Luxusparameter vorstellen.


Beweis. Hiemit wird, zunächst ohne Rücksicht auf 5)
a x y = 0 u v + a b c d s1u v1 + a b c d s1u1v + 0 u1v1
b x y1 = a b c d r1u v + 0 u v1 + 0 u1v + a b c d r1u1v1
c x1y = a b c d r u v + 0 u v1 + 0 u1v + a b c d r u1v1
d x1y1 = 0 u v + a b c d s u v1 + a b c d s u1v + 0 u1v1;

mit Rücksicht auf die Resultante verschwinden also alle vier Ausdrücke
identisch, d. h. es stimmt die „Probe 1“, oder unsere Formeln 6)
liefern uns stets richtige Wurzeln. „Probe 2“: Sei jetzt x, y irgend
ein Paar von Wurzeln, für welche die Gleichung 4) von vornherein
erfüllt ist. Falls es überhaupt ein solches gibt, so gilt dann auch die
Gleichung 5). Dann muss gezeigt werden, dass für u = x, v = y die
beiden ersten Gleichungen 6) sich bewahrheiten. Setzt man aber x
[428]Vierundzwanzigste Vorlesung.
für u, y für v in 6) ein, so kommt bei x das dritte und vierte, bei y
das zweite und vierte Glied wegen 4) in Wegfall, und bleibt
x = {a1 + a (b1r + c r1) d} x y + {b1 + b (a1s + d s1) c} x y1 = x (a1y + b1y1)
y = {a1 + a (b r + c1r1) d} x y + {c1 + c (a1s + d s1) b} x1y = y (a1x + c1x1),

was durch Hinzufügung kraft 4) verschwindender Glieder übergeht in
x = x (a1y + b1y1) + a x y + b x y1 = x y + x y1 = x · 1
y = y (a1x + c1x1) + a x y + c x1y = x y + x1y = 1 · y,

mithin sich als richtig erweist.


Was endlich die Prüfung unserer Lösungen auf die Symmetrie
betrifft, so führen die nachstehenden fünf Systeme von Vertauschungen
(— und nur diese —) zwischen den Unbekannten unter sich und den
Koeffizienten unter sich, nötigenfalls verbunden mit den dahinter
stehenden Vertauschungen zwischen den Parametern, gleichwie die
Gleichung 4) nebst 5), so auch das System der Lösungen 6) nur in
sich selbst zurück:

7)
  • (x, y) (x1, y1) (b, c)(u, v) (u1, v1) (r, r1)
    (x, y1) (x1, y) (a, d)(u, v1) (u1, v) (s, s1)
    (x, x1) (a, c) (b, d)(u, u1) (r, s1) (r1, s)
    (y, y1) (a, b) (c, d)(v, v1) (r, s) (r1, s1)
    (x, x1) (y, y1) (a, d) (b, c)(u, u1) (v, v1) (r, r1) (s, s1)

Aus den in § 24 gefundenen Lösungsformen waren die obigen 6)
leicht zu gewinnen vermittelst der nach Bd. 1, S. 519 nahegelegten Sub-
stitutionen:
ϰ = u v + s (u + v), λ = u v1 + r (u + v1), ω = u v1 + u1v.
Statt dessen konnte man freilich auch den ganzen Herleitungsweg des § 24
von vorne gehen, indem man nur statt der dortigen Lösungsform der Auf-
gabe 12 die obige 2) benutzte. — Unsere Lösungsformen 6) verdienen
aber jenen früheren gegenüber den Vorzug schon wegen der grösseren
Einfachheit des Ausdrucks, und weil sie mit einem Parameter weniger, mit
deren vier statt fünf, auskommen.


Nehmen wir wie oben die überzähligen Parameter r, s auf jede
mögliche Weise gleich 0 oder 1 an, so tritt natürlich abermals erheb-
liche Vereinfachung ein, und ergeben sich die nachstehenden vier be-
merkenswerten Lösungsformen:

8)
  • x = (a1 + c d) u v + (b1 + c d) u v1 + (b1 + d) c u1v + (a1 + c) d u1v1
    y = (a1 + c1d) u v + b (c1 + d) u v1 + (b d + c1) u1v + (a1 + c1) d u1v1


9)
  • x = (a1 + c d) u v + (a1c + b1) u v1 + (a1 + b1) c u1v + (a1 + c) d u1v1
    y = (a1 + c1d) u v + (a1 + c1) b u v1 + (a1b + c1) u1v + (a1 + c1) d u1v1


[429]§ 51. Zum Kapitel der symmetrisch allgemeinen Lösungen.

10)
  • x = (a1 + b1d) u v + (b1 + c d) u v1 + (b1 + d) c u1v + (a1 + b1) d u1v1
    y = (a1 + b d) u v + b (c1 + d) u v1 + (b d + c1) u1v + (a1 + b) d u1v1


11)
  • x = (a1 + b1d) u v + (a1c + b1) u v1 + (a1 + b1) c u1v + (a1 + b1) d u1v1
    y = (a1 + b d) u v + (a1 + c1) b u v1 + (a1b + c1) u1v + (a1 + b) d u1v1,


deren jede die gleiche Allgemeinheit wie die 6) beansprucht. In diesen
erscheinen freilich gewisse Koeffizientenpaare, nämlich c, d; resp. a, c;
b, d; a, b, bevorzugt.


Zudem verdient aber noch eine Reihe von Spezialisirungen unserer
Ergebnisse hervorgehoben und für den Gebrauch zurecht gelegt zu
werden.


Exempel 1. x y a. Lösung: x = u (a + v1), y = v (a + u1).
(Man setze in 6) a1 für a und 0 für b, c, d).


Damit sind auch die symmetrisch allgemeinen Lösungen von
a x y = 0 gegeben als: x = u (a1 + v1), y = v (a1 + u1).


Exempel 2. x + y a. Lösung: x = a u, y = a v.


Exempel 3, (zugleich Aufgabe 13 des § 24, Bd. 1, S. 515).
x y = a. Lösung: x = a + u v1, y = a + u1v.


Exempel 4. x + y = a. Lösung: x = a (u + v1), y = a (u1 + v).


Exempel 5. x y1 + x1y a. Lösung:

  • x = u v + (a + s) u v1 + a1s u1v = (a + s + v) u + a1s v u1
    y = u v + a1s u v1 + (a + s) u1v = (a + s + u) v + a1s u v1
    x1 = a1s1u v1 + (a + s1) u1v + u1v1 = a1s1v1u + (a + s1 + v1) u1
    y1 = (a + s1) u v1 + a1s1u1v + u1v1 = a1s1u1v + (a + s1 + u1) v1

Speziell für s = 0 oder 1 hat man die Lösungsformen:

  • x = (a + v) u, x1 = a1v1 + u1,
    y = (a + u) v, y1 = a1u1 + v1
resp.
  • x = u + a1v, x1 = u1 (a + v1)
    y = v + a1u, y1 = v1 (a + u1).

Exempel 6. Zu x y1 + x1y = a, also x = a y1 + a1y, y = a x1 + a1x,
liefert uns 6) die obigen Lösungen 2) der Aufgabe 12 wieder.


Wird in den zwei letzten Exempeln nur y, v mit y1, v1 vertauscht,
so schreibt man aus dem angegebenen x und y1 auch leicht noch ab
die Lösungen der Aufgaben x y + x1y1a resp. = a.


Exempel 7, (zugleich Aufgabe 14 in Bd. 1, S. 515.)
x y = a, x1y1 = b, wo a b = 0.
Aus der vereinigten Gleichung
(a1 + b) x y + (a + b) (x y1 + x1y) + (a + b1) x1y1 = 0
ersieht man, welche Einsetzungen in Schema 6) gemacht werden müssen.
Man findet als Lösungen, die, im Gegensatz zu den in § 24 aufgestellten,
[430]Vierundzwanzigste Vorlesung.
nun auch der Adventivforderung genügen werden, nach nicht un-
interessanten Zwischenrechnungen, unter Berücksichtigung auch der
Resultante a b1 = a oder a1b = b:

  • x = a + b1 {u v1 + r (u + v1)}, x1 = b + a1 {u1v + r1 (u1 + v)}
    y = a + b1 {u1v + r1 (u1 + v)}, y1 = b + a1 {u v1 + r (u + v1)}.

Exempel 8. x y = 0, x + y = 1, oder x = y1, x1 = y,
x y + x1y1 = 0, gibt
x = u v1 + r (u + v1) = y1, y = u1v + r1 (u1 + v) = x1.


Exempel 9. a x = b + y, wo b a oder a1b = 0, gibt die
vereinigte Gleichung:
a1x y + a b1x y1 + x1y + b x1y1 = 0,
und damit gemäss 6) nach geringer Rechnung die Lösung:
x = b + a u v + (a1 + s) (u v1 + u1v), y = a {u v + b1s (u v1 + u1v) + b u1v1},
als deren einfachste Form wir — für s = 0 — haben:
x = b + a u v + a1 (u v1 + u1v), y = a (u v + b u1v1).
Damit wird — wegen a b = b — in der That
a x = a (b + u v) = b + a u v = b + y.


Exempel 10. x y = a, b x + y gibt
a1x y + a x y1 + a x1y + (a + b) x1y1 = 0
und zuerst:

  • x = (a + b r) u v + u v1 + a u1v + (a + b r) u1v1
    y = (a + b r1) u v + a u v1 + u1v + (a + b r1) u1v1,


also einfacher:

  • x = a + u v1 + b (u + v1) r, x1 = a1 {u1v + (b1 + r1) (u1 + v)}
    y = a + u1v + b (u1 + v) r1, y1 = a1 {u v1 + (b1 + r) (u + v1)}.

Die vorstehenden Problemlösungen thun oft gute Dienste. Nicht
minder die nachfolgenden, die ich neu hinzufüge, — mit der in Bd. 1,
§ 24 begonnenen Numerirung der Aufgaben fortfahrend. Die Aufgaben
sind durchweg Auflösungsprobleme mit einer beliebigen Menge von
Unbekannten und sind jeweils so eingerichtet, dass sie keine Resultante
liefern.


Sofern dabei Indizes für die in unbestimmter Anzahl, ja in end-
licher oder auch unbegrenzter Menge vorkommenden Unbekannten xλ
(wo z. B. λ = 1, 2, 3, …) gebraucht werden und man sich nicht ent-
schliessen will, dieselben als obere Indizes zu setzen, thut man gut,
statt des dann unbequem anzuhängenden vertikalen den horizontal
übergesetzten Negationsstrich zu verwenden.


[431]§ 51. Zum Kapitel der symmetrisch allgemeinen Lösungen.

Einer Unbekannten xλ soll immer ein unbestimmtes Gebiet uλ
als wesentlicher Parameter entsprechen. Und alle Lösungen sollen der
„Adventivforderung“ genügen derart, dass man aus ihnen ein gewünschtes
System xλ (λ = 1, 2, 3, …) von Wurzeln der Aufgabe durch die si-
multanen Annahmen uλ = xλ (für λ = 1, 2, 3, …) erhält.


Aufgabe 16 (Erweiterung von Aufg. 1 … 3 des § 24, Bd. 1,
S. 499).


Πλ xλ = 0. Lösung: xλ = uλ Σϰϰ.


Probe 1. Πλ xλ = Πλ uλ Σϰϰ = Πλ uλ · Σλλ = 0.


Probe 2. Ist Πλ xλ = 0, so folgt Σλλ = 1 = Σϰϰ, und folg-
lich xλ Σϰϰ = xλ · 1 = xλ.


Die Symmetrie des Lösungssystems ist evident.


Aufgabe 17. Πλ xλ a. (Erweiterung der vorigen.)
Lösung: xλ = uλ (a + Σϰϰ), λ = λ + ā Πϰ uϰ.


Wie leicht zu sehen, stimmen beide Proben.


Dass auch Lösungen mit noch mehr Parametern aufgestellt werden
können, zeigt z. B. die Annahme a = Σλλ. Hier lässt sich die Aufgabe
ansetzen als:
Πλ bλ xλ = 0,
und man entdeckt unschwer unter Berufung auf Aufg. 16 die Lösung
x λ = λ βλ + bλ αλ γ Σϰ (ϰ + ᾱϰ), λ = bλ (ᾱλ + γ̄) + λ β̄λ + Πϰ bϰ αϰ
worin die αλ, βλ und γ willkürlich.


Unbedingt stimmt hier die Probe 1, und auch die Probe 2 bei der An-
nahme γ = 1, αλ = βλ = ϰλ.


Aufgabe 18. Σλ aλ xλ Σλ aλ bλ.


Lösung: xλ = uλ (λ + Σϰ aϰ bϰ).


Probe 1. Es wird Σλ aλ xλ = Σλ aλ uλ · Σϰ aϰ bϰ Σϰ aϰ bϰ.


Probe 2. Ist die Aufgabensubsumtion erfüllt, so folgt:
xλ = xλ (λ + Σϰ aϰ bϰ),
indem wegen
Σϰ aϰ bϰ = Σϰ aϰ xϰ + Σϰ aϰ bϰ
hierin der letzte Addend um den vorhergehenden vermehrt werden darf;
dann findet sich aber rechts xλ mit λ + aλ oder 1 multiplizirt.


Die Herleitung ist hier sehr leicht zu bewerkstelligen; es ist nämlich
nach (3+) gestattet, in der Aufgabensubsumtion das Summenzeichen linker-
hand wegzulassen, so dass folgt:
aλ xλ Σϰ aϰ bϰ oder xλλ + Σϰ aϰ bϰ. Usw.


Aufgabe 19. Σλ aλ bλ Σλ aλ xλ.


[432]Vierundzwanzigste Vorlesung.

Die Lösung ist:
xλ = uλ + Σϰ aϰ bϰ · Πν (ν + ν),
wo beide Proben stimmen; die erste, indem sich leicht


  • Σλ aλ xλ = Σλ aλ uλ + Πν (ν + ν) · Σλ (aλ Σϰ aϰ bϰ) = Σλ aλ (uλ + Σϰ aϰ bϰ) =
    = Σλ aλ (uλ + bλ)

herausstellt, die zweite auf den ersten Blick, indem für uλ = xλ der
letzte Term unseres xλ verschwindet.


Um zu zeigen, wie auch solche Aufgaben aufgrund des früheren oft
schon systematisch gelöst werden können, kontraponiren wir die Aufgabe in
Πλ (λ + λ) Πλ (λ + λ),
woraus ersichtlich, dass nach dem Schema der Aufgabe 17 zunächst der
allgemeine Wert des Faktors λ + λ angebbar ist. Zu dem Ende muss
das dortige Prädikat a durch die rechte Seite hier ersetzt werden, ausser-
dem aber, um die Adventivforderung zu wahren, das dortige uλ hier durch
λ + λ, — gleichwie die dortige Unbekannte xλ hier vertreten erscheint
durch λ + λ. Dies gewährt uns zugleich den Vorteil, dass in dem sich
ergebenden Ausdrucke für λ + λ keine Resultante der Elimination von
xλ mehr zu berücksichtigen sein wird. Man findet
λ + λ = (λ + λ) {Πϰ (ϰ + ϰ) + Σϰ aϰ uϰ}, = c,
wo c nur für den Augenblick zur Abkürzung dient, und hat nun als Lösung
nach x einer Gleichung + = c, deren Resultante ā c̄ = 0 schon erfüllt
ist, somit der Gleichung a c x + c̄ x̄ = 0:
x = c̄ ū + ( + ) u = + ā u.
Es folgt somit
xλ = aλ uλ + Σϰ aϰ bϰ · Πν (ν + ν) + λ uλ
wie oben angegeben.


Aufgabe 20. Σλ aλ xλ = Σλ aλ bλ.


Lösung: xλ = Πϰ (ϰ + ϰ) · Σν aν bν + Σν aν bν · uλ + uλλ.


Probe 1. Σλ aλ xλ = Πϰ (ϰ + λ) · Σν aν bν + Σν aν bν · Σλ aλ uλ = Σν aν bν,
weil Σλ aλ · Σν aν bν = Σν aν bν ist und sich hernach die Σλ aλ uλ mit dem
Πϰ zu 1 ergänzt.


Probe 2. Ist die Aufgabengleichung als Voraussetzung erfüllt, so
muss sein
xλ = Πϰ (ϰ + ϰ) Σν aν bν + Σν aν bν · xλ + xλλ,
indem das erste Glied rechterhand verschwindet und alsdann bleibt:
xλ = xλ (Σϰ aϰ xϰ + λ),
was durch Hervorhebung des dem Werte ϰ = λ entsprechenden Gliedes
der Σϰ leicht zu verifiziren ist.


[433]§ 51. Zum Kapitel der symmetrisch allgemeinen Lösungen.

Gefunden habe ich die Lösung, indem ich die Aufgabengleichung rechts
auf 0 brachte, aus ihrem Polynome blos die Glieder hervorhob, welche ein
bestimmtes xλ und dessen Negat λ zum Faktor haben, — ohne im Ansatz
der Koeffizienten dieser beiden Symbole ihre tautologische Wiederholung zu
scheuen, — und endlich die so gewonnene Gleichung nach bekanntestem
Schema nach xλ auflöste, rechterhand alle xλ durch die entsprechenden uλ
ersetzend.


Jeder Versuch, zur Lösung dieses Problems die bereits ermittelten
Lösungen der beiden vorhergehenden Aufgaben zu benutzen, scheint dagegen
in einen Zirkel zu führen.


Der Ausdruck unserer Unbekannten xλ ist von der Form
α β + β γ + γ δ = (α + γ) (γ + β) (β + δ),
wonach auch deren Negat λ in ähnlicher Form
ᾱ γ̄ + γ̄ β̄ + β̄ δ̄ = (ᾱ + β̄) (β̄ + γ̄) (γ̄ + δ̄)
leicht hingeschrieben werden kann.


Eine beachtenswerte Vereinfachung des Ausdrucks für xλ tritt ein
in dem Partikularfalle des Problems, wo alle bλ = 1 sind. Alsdann
nämlich zieht sich der Koeffizient λ mit dem aus der vorhergehenden
Σν aν stammenden aλ zu 1 zusammen, und es ergibt sich
xλ = uλ + Πϰ (ϰ + ϰ) · Σν aν
als die symmetrisch allgemeine Lösung der Gleichung
Σλ aλ xλ = Σλ aλ.


Aufgabe 21. Beliebig viel zu einander disjunkte Gebiete auf
die allgemeinste Weise zu bestimmen. (Erweiterung der Aufgabe 8
des § 24, Bd. 1, S. 509). Die Lösungen lauten:
x1 = u1234 … + 1u2u3u4 …,
x2 = 1u234 … + u12u3u4 …,
x3 = 12u34 … + u1u23u4 …,
. . . . . . . . . . . .

Hier wird in der That xϰ xλ = 0, sobald ϰλ. Und wenn x1x2,
x1x3, x1x4, … x2x3, … = 0 ist, so muss auch
x1 = x1234 … + 1x2x3x4 … = x1234
sein, indem das zweite Glied verschwindet, sodann wegen x12 auch
x12 = x1, etc. sein wird, u. s. w.


Aufgabe 22. (Verallgemeinerung der Bd. 1, S. 508 für n = 3
gelösten Aufgabe 7 des § 24.)
x123n + 1x23n + … + 123n — 1xn = 0.


Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 28
[434]Vierundzwanzigste Vorlesung.

Auflösung. Wendet man auf x1 als Unbekannte das wolbekannte
Schema
(a x + b x̄ = 0) (x = b x̄ + ā x)
an, so entsteht
x1 = 1 (x23n + 2x34n + … + 2n — 1xn) + x1 (x2 + x3 + … xn),
und wenn man rechterhand die x durch arbiträre Parameter u ersetzt, so
hat man schon mit diesem ersten Schritt unserer Methode für die erste Un-
bekannte die gesuchte Lösung, — woraus sich die Werte der übrigen Un-
bekannten nach der Symmetrie abschreiben lassen. Das System der all-
gemeinen Wurzeln ist mithin:


  • x1 = u1 (u2 + u3 + … + un) + 1 (u23n + 2u34n + … + 2n — 1un)
  • x2 = u2 (u1 + u3 + … + un) + 2 (u13n + 1u34n + … + 13n — 1un)
  • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
  • xn = un (u1 + u2 + … + un — 1) +
    + n (u12n — 1 + 1u23n — 1 + … + 12n — 2un — 1)
  • 1 = u123n + 1 (u2u3 + u2u4 + u3u4 + … + un — 1un + 23n)
  • 2 = u213n + 2 (u1u3 + u1u4 + u3u4 + … + un — 1un + 13n)
  • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
  • n = un12n — 1 +
    + n (u1u2 + u1u3 + u2u3 + … + un — 2un — 1 + 12n — 1).

Der Bildung der Negationen liegt der leicht erweisliche Satz zum Grunde,
dass die Negation von
a123n + 1a23n + … + 12n — 1an,
nämlich
(1 + a2 + a3 + … + an) (a1 + 2 + a3 + … + an) … (a1 + a2 + … + an — 1 + an) =
= a1a2 + a1a3 + a2a3 + … + an — 1an + 12n

ist, — wo man sich behufs Nachweises nur zu überzeugen braucht, dass
a1a2 als Glied in jedem Faktor enthalten ist und die übrigen Partialprodukte,
in denen a1 und a2 vorkommen, sonach absorbiren wird, sowie dass die
Partialprodukte mit nur einem unnegirten Faktor, wie 12n — 1 (a1 +
+ a2 + … + an — 1) verschwinden.


Nach dem oben angezogenen Schema stimmt nun jedenfalls die Probe
2 und bleibt also blos noch die Probe 1 zu machen, d. h. nachzusehen, dass
in der That bei ganz beliebigen uλ z. B. x123n = 0 wird. Zu dem
Ende wird man am besten 2, … n auch nach u1 entwickeln und darnach
durchmultipliziren. Man hat
2 = u12 (u3 + u4 + … + un) + 1 {2 (u3u4 + … + un — 1un) + 34n}
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
n = u1n (u2 + u3 + … + un — 1) + 1 {n (u2u3 + … + un — 2un — 1) + 23n — 1}
[435]§ 51. Zum Kapitel der symmetrisch allgemeinen Lösungen.
und es verschwindet in unserm Produkt nicht nur der Term mit u1,
— weil in seinem Koeffizienten der Faktor u2 + u3 + … + un zusammen-
trifft mit dem in Überschiebung sich bildenden 23n, — sondern auch
der Term mit 1; denn z. B. u234n, durch den Faktor in Klammern { }
aus 2 unverändert gelassen, trifft in den Klammern { } aus den übrigen
zusammen entweder mit einem zweiten Gliede, das den Faktor 2 auf-
weist, oder mit einem ersten Gliede, und darin je mit einem Produkte zweier
unnegirten u, deren mindestens eines in ihm negirt vorkommt.


Das vorstehende Problem und seine Lösung konziser darzustellen, würde
erst mit dem Bezeichnungskapital des Bd. 3 ermöglicht.


Aufgabe 23. Der Forderung
Σλ (xλ = aλ) = 1
symmetrisch auf die allgemeinste Weise zu genügen. Es sollen also
die Unbekannten xλ so bestimmt werden, dass mindestens eine derselben
dem ihr zugeordnet gegebenen Werte aλ gleich ist.


Die Auflösung lässt sich wenigstens für den im Hinblick auf Bd. 3
besonders wichtigen Fall geben, wo die vorkommenden Symbole a, x, u
sämtlich (wie Aussagen) auf den Wertbereich 0, 1 beschränkt sein sollen.
Sie lautet alsdann:
xλ = uλ Σϰ (aϰ uϰ + ϰϰ) + aλ Πϰ (ϰ uϰ + aϰϰ),
womit, da rechts die Σϰ und das Πϰ Negate von einander sind,
λ = λ Σϰ + λ Πϰ
einfach wird.


Probe 1. Mit vorstehenden Werten der Unbekannten wird
Πλ (λ xλ + aλλ) = Πλ (λ uλ + aλλ) · Σϰ (aϰ uϰ + ϰϰ) = 0,
und jeder Faktor des Produkts zur Linken kann bei der statuirten Ein-
schränkung des Wertbereiches auch nur einen der Werte 0 und 1 haben.
Verschwinden kann daher das Produkt nur dadurch, dass mindestens
einer seiner Faktoren 0 wird. Daher ist mindestens für ein λ nun
λ xλ + aλλ = 0, d. h. xλ = aλ, wie immer die Werte uλ auch als 1 oder
0 angenommen sein mochten.


Probe 2. Ist ein xλ = aλ, d. h. für wenigstens ein λ auch λ xλ +
+ aλλ = 0, so verschwindet für u = x das Πϰ und wird die Σϰ gleich 1,
womit sich die Lösung als xλ = xλ · 1 + aλ · 0 bewahrheitet.


Wie man leicht sieht, ist die Lösung so beschaffen, dass wenn zu-
fällig ein uϰ = aϰ ist, dann auch xϰ = uϰ = aϰ wird, während die übrigen
xλ = uλ beliebig bleiben. Ist dagegen kein uϰ gleich dem zugehörigen
aϰ, so werden alle xλ bezüglich gleich den aλ.


Die hiemit abgeschlossene (wol noch vermehrungsfähige und er-
28*
[436]Vierundzwanzigste Vorlesung.
gänzungsbedürftige) Reihe von Problemen umfasst diejenigen, auf deren
vorgängige, propädeutische Erledigung mich die Versuche hingedrängt
haben, die schwierigen Auflösungsaufgaben des dritten Bandes zu be-
wältigen. Sie sind, wie gesagt, nur in heuristisch-methodologischer
Hinsicht von Belang, blos für den Forscher bei Entdeckungsfahrten
auf diesem Gebiete unentbehrlich.


Umgekehrt wird mit jedem Auflösungsproblem in der Algebra der
Relative implicite auch eines der Probleme „symmetrisch allgemeiner
Lösungen“ seine Erledigung finden wenigstens für den Fall, wo sämt-
liche Unbekannten und Bekannten auf den Bereich der beiden Werte
0 und 1 eingeschränkt sind.


[[437]]

Fünfundzwanzigste Vorlesung.


§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literatur-
zuwachse. Kritisches und Antikritisches.


Nachdem wir so mancherlei Methoden zur Lösung logischer Probleme
teils flüchtig gestreift, teils eingehend betrachtet haben, dürfte ein in
Kürze das Wesentliche zusammenfassender Rückblick von Nutzen sein, —
umsomehr als auch noch einige Nachträge unterzubringen sind, welche
die inzwischen angewachsene Literatur und erweiterte Literaturkenntniss dem
Verfasser aufdrängt.


Als elementaren Teil des Logikgebäudes stellten wir hin: die Logik
der Umfangsbeziehungen
zwischen absoluten Begriffen, d. h. solchen
Begriffen, zu deren Darstellung schon „absolute Namen“ (Bd. 1, S. 76)
ausreichen. Die Umfänge solcher absoluten Begriffe können schlecht-
weg als „Klassen“ bezeichnet werden, die Disziplin somit als der „identische
Kalkul mit Klassen
“, kurz als „Klassenkalkul“. Zugänglich dieser
Disziplin und ihren Gesetzen unterworfen sind alle diejenigen Urteile, —
universale oder partikulare, — zu deren Aufstellung immer nur ein
Individuum der Subjektklasse auf einmal dem Geiste gegenwärtig zu
sein und vorgestellt zu werden braucht.


Sagt man z. B. „Alle Planeten bewegen sich in Ellipsen“ oder „Einige
Planeten haben Monde“, so braucht man doch an nicht mehr als einen
Planeten dabei zu denken, wogegen ein Urteil wie „Die Planeten stören
einander“ gar nicht erfasst werden könnte, ohne dass man sich mehrere
Individuen der Subjektklasse gleichzeitig vorstellte, um eben zwischen ihnen
eine Beziehung zu denken, die keine „Umfangsbeziehung“ in Hinsicht des
Planetenbegriffes ist.


Hierin liegt gewiss von vorn herein eine ungeheure Beschränkung
unserer Disziplin, — wie namentlich im dritten Bande zu sehn sein wird,
wo wir, uns von der Beschränkung befreiend, über die Disziplin hinaus-
gehen. Solches Zugeständniss thut indess der fundamentalen Bedeutung
und Wichtigkeit unseres elementaren Teils der Logik keinen Eintrag.
Schloss derselbe doch in sich die ganze scholastische Syllogistik und in der
That auch fast die ganze traditionelle Logik, sofern man diese von ihren
zahlreichen metaphysischen und psychologischen Beimengungen gereinigt fasst.


[438]Fünfundzwanzigste Vorlesung.

Anstatt die Individuen einer Klasse generell zusammenzufassen, behufs
distributiver Verwendung des die Klasse kennzeichnenden Namens, kann
man sie auch kollektiv zusammenfassen zu einem Systeme, einem Gebiete
oder einer Menge, u. s. w; m. a. W. man kann auch die Klasse als
ein Ganzes denken, von dem Individuen und Unterklassen die Teile
vorstellen. So war der Klassenkalkul zugleich ein „Gebietekalkul“
oder ein „Kalkul mit Systemen“, der sich durch Diagramme oder
Figuren leicht veranschaulichen liess und deshalb propädeutisch in den
Vordergrund gestellt wurde.


Auf den elementaren wird als ein höherer Teil (mit Bd. 3) zu
folgen haben: die Logik der Beziehungen überhaupt. Auch diese hat —
zum voraus sei es gesagt — ihre Entwicklung allein gefunden als eine
Umfangslogik, und zwar vornehmlich durch die Leistungen von A. De
Morgan
und Ch. S. Peirce, durch welche sich die Disziplin zu einer
Algebra der Relative“ gestaltete. Ein „Relativ“, wie „Ursache von —“,
„Teiler von —“, etc. ist der Umfang des zugehörigen (relativen) Be-
griffes.


Das Verhältniss der Theorie der Relative zum elementaren Teile der
Logik weist viele Analogien auf mit dem Verhältnisse der höhern Analysis,
der Infinitesimalrechnung, zur sogenannten niedern, der Arithmetik und
Algebra u. s. w., namentlich im Hinblick auf die vergleichende Wertschätzung
und den Umfang der Anwendungssphäre beider Disziplinen, deren eine hier
wie dort eine Tochterdisziplin der andern ist. Obendrein ist aber in den
logischen Disziplinen auch die Wurzel der arithmetischen zu suchen. Von
der (Beziehungen -) Logik hat nämlich die Logik der Beziehungen des ein-
deutigen Entsprechens
, der Zuordnung oder Abbildung schon weitaus die
reichste Entfaltung gewonnen in Gestalt der Arithmetik, Analysis und
Funktionenlehre selbst, d. i. der reinen Mathematik (im engsten Sinne).
Dagegen bleibt noch nachzuweisen deren Ursprung in der allgemeinen
Logik (der Relative), — ein Nachweis, den unser dritter Band — neben
anderm — zu liefern unternimmt.


Im elementaren Teil unterschieden wir zwei Etappen oder Stufen.


Auf ihrer ersten Stufe besitzt die Umfangslogik der absoluten
Begriffe als Beziehungszeichen nur das Subsumtions- und das Gleich-
heitszeichen, nicht aber deren Verneinungen; sie entbehrt hier noch
einer sozusagen „verneinenden Kopula.“


Demzufolge sind ihr ausschliesslich zugänglich: die (bejahenden
und verneinenden) universalen Urteile, und, als wesentlich auf dasselbe
hinauslaufend, auch die verneinenden Existenzialurteile. Man kann die
erste Logikstufe geradezu als die Logik der universalen Urteile (inner-
halb des elementaren Teiles natürlich) bezeichnen. Ihr war unser Bd. 1
ausschliesslich gewidmet.


[439]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.

Als ein Sonderfall ordnet ihr sich ein: der Aussagenkalkul, als ein
auf den Bereich der beiden „Wahrheitswerte“ 0 („falsch“) und 1 („wahr“)
beschränkter Klassenkalkul. Die zu verneinende Frage, ob dieser Aus-
sagenkalkul auf einen umfassenderen Wertbereich sich ausdehnen lasse,
wie von gewissen Seiten behauptet ist, wird uns noch im nächsten
Paragraphen beschäftigen. Da somit uns stets
(A ≠ 1) = (A = 0)
zu gelten haben wird, können wir sagen, dass auch der Aussagenkalkul
von durchaus universalem Charakter ist.


Auf der zweiten Stufe gelangt die elementare Logik durch Zuhilfe-
nahme auch einer „verneinenden Kopula“ erst in den Stand, die parti-
kularen
Urteile, affirmative sowol als negative, sowie die bejahenden
Existenzialurteile
einzukleiden und die auf sie bezüglichen Schluss-
folgerungen in ihre Gewalt zu bekommen.


Für jede der beiden elementaren Logikstufen gibt es zwei funda-
mentale Probleme, ein allgemeines Eliminationsproblem und ein all-
gemeines Auflösungsproblem, deren letzteres die vorgängige Bewältigung
des ersteren fordert. Für die erste Stufe haben beide Probleme —
allerdings nur bei „endlicher“ Menge von Eliminanden resp. Unbekannten —
ihre Lösung bereits vollständig gefunden.


Für die zweite Stufe schien das Auflösungsproblem an Wichtigkeit
gegen das Eliminationsproblem zurückzutreten, — jedoch nur, um in be-
deutend erweiterter Fassung im dritten Bande wieder zu seinem Recht zu
gelangen.


Weitaus die meisten der bislang zur Lösung aufgestellten „Methoden“
beziehen sich auf die genannten beiden Probleme nur für die erste
Stufe.


Das primitivste, kunstloseste Verfahren ist die Methode von
Jevons — der Zeit nach die zweite. Sie zerhackt die Prämissen in
kleinste Stücke, sozusagen Atome (Boole’s „Konstituenten“ in Hinsicht
aller Klassensymbole), um darnach das zur Lösung Erforderliche aus
ihnen herauszuklauben und (mühsam) zusammenzuleimen. Dabei ent-
behrt sie noch der allgemeinen Schemata Boole’scher „Entwicklung“
nach bestimmten von den Symbolen.


Eng schliesst sich an sie an das graphische Verfahren von Venn
und Scheffler — mit dem Fortschritt, dass man schon etwas mehr
von dem, was dort zu zerhacken gewesen, nunmehr beisammen lassen
kann.


[440]Fünfundzwanzigste Vorlesung

Auch gehört hierher das Auflösungsverfahren (aber nicht das Eli-
minationsverfahren) von Boole selbst noch insofern, als dabei die
durch Rechnen gefundenen Ausdrücke für die Unbekannten zu „ent-
wickeln“ sind nach jenen Konstituenten (in Hinsicht wenigstens der
beim Problem gegebenen Klassen).


Als nicht sehr erhebliche Modifikation dieses Verfahrens schliesst
sich neuerdings an: Herrn Macfarlane’s9 „logisches Spektrum.“


Die Konstituenten werden durch schmale Rechtecke von gleicher Höhe
dargestellt, die sich zu einem horizontalen Band oder Streifen aneinander-
schliessen, so dass ein Schema entsteht, welches von ferne an das Sonnen-
spektrum mit seinen Fraunhofer’schen Linien erinnert. Die linkseitige
Hälfte des Streifens ist z. B. mit a überschrieben, die rechtseitige mit a1;
von jeder dieser Hälften ist wieder die linke Hälfte mit b überschrieben,
die rechte mit b1, und so fort. Ein solches nach den gegebenen Klassen
eingeteiltes Spektrum wird aufgestellt für eine jede der gesuchten Un-
bekannten x, y, ….


Das Feld eines Konstituenten wird weiss gelassen, wenn seine Klasse
durch die Data als ganz enthalten gesetzt ist in der dem Spektralstreifen
zugeordneten unbekannten Klasse, sage z. B. in x; es wird schwarz bedruckt,
wenn der Konstituent ganz von x ausgeschlossen ist, dagegen schraffirt,
falls der Konstituent kraft der Data verschwinden muss; endlich wird das
Feld des Konstituenten nur zur einen (z. B. untern) Hälfte geschwärzt da,
wo die Data es offen, unbestimmt lassen, ob alles, einiges oder nichts von
seiner Klasse zu x gehöre.


Über diese Fragen entscheiden aber die Koeffizienten der Boole’schen
„Entwicklung“, und Herrn Macfarlane’s Modifikation in des letzteren
Verfahren besteht blos darin, dass er die Wertsysteme 1, 1, … 0, 0, …,
welche nach Boole für die gegebenen Klassen jeweils einzusetzen sind in
die nach x, y, … aufgelösten Gleichungen, statt dessen lieber einsetzt in
die noch nicht aufgelösten, ursprünglichen Prämissengleichungen, — um
diese dann in jedem einzelnen Falle gesondert nach den Unbekannten
(arithmetisch) aufzulösen, wo sie allerdings nur Einsen oder Nullen zu
Koeffizienten haben werden, und die allgemeine Auflösung umgangen ist.
In seinem Beispiel thut er dies in 64 Fällen!


Sein Gedankengang ist: wenn der Konstituent, dessen Koeffizienten im
Ausdrucke von x wir eben suchen, gleich 1 (d. i. gleich der ganzen Mannig-
faltigkeit) wäre, wo dann alle übrigen Konstituenten verschwinden müssten,
so wäre x gleich diesem Koeffizienten. Der letztere muss also gleich dem
Werte von x sein, der sich unter der genannten Voraussetzung ergibt.


Natürlich kommen bei den Einzelauflösungen verschiedene Fälle vor:
neben dem Wert 0 oder 1 der Unbekannten (und somit auch des gesuchten
Koeffizienten) auch ihre Unbestimmtheit, durch die Gleichung 0 = 0 sich
kundgebend, ihre Unmöglichkeit, durch 0 = 1 charakterisirt, und Werte
wie ½, logisch bedeutungslos, — wobei der betreffende Konstituent für sich
verschwinden muss. —


Der Arbeit gegenüber ist der Wunsch am Platze, es möchten neuere
[441]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
Autoren auf dem Felde der rechnenden Logik, anstatt fort und fort Boole’s
veraltete Methode zu variiren oder zu manieriren, sich doch nicht länger
der Einsicht verschliessen, dass wir längst über eine Reihe von sehr viel
besseren Prozeduren verfügen, — und verdienen Frau Franklin-Ladd’s
Worte2 p. 560 zur Beherzigung empfohlen zu werden:


„Der Logiklehrer, welcher immer noch glaubt, Boole’s mühsame
Methoden darlegen zu müssen zu irgend andern als zu historischen Zwecken,
schädigt seine Schüler ernstlich.“


Diesen genannten Methoden stehen andre gegenüber, welche im
Gegenteil die sämtlichen Prämissen zu einer einzigen Gesamtaussage erst
zusammenfassen, um an dieser die Elimination und Auflösung zu voll-
ziehen.


Wesentlich kommen alle diese hinaus auf Boole’s Eliminations-
verfahren (der Zeit nach die erste Methode) und auf dessen von mir
modifizirtes Auflösungsverfahren (der Zeit nach die dritte zuweilen so
genannte „Methode“), — wo nicht, noch minder vollkommen, auf Boole’s
Entwicklungsschemata oder deren duale Gegenstücke.


Man kann aber vier Manieren bei diesem Verfahren unterscheiden,
nämlich zwei Hauptmanieren, die sich wieder in je zwei Untermanieren
scheiden.


Die Untermanieren ergeben sich, je nachdem man vorzieht, das
Polynom der „vereinigten“ oder Gesamt-Aussage („Äquivalente“ — sc.
mit dem Prämissensystem, wie Voigt sie nennt) jeweils in Aggregat-
form anzusetzen, d. h. als Summe von Produkten aus lauter einfachen
Symbolen, oder aber in der dazu dualen Form eines Produktes von
Summen einfacher Symbole.


Die Hauptmanieren wurzeln in den folgenden beiden Möglichkeiten:
Entweder man bringt sämtliche Prämissen rechts auf Null, (die Sub-
sumtionen also auf das Prädikat 0), — wie ich es in der Regel vor-
ziehe. Oder man operirt mit links durchweg auf Eins (bez. auf das
Subjekt 1) gebrachten Subsumtionen und Gleichungen, — wie dies
Mitchell1 vorgezogen, dem auch Herr Voigt1, (soweit die erste Stufe
in Betracht kommt,) sich beigesellt, — desgleichen, wie ich neuerdings
ersehe, (wiederum in andrer Weise) Herr Poretzki.


Jenes, das Umschreiben jeder Subsumtion a b in a b1 0, heisst
im Grunde nur: sich vergegenwärtigen, was alles nach den Daten des
Problems für ausgeschlossen, unzulässig, unmöglich erklärt wird; hier:
es gibt nichts, was a und nicht b wäre.


Dieses, das Transcribiren derselben Subsumtion in die 1 a1 + b,
heisst dagegen: sich gegenwärtig halten alles, was nach den Daten
noch zulässig bleibt: das Mögliche ist entweder nicht-a oder es ist b.


[442]Fünfundzwanzigste Vorlesung.

Dort müssen die Einzelprämissen durch Addition der Subjekte,
hier durch Multiplikation ihrer Prädikate zur Gesamtaussage vereinigt
werden.


Zwei von den vier Manieren bieten den Vorteil, die Elimination
mittelst Tilgung des Eliminanden vollziehen zu können („Radirmethode“),
— so namentlich die erste Unterart der zweiten Hauptmanier; diese muss
den Vorteil aber durch den Nachteil erkaufen, dass man beim vor-
bereitenden Vereinigen der Prämissen die Polynome derselben zu multi-
pliziren hat, anstatt, wie sonst, zu addiren. Und dual Entsprechendes
wäre bezüglich der zweiten Unterart der ersten Hauptmanier zu sagen,
wo dafür Produkte von Summen unbequem additiv zu vereinigen wären.
Jedoch gelten diese Bemerkungen nur im Hinblick auf die aus der Arithmetik
überkommene Gewöhnung des Rechnens mit Aggregaten und würden hin-
fällig, sobald man Gewandtheit im dual entsprechenden Rechnen voraus-
setzte. — Vergl. die Schematisirung der vier Manieren weiter unten.


Auch bei den zwei andern Manieren ist die Elimination ein leichtes,
doch noch zuweilen mühsames Geschäft; die sämtlichen Prämissen können
hier auch getrennt gelassen, sie brauchen nicht förmlich zur Gesamt-
aussage vereinigt zu werden; auch aus den einzeln stehenden, sei es
rechts auf 0, sei es links auf 1 gebrachten Prämissensubsumtionen
lassen sich vollständig nach und nach herauslesen die Koeffizienten
(beziehungsweise Ko-addenden) der Unbekannten und ihrer Negation.


Nachdem ich im Anschluss an Boole die erste der vier Manieren
ausgebildet, Mitchell die dritte vorgezogen, ist von Herrn Poretzki1
die vierte in extenso dargelegt worden, nur mit dem im allgemeinen
eine grössere Umständlichkeit bedingenden Unterschiede, dass er noch
völlig an dem dualen Gegenstück der Boole’schen Entwicklungsschemata
(auch nach mehreren Argumenten) klebt.


Da ich Poretzki’s Schrift bei Abschluss meines Bd. 1 noch über-
sehen hatte, so will ich mir gestatten, im folgenden Kontext mich in
Kürze über dieselbe auszulassen, teils kritisch, teils zur Abwehr, nament-
lich aber, um die Poretzki’schen Beispiele, der von mir angestrebten
Vollständigkeit halber, einzuverleiben.


Aufgabe1 p. 115 … 118.


Es bedeute 1 die Mannigfaltigkeit der Mädchen auf einem Balle, und
sei a = wolerzogen, b = lustig, c = jung, d = hübsch. So mögen folgende
vierzehn Prämissen gegeben sein:

1 = a + b + c + d,1 = a + b + c + d1,1 = a + b + c1 + d,
1 = a + b + c1 + d1,1 = a + b1 + c + d,(0 = a1b c d1 oder)
1 = a + b1 + c1 + d,(0 = a1b c d oder)1 = a + b1 + c1 + d1,
(a b + c + d*) oder)1 = a1 + b + c + d,(a d b + c oder)
1 = a1 + b + c + d1,(b1a1 + c1 + d1 oder)1 = a1 + b + c1 + d1,
(a b c1d oder)1 = a1 + b1 + c + d,(c1a1 + b1 + d1 oder)
1 = a1 + b1 + c + d1,(a b c d1 = 0 oder)1 = a1 + b1 + c1 + d,
1 = a1 + b1 + c1 + d1;

Das heisst also z. B: Alle sind wolerzogen oder lustig oder jung
oder hübsch, aber keine besitzt alle diese Eigenschaften gleichzeitig (letzte
Prämisse); jedes wolerzogene, hübsche Mädchen ist zugleich lustig oder
auch jung, (a d b + c), u. s. w.


Man soll jede von den vier Klassen durch jede von den drei andern
ausdrücken.


Auflösung (in vereinfachter Weise). Die identische Null ist gleich dem
Produkt aller sechzehn „Produzenten“, die man aus
a + b + c + d
erhält, indem man die Glieder auf jede erdenkliche Weise mit Negations-
strichen versieht — vergl. das duale Gegenstück zur Entwicklung der identischen
Eins nach den Argumenten a, b, c, d, Bd. 1, S. 418 —. Von diesen
sechzehn Produzenten sind der Annahme nach vierzehn gleich 1, nämlich
alle ausser den beiden a1 + b + c1 + d und a + b1 + c + d1. Darnach redu-
ziren sich die Data auf den Ansatz:
0 = (a1 + b + c1 + d) (a + b1 + c + d1), = f (a, b, c, d),
[oder bei Poretzki
1 = a b1c d1 + a1b c1d, = f1 (a, b, c, d)].
Nach a entwickelt wird die Nullgleichung
a · f (1, b, c, d) + a1 · f (0, b, c, d) = 0 = a (b + c1 + d) + a1 (b1 + c + d1),
was nach den Th. 24+) und 39) sofort erkennen lässt, dass
a = b1 = c = d1 oder auch a1 = b = c1 = d
die gesuchte Lösung ist. Darnach sind z. B. die jungen Damen auf dem
Balle zwar alle wolerzogen, aber betrübenderweise sämtlich weder lustig
noch hübsch. U. s. w.


Aufgabe.Poretzki1 p. 114 sq.


In einer Kommode sind zwei Lagen Wäsche, und bedeute 1 diese letztere,
sowie a = feine, b = grosse, c = teure, d = frische Wäsche. Bekannt
sei, dass
1 = b + a (d1 + c1)
und a1 + d1c a b1c1 + b (d + a c1).
Man berechne d1. (Ist die getragene Wäsche grobe oder feine? …)


[444]Fünfundzwanzigste Vorlesung.

Auflösung in meiner Manier: In der zweiten Prämisse reduzirt sich
der Major augenscheinlich auf a c1 + b d, worauf diese auf
(a1 + c d1) (b1 + d1) = 0
hinauskommt und mit der ersteren: (a1 + c d) b1 = 0 vereinigt gibt:
(a1 + c) (b1 + d1) = 0.
Darnach ist (a1 + c) b1 = 0 oder (1 a + b) (c b) die Resultante der
Elimination des d, und
d1 = u a c1, wo u unbestimmt, oder 0 d1a c1
die gesuchte Auflösung nach d1. Alle Wäsche ist entweder feine oder
grosse, die teure auch immer grosse, und die getragene durchweg feine, je-
doch von der billigen Sorte.


Bringen wir statt dessen mit Poretzki auch die zweite Prämisse
links auf 1:
1 = a (c1 + d) + a c1 + b d = a c1 + a d + b d,
so haben wir als Gesamtaussage der Prämissen
1 = (a c1 + a d1 + b) (a c1 + a d + b d) = a c1 + b d, = f (a, b, c, d).
Die gleiche Prämisse 1 = a c1 + b d ist nun auch einer andern p. 139 sq.
behandelten Aufgabe Poretzki’s zu grunde gelegt, wobei bedeuten soll:
a = Hausbesitzer, b = reich, c = Kaufmann, d = einer gewissen Sekte an-
gehörig: altgläubig.


Die dualen Gegenstücke zu Boole’s „Konstituenten“ (der Entwicklung
der 1 oder irgend einer Funktion nach gegebenen Argumenten) werden von
Poretzki als (elementare) „Produzenten“ bezeichnet, — ein gut gewählter
acceptabler Ausdruck.


Bilden wir letztere durch duale Entwicklung der Prämisse nach a, so
zerfällt sie nach Th. 24×) und 44×) in die beiden
1 = a + f (0, b, c, d) = a + b d, 1 = a1 + f (1, b, c, d) = a1 + c1 + b d,
welche der Autor auch umsetzt in die Formen
b1 + d1a, c a1 + b d,
falls wir, wie schon angedeutet, von dem Umstande absehen, dass derselbe
eine Subsumtion α β immer nur in der Form α = α β oder β = α + β
anzusetzen vermag.


Entwickeln wir ebenso dual nach b, d, so ergeben sich die vier in
ihrer Gesamtheit mit der einen obigen äquivalenten Prämissen:
1 = b + d + f (a, 0, c, 0) = b + d + a c1,
1 = b + d1 + f (a, 0, c, 1) = b + d1 + a c1,
1 = b1 + d + f (a, 1, c, 0) = b1 + d + a c1,
1 = b1 + d1 + f (a, 1, c, 1) = b1 + d1 + a c1 + 1 = 1,

[445]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
von welchen die letzte jedoch sich als Identität erweist, so dass auch die
drei Data:
(a1 + c) d1b, (a1 + c) b1d1, b d1a c1
zusammen unser obiges Datum vertreten können.


Letzteres zerfällt endlich, desgleichen entwickelt nach b, c, d, in acht
Aussagen, worunter zwei Identitäten.


Die Resultante der Elimination von a und c aus der Prämisse:
1 = f (1, b, 1, d) + f (1, b, 0, d) + f (0, b, 1, d) + f (0, b, 0, d)
ist eine Identität 1 = 1; es folgt also zwischen b und d keine bestimmte
Beziehung. U. s. w.


Zum Schlusse p. 168 sq. zeigt Poretzki noch, wie man komplizirte
logische Aufgaben erfinden könne über n Klassen mit m „Elementen“
(Produzenten, resp. Konstituenten) und p Prämissen. Zu dem Ende setzt
er willkürlich von den 2n Produzenten hinsichtlich der n Klassen irgend-
welche m (\< 2n) gleich 1, z. B. n = 4, m = 7, p = 3:
1 = a + b + c + d, 1 = a1 + b + c + d, 1 = a + b1 + c + d1,
1 = a + b1 + c + d, 1 = a1 + b + c1 + d, 1 = a + b + c1 + d,
1 = a1 + b + c + d1,

sondert dieselben in p Gruppen, — wie z. B. das erste Paar, das zweite
Paar und die letzten drei, — und stellt das Produkt der Produzenten jeder
Gruppe gesondert als Prämisse hin, — so hier:
1 = b + c + d, 1 = a + b1 + c, 1 = b + a1c1 + a1d + c d + c1d1,
was dann noch mannigfach in Subsumtionenform umgesetzt werden könnte.
Endlich gibt er den Klassen eine Deutung, wie: 1 = Bewohner eines Hauses,
a = reich, b = gesund, c = jung, d = im Besitz einer Familie.


Nun kann er fordern, irgend eine Eliminationsresultante zu bilden,
auch eine Klasse, oder eine gegebene Funktion von gewissen Klassen durch
andere darzustellen, unter Zerfällung dieser Funktion in „elementare Pro-
duzenten“ (Peirce’s Primfaktoren). Etc.


Aufgabe p. 111 … 114.


Zwischen den Vögeln im zoologischen Garten sind fünf Beziehungen
bekannt. Wenn s = Singvögel, g = grosse, x und y solche Vögel bedeuten,
welche eine Eigenschaft x resp. y haben, so sei gegeben:
s g + y, y1g1 + x1, x s + g, g1 = s + x, x y s1g = 0.
Es soll y durch g und s, sowie x durch s und x durch y ausgedrückt
werden.


Gegenüber der umständlichen Art, wie ich nach Herrn Poretzki diese
Aufgabe (durch meine Methode) angeblich lösen würde, will ich erst zeigen,
wie ich sie wirklich löse.


Sofort schreibt man als die vereinigte Prämissengleichung hin:
g1s y1 + g x y1 + g1s1x + g1s1x1 + g s1x y = 0.
[446]Fünfundzwanzigste Vorlesung.
Ich pflege nun ganz naheliegende Vereinfachungen keineswegs zu unter-
lassen. Auf den ersten Blick ist ersichtlich, dass unser drittes und viertes
Glied zu g1s1 sich zusammenzieht; und hält man das mit dem ersten Glied
zusammen, so wird bei diesem nach Th. 33+) Zusatz die Unterdrückbarkeit
des Faktors s ersichtlich; ebenso beim letzten Glied die des Faktors g.
Das so vereinfachte erste Glied g1y1, mit dem zweiten zusammengehalten,
zeigt bei diesem die Überflüssigkeit des Faktors g an; und das zu x y1 ver-
einfachte zweite Glied bringt bei dem schon zu s1x y reduzirten letzten
Gliede noch den Faktor y in Wegfall, wonach die Prämisse lautet:
g1y1 + x y1 + g1s1 + s1x = 0 oder (g1 + x) (s1 + y1) = 0.
Da die Elimination irgendwelcher von den vier Symbolen g, s, x, y sich
hier immer auf das einfachste vollzieht, indem man die sie betreffenden
Glieder aus dem Polynom der Gleichung fortlässt, (indem eben keines der-
selben sowol unnegirt als negirt vorkommt), so liest man hieraus leicht
die Antwort auf jede der gestellten Fragen heraus, nämlich zusammen mit
g1s1 = 0 als Resultante: g1y für die erste, x s für die zweite und
x y für die dritte Frage.


Poretzki gewinnt mühsam gemäss der dualen Gegenstücke zu Boole’s
Entwicklungsformeln die vereinigte Gleichung
1 = g x1 + s y
und deduzirt daraus (in der erwähnten unzweckmässigen Schreibweise à la
Jevons) wesentlich dasselbe wie wir oben. —


Zufolge häufigen und ungemein schwankenden Gebrauches des nirgends
erklärten Ausdruckes „qualitative Form“ leidet Poretzki’s Exposition viel-
fach an Unklarheit und Weitläufigkeiten; auch muss ich es als verfehlt
ansehen, die Determination als eine „Realisirung“ zu bezeichnen, sowie, die
identische Addition als Umkehrung derselben hinzustellen (p. VII) und
demgemäss „Abstraktion“ zu nennen. Diese Ausstellungen treffen besonders
die 24 Seiten starke Einleitung der Schrift, die sich sonst vielfach durch
zutreffende kritische Bemerkungen auszeichnet.


P. 41 wirft Herr Poretzki mir einen Fehler vor: den, in meinem
Operationskreis2 nicht hinlänglich unterschieden zu haben zwischen „un-
bestimmt
“ und „willkürlich“. Gewiss mit Recht führt er — in Bezug auf
unser Th. 43×) (a b) = (a = u b) — aus, der Satz „Moskau ist eine
Stadt“ decke sich durchaus nicht mit dem Satze „Moskau ist eine beliebige
Stadt.“ Bei dem Haupttheorem in2 p. 20 hatte ich allerdings u für arbiträr
erklärt. Dort hatte ich aber die Auflösung einer Gleichung nach einer
Unbekannten im Auge, die ich stillschweigend als aus der Gleichung zu
bestimmende und blos durch sie bestimmte dachte, nicht aber die Auflösung
nach einer Klasse, die schon anderweitig gegeben ist. Ich hätte andernfalls
u für „unbestimmt oder willkürlich“ erklären müssen. Dass ich jedoch
schon damals weit entfernt gewesen, diesen Unterschied zu übersehen, zeigt
meine Ausführung in3, p. 30, wo ich an einem Anwendungsbeispiele eben-
[447]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
diesen Unterschied darlegte, — was Herrn Poretzki wol entgangen ist.
Cf. Bd. 1, S. 399 und § 21. — Wenn aber Herr Poretzki ebenda p. 41
meint, dass von meiner Behauptung, der Ausdruck x = a1 (u + b) umfasse
für ein von 0 bis 1 variirendes u die sämtlichen Wurzeln x der Gleichung
a x + b x1 = 0 (Schröder2, p. 22), zu sagen wäre: „hier sei jedes Wort ein
Fehler,“ so kann ich dies nur bestreiten und nach wie vor darauf bestehen,
dass jedes Wort daran richtig ist. (Poretzki’s — wie er fälschlich meint,
notwendige — Annahme u = x liefert nur eine von den im allgemeinen
unendlich vielen Wurzeln, und zwar, sobald man unter x eine bestimmte,
etwa schon anderweitig gegebene Klasse versteht, ebendiese.) — Der meiner
Methode gemachte Vorwurf, formalistisch zu sein (p. 40) und sich nicht
nahe genug dem natürlichen Denken anzuschmiegen, oder den Eindruck des
Erkünstelten zu machen, trifft Herrn Poretzki’s Verfahren als dual ent-
sprechendes nicht minder; er trifft dieses sogar in noch höherem Maasse,
sofern Poretzki noch mit den Gegenstücken der schwerfälligen Boole’schen
Entwicklungsschemata arbeitet; (über diesen Vorwurf erhebt sich wol erst
das McColl-Peirce’sche Verfahren, wie gezeigt). — Damit soll den Ver-
diensten des Autors als des ersten Forschers und Arbeiters auf dem Felde
der exakten Logik im grossen Slavenreiche durchaus nicht zu nahe ge-
treten sein.


Auf Boole’s Eliminations- und sein von mir modifizirtes Auf-
lösungsverfahren kommt wesentlich auch Frau Ladd-Franklin’s1
Methode hinaus, — soweit Probleme der ersten Stufe vorliegen. Die
Verfasserin bedient sich nur einer aparten Kopula, nämlich unserer
Beziehung der Gebiet- oder Wertgemeinschaft und deren Verneinung
unter dem Zeichen ∨ bezw. ⊽. Diese Beziehungszeichen sind in
unserm § 36, Tafel IV0 und V0 (S. 120 u. 122) auf die Zeichen =
und ≠, und zurückgeführt.


Den Schlüssel zum Lesen ihrer Abhandlung geben folgende Formeln:
(ab) = (a b ≠ 0) = (a b 1) ∥ (a ∨) = (a ∨ 1) = (a ≠ 0) = (a 1)
(ab) = (a b = 0) = (a b 1) ∥ (a ⊽) = (a ⊽ 1) = (a = 0) = (a 1).

Das bejahende Zeichen hinter a gesetzt, heisst: „does exist“, das durch
horizontal darüber gesetzten Negationsstrich als verneinend gekennzeichnete:
„does not exist“. Letzteres gilt als Keil (wedge) und drückt, zwischen
a und b gesetzt, aus, dass beide disjunkt, bez. als Aussagen inkonsistent
seien; es wird im ersteren Falle, was ich nicht zu billigen vermag (cf. § 15),
auch als „is-not“ gelesen. Was existirt, ist gebietgemein mit der ganzen
Mannigfaltigkeit 1, und umgekehrt.


Charakteristisch ist, dass das Produkte verknüpfende Zeichen an jeder
beliebigen Stelle
zwischen die Faktoren gesetzt werden darf:
(a b c d e 1) = (a b c d e) = (a b c d e) = (a b c d e) = (a b c d e) =
= (1 a b c d e)

[448]Fünfundzwanzigste Vorlesung.
und ebenso für die Verneinung. Im Hinblick auf die Selbstverständlichkeit
der 1 als Faktor wird dieselbe darum auch unterdrückt, wo sie rechts isolirt
vorkommt, und mit Nullen operirt die Verfasserin überhaupt nicht.


Abgesehen von dieser Eigentümlichkeit zeigt aber ein Blick auf obigen
Schlüssel, dass die Ansätze sich doch unmittelbar in Gleichungen resp. Un-
gleichungen mit der rechten Seite 0 umschreiben lassen, und dass deshalb
die Rechnungen dieselben sein müssen wie bei meinen Ansatzweisen, —
welche nahe Verwandtschaft die Verfasserin auch selbst betont.


Bei Besprechung der Probleme zweiter Stufe müssen wir auf die
geniale Arbeit noch eingehend zurückkommen.


Die Auflösung nach einer Unbekannten kann — wie in der Arith-
metik — vollzogen werden in Gestalt einer Gleichung, jedoch nur unter
Beizug von unbestimmten oder arbiträren Klassen, — eine Materie,
die nächst Boole4 ich allein in 2 und hier weiter verfolgt habe. Oder
sie kann vollzogen werden in Gestalt eines Paares von Subsumtionen,
am besten einer Doppelsubsumtion.


Dies war mir bei Abfassung von 2 nicht unbekannt und ist daselbst
auch bei der verbalen Interpretation der Aufgabenresultate allemal von mir
bethätigt; allgemein jedoch wurde diese Auflösungsform zuerst wol von
McColl, hernach auch von Peirce hervorgehoben.


Man dürfte von mir erwarten, dass ich das Verhältniss meiner gegen-
wärtigen zu meiner früheren Arbeit, dem Operationskreis2, hier kennzeichne.
Dies vermag ich mit den wenigen Worten: Dort beschränkte ich mich im
Anschluss an Boole auf den Gebrauch des Gleichheitszeichens und konnte
folglich nicht mehr leisten, als mit diesem Mittel sich eben erreichen lässt:
Viele Sätze, zu viele, mussten unbewiesen axiomatisch hingestellt bleiben.
Hier aber zog ich mit Peirce und McColl das Subsumtionszeichen hinzu
und illustrire damit hoffentlich den Ausspruch Trendelenburg’s, dass mit
dem zutreffenden Zeichen die Einsicht in die Sache und die Herrschaft über
sie unabsehbar wachse (Bd. 1, S. 93). So beruht auch der Fortschritt unseres
zweiten gegenüber dem ersten Bande wesentlich auf dem Hinzutreten eines
ferneren Zeichens, des Ungleichheitszeichens. Und der dritte Band wird
noch drei weitere Operationszeichen bringen.


Die obigen vier Manieren mögen nun nochmals übersichtlich
schematisirt werden.


Man setzt die sämtlichen Data sowol als deren vereinigte Aussage
an bei der

erten Hauptmanierzweiten Hauptmanier
also ersten und zweitenalso dritten und vierten
(Unter-) Manier in der Gestalt(Unter-) Manier in der Gestalt
f (x) 01 f (x).

Das „Polynom“ f (x) stellt man dar in der Form:
a x + b x1, wo a = f (1), b = f (0), bei der ersten und dritten Manier,
(a + x) (b + x1), wo a = f (0), b = f (1), bei der zweiten und vierten Manier.


[449]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.

Als vereinigte Gleichung, Resultante und Lösung haben wir also
bezüglich bei der

1. Manier2. Manier3. Manier4. Manier:
a x + b x1 0(a + x) (b + x1) 01 a x + b x11 (a + x) (b + x1)
a b 0a b 01 a + b1 a + b
(durch Radiren)(Radirmethode)
b x a1a x b1b1x aa1x b.

Bei der Vorbereitung aber werden sich mehrere Prämissen

a x + b x1 = 0(a + x) (b + x1) = 01 = a x + b x11 = (a + x) (b + x1)
a' x + b' x1 = 0(a' + x) (b' + x1) = 01 = a' x + b' x11 = (a' + x) (b' + x1)
. . . . .. . . . . .. . . . . .. . . . . . .

allemal vereinigen zu einer Gesamtaussage

(a + a' …) x +
+ (b + b' …) x1 = 0
(a + a' … + x) ·
· (b + b' … + x1) = 0
1 = a a' … x +
+ b b' … x1
1 = (a a' … + x) ·
· (b b' … + x1),

deren Resultante nach dem Obigen also lauten wird:

(a + a' …) (b + b' …) = 01 = a a' … + b b' …;

ebenso leicht ist hiezu jeweils die Auflösung hinzuschreiben.


Die Vereinigung der Prämissen erfordert aber zumeist den Ansatz
einer weitschweifigen, nicht selten auch verwickelten Relation. — Aller-
dings vermag man bei jeder von den vier Manieren die in das Schema
der Resultante und der Lösung eingehenden Elemente bei einiger
Übung auch schon aus den noch unvereinigten Prämissen richtig heraus-
zuklauben und vollzählig zu sammeln. Es bleibt aber die Ausstellung,
dass Elimination wie Auflösung für das Prämissensystem keineswegs
vorbereitet wird durch Ausführung derselben Operationen an den einzelnen
Prämissen (an welchen sie so viel leichter zu bewerkstelligen wären).
Und ferner lässt sich bemängeln, dass die Reduktion aller Data auf
das Prädikat „nichts“ oder auf das Subjekt „alles“ künstlich erscheine
und nicht nahe genug dem natürlichen Denken sich anschmiege, welches
sich in Subsumtionen zwischen Subjekten und Prädikaten irgend welcher
Werte zu bewegen pflegt.


Dies rief den Wunsch hervor, das Verfahren so einzurichten, dass
die Geschäfte der Elimination sowie Auflösung schon an den Prämissen
selber einzeln vollzogen werden könnten, wobei denn auch mit beliebigen
Subsumtionen zu operiren wäre.


Diesen Forderungen wird eine weitere Gruppe von Methoden gerecht,
mit deren Ausgestaltung sich McColl, Peirce und ich beschäftigt haben.


Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 29
[450]Fünfundzwanzigste Vorlesung.

Es ist mir erst beim Abschlusse von Bd. 1 voll zum Bewusstsein ge-
kommen, dass eigentlich zwei Methoden Herrn McColl zuzuschreiben sind:
eine blos theoretisch von ihm schematisirte und eine auch praktisch an-
gewendete. Ich will jene die erste, diese die zweite nennen und spreche hier-
nächst nur von der ersten.


Charakteristisch ist für diese Methoden, dass unmittelbar (bei
McColl und mir) oder mittelbar (bei Peirce) jede Prämissensubsumtion
aufgebrochen wird in zwei einzelne Subsumtionen (bei Peirce auch
mehr), welche die Unbekannte x oder deren Negation isolirt enthalten,
sei es als Prädikat, sei es als Subjekt. Dazu genügt allemal die Def. (3)
und das Th. 41) von Peirce. (Solch rationelles Aufbrechen ist mit
dem mechanischen Zerhacken bei Jevons nicht auf eine Linie zu
stellen.)


A priori sind — vom Peirce’schen Verfahren abgesehen, — drei
Manieren denkbar, die wir in der Aufzählung den bisherigen anreihen.


Fünfte Manier ist McColl’s „erste“ Methode, wobei x und x1 durch-
weg zu Prädikaten gemacht werden (Bd. 1, S. 591). Aus
a x, b x, c x, … α x1, β x1, γ x1, …
folgt die Auflösung in der Gestalt
a + b + cx, α + β + γx1
und die Resultante als
(a + b + c …) (α + β + γ …) 0.


Sechste Manier, auf die zuletzt Herrn Peirce’s Verfahren und un-
mittelbar meine Modifikation desselben hinausläuft: Man isolirt durch-
weg x, sei es als Subjekt, sei es als Prädikat, (oder wenn man will,
auch durchweg x1). Aus
a x, b x, c x, … x α, x β, x γ, …
folgt so
a + b + cx α β γ
als Auflösung und, wenn der mittlere Term weggelassen wird, zugleich
auch als Resultante. Dieses Verfahren erscheint mir als das eleganteste.


Siebente Manier: Man isolirt x sowol als x1 durchweg als Sub-
jekt. Aus
x a, x b, x c, … x1α, x1β, x1γ, …
folgt alsdann die Auflösung in der Gestalt:
x a b c …, x1α β γ
und die Resultante
1 a b c … + α β γ ….
[451]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
Dieser Manier ist bisher noch keine Erwähnung geschehen. Doch ist
zu bemerken, dass McColl bei seiner „zweiten“ Methode mittelbar
den Umweg durch diese Darstellung hindurch zu seiner ersten Schreib-
weise der Endergebnisse nimmt, zu der er alsdann schliesslich durch
Kontraposition gelangt.


Allen bisherigen Methoden steht nunmehr noch McColl’s „zweite“
Methode als eine neue, die achte Manier gegenüber und nimmt un-
streitig eine Sonderstellung ein. Sie schreibt nach Formeln des Aus-
sagenkalkuls die vereinigte Aussage der Prämissen in ein Klassen-
symbol um, aus welchem sie nach einem besonderen Satze die
Unbekannten oder vielmehr die nach diesen gebildeten Konstituenten
x y, x y1, … als Subjekte isolirt, um dieselben zu überaddiren und
schliesslich zu kontraponiren.


Schon des Dualismus halber muss auch diese Methode sich in
einer zweiten Manier anwenden lassen. Ob dagegen die erstere dieser
beiden Manieren auch noch ein Gegenstück findet, bei welchem jene
Konstituenten als Prädikate isolirt würden, (sowie dualistisch entsprechend
dann auch die zweite,) wäre noch zu untersuchen. (Auch das Jevons’-
sche Verfahren würde sich noch als dual entsprechendes in einer
zweiten Manier anwenden lassen).


So viel über die doch immerhin schon grosse Mannigfaltigkeit
der Schlussweisen zur Lösung der Probleme erster Stufe.


Für die zweite Stufe ist dagegen diese Mannigfaltigkeit eine er-
heblich geringere. Bisherige Arbeiten von Miss Ladd, Herrn Mitchell,
mir und Herrn Voigt betreffen kaum mehr als das Eliminations-
problem. Es handelt sich darum, aus der Mitchell’schen Gesamt-
aussage der Data, welche sich darstellt als eine Alternative zwischen
Systemen je eines universalen mit mehreren partikularen Urteilen (oder
einer Gleichung mit simultanen Ungleichungen), die Unbekannte x zu
eliminiren. Herrn Mitchell’s durch die „Radirmethode“ gewonnene
Resultante erwies sich als unzulänglich, und so bleibt das Schema
meiner „Resultante aus dem Rohen“ übrig, welches auch Herr Voigt
auf anderem Wege begründet, als das einzige bekannte Verfahren zur
Lösung der Aufgabe, so weit bis jetzt möglich.


Hier liegt mir aber noch ob, das von Miss Ladd1 Erreichte zu
besprechen, deren Verdiensten ich in § 41 noch nicht gerecht geworden
bin. Frau Ladd-Franklin kommt nämlich dem erwähnten Ergeb-
nisse viel näher als Herr Mitchell; ja man kann sagen, meine Resul-
29*
[452]Fünfundzwanzigste Vorlesung.
tante aus dem Rohen sei nur eine ziemlich nahe liegende Konsequenz
eines früher von ihr aufgestellten Satzes.


Zur Erklärung: Auch die des Englischen mächtigen Leser werden es
begreiflich finden, wie ich übersehen konnte, dass in dem Satze p. 45: „If
the premises include an alternation of particular propositions, the conclusion
consists of the partial inclusion of the total coefficient of x in the particular
propositions by the negative of that of x in the universal propositions,
added to the included combinations which are free from x as given,“ —
dass in diesem Satze, sage ich, sämtliche Formeln des § 41, so namentlich
das Schema υ) S. 209 schon in nuce enthalten sind. Wenn wenigstens
von einem Produkt oder von der Negation x1 darin die Rede wäre, so
wäre ich wol aufmerksam geworden. Die beiden Beispiele, welche die Ver-
fasserin auf der folgenden Seite in ihrer mir nicht geläufigen Symbolik
gibt, nahm ich mir vor späterhin einmal nachzurechnen, was jedoch in
Vergessenheit geriet. Dagegen stimmte die Lösung der 18. Aufgabe des
§ 46 (S. 309 sqq.) durch Herrn Macfarlane und (angeblich) die Auf-
gabenstellerin nicht überein mit der von meinem Schema gelieferten.


Die p. 46 für beliebig viele partikulare Prämissen von Frau
Ladd-Franklin aufgestellte Regel läuft auf den folgenden Satz hinaus:
(a x = 0) (p x ≠ 0) (q x ≠ 0) … (p a1 ≠ 0) (q a1 ≠ 0) …,
einen bemerkenswerten Unterfall unseres Schemas υ), § 41, S. 209.


Da keinerlei Andeutung über seine Begründung vorliegt, so ist
anzunehmen, (was Bestätigung fand,) dass ihn Miss Ladd als einen
selbstverständlichen hinstellen wollte. Als ein solcher lässt er sich in
der That auch unmittelbar einsehen: Wenn nämlich die Gebiete a
und x disjunkt sind, auseinanderliegen, und p, q, … je mit x etwas
gemein haben, so müssen letztere auch mit a1, dem Aussengebiet von a,
etwas (und zwar mindestens ebendieses) gemein haben, da ja alsdann
x ganz in a1 zu liegen kommt.


Um hierauf nun unser Schema υ) des § 41 zurückzuführen, hätten
wir zunächst ebenso
(b x1 = 0) (r x1 ≠ 0) (s x1 ≠ 0) … (r b1 ≠ 0) (s b1 ≠ 0) …;
und multiplizirt man dies überschiebend mit dem vorigen, so kommt
mit Rücksicht auf Th. 24+)
(a x + b x1 = 0) (p x ≠ 0) (q x ≠ 0) … (r x1 ≠ 0) (s x1 ≠ 0) …
(p a1 ≠ 0) (q a1 ≠ 0) … (r b1 ≠ 0) (s b1 ≠ 0) …,

ein Ergebniss, zu dessen Aussagen-Prädikat man noch den aus der
ersten Prämisse links für sich folgenden Faktor (a b = 0) rechts bei-
fügen mag. In lauter Glieder von der Form des vorstehenden Aus-
sagen-Subjekts wird aber die Hypothesis unseres Schemas υ) zerfallen,
wenn man nach
(α + β ≠ 0) = (α ≠ 0) + (β ≠ 0)
[453]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
die dortigen Ungleichungsfaktoren sämtlich zerlegt in Binome und diese
dann ausmultiplizirt. Zuletzt muss überschiebendes Addiren der nach
dem obigen Schema zu gewinnenden Konklusionen und Vereinigung
der Konklusionenglieder in geeigneter Weise gerade unser Schema υ)
liefern.


Die beiden Beispiele von Miss Ladd kommen, wenn man dieselben
noch etwas vereinfacht, (im zweiten nämlich die beiden simultanen
Gleichungen in eine einzige zusammenzieht, alsdann aber für komplizirte
Koeffizientenausdrücke einfache Symbole einführt,) auf folgende hinaus:
{(a x = 0) + (b x ≠ 0) + (c ≠ 0)} (p x ≠ 0) {p (a1 + b1 + c1) ≠ 0},
(p x = 0) (q x = 0) (a x ≠ 0) (b x ≠ 0) (a p1q1 ≠ 0) (b p1q1 ≠ 0).

Die Beispiele geben die vollständigen Resultanten an und sind wol die
ersten rechnerisch aus gemischt universalen und partikularen Prämissen ge-
zogenen Schlüsse von solchem Charakter.


Dass nun aber die „Resultante aus dem Rohen“ durch eine Klausel
noch zu vervollständigen sei, wurde bereits ausgeführt, — sowie auch,
dass ungeachtet des Lichtes, welches Herrn Voigt’s Arbeit1 noch über
diese und die Auflösungsfrage in einer Hinsicht geworfen, diese
Probleme in einem andern und wesentlichen Sinne noch immer zu
lösen sind.


Sind wir hiernach mit unserm Rückblick über die bis jetzt zu
gebote stehenden Methoden der Algebra der Logik zu Ende, so muss
ich den zuletzt (S. 451 ff.) besprochenen Fall verspäteter Gerechtigkeit
zum Anlass nehmen, sogleich noch zweier analogen Zufälle zu gedenken,
die beide die Prioritätsrechte derselben Forscherin betreffen.


Auf den einen Fall konnte ich schon in den Berichtigungen zur
ersten Abteilung des gegenwärtigen Bandes, sowie in meiner Note in
den Math. Annalen hinweisen, wo sich auch meine subjektiven Ent-
lastungsgründe finden. Trotzdem soll auch hier nochmals statuirt
werden, dass Miss Ladd1 (Frau Franklin) das Verdienst zukommt, die
Bd. 1, S. 670 f. aufgestellten 22 Typen, in welche die aus drei Klassen
zusammensetzbaren Ausdrücke zerfallen
, erstmals gegeben und damit die
mangelhafte Aufstellung von Jevons zuerst vollständig berichtigt zu
haben.


Der andere Fall betrifft das dem Resultat nach als Peano’s
Formel S. 168 des gegenwärtigen Bandes erwähnte und S. 175 … 178
zur Lösung gebrachte Problem, die Anzahl der Aussagen zu ermitteln,
welche angebbar sind über n Begriffe. Es war mir entgangen, dass
dieses Problem wesentlich zusammenfällt mit demjenigen, welches schon
[454]Fünfundzwanzigste Vorlesung.
Miss Ladd1 p. 61 … 69 behandelt in einer Untersuchung, der sie den
Titel gab: „Über die Konstitution des Universums“. Zufolge einer
etwas andern Fragestellung fällt freilich die allgemeine Formel nebst
den speziellen Zahlwerten bei Miss Ladd anders aus als bei Peano.


Bei der mich irre führenden Problembezeichnung und zufolge noch
einiger andern Eigentümlichkeiten der Darstellung gelangte ich erst be-
dauerlich spät zum Verständniss von Ziel und Tragweite der gesamten
hier von der genialen Verfasserin angestellten Betrachtungen.


Implicite (sozusagen „zwischen den Zeilen zu lesen“) gibt die
Verfasserin auf die oben gestellte Frage als Antwort den Ausdruck:
welcher von dem Herrn Peano zugeschriebnen sich unterscheidet
durch den Wegfall der Subtrahenden sowol auf der Zeile, als auch
(des — 1) im Hauptexponenten, und z. B. für n = 2 die Anzahl 65536
liefert. Grund dieser Abweichung ist der Umstand, dass Miss Ladd
auch diejenigen Aussagen mitrechnet, die wir als „absurde“ aus-
geschlossen haben, — nämlich die Aussage 1 = 0, erstlich im Klassen-
kalkul, besagend, dass die zugrund gelegte Mannigfaltigkeit, der
Denkbereich oder das in Diskussion befindliche Universum leer sei;
und sodann die analoge Gleichung 1̇ = 0 des Aussagenkalkuls, welche
„wahr“ und „falsch“ für einerlei erklärt. Letztere bleibt definitiv, unter
allen Gesichtspunkten, eine absurde Aussage; aber sie kann doch aller-
dings aufgestellt werden, und es bleibt Geschmackssache, ob man sie
mitzählen will oder nicht, — übrigens auch nebensächlich, sofern bei
ihrer Einrechnung die Gesamtzahl nur um Eins grösser wird. — Hin-
gegen hat die Zulassung der ersteren klassentheoretischen Absurdität
jedenfalls ihre Berechtigung, da es für viele Untersuchungen von Wert
sein kann, auch die Möglichkeit eines leeren Denkbereiches im Auge
zu behalten; hierdurch tritt aber zu jeder früheren Aussage noch die
Alternative 1 = 0, verbal in Gestalt von „oder auch die ganze Mannig-
faltigkeit ist eine leere“, eventuell hinzu, wodurch sich die Gesamtzahl
der möglichen Aussagen noch verdoppelt. — Damit sind Miss Ladd’s
und Peano’s Ergebnisse auf einander zurückgeführt.


Wie man in der Arithmetik die Frage nach der Anzahl der Kombinationen
(ohne Wiederholung) von n Elementen (oder die Summe aller Binomial-
koeffizienten zum Exponenten n) beantwortet mit 2n, indem man auch die
nullte Kombinationsklasse mitrechnet, und nicht mit 2n—1 oder gar 2n—2,
so ist auch Miss Ladd’s Antwort auf die oben gestellte Frage als der
eleganteren der Vorzug zuzuerkennen vor der von Peano und mir adop-
tirten. — Die Methode, mittels welcher Miss Ladd ihr Resultat findet,
unterscheidet sich kaum wesentlich von derjenigen, durch welche es mir
[455]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
erst so viel später (l. c.) gelungen ist, Peano’s Ergebniss zu begründen;
nur in der Exposition differiren unsere Überlegungen, hier allerdings bis
zur Unkenntlichkeit, und vielleicht zum Vorteil der die Priorität besitzenden
Autorin, deren Darstellung jedenfalls die kürzere ist.


Fast gleichzeitig mit meinem Bd. 1 — ich glaube etwas später —
ist auch das Werk von Robert Grassmann3 erschienen. Es kann
nicht meine Aufgabe sein, dieses umfang- und inhaltreiche Werk,
welches eine vollständige Darstellung der exakten Logik zu verwirklichen
strebt, hier erschöpfend zu rezensiren. Zu seiner Charakterisirung im
allgemeinen will ich nur sagen, dass sein Verfasser zur Auflösung der
Data nach einer Unbekannten sich meiner Modifikation der Boole’schen
Methode anschliesst, — ohne übrigens erheblichen Gebrauch davon zu
machen. Und ferner, dass derselbe sein System von vornherein auf
„Argumentationen über Individuen“ gründet, wogegen ich es mit Voigt
für einfacher halte, gemäss Peirce alles blos auf den Subsumtionsbe-
griff zu gründen und von diesem aus das Individuum erst zu definiren.
In der That muss R. Grassmann bei seinem Verfahren gar zu häufig
mit begrenzten Summen operiren, wodurch manche Beweise für ein-
fache Sätze schon eine etwas unerquickliche Gestalt annehmen.


Im einzelnen muss ich aber wenigstens zwei Fehler richtig stellen.
Der erste findet sich p. IX, X, p. 27 und 35, wo Herr R. Grassmann
jegliche Zulassung einer Subtraktion und einer Division in die Logik als
unvermeidlichen Widerspruch durchaus verwirft. Schon von vorn herein
muss es befremden, wenn man, nach Einführung der Addition und Multiplikation,
die Frage: welche x, zu b addirt, resp. mit b multiplizirt, denn a geben, —
abweisen oder verbieten will. Ein Widerspruch soll sich nun ergeben ver-
möge der beiden folgenden Anwendungen der Subtraktion und der Division,
bezw. wegen aa = 0 und a : a = 1:
a = a + 0 = a + (aa) = (a + a) — a = aa = 0,
a = a · 1 = a (a : a) = (a a) : a = a : a = 1,

oder, wenn a · = 1 gesetzt ist,
a = a · 1 = a (a · ) = a a · = a = 1,
womit also allgemein, für jede Klasse a, bewiesen wäre, dass sie erstens
Null, und zweitens, dass sie zugleich Eins sei. — Werden die beiden in-
versen Operationen so definirt, wie im § 23 und auch schon in meinem
„Operationskreis“2 § 4, p. 28 ff. geschehen, so sind diese angeblichen Be-
weise leicht zu entkräften; schon an letzterer Stelle ist betont, dass
associative Gesetze wie etwa
a + (bc) = (a + b) — c und a (b : c) = (a b) : c
nicht allgemein und nicht unmodifizirt gelten; von diesen Gesetzen macht
aber Herr R. Grassmann einen hiernach nicht zulässigen Gebrauch in den
[456]Fünfundzwanzigste Vorlesung.
beiden ersten der drei obigen „Beweise“, — wie leicht zu zeigen. Im dritten
dagegen lässt er blos die sog. „Valenzbedingung“ ausseracht, d. i. die Be-
dingung, dass ein Quotient überhaupt einen Sinn habe, und welche (Bd. 1,
S. 479, sowie 2 S. 29) als a b1 = 0 ermittelt wurde; für den Quotienten
ist dieselbe sonach a1 = 0 oder a = 1, d. h. man kann von einem Quotienten
in der That nur dann sprechen, wenn von vorn herein a = 1 ist.


Der zweite Fehler (p. 46 sub 105. b) besteht in der Aufstellung einer
allgemeinen Entwicklungsform für Funktionen beliebig vieler Argumente
in Gestalt eines Produktes aus ebenso vielen Faktoren, von denen jeder
linear und homogen ist in Bezug auf je eines der Argumente und seine
Negation — mit konstanten Koeffizienten, — ein sehr wichtiger und er-
folgreicher Satz, wofern er richtig wäre. Für zwei Argumente würde er
etwa lauten:
f (x, y) = (α x + β x1) (γ y + δ y1)
= α γ x y + α δ x y1 + β γ x1y + β δ x1y1;

aus der Gleichsetzung mit der bekannten Darstellung
f (x, y) = a x y + b x y1 + c x1y + d x1y1
würde hier folgen:
α γ = a, α δ = b, β γ = c, β δ = d,
womit zugleich
a d = b c
ersichtlich ist; diese nicht allgemein bestehende Relation ergibt sich auch
durch Elimination der α, β, γ, δ aus der vereinigten Nullgleichung der
vorigen vier Data als vollständige Resultante, also als Bedingung der Zer-
legbarkeit von f (x, y) in die gedachten Linearfaktoren. — Herr Grassmann
begnügt sich, zur Begründung seiner Behauptung auf seinen vorangehenden
Satz, den für ein Argument, zu verweisen. — Mit dem in Rede stehenden Zer-
legungssatz wird dann auch die Argumentation p. 68 sq. hinfällig.


Das zufolge seiner Verdeutschungsmanie mir schwer geniessbare Buch
Grassmann’s enthält übrigens neben manchem Wunderlichen viel Beachtens-
wertes; ich erwähne z. B. den Satz p. 43 sub 94:
(a c = b c) (a c1 = b c1) = (a = b).
Treffend ist auch p. XII die (gegen Wundt gerichtete) Ausführung (vergl.
Bd. 1, S. 224), dass bei Nichtanerkennung von a b = b a „sprachliche und
logische Beziehungen“ verwechselt werden. „So z. B. hat ein kriegerischer
Deutscher und ein deutscher Krieger sprachlich einen verschiedenen Sinn.
Denn ein kriegerischer Deutscher braucht keineswegs Soldat zu sein, und
ein deutscher Soldat braucht nicht kriegerisch gesinnt zu sein. Aber hier
haben eben die Worte kriegerisch = kriegerisch gesinnt und Krieger = Soldat
ganz verschiedene Bedeutung und bilden logisch zwei ganz verschiedene
Begriffe.“


Obwol wir schon gelegentlich, da und dort im Laufe unserer Unter-
suchungen, auf bestimmte Probleme hingewiesen haben als auf solche,
[457]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
die noch ihrer Lösung harren, so will ich zum Schlusse doch auf einige
weitere für interessant und dankbar zu haltende Aufgaben noch auf-
merksam machen.


Frau Ladd-Franklin hat schon die Frage aufgeworfen, wie viele
„Logikkalkuln“ möglich seien, und dieselbe auch in einem bestimmten Sinne
zu beantworten gesucht. Die möglichen blieben dann aber noch aufzustellen
und vergleichend auszugestalten.


Als eine damit verwandte will ich beispielsweise die Frage aufwerfen:
wie würde unser Denken sich gestalten, wenn wir, (neben den Operationen
der drei Spezies) nur über das Beziehungszeichen der Sekanz verfügten?
Welche Probleme der elementaren Logik würden uns dann blos zugänglich,
und welche würden neu hinzutreten, wenn auch die Verneinung dieses
Beziehungszeichens mit zu Hülfe genommen würde? Auf welche Weise
wären alsdann die fundamentalen Aufgaben der Umfangslogik am zweck-
mässigsten zu lösen? Etc. —


In § 34 haben wir die Gergonneschen 5 Elementarbeziehungen ein-
geführt und erörtert. Es gelang dann im § 39, alle 32767 zwischen zwei
Begriffen A und B erdenklichen Umfangsbeziehungen unter diesen fünf
Rubriken (in dortiger Bezeichnung):
a, α = a1b1c1, β = a1b c1, γ = a1b1c, δ = a1b c
übersichtlich zu klassifiziren. — Die fünf Rubriken schliessen aber eine
Relativität in sich, insofern sie beruhen auf der Unterscheidung der zwischen
A und B
denkbaren Elementarbeziehungen. Dieser steht von vornherein
gleichberechtigt gegenüber die Unterscheidung der zwischen A1 und B,
desgl. zwischen A und B1, desgl. zwischen A1 und B1 denkbaren Elementar-
beziehungen. Diese letztern werden bezüglich (in den vier primitiven a, b,
c, lDe Morgan’s ausgedrückt) durch folgende Aussagen dargestellt, denen
man im Anschluss an unsere Terminologie etwa die links beigesetzten
Namen geben mag:
b, αb = b1a1l1, βb = b1a l1, γb = b1a1l, δb = b1a l,
c, αc = c1l1a1, βc = c1l a1, γc = c1l1a, δc = c1l a,
l, αl = l1c1b1, βl = l1c b1, γl = l1c1b, δl = l1c b,

wo dann die α, β, γ, δ schlechtweg als Vertreter von αa, βa, γa, δa er-
scheinen würden. Zweifellos würde es unsere Übersicht über die 32767
zulässigen Aussagen noch ausserordentlich erhöhen, wenn jemand sich der
Mühe unterzöge, die von uns für das erste dieser vier Einteilungsprinzipien
durchgeführte Klassifikation auch auf die drei folgenden auszudehnen, wenn
er alle vier Klassifikationen zur Vergleichung brächte und zusähe, inwieweit
dieselben ineinander, wie weit auch sie übereinander hinausgreifen. —


Für die nächste Zeit durch dienstliche und andere Obliegenheiten
wissenschaftlich und vielleicht auch literarisch an Ketten gelegt und ausser
stande, die Sache selbst weiter zu verfolgen, will ich schliesslich dem Leser
[458]Fünfundzwanzigste Vorlesung.
ein Untersuchungsfeld verraten, welches ich für eines der allerdankbarsten
halte. Auf demselben wird eine Erweiterung des in unserm Systeme schon
als nahezu abgeschlossen und fertig erscheinenden Aussagenkalkuls zu er-
zielen sein.


In diesem hatten wir uns der „intensiven“ Schreibung bedient und
haben lediglich zu thun gehabt mit den drei identischen Spezies der Multi-
plikation, Addition und Negation. In Anhang 4, 5 und 6 aber studirten
wir den Kalkul mit „Gruppen“ von Funktionalgleichungen, Algorithmen
und Kalkuln, (sowie mit „Gruppen“ überhaupt,) indem wir uns der „exten-
siven“ Schreibung bedienten, bei welcher das Produkt der intensiven als
Summe sich darstellte. Die Funktionalgleichungen waren aber blos eine
gewisse Kategorie von Aussagen, und der fragliche Gruppenkalkul mochte,
wie schon bei dessen Begründung Bd. 1, S. 618 angedeutet wurde, auch
geradezu als „Aussagenkalkul“ schlechtweg aufgefasst werden. Die besondre
Natur des gewählten Gruppensubstrates, nämlich der Funktionalgleichungen,
brachte es mit sich, dass die Operationen der Negation und identischen
Addition (in intensiver Deutung, nämlich der Alternativenbildung) als
interesselos ausser Betracht blieben. Dafür aber drängte sich eine neue
Operation oder Knüpfungsweise in den Vordergrund des Interesses, die wir
extensiv schreibend als Multiplikation hinstellten, die wir aber, falls wir
jetzt einmal bei der intensiven Schreibung des gewöhnlichen Aussagenkalkuls
bleiben wollen, mit einem neuen, von + und · verschiedenen Knüpfungs-
zeichen darstellen werden. Wählen wir etwa ein Ringelchen ∘, gelesen:
(verknüpft) „mit“, so wird, wenn A und B nun Aussagen (konstanten
Sinnes) bedeuten, zur Verneinung A1 und den Knüpfungen A B und A + B
der beiden Aussagen, als simultan bez. alternativ geltender, das Knüpfungs-
ergebniss AB mit einer bestimmten Bedeutung hinzutreten, welche dann
noch durch gewisse Nebenbestimmungen verschiedentlich regulirt werden
kann. Und zwar wäre solche Regulirung logisch auf viererlei Weisen
denkbar, von welchen aber nicht a priori ersichtlich ist, ob sie sämtlich
sich haltbar erweisen, ob sei einen präzisen Sinn liefern und konsequent
durchgeführt werden können; vielmehr steht dies nur von einer dieser
Regulirungen von vornherein fest. — Es hätte nämlich AB zu bedeuten
die Gesamtheit derjenigen Urteile, welche die sämtlichen denknotwendigen
Folgerungen der Aussage A äusserlich gemein haben mit denen der Aus-
sage B, — sei es schlechtweg, absolut genommen, sei es auch relativ,
nämlich innerhalb eines Aussagenfeldes oder Universums U, das blos aus
den Aussagen von einer bestimmt vorgeschriebenen Form besteht, die als
Konsequenzen von A, B, … in Betracht gezogen werden, — und zwar
die „denknotwendigen Konsequenzen“ entweder im absoluten Sinne, an sich,
ohne, oder im relativen Sinne, mit Bezugnahme auf ein axiomatisch an-
erkanntes System von „Prinzipien P“ verstanden. Mit den beiden ein-
schränkenden Relativitäten ist, wie unsere Anhänge geoffenbart haben, die
Begriffsbestimmung sicherlich eine zulässige, der vollkommensten Präzision
nicht ermangelnde. Und sofern sich ein gleiches auch für die drei andern
Kombinationen (zwischen absolut und relativ in der einen und in der
andern Hinsicht) herausstellen sollte, haben wir in Gestalt von AB
jedenfalls eine Knüpfung vor uns, die für sich betrachtet eindeutig, kommu-
[459]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
tativ, assoziativ und dem Tautologiegesetze unterworfen ist, die in Bezug
auf P als die Null und U als die Eins „modulare“ Eigenschaften besitzt
und endlich zu der (identischen oder intensiven) Aussagenmultiplikation in
dem je nur einseitig als Subsumtion geltenden Zusammenhange steht:

(AB) (AC) A ∘ (B C)A (BC) (A B) ∘ (A C).

Zu den vier erwähnten Spezies käme vielleicht als Umkehrung der letzten
Knüpfung noch eine fünfte hinzu; indess wäre zu untersuchen, ob nicht
die Negation als unbedingt ausführbare Operation dann preisgegeben werden
müsste. U. s. w. Es erscheint als eine Frage von hohem erkenntniss-
theoretischem Interesse, welche Gestalt der Aussagenkalkul dann annehmen
würde, und in welcher Richtung er sich weiter entwickeln liesse.


Schliesslich freue ich mich, noch das Wort zu haben zu einigen
teils persönlichen teils sachlichen Bemerkungen, welche falschen Auf-
fassungen des vorliegenden Werkes vorzubeugen geeignet sind, oder
auch weitere Anregungen geben mögen.


Auf einem Felde, auf welchem schon so viele Forscher thätig
gewesen und voraussichtlich noch thätig sein werden, kann es nicht
ausbleiben, dass man über ein allgemein zu adoptirendes Bezeichnungs-
system sich wird einigen müssen. In Bezug auf die arithmetischen
Vergleichungszeichen, die Bezeichnung der Operationen und Elementar-
funktionen der allgemeinen Arithmetik und höheren Analysis ist über
die ganze civilisirte Erde solche Einigung glücklich erzielt. Dagegen
auf dem Felde der exakten Logik sind zwar die meisten Bearbeiter
darüber schon einig, welche Knüpfungen und Beziehungen als wesent-
liche vermittelst besondrer Zeichen dargestellt werden müssen; äusserlich
aber gestaltet ein jeder sich diese Zeichen noch individuell nach seinem
subjektiven Geschmacke.


Auch ich habe nicht umhin gekonnt, in manchen Einzelheiten es
ebenso zu machen, und ich darf mir schwerlich mit der Hoffnung
schmeicheln, dass gerade meine Bezeichnungsvorschläge allseitige Billigung
und Annahme finden werden. Aber ich habe mir wenigstens angelegen
sein lassen, dieselben sorgfältig zu motiviren, und glaube auch, von
Bezeichnungen andrer Autoren, die vielleicht einigermassen rezipirt er-
schienen, immer nur dann abgewichen zu sein, wenn sachliche Gründe
dazu drängten. So hoffe ich, wenigstens zu einer Klärung der ein-
schlägigen Fragen beigetragen und auf die Erreichung jenes oben ge-
nannten wichtigen Zieles mit hingearbeitet zu haben.


Eine Zusammenstellung der von verschiedenen Autoren gebrauchten
Bezeichnungsweisen, die eine Art „Schlüssel“ zur Lektüre der betr.
Werke bildet, hat schon Herr Venn in 7 gegeben. Es wäre verdienst-
[460]Fünfundzwanzigste Vorlesung.
lich, diese Zusammenstellung bis zur Gegenwart fortzuführen und zu
vervollständigen, noch mehr aber, damit eine Kritik dieser Bezeichnungs-
vorschläge zu verbinden.


Ich gestatte mir, beispielsweise über die Art, wie Herr Peano sich
die wesentlichen Zeichen gestaltet, mich zur Stelle kritisch zu äussern.
Nicht nur ist nämlich dieser Autor einer der begabtesten und thätigsten
Forscher, welche die Methoden der exakten Logik auf immer mehr neue
Anwendungsgebiete übertragen und in diesen erfolgreich verwerten, sondern
derselbe ist auch neuerdings mit seinen Bezeichnungsweisen in deutsche
mathematische Zeitschriften, bis in die „Mathematischen Annalen“, vor-
gedrungen.


Die Negation drückt Herr Peano aus vermittelst eines vorgesetzten
verkürzten Minuszeichens; er schreibt — a für unser a1, Boole’s . Dies
kostet mehr Raum auf der Zeile, ist, besonders in der Schreibschrift, leicht
mit dem Minuszeichen selbst, ev. auch mit dem Silbentrennungszeichen zu
verwechseln, und zieht endlich vermehrte Anbringung von Klammern nach
sich, z. B. schon beim Addiren und Multipliziren negirter einfacher Symbole.
Aus diesen Gründen, die noch zu den in Bd. 1, S. 300 sqq. angeführten
hinzutreten, kann ich diesem Vorschlag des Herrn Peano nicht beitreten.


Für die identische Null und Eins gebraucht Herr Peano in 1 zwei
aparte Zeichen, nämlich einen ganz leeren und einen ganz geschwärzten
Kreis vom Durchmesser der Nullenhöhe. Dies ist jedenfalls unverfänglich.
Die identischen Zeichen 0 und 1 von den arithmetischen zu unterscheiden,
kann peremptorisch geboten sein, lässt sich aber auch einfacher erreichen
etwa durch Apostrophirung derselben da, wo sie als identische auftreten. —
Später hat Peano die obigen Zeichen für 0 und 1 durch andere ersetzt,
und zwar im Hinblick auf deren aussagenrechnerische Deutung die Aussagen-
eins 1̇ durch V als den Anfangsbuchstaben von veritas oder verum, die
Aussagennull durch ein umgestürztes V, nämlich das Zeichen Λ, zugleich
erinnernd an den Anfangsbuchstaben A in absurdum. Auch Peirce bedient
sich einmal der Zeichen eines fetten v und f (falsum). Bedenklich ist
dies nicht; doch scheinen mir die Zeichen Ȯ und 1̇ oder 0’ und 1’ den
Vorzug zu verdienen.


Für das identische Produkt a b und die identische Summe a + b schreibt
Peano (bei Klassen wenigstens):
ab resp. ab,
wobei man sich die leicht zu verwechselnden Zeichen ⌢ und ⌣ etwa durch
die Bemerkung mnemonisch einprägen mag, dass das Zeichen ⌣, wie eine
Schaukel, die man zwischen a und b hin und her schwankend denkt, die
Alternative zwischen beiden bezeichnen soll. Nur zwischen spezifizirten
Aussagen lässt Peano sein Produktzeichen ⌢ weg. Für die Zeichen ⌢ und ⌣
spricht, dass sie noch nicht anderweitig vergeben, einander dual entsprechend
und von den numerischen Mal- und Pluszeichen deutlichst unterschieden
sind; gegen dieselben, dass dabei der Zusammenhang mit den Zeichen Π
und Σ der identischen Produktation und Summation, deren unsere Zeichen-
[461]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
sprache doch durchaus nicht zu entraten vermöchte, verloren geht, — ja,
dass dann wol auch die ganze hierher gehörige Nomenklatur (Produkt,
Multipliziren, mal, u. s. w.) als nicht passend zu erneuern wäre.


Statt unseres Subsumtionszeichens wendet Herr Peano, — was sicher
kein Vorzug ist, — meist zweierlei Zeichen an, nämlich zwischen Klassen
ein ε als den Anfangsbuchstaben von ἐστί, „ist“, zwischen Aussagen dagegen
ein umgekehrtes C, also Ɔ, was erinnern soll an concluditur (è contenuto),
und mit einem schon von Gergonne1 gemachten Vorschlag nahe zusammen-
fällt. Ich glaube unwiderleglich dargethan zu haben, dass ein besonderes
Zeichen für die letztere Beziehung entbehrlich, m. a. W. dass die Kopula
der kategorischen Urteile auch für die hypothetischen verwendbar ist.
Gegen Peano’s ε aber ist einzuwenden, dass dies ein anderweitig, z. B.
als Quantitätssymbol vielfach gebrauchter und beschlagnahmter Buchstabe
ist, der sich als solcher in den Rahmen der Beziehungszeichen möglichst
schlecht einfügt. — Allerdings bin ich auch überzeugt und habe es schon
gelegentlich (Bd. 1, p. 482) ausgesprochen, dass man unter Umständen noch
einer besonderen zweiten Art von Subsumtionszeichen bedarf, nämlich neben
einem solchen für die ursprüngliche noch eines anderen für die abgeleitete
Mannigfaltigkeit. So kann, wenn wie gewöhnlich a b die Einordnung
eines Gebietes a in ein Gebiet b ausdrückt, der Satz, dass das Gebiet a zur
Klasse J der Individuen gehöre, oder dass a ein Punkt J sei, nicht zugleich
durch a J dargestellt werden. — Doch ist hiervon bei Peano nicht die
Rede.


Endlich führt Herr Peano als Surrogat für die Klammern im Aus-
sagenkalkul eine unbegrenzte Reihe von Zeichen ein, bestehend aus einem,
zwei, drei, vier, fünf, … Punkten:
·, ∶, ∵, ∷, ‥⃛, etc.
ich möchte sie „Trennungszeichen“ nennen; ein mehrpunktiges Zeichen trennt
alles, was in sich nur minderpunktige Trennungszeichen enthält, während
schon die Wirkung des einpunktigen Zeichens sich über alle Beziehungs-
und Knüpfungszeichen, z. B, =, \<, +, etc. hinweg erstreckt. Z. B.
lautet unser Prinzip II hiernach
a b . b c : . a c;
sollte das Ganze etwa als Anfangsglied einer komplizirteren Überlegung gelten,
so wäre dahinter zunächst ein dreifaches Punktzeichen zu setzen. U. s. w.
Die Formeln werden dadurch in der That übersichtlicher, indem dabei eine
Überladung mit Klammern geschickt vermieden ist. Der Kunstgriff hat
etwas Geniales und Bestechendes. Allein derselbe setzt voraus, dass man
mit Peano sich durchweg enthalte, den Punkt als arithmetisches Malzeichen,
sowie den Doppelpunkt als Divisionszeichen zu verwenden. Während Herr
Peano ersteres Zeichen unausgedrückt lässt, stellt er den Quotienten a : b
a durch b“ mittelst vertikalen, leicht nach vorn geneigten Bruchstriches
in der Gestalt a/b dar, — wie auch in englischen Zeitschriften (Math.
Questions etc.) schon zuweilen geschehen. (Ich habe selbst anderwärts8 her-
vorgehoben, dass die Eleganz fordern kann, in solchem Falle den Nenner
regelmässig dem Zähler voranzustellen, wozu man den leicht rückwärts ge-
[462]Fünfundzwanzigste Vorlesung.
neigten Vertikalstrich — sogar daneben noch — verwenden könnte: a\b
a in b“ für .) — Damit ist nun aber die Schwäche des Peano’schen
Vorschlages zutage getreten: Die erwünschte allgemeine Annahme des neuen
logischen Bezeichnungssystems hätte zur Vorbedingung die Abschaffung der
beiden in der gesamten mathematischen Welt schon allgemein eingebürgerten
Multiplikations- und Divisionszeichen! Da behelfen wir uns doch lieber
noch mit den runden, eckigen, geschweiften, grossen und kleinen Klammern
und gehen nicht ohne Not von den schon bestehenden Bezeichnungsge-
pflogenheiten ab.


Ein zeitgemässes und hochverdienstliches Unternehmen dürfte sein:
eine Geschichte der gesamten bisherigen Bestrebungen auf dem Felde
der exakten Logik, die ja bereits in frühere Jahrhunderte zurückreichen.
Brauchbares Material hiezu glaube ich hier in Gestalt von Literaturan-
gaben und kritischen Darlegungen vielfach geliefert zu haben. Anderer-
seits sei es aber doch auch einmal ausgesprochen, dass mir hier ein
solches Ziel fern gelegen; ich wünschte, den Entwicklungsgang unserer
Disziplin zu fördern, nicht aber darzustellen, oder — wenn ich ein
stolzes Wort gebrauchen darf — Geschichte zu machen, nicht zu
schreiben.


Andernfalls hätte ich auf eine Menge von in unserem Literaturverzeichniss
aufgeführten Erscheinungen ausführlich eingehen müssen — wie de Castillon1,
Delboeuf1, Macfarlane1 und andere, — die ich nur flüchtig oder gar
nicht gestreift habe, weil mir das in ihnen Niedergelegte als eine vorüber-
gehende Entwicklungsphase oder anderweitig überholt erschien.


Im Anschluss hieran möchte ich diejenigen unter den lebenden
Mitarbeitern unserer Disziplin, welche vielleicht das von ihnen selbst Ge-
leistete hier zu wenig berücksichtigt oder hervorgehoben finden möchten,
bitten, sich nächst Vorstehendem noch zweierlei vergegenwärtigen zu
wollen. Einmal würde die Wertschätzung ihres eigenen objektiven
(nicht subjektiven) Verdienstes sich wol oft noch erheblich verschieben,
wenn sie zu einem Überblick über die Gesamtheit aller einschlägigen
Leistungen zu gelangen trachteten, und sie wird, wie ich überzeugt bin,
sich der meinigen nähern, sobald diese Autoren auch nur das vorliegende
Werk sorgfältig durchgearbeitet haben werden. — Es braucht nicht
betont zu werden, dass ich von Personen absehend immer nur das
Interesse der Sache im Auge hatte.


Sodann ist es in der That gerade auf dem Gebiete des Selbst-
verständlichen, Denknotwendigen besonders schwierig, allen Prioritäts-
ansprüchen vollkommen gerecht zu werden, bei Darlegung von Dingen,
auf die so Viele — in mehr oder minder abweichender Form — selb-
[463]§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
ständig verfielen, diese Letzteren allemal vollzählig zu nennen und
unzweifelhaft festzustellen, wer eine solche Wahrheit erstmals aus-
gesprochen.


Beispielsweise erscheint als Grundpfeiler unseres Lehrgebäudes Herrn
Peirce’s Definition (3). Ich schreibe sie diesem Autor zu, obwol schon
vorher Herr McColl ebendieselben Sätze, die in verbaler Fassung als selbst-
verständliche sicherlich längst Gemeingut aller eine Sprache Sprechenden
waren, auch in der Zeichensprache des Aussagenkalkuls formulirt hatte.
Als das wesentliche Verdienst erscheint mir nämlich die Stellung, welche
Herr Peirce diesen Sätzen im System der Logik anwies, indem er sie eben
zu grundlegenden Definitionen erhob. — Ebenso glaube ich, den Satz Th. 46),
dass die Negation einer entwickelten Funktion zu gewinnen durch Negiren
der Koeffizienten, mir selbst zusprechen zu dürfen, obwol ich nachträglich
innegeworden, dass für den Fall eines Arguments derselbe beinahe zu-
sammenfällt mit einem von Herrn Peirce schon früher publizirten Satze,
dem Th. ϰ) von Bd. 1, S 376:
(a + x1) (b + x) = a x + b x1;
die aufgrund der Theoreme 36) und 31) naheliegende Anmerkung, dass
hier die linke Seite die Negation von a1x + b1x1 vorstellt, ist das noch fehlende
Glied der Kette, die letzte Sprosse zur Leiter der Wahrnehmung meines
Theorems — abgesehen von der Ausdehnung auf mehr Argumente. —


Immerhin ist ein Übersehen, eine Ungerechtigkeit meinerseits
nicht ausgeschlossen bei der schon so ausgedehnten Literatur über den
Gegenstand, welche nicht nur eine vielsprachige ist im gewöhnlichen
Sinne, sondern auch infolge des Gebrauchs der verschiedenartigen Be-
zeichnungssysteme gleichsam die Entzifferung von mancherlei Geheim-
schriften erfordert, — ganz abgesehen von Schwierigkeiten anderer Art,
mit denen man zu kämpfen hat, um sich alle Erzeugnisse dieser weit
zerstreuten Literatur überhaupt nur zugänglich zu machen. Die durch-
aus und allseitig befriedigende Bewältigung der damit angedeuteten Auf-
gabe würde nicht nur ein aussergewöhnliches Gedächtniss, sondern auch
eine Sammlung und Musse zur Konzentration des Geistes erfordern,
wie sie die mannigfaltigen Berufsgeschäfte wol selten einem Autor be-
willigen. — Ich werde jede etwaige Berichtigung dankbar anerkennen
und nach Kräften zur Geltung bringen. Die letzte Hand an das Werk
der ausgleichenden Gerechtigkeit zu legen, wird der Geschichtsschreibung
überlassen bleiben.


[[464]]

Sechsundzwanzigste Vorlesung.


§ 53. Meine Kontroverse mit Frau Franklin-Ladd ein lehrreiches
Kapitel.


Zur Anbahnung und Verbreitung eines richtigen Verständnisses
der hier vorgetragenen Aussagentheorie dürfte wesentlich beitragen die
Darlegung meiner einschlägigen Kontroverse mit Frau Franklin-Ladd,
woran sich alsdann noch eine zweite von mehr allgemeinlogischem
Interesse anreihen wird.


Mit Geschick griff Frau Franklin-Ladd einen gewissen wesentlichen
Teil jener Theorie auf das heftigste an — zuerst im Sommer 1891 im
persönlichen Gedankenaustausch und sodann später auch brieflich, und
forderte mich so zur Verteidigung heraus. Die Kontroverse ist seitdem
auch eine öffentliche geworden durch die Besprechung meines ersten Bandes
in der Zeitschrift „Mind“, worin Frau Franklin-Ladd3 auf den Inhalt des
zweiten Bandes abschweift und mir dabei einen handgreiflichen Irrtum,
einen „distinct error“ vorwirft. Wenn sie mir übrigens ebendaselbst einen Be-
weis dafür zuschreibt, Subtraktion und Division seien unausführbare Ope-
rationen, und schon diese Namen seien sinnlose, so muss sie mich wol mit
Robert Grassmann verwechselt haben, gegen dessen einschlägige Aus-
führungen ich oben S. 455 f. ankämpfe.


Die Angriffe richteten sich zunächst gegen die Konsequenzen, die
ich S. 66 und 68 in Gestalt der Sätze
1) (A ≠ 0) = (A = 1̇),
2) (AB) = (A = B1) = (A1 = B)
aus dem Peirce’schen von mir als „spezifisches Prinzip des Aussagen-
kalkuls“ bezeichneten Satze
3) (A = 1̇) = A
gezogen habe; sie kehrten sich später gegen dieses Prinzip selbst. Da
Frau Franklin meinen „Fehler“ nicht direkt aufweisen konnte, suchte
sie meine Sätze mit ungemeinem Scharfsinn durch Beispiele ad absur-
dum zu führen. Eben diese Beispiele und deren Richtigstellung er-
achte ich für äusserst lehrreich. Es ist vorauszusehen, dass ähnliche
Einwände vielfach auch noch von andern Seiten zur Bekämpfung des
[465]§ 53. Meine Kontroverse mit Frau Franklin-Ladd ein lehrreiches Kapitel.
Logikkalkuls vorgebracht werden, und da dieselben oft etwas Be-
stechendes oder Verblüffendes haben, so mag es sich empfehlen, hierdurch
die eine oder andere Waffe dagegen an die Hand zu geben.


Einwürfe von Frau Franklin gegen die Gültigkeit von 1) und 2).


α) Jemand will in Abrede stellen die Richtigkeit der Behauptung:
„Es trifft immer zu (It is always the case), dass einige Ärzte fehlgehen“
(that some doctors are mistaken), mithin der Behauptung
α1) (d m ≠ 0) = 1̇,
sofern d die Ärzte (Doktoren) und m die menschlich Irrenden bezeichnet.


Die „wahre Verneinung“ (true denial) wird sein: Es kommt vor,
dass kein Doktor fehlgeht (there are times, when no d is m), sonach
α2) (d m = 0) ≠ 0,
wogegen „meine Ableugnung“ (Schröder’s denial) obiger Behauptung
lauten würde, und auch in der That nach Satz 1) lauten muss:
α3) (d m ≠ 0) = 0,
d. h. Es kommt niemals vor (it never happens), dass es Ärzte gibt,
die fehlgehen; kein Arzt ist jemals im Irrtum („no doctors“ are ever
mistaken)!


Also Satz 1) ist falsch.


Meine Entgegnung: Sie vergessen, gnädige Frau, dass wir nur mit
wohldefinirten Klassen rechnen (Bd. 1, S. 162). Von welchen Ärzten
wollen Sie denn reden? Von denen, die heute ein gewisses Kranken-
bett umstehen, oder von andern, oder vielleicht von allen Ärzten, die
es je gegeben hat und noch geben wird? — Es wurde letzteres fest-
gesetzt. — Nun gut, dann frage ich: haben schon Ärzte sich getäuscht,
gibt es solche, die fehlgehen? Schwerlich möchte dies jemand ver-
neinen. Dann aber ist also die Behauptung α1) richtig, und wird
ewig richtig bleiben: Die Klasse der sich irrenden Ärzte ist keine
leere. Wer dies aber bestreiten wollte, der müsste diese Klasse als
leere hinstellen, somit in der That behaupten, dass jeder Arzt un-
fehlbar wäre.


Ausdrücke wie: es trifft überall zu, es kommt stets vor, ist durch-
weg der Fall, it happens, it occurs, there are times when …, etc.
entsprechen nicht genau der Anwendung der Aussageneins und ver-
leiten dazu, die Subjektklasse der Aussage in schwankendem Sinne zu
nehmen, wie in unserem Beispiel, sie verschiedentlich auf die Ärzte
bald an diesem, bald an jenem Krankenbette, seien es die von gestern,
seien es andre von heute, einschränkend zu beziehen.


Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 30
[466]Sechsundzwanzigste Vorlesung.

Der gleiche Übersetzungsfehler wie bei α1) liegt vor bei Formel α2),
welche zufolge des umstrittenen Satzes 1) sich umschreibt in
(d m = 0) = 1̇
und in dieser Gestalt durch beiderseitiges Negiren (Kontraponiren) mit α3)
übereinkommt.


Man könnte hiezu bemerken, die obigen Aussprüche in Worten seien
doch unmittelbar aus dem gewöhnlichen Leben und Denken hergenommen
und ganz richtig gebildet, und darum spreche der gerügte Umstand, dass
sie nicht durch Formeln wie α1) etc. dargestellt werden können, nicht so-
wol gegen jenen Gebrauch der Wortsprache, als vielmehr gegen die Brauch-
barkeit der Formeln. — Letzteres ist eine Frage für sich. Handelt es
sich aber um die Gültigkeit oder Widerlegung allgemeiner Formelsätze 1) etc.,
so können dazu verbale Aussprüche natürlich nur insoweit taugen, als sie
eben mit den angezogenen Formeln klappen.


So wurde mir denn auch nur zugegeben, in einem gewissen, „weit
abliegenden“ Sinne (in a certain remote sense) sei meine Ausführung richtig.


β) Andrer Einwurf von Frau Franklin-Ladd. Es bedeute A
das Urteil: Alle Ärzte irren, B das: Alle Patienten sterben; zu ent-
scheiden sei, ob die Behauptung
A = B
gilt oder nicht. Dieselbe besagt: Immer dann und nur dann (when
and only when), wenn alle Ärzte irren, sterben alle Patienten.


Die „wahre Verneinung“ wäre: Das ist nicht so; denn es gibt
Fälle (times), wo alle Ärzte irren und doch nicht alle Patienten sterben,
oder aber auch solche, wo nicht alle Ärzte irren und dennoch alle
Patienten sterben, — entsprechend dem Ansatze
A B1 + A1B ≠ 0.
Da ich nun aber hierfür gemäss Satz 1) schreibe:
A B1 + A1B = 1̇,
oder auch direkt nach dem Schema
(A = B)1 = (AB) = (A = B1) = (A1 = B)
von Satz 2) müsse nun meine Verneinung lauten: Immer dann und
nur dann, wenn alle Ärzte irren, sterben nicht alle Patienten; oder:
Ausschliesslich dann, wenn nicht alle Ärzte irren, sterben alle Patienten.


Da nun die ursprüngliche Aussage A = B in der That zu ver-
neinen, meine Verneinung aber widersinnig sei, so müsse, folgert Frau
Franklin-Ladd, diese Verneinung inkorrekt gebildet sein.


Entgegnung. Zuvörderst muss ich wieder Verwahrung dagegen
einlegen, dass der Ausdruck „Alle Ärzte“ schwankend bald auf diese,
[467]§ 53. Meine Kontroverse mit Frau Franklin-Ladd ein lehrreiches Kapitel.
bald auf jene Gruppe von Ärzten angewendet werde; am einfachsten
versteht man wol darunter die Ärzte überhaupt, wie oben bei α). —
Ein gleiches muss ich hinsichtlich der Patienten verlangen. Auch
dürfen wir, nachdem von Ärzten die Rede war, nicht etwa von deren
Patienten sprechen, da wir sonst zur korrekten Einkleidung schon der
ursprünglichen Aussage erst in die Logik der Relative eintreten müssten.
Noch weniger darf ein kausaler Zusammenhang unterstellt werden, als
ob etwa gesagt sein sollte, dass die Patienten alsbald zufolge der ärzt-
lichen Behandlung stürben.


Nun — dann, meine ich, ist die Aussage B zweifellos zu bejahen:
schliesslich sterben ja alle Patienten nicht nur, sondern überhaupt alle
Menschen. Also B = 1̇.


Würde man nun nach dem „Errare humanum est“ ganz in gleichem
Sinne auch die Aussage A gleich 1̇ setzen, so wäre also die Aussage
A = B zu bejahen. Dann wäre aber auch nicht zu verwundern, dass
die Verneinung absurd erscheint, indem sie auf 1̇ = 0 hinausliefe.


Allein es könnte ja auch sein, dass es Ärzte gibt, die in ihrem
Leben niemals fehlgehen. Dann ist A = 0 zu setzen und A = B zu
verneinen, die Verneinung dazu also richtig. Dieselbe kommt in der
That in der Form A = B1 auf 0 = 0, in der andern A1 = B auf
1̇ = 1̇ hinaus: dass alle Ärzte irren, gilt immer dann und nur dann,
wenn nicht alle Patienten sterben, da beides nämlich nie gilt, u. s. w.


γ) Frau Franklin-Ladd forderte mich heraus, überhaupt nur
einen verbalen Satz aufzustellen, in welchem das Theorem 2) sich als
richtig erwiese.


Ich gestehe, dass dies seine Schwierigkeiten hat wegen der Unter-
stellungen, zu denen die Wortsprache fast allerorten verleitet, und die
nach den Postulaten des Kalkuls auszuschliessen oder doch erst mit
korrektem Ausdruck in die Zeichenformulirung aufzunehmen sind.
Sofern das vorstehende Beispiel β) nicht für genügend erachtet wird,
will ich jedoch mit noch einem Beispiel auf die Herausforderung ant-
worten.


Sei A die Behauptung: Die Materie ist unzerstörbar, B die: Die
Seele ist unsterblich.


So gilt für einen Anhänger des Unsterblichkeitsglaubens das Urteil
A = B
als ein auf 1̇ = 1̇ hinauslaufendes: Immer dann und nur dann, wenn
die Materie unzerstörbar ist, (das ist: stets,) ist die Seele unsterblich.


Ein Agnostiker oder Materialist will diesen Satz bestreiten. Er
30*
[468]Sechsundzwanzigste Vorlesung.
gibt zwar die Unzerstörbarkeit des Stoffes zu, ist aber der Überzeugung,
dass die sogenannte Seele als blosser Merkmalkomplex ihres Körpers
mit diesem zugleich der Zerstörung anheimfalle. Für ihn wird also
A = 1̇, B = 0 und AB sein; zugleich wird derselbe aber damit
auch die beiden Aussagen anerkennen:
A1 = B und A = B1,
deren erste mit 0 = 0, deren letzte mit 1̇ = 1̇ übereinstimmt; in
Worten: Ausschliesslich dann, wenn die Materie zerstörbar ist, wird
die Seele unsterblich sein, (beides nämlich gilt nie,) resp.: Ausschliesslich
dann, wenn die Materie unzerstörbar ist, ist die Seele sterblich, (nämlich
immer.)


Ich habe hierbei als Negation des Satzes: „Die Seele ist unsterblich“
der gewöhnlichen Gepflogenheit und der Bequemlichkeit des Ausdrucks
zuliebe den Satz gelten lassen: „Die Seele ist sterblich“, und bin ähn-
lich auch bei der Verneinung des andern der beiden Teilsätze vor-
gegangen, — was aber, wie anderwärts schon von mir ausgeführt,
keineswegs korrekt ist. Es könnten ja auch einige Seelen — die „der
Gerechten“ z. B. „in den Himmel kommen“, dagegen andere, die der
unbekehrten Sünder, dem Nirwana anheimfallen, — nebenbei gesagt
Möglichkeiten, dergleichen die „Logik des Inhaltes“ begreiflicherweise
regelmässig zu übersehen pflegt!


δ) Ein vorzüglicher Vorhalt der Frau Franklin-Ladd ist
dieser:


Ein schlechter Mathematiker sagte eines Tages: Die Thatsache (A),
dass zwei Dreiecke zwei Seiten und den Gegenwinkel der einen von
ihnen bezüglich gleich haben, ist notwendige und hinreichende Bedingung
dafür, dass (B) die Dreiecke kongruent sind. (Bekanntlich ist sie nicht
hinreichend, sondern es ist dazu, nach dem sog. vierten Kongruenzsatze
noch ausserdem erforderlich, dass es die grössere von den beiden als
gleich bekannten Seiten sei, deren Gegenwinkel in beiden Dreiecken
übereinstimmen). Professor Schröder wünschte die Behauptung A = B
jenes Mathematikers zu bestreiten; er sah sich aber nach seinem
Satze 2) genötigt, dies in der Gestalt der Gegenbehauptung
sei es A1 = B, sei es A = B1
zu thun; das heisst:


Dass zwei Dreiecke nicht zwei Seiten und den Gegenwinkel der
einen gleich haben, ist notwendige und hinreichende Bedingung dafür,
dass die Dreiecke kongruent sind, resp. gar:


Dass zwei Dreiecke zwei Seiten und den Gegenwinkel der einen
[469]§ 53. Meine Kontroverse mit Frau Franklin-Ladd ein lehrreiches Kapitel.
gleich haben, ist notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass
diese Dreiecke nicht kongruent sind!


Nein, so etwas spricht doch für sich selbst!


Meine Entgegnung. Gemach, gnädige Frau. Um recht behut-
sam zuwerke zu gehen, wollen wir erst einmal von zwei ganz bestimmten
Dreiecken sprechen. Dass in beiden Urteilen A und B die nämlichen
beiden Dreiecke gemeint sind, lässt sich in der Zeichensprache der
Algebra der Logik nicht zum Ausdruck bringen, ist also in den Inhalt
der Urteile selbst aufzunehmen. Es soll daher A etwa das Urteil be-
deuten: Die Dreiecke a b c und a' b' c' stimmen überein in zwei Seiten
b c = b' c', a c = a' c' und dem Gegenwinkel a = a' der ersteren von
ihnen; und B das Urteil: Die
Dreiecke a b c und a' b' c' sind
kongruent.


Haben wir alsdann die
Dreiecke der Fig. 31 im Sinne,

[figure]
Figure 1. Fig. 31.


so ist A = B = 1̇, die Behauptung A = B zutreffend und die Ver-
neinung in ihren beiden Formen A1 = B und A = B1 unrichtig. Haben
wir dagegen die Dreiecke
der Fig. 32 im Auge, so
ist A = 1̇, B = 0, also
die Behauptung A = B
zu verneinen; es ist also

[figure]
Figure 2. Fig. 32.


AB, und damit ganz richtig A1 = B und A = B1, nämlich auf
0 = 0 resp. 1̇ = 1̇ hinauskommend.


Also im speziellen Fall bewahrheitet sich mein Satz 2)!


Gehen wir nun zu unserm allgemeinen Satze über, so kann ich
Ihnen, gnädige Frau, den Vorwurf nicht ersparen, einen „Fehlschluss aus
unzulänglicher Bezeichnung
“ (fallacy of insufficient notation) begangen
zu haben. (Über diesen vergl. weiter unten.).


In der Aussagenäquivalenz A = B schlechthin ist nämlich, nach-
dem die Aussagen A und B wie vorstehend genauer präzisirt sind,
noch gar nicht ausgedrückt, dass das, was wir soeben an den beiden
Figuren bald als zutreffend, bald als nicht zutreffend erkannt haben,
von jedem beliebigen Dreieckpaar a b c und a' b' c' behauptet sein solle.
Will man aber gerade die Allgemeingültigkeit bestreiten, so muss die-
selbe zuvor in der Formel ihren zulänglichen Ausdruck nach § 30
finden, indem man der Behauptung A = B ein Produktzeichen vorsetzt:
(A = B), = 1̇,
[470]Sechsundzwanzigste Vorlesung.
welches die Geltung von A = B verlangt, wie immer auch die sechs
Punkte a, b, c, a', b', c' als Ecken von zwei Dreiecken im Raum ge-
wählt werden mögen.


Nun erweist sich aber die Negation dieser vollständig angesetzten
Behauptung in allen ihren Formen als richtig, nämlich nach Satz 1) in
der Form
Π (A = B) = 0,
wo das Produkt schon verschwindet, weil mindestens der auf Fig. 32
bezügliche Faktor (A = B) gleich 0 ist; oder gemäss 2), indem man
das Produkt links negirt:
Σ (AB) = 1̇
oder
Σ (A1 = B) = 1̇, Σ (A = B1) = 1̇,
nach Th. 22+), schon weil mindestens der auf Fig. 32 bezügliche Summand
(AB) etc. erfüllt, = 1̇ ist.


ε) Ein interessantes Gegenstück zum vorigen bildet der folgende Ein-
wurf
, dessen Grundgedanken von Frau Franklin herrührt.


Eine samt ihren beiden Umkehrungen eindeutige Knüpfung, welche
jeweils aus zwei in bestimmter Ordnung genommenen Elementen eines Zahlen-
gebietes ein drittes erzeugt, werde einfachst dargestellt als a b, und ihre eine
Umkehrung als a : b — vergl. Schröder8.


Alsdann wird, wenn die Knüpfung etwa das Gesetz befolgt:
ε1) a b = a : b,
dieselbe augenscheinlich auch dem Gesetz unterliegen:
ε2) (a b) c = (a : b) : c,
das heisst: aus der ersten Gleichung, als allgemeine Formel aufgefasst, folgt
jedenfalls die zweite.


Es war die Frage, ob auch das umgekehrte der Fall ist, ob also beide
Gleichungen allgemein äquivalent sein müssen.


Der wirkliche (the real) Dr. Schröder — meint Frau Franklin
hat gezeigt, dass diese Frage zu verneinen ist, indem er in Bd. 1, S. 640
eine Funktionstafel nachwies mit einer Knüpfung, welche wol der zweiten
ε2), nicht aber der ersten Formel ε1) Genüge leistet.


Ein theoretischer (an imaginary) Dr. Schröder, — der nämlich auf
dem Prinzip 3) nebst Konsequenzen 1) und 2) herumreitend gedacht wird, —
ist genötigt, die Verneinung der Frage von der Äquivalenz beider Formeln
auszudrücken durch
{(a b) c = (a : b) : c} = {a ba : b},
wonach die Geltung der (zweiten) Formel ε2) links die notwendige und
hinreichende Bedingung dafür wäre, dass die erste ε1) nicht gelte, also dass,
wo immer jene zutrifft, diese nicht gilt, und umgekehrt, — in offenbarem
Widerspruch mit voraus bemerktem.


[471]§ 53. Meine Kontroverse mit Frau Franklin-Ladd ein lehrreiches Kapitel.

Richtigstellung. ε3) verneint korrekt blos die für gewisse drei Zahlen
a, b, c in Frage gestellte Aussagenäquivalenz. Die Allgemeingültigkeit von
ε1) und ε2) muss schon ihren zulänglichen Ausdruck gefunden haben, bevor
deren Äquivalenz als gleichfalls allgemein bestehend behauptet bezw. ver-
neint wird. Die fragliche bezw. zu verneinende Äquivalenz lautet:
ε4) {(a b) c = (a : b) : c} = {a b = a : b},
worin die Produkte auszudehnen sind über alle Wertetripel a, b, c bez.
Wertepaare a, b des Zahlengebietes, (und wobei rechts auch andre Buch-
staben d, e für a, b genommen werden könnten,) und somit die Verneinung
von ε4) nach Schema 2):
{(a b) c = (a : b) : c} = {a ba : b}.
Diese wird aber nun eben durch die Tafel S. 640, Bd. 1 bewahrheitet, in-
dem in dieser Tafel die Annahme linkerhand, oder ε2), durchweg erfüllt ist,
zugleich aber auch die Behauptung der rechten Seite, so zwar, dass sogar,
— was keineswegs erforderlich gewesen wäre, — jedes Glied dieser Summe
für sich = 1̇ ist, d. h. ε1) niemals zutrifft.


ζ) Einwurf von Frau Franklin. Von den einem Kreis ein-
geschriebenen Polygonen gilt bekanntlich folgendes: so oft ein solches
gleiche Seiten hat, hat es auch gleiche Winkel; dagegen können die
Winkel gleich sein, ohne dass es die Seiten wären. Beispiel: ein
Rechteck. — Die Gleichwinkligkeit solcher Kreisvielecke ist also not-
wendige, aber nicht hinreichende Bedingung für ihre Gleichseitigkeit,
und die Gleichseitigkeit ist hinreichende, jedoch nicht notwendige Be-
dingung der Gleichwinkligkeit.


Sonach wird die Behauptung, dass beim Kreispolygon die Gleich-
seitigkeit und die Gleichwinkligkeit einander gegenseitig bedingten,


(Die Seiten sind gleich) = (Die Winkel sind gleich),
eine unrichtige sein. Professor Schröder ist ein viel zu guter Mathe-
matiker, um solch falsche Behauptung passiren zu lassen; er will sie
leugnen; durch seinen Satz 2) hat er sich nun aber in die fatale Lage
gebracht, dies in der Form thun zu müssen:


(Die Seiten sind ungleich) = (Die Winkel sind gleich),
d. h. immer dann und nur dann, wenn die Seiten ungleich sind, müssen
die Winkel gleich sein, — eine Aufstellung, die begreiflicherweise
noch viel schlimmer ist als jene, die damit berichtigt werden sollte.


Entkräftung — ähnlich wie bei δ): Wiederum wurde die ur-
sprüngliche Behauptung, sagen wir A = B blos in ihrer Anwendung
auf ein besonderes Kreisvieleck P negirt, das Negationsergebniss aber
für jedes Kreisvieleck in Anspruch genommen. Ist P das nächste
beste regelmässige Vieleck, so war A = B zutreffend und somit A1 = B
[472]Sechsundzwanzigste Vorlesung.
falsch; bedeutet dagegen P z. B. ein Rechteck, in welchem zwar
B = 1̇, aber A = 0 ist, so erweist sich die Verneinung von A = B
in jeder der beiden Formen A1 = B und A = B1 als richtig. Soll
endlich der allgemeine Satz negirt werden, so ist derselbe zuvor als
allgemein gültiger hinlänglich auszudrücken in der Gestalt
(A = B),
wo das Produkt zu erstrecken ist über alle erdenklichen Kreisvielecke P.
Die Negation nach 2)
(AB), = (A1 = B), = (A = B1)
ist erfüllt, wenn auch nur ein einziges P, z. B. ein Rechteck, gleich-
winklig ist, ohne gleichseitig zu sein.


η) Als letztes Einwurfsbeispiel von Frau Franklin sei noch
folgendes erwähnt: Es bedeute A den Komplex aller Prinzipien und Defi-
nitionen des logischen Kalkuls, soweit sie in Bd. 1 bis zur Seite 291 dar-
gelegt worden, — und B das volle Distributionsgesetz
B = {a (b + c) = a b + a c}.
Alsdann hat Schröder gezeigt, dass B nicht aus A notwendig folgt,
m. a. W. dass
A B oder A B1 = 0
verneint werden muss, in der Form
A B1 ≠ 0,
insofern Fälle nachgewiesen wurden, wo A erfüllt, B aber nicht erfüllt
ist. — Nach Schröders Satz 1) wird daraus nun aber
A B1 = 1̇ oder A1 + B = 0
(durch Kontraposition), oder endlich durch beiderseitige Multiplikation mit A
A B = 0;
das heisst: Die Wahrheit von A ist inkonsistent, unverträglich mit der-
jenigen von B!


Behufs Richtigstellung hat man hier vielmehr die Aussage
A B
zu verneinen, und erhält dann
Α · Π Β = 0
als richtigen Ausdruck der Inkonsistenz von A mit B nicht für alle mög-
lichen Wertetripel a, b, c, sondern nur für irgend welche unter ihnen.


Moral: Soll eine allgemeine Formel C negirt werdne, so bringe
man zuvor die angebliche Allgemeingültigkeit zum Ausdruck mittelst
eines Π-Zeichens; es wird dann
(Π C)1 = Σ C1
[473]§ 53. Meine Kontroverse mit Frau Franklin-Ladd ein lehrreiches Kapitel.
Wer aber die Negation C1 von C selbst wieder mit der gleichen All-
gemeinheit auslegt und in Anspruch nimmt, der stellt als Negation
von Π C im Grunde ja Π C1 hin; der verwechselt den Fall, dass ein
Urteil nicht allgemein gilt, mit dem andern Fall, dass es allgemein
nicht
gilt.


Abgesehen aber von derartigen Fällen wird man das Zeichen Π der
Allgemeingültigkeit keineswegs immer anwenden, sondern vielmehr durchweg
den Charakter der Gleichungen als „Formeln“ stillschweigend unterstellen.


Mit ihren Angriffen, wie vorstehend dargelegt, zurückgeschlagen,
gab Frau Franklin schliesslich zu, dass in dem Aufbau unseres Aus-
sagenkalkuls kein Fehler vorliege, und zog sich auf eine andre Position
zurück, die sie umso hartnäckiger verteidigte — und noch verteidigt, —
und in der es wiederum sehr instruktiv sein wird sie aufzusuchen.


ϑ) Bevor ich dies thue, möchte ich nur in Kürze über den
Fehlschluss aus unzulänglicher Bezeichnung“ mich versprochenermassen
äussern, was umso angezeigter erscheint, als das praktisch höchst
wichtige Kapitel der Fehlschlüsse in meinem so sehr angeschwollenen
Buche ohnehin zu kurz kommt.


Von den allergröbsten Versehen, z. B. Schreibfehlern, abgesehen ist
unzulängliche Bezeichnung der Gegenstände einer Überlegung im Grunde
vielleicht ausschliesslich schuld an allen Fehlschlüssen. Entspringen die-
selben doch fast immer daraus, dass man Verschiedenes und zu Unter-
scheidendes nicht auseinanderhält, vermengt oder verwechselt, getäuscht
durch einen Doppelsinn, eine scheinbare Synonymie u. dergl. (Selbst wenn
etwa in anderen Fällen ein Fehlschluss zustande kommt dadurch, dass man
Wesentliches ausser acht lässt, so wird zumeist eine zu wenig markirte,
nicht genügend augenfällige Bezeichnung solcher übersehener Prämissenglieder
die Schuld oder Mitschuld daran tragen.) — So sahen wir soeben, dass
ein Satz ganz gleich klingen kann, ob man ihn als allgemeinen hinstellt,
oder ihn blos auf den speziellen Fall anwendet.


Ich will den Fehlschluss und die Art, wie derselbe zu Paradoxien zu
führen pflegt, durch zwei Beispiele verdeutlichen.


In einer arithmetischen Untersuchung, bei der man längere Zeit mit
vielgliedrigen (oder auch unbegrenzten) Summen
a + b + c + d + …, x + y + z + …, u + v + w + …
etc. zu rechnen hat, seien diese Summen der Bequemlichkeit wegen ver-
mittelst ihres ersten Gliedes dargestellt in Gestalt von resp.
Σ a, Σ x, Σ u, etc.
Für einen zu betrachtenden besonderen Fall nun mag es sich ereignen, dass
x = a
[474]Sechsundzwanzigste Vorlesung.
wird. Wer daraus aber, nach dem unbestreitbaren Grundsatz: Gleiches,
summirt, gibt Gleiches, auf
Σ x = Σ a
schliessen wollte, beginge einen gröblichen Fehlschluss, da in beiden Summen
wol die ersten Glieder übereinstimmen, darum aber noch nicht notwendig
auch die übrigen. — Und wer andererseits richtig
Σ xΣ a
neben x = a anerkennte, stiesse auf die Paradoxie eines (natürlich nur
scheinbaren) Widerspruches zu obigem Grundsatze, (oder wol auch zu dem
andern Grundsatz, dass Gleiches für Gleiches gesetzt werden dürfe).


All diese Schwierigkeiten entspringen aus dem Umstand, dass eine
Summe durch ihr erstes Glied nur unzulänglich bezeichnet ist.


Das zweite Beispiel — von Herrn Lüroth — bezieht sich auf einen
Satz der Differentialrechnung, bei dessen Anwendung der Anfänger Schwierig-
keiten zu finden pflegt; letztere beruhen auf der Unzulänglichkeit der ge-
bräuchlichen Bezeichnung partieller Differentialquotienten. Ist z. B. f eine
Funktion dreier Argumente x, y, z:
f = f (x, y, z),
und werden durch die Substitutionen
x = φ (u, v, w), y = ψ (u, v, w), z = χ (u, v, w)
für x, y, z neue Variable u, v, w in
f = f (φ, ψ, χ)
eingeführt, so besagt der gedachte Satz:
und analog für , . — Nimmt man nun beispielsweise
x = u, y = u v, z = w,
so ergibt sich leicht:
,
.

Die letzte Gleichung scheint aus w = z als selbstverständliche zu folgen.
Dem gegenüber enthält jedoch die erste das Paradoxon, dass
obwol u = x ist, — entgegen dem evidenten Grundsatze, dass Gleiches nach
Gleichem differenzirt Gleiches geben müsse, oder dass man Gleiches für
Gleiches setzen dürfe. (Daran würde sich nichts ändern, wenn man für
[475]§ 53. Meine Kontroverse mit Frau Franklin-Ladd ein lehrreiches Kapitel.
das in u, v, w ausgedrückte f etwa F schreiben wollte, da ja auch dann
F (u, v, w) = f (x, y, z) bliebe).


Dies liegt hier daran, dass es beim Differenziren nach einer Variabeln
nicht blos auf diese, sondern auch auf die andern Variabeln begriffsmässig an-
kommt, welche dabei als Konstante angesehen werden. Gibt man daher
— etwa unterhalb des Differentialquotienten — noch das ganze beim
Differenziren zugrunde gelegte System der unabhängigen Variabeln an, so
kann man in obigem Falle unbedenklich x und u vertauschen:
.
Erst dies ist die zulängliche Bezeichnung partieller Differentialquotienten.
Freilich ist sie zu umständlich und schwerfällig und höchstens in verworrenen
oder schwierigen Fällen zum vorübergehenden Gebrauch zu empfehlen, —
ähnlich wie in der algebraischen Logik das so oft in Gedanken zu unter-
stellende Π- Zeichen für gewöhnlich wegbleibt.


So wenig Erfolg aber heute noch jemand sich versprechen könnte,
der etwa eine Paradoxie wie die obige als ein Argument gegen die
Differentialrechnung selbst ins Feld führen wollte, ebenso wenig wird
man dereinst — und ich hoffe, bald — Gehör finden mit dergleichen
Ungereimtheiten, wie sie in Menge gegen die Algebra der Logik jetzt
noch aus dem philosophischen Lager — vergl. Husserl1 — vorgebracht
werden; wer auf eine Paradoxie stösst, wird den Fehler statt in unserer
Disziplin hübsch bei sich selbst suchen.


Frau Franklin-Ladd aber hat mir in dankenswerter Weise aus-
gezeichnetes Material geliefert, um an einzelnen logisch-algebraischen
Theoremen zu zeigen, wie sich die Disciplin bewährt, wenn man ihr
allerlei Hindernisse in den Weg legt. Ich habe selbst gefühlt, wie
erheblich die Einwände waren, indem ich zur Entkräftung derselben
bisweilen längerer Sammlung benötigte.


Ist nun die Verwendung unzulänglicher Bezeichnungen in der That
so gefährlich und verfänglich, so liegt endlich die Frage nahe: welches
sind denn die Erfordernisse einer zulänglichen Bezeichnung?


Auf diese Frage bleibe ich die Antwort schuldig, mit dem Hin-
weise, dass ich es eben, — wie ich auch in meiner Festschrift10 schon
betonte, — mit Gustav Kirchhoff als die Hauptaufgabe der ge-
samten Wissenschaft betrachte, die Wirklichkeit „beschreiben“ und da-
mit auch ihre Objekte zulänglich bezeichnen zu lernen.


[476]Sechsundzwanzigste Vorlesung.

§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile. Konstitution
des Begriffes, und „negative“ Merkmale.


ι) Um zu unserer Kontroverse zurückzukehren, so bestand und
besteht Frau Franklin-Ladd nunmehr darauf, das Peirce’sche
Aussagenprinzip 3)
(A = 1̇) = A
sei unbewiesen, eine willkürliche Annahme und eine bedauerliche und
unnötige Einschränkung (unnecessary restriction) des Aussagenkalkuls,
indem es den Aussagenbereich auf die beiden Werte 0 und 1 reduzire;
vielmehr seien auch die Aussagen, wie die Klassen, unendlich vieler
Zwischenwerte zwischen 0 und 1̇ fähig, auf welche die Gesetze und
Schlussmethoden des Kalkuls in vollem Umfang anwendbar bleiben,
sofern man nur die Konsequenzen von 3), — die ich fast alle in den
§ 35 zusammengedrängt, — beiseite lässt.


Angenommen selbst, dass dies sich so verhalte, so liesse sich doch nicht
aufrecht erhalten, was mir Frau Franklin in ihrer schon oben erwähnten
Rezension meines Bd. 1 vorwarf, dass ich nämlich das Verhältniss des
Klassenkalkuls, als eines beträchtlich allgemeineren, gegenüber Peirce’s Aus-
sagenkalkul inkorrekt dargestellt (Bd. 1, S. 290). Peirce’s Aussagenkalkul,
von dem allein ich gesprochen, den ich darstellen wollte, involvirte in der
That die getadelte Einschränkung.


Bei der wohlverdienten Autorität, deren sich meine Gegnerin er-
freut, und ob der Tragweite der aufgeworfenen Streitfrage an sich,
verlohnt es der Mühe, der Sache auf den Grund zu gehen.


ϰ) Von bestimmendem Einfluss auf die Gestaltung der gegnerischen
Anschauungen ist eine Leistung von Mitchell1 gewesen, von der ich
bislang noch keine Notiz genommen, auf die ich nunmehr aber ein-
gehen muss.


Mitchell hebt mit Recht hervor, dass man von „universalen“ und
„partikularen“ Urteilen je in zweierlei Sinne reden kann, entsprechend
den Kombinationen der vier folgenden sprachlichen Elemente:

alle (resp. keine)stets (resp. nie)
einigemanchmal

Von diesen beziehen sich die Pronomina links auf das Universum
der Klassen
, die Adverbien rechts auf das Universum der Fälle oder
Gelegenheiten.


Man könnte auch die Pronomina auf die verschiedenen Orte im Raume
beziehen, wo sich Individuen der betreffenden Klassen (gleichzeitig) befinden
[477]§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.
mögen, und die Adverbien auf die verschiedenen Zeitpunkte, zu welchen
solche Individuen in’s Auge gefasst werden mögen. Doch ist die obige
Fassung als die weitere vorzuziehen.


Jedes von beiden Universen kann als unbegrenzt oder auch irgend-
wie als begrenzt angenommen und den Betrachtungen zugrunde ge-
legt werden.


Sehr schön sagt Mitchell1 p. 73:


„Die Logik hat hauptsächlich zu thun mit den Beziehungen zwischen
den Gedankendingen. Ein Urteil (proposition) statuirt solch eine Be-
ziehung. Die Gedankendinge, zwischen denen Beziehungen gedacht
oder wahrgenommen werden können, begreifen unter sich nicht nur
Klassen, sondern auch Aussagen. Die Konstatirung einer Beziehung
zwischen Aussagen ist ein Urteil über Urteile, welches Boole ein
sekundäres (secondary proposition) nannte. Aber in ihren letzten
Elementen (in its ultimate analysis) drückt jedes Urteil eine Beziehung
zwischen Klassen aus“…


Eine solche Beziehung kann gelten von Allen oder von Einigen
aus dem Universum der Klassen und wird darnach bezüglich als universal
oder partikular (schlechthin) bezeichnet.


Ebenso — sagt Mitchell — kann die Beziehung aufgefasst werden
„als permanent“ oder „als temporär“, als fortbestehend entweder während
des Ganzen von einem gewissen Zeitraum, dem „Universum der Zeit“,
oder nur während eines gewissen (bestimmten oder unbestimmten) Teiles
dieser Zeit. Das Urteil mag alsdann als ein der Zeit nach universales
resp. partikulares bezeichnet werden.


Der Kürze halber behalte ich diese Benennungen bei, obwol ich es
gemäss dem vorhin bemerkten für angezeigt halte, anstatt von Boole-
Mitchells
„Universum der Zeit“ lieber von dem Universum der (denk-
baren, dem Sinne nach zulässigen) Anwendungsgelegenheiten des Urteils, —
kurz vom Universum der Fälle zu reden.


Als Beispiel mag das oben von Frau Franklin gegebene dienen.


Partikular-universaleUniversal-partikulare
Urteile.
Jeder Arzt ist manchmal im Irr-
tum.
Es gibt Ärzte, welche sich niemals
irren.
Zuweilen irrt sich keiner von den
Ärzten. Oder: Es gibt Zeiten,
wo sich kein Arzt irrt.
Immer irrt sich der eine oder
andere Arzt.
Doppelt universaleDoppelt partikulare
Urteile.
Kein Arzt ist jemals im Irrtum.Manchmal irren sich einige Ärzte.
Jeder Arzt ist beständig im Irr-
tum.
Es gibt Ärzte, welche sich manch-
mal nicht irren.

Die Urteile in derselben Horizontalflucht schliessen einander gegen-
seitig aus (als kontradiktorische Gegensätze oder Negationen von ein-
ander).


Diese acht Urteile, (deren sonstige Beziehungen zu erforschen, dem
Leser als Übung empfohlen sei,) wären in Mitchell’s Symbolik folgender-
massen darzustellen, wenn, wie oben S. 465 d = Arzt, m = Irrtum bedeutet:

(d1 + m)1 v(d m1)u' 1
(d1 + m1)1 v'(d m)u 1
(d1 + m1)11(d m)u v
(d1 + m)11(d m1)u' v'

Zur Erklärung dienen die Bemerkungen:


Ohne Rücksicht zunächst auf die Quantität im Universum der
Zeiten handelt es sich um die vier Urteile:
Alle Ärzte irren, d. i. d m oder d m1 = 0, d1 + m = 1;
Kein Arzt irrt, d m1, d m = 0, d1 + m1 = 1;
Einige Ärzte irren, d m ≠ 0;
Einige Ärzte irren nicht, d m1 ≠ 0.


Die rechte Seite 1 oder 1̇ einer rechts auf Eins gebrachten Gleichung
fügt nun Mitchell dem eingeklammerten Polynom derselben als Suffixum
bei, und zwar als erstes Suffix, wenn die Gleichung eine primäre, die Eins
also die des Klassenkalkuls ist, als zweites Suffix, falls die Gleichung
eine solche des Aussagenkalkuls, und die 1 diejenige gewesen, die ich
mittelst des Tupfens als 1̇ unterscheide. Ebenso verfährt er hinsichtlich
des Suffixes, welches ihm die Partikularität darstellen soll. Als solches
Suffix, anzuhängen dem Polynom der rechts auf Null gebrachten Ungleichung,
wählt er nun aber einen Buchstaben u oder v, wobei er diese Buchstaben
noch mittelst Accenten zu differenziren genötigt ist, sobald ein solcher auf
eventuell verschiedene „einige“, — nicht auf „same some“, sondern auf
„other some“, hinweist, oder bezw. als zweites Suffix, bei wiederholt vor-
kommenden Adverbien „manchmal“, nicht auf Gelegenheiten, die notwendig
zusammenfallen.


Dieses Verfahren erscheint mir als ein Überbleibsel von Boole’s miss-
glücktem Versuch, die partikularen Klassenurteile vermittelst eines Faktors
u oder v darzustellen. Ich kann mich mit Mitchell’s Vorschlag ganz und
gar nicht befreunden.


[479]§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.

Um die acht Urteile in eine der unsrigen näher verwandte Zeichen-
sprache einzukleiden, will ich zeitweilig den Gegnern eine Konzession
machen und hier eine Aussagen-Null 0̇ (als Tupfen-Null) einführen, für
welche der Satz 1) (A ≠ 0) = (A = 1̇) nicht gilt.


Dieselbe Konzession habe ich vorübergehend auch schon bei Behandlung
von Mitchell’s Nebelbilderproblem S. 294 sq. gemacht. Als Analogon aus
der arithmetischen Analysis kann gelten, dass man bei Grenzübergängen
von + 0 und — 0 unterscheidend spricht, obwol beides identisch ist, und
desgleichen von + ∞ und — ∞.


Die Zulässigkeit ebendieser 0̇ wird sich als der eine Angelpunkt
der ganzen schwebenden Streitfrage erweisen.


Dann ist folgendes die ausdrucksvolle Darstellung der acht Urteile:

(d1 + m = 1) ≠ 0̇(d m1 ≠ 0) = 1̇
(d1 + m1 = 1) ≠ 0̇(d m ≠ 0) = 1̇
(d1 + m1 = 1) = 1̇(d m ≠ 0) ≠ 0̇
(d1 + m = 1) = 1̇(d m1 ≠ 0) ≠ 0̇

— in möglichster Annäherung an Mitchell; für meine Person würde
ich natürlich für d1 + m = 1, d1 + m1 = 1 lieber d m, d m1 (oder
d m = 0) schreiben und die vier Endungen = 1̇ samt Klammern weg-
lassen. Übrigens macht hier die eine 0̇ eine ganze Menge von u,
v, u', v', u'', … entbehrlich. Der Ansatz „≠ 0̇“ übersetzt die Partikel
„manchmal“ oder „zuweilen“ in die logische Zeichensprache.


λ) Ich bestreite die endgültige Zulässigkeit einer solchen Prozedur —
siehe weiter unten. Falls ich nun aber Recht behalte, so ist von meinen
Gegnern der Vorhalt vorauszusehen: dass dann ja mein Aussagenkalkul
unvermögend sei, die Mitchell’schen Distinktionen überhaupt zu be-
rücksichtigen und in die Formelsprache einzukleiden; und wie könnte
ohne das mein Kalkul die Konklusionen ziehen aus gegebenen Prämissen,
wenn unter diesen auch der Zeit nach partikulare vorkommen?


Ob Ersteres durch geeignete Ausgestaltung oder Anwendung der
Beziehungslogik nicht dennoch unschwer erreichbar wäre, will ich hier
unerörtert lassen. Dagegen nehme ich sofort Stellung zu letzterer
Frage, welche freilich einen schweren Vorwurf enthielte, wenn ich sie
nicht befriedigend beantworten könnte.


Treten unter den Prämissen solche auf, die keinen bestimmteren
Aufschluss zu geben vermögen, als bei Gebrauch des Adverbiums
„manchmal“ denkbar ist, so ist zunächst zu unterscheiden, ob dieses
Adverb nur einmal, oder ob es mehrmals vorkommt.


[480]Sechsundzwanzigste Vorlesung.

Im ersteren Falle lasse man die Prämisse, die sich dieses Adverbs
bedient, einmal beiseite; so wird man die Konklusion erhalten für
diejenigen Fälle, wo dieses „manchmal“ eben nicht sich verwirklicht,
wo vielmehr der gegenteilige Fall eintritt.


Sodann erhebe man das Eintreten des „manchmal“, d. i. des
Ereignisses, auf welches dieses Adverb hinweist, zur ausdrücklichen
Voraussetzung, und bilde unter Hinzuziehung solcher Annahme die
Konklusion. Dies Verfahren läuft imgrunde hinaus auf eine Limitirung,
eine Einschränkung des Denkbereiches der Gelegenheiten auf eben die
Fälle oder „Male“, die mit jenem „manchmal“ gemeint waren. Die
Konklusion darf dann auch nur für eben diesen Denkbereich in Anspruch
genommen werden, d. h. sie ist auch ihrerseits nur als eine „manch-
mal“ zutreffende durch das Prämissensystem garantirt.


Kommt dagegen das Adverb „manchmal“ in den Prämissen mehr-
mals
vor, — jedoch etwa nicht unabhängig, sondern so, dass immer
das eine „manchmal“ auf das andere durch verschmelzende, identifizirende
Verweisung bezogen ist, so ist mit der ganzen Gruppe derjenigen
unter den Prämissen, welche dieses „manchmal“ enthalten, ebenso zu
verfahren, wie vorhin mit einer einzigen Prämisse. Hingegen ist das
gleiche Verfahren einzuhalten bezüglich jedes einzelnen „manchmal“ bei
mehrfachem unabhängigen Vorkommen dieses Adverbs. Doch brauchen
dabei die von einander unabhängigen „manchmal“ keineswegs in allen
ihren Kombinationen durchgenommen zu werden. Vielmehr sind bei
Anwendung des Verfahrens auf eines von ihnen, behufs Gewinnung
der auf diese „Male“ bezüglichen partiellen Konklusionen, jeweils alle
die Prämissen einfach fortzulassen, in welchen ein von dem vorigen
unabhängiges „manchmal“ vorkommt. Ja, die vorliegende Prämisse
ist selbst gänzlich zu unterdrücken, oder es sind wenigstens die be-
treffenden Prämissenteile zu ignoriren, wenn darin mehrere unabhängige
„manchmal“ vorkommen.


Weiss man nämlich von zwei Ereignissen nur, dass jedes von
ihnen manchmal eintritt, während das Zusammentreffen beider durch
nichts garantirt ist, so kann der an dieses Zusammentreffen etwa
denknotwendig zu knüpfende Schluss doch lediglich als ein „vielleicht
manchmal“ zutreffender, nicht aber als ein durch die Prämissen not-
wendig bedingter hingestellt werden; es gibt dann eben überhaupt
keine Konklusion.


Hier ist der Einwand denkbar: sofern es sich z. B. um Vorkehr gegen
eine zu gewärtigende Gefahr handle, sei es keineswegs gleichgültig, ob
dieselbe vielleicht eintrete, eintreten könne, oder nicht. Schon die „Wahr-
[481]§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.
scheinlichkeit“ des Zusammentreffens der gedachten Ereignisse ist von be-
rechtigtem Einfluss auf unser Verhalten in solchem Falle. Allein hier, in
diesem Werke, handelt es sich nur um unabweisbare, denknotwendige
Schlussfolgerungen.


Zufolge des jeweiligen Wegfalles so vieler der Zeit nach parti-
kularer Prämissen vereinfacht sich das Geschäft des Schliessens be-
greiflicherweise allemal ausserordentlich, und so wird kein Anlass vor-
liegen, eine aparte Symbolik für den Zweck zu ersinnen. Für welche
Symbolik indessen man immer sich entscheiden mag, keine wird uns
doch dessen überheben können, das oben charakterisirte Minimum von
Einzel-Konklusionen zu ziehen, (wie dies Mitchell’s „Nebelbilder-
problem“ auch in seiner Behandlungsweise an den Gliedern der von
ihm auszumultiplizirenden Polynome deutlichst erkennen lässt.)


Unser Aussagenkalkul ist also sehr wol imstande, die Schluss-
folgerung auch aus „in der Zeit partikularen“ Prämissen zu bewältigen.


μ) Damit sind nun freilich diese zeitlich partikularen Urteile
ganz anders behandelt, als die schlechtweg partikularen. Auch aus
letzteren könnte man wol die Konklusionen des Klassenkalkuls nach
denselben Grundsätzen gewinnen, wie ich sie soeben für die ersteren
aufgestellt und empfohlen habe. Allein damit ginge man aller Vorteile
des Kalkuls verlustig, indem man die Methoden der algebraischen
Logik ersetzte durch ein urwüchsiges, kunstloses und rohes Verfahren, —
schlimmer als das Jevons’sche; — ein Verfahren, das zwar bei zeit-
lich partikularen ganz wol angeht und praktisch noch nirgends zu
Unzuträglichkeiten geführt hat, das dagegen, auf die Partikularität
schlechthin ausgedehnt, in ganz unerträgliche Umständlichkeiten und
Weitläufigkeiten schon bei wenig verwickelten Problemen führen müsste.


Dieser auffallende Gegensatz erklärt sich durch den Umstand,
dass das Partikularitäts-Pronomen „einige, manche, some“ im zeitlichen
Sinne immer nur mit demselben Nomen: „Gelegenheiten“ oder synonym
„Fälle, Male, Zeiten“, verknüpft ist, — wie denn auch sprachlich in
„manchmal, sometimes“ Pronomen und Nomen zusammengewachsen
sind, — wogegen sonst in „einige x“ das Nomen oder Urteilssubjekt x
in der mannigfaltigsten Weise wechseln, den verschiedensten Ideenkreisen
entstammen wird.


In der Tragweite dieses von meinen Gegnern wol übersehenen
oder nicht genügend gewürdigten Umstandes liegt, wie mir scheint,
ein zweiter Angelpunkt der obschwebenden Streitfrage.


Wenn die Konstitution unseres Intellekts uns nicht gestattete, das
Pronomen „einige“ auf verschiedenerlei Objekte anzuwenden, wenn wir
Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 31
[482]Sechsundzwanzigste Vorlesung.
blos die Wahl hätten zu reden von allen, oder einigen oder keinen x,
aber immer nur von denselben x, dann, glaube ich, dürfte jenes ur-
wüchsige, unwissenschaftliche Folgerungsverfahren vielleicht noch das
beste sein, wobei wir gelegentlich nur zu unterscheiden hätten zwischen
denselben „einige x“ und eventuell andern, von den vorigen unabhängigen
„einige x“. Dann auch möchten wir der Algebra der Logik (zweiter
Stufe) unschwer entraten, und gegenwärtiges Buch wäre nicht geschrieben!


Wie jedoch die Sache wirklich liegt, erscheint mir das an sich
berechtigte gegnerische Verlangen nach gleichmässiger Behandlung der
zeitlich und der schlechtweg partikularen Urteile als irrelevant, als ein
mehr nur doktrinäres, entspringend nicht einem praktischen Bedürfniss,
sondern nur einem theoretischen Interesse.


Da ich jedoch auch letzteres hochhalte, so will ich nun auf einen
weiteren noch offenen Einwand der Gegner aus Mitchell’s Schule
eingehen.


Dieselben werden mich nämlich auf die andere Möglichkeit einer
ebenmässigen Bearbeitung beider Arten von Partikularität verweisen.
Müssen doch — so sagen sie — die Klassen der Gelegenheiten, bei
denen Aussagen zutreffen, ganz denselben Gesetzen unterliegen wie alle
übrigen Klassen; wozu dann die Boole-McColl-(Peirce)-Schröder’-
sche Einschränkung der Aussagenwerte auf 0 und 1̇? Hat nicht eben
Mitchell die Entbehrlichkeit dieser Einschränkung nachgewiesen
durch seine Begründung des Aussagenkalkuls, worin dann auch den
zeitlich partikularen Urteilen die Vorteile des Klassenkalkuls in gleichem
Masse zugute kommen wie den übrigen?


Solches ist thatsächlich von Frau Franklin am Schlusse ihrer oben
erwähnten Besprechung meines Bd. 1 angedeutet worden.


Auch ich wäre nicht der letzte, eine Erweiterung des Aussagen-
kalkuls durch Beseitigung des gedachten einengenden Prinzips zu be-
grüssen. Und eine zeitlang (cf. S. 183 Mitte) schwebte mir eine der-
artige Hoffnung vor. Dass dieselbe aber sich als trügerisch erwies,
kann ich nun auch nicht mehr beklagen, seitdem ich den Grund der
Unmöglichkeit jener Erweiterung, den ich im folgenden darlege, er-
kannt habe.


ν) Soll ein Aussagenkalkul überhaupt als eine besondere Art des
Klassenkalkuls bestehen, so müssen die Aussagen in ihm eine Deutung
erfahren und einer solchen fähig sein: als Klassen der Gelegenheiten,
bei denen sie zutreffen.


Über diesen Punkt sind die Anhänger der rechnenden Logik samt
und sonders einig. Wer dem etwa nicht zustimmt, dem ist das onus pro-
[483]§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.
bandi zuzuweisen, nämlich die Aufforderung, mit der andersartigen neuen
Grundlage hervorzutreten, auf der sich der Kalkul angeblich aufbauen liesse.


Zu den fundamentalen Aussagen gehört die Subsumtion
A B,
welche das hypothetische Urteil: „Wenn A gilt, so gilt auch B“ dar-
stellt. Es muss also für diese Subsumtion die Klasse der Gelegen-
heiten ermittelt werden, bei denen sie zutrifft, sofern als bekannt gelten:
die Klasse der Gelegenheiten, bei denen die Aussage A (für sich),
und diejenige der Gelegenheiten, bei welchen B zutrifft.


Dass eine Aussage A bei keiner Gelegenheit zutreffe, wird durch
A = 0 auszudrücken sein, und ebenso, dass sie bei allen Gelegenheiten
gelte, durch A = 1̇, — wenn anders eine Erweiterung des Aussagen-
kalkuls auf den Gehalt des Klassenkalkuls erzielt werden sollte. Des-
gleichen wird man unter diesem letzteren Gesichtspunkt auch die beiden
Subsumtionen
0 B, A
anerkennen müssen, — obwol freilich auch eine Logik denkbar, (aber
in mancher Beziehung im Nachteil) wäre, die eine oder die andere
von beiden als nichtssagend oder albern verwerfen würde (vergl. S. 18
u. 19). —


Wer nun aber diese beiden Subsumtionen zugibt, ist genötigt,
als die Gültigkeitsklasse der Subsumtion A B den Ausdruck
4) (A B) = A1 + B
— somit unser (Peirce’s) Theorem λ) von S. 68 — anzuerkennen.


Es ist einleuchtend: die Klasse der Gelegenheiten, bei welchen
A B zutrifft, kann sich blos zusammensetzen aus Gelegenheiten, wo
B zutrifft, sowie solchen, wo A nicht zutrifft, welche letzteren wir
unter dem Zeichen A1 zusammenfassen, — und sie muss diese Gelegen-
heiten (zufolge der oben anerkannten Subsumtionen) auch sämtlich
enthalten. Enthielte sie eine Gelegenheit, wo A zutrifft und B nicht
zutrifft, so kämen wir zu einem augenscheinlichen Widerspruch mit
der Forderung, dass wenn A gilt, auch B gelte.


Ich will hier nicht ausführlicher sein, weil ich sicher bin, dass mir
die Gegner bis hierher willig folgen. Alles bisherige hat in anderm Zu-
sammenhange wol Herr Peirce schon angedeutet oder gesagt. Auch
musste ich mich selbst dabei rekapitulirend wiederholen. Ich brauche auch
nicht etwa auf S. 68 zu verweisen, wo ich mehr rechnend vorgegangen
bin in einer Weise, die die Gegner vielleicht beanstanden. — Es genügt
mir, dass dieses Theorem 4) nur irgendwie zugegeben ist, wobei ich einst-
weilen den Gegnern die Konzession mache, die Summe A1 + B so auffassen
31*
[484]Sechsundzwanzigste Vorlesung.
zu dürfen, dass keineswegs A nie oder B stets zu gelten brauche, sondern
dass ganz beliebig Gelegenheiten darunter zu verstehen seien, wo bald A
nicht, bald wo B zutrifft, bald wo beides der Fall ist.


Nunmehr komme ich zum Haupt- und letzten Angelpunkt unserer
Streitfrage, nämlich zu meiner Ableitung des spezifischen Aussagen-
prinzips 3) (A = 1̇) = A aus dem Satze 4), wie ich sie S. 69, Z. 10
v. u. gegeben. Wer 4) zugegeben, der muss, wofern er nicht auch 3)
anerkennen will, diese Ableitung widerlegen, und zwar direkt, nicht
durch Versuche einer reductio, bei welchen allemal Fehler unterlaufen.
Auch ist die Ableitung nicht so verwickelt, dass nicht ein Fehler,
falls sie einen solchen enthielte, leicht aufzufinden sein müsste:
(A = 1̇) = (1̇ A) = 1̇1 + A = 0 + A = A.


Der Aussagenkalkul bleibt hiernach also notwendig auf das Gebiet
der beiden Werte 0 und 1̇ beschränkt. Kein Mittelding gibt es für
Aussagen zwischen „ewig wahr“ und „ewig falsch“, und keine Tupfen-
Null 0̇, wie sie zugunsten der Darstellung zeitlich partikularer Aus-
sagen vorübergehend gebraucht wurde, für welche mein Satz 1)
(A ≠ 0̇) = (A = 1̇) nicht unerbittlich Geltung forderte.


Damit wird auch ein Vorwurf hinfällig, den mir Herr Husserl1
gemacht. Derselbe meint, ich hätte zuerst die Aussagenäquivalenz etc.
definiren, im Grunde also den Bd. 1 mit Bd. 2 beginnen sollen.


Er selbst glaubt eine Entdeckung gemacht zu haben, indem er die
Klassensubsumtion a b auf eine Aussagensubsumtion (x a) (x b)
zurückführt — vergl. hiezu S. 83. Was er „seinen Folgerungskalkul“
nennt und 2, 3 als das bessere der Welt vorführt, ist, so weit richtig,
nichts als eine Transskription von Formeln und Deduktionen meines Buches
aufgrund dieses Gedankens. Das alles haben aber McColl und Peirce
schon längst so gemacht, und auch Frau Franklin scheint solche Grund-
lage — noch — vorziehen zu wollen.


Ich habe die ganze Theorie auf die breitere Grundlage des Klassen-
kalkuls gestellt, — solchermassen auch der ersten Entwicklung der
Theorie durch Boole zu ihrem Rechte verhelfend, — einesteils weil
die letzten Bestandteile der sekundären Aussagen, der hypothetischen
Urteile doch immer kategorische Klassenaussagen sind, sodann aber —
und dies ist ausschlaggebend, — weil es inbezug auf die eine Hälfte
der kategorischen, nämlich die partikularen Urteile, ohnehin nicht
anders angeht. Auch die besseren Logikbücher, dünkt mich, pflegen
die hypothetischen nicht vor den kategorischen Urteilen zu behandeln.


Leider scheine ich unter den Mitarbeitern an unserer Disziplin
bis jetzt noch der einzige zu sein, der die vorstehenden Thatsachen er-
kannt und gewürdigt hat.


[485]§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.

ξ) Zum Schluss der Kontroverse nun noch die Frage: wie kann
man sich mit der unliebsamen Beschränktheit des Aussagenkalkuls
aussöhnen und befreunden?


In der sechzehnten Vorlesung glaubte ich klar gemacht zu haben,
dass sich in dem spezifischen Prinzip 3) sowol als in dessen Konse-
quenzen 1), 2) etc. weiter nichts ausspricht als die Unabweislichkeit der
Forderung, dass Aussagen, mit welchen gerechnet werden soll, während der
Rechnung immerfort im selben Sinne verstanden und ausgelegt sein müssen
.


Und das erscheint doch wol selbstverständlich. Ist doch diese
Forderung der „Einsinnigkeit“ für die Aussagen keine andere als für
die Klassen, für Begriffswörter und für Zeichen jeder Art. Sie tritt
ja an verbale Überlegungen nicht minder heran als an den Kalkul.
Der Unterschied ist nur der, dass während man mit Worten vielfach
gegen sie verstossen und sündigen kann, ohne es zu merken, der
Kalkul mit unerbittlicher Strenge jeden Verstoss augenblicklich an den
Tag bringt und rächt, dadurch aber auch zur Beachtung gedachter
Forderung erzieht, ihre Befolgung erzwingt.


Wer in den Sätzen des Aussagenkalkuls Paradoxien zu erblicken meint,
der hat sich noch nicht hinreichend frei machen gelernt von dem Gängel-
bande, an welchem die Wortsprache mit ihren Phrasen und elliptischen
Redewendungen uns alle zeitlebens — und wie oft in der Irre — herum-
führt. Nicht dem Aussagenkalkul entspringen Widersprüche und Paradoxien,
sondern dem Doppelsinn des Wortgebrauchs, den Mängeln der verbalen
Ausdrucksmittel, der Unzulänglichkeit der sprachlichen Bezeichnungen.


Die Darlegungen meiner sechzehnten Vorlesung sind indess selbst
bei hochverdienten Mitarbeitern an unserer Disziplin noch auf Schwierig-
keiten des Verständnisses gestossen. Es sei mir erlaubt, noch auf eine
solche Schwierigkeit einzugehen.


Das Ärgerniss gibt die Aussagengleichung
5) (A + B = 1̇) = (A = 1̇) + (B = 1̇)
S. 57, welche sich nach unserm spezifischen Prinzip 3) unmittelbar als
die Identität A + B = A + B bewahrheitet.


Es ist dies der Satz, in welchem Frau Franklin einen „distinct
error“ finden will (s. oben S. 464). Sie führt dabei als Argument ein
Beispiel in’s Feld, welches zur Klarstellung der Sache ganz vorzüglich
geeignet ist, nämlich: „Wenn es regnet, so nehme ich entweder einen
Schirm, oder ich bleibe zuhause.“


Bedeute C das Urteil „Es regnet“, A das „Ich bediene mich eines
Schirmes“, B das Urteil: „Ich verweile im Hause“, so haben wir
C A + B.


[486]Sechsundzwanzigste Vorlesung.

Tritt nun hier überhaupt einer von diesen beiden letztern Fällen
ein, so muss, meint Frau Franklin, derselbe nach meinem Aussagen-
kalkul ewig als eintretend anerkannt werden. Die Alternative aber,
entweder ewig einen Regenschirm zurhand zu nehmen, oder ewig im
Hause zu bleiben, erscheint ihr so schrecklich, die Beschränktheit
eines Aussagenkalkuls, der nur derartige Alternativen zu berücksichtigen
vermöchte, so kläglich, dass sie diesen, den sie selbst einst so wesent-
lich gefördert, ablehnen zu müssen glaubt.


So schlimm ist es indessen nicht bestellt mit dem Aussagenkalkul!
Das ganze Unglück rührt vielmehr nur daher, dass die Aussagen A, B
und C in der angegebenen Wortfassung noch gar keine echten, voll-
ständigen Urteile im Sinne einer exakten Logik sind, sondern nur
elliptische Redensarten, lückenhafte und darum an sich sinnlose Phrasen,
so lange sie nicht — mindestens in Gedanken — bezogen sind auf
eine bestimmte Gelegenheit oder auch Klasse von Gelegenheiten. Was
soll z. B. die Aussage A „ich bediene mich eines Schirmes“ bedeuten?
Gewiss nicht, — wie es wegen des im Präsens stehenden Verbums
scheinen könnte —: ich bediene mich jetzt, soeben, während ich dies
ausspreche, eines Schirmes. Es fehlt die Zeitbestimmung! — Eine
Ortsbestimmung ist wegen des Subjekts „Ich“, welches doch jeder-
zeit an einem bestimmten Ort sich befinden muss, hier zufällig
überflüssig.


Völlig explizirt wird uns deshalb nun bedeuten:


  • A = „Ich bediene mich eines Schirmes bei der Gelegenheit g“,
  • B = „Ich verweile im Hause bei der Gelegenheit g“,
  • C = „Es regnet (an dem Orte, wo ich mich befinde,) bei der Gelegen-
    heit g“.

Ergänzt man die Zeitbestimmung blos im Geiste, so kommt man
leicht in die Gefahr, jene Bestimmung wieder aus den Augen zu ver-
lieren, oder unvermerkt für dieselbe eine andere sich einschleichen zu
lassen.


Wenn es nun wirklich einmal zutrifft, dass es bei der bestimmten
gedachten Gelegenheit an dem Orte, wo ich mich befinde, regnet, so
wird dies ewig zutreffen, dass es ebenda und ebendann regnete, aber
es wird nicht ewig da regnen. Allgemein: Die ewige Anerkennung,
dass ein Ereigniss bei bestimmten Gelegenheiten eintritt oder eintrat,
ist zu unterscheiden von der Anerkennung, dass das Ereigniss ewig
eintritt.


Damit ist indessen die Aussagensubsumtion
C A + B
[487]§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.
noch nicht die für alle Fälle zulängliche Bezeichnung dessen geworden,
was die Wortführerin mit ihrem Ausspruch sagen wollte. Dieselbe wollte
ihre Aussage aufstellen nicht blos für eine bestimmte, sondern für jede
Gelegenheit g. Mit Rücksicht hierauf hat man ausdrucksvoller
(C A + B)
zu setzen, sobald etwa z. B. die Negation einer solchen Formel in Be-
tracht kommen sollte, — während man freilich sonst zumeist, wie oben
bemerkt, auch im Kalkul sich begnügt, die Allgemeinheit der Aussage
blos im Geiste zu unterstellen.


ο) Ein von mir selbst begangener Fehler.


Nachdem ich andern und den verdientesten Mitarbeitern schon so
vieles „am Zeuge zu flicken gehabt“, ist es nicht mehr als billig, auch ein-
mal „vor der eigenen Thür zu fegen“. Mit in den Kontroversen geschärftem
Blick wurde ich zuletzt dessen gewahr, dass ich auch selbst an einer Stelle
dieses Buches in einen „Fehlschluss aus unzulänglicher Bezeichnung“ ver-
fallen bin, — zum Glück ohne weitergehende unzutreffende Folgerungen
daran zu knüpfen.


Seite 312 dieses Bandes stellte ich die Behauptung auf, dass der
reineAussagenkalkul schlechterdings unfähig sei und es definitiv bleiben
müsse, auch partikulare Urteile einzukleiden
.


Wenn er aber zugestandenermassen fähig ist, die universalen Ur-
teile auszudrücken (S. 311), wenn die partikularen Urteile blos die
Negation von universalen sind, und wenn endlich der Aussagenkalkul
den Prozess der Verneinung an einer jeden Aussage zu vollziehen ver-
mag, — wie könnte er dann unfähig bleiben, ein partikulares Urteil
darzustellen?


Um dieses Paradoxon aufzulösen, ist nur nötig, die McColl’sche
aussagenrechnerische Darstellung der Klassensubsumtion a b auf
ihren zulänglichen Ausdruck zu bringen; durch Negation muss sich
dann freilich eine ebensolche — aussagentheoretische — Darstellung
des partikularen Klassenurteils a b oder a b1 ≠ 0 ergeben.


Nach McColl soll (S. 311) die Subsumtion a b statt „alle a
sind b“ gedeutet werden, — indem man von irgend einem beliebigen
unter den Individuen der Mannigfaltigkeit 1, doch durchweg von dem-
selben, spricht: — „wenn es ein a ist, so ist es ein b“. Trifft diese
Aussagensubsumtion in der That zu für jedeses“, jedes Individuum,
so sagt dieselbe das gleiche wie die Klassensubsumtion a b. Um
nun erstere zulänglich darzustellen, ist jedenfalls auch die Allgemeinheit,
die notwendig, wenn auch stillschweigend unterstellte Anwendbarkeit
[488]Sechsundzwanzigste Vorlesung.
der Aussage auf jedes Individuum (ja auch auf jede Klasse) x ausdrücklich
hervorzuheben, zumal ja Verneinung der Aussage beabsichtigt ist. Dann
läuft die Umdeutbarkeit der Subsumtion aber, wie leicht zu sehen ist,
hinaus auf die Äquivalenz:
6) (a b) = {x a) (x b)},
— eine Formel, die auch schon S. 83 erwähnt und begründet ist; dieselbe
ist demnach Herrn McColl wol vorPeirce zuzuschreiben, dessen Abhandlung5
ich seinerzeit als meine Hauptquelle bezeichnet habe. — Wie hier die
sämtlichen Klassen x des Denkbereiches natürlich auch die Individuen mit
umfassen, doch aber nicht auf diese beschränkt sind, so hätte ich auch bei
der Bemerkung im ersten Kontext auf S. 312 besser von allen Klassen statt
nur von den Individuen gesprochen.


Wollen wir nun, um den Ausdruck des partikularen Urteils zu
gewinnen, die McColl’sche Aussagensubsumtion korrekt verneinen, so
darf dies keineswegs — wie S. 311 sq. — geschehen an deren unzu-
länglichem Ausdruck „ab“, worin „a“ das Urteil: „es (das gedachte
Individuum oder Objekt) ist ein a“, „b“ das: „es ist ein b“ bedeuten
sollte, die Allgemeinheit dieses „es“ aber unausgedrückt blieb, — sondern
es hat zu geschehen an der rechten Seite von 6), als der zulänglichen
Darstellung.


Mit dieser Darstellung der McColl’schen Umdeutung der Klassen-
subsumtion a b in eine Aussagensubsumtion „ab“ kommt es
nun aber an’s Tageslicht, dass diese letztere gar nicht rein aussagen-
theoretischen Charakters ist, da ihre Bestandteile x a und x b
Klassensymbole enthalten. (Zudem ist es keine Subsumtion, sondern
ein Produkt von Aussagensubsumtionen.) Es ist eine Proposition von
zwiespältiger Natur, zu deren Verständniss man sowol des Klassen-
wie des Aussagenkalkuls bedarf; und dieser „unreine“ Charakter wird
sich ebenso auch auf ihre Negation übertragen.


Ich habe daher der vorerwähnten Behauptung ergänzend und be-
richtigend die zweite an die Seite zu stellen: dass derreineAussagen-
kalkul schon ebensowenig fähig ist
, auch nur universale Klassenurteile
darzustellen.


Damit wird auch die oben erwähnte Paradoxie hinfällig.


Da man also des Klassenkalkuls bedarf im Aussagenkalkul, da
ersterer nicht auf letzteren gegründet werden kann, so muss jener not-
wendig vorangestellt werden. Auch ist der Aussagenkalkul nicht der
einfachere, sondern vielmehr weit schwieriger zu erfassen, wie sich an
den soeben besprochenen Paradoxien und Kontroversen gerade ge-
zeigt hat.


[489]§ 54. Fortsetzung. Konstitution des Begriffes.

Frau Franklin-Ladd macht in ihrer mehrerwähnten Rezension meines
Bd. 1 noch einen Ausfall gegen eine Stelle S. 75 sq. dieses Bd. 1, wo ich
zwar wol den Gegensatz zwischen positiven und den zugehörigen negativen
Begriffen, als relative Unterscheidung, nicht aber eine Einteilung der Begriffe,
in absolutem Sinne, in positive und negative in das System aufnehmen zu
können erkläre, weil es an einem Kennzeichen dafür gebricht, welcher von
zwei einander kontradiktorisch entgegengesetzten Begriffen, wie nützlich und
schädlich, parallel und schneidend, direkt oder unmittelbar und indirekt
oder mittelbar, als der positive anzusehen sei.


Sie gibt mir solches nur zu für Begriffe, die ich hier kurz „einfache“
nenne, „so long as the quality which marks its signification is one and
indivisible“ (cf. p. 129 unten), also für Begriffe mit „unteilbarem Inhalt“,
wie „heiss, kalt, schwer, blau, parallel“; da sei es denn in der That einerlei,
ob man z. B. die Zahlen einteile in gerade (even) und nicht gerade, oder
etwa in ungerade (odd) und nicht ungerade. — Anders dagegen bei „zusammen-
gesetzten“ Begriffen (when we come to complex qualities); hier komme nämlich
den positiven wesentlich der Charakter eines identischen Produktes (com-
bination of quality elements), den negativen der einer Summe von Merk-
malen (alternation of qu. el.) zu; wonach beide extremely different seien.


Die Richtigstellung dieser Meinung wird für unsere Theorie umso
mehr Gewinn bringen, als Frau Franklin dabei ausging von einer schon
früher von ihr aufgestellten Formel betreffend die Konstitution eines jeden
(„zusammengesetzten“) Begriffes B: Seien α1, α2, α3, … die Merkmale des Be-
griffs B (umfangslogisch verstanden, d. i. also jedes als Klasse der Objekte,
die das betreffende Merkmal besitzen) und i1, i2, i3, … die Individuen, welche
derselbe unter sich begreift; dann ist
B = α1α2α3 … (i1 + i2 + i3 …);
in der That müssen, wie leicht einzusehen, die Merkmale als Faktoren, die
Individuen als Summanden in den Ausdruck des Begriffes eingehen. Man
kann dabei aber die Gruppe der Faktoren α, oder aber das Aggregat der
Summanden i unterdrücken; der Begriff ist das identische Produkt seiner
Merkmale; er ist auch die identische Summe seiner Individuen; und als das
eine oder andere ist er bereits völlig bestimmt.


Da nämlich i1α1, i1α2, … oder nach Th. 20×) i1α1 = i1, i1α2 = i1, …
ist, so bleibt B = i1 + i2 + i3 + … Ebenso ist auch B = α1α2α3 … ohne
den Aggregatfaktor, vorausgesetzt nur, dass die Gruppe der als wesentliche
Merkmale angesetzten Faktoren α eine vollständige ist. Denn dieser Aus-
druck bleibt ungeändert, wenn man ihn mit der Summe aller erdenklichen
Individuen — als der identischen Eins — multiplizirt — Th. 21×) —.
Ist nun i ein nicht zur Kategorie des Begriffs gehöriges Individuum, so
muss dasselbe mindestens eines von den wesentlichen Merkmalen des Begriffes
entbehren, — sagen wir das Merkmal α, welches sich unter den obigen
Faktoren sicher mit aufgezählt findet, jedoch auch durch eine multiplikative
Kombination von einigen oder allen diesen Faktoren vertreten sein kann.
Dann ist also α i = 0, und der betreffende Summand i fällt aus der aus-
multiplizirt gedachten Summe heraus, weshalb er denn schon in der nicht
ausmultiplizirten Summe unterdrückt werden mag; so gelangt man dann
[490]Sechsundzwanzigste Vorlesung.
aber zu der erstangegebenen ausdrucksvollsten Darstellung des Begriffes B
zurück.


Durch Negiren erhält man nun auch in der That den Begriff B1
B1 = α11 + α21 + α31 + … + i11i21i31
= α11 + α21 + α31 + … = i11i21i31

als Summe von Merkmalen bezw. Merkmalsverneinungen.


Frau Franklin gibt hiezu ein Beispiel: Es bedeute c = Civilisation,
und in
c = γ1γ2γ3 … (C1 + C2 + C3 + …) = γ C
die Faktoren γ die verschiedenen Merkmale der Civilisation, als z. B den
Besitz guter Gesetze zum Schutze von Person und Eigentum, das Vorhanden-
sein einer Macht, welche die Beobachtung der Gesetze zu erzwingen, und
das Gemeinwesen auch gegen Vergewaltigung von aussen zu sichern vermag,
von Institutionen, welche dem Einzelnen eine gute Erziehung und möglichst
Vielen einen gewissen Grad von Glück zuwenden, etc. — wogegen die
Glieder C die verschiedenen Anwendungsbeispiele des Civilisationsbegriffes
bezeichnen sollen, z. B. die Civilisation der Assyrer, die der Griechen, und
so fort. Unwesentlich ist dabei die Frage, ob die C wie oben Individuen
i, hier also individuelle Civilisationen vorstellen, oder ob z. B. C1 etwa die
Klasse der Civilisationen der Hellenen des klassischen Altertums sowol
als auch der Neugriechen zu bedeuten habe, da Klassen und Klassensummen
C zuletzt auch Individuensummen sind.


Zur Behandlung dieses Beispiels ist zu bemerken, dass Frau Franklin
die Negation C1 „in accordance with the usual rule for taking the negative“
in der Form ansetzt:
c1 = (γ11 + γ21 + γ31 + …) C11C21C31 …,
mit ersichtlichem Verstoss gegen die Negationsregeln, — dass aber wegen
c = γ C = γ = C = γ + C
c
1 = γ1 + C1 = γ1 = C1 = γ1C1

dieser Verstoss belanglos ist und die von ihr gegebene Negationsform materiell
sich rechtfertigt.


Dass aber die Nicht-Civilisation c1 nur die Alternative biete, mindestens
einer unter denjenigen Qualitäten zu ermangeln, deren Gesamt-Kombination
eben die Civilisation c erst ausmacht, soll nun nach Frau Franklin’s
Meinung jenen ersteren Begriff c1 als absolut negativen kennzeichnen.


Allein es liegt in dem Wesen des Begriffes c1 keineswegs die Notwendig-
keit einer derartigen negativen Darstellung. Man kann ihm vielmehr wol
nicht minder, als dem Begriff c, eine Reihe von „positiven“ Merkmalen
gleichzeitig beilegen, die ihn vollständig bestimmen; man kann ihn, vielleicht
unter dem „positiven“ Namen b = Barbarei = c1, ebenfalls auf das Schema
b = β1β2β3 … (B1 + B2 + B3 + …)
bringen, wozu dann c = b1 in negativer Darstellung treten wird. — Ähnliches
lässt sich vielleicht noch besser erläutern an den beiden Begriffen gesund
[491]§ 54. Fortsetzung. Konstitution des Begriffes.
und krank. Es gibt doch wol eine Kombination von Qualitäten, durch
welche der erstere von beiden als „positiver“ Begriff sich bestimmen lässt.
Aber auch wenigstens für einen beliebigen Unterbegriff des zweiten, eine
bestimmte Krankheit, z. B. Trichinose, Cholera, usw., lassen sich hinreichend
viele krankhafte Veränderungen der einzelnen Organe, Krankheitssymptome
u. dergl. angeben, deren Zusammentreffen die Krankheit definirt. Bei ent-
sprechender Beschränkung des Denkbereiches kann dann schon die gedachte
einzelne Krankheit kontradiktorisch der Gesundheit gegenüberstehen. Welcher
von beiden Begriffen ist dann der positive? Bei allgemeinerem Denkbereich
aber hätte man keinesfalls die obige Darstellung eines „negativen“ Begriffes
für den Krankheitsbegriff, da sich dieser doch wol additiv zusammensetzt
aus den gedachten einzelnen Krankheitsklassen, bezw. -individuen, — mag
man nun diese selbst als positive oder als negative Begriffe ansehen.


Andrerseits muss ein unbestritten „positiver“ Begriff, z. B. der Begriff
„polar“ in dem Sinne, wie wir von Polarweide, Polarfuchs etc. sprechen,
keineswegs notwendig als Produkt von Merkmalen gedacht werden; er kann
auch eine Alternative
polar = arktisch + antarktisch
enthalten. Somit ist das obige Franklin’sche Begriffsschema auch für die
sogenannten „positiven“ Begriffe nicht allgemein verbindlich. Dasselbe zeigt
nur die Konstitution eines Begriffes hinsichtlich seines Inhalts und Umfanges
in „regelrechter“ Darstellung; es ist ein Ideal, dem wir zustreben bei Aus-
bildung unseres Begriffssystems; die Möglichkeit der Darstellung eines und
desselben Begriffes in verschiedenen Formen ist nicht zu bestreiten. Die
Unterscheidung positiver und negativer Begriffe ist psychologischen Ursprungs
und für die Logik ohne Belang.


Auch hat Frau Franklin ebensowenig meine Zustimmung, wenn sie
von „einfachen“ Begriffen, von „unteilbaren“ Merkmalen spricht. Als Merk-
mal eines Dinges gilt mir alles Erdenkliche, was wahrheitsgemäss von dem-
selben ausgesagt werden kann. Ich sehe in jedem Merkmal und in jedem
Begriffe eine unbegrenzte Fülle von Merkmalen. Unter den Merkmalen
eines Begriffes können freilich gewisse als „wesentliche“ hervorgehoben
werden, — jedoch in verschiedenster Weise, — welche die übrigen alle
denknotwendig oder auch vermöge besondrer axiomatischer Voraussetzungen,
mit bedingen und nach sich ziehen. Auch gibt es wol psychologisch ur-
sprünglichere und daneben abgeleitete Begriffe und Merkmale. Wenn mir
aber nun z. B. jeder richtige Satz über Parallele (sei es blos Gerade, sei
es auch Kurven, Flächen etc.) ein neues Merkmal des Begriffes „parallel“
vorstellt, so nehme ich damit Stellung gegen Frau Franklin, welche diesen
Begriff neben andren als Beispiel eines „einfachen“ hinstellen will.


Mit Frau Franklin aber darf ich hier wol von neuem denjenigen
entgegentreten, welche, als Verfechter der angeblichen (aber bisher eben
noch niemals rein in die Erscheinung getretenen) Logik des Inhalts, immer
noch in grosser Zahl unserer Richtung ablehnend oder feindlich gegenüber-
stehen und sich gebärden, als ob die Umfangslogik der Erkenntniss der
Begriffe ihrem Inhalt nach nicht förderlich, sondern eher hinderlich sei.


Spricht da z. B. ein Autor, den ich lieber nicht nenne, mit Bezug
[492]Sechsundzwanzigste Vorlesung.
auf die Logik des Umfangs von der „groben Manier, die dem Etiketten-
schreiber genügt
“. Vor allem die Frage: wer hat denn je gesagt, dass uns
die Logik des Umfangs genüge? Sie genügt uns noch lange nicht, ebenso
wenig, wie, in unserm Streben nach Erkenntniss der Aussenwelt, etwa die
Chemie oder gar die Geometrie. Ist etwa gegen die Osteologie der Vor-
wurf berechtigt, dass ihr vom lebendigen Leibe das dürre Knochengerüst
„genüge“?


Endlich stimme ich auch Lotze zu, wenn er „das ewige Messerwetzen
langweilig“ findet und meint, man müsse auch etwas Ordentliches zu
schneiden vorhaben. An letzterem fehlt es nun aber in den exakten
Wissenschaften nirgends, und noch weniger in jenen „Wissenschaften“, die,
wie die Philosophie, „es vollends werden wollen“. Allein das Messer —
ein viel zu stumpfes Instrument — ist die Wortsprache! Es gilt die Her-
stellung und den Gebrauch weit feinerer Zergliederungsinstrumente!


[[493]]

Siebenundzwanzigste Vorlesung.


§ 55. Über Knüpfungen von bestimmten formalen Eigenschaften
im identischen Kalkul.


α) Der identische Kalkul ist vorzüglich geeignet, um zu jedem
erdenklichen Kalkul ein Substrat zu liefern, sofern dessen direkte
Operationen eindeutige, aber nicht eindeutig umkehrbare sein sollen.


Irgend eine Funktion f (x, y) zweier Argumente wollen wir als
eine Knüpfung zwischen ebendiesen in’s Auge fassen und mit xy
bezeichnen. Dann ist nach dem Boole’schen Fundamentalsatze (Bd. 1,
S. 415):

α1)
  • xy = p x y + q x y1 + r x1y + s x1y1,
    ∘̅ = p1x y + q1x y1 + r1x1y + s1x1y1,


wenn wir uns in diesem einen Fall auch einmal des horizontalen Ne-
gationsstriches bedienen.


Die Knüpfung heisse auch „symbolische Multiplikation“.


Die inversen Operationen zu dieser sind zu definiren durch die
Gleichungen:

α2)
  • (xb = a) = (x),
    (bx = a) = (x ab),


wonach denn unter dem „symbolischen Bruch“ resp. unter dem „sym-
bolischen Verhältniss
ab die allgemeinste Lösung der Gleichung
linkerhand zu verstehen sein wird; falls diese Gleichung nicht auflösbar
sein sollte, hat der betreffende Ausdruck als sinnlos, = ∞, zu gelten.


Die Gleichung xb = a, rechts auf 0 gebracht und geordnet,
gibt A x + B x1 = 0, nämlich:
(p1a b + q1a b1 + p a1b + q a1b1) x + (r1a b + s1a b1 + r a1b + s a1b1) x1 = 0
und hat zur Resultante nach x, in Gestalt von A B = 0:
p1r1a b + q1s1a b1 + p r a1b + q s a1b1 = 0,
und zur Lösung x = B u1 + A1u bei arbiträrem u:
= x = (r1u1 + p u) a b + (s1u1 + q u) a b1 + (r u1 + p1u) a1b + (s u1 + q1u) a1b1.


[494]Siebenundzwanzigste Vorlesung.

Schreibt man:
= p' a b + q' a b1 + r' a1b + s' a1b1,
so ist
p' = r1u1 + p u, q' = s1u1 + q u, r' = r u1 + p1u, s' = s u1 + q1u
und man erkennt unmittelbar (oder auch durch Elimination von p, q,
r, s, wobei u von selbst herausfällt,):
p' = r'1, q' = s'1;
also ist von der Form:
= r'1a b + s'1a b1 + r' a1b + s' a1b1. —


Ebenso gibt die Gleichung bx = a:
(p1a b + r1a b1 + p a1b + r a1b1) x + (q1a b + s1a b1 + q a1b + s a1b1) x1 = 0,
mit der Resultante:
p1q1a b + r1s1a b1 + p q a1b + r s a1b1 = 0
und der Auflösung:
ab = x = (q1u1 + p u) a b + (s1u1 + r u) a b1 + (q u1 + p1u) a1b +
+ (s u1 + r1u) a1b1;

es ist also auch ab von der Form
ab = r'1a b + s'1a b1 + r' a1b + s' a1b1.
Überhaupt ergibt sich alles auf ab bezügliche aus dem über eru-
irten einfachst, indem man q mit r vertauscht.


β) Die allgemeinste assoziative Knüpfung im identischen Kalkul
soll jetzt ermittelt werden, — mithin die „Lösung“ (der Funktional-
gleichung) des Algorithmus
β1) a ∘ (bc) = (ab) ∘ c = abc.


Wir erhalten gemäss α1):
(ab) ∘ c = p (ab) c + q (ab) c1 + r ( ∘̅ ) c + s ( ∘̅ ) c1 =
= (p + r) a b c + (p q + p1s) a b c1 + (p q + q1r) a b1c +
+ (q + s) a b1c1 + p r a1b c + (q r + r1s) a1b c1 +
+ (p s + r s1) a1b1c + q s a1b1c1,
a ∘ (bc) = p a (bc) + q a ( ∘̅ ) + r a1 (bc) + s a1 ( ∘̅ ) =
= (p + q) a b c + p q a b c1 + (p r + q r1) a b1c + (p s + q s1) a b1c1 +
+ (p r + p1s) a1b c + (q r + q1s) a1b c1 + (r + s) a1b1c + r s a1b1c1.

[495]§ 55. Über Knüpfungen von bestimmten formalen Eigenschaften.
Sollen diese beiden Ausdrücke für ganz beliebige a, b, c einander
gleich sein, so müssen die gleichstelligen Koeffizienten übereinstimmen:
p + r = p + q, p q + p1s = p q, p q + q1r = p r + q r1, q + s = p s + q s1,
p r = p r + p1s, q r + r1s = q r + q1s, p s + r s1 = r + s, q s = r s.

Die acht Gleichungen lauten, rechts auf 0 gebracht:
p1 (q r1 + q1r) = 0, p1s = 0, p1 (q r1 + q1r) = 0, p1s = 0,
p1s = 0, (q r1 + q1r) s = 0, p1s = 0, (q r1 + q1r) s = 0,

und vereinigen sich zu der Gleichung
β2) p1s + (p1 + s) (q r1 + q1r) = 0,
oder zu dem Subsumtionenprodukt:
(s p) (q r1 + q1r p s1).
Wir wollen diese Aussage die „Charakteristik“ assoziativer Knüpfungen
nennen. Dieselbe ist symmetrisch allgemein nach p, q, r, s zu lösen.


Der Subsumtion s p wird auf die allgemeinste Weise genügt —
cf. Bd. 1, S. 504 —, indem man setzt:
s = ϰ λ, p = ϰ + λ,
s1 = ϰ1 + λ1, p1 = ϰ1λ1,

wonach p s1 = ϰ λ1 + ϰ1λ wird. Um der zweiten Forderung
q r1 + q1r ϰ λ1 + ϰ1λ
zu genügen, ist nunmehr ebenso zu bewirken, dass
q r1 + q1r = α β,
ϰ λ1 + ϰ1λ = α + β

wird. Nach Bd. 1, S. 513 sq. sind hiezu die Lösungen:

ϰ = γ α1β1 + ζ (α + β)q = δ (α1 + β1) + ε α β
λ = γ α1β1 + ζ1 (α + β)r = δ (α1 + β1) + ε1α β
ϰ1 = γ1α1β1 + ζ1 (α + β)q1 = δ1 (α1 + β1) + ε1α β
λ1 = γ1α1β1 + ζ (α + β)r1 = δ1 (α1 + β1) + ε α β

Hiermit wird dann
p = γ + α + β, s = γ α1β1,
und ζ fällt ganz heraus; die allgemeinste assoziative Knüpfung im iden-
tischen Kalkul ist sonach diese:

β3)
  • xy = (α + β + γ) x y + {(α1 + β1) δ + α β ε} x y1 +
    + {(α1 + β1) δ + α β ε1} x1y + α1β1γ x1y1,
    ∘̅ = α1β1γ1x y + {(α1 + β1) δ1 + α β ε1} x y1 +
    + {(α1 + β1) δ1 + α β ε} x1y + (α + β + γ1) x1y1,


[496]Siebenundzwanzigste Vorlesung.
worin die fünf Gebiete α, β, γ, δ, ε arbiträre Parameter vorstellen;
und zwar kann unter ihnen ε noch nach Belieben festgesetzt werden
(z. B. = 0 oder 1) unbeschadet der Allgemeinheit.


Als der übereinstimmende Wert von (xy) ∘ z und x ∘ (yz) stellt
sich heraus, (indem die Probe stimmt):

β4)
  • xyz = (α + β + γ + δ) x y z + {(α β1 + α1β + α1β1γ) δ + α β ε} x y z1 +
    + {(α + β + γ) δ + α β} x y1z + {α1β1γ + (α1 + β1) δ + α β ε} x y1z1 +
    + {(α α1 + α1β + α1β1γ) δ + α β ε1} x1y z + {α1β1γ + (α1 + β1) δ} x1y z1 +
    + {α1β1γ + (α1 + β1) δ + α β ε1} x1y1z + α1β1γ δ x1y1z1.

Wir substituiren hierin zu für z, um nun auch xyzu
sorgfältig zu berechnen. Hierbei treten merkwürdigerweise alle Koeffi-
zienten bis auf viere doppelt auf:

β5)
  • xyzu = (α + β + γ) x u · y z + {α1β1γ + (α + β) δ + α β} x u · y1z1 +
    + [{(α1 + β1) δ + α β ε} x u1 + {(α1 + β1) δ + α β ε1} x1u](y z + y1z1) +
    + {α1β1γ + (α β1 + α1β) δ} x1u1 · y z + α1β1γ x1u1 · y1z1 +
    + [(α β + δ) x u + {α1β1γ + (α β1 + α1β) δ + α β ε} x u1 +
    + {α1β1γ + (α β1 + α1β) δ + α β ε1} x1u + (α1 + β1) δ x1u1](y z1 + y1z).


Die beiden Glieder in der ersten und resp. in der dritten Zeile würden
sich analog zusammenziehen, wenn
α1β1γ + (α + β) δ + α β = α + β + γ, α1β1γ + (α β1 + α1β) δ = α1β1γ
wäre; diese beiden Bedingungen laufen aber hinaus auf folgende:
(α β1 + α1β) δ1 = 0, (α β1 + α1β) δ = 0
oder
α = β.


Bedingungslos aber stellt der Ausdruck in der letzten eckigen
Klammer auch seinerseits wieder eine assoziative Knüpfung vor.


Streng geordnet ist

β6)
  • xyzu = (α + β + γ) x y z u + {(α1 + β1) δ + α β ε} x y z u1 +
    + (α β + δ) x y z1u + {α1β1γ + (α β1 + α1β) δ + α β ε} x y z1u1 +
    + (α β + δ) x y1z u + {α1β1γ + (α β1 + α1β) δ + α β ε} x y1z u1 +
    + {α1β1γ + (α + β) δ + α β} x y1z1u + {(α1 + β1) δ + α β ε} x y1z1u1 +
    + {(α1 + β1) δ + α β ε1} x1y z u + {α1β1γ + (α β1 + α1β) δ} x1y z u1 +
    + {α1β1γ + (α β1 + α1β) δ + α β ε1} x1y z1u + (α1 + β1) δ x1y z1u1 +
    + {α1β1γ + (α β1 + α1β) δ + α β ε1} x1y1z u + (α1 + β1) δ x1y1z u1 +
    + {(α1 + β1) δ + α β ε1} x1y1z1u + α1β1γ x1y1z1u1.

[497]§ 55. Über Knüpfungen von bestimmten formalen Eigenschaften.

Nennt man hier m und n die Koeffizienten und mu + nu1
die beiden Glieder in irgend einer Zeile, und substituirt nun uv für u
resp. ∘̅ für u1, so entsteht daraus
m … (p u v + q u v1 + r u1v + s u1v1) +
+ n … (p1u v + q1u v1 + r1u1v + s1u1v1) =
= (m p + n p1) … u v + (m q + n q1) … u v1 +
+ (m r + n r1) … u1v + (m s + n s1) … u1v1;

es ist damit angedeutet, auf welche Weise die Koeffizienten bei Hin-
zutritt eines weiteren symbolischen Faktors aus den vorigen abzuleiten
sind. Und zwar gilt diese Ableitung offenbar allgemein auch für die
Fortsetzung und Ausdehnung des Verfahrens auf noch mehr Faktoren.


Ein Bildungsgesetz für die Koeffizienten muss sich indessen er-
geben, wenn wir bis zu einem Produkt aus höchstens 8 symbolischen
Faktoren weiter gehen, weil spätestens von da ab die früheren Koeffizienten
sich nur immer wiederholen müssen.


Denn die Charakteristik fordert das Wegfallen der Hälfte von den
16 Konstituenten in p, q, r, s, und mit den übrigen 8 können blos
28 = 256 verschiedene Ausdrücke gebildet werden, — eben nur so viele,
als das entwickelte symbolische Produkt der 8 Terme Glieder aufweist.


Doch reduzirt sich die Zahl der zu gedachtem Zweck zu berechnenden
Koeffizienten noch ganz erheblich. Zunächst nämlich ist zu beachten,
dass zu den 4 Koeffizienten von xy und den 23 = 8 Koeffizienten
von xyz zuletzt mit xyzu statt 24 = 16 nur 6 neue verschiedene
hinzugekommen sind, da in β6) nur die 10 in β5) zusammengestellten
Koeffizienten von einander verschieden sind, von diesen aber wieder
das erste und das letzte Koeffizientenpaar (in β6)) schon bei xy vor-
kommt. Diese beiden Paare liefern ebenso, wie die Koeffizienten von
xyz, auch die vier ersten und die vier letzten Koeffizienten von
xyzuv.


In diesem letzteren Ausdruck werden aber zudem von den übrigen
25 — 8 = 24 zu berechnenden Koeffizienten jedenfalls weitere 8 doppelt
auftreten, nämlich je die 4, welche der zweiten oder dritten bezw. der
sechsten oder siebenten Zeile in β6) entstammen, wegen der Überein-
stimmung dieser beiden Zeilenpaare in den Koeffizienten.


Für die hiernach noch übrigen 16 Koeffizienten berechnen sich
folgende Werte, und zwar
aus der zweiten (und dritten) Zeile von β6) die viere:

α β + (α + β + γ) δ,α1β1γ + (α1 + β1) δ + α β ε,
*α β + δ + α1β1γ,(α β1 + α1β + α1β1γ) δ + α β ε,

Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 32
[498]Siebenundzwanzigste Vorlesung.
aus der vierten Zeile:

α β + δ + α1β1γ,(α β1 + α1β + α1β1γ) δ + α β ε,
α β + (α + β + γ) δ,α1β1γ + (α1 + β1) δ + α β ε,

aus der fünften Zeile:

(α β1 + α1β + α1β1γ) δ + α β ε1,α1β1γ + (α1 + β1) δ,
α1β1γ + (α1 + β1) δ + α β ε1,*(α β1 + α1β + α1β1γ) δ,

endlich aus der sechsten (und siebenten) Zeile:

α1β1γ + (α1 + β1) δ + α β ε1,(α β1 + α1β + α1β1γ) δ,
(α β1 + α1β + α1β1γ) δ + α β ε1,α1β1γ + (α1 + β1) δ.

An neuen Koeffizienten sind hiernach nur die beiden besternten *
zu den bisherigen 18 hinzugekommen. Auch ergaben sich nur vierer-
lei Paare, von denen das erste und letzte schon bei xyz vorkamen.


Um fortzufahren, haben wir also nur noch die beiden neuentstandenen
Paare demselben Algorithmus zu unterwerfen. Das erste von diesen
(in der zweiten oder dritten unserer Koeffizientenzeilen) liefert:

α1β1γ + (α + β) δ + α β,(α1 + β1) δ + α β ε,
α β + δ,α1β1γ + (α β1 + α1β) δ + α β ε,

das andere (in der sechsten oder siebenten Zeile):

α1β1γ + (α β1 + α1β) δ + α β ε1,(α1 + β1) δ,
(α1 + β1) δ + α β ε1,α1β1γ + (α β1 + α1β) δ.

Diese Paare sind aber sämtlich unter xyzu schon vorgekommen,
sodass wir den Abschluss erreicht haben.


Es können sonach in allen symbolischen Produkten aus noch so
viel Faktoren nicht mehr als die bisherigen 20 Koeffizienten vorkommen,
die sich in den Knüpfungen aus 2, 3, 4 und 5 symbolischen Faktoren
erstmals vollständig zusammenfinden, von da ab nur wiederholen.


Ist nun ein symbolisches Produkt von N Faktoren gegeben, wohl-
geordnet und so hingeschrieben, dass die Glieder seiner Entwicklung
zu je zweien in einer Zeile stehen, wie oben in β4) und β6), und man
will das symbolische Produkt aus N + 1 Faktoren bilden, so wird jede
Zeile des gegebenen Produktes zwei Zeilen des gesuchten, jedes gegebene
Koeffizientenpaar einer Zeile deren zwei neue liefern. Die folgende
Tafel β9) gibt zu jedem Koeffizientenpaar (links einer {-Klammer) die
beiden daraus hervorgehenden Koeffizientenpaare (rechts), wobei ich
mich der im nachstehenden Koeffizientenverzeichniss β7) gedeuteten Buch-
stabenbezeichnungen bediene.


[499]§ 55. Über Knüpfungen von bestimmten formalen Eigenschaften.
β7

β8

Tafel
β9


Mit Hülfe dieser Tafel lässt sich nun ohne weiteres hinschreiben:
32*
[500]Siebenundzwanzigste Vorlesung.

Man sieht, dass für c' = p, f' = s, das heisst (cf. oben S. 496) für
β10) β = α
eine beträchtliche Vereinfachung eintritt. In diesem „ausgezeichneten
Falle
β10) unserer symbolischen Multiplikation fallen nämlich von den
20 Koeffizienten viere fort, indem
c' = p, f' = s, p' = a, s' = h
wird, und die noch übrigen reduziren sich zu:

p = α + γq = α1δ + α εr = α1δ + α ε1s = α1γ
a = α + γ + δb = α1γ δ + α εc = α + γ δd = α1 (γ + δ) + α ε
e = α1γ δ + α ε1f = α1 (γ + δ)g = α1 (γ + δ) + α ε1h = α1γ δ
a' = α + δb' = α1γ + α εg' = α1γ + α ε1h' = α1δ.

[501]§ 55. Über Knüpfungen von bestimmten formalen Eigenschaften.
xy und xyz bleiben bei dieser Annahme unverändert; dagegen
wird einfacher:
xyzu = (p x u + q x u1 + r x1u + s x1u1) (y z + y1z1) +
+ (a' x u + b' x u1 + g' x1u + h' x1u1) (y z1 + y1z),
xyzuv =
= (a x v + b x v1 + e x1v + f x1v1) (y z u + y z1u1 + y1z u1 + y1z1u) +
+ (c x v + d x v1 + g x1v + h x1v1) (y z u1 + y z1u + y1z u + y1z1u1),
xyzuvw =
= (p x w + q x w1 + r x1w + s x1w1) ·
· (y z u v + y z u1v1 + y z1u v1 + y z1u1v + y1z u v1 + y1z u1v + y1z1u v + y1z1u1v1) +
+ (a' x w + b' x w1 + g' x1w + h' x1w1) ·
· (y z u v1 + y z u1v + y z1u v + y1z u v + y z1u1v1 + y1z u1v1 + y1z1u v1 + y1z1u1v),

und so weiter!


Das symbolische Produkt xy ∘ … ∘ uvw beliebig vieler
Argumente stellt sich offenbar hier stets dar als Binom zweier (iden-
tischer) Produkte aus je zwei Faktoren, von denen der eine das erste
Argument x mit dem letzten w verknüpft nach einem der vier
Knüpfungsschemata:

β11)
  • xw = p x w + q x w1 + r x1w + s x1w1
    x w = a' x w + b' x w1 + g' x1w + h' x1w1
    x w = a x w + b x w1 + e x1w + f x1w1
    x w = c x w + d x w1 + g x1w + h x1w1,


während der andere die übrigen Argumente y, … u, v enthält. Denkt
man sich die identische 1 nach diesen y, … u, v entwickelt, und be-
zeichnet man die eine Hälfte dieser Entwicklung, nämlich die Summe
derjenigen Entwicklungsglieder, welche eine gerade Anzahl (0, 2, 4, …)
Negate aufweisen, also yu v + yu1v1 + …, durch deren erstes
Glied mit vorgesetztem Summenzeichen, und ebenso entsprechend
die andere Hälfte, so gilt für eine gerade Zahl von symbolischen
Faktoren:
xy ∘ … ∘ uvw = (xw) Σ yu v + (x w) Σ yu v1,
für eine ungerade Zahl dagegen:
xy ∘ … ∘ uvw = (x w) Σ yu v + (x w) Σ yu v1.


Die vier Knüpfungen β11) sollen einander „konjugirte“ heissen, die
drei letzten auch „der ersten zugeordnet“.


[502]Siebenundzwanzigste Vorlesung.

Dieselben sind je für sich wieder assoziative Knüpfungen oder
symbolische Multiplikationen; denn die Charakteristik β2) ist erfüllt
wie für die erste derselben:
p1s + (p1 + s) (q r1 + q1r) = 0,
so auch für die ihr zugeordneten Knüpfungen:
a'1h' + (a'1 + h') (b' g'1 + b'1g') = 0
a1f + (a1 + f) (b e1 + b1e) = 0
c1h + (c1 + h) (d g1 + d1g) = 0,

wie man leicht nachrechnet.


γ) Distributiver Zusammenhang. Welches sind die Bedingungen
dafür, dass zwei Knüpfungen, die als symbolische Multiplikation und
Addition bezeichnet werden mögen:
xy = p x y + q x y1 + r x1y + s x1y1
x y = a x y + b x y1 + c x1y + d x1y1,

in dem distributiven Zusammenhang stehen:
x ∘ (y z) = xy xz?


Es wird
x ∘ (y z) = (p x + r x1) (a y z + b y z1 + c y1z + d y1z1 +
+ (q x + s x1) (a1y z + b1y z1 + c1y1z + d1y1z1) =
= (a p + a1q) x y z + (b p + b1q) x y z1 +
+ (c p + c1q) x y1z + (d p + d1q) x y1z1 +
+ (a r + a1s) x1y z + (b r + b1s) x1y z1 +
+ (c r + c1s) x1y1z + (d r + d1s) x1y1z1,

und andrerseits
xy xz =
= a (p x y + q x y1 + r x1y + s x1y1) (p x z + q x z1 + r x1z + s x1z1) +
+ b (p x y + q x y1 + r x1y + s x1y1) (p1x z + q1x z1 + r1x1z + s1x1z1) +
+ c (p1x y + q1x y1 + r1x1y + s1x1y1) (p x z + q x z1 + r x1z + s x1z1) +
+ d (p1x y + q1x y1 + r1x1y + s1x1y1) (p1x z + q1x z1 + r1x1z + s1x1z1) =
= a (p y + q y1) (p z + q z1) x + a (r y + s y1) (r z + s z1) x1 +
+ b (p y + q y1) (p1z + q1z1) x + b (r y + s y1) (r1z + s1z1) x1 +
+ c (p1y + q1y1) (p z + q z1) x + c (r1y + s1y1) (r z + s z1) x1 +
+ d (p1y + q1y1) (p1z + q1z1) x + d (r1y + s1y1) (r1z + s1z1) x1 =
= (a p + d p1) x y z + (a p q + b p q1 + c p1q + d p1q1) x y z1 +
+ (a p q + c p q1 + b p1q + d p1q1) x y1z + (a q + d q1) x y1z1 +
+ (a r + d r1) x1y z + (a r s + b r s1 + c r1s + d r1s1) x1y z1 +
+ (a r s + c r s1 + b r1s + d r1s1) x1y1z + (a s + d s1) x1y1z1.

[503]§ 55. Über Knüpfungen von bestimmten formalen Eigenschaften.
Vergleichung der Koeffizienten in den gleichnamigen Gliedern ergibt
8 Gleichungen, die, rechts auf 0 gebracht und links nach den p, q
bezw. r, s entwickelt, zu je zweien übereinstimmen:
a1p q + 0 · p q1 + (a d + a1d1) p1q + d p1q1 = 0
a1p q + 0 · p q1 + (b c + b1c1) p1q + d p1q1 = 0
a1r s + 0 · r s1 + (a d + a1d1) r1s + d r1s1 = 0
a1r s + 0 · r s1 + (b c + b1c1) r1s + d r1s1 = 0.

Die vereinigte Gleichung dieser Bedingungen ist also:
a1 (p q + r s) + (a d + a1d1 + b c + b1c1) (p1q + r1s) + d (p1q1 + r1s1) = 0.


δ) Eine Knüpfung soll dem Gesetze
δ
1) (ab) ∘ (bc) = ac
genügen. Also bilde
p (ab) (bc) + q (ab) ( ∘̅ ) + r ( ∘̅ ) (bc) + s (a̅ ̅b̅) ( ∘̅ ) =
= p {(p a + r a1) b + (q a + s a1) b1} {(p c + q c1) b + (r c + s c1) b1} +
+ q {(p a + r a1) b + (q a + s a1) b1} {(p1c + q1c1) b + (r1c + s1c1) b1} +
+ r {(p1a + r1a1) b + (q1a + s1a1) b1} {(p c + q c1) b + (r c + s c1) b1} +
+ s {(p1a + r1a1) b + (q1a + s1a1) b1} {(p1c + q1c1) b + (r1c + s1c1) b1} =
= p (p a + r a1) (p c + q c1) b + p (q a + s a1) (r c + s c1) b1 +
+ q (p a + r a1) (p1c + q1c1) b + q (q a + s a1) (r1c + s1c1) b1 +
+ r (p1a + r1a1) (p c + q c1) b + r (q1a + s1a1) (r c + s c1) b1 +
+ s (p1a + r1a1) (p1c + q1c1) b + s (q1a + s1a1) (r1c + s1c1) b1 =
= (p + s) a b c + (p q + q r + p1q1s) a b c1 +
+ (p q + q r1 + q1r + q1s) a b1c + (p q + q s1 + q1r s) a b1c1 +
+ (p r + q r + p1r1s) a1b c + (p q r + q1r1s) a1b c1 +
+ (p r + q r1s + r s1) a1b1c + p s a1b1c1 =
= {(p + s) a c + (p q + q r + p1q1s) a c1 + (p r + q r + p1r1s) a1c + (p q r + q1r1s) a1c1} b +
+ {(p q + q r1 + q1r + q1s) a c + (p q + q s1 + q1r s) a c1 + (p r + q r1s + r s1) a1c + p s a1c1} b1.


Dies soll gleich werden dem Ausdruck:
ac = p a c + q a c1 + r a1c + s a1c1,
also nur scheinbar eine Funktion von b, in Wirklichkeit unabhängig
von b sein. Wenn nun etwa die Funktion
f (x) = A x + B x1
konstant inbezug auf x sein soll, so ist für beliebige x, y
f (x) = f (y), A x + B x1 + A y + B y1
[504]Siebenundzwanzigste Vorlesung.
oder rechts auf 0 gebracht
(A B1 + A1B) (x y1 + x1y) = 0.
Durch Elimination von x, y erhalten wir die Resultante:
A B1 + A1B = 0 oder A = B
als notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass A x + B x1 un-
abhängig von x werde.


In unserem Falle nun müssen also die Koeffizienten von b und b1
einander gleich sein, und zwar für beliebige a, c; es folgt daher:

δ2
  •  p + s = p q + q r1 + q1r + q1s= p
    p q + q r + p1q1s = p q + q s1 + q1r s= q
    p r + q r + p1r1s = p r + r s1 + q r1s= r
    p q r + q1r1s = p s= s

Lassen wir den letzten Teil rechts, der sich aus der Gleichsetzung
mit ac ergibt, vorerst beiseite, um zunächst nur das Kriterium der
Unabhängigkeit des (ab) ∘ (bc) von b zu gewinnen, so sind die
vier Gleichungen linkerhand zunächst auf 0 zu bringen, zu welchem
Ende man ihre beiden Seiten zweckmässig nach q, r oder q r entwickelt.
Man erhält:
p1s1 (q r1 + q1r) + p1s · q r + p s1 · q1r1 = 0
p1s (q r + q1r1) + p1s1 · q r1 + p s · q1r = 0
p1s (q r + q1r1) + p s · q r1 + p1s1 · q1r = 0
p s (q r1 + q1r) + p s1 · q r + p1s · q1r1 = 0,

und als ihre vereinigte Gleichung

δ3)
  • (p s1 + p1s) (q r + q1r1) + (p s + p1s1) (q r1 + q1r) = 0,
    oder p s1 + p1s = q r1 + q1r, oder p s + p1s1 = q r + q1r1,


oder endlich auch
(p q r s p + q + r) (p q s r p + q + s) (p r s q p + r + s) (q r s p q + r + s),
d. h. jeder von den vier Koeffizienten muss zwischen dem Produkt und
der Summe der drei andern liegen.


Um diese Gleichung δ3) symmetrisch allgemein zu lösen, ersetze
man sie durch die beiden:
p s1 + p1s = ε, q r1 + q1r = ε;
dann erhält man nach Bd. 1, S. 514:
p = α ε1 + β ε p1 = α1ε1 + β1ε q = γ ε1 + δ ε q1 = γ1ε1 + δ1ε
s
= α ε1 + β1ε s1 = α1ε1 + β ε r = γ ε1 + δ1ε r1 = γ1ε1 + δ ε

[505]§ 55. Über Knüpfungen von bestimmten formalen Eigenschaften.
Die Substitution dieser Werte in die Doppelgleichungen δ2) ergibt die
folgenden:
α + ε = α ε1 + β ε
(β δ + β1δ1) ε + γ ε1 = γ ε1 + δ ε
(β δ1 + β1δ) ε + γ ε1 = γ ε1 + δ1ε
α ε
1 = α ε1 + β1ε,

welche insgesamt auf die eine
δ4) β1ε = 0, ε β
hinauskommen. Letztere liefert als ihre vereinigte Gleichung
ε = ζ η, β = ζ + η
und hiernach

p = α + ζ ηp1 = α1 (ζ1 + η1)q = γ (ζ1 + η1) + δ ζ ηq1 = γ1 (ζ1 + η1) + δ1ζ η
s = α (ζ1 + η1)s1 = α1 + ζ ηr = γ (ζ1 + η1) + δ1ζ ηr1 = γ1 (ζ1 + η1) + δ ζ η,

oder wenn nach jeder der drei Buchstaben der oberen Zeile
durch den darunter stehenden ersetzt wird,

δ5
  • p = α β + εq = (a1 + β1) γ + α β δr = (α1 + β1) γ + α β δ1s = (α1 + β1) ε
    p1 = (α1 + β1) ε1q1 = (α1 + β1) γ1 + α β δ1r1 = (α1 + β1) γ1 + α β δs1 = α β + ε1.

Mithin stellt
xy = (α β + ε) x y + {(α1 + β1) γ + α β δ} x y1 +
+ {(α1 + β1) γ + α β δ1} x1y + (α1 + β1) ε x1y1

die gesuchte, dem Gesetz δ1) unterworfene Knüpfung vor. Dieselbe ist,
wie man sieht, nicht kommutativ, wol aber assoziativ, da die Charakte-
ristik β2) der assoziativen Operationen sich hier als erfüllt erweist.


Um noch die Charakteristik derselben aufzustellen, hat man der-
jenigen δ3) der Unabhängigkeit des (ab) ∘ (bc) von b nur noch die
Forderung
p1s = 0
hinzuzufügen (cf. δ4); — oder da p1s (q r + q1r1) = 0 bereits in der Un-
abhängigkeitscharakteristik δ3) enthalten war, so wird letztere von der
gesuchten blos um den Term p1s (q r1 + q1r) übertroffen, welcher = 0
gesetzt den Exzess dieser Charakteristik über jene darstellt. Die ge-
suchte lautet also:
δ6) p1s + (p1 + s) (q r1 + q1r) + p s1 (q r + q1r1) = 0,
wo der letzte Term links den Exzess der vorliegenden über die
Charakteristik β2) der assoziativen Knüpfungen repräsentirt. In Sub-
sumtionenform erhält man aus δ6)
(p q r s p q + r + s) (r s q p + r) (q s r p + q).


[506]Siebenundzwanzigste Vorlesung.

§ 56. Über die Modalität der Urteile.


Mit Kant teilt die schulmässige Logik bekanntlich die Urteile ein
in die drei Kategorien der „apodiktischen“, der „assertorischen“ und der
„problematischen“, je nachdem dieselben — sofern sie kategorisch sind —
unter einer von den drei Formen sich darstellen:
A muss B sein, oder: A ist notwendig B,
A ist B, oder: A ist thatsächlich, zufällig B,
A kann B sein, oder A ist möglicherweise (vielleicht) B.


Es genügt für das folgende, an die bejahende kategorische Urteilsform
sich zu halten, da das Schema A B derselben auch die verneinenden
kategorischen, sowie die hypothetischen und disjunktiven mit umfasst; in
der That kann B auch durch „nicht-B“ vertreten sein; und es kann,
wie schon in der 15. Vorlesung gezeigt ist, dieselbe Subsumtion auch —
mit Rücksicht auf die drei Modalitätskategorien — benutzt werden für die
Ausdrucksformen:
Wenn A gilt, so muss (notwendig) B gelten,
(Zufällig) gilt B, wann A gilt,
Wenn A gilt, so kann B gelten, (gilt vielleicht),

also für hypothetische Urteile; endlich können nach S. 62 f. die disjunktiven
und die noch allgemeineren alternativen Urteile leicht in die hypothetische
Urteilsform umgeschrieben werden.


Der Einteilungsgrund zu der vorstehenden Klassifikation der Urteile,
ihre „Modalität“, sollte sein ein genus proximum zu den Begriffen der Not-
wendigkeit, der Zufälligkeit (oder zufälligen Thatsächlichkeit) und der
Möglichkeit. Und zwar setzte sich die Anschauung fest, als ob durch
diese drei Prädikate verschiedene Grade der Gewissheit ausgedrückt
würden, sodass das apodiktische Urteil eine höhere Garantie für die
Wahrheit des Urteils gewähre, als das blos assertorische, und dieses
wieder mehr, als das problematische. Demgemäss wurde unter zweien
von den drei Urteilsformen die eine als eine stärkere Versicherung hin-
gestellt, die andere dagegen schwächer genannt. Die Scholastik glaubte,
— für die Syllogismen wenigstens — die Modalität der Konklusion
nach derjenigen der Prämissen bestimmen zu können durch die Regel:
„Conclusio sequitur partem debiliorem“, gemäss welcher der Konklusion
die Modalität der im erläuterten Sinne schwächsten Prämisse zukäme.


Von den einfachen Syllogismen musste sich dieser Satz auf alle, wenn
auch noch so zusammengesetzten deduktiven Schlässe übertragen, in Anbetracht,
dass nach der Lehre der schulmässigen Logik alle deduktiven Schlässe durch
blosses Zusammenwirken einfacher Syllogismen zustande kommen sollten.


Alles deduktive Schliessen aber sollte beruhen auf den vier Grund-
sätzen oder „Denkgesetzen“ der Identität, des Widerspruchs, des ausgeschlossenen
Mittels
und der Kausalität.


[507]§ 56. Über die Modalität der Urteile.

Wie vielsinnig indessen — zunächst — der Grundsatz der Kausalität
ist, wie unklar darum der Ausdruck oft bei Denjenigen geblieben, die den-
selben im Munde führen, — und wie Unrecht man gethan hat, diesen, —
im einen Sinne metaphysischen, im andern psychologischen Grundsatz mit
den übrigen, den logischen Prinzipien auf eine Linie zu stellen, ist schon
von mehreren Seiten ausgeführt worden, — vergl. hiezu auch Bd. 1, S. 26,
sowie Sigwart1 p. 203 … 212. Wir haben bei Begründung und Ausgestaltung
des ganzen Gebäudes unserer Umfangslogik niemals Veranlassung oder auch
nur eine Möglichkeit gehabt, uns auf jenen Grundsatz zu berufen oder den-
selben irgend wie zu verwerten. Die übrigen drei „Denkgesetze“ haben wir zum
Teil durch andere, gleichfalls nicht zahlreiche ersetzt, und es dürfte aus
unseren Erörterungen unwiderleglich hervorgehen, dass jene Denkgesetze
nicht ausreichen, um die Regeln des folgerichtigen Schliessens auch nur
innerhalb der traditionellen Logik ausschliesslich auf sie gründen zu können, —
selbst wenn, wie geschehen, das Prinzip der Identität noch erweitert wird
zu dem der „Übereinstimmung“, welch letzteres wesentlich auf unser Th. 6×)
a b a hinausläuft.


Die Mängel obiger Anschauung wurden nun aber von neueren Philo-
sophen, insbesondere von Sigwart1 p. 189 … 232 und F. A. Lange1
p. 30 … 54, schon so vortrefflich und gründlich blosgelegt, dass mir,
indem ich auf die Genannten verweise, hier nur wenig hinzuzufügen
übrig bleibt.


In den Urteilen „A ist notwendig, resp. wirklich, resp. möglicher-
weise B“ gehören die Adverbia nicht zum Prädikate; die Urteile prädi-
ziren nicht über das grammatische Subjekt des Satzes, sondern lediglich
über den Stand unserer Erkenntniss inbezug auf das Urteil „A ist B,“
welch letzteres selbst also das logische Subjekt der Aussage vorstellt.


Das problematische Urteil im besonderen verneint nur, dass die
Verneinung jenes Urteils „A ist B“ uns als gewiss gelte. Ist aber un-
gewiss, ob ein Urteil zu verneinen sei, so ist auch ungewiss, ob es
zu bejahen ist, und umgekehrt. Denn wäre es gewisslich zu bejahen,
so wäre es (cf. Th. 31)) sicherlich nicht zu verneinen, etc. Die beiden
Urteile
A ist vielleicht B“ und „A ist vielleicht nicht B
stehen also nicht im Widerspruch mit einander; vielmehr sofern sie
singuläre sind, bedingen sie sogar einander gegenseitig, sind äquipollent.
Wogegen andernfalls noch die dritte Möglichkeit besteht, dass A weder
B noch nicht-B, sondern teils B, teils nicht-B sein mag.


Das assertorische und das apodiktische Urteil stellen beide die
Geltung von A B als eine für uns gewisse hin. Im apodiktischen
Urteil findet noch obendrein eine Berufung auf die „Denknotwendigkeit“,
ein Hinweis auf das Gefühl der Evidenz seiner Geltung statt. Das
assertorische Urteil enthält dagegen einen solchen Hinweis nicht. Es
[508]Siebenundzwanzigste Vorlesung.
scheint in manchen seiner Formen, wie „A ist wirklich, ist thatsächlich
B
“ solche Denknotwendigkeit noch zuzulassen, sie wenigstens nicht
gerade auszuschliessen; in anderen Formen, wie „A ist (nur) zufällig
B
“ stellt es diese Denknotwendigkeit ausdrücklich in Abrede und be-
zeichnet die Verneinung des Urteils als denkmöglich, wenn auch als
nicht der Wirklichkeit entsprechend.


Dieser Unterschied zwischen „apodiktisch“ und „assertorisch“ in-
dessen ist, so gefasst, überhaupt kein logischer, sondern blos ein
psychologischer; in logischer Beziehung erscheint es subjektivem Be-
lieben anheimgegeben, ob man das Urteil A B, nachdem dasselbe
einmal als gewiss richtig erkannt ist, als assertorisches „A ist B“ oder
als das apodiktische „A muss B sein“ formuliren will.


Dies dürfte unbestritten bleiben in Bezug auf anerkannt apodiktische
Urteile, wie „2 × 2 ist 4“ oder „muss 4 sein“. Aber auch wer z. B. nach
der Uhr sah, mag assertorisch sagen „es ist vier Uhr“, ebensogut aber auch
apodiktisch: „es muss vier Uhr sein;“ (nämlich nachdem bekannt ist, dass
die Uhr richtig geht und richtig abgelesen wurde).


Ohne dass Denknotwendigkeiten mitspielen, — mögen dieselben
psychologisch auch nicht immer zum Bewusstsein gelangen, — kann
überhaupt kein Urteil zustande kommen, auch nicht ein assertorisches.
Immer müssen doch Gründe vorhanden sein, welche zur Aufstellung des
Urteils „A ist B“ veranlassen und berechtigen (Kausalitätsgesetz!);
andernfalls wäre diese Behauptung eine willkürliche Annahme und
überhaupt keiner Gewissheit teilhaftig, also ebensowenig assertorisch,
wie apodiktisch.


Selbst bei Urteilen wie „ich will dies“, welche den eigenen Empfindungs-
oder Willenszustand des Urteilenden statuiren, ist eine Berufung auf die
Denknotwendigkeit möglich, welche von dem Innewerden des eigenen Zu-
standes zur Abgabe des Urteils führt: „ich muss wollen, ich will gewiss“
statt „ich will“!


Gänzlich verfehlt ist es jedenfalls, — wie die genannten Philosophen
ausgeführt haben, — den apodiktischen Urteilen einen höhern Grad
von Gewissheit zuzuschreiben, als den assertorischen, sofern man glaubt,
den letzteren überhaupt Gewissheit zuschreiben zu dürfen. Im Gegen-
teil gibt ein als Ergebniss von Schlüssen in apodiktischer Form auf-
gestelltes Urteil „A muss B sein“ Zweifeln Raum an der Vollständig-
keit der Prämissen sowol als an der Bündigkeit der Schlusskette, die
auf das Urteil führte, und pflegt daher weniger Zutrauen zu finden
und zu verdienen, als das etwa auf Grund unmittelbarer Wahrnehmung
assertorisch abgegebene Urteil „A ist B“, — wie die Genannten durch
eine Reihe schlagender Beispiele erhärten.


[509]§ 56. Über die Modalität der Urteile.

„Apodiktischer Charakter“ kommt jedenfalls allen „apriorischen“
oder „analytischen“ Wahrheiten („Truismen“) zu, (wie: „schwarze Pferde
sind schwarz“, „2 × 2 ist 4“), die wir in § 20 bereits betrachtet haben.
Sie erscheinen in den einfacheren Fällen als „nichtssagend,“ „selbst-
verständlich“, „evident“ und sind uns dann unmittelbar mit dem Sinn
der Wörter und der Herrschaft über die Zeichen gegeben, indem sie
weiter nichts zum Ausdruck bringen als Gesetze, die den richtigen Ge-
brauch jener bestimmen und regeln. In den verwickelteren Fällen sind
sie doch in den vorigen und etwa noch weiterhin aufgestellten Definitionen
denknotwendig enthalten, mögen die Schlussreihen, mittelst welcher
dies klargestellt wird, auch noch so mühsame und langwierige sein.


Es gilt nämlich für apodiktische Urteile der bezeichneten Art mit
Denknotwendigkeit der Satz: Jede Konklusion aus lauter analytisch-apo-
diktischen Prämissen hat wiederum apodiktische Geltung


Dieser Satz ist dagegen keineswegs umkehrbar, da man auch aus
problematischen Prämissen nach dem Aussagensatz a b a alle einzelnen,
jederzeit — stillschweigend oder ausdrücklich — zugleich mit voraus-
gesetzten analytischen Thatsachen folgerichtig herleiten kann. — Nicht
immer also richtet sich die Konklusion in ihrer Modalität nach der
„schwächsten“ Prämisse!


Zu den apodiktischen Urteilen der hier besprochenen Art gehören
jedenfalls die „Wahrheiten“ der Logik und der (dieser eingeordneten)
Arithmetik, — der beiden einzigen vonhauseaus rein deduktiven Disziplinen, —
dagegen nicht die „geometrischen Wahrheiten“; mögen auch deren Axiome
eine gewisse psychologische Denknotwendigkeit besitzen aufgrund unserer
von uns erworbenen Raum-Anschauung, so ist doch durch die Nicht-Eukli-
dische oder Pangeometrie erwiesen, dass diese Axiome der logischen Denk-
notwendigkeit ermangeln, nämlich ohne Widerspruch auch anders gedacht
werden können. Noch weniger gehören dazu „physikalische Wahrheiten“,
die sich auf irgend ein Naturgesetz, z. B. das Gesetz der Schwere, stützen.


Apodiktischen Charakter pflegt man nun aber gemeinhin auch
einem Urteil zuzuschreiben in relativem Sinne, mit Bezugnahme auf
ein bestimmtes System von Voraussetzungen, als Konventionen oder
Festsetzungen, Annahmen, Hypothesen oder Axiomen, denen auch die
anerkannten Prinzipien einer Disziplin, wie Naturgesetze, Rechtsnormen,
u. dergl. zuzuzählen sind.


Solche Voraussetzungen sind dann entweder völlig willkürliche
Annahmen, ad hoc gemacht um zuzusehen, was etwa aus ihnen folgen
würde. Oder sie treten auf mit dem Anspruch auf eine gewisse
Glaubwürdigkeit oder mindestens auf Zulässigkeit, indem sie sich dabei
auf schon vorhandene Erkenntnisselemente berufen, zu deren Zustande-
kommen auch Wahrnehmung und eventuell induktive Schlüsse mit-
[510]Siebenundzwanzigste Vorlesung.
gewirkt haben müssen. Denn über andere Erkenntnissquellen, als
Wahrnehmung und Folgerung, verfügen wir ja überhaupt nicht.


Gewissheit kommt solchen synthetischen Prämissen keinesfalls zu,
und noch weniger Denknotwendigkeit; sie sind, wenn nicht willkürliche
Annahmen, wenn überhaupt Urteile, doch immer nur problematische,
mögen sie auch grammatikalisch noch so entschieden in der asser-
torischen Form hingestellt sein. Die Konklusion kann dann eine
absolut-apodiktische sein; dann können aber die synthetischen Prä-
missen als überflüssig fortgelassen werden; die Konklusion gilt ja dann
„selbstverständlich“, auch ohne sie. Andernfalls wird die Konklusion
auch nicht mehr Glaubwürdigkeit besitzen, als die Prämissen, sie wird
ebenfalls problematischen Charakter haben.


Die assertorischen Urteile der traditionellen Logik sind also ihrem
logischen Wesen nach stets entweder apodiktisch schlechtweg, oder
aber problematisch; von ihrer Modalität bleibt bei näherem Zusehen
nichts übrig, als eine sprachliche Ausdrucksform. Die Logik kennt
nur eine absolute Gewissheit, — die 1 der Wahrscheinlichkeitsrechnung, —
an welche zwar wol noch in verschiedener Weise unendliche An-
näherung stattfinden mag, die aber selbst nimmermehr verschiedene
Grade haben kann. Diese Gewissheit kommt ausschliesslich den ana-
lytischen Wahrheiten zu, die mit dem Sinne der Wörter und Zeichen
und mit den Definitionen unserer Begriffe denknotwendig gegeben sind.


Im Falle einer problematischen Konklusion erwächst nun die
hochwichtige Aufgabe, den Grad ihrer Glaubwürdigkeit zu beurteilen
in jedem Falle, wo die Glaubwürdigkeitsgrade der Prämissen in Gestalt
mathematischer Wahrscheinlichkeiten (bekanntlich als numerische echte
Brüche) gegeben sind. Die Lösung dieser Aufgabe fällt der exakten
(deduktiven) Logik zu, sofern nur denknotwendige Schlussfolgerungen
in Betracht gezogen werden.


Die Aufgabe erfährt jedoch noch eine Erweiterung in der induk-
tiven
Logik, wo auch Schlüsse von nicht denknotwendigem Charakter,
„Schlüsse nach der Wahrscheinlichkeit“ gezogen werden. Es ist dann
die Frage, welches die Wahrscheinlichkeit irgend einer Aussage sei,
oder bezw. in dem so häufigen Falle ihrer Unbestimmtheit: zwischen
welchen Grenzen sie liegen müsse, wenn die Aussage irgendwie von
andern Aussagen mit gegebnen Wahrscheinlichkeiten abhängig ist,
ohne aber geradezu als ihre legitime Konklusion aus ihnen hervor-
zugehen. Auch dieser erweiterten Aufgabe vermag die exakte Logik
gerecht zu werden.


[511]§ 56. Über die Modalität der Urteile.

Es kommt im Entwicklungsgange der Wissenschaften nicht selten
vor, dass die Ideale der Forschung sich verschieben. Was zuerst als
im höchsten Maasse erstrebenswert erschienen, zeigt sich bei weiterem
Fortschritt der Erkenntniss teils als gänzlich unmöglich, weder annähernd,
noch überhaupt erreichbar, teils als unklar und nach Klarstellung un-
haltbar, teils auch als verhältnissmässig wertlos, wogegen andre Ideale
sich in den Vordergrund drängen, denen immer näher zu kommen als
erreichbar und vom höchsten Wert erscheint, wenn auch ihre voll-
ständige Verwirklichung für alle Zeiten utopisch bleiben mag.


An die Stelle des Ideales, das durch folgerichtiges Denken Er-
schlossene nach jenen rohen und nicht durchaus haltbaren drei Kate-
gorien der Modalität zu beurteilen, tritt uns fortan das andere Ziel:


Aus den einzeln irgendwie gegebenen Wahrscheinlichkeiten der
Prämissen
zu deduktiven Schlussfolgerungen durch allgemeine Methoden
abzuleiten die Wahrscheinlichkeit einer jeden Art von Konklusion, die
sie zu liefern vermögen, — ja sogar einer jeden Aussage, die zu den
Prämissen nur überhaupt in gegebener Beziehung steht!


Sofern wir auch die Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln vermöchten
für empirisch oder induktorisch gewonnene Erkenntnisse, werden wir,
indem wir diesem Ideal zustreben, nach und nach in den Besitz eines
zuverlässigen Maassstabes für den Grad der Glaubwürdigkeit aller
unserer Überzeugungen und Meinungen gelangen.


Indessen fällt die Inangriffnahme dieses Problems ausserhalb des
Rahmens derjenigen Aufgaben, auf die ich in diesem Werke mich zu
beschränken mir vorgesetzt habe. Ich hoffe, dasjenige, was in jener
Hinsicht bereits geleistet erscheint, samt dem, was mir selbst darin zu
erreichen möglich, spätestens im dritten Bande meines Lehrbuchs1 der
Arithmetik und Algebra systematisch darzustellen, wofern es mir ver-
gönnt sein wird, auch dieses von mir begonnene Werk noch seiner
Vollendung entgegenzuführen.


[[512]][[513]]

Anhänge.


Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 33
[[514]][[515]]

Anhang 7.
McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls zur Ermittelung der
neuen Grenzen mehrfacher Integrale bei Abänderung der Inte-
grationsfolge.


Dieser Anhang ist für die Mathematiker bestimmt. Kenntnisse über
spezielle Integrationsmethoden brauchen allerdings in demselben nicht
vorausgesetzt zu werden, wohl aber die Bekanntschaft mit dem Begriffe
des n-fachen Integrals und mit seiner Darstellbarkeit vermittelst n successiver
einfacher Integrationen.


Wir fassen durchweg nur reele Grenzen und Integrationswege, nur
ein reelles Integrationsbereich in’s Auge. Die über ein solches zu inte-
grirenden Funktionen f (x, y), f (x, y, z), etc. können allemal ganz beliebig
gegeben sein; nur sind sie, selbstverständlich, als innerhalb des Bereiches
integrabele vorauszusetzen.


Es ist ein für die reine wie für die angewandte Mathematik
wichtiges Problem der höheren Analysis, mit dem wir uns hier be-
schäftigen wollen. Die Lösung dieses Problems wird durch die Me-
thoden der Algebra der Logik ganz wesentlich gefördert, ja für mehr
als dreifache, für Integrale von hohem Grad der Vielfachheit beinahe
erst ermöglicht. Und so verdient schon um dieser Förderung willen
Herrn McColl’s Arbeit*) von dem mathematischen Publikum auch in
Deutschland beachtet zu werden. Auf der andern Seite bietet sie ein
prägnantes Beispiel dafür dar, wie die neueren Forschungsergebnisse
der rechnenden Logik sich unmittelbar als auch für andere Disziplinen
fruchtbar zu bewähren imstande sind.


In der Hauptsache erscheint Herrn McColl’s Verfahren als eine
Anwendung und Verwertung der Prinzipien und Bezeichnungsweisen
des Aussagenkalkuls, wie sie in unsrer 15ten, 16ten und 21 ten Vor-
lesung entwickelt worden, für solche zusammengesetzte Aussagen,
deren Teilaussagen lauter Zahlenvergleichungen konstatiren, nämlich
(Gleichungen oder) Ungleichungen zwischen Zahlen sind — das
33*
[516]Anhang 7.
Wort „Ungleichung“ hier in dem gewöhnlichen, dem in der Arithmetik
gebräuchlichen Sinne genommen*). Es ist eine Anwendung aber, die
Herr Peirce mit Recht als „exceedingly ingenious“ bezeichnet.


Um den Charakter des Problemes hervortreten zu lassen, will ich
vorweg ein einfaches Beispiel vorführen.


Die Gleichung:
,
in welcher a eine positive Zahl vorstellen soll und die Klammer rechter-
hand aufgelöst, nämlich f (x, y) hinter jedes der drei Doppelintegral-
Zeichen, die sie umschliesst, gesetzt zu denken ist — diese Gleichung
zeigt, wie für das Doppelintegral linkerhand die Umkehrung der Inte-
grationsfolge zu leisten ist.


Der Mathematiker, an welchen solche Aufgabe herantritt, wird in
der Regel sich zunächst eine geometrische Anschauung von dem Be-

[figure]
Figure 3. Fig. 33.


reich zu verschaffen suchen, über welches das
gegebne Doppelintegral sich erstreckt, und
wird hier unschwer finden, dass die in frag-
liches Bereich fallenden Wertepaare von x
und y, als Punkte in einem rechtwinkligen
Koordinatensystem dargestellt, die Fläche des
in beistehender Figur 33 schraffirten Pa-
rallelogrammes ausfüllen. Er wird sich die
Gleichungen der verschiedenen (hier geraden)
Linien aufstellen, welche dieses Flächen-
bereich begrenzen helfen, und aus dem An-
blick der Figur entnehmen, dass die Fläche
hier zu zerlegen ist in drei Streifen (in
der Figur getrennt durch die wagrechten
Striche), das Doppelintegral also in drei Teile zerfallen muss. Für
jeden dieser Teile wird er aus den Gleichungen der begrenzenden Linien
auf die bei der inneren Integration anzusetzenden (eventuell variabeln)
[517]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
Grenzen schliessen, so wie sie in der That in obiger Formel rechter-
hand sich angegeben finden, während für die äussere Integration sich die
(konstanten) Grenzen aus der schon erwähnten Dreiteilung ergaben. —


Nun ist die analoge Veranschaulichung des Integrationsbereiches
(als eines von verschiedenen Flächen begrenzten Raumes) bei einer
dreifachen Ausdehnung desselben schon nicht mehr so leicht durch-
führbar; bei vier- oder mehrfacher Dimension des Bereiches, wie sie
der Erstreckung eines vier- oder mehrfachen Integrales zukommen wird,
ist sie überhaupt nicht thunlich.


Unter allen Umständen aber ist das ganze Veranschaulichungs-
verfahren, die Berufung auf die Anschauung, als ein Notbehelf zu
qualifiziren, welcher nicht der Würde einer Wissenschaft entspricht,
die ein rein analytisches Problem auch auf rein analytischem Wege —
somit rechnend oder schliessend — lösen sollte. Auch kommen Fälle
vor, wo die auf dem „Schein“ basirende Anschauung trügerisch ist.


Darum verlohnt es, nach einer Methode auszuschauen, gemäss
welcher die verschiedenen Teilintegrale, in die ein gegebenes mehrfaches
Integral bei vorgeschriebener Abänderung der Integrationsfolge eventuell
zerfällt, samt ihren verschiedenen Grenzen, zu finden sind in mechanischer
Rechenarbeit nach bestimmten und allgemein gültigen Schemata. Dies
aber leistet die McColl’sche Methode und zwar — nach einer an-
zubringenden Berichtigung
(siehe unten sub „Regel 3“) — in einer, wie
es scheint, schon nahezu vollendeten Weise.


An dem Beispiel lässt sich sogleich erkennen, dass die Methode
weiter nichts als ein gewisses Transformationsproblem des Aussagen-
kalkuls
zu lösen hat: Es handelt sich um geeignete Umformung der
Aussage:
Der Punkt x, y fällt in das Integrationsbereich hinein.


Diese Aussage A erscheint in der That bei dem Doppelintegrale
linkerhand zunächst gegeben in der Gestalt:
A, = (a \< x \< 2 a) (xa \< y \< x + a);
nachdem aber die Umkehrung der Integrationsordnung geleistet ist, mithin
bei der Summe dreier Doppelintegrale rechterhand, erscheint dieselbe Aus-
sage in der Form statuirt:
A, = (0 \< y \< a) (a \< x \< a + y) + (a \< y \< 2 a) (a \< x \< 2 a) +
+ (2 a \< y \< 3 a) (ya \< x \< 2 a);

und umgekehrt würden wir, sobald einmal die letztere Form der Aussage A
gefunden wäre, leicht im Stande sein, den gesuchten Ausdruck rechterhand
hinzuschreiben und somit bei dem Doppelintegrale links die Umkehrung der
Integrationsfolge zu leisten.


[518]Anhang 7.

Die ganze Aufgabe spitzt sich also dahin zu: aus der ersten, gegebenen
Form der Aussage A die zweite Form derselben abzuleiten, jene Aussage
in diese zu transformiren. Und beide Aussagen werden äquivalent sein
müssen auf Grund nicht nur der Gesetze des Aussagenkalkuls, sondern auch
der Regeln der Arithmetik, welche das Schliessen und Denken mit Un-
gleichungen sowie das Rechnen mit Zahlen beherrschen.


Wir beginnen damit, die elementaren Regeln der Denkoperationen
mit Ungleichungen in der Zeichensprache des Aussagenkalkuls über-
sichtlich darzustellen.


Von den drei Beziehungszeichen der Zahlenvergleichung:
\> , = , \<
können die beiden äusseren nur zwischen reellen Zahlen angewendet werden.
Speziell hat man:
(a \> b) (a ist reell) (b ist reelle Zahl).


Von vornherein werden wir uns darum mit unsern Betrachtungen auf
das Gebiet der reellen Zahlen beschränken; zu diesen gehört die (arith-
metische) Null, nicht aber das Symbol ∞ der absoluten Unendlich, indessen
wohl „unendlich grosse“ positive oder negative Zahlen, die wir als
Integrationsgrenzen durch + ∞ resp. — ∞ darstellen. Unter a, b, c,
d, ‥ x, y, … denken wir uns hinfort stets Zahlen, welche diesem Gebiet
angehören.


Wir haben sodann zunächst die als Definition hinzustellende Aussagen-
äquivalenz:
α) (a \> b) = (b \< a)
durch welche der Begriff „kleiner“ auf den als bekannt vorauszusetzenden
Begriff „größer“ zurückgeführt wird.


Weiter gilt die fundamentale Aussagengleichung:
β) 1̇ = (a \> b) + (a = b) + (a \< b)
in welcher, wie hier stets, die Eins mit dem Tupfen: 1̇ nicht die Zahl 1,
sondern die identische Eins des Aussagenkalkuls vorstellt. Das heisst also:
Zwischen zwei reellen Zahlen a und b findet immer eine der drei Beziehungen
rechterhand statt.


Und zwar sind die drei Glieder der Aussagenalternative rechterhand
gegenseitig disjunkt („mutually exclusive“ oder unverträglich, inkonsistent
miteinander), die Summe rechts ist eine reduzirte, wie dies die Formeln
aussprechen:
γ) (a \> b) (a = b) = 0, (a \> b) (a \< b) = 0, (a = b) (a \< b) = 0.
Gleich, grösser und kleiner sein schliesst sich gegenseitig aus.


Als der Satz: „Wenn zwei Zahlen einer dritten gleich sind, so sind
sie auch unter sich gleich“, gilt das Th. 4) des identischen Kalkuls:
(a = b) (b = c) (a = c)
[519]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
bekanntlich auch für die Zahlengleichheit. Und dazu treten die folgenden
Analoga unsrer Theoreme 2), 3) und des Prinzips II:
δ) (a \> b) (b = c) (a \> c), (a = b) (b \> c) (a \> c)
ε) (a \> b) (b \> c) (a \> c)
nach denen es gestattet ist, in einer Ungleichung Gleiches durch Gleiches,
und den Numerus major durch einen major desselben, den Numerus minor
ebenso durch einen minor des letzteren zu ersetzen.


Bekanntlich ist ferner:
(a \> b) (a + c \> b + c).


Von diesem Analogon des Th. 15+) ausgehend wollen wir dasselbe zu-
nächst erweitern. Um rechnerisch zu zeigen, dass die Subsumtion auch
rückwärts gelten muss, bemerken wir, dass durch Rückwärtslesen der Un-
gleichungen nach α) und Vertauschung von a mit b auch entsteht:
(a \< b) (a + c \< b + c)
und dass bekanntlich zudem:
(a = b) (a + c = b + c).
Nach Th. 20×) können diese beiden Subsumtionen auch als die Gleichungen
geschrieben werden:
(a = b) = (a = b) (a + c = b + c), (a \< b) = (a \< b) (a + c \< b + c).
Nun ist (a + c \> b + c) = (a + c \> b + c) {(a \> b) + (a = b) + (a \< b)}
nach β), und multiplizirt man aus, indem man für die beiden letzten
Gliederaussagen ihre vorhergehenden Werte nimmt, so erkennt man mit Rück-
sicht auf γ), dass die beiden letzten Teilprodukte verschwinden und nur das
erste stehen bleibt, d. h. dass: (a + c \> b + c) = (a + c \> b + c) (a \> b),
oder nach Th. 20×):
(a + c \> b + c) (a \> b).
Diese Subsumtion zieht sich nun mit der obigen nach Def. (1) zusammen
zu der Gleichung:
ζ) (a \> b) = (a + c \> b + c).


[Im Grunde wurde der Beweis der Umkehrbarkeit jener erstern Sub-
sumtion, wie man sieht, in der bekannten Weise indirekt geleistet, indem
wir zeigten, dass aus a = b sowie a \< b im Widerspruch zu der Annahme
a + c \> b + c folgen würde: a + c = b + c resp. a + c \< b + c, wes-
halb denn nur der Fall a \> b als einzig möglicher übrig bleibt. Mit Ab-
sicht haben wir dieses Räsonnement aber in der aussagenrechnerischen
Fassung gegeben — nicht, weil die letztere unbedingt den Vorzug verdiente,
sondern damit ersichtlich wird, wie die verbale Überlegung doch lediglich
die Gesetze des Aussagenkalkuls zur Richtschnur hat.]


Sagt man in ζ) ac für a und bc für b und liest die Gleichung
rückwärts, so hat man auch:
(a \> b) = (ac \> bc),
[520]Anhang 7.
d. h. nachdem die Gleichung ζ) für positive c erwiesen ist, so muss sie
auch für negative, somit überhaupt im reellen Zahlengebiet gelten.


Insbesondere ergibt sich für c = b die Regel:
η) (a \> b) = (ab \> 0),
nach welcher jede Ungleichung auf der einen Seite auf Null gebracht werden
kann.


Für c = a + b hätte sich ergeben:
ϑ) (a \> b) = (— b \> — a) = (— a \< — b)
wonach es gestattet ist, beide Seiten einer Ungleichung mit — 1 zu multi-
pliziren, wofern man nur zugleich das Ungleichheitszeichen umkehrt. Ins-
besondre ist auch:
(a \> 0) = (— a \< 0), (a \< 0) = (— a \> 0).


Als nahliegende Anwendungen von η) haben wir überhaupt:
(a \> b + c) = (ab \> c), (a + c \> b) = (a \> bc)
woraus man ersieht, dass es bei Ungleichungen geradeso wie bei Zahlen-
gleichungen gestattet ist, Aggregatglieder (Summanden oder Subtrahenden)
der einen Seite mit entgegengesetztem Zeichen auf die andre Seite des
Vergleichungszeichens zu schaffen, zu „transponiren.“


Formell noch etwas allgemeiner als ζ) sind die Sätze:
ι) (a \> b) (c = d) (a + c \> b + d), (a \> b) (c = d) (ac \> bd)
welche — analog zu den Theoremen 18) des identischen Kalkuls — die
Erlaubniss aussprechen, eine Gleichung mit einer Ungleichung durch Addition
oder Subtraktion überschiebend zu verknüpfen, wo im letzteren Falle aber
die Gleichung passives Operationsglied sein muss. Mit Rücksicht auf
(c = d) = (— c = — d) und a + (— c) = ac
geht der zweite Satz ι) auch in den ersten über; und dieser wird seiner-
seits aus ζ) mit Rücksicht auf (c = d) = (b + c = b + d) gemäss δ) leicht
bewiesen.


Auf welche Weise die Ungleichung als passives Operationsglied sub-
traktiv mit der Gleichung zu verknüpfen sei, zeigen die Sätze:
ϰ) (a = b) (c \> d) (ac \< bd), (a = b) (c \< d) (ac \> bd),
welche mittelst α) auf einander und mittelst ϑ) auf ι) leicht zurück-
zuführen sind.


Endlich sind noch bezüglich der Verknüpfung von Ungleichungen
miteinander durch überschiebendes Addiren oder Subtrahiren die Sätze an-
zuführen:
λ) (a \> b) (c \> d) (a + c \> b + d), (a \< b) (c \< d) (a + c \< b + d),
μ) (a \> b) (c \< d) (ac \> bd), (a \< b) (c \> d) (ac \< bd)
deren eine (rechtseitige) Hälfte aus der andern hervorgeht, indem man
durchweg die Ungleichheitszeichen umkehrt, mithin auf sie gemäss α) mittelst
Buchstabenvertauschung zurückkommt; wogegen die zweite Zeile mittelst ϑ)
auf die erste zurückzuführen ist, sodass nur mehr die erste von diesen vier
[521]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
Formeln zu beweisen bleibt. Ihr Beweis ergibt sich durch zweimalige An-
wendung von ζ) und Th. 6̅×), wonach
(a \> b) (c \> d) (a \> b) (a + c \> b + c)
(c \> d) (b + c \> b + d)

und folglich nach Def. (3̅×) und ε):
(a \> b) (c \> d) (a + c \> b + c) (b + c \> b + d) (a + c \> b + d)
sein wird, q. e. d.
„Gleichstimmige“ Ungleichungen können hienach unmittelbar zu einer solchen
vom selben Ungleichheitszeichen durch überschiebendes Addiren verbunden
werden. Und zwei „ungleichstimmige“ Ungleichungen liefern durch über-
schiebendes Subtrahiren eine Ungleichung vom Ungleichheitszeichen des
Minuenden; es ist m. a. W. hiebei — gleichwie auch in ð) beim (über-
schiebenden) Subtrahiren einer Ungleichung von einer Gleichung — jeweils
das Ungleichheitszeichen der Subtrahenden-Ungleichung umzukehren.


Die Ausdehnung der auf additive Verknüpfung bezüglichen Sätze von
zweien auf beliebig viele Operationsglieder ist naheliegend.


Mit vorstehendem aber sind die Schlüsse erledigt, die mit Bezug auf
die Operationen der beiden ersten Spezies an Ungleichungen zu knüpfen sind.


Die Analogie derselben mit auf Subsumtionen bezüglichen Sätzen
war im Bisherigen schon unverkennbar und wurde auch gelegentlich
hervorgehoben. Noch genauer findet das analoge Entsprechen aber
statt zwischen diesen auf die Ungleichung a \< b bezüglichen Sätzen,
und jenen, welche wir für die Beziehung der eigentlichen Unter-
ordnung ab in 20 des § 46 Seite 315 f. zusammengestellt haben.
Während andrerseits die auf Subsumtionen a b bezüglichen Sätze ihr
engstanschliessendes Analogon (closest analogy) erst finden würden in
denen, welche die Alternativaussage ab betreffen, die als „a ist
kleiner oder gleich b“ zu lesen ist und in der Zeichensprache des
Aussagenkalkuls ihre Definition findet durch den Ansatz:
ν) (ab) = (a \< b) + (a = b) = (a = b) + (a \< b) = (a b)
mittelst dessen man, nach α) und Th. 1) Zusatz: (a = b) = (b = a),
auch leicht ableiten wird:
(ab) = (a \> b) + (a = b) = (a = b) + (a \> b) = (a b)
und
(ab) = (ba).


Zu meiner Genugthuung habe ich wahrgenommen, dass die von Miller
herausgegebenen Mathematical Questions zuweilen schon a [...] b statt der
uneleganten Schreibung ab, oder a b, drucken, mithin dasselbe Prinzip
für die rationelle Zusammensetzung der Beziehungszeichen neuerdings zu
verwirklichen beginnen, welches ich 1) 1873 beim Subsumtionszeichen
angewendet und in § 34 sq. bei allen Umfangsbeziehungen durchzuführen
mich bestrebt habe.


[522]Anhang 7.

Auf Grund der Definition ν) und der schon bekannten Sätze über
Gleichungen (zwischen Zahlen) hält es nicht schwer, die vorstehend
und noch weiterhin aufgestellten Sätze über Ungleichungen, unter
Zuzug der Gleichheit als einer in ihre Voraussetzungen aufzunehmenden
Alternative, umzuschreiben in die wahren Analoga der auf die Sub-
sumtion bezüglichen Sätze.


Für unsern hier vorliegenden Zweck jedoch können wir dies
unterlassen auf Grund eines glücklichen Umstandes, welcher von Herrn
McColl, soviel ich zu entdecken vermag, nicht hervorgehoben wurde,
nämlich, dass es bei jedem (ein- oder mehrfachen) Integrale bekannt-
lich gleichgültig ist, ob man die Grenzen des Hauptintervalles resp. die
Umgrenzung des Integrationsbereiches in dieses mit einrechnet oder
nicht. Mag man z. B. beim einfachen Integrale:
das Integrationsintervall durch den Ansatz:
a \< x \< b
oder mag man es durch den Ansatz
a xb
definiren, so wird der Wert des Integrales immer der nämliche sein
müssen. Die Fortlassung eines unendlich kleinen Elementes f (x) d x
aus der Summe von unendlich vielen unendlich kleinen Gliedern, als
welche das Integral bekanntlich erklärt wird, ist allemal ohne Belang,
ohne Einfluss auf den Grenzwert dieser Summe — und gilt dies sogar,
wenn f (x) in einer der Grenzen, z. B. bei b absolut ∞ sein sollte,
weil in diesem Falle das Integral, wofern es überhaupt existirt, (kon-
vergirt, eines Sinnes fähig ist,) bekanntlich nur definirt werden kann
als der Grenzwert eines von a bis unendlich nahe an diese Grenze b
hin und mit Ausschluss derselben genommenen Integrales.


Sonach dürfen wir — und dies wird sich zur Vereinfachung der
Betrachtungen empfehlen — die Integrationsgrenzen immer exclusive
(als nicht zum Integrationsbereich selbst gehörige) rechnen.


Die Wirkung dieses Verfahrens ist ganz dieselbe, als ob in der
fundamentalen Aussagengleichheit β) der mittlere Term, die Gleichung
(a = b) fehlte, jene vielmehr nur so lautete:
ξ) 1̇ = (a \> b) + (a \< b)
wonach statt drei Möglichkeiten bei jeder Zahlenvergleichung immer
nur zweie zu diskutiren sein werden.


[523]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.

Würde z. B. das obige Integral für ein zwischen a und b gelegenes c
„zerteilt“ nach dem bekannten Schema:
f (x) d x = f (x) d x + f (x) d x,
so hätten wir auf Grund der Voraussetzung a \< c \< b die das Integrations-
bereich statuirende Aussage linkerhand:
(a \< x \< b) = (a \< x \< c) + (c \< x \< b)
umgewandelt in die Alternative zur Rechten, mit Fug und Recht den Zwischen-
wert x = c auslassend, wogegen an sich, d. h. ohne Rücksicht auf jenen
Umstand, beim Ausmultipliziren von
(a \< x) (x \< b) {(x \< c) + (x = c) + (c \< x)}
zu obigen beiden äussersten Termen noch ein mittlerer Term hinzutreten
würde. Etc.


Der Ausfall der Gleichung aus β), oder die Geltung von ξ) bringt
uns weiter den Vorteil, dass wir jetzt eine Ungleichung a \< b gerade-
zu als die Negation der andern a \> b vom umgekehrten Ungleichheits-
zeichen hinstellen dürfen, in Formeln, dass uns
(a \> b)1 = (a \< b), (a \< b)1 = (a \> b)
zu gelten haben wird — wie dies kraft Th. 3̅0̅) aus ξ) in Verbindung
mit der mittleren Inkonsistenz γ) in der That folgt. —.


Obwol wir hiernach mit Gleichungen als aussagenrechnerischen
Elementen überhaupt nicht mehr zu thun haben werden, sondern immer
nur mit Ungleichungen, so werden wir doch im Texte und etwaigen
Tafeln für die Integrationsgrenzen die Angabe dieser Grenzen nach wie
vor in Gleichungenform vollziehen und z. B. wie üblich sagen, dass die
Integrationsvariable x von x = a (als unterer) bis zu x = b (als oberer
Grenze) zu gehen habe.


Nach dieser Zwischenbemerkung fahren wir fort, die Gesetze der Un-
gleichung uns in der Zeichensprache des Aussagenkalkuls in Erinnerung
zu bringen, nunmehr auch die beiden Spezies der zweiten Stufe be-
rücksichtigend.


Hier ist nur zweierlei anzuführen: Erstens, der als bekannt angenommene
Satz, dass im Gebiet der positiven Zahlen eine Ungleichung mit einer Zahl
beiderseits multiplizirt oder dividirt werden darf. Für die Multiplikation
spricht ihn die Formel aus
ο) (a \> b \> 0) (c \> 0) (a c \> b c)
und für die Division die Formel
(a \> b \> 0) (c \> 0) ( \> )
[524]Anhang 7.
— die erstere besagend, dass im positiven Zahlengebiete Grösseres mit
Gleichem multiplizirt Grösseres gibt (mithin auch Kleineres mit Gleichem
multiplizirt Kleineres).


Der analoge Satz für die Division kommt auf den vorigen hinaus,
wenn man bedenkt, dass Division mit einer Zahl c als Multiplikation
mit der reciproken Zahl sich ansehen lässt, indem = a · , und dass:
π) (c \> 0) = ( \> 0)
eine Zahl nämlich mit ihrem umgekehrten Wert immer zugleich positiv
(oder negativ), kurz von einerlei Vorzeichen ist.


Man ersieht aus dem Vorstehenden nebenher, dass die identische
Multiplikation mit spezifizirten Aussagen ganz harmlos neben der arith-
metischen Multiplikation mit Zahlensymbolen verwendet werden kann
und sich stets von selbst schon von dieser unterscheidet. Erst wenn
die Aussagen gleich den Zahlen durch einfache Buchstabensymbole dar-
gestellt würden, und man diese von jenen nicht hinlänglich auseinander-
hielte, könnten Verwechselungen zu besorgen sein.


Um fortzufahren, so können, indem man —c für c nimmt, gemäss den
Sätzen unter ϑ) dem Satze ο) auch noch weitere Korollare angereiht
werden, wie
(a \> b \> 0) (c \< 0) (a c \< b c)
Man erweitert den Satz ο) ferner noch leicht zu:
ο) (a \> b \> 0) (c \> d \> 0) (a c \> b d \> 0)
und zwar mittelst des Zwischenschlusses a c \> b c, b c \> b d, ergo a c \> b d
wonach denn im positiven Zahlengebiete auch Grösseres mit Grösserem
multiplizirt Grösseres (Positives) gibt. Dies wollen wir als ein nahe-
liegendes Korollar zu ο) in dieses Theorem selbst noch mit einrechnen.


Zweitens ist es die „Zeichenregel“ der Multiplikation (und der Division),
die wir noch anzuführen haben. Dieselbe wird durch die beiden Aussagen-
äquivalenzen (genauer also, oder vollständig, durch das Produkt derselben)
dargestellt:

ϱ)
  • (a b \> 0) = (a \> 0) (b \> 0) + (a \< 0) (b \< 0) = ( \> 0)
    (a b \< 0) = (a \> 0) (b \< 0) + (a \< 0) (b \> 0) = ( \< 0)


wo der auf die Division bezügliche (rechtseitige) Satz wiederum aus dem
auf die Multiplikation bezüglichen gemäss π) ableitbar ist, indem man
für b in diesem nimmt.


Nachdem wir uns so weit nur im Rahmen des gewöhnlichen Aus-
sagenkalkuls bewegt haben, liegt es mir nun ob, Herrn McColl’s eigen-
[525]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
tümliche Symbolik auseinanderzusetzen. Dies ist sehr einfach. Mittelst
der Erklärungen:
σ) p (x) = (x \> 0), p' (x) = (x \< 0)
wird zunächst eine etwas bequemere Schreibweise eingeführt für Un-
gleichungen von der rechten Seite 0, die so häufig vorkommen werden —
in Anbetracht, dass nach η) eine jede Ungleichung sich auf der einen
Seite, z. B. rechterhand, auf 0 bringen lässt. Hienach bedeutet uns
das Aussagensymbol p (x) hinfort genau dasselbe wie die Redensart:
x ist positiv, und p' (x) wird bedeuten: x ist negativ (nicht positiv).


Nach dem unter ξ) gesagten gilt alsdann unbedingt:
τ) p (x) p' (x) = 0,
und wenigstens für die uns vorschwebende Untersuchung auch
υ) p (x) + p' (x) = 1̇
sodass p' (x) als Negation von p (x) zu bezeichnen ist, hier also der Accent
unsern Negationsstrich vertritt. Obwol ich letztern bislang als Suffixum
zu setzen pflegte, muss ich hier selber dem Gebrauch des Accentes den Vor-
zug geben, um eben darauf hinzuweisen, dass der Negationsbegriff diesmal
nicht auf die normale Weise zustande kommt, sondern erst auf Grund des
Umstandes zulässig wird, dass man von allen Aussagen absehen darf, welche
Gleichungen zwischen Zahlen statuiren, dass m. a. W. die unsern Unter-
suchungen zugrunde liegende Mannigfaltigkeit 1̇ von Aussagen mit Ausschluss
aller Gleichungen sich auf das Gebiet der Ungleichungen (zwischen Zahlen)
beschränkt. Demgemäss wäre dann die Bezeichnung p1 (x) exakter zu reserviren
für die Beziehung:
p1 (x) = (x 0) = (x \< 0) + (x = 0) = p' (x) + (x = 0).


Nach ϑ) gilt nun also auch:
φ) p (x) = p' (— x), p (— x) = p' (x),
ψ) p (x) p (— x) = 0 = p' (x) p' (— x), p (x) + p (— x) = 1̇ = p' (x) + p' (— x)
und zwar — dürfen wir sagen — für das ganze Gebiet der reellen Zahlen x,
weil die Möglichkeit x = 0 gar nicht für uns in Betracht kommen kann,
vielmehr nur immer die beiden Möglichkeiten x \> 0 und x \< 0 zu berück-
sichtigen bleiben.


Die „Zeichenregel“ — der Multiplikation z. B. — wird in der neuen
Symbolik lauten:

χ)
  • p (x y) = p (x) p (y) + p' (x) p' (y),
    p' (x y) = p (x) p' (y) + p' (x) p (y).

Nimmt man in ihr y = x an, so folgt nach υ) und τ) nebst Th. 1̅4̅
insbesondere:
ω) p (x2) = 1̇, p' (x2) = 0, sonach auch p (— x2) = 0, p' (— x2) = 1̇
als der bekannte Satz, dass das Quadrat jeder reellen Zahl positiv ist.


[526]Anhang 7.

Zur Übung fordert McColl auf, für das positive Zahlengebiet die folgenden
Aussagenäquivalenzen zu beweisen:
p (x2 + y2a2) = p (y — ) p' (xa) + p (xa),
p' (x2 + y2a2) = p' (y — ) p' (xa).


Andeutung des Beweises. Entweder ist x \> a, d. h. es gilt p (xa).
Weil ohnehin a \> 0 gedacht wurde, gilt dann nach ο) auch x x \> a a oder
x2a2 \> 0, um so mehr auch x2 + y2a2 \> 0, d. h. p (x2 + y2a2).


Oder es ist x \< a; dann gilt p' (xa) und kann man zerlegen:
x2 + y2a2 = (y + ) (y — ),
die dann reelle Wurzel positiv verstanden. Da der erste Faktor rechts von
selbst positiv, somit p (y + ) = 1̇ ist, so ist das Positivsein des
zweiten Faktors notwendige und hinreichende Bedingung für das der linken
Seite. Etc.


Soll dagegen x2 + y2a2 \< 0 sein, so muss um so mehr auch
x2a2 \< 0, und wie leicht indirekt zu beweisen, dann jedenfalls auch
xa \< 0, d. h. p' (xa) gelten. Ausserdem muss aber nach der obigen
Zerlegung auch y — \< 0 sein oder p' (y — ) gelten. Und
umgekehrt, wenn diese beiden Annahmen zugleich gelten, so gilt auch
p' (x2 + y2a2). Etc. Nach diesen Andeutungen ist der Beweis der beiden
Sätze leicht aussagenrechnerisch in aller Form — wenn man will, ganz
pedantisch — durchzuführen.


Eine andre Übungsaufgabe McColl’s: für das reelle Zahlengebiet die
Äquivalenz darzuthun
p (x + y) = p (x) p (y) + p' (x) p (y2x2) + p' (y) p (x2y2)
überlassen wir ganz dem Leser. —


Besteht für eine Variable x bei gegebenem a die Bedingung:
p (xa), oder also: x \> a,
so nennen wir a eine „untere Grenze“ für (oder von) x. Besteht dagegen
eine Bedingung:
p' (xb), oder also: x \< b,
so nennen wir b eine „obere Grenze“ für x.


Weil x = x — 0, so wird insbesondere, wenn x die Anforderung
p (x) zu erfüllen hat, die 0 als seine untere, und wenn es die Anforderung
p' (x) zu erfüllen hat, die 0 als seine obere Grenze zu bezeichnen sein.


Ist x Integrationsvariable in einem mehrfachen Integrale, so werden
für dieselbe zumeist mehrere untere und mehrere obere Grenzen an-
gebbar sein als von x nicht unterschreitbare, resp. nicht zu über-
schreitende Zahlen, und diese „konkurrirenden“ Grenzen einer jeden
Sorte (die unteren sowol als die oberen) werden selbst mannigfach
[527]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
variiren, sodass bald diese bald jene von ihnen die grösste resp. die
kleinste ist unter denen ihrer Sorte; dieselben werden sich nämlich als
gewisse Funktionen der übrigen Integrationsvariablen oder einzelner ge-
wisser von diesen darstellen und sich als von ihnen wirklich abhängig
erweisen.


Ein letzter Teil der McColl’schen Symbolik bezweckt demgemäss
eine abkürzende Zusammenfassung der Aussagen, durch welche der-
gleichen konkurrirende Grenzen statuirt werden sollen für irgend eine
Variable.


Eine solche Zusammenfassung wird in — wie mir scheint — un-
übertrefflicher Weise ermöglicht durch folgende Konventionen.


Zahlenausdrücke, die als Grenze für eine Variable x auftreten, sollen
mit dem Buchstaben dieser Variabeln selbst bezeichnet und mittelst
eines unteren Index, wie 0, 1, 2, 3, 4, …, von einander und von dieser
unterschieden werden. Und zwar sei der Index 0 ausschliesslich für
den Fall reservirt, wo die Zahl 0 selbst als Grenze für x auftritt, so-
dass uns als Zahl das Symbol x0 stets die 0 bedeutet; desgl. also auch
das Symbol y0 etc.


Im übrigen empfiehlt es sich, ungerade Zahlen 1, 3, 5, … zur Darstellung
von unteren Grenzen, gerade 2, 4, 6, … (ohne die 0) zur Darstellung von
oberen Grenzen für x als Indices dieses Buchstabens vorzugsweise zu ver-
wenden.


Stellt nun ϰ irgend einen aus der Reihe jener Indices vor, und λ
irgend einen andern, etc., so wird nach dem bisherigen das Zeichen
p (xxϰ) ausdrücken, dass die Zahl xϰ untere Grenze für x sein solle,
und ebenso wird das Zeichen p' (xxλ) besagen, dass xλ obere Grenze.


Diese Zeichen und die Produkte von ihresgleichen sollen nun aber für
die Zwecke der Aussagenrechnung noch weiter abgekürzt werden nach
den Grundsätzen:
α1) p (xxϰ) = xϰ, p' (xxλ) = xλ',
β1) xϰ xλ'xμ xν'xξ … = xλ', ν', ‥ ϰ, μ, ξ, …
wo in dem Ausdruck des letzteren linkerhand das identische Produkt
der unmittelbar vorher definirten Aussagensymbole zu erblicken ist,
oder die Aussage, welche eben die simultane Geltung dieser Faktor-
aussagen statuirt.


Ich habe mir rechterhand nur erlaubt, die Punkte, durch welche McColl
die verschiedenen Indices trennt, durch Kommata zu ersetzen.


Allerdings wird hiermit für das Symbol xϰ mit nicht accentuirtem
Suffixum ein gewisser Doppelsinn geschaffen, indem dasselbe als Zahl
verstanden eine gewisse untere Grenze für x vorstellt, als Aussage ge-
[528]Anhang 7.
deutet jedoch die Forderung repräsentiren wird, dass ebendiese Zahl
untere Grenze für x sein solle. Im weitern Verlauf unsrer Unter-
suchung wird es sich jedoch als leicht herausstellen, aussagenrechnerische
Operationen von den zahlenrechnerischen immer gebührend auseinander-
zuhalten.


Wegen des Kommutationsgesetzes 1̅2̅×) der Aussagenmultiplikation
steht natürlich die Reihenfolge der Indices rechts in β1) ganz in unserm
Belieben, und dürften wir ebensogut z. B. xϰ, λ', μ, ν', ξ, … für die rechte
Seite dieser Äquivalenz schreiben.


Zur Einübung vorstehender Symbolik sei hier noch ein Schema
aufgestellt, das bei den Anwendungsaufgaben wiederholt zu verwerten
sein wird:


Es bedeute a eine positive Zahl, und werde
α'1) a = x1, a = x2
genannt. Alsdann ist — nach der Zeichenregel χ):
(a2 \< x2) = p (x2a2) = p {(xa) (x + a)} =
= p (xa) p (x + a) + p' (xa) p' (x + a) =
= (a \< x) (— a \< x) + (x \< a) (x \< — a) =
= (a \< x) + (x \< — a),

da zufolge der Voraussetzung — a \< 0 \< a der Faktor (— a \< x) neben
dem andern (a \< x) als dessen Folgerung nach Th. 2̅0̅×) absorbirt wird,
ebenso (x \< a) neben (x \< — a); und ferner:
(x2 \< a2) = p' (x2a2) = p (xa) p' (x + a) + p' (xa) p (x + a) =
= (a \< x \< — a) + (— a \< x \< a) = (— a \< x \< a)

indem hier der erste Term (a \< x \< — a) = 0 ist, als den Widersinn
a \< — a involvirend.


Wir haben demnach die Ergebnisse:

β'1)
  • p (x2a2) = x1' + x2
    p (a2x2) = p' (x2a2) = x2', 1,


welche auch auf einander zurückzuführen sind durch „Negiren“ unter der
hier eingeführten Beschränkung ξ), z. B.
p' (x2a2) = (x1' + x2)' = x1x2' = x1,2'.


McColls Methode beruht nun ganz auf drei Regeln, von denen
die zweite übrigens nur für die oberen Grenzen wiederholt, was die
erste für die unteren statuirte.


Regel 1. Die Aussage x1, 3, 5, …lässt sich linear und homogen ent-
wickeln nach den Aussagen x
1, x3, x5, … in der Gestalt:
γ
1) x1, 3, 5, … = x1 · α1 + x3 · α3 + x5 · α5 + …,
[529]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
worin ein jeder Koeffizient α1, α3, α5, … die Bedingung darstellt, dass
die Zahl x1, resp. x3, x5, … die jeweilige grösste von den sämtlichen
unteren Grenzen für x ist, mithin, ausführlich dargestellt, bedeuten wird:
δ1) α1 = p (x1x3) p (x1x5) p (x1x7) …
α3 = p (x3x1) p (x3x5) p (x3x7) …
α5 = p (x5x1) p (x5x3) p (x5x7) …
. . . . . . . . . . . . . . . .

Hiezu ist noch anzumerken, dass sämtliche Koeffizienten α der Ent-
wicklung unter sich disjunkt sind, ihre Summe aber gleich der iden-
tischen 1̇ des Aussagenkalkuls sein wird, in Zeichen, dass
ε1) α1α3 = 0, α1α5 = 0, α3α5 = 0, …
ζ1) 1̇ = α1 + α3 + α5 + …


Dies alles ist ganz unmittelbar einleuchtend und läuft darauf hin-
aus, dass in jeder Phase der Änderung der Zahlen x1, x3, x5, … doch
irgend eine derselben die grösste sein muss, (sintemal die Fälle des
Gleichwerdens — von mehreren derselben als grössten Zahlen — aus-
zulassen), wobei es dann keine von den übrigen sein wird und, damit
x sie alle übertreffe, es genügen wird und auch erforderlich ist, dass
es nur diese eben grösste unter ihnen übertreffe.


Ungeachtet dieser Evidenz wollen wir am Schlusse dieses Anhanges
(Seite 555 ff.) zeigen, wie der Satz sich auf Grund der bisherigen Sätze
beweisen lässt, — was Herr McColl unterlassen.


Gleichwie Regel 1 sich auf den Fall konkurrirender unterer Grenzen,
so bezieht die zweite Regel sich auf den von konkurrirenden oberen
Grenzen.


Regel 2. Die Aussage x2', 4', 6', …lässt sich linear und homogen
entwickeln nach den Aussagen x
2', x4', x6', … in der Gestalt:
η1) x2', 4', 6', … = x2' · α2' + x4' · α4' + x6' · α6' + …
worin irgend ein Koeffizient α2', α4', α6', … die Bedingung ausspricht,
dass die Zahl x2, bezüglich x4, x6, … die jeweilige kleinste von diesen
sämtlichen oberen Grenzen für x ist, somit ausführlich dargestellt
bedeuten wird:
ϑ1) α2' = p' (x2x4) p' (x2x6) p' (x2x8) …
α4' = p' (x4x2) p' (x4x6) p' (x4x8) …
α6' = p' (x6x2) p' (x6x4) p' (x6x8) …
. . . . . . . . . . . . . . . . . .

Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 34
[530]Anhang 7.
und ferner alle diese Aussagen miteinander unverträglich sein werden,
die Alternative zwischen ihnen aber alle Möglichkeiten umfassen wird,
wie es die Formeln aussprechen:
ι1) 0 = α2'α4' = α2'α6' = α4'α6' = …
ϰ1) 1̇ = α2' + α4' + α6' + …


In der That ist nämlich jederzeit irgend einer von den Zahlwerten
x2, x4, x6, … der kleinste unter ihnen (da die Fälle des Gleichseins
zweier ausser Betracht bleiben dürfen), und dann ist es keiner von den
übrigen; damit aber x kleiner sei als sie alle, muss es und braucht es
blos den jeweiligen kleinsten derselben zu untertreffen.


Im übrigen wären, um die Sätze wieder rechnerisch zu beweisen, alle
die Betrachtungen zu wiederholen, die wir Seite 555 ff. zur Regel 1 geben.


Die Regeln 1 und 2 bleiben natürlich auch in Kraft, wenn einer
der in ihnen erwähnten Grenzen, — etwa der letzten unter ihnen, der
Wert 0 zukommen sollte. Man darf m. a. W. den ungeraden sowol
als den geraden Indices, wenn man will, auch den Index 0 zugesellen,
denselben im letzteren Falle bei den Aussagensymbolen als 0' accen-
tuirend.


Die dritte Regel McColl’s bezieht sich auf die Konkurrenz, das
Zusammentreffen irgend einer unteren mit einer oberen Grenze für x.


Regel 3. Stets ist:
λ1) x2', 1 = x2', 1 · p (x2x1),
worin uns 2 und 1 irgend zwei Indices vertreten mögen.


Beweis. x2', 1 bedeutet: p' (xx2) p (xx1) oder die Aussage,
dass gleichzeitig xx2 \< 0 und xx1 \> 0 sei. Dann ist aber
x1 \< x \< x2 und damit a fortiori x1 \< x2, x2x1 \> 0, d. h. es gilt
p (x2x1). Somit ist gezeigt dass:
x2', 1p (x2x1)
ist, was sich nach Th. 2̅0̅×) in die oben der Regel 3 gegebene Fassung
umschreibt, q. e. d.


Zu deutsch: ist x1 untere und x2 obere Grenze für x, so muss natür-
lich diese grösser sein als jene, sofern es wirklich ein x gibt, welches erstere
über- und zugleich letztere unterschreitet; gibt es aber ein solches x nicht,
so haben (für jedes x) die beiden Seiten der behaupteten Aussagenäqui-
valenz den Wert 0 und diese besteht gleichwol zu Recht.


Nach dieser Regel — mögen wir nun sagen — „kooptirt“ ein
Symbol von der Form xϰ', λ jedesmal einen gewissen Faktor: p (xϰxλ),
[531]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
und zwar einen solchen, welcher die notwendige und hinreichende
Bedingung dafür ausdrückt, dass es überhaupt ein x gebe, welches die
Forderung xϰ', λ erfüllt, für welches nämlich xλ untere und zugleich xϰ
obere Grenze ist. Die Ungleichung
xλ \< xϰ
charakterisirt sich in der That als (volle) Resultante der Elimination
von x aus der Doppelungleichung
(xλ \< x) (x \< xϰ) oder (xλ \< x \< xϰ);
und sie könnte auch — in offenbarer Analogie mit dem § 21 unserer
Theorie — als die „Valenz-Bedingung“ für das durch letztere ein-
geschränkte x bezeichnet werden. Indem die kooptirte Ungleichung
p (xϰxλ) die Unbekannte x gar nicht enthält, bringt sie immer nur
eine Bedingung zum Ausdruck, welcher die übrigen Integrationsvariabeln
(ausser x) und eventuell die Parameter des Problems zu unterwerfen
sind, und pflegt sich die Ausserachtlassung dieser Bedingung gewöhn-
lich schwer zu rächen. —


Aus in geeigneter Ordnung wiederholten Anwendungen vorstehender
drei Regeln wird sich das ganze Verfahren McColl’s zusammensetzen.
Bevor wir dies darlegen, muss jedoch die oben erwähnte Berichtigung
angebracht werden.


Das Verfahren leidet nämlich, so wie Herr McColl es dargestellt,
an einem prinzipiellen Fehler, welcher entspringt aus dem Doppelsinn
des Wortes „obere resp. untere Grenze“, der durch McColl’s Erklärung
eingeführt worden. Die obere Grenze b und untere a eines Integrals:
f (x) d x
ist nicht immer eine solche in dem Sinne McColl’s, wonach unbedingt
(a \< x) (x \< b) gelten müsste, sondern ebensogut mag auch umgekehrt
(b \< x) (x \<a) gelten. Im letzteren Falle, wo b \< a ist, kann man ja
bekanntlich durch Vertauschung der beiden Grenzen, was unter Vor-
ansetzung eines Minuszeichens, Zeichenänderung des Integrals, gestattet
ist, in Gestalt des Ansatzes:
f (x) d x
den ersteren Fall herstellen, und kommt das betreffende Integral der-
gestalt angesetzt mit Grenzen im McColl’schen Sinne, von welchen
34*
[532]Anhang 7.
die untere wirklich algebraisch kleiner ist als die obere, dann einfach
negativ in Rechnung. Bei konsequenter Anwendung von McColl’s
Verfahren müsste es aber ausfallen, würde es unberücksichtigt bleiben!


Am einfachsten geht dies aus Regel 3 hervor, bei deren Begründung
der Umstand vielleicht schon manchem Leser aufgefallen ist.


Betrachten wir z. B. das Integral: f (x) d x, so wäre, wenn 5 = x1
und — 3 = x2 genannt wird: x2', 1 = (5 \< x \< — 3) p (— 3 — 5) die zu-
gehörige Integralaussage, und da schon der Faktor p (— 8), = (— 8 \> 0) = 0
absurd ist und die Regel 3 namentlich auch verwendet wird, um Terme
mit widerspruchsvollen Grenzenbestimmungen ausfindig zu machen und aus-
zumerzen (to „reject“), so müsste ein auf vorliegendes hinauslaufendes Teil-
integral nun „verworfen“ werden! Richtig zu werke gehend aber müssten
wir es doch als: — f (x) d x in Rechnung ziehen.


Demgemäss lässt sich unmodifizirt die Methode McColl’s nur an-
wenden auf solche mehrfache Integrale, in denen bei jeder einzelnen
von den vorgeschriebenen successiven einfachen Integrationen die untere
Grenze stets kleiner bleibt (genauer gesagt: nie grösser wird) als die obere.


Auf andere Integrale ohne weiteres angewendet wird sie falsche
und zwar im allgemeinen zu grosse Werte liefern, weil negativ (resp.
entgegengesetzt) in Rechnung fallende Teilintegrale oder Integralteile
von ihr unberücksichtigt gelassen werden.


Indessen kann man jedem gegebnen mehrfachen Integrale eine solche
Vorbereitung geben, man kann es nötigenfalls durch Zerlegung der
verschiedenen Intervalle und Vertauschung der beiden Grenzen in dem
einen oder andern der damit sich ergebenden Teilintegrale (unter Um-
kehrung seines Vorzeichens) in lauter solche Integrale zerspalten, dass
auf deren jedes die Methode sofort anwendbar sein wird.


Nicht angängig erscheint es, etwa die Symbole xϰ', λMcColl’s blos
durchweg zu ersetzen durch xϰ', λ + xλ', ϰ, weil dabei nicht zum Ausdruck käme,
dass die Teilintegrale, welche den vom zweiten Term herrührenden Aussagen
im Endergebniss entsprechen werden, entgegengesetzt in die Summe einzutreten
haben. Ob es vorteilhaft sein könnte, als zugehörige Aussagensumme statt
dessen etwa xϰ', λxλ', ϰ zu schreiben, auf diese Weise beim zweiten Terme
jenen Umstand markirend — wo die Minuszeichen zwar als Zeichen iden-
tischer Addition zu deuten und zu behandeln wären, die ausserdem nur der
Zeichenregel: — + = + — = — und — — = + unterworfen sind — wollen
wir dahingestellt sein lassen. Immer hat man doch die McColl’schen
Operationen an jedem Terme einzeln durchzuführen.


Die ferneren Betrachtungen mögen an das allgemeine vierfache
[533]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
Integral mit variabelen Grenzen geknüpft werden, (da von ihnen die
an das n-fache anzuknüpfenden sich nur quantitativ unterscheiden):
J = d w d x d y d z · f (w, x, y, z),
wobei von vornherein a \< b gedacht werde.*)


Die oft gar nicht unbeträchtliche Vorarbeit, deren Erforderlich-
keit McColl übersehen, besteht darin, zunächst die Ungleichung
φ (w) \> ψ (w) innerhalb des Intervalles w = a bis w = b aufzulösen,
d. h. diejenigen Teile gedachten Intervalles ausfindig zu machen, für
welche die Voraussetzung φ (w) \< ψ (w) nicht erfüllt ist, und darnach
das gegebene Integral nach d w zu zerlegen, die den gesuchten Inter-
vallteilen entsprechenden Teilintegrale, unter Vertauschung der untern
mit der oberen Grenze von x, negativ ansetzend. Gibt es solche nicht,
so ist innerhalb des x-Intervalles x = φ (w) bis x = ψ (w) von J
selbst, gab es solche aber, so ist innerhalb des x-Intervalles bei jedem
der Teilintegrale die Ungleichung φ (w, x) \> ψ (w, x) ebenso nach x
aufzulösen und entsprechend zu zerlegen, zuletzt die Ungleichung
φ (w, x, y) \> ψ (w, x, y) nach y bei jedem der neuen Teilintegrale inner-
halb des zugehörigen y-Intervalles aufzulösen, etc.


Das hiebei zu beobachtende Verfahren würde eine eingehendere
Theorie wol verdienen, auf welche wir jedoch an dieser Stelle nicht
eintreten wollen.


Das gegebene Integral J zerfällt hierdurch in ein Aggregat von
lauter ebensovielfachen („Teil“-) Integralen je mit derselben Reihenfolge
der Integrationsvariabeln und genommen von der nämlichen Funktion f,
in deren jedem aber die unteren Grenzen durchweg kleiner (nie grösser)
sind als die entsprechenden oberen
, und jedes dieser Teilintegrale geht in
das Aggregat mit ganz bestimmtem Vorzeichen ein. Das Aggregat ist
eingliedrig, fällt mit J selbst zusammen, wenn die hervorgehobene
Voraussetzung sich als von vornherein schon bei J erfüllt erweist.


Auf jedes der Teilintegrale ist alsdann die Methode anzuwenden,
die wir nunmehr in Bezug auf J selbst auseinandersetzen wollen, in-
dem wir bei diesem Integrale jetzt die gedachte Voraussetzung eintreten
lassen, dass die obern Grenzen durchweg die untern übertreffen.


[534]Anhang 7.

Wenn man will, können auch alle jene Teilintegrale, die mit demselben
Vorzeichen in das Aggregat eingehen, gemeinsam — mithin in zwei
Gruppen gesondert — behandelt werden, und liefern dann eine Alternativ-
Aussage oder Aussagensumme, deren Glieder von der Art sind der jetzt
für J in’s Auge zu fassenden Aussage.


Man stelle nunmehr die „Integralaussage“ auf, welche den Inte-
grationsbereich bestimmt, und für unser J lautet:
A = (a \< w \< b) {φ (w) \< x \< ψ (w)} {ψ (w, x) \< y \< ψ (w, x)}
{φ (w, x, y) \< z \< ψ (w, x, y)}.

Beim nfachen Integrale wird dieselbe ein Produkt von n Doppel-
ungleichungen, oder, was dasselbe sagt, von 2 n Ungleichungen sein, —
im allgemeinsten Falle ein Aggregat von dergleichen Produkten.


Es könnte nämlich auch irgend welche von den successiven Inte-
grationen sich über getrennte (oder „diskrete“) Intervalle von stetiger
Erfüllung zu erstrecken haben, z. B. das d x · vertreten sein durch
d x · + d x · + …, wo dann der zweite Faktor von A durch die Summe
{φ1 (w) \< x \< ψ1 (w)} + {φ2 (w) \< x \< ψ2 (w)} + … zu ersetzen wäre,
und mit den andern ausmultiplizirt ein Polynom von Aussagen als „Inte-
gralaussage“ liefern würde. Was weiter von A gesagt wird, ist auf jedes
Glied solchen Polynoms dann anzuwenden.


Wie üblich sollen beim mehrfachen Integrale die successiven Inte-
grationen und ihre Variabeln in der Richtung (von links nach rechts)
gezählt werden, in welcher sie geschrieben und gelesen werden. Die
Reihenfolge, in welcher die Integrationen ausgeführt werden müssen
und in welcher sie überhaupt stets ausgeführt zu denken sind, ist aber
die umgekehrte, sodass die „letzte“ oder innerste Integration allemal
die zuerst auszuführende ist, die Integration nach der ersten Variabeln
auch die zuletzt auszuführende.


Unsere Aufgabe ist gelöst, wenn wir zeigen, wie man die Inte-
gration nach irgend einer vorgegebenen von den Integrationsvariabeln zur
innersten oder letzten machen kann
— z. B. die nach x.


Um die Integrationsordnung umzukehren, braucht man nämlich blos
die Integration nach w zur letzten zu machen, von den hernach dieser
vorausgehenden Integrationen hierauf die nach x und von den diesen
beiden vorausgehenden Integrationen endlich die nach y, so wird die Inte-
gration nach z von selbst auch zur ersten oder äussersten geworden sein.


Die Lösung der hiermit gekennzeichneten Aufgabe: die Aussage A
[535]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
so zu transformiren, dass sie unmittelbar die Grenzen für eine be-
stimmte Integrationsvariable x zu erkennen gibt, wenn nach dieser
zuerst integrirt, die Integration nach ihr zur innersten oder „letzten“
gemacht werden soll, lässt sich nun ganz unabhängig geben von der
Voraussetzung der speziellen Form unsres oben angegebenen A, —
welches uns in der That bei den nachfolgenden Betrachtungen nur als
ein Paradigma vorschweben mag.


McColl’s Methode ist ebensogut anwendbar, um die Grenzen für
die successiven Einzelintegrationen auch erstmalig zu ermitteln, wenn
z. B. das Integrationsbereich gegeben sein sollte durch eine einzige Un-
gleichung
F (w, x, y, z) \< 0
für sämtliche Integrationsvariable. Wir wollen von vornherein den
denkbar allgemeinsten Fall unsern Betrachtungen zugrunde legen, wo
das Integrationsbereich gegeben (oder wenigstens eingeschränkt) ist
durch irgend eine aus Ungleichungen aufgebaute Aussage.


Die Aussage A wird dann eine Funktion des identischen Kalkuls
sein von lauter gegebenen Aussagen, und denken wir uns diese Funktion
in der obigen Form F \< 0 mittelst der Zeichensprache des Aussagen-
kalkuls hingeschrieben.


Zu erinnern ist hiebei, dass simultane Bedingungen sich als Produkt
von diesen, alternativ geltende als Summe derselben präsentiren. Auch
„disjunktive“ Urteile wären leicht nach bekanntem Schema zu formuliren.
Die Negation aber lässt sich bei jeder Ungleichung immer sofort „aus-
führen“, indem als Verneinung von φ \< ψ jeweils ψ \< φ, und von F \< 0
etwa: — F \< 0 zu gelten hat. Konditionale oder „hypothetische“ Ungleichungen
sind in kategorische Aussagen umzuschreiben nach dem Schema λ) des § 32,
wonach die Subsumtion:
(φ \< 0) (ψ \< 0)
äquivalent ist der Alternative:
(— φ \< 0) + (ψ \< 0)
— mit Rücksicht auf das soeben Gesagte, sodass also Subsumtions- (sowol
als Gleichheits-) zeichen in unsrer Aussagenfunktion nicht vorkommen werden,
so wenig, wie Negationsstriche. Überhaupt:


Unsere Aussagenfunktion A wird, als eine lediglich durch die
Operationen der Addition und Multiplikation aufgebaute, nach den Er-
gebnissen unsrer Untersuchungen in Bd. 1, § 13, S. 312, sich immer
darstellen lassen als ein Aggregat (Polynom) von (monomischen)
Produkten aus (unbedingten, oder: kategorisch zu erfüllenden) Un-
gleichungen — und in dieser Form mögen wir sie als gegeben voraus-
setzen. Sie wird m. a. W. die Alternative stellen zwischen verschiedenen
Systemen von simultan geforderten Ungleichungen.


[536]Anhang 7.

Um nun die Integration nach einer vorgeschriebenen Variabeln x
zur innersten zu machen, breche man sämtliche Ungleichungen, in
welchen x vorkommt
, nach dieser Variabeln als einer Unbekannten auf
(und behalte die übrigen Ungleichungen unverändert bei).


Unter dem „Aufbrechen“ (oder „Auflösen“) einer Ungleichung nach
einer Unbekannten verstehen wir die Ableitung von lauter solchen Un-
gleichungen aus jener, welche als Major oder Minor die gedachte Un-
bekannte höchstens (d. h. wenn überhaupt, so jedenfalls) isolirt enthalten
(sodass dieselbe auf ihrer andern Seite dann auch nicht vorkommt),
eventuell mit Angabe der jeweils für ihre Geltung sich ergebenden
Bedingungen, und so, dass aus ihrer Gesamtheit (oder vereinigten
Aussage) ein Rückschluss auf die gegebene Ungleichung zulässig ist,
mithin zusammen sie dieser äquivalent sein werden.


Diesen Prozess, der, wie schon (S. 533) angedeutet, eine eingehendere
Theorie verdiente, wollen wir hier ohne weiteres als allgemein ausführbar
voraussetzen.


Aus einer gegebenen Ungleichung F (x) \< 0 mögen in dieser Weise
folgen:
erstens Ungleichungen, die x gar nicht enthalten; — z. B. sollte c (x2 + y2) \< 0
sein, so müsste c \< 0 sein —
zweitens Ungleichungen, die x — indessen blos als Major oder aber Minor —
enthalten.


Von beiderlei Sorten von Ungleichungen kann wieder erforderlich sein,
dass sie simultan, oder dass sie alternativ gelten; auch kann die Geltung
der einen an diejenige von andern als an eine Bedingung geknüpft sein —
in welch’ letzterem Falle wir die konditionale Forderung, wie im vorigen
Kontext geschildert, in eine Alternative werden umzuwandeln haben.
Kurzum es mag sich als die der Ungleichung F (x) \< 0 äquivalente „Auf-
lösung“ derselben nach der Unbekannten x eine Aussage ergeben von be-
liebiger Komplikation, aber ähnlicher Natur wie die schon geschilderte A
selbst — nur dass sie eben bei den in sie eingehenden Ungleichungen
das x jetzt nicht mehr anders, denn isolirt, enthält. Von dieser wird
demnach ebenfalls gelten, dass sie als eine Summe von lauter Produkten
aus Ungleichungen selbst darstellbar ist.


Die so gewonnene Auflösung nach x einer jeden Ungleichung
in A, die x enthielt, ist aussagenrechnerisch dargestellt nun in den
Ausdruck von A zu substituiren und sind wenigstens diejenigen Terme,
in denen x vorkommt, auszumultipliziren. Somit erhalten wir A nun
dargestellt als ein Aggregat von Gliedern, in deren Faktor-un-
gleichungen x nie anders als wie als Major oder Minor auftritt.


Die hinsichtlich x konstante andre Seite einer jeden solchen Un-
gleichung, der Minor resp. Major derselben, ist eine der gesuchten
„unteren“ resp. „oberen“ Grenzen für die Integrationsvariable x. Auf
[537]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
diese Grenzen ist McColl’s unter α1), β1) beschriebene Symbolik an-
zuwenden; sie sind, mit xϰ', … xϱ, … bezeichnet, in eine „Grenzen-
tabelle
“ einzutragen, und unter Bezugnahme auf diese Tabelle wird ein
jedes Glied von A sich in der Form präsentiren:
ω xϰ', λ', μ', … ϱ, σ, …,
worin ω eine irgendwie aus Ungleichungen zusammengesetzte Aussage
vorstellt (eventuell die 1̇), in welcher die Variable x nicht mehr vor-
kommt.


Nach Regel 1 und 2 mögen wir aber hiefür schreiben:
ω (αϰ'xϰ' + αλ'xλ' + αμ'xμ' + …) (αϱ xϱ + ασ xσ + …)
und durch Ausmultipliziren dies weiter verwandeln in ein Aggregat von
Gliedern der Form
ω αϰ'αϱ xϰ', ϱ
was nach Regel 3 äquivalent ist:
ω αϰ'αϱ p (xϰxϱ) · xϰ', ϱ
indem der zugezogene Faktor p (xϰxϱ) die notwendige und hinreichende
Bedingung ausdrückt, welche den übrigen Variabeln (und ev. Parametern)
auferlegt wird durch die Forderung, dass es ein x gebe, welches xϱ
über- und zugleich xϰ untertrifft.


Nunmehr ist, wie wir sagen wollen, Aentwickelt“ nach der
Integrationsvariabeln x; es besteht aus lauter — in McColl’s Ausdrucks-
weise — (nach x) „elementaren“ Termen, nämlich Gliedern von der
Form:
χ xϰ', ϱ
worin χ eine höchstens die übrigen Integrationsvariabeln betreffende
Forderung ausspricht, deren Erfülltsein aber kraft des einverleibten
Faktors p (xϰxϱ) zugleich die Existenz eines die andre Forderung:
xϰ', ϱ oder: xϱ \< x \< xϰ
erfüllenden x verbürgt.


Nunmehr braucht man, um etwa die Integration nach einer zweiten
Variabeln y zur vorletzten zu machen, blos jeden Koeffizienten hin-
sichtlich des y ebenso zu behandeln, wie zuvor das allgemeine Glied
von A bezüglich des x; man braucht nur mehr diese Koeffizienten
noch nach y zu „entwickeln“. Und so weiter.


Zum Beispiel für unser vierfaches Integral J wird nach so voll-
zogener Umkehrung der Integrationsfolge die Integralaussage A sich
schliesslich darstellen als eine Summe von lauter Gliedern der Form:
ψ zτ', υyϱ', σxμ', νwϰ', λ
[538]Anhang 7.
worin die durch die Suffixe angezeigten Grenzen einer jeden Variabeln
nur Funktionen der dem zugehörigen Aussagenfaktor vorangehenden
Variabeln sein können, die von z also konstant sein müssen, und die
Bedingung ψ nur aus Ungleichungen bestehen kann, in welche die
Parameter der ursprünglich zu Grenzen gesetzten Funktionen eingehen.


Hiezu ist noch zu bemerken: Ergeben für eine Variable sich nicht
zwei einschliessende Grenzen, sondern z. B. gar keine oder nur eine als
untere resp. obere, so ist für die fehlende untere Grenze: — ∞, für die
fehlende obere: + ∞ anzusetzen; die betreffende Variable ist dann völlig
oder nach einer Seite unbegrenzt variabel — Notabene: soferne man korrekt
zuwerke gegangen ist, und nicht etwa eine der nach Regel 3 zu kooptirenden
Faktoraussagen anzumerken vergessen hat!


Hienach ist auch klar, was es zu bedeuten hat, wenn etwa in der
Aussage A ein „Absolutglied“ φ auftreten sollte, welches in gar kein
Symbol der Form zτ', υ u. s. w. multiplizirt erscheint, wenn also die vollends
„entwickelte“ Aussage A mit dem Gliede φ + … schlechtweg begänne.
Dies würde bedeuten, dass unter der Bedingung φ nach sämtlichen Variabeln
von — ∞ zu + ∞ zu integriren ist.


Mit Bezugnahme auf die durch allmäligen Zuzug der Grenzen wϰ,
wλ, ‥ xμ, xν, ‥ yϱ, yσ, ‥ zτ, zυ, … angewachsene und vollendete
Grenzentafel ist es nun leicht, jeweils das vierfache Integral hin-
zuschreiben, welches der hinter dem „Koeffizienten“ ψ stehenden „Kon-
stituenten“-Aussage entspricht. Für das vorliegende Schema lautet
dasselbe nämlich:
.
Und es frägt sich nur noch, was es mit jenen Koeffizienten ψ für
eine Bewandtniss hat, wie dieselben für das Endresultat zu verwerten
sind?


Die Koeffizienten stellen, wie erwähnt, Forderungen vor, die an
die Parameter der ursprünglichen Grenzenfunktionen zu stellen sind.


Ist eine solche Forderung oder Bedingung von den Parametern
erfüllt, so ist ψ = 1̇ zu setzen, der Koeffizient einfach zu unterdrücken,
und das zugehörige Integral geht dann sicher als Glied ein in die
Summe von Integralen, in welche J überhaupt (im Allgemeinen) zerfällt.


Ist sie nicht erfüllt, so ist ψ = 0, und das gedachte Glied schon
in der Integralaussage fortzulassen. Das Endergebniss, die Darstellung
von J vereinfacht sich alsdann durch den Wegfall des vorstehend an-
geführten zugehörigen Teilintegrales.


Sind aber die Parameter allgemeine oder zum Teil voraussetzungs-
lose Buchstabenzahlen wie a, b, c, …, sodass die Bedingung ψ bald
[539]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
erfüllt, bald auch nicht erfüllt sein kann, so nötigt das Auftreten des
Koeffizienten ψ zur Unterscheidung von zweierlei Fällen: dem einen
Falle ψ = 1̇, in welchem jenes Teilintegral in der = J zu setzenden
Summe anzusetzen, und dem andern ψ = 0, in welchem es fortzu-
lassen ist.


Für jeden Fall wird hienach das Endergebniss leicht und zweifels-
ohne hinzuschreiben sein, sobald nur die Bedingungen ψ einander gegen-
seitig ausschliessen
. Dies thun sie aber sicher bei all’ den Gliedern,
die von der „Entwickelung“ eines einzigen Terms ω xϰ', … ϱ, … von A
herrühren. Denn da die Summen αϰ' + αλ' + … und αϱ + ασ + …
„reduzirte“ sind, nämlich aus „disjunkten“ oder miteinander „inkonsistenten“
Gliederaussagen nach ε1) und ι1) sich zusammensetzen, so muss nach
einem Hülfssatze McColl’s (Zusatz 3, Bd. 1, S. 295) auch deren expandirtes
Produkt eine reduzirte Summe sein, es müssen auch die Produkte αϰ'αϱ
und damit die Koeffizienten χ des „nach x entwickelten“ Terms von A
durchweg unter sich inkonsistent sein, und dasselbe gilt dann ebenso weiter
von den Koeffizienten der Entwickelung ebendieses χ nach y, und so
fort bis herab zu den Koeffizienten ψ auch der letzten Entwickelung
nach der zur ersten gemachten Integrationsvariablen.


Desgleichen muss gegenseitiges Ausschliessen zwischen den Koeffi-
zienten der Endaussage A vorliegen bei dem uns hier beschäftigenden
Problem der Integrationsfolge-Umkehrung, wofern man nur bei dem
Aufbrechen der vorkommenden Ungleichungen richtig dichotomisch
zuwerke gegangen, nämlich Sorge getragen, schon hier stets mit ein-
ander ausschliessenden Bedingungen zu operiren — solche nötigenfalls
nach Th. 3̅3̅+) Zusatz oder den Methoden des § 19 „entwickelnd“. Ob-
zwar nämlich mehrere Terme von der vorhin betrachteten Form in A
dann vorhanden sein mögen, so werden diese doch in ihren Koeffizienten,
je zu zweien verglichen, durch solche Faktoren sich unterscheiden, die
als Negationen von einander zum Produkte 0 geben, und diese werden
sich auf alle Unterterme mit übertragen, in welche man sie noch weiter-
hin zerlegen mag — sodass zwei Unterterme disjunkte Koeffizienten
haben, auch wenn sie aus verschiedenen Termen des A herrühren.
Mithin bleiben alle Koeffizienten dann stetsfort disjunkt.


Hiermit dürfte das praktisch Wichtige erledigt sein.


Theoretisch könnte freilich auch ein Fall vorliegen, wo die das
Integrationsbereich bestimmende Ur-Aussage ganz ad libitum gegeben ist,
und wo die Endkoeffizienten ψ nicht mehr disjunkt ausfallen. Man
„entwickele“ sie dann nach den vorkommenden Parameterungleichungen
in disjunkte Glieder und ziehe die gleichnamigen unter diesen aus der ganzen
Aussage A zusammen, die als Kofaktor auftretende Konstituentensumme
[540]Anhang 7.
jeweils nach den Tautologie- und Absorptionsgesetzen etc. auf ihren ein-
fachsten Ausdruck reduzirend.


Natürlich wenn unter der Bedingung eines und desselben Koeffizientengliedes
zweimal gefordert würde, (dieselbe Funktion) nach x von a bis b zu integriren,
so dürfte in der Summe von Teilintegralen das d x · etc. doch nur einmal angesetzt
werden. Und wenn etwa (für c \> 0, d \> 0) unter der nämlichen Bedingung der
Ansatz von d x · alternativ mit dem Ansatze d x · zusammenträte, so wäre
der erstere zu verwerfen, der letztere allein beizubehalten; es wäre in solch’
scheinbarem Konfliktsfalle zu integriren immer zwischen den weitesten oder
entferntesten der angegebenen oder zugelassenen Grenzen. In der That
beweist man sich leicht, dass (unter genannter Voraussetzung):
(a \< x) + (a + c \< x) = (a \< x), (x \< b) + (x \< b + d) = (x \< b + d),
(a \< x \< b) + (ac \< x \< b + d) = (ac \< x \< b + d),
(ac \< x \< b) + (a \< x \< b + d) = (ac \< x \< b + d), etc.


Zwecks Mitteilung, Drucklegung eines nach McColl’s Methode
gelösten Problemes thut man gut, die „Grenzentabelle“ sogleich zum
voraus fertig anzugeben, obwol dieselbe sich erst nach und nach er-
gibt und anwächst nach Maassgabe wie die Operationen fortschreiten.


McColl macht noch darauf aufmerksam, dass wenn etwa aus Unacht-
samkeit die nämliche Zahl zweimal unter verschiedenen Namen — sagen
wir xϰ und xλ — als Grenze für dieselbe Variable x in die Tafel eingetragen
sein sollte, dieses sich zumeist dadurch kundgeben würde, dass nach Regel
3 ein Faktor p (xϰxλ) = p (0) = (0 \< 0) = 0 bei Gliedern der Aussage
A aufträte.


In die Tabelle brauchen die in der ursprünglichen Integralaussage
unmittelbar gegebenen Grenzen nicht eingetragen zu werden, sondern erst
die beim Aufbrechen ihrer Ungleichungen nach der zur innersten, zweit-
innersten etc. designirten Integrationsvariablen sich als Grenzen ergebenden
Werte. Das erste mal wollen wir indess bei einem Beispiele auch jene
noch in die Tafel aufnehmen.


Zur Erläuterung des Verfahrens wollen wir nämlich jetzt als ein erstes
einfachstes Beispiel das eingangs angeführte Doppelintegral behandeln.


Dasselbe wird das erste nach McColl’s Methode behandelte Doppel-
integral sein, indem der Entdecker dieser Methode und seine bisherigen
Nachfolger dieselbe immer nur auf drei- und vierfache Integrale angewendet
haben. — Hier sind die oberen Grenzen ohnehin stets grösser als die untern,
sodass die Vorbereitungsarbeit wegfällt.


Die unmittelbar gegebene Aussage war
A, = (a \< x \< 2 a) (xa \< y \< x + a),
[541]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
und indem wir uns die folgende „Grenzentabelle“ anlegen:

x1 = ay1 = xa
x2 = 2 ay2 = x + a
x3 = ya
x4 = y + a

deren erste beiden Zeilen durch vorstehende Data direkt nahegelegt erscheinen,
wogegen sich die Fortsetzung mit der dritten und vierten Zeile erst (gleich
nachher) ergeben wird, so haben wir in der eingeführten Symbolik:
A = x2', 1y2', 1.


Da es darauf ankommt, die Integration nach x zur erstauszuführenden
oder innern Integration zu machen, so werden wir die nach y „aufgelöst“
erscheinende Doppelungleichung y2', 1 = (xa \< y \< x + a) nun nach x
„auflösen“, d. h. diese Variable aus ihr (in der Mitte) isoliren. Es ergibt
sich — hier durch blosse Umstellung der Glieder nach bekannten Sätzen:
(xa \< y \< x + a) = (ya \< x \< y + a), oder
y2', 1 = x4', 3

womit nun auch jene Fortsetzung unsrer Grenzentabelle gewonnen ist. Dar-
nach ist:
A = x2',1x4',3 = x2',4',1,3 = x2',4'x1,3
und haben wir nach Regel 2:
x2',4' = x2'α2' + x4,α4', wo α2' = p' (x2x4) = (ay \< 0)
α4' = p' (x4x2) = (ya \< 0)

sowie nach Regel 1:
x1,3 = x1α1 + x3α3, wo α1 = p (x1x3) = (2 ay \> 0)
α3 = p (x3x1) = (y — 2 a \> 0)

mithin:
A = (x2'α2' + x4'α4') (x1α1 + x3α3) =
= x2',1α2'α1 + x2',3α2'α3 + x4',1α4'α1 + x4',3α4'α3;
nach Regel 3 sollen den Koeffizienten rechts noch die darunter gesetzten
Faktoren beigesetzt werden, und wollen wir sie mit diesen vereinigt aus-
führlich hinschreiben, um dieselben nach y aufzubrechen; es ist:
α2'α1p (x2x1) = (ya \> 0) (2 ay \> 0) (a \> 0) = (a \< y \< 2 a),
α2'α3p (x2x3) = (ya \> 0) (y — 2 a \> 0) (3ay \> 0) = (2 a \< y \< 3a),
α4'α1p (x4x1) = (ay \> 0) (2 ay \> 0) (y \> 0) = (0 \< y \< a),
α4'α3p (x4x3) = (ay \> 0) (y — 2 a \> 0) (2 a \> 0) =
= (2 a \< y \< a) (a \> 0) = 0,

[542]Anhang 7.
wobei die unterstrichenen Faktoren je als durch die beiden andern mit-
bedingt oder aber nach der Voraussetzung a \> 0 schon überflüssig unter-
drückt werden dürfen, der letzte Koeffizient aber als einen Widerspruch
(2 a \< a) (a \> 0) (2 \< 1) involvirend, verschwindet. Demgemäss wird
denn auch von den vier Konstituenten:
x2',1 = (a \< x \< 2 a), x2',3 = (ya \< x \< 2 a), x4',1 = (a \< x \< y + a),
x4',3 = (ya \< x \< y + a)
der letzte ausser Betracht bleiben dürfen, wird ausfallen, und ist gefunden:
A = (a \< y \< 2 a) (a \< x \< 2 a) + (2 a \< y \< 3a) (ya \< x \< 2 a) +
+ (0 \< y \< a) (a \< x \< y + a)

was nach Voranstellung des dritten Gliedes die gesuchte Transformation
der Aussage A ist, die uns das Doppelintegral sogleich mit der umgekehrten
Integrationsfolge anzuschreiben gestattet, so wie sie oben S. 516 zum vor-
aus angegeben worden.


Hätten wir — gelegentlich der letzten Operationen — der Grenzen-
tabelle rechts noch die Werte angefügt:
y0 = 0, y3 = a, y4 = 2 a, y5 = 3a,
so würde die Aussage als ihren konzisesten Ausdruck diesen erhalten haben:
A = y3',0x4',1 + y4',3x2',1 + y5',4x2' 3.


[Wie man sieht, tritt hier die Zahl y3 sowie y4 teils als untere teils
als obere Grenze auf, sodass die Unterscheidung von unteren und oberen
Grenzen mittelst ungerader und gerader Indices nicht vollkommen durch-
geführt ist. Auch bei y5, das nur als obere Grenze auftritt, sind wir von
dem Grundsatz abgewichen, weil bei Bezeichnung dieser Zahl mit y6 der
Index 5 übersprungen wäre. So werden wir denn an solchem Prinzip der
Nomenklatur auch inskünftige nicht unbedingt festhalten, wie sehr dasselbe
sich auch zur Schematisirung der allgemeinen Regeln empfohlen hatte.]


Nunmehr soll auch ein bedeutend komplizirteres Problem in exten-
so nach der Methode durchgerechnet werden.


Wir wählen die von McColl in 1) behandelte Muster-Aufgabe,
an welcher er seine Methode erstmalig auseinandersetzt, um dabei die
von ihm gegebene Lösung, wie sie dessen bedürftig ist, zu berichtigen.


Aufgabe: In dem vierfachen Integrale:
J = d w d x d y d z · f (w, x, y, z),
worin a \> 0 gedacht sei, soll die Reihenfolge der Integrationen in die
entgegengesetzte verwandelt werden.


Als Endergebniss findet Herr McColl eine Summe von sieben vier-
fachen Integralen nach z, y, x, w, die sich durch ihre Grenzen soweit
[543]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
unterscheiden, dass sie nicht in weniger solche zusammengezogen werden
können. Von diesen leitet er auf fünf Druckseiten Rechnung das erste
nur ganz ausführlich ab, welches in dem „Jahrbuch über die Fortschritte der
Mathematik“ Bd. 10, p. 35 irrtümlich als das ganze Resultat hingestellt ist.


Ungeachtet der Korrektheit seiner Rechnungen ist jedoch zufolge des
schon gekennzeichneten prinzipiellen Fehlers McColl’s Ergebniss falsch,
und habe ich mich zum Überfluss durch die Probe für f = 1 überzeugt,
dass seine Formeln ein viel zu grosses Resultat liefern. In Wirklichkeit
ist die Aufgabe eine noch verwickeltere als sie bei McColl schon scheint,
und die Arbeit ihrer Lösung mehr als die dreifache: es wird J nämlich
in 28 (vierfache) Teilintegrale zerfallen, zwischen deren Grenzen keine solchen
Anschlüsse stattfinden, dass sie in weniger zusammengezogen werden könnten.


Die Richtigkeit meiner Lösung, die ich verbürgen zu können glaube,
habe ich für die Annahme f = 1 auch erprobt.


Zur Vorbereitung müssen wir erst durch geeignete Zerteilung der
Intervalle und nötigenfalles Vertauschung der Grenzen (unter obligater
Änderung des Vorzeichens beim Integrale) hinzubringen suchen, dass
unser Integral J sich ·additiv oder subtraktiv aus lauter solchen Teil-
integralen zusammensetze, in denen durchweg jede obere Grenze wirk-
lich grösser ist, als die entsprechende untere.


Inbezug auf die beiden ersten Integrationen nach w und x gelingt
dies zunächst durch die Zerlegung:
J = J1 + J2, wo
J1 = , — J2 = .


Und inbezug auf die beiden letzten Integrationen nach y und z,
somit durchaus, gelingt es weiter, indem wir zerlegen:

J1 = J11 + J12, — J2 = J21 + J22, wo
J11 = ,J12 = ,
w \> 0, x \> 0w \> 0, x \< 0
J21 = ,J22 = ,
w \< 0, x \> 0w \< 0, x \< 0

wobei schliesslich also:
J = J11 + J12J21J22
sein wird.


[544]Anhang 7.

Bei jedem der vier Teilintegrale wird sich nun McColl’s Methode
unbedenklich anwenden lassen.


Wir vollziehen zunächst die Umkehrung der Integrationsfolge bei
J11.


Unmittelbar gegeben ist die „Integralaussage“.
A = (0 \< w \< 2 a) (0 \< x \< 2 w) (— x \< y \< 2 x) (— 2 x \< z \< ).


Die Ordnung
w x y z
der Variabeln soll nun in
z y x w
verkehrt werden.


Voraus bemerkt sei, dass die „absoluten Grenzen“ für sämtliche Inte-
grationsvariable, d. h. die konstanten Werte, zwischen denen sie stets bleiben
und die sie höchstens noch erreichen, sich hier leicht auf dem gewöhnlichen
Wege ergeben — mit Ausnahme, vielleicht, der oberen Grenze für z, die
später jedoch, im Verlauf der McColl’schen Operationen, zutage treten
wird — wir führen nachher auch diese vorgreifend mit an. So geht der
Maximalwert von x als = 4a aus seiner oberen Grenze 2 w für den Maxi-
malwert 2 a von w hervor. Daraus folgen dann — 4a und 8a als
Minimal- und Maximalwert von y und — 8a als Minimalwert von z (in
Anbetracht, dass , wie schon erkannt, stets grösser ist als — 2 x und
überhaupt nicht negativ hier werden kann). Immer jedoch müssen auch
die absoluten Grenzen sich alle von selbst im Verlauf der McColl’schen
Prozeduren ergeben.


Die Aussage A ist ein Produkt von acht Ungleichungen.


Diese, sofern sie w enthalten, brechen wir nun zunächst nach w
auf, die übrig bleibenden sodann nach x (eventuell noch übrige dann
nach y und die letzten, wenn solche noch vorhanden, nach z). Auf
diese Weise ergibt sich für A leicht die folgende Darstellung, welcher
wir nebenher, in eckiger Klammer, auch die Angabe der vorerwähnten
absoluten Grenzen vollends aufügen:
was kolonnenweise zu lesen ist, und so sich fortschreitend von rechts
nach links ergab — abgesehen von dem vorgreifend in [ ] beige-
[545]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
fügten. Hier dürfte nur die letzte Zeile eine Erläuterung beanspruchen.
Die Forderung z \< ist, da 0 \< x hier ist, äquivalent mit: 2 x z \< y2,
und kommt für ein positives z, d. h. für 0 \< z auf x \< hinaus, wo-
gegen sie für ein negatives z hinfällig wird, nämlich sich als ohnehin
erfüllt erweist, weil eine negative Zahl sicher kleiner ist als das un-
bedingt positive Quadrat von y.


Man bemerkt, dass wir ohne die eckigen Klammern wieder acht
Faktoren haben, welche als blosse Umformungen der vorigen achte
erscheinen, die wir bei der Transcription vollständig berücksichtigt haben.


Durch diese in den letzten zwei Kolonnen enthaltenen Forderungen
ist nun der Anfang der nachstehenden Tabelle von Grenzen gegeben,
deren übrige Ansätze sich erst später motiviren werden, die wir aber
der Übersicht und leichtern Bezugnahme halber (sonach teilweise vor-
greifend) sogleich vollständig hinsetzen wollen:
Grenzentabelle.

Und mit Bezug auf diese haben wir als konzisesten Ausdruck unserer
Integralaussage:
A = x0, 1, 3, 5, (z0' + z0x2') w2', 0, 1.
Dass der in Gestalt von z0x2' zunächst sich darbietende Aussagen-
faktor in z0' + z0x2' umgeschrieben werden durfte, sieht man unschwer
ohne Rechnung, kann es aber auch rechnerisch darthun (nach Th. λ)
des § 32 und Th. 3̅3̅+) Zusatz).


Nun ist:
x0w2', 0, 1 = x0w2', 1
indem wegen 0 \< x, also 0 \< , der Faktor (0 \< w) durch den ( \< w)
überflüssig gemacht ist.


Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 35
[546]Anhang 7.

Man kann dies auch nach Regel 1 einsehen, gemäss welcher
w0, 1 = α0w0 + α1w1
ist, wo
α0 = p (w0w1) = p (0 — ) = p' (x) = x0'
mit dem Kofaktor x0 in A inkonsistent ist, wogegen α1 = p (w1w0)
= p (x) = x0 nur eine Wiederholung dieses Faktors ausdrücken würde.
Im allgemeinen zwar wäre also:
w0, 1 = x0'w0 + x0w1
wogegen unter der Herrschaft des Aussagenfaktors (unter der An-
nahme) x0 einfach
w0, 1 = w1
gesetzt werden mag, und der erste Term wegen x0', 0 = x0x0' = 0 fort-
fallen wird.


Nach Regel 3 hat aber die Geltung von w2', 1 auch die gleich-
zeitige von p (w2w1) = p (2 a — ) = p' (x — 4a) = (x \< 4a) = x4'
im Gefolge, womit nun die absolute obere Grenze für x gewonnen und
die Eintragung derselben in die Tabelle motivirt ist.


Nachdem so x4' · w2', 1 für w2', 0, 1 in A eingesetzt worden, ist die Aus-
sage nach der als letzte designirten Variabeln w bereits „entwickelt“.
Wir mögen den endgültigen Faktor w2', 1 oder ( \< w \< 2 a) dann ganz
beiseite lassen und den Komplex der ihm vorangehenden Aussagen-
faktoren etwa B nennen, sodass:
A = B · w2', 1
wo
B = z0'x4', 0, 1, 3, 5 + z0x2', 4', 0, 1, 3, 5
demnächst nach der zur vorletzten bestimmten Integrationsvariabeln x
zu entwickeln sein wird.


Der erste Term heisse B1, der andere B2, sodass
B = B1 + B2.


In beiden Termen ist nach Regel 1 der Faktor zu enwickeln:
x0, 1, 3, 5, = α0x0 + α1x1 + α3x3 + α5x5
wo
α0 = p (0 + y) p (0 — ) p (0 + ) = p (y) p' (y) p (z) = y0', 0z0 = 0
unmöglich ist wegen des inkonsistenten Faktors y0y0', wo ferner
α1 = p (— y — 0) p (— y — ) p (— y + ) = p' (y) p' (y — ) = y0', 2'
[547]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
die Grenzen y0 = 0 und y2 = liefert und ihre Eintragung in die
Tabelle motivirt, weiter:
die Grenze y1 = — z beisteuert, endlich:
ist. Darnach haben wir:
x0, 1, 3, 5 = y0', 2'x1 + y0, 1x3 + z0'y1', 2x5
und wird dieses mit z0'x4' durchmultiplizirt, zugleich in jedem Term
auf die x-Aussagen die Regel 3 angewendet, so haben wir:
B1 = z0' {y0', 2'p (x4x1) x4', 1 + y0, 1p (x4x3) x4', 3 + y1', 2p (x4x5) x4', 5}
als völlig nach x entwickelt. Es ist aber: p (x4x1) = p (4 a + y)
= (— 4 a \< y) = y3 die an dieser Stelle gewonnene und hier in die
Tabelle einzutragende absolute untere Grenze von y (sofern als Zahl
statt als Aussage gedeutet); ferner p (x4x3) = p (4 a — ) = p' (y — 8 a)
= (y \< 8 a) = y4', womit y4 = 8 a als die absolute obere Grenze von y
gewonnen ist, und endlich wird:
p (x4x5) = p (4 a + ) = p (z + 8 a) = (— 8 a \< z) = z1
die absolute untere Grenze von z einführen. Sodass:
B1 = z0' {y0', 2', 3x4', 1 + y4', 0, 1x4', 3 + z1y1', 2x4', 5}
nunmehr nach y zu entwickeln bleibt.


Nun ist y0', 2', 3 = y2', 3, weil die Forderung y \< 0 durch die y \<
bei z \< 0 überflüssig gemacht wird, oder, wenn man es vorzieht, weil
nach den Regeln: y0', 2' = β0'y0' + β2'y2', wo β0' = p' (y0y2) = p' (0 — )
= z0 und β2' = p' (y2y0) = z0', also allgemein zwar y0', 2' = z0y0' + z0'y2',
hier jedoch, unter der Herrschaft des Faktor z0', sich y0', 2' = y2' wird
setzen lassen.


Und y2', 3 kooptirt nach Regel 3 den Faktor: p (y2y3) = p ( + 4 a)
= p (z + 8 a) = z1, sodass wir y0', 2', 3 = z1y2', 3 einzusetzen haben.


Weiter ist y4', 0, 1 = y4', 1, weil bei z \< 0 die Forderung 0 \< y
durch die — z \< y entbehrlich gemacht wird, oder auch, weil nach der
Regel: y0, 1 = β0y0 + β1y1, wo β0 = p (y0y1) = p (0 + z) = z0 mit
z0' inkonsistent, β1 = p (y1y0) = p (— z — 0) = p' (z) = z0' dessen
tautologische Wiederholung.


35*
[548]Anhang 7.

Und y4', 1 kooptirt den Faktor p (y4y1) = p (8 a + z) = z1, so-
dass y4', 0, 1 = z1y4', 1 einzusetzen sein wird.


Endlich kooptirt y1', 2 den Faktor p (y1y2) = p (— z — )
= p' (z) = z0', der sich oben ohnehin vorfindet.


Darnach ist:
B1 = z0', 1 (y2', 3x4', 1 + y4', 1x4', 3 + y1', 2x4', 5)
auch nach y entwickelt, desgleichen aber nicht minder nach z, in
welcher letztern Hinsicht nur noch zu bedenken bleibt, dass der von
z0', 1 kooptirte Faktor p (z0z1) = p (0 + 8 a) = 1̇ laut Annahme a \> 0
ohnehin erfüllt ist.


Der Ausdruck B1 ist daher jetzt fertig, und besteht nach McColl’s
Ausdrucksweise aus lauter „elementary terms“. —


Was B2 = z0x2', 4', 0, 1, 3, 5 betrifft, so haben wir nach Regel 2:
x2', 4' = α2'x2' + α4'x4'
wo α2' = p' (x2x4) = p' ( — 4 a) wegen 0 \< z gleich p' (y2 — 8 a z)
= p' {(y — ) (y + )}.


Wenn hier die Grenzen y5 = — , y6 = in die Grenzen-
tafel eingetragen werden, so ist nun die vorstehende Aussage nach den
unter α'1), β'1) oben Seite 528 bereits gegebenen Schemata:
α2' = y6', 5.


Ebenso ist ferner α4' = p' (x4x2) = p' (4 a — ) unter Herr-
schaft von z0 gleich p' (8 a zy2) = p (y2 — 8 a z) nach ebendiesen
Schemata: = y5' + y6.


Mithin wird bei Geltung von z0 sein:
x2', 4' = y6', 5x2' + (y5' + y6) x4'.


Dies haben wir mit dem oben voraussetzungslos abgeleiteten Ausdruck
von x0, 1, 3, 5 zu multipliziren. In ihm kann aber wegen des Ko-Fak-
tors z0 in B2 der damit inkonsistente dritte Term z0'y1', 2x5 fortgelassen
und einfacher blos:
x0, 1, 3, 5 = y0', 2'x1 + y0, 1x3
genommen werden. So entsteht durch Ausmultipliziren, wenn wir
sogleich auch Regel 3 auf die x-Konstituenten anwenden:
B2 = z0 {y0', 2', 6', 5p (x2x1) x2', 1 + y6', 0, 1, 5p (x2x3) x2', 3 +
+ (y0', 2', 5' + y0', 2', 6) p (x4x1) x4', 1 + (y5', 0, 1 + y0, 1, 6) p (x4x3) x4', 3}

wo p (x2x1) = p ( + y) wegen z0 gleich p (y2 + 2 y z) und wegen
des Kofaktors y0' gleich p' (y + 2 z) = y7' die Eintragung der Grenze
[549]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
y7 in die Tabelle fordert, während p (x2x3) = p ( — ) wegen z0
gleich p (y2y z) und wegen des Kofaktors y0 gleich p (yz) = y8
ist, also die Eintragung der Grenze y8 erheischt, und schliesslich
p (x4x1) = p (4 a + y) = y3, sowie p (x4x3) = p (4 a — )
= p' (y — 8a) = y4' ist. Mithin ist:
B2 = z0 {y0', 2', 6', 7', 5x2', 1 + y6', 0, 1, 5, 8x2', 3 + (y0', 2', 5', 3 + y0', 2', 3, 6) x4', 1 +
+ (y4', 5', 0, 1 + y4', 0, 1, 6) x4', 3}

nunmehr nach x entwickelt, und müssen es die Koeffizienten jetzt auch
nach y werden.


Dies kann strikte nach den Regeln geschehen. Doch gestaltet
sich deren pedantische Anwendung da, wo viele Suffixe zusammen-
treten, immerhin etwas umständlich, und wird man praktisch zuvor
alle diejenigen Faktoren unterdrücken, welche durch andere von ihnen
auf den ersten Blick überflüssig gemacht werden. So ist z. B.
augenscheinlich = y7', 5, indem wegen des hier positiven z die drei ersten
Faktoren durch die als erfüllt zu denkende Forderung des vierten
Faktors hinfällig werden, nämlich als schon selbstverständlich erfüllte
zu ganz nichtssagenden Bedingungen sich stempeln. Ganz dasselbe
würde sich natürlich auch durch Entwickelung von y0', 2', 6', 7' gemäss
Regel 2 herausgestellt haben. McColl unterpunktirt die hinfällig
werdenden Suffixe und unterstreicht eingehende Faktoren (sowie als
inkonsistent verschwindende Summanden) bei den Aussagen, wie wir es
vorstehend exemplifizirt haben. Solches empfiehlt sich sehr für das
schriftliche Arbeiten, stellt aber an den Druck höhere typographische
Anforderungen, weshalb wir fernerhin keinen Gebrauch von diesem
Verfahren machen wollen.


Nach Regel 3 wird y7', 5 den Faktor kooptiren: p (y7y5)
= p (— 2 z + ) = ( \> 2 z), was wegen z0 gleich (z \< 2 a) = z2'
ist und die Grenze z2 zur Tabelle beisteuert, sodass y0', 2', 6', 7', 5 = z2'y7', 5
einzusetzen ist.


Ähnlich nun vereinfacht (bei Geltung von z0) sich sofort: y6', 0, 1, 5, 8
= y6', 8, y0', 2', 5', 3 = y5', 3, y0', 2', 3, 6 = 0, y4', 5', 0, 1 = 0, y4', 0, 1, 6 = y4', 6
und zwar verschwindet der drittletzte Koeffizient, weil in ihm die
Forderung y6, = ( \< y) mit der y0', = (y \< 0) unverträglich ist,
[550]Anhang 7.
und ebenso der vorletzte, weil sein Faktor y5', = (y \< — ) kol-
lidirt mit dem Faktor y0, = (0 \< y).


Es fällt hienach überhaupt nicht mehr nötig die Regeln 1 und 2
anzuwenden. Nach Regel 3 aber wird y6', 8 den Faktor kooptiren:
p (y6y8), = p ( — z) = (z \< 8 a) = z3',
welcher die absolute obere Grenze für z andeutet und als z3 hier in
die Tabelle einzutragen ist.


Und y5', 3 kooptirt p (y5y3), = p (— + 4 a) = (z \< 2 a)
= z2', endlich y4', 6 kooptirt p (y4y6), = p (8 a — ) = (z \< 8 a) =
= z3', sodass wir nach Einsetzung der gefundenen Koeffizienten haben:
B2 = z0 {z2'y7', 5x2', 1 + z3'y6', 8x2', 3 + z2'y5', 3x4', 1 + z3'y4', 6x4', 3}
Bedenkt man jetzt nur noch, dass z2',0 sowie z3',0 die Faktoren kooptiren:
p (z2z0), = p (2 a) resp. p (z3z0), = p (8 a), die wegen a \> 0 gleich
1̇, d. h. ohnehin erfüllt sind, so ist klar, dass:
B2 = z2', 0 (y7', 5x2', 1 + y5', 3x4', 1) + z3', 0 (y6', 8x2', 3 + y4', 6x4', 3)
nach allen drei Variabeln, zuerst x, dann y, dann z fertig entwickelt ist.


Dasselbe gilt hienach auch bezüglich aller vier Integrationsvari-
abeln w, x, y, z von
A = (B1 + B2) w2', 1
selbst, was nun unter Einsetzung der gefundenen Endwerte von B1 und
B2 leicht vollständig hinzuschreiben wäre, und die „Aussage“ für das
gesuchte Integral J11 mit umgekehrter Integrationsfolge vorstellt. Das-
selbe zerfällt hienach in sieben vierfache Teilintegrale, die sich durch
irgendwelche Abweichungen in den korrespondirenden Grenzen von
einander unterscheiden, und unter Bezugnahme auf die Grenzentabelle
leicht hinzuschreiben sind. Unsere Aufgabe löst der Ansatz:
.
[551]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
Lösung der Aufgabe fürJ12


Grundaussage:
A = (0 \< w \< 2 a) (— w \< x \< 0) (2 x \< y \< — x) ( \< z \< — 2 x).


Erste Transcription derselben, bei welcher von dem in [ ] vorgreifend
angeführten abzusehen:

Die Grenzentabelle:

ist dieselbe wie bei J11, nur mit Wegfall von w1, x4, y4, y5, y6, z1, z2, z3
und unter Anfügung von w3, x6, y9, y10, y11, z4, z5, z6.
Sonach:
A = x0', 1', 3', 5' (z0'x2 + z0) w2', 0, 3.


Wegen x0' ist w2', 0, 3 = w2', 3 = w2', 3x6. Also A = (B1 + B2) w2', 3,
wo B1 = z0'x0', 1', 3', 5', 2, 6, B2 = z0x0', 1', 3', 5', 6.


Nun ist: x0', 1', 3', 5' = y0, 2x1' + y0', 1'x3' + z0y2', 1x5', und falls z0' gilt:
x2, 6 = y10', 9x2 + (y9' + y10) x6, also:
B1 = z0' {y10', 0, 2, 9 · y7x1', 2 + (y9', 0, 2 + y0, 2, 10) y11'x1', 6 + y0', 1', 10', 9 · y8'x3', 2 +
+ (y0', 1', 9' + y0', 1', 10) y3x3', 6}.


[552]Anhang 7.

Aber bei z0' ist:
y10', 0, 2, 7, 9 = y10', 7z4, y9', 11', 0, 2 = 0, y11', 0, 2, 10 = y11', 10z4,
y0', 1', 8', 10', 9 = y8', 9z5, y0', 1', 9', 3 = y9', 3z5, y0', 1', 3, 10 = 0,

somit:
B1 = z0', 4 (y10', 7x1', 2 + y11', 10x1', 6) + z0', 5 (y8', 9x3', 2 + y9', 3x3', 6).


Weiter ist (x0', 1', 3', 5', 6 oder sogleich):
B2 = z0 (y0, 2 · y11'x1', 6 + y0', 1' · y3x3', 6 + y2', 1 · z6'x5', 6)
wo, bei z0:
y11', 0, 2 = y11', 2z6', y0', 1', 3 = y1', 3z6', [y2', 1 = z0y2', 1], also:
B2 = z6', 0 (y11', 2x1', 6 + y1', 3x3', 6 + y2', 1x5', 6)

völlig entwickelt. Damit ist auch A gefunden, und lässt sich ohne weiteres
hinschreiben:
Lösung der Aufgabe für J21.


Grundaussage:
A = (— a \< w \< 0) (0 \< x \< — w) (— x \< y \< 2 x) (— 2 x \< z \< ).


Erste Transcription derselben:

[553]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.

Die Grenzentabelle:

führt unter Wegfall mancher früheren nur w4, x7, y12, y13, y14, z7, z8 als
neue Grenzen ein. Sonach:
A = x0, 1, 3, 5, (z0' + z0x2') w0', 3', 4


Bei Geltung von x0 ist: w0', 3', 4 = w3', 4 = w3', 4x7', also:
A = (B1 + B2) w3', 4, wo B1 = z0'x7', 0, 1, 3, 5, B2 = z0x2', 7', 0, 1, 3, 5.


Nun ist: x0, 1, 3, 5 = y0', 2'x1 + y0, 1x3 + z0'y1', 2x5, wie früher S. 547. Also:
B1 = z0' (y0', 2' · y12x7', 1 + y0, 1 · y11'x7', 3 + y1', 2 · z7x7', 5).


Aber bei z0' ist: y0', 2', 12 = y2', 12 = y2', 12z7, y11', 0, 1 = y11', 1 = y11', 1z7,
y1', 2 = y1', 2z0', also:
B1 = z0', 7 (y2', 12x7', 1 + y11', 1x7', 3 + y1', 2x7', 5).


Bei z0 ist x2', 7' = y14', 13x2' + (y13' + y14) x7', also:
B2 = z0 {y0', 2', 14', 13 · y7'x2', 1 + (y0', 2', 13' + y0', 2', 14) y12x7', 1 + y14', 0, 1, 13y8x2', 3 +
+ (y13', 0, 1 + y0, 1, 14) y11'x7', 3},
wo y0', 2', 14', 7', 13 = y7', 13z8', y0', 2', 13', 12 = y13', 12z8', y0', 2', 12, 14 = 0,
y14', 0, 1, 8, 13 = y14', 8 · z2', y11', 13', 0, 1 = 0, y11', 0, 1, 14 = y11', 14z2'

bei z0 ist, somit:
B2 = z8', 0 (y7', 13x2', 1 + y13', 12x7', 1) + z2', 0 (y14', 8x2', 3 + y11', 14x7', 3).


Dies gibt:
.
[554]Anhang 7.
Lösung der Aufgabe für J22.


Grundaussage:
A = (— a \< w \< 0) (2 w \< x \< 0) (2 x \< y \< — x) ( \< z \< — 2 x).


Erste Umformung derselben:

Die Grenzentabelle:

w0 = 0x0 = 0etc.
w4 = — aetc.
w1 =

ist bis auf die Vertauschung von w2, w3 mit w1, w4 dieselbe wie bei J12.
Also:
A = x0', 1', 3', 5' (z0'x2 + z0) w0', 1', 4.
Wegen x0' ist w0', 1', 4 = w1', 4 = w1', 4x6, sonach
A = (B1 + B2) w1', 4
wo B1 und B2 dieselben Bedeutungen und somit auch dieselben aus-
gerechneten Endwerte haben wie in J12. Man kann hiernach das Ergebniss
sogleich hinschreiben. Dasselbe lautet:
J22 = […] d w · f
wo in der Klammer [ ] derselbe Ausdruck wiederholt zu denken ist, der
beim Resultat für J12 in einer solchen steht.


Zum Schlusse sei bemerkt, dass McColl’s Methode sich mit
geringfügiger Modifikation auch auf mehrfache Summen ausdehnen lässt,
sei es, um die Grenzen der successiven Einzelsummationen nach ge-
gebenen Summationsvariabeln zu ermitteln, wenn der Summationsbereich
irgendwie gegeben ist, sei es um eine gegebene Summationsordnung
umzukehren, für die umgekehrte aus den alten die neuen Grenzen ab-
zuleiten.


Die bei den Integralen erforderliche (von McColl übersehene)
Vorbereitungsarbeitfällt hier fort, weil eine Summe gemeinhin als 0
[555]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
gerechnet zu werden pflegt, sobald ihre untere Grenze die obere über-
trifft, und insofern gestaltet bei den Summen sich die Arbeit einfacher
als bei den Integralen.


Komplizirter wird dagegen das analoge Summenproblem in zwei
andern Hinsichten. Einmal, aber nicht sehr erheblich, zufolge des
Umstandes, dass wir jetzt nicht blos mit Ungleichungen, sondern auch
mit Gleichungen zu thun haben werden. Diese dürfen jetzt nicht mehr
ausgeschieden werden: die untere (und zumeist auch die obere) Grenze
einer Summe muss immer einschliesslich, inklusiv gerechnet werden;
es ist hier nicht gleichgültig, ob man sie einrechnet oder ausschliesst.


Diesem Umstand wird leicht in folgender Weise Rechnung zu
tragen sein:
Man definire: p (xa) = (a x), sonach p (x) = (0 x), und
p' (xa) = (x \< a), p' (x) = (x \< 0), wie früher; so wird jetzt p' (x)
exakt = p1 (x) = {p (x)}1 die Negation von p (x) sein, und ist das
frühere Verhältniss hergestellt.


Die „unteren“ Summengrenzen für eine Summationsvariable x
treten jetzt auch als solche in die Aussagensymbole ein. Dagegen
wird man die oberen Summengrenzen, soferne auch sie wie üblich in-
klusive gerechnet werden sollen, je nur um 1 vermehrt in die Grenzen-
tafel und in die Aussagensymbole p eintreten lassen dürfen, um sie
zuletzt beim Rückschlusse aus den Aussagensymbolen auf die anzusetzende
mehrfache Summe wiederum um 1 vermindert als obere Grenzen an-
zuschreiben.


Darnach werden die drei McColl’schen Regeln, auf denen alle
Prozesse beruhten, sich ohne weiteres wieder als gültig erweisen und
seine Methode sofort anwendbar sein.


Eine erheblichere Erschwerung kann aus dem andern Umstand
erwachsen: dass nämlich die Summationsvariabeln mit ihrer Veränder-
lichkeit auf das Gebiet der ganzen Zahlen beschränkt und in diesem
angewiesen sind, stets eine Sequenz von solchen zu durchlaufen.


Beweis der Regel 1, Seite 528/9:
γ1) x1, 3, 5, … = x1α1 + x3α3 + x5α5 + …
sowie der zugehörigen Sätze ε1), ζ1).


Zunächst ist ε1) oder
αϰ αλ = 0 für ϰλ
evident; denn αϰ enthält nach der Definition δ1) den Faktor p (xϰxλ),
dagegen αλ den p (xλxϰ), und nach ψ) ist:
p (xϰxλ) p (xλxϰ) = p (xϰxλ) p {— (xϰxλ)} = 0.


[556]Anhang 7.

Ebendarum ist auch
1̇ = p (xϰxλ) + p (xλxϰ);
denkt man sich nun diese Gleichung angesetzt für alle erdenklichen Paare
von unter sich verschiedenen x-Grössen x1, x3, x5, … und überschiebend
mit einander multiplizirt:
μ1) 1̇ = {p (x1x3) + p (x3x1)} {p (x1x5) + p (x5x1)}.
· {p (x3x5) + p (x5x3)} …

so muss daraus die Gleichung ζ1) 1̇ = α1 + α3 + α5 + … entstehen, (aus
welcher dann γ1) leicht abzuleiten sein wird,) — wofern man nur in μ1)
rechterhand ausmultiplizirt, die kraft ψ) etc. verschwindenden Terme des
ausmultiplizirten Produktes fortlässt, und bei den stehen bleibenden die
„überflüssigen“ Faktoren („redundant“ factors) unterdrückt, die kraft des
Absorptionsgesetzes in den übrigen eingehen.


Um dies einzusehen, hätte man, wenn n die Anzahl der unteren
Grenzen oder Symbole der x-Reihe ist, von den Faktoren in
μ1) Partialprodukte im Geiste durchzugehen. Dieser Gedanke,
dessen Ausführung sich freilich meist umständlich gestalten dürfte, lässt
sich immerhin allgemein in folgender Weise verwirklichen.


Irgend ein Glied von ζ1), z. B. α1, wird in μ1) aus denjenigen n — 1
von den binomischen Faktoren entstehen, in welchen das Zahlen-
symbol x1 vorkommt; und zwar wird, wenn wir uns diese n — 1 Faktoren
zunächst für sich ausmultiplizirt denken, α1, als eines der 2n — 1 Partial-
produkte, herrühren von den Binomgliedern der Form p (x1xλ), in
welchen x1 hinter p als Minuend steht. Im Gesamtprodukt von μ1) findet
sich dann jedes dieser 2n — 1 Partialprodukte, darunter also auch α1, noch
multiplizirt mit allen übrigen binomischen Faktoren von μ1),
in welchen x1 nicht vorkommt, — deren jeder aber = 1̇ ist. Also
tritt α1 auch im Gesamtprodukt μ1) als einzelner Term mit dem Koeffi-
zienten 1̇ auf.


Ebenso wie α1 lassen sich hierauf auch α3, sodann α5, u. s. w. in μ1)
als besondere Glieder aussondern, unter Mitbenützung freilich von Faktoren
und Gliedern, die auch schon zur Bildung früherer α-Produkte Verwendung
fanden. Ungeachtet dieses letztern Umstandes dürfen wir — wegen des
Tautologiegesetzes 1̅4̅) — nunmehr das expandirte Produkt μ1) in der
Gestalt
α1 + α3 + α5 + … + R
uns vorstellen, wenn hier unter dem Zeichen R die restirenden, noch zu
den α hinzutretenden Glieder zusammengefasst sind. ζ1) ist bewiesen, wenn
noch gezeigt ist, dass R = 0 wird.


[557]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.

Nun ist ein jedes Glied von R ein Produkt aus Aussagen p
der Form p (xϰxλ); und in jedem dieser Glieder ist eine jede x-Grösse,
z. B. x1, gerade wieder n — 1 mal vertreten, sei es als Minuend, sei es
als Subtrahend in je einem p- Faktor, und zwar so, dass keine von den n
x-Grössen durchweg als Minuend erscheint
. Wäre nämlich etwa das
Element x1 durchweg Minuend in allen n — 1 Faktoren p, in welchen das-
selbe vorkommt, so wäre das betreffende Glied von μ1) schon mit α1 be-
rücksichtigt worden.


Dies vorausgesetzt, lässt sich nun beweisen, dass unter den Faktoren
eines jeden Gliedes von R sich stets eine geschlossene Kette, ein Ring oder
Cyklus“ finden muss — mitunter auch deren mehrere — von der Form

ν1)
  • p (ab) p (bc) p (ca), = 0
    p (ab) p (bc) p (cd) p (da), = 0
    . . . . . . . . . . . . . . .


Zunächst ist leicht einzusehen, dass ein solcher Cyklus jederzeit, (wie auch
schon der nur aus zwei Faktoren bestehende
p (ab) p (ba), = 0,
vergl. ψ) Seite 525,) = 0 ist und damit, wofern er wirklich in einem Glied
von R vorhanden ist, auch dieses Glied zum Verschwinden bringt; denn
aus ab \> 0, bc \> 0 folgt durch überschiebendes Addiren ac \> 0,
(oder aus a \> b, b \> c a fortiori a \> c,) also
ο1) p (ab) p (bc) p (ac)
und hieraus die erste der Inkonsistenzen ν1), da p (ca) als Negation
von p (ac) zu gelten hat. U. s. w.


Dass aber wirklich in jedem Glied von R mindestens ein solcher
Cyklus notwendig auftreten muss, darin prägt sich ein eigener Satz der
Kombinatorik aus, den ich nachher für n Elemente irgend welcher Art —
die dann nicht x1, x3, x5, … sondern 1, 2, 3, … n genannt werden
sollen — von allem bisherigen unabhängig aussprechen und beweisen
werde. Unter der Voraussetzung, dass dies bereits geschehen sei, möchte
ich jedoch, um den Gedankengang nicht zu unterbrechen, mit dem begonnenen
Beweise von McColl’s Regel 1 zu Ende kommen.


Nach alledem wird also die Gleichung ζ1) anzusehen sein als das
Ergebniss der Entwickelung der identischen 1̇ nach den Aussagen
p (xϰxλ).


Aus ζ1) ist dann endlich leicht γ1) rechnerisch abzuleiten, indem man
jene Gleichung mit der gemäss β1) geltenden:
x1, 3, 5, … = x1x3x5
überschiebend multiplizirt und zwar rechts ausmultiplizirend. Dabei ist
nur noch zu beachten, dass in jedem Gliede alle Aussagenfaktoren x,
[558]Anhang 7.
welche einen vom Exponenten des α verschiedenen Index haben, im Produkte
eingehen, speziell also, dass:
α1x1x3x5 … = α1x1,
α3x1x3x5 … = α3x3,
. . . . . . . .

ist. Um das erstere einzusehen (was für den Rest typisch ist), schreibe
man sich das Produkt ausführlicher hin:
p (xx1) p (xx3) p (xx5) … p (x1x3) p (x1x5) …


In Anbetracht aber, dass die Subsumtion ο1) nach Th. 2̅0̅×) auch ge-
schrieben werden kann:
π1) p (ab) p (bc) p (ac) = p (ab) p (bc),
haben wir ein Schema vor uns, gemäss welchem nun oben der Faktor
p (xx3) von dem Produkte p (xx1) p (x1x3),
der p (xx5) „ „ „ p (xx1) p (x1x5),
. . . . . . . . . . . . . . . . . .

augenscheinlich absorbirt (nämlich ohnehin mitbedingt) wird, (weshalb
seine Statuirung überflüssig). Sonach vereinfacht unser Glied sich in der
That zu:
p (xx1) p (x1x3) p (x1x5) …, = x1α1,
wie zu zeigen gewesen, und die Formel γ1) ist gerechtfertigt.


Der kombinatorische (Hülfs-)Satz, auf welchen mich der Versuch
geführt hat, den Beweis von McColl’s Regeln zu vervollständigen, und
von welchem vorstehend in der That Gebrauch gemacht werden musste,
ist vielleicht — gleichwie der Beweis für denselben — auch an sich von
Interesse. Derselbe ist wie folgt zu formuliren.


Betrachtet man die Kombinationen ohne Wiederholungen zur
zweiten Klasse von n Elementen 1, 2, 3, … n — 1, n, dieselben jedoch
„ungeordnet“ (d. h. mit irgendwie geordneten Elementen) genommen,
m. a. W. nur als „Elementepaare“ aufgefasst, somit jede einzelne Kom-
bination beliebig entweder als „Rechtfolge“ oder aber als „Kehrfolge“ an-
gesetzt, so gilt der Satz: Wenn kein Element in allen n1 Elemente-
paaren, in denen es vorkommt, voransteht
, so lassen sich immer gewisse von
den Elementepaaren zu einem
RingeoderCyklusordnen — wie

23, 34, 42,abgekürzt: 2342,
12, 23, 34, 41,12341,
. . . . . .

— dergestalt dass der Konsequent (oder das zweite Element) jedes Paares
mit dem Antezedenten (oder ersten Element) des ihm folgenden Paares
zusammenfällt, der letzte Konsequent aber mit dem ersten Antezedenten —
und zwar eventuell auf mehrere Arten.


[559]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.

Die Cyklen bestehen natürlich aus mindestens drei Elementepaaren,
sind drei- oder „mehrgliedrige“; ein „zweigliedriger“ Cyklus wie 23, 32,
kann nämlich nicht vorkommen, weil jede Kombination nur ein mal durch
ein Elementepaar vertreten sein soll; und noch weniger kann ein „ein-
gliedriger“ Cyklus, wie 11, vorkommen, weil Wiederholung von Elementen
in jeder Kombination ausgeschlossen.


Die Anzahl der möglichen Systeme (oder Kombinationen) von Elemente-
paaren ist, wie leicht zu sehen, .


Den Beweis des Satzes beginnen wir mit dem empirischen Nachweise
seiner Gültigkeit für die niedersten Werte: 2, 3 und 4 von n.


Zwei Elementc: 1 und 2; also n = 2, n — 1 = 1, = 1, 21 = 2.


Kombinationen:

12*
21*

Hier kann die Voraussetzung des Satzes niemals zutreffen, weil in
allen, d. i. eben in dem einzigen Elementepaare des Systems sicher ein
Element „durchweg“ voransteht. Und unser Satz muss hier als ein „nichts-
sagender“ gelten.


Drei Elemente: 1, 2, 3; also n = 3, n — 1 = 2, = 3, 23 = 8.


Kombinationen:Cyklen:
12, 1323*
32*
12, 31231231
32*
21, 1323*
321321
21, 3123*
32*

Vor den ersten Vertikalstrich haben wir die das Element 1 enthaltenden
Elementepaare des jeweils in einer Zeile dargestellten Systems gesetzt und
sind dieselben in den leeren Plätzen aus den darüberstehenden Zeilen
wiederholt zu denken. Hinter jenem Strich stehen die das Element 1 nicht
enthaltenden Elementepaare. Sodann haben wir hinter einen zweiten
Vertikalstrich die ersichtlichen Cyklen gesetzt in den Fällen, wo die Voraus-
setzung unsres Satzes zutrifft, dagegen mit einem Stern die Fälle gekennzeichnet,
wo diese Voraussetzung nicht zutrifft, indem entweder das Element 1 oder
das 2 oder 3 durchweg voransteht in allen Elementepaaren des betreffenden
Systems oder der Zeile, die dasselbe enthalten.


Ähnlich verfahren wir auch bei den nachfolgenden Zusammenstellungen.


Vier Elemente: 1, 2, 3, 4; also n = 4, n — 1 = 3, = 6, 26 = 64.


[560]Anhang 7.

Kombinationen der Elementepaare mit ev. zugehörigen Cyklen:

12, 13, 1423, 24, 34*
23, 24, 43*
23, 42, 34*
23, 42, 43*
32, 24, 34*
32, 24, 43*
32, 42, 34*
32, 42, 43*
12, 13, 4123, 24, 3412341, 1241, 1341
23, 24, 431241
23, 42, 3412341, 1341, 2342
23, 42, 43*
32, 24, 341241, 13241, 1341
32, 24, 431241, 13241, 2432
32, 42, 341341
32, 42, 43*
12, 31, 4123, 24, 341231, 12341, 1241
23, 24, 431231, 1241, 12431
23, 42, 341231, 12341, 2342
23, 42, 43*
32, 24, 34*
32, 24, 431241, 12431, 2432
32, 42, 34*
32, 42, 43*
21, 31, 4123, 24, 34*
23, 24, 43*
23, 42, 342342
23, 42, 43*
32, 24, 34*
32, 24, 432432
32, 42, 34*
32, 42, 43*

Von den 64 Kombinationen der Elementepaare haben wir hier nur
die Hälfte angeführt, die Fälle veranschaulichend, wo das Element 1 in
allen drei Elementepaaren, in die es eingehen muss, voransteht, oder in
nur zweien derselben, oder in einem, oder in keinem. Aus dieser angeführten
Hälfte muss sich nämlich die andre durch blosse Vertauschungen unter den
Elementen 2, 3, 4 im zweiten und dritten Viertel obiger Tafel ergeben.


Hienach ist erkannt, dass für n = 2, 3 oder 4 unser Satz Geltung
besitzt. Wir können daher den Beweis durch Schluss von n auf n + 1
antreten, und nehmen an, der Satz gelte bereits für eine gewisse Anzahl
von n — 1 sowie auch von noch weniger Elementen (bis zu zweien herab),
um darzuthun, dass er dann auch für n Elemente wird gelten müssen.


[561]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.

Zu dem Ende fassen wir den Fall in’s Auge, wo das Element 1 in
h (= 0, 1, 2, … n — 2) von den n — 1 Elementepaaren des Systems, in
die es eingeht, voransteht, also in den k = nh — 1 (= n — 1, n — 2, … 1)
übrigen hintansteht. Der Fall nämlich, wo es in allen (h = ) n — 1 Paaren
voranstünde, (in nh — 1 = 0 solchen hintansteht), wäre jedenfalls ein
solcher (mit Stern zu markirender), in welchem die Voraussetzung des
Satzes nicht zutrifft.


Für die Elemente 1, 2, 3, … 9, 0, also n = 10, n — 1 = 9,
= 45, 245 = 35 184372 088832, und zwar h = 5, nh — 1 = 4
mögen die abstrakten Betrachtungen jeweils veranschaulicht werden. Hier
sind etwa:
12, 13, 14, 15, 16; 71, 81, 91, 01 |
die vor dem ersten Striche stehenden neune von den 45 Elementepaaren,
und hinter dem Striche haben wir uns — (n — 1) = ,
hier 36, Elementepaare zu denken.


Es bedeute ϰ irgend eines, sowie ϰ' irgend ein anderes der h hinter 1
stehenden Elemente, (hier 2, 3, 4, 5, 6) und ähnlich λ sowie λ' irgend
eines der nh — 1 vor 1 stehenden (7, 8, 9, 0). So haben wir die
Paare
1 ϰ und λ 1.


Nun ist klar, dass wenn hinter dem Striche ein Elementepaar ϰ λ
steht, der Cyklus
1 ϰ, ϰ λ, λ 1 oder 1 ϰ λ 1
vorliegen, unser Satz mithin als geltend erwiesen sein wird.


Zu beweisen haben wir ihn demnach nur noch für den Fall, wo alle
aus einem ϰ und einem λ zusammengesetzten Elementepaare Kehrfolgen λ ϰ
sind. Mit dieser Voraussetzung sind die h (nh — 1) gleich 20 Elemente-
paare der
ersten Matrize“:
vollkommen bestimmt; diese jedenfalls werden hinter dem Striche stehen,
und können nur noch die gleich 10 Kombinationen der h Elemente
ϰ unter sich, sowie die gleich 6 Kombinationen der
nh — 1 = k Elemente λ unter sich irgendwie (als Recht- oder Kehrfolgen)
sich angesetzt finden — und zwar auf · gleich 216 = 65 536
verschiedene Arten.


In der That ist identisch:
= n — 1 + h (nh — 1) + + ,
Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 36
[562]Anhang 7.
oder nh — 1 = k, n = h + k + 1 eingesetzt:
= h + k + h k + + ,
und hier: 45 = 9 + 20 + 10 + 6.


Die Auswahl der also weiterhin noch hinter den Strich tretenden
Elementepaare hat man sich so getroffen zu denken, dass von den „Gegen-
paaren“ ϰ ϰ' und ϰ' ϰ resp. λ λ' und λ' λ, die sich in den Matrizen, als da
sind die
zweite“: und die „dritte“:
über die Diagonale symmetrisch gegenüberstehen, je immer nur eines ge-
nommen ist.


[Mit 1 — wäre leicht pedantisch zu zeigen — kann nun kein Cyklus
beginnen. Man kann nämlich mittelst geeigneter Aushebung von Elemente-
paaren von jedem 1 ð allerdings zu jedem 1 ð' in der „zweiten“ Matrize
gelangen, und ebenso von jedem λ 1 zu jedem λ' 1 innerhalb der dritten —
zwischen welchen beiden Matrizen, weil sie kein Element gemein haben, nie
ein Anschluss möglich ist. Also müsste man sich behufs Herstellung eines
Anschlusses der „ersten“ Matrize bedienen, welche aber ein 1 ϰ mittelst
ihres λ ϰ nicht mit einem λ 1 zu verbinden vermag.


Zwischen den Elementepaaren der zweiten Matrize sind solche Aus-
hebungen möglich, bei denen ein Cyklus entsteht — wie 23, 34, 42, etc.,
und dergleichen mehr — aber auch solche Aushebungen sind möglich, bei
denen keiner entsteht — wie z. B., wenn man alle Elementepaare, die
oberhalb der Diagonale stehen, auswählte.


Der Beweis muss sich hiernach dahin zuspitzen, dass gezeigt wird,
wie unter den Voraussetzungen des Satzes notwendig aus den Elementen λ
der dritten Matrize sich Cyklen herstellen lassen, wie immer man auch die
Elementepaare, jenen Voraussetzungen entsprechend, daselbst ausgewählt
denken, sie „ausheben“ mag. Und dies gelingt unschwer wie folgt.]


Es dürfen aus der dritten Matrize keinenfalles die Elementepaare
sämtlich ausgehoben werden, die auf einer Zeile beisammenstehn; denn ist λ
das in den Elementepaaren einer solchen Zeile voranstehende Element, so
beginnen mit λ erstens das Elementepaar λ 1, zweitens die h Elemente-
paare λ ð der ersten Matrize und drittens die k — 1 = nh — 2 Elemente-
paare λ λ' der gedachten Zeile in unsrer dritten Matrize, sonach im Ganzen
alle 1 + h + (nh — 2) = n — 1 Elementepaare, welche λ überhaupt
enthalten — entgegen den Voraussetzungen unsres Satzes.


Nunmehr mögen wir von allem übrigen absehen und unsre Aufmerksamkeit
ganz auf die dritte Matrize konzentriren. Wird wieder nh — 1 = k
genannt, so sind von den k (k — 1) Elementepaaren λ λ' in derselben
so auszuheben, dass alle Kombinationen ihrer k Elemente λ (oder 7, 8, 9, 0)
je einmal vertreten sind, in den ausgehobenen jedoch keines der Elemente
[563]McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls etc.
durchweg (überall wo es vorkommt) voransteht. Mithin treffen für diese
ausgehobenen Elementepaare die Voraussetzungen unsres Satzes zu, und
da k \< n ist, so gilt laut Annahme der Satz bereits für diese, d. h. es
muss sich innerhalb der ausgehobnen Elementepaare ein Cyklus aus solchen
herstellen lassen (q. e. d.).


Eine Ausnahme scheinen indes die Fälle k = 1 und k = 2 zu bilden,
wo solcher Cyklus gar nicht existirte. Da dann aber auch die Voraus-
setzungen des Satzes nicht mehr realisirbar sein werden, so fällt der Fall
sicher unter die Klasse der mit Stern zu markirenden Aushebungen oder
Systeme.


Für k = 2 nämlich — wo noch … 18, dann aber 91, 01 vor dem
Striche steht, reduzirt sich unsere dritte Matrize zu dem Schema:
und muss man von den beiden Paaren 90 und 09 das eine haben, sonach
gewiss die sämtlichen aus einer Zeile dieser Matrize: wählt man das
erstere, so wird das Element 9, das letztere, so wird 0 durchweg voran-
stehen — im Einklang mit der schon allgemein geführten Überlegung.


Ebensowenig bildet der Fall k = 1 eine Ausnahme, wenn in ihm auch
die bisherige Beweisführung sich ein wenig modifizirt. Hier sind die das
Element 1 enthaltenden Paare, oder es stehn vor dem Striche: 12, 13, … 19;
01; eine „dritte“ Matrize existirt hier gar nicht, und die zweite reduzirt
sich zu der einen Zeile: |02, 03, … 09 |, woraus bereits zu ersehen, dass
jetzt das Element 0 durchweg voransteht — entgegen den Voraussetzungen
des Satzes.


Der Satz ist also völlig bewiesen.


Da leicht zu sehen, dass ein Cyklus — wie 12, 23, 31 — wieder
ein solcher wird, m. a. W. ein solcher bleibt (13, 32, 21), wenn alle Paare
rückwärts gelesen werden, so steht natürlich dem Satze noch ein zweiter
vom selben Wortlaut gegenüber, in welchem nur statt „voran-“ jetzt
„hintan-“ gesagt ist; und dessen Geltung wird aus der des vorigen mit-
folgen, indem man, wie angedeutet, rückwärts liest.


Die Frage, inwieweit die Sätze umkehrbar sind, sowie vielleicht von
Elementepaaren auf Elementetripel etc. sich ausdehnen lassen, empfehlen
wir dem Leser zu fernerer Prüfung.

36*
[[564]]

Anhang 8.
Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie
der Lage.


Mit diesem Anhang gehe ich über das dem ersten Band beigegebene
Inhaltsverzeichniss des zweiten Bandes hinaus, da die Arbeit des Herrn
Kempe3 erst seitdem hinzugekommen ist, und ich mir vorgenommen hatte,
die Literatur vollständig zu berücksichtigen. Diese Arbeit, betitelt: Über
die Beziehung zwischen der logischen Theorie der Klassen und der geometrischen
Theorie der Punkte
, ist so durchaus eigenartig und eröffnet so merkwürdige
Ausblicke, dass sie nicht blos nebenher, etwa in der Schlussbetrachtung
unserer letzten Vorlesung noch besprochen werden konnte, sondern dass
vielmehr derselben ein besondres Kapitel gewidmet werden muss.


Es handelt sich um den Nachweis, dass und wie die „synthetische“
oder „projektive“ Geometrie, die „geometria situs“ mittelst identischen
Rechnens begründet werden kann. Aus solch inniger Verbindung
zwischen zwei hochwichtigen und anscheinend völlig auseinander
liegenden Forschungsgebieten entspringt einesteils zuletzt eine gewisse
erweiterte Auffassung der geometria situs, während andernteils auch
der identische Kalkul, auf ganz aparte Grundlagen gestellt, in neuem
Lichte erscheint.


Wollten wir uns dem Gedankengang der Kempe’schen Arbeit völlig
anschliessen, so bliebe uns bei der konzisen Darstellungsweise derselben
Behufs schnellerer Einführung in Kempe’s Terminologie ziehe ich indessen
vor, den Weg als einen Hinweg einzuschlagen, welchen Kempe von seinen
originellen Betrachtungen aus sozusagen als Rückweg geht.


Die Theorie entspringt aus der Wahrnehmung einer weitgehenden
Analogie gewisser zusammengesetzter Relationen unseres identischen
Kalkuls mit der Beziehung der Kollinearität von Punkten (im Raume),
d. h. mit ihrer etwa vorliegenden Eigenschaft, zusammen in gerader
Linie zu liegen
, und beruht auf den Nachweise der Identität formaler
Grundgesetze für beiderlei Relationen — bei Zugrundelegung einer ge-
eigneten Bezeichnung.


[565]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.

Wir verstehen unter den Buchstaben a, b, c, … wie früher Ge-
biete einer gewöhnlichen Mannigfaltigkeit, oder etwa auch Klassen,
nennen dieselben aber nun „Elemente“ (der Rechnung) — „entities“ of
the system —.


α) Eine zusammengesetzte Operation des identischen Kalkuls,
welche drei Elemente symmetrisch verknüpft, möge mittelst eckiger
Klammern durch das Symbol [a b c] dargestellt und wie folgt definirt
werden:
K 50. [a b c] = a b + a c = b c = (a + b) (a + c) (b + c).


Die Chiffren der Kempe’schen Sätze — „sections“ oder „paragraphs“ —
citire ich mit K. Dieselben gehen bis 158.


Dass nämlich die beiden letzten Ausdrücke übereinstimmen, wurde
in § 18, φ), Bd. 1 S. 383 nachgewiesen. Unsere Operation ist also nicht
nur, wie gesagt, symmetrisch, so dass
K 13. [a b c] = [a c b] = [b c a] = [b a c] = [c a b] = [c b a]
und die Ordnung der Elemente stets unwesentlich („immaterial“) ist,
sondern sie ist auch zu sich selbst dual.


Und ferner begreift sie die beiden direkten Operationen, die identische
Multiplikation sowie die Addition, als Spezialfälle unter sich, indem er-
sichtlichermassen ist:

K 40.[a b 0] = a b[a b 1] = a + bK 42.

β) Von dieser Operation die formalen Eigenschaften nachzuweisen:

K 14.[a b a] = a oder [a b b] = b,
K 18.[a b [a c d]] = [a d [a b c]] = [a c [a b d]],
K 16.[[a b c][a b d] e] = [a b [c d e]] = [[a b c] [a b d] [a b e]],K 17.
K 19.[a b [a b c]] = [a b c],

wäre nur eine leichte Rechenübung. —


Ebenso leuchten unmittelbar ein die Sätze:

K 22.[a a b1] = a, [a b a1] = bK 36.
K 37.[a b c]1 = [a1b1c1]
K 25.([a b c1] = c) = (a = b = c).

γ) Kempe bezeichnet auch mittelst geschweifter Klammern:
K 35. [a b c1] = {a b, c}
und nennt diesen Ausdruck eine „unsymmetrical resultant“ im Gegen-
satz zur „symmetrical resultant“ [a b c]. Mit dieser Verwendung des
Namens „Resultante“ vermag ich mich nicht zu befreunden, da sie
[566]Anhang 8.
gegen den allgemeinen Gebrauch verstösst, gemäss welchem wir unter
diesem Namen eine als Eliminationsergebniss gewonnene Relation ver-
stehen, nicht aber einen Ausdruck, der eine Klasse (Element, entity) ist.
Ich werde, falls ich des Namens bedarf, kurzweg „Erzeugniss“ sagen.


Abgesehen hievon, sowie von unwesentlichen Äusserlichkeiten, — wie
die, dass Herr Kempe die Negation a1 von a mit a' bezeichnet, die
identische Null (zero) mit z, die Eins also mit z', die Gleichung (a b = 0)
mit (a * b), die Subsumtion a b aber, gleichwie Robert Grassmann,
mit a \< b, — während doch das Subsumtionszeichen dem Zeichen ≦
entspricht, — abgesehen hievon kann ich mich fast durchweg Kempe’s
Bezeichnungs- und Benennungsweisen anschliessen.


δ) Der Begriff des „unsymmetrischen Erzeugnisses“ {a b, c} wird
fernerhin unter K 28 von dreien auf beliebig viele Operationsglieder
ausgedehnt, auf Grund der Wahrnehmung, welche wesentlich auf obigen
Satz K 18 hinausläuft, dass
K 28. {{a b, d} c, d} = {{a c, d} b, d} = {{b c, d} a, d},
wonach der übereinstimmende Wert dieser drei Ausdrücke denn mit
{a b c, d}
bezeichnet werden mag, und in diesem Symbol die Reihenfolge der drei
Buchstaben a, b, c belanglos sein wird. Der Wert des Ausdrucks ist
{a b c, d} = a b c + (a + b + c) d1 = a b c d + (a + b + c) d1.
Ferner mögen wir definiren
{a b c d, e} = {{a b c, e} d, e} = a b c d + (a + b + c + d) e1,
wo wieder in {a b c d, e} die Ordnung der vier Elemente a, b, c, d
gleichgültig sein wird, — und allgemein rekurrirend den in Bezug auf
a, b, … v, w, x, y symmetrischen Ausdruck
{a bw x y, z} = {{a bw x, z} y, z} =
= a bw x y + (a + b + … + x + y) z1.


Der hier vollzogene Schluss von n auf n + 1 Elemente, — der mir
bei Herrn Kempe nicht genügend markirt zu sein scheint, — ist folgender:


Nachdem die Vertauschbarkeit der drei Elemente a, b, c in {a b c, z}
nach K 28
{{a b, z} c, z} = {{a c, z} b, z} = {a b c, z}
erkannt ist, möge dieselbe nun vorausgesetzt werden für 4, 5, 6, … n — 1,
bis n Elemente a, b, … v, w, x, z. B.
{{a bv, z} w, z} = {{a bw, z} v, z} = … = {a bv w, z} = U,
wo das Zeichen U nur zur Abkürzung dient, und
{U x, z} = {{a bw, z} x, z} = {a bw x, z}
[567]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.
wird. Dann hat man auch für ein weiteres (n + 1) tes Element y noch bei
nur n Elementen vor dem Komma —
{U y, z} = {{a bw, z} y, z} = {a bw y, z},
und nach K 28
{{U x, z} y, z} = {{U y, z} x, z} = {U x y, z},
oder
{{a bw x, z} y, z} = {{a bw y, z} x, z} q. e. d.


Im Gegensatz zu dem „unsymmetrischen“ scheint sich das „symmetrische
Erzeugniss“ nicht von drei Elementen auf beliebig viele als solches be-
grifflich ausdehnen zu lassen. Vergl. schon Bd. 1, S. 383.


ε) Die Bedeutung des symmetrischen Erzeugnisses [a b c] versinn-
licht für die Kreise a, b, c die Figur 34, in welcher dasselbe schraffirt

[figure]
Figure 4. Fig. 34.


[figure]
Figure 5. Fig. 35.


erscheint; ebenso die des unsymmetrischen Erzeugnisses {a b, c} oder
[a b c1] die Figur 35; und für vier Elemente {a b c, d} die Figur 36.


ζ) Die Gleichung
a b c + a1b1c1 = 0
ist eine bemerkenswerte, ebenfalls symme-
trische
Relation zwischen drei Elementen,
— der wir schon bei den „symmetrisch-
allgemeinen Lösungen“ in § 24 (Bd. 1,
S. 512) sowie am Schluss des Anhangs 6
eingehende Betrachtungen gewidmet. Sie
möge nach Kempe dargestellt werden durch
das zwischen Punkte · gesetzte Symbol a b c:
a b c ·) = (a b c + a1b1c1 = 0).

[figure]
Figure 6. Fig. 36.


Statt: es gilt (oder „wir haben“) · a b c ·, wollen wir auch sagen: a, b
und c bilden eine „obverse“ Triade.


[568]Anhang 8.

η) Ersetzt man in dieser das Element c durch c1, so verliert sie
die Symmetrie in Hinsicht der drei Elemente a, b, c und bleibt nur
noch symmetrisch bezüglich der beiden Elemente a und b. Die so
gewonnene Relation soll gemäss Kempe durch ein neues Symbol a b · c
(a b · c) = (· a b c1 ·)
dargestellt werden, — welches wir im Bedarfsfalle auch in runde Klammern
schliessen.


Die Relation lässt sich auch in eine Doppelsubsumtion mit dem
Mittelgliede c umschreiben:
a b c1 ·) = (a b c1 + a1b1c = 0) = (a b c a + b) = (a b · c) = (b a · c).
Zur Veranschaulichung der Relation dient die Figur 37, K 105.


[figure]
Figure 7. Fig. 37.

Im Gegensatz zu den oben be-
trachteten Klassensymbolen oder „Ele-
menten“ [a b c] und {a b, c} usw. werden
also sowol · a b c · als a b · c Aussagen-
symbole sein.


Herr Kempe pflegt die Relation
a b · c zu umschreiben mit den Worten
„we have a b · c“, oder mit dem Satze:
a, b und c bilden eine „lineareTriade
mit a und b als „even members“ und c als dem „odd member“, — wo-
gegen unseres Erachtens passender umgekehrt a und b als die ungeraden
(oder äusseren, extremen) und c als das gerade (innere, Zwischen-)
Glied hingestellt würden.


Diese Relation a b · c zwischen den Elementen einer linearen Triade
ist nun der Ausgangspunkt der Theorie Kempe’s. Er bildet es zu
einer Virtuosität aus, ganz und gar in solchen Relationen zu denken
und, indem er für sie eine Anzahl von Gesetzen axiomatisch aufstellt,
mittelst linearer Triadenbildung alles Andere zu definiren und zu be-
weisen. Die Auswahl gerade dieser Relation erscheint als ein geniales
Aperçu, welches ahnen lässt, dass der identische Kalkul eine Fundgrube
auch noch für andere Theorien verschiedensten Charakters bilden wird.


ϑ) Es sind nun zunächst Herrn Kempe’s formale „Gesetze“ von
unserem Ausgangspunkte aus zu beweisen. In der Zeichensprache
lauten diese Gesetze übersichtlich wie folgt:
„Law I“. (a p · b) (c p · d) (a d · q) (b c · q)
„Law II“. (a b · p) (c p · d) (a q · d) (b c · q)
[569]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.
„Law III“. (a b · c) (a = b) (a = b = c),
oder (a a · b) (a = b)

„Law IV“. (a = b) (a c · b) (b c · a),
oder kürzer (a b · a) = 1̇,

— wozu zu bemerken ist, dass in den beiden letzten Gesetzen das
Subsumtionszeichen als ein auch umgekehrt gültiges in ein Gleichheits-
zeichen verwandelt werden dürfte.


ι) Das erste Gesetz versichert, dass bei gleichzeitigem Bestehen
der beiden linearen Triaden a p · b und c p · d es immer ein Element q
geben wird derart, dass auch a d · q und b c · q als lineare Triaden be-
stehen.


Der Beweis dieses Gesetzes könnte geleistet werden, indem wir
unter der Voraussetzung, welche ausführlich geschrieben lautet:
(a p b1 + a1p1b = 0) (c p d1 + c1p1d = 0)
oder wegen Th. 24+)
(a b1 + c d1) p + (a1b + c1d) p1 = 0,
ein Element q angäben, welches auch die Behauptung
(a d q1 + a1d1q = 0) (b c q1 + b1c1q = 0)
oder
(a1d1 + b1c1) q + (a d + b c) q1 = 0
nachweislich erfüllt.


Ein solches gibt Herr Kempe an in der Gestalt:
q = (a d + b c) u + (a + d) (b + c) u1,
worin u ein arbiträres Element vorstellt, und macht die Probe mittelst Ein-
setzung des Wertes von q in die Thesis unter Berücksichtigung der Relation
zwischen a, b, c, d, welche aus der Hypothesis durch Elimination von p fließt.
Dieses Element q ist aber nichts anderes, als die regelrechte Auflösung der
behaupteten Gleichung nach eben dieser Unbekannten, und erfüllt diese
Gleichung also sicher, wofern letztere nur überhaupt auflösbar ist. Wir
können darum Kempe’s Rechnung hier sparen und brauchen blos das
Bestehen dieser Auflösbarkeit, unserer „Valenzbedingung“ für q, auf Grund
der Prämisse nachzusehen.


Am besten beschränkt man sich darauf, zu zeigen, wie die Prä-
missengleichung die Existenz einer Wurzel q der behaupteten Gleichung
garantirt, das heisst: zu zeigen, dass die Resultante der Elimination von
p aus jener nachsichzieht die Resultante der Elimination von q aus
dieser. Da aber in der That Gleichheit der beiden Resultanten-Polynome:
(a b1 + c d1) (a1b + c1d) = (a1d1 + b1c1) (a d + b c)
[570]Anhang 8.
als analytische Formel besteht, indem die beiden Seiten durch Aus-
multipliziren übereinstimmend auf
a b1c1d + a1b c d1
hinauslaufen, so wird mit der einen Seite auch zugleich die andere
verschwinden, q. e. d.


ϰ) Wir fragen noch, — Kempe’s Theorie vervollständigend, —
wann das dem Law I (oder dann auch dem Law II) genügende q ein
eindeutig bestimmtes Element (oder Klassensymbol) sein wird, m. a.
W. unter welchen Bedingungen es gerade nur ein solches q geben wird.


Die Antwort ist aus Bd. 1 S. 463 zu entnehmen, und lautet dar-
nach wie folgt: nur ein q wird es geben, falls die Koeffizienten von q
und q1 Negationen von einander sind, also (für Law I) falls
a1b1 + b1c1 = (a d + b c)1,
(somit jeder von beiden ein solcher Ausdruck ist, dessen Negation da-
durch entsteht, dass man die ihn zusammensetzenden einfachen Symbole
durchweg einzeln negirt.) Und der fragliche Wert von q ist dann:
q = a d + b c.
Bringt man obige Bedingung hiefür rechts auf 0, so wird sie lauten:
(a d + b c) (a1d1 + b1c1) + (a + d) (b + c) (a1 + d1) (b1 + c1) = 0
oder
a b c1d1 + a1b1c d + a c b1d1 + a1c1b d + a d b1c1 + a1d1b c = 0;
in einer weiter unten zu begründenden Symbolik Kempe’s wird die-
selbe sich deshalb darstellen als das Produkt von drei Aussagen:
(a b · c d) (a c · b d) (a d · b c),
deren letzte (a d · b c) allein durch die Prämissen des Law I als gültig
garantirt war.


Hiezu folgen weitere Ausführungen am Schlusse dieses Anhanges,
S. 589 ff.


λ) Behufs Beweises von Law II ist ebenso zu zeigen, dass unter
der Voraussetzung
(a b p1 + a1b1p = 0) (c p d1 + c1p1d = 0)
oder
(α1b1 + c d1) p + (a b + c1d) p1 = 0
auch die Behauptung
(a q d1 + a1q1d = 0) (b c q1 + b1c1q = 0)
oder
(a d1 + b1c1) q + (a1d + b c) q1 = 0
durch gewisse q erfüllbar ist.


[571]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.

Es folgt dies in der That aus
(a1b1 + c d1) (a b + c1d) = (a d1 + b1c1) (a1d + b c),
worin beide Seiten auf
a b c d1 + a1b1c1d
hinauslaufen, und das Verschwinden der linken Seite also auch das
der rechten nach sich ziehen wird.


Die fraglichen q erhält man hienach leicht durch Auflösen der
vorhergehenden Gleichung nach q, oder auch durch Vertauschung von
a mit a1 in der Lösung der für Law I behandelten Gleichung.


μ) Aus den Beweisen dieser beiden Gesetze geht auf den ersten
Blick hervor, dass ebenso auch umgekehrt gilt:
(a d · q) (b c · q) (a p · b) (c p · d), (a q · d) (b c · q) (a b · p) (c p · d).


Die letztere Umkehrung deckt sich, wie Vertauschung von a mit c
und p mit q zeigt, mit Law II selber. Dagegen stellt die erstere,
(durch Vertauschung von b mit d und von p mit q) geschrieben als
(a b · p) (c d · p) (a q · d) (c q · b)
ein den beiden vorigen analoges „Law“ (Gesetz) vor, welches
Herr Kempe nicht erwähnt.


Wie ebenfalls aus dem Nachweis sofort erhellt, würden übrigens
diese Gesetze alle drei sich auch symmetrischer als Gleichungen
schreiben lassen:
Gesetz I. (a p · b) (c p · d) = (a d · q) (b c · q)
Gesetz II. (a b · p) (c p · d) = (a q · d) (b c · q)


(Vergleiche unten Seite 587 f.)


ν) Der Beweis zu Law III ergibt sich unmittelbar, indem man
in der Definition von a b · c von der Voraussetzung a = b Gebrauch
macht, wodurch sie übergeht in a c a oder c = a.


Endlich der Beweis von Law IV ist ebenso naheliegend, indem
für a = b bei beliebigem c
(a c · b) = (a c · a) = (b c · a) = (a c a a + c) = 1̇
wird, nämlich nach Th. 6) identisch gilt.


ο) Sind in einer obversen Triade · a b c · zwei Elemente einander
gleich, z. B. b = c, so kommt die Aussage auf die mit · a b · zu bezeich-
nende (· a b ·) = (· a b b ·) = (· a a b ·) = (a b + a1b1 = 0) = (a = b1) = (b = a1)
[572]Anhang 8.
hinaus. Alle drei Elemente können nicht einander gleich sein, weil die
Aussage a = a1 absurd ist, — K 33, 77. Die obverse Triade ver-
hält sich also in dieser Hinsicht ebenso, wie schon das „obverse Paar
(Dyade) a, a1; — so nennt Kempe ein Element und seine Negation; —
denn haben wir damit die obverse Dyade · a b · definirt als ein Elemente-
paar a, b, für welches b = a1 gilt, so dass also in der That stets · a a1 ·
identisch ist, so kann auch hier b nicht gleich a sein, wenn · a b · gilt.


Die „obverse Monade“ · a ·, d. i. die Aussage:
a ·) = (a + a1 = 0) = (1 = 0)
wäre hienach ein Symbol der Absurdität.


Die Wahrnehmung obiger Analogie bildete das Motiv zu Kempe’s
Benennung obverser Elementesysteme. Den Begriff nämlich auf beliebig
viele Elemente auszudehnen, liegt nahe:


π) So soll gesagt werden, die Elemente a, b, c, d bildeten eine
obverse Tetrade, oder es gelte · a b c d ·, wenn die Bedingung erfüllt ist:
a b c d ·), = (a b c d + a1b1c1d1 = 0)
K 79; — diese reduzirt sich auf eine obverse Triade, wenn zwei
von den vier Elementen zusammenfallen, z. B. d = c, und auf eine
obverse Dyade · a b ·, wenn d = c = b ist. Alle vier Elemente aber
können konsistenterweise nicht in eines zusammenfallen.


Allgemein definiren wir mit
K 80. a b cp ·) = (a b cp + a1b1c1p1 = 0)
ein „obverses System von irgendwieviel Elementen“ („obverse collection“)
und haben neben der Symmetrie desselben in Hinsicht seiner sämt-
lichen Elemente augenscheinlich
K 81. a b cp ·) = (· a1b1c1p1 ·).


ϱ) Stellt P die Elementezusammenstellung a b cp vor, so gilt für
ein beliebiges weiteres Element z, wie leicht zu sehen:
P ·) P z ·) sowie (· P z ·) (· P z1 ·) P ·),
zwei Sätze („Law A und B“ von K 82), die sich in den einen zu-
sammenziehen lassen:
K 82. P z ·) (· P z1 ·) = (· P ·).


σ) Die analoge Begriffserweiterung auf irgendwieviel Elemente soll
nun auch für die lineare Triade vollzogen werden, und zwar soll das
Ergebniss — aus gegen Ende hervortretenden Gründen — ein flaches
System von Elementen („flat collection“) genannt werden.


[573]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.

Sind a, b, … m und p, q, … x irgendwieviel Elemente, so soll in
der Gleichung
(a bm · p qx) = (a bm p1q1x1 + a1b1m1p qx = 0)
das Symbol linkerhand uns die Aussage rechts vertreten; und wenn
letztere erfüllt ist, soll gesagt werden, die im ersteren vorkommenden
Elemente bilden ein „flaches System“.


Bei einem solchen werden zwei Elemente unter sich vertauschbar
sein, wenn sie beide vor oder beide hinter dem erhöhten Punkt stehen.
Auch können die beiden durch den Punkt getrennten Elementegruppen
ihre Stellung wechseln. Und ferner kann man für alle Elemente
durchweg ihre Negationen setzen; bilden erstere ein flaches System,
so auch letztere.


Die Elemente der einen Gruppe (vor dem Punkt) eines flachen
Systems bilden mit den negirten Elementen der andern (hinter dem
Punkt) ein obverses System
(a bm · p qx) = (· a bm p1q1x1 ·) = (· a1b1m1p qx ·).


τ) Es entsprechen sich die Identitäten (vergl. ο)
a b ·) = (a = b1) (a · b) = (a = b), K 89.
während (a · a1) = (· a ·) absurd ist. Dagegen gilt identisch für beliebige
Elemente z und a die lineare Triade z z1 · a, K 30, welche sich zuletzt
auf das obverse Paar · z z1 · reduzirt:
(z z1 · a) = (z z1a1 + z z1a = z z1 = 0) = (· z z1 ·) = 1̇.
Und die unter ϱ) aufgestellte Identität K 82
P z ·) (· P z1 ·) = (· P ·) = (· P z ·) (P · z)
lässt sich jetzt dahin erweitern, dass wenn mit P und R zwei Elemente-
zusammenstellungen bezeichnet sind, welche kein gemeinsames Element
besitzen, und mit q ein weiteres weder in P noch in R vorkommendes
Element,
(P · R) = (P q · R) (P · q R),
K 87. (P · R) (P q · R), (P · R) (P · q R).


Einfache Fälle sind:


  • K 7. (a · c) = (a c1 + a1c = a b c1 + a1b1c + a b1c1 + a1b c = 0) =
    = (a b · c) (a · b c),
    (a b · e) = (a b c · e) (a b · c e) = (a b c d · e) (a b c · d e) (a b d · c e) (a b · c d e),
  • (a · e) = (a b · e) (a · b e) = (a b c · e) (a b · c e) (a c · b e) (a · b c e) =
    = (a b c d · e) (a b c · d e) (a b d · c e) (a b · c d e) (a c d · b e) (a c · b d e) (a d · b c e) (a · b c d e),
    = (4 · e) (3 · d e) (3 · c e) (3 · b c) (a b · 3) (a c · 3) (a d · 3) (a · 4),

[574]Anhang 8.

usw., wobei in der letzten Zeile die Elemente einerseits des Trennungs-
punktes nur durch ihre Anzahl angedeutet sind, — eine Abkürzung, die
jedenfalls dann stets ohne weiteres anwendbar ist, wenn die ersten auf-
einanderfolgenden Buchstaben des Alphabets von a an als Elementezeichen
genommen sind. — Man sieht, dass eine derartige Zerlegung eines flachen
Systems in ein Produkt aus ebensolchen mit mehr Gliedern auf die „Ent-
wicklung“ des Polynoms einer (rechts auf Null gebrachten) Gleichung nach
einem oder mehreren nicht darin vorkommenden Symbolen hinauskommt. —
In den Faktoren, z. B. von a b · e, erscheinen die durch den Punkt getrennten
Elemente des Produkts a b · e überall ebenfalls getrennt, während die übrigen
neu hereinkommenden Elemente in jeder möglichen Verteilung vor und
hinter dem Punkt auftreten.


υ) Wenn a, b, c und d ein flaches System bilden, so muss dieses
offenbar einem der beiden folgenden Typen von vier resp. drei Formen
angehören (K 86):

a · b c d
b
· a c d
c
· a b d
d
· a b c
erster Typus,a b · c d
a c
· b d
a d
· b c
zweiter Typus.

Ebenso sind alle möglichen Formen eines fünfgliedrigen flachen
Systems aus den Elementen a, b, c, d, e enthalten unter zwei Typen
von fünf und von zehn Formen: (mit der oben erläuterten Abkürzung)
a · 4 b · 4 c · 4 d · 4 e · 4 erster Typus,

  • a b · 3 a c · 3 a d · 3 a e · 3
    b c · 3 b d · 3 b e · 3 c d · 3 c e · 3 d e · 3


Ähnlich bei mehr Elementen.


φ) Durch erhöhte Punkte zwischen je zweien von irgendwieviel
Elementen soll angedeutet werden, dass diese Elemente ein flaches System
bilden, ohne dass zugleich bekannt sein soll, welche von den möglichen
Formen diesem flachen Systeme zukommt, oder welche Elemente vor,
welche hinter den Trennungspunkt treten. So ist also in
(a · b · c) = (a b · c) + (a c · b) + (b c · a)
das Symbol links aussagenrechnerisch definirt als die Alternative
zwischen den drei Aussagen rechts.


Trifft diese Alternative zu, so soll gesagt werden, die Elemente
a, b, c seien kollinear oder lägen in gerader Linie, bildeten ein gerad-
liniges System
.


Analog definiren wir
(a · b · c · d) = (a · 3) + (b · 3) + (c · 3) + (d · 3) + (a b · 2) + (a c · 2) + (a d · 2)
[575]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.
und sagen, wenn die Alternative zutrifft, die Elemente a, b, c, d
seien koplanar, lägen in einer Ebene oder bildeten ein ebenes System.


Und so weiter für noch mehr Elemente, indem man das System
bei fünf Elementen ein räumliches (für den gewöhnlichen „flachen“
oder Euklidischen Raum von drei Dimensionen), bei n Elementen eine
flache Mannigfaltigkeit von n—2 Dimensionen nennen wird.


Aus τ), K 87 ergibt sich hier z. B.
K 88. (a · b · c) (a · b · c · d)
für jedes beliebige zu a, b, c hinzutretende Element d.


χ) Systeme, die entweder obverse oder flache sind, nennt Kempe
(K 90) endlich „bedingte Systeme“ („restricted collections“), wendet da-
für die wie folgt definirten Symbole an:
K 91, 92. a · b ·) = (a · b) + (· a b ·), = (a = b) + (a = b1)
K 91, 93. a · b · c ·) = (a · b · c) + (· a b c ·)
K 91. a · b · c · d ·) = (a · b · c · d) + (· a b c d ·),
usw., und hebt hervor, dass man einem solchen Symbole noch ein
beliebiges Element (mit erhöhtem Schlusspunkt) zufügen darf, z. B.
K 94. a · b · c · d ·) a · b · c · d · z ·),
sowie K 95, dass man in einem bedingten System irgend welche
Elemente durch ihre Negationen ersetzen darf und stets ein bedingtes
System behalten wird.


Damit sind wir vom identischen Kalkul aus mit geringster Mühe
in die Symbolik Kempe’s eingedrungen. Es erübrigt nunmehr, seinen
Gedankengang unter Benutzung dieser Symbolik darzulegen, um hierauf
zur Anwendung auf die projektive Geometrie überzungehen.*)


Es wird zunächst die lineare Triade a b · c definirt lediglich als
Zusammenstellung dreier Elemente, symmetrisch bezüglich zweier a
und b, der „geraden“ Glieder, während das dritte c das „ungerade“ heisst.
Alle formalen Eigenschaften dieser linearen Triaden und auch aller
anderen Beziehungen und Ausdrücke, welche wir oben mittelst des
identischen Kalkuls definirt und untersucht haben, werden dann aus-
schliesslich gegründet auf die axiomatisch an die Spitze gestellten
Grundgesetze oder Laws I bis IV, welche oben unter ϑ) erläutert sind,
(nebst noch zwei weiteren später zu erwähnenden).


[576]Anhang 8.

Während diese vier ersten Grundgesetze festsetzen, was aus der
Übereinstimmung zweier Elemente zwischen zwei linearen Triaden,
bezw. innerhalb einer einzigen zu schliessen ist, werden hieraus zu-
nächst die Ergebnisse aus zwei und drei Triaden mit mehr als einem
gemeinsamen Element hergeleitet:

K 7.(a c · b) (b c · a) = (a = b)(vergl. oben τ)
K 8.(a b · c) (b c · d) = (a b · d) (a d · c)
K 9.(a b · c) (a b · d) (c d · e) (a b · e)
K 10.(a b · d) (a c · e) (d e · b) (c d · b)
K 11.(a b · d) (a c · d) (b c · e) (a e · d).

Zur Bestätigung dieser Sätze wird man wol am einfachsten, ähnlich
wie schon oben in τ) für K 7, jede Triade nach allen im Satz vorkommenden
Elementen gemäss τ) entwickeln, wonach man z. B in K 8 links und rechts
des Gleichheitszeichens dieselben vier Entwicklungsfaktoren
(a b d · c) (a b · c d) (a b c · d) (a d · b c)
erhält, während — für K 9 — von den vier Entwicklungsfaktoren des
Subsumtionsprädikats
(a b · e) = (4 · e) (3 · c e) (3 · d e) (a b · 3)
offenbar jeder in der Entwicklung wenigstens einer der drei Subjekt-Triaden
vorkommt:
(a b · c) (3 · c e) (a b · 3), (a b · d) (3 · d e) (a b · 3), (c d · e) (4 · e);
usw.


Diese fünf Theoreme K 7—11 nebst den Voraussetzungen Law I—IV
genügen nun zum Nachweis folgender Thatsachen: Ein Element x ist
vermöge des Zusammenbestehens der drei linearen Triaden a b · x, b c · x,
c a · x in eindeutig bestimmter Weise abhängig von a, b und c, und
zwar hat diese Funktion x gerade diejenigen Eigenschaften, welche
wir unter α) und β) dem Ausdruck a b + b c + c a, dem „symmetrischen
Erzeugniss“ [a b c] zuzuschreiben hatten (K 12—19). Desgleichen wird
sodann eine andere Funktion y von a, b, c, das „unsymmetrische
Triaden-Erzeugniss“ y = {a b, c}, durch die gleichzeitig bestehenden
Triaden a b · y, c y · a, c y · b definirt und diskutirt.


Bestätigend rechnet man leicht nach:
(a b · x) (b c · x) (c a · x) = {(a1b1 + b1c1 + c1a1) x + (a b + b c + c a) x1 = 0}
= {[a b c]1x + [a b c] x1 = 0},

worin die Koeffizienten von x und x1 Negationen (oder „obvers“, vergl.
oben ο)) zu einander sind; es folgt daher (nach Bd. 1, Seite 463)
x = [a b c] = a b + b c + c a. Usw.


[577]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.

Das unsymmetrische Erzeugniss, begrifflich ausgedehnt auf beliebig
viele Argumente wie oben in δ), dient nunmehr auch zur Einführung
der Negation eines Elementes z, des „obversen“ z1 zu z, und zwar,
wenn unter a, b, c, … y, z alle Elemente des Systems oder Denk-
bereiches verstanden werden, worunter z ein beliebiges, mittelst der
Definition
z1 = {a b cy z, z}.


Hiebei ist nun, wie auch anderwärts, wesentlich Gebrauch zu machen
von einem weiteren Grundgesetz V, K 6, dem „Kontinuitätsgesetz“ (Law
of continuity):


Zum Denkbereich ist als zugehörig zu betrachten jedes Element,
welches mit den bereits vorhandenen Elementen als verträglich sich er-
weist. (No entity is absent from the system which can consistently
be present.)


Da hiernach unter „allen“ Elementen a, b, … z auch schon das neuer-
dings definirte z1 sich befindet, so ist nach den Gesetzen des identischen
Rechnens in
{a bz, z} = a bz + (a + b + … + z) z1
rechterhand das Produkt a bz = 0 und die Summe a + b + … + z = 1.


Nun wird der gesamte identische Kalkul gegründet auf die Be-
griffe und Gesetze von den linearen Triaden und deren „Erzeugnissen“,
und zwar dienen die Beziehungen α), K 40 und 42
[a b 0] = a b, [a b 1] = a + b = {a b, 0}
zur Definition des Produktes und der Summe zweier Elemente. Be-
zeichnend ist hier die Art, wie die beiden Moduln 0 und 1 eingeführt
werden. Der eine, die Null, ist zunächst ein ganz beliebiges Element z
des Denkbereiches, der andere, die Eins, dessen Negation z1; und den
Modulncharakter nehmen diese beiden zu einander obversen Elemente
erst an durch Beschränkung des Operationsfeldes auf solche symmetrische
und unsymmetrische Erzeugnisse, welche eines von beiden, etwa z, als
„konstantes“ Glied enthalten, — indem diese Erzeugnisse sodann als
Funktionen der übrigen beiden Glieder betrachtet und [a b z] mit a b,
{a b, z} mit a + b bezeichnet wird. Das Zeichen 0 für z zu gebrauchen,
wegen der hiernach leicht zu erweisenden Beziehung a z = z (und
a + z = a), lehnt KempeK 41 nicht geradezu ab, wenn man dabei
nur nicht aus dem Auge verliere, dass dieses innerhalb der in Rede
stehenden „Algebra“ bevorzugte, konstante Element z sich ursprünglich
durch nichts von den andern Elementen des Grundsystems unterscheidet,
und dass man jedes andere Element ebensogut hätte zum Modul machen
Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 37
[578]Anhang 8.
können; wogegen er allerdings an der Bezeichnung 1 für z1 wegen a + z1 = z1
Anstoss nimmt (K 46).


Auch die linearen Triaden mit innerhalb der „Algebra“, also des
identischen Kalkuls „konstantem“ Element z oder 0 werden, als Be-
ziehungen zwischen den andern beiden Gliedern:
K 59. (a 0 · b) = (b a), (a b · 0) = (a b = 0),
mit neuen Symbolen bezeichnet, — wenn auch freilich nicht mit den
hier gebrauchten — vergl. γ).


Nach „algebraischer“ d. i. identisch rechnerischer Behandlung der
bisher aufgestellten und einiger neuen Begriffe und Ergebnisse in
grossenteils oben dargelegter Weise wendet sich die Untersuchung
nunmehr der geometrischen Anwendung zu.


Unter dem Namen eines „linearen Punktsystems“ („linear set“)
wird zunächst K 127 ff. eine Gruppe von Elementen ins Auge gefasst,
unter denen nicht zwei einander gleich sind, während dagegen je drei
von ihnen eine lineare Triade bilden. Die durchgängige Verschiedenheit
der Elemente schliesst nach K 7, Seite 576 oder τ) das Bestehen
mehrerer linearer Triaden zwischen denselben drei Elementen aus; dagegen
bilden die zwischen je vieren von ihnen bestehenden linearen Triaden,
wie sich zeigen lässt (K 128), stets eine Triaden-Tetrade von bestimmter
Form, nämlich von der Form der vier in dem Theorem K 8 Seite 576
enthaltenen Triaden
a b · c, b c · d, a b · d, a d · c,
von denen nach ebendiesem Theorem das erste und das zweite Paar
einander gegenseitig bedingen.


Ein Nachweis hiezu, — von Kempe nur flüchtig angedeutet, — ist
unten Seite 582 ff. ausgeführt, um das Referat an dieser Stelle nicht damit
zu unterbrechen.


Da zwar zwei obverse Elemente a und a1 scheinbar eine lineare
Triade a a1 · b bilden mit jedem beliebigen anderen Element b als ihrem
Zwischenglied, wie oben K 30, τ) erwähnt, diese Triade aber in Wirk-
lichkeit, als Identität, auf das obverse Paar · a a1 · hinauskommt, so
enthält ein lineares System nicht zwei obverse Elemente.


Ein lineares System heisst vollständig („complete“), wenn dem-
selben ein jedes Element angehört, das mit irgend zwei Elementen
des Systems eine lineare Triade bildet (kollinear ist, vergl. φ)).


Indem man das ungerade Glied einer linearen Triade auch als
„Zwischenglied“ oder als „liegend zwischen“ den geraden Gliedern
bezeichnet, wird man von den vier Elementen oder „Punkten“ a, b, c, d
[579]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.
der Triaden-Tetrade a b · c, b c · d, a b · d, a d · c sagen, sie liegen in der
Reihenfolge a c d b; und dem entspricht die Ausdrucksweise: Die Punkte
eines linearen Systems bilden eine „gerade Linie“.


Freilich können im allgemeinen zwei lineare Systeme gemeinsame
Elemente in irgend welcher Anzahl enthalten. Nun beschränken wir
aber unsere Betrachtung auf ein System von Elementen oder Punkten,
innerhalb dessen es nicht zwei lineare Systeme mit mehr als einem
gemeinsamen Element gibt. Ein solches System heisst ein „geometrisches“
(„geometric set“). Dasselbe ist somit dadurch gekennzeichnet, dass
zu den fünf früheren Grundgesetzen noch als neues hinzutritt (K 136):
„Law VI“. (a · p · q) (b · p · q) ( ·̅ ·̅ ) (p = q),
worin neben den beiden kollinearen Triaden a · p · q und b · p · q (vergl. φ))
als dritte Prämisse die Aussagenverneinung
( ·̅ ·̅ ) = (a̅ b̅ ·̅ ) (b̅ p̅ ·̅ ) (a̅ p̅ ·̅ )
bedeutet, dass es zwischen den drei Elementen a, b, p keine lineare
Triade, keine „gerade Linie“ gebe.


Es lässt sich zeigen, dass die Punkte eines flachen Raumes von
beliebig vielen Dimensionen als Elemente eines solchen geometrischen
Systems angesehen werden können, wobei auch die mehrfach der
Geometrie entlehnten Benennungen in ihrer eigentlichen geometrischen
Bedeutung zu nehmen sind.


Um für einen solchen Raum, insbesondere den flachen drei-
dimensionalen oder Euklidischen, die Gültigkeit der Grundgesetze I—IV
darzuthun, — während die der Gesetze V
und VI als selbstverständlich angesehen
werden kann, — genügen wenige Worte
und der Anblick der Figuren 38 und 39:
Liegt ein Punkt p zugleich in der Geraden
der beiden Punkte a und b und in der-
jenigen durch c und d, und zwar so, dass
dort b, hier d der ungerade oder zwischen-
liegende Punkt ist, so muss es, laut Ge-
setz I, auch einen Punkt q geben, welcher
zugleich auf den beiden Geraden a d und b c

[figure]
Figure 8. Fig. 38


liegt, nnd zwar zwischen a und d, sowie zwischen b und c. — Wenn
sich dagegen die beiden Geraden a b und c d schneiden in einem Punkt p
innerhalb der Strecke a b, jedoch ausserhalb der Strecke c d, in der Ver-
längerung dieser Strecke über d hinaus, so liegt der Schnittpunkt q der
37*
[580]Anhang 8.
Geraden a d und b c innerhalb der Strecke b c und in der Verlängerung
der Strecke a d über d hinaus, nach Gesetz II. — Fallen von drei
kollinearen Punkten zwei zusammen, und sind es die beiden geraden

[figure]
Figure 9. Fig. 39


oder Aussenpunkte, so muss der Zwischen-
punkt ebenfalls mit ihnen zusammenfallen;
fällt aber der Zwischenpunkt mit einem
Aussenpunkt zusammen, so ist der andere
Aussenpunkt beliebig, es liegt dann jeder
Punkt mit den beiden ersteren in einer Ge-
raden; — bekannte Thatsachen, welche mit
Law III und IV ausgesprochen sind.


Um nun — wenigstens für die ein-
fachsten Fälle eines Euklidischen Raumes
— auch zu zeigen, wie die Grundgesetze,
welche im wesentlichen den Begriff der linearen Triade konstituiren,
nicht nur notwendig zutreffen, sondern auch hinreichen zur Bestimmung
der grundlegenden geometrischen Gebilde, wird hingewiesen auf die
Kollinearität von Punkten als Bedingung der Lage von Punkten auf
einer Ebene, in einem flachen dreidimensionalen Raum und auf einem
Kegelschnitt:


Die (notwendige und hinreichende) Bedingung, dass die vier
Punkte a, b, c, d koplanar sind, ist, dass sich die Geraden a b und c d
schneiden (in einem Punkt p):
(a · b · c · d) = (a · b · p) (c · d · p);
sollen ferner die fünf Punkte a, b, c, d, e einem Euklidischen Raum
von drei Dimensionen angehören, so muss man durch einen e der
Punkte eine Gerade legen können, welche die beiden Geraden a b
und c d der Paare der übrigen Punkte schneidet (in zwei Punkten l
und m):
(a · b · c · d · e) = (a · b · l) (c · d · m) (l · m · e);
sollen endlich die sechs Punkte a, b, c, d, e, f auf einem Kegelschnitt
liegen, so müssen die drei Schnittpunkte l, m, n der drei Gegenseitenpaare
ihres Sechseckes in einer Geraden liegen, — es müssen die sieben
kollinearen Triaden bestehen:
a · b · l, d · e · l, b · c · m, e · f · m, c · d · n, f · a · n, l · m · n.


Nach einigen Andeutungen (K 149) über eine „Algebra“ der
kollinearen Punkte, der Punkte eines geometrischen Systems, — von
gleichem Charakter wie die „Algebra der Grössen“, und ähnlich der
[581]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.
früher aufgestellten identischen Algebra wenigstens hinsichtlich der
Art der Begründung mittelst der Theorie der linearen Triaden, jedoch
mit drei „konstanten“ Punkten oder Moduln, entsprechend den Grössen-
moduln ∞, 0 und 1, — worüber auf Kempe1 verwiesen wird, —
werden Name und Bedeutung eines „flachen“ mehrgliedrigen Systems
erläutert: Wenn n Punkte ein flaches System — innerhalb eines geo-
metrischen Punktsystems — bilden, so liegen diese Punkte in einem
flachen Raume von n — 2 Dimensionen. So z. B. liegen die drei
Punkte einer linearen Triade in einer Geraden, also einem eindimensionalen
Raum, die Punkte einer flachen Tetrade auf einer Ebene von zwei
Dimensionen, usw. — In letzterwähntem Falle besagt die Form a · b c d
der Tetrade, dass a im Innenraum des Dreiecks b c d liege, während
nach der anderen Form a b · c d die Punkte a und b auf verschiedenen
Seiten der Geraden c d liegen, und umgekehrt die Punkte c und d
beiderseits der Geraden a b.*)


Zwei obverse Elemente a und a1 können einem geometrischen
System ebensowenig angehören als einem linearen; denn andernfalls
würde für drei beliebige andere, von a, a1 und von einander verschiedene
Elemente b, c, d des geometrischen Systems aus K 30, τ) a a1 · b, a a1 · c,
a a1 · d nach Law VI — da hier aa1, — a · b · c, a1 · b · c, a · b · d, usw.
folgen, und ebenso hieraus, wenn ab, b · c · d, usw.; es müssten alle
Elemente des geometrischen Systems kollineare Triaden bilden, das
geometrische System wäre ein lineares, welches aber, wie bereits oben
gezeigt, nicht zwei obverse Elemente a und a1 enthalten könnte.


Da nun (a b · c) = (a1b1 · c1), die obversen der Elemente einer linearen
Triade wieder eine solche bilden, so erhält man auch zu einem geo-
metrischen System ein zweites, das „konjugirte“ geometrische System,
indem man die Elemente sämtlich negirt; und zwei solche einander
konjugirte bilden ein neues symmetrisches, das „erweiterte“ („extended“)
geometrische System. Ein solches zerfällt aber nicht etwa blos in
die beiden konjugirten Systeme, aus denen es durch Zusammensetzung
entstanden ist, sondern es lässt sich auf mehrere, ja, sofern es unbegrenzt
viele Elemente enthält, auf unbegrenzt viele Arten in zwei konjugirte
Systeme aufbrechen, — ebenso, wie man eine Kugel auf unbegrenzt
viele Arten in zwei Halbkugeln zerteilen kann.


Es entspricht so einer geraden Linie, d. i. einem vollständigen
linearen Systeme, dessen Elemente — einem geometrischen Systeme
zugehörig — zu je dreien eine lineare Triade bilden, im erweiterten
[582]Anhang 8.
geometrischen Systeme eine „erweiterte Gerade“, deren Punkte sämtlich
„bedingte“ Triaden (vergl. χ)) bilden; eine solche erweiterte Gerade ist
als eine geschlossene Linie zu denken, welche auf unbegrenzt viele
Arten in zwei gewöhnliche gerade Linien auseinander fallen kann.
Ebenso, während von den Punkten einer Ebene jede Tetrade eine
flache Tetrade ist, werden die Punkte einer erweiterten Ebene stets
zu bedingten Tetraden zusammentreten. — Einem flachen n-dimen-
sionalen Raum, dessen Punkte zu je n + 2 ein flaches System zusammen-
setzen, wird ein erweiterter oder bedingter n-dimensionaler Raum ent-
sprechen, in welchem je n + 2 Punkte einem bedingten System an-
gehören.


Es ist hervorzuheben, dass im Gegensatz zu der gewöhnlichen
analytischen Geometrie die hiermit angebahnte Rechnung mit Punkten
und Punktsystemen nichts zu thun hat mit Grössen irgend welcher Art.


Nach Darlegung des Kempe’schen Gedankenganges sollen nun —
der mutmasslichen Absicht des Verfassers möglichst entsprechend —
einige Ausführungen zur Vervollständigung des vorstehenden, ins-
besondere zum Nachweis einiger Sätze (Seite 570, 578 u. 581) sich
hier anschliessen.


Es handelt sich vorzugsweise um Eigenschaften eines linearen
Punktsystems, hierauf auch um diejenigen eines geometrischen und eines
erweiterten geometrischen Systems. In einem linearen Punktsystem ist,
wie oben Seite 578 angegeben, für zwei beliebige Systempunkte a
und b, vorausgesetzt ab oder ( ·̅ ), (cf. τ), für deren drei a, b, c
neben der durchgängigen Verschiedenheit noch:
(a · b · c), = (a b · c) + (a c · b) + (b c · a)
(cf. φ), wobei wegen τ) (a b · c) (a c · b) = (b · c) somit von den drei
linearen Triaden a b · c, a c · b, b c · a eine und nur eine bestehen soll, —
während endlich für vier Punkte a, b, c, d mit
( ·̅ ) ( ·̅ ) ( ·̅ ) ( ·̅ ) ( ·̅ ) ( ·̅ ) (a · b · c) (a · b · d) (a · c · d) (b · c · d)
die Voraussetzung, dass die vier Punkte einem linearen System angehören,
ihren vollständigen Ausdruck findet, worin die Tetrade kollinearer
Triaden vermöge der sechs vorausgehenden Ungleichungen nur eine
Tetrade linearer Triaden bedeutet.


Wir denken uns nun, — um den Satz K 128, Seite 578 zu
beweisen, — eine jede von den 4 × 3 denkbaren linearen Triaden der
vier Punkte a, b, c, d nach dem nicht darin vorkommenden vierten
Element entwickelt, wie z. B. (a b · c) = (a b · c d) (a b d · c), d. h. dar-
[583]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.
gestellt als Produkt zweier flacher Tetraden, nämlich einer vom ersten
und einer vom zweiten Typus der unter υ) zusammengestellten denk-
baren flachen Tetraden:
erster Typus: a · 3, b · 3, c · 3, d · 3,
zweiter Typus: a b · 2, a c · 2, a b · 2;

es ist dann leicht zu erkennen, dass man die 4 × 3 Triaden sämtlich
erhält, indem man jede der vier Formen vom ersten Typus mit den dreien
des zweiten Typus der Reihe nach multiplizirt. So ergibt sich aus
den vier Formen des ersten Typus mit einer, der ersten, vom zweiten
Typus:
(a · 3) (a b · 2) = (a · c d)
(b · 3) (a b · 2) = (b · c d)
(c · 3) (a b · 2) = (c · a b)
(d · 3) (a b · 2) = (d · a b),

eine Tetrade linearer Triaden, worin jede Kombination der vier Elemente
a, b, c, d zu dreien einmal vertreten ist, — eine Triaden-Tetrade,
welche unseren Voraussetzungen ersichtlichermassen entspricht. Wie
die erste Form des zweiten Typus, so ergibt auch die zweite und
die dritte je eine solche Triaden-Tetrade: in zweien von den Tri-
aden werden die geraden Glieder übereinstimmend von dem einen
Paar von Elementen gebildet, in den beiden andern Triaden von dem
andern Elementepaar.


Tetraden anderer, zweiter Art erhält man, wenn man zwei Formen
des zweiten Typus mit zweien vom ersten verbindet, — sofern daraus
keine Elementegleichheit hervorgeht. Nach τ) ist nämlich z. B.
(a · b) = (a · 3) (b · 3) (a c · 2) (a d · 2)
wogegen wir schon in K 8 Seite 576
(a b · c) (b c · d) = (c · 3) (d · 3) (a b · 2) (a d · 2) = (a b · d) (a d · c)
vier Triaden hatten, von denen ein Paar das andere bedingt, und unter
denen jede der vier kollinearen Triaden von a, b, c, d einmal vertreten
ist; die „vier Triaden nach K 8“ bilden einen Vertauschungszyklus:

oder

Man kann die 6 Paare der 4 Triaden ersten Typus mit den drei
Paaren von Triaden des zweiten Typus auf 3 × 6 Arten zusammenstellen.
[584]Anhang 8.
Dabei ergibt jedes Triadenpaar vom ersten Typus mit einem bestimmten
Paar des zweiten Typus je eine Elementegleichheit, und man erhält
auf diese Weise die 6 nach Voraussetzung ausgeschlossenen Gleichungen
a · b, a · c, … c · d, nebst 12 Triaden-Tetraden „zweiter Art“ oder
„Tetraden nach K 8“.


Andere Tetraden aber als solche erster und zweiter Art kann es
unter den obigen Voraussetzungen nicht geben (K 127). Denn soll
vom zweiten Typus der flachen Elemente-Tetraden überhaupt mehr als
eine Form bestehen, so müssen mindestens deren zwei vom ersten
Typus hinzutreten, womit aber mindestens eine Triaden-Tetrade zweiter
Art gegeben ist; mit einer solchen kann dann keine weitere Triade
mehr zusammen bestehen, ohne dass irgend zwei Elemente einander
gleich werden.


Zieht man nun aber noch ein fünftes Element e unseres linearen
Systems in betracht, so dass zu den bisherigen 10 Einzelvoraussetzungen
über die ersten vier Elemente noch 10 weitere auf e bezügliche:
( ·̅ ) ( ·̅ ) ( ·̅ ) ( ·̅ ) (a · b · e) (a · c · e ·) (a · d · e) (b · c · e) (b · d · e) (c · d · e)
hinzukommen, so ergibt eine leichte, wenn auch etwas umständliche
Überlegung, dass von den beiden nach dem bisherigen noch möglichen
Arten von Triaden-Tetraden zwischen je vieren von den fünf Elementen
die erste Art nicht mehr statt hat und nur noch die zweite Art der
Tetraden nach K 8 sich behauptet.


Nehmen wir nämlich an, es bestehe zwischen a, b, c, d eine Triaden-
Tetrade T erster Art:
T = (a · c d) (b · c d) (c · a b) (d · a b) = (a · 3) (b · 3) (c · 3) (d · 3) (a b · 2) =

=
  • (a · 4) (b · 4) (c · 4) (d · 4)
    (a e · 3) (b e · 3) (c e · 3) (d e · 3)
    (a b · 3) (c d · 3),


worin von allen 15 überhaupt denkbaren fünfgliedrigen flachen Systemen
(cf. υ) nur noch eine vom ersten Typus und vier vom zweiten Typus fehlen,
nämlich
A = (e · 4), B = (a c · 3), C = (a d · 3), D = (b c · 3), E = (b d · 3).


Diese fünf Formen seien zur Abkürzung mit den beigesetzten Buch-
staben bezeichnet. Man sieht leicht, wie dieselben mit den 10 Elemente-
gleichungen nach τ) zusammenhängen:

(a · b) B C D E(a · c) C D
(b · c) B E
(a · e) A B C
(b · e) A D E
(a · d) B E
(b · d) C D
(c · e) A B D
(d · e) A C E.
(c · d) B C D E
[585]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.

Zu jeder Elementegleichung, z. B. a · b, gehören im ganzen acht fünf-
gliedrige Formen, von denen die hier nicht angegebenen in der Tetrade T
enthalten sind; daher gilt auch
T B C D E (a · b), T C D (a · c), usw.,
d. h.: sollten etwa mit dem fünften Element e zur Tetrade T noch irgend
welche lineare Triaden als gleichzeitig geltende hinzukommen, welche das
Bestehen der zwei fünfgliedrigen Formen C, D oder B, E, oder irgend eines
andern Paares von diesen vier in Verbindung mit A erforderten, so wäre
in jedem dieser Fälle mindestens eine Elementegleichheit gegeben und da-
mit die Konsistenz des linearen Systemes gestört.


Nun liest man andererseits für die 6 kollinearen, bezw. die 3 × 6
denkbaren linearen Triaden, in welchen e vorkommt, leicht ab:

(a b · e) A(c d · e) A
(a e · b) D E(c e · d) C E
(b e · a) B C(d e · c) B D
(a c · e) A B(a d · e) A C(b c · e) A D(b d · e) A E
(a e · c) D(a c · d) E(b e · c) B(b e · d) C
(c e · a) C(d e · a) B(c e · b) E(d e · b) D
(E)(D)(C)(B)

Unterhalb der einzelnen Gruppen sind noch diejenigen Formen an-
gegeben, welche in den betreffenden Gruppen nicht vorkommen. — Aus
jeder Gruppe soll eine Triade zu T hinzutreten. Man bemerkt sofort, dass
von den beiden ersten Gruppen a · b · e und c · d · e nur je die ersten
Triaden sich gegenseitig vertragen, während z. B. a e · b mit den dreien der
zweiten Gruppe der Reihe nach ergäbe:
T (a e · b) (c d · e) T A D E (b · e)
T (a e · b) (c e · d) T C D E (a · c) (b · d)
T (a e · b) (d e · c) T B D E (a · d) (b · c),

usw. (Nach K 9, Seite 576 würde ohnhin eine der beiden Triaden a b · e und
c d · e — neben T — die andere nach sich ziehen.) Also müssen a b · e und
c d · e jedenfalls zu den 6 Triaden gehören, welche zu T hinzukommen sollen.


Sucht man damit eine Triade aus einer andern Gruppe, z. B. der
dritten a · c · e zusammenzustellen, so zeigt sich folgendes: Die erste Triade
a c · e dieser Gruppe, welche A und B zur Folge hat, verträgt sich mit
keiner Triade aus der letzten Gruppe b · d · e, zu welcher B nicht gehört,
wo daher jede Triade zu A und B noch irgend eine weitere von den drei
übrigen Formen C, D, E hinzubringt und damit eine Elementegleichheit
bedingt. Die Triade a c · e passt also nicht in unser lineares System hin-
ein. Die folgende Triade a e · c aber ebenfalls nicht, da diese in Ver-
bindung mit den notwendig hinzutretenden a b · e und c d · e die Formen A
und D verlangt und sich daher mit keiner Triade der vierten Gruppe a · d · e
verträgt, wo D fehlt und dafür in jeder Triade eine der drei andern
Formen B, C, E vertreten ist; und ganz ebenso schliesst die dritte Triade
[586]Anhang 8.
c c · a der Gruppe a · c · e eine jede Triade der vorletzten Gruppe b · c · e aus. —
Es gibt also gar keine Zusammenstellung von 6 linearen Triaden zwischen
e und den übrigen Elementen a, b, c, d, welche zur Tetrade T erster Art
in das lineare System passt. — Die beiden andern Tetraden erster Art
gehen aus T durch Buchstabenvertauschungen hervor, durch welche die
Voraussetzungen nicht geändert werden. Sollen demnach von fünf (oder
mehr) durchweg von einander verschiedenen Elementen je drei kollinear
sein, so kann es keine vier unter den Elementen geben, deren lineare
Triaden eine Tetrade erster Art bilden.


Sofern es also überhaupt lineare Systeme von mehr als vier Ele-
menten gibt, — und die nachfolgende geometrische Erörterung bietet
als Beispiel eines solchen Systems die sämtlichen Punkte einer geraden
Linie, — so müssen für je vier Elemente des Systems die vier zu-
gehörigen linearen Triaden zu einer Tetrade zweiter Art nach K 8
zusammentreten, und zwischen n Elementen des Systems werden
lineare Triaden bestehen, die sich zu
Triaden-Tetraden nach K 8 zusammenordnen
lassen.


Bei 5 Elementen hat man so z. B. die 5 Tetraden:

a · b · c · db · c · d · ea · b · c · ea · b · d · ea · c · d · e
1) a b · c7) b c · d1) a b · c3) a b · e4) a b · c
7) b c · d10) c d · e8) b c · e9) b e · d10) c d · e
2) a b · d8) b c · e3) a b · e2) a b · d6) a d · e
4) a d · c9) b c · d5) a e · c6) a d · e5) a e · c

worin die Triaden zur Erleichterung der Kontrolle nach der alphabetischen
Reihenfolge ihrer kollinearen Formen 1) a · b · c, 2) a · b · d, … 10) c · d · e
numerirt sind. — Die Fortsetzung für ein und mehr weitere Elemente
wäre leicht etwa nach dem durch (a b · c) (b c · d) (c d · e) (d e · f) … ange-
deuteten Verfahren zu gewinnen.


Seien jetzt (cf. Seite 581) die vier Punkte a, b, c, d koplanar
(a · b · c · d, und z. B. (· a̅ b̅ c̅ d̅ ·̅)̅,̅) durchweg verschieden ((̅ ·̅ ) ( ·̅ ) … ( ·̅ ))
und nicht drei von ihnen kollinear ((̅ ·̅ ·̅ )̅ (̅ ·̅ ·̅ )̅ (̅ ·̅ ·̅ )̅ (̅ ·̅ ·̅ )̅);
ferner mögen dieselben, sowie auch die Schnittpunkte ihrer Verbindungs-
geraden z. B. a b und c d, überhaupt alle nunmehr in betracht zu
ziehenden Punkte p, q, r, s, … einem „geometrischen Punktsystem“
angehören, (Law VI, S. 579)
(p · q · r) (p · q · s) (̅ ·̅ ·̅ (p · q)
oder auch
(p · q · r) (p · q · s) ( ·̅ ) (p · r · s) (q · r · s)


[587]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.

Ist nun x etwa ein Schnittpunkt der beiden Geraden a b und c d,
(a · b · x) (c · d · x), so kann keine von den übrigen vier Verbindungs-
geraden a c, a d, b c, b d durch den Punkt x gehen; denn wäre z. B.
a · c · x, so hätte man
(a · b · x) (a · c · x) ( ·̅ ·̅ ) (a · x)
(a · c · x) (c · d · x) (̅ ·̅ ·̅ (c · x),
(a · x) (c · x) (a · c),

wogegen (̅ ·̅ )̅ vorausgesetzt ist. — Wäre nun x' ein zweiter Schnitt-
punkt von a b und c d, (a · b · x') (c · d · x'), so hätte man
(a · b · x) (a · b · x') (̅ ·̅ ) (a · x · x') (b · x · x')
(c · d · x) (c · d · x') (̅) (c · x · x') (d · x · x'),
(a · x · x') (c · x · x') ( ·̅ ·̅ ) (x · x'),

wonach die Punkte x und x' zusammenfallen; d. h. Law VI bedeutet
in der That, — wie auch ohnehin leicht erkennbar, — dass zwei
Gerade a b und c d nicht mehr als einen Schnittpunkt haben können.
Dass aber auch immer ein solcher Schnittpunkt x vorhanden ist, wird
verbürgt durch die Voraussetzung a · b · c · d, dass zum mindesten eine
der sieben möglichen flachen Tetraden zwischen a, b, c, d bestehe; so
stellt sich z. B. a · b c d
(a · b c d) = {(a b1 + c d) (a1b + c1d1) = (a c1 + b d) (a1c + b1d1) =
= (a d1 + b c) (a1d + b1c1) = 0}

als Eliminationsresultante nach x dar entweder für die Gleichung
{(a b1 + c d) x + (a1b + c1d1) x1 = 0} = (a x · b) (· c d x ·),
oder für die
{a1b + c1d1) x + a b1 + c d) x1 = 0} = (b x · a) (c d · x),
usw., also
(a · b c d) = (a x · b) (· c d x ·) = (a x · c) (· b d x ·) = (a x · d) (· b c x ·)
= (b x · a) (c d · x) = (c x · a) (b d · x) = (d x · a) (b c · x)

(vergl. Law II). Das Zusammenbestehen eines Triadenpaares aus der
ersten dieser beiden Zeilen (für denselben x-Wert, z. B. (a x · b) (· c d x ·) =
= (a x · b) (c d · x1), usw.) ist ausgeschlossen durch die Voraussetzung,
dass alle in betracht kommenden Punkte einem und demselben geome-
[588]Anhang 8.
trischen System angehören sollen, welches zwar alle zu a, b, c, d
kollinearen Punkte umfassen kann, nicht aber zwei zu einander obverse

[figure]
Figure 10. Fig. 40.


Punkte x und x1. Dagegen gibt die zweite
Zeile offenbar die Lage der drei Schnitt-
punkte p, q, r der Geradenpaare a b und c d,
a c und b d, a d und b c bezw. wie in Fig. 40
(cf. Seite 581).


Jede andere flache Tetrade wird nun,
wie man sich leicht überzeugt, andere Schnitt-
punkte derselben Geradenpaare bedingen; es
können deshalb nicht zwei flache Tetraden
zwischen denselben vier Punkten a, b, c, d gleichzeitig bestehen.
(Anders Seite 570, ϰ), wo nicht von Punkten eines geometrischen
Systems die Rede ist.)


In gleicher Weise zeigt sich: Eine Tetrade a b · c d vom zweiten
Typus
(a b · c d) = {(a b + c d) (a1b1 + c1d1) = (a c1 + b1d) (a1c + b d1) =
= (a d1 + b1c) (a1d + b c1) = 0}
= (· a b x ·) (· c d x ·) = (a x · c) (d x · b) = (a x · d) (c x · b)
= (a b · x) (c d · x ·) = (c x · a) (b x · d) = (d x · a) (b x · c)

(cf. Law I) bedeutet die Alternative
(a b · p) (c d · p) {(a q · c) (d q · b) + (c q1 · a) (b q1 · d)}.
. {(a r · d) (c r · b) + (d r1 · a) (b r1 · c)},

wobei die Schnittpunkte p und p1 wegen ihrer gleichen Lage
a b p ·) (· c d p ·) = (a b · p1) (c d · p1) nicht unterschieden sind, (während im
übrigen natürlich Punkte wie q1, r1 im geometrischen System enthalten
sein können, sofern ihre obversen q, r nicht ebenfalls schon darin
vorkommen,) — also die Alternative zwischen den folgenden vier
Figuren 41—44 (cf. Seite 581):

[figure]
Figure 11. Fig. 41.


[figure]
Figure 12. Fig. 42.


[589]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.

[figure]
Figure 13. Fig. 43.


[figure]
Figure 14. Fig. 44.

Gehen wir jetzt über zu einem „erweiterten geometrischen System“,
dessen Punkte p, q, r, s …, entsprechend denen des geometrischen, der
Bedingung
p · q · r ·) (· p · q · s ·) (·̅ ·̅ ·̅ ·̅) p · q ·)
oder
p · q · r ·) (· p · q · s ·) (·̅ ·̅ ·̅) p · r · s ·) (· q · r · s ·)
genügen müssen, so kann man ganz ähnliche Überlegungen anstellen.
Gehören diesem System wieder die vier Punkte a, b, c, d an, von
denen nicht zwei in einen Punkt und nicht drei in eine (erweiterte)
Gerade fallen sollen, so werden auch deren obverse a1, b1, c1, d1 System-
punkte sein, auf welche sich die Voraussetzungen nunmehr auch erstrecken
werden: es soll gelten:
(·̅ ·̅ ·̅) (·̅ ·̅ ·̅) … (·̅ ·̅ ·̅) (·̅ ·̅ ·̅ ·̅) … (·̅ ·̅ ·̅ ·̅)
Ferner mögen die Elemente a, b, c, d eine bedingte Tetrade · a · b · c · d ·
bilden, (d. h. eine oder mehrere flache oder auch eine obverse). Ganz
wie im geometrischen System ergibt sich dann auch hier aus der An-
nahme, dass die beiden bedingten Geraden a b und c d zwei Schnitt-
punkte x und x' hätten,
x · x' ·), = (x' = x) + (x' = x1),
d. h. zwei bedingte Gerade haben stets zwei und nur zwei — zu ein-
ander obverse — Schnittpunkte. Und daraus folgt wieder, dass die
vier Punkte a, b, c, d nur eine flache Tetrade bilden können, oder aber
die obverse Tetrade
a b c d ·) = (a b · x) (· c d x ·) = (a c · x) (· b d x ·) = (a d · x) (· b c x ·)
= (· a b x ·) (c d · x) = (· a c x ·) (b d · x) = (· a d x ·) (b c · x).


Die Möglichkeit des Zusammenbestehens mehrerer flacher und
allenfalls auch der obversen Tetrade ergibt sich erst, wenn nunmehr
[590]Anhang 8.
von den bisherigen Voraussetzungen die eine ausscheidet, dass wir nur
mit Punkten eines geometrischen, bezw. eines erweiterten geometrischen
Systems zu thun hätten. Indessen auch dann verträgt sich eine flache
Tetrade a · b c d vom ersten Typus nicht mit einer solchen vom zweiten,
z. B. a b · c d, noch auch mit der obversen · a b c d ·, wegen
(a · b c d) (a b · c d) = (a · c d)
(a · b c d) (· a b c d ·) = {0 = (a + a1) b1c1d1 + (a1 + a) b c d} = (· b c d ·),

da noch, wie bisher, unter anderm (·̅ ·̅ ·̅ ·̅) und (·̅ ·̅ ·̅ ·̅) vorausgesetzt
bleibt.


Es bedeutet hier jede — flache oder obverse — Tetrade das
Vorhandensein je zweier Gruppen von Schnittpunkten für jedes der
drei Geradenpaare a b und c d, a c und b d, a d und b c; z. B., wie oben,
(a · 3) = Σ (a p · b) (· c d p ·) = Σ (a q · c) (· b d q ·) = Σ (a r · d) (· b c r ·)
= Σ (b p1 · a) (c d · p1) = Σ (c q1 · a) (b d · q1) = Σ (d r1 · a) (b c · r1),

wobei die Summationsvariabeln p, q, r bezw., wie auch im folgenden,
nicht besonders bezeichnet sind. Die p1-Gruppe enthält offenbar die
obversen der Punkte der p-Gruppe, usw. Das Zusammenfallen eines
Punktes x z. B. aus der p-Gruppe mit irgend einem aus der p1-Gruppe
(a x · b) (· c d x ·) (b x · a) (c d · x) = (a · b) (· c d ·)
würde gegen die Voraussetzungen (·̅ ·̅ ·̅), (·̅ ·̅ ·̅) verstossen.


Jede weitere hinzukommende Tetrade, z. B.
(b · a c d) = Σ (b p' · a) (· c d p' ·) = Σa c q' ·) (b q' · d) = Σa d r' ·) (b r' · c)
= Σ (a p'1 · b) (c d · p'1) = Σ (a c · q'1) (d q' 1 · b) = Σ (a d · r'1) (c r'1 · b)

bringt je ein weiteres (im allgemeinen anderes) Schnittpunkt-Gruppen-
paar mit sich für jedes der drei Geradenpaare. Indessen hat man auch:


  • (a · 3) (b · 3) = {0 = (a c1 + b d + a d + b c1) (a1c + b1d1 + a1d1 + b1c)
    = (a + b) (c1 + d) (a1 + b1) (c + d1)
    = (a c + b d1 + a d1 + b c) (a1c1 + b1d + a1d + b1c1)}
    = Σ (a x · c) (· b d x ·) (· a d x ·) (b x · c) = Σa c x' ·) (b x' · d) (a x' · d) (· b c x' ·)
    = Σ (c x1 · a) (b d · x1) (a d · x1) (c x1 · b) = Σ (a c · x'1) (d x'1 · b) (d x'1 · a) (b c · x'1),

d. h. die q-Gruppe hat mit der r'-Gruppe gewisse Punkte x gemein,
ebenso die r-Gruppe mit der q'-Gruppe Punkte x', und entsprechendes
gilt von den obversen Gruppen; es gibt also bei zwei gleichzeitig
bestehenden (mit einander verträglichen) Tetraden gemeinsame Schnitt-
punkte für vier von den sechs Geraden.


[591]Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage.

Beachtet man:
(a · 3) (b · 3) =
= {0 = (a1b1 + c d1)1 (a b + c1d)1 = a1b1 + c1d)1 (a b + c d1)1}

während anderseits gilt
{0 = (a1b1) + c d1) (a b + c1d)} = (d · 3) = Σ (a b · p''') (c p''' · d)
= Σa b p'''1 ·) (d p'''1 · c)
{0 = (a1b1 + c1d) (a b + c d1)} = (c · 3) = Σ (a b · p'') (d p'' · c)
= Σa b p''1 ·) (c p''1 · d),

so erkennt man (wie oben in ϰ), nach Bd. 1, p. 463), dass eine weitere
Tetrade, etwa c · 3, einen einzigen gemeinsamen Schnittpunkt x' aus
der r- und q'-Gruppe bedingt, und umgekehrt, dass auch die mit c · 3
erscheinende p''-Gruppe sich auf einen Punkt p'' reduzirt, nämlich den
obversen p'' = x'1 zu jenem, m. a. W dass auch die beiden Geraden a b
und c d durch die beiden obversen Schnittpunkte der andern vier Geraden
gehen. — Dasselbe liest man auch ab aus
(a · 3) (b · 3) (c · 3) = {0 = (a b + c d1 + a c + b d1 + a d1 + b c).
· (a1b1 + c1d + a1c1 + b1d + a1d + b1c1)}
= Σa b x ·) (c x · d) (· a c x ·) (b x · d) (a x · d) (· b c x ·)
= Σ (a b · x) (d x · c) (a c · x) (d x · b) (d x · a) (b c · x),

worin, wie leicht nachzurechnen, die Koeffizienten von x und x1 zu
einander obvers sind; es ist hier, wenn die gemeinsamen Schnittpunkte
der sechs Geraden kurz mit ihren Gruppenbuchstaben bezeichnet werden,


  • x = p''1 = q' = r, = a1b1 + c1d = a1c1 + b1d = b1c1 + a1d
    = (a1 + b1) (c1 + d) = (a1 + c1) (b1 + d) = (b1 + c1) (a1 + d),
  • x1 = p'' = q'1 = r1, = a b + c d1 = a c + b d1 = b c + a d1
    = (a + b) (c + d1) = (a + c) (b + d1) = (b + c) (a + d1).

Gilt nun überdies die vierte, allein noch mit den drei bisherigen
verträgliche Tetrade d · 3, so wird nicht nur, gemäss der Zusammenstellung
(a · 3) (b · 3) (d · 3),
p'''1 = q = r', = a1b1 + d1c = b1d1 + a1c = a1d1 + b1c,
usw., sondern es werden, entsprechend den noch fehlenden Kombinationen
(a · 3) (c · 3) (d · 3) und (b · 3) (c · 3) (d · 3), die vier Schnittpunkt-Gruppenpaare
für jedes unserer drei Geradenpaare sich zusammenziehen auf vier Paare
obverser Punkte, durch deren jeden alle sechs Geraden gleichzeitig
gehen. Übrigens ist in diesem besonderen Falle von den vier Punkten
[592]Anhang 8.
a, b, c, d jeder durch die drei andern eindeutig bestimmt, da nämlich
z. B. in
(a · 3) (b · 3) (c · 3) (d · 3) =
= {0 = a (b1c1d1 + b1c d + b c1d + b c d1) + a1 (b c d + b c1d1 + b1c d1 + b1c1d)}

die Koeffizienten von a und a1 obvers sind.


Analoges gilt für die drei flachen Tetraden vom zweiten Typus
zusammen mit der obversen Tetradenform.


[[593]]

Appendix A Anmerkungen des Herausgebers.


  • Seite 401, Zeile 13 v. oben. Die Richtigstellung war nicht erforderlich, und der
    Faktor (a b = 0) ist hier überflüssig; derselbe, oder (b a1), folgt näm-
    lich aus x = b x1 + a1x nicht minder als aus a x + b x1 = 0, — wie
    Band 1 Seite 425 ausführlich bewiesen ist. — Auch sind es durchweg
    Äquivalenzen, vermittelst deren man von x = b x1 + a1x aus — dem
    Rat des Verfassers Bd. 1 Seite 502 folgend und diese Gleichung rechter
    Hand auf Null bringend — zu a x + b x1 = 0 gelangt. — Der Irrtum
    befremdet umso mehr, als der Verfasser sonst stets, und gerade auch
    bei den hier in betracht kommenden Sätzen (Bd. 1 Seite 502, 425, 446,
    449 u. a.) sorgfältig auf die Äquivalenzen achtet.
  • „ 402, Zeile 12 v. unten. Statt anerkanntem lies: erkanntem. — Hier wird der
    Satz vom Dualismus, der noch Bd. 1 Seite 318 zum Beweis der dualen
    Gegenstücke einiger Sätze als „wirksames“, wenn auch nicht unentbehr-
    liches Hilfsmittel empfohlen worden, als solches in der Theorie wirk-
    sames Prinzip wieder aufgegeben. So wird es denn auch erst verständ-
    lich, wie der Verfasser in dem gegenwärtigen Band Seite 423, oben
    Zeile 4 (zum Korseltschen Beweis des Distributionsgesetzes) von den
    beiden Prinzipien III°× und III°+ keines entbehren zu können meint, —
    während doch — selbstverständlich — das eine aus dem andern ver-
    möge des Dualitätssatzes entspringt. — Vergl. übrigens unten Seite 596
    die Anmerkung zu dieser Stelle.
  • „ 407, Zeile 3 v. o. Wer hier zum Beweis des Satzes den vom Verfasser
    gewiesenen Weg geht, der findet, dass „der Negand mit dem angeblichen
    Negate“ zwar „das Produkt 0 richtig liefert“, nicht aber im allgemeinen
    die Summe 1, sondern vielmehr
    (a x + b y + …) + (a1x + b1y + …) = x + y + …,
    und dass somit zu den bisherigen Voraussetzungen noch etwa die weitere
    x + y + … = 1 oder x1y1z1 … = 0 hinzukommen muss, damit die
    Behauptung sicher zutrifft. Andernfalls hätte man richtig
    (a x + b y + c z + …)1 = a1x + b1y + c1z + … + x1y1z1 ….
    (Auf diesen Sachverhalt wurde ich zuerst von Herrn Korselt aufmerk-
    sam gemacht. Vergl. auch Bd. 1, Seite 423 unten, über eine Fehler-
    quelle beim Negiren entwickelter Funktionen nach Th. 46+) „koeffi-
    zientenweise“!)
    Derselben Zusatz-Voraussetzung bedarf auch die (auf Seite 407)
    weiter folgende Behauptung, eine jede Funktion f (x, y, z, …) disjunkter
    Argumente x, y, z, … stelle sich, nach letzteren entwickelt, als lineare
    homogene Funktion dar; im allgemeinen wird vielmehr diese Entwicklung
    etwa lauten:
    f (x, y, z, …) = a x + b y + c z + … + m x1y1z1 …,
    f1 (x, y, z, …) = a1x + b1y + c1z + … + m1x1y1z1 …;

    besteht aber noch die Beziehung
    x + y + z + … = 1,
    so ist f (x, y, z, …), sowie f1 (x, y, z, …) homogen.

    Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 38
    [594]Anmerkungen des Herausgebers.
    Dem entsprechend ist auch bei den auf Seite 408 und 409 folgen-
    den Sätzen, die von homogenen linearen Funktionen disjunkter Argu-
    mente handeln, die Homogenität stets besonders vorauszusetzen.
  • Seite 413—414. Die Figuren oder sonstigen Objekte mit den Eigenschaften g
    werden mit denen von den Eigenschaften h in der Regel eben das
    gemein haben, was an Merkmalen den Komplexen g und h gemein ist
    (Seite 413, Absatz 2); d. h. das — kurz so zu nennende — „Schröder-
    sche“ Begriffsinhalts-Produkt g h wird mit dem „Voigtschen“ in häufigen
    Fällen übereinstimmen. Zur weiteren Verdeutlichung des Unterschiedes
    könnte daher vielleicht noch folgende Bemerkung dienen. Für das
    Voigtsche Beispiel seien mit a', b', c', d' die Begriffsumfänge bezeichnet,
    welche den vier Begriffsinhalten a des Rechtecks, b des Rhombus, c der
    vierfach und d der zweifach symmetrischen ebenen Figur der Reihe
    nach zukommen. Dann ist zunächst umfangslogisch
    (a' + c') (b' + c') = a' b' + c', = c',
    d. h. es gehören zu den Rechtecken a' und den vierfach symmetrischen
    Figuren c', sowie zugleich zur Klasse der Rhomben b' nebst wieder den
    vierfach symmetrischen Figuren c' ausser diesen c' nur solche Rechtecke a',
    welche gleichzeitig Rhomben a' b' sind, d. h. die Quadrate, und ebenso
    unter den Rhomben nur die Quadrate, — welch letztere indessen bei
    den vierfach symmetrischen Figuren c' ohnehin schon mit inbegriffen
    waren. Dies lediglich dual umgeschrieben, ergibt für die „Schröder-
    sche“ Inhaltslogik
    a c + b c = (a + b) c = c.
    (a + b) c = c gilt auch nach „Voigtscher“ Auffassung. Dagegen sind
    zu unterscheiden der „Voigtsche“ Begriff V = a c von dem, was „das
    Rechteck a mit allen vierfach symmetrischen Figuren c gemein hat“,
    (nämlich die zweifache Symmetrie a c = d, Seite 411, vorletzter Absatz), —
    und der „Schrödersche“ Begriff S = a c dessen, „was (nur entweder) a
    oder c (oder auch beides zugleich) ist“ (Seite 414, 1. Zeile), — und wozu
    unter den zweifach symmetrischen Figuren z. B. die Rhomben nicht
    gehören Dem beschränkteren Umfang des letzteren Begriffes S muss
    ein inhaltlicher Überschuss irgend welcher Art über den ersteren Begriff V
    entsprechen; allein dieses Überschussmerkmal anzugeben, darin dürfte
    eine von den Seite 414 oben angedeuteten Schwierigkeiten bestehen.
    Vergl. auch Bd. 1, Seite 99 (über „inhaltslose“ Begriffe).
    Wenn nach Seite 419 des gegenwärtigen Bandes der Verfasser mit
    Herrn Lüroth (und Voigt, cf. Seite 410/411) den Kernpunkt der Frage
    nach weiteren gruppenlogischen Beispielen in dem Umstand erblickt,
    „dass a + b nicht nur die Individuen der beiden Klassen a und b enthält,
    sondern auch noch andere“, — ein Fall, der bei der „Schröderschen“
    identischen Inhaltslogik nicht minder vorliegt als bei der „Voigtschen“
    Gruppenlogik, — so ist dabei stillschweigend angenommen, dass das
    Klassen- oder Begriffsprodukt a b als gewöhnliches identisches definirt
    bleibt. Sind dann nämlich etwa die Individuen γ1, γ2, γ3, … nicht in
    a und nicht in b, dennoch aber in a + b enthalten, so braucht man
    unter c zunächst nur eben ein solches Individuum γ (vergl. das Korselt-
    sche Beispiel 5, Seite 415—417) oder auch eine Klasse von solchen zu
    verstehen, damit a c = b c = 0 = a c + b c neben (a + b) c = c ≠ 0 werde;
    oft findet sich aber auch eine Klasse c, welche wenigstens eines oder
    mehrere dieser γ mit a + b gemein hat, während nicht nur — selbst-
    verständlich — a c und b c, sondern dann auch a c + b c von den γ frei
    sind. — Wenn nun aber dem „Schröderschen“ Produkt a c bezw. b c
    das Merkmal c (der vierfachen Symmetrie), obschon fehlend in a und b,
    doch derart alternativ bedingt zukommt, dass es in der Summe a c + b c
    wieder unbedingt auftritt, so versteht sich, wie hier der Distributions-
    satz statt haben kann trotz des gruppenlogischen Charakters der
    Begriffssumme.

[595]Anmerkungen des Herausgebers.
  • Seite 418, Zeile 19 v. o. Da der Verfasser, einer Zusatzbemerkung im Manuskript
    zufolge, es gleichwol für wünschenswert hielt, dass dieser Beweis „auch
    allgemein und ohne übergrossen Aufwand von zahlentheoretischem Er-
    kenntnisskapital elegant geleistet werde“, so möge hier ein Beweis nach-
    träglich folgen. — Sei
    μ = α p' + β q' + … + λ z'
    irgend eine unter den Zahlen der Klasse a oder (α, β, … λ), und darin
    p', q', … z' die diesem Element μ entsprechenden Spezialwerte der
    p, q, … z. Es wird dann auch jedes Vielfache von μ, etwa
    μ m = α · m p' + β · m q' + … + λ · m z'
    wieder die Form α p + β q + … haben oder der Klasse a angehören; es
    wird die Klasse (μ) a der Klasse a eingeordnet sein. Dasselbe gilt
    auch von jeder Summe eines solche Vielfachen μ m mit beliebigen
    Vielfachen der „Bestimmungselemente“ α, β, ‥. λ:
    μ m + α p'' + β q'' + … = α (m p' + p'') + β (m q' + q'') + ….
    Man könnte daher die Zahl μ auch den Bestimmungselementen der
    Klasse a beifügen:
    a = (α, β, … λ, μ) = (α, β, … λ).
    Z. B. (2) = (2, 6); (2, 5) = (2, 4, 5, 13). Umgekehrt wird man darum
    auch bei der Bezeichnung der Klassen zur Abkürzung jedes Bestimmungs-
    element fortlassen, welches schon in der durch die übrigen gegebenen
    Klasse vorkommt. Dagegen bewirkt die Aufnahme einer noch nicht der
    Klasse a angehörenden Zahl unter deren Bestimmungselemente, wie
    leicht zu sehen, eine Erweiterung der Klasse, und es wird allgemein
    (α) (α, β) (α, β, γ) ….
    Ist nun ferner ν = α p'' + β q'' + …, wie μ, ein zweites beliebiges
    Element derselben Klasse a, so gehört zu a neben der Klasse (ν) auch
    jede Zahl der Form
    μ m + ν n = α (m p' + n p'') + β (m q' + n q'') + …,
    oder es ist die Klasse (μ, ν) a. Beispiele: (α, α + β) (α, β);
    (8, 5) (3, 5) (2, 3). — Die Betrachtung lässt sich ebenso auf beliebig
    viele Elemente μ, ν, ϱ, … ausdehnen: Gehören dieselben irgend einer
    Klasse a an, so enthält a auch alle Elemente der Klasse (μ, ν, ϱ …). —
    Stellen wir uns jetzt unter μ, ν, ϱ, … die sämtlichen zwischen zwei
    Klassen a und b gemeinsamen Elemente vor; dann bestimmen diese
    eine Klasse (μ, ν, ϱ, …), deren Elemente alle sowol der Klasse a als
    der Klasse b angehören müssen; es sind dies also die Elemente μ, ν, ϱ, …
    selbst, und (μ, ν, ϱ, …) = a b.
    Damit ist die Klasse a b freilich durch ihre sämtlichen unbegrenzt
    vielen Elemente bestimmt. Auf die kürzeste, eben noch hinreichende
    Zusammenstellung von Bestimmungselementen führt etwa folgendes
    Verfahren: Unter den zwischen a und b gemeinsamen Elementen werde
    das kleinste μ herausgesucht. Hierauf sei ν wieder das kleinste unter
    den nicht zur (gemeinsamen) Klasse (μ) gehörigen gemeinsamen Ele-
    menten, so dass wieder (μ, ν) a b wird. Sind jetzt ausser den Ele-
    menten der Klasse (μ, ν) noch weitere den Klassen a und b gemein, so
    sei ϱ wieder das kleinste von diesen, wonach (μ, ν, ϱ) a b. Usw.
  • „ 420, Zeile 9 v. unten. Herr Korselt zeigt durch die umstehende Fig. 45,
    dass in dem beschränkteren Voigtschen Denkbereich das Distributions-
    gesetz nicht allgemein gilt, da hier offenbar a c = b c = 0, dagegen
    (a + b) c = c ≠ 0 ist. Die vorliegende Voigtsche Bemerkung bildet
    also in der That einen besonderen („siebenten“) Beweis für die Unbeweis-
    barkeit des Distributionssatzes.

38*
[596]Anmerkungen des Herausgebers.
  • Seite 423, oben Zeile 4. Der hier gegebene
    Beweis des Distributionssatzes aus
    III°× und III°+ zusammen entstammt
    einem Brief des Herrn Korselt an
    den Verfasser aus dem Jahre 1895.
    Dass indessen beide Prinzipien
    unentbehrlich seien (wenn man
    absieht vom Dualitätssatz, vergl.
    die Anm. oben Seite 593), trifft
    nicht zu und ist auch bald darauf
    von Herrn Korselt selbst in
    einer weiteren brieflichen Mit-
    teilung an den Verfasser wider-
    legt worden. Aus einem späteren
    ausführlicheren Briefe von 1899,
    den ich, wie auch die beiden
    erstgenannten von 1895, bei den
    hinterlassenen Papieren des Ver-
    [figure]
    Fig. 45.

    fassers aufgefunden habe, sei hier der wesentliche Teil des Beweises
    wiedergegeben, wenn auch, mit freundlicher Erlaubniss des Urhebers,
    in einer den Schröderschen Gewohnheiten mehr angepassten Dar-
    stellungsweise. Es werden aus III°× und den in Band 1, Seite 299
    bis 306 darauf gegründeten Theoremen 29), 30), 31) und 32) zunächst
    die De Morganschen Theoreme 36) in eigenartiger Weise hergeleitet,
    nämlich mit viermaliger Anwendung des Prinzips III°×, — welches dabei
    am bequemsten in der Gestalt a = a b + a b1 (Band 1, Seite 294, An-
    merkung 2) geschrieben wird, — derart, dass immer einer der beiden
    Posten rechts verschwindet. — So folgt
    aus III°× und 30×) a = a · a1b1 + a (a1b1)1 = a (a1b1)1,
    nach 20×) a (a1b1)1 und ebenso b (a1b1)1,
    und nach (3+)a + b (a1b1)1.α)
    Multiplizirt man in dieser Subsumtion beiderseits mit a1b1, so wird
    nach 30×) und 5×)
    (a + b) a1b1 = 0,
    wonach wieder in der folgenden Anwendung des Prinzips III°× rechts
    das erste Glied fortfällt:
    a1b1 = a1b1 (a + b) + a1b1 (a + b)1 = a1b1 (a + b)1
    und nach 20×)a1b1 (a + b)1.β)
    Eine zweite ähnliche Reihe von Folgerungen erhält man aus der weiteren
    Anwendung von III°×:
    (a + b)1 = (a + b)1a + (a + b)1a1,
    wo nämlich das erste Glied rechts wieder wegfällt wegen 23×)
    (a + b)1a = (a + b)1a (a + b) = 0,
    und somit (a + b)1 = (a + b)1a1,
    oder nach 20×) (a + b)1a1, ebenso (a + b)1b1,
    endlich nach (3×)(a + b)1a1b1γ)
    wird. Hier multipliziren wir beiderseits mit (a1b1)1, um so wieder
    (a + b)1 (a1b1)1 = 0
    das zweite Glied der Entwicklung von (a1b1)1 nach dem Prinzip III°× ver-
    schwinden zu sehen,
    (a1b1)1 = (a1b1)1 (a + b) + (a1b1)1 (a + b)1 = (a1b1)1 (a + b),
    woraus man wieder nach 20×) findet
    (a1b1)1a + b.δ)
    [597]Anmerkungen des Herausgebers.
    Aus α) und δ) bezw. aus β) und γ) lassen sich jetzt die De Morgan-
    schen Theoreme zusammensetzen. Mit deren Hilfe ist dann leicht III°+
    aus III°× abzuleiten, wonach endlich das Distributionsgesetz etwa wie
    Seite 422 folgen kann. — Herr Korselt erwähnt noch, dass man dieser
    Herleitung des Distributionssatzes aus III°× eine zweite genau dual ent-
    sprechende, doch völlig selbständige, aus III°+ gegenüberstellen kann.
    Mir scheint beim Beweis der De Morganschen Sätze aus III°× noch
    etwas vorteilhafter, — ähnlich wie Seite 402 — auszugehen von dem
    Satz 38×) (a b) = (a b1 = 0), welcher in Band 1, Seite 358 ausschliess-
    lich aus III°× und den Theoremen bis 30) hergeleitet worden, (während
    bei 38+) das volle Prinzip III× zugezogen wurde). Wird dieser Satz 38×)
    sonach etwa unmittelbar hinter 31) angereiht, so kann sich dann das
    Th. 37) mit dem Seite 403 gegebenen „Beweis 2“ anschliessen, hierauf 32),
    und endlich 36) mit Beweisen nach Art des zweiten Teils der Peirce-
    schen Beweise Seite 404, ohne Hilfe des dort verwendeten Peirceschen
    Th. 41), z. B. nach 6+), 37), 31) u. a.
    (a1a1 + b1) (b1a1 + b1) = {(a1 + b1)1a} {(a1 + b1)1b} =
    = {(a1 + b1)1a b} = {(a b)1a1 + b1},

    usw. Jetzt liegt es nahe, den Satz 38×) mittelst 36) und 32) durch 38+)
    zu ergänzen, und ebenso dem Prinzip III°× sein duales Gegenstück III°+
    an die Seite zu stellen, um somit, nach derart kurzer Unterbrechung
    des dualsymmetrischen Beweisganges, von da ab auf die Korseltsche
    Art zum Distributionsgesetz zu gelangen. — Dieses Verfahren, so eng
    sich anlehnend in seinem ersten Teil an die Bemerkungen des Ver-
    fassers Seite 401 bis 404, und zuletzt überleitend auf die Schlussweise
    des Herrn Korselt Seite 422, scheint mir am besten geeignet zur
    Aufnahme in den vom Verfasser geplanten und wiederholt (Seite 406
    und 423) erwähnten „Abriss“ der algebraischen Logik, den ich zu ver-
    wirklichen gedenke. Es sei mir erlaubt zu erwähnen, dass ich, ohne
    Kenntniss von den nunmehr vorliegenden Behandlungsweisen des Gegen-
    standes durch den Verfasser und Herrn Korselt, einen in wesentlichen
    Teilen ähnlichen Beweisgang auch in meiner Programmschrift „die
    Grundlagen des Gebietekalkuls“ 1900 verfolgt habe.
  • Seite 461, oben Zeile 4 ff. Obgleich mir einige Veröffentlichungen von Peano
    bekannt waren, bin ich doch erst dank einer brieflichen Bemerkung
    des Herrn Couturat auf den auffallenden Irrtum des Verfassers bezüg-
    lich der Peanoschen Zeichen ε und Ɔ aufmerksam geworden. In
    Peanos „Notations de Logique mathématique“ vom Jahre 1894, welche
    dem Verfasser zur Zeit der Entstehung des gegenwärtigen Textes (ver-
    mutlich nach 1895, nach dem Erscheinen des Bandes 3, I der Algebra
    der Logik) vorgelegen haben könnten, und die ich im Nachlass des Ver-
    fassers vorfinde, ist Seite 7 zu lesen: „Soit a une classe. Alors x ε a
    représente la proposition singulière: «x est un individu de la classe a»,
    ou «x est un a»“, während sodann von zwei Klassen a und b mit a Ɔ b
    gesagt sein soll: «la classe a est contenue dans b», «tout a est b»;
    ferner Seite 10, § 9: „On adopte entre propositions les signes déjà
    expliqués entre classes … Soient a, b des propositions: a Ɔ b signifie
    «de la a on déduit la b» ou «la b est conséquence de la a»“ u. s. f. —
    In späteren Schriften Peanos ist die äussere Gestaltung der vom Ver-
    fasser Seite 460 und 461 besprochenen Zeichen zum Teil geändert.
  • „ 536, Zeile 9 v. u. Herr Lüroth hatte die Güte, mich darauf aufmerksam
    zu machen, dass hier die Absicht des Verfassers nicht ganz leicht zu
    erkennen ist, und dass der Satz besser etwa so lauten würde: „Jede
    nach x aufgelöste Ungleichung ist nun an Stelle des Aussagenfaktors,
    aus welchem sie entstanden ist, in den Ausdruck von A einzusetzen
    und sind wenigstens …“

[[598]]

Appendix B Literaturverzeichniss
nebst Bemerkungen.


Unter diesem Titel beabsichtigte der Verfasser die dem 1. Band bei-
gegebene Bibliographie fortzusetzen und zu ergänzen. Im handschriftlichen
Nachlass fanden sich hiezu indes nur ganz wenige vorbereitende Notizen. Der
Herausgeber bedauert und bittet um Nachsicht, dass das hier folgende Verzeichniss
wol nicht annähernd so reichhaltig und vollständig ausfallen konnte, als dies
bei der umfassenden Literatur- und Personenkenntniss des Verfassers — und bei
den ihm in grösserem Masse zu Gebote stehenden Hilfsmitteln — zu erwarten
gewesen wäre. Aus den letzten Jahren insbesondere sind einschlägige literarische
Erscheinungen nur vereinzelt vertreten; dieselben sollen in grösserer Zahl bei
Gelegenheit weiterer Publikationen aus dem Schröderschen Nachlass nachgetragen
werden. — Neben den in den beiden Abteilungen des 2. Bandes zitirten, nicht
schon im 1. Band mit aufgeführten Schriften enthält das folgende Verzeichniss
Arbeiten über Logik, insbesondere über mathematische Logik, aus der vom Ver-
fasser hinterlassenen Handbibliothek — grossenteils erschienen nach Abfassung
von Bd. 2, II —, sowie einige dem Herausgeber anderweitig bekannt gewordene
Werke; endlich sind, wie im 1. Band aus Venn1 (cf. Bd. 1, Seite 700 die Vor-
bemerkung), so jetzt aus der 2. Auflage dieser Schrift, Venn13, weitere Literatur-
angaben beigefügt, worunter wieder diejenigen mit Stern * versehen sind, denen
Venn für die rechnerische Logik eine besondere Bedeutung beimisst.


  • Boole, Mary.
    • 1) Symbolical methods of study. London, Kegan \& French 1884,
      197 Seiten.
    • 2) Logic taught by love. Marylebone, Edwards, 1890, 176 Seiten.
  • Bradley, F. H. 1) The principles of logic, 1883.
  • Burali Forti, Cesare.
    • 1) Sur l’égalité et sur l’introduction des éléments dérivés dans la science.
      „Enseignement mathématique“, 1889, Seite 246.
    • 2) Teoria delle Grandezze. Parte IV del „Formulario“ publicato dalla
      „Rivista di Matematica“. Torino, 1893.
    • 3) I numeri negativi. „Rivista di Matem“. t. 3 p. 138.
    • 4) Sulle classi derivate a destra e a sinistra. „Atti della Accademia di
      Torino“. Vol. 29, 1894.
    • 5) Sulle classi ordinate e i numeri transfiniti. „Rend. Circolo Matem.
      Palermo.“ T. 8, 1894.
    • 6) Logica matematica. Milano, Hoepli, 1894.
    • 7) Sul limite delle classi variabili, „Atti Accad. Torino“, 1895.
    • 8) Sur quelques propriétés des ensembles d’ensembles. „Mathem. Annalen“,
      Bd. 47, 1895.
    • 9) Le classi finite; Atti Acc. Torino, 1896.
    • 10) Sopra un teorema del sig. G. Cantor; ibid. 1896.
    • 11) Exercice de traduction en symboles de logique mathématique. „Bulletin
      de Mathématiques élémentaires“. Turin, 1897.
    • 12) Il metodo del Grassmann nella geometria proiettiva. Rend. Circ.
      Mat. Palermo, 1896—97.
    • 13) Introduction à la géométrie différentielle suivant la méthode de
      H. Grassmann. Paris, Gauthier-Villars, 1897.
    • 14) Sui simboli di logica matematica. „Il Pitagora“, 1900, p. 1, 65, 129.
  • Castillon, G. F. 1) s. Bd. 1, Seite 702.
    • 2) Réflexions sur la logique. „Mém. de l’Acad. Berlin“, 1802.
  • Couturat, Louis.
    • 1) De l’infini mathématique; Paris, Alcan, 1896.
    • 2) La logique de Leibniz, d’après des documents inédits; ibid. 1901.
    • 3) Opuscules et fragments inédits de Leibniz, extraits de manuscrits de
      la Bibliothèque royale de Hanovre; ibid. 1903.
    • 4) Histoire de la langue universelle, en collaboration avec M. Leau;
      Paris, Hachette, 1903.
    • 5) L’Algèbre de la logique; Paris, Gauthier-Villars, 1905. (Scientia,
      no. 24.) 100 Seiten.
      Von demselben Verfasser befinden sich in Vorbereitung: Les principes
      des Mathématiques; Manuel de Logistique (Logique algorithmique); Histoire
      de la Logistique. Ferner sind zahlreiche Aufsätze von ihm erschienen
      u. a. in der „Revue de Métaphysique et de Morale“; Paris, Colin.
  • Darjes, J. G. 1) s. Bd. 1, Seite 702.
    • *2) Introductio in artem inveniendi. 2. Aufl., 1747.
  • De Morgan, Augustus. 1) ‥ 10) s. Bd. 1, Seite 702.
    • 11) On the foundations of Algebra; „Transactions of the Cambridge
      Philosophical Society“, 1841.
    • 12) Trigonometry and double Algebra, 1849.
  • Franklin-Ladd, Frau, s. Ladd.
  • Franklin, Fabian. 1) s. Johns Hopkins University circulars, April 1881.
  • Frege, Gottlob. 1) ‥ 4) s. Bd. 1, Seite 704.
    • 5) Grundgesetze der Arithmetik, begriffsschriftlich abgeleitet. 1. Band.
      Jena, Pohle, 1893, 254 Seiten.
    • 6) Kritische Beleuchtung einiger Punkte in E. Schröders Vorlesungen
      über die Algebra der Logik. „Archiv für systematische Philosophie“,
      Bd. 1, 1895, Seite 433 ‥ 456.
    • 7) Über die Begriffsschrift des Herrn Peano und meine eigene. Be-
      richt der math. Klasse der Gesellsch. zu Leipzig, 6. Juli 1896.
  • Garden, F. 1) Elements of logic, 1867.
  • Grassmann, Hermann. 1) s. Bd. 1, Seite 704.
    • 2) Die lineale Ausdehungslehre, 1844.
  • Grassmann, Robert. 1) u. 2) s. Bd. 1, Seite 704.
    • 3) (Der Formenlehre) Drittes Buch: Die Bindelehre oder Kombinations-
      lehre. Stettin, R. Grassmann, 1872, 24 Seiten.
    • 4) Viertes Buch: Die Zahlenlehre oder Arithmetik; ibid. 62 Seiten.
    • 5) Fünftes Buch: Die Ausenlehre oder Ausdehnungslehre; ibid. 62 Seiten.
    • 6) Die Logik und die andern logischen Wissenschaften; ibid. 1890,
      188 Seiten.
    • 7) Die Ausdehnungslehre oder die Wissenschaft von den extensiven
      Grössen in strenger Formel-Entwicklung; ibid. 1891.
  • Gregory, D. J.
    • 1) On the real natural of Symbolic Algebra. „Transactions of the
      Royal Society of Edinburgh“. Vol. 14, 1839.
  • Hassler, K. D. 1) Psychologie und Logik, 1832.
  • Hontheim, Joseph, S. J.
    • 1) Der logische Algorithmus in seinem Wesen, in seiner Anwendung
      und in seiner philosophischen Bedeutung. Berlin 1895.
  • Huntington, Edward V.
    • 1) Simplified definition of a group. „Bulletin of the American mathe-
      matical Society“, Vol. 8, April 1902, Seite 296 ‥ 300.
    • 2) Sets of independent postulates for the algebra of logic. „Transactions
      of the American math. Soc.“, Vol. 5, Juli 1904, Seite 288 ‥ 309.
  • Husserl, E. G.
    • *1) Rezension der „Vorlesungen über die Algebra der Logik“ von
      E. Schröder; „Göttingische Gelehrte Anzeigen“, April 1891,
      Seite 243 ‥ 278.
    • *2) Der Folgerungskalkul und die Inhaltslogik; „Vierteljahrsschrift für
      wissenschaftliche Philosophie“, 1891, Seite 168 ‥ 189.
    • 3) Nachträge zum vorigen Aufsatz; ibid. Seite 351 ‥ 356.
  • Jäger, J. N. 1) Handbuch der Logik, 1839.
  • Johnson, W. E.
    • *1) The logical calculus. Mind, Vol. 1, new series, 1892, Nos. 1, 2, 3.
    • 2) Sur la théorie des égalités logiques. „Bibliothèque du Congrès
      internat. de Philosophie“, III. Section, Paris, Colin 1901.
  • *Kaulich, W. 1) Handbuch der Logik, 1869.
  • Kelland, P., and Tait, P. G. 1) Introduction of quaternions, 1873.
  • Kempe, A. B.
    • 1) Memoir on the theory of mathematical form. Philos. Transactions,
      vol. 47, p. 1.
    • 2) Note zur vor. Abhandlung. Proceed. Roy. Society, vol. 42, p. 193.
    • 3) On the relation between the logical theory of classes and the geometrical
      theory of points.
      „Proceedings of the London mathematical Society“,
      Vol. 21, p. 147 ‥ 182.
    • 4) The subject-matter of exact thought. „Nature“, Vol. 43, 1890,
      p. 156 ‥ 162.
  • Korselt, Alwin.
    • 1) Bemerkung zur Algebra der Logik. Mathematische Annalen, Bd. 44,
      Seite 156 u. 157.
    • 2) Anzeige von Schröder, Vorlesungen über die Algebra der Logik,
      1. Band. „Zeitschrift für math. und naturw. Unterricht“, Bd. 28,
      Seite 578 ‥ 599, und Bd. 29, Seite 30 ‥ 43.
    • 3) Über die Grundlagen der Mathematik. „Jahresberichte der Deutschen
      Mathematiker-Vereinigung“, Bd. 14, 1905, Seite 365 ‥ 389.
  • Krause, K. C. F. 1) Abriss des Systems der Logik, 1828.
  • Ladd Franklin, Christine. 1) ‥ 4) s. Bd. 1, Seite 707.
    • 5) The reduction to absurdity of the ordinary treatment of the Syllogism.
      „Science“, Vol. 13, p. 574 ‥ 576, 12. April 1901.
  • *Lichtenfels, J. 1) Lehrbuch der Logik, 1842.
  • Loria, Gino.
    • 1) La logique mathématique avant Leibniz. „Bulletin des sciences
      mathématiques“, t. 18. Mai 1894.
  • Lüroth, Jakob.
    • 1) Anzeige von E. Schröder, Vorlesungen über die Algebra der Logik,
      1. Band. „Zeitschrift für Math. und Phys.“, Bd. 36, Hist. lit. Ab-
      teilung, Seite 161 ‥ 169.
    • 2) Aus der Algebra der Relative. „Jahresberichte der Deutschen Mathe-
      matiker-Vereinigung“, Bd. 13, 1904, Seite 73 ‥ 111.
  • Macfarlane, Alexander. 1) ‥ 10) s. Bd. 1, Seite 708.
    • 11) Principles of the algebra of Physics. „Proceedings of the American
      Association for the advancement of science“, Vol. 40, 1891, p. 65 ‥ 117.
    • 12) On exact analysis as the basis of language. „Transactions of the
      Texas academy of science“, Febr. 1892, p. 5 ‥ 10.
    • 13) The fundamental principles of Algebra. „American Association for
      the advanc. of science“, Annual meeting, Columbus, Ohio, 1899.
    • 14) Les idées et principes du calcul géométrique. Congrès internat. de
      Philosophie. Paris, 4 août 1904.
  • McColl, Hugh. 1) ‥ 8) s. Bd. 1, Seite 708.
    • 9) Implicational and equational logic. „Philosophical Magazine.“ Vol. 11,
      5. Series, Jan. 1881, p. 40 ‥ 43.
    • 10) Symbolical or abbreviated language with an application to mathe-
      matical probability; „Math. Questions“, Vol. 28, p. 20 ‥ 23.
    • 11) Symbolical language Nr. 2, ibid. p. 100.
    • 12) The calculus of equivalent statements (fifth paper). Proc. Lond. math.
      Soc. Vol. 28, p. 156 ‥ 183.
    • 13) Desgl. (sixth paper), ibid. Vol. 28, p. 555 ‥ 579.
    • 14) Desgl. (seventh paper), ibid. Vol. 29, p. 98 ‥ 109.
    • 15) On the calculus of equivalent statements. Explanatory note and
      correction, ibid. Vol. 30, p. 330 ‥ 332.
    • 16) Symbolic reasoning (II), „Mind.“ Vol. 6, N. S., p. 3 ‥ 20.
    • 17) Desgl. (III). ibid. Vol. 11, N. S., p. 1 ‥ 10.
    • 18) La logique symbolique et ses applications. „Bibliothèque du Congrès
      internat. de Philosophie“. Section III. Paris 1901. p. 135 ‥ 183.
  • Mich, J. 1) Grundriss der Logik. 1871.

[602]Literaturverzeichniss.
  • Müller, Eugen. 1) Über die Algebra der Logik: I. Die Grundlagen des
    Gebietekalkuls; II. Das Eliminationsproblem und die Syllogistik.
    Zum Programm des Gymnasiums Tauberbischofsheim. 1900, 1901.
    30 + 22 Seiten.
  • *Monro, C. J. 1) Review of symbolic logic. „Mind.“ Vol. 6.
  • Moore, E. H. 1) A definition of abstract groups. „Transactions Americ.
    math. Soc.“ Vol. 3, 1902.
  • Nagy, Albino.
    • 1) Fondamenti del calcolo logico. „Giornale di Matematiche.“ Vol. 28,
      1890. 35 Seiten.
    • 2) Sulla rappresentazione grafica delle quantità logiche. „Rendiconti
      della Accademia dei Lincei.“ Vol. 6, 1890, p. 373 ‥ 378.
    • 3) Principî di logica. Torino, Loescher. 1892.
    • 4) I teoremi funzionali nel calcolo logico. „Rivista di Matematica“,
      Nov. 1892, p. 177 ‥ 179.
    • 5) Über Beziehungen zwischen logischen Grössen. „Monatshefte für
      Mathematik und Physik“, 4. Jahrg.
    • 6) Über das Jevons-Clifford’sche Problem; ibid. 5. Jahrg. Seite
      331 ‥ 345.
  • Padoa, A.
    • 1) Conférences sur la logique mathématique. Université nouvelle de
      Bruxelles. 1898.
    • 2) Algebra elementare logicamente esposta. Conferenze tenute nella
      R. Universitá di Pavia, 1899, p. 35.
    • 3) Essai d’une théorie algébrique des nombres entiers, avec une intro-
      duction logique à une théorie déductive quelconque. Congrès inter-
      nat. de Philosophie. Paris, 3. août 1900. — Vom Verfasser bear-
      beitet unter dem Titel: Numeri interi relativi. „Revue de Mathé-
      matiques“, Bd. 7, 1901, Seite 73 ‥ 84.
    • 4) Le problème Nr. 2 de M. David Hilbert; „Enseignement mathé-
      matique“. Vol. 5, 1903, p. 85 ‥ 91.
  • Peacock, George. 1) Algebra 1830.
    • 2) On certain branches of analysis. „Report of the British Assoc. for
      the adv. of science.“ 1834.
    • 3) Symbolic Algebra. 1845.
  • Peano, Giuseppe. 1) ‥ 3) s. Bd. 1, Seite 709.
    Zahlreiche, nach Inhalt oder Darstellungsweise hierher gehörige Ar-
    beiten von Peano und seinen Mitarbeitern erscheinen seit 1891 in „Rivista
    di Matematica
    “ bez. „Revue de Mathématiques,“ Turin, Bocca, sowie in
    dem 1892 begonnenen „Formulaire de Mathématiques“. Turin, Bocca
    und Clausen, bis jetzt 4 Bände; Rezension von Schröder, Alg. d. L.,
    Bd. 1 und 2, I: Riv. di Matemat., t. 1, p. 164 und t. 6, p. 95. Besonders
    bemerkenswert:

    • 4) Notations de logique mathématique. Introduction au „Formulaire de
      Mathématiques“, 1894. 52 Seiten.
    • 5) Les propositions du V. livre d’Euclide réduites en formules. „Ma-
      thesis“, t. 10. 1890. Fortsetzung: Sommario dei libri VII, VIII e IX
      d’Euclide.
      Riv. di Mat. t. 1.
    • 6) Démonstration de l’intégrabilité des équations différentielles ordinaires.
      „Mathemat. Annalen,“ Bd. 37, 1890.
    • 7) Principios de Lógica matemática. „Progreso matemático,“ Zaragoza,
      1892, p. 20. Übersetzung aus Riv. di Matem., t. 1.
    • 8) Lezioni di Analisi infinitesimali.
      Torino. 1893. Ein Teil dieses Werkes: Genocchi, Differentialrech-
      nung, deutsch von Bohlmann und Schepp. Leipzig, Teubner, 1899;
      bei dieser Bearbeitung durch Genocchi ist mit benützt: Sulla definizione
      di integrale, 1895, sowie die folg. Schrift:
    • 9) Studii di Logica matematica. „Atti della R. Accademia di Torino.“
      Vol. 32, 1897, p. 3 ‥ 21.
    • 10) Saggio di calcolo geometrico; ibid. Vol. 31, 1896, p. 3 ‥ 26.
    • 11) Sur la définition de la limite d’une fonction. Exercice de logique
      mathématique. „American Journal of Mathematics“. Vol. 17, 1894,
      p. 37 ‥ 68. Aus Riv. di Matem., t. 2, p. 77.
  • Peirce, Charles S. 1) ‥ 11) s. Bd. 1, Seite 710.
    Zu 6) „Brief description …“: Ein Exemplar dieser Schrift befindet
    sich im Nachlass des Verf. und trägt eine Bemerkung von dessen Hand,
    wonach dieselbe separat in Baltimore erschienen und nur in wenigen
    Exempl. in den Handel gekommen ist. Am Schluss ist das Datum „Bal-
    timore, Jan. 7, 1882,“ bezw. in einem „Postscript“: January 16, 1882“
    beigedruckt.

    • 12) Rezension von E. Schröder, Alg. d. L., Bd. 1 und 2, I: „Monist,“ 1896.
  • Pieri, M.
    • 1) Sui principii che reggono la geometria di posizione. Note I, II, III.
      „Atti della Accademia di Torino“, 1895—96.
    • 2) Un sistema di postulati per la geometria proiettiva astratta degli
      iperspazî. „Revue de Mathématiques“, 1896.
    • 3) Sugli enti primitivi della geometria proiettiva astratta. „Atti della
      Acc. Torino“, 1897.
    • 4) Nuovo modo svolgere deduttivamente la geometria proiettiva.
      „Reale istituto Lombardo di scienze e lettere“ (Milano.) Rendiconti,
      ser. 2, vol. 31, 1898.
    • 5) I principii della geometria di posizione composti in sistema logico-
      deduttivo. „Atti della Acc. Torino“, 1898, t. 48.
    • 6) Della geometria elementare come sistema ipotetico deduttivo. Mono-
      grafia del punto e del moto; ibid. 1900, t. 49.
  • Ploucquet, Gottfried. 1) ‥ 4) s. Bd. 1, Seite 711.
    Unter 1) ist ein Druckfehler zu berichtigen: Man lese: Nach Itelson1:
    1766 statt 1776. — Ferner ist zu der Fussnote Seite 100 dieses Bds. 2, I
    zu bemerken, dass nach Venn13 p. 8 sq. und 538 die Doktrin von der
    „Quantifikation des Prädikates“ schon auf Ploucquet zurückgeht und in
    dem Kapitel vom calculus logicus in 4), sowie auch in der zweiten von
    den beiden folgenden Schriften enthalten ist:

    • *5) Fundamenta philosophiae speculativae, 1759.
    • *6) Institutiones philosophiae theoreticae sive de arte cogitandi; 1772.
  • *Pokorny, J. 1) Neuer Grundriss der Logik, 1878.
  • Poretzki, Platon S.
    • 1) Über die Methoden zur Auflösung der logischen Gleichheiten und
      über die inverse Methode der mathematischen Logik;
      „Bulletin der
      [604]Literaturverzeichniss.
      physiko-mathematischen Gesellschaft zu Kasan“, II, III, 1884 (russisch);
      cf. „Fortschritte der Mathematik“, Bd. 16, p. 43 sq.
    • 2) Lösung des allgemeinen Problems der Wahrscheinlichkeitstheorie mittelst
      der mathematischen Logik; ibid. 1887.
    • 3) La loi des racines en logique. „Revue de Mathématiques“; t. 6, 1896,
      Seite 5 ‥ 8.
    • 4) Sept lois fondamentales de la théorie des égalités logiques; „Bull.
      der phys.-math. Gesellsch. Kasan“, Bd. 8, 1899, Seite 33 ‥ 103,
      129 ‥ 181, 183 ‥ 216.
    • 5) Exposé élémentaire de la théorie des égalités logiques à deux
      termes. „Revue de Métaphysique et de Morale“; Bd. 8, 1900,
      Seite 169 ‥ 188.
    • 6) Théorie des égalités à trois termes. „Bibliothèque du Congrès internat.
      de Philosophie“, Section III, Paris, 1901, p. 201 ‥ 233.
    • 7) Quelques lois ultérieures de la théorie des égalités logiques; Supplé-
      ment zu 4); Kasan Gesellsch. Bd. 10, 1902, Seite 50 ‥ 84, 132 ‥ 180,
      191 ‥ 230; Bd. 11, Seite 17 ‥ 63.
    • 8) Théorie des non-égalités logiques; ibid. 1904.
  • Prochazka, J. J. 1) Gesetzbuch für das Denken. Ein Handbuch der Logik.
  • Reimarus, H. S. 1) Vernunftlehre, 1790.
  • Reyes y Prósper, Ventura.
    • 1) Christina Ladd Franklin. Matemática americana y su influ-
      encia en la Lógica simbólica. „Progreso matemático.“ Zaragoza, Bd. 1,
      Nr. 12, Dez. 1891.
    • 2) Ernesto Schroeder. Sus merecimientos ante la Lógica, su pro-
      paganda lógico-matemática, sus obras; ibid. Bd. 2, Nr. 14, Febr. 1892.
  • Russel, Bertrand.
    • 1) Sur la logique des relations. „Revue de Mathématiques“, t. 7, 1901,
      p. 115 ‥ 136.
    • 2) The principles of Mathematics. Vol. I, Cambridge, 1903.
  • Sanderson, R. 1) Logicae artis compendium. 1860.
  • Schaden, E. A. von. 1) System der positiven Logik. 1841.
  • Schröder, Ernst. 1) ‥ 9) s. Bd. 1, Seite 712.
    • 10) Über das Zeichen. Direktoratsrede an der Technischen Hochschule in
      Karlsruhe 1890. In Kommission bei Fock, Leipzig.
    • 11) Eine Berichtigung zum ersten Bande meiner Algebra der Logik.
      „Math. Annalen“, Bd. 36, 1890, Seite 602.
      Diese Berichtigung zu Bd. 1 Seite 671 ist seitdem auch unter die
      „Ferneren Berichtigungen und Nachträge zum ersten Bande“, Bd. 2, I,
      Seite XII, Zeile 18 v. u., sowie in den gegenwärtigen Teil des Werkes,
      Seite 453, Zeile 10 v. u. aufgenommen.
      Eine vollständige Liste der Schröder’schen Publikationen findet sich
      oben Seite XVII, jedoch mit anderer Numerirung.
  • Seton, J. Dialectica. 1611.
  • Sigwart, H. C. W. 1) Handbuch zu Vorlesungen über die Logik.
    2. Aufl. 1835.

[605]Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen.
  • Vailati, G.
    • 1) Un teorema di logica matematica. „Rivista di Matematica“, t. 1,
      p. 103.
    • 2) Le proprietà fondamentali delle operazioni della logica deduttiva,
      studiate dal punto di vista d’una teoria generale delle operazioni;
      ibid., t. 1, p. 127.
    • 3) Sui principî fondamentali della geometria della retta; ibid., t. 2, p. 71.
    • 4) Dipendenza fra le proprietà delle relazioni; ibid. t. 2, p. 161.
  • Venn, John. 1) ‥ 11) s. Bd. 1, Seite 714.
    • 12) (Extra Series) University Library Bulletin. Catalogue of a collection
      of Books on Logic, presented to the library by John Venn. Cam-
      bridge, 1899. 125 Seiten — worauf 1124 Logikschriften verzeichnet.
    • 13) Symbolic Logic. Second edition, revised and rewritten. London,
      Macmillan, 1894. 540 Seiten.
  • *Victorin, A. 1) Neue natürlichere Darstellung der Logik. 1835.
  • Voigt, Andreas Heinrich. 1) s. Bd. 1, Seite 714.
    • 2) Was ist Logik? „Vierteljahrsschrift für wissenschaftl. Philosophie“,
      1892, Seite 289 ‥ 332.
    • 3) Zum Kalkul der Inhaltslogik. Erwiderung auf Herrn Husserl’s
      Artikel, ibid. 1893, Seite 504 ‥ 507.
  • Weise, Ch.— s. auch Bd. 1, Seite 715 Zeile 3 v. o.
    • 1) Doctrina logica. 1711.
    • 2) Curieuse Fragen über die Logica. 1700.
  • Welton, J. C. 1) Manual of logic. 1891.
  • Whitehead, Alfred North.
    • 1) A Treatise of universal Algebra. Vol. I. Cambridge, University
      Press, 1898.
    • 2) Memoir on the Algebra of symbolic Logic. „American Journal of
      Mathematics“, t. 23, 1901.
    • 3) On cardinal numbers; ibid. t 24.
[]

Appendix C Namenverzeichniss zum zweiten Bande.


Die Zahlen hinter jedem Namen bedeuten die Nummern der Seiten, auf welchen
der Name sich erwähnt findet.


  • Apelt 253; Aristoteles 106, 218, 251, 277.
  • Bentham 100; Blackwood 306, 307; Blemmides 219; Boole, George VIII,
    24, 33, 34, 91, 92, 193, 210, 212, 228, 283, 284, 292, 305, 306, 312, 313, 327,
    350, 355, 376, 380, 381, 406, 407, 408, 439 ‥ 442, 444, 446, 447, 448, 455, 460,
    478, 482, 484, 493.
  • Cantor 54; Castillon 462; Cayley 234, 235; Clebsch 209; Clifford 174, 175;
    Couturat 597; Cunynghame 239.
  • Dedekind 54, 344; Delboeuf 462; De Morgan X, 33, 105, 136 ‥ 144, 155,
    159, 171 ‥ 174, 182, 219, 248, 288, 291, 350, 355, 357, 360, 362, 363, 370, 378,
    402, 403, 404, 405, 422, 438, 457, 596, 597; Dieffenbach XIII.
  • Eudemos 218; Euklides 23, 414, 415, 416; Euler XIV.
  • Fischer 6; Franklin, Fabian 174; Franklin-Ladd (Fran) cf. Ladd-Franklin.
  • Galenos 218; Geibel 18; Gergonne XIV, 95, 106, 144, 155, 350, 362, 363, 367,
    370, 457, 461; Goethe 182; Goclenius 251; Grassmann Robert IX, 32,
    54, 235 ‥ 237, 314, 404, 405, 455, 456, 464, 566; Grove 307.
  • Hamilton, W. 100; Hauber 277, 280, 285 ‥ 288, 309; Hospinianus 219;
    Husserl IX, XIV, 411, 414, 475, 484.
  • Jevons XII, 15, 91, 100, 101, 145, 147, 239, 267, 268, 302, 303, 439, 443, 446,
    450, 451, 453, 481.
  • Kant 249, 506; Kempe 564 ‥ 582; Keynes 268; Kirchhoff 475; Korselt 410,
    415, 417, 421 ‥ 423, 593 ‥ 597.
  • Ladd Franklin XII, XIV, 61, 91, 119, 123, 147, 175, 179, 194, 210, 219, 228,
    229, 234, 238, 239, 308, 309, 398, 441, 447, 451 ‥ 454, 457, 464 ‥ 476, 477,
    484, 485, 486, 489 ‥ 491; Lange, F. A. 1, 106, 235, 247, 248, 250, 280, 317,
    507; Leibniz 219; Leverrier 236; Lotze 7, 247, 249, 492; Lüroth XI, 410,
    417 ‥ 419, 474, 594, 597.
  • Macfarlane XI, XII, 308, 309, 440, 452, 462; Mansel 268; McColl IX, XII, 24,
    29, 69, 73, 155, 259, 276, 277, 289, 291, 304 ‥ 307, 308, 310, 312, 313, 447 ‥ 451,
    463, 482, 484, 487, 488, 515 ‥ 555, 557, 558; Michaelis 280; Mitchell 27,
    179, 191, 193, 200, 210, 234, 277, 292 ‥ 295, 301, 313, 362, 398, 441, 442, 451,
    476 ‥ 482; Monro 304, 306; Moses 235.
  • Peano 136, 144, 168 ‥ 170, 175, 178, 229, 348, 453 ‥ 455, 460 ‥ 462, 597;
    Peirce IX, X, XI, XIV, 8, 24, 27, 29, 33, 69, 73, 89, 182, 197, 198, 199, 210,
    258, 262, 263, 266, 270, 272, 273, 276, 291, 295, 297 ‥ 302, 316, 320, 326, 327,
    334, 346, 354, 402 ‥ 404, 405, 438, 445, 447 ‥ 450, 455, 460, 463, 464, 476,
    482, 483, 484, 488, 516, 597; Petrus Hispanus 219; Pommer 236, 237;
    Poretzki XIII, 441 ‥ 447.
  • Rudeck XI.
  • Sigwart, Christoph 236, 252 ‥ 254, 269, 507; Scheffler 439.
  • Theophrastos 218; Trendelenburg 249, 448; Twesten 106.
  • Ueberweg 218, 219, 235, 236, 361.
  • Venn 106, 285, 287, 310, 312, 378, 439, 459; Voigt 209, 235, 326, 361, 398 ‥ 400,
    410 ‥ 414, 419, 420, 441, 451, 453, 455, 594, 595.
  • Weierstrass 54; Whately 268; Wundt 456.

Druck von B. G. Teubner in Leipzig.

[]

Appendix D Von Ernst Schröder erschienen im gleichen Verlage:


  • Lehrbuch der Arithmetik und Algebra für Lehrer und Studierende.
    I. Band: Die sieben algebraischen Operationen. [X u. 360 S.] gr. 8.
    1873. geh. n. ℳ. 8. —
  • Abriß der Arithmetik und Algebra für Schüler an Gymnasien und
    Realschulen. I. Heft: Die sieben algebraischen Operationen. [48 S.]
    gr. 8. 1874. geh. n. ℳ. —.60.
  • Der Operationskreis des Logikkalkuls. [VI u. 37 S.] gr. 8. 1877.
    geh. n. ℳ. 1. 50.
  • Vorlesungen über die Algebra der Logik (exakte Logik). 3 Bände.
    gr. 8. I. Band. Mit vielen Figuren im Text. [XII u. 717 S.] 1890.
    geh. n. ℳ. 16. —
  • ——— II. Band. 1. Abteilung. Mit vielen Figuren im Text. [XV u.
    400 S.] 1891. geh. n. ℳ. 12. —
  • ——— —— 2. Abteilung. Herausgegeben im Auftrag der Deutschen
    Mathematiker-Vereinigung von Dr. Eugen Müller, Professor an der
    Oberrealschule zu Konstanz. Mit einem Bildnis Ernst Schröders.
    [XXXII u. 206 S.] 1905. geh. n. ℳ. 8. —
  • ——— III. Band. A. u. d. T.: Algebra und Logik der Relative. Mit
    vielen Figuren im Text. In 2 Abteilungen. I. Abteilung. [VIII u. 649 S.]
    1895. geh. n. ℳ. 16. —
[]
[]
  • Gordan, Dr. Paul, Professor der Mathematik an der Universität Erlangen, Vor-
    lesungen über Invariantentheorie
    , herausgegeben von Dr. Georg Kerschen-
    steiner
    in München. I. Band: Determinanten. [XI u. 201 S.] gr. 8. 1885.
    geh. n. ℳ. 6. 40.
  • ———— ———— II. Band: Binäre Formen. [XII u. 360 S.] gr. 8. 1887.
    geh. n. ℳ. 11.60. [Der III. (Schluß-) Band erscheint im nächsten Jahre.]
  • Heffter, Dr. L., Professor an der Universität Kiel, und Dr. C. Koehler, Professor an
    der Universität Heidelberg, Lehrbuch der analytischen Geometrie. I. Band:
    Geometrie in den Grundgebilden erster Stufe und in der Ebene. Mit 136 Figuren
    im Text. [XVI u. 528 S.] gr. 8. 1905. In Leinw. geb. n. ℳ 14. —
  • Jahnke, Dr. E., etatsmäßiger Professor an der Königl. Bergakademie zu Berlin,
    Vorlesungen über die Vektorenrechnung. Mit Anwendungen auf Geo-
    metrie, Mechanik und mathematische Physik. Mit 32 Figuren im Text. [XII u.
    235 S.] gr. 8. 1905. In Leinw. geb. n. ℳ. 5. 60.
  • König, Ministerialrat Dr. Julius, Professor am Polytechnikum in Budapest, Ein-
    leitung in die allgemeine Theorie der algebraischen Größen
    . [X u.
    564 S.] gr. 8. 1903. geh. n. ℳ. 18. —, in Leinw. geb. n. ℳ. 20. —
  • Kronecker, L.,Vorlesungen über Mathematik. In zwei Teilen. II. Teil:
    Vorlesungen über Arithmetik. 2. Abschnitt: Vorlesungen über die Theorie der
    Determinanten. 1. Band: Erste bis einundzwanzigste Vorlesung. Bearbeitet und
    fortgeführt von Dr. Kurt Hensel, Professor an der Universität Marburg. Mit
    11 Fig. im Text. [XII u. 390 S.] gr. 8. 1903. geh. n. ℳ. 20. —, geb. n. ℳ. 21. —
  • ———— Vorlesungen über die Theorie der algebraischen Gleichungen,
    herausgegeben von Dr. Kurt Hensel, Professor an der Universität Marburg.
    In 2 Teilen. gr. 8. geh. (In Vorbereitung.)
  • Netto, Dr. Eugen, Professor an der Universität Gießen, elementare Algebra.
    Akademische Vorlesungen für Studierende der ersten Semester. Mit 19 Figuren
    im Text. [VIII u. 200 S.] gr. 8. 1904. In Leinw. geb. n. ℳ. 4. 40.
  • Pascal, Ernst, Professor an der Universität zu Pavia, Repertorium der höheren
    Mathematik
    (Definitionen, Formeln, Theoreme, Literatur). Autorisierte
    deutsche Ausgabe nach einer neuen Bearbeitung des Originals von A. Schepp,
    weiland Oberleutnant a. D. in Wiesbaden. In 2 Teilen: Analysis und Geo-
    metrie
    . I. Teil: Die Analysis. [XII u. 638 S.] gr. 8. 1900. Biegsam in
    Leinw. geb. n. ℳ. 10. —. II. Teil: Die Geometrie. [IX u. 712 S.] gr. 8.
    1902. Biegsam in Leinw. geb. n. ℳ. 12. —
  • ———— die Determinanten. Eine Darstellung ihrer Theorie und Anwendungen
    mit Rücksicht auf die Gesamtheit der neuesten Forschungen. Berechtigte deutsche
    Ausgabe von Dr. Hermann Leitzmann in Groß-Lichterfelde. [XVI u. 266 S.]
    gr. 8. 1900. In Leinw. geb. n. ℳ. 10. —
  • Perry, Professor John,Drehkreisel. Volkstümlicher Vortrag, gehalten in einer
    Versammlung der „British Association“ in Leeds. Übersetzt von Dr. August
    Walzel
    , Professor an der k. k. Technischen Hochschule in Brünn. Mit 58 Ab-
    bildungen im Text und einem Titelbild. [VIII u. 125 S.] 8. 1904. In Leinw.
    geb. n. ℳ. 2. 80.
  • Poincaré, Henri, Membre de l’Institut, Wissenschaft und Hypothese. Autori-
    sierte deutsche Ausgabe mit erläuternden Anmerkungen von F. und L. Lindemann
    [XVI u. 342 S.] 8. 1904. geb. n. ℳ. 4. 80. [Zweite Auflage in Vorbereitung.]
  • Pringsheim, Dr. Alfred, Professor an der Universität München, Vorlesungen über
    Zahlen- und Funktionenlehre
    . (Elementare Theorie der unendlichen Algo-
    rithmen und der analytischen Funktionen einer komplexen Veränderlichen.) I. Band:
    Zahlenlehre. II. Band: Funktionenlehre. gr. 8. geh. [In Vorbereitung.]
  • Reichel, Dr. Otto, Professor an der Königl. Landw. Hochschule zu Berlin, Vorstufen
    der höheren Analysis und analytischen Geometrie
    . Mit 30 Figuren
    im Text. [X u. 111 S.] gr. 8. 1904. In Leinw. geb. ℳ. 2. 40.
  • Salmon, George,Vorlesungen über die Algebra der linearen Transforma-
    tionen
    . Deutsch bearbeitet von Dr. Wilhelm Fiedler, Professor am Polytechnikum
    in Zürich. 2., verbesserte und sehr vermehrte Auflage. [XIV u. 478 S.] gr. 8.
    1877. geh. n. ℳ. 10. —

[]
  • Schlömilch, Geheimer Regierungsrat Dr. Oskar,Übungsbuch zum Studium der
    höheren Analysis
    . I. Teil: Aufgaben aus der Differentialrechnung. 5. Auflage,
    bearbeitet von Dr. E. Naetsch, Professor an der Königl. Technischen Hochschule
    zu Dresden. Mit 85 Figuren im Text. [VIII u. 372 S.] gr. 8. 1904. In Leinw. geb.
    n. ℳ. 8. —. II. Teil: Aufgaben aus der Integralrechnung. 4. Auflage, bearbeitet
    von Dr. R. Henke, Professor am Annen-Realgymnasium zu Dresden. [VIII u.
    448 S.] gr. 8. 1900. geh. n. ℳ. 9. —, in Leinw. geb. n. ℳ. 10.—
  • Schüssler, Dr. Rudolf, Professor an der Technischen Hochschule zu Graz,
    orthogonale Axonometrie. Ein Lehrbuch zum Selbststudium. Mit 29 Fi-
    gurentafeln in besonderem Hefte. [VIII u. 170 S.] gr. 8. 1905. In Leinw. geb.
    n. ℳ. 7. —
  • Serret-Harnack,Lehrbuch der Differential- und Integralrechnung.
    3 Bände. gr. 8. [Von der 3. Aufl. an hat Prof. G. Scheffers in Darmstadt die
    Neubearbeitung übernommen.]
    Einzeln:
    • I. Band: Differentialrechnung. 3. Aufl. besorgt von Dr. G. Scheffers,
      Professor an der Technischen Hochschule zu Darmstadt. Mit
      Figuren im Text. [ca. 600 S.] geh. ca. n. ℳ. 10. —, in Leinw. geb.
      ca. n. ℳ. 11. — [Erscheint im Januar 1906.]
    • II. Band: Integralrechnung. 2. durchgesehene Auflage, mit Unterstützung
      von H. Liebmann und E. Zermelo herausgegeben von Dr. G. Bohlmann,
      Professor in Berlin. [XII u. 428 S.] 1899. geh. n. ℳ. 8. —, in
      Leinw. geb. n. ℳ. 9. —
    • III. Band: Differentialgleichungen und Variationsrechnung. 2. durch-
      gesehene Auflage von Dr. G. Bohlmann, Professor in Berlin, und
      E. Zermelo, Privatdozent an der Universität Göttingen. Mit 33 Fig.
      im Text. [XII u. 480 S.] 1904. geh. n. ℳ. 9. —, in Leinw.geb. n. ℳ 10. —
  • Staude, Dr. Otto, Professor an der Universität Rostock, analytische Geometrie
    des Punktes
    , der geraden Linie und der Ebene. Ein Handbuch zu den
    Vorlesungen und Übungen über analytische Geometrie. Mit 387 Figuren im
    Text. [VIII u. 447 S.] gr. 8. 1905. In Leinw. geb. n. ℳ. 14. —
  • Stolz, Dr. Otto, Professor an der Universität Innsbruck, und Dr. J. Anton Gmeiner,
    Professor an der deutschen Universität Prag, Einleitung in die Funktionen-
    theorie
    . Zweite, umgearbeitete und vermehrte Auflage der von den Verfassern
    in der „Theoretischen Arithmetik“ nicht berücksichtigten Abschnitte der „Vor-
    lesungen über allgemeine Arithmetik“ von O. Stolz. In 2 Abteilungen. gr. 8.
    I. Abteilung. Mit 10 Figuren im Text. [VI u. 242 S.] 1904. In Leinw. geb. n. ℳ 6. —
  • ———— ———— II. Abteilung. Mit 11 Figuren im Text. [VIII u. S. 243—612.]
    1905. In Leinw. geb. n. ℳ 9. — Beide Abteilungen in 1 Band in Leinw.geb. n. ℳ. 15. —
  • Thomae, Dr. J., Geh. Hofrat und Professor an der Universität Jena, Sammlung
    von Formeln und Sätzen aus dem Gebiete der elliptischen Funk-
    tionen nebst Anwendungen
    . [IV u. 44 S.] 4. 1905. kart. n. ℳ. 2. 80.
  • Vahlen, Dr. Karl Theodor, Privatdozent an der Universität Königsberg i. Pr., ab-
    strakte Geometrie
    . Untersuchungen über die Grundlagen der Euklidischen
    und Nicht-Euklidischen Geometrie. Mit zahlreichen Figuren im Text. [XII u.
    302 S.] gr. 8. 1905. In Leinw. geb. n. ℳ. 12. —
  • ———— Geschichte des Fundamentalsatzes der Algebra. gr. 8. In Leinw.
    geb. [In Vorbeitung.]
  • Weber, Dr. H., Professor in Straßburg, und Dr. J. Wellstein, Professor in Straßburg,
    Encyklopädie der Elementar-Mathematik. Ein Handbuch für Lehrer
    und Studierende. In 3 Bänden. gr. 8. I. Band. Elementare Algebra und Analysis.
    2. Auflage. [XVIII u. 542 S.] 1906. In Leinw. geb. ca. n. ℳ. 8. —. [Erscheint
    im November 1905.] II. Band. Elemente der Geometrie. Bearbeitet von H. Weber,
    J. Wellstein und W. Jacobsthal. Mit 280 Textfiguren. [XII u. 604 S.] 1905.
    In Leinw. geb. n. ℳ. 12. —. (Bd. III. Anwendung der Elementarmathematik.
    Unter d. Presse.)
  • Wien, Dr. W., Professor an der Universität Würzburg, über Elektronen. Vortrag
    gehalten auf der 77. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Meran.
    [28 S.] gr. 8. 1905. geh. n. ℳ. 1. —

[][][]
Notes
1).
Die in Anführungszeichen gesetzten Stellen sind fast wörtlich einer kurzen
Selbstbiographie entnommen, die Schröder seinem Bilde im „Geistigen Deutsch-
land“ beigegeben hatte.
1).
Die Nummern beziehen sich auf das Seite XVII folgende Verzeichniss der
Schriften.
*)
Auch ein Teil der „Ferneren Berichtigungen und Nachträge zum ersten
Bande“ Bd. 2, I Seite VIII ff. ist überflüssig geworden infolge Überganges des
Inhaltes in den Text des gegenwärtigen Bd. 2, II. Es ist nämlich im einzelnen:
1) Bd. 2, I Seite IX Mitte bis XI Mitte, der Nachtrag zu Bd. 1 Seite 302 und 305
(betreffend Beweise von Grassmann und Peirce) ersetzt durch Bd. 2, II
Seite 401 unten bis 405, — wozu auch Seite 597 Zeile 7 v. o. ff. beizu-
ziehen ist.
*)
2) Bd. 2, I Seite XII Mitte, zu Bd. 1 Seite 589 (McColl) ersetzt durch Bd. 2, II
Seite 450 und 451 (und Bd. 2, I Seite 305 Zeile 11 v. u.).
3) Bd. 2, I Seite XIII, zu Bd. 1 Seite 711 (Poretzki) ersetzt durch Bd. 2, II
Seite 442 ‥ 447 und 603/604.
Zum Zwecke des Ersatzes müssten also auch diese Berichtigungen und Nachträge,
mit Weglassung des nunmehr hinfälligen, nachgedruckt werden.
*)
Hierzu die Anmerkung des Herausgebers am Schlusse dieses Bandes.
*)
Solche werden überaus häufig vorkommen; der Fall liegt namentlich allemal
vor, wenn die Argumente „Individuen“ sind.
*)
Wenigstens steht nichts im Wege, dem Symbol a + b hiernächst solche
Deutung zu geben.
*)
Hiezu auch die Anmerkung des Herausgebers am Schlusse des Bandes.
*)
Anmerkung des Herausgebers am Schlusse des Bandes.
*)
Die Aufzählung wäre wol durch Berufung auf gewisse geometrische Sätze von
allgemeinerer Natur (über Raumelemente, deren Schnittgebilde und Bestimmungs-
stücke) ersetzbar, welche zu formuliren ich aber hier nicht für meine Aufgabe halte.
*)
Anmerkung des Herausgebers, am Schlusse des Bandes.
*)
Anmerkung des Herausgebers am Schlusse des Bandes.
*)
Poretzki schreibt die Subsumtionen a b noch auf die schwerfällige
Jevons’sche Weise: a = a b.
*)
Siehe 1) 2) 3) 4) des Literaturverzeichnisses Band 1, Seite 708.
*)
In der Theorie des identischen Kalkuls haben wir uns gestattet, die
Negation einer Gleichung a = b, somit eine Behauptung von der Form ab, als
eine „Ungleichung“ zu bezeichnen. Von dieser letztern Bedeutung des Wortes ist
im gegenwärtigen Anhange abzusehen; ihr würde im reellen Zahlengebiete der
Ansatz ab entsprechen, während wir hier schon den bestimmteren Ansatz a \> b
eine Ungleichung nennen werden.
*)
Dass die Bedeutung eines und desselben Funktionsbuchstabens, wenn für
ein, zwei, drei, … Argumente in Anspruch genommen, jedesmal eine vollkommen
unabhängige ist, eine für φ (w) gegebene Erklärung z. B. in keiner Weise der
Definition von φ (w, x) präjudizirt, bedarf für den Mathematiker kaum der
Erinnerung.
*)
Mit dieser Ankündigung bricht das Schröder’sche Manuskript ab. Es
folgen hier ergänzende Ausführungen des Herausgebers.
*)
Vergl. unten Seite 587 ff.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Holder of rights
Kolimo+

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2025). Collection 3. Vorlesungen über die Algebra der Logik. Vorlesungen über die Algebra der Logik. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bpnr.0