Lieflaͤndiſchen Chronik
Erſter Theil
Liefland
unter ſeinen erſten Biſchoͤfen,
welcher
die alte Geſchichte
der Ruſſen, Deutſchen, Schweden, Daͤnen, Eſthen,
Liven, Letten, Litthauer, Curen und Semgallen
erleutert.
ORIGINES
LIVONIÆ SACRÆ ET CIVILIS,
der koͤnigl. Hofrath und Bibliothekarius zu Hannover
Herr Johann Daniel Gruber,
aus einem alten Manuſcript
Lateiniſch herausgegeben und mit gelehrten Roten verſehen,
nunmehro aber
aus andern Handſchriften ergaͤnzet,
mit der noͤthigſten Anzeige der verſchiedenen Leſearten
wie auch
mit kurzen Anmerkungen begleitet und ins Deutſche uͤberſetzet
[][]
Der Allerdurchlauchtigſten
Großmaͤchtigſten
Kaiſerin und Groſſen Frau,
Frauen
Eliſabeth der Erſten
Kaiſerin und Selbſtherrſcherin
aller Reuſſen,
zu Moſcau, Kiow, Wlodimer, Rovogorod,
Czaarin zu Caſan, Czaarin zu Aſtrakan, Czaarin in
Siberien, Frauen von Pleskow, und Großfuͤrſtin von
Smolensk, Fuͤrſtin von Eſthland und Liefland, Carelen, Twer,
Jugorien, Perm, Wetka, Bolgovien,
wie auch anderer,
Frauen und Großfuͤrſtin von Rovogorod der Riederlanden,
zu Czernichow, Reſan, Roſtow, Bielaſersk, Udorien, Obdorien, Condinien
und der ganzen Nordſeite Gebieterin,
Frauen des Jveriſchen Landes,
der Cartaliniſchen und Gruſiniſchen Czaaren und des Cabardiniſchen
Landes, der Czerkaßiſchen und Goriſchen Fuͤrſten
und anderer
Erbfrauen und Beherrſcherin,
meiner Allergnaͤdigſten
Kaiſerin und Groſſen Frau.
[][]
bDie
[]
Ein
[]
b 2Dort
[]
[]
Vorrede des Ueberſetzers.
Liefland hat nie eine dauerhafte Ruhe genieſſen koͤn-
nen, als bis es das Gluͤck hatte, unter Rußi-
ſchen Scepter zu kommen. Peters des Groſ-
ſen Kaiſerliche Majeſtaͤt, Glorwuͤrdigſten Andenkens, ſchenkte
als Sieger dieſem Lande den Frieden; und zugleich die Gluͤckſe-
ligkeit, welche durch ſo viele Jahre unterhalten, und von deſ-
ſen Allerdurchlauchtigſten Prinzeßin, Eliſabeth Petrowna,
Unſerer Allergnaͤdigſten Kaiſerin, vermehret und beveſtiget
worden. Ein gutes Theil dieſer Provinz, wie auch Litthauen,
war, nach den Berichten dieſes vortreflichen Werkes, Ruß-
land ſchon in den aͤlteſten Zeiten zinsbar, und Liefland wurde
damals auch mit dem Namen Rußland beleget. Allein, die
vielen kleinen Koͤnige der weitlaͤuftigen Rußiſchen Nation ver-
mochten bey ihrer durch die Theilung geſchwaͤchten Macht nicht,
dieſes Land hinlaͤnglich zu ſchuͤtzen. Es iſt leicht zu erachten,
daß eine ſo herrliche Provinz, um deren voͤlligen Beſitz ſich ein-
heimiſche, obgleich ſonſt ſehr verſchiedene Nationen gezanket, ein
cZank-
[]Vorrede des Ueberſetzers.
Zankapfel der ſtreifenden Litthauer, Curen, Semgallen,
und ein Tummelplatz auswaͤrtiger Voͤlker werden muͤſſen. Doch
der oberſten Vorſicht, welche die zertheilten kleinen Rußiſchen
Koͤnigreiche wieder unter einem Monarchen vereinbarte, haben
wirs zu danken, daß ſie fuͤr eine ſouveraine und unumſchraͤnkte
Gewalt dieſes unermeßlichen Reichs, und folglich dadurch mit
fuͤr die Beſchirmung von Liefland geſorget hat, unter der wir
uns einer ſichern und ſtandhaften Ruhe getroͤſten koͤnnen.
Die gedruckten und geſchriebenen Chroniken von Liefland
reichen nicht bis in dieſe gluͤckliche Zeiten. Sie ſind in ihrem
Anfange theils gar zu mager, theils zu unrichtig, ſowol in den
Begebenheiten, als derſelben Jahrzahl; uͤberdem in den Haͤnden
weniger Beſitzer, und dabey ſo anhaͤngiſch und partheiiſch, daß
wir ſie ſchon als fremde Geſchichte leſen. Da nun dergleichen
Erzaͤhlungen eine ganz andere Umſchmelzung verdienet, auch ei-
nige Kenner und Befoͤrderer der Geſchichte ihres Vaterlandes
darauf vielleicht bedacht geweſen; ſo iſt doch ſolches Vorhaben
lange ausgeblieben, bis endlich der koͤnigliche Hofrath und Bi-
bliothekarius zu Hannover, Herr Gruber, ohnlaͤngſt der
Welt ein Lateiniſches Werk in Folio durch den Druck bekant
gemacht, ſo folgenden Titel fuͤhret: Origines Liuoniœ ſa-
cræ et ciuilis, ſeu Chronicon Liuonicum vetus,
continens res geſtas trium primorum Epiſcopo-
rum: quibus deuictæ a Saxonibus et ad ſacra
Chriſtianorum traductæ Liuoniœ abſoluitur hiſto-
ria: a pio quodam ſacerdote, qui ipſe tantis re-
bus interfuit, conſcripta, et ad annum Chriſti
nati ✝ⅼↄ CC XXVI deducta. E codice MS. re-
cenſuit, ſcriptorum cum ætate, tum locis vici-
norum teſtimoniis illuſtrauit, ſiluamque docu-
mentorum et triplicem indicem adjecit Johann
Daniel Gruber. A. B. Francofurti et Lipſiœ.
Anno M D CC XL.
Dieſe gelehrte Arbeit fand nicht nur bey denen Beyfal,
welche das Latein verſtunden, ſondern auch ſchon die Nachricht da-
von
[]Vorrede des Ueberſetzers.
von erweckte bey andern das Verlangen, ſie in Deutſcher
Sprache zu leſen, denen der Lateiniſche Text entweder ganz un-
bekant, oder nicht ſo gelaͤufig, und daher verdrießlich war.
Nun haͤtten ſich Maͤnner finden koͤnnen, die zur Ueberſetzung
dieſer alten Chronik groͤſſere Geſchicklichkeit und mehrere Zeit ge-
habt als ich. Es ſind aber gleichwol ſchon ſieben Jahre verfloſſen;
und die Exempel der vielen geſchriebenen und nicht zum Druck
gelangten Chroniken von Liefland, haben manchen von dieſer
Bemuͤhung abgeſchrecket.
Mir waͤre es bald nicht beſſer ergangen. Jch ſahe zwar,
daß etliche angeſehene Haͤuſer, denen Ruſſov zu alt, und Kelch
in alten Zeiten zu mangelhaft gerathen, Muͤhe und Koſten an-
wandten und angewendet hatten, aus geſchriebenen Nachrichten
einen klaͤrern und hinlaͤnglichern Bericht einzuziehen; befand
aber auch, daß ſie das nicht funden, wornach ſie ſuchten; und
wuſte es doch ſelbſt nicht eher, als bis ich das Gruberiſche
Werk einige mal durchgeleſen. Allein, die Bekantmachung
ſolcher alten Geſchichte war ſo vielen Schwierigkeiten, ſelbſt ge-
gen mein Denken, unterworfen, daß alle Hofnung verſchwand
von hieſigem Orte aus ſie in Druck zu geben.
Dieſe Hinderniſſe fielen auf einmal weg, als mein Anliegen
dem von Jhro Kaiſerlichen Majeſtaͤt hochverordneten Herrn
Landhauptmann der Provinz Oeſel und der Stadt Arens-
burg zu eroͤfnen Gelegenheit ſuchte. Dieſer um Reich und
Vaterland ſowol, als um die Geſchichte deſſelben wohlverdiente
Herr, erbot nach ſeiner Gewogenheit gegen gelehrte Bemuͤhun-
gen, aus ſeiner zahlreichen Buͤcherſamlung nicht nur denjenigen
Vorrath ſeiner Abſchriften an, die hiermit zuſammen gehalten
worden, ſondern auch dasjenige Manuſcript, woraus die Luͤcke
der vier Blaͤtter in der Gruberiſchen Ausgabe ergaͤnzet wer-
den koͤnnen; ohne der uͤbrigen Befoͤrderung zu erwehnen, deren
dieſes ſchoͤne Werk durch ſeine Hand gewuͤrdiget iſt, welche
Verdienſte hier mit oͤffentlichem Dank ganz gehorſamſt zu ruͤh-
men mich pflichtmaͤßig verbunden achte.
c 2Den
[]Vorrede des Ueberſetzers.
Den Werth dieſes beliebten Buchs und die dabey ange-
brachte Beleſenheit des Herrn Hofrath Grubers findet der Leſer
in des Herrn Herausgebers eigener Vorrede, darauf mich hier be-
ziehe; die ihrer Gruͤndlichkeit halber leſenswuͤrdig iſt, und mir
daher die Muͤhe unnoͤthig macht, etwas weiter davon zu gedenken.
Jch wende mich alſo zur Ueberſetzung, von welcher vorlaͤufig et-
was zu erwehnen habe.
Jn Liefland ſind manche Manuſcripte von dieſer Chronik,
doch nur auf Papier. Wo eine pergamentne, oder auch die
Urſchrift zu finden, habe nicht in Erfahrung bringen koͤnnen.
Die noch vorhandenen Abſchriften, deren einige ziemlich alt ſind,
haben doch bey aller Aufmerkſamkeit ihrer Abſchreiber ſolche Wort-
verwechſelungen, Auslaſſungen, Verſchiedenheit der Ausdruͤcke,
dunkle Stellen, oder Unrichtigkeiten des Lateins, daß die Ge-
duld des begierigſten Leſers dabey ermuͤden konte.
Wer in den Geſchichten damaliger Zeiten nicht recht be-
wandert, oder nur obenhin erfahren war, verſtand nicht ein-
mal von der Wuͤrde dieſes Manuſcripts zu urtheilen. Kurz,
es gehoͤrte ein Mann dazu, der Wiſſenſchaft und Erfahrung
in der Hiſtorie und Schreibart mitlerer Zeiten, und zugleich
eine auserleſene Bibliothek beſaß, aus der er das Ungewiſſe
wahrſcheinlich machen, das Zweifelhafte entſcheiden, das Un-
volkommene verbeſſern, und das Richtige mit mehrern Zeug-
niſſen beſtaͤtigen konte. Dis und mehreres war in der Perſon
des Herrn Hofrath Grubers beyſammen anzutreffen.
Meine Schuldigkeit haͤtte erfordert, aus dem Vorrath
geſchriebener Buͤcher die Anmerkungen uͤber dieſe Schrift in ſol-
chen Stellen zu erweitern, die eigentlich Liefland angehen.
Man erwartet ſolches von einem einheimiſchen Schriftſteller
eher als von einem auswaͤrtigen. Jch fand aber bey allem
Nachſuchen von dieſen Zeiten gar nichts, oder ſo unerhebliches
und unſtreitig unrichtiges, daß die gelehrte Arbeit des Herrn
Grubers mit dieſer unnoͤthigen Bemuͤhung nur wuͤrde verun-
zieret haben; doch ſind etlicher Orten einige Anmerkungen von
mir
[]Vorrede des Ueberſetzers.
mir angebracht, die mit einem *) Sternchen bezeichnet ſind.
Die eigenen Namen der Doͤrfer auszuforſchen, war um die
Geographie ein ſo ſchlechtes Verdienſt, als es um die Gena-
logie ſeyn duͤrfte, wenn jemand die Namen der Baueraͤlteſten
und ihre heutigen Nachkoͤmlinge in Tabellen bringen wolte.
So geht es auch mit der Materie von dem Urſprung der Voͤl-
ker, der Liven, Letten und Eſthen; dabey es mir rathſa-
mer geſchienen, lieber mit einem ſo groſſen Mann, wie Herr
Gruber iſt, zu ſchweigen, als mit andern ſeichte Muthmaſ-
ſungen und ungewiſſe Einfaͤlle nachzubeten. Dabey laſſe doch
auſſer der kleinen Diſſertation des Herrn Hermelinsde ori-
gine Liuonum, auch des Herrn Fridrich Menius ungedruck-
tes Syntagma hiſtoricum de origine Liuonorum, Dorpati. 1632
in ſeinen Wuͤrden, worinne dieſer fleißige Mann manches in
Wahrſcheinlichkeit ſetzet, und woraus gewiß was angefuͤhret
haͤtte, wenn nicht die vielen Schreibfehler den Sinn und Zu-
ſammenhang dieſer ſonſt artigen Schrift mir verworren, von
der mir gerne eine richtigere Abſchrift wuͤnſchte.
Des Mauritius Brandis, Secretarien der Ritter-
ſchaft des Fuͤrſtenthums Eſthen, Lieflaͤndiſche Geſchichte
1626, und des Fuͤrſtlichen Curlaͤndiſchen Superintendenten,
Paul Einhorns, Beſchreibung der Lettiſchen Nation 1649,
ſind beyde nur in Manuſcript, und in alten Zeiten ohne Licht,
dabey aber doch die Urheber, auf welche ſich die folgenden Scri-
benten in vielen Stuͤcken bezogen haben.
Des Thomas Hiaͤrne Eſth- Lief- und Lettlaͤndiſche
Geſchichte, die beynahe aus zweyhundert Bogen beſtehen, ſind
noch die volſtaͤndigſten, weil der Verfaſſer aus unſerm Manu-
ſcript einen ziemlich weitlaͤuftigen Auszug gemacht. Es nimt
ſich dieſe Schrift durch gar feine Urtheile aus, zumal in Sa-
chen, worauf Herr Hiaͤrne ſich verſtanden. Bey der Arbeit
aber an den Materien, die das Gruberiſche Werk enthaͤlt,
iſt leicht zu erſehen, daß ihm die Einſicht gefehlet, den rechten
Nutzen davon zu erkennen, und er daher den Kern oftmals lie-
gen gelaſſen; welches dieſem ſonſt ſehr brauchbaren Scribenten
freylich nicht zu veruͤbeln ſtehet.
dDer
[]Vorrede des Ueberſetzers.
Der kurze Auszug der Geſchichte, die ſich in Eſth- Lief-
Lett- Curland und Semgallen bis 1677 zugetragen von
Guſtav von Lode, Mannrichter und Ritmeiſtern ꝛc. hat
wegen reifer Beurtheilungen und tuͤchtiger Documente viel Lieb-
haber gefunden, wie denn auch das Werk durch die Feder ſei-
nes Hofmeiſters und nachmaligen Hauspredigers bey des Herrn
von Plater, Staroſten zu Duͤneburg Excellenz, David
Werners, ins Lateiniſche uͤberſetzet worden. Allein in al-
ten Sachen hat dieſer Auszug weder was beſonders noch gelehr-
tes, man muͤſte denn diejenigen Griechiſchen und Lateiniſchen
Stellen dahin rechnen, worinne ſein Jnformator ihm fortge-
holfen, die doch ſo wichtige Sachen nicht entdecken. Jn
ſpaͤtern Zeiten ſind die Daͤniſchen Scribenten, Pontanus
und Huitfeld, gleichſam ſeine Kirchenvaͤter. Uebrigens
verdienet er in Sachen ſeiner Zeit allerdings ſein gehoͤriges
Lob.
Bey der Ueberſetzung habe mich zweyer Abſchriften be-
dienet. Die erſte, welche ich die Rigiſche nenne, war alt,
deutlich geſchrieben, aber ſehr mangelhaft, und ging nur bis
ins Jahr CHriſti 1207. Dieſe traf mit dem Gruberi-
ſchen Manuſcript in allem, auch ſogar in den Gloſſen uͤber-
ein. Sie hatte am Rande die Jahre CHriſti, war auch
mit einigen Anmerkungen, doch ſehr ſparſam, verſehen, die
aber ſehr mat herauskamen, und auf Muthmaſſungen mehren-
theils hinausliefen. Die andere, ſo ich die Revelſche heiſſe,
war eine neue Abſchrift von alten Papieren, ganz volſtaͤndig,
und ſchien dem Grundtexte am naͤchſten zu treten. Denn
ſie hatte nicht nur keine Gloſſen, ſondern faſte ſich auch
hier und da kuͤrzer, und druͤckte ſich runder aus, als
das andere Manuſcript, welches mit unnoͤthigen, und uͤber-
fluͤßig deutlichen Zwiſchenſaͤtzen angefuͤllet war, die faſt den
Gloſſen gleichen.
Es ſind keine opera Ciceronis, welche nach Gronoviſcher
Critik die verſchiedenen Lesarten darſtellen ſollen, daher man
auch durchgaͤngig ſolche Wortveraͤnderungen unbemerkt gelaſſen,
auſſer, wo etwas daran gelegen geſchienen. Zur Probe der
Ab-
[]Vorrede des Ueberſetzers.
Abweichung moͤgen die erſten Hefte dienen, auf denen folgende
Worte verwechſelt ſind:
| Fuͤr | liſt das Revelſche Manuſcript |
| Prouidens | Præuidens |
| Opportuno tempore | Opportune |
| Mouentur | Mouerunt |
| Pacem ferit | fecit |
| Admodum breue tempus | Ad modicum tempus |
| Committentes | Commendantes |
| In ſecula | In æternum |
| Merſepole | Metſepole |
| Aduocatia | Aduocatio |
| Pudorem | Verecundiam |
| Mortuus eſt | Defunctus |
| Læti | Tuti |
| DEI miſericordiam | Omnipotentis auxilium et clementiam |
| Lignorum diſpoſitione | collectione |
| Rex ante dictus | Rex piæ memoriæ |
| Conſolatio laboris | doloris |
| Ideo confidentes | In Deo confidentes |
| Veloces efficiuntur in fugam | effunduntur |
| Etiam | Clam |
| Quia | Nam |
| Conſcii | Conſocii |
| Deos conjurantes | Quærentes |
| Onus prœlii | Pondus |
| Bona ablata | Merces ablatas |
| Clades | Interfectio |
| Reſipiſcere | Reſpicere |
| Fratribus | Fidelibus |
| In omnibus virtutibus inſtitutum | Omnibus virtutibus repletum |
| Diſertus | Diſcretus |
| Non valentes | Nolentes |
| Yconias | Icones |
| Per comitatus | Per ciuitates |
| Fuerunt comportantes magnas ligno- rum ſtrues | Fecerunt magnas lignorum comporta- tiones |
| Hoc tempore | Eodem anno |
| Omnem ſenſum ſiniſtrum | Omen ſiniſtrum |
| Multa et incendia | Multa et prœlia et incendia |
| Veſter, a, um | Noſter, a, um. |
d 2Das
[]Vorrede des Ueberſetzers.
Das Hannoͤveriſche Manuſcript behaͤlt inzwiſchen einen
gewiſſen Vorzug, ob es gleich noch ſeine Gebrechen leidet. Es
hat nicht allein an vielen Stellen die Zunamen gewiſſer Pilger nie-
driges Standes und einiger Rigiſchen Buͤrger, davon das Re-
velſche nur die Taufnamen hat, ſondern auch in den eigentlichen
Namen der Oerter weniger Schreibfehler. Ueberdem verknuͤ-
pfen unſere Abſchriften den Text ohne die gewoͤhnlichen Unterſchei-
dungszeichen oft ſo zuſammen, daß der Sinn manchmal zweydeu-
tig, und unter dem Leſen die Aufmerkſamkeit und das Nachden-
ken des Verſtandes ſtark unterbrochen wird.
Der Text iſt Moͤnchslatein, weil der Verfaſſer nach der
Schreibart derer Biblia vulgata ſich ausdruͤcket, und von keinen
andern Verbindungswoͤrtern viel mehr weiß, als von ſeinem Und,
welches im Ueberſetzen hindert, indem man den Nachſatz oft zum
Vorſatz erſt ſuchen muß, wenn man die Rede auf andere Manier
zuſammen fuͤgen wil, um dem Ekel abzuhelfen. Zwar meinte
durch eine freye Ueberſetzung dieſem Verdruß aus dem Wege zu ge-
hen; allein bey dem Verſuch ſelbſt merkte ich gleich, daß damit nicht
fortzukommen waͤre. Jch wurde unvermuthet bald durch eine
Reihe einfaͤltiger Gedanken, und niedriger Ausdruͤcke, bald durch
gehaͤufte Wiederholung gleichbedeutender Redensarten uͤbereilet,
denen nicht wohl ausbeugen konte, wenn anders die Sachen nach
den Ausdruͤcken des Verfaſſers vorgetragen werden, und es nicht
meine Arbeit, ſondern des Auctors ſeyn ſolte; welches von einem
Ueberſetzer doch erfordert wird. Man konte aber auch den Le-
ſer der Anmuth nicht berauben, das alte in ſeiner natuͤrlichen und
ungekuͤnſtelten Schoͤnheit zu betrachten. Man ſiehet bey ſolchen
Alterthuͤmern mehr auf den Jnhalt, als auf die Beluſtigung des
Gehoͤrs, welches letztere Liebhaber blos angenehmer Schriften
um wolfeilern Preiß vergnuͤgen koͤnnen; wiewol einfaͤltige Be-
ſchreibungen, wenn ſie unerwartet kommen, auch ein Vergnuͤ-
gen erwecken.
Sonderlich darf man unter dem Leſen an den meiſten Stellen
ſich keine groſſen Vorſtellungen von Armeen, Schloͤſſern, Schlach-
ten, Staͤdten und ſolchen Woͤrtern machen, die eine Vielheit
oder Groͤſſe bedeuten, weil der Zuſammenhang weiſet, daß ſieben
Per-
[]Vorrede des Ueberſetzers.
Perſonen eine Menge heiſſen, von denen gar noch viele auf dem
Platze geblieben. Aber eben das alles gibt dem Alter dieſes Werks
und der Aufrichtigkeit des Schreibers das beſte Zeugniß, weil ſol-
che Schreibart in die finſtern Zeiten gehoͤret, da die hiſtoriſche
Beredſamkeit ſowol, wie die uͤbrigen ſchoͤnen Wiſſenſchaften, bey
den Moͤnchen unter den Fuͤſſen lagen.
Deſto ſchoͤner hingegen lauten die vortreflichen Anmerkungen
des Herrn Hofraths im Lateiniſchen, und ich habe mich bemuͤhet,
an den mehreſten Orten ſeinen Sinn zu treffen. Bey der gar
unvergleichlichen Zueignungsſchrift aber an des Koͤnigs von Eng-
land Majeſtaͤt, die bey Kennern ſolcher Schriften gewiß fuͤr ein
unverbeſſerliches Meiſterſtuͤck paßiren kan, darf nicht leugnen,
daß wol gerne ſolches Muſter in der praͤchtigen und erhabnen Art
zu ſchreiben nachgeahmet haͤtte, wenn mirs moͤglich geweſen waͤre,
dieſe Schoͤnheit ohne Zwang zu erreichen; ſo aber muſten manche
ausnehmende Zierraten verſteckt bleiben.
Der vom Herrn Hofrath geſamlete und hinten angehaͤngte
Vorrath von Documenten iſt hier eingeſchrenket. Jch glaubte
dazu Grund zu haben. Documente beweiſen erſtlich nichts, wenn
ſie nicht im Original angefuͤhret werden. Zum andern, ſind ſol-
che Urkunden darunter, die nur einzelner Perſonen wegen geſam-
let worden. So noͤthig ſolche den Gelehrten thun, ſo unnoͤthig
ſind ſie dem Deutſchen Leſer, und wuͤrden dabey ziemlich fremde
und altvaͤteriſch klingen. Drittens, waͤre das Buch hoͤher im
Preiſe gekommen, den man ohne Noth nicht ſteigern konte, indem
nur gar wenige Exemplarien gedruckt worden. Doch iſt kein ein-
zig Document, das Liefland angehet, verſchwiegen, ſondern
ſeinem Jnhalt nach erzaͤhlet, und die nothwendigſten mit ihrem
ganzen Text angebracht worden. Wer aber die Formalien einer
Urkunde wiſſen wil, die doch keinen hiſtoriſchen Umſtand betreffen,
muß ſich an das Gruberiſche Werk ſelbſt halten.
Regiſter hat Herr Gruber drey. Das erſte, uͤber die un-
bekanten Lateiniſchen Woͤrter, kan mit dem dritten zuſammen ge-
zogen werden. Das andere, uͤber die angezogenen Schriftſteller
und ihre Schriften, deren uͤber zweyhundert ſind, nuͤtzet nur Ge-
lehrten. Das letzte, ſo die Perſonen, Oerter und Begebenhei-
eten
[]Vorrede des Ueberſetzers.
ten enthaͤlt, verſparen wir bis zum andern Theile, wo man beyde
in eins ziehen wird, weil uns die Entlegenheit der Druckerey dar-
an gehindert.
Der andere Theil, wozu verſchiedene Goͤnner ſchon manches
beyzutragen beliebet, und der eigentlich die Fortſetzung dieſes
Werks ausmachet, ſol die mitlere Geſchichte von Liefland unter
ſeinen Heermeiſtern enthalten, und die Begebenheiten der folgen-
den Biſchoͤfe voraus abhandeln. Es ſol die Einrichtung deſſelben
mit dem moͤglichſten Fleiſſe geſchehen, damit es weder eine trockne
Erzaͤhlung alter Urkunden, die doch in ihrer Art unentberlich
ſind, noch ein bloſſer Schauplatz jaͤmmerlicher Mordgeſchichte wer-
de, um derent willen ſonſt manche die Chroniken hoch ſchaͤtzen.
Wenn dieſes Gruberiſche Werk einige Erinnerungen noͤ-
thig hat, ſo werden Leſer mich hoͤchlich verbinden, wenn ſie ſelbi-
ge an mich einzuſenden belieben, da denn in der Vorrede des an-
dern Theils die untergelaufenen Fehler freymuͤthig entdecken und
das Ausgelaſſene ergaͤnzen wil. Die Herren Gelehrten, ſonder-
lich diejenigen Herren Prediger in Lief- und Eſthland, die zum
theil meine Lehrer, zum theil meine Mitſchuͤler geweſen, erſuche
um dieſen Beytrag und ihre Fuͤrſprache bey andern Beſitzern al-
ter Documente, aufs verpflichteſte.
Die goͤttliche Obhut wolle die Macht von Rußland noch
ferner ſegnen, damit das getreue Liefland unter einer ſo gluͤckſe-
ligen Regirung ſich uͤber ſeine Sicherheit und ſeinen Wohlſtand
durch einen ewigen Frieden erfreuen koͤnne!
Uebrigens hoffe, der Leſer werde mit der Zierlichkeit und Rich-
tigkeit des Drucks zufrieden ſeyn, deſſen beharlichem Wohlwollen
mich ergebenſt empfehle. Geſchrieben zu Arensburg auf der
Jnſel Oeſel, an Jhro Kaiſerlichen Majeſtaͤt Kroͤnungsfeſte
den 25 April 1747.
Des
[]
Des Herrn Hofrath Grubers
Zueignungsſchrift an den Koͤnig von England.
Dem
Allerdurchlauchtigſten, Großmaͤchtigſten
Fuͤrſten und Herrn,
Herrn Georg dem Andern
Koͤnige
von Großbritannien, Frankreich und Jrrland,
Beſchuͤtzer des Glaubens,
Herzogen zu Braunſchweig und Luͤneburg,
des heil. Roͤm. Reichs
Erzſchatzmeiſter und Churfuͤrſten,
dem guͤtigſten, gluͤcklichſten und hoͤchſten Regenten,
Vater des Vaterlandes,
ſeinem Allergnaͤdigſten Herrn,
Leben, Heil und Sieg!
Allerdurchlauchtigſter
Großmaͤchtigſter Koͤnig,
Allergnaͤdigſter Herr!
Ew. Koͤniglichen Majeſtaͤt lege mich zun
Fuͤſſen und dasjenige Liefland, ſo von und aus
den Provinzen Dero Reichs unſerm Welt-
theile zuerſt entdecket, gleich drauf mehr als
30 Jahre lang beſtritten, und mitten unter den Waffen zu einer ma-
e 2nierlichen
[]Des Herrn Hofrath Grubers Zueignungsſchrift
nierlichen Lebensart und zum Chriſtenthum gebracht worden.
Liefland, ſage ich, ſo den alten Einwohnern dieſes veſten Landes
lange unbekant, und lange unbeſucht geblieben; davon aber das
Gluͤck die Zeit und Ehre der Entdeckung und Beſichtigung deſſel-
ben, ſo wie viel andere Dinge, auf die Zeiten Heinrichs des
Loͤwen, jenes groſſen Bezwingers der Slaven, verſparet hatte.
Denn da dieſer ſehr berufne Held, der ungezweifelte Stamherr
Dero Geſchlechts, der Sachſen Oberhaupt war, und in dem
gluͤcklich bezwungenen Slavenlande jenſeit der Elbe 3 Bisthuͤ-
mer errichtete; ſo kamen die Bremer Kaufleute, welche die Oſt-
ſee befuhren, als ſie eben ihren Cours nach der beruͤhmten Han-
ſeeſtadt Wisbu nahmen, zuerſt unter allen, die diſſeits der See
wohnen, ich weiß nicht von ungefaͤhr, oder mit Vorſatz, durch
den Sund bey Domsnes an die Muͤndung der Duͤne, und folg-
lich nach Liefland ſelbſt, gleichſam in eine neue Welt. Nachdem
ſie lange dahin gehandelt hatten, nahmen ſie zuletzt etliche from-
me Prieſter mit ſich, die das heidniſche rohe Volk, ſo ohne
GOtt, Geſetz und Koͤnig lebte, zur Menſchlichkeit, zum Chri-
ſtenthum und zur Gerecht- und Billigkeit anfuͤhren ſolten. Die-
ſe zu ſchuͤtzen, und zugleich des Landes ſich zu bemeiſtern, gingen
Leute beyderley Standes, Edle und Unedle, in groſſer Anzahl
aus den beyden Sachſenlaͤndern dis- und jenſeits der Weſer, als
neue Einwohner, jaͤhrlich nach Liefland zu Schiffe. Der groͤſte
Theil derſelben nahm mit der Folge der Zeit die Verfaſſung einer
Kriegesgeſelſchaft, und den Namen der Ordensbruͤder von
der Ritterſchaft Chriſti an; und damit man ſehen moͤchte,
daß ſie die Liven auch durchs Schwerdt zu Unterthanen machen
wolten, ſo lieſſen ſie auſſer dem bey allen heiligen Feldzuͤgen ge-
woͤhnlichen Kreuz, noch das Zeichen des Schwerdts vorne auf
ihre Kleider naͤhen, daher ſie Schwerdttraͤger hieſſen. Der
Tod hat verhindert, daß dieſer Heinrich, den Ew. Koͤnig-
liche Majeſtaͤt mit unter Dero Ahnherren rechnen, nicht ſelbſt
die Hand an ein ſo wichtig Werk legte. Doch trit ein vorneh-
mes Paar ſeiner Miniſter, deren einer den Armeen dieſes Hein-
richs, der andere ſeinem Cabinet vorgeſtanden, aus ſeiner Hel-
denſchule auf dieſen Schauplatz, wo ihre Tapferkeit, ihr Eifer
und ihr Geiſt ſich vor andern ſehen laſſen. Ew. Koͤnigliche
Majeſtaͤt erlauben allergnaͤdigſt, daß ich wegen Anmuth der
Begebenheiten die Namen und das Andenken derſelben wieder
beybringe, obgleich nichts von den Thaten des Loͤwen Ew.
Koͤniglichen Majeſtaͤt unbekant, weil Dieſelben alle groſſe
Thaten Dero Vorfahren in der fertigſten Erinnerung haben.
Ew.
[]an den Koͤnig von England.
Ew. Koͤnigliche Majeſtaͤt ſehen ohne Zweifel zum voraus,
da ich die vornehmſten Miniſter Heinrichs des Loͤwen, nem-
lich ſeinen oberſten Feldmarſchal, und ſeinen groͤſten Cabinets-
rath nenne, daß meine Rede von dem Grafen von der Lip-
pe, Bernharden, und dem Erzbiſchof zu Bremen,
Hartwichen, ſey. Dieſer Hartwich Utleden, das heiſt, aus
dem alten Dorfe Lyd gebuͤrtig, ſtamte aus einer uradlichen Fa-
milie her, die davon den Namen fuͤhret, und noch im Herzog-
thum Bremen im Anſehen iſt. Sein Gluͤck aber hatte er
Heinrich dem Loͤwen zu danken. An deſſen Hof war er
erzogen, und kam ſtufenweiſe, wegen der an ſeinem Herrn er-
wieſenen Treue und ſeiner groſſen Staatsklugheit, ſo hoch ans
Bret, daß man ihm nachgehends ſo ein Amt in der Republik an-
traute, das mit Ertheilung der Rathſchlaͤge, mit gerichtlichen
Ausſpruͤchen, und mit Ausfertigung der Befehle des Regenten zu
thun hat. Wir tituliren jetzo den einen Kanzler, welchen die Ur-
kunden ſelbiger Zeit des Fuͤrſten Notarius nennen. Auf
Befoͤrderung dieſes ſeines Herrn ward er in das Collegium der
Bremiſchen Domkirche aufgenommen, und erhielt nach dem
Abſterben Sifrids, eines Sohns des Albertus Urſus, wegen
ſeiner Verdienſte und bekanten Froͤmmigkeit, den Biſchofshut.
Ob er nun gleich in dieſem Amte mit ſeinem Herrn einerley
Schickſal hatte, und wegen ſeiner ihm in Widerwaͤrtigkeiten ge-
leiſteten treuen Dienſte ein Jahr in England, die uͤbrige Zeit am
Braunſchweigiſchen Hofe, als ein des Landes Verwieſener, ſich
aufhalten muſte, wenn anders das Leben bey ſeinem alten Herrn
eine Landesverweiſung genennet werden kan; ſo hat er doch das
Wohl der Lieflaͤnder ſich angelegen ſeyn laſſen, und ganz allein
mit ſeltenem Gluͤck die drey erſten Biſchoͤfe, von deren Geſchich-
ten dieſes Buch handelt, erwaͤhlet, ſie ſelbſt eingeweihet, und
nach Liefland geſchickt. Der Graf von der Lippe aber, Bern-
hard, ſtiftete bey den Seinigen ein ſeltenes, und bey der ganzen
Nachwelt merkwuͤrdiges Denkmal. Denn dieſer Herr, welcher
geraume Zeit des Henricus Leo Generalißimus geweſen, zog
ſich ſeines Herrn Ungluͤck dergeſtalt zu Gemuͤthe, daß er allen
Leuten aus den Augen ging, Lager und Reſidenz, Gemahlin
und Kinder fahren ließ, und nackt und bloß ſich in die Einſam-
keit, als in den Hafen ſeiner Wohlfahrt retirirte; daß er ſeinen
Feldherrnrock ab- und eine Moͤnchskutte anlegte; daß er unter
den Ciſtercienſermoͤnchen lag, und alsdenn erſt anfing, Wiſſen-
ſchaften zu erlernen, und zum Predigtamte ſich zuzubereiten. Als
nun dieſer muntre Alte ſich hierzu tuͤchtig merkte, zog er mit an-
dern frommen Maͤnnern nach Liefland, wo er als Abt des Klo-
fſters
[]Des Herrn Hofrath Grubers Zueignungsſchrift
ſters Duͤnemuͤnde ſo groſſen Fleiß auf die Bekehrung der Liven
und Semgallen anwandte, daß man ihn wuͤrdigte, zum erſten
Biſchof von Semgallen zu machen, dazu er von ſeinem Sohne,
dem Biſchof von Utrecht, eingeweihet ward. Es ſcheinet, daß
des Leo Prinzen, was ſie vor ſich durch das widrige Geſchicke
ihres Vaters auszurichten verhindert worden, durch ihre Schwe-
ſter Gertrud zu Stande gebracht, ſo an den juͤngern Canutus,
Koͤnig von Daͤnnemark, vermaͤhlet geweſen. Denn ihr, glau-
be ich, muß der Ruhm beygemeſſen werden, daß der Daͤniſche
Hof den dritten Biſchof von Liefland mit ſeiner Macht dergeſtalt
unterſtuͤtzet, daß ſelbiger ſeine erſte Reiſe nach Liefland mit einer
Flotte von drey und zwanzig Segeln verrichten konte. Welches
ich alles zu dem Ende erwehne, damit man ſehe, wie viel Muͤhe
ſich des Leo Familie, Miniſter, Freunde und Clienten gegeben,
damit Liefland, ſo vorher abgoͤttiſch und theils ein freyes Land,
theils Rußiſch war, Deutſch wuͤrde und zugleich Chriſtlich.
Wie diß alles zugegangen, wie die Maͤnner, die ſichs in die-
ſer Kriegesſchule ſauer laſſen werden, geheiſſen; welches Amt ſie
bekleidet; welche Staͤdte damals erbauet, welche Schloͤſſer er-
obert, welche Laͤnder eingenommen, welche Gerichte angeordnet
worden, und dergleichen tauſend andere Dinge, die in Errich-
tung einer neuen Republik, und in Fortpflanzung der chriſtlichen
Religion muſten veranſtaltet werden; ja wie grauſam man ge-
gen dieſe armen Leute mit Feuer und Schwerdt verfahren, da-
von man den groͤſten Theil noch nicht wuſte: dieſe Stuͤcke ins-
geſamt berichtet ein Lieflaͤnder, der bey allem zugegen geweſen,
zwar in ſchlechter und nach ſeiner Zeit ſchmeckender Schreibart;
aber ſo aufrichtig, ſo deutlich, ſo umſtaͤndlich, daß in den An-
fangsgruͤnden des geiſtlichen und weltlichen Lieflandes, weil mei-
nes Wiſſens nicht viel Republiken ſolch Gluͤck haben, wenig iſt,
was jemand mit Fug daran vermiſſen und ausſetzen koͤnte.
Und dieſes Werk eines Auslaͤnders, ſo die Welt bisher nicht
geſehen, errette ich aus einer Gefangenſchaft von mehr als fuͤnf-
hundert Jahren, und laſſe es unter Ew. Koͤniglichen Majeſtaͤt
Regirung, durch meine Umſorge und Fleiß, in etwas verbeſſert
ans Licht treten. Jch weiß ganz gut, meine Kraͤfte zu beur-
theilen, und was groſſen Monarchen uͤberreichet zu werden an-
ſtaͤndig iſt. Jn Erwegung deſſen muͤſte ich beſorgt ſeyn, wenn
mit einem Fuͤrſten zu thun haͤtte, der ungelehrt, unwiſſend, und
von dieſen unſern Wiſſenſchaften abgeneigt waͤre, und der ſich
auf keine andere Vorzuͤge ſteifete, als welche ein hoher Stand
zu ertheilen pfleget. Wie viele Eigenſchaften und Gemuͤthsga-
ben aber beſitzen Ew. Koͤnigliche Majeſtaͤt nicht, ſo Die-
ſelben weder der hohen Geburt noch dem Gluͤck zu danken ha-
ben,
[]an den Koͤnig von England.
ben, ſondern ſich ſelbſt durch eigenes Vermoͤgen des Verſtan-
des, durch die anhaltende Bildung Dero von Natur erhabenen
Geiſtes nach dem, was rechtmaͤßig erhaben iſt, durch Leſung
guter Buͤcher und Werke von allerley Art zu wege gebracht,
ſelbſt mitten unter den vielfaͤltigen Reichsſorgen, die mit Be-
herrſchung ſo vieler Voͤlker im Krieg und Frieden verknuͤpfet ſind.
Jch habe es aus dem Munde eines Mannes, der einer von De-
roſelben Hofmeiſtern geweſen, daß Ew. Koͤnigliche Majeſtaͤt
ſchon in jugendlichen Jahren ſo der Arbeit gewohnt, und der Ge-
rechtigkeit und Billigkeit ergeben geweſen, daß Dieſelben die oͤf-
fentlichen Vertraͤge der neueſten Zeitlaͤufte mit ſelbſteigener Be-
muͤhung in einen Auszug gebracht, und ſie ins Gedaͤchtniß ge-
faſt, damit Ew. Koͤnigliche Majeſtaͤt bey Deroſelben Er-
hebung auf den Thron, auf welchem wir Sie herrſchen ſehen, ge-
nau wuͤſten, wie viel Dieſelben jedem ſich verpflichten, und was
Sie von jedem hinwieder mit Recht zu fordern haben. Was
iſts alſo Wunder, wenn auſſer andern Wiſſenſchaften dieſe Nach-
richt des Alterthums, das Licht der Zeiten, die Schule guter
Exempel und die Mutter der Staatsklugheit, die Hiſtorie nem-
lich, Dero Vergnuͤgen geworden? Und hier gruͤnde mich nicht
auf das Zeugniß anderer; ſondern auf die untruͤgliche Empfin-
dung meiner eigenen Ohren und Augen. So oft Ew. Koͤ-
nigliche Majeſtaͤt dieſen Jhren meiner Aufſicht anvertrauten
Buͤcherſchatz in hohen Augenſchein nehmen, und mich Dero Un-
terredung wuͤrdigen; das geſchicht aber allezeit, wenn Dieſelben
aus Dero Koͤnigreich in dieſe Stadt kommen: ſo fragen Dieſel-
ben nach unſerm neuen hiſtoriſchen Vorrath, ſehen die wichtigſten
Werke mit begierigen Blicken uͤber, urtheilen davon, leſen die
Handſchriften, auch die alleraͤlteſten, mit groſſer Fertigkeit, wiſ-
ſen den Jnhalt unſerer vorraͤthigen Urkunden eher, als ſie vorge-
holet werden, und fuͤhren uͤber die noch vorhandenen Nachrichten
von Hochdero Vorfahren ſo gelehrte Unterredungen, daß wir,
die wir bey ſolchen Papieren blas und bleich werden, nicht beſſe-
re fuͤhren koͤnnen.
Das ruͤhme ich nicht in der Abſicht, als gedaͤchte ich nur
durch dieſe einigen Stuͤcke das ganze Bild Dero Tugenden vol-
kommen zu entwerfen. Es waͤren weit mehr Dinge zu erweh-
nen, die ſowol die Regirungskunſt, als Kriegeswiſſenſchaft, ſo
Denenſelben ruͤhmlichſt eigen iſt, betreffen, und darunter die
Schlacht bey Oudenarde, welche zuerſt Dero Britanniern ge-
wieſen, wer Dieſelben einmal ſeyn wuͤrden, wenn Ew. Koͤnig-
liche Majeſtaͤt ganz mit Dero Farben allen abzuſchildern ich
mich unterfangen haͤtte. Vor allen andern verdiente Ew. Koͤ-
f 2niglichen
[]Des Hrn. Hofr. Grubers Zueignungsſchr. an den Koͤnig von England.
niglichen Majeſtaͤt ungemein vaͤterliche Huld gegen Dero groͤſ-
ſeres Vaterland mit einem lebhaften Pinſel gemahlet zu werden,
die Denenſelben mit Ausgang dieſes Fruͤhjahres Fluͤgel gemacht,
um zur Erquick[u]ng der Unterthanen, welche die Strenge des vori-
gen Winters hart mitgenommen, zu rechter Zeit hinzueilen: wo-
bey Ew. Koͤnigliche Majeſtaͤt dieſen Vortheil von Dero al-
lerhoͤchſten Gegenwart und Mildthaͤtigkeit genoſſen, daß das aus
allen Provinzen und Oertern haufenweiſe herbey gelaufene Volk
Dieſelben nicht als ihren uͤber die See angekommenen Landes-
herrn, ſondern als einen Landesvater anſahe, den ihnen der Him-
mel zugeſandt, und ſich kaum halten konte, daß nicht faſt jeder De-
nenſelben, wie ehedem ein dankbares Roͤmiſches Volk einer ihm be-
ſonders huͤlfreichen Gottheit, Sitz und Stelle in einem Tempel zu-
rechte machte. Jch wuͤrde mir zu viel heraus nehmen und uner-
traͤglich fallen, wenn, Allerdurchlauchtigſter Koͤnig, ich
dieſe groſſen und vortreflichen Vorzuͤge nach Ew. Koͤniglichen
Majeſtaͤt Verdienſten hier erzaͤhlen wolte. Sie werden aber
bey den nunmehro lebenden im Andenken bleiben, man wird ſie
unſern Kindern und Kindeskindern berichten; ſie werden durch Er-
zaͤhlungen ausgebreitet, in die Geſchichtsbuͤcher verzeichnet, und,
wie ich hoffe, verewiget werden. Nun ſolte ich Rechenſchaft ge-
ben von der Dreiſtigkeit, mit der dieſes Werk Ew. Koͤnigli-
chen Majeſtaͤt allerhoͤchſtem Namen zuzuſchreiben mich unter-
wunden. Da Dieſelben an neuen Buͤchern, durch welche das
Reich unſerer Hiſtorie erweitert wird, allergnaͤdigſtes Belieben
zu finden geruhen: ſo wird auch dieſe mir in hoͤchſten Gnaden zu
gute gehalten werden, welches unfehlbar verſichert iſt
Allerdurchlauchtigſter
Großmaͤchtigſter Koͤnig,
Ew. Koͤnigl. Majeſtaͤt
allerdemuͤthigſter und allerunterthaͤnigſter
Knecht,
Johann Daniel Gruber.
[]
Vorrede
des Herrn Hofrath Grubers.
Da ich die Schriften der alten Zeit hier und da aufſucheSeltenheit
dieſer Chro-
nik.
und zuſammen leſe, die etwa zu unſerer Geſchichte
dienen, und den ehemaligen Zuſtand des alten Nie-
derſachſens erlaͤutern koͤnten: ſo gerathen mir manch-
mal einige in die Haͤnde, davon ich nicht allein, ſondern andere mehr, nicht
wuſten, daß ſie einmal in der Welt waͤren. Von dieſer Art iſt auch
gegenwaͤrtige alte Chronik von Liefland, die kein Scribent diſſeits der See
jemals geſehen, und die gewiß von keinem angefuͤhret worden: man muͤſte
denn glauben, ſie ſtaͤcke unter dem Titel eines Buͤchleins von der chriſt-
lichen Religion in Liefland verborgen, von welchem der ſehr gelehrte
Herr Bernhard von Montfaucon*) bezeuget, daß es aus der Bibliothek
des Alexander Petavius in die Vaticaniſche geſchaffet worden. Denn
was der juͤngere Schurzfleiſch von dem Orden der Schwerdtbruͤder
beylaͤufig ſaget, daß alle ſich auf eine alte Lieflaͤndiſche Chronik beru-
fen; das gehet nicht auf unſere, ſondern entweder auf Balthaſar Ruſ-
ſovs Chronik, welche unter allen von Liefland gedruckten Chroniken die
erſte und aͤlteſte iſt; oder iſt bloß von dem neueſten Verfaſſer der Lieflaͤn-
diſchen Hiſtorie, Chriſtian Kelchen, zu verſtehen. Denn dieſer allein
erwehnet im Anfang ſeines Werks nur obenhin der geſchriebenen Lieflaͤn-
diſchen Chroniken, und fuͤhret aus ſelbigen die Namen derer Liven, wel-
gche
[]Vorrede des Herrn Hofrath Grubers.
che die erſten Taͤuflinge geweſen, richtig an, ſchreibet ſie auch recht
Doch deswegen kan mich noch nicht uͤberreden zu glauben, daß er unſere
Chronik gehabt, weil es ein Unverſtand geweſen, das Anſehen dieſes als ei-
nes zu gleicher Zeit lebenden Geſchichtſchreibers, dem Ruſſov nachzuſetzen,
und nach verlaſſener Quelle aus einer unreinen Pfuͤtze zu ſchoͤpfen*).
Vortreflich-
keit.
Jch nenne aber nicht unbillig ein ſolch Buch eine Quelle, deſſen Ver-
fertiger ausſaget, daß er bey den Begebenheiten, die er erzaͤhlet, zugegen
geweſen, und ſie alle entweder geſehen, oder von andern, die es geſehen,
gehoͤret habe. Er erzaͤhlet nemlich, wie und wenn die Sachſen zuerſt
nach Liefland gekommen; wie das heidniſche Liefland ausgeſehen; wer
die geweſen, welche das wilde Volk entweder durch die Waffen gebaͤndi-
get, oder mit Vorhaltung der Belohnung des ewigen Lebens zur Menſch-
lichkeit und zum Chriſtenthum, theils mit Gewalt, theils durch Lehre und
Unterricht gebracht; was es mit der Stiftung der Ritterſchaft Chriſti vor
eine Bewandniß gehabt; wie ſchwach der Anfang des Schwerdtbruͤder-
ordens geweſen; was vor Staͤdte damals erbauet; welche Schloͤſſer, und
auf was Art ſie erobert; welche Schlachten gehalten; wie eine Nation,
die auſſer dem Hausſtande von den uͤbrigen Vortheilen des geſelſchaftli-
chen Lebens nichts gewuſt, ihre erſte Obrigkeit und Anordnung der Ge-
richte von den Geiſtlichen erhalten, uud zu einer foͤrmlichen und ordent-
lichen Republik geworden. Dieſes alles, obſchon es mit wenig Worten
und ungeſchminkt vorgetragen wird, iſt um deſto anmuthiger und nuͤtzli-
cher zu leſen, je rarer die Gruͤndung der Republiken, ihrer geiſtlichen
und weltlichen Einrichtnng nach, aufgezeichnet worden, oder je haͤufiger
ſolche Nachrichten wieder verloren gegangen.
ſung von
dem Auctor,
der ein Ein-
laͤnder iſt.
Fraͤgt man nach dem Verfaſſer; ſo kan ich nichts gewiſſes angeben,
weil er nach der Mode ſeiner Zeit ſeinen Namen nicht heraus ſagen wollen:
indem er mehr auf die Ehre der groſſen Maͤnner, die Liefland bezwungen
und zum Chriſtenthum gebracht, als auf ſeinen Selbſtruhm geſehen.
Doch daß er ein Pfaffe und den Biſchoͤfen guͤnſtiger als den Rittern, inſon-
derheit aber ſeinem Albert ungemein zugethan geweſen; laͤſt ſich auch dar-
aus abnehmen, daß er die Geſchichte in Liefland, nicht nach den Jahren
nach CHriſti Geburt, welches doch in Verfertigung der Chroniken die al-
leruͤblichſte und bequemſte Art iſt, ſondern nach den Jahren des Bi-
ſchof Alberts, eintheilet. Allein mich deucht, ich finde an dieſem Chronik-
ſchreiber nicht einen Mann von hoher Wuͤrde; ſondern nur einen geringen
und
[]Vorrede des Herrn Hofrath Grubers.
und niedrigen Moͤnch; weil er nichts von den geheimen Rathſchlaͤgen, wo-
zu er nicht gezogen worden zu ſeyn ſcheinet, ſondern nur das erzaͤhlet, was
in die Sinne faͤlt, und was das oͤffentliche Geruͤchte am Hofe des Biſchofs
ausgebracht. Jch finde keinen andern, auf wen ſich das mit dem folgen-
den, ſo ich noch ſagen wil, paſſe, als auf denjenigen Heinrich, einen Let-
ten, des Biſchofs Scholaren, der in den geiſtlichen Stand erhoben wor-
den, und deſſen erſt beym Jahre 1211 n. 3 Erwehnung geſchiehet. Ei-
nen Letten, ſage ich, weil er beym Jahr 1211 n. 3 ausdruͤcklich Heinrich
von Lettland, und des Ratzeburgiſchen Biſchof Philipps Prieſter und
Dolmetſcher genant wird. Die Biſchoͤfe aber, welche in Liefland herum
reiſeten, hatten die Gewohnheit, daß ſie von den Barbaren, wann ſie um
gut Wetter und um Friede baten, ihre jungen Burſche zum Unterpfande
der Treue begehrten und auch erhielten: dieſe ſchickten ſie nach Sachſen,
vertheilten ſie in die Kloͤſter, und lieſſen ſie nicht allein im chriſtlichen
Glauben, ſondern auch in den niedern und hoͤhern Wiſſenſchaften, nach der
Faͤhigkeit daſiger Zeiten, unterweiſen. Wenn nun dieſe in der Gottes-
gelehrſamkeit und den freyen Kuͤnſten etwas begriffen, ſo holten ſie ſelbige
wieder in ihr Vaterland, und brauchten ſie theils zu Dolmetſchern, wenn
ſie eine Predigt oder Kirchenverſamlung der Liven hielten, theils ertheil-
ten ſie ihnen den geiſtlichen Stand, und machten ſie bey denen Gemeinen,
die zu Lande ſchon fuͤr den Heiland geſamlet waren, oder noch geſamlet
werden ſolten, zu Predigern. Dieſen Rath gab auch Chriſtian, der er-
ſte Biſchof von Preuſſen, welcher an den Pabſt ſchrieb: „Er ſey entſchloſ-
„ſen, wenn nur das Vermoͤgen dazu da waͤre, Schulen fuͤr die Preuſ-
„ſiſchen Bauerjungen anzulegen, die zur Bekehrung dieſer Nation erbauli-
„cher predigen lernen, und das Evangelium von unſerm Herrn JEſu Chri-
„ſto verkuͤndigen ſolten, als die Auslaͤnder*).„ Aus der Zahl ſolcher Bur-
ſche war auch der Lette, Heinrich, der den angenehmen Namen eines
Scholaren des Biſchofs hatte, weil er auf Koſten des Biſchofs unter-
richtet, und durch deſſen Vorſorge zu den Wiſſenſchaften und der Theolo-
gie angefuͤhret worden. Der Verdacht iſt ſtark, daß dieſer davon Auctor
ſey, weil vom Heinrich dem Letten nicht nur vieles erzaͤhlet wird; ſon-
dern auch einiges, was auſſer ihm niemand wiſſen konte. Wir haben
ſchon geſehen, wie er als Dolmetſcher dem Ratzeburgiſchen Philipp ſtets
an der Seite geweſen. Da nun von der gefaͤhrlichen Reiſe dieſes Phi-
lipps nach Deutſchland, von ſeinem Austreten auf Gothland; von der
Krankheit und dem Tode dieſes Mannes in der Fremde beym Jahr 1214
und 1215 ſo viel vorgebracht wird, und zwar in der Perſon eines Schrei-
bers: ſo hat es von keinem andern als einem Reiſegefaͤhrten aufgezeich-
net werden koͤnnen. Was hierauf beym Jahre 1219 von einem Letti-
ſchen Prieſter weitlaͤuftig erzaͤhlet wird, der nach Wirland gegangen,
aber um den Streit uͤber die Landesherrſchaft ſich wenig bekuͤmmert, ſon-
g 2dern
[]Vorrede des Herrn Hofrath Grubers.
dern mit ſeinem Gehuͤlfen das ganze Land durchgezogen, ſein Amt fleißig
abgewartet, und Haus und alles durch eine von den einfallenden Eſthen
verurſachte Feuersbrunſt eingebuͤſſet, wer anders wuͤrde wol ſichs der Muͤ-
he zu verlohnen geglaubet haben, dis mit ſo vielen Worten zu melden, als
eben dieſer Heinrich? denn es iſt kaum moͤglich, daß in Beſchreibung ſol-
cher Dinge, daran der Verfaſſer einigen Antheil hat, nicht gleich ohnge-
faͤhr zu ſehen ſeyn ſolte, was er fuͤr ſeine Perſon gethan und auch gelitten
habe.
bung des
Manuſcripts
auf Papier,
und der Be-
wegungs-
grund, ſelbi-
ges in Druck
zu geben.
Jch habe ein Manuſcript bekommen, das weder das beſte noch das
ſchlechteſte iſt. Es iſt auf Papier in Folio, und wenn mich das Ausſehen
nicht truͤget, vor 250 Jahren geſchrieben, von einem Menſchen, der al-
lem Anſehen nach mehr auf die Zuͤge der Buchſtaben, als auf die Erzaͤh-
lung der Sachen geſehen, und das daher nicht frey von Fehlern iſt. Die
denen Blaͤttern wiederfahrne Beſchaͤdigung zeiget, daß es als eine Lieflaͤn-
diſche Beute aus der Hand eines pluͤndernden Soldaten gerettet ſey, der
ſich auf den Werth ſeines Schatzes nicht recht verſtanden. Denn der Heft,
wo die vier Bogen ausgeriſſen ſind, ſo die Geſchichte des 1220ſten Jahres
in ſich halten, zeiget die Spuren der auf ihn getretenen Fuͤſſe und des Pul-
vers ganz offenbar. Als ichs unter mehreren andern von geringerm Wer-
the, die man vorigen Sommer oͤffentlich zum Verkauf anbot, fand, und
mit begierigen Augen durchblaͤtterte; ſo wurde ich gleich gewahr, daß der
Anfang von der Kirche und Republik in Liefland nicht allein volſtaͤndiger,
ſondern auch ganz anders hier erzaͤhlet werde, als gewoͤhnlich geſchiehet,
und erkante es vor wuͤrdig, daß mans oͤffentlich leſe, und es in die Haͤnde
aller derer kaͤme, welche wiſſen, daß der Hauptnutzen der Hiſtorie in Er-
kentniß des Anfangs der heutigen Dinge, und in Herleitung der Urſachen
der gegenwaͤrtigen aus den vergangenen beſtehe: die man durch keine Kraft
der Vernunft, noch durch die Bemuͤhung eines noch ſo ſehr angeſtrengten
Gemuͤths erreichen kan. Dis eben machts, daß denen, ſo groſſer Herren
Sachen unter den Haͤnden haben, und ſie wiſſen wollen, die Leſung
ſchlechter Lateiniſcher Scribenten nuͤtzlicher iſt, wenn ſie uns unſern An-
fang zeigen, als das Leſen der Roͤmiſchen und Griechiſchen: ohnerachtet ſie
durch ihre Zierlichkeit der Rede, durch die Vortreflichkeit der Urtheile,
und durch Mannigfaltigkeit und Wichtigkeit der Erzaͤhlungen den Leſer un-
gemein vergnuͤgen und erbauen; ſo tragen ſie doch nichts bey zur Kentniß
der Reiche und Staaten, die nach Untergang der Roͤmiſchen Monarchie
hie und da empor gekommen und noch in ihrer Bluͤte ſtehen.
bey dieſer
Ausgabe ge-
leiſtet und
nicht gelei-
ſtet.
Damit aber dieſes Buch nicht roh und unausgearbeitet ans Licht tre-
ten moͤchte, weil es bloß mit den Jahren des Biſchof Alberts bezeichnet
war; ſo habe ich die Begebenheiten jedes Jahrs in beſondere am Rande
mit Numern bedeutete Abſchnitte eingetheilet, und den Jnhalt derſelben
in gewiſſen kurzen Saͤtzen jedem Jahre vorgeſetzet. Fuͤrs andere, da ich
vieles
[]Vorrede des Herrn Hofrath Grubers.
vieles dunkele angetroffen, habe einen Verſuch mit einigen Anmerkungen
gemacht, obsgleich wider den Gebrauch derer laͤuft, die noch nicht gedruck-
te Schriften ans Licht bringen. Denn weil dieſes mehrentheils bey Aus-
gabe groͤſſerer Werke zu geſchehen pfleget; ſo wuͤrde das Zuſammentragen
der Anmerkungen mehr Zeit wegnehmen, als Leute von Geſchaͤften darauf
verwenden koͤnnen. Doch habe ich darin auch meine Vorgaͤnger. Jch
hatte Bangerten, Gelen, Hartknochen vor Augen. Dieſen Anfuͤhrern
bin ich nachgegangen; ich folge ihnen aber nur von ferne. Jch weiß es wohl,
ein guter Ausleger und Herausgeber muß unterſchiedene Manuſcripte gegen
einander halten; er muß allenthalben die wahre und urſpruͤngliche Leſeart
eines jeden Scribenten aufſuchen und wieder herſtellen; er muß denen nicht
uͤberal deutlichen Stellen ihr hinreichend Licht geben; er muß endlich nach
den Geſchichten derſelben Zeit und der benachbarten Voͤlker die Auſſage des
Verfaſſers pruͤfen: und wiederum aus der Ausſage des Verfaſſers andere
Geſchichtſchreiber entweder widerlegen, oder vereinigen, oder erlaͤutern.
Das erſte Stuͤck meines Amts konte ich nicht erfuͤllen: denn ich hatte kein
ander Manuſcript als dieſes einzige, und weiß auch nirgends eins zu finden,
weil es von keinem Scribenten wo angezeiget worden. Hierinne habe ich
mit Hartknochen gleiches Schickſal, der ebenfals nicht mehr als ein Duis-
burgiſches Manuſcript zur Hand hatte, und das zumal nicht alt genung
war, als er ſich an die Herausgebung der Preußiſchen Chronik machte.
Aber ihm kamen doch noch einige Deutſche Ueberſetzungen ſeiner Chronik
zu ſtatten. Jch muß auch dieſer Beyhuͤlfe entbehren und in der Finſterniß
tappen. Daher komts, daß ich eine ganz volſtaͤndige und richtige Ausgabe
nicht verſprechen kan. Denn obs gleich handgreiflich iſt, daß der Abſchrei-
ber an einigen Orten von der Urſchrift abgewichen; ſo habe doch lieber in
den unten geſetzten Anmerkungen anzeigen was ich meine, als aͤndern wol-
len, was ich geſchrieben gefunden. Dieſer Bedenklichkeit habe ich faſt auf
eine aberglaͤubiſche Art nachgehangen. Denn obgleich, zum Exempel, Wen-
deculle, Memeculle, Jmmecuͤlle, einerley Ort zu bedeuten ſcheinen; ſo
habe doch deſſen unterſchiedene Schreibarten und Weiſe nothwendig beybe-
halten, weil es mir nicht zukomt zu errathen, welches der rechte Name des
Orts, und die eigentliche Leſeart ſey. Das andere Stuͤck, deucht mir,
habe nach Moͤglichkeit in Erfuͤllung gebracht, wenn die Leſeart, nach der
mich unumgaͤnglich richten muͤſſen, nicht manchmal falſch iſt. Doch aber
auch hier muſte etliches dann und wann mehr beruͤhren als gruͤndlich aus-
machen. Die Probe mag man an Neronia haben, in der der Biſchof Phi-
lipp von Ratzeburg geſtorben und begraben ſeyn ſol. Hingegen habe manch-
mal fremde Woͤrter erklaͤret, die unſer Auctor hier und da mit einſtreuet,
auch viele Eſthniſche. Hierinne hat mir das Eſthniſche Woͤrterbuch und
die an die Eſthniſche Grammatik angehaͤngte Eſthniſche Beſchreibung der
Oerter gute Dienſte gethan, die ein Ungenanter verfertiget und Eberhard
Gutsleff, Prediger zu Revel in Eſthland*), in Druck gegeben. Wenn von
hLief-
[]Vorrede des Herrn Hofrath Grubers.
Lief- und Lettland was dergleichen vorhanden, ſo ſolte ich deſſen Gebrauch
nicht beyſeite geſetzet haben. Nun muß man Geduld tragen, bis die Herrn
Rigiſchen ſich durch das Beyſpiel der Revelſchen ermuntern, und eine
gleiche Kentniß ihrer Sprache und ihres Landes ans Licht treten laſſen. Das
dritte Stuͤck hat mir hauptſaͤchlich zu thun gemacht. Denn unter dem Leſen
fielen mir viele gleiche Faͤlle ein, die ich anderwerts geleſen; die ich genau
aufgezeichnet, und daraus gleichſam dieſe Abhandlung entſtanden iſt, wel-
che nicht allein zur Erlaͤuterung der Saͤchſiſchen, ſondern auch der Rußi-
ſchen, Schwediſchen und Daͤniſchen Hiſtorie etwas wird beytragen koͤn-
nen. Und zwar haben jene drey groſſen Herren, die einer nach dem andern
denen Prinzen Heinrichs des Loͤwen ihr vaͤterlich Erbe uͤber der Elbe ent-
riſſen, mir Gelegenheit gegeben, demjenigen Theil von der Saͤchſiſchen Ge-
ſchichte ein neues Licht mitzutheilen, der noch nicht gnug aufgeklaͤret gewe-
ſen. Jch habe mich der Zeugniſſe ſolcher Scribenten bedienet, die ſo wol in
Abſicht der Zeit als der Gegenden nahe waren. Unter dieſen ſtehet Arnold
von Luͤbek oben an. Hierauf folgen Albert von Stade; Gottfried von
Coͤln; Alberich, ein Moͤnch des Kloſters des trois fontaines;Caͤſarius von
Heiſterbach; Peter von Duisburg, und wer ſie ſonſt aus ſelbiger Zeit
ſeyn: dabey ich denn zugleich gedruckte und ungedruckte Urkunden zu Huͤlfe
genommen, als welche der Kern und das Mark der ganzen Geſchichte ſind.
Die Daͤniſchen und Schwediſchen Geſchichte werden mehr Licht von un-
ſerm Chronikſchreiber uͤberkommen, als ihre Scribenten dem unſern erthei-
len, indem ſie dieſe Zeit gar nicht als nur im Vorbeygehen beruͤhren.
die Scriben-
ten von
Rußland
mitlerer Zeit
moͤchten in
Druck kom-
men.
Des Abts Theodoſius Chronik von Kiow, und aus dem 13ten
Jahrhundert die Chronik eines ungewiſſen Verfaſſers, davon uns der be-
ruͤhmte Herr Muͤller in der Samlung der Rußiſchen Geſchichte einige
Blumen gepfluͤckt, wuͤrden uns zur groſſen Beyhuͤlfe dienen, wenn ſie im
Druck laͤgen, und wuͤrden bey weitem das nuͤchterne Werk uͤbertreffen,
welches unter dem Titel der Moſcoviſchen Scribenten herumgetragen
wird. Denn in dieſem werden nur die Kriege ſeit 200 Jahren; in jenem
die Begebenheiten der erſten Herzoge und kleinen Koͤnige, wie auch die an-
ſehnlichſten Striche Landes von ihrem erſten Urſprung her beſchrieben, an
welchem zu wiſſen mehr gelegen iſt, als wenn man die genaueſte Kunde
von den neuern Kriegen haͤtte. Sie wuͤrden auch Auslaͤndern nicht unan-
genehm fallen, weil ſie in Lateiniſcher Sprache abgefaſſet ſeyn. Wir ma-
chen uns Hofnung, die Akademie der Wiſſenſchaften zu Petersburg, die
wir unter andern Uebungen groſſer Geiſter auch mit der Landesbeſchreibung
dieſes groſſen Reichs beſchaͤftiget ſehen, werde auch ſich zur Rußiſchen Ge-
ſchichte mitlerer Zeiten wenden, welche von der Landeskentniß kaum getren-
net werden kan, und werde fortfahren, durch Herausgebung ſolcher Chro-
niken ſich um allerhand unbekante Sachen verdient zu machen.
Uebrigens muß ich was von dem Vorrath meiner Urkunden ſagen.
Die
[]Vorrede des Herrn Hofrath Grubers.
Die Nothwendigkeit der Sache ſelbſt und deren Nutzen hat mir die Sam-Zu was
Ende die Ur-
kunden an-
gehaͤnget
worden.
lung derſelben angerathen. Der Noth halben muſten die hauptſaͤchlichſten
Erzaͤhlungen von dem Anfange Lieflands beygebracht werden, damit
man erſehe, worinne das bisher erzaͤhlte abgehe, und worinne es mit un-
ſerm Chronikſchreiber uͤbereinſtimmig ſey. Dergleichen haben wir drey.
Die erſte, des Arnolds von Luͤbek ſeine, iſt wahr, die aber von den
Lieflaͤndiſchen Scribenten wenig nachgeſchlagen worden. Die andere, ſo
dem Chronikon des Deutſchen Ritterordens einverleibet worden, wel-
ches im Manuſcript lange vorher herum ging, ehe Antonius Matthaͤi es
drucken ließ, hat viele Unrichtigkeiten. Weil aber Ruſſov dieſer einzig in
alten Dingen gefolget iſt, gleichwie die folgenden wieder Ruſſoven; ſo
muſte ich die Quelle oͤfnen, woraus alle getrunken haben, und wenn man
dieſe gekoſtet, ſo kan man, was den kurzen Umfang dieſer Zeit betrift, des
Nachſuchens der kleinern Baͤche uͤberhoben ſeyn. Denn in neuern Sa-
chen mag ich weder Ruſſovs, noch eines andern Scribenten von Lief-
land Ruhme was abkuͤrzen. Die dritte zeiget, daß ſelbſt im Oliviſchen
Frieden, wo man doch hauptſaͤchlich von Liefland handelte, der Anfang
der Bekehrung von Liefland nicht deutlich genung ſey bekant geweſen. Jch
mag nicht eigentlich unterſuchen, was man den damals vorgelegten Urkun-
den vor Glauben ſchuldig ſey, ob ich gleich nicht begreife, wie Anno 1224
hat koͤnnen verſtattet werden die Stadt Riga anzulegen, die ſchon im An-
fang deſſelben Jahrhunderts war erbauet worden*). Die uͤbrigen folgen-
den Jnſtrumente geben den Beweiß her, was in den Noten geſagt wor-
den, und gehen bis auf den Anfang des Erzbisthums von Riga. Hierbey
war unſere Abſicht, daß keine Beweißſchrift ausgelaſſen wuͤrde, die zu dem
Urſprung der Kirchenverfaſſung in Liefland zu rechnen, die wir wenigſtens
in unſerer Gewalt haben, oder die zu unſerer Kundſchaft gelanget, und daß
der Leſer in Liefland, dem vielleicht die Buͤcher nicht zur Hand ſind, eine
Lieflaͤndiſche Bibliothek habe, die richtig erklaͤre, wie Liefland al-
maͤlig Chriſtlich und Saͤchſiſch geworden, und wie und wenn das Rigi-
ſche Bisthum zum Erzbisthum erhaben ſey. Dieſe gleichſam aus dem
Schifbruch geretteten Ueberbleibſel legen wir zum theil aus gedruckten,
zum theil geſchriebenen Buͤchern vor Augen, weil von ſelbigen in Liefland
nichts mehr befindlich ſeyn ſol; indem das Archiv der Rigiſchen Biſchoͤfe
ſchon lange bey Eroberung des Schloſſes Kokenhuſen verbrant, und die
uͤbrigen alten Urkunden, bey einem durch viele hundert Jahre anhaltenden
Kriege, hier und da von den Flammen verzehret worden**).
Anfaͤnglich ſtund ich bey mir an, was ich vor einen Titel vor das BuchUrſachen
des Titels.
ſetzen ſolte. Der Verfaſſer ſelbſt nent es eine Hiſtorie. Der Ab-
ſchreiber hat es lieber die alte Lieflaͤndiſche Chronik tituliren wollen.
h 2Weil
[]Vorrede des Herrn Hofrath Grubers.
Weil es aber ſolchergeſtalt gegen die Abſichten des Scribenten ſeinen Na-
men haͤtte, und doch auch keine rechte Hiſtorie iſt: ſo habe mich nach
dem Jnhalt gerichtet, und ihm den Titel Origines Liuoniœ ſacræ et ciuilis
endlich geben wollen; doch daß ich beyde Benennungen, ſowol einer Hi-
ſtorie als Chronik, beybehalten. Und ich meinte, an eines andern Man-
nes Werk lieſſe ſichs ohne Charlatanerie thun, je mehr ichs in meinem
eigenen bleiben gelaſſen haͤtte. Denn wenn ſonſten Buͤcher die praͤchtige
Aufſchrift Origines fuͤhren, nach deren Leſung wir vergewiſſert werden,
daß der Verfaſſer den verſpochenen Urſprung ſelbſt nicht wiſſe, warum ſol-
te der Name Origines ſich nicht zu einem ſolchen Werke ſchicken, das offen-
bar den Anfang erzaͤhlet, obgleich es von ſeinem Verfaſſer mit der Ueber-
ſchrift Origines nicht geſchmuͤcket worden.
Aufnahme
der Drucke-
reyen.
Eine Sache iſt mir nicht lieb. Weil ich ſelbſt bey dem Druck nicht
zugegen ſeyn koͤnnen; ſo ſind einige Druckfehler mit eingeſchlichen, ſon-
derlich in die Ziffern, die ein aufmerkſamer Leſer deſto leichter beſſern
wird, je groͤber ſie ſind. Es ſollen 300 Jahr ſeit Erfindung der Buch-
druckerkunſt verlaufen ſeyn; obgleich Trithemius, der aus eigenmuͤndi-
gem Bericht des erſten Buchdruckers ihren Anfang aufgezeichnet, 10 Jahr
weniger rechnet*). Es waͤre ein gar ſchoͤnes und laͤnger als Erz dauer-
haftes Denkmal dieſer 300jaͤhrigen Jubelfreude, wenn auf Verordnung
der Buchdruckerinnung, oder beſſer der Obrigkeit, verboten wuͤrde, daß
kein Junge kuͤnftig mehr aufgedungen werden ſolte, der auſſer ſeiner
Mutterſprache nicht wenigſtens Lateiniſch gelernet haͤtte. Durch dieſe
Einrichtung wuͤrden die Herren Buchdrucker ſowol ihren Vortheil haben,
als auch die Herausgeber der Buͤcher eines groſſen Verdruſſes uͤberheben.
Nun muͤſſen wir mit dieſem zufrieden ſeyn, ſo gut als es hat ſeyn koͤnnen.
Geſchrieben zu Hannover, den 23 Jun. 1740.
Alte
Alte
Lieflaͤndiſche Chronik,
welche
die Geſchichte
der
drey erſten Biſchoͤfe
enthaͤlt.
[[2]][[3]]
Geſchichte
des erſten Biſchofs, Meinhards,
von 1184 bis 1196.
§. 1.
Die Vorſehung GOttes, ſo an Rahab und an Babylon,1184
das heiſt, an das verwirte Heidenthum dachte, hat die ab-
goͤttiſchen Liven in unſern jetzigen Tagen aus dem Schlaf
der Abgoͤtterey und der Suͤnde ſolchergeſtalt durch das
Feuer ihrer Liebe aufgewecket.
§. 2.
Es lebte ein Mann von einem unſtraͤflichen Wandel, ein ehrwuͤrdiger Greisa)
und Prieſter aus dem Orden des heiligen Auguſtinus in dem Kloſter Sige-
bergb). Dieſer kam blos um Chriſti willen, und nur Predigens halber mit ei-
ner Geſelſchaft von Kaufleuten nach Lieflandc). Denn es pflegten die deut-
ſchend) Kaufleute, die kurz vorher mit den Liven Bekantſchaft gemacht hatten,
auf der Duͤne oft nach Liefland zu ſchiffen.
§. 3.
Wie nun obbemeldter Prieſter von dem Koͤnig Woldemar von Ploſce-
kee), dem die annoch heidniſchen Lieflaͤnder zinsbar waren, Erlaubniß und
Geſchenke dazu erhalten: ſo grif er das Werk GOttes beherzt an, predigte den
Lieflaͤndern, und bauete eine Kirche in dem Dorfe Ykeskolaf).
§. 4.
[7]von 1184 bis 1196.
§. 4.
Aus demſelben Dorfe waren Ylo, des Kulewene Vater, und Viezo,
Alons Vater, die erſten, die getauft wurden, auf welche nach und nach andre
folgten.
§. 5.
Den naͤchſten Winter darauf verheereten die Litthauer g)Liefland, und
fuͤhrten ſehr viele in die Gefangenſchaft. Der Prieſter Meinhard wolte mit
ſeinen Leuten aus Yxkul ihrer Wuth Einhalt thun, und lieferte dieſen Feinden
eine Schlacht in dem Gehoͤlze. Wie die Litthauer ſich zuruͤck zogen, ſo beſtraf-
te obbeſagter Meinhard die Einfalt der Lieflaͤnder, daß ſie bisher keine Ve-
ſtungen gehabt haͤtten oder haben wolten. Endlich verſprach er ihnen Schloͤſſer zu
bauen, wenn ſie den Vorſatz haͤtten Kinder GOttes zu werden und zu bleiben.
Durch GOttes Eingeben lieſſen ſie ſichs gefallen, verſprachen es, und beſtaͤtigten
mit einem Eide, die heilige Taufe anzunehmen.
§. 6.
Demnach wurden den naͤchſten Sommer aus Gothland allerhand Kuͤnſt-
ler und Steinhauer geholet. Jndeſſen ſchwoͤren die Lieflaͤnder zum andern ma-
le, daß ſie aufrichtige Glaubensgenoſſen ſeyn wollen. Ehe das Schloß Ykesko-
le angefangen ward, ließ ſich ein Theil des Volks taufen, und die ganze Gemeine
verſprach, obgleich luͤgenhaftig, wenn das Schloß fertig waͤre, ſich auch taufen
zu laſſen. Alſo wurden die Mauren von Grund an aufgefuͤhret. Der fuͤnfte
Theil des Schloſſes fiel Meinharden zum Eigenthum zu, ſo wie es auf ſeine Ko-
ſten errichtet ward, und er hat damit zu erſt der Kirche einige Guͤter verſchaft.
Wie das Schloß zuletzt zu Stande kam, ſo fielen ſie ab, und die noch nicht getauft
waren, weigerten ſich den Glauben anzunehmen. Doch Meinhard ließ ſich in
ſeinem Vorſatz nicht ſtoͤren. Um dieſelbe Zeit kamen die Semgallen, Heiden
aus der Nachbarſchaft, welche von dieſem ſteinernen Bau gehoͤret hatten, und nicht
wuſten, daß er durch Kalk ſo veſte waͤre, mit groſſen Schifstauen, und meinten
ihren naͤrriſchen Gedanken nach das Schloß in die Duͤne zu zerren h). Jedoch
die Steinſchuͤtzen*) machten ihnen die Koͤpfe blutig, und ſie muſten mit Scha-
den abziehen.
B 2§. 7.
[8]Geſchichte des erſten Biſchof Meinhards,
§. 7.
Die Kirchholmer, welche Nachbaren waren, hintergiengen ſchon erwehn-
ten Biſchof Meinharden mit gleichem Verſprechen. Sie baueten ſich ein Schloß,
ſo ſie durch dieſen Betrug erhielten. Sechſe*) lieſſen ſich gleich anfangs
taufen, ihre Abſicht mochte uͤbrigens dabey geweſen ſeyn, welche es wolle, deren
Namen ſind Viliendi, Uldenago, Wade, Waldeko, Gerweder und
Viezo.
§. 8.
Waͤhrend der Erbauung der beyden beſagten Schloͤſſer, Yxkul nemlich und
Holmi), wird Meinhard von dem Erzbiſchof von Bremen, Hartwich, zum
Biſchof ordiniret k).
§. 9.
Als das andere Schloß aber*) zu Stande war, vergaſſen die Gottloſen ih-
res Eidſchwures, und haben ſich ſelbſt zum Schaden gelogen: denn es war auch
nicht ein einziger, der den Glauben hatte annehmen wollen. Das Gemuͤthe die-
ſes Prieſters ward daruͤber ziemlich unruhig, zumal, da ſie ihm nach und nach das
ſeine genommen, ſeinen Leuten mit Schlaͤgen begegnet, den Schlus faſſeten, ihn des
Landes zu verweiſen, und die Taufe, die ſie in dem Waſſer empfangen, in der Duͤna
wieder abzuwaſchen, und (ſie) wieder nach Deutſchland zuruͤck zu ſchicken
meinten.
§. 10.
Nun hatte dieſer Biſchof einen Mitarbeiter am Evangelio, den Bruder Theo-
doricus, Ciſtercienſer Ordens; nachmaligen Biſchof in Eſthlandl), dieſen wolten
die Lieflaͤnder von Treyden ihren Goͤtzen aufopfern m), und zwar deswegen, weil
auf ſeinen Feldern das Getreide gar zu ſchoͤn ſtand, und ihre Saat durch den haͤufigen
Regen zunichte ging. Das Volk ward zuſammen gerufen, und man befragte ſei-
ner Aufopferung wegen die Goͤtter durchs Loos. Man ſtellete eine Lanze hin, das
Pferd trat zu n), doch auf GOttes Verhaͤngniß ſetzte es den Fuß voraus, der ſeine
Erhaltung bedeutete. Dieſer Bruder betete mit ſeinem Munde, und mit der Hand
ſegnete er. Der Wahrſager gab vor, der Gott der Chriſten ſaͤſſe dem Pferde auf
dem Ruͤcken, und ruͤcke ſelbſt den Fuß vor, man ſolle deswegen des Pferdes Ruͤ-
cken abwiſchen, damit dieſer Gott herunter fiele o). Da nun hierauf das Pferd
den Fuß des Lebens wieder vorſetzte, wie vorher, ſo ward der Bruder Dietrich
beym Leben erhalten p). Einsmals ward dieſer Bruder nach Eſthland verſchickt,
wo er unter den Heiden viele Lebensgefahr ausſtund, einer Sonnenfinſterniß hal-
ben, die ſich am Tage Johannis des Taͤufers ſehen ließ; da ſie vorgaben, er fraͤſſe
ihnen die Sonne auf q). Zu eben der Zeit begehrte ein gewiſſer Live von Trey-
den, der verwundet worden war, von dem Bruder Dietrich geheilet zu werden,
und verſprach, wenn er geſund wuͤrde, ſich taufen zu laſſen. Dieſer Bruder aber
ſtieß Kraͤuter zuſammen, ob er gleich von ihrer Kraft und Wirkung nichts ver-
ſtund, ſondern rief nur den Namen des HErrn uͤber ihn an, und machte ihn am Lei-
be, und durch die Taufe an der Seele geſund. Und das war der erſte aus den
Vornehmſten von Treyde, der glaͤubig ward. Ein andrer Patient ließ den Bru-
der Dietrich zu ſich kommen, und begehrte die heilige Taufe. Doch die freche
Hartnaͤckigkeit der Weiber hielt ihn von dieſem heiligen Vorſatz ab. Wie aber die
Krankheit
[11]von 1184 bis 1196.
Krankheit heftiger ward, ſo wurde der Unglaube dieſer Weiber uͤberwunden. Er1186
ließ ſich taufen, und GOTT im Gebet empfelen. Die Seele dieſes Verſtorbenen
ſahe und erkante ein anderer Neubekehrter, der auf 7 Meilen Weges davon war,
von den Engeln in Himmel tragen*).
§. 11.
Wie man aber die Hartnaͤckigkeit der Liven ſahe, und daß alle Arbeit bis-
her umſonſt war, ſo nahm der Biſchof Meinhard die Geiſtlichen und Bruͤder
mit ſich, und begab ſich auf die Kauffarteiſchiffe, die eben in Oſtern nach Goth-
land ſegelfertig lagen, in der Abſicht wieder nach Hauſe zu ziehen. Da ward den
liſtigen Liven bange, weil ſie beſorgten, es werde ihnen eine ganze chriſtliche Ar-
mee auf den Hals kommen. Deswegen thaten ſie alles moͤgliche, vorbeſagten Bi-
ſchof mit Liſt und Thraͤnen verſtellter Weiſe zuruͤck zu noͤthigen, und ſagten zu ihm,
wie ehemals jene zum heiligen Martinus, obgleich aus ganz andern Herzen:
Warum ziehſt du von uns, lieber Vater? oder wem wilſt du uns Waiſen zuruͤck laſ-
ſen? r) Gibt auch ein Hirte beym Abſchiede ſeine Schafe ſo gefaͤhrlich dem Ra-
chen der Woͤlfe Preis? Und verſprachen es die Liven zum andern male von ſich
ſelbſt den chriſtlichen Glauben voͤllig anzunehmen. Der unſchuldige Mann trauete
jedem Worte, und kehrte auf Einrathen der Kaufleute und zugleich wegen verſicher-
ter Hofnung, daß bald eine Armee kommen wuͤrde, mit den Liven wieder zuruͤck.
Denn etliche verſprachen von den Deutſchen, andre von den Daͤnen, Nor-
maͤnnern, und andre von andern Nationen eine Armee mitzubringen, wenn es
die Noth erfordere. Kaum waren die Kaufleute unter Segel gegangen, ſo gruͤſ-
ſen die Kirchholmer den zuruͤckgekommenen Biſchof mit dem Grus und Herzen
des Judas, und ſprachen: Gegruͤſſet ſeyſt du Rabbi! Sie fragten ihn auch, wie
viel das Salz oder der Watmals) in Gothland koſte. Die Beklemmung,
darin er daruͤber war, machte, daß er ſich der Thraͤnen nicht enthalten konte; er
ging wieder nach Ykeskole, und begab ſich wieder in ſein Haus. Er ſezte
einen Tag an, um das Volk zu verſamlen, und es an ſeine Zuſage zu erinnern.
Sie hielten aber weder Termin noch Verſprechen. Daher nahm er Abrede mit
den
[13]von 1184 bis 1196.
den Seinigen und entſchloß ſich nach Eſthland zu reiſen, bis er mit den Kaufleuten1196
nach Gothland kommen koͤnte, welche daſelbſt uͤberwintert hatten. Jnzwiſchen
machten die Liven Anſtalt ihn unterwegens zu toͤdten. Er ward aber von Anno
aus Treydent) zum voraus davon benachrichtiget und zuruͤckzukehren ermahnet.
Dennoch ging er mit tauſend Aengſten wieder nach Ykeskole, weil er aus dem Lan-
de nicht kommen konte.
§ 12.
Aus der Urſache fertigte er den Bruder Dietrich von Thoreida (Treyden)
als einen Boten heimlich an den Roͤmiſchen Pabſt ab, um guten Rath zu holen.
Wie aber dieſer ſahe, daß es ihm unmoͤglich fiel, aus dem Lande zu kommen, ſo ent-
wiſchte er doch den Liven, ſo auf ihn laurten, durch einen erlaubten Betrug u). Er
ſetzte ſich nemlich zu Pferde, nahm die Stole, ein Buch und Weihwaſſer mit, und
that, als wolte er einen Kranken beſuchen. Dieſen Vorwand ſeiner Reiſe ſchuͤtzte
er auch bey denen vor, ſo ihm unterwegens begegneten und darum befragten. Al-
ſo entkam er gluͤcklich aus dem Lande und langte bey dem Pabſt an. Der Pabſt, als
er die Zahl der Getauften hoͤrete, befand nicht vor gut, dieſe Leute zu verlaſſen, ſon-
dern beſchloß ſie zur Veſthaltung des Glaubens, zu dem ſie ſich einmal freywillig
verſtanden, mit Gewalt zu noͤthigen. Wie er denn auch allen Vergebung der
Suͤnden verſprach, die das Kreuz annehmen und hinziehen wolten, dieſe erſte Ge-
meine wieder aufzuwecken. w)
§. 13.
Es hatte ſchon damals dieſer Biſchof mit dem Herzoge von Schwedenx),
den Deutſchen und Gothen, die Curlaͤnder mit Krieg uͤberzogen. Allein ſie
wurden durch einen Sturm nach der Ehſtniſchen Provinz Wierland verſchla-
gen, wo ſie eine Landung thaten, und 3 Tage lang dieſe Gegend verheerten. Doch
als die Wirlaͤnder wegen Annehmung des Glaubens ſich in Tractate einlaſſen
wolten, ſo nahm dieſer Herzog lieber Tribut von ihnen, zog die Segel auf und
reiſte, den Deutſchen zu groſſem Verdruß y) wieder in ſein Land.
§. 14.
Waͤhrend der Zeit ward der Biſchof Meinhard, gottſeliges Gedaͤchtniſſes, nach
vielen ausgeſtandnen Beſchwerden und Kummer bettlaͤgerig, und da er ſein Ende
merkte, ſo ließ er alle Aelteſten von Liefland und Thoreida vor ſich kommen, und
befragte ſie, ob ſie nach ſeinem Tode ohne Biſchof bleiben wolten. Dieſe aber ant-
worteten einmuͤthig, ſie wollten lieber wieder einen Biſchof und Vater haben.
Kurze Zeit darauf iſt der Biſchof verſchieden z).
D 2Ge-
[[16]]
Geſchichte
des andern Biſchofs, Bertolds,
von 1196 bis 1198.
§. 1.
Nachdem das Leichenbegaͤngniß mit gewoͤhnlichen Caͤremonien voll-
bracht und der Biſchof mit Wehklagen und Thraͤnen der Liven,
wie es wenigſtens ſchien, beerdiget worden: ſo machte man An-
ſtalt wegen ſeines Nachfolgers, und ſchickte nach der Mutterkirche
in Bremen, um einen dazu tuͤchtigen Mann zu erhalten. Man
brachte hierauf die Ehrwuͤrdige Perſon des Abts zu Lockum Bertoldsa) aus
dem Ciſtercienſer Orden in Vorſchlag. Man fand ihn zwar anfaͤnglich zur Rei-
ſe ſchwierig, doch ließ er ſich durch des Erzbiſchofs Bitten bewegen b) und nahm
die Laſt des Predigtamts uͤber ſich.
§. 2.
Der neuerwaͤhlte Biſchof zog nach Liefland und empfal ſich GOtt, weil er
zuerſt ohne Soldaten ſein Heil verſuchen wolte. Er kam alſo nach Ykeskole,
und ſo bald er auf den Grund und Boden der Kirche trat, verſamlete er die vor-
nehmſten ſo wol von Heiden als Chriſten vor ſich. Er bemuͤhete ſich zugleich ſie mit
Eſſen und Trinken, und andern Geſchenken ſich gewogen zu machen, und ſagte,
er waͤre nun auf ihren Ruf gekommen, und gaͤnzlich in die Stelle ſeines Vorgaͤn-
gers getreten. Anfangs nahmen ſie ihn auch mit vieler Schmeicheley auf. Als
er aber den Kirchhof zu Kirchholm einweihen wolte, ſo wolten etliche ihn in der
Kirche verbrennen, andere ihn toͤdten, noch andere ihn in der Duͤne erſaͤufen,
und warfen ihm anbey vor, daß bloß die Armuth ihn genoͤthiget nach Liefland zu
kommen.
§. 3.
Jn Betrachtung dieſes ſo mißlichen Anfanges ging er heimlich zu Schiffe,
und kehrte nach Gothland, und von da nach Sachſen, beklagte ſich auch ſehr,
ſo wol bey dem Pabſte, als dem Erzbiſchof von Bremen, und allen wohlmeinen-
den Chriſten c) uͤber den beſorglichen Verfal der Kirche in Liefland. Der Pabſt
gab daher allen Ablaß, die das Zeichen des Kreuzes annehmen und ſich gegen die
treuloſen Liven wafnen wolten; ſtelte auch hieruͤber dem Biſchof Bertold, wie
er ſeinem Vorgaͤnger gethan, eine Bulle zu d).
Ed) Hier
[18]Geſchichte des andern Biſchof Bertolds,
§. 4.
Der Biſchof kam alſo mit ſeiner angeworbnen Mannſchaft in Liefland an,
und als er vor das Schloß Holm ruͤckte, welches mitten im Strome liegt, fertigte
er einen Abgeordneten an die Liven uͤber das Waſſer ab, zu fragen, ob es ihr Ernſt
ſey, den Glauben anzunehmen, und uͤber dem angenommenen veſt zu halten. Sie
hingegen lieſſen ſich oͤffentlich vernehmen, ſie wolten weder was vom Glauben wiſſen
noch darob halten. Der Biſchof aber, weil er die Schiffe zuruͤck gelaſſen, konte
ihnen nicht beykommen; daher kehrte er mit der Armee nach dem Ort Rigee),
und uͤberſchlug mit ſeinen Leuten, was er weiter thun ſolte.
§. 5.
Unterdeſſen verſamleten ſich alle Liven wider ihn, und ſtunden in ihrem
Lager hinter dem Berg Rige Schlachtfertig. Doch ſchickten ſie einen Deputirten
an den Biſchof und lieſſen fragen, warum eine Armee gegen ſie im Anzuge begrif-
fen ſey? Der Biſchof ließ ihnen zur Antwort melden, es geſchaͤhe deswegen, daß
ſie ſo ofte den Glauben verlaſſen und zum Heidenthum zuruͤckgegangen, als die
Hunde zum Geſpieenen. Die Lieflaͤnder erwiederten: Dieſe Beſchuldigung wol-
len wir unſers Orts ſchon aus dem Wege raͤumen. Laß du nur die Armee nach
Hauſe, und ziehe du mit deinen Leuten nach deinen Bisthum in Friede; die welche
den
[19]von 1196 bis 1198.
den Glauben angenommen, magſt du immerhin zwingen dabey zu bleiben. Andere1198
muſt du zur Annehmung des Chriſtenthums mit guten Worten, und nicht mit Ge-
walt noͤthigen. Der Biſchof verlangte ihre Soͤhne zu Geiſſeln, daß dieſes gewiß
waͤre. Sie aber blieben dabey, durchaus keine zu geben. Jnzwiſchen boten ſie
doch einen Stilſtand an, gingen ihn auch beyderſeits ein, um wenigſtens ein Theil
derſelben zugewinnen. Sie ſchickten ſich auch unter einander, nach Landesart f), die
Lanzen zu, zur Beſtaͤtigung des Friedens. Waͤhrendes Stilſtandes machten ſie
viele Deutſche nieder, die vor ihre Pferde Weide ſuchten. Als der Herr Biſchof
dieſes ſahe, ſo ſchickte er ihre Lanzen zuruͤck, und kuͤndigte ihnen den Frieden auf.
§. 6.
Die Liven machten hierauf ein Geſchrey und Lermen nach heidniſch ge-
woͤhnlicher Art. Die Sachſen ſtelten ſich ihnen gegen uͤber in Schlachtordnung,
und thaten auf die Heiden einen hitzigen Anfal. Die Liven flohen. Der
Biſchof Bertold, gerieth durch die Fluͤchtigkeit ſeines Pferdes, das er nicht
wol im Zuͤgel gehalten, mit unter dieſe Fluͤchtlinge. Hierauf kriegten ihn ein
Paar zu packen, und der dritte, namens Ymant, ſtieß ihn von hinten mit der
Lanze durch, da ihn denn andre von Glied zu Glied zerſtuͤckten, den 24ten Jul. g)
1198. worauf der Vers gemacht iſt:
§. 7.
Die Liven befurchten, die Armee ſetze ihnen nach, und flohen uͤber Hals
und Kopf, zumal h) da ſie den Ritterhelm eines erſchlagenen Deutſchen er-
blickten, welchen der Live, ſo den Bertold getoͤdtet, ſich aufgeſetzet hatte.
Die Armee ward entſetzlich entruͤſtet, nachdem ſie ihr Oberhaupt eingebuͤſſet,
und verderbten das Getreide der Liven ſo wol zu Pferde als zu Schiffe, mit
Feuer und Schwerdte. Um nun groͤſſerm Schaden zuvorzukommen, ſchloſſen die
Liven, wie ſie das ſahen, einen neuen Frieden, riefen die Geiſtlichen zu ſich,
und lieſſen ſich den erſten Tag in Holm wol 50 taufen. Des folgenden Ta-
ges wurden gleichfals auf 100 in Ykeskola bekehret. Sie nahmen auch Prie-
ſter in die Schloͤſſer, und machten ein gewiß Maß Getreide aus von jedem
Pflug i), einen Prieſter daher zu erhalten. Darauf ließ ſich die Armee beguͤti-
gen, und machte ſich zum Ruͤckzug fertig.
§. 8.
Nachdem nun die Liven ihren Hirten verloren hatten, ſchickten ſie auf
Anrathen der Geiſtlichen und Bruͤder Abgeordnete nach Deutſchland eines
neuen Nachfolgers wegen. Deswegen gingen die Sachſen, ſo dieſem unbeſtaͤn-
digen Frieden zu geſchwind traueten, auch wieder nach Hauſe. Die Geiſtlichen
blieben zuruͤcke. Es blieb auch noch ein Kaufartheyſchif da. Eben waren die
Schiffe mit gutem Winde fort, und ſiehe! die treuloſen Liven kamen aus ihren
Badſtuben, und wuſchen ſich mit dem Waſſer des Duͤnaſtroms ab, unter
folgenden Worten: Hier waſchen wir nun das Taufwaſſer mit ſamt dem Chriſten-
thum durch das Flußwaſſer ab, rotten den angenommenen Glauben wieder aus,
und ſchicken ihn, den weggereiſten Sachſen nach k). Nun hatten dieſe bey
ihrem Abzuge auf den Aſt eines gewiſſen Baumes eine Figur faſt wie ein Men-
ſchenkopf eingeſchnitzet, welchen die Liven fuͤr den Gott der Sachſen hielten l), und
vermeinten, daß ſie davon Ueberſchwemmung und Peſtilenz zu befuͤrchten haͤtten.
Sie braueten daher nach Art der Heiden Meet, ſoffen miteinander, nahmen
nach gehaltener Berathſchlagung dieſen Kopf vom Baume ab, und bunden Hoͤl-
zer zuſammen. Auf dieſe legten ſie den Kopf, als gleichſam der Sachſen Gott,
und lieſſen ihn mit, ſamt ihrem chriſtlichen Glauben, denen nach Gothland zu-
ruͤckgekehrten auf dem Meere nachſchwimmen.
l) Einige
[21]von 1184 bis 1196.
§. 9.
Nach Verlauf eines Monats brachen ſie den Frieden, griffen die geiſtlichen
Bruͤder, handthierten ſie uͤbel, gingen auf ihre Guͤter los, und nahmen ſie die-
biſcher und gewaltſamer Weiſe weg. Sie entfuͤhrten auch die Pferde, daß die
Aecker ungebauet liegen blieben. Dahero hat die Kirche bey nahe 200 Maͤrty-
rer eingebuͤſſet*). Deswegen flohe die Geiſtlichkeit von Ykeskole nach Holm,
und wuſte nicht, welchem Gluͤcke oder Orte ſie ſich uͤberlaſſen ſolte.
§. 10.
Auf die naͤchſte Faſtenzeit m) verſamleten ſich alle Liven, und beſchloſ-
ſen, daß, welcher Pfaffe nach Oſtern noch im Lande bliebe, am Leben ge-
ſtrafet werden ſolte. Dahero zogen die Geiſtlichen nach Sachſen, ſo wol
aus Furcht vorm Tode, als auch einen Hirten zu ſuchen. Die Liven nahmen
auch Abrede, alle Kaufleute, die da geblieben waren, todtzuſchlagen. Die Kauf-
leute aber gaben an deren Aelteſte Geſchenke, und erhielten alſo ihr Leben.
FGe-
[[22]]
Geſchichte
des dritten Biſchofs, Alberts.
Des dritten Biſchofs Alberts erſtes Jahr,
von 1198 bis 1199.
§. 1.
Jm Jahr unſers HErrn 1198 ward der Hochwuͤrdige Domherr
aus Bremen, a)Albert zum Biſchof eingeweihet.
§. 2.
Den naͤchſten Sommer nach ſeiner Einweihung zog er nach Gothland, und
bezeichnete daſelbſt bey 500 Mann mit dem Zeichen des Kreuzes, um mit nach
Liefland zu gehen.
§. 3.
Von da reiſte er durch Dacien,b) und erhielt von dem Koͤnig Canutus,
dem Herzog Waldemar und dem Erzbiſchof Abſolon Geſchenke.
§. 4.
Bey ſeiner Zuruͤckkunft nach Deutſchland, bezeichnete er im Weihnachtsfe-
ſte c) noch mehrere zu Magdeburg in Sachſen mit dem Kreuze, wo der Koͤnig
Philippus mit ſeiner Gemahlin gekroͤnet wurde d).
§. 5.
Man that auch in Gegenwart dieſes Koͤniges eine Anfrage, ob die Guͤter de-
rer, welche nach Liefland reiſeten, unter des Pabſts Schutz ſtehen ſolten, ſo wie
derer, die nach Jeruſalem walfarten gingen. Es ward aber zum Beſcheide ge-
geben, ſie ſtuͤnden unter dem Schutz des Apoſtoliſchen Stuhls, der auf den Kreuz-
zug nach Liefland eben ſo wol voͤllige Vergebung aller Suͤnden geſetzt habe, als
auf die Walfart nach Jeruſalem*),e).
Ge) Ohne
[26]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, andres Jahr,
Des Biſchof Alberts andres Jahr,
vom Jahr Chriſti 1199 bis 1200.
§. 1.
Jm andern Jahr ſeines Bisthums zog er mit dem Grafen von Dort-
mund Conradena), mit Harberten von Jborgb), nebſt vie-
len andern Pilgern nach Liefland, und hatte bey ſich 23 Schiffe zur Be-
gleitung.
§. 2.
Nach ſeinem Einlauf in die Dune, empfal er ſich GOtt mit allen den Sei-
nen, und zog nach dem Schloſſe Holm, und wolte von da an nach Ykeskola
zugehen. Die Liven aber uͤberfielen ihn auf dem Hinwege, verwundeten etliche,
und toͤdteten nebſt andern den Prieſter Nicolaus. Dennoch erreichten der Bi-
ſchof und ſeine Leute Ykeskola, wiewol mit Beſchwerlichkeit und Gefahr. Die
Bruͤder, ſo von der Zeit des erſten Biſchof Meinhards daſelbſt recht aͤngſtlich
zugebracht hatten, und andre nahmen ſie mit Freuden auf. Die Liven trafen
daſelbſt auch ein und machten mit den Deutſchen auf 3 Tage einen Stilſtand;
aber nur aus Schelmerey, damit ſie nemlich inzwiſchen ihre Macht zuſammen zie-
hen moͤchten.
§. 3.
Nach getroffenem Stilſtande ging der Biſchof nach Holm, und ſchickte,
weil er dem Landfrieden trauete, Boten an die Schiffe nach Dunemunde; um
ſeinen
[27]von 1199 bis 1200
ſeinen biſchoͤflichen Habit und andre Nothwendigkeiten da her zu holen, die auch das1199
mit ſich trugen, was ſie holen wolten, und eben den Weg zuruͤck nahmen, den ſie
gekommen waren, in groſſem Vertrauen auf den gemachten Frieden. Unter We-
gens aber brachen die Liven den Stilſtand, griffen ſie hinter dem Einlauf der
Rumbul heftig an, und, weil das eine Schif ſich zuruͤck zog und entkam, ſo
kaperten ſie das andere weg, ſchlugen faſt alle darauf todt; ruͤckten alſo weiter nach
Holme, und belagerten den Biſchof und ſeine Leute. Wie nun die Belagerten
ſehr geaͤngſtiget wurden, und weder fuͤr ſich noch fuͤr ihre Pferde Nahrung hatten;
ſo gruben ſie endlich in die Erde, und fanden in unterſchiedenen Gruben viel Getrei-
de und Eßwaaren. Die Friſen kamen inzwiſchen nur mit einem einzigen Schiffe,
ſteckten die Saat der Liven in Brand, und thaten ihnen in dieſen und andern
Stuͤcken allen moͤglichen Schaden. Da die Liven dis ſahen, und groͤſſerer Ge-
fahr, die ſie beſorgten, entgehen wolten: ſo machten ſie von neuem Friede, und be-
ſchworen ihn; zogen auch mit dem Biſchof und andern Deutſchen an den Ort*)
Rige, wo Azo, und mehr andere die Gnade der Taufe empfingen.
§. 4.
Doch der Biſchof verließ ſich wegen Treuloſigkeit der Liven nicht auf ihren
Vertrag, den ſie ſo ofte ſchon gebrochen hatten und begehrte von dem Azo und
Caupoc), wie auch von den Landesaͤlteſten Geiſſeln; dieſe wurden darauf von
den Deutſchen zu einem Schmauſe geladen, und, da ſie alle zuſammen gekom-
men, in ein Haus geſperret. Jedoch weil ſie befurchten, man moͤchte ſie uͤber
das Meer nach Deutſchland fuͤhren, ſo praͤſentireten ſie dem Herrn Biſchof un-
gefaͤhr 30 ihrer jungen Burſche, welche die vornehmſten an der Duna und in
Thoreida waren. Dieſer nahm ſie mit Freuden an, empfol das Land dem lie-
ben GOtt und ging nach Deutſchland.
§. 5.
Vor ſeiner Ausreiſe zeigten die Landesaͤlteſten der Liven dem Biſchof den
Ort einer Stadt d), den ſie auch Riga hieſſen, entweder von der See Riga,
oder von der Naͤſſe, weil es von oben und von unten Qvellen hat e): ſowol von
unten, indem es an Weide, Wieſenwachs und Waſſer geſegnet iſt; als von oben,
weil in dieſer Stadt die voͤllige Vergebung der Suͤnden den Suͤndern ausgethei-
let und ſie alſo (durch dieſe Vergebung in der Taufe) von oben her**) gewaͤſſert,
und folglich das Reich GOttes mitgetheilet wird: oder Riga, weil es gleichſam
mit einem neuen Glauben bewaͤſſert, oder weil durch dieſelbe Stadt die herumwoh-
nenden Heiden mit dem Bade der heiligen Taufe beſprenget werden f).
§. 6.
Der Biſchof aber, der die Bosheit der Liven wohl kante, und ſahe, er koͤnne
ohne Beyſtand der Pilger unter dieſer Nation unmoͤglich was ausrichten, ſchickte
den Bruder Dietrich von Thoreida, deſſen wir oben in der Geſchichte Mein-
hards erwehnet, nach Rom um eine Bulle zur Beſtaͤtigung einzuholen. Die-
ſer brachte ſeine Verrichtung bey dem allerheiligſten Pabſt Jnnocentius dieſes
Namens dem dritten an, und erhielt von ihm vorerwehnten g) und gnaͤdigſt zuge-
ſtandenen Brief. Ja der heilige Roͤmiſche Pabſt verbot allen ausdruͤcklich, die
ſonſt der Handlung wegen nach Semgallien fuhren, auf Anhalten und Bit-
ten des Bruder Dieterichs, den Hafen deſſelbigen Landes, bey Strafe des
Bannes h).
§. 7.
Die Kaufleute waren mit dem gar wohl zufrieden, und ſetzten auf dieſen Ha-
fen nach einmuͤthigem Schluß ein Verbot, daß wer kuͤnftig der Handlung wegen
dieſen Hafen zu befahren ſich unterfinge, Gut und Leben verluſtig gehen ſolle.
Daher wurden einige zwar anfaͤnglich herzlich gebeten, die 2 Jahre nach Erbau-
ung der Stadt dieſen ihren Vertrag und Schluß wieder umwerfen wolten, ſie
moͤchten
[29]von 1200 bis 1201.
moͤchten nicht nach Semgallien ſchiffen. Aber dieſe kehrten ſich weder an des1200
Pabſtes Verbot noch an den gemeinſchaftlich errichteten Vertrag, und fuhren den-
noch die Duna hinunter. Die uͤbrigen ſo dieſen Uebermuth ſahen, ruͤckten mit
andern Schiffen an, und machten ſich uͤber ſie her. Zuletzt nahm man zwey Leute
daraus, nemlich, den Steuermann und den Schiffer, machte ſie elendiglich nie-
der, und zwang die andern zuruͤckzufahren.
Des Biſchof Alberts drittes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1200 bis 1201.
§. 1.
Jn dem dritten Jahr nach ſeiner Einſegnung kehrte der Biſchof mit den Pil-1200
gern, die er aufbringen konte, wieder nach Liefland, und ließ die Geiſ-
ſeln in Deutſchland zuruͤck. Und eben dieſen Sommer bauete man die
Stadt Riga auf einer geraumigen Flaͤche a) an, wo ein bequemer Schifshafen
ſeyn konte.
§. 2.
Zu eben der Zeit beſchied der Biſchof Danielen Bannerowen, einen von
Adel, und Conraden von Meindorp zu ſich, und belehnte ſie mit den beyden
Schloͤſſern Lenewarden und Ykeskolab).
§. 3.
Unterdeſſen da die Curen (Curlaͤnder) ſowol von des Biſchofs Ankunft, als
angefangener Erbauung einer Stadt gehoͤret hatten, ſchickten ſie ihre Abgeordnete an
Hdie
[30]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, viertes Jahr,
die Stadt, nicht aus Furcht vor dem Kriege, ſondern auf den Ruf Chriſti, um Friede
zu ſchlieſſen. Die Chriſten willigten darein, und jene beſtaͤtigten den Frieden mit
Blutvergieſſen c), ſo wie die Weiſe der Heiden es mit ſich brachte.
§. 4.
GOtt fuͤgte es ſo, daß auch die Litthauer um Friede Anſuchung thaten,
und daſſelbe Jahr nach Riga kamen, wo ſie gleich nach getrofnem Frieden mit
den Chriſten ein Buͤndniß und Freundſchaft aufrichteten. Den Winter drauf
fuhren ſie mit einer ſtarken Armee die Duͤne hinunter, und wolten nach Sem-
gallien. Ehe ſie aber dieſes Land betraten, ſo vernahmen ſie ſchon, der Koͤnig
von Ploſceke uͤberziehe Litthauen mit ſeiner Kriegesmacht, daher lieſſen ſie
die Semgallen mit Frieden, und kehrten uͤber Hals und Kopf zuruͤck. Auf
dem Ruͤckwege fanden ſie zwey Fiſcher des Biſchofs bey der Rumbel, gingen wie
reiſſende Woͤlfe mit ihnen um, und zogen ihnen die Kleider d) aus, welche ſie an
hatten. Die Fiſcher flohen hierauf nackend nach Riga und beklagten ſich uͤber das
erlittene Unrecht. Die Pilger aber, die wol handgreiflich ſahen, daß die Sa-
che ſich ſo verhalte, nahmen einige Litthauer, die noch in Riga waren, beym
Kopfe, und behielten ſie ſo lange in Arreſt, bis den Fiſchern das entwandte
wieder zu geſtellet ward.
Des Biſchof Alberts viertes Jahr,
von 1201 bis 1202.
§. 1.
Jm vierten Jahr nach ſeiner Einweihung uͤberließ der Biſchof die Stadt a) ei-
nigen wenigen Fremdlingen, die ſich vor das Haus des Herrn (die Kirche) zur
Mauer ſtelleten; und reiſete mit den uͤbrigen Pilgern nach Deutſchland.
§. 2.
Nach ſeiner Abreiſe kam deſſen Bruder Engelbert, ein Moͤnch, aus dem
neuen Kloſter b), nach angenommenem Beruf mit den erſtern Buͤrgern in Riga an,
und breitete mit dem Bruder Dietrich von Thoreide, mit Alobranden und
den uͤbrigen Bruͤdern, die in Liefland unter den Ordensgeluͤbden ſtunden, den
Namen Chriſti aus, unter Mitwirkung deſſen, welcher das Wort ſeinen Evan-
geliſten in Mund leget.
§. 3.
Die Bruͤder aus dem Kloſter Unſrer lieben Frauen in Riga, waren mit
dem Wandel und Orden dieſes Mannes wohl zu frieden, und erwaͤhlten ihn nicht
lange
[31]von 1201 bis 1202
lange nachher zu ihrem Probſt; weil der erſte Lieflaͤndiſche Biſchof Meinhard,1201
gottſeliges Gedaͤchtniſſes, von eben dieſem Orden aus dem Kloſter Sigeberg eben
dazu erwaͤhlet worden war, der dieſe nach ſich einrichten wolte, und deswegen ein
Kloſter fuͤr ſie in dem Kirchſpiel Ykeskole zuerſt angeleget hatte.
§. 4.
Doch dieſer Biſchof Albert verlegte nachgehends das Kloſter dieſer Ordens-
moͤnche und den biſchoͤflichen Sitz drey Jahr nach ſeiner Einſegnung von Ykeskole
nach Riga, und widmete den Dom ſamt ganz Liefland der heiligen Mutter
GOttes Maria zur Ehre*).
§. 5.
Er erbauete auch fuͤr die Ciſtereienſermoͤnche ein Kloſter auf der Muͤndung
der Duͤne, welches er Dunamuͤnde, und das eigentliche Kloſter, den Berg des
heil. Nicolaus nennete, woruͤber er ſeinen Mitarbeiter am Evangelio, ſeinen
Bruder Dietrich von Thoreida, zum Abt einſegnete.
§. 6.
Eben damals, als der Herr Biſchof Albert mit dem Abt Dietrich, die
Treuloſigkeit der Liven vorausſahe, und beſorgte, er wuͤrde der Menge der Hei-
den nicht Widerſtand thun koͤnnen; ſo ſtiftete er, um ſo wol die Zahl der Glaͤu-
bigen zu vergroͤſſern, als auch die Kirche unter den Heiden zu erhalten, einige Bruͤ-
der des Krieges Chriſti; welchen der Herr Pabſt JnnocentiusIII. die
Ordensregel der Tempelherren, und ein Zeichen auf dem Kleide zu tragen gab,
nemlich, ein Schwerdt und ein Kreuz, und ihnen unter dem Gehorſam ihres Bi-
ſchofs zu ſtehen c) anbefahl.
§. 7.
Hernach verbranten d) die Semgallen, die mit den Liven eben nicht
Friede hatten, die Kirche Holme mit dem ganzen Flecken; das Schloß aber
konten ſie nicht erobern, ob ſie es gleich lange beſtuͤrmten: und zogen alſo wieder
ab. GOtt aber, der die neue Anpflanzung des chriſtlichen Glaubens weiter aus-
breiten und ihr allenthalben einen dauerhaften Frieden ſchenken wolte, ſchickte nach
eben dieſem Feldzuge die Semgallen nach Riga, um einen Frieden zu treffen;
und machte alſo, nachdem man nach Weiſe der Heiden den Frieden vergewiſſert,
diejenigen zu Freunden der Deutſchen und Liven, die vorher ihre Feinde ge-
weſen.
Des Biſchof Alberts, fuͤnftes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1202 bis 1203.
§. 1.
Der Biſchof machte ſich im fuͤnften Jahr ſeines Bisthums wieder auf die
Ruͤckreiſe aus Deutſchland, und brachte die Edlen Herren Arnol-
den von Meindorp, Bernharden von Sehehuſen, ſeinen Bru-
der Dietrichena) und andere angeſehene Maͤnner und Kriegsleute mit
ſich. Er war nicht ſcheu mit ihnen Gutes und Boͤſes um GOttes willen zu leiden,
und begab ſich alſo auf das brauſende Meer. Als er aber an die Daͤniſche Pro-
vinz*)Falſterb) anlandete, traf er daſelbſt die heidniſchen Eſthen aus der Jnſel
Oeſelc) an, mit ſechszehn Schiffen, die nur kuͤrzlich die Kirche verbrant, die Leute
todtgeſchlagen, manche gefangen genommen, das Land verwuͤſtet, die Glocken
und Kirchenguͤter weggeſchleppet hatten: welches Handwerk ſowol die heidniſche
Eſthen, als Curen in dem Reiche Daͤnnemark und Schweden bisher zu
treiben gewohnt geweſen. Die Pilger wafneten ſich, und wolten den Schaden
der Chriſten raͤchen; die Heiden aber erfuhren, daß ſie nach Liefland ſegelten, da-
her furchten ſie ſich ſehr, und logen ihnen was vor, als ob ſie mit den Rigiſchen
Friede gemacht haͤtten. Sie entkamen zwar, weil ihnen die Chriſten glaubten,
damals ſicher aus ihren Haͤnden; aber ihr Betrug brachte ihnen keinen Vortheil
und
[33]von 1202 bis 1203.
und ſie fielen nachher doch in denſelben Falſtrick, der fuͤr ſie bereitet war. Denn1202
die Pilger kamen unter der Fuͤhrung GOttes geſund und friſch in Wysbu an,
wurden auch von den Buͤrgern und Angeſeſſenen daſelbſt mit Freuden aufgenom-
men. Nach etlichen Tagen kamen die Eſthen mit ihrer ganzen Beute an. Als
die Pilger ſie ſegeln ſahen, beſchwerten ſie ſich uͤber die Buͤrger und Kaufleute, daß
ſie Feinde des chriſtlichen Namens in ihren Hafen ſo ungehindert einlaufen lieſſen.
§. 2.
Jedoch, da dieſe es nicht Wort haben, und lieber einen ſichern Frieden mit
jenen haben wolten, ſo wandten ſich die Pilger an den Biſchof, und begehrten Er-
laubniß ſich mit ihnen zu ſchlagen. Der Biſchof bemuͤhete ſich daher, als er ihren
Ernſt merkte, ſie von dem Vorhaben abzuhalten; theils, weil die unter den Hei-
den angelegte Gemeine, die auf ihre Ankunft wartete, ihren Abgang nicht erſetzen
konte; theils weil es moͤglich war, von den Feinden Schaden zu leiden. Sie aber
drungen bey dieſer vortheilhaften Gelegenheit inſtaͤndigſt drauf, und waren von ih-
rem Vorſatz nicht abzubringen, weil ſie auf die Barmherzigkeit GOttes ver-
traueten. Sie ſagten, zwiſchen heidniſchen Eſthen und Liven ſey kein Unter-
ſcheid, und baten, er moͤchte ihr Flehen erhoͤren und zur Tilgung ihrer Suͤnden
ihnen dis auflegen. Der Biſchof ſahe ihre Standhaftigkeit und fand alſo fuͤr rath-
ſam, ihnen zu folgen und in die Schlacht zu willigen; weil Gehorſam beſſer iſt
denn Opfer. Deswegen wilfahrte er ihnen, und legte auf ihr Anſuchen ihnen zur
Vergebung der Suͤnden auf, daß ſie als brave Maͤnner wider die Heiden fechten
ſolten. Daher machten die Pilger alle Anſtalt, tapfer fuͤr den Namen Chriſti zu
ſtreiten, legten ihre Waffen an, und machten die Schiffe in Eil zu rechte, mit
denen ſie drauf los gehen wolten. Die Eſthen (von Oeſel) merkten das auf
der andern Seite, und lieſſen acht Raubſchiffe etwas von den andern wegruͤcken, in
Meinung, ſie koͤnten dieſe Pilger wenn ſie in die Mitten kaͤmen einſperren und al-
ſo die gegen ſie geruͤſteten Schiffe auch wegkapern. Die Deutſchen fielen alſo
mit einemmale auf ſie los, ruderten an zwey Eſthniſche Kaperſchiffe, enterten ſie
endlich, hieben auf ſechzig Mann darinne nieder, und fuͤhrten die Schiffe, ſo mit Glo-
cken, Mesgewandten und Gefangenen Chriſtenſklaven beladen waren, nach der
Stadt Wisby. Ein gewiſſer tapferer Deutſcher ſprang mit allen Kraͤften auf
das dritte Raubſchif, hielt mit beyden Haͤnden ſein bloſſes Schwerdt, hieb rechts und
links um ſich und erlegte zwey und zwanzig Mann von den Feinden. Als er aber
uͤber Vermoͤgen mit dieſem Niedermetzeln ſich beſchaͤftigte, ward das Segel von acht
Kerlen, die noch drauf uͤbrig waren, in die Hoͤhe gezogen, und da der Wind ſolcher
geſtalt drein ſtrich, ward dieſer Deutſche Soldat gefangen mit weggefuͤhret, und
wie nachher die Schiffe wieder zuſammen kamen, getoͤdtet; das Schif ſelbſt aber
wurde von ohngefaͤhr, oder von ihnen ſelbſt, angeſteckt, weil ſie keine hinreichende
Mannſchaft mehr hatten.
§. 3.
Wie nun dieſes ſo ruͤhmlich und triumphirend volbracht war, ſo ſtatteten al-
le Pilger dem allmaͤchtigen GOtt fuͤr den ihnen verliehenen Sieg Dank ab. Der
Biſchof Albert aber ſchickte die gefangenen Menſchen und Guͤter, ſo die Heiden
den Daͤnen entfuͤhret hatten, dem Hochwuͤrdigen Herrn Andreas, Erzbiſchof
von Lundend) wieder zu.
§. 4.
Die Pilger wolten hierauf nicht laͤnger zu Wisby bleiben, ſondern ſetzten
die angefangne Reiſe fort und kamen nach Riga. Die damaligen Buͤrger und
andere, die zu Riga ſich aufhielten, freueten ſich uͤber ihre Ankunft ungemein,
gingen ihnen entgegen und holten ſo wol den Biſchof, als deſſen ganze Reiſegeſel-
ſchaft mit den heiligen Reliquien aufs praͤchtigſte ein.
§. 5. Nach
[35]von 1202. bis 1203.
§. 5.
Nach dieſen zog Bruder Dietrich der aͤltere nach Deutſchland mit den1202
Pilgern, welche daſſelbe Jahr in Liefland unter dem Kreuzzeichen fuͤr GOtt
Dienſte gethan, und nahm einen Liven mit ſich, Namens Caupo, der gleichſam
Koͤnig und Landsaͤlteſter der Liven von Thoreide geweſen, fuͤhrte ihn auch,
nachdem er das groͤſte Theil Deutſchlands in Augenſchein genommen, endlich
nach Rom, und ſtellte ihn Jhro Paͤbſtl. Heiligkeit vor e).
§. 6.
Der Pabſt empfing dieſen Mann ungemein gnaͤdig, kuͤſte ihn, und nachdem
er ſich um den Zuſtand der Heiden um Liefland herum weitlaͤuftig erkundiget, preiſete
er GOtt hoͤchlich fuͤr die Bekehrung der Lieflaͤndiſchen Nation. Nach Verlauf
einiger Tage verehrte der Hochwuͤrdige Herr Pabſt Jnnocentius vorbeſagten
Caupo ſeine Geſchenke, nemlich, hundert Goldgulden, und nahm von ihm, als er
nach Deutſchland zuruͤck wolte, zaͤrtlichen Abſchied, ſegnete ihn auch ein, und
ſchickte durch den Bruder Dietrich an den Biſchof von Liefland eine Bibel f) ſo
mit des heil. Pabſts Gregorii eigner Hand geſchrieben war.
§. 7.
Dieſen Symmer brach der Koͤnig von Plosceke unvermuthet mit ſeiner
Armee in Liefland ein, und beſtuͤrmte das Schloß Ykeskola. Die Liven, weil
ſie kein Gewehr hatten, getraueten ſich nicht Widerſtand zu thun, ſondern ver-
ſprachen ihm Geld zu geben; welches der Koͤnig auch annahm und die Belagerung
aufhob. Ferner wurden inzwiſchen einige Deutſche von dem Biſchof mit Bal-
liſten und gewehr ausgeſchickt, die das Schloß Holme zum voraus beſetzten, dem
Koͤnig bey ſeinem Anzuge, als er das Schloß wegnehmen wolte, ſehr viele Pferde
verwundeten, und dieſe Ruſſen*) zu fliehen noͤthigten, weil ſie der Pfeile wegen, die
Duͤne zu paſſiren nicht wagen wolten.
§. 8.
Der Koͤnig von Gercikeg) aber, zog mit den Litthauern vor Riga,
raubte den Buͤrgern ihr Vieh von der Weide, nahm zwey Prieſter Johann von
Vechten, und Volchard von Harpenſtedeh) bey dem alten Berge, gefan-
J 2gen,
[36]Geſchichte des dritten Biſchofs Alberts, fuͤnftes Jahr.
1202gen, als ſie eben mit den Deutſchen Pilgern den Wald aushieben, und erſchlu-
gen Dietrich Brudegamus mit noch etlichen Buͤrgern, die mit ihm gefolget
waren.
§. 9.
Damals lebte ein gewiſſer Moͤnch, Namens Sigfrid, der in ſeinem Prie-
ſteramte die ihm anvertraute Seelenpflege in dem Kirchſpiel Holme ſehr andaͤchtig
abwartete, in dem Dienſt GOttes Tag und Nacht aushielt, und mit ſeinem vor-
treflichen Beyſpiel und Wandel die Liven erbauete. Zulezt, nach langwieriger
Arbeit gab ihm GOtt ein ſeliges Ende, und er verſchied. Die Neubekehrten tru-
gen ſeinen Leichnam chriſtlichem Gebrauch nach mit Thraͤnen zur Kirche, machten
ihm auch als Kinder ihrem lieben Vater einen Sarg von gutem Holze, befunden
aber, daß das eine zum Deckel abgeſaͤgte Bret um einen ganzen Fuß zu kurz waͤ-
re. Hieruͤber wurden ſie beſtuͤrzt und ſahen ſich lange nach einem Holze um, wo-
mit ſie es verlaͤngern koͤnten; und da ſie endlich eins fanden, zimmerten ſie es nach
dem vorigen Brete zurechte, und verſuchtens mit Naͤgeln anzuſchlagen: Jn-
dem ſie aber das Bret erſtlich uͤber den Sarg hielten und genauer nachſehen wol-
ten, ſo ſahen ſie, daß es nicht durch menſchliche Kunſt, ſondern durch GOttes
Finger laͤnger geworden, und ſich ihrem Verlangen nach recht wohl zum Sarge
paſſe**). Hieruͤber freueten ſich dieſe Pfarrkinder, und warfen das von ihnen un-
nuͤtzer Weiſe geſchnizte Holz weg, preiſeten auch, nachdem ſie ihren Hirten mit chriſt-
lichen Caͤremonien begraben, GOTT, der unter ſeinen Heiligen ſolche Wunder
thut i).
Des
[37]von 1203 bis 1204.
Des Biſchof Alberts ſechſtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1203 bis 1204.
§. 1.
Der Biſchof Albert beſorgte, die Stadt, welche noch ſehr maͤßig und1203
ſchwach war, koͤnne wegen der wenigen Glaͤubigen durch die Hin-
derliſt der Heiden in Gefahr gerathen: und zog daher im ſechſten Jahr
ſeines Amts wieder nach Deutſchland um Pilger zu werben,
und ließ ſich das aufgetragene Geſchaͤfte der Heidenbekehrung a) eifrigſt angelegen
ſeyn; da er durch ſeine Hin- und Herreiſe nach Deutſchland alle Jahr eine oft-
malige und faſt unertraͤgliche Beſchwerlichkeit uͤbernahm. Nach ſeinem Abzuge be-
gaben ſich die Litthauer, die einen Abſcheu an dem Chriſtlichen Namen hatten,
mit faſt dreyhundert noch heidniſchen Liven von Aſcherade und von Lenewarden
herunter nach Riga, und wagten es ſchon zum andernmale, derſelben Vieh auf der
Weide zu erhaſchen und wegzufuͤhren. Weil nun wenige Maͤnner noch zu Riga waren,
die dazu aller Orten wegen der nahen und groſſen Waͤlder vor einem Hinterhalt
bange ſeyn muſten: ſo traueten ſie ſich nicht alle zugleich aus der Stadt zu gehen; ſon-
dern ungefaͤhr zwanzig beherzte Maͤnner aus der Buͤrgerſchaft ſetzten dem Feinde nach,
ſuchten ihr Vieh wieder zuerhalten, und hielten bey dem alten Berge ein Treffen
mit den Heiden, nachdem ſie vorher den Beyſtand des Allmaͤchtigen GOttes uͤber
ſich angerufen, und auch einiges Kriegsvolk aus der Stadt zur Huͤlfe erhalten
hatten. Der Streit ward immer hitziger, und ſie fochten ſo lange, bis ſie ermuͤ-
det waren, und ſich beyderſeits von einander trennen muſten. Einige Liven fuh-
ren auch mit einem Fahrzeuge die Duͤne hinunter, damit ſie in Abweſenheit der
Leute von der andern Seite in die Stadt dringen moͤchten. Weil aber der HErr
die Seinen ſchuͤtzet, ſo ruͤckten etliche aus der Stadt mit Pfeilen gegen ſie an, daß
ſie ſich nach der Flucht umſehen muſten. Wie das vorbey war zogen die Litthauer
ſamt den Liven nach Hauſe, doch erſchnapten ſie drey Pferde von den Buͤrgern.
Die Deutſchen lobten hierauf GOtt einmuͤthig fuͤr die Erhaltung der Menſchen
und Wiedererlangung ihres Viehes, und kehrten froͤlich in die Stadt zuruͤck.
§. 2.
Nachgehends gegen den Winter wolten einige von dem Kriegsvolk nach
Deutſchland zuruͤck, nemlich, Arnold von Meindorp, und Bernhard von
Sehuſen, nebſt etlichen andern, die das Kreuz angenommen und ſchon ein voͤl-
liges Jahr b) da geblieben waren. Sie verſahen ſich mit allem, was zur Reiſe er-
forderlich war, und legten ihr Schif vor Mariaͤ Geburt aus; wie ſie aber zur
Duͤna ausfuhren, ſchickte es GOtt, daß ihnen andere Pilger auf drey Schiffen vor
dem Hafen entgegen kamen.
§. 3.
Auf dieſen Schiffen war der Bruder Dietrich und Caupo, die von
Rom kamen und die betruͤbten Rigenſer mit ihrer Ankunft erfreueten. Je
Kgroͤſſer
[38]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechſtes Jahr,
1203groͤſſer aber die Freude der Chriſten wurde, deſto mehr Schmerz und Beſtuͤrzung
hatten die Heiden daruͤber.
§. 4.
Vorerwehnte Kriegsleute hatten mit ihren Reiſegefaͤhrten lange Zeit auf der
wilden See manches auszuſtehen. Endlich gelangeten ſie in einer Gegend von
Eſthland*) an. Die Eſthen fuhren mit zehen Raub- und zwoͤlf andern Schiffen
auf ſie los, um ſie ihrer Guͤter und ihres Lebens zu berauben. GOtt aber, der
die Seinigen bewahrte, ließ ihnen nichts widriges und betruͤbtes von den Feinden
widerfahren. Vielmehr, da ein Kaperſchif durch die Chriſten zu ſchande und
leck gemacht worden, muſten einige Heiden uͤber die Klinge ſpringen, andere elen-
dig im Waſſer zu Grunde gehen. Ein anders Kaperſchif packten ſie mit einem ei-
ſernen Hacken an, und ſuchten es zu ſich zu reiſſen; die Heiden aber wolten lie-
ber auf der See Gefahr, als von den Chriſten den Tod ausſtehen, und ſprungen
einer nach dem andern uͤber Bord. Da nun dieſe in der Todesgefahr umkamen,
wichen die andern Schiffe zuruͤck und entwiſchten. Ob gleich der allmaͤchtige
GOtt ſeine Auserwaͤhlten in manche Pruͤfungen ſetzt, und ſie wie Gold im Feuer
zu bewaͤhren nicht aufhoͤret: ſo verlaͤſt er ſie doch niemals gaͤnzlich; ja er hilft ihnen
aus allem Uebel, und ſchicket uͤber die Feinde ein groͤſſeres Schrecken. Von da
aus fuhren ſie weiter und brachten viele Tage in mancherley Ungemaͤchlichkeit zu,
fuͤrnemlich in Hunger, Durſt und Kaͤlte. Und wiewol ſie wenigen Proviant
hatten, ſo nahmen ſie doch noch funfzig Chriſten zu ſich, die Schifbruch gelitten hatten
und am Ufer ſtanden, und lieſſen ſie aus Mitleiden ihre Reiſekoſt mit verzehren.
Wie ihnen nun nichts mehr uͤbrig blieb, als Hungers zu ſterben; ſiehe! welcher
Geſtalt der Aufgang aus der Hoͤhe ſie beſuchet hat. Denn es kam ein groſſes
Kaufartheyſchif an, welches ihnen Speiſen und allerhand Eßwaaren c) theils ſchenkte,
theils verkaufte: wodurch dieſe Ausgehungerten erquicket und alle ſat gemacht wur-
den. Sie nahmen ihren Lauf nun weiter, geriethen aber von neuem in die groͤſte
Gefahr. Denn das Wetter und ſtarke Sturmwinde trieben ſie an die gefaͤhrlich-
ſten Klippen, zwiſchen welchen und aus welchen ſie mit groſſer Angſt und Schwie-
rigkeit durchkamen, und den heiligen Abend vor Andreaͤ den Hafen Wisby er-
reichten; von da ſie nach Anſchaffung noͤthiger Lebensmittel fortſegelten und den
Kuͤſten Daͤnnemarks ſich naͤherten. Weil ſie aber wegen der unmaͤſſigen Kaͤlte,
das Schif an Wall zu ſteuren nicht vermoͤgend waren, ſo lieſſen ſie daſſelbe im Eiſe
ſtecken, nahmen ihre Sachen mit ſich und zogen durch Daͤnnemark in Deutſch-
land, nach ihrem Vaterlande.
Des
[39]von 1204 bis 1205.
Des Biſchof Alberts, ſiebentes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1204 bis 1205.
§. 1.
Jn dem ſiebenten Jahr des biſchoͤflichen Amtes Alberts, welches das Jahr1204
unſers HErrn 1204 war, brachen faſt zwey tauſend Litthauer zu Pferde
gegen die Eſthen zum Marſch auf, um die Faſtenzeit, da dieſe Voͤlker
gerne ihre Feldzuͤge zu unternehmen pflegen. Wie ſie nun laͤngſt der
Duͤne herauf und bey der Stadt vorbey kamen, ſo trat*) einer von ihnen, mit
Namen Swelgate, ein reicher und wolhabender Kerl mit ſeinen Kameraden in
der Stadt ab. Dieſem bot unter andern, die ihm in Friede aus der Stadt ent-
gegen gezogen, einer aus der Buͤrgerſchaft, Namens Martin Friſe, einen Trunk
Meet an. Als er den ausgeſoffen, eilte er den vorausgegangnen Truppen nach,
und redete ſeine Reiſegefaͤhrten alſo an: Sahet ihr nicht, wie den Deutſchen
die Haͤnde zitterten a), da ſie uns Meet reichten. Sie hatten unſere Ankunft nur
durch ein fliegend Geruͤchte vernommen und koͤnnen deswegen noch nicht aus der Angſt
und Beſtuͤrzung kommen. Vor jetzo wollen wir die Zerſtoͤrung der Stadt auf-
ſchieben; wenn wir aber die Gegenden, wohin wir gedenken, bezwungen haben b),
ſo wollen wir die Einwohner mitnehmen, todtſchlagen und ihren Flecken zerſtoͤren.
Denn kaum wird ſo viel Staub in dieſer Stadt ſeyn, als unſere Leute in die Hand
nehmen koͤnnen.
§. 2.
Da nun wenig Tage nachher ein Landesaͤlteſter von Semgallen, mit Na-
men Weſthard, erfuhr daß die Litthauer zu Felde gegangen, kam er eilend nach
Riga, und warnete die Deutſchen, daß ſie die Feinde ſo ungehindert lieſſen
durch ihr Land ziehen, ſie koͤnten ja kuͤnftig die Stadt ſamt ihren Einwohnern zu
Grunde richten, wenn ſie die Lage des Orts abgeſehen. Ohnerachtet aber die Ri-
giſchen vor des Biſchofs Zuruͤckkunft ihrer wenigen Anzahl wegen, keine Luſt zu
kriegen bezeigten: ſo ſprach ihnen doch dieſer kriegeriſche Weſthard ein Herze
ein, und machte ſich anheiſchig, ihnen eine groſſe Menge Semgallen zu Huͤlfe
zu bringen; und bat nur, daß ihm wenigſtens einige Kriegserfahrne Maͤnner zuge-
geben wuͤrden, die ſich drauf verſtuͤnden, eine Armee anzufuͤhren und ſie zur
Schlacht zu unterrichten. Die Deutſchen, als ſie daraus ſein ſtandhaftiges Ge-
muͤth ſahen, ſagten, ſie lieſſen ſich ſein Geſuch gefallen, doch nur ſo ferne, wenn er
von jedem Schloſſe eine Geiſſel an ſie auslieferte, welche ſie ſich ausſuchen wuͤrden.
Er bezeigte ſich uͤber dieſe Antwort ungemein vergnuͤgt, und kehrte zu den Seinigen
mit Freuden. Er nahm auch die ihm benamten Geiſſeln mit ſich, und brachte hin-
laͤnglich Volk auf die Beine. Wie er das herbeygeſchaffet, wurden die Geiſſeln
den Deutſchen eingehaͤndiget; und da ſie ſich alſo treu genug erwieſen, erhielten
ſie ihren Beyſtand und Freundſchaft. Denn die Bedienten des Biſchofs mit den
Bruͤdern der Ritterſchaft Chriſti, und der Ritter Conrad von Ykeskolec), nebſt
wenigen andern, die man entuͤbrigen konte, zogen hinaus zu der Armee, und paſten
an einem erhabenen Orte mit den Semgallen auf, wenn die Litthauer zuruͤck
kaͤmen.
K 2c) Con-
[40]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſiebentes Jahr,
§. 3.
Unterdeſſen ſchickte man tuͤchtige Kundſchafter nach Thoreide aus, die den
Weg der Feinde fleißig ausforſchen, und Bericht davon abſtatten konten. Der
vorerwehnte Anfuͤhrer der Semgallen, ſamlete aus jedem Hauſe in Riga Pro-
viant, und fuͤhrte es der Armee zu, die von weit entlegenen Orten kommen war.
Die Litthauer kamen endlich mit uͤberaus viel Gefangenen, und einer unzaͤhlba-
ren Beute an Vieh und Pferden zuruͤck, und nachdem ſie in Liefland ankommen
waren, gingen ſie ganz ſachte von Dorf zu Dorf, ſchlugen ſich endlich nach dem
Schloſſe des Caupo, und nahmen bey den Liven Nachtquartier, weil ſie ihrem
Frieden traueten. Es hatten aber die ausgeſchickten der Deutſchen und Sem-
gallen ihren Zug genau ausgekundſchaftet, und meldeten es gleich bey ihrer Armee.
Des andern Tages liefen auſſer den vorigen noch mehrere Nachrichten ein, die alle
ausſagten, die Litthauer wolten den naͤchſten Ruͤckweg uͤber Rodenpois nach
Ykeskola nehmen. Wie dieſe Zeitung kund ward, freuete ſich das ganze Heer**),
und jeder machte ſich um die Wette zum Gefechte bereit. Die Litthauer kamen
alſo mit der ganzen Beute und den Gefangenen, die uͤber tauſend ſich erſtreckten,
theilten ihren Trup in zwey Haufen, ſtelten die Gefangenen in die Mitte, und
gingen wegen des alzutiefen Schnees nur auf einem Wege Mann hinter Mann.
Gleich aber, ſo bald die erſten die Fußtapfen gewahr wurden, daß welche voraus
gegangen, ſo beſorgten ſie einen Hinterhalt, und machten Halte: alſo kamen die
letzten mit den Gefangenen bey den erſten an, und formirten eine ſpitzige Schlacht-
ordnung. Sobald die Semgallen dieſe Menge anſichtig wurden, waren viele
unter ihnen, die fuͤr Furcht nicht fechten, und lieber einen ſichern Ort ſuchen wolten.
Einige von den Deutſchen merkten dieſes, wandten ſich demnach an den Ritter
Conrad, und baten inſtaͤndig, daß ſie mit den Feinden Chriſti zuerſt anbinden
duͤrften; verſicherten dabey, es waͤre ruͤhmlicher, fuͤr Chriſtum in den Tod zu ge-
hen, als zur Schande ſeines Volks eine ſchimpfliche Flucht zu ergreifen. Dieſer Herr
hatte ſowol ſein Pferd, als ſeine Perſon, nach Cavalierart wohl gepanzert, und
grif mit den wenigen anweſenden Deutſchen die Litthauer an. Jene aber ent-
ſatzten ſich uͤber dem Glanz dieſer Ruͤſtung, und weil auch eine Furcht von GOtt
uͤber ſie gekommen, ſo wichen ſie von allen Seiten. Wie nun der Semgallen
Heerfuͤhrer die Litthauer durch GOttes Barmherzigkeit ſo beſtuͤrzt ſahe, ſprach er
ſeinen Leuten ein Herz ein, mit ihnen tapfer ein Treffen zu wagen. Solchergeſtalt
wurden die armen Litthauer mit geſamter Armee auf dem Wege, als die Schafe,
zerſtreuet, und muſten von ihnen auf zwoͤlfhundert uͤber die Klinge ſpringen.
§. 4.
Einer aber von des Biſchofs Bedienten, Dietrich Schilling, fand Swel-
legaten, der geſagt hatte, er wolle die Stadt GOttes verheeren, und da er ihn auf
einem Wagen erblickte d), ſtieß er ihn mit ſeinem Speer in die Seite. Etliche
Semgallen, die ihn noch zucken ſahen, ſchnitten ſeinen Kopf ab, legten ihn mit
auf ihre Wagen, ſo ſie mit lauter Litthauiſchen Koͤpfen beladen hatten, und
fuͤhrten ihn nach Semgallien. Auch viele von den gefangenen Eſthen muſten
ihr Leben laſſen, weil dieſe ebenfals beſtaͤndige Feindſeligkeiten gegen die Chriſten
veruͤb-
[41]von 1204 bis 1205.
veruͤbten, und alſo erfochten die Chriſten, mit Huͤlfe der heidniſchen Semgallen,1204
uͤber die Litthauer und Eſthen einen voͤlligen Sieg. Hierauf kehrten die
Deutſchen mit den Semgallen nach der Niederlage der Litthauer und Eſthen
zuruͤck, dieſe beyden Voͤlker zu pluͤndern, und erhielten eine unbeſchreibliche Beute,
ſowol an Pferden als Vieh, an Kleidung und Gewehr, und kehrten alle durch
GOttes Gnade wohlbehalten, friſch und geſund wieder zu den Jhrigen, und lobe-
ten GOTT.
§. 5.
Ein damals in Litthauen gefangener Prieſter, mit Namen Johannes, er-
zaͤhlte, daß auf einem Dorfe funfzig Weiber, um des Todes ihrer Maͤnner wil-
len, ſich erhenket haͤtten e). Sie ſtunden nemlich in der Einbildung, ſie wuͤrden
bald in jenem andern Leben bey ihnen ſeyn f).
§. 6.
Als inzwiſchen ſich viele Leute in Deutſchland mit dem heiligen Kreuz hat-
ten bezeichnen laſſen: ſo ging der Herr Biſchof endlich zu Schiffe, und nahm ſeinen
Bruder Rothmarg) aus dem Kloſter Sigeberge mit ſich; weil ihm auf Vol-
macht des allerfroͤmſten apoſtoliſchen Vaters Jnnocentius frey ſtund, aus jedem
Kloſter einen von den Bruͤdern, welchen er wolte, zum Gehuͤlfen ſeiner Arbeit
mitzunehmen h). Sie kamen alſo nach Riga unter Anfuͤhrung deſſen, der dem
Wind und Meer gebieten kan. Daſelbſt ward der Herr Biſchof, nach welchem
Ldie
[42]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſiebentes Jahr,
1204die Seinigen ein groß Verlangen getragen, nebſt der geſamten Ritterſchaft der Pil-
ger mit allen Ehrenbezeigungen aufgenommen. Es befand ſich unter dieſen Rit-
tern der Kriegesobriſte Graf Heinrich von Stumpenhuſeni), Cono von Y-
ſenborch, einer von Adel k), und andere Ritter mehr, ſo wol aus Weſtphalen
als Sachſen, mit noch mehrern Pilgern.
§. 7.
Nun wolte der Biſchof auf Rath und Beyſtand ſo wichtiger Maͤnner die Re-
ben in dem Weinberge des Herrn unter den Heiden vermehren: daher ward, nachdem
er auf der Duͤne eingelaufen, das Ciſtercienſer Kloſter nach Duͤnemuͤnde
verlegt, uͤber deſſen Moͤnche der Biſchof vorerwehnten Bruder Dietrich zum Abt
einſetzte, und Conradum von Meindorp nach dem Schloß Ykeskole ſchickte,
dem er ſchon laͤngſt daſſelbige Schloß zum Lehn verliehen; damit auf ſeinen Be-
richt die Liven voraus erfuͤhren, daß der Biſchof mit einigen Fremden zu ihnen
kommen werde, und ſie zugleich ihn wie die lieben Bruͤder ihren lieben Vater guͤtig
aufnehmen, und mit ihm uͤberlegen moͤchten, wie ſie ihres Orts Friede haben und
der Glaube weiter fortgepflanzet werden koͤnte.
§. 8.
Da nun die Liven, welche auf die von ihrem erſten Biſchof Meinhard empfan-
gene Taufgnade den Glauben an Chriſtum verlachten, und ſich oft verlauten lieſſen,
ſie wolten ihn in der Duͤne wieder von ſich abwaſchen und abbaden, von dem An-
zuge
[43]von 1204 bis 1205.
zuge des Biſchofs Nachricht hatten: ſo machten ſie ſich mit den noch uͤbrigen Heiden1204
zur Flucht zu rechte, riefen mit Anbruch des Tages obbenanten Conrad vor ſich,
und trachteten ihn heimlich hinzurichten. Doch, weil ein Pfeil, den man vorher
ſiehet, nicht gut trift, und er ihre Tuͤcke ganz gut wuſte: ſo legte er ſeine Ruͤſtung
an, und ging mit ſeinem Gefaͤhrten zu ihnen hinaus, gab ihnen auch auf jeglichen
Punkt geziemende Antwort, da ſie mit ihm ſich in eine lange Unterredung ein-
lieſſen. Unterdeſſen kamen einige, die vor dem Biſchof vorausgezogen waren, dazu.
Hieruͤber entſazten ſich die Liven deſto mehr, ſahen ſich nach der Flucht um, war-
fen ſich in einige kleine Boͤte, und fuhren mit ihren Weibern und Kindern nach dem
Schloß Lenewarden hinauf. Hierdurch gaben ſie deutlich genug zu verſtehen,
daß ſie aus der ſchon laͤngſt empfangnen Taufe wenig machten. Da alſo die Frem-
den ſahen, daß die Neubekehrten Liven ſo ſehr ausſchweiften, und als Hunde zum
Geſpieenen wieder gingen, weil ſie des vorher angenommenen Glaubens vergaſſen:
ſo geriethen ſie in einen goͤttlichen Eifer und ſetzten den Fluͤchtigen nach. Bald aber,
wie ſie gewahr wurden, daß ſie ſich mit andern Heiden von Lenewarden verbun-
den, ihre Doͤrfer ſtehen gelaſſen, und mit ihnen ſich in den dicken Wald verkrochen
hatten: ſo ſteckten ſie ihre Stadt in Brand.
§. 9.
Als nachher die Pilger laͤngſt der Duͤna hinaufgezogen, ſiehe! ſo nahmen
die Liven aus dem Schloß Aſcherade, weil ſie hoͤrten was vorgegangen, ihre
Zuflucht in die ſicherſten Oerter des Buſches. Wie man aber deswegen ihr Schloß
durch GOttes Gnade in die Aſche gelegt: machten ſie Friede mit den Deutſchen,
gaben Geiſſeln aus, und verſprachen in kurzem nach Riga zu kommen und ſich
taufen zu laſſen. So auch nachher alſo geſchahe.
§. 10.
Nachdem aber der kleine Koͤnig Veſceke von Kukenoysl) gehoͤrt, daß die
Pilger von der lateiniſchen Kirche mit ſo ſtarker Anzahl angekommen, und ihm auf
der naͤhe, auf drey Meilen nemlich, ſtuͤnden: ſo bat er ſich durch einen Abgeordne-
ten von dem Biſchof ſicher Geleite aus, fuhr alſo zu Schiffe zu ihm hinunter, und
da ſie ſich unter einander mit Reichung der Haͤnde gegruͤſſet, ſchloß er mit den
Deutſchen daſelbſt einen veſten Frieden; der aber nachher nicht lange Beſtand
hatte. Nach dem Friedensſchluß nahm er von allen Abſchied, und kehrte froͤlich zu
den Seinigen.
11.
Wie dis vorbey war, ſo nahmen die Pilger ihren Ruͤckweg; wurden aber in
einem ſehr dicken Buſche, neben dem Wege nach Memekuͤlle durch die Liven
aus den beyden Staͤdten, Lenewarde und Ykeskole, ſehr beunruhiget; ſie ent-
kamen doch dieſem Ueberfal ohne ſonderliche Gefahr, und erreichten Ykeskole.
Sie bemerkten dabey, daß dieſe Stadt, die weiland der Biſchof Meinhard
erbauet, ſehr veſte, und zugleich ledig ſtuͤnde; daher deuchte es ihnen, die Liven
waͤren einer ſo wichtigen Veſtung nicht werth, die doch noch immer rebelliſch und
unglaͤubig blieben, ohnerachtet man ſie getauft haͤtte. Dieſer Urſache wegen ſetzten
ſie Conraden in Beſitz dieſes Lehns, und lieſſen von den Pilgern einige tapfere
und ſtreitbare Maͤnner bey ihm. Sie wolten ihn auch mit Getreide verſehen zum
Kriegsvorrath, und ſchnitten deswegen die ſchon reife Saat der Liven theils mit
Sicheln, theils mit Schwerdtern ab. Da ſie aber der Heiden Nachſtellungen nicht ſo
ofte auszuhalten vermochten; ſo machten ſie ſich mit ihrer Ruͤſtung an die geſamte
Saat und fuͤlten die Stadt bis oben an. Der Herr Biſchof war uͤber dieſes Ver-
L 2fahren
[44]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſiebentes Jahr,
1204fahren ſehr erfreuet, empfahl diejenigen GOtt, ſo daſelbſt blieben, und zog mit dem
uͤbrigen Zeuge der Pilger nach Riga herunter.
§. 12.
Kurze Zeit darauf, da die Pilger aus Ykeskole heraus zogen, um ſich wieder
Vorrath anzuſchaffen: wurden ihrer ſiebzehn von den Liven, ſo in den Waͤl-
dern auf ſie laurten, erſchlagen. Etliche von dieſen opferten ſie ihren Goͤttern m)
und richteten ſie nach einer grauſamen Marter hin. Doch, obgleich die Feinde auf
dieſe und dergleichen Art hauſirten, ſo verſtopften ſie doch den Chriſten zur Predigt
des Worts GOttes den Mund nicht, ſondern muſten aus der Ausbreitung des
Glaubens ſehen, daß jene taͤglich ſo wol durch Streiten als Lehren mehr und mehr
ſich verſtaͤrkten.
§. 13.
Daher kam es, daß die in ihren Herzen ganz beſtuͤrzten Liven, ſo um die
Duna wohnten, ſich in ihrer Seele ſchaͤmten, Geiſſeln lieferten, bey dem Herrn
Biſchof und den uͤbrigen Deutſchen Vergebung ſuchten, und verſprachen, welche
noch von ihnen Heiden waͤren, wolten ſich taufen laſſen. Alſo ward das unbaͤn-
dige und den heidniſchen Gebraͤuchen ſehr ergebene Volk auf den Ruf Chriſti nach
und nach zu dem Joch des HErrn hingebracht, und es ſahe, nachdem es die Fin-
ſterniß ſeines Heidenthums verlaſſen, das wahre Licht, ſo Chriſtus iſt, allein durch
den Glauben. Deswegen erlaubte man ihnen nicht unbillig, ihre Doͤrfer, Felder
und was ſie ſonſt mit Recht ſchienen verloren zu haben, wieder in Beſitz zu nehmen*).
Sie wurden aber von der bey Ykeskole errichteten Veſtung gaͤnzlich ausgeſchloſſen.
Beide, ſowol die von Lenewarde als von Ykeskole, kehrten nach ihrem Ei-
genthum zuruͤck.
§. 14.
Denſelbigen Winter fuͤhrte man mitten in Riga ein ſehr wohlangeordnetes
Prophetenſpiel auf, ſo die Lateiner eine Comoͤdien) nennen; damit die Heiden-
ſchaft die Anfangsgruͤnde des chriſtlichen Glaubens auch durch einen anſchauenden
Glauben lernen moͤchte. Der Jnhalt dieſes Spiels und der Comoͤdie ward durch
einen Dolmetſcher, ſo wol den Neubekehrten als den Heiden, die dabey Zuſchauer
abgaben, aufs umſtaͤndlichſte erklaͤret. Wie aber die Gewafneten des Gideons
mit den Philiſtern ſtritten: wurde den Heiden bange, ſie moͤchten mit todtge-
ſchlagen werden, und fingen an auszureiſſen; doch rief man ſie, als in aller Sicher-
heit zuruͤck. Alſo war nur eine kurze Zeit in der Kirche GOttes eine Stille, da
ſie in Frieden ruhete. Dieſes geiſtliche Spiel aber war gleichſam ein Vorgang,
Vorſpiel und Vorbedeutung des kuͤnftigen Ungluͤcks. Denn es kamen in dieſer
Comoͤdie Kriege vor, als, des Davids, des Gideons, des Herodes. Man
hatte auch da die Lehre altes und neues Teſtaments, weil nemlich die Heidenſchaft
durch viele Kriege die noch kommen, muſte bekehret werden, und durch die Lehre
altes und neues Teſtaments unterwieſen werden, wie ſie zu dem wahren Friedens-
ſtifter und zu dem ewigen Leben gelangen koͤnten.
Des Biſchof Alberts, achtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1205 bis 1206.
§. 1.
Mit Anfang des achten Jahrs wolte der Herr Biſchof ſich um eben die1205
Freundſchaft und Vertraulichkeit des Koͤnigs Woldemars von
Ploſceke bewerben, die er ſeinem Vorfahren, dem Biſchof Mein-
harden, erwieſen, und ſchickte ihm ſein Handpferd ſamt der Ruͤſtung
durch den Abt Dietrich zu, der aber von Litthauiſchen Schnaphaͤnen unter-
wegens gepluͤndert ward. Er vor ſeine Perſon, und ſeine Leute mit, verloren
alles, was ſie bey ſich hatten; doch langten ſie bey dem Koͤnige, dem Leibe nach,
friſch und geſund an. Da ſie aber in die Stadt traten, fanden ſie etliche Liven
vor ſich, ſo von den Landesaͤlteſten der Liven heimlich geſchickt waren. Dieſe Kerl
brachten wider den Biſchof und die Seinen mit einem ſchmeichelnden und tuͤckiſchen
Vortrag alles vor, was ſie ihrer Argliſtigkeit nach erdichten konten, um den Koͤ-
nig nur zur Verjagung der Deutſchen aus Liefland zu vermoͤgen. Denn ſie
gaben vor, der Biſchof und ſeine Conſorten waͤren ihnen**) ein alzuhartes und
unertraͤgliches Glaubensjoch. Der Koͤnig trauete ihren Worten alzuleichte, und
ſtelte Befehl an alle ſeine Unterſaſſen, je eher je lieber ſich zum Aufbruch bereit zu
halten, daß ſie auf dem ſchnellen Duͤnaſtrom zu Schiffe und auf Floſſen, wo-
rauf ſie das unterwegens noͤthige bringen koͤnten, nach Riga abfahren ſolten, wel-
ches auf dieſe Art bequemer und geſchwinder geſchehen koͤnte, (als zu Lande). Die
Geſandten der Deutſchen, ſo um das Eingeben der Liven und des Koͤnigs Vor-
haben nichts wuſten, wurden deswegen vor den Koͤnig vorgefordert, wo man ſie
Min
[46]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr,
1205in Gegenwart der Liven befragte, was die Urſache ihrer Herkunft ſey. Jndem
ſie nun gerade zu ſagten, ſie waͤren Friede und Freundſchafts halber gekommen, ſo
riefen die Liven im Gegentheil uͤberlaut, dis waͤren Leute, die weder Frieden ſuch-
ten noch hielten. Jhr Mund, der vol Fluchens und Bitterkeit war, reizte alſo
das Herz und Gemuͤthe des Koͤnigs, mehr Krieg zu veranſtalten, als Frie-
de zu machen.
§. 2.
Da aber der Koͤnig befurchte, es moͤchten ſeine geheimen Anſchlaͤge ans Ta-
geslicht kommen, ließ er die Deutſchen von ſich, mit Befehl in ihren Quartiren
ſich inne zu halten. Der Abt hingegen dachte dem Dinge nach, und man beſtach
einen von den koͤniglichen Raͤthen mit Geſchenken und Gelde, wodurch ſo gleich
der ſo lange verborgne Rathſchlag entdecket ward. Wie er dieſen heraus hatte, ſo
kam die wunderbare Vorſehung GOttes dem Abt recht entgegen, welche die Sa-
chen zum beſten kehret. Denn er erfuhr durch GOttes Schickung, daß ein armer
Mann vom Schloſſe Holme ſich daſelbſt aufhielte; dieſen bedung er um ein halb
Mark, fertigte ihn mit einem Schreiben ab, und eroͤfnete durch ihn dem Herrn Bi-
ſchof von Riga und der ganzen Gemeine der Glaͤubigen, was er gehoͤret und ge-
ſehen hatte. Daher kam es, daß viele von den Pilgern, ſo ſich ſchon uͤber See zu
fahren zurechte gemacht, das Kreuz wieder nahmen und zuruͤckkehrten. Selbſt der
Biſchof, der mit andern wegzuziehen in Bereitſchaft ſtand, nahm von den Wegſe-
gelnden Abſchied, und kehrte nach Riga zu den Seinigen.
§. 3.
Der Koͤnig welcher des Abts Verfahren inne worden war, ließ ihn vor ſich
fordern, und that die Frage, ob er nach Riga einen Boten geſandt. Aber dieſer
geſtund vor des Koͤnigs Angeſicht unerſchrocken, er habe jemanden mit Briefen fort-
geſchickt. Es baten zwar die uͤbrigen Geſandten, die ihm von Riga mitgegeben,
und vor Gewaltthaͤtigkeiten des Koͤnigs bange waren, den Abt hoͤchlich, und rede-
ten ihm ein, zu leugnen, was er geſprochen hatte. Er wuſte aber ganz gut, daß
ein einmal von ſich gegebnes Wort, ſich nicht wieder zuruͤcknehmen ließ, und leug-
nete dem Koͤnige gar nicht, was er geſtanden. Der Koͤnig nun, der wol ſahe, er
richte ſolcher Geſtalt nichts aus, weil ſein Vorhaben verrathen waͤre, und ihm
Krieg und Gewalt zu brauchen nicht anging, bediente ſich daher einer Liſt. Denn
wer in Taubengeſtalt glatte Worte gibt, richtet eben ſo viel Schaden an, als eine
Schlange die im Graſe verborgen liegt. Der Abt ward nach Hauſe gelaſſen, und
wurden zugleich Rußiſche Geſandten mit Friedensvorſchlaͤgen hinterliſtiger Weiſe
abgefertiget, daß beyde Partheyen, ſo wol die Liven als der Biſchof, ſolten ge-
hoͤret, und was recht waͤre, beſchloſſen werden, damit denn beyde ſolten zufrie-
den ſeyn. Nachdem ſie vom Koͤnig ihren Abſchied genommen, erreichten ſie das
Reußiſche Schloß Kukenoys gar bald. Sie ſchickten einen Diakonus, Ste-
phan, doch nicht den, der der erſte Maͤrtyrer war*), mit dem Abt nach Riga,
lieſſen den Biſchof erſuchen, ihnen entgegen zu kommen, ſetzten den Termin zur Un-
terredung auf den 29ſten Junii, und beſtimten den Ort dazu neben dem Wogene-
flußa). Die andern gingen weit und breit im Lande herum, und riefen die Li-
ven und Letten, die eigentlich Lettgallen hieſſen b), zu den Waffen. Die Li-
ven kamen und waren fertig nicht allein dem Willen des Koͤnigs Gehorſam zu leiſten,
ſondern auch die Verraͤtherey wider die Glaͤubigen an Chriſtum unterſtuͤtzen zu helfen.
Die Letten oder Lettgallen, ob ſie ſchon noch Heiden waren, wolten doch lieber,
daß die Chriſten beym Leben blieben, und ſuchten ſie zu erhalten. Daher kamen
ſie nicht in die Unterredung dieſer Treuloſen. Sie konten auch von den Ruſſen
durch
[47]von 1205 bis 1206.
durch angebotene Geſchenke nicht bewogen werden, den Deutſchen mit jenen ein1205
Ungluͤck zuzubereiten.
§. 4.
Der Herr Biſchof, der von des Koͤnigs Geſandten zu dieſem Geſpraͤch mit
eingeladen war, ertheilte auf Rath ſeiner Leute an gemeldeten Stephanus dieſe
Antwort: Es iſt bekant, ſprach er, daß es eine durchgaͤngige Gewohnheit aller
Laͤnder iſt, daß Geſandte, welche ihr Principal beſtimmet, zu dem hingehen, oder
ihn aufſuchen, an wen ſie geſchickt werden. Ein Fuͤrſte aber, ſo demuͤthig und
leutſelig er auch iſt, gehet niemals aus ſeiner Feſtung den Geſandten entgegen.
Denn es geziemet, fuhr er fort*), ſolchen und ſolcher Herren Abgeordneten, uns in
unſrer Stadt zu finden, wo ſie von uns ſo wol als den unſrigen koͤnnen anſtaͤndi-
ger empfangen und bequemer bedienet werden. Sie moͤchten alſo nur kommen
und fuͤr nichts bange ſeyn, ſie ſolten ſtandesgemaͤs bewirthet werden. Als der
beſtimte Tag kam, erſchienen die Liven zum Geſpraͤche an dem Wogenefluß im
Gewehr. Auch die Aelteſten vom Schloß Holme, die Stifter des ganzen Un-
gluͤcks, fuhren zu ihnen hinauf zu Schiffe, landeten bey dem Schloß Ykeskole
an, und riefen dieſe auch mit ſich.
§. 5.
Als die Deutſchen die Argliſt der Liven in Erwegung zogen, bedankten ſie
ſich gleich und wolten nicht hinauf. Jene aber blieben auf ihrem Sinn und beſpra-
chen ſich mit ihren Landsleuten, die Chriſten aus dem Lande zu ſchaffen. Jndeſ-
ſen baten zwey von den Neubekehrten in Ykeskola, Kyran**) und Layan, den
Commendanten Conrad inſtaͤndigſt, er moͤchte ihnen doch verſtatten der Liven
Verſamlung mit beyzuwohnen, damit ſie ihre Hartnaͤckigkeit wiſſen, und melden koͤn-
ten, was jene vor Anſchlaͤge gegen die Glaͤubigen Chriſti unternehmen. Sie hat-
ten Herz genug, zu dem fuͤrchterlichen Heer der Feinde hinzugehen, indem ſie ſich
auf ihre zahlreichen Verwandten und Freunde darunter ſteiften. Conrad hielt
dieſes fuͤr hoͤchſt thoͤricht, und rieth ihnen, wegen Menge und Bosheit der Liven es
bleiben zu laſſen. Doch ließ er ſich auf ihr anhaltend Flehen bewegen, und gab
ihnen Urlaub. So bald ſie in die Verſamlung traten, wurden ſie von den Landes-
aͤlteſten beym Leibe genommen, und man wolte ſie zwingen, den Glauben an Chri-
ſtum abzulegen und von den Deutſchen ſich los zu ſagen. Doch dieſe waren
beſtaͤndig in der Liebe GOttes, und bekanten, daß ſie den angenommenen Glauben
von ganzem Herzen lieb haͤtten; bezeugten daneben, daß keine Arten der Marter
vermoͤgend waͤren, ſie von der Liebe und Gemeinſchaft der Chriſten zu trennen
und loszureiſſen. Daher wurden ſo gar ihre Anverwandten ſo grimmig erbittert,
daß nun ihr jetziger Haß ſtaͤrker war, als die vorige Liebe. Hierauf wurden ihnen,
auf einmuͤthigen Ausſpruch der Liven, Stricke an die Fuͤſſe gebunden, und ſie mitten
durch die Verſamlung geſchleifet; da man ſie denn erbaͤrmlich quaͤlte c), das Einge-
weide heraus riß, und Beine und Arme aus einander renkete. Wir haben keinen
Zweifel daran, daß ſie mit den heiligen Maͤrtyrern fuͤr ihr ſo wichtiges Marterthum
das ewige Leben werden empfangen haben.
M 2c) Hier
[48]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr,
§. 6.
Jhre Leiber ruhen in der Kirche zu Ykeskole, und ſind neben dem Grabe
der Biſchoͤfe Meinhards und Bertolds beygeſetzet d), davon der erſte als
Bekenner geſtorben, der andere aber als Maͤrtyrer, wie oben berichtet, von eben die-
ſen Liven hingerichtet worden. Hierauf wurden die Liven eins, von allen Ek-
ken ihres Landes ſich zu verſamlen, das der Stadt nahgelegene Schloß Holme
erſt wegzunemen, alsdenn auf die Rigiſchen, deren damals blutwenig waren,
zu ſtuͤrmen, und Riga zu zerſtoͤren. Als nun dieſe Verbindung und Verſchwoͤ-
rung zu Stande kam, gedachten ſie weder an die empfangenen Sacramente,
noch an die Taufe, warfen den Glauben von ſich, achteten den Frieden nicht, ſuch-
ten immer Krieg zu verneuren, und zogen alle zuſammen hinunter nach den Holme,
brachten auch einige von den Litthauern, ſo wol von Thoreida als Wenial auf,
und verſamleten ſich alle daſelbſt.
§. 7.
Die nun von Holme, deren Fuͤſſe ſchnel waren Blut zu vergieſſen, griffen
ihren Prieſter Johann, ſchnitten ihm den Kopf ab, und zergliederten den uͤbri-
gen Koͤrper ſtuͤckweiſe. Er war aus Wierland gebuͤrtig, von den Heiden in
der Jugend gefangen, durch den hochwuͤrdigen Biſchof Meinhard aber von der
Gefangenſchaft entlediget, und von ihm in das Kloſter Segeberg gethan, die
Gottesgelehrſamkeit zu erlernen. Als er nun daſelbſt viel vor ſich gebracht*), hatte
er ſich mit dem Biſchof Albert nach Liefland begeben, wurde ordiniret, und hat
in dem Kirchſpiel Holme viele von der Abgoͤtterey bekehret. Er kam endlich nach
volbrachter Arbeit mit zwey andern Bruͤdern, Gerharden und Hermannen,
wegen ſeines Glaubensbekentniſſes, wie wir vorher erwehnet, durch den Sieg des
Marterthums zum ewigen Leben. Seinen Leichnam und ſeine Gebeine, ſo nach-
her von den andern Prieſtern zuſammen geleſen worden, hat der Herr Biſchof mit
ſeinem Kapitel zu Riga in der Kirche Unſrer lieben Frauen andaͤchtig beerdiget.
§. 8.
Wie diß vorbey war, und der Schwarm der Liven bey dem Schloß Hol-
me ſich verſamlete, ſo fuhren einige Neubekehrte, Lembewaldee) mit etli-
chen andern, die ſich treu erwieſen und Weib und Familie in Holme zuruͤck ge-
laſſen, hinunter nach Riga, dem Herrn Biſchof an die Hand zu geben, welcherge-
ſtalt er ſich vor ſeinen Feinden wehren koͤnne; indem ſie den Fortgang der Chri-
ſten lieber ſahen, als wenn ihre untreuen Liven was gewinnen ſolten. Alle Li-
ven aber waren im Schloſſe etliche Tage beyſammen. Einige unter ihnen ſtreif-
ten bis Riga, die ſowol die Pferde auf der Weide entfuͤhrten, als die Menſchen,
ſo ſie antrafen, todt ſchlugen, und alle Bosheit veruͤbten, ſo viel ſie konten. Zu-
letzt wurden ſie verdrießlich; etliche kehrten nach den ihrigen, etliche blieben noch
nach. Wie aber der Biſchof Poſt erhielt, daß einige weggezogen, rief er die Bruͤ-
der der Ritterſchaft, Buͤrger und Pilger zuſammen, und befragte ſich, was gegen
die Anſchlaͤge der Liven vorzunehmen ſey? Es deuchte allen rathſam, wenn ſie die
Huͤlfe des allmaͤchtigen GOttes uͤber ſich anriefen, ihm die neue Kirche empfoͤhlen,
mit denen in Holme eine Schlacht wagten, und daß es beſſer ſey, wenn alle um
des Glaubens Chriſti willen ſtuͤrben, als daß einer nach dem andern taͤglich ge-
toͤdtet wuͤrde. Alſo uͤberlieſſen ſie dem Herrn Biſchof die Stadt, und die taug-
lichſten Deutſchen nahmen Steinſchleuderer und Bogenſchuͤtzen mit ſich, zogen
mit
[49]von 1205 bis 1206.
mit ihren Rigiſchen Liven in ihrer Ruͤſtung auf Fahrzeugen hinauf, und lande-1205
ten bey dem Schloß Holme vierzehen Tage nach Pfingſten an. Die Feinde, ſo
dieſe kommen ſahen, wolten das Ufer und den Zugang ſchuͤtzen, und kamen ihnen
verwegen entgegen. Anfaͤnglich erſtaunten die Chriſten ſehr, da ſie ſo wenig Leu-
te hatten: denn ihrer waren nur hundert und funfzig Mann; die feindliche Macht
hingegen war gar betraͤchtlich. Sie riefen aber in ihrem Geſang die Barmherzig-
keit GOttes an, ſtaͤrkten ihren Muth, und ſprungen endlich heraus. Der erſte
war Arnold, ein Bruder der Ritterſchaft Chriſti; hernach ruͤckten die Be-
dienten des Biſchofs aus einem andern Schiffe mit allen den uͤbrigen zugleich an den
Feind an. Zuerſt muſten ſie im Waſſer fechten, und hielten die vom Ufer aufge-
leſenen Steine und die feindlichen Lanzen, welche grauſam uͤber ihre Koͤpfe weg-
flogen, maͤnlich aus. Endlich erreichten ſie das Ufer, und ſtritten ſehr tapfer. Die
Feinde, ſo meiſt nackend waren, wurden haͤufig von den fliegenden Pfeilen ver-
wundet: man wurde handgemein; die Feinde wurden geſchlagen, nahmen Reiß-
aus, und wurden theils niedergehauen, theils muſten ſie im Ueberſchwimmen erſau-
fen, theils wurden ins Schloß mitgenommen: die andern ſo mit Schwimmen entka-
men, entgingen doch den Stacheln des Ungeziefers nicht. Sie hatten den Ako bey
ſich gehabt, ihren Vornehmeſten und Landesaͤlteſten, ſo der Urheber der ganzen Ver-
raͤtherey und alles Ungluͤcks war; der den Koͤnig von Ploſceke wider die Rigi-
ſchen aufgehetzet; der die Litthauer verſamlet, und die aus Thoreide und
ganz Liefland wider den Chriſtlichen Namen aufgeboten. Unter andern ward
auch dieſer mit niedergeſebelt, und des Entleibten Haupt ward dem Biſchof mit
der Zeitung des Sieges uͤberbracht. Der Biſchof hatte eben mit ſeiner Geiſtlich-
keit Meſſe gehalten, und wartete in der Furcht GOttes und im Gebet, ob ſich et-
wan einer ſehen ließ, der Poſt braͤchte, wie es abgelaufen. Denn ſein Herz ſtand
auf dieſe Art immer in guter Faſſung, und hatte ein groß Vertrauen auf den
HErrn. So gleich ließ ſich von weitem ein Schifchen ſehen, auf welchem einer von
den Bruͤdern der Ritterſchaft mit etlichen Verwundeten zuruͤck kam, und des
Akons Kopf zum Zeichen des Sieges dem Biſchof uͤberreichte. Dieſer freute
ſich mit allen, die zu Hauſe geblieben, und dankte GOtt, der durch ſo wenige ſeiner
Kirche Heil verſchaffet.
§. 9.
Die Chriſten naͤherten ſich inzwiſchen den Mauren der Vorſtadt, warfen
Feuer auf die Schloßmauer, und ſchleuderten auch Feuer und Steine mit ihren
Patherellenf) ins Schloß. Die Steinſchleuderer verwundeten gar viele in der
Veſtung; daher jene, nachdem ſo viele umgekommen, nicht mehr im Stande
waren ſich zu wehren. Alſo baten die von Thoreida um Friede, der ihnen auch
eingeſtanden ward, und bekamen Erlaubniß auszuziehen. Sie zogen alſo heraus
und waren faſt alle verwundet. Die von Holme aber, als Anfaͤnger des Un-
gluͤcks, muſten ſich gefangen geben, deren Landesaͤlteſte man nach Riga fuͤhrte,
und ſie nach Verdienſt in Eiſen legte. Der uͤbrigen die im Schloß waren, ver-
ſchonte man, und that ihnen weiter kein Leid g); weil ſie ſchon lange das Sacra-
ment der heiligen Taufe empfangen hatten. Alles aber, was bisher in Liefland
ſo ruͤhmlich vorgegangen, hat GOtt nicht durch Staͤrke vieler, ſondern allezeit durch
wenige ausgerichtet. GOtt ſey daher fuͤr ſo vielfachen Sieg in Ewigkeit gelobet.
Es war aber zu der Zeit ein groſſer Hunger und Mangel an Lebensmitteln in der
Stadt, und GOtt ſchickte wunderbar den Daniel, einen Prieſter des Biſchofs
von Gothland, her mit zwey Fahrzeugen h), die mit Getreide und andern derglei-
chen Nothwendigkeiten bis oben an geladen waren. Eben dieſen Daniel ſchickte
der Biſchof mit ſeinem Truchſes Gevehard, etlichen Steinſchleuderern, und ei-
Nnigen
[50]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr,
1205nigen andern, vorbeſagtes Schloß Holme, es voraus zu beſetzen, damit die Li-
ven nicht nachgehends Ruſſen und Heiden zuſammen rufen und den Chriſten
ſich widerſetzen koͤnten. Die Aelteſten aber aus Holme nahm der Biſchof nachher
mit ſich nach Deutſchland, damit ſie, wenn ſie den Wandel der Chriſten da-
ſelbſt ſaͤhen und hoͤrten, lernten glaͤubig werden, die ſie immer unglaͤubig geweſen
waren.
§. 10.
Die Rigiſchen dachten nach dieſem an alle Beleidigungen, ſo ihnen die noch
heidniſchen Einwohner von Thoreida zugefuͤget, wie auch an den ſo oftmals
von jenen gebrochnen Frieden, und riefen die Semgallen zu Huͤlfe, um an ih-
ren Feinden ſich zu raͤchen. Es hatten aber die Semgallen eine beſtaͤndige Feind-
ſchaft gegen die von Thoreida; daher freueten ſie ſich und ſtieſſen alsbald unter
ihrem Fuͤrſten Weſthard, etwan 3000 Mann ſtark, zu den Rigiſchen. Als
ſie an die Coiwai) kamen, theilten ſie ihre Armee, und gaben dem Landesaͤlteſten
Caupo, der Heerfuͤhrer war, die Helfte: (denn nachdem er von Rom kam,
war er ſehr glaͤubig und beſtaͤndig geworden, hatte aber wegen der Verfolgung von
den Liven, ſeine Zuflucht in die Stadt genommen, die Deutſche Sprache ge-
lernet, und faſt*) uͤber ein ganzes Jahr bey den Chriſten ſich aufgehalten.) Die
andre Helfte det Armee fertigten ſie nach dem Schloſſe des Dabrelk) ab. Caupo
ruͤckte mit ſeinem Heere gegen ſein Schloß, in welchem ſeine noch heidniſchen Ver-
wandten und Freunde ſich befanden. Wie nun dieſe die Armee ſchnel und unver-
hoft ankommen ſahen, uͤbernahm ſie die Furcht, und nur wenige aus ihnen ſtiegen
auf die Waͤlle das Schloß zu vertheidigen. Die meiſten ſprungen hinten uͤber das
Schloß und nahmen die Flucht nach Waͤldern und Gebirgen. Die Chriſten
aber wagten einen tapfern Sturm, und erſtiegen es endlich beherzt, ſchlugen die Fein-
de, jagten ſie vom Walle herunter, und eroberten das Schloß. Sie verfolgten
die Heiden von allen Seiten im Schloſſe, machten ungefaͤhr funfzig von ihnen nie-
der; die uͤbrigen waren mit der Flucht entkommen. Alſo ſchlepten ſie alle Sachen
nebſt vieler Beute weg, und ſteckten das Schloß in Brand. Als aber die auf der
andern Seite der Coiwe ſtehenden Liven in dem Schloſſe Dabrels Rauch und
Feuer aufſteigen und des Caupo Schloß brennen ſahen, waren ſie in Sorgen, es
moͤchte ihnen und ihrem Schloſſe auch ſo gehen: daher kamen ſie mit einander ins
Schloß, ſtiegen auf den Wall, erwarteten ihre Feinde, und thaten bey deren An-
kunft eine tapfere Gegenwehr. Denn Dabrel ihr Landesaͤlteſter ſprach ihnen
einen Muth ein, und machte ſie beherzt, wie ehmals die Philiſter ſagten: So ſeyd
nun getroſt und Maͤnner, ihr Philiſter, und ſtreitet, daß ihr nicht den Hebraͤern
dienen muͤſſet, 1 B. Sam. 4, 9. Die Pilger aber ſtuͤrmten mit den Sem-
gallen das Schloß den ganzen Tag, und konten es nicht einbekommen; und ob
gleich einige auf der andern Seite es mit wenigen andern zu erſteigen ſuchten: ſo
muſten ſie doch fuͤnfe**) der ihrigen, ſo von den Liven getoͤdtet wurden, im Stich
laſſen. Doch da ſie befanden, das Schloß ſey veſte und nicht zu erobern, zogen
ſie
[51]von 1205 bis 1206.
ſie ab, pluͤnderten das Land, und kehrten zu den ihrigen. Jm Ruͤckwege lieſſen ſie1205
ſich mit der geſamten Armee bey Riga nieder, und theilten alle Beute, ſo ſie mit-
gefuͤhret. Der Biſchof aber dankte GOtt, und ſchickte die Semgallen mit
Freuden zuruͤck in ihr Land.
§. 11.
Nachdem der Biſchof einen neuen Frieden mit den Liven getroffen: ſo ent-
ſchloß er ſich hierauf nach Deutſchland zu fahren; wie er aber auf die See kam,
hatte er die ganze Nacht durch einen entſetzlichen Sturm, und ward Tages darauf
nach der Duna zuruͤck getrieben. Hier ruhete er etliche Tage aus und vergnuͤgte
ſich, daß er beym Ende der Fruͤhmetten und der Veſper, da ihn weder die Sonne
des Gluͤcks bey Tage ſtach, noch der Mond des Ungluͤcks bey Nachte betruͤbte.
Und, damit er das Werk des HErrn weder auf dem Lande noch auf dem Waſſer
liegen ließ, dankte er GOtt und begab ſich wieder in die Gefahr, der er neulich ent-
gangen. Da nun GOtt ſtilles Wetter ſchenkte, ſo ſegelte er nach Deutſchland,
um Pilger aufzubringen, die die Kirche ſchuͤtzen ſolten.
§. 12.
Einige von den Liven, ſo in ihrer Treuloſigkeit beharreten, thaten hierauf
dem Koͤnige von Ploſceke durch ihre Abgeordneten die Wunden und den Verluſt
der ihrigen zu wiſſen, mit Erſuchen, er moͤchte ihnen gegen die Deutſchen zu
Huͤlfe kommen; zumal, da wenige in Riga nachgeblieben, und viele mit dem Bi-
ſchof weggezogen. Der Koͤnig, der ſich ihren Anſchlag und ihre Einladung gefal-
len ließ, ließ aus allen Orten ſeines Reichs, wie auch von andern Koͤnigen, die
ſeine Nachbaren und guten Freunde waren, eine Armee aufbieten, und fuhr mit
groſſer Heersmacht auf Schiffen die Duͤnel) hinunter. Und da ſie bey Ykeskole
anlegten: wurden etliche von ihnen von den Steinſchleuderern des Ritter Con-
rads hart verwundet. Wie ſie nun fuͤhlten, daß noch Deutſche im Schloſſe waren:
fuhren ſie weiter hinunter, ruͤckten geſchwind vor das Schloß Holme, und beſetzten es
rund umher. Einige Liven aber, die von dieſer Armee auch nichts wuſten, waren nach
den Waͤldern gefluͤchtet und entkommen; etliche verſamleten ſich zu den Deutſchen
ins Schloß, ſperten das Schloß zu, die Steinſchleuderer ſtiegen auf die Mauer,
und verwundeten ſehr viele. Die Ruſſen, ſo ſich auf die Steinſchleuderkunſt
nicht verſtanden, und noch des Bogens gewohnt waren, beſchaͤdigten viele auf den
Veſtungswerken, ſtritten viel Tage lang, ſchlepten einen groſſen Haufen Holz
zuſammen, und bemuͤheten ſich die Werke anzuſtecken. Doch ihre Arbeit war um-
ſonſt, und wurden viele aus ihnen von den Steinſchleuderen in Zurechtlegung des
Holzes verwundet und niedergemacht. Der Koͤnig ſchickte demnach Boten an die
herumliegenden Heiden von Thoreide und Lettland, daß alle gegen die Rigi-
ſchen zu Felde ziehen ſolten. Daruͤber waren die von Thoreide froh und kamen
gleich zum Koͤnige. Wie ſie ankamen, gab man ihnen keine andere Arbeit, als
Holz zuſammen zu fuͤhren, und das Schloß aufzubrennen. Bey dem Zurechtle-
gen des Holzes ward eine groſſe Menge unter ihnen, weil ſie ganz blos waren, von
den fliegenden Pfeilen ploͤtzlich erſchoſſen. Die Letten aber erſchienen nicht, ſchick-
ten auch keine Boten. Auch machten die Ruſſen von Polocz nach deutſcher
Manier eine kleine Maſchine; weil ſie aber die Kunſt, Steine zu werfen, nicht wu-
ſten, ſo ſchleuderten ſie hinterwerts, und beſchaͤdigten viele von ihren eigenen Leu-
ten. Der Deutſchen waren wenig, nemlich, nur zwanzig, und befurchten daher
von den Liven verrathen zu werden, deren ſie viel im Schloſſe bey ſich hatten: ſie
N 2ſaſſen
[52]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr,
1205ſaſſen alſo Nacht und Tag oben auf der Veſtung, und beſchuͤtzten das Schloß ſowol
vor ihren Freunden von innen, als vor ihren Feinden von auſſen. Die Liven
ſchmiedeten inzwiſchen taͤglich allerhand Anſchlaͤge mit dem Koͤnig, wie ſie denen
im Schloſſe mit Liſt beykommen, und ſie den Ruſſen in die Haͤnde ſpielen moͤch-
ten. Und wenn die Tage des Krieges nicht waͤren verkuͤrzet worden: ſo wuͤrden
die von Riga ſowol, als von Holme, wegen ihrer ſchwachen Anzahl, ſich kaum
haben retten koͤnnen. Denn in Riga war Furcht von innen, weil die Stadt
noch nicht veſte ausgebauet, und Furcht von auſſen, weil die ihrigen in Holme
belagert waren. Es kamen auch einige Liviſche Kundſchafter zum Koͤnige zuruͤck,
welche berichteten, daß das ganze Feld und alle Wege um Riga mit eiſernen drey-
zackigten Fußangeln volgeworfen waͤren. Sie zeigten auch einige davon dem Koͤ-
nige, und ſagten, die Fuͤſſe ihrer Pferde ſowol, als ihre eigene Ribben und ihr
Hintertheil, waͤren allenthalben mit dergleichen Hacken empfindlich durchgeboret.
Der Koͤnig ließ ſich dieſe Furcht abſchrecken, und zog deswegen mit ſeiner Armee
nicht nach Riga hinunter. Und GOTT erloͤſete die, ſo auf ihn hoffeten; denn
die von Thoreida erblickten Schiffe auf der See, und berichteten es dem Koͤni-
ge. Wie aber dieſer nach einer eilftaͤgigen Belagerung des Schloſſes nichts aus-
richtete, ſondern durch Verluſt der Seinigen mehr geſchwaͤchet wurde, und wegen
Ankunft der Deutſchen in Sorgen ſtand: ſo brach er mit der ganzen Armee auf,
und kehrte zu Schiffe wieder in ſein Land, nachdem die Seinen verwundet und
niedergemacht worden. Gevehard, des Biſchofs Truchſes m), ſtarb nachher an
einer kleinen Wunde. Die uͤbrigen aber waren friſch und geſund, und prieſen
GOTT, der ſeine Kirche auch dismal durch die Hand weniger vor ihren Fein-
den geſchuͤtzet hat.
§. 4.
Damals kam der Koͤnig von Daͤnnemark mit einer ſtarken Armee, daran
er ſchon drey Jahr geworben, und lagerte ſich in Oeſel. Er hatte den Erzbi-
ſchof von Lunden, Andreas bey ſich, der eine unendliche Menge Menſchen zur
Vergebung der Suͤnden mit dem Zeichen des Kreuzes gezeichnet; um Rache zu neh-
men an den Voͤlkern, und die Heiden dem chriſtlichen Glauben zu unterwerfen.
Sie baueten zwar ein Schloß, da ſich aber keine fanden, die gegen die Anfaͤlle der
Heiden Stand zu halten ſich getraueten: ſo ſteckten ſie es in Brand, und der Koͤ-
nig zog mit ſeinem ganzen Heer wieder in ſeine Laͤnder n). Allein vorbeſagter Erz-
biſchof von Lundeno), und der Biſchof Nicolausp), und ihre ganze Bedienung,
fuhren mit zwey Fahrzeugen, die ſie mit Lebensmitteln beladen hatten, nach Riga.
Als ſie zu Riga ankamen, wurden ſie von dem Praͤpoſitus bey St. Marien,
Engelbertenq), und ſeinem ganzen Convent, ſehr andaͤchtig empfangen. Und
da ſie die groſſe Bedraͤngniß der Kirche, und derſelben abermalige Errettung hoͤr-
ten,
[53]von 1205 bis 1206.
ten, ſo wuͤnſchten ſie ſich unter einander Gluͤck, freueten ſich, und prieſen GOTT,1205
weil er mitten unter den Heiden, bey ſo geringer Anzahl Leute, jederzeit ſeine Kir-
che erhalten. Der Erzbiſchof ließ nachher die ganze Kleriſey zuſammen kommen,
trug ihnen die Theologie r) vor, las den Pſalter, und man brachte den ganzen Win-
ter in gottſeligen Betrachtungen zu. Und billig folgete die Lehre aus GOttes
Wort auf die Kriege, weil zur ſelben Zeit, nach Endigung aller vorbeſchriebenen
Kriege, Liefland bekehret und getaufet worden. Denn, nachdem der Koͤnig
der Reuſſen mit ſeinem Heer abgezogen, ſo fiel eine Furcht GOttes uͤber die
Liven durch ganz Liefland, und die von Thoreiden ſowol, als von der Duͤne,
ſchickten Boten nach Riga, und baten um Friedensvorſchlaͤge. Man ſtellete alſo
denen von Thoreide alles Ungluͤck vor, was ſie waͤhrend des Friedens oft ange-
richtet, und wie ſie den Frieden gebrochen haͤtten. Denn ſie hatten viel erſchlagen,
dem Caupo, der ſich von ihnen abgekehret hatte, und in Geſelſchaft der Chriſten
immer gegen ſie fochte, vieles Herzeleid angethan, alle ſeine Guͤter in die Aſche ge-
leget, die Aecker abgenommen, die Bienenſtoͤcke zerbrochen, und uͤber dem manche
ungerechte Kriege wider die Rigiſchen oft angezettelt. Daher ward ihnen der
Friede abgeſchlagen, und zwar mit Recht; weil ſie nicht wolten Kinder des Frie-
dens ſeyn, und den Frieden allezeit ſtoͤrten. Doch ſie drungen inſtaͤndig darauf,
getaufet zu werden, gelobten auch an, Prieſter zu nehmen, und in allem ihnen zu ge-
horchen. Die von Lenewarden verſprachen auch zur Ausſoͤhnung ihrem Herrn
Daniel, der dieſes Schloß ſchon laͤngſt zum Lehn erhalten, alle Jahr von einem
Pfluge ein halb Talent Korn zu geben, welches ſie bis auf den heutigen Tag ent-
richtet, nur daß das Maß vergroͤſſert worden.
§. 14.
Der Praͤpoſitus von Riga ließ ſich alſo auf des Erzbiſchofs Befehl die
Kinder der Vornehmſten aus ganz Liefland zu Geiſſeln geben, und ſchickte alsdenn
Prieſter hin, ihnen zu predigen. Der erſte davon Alobrand zog nach Thoreida,
theilte das Wort der Predigt und das Sacrament der Taufe aus, machte die Ein-
theilung der Kirchſpiele und bauete in Cubbeſele eine Kirche. Der Prieſter
Alexander ward nach Metſepole abgefertiget, der dieſe ganze Provinz taufte,
zugleich unter ihnen wohnte, den Samen des Evangelii ausſtreuete, und eine
Kirche zu bauen anfing. Der Prieſter Daniel, der bey Belagerung des Schlo[ß]es
Holme manche Pruͤfungen uͤberſtanden, ward an die von Lenewarde geſchickt;
die ihn geneigt aufnahmen und ſich von ihm taufen lieſſen. Und da er nach dem
Dorfe kam, ſo Sydegunde hieß, berief er gleich die Leute zuſammen GOttes
Wort zu hoͤren. Es kam aber ein Live des Nachts aus dem dicken Buſche und
erzaͤhlte eine Erſcheinung die ihm widerfahren, alſo: Jch ſahe, ſprach er, den GOtt
der Liven, der uns kuͤnftige Dinge prophezeyet. Es war nemlich ein Bild, ſo
von der Bruſt bis oben an aus einem Baume s) gewachſen, das ſagte zu mir, der
Litthauer Armee werde Morgen anruͤcken, und wir getrauen uns aus Furcht vor
dieſer Armee, nicht zuſammen zu kommen. Doch der Prieſter merkte wohl, daß es
ein Teufelsſpiel ſey, weil zur Herbſtzeit dahin kein Weg gehet, den die Litthauer
kommen koͤnten, daher blieb er in ſeinem Gebete und empfahl ſich GOtt. Wie es
Tag ward, und ſie nichts dergleichen hoͤrten und vernahmen, was das Geſpenſte
dem
[55]von 1205 bis 1206.
dem Liven voraus geſaget, verſamleten ſie ſich alle an einen Ort; der Prieſter1205
bezeugte ihnen den Greuel der Abgoͤtterey und erwieß ihnen, daß ſolche Geſpenſter
ein Blendwerk des Teufels ſeyn, und predigte ihnen vor von Einem GOtt, dem
Schoͤpfer aller Dinge, von Einem Glauben und Einer Taufe; mit dieſen und der-
gleichen lockte er ſie an zur Verehrung des einzigen GOttes. Wie ſie das hoͤrten,
entſagten ſie dem Teufel und ſeinen Werken, und verſprachen an GOtt zu glau-
ben, und lieſſen ſich taufen, ſo viel von GOtt beſtimmet waren. Nachdem er die
von Remine auch getauft, ging er nach denen von Aſcherade, und da dieſe das
Wort GOttes mit Freuden annahmen, und man das Sacrament der Taufe vol-
zogen: ſo kehrte er wieder nach Thoreide, kam zu dem Schloſſe des Dabrels
und ward da ſehr gut aufgenommen. Wie er auch hier den Samen des Wortes
geſtreuet, ſie bekehret, und getaufet hatte: ſo zog er endlich aus dieſer Gegend weg,
und wandte ſich zu den Wenden. Die Wenden waren aber zu der Zeit gerin-
ge und arme Leute, die man nemlich von Wyndo, einem Fluſſe in Curland,
weggejagt, und wohnten auf dem alten Berge, neben welchem die Stadt Riga
nun angeleget iſt. Von da wurden ſie wieder durch die Curen vertrieben, viele
niedergemacht, und die uͤbrigen muſten zu den Litthauernt) fluͤchten; daſelbſt
wohnten ſie bey ihnen und freueten ſich uͤber die Ankunft eines Prieſters. Da auch
dieſe bekehrt und getauft waren, empfahl der Prieſter dieſen ſchon gepflanzten Wein-
berg und beſaͤeten Acker dem Herrn; und zog zuruͤck nach Riga.
§. 15.
Nachdem wurde er an die Ydumaͤer geſchickt, woſelbſt er viele Letten und
Ydumaͤer taufte, uͤber der Ropa eine Kirche bauete, auch bey ihnen blieb und
ſie zum ewigen Leben anfuͤhrte. Die von Thoreide aber, da ſie das Sacrament
der heiligen Taufe nebſt aller geiſtlichen Anwartſchaft empfangen, baten ihren Prie-
ſter Alobrand, daß, wie er ihnen im geiſtlichen Recht verſchaffet, alſo ſich ihrer
auch in buͤrgerlichen Dingen, ſo wir das weltliche Recht nennen, annehme, nach
den Rechten der chriſtlichen Kaiſer*),u). Denn die Liven waren vor dieſem ein
ſehr treuloſes Volk, und ein jeder nahm ſeinem Naͤchſten mit Gewalt, was er hat-
te, wenn er nur ſtaͤrker war; und daher wurde ihnen Gewaltthaͤtigkeit, Diebſtal,
Rauben und dergleichen bey der Taufe unterſaget. Die aber vor der Taufe wa-
ren ausgepluͤndert worden, und uͤber den Verluſt ihrer Habſeligket ſich beklagten,
verlangten einen weltlichen Richter, dergleichen Sachen abzumachen; weil ſie nach
der Taufe das ihrige gewaltſamer Weiſe nicht wiederwegnehmen durften w). Da-
her ward dem Prieſter Alobrand gleich anfaͤnglich aufgelegt, ſo wol geiſtliche als
buͤrgerliche Klagen anzuhoͤren. Dieſer verwaltete auch ſein ihm aufgetragenes
Amt ſo wol um GOttes, als ſeiner Suͤnden willen getreulich, machte des Stehlens
und Raubens weniger, ſchafte das unrecht Entwandte wieder, und zeigte den Li-
ven den Weg gerecht zu leben. Den Liven gefiel dieſe Gewohnheit der Chri-
ſten das erſte Jahr ganz wohl, weil das Amt dieſer Advocatur durch treue und ge-
rechte Maͤnner verſehen ward, ſo aber nachher durch die Haͤnde unterſchiedlicher
weltlicher Richter und Laien, wegen der ſchaͤndlichen Geldſucht durch ganz Liefland,
Lettgallien und Eſthland alzuſehr verſchlimmert worden. Die ſo wol um
O 2ihren
[56]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr,
1205ihren Beutel zu fuͤllen, als dem Schein nach der Gerechtigkeit genug zu thun, der-
gleichen Advocatenamt*) fuͤhrten.
§. 16.
Denſelbigen Winter war eine Finſterniß, wodurch die Sonne einen guten
Theil des Tages erſchrecklich verdunkelt ward x).
§. 17.
Es war Biſchof Albert der erſte, der in Deutſchland durch alle Flecken,
Straſſen und Kirchen umher zog und ſuchte Ritter auf die mit walfarten wolten.
Er durchreiſete Sachſen, Weſtphalen und Frisland, kam endlich bey der
Hofſtadt des Koͤnigs Philippi an; und da er von keinem Koͤnige ſich einige Huͤl-
fe verſprechen konte, ſo wandte er ſich ans Reich, ſprach ſelbiges an, und erhielt
von demſelben mit algemeinem Beyfal des Kaiſers und der Staͤnde*)Lieflandy).
Vorbeſagter Koͤnig Philippus verſprach zwar, daß ihm jaͤhrlich hundert Mark
Silbers zur Beyſteuer ſolten gegeben werden z) wenn nur jemand auf Zuſage haͤtte
reich ſeyn koͤnnen.
Des
[59]
Des Biſchof Alberts, neuntes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1206 bis 1207.
§. 1.
Nachdem ganz Liefland ſich nun hatte taufen laſſen, ſo war im neun-1206
ten Jahr ſeines Bisthums die Kirche GOttes ſtille, und genoß der
Ruhe des Friedens, nur daß ſie auf die Ankunft ihres Biſchofs
wartete. Der Erzbiſchof von Lunden aber und der Kanzler mach-
ten ſich mit allen den Jhrigen zur Ruͤckreiſe fertig, erreichten auch am Palmen Son-
tage Gotland, und feierten das hochheilige Oſterfeſt in ihrem Lande. Der Bi-
ſchof von Riga kam nun auf Pfingſten zu Riga an, ward von allen mit Freuden
empfangen, und hatte den Grafen von Peremunt, (Pyrmont), Gottſchal-
ken, und einen andern Grafen a), nebſt vielen andern auslaͤndiſchen Edlen, und
ehrbaren Maͤnnern bey ſich, die an dem Frieden der Kirche mit Theil nahmen,
und die Mauer der Stadt ſo weit erhoͤheten, daß man nachher vor dem Anfal der
Heiden nichts zu befuͤrchten hatte.
§. 2.
Dem kleinen Koͤnig von Kukonoys aber, Veſceka, kam die Ankunft des
Biſchofs und der Pilger zu Ohren, daher machte er ſich mit ſeinen Leuten auf,
ihnen entgegen zu gehen, ward auch bey ſeinem Eintrit in Riga von allen ſehr
vornehm in Empfang genommen. Nachdem er in dem Hauſe des Biſchofs viele
Tage ſich aufgehalten und viel Liebe genoſſen, ſprach er endlich den Biſchof
gegen die Streifereyen der Litthauer um Huͤlfe an, mit dem Erbieten, ihm die
Helfte ſeines Landes und ſeines Schloſſes abzuſtehen b). Der Biſchof nahm das
an, verehrte dieſem kleinen Koͤnige viele Geſchenke, ſagte ihm Beyſtand an Mann-
ſchaft und Gewehr zu, und ließ ihn vergnuͤgt nach Hauſe. Nachgehends hatte der
Biſchof ſeine Freude uͤber der Liven Bekehrung und Taufe; deswegen ſchickte er
Prieſter an alle, nach Thoreida, nach Metſepole, nach Ydumaͤa, und nach
der Dune, ließ Kirchen aufbauen, und ſetzte in dieſe Kirchſpiele Prediger ein.
§. 3.
Es begab ſich aber zu der Zeit, daß der HErr von Tage zu Tage die Anzahl
und die Hausgenoſſen der Bruͤder von der Ritterſchaft Chriſti vermehrte, daher
es ihnen gut ſchien, daß ſie, ſo wie ihre Perſonen und Arbeiten ſich haͤuften, auch
an Vermoͤgen und Guͤtern bemittelter wuͤrden, damit ſie, weil ſie in Kriegen und
andern anhaltenden Strapazen des Tages Laſt und Hitze getragen, auch zuſammen
den Troſt ihrer Arbeit, einen Groſchen zum Tagelohn erhielten. Sie baten dem-
nach den Herrn Biſchof mit taͤglichem Ueberlaufen um den dritten Theil von Lief-
land, wie auch von andern herumliegenden Laͤndern, und noch unbekehrten Voͤl-
kern, welche der HErr durch ſie zugleich mit den uͤbrigen aus Riga kuͤnftig hin
dem chriſtlichen Glauben unterwerfen moͤchte; damit, gleichwie ſie mit ſtaͤrkern
Ausgaben beſchweret wuͤrden, ſie auch mehrere Einkuͤnfte zu genieſſen haͤtten. Der
Biſchof aber, der gerne ſolche Maͤnner, die ſich fuͤr das Haus des HErrn Tag
und Nacht zur Mauer ſtelten, nach Art eines Vaters hegte, und ihre Zahl mehrte,
wolte ebenfals gerne ihre Muͤhe und Koſten erſetzen, und geſtand ihnen den ganzen
P 2dritten
[60]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neuntes Jahr,
1206dritten Theil von Liefland zu. Und weil er ſelbſt Liefland mit der voͤlligen
Oberherſchaft und allen Rechten vom Kaiſer erhalten, ſo uͤberließ er ihnen auch
ihr drittes Theil mit allen Rechten und der Oberherſchaft. Wegen der Laͤnder
aber, die noch nicht erobert und bekehret waren, bedeutete er ſie ganz vernuͤnftig,
daß er nicht geben koͤnte, was er ſelbſt nicht haͤtte. Wie ſie aber mit ihren Bitten
immer ernſtlicher anhielten, zu rechter Zeit und zur Unzeit: ließ ers endlich an den
roͤmiſchen Pabſt gelangen, der durch einen gleichen Beſcheid die noch nicht be-
zwungenen Landſchaften GOtt anheim ſtelte, und ihnen blos von den eroberten
den dritten Theil zuſprach. Dem Biſchof uͤber Liefland ward auch in ihrem
Antheil das Viertel von den Zehnden gelaſſen, damit ſie als Vaſallen ihre Unter-
thaͤnigkeit erwieſen c). Die Bruͤder der Ritterſchaft theilten alſo auf Erſuchen des
Biſchofs Liefland in drey Theile, erkanten ihm aber, als Vater und Aelteſten, die
erſte Wahl zu. Daher als der Herr Biſchof erſt fuͤr ſich des Caupo Gebiet,
den Strich um Thoreida, nahm, ſuchten ſich die Bruͤder von der andern Seite
der Goiwe die Provinz Saccala aus, und lieſſen auch fuͤr den Biſchof den
dritten Theil in Metſepole uͤbrig. Wegen der andern Provinzen und
Guͤter aber, (die nachher erobert wurden,) empfingen ſie durchgaͤngig
aaf eine andre Art eine nachherige Verguͤtung. Nachdem Liefland ſo
in Theilung gebracht, ſchickte der Biſchof Prieſter in ſeine Gegenden, und den
Bruͤdern der Ritterſchaft uͤbertrug er auch nachher voͤllig, ihr Theil fuͤr ſich zu be-
ſorgen.
§. 4.
Auch ward in dieſem Jahre Gottfried, einer von den walfahrenden Rittern,
nach Thoreide verſchicket, das Amt eines Advocaten in weltlichen Rechten zu verwal-
ten. Dieſer zog in den Kirchſpielen umher, ſchlichtete die Rechtsſachen und Streitigkei-
ten der Leute, ſamlete ſich brav Geld und Geſchenke, brachte dem Biſchof nur weniges
und behielt fuͤr ſich das meiſte. Hieruͤber wurden einige andere Pilger unwillig, er-
brachen ſeinen Kaſten *) und fanden von den Diebsgeldern neunzehn Mark an
Silber, ohne das viele andere, ſo er ſchon durchgebracht. Und weil er gottlos
gehandelt, das Recht verdrehet, die Armen gedruͤcket, die Ungerechten losgeſpro-
chen, die Neubekehrten ausgeſauget: ſo geſchahe es durch ein gerechtes Gerichte
GOttes, daß er andern zum Schreck in ſolche Schande gerieth, und, wie uns nach-
her berichtet worden, ein gar ſchlimmes Ende genommen.
§. 5.
Nach dieſem dachten die Litthauer an alle die Jhrigen, die vor zwey Jahren
von den Rigiſchen und Semgalliern erſchlagen waren, und ſchickten durch ganz
Liefland, brachten eine ſtarke Armee auf die Beine, paßirten die Duͤne, und
kamen, nachdem ſie die ganze Nacht marſchiret waren, den heiligen Abend vor
Weihnachten nach Thoreide, gingen mit fruͤhem Tage uͤber die Coiwe, breiteten
ſich auf allen Doͤrfern aus, und weil ſie in ein Land kamen d), da das Geruͤchte von
ihrem Anzuge die Einwohner nicht vorher in Verfaſſung geſetzet, hieben ſie viele
nieder, und ſchlepten noch mehr in die Gefangenſchaft. Es waren aber eben am
Weihnachtstage zwey Prieſter in der Kirche zu Cubbeſele, welche fuͤr die Liven
Meſſe hielten, Johann Stricke) nemlich und Dietrich Rabbe mit ſeinem
Knechte. Als die erſte Meſſe aus war, und Johann ſchon die andre hielt, liefen
die Eingepfarrten, die von der ankommenden Armee Wind vernahmen, aus der
Kirche heraus, und einige, die ſich in die Schlupfloͤcher der Waͤlder verſteckten,
entkamen. Etliche die nach Hauſe eilten, wurden unterwegens gefangen; die mei-
ſten
[61]von 1206 bis 1207.
ſten aber niedergemacht. Und da nach geendigter epiſtoliſchen Feſtlection*) das1206
Evangelium abgeleſen ward: ſprengten die Litthauer mit ihren ſchnellen Pfer-
den hin und her um die Kirche herum, kamen doch nicht hinein, weil GOtt ſeine
Kirche bewahrte, ſondern ranten nach dem Pfarrhauſe, nahmen Pferde und Vieh
mit ſich, und warfen Kleider, Eßwaaren, und alles was ſie fanden, auf ihre
Wagen. Und da ſie uͤber dem Pluͤndern auf der Pfarre ſo lange ſich verweilten,
verrichtete der Prieſter unterdeſſen in der Kirche die hohe Meſſe des hochwuͤrdigen
Nachtmahls des Leibes und Blutes Chriſti, hatte auch kein Bedenken ſich ſelbſt
dem HErrn zum Opfer hinzugeben, und empfahl ſich ihm. Der Prieſter Dietrich
ſtand ihnen treulich bey, wartete mit auf, der Knecht hielt die Kirchthuͤre veſt f),
und beyde ſtaͤrkten ihn, daß er aus Furcht vor den Heiden das hohe Amt nicht ſte-
hen ließ. Wie nun durch GOttes Gnade die Meſſe vorbey war, nahmen ſie die
Bekleidung des Altars ab, packten alle Meßgewandte zuſammen, legten ſie in die
Sakriſtey in einen Winkel, ſetzten ſich neben einander und verbargen ſich in dieſen
Winkel mit. Kaum daß ſie damit fertig waren, ſiehe! ſo kam einer von den Fein-
den in die Kirche, lief allenthalben herum, und faſt bis in die Sakriſtey; wie er
aber den Altar blos und ledig ſahe, auch nichts antraf, was ihm anſtand, ſprach
er mit aufgeſpertem Rachen: Ba! (ein Spruͤchwort, ſo bey dieſer barbariſchen
Nation uͤblich iſt,) und ging nach ſeinen Kammeraden. Nachdem nun die Lit-
thauer alles weggenommen, was ſie gefunden, gingen ſie ihren Weg, und kaum
waren ſie aus dem Pfarrhauſe ausgezogen, ſiehe! ſo kam ein anderer und noch
ſtaͤrkerer Haufen als die vorigen, und wie ſie das Haus gepluͤndert funden, eileten
ſie hinter den andern her, von denen einer in die Kirche kam, ohne von ſeinem Pfer-
de abzuſteigen; weil er aber nichts zu rauben antraf, und die Verſteckten im Win-
kel nicht zu Geſichte bekam, machte er ſich wieder in aller Eil fort. Und da auch der
dritte Trupp der Litthauer ankam, ſo ſas einer von ihnen auf ſeinem Wagen,
und fuhr durch die Kirche durch, ſahe aber auch die Prieſter nicht. Dieſe dankten
alſo GOtt, daß er ſie geſund und friſch in dem Geſicht der Feinde erhalten. Sie
gingen nach deren Wegzuge gegen Abend aus der Kirche, fluͤchteten nach dem Bu-
ſche, aſſen darinne drey Tage lang das truckne Brod und langten den vierten Tag
in Riga an. Die Litthauer aber pluͤnderten die ganze Provinz rund herum,
und verſamleten ſich des Nachts in dem Dorfe des Annog), brachen mit fruͤhem
Morgen wieder auf, und fuͤhrten Weiber, Jungfrauen, kleine Kinder und eine
groſſe Beute an Vieh aus dem Lande. Aber eben in der Chriſtnacht ſchickten die
Liven Boten an den Biſchof, mit Vermelden, der Litthauer Heer ſey einge-
brochen, und gleich darauf kam eine Nachricht nach der andern; und erzaͤhl-
ten den Mord und die Gefangenſchaft der Menſchen, die Verwuͤſtung der Kirchen,
und allen Schaden, den die Heiden der neuen Gemeine zugefuͤget hatten.
Auf dieſe Nachricht ließ der Biſchof die Pilger, die Ordensbruͤder, die Kauf-
leute und alle die Seinigen vor ſich kommen, und that an ſie die Vorſtellung, daß ſie
ſich zur Vergebung ihrer Suͤnden als eine Mauer um das Haus des HErrn ſtel-
len und die Kirche von ihren Feinden willig erretten ſolten. Dieſe waren ſo gleich
gehorſam, machten ſich zur Schlacht fertig, und ſandten an alle Liven und
Letten mit Bedrohen und Vermelden: Wer nicht ausziehen und der chriſtlichen
Armee mit folgen wuͤrde, ſolle drey Mark Strafe geben. Alſo kam allen eine
Furcht an und machten ſich auf, den Rigiſchen bey der Duͤne entgegen zu ge-
hen. Nach ihrem Aufbruch kamen ſie in Lenewarden zuſammen, und paſten
unterhalb der Stadt in aller Stille auf den Ruͤckmarſch der Litthauer. Man
ſchickte auch Kundſchafter aus, ihren Weg zu beobachten. Dieſen begegneten ſie,
als ſie mit allen Gefangenen und Raube bey Lenewarden des Nachts auf dem Eiſe
uͤber die Duͤne gingen. Jhr Heerfuͤhrer aber ruͤckte mit ſeinen Begleitern etwas
naͤher hinauf ans Schloß, und wie er den Aelteſten des Schloſſes aufgefordert,
Qfragte
[62]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neuntes Jahr,
1206fragte er: Wo iſt der Haufe der Chriſten? Geh, ſagte er, melde den Chriſten,
welche vor zwey Jahren meine aus Eſthland zuruͤckgehende Armee gleichſam
im Schlafe niedergehauen, ſie ſollen mich und alle meine Leute nun wachend fin-
den. Wie die Chriſten das hoͤrten, eilten ſie zum Streite des HErrn, ſetzten
den Feinden mit fruͤhem Morgen nach, paſſirten ungefaͤhr um drey Uhr bey Aſche-
rade die Duͤne, und fanden ſie da vor ſich. Die Heiden, welche ſahen, daß
dieſe nachkaͤmen, erſchracken uͤber gewiſſe Umſtaͤnde und erhuben ein ſtarkes Ge-
ſchrey. Sie riefen auch die ihrigen zuſammen und ruͤckten den Chriſten entgegen.
Die Chriſten entſatzten ſich vor dieſem Geboͤlke und ihrer Macht gar nicht, ſon-
dern verlieſſen ſich auf GOtt,*) brachen auch mit empor gehaltnen Fahnen in ſie ein,
hieben hier und da nieder, und machten das Gefechte auf beyden Theilen immer
hitziger. Die Litthauer, die faſt geſchwinder und grauſamer ſind als andre
Voͤlker, und vorher ſich verlauten laſſen, ſie waͤren jetzo am beſten wachend um
ſich zu ſchlagen, zeigten endlich nach einer langen und tapfern Gegenwehr den
Ruͤcken; und wie ſie zum Gefechte gewandt waren, ſo wurden ſie noch weit ſchnel-
ler zur Flucht. Einige flohen nach den Waͤldern, andere nach dem Wege, und
lieſſen Gefangene und Beute im Stiche. Die Chriſten verfolgten ſie den ganzen
Tag, und toͤdteten ihrer viele; die uͤbrigen entkamen mit der Flucht. Darauf
wandten ſie ſich zur Beute, und nahmen den Weibern und Kindern der Neubekehr-
ten nebſt allen Gefangenen die Ketten ab. Es kamen auch alle Neubekehrte,
Liven ſo wol als Letten, ſamt den Deutſchen zuſammen, dankten GOtt fuͤr
das verlorne und wiedergefundene Schaf, oder fuͤr die Schafe, die aus der Woͤlfe
Rachen entriſſen waren, theilten die Beute unter ſich, und ſchickten alle erledigte
Gefangene an ihre Freunde zuruͤck.
§. 6.
Nachdem der HErr ſeine Kirche von dem Ueberfal der Heiden befreyet, ſo
beſorgte der Biſchof, ſie moͤchten nach ſeiner Abreiſe ein gleiches thun, und Lief-
land aller Orten verwuͤſten; daher gedachte er die Burg der Selenh) zu ſchlei-
fen, welche ihnen allezeit bey ihrem Aus- und Einzuge zur Zuflucht diente, und
fertigte durch ganz Liefland und Lethgallien Boten ab, zum Feldzuge die auf-
zubieten, welche ſich ſchon zum Chriſtlichen Glauben geſchlagen hatten. Wie
nun eine groſſe Armee beyſammen war, ſchickte der Biſchof den Abt Dietrich und
den Praͤpoſitus Engelbert mit ſeiner ganzen Hofſtatt und mit den Pilgern, nebſt
den Bruͤdern der Ritterſchaft Chriſti aus, die Selen anzugreifen. Dieſe ſchlu-
gen ſich nach Aſcherad, gingen uͤber die Duͤne, und fanden die Koͤrper der vor-
her erſchlagenen Litthauer noch unbegraben, die ſie auf dem Wege zertraten, in
guter Ordnung weiter gingen, und vor die Burg der Selen kamen. Sie ſchloſ-
ſen die Burg auf allen Ecken ein, verwundeten viele auf den Werken mit Pfeilen,
viele auf den Doͤrfern nahmen ſie gefangen, viele machten ſie nieder, trugen Holz
zuſammen, und zuͤndeten ein ſtarkes Feuer an. Sie lieſſen den Selen keine Ru-
he Tag und Nacht, und jagten ihnen manches Schrecken ein. Daher riefen dieſe
die Aelteſten von der Armee heimlich zu ſich und hielten um Friede an. Dieſe aber
ſprachen: Wenn ihr den wahren Frieden begehret, ſo entſaget der Abgoͤtterey, und
nehmt den wahren Friedensſtifter, der Chriſtus iſt, in euer Schloß auf, laſſet
euch taufen und weiſet ein andermal die Litthauer, als Feinde des chriſtlichen Na-
mens, vor eurer Burg weg. Dieſes Friedensformular ſtand ihnen an; ſie haͤn-
digten
[63]von 1206 bis 1207.
digten die Geiſſeln aus, verſprachen die Taufe und die Sacramente anzunehmen,1206
ſchaften die Litthauer von ſich und gelobten den Chriſten in allem Gehorſam an.
Da ſie nun ihre Knaben ausgeliefert hatten, ließ ſich die Armee beſaͤnftigen; wor-
auf der Abt und Praͤpoſitus mit andern Prieſtern zu ihnen hinauf ins Schloß ſtie-
gen, ſie zum Glauben aufuͤhrten und unterrichteten, die Burg mit Weihwaſſer be-
ſprengten; die Fahne der heiligen Jungfrau Maria auf das Schloß pflanzten,
ſich uͤber die Bekehrung der Heiden freueten, GOtt fuͤr das Wachsthum ſeiner
Gemeine prieſen, und mit den Letthgallen und Liven froͤlich nach ihrem Lande
kehrten.
§. 7.
Zur ſelben Zeit ward der Prieſter Alobrand mit einigen andern nach Un-
gannien geſchickt, die Guͤter der Kaufleute wieder abzufordern, die man ihnen
vor Erbauung der Stadt Riga abgenommen, als ſie nemlich von der Duͤne nach
Pleskow mit Frachtwagen dahin gefahren. Der Stuͤckguͤter waren viel, ſo von
denen Unganniern auf Anſtiften der Liven unterwegens geraubet waren und
kamen auf tauſend Mark*) und mehr zu ſtehen. Die von Ungannien gaben
aber weder die Guͤter heraus, noch einige Antwort von ſich, ſie kuͤnftig zuruͤck zu
liefern. Weswegen Alobrand, der ſich hierum nicht ſonderlich bekuͤmmerte und
den Kopf vol von andern Dingen hatte, zuruͤck kam, und unterwegens den
Letthgallen, die um die Ymer wohnten, das Wort GOttes von Annehmung
der Taufe predigte, zumal, da ſchon ganz Liefland und viele von den Letthgal-
len das Wort des HErrn angenommen. Dieſe freuten ſich uͤber die Ankunft des
Prieſters, weil ſie von den Litthauern oft gepluͤndert, von den Liven immer
gedruͤckt, und durch die Deutſchen erleichtert und geſchuͤtzt zu werden hoften,
und nahmen das Wort GOttes mit Vergnuͤgen an. Doch warfen ſie vorher das
Loos i), und erforſchten die Meinung ihrer Goͤtter: Ob ſie die Taufe der Ruſſen
von Pleſcekow, die den grichiſchen Glauben mit andern Letthgallen von
Tholowa hatten; oder der Lateiner und Deutſchen ihren annehmen ſolten.
Denn die Ruſſen waren eben zu der Zeit gekommen, ihre Letthgallen von
Tholowa zu taufen, welche ihnen allezeit Tribut erlegen muſten. Das Loos
fiel auf die Lateiner, und ſie wurden alſo mit ſamt der Lieflaͤndiſchen Kirche
denen in Riga beygezaͤhlet. Alobrand taufte auch einige Doͤrfer, ging nach
Riga zuruͤck, und ſtattete dem Biſchof Bericht ab. Dieſer nahm an ſeiner Freu-
de mit Theil und weil er wuͤnſchte dieſe Gemeine ſtets zu verſorgen: ſo ſandte er
ſeinen Scholaren, Heinrich, der in den geiſtlichen Orden getreten, mit dieſem
Alobrand dahin, und Alobrand kehrte nach der in dieſen Gegenden volbrach-
ten Taufe wieder zuruͤck. Der andre aber, da man eine Kirche erbauet, und
ihn dabey eingeſetzt, unterließ nicht bey ihnen zu wohnen und ihnen die Seligkeit
des kuͤnftigen Lebens vorzuhalten, ob er gleich vielen Gefaͤhrlichkeiten unterwor-
fen war.
§. 8.
Es entſtand zu dieſer Zeit eine Uneinigkeit zwiſchen dem kleinen Koͤnig von
Kukenois und Danieln, einem Kriegsoberſten von Lenewarden. Denn da
der Koͤnig deſſen Leuten allerhand Schaden zufuͤgte, und auf oftmalige Warnung
Q 2von
[64]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neuntes Jahr,
1206von dergleichen Beunruhigung nicht abſtand; ſo machten ſich des Daniels
Knechte bey Nachte auf, eileten mit ihrem Herrn ſchnel nach des Koͤnigs Schloſſe,
kamen mit der Morgendaͤmmerung hin, und fanden die, ſo unten im Schloſſe wa-
ren, ſchlafen, anbey die Schildwache oben nicht gar wachſam. Sie kletterten alſo
in der Geſchwindigkeit hinauf, erſtiegen die Hoͤhe der Veſtung, begaben ſich ins
Schloß, hatten aber das Herz nicht die Ruſſen, weil ſie den Namen der Chri-
ſten fuͤhrten, todt zu machen, ſondern droheten nur ihnen mit dem Schwerdte, und
jagten einige in die Flucht; andere nahmen ſie veſt und lieſſen ſie ſchlieſſen. Unter
dieſen fingen ſie ſelbſt den Koͤnig mit, und legten ihn in die Eiſen; ſchlepten alle
Habſeligkeit im Schloſſe auf einen Ort, bewachten ſie fleißig, und riefen ihren
Herrn den Daniel, der in der Naͤhe war und nur wartete, wie es ablief,
zu ſich. Er ſelbſt aber verlangte den Rath des Biſchofs uͤber dieſe Begebenheit
einzuziehen, und ſchrieb alles an die Rigiſchen. Hieruͤber betruͤbte ſich der Bi-
ſchof mit allen ſeinen Leuten, weil er mit dem Vorgegangenen uͤbel zufrieden war,
und befahl den Koͤnig wieder in ſeine Burg einzuſetzen, und alle Guͤter wieder zu
geben. Er ließ auch den Koͤnig vor ſich kommen, beſchenkte ihn reichlich mit Pfer-
den, verehrte ihm viel Paar koſtbarer Kleider, bewirthete ihn mit allen ſeinen
Leuten das Oſterfeſt gar freundlich, und wie er alle Mishelligkeit zwiſchen ihm und
dem Daniel beygeleget, ſchickte er ihn mit Freuden nach ſeinem Schloſſe wieder
heim. Der Biſchof dachte auch an ſein Verſprechen, was er ihm angelobet, als
er von ihm die Helfte ſeines Schloſſes annahm, und ſchickte mit ihm zwanzig brave
Maͤnner mit ihrem Gewehr und Pferden, Soldaten, Steinſchuͤtzen und Mauermei-
ſter das Schloß zu beveſtigen, und es gegen einen Anlauf der Litthauer zu verthei-
digen, verſahe ſie auch in allem nach ihrem Behuf auf ſeine Koſten. Der Koͤnig zog
mit froͤlichem Angeſichte von ihnen, ob er gleich innerlich mit Betrug ſchwanger ging,
kehrte nach Kukenois und ließ den Biſchof in Duͤnemuͤnde, der ſeiner Ge-
wohnheit nach in Deutſchland reiſen wolte, um auf das folgende Jahr Pilger zu
werben. Denn die, ſo das Jahr ihrer Pilgrimſchaft ſchon ausgedienet hatten,
ſtunden fertig nach Deutſchland zuruͤck zu gehen; GOtt aber trieb ſie, nachdem
ſie in Dunamunde ſchon lange gelegen, durch Gegenwind zuruͤck und ließ ſie
nicht aus.
§. 9.
Wie vorbeſagter Koͤnig aber in Kukenois ankam, und nicht zweifelte, die
Pilger wuͤrden mit dem Biſchof ſchon abgeſegelt ſeyn, er auch ganz gut wuſte, daß
nur eine Handvol in Riga nachgeblieben: ſo konte er ſeine untreue Tuͤcke nicht
laͤnger im Herzen verborgen halten; ſondern uͤberlegte es mit ſeinen Leuten, war-
tete auf bequeme Zeit und Stunde, da faſt alle Deutſchen bey der Arbeit waren,
und zur Erbauung des Schloſſes Steine aus einer Grube brachen, auch indeſſen
ihre Schwerdter und Gewehr oben auf der Grube abgeleget hatten, uͤber dem von
dem Koͤnig, als ihrem Herrn und Vater, ſich nichts befuͤrchteten. Und ſiehe! gleich
kamen die Knechte des Koͤnigs und alle ſeine Maͤnner, nahmen den Deutſchen
ihre Schwerdter und Waffen, und machten viele wehrloſe und bloſſe, ſo in der Ar-
beit begriffen ſtunden, von ihnen nieder. Etliche davon entwichen, und flohen Tag
und Nacht durch nach Riga, wo ſie nach ihrer Ankunft das Geſchehene erzaͤhlten.
Es waren aber ſiebenzehn Mann geblieben, drey hatten mit der Flucht das Leben
gerettet, der uͤbrigen Koͤrper hatten ſie in die Duͤne geworfen und den Rigiſchen
ſchwimmend wieder geſchickt. Dieſe nun fiſchten die Leichname auf, ſo in dem
Dienſt GOttes ihr Leben verloren, und begruben ſie andaͤchtig und mit Thraͤnen.
Der verraͤtheriſche Koͤnig ſchickte auch die beſten Pferde der Deutſchen, ihre
Mauerbrecher, Panzer und dergleichen an den Großkoͤnig Woldemark) nach
Moſcau, bat ihn und uͤberredete ihn, ſeine Armee zuſammen zu ziehen, und je
eher je lieber zu kommen, um Riga wegzunehmen. Er ließ dabey ſagen, es waͤ-
ren nur wenig Mann darin geblieben, die beſten unter ihnen todgeſchlagen, und
die andern mit dem Biſchofe zuruͤck gereiſet. Der Biſchof war indeſſen in Duna-
munde
[65]von 1206 bis 1207.
munde vom Gegenwinde zuruͤck gehalten. Als er nun die Zeitung von der Er-1206
mordung ſeiner Leute und der Verraͤtherey ſeiner Kirche erhielt, rief er alle Pilger
zuſammen, entdeckte ihnen den Schaden der Kirche unter Vergieſſung der Thraͤ-
nen, und noͤthigte ſie Beſchuͤtzer und tapfere Helfer der Kirche zu werden. Er
ſprach ihnen ein Herz ein, und erinnerte ſie, das Zeichen des Kreuzes von neuem
anzunehmen zur gaͤnzlichen Vergebung der uͤberſehenen Suͤnden; verhieß ihnen
auch groͤſſern Ablaß und das ewige Leben, wegen der langen Pilgrimſchaft und
der dabey uͤbernommenen ſauren Arbeit. Wie ſie das hoͤrten, ſo traten faſt drey-
hundert von den Vornehmſten herzu, nahmen das Kreuz wieder an, und ſcheue-
ten ſich nicht nach Riga wieder zu gehen, und ſich zur Mauer um das Haus
des HErrn zu ſtellen. Der Biſchof warb uͤber dem noch viele um Sold an, ſchickte
ſie nach Riga zuruͤck; ferner kamen auch alle Deutſche, die durch ganz Lief-
land zerſtreuet waren, mit andern Landesaͤlteſten der Liven nach Riga, die
Kirche zu vertheidigen. Wie nun die Ruſſen vernahmen, daß die Deutſchen
und Liven in Riga ſich wieder verſamleten, ſo waren ſie fuͤr ſich und ihr Schloß
bange, weil ſie verraͤtheriſch gehandelt, und da ſie ſich nicht getraueten die Ankunft
der Rigiſchen in ihrem Schloſſe zu erwarten, ſo packten ſie ihre Sachen ein,
theilten die Pferde und Waffen der Deutſchen unter ſich, ſteckten das Schloß
Kukenoys in Brand, und gingen ein jeglicher ſeinen Weg. Die Letthgallen
und Selen, welche da wohnten, verkrochen ſich in die dunkelſten Winkel der
Waͤlder. Oftbemeldter kleine Koͤnig aber, wie er (hieran) uͤbel gethan, ſo wandte
er ſich nach Rußland, und wolte nachher nie wieder in ſein Reich kommen l).
RDes
[66]
Des Biſchof Alberts zehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti, 1207 bis 1208.
§. 1.
Wie dis vorbey war, zog der Biſchof im zehnten Jahr ſeines Bisthums
nach Deutſchland, unterſchiedener Kirchenangelegenheiten wegen,
ſowol Pilgrimme, als andere Sachen, damit der noch neuen und
nothduͤrftigen Kirche gedienet war, aufzubringen, nachdem er zuvor ſeine Gemei-
ne in Liefland dem HErrn a), den Pilgern und andern Einwohnern chriſtliches
Namens in Liefland, empfohlen hatte. Er hatte viel Beſchwerlichkeiten auszu-
ſtehen, da er herumzog, und aller Orten predigte. Die aber in Riga zuruͤck
blieben, ſtaͤrkten ſich unter einander, verhielten ſich als brave Maͤnner, und beve-
ſtigten die Stadt von allen Seiten. Da ſie nun die Einaͤſcherung des Schloſſes
Kukenois erfuhren, ſchickten ſie einige nach, die Ruſſen auf der Flucht zu ver-
folgen. Unter dieſen befand ſich Meinhard, Bard*) und einige andere Be-
dienten des Biſchofs, die denen Fluͤchtigen nachſetzten, und viele von ihnen in Waͤl-
dern und Moraͤſten einholten, Letthgallen nemlich und Selen, die dem Rußi-
ſchen Groskoͤnige zinsbar waren, um alles wuſten, und bey Verraͤtherey und Hin-
richtung der Deutſchen huͤlfliche Hand geleiſtet! ſie erhaſchten auch einige Ruſ-
ſen, nahmen ihnen Raub und Gut ab, und erbeuteten etwas deutſches Gewehr
wieder. Die ſie fuͤr ſchuldig befanden, machten ſie alle nach Verdienſt grauſam
nieder, weil ſie an der Verraͤtherey Theil genommen, und rotteten die Verraͤther
aus dieſen Gegenden aus.
§. 2.
Zu der Zeit hatten die Rigiſchen und die Chriſten in Liefland groß Ver-
langen nach Friede, und konten ihres Wunſches doch nicht theilhaftig werden; ſie
ſuchten Gutes, und ſiehe! es erfolgete Unruhe. Denn nach der Flucht der Ruſ-
ſen hoften ſie der Traufe entgangen zu ſeyn, es uͤberfiel ſie aber ein einbrechender
und naher Platzregen; weil Weſthard, der Semgallen Herzog, die Kriege
und das viele Ungluͤck noch nicht vergeſſen hatte, wenn ihn die Litthauer ſo oft
uͤberzogen, und in allen Gegenden Semgalliens gepluͤndert hatten. Daher ruͤ-
ſtete er ſich zu einem Feldzuge gegen die Litthauer, und bat die Chriſten in Ri-
ga demuͤthig um Beyſtand, fuͤhrte dabey an, daß er ſonſt auch ſchon den Rigi-
ſchen gegen andere Heiden Beyſtand geleiſtet; und wandte auſſer dem noch vor,
daß das Loos ſeiner Goͤtter gluͤcklich ausgefallen. Hierauf verſagten ihm die Ael-
teſten in Riga ihren Beyſtand, weil ſie ſich an das Loos ſeiner Goͤtter nicht kehr-
ten, hauptſaͤchlich aber, weil ihrer ſehr wenig waren, und widerſprachen dismal dem
Kriege gegen die Litthauer auf alle Art und Weiſe. Doch lieſſen ſie ſich endlich
durch ſein anhaltendes Bitten, und durch die eigenſinnige Verwegenheit einiger
dummen Leute, die mit ihm zu Felde gehen wolten, uͤbertaͤuben, und beſchloſſen,
ihnen den Krieg nicht zu verwehren, ſondern ſie vielmehr im Gehorſam in Krieg zu
ſchicken, damit ſie nicht an Leib und Seele verloren gingen. Alſo gab man Weſt-
harden funfzig Mann oder einige mehr, Soldaten, Steinſchleuderrr, ingleichen viele
von den Bruͤdern der Ritterſchaft Chriſti mit. Sie nahmen auch mit ſich einen
Prieſter aus Ydumaͤa, Danielen, und zogen in das Land der Semgallier,
Wie
[67]von 1207 bis 1208.
Wie nun dieſe zu Pferde ſaſſen, und mit ihrer ſchimmernden Ruͤſtung ankamen,1207
wurden ſie von den Semgalliern ganz guͤtig aufgenommen. Dieſe ſchickten
auch gleich durchs ganze Land, brachten eine ſtarke Armee auf die Beine, ruͤckten
gegen Litthauen an, hielten da Nachtlager, und waͤhrendes Ausruhens fragten
ſie ihre Goͤtter uͤber den kuͤnftigen Ausgang, warfen das Loos, baten ſich die Gunſt
ihrer Goͤtter aus, und beſchworen ſie mit der Anfrage, ob nemlich die Nachricht
von ihrem Anmarſch ſchon kund geworden, und ob die Litthauer ſich ins Feld
ſtellen wuͤrden gegen ſie zu ſtreiten? Das Loos fiel, es waͤre ſowol das Geruͤchte
unter ihnen erſchollen, als auch, daß die Litthauer ſich zur Schlacht fertig hiel-
ten. Daruͤber wurden die Semgallier nicht wenig beſtuͤrzt, und fingen an, mit
den Deutſchen vom umkehren zu reden; weil ſie vor der Litthauer Angrif ſich
ſehr furchten. Die Deutſchen aber gaben zur Antwort: Es ſey ferne, daß wir
dieſes thun und vor ihnen laufen, und unſerer Nation Schande machen; ſondern
laſt uns auf unſere Feinde losgehen, ob wir vielleicht mit ihnen fechten koͤnnen. Und
es konten ſie auch die Semgallier nicht auf andere Gedanken bringen: denn
es waren der Semgallier eine unglaubliche Menge, auf die ſich die Deutſchen
verlieſſen. Ohnerachtet nun*) des vielen und ſtarken Regens, drungen ſie
doch beherzt in Litthauen ein, und vertheilten ihre Haufen auf die Doͤrfer her-
um, die ſie aber leer fanden; indem alle Leute mit Weib und Kindern davon ge-
laufen waren. Wie ſie nun daher befurchten, daß es zum Treffen kommen wuͤrde,
zogen ſie ſich aufs geſchwindeſte zuſammen, verweilten ſich gar nicht, und machten
ſich noch denſelbigen Tag zum Ruͤckmarſch fertig. Die Litthauer ſo dis merkten,
umzingelten ſie mit ihren ſchnellen Pferden von allen Seiten, tummelten ſich ihrer
Gewohnheit nach rechts und links mit ihnen herum, ſetzten bald ab, bald an, und
verwundeten durch Lanzenwerfen und Pfeilſchieſſen gar viele. Die Deut-
ſchen ſtopften ſich nachher auf einen Haufen, hielten die Armee im Ruͤcken ſicher,
und lieſſen die Semgallen vorausgehen. Dieſe aber wurden den Augenblick b)
in die Flucht geſchlagen, und quetſchten ſelbſt durch Ueberreiten einer den andern
todt; andere verkrochen ſich in Waͤlder und Moraͤſte, und die ganze Laſt des Tref-
fens fiel den Deutſchen auf den Hals. Daher einige ſich tapfer wehreten, und
lange fochten, weil ihrer aber**) wenig waren, konten ſie einer ſo groſſen Macht
nicht widerſtehen. Es waren die braven Maͤnner dabey Gerwin und Rabodo,
mit mehrern andern, die nach langem Gefechte zum theil verwundet ins Gras
beiſſen muſten, zum theil von den Feinden gefangen genommen und nach Lit-
thauen geſchlept wurden; theils durch die Flucht entkamen, und in Riga wie-
der anlangten, zu berichten wie es abgelaufen.
§. 3.
Die Stadt nun, die von der Flucht der Jhrigen und der Litthauer Kuͤhn-
heit Nachricht erhielt, gerieth in Betruͤbniß: die Harfe der Rigiſchen verwan-
delte ſich in Trauerlieder, und ihr Geſang in die Stimme der Weinenden. Sie
beteten gen Himmel, und alle Aelteſten und beſcheidene Maͤnner faͤlten den
Ausſpruch, man ſolle kuͤnftig ſich nicht mehr auf die Menge der Heiden verlaſſen,
noch mit Heiden gegen andere Heiden kriegen; ſondern auf GOtt hoffen, und
mit allen ſchon getauften Liven und Letten kuͤhnlich unter alle Heiden gehen;
wie auch geſchahe. Denn daſſelbe Jahr ward die Fahne der heiligen Jungfrau
Maria von den Liven und Letten und Deutſchen in Ungannien getra-
R 2gen
[68]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zehntes Jahr,
1207gen und alſo nachgehends unter alle Eſthen und herumliegende Voͤlker; weil
GOtt mitwirkte, der allein alle Reiche bezwungen.
§. 4.
Nach dieſem brachen die Litthauer mit einer ſtarken Heeresmacht in Sem-
gallien ein, und fingen an alles todt zu ſchlagen und zu verheeren, was ſie antra-
fen. Doch die Semgallier laurten ihnen unterwegens auf, hieben die Waͤlder
aus, und machten faſt alle auf dem Ruͤckzuge nieder. Sie ſchickten auch von de-
ren Beute den Rigiſchen, ihren erlittenen vorigen vielen Schaden etwas zu erſetzen,
anſehnliche Geſchenke zu.
§. 5.
Zu derſelben Zeit ſchickte GOtt ſeiner Kirche zur Troͤſtung viele Ordensleute,
nach der Duͤne: Florenz Caſſen*), einen Abt Ciſtercienſer Ordens: Ro-
bert Gilbanen, einen Coͤlniſchen Kanonicus, Conrad Kolben, von Bre-
men, mit etlichen andern; davon einige in dem Kloſter Duͤnemuͤnde, etliche
mit den Bruͤdern der Ritterſchaft den heiligen Ordenshabit erwaͤhleten c), etliche
zur Arbeit des Predigens ſchritten: uͤber aller deren Ankunft die noch kleine Ge-
meine ſehr erfreuet und geſtaͤrket ward, und nach den betruͤbten Kriegen GOtt
dankte, der immerdar die Seinigen in allerley Anfechtungen zu troͤſten nicht auf-
hoͤret.
§. 6.
Und es begab ſich, da ſchon ganz Liefland und Letthigallien getauft war,
daß die Landesaͤlteſten von den Letten, Ruſcin aus dem Schloß Soteele**),
Waridote von Antine, Taliald von Beverin, wie auch Bertold, Bruͤ-
der der Ritterſchaft von Wendend) ihre Boten an die Eſthen nach Ungannien
ſchickten, Recht zu begehren uͤber alle von ihnen zugefuͤgte Beleidigungen. Denn
die Letten waren vor Annehmung des Glaubens geringſchaͤtzig und veracht e),
und ſtanden von den Liven und Eſthen viel Unrecht aus; daher ſie uͤber die An-
kunft der Prieſter ſich deſto mehr freueten, weil ſie alle nach der Taufe gleiches
Recht und gleichen Frieden zugleich genoſſen. Die Eſthen kehrten ſich an den
Vortrag der Abgeordneten wenig, thaten auch keine Genugthuung, ſondern ſand-
ten mit denſelben ihre Boten nach Letthigallien. Und da die Bruͤder der Rit-
terſchaft nun in Wenden ſchon ſeßhaft waren, ſchickten ſie Bertolden, als den
vornehmſten unter ihnen zum Vergleich der Letten mit den Eſthen. Es kam
auch von Seiten des Biſchofs der Prieſter Heinrich und noch mehrere Letten.
Alſo fingen ſie an ſich zu beſprechen, was zum Frieden und zur Gerechtigkeit abzie-
lete. Allein die Abgeordneten der Eſthen verachteten ſowol den Frieden mit den
Letten, als wegerten ſich auch, das ihnen unrechtmaͤßig entwandte zuruͤck zu liefern,
daher widerſprachen ſie den Letten in allen Stuͤcken, droheten ſich feindlicher
Weiſe***) mit ihren ſehr ſpitzigen Lanzen, und gingen aus einander, ohne daß man
uͤber einem Formular des Friedens haͤtte koͤnnen eins werden. Nachdem indeſſen etli-
che Kaufleute und Deutſche aus Gothland dazu kamen, machte ſich Waridote
mit andern Landesaͤlteſten der Letten auf, gingen nach Riga, und ſuchten demuͤ-
thig um Huͤlfe an, wider der Eſthen Gewaltthaͤtigkeit. Die Rigiſchen nun
erwegten, wie ihnen ebenfals Unrecht geſchehen, und wie vormals ihren Kaufleu-
ten ſehr viele Guͤter von denen Unganniern abgenommen worden, gaben alſo
dieſem
[69]von 1207 bis 1208.
dieſem Anſuchen Gehoͤr, und ſagten eine Armee zu; zumal, da ihre eigne Boten1207
ſo ſie dieſer Kaufmannsguͤter halber abſchickt, ofte von den Unganniern veracht
und verlacht zuruͤck gekommen, und ſie das unrechtmaͤßig entwandte nicht erſtatten
wolten. Die Rigiſchen riefen hierauf den almaͤchtigen GOtt und die heilige
Mutter GOttes, Maria, die unbefleckte Jungfrau, um Huͤlfe, an, und zogen mit
den Bruͤdern der Ritterſchaft, und Dietrichen, des Biſchofs Bruder, mit den
Kaufleuten und uͤbrigen Deutſchen nach Thoreida, boten in ganz Liefland
und Lettigallien eine ſtarke und groſſe Macht auf, marſchirten Tag und Nacht,
erreichten Ungannien, pluͤnderten die Doͤrfer, machten die Heiden alle nieder,
raͤchten alle Beleidigungen mit Feuer und Schwerdt, verſamleten ſich endlich bey
dem Schloſſe Odempe, das iſt, Baͤrenkopf*), und ſteckten ſelbiges in Brand.
Nach dem lagen ſie drey Tage ſtille, und brachen den vierten Tag, mit Vieh, Ge-
fangenen und der ganzen Beute wieder nach ihrem Lande auf. Die Letten
kehrten auch wieder in ihr Land, beveſtigten ihre Schloͤſſer, und ſuchten ſich zum
Krieg gefaſt zu halten. Sie brachten alles das Jhre in die Schloͤſſer zur Sicher-
heit, erwarteten die Armee der Eſthen und ſtunden in Bereitſchaft ihnen entge-
gen zu gehen. Die Ungannier riefen demnach die von Saccala zu Huͤlfe,
drungen ploͤtzlich in das Land der Letten, in die Gegend von Tricatien, ver-
branten einen Letten, Namens Wardeke, lebendig, machten andere zu Gefan-
genen, fuͤgten den Letten vielen Schaden zu, belagerten die Burg Beverin, und
ſtuͤrmten den ganzen Tag auf die Letten, die ſich im Schloſſe befanden. Die
Letten aber thaten einen Ausfal, gingen tapfer auf die Feinde zu, mit ihnen zu
ſchlagen, toͤdteten fuͤnfe **) von ihnen, nahmen ihnen die Pferde ab, liefen wieder
ins Schloß zu ihrem Prieſter, ſo damals zu Hauſe war, und preiſeten alle mit ihm
GOTT, den ſie fuͤr ſich ſtreiten ſahen. Unter dieſen war Roboam einer von
den tapferſten, der ſich mitten unter die Feinde wagte, zweye von ihnen erlegte,
und auf der andern Seite des Schloſſes friſch und geſund zu den Seinigen kam,
auch GOTT fuͤr dieſen beſondern Ruhm dankte, den ihm der HErr an den Hei-
den verliehen. Auch ihr Prieſter, der ſich aus dem Sturm der Eſthen wenig
machte, ſtieg auf die Veſtungswerke des Schloſſes, und ſpielete, indem die andern
ſtritten, auf einem muſikaliſchen Jnſtrumente, und betete zu GOtt. Die Bar-
baren, ſo dieſes angenehme Lied und den helklingenden Thon des Jnſtruments
hoͤrten, blieben ſtehen, weil ſie in ihrem Lande dergleichen nicht gehoͤret hatten,
hielten auch mit dem ſtreiten inne, und wolten die Urſache dieſer Luſtbarkeit gerne
wiſſen. Die Letten aber gaben zur Antwort: ſie freueten ſich und lobten den
HErrn deswegen, weil ſie neulich die Taufe empfangen, und ſaͤhen, daß ſie der
HErr beſchuͤtze. Hierauf thaten die Eſthen einen Vorſchlag, den Frieden zu er-
neuren. Die Letten aber verſetzten: Jhr habt noch nicht die Guͤter ausgeliefert,
welche ihr den deutſchen Kaufleuten ſo wol als uns oftmals abgenommen. Es
kan aber unter Chriſten und Heiden weder ein Herz noch eine Seele, noch ein
veſter Friedensplan ſtat finden, wo ihr nicht mit uns das Joch des Chriſtenthums
und eines ewigen Friedens auf euch nehmet, und nur einen GOtt verehret. Als
die Eſthen das hoͤrten, kehrten ſie mit groͤſtem Verdruß von der Burg weg; die
Letten aber fielen ihnen in den Ruͤcken, und verwundeten ſehr viele. Sie
Sſchickten
[70]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zehntes Jahr,
1207ſchickten auch die Nacht durch an den Meiſter der Ritterſchaft Chriſti in Wen-
den Vinnof) der damals zu Hauſe war, und baten, er moͤchte mit ſeinen Leu-
ten kommen, den Eſthen nachzuſetzen. Dieſer berief alle Letthen, in der her-
umliegenden Gegend, und erreichte mit fruͤhem Tage Beverin, befand auch, daß
die Armee der Heiden ſchon laͤngſt abgezogen, und verfolgte ſie alſo den ganzen
Tag. Die Nacht aber drauf fiel ein entſetzlicher Froſt ein, und da faſt alle Pfer-
de hinkten, konten ſie die Feinde nicht einholen, weil ſelbige, nach dem ſie das
Vieh getoͤdtet, und die Gefangenen frey gelaſſen, auf der Landſtraſſe flohen und
keinen weitern Krieg abwarten wolten, jeder alſo nach ſeiner Heimat gekehret war.
Die Letthen von Beverin betruͤbten ſich uͤber den Tod der ihrigen, welche von
den Eſthen niedergemacht, und mit Feuer verbrant waren, und ſchickten an alle
Letten in der Nachbarſchaft, ſie moͤchten ſich Marſchfertig halten, damit ſie mit
GOttes Huͤlfe ſich an ihren Feinden raͤchen moͤchten. Daher ſich Ruſſin, ſo der
tapferſte unter den Letten war, und Waridote mit allen Letten, die in
ſeinem Gebiete wohnten, bey vorerwehntem Schloß Beverin in groſſer Menge
ſich verſamleten. Sie vereinigten ſich demnach wider die Eſthen und ruͤſteten ſich der-
ſelben Land zu verheeren, legten ihre Waffen, ſo ſie hatten, an, gingen eine Tag-
reiſe, machten Halte, und ſtelten die Armee in Ordnung, marſchirten Nacht und
Tag, und brachen in die Provinz Saccala ein. Daſelbſt trafen ſie Maͤnner und
Weiber und Kinder in ihren Wohnungen, auf allen Doͤrfern und aller Orten an,
machten nieder, was ihnen vor die Hand kam, von fruͤhe bis auf den Abend, ſo
wol Weiber als Kinder, auch drey hundert von den beſten Maͤnnern und Landes-
aͤlteſten der Provinz Saccala, ohne noch unzaͤhlige andre, bis ihre Haͤnde muͤde
und die Arme der Wuͤrger von alzuvieler Niedermetzelung des Volks kraftlos
wurden. Da nun alle Doͤrfer durch das viele Blut der Heiden gefaͤrbet waren,
kehrten ſie Tages darauf zuruͤck, brachten aus allen Doͤrfern viele Beute zuſammen,
ſchlepten vielen Anſpann, und ander Vieh auch ſehr viele Maͤdgen mit ſich weg,
derer die Armee in dieſen Laͤndern allein zu ſchonen pfleget, und verzoͤgerten ſich
in ihrem langſamen Ruͤckmarſch unterwegens viele Tage; denn ſie hielten ſich im-
mer fertig, wenn etwan die uͤbrigen Eſthen ihnen in Ruͤcken fallen wolten. Doch
die Eſthen wagten wegen ihrer groſſen Niederlage nicht zu kommen und den
Letthen nachzuziehen, ſondern laſen viele Tage lang die betruͤbten Leichen zuſam-
men, welche die Letten erſchlagen, verbranten ſie mit Feuer g), und begingen
nach ihrer Art deren Leichenbegaͤngniß mit vielen Wehklagen und Saufen. Die
Letten aber ſetzten ſich bey dem See Aſtigerwe*), und kehrten froͤlich, nach
voͤllig unter ſich getheilter Beute, wieder nach Beverin. Da ſie nun daſelbſt
den Bruder der Ritterſchaft Bertolden antrafen, wie auch ihren eignen Prie-
ſter, mit einigen Soldaten und Schuͤtzen des Biſchofs, verehrten ſie ihnen von
allem etwas. Und weil es eben der Sontag Gaudete war, lobten alle einmuͤthig
und mit Freuden GOtt, der durch die Neubekehrten auch unter andern Nationen
eine ſo groſſe Rache angerichtet. Ruſſin ging wieder nach ſeinem Schloſſe
Beverin, that ſeinen Mund auf und ſprach: Meine Kindeskinder werden das
ihren Kindern erzaͤhlen bis ins dritte und vierte Glied, was Ruſſin mit Huͤlfe
des Hoͤchſten an den Leichen der Saccalaner gethan. Wie Hermann der
Liven Advocat dieſes hoͤrte, ward er auf die Letten ziemlich ungehalten, weil
der Krieg gegen die Eſthen mehr und mehr von neuem angehen ſolte, deswegen
ſchickte er hin, berief alle Landesaͤlteſten der Liven und Letthen, und hielt mit
ihnen, wie auch mit den Deutſchen Rath, ob ihrer gleich noch wenig waren und
wenig Deutſche im Lande wohnten. Es ſchien allen rathſam mit den Eſthen
Friedensunterhandlungen zu pflegen, bis der Herr Biſchof kaͤme, der in Deutſch-
land war Pilger aufs nachfolgende Jahr aufzubringen. Dieſer Ausſpruch war
auch den Eſthen beliebig, welche den Frieden ſo gleich annahmen, weil ſie nach
Hin-
[71]von 1207 bis 1208.
Hinrichtung ihrer Vornehmſten vor den Letthen ſchon anfingen groſſe Furcht zu1207
haben; und weil die Sache noch nicht ausgemacht war; machten ſie eine Art eines
Waffenſtilſtandes auf ein einzig Jahr.
S 2Des
[72]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, eilftes Jahr,
Des Biſchof Alberts eilftes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1208 bis 1209.
§. 1.
Der Biſchof Albert langete im eilften Jahre ſeines Bisthums wieder aus
Deutſchland an, und hatte in ſeiner Reiſegeſelſchaft eine zahlreiche
Menge Pilger. Unter dieſen waren Rudolph von Jericho und
Wolther von Hamersleven, und andere mehrere Vornehme, Ritter und Geiſt-
liche mit allem ihrem Volke, die ſich alleſamt auf das gefaͤhrliche Meer begeben,
und in Liefland ankamen. Auf ihr Anrathen berief der Biſchof alle ſchon laͤngſt
bekehrte Liven und Letten zuſammen, und erinnerte ſich der groſſen Kraͤn-
kung, in welche der Koͤnig Veſceka von Kukenois ihn und die Seinen voriges
Jahr geſetzet, als er die Ritter, und ſeine Bedienten, ſo er auf ſeine Bitte ihm
mit vielen Koſten wider die Litthauer zu Huͤlfe geſchickt, mit Liſt und groſſem
Betrug niedergemacht, und wandte ſich mit allen Pilgern und ſeiner Armee nach
Kukenois. Da er nun den Schloßberg an ſich ſelbſt wuͤſte, und wegen Unſau-
berkeit der ehmaligen Einwohner voller Ungeziefer und Schlangen fand, befahl
und bat er dieſen Berg zu reinigen und wiederherzuſtellen, ließ ihn mit veſten Wer-
ken verſehen, bauete ein ſehr veſtes Schloß daſelbſt, hinterließ dabey Soldaten
und Steinſchuͤtzen mit ſeinen eigenen Bedienten, das Schloß zu bewahren, ließ
es auch mit vielen darauf gewandten Koſten genau bewachen, damit nicht etwan
der Litthauer Geſchwindigkeit, oder der Ruſſen Verſtellung und Liſt ihnen den
vorigen Poſſen ſpiele. Er uͤberließ zugleich an oberwehnten Rudolph von Je-
richoa) zwey Theile *) des Schloſſes in ſeinem Namen, und den Bruͤdern
der Ritterſchaft gab er ihren dritten Theil. Nachdem er ſie daſelbſt gelaſſen, und
alles wohl eingerichtet, kehrte er nach Riga wieder zu ſeiner Gemeine. Die
Letten aber fielen immittelſt mit zwey Armeen in Litthauen ein, machten ver-
ſchiedene nieder, nahmen manche gefangen, und langten wieder bey unſern Leu-
ten in Kukenois an, begaben ſich auch hierauf mit dem Biſchof und allen den
Jhrigen wieder nach Hauſe.
§. 2.
Zu derſelben Zeit war einer unter den Bruͤdern der Ritterſchaft b), Wigbert,
der vielleicht ſein Herze mehr zur Liebe der Welt als zur Ordenszucht geneiget, und
vor ſeine Perſon unter den Bruͤdern viele Mißhelligkeiten angeſtiftet hatte. Dieſer,
weil er einen rechten Abſcheu an dem Umgang der Heiligen, und einen Ueberdruß an dem
Ritterorden Chriſti ſpuͤren ließ, kam zu dem Prieſter nach Ydumea und gab vor, er
wolle daſelbſt warten, bis der Biſchof kaͤme und gegen denſelben in allem ſich folgſam
erweiſen. Die Bruͤder der Ritterſchaft aber, Bertold von Wenden und einige an-
dere Bruͤder und Bediente, ſetzten dem Bruder Wigbert als einem Entlaufenen nach,
bekamen ihn in Ydumea, fuͤhrten ihn wieder nach Wenden und legten ihn in Ei-
ſen. Als Wigbert des Biſchofs Ankunft vernommen, bat er um ſeine Loslaſ-
ſung und um die Freyheit nach Riga zu gehen, verſprach auch dem Biſchof und
den Bruͤdern gehorſam zu ſeyn. Die Bruͤder freueten ſich und hoften, ihr Mit-
bruder wuͤrde nach ſo vielen widrigen Verdrießlichkeiten als der ungerathne Sohn
Buſſe thun; ſchickten ihn alſo mit allen Ehren nach Riga und thaten ihn wieder
in die Bruͤderſchaft. Dieſer aber, nachdem er als ein Judas unter den Bruͤdern
ſich eine kleine Zeit aufgehalten, oder beſſer, als ein Wolf unter den Schafen,
wuſte
[73]von 1208 bis 1209.
wuſte ſein tuͤckiſches und verborgenes Vorhaben nicht laͤnger zu verbergen, und war-1208
tete auf einen bequemen Tag, da er das Maß ſeiner Bosheit, die er im Herzen
hegte, koͤnte vol machen. Und es geſchahe an einem Feſttage, daß, als die uͤbri-
gen Bruͤder mit andern Leuten ins Kloſter gingen, er inzwiſchen den Ordensmei-
ſter der Ritterſchaft, Vinno, und Johannes, den Prieſter der Bruͤder, zu ſich
rief, mit dem Vorgeben, er wolle ihnen ſeine Heimlichkeit eroͤfnen; ſpaltete aber
gleich mit ſeiner Streitaxt, die er immer bey ſich zu fuͤhren pflegte, auf dem ober-
ſten Zimmer ſeines Hauſes dem Ordensmeiſter den Kopf von einander, und er-
mordete zugleich den Prieſter mit ſamt dem Ordensmeiſter auf einer Stelle *).
Wie es unter den andern Bruͤdern ruchtbar ward, und der Thaͤter aus ſeinem
Hauſe in die Kapelle ſprang, ſo liefen ſie nach, griffen ihn, und richteten ihn nach
weltlichem Urtheil, ſeinem Verdienſte gemaͤß, gewaltſam hin. Nachdem nun die
Bruͤder mit groſſen Wehklagen ihren treuen und gottſeligen Meiſter Vinno ſamt
dem Prieſter beerdiget, ſetzten ſie Volquinc) an ſeine Stelle, einen ſo wol from-
men und gutthaͤtigen als mit allen Tugenden begabten Mann. Dieſer uͤbernahm
nachher ſo wol in Gegenwart, als in Abweſenheit des Biſchofs das voͤllige Com-
mando uͤber das Heer des HErrn in allen Feldzuͤgen, fuͤhrte die Kriege des HErrn
mit Freuden und ging aus und ein bey allen herumliegenden Heiden. Es ſtun-
den ihm auch alle ſeine Bruͤder bey, und der Arm des HErrn war jederzeit mit
ihnen.
§. 3.
Als auch in eben dieſem Jahre der Probſt zu Unſrer Lieben Frauen, Engel-
bertd), mit Tode abging, nahm der Biſchof einen ſanftmuͤthigen, beſcheidenen
und in allen ſeinen Wegen vorſichtigen Mann aus dem Kloſter Stethene) an,
Namens Johannes, ſetzte ihn an die Stelle ſeines Bruders, geweſenen Probſtes,
und gab ihm die Kirche Unſerer Lieben Frauen unter ſeine Aufſicht. Und da die-
ſer Johannes von der Regel und dem Orden des heiligen Auguſtinus war,
die einen weiſſen Ordenshabit trugen, der die Reinigkeit in der That bedeutet: ſo
ließ der Biſchof zur Beybehaltung dieſer Tracht, die ſchwarzen Kutten und Kap-
pen, oder Moͤnchmuͤtzen der Domherren bey dieſer Kirche, in weiſſe veraͤndern.
Weil man auch ſich vor den Heiden von innen und auſſen zu fuͤrchten hatte, ſo
wohnte dieſe Verſamlung innerhalb der alten Stadt in der zuerſt erbaueten Kir-
che. Nach Einaͤſcherung der Kirche und der Stadt f) aber, fingen ſie auſſerhalb
den Mauern an bey der Duͤne die Kirche Unſerer Lieben Frauen zu bauen, und
daſelbſt ſich niederzulaſſen. Die Pilgrimme, ſo dieſes Jahr hier zubrachten, wa-
ren zu allem Gehorſam fertig, ſowol bey Auffuͤhrung der Mauer, als auch in an-
dern Dingen, worinne ſie GOTT dienen konten.
Td) Des
[74]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, eilftes Jahr,
§. 4.
Wie es gegen den Herbſt ging, hielt der um die Befoͤrderung und Beſchuͤ-
tzung der Lieflaͤndiſchen Kirche allezeit bekuͤmmerte Biſchof einen Rath mit
ſeinen verſtaͤndigſten Maͤnnern, und uͤberſchlug ſorgfaͤltig, wie er die neuange-
legte Kirche vor den Nachſtellungen der Letten und Ruſſen frey behalten
moͤchte. Und da er an alle das Ungluͤck dachte, ſo der Koͤnig von Gerceke
mit den Litthauern der Stadt Riga, den Liven und Letten verurſachet:
ſo ward beſchloſſen, gegen die Feinde des chriſtlichen Namens ins Feld zu ruͤcken.
Denn der Koͤnig Wiſſewald von Gercike war ein Erbfeind der Chriſten, und
ſonderlich derer von der Lateiniſchen Kirche. Er hatte die Tochter eines vorneh-
men Litthauers geheirathet, und war gleichſam einer aus ihnen, nemlich, ihr
Schwiegerſohn, und ſehr vertrauter Freund, wie auch deswegen ihr oftmaliger
Heerfuͤhrer g). Er bewilligte ihnen nicht allein den freyen Paß uͤber die Duͤne,
ſondern er gab ihnen auch Lebensmittel, ſowol, wenn ſie nach Rußland, als
nach Lief- und Eſthland zogen. Die Litthauer hatten auch damals in denſel-
ben Laͤndern uͤber alle ſowol chriſtliche als heidniſche Voͤlker ſo ſtark die Ober-
hand, daß kaum einige in den Doͤrfern zu wohnen ſich getraueten, ſonderlich die
Letten. Dieſe lieſſen ihre Haͤuſer wuͤſte ſtehen, und ſuchten ſich immer in den
Waͤldern die finſterſten Schlupfwinkel; doch auch ſo konten ſie ihnen nicht ent-
wiſchen. Denn nach ſtetem Auflauren ergriffen ſie ſelbige in dem Gehoͤlze, machten
manche nieder, andere ſchlepten ſie in ihr Land, und nahmen ihnen alle das Jhrige.
Auch ſo gar die Ruſſen entzogen ſich durch Waͤlder und Doͤrfer vor dem Geſichte
der Litthauer, wenn derſelben gleich noch ſo wenig waren, wie das Wild fliehet
vor dem Angeſicht der Jaͤger. Die Liven und Letten aber waren fuͤr die
Litthauer nur ein Maulvol, und ein Biſſen, recht wie Schafe in den Rachen
der Woͤlfe, wenn ſie ohne Hirten ſind. Da nun GOtt einen guten und treuen
Hirten ſchickte, nemlich, den Biſchof Albert, ſo erloͤſete er ſeine Schafe, die
ſchon getauften Liven und Letten aus dem Rachen dieſer Woͤlfe. Der Biſchof
ließ Leute aus allen Graͤnzen Lief- und Lettlands zuſammen kommen, und fuhr
mit den Rigiſchen und Pilgern und allem Volke auf der Duͤne nach Kuke-
nois. Und weil Gercike allen, die an der Duͤne wohnten, Getauften und Un-
getauften ein Falſtrick und recht ein groſſer Teufel war, auch der Koͤnig von Ger-
cike ſtete Feindſchaft und Kriege gegen die Rigiſchen fuͤhrte, und mit ihnen
Friede einzugehen abſchlug; ſo ruͤckte der Biſchof mit ſeiner Armee vor die Stadt
Gercike. Die Ruſſen aber, als ſie die Armee von ferne kommen ſahen, liefen
vor das Stadtthor, und da die Deutſchen ſie mit dem Degen in der Fauſt an-
griffen, und einige von ihnen toͤdteten: ſo ergriffen ſie die Flucht, und befanden
ſich nicht im Stande Gegenwehr zu thun. Die Deutſchen eilten hinter ihnen
her, drungen zugleich mit ihnen ins Stadtthor, und erſchlugen aus Hochachtung
des chriſtlichen Namens nur wenige, machten aber viele zu Gefangenen, lieſſen ſie
doch mit Fleiß wieder entwiſchen, verſchonten nach Eroberung der Stadt, Wei-
ber und Kinder, und machten nur viele Gefangene. Der Koͤnig entkam mit
vielen andern auf einem Fahrzeuge uͤber die Duͤne, die Koͤnigin ward veſt ge-
nommen, und mit ihren Jungfrauen und Damen und allem ihrem Vermoͤgen vor
den Biſchof gebracht. Alſo blieb denſelben Tag die ganze Armee in der Stadt.
Sie ſamleten viele Beute, brachten aus allen Winkeln der Stadt Kleider, Sil-
ber, Purpur und viel Vieh zuſammen, holten aus den Kirchen die Glocken, Bil-
der h), uͤbrige Zierrathen, Geld und Gut mit Haufen, nahmen es mit ſich weg,
und
[75]von 1208 bis 1209.
und lobten GOtt, daß er ſo geſchwind und mit leichter Muͤhe ihnen Sieg uͤber ihre1208
Feinde geſchenket, und ihnen die Stadt eroͤfnet, ohne daß ein Mann der Jhrigen
zu Schaden gekommen. Des folgenden Tages brachten ſie alles in Ordnung,
machten ſich zum Ruͤckmarſch fertig, und zuͤndeten die Stadt an. Der Koͤnig,
der auf der andern Seite der Duͤne Feuersbrunſt erblickte, ſeufzete heulete und
ſchrie erbaͤrmlich unter vielen Wehklagen, und ſprach: O! Gercike, du liebe Stadt!
O! Erbtheil meiner Vaͤter! O! unvermutheter Untergang meines Volks? Wehe
mir! daß ich geboren bin, die Einaͤſcherung meiner Stadt zu ſehen! die Aufreibung
und das Verderben meines Volks mit an zu ſchauen! Der Biſchof und die ganze
Armee theilten nachher die Beute unter ſich, und kehrten mit der Koͤnigin und al-
len Gefangenen nach ihrem Lande, man ließ auch dem Koͤnig zuruͤck entbieten, er
ſolte nach Riga kommen, wenn er wenigſtens noch Friede haben und die Gefan-
genen ausgeliefert wiſſen wolte. Er kam auch und bat ſeiner Vergehungen hal-
ber um Verzeihung; nante den Biſchof ſeinen Patſchka, bat alle Lateiner,
als ſeine Mitbruͤder in Chriſto demuͤthig, das vorige Boͤſe zu vergeſſen, ihm
Friede zu ſchenken, ſeine Gemahlin und Gefangene auszuantworten, und berief
ſich auf Feuer und Schwerdt, als zwey ſcharfe Ruthen, mit denen er von den La-
teinern ſchon genug waͤre gezuͤchtiget worden. Den Biſchof und alle ſeine Leute
jammerte der Koͤnig, weil er ſo flehentlich bat, und er ſchlug ihm eine Art des Frie-
dens vor, mit dem Antrage: Wenn du kuͤnftighin den Umgang mit Heiden wilſt
bleiben laſſen, dergeſtalt, daß du durch ſie unſere Kirche nicht zerſtoͤreſt, zugleich
aber auch das Land deiner Ruſſen, die Chriſten ſind, durch die Litthauer
nicht verwuͤſten laͤſſeſt; wenn du uͤberdem dein Reich an die Kirche der heiligen
Mutter Mariaͤ auf ewig verſchenken wilſt, doch daß du es aus unſerer Hand wie-
der empfaͤngeſt, und eben wie wir, einen immerwaͤhrenden Frieden zu erhalten
ſucheſt; ſo und auf keine andere Art wollen wir dir die Koͤnigin mit den Gefange-
nen ausgeben, und dir allezeit getreue Huͤlfe leiſten. Der Koͤnig bewilligte dieſen
Friedenstractat, gelobte an, hinfuͤhro der Kirche der heiligen Jungfrau Mariaͤ
allezeit getreu zu bleiben, und verſicherte, in die Rathſchlaͤge der Heiden ſich nicht
zu mengen, ſondern den Chriſten anzuhangen. Er verſchenkte auch ſein Reich
und ſein Gebiet an dieſe Kirche, und nahm es wieder durch die Hand des Biſchofs,
unter feyerlicher Vortragung dreyer Fahnen zum Lehn, erwaͤhlte ihn zu ſeinem
Vater, und ſchwur, alle Rathſchlaͤge der Ruſſen und der Litthauer boͤſes Vor-
haben kuͤnftig zu offenbaren i). Alſo ward ihm die Koͤnigin ſamt allen Gefangenen
eingehaͤndiget, und er kehrte froͤlich in ſein Land. Hier rief er ſeine Leute zuſam-
men, die gefluͤchtet waren, und fing an, das an die Stadt ſtoſſende Schloß wieder
aufzubauen. Er miſchte ſich aber nichts deſtoweniger in die Anſchlaͤge der Lit-
thauer, vergaß der verſprochenen Treue, und hetzte die Heiden oftmals auf ge-
gen die Deutſchen in Kukenois.
§. 5.
Nachdem nun der Friede zu Ende ging, den man mit den Unganniern
geſchloſſen hatte, berief Bertold, Bruder der Ritterſchaft in Wenden, Ruſ-
ſinen mit ſeinen Letten zu ſich, und zog mit andern Letten von Antine
und mit ſeinen Wenden nach Ungannien. Sie trafen da Leute in ihren
Doͤrfern an, die noch nicht nach dem Schloſſe gefluͤchtet waren; von denen ſie
viele todt ſchlugen auf allen Doͤrfern, zu denen ſie kommen konten. Da ſie nun
viele nieder- und etliche zu Gefangenen gemacht, bekamen ſie groſſe Beute, fuͤhr-
ten die Weiber und Maͤdgen mit ſich weg, und lieſſen die Doͤrfer gleichſam leer ſte-
hen. Nach groſſem Morden, Sengen und Brennen, kehrten ſie wieder in ihr Eigen-
thum. Wie die Liven von Thoreida dieſes hoͤrten, welche ihre treuloſen An-
ſchlaͤge, die ſie mit den Eſthen pflegten, allezeit heimlich gehalten, wurden ſie
unwillig, daß Bertold von Wenden mit den Letten den Krieg gegen die
Eſthen von neuem anfing, und gaben dem Biſchof ein, Boten um Friede nach
Ungannien abzufertigen. Der Biſchof ſchickte auch den Prieſter Alobrand
nach Odempe, ſowol den Frieden zu erneuern, als die Guͤter der Kaufleute
wieder zu fordern. Als die Eſthen in ganz Ungannien erfuhren, daß des Bi-
ſchofs Geſandten angekommen, erſchienen ſie an beliebigem Orte. Hierauf that
Alobrand ſeinen Mund auf, und lehrte ihnen den Glauben an Chriſtum. Die
Eſthen, ſo dieſes hoͤrten, ranten mit Schwerdtern und Lanzen auf ihn zu, ihn
umzubringen. Einige aber der Landesaͤlteſten nahmen ſich ſeiner an, und ſprachen:
Wenn wir dieſen Geſandten des Biſchofs toͤdten, wer wird uns nachher glauben,
oder einen Geſandten ſchicken? Doch ſie wolten die Worte des Heils nicht hoͤren,
und ſchickten Alobranden an den Biſchof zuruͤck, gaben auch Maͤnner mit, Friede
mit ihnen zu ſchlieſſen. Alſo ward Friede gemacht mit den Liven und Letten des
Biſchofs auf der einen Seite der Goiwe: Bertold aber von Wenden und
Rußin mit ſeinen Letten wolten den Frieden nicht annehmen, und machten ſich
zum Streit fertig.
Des
[77]
Des Biſchof Alberts zwoͤlftes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1209 bis 1210.
§. 1.
Es war nun das zwoͤlfte Jahr des Biſchofs, da die Kirche eine Stille1209
von kurzer Zeit hatte. Der Biſchof war mit ſeinen Pilgern wieder
nach Deutſchland geſegelt, und hatte ſeine Leute mit etlichen Pil-
gern zuruͤck gelaſſen. Sogleich lieſſen ſich die Curen, als Feinde
des Namens Chriſti, beym Sundea) am Strande ſehen mit acht Raubſchiffen.
Die Pilger wurden dieſes inne, ſtiegen aus ihren Kaufartheyſchiffen aus, bega-
ben ſich in ihre Chaloupen, ruderten auf die Heiden los, eileten aber zu unvor-
ſichtig. Ein Schif kam vor dem andern voraus, ſo daß das erſte auf die Feinde
ſtieß. Die Curen erleichterten das Vordertheil ihrer Kaperſchiffe, richteten es
gegen die, ſo auf ſie los ruderten, in die Hoͤhe, ſtelten zwey neben einander, und
lieſſen allezeit zwiſchen zwey und zwey Raum. Da nun die Pilger mit den zwey
erſten Booten und Chaloupen anruͤckten, ſo verwickelten ſie ſich in die Luͤcke der
Raubſchiffe, und konten, weil ſie auf niedrigen Fahrzeugen waren, die uͤber ih-
nen ſtehenden Feinde aus der Tiefe nicht erreichen. Daher wurden etliche unter
ihnen durch die feindlichen Lanzen getoͤdtet, andre ins Waſſer geſtuͤrzet, noch an-
dere verwundet, einige aber entkamen nach ihren groſſen Schiffen. Die Curen
ſamleten nachher die Koͤrper der Verungluͤckten, zogen ſie aus, und theilten ihre
Kleider und uͤbrige Beute unter ſich. Doch hatten die Buͤrger von Gothland
zweye aufgefiſchet und andaͤchtig begraben. Es waren aber bey nahe dreyßig Rit-
ter und andere, ſo daſelbſt ihr Leben einbuͤſten. Der Biſchof hatte uͤber die
Seinigen etliche Tage Betruͤbniß, doch er wuſte wohl, wie heilſam die Verfolgung
dem Geduldigen ſey; denn ſelig ſind, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung
leiden: ſo wie die Gefaͤſſe des Toͤpfers der Ofen pruͤfet; alſo laͤutert auch die An-
fechtung der Truͤbſal die Gerechten.
§. 2.
Um dieſe Zeit kam der Groskoͤnig b) von Neugarden, und zugleich der Koͤ-
nig von Plescekow mit allen ihren Ruſſen und einer ſtarken Armee nach Un-
gannien, berenten das Schloß Odempe und fochten mit ihnen acht Tage. Da
Uaber
[78]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwoͤlftes Jahr,
1209aber im Schloſſe ein Mangel an Waſſer und die Hungersnoth einriß, ſo baten ſie
die Ruſſen um Frieden. Dieſe gaben ihnen auch Frieden und tauften etliche un-
ter ihnen mit ihrer Taufe; nahmen anbey von ihnen vier hundert Mark an Na-
gatenc), zogen wieder in ihr Land, und lieſſen ſagen, ſie wolten ihre Popen
(Prieſter) zu ihnen ſenden, die das Bad der heiligen Taufe weiter ertheilen ſol-
ten, ſo ſie aber doch aus Furcht vor den Deutſchen nachher unterlieſſen. Denn
die Ungannier nahmen die Rigiſchen Prieſter an, und lieſſen ſich von ihnen
taufen, wurden aber nicht mit unter die Rigiſche Gemeine gezaͤhlet.
§. 3.
Nach etlichen Jahren **) kamen Frieſen mit Pilgern auf vorerwehnte Jnſel
Gothland, und fanden da Curen vor ſich mit groſſem Raube; daher umzingel-
ten ſie dieſelben, ſchlugen ſich mit ihnen gleich herum, und erlegten faſt alle, be-
maͤchtigten ſich auch vier Kaperſchiffe mit ſamt der Beute, fuͤhrten ſie mit nach
Riga, nahmen ihnen unſaͤglich viel Schafe ab, ſo ſie aus chriſtlichen Laͤndern er-
beutet, und brachten ſie mit nach Riga. Ueber dieſe Rache an den Curen ent-
ſtand groſſe Freude.
§. 4.
Ob nun gleich der Biſchof uͤber bis anhaltende Ungemach und den Tod der
Seinigen ſich ungemein betruͤbte: ſo nahm er ſeine Zuflucht doch ferner zum HErrn,
empfal ihm ſeine Reiſe und Verrichtungen, und ging wieder nach Deutſchland.
Er klagte den Schaden der Seinigen frommen und gottesfuͤrchtigen Seelen auf Gaſ-
ſen und Straſſen; er ſuchte in Grafſchaften und Schloͤſſern auf, wer ſich zur Mauer
um das Haus des HErrn ſtellen; wer das Zeichen des Kreuzes ſich anheften, und
zur See gehen wolte, um den wenigen zum Troſte nach Liefland zu ſegeln, welche
daſelbſt geblieben waren. Und es fand ſich Yſo, Biſchof von Verden, ſamt dem
Biſchof Philipp von Ratzeburg, wie auch der Biſchof von Padelbornd),
die ſich zur Reiſe aufs folgende Jahr mit ihren Rittern und vielen andern an-
ſchickten.
§. 5.
Nach des Biſchofs Abreiſe und dem Scharmuͤtzel der Curen mit den Pil-
gern, hoͤrten alle herumliegende Heiden, daß einige Fremdlinge von den Curen
niedergemacht waͤren, und ſchickten einander Boten zu. Erſt die Liven an die
Curen, die Curen an die Eſthen und Litthauer, Semgallen und Ruſ-
ſen, und ſuchten moͤglichſt auszumachen, wie ſie Riga vertilgen und alle Deut-
ſchen mit Liſt greifen und toͤdten moͤchten. Die Litthauer aber meinten, es
waͤren in Kukenois wenig zuruͤck geblieben, und ruͤckten vor das Schloß mit ei-
ner ſtarken Armee; doch fanden ſie Rudolphen von Jericho mit den uͤbrigen
Maͤnnern des Biſchofs im Schloſſe, und fielen ſie maͤchtig an. Die Bedienten
des Biſchofs und die Letten thaten aus der Burg einen Ausfal, machten viele
von den Feinden mit ihren Lanzen nieder, wie denn auch die Steinſchleuderer von
den Veſtungswerken einige verwundeten. Die Litthauer konten dieſe Stoͤſſe nicht
aushalten, und nahmen alſo von ihnen Abſchied. Hierauf gingen etliche Liven
von Adya, die ſchon laͤngſt getauft, aber noch vol Galle der Untreue waren, nach
Curland, hetzten das ganze Land gegen die Kirche von Riga auf, brachten eine
groſſe und ſtarke Armee auf die Beine, und gaben vor, daß nur wenige in der
Stadt nachgeblieben, wie es auch in der Wahrheit war. Die Einwohner, ſo dieſes
hoͤrten, ſchickten Kundſchafter auf die See. Die Curen aber verſamleten ſich
mit allen ihren Truppen, lagerten ſich in der Nachbarſchaft vierzehn Tage lang,
und erkundigten ſich durch ihr Loos wegen der Goͤtter Huͤlfe und gelegener Zeit. Jn-
zwiſchen kamen die Kundſchafter zuruͤck, weil ſie nichts geſehen hatten. Damals
begab ſich der Graf von Sladem, der Ritter Marquard, mit andern Pil-
gern, ſo die Oſtern uͤber da geblieben, und nach Deutſchland gedachten, auf
ihren Fahrzeugen hinunter nach Duͤnemuͤnde, lieſſen aber nur wenige auf den
Schiffen, und ſchliefen des Nachts im Kloſter. Mit Anbruch der folgenden Mor-
gendaͤmmerung ſchien die ganze See gleichſam mit einer finſtern Wolke uͤberzogen.
Daher die, ſo auf den Schiffen waren, und die Menge der Heiden, wie auch die
ſtarke Armee auf ſich zukommen ſahen, ſich theils zur Gegenwehr fertig machten,
theils nach dem Kloſter flohen. Die Heiden hoften die Stadt ohne vorhergegan-
gene Nachricht unverſehens zu uͤberrumpeln, und griffen die fremden Schiffe ſelbſt
nicht an, ſondern ruderten aufs geſchwindeſte an die Stadt. Allein die Fiſcher
auf beyden Seiten der Duͤne wurden ſie inne, flohen nach Riga, und verriethen
den Anzug dieſer Truppen. Die Buͤrger aber und die Bruͤder der Ritterſchaft,
auch die Steinſchuͤtzen, ſo wenig ihrer auch waren, liefen ſamt den Geiſtlichen und
dem Frauensvolke alle ins Gewehr: ſie riefen den Poͤbel zuſammen mit der Sturm-
glocke, die nur zur Kriegeszeit gelaͤutet wurde, und gingen ihren Feinden am
Ufer der Duͤne entgegen, verwundeten auch viele mit Steinwerfen. Die Cu-
ren lieſſen ihre Schiffe auf der Duͤne ſtehen, ſtelten auf dem Felde ihr Heer in
Schlachtordnung, und jeder trug vor ſich eine hoͤlzerne Tafel, aus zwey Bretern
zuſammen geſchlagen e), und eine Keule, nach Art eines Hirtenſtabes, die Tafel
darauf zu ſtuͤtzen. Wenn nun die Sonne auf die weiſſen Tafeln ſchien, ſo gaben
Waſſer und Felder davon einen Wiederſchein. Denn es war eine groſſe und ſtar-
ke Armee; und ſo naͤherten ſie ſich der Stadt. Die Liven und Steinſchleuderer
ruͤckten heraus bis an die erſte Schanze, die auf dem Felde vor dem Stadtthore
war, und ſchlugen ſich mit ihnen bis um die dritte Tagesſtunde. Die Buͤrger aber
zuͤndeten die Vorſtadt an, die auſſerhalb der Mauer lag f). Einige unſerer Leute
hatten eiſerne dreyzackigte Fußangeln bey ſich, ſo ſie auf den Weg warfen, wor-
uͤber die Armee paßiren muſte. Und da einige Buͤrger beherzt zum Treffen gin-
gen, und viele Feinde, die unter ihren Tafeln ſtunden, erlegten: ſo blieben ſie in
U 2der
[80]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwoͤlftes Jahr,
1209der Retirade auf dieſen Fußangeln hengen. Einige wurden erſchlagen, einige ent-
ronnen zu uns uͤber. Nachher ging die Armee zu Schiffe, und nach gehaltenem
Mittagsmahl ruͤſtete ſie ſich wieder zur Schlacht; da ſie aber das Gelaͤute der groſ-
ſen Sturmglocke hoͤrten, ſprachen ſie, ſie wuͤrden von dieſem GOtt der Chriſten
verzehret und aufgefreſſen g). Doch ruͤckten ſie wieder vor die Stadt, und fochten
den ganzen Tag. Und als ſie unter ihren Tafeln hervor krochen, um Holz zum
Feuer zuſammen zu ſchleppen: ſo wurden ihrer viele von den Bogenſchuͤtzen ver-
wundet. Wer nun von ihnen durch die Steine des Geſchuͤtzes, oder von den
Steinſchleuderern verwundet lag, dem ſchnitte ſein Bruder oder ſein Kamerad
gleich den Kopf ab, und brachte ihn gaͤnzlich ums Leben. Da ſie auch von allen
Seiten die Stadt aͤngſtigten und ein ſtarkes Feuer machten: ſo kamen die von
Holme mit ihren Pferden an den alten Berg, droheten den Feinden mit ihren
Schwerdtern, und ſchlugen ſich auf einer andern Seite nach der Stadt. Die Cu-
ren, ſo dieſe erblickten, zogen von der Stadt ab, ſamleten ihre Erſchlagenen und
begaben ſich wieder zu Schiffe, paßirten die Duͤne, lagen drey Tage ſtille, ver-
branten ihre Todten h) und machten ein groß Wehklagen uͤber ſie. Wie die Liven
von Thoreida hoͤrten, daß Riga von den Curen belagert ſey, und den Un-
tergang der Stadt wuͤnſchten, brachten ſie eine zahlreiche Armee zuſammen, auf
daß ſie den Curen zu Huͤlfe kaͤmen. Denn einige treuloſe Liven und Sem-
gallen, nebſt andern Heiden, warteten wie es mit den Curen ablaufen wuͤr-
de, damit ſie alle zugleich zur Zerſtoͤrung der Stadt ſich einfinden moͤchten. Aber
die von Holme kamen denſelben Tag in die Stadt, nachdem ſie auf den Jnſeln
verſchiedene von den Curen getoͤdtet, und ihre Schiffe genommen hatten. Der
Ritter Marquard kam von Duͤnemuͤnde, ſchlug ſich mitten durch die Fein-
de in die Stadt, und vereinigte ſich nachher mit dem Orden der Bruͤder der Rit-
terſchaft. Caupo langte auch mit allen ſeinen Freunden und Verwandten, wie
auch mit den getreuen Liven, folgende Nacht in der Stadt an. Conrad von
Ykeskole erſchien mit oberwehnten Liven Morgens fruͤhe auf freyem Felde,
dichte bey der Stadt, und als er ein groſſes Thurnier hielt mit Pferden und ih-
ren Ruͤſtungen i), kamen alle aus der Stadt zu ihm, und machten ſich unter ein-
ander ungemein luſtig. Sie naͤherten ſich auch an die Curen, und forderten ſie
zur Schlacht heraus, weil ſie ſich gefaſt hielten, entweder tapfer zu ſterben, oder
zu uͤberwinden. Dieſe aber trugen mehr Sorgfalt fuͤr ihre Leichen, ſprachen ganz
friedlich, und zogen nach drey Tagen ab. Die Liven aber, ſo an dieſer Ver-
raͤtherey ſchuld waren, gaben GOTT und den Bedienten des Biſchofs freywilli-
ge Genugthuung, ohne daß man den ihrigen weiteren Schaden zugefuͤget, und
verſprachen, nachgehends treu zu ſeyn. Die Stadt aber, ſo dismal durch GOt-
tes Gnade und Barmherzigkeit von den Heiden errettet ward, opferte GOTT
Dank, und verordnete, daß nachher der heilige Margarethentag, an welchem ſie
entſetzet worden, feyerlich ſolte begangen werden in der Stadt. Auch Berthold
von Wenden kam zur ſelben Zeit mit den Letten von Ungannien unterhalb
der Stadt an, nachdem er viel Doͤrfer verbrant, viel Heiden getoͤdtet, und ihnen
groſſen Abbruch gethan hatte, und zog in eigener Perſon den Rigiſchen zu Huͤl-
fe. Wie aber die Curen abzogen, reiſte jeder wieder zuruͤck in ſein Land.
§. 6.
Nach dieſem brachte dieſer Berthold eine Armee auf, und es zogen die Be-
dienten des Biſchofs, Sigfried und Alexander und mehr andere, auch Liven
und
[81]von 1209 bis 1210.
und Letten, nach Ungannien vor das Schloß Odempe, trafen aber wenige1209
Leute darinne an. Die im Schloſſe, waren alſo bey ihrer gar ſchwachen Anzahl
in Schrecken, und lieſſen Bertolden mit guten Worten ins Schloß ein. Die
Bedienten des Biſchofs nebſt einigen Liven, die um Bertolds Einlaſſung ins
Schloß nichts wuſten, erſtiegen das Schloß auf der andern Seite. Die ganze
Armee folgte ihnen nach, und erſtiegen den Wall der Burg, bemeiſterten ſich der
Veſtungswerke, machten alle ſtreitbare Maͤnner im Schloſſe nieder, nahmen das
Weibesvolk gefangen, und raubten viele Beute. Einige entflohen. Hierauf la-
gen ſie etliche Tage daſelbſt ſtille, theilten den Raub aus, zuͤndeten das Schloß
an, und kehrten wieder nach Liefland.
§. 7.
Die Kirche in Liefland ſtund damals in groſſen Drangſalen, nemlich mit-
ten unter ſo vielen Nationen, und herumliegenden Ruſſen und Litthauern, die
alle an einem Rath ſchmiedeten, ſie zu verſtoͤren. Dahero entſchloſſen ſich die Ri-
giſchen an den Koͤnig von Ploſceke Boten zu ſchicken, ob ſie vielleicht mit ihm
einen Friedenstractat treffen koͤnten. Rudolph von Jericho ward alſo mit
einigen andern abgefertiget nach Rußland zu gehen.
§. 8.
Da ſie nun nahe an Wenden kamen, ſiehe! ſo kamen die Eſthen mit ſtar-
ker Heeresmacht und belagerten Wenden. Rudolph mit ſeinen Leuten warf ſich
ins Schloß. Die Eſthen ſtritten mit Bertholden und ſeinen Bruͤdern und
den Wenden drey Tage, bey dem alten Schloſſe, in welchem die Bruͤder mit den
Wenden noch wohnten. Die Eſthen wurden von den Steinſchleuderern ver-
wundet, und muſten ins Gras beiſſen, gleichfals wurden auch etliche der Wenden
durch die feindlichen Lanzen hingerichtet. Denn die Eſthen trugen groſſe Holz-
haufen zuſammen, legten zur Aufbrennung des Schloſſes Feuer an, riſſen ganze
Baͤume mit Wurzeln aus den Waͤldern, legten ſie wie eine Schanze uͤbereinander,
beveſtigten und verkeilten ſie mit anderm Holze, fochten darunter, und machten
von oben her mit Feuer und Rauch denen, ſo im Schloſſe waren, viel Beſchwer-
de. Und wenn die Tage des Krieges nicht waͤren verkuͤrzet worden, haͤtten ſie
freylich groͤſſern Schaden gethan; weil durch einiger Nachlaͤßigkeit die Zeitung
den Rigiſchen weder den erſten, noch den andern, ſondern erſt den dritten Tag
nach der Belagerung zu Ohren kam, daher ſie ſich den vierten Tag aufmachten und
nach Siegenwolde aufbrachen. Da nun die Eſthen deſſelben Tages hoͤrten,
daß ein groſſer Schwarm Liven und Letten ſamt Caupo und ſeinen Freunden
ſich verſamlet hatte: begaben ſie ſich von Wenden weg, gingen uͤber die Goiwe,
und hielten Nachtlager bey einer See, ſo an der Straſſe nach Beverin liegt.
Die Bruͤder aber von Wenden und Caupo folgten mit ihren Liven und Letten
fruͤh nach, lieſſen ſich bey eben dieſer See nieder, das Mittagsmahl zu genieſſen,
ſchickten auch Spionen und Kundſchafter voraus, davon einige zuruͤck kamen mit
Vermelden, daß die Eſthen uͤber Hals und Kopf uͤber der Ymer fluͤchteten.
Die Liven und Letten glaubten ihren Worten alzugeſchwinde, und eilten alzu-
hitzig ihnen nachzuſetzen, ſagten dabey, ſie koͤnten auf das Zaudern der Rigi-
ſchen nicht laͤnger warten. Caupo aber mit ſeinen Deutſchen ſprach: Laſt
uns auf unſre Bruͤder warten, alsdenn koͤnnen wir fechten, und mit dieſen unſern
Fluͤgeln erſt in die Hoͤhe fliegen. Sie aber ſchlugen dieſe heilſame Warnung in
Wind, wolten auch lieber der Deutſchen Untergang ſehen, und jagten den
Eſthen nach. Doch hatten ſie die Deutſchen an die Spitze geſtellet, daß ſie
im Ruͤcken ſtuͤnden und den Ausgang des Krieges ſehen moͤchten, damit ſie deſto
fertiger waͤren, entweder nachzuhauen, oder das Haſenpanier zu ergreifen. Dar-
auf zogen ſie nach der Ymer, wuſten aber nicht, daß die Armee der Eſthen in
den Gebuͤſchen an der Ymer verborgen ſtaͤcken, und ſahen alſo das ganze Heer
Xploͤtzlich
[82]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwoͤlftes Jahr,
1209ploͤtzlich auf ſich zu marſchiren. Alsdenn hielt der Bruder der Ritterſchaft Ar-
nold geſchwind die Fahne in die Hoͤhe und ſprach: Laſſet uns zuſammen treten, ihr
deutſchen Bruͤder, und ſehen ob wir fechten koͤnnen. Laſt uns nicht vor ihnen
laufen, damit wir nicht unſerm Volk einen Schandflecken anhaͤngen. Und ſie
gingen auf ſie los, machten welche nieder, ſchlugen ſich mit ihnen herum; Ber-
told des Caupo Sohn, wie auch ſein Schwiegerſohn Wane, ein tapferer
beherzter und tugendſamer Mann, nebſt einigen andern Bruͤdern, blieben, und die
Bedienten des Biſchofs Wichmann und Alder wurden ſchwer verwundet. Als
die Liven aber, ſo hinterher gingen, das weitlaͤuftige Heer von allen Seiten des
Waldes anziehen ſahen, wandten ſie ſich gleich nach der Flucht um, und die
Deutſchen blieben alleine. Die Deutſchen wurden dieſes inne, und da ſie
ihre wenige Anzahl in Erwegung zogen, weil ſie nicht ſtaͤrker, als etwan zwanzig
Mann waren; ſo ſtellten ſie ſich dichte in einen Haufen, und gingen geradesweges,
unter ſtetem Scharmutziren mit den Feinden nach der Goiwa zuruͤck. Ru-
dolph von Jericho ward mit einer Lanze verwundet und ſank zur Erde;
Wicbold, ein Frieſe, half ihm wieder aufs Pferd. Dieſer Frieſe verließ ſich auf
ſein ſchnelles Pferd, jagte bald weg, bald wieder auf die Feinde zu, hielt ſie in
den engen Wegen auf, und erloͤſete viele. Die Eſthen aber waren hinter der
Deutſchen und Liviſchen Reuterey ſo wol, als den Lettiſchen Fußgaͤngern
her, die zur rechten und linken flohen, nahmen ihrer faſt hundert gefangen, mach-
ten einige nieder, andere ſchlepten ſie wieder an die Ymer und thaten ihnen einen
grauſamen Maͤrtyrertod an. Denn es waren ihrer etwan vierzehn von unſern
Deutſchen, davon ſie einige lebendig brateten, andern die Kleider abzogen, mit
ihren Schwerdtern Kreuzen k) auf den Ruͤcken ſchnitten, und toͤdteten, und ſie, wie
wir hoffen, in die Geſelſchaft der Maͤrtyrer in Himmel ſchickten. Darauf kehrten
die Eſthen wieder in ihr Land, und da ſie den Chriſten bald auf dem Nacken ſeyn
wolten, ſo ſandten ſie durch alle Provinzen Eſthlands, verſchworen und verbun-
den ſich, daß ſie gegen den chriſtlichen Namen ein Herz und eine Seele ſeyn wol-
ten. Caupo alſo und ſeine Liven und Letten kamen aus der Schlacht, beklag-
ten ihre Getoͤdteten, und traurten, daß die nur erſt neulich Getauften von den
Heiden hingerichtet worden. Die ganze Kirche hatte Beyleid mit ihnen, die da-
mals war, wie ein Bogen, der ſtets geſpannet wird und nie ſpringet als die Arche
Noah, die zwar durch hohe Wellen empor gehoben, aber nicht zerſcheitert ward,
als das Schiflein Petri *), daran zwar die Fluthen ſchlagen, das aber nicht ſank;
als das Weib, welches der Drache verfolgete, aber nicht bezwungen. Denn auf
dieſe Beangſtigung folgte ein Troſt; nach der Traurigkeit ſchenkte der dreyeinige
groſſe GOtt, groſſe Freude. Denn es ward der Ritter Ordensbruder Arnold
mit ſeinen Kameraden an den Koͤnig von Ploſceke nach Rußland geſandt, ob
er vielleicht Frieden eingehen und den Rigiſchen Kaufleuten einen Weg nach ſei-
nem Lande oͤfnen wolte. Der Koͤnig nahm ihn mit geneigtem Gemuͤthe auf, freu-
ete ſich mit uͤber die Ruhe des Friedens, wiewol nur verſtelt, und ſchickte mit ih-
nen einen klugen und ſehr reichen Mann von Smolensko, Ludolfen, daß der
nach Riga gehen und ausmachen ſolle, was zur Gerechtigkeit und zum Frieden diene.
Wie dieſe in Riga ankamen und des Koͤnigs Willen anbrachten; ſo gefiel den Rigi-
ſchen das Friedensformular, und ward zwiſchen dem Koͤnig und Rigiſchen ein ewi-
ger Friede getroffen, doch alſo, daß die Liven dem Koͤnig den ſchuldigen Tribut jaͤhr-
lich zahlen, oder der Biſchof denſelben an ihrer ſtatt entrichten ſolte. Und es freue-
ten ſich alle, daß ſie deſto ſicherer mit den Eſthen und andern benachbarten und an-
graͤnzenden Voͤlkern kriegen koͤnten. Wie auch nachher geſchahe.
§. 9. Das
[83]von 1209 bis 1210.
§. 9.
Das heilige Weihnachtsfeſt war vor der Thuͤre, und die Strenge des Win-1209
ters nahm zu. Alſo ſchickten die Aelteſten von Riga durch ganz Liefland*),
Lettland, durchs ganze Gebiet und an alle Schloͤſſer an der Duͤne und Goiwe,
alle ſolten kommen und ſich fertig halten, ſich an den Nationen der Eſthen zu raͤchen.
Dis Geruͤchte drung nach Pleseekowe, die damals mit uns Frieden hatten, und
es kam ein maͤchtiger Haufen Ruſſen den Unſrigen zu Huͤlfe. Es erſchienen auch
die Landesaͤlteſten Rußin, Caupo, Nunnus und Dabrel ſamt andern, und
marſchirten vor den Rigiſchen und Fremden voraus. Die ganze Armee folgte
nach Metſepole, und zogen nach der See, nachdem ſie von den Liven, ſo man
fuͤr treulos hielte, Geiſſeln genommen. Sie marſchirten Tag und Nacht auf der
Heerſtraſſe laͤngſt der See, und erreichten die erſte Provinz, die Sontagana
hieß. Die Wegehuͤter flohen, als ſie die Armee erblickten, um es den ihrigen an-
zuſagen. Aber die, ſo unter der Armee die ſchnelſten waren, drungen mit den
Kundſchaftern zugleich in die Doͤrfer, und fanden faſt alle in den Dorfſchaften zu
Hauſe. Die Armee theilte ſich durch alle Wege und Doͤrfer, brachte aller Orten
viel Volk um, verfolgte die in den nahegelegenen Provinzen, nahm ihnen Wei-
ber und Knaben weg, und verſamlete ſich bey dem Schloſſe. Den andern und
dritten Tag zogen ſie umher, verwuͤſteten und ſteckten alles in Brand, was ſie
fanden, und erhielten Pferde und unzaͤhlig viel Vieh. Denn der Ochſen und Kuͤhe
waren vier tauſend; auſſer den Pferden, dem andern Vieh, und den Gefangenen,
die niemand zaͤhlen konte. Viele Heiden, die in den Waͤldern und auf dem Eiſe
des Meers mit der Flucht entkommen, froren auch zu todte. Wie ſie nun drey
Schloͤſſer erobert und in Brand geſtecket, fingen ſie den vierten Tag an, mit der
ganzen Beute, aus dem Lande zu ziehen, nahmen ſich Zeit zum Ruͤckwege, theilten
alsdenn alles gleich unter ſich, und wandten ſich mit Freuden wieder nach Lief-
land, und lobten alle den HErrn, der ihnen Rache uͤber ihre Feinde gegeben.
Die Eſthen ſagten nicht ein Wort wegen des Vorwurfs, da ſie den Liven und
Letten anfaͤnglich den Maͤrtyrertod der Jhrigen vorgeruͤckt hatten. Bey folgen-
dem Mondlichte kamen die Liven und Letten wieder mit den Rigiſchen bey der
See Aſtigerwe**) zuſammen, und ſtieſſen auf einen Trup Sacalanen und Un-
gannier, ruͤckten auch an ſie an, und wolten ſich mit denſelben ſchlagen. Dieſe aber wie-
ſen den Ruͤcken und nahmen Reißaus, doch blieb einer von ihnen ſtehen. Der trat zu den
Unſrigen und ſagte aus, daß ein ander ſtarkes Heer von den Provinzen an der See in
ſelbiger Nacht den Strandweg kommen, und in Liefland einfallen wuͤrde. Die
Landesaͤlteſten der Liven eilten auf dieſe Nachricht zu ihren Weibern und Kindern,
ſie vor den Feinden in Sicherheit zu bringen, und jeder zog nach ſeiner Schanze.
Gleich aber morgendes Tages kamen die Eſthen, ſo erſt entwiſchet waren, aus
Sontagana***) und andern herumliegenden Provinzen, mit einer groſſen Ar-
mee nach Metſepole, und weil alles Volk in den Schloͤſſern ſich aufhielt, ſteck-
ten ſie die leeren Doͤrfer und Kirchen an, veruͤbten auch mit ihren Opfern viele
Leichtfertigkeit um die Kirchen und um die Graͤber der verſtorbenen Chriſten.
Die Rigiſchen kamen hierauf in Thoreida zuſammen, ſie zu verfolgen. Auch
Berthold von Wenden und Rußin mit allen Letten begaben ſich nach der Ro-
pa. Da ſie das hoͤrten, gingen ſie ſchleunig aus dem Lande, und warteten das
Treffen mit den Chriſten nicht ab. Bey dem dritten Mondſcheine machten die
Rigiſchen ſich gefaſt, das Schloß Viliendi in Saccala zu belagern, und be-
riefen die Liven und Letten aus allen Graͤnzen und Schloͤſſern zuſammen, und
X 2be-
[84]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwoͤlftes Jahr,
1209bedroheten die ausbleibenden, mit ſchwerer Strafe, wodurch ſie ihnen ein Schrecken
einjagten, und alſo eine ſtarke Mannſchaft ſamleten. Es zog auch mit ihnen Engel-
bert, des Biſchofs Schwager l). der daſſelbe Jahr die Advocatur in Thoreida
verwaltete, nebſt den Bruͤdern der Ritterſchaft und den Pilgern, ruͤckten in
Saccale ein, fuͤhrten mit ſich eine kleine Maſchine oder Patherelle und Balliſten,
auch anderes zum Sturm noͤthiges Werkzeug.
Des Biſchof Alberts dreyzehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti, 1210 bis 1211.
§. 1.
1210Nach der Menſchwerdung Chriſti im tauſend zweyhundert und zehnten, als dem
dreyzehnten Jahre des Biſchof Alberts, geſchahe die erſte Belagerung
des Schloſſes Viliende in Saccala von den Deutſchen, Liven
und Letten; und die Deutſchen ſchickten die Liven und Letten aus,
die ganze umliegende Gegend auszupluͤndern, und Lebensmittel und Getreide anzu-
ſchaffen. Dieſe zogen auf allen Doͤrfern herum, ſchlugen viel Heiden todt, und
brachten einige vor das Schloß gefangen. Hierauf nahm Bertold von Wen-
den und Rußin mit andern Letten und Landesaͤlteſten, die Gefangenen in Ver-
wahrung, ruͤckte naͤher an das Schloß, und ſprach: wenn ihr euch von dem Dienſt
eurer falſchen Goͤtter losſagen, und mit uns an den wahren GOTT glauben wol-
let: ſo wollen wir euch die Gefangenen wieder lebendig zuſtellen, und uns mit euch
in bruͤderlicher Liebe durch das Band des Friedens verbinden. Allein dieſe wur-
den unwillig, und wolten von Einem GOTT und dem Namen der Chriſten nichts
hoͤren, ſondern droheten vielmehr mit Krieg. Sie zogen auch der Deutſchen
Ruͤſtung an, die ſie bey dem erſten Scharmuͤtzel im Schloßthore erbeutet hatten,
trotzten auf die Hoͤhe ihrer Veſtung, machten ſich zum Treffen fertig, ſpotteten
und lachten bey ſich ſelbſt dieſer Armee. Rußin und die Letten nahmen alle Ge-
fangene bey den Koͤpfen, ſaͤbelten ſie nieder, wurfen ſie in Graben und droheten
denen im Schloſſe ein gleiches. Jnzwiſchen toͤdteten die Bogenſchuͤtzen viele, trie-
ben alle von der Gegenwehr ab, andere baueten ein Sturmhaus, die Liven und
Letten warfen den Graben mit zuſammen getragenen Hoͤlzern ganz vol bis oben
an, und ſchoben das Sturmdach daruͤber. Die Letten aber ſtiegen mit den Arm-
bruſtirern
[85]von 1210 bis 1211.
bruſtirern oben hinauf, erlegten viele auf der Mauer mit Pfeilen und Lanzen, ver-1210
wundeten auch eine groſſe Menge, und der hitzige Streit dauerte fuͤnf Tage. Die
Eſthen bemuͤheten ſich, die oberſte Holzſchichte zu verbrennen, und wurfen haͤufi-
ges Feuer aus dem Schloſſe, in gewiſſen Gefaͤſſen *). Allein die Liven und Let-
ten ſchmiſſen Eis und Schnee daruͤber, und loͤſchten es. Der Ordensbruder Ar-
nold arbeitete auch Tag und Nacht dabey, ward aber endlich von einem groſſen
Steine getroffen, und gelangte zur Gemeinſchaft der Maͤrtyrer. Das war ein ſehr
gottesfuͤrchtiger Mann, der beſtaͤndig im Gebet lag, und was er betete, hat er, wie
wir hoffen, auch gefunden. Die Deutſchen machten eine Maſchine fertig, und
warfen die Veſtungswerker durch ſtetiges Steinwerfen nieder, toͤdteten auch im
Schloſſe viele Menſchen und Vieh, indem die Eſthen dergleichen nie geſehen, und
ihre Haͤuſer gegen dergleichen Stuͤrme nicht verwahret hatten. Die Liven und
Letten erhoͤheten den Holzhaufen noch mit truckenem Holze bis an die Planken a)
Eylard von Dolen ſtieg darauf. Die Deutſchen folgten ihm im Gewehr nach,
riſſen die Planken von einander, fanden aber von innen eine andre Verſchanzung,
die ſie nicht erbrechen konten. Die im Schloſſe traten darauf, trieben die Deut-
ſchen durch Stein- und Holzwerfen ab, welche endlich im Abzuge Feuer anleg-
ten und das Schloß anſteckten. Die Eſthen brachen die gluͤhenden Planken und
das angezuͤndete Holzwerk der Veſtung ab, riſſen es aus einander. Wie die
Feuersbrunſt zu Ende war, ſetzten ſie des Morgends alles wieder an die vorige
Stelle und ermunterten ſich wieder das uͤbrige zu vertheidigen. Es waren aber in
dem Schloſſe viel todte Koͤrper, und Mangel an Waſſer, dabey faſt alle ſo ver-
wundet, daß ſie in letzten Zuͤgen lagen. Des ſechſten Tages ſprachen die Deut-
ſchen: Wehret ihr euch noch und erkennet unſern Schoͤpfer nicht? Sie verſetzten
hierauf: Wir erfahren nun, daß euer GOtt maͤchtiger iſt als unſere Goͤtzen, der
uns uͤberwunden und unſer Herz zu ſeinem Dienſte geneiget hat. Daher bitten wir
daß ihr unſer ſchonet, und uns das Joch des Chriſtenthums, ſo wie den Liven
und Letten, barmherzig aufleget. Hierauf riefen die Deutſchen die Aelteſten
aus dem Schloſſe heraus, hielten ihnen alle Pflichten des Chriſtenthums vor, und
verſprachen Friede zu einer bruͤderlichen Liebe. Dieſe verlieſſen ſich ganz ſicher auf
den Frieden, freueten ſich, verſprachen mit den Liven und Letten zu gleicher
Zeit und nach gleicher Verbindlichkeit das Sacrament der Taufe anzunehmen. Da-
her ſtelten ſie Geiſſeln von ſich, beſtaͤtigten den Frieden, und nahmen Prieſter ins
Schloß, die alle Haͤuſer, das Schloß, Maͤnner und Weiber ſamt dem ganzen
Volk mit Weihwaſſer beſprengten, ſie einigermaſſen einweiheten, und erſt catechi-
ſirten b), indem ſie wegen des vielen Blutvergieſſens das Sacrament der Taufe auf-
ſchoben. Wie dis beſtellet war, kehrte die Armee zuruͤck nach Liefland, und alle
preiſeten GOtt fuͤr der Heiden Bekehrung. Nachgehends in dem Oſterfeſte er-
fuhren die Kaufleute alle Anſchlaͤge der Eſthen und anderer Heiden in der Nach-
barſchaft, was maſſen ſie vor Ankunft des Biſchofs und der Fremdlinge Liefland
und die Stadt Riga zu zerſtoͤren gedachten und verſparten ihre Reiſe nach Goth-
land, lieſſen ihren Handel und Gewerbe liegen, und blieben mit allen Schiffen
da, bis die Pilger anlangten. Jnzwiſchen ſandte man Abgeordnete nach Eſthland
um zu ſehen, was die Heiden da vorhaͤtten. Dieſe meldeten bey ihrer Zuruͤck-
kunft Krieg, brachten den (kurz vorher gemachten) Frieden wieder mit ſich zuruͤck,
und entdeckten die Anſchlaͤge der Unglaͤubigen und Treuloſen. Und gleich ſtand
auf Caupo und Bertold von Wenden mit ſeinen Mitbruͤdern, und des Bi-
ſchofs Diener, zogen in die benachbarte Provinz, Saccala, ſteckten alle Doͤrfer
in Brand, zu denen ſie kommen konten, machten alle Maͤnner nieder, fuͤhrten die
Weiber gefangen mit ſich weg, und wandten ſich wieder nach Liefland. Die
Yvon
[86]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, dreyzehntes Jahr,
1210von Saccala zogen hinter ihnen her, und verbranten die Doͤrfer alle um Aſti-
gerwe, kamen bis an die Ymer, erſchlugen einige Letten, nahmen Weiber und
Kinder gefangen, und trugen viele Beute davon. Nach ihnen machten ſich Lam-
bito und Meme, Landesaͤlteſten von Saccala, auf, paßirten mit einer andern
Armee die Ymer, kamen an die Kirche (daſelbſt), zuͤndeten ſie an, verſtoͤrten al-
les, was dem Prieſter gehoͤrte, trieben durchs ganze Kirchſpiel viel Vieh und Beu-
te zuſammen, toͤdteten die geraubten Menſchen, entfuͤhrten Weiber, Knaben und
Maͤgdgen in die Gefangenſchaft, und es entſtand eine groſſe Drangſal in allen Ge-
genden von Liefland. Denn die von Saccala und Ungannien uͤberfielen
die Letten. Die von Roͤtel und aus der Strand Wyck gingen auf die Liven
des Biſchofs in Metſepole und Lethegorwe mit dreyen Armeen los, ſo daß ein
Heer dem andern folgte, eines wegging, das andere ankam, die den Liven Tag
und Nacht keine Ruhe lieſſen, ſondern ſie ſowol in den Kluͤften der Waͤlder, als in
Seen und Feldern aufſuchten, ſie hinrichteten, die Weiber gefangen nahmen, Pfer-
de und Vieh wegtrieben, und viele Beute fortſchlepten, daß wenige von ihnen
noch uͤbrig blieben. So demuͤthigte GOTT groͤſten theils ihre Untreue zur ſelben
Zeit, damit ſie nachher deſto getreuer werden moͤchten. Die Oeſeler liefen indeſ-
ſen mit ihren Raubſchiffen in die Goiwe ein, ſtiegen bey Thoreida ans Land, ver-
wuͤſteten das Kirchſpiel in Cubbeſel gaͤnzlich, pluͤnderten die ganze Provinz rings
herum, machten einige nieder, andere zu Gefangenen, und noch andere fluͤchteten
nach Riga, die gluͤcklich entkamen, und gegen den Anfal der Heiden Huͤlfe be-
gehrten. Die Rigiſchen aber hielten die Stadt unter genauer Wache, weil ſie
eine Verraͤtherey einiger Treuloſen befuͤrchteten, und warteten auf des Biſchofs
und der Pilger Ankunft.
§. 2.
Der Biſchof aber kam um dieſe Zeit mit Volquinen, dem Ordensmeiſter
der Bruͤder von der Ritterſchaft Chriſti nach Rom, ward von dem Pabſt unge-
mein gnaͤdig empfangen, erhielt Privilegien uͤber die Theilung von Lief- und Lett-
land, zugleich eine neue Volmacht c), Ablaß zu predigen, und zog mit Freuden wie-
der zuruͤck. Er ſchickte die Abſchriften der Privilegien nach Preuſſen, und er-
freuete alles Volk in Liefland nicht wenig, daß ſie auch mit Thraͤnen den Boten
entgegen liefen, weil ſie nach ſo vielem Kriegesungemach auch von dem roͤmiſchen
Pabſte getroͤſtet wurden. Es war ſchon das dreyzehnte Jahr des Biſchofs, und
die Kirche hatte noch keine Ruhe von dem Kriege. Da nun der Biſchof aus
Deutſchland anlangte, kamen mit ihm in allen Freuden drey Biſchoͤfe, Phi-
lipp von Ratzeburgd), Yſo von Verdene) und der Biſchof von Padel-
bornf). Helmold von Pleſſe, Bernhard von der Lippeg) und viele Edle
und Fremdlinge, deren Ankunft von allen ſehr erwartet wurde, damit ſie aus
der Gefahr, darin ſie waren, errettet wuͤrden. Die Letten nun, die ſich uͤber
die Ankunft der Pilger freueten, kamen bey der Ymer zuſammen, marſchirten mit
etlichen wenigen voraus, begegneten einer ſtarken Armee Heiden, und wie ſie ihre
Anzahl erblickten, ſahen ſie ſich nach der Flucht um. Die Eſthen waren hinter
ihnen her, ſchlugen einige von ihnen todt, folgten bis an die Ymer, und gingen
die ganze Nacht durch bis nach Ropa, verbranten die Kirche und durchzogen ſo
wol die Guͤter der Kirchen, als auch die ganze Provinz, ſteckten Doͤrfer und
Haͤu-
[87]von 1210 bis 1211.
Haͤuſer an, hieben die Maͤnner nieder, zogen die Weiber und Kinder aus den1210
dickſten Waͤldern hervor, und ſchlepten ſie gefangen mit ſich. Als die Rigiſchen
und Pilger davon Nachricht erhielten, ſo machten ſie ſich auf, und kamen nach
Thoreida. Die Heiden aber die ſolche Ankunft vermuthet hatten, kehrten nach
drey Tagen mit aller ihrer Beute uͤber Hals und Kopf wieder in ihr Land.
Caupo zog ihnen mit einigen Deutſchen und andern nach Saccala nach,
ſteckte viele Doͤrfer und die Schloͤſſer Owele und Purke in Brand, nahm viele
Beute mit ſich, toͤdtete viele Mansperſonen, und fuͤhrte die Weiber mit ihren
Kindern in die Gefangenſchaft mit weg.
§. 3.
Jnzwiſchen boten die Oeſeler, die Reveler und Rotalier eine groſſe
und ſtarke Armee, aus allen an die See grenzenden Oertern auf, hatten alle Lan-
desaͤlteſten von Oeſel und Roͤtel und ganz Eſthland, wie auch viel tauſend
Pferde, und noch mehrere tauſend zu Schiffe bey ſich, und fielen in Liefland ein.
Die Reuterey und das Fußvolk kamen in Metſepole an, und brachen eilend nach
Thoreida auf. Die andern kamen uͤber die See und fuhren mit ihren Raub-
ſchiffen die Goiwa hinauf, verſamleten ſich auch an einem Tage zugleich mit al-
len ihren Reutern bey dem groſſen Schloſſe des Caupo, in welchem die Liven
damals aus Furcht vor den Heiden wohnten, und ſchloſſen ſie rund herum allent-
halben ein. Die Reuterey lagerte ſich an das Vordertheil des Schloſſes, die
andern an das Hintertheil bey ihren Raubſchiffen an dem Fluſſe. Die Stein-
ſchuͤtzen zogen ihnen aufs Feld heraus entgegen, die man von Riga dahin ge-
ſchickt hatte, das Schloß mit den Liven zu bewachen; ſie verwundeten viele un-
ter ihnen, viele toͤdteten ſie, weil jene kein Gewehr hatten und nicht gewohnt wa-
ren die Waffen ſo zu fuͤhren, als andre Voͤlker. Nach dieſen ſchickten die Eſthen
ihre tapferſten Leute umher, das Land zu pluͤndern; dieſe branten Doͤrfer und
Kirchen auf, ſchlugen die Liven, ſo ſie ertapten, todt, fuͤhrten einige gefangen;
ſchlepten viel Beute mit ſich, trieben Ochſen und Vieh an den Ort, wo ihre
Leute ſich verſamleten, ſchlachteten die Ochſen und das Vieh, opferten es ihren
Goͤttern, und forſchten nach derſelben Gunſt. Das Fleiſch aber fiel, da es ge-
ſchlagen war, auf die linke Seite, und zeigte dadurch an, daß die Goͤtter zornig,
und lauter Uebel bedeutet waͤre h). Jedennoch lieſſen ſie ſich von ihrem Vorſatz
nicht abſchrecken, ſondern ſtuͤrmten auf die im Schloſſe los, machten groſſe Holz-
ſchichten, und untergruben den Schloßberg, verſprachen auch da magetas, das
iſt, auf ewig zu bleiben, bis ſie entweder das Schloß niedergeriſſen, oder die Li-
ven zur Einſtimmung bewogen, damit ſie gleich drauf deſſelben Weges mit ihnen
vor Riga ruͤcken und es zerſtoͤren huͤlfen. Ein Live rief auch aus dem Schloſſe
heraus: Maga magamas, daß heiſt: So bleib denn hier ewig liegen. Die
Bruͤder aber der Ritterſchaft in Sygenwalde*), wie ſie ſahen, was die Hei-
den alle vorhatten, thaten es denen in Riga zu wiſſen, und begehrten die Pilger
zu Huͤlfe. Es kamen von denen im Schloſſe belagerten Liven auch Boten dazu,
die alles Herzeleid, was die Liven und Letten von den Heiden litten, mit Thraͤ-
nen anbrachten, und die Biſchoͤfe inſtaͤndig baten, ihnen Leute zu ſchicken, und ihre
Kirche zu erretten. Die Biſchoͤfe ſprachen ihrem Kriegsvolk einen Muth ein, und
legten den Pilgern und dem ganzen Volke zur Vergebung ihrer Suͤnden auf, ihren
Bruͤdern, den Liven, zu Huͤlfe zu eilen, und an den Nationen der Eſthen unter
goͤttlichem Beyſtande ſich zu raͤchen. Und es machten ſich die Pilger mit den Bruͤ-
dern der Ritterſchaft, und Helmold von Pleſſe nebſt andern Rittern auf, legten
ihr Gewehr an, putzten ihre Pferde ſchoͤn aus, reiſeten mit ihren Fußknechten und
Liven und ihrer ganzen Bedienung nach der Goiwa, paßirten dieſelbe, mar-
ſchirten die ganze Nacht durch, gelangeten an die Heiden, ſtelten ihre Armee, fuͤhr-
ten ſie zum Treffen an, und lieſſen das Fußvolk die groſſe Straſſe nach Wende-
culle voraus ruͤcken. Die Reuterey aber kam den Weg zur rechten nach. Das
Fußvolk ging ſehr vorſichtig und in Schlachtordnung, zog mit fruͤhem Morgen den
Berg hinab, und bekam das Schloß und das feindliche Heer zu Geſichte, daß nur
ein Thal dazwiſchen war. Sogleich ſchlugen ſie die Freudenpaucken, und mach-
ten
[89]von 1210 bis 1211.
ten mit Jnſtrumenten und ihrer Muſik die Herzen ihrer Leute muthig, riefen die1210
goͤttliche Barmherzigkeit uͤber ſich an, eileten ſchnel auf die Heiden los, ſetzten
uͤber den kleinen Bach, und hielten etwas ſtille, um ſich wieder zu ſchlieſſen. Die
Heiden, ſo dis ſahen, und durch gewiſſe Dinge in Entſetzen geriethen, liefen und
griffen nach ihren Schilden. Einige warfen ſich auf die Pferde, andere ſprun-
gen uͤber den Zaun; verſamleten ſich, erfuͤlten mit ihrem Geſchrey die Luft, ranten
in unzaͤhlbarer Menge auf die Chriſten zu, und warfen Lanzen auf ſie als einen
Platzregen. Die Chriſten fingen die Lanzen mit ihren eiſernen Schilden auf,
und griffen, wie ſich jene verſchoſſen hatten, nach den Schwerdtern, gingen naͤher
drauf los und hielten eine Schlacht: da viele verwundet wurden und zur Erde fie-
len; die Heiden fochten dennoch tapfer. Da die Ritter ihre Herzhaftigkeit merk-
ten, brachen ſie eilend mit Gewalt in den Feind, machten ihn mit ihrem vortrefli-
chen Pferdezeuge zu fuͤrchten, warfen viele zur Erde, ſchlugen die andern in die
Flucht und verfolgeten die Fluͤchtigen, ſaͤbelten auch alle nieder, die ſie auf der
Straſſe oder den Feldern einholten. Die Liven kamen mit ihren Steinſchleuderern
aus dem Schloß denen fluͤchtenden Heiden entgegen, ſtaͤupten ſie empfindlich auf dem
Wege, ſchloſſen ſie in die Mitten, und hieben in ſie hinein bis an die Deutſchen,
verfolgten ſie auch ſo weit, daß wenige entronnen, und die Deutſchen ſelbſt einige
von den Liven mit den Eſthen niedermachten. Etliche aber, die den andern
Weg ums Schloß nach der Goiwe flohen, gelangten zu einem andern Trup ih-
rer Armee und entkamen. Viele aber darunter wurden bey dem Herunterſteigen
vom Berge durch die nachſetzenden Ritter in die Pfanne gehauen. Wobey Ever-
hard, ein Ordensbruder der Ritterſchaft, blieb, auch einige unſerer Soldaten bleſ-
ſiret wurden. Jndeſſen ſahe das andere Theil der Armee den Untergang der ihri-
gen, und verſamlete ſich auf dem Berge zwiſchen dem Schloſſe und der Goiwa,
machte ſich auch zur Gegenwehr fertig. Die Liven aber und andere Fußgaͤnger
der Chriſten liefen zur Beute, nahmen die Pferde weg, deren viele tauſend da
waren, und verſaͤumten gegen die uͤbrigen Heiden zu ſtreiten. Doch die Ritter
und Steinſchleuderer fielen ſie auf dem Berge in ihrem Lager an, und toͤdteten viele
aus ihnen. Daher ſie um gut Wetter baten, und angelobten, das Sacrament
der heiligen Taufe anzunehmen. Die Soldaten traueten ihrem Worte, und melde-
ten den Biſchoͤfen, ſie moͤchten kommen, und dieſe Leute aufnehmen. Aber des
Nachts flohen ſie auf ihre Raubſchiffe, und wolten nach der See zu. Die Stein-
ſchuͤtzen hingegen machten ihnen auf allen Seiten der Goiwe den Abzug hinderlich.
Einige Pilger, die mit Bernharden von der Lippe aus Riga nach der Goi-
we gekommen, ſchlugen eine Bruͤcke uͤber den Strom, baueten groſſe Holzgeruͤſte
daruͤber, und bewilkommeten die anſegelnden Kaper mit Pfeilen und Lanzen. Der
Weg zu fliehen ward den Heiden uͤberal verſperret. Daher ſie folgende Nacht in
aller Stille alle das Jhrige im Stiche lieſſen, heimlich aus ihren Raubſchiffen aus-
ſtiegen und davon liefen. Etliche nahmen ihren Weg nach dem Gehoͤlze, andere
wieder anderwaͤrts hin, muſten aber vor Hunger jaͤmmerlich umkommen, und we-
nige entwiſchten nach ihrem Lande dieſes anzuſagen. Der bey dieſer Gelegenheit
erbeuteten Pferde waren wol zweytauſend. Die Pilger und alle, ſo zu Felde ge-
weſen, kehrten wieder nach Riga, und nahmen faſt dreyhundert Raubſchiffe mit
ſich, auſſer den kleinen Fahrzeugen. Alle Pferde und Beute theilten ſie unter ſich
in gleiche Theilung, gaben auch den Kirchen ihr Theil, und lobten mit den Biſchoͤ-
fen und geſamtem Volke GOTT, der gleich bey Ankunft ſo vieler Biſchoͤfe einen
ſo herlichen Triumph uͤber die Feinde verliehen. Denn damals ſahe die Kirche in
Liefland GOTT fuͤr ſich wahrlich ſtreiten, weil in dieſem Kriege der Provinz
Eſthland das Haupt abgefallen, das iſt, die Landesaͤlteſten von Oeſel und Ro-
talien, und anderen Provinzen, welche daſelbſt umgebracht worden. Alſo legte
der HErr ihren Stolz nieder, und demuͤthigte den Trotz der Starken.
§. 4.
Der Biſchof von Liefland nun, der von dem Pabſt Volmacht i) erhalten,
in den Laͤndern jenſeit des Meers, die GOtt durch die Kirche in Liefland dem
chriſtlichen Glauben unterwerfen wuͤrde, ſtat eines Erzbiſchofs, Biſchoͤfe zu waͤh-
len und einzuweihen, nahm Dietrichen, einen Abt Ciſtercienſer Ordens in
Duͤnemuͤnde, zum Mitgehuͤlfen ſeiner noch immerwaͤhrenden Arbeit an, und
weihete ihn zum Biſchof, verſprach ihm das Bisthnm in Eſthlandk). Bern-
harden von der Lippe weihete er nachgehends zum Abte ein. Derſelbige
Graf Bernhard, weil er ehmals in ſeinem Lande viel Sengen, Brennen und
Rauben veruͤbet, war von GOtt gezuͤchtiget worden, und hatte einen Schlag
der Schwachheit an ſeinen Fuͤſſen bekommen, daß er an beyden Fuͤſſen gelaͤhmet
war, und ſich lange Zeit in einem Korbe tragen laſſen muͤſſen. Daruͤber ward
er in ſeinem Gewiſſen geruͤhret, nahm den Ciſtercienſer Orden an, erlernete
auch in etlichen Jahren die Ordensregeln und (andre) Wiſſenſchaften, und er-
hielt vom Herrn Pabſt die Volmacht das Wort GOttes zu predigen und nach
Liefland zu ziehen. Wie er oftmals ſelbſt erzaͤhlte, ſo waren ſeine Fuͤſſe wie-
der ſtark geworden, ſo bald er das Kreuz nach dem Lande der heiligen Mutter
GOttes angenommen, und hat geſunde Beine bekommen. Bey ſeiner erſten Ein-
kunft in Lieflaͤnd wurde er zum Abt geweihet, iſt auch nachgehends Biſchof
von Semgallien geworden.
Z 2§. 5. Nun
[92]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, dreyzehntes Jahr,
§. 5.
Nun kamen die Liven, ſo ſich nach vielem Kriegsungemach ſo wol uͤber die
Ankunft der Biſchoͤfe, als wegen des Sieges uͤber ihre Feinde freueten, von der
Duͤne und von Thoreida und allen Grenzen Lieflandes zuſammen, fielen
den Biſchoͤfen zu Fuͤſſen und baten, daß die Abgaben an die Chriſten und ſon-
derlich der Zehnden ihnen erleichtert wuͤrde, verſprachen auch, ſo wol in Krie-
gen gegen die Heiden, als in allen Angelegenheiten der Chriſtenheit eine
ewige Treue. Die Biſchoͤfe ſagten zu ihrem Vortrag Ja, und gaben dem
Biſchof von Riga an die Hand, in wie weit er in ihr Begehren willigen moͤch-
te, damit er ſie allezeit auf ſeiner Seite behielte. Dieſer ſelbſt wuͤnſchte ſeine
Leute mit vaͤterlicher Liebe zu hegen, uͤberſchlug dabey, wie wichtige Kriege von
den herumliegenden Voͤlkern noch zu drohen ſchienen, und verordnete auf ihr Er-
ſuchen, daß ſtat des Zehnden von jedem Pferde l) ein gewiſſes Maß ſo achtzehn
Finger breit ausmachte, jaͤhrlich ſolle abgegeben werden, beſtaͤtigte es ihnen auch
auf dieſe Art, daß vier Biſchoͤfe ihnen daruͤber Brief und Siegel gaben, doch
nur in ſo weit, daß, wenn ſie einmal ihrer Pflicht vergeſſen, oder ſich in die Be-
rathſchlagungen der Heiden einlaſſen, und das Sacrament der heiligen Taufe
mit heidniſchen Caͤremonien beſudeln ſolten, ſie gehalten waͤren, nachher den
Zehnden und die andern Gefaͤlle an die Chriſtenheit volſtaͤndig abzutragen.
§. 6.
Wie dis alſo eingerichtet worde, ließ der Biſchof Albert drey Biſchoͤfe in
Liefland, uͤbertrug dem vierten, der damals eingeweihet war, ſeine Stelle, und
reiſte wieder nach Deutſchland; um Pilger wie auch andre aufs kuͤnftige Jahr
unentbehrliche Dinge zu beſorgen, damit nicht die Kirche in Liefland dereinſt
Gefahr liefe, wenn keine Pilger mehr da waͤren.
§. 7.
Mitlerweile brachten die von Saccala und Ungannien, ſo noch mit heiler
Haut davon gekommen, ein groſſes Heer auf die Beine, fielen in die Provinzen
der Letten ein, ſuchten ſie in allen Schlupfwinkeln der Waͤlder auf, und hieben
viele
[93]von 1210 bis 1211.
viele von den Verwandten und Freunden des Rußins, ſo ſie ertapten, nieder.1210
Jn Tricatien pluͤnderten ſie auch den Thalibald und die umliegenden Provin-
zen, und verſamleten ſich bey dem Schloſſe Beverin. Sie belagerten das Schloß,
ſchlugen ſich den ganzen Tag mit den Letten herum, warfen ein ſtarkes Feuer
hinein, und ſagten endlich: Habt ihr eurer Erſchlagenen an der Ymer
ſchon vergeſſen, daß ihr noch nicht bey uns um Friede bittet? Sie
aber verſetzten im Gegentheil: Denket ihr denn auch nicht mehr an eure
Landesaͤlteſten, und an die unzaͤhligen, ſo bey Thoreida umgekom-
men ſeyn, daß ihr mit uns an Einen GOtt glaubet, und die Taufe
und einen ewigen Frieden empfahet. Da ſie das hoͤrten, wurden ſie un-
willig, zogen vom Schloſſe ab, und kehrten mit der Beute geſchwind wieder in
ihr Land. Der Letten Landesaͤlteſten aber von Beverin, Dole und Payke
zogen nach Riga, und baten die von Saccala inſtaͤndig um Huͤlfe. Und die
Pilger machten ſich alſo auf mit den Bruͤdern der Ritterſchaft, auch Dietrich,
des Biſchofs Bruder, Caupo mit allen Liven, Berthold von Wenden mit
den Letten, und brachten eine ſtarke Armee in Metſepole zuſammen, zogen ans
Meer, marſchirten drey Tagereiſen laͤngſt dem Strande, ſchlugen ſich nachher ge-
gen die Provinz Saccala, zogen noch drey Tage durch Waͤlder und Moraͤſte
einen ſehr ſchlimmen Weg, daß ihre Pferde auf dem Wege umfielen, und ihrer
faſt hundert verreckten, bis ſie endlich am ſiebenten Tage an Doͤrfer kamen, und
ſich durchs ganze Land vertheilten. Die Maͤnner, welche ſie funden, ſtieſſen ſie
nieder, nahmen alle kleine Knaben und Maͤdgen weg, trieben Pferde und Vieh
nach den Dorfe des Lembit, wo ihre Majam), das iſt, ihre Rendezvous war,
und ſchickten des folgenden Tages die Liven und Letten durch die finſtern Kluͤfte
der Waͤlder, wo die Eſthen faſt in Mauſeloͤcher gekrochen waren, ſuchten viel
Maͤnner und Weiber auf, zogen ſie mit allen ihren Sachen aus den Waͤldern her-
aus, machten die Mannsperſonen nieder, und ſchlepten das uͤbrige zu ihren Majen.
Dole und Payke, zwey Letten, gingen nach einem Dorfe; es fielen aber ploͤtzlich
neun Eſthen uͤber ſie her, und ſchlugen ſich mit ihnen den ganzen Tag. Die
Letten verwundeten und erlegten die meiſten, muſten aber endlich ſelbſt ins Gras
beiſſen. Des dritten Tages paßirten die beherzteſten von der Armee den Palafluß,
pluͤnderten die ganze Provinz Murumgunde, branten alle Doͤrfer ab, toͤdte-
ten was maͤnnliches Geſchlechts war, entfuͤhrten die Weiber, Pferde und Vieh,
ruͤckten auch bis an Gerwen. Des Nachts kamen ſie zuruͤck, und machten ſich
eine Luſt, ſchrien, lermten und klapperten mit den Schilden, ſteckten Tages darauf
das Schloß in Brand, nahmen einen andern Ruͤckweg, theilten die ganze Beute
unter ſich in gleiche Theile, und kehrten mit Freuden wieder nach Liefland. Es
entſtand aber eine groſſe Peſt in ganz Liefland, die Leute fingen an zu kranken
und zu ſterben. Es fieng (dis Uebel) von Thoreida an, wo die Koͤrper der
Heiden unbegraben lagen, bis nach Metſepole und ſo nach Ydumea bis an die
Letten und Wenden, und es ſturben die Landesaͤlteſten Dabrel, Nunnus
und viele andre. Gleichfals war ein groſſes Sterben in Saccala und Ungan-
nien, und in andern Gegenden von Eſthland. Manche, die vor der Schaͤrfe
des Schwerdts entronnen und ihrem Ungluͤck entgangen waren, konten doch dem
Wuͤrgen des Todes nicht entgehen. Die Letten aber von Beverin zogen wie-
der in Ungannien, erhaſchten die Eſthen ſo mit ihren ſchmalen Brodſaͤcken n)
nach ihren Doͤrfern wieder umkehrten, und machten alles von maͤnnlichem Ge-
ſchlechte todt; ſchonten aber der Weiber, nahmen ſie mit ſich und erhielten viele
Beute. Auf ihrem Heimzuge begegneten ihnen unterwegens friſche Letten, die
nach Ungannien gingen; dieſe nahmen vollens, was jene uͤbrig gelaſſen, und
fingen da von vorne an, wo jene geblieben. Die jenen entwiſchet waren, wurden
von dieſen umgebracht; ſie brachen auch in die Provinzen und Doͤrfer ein, wo jene
nicht hingekommen waren, und begaben ſich mit vielem Raube und Gefangnen zu-
ruͤcke. Und da auch dieſe nach Hauſe gingen, begegneten ihnen wieder andere
A aLetten
[94]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, dreyzehntes Jahr,
1210Letten auf dem Wege, die nach Ungannien marſchirten. Was nun von den
vorigen nicht volſtaͤndig geſchehen war, das brachten dieſe erſt zu ſeiner Richtigkeit.
Denn alle Maͤnner, ſo ſie erwiſchten, machten ſie nieder, ſchonten auch der Rei-
chen und Landesaͤlteſten nicht, ſondern verdamten ſie alle mit der Schaͤrfe des
Schwerdts. Auch Rußin nebſt andern ließ, um ſeine Freunde zu raͤchen, alle,
ſo er veſte bekam, theils lebendig braten, theils ſonſt eines grauſamen Todes hin-
richten. Doch auch dieſe wandten ſich kaum zu ihren Schloͤſſern, da ſchon wieder
andre Letten, als der vierte Trup von Beverin, ſich mit wenigen aufmachten
durch den Buſch in die Provinz Saccala ruͤckten, welche Aliſte hieß, und
weil ſie alle zu Hauſe fanden, ſie vom groͤſten bis auf den kleinſten erſchlugen, (und
alſo) viele aus ihnen umbrachten, Weiber, Pferde und Vieh entfuͤhrten, und ſich
in den ganzen Raub theilten. Daruͤber erſchracken die von Aliſtegunde. Die an-
dern von Saccala ſandten Boten nach Riga, ſtelten ihre Knaben zu Geiſſeln,
und nahmen nicht allein den Frieden an, ſondern verſprachen auch das Sacrament
der heiligen Taufe zu empfangen. Auch Dietrich des Biſchofs Bruder mit den
Leuten des Biſchofs, und Berthold von Wenden ſamleten eine Armee, und
zogen im Winter nach Ungannien, fanden das ganze Land von den Letten ver-
heeret, das Schloß Tarbat*) verlaſſen, und von den Letten ehmals aufge-
brant, und paßirten den Fluß, der die Mutter der Gewaͤſſer o) heiſt; gingen auch
ein in die Doͤrfer, fanden aber da wenige vor ſich, zogen alſo nach dem Buſche,
wo die Heiden in einem dichten Walde eine Art vom Gehege gemacht, und groſſe
Baͤume rundherum gefaͤllet hatten, damit ſie beym Anmarſch einer Armee, ſich
und ihre Guͤter daſelbſt in Sicherheit bringen moͤchten. Wie nun das Heer der
Chriſten im Anzuge war, ruͤckten ſie verwegen aus, wehrten ſich ſehr lange,
weil ihnen ſchwer beyzukommen war, konten aber der Menge nicht widerſtehen,
wandten uns alſo den Ruͤcken zu, und jagten nach dem dicken Buſche. Etliche
aber ſetzten den Fluͤchtlingen nach, erlangten einige, hieben ſie nieder, ſchlepten
Weiber und Kinder gefangen mit ſich, trieben viel Pferde und Vieh davon, und
entfuͤhrten viele Guͤter. Denn aus der ganzen Provinz waren Leute dahin gefluͤch-
tet, und hatten ihr ganzes Vermoͤgen bey ſich. Nachdem ſie die ganze Beute un-
ter ſich vertheilet, kehrten ſie mit den Gefangnen wieder nach Liefland. Nach
volbrachtem heiligen Weihnachtsfeſte, da der Winter am haͤrteſten war, und ſich
die tiefen Wege und Auen zugeleget hatten, ſchickten die Biſchoͤfe an alle Schloͤſſer
in Liefland, und an alle Provinzen der Letten, daß ſie mit den Deutſchen
zu Felde gehen ſolten, lieſſen auch ihre Soldaten mit den Pilgern und Ordens-
bruͤdern marſchiren, und beſtelten ſie bey dem Schloſſe Beverin zur Muſterung.
Der Biſchof uͤber Eſthland, Dietrich, ging auch mit, und nachdem ſie das
Feſt der Erſcheinung Chriſti dem groſſen GOtt zu Ehren gefeiert hatten, nah-
men ſie ihren Weg nach Ungannien. Es waren ungefaͤhr an Reuterey und
Fußvolk vier tauſend Deutſche, von Liven und Letten ebenfals ſo viel. Sie
ruͤckten in die Provinz Tarbat, ſetzten uͤber den Mutterbach, und gelangten an
das Gehege, ſo vorher die Chriſten zerſtoͤret hatten; da aber die Pilger ausruheten,
machten ſich die Liven und Letten, und die ſonſt die ſchnelſten waren, von der
Armee weg nach Wagien, pluͤnderten die ganze Provinz und verſamleten ſich
nachher bey der Burg Somelinde**). Des andern Tages kamen ſie zu ihren
Leuten
[95]von 1210 bis 1211.
Leuten in Wagien, lagen drey Tage ſtille, pluͤnderten das ganze umliegende1210
Land, lieſſen Haͤuſer und Doͤrfer im Rauch aufgehen, legten viele ins Gefaͤngniß
und in Eiſen, ſaͤbelten unterſchiedene nieder, und erhielten anſehnliche Beute.
Den vierten Tag brachen ſie nach Gerwen auf, vertheilten die Armee durch al-
le Provinzen und Doͤrfer, erſchlugen viele von den Heiden, die ſie bekommen,
fuͤhrten Weiber und Kinder gefangen, entfuͤhrten viel Vieh und Pferde zur Beu-
te, hielten ihre Verſamlung auf einem Dorfe, ſo Carethen hieß, und ſteckten al-
les in Brand, was da herum lag, Es war aber Carethen damals ein ſehr ſchoͤ-
nes, groſſes und volkreiches Dorf, wie alle Doͤrfer in Gerwen, und in ganz
Eſthland waren, die alle nachgehends oftmals von den Unſrigen verheeret und
aufgebrant ſeyn. Nach drey Tagen kehrten ſie mit aller Beute nach Hauſe, und
verbranten die Doͤrfer und benachbarten Provinzen, Mocha nemlich und Nor-
megundep), gelangten endlich an die See Worcegerweq), wo ſie uͤbers Eis
zogen und mit Freuden nach Liefland kehrten.
§. 8.
Wie nun der Groskoͤnig von Neugarden Miſceslawe zu Ohren be-
kam, daß ein Heer der Deutſchen in Eſthland ſich befinde, machte er ſich mit
funfzehn tauſend Mann auf, ging nach Wagien, und wandte ſich von Wagien
nach Gerwen; als er aber keine Deutſchen fand, zog er nach Harrien und
belagerte das Schloß Warbole, fochte mit ihnen etliche Tage, und da ihm die
Belagerten ſieben hundert Mark Nagatenr) zuſagten, kehrte er wieder in ſein
Land.
A a 2§. 9. Nach-
[96]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, dreyzehntes Jahr,
§. 9.
Nachdem aber die Deutſchen aus dem Felde wieder nach Riga kamen,
ſandte der Biſchof uͤber Eſthland ſeinen Prieſter Salomon nach Saccala,
ihnen das Wort der Predigt zu ertheilen, und das Sacrament der Taufe, die
ſie anzunehmen ſchon laͤngſt angelobet hatten, feierlich zu volziehen. Er kam auch
nach dem Schloſſe Viliende, wo er von einigen angenommen und wilkommen
geheiſſen ward; doch nur mit dem Gruſſe des Mundes und nicht des Herzens, wie
Judas Jſcharioth den HErrn JEſum gruͤſte. Er predigte ihnen das Wort
des Heils und taufte auch ihrer etliche. Allein die von Saccala und Ungan-
nien hoͤrten, daß eine Rußiſche Armee in Eſthland ſey, und verſamleten eben-
fals ein Heer aus allen ihren Provinzen. Da nun der Prieſter Salomon von
ihrer Zuſammenkunft Nachricht erhielt, machte er ſich mit den Seinen aus dem
Schloſſe weg, und gedachte nach Liefland zu kehren. Aber Lembit von Sac-
cala nahm einen Schwarm Eſthen zu ſich, ſetzte dem Prieſter nach, holte ihn
ein, und toͤdtete ihn des Nachts, wie auch Dietrichen und Philippen ſeine
Dolmetſcher s), nebſt einigen andern, die alle um des Glaubens an Chriſtum
willen ihr Leben eingebuͤſſet, und, wie wir hoffen, zur Gemeinſchaft der Maͤrtyrer
gelanget ſind. Es war dieſer Philipp ein Lette*) von Nation, in dem Hauſe
des Biſchofs erzogen, und ſo glaͤubig geworden, daß er als Dolmetſcher andere
Voͤlker zu belehren geſchickt ward, und gleichwie er des Martyrthums theilhaftig
geworden, ſo hat er auch verdienet ein Erbe der ewigen Seligkeit zu werden.
§. 10.
Lembit aber kehrte nach Hinrichtung dieſer frommen Maͤnner nach ſeinem
Heere, und indem die Ruſſen in Eſthland ſtunden, gingen dieſe indeſſen in
Rußland, drungen in die Stadt Pleſcekowe, fingen an alles aus dem Poͤbel
nieder zu machen, und da einiger Lerm entſtand, kehrten ſie nebſt etlichen wieder
fluͤchtig nach Ungannien; die Ruſſen hingegen fanden bey ihrer Ruͤckkunft ihre
Stadt gepluͤndert.
§. 11.
Hierauf wurden die Liven, Letten und Eſthen, wegen anhaltender Peſt
und Hungersnoth, des Kriegesungemaches uͤberdruͤßig, und ſchickten ſich unter
einander Boten zu, machten Friede mit Ausſchlieſſung der Rigiſchen. So bald
der Krieg aufhoͤrte, ließ auch der Hunger und das Sterben der Menſchen nach.
§. 12.
Wie nachher das Eis auf der See und auf der Duͤne aufging, kehrte der
Biſchof von Verden, und der Biſchof von Pathelborn mit ihren Pilgern
zuruͤck
[97]von 1210 bis 1211.
zuruͤck nach Deutſchland; Philipp Biſchof von Ratzeburg blieb in Riga1210
nach, der an dem Hofe des Kaiſers Otto einer der vornehmſten Miniſter geweſen;
wie aber gegen ihn die Achtserklaͤrung ergangen war, hielt er ſich, um nicht um
dieſen Herrn herum zu ſeyn, in Liefland bis ins vierte Jahr in der Pilgerſchaft
auf.
§. 13.
Nach dieſer ihrem Abzuge faſten die Ruſſen von Pleſcekowe einen Unwil-
len gegen ihren Koͤnig Woldemar, und zwar deswegen, weil er ſeine Prinzeßin
dem Bruder des Biſchofs in Rigat) zur Gemahlin gegeben; daher ſie ihn mit
ſamt ſeiner Familie aus der Stadt jagten; dieſer wandte ſich zu dem Koͤnig von
Ploſcekoweu), erhielt aber ſchlechten Troſt von ihm. Deswegen fuhr er nach
Riga ſamt ſeinen Leuten hinunter, und ward von ſeinem Schwiegerſohn und
Angehoͤrigen des Biſchofs mit allen Ehrenbezeigungen aufgenommen.
Des Biſchof Alberts vierzehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1211 bis 1212.
§. 1.
Es war das tauſend zweyhundert und eilfte Jahr nach der Menſchwerdung1211
unſers HErrn, und der Anfang des vierzehnten unſers Biſchofs, da die
Kirche in Liefland ſich uͤber deſſelben (abermaliger) Ankunft mit ſeinen
Pilgern freuete. Alle zogen mit dem Koͤnig Woldemar ihm entgegen,
und empfingen ihn mit Lobgeſaͤngen zu GOtt. Der Biſchof gab dem Koͤnig ſei-
nen Segen und Geſchenke in Liebe von allem, ſo er aus Deutſchland mit ge-
bracht, ließ auch mit eifriger Hochachtung ihn in allen Stuͤcken hinlaͤnglich bedie-
nen. Die Eſthen kamen hierauf aus allen an der See gelegnen Provinzen mit
einem ſtarken Heere, lagerten ſich in Coiwemunde, und hatten Sigfriden, ei-
nen Abgeordneten aus Riga, bey ſich, den ſie auf erhaltene Nachricht von des Bi-
ſchofs und der Fremden Ankunft, wieder nach Riga zuruͤckſchickten, nachdem ſie
ihm unterſchiedene Marter a) angethan hatten. Sie ſelbſt machten ſich bald wieder
aus dem Staube, und kehrten nach ihrem Lande. Hierauf ſchickten die Liven
und Letten Boten nach Eſthland, und riethen ihnen, ſie ſolten den unter ihnen
getroffenen Frieden erneuren. Die Eſthen freueten ſich, und ſchickten mit ihnen
ihre Leute wieder nach Thoreida. Der Biſchof ſamt den Bruͤdern der Ritterſchaft,
und den Landesaͤlteſten von Riga wurden eingeladen, und beſprachen ſich mit den
Abgeordneten der Eſthen, unterſuchten dabey, was recht ſey, und woher die
vielen Kriege entſtanden. Nach vielen Wortwechſel ward endlich ein dreyjaͤhriger
Friede durchgaͤngig geſchloſſen. Doch blieben die Saccalaner bis an den
Palaſtrom unter des Biſchofs und der Deutſchen Botmaͤßigkeit, damit ſie,
weil ſie bey Auslieferung der Geiſſeln ſich anheiſchig gemacht den Chriſtlichen
Glauben anzunehmen, auch des angenommenen Taufrechts und Chriſtenthums
B brecht
[98]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, vierzehntes Jahr,
1211recht froh wuͤrden. Nachdem der Friede mit den Eſthen geſchloſſen, ließ das
Sterben ſo wol in Riga als in Lief- und Eſthland nach, doch aber nicht das
Kriegen. Denn einige treuloſe Liven, die noch Blutduͤrſtige Kinder waren,
zerriſſen die Bruͤſte ihrer Mutter der Kirche, und berathſchlagten ſich auf alle
Weiſe, wie ſie die Bruͤder der Ritterſchaft, die in Sigewalde ſich befanden,
mit Liſt griffen und hintergingen, damit ſie nach deren Verjagung, des Biſchofs
Familie mit andern Deutſchen deſto leichter aus dem Lande treiben koͤnten.
§. 2.
Jnzwiſchen ſchickte der Koͤnig von Ploſceke hin, ließ den Biſchof vor ſich
rufen, und Zeit und Ort beſtimmen, er moͤchte doch vor ſeiner Majeſtaͤt bey
Gercike ſich einfinden, und wegen der ihm ehmals zinsbaren Liven ſich erklaͤren,
damit ſie auf gepflogene Unterredung denen Kaufleuten auf der Duͤne eine ſichere
Farth verſchaffen und durch Erneurung des Friedens den Litthauern deſto leich-
tern Widerſtand thun koͤnten. Der Biſchof nahm alle ſeine Maͤnner mit ſich,
wie auch den Koͤnig Woldemar mit den Ordensbruͤdern und Landesaͤlteſten der
Liven und Letten, zog dem Koͤnig entgegen und mit ihm die Kaufleute auf ihren
Schiffen. Alle legten ihre Ruͤſtung an, um vor dem Aufpaſſen der Litthauer
von allen Seiten der Duͤne, ſicher zu ſeyn. Und da ſie zum Koͤnige gelangten,
fingen ſie an mit ihm, von dem, was recht waͤre, zu handeln. Der Koͤnig ſprach
dem Biſchof bald mit Schmeicheleyen, bald mit harten Drohworten zu, und bat ihn,
mit der Taufe der Liven ſich nicht weiter zu thun zu machen, ſagte dabey, es ſtuͤnde
bey ihm, ſeine Knechte, die Liven, entweder zu taufen, oder ungetauft zu laſſen.
Denn es pflegen die Koͤnige der Ruſſen es ſo zu machen, daß ſie die bezwungenen
Voͤlker nicht zum Chriſtlichen Glauben zwingen *), ſondern nur unter ihr Joch brin-
gen, damit ſie Tribut und Geld zahlen. Der Biſchof aber hielt dafuͤr, er muͤſſe
GOtt mehr gehorchen, denn den Menſchen, mehr dem Koͤnige des Himmels als
dem der Erden, ſo wie er in ſeinem Evangelio ſelbſt geboten, wenn er ſpricht:
Gehet hin, und lehret alle Heiden, und taͤufet ſie im Namen des
Vaters und des Sohnes und des heiligen Geiſtes; und daher blieb er
beſtaͤndig dabey, er wolle weder von ſeinem Vorhaben abſtehen, noch das vom
Pabſt ihm aufgetragene Predigtamt verabſaͤumen. Doch war er nicht entgegen,
daß man dem Koͤnig Tribut geben ſolte, nachdem, was der HErr in ſeinem Evan-
gelio weiter ſagt: Gebt dem Kaiſer, was des Kaiſers iſt, und GOtte,
was GOttes iſt. Weil der Biſchof ja ſelbſt oftmals, da ſich das Blat
wandte, dieſen Schoß dem Koͤnige fuͤr die Liven bezahlet hatte. Die Liven
aber, wolten nicht zween Herren dienen, und lagen dem Biſchof allezeit in Ohren,
daß er ſie von dem Joch der Ruſſen voͤllig frey machen ſolte. Der Koͤnig hinge-
gen, der mit den rechtmaͤßigen Gruͤnden ſeines Vortrags nicht zufrieden war, ward
zuletzt unwillig, und drohete, alle Schloͤſſer in Liefland ſo wol als Riga ſelbſt
in die Aſche zu legen, ließ auch ſeine Truppen aus dem Schloſſe ruͤcken, und that,
als wolle er mit den Deutſchen anbinden. Er ſtelte wirklich alle ſeine Leute aufs
Feld in Schlachtordnung nebſt ſeinen Bogenſchuͤtzen, und fing an auf ſie los zuge-
hen. Daher zogen alle Maͤnner des Biſchofs mit dem Koͤnig Woldemar den
Bruͤdern der Ritterſchaft, und den Kaufleuten in voller Ruͤſtung dem Koͤnig be-
herzt entgegen. Da ſie auf einander los gingen, trat der Probſt bey der Kirche
Unſrer
[99]von 1211 bis 1212.
Unſrer Lieben Frauen, Johann und der Koͤnig Woldemar, mit etlichen andern,1211
zwiſchen beyde Heere, und redeten dem Koͤnige zu, er moͤchte mit den Chriſten
nicht anbinden, noch mit ſeinen Kriegen die neue Kirche beunruhigen, damit er
nicht ſelbſt mit ſeinem Volke von den Deutſchen Ungelegenheit haͤtte, die alle tapfer
in Gewehr ſtanden, und ein groſſes Verlangen bezeigten mit den Ruſſen zu fech-
ten. Der Koͤnig wunderte ſich uͤber ihre Herzhaftigkeit, ließ ſeine Armee abzie-
hen, ging hinuͤber zum Biſchof, gruͤſte ihn als ſeinen geiſtlichen Vater und bezeigte
ſich ſehr ehrerbietig. Er ward auch gleichfals als ein Sohn von ihm aufgenom-
men. Sie blieben eine Zeit beyeinander, und nach verſchiedenen Wortwechſel be-
rathſchlagten ſie ſich fleißig, wie man etwa einen Frieden treffen koͤnte. Bis end-
lich der Koͤnig, vielleicht auf goͤttliches Eingeben, ganz Liefland dem Herrn Bi-
ſchof ohne Tribut frey und frank abtrat, daß alſo zwiſchen ihnen ein ewiges Buͤnd-
niß gemacht wurde, ſo wol gegen die Litthauer, als gegen andre Heiden, und
daß die Paßage auf der Duͤne den Kaufleuten allezeit offen ſtehen ſolte. Wie
dis zu Stande war, fuhr der Koͤnig mit den Kaufleuten und allen ſeinen Leuten
die Duͤne hinauf und begab ſich wieder nach ſeiner Stadt Plosceke mit Freu-
den. Der Biſchof aber kehrte mit allen den ſeinigen mit noch groͤſſerer Freude
nach Liefland.
§. 3.
Nach ihrer Zuruͤckkehr erhub ſich ein groſſer Zank zwiſchen den Bruͤdern von
der Ritterſchaft von Wenden und den Letten von Antine, die damals dem
biſchoͤflichen Antheil anheim gefallen, wegen der Felder und Birnenbaͤume. Da
nun einige Letten von den Bruͤdern beſchaͤdiget wurden, ſo gelangte die Klage
vor den Biſchof. Der Biſchof machte ſich auf mit dem hochwuͤrdigen Herrn Phi-
lipp, Biſchofen von Ratzeburg, und berief die Ordensbruͤder mit den Liven
und Letten zuſammen, den Streit beyzulegen und ſie zu voriger Eintracht zu
bringen. Sie konten aber nach vielem Wortgezaͤnke in zwey Tagen keinen Frie-
densvergleich unter ſich finden. Daher gingen die Liven und Letten von den
Deutſchen weg, verſchworen ſich unter einander, und bekraͤftigten nach Art der
Heiden ihre Verſchwoͤrung unter ſich, indem ſie auf ihre Schwerdter traten. Der
vornehmſte unter ihnen war Caupo; deſſen Worte ungefaͤhr ſo lauteten: Er wol-
le nie vom chriſtlichem Glauben abtreten, ſondern fuͤr die Liven und Letten bey
dem Biſchof eine Fuͤrbitte einlegen, damit ihnen die Unpflichten *) an die Chri-
ſten erleichtert wuͤrden. Aber die andern fragten alle nichts nach ſeiner Meinung,
ſondern verſchworen ſich gegen die Ordensbruͤder, und waren geſonnen, alle Deut-
ſche und den chriſtlichen Namen aus Liefland zu verbannen. Wie der Biſchof
und die Ordensbruͤder dieſes ſahen, begaben ſie ſich mit ihren Freunden, ſo mit
ihnen gekommen waren, jeder in ſeine Veſtung. Hierauf verſamleten ſich die
Liven von Satteſele in ihr Schloß, und ſandten an die von Lenewarden,
von Holme und Thoreiden, und an alle Liven und Letten hin, um ſich mit
ihnen zu berathſchlagen. Alle waren gleicher Meynung, und fingen an ihre
Schloͤſſer zu beveſtigen, damit ſie gleich nach eingefuͤhrten Feldfruͤchten in den Ve-
ſtungen waͤren. Dieſes Gerede kam Danieln von Lenewarden geſchwind zu
Ohren, der daſelbſt Verwalter der Advocatur war, und ſchickte welche aus, die al-
le Landesaͤlteſten der Liven in der Provinz, ſo um alle boͤſe Anſchlaͤge wuſten,
veſt nehmen muſten, welche er in Ketten legte, und ihr Schloß in Brand ſteckte.
Gleichfals ſchickten die Rigiſchen, ſo die boshaftigen Gedanken derer von Hol-
me vernommen, etliche ab, die Hoͤhe ihres ſteinernen Schloſſes abzubrechen, wel-
ches ihr erſter Biſchof Meinhard gebauet hatte. Sie ſchickten auch nach Tho-
B b 2reida,
[100]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, vierzehntes Jahr,
1211reida, und lieſſen das Schloß der Einwohner bey ſtiller Nacht anzuͤnden, damit
ſie ſich nicht da verſamleten und in der Burg gegen die Rigiſchen einen haͤrtern
Krieg anſpinnen koͤnten. Daher zerfiel auch der Rath der Treuloſen nach Ein-
aͤſcherung ihrer Schloͤſſer. Die Liven aber von Satteſele, ſo ſchon laͤngſt in
ihre Veſtung ſich begeben hatten, fingen gegen die Ordensbruͤder von Syge-
walde Krieg an, verfolgten ihre Bedienten, und lieſſen etliche von ihnen uͤber
die Klinge ſpringen. Dieſe aber fielen aus dem neulich erbaueten Schloß Syge-
walde aus, trieben ſie weg, gingen weiter auf ſie zu, ſetzten ihnen nach, und er-
legten einige. Die Liven, die ſich an Anzahl und Macht verſtaͤrkten, gingen
wieder auf ſie los, verfolgten ſie, toͤdteten einige, und trieben ſie in ihr Schloß zu-
ruͤck. Und auf die Art fochten ſie einige Tage. Der Biſchof vernahm dieſen Lerm,
und ſandte Boten, nach der Urſache dieſes Krieges ſich zu erkundigen. Der Li-
ven Abgeordnete kamen hierauf nach Riga, brachten viele Klagen uͤber Rudol-
phenb), den Ordensmeiſter der Bruͤder, an, und erwaͤhnten, daß ihnen Aecker,
Wieſen und Gelder abgenommen waͤren. Der Biſchof ſchickte anfaͤnglich den Prie-
ſter Alobrand, der ſie getauft hatte, nebſt einigen andern dahin, ſie gaben ſich aber
vergebliche Muͤhe, und konten ihren Streit nicht ausmachen. Der Biſchof kam
nachher ſelbſt mit dem Herrn Biſchof von Ratzeburg, Philipp, nach Thoreida.
Er beſchied die Liven und die Ordensbruͤder vor ſich. Die Liven lagen uͤber dem
Fluß im Gewehr, ſprachen mit den Deutſchen, und beſchwerten ſich uͤber die Or-
densbruͤder in vielen Punkten. Der Biſchof verſprach ihnen auch die Erſtattung
alles unrechtmaͤßig entwandten. Dafuͤr aber ward ihnen keine Erſetzung verſpro-
chen, was ſie fuͤr ihre Ausſchweifungen erlitten, weil ſie es rechtmaͤßig verdienet
hatten. Auf Angeben kluger Leute verlangte der Biſchof ihre jungen Burſche zu
Geiſſeln; daß ſie nicht vom chriſtlichen Glauben abfallen wolten. Sie wolten aber
weder Geiſſeln ausliefern, noch dem Biſchof und den Ordensbruͤdern gehorſamen,
ſondern dachten noch immer den chriſtlichen Glauben mit allen Deutſchen aus dem
Lande auszurotten. Die Biſchoͤfe merkten dieſes, und gingen wieder nach Riga.
Es folgte ihnen aber ein Bote von ihnen nach, und bat mit Thraͤnen, der Biſchof
von Ratzeburg moͤchte wieder mit dem Probſt geſchickt werden, ob ſie vielleicht
ſich zur Ruhe bequemen und die Erinnerungen der heilſamen Lehre annehmen wol-
ten. Alſo ward Philipp von Ratzeburg, mit dem Probſt Johannes und
Dietrichen, des Biſchofs Bruder, ſamt dem Caupo und vielen andern an die
Liven abgefertiget. Und ſie ſetzten ſich alle bey die Liven vor ihr Lager, und
nahmen von neuem vor, was zum Frieden und zur Gerechtigkeit gehoͤrte. Etli-
che aber von ihnen, die von hinten nachkamen, berichteten luͤgenhaftig, daß die
Ordensbruͤder mit ihrer Armee die Provinz pluͤnderten. Dahero riſſen ſie mit
groſſem Geſchrey und Lermen den Probſt Johannes und Dietrichen, den Bru-
der des Biſchofs, Bernharden, den Advocaten, Ritter und Geiſtliche, nebſt al-
len Knechten weg, ſchlepten ſie aufs Schloß, pruͤgelten ſie durch, und legten ſie
ins Gefaͤngniß. Sie wolten auch den Biſchof anpacken, es wehrte ihnen aber ſein
Prieſter und Dolmetſcher, Heinrich der Lette. Wie nun ihr Geſchrey und
ihre Wuth ein Ende hatte, bat der Biſchof, daß ſein Probſt nebſt allen andern
ihm ausgeliefert wuͤrde, und that auch dieſer Beſchimpfung wegen noch Drohwor-
te hinzu. Alſo wurden alle zuruͤck gebracht, und der Biſchof ermahnte ſie ein-
mal nach dem andern, ſie moͤchten nicht das Sacrament der Taufe verachten;
noch ihr Chriſtenthum und ihren Gottesdienſt ſchaͤnden, auch nicht wieder ins Hei-
denthum fallen, und verlangte von ihnen zwey bis drey Knaben zu Geiſſeln.
Sie gaben zwar freundliche Antwort, bekuͤmmerten ſich aber nicht darum, Geiſ-
ſeln zu ſtellen. Der Biſchof ſagte demnach: O ihr Unglaͤubigen im Herzen,
von harter Stirn und von ſchmeichelhafter Zunge, erkennet doch
euren Schoͤpfer. Ferner ſagte er: Seyd ſtille und erkennet euren
GOTT, und verlaſſet die Sitten der Heiden. Da ſie aber nichts aus-
richteten, ſondern gleichſam in die Luft redeten, kehrten ſie wieder nach Riga.
Nicht
[101]von 1211 bis 1212.
Nicht weniger fingen auch die Liven wieder an gegen die Bruͤder der Ritter-1211
ſchaft zu kriegen.
§. 4.
Weil nun der Biſchof Albert das Unkraut vom Weizen ſcheiden, und
das im Lande entſtandene Unheil ausrotten wolte, ehe es uͤberhand nahm, rief er
die Pilger mit dem Ordensmeiſter und ſeinen Bruͤdern zu ſich, wie auch die Ri-
giſchen und Liven, ſo noch bisher getreu und ſtandhaft geblieben. Alle kamen
zuſammen, und da ſie eine groſſe Armee zuſammen gebracht, und alle Nothwendig-
keiten mit ſich genommen, ruͤckten ſie nach Thoreida, belagerten eben das
Schloß des Dabrels, darinne ſich die abtruͤnnigen Liven befunden, und zwar
nicht allein die Liven der Ordensbruͤder, ſondern auch die Liven des Biſchofs
von der andern Seite der Goiwe; deren Oberſter und Landesaͤlteſter Veſike
war. Die Liven fielen aus dem Schloſſe aus, auf der hinterſten Seite, be-
ſchaͤdigten einige von der Armee, nahmen ihre Pferde und andere Beute mit ſich,
kehrten wieder ins Schloß und ſagten: Seyd ſtark und wehret euch, da-
mit ihr nicht den Deutſchen dienet. Und ſie ſtritten und wehrten ſich viele
Tage. Die Deutſchen aber warfen mit ihren Patherellen die Werke des
Schloſſes um, ſchmiſſen viele und groſſe Steine in die Veſtung, und toͤdteten
viele Menſchen und Vieh. Einige fuͤhrten einen hohen Schanzthurm auf, den
der Wind in folgender Nacht uͤber den Haufen ſchmiß, daruͤber ein groß Geſchrey
und Jauchzen im Schloſſe entſtand. Sie bewieſen ihren Goͤtzen die alten ge-
woͤhnlichen Ehrenbezeigungen, ſchlachteten Thiere, und warfen die geopferten
Hunde und Boͤcke den Chriſten zur Schmach aus dem Schloſſe heraus, recht
ins Geſichte des Biſchofs und der ganzen Armee. Doch alle ihre Arbeit war ei-
tel. Denn es ward ein ſtaͤrker Blockhaus aufgefuͤhret, ein Thurm aus Holze in
Eil zuſammen geſchlagen, nach dem Graben geſchoben, und das Schloß untermi-
niret. Rußin rief inzwiſchen oben vom Schloſſe den Ordensmeiſter Berthold
von Wenden, als ſeinem Draug*), das iſt, ſeinem Kamerad und Freund zu,
nahm ſeine Sturmhaube vom Kopfe, beugte ſich von der Mauer herunter, und
that einen Vortrag vom Frieden und ihrer alten Bekantſchaft. Aber eben, da er
noch redete, bekam er unverſehens von einem Schuͤtzen einen Pfeil in Kopf, daß
er herunter fiel und nachher ſtarb. Alſo gruben die Deutſchen Tag und Nacht
am Walle, und lieſſen nicht eher ab, bis ſie an die Spitze des Schloſſes gelangten,
bis der Wall durchſchnitten, und der Fal der ganzen Beveſtigung ſchon erwartet
wurde. Wie die Liven ſahen, daß die Hoͤhe ihres ſehr veſten Schloſſes ſchon zu
Boden ſinke; ſo wurden ſie beſtuͤrzt und im Gemuͤthe unruhig, deswegen ſchickten
ihre Volksaͤlteſten Aſſenc) ſamt den andern zum Biſchof, baten um Verzeihung,
und nicht umgebracht zu werden. Der Biſchof aber beredete ſie, ſich zu dem Sa-
cramente des Glaubens zu wenden, und ſchickte ſeine Fahne ins Schloß, die auch
von einigen aufgeſtecket, von andern aber niedergeriſſen wurde. Man band
daher den Aſſo auf die Folter. Der Krieg ging von neuem an, und das letzte
Gefechte ward heftiger und grauſamer als das erſte. Endlich ergaben ſie ſich, und
C cſteckten
[102]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, vierzehntes Jahr,
1211ſteckten die Fahne der heiligen Maria wieder auf; ſtreckten ihren Hals dem Bi-
ſchof hin, und baten demuͤthig um Gnade und Verſchonen; ſie wolten den ver-
abſaͤumten Glauben an Chriſtum wieder einholen, alle Kirchengebraͤuche nach-
her ſtandhafter beobachten, und die Sitten der Heiden niemals mehr in Sinn
und in die Gedanken nehmen. Der Biſchof hatte mit ihnen Mitleiden und ſtelte
an die Armee Befehl, ja nicht unterdeſſen ins Schloß zu gehen, und dieſe demuͤthig
Flehenden weiter nieder zu machen; damit nicht ſo viele Seelen der Hoͤlle uͤberlie-
fert wuͤrden. Die Armee gehorſamete treulich, und hatte vor dem Biſchof Ehr-
furcht, ſtande vom Kriege ab, und ſchonte der Unglaͤubigen, auf daß ſie glaͤubig
wuͤrden. Alſo kehrte der Biſchof mit den Seinigen wieder in ſeine Stadt, und
nahm mit ſich die Gemeinenaͤlteſten der Liven, legte dabey den andern auf, daß
ſie gleich nachkaͤmen, das Sacrament der Taufe von neuem zu empfangen, und
die Ruhe des erſtern Friedens auf neuen Fuß zu ſetzen. Alſo kamen die Abge-
ordneten der Liven dem Biſchof zu Riga nach, und ſuchten Pardon vor der gan-
zen Gemeine. Derohalben ſprach der Biſchof zu ihnen: Wenn ihr dem Dienſt
der falſchen Goͤtzen abſaget, und von ganzem Herzen euch zur Anbe-
tung des einigen GOttes wenden wollet; auch eine anſtaͤndige Ge-
nugthuung fuͤr eure ſo ausſchweifende Verbrechen GOtt und uns
werdet gegeben haben: alsdenn wollen wir endlich den von euch un-
terbrochnen Frieden erneuren, und euch in die Gemeinſchaft der bruͤ-
derlichen Liebe aufnehmen. Sie aber verſetzten: Lieber Vater, was vor
Genugthuung verlangſt du von uns? Demnach ging der Biſchof mit dem
andern Biſchof von Ratzeburg und dem Dechanten von Halberſtadt, der da-
mals zugegen war, und mit ſeinem Abt und Probſte, wie auch mit dem Ordens-
meiſter und andern ſeinen Verſtaͤndigen zu Rathe, antwortete ihnen endlich und
ſprach: Weil ihr die Sacramente des Glaubens verſchmaͤhet, und die
Ordensbruͤder, unſre Herren und lieben Soͤhne mit Kriege beunruhi-
get, ganz Liefland wieder zur Abgoͤtterey habet verleiten wollen, und
hauptſaͤchlich, weil ihr aus Verachtung des hoͤchſten GOttes und
zu unſrer und aller Chriſten Schmach die Boͤcke und andere Thiere,
ſo ihr den Goͤtzen der Heiden geopfert, uns und unſrer Armee ins Ge-
ſichte geworfen; ſo fordern wir dafuͤr eine maͤßige Summe Geldes,
nemlich, hundert Oeſeringe*), oder funfzig Mark Silber von der
ganzen Provinz. Ueberdem ſeyd ihr gehalten, den Ordens-
bruͤdern ihre Pferde, Ruͤſtung und anderes Abgenommene
wieder zuzuſtellen. Wie das dieſe Treuloſen hoͤrten, die noch zur Er-
ſtattung keine Ohren hatten: ſo kehrten ſie wieder zu den ihrigen, ſtun-
den bey ſich an, uͤberlegten es und hatten nur Trug im Sinn, wie ſie nemlich das
im Kriege Geraubte behalten und dem Biſchof nichts von vorgeſchriebner Strafe
abtragen duͤrften. Sie ſchickten auch andre ab, die beſſer ſeyn ſolten als die erſten.
Dieſe brachten wol bey dem Biſchof ihre Schmeichelworte an, ſie gingen aber im
Herzen mit Schelmſtuͤcken ſchwanger. Jhr erſter Prieſter Alobrand merkte ihre
Treuloſigkeit, nahm ſie derohalben bey Seite und gab ihnen dieſe Lehre: Jhr
Ot-
[103]von 1211 bis 1212.
Otterngezuͤchte, wie wollet ihr dem Zorne GOttes entrinnen koͤn-1211
nen, die ihr ſtets vol Galle der Untreue ſeyd, und fuͤr eure Buben-
ſtuͤcke nicht wolt genugthun? Thut demnach rechtſchaffene Fruͤch-
te der Buſſe. Und wenn ihr euch wahrhaftig zu GOTT bekehren
wollet, ſo wird GOtt freylich mit euch ſeyn, als die ihr zwar bis-
her doppeltes Herzens und unbeſtaͤndig geweſen, aber nun beſtaͤndig
ſeyd in euren Wegen, damit ihr uͤber euch die Huͤlfe des Herrn ſehen
moͤget. Denn ihr habt noch nicht voͤllige Glaubensſtandhaftig-
keit erwieſen. Jhr habt OOTT mit dem Opfer eures Zehnden
noch nicht ehren wollen. Fallet nun dem Hochwuͤrdigen Herrn
Biſchof zu Fuſſe, damit er aller euer Ausſchweifungen vergeſſe,
und zur voͤlligen Vergebung eurer Suͤnden euch auflege, bey auf-
richtigem Glauben zu GOTT alle Pflichten des Chriſtenthums
volkommen uͤber euch zu nehmen, und den Zehnden der Fruͤchte
GOTT und ſeinen Knechten zu geben, als wie alle andere Voͤlker,
die durch das Bad der heiligen Taufe wiedergeboren ſeyn: ſo
wird euch der HErr die uͤbrigen neun Theile ſegnen, daß ihr rei-
cher ſeyd an Vermoͤgen und Barſchaft, als vormals. Und GOtt
wird euch von den Anfaͤllen anderer Heiden und aus allen euren
Noͤthen erretten. Nach Anhoͤrung dieſer heilſamen Vermahnungen freueten
ſich die Liven, kehrten wieder nach Thoreida und erzaͤhlten alles, was der
Prieſter Alobrand geſagt hatte. Und es gefiel allen, deswegen, weil ſie keine
Geldbuſſe vorjetzo zu erlegen gezwungen wurden; ſie hoften aber doch folgendes
Jahr mit den Eſthen gegen die Deutſchen zu rebelliren. Es kamen auch
alle Volksaͤlteſten von dem Schloſſe des Dabrels, die geſund geblieben waren *),
wie auch die Liven des Biſchofs von der andern Seite der Goiwe, Veſike
mit ſeinen Leuten, und noch andere von Metſepole nach Riga, und baten
den Biſchof, er moͤchte, wie Alobrand ſie belehret, auch ſie im chriſtlichen Glau-
ben voͤllig beſtaͤtigen, und zur Buͤſſung ihrer Verbrechen ihnen den Zehnden jaͤhr-
lich zu entrichten auflegen. Doch dieſer Antrag mißfiel in den Augen der Biſchoͤfe
ſowol, als anderer vernuͤnftigen Maͤnner, indem ſie beſorgten, daß ihr Verſpre-
chen vol allerley Betrug und Erſinnung neuer Raͤnke ſey. Der Biſchof ließ ſich
aber doch durch ihr unverſchaͤmtes Bitten bereden, und weil er insbeſondere die
Vorſtellungen der fremden Biſchoͤfe d) und des ganzen Volks ſtat finden ließ: ſo
bewilligte er ihr Geſuch, nahm ſie zu Kindern auf, ſtund ihnen den Frieden zu,
und beſtaͤtigte was ſie ſchon verſprochen hatten, nemlich, inskuͤnftige treu zu ſeyn,
und den Zehnden jaͤhrlich zu bezahlen.
§. 5.
Daher trugen die Liven aus dem Schloſſe Dabrels, ihrem Verſprechen
nach, den Zehnden jaͤhrlich ab, darum hat der HErr ſie bisher vor allem Ueber-
fal der Heiden und Ruſſen geſchuͤtzet. Die Liven aber des Biſchofs haben
ſtat ihres Zehnden, weil er aus Barmherzigkeit und aus groſſer Froͤmmigkeit es
ihnen erlaſſen, bis dato nur ein gewiſſes Maß entrichtet. Auch die Ydumeer
und Letten, die nicht zu Felde gegangen, noch die Sacramente des Glaubens
verletzet hatten, erlegten ſtat des Zehnden jaͤhrlich, bis auf den heutigen Tag e),
das erſte Maß, ſo ihnen von den vier Biſchoͤfen, die zur ſelbigen Zeit in Liefland
beyſammen geweſen, angeſetzet war. Die aber unter ihnen mit in dieſen Krieg
C c 2gegan-
[104]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, vierzehntes Jahr,
1211gegangen, oder Boten geſchickt, oder, da ſie ſchon unter Wegens waren, ſich wie-
der nach Hauſe gemacht, oder, die wenigſtens ihre Pferde zum Ritt geſattelt hatten,
muſten ſich bey ihren Advocaten mit einem Stuͤck Geldes abfinden.
§. 6.
Es kamen auch die Letten von Antine nach Riga, und gaben bey den
Biſchoͤfen wider die Ordensbruͤder von Wenden ihre Beſchwerde ein, wie ihnen
zu viel geſchehen und uͤberdem ihre Bienenbaͤume weggenommen waͤren. Sie er-
waͤhlten ſich alſo Schiedsrichter, und es fiel der Ausſpruch f), daß die Letten ih-
re Bienbaͤume nach abgelegtem Eide wieder haben ſolten. Die Bruͤder aber der
Ritterſchaft ſolten auf ihren Schwur die Aecker behalten, und den Letten ihren
Schaden mit einer hinlaͤnglichen Summe Geldes erſetzen.
§. 7.
Hierauf zog der Koͤnig Woldemar mit dieſen Letten nach Antine, und
ſtand bey ihnen der Advocatur ſo lange vor, bis auf den getroffenen Tauſch die
Ordensbruͤder das Schloß Kukenois dem Biſchof gaͤnzlich uͤberlieſſen, und ſie
wieder Antine fuͤr ihr Drittel an Kukenois unter ihre Botmaͤßigkeit bekamen.
Alſo ward dem Koͤnig Woldemar die Advocatur ſeines Schwiegerſohns Die-
trichs uͤber Ydumea uͤbertragen, weil Dietrich nach Deutſchland ging.
§. 8.
Zu der Zeit kamen die Litthauer nach Kukenois und baten um Friede und
freyen Durchzug nach Eſthland. Es ward ihnen auch der Friede und Weg zu
denen noch nicht bekehrten Eſthen zugeſtanden. Gleich kamen ſie mit einer Ar-
mee, gingen in aller Stille durch Lettland, fielen in Saccala ein, nahmen
viele Maͤnner bey den Koͤpfen, ſchlugen ſie todt, entfuͤhrten ihr ganz Vermoͤgen,
ſchlepten ihre Weiber, Kinder und Vieh mit ſich, und, nachdem ſie vielen Raub
zuſammen getragen, zogen ſie einen andern Weg wieder in ihr Land. Daher wur-
den die Deutſchen unwillig, daß ſie Saccala gepluͤndert, das ſich ſchon unter
den Biſchof begeben. Sie antworteten aber, wie es die Wahrheit war, und ſag-
ten, die Eſthen truͤgen den Hals noch zu ſteif, und waͤren weder den Deut-
ſchen noch andern Voͤlkern unterthaͤnig.
Not. Jn dieſes Jahr gehoͤret noch die Geſandſchaft der Bruͤder der Ritterſchaft Chriſti,
da ſie einen Mitbruder an Pabſt Jnnocentius den III ſchickten, und ſich einen eigenen
Biſchof in ihrem dritten Theil ausbaten, welches ihnen freundlich und in Gnaden ab-
geſchla-
[105]von 1211 bis 1212.
geſchlagen wurde. Gegeben aus dem Lateran den 25ten Jan. im vierzehnten Jahr ſei-1211
ner paͤbſtlichen Regirung. Hieher laͤſt ſich noch der Freyheitsbrief bringen, datirt zu
Segny den 21 Jun. darinne dem Ordensmeiſter und Bruͤdern der Tempelritterſchaft
von den Biſchoͤfen ihrer Dioͤces Ablaß ertheilet werden kan, wenn ſie ſich untereinander,
oder mit andern geiſtlich und weltlichen Perſonen etwas gezauſet haͤtten, wenn es nur
nicht zu grob gemacht, und zum Blutvergieſſen, oder Verluſt eines Gliedes gekommen;
welche Bulle Herr Gruber auch auf die Ordensbruͤder in Liefland ziehet, die manch-
mal vom Pabſte Tempelherren in Liefland genennet werden, davon ein Exempel bey
Raynalden ums Jahr 1222 n. 40. vorkomt. Die Bullen finden ſich in der Samlung
des Papſts JnnocentiusIII Libr. 14. ep. 149. tom. 2. p. 580. und Lib. 15. ep. 129.
tom. 2. p. 654. Jngleichen iſt noch hierher zu bringen das Reſcript Jnnocentius
des III an den Erzbiſchof zu Lunden und den Biſchof zu Riga, wegen eines Buͤr-
gers in Lunden, Strango genant, erſchlichener Dispenſation in einer Heirathsſache,
der mit ſeiner Frau im vierten Grade der Schwaͤgerſchaft verwandt war, aber faͤlſchlich
vorgegeben, er habe vor Volziehung der Ehe nichts von der nahen Freundſchaft ge-
wuſt, und haͤtte es ihm ſonſt das Leben gekoſtet, wenn er nicht mit ihr zugehalten.
Des Biſchof Alberts funfzehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1212 bis 1213.
§. 1.
Das funfzehnte Jahr nach ſeiner Einweihung ging der Biſchof nach1212
Deutſchland zuruͤck, und hinterließ ſo lange in ſeiner Stelle vor-
erwehnten hochwuͤrdigen Biſchof von Ratzeburg Philippen, der
in ſeinem Gottesdienſt und ganzem Wandel ungemein andaͤchtig war, ſeine Augen
und Haͤnde ſtets nach dem Himmel hob, und ſeinen unermuͤdeten Geiſt vom Ge-
bet kaum einmal ruhen ließ. Er liebte die Ritter, unterwieß die Geiſtlichen, hegte
die Liven und Deutſchen mit einer recht vaͤterlichen Liebe, und leuchtete dadurch
der neuen Kirche unter den Heiden mit Worten und mit Beiſpielen vor. Die
Kirche hatte auch in ſeinen Tagen etwas Ruhe vor dem Ungemach des Krieges,
obgleich taͤglich groſſe Furcht von innen und auſſen uͤber der Liven und Eſthen
betruͤgliches Tichten und boͤſes Trachten war, die allezeit gegen die Deutſchen und
die Stadt Riga nichts gutes im Schilde fuͤhrten.
§. 2.
Die Litthauer aber, machten ſich aus dem mit den Deutſchen geſchlof-
ſenen Frieden nichts, kamen an die Duͤne, riefen einige aus dem Schloſſe Kuke-
nois heraus, warfen eine Lanze in die Duͤnea), und widerſprachen ſolcher Ge-
ſtalt dem Frieden und der Freundſchaft mit den Deutſchen. Sie ſamleten hierauf
ein ſtarkes Heer, paßirten die Duͤne, kamen in Lettland, pluͤnderten alle Doͤr-
fer und erſchlugen viele. Wie ſie nach Tricatien kamen, fingen ſie Thalibalden,
den Aelteſten dieſer Provinz und Waribulen ſeinen Sohn auf, ruͤckten uͤber die
Goiwe, trafen bey der Ymer die Leute in ihren Doͤrfern an, nahmen ſie gefan-
gen, toͤdteten etliche, und nahmen mit aller ihrer Beute geſchwind den Ruͤckweg.
Da aber Rameko ſahe, daß ſein Vater und Bruder gefangen weggebracht wur-
de, machte er ſich mit allen Letten auf, und mit ſelbigen Berthold von Wen-
den nebſt den Ordensbruͤdern, und ſetzten ihnen nach. Als ſie nun nahe an ſie
kamen, befurchte Rameko, ſie moͤchten ſeinen Vater toͤdten, wenn er ſie in Ruͤ-
cken angrif, und lockte ſie alſo auf einen andern Weg. Die Litthauer aber ro-
chen den Braten, liefen uͤber Hals und Kopf fort, und entwiſchten ihnen. Wie
ſie aber uͤber die Duͤne gefahren, und der Grenze ihres Landes ſich naͤherten, ent-
lief ihnen Thalibald und kam froͤlich in ſein Vaterland, nachdem er in zehn Ta-
gen keinen Biſſen Brod gegeſſen.
D d§. 3. Zur
[106]Geſch. des 3ten Biſchof Alberts, funfzehntes Jahr, von 1212 bis 1213.
§. 3.
Zur ſelbigen Zeit begab ſich Dangeruthe, des Koͤnigs Wiſſewaldeb)
Schwiegervater, mit vielen Geſchenken zu dem Groskoͤnig von Neugarden, und
ſchlos mit ihm ein Friedensbuͤndniß. Er ward aber im Ruͤckwege von den Bruͤ-
dern gefangen nach Wenden gefuͤhrt, und in Eiſen gelegt. Er ward auch darin
viele Tage gelaſſen, bis aus Litthauen einige von ſeinen Freunden ihm zuſpra-
chen. Nachgehends entleibte er ſich mit ſeinem eignen Schwerdte.
§. 4.
Waͤhrend der Zeit erndtete Woldemar, der Ydumeer und Letten Advo-
cate vieles, das er nicht geſaͤet hatte, und hielte Gerichte und Unterſuchungen; weil
aber ſeine Urtelsſpruͤche dem Biſchof von Ratzeburg wie auch allen andern
nicht gefielen: ſo wandte er ſich endlich wieder nach Rußland, welches alle lange
gewuͤnſchet hatten.
§. 5.
Zu dieſer Zeit pluͤnderten auch die Ritter von Kukenois und die Letten
oftmals die Selen und Litthauer aus, verbranten ihre Doͤrfer und ſengten auf den
Grenzen, ſchlugen einige todt, fuͤhrten andre in die Gefangenſchaft, laurten ihnen
auf dem Wege ſtark auf, und thaten ihnen viel Unheil an. Daher brachten die
Litthauer ein Heer zuſammen, kamen uͤber die Duͤne in die Provinz Lenewar-
den, uͤberrumpelten die Liven in den Doͤrfern, machten einige nieder, nahmen
Weiber, Kinder und Vieh mit ſich, entfuͤhrten viele Beute, und brachten den
Volksaͤlteſten dieſer Provinz, Uldewene, in die Gefangenſchaft. Es kam aber
der Ordensmeiſter Volquin uͤber ſie, deſſen Ordensbruͤder mit Kaufleuten die
Dune hinaufgefahren waren. Vorbeſagter Ordensmeiſter verfolgte die Litthauer
mit weniger Mannſchaft, fiel ihnen in Ruͤcken, und ſchlug ſich mit ihnen herum.
Es blieb auch der Litthauer Landesaͤlteſter und ward erſchlagen, wie auch viel
andre mit ihm. Die uͤbrigen ſo im Vordertreffen geſtanden, flohen und entkamen
und nahmen Uldewenen mit ſich. Fuͤr deſſen Ranzion ward nachher der Kopf
dieſes erſchlagenen Litthauers ausgewechſelt, damit ſie, wenn ſie wenigſtens den
Kopf wieder bekaͤmen, das gewoͤhnliche Leichenbegaͤngniß um ihn herum mit
Saufen nach heidniſcher Art begehen koͤnten.
§. 6.
Den Winter darauf kehrte Woldemar mit ſeiner Gemahlin, mit ſeinen
Soͤhnen und ſeiner ganzen Familie wieder nach Liefland, und die Letten und
Ydumeer nahmen ihn an, ob ſie gleich nicht ſonderliche Freude daruͤber hatten.
Es ſchickten die Prieſter Alobrand und Hinrich Lebensmittel und Geſchenke
an ihn und er ſaß auf der Burg Metimne, hielt Gerichte, zog auch aus der
Provinz, ſo viel ihm noͤthig war. Die Litthauer kamen mit ihrem Schwarm
abermals uͤber die Dune. Sie hatten ihren Herzog und Fuͤrſten Stecſe bey ſich,
uͤber deſſen Mitkunft die Deutſchen ſich freueten. Es kam auch Berthold von
Wenden mit ſeinen Bruͤdern zuſammen, und riefen den Koͤnig Woldemar
mit ſich ſamt andern Deutſchen und Letten. Dieſe gingen auf jene los,
ſtelten ihnen unterwegens einen Hinterhalt, fielen uͤber ſie her, und machten
vorerwehnten ihren Herzog Stecſe, wie auch viel andre nieder. Die uͤbrigen
entkamen, damit ſie das Paßirte zu Hauſe melden konten, und die Kirche hatte
auf die Art etliche wenige Tage Ruhe.
Des
[107]
Des Biſchof Alberts ſechszehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1213 bis 1214.
§. 1.
Ewar im ſechzehnten Jahre des Biſchofs, als er wieder nach1213
Liefland mit vielen Pilgern kam, und die Kirche einigermaſſen
in dem Genuß der Ruhe und des Friedens, wie auch vorerwehn-
ten Hochwuͤrdigen Biſchof von Ratzeburg dieſelbe an ſeiner
Statt regierend fand. Er ordnete an, was zu veranſtalten war, und eilete wie-
der nach Deutſchland, damit er deſto leichter folgendes Jahr auf das Concilium
nach Rom ziehen koͤnte; als welches ſchon ſeit zwey Jahren angekuͤndiget war,
und ließ beſagten Biſchof in ſeinem Hauſe und auf ſeine Koſten in Riga. Es
war auch die Gemahlin und die ganze Familie des Woldemars daſelbſt, der ſie
alle liebreich zur Hand gingen.
§. 2.
Woldemar ſelbſt zog viel Geld und Gut in Jdumea und Lettland,
und hielt das weltliche Gerichte. Es begegnete ihm aber der Jdumeer Prieſter
Alobrand und ſprach zu ihm: Du ſolteſt, o Koͤnig, der du gewuͤrdiger
biſt, Richter uͤber Menſchen zu ſeyn, ein gerechtes und unparteiiſches
Urtel ſprechen, die Armen nicht druͤcken, und ihr Bisgen ihnen nicht
abnehmen; damit du nicht unſere Neubekehrten verwirreſt und ſie
mehr vom Glauben an Chriſtum abtreten macheſt. Der Koͤnig ward
hieruͤber entruͤſtet, bedrohete Alobranden, und ſagte: Alobrand, ich werde
den Reichthum und den Ueberfluß in deinem Hauſe beſchneiden muͤſ-
ſen. Denn er fuͤhrte eine ſtarke Armee der Rußiſchen Koͤnige nachher in deſſen
Haus, und machte alles leer, wie unten wird geſaget werden. Und nach einer
kleinen Zeit zog er mit ſeiner ganzen Familie wieder nach Rußland.
§. 3.
Nach dieſen ging der Biſchof von Ratzeburg mit den Pilgern und dem
Advocaten Gerard, nach Thoreida, bauete fuͤr den Biſchof ein Kaſtel, ſo er
Fredeland hieß, gleichſam, das Friede im Lande machen ſolte, hofte dabey,
dieſes Schloß werde dem Lande Ruhe ſchaffen, und daſelbſt den Prieſtern und
allen ſeinen Maͤnnern zur ſichern Freyſtadt dienen. Es kamen auch dahin zu ihm
die Soͤhne Thalibalds von Tholowa, Rameko mit ſeinen Bruͤdern, die
ſich in den Schutz des Biſchofs begaben. Sie verſprachen dabey, den von den
Ruſſen angenommenen chriſtlichen Glauben mit den lateiniſchen Caͤremonien zu
vertauſchen, und von zwey Pferden a) jegliches Jahr ein gewiſſes Maß Getreide
zu entrichten, dafuͤr, daß ſie ſo wol zur Friedens als Kriegeszeit ſtets von dem
Biſchof geſchuͤtzet wuͤrden, und ſie mit den Deutſchen ein Herz und eine Seele
waͤren, auch ihres Beyſtandes gegen die Eſthen und Litthauer immer genieſſen
moͤchten. Der Biſchof nahm ſie mit Freuden auf, und ſchickte mit ihnen ſeinen
Prieſter, der bey der Ymer war, ihnen die Sacramente des Glaubens zu rei-
chen, und die Anfangsgruͤnde der chriſtlichen Religion beyzubringen.
§. 4.
Unterdeſſen verklagten die Ritter von Kukenois, Meinhard, Johann
und Jordan, nebſt andern, den Koͤnig von Gerzike, Wiſſewalden, daß er
nach Erhaltung ſeines Lehnreichs ſchon viele Jahre ſich vor ſeinem Vater, dem
Biſchof, nicht geſtellet, ſondern immer den Litthauern mit Rath und That an die
D d 2Hand
[108]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechszehntes Jahr,
1213Hand gegangen. Sie lieſſen ihn daher einige mal fordern und zur Rechenſchaft
anhalten; Er machte ſich aber nichts daraus, erſchien nicht, und ſchickte auch kei-
nen, der ſeine Entſchuldigung vorbraͤchte *). Hierauf fragten dieſe erſt um des
Biſchofs Genehmhaͤltung, kamen hernach mit ihren Knechten und den Letten zu-
ſammen, und marſchirten mit allen ihren Leuten neben der Dune hinauf. Da ſie
nun im Anzuge gegen das Schloß Gercike begriffen waren, nahmen ſie einen
Ruſſen veſte, den ſie bunden, und des Nachts mit ſich nach dem Schloſſe ſchlep-
ten. Derſelbe ſtieg auch, wie ihm befohlen war, zuerſt auf den Wall, ſprach mit
dem Waͤchter, und die andern folgten einzeln nach. Der Waͤchter dachte, es kaͤ-
men ſeine Landsleute, die ausgeweſen waren. Sie kletterten alſo Mann fuͤr Mann
auf, bis endlich alle die Spitze der Veſtung erreichet hatten. Und wie ſie alle bey-
ſammen waren, ſchloſſen ſie die Veſtung rund umher ein, und lieſſen keine Ruſ-
ſen aus dem Schloſſe, bis ſie das Tageslicht ſaͤhen. Bey anbrechendem Tage ſtie-
gen ſie hinab ins Schloß, raubten alles, was da war, fingen viele auf, und lieſſen
die andern gutwillig entwiſchen. Sie brachten alſo viele Beute weg, lieſſen das
Schloß ledig ſtehen, begaben ſich nach ihrem Eigenthum, und theilten alles unter
ſich, was ſie mit ſich genommen.
§. 5.
Drey Jahr waren nun um, und der Stilſtand mit den Eſthen lief zu Ende.
Der Biſchof ließ alſo alle Prieſter zuſammen kommen, hielt Kapitel und berath-
ſchlagte ſich mit ihnen, wie auch mit den Rittern und verſamleten Laͤndesaͤlteſten,
wegen einer Unternehmung auf Eſthland, weil die Eſthen nicht kaͤmen, und
um Erneuerung des Friedens anſuchten, ſondern vielmehr die Zerſtoͤrung der Lief-
laͤndiſchen Kirche gerne ſaͤhen. Hierauf ſandte der Biſchof an alle Schloͤſſer der
Letten und Liven, und brachte von allen Grenzen der Dune und Goiwe eine
groſſe und ſtarke Armee auf die Beine. Es waren auch in Riga viele Pilger
und Kaufleute, die alle mit dem Ordensmeiſter und ſeinen Bruͤdern freudig zu Fel-
de gingen. Den Sammelplatz der Armee beſtimten ſie in Goiwemunde. Der
Biſchof kam auch mit ihnen dahin, und einige Liven wolten mit der Armee in Cur-
land einruͤcken. Die Zeit aber war noch nicht da, da ſich GOtt uͤber dieſes Volk
erbarmen wolte. Nachdem der Biſchof den Segen geſprochen, kehrte er wieder
nach Riga. Die Armee aber marſchirte nach Saletſa, und kam in die Provinz,
die Sontagana heiſſet. Die Deutſchen dachten hierbey an ihre Worte und
an den Frieden, den ſie vormals den Einwohnern der Provinz gegeben hatten, und
zogen alſo ganz geruhig durch dieſes Land, thaten nirgends Schaden, jagten die
Menſchen nicht aus ihren Haͤuſern, holten die Fluͤchtigen auch nicht ein, ſondern
marſchirten in aller Stille durch, bis ſie andere Provinzen betraten, die niemals
ſonderliche Luſt gehabt, mit den Rigiſchen Friede zu machen, ſondern in dem
Wahn ſtunden, die Rigiſchen koͤnten an ihre ſo weit abgelegenen Provinzen nicht
gelangen. Es waren von den Unſrigen ungefaͤhr dreytauſend Deutſche, und
von Liven und Letten eben ſo viel. Sie gingen alsdenn uͤbers Eis, Sa-
letſa vorbey, bis ſie dahin gelangten, wohin ſie gedachten, nemlich in Rotalien.
Wie ſie dahin kamen, zertheilten ſie ihre Truppen auf alle Straſſen und Doͤrfer,
trafen auch alle Maͤnner, Weiber und Kinder und jederman, vom groͤſten bis zum
kleinſten, in ihren Dorfſchaften an, weil ſie durch keinen Lerm vor ihrem Anzuge
gewarnet worden. Dieſelben ſchlugen ſie in ihrem Zorn, und ſtieſſen alle Maͤn-
ner nieder. Die Liven aber ſowol, als die Letten, weil ſie grauſamer ſind als
alle andere Nationen, wuſten nicht recht, wie dort der Knecht im Evangelio, ſich
uͤber ihren Mitknecht zu erbarmen, und brachten ein unſaͤglich Volk um, toͤdteten
auch
[109]von 1213 bis 1214.
auch einige Weiber und Kinder, und wolten niemands auf den Feldern und Doͤr-1213
fern ſchonen. Sie faͤrbten alle Wege und Oerter mit dem Blute der Heiden, und
verfolgten ſie bis in alle Provinzen, die an der Seekuͤſte lagen, und Rotalewien
oder Rotalien hieſſen b). Auch die Letten, nebſt andern, jagten etlichen unter
ihnen nach, welche uͤber das Eis der See fluͤchteten, machten die, welche ſie erhaſch-
ten, gleich nieder, und fuͤhrten alle ihr Hab und Gut mit ſich weg. Thalibalds
Soͤhne raubten alleine drey Lieflaͤndiſche Talente *) an Silber, ohne Kleider,
Pferde und viel andere Beute, welches ſie alles nach Beverin mitnahmen. Gleichfals
war die ganze Armee den erſten, andern und dritten Tag hinter den fluͤchtenden
Eſthen allenthalben her, und ſchlugen ſie hier und da todt, bis ſie muͤde und mat
waren, ſowol ſie ſelbſt, als ihre Pferde. Endlich den vierten Tag darauf kamen
ſie insgeſamt an einem Ort mit allem ihrem Raube zuſammen, trieben noch viel
Pferde und Vieh weg, nahmen Weiber und Kinder und Maͤdgen mit ſich, mach-
ten fette Beute und kehrten froͤlich wieder nach Liefland, da ſie denn den HErrn
lobten, der ſie an den Heiden gerochen hatte. Die Heiden wurden hieruͤber be-
ſtuͤrzt, und machten ein erbaͤrmliches Weinen und Heulen. Denn Eſthland be-
weinete ſeine Kinder und wolte ſich nicht troͤſten laſſen, weil dieſe
verloren waren, ſowol hier, als in jenem Leben, ſonderlich aber wegen
der Vielheit der Erſchlagenen, die nicht zu zaͤhlen waren.
§. 6.
Nachher in der Faſtenzeit entſtand um Mitternacht in der Stadt Riga eine
ſtarke Feuersbrunſt, wodurch der Haupttheil der Stadt, der nemlich zuerſt ge-
bauet und am erſten mit einer Mauer verſehen worden, im Rauch aufging; von
der Marienkirche an, die mit ihren groſſen Glocken verbrante, bis an den Hof des
Biſchofs und die dranſtoſſenden Haͤuſer bis an die Ritterſchaftskirche. Die Leu-
te betruͤbten ſich hauptſaͤchlich uͤber die angenehm ſchallende Sturmglocke, und
uͤber den in der Stadt geſchehenen Schaden; man goß aber kurz nachher eine
andre Glocke, die noch groͤſſer war, als die erſte.
§. 7.
Nachdem nun die Muͤden von dieſem Feldzuge ausgeruhet, und ſo wol ſie,
als ihre Pferde ſich wieder erholet hatten; ſo ſchrieben ſie in der Faſten einen an-
dern Feldzug aus. Die Rigiſchen brachen auf, riefen die Liven und Letten mit
ſich, zogen nach Saccala, lieſſen das Schloß Viliende im Ruͤcken, pluͤnderten
das ganze herumliegende Land, und verſamleten ſich endlich unverſehens bey dem
Schloſſe des Lembit, ſo Leale heiſſet. Die im Schloſſe befindlichen Eſthen
E eaber,
[110]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechzehntes Jahr,
1213aber, fielen auf die, ſo am erſten kamen, hitzig aus, und jagten ihnen ein Schrecken
ein; dieſe aber ſamleten ſich erſt auf einen Haufen, warteten auf der Jhrigen An-
kunft, beſtuͤrmten die Burg den andern und dritten Tag, trugen einen Holzhaufen
uͤber den Wall zuſammen, und legten Feuer darauf. Alſo ſteckten ſie den Wall,
weil er nur aus Holz und Erde beſtand, in Brand; das Feuer aber ſtieg almaͤlig
in die Hoͤhe und kam der Veſtung ſelbſt von oben nahe. Wie nun die im Schloſſe
ſahen, daß der Wall verbrante, und ſie beſorgten, es moͤchte dadurch das Schloß
eingenommen werden, ſo verſprachen ſie ein Stuͤcke Geld, daß jene die Belagerung
aufheben ſolten. Die Deutſchen hingegen verſicherten, ſie ſuchten nichts
anders, als, daß ſie ſich taufen lieſſen, damit ſie ſich mit dem wah-
ren Friedensſtifter verſoͤhneten, und ihre Bruͤder werden moͤchten, ſo
wol in der jetzigen als zukuͤnftigen Welt. Dieſe hatten aber einen Ab-
ſcheu davor, und furchten ſich ihnen in die Haͤnde ſich zu ergeben. Die Liven hin-
gegen und die Letten, ſamt der ganzen Armee machten das Feuer ſtaͤrker, und
droheten mit Brand und Mord. Doch jene wurden, da der Wall ſchon hin war,
bange, ſie moͤchten uͤber die Klinge ſpringen muͤſſen, und baten demuͤthig um Par-
don; zogen aus dem Schloſſe aus, und verſprachen ſich taufen zu laſſen. Die
Prieſter Johannes Strick und Otto, ſo ein Prieſter der Ordensbruͤder war,
waren zugegen. Alſo wurde der ſehr treuloſe Lembit mit allen uͤbrigen im Schloſ-
ſe befindlichen, ſo wol Weibern als Kindern und Maͤnnern getauft, die dabey an-
gelobten, die Pflichten der Chriſtenheit mit einer ſteten Treue zu beobachten.
Welches Verſprechen ſie doch nachher durch ihre ſchelmiſche Untreue gebrochen.
Die Armee drang inzwiſchen nach und nach ins Schloß, pluͤnderte alles aus, fuͤhrte
Pferde, Ochſen und alles Vieh davon, hoben viele Beute, theilten ſie unter ſich
und begaben ſich mit Freuden wieder nach Liefland. Sie nahmen auch mit ſich
die Schloßaͤlteſten, Lembiten und andre. Doch dieſe ſtelten ihre Soͤhne zu Buͤr-
gen, und wurden alſo in ihr Land zuruͤck geſandt. Alle lobten demnach GOTT,
der ſo wunderbar das Schloß, ohne es mit Steinſchleudern oder andern Krieges-
maſchinen zu beſtuͤrmen, in ihre Haͤnde gegeben, und der Name Chriſti erſcholl
auch in andre Provinzen.
§. 8.
Es war in dem neulich erbaueten Kaſtel Fredeland ein gewiſſer Priſter Ci-
ſtercienſerordens, Friedrich von Cella, welchen der Biſchof auf Verordnung
des Pabſtes zum Werk des Evangelii angenommen hatte. Dieſer feyerte am Pal-
menſontage das Geheimniß der Paßion JEſu CHriſti mit vielen Thraͤnen, und
trug das Wort der Ermahnung von dem Kreuze unſers HErrn mit lieblichen und
heilſamen Erinnerungen den Anweſenden vor. Nach feyerlich begangenem Oſter-
feſte wolte er mit ſeinem Scholaren und einigen andern zu Schiffe hinunter nach Ri-
ga fahren. Es begegneten ihm aber die von Oeſel auf der Muͤndung des Fluſſes,
fielen uͤber ihn her, nahmen ihn mit dem Knaben, den er bey ſich hatte, und eini-
gen Liven gefangen, fuͤhrten ihn auf ihren Raubſchiffen fort, legten an dem Ufer
der Adya an, und peinigten ihn mit unterſchiedlichen Martern zu todte. Denn
da er ſtar nach dem Himmel ſahe, und mit ſeinem Scholaren ſein Gebet, Lob- und
Dankopfer zum HErrn brachte, zerdroſchen ſie ihnen beyden Kopf und Ruͤcken
mit ihren Keulen, lachten dabey hoͤniſch und ſprachen: Laula, Laula, Pap-
Pſ. 129.
v. 3. 4.ptc)! wie geſchrieben ſtehet: Die Suͤnder haben auf meinem Ruͤcken
geackert. Doch der HErr, der gerecht iſt, wird ihren Nacken zerhauen; wie
unten ſol geſaget werden. Nachher machten ſie truckne und harte Hoͤlzer ſpitz, keil-
ten ſie ihnen zwiſchen die Naͤgel und das Fleiſch ihrer Finger, zerfleiſchten ſie an al-
len Gliedern ſtuͤckweiſe, legten Feuer dabey und quaͤlten ſie grauſam. Endlich
durchhieben ſie ihre Schulterblaͤtter mit ihren Beilen mitten von einander, machten
ihnen das Garaus, und ſchickten ihre Seele auſſer Zweifel in Himmel in die Geſel-
ſchaft der Maͤrtyrer, die Leiber aber warfen ſie weg. Wie geſchrieben ſtehet:
Das
[111]von 1213 bis 1214.
Das Fleiſch deiner Heiligen gaben ſie den Thieren im Lande zu freſ-1213
ſen: Sie haben Blut vergoſſen um Jeruſalem her, wie Waſſer;Pſ. 79,
v. 2. 3.
und war niemand, der begrub. Die Oeſeler fuͤhrten auch einige Li-
ven mit ſich nach Oeſel, die nach ihrer Zuruͤckkunft uns alles vorerwehnte berich-
tet haben.
§. 9.
Meinhard aber von Kukenois mit ſeinen Kameraden brachte wieder eine
ſtarke Armee auf wider den Koͤnig Wiſſewald von Gercike. Wiſſewald
hoͤrte dis, und ſchickte Boten an die Litthauer, die auch kamen, und jenſeit der
Duͤne auf ſie warteten. Die, welche bey Meinharden waren, wuſten nichts von
ihnen, ſondern kamen und eroberten Gercike, machten viel Beute, und raubten
eine groſſe Menge Vieh und Pferde. Die Litthauer lieſſen ſich auch auf dem
andern Ufer der Duͤne ſehen, und baten, man moͤchte ihnen Schiffe zufuͤhren
und ſie heruͤber holen, den Frieden zu erneuern. Dieſe Einfaͤltigen glaubten ihren
betrieglichen Worten alzu geſchwind, und ſchickten ihnen Schiffe hinuͤber. Sogleich
ſtiegen die Litthauer hinein, eine Partey ſetzte die andere uͤber, und es kamen
immer mehrere und mehrere herzu. Zuletzt warf ſich der ganze Schwarm in die
Duͤne, und fing an zu ihnen hinuͤber zu ſchwimmen. Die Ritter wurden ihre
Menge anſichtig und waren bange, das Gefechte mit ihnen abzuwarten, daher fuh-
ren einige von ihnen die Duͤne herunter, und kamen wohl behalten in Kukenois
an; andere zogen mit den Letten die Heerſtraſſe, und wurden von den Lit-
thauern im Ruͤcken angefallen. Die Letten, welche die wenige Anzahl ihrer
Leute in Betrachtung zogen, gaben auch Reißaus und ſahen ſich nach der Flucht
um. Es fochten zwar die Ritter Meinhard, Johannes und Jordan, ſie
konten aber einer ſo zahlreichen Armee nicht widerſtehen, und wurden daher von ih-
nen umgebracht. Der Biſchof und die Rigiſchen, ſo dis hoͤrten, bedauerten ſie1 Sam.
1. p. 25.
und ſagten: Wie ſind die Helden gefallen im Streit, und die Streitba-
ren umkommen?
Not. Aus den Briefſamlungen des Pabſts Jnnocentius des III gehoͤret in dieſes Jahr
deſſelben Bulle libr. 16. ep. 120. p. 807. an den Erzbiſchof Andreas von Lunden,
darinne er ihm Volmacht ertheilet, einen Biſchof uͤber Saccala und Hugenhus
(Ungannien) zu ſetzen. Aus libr. 16. ep. 119. p. 806. ein Befehl an den Abt, Priorund Cu-
ſtos zu St. Nicolai in Riga, den Biſchof zur Haltung des Vergleichs mit den Bruͤdern
der Ritterſchaft zu noͤthigen, weil er und der Probſt dem Volke der Ritter nicht verſtat-
ten wollen auf Holme eine Kirche zu bauen, noch einen Pfarrer dazu vorzuſchlagen, auch
beſagter Biſchof ihnen die Kirchen in der Stadt, den Zehnden, die Advocatur, die
Muͤnze, die Fiſcherey, und den dritten Theil der Stadt nicht wolte nutzen laſſen, wel-
ches doch dem Vertrag entgegen lief. Aus libr. 16. ep. 121. p. 807 ein Warnungs-
ſchreiben, daß der hochwuͤrdige Bruder Biſchof von Riga einige noch rohe Neube-
kehrte in Riga nicht ferner enterben, und ſie ungebuͤhrender Weiſe mishandeln ſolte,
welches den Bruͤdern der Ritterſchaft Chriſti nachtheilig fiele. Aus libr. 16. ep. 123.
p. 808 eine Beſtaͤtigung fuͤr die Bruͤder der Ritterſchaft wegen ihrer Guͤter in Eſthland.
Aus libr. 16. ep. 122. p. 807 einen Befehl an den Abt von Gothland, von North-
land und Sutherland unter dem Erzbiſchof von Lunden gehoͤrig, daß ſie auf An-
ſuchen der Bruͤder die Verbrecher aus dem Bremiſchen in Bann thun und den Ri-
giſchen Biſchof ſelbſt, wenn er den Bruͤdern aus Bosheit Verdruß mache, zu den
Unkoſten verdammen koͤnnen. Aus libr. 16. ep. 182. p. 834 ein Privilegium, daß die
Rigiſche Kirche unter keinem Erzbiſchof ſtehen ſolle. Dieſes iſt von Rom bey dem
heiligen Peter den 20 Febr. dahingegen die andern von Segny datirt ſeyn. Noch
ein anderer Befehl, davon das Jahr ungewiß iſt, der auch entweder unter die ver-
lornen oder noch nicht herausgekommenen Breve des Pabſts zu rechnen; den aber
E e 2Herr
[112]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechzehntes Jahr,
1213Herr Gruber aus c. 11. de vita \& honeſt. cler. c. 9. de diuortiis und c. 8. X. de pœni-
tent. \& remiſſ. inter antiquas Petri Beneuentani \& Antonii Auguſtini decretalium
collectiones in Form eines Breve gebracht; daß 1) wie alle Geiſtliche ein Herz und
eine Seele, alſo auch einerley Kleidertracht haben ſollen; 2) man die ſonſt verbotenen
Ehen dulden; und 3) man die Leute in den Grundlehren der chriſtlichen Religion und
der Sacramente beſſer unterweiſen muͤſſe. Zuletzt noch eine an den Biſchof Albert von
Riga, daß er unter keinem Metropoliten ſtehen duͤrfe: gegeben zu Rom beym heilgen
Peter vom 20 Febr. im ſechzehnten Jahr der paͤbſtlichen Regirung. An dieſe letzte
Bulle kehrte ſich der neue Erzbiſchof zu Bremen, Gerhard wenig oder nichts, ſon-
dern verlangte aller Verdienſte Alberts um die Kirche ohnerachtet ſeine Unterwerfung,
machte auch denen Pilgern, wenn ſie nach Liefland walfahrteten, alle Hinderniſſe,
bis ihn HonoriusIII Anno 1218 befehligen muſte, er ſolle ſich ja nicht unterſtehen,
die Kirche in Riga unter ſeinen Sprengel zu zwingen. Der Pabſt gab ihm einen der-
ben Verweis dazu, daß er den Kreuzfahrern verwehrte, den Glaͤubigen Chriſti in
Liefland zu Huͤlfe zu ziehen. Den Jnhalt beyder Schriften hat Kaynald bey die-
ſem Jahr Anno 40. Wie Gerhard geſtorben, und das Kapitel ein gleiches verſuchte,
bekam es ebenfals vom Pabſt Honorius einen Ausputzer, und Albert hingegen ward
mit ſamt der Lieflaͤndiſchen Kirche in Apoſtoliſchen Schutz genommen. Eben der-
ſelbe beym Jahr 1219, n. 31. Die Volmacht aber neue Domkirchen in Liefland an-
zulegen, und Biſchoͤfe daruͤber einzuſetzen war ihm 1217 verliehen. Raynald bey die-
ſem Jahre n. 45.
Des Biſchof Alberts ſiebenzehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1214 bis 1215.
§. 1.
Des Biſchof Alberts ſiebenzehntes Jahr kam nun, und der Krieg ging
in allen Provinzen von Liefland aufs neue los. Denn nach dem
Feldzuge nach Rotalien und der Unterwerfung Lembits von Sac-
cala, fing ganz Eſthland an, gegen Liefland zu toben. Die Eſthen gingen
demnach zu Rathe, ſie wolten mit drey Armeen anmarſchiren, Liefland verhee-
ren, die Oeſeler nemlich ſolten Riga belagern, und den Hafen an der Duͤne
ſperren; die von Rotalien ſolten die Liven von Thoreida bekriegen. Die
von Saccala und Ungannien ſolten das Land der Letten inzwiſchen verheeren,
damit die Liven und Letten mit ihren eigenen Kriegen alle Haͤnde vol zu thun
haͤtten und den Rigiſchen nicht zu Huͤlfe kommen koͤnten.
§. 2.
Alſo kamen die Oeſeler mit einer ſtarken Seemacht nach Dunemunde,
und hatten ſowol ihre Kaper- als andere kleinen Schiffe (Liburnas) mit ſich.
Dieſe fuͤlten ſie mit Steinen an, verſenkten ſie bey dem Einlauf des Fluſſes in die
Meerestiefe, baueten hoͤlzerne Kaſten, machten ſie ebenfals mit Steinen vol, und
verſenkten ſie in der Muͤndung der Duͤne, um Fahrt und Hafen den Ankommen-
den zu verderben. Einige fuhren mit gedachten kleinen Schiffen nach der Stadt,
ruderten bald rechts bald links, und erreichten endlich das Ufer und freye Land.
Die Ordensbruͤder, ſamt andern aus der Stadt, ſtunden vor der Pforte. Einige
von den Knechten des Biſchofs, ſamt andern Liven, erblickten die Feinde auf dem
Felde, uͤberrumpelten ſie ploͤtzlich, machten manche nieder, und verfolgten ſie bis
an die Schiffe. Jn waͤhrender Flucht ſcheiterte und ſank eins von ihren Raub-
ſchiffen, mit allen, ſo drauf waren; die uͤbrigen entkamen, und langten wieder bey
den Jhrigen in Dunemunde an. Die Rigiſchen machten ſich auf mit allen
ihren Leuten, ſo viel ſie bekommen konten, und fuhren hinter ihnen her, einige zu
Schiffe, andere zu Lande. Wie die Oeſeler dieſe anſichtig wurden, beugten ſie
von
[113]von 1214 bis 1215.
von ihnen ab nach der andern Seite der Duͤne, und wolten auf kein Gefechte mit1214
ihnen warten. Unvermuthet bekamen die Rigiſchen von ferne in der See zwey
Kauffartheyſchiffe zu Geſichte, auf welchen Burchard, Graf von Aldenborch,
und des Biſchofs Bruͤder, Rothmar und Dietrich, ſich befanden. Dieſe ſe-
gelten nach der Duͤne, und ſahen die Feinde auf dem einen Ufer, die Rigiſchen
aber auf dem andern, und wuſten alſo nicht, welches die Chriſten waͤren. Die
Rigiſchen gaben ihnen aber ein Zeichen mit Aufſteckung der Fahne. Wie ſie
nun ſelbige erkanten, und zugleich die Anzahl der Feinde gewahr wurden: ſo ſteu-
reten ſie ihre Schiffe auf die Feinde, und ſegelten eiligſt auf ſie zu. Es waren
auch einige aus Riga zu Schiffe, die ihnen auf der Duͤne nachruderten, da in-
zwiſchen die andern am Ufer abwarteten, wo es hinaus wolte. Nachdem aber die
Feinde ſahen, wie ſie von den chriſtlichen Armeen umzingelt waͤren, liefen ſie uͤber
Hals und Kopf nach ihren Fahrzeugen, wurden auf der See mitten unter ihnen
zerſtreuet, und verſchwunden vor ihren Augen. Die Rigiſchen ſetzten ihnen nach,
nahmen ihnen einige Schiffe ab. Die uͤbrigen gingen durch. Die Rigiſchen em-
pfingen alſo die Fremden mit allen Freuden, und prieſen GOtt, der in gegenwaͤr-
tiger Anfechtung ſein Volk getroͤſtet hatte. Das Waſſer aber des Dunefluſſes,
das ſeinen Zug und Strom ſtark und frey haben wolte, ingleichen die See zerdruͤm-
merte nachgehends durch das ſtarke Schlagen der Wellen die verſenkten Werke
wieder. Was nach blieb, zogen die Deutſchen heraus, riſſen es aus einander,
und machten jedermann Weg und freye Paßage, wer auf der Duͤne einlaufen
wolte.
§. 3.
Jmmittelſt, da die Oeſeler auf der Duͤne ſich aufhielten, brachten die Ro-
talier aus ihren Strandlaͤndern ein Heer zuſammen, und brachen damit in Lief-
land ein. Sie pluͤnderten die Doͤrfer in Metſepole zuͤndeten ſie an, konten
aber keinen von den Liven zu Hauſe finden, weil alle mit Weib und Kindern in
die Schloͤſſer gefluͤchtet waren. Die Liven lieſſen auch ein Heer verſamlen, ihren
Feinden entgegen zu ruͤcken. Wie nun die von Rotalien deren Vorhaben und
zugleich die Flucht der Oeſeler von der Dune erfuhren, liefen ſie auch davon
und kehrten wieder nach ihrem Lande. Gleichfals kamen unterdeſſen die von
Saccala und Ungannien in das Land der Letten mit einer ſtarken Armee,
und belagerten das Schloß Antine. Als die Bruͤder der Ritterſchaft von Wen-
den aber aufbrachen und mit ihnen ſich ſchlagen wolten, ſo rochen ſie den Braten
und machten ſich auch auf die Hinterbeine. Gegen Abend kamen ſie nach Trica-
ten, und fanden, daß der Gemeinenaͤlteſte Thalibald aus ſeinem Schlupfloche,
das er im Walde hatte, nach ſeiner Badſtube *) zuruͤck gekehret war, den nahmen
ſie veſte, roͤſteten ihn auf eine grauſame Art am Feuer lebendig, und droheten
ihn zu toͤdten, wenn er ihnen nicht alle ſein Geld wieſe. Er zeigte ihnen hierauf
funfzig Oeſeringe. Dieſe aber nahmen das Geld, und ſchmauchten ihn dem ohn-
erachtet. Er ſagte es auch: Wenn ich euch auch alle mein und meiner
Kinder Geld weiſen wuͤrde, ſo wuͤrdet ihr mich dennoch verbrennen,
und wolte ihnen nichts mehr entdecken. Daher legten ſie ihn wieder ans Feuer,
und brateten ihn als einen Fiſch, bis er den Geiſt aufgab, und verſchied. Und
weil er ein Chriſte war, und einer der glaͤubigen und getauften Letten, ſo hof-
fen wir, es werde ſeiner Seele eines ſolchen Maͤrtyrertodes wegen in Geſelſchaft
der heiligen Maͤrtyrer ewig wohl ſeyn. Die Eſthen kehrten alſo in ihr Land, und
der HErr machte ihren Anſchlag zu nichte. Hierauf wurden die Soͤhne Thali-
balds, Rameko und Drunwalde, da ſie ſahen, daß ihr Vater Thalibald
todt gemacht ſey; wider die Eſthen entruͤſtet, und brachten einen Haufen Let-
ten nebſt ihren Freunden und Verwandten zuſammen. Es ſchlugen ſich die
F fOrdens-
[114]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſiebenzehntes Jahr,
1214Ordensbruͤder von Wenden mit andern Deutſchen auch zu ihnen, fielen in
Ungannien ein, pluͤnderten die Doͤrfer, ſteckten Feuer darein, und branten alle
Mannsperſonen, ſo viel ſie erhaſchen konten, lebendig auf, um des Thalibalds
Tod zu raͤchen. Sie legten alle ihre Schloͤſſer in Aſche, damit ſie keinen Hinterhalt
mehr haben moͤchten. Sie ſuchten ſie in den finſterſten Kluͤften der Waͤlder auf,
daß ſie ſich vor ihnen nirgends wo verbergen konten, ſchlepten ſie aus den Buͤſchen
vor, ſchlugen ſie todt, nahmen ihre Weiber und Kinder mit ſich gefangen, entfuͤhr-
ten Pferde und Vieh, raubten viele Beute und begaben ſich wieder in ihr Land.
Es begegneten ihnen aber bey ihrem Heimgeben noch andre Letten die zogen nach
Ungannien, und fingen es da wieder an, wo jene es gelaſſen hatten. Denn
dieſe drungen in die Doͤrfer und Provinzen, da jene nicht hin gelanget waren, und
wer jenen noch entkommen, der konte dieſen nicht entwiſchen. Sie ergriffen alſo
viele, hieben alle Mannsperſonen nieder, ſchlepten Weiber und Kinder gefangen
mit ſich, und entfuͤhrten viel Vieh und Geraubtes. Wie dieſe heimkehrten, be-
gegneten ihnen unterwegens ſchon wieder andre Letten, die einen Marſch nach Un-
gannien vorhatten, die auch ihres Orts gerne Beute davon tragen, und die
Mannsbilder todtſchlagen wolten, um den Tod ihrer von den Eſthen erſchlagnen
Eltern und Verwandten zu raͤchen. Sie brachen in Ungannien ein, pluͤnderten
ſo gut, als die erſten, und machten ſo gut Gefangene, als die erſten. Denn ſie
krigten die, ſo aus dem Gehoͤlze gekrochen, um von ihren Feldern und Doͤrfern
Eſſen zu holen, beym Felle, verbranten einige zu tode, hieben andern mit ihren
Schwerdtern den Hals ab, und thaten ihnen allerhand Marter an, bis ſie alle ihr
Geld entdeckten, bis ſie ſie alle zu allen ihren Loͤchern im Walde gefuͤhret, und
Weiber und Kinder ihnen in die Haͤnde geliefert. Aber auch ſo wurden die aufge-
brachten Letten nicht beſaͤnftiget. Sondern ſie nahmen Geld und alle Habſelig-
keit, Weib und Kind, zuletzt auch den Kopf, der allein nachblieb, durchſtrichen
alle Provinzen bis an die Embach in Darbetena), ſchonten keines, ſondern
machten nieder, was maͤnnliches Geſchlechts war, fuͤhrten Weib und Kind gefan-
gen, nahmen ſich an ihren Feinden Rache, und kehrten mit der ganzen Beute luſtig
nach Hauſe. Jnzwiſchen verſamlete ſich Bertold von Wenden mit ſeinen Leu-
ten, und Dietrich des Biſchofs Bruder mit ſeinen Rittern und Knechten, wie
auch Thalibalds Soͤhne mit ihren Letten, ruͤckten mit ihrer Armee in Ungan-
nien, nahmen viele von den Eſthen gefangen, die vorher vor den Letten entkom-
men, machten ſie nieder, ſteckten die noch gebliebenen Doͤrfer in Brand, und was
von den erſten nicht gut genug geſchehen war, trieben dieſe deſto beſſer, zogen in
allen Provinzen umher, paßirten die Embach, kamen bis an die Waiga, pluͤn-
derten gleichfals das Land jenſeit des Fluſſes, ſteckten die Doͤrfer an, ſchlugen die
Maͤnner todt, machten Weib und Kinder zu Gefangenen, veruͤbten allen Scha-
den, den ſie nur konten, und gingen ſo dann wieder nach Liefland. Sie beor-
derten unverzuͤglich wieder andre, die nach Ungannien ziehen muſten und jenen
gleichen Schaden zufuͤgten, und da dieſe abzogen, wurden wieder friſche ausge-
ſchickt, daß alſo die Letten nicht ſtille ſaſſen, noch den Eſthen in Ungannien
Ruhe lieſſen. Sie begehrten auch ſelbſt keine Ruhe zu haben, bis ſie ſelbigen
Sommer nach neun verſchiedenen Feldzuͤgen und mit neun Armeen das Land der
Eſthen verwuͤſtet, verheeret und zerſtoͤret hatten, daß weder Menſchen noch Le-
bensmittel mehr wo zu finden waren. Denn ſie gedachten ſo lange mit ihnen Krieg
zu fuͤhren, bis entweder die uͤbrigen kaͤmen und unter einem ewigen Frieden die
Taufe empfingen, oder bis auch alle aus dem Lande ausgerottet waͤren. Alſo hat-
ten des Thalibalds Soͤhne die Zahl der Vornemſten uͤber hundert vermehret, die
ſie zur Rache ihres Vaters entweder lebendig verbrant, oder mit andern verſchie-
denen Martern hingerichtet hatten, ausgenommen die unzaͤhlbaren, ſo jeder Lette
mit Huͤlfe der Deutſchen und Liven umgebracht.
§. 4.
Da nun die, ſo noch in Ungannien uͤbrig geblieben, ſahen, daß ſie vor der
Wuth b) der Deutſchen und Letten keinen Ausweg haben koͤnten, ſchickten ſie
Boten nach Riga mit Friedensvorſchlaͤgen. Man ſagte ihnen aber, ſie muͤſten
die den Kaufleuten ehemals abgenommenen Guͤter wieder geben.
Sie verſetzten, die rechten Entwender der Guͤter waͤren von den Letten
niedergemacht, und ſagten frey, daß ſie nicht im Stande waͤren, dieſelben zu-
ruͤck zu geben. Sie baten, man moͤchte alle Punkte vergeſſen, und ihnen die Tau-
fe geben, damit ſie den wahren Frieden und eine beſtaͤndige bruͤderliche Liebe von
den Deutſchen und Letten erhalten moͤchten. Die Deutſchen freueten ſich
auch, beſtaͤtigten mit ihnen den Frieden, und verſprachen Prieſter zur Taufe nach
Ungannien zu ſchicken. Wie die von Saccala alle das den Unganniern zu-
gefuͤgte Herzeleid vernahmen, befurchten ſie, ihnen moͤchte ein gleiches widerfah-
ren, und ſchickten daher auch einige, mit Erſuchen, man moͤchte doch Prieſter zu ih-
nen abfertigen, damit ſie nach volzogener Taufe in ihrer Provinz, auch mit den
Chriſten Freunde wuͤrden. Demnach wurden die Prieſter Kakewald von
Vinland und Otto, Prieſter der Ordensbruͤder, geſandt, die nach Saccala
abreiſeten und die Taufe bis an die Pala, und in Ungannien bis an die Em-
bach verrichteten. Hierauf kehrten ſie wieder nach Liefland; denn ſie konten
noch nicht unter den Eſthen wohnen, wegen der andern Unbaͤndigkeit.
§. 5.
Der Biſchof von Ratzeburg aber eilte ſamt Dietrichen, dem Biſchof uͤber
Eſthland nach Rom aufs Concilium, und begab ſich mit den Pilgern, die nach
Deutſchland zogen, auf die See, und fuhr mit neun Kauffartheyſchiffen nach
Gothland. Die Nacht drauf erhub ſich ein Gegenwind mit Donner, und da
ſie einen ganzen Tag ſchwer Wetter gehabt, trieben ſie endlich in den neuen Hafen
nach Oeſel. Wie die Oeſeler erfuhren, daß ſie von Riga gekommen, ſo dro-
heten ſie ihnen Krieg. Sie ſchickten auch uͤber ganz Oeſel, und brachten ein ſtar-
kes Schifsvolk zuſammen. Andere kamen zu Pferde, und baueten an dem See-
ufer ein Geruͤſte von Balken auf, fuͤlten es voller Steine, und bemuͤhten ſich, den
Hafen zu verſchuͤtten, als der eine ſchmale Einfahrt hatte, damit ſie, wenn der Ha-
fen geſperret, alle gefangen naͤhmen und hinrichteten. Die Deutſchen ſetzten mit
ihren Booten oder Chaloupen ans Land, maͤheten das Getreide mit ihren Schwerd-
tern ab, und wuſten nichts davon, daß eine Armee auf dem benachbarten Ufer ſtuͤn-
de; thaten auch viele Tage durch an einem andern Ufer ein gleiches. Endlich
krigten die Oeſeler, die aufgelauret hatten, achte von ihnen zu packen, ſchlugen ei-
nige todt, machten andere zu Gefangenen, entfuͤhrten auch ein Boot. Dadurch
wurden ſie noch muthiger, ſchickten in alle Provinzen in Eſthland, und lieſſen ſa-
gen, ſie haͤtten den Biſchof von Riga mit ſamt ſeiner Armee veſte genommen.
Sie kamen hierauf alle mit einer ſtarken Heeresmacht. Wie es tagete bey fruͤhem
Morgen, ſchien die ganze See gegen uns finſter, indem ſie mit ihren Raubſchiffen
bedecket war, und fochten wider uns den ganzen Tag. Einige von ihnen brachten
hoͤlzerne Geruͤſte und alte Schiffe herbey, ſenkten ſie in die Tiefe, fuͤlten ſie mit
Steinen an, und verſperten uns den Hafen. Daher uͤberfiel uns groſſe Angſt,
F f 2und
[116]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſiebenzehntes Jahr,
1214und wir meinten ihren Haͤnden nicht zu entrinnen. Einige von ihnen brachten
drey groſſe Feuer herbey aus truckenem Holze, ſo ſie mit Fett von Thieren ange-
brant, und auf das Geruͤſte etliche hohe Baͤume gelegt hatten. Das erſte Feuer,
ſo uͤber alle andere wegbrante, ward auf die See getrieben und kam an uns; denn
der ſtarke Suͤdwind wehete es mit heftigem Blaſen auf uns los. Die Eſthen
auf ihren Raubſchiffen fuhren um das Feuer herum, unterhielten es, und lieſſen
es gerade mitten auf unſere Kauffartheyflotte zu gehen. Die Schiffe waren nemlich
alle an einander gebunden, damit wir uns gegen die Feinde deſto beſſer wehren
wolten; deſto mehr aber beſorgten wir, dem Feuer nicht entgehen zu koͤnnen. Und
da ſchon dieſe Glut, die hoͤher als unſere Schiffe war, mit ihren Flammen
uͤber uns ſchlug, riefen wir den Biſchof aus ſeiner Kajuͤte, in der er Tag und
Nacht betete. Er kam auch und ſahe, daß wir keine Huͤlfe und Rath wuſten, als
bey GOtt. Alſo hob er ſeine Augen und beyde Haͤnde gen Himmel und betete,
von gegenwaͤrtigem Feuer erloͤſet zu werden. Und wir ſahens alle, und ſiehe! ſo-
gleich wandte ſich der Suͤdwind nach Oſten, und der Oſtwind drehete die Flag-
ge c), ſo auf dem Segel war, auf die andere Seite, hielt das Feuer von uns ab,
und trieb es ganz gelinde bey den Schiffen vorbey, hinter uns auf die See. Wir
lobten auch alle den HErrn, der ſo augenſcheinlich uns von der gegenwaͤrtigen
Feuersbrunſt errettete. Hierauf trieben ſie das andere und dritte Feuer auf uns,
gegen welches wir uns lange wehrten und mit Waſſergieſſen viel zu thun hatten;
bis es der Wind endlich auch von uns abtrieb. Jnzwiſchen ruderten einige Eſthen
um uns herum, und verwundeten mit ihren Lanzen und Pfeilen viele unſerer Leu-
te; andere ruderten wieder ſelbigen Weg um uns herum, und warfen Steine aus
ihren Patherellen auf uns. Wir hatten auch Angſt ſowol wegen des verſperten
Hafens, als andern Kriegsungemachs. Demnach ſprach Albert unſer Stu-
cuanted): Wenn ihr geduldig folgen wolt, ſo wird uns der HErr
aus gegenwaͤrtigen Gefaͤhrlichkeiten heraus helfen. Weil, ſagte er,
unſere Schiffe nicht geladen, ſondern leer ſind, und eine maͤßige Tiefe vor ſie zu-
reichet: ſo koͤnnen wir auf einem andern Wege auskommen, wenn ihr ſtarken und
gewapneten Maͤnner in die Boote tretet, die Anker aufziehet, ſie (hinaus) nach
der Tiefe bringet, und mitten durch die Feinde wieder zu uns komt; die uͤbrigen
moͤgen Taue an die Anker anbinden, die Fahrzeuge buxiren und nachkommen, bis
wir auf die hohe See gelangen. Wir gehorchten alle, und zogen an, bis wir nach
uͤberſtandenen Schwierigkeiten in die groſſe und geraume See ſtachen. Die aber
auf den Booten die Anker lichteten, Ritter ſowol als Knechte, ſtunden einen ſehr
grauſamen Anfal aus, denn ſie wurden durch ihre Lanzen und Pfeile, wie auch
durch ihr Steinwerfen, hart verwundet. Endlich ergriffen ſie ein krummes Eiſen,
oder einen eiſernen Haken, ſo ſie auf eins der Kaperſchiffe warfen und es damit
an ſich ziehen wolten. Sie trafen auch eines, und dachten es her zu ziehen. Al-
lein die Eſthen ruderten brav zu und entkamen ihnen, denn ſie hatten andere
Raubſchiffe, die ſich zu ihnen ſchlugen. Und da nun eben auf dieſe Stunde das
Gebet des Biſchofs an die heilige Jungfrau einfiel: Zeige, daß du eine Mut-
ter ſeyſt; Zeige, daß du eine Mutter ſeyſt: ſo zeigte ſie auch in der That,
ſie ſey Mutter. Denn dieſes entkommene Raubſchif, ſo groß und mit vielem Volk
beſetzt war, fuhr mit heftigem Krachen uͤber ein anders, daß es mit ſtarkem Knall
mitten entzwey ging und ſich vol Waſſer ſchoͤpfte. Die Mannſchaft fiel ins Meer,
ſank unter, und alle andere wurden zu Schande. Da ſie nun ſahen, daß wir die
tiefe See ſchon erreichet, ſo verſamleten ſich alle am Strande. Es waren ihrer
aber viele tauſend, die ſowol zu Pferde, als zu Fuſſe, ſich aus ganz Eſthland auf
faſt zweyhundert Raubſchiffen aufgemacht hatten. Sie lieſſen alſo ihren Zorn ge-
gen einander unter ſich aus, mit groſſem Geſchrey und auch wol mit Pruͤgeln, weil
ſie mit einer zweywoͤchentlichen Arbeit nichts ausgerichtet, uͤberdem viele der ihrigen
im Waſſer erſoffen, und noch mehrere durch unſere Steinſchleuderer kaput gegangen
waren. Sie zogen alſo ihre Segel auf, wurden aber auf dem Meer zerſtreuet, und
jeglicher
[117]von 1214 bis 1215.
jeglicher fuhr ſeinen Weg. Die Unſrigen ſetzten hinter ihnen her mit Booten, und jag-1214
ten ihnen ein groſſes Raubſchif ab, das ſie mit ſich nach Gothland fuͤhrten. Al-
ſo befreyete uns die heilige Jungfrau an dieſem Tage, wie ſie allen Lieflaͤndern
bisher aus allen ihren Noͤthen geholfen, bis auf den heutigen Tag.
§. 6.
Nachdem uns der Herr von den Oeſelern errettet, lagen wir eine Zeit von
drey voͤlligen Wochen im ſelben Hafen ſtille, und hatten taͤgliches Unwetter, ſtar-
ken Sturm und Gegenwind. Es entſtand auch ein groſſer Hunger und Mangel
an Proviant. Der Biſchof theilte alles aus in Liebe, was er hatte, und wir
thaten taͤgliche Geluͤbde und beteten, daß uns der Herr von dieſem Orte moͤchte
weghelfen. Und es geſchahe am heiligen Abend vor Marien Magdalenen, da
wir gleichſam nur mit halbem Leben das Reſponſorium **) ſungen; ſo bließ ein Suͤd-
wind, alle andre Gegenwinde legten ſich, und der HErr gab uns guten Wind,
daß wir die Segel aufzogen und den Morgen darauf nach Gothland kamen.
Der Biſchof ſtelte ſich da auf einen Stein des Altars, brachte GOTT Dank und
ſprach: HErr, wir ſind in Feuer und Waſſer gekommen; aber du haſtPſ. 66,
12.
v. 10. 11.
uns ausgefuͤhret und erquicket. Denn GOtt, du haſt uns verſucht und ge-
laͤutert, wie das Silber gelaͤutert wird; du haſt uns laſſen in den Thurm
werfen; du haſt auf unſere Lenden eine Laſt geleget; du haſt Menſchen
laſſen uͤber unſer Haupt fahren. Du haſt uns errettet, o HErr! aus al-v. 12.
len Gefaͤhrlichkeiten und haſt uns gefuͤhret auf dieſen veſten Felſen. Denn
er hatte ein groß Verlangen zum Felſen, der Chriſtus iſt, zu kommen, und es
koſtete ihm viele Seufzer, daß er nicht auf der See die hohe Meſſe leſen konte,
ob er gleich auch zwey Tage vor dem Sontag Meſſe hielte ***). GOtt erfuͤlte
endlich ſein Verlangen, und fuͤhrte ihn auf dieſer Reiſe nach Verona****), wo
ihn eine kleine Schwachheit uͤberfiel, und er dem HErrn ſeinen Geiſt empfal. Sein
Leichnam ward beygeſetzt in das marmorſteinerne Grab eines ehmaligen Cardinals,
in einem Kloſter Auguſtinerordens, ſo oberhalb dem Fluſſe lage). Es ſahe
G gein
[118]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſiebenzehntes Jahr,
1214ein Veroneſer ein Geſichte, nemlich eine Seule f) wie einen Blitz glaͤnzen,
die von jenſeit den Alpen kam, und ſich daſelbſt niederließ. Es bezeugten auch
andre, ſie haͤtten dergleichen engeliſche Erſcheinungen mehr bey ſeinem Grabe ge-
ſehen. Was war es auch Wunder? denn er war ein veſter und ſtandhafter Mann,
der ſich weder in Gluͤck noch Ungluͤck von dem Verlangen nach Chriſto abbrin-
gen ließ, daß er auch nicht einmal die Ordnung ſeiner ſtillen Andacht vor den Fruͤh-
pſalmen und vor geendigter erſten Tagesſtunde jemals unterbrechen wolte *); es
mochte ſeyn in der Feuersbrunſt zu Riga, da er, wie alles niedergebrant, aus
ſeinem Hauſe verjagt wurde; oder, da er unter den Feinden zur See ſich befand;
oder auch das drittemal, da ihn ein Waͤchter hart verwundete, als er auf der
Mauer des Nachts in ſeinem Gebete begriffen war. GOtt gab ihm alſo einen ve-
ſten und ſteten Ort auf dem Felſen, wie er ſich gewuͤnſchet hatte. Seine Seele
ſey bey Chriſto, und ſein Gedaͤchtniß bleibe bey uns im Segen!
G g 2§. 7. Jm
[120]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſiebenzehntes Jahr,
§. 7.
Jm Jahr nach der Menſchwerdung Chriſti tauſend zweyhundert funfzehn,
ward das Kirchenconcilium zu Rom unter dem Vorſitz Pabſt Jnnocentius die-
ſes Namens des dritten, in Beyſeyn von vier hundert Patriarchen, Cardinaͤlen und
Biſchoͤfen, und acht hundert Aebten gehalten. Unter dieſen befanden ſich der Biſchof
uͤber Liefland Albert, und der Biſchof uͤber Eſthland. Er gab dem Pabſte, wie
auch allen Biſchoͤfen von den Drangſalen, Kriegen und Anſtalten der Kirche in Lief-
land Nachricht. Es freueten ſich auch alle uͤber die Bekehrung der Heiden, und
uͤber die Kriege und vielfaͤltigen Siege der Chriſten. Demnach ſagte der
Biſchof: Heiliger Vater, wie du das Land Jeruſalem, welches das Land
des Sohnes iſt, nicht aufhoͤreſt mit dem Eifer deiner Heiligkeit in Pflege zu
nehmen: alſo ſolſt du auch Liefland, ſo das Land der Mutter iſt, und durch
die Bemuͤhung deines Troſtes bisher unter den Heiden iſt erweitert worden,
nicht Troſtlos laſſen. Denn ein Sohn liebt ſeine Mutter, und wie er nicht
wil, daß ſein Land zu Schaden gehe, ſo wil er auch nicht, daß ſeiner Mut-
ter Land Gefahr laufe. Der Pabſt gab ihm zur Antwort und ſprach: Wir
wollen das Land der Mutter mit gleichem Eifer unſerer vaͤterlichen Fuͤrſorge
allezeit ſo erweitert wiſſen als das Land ihres Sohnes. Nach geendigten Un-
terredungen ſchickte er ſie mit Freuden nach Hauſe, erneuerte ihnen die Volmacht
zu predigen, und Pilger mit dem Kreuze zur Vergebung der Suͤnden bezeichnen,
die mit ihnen nach Liefland gehen und die Kirche vor den Anfaͤllen der Heiden
ſchuͤtzen ſolten. Rom gab die Freyheit, Riga aber taufte *) die Heiden.
Denn Peter Kakewald und der Prieſter Otto wurden von Riga abgeferti-
get, verſahen Saccala und Ungannien inzwiſchen mit der heiligen Taufe und
beriefen ſie zum ewigen Leben.
§. 8.
Die von Rotalien aber waren noch aufſaͤtzig und wegerten ſich, von den
Chriſten ſich Geſetze vorſchreiben zu laſſen. Man beſchloß alſo, ſie mit Krieg zu
uͤberziehen. Wie das heilige Weihnachtsfeſt vorbey war, ſagte man den Liven
und Letten an, ſie ſolten ſich fertig halten, und wider die Feinde des Namens
Chriſti ſich aufmachen. Es ſtieſſen auch die Deutſchen mit den Ordensbruͤ-
dern zu ihnen. So war auch Graf Burchardg) mit ſeinen Pilgern dabey, die
zuſammen uͤber das Eis des Meers marſchirten, und in die erſte Eſthniſche Pro-
vinz gelangten. Sie zertheilten die Armee auf alle Doͤrfer, folgten den fluͤchtigen
Eſthen aufm Fuſſe nach, ſchlugen die, ſo ertappet wurden, todt, entfuͤhrten Wei-
ber, Kinder und Vieh, verſamleten ſich vor dem Schloß Sontagana, belager-
ten die Eſthen in ſelbigem, und fochten mit ihnen neun Tage. Sie richteten de-
rohalben ein hoͤlzern Sturmdach auf, ſo ganz nahe an das Schloß gebracht ward.
Auf ſelbiges ſtiegen die Liven und Letten mit ihren Schuͤtzen, und ſchoſ-
ſen viele Eſthen auf der Spitze der Veſtung mit Lanzen und Pfeilen zu todte, ver-
wundeten viele und hinderten ſie an der Gegenwehr. Denn die Eſthen ſprun-
gen alzu verwegen zum Gefechte heraus, und bekamen alſo deſto mehr Bleßirte und
Todte, da ſie gleichſam den Schuͤtzen Platz machten. Nachdem endlich viel darauf
gegangen, und ſie weder Waſſer noch Proviant hatten, ergaben ſie ſich und baten
um gut Wetter. Die Deutſchen aber ſagten: Wenn ihr die Waffen eu-
rer Untreue wollet ſtrecken, und den wahren Frieden, der Chriſtus
iſt, in euer Schloß aufnehmen; ſo wollen wir eurer gerne ſchonen,
und euch wieder zu unſern Bruͤdern in Liebe annehmen. Wie ſie das
hoͤrten, verſprachen ſie mit Freuden, ſogleich das Sacrament der heiligen Taufe
mit den Pflichten des Chriſtenthums anzunehmen. Daher ward ſogleich nach
zwanzig Tagen der Prieſter Gottfried zu ihnen ins Schloß geſchickt; der ſie
ſegnete
[121]von 1214 bis 1215.
ſegnete und ſprach: Wollet ihr wol der Abgoͤtterey entſagen und an den1214
einzigen GOtt der Chriſten glauben? Wie ſie nun alle mit Ja antworte-
ten, goß er Waſſer auf ſie und ſagte: Jhr werdet alſo getaufet im Namen
des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geiſtes. Nach dieſer
Verrichtung ward ihnen Friede gegeben, und nachdem man der Landesaͤlteſten
Soͤhne zu Geiſſeln genommen, kehrte die Armee mit aller Beute, Raub und Ge-
fangenen nach Liefland, und lobten fuͤr dieſe Heidenbekehrung GOtt, der da ge-
lobt iſt in Ewigkeit.
§. 9.
Nach einem Ausruhen auf wenige Tage und nach wieder erlangten Kraͤften,
verſamleten ſich die Rigiſchen mit den Liven und Letten von neuem, gingen
uͤber das Eis des Meers, das durch eine anhaltende ſtrenge Kaͤlte ſehr hart gefro-
ren war, und ſchlugen ſich mit ihrer Armee nach Oeſel. Da ſie nun ſehr guten
Weg zur See gefunden, ſo theilten ſie ihre Armee, durchzogen alle Straſſen und
Doͤrfer, erhaſchten viele, brachten alle Maͤnner um und hieſſen Weib, Kind und
Vieh mit ſich gehen. Sie kamen zwar bey einer Burg *) zuſammen und fochten
mit denen im Schloſſe, verwundeten auch einige und ſchoſſen ſie todt, konten aber
fuͤr alzuſtrenger Kaͤlte die Eroberung des Schloſſes ſelbſt nicht unternehmen, und
ſuchten alſo mit aller Beute und Gefangenen ihren Ruͤckweg uͤber das Eis. Und
da einige riefen, es kaͤme eine Malewa h) nach, ſo liefen etliche geſchwind nach dem
Feuer, etliche aber fielen dabey um und waren erfroren, daß ſie davon ſturben, die
andern aber kamen geſund nach Hauſe.
§. 10.
Nach volbrachten Oſterfeyertagen aber ſchickten die Eſthen an den Koͤnig
Woldemar von Ploſceke, er moͤchte mit einer zahlreichen Armee vor Riga
ziehen und es belagern. Sie ſelbſt verſprachen, die Liven und Letten unterdeſ-
ſen mit Krieg zu demuͤthigen, und dabey den Hafen in Duͤnemuͤnde zu ſperren.
Dem Koͤnig war der Rath der Treuloſen gefaͤllig, indem er die Kirche in Liefland
allezeit zu beunruhigen ſuchte, ſchickte nach Rußland und Litthauen, brachte
auch ein ſtarkes Heer Ruſſen und Litthauer zuſammen. Wie nun alle verſam-
let und fertig waren, der Koͤnig auch eben ins Schif ſteigen wolte, mit ihnen zu
reiſen; ſiehe! ſo fiel er gleich hin und ſtarb, und nahm ein ploͤtzliches und unverſe-
henes Ende; ſeine ganze Armee aber ging hierauf auseinander, und kehrte wie-
der in ihr Land.
§. 11.
Als die in Riga von des Biſchofs Leuten und die Ordensbruͤder die Anſchlaͤ-
ge der Eſthen erfuhren: ſo kauften ſie ein Laſtſchif, verſchanzten es rund umher
wie ein Schloß, legten funfzig Mann darauf mit Balliſten und Gewehr, ſetzten
es bey die Muͤndung des Duͤneſtroms, den Paß beym Eingang des Hafens zu
bewahren, damit nicht die Oeſeler kaͤmen, wie ehemals, und ihn verſchuͤtteten.
Wie nun der Koͤnig geſtorben, kam das Wort nach Oeſel, und da ſie hoͤrten,
H hdaß
[122]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtzehntes Jahr,
1214daß Steinſchuͤtzen und bewafnete Maͤnner den Hafen der Duͤne bewachten: gin-
gen ſie nach Saletſa, ruͤckten hinan bis an den See Aſtigerwe, pluͤnderten
der Letten Doͤrfer aus, machten die Weiber zu Gefangenen, und brachten die
Maͤnner ums Leben. Es verſamleten ſich auch einige Letten, die hinter
ihnen herfolgten und manche, ſo ſie ergriffen, niedermachten; die andern flo-
hen nach den Schiffen. Hierauf hatte die Kirche auf wenige Tage Ruhe, und
wartete auf die Ankunft ihres Biſchofs.
Des Biſchof Alberts achtzehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1215 bis 1216.
§. 1.
Es war das achtzehnte Jahr des Biſchofs, da er vom roͤmiſchen Hofe zu-
ruͤck kam. Er war in Hagenow vom Koͤnig Friedrichen vertroͤſtet
worden, und kehrte wieder nach Liefland mit dem Biſchof von Eſth-
land, Dietrichen, und mit andern glaͤubigen Rittern und Pilgern,
fand aber ſeine Leute in Dunemunde den Hafen bewahren. Dieſe erzaͤhlten
ihm ihre Zuͤge nach Eſthland, den Tod des Koͤnigs Woldemars, und wel-
chergeſtalt ſie in allen ihren Truͤbſalen getroͤſtet worden waͤren. Alſo entſtand eine
groſſe Freude in der Gemeine, ſowol uͤber die Ankunft des Biſchofs, als uͤber ihre
Befreyung von den Ruſſen und andern Voͤlkern.
§. 2.
Nachdem kamen die Biſchoͤfe mit den Bruͤdern von der Ritterſchaft zuſammen,
und machten eine Theilung uͤber Eſthland. Weil aber ſelbige nachmals keinen
Beſtand hatte, ſo halte ichs fuͤr unnuͤtze, ſie zu beſchreiben. Jch wil lieber mel-
den, wie die Rigiſchen mit den Liven und Letten, und der Ordensmeiſter
Volquin mit ſeinen Bruͤdern und Pilgern, wie auch mit den Leuten des Biſchofs,
von neuem zuſammen getreten und mit ihrer Armee, doch in allem Frieden, nach
der ſchon getauften Provinz Saccala gezogen. Sie lieſſen die Landesaͤlteſten
zu ſich kommen, nach deren Rath ſie ſich an die andern Eſthen machten, und ge-
brauchten ſie zu Wegweiſern. Am Tage der Himmelfahrt Mariaͤ aber fielen ſie
in die Provinz Harrien, die mitten in Eſthland lieget, wo auch alle umherliegen-
de Voͤlker jaͤhrlich, um verſchiedenes abzumachen, in Rugele*) zuſammen zu kom-
men pflegten. Als wir dahin kamen, theilten wir unſere Armee durch alle Wege
und Doͤrfer, ingleichen durch alle Provinzen dieſes Landes, ſengten und ver-
wuͤſteten alles, machten nieder was maͤnnlich war, nahmen Weib und Kinder ge-
fangen, und nahmen ihnen viel Pferde ab. Endlich kamen wir nach dem groſſen
Dorfe Lonea) ſo uͤber dem Bache mitten im Lande iſt, lagen drey Tage ſtille,
verwuͤſteten das ganze Land umher, und ſtreiften bis an die Revelſchen Doͤrfer.
Am vierten Tage laurten wir an dem Dorfe auf, erhaſchten neune von ihnen, und
machten auch etliche nieder. Die Armee kehrte mit groſſer Beute zuruͤck, und trieb
unzaͤhlige Ochſen und Schafe mit weg. Zwar ſetzten ihnen die Eſthen mit einer
ſtarken Malewab) nach, und wolten ihnen in Ruͤcken fallen. Das Loos ihrer
Goͤtter aber fiel fuͤrs Gegentheil aus. Hierauf kehrten die Rigiſchen mit groſſer
Freude nach Liefland, und theilten alles, was ſie mit ſich genommen, in Liebe.
§. 3.
Nachdem wurden die Ruſſen von Pleſcekowe auf die Ungannier unge-
halten, daß dieſe die Taufe der Lateiner angenommen, und ihre, das iſt die
Griechiſche, verachtet hatten, deswegen droheten ſie ihnen mit Krieg und for-
derten ihnen Schoß und Tribut ab. Die Ungannier aber befragten ſich deswe-
gen bey dem Biſchof von Liefland und bey den Ordensbruͤdern, begehrten auch
hierinne Huͤlfe. Dieſe ſchlugen ihnen ſelbiges nicht ab und verſprachen mit ihnen
zu leben und zu ſterben, ſagten ihnen auch zu, ſie waͤren frey von den Ruſſen,
ſo wie ehemals vor ihrer Taufe alſo auch nun. Nach dem Tode des Groskoͤnigs,
Woldemars von Ploſcekec) aber, ward ein neuer Feind gegen die Lieflaͤn-
diſche Kirche erwecket, nemlich Woldemar von Pleſcekowed), der kam nach
Ungannien, ſetzte ſich auf dem Berge Odempe, und ſandte ſeine Armee auf
allen Doͤrfern und Provinzen umher, die das ganze Land verheerten und in die
Aſche legten, viele Mannsleute todt ſchlugen, Weiber und Kinder aber gefangen
fuͤhrten. Es war auch daſelbſt ein Deutſcher Kaufmann Sigfrid, der um
alles das Seinige gekommen, welcher nach Riga gefluͤchtet, und es da gemeldet
hat.
§. 4.
Hierauf kamen die Rigiſchen Volksaͤlteſten mit den Biſchoͤfen, Albert
und Dietrich, und den Ordensbruͤdern, zuſammen. Jn Erwegung, daß ſie
ſich eines Krieges von den Ruſſen zu verſehen haͤtten, machten ſie eine Einthei-
lung uͤber alle Provinzen Eſthlands, ſo durch die Lieflaͤndiſche Kirche unters
Joch gebracht und getauft waren, und beſtimten der Lieflaͤndiſchen Kirche und
dem Biſchof uͤber Riga den dritten Theil aller Einkuͤnfte und Abgaben, die von
Eſtland fielen, damit er, wie an ihren Arbeiten und Kriegen, alſo auch an ihren
Troͤſtungen Antheil haͤtte; den andern Theil ſprachen ſie dem Biſchof von Eſth-
land; das uͤbrige Drittel aber den Ordensbruͤdern fuͤr ihre Muͤhe und Unko-
ſten zu.
§. 5.
Es kamen aber die Ungannier zum andernmale zu den Biſchoͤfen, um Huͤlfe
gegen die Ruſſen zu erſuchen, worauf die Biſchoͤfe ihre Leute mit den Ordensbruͤ-
dern nach Ungannien ſchickten. Dieſe brachten die Eſthen aus allen Provin-
zen zuſammen, und baueten mit ihnen den Berg Odempe, wohnten daſelbſt, be-
veſtigten das Schloß ungemein ſtark, theils gegen die Ruſſen, theils gegen ande-
re Voͤlker, welche ſich noch nicht hatten taufen laſſen. Die Ruſſen kamen auch,
ihrer Gewohnheit nach, ins Land der Letten von Tholowa, um ihren Tribut
zu heben. Nachdem ſie ſelbigen empfangen, legten ſie das Schloß Beverin in
die Aſche. Es ſahe aber der Ordensmeiſter, Bertold von Wenden, daß ſie
auf Krieg ausgingen, weil ſie die Schloͤſſer der Letten in Brand geſteckt, ſchickte
derhalben Leute hin, ließ ſie beym Kopf nehmen und ins Gefaͤngniß werfen; doch
ließ er ſie bey Ankunft der Geſandten des Koͤnigs von Nogarden los, und ſand-
te ſie mit allen Ehren wieder nach Rußland. Die Ungannier aber wolten ſich
an den Ruſſen raͤchen, und ſtunden auf mit den Maͤnnern des Biſchofs und zu-
gleich mit den Bruͤdern der Ritterſchaft, und zogen nach Rußland auf Nogar-
den los. Sie funden da ein Land vor ſich, ſo von ihrem Anzuge nicht das ge-
ringſte vorher vernommen, weil ſie ſich eben am Feſt der Erſcheinung Chriſti mit
H h 2Gaſtiren
[124]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtzehntes Jahr,
1215Gaſtiren und Saufen mehr als ſonſten luſtig zu machen pflegten. Hierauf theilten
ſie die Armee auf alle Doͤrfer, brachten viel Volk um, ſchlepten viel Weiber in die
Gefangenſchaft, trieben viel Pferde und Vieh weg, entfuͤhrten eine groſſe Beute,
raͤchten ihr Unrecht mit Feuer und Schwerdt, und kehrten luſtig mit dem ganzen
Raube wieder nach Odempe.
§. 6.
Nach dem Feſt der Erſcheinung Chriſti aber ſchickten die Rigiſchen an alle
Liven und Letten, brachten ein groß Heer auf, zogen nach Saecala und nah-
men die Landesaͤlteſten dieſer Provinz zu ihren Fuͤhrern. Es kamen auch die Un-
gannier mit ihren Deutſchen zu ihnen, die nach Gerwen marſchirten, ihre
Armee auf alle Doͤrfer und Provinzen dieſer Landſchaft vertheilten, und das ganze
Land mit einer ſchweren Plage ſchlugen. Sie lagerten ſich bey dem Dorfe Ca-
rethen ſechs Tage, ſengten, brenten und raubten rund umher. Die, ſo gute
Pferde hatten, ruͤckten auch in Wirland ein, verwuͤſteten ſelbiges Land gleicher-
maſſen, brachten die Mannsleute um, machten Weib und Kinder zu Gefangenen,
und begaben ſich nach reicher Beute wieder nach Carethen. Und es kamen da-
ſelbſt zu ihnen die Landesaͤlteſten der Provinz Gerwen, die um Frieden baten,
daß ſie aus ihren Grenzen weichen moͤchten. Sie antworteten ihnen aber: Wenn
ihr den wahren Frieden wollet, ſo mußt ihr Kinder des wahren
Friedensſtifters Chriſti werden, damit ihr nach Empfang ſeiner Taufe,
unſere immerwaͤhrende Bruͤderſchaft erlangen moͤget. Wie die von
Gerwen dieſes hoͤrten, wurden ſie froh, und verſprachen, damit ſie nur Friede
vor den Rigiſchen haben moͤchten, ſo wol ihre Taufe zu behalten, als auch ihnen
einen ewigen Tribut zu geben. Daher tauften wir auch etliche da, nahmen ihre
Kinder zu Geiſſeln mit, kehrten wieder mit aller unſrer Beute nach Liefland, und
lobten GOtt auch fuͤr die Bekehrung dieſer Nation.
§. 7.
Nachdem die Liflaͤndiſche Armee aus Gerwen ausruͤckte, brachten die
von Nogarden unverzuͤglich ein groß Heer Ruſſen in der Faſten auf. Es zog
mit ihnen Koͤnig Woldemar von Pleſcekowe mit ſeinen Leuten, die Boten
durch ganz Eſthland ſchickten, ſie moͤchten kommen und die Deutſchen und
Ungannier in Odempe belagern. Es kamen auch nicht allein von Oeſel,
ſondern auch aus Harrien und Saccala, die ſchon lange getauft waren, in
Hofnung, das Joch der Deutſchen und ihre Taufe ſolchergeſtalt von ſich abzu-
ſchuͤtteln. Sie zogen demnach den Ruſſen entgegen, belagerten mit ihnen das
Schloß Odempe, und ſchlugen ſich mit den Deutſchen, und ihren Gehuͤlfen
ſiebenzehn Tage lang herum, konten aber ihnen nicht ſonderlichen Schaden thun,
weil das Schloß ſehr veſte war. Die Bogenſchuͤtzen des Biſchofs, ſo im Schloſſe
waren, desgleichen die Ordensbruͤder verwundeten und toͤdteten viel Ruſſen mit
ihren Steinſchleudern. Gleichfals verwundeten auch die Ruſſen einige von den
Belagerten mit den Pfeilen ihrer Bogen und Armbruͤſte. Die Ruſſen zogen
im Lande herum, fingen viel Leute auf, ſchlugen ſie todt, und warfen ihre Koͤr-
per ins Waſſer, das am Fuß des Berges war, damit die im Schloſſe vom Waſ-
ſer nicht ſchoͤpfen konten. Sie thaten dabey allen Schaden, den ſie nur immer
konten, verheerten auch und branten im ganzen Lande umher. Und wenn ſie es
wagten nach ihrer Manier mit geſamter Macht auf dieſe Bergveſtung zu klettern:
ſo wurden ſie von den Deutſchen und Eſthen tapfer abgetrieben. Daher
muſten ſie manchen braven Kerl davor ſitzen laſſen. Als die Biſchoͤfe mit den
Ordensbruͤdern vernahmen, daß ihre Leute belagert waͤren, ſchickten ſie drey tau-
ſend Mann ihnen zu Huͤlfe. Volquin der Ordensmeiſter zog auch mit ihnen,
ingleichen Bertold von Wenden, und Dietrich des Biſchofs Bruder, mit
den Liven und Letten und einigen Pilgern. Da ſie an die See Raſtigerwee)
kamen,
[125]von 1215 bis 1216.
kamen, begegnete ihnen ein junger Kerl aus dem Schloſſe, den nahmen ſie zum Weg-1215
weiſer, erreichten mit fruͤhem Morgen das Schloß, lieſſen die Oeſeler zur rechten,
gingen auf die Ruſſen zu und ſchlugen ſich mit ihnen. Da ſie aber die ſtarke
und zahlreiche Armee anſichtig wurden, zogen ſie ſich zuruͤck ins Schloß. Denn
es waren von den Ruſſen und Oeſelern bey zwanzig Tauſend. Wie ſie nun
die Menge ſahen, ſtiegen ſie wieder nach dem Schloſſe, und es blieben einige von
den Ordensbruͤdern, tapfre Maͤnner, Conſtantin, Bertholdusf) und Elias;
desgleichen einige von den Bedienten des Biſchofs. Die andern kamen alle wohl
behalten nach dem Schloſſe; wegen der alzuvielen Mannſchaft und Pferde aber
entſtand im Schloſſe Hunger und Mangel an Lebensmitteln und Heu, daß die
Pferde ſich einander die Schwaͤnze abfraſſen. Da nun ebenfals bey der Rußi-
ſchen Armee es an allem gebrach, begaben ſie ſich endlich drey Tage nach dem
Scharmuͤtzel mit den Deutſchen in Unterredung.
§. 8.
Endlich machten ſie nach gepflogenen Tractaten Friede mit ihnen, doch ſo, daß
alle Deutſchen das Schloß raͤumen und nach Liefland kehren muſten. Der
Koͤnig Woldemar rief ſeinen Schwiegerſohn Dietrich, er ſolte zur Beſtaͤti-
gung des Friedens mit ihm nach Plescekowe kommen. Er traute ihm auch und
zog mit hinein. Die von Nogarden aber riſſen ſelbigen gleich aus ſeinen Haͤn-
den und fuͤhrten ihn mit ſich gefangen. Die Deutſchen marſchirten hierauf mit
den Liven und Letten nach getroffenem Frieden mitten durch die Ruſſen und
Oeſeler aus dem Schloſſe heraus, und zogen wieder nach Liefland. Jnzwi-
ſchen fielen die Saccalaner den Letten ins Land, zerſtoͤrten ihre Doͤrfer, fuͤhr-
ten die Leute an der Ymer gefangen, kehrten wieder nach Saccala, ohne an
alle vorher empfangne Sacramente zu gedenken, und weil ihnen an dem mit den
Deutſchen ehmaligen Frieden nichts gelegen war, ſo brachen ſie ſelbigen.
Des Biſchof Alberts neunzehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1216 bis 1217.
§. 1.
Neunzehn Jahr war nun Albert Biſchof und die Nation der Liven1216
hatte noch keine Ruhe vor dem Kriege a). Denn es ſchickte vorer-
wehnter hochwuͤrdige Biſchof ſeine Abgeordneten nach Nogarden ſo
wol, als nach Saccala, zur Beſtaͤtigung des Odenpeiſchen Friedens, bat auch
fuͤr ſeinen Bruder Dietrich bey ihnen fuͤr. Weil ſie aber Leute waren vol auf-
geblaſenes Stolzes, und bey ihrer Hoffart alzuuͤbermuͤthig thaten; achteten ſie we-
der die Fuͤrbitte des Biſchofs noch den Frieden der Deutſchen, ſondern blieſen
mit den Eſthen in ein Horn, und ſchmiedeten Anſchlaͤge, wie ſie die Deutſchen
uͤberrumpeln und der Lieflaͤndiſchen Kirche das Garaus ſpielen moͤchten. Wie
obbeſagter Biſchof dieſes vermerkte, ging er mit den nach Hauſe fahrenden Pilgern
wieder nach Deutſchland, empfal Liefland dem Herrn JEſu Chriſto und
ſeiner glorwuͤrdigen Mutter auch dismal zum Schutz an, that das Kriegsunwe-
ſen und der Seinigen Verluſt allen kund, und ermunterte ſie mit ſeinen Rittern, ſie
ſolten ſich als tapfere und edle Maͤnner zur Mauer vor das Haus des HErrn
J iſtellen,
[126]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neunzehntes Jahr,
1216ſtellen, das Kreuz annehmen und nach Liefland walfarthen zur Vergebung der
Suͤnden. Und es vernahm der Graf Albert von Louenborgb) alles Ungluͤck,
was die Ruſſen und Eſthen der Kirche in Liefland zugefuͤget, nahm alſo das
Kreuz an zur Vergebung der Suͤnden, und zog mit ſeinen Kriegsleuten, und tapfern
und edlen Maͤnnern nach Liefland. Es kam auch mit ihm Bernhard von
Dunemunde und andre, obgleich wenige Pilger. Man nahm ihn auch mit
groſſen Freudensbezeigungen auf. Es hatte ihn der HErr bisher in ſeinen Koͤcher
geleget, als einen auserleſenen Pfeil, den er zu gelegener Zeit nach Liefland ſchi-
cken wolte, ſeine Kirche von den Feinden zu erretten.
Albert ge-
weſen.
Not. Weil der Herr Hofrath Gruber die Holmgardiſchen Koͤnige lieber zum Rußiſchen
Reiche zu rechnen ſcheinet, und das jetzige St. Petersburg recht die Mitte deſſelben
Koͤnigreichs ausgemacht, ſo wollen wir die Geſchlechtstafel der Holmgardiſchen
Koͤnige hier mittheilen, wie ſie Oernhiaͤlm abgefaſſet.
WaldemarI Koͤnig von Holmgarden oder Rußiſch Oſtrogarden, ward Anno 984
durch Oloff Tryggoſon, nachmaligen Koͤnig von Norwegen, zu erſt zum Chriſtlichen Glau-
ben gebracht, unter Beyſtand eines gewiſſen Prieſters Paul, den der Koͤnig bey ſeiner Ruͤck-
reiſe von Conſtantinopel aus Griechenland mit ſich zum Reiſegefaͤhrten genommen.
Seine Gemahlin hieß Arlogia.
[133]von 1216 bis 1217.
§. 2.
Nachdem er in Riga anlangte, ſchickten die Eſthen nach Rußland an die1216
Ruſſen viele Geſchenke, und baten, ſie moͤchten mit einer Armee kommen, und
die Kirche in Liefland zu Grunde richten. Der Groskoͤnig von Nogarden,
Misceslaus aber hatte eben zu der Zeit eine weite Reiſe vorgenommen, um
wegen des Reichs Gallatienc) mit dem Koͤnig von Ungern anzubinden, hatte
auch einen neuen Koͤnig in ſeiner Reſidenz Nogarden nachgelaſſen. Dieſer ließ
durch ſeine Boten in Eſthland anſagen, er wolle in Begleitung des Koͤnigs Wol-
demars und vieler andern Koͤnige, mit einer ſtarken Armee anruͤcken. Die
Eſthen freueten ſich daruͤber, ſchickten durch ganz Eſthland umher, und ver-
ſamleten ein ſehr ſtarkes und zahlreiches Heer. Sie lagerten ſich bey der Pala in
Saccala. Jhr Oberhaupt, der untreue Landesaͤlteſte Lembit, beſtelte alle
aus allen Provinzen, und es ſtieſſen ſowol die von Roͤtel, Harrien und Wier-
land, als die von Reval, Gerwen und Saccala zu ihm. Jhrer waren
etwan ſechstauſend Heiden, die alle in Saccala fuͤnf Tage auf den Anmarſch der
Rußiſchen Koͤnige warteten. Die Rigiſchen, die von ihrer Zuſammenkunft
und Abſicht Wind hatten, machten ſich auf und eilten aufs geſchwindeſte zu ihnen,
weil ſie den Ruſſen zuvor kommen wolten. Alſo zogen aus mit ihnen der Graf
Albert mit ſeinen Rittern und Knechten: Der Ordensmeiſter Volquin mit ſei-
nen Bruͤdern. Bernhard, Abt von Dunemunded); der Probſt Johan-
nes; die Liven und Letten; auch der getreueſte Caupo, der die Kriege und
Feldzuͤge des HErrn niemals verabſaͤumete. Dieſe gingen mit einander zu Felde.
Alle oberwehnten kamen alſo nach Saccala, wo der Ort des Gebets und der
Unterredungen fuͤr die Armee war. Sie beſtunden aus etwan dreytauſend auser-
leſenen Leuten. Sie ſtelten die Deutſchen in die Mitten, die Liven zur Rech-
ten, und wieſen den Letten den Weg zur Linken an. Sie ſchickten auch einige
aus auf die Doͤrfer, die etliche Leute auffingen und von ihnen die Staͤrke des Heers
vernahmen, das ihnen ſchon entgegen zog und ſich zum Streite gefaſt machte. Auf
dieſe Nachricht marſchirten ſie vorſichtig und in guter Ordnung, und erreichten mit
dem Abend das Schloß Viliendee), wobey ſie Nachtquartier nahmen, die hohe
Meſſe hielten und am Tage Matthiaͤ des Apoſtels auf die Feinde zugingen. Allein
ſie befanden, daß jene ſich anderwerts hingewendet, und ſetzten daher ihnen gleich
nach, und da ſie ſahen, wie jene in voͤlliger Bereitſchaft zu ſchlagen ſogleich aus
den Waͤldern entgegen ruͤckten, gingen ſie ebenfals drauf los, und die Deut-
ſchen fochten in der mitten, wo der groͤſte und ſtaͤrkſte Trup war. Einige von
ihnen ruͤckten zu Pferde, andere zu Fuß, in guter Ordnung etwas aus, brachen
mitten ein, trenten ihre Schlachtordnung und ſchlugen ſie in die Flucht.
L ld) Nem-
[134]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neunzehntes Jahr,
§. 3.
Auch die Letten, ſo auf dem linken Fluͤgel fochten, drungen beherzt mit den
Deutſchen unter ihre Feinde ein, gegen welche die von Saccala mit Lembi-
ten und andern Volksaͤlteſten ſich geſtellet hatten. Dieſe verwundeten auch viele
von den Letten, brachten einige ums Leben und wehrten ſich lange und tapfer.
Da ſie aber gewahr wurden, daß ihr mittelſter Trup von den Deutſchen in die
Flucht geſchlagen, gaben ſie ſelbſt Ferſengeld. Die Letten ſetzten ihnen hierauf
nach, machten viele nieder und die andern fluͤchteten. Veko, Jerobeams
Bruder, kante Lembiten, ſetzte ihm nach, ſchlug ihn todt, und nahm ihm ſeine
Kleider ab; die andern hieben ihm den Kopf herunter, und brachten ihn mit ſich
nach Liefland. Es blieben auch damals manche Landesaͤlteſten von Saccala;
als Wottele, Maniwalde*), mit mehrern andern. Die Liven aber, die
den rechten Fluͤgel ausmachten, wie ſie die Lanzen der Eſthen ſo grauſam uͤber ſich
wegfliegen ſahen, ſchlugen ſich zu den Deutſchen, und ſetzten mit ihnen den Fluͤch-
tigen nach. Die Eſthen gingen zwar auf ſie los, und fielen uͤber einige von un-
ſern Leuten her, die jenen im Ruͤcken folgten. Allein dieſe wehrten ſich maͤnnlich
und ſchlugen ſie in die Flucht. Wie nun alle Eſthen verjagt waren, ſo jagten die
Liven und Letten und Sachſen ihnen nach, hieben manche im Buſche nieder,
faſt auf tauſend, ja unzaͤhlige, die im Walde und Moraͤſten nicht konten gerechnet
werden, brachten meiſt zweytauſend Pferde davon, nahmen ihnen alles Gewehr
und Beute ab, und theilten folgendes Tages alles Geraubte unter ſich in gleiche
Theile.
§. 4.
Caupo aber, deſſen beyde Seiten mit einer Lanze durch und durch geboret
waren, betrachtete glaͤubig die Paßion des Heilandes, nahm die Sacramente des
Leibes des Herrn, und gab unter herzlicher Bekentniß der Chriſtlichen Religion ſei-
nen Geiſt auf, nachdem er vorher alle ſeine Guͤter den Kirchen vermacht, die in
Liefland errichtet waren. Es bedauerten ihn ſo wol der Graf Albert, als der
Abt, und alle, die ſich bey ihm befanden. Alſo ward ſein Leib verbrant f), ſeine
Gebeine nach Liefland gebracht und in Cubbeſeleg)begraben.
§. 5.
Nach der Schlacht zog die Armee fort nach der Pale, in das Dorf des Lem-
bits, lagerte ſich daſelbſt drey Tage und ſchickte die Liven und Letten aus, alle
Provinzen umher zu verheeren und aufzubrennen. Daher kam Lembits Bruder
Unepewe zu ihnen, mit andern, die zuruͤck geblieben, und baten gar ſehr, daß
der alte Friede moͤchte erneuert werden. Die Deutſchen hingegen ſagten: Weil
ihr das angenommene Sacrament der heiligen Caufe verachtet, und
den Glauben an Chriſtum mit den Rathſchlaͤgen der Heiden und Ruſſen
beflecket habet; ſo hat euch GOtt geſtraft. Kehret nun wieder glaͤu-
big um zu Chriſto, ſo wollen wir euch in die Gemeinſchaft ſeiner bruͤ-
derlichen Liebe auf und annehmen. Dis war ihnen gefaͤllig. Und es
wurde ihnen nach ausgelieferten Geiſſeln zum andernmale Friede gegeben, daß ſie
alle Pflichten der Chriſtenheit getreulich beobachten ſolten. Hierauf wandte ſich
die Armee mit aller ihrer Beute wieder nach Liefland, und lobten fuͤr den ſo herr-
lichen von GOtt verliehenen Sieg den HErrn, der da iſt gelobet in Ewigkeit.
Nachdem der Graf Albert von der Schlacht mit denen von Saccala zuruͤckkam,
wolte er gerne einen andern Kriegszug nach Oeſel unternehmen, ließ auch eine
groͤſſere Maſchine machen, und ermunterte alle zu dieſem Marſche. Er ließ denſel-
ben Winter der Armee oft die Zuſammenkunft anſagen, allein es fielen ſo haͤufige
Schlackregen, daß ſie, bey aufgegangenem Eiſe der See, nach Oeſel, weil es eine
Jnſel im Meer iſt, nicht gelangen konten. Daher die Rigiſchen mit den Li-
ven und Letten in der Faſten aufbrachen, und auf andere Eſthen los zu gehen,
Anſtalt machten. Bey ihrer Ankunft nach Saletſa, ſchickten ſie ihre Kundſchafter
voraus, und ſtieſſen auf die Oeſeler. So bald die Oeſelſchen der Rigiſchen
Armee Anzug vernahmen, ſo gleich ſahen ſie ſich nach der Flucht um. Die Rigi-
ſchen aber ſetzten mit ihrer Armee ihnen den ganzen Tag nach, drangen den Tag
drauf in die am Strande um Oeſel gelegenen Provinzen, breiteten ſich mit der
Armee auf alle Straſſen aus, pluͤnderten das Land, machten alle erhaſchte Manns-
perſonen nieder, fuͤhrten Weiber und Kinder gefangen, trieben viel Vieh weg,
holten viele Beute, und lieſſen Doͤrfer und Haͤuſer im Rauch aufgehen. Wie ſie
die Armee zuſammengezogen hatten, lagerten ſie ſich und ruheten etliche Tage mitten
im Lande aus. Und es kamen zu ihnen die Landesaͤlteſten von Hamale und
Cozzo und allen Provinzen, die von Roͤtel bis Revel und Harrien ſich erſtreck-
ten, baten um Frieden, und dabey, daß ſie von ihren Grenzen weichen moͤchten.
Die Rigiſchen aber ſagten: Wenn ihr euch mit dem Bad der heiligen
Taufe wolt beſprengen laſſen, und mit uns Kinder des wahren Frie-
denſtifters werden, der Chriſtus iſt; ſo wollen wir auch wahren Frie-
den mit euch machen, und euch in unſre Bruͤderſchaft aufnehmen.
Die Eſthen wurden uͤber dieſe Antwort erfreuet, ſtelten Geiſſeln von ſich, und
unterwarfen ſich der Lieflaͤndiſchen Kirche, ſo wol um die heilige Taufe zu em-
pfangen als eine jaͤhrliche Gerechtigkeit zu erlegen. Alſo ward ihnen Friede zuge-
ſtanden, die Rigiſchen kehrten mit vieler Beute zuruͤck, und lobten GOtt, weil
ſie dieſes Volk unter ihr Joch gebracht.
L l 2§. 6. Nach-
[136]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neunzehntes Jahr,
§. 6.
Nachdem die Saccalaner ſich das andremal zum Chriſtenthum bekeh-
ret, kamen auch die von Gerwen zum andernmale und ergaben ſich an die Kirche
von Liefland in Gegenwart des Grafen Alberts und aller Rigiſchen Aelteſten,
lieferten dabey ihre Kinder zu Geiſſeln, damit ſie auch die heilige Taufe empfingen,
und der Lieflaͤndiſchen Kirche einen ewigen Schoß erlegten, oder ein gewiſſes
ſtat des Zehnden verordnetes Maß Getreide entrichteten. Alſo kehrten ſie wieder
in ihr Land und freueten ſich uͤber die Ruhe des Friedens.
§. 7.
Zu derſelben Zeit ſtunden die Oeſeler auf und ruͤckten mit einer Armee nach
Metſepole. Sie hatten etwan tauſend der beſten Leute bey ſich und pluͤnderten
die ganze Provinz in Metſepole. Nachdem brachen ſie in ein ander Kirchſpiel
Ledegore ein, verheerten das Land rund umher, machten etliche Mannsbilder
nieder, Weiber und Kinder aber nahmen ſie mit ſich weg. Wie ſie ſich dem
Pfarrhauſe naͤherten, ſahe ſie der Prieſter Gottfried eben kommen. Er ſtieg al-
ſo unverzuͤglich auf ſein Pferd, flohe vor ihnen, und ritte im ganzen Kirchſpiel
herum, rief alle Kerl zuſammen mit den Heiden zu fechten, und ſchickte auch die
ganze Nacht durch, an die benachbarten Kirchſpiele, daß ſie den folgenden Tag
zur Schlacht kaͤmen. Es erſchienen alſo Veſike mit ſeinen Liven, wie auch ei-
nige Bedienten des Biſchofs aus dem Schloſſe Fredeland, und verſamleten ſich,
den Oeſelern nachzuſetzen. Es waren aber nur ſieben Deutſche von den Be-
dienten des Biſchofs und der achte war der Prieſter Gottfried, der ſeine Ruͤ-
ſtung umnahm, ſeinen Panzer anzog, und als ein Goliath (gigas) h) ſeine
Schafe aus dem Rachen der Woͤlfe herauszureiſſen ſuchte. Sie fielen jenen auch
in Ruͤcken, und hieben ſie brav in die Pfanne. Allein jene wandten ſich um, und
verwundeten nach langer Gegenwehr ebenfals viele von dieſen. Nach langem Ge-
fechte ergriffen die Oeſeler endlich die Flucht, und blieben ihrer ungefaͤhr Hundert,
die uͤbrigen entflohen. Doch die Knechte des Biſchofs ſamt den Liven folgten
ihnen nach, bis uͤber Saletſa auf ebener Straſſe am Strande, erbeuteten auch
faſt vier hundert der beſten Pferde: die ſie nachher mit geſamtem Raube theileten,
und GOtt lobeten, der durch wenige Sieg uͤber ihre Feinde verſchaffet hatte.
Des Biſchof Alberts zwanzigſtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1217 bis 1218.
§. 1.
Das zwanzigſte Jahr des Biſchofs war ſchon da, und Liefland hatte1217
vor den Kriegen noch keine Ruhe. Selbiges Jahres kamen ober-
wehnter Biſchof von Riga, der von Eſthlanda) und der Abt
Bernhard, ſo in dieſem Jahre zum Biſchof von Semgallenb) ge-
weihet worden, mit dem aus Liefland zuruͤckziehenden Grafen Albert, zum Koͤ-
nige von Daͤnnemark und baten unterthaͤnigſt, daß er ſeine Seemacht kuͤnftiges
Jahr nach Eſthland ſchicken moͤchte, damit die Eſthen deſto mehr gedemuͤthigt
wuͤrden und nachlieſſen mit den Ruſſen die Kirche in Liefland zu bekriegen.
Da nun der Koͤnig den ſchweren Krieg der Ruſſen und Eſthen gegen die Liven
vernahm; ſo verſprach er, er wolte mit ſeiner Armee folgendes Jahr nach Eſth-
land kommen, ſowol der Mutter GOttes zu Ehren, als zur Vergebung ſeiner
Suͤnden. Hieruͤber freueten ſich die Biſchoͤfe. Der hochwuͤrdige Biſchof der
Lieflaͤndiſchen Kirche, Albert, zog wieder weg, ſamlete Pilger, predigte ih-
nen Vergebung der Suͤnden und ſchickte ſie nach Liefland, damit ſie ſich am Ta-
ge des Streits um das Haus des HErrn ſtellen und die neue Kirche vor dem An-
fal der Heiden beſchuͤtzen ſolten. Er fuͤr ſeine Perſon ſchob ſeine Reiſe nach Lief-
land dis Jahr auf, damit er folgendes Jahr deſto Mannſtaͤrker und mit mehrern
ankaͤme. Er ſetzte auch an ſeine Stelle inzwiſchen den Dechanten von Halber-
ſtadt, der mit Heinrich Burewinenc), einem vornehmen Mann von Wende-
lande, und einigen andern Pilgern nach Liefland gezogen war, daſelbſt das
Jahr ſeiner Pilgerſchaft zuzubringen.
§. 2.
Nach dem Feſte Mariaͤ Himmelfart aber, da ſchon die Sommerhitze vorbey
war, ward der Zug gegen die von Revel und Harrien angeſaget, die ſich noch
immer widerſpenſtig und grauſamer als die andern aufgefuͤhret hatten. Dem-
nach kamen die Rigiſchen mit den Liven und Letten zuſammen, und es zog mit
ihnen Heinrich Burewin, und der Ordensmeiſter Volquin mit ſeinen Bruͤ-
dern. Dieſe kamen nach Saccala, wo der Ort des Gebets und der Verſamlung
der Armee zu ſeyn pflegte d), wo auch Graf Albert eine Bruͤcke ſchlagen ließ, und
nahmen daſelbſt Abrede, die Provinz Revel zu pluͤndern. Tages darauf zogen
ſie durch Saccala, kamen an das Schloß Viliende, und ihre Kundſchafter
langten hier wieder bey ihnen an, die ſie ausgeſchicket hatten, die Landesaͤlteſten
dieſer Provinz zuſammen zuberufen, damit ſie ihnen der Gewohnheit nach Weg-
weiſer abgaͤben. Dieſe brachten die Boten der Ruſſen und Oeſeler mit ſich, ſo
ſie auf den Doͤrfern ertappet hatten, die von den Ruſſen abgefertiget waren,
um durch ganz Eſthland eine Armee aufzubringen, und ſelbige nach dem Ruſ-
ſiſchen Heere zu fuͤhren, damit ſie zugleich in Liefland einfallen moͤchten. Sel-
bige ſtelten ſie mitttn unter das Volk, und befragten ſie um die Urſachen ihrer Ge-
ſandtſchaft. Dieſe ſagten hierauf aus, daß ein ſtarkes Heer der Rußiſchen Koͤ-
nige morgendes Tages aus Ungannien nach Liefland im Anmarſch begriffen;
ſie waͤren zu dem Ende abgeſchickt, daß ſie die Armee der Eſthen den Ruſſen
zufuͤhren ſolten. Auf dieſe Auſſage kehrte die Lieflaͤndiſche Armee denſelbigen
Weg,
[139]von 1217 bis 1218.
Weg, den ſie gekommen war, um, und zogen den Tag darauf den naͤchſten Weg e),1217
gegen Ungannien den Ruſſen entgegen. Die Ruſſen ſetzten auch den ganzen
Tag uͤber den Fluß, ſo die Embach genennet wird, und kamen den Liven ent-
gegen. So gleich auch kamen unſere Kundſchafter zuruͤck, mit Vermelden, der
Ruſſen Heer ſey ſchon im Anzuge begriffen. Wir machten uns geſchwind auf,
und ſtelten unſere Truppen in Schlachtordnung, ſo daß die Liven und Letten zu
Fuß, die Deutſchen aber zu Pferde fochten. Nach geſtelter Armee ruͤckten
wir grades Weges auf ſie an. Und da wir an ſie kamen, griffen die im erſten
Gliede ſie an, ſchlugen ſich mit ihnen, jagten ſie in die Flucht, und ſetzten hinter
ihnen drein, eroberten auch die Fahne des Groskoͤnigs von Nogardien, wie auch
zwey andre Fahnen von andern Koͤnigen und haueten die Maͤnner, ſo ſie trugen,
nieder. Es wurden unterwegens hier und da welche von ihnen niedergemacht, un-
ſere ganze Armee folgte ihnen nach, bis die Liven und Letten, die zu Fuße
liefen, mat wurden. Jeder ſetzte ſich alſo auf ſein Pferd, und verfolgte die
Ruſſen.
§. 3.
Die Ruſſen aber flohen faſt zwey Meilen, und kamen an einen kleinen Strom,
uͤber den ſie gingen, und Halte machten. Sie zogen hier ihre Truppen wieder zu-
ſammen, ruͤhrten ihr Spiel, Trummeln und Pfeifen, der Koͤnig Woldemar
von Pleſcekowe und der Koͤnig von Nogarden ritten um die Armee herum,
und ermunterten ſie zum Fechten. Die Deutſchen aber, nachdem ſie dieſe bis
an den Strom verfolget, ſtunden gleichfals ſtille, und waren wegen Menge der
Ruſſen nicht im Stande zu ihnen uͤber den Fluß zu kommen. Doch beſetzten ſie
einen kleinen Huͤgel im Fluſſe, und warteten, bis die folgenden nachkammen. Sie
ſtelten auch ihre Armee zum andernmale in Schlachtordnung, daß einige zu Fuſſe,
einige zu Pferde den Ruſſen gegen uͤber ſtanden. Welcher Live und Lette aber
auf den Huͤgel des Fluſſes kam, wo die Truppen in Ordnung geſtellet waren, und
die Menge der Rußiſchen Armee anſichtig ward, der war wie mit der Keule
vor den Kopf geſchmiſſen, und ſahe ſich nach dem Ruͤckwege um, nahm auch ge-
ſchwind Reisaus. Einer lief immer hinter dem andern her; und wie ſie vollends
die Pfeile der Ruſſen auf ſich los fliegen ſahen, gingen ſie alle auf einmal durch.
Die Deutſchen allein hielten Stand, deren nur zwey hundert waren. Aber auch
von ihnen ſchlichen ſich etliche weg, daß kaum hundert nachblieben, welchen die
ganze Laſt des Streites auf den Hals gewaͤlzet wurde. Die Ruſſen fingen an den
Bach zu paßiren, und die Deutſchen lieſſen es zu, bis etliche heruͤber waren,
auf welche ſie beym Bache wieder losſchlugen und ihrer etliche toͤdteten. Es bega-
ben ſich auch noch andere uͤber den Bach zu den Deutſchen, die aber zuruͤck zu
weichen genoͤthiget wurden. Ein gewiſſer ſehr maͤchtiger Herr von Nogarden,
ging uͤber den Strom um Kundſchaft einzuziehen, als er aber um die Liven von
ferne herum ritte, ſtieß Dieterich von Kukenois auf ihn, hieb ihm die rechte
Hand ab, in welcher er den Degen fuͤhrte, und ſchlug ihn im Nachſetzen nieder.
Die uͤbrigen machten dem Reſte das Garaus, und alſo ſprungen ſie mit allen um,
die auf ſie uͤber den Strom angeruͤcket waren. Auf ſolche Art daurte das Ge-
fechte beym Boche von neun Uhr des Morgens bis faſt an der Sonnen Untergang.
Nachdem nun der Koͤnig von Neugarden den Tod ſeiner Leute, ungefaͤhr funfzig,
ſahe, verbot er der Armee, es ſolte keiner mehr uͤbergehen. Alſo kehrten die Ruſ-
ſiſchen Truppen zu ihren Feuern. Die Deutſchen aber kamen alle friſch und
M m 2geſund
[140]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwanzigſtes Jahr,
1217geſund nach Hauſe und ſungen den ganzen Weg, auſſer einem Soldaten des Hein-
rich Burewins, welcher an der Wunde eines Pfeils ſtarb, und einem Letten,
Veko, der ſich an einen Baum geſtelt und allein mit neun Ruſſen ſich lange Zeit
herumſchlug, bis er endlich eine Wunde von hinten bekam, niederfiel und ſtarb.
Die andern Liven und Letten kamen alle ohne Schaden davon, von welchen viele
aus dem Buſche, worinne ſie ſich verkrochen, wieder zu den Deutſchen auf den
Weg kamen, und mit ihnen ſich freueten, daß ſie, ſo wenig ihrer auch geweſen,
einer ſo ſtarken Anzahl Ruſſen entgangen waͤren. Und ſie lobten alle die Gna-
de des Heilandes, der ſie zuruͤckgefuͤhret, und aus den Haͤnden ihrer Feinde erloͤ-
ſet hatte, daß ſie bey ihrem gar ſchwachen Haufen faſt funfzig Ruſſen umgebracht,
und ihnen Gewehr, Raub und Pferde abgenommen. Es waren aber von den
Ruſſen ſechszehen tauſend Mann, die der Groskoͤnig von Nogarden durch ganz
Rußland ſchon zwey Jahre lang werben, und mit der beſten Ruͤſtung, die man
in Rußland hatte, verſehen laſſen. Dieſe fielen nach drey Tagen in Liefland ein.
§. 4.
Gleich anfangs pluͤnderten ſie die Doͤrfer der Letten an der Ymer, und
ſteckten ihre Kirche in Brand. Nachher verſamleten ſie ſich bey dem Schloſſe
Urele, lagen zwey Tage daſelbſt ſtille, und kamen den dritten Tag auf den Hof
des Prieſter Alobrands oberhalb Raupaf), wie ihm Woldemar einmal
voraus geſaget, blieben daſelbſt drey Tage liegen, verbranten alle Kirchen ſo wol
der Liven als der Ydumeer umher, pluͤnderten alle Provinzen und Kloͤſter,
nahmen die Weiber und Kinder gefangen, ſchlugen das Mannsvolk, ſo ſie erwiſch-
ten, todt, ſchlepten das Korn von dem Felde allenthalben zuſammen und legten
Feuer darein. Ebenfals kam Gerceslawsg), Woldemars Sohn, mit einem
andern Heer, belagerte die Bruͤder der Ritterſchaft in Wenden, und fochte mit
ihnen den ganzen Tag. Tages darauf ging er uͤber die Goiwa zu dem Koͤnig
von Nogarden und zu ſeinem Vater nach Jdumea, pluͤnderte und verheerte
das Land der Letten, der Ydumeer und Liven, und veruͤbte allen moͤglichen
Schaden. Die Rigiſchen, die von allem Unheil Nachricht hatten, was die
Ruſſen in Ydumea ſtifteten, ſtunden wieder auf mit dem Ordensmeiſter Vol-
quin, mit Heinrich Burewinen und ihren Pilgern und Liven, und gingen
nach Thoreida, lieſſen aus den herumliegenden Provinzen alle Mannsleute zu-
ſammen kommen, und wolten wieder mit den Ruſſen anbinden. Sie ſchickten
auch Kundſchafter nach ihnen aus, die ſo gleich einen Haufen Ruſſen auf dem
Dorfe Ymme antrafen, denen ſie auch bis nach Raupa nachjagten.
§. 5.
Nachdem ſie wieder zu den Jhrigen kamen, ſo berichteten ſie, die Deutſchen
waͤren im Anmarſch. Auf dieſe Nachricht brachen die Ruſſen gleich da auf, gin-
gen uͤber die Goiwe, belagerten das Schloß Wenden, und fochten mit ihnen
den ganzen Tag. Die Schuͤtzen der Ordensbruͤder kamen auch aus ihrem Schloſſe,
warfen ſich in das Schloß der Wenden, erlegten mit ihren Steinſchleudern viele,
und verwundeten noch mehrere. Daher wurden viel vornehme Herren nach har-
ten Bleſſuren zwiſchen zwey Pferden auf ihren Tragſeſſeln halbtodt aus der Schlacht
getragen. Der Ordensmeiſter von Wenden aber war mit ſeinen Bruͤdern Ta-
ges vorher nach dem Verſamlungsort der Deutſchen abgegangen. Die ganze
Rußi-
[141]von 1217 bis 1218.
Rußiſche Armee belagerte unterdeſſen das Schloß. Daher gingen ſie des Nachts1217
mitten durch die Feinde und kehrten wieder in ihr Schloß. Des Morgens drauf,
da der Koͤnig von Nogarden ſeine beſten Leute beſchaͤdigt und andere umgebracht
ſahe, auch die Unmoͤglichkeit, das Schloß Wenden zu erobern, uͤberlegte, da es
das kleinſte Schloß war, das Liefland damals hatte: ſprach er mit den Ordens-
bruͤdern ganz friedfertig. Dieſe wolten von keinem ſolchen Frieden wiſſen, und
trieben ſie mit Geſchuͤtz von ſich weg. Daher die Ruſſen vor dem Anfal der nach-
folgenden Deutſchen ſich furchten, von dem Schloß ſich wegmachten und den
ganzen Tag marſchirten, bis ſie nach Tricatien gelangten, und alſo eiligſt ſich
aus dem Lande machten.
§. 6.
Wie ſie in Ungannien angekommen, vernahmen ſie, daß in Rußland
eine Litthauiſche Armee ſey, daher ſie nach Pleſcekowe kehrten, und ſchon ei-
nen Theil der Stadt ſelbſt von den Litthauern gepluͤndert funden.
§. 7.
Damals brachen auch einige Letten auf und machten ſich mit weniger Mann-
ſchaft in Rußland, pluͤnderten die Doͤrfer, ſchlugen die Menſchen todt, fuͤhrten
einige gefangen, holten Beute, und thaten, um die Jhrigen zu raͤchen, allen
Schaden, den ſie konten. Und da dieſe nach Hauſe zogen, gingen wieder andere
hin und unterlieſſen ebenfals nichts, wodurch ſie Schaden zufuͤgen konten.
§. 8.
Es hatten auch die Oeſeler einen Rath gepflogen, daß ſie mit den Ruſ-
ſen und Eſthen nach Liefland ziehen und die Kirche zerſtoͤren wolten. Aber
wegen der Schlacht der Deutſchen mit den Ruſſen wurde ihr Anſchlag zunich-
te, daß weder die von Saccala noch von Oeſel erſchienen. Nur die von Har-
rien nebſt einigen andern folgten den Ruſſen, ſtieſſen zu ihnen bey Wenden
und kehrten auch mit ihnen zugleich wieder um. Die von Oeſel aber fuhren zu
Schiffe auf die Duͤne, machten auf den Jnſeln etliche zu Gefangenen, raubten
viel Vieh und brachten einen Einſiedler um, der aus Duͤnemuͤnde ausgezogen,
und auf der benachbarten Jnſel das Einſiedlerleben erwaͤhlet hatte, auch daſelbſt
auf den Kampf ſeines Maͤrtyrerthums wartete. Wie er dieſen volbracht, iſt er ohne
Zweifel gluͤcklich zur Gemein- und Geſelſchaft der Heiligen gelanget. Es ſchickten
zwar die Ruſſen von Pleſcekowe Geſandten nach Liefland mit dem Anbrin-
gen, ſie wolten mit den Deutſchen Frieden machen. Aber ſie hatten allezeit
hoͤſe Anſchlaͤge nebſt den Eſthen vor, und lauter Betrug im Sinn.
§. 9.
Dieſes ſahen die Rigiſchen ganz wohl und ſchickten an die Liven und Let-
ten, ſie ſolten ein Heer zuſammen ziehen und gegen die Eſthen zu Felde gehen.
Sie kamen auch um den erſten Faſtenſontag nach Saletſa, und es war daſelbſt
der Ordensmeiſter Volquin ſamt Heinrich Burewinen und den Pilgern, Li-
ven und Letten, wo ſie uͤbers Eis gingen, bis ſie nach Sontagana kamen.
Da nahmen ſie von dem Schloſſe Wegweiſer, und marſchirten die ganze Nacht nach
der Provinz Revel. Sie hatten aber einen kalten Nordwind im Geſichte. Denn
es war eine ſo ſchneidende Kaͤlte, daß vielen die aͤuſſerſten Theile der Glieder
vor Froſt zu ſchande gingen, einigen die Naſe, andern die Haͤnde und noch an-
dern die Fuͤſſe erfroren, und daß uns allen bey unſerm Ruͤckzuge nach Hauſe eine
neue Haut im Geſichte wuchs, nachdem wir die alte wie einen Balg abgeworfen
hatten. Einige muſten auch nachher ſterben. Sie theilten aber ihre Armee in
drey Haufen; und Veſeke mit ſeinen Liven nahm das eine Corps und den Weg
N nzur
[142]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ein und zwanzigſtes Jahr,
1217zur Linken; die Letten aber zur Rechten, und lieſſen den Deutſchen, nach ge-
woͤhnlicher Art, die Mittelſtraſſe. Veſeke aber blieb nicht auf ſeinem Wege, ſon-
dern ging die mitlere Straſſe mit ſeinen Liven vor den Deutſchen voraus, die
mit fruͤhem Morgen vor Tage das erſte Dorf, ſo ſie antrafen, in Brand ſteckten,
um ſich zu waͤrmen. Wie die Eſthen aus der ganzen Provinz das Feuer ſahen,
merkten ſie gleich, daß eine Armee der Liven da ſey, und jeder flohe nach ſeinem
Schlupfloche. Die Deutſchen aber, ſo nach kamen, das Dorf vor Tage im
Brande erblickten, und meinten ihr Wegweiſer habe des Weges verfehlet, ſchlu-
gen denſelben da todt. Bey Anbruch des Tages aber durchſtreiften ſie alle Doͤr-
fer, ſteckten ſie an, ſchlugen die Menſchen todt, machten einige zu Gefangenen,
nahmen viel Vieh und Beute, und gelangten des Abends an ein Dorf, ſo Ladyſſeh)
hieß, ruheten daſelbſt des Nachts, kamen des folgenden Tages an ein ander be-
nachbartes Dorf, ſo Culdale genennet wurde, begaben ſich des dritten Tages
weiter, und machten viele Beute. Nach einer Zeit von drey Tagen gingen ſie uͤber
das Eis des benachbarten Meers, trieben alle Beute und Gefangenen mit ſich, wo
jetzt die Duͤnen ihr Schloß in der Naͤhe gebauet haben. Nach und nach kehrten
ſie uͤbers Eis der See zuruͤck, machten wegen der Gefangenen und der Beute ei-
nen zehntaͤgigen Aufenhalt, warteten dabey die Oeſeler oder andere Eſthen ab,
ob ſie vielleicht mit kommen moͤchten uns zu bekriegen. Und da wir an Saletſa
kamen, theilten wir alle Beute unter uns, kehrten nach Liefland und freueten
uns, wie ſich Sieger freuen, wenn ſie Beute austheilen.
Des Biſchof Alberts ein und zwanzigſtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1218 bis 1219.
§. 1.
Das ein und zwanzigſte Jahr des Biſchofs trat nun ein, und die Kirche in
Liefland hatte vor den Kriegen noch keine Ruhe. Denn in ſelbi-
gem Jahre geſchahen viele Feldzuͤge und der Krieg ging von neuem los.
Da nun beſagter Biſchof aus Deutſchland kam: ſo langten auch mit
ihm viele Pilger und Edele an. Unter denen war der vornehmſte der Graf von
Sachſen-Anhalt, Alberta); Rudolph von Stotle; ein Burggraf; ein
gewiſſer junger Graf b) und andere mehr, die alle bereit waren die Kirche zu ſchuͤ-
tzen, und am Tage des Streits fuͤr das Haus des HErrn ſich hinzuſtellen.
§. 2.
Es machte ſich auch zu der Zeit der Koͤnig von Daͤnnemark Waldemar
der andre mit einem ſtarken Heer auf; und es kam mit ihm der Hochwuͤrdige Erz-
biſchof Andreas von Lunden, und der Biſchof Nicolaus, und der dritte Bi-
ſchof, des Koͤnigs Kanzler c). Gleichfals befand ſich bey ihnen der Biſchof Die-
trich von Eſthland, ſo ehmals in Riga eingeweihet worden; Dieſer hatte die
Lieflaͤndiſche Kirche wegen entſetzlicher Grauſamkeit der Heiden ſtehen gelaſſen,
und ſich beym Koͤnige aufgehalten. So war auch der Slaven Fuͤrſt d)Wen-
zeslaus mit ſeinen Leuten darunter. Dieſe alle ſetzten ihre Armee an den Revel-
ſchen Kuͤſten aus, und faſten in Lyndaniſſe, einem ehmaligen Schloſſe der Re-
velſchen, Poſto. Sie riſſen hierauf das alte Schloß nieder und fingen ein an-
der neues an zu bauen e). Die von Revel und Harrien aber verſamleten gegen
ſie eine groſſe Armee, und ſchickten ihre Volksaͤlteſten an den Koͤnig mit friedfer-
tigen doch ſchalkhaften Worten ab, denen der Koͤnig auch trauete und ſich ihrer
Betriegerey nicht verſahe. Er gab ihnen noch Geſchenke; die Biſchoͤfe tauften ſie,
und lieſſen ſie mit Freuden nach Hauſe. Doch da ſie zu den Jhrigen kamen, fun-
den ſie ſich nach drey Tagen mit ihrer ganzen Armee Abends nach der Mahlzeit
wieder ein, fielen uͤber die Daͤnen an fuͤnf Orten her, ſchlugen ſich mit ihnen un-
vermuthet herum, und weil einige von ihnen dachten, der Koͤnig ſey im Zelte, wel-
ches dem Hochwuͤrdigen Biſchof Dietrichen von Eſthland gehoͤrte, brachen ſie
in daſſelbe hinein, und brachten ihn ums Leben f); einer kam immer nach dem an-
dern hinein und ſie machten viele von ihnen nieder. Der Herr Wenceslaus aber
N n 2ſtand
[144]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ein und zwanzigſtes Jahr,
1218ſtand im Thale mit ſeinen Slaven, wo man den Berg hinunter nach dem Strande
gehet. Wie er ſie anmarſchiren ſahe, ruͤckte er gleich auf ſie los, ſchlug ſich mit
ihnen, jagte ſie in die Flucht, verfolgte ſie, und hieb im Nachſetzen viele zu ſchande.
Nachdem die andern Eſthen, ſo auf die Daͤnen anſetzten, die Flucht derer, ſo
mit den Slaven gefochten, ſahen, ſtunden ſie ebenfals ſtille, und hoͤrten auf die
Daͤnen zu verfolgen. Alle Daͤnen mit ihrem Koͤnige und einige Deutſche, ſo
bey ihnen waren, thaten ſich demnach zuſammen, gingen auf die Eſthen zu, und
ſtritten mit ihnen tapfer. Die Eſthen liefen auch vor ihnen, und nachdem ihre
ganze Macht die Flucht ergriffen, eilten die Daͤnen mit den Deutſchen und Sla-
ven hinter ihnen her, und machten von ihnen mehr als tauſend Mann nieder; die
uͤbrigen entliefen. Der Koͤnig und die Biſchoͤfe dankten GOtt fuͤr den von dem
HErrn ihnen verliehnen Sieg g). Sie ſetzten auch in die Stelle des vorerwehnten
Biſchofs Dietrich ſeinen Kapellan Weſſelinh), und nachdem ſie das Schloß aus-
gebauet, und Beſatzung darein geleget, kehrte der Koͤnig wieder in Daͤnnemark.
Es blieben aber die Biſchoͤfe mit den Maͤnnern des Koͤnigs zuruͤck, die mit den
Revelſchen das ganze Jahr durch gefochten hatten, bis dieſe endlich das Sacra-
ment der heiligen Taufe angenommen.
§. 3.
Als der Biſchof mit ſeinen Pilgern wieder in Liefland ſich einfand, kamen
die Semgallen von Meſoyteni) zu ihm, und erſuchten um Huͤlfe gegen die
Litthauer. Der Biſchof antwortete: Wenn ihr euch taufen laſſen und den
chriſtlichen Geſetzen unterwerfen wollet; ſo wollen wir euch Huͤlfe leiſten, und
euch in unſere Bruͤdergemeine aufnehmen. Sie erwiederten hingegen: Wir
getrauen uns nicht, wegen der Wuth anderer Semgallen und Litthauer
uns taufen zu laſſen, wo du nicht deine Maͤnner zu uns in unſere Burg
ſchickeſt, und uns vor ihren Anfaͤllen vertheidigeſt; dieſe koͤnnen nachher bey
uns bleiben, das Sacrament der heiligen Taufe uns reichen, und in den Ge-
ſetzen des Chriſtenthums uns unterrichten. Jhr Vorſchlag gefiel dem Biſchof
und zugleich den Rigiſchen wohl, die auch ihre Leute mit ihnen ſchickten, das Ja-
wort der andern zu erfragen, ſo zu Hauſe geblieben. Sie kamen aber zu zweyen
und mehrern malen, und begehrten immer daſſelbe. Zuletzt machte ſich der Bi-
ſchof mit dem Herzoge von Sachſen, mit etlichen andern Pilgern, ſamt dem
Probſt Unſerer Lieben Frauen k) und ſeinen Leuten auf, zog nach Semgallen,
lagerte ſich in aller Stille bey dem Schloſſe Meſoythen, und berief die Sem-
gallen aus dieſer Provinz vor ſich. Dieſe waren ihrer Zuſage nach redlich gehor-
ſam und erſchienen alle, nahmen die Lehre des Evangelii an, lieſſen ſich taufen, et-
wan dreyhundert Mann ohne Weiber und Kinder, da denn eine groſſe Freude uͤber
ihre Bekehrung entſtand. Nachher legte der Biſchof auf ihre Bitte ſeine Maͤnner
zu ihnen in die Burg Meſothen, mit einigen Fremden und andern, ſchickte auch
einige ab, von Riga die Nothwendigkeiten auf Struſen herbey zu fahren. Er
ſelbſt kehrte mit dem Herzog und andern wieder nach Riga.
§. 4.
Hierauf bekam Weſthard, ein Landesaͤlteſter uͤber andere Semgallen, aus
der benachbarten Provinz, ſo Thernetene hieß, die Bekehrung derer von Me-
ſothen zu wiſſen; brachte deswegen eine Armee aus allen ſeinen Laͤndern auf, un-
terbrach den Frieden, kam ans Schloß, und fochte mit den Deutſchen den gan-
zen Tag. Sie trugen einen groſſen Holzhaufen zuſammen und ſteckten ihn an, kon-
ten aber der Burg damit nichts anhaben, doch ſtritten ſie ungemein tapfer. Weſt-
hards Schweſterſohn ward mit einem Pfeil erſchoſſen. Weſthard ſelbſt ward
uͤber dieſen Anblick ſo betruͤbt, daß er mit ſeiner Armee vor dem Schloſſe gleich ab-
ruͤckte. Jnzwiſchen erfuhr er, daß andere Deutſchen auf der Muſſa mit einem
Fahrzeuge angekommen, denen er eiligſt entgegen ging, ſie an einem engen Paſſe
antraf, wo der Strom nicht alzutief war, von ihnen etwan dreyßig Mann oder et-
liche mehr gefangen nahm und ſie todt machte. Die andern kamen nach Riga zu-
ruͤck. Unter dieſen war Segehard, ein Prieſter Ciſtercienſerordens, der von
Duͤnemuͤnde nach dieſem Schloſſe geſchicket war, um dem Biſchof Bernhard
aufzuwarten, zu deſſen biſchoͤflichem Sitze man dieſen Ort einsweils beſtimmet
O o 2hat-
[148]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ein und zwanzigſtes Jahr,
1218hatte l). Dieſer ſaß am Ufer, und wie er die Heiden kommen ſahe, legte er einen
Ermel von ſeiner Kutte uͤber den Kopf, und erwartete was die Wut der Heiden
mit ihm vornehmen wuͤrde. Nachdem er ſeinen Geiſt in die Haͤnde des HErrn
empfolen, ward er ſelbſt mit andern erſchlagen, deren Seelen ſich ohne Zweifel in
Geſelſchaft der Maͤrtyrer mit Chriſto freuen werden, weil ihr Geſchaͤfte heilig war,
indem ſie gekommen die Heiden zu taufen und den Weinberg des HErrn zu pflan-
zen, ſo ſie auch mit ihrem Blute gethan haben. Deswegen ſind ihre Seelen den
Heiligen im Himmel an Seligkeit gleich. Wie nun die Deutſchen im Schloſſe
von Hinrichtung der Jhrigen hoͤrten, und was auf ein Jahr erforderlich war, nicht
hatten, zugleich auch die Tyranney der Semgallen, Litthauer und Curen
gegen den chriſtlichen Namen in Erwegung zogen; ſo brachen ſie mit allen ihren
Leuten auf, lieſſen das Schloß ſtehen und zogen nach Riga zuruͤck. Die getauf-
ten Semgallen aber begingen einen Ruͤckfal, dachten nicht mehr an die empfan-
genen Sacramente, thaten ſich mit andern Semgallen zuſammen, verſchworen
ſich mit den Litthauern und verbunden ſich gegen die Rigiſchen, gegen die Li-
ven und gegen alle Chriſten. Alſo verſamleten ſich alle, ſowol Heiden als Ge-
taufte in daſſelbe Schloß, ſchanzten daſelbſt, und baueten deſſen Werke ſehr veſte,
unternahmen auch einen Zug gegen die Liven von Holme, und fingen an ſie zu
ermorden und zu pluͤndern. Die Liven kamen auch wieder in ihre Grenzen, und
thaten ihnen gleichen Schaden. Als nun der Biſchof und der Herzog von Sach-
ſen, Albert, von ſeiner Leute Hinrichtung und von allem durch die Semgallen
veruͤbtem Unheil Zeitung erhielt, ſchickte er an alle Liven und Letten die Ordre,
ſich fertig zu halten, wenn etwan der HErr einen gluͤcklichen Feldzug erlauben wuͤr-
de, um an den Heiden Rache zu nehmen.
§. 5.
Jnzwiſchen hatten die Letten von Kukenois und einige andere Letten
der Ordensbruͤder Meluke und Wargribbe noch nicht vergeſſen, was die Ruſ-
ſen von Pleſcekowe und Nogarden voriges Jahr in Liefland vor allerley
Schaden veruͤbet; zogen daher nach Rußland, verwuͤſteten die Doͤrfer, ſchlu-
gen die Mannsleute todt, fuͤhrten die Weiber gefangen, machten den ganzen
Strich um Pleſcekowe oͤde und trugen allezeit fette Beute davon. Sie lieſſen
zu Hauſe ihren Ackerbau liegen, baueten ſich in dem Lande der Ruſſen an, lauer-
ten ihnen auf dem Felde, im Walde und Doͤrfern auf, griffen und toͤdteten ſie,
lieſſen ihnen keine Ruhe und entfuͤhrten Pferde, Vieh und Weiber. Die Ruſ-
ſen von Pleſcekowe aber ſchaften um die Herbſtzeit ein Kriegesheer zuſammen,
fielen in Lettland ein, pluͤnderten die Dorfſchaften, lagerten ſich in den Grenzen
des Meluke und Warigribbe, verwuͤſteten alles, was ſie hatten, verbrenten
ihr Getreide und unterlieſſen nicht allen moͤglichen Schaden zu thun. Der Or-
densmeiſter von Wenden ſchickte hierauf an alle Letten, daß ſie kaͤmen, die
Ruſſen aus dem Lande zu weiſen. Wie aber die Ruſſen aufbrachen, ſahen die
Letten gleich, daß ſie von ihrem Nachſetzen geringen Vortheil haben wuͤrden.
§. 6.
Daher wandten ſie ſich mit ihrem Heer nach Saccala, nahmen die Sac-
calaner mit ſich, gingen uͤber die Pale, brachen in Gerwen ein, ſchlugen das
ganze Land mit einer harten Plage, brachten die Maͤnner um, nahmen die Wei-
ber gefangen, ſchlepten viel Pferde, Vieh und Beute mit ſich, unter dem Vorge-
ben, jene waͤren den Revelſchen wider die Daͤnen zu Huͤlfe gekommen. Die
Landesaͤlteſten der Provinz Gerwen kamen daſelbſt zu dem Ordensmeiſter Ru-
dolpf und ſagten, ſie haͤtten ſchon laͤngſt mit den Rigiſchen im Beyſeyn des
Grafen Alberts Friede gemacht; ſie wolten ihre Taufe annehmen und baͤten, er
moͤchte
[149]von 1218 bis 1219.
moͤchte doch mit ſeinen Truppen von ihren Grenzen weichen. Alſo empfing Rudolph1218
ihre Kinder zu Geiſſeln und erneuerte mit ihnen den Frieden. Sie verſprachen
deswegen, alles ehemals von den Chriſten angenommene, ſowol ihren Glauben,
als ihre Geſetze beyzubehalten. Sie lagen auch den Ordensbruͤdern in den Ohren,
bald zuruͤck zu gehen, um mit der Armee in ihrer Geſelſchaft in Wirland einzu-
fallen, damit ſie das Joch des Chriſtenthums auch in dieſe Provinzen uͤberbraͤch-
ten; welches dieſe ihnen auch verſprachen und mit geſamter Beute nach Liefland
kehrten.
§. 7.
Nach der Unternehmung auf Gerwen riefen die Ordensbruͤder von Wen-
den die Maͤnner des Biſchofs, den Advocaten Gerharden mit allen Liven
und Letten, und den jungen Grafen aus des Biſchofs Familie m), (der unter
des Biſchofs Hofſtatt war,) mit den uͤbrigen aus Riga vor ſich, zogen nach
Saccala, nahmen die von Saccala und Ungannten mit ſich, ruͤckten in
Gerwen ein, ſuchten ſich von den Gerwenſchen Wegweiſer aus, und mar-
ſchirten die ganze Nacht durch nach Wirland, ſo ein fruchtbares, recht ſchoͤnes
und an Flaͤche der Felder geraumiges Land iſt. Die von Gerwen folgten mit
ihnen ſowol zu Pferde als zu Fuſſe. Die von Wirland hatten nichts von dem
Anzuge der Lieflaͤnder gehoͤret, und waren alſo alle zu Hauſe in ihren Doͤrfern.
Jene vertheilten mit anbrechendem Morgen ihre Armee in alle Provinzen, und
lieſſen einige durch die Gerwiſchen, andere durch die Ungannier, und wie-
der andere durch die Liven und Letten pluͤndern. Alſo trafen ſie alle Leute in
ganz Wierland auf den Doͤrfern an, ſchlugen ſie vom Kleinſten bis zum Groͤ-
ſten und ſchonten keines Mannsbildes, nahmen die Weiber und Kinder gefangen,
trieben viel Pferde und Vieh zuſammen und erhaſchten viele Beute. Die Deut-
ſchen verlegten ihr Hauptpuartier in ein groſſes Dorf, ſo Tuwine hieß. Die
Liven und Letten nahmen das ihrige in Aniſpe. Die von Saccala lagerten
ſich in der Provinz Revel. Die von Gerwen blieben in ihren Landen liegen.
Die Ungannier pluͤnderten die an ſie grenzende Provinz Pudurn aus und faſten
daſelbſt Poſto. Und nachdem ſie das ganze Land fuͤnf Tage lang ſehr hart mit-
genommen und viel tauſend Leute erſchlagen, kamen die auf der Flucht entkomme-
nen Landesaͤlteſten endlich zu uns und baten ganz demuͤthig um Frieden. Da ſag-
te Rudolph, der Ordensmeiſter der Bruͤderſchaft, zu ihnen: Verlanget ihr
noch Frieden, die ihr unſern Frieden durch eure Kriege ſo oft geſtoͤret? Doch
ſol euch kein Frieden gegeben werden, als der Friede jenes wahren Frieden-
ſtifters, der aus beyden eins gemacht, Himmel und Erde verbunden und
Friede verſchaft; der als ein laͤngſtverlangter Koͤnig den Voͤlkern vom Him-
mel gekommen, als ihre Hofnung und ihr Seligmacher; der ſeinen Juͤn-
gern befohlen und geſagt: Gehet hin in alle Welt: lehret alle Heiden, und
taufet ſie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geiſtes.
Wenn ihr euch nun taufen laſſen und denſelben GOtt der Chriſten mit
uns verehren wolt, ſo wollen wir euch den Frieden ſchenken, den er uns
gegeben, und den er bey ſeinem Abſchied ſeinen Dienern hinterlaſſen, und
wollen euch in die Gemeinde unſerer Bruͤderſchaft aufnehmen. Dieſer
Antrag gefiel ihnen, und ſie verſprachen gleich, alle Pflichten des Chriſtenthums
und die Taufe der Rigiſchen treulich anzunehmen. Es befand ſich aber unter
ihnen ein von den Unſern auf Gothland ehmals Getaufter, Namens Tabelin,
und ein ander, Ryriawan, der bat uns, wir moͤchten ihm doch einen guten
Gott geben, er habe bisher einen boͤſen Gott gehabt. Denn dieſer Kerl war in
allen Stuͤcken bisher hoͤchſt ungluͤcklich geweſen. Nachdem er aber ſich von uns
taufen ließ, ward aus ihm ein recht gluͤcklicher Menſch; wie er uns nachher ſelbſt
geſtanden, und mit der Taufe ging ihm auch alles gut von ſtatten. Um ſeines un-
verſchaͤmten Geilens willen verſprachen wir ihm auch einen gnaͤdigen GOtt, der
P pihm
[150]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ein und zwanzigſtes Jahr,
1218ihm an Zeitlichem in dieſem Leben gnug, und in jener Welt das ewige Leben ſchen-
ken wuͤrde. Er glaubte uns, und wir catechiſirten ihn n) gleich, der Ordensmei-
ſter Rudolph ſtand auch bey ihm zu Gevattern. Da wir ihn nun eben mit dem
heiligen Chriſam ſalben ſolten, erhub ſich ein groſſes Geſchrey und Zuſammenlaufen
unſerer Armee auf allen Straſſen, alle liefen ins Gewehr und riefen, es komme
eine groſſe Malewa Heiden auf uns los. Daher warfen wir das hochheilige
Salboͤl und die uͤbrigen Sacramente aus den Haͤnden, ſahen uns nach dem Schutz
der Schilde und Schwerdter um, eilten nach dem Felde und ſtelten unſere Trup-
pen gegen die Feinde in Schlachtordnung. Die Landesaͤlteſten von Wirland
ſtunden auf unſerer Seite. Alſo ruͤckten diejenigen in groſſer Anzahl an, die wir
fuͤr unſere Feinde hielten. Es waren aber die von Saccala, unſere Mitbruͤder,
die mit aller Beute zu uns kamen. Daher kehrten wir zuruͤck, und brachten die Tauf-
handlung zu Ende, und verſchoben bis auf andere Zeit die uͤbrigen zu taufen.
Alſo ward Friede ertheilet, und wir zogen nach Empfang der Geiſſeln aus fuͤnf
Provinzen Wirlands wieder nach Liefland mit allen Gefangenen und der
Beute, und opferten GOtt Dank wegen Bekehrung der Heiden. Es kamen
auch die fuͤnf Landesaͤlteſten aus den fuͤnf Provinzen Wirlands nach Riga
mit ihren Geſchenken nach, nahmen das Sacrament der heiligen Taufe an, uͤber-
gaben ſich und ganz Wirland der heiligen Maria und der Lieflaͤndiſchen
Kirche, beſtaͤtigten den Frieden und kehrten mit Freuden nach Wirland.
§. 8.
Nach dem Feſte der Geburt Chriſti kamen die Gemeinaͤlteſten der Lieflaͤn-
diſchen Kirche zuſammen, und kuͤndigten gegen die Abtruͤnnigen und in Meſo-
then verſamleten Heiden den Kriegeszug an. Doch ſie wurden von den ſchla-
ckigten Suͤdwinden daran gehindert. Sie kamen alſo nach Mariaͤ Reinigung
zum andernmal zuſammen, brachten aus Lief- und Lettland eine ſtarke Armee
auf, bey welcher ſich als Chef der Hochwuͤrdige Biſchof von Liefland ſamt dem
Herzog Albert von Sachſen, und allen Pilgern, wie auch der Ordensmeiſter
mit ſeinen Bruͤdern befanden. Da ſie nun vier tauſend Deutſche und andere
vier tauſend an Liven und Letten hatten, gingen ſie nach Holme, nahmen eine
groſſe Maſchine mit ſich, auch einige kleinere, und die uͤbrige Kriegsgeraͤthſchaft,
das Schloß zu beſtuͤrmen. Sie marſchirten die ganze Nacht, muſterten ihre Armee
an der Muſſe, ruͤckten vor das Schloß, nahmen das dabey gelegene Dorf in Be-
ſitz, holten die Beute mit ſich weg, und belagerten das Schloß. Sechs Tage hielt
das Gefechte an. Etliche baueten ein Sturmdach; andere errichteten Patherellen;
andere brachten die Steinſchleudern in Gang; noch andere machten ſtachlichte Sturm-
Jgel o), und fingen an unten den Wall durchzuboren; einige ſchlepten Holz zu-
ſammen, und fuͤlleten den Graben damit. Hieruͤber wurde das Sturmdach geſcho-
ben, und unter ſelbigem wieder von noch andern gegraben. Viele Semgallier
im Schloſſe wurden durch Steinwerfen beſchaͤdiget, viele mit Pfeilen verwundet,
viele durch die Lanzen der Liven und Letten vom Sturmdache erſchoſſen. Doch
das rebelliſche Volk ließ noch nicht nach ſich zu wehren. Man errichtete alſo eine
groͤſſere Maſchine; man warf auch groſſe Steine ins Schloß, uͤber deren Groͤſſe
Anblick die Belagerten in groſſes Schrecken geriethen. Der Herzog richtete die-
ſe Maſchine in eigner Perſon. Er ſchleuderte den erſten Stein und zerſchmetterte
ihren Erker p) nebſt den Maͤnnern in ſelbigem. Er ſchmiß den andern, und warf
die Planken q) und das Holzwerk der Veſtung damit zur Erden. Er warf auch
den dritten, und durchborte drey groſſe Seulen der Veſtung, zerſplitterte ſie, und
beſchaͤdigte und zerquetſchte die Menſchen. Wie die im Schloſſe das ſahen, liefen
ſie von der hoͤlzernen Mauer herunter, und ſuchten ſich ſicherere Oerter. Doch
als
[151]von 1218 bis 1219.
als ſie keine Retirade ſonſt hatten, baten ſie um Vergebung, und erſuchten, daß1218
ſie zum Biſchof hinunter kommen duͤrften. Man erlaubte ihnen Stilſtand und ei-
nen freyen Paß. Alſo kam Made und Gayde mit den andern herunter. Es
wurde ihnen angedeutet, ſie moͤchten das Schloß, und alles, was drinnen waͤre,
uͤbergeben, damit ſie das Leben erhielten. Den Heiden ſtand dieſer Accord nicht
an; ſie kehrten wieder ins Schloß, und der Streit ward hitziger als vorher. Man
machte alle Kriegsmaſchinen von neuem zu rechte. Die Ritter legten ihre Ruͤſtung
an, erſtiegen zugleich mit dem Herzog den Wal, und wolten ſich der Spitze des
Schloſſes bemaͤchtigen, ſie wurden aber doch von den im Schloſſe befindlichen, die
kaum das halbe Leben noch hatten, zuruͤck getrieben. Nachher machte man groſſe
Haufen von trocknem Holze, legte Feuer darein, und beaͤngſtigte dieſe Treuloſen
auf alle Weiſe, bis ſie endlich ermatteten und den folgenden Morgen ſich ergaben.
Es kam einer nach dem andern aus der Veſtung herunter gekrochen, ſtelte unſerer
Armee ſich dar, und ſtreckte ſeinen Hals hin. Nachdem ungefaͤhr eine Zahl von
zweyhundert Perſonen herunter geſtiegen, ſiehe! ſo kuckte um die Mittagszeit
Weſthard mit ſeinen Semgallen und einigen Litthauern, die zuſammen ei-
nen ſtarcken Haufen ausmachten, ploͤtzlich aus dem Buſche hervor, naͤherte ſich und
wolte mit uns anbinden. Wir commandirten gleich unſre Heere gegen ſie, und
ſtelten das Fußvolk um das Schlos herum. Es kamen aber von unſern Leuten
etliche Narren, deren es ſehr viel gibt, die krigten die Landesaͤlteſten, ſo aus dem
Schloſſe gezogen, bey den Koͤpfen, ſchlugen ihrer hundert und mehr todt, ohne daß
die Herren was darum wuſten, die gegen die Heiden zu fechten zu Felde gegan-
gen. Viewald aber, Schloßaͤlteſter von Aſcherade, trat naͤher hin an die Feinde,
und rief, ſie moͤchten ins Feld ruͤcken, und mit den Deutſchen ſich ſchlagen.
Dieſe hingegen ſprachen: Wir haben von den Semgallen Lohn genommen,
daß wir kommen wolten eure Deutſche Armee zu ſehen. Nun wir ſie be-
ſehen haben, ſo gehen wir wieder unſern Weg richtig nach Hauſe, und ſind
nicht geſonnen mit euch den geſchloßnen Frieden zu brechen. Nach Abzug der
Litthauer, kehrten die Deutſchen wieder ans Schloß und fanden die Volks-
aͤlteſten erſchlagen. Die in der Burg nachgebliebenen Semgallier ſahen ihre Ael-
teſten vor dem Schloſſe umgebracht, und traueten ſich nicht heraus zu kommen, ſon-
dern befurchten ein gleiches. Alſo ging das Treffen von neuem an. Die Pfeile
flogen. Die Lanzen der Liven und Letten vom Sturmdache toͤdteten viele. Man
machte Feuer an, und der unterminirte Wal ſank ſchon mit der Veſtung zur Erde.
Wie ſie das ſahen, und keinen Troſt der Beſchuͤtzung mehr hatten, baten ſie die
ganze Nacht flehentlich, es moͤchte die Sicherheit des Friedens ihnen von neuem zu-
geſtanden werden, damit ſie bey ihrem Ausziehen aus dem Schloß das Leben er-
hielten. Der Biſchof ſamt dem Herzog und allem Volke hatte mit ihnen Mit-
leiden, und ſchickte ihnen daher die Fahne des heiligen Kreuzes ins Schloß r).
Dieſem glaͤubten ſie alſo, und ſagten zu, ſie wolten nachher nie das Sacrament
der heiligen Taufe beſchimpfen. Sie zogen auch vom Schloſſe mit Weib und Kind
aus, und jeder ging nach ſeinem Dorfe heim. Die Armee aber begab ſich hierauf
auf die Burg, erbeutete alles Geld, Vorrath, Pferde und Vieh. Die Liven
und Letten lieſſen nichts liegen, ſondern hieſſen alles mit ſich gehen, ſteckten hier-
auf das Schloß in Brand, und kehrten mit aller Beute nach Liefland, wobey
ſie GOtt Dank brachten fuͤr die verhaͤngte Rache uͤber ein ungerathnes Volk, das
ſeiner Zuſage vergeſſen, den Chriſtlichen Glauben von ſich geſtoſſen, die Gnade der
Taufe verlachet, und kein Bedenken getragen ſich mit den teufliſchen Gebraͤuchen
der Heiden wieder zu beflecken.
P p 2p) Das
[152]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ein und zwanzigſtes Jahr,
§. 9.
Wie die Rigiſchen mit dem Biſchof, und dem Herzog von Sachſen aus
Semgallien zuruͤckkamen, ſo erinnerten ſie ſich alles Ungluͤcks, was die von
Harrien und Oeſel der Kirche in Liefland oftmals zugefuͤget, und ruheten
zwey Wochen aus, ſo wol ſie, als ihre Pferde. Sie boten eine ſtarke Armee von
Liven, Letten und Deutſchen auf, die den Herzog Albert von Sachſen
zum Oberſten, den Ordensmeiſter Volquin mit ſeinen Schwerdtbruͤdern s), und
Dietrichen des Biſchofs Bruder, mit den uͤbrigen Maͤnnern der Kirche bey ſich
hatten. Dieſe verſamleten ſich nahe bey Saccala, wo der Ort der Unterredung
und des Gebets fuͤr die Armee war, und ruͤckten nachdem ſie daſelbſt hohe Meſſe
gehalten, an die Pala, lieſſen die von Saccala und Ungannien, ingleichen
auch von Gerwen zuſammen berufen, laſen ſich aus ihnen Wegweiſer aus, und
vertheilten die ganze Armee in drey Schwadronen. Nach geworfenem Loſe erhiel-
ten die Liven den Weg zur linken Hand. Die Eſthen bekamen durchs Loos
den Weg zur rechten. Die Deutſchen aber ſamt den Letten nahmen nach ge-
woͤhnlicher Manier fuͤr ſich die mittlere Straſſe. Als wir nun fruͤhe vor Tage auf-
brachen, nahmen wir den mittlern Weg nach Nurmegunde, und als die Sonne
eben aufgegangen, ging auch vor unſerm Augen ein ſtarkes Feuer und ein dicker
Rauch in Gerwiſchen auf. Es waren aber die von Gerwen von der Lief-
laͤndiſchen Kirche ſchon oft unterwuͤrfig gemacht worden, hatten ihre Kinder auch
in Liefland zu Geiſſeln, und waren fertig ſo wol ihren Schoß jaͤhrlich zu erlegen,
als die Taufe anzunehmen. Hierauf brachten die Oeſeler ein maͤchtig Heer zu-
ſammen, und erforſchten durch Loos den Willen ihrer Goͤtter, ob ſie nemlich mit
den Daͤnen in Revel eins wagen, oder in die Provinz Gerwen einruͤcken ſol-
ten. Das Loos fiel aber uͤber die von Gerwen. Und GOtt ſchickte ſie eben den
Tag dahin, als wir kamen. Sie vertheilten alſo ihre Armee denſelben Morgen
auf allen Doͤrfern, pluͤnderten und ſengten darinne, davon einige der Unſeren die
Flammen und den Rauch ſahen, nemlich der Herzog Albert mit ſeinen Rittern,
und der Ordensmeiſter Volquin mit ſeinen Bruͤdern. Dieſe legten gleich ihre
Ruͤſtung an, und zogen den Feinden nach Gerwen entgegen. Wie ſie nun alle
Doͤrfer angeſteckt und gepluͤndert fanden, eilten ſie deſto mehr hinter ihnen her, und
begegneten etlichen von Gerwen, die durch die Flucht den Feinden entgangen
waren. Und jeder von ihnen berichtete dieſes Ungluͤck und ſprach: Die Oeſeler
ſchlugen unſer Land mit einer alzuſchweren Plage, und ich bin allein
entrunnen, daß ichs euch anſage. Da wir nun die Feinde des Chriſtlichen
Namens nennen hoͤrten, gingen wir gleich auf ſie los, und nach neun Uhr ertapten
wir viere von den Feinden, die eben ein Dorf einaͤſcherten; Als wir dieſe nieder-
gehauen, und die Pferde weggenommen, eilten wir hinter andern her, und bega-
ben uns mit den Letten, ſo zum Nachſetzen am leichteſten waren, an ein Dorf,
Carethen genant, wo ihre Maja, das iſt, ihre Verſamlung geweſen war. Nach
Annaͤherung an daſſelbe, erblickten wir ſo gleich ihren ganzen Schwarm gegen uns
im Anzuge aufs Feld, mit uns zu ſchlagen. Sie ſchrien mit ſtarker Stimme,
klapperten mit ihren Schildern, und gingen auf uns zu; Auch die, ſo im Dorfe
nachgeblieben, folgten ihren Kameraden. Wie ſie nun der Unſrigen wenige Mann-
ſchaft anſichtig wurden, liefen ſie zu, und warfen ihre Lanzen auf uns, es mach-
ten auch die Letten, und diejenigen, ſo bey uns zum erſten gekommen, deren aber
noch ſehr wenig waren, ein Geſchrey, liefen gleichfals auf ſie zu, und warfen ihre
Lanzen auf dieſelben. Unſer Weg war ſehr enge wegen des zuſammengebackenen
Schnees,
[153]von 1218 bis 1219.
Schnees, und einer muſte hinter dem andern hergehen. Daher waren auch die1218
Deutſchen, ſo weit von ferne im Ruͤcken folgten, noch nicht angekommen, und uns
voͤrderſten fiel ihr Auſſenbleiben beſchwerlich. Doch vertrauten wir dem HErrn,
und ſtelten die Letten zur Linken. Die Deutſchen aber marſchirten alle auf der
Landſtraſſe, und poſtirten ſich zur Rechten. Wie wir aber die Standarte der Or-
densbruͤder ankommen und dabey den Herzog Albert mit ſeiner groſſen Fahne nach-
folgen ſahen; wurden wir nicht wenig erfreuet. Der Herzog erblickte unſre we-
nige Anzahl und jener ihre Menge, und fragte: Sind ſie denn Feinde Chriſti?
Und einer antwortete mit Ja. Hierauf ſprach der Herzog: So laſt uns im
Namen des HErrn drauf los gehen. Und gleich ruͤckten wir mit den Bruͤ-
dern der Ritterſchaft, in Begleitung der Deutſchen und Eſthen an ſie an, bra-
chen mitten in ſie ein, und metzelten zur Rechten und Linken, daß ſie von allen
Seiten fielen, wie Heu zur Erde faͤlt vor dem Maͤher. Wir ſchlugen ſelbige bis
ans Dorf, ſetzten den Fluͤchtlingen durch Gaſſen und Haͤuſer nach, zogen ſie heraus,
und machten ſie nieder. Die auf die Daͤcher geſtiegen, und ſich uͤber den Holzhau-
fen wehrten, riſſen wir herunter, brachten alle mit der Schaͤrfe des Schwerdts um,
und wolten keines von ihnen ſchonen. Es ſprungen auch die Gerwiſchen Wei-
ber hervor, ſo von den Oeſelern gefangen waren, die ſchlugen mit eigner Hand
und dicken Pruͤgeln auf die ſchon vorher geklopften Oeſeler zu, und ſagten
dabey: Es ſchlage dich der Chriſten GOtt! Die Deutſchen jagten ſie
aus dem Dorfe aufs Feld, ſchlugen ſie aufm Felde bis an ihre See, und beſudel-
ten ihren geheiligten Wald mit dem Blut ihrer Erſchlagenen. Die Letten aber
ſtreiften ums Dorf herum, begegneten einigen Fluͤchtlingen, zerſtreueten ſie hin
und wieder, machten ſie todt, raubten ihre Pferde, und zogen mit ihrer Beute
davon. Nach ihrer Zuruͤckkunft auf das Schlachtfeld, bekamen ſie Pferde, Klei-
der und viele Beute. Die Gefangenen aber mit Weibern und Kindern ſtelten ſie
denen von Gerwen wieder zu. Doch die Pferde und andre uͤbrige Beute theil-
ten die Deutſchen und Letten in gleiche Theile unter ſich, und lobten den HErrn,
der einen ſo herrlichen Sieg durch die Hand weniger verſchaffet. Es lagen aber
auf der Wahlſtat bey fuͤnfhundert Mann, und mehrere waren aufm Felde, den Straſ-
ſen und anderwerts umgekommen. Von unſern blieben zwey Deutſche und zwey
Letten; des Rußins Bruder, und Drunwalds Bruder von Aſtigerwe.
Von Deutſchen, der eine Graf aus der Familie des Biſchofs t), und ein Ritter
des Herzogs; deren Gedaͤchtniß im Segen bleiben, und ihre Seelen in Chriſto
ruhen muͤſſen. Die Liven aber, die zur Linken einen andern Weg genommen,
und die Eſthen, ſo zur Rechten abgebeuget, waren nicht zum Treffen gekommen
und erhielten folglich auch bey Theilung der Beute ihr Antheil nicht; ſondern ſie
waren die Nacht durch gerades Weges nach Harrien gegangen, wo ſie mit fruͤhem
Morgen ihre Armee auf allen Doͤrfern ausbreiteten, die Maͤnner todtſchlugen,
die Weiber gefangen nahmen, und viele Beute aufbrachten. Die Deutſchen
und Letten folgten ihnen aufm Fuſſe nach, veruͤbten Tages darauf gleichen Scha-
den, und verlegten ihr Hauptquartier in das Dorf Lone, ſo mitten im Lande lie-
get. Die Liven aber nahmen ihren Sammelplaz anderer Orten, und die Sac-
calaner lagerten ſich bey Revel. Doch dieſe uͤberſchritten den Befehl ihrer Lan-
desaͤlteſten, und pluͤnderten die Provinz Revel aus, ſo das Joch der Daͤnen
ſchon uͤbernommen hatte. Die von Warbolu) aber ſchickten zu uns, lieſſen um
Friede bitten, und zugleich erſuchen, wir moͤchten aus ihren Grenzen gehen. Der
Ordensmeiſter Volquin hingegen erwiederte: Wenn ihr mit uns Einen GOtt
ehren, euch taufen laſſen, und eure Kinder zu Geiſſeln geben wollet; ſo wol-
len wir mit euch einen ewigen Frieden machen. Dieſer Vertrag gefiel denen
von Warbol, und ſie lieferten Geiſſeln.
§. 10.
Es ſchickten auch unſere Ritter ihre Boten zu dem Erzbiſchof, dem Hochwuͤr-
digen Herrn Andreas, und an andre Biſchoͤfe der Daͤnen, und an die Maͤn-
ner des Koͤnigs, ſo auf dem Revelſchen Schloſſe waren. Dieſe fertigten gleich
des Koͤnigs Maͤnner an uns ab, dankten GOtt und uns wegen dieſem Angrif der
Heiden, ſo wol derer von Oeſel, als aus Harrien, und fuͤgten hinzu, ganz
Eſthland gehoͤre dem Koͤnig von Daͤnnemark, weil es ihm von dem Lief-
laͤndiſchen Biſchoͤfen abgetreten worden. Sie erſuchten dabey, die Geiſſeln
derer von Warbol moͤchten ihnen eingehaͤndiget werden. Der Ordensmeiſter
Volquin aber bezog ſich ſtandhaft darauf, daß er von der Verſchenkung Eſth-
lands an den Koͤnig von Daͤnnemark nichts wiſſe, erzaͤhlte dabey, vor dem
Herzog von Sachſenw) und vor allen, die mit jenen hier ſich verſamlet hatten,
daß ganz Eſthland unter der Fahne der heiligen Jungfrau von den Rigi-
ſchen zum Chriſtlichen Glauben gebracht ſey, auſſer die einige Provinz Revel
und die Jnſel Oeſel. Er fuͤgte weiter hinzu: Wir ſtellen gegenwaͤrtig die
Geiſſeln der Provinz Harrien zwar ihren Vaͤtern wieder zu, und wollen
darunter gerne dem Koͤnig von Daͤnnemark Ehre anthun, doch mit der
Bedingung, ſo ferne denen von Riga hieraus nichts nachtheiliges zuwaͤchſt.
Daher lieſſen wir die Geiſſeln deſſelben Landes da bleiben, und kehrten mit unſerer
Beute nach Liefland. Die Beute der Liven aber betrug was anſehnliches.
Sie beſetzten die Hoͤlen derer von Harrien unter der Erden, wohin ſie ſich immer
zu retiriren pflegten, machten vor die Oefnungen Rauch und Feuer, ſchmauchten
ſie Tag und Nacht, und erdaͤmpften alle, ſo wol Maͤnner als Weiber. Sie
zerreten einige ſchon odemlos, andere halb- etliche ganz todt aus den Kellern her-
vor, machten ihnen das Garaus, nahmen andre gefangen, und holten ihr Ver-
moͤgen,
[155]von 1218 bis 1219.
moͤgen, Geld, Kleider und viele Beute mit ſich. Der todtgeſchmauchten aber1218
beyderley Geſchlechts aus allen Loͤchern waren bey nahe tauſend Seelen. Hier-
auf begaben ſich die Liven mit den Deutſchen zuruͤck, und prieſen GOTT,
daß er auch die hoffaͤrtigen Herzen derer von Harrien gedemuͤthiget den Chriſt-
lichen Glauben anzunehmen.
§. 11.
Eben ſelbiges Jahr, nachdem der Hochwuͤrdige Biſchofuͤber Eſthland, Die-
trich, der in Revel durch das Schwerdt der Gottloſen erwuͤrget ward, und un-
ſerer Hofnung nach in die Gemeinſchaft der Maͤrtyrer uͤbergegangen, ſetzte der Bi-
ſchof von Liefland, Albert, ſeinen Bruder Hermann an deſſen Stelle, den
nicht weniger Hochwuͤrdigen Abt zu St. Paul bey Bremenx). Dieſer ſchickte
daher durch Curland nach Samland in Preuſſen und nach Deutſchland
Abgeordnete, die dieſe Veraͤnderung kund machten. Er zog auch hierauf in eige-
ner Perſon zu dem Erzbiſchof von Magdeburg, und ließ ſich zum Biſchof uͤber
Eſthland weihen. Wie der Koͤnig von Daͤnnemark das zu hoͤren bekam, hin-
tertrieb er deſſen Ruͤckreiſe nach Liefland etliche Jahre. Hieruͤber beſprach der Bi-
ſchof den Koͤnig ſelbſt, und verlangte das Bisthum von ihm anzunehmen, verſprach
auch hinwieder, dafuͤr ihm getreulich anzuhangen.
Des Biſchof Alberts zwey und zwanzigſtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1219 bis 1220.
§. 1.
Des Biſchofs zwey und zwanzigſtes Jahr trat nun ein, und Liefland
hatte nur ein wenig Frieden. Der Biſchof war beſorgt, Prediger
nach Eſthland zu ſchicken, auf welche bey allen Kirchen ſehr nothwen-
dige Sache er allezeit mit groſſer Emſigkeit geſehen a). Er ſandte dem-
nach den Prieſter Alobrand und Ludewigen nach Saccala. Dieſe tauften
viele von Gerwen und andern Provinzen, und kehrten wieder nach Liefland.
Der Biſchof fertigte auch ſeine Boten nach Rußland ab, und unterredete ſich mit
denen von Nogarden ganz friedfertig. Jnzwiſchen ließ ers auch nicht anſtehen,
andre Prieſter nach Eſthland zu ſchicken. Unter welchen der erſte Peter Ka-
kenwald von Vinland war, und Heinrich, ein Prieſter der Letten von Ymera,
die zuſammen nach Eſthland gingen, und das ſchon vorher getaufte Unganien
durchzogen, bis ſie bey Tarbeten an den Fluß kamen, ſo der Mutterbach heiſt.
Sie fingen von dieſem Strom an, den Samen chriſtlicher Lehre auszuſtreuen, und
beſprengten die herumliegenden Doͤrfer mit dem heiligen Bade der Wiedergeburt.
Und da ſie in Lonecotte, wie auch auf andern Doͤrfern das Sacrament der heili-
gen Taufe verrichtet, zogen ſie fort nach Sadegerwe*), riefen die Leute zuſam-
men, und tauften ihrer da ungefaͤhr drey hundert. Sie gingen hernach in andern
Doͤrfern herum, und machtens eben ſo. Sie kamen auch nach Wayga und
Syembe,
[159]von 1219 bis 1220.
Syembe, theilten an den Oertern dieſes Landes eben dieſes Sacrament aus,1219
und tauften alle; endlich verſamleten ſie die Leute in Riole, ſo ihre letzte Burg
war, und lehrten ſie die Lehre des Evangelii. Nachdem ſie daſelbſt bey fuͤnf
hundert von beyderley Geſchlechte durcheinander getauft hatten, begaben ſie ſich
nach Wirland. Es nahmen ſie auch die Wirlaͤnder von der erſten Provinz
auf, ſo Pudymen genant wird, und es wurden von ihnen faſt alle vierzehn
Doͤrfer getauft, zugleich mit ihrem Landesaͤlteſten Tabellin, ſo nachher von den
Daͤnen gehenket worden, weil er die Taufe der Rigiſchen angenommen, und
ſeinen Sohn an die Bruͤder der Ritterſchaft zur Geiſſel gegeben. Die uͤbrigen
Wirlaͤnder aber aus den andern Provinzen, getraueten ſich wegen Bedrohungen
der Daͤnen nicht, die Rigiſchen Prieſter anzunehmen, und riefen alſo die Daͤ-
nen als ihre Nachbaren zu ſich, von denen ſie ſich taufen lieſſen. Die Wir-
laͤnder glaubten alſo, es ſey nur Ein GOtt der Chriſten, der Daͤnen ſo wol
als der Deutſchen, Ein Glaube, und Eine Taufe, und weil ſie meinten, es
werde kein Aufſehen verurſachen, nahmen ſie die Taufe der Daͤnen als naͤchſten
Nachbaren ohne Unterſcheid an. Die Rigiſchen hingegen bezogen ſich darauf,
Wirland waͤre ihre, nemlich von ihren Leuten dem chriſtlichen Glauben unter-
worfen, und ſandten vorbenante Prieſter hinuͤber, daſſelbe zu taufen.
§. 2.
Die Daͤnen aber, ſo dieſes ihnen benachbarte Land gerne zuvor wegfiſchen
wolten, ſchickten ihre Prieſter dahin, gleichſam in eine fremde Erndte. Dieſe tauf-
ten etliche Doͤrfer und ſandten ihre Leute wieder auf andre, wohin ſie nicht ſo gleich
ſelbſt kommen konten, lieſſen auf allen Doͤrfern groſſe hoͤlzerne Kreuze ma-
chen, ſchickten auch durch die Haͤnde der Bauren das Weihwaſſer herum, beorder-
ten ſie, Weiber und Kinder damit zu beſprengen, und unternahmen ſich ſolcher
Geſtalt den Prieſtern von Riga zuvorzukommen, faͤdelten es auch auf die Art ein, da-
mit ſie das Land der Gewalt des Koͤnigs in Daͤnnemark voraus unterwerfen moͤch-
ten. (Gedachter) Peter und Heinrich merkten das Ding und gingen nach Ger-
wen. Als ſie daſelbſt in den voͤrderſten Doͤrfern viel Leute getauft, vernahmen
ſie, daß ein Daͤniſcher Prieſter Wolther auch dahin gekommen. Darauf gin-
gen ſie ihm entgegen, und ſagten, das Land ſtehe unter Botmaͤßigkeit der Rigi-
ſchen, und behaupteten, daß dieſer Weinberg durch die Fahne der heiligen Jung-
frau Maria, unter vielem Eifer der Pilger und mit ſaurer Arbeit der Rigiſchen
gepflanzet ſey. Nachher begaben ſie ſich aufs Schloß der Daͤnen mit ſamt dem
Prediger, und berichteten vor dem Hochwuͤrdigen Erzbiſchof von Lunden, An-
dreas, ein gleiches. Der Erzbiſchof aber erwiederte, ganz Eſthland, es moͤch-
ten es die Rigiſchen erobert, oder noch nicht ſich unterworfen haben, gehoͤre dem
Koͤnig von Daͤnnemark; und waͤre ihm von den Rigiſchen Biſchoͤfen, wegen
ſeines Beyſtandes gegen die Eſthen, abgetreten worden. Er ſchickte auch Ex-
preſſe nach Riga, mit dem Verbot, ſie ſolten die unreifen kleinen Trauben nicht
ableſen, noch ihre Prieſter in die Winkel in Eſthland zum predigen ausſchicken.
Der Hochwuͤrdige alte Biſchof von Riga, Albert, ſchrieb ihm aber zuruͤck: Der
Weinberg der Eſthniſchen Kirche ſey ſchon viele Jahre vor der Daͤnen Zeit
von ſeinen Leuten laͤngſt angeleget, mit dem Blute vieler Deutſchen und vie-
lem Kriegesungemach bearbeitet worden, und ſeine Prieſter waͤren nicht in den
Winkeln von Eſthland, ſondern mitten in Gerwen und Wirland, ja vor
den Augen des Erzbiſchofs ſelbſt erſchienen. Auf dieſes Schreiben ward der Koͤ-
R r 2nig
[160]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwey und zwanzigſtes Jahr,
1219nig von Daͤnnemark gegen den Biſchof von Riga etwas aufgebracht, doch
ließ er ihn mit den Bruͤdern der Ritterſchaft vor ihm zu erſcheinen, berufen. Da
dieſer aber nicht erſchien, ſondern in dieſer Angelegenheit nach Rom zum Pabſte
eilte, ſo fanden ſich die Bruͤder der Ritterſchaft, Rudolph von Wenden ſamt
den uͤbrigen ein: Und der Koͤnig gab ihm Saccala und Ungannien, das die
Rigiſchen ſchon laͤngſt ſich unterwuͤrfig gemacht und getauft hatten, mit den
angrenzenden Provinzen, ſtat ihres dritten Theils an Eſthland, mit Ausſchlieſ-
fung des Biſchofs von Liefland und ſeines Bruders Hermanns, der erſt kuͤrzlich
eingeweihet war. Die Zeitung kam nach Riga; und der Biſchof Bernhardb)
nebſt den andern in Riga wurden daruͤber ſehr empfindlich. Sie traten daher
mit den Ordensbruͤdern zuſammen, und machten unter ſich in Guͤte eine dreyfache
Eintheilung von Eſthland aus, eigneten den Biſchoͤfen c), wie vorher, alſo auch
nachher ihre Theile zu, und lieſſen den Bruͤdern ihren dritten. Nachdem nun
(die Daͤnen) die ganze Revelſche Provinz getauft, ſchickten ſie auch ihre
Prieſter nach Harrien, und wie ſie dieſe getauft, hetzten ſie die Einwohner auf,
mit einem Heer nach Gerwen zu gehen, damit die Gerwiſchen in Furcht ge-
riethen und der Rigiſchen Herrſchaft ſich entziehen, auch ihre Herrſchaft und
Taufe annehmen moͤchten. Und die von Harrien fielen denſelben Sommer mit
ihren Heeren neunmal denen von Gerwen ins Land, pluͤnderten ſie aus, mach-
ten viele nieder, fuͤhrten ſie gefangen, daß ſie auch ſo gar den Daͤniſchen Prie-
ſter mit unter den andern verwundeten und toͤdteten, bis endlich die meiſten unter
ihnen die Herrſchaft und Taufe der Daͤnen ergriffen. Eben ſo wurde den Wir-
laͤndern, die von den Rigiſchen zuerſt bezwungen waren, durch die Drohun-
gen der Daͤnen Angſt gemacht, daß ſie ihr Wort und ihre Herrſchaft annahmen.
Daher weihete der Erzbiſchof einen neuen Biſchof uͤber Wirland und Gerwen,
und eignete dem Biſchof von Revel die Provinzen in Harrien zu.
§. 3.
Der Koͤnig von Schweden Johannesd) mit ſeinem Herzog Carle) und
feinen Biſchoͤfen kam inzwiſchen mit einer ſtarken Armee nach Rotalienf), und
trachtete einige Theile in Eſthland und die Oberherrſchaft daruͤber zu erhalten.
Er nahm ſeine Reſidenz auf dem Schloſſe Leal, uͤber welches der Biſchof Hermann,
des Biſchofs von Liefland Bruder, von dem Herrn Pabſt beſtaͤtiget war; indem dieſe
Provinz ehmals durch den Rigiſchen erobert, und zum chriſtlichen Glauben un-
terwieſen worden. Auch die Schweden durchwanderten die Provinz, lehrten
und tauften etliche und baueten Kirchen. Sie kamen zu den Daͤnen in Revele
und beſprachen ſich mit ihnen. Ebenfals fertigten die aus Riga an ſie Boten ab,
mit der Nachricht, dieſe Laͤnder waͤren durch ſie zum chriſtlichen Glauben gebracht,
warneten ſie auch, den betruͤglichen Worten der treuloſen Eſthen nicht alzuviel
zutrauen, und nicht ſo ſchwache Bedeckung um ſich zu haben. Der Koͤnig aber legte
ſeine Maͤnner in das Schloß, nemlich in Lealg), ſamt dem Herzog Carl und dem
Biſchof zur Beſatzung, und begab ſich wieder nach Schweden. Weil ſie nun
auf der einen Seite Liefland, auf der andern die Daͤnen hatten, und alſo in
der Mitten ſich befanden, waren ſie vor den Heiden nicht ſonderlich bange. Es
begab ſich aber eines Tages, mit dem fruͤheſten Anbruch der Morgendemmerung;
ſo kamen die Oeſeler uͤbers Meer mit einem ſtarken Heer, belagerten die Schwe-
den, ſchlugen ſich mit ihnen herum, und legten Feuer ans Schloß. Die
Schweden fielen zwar aus, mit ihnen zu ſtreiten, ſie waren aber einer ſo groſ-
ſen Menge nicht gewachſen. Alſo fielen die Schweden und wurden nieder ge-
macht, ihr Schloß erobert, und der Herzog blieb auf der Wahlſtat i). Auch der
Biſchof
[161]von 1219 bis 1220.
Biſchof ward mit Feuer und Schwerdt getoͤdtet, und gelangte zur Gemeinſchaft1219
der Maͤrtyrer k). Die Daͤnen kamen nachher, ſamleten ihre Leichname auf, und
beerdigten ſie mit Trauren. Gleichfals auch die Rigiſchen, da ſie ihre Nieder-
lage vernommen, betraureten ſie viele Tage mit Seufzen. Der Erſchlagenen
waren bey nahe fuͤnf hundert, davon nur wenige entkommen waren, die ſich nach
dem Schloß der Daͤnenl) hin retiriret hatten. Die uͤbrigen alle fielen durch die
Schaͤrfe des Schwerdts, deren Gedaͤchtniß im Segen, ihre Seelen aber bey Chri-
ſto in Ruhe bleiben muͤſſen!
§. 4.
Der Biſchof von Liefland aber, der zur See gegangen war, langete in
Luͤbek an. Hier ward ihm geſtecket, daß der Koͤnig von Daͤnnemark ihm
auflauren laſſe, und machte ſich daher unter Beyſtand ſeiner getreuen Freunde
heimlich aus der Stadt m). Er kam in groͤſter Eil nach dem Roͤmiſchen Hofe zu
dem Pabſt HonoriusIII. Dieſer erhoͤrte ſeine Bitte mitleidig und vaͤterlich.
Der Koͤnig von Daͤnnemark ſchickte ſeine Geſandten wider ihn auch hin, welche
die Geſchaͤfte der Lieflaͤndiſchen Kirche am Roͤmiſchen Hofe nicht wenig
ſtoͤrten, und ſich doch noch weniger damit Nutzen ſchaftenn). Der Biſchof von
S s 2Lief-
[164]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwey und zwanzigſtes Jahr,
1219Liefland wandte ſich hierauf an den Kaiſer Friderich, der nur neulich erſt zur
hoͤchſten Wuͤrde des Reichs erhaben worden, und ſuchte bey ihm Rath und Huͤlfe,
ſowol gegen die harten Feindſeligkeiten des Koͤnigs von Daͤnnemark, als auch
der Ruſſen, der Heiden und anderer, aus der Urſache, weil Liefland mit al-
len bezwungenen Provinzen gewiſſer maſſen ſich immer aus Roͤmiſche Reich hielto).
Der Kaiſer aber, ſo mit verſchiedenen und wichtigen Reichsaffairen beſchaͤftiget
war, gab dem Biſchof ſchlechten Troſt, weil er angelobet, das heilige Land um
Jeruſalem zu ſchuͤtzen; und entzog aus dieſem Grunde und dieſem Anliegen dem
Biſchof ſeinen Beyſtandp), doch ermahnte und belehrte er ihn, mit den Daͤnen
ſowol, als mit den Ruſſen, Friede und Freundſchaft zu halten, bis man auf die
neue Grundlage mit der Zeit ein dauerhaft Gebaͤude auffuͤhren koͤnte. Weil nun
der Biſchof keinen Troſt weder vom Pabſt noch vom Kaiſer erhielt; ſo kehrte er
wieder nach Deutſchland. Und da ſchien es ihm dienlich, auf Einrathen redli-
cher Maͤnner, ſich lieber zum Koͤnig in Daͤnnemark zu begeben, als die Kirche
in Liefland in Gefahr zu ſetzen. Denn der Koͤnig von Daͤnnemark verbot den
Luͤbekern, als ſeinen Unterthanen, an die Fremden keine Schiffe nach Lief-
land zu geben, bis er den Biſchof zu ſeiner Einſtimmung bewogen. Daher
wandte ſich der Hochwuͤrdige Biſchof mit ſeinem Bruder, dem Biſchof Herrmann,
zu hochbeſagtem Koͤnig von Daͤnnemark, und uͤbergab ſowol Lief- als Eſth-
land in ſeine Gewalt, doch nur in ſo ferne, wenn die Praͤlaten ſeiner Kloͤſter,
ſeine Maͤnner, alle Rigiſchen und alle Liven und Letten, auf dieſen Fuß mit
eimwilligen wuͤrden q). Zu der Zeit ſtarb auch die Koͤnigin r), die Gemahlin nem-
lich des Koͤniges von Daͤnnemark, in der Geburt. Es ſagte hieruͤber ein Ge-
wiſſer, die neue Kirche, ſo in die Gewalt des Koͤnigs uͤbergeben waͤre, und taͤg-
lich eine geiſtliche Frucht gebaͤren wolte, wuͤrde zu den Zeiten, da ſie unter ihm
ſtuͤnde, unfehlbar in Gefahr gerathen. Dieſer hat auch die Wahrheit prophezeiet,
wie unten erhellen wird.
§. 5. Mitler
[165]von 1219 bis 1220.
§. 5.
Mitler Zeit, da die andern um die Beherſchung der Laͤnder ſich zankten, ging1219
der Prieſter der Letten von der Ymera zum andernmal nach Eſthland, nahm
einen andern Prieſter, Dietrich, mit ſich, der nur neulich ordiniret war, gin-
gen durch Saccala, kamen an die Pale, fingen von dieſem Strom an, und
tauften die benachbarte Provinz, ſo Wormegunde heiſſet, hielten ſich auch in
jedem Dorfe etwas laͤnger auf, riefen das Volk zuſammen und predigten ihnen das
Evangelium. Sie zogen ſieben Tage umher, und tauften jeden Tag wol drey-
bis vierhundert beyderley Geſchlechts. Hierauf machten ſie ſich nach Ger-
wen, und gingen in die aͤuſſerſte an Wirland gelegene, aber noch ungetaufte
Provinz Lappegunde, verrichteten in jedem groſſen Dorfe das Sacrament der
heiligen Taufe, bis ſie an ein Dorf, Rettis genant, kamen, woſelbſt ſie ein glei-
ches thaten. Hier haben nachgehends die Daͤnen eine Kirche erbauet, wie ſie es
auch auf andern vielen von uns getauften Doͤrfern machten. Endlich erreichten ſie
das Dorf, ſo den Namen Reynenen fuͤhrte, und ſchickten welche aus, die Leute
aus andern Doͤrfern her zu beſtellen. Es ſagte aber ein Bauer, ihr Landesaͤlte-
ſter: Wir ſind ſchon alle getauft. Und da dieſe fragten, mit welcher Tau-
fe ſie getauft waͤren; gab er zur Antwort: Als wir auf dem Dorfe Solge-
ſim waren, da eben der Daͤniſche Prieſter daſelbſt ſeine Taufe verrichtete,
taufte er auch von uns etliche Maͤnner, und gab uns das geſegnete Waſſer
mit; worauf wir nach unſern Doͤrfern umkehrten, und jeder von uns be-
ſprengte mit ſelbigem Waſſer ſeine Familie, Weiber und Kinder; und was
vor ein Getaufe ſollen wir weiter mit uns machen s)? Denn da wir einmal
getauft ſind, ſo brauchen wir euch nicht weiter anzunehmen. Die Prieſter
hoͤrten dieſes und laͤchelten ein wenig, ſchuͤttelten aber den Staub von ihren Fuͤſſen
auf ſie, eilten nach andern Doͤrfern, und tauften auf der Grenze von Wirland
drey Doͤrfer. Daſelbſt war ein Berg und ein ſchoͤner Wald, worinne nach Aus-
ſage der Einwohner der groſſe Gott der Oeſeler geboren, der Tharapita heiſt,
und von demſelben Ort nach Oeſel geflogen ſeyn ſol t). Es ging auch ein anderer
Prieſter herum, der hieb die Bilder und Gleichniſſe ihrer Goͤtter, ſo daſelbſt ge-
macht waren, um, daß die Heiden ſich wunderten, warum kein Blut auslief, und
daher den Prieſtern deſto eher glaubten. Wie nun ſieben Tage lang die Taufe in
felbiger Provinz gehalten worden, kehrten die Prieſter nach einer andern Provinz,
die Mocha hieß, brachten da gleichfals eine Woche zu, zogen auf den Doͤrfern
umher, und tauften des Tages drey- bis vierhundert beyderley Geſchlechts,
bis ſie endlich in allen Gegenden mit der Taufe fertig waren und die heidniſchen
Gebraͤuche abſchaften. Aus dieſer Provinz begaben ſie ſich nach Waiga, fanden
unterwegens viele Doͤrfer, die von keinen Prieſtern noch beſucht waren, tauften
daſelbſt alle Maͤnner, Weiber und Kinder, gingen um die See Wercegerwe
herum, erreichten Waiga, und da Waiga ſchon vorher getauft war, kehrten
ſie wieder zu der Provinz um, die Sogentaganau) hieß, beſuchten alle und je-
de Doͤrfer, ſo vorher ungetauft geblieben waren, nemlich Ygetenere, Welpole
und Waſala, nebſt vielen andern, und tauften Maͤnner, Weiber und Kinder
durchgaͤngig. Nachdem ſie eine ganze Woche da verharret, und die heilige Taufe
zu Ende gebracht, ſo kehrten ſie froͤlich wieder an die Embach, volzogen an de-
nen Ungetauften zu beyden Seiten des Fluſſes das gute Werk, lehrten fleißig
und wandten ſich endlich wieder nach Odempe, uͤberlieſſen den neugepflanzten und
mit der heiligen Taufe bewaͤſſerten Weinberg GOtte, der das Gedeien geben ſolte,
und zogen wieder nach Liefland.
T tt) Die,
[166]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwey und zwanzigſtes Jahr,
§. 6.
Ganz Eſthland wird getaufet.
Eine kurze Zeit darauf kam eben die-
ſer Prieſter Dietrich zuruͤck nach Ger-
wen und Wierland zu ſeinen Getauf-
ten, und wohnte bey ihnen. Die Daͤ-
nen, ſo davon Nachricht hatten, nah-
men ihn mit ſeinem Knechte gefangen,
nahmen ihnen die Pferde und alles
was ſie hatten ab, und ſchickten ſie aus-
gepluͤndert wieder nach Liefland.
Sie**) ſandten auch nach der Schwe-
den Niederlage den Bruder des Ri-
§. 6.
Eſtonia tota baptizatur.
Poſtmodicum vero temporis ſpatium
rediit iterum idem Theodoricus ſacer-
dos in Gerwam et Wironiam, ad bapti-
zatos ſuos, et habitauit ibidem cum
eis. Et audientes Dani comprehen-
derunt eum cum ſeruo ſuo, et auferen-
tes eis equos, et omnia quæ habebant,
deſpoliatos remiſerunt in Liuoniam.
Miſerunt etiam fratrem Epiſcopi Ri-
genſis, Salomonem, ſacerdotem, in Ro-
thaliam, poſt interitum Suecorum, qui
giſchen
[167]von 1219 bis 1220.
giſchen Biſchofs, den Prieſter Sa-
lomon, nach Rothalien, den ſie guͤtig
da aufnahmen und verſprachen, der
Kirche zu Riga allezeit willig zu die-
nen; der Daͤnen Herrſchaft oder Tau-
fe aber nimmermehr anzunehmen. Da
brachten ſie die Schatzung in allen ihren
Grenzen zuſammen, wie ſie vorher im-
mer zu thun pflegten, und uͤbermachten
ſie durch die Haͤnde des Prieſters an die
von Riga. Da die Daͤnen aber ka-
men, nahmen ſie alles ab, und ſchick-
ten ihn ausgepluͤndert nach Liefland
fort. Es zog auch Harwich, ein jun-
ger Prieſter der Ordensbruͤder, nach Un-
gannien, und wohnte da mit ſeinen
Bruͤdern und taufte, ſo viel er ungetauft
antraf. Gleichfals zog auch der Let-
ten Prieſter nach Ungannien, und
kam nach Wayatapalwe gegen Pleſ-
cekowe zu, taufte oͤffentlich in ihren
aͤuſſerſten Dorfſchaften, erklaͤrte ihnen
den Glauben an Chriſtum, und kehrte
nach volzogener Taufe wieder nach Lief-
land. Zu der Zeit ward die Taufe
durch ganz Eſthland beſtellet, und viele
Voͤlker in allen Laͤndern und Provinzen
Eſthlands lieſſen ſich taufen, derge-
ſtalt, daß etliche ſowol Prieſter als auch
andre mehr, fuͤnf tauſend, etliche auch
zehn tauſend getaufet haben unter ihren
Tauſenden*) und mehrere. Die Kir-
che genoß alſo einen geruhigen Frieden,
und alles Volk prieſe den HErrn, der
nach ſo vielen Kriegen die Herzen der
Heiden endlich von dem Goͤtzendienſte
zur Verehrung ihres GOttes bekehret,
der da iſt hochgelobet in Ewigkeit.
§. 7.
Ungluͤcklicher Feldzug der Oeſeler
wider die Revelſchen Daͤnen.
Zu der Zeit eroberten auch die Chri-
ſten vom Gelobten Lande die Stadt
Damiata in Aegypten, und wohne-
ten in derſelben. Und die Kirche GOt-
tes ſiegte und triumphirte uͤber die Hei-
den auf dem ganzen Erdboden, obgleich
fuͤr uns nicht gar zu lange. Denn gleich
das Jahr darauf nach Oſtern kamen die
benigne receptus eſt ab iis, promit-1219
tentibus, ſe Rigenſi ſemper Eccleſiæ
libenter deſeruire; Danorum vero do-
minium ſiue baptismum ſe nunquam
accepturos. Et colligebant cenſum
de cunctis finibus ſuis, ſicut antea
ſemper ſolebant, mittentes per manus
ipſius ſacerdotis Rigenſibus: et venien-
tes Dani abſtulerunt omnia, et miſe-
runt eum ſpoliatum in Liuoniam. Abiit
etiam Harvicus, fratrum militiæ juue-
nis ſacerdos, in Unganniam, et habita-
uit ibi cum fratribus ſuis, et baptiza-
uit, quoscunque non baptizatos inue-
nit. Similiter et Letthorum adhuc ſa-
cerdos abiit in Unganniam, et venit in
Wayatapalwe verſus Pleſcekowe et in
extremis villulis illis omnibus cele-
brando baptismi ſacramentum, fidem
eis aperuit Chriſtianam, et conſumma-
to baptismate reuerſus eſt in Liuoniam.
Eodem tempore conſummatus eſt ba-
ptismus per uniuerſam Eſtoniam, et
baptizati ſunt in omnibus finibus et pro-
uinciis Eſtoniæ populi multi, et ita, ut
alii ſacerdotum et plures alii quinque
millia, quidam etiam ex eis decem mil-
lia baptizaverint in millibus ſuis et plu-
res. Et gaudebat Eccleſia pacis tran-
quillitate, et collaudabat omnis popu-
lus Dominum, qui poſt bella plurima
tandem conuertit ab idololatria corda
paganorum ad ſui DEI cultum, qui eſt
benedictus in ſecula.
§. 7.
Oſilienſium in Danos Reualienſes
infauſta expeditio.
Eodem etiam tempore Chriſtiani
de terra Hieroſolymitana ceperunt Da-
miatam, ciuitatem Aegypti, et habi-
tabant in ea; et habebat eccleſia
DEI victoriam et triumphos de paga-
nis per orbem undique terrarum, li-
cet nobis non longo tempore. Nam
ſtatim ſequenti anno poſt Paſcha ve-
T t 2Oeſeler
[168]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, drey und zwanzigſtes Jahr,
1219Oeſeler mit einer ſtarken Herrsmacht,
und belagerten die Daͤnen in Revel.
Sie fochten ſich vierzehn Tage mit ihnen
herum, zuͤndeten ſtarke Feuer an, und
hoften ihrer auf ſolche Manier maͤchtig
zu werden. Die Daͤnen wagten auch
unterweilen einen Ausfal aus dem
Schloſſe, und ſchlugen ſich mit ihnen,
wurden aber doch wieder von jenen ins
Schloß zuruͤck getrieben. Doch, wie
die Oeſeler vier Kaufartheyſchiffe auf
der See anſegeln ſahen, ſo beſorgten
ſie, der Koͤnig von Daͤnnemark kaͤme
mit einer Armee an; daher lieſſen ſie das
Schloß der Daͤnen ſtehen, ranten nach
ihren Schiffen, und fuhren nach Oeſel
zuruͤck. Die Daͤnen machten kurze
Springe, krigten die Landesaͤlteſten der
Provinz Revel, Harrien und Wier-
land bey den Koͤpfen, und hingen alle
an Baͤume auf, ſo viel waͤhrend der Be-
lagerung ihres Schloſſes bey den Oeſe-
lern geweſen, oder an ihren boͤſen Rath-
ſchlaͤgen Theil genommen. Sie legten
auch den uͤbrigen ein gedoppelt oder drey-
fach ſtaͤrkeres Kopfgeld auf, als ſie vor-
her zu geben pflegten, und nahmen alſo
von ihnen haͤufige und wichtige Erſetzung.
Daher faſten die Eſthen gegen die
Daͤnen einen ſtarken Haß, und ſonnen
immer auf betruͤgliche Raͤnke und An-
ſchlaͤge wider ſie, wie ſie ſelbige aus ih-
ren Grenzen verjagen moͤchten.
nerunt Oſilienſes cum exercitu magno,
et obſederunt Danos in Reualia, pu-
gnantes cum eis diebus quatuordecim,
et ignes multos accedentes, eos in hunc
modum capere ſperabant. Et exiue-
runt Dani de caſtro quandoque prœ-
liantes cum eis iterumque repulſi ſunt
ab eis poſt tergum in caſtrum. Et vi-
dentes Oſilienſes coggones quatuor ve-
nientes in mari, timebant, regem
Daniæ cum exercitu venire: et relin-
quentes caſtrum Danorum, abierunt
ad naues ſuos, et reuerſi ſunt in Oſi-
liam. Et miſerunt Dani ſtatim et ce-
perunt ſeniores Reuelenſis prouinciæ et
Harrionenſis, nec non et Wironienſis,
et ſuſpenderunt omnes in arbores,
quotquot fuerant cum Oſilienſibus in
obſidione ſui caſtri, ſiue in conſiliis
ſuis malignis. Et duplicem cenſum
vel triplicem, quam ante dare ſole-
bant, impoſuerunt reliquis, ſatisfactio-
nesque multas et graues acceperunt
ab eis. Unde majus odium Eſtones
contra Danos habere cœperunt, et do-
loſas multorum conſiliorum machina-
tiones ſemper quærebant contra eos,
qualiter eos de finibus ſuis expellere
valerent.
Des Biſchof Alberts drey und zwanzigſtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1220 bis 1221.
Die Daͤnen uͤberlaſſen Eſthland
den Deutſchen.
§. 1
Nunmehro war es das drey und
zwanzigſte Jahr, nachdem der
Biſchof eingeweihet war, und
die Kirche in Liefland hatte nur weni-
ge Tage Ruhe. Wie der Graf Adolph
von Dale weggezogen, ſo kam vorer-
wehnter Hochwuͤrdige Biſchof von Ri-
ga mit andern Pilgern, obgleich weni-
gen wieder ins Land. Unter dieſen be-
fand ſich auch Rodo von Hocken-
borch, ein Edler Herr, nebſt andern
Dani Eſtoniam Teutonicis relinquunt.
§. 1.
Annus erat conſecrationis An-
tiſtitis XXIII, et ſiluit pau-
cis Liuonum terra diebus.
Abeunte itaque Comite Adolpho de
Dale, iterum rediit præfatus venerabi-
lis Antiſtes Rigenſis cum aliis peregri-
nis, licet paucis, inter quos erat Ro-
do de Hockenborch, homo nobilis,
cum aliis militibus et clericis. Et in
ejusdem Epiſcopi reuerſione cogno-
uerant Rigenſes, quod tradita eſſet
Rit-
[169]von 1220 bis 1221.
Rittern und Geiſtlichen. Bey des Bi-
ſchofs Zuruͤckkunft vernahmen die Ri-
giſchen, daß nicht nur Eſthland ſon-
dern auch Liefland in die Gewalt des
Koͤnigs von Daͤnnemark uͤbergeben
ſey. Hieruͤber wurden alle ſehr beſtuͤrzt,
und widerſprachen insgeſamt einhellig
aus einem Munde, ſo wol die Praͤlaten
der Kloͤſter, als die Maͤnner der Kirche,
Buͤrger und Kaufleute, Liven und
Letten, und ſagten, ſie haͤtten bisher
die Kriege des HErrn wider die Heiden
zur Ehre unſers HErrn JEſu Chriſti
und ſeiner geliebten Mutter gefuͤhret und
nicht zur Ehre des Koͤnigs von Daͤn-
nemark; ſie wolten lieber das Land
verlaſſen, als Hocherwehntem Koͤnige
dienen. Dieſe Rede gelangte vor die
Ohren des Hochwuͤrdigen Erzbiſchofs
der Lundiſchen Kirche, der in der Be-
lagerung des Schloſſes Revel durch die
Verfolgungen der Heiden nicht wenig
war geaͤngſtiget worden. Er erkante,
daß er die Huͤlfe der Rigiſchen nicht
Umgang haben koͤnte, und ſchickte ſeine
Abgeordneten an den Biſchof von Ri-
ga, mit dem Verſprechen, er wolte
Liefland in ſeine vorige Freyheit ſetzen.
Der Biſchof reiſte alſo mit dem Ordens-
meiſter und ſeinen Maͤnnern zu dem Erz-
biſchof nach Revel, und erhielten Ver-
troͤſtung und Geſchenke; er verſprach ih-
nen auch, er wolle mit allem Fleiß Lief-
land wieder zu ſeiner Freyheit verhelfen,
nur daß die Deutſchen und Daͤnen
einen gemeinſchaftlichen Frieden und ge-
meinſchaftlichen Krieg gegen die Heiden
und Ruſſen haͤtten. Jn Saccala
und Ungannien aber, traten ſie den
Ordensbruͤdern alle koͤnigliche und welt-
liche Rechte ab: dem Biſchof trugen
ſie die geiſtlichen Rechte auf, und alſo
kehrten dieſe mit Freuden nach Lief-
land.
§. 2.
Lob der heiligen Maria, die ihr
Liefland wider feindliche An-
faͤlle beſchuͤtzer.
Rach ihrer Zuruͤckkunft kam ein ge-
wiſſer Ritter Gottſchalk, des Koͤnigs
von Daͤnnemark Gevolmaͤchtigter
nach Riga, der abgeſchickt war, die
Gerichtsbarkeit der Stadt unter die Ge-
non tantum Eſtonia, verum etiam Li-1220
uonia in poteſtatem Regis Daniæ, et
conturbati omnes valde, ſimulque
omnes uno ore contradixerunt, tam
Prælati conuentuum, quam viri Eccle-
ſiæ, et ciues et mercatores, et Liuo-
nes et Letthi, dicentes, ſe ad hono-
rem Domini noſtri JEſu Chriſti, ſuæ-
que dilectæ genitricis hactenus ſe prœ-
lia Domini prœliari contra paganos, et
non in honorem Daciæ Regis, magis-
que terram ipſam ſe velle relinquere,
quam Regi prædicto ſeruire. Et per-
uenit verbum hoc ad autes Archiepi-
ſcopi venerabilis Eccleſiæ Lundenſis,
qui fuerat in obſidione arcis Reuelenſis
paganorum perſecutionibus non modi-
cum examinatus, et cognouit ſe Ri-
genſium adjutorio plurimum indigere,
miſitque nuncios Epiſcopo Rigenſi,
promittens, ſe Liuoniam in priſtinam
libertatem reducturum. Et abiit Epi-
ſcopus idem cum Magiſtro Militiæ et
viris ſuis ad eundem Archiepiſcopum
in Reuelam, et acceperunt conſola-
tionem et munera, promiſitque eis
omni ſtudio Liuoniam ſe velle iterum
in ſuam reuocare libertatem, tantum
ut una pace belloque unico contra
paganos et Ruthenos Teutonici cum Da-
nis gauderent. In Saccala vero et
Ungannia Regalia cuncta ſimul et ſe-
cularia jura Fratribus Militiæ dede-
runt: et Epiſcopo ſpiritualia commi-
ſerunt et reuerſi ſunt gaudentes in
Liuoniam.
§. 2
Laudes beatæ Virginis, Liuoniam ſuam
contra injurias boſtium defendentis.
Poſt quorum reuerſionem venit
miles quidam Godeſchalkus Regis Da-
niæ nuncius in Rigam, miſſus præoccu-
pare ciuitatis ipſius aduocatiam ad
manum Regis. Et coutradixerunt
U uwalt
[170]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts drey und zwanzigſtes Jahr,
1220walt des Koͤnigs zu ziehen. Es wider-
ſprachen ihm aber alle, ſo in ganz Lief-
land wohnten, ſowol Liven als Let-
ten, und ſonderlich die Deutſchen, ja
ſo gar, daß auch die Kaufleute ihm ſo
wol bey ſeiner Herfarth von Gothland
nach Liefland, als bey ſeiner Abfarth
von Liefland nach Gothland keinen
Piloten mitgeben wolten. Er fuhr al-
ſo beſchaͤmt und beſtuͤrzt von Liefland
ab, kam auf die groſſe und geraume See,
und ging ohne Steuermann; daher wur-
de er von widrigem Winde verſchlagen,
und weil er vielleicht gegen den Willen
deſſen, der den Winden befehlen kan,
nach Liefland gekommen; ſo erhuben
ſich nicht unbillig Gegenwinde wider ihn,
und die Sonne der Gerechtigkeit ſchien
ihm nicht, weil er ihre Mutter Maria
beleidiget, welche ein Stern des Meers
genant wird. Daher zeigte ſie ihm auch
den ſichern Weg nicht. Auf ſolche Art
ward dieſer Ritter aus Liefland abge-
wieſen, und kam wieder nach Daͤnne-
mark, entſagte auch nachher der koͤnig-
lichen Advocatur auf das Land der hei-
ligen Mutter GOttes So, ſo beſchuͤtzet
der Stern des Meers ſein Liefland al-
lezeit. So, ſo beſchuͤtzet dieſe Beherr-
ſcherin der Welt, und die Gebieterin
uͤber alle Laͤnder ihr geiſtliches Land im-
mer. So, ſo herrſchet die Koͤnigin des
Himmels uͤber die irdiſchen Koͤnige.
Herrſchet ſie nicht? Wenn ſie viele Koͤ-
nige, die wider Liefland ſtritten, un-
gluͤcklich gemacht. Hat ſie dieſelben
nicht ungluͤcklich gemacht, da ſie den
Groskoͤnig Woldemar von Ploſceke,
der mit einer Armee in Liefland einfiel,
eines ploͤtzlichen Todes umkommen laſ-
ſen? Hat ſie nicht den Groskoͤnig von
Nogarden, der Liefland zum erſten
mal pluͤnderte, gleich um ſein Reich ge-
bracht, daß ihn ſeine Unterthanen verjag-
ten? Hat ſie nicht einen andern Koͤnig
von Neugarden, der das zweite mal
Liefland verheerte, durch die Tartern
erſchlagen laſſen? Hat ſie nicht den Koͤ-
nig Wiſſewald von Gercike, welcher
die Rigiſchen gepluͤndert, mit Feuer
und Schwerdt genugſam gedemuͤthiget?
Jſt nicht der Koͤnig Vieſceka, der die
omnes ei, qui erant per uniuerſam Li-
uoniam, tam Liuones quam Letthi, et
præcipue Teutonici in tantum, ut etiam
mercatores ſibi gubernatorem nauis
ſuæ tam de Gothlandia in Liuoniam ve-
niendo, quam de Liuonia in Gothlan-
diam redeundo denegarent. Et receſ-
ſit ipſe confuſus a Liuonia, venitque
in mare magnum et ſpatioſum, et ibat
ſine rectore nauis, et projectus eſt a
vento contrario, et quia fortaſſis con-
tra voluntatem ipſius, qui ventis im-
perat, venerat in Liuoniam; ideo non
immerito venti contrarii in eum ſur-
rexerunt, et ſol juſtitiæ non illuxit
ei, eo quod Mariam Matrem ejus of-
fenderat, quæ maris dicitur ſtella*).
Quapropter et ipſam certam ipſi viam
non oſtendit. Taliter idem Miles ex-
pulſus a Liuonia rediit in Daniam ab-
renuncians deinceps in terram beatæ
Virginis Mariæ regalem Aduocatiam.
Sic, ſic maris ſtella ſuam ſemper cu-
ſtodit Liuoniam. Sic, ſic mundi Domi-
na terrarumque omnium Imperatrix
ſpiritualem ſuam terram ſemper defen-
dit. Sic, ſic Regina cœli terrenis Re-
gibus imperat. Nonne imperat?
Quando Reges multos contra Liuo-
niam pugnantes exacerbauit. Nonne
exacerbauit? quando Regem Magnum
Woldemarum de Ploſceke venientem
in Liuoniam cum exercitu ſubitanea
morte percuſſit. Numquid non Re-
gem Magnum Nogardiæ, qui Liuo-
niam prima vice ſpoliauit, regno ſuo
ſtatim priuauit? ut a ciuibus ſuis
expelleretur; et alium regem Nogar-
diæ, qui ſecunda vice Liuoniam de-
prædauit, per Tartaros occidit? Num-
quid non regem Wiſſewaldum de Ger-
cike, qui Rigenſes ſpoliauit, igne et
gladio ſatis humilitauit? Numquid non
Maͤnner
[171]von 1220 bis 1221.
Maͤnner des Biſchofs ehmals in Kuke-
nois todtgeſchlagen, nachher eines
ſchmaͤligen Todes, wie unten ſol geſagt
werden, in Tarbet geſtorben? Sol ichs
wagen und die Schweden anfuͤhren,
welche in die Provinzen in Rothalien
gedrungen, die doch durch die Fahne der
Mutter GOttes bezwungen waren; ſind
ſie nicht ſelbſt von den Oeſelern hinge-
richtet worden? Hat ſie nicht auch den
Koͤnig von Daͤnnemark, wenn ichs
ſagen darf, der Liefland durch ſeine
Herrſchaft zu beunruhigen trachtete, mit
einer langwierigen und wunderbaren Ge-
fangenſchaft durch die Hand weniger
Leute geſtrafet? Hat ſie nicht Svelle-
gaten, wie auch andere Fuͤrſten und
Landesaͤlteſten der Litthauer mehr,
durch ihre Knechte in Liefland umge-
bracht? Muſte nicht Ako, der Oberſte
uͤber die ehmals in Holme treuloſen Li-
ven, mit andern mehrern, die von den
Rigiſchen niedergehauen wurden, auch
ſein Leben verlieren? Kam nicht auch
Rußinus, der Letten Landesaͤlteſte, in
Dabrelsburg um? Fielen nicht alle
Aelteſten von Thoreida, welche treu-
los hieſſen, zur Zeit der Peſtilenz, und
muſten crepiren. Blieben nicht alle Ael-
teſten von Oeſel und aus den Provin-
zen Rothaliens, als ſie bey Thorei-
da von den Rigiſchen niedergemacht
wurden? Muſte nicht Lembitus Wy-
tamas mit ſeinen andern treuloſen Ael-
teſten in Saccala ſich von den Rigi-
ſchen erſchlagen und toͤdten laſſen? Und
ſo viel noch uͤbrig blieben, die in ihrer
Untreue nachher verharreten, ſind ſie
nicht alle umgekommen? Siehe! wie
ſaͤuberlich die Mutter GOttes mit den
ihrigen umgehet, die ihr in Liefland treu-
lich dienen, wie ſie ſelbige ſtets vor allen
ihren Feinden in Schutz nimt; und wie
grauſam ſie mit denjenigen verfaͤhret, die
ſich erkuͤhnen, ihr Land anzutaſten, oder
den Glauben und die Ehre ihres Sohns
in dieſem Lande zu verhindern. Siehe!
wie viel und groſſe Koͤnige ſie geſtuͤrzet?
Siehe! wie viel Fuͤrſten und Volksaͤl-
teſten der Treuloſen und Heiden ſie von
der Erde vertilget? Wie ofte ſie den ih-
rigen Sieg uͤber ihre Feinde verliehen?
Denn ſie hat bisher ihre Fahne in Lief-
land ſo wol im Vorausgehen als Nach-
Rex Vieſceka, qui viros Epiſcopi in1220
Kukenois quondam mortificauerat,
crudeli morte poſtmodum, ſicut in-
fra dicetur, in Tarbeto interiit? Sue-
cos etiam numquid audebo dicere,
qui Rothalienſes prouincias beatæ Vir-
ginis vexillo ſubjugatas intrauerunt,
numquid non ipſi ab Oſilienſibus inter-
fecti ſunt? Numquid etiam non Re-
gem Danorum, ſic dicere fas eſt, qui
Liuoniam domino ſuo turbare voluit,
longa et mirabili per manum pauco-
rum captiuitate turbauit? Numquid
non Suellegaten, nec non et alios plu-
res Letthonum Principes, ac Seniores
per ſeruos ſuos Liuonienſes interfecit?
Nonne Ako, Liuonum in Holme quon-
dam perfidorum Princeps, cum aliis
quam plurimis a Rigenſibus interfectis
cecidit? Nonne Ruſſmus, Letthorum
Senior, in caſtro Dabrelis occubuit?
Nonne omnes Seniores Thoreida, qui
perfidi dicebantur, tempore peſtilen-
tiæ ceciderunt, et mortui ſunt? Num-
quid non omnes Seniores Oſiliæ, nec
non Rothalienſium prouinciarum apud
Thoreidam a Rigenſibus interfecti ce-
ciderunt? Numquid non Lembitus
Wytamas cum aliis Senioribus ſuis
perfidis in Saccala a Rigenſibus inter-
fecti ceciderunt? Et quicunque tunc
ſuperfuerunt, et poſtmodum in per-
fidia ſua durauerunt, numquid non
omnes interierunt? Ecce! DEI mater
quam mitis circa ſuos, qui fideliter
ei deſeruiunt in Liuonia, qualiter
ipſa ſemper defendit eos a cunctis
inimicis ſuis, quamque crudelis circa
illos, qui terram ipſius inuadere,
ſiue qui fidem et honorem filii ſui,
in terra ipſa conantur impedire. Ecce!
quot et quantos Reges ipſa exacer-
bauit. Ecce! quot perfidorum et
paganorum Principes ac Seniores de
terra deleuit; quoties victoriam ſuis
de inimicis conceſſit. Semper enim
hactenus vexillum ſuum in Liuonia et
præeundo et ſubſequendo defendit ac
U u 2folgen
[172]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, drey und zwanzigſtes Jahr,
1220folgen beſchuͤtzet und uͤber die Feinde
triumphiren laſſen. Und welcher unter
den Koͤnigen oder Heiden, hat jemals
zu dieſer Zeit gegen Liefland geſtritten,
und iſt nicht umgekommen? Merket auf
und ſehets, ihr Fuͤrſten der Heiden,
oder der Daͤnen, oder von welcher Na-
tion ihr auch ſeyd. Fuͤrchtet dieſe ſanft-
muͤthige Mutter der Barmherzigkeit;
betet dieſe Mutter GOttes an; machet
dieſe grauſame Raͤcherin an ihren Fein-
den mit euch verſoͤhnet; fallet ihr Land
nachher nimmer an, damit euch die als
eine Mutter begegne, welche eine ewige
Feindin derer geweſen, ſo der ihrigen
Feinde waren, welche diejenigen noch
mehr geplaget hat, ſo die Jhrigen in
Liefland geplaget. Merket auch auf
und ſehets, die ihr den HErrn fuͤrchtet,
und in ihrem Lande Advocaten ſeyd, daß
ihr die Armen nicht ſo ſehr druͤcket, die
armen Liven und Letten, ſage ich,
oder was ſonſt vor Neubekehrte da ſeyn,
die der heiligen Jungfrau angehoͤren;
welche den Namen Chriſti ihres Soh-
nes bisher zu andern Voͤlkern getragen
haben, und noch tragen werden. Stel-
let euch mit uns das ſchmaͤliche Ende ei-
niger, die ihren Unterthanen ſchwer ge-
fallen, vor die Augen eures Gemuͤths,
und erſchrecket daruͤber mit einem tiefen
Nachdenken. Denn die heilige Jung-
frau hat keinen Gefallen an der groſſen
Schatzung, welche die Neubekehrten zu ge-
ben pflegen. Sie laͤſt ſich nicht mit dem
Gelde verſoͤhnen, das jenen in verſchiede-
nen Gerichtshaͤndeln abgenommen wird;
ſie wil ihnen kein ſchweres, ſondern ein er-
traͤgliches und ſanftes Joch aufgelegt wiſ-
ſen, weil ihr Sohn ſaget: Mein Joch
iſt ſanft, und meine Laſt iſt leicht. Die-
ſer fordert hier nur dis von ihnen, daß ſie
an ſeinen Namen glaͤuben, ihn als einen
wahren einigen GOtt mit dem Vater er-
kennen, damit die, ſo da glaͤuben, das
Leben haben in ſeinem Namen, der da
iſt gelobet von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
§. 3.
Die Ruſſen und Letten greifen
Lettland an.
Es kamen auch zu der Zeit die Buͤrger
von Riga mit den Kaufleuten, wie auch
de inimicis triumphare fecit. Et
quis unquam hoc tempore Re-
gum aut paganorum contra Liuo-
niam pugnauit, et non interiit? Ani-
maduertite et videte, Principes paga-
norum et Ruthenorum, ſiue Danorum,
ſiue quarumcunque gentium Seniores.
Ipſam jam mitam Matrem miſericor-
diæ timete; ipſam DEI Matrem ado-
rate; ipſam tam crudelem vindicatri-
cem de inimicis ſuis placatam vobis
reddite; terram ipſius deinceps im-
pugnare nolite, ut ipſa ſit vobis ma-
ter, quæ fuit hactenus ſemper inimi-
ca de inimicis ſuis, et affligentes ſuos
in Liuonia magis ipſa ſemper afflixit.
Attendite etiam et videte, qui time-
tis Dominum et aduocatias in terra
ipſius geritis, ne pauperes nimium
opprimatis, pauperes, dico, Liuo-
nes et Letthos, ſiue quoscunque Neo-
phytos, beatæ Virginis ſuos, qui no-
men Chriſti, filii ſui deportauerunt
hactenus ad alias gentes, et adhuc
portabunt. Nobiscum crudelem quo-
rundam mortem, qui ſubditis ſuis
graues fuerunt, ante mentis oculos
reuocate, et alta conſideratione perti-
meſcite. Non enim beata Virgo cen-
ſu magno, quem dare ſolent Neo-
phyti, delectatur, non pecunia di-
uerſis actionibus ipſis ablata placatur,
neque jugum graue, ſed quod ſibi
portabile magis, atque ſuaue vult
eis imponi, cujus filius dicit: Iu-
gum meum ſuaue eſt, et onus meum
leue. Qui ſimpliciter hic exigit ab
eis, ut credant in nomine ejus et
cognoſcant eum cum patre Deum
verum eſſe unum, et credentes vi-
tam habeant in nomine ejus, qui
eſt benedictus in ſecula ſeculorum.
Amen.
§. 3.
Rutheni et Lettbones Letthiam inuadunt.
Conuenerunt etiam eodem tem-
pore ciues Rigenſes cum mercatori-
mit
[173]von 1220 bis 1221.
mit den Liven und Letten bey Tho-
reida zuſammen, und verſchwuren und
verbunden ſich ſo wol wider den Koͤnig
von Daͤnnemark, als gegen alle die
ihre Feinde waren. Die Bruͤder der
Ritterſchaft ſchickten auch ihre Knechte
aus, ſchnapten etliche Landesaͤlteſten der
Liven weg, und legten ſie in Syge-
walde in die Eiſen. Daher ging der
Rath der andern den Krebsgang. Die
Ruſſen uͤberſchickten aus Pleſcekowe
eine Abſchrift des Friedens, der bey
Odempe geſchloſſen war; folgten aber
auch gleich mit einer ſtarken Heeresmacht
nach. Die Armee commandirte der Koͤ-
nig von Nogardien, der gleich das
Jahr drauf von den Tartern erſchlagen
ward. Unter dieſem Heere befanden ſich
12000 Ruſſen, die ſo wol aus Nogar-
dien, als andern Staͤdten Rußlands
gekommen waren, wider die Chriſten
in Liefland. Sie ruͤckten in Lettland,
lagerten ſich da, und warteten zwey Wo-
chen auf die Litthauer, verwuͤſteten aber
alles, was in der Naͤhe war. Nachdem
naͤherten ſie ſich an Wenden, wo ihnen
die Bruͤder der Ritterſchaft mit ihren
Wenden vors Thor entgegen ruͤckten;
da ſie aber nicht im Stande waren, der
Menge Widerſtand zu thun, ſteckten ſie
Haͤuſer und Flecken in Brand, und zo-
gen ſich nach ihrem Schloſſe. Die Ruſ-
ſen aber lieſſen das Schloß im Ruͤcken,
gingen uͤber die Coiwa, und kamen nach
Thoreida, pluͤnderten das ganze Land,
branten alle Doͤrfer und Kirchen, wie auch
das im Felde ſchon zuſammen gebrachte
Getreide auf, nahmen die Menſchen beym
Kopfe ſchlugen ſie todt, und veruͤbten
ſchrecklich Unheil im Lande. Die Lit-
thauer marſchirten denſelben Weg bey
Wenden vorbey den Ruſſen nach, paſ-
ſirten die Coiwa, kamen auch mit ihnen
zuſammen, und was die Ruſſen boͤſes
noch nicht gnug begangen, das wuſten die
Lettowinen erſt nachzuholen. Es zog
aber der Ordensmeiſter von den Bruͤdern
der Ritterſchaft mit ſeinen Leuten aus
Riga aus, wie auch der Ritter Rodo
mit etlichen Pilgern; es zogen auch nur
andre wenige mit, wegen der Mishellig-
keit, ſo im Lande geweſen war. Dieſer
Ordensmeiſter ging alſo mit ſeinen Leuten
und in Geſelſchaft einiger anderer nach
bus, et cum Liuonibus ſuis et Lettis1220
apud Thoreidam conjurantes et con-
ſpirantes tam contra Regem Daniæ,
quam contra cunctos ſibi aduerſantes.
Et miſerunt Fratres Militiæ ſeruos
ſuos, et ceperunt quoſdam ex Senio-
ribus Liuonum, et in Sygewalde pro-
jecerunt eos in vincula. Vnde diſſi-
patum eſt conſilium aliorum, et re-
miſerunt Rutheni reſcriptum pacis de
Pleſcekowe, quæ facta fuit apud Odem-
pe, et ſequebantur ſtatim cum exer-
citu magno, et præerat exercitui Rex
Nogardiæ, qui ſtatim anno ſequenti
a Tartaris occiſus eſt. Et erant in
exercitu illo duodecim millia Rutbe-
norum, qui venerunt tam de Nogar-
dia, quam de aliis ciuitatibus Ruſſiæ,
contra Chriſtianos, qui erant in Liuo-
nia. Et venerunt in terram Lettho-
rum, et ſederunt exſpectantes Lettho-
nes hebdomadibus duabus, vaſtantes
ea, quæ in vicino erant. Poſt hac
adpropinquarunt ad Wendam, quibus
occurrerunt Fratres Militiæ cum Wen-
dis ſuis ad portam, et non valentes
reſiſtere multitudini, domos et villam
incenderunt, et declinauerunt ad ca-
ſtrum ſuum. Rutheni vero relinquen-
tes caſtrum, tranſiuerunt Coiwam, et
venerunt in Thoreidam, et depræda-
uerunt totam terram, incendentes vil-
las omnes et Eccleſias, et annonam,
et quæ jam collecta erant in campis,
et homines capientes et interficientes
fecerunt mala multa in terra: Lettho-
nes vero venientes eadem via prope
Wendam ſequebantur Rutbenos, et
tranſeuntes Coiwam venerunt ad eos,
et quæ minus mala fecerunt Rutheni,
Lettowini ſuppleuerunt. Et exiuit de
Riga Magiſter Militiæ Fratrum cum
ſuis, et Rodo Miles cum peregrinis
quibusdam, et alii pauci ſequebantur
propter diſcordiam, quæ fuerat in ter-
ra. Et abiit Magiſter cum ſuis et cum
aliis ſequentibus ad Coiwam, et pro-
X xder
[174]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, drey und zwanzigſtes Jahr,
1220der Coiwa, und hielt die Ruſſen vom
Ufer ab, damit ſie nicht in ſein Gebiete
kaͤmen. Einige von den Liven ſetzten
uͤbern Strom, und jagten einem Trup
Litthauer nach, die mit Gefangenen
und mit Beute von Goywemuͤnde ka-
men, machten faſt zwanzig aus ihnen nie-
der; die andern retirirten ſich mit der
Flucht zu den Ruſſen. Sie trafen auch
in dem Dorfe Coggelſe einen andern
Trup Ruſſen an, erlegten ihrer ebenfals
ſieben Mann, etliche fluͤchteten nach ihren
Kameraden zuruͤck, andre verſteckten ſich
in die Waͤlder und entkamen. Die Ruſ-
ſen aber ſagten, hier iſt nicht gut ſeyn,
weil die Liven und Deutſchen ſich um
uns von allen Ecken her verſamlen. Alſo
brachen ſie um Mitternacht auf, und gin-
gen aus dem Lande. Die folgende Nacht
blieben ſie in Ykewalde, pluͤnderten aber
das Land umher, ſengten und brenten.
Die dritte Nacht machten ſie es an der
Ymer eben ſo, drungen hierauf eilend
in Ungannien, und kehrten nach einer
viertaͤgigen Verwuͤſtung dieſes Landes
wieder in Rußland. Die Litthauer
aber, die aus Furcht vor den Deutſchen,
von den Ruſſen zu trennen ſich nicht ge-
traueten, gingen mit ihnen nach Pleſce-
kowe, und hielten ſich einen ganzen Mo-
nat bey ihnen auf, damit ſie einen ſichern
Ruͤckweg nach ihrem Lande haͤtten.
§. 4.
Niederlage der Letten.
Die Deutſchen aber und die Or-
densbruͤder ſamt andern die mit ihnen an
der Ymer geweſen waren, nahmen ſich
vor, den Litthauern entgegen zu kom-
men, und zogen nach der Duͤne zuruͤck.
Sie beſtelten auch einen Hinterhalt, und
warteten mit den Bedienten des Biſchofs
auf ſie drey Wochen; den Ordensbruͤ-
dern aber ward die Zeit zu lang, und be-
gaben ſich wieder nach Riga. Dietrich
hingegen von Kukenois nebſt andern
Rittern und Knechten des Biſchofs zog
mit wenig Letten gegen Pleſcekowe,
und ſuchte ſie auf dieſer Straſſe ſieben
Tage lang auf. Wie ſie endlich von ih-
nen Spur fanden, eilten ſie gleich hinter
ihnen drein. Allein, weil ihrer von
Deutſchen nur funfzehn waren, der
Letten hingegen mehrere, ſo daß ſie al-
hibebat litus Ruthenis, ne tranſirent
in partes ſuas. Et tranſeuntes flumen
quidam de Liuonibus, turbam unam
Letthonum cum captiuis et ſpoliis de
Goymunde (Goywemunde) perſequeban-
tur, et occiderunt fere ex eis viginti,
et alii per fugam euaſerunt ad Rutbe-
nos. Et aliam turbam Ruthenorum in-
uenerunt in villa Coggelſe, ſimiliter
ex eis ſeptem interfecerunt, et alii fu-
gientes ad ſuos redierunt, et alii in
ſiluis latitantes euaſerunt. Et dixe-
runt Rutheni, non eſt bonum hic eſ-
ſë, quia Liuones et Teutonici circa
nos undique congregantur. Et ſur-
gentes media nocte cœperunt exire de
terra, et ſequenti nocte in Ykewalde
manentes, prouinciam in circuitu ſpo-
liantes incenderunt. Tertia quoque
nocte apud Ymeram ſimilia mala fa-
ciebant, et feſtinantes in Unganniam
quatuor diebus terram ſimiliter vaſta-
uerunt et redierunt in Ruſſiam. Let-
thones vero non audentes ſeparari
a Ruthenis, propter timorem Teutoni-
corum, abierunt cum eis Pleſcekowe,
et manſerunt cum eis per totum
menſem, ut poſtea ſecuri redirent in
terram ſuam.
§. 4.
Letthonum clades.
Teutonici vero et Fratres Militiæ
cum aliis, qui ſecum fuerant ad Yme-
ram, cogitantes occurrere Letthonibus
ad Dunam redierunt, et ponentes in-
ſidias cum familia Epiſcopi de Kuke-
nois exſpectauerunt eos tribus hebdo-
madibus; |ſed Fratres Militiæ tædio
adfecti redierunt in Rigam. Theodo-
ricus vero de Kukenois cum aliis Mi-
litibus et ſeruis Epiſcopi cum paucis
Lettis abierunt verſus Pleſcekowe die-
bus ſeptem itinere quærentes eodem.
Et tandem inuenerunt veſtigia eorum,
et ſtatim feſtinant ad eoſdem. Et
cum eſſent quindecim tantum ex
Teutonicis, Letthorum vero plures, ut
les
[175]von 1220 bis 1221.
les in allen neunzig weniger einen aus-
machten; die heidniſchen Litthauer
aber ſechs hundert betrugen: ſo waren ſie
zwar vor der Vielheit bange, doch ſetzten
ſie ihre ganze Hofnung auf den HErrn,
und gingen beherzt auf ſie los. Die Lit-
thauer ſahen ſie auf ſich anruͤcken, und
ſtelten ihre Macht gegen uͤber. Sie poſtir-
ten auch zwey hundert ihrer beſten Reu-
ter an einen beſondern Ort, den fluͤchti-
gen Deutſchen nachzujagen; der ganze
uͤbrige Schwarm hingegen ſolte ſich den
Deutſchen in Weg legen. Die Deut-
ſchen konten ſich wegen Schwaͤche ihrer
eignen Leute mit ihnen nicht ſchlagen, es
fochte aber derjenige, der ehmals gemacht
hat, daß einer Tauſend jagte, und zwey
zehn Tauſend in die Flucht ſchlugen. Jn
dieſem erhoben ſie zuverſichtlich ihre Fah-
ne, und gingen drauf los. Sie wag-
ten alſo die Schlacht; und es fielen
fangs ſo wol von den als jenen, und
weil der Weg des nahe gelegenen
Waldes halber enge war, ſo kamen die
Deutſchen zuerſt zum Treffen, die Let-
ten aber alle folgten gleich nach und
ſchrien auf Deutſch, wie man es ihnen
an die Hand gegeben hatte, ſie ſolten an-
packen, niederreiſſen und todtſchlagen.
Durch dieſes vielfache Geſchrey wurden
die Litthauer alzu ſchuͤchtern, und ſahen,
ſich, weil ſie meinten, daß noch viele
Deutſchen nachkommen duͤrften, ei-
lends nach der Flucht um. Es fiel auch
ihr tapferſter Heerfuͤhrer, und von den
andern uͤber hundert. Die uͤbrigen wur-
fen ihr Gewehr weg, und liefen nach dem
Buſche. Die Deutſchen aber ſamle-
ten alle ihre Beute, und was ſie nicht mit
fortbringen konten, das branten ſie auf.
Sie erhaſchten auch bey vierzig Pferde,
die ſie mit wegnahmen, und lobten GOtt,
der fuͤr ſie geſtritten hatte. Von den
Deutſchen blieben drey auf der Stelle,
deren Seelen in Chriſto ruhen muͤſſen
in Friede. Amen! Diejenigen Lit-
thauer aber, ſo nach dem Gebuͤſche ent-
ronnen, weil es ſehr ſpaͤte im Herbſte
war, verſoffen wegen der beſchwerlichen
Paßage des Duͤneſtroms entweder in
der Duͤne, oder erhenkten ſich in dieſen
Waͤldern, damit ſie nicht in ihr Land
kehren konten, deswegen, weil ſie das
Land der heiligen Jungfrau gepluͤndert
per omnia uno minus quam nonagin-1220
ta; paganorum vero Letthonum ſexcen-
ti: multitudinem eorum formidan-
tes quidem, ſed ſpem totam pone-
bant in Domino, et audacter ad eos
appropinquant. Letthones quoque vi-
dentes eos ad ſe venientes, ordinant
exercitum ſuum ex aduerſo, et ducen-
tos meliores ex equitibus ſuis ſeorſim
ſtatuentes, ut ipſi perſequantur Teuto-
nicos fugientes; ceteri vero omnes in
magna turba veniant obuiam Teuto-
nicis. Et non poterant Teutonici
propter paucitatem ſuorum pugna-
re cum eis, ſed pugnauit ille, qui
quondam fecit, ut unus perſequeretur
mille, et duo fugarent decem millia.
In quo confidenter elato vexillo pro-
pinquant ad eos: et committentes
prœlium ceciderunt primo tam ex il-
lis, tam ex iſtis, et cum eſſet via
ſtricta propter adjacentem ſiluam,
Teutonici primo venerunt ad prœlium,
et Letthi omnes ſequebantur, claman-
tes, ſicut edocti erant, lingua Teutonico-
rum, ut caperent, raperent, interficerent.
Quo clamore multiplici nimium ex-
territi Letthones, et putantes multos
ſequi ſibi Teutonicos, celeriter con-
uerſi ſunt in fugam, et cecidit fortiſ-
ſimus eorum Dux et ex aliis ſupra
centum, et ceteri abjectis armis ſuis
fugerunt per ſiluas. Et collegerunt
Teutonici, omnia ſpolia eorum, et quæ
ſecum ferre non poterant, igne com-
buſſerunt, et ex equis eorum com-
prehendentes circiter quadragintas ſe-
cum deduxerunt, Deum collaudantes,
qui pro eis pugnauit. Ex Teutonicis
tres ibidem ſunt interfecti, quorum
animæ in Chriſto requieſcant in pace!
Amen. Letthones, qui euaſerant per
ſiluas, cum eſſet jam tempore hiema-
li, præ difficultate tranſitus Dunæ aut
ſubmerſi ſunt in Duna, aut ſe ipſis
in ſiluis ſuſpenderunt, ne redirent in
terram ſuam, eo quod terram beatæ
Virginis deſpoliauerant; cujus filius
X x 2hatten,
[176]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, drey und zwanzigſtes Jahr,
1220hatten, deren Sohn die Rache vergolt,
dem ſey Lob in Ewigkeit.
§. 5.
Nogardien wird von den Rigi-
ſchen gezuͤchtiget.
Die Buͤrger von Riga zogen hierauf
mit ihren Kaufleuten nach Koͤtel, und
da kamen die Daͤnen, und nahmen ſie
in Verhaft, mit dem Vorgeben, das Land
gehoͤre dem Koͤnige von Daͤnnemark,
bunden ſie auch, und fuͤhrten ſie mit ſich
nach Revel. Der Biſchof von Riga
aber und der Ordensmeiſter fertigten ei-
nige ab, zu bitten und zu begehren, daß
man ſie zuruͤck ſchickte; jene hingegen wol-
ten nicht. Nachher erhielten die Daͤnen
Nachricht, die Rigiſchen kaͤmen mit ei-
ner Armee, und da gaben ſie ſie gleich
los. Die Rigiſchen aber ruͤckten nicht
in Eſthland ein, ſondern marſchirten
mit den Liven und Letten nach Un-
gannien. Sie boten auch die von Sac-
cala und Ungannien auf und zogen
mit ihnen in Rußland, zu ihren Fein-
den, die Liefland gepluͤndert hatten,
lieſſen Pleſcekowe im Ruͤcken, und drun-
gen in das Reich Nogardien, verheer-
ten das Land rund umher, ſteckten Haͤu-
ſer und Doͤrfer in Brand, nahmen viel
Leute gefangen und erſchlugen die andern.
Die Letten kamen auch an eine Kirche,
die nicht weit in der Stadt Nogardien
war, nahmen die Bilder, Glocken, Raͤu-
chergefaͤſſe und dergleichen weg, und kehr-
ten mit fetter Beute wieder zu ihrer Ar-
mee. Nach genommener Rache an ihren
Feinden begab ſich die ganze Macht mit
Freuden ohne eines Menſchen Beſchaͤdi-
gung jeder nach ſeinem Hauſe, und die
Drangſal der Ruſſen gegen die Kirche
von Liefland hatte ein Ende. Auch die
Letten, und die von Saccala und Un-
gannien brachen hintereinander in
Rußland ein, machten da viele nieder,
nahmen viele beyderley Geſchlechts ge-
fangen mit weg, und erbeuteten ein An-
ſehnliches. Ebenfals fielen auch die Let-
ten von Kukenois und die Deutſchen
in das Land der Ruſſen und machten
allezeit brave Beute, und viele Gefan-
gene. Damals verſahen die Bruͤder der
Ritterſchaft aus Wenden mit ihren
vindictam retribuit, cui ſit laus
per ſecula.
§. 5.
Nogardia a Rigenſibus vexata.
Mercatores quoque Rigenſes ibant
cum mercatoribus. ſuis*)in Rotaliam,
et venerunt Dani et ceperunt eos, di-
centes, terram Regis eſſe Danorum,
et ligauerunt eos, et deduxerunt eos
ſecum in Reuelis. Et miſit Epiſcopus
Rigenſis et Magiſter Militiæ rogantes
et poſtulantes, ut remitterent eos;
et noluerunt. Poſt hoc nunciatum
eſt Danis, quod Rigenſes venirent
cum exercitu, et ſtatim remiſerunt
eos, et non iuerunt Rigenſes in Eſto-
niam, ſed cum Liuonibus et Letthis
iuerunt in Unganniam, et conuocan-
tes ad ſe Saccalanenſes et Ungannenſes
abierunt in Ruſſiam ad inimicos ſuos,
qui Liuoniam ſpoliauerant, et relin-
quentes poſt tergum Pleſcekowe, re-
gnum Nogardenſium intrauerunt, et
totam terram in circuitu deſpoliaue-
runt, incendentes domos et villas et
populum multum captiuum duxerunt,
et alios interfecerunt. Et peruene-
runt Letthi ad Eccleſiam, quæ fuerat
non longe in ciuitate Nogardia, tollen-
tes iconias, campanas, thuribula et
ſimilia, et cum ſpoliis multis redie-
runt ad exercitum. Et facta vindicta
de inimicis, reuerſus eſt uniuerſus exer-
citus gaudens ſine læſione alicujus
unusquisque in domum ſuam, et ces-
ſauit opprobrium Ruthenorum aduer-
ſus Liuonienſem Eccleſiam. Letthi
quoque et Saccalanenſes et Ungannen-
ſes continuo Ruſſiam intrantes, mul-
tos ibidem interfecerunt, et multos
promiſcui ſexus captiuos duxerunt et
ſpolia multa tulerunt. Similiter et
Letthi de Kukenois ac Teutonici Ruſ-
ſiam intrantes omni tempore prædam
multam et captiuos multos deduxe-
runt. Erant eodem tempere Fratres
Militiæ de Wenden cum ſeruis ſuis in
Knech-
[177]von 1220 bis 1221.
Knechten in allen Schloͤſſern, die ſo wol
Ungannien als Saccala, die Advo-
caturen, und nahmen den Tribut ein;
dem Biſchof verwahrten ſie ſein Antheil,
und haben alle Schloͤſſer erbauet, mach-
ten ſie treflich veſte, gruben Brunnen
innerhalb denſelben, und fuͤlten die Ve-
ſtungen mit Gewehr und Steinſchleudern
an. Aus Furcht vor den Ruſſen jag-
ten ſie auch die Eſthen in die Schloͤſſer
und blieben mit ihnen beyſammen.
omnibus caſtris tam Unganniæ quam1220
Sacculæ procurantes Aduocatias, et
congregantes tributa, et Epiſcopo
ſuam partem conſeruantes, et ædifi-
cauerunt caſtra omnia, et firmiſſime
muniuerunt, et ciſternas infra fodien-
tes armis et baliſtis repleuerunt, et
propter timorem Ruthenorum Eſtones
in caſtra compellentes, ſimul cum eis
commanſerunt.
§. 6.
Die aus Ungannien aber brachen mitten im Winter mit der Armee auf bey
einem ſehr tiefen Schnee, zogen Wirland vorbey, gingen uͤber die Narwa,
pluͤnderten das benachbarte Land, und entfuͤhrten Gefangene und Beute. Nach
ihrem Ruͤckmarſch nahmen die von Saccala denſelben Weg, paßirten die Nar-
wa, ruͤckten einen ſehr abgelegenen Weg weiter vorwerts in ein Land, ſo Jnga-
rien hieß, und ein Stuͤck des Reichs Nogardien war x). Sie fanden da das
Land voller Leute, indem ſie durch keinen Bericht voraus gewarnet worden, und
ſchlugen die Jngarer mit einer alzu harten Plage, brachten die Mannsbilder und
viel Volk um, nahmen noch mehr von beyderley Geſchlechte gefangen, und ſchlach-
teten Schafe, Ochſen und vieles Vieh ab, weil ſie nicht alles mit nehmen konten.
Alſo kehrten ſie mit reicher Beute nach Hauſe, und ganz Eſth-und Liefland
war mit Gefangenen angefuͤllet. Die Ruſſen bekamen alſo ſchon dieſes Jahr al-
les Ungluͤck gedoppelt und dreyfach wieder, was ſie den Liven angethan hatten.
Des Biſchof Alberts vier und zwanzigſtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1221 bis 1222.
§. 1.
Das vier und zwanzigſte Jahr des Biſchofs trat nun ein, und das Land ge-1221
noß noch keinen ruhigen Frieden. Daſſelbige Jahr waren die Tartern
im Lande der heidniſchen Valvena), die von einigen Parther ge-
nant werden. Dieſe eſſen kein Brod, ſondern das rohe Fleiſch ihrer Thiere. Mit
dieſen kriegten die Tartern, bezwungen ſie auch, und ſchlugen alle mit der Schaͤrfe
des Schwerdts; etliche entflohen zu den Ruſſen und ſuchten bey ihnen Huͤlfe. Und
dieſe Nachricht erſchol durch ganz Rußland, daß ſie wider die Tartern fechten
ſolten. Es machten ſich alſo die Koͤnige in ganz Rußland gegen die Tartern auf,
ſie vermochten aber nicht mit ihnen zu fechten, ſondern flohen vor ihnen. Es blieb auch
der Groskoͤnig Myſceslaus von Kyowab), mit vierzig tauſend Mann, die ihm
beyſtunden. Der andre Koͤnig hingegen, aus Galacienc), Myſceslaus entwiſchte
auf der Flucht d). Von andern Koͤnigen blieben in demſelben Krieg bey funfzig. Sie
ſetzten ihnen ganzer ſechs Tage nach und erſchlugen von ihnen uͤberhaupt mehr als hun-
dert tauſend Mann, deren Anzahl GOtt allein bekant iſt; die uͤbrigen entflohen.
Y yDer
[178]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, vier und zwanzigſtes Jahr,
1221Der Koͤnig von Smolensko, der Koͤnig von Ploſcekow, und etliche andre
Koͤnige aus Rußland ſchickten hierauf ihre Boten nach Riga, und baten um das,
was zum Frieden dienet. Alſo ward der laͤngſt getroffene Frieden gaͤnzlich von
neuem geſchloſſen.
§. 2.
Der Koͤnig von Daͤnnemark*) brachte ebenfals ein ſtarkes und maͤchtiges
Heer auf, zog mit dem Grafen Alberte) nach Oeſel, und fing an ein ſteinern
Schloß zu bauen. Von da fielen die Daͤnen aus gegen die Oeſelſchen zu fechten,
waren ihnen aber allein nicht gewachſen. Doch der Graf Albert kam ihnen mit
ſeinen Leuten zu Huͤlfe. Der jagte die Oeſeler in die Flucht; ſie machten auch
viele von ihnen nieder, die uͤbrigen alle gaben Reisaus. Es trafen auch der Hoch-
wuͤrdige Biſchof von Riga mit dem Ordensmeiſter und ſeinen Bruͤdern, nebſt ei-
nigen Liven und andern, die im Namen des ganzen Lieflandes an den Koͤnig
von Daͤnnemark nach Oeſel abgeordnet waren, daſelbſt ein. Der Koͤnig freuete
ſich uͤber ihre Ankunft. Er beſprach ſich mit ihnen wegen der Schenkung, nach
welcher ihm Liefland verehret worden. Aber es ſagte keiner hierzu Ja, ſondern
alle widerſprachen einmuͤthig, wie ſie von allen Einwohnern Lieflands dazu ange-
wieſen waren. Sie erſuchten ihn hierbey demuͤthigſt, er moͤchte von dergleichen
Beeintraͤchtigungen Lieflands abſtehen, und das Land der heiligen Jungfrau
in Freyheit laſſen. Er nahm daher ſeine Kluͤgſten zu Rathe, und ſprach endlich
Y y 2dem
[180]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, vier und zwanzigſtes Jahr,
1221dem Biſchof Liefland und alles zu Liefland gehoͤrige ſamt der ganzen Frey-
heit zu. Jn Saccala und Ungannien uͤberließ er die koͤniglichen Vor-
rechte den Bruͤdern von der Ritterſchaft; dem Biſchof von Riga aber die ganze
geiſtliche Gerichtbarkeit, mit dem Hinzufuͤgen, ſie ſolten ihm eine immerwaͤhrende
Treue erzeigen, und ihre Huͤlfe ihm ſo wol gegen die Ruſſen als gegen die Heiden
nicht verſagen. Sie verſprachen auch, ſo wol ihm als den Seinigen ſtets getreuen
Beyſtand f). Daher lieſſen ſie Dietrichen, des Biſchofs Bruder, mit einigen
andern Ordensbruͤdern auf des Koͤnigs Bitte daſelbſt im neuen Schloſſe bleiben,
und ſie vor ihre Perſon kehrten nach Liefland. Nachdem nun die Mauer die-
ſes Schloſſes ſo geſchwind als moͤglich zu ſtande gebracht worden war, legte der
Koͤnig Beſatzung darein, und kehrte wieder nach Daͤnnemark.
§. 3.
Die Oeſeler kamen hierauf aus allen Doͤrfern und Provinzen zuſammen,
belagerten das Schloß und ſchickten zu den Strand-Eſtheng), ſie ſolten ihnen
zu Huͤlfe kommen. Einige derſelben gingen nach Warbola, und beſichtigten
das Kunſtſtuͤck einer Patherelle oder Kriegesmaſchine, welche die Daͤnen den
Bauren von Warbola als ihren Unterthanen geſchenket hatten. Da ſie nach
Oeſel kamen, fingen ſie an, ſolche Patherellen und Maſchinen nachzubauen, und
lehrten es auch andern. Ein jeder von ihnen machte ſich ſolche Maſchinen. Alſo
kamen ſie alle auf einmal mit ſiebenzehn Patherellen an, und warfen viele und
groſſe Steine fuͤnf Tage lang unablaͤßig hinein, lieſſen denen im Schloſſe keine
Ruhe, indem ſie nicht Haͤuſer noch Gebaͤude hatten, und weil ſie weder Raum
noch Zuflucht in dem unausgebaueten Schloſſe funden, wurden ihrer viele beſchaͤ-
diget. Von den Oeſelern blieben aber auch viele, die von unſern Steinſchleu-
derern getroffen wurden. Nichts deſtoweniger feierten ſie nicht, das Schloß zu
ſtuͤrmen. Doch nach einem Gefechte von vielen Tagen ſagten die Oeſeler zu de-
nen, die im Schloſſe waren: Weil ihr wiſſet, daß ihr in dieſem Schloſſe ge-
gen unſern anhaltenden Sturm euch doch gar nicht ſichern koͤnt: ſo rathen
wir euch und bitten darum, daß ihr mit uns Frieden machet, alle geſund
und friſch abziehet, und Schloß und Land uns uͤberlaſſet. Da nun dieſe
unter bloſſem Himmel fochten, und es ihnen an Wohnungen und allen Nothwen-
digkeiten mangelte: ſo nahmen ſie dieſen Vergleich an, zogen aus dem Schloſſe
aus, brachten ihre Habſeligkeit zu Schiffe, und lieſſen Schloß und Land den Oeſe-
lern uͤber. Die Oeſeler behielten auch ſieben Daͤnen und Dietrichen, des
Rigiſchen Biſchofs Bruder, zu Geiſſeln da, bis der Friede beſtaͤtiget war, die
uͤbrigen alle begaben ſich nach Revel zu den Daͤnen.
§. 4. Die
[181]von 1221 bis 1222.
§. 4.
Die Oeſeler ſchleiften hierauf das Schloß in ſeinem ganzen Umfange, und1221
lieſſen keinen Stein auf dem andern, breiteten auch dieſe Sache durch ganz Lief-
und Eſthland aus, daß ſie des Koͤnigs von Daͤnnemark Schloß erobert,
und die Chriſten aus ihrem Lande gejaget. Sie machten den Heiden und
Eſthen in allen Provinzen ein Herz, ſie ſolten mit aller Gewalt das Joch der
Daͤnen von ſich abwerfen, und den Namen der Chriſten, durch den ſie unters
Joch gekommen, zur Erhaltung ihrer vorigen Freyheit von der Erde vertilgen,
wobey ſie ſagten, das Daͤniſche Schloß Revel koͤnne ja leichtlich eingenommen
werden. Sie lehrten ihnen anbey, mit Maſchinen und Patherellen, wie auch an-
derer Kriegesgeraͤthſchaft umzugehen. Daher entſtand ein Haufen Ungluͤck in
ihrem Lande. Nachdem nun die Oeſeler und die von Harrien die leichtfertigen
Anſchlaͤge ihrer Verſchwoͤrung wider die Daͤnen und wider den Chriſtlichen
Namen zu ſtande gebracht hatten, ſo verſamleten ſie ſich alle mit den Strand-
eſthen auf dem Schloſſe Warbola, und erſchlugen einige von den Daͤnen und
ihren Prieſtern, ſo bey ihnen wohnten. Sie ſandten gar Boten nach Wirland,
daß die Wirlaͤnder es auch ſo machen ſolten. Die Wirlaͤnder aber und die von
Gerwen, weil ſie einfaͤltige Leute ſind und ſchlechter als andere Eſthen, erkuͤhn-
ten ſich nicht dergleichen zu wagen, ſondern holten ihre Prieſter zuſammen und
ſchickten ſie unbeſchaͤdigt in das Schloß der Daͤnen.
§. 5.
Die Saccalaner aber, ſo bey den Bruͤdern der Ritterſchaft im Schloſſe
Viliende wohnten, konten die tuͤckiſchen Gedanken ihrer Herzen gegen die Bruͤ-
der nicht mehr verbergen, ſondern liefen alle mit ihren Schwerdtern, Lanzen und
Schilden zu, krigten etliche von den Bruͤdern nebſt ihren Knechten, und die deut-
ſchen Kaufleute zu packen, und erwuͤrgten ſie. Da nun der vierte Sontag nach
Epiphanias einfiel, an welchem das Evangelium verleſen wird: Da trat JEſus
in das Schif, und ſiehe! es erhub ſich ein groß Ungeſtuͤm im Meer ꝛc.
eben als der Prieſter Dietrich die Meſſe hielt, und die uͤbrigen Bruͤder in der
Kirche dabey ſtunden: ſo erhub ſich in der That ein groß Ungeſtuͤm und eine groſſe
Beſtuͤrzung. Denn da ſie alle Bruͤder, Knechte und Deutſche, die auſſen im
Schloſſe waren, todt geſchlagen hatten, verſamleten ſie ſich bey der Kirche, nicht
zu beten, ſondern ein Blutbad anzurichten; nicht der Meſſe beyzuwohnen, ſondern
die Ruhe JEſu Chriſti zu ſtoͤren, weil ſie nemlich Cains Bosheit mit dahin
brachten. Demnach beſetzten ſie gleich die Thuͤre und umringeten ſie. Sie ſtelten
ſich bewafnet um die Wehrloſen Bruͤder herum. Um ſie nun leichter heraus zu
locken, gaben dieſe Betruͤger ihnen die Hand, und verſprachen ihnen Friede. Jhr
geweſener Advocat Moritz trat zu erſt zu ihnen hinaus, und trauete dieſen Un-
glaͤubigen alzuviel. Ueber den fielen ſie gleich her und toͤdteten ihn. Die uͤbrigen,
die uͤber dieſe unzweifelhafte Gefar in Schrecken geriethen, machten ſich zur Ge-
genwehr zu rechte; da ſie aber zulange machten, und ihnen endlich der Friede zuge-
ſchworen wurde, ſo gingen ſie einzeln zu ihnen heraus. Die Treuloſen nahmen
ſie aber bey dem Kopfe, legten ſie gleich in Strick und Bande, riſſen ihre Habſe-
ligkeit, Geld und Pferde alle zu ſich, und theilten ſich darein. Die Leiber der
Erſchlagenen warfen ſie aufs Feld den Hunden zu zernagen vor, wie geſchrieben
ſtehet: Sie haben die Leichname deiner Knechte den Voͤgeln unterPſ. 79,
v. 2.
dem Himmel zu freſſen gegeben: und das Fleiſch deiner Heiligen den
Thieren im Lande. Sie haben Blut vergoſſen wie Waſſer; und war nie-v. 3.
mand, der begrub. Etliche aus ihnen machten ſich auch an ein ander Schloß
an der Pala, und hieſſen daſelbſt ein gleiches thun. Jhren Prieſter nebſt andern
ſchlugen ſie unterwegens todt.
Z z§. 6. Nach
[182]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, vier und zwanzigſtes Jahr,
§. 6.
Nach dieſem gingen eben dieſe Saccalaner nach Gerwen, und griffen
daſelbſt einen Daͤnen, Hebbe, der ihr Advocat war; den fuͤhrten ſie mit den
andern Daͤnen in ihr Schloß, und quaͤlten ihn und die andern mit einer grauſa-
men Marter zu Tode. Sie zerfleiſchten ihnen die Gedaͤrme, riſſen des Hebbe
Herze lebendig aus dem Leibe heraus, brateten es am Feuer, theilten es unter
ſich, fraſſens auf, um gegen die Chriſten ſtark zu werden, und warfen ihre Lei-
ber den Hunden und Voͤgeln des Himmels zu zerreiſſen vor.
§. 7.
Nach Volziehung einer ſo abſcheulichen, verfluchten und treuloſen That, ſand-
ten die Schloßaͤlteſten von Viliende denſelben Tag nach Odempe, und riethen
den Einwohnern, es eben ſo wie ſie, zu machen. Sie uͤberſchickten auch denen in
Tharbat die blutigen Schwerdter, womit ſie die Deutſchen ermordet, nebſt
ihren Pferden und Kleidern zum Zeichen. Dieſe nahmen das Wort mit Freuden
auf, uͤberfielen die Bruͤder von der Ritterſchaft, bunden ſie, und ſchlugen ihren
geweſenen Advocaten, Johannes, und alle deren Knechte todt. Sie erſchlugen
auch viel Kaufleute, die uͤbrigen aber machten ſich aus dem Staube und verſteckten
ſich, welche ſie nachher doch in die Eiſen legten. Sie raubten auch den Ordens-
bruͤdern und andern Deutſchen und Kaufleuten alle ihr Vermoͤgen, theilten es
unter ſich, und lieſſen die Leiber der Getoͤdteten auf den Feldern unbeerdiget lie-
gen, deren Seelen in Chriſto in Friede ruhen muͤſſen. Zu der Zeit befand ſich
eben in Tharbat bey den Ordensbruͤdern ihr Mitbruder, der Prieſter Hard-
wich, den ſie auf den beſten Maſtochſen ſetzten, weil er ſelbſt eben ſo dicke war.
Sie fuͤhrten ihn zum Schloſſe heraus, und erkundigten ſich durchs Loos um den
Willen ihrer Goͤtter, wen ſie von beyden, den Prieſter oder den Ochſen
zum Opfer erwaͤhlen ſolten. Das Loos fiel auf den Ochſen, und er
ward den Augenblick geopfert. Den Prieſter aber erhielten ſie nach dem Willen
ihrer Goͤtzen am Leben, auſſer daß er eine groſſe Wunde bekam, die nachher ihm
wieder zugeheilet worden. Alsdenn breitete ſich die Nachricht durch ganz Eſth-
land und Oeſel aus, daß ſie auf die Daͤnen und Deutſchen losſchlagen ſol-
ten. Sie verbanneten alſo den Chriſtlichen Namen aus allen ihren Grenzen.
§. 8.
Sie riefen aber die Ruſſen, ſowol von Nogardien als von Pleſcekowe,
zu Huͤlfe, machten Friede mit ihnen, und verlegten einige derſelben nach Thar-
bat; etliche nach Viliende, andere in andere Schloͤſſer, damit ſie gegen die
Deutſchen, Lateiner und alle Chriſten ſtreiten ſolten, theilten Pferde und
Geld mit ihnen, und alles Vermoͤgen der Ordensbruͤder und Kaufleute, und al-
les was ſie geraubet hatten; beveſtigten auch ihre Schloͤſſer ungemein ſtark. Sie
baueten in allen Schloͤſſern Patherellen, lehrten ſich die Steinſchleuderkunſt unter
einander ſelbſt, theilten auch die vielen von den Bruͤdern geraubten Steinſchleude-
rer unter ſich. Sie nahmen auſſerdem ihre Weiber wieder an, die ſie zur Zeit ih-
res Chriſtenthums verſtoſſen; die Leiber ihrer Verſtorbenen, die ſie auf dem
Kirchhof verſcharret, gruben ſie auf, und verbranten ſie nach der alten heidni-
ſchen Manier b), wuſchen ſich, ihre Haͤuſer und Schloͤſſer mit Waſſer ab, fegten
ſie mit Beſemen und bemuͤheten ſich auf die Art das Sacrament der heiligen Taufe
von ihren Grenzen gaͤnzlich wieder auszutilgen.
§. 9.
Die von Saccala ſchickten hierauf Boten nach Riga, mit dem Vermel-
den, daß ſie zwar gerne einen andern Frieden haͤtten; allein ſie wuͤrden nachher
keinen chriſtlichen Glauben annehmen, ſo lange ein Knabe eines Jahres alt, oder
einer Elle hoch im Lande bliebe. Sie begehrten dabey ihre Geiſſeln, die jungen
Burſche zuruͤck, und verſprachen vor jede Geiſſel, einen Ordensbruder und Kauf-
mann, die ſie noch lebendig in Ketten hielten, auszuliefern; wie denn auch geſche-
hen iſt.
§. 10.
Es befand ſich damals ein chriſtlicher Kaufmann in dem Hauſe eines Eſthen
in Saccala, und wie alle Deutſchen niedergehauen wurden, fiel auch der Eſthe
uͤber dieſen ſeinen Gaſt den Kaufmann her, und ſchlug ihn todt. Kurz nachher
kam dieſes Moͤrders Weib mit einem Sohne in die Wochen, und der Knabe hatte
auf ſeinem Leibe ganz friſche Wunden, an allen den Orten, wo der Vater den Un-
ſchuldigen verwundet und getoͤdtet hatte, die den Wunden des entleibten in allen
gleichten. Doch ſind ſie nachher zugeheilet worden, nur daß die Narben bis dieſe
Stunde zu ſehen ſind i). Viele, die es in Augenſchein nahmen, wunderten ſich
druͤber, ſtatteten Zeugniß davon ab, und prieſen die Rache GOttes; denn auch
dieſer Moͤrder iſt gleich darauf von der Armee der Chriſten erſchlagen worden.
§. 11.
Darauf ging der Krieg in allen Gegenden in Eſthland von neuem an.
Denn die von Oeſel, die von der Strand-Wyck und von Warbola zugleich
mit den Gerwenſchen und Wirlaͤndern hielten die Daͤnen in Revel durch
eine langwierige Belagerung warm, bis der HErr ſie errettete. Denn die im
Schloſſe alzuviel und lange abgematteten Deutſchen thaten mit den Daͤ-
Z z 2nen
[184]Geſchichte des 3ten Biſchof Alberts, 24ſtes Jahr, von 1221 bis 1222.
1221nen einen Ausfal, ſchlugen ſich mit jenen, und GOtt trieb die Eſthen in die
Flucht; viele von ihnen blieben auch, ſo von den Chriſten umgebracht wurden,
die andern entflohen. Die Chriſten nahmen ihre Ochſen und Pferde und viele
Beute, und lobten GOtt, der ſie auch dismal aus ſo groſſem Ungluͤck erloͤſet hat.
§. 12.
Wie nun die Letten alles Ungluͤck ſahen, ſo die Eſthen wider Liefland
im Schilde fuͤhrten, fingen ſie auch an mit den Eſthen anzubinden; Denn Ra-
meko mit ſeinen Leuten und Warigerbe mit andern Letten gingen nach Ungan-
nien, pluͤnderten die Doͤrfer, nahmen die Leute gefangen, brachten ſie um, und
machten viele Beute. Wie dieſe zuruͤckgingen, kamen wieder andre an, und mach-
ten es eben ſo arg. Ebenfals ſetzten die Eſthen den Letten nach, brachen in
Lettland ein, und veruͤbten gleichen Schaden.
§. 13.
Nach dieſem gingen die Ordensbruͤder nach Ungannien, pluͤnderten einige
Doͤrfer aus, zuͤndeten ſie an, und vergolten den Eſthen ein gleiches. Wie ſie nun
nach Riga kamen, baten ſie die Maͤnner des Biſchofs und alle Deutſche, ſie
moͤchten ihnen doch gegen die Grauſamkeit der Eſthen zu Huͤlfe kommen. Dieſe
aber antworteten alle aus einem Munde: Wenn ihr wollet der Kirche der heili-
gen Jungfrau Maria und dem Rigiſchen Biſchof ihr Drittel in Eſthland laſ-
ſen, und dem Biſchof Hermann ſein drittes Theil wieder frey geben, und ihr
mit eurem Drittel zu frieden ſeyn: ſo wollen wir euch gerne Huͤlfe verſchaf-
fen. Sie gelobten auch an, nachher den Biſchoͤfen ihre Theile ganz abfolgen zu
laſſen. Hierauf machten ſich gleich alle Maͤnner der Kirche auf, und beriefen von
ihren Liven und Letten ein Heer, nebſt den Rigiſchen und Ordensbruͤdern,
ruͤckten in Saccala und lieſſen ſich mit fruͤhem Morgen bey dem Schloß Viliende
ſehen. Die Eſthen fielen auch aus, und fochten mit ihnen bis um drey Uhr, ſie
wandten ſich aber weg, vertheilten ihre Armee auf alle Doͤrfer, pluͤnderten im
Lande, nahmen und ſchlugen todt, ſo viel ſie nur funden, zogen ihr Heer wieder zu-
ſammen, wandten ſich nach Liefland zu dem Schloß an der Pala, und klopften
ſich da drey Tage mit ihnen herum; ein Theil ging uͤber die Pale, pluͤnderten und
ſengten in ganz Nurmegunde, machten da viele nieder, kamen endlich wieder zu
den Jhrigen, und kehrten mit geſamter Armee wieder nach Liefland. Allen Maͤn-
nern, die ſie gefangen weggefuͤhret, ſchlugen ſie die Koͤpfe ab, damit an den Ueber-
tretern und an dieſen untreuen Nationen Rache veruͤbet wuͤrde. Nach Theilung
ihrer Beute lobten ſie den, der da allezeit gelobt iſt.
Des
[185]
Des Biſchof Alberts fuͤnf und zwanzigſtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1222 bis 1223.
§. 1.
Des Biſchofs fuͤnf und zwanzigſtes Jahr war ſchon da, und die Kirche hat-1222
te vor dem Kriege und Kriegsungemach noch keine Ruhe. Denn als der
Biſchof Bernhard, welcher der erſte Biſchof uͤber Semgallen war,
mit vielen Pilgern aus Deutſchland zuruͤck kam, brachten die von
Saecala und Ungannien nebſt den angrenzenden Provinzen eine groſſe Armee
zuſammen, ruͤckten an die Ymer ins Land der Letten, pluͤnderten es, ſchlugen
viel Letten todt, nahmen die Weiber gefangen mit ſich, breiteten ſich mit dem
Heer durch die ganze Provinz aus, und ſchlugen das Land mit einer harten Plage.
Denn einige wandten ſich nach Tricatien, andere nach Roſula, ein Theil nach
Metſepole, der andre nach Thoreida, trafen auf allen Doͤrfern viel Maͤnner
und Weiber zu Hauſe, machten ihrer viele nieder, fuͤhrten einige gefangen mit weg,
hoben brave Beute, ſteckten alle Doͤrfer und Kirchen in Brand, und branten ſie
rein auf. Nachher verlegten ſie den Muſterplatz oder Sammelplatz ihrer Armee
mit aller Beute nach Letthegore. Rameko aber folgte den Eſthen im Ruͤcken
nach mit wenigen andern Letten bey Vrele, und kam ungefaͤhr zu Waremaren,
der ein Rußiſcher Fuͤrſt in Viliende geweſen, den hieb er mit vielen andern
Ruſſen und Eſthen nieder. Sie brachten auch viel Gewehr und andere Beute
davon, und kehrten wieder nach Wenden. Die Zeitung aber breitete ſich in Ri-
ga aus von allem Ungluͤck, ſo die Liven und Letten erlitten hatten, und be-
weinten und beklagten ihre erſchlagenen Mitbruͤder; Sie ſaͤumten dabey nicht lange,
ſondern griffen gleich nach ihren Saͤcken, Brod und Kleidern und gingen zu Pferde
und zu Fuſſe, ſamt den Bruͤdern der Ritterſchaft und ihren Pilgern, Kaufleuten
und Liven nach Thoreida. Sie erfuhren aber durch ausgeſchickte Kundſchafter,
daß die Feinde von Lettegore ſchon aufgebrochen, daher marſchirten ſie Tag und
Nacht ihnen nach. Ueber dieſe zu ſtarken Strapazen wurden alle Fußgaͤnger und
viel andere mehr marode, und kehrten wieder nach Riga. Doch die in ihrem
Vorſatz beſtaͤndig blieben, an den Nationen Rache auszuuͤben und ſich fuͤr das
Haus des HErrn zur Mauer zu ſtellen, gingen nicht zuruͤcke. Unter dieſen war
der Vornehmſte, der Probſt zu unſrer lieben Frauen Johannes, der Prieſter
Daniel, und der Ordensmeiſter Volquin, die auch die uͤbrigen ſtaͤrkten, ihnen
einen Muth zuſprachen, und ſie ermunterten, daß ſie ſolten treulich und tapfer wi-
der dieſe Abtruͤnnigen und Verwegenen des HErrn Kriege fuͤhren. Die Bruͤder
der Ritterſchaft von Sygewalde und von Wenden nebſt einer groſſen Menge
Liven und Letten ſtieſſen gleichfals zu ihnen, und zogen den Weg, der nach der
Goywa gehet; hinter dem Feinde her. Die Feinde aber hatten ſich einen andern
Weg weggemacht, der von der Ymer ab nach einer benachbarten Kirche ging.
Jn dieſe Kirche poſtirten ſie des Nachts ihre Pferde, und trieben daſelbſt allerhand
Leichtfertigkeit und ſchaͤndliche Unzucht mit den gefangenen Weibern und Jungfern
an dieſem heiligen Orte, machten Fruͤchte, Haus, und alles, was dem Prieſter
gehoͤrte, zu ſchande, legten es in die Aſche, und ruͤckten mit fruͤhem Morgen an
die Ymer. Und es begab ſich, da ſchon ein Theil der Armee die Bruͤcke uͤber die
Ymer paßiret war, kamen die Chriſten gleich einen andern Weg von der Ne-
benſeite, brachen mitten in die Feinde ein, fochten mit ihnen, doch die treuloſen
Eſthen ſtuͤrmten hoͤchſtverwegen auf ſie los. Endlich aber machte ſie der ſchuͤchtern,
der ehmals die Philiſter erſchreckte, daß ſie vor David flohen, und die Deut-
ſchen hielten eine Schlacht mit ihnen, daß die Eſthen den Ruͤcken wandten und
vor den Chriſten flohen. Sie jagten ihnen alſo nach, fegten ſie wie Spreu vor
A a adem
[186]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, fuͤnf und zwanzigſtes Jahr,
1222dem Winde, zertraten ſie auf dem Wege, wo ſie gingen, und machten ihrer ſehr viel
nieder. Einige ſetzten ihnen nach bis an die Bruͤcke, und hieben einige auf dieſem
Wege nieder, fochten auch an der Bruͤcke mit ihnen, wo der Ordensbruder Die-
trich, ein tapferer, beherzter und andaͤchtiger Mann mit einer Lanze durchboret
ward und ſterben muſte, die andern ſetzten uͤber die Bruͤcke, und kamen an ſie.
Jene aber lieſſen alle ihre Beute, Pferde, Gefangenen und einige Todten im
Stiche, liefen zu Fuſſe nach dem Buſche, und wurden ihrer uͤber ſechs hundert
getoͤdtet. Einige crepirten in Waͤldern, andere erſoffen in der Goiwa. Die
uͤbrigen kehrten mit Schimpf und Schande wieder in ihr Land, um die Nachricht mit
nach Hauſe zu bringen. Die Chriſten aber, ſo wol Deutſche als Liven und
Letten, nahmen deren Beute, Pferde und Ochſen, und theilten ſie unter ſich in
gleiche Theile, ſetzten auch ihre gefangenen Mitbruͤder, ſo wol Maͤnner als Weiber,
in die vorige Freyheit, und lobten und preiſten den, der nicht allein dismal, ſon-
dern allezeit in Liefland fuͤr ſie geſtritten, und ſtets einen herrlichen Sieg uͤber
die abtruͤnnigen Heiden verliehen hat.
§. 2.
Nachdem nun die von dem chriſtlichen Glauben abgefallenen Eſthen an
der Ymer dieſen Verluſt erlitten hatten; ſchickte der Biſchof Bernharda) durch
ganz Lief- und Lettland, und ließ alle Maͤnner der Kirche ſo wol, als die Bruͤ-
der der Ritterſchaft mit den Liven und Letten zuſammen kommen, gegen die
Eſthen zu Felde zu ziehen. Dieſe waren auch alle treulich gehorſam. Sie ver-
ſamleten ſich; die Pilger und Kaufleute fanden ſich mit ein. Ein Theil ging auf
der Goiwa zu Schiffe; andre marſchirten zu Fuſſe, und noch andre waren be-
ritten. Sie erſchienen an dem Orte, wo ſie ihr Gebet hielten und Verabredung
nahmen, mit acht tauſend Mann. Wie nun die Feierlichkeit der Betſtunden und
Unterredungen vorbey war, ruͤckten ſie eilend in Eſthland, belagerten das Schloß
Viliende zum andern male, ſo vor zehn Jahren von den Deutſchen eingenommen
und der Chriſtenheit unterwuͤrfig geworden; baueten kleine Geruͤſte und Pathe-
rellen, und fuͤhrten einen ſehr ſtarken und hohen Thurm von Holze auf, den ſie
bis an den Graben vor ſich her ſchoben, damit ſie das Schloß unterminiren moͤchten;
ſie wurden aber von den Steinſchleuderern ungemein gehindert, die im Schloſſe
waren: denn ſie hatten viel ſolche Schleudern der Ordensbruͤder auf dem Schloſſe,
welche ſie wider die Steinſchleudern der Chriſten gebrauchten, und hatten Pathe-
rellen und Maſchinen gebauet die Maſchinen der Chriſten unbrauchbar zu machen
und ſtritten daher unter ſich viel Tage. Denn im Auguſtmonat um Petri Ketten-
feyer✝) geſchahe die Belagerung des Schloſſes, und auf Mariaͤ Himmelfart ‡)
ergaben ſie ſich erſtlich, aus Unvermoͤgen ſich laͤnger zu halten. Weil nemlich die
Hitze ſtark und eine groſſe Menge Volk und Vieh im Schloſſe waren, und ſchon
vor Hunger und Durſt umfielen: ſo entſtand wegen des unertraͤglichen Geſtanks
der Leichen eine ſtarke Peſt im Schloſſe; die Leute fingen an zu kranken und zu
ſterben, und waren auſſer Stande ſich zu wehren. Die, ſo uͤbrig geblieben, er-
gaben ſich lebendig, nebſt allen den Jhrigen in die Haͤnde der Chriſten, zumal,
da ſie ſahen, daß das Schloß von den Chriſten ſonſt wieder wuͤrde angeſteckt ſeyn,
und ſie mit genauer Noth ſich und das Schloß beſchuͤtzet haͤtten. Alſo ſchloſſen ſie
Friede mit den Chriſten, zogen zum Schloſſe hinaus, nahmen das Joch des
Chriſtenthums zum andern male an und verſprachen, ſie wolten nachher nim-
mermehr die Heiligthuͤmer des Glaubens durch ihren Abfal ſchaͤnden, ſondern we-
gen des geſchehenen eine Gnugthuung leiſten; daher ſchonten ihrer alle Bruͤder der
Ritterſchaft und die Deutſchen, ob ſie gleich Leben und alle das Jhrige verwir-
ket hatten. Die Armee aber hing alle in der Burg geweſene Ruſſen, und die
den Abtruͤnnigen zu Huͤlfe gekommen, nach deſſen Eroberung vor dem Schloſſe
auf, andern Ruſſen zum Schrecken. Nach voͤllig erneuertem Frieden zogen die
Chriſten aufs Schloß, nahmen alles daſelbſt befindliche weg, trieben Pferde
und
[187]von 1222 bis 1223.
und Vieh heraus, theilten es gerade unter ſich, und lieſſen die Menſchen auf ihre1222
Doͤrfer gehen. Nach Theilung der Beute ruͤckten ſie vor ein ander Schloß an der
Pala, und machten ſich ebenfals uͤber ſelbiges her. Jene aber beforgten die Er-
oberung ihres Schloſſes, die Peſtilenz, die Sterbefaͤlle, welche in vorigem Schloß
hauſiret hatten, und mehr dergleichen Ungluͤck; daher ergaben ſie ſich je eher je lie-
ber den Chriſten in die Haͤnde, und baten nur ums Leben und ihre Freyheit.
Jhr Vermoͤgen alle aber lieſſen ſie der Armee Preis. Die Chriſten geſtunden
ihnen auch Leben und Freyheit zu, ſchickten ſie nach ihren Doͤrfern, erhielten reiche
Beute, Pferde, Schafe, Ochſen und alles, was im Schloſſe war; und lobten
dabey auch GOtt fuͤr die Wiedererlangung der zwey Schloͤſſer, wie auch fuͤr die
abermalige Bezwingung dieſes verkehrten Volkes, und kehrten mit groſſer Freude
nach Liefland.
§. 3.
Es waren auch die Landesaͤlteſten von Saccala nach Rußland mit Gelde
und vielen Verehrungen abgefertiget worden, ob ſie etwan die Koͤnige der Ruſſen
zu ihrem Beyſtande wieder alle Deutſchen und Lateiner bewegen koͤnten. Der
Koͤnig von Susdalb) ſchickte ſeinen Bruder und eine ſtarke Armee mit ihm denen
von Nogarden zu helfen. Die von Nogarden zogen auch mit, ingleichen der
Koͤnig von Plescekowe mit ſeinen Buͤrgern; und dieſes Heer belief ſich auf
zwanzig tauſend Mann. Sie kamen in Ungannien an, nahe bey Tarbat, und
die von Tarbat ſchickten ihnen groſſe Geſchenke, lieferten auch die Ordensbruͤder
und Deutſchen, die ſie bey ſich gefangen gehalten, dem Koͤnig in die Haͤnde,
wie auch Pferde, Steinſchleudern und viel anders, und begehrten gegen die Latei-
ner Huͤlfe. Der Koͤnig verlegte ſeine Leute ins Schloß, damit er die Oberherr-
ſchaft in Ungannien und uͤber ganz Eſthland haben moͤchte. Er ging auch
nach Odempe und machte es da eben ſo. Nachgehends wandte er ſich mit der
Armee nach Liefland gegen Pnydiſe. Die Ungannier kamen nach, und die
Armee war ſehr anſehnlich. Da begegneten ihm die Oeſeler unterwegens, mit
Bitte, ſeine Armee gegen die Daͤnen in Revel zu fuͤhren, damit er nach Bezwin-
gung der Daͤnen mit den Lieflaͤndern leichter fertig wuͤrde, und ſagten, es waͤ-
ren in Riga viel Pilger, die fertig ſtuͤnden gegen ſie anzumarſchiren. Der Koͤ-
nig hoͤrte ſie an, und zog mit der Armee einen andern Weg nach Saccala.
Hier fand er ganz Saccala ſchon von den Deutſchen bezwungen, zwey Schloͤſ-
ſer erobert, und ſeine Leute bey Viliende aufgehenket; daruͤber ward er derge-
ſtalt
[189]von 1222 bis 1223.
ſtalt entruͤſtet, daß er ſeinen Zorn an den Saccalanern ausließ, und das Land1222
empfindlich zuͤchtigte. Alle, die noch vor den Deutſchen und vor der im Schloſſe
geweſenen groſſen Peſtilenz entkommen, muſten hier ins gras beiſſen, und etliche
nach den Waͤldern fluͤchten. Er zog auch mit ſeinem ſtarken Heer nach Gerwen,
und berief die von Gerwen, Wirland, Warbola und Oeſel vor ſich. Mit
allen dieſen belagerte er das Lyndavienſiſchec) Schloß der Daͤnen fochte mit
den Daͤnen vier Wochen, konte aber weder ſie noch ihr Schloß bezwingen, weil
viele Steinſchleuderer auf dem Schloſſe waren, welche viele Ruſſen und Eſthen
erlegten. Daruͤber ſchaͤmte ſich der Koͤnig von Susdal und zog mit ſeiner ganzen
Macht wieder nach Rußland. Es war aber dieſe Armee ſehr zahlreich und
maͤchtig, und verſuchte nach deutſcher Manier das Schloß der Daͤnen einzu-
bekommen, ſie vermochte es aber nicht; ſondern ſie verheerte und pluͤnderte die
Provinz weit und breit, und ging endlich wieder in ihr Land.
§. 4.
Jnzwiſchen hatten die Bruͤder der Ritterſchaft und andre Deutſche mit we-
niger Mannſchaft das Schloß Darbat belagert, und fochten mit ihnen fuͤnf Tage.
Sie konten aber mit ſo wenigen das Schloß nicht einnehmen, ſondern pluͤnderten
das Land umher, und kehrten mit der ganzen Beute wieder in Liefland. Kurz
drauf brachten die Ordensbruͤder eine Armee auf, brachen in Eſthland ein, und
ſchlugen die von Gerwen mit einer harten Ruthe, weil ſie in Geſelſchaft der
Daͤnen immer Krieg erregten, ſchlugen viel todt, nahmen viel gefangen, entfuͤhrten
auch groſſe Beute. Daher kamen die Gerwiſchen in Keytis zu ihnen, und
gelobten den Deutſchen und allen Chriſten eine ewige Treue. Hierauf entfern-
ten ſie ſich von ihren Grenzen und zogen mit aller Beute wieder in ihr Land.
§. 5.
Nachdem ſchickten die Nogarder den Koͤnig Vieſceka, der ehmals die Maͤn-
ner des Rigiſchen Biſchofs in Kukenoisd) ermordet hatte, und gaben ihm Geld
und zwey hundert Mann mit, uͤbertrugen ihm auch die Oberherrſchaft in Darbet,
und in andern Provinzen, die er ſich unterwuͤrfig machen koͤnte. Dieſer Koͤnig
kam mit ſeinen Leuten in Darbet an, und die im Schloß empfingen ihn mit Freu-
den, damit ſie gegen die Deutſchen verſtaͤrket wuͤrden; ſie gaben ihm auch Tri-
but aus den umliegenden Provinzen; und die ihm nicht Tribut zahlten, gegen die
ſchickte er ſein Heer, und zerſtoͤrte alle wider ihn rebelliſche Laͤnder von der
Wayga an bis nach Wirland; von Wirland bis Gerwen und Saccala,
und that den Chriſten alles gebrante Herzeleid an, ſo viel er konte.
§. 6.
Nach begangener Feyer des heiligen Weihnachtsfeſtes gedachten die Rigi-
ſchen das Schloß Tarbat zu belagern. Sie kamen daher mit den Ordensbruͤ-
dern, mit den Pilgern und mit den Liven und Letten bey Aſtigerwe zuſam-
men, und hatten eine zahlreiche Armee. Doch ſie beſonnen ſich auf die Daͤnen,
die in langwieriger Drangſal ſtunden, und gegen welche ſchon laͤngſt alle herum-
liegenden Laͤnder und Voͤlker geſtritten hatten; deswegen ſtelten ſie ihre Reiſe nach
Tarbat ein, und machten ſich mit der ganzen Armee hin nach Harrien, belager-
ten das Schloß Lone, fochten faſt zwey Wochen davor, baueten Maſchinen,
B b bPathe-
[190]Geſch. des 3ten Biſchof Alberts 25ſtes Jahr, von 1222 bis 1223.
1222Patherellen und einen ſehr ſtarken hoͤlzernen Thurm, den ſie an das Schloß naͤher
brachten, damit ſie darunter das Schloß untergraben und von deſſen Hoͤhe es beſ-
ſer beſtuͤrmen koͤnten. Die Daͤnen freueten ſich auf dieſe Nachricht, und kamen
ihnen Dank abzuſtatten, weil ſie ſich ihrer erbarmet und ihnen zu Huͤlfe gekommen.
Nachdem aber wurden viele durch die Steinſchleuderer verwundet, und von den
Maſchinenmeiſtern niedergeworfen, die uͤbrigen fingen an hart krank zu werden und
zu ſterben. Dazu waren die Minirer ſchon bis an die Hoͤhe des Schloſſes gekom-
men, ſo daß die Belagerten dachten ſie wuͤrden mit ſamt dem Walle in Abgrund
ſinken. Sie baten daher die Armee der Deutſchen flehentlich ſie moͤchten doch
ihnen das Leben und die Freyheit ſchenken. Sie ſchenkten ihnen auch das Leben
und branten das Schloß auf. Alle Pferde, Ochſen, Vieh, Vorrath, Geld,
Kleider und alles, was im Kaſtel war, hieſſen die Deutſchen mit ſich gehen,
und theilten es mit den Liven und Letten gemeinſchaftlich. Den Daͤnen aber
gaben ſie ihre Leute wieder, und lieſſen die uͤbrigen frey nach ihren Doͤrfern gehen.
Unterdeſſen ſchickten die Deutſchen etliche von ihrer Armee an drey andre kleine
herumliegende Schloͤſſer, und bedroheten ſie mit Krieg, wo ſie ſich nicht an ſie er-
geben wuͤrden. Dieſe drey benachbarten Schloͤſſer ergaben ſich auch gleich in die
Gewalt der Rigiſchen, und ſchickten ihnen Tribut und viele Waypene) in die-
ſem Feldzug. Die Armee der Rigiſchen kehrte nach Gerwen, einige hingegen
gingen aus, die Provinzen zu pluͤndern. Die Gerwiſchen und Wirlaͤnder
aber kamen ihnen entgegen, baten demuͤthig um Friede, und gelobten an, ſie wol-
ten kuͤnftig die heiligen Sacramente des chriſtlichen Glaubens nicht mehr ſchaͤnden.
Sie machten alſo einen neuen Frieden mit ihnen, nahmen ſie zu Gnaden an, und
empfingen Geiſſeln von denſelbigen. Die Daͤnen aber, die undankbaren Gaͤſte,
beunruhigten doch nachher dieſe Leute ſehr ſtark, und fingen mit ihnen Krieg an,
weil ſie von den Rigiſchen den Frieden und das Joch des Chriſtenthums ange-
nommen. Die Rigiſche Armee kehrte hierauf mit Freuden nach Liefland und
lobte JEſum Chriſtum, der ſie allezeit friſch und geſund hin und her gefuͤhret
hat in allen ihren Unternehmungen. Jnzwiſchen waren die Geſandten der Rußi-
ſchen Koͤnige in Riga, und warteten auf den Verlauf dieſer Sachen. Sie
verwunderten ſich auch ziemlich daß die Rigiſchen nie ohne Sieg und mit leerer
2 Sam.
1, 21. 22.Hand zuruͤckkommen, weil der Pfeil Jonathans nie gefehlet, noch ſein Schild im
Kriege abgeſchlagen worden, und das Schwerdt Saul nie leer wiederkommen iſt,
indem groſſe Armeen und tapfere Koͤnige der Ruſſen niemals ein Schloß haben
koͤnnen durch ihre Eroberung dem chriſtlichen Glauben unterwerfen.
Des
[191]
Des Biſchof Alberts ſechs und zwanzigſtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1223 bis 1224.
§. 1.
Noch hatte die Kirche keine Ruhe, und war doch ſchon das ſechs und1223
zwanzigſte Jahr nach der Einweihung des Biſchof Alberts. Denn
der Koͤnig Vieſceka beunruhigete mit ſeinen Leuten von Tarbat
das ganze Land umher; und obgleich die Liven und Letten oft mit
wenigen auf ſie los gingen, ſo konten ſie ihnen doch nichts an haben. Zwar brach-
ten die Bruͤder der Ritterſchaft nach Oſtern eine andermalige Armee auf, und be-
lagerten Tarbat, ſchlugen ſich auch fuͤnf Tage mit ihnen davor herum, ſie ver-
mochten aber wegen Wenigkeit der Jhrigen nicht das Schloß einzunehmen, ſondern
pluͤnderten das Land umher, und kehrten mit ihrer Beute zuruͤck nach Liefland.
Mitlerzeit langte der Hochwuͤrdige Biſchof Albert wieder aus Deutſchland mit
vielen Pilgern und ſeiner ganzen Reiſegeſelſchaft an. Es kam auch mit ihm der
nicht weniger Hochwuͤrdige Biſchof Hermann, der zwar laͤngſt zum Biſchof uͤber
Eſthland war erwaͤhlet und eingeweihet von dem Koͤnig von Daͤnnemark aber,
ſchon viele Jahre her von ſeinem Bisthum abgehalten worden. Doch nachdem der
Koͤnig von Daͤnnemark von den Deutſchen nach Sachſen in die Gefangen-
ſchaft a) gefuͤhret wurde, begab ſich hocherwehnter Rigiſcher Biſchof mit
dieſem ſeinen Bruder zum Koͤnige, um deſſen Genehmhaltung und Einwilli-
gung zu begehren. Dem Koͤnige beliebte es auch, daß er nach Liefland,
und von da nach Eſthland zu ſeinem Bisthume ginge. Wie ſie nach Riga
kamen, empfingen die Rigiſchen, und alle die in Liefland waren ſie mit
groſſen Freudensbezeigungen. Es freuete ſich auch jeder und lobte GOtt, daß
nach ſo haͤufigem Ungluͤck und betruͤbten Kriegen Eſthland zum andern mal er-
obert und faſt ganz wieder bezwungen ſey, auſſer das einige Schloß Tarbat, von
welchem die Rache GOttes noch zuruͤck blieb.
§. 2.
Hierauf kamen die Bruͤder der Ritterſchaft mit den Biſchoͤfen und Maͤn-
nern der Kirche, und mit allen Rigiſchen uͤber die Eintheilung der Provinzen
Eſthlandes, die nach Riga gehoͤrten b), zuſammen. Und ſie gaben dem Bi-
ſchof Hermann, Ungannien mit ſeinen Provinzen; die Ordensbruͤder aber be-
kamen durchs Loos Saccala zu ihrem Antheil. Der Kirche Unſerer Lieben
Frauen in Riga, und dem Biſchof von Riga ſprachen ſie die Strandwyk
mit ſieben Kylegundenc) zu. Wie die in der Strandwyk das hoͤrten, daß
ſie
[193]von 1223 bis 1224.
ſie unter die Kirche nach Riga gehoͤrten, freueten ſie ſich ſehr, und bezahlten1223
Tribut fuͤr zwey ganze Jahre, den ſie wegen des Ueberfals der Daͤnen nicht
entrichtet hatten. Die von Ungannien freueten ſich gleichfals uͤber die Herr-
ſchaft des Biſchof Hermanns, der in Odempe war; aber der Koͤnig Vieſ-
ceka ſtoͤrte ſie mit ſeinen Leuten von Tarbat, denn er war fuͤr die Sacca-
laner und andere angrenzende Eſthen ein Falſtrick, und recht ein groſſer
Teufel.
§. 3.
Die Biſchoͤfe ſchickten auch Boten an den Koͤnig nach Tarbet, mit Bitte,
er moͤchte von den Rebellen im Schloſſe ſich wegmachen, welche das Sacrament
ihrer Taufe geſchaͤndet, den Glauben an JEſum Chriſtum verworfen, zum
Heidenthum uͤbergetreten, die Bruͤder der Ritterſchaft als ihre Mitbruͤder und
Herren theils durch Todtſchlagen, theils durch Gefangennehmen aus ihren Gren-
zen geſchaft, und alle benachbarte Provinzen, die zum Glauben an JEſum Chri-
ſtum gekommen, durch taͤgliches Pluͤndern verwuͤſtet haͤtten. Der Koͤnig aber
wolte nicht von ihnen weg, weil die Nogarder und Koͤnige der Ruſſen ihm das
Schloß mit den angrenzenden Laͤndern durch eine ewige Schenkung abgetreten, und
Schutz vor der Deutſchen Ueberfal verſprochen hatten. Jn dieſem Schloſſe
hatten ſich beym Koͤnige alle Boͤſewichter aus den benachbarten Provinzen
von Saccala eingefunden, die nun Verraͤther und Moͤrder ihrer Bruͤder, der
Bruͤder der Ritterſchaft und Kaufleute, und Erfinder von allen heilloſen Rath-
ſchlaͤgen wider die Kirche in Liefland geworden waren. Jhr Fuͤrſt und Ober-
herr war der Koͤnig ſelbſt, der die alte Wurzel alles Ungluͤcks in Liefland gewe-
ſen, der den Frieden des wahrhaftig Friedfertigen und aller Chriſten gebrochen,
der die ihm getreuen Maͤnner, welche die Rigiſchen ihm wider den Einfal der
Litthauer zu Huͤlfe geſchickt, heimtuͤckiſcher Weiſe ums Leben und um alle ihre
Guͤter gebracht. Dieſe alle nun pochten auf ihr oberwehntes ſehr veſtes Schloß,
verachteten den Frieden der Chriſten, und trachteten taͤglich ihnen zu ſchaden:
denn in der That war dis Schloß veſter als alle Schloͤſſer in Eſthland, weil
die Ordensbruͤder es vorher mit vieler Muͤhe und Koſten zur Veſtung gemacht,
und mit ihrem Gewehr und Steinſchleudern wohl verſehen hatten, ſo die Treulo-
ſen alle zu ſich riſſen. Der Koͤnig hatte auch viele Rußiſche Schuͤtzen da, wel-
che theils Pfeile ſchoſſen, theils aus Katapulten warfen. Ueberdem machten ſie
Patherellen nach Oeſelſcher Manier und andre Kriegsgeraͤthſchaft zu rechte.
C c c§. 4. Alſo
[194]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechs und zwanzigſtes Jahr,
§. 4.
Alſo war die Eſthlaͤndiſche Kirche vielen Kriegsunruhen unterworfen,
die wie ein gebaͤrend Weib war, ſo Traurigkeit und groſſen Schmerz hat, bis ſie
geboren hat, und deren Geburt der Drache verfolget, nemlich derjenige Behemoth,
der den Fluß verſchlang und noch Hofnung hatte, daß gar der Jordan in ſeinen
Rachen ſtuͤrzen wuͤrde. Von ſolchen Beaͤngſtigungen des Krieges konte nun ob-
erwehnte Kirche, die noch ganz klein und ſchwach war auf keinerley Art frey wer-
den, als durch die Kirche von Liefland. Dieſe war ihre rechte und erſte Mutter
allezeit durch die Wehen der Eroberung, und weil ſie ſelbige durchs Bad der Wie-
dergeburt JEſu Chriſti geboren hatte; obgleich viele Muͤtter ſich dieſe Tochter
faͤlſchlich angemaſſet, und mit luͤgenhaftem Vorgeben allezeit an ſich gezogen; da-
von die eine Mutter der Ruſſen ohne Kinder und unfruchtbar war, weil ſie nicht
aus Hofnung der Wiedergeburt im Glauben an den HErrn JEſum Chriſtum,
ſondern aus Hofnung des Tributs und der Beute ſich Laͤnder zu unterwerfen
trachtete.
§. 5.
Damit nun die Kirche in Liefland ihre Tochter die Eſthlaͤndiſche Kirche,
welche ſie JEſu Chriſto geboren hatte, von den gegenwaͤrtigen Drangſalen er-
loͤſen moͤchte; ſo ſchickte der Hochwuͤrdige Biſchof von Riga hin, und ließ die Or-
densbruͤder wie auch die Maͤnner der Kirche mit den Pilgern, Kaufleuten und Ri-
giſchen Buͤrgern, auch allen Liven und Letten zuſammen kommen, und kuͤn-
digte allen, die der Kirche in Liefland angehoͤrten, den Feldzug an. Alle wa-
ren treulich gehorſam, verſamleten ſich mit ihrer Armee bey der See Aſtigerwe,
und riefen vorerwehnten Hochwuͤrdigen Biſchof von Riga mit ſich, ſamt ſeinem
nicht weniger Hochwuͤrdigen Bruder, dem Biſchof Hermann, wie auch mit allen
ſeinen Maͤnnern, Prieſtern und Rittern. Nach daſelbſt genommenen Unterredun-
gen und nach verrichteter Andacht ſandte man die beſten und ſtaͤrkſten von der Armee
voraus, daß ſie durch Ungannien Tag und Nacht fort marſchirten, und den fol-
genden Morgen das Schloß Tarbat zum voraus erreichen moͤchten. Dieſe theil-
ten ihr Heer wieder und beorderten einige, das Schloß anzugreifen; die andern
ſchickten ſie nach Wierland die noch bisherigen Rebellen auszupluͤndern; dieſe
brachten auch nach drey Tagen Schafe und Ochſen und andere Nothwendigkeiten
zur Armee in Ueberfluß herbey. Die Biſchoͤfe aber, die ſamt den Pilgern und dem
ganzen Haufen nachfolgten, ruͤckten am Mariaͤ Himmelfarths Tage vors Schloß;
weil ein Jahr vorher am ſelbigen Tage Viliende eingenommen worden. Sie
ſchlugen das Feld vol Zelter; ſtritten wider die im Schloſſe, verfertigten ſich da-
bey kleine Geruͤſte und Patherellen; machten vor ſich viel Kriegsmaſchinen zu rechte;
und fuͤhrten ein Sturmdach oder einen ſehr ſtarken hoͤlzernen Thurm auf, den ſie
aus den groͤſten und hoͤchſten Baͤumen recht kuͤnſtlich und mit dem Schloſſe gleich
hoch gezimmert hatten. Sie brachten ihn naͤher an den Wal, und fingen gleich
an darunter die Erde zu untergraben. Die Helfte der Armee ward befehliget,
Tag und Nacht zu miniren, die uͤbrigen muſten die nachgefallene Erde wegſchaffen.
Hierdurch ſank Morgens fruͤh ein groſſer Theil des Gegrabenen am Walle ein,
worauf ſie das Sturmdach naͤher ans Schloß ſchoben. Jnzwiſchen fertigten ſie
auch Prieſter und Ritter, die lauter ehrbare Maͤnner waren zu dem Koͤnig ab, ver-
ſprachen ihm dabey freyen Abzug, er ſolle mit Mann und Pferd und allen ſeinen
Sachen abziehen, wenn er nur aus dem Schloſſe gehen, und dieſes abtruͤnnige Volk
verlaſſen wolle. Allein der Koͤnig, der von den Nogardern Entſatz hofte, ſtand
recht hartnaͤckig darauf, das Schloß keinesweges ſo ſtehen zu laſſen. Unterdeſſen
kamen die Ruſſen, und pluͤnderten in der Provinz. Jn den Zelten ward lerm,
und gleich machten die Deutſchen ſich fertig, um ihnen entgegen zuruͤcken. Da-
her begaben ſie ſich aufs freye Feld, und lieſſen die andern beym Schloſſe zur Be-
lagerung. Wie aber keine Ruſſen kommen wolten, ſchritten ſie wieder zur Be-
ſtuͤrmung
[195]von 1223 bis 1224.
ſtuͤrmung des Schloſſes, beſchaͤdigten viele auf der Spitze des Schloſſes mit Pfei-1223
len aus ihren Balliſten, andere aber toͤdteten ſie mit Steinwerfen aus ihren Ma-
ſchinen; ſie ſchmiſſen auch mit ihren Patherellen gluͤhend Eiſen und Feuertoͤpfe ins
Schloß. Sie jagten denen im Schloſſe noch mehr Schrecken ein, indem etliche das
Kriegsgeraͤthe, das man Sturm-Jgel und Sturm- Schweine nennet, bereiteten;
andere Holzhaufen herbey ſchaften, noch andere Feure anmachten; und auf dieſe
Art ſtritten ſie viele Tage. Die Belagerten zimmerten gleichfals Maſchinen und
Patherellen gegen die Maſchinen der Chriſten, und ſtelten ihre Bogenſchuͤtzen und
Steinſchleuderer ihren Pfeilen entgegen. Sie feyerten dabey nicht, Tag und Nacht
zu graben, daher kam der Thurm dem Schloſſe immer naͤher. Man ließ den Muͤ-
den keine Zeit auszuruhen. Des Tages fochten ſie, des Nachts muſicirten ſie und
ſchrien. Die Liven und Letten klapperten mit den Schwertern auf ihre Schilde
und lermten dabey. Die Deutſchen paukten, pfiffen, poſaunten und hatten
noch andere Muſik. Die Ruſſen brachten alle Naͤchte mit ihren Jnſtrumenten,
Trompeten d) und Geſchrey, ſchlaflos zu. Demnach kamen alle Chriſten zuſam-
men, gingen zu Rathe und beteten bruͤnſtig zu GOTT. Sie hatten aber einen
Herzog Friedrich und Herzog Friedehelme), desgleichen einen Advocaten der
Pilger, einen vornehmen und reichen Mann bey ſich, der ſagte: Jhr muͤſt das
Schloß mit Gewalt erſteigen, es durch Erklettern einnehmen, und an den
Boͤſewichtern andern zum Schreck ein Exempel ſtatuiren. Denn ſie haben
bisher in allen durch die Lieflaͤnder eroberten Schloͤſſer Leben und Freyheit
immer erhalten, und daher haben die andern keine Furcht mehr. Wir wol-
lens nun ſo halten; wer von unſern Rittern das Schloß zuerſt erſteigen
und hineindringen wird, dem wollen wir die groͤſte Ehre erweiſen, und
ihm die beſten Pferde und den oberſten Gefangenen im Schloſſe verehren,
nur den untreuen Koͤnig nicht, den wir auf dem hoͤchſten Baumaſt uͤber
alle die andern weg henken wollen. Der Rath gefiel allen wohl. Sie thaten
dem HErrn und der heiligen Jungfrau ihr Geluͤbde. Gleich mit fruͤhem Morgen,
nach vorher gehaltener Meſſe ging der Sturm an. Man trug viel Holz zuſam-
men; alle Muͤhe aber war vergeblich, weil die Zeit der Rache GOttes noch nicht
gekommen war. Um neun Uhr nun machten die verdamten Eſthen im Schloſſe
ein ſtarkes Feuer; oͤfneten ein groſſes Loch in der Mauer aus welchem ſie Feuer-
raͤder heraus, und auf den Thurm zu warfen, auch groſſe Haufen Holz hinter
her ſchmiſſen. Die tapferen Geharniſchten unter den Chriſten aber ſtoͤrten das
Feuer auseinander und loͤſchten es, ſchlugen die Raͤder in Stuͤcken, daͤmpften die
Gewalt der Glut und vertheidigten ihren Thurm mit ſtarker Fauſt. Jnzwiſchen
ſchlepten andere von der Armee Holz herbey, und ſteckten die Bruͤcke in Brand.
wowider alle Ruſſen ans Thor zur Gegenwehr liefen.
§. 6.
Johannes aber von Appeldernf), des Biſchofs Bruder, ein vortreflicher
Ritter, nahm Feuer in ſeine Hand, und fing zuerſt an auf den Wal zu ſteigen.
Sein Bedienter Peter Og, ſtand zu naͤchſt bey ihm, und beyde kletterten unver-
zuͤglich auf Sturmleitern bis an das Veſtungswerk. Wie die andern Ritter dis
ſahen, liefen ſie alle, und kletterten ihnen beherzt nach. Was ſol ich hier viel
Worte machen? Jeder eilte, daß er am erſten hinauf kam, damit er den Ruhm
und die Ehre JEſu Chriſti und ſeiner Mutter Mariaͤ erheben, und nach dieſem
Leben endlich den Lohn fuͤr ſeine Arbeit empfangen moͤchte. Er ſtieg alſo auf,
(wer ihm zuerſt im Weg gekommen, weiß ich nicht, GOtt weiß es,) und die ganze
Menge folgte ihm nach. Denn jeder hob ſeinen Kamerad aufs Schloß, und die
andren krochen durch das Loch, wodurch die Belagerten die feurigen Raͤder gewor-
fen. Die erſten machten immer den nachfolgenden Platz, ſtieſſen die Eſthen mit
Schwerdtern und Lanzen herunter, und jagten ſie von den Veſtungswerken weg.
Nachdem nun ſchon viele Deutſchen ins Schloß gedrungen, kamen auch die Let-
ten nach und einige von den Liven. Dieſe fingen gleich an das Volk niederzu-
metzeln, ſo wol Mann als Weib, und verſchonten keinen, daß die Erſchlagenen
mehr denn Tauſend ausmachten. Die Ruſſen aber, ſo ſich am laͤngſten wehrten,
zogen zuletzt auch den Kuͤrzern und ſprungen von oben die Veſtung hinab; ſie wur-
den aber auch hier hervorgeholet, und alle mit ihrem Koͤnig erſchlagen, uͤber zwey
hundert an der Zahl. Andre von der Armee umringeten allenthalben das Schloß,
und lieſſen keinen entwiſchen. Wer nun von der Veſtung herunter war, und in-
wendig noch durchkam, der fiel doch denen von auſſen in die Haͤnde. Alſo blieb
von allen Maͤnnern im Schloſſe nur ein einziger am Leben, ein Vaſal des Gros-
koͤnigs von Susdal, der von ſeinem Herrn mit andern Ruſſen nach dem
Schloſſe geſchickt war. Dieſen kleideten die Bruͤder der Ritterſchaft nachher an,
und ſchickten ihn nach Nogarden und Susdal auf einem guten Pferde, da-
mit er dieſe vorgefallene Begebenheit den Koͤnigen melden ſolte. Nach geſchehener
Hinrichtung aller Leute, machten die Chriſten ſich eine groſſe Luſt und Muſik
mit ihren Pauken, Pfeifen und andern Jnſtrumenten, weil ſie ſich an ihren
Uebelthaͤtern gerochen, und alle aus Lief- und Eſthland verſamlete Treuloſen da
umgebracht. Sie nahmen nachher der Ruſſen Waffen, Kleidung, Pferde, und
alle Beute im Schloſſe, auch die noch uͤbrigen Weiber und Kinder, ſteckten das
Schloß in Brand, und kehrten Tages darauf mit groſſer Beute wieder nach
Liefland. Sie dankten aber auch GOtt im Himmel fuͤr den ihnen geſchenkten
Sieg; denn er iſt freundlich und ſeine Guͤte waͤhret ewiglich. Die von Nogar-
den aber kamen mit einem ſtarken Heer nach Pleſcekowe, und wolten das
Schloß Tarbat entſetzen. Doch wie ſie hoͤrten, es waͤre ſchon uͤbergegangen,
und ihre Leute todtgeſchlagen, kehrten ſie mit groſſem Schmerz und Unwillen wie-
der nach ihrer Stadt.
§. 7.
Die Oeſelſchen entlieſſen auch des Biſchofs Bruder Dietrichen aus der
Gefangenſchaft, und ſandten ihn wieder nach Liefland. Die von der Strandwyk
aber
*)
[198]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechs und zwanzigſtes Jahr,
1223aber kamen nach Riga und unterwarfen ſich dem Biſchof zu Gehorſam, gaben
auch ihren Zins doppelt, den ſie der Daͤnen wegen zwey Jahr verabſaͤumet, be-
zahlten alles volkommen, verſprachen der Kirche zu Riga ewige Treue, und tra-
ten
*)
[199]von 1223 bis 1224.
ten wieder zum chriſtlichen Glauben. Die von Warbola brachten auch Tribut1223
und Geſchenke, und ergaben ſich an die Rigiſchen gaͤnzlich. Die Rigiſchen
aber, als honette Maͤnner, beſtimten ihrentwegen nichts gewiſſes, nur ſieben in der
Strandwyck gelegene Provinzen, die ſie mit allem Recht jederzeit beſeſſen, nah-
men ſie als was ungezweifeltes an. Es fehlte den Rigiſchen niemals am Rechte
auf die Strandwyck, als die ſie durch Zwang zum chriſtlichen Glauben gebracht,
durch die Taufe, Schatzung und Geiſſeln allezeit inne gehabt, und dem Koͤnig von
Daͤnnemark niemals Geiſſeln aus dieſer Seekuͤſte gegeben hatten. Auch die von
D d d 2Wirland
*)[200]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechs und zwanzigſtes Jahr,
1223Wirland und Gerwen, als ſie die Eroberung des Schloſſes Tarbat ver-
nahmen, kamen nach Riga, und brachten, als vor ihre Herren, Pferde und
Geſchenke mit.
§. 8.
Der Biſchof Hermann aber ging mit ſeinen Leuten nach Ungannien,
und fing an das Schloß Odempe zu erbauen, legte auch zur Beſatzung edle Herren
und ehrbare Ritter, nemlich ſeinen Eidam Engelbert von Tyſenhuſeng), ſeinen
Bruder Dietrichh), und Helmolden von Luneborchi), einen klugen und
fuͤhrnehmen Mann, ingleichen Johannem von Dolen, hinein, ſchenkte einem
jeden von ihnen eine Provinz, das iſt, eine Kylegunde zum Lehn, nahm auch viel
andre Deutſche ins Schloß auf, mit daſelbſt zu wohnen, daß ſie Land und Schloß
vor den Feinden ſchuͤtzten, und den Eſthen, ihren Unterthanen, den chriſtlichen
Glauben lehrten. Sie lieſſen aber die Eſthen, weil ſie noch bis jetzo treulos gewe-
ſen, nicht bey ſich im Schloſſe wohnen. Eben dieſer Biſchof rief auch Prieſter
mit ſich nach Ungannien, ſchenkte ihnen die Kirchen zum Lehn, und verehrte
ihnen hinreichenden Feldwachs und Ackerbau. Jngleichen that er den Eſthen
wegen des von GOtt allezeit angeordneten Zehnten durch geziemende Belehrung
einen Antrag, den ſie auch annahmen, und den Anfang ihn jaͤhrlich zu zahlen
machten. Hierauf verfuͤgte er treulich Anſtalt, den Prieſtern und ſeinen Vaſal-
len das noͤthige zu ertheilen und ſein Verſprechen zu halten. Er ſetzte uͤberdem
ſeinen Bruder Rotmar zum Probſt ein, verordnete ihm eine Stelle im Kloſter
zu Darbet, und ſprach ihm vier und zwanzig Doͤrfer, Einkuͤnfte und Felder
zu ſeinem hinreichlichen Auskommen zu. Er beſtelte auch, daſelbſt regulaire Dom-
herren zu machen, und verordnete, daß dieſes ihre Domkirche ſeyn ſolte.
§. 9.
Die Bruͤder der Ritterſchaft aber gingen nach Saccala, und weil ſie
das Schloß Viliende inne hatten; ſo fingen ſie an daſſelbe mehr zu beveſtigen.
Sie ſetzten auch Prieſter an den Kirchen, ſchlugen ihnen zulaͤngliche Einkuͤnfte zu,
ſo wol an Getreide als Laͤndereyen, und empfingen ebenfals den Zehnden von
den Eſthen. Ueberdem erhielten ſie volſtaͤndige und gaͤnzliche Gnugthuung fuͤr
alles ihnen entwandte, und fuͤr den ihnen zugefuͤgten Schaden ſo wol in Un-
gannien als in Saccala. Sie theilten auch Wayga, und ſchlugen die Helfte
nach Ungannien; die andre Helfte mit Saccala, Normegunda und Mo-
cha behielten ſie vor ſich. Die Ruſſen von Nogarden und Plescekowe
ſchickten hierauf Geſandte nach Riga, und baten um Frieden. Die Rigiſchen
nahmen ſie an, machten mit ihnen Friede, und gaben ihnen den Tribut wieder
aus, den ſie allezeit in Tholowa gehabt hatten. Die Letten aber von Tho-
lowa theilte der Biſchof mit ſeinen Ordensbruͤdern; zwey Theile nahm der
Biſchof, den dritten ließ er den Ordensbruͤdern uͤber.
Des Biſchof Alberts ſieben und zwanzigſtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1224 bis 1225.
§. 1
Als das ſieben und zwanzigſte Jahr des Biſchofs eintrat, ſo hatte Lief-1224
land einen geruhigen Frieden. Denn nach Eroberung des ſehr veſten
Schloſſes Tarbat und nach Hinrichtung aller Eſthen und Ruſſen
mit ſamt ihrem Koͤnige, uͤberfiel die Furcht vor den Rigiſchen und
Deutſchen alle benachbarte Lande und herumliegende Voͤlker. Deswegen ſchick-
ten alle ihre Abgeordneten mit Geſchenken nach Riga, ſo wol die Ruſſen, als
die Eſthen am Strande, die Oeſeler, Semgallen und Curen; ingleichen
die Litthauer, welche alle um Friede und Buͤndniß baten, weil ſie bange
waren, es moͤchte ihnen eben ſo, wie denen in Tarbat gehen. Die Rigiſchen
nahmen ſie auch an, und gaben allen Friede, die ſie nur darum baten, und das
Land hatte Ruhe in ihrem Angeſicht. Es gingen gleichermaſſen die Eſthen aus
ihren Schloͤſſern, und baueten ihre abgebranten Doͤrfer und Kirchen wieder auf;
ebenfals krochen die Liven und Letten aus ihren Loͤchern im Buſche, darinne ſie
ſich zur Kriegeszeit ſchon viele Jahre verborgen gehalten, jeder kehrte in ſein Dorf,
und zu ſeinen Aeckern, und alle pfluͤgten und ſaͤeten in der groͤſten Sicherheit, die
ſie auf vierzig Jahr a) vorher nicht offenbar gehabt, weil ihnen die Litthauer
und andre Voͤlker ſo wol vor der Predigt des goͤttlichen Worts in Liefland, als
nach ihrer Taufe niemals Ruhe und Sicherheit gelaſſen hatten. Nunmehro aber
von dieſer Zeit an und von dieſem Jahre an, fingen ſie an zu ruhen, und wurden
ihrer Felder und ihrer Arbeit wieder froh, indem niemand ſie erſchreckte. Und
weil ſie im chriſtlichen Glauben mehr Einſicht bekamen, bekanten ſie JEſum
Chriſtum den Sohn GOttes, der nach betruͤbten Kriegen, nach vieler Hin-
E e erichtung
[202]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſieben und zwanzigſtes Jahr,
1224richtung, nach ſchwerer Peſtilenz und manchem Ungluͤck endlich ſich ſeines uͤber-
gebliebenen Volks erbarmet hat, und ihnen Friede und Sicherheit geſchenket.
Und alles Volk ruhete im HErrn, und lobte den, der da iſt gelobet von Ewig-
keit zu Ewigkeit. Amen!
§. 2.
Selbiges Jahrs, ſo nach Chriſti Geburt das tauſend zwey hundert und vier und
zwanzigſte war, ſandte der Hochwuͤrdige Biſchof von Riga ſeinen Prieſter Mo-
ritz an den Roͤmiſchen Hof, um einen Geſandten des Roͤmiſchen Stuhls
nach Liefland ſich auszubitten. Der Pabſt Honorius der dritte, der damals
nicht zu Rom, ſondern zu Barib) ſeine Hofſtadt hatte, gab auch ſeine Einwil-
ligung dazu. Er ſchickte alſo den Hochwuͤrdigen Biſchof von Modena, Wil-
helmenc), ſeines Palaſts Kanzler, mit demſelben Prieſter nach Liefland; der
kam mit ſeiner Bedienung, mit Pilgern und mit ſeiner ganzen Reiſegeſelſchaft auf
der Duͤne an. Die Rigiſchen zogen ihnen entgegen, nahmen ſie wohl auf,
und holten ſie mit groſſer Freude und Staat in die Stadt ein. Er bezeugte
ſeine Freude mit, und lobte JEſum Chriſtum, Mariaͤ Sohn, daß er
den ſo herrlich gepflanzten Weinberg GOttes und die mit dem Blut ſo vieler
Glaͤubigen bewaͤſſerte Kirche ſo groß und anſehnlich erweitert fand, daß ſie mit
ihren Reben auf zehn Tagereiſen bis nach Reval ſich ausbreitete und erſtreckte,
oder den andern Weg nach Plescekowe, oder auch laͤngſt der Duͤne bis Ger-
ceke gleichfals ſo viel Tagereiſen ausmachte, anbey ſchon fuͤnf beſondere Bisthuͤ-
mer d) mit ihren Biſchoͤfen hatte. Er ſchickte auch gleich ſeine Botſchafter an den
Roͤmiſchen Hof, und uͤberſchrieb dem Roͤmiſchen Pabſt die wahren Umſtaͤnde
davon.
§. 3.
Er ſelbſt aber vor ſeine Perſon gab ſich um die Neubekehrten viele Muͤhe,
ließ die Liven und andre, die in der Stadt waren, Maͤnner und Weiber oft zu-
ſammen kommen, handhabete das Wort GOttes fleißig, und ertheilte viel Ab-
lasbriefe mit Freuden. Nachher kam ihm die Luſt an, die Liven und andere, ſo
wol Letten als Eſthen zu beſuchen, und ging nach Thoreida, wo er den Hoch-
wuͤrdigen Biſchof von Riga und Johannem, Probſten zu Unſrer Lieben
E e e 2Frauen,
[204]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſieben und zwanzigſtes Jahr,
1224Frauen, nebſt mehrern andern verſtaͤndigen und beſcheidenen Maͤnnern bey ſich
hatte. Erſt kam er nach Cubbeſelee), hielt den Liven daſelbſt die Meſſe, und
predigte das Wort des Heils, um ſie im katholiſchen Glauben zu ſtaͤrken. Nachher
machte ers eben ſo in Vitiſele und Letthegore. Ferner that er ein gleiches in
Metſepole, in Ydumea, und in Lettland, ſtreuete den Samen des Evan-
gelii fuͤr alle aus, lehrte ſie gute Fruͤchte bringen, und erklaͤrte ihnen den chriſtlichen
Glauben deutlich und fleißig. Hierauf begab er ſich nach Ungannien, und fand
daſelbſt die Kirche der Glaͤubigen ſo wol an Deutſchen als Eſthen, wie auch
das von den neuen Einwohnern bewohnte und veſt erbaute Schloß Odempe,
und prieſe den HErrn, daß er auch in Eſthland eine Verſamlung der Glaͤubigen
angetroffen. Die Eſthen unterwieß er im Glauben an JEſum Chriſtum:
die Deutſchen vermahnte er treulich, und warnete ſie, wie ſie guͤtlich bey ein
ander leben, und ſich unter ein ander keinen Verdruß machen ſolten; daß die
Deutſchen den Schultern der Neubekehrten kein unertraͤglich Joch zur Beſchwerde
auflegen, ſondern das ſanfte und leichte Joch des HErrn, und ihnen immerfort die
Geheimniſſe des Glaubens beybringen moͤchten. Er ſegnete ſie hierauf ein, und
reiſte nach Saccala, wo er im erſten Kirchſpiel, das er bey der See Worce-
gerbe fand, die Neubekehrten ſehr erbaulich lehrte, und vermahnte, nimmer vom
Glauben unſers HErrn JEſu Chriſti abzutreten. Von da machte er ſich nach
dem Schloſſe Viliende, welches den Ordensbruͤdern gehoͤrig war, und ſie damals
ſehr veſte erbauet hatten. Die Bruͤder ſelbſt kamen heraus und gingen mit Freu-
den dem Geſandten des apoſtoliſchen Stuhls entgegen, nahmen ihn in ihr Schloß,
und erzaͤhlten ihm alles Ungluͤck, ſo ſie des chriſtlichen Glaubens halber von den
Eſthen ausgeſtanden. Er ließ hierauf die Eſthen, Maͤnner und Weiber, zur
Kirche rufen, ging zu ihnen, ertheilte ihnen treulich das Wort der Ermahnung,
und warnete ſie, ſie moͤchten nicht mehr ſolch Boͤſes thun, und ſich unterfangen die
Geheimniſſe des Glaubens zu beſchimpfen. Gleichfals ertheilte er den Bruͤdern
der Ritterſchaft Ermahnungen der heiligen Lehre gar erwecklich, und ſtelte ihnen
vor, ſie moͤchten doch nicht ihren Unterthanen den dummen Eſthen weder in Em-
pfang des Zehnden, noch irgend in andern Stuͤcken alzuſchwer fallen, damit ſie nicht
durch dergleichen Veranlaßung wieder in den abgoͤttiſchen Dienſt des Heidenthums
verfielen. Es kamen auch die Boten der Daͤnen aus Revel daſelbſt zu ihm, die
ihn mit Freuden wilkommen hieſſen, und ihm ihre Anfechtungen und Kriege erzaͤhl-
ten. Ebenfals langten die Boten der Strandeſten, ſo mit den Daͤnen ſich im-
mer in Haaren lagen, bey ihm an, erboten ihm ihr Land und ihre Provinzen, wie
ſie dieſelben auch den Rigiſchen immer anboten, wenn er ſie nur vor den Daͤnen
und Oeſelern ſchuͤtzen wolte, welche er auch in Schutz nahm. Nachdem kehrte
er wieder in Lettland, und in Tricatien trafen die Letten bey ihm ein aus der
ganzen Provinz, die Tolowa hieß; denen er das Wort GOttes mit Freuden
predigte, und alle Glaubenslehren treulich und fleißig vortrug. Von da brach er
nach Wenden auf, und ward von den daſelbſt wohnenden Ordensbruͤdern und
andern Deutſchen mit groſſer Ehrfurcht in Empfang genommen, er fand auch
eine ſehr groſſe Menge Wenden und Letten da vor ſich. Demnach ließ er mit
fruͤhem Morgen alle Letten zuſammen kommen, und predigte ihnen luſtig und mit
Freuden die froͤliche Lehre unſers HErrn JEſu Chriſti vor, erinnerte ſie oftmals
an die Paßion des HErrn JEſu, machte die ohndem froͤlich waren unter ihnen,
damit nochmehr erfreuet, und ruͤhmte ihre Treue und Standhaftigkeit, weil ſie
von freyen Stuͤcken und ohne Kriegsgetuͤmmel gleich anfangs den chriſtlichen Glau-
ben angenommen, und nachher niemals den Bund der Taufe, wie die Liven und
Eſthen doch gethan, gebrochen haͤtten. Er prieſe auch ihre Demuth und Ge-
duld, als die den Namen JEſu Chriſti zu den Eſthen und zu den andern Na-
tionen mit Freuden getragen, und viele aus ihren Landsleuten, die wegen des
chriſtlichen Glaubens hingerichtet worden, ohne Zweifel in die Gemeinſchaft der
Maͤrtyrer geſandt haͤtten. Auch den Wendenf) entzog er die treuen Ermahnun-
gen
[205]von 1224 bis 1225.
gen ſeiner Lehre nicht, und ſchaͤrfte es ihren Herren, den Ordensbruͤdern mit allem1224
Bedacht ein, wie ſie ihren Unterthanen allezeit ein leichtes Joch auflegen und treu-
lich bey einander wohnen ſolten. Nachher legte er in Sygewalde gleiche Pro-
ben ſeiner Gottesfurcht ab, und ermahnte die Liven mit allem Fleiß, den Eid
ihrer Taufe nicht zu brechen, und ſich wieder zum Heidenthum zu wenden. Die
Ordensbruͤder und andre Deutſche in andern Provinzen warnete er allezeit be-
daͤchtlich, ſie ſolten den Liven und Letten und andern Neubekehrten den chriſtli-
chen Glauben beybringen, die leichte Laſt JEſu Chriſti auf derſelben Schultern
legen, und ſo wol im Zehend, als in andren Stuͤcken mit ihnen ſaͤuberlich verfah-
ren, daß ſie nicht, wenn ſie zu ſehr beſchweret wuͤrden, in den Unglauben zuruͤck-
fielen. Und nachdem er dieſes alles vollendet hatte, kehrte er wieder nach Riga.
§. 4.
Es kamen auch daſelbſt zu ihm Deutſche, Liven und Letten, die in un-
terſchiedlichen Angelegenheiten Recht ſuchten. Er antwortete einem jeglichen nach
Beſchaffenheit ſeiner Sache und Klage, entſchied auch viele Haͤndel und Streitig-
keiten. Selbſt die Ruſſen von Nogarden, und andre aus andren Staͤdten
ſchickten auf die Nachricht, daß ein Geſandter des Roͤmiſchen Stuhls in Riga
ſey, ihre Abgeordneten an ihn, und erſuchten denſelben um Beſtaͤtigung des von den
Deutſchen ſchon lange geſchloſſenen Friedens. Er erhoͤrte ſie auch mit ihrem an-
bringen, ſtaͤrkte ihren Glauben mit vielen Ermahnungen, und ſchickte ſie alle wieder
in ihr Land mit Freuden zuruͤck g). Es fand ſich auch der Fuͤrſte der Semgal-
len, Weſthard, auf ſein Einladen ein, den er nach vielen Wortwechſel und mit
langen Reden zum Glauben an JEſum Chriſtum beredete. Dieſer aber ver-
ſtand wegen der Haͤrtigkeit ſeines Unglaubens das Wort des Heils nicht, nahm
auch die Taufe noch nicht an, ſondern verſprach es wieder aufs kuͤnftige, und nahm
einen Prediger von dem Herrn Geſandten mit ſich nach Semgallien. Alſo ka-
men von allen herumliegenden Laͤndern, den Geſandten des Roͤmiſchen Hofes zu
ſehen; unter denen waren Wiſſewald, Koͤnig von Gercike; Der Graf
Burhardh); Die Biſchoͤfe der Daͤnen aus Revel: auch die Oeſeler und
Strandeſten, die ſich unter ſeinen Schutz anboten und angelobten, ſie wolten die
Prieſter mit aller chriſtlichen Pflicht annehmen, wenn er ſie nur von dem Ueberfal
der Daͤnen befreyen wolte. Er verſprach ihnen auch die Freyheit, und ſchickte
Boten an die Daͤnen und Oeſeler, ſie ſolten den Krieg bleiben laſſen, ſeinen
Frieden annehmen und ſeinen Verordnungen Folge leiſten.
F f f§. 5. Er
[206]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſieben und zwanzigſtes Jahr,
§. 5.
Er hatte aber noch Verlangen, auch andern Neubekehrten zuzuſprechen, und
beſuchte die Liven auf Holme. Nachdem er daſelbſt die Meſſe geleſen, und den
Samen der heiligen Lehre ausgeſtreuet: begab er ſich nach Ykeskole, wo er das
Gedaͤchtniß der erſten heiligen Biſchoͤfe feyerte, und dieſe Liven in dem Dienſt
GOttes ſtaͤrkte. Nachher mahnete er die Liven in Lenewarden und in Aſche-
rade gleichfals von der Abgoͤtterey ab, und unterrichtete ſie fleißig in dem Dienſt
des einigen GOttes. Endlich ertheilte er ebenmaͤßig die Vermahnungen heiliger
Lehre in Kukenoyſe ſowol den Deutſchen als Ruſſen, Letten und Selen
die bey einander wohnten, nach aller Treue, und warnete nur immer die Deut-
ſchen, daß ſie ihren Unterthanen mit harten Auflagen und unrechtmaͤßigem Ein-
treiben *) nichts zu nahe thaͤten, ſondern von dem Glauben an Chriſtum ſie eifrig
belehrten, chriſtliche Gewohnheiten einfuͤhrten, die heidniſchen Gebraͤuche abſchaf-
ten, und ſowol mit ihrem guten Exempel als mit Worten ſie erbauen moͤchten.
§. 6.
Als der Geſandte des apoſtoliſchen Stuhls wieder nach Riga zuruͤck gezogen
war: ſo machten ſich die Deutſchen in Odempe auf, und zwar zur Herbſtzeit
mit ihrem ganzen Gefolge, um die Aelteſten von Wirland zuſammen zu fordern,
gingen auch nach Wirland, nahmen alle Schloͤſſer darinne weg, trieben die
Daͤnen heraus und ſagten, das Land waͤre durch die Fahne Unſerer Lieben Frauen
gleich anfaͤnglich zum chriſtlichen Glauben gebracht worden. Sie fingen an in al-
len Provinzen und Schloͤſſern Wirlands den Meiſter zu ſpielen. Auf eingelau-
fenen Bericht aber beſchied der Herr Geſandte dieſe Deutſchen vor ſich, und
zwang ſie bey Strafe des Kirchenbannes, das Land in den Schutz des Pabſts zu
uͤbertragen; ſchickte auch gleich ſeine Expreſſen an die Daͤnen nach Revel, und
noͤthigte ſie ebenfals das Land, wie auch die andern Laͤnder, uͤber welche die Deut-
ſchen mit den Daͤnen zerfallen waren, in ſeine Haͤnde zu uͤbergeben. Die Daͤ-
nen getraueten ſich nicht wider den Stachel zu lecken, ſondern verſprachen dem
Roͤmiſchen Hofe treulich zu gehorchen. Sie uͤbertrugen alſo Wirland, Ger-
wen, Harrien und die Wyk in die Haͤnde der Boten des Herrn Geſandten,
Wilhelms, Biſchofs von Modena, ſchickten die Briefſchaften daruͤber mit ih-
rem Jnſiegel nach Riga, und beſtaͤtigten die Schenkung. Hierauf fertigte der
Geſandte ſeine Maͤnner, Pilger und Prieſter nach Wirland ab, gab allen Deut-
ſchen und Daͤnen ihren Abſchied, und behielt dieſe Laͤnder in ſeiner Gewalt.
§. 7.
Nach dem Feſt der Erſcheinung Chriſti aber, da wegen des Schnees und
Froſtes in dieſen kalten Laͤndern der beſte Weg zum reiſen iſt, zog der Herr Bi-
ſchof von Modena, paͤbſtlicher Geſandter, mit Geiſtlichen und Knechten weg,
nahm den Biſchof Lamberti) von Semgallen, und den Rigiſchen Probſt
Johannes, wie auch Rigiſche Buͤrger und etliche Ordensbruͤder mit andern
mehr mit ſich, ging durch Liefland, kam in Lettland an, und aus Lettland
nach Saccala, obgleich in groſſer Schwachheit ſeines Leibes. Jn Viliende
oder Vellnio ruhte er zwey Tage aus, zog nachher nach Gerwen, und alle Ein-
wohner in Gerwen kamen ihm im Dorfe Karethen entgegen, denen er das
Wort GOttes mit Freudigkeit verkuͤndigte, ſie im katholiſchen Glauben unterrich-
tete, und ſie in die Haͤnde des Roͤmiſchen Pabſtes ſamlete. Er reiſte hierauf
nach dem erſten Schloſſe in Wirland, ſo Agelinde hieß, ward daſelbſt ſehr
freudig und mit Ehren empfangen, ließ die Leute alle zuſammen kommen, ertheilte
ihnen
[207]von 1224 bis 1225.
ihnen die heilſamen Lehren zum ewigen Leben, und machte ihnen den Namen JE-1224
ſu Chriſti bekant. Von da ging er nach Tarwaupe, und machte es auch ſo.
Die Daͤnen, weil ſie mit gefordert waren, erſchienen ebenfals. Und alſo ward
erſt der Friede zwiſchen Deutſchen und Daͤnen, nachher auch mit den Eſthen
in allen Provinzen geſchloſſen. Nachdem zog dieſer Geſandte in die Provinz Ta-
bellus, wo alle Aelteſten von Wirland zu ihm kamen, und die chriſtliche Lehre
und Glauben bey ihm anhoͤrten. Er nahm ſie auch alle in paͤbſtlichen Schutz,
ſetzte etliche unter ihnen zu Aelteſten und Richtern in allen ihren Provinzen, und
kehrte alsdenn wieder nach Tarwaupe. Von da begab er ſich nach dem Schloſſe
der Daͤnen in Revelim, und ward von den Daͤnen, Schweden und geſam-
ten Einwohnern daſelbſt mit Freuden aufgenommen. Nach dieſem fing er an die jungen
Burſche aus Wirland, die Geiſſeln waren, von ihnen zuruͤck zu fordern; ſie wol-
ten ihm aber ſelbige nicht aushaͤndigen; doch da ſie mit dem Kirchenbann erſchrecket
wurden, ſahen ſie ſich endlich genoͤthiget, ſie wieder auszugeben; welche Geiſſeln
er hernach an ihre Eltern nach Wirland zuruͤck ſchickte. Die von Warbola
nahmen auch den Frieden des Roͤmiſchen Herrn Geſandten an, und kamen zu
ihm nach Revel. Doch auf der Daͤnen inſtaͤndig Anhalten, ſprach er ſie, nebſt
den uͤbrigen Einwohnern in Harrien, den Daͤnen zu Die Strandkiligun-
de aber, nebſt einem andern ganzen Kirchſpiel, das an der See lag, wie auch
Wirland und Gerwen, ſchlug er zur Botmaͤßigkeit des Roͤmiſchen Pabſtes
an. Es verſamleten ſich auch die Eſthen aus Revel vor ihm, und mit ſelbigen
die Daͤnen, welchen er gar erbaulich die Worte des ewigen Lebens reichte, und
ſie treulich ermahnete, ſie ſolten doch in Guͤte bey einander wohnen, und ſich in kei-
nen Rath der Unglaͤubigen mehr einlaſſen. Wie diß alles vorbey war, ſchickte er
ſeine Prieſter nach der Strandſeite, und kehrte fuͤr ſeine Perſon durch Saccala
nach Riga zuruͤck. Dieſe Prieſter aber, nemlich Peter Kakewald, mit ſeinem
Mitbruder, einem andern Prieſter, gingen nach Sontagana, und die am Stran-
de nahmen ſie mit Freuden auf; Es hoͤrten ihnen auch zu Maͤnner und Weiber
und Kinder, die vormals ungetauft geblieben waren ſowol in Sontagana, als
in Majanpathe und Puekalle. Nachdem kehrten ſie auch ſelbſt froͤlich wieder
in Liefland, und lobten den Hoͤchſten wegen Fortpflanzung des Glaubens.
§. 8.
Als nun der Geſandte des apoſtoliſchen Stuhls, der Biſchof von Modena,
wieder zu Riga anlangte, ſo kamen die Biſchoͤfe, Prieſter, Geiſtlichen, die Bruͤ-
der der Ritterſchaft mit den vornehmſten Vaſallen der Kirche, und die Buͤrger in
F f f 2Riga
[208]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſieben und zwanzigſtes Jahr,
1224Riga zu ihm. Jn dieſer aller Gegenwart hielt er ein feyerlich Concilium in der
Kirche der heiligen Jungfrau Mariaͤ, in der Faſten unſers HErrn, angehend die
Verordnungen des Jnnocentiusk); fuͤhrte ihnen ſelbige zu Gemuͤthe, und that
noch einige neue hinzu, die der neugepflanzten Kirche unumgaͤnglich ſchienen. Nach-
dem aber alles volbracht und geendiget war, ſowol zwiſchen dem Biſchof, den
Geiſtlichen, den Ordensbruͤdern, und der Stadt Riga, ſo viel er nemlich vor
der Hand, kraft ſeiner Volmacht, abmachen konte *), gab und ertheilte er hinreich-
lichen Ablaß, nahm von allen herzlichen Abſchied, ſegnete ſie ein, und kehrte wie-
der zu ſeinen Schiffen, empfal ganz Liefland in ſeinem Gebet der heiligen Mutter
GOttes, der Jungfrau Maria, und ihrem Sohn JEſu CHriſto, unſerm
Herrn und Heiland, der da iſt gelobet und gebenedeyet von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Das iſt: Jch gedenke noch immer mit Vergnuͤgen daran. Das uͤbrige weiſt du,
Mutter GOttes Maria! Erbarme dich meiner!
§. 9.
Es haben ſich zwar auch noch viele andre und herrliche Dinge in Liefland
zu der Zeit begeben, da die Heiden zum Glauben an JEſum Chriſtum ſich
wandten, in den verfloſſenen ſieben und ſechzig Jahren, ſeit dem der Lieflaͤndiſche
Hafen zu erſt von den Bremiſchen Kaufleuten erfunden worden, die nicht alle be-
ſchrieben oder zur Nachricht verzeichnet werden koͤnnen, damit es nicht den Leſern
verdrießlich falle. Dieſes wenige aber iſt geſchrieben zum Lob unſers HErrn JEſu
Chriſti, der da wil, daß ſein Glaube und Name zu allen Voͤlkern gebracht und
herumgetragen werde; indem der mitwirket und Kraft gibt, durch welchen der-
gleichen geſchehen iſt. Der den Seinigen in Liefland allezeit ſo viele, groſſe und
herrliche Siege uͤber die Heiden verliehen, und zwar immer, mehr durch wenige
Leute denn durch viele, aus Gnaden ſeiner geliebten Mutter, als deren Ehre ſamt
ihrem Sohne, unſerm HErrn JEſu Chriſto, alle dieſe neubekehrten Laͤnder ge-
widmet worden. Und damit dieſer Ruhm, der ihr vor ſo herrliche Thaten gebuͤh-
ret, kuͤnftig durch etwaige Traͤgheit und Nachlaͤßigkeit nicht vergeſſen werde; ſo
haben wir dieſe Geſchichte auf Bitte und Dringen meiner Herren l) und meiner
Glaubensgenoſſen in niedriger Schreibart und Worten aufzeichnen wollen, und es
der Nachwelt, die das folgende fleißiger und gelehrter ausfuͤhren duͤrfte, hinter-
laſſen, damit ſie auch GOtt Lob geben, ihre Hofnung auf ihn ſetzen, der Werke
GOttes nicht vergeſſen, und nach ſeinen Geboten fragen moͤchte. Nichts aber iſt
hier zugethan, auſſer alles das, was wir mit unſern Augen faſt alle geſehen haben,
und was wir nicht ſelbſt mit eigenen Augen geſehen haben, das haben wir doch von
denen
[209]von 1224 bis 1225.
denen gehoͤret und vernommen, die es geſehen und dabey geweſen. Wir habens1224
auch nicht geſchrieben aus Schmeicheley oder um zeitlichen Gewinſtes willen, auch
keinem zu Liebe noch zu Leide, ſondern nach der bloſſen und lautern Wahrheit, zur
Vergebung unſrer Suͤnden, zum Lobe unſers HErrn JEſu Chriſti, und der
heiligen Jungfrau Maria, der Mutter unſers HErrn, welcher mit dem Vater
und Heiligem Geiſte allezeit war, und iſt, und wird gebenedeyet ſeyn von Ewig-
keit zu Ewigkeit. Amen.
G g gDes
[210]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, acht und zwanzigſtes Jahr,
Des Biſchof Alberts acht und zwanzigſtes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1225 bis 1226.
§. 1.
Nachdem wir dieſes geſchrieben hatten, ſo folgte das acht und zwanzigſte
Jahr des Biſchof Alberts, da eben die Lieflaͤndiſche Kirche von
allen Seiten her ziemlich Friede hatte, in welchem der Geſandte des
apoſtoliſchen Stuhls, der Biſchof von Modena, Wilhelm,
Liefland verließ, auf den Schiffen an der See ſich lange auf hielt, weil er auf
guͤnſtigen Wind wartete. Er erblickte aber ploͤtzlich Oeſelſche Bauren, die aus
Schweden mit Raub und vielen Gefangenen zuruͤck kamen. Dieſe Kerl pfleg-
ten allezeit viel Herzeleid, Bosheit und ſchaͤndliche Luͤſte an den gefangenen Wei-
bern und Jungfrauen auszuuͤben, und ſchaͤndeten ſie, kuppelten ſich auch einige
davon als Weiber zu, der Mann drey, zwey, oder mehrere. Sie hielten ſich alle
Suͤnde fuͤr erlaubt, da doch Chriſtus mit Belial nicht ſtimmet, noch die Kuple-
rey eines Heiden mit einer Chriſtin ſich nicht geziemen wil. Sie pflegten ſol-
che (gefangene Weiber) wol gar an die Curen und andre Heiden zu verhandeln.
Wie nun der Herr Geſandte von Rom allen Schaden ſahe, den ſie in Schwe-
den angerichtet, wo ſie nemlich die Kirchen verbrant, die Prieſter ermordet, die
Heiligthuͤmer zernichtet und geſchaͤndet, und dergleichen Elend mehr; ſo hatte er
mit den Gefangenen Mitleiden und betete zum HErrn, jene ihrer Uebelthaten we-
gen heimzuſuchen. Er kam hierauf nach Gothland, ſtreuete den Samen goͤtt-
liches Worts aus, und gab allen, die den Namen der Chriſten fuͤhrten, das
Zeichen des heiligen Kreuzes zur Vergebung der Suͤnden, um Rache an den gott-
loſen Oeſelern zu nehmen. Die Deutſchen waren gehorſam und nahmen das
Kreuz; die Gothen aber hatten keine Luſt a). Die Daͤnen hatten zu dieſem
Worte GOttes ebenfals keine Ohren, und faſten es auch nicht. Blos die Deut-
ſchen Kaufleute trugen Verlangen himliſche Guͤter vor ſich einzukaufen. Sie
ſchaften ſich Pferde; ſie brachten ihre Waffen in Stand, und kamen nach Riga.
Die Rigiſchen wurden daruͤber froh, und gingen ihnen bey ihrer Ankunft entge-
gen. Die Liven, die Letten und die Eſthen, ſo getauft waren, freueten
ſich mit, daß ſie nun auch zu den ungetauften Oeſelern den Namen Chriſti tra-
gen konten.
§. 2.
Dieſes Jahr hatte der Meiſter Johannes, ein Mitarbeiter des HErrn,
diejenigen Laͤnder in Commiſſion, daruͤber zwiſchen den Deutſchen und Daͤnen
Verdruß vorgefallen, Wirland nemlich, Gerwen und Rotalien. Nach dem
nun der Friede zerriſſen war, ſo fing dieſer Meiſter Johannes mit den Daͤnen
zu
[211]von 1225 bis 1226.
zu ſtreiten an. Die Daͤnen pluͤnderten und ſengten in Rotalien, entfuͤhrten1225
viel Beute, denen aber die Knechte des Meiſters nachſetzten, ihrer funfzig nieder-
machten und funfzig von ihnen im Schloſſe Majanpata belagerten. Doch
nach drey Tagen jammerte ſie derſelben, weil ſie Chriſten waren und lieſſen ſie
frey. Der Geſandte ſchickte auch viel Deutſche nach Wirland dieſem Johan-
nes ſo wol gegen die Wuth der Daͤnen, als der Oeſeler beyzuſtehen. Die
Rigiſchen aber, die von den Oeſelſchen Feindſeligkeiten vernahmen, ſchickten
Boten und machten mit den Daͤnen Friede, damit ſie die Oeſeler deſto ſtaͤrker
uͤberziehen, und den Glauben unter den Heiden ausbreiten moͤchten.
§. 3.
Wie nun das Feſt der Geburt und Erſcheinung Chriſti vorbey war: be-
deckte der Schnee das Land und Eis die See; weil die Flaͤche der offenbaren See
zufrieret, und die Gewaͤſſer in Liefland zu Eis und ſo hart werden, wie Steine,
und iſt der Weg uͤber Waſſer beſſer als zu Lande. So bald nun die See trug,
kuͤndigten die Rigiſchen gleich den Feldzug an; weil ſie mit der Beſprengung
ihrer heiligen Taufe die Heiden auf Oeſel, ſo auf einer Jnſel im Meer wohn-
ten, bewaͤſſern wolten, beſtelten auch alle an den Fluß, ſo der Mutterbach
genant wird. Nach Fabian Sebaſtian aber kamen alle Deutſche, Rigiſche,
Liven, Letten und Eſthen, aus allen ihren Provinzen, und zogen dem Hoch-
wuͤrdigen Herrn Biſchof von Liefland nach. Bey ihm war der Biſchof von
Semgallen und der Meiſter Volquin mit ſeinen Bruͤdern und Pilgern, die
ihre Speiſe und Ruͤſtung mit ſich nahmen. Nachdem ſie nun die Meſſe gehalten,
ſo wanderten ſie auf dem Eiſe nach Oeſel. Denn die Armee war groß und ſtark,
und beſtand bey nahe aus zwanzig tauſend Mann. Sie waren alle in beſondere
Haufen getheilet, deren jeder mit ſeiner eignen Fahne anzog. Sie betraten alſo
mit ihren Pferden und Wagen das Eis des Meers, und machten ein Gepraſſel
wie ein ſtarker Donner, durch das Anſtoſſen ihrer Waffen, und durch das Raſ-
ſeln und Fahren der Wagen, durch das Getoͤſe von Mann und Pferden, die hier
und da auf dem Eiſe bald fielen, bald wieder aufſtunden; weil das Eis glat war,
wie ein Spiegel, von dem mit Suͤdwinde gefallenen Regenwaſſer, ſo damals Auf-
waſſer machte, und durch die darauf erfolgte Kaͤlte glateiſte. Alſo zogen ſie mit
groſſer Bemuͤhung und Arbeit uͤber die See, bis ſie mit Freuden an das Ufer von
Oeſel anlangten *).
§. 4.
Wie ſie nun den neunten Tag das Schloß Moneb) erreichten, nahmen ſie
den Vorſatz, nur eine Nacht da auszuruhen, und hatten ein Scharmuͤtzel mit de-
nen vom Schloſſe. Dieſe aber furchten ſich vor dem nahen Kriege, und den Wurf-
G g g 2pfeilen
[212]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, acht und zwanzigſtes Jahr,
1225pfeilen der groſſen Schleudern, daher zogen ſie ſich in die Haͤuſer ihres Schloſſes;
ſie lieſſen aber die Nacht dem Biſchof und den uͤbrigen Aelteſten bey der Armee Wor-
te voller Betrug heraus melden, des Jnhalts: ſie wolten den Glauben an JE-
ſum Chriſtum annehmen, und mit den Chriſten Friede machen; doch nur,
damit ſie, wenn die Armee weiter fortmarſchirte, denen, die hinten nachzoͤgen, Scha-
den und eine gute Schlappe anhaͤngen koͤnten. Es wolte auch ſchon der Biſchof
mit den uͤbrigen Aelteſten den Vergleich eingehen und Friede ertheilen; aber jener
Falſchheit und Bosheit ſtund ihm im Wege, und weil, was wider GOttes Ehre
laͤuft, keine rechtmaͤßige Entſchlieſſungen ſind. Denn ſie wolten ihre gottloſen
Streiche nicht fahren laſſen, ſondern durſteten noch immer nach Chriſtenblut,
und hatten nur Luſt, die uͤbrigen Bubenſtuͤcke und Greuel auszuuͤben: daher wa-
ren dieſe liederlichen Gemuͤther der heiligen Taufgabe nicht werth; denn ſie ſetzten
ihre Hofnung auf die Staͤrke ihres Schloſſes und wolten keinen Frieden, fuͤhrten
allerley ſchaͤndliche Reden, und verdienten alſo lieber todtgeſchlagen als getauft zu
werden. Vielleicht weil ſie keinen Frieden wolten, ſo flohe der Friede von ihnen,
und die Rache kam allein uͤber ſie. Demnach gingen die Deutſchen erſt auf den
Wal los, und hoften das Schloß zu erſteigen; ſie wurden aber von den Oeſelern
mit Stein- und Lanzenwerfen abgetrieben, und ſahen ſich daher gezwungen, ſowol
mit Liſt als Gewalt zu fechten. Alſo baueten ſie Maſchinen, und warfen mit ih-
ren Patherellen gegen jener ihre Patherellen Steine ins Schloß, und zimmerten
ein Sturmſchwein, womit ſie das Schloß untergruben, bis ſie mitten an Wal ka-
men. Hier brachten ſie das Schwein wieder weg, und ſetzten an deſſen Stelle ei-
nen ſtarken hoͤlzernen Thurm hin, auf welchen die, ſo am beſten geruͤſtet waren,
und die Steinſchleuderer aufſtiegen, und auf die Oeſeler oben auf der Veſtung
ihre Pfeile, Spieſſe und Lanzen abſchoſſen. Von auſſen warf man auch Steine
und Wurfſpieſſe auf ſie los. Nachdem nun der ſechſte Tag anbrach, der erſte nem-
lich nach Mariaͤ Reinigung, damit dieſer Reinigungstag nicht ſelbſt durch das
Blut der Erſchlagenen unrein wuͤrde; ſo ward mit fruͤhem Morgen das Gefechte
immer hitziger, daß ſie auch ſchon mit einem krummen Eiſen, oder einem eiſernen
Sturmhaken die Veſtung auseinander riſſen: ſie zogen einen groſſen Balken nach
dem andern einzeln heraus, durch welche die Veſtung zuſammen hielt, daß alſo ein
Theil der Schanze ſchon der Erde gleich kam. Die Chriſtliche Armee ward
hieruͤber froh; ſie machte ein Freudengeſchrey; ſie bat GOtt. Es ſchrien
aber auch jene, und waren trotzig auf ihren Tharabithac). Dieſe riefen ein
Stuͤck Holz; jene JEſum an, in deſſen Namen und Lobgeſang ſie beherzt auf-
kletterten, die Spitze des Wals erſtiegen, aber von jenen auch ſehr muthig zuruͤck-
geſchlagen wurden. Der zuerſt aufſtieg, ward unter vielen Lanzenwerfen und
Steinquetſchen faſt zerdruͤcket; den aber freylich GOtt allein unter ſo vielen er-
bosten Feinden unbeſchaͤdiget erhielt. Denn er ſtieg noch einmal auf, ward aber
wieder von dem Schwarm der Feinde zuruͤck getrieben, und wiewol er noch ein und
das andere mal aufkletterte, ſo ward er doch ſo ofte von den Feinden herunter ge-
ſchmiſſen, als er die Hoͤhe zu erſteigen ſich bearbeitete; bis endlich dieſer Deutſche
mit ſeinem langen Schwerdte ſich durch die feindlichen Spieſſe durchhieb, vermuth-
lich, weil ihm der Engel GOttes hinauf geholfen, und er die Spitze der Veſtung
erreichte, die uͤber den Koͤpfen der Feinde war. Damit ihn aber die Lanzen der
Feinde nicht beſchaͤdigten, ſo ſtelte er ſeinen Schild unten an die Fuͤſſe, ſtand auf
dem Schilde *), ſchlug ſich mit den Feinden allein herum, bis ihm GOtt den an-
dern und dritten Kamerad zuſchickte. Der dritte aber ward, leider! weggeſtoſ-
ſen, und ſtuͤrzte von oben herunter. Nichts deſto weniger wehrten ſich dieſe zwey
gegen
[213]von 1225 bis 1226.
gegen die feindliche Macht. Fuͤnfe von den Oeſelern ſtiegen auf eben dieſe Spi-1225
tze der Veſtung hinter ihrem Ruͤcken, und wurfen Lanzen auf ſie, davon der Deut-
ſche ihn mit ſeiner Lanze wieder durchborete,
die andern (viere) begaben ſich auf die Flucht. Die uͤbrigen Deutſchen, ſo
nachkamen, kletterten beherzt mit auf, um dem erſten zu Huͤlfe zu kommen. Ob
ſie nun zwar durch die Wuth der Feinde tapfer abgeſchlagen, auch viele unter ih-
nen getroffen, verwundet und getoͤdtet wurden; ſo wagten ſie es doch auf den
HErrn, und ſchaften ſich die feindliche Macht mit vieler Muͤhe vom Halſe, bis ſie
endlich die Spitze der Veſtung erreichten. Das Aufklettern fiel aber ſehr beſchwer-
lich und gefaͤrlich, weil der Berg hoch und mit Eis beleget, und die ſteinerne
Mauer uͤber dem Berge wie Eis ſo glat war, daß ſie nirgends veſten Fuß hatten.
Doch einige hielten ſich an Sturmleitern, andere an Stricke, ja ſelbſt der Engel
des HErrn half ihnen auf, daß ſie auf die Spitze kamen, wo ſie dem fluͤchtigen
Feinde von allen Seiten im Ruͤcken lagen. Da war eine Stimme des Frolockens
und Heils unter den Chriſten: hingegen eine Stimme in Rama! des Wei-
nens und Heulens, der Schande und des Untergangs der Heiden. die Deut-
ſchen drungen ins Schloß, und erſchlugen die Beſatzung.
Die Liven und Letten umringeten das Schloß, und lieſſen keine Seele durch.
Nach Bezwingung der Feinde freueten ſich die Ueberwinder, und ſungen GOtt
ein Loblied. Der den David allezeit vor den Philiſtern geſchuͤtzet, befreyete
die Seinen auch noch, und verliehe Sieg uͤber ihre Feinde. Sie nahmen die
Stadt ein, raubten die Beute, entfuͤhrten die beſten Sachen, trieben Vieh und
Pferde weg; das uͤbrige verbranten ſie mit Feuer. Alſo verſchlung das Feuer
das Schloß der Oeſeler; die Chriſten aber ſchlepten die Beute mit Freu-
den weg.
§. 5.
Nachdem das Schloß Mone in der Aſche lag, eilete die Armee nach ei-
nem andern Schloſſe, welches mitten auf Oeſel lag und Walded) hieß. Es iſt
Walde die ſtaͤrkſte Stadt unter allen Staͤdten der Oeſeler, bey welchem die Ar-
mee ſich lagerte, die Kriegesgeraͤthſchaft herbey ſchafte, Patherellen nemlich und
eine groſſe Maſchine, wie auch die hoͤchſten Graͤn- und Tannenbaͤume, um einen
Thurm gegen die Veſtung zu zimmern. Die Liven aber, die Letten, die Eſthen
ſamt etlichen Deutſchen, ſtreiften in alle Provinzen, holten ſchoͤne Pferde und
Ochſen, viele Beute, viel Getreide und dergleichen; und branten alle Doͤrfer auf.
Die von Walde hingegen konten das Werfen mit Steinen wegen Vielheit ihrer
Leute im Schloſſe nicht vertragen, noch die Pfeile der groſſen Schleudern aushal-
ten. Da ſie nun vollends die Maſchinen beſahen, die gegen ſie verfertiget wurden,
H h hmit
[214]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, acht und zwanzigſtes Jahr,
1225mit welchen das Schloß zu erobern ſehr leichte fiel: ſo kam eine Furcht vom HErrn
auf ſie, daß ſie um Friede baten. Weil ſie vielleicht auch einen Schreck uͤber die
in Mone Erſchlagenen bekommen, ſo demuͤthigten ſie ſich, redeten friedfertige
Worte, und baten recht fußfaͤllig, ihnen das Sacrament der heiligen Taufe zu
reichen. Das war vor die Chriſten eine Freude. Sie ſungen dem HErrn
Lobpſalmen, und gaben dem Volke Friede. Sie forderten die Knaben der Vor-
nehmſten zu Geiſſeln. Die Oeſeler, die von Walde nemlich, wurden Kinder
des Gehorſams, die vormals Kinder der Hoffart waren. Der vorher ein rechter
Wolf war, ward nun zum Lamme. Ein ehemaliger Verfolger der Chriſten
ward nun ein Mitbruder in Chriſto, und nahm den Frieden an, wegerte ſich
auch nicht, Geiſſeln zu geben, ſondern bat glaͤubig um die Gnade der Taufe, und
erſchrack gar nicht, wenn er einen immerwaͤhrenden Tribut zahlen ſolte. Alſo wur-
den die Knaben der Vornehmſten ausgeſtellet. Den erſten von ihnen katechiſirte
der Hochwuͤrdige Biſchof von Riga mit groſſer Freude und Andacht, und be-
ſprengete ihn mit dem Waſſer der heiligen Taufe. Die uͤbrigen tauften wieder
andere vornehme Geiſtlichen, welche man auch mit Freuden in die Stadt fuͤhrte,
Chriſtum zu predigen, und den Tarapitha, den Goͤtzen der Oeſeler, aus-
zuſchmeiſſen. Sie weiheten mitten im Schloſſe einen Brunnen dazu ein, und
fuͤlten ein groſſes Waſſerfaß e) an, worinne ſie erſt die katechiſirten Landesaͤlteſten
und Vornehmſten, hernach auch andere, Maͤnner, Weiber und Kinder, tauften.
Es war aber ein ſtark Gedraͤnge von Maͤnnern, Weibern und Kindern, die im-
mer riefen: Mache fortund taufe mich; von fruͤh bis auf den Abend, daß auch
ſelbſt die Presbyters, deren bald fuͤnfe, bald ſechſe waren, uͤber der vielen Arbeit
zu taufen ermuͤdeten. Alſo tauften die Prieſter mit groſſer Andacht viel tauſend
Leute, die ſie mit groͤſter Andacht zur Taufe herzueilen ſahen; ſie freueten ſich
auch ſelbſt, weil ſie hoften, dieſe Arbeit werde ihnen zur Vergebung der Suͤnden
gereichen. Und was ſie an einem Tage nicht beſtellen konten, brachten ſie den an-
dern und dritten zu Ende. Wie dieſe heiligen Handlungen in der Stadt Walde
auf Oeſel vollendet und vorbey waren, ſo kamen Abgeordnete aus allen Staͤd-
ten und Kilegunden auf Oeſel, die Friede ſuchten, und das Sacrament der
heiligen Taufe begehrten. Die Armee freuete ſich deswegen, nahm die Geiſſeln
an, gab Friede, und verſprach alle bruͤderliche Liebe. Es ward ihnen hierauf
angedeutet, ſie ſolten die gefangenen Schweden beyderley Geſchlechts wieder
auf freyen Fuß ſtellen. Sie gehorſamten auch gleich, und gelobten nicht nur an,
ſie los zu geben, ſondern fuͤhrten noch Prieſter mit ſich in ihr Schloß, daß ſie Chri-
ſtum predigen, den Tharapitha ſamt den andern heidniſchen Abgoͤttern aus-
werfen, und das Volk mit dem heiligen Taufbade beſprengen moͤchten. Alſo
tauften die Prieſter in allen Schloͤſſern auf Oeſel das ganze Volk beyderley Ge-
ſchlechts mit groſſer Freude. Ja ſie weineten vor Freuden, weil ſie dem HErrn
ſo viel tauſend Seelen durch das Bad der Wiedergeburt gezeuget hatten zu einem
geiſtlichen Samen, und zu einer neuen geliebten Braut aus den Heiden.
Gentes fonte rigant; fletibus ora rigant.
Die Rigiſchen benetzten die Heiden mit Waſſer, und ihr eigen Geſichte mit
Thraͤnen*).
§. 6.
Alſo bewaͤſſert Riga die Heiden immer.
Sic maris in medio nunc rigat Oſiliam.
So befeuchtet es die Jnſel Oeſel mitten in der See.
Durch das Bad reiniget es ſolchen Unflath.
Dans regna polorum.
Es gibt das Himmelreich.
Altius irriguum donat, et inferius.
Es ſchenkt das himliſche und irdiſche Waſſer. Dieſe Gaben GOttes ſind unſre
Freude. Ehre ſey GOtt und unſerm HErrn JEſu Chriſto, und der heiligen
Jungfrau Maria, die ihren Knechten in Riga ſolche Freude auf Oeſel wi-
derfahren laſſen, nemlich Rebellen zu bezwingen; ſie auf ihr freywilliges und de-
muͤthiges Kommen zu taufen, Geiſſeln und Tribut anzunehmen; alle gefangene
Chriſten frey zu machen, und Siegreich nach Hauſe zu kehren. Was groſſe Koͤ-
nige bisher nicht ausrichten koͤnnen, das hat die heilige Jungfrau durch ihre Knechte
aus Riga kurz und mit aller Gelindigkeit f) zur Ehre ihres Namens ins Werk
gerichtet. Nachdem dis alſo vollendet und geſchehen war, nemlich, nachdem alles
Volk getauft, der Tharapitha ausgeworfen, ihr Pharao erſaͤufet, und alle
Gefangene entlediget waren: ſo gingen die Rigiſchen mit Freuden nach Hauſe g).
[219]von 1225 bis 1226.
[220]Geſch. des 3ten Biſchof Alberts 28ſtes Jahr, von 1225 bis 1226.
[[221]]
Appendix A Regiſter
der vornehmſten Namen und Sachen.
- S. bedeutet Seite. a b c die Gruberiſchen und *) die in dieſer Ueberſetzung dazu gekomme-
nen Anmerckungen.
Appendix A.1 A.
- Abſolon, Erzbiſchof von Lunden, S. 24.
§. 3. - Adolph, Graf von Dale komt als Pilger
nach Liefland, S. 168. - Aduocatio eccleſiarum, was es geweſen, S.
56. *). - Adya, Flus in Liefland, S. 79. §. 5. S. 110.
§. 8. - Aelberg,S. 3. b).
- Agelinde, Schlos in Wirland, S. 206. §. 7.
- Ako, ein untreuer Live, komt um, S. 49.
- Albert, (der erſte) wird zum Biſchof von Lief-
land eingeweihet, S. 22. §. 1. ausfuͤhrliche
Unterſuchung von ſeinem Herkommen und
Geſchlecht, ibid. a)S. 197. §. 9. 198. 199.
reiſet nach Gothland, und bezeichnet viele
Pilger mit dem Kreuz, S. 24. §. 2. er-
haͤlt in Daͤnnemark Geſchenke, §. 3. macht
in Deutſchland viele Pilger, §. 4. geht mit
23 Schiffen nach Liefland, S. 26. §. 1. komt
mit groſſer Gefahr endlich in Ykeskole an,
§. 2. wird in Holme von den Liven bela-
gert, S. 27. ſchickt den Bruder Dietrich
nach Rom, S. 28. §. 6. komt zum an-
dern mal aus Deutſchland mit vielen Pil-
gern an, S. 29. §. 1. belehnt zwey von
Adel mit 2 Schloͤſſern, §. 2. verlegt das
Kloſter von Ykeskola nach Riga, S. 31.
§. 4. widmet ganz Liefland der heil. Ma-
ria, ibid. bauet ein Ciſtercienſer Kloſter,
§. 5. ſtiftet den Orden der Ritterſchaft
CHriſti, S. 31. §. 6. komt wieder mit vie-
len Pilgern aus Deutſchland zuruͤck, S. 32.
muß ſeinen Leuten endlich geſtatten mit den
raͤuberiſchen Eſthen anzubinden, S. 34. §. 2.
ſchickt die erbeuteten Guͤter den Daͤnen als
Eigenthuͤmern wieder zu, §. 3. zieht wieder
nach Deutſchland Pilger zu holen, S. 37.
komt mit denſelben an, S. 41. §. 9. reiſet
wieder nach Deutſchland und ziehet weit
und breit herum, S. 51. §. 11. S. 58. §. 17.
ſteht dem Koͤnig Veſceke bey, gegen Abtre-
tung eines Theils ſeines Landes, S. 59. §. 2.
weiſet den Bruͤdern von der Ritterſchaft ein
Stuͤck Landes an, §. 3. nimt ſich vor die
Selenburg zu ſchleifen, und bietet ganz
Liefland auf, S. 62. §. 6. iſt uͤbel zufrie-
den, daß man den Koͤnig Veſceke gefangen
genommen, S. 64. beredet die heimkeh-
renden Pilger ihm noch wider die eingefal-
lenen Ruſſen beyzuſtehen, S. 64. 65. macht
in Liefland viel gute Anſtalten, und erbauet
Kukenois wieder, S. 72. §. 1. gibt ſeinen
Domherren weiſſe Tracht, S. 73. §. 3. laͤſt
ſich von dem Koͤnig Wiſſewald huldigen,
S. 74. §. 4. bringt in Deutſchland viel
Pilger auf, S. 78. §. 4. komt nach Rom
und erhaͤlt Privilegia und Erlaubnis zu
Ablas, S. 86. §. 2. weihet Dietrichen
zum Biſchof und Bernharden zum Abte
ein, S. 90. §. 4. macht Einrichtung we-
gen der Abgaben, S. 92. §. 5. komt wie-
der in Liefland an mit Pilgern und Geſchen-
ken, S. 97. §. 1. wird vom Koͤnig zu
Ploſceke zu Unterhandlungen eingeladen,
S. 98. §. 2. bekomt von ihm ganz Lief-
land abgetreten, S. 99. belagert die un-
treuen Liven im Schloſſe des Dabrels, S.
101. ziehet aufs Concilium nach Rom, S.
107. §. 1. erzaͤhlt dem Pabſt den Zuſtand
von Liefland, S. 120. §. 7. komt zum Koͤ-
nig von Daͤnnemark und erſucht ihn um
Beyſtand, S. 137. nimt die Semgallen
von Meſoythen in ſeinen Schutz, S. 147.
macht Anſtalt zu einem Zug wider andre,
die eingefallen waren, S. 148. wohnt der
Belagerung von Meſothen bey, S. 150. 151.
ſchickt Prieſter in Eſthland herum, S. 158.
bekomt deswegen Ungelegenheit mit dem daͤ-
niſchen Erzbiſchof, S. 159. §. 2. komt in
Luͤbek in Nachſtellungen und beklagt ſich in
Rom wider Daͤnnemark, S. 163. §. 4.
uͤbergibt dieſem Koͤnig unter gewiſſer Bedin-
gung Lief- und Eſthland, S. 164. bittet ſich ei-
nen Geſandten von Rom aus, S. 202. 2.
hat viel Freiheit gehabt, S. 203. d) ob
er in die Zahl der Reichsfuͤrſten aufgenom-
men worden, S. 209. not. 2. von ſeinem
Tod, S. 215. g). - Albert, (der andre) nach dem Nicolaus, Bi-
ſchof von Liefland, S. 23. vorher in Ar-
magh, S. 219. nent ſich Erzbiſchof von
Liefland und Preuſſen, S. 220. - Albert, Graf von Lauenburg, zieht nach Lief-
land, S. 126. Unterſuchung von ſeinem
Herkommen, und merkwuͤrdigſten Umſtaͤn-
den, ib. b).
K k kAlbert
[[222]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
- Albert, Graf von Sachſen Anhalt, komt nach
Liefland, S. 142. §. 1. haͤlt ſich ſehr tapfer
in Belagerung des Schloſſes Meſothen, S.
150. wird Oberſter in dem Feldzuge wider
die Harrier, S. 152. mehr Nachricht von
ihm und ſeiner Geſchichte, S. 155. 156. - Alder, Bedienter des Biſchofs, S. 82.
- Alexander, Prieſter, S. 54. §. 14.
- Aliſte, Theil der Provinz Saccala, S. 94.
macht Friede mit den Rigiſchen, ibid. - Alobrand, Prieſter, hilft das Evangelium
ausbreiten, S. 30. §. 2. richtet die gericht-
lichen Haͤndel ein bey den Liven, S. 55. §. 15.
wird nach Ungannien geſchickt, S. 63. thut
dieſe Reiſe nochmals und prediget, S. 76.
ermahnet die abtruͤnnigen Liven, S. 102.
wird predigens wegen nach Saccala ge-
ſchickt, S. 158. - Alſaten, Graf von, fuͤr Olſaten, S. 130. 131.
- Andreas, Erzbiſchof von Lunden, S. 30. §. 2.
komt mit ſeinem Koͤnig nach Oeſel, S. 52.
§. 4. mehr Nachricht von ihm, S. 53. o)
reiſet wieder zuruͤck, S. 59. §. 1. komt
wieder nach Liefland, S. 143. §. 2. praͤ-
tendirt Eſthland fuͤr ſeinen Koͤnig, S. 154.
159. - Aniſpe, ein Dorf, S. 149.
- Anno, Erzbiſchof von Coͤln, S. 3. b).
- Antine, Schlos, S. 76. Letten von, haben
Streit mit den Rittern von Wenden, S.
99. §. 3. der endlich beygelegt wird, S.
104. §. 6. wird von den Eſthen belagert,
S. 113. §. 3. - Apeldern, von, Unterſuchung dieſer Familie,
S. 23. S. 197. - Apoſtel, der Bayern, Thuͤringer ꝛc. S. 22. a)
- Arnold, ein Bruder von der Ritterſchaft, S.
82. wird nach dem Koͤnig von Ploſceke
geſchickt, ibid. komt bey der Belagerung
Viliende um, S. 85.- ‒ ‒ von Meindorp, komt als Pilger nach Lief-
land, S. 32. §. 1. wil wieder zuruͤck nach
Deutſchland, S. 37. §. 2. muß auf der
Reiſe viel Gefahr ausſtehen, S. 38. §. 4. - ‒ ‒ von Luͤbek, iſt in den Nachrichten von den
2 erſten lieflaͤndiſchen Biſchoͤfen nicht zu-
verlaͤßig, S. 9.
- ‒ ‒ von Meindorp, komt als Pilger nach Lief-
- Aſcherade, an der Duͤna, S. 34. 37. 62.
- Aſtigerwe, See, S. 70. *) 81. 82.
- Auguſtinerordensbruͤder, haben den Ruhm
der erſten Ausbreitung des Chriſtenthums
in Liefland, S. 4. - Azo, einer von den erſten Liven die getauft
worden, S. 27.
Appendix A.2 B
- Balduin, von Alne, wird nach Liefland ge-
ſchickt, ihm vorzuſtehen bis zur Wahl eines
Biſchofs, S. 216. wird nachher Biſchof
uͤber Semgallien und Legate des apoſtoli-
ſchen Stuhls, ibid. vergleicht ſich als Bi-
ſchof mit dem zu Riga, S. 218.
- Balliſtarii, was ſie geweſen, S. 7. *)
- Bannerowe, einer von Adel, empfaͤngt ein
Lehn vom Biſchof Albert, S. 29. §. 2. - Bernhard von der Lippe, komt als Pilger
nach Liefland, S. 87. g). zieht den Liven
wider die Heiden zu Huͤlfe, S. 89. beſon-
dre Umſtaͤnde, warum er nach Liefland ge-
kommen, S. 90. §. 4. wird Biſchof von
Semgallen, S. 137. mehr Nachricht von
ihm, S. 138. b). noch einige Erlaͤuterung
ſeiner Geſchichte, S. 187. *) wenn er ge-
ſtorben, 207. i).- ‒ ‒ von Sehuſen, komt nach Liefland,
S. 32. §. 1. muß auf der Ruͤckreiſe nach
Deutſchland viel Gefahr ausſtehen, S.
37. 38.
- ‒ ‒ von Sehuſen, komt nach Liefland,
- Bernhard, Advocate, wird von den Liven
gefangen, S. 100. - Bertold, anderer Biſchof von Liefland,
Nachricht von ſeiner Perſon und Erwaͤh-
lung, S. 15. §. 1. a). wird unrichtig mit
Hermannen, des Biſchof Alberts Bruder
verwechſelt, S. 17. ob er von der Familie
von Lochau geweſen, ibid. komt nach Lief-
land, §. 2. ſein erſter Verſuch die Liven zu
gewinnen laͤuft ungluͤcklich ab, ibid. kehrt
nach Deutſchland zuruͤck und beklagt ſich
daruͤber, §. 3. weihet die erſte Kirche in
Heſeke ein, ibid. c). komt mit gewafneter
Hand wieder nach Liefland, S. 18. §. 4.
macht mit den Liven einen Stilſtand, S.
18. 19. §. 5. bleibt in einem Treffen wider
ſie, §. 6.- ‒ ‒ Bruder und Oberſter unter der Rit-
terſchaft von Wenden, S. 68. §. 6. 70.
geht mit zu Felde wider die Ungannier,
S. 76. §. 5. wider die Eſthen, S. 93. 94.
nochmals wider die Ungannier, S. 114.
hilft Odempe entſetzen, S. 124. §. 7. komt
um, S. 125. - ‒ ‒ des Caupo Sohn, komt um, S. 82.
- ‒ ‒ Bruder und Oberſter unter der Rit-
- Beverin, lettiſche Burg, S. 69. wird von
den Eſthen umſonſt belagert, S. 93. wird
von den Ruſſen verbrant, S. 123. §. 5. - Bibliotheca, heiſt zuweilen auch eine Bibel,
S. 35. §. 6. f). - von Bikeshoͤvede, verſchiedene dieſes Na-
mens, S. 197. 198. - Birger Jerl, Herzog von Oſtergothland,
S. 163. - Bornhoͤveden, Schlacht daſelbſt, hat den
Daͤnen in Deutſchland ein Ende gemacht,
S. 164. m). - Bremiſche Kaufleute, haben zuerſt den Ha-
fen von Liefland entdecket, S. 5. d) 208.
§. 9.- ‒ ‒ Kirche, wil das Recht haben, ei-
nen Biſchof in Liefland zu ſetzen, S. 216.
- ‒ ‒ Kirche, wil das Recht haben, ei-
- Breve der Paͤbſte, geben in der Geſchichte
mitlerer Zeiten gutes Licht, S. 161.
Bruͤder
[[223]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
- Bruͤder von der Ritterſchaft Chriſti, heiſſen
auch Bruͤder von Dobrin, S. 31. 32.
ſ. Ritterſchaft. - Brudeganus, Dietrich, Pilger in Liefland,
S. 36. - Burchard, Graf von Aldenborch, zieht als
Pilger nach Liefland, S. 113. wohnet dem
Zuge wider die Oeſeler bey, S. 120. §. 8.
beſucht den paͤbſtlichen Geſandten, S. 205.
§. 4. - Burewin, Heinrich, geht als Pilger nach
Liefland, S. 137. Nachricht von ſeinem
Herkommen, S. 138. c). wohnt dem Feld-
zuge wider die Reveler bey, S. 138. §. 2. - Buxhoͤvede, Nachricht von dieſer Familie,
S. 23. ob ſie zu der Verwandſchaft Biſchof
Alberts gehoͤret, S. 196. 197. *)
Appendix A.3 C.
- Caͤleſtinus der dritte Pabſt dieſes Namens;
unter ſeinem Namen ſind viel falſche Bullen
ausgefertiget worden, S. 18. d). - Canur der juͤngere, Koͤnig von Daͤnnemark,
Nachricht von ſeinem Herkommen, S. 24. b) - Carethen, ſchoͤnes Dorf in der Provinz Ger-
ben, S. 95. 124. §. 6. S. 152. - Carl, ſchwediſcher Herzog, komt mit ſeinem
Koͤnige nach Rotalien, S. 160. komt um,
ibid. mehr Nachricht von ihm, S. 162. e). i). - Caupo, Landesaͤlteſter der Liven, wird dem
Pabſt durch den Bruder Dietrich vorge-
ſtellet, S. 35. §. 5. wird von ihm ſehr gnaͤ-
dig empfangen und beſchenkt, §. 6. komt
wieder in Riga an, S. 37. §. 3. fuͤhrt einen
Theil der Rigiſchen Armee wider Thoreida,
S. 50. §. 10. belagert und erobert ſein
Schlos von ſeinen noch heidniſchen Freun-
den, ibid. komt den Rigiſchen zu Huͤlfe wi-
der die Curen und Eſthen, S. 83. §. 9. thut
einen Einfal in die Provinz Saccala, S. 87.
ſtehet den Letten bey, S. 93. komt um,
S. 134. 4. - Schlos des Caupo,S. 40. §. 3. ſein Gebiet,
S. 60. - Coggelſe, ein Dorf, S. 174.
- Coggones, eine Art Schiffe, S. 50. h).
- Coiwa, Flus, S. 50. §. 10. i)S. 86.
- Coiwemuͤnde,S. 97. §. 1. ſ. Goiva.
- Comoͤdie, wird in Riga aufgefuͤret, S. 44.
§. 14. - Cono, Graf von Yſenborch, S. 42.
- Conrad, Graf von Dortmund, zieht als Pil-
ger nach Liefland, S. 26. §. 1. verſchiedene
dieſes Namens, ibid. a).- ‒ ‒ von Meindorf, ſiehe Meindorp.
- Cozzo, Provinz, S. 134.
- Cubbeſele, wird von den Litthauern uͤberfallen,
S. 60. 61. von den Oeſelern gepluͤndert,
S. 86. wo es vielleicht ſeinen Namen her-
habe, S. 134. g). - Culdale, Dorf, S. 142.
- Curen, laſſen ſich am Sunde ſehen und ſchla-
gen mit den Pilgern bey Gothland, S. 77.
§. 1. werden von den Frieſen dafuͤr gezuͤch-
tiget, S. 78. §. 3. verbinden ſich mit den
Liven und Litthauern wider die Deutſchen,
S. 79. 80.
Appendix A.4 D.
- Dabrel, ein vornehmer heidniſcher Live, deſ-
ſen Schlos die Deutſchen nicht einbekom-
men koͤnnen, S. 50. §. 10. ſtehet den Ri-
giſchen bey wider die Eſthen, S. 83. §. 9.
ſtirbt an der Peſt, S. 93. in ſeinem Schloſ-
ſe werden die untreuen Liven belagert, S.
101. §. 4. - Dacien, iſt ſo viel als Daͤnnemark, S. 24.
§. 3. b). - Daͤnen, wollen gerne Eſthland an ſich brin-
gen, S. 159. uͤberlaſſen es endlich den Ri-
giſchen, S. 169. werden von den Ruſſen
ſehr mitgenommen, S. 189. vom Meiſter
Johannes bekrieget, S. 210.- ‒ ‒ Koͤnig von Daͤnnemark, lagert ſich mit
einer Armee auf der Jnſel Oeſel, S. 52. §. 4.
wird erſucht ſeine Seemacht wider die
Eſthen zu ſchicken, S. 137. praͤtendiret
Eſthland, S. 159. laͤſt es an den Pabſt ge-
langen, S. 163. ſ. auch Waldemar.
- ‒ ‒ Koͤnig von Daͤnnemark, lagert ſich mit
- Damiata, in Aegypten, wenn es von den
Chriſten erobert worden, S. 167. §. 7. - Danebroghsorden, fabelhafte Nachricht von
ſeinem Urſprung, S. 146. - Dangeruthe, Koͤnig Wiſſewalds Schwieger-
vater, ſchlieſt mit dem Koͤnig von Nogar-
den ein Buͤndnis, wird gefangen, entleibt
ſich ſelbſt, S. 106. §. 3. - Daniel, ein Prieſter von Gothland, beſetzt
das Schlos Holm, S. 49. §. 9. Nachricht
von ſeinen weiteren Verrichtungen, S. 54.
§. 14.- ‒ ‒ Lehnherr von Lenewarden, S. 53.
bekomt Haͤndel mit dem Koͤnig von Kuke-
nois, S. 63. §. 8. macht die Anſchlaͤge ei-
niger Aufruͤhrer zunichte, S. 99. 3.
- ‒ ‒ Lehnherr von Lenewarden, S. 53.
- Darbeten, Provinz, S. 114.
- ‒ ‒ Schlos in derſelben, wird vom Koͤ-
nig Vieſceka in Beſitz genommen, S. 189.
§. 5. ſ. Tarbat.
- ‒ ‒ Schlos in derſelben, wird vom Koͤ-
- Deutſche, die als Pilger nach Liefland gerei-
ſet ſind, und deren mit Namen gedacht wird
in dieſer Chronik: Adolph, Graf von
Daen, S. 168. Albert, Graf von Lauen-
borch, S. 126. ‒ ‒ ‒ Graf von Anhalt,
S. 142. Alder, S. 82. Alexander, Prie-
ſter, S. 54. §. 14. Alobrand, Prieſter,
S. 30. §. 2. S. 54. §. 14. S. 63. §. 7. von
Apeldern, S. 196. Arnold, S. 82. von
Meindorf, S. 32. §. 1. Bannerowe, S. 29.
Bernhard von der Lippe, S. 86. §. 2. S.
133. 134. 137. Bernhard von Seehuſen,
S. 327. 32. Brudegamus, S. 26. Bur-
K k k 2chard
[[224]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
chard, Graf von Aldenborch, S. 113.
Burewin, von Wendeland, S. 137.
Caß, S. 68. von Cella, Prieſter, S. 110.
Cono von Yſenborch, S. 42. Conrad von
Dortmund, S. 26. von Meindorf, S. 29.
§. 2. Conſtantin, S. 125. Daniel, Prie-
ſter, S. 49. 54. 66. 185. Dietrich, Bi-
ſchof Alberts Bruder, S. 32. ‒ ‒ ‒ von
Kukenois, S. 139. 174. von Thoreida,
Prieſter, S. 30. Dietrich, Dolmetſcher,
S. 96. §. 9. ein Ordensbruder, S. 186.
von Dolen Eilhard, S. 85. Johann, S. 200.
Friederich, Friedehelm, Hertzog, S. 195.
Frieſe, Mart. S. 39. §. 1. Gerwin, S 67.
Gevehard, S. 49. Gilban, S. 86. §. 5.
Gottfried, der Advocate, S. 60. §. 4.
Gottſchalk, Graf von Pyrmont, S. 59.
Gottfried, Prieſter, S. 120. §. 8. von Ha-
mersleben, S. 72. Hardwich, Prieſter,
S. 167. 182. von Harpenſtaͤdt, Prieſter,
S. 35. Heinrich, Prieſter, S. 63. §. 7.
Prieſter der Letten, S. 158. 165. Helmold
von Luͤneborch, S. 200. von Pleſſe, S. 86.
§. 2. S. 88. §. 3. von Hokenborch, S. 168.
173. von Jericho, Rud. S. 72. 79. Jo-
hann, Ritter, S. 107. ein Prieſter, S.
41. 73. 110. ein Ordensmeiſter, S. 210. von
Vechten, Prieſter, S. 35. aus dem Klo-
ſter Stethen, Prieſter, S. 73. 99. 185. wird
von den Liven gefangen genommen, S. 100.
Jordan, Ritter, S. 107. Kakewald, Prie-
ſter, S. 115. 120. 145. 158. Kolben, Prie-
ſter, S. 68. Ludewig, Prieſter, S. 158.
Marquard, Ritter, S. 79. Meinhard,
S. 7. ein anderer, S. 66. 107. Moritz,
Advocat, S. 181. Prieſter, wird nach Rom
geſchickt, S. 202. Nicolaus, Prieſter, S.
26. §. 2. Og, S. 196. Otto, Ordensprie-
ſter, S. 110. 115. 120. Philip, Biſchof von
Ratzeburg, S. 78. Rabodo, S. 67. Rab-
be, Prieſter, S. 60. Salomon, Prieſter,
S. 96. Schilling, S. 40. Siegfried,
S. 36. 80. 97. 123. von Sladem, Graf,
S. 79. Segehard, Ciſtercienſerbruder,
S. 147. Strick, Prieſter, S. 60. von
Stumpenhuſen, Graf, S. 42. von Tie-
ſenhuſen, S. 200. Wicbold, ein Frieſe,
S. 82. Wichman, S. 82. Wolther, Daͤ-
niſcher Prieſter, S. 159. mehr Deutſche,
ſo ſich unter gewiſſe Urkunden unterſchrie-
ben, S. 218. 219. - Deutſchen, haben lange vor Meinharden
nach Preuſſen gefahren, S. 4. c). S. 5.d). - Dietrich, ein Mitarbeiter des Lieflaͤndiſchen
Biſchofs Meinhards, iſt in Gefahr von den
Liven geopfert zu werden, S. 10. §. 10.
mehr Nachricht von ihm, S. 11. l). wird
vom Biſchof nach dem roͤmiſchen Pabſt ge-
ſchickt, S. 14. §. 12. muß eben dieſe Reiſe
thun auf Befehl Biſchof Alberts, S. 28.
wird Abt im Kloſter der Ciſtercienſermoͤn-
che, S. 51. §. 5. S. 42. §. 7. wird zum Bi-
ſchof eingeweihet, S. 90. §. 4. muß doch
nicht fuͤr den erſten Biſchof in Eſthland ge-
halten werden, ibid. k). ſchickt nach Sacca-
la, und laͤſt da predigen, S. 96. §. 9. zieht
mit aufs Concilium nach Rom, S. 115. §. 5.
hat ſich meiſt in Sachſen aufgehalten, und
war faſt nur dem Namen nach Biſchof,
S. 137. a). haͤlt ſich beym Koͤnig von Daͤn-
nemark auf, und komt mit ihm wieder nach
Liefland, S. 143. §. 2. wird von den Eſthen
umgebracht, ibid. 157. §. 11. mehr Nachricht
von ihm, S. 145. f).- ‒ ‒ des Biſchof Alberts Bruder, S. 23, mehr
Nachricht von ihm, S. 33. a) zieht mit
wider die Ungannier zu Felde, S. 96. thut
abermals einen ſolchen Zug mit, S. 93. 94.
heirathet die Prinzeßin des Koͤnigs Wolde-
mar, S. 97. §. 13. wird von den Liven ge-
fangen, S. 100. geht nach Deutſchland,
S. 104. §. 7. komt wieder nach Liefland,
S. 113, hilft das Schlos Odempe entſe-
tzen, S. 124. wird von den Nogardiern
gefangen, S. 125. §. 8. wohnt dem Feld-
zuge wider die Harrier bey, S. 152. be-
wohnt das neuerbaute Schlos in Oeſel, S.
180. wird Geiſſel bey den Oeſelern, ibid.
§. 3. von ihnen wieder losgelaſſen, S. 197.
§. 7. mit in Odempe zur Beſatzung ge-
legt, S. 200. §. 8.
- ‒ ‒ des Biſchof Alberts Bruder, S. 23, mehr
- Dlugloſſus, der aͤlteſte Schriftſteller der Poh-
len, S. 9. ein Druckfehler in ihm wird
verbeſſert, S. 10. - Dole, Landesaͤlteſter der Letten, S. 93.
- Drunwald, Thalibalds Sohn, S. 113. 3.
- Duͤna, Flus, S. 39. 59.
- Duͤnemunde, Kloſter, wird vom Biſchof
Albert erbauet, S. 31. §. 5.
Appendix A.5 E.
- Eidſchwuͤre, Einſchraͤnkung des gerichtlichen
Gebrauchs derſelben, S. 104. f). - Embach, Flus, S. 94. 95. o)S. 114.
- Engelbert, des Biſchof Alberts Bruder, S.
23. hilft das Evangelium ausbreiten, S.
30. §. 2. wird Probſt in der Kirche zu un-
ſer lieben Frauen Riga, S. 30. 31. ſtirbt
S. 73.- ‒ ‒ Advocat in Thoreida, S. 54.
- Erycius, Sturmigel, S. 151.
- Eſthen, thun den Chriſten groſſen Schaden,
S. 32. werden von den deutſchen Pilgern
geſchlagen, S. 34. §. 2. wollen den Letten
keine Satisfaction geben, S. 68. werden
von den Rigiſchen bekrieget, S. 69. wun-
dern ſich uͤber die Muſik, ibid. belagern
das Schlos Wenden, S. 81. halten ein
blutiges Scharmuͤtzel mit den Deutſchen,
S. 82. ſqq. werden in Viliende belagert,
S. 84. 85. beſchlieſſen mit andern Voͤlkern
einen Einfal in Liefland, S. 88. §. 3. wer-
den
[[225]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
den aber uͤbel heimgewieſen, S. 89. paͤbſt-
liche Bullen in Abſicht der Zuͤge wider ſie,
S. 90. k) 91. belagern das Schloß Be-
verin, S. 93. ſchlieſſen einen dreyjaͤhrigen
Frieden, S. 97. werden nach deſſen Verlauf
wieder mit Krieg uͤberzogen, S. 109. fallen
mit 3 Armeen in Liefland ein, S 112. welches
uͤbel ablaͤuft, S. 114. werden von den
Deutſchen abermals bekrieget, S. 120. ver-
binden ſich mit dem Koͤnig von Pleſceke,
S. 121. auch mit den Ruſſen, S. 133. bit-
ten von den Rigiſchen abermals Frieden,
S. 135. werden von denſelben und den Daͤ-
nen geſchlagen, S. 144. rebelliren aber-
mals wider die Deutſchen, S. 182. 183. §.
11. fallen in Lettland ein, S. 185. wer-
den aber wieder heimgewieſen, S. 186. - Strand-Eſthen, wer ſie ſind, S. 180. g)
- Eſthland, iſt den Chriſten eher bekant ge-
weſen als das uͤbrige Liefland, S. 90. er-
faͤhrt eine Peſt, S. 93. Nachricht von der
Eintheilung des Landes, S. 122. a) wird
von den Biſchoͤfen getheilt, S. 123. wird
von Daͤnnemark praͤtendirt, S. 154. 159.
nimt die Taufe an, S. 166. ſqq. nochmals
getheilt, S. 197.
Appendix A.6 F.
- Faldones, ſ. Paldones.
- Familie, muß oft in weitem Verſtande ge-
nommen werden, S. 154. t). - Fahne, ſol vom Himmel gefallen ſeyn, S. 145. g)
vermutlicher Urſprung dieſes Vorgebens,
S. 146.- ‒ ‒ des heil. Kreuzes wird in ein belagertes
Schloß geſchickt, S. 151.
- ‒ ‒ des heil. Kreuzes wird in ein belagertes
- Fahnenlehn, Beyſpiel davon, da Biſchof Al-
bert den Koͤnig Wiſſewald beliehen, S. 75. - Fidentius, Cardinal, S. 119.
- Folcho, Herzogs von Schweden Geſchlechts-
tabelle, S. 163. - Fredeland, Kaſtel, ſo der Biſchof von Ratze-
burg in Thoreida erbauet, S. 107. §. 3. - Friedrich, Koͤnig, troͤſtet den Biſchof Albert
in Hagenau, S. 122. §. 1. thut eben der-
gleichen als Kaiſer, S. 164. - Fulco, Nachricht von dieſem eſthniſchen Bi-
ſchof, S. 91. 96. ſ)
Appendix A.7 G.
- Gallacien, ein Theil von Rußland, S. 133. c)
177. 179. c) - Gardericke, was es vor ein Land, S. 127. 128.
- Geiſtliche, ob ſie ehedem wirklich mit in Krieg
und Schlachten gezogen S. 136. h) - Gercislaus, Koͤnig Waldemars Sohn, be-
lagert Wenden, S 140. - Gercike, Koͤnig von, zieht vor Riga, S. 35.
§. 8. was dis vor eine Stadt geweſen, S.
36. g) muß dem Biſchof huldigen, S. 74.
§. 4. wird eingenommen und verbrant, S.
74. 75. nochmals von Meinharden erobert,
S. 111. §. 9. - Gerwen, Eſthniſche Provinz wird gepluͤ dert,
S. 95. ſucht Friede von den Rigiſchen,
S. 124. §. 6. nochmals, S 136 wird von den
Letten uͤberfallen, S. 148. gibt Geiſſeln,
ibid. wird von den Oeſelern gepluͤndert,
S. 152. - Gewohnheit der Lieflaͤnder ihre Goͤtzen durchs
Loos zu fragen, S. 10. aͤhnliche bey andern
Voͤlkern, S. 11. n) einen Stilſtand zu ma-
chen, und zu brechen, S 19. f) die Ver-
ſtorbenen zu verbrennen, S. 71. g) 80. 134. f)
182. h). - Gowemuͤnde,S. 108. §. 5.
- Gothrichs und Rolvons Geſchichte, S. 127.
- Gott, vermeinter der Sachſen, wird von den
Liven uͤbers Meer geſchickt, S. 20. §. 8. der
Liven, ſo ihnen zukuͤnftige Dinge prophezeiet,
S. 54. - Gottfried, Prieſter, S. 120. im Kirchſpiel
Lethegore, S. 136. geht mit zu Felde, ibid.
S. 137. wird Biſchof zu Leal, S 203. d). - Gottſchaik, ein daͤniſcher Ritter ſucht Riga
ſeinem Koͤnige zu unterwerfen, S. 169. - Graue-Moͤnche, wer ſie ſind S 15. a).
- Gregorii, Pabſts, Bibel, die er ſelbſt geſchrie-
ben, wird dem Biſchof von Liefland vereh-
ret, S. 35. §. 6.
Appendix A.8 H.
- Halicz, alter Mann von Galatien, S. 133. c).
- Hamale, Provinz, S. 134.
- Herbert, von Jborg, zieht mit nach Liefland,
S 26. b). - Harrien, wird von den Deutſchen uͤberzogen,
S. 152. von den Daͤnen aufgewiegelt,
S. 160. - Hartwich, Erzbiſchof zu Bremen ordinirt
Meinharden zum Biſchof, S. 8 auch den
zweiten, Bertolden, S. 15. a). - Hebbe, ein Daͤne, wird von den Saccalanern
jaͤmmerlich getoͤdtet, S. 182. - Hedwig, Landgraf Hermans Tochter, 130.
- Heinrich, des Biſchof Alberts Scholar, 63.
§. 7. wird an die Eſthen geſchickt, ſie zur
Wiedererſtattung zu bereden 68. Dolmet-
ſcher und Prieſter des Biſchofs, 100.- ‒ ‒ von Litleburg, wird Biſchof von Semgal-
len, 220.
- ‒ ‒ von Litleburg, wird Biſchof von Semgal-
- Henriqvez, Chryſoſtom. Urtheil von ſeinem
Werke, 19 20. - Herman, Biſchof Alberts Bruder, 23. wird
in Magdeburg zum Biſchof uͤber Eſthland
eingeweihet, 157. komt in Liefland an, 191.
bekomt Ungannien zu ſeinem Antheil, 192.
193. erbauet und beſetzt Odempe, 200.- ‒ ‒ der Liven Advocat, 70.
- ‒ ‒ Landgraf von Thuͤringen, einige Erleute-
rung ſeiner Geſchichte, 130. 131.
L l lHerme-
[[226]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
- Hermelins, Schrift vom Urſprung der Liven,
S. 6. e). - Herzoge, buͤrgerlicher Name, 195. e).
- Holm, wird von den Semgallen verbrant, 32.
§. 7. von den Rigiſchen belagert, 49.
auch von den Ruſſen und Liven, 51. doch
vergeblich, 51. die von Holm kommen den
Rigiſchen zu Huͤlfe, 80. Schloß wird ab-
getragen, 99. §. 3. - Honorius, der dritte Pabſt dieſes Namens,
163. ſchickt einen Geſandten nach Liefland,
S. 202.
Appendix A.9 J.
- Jborg, Nachricht von dieſem Schloß, 26. b).
- Jngarien, oder Jngermanland, 177.
- Jnnocentius, der dritte, ertheilt dem Biſchof
Albert eine Beſtaͤtigung wegen der Pilger
und des Ablaſſes, 28. gibt denen Bruͤdern
der Ritterſchaft Chriſti das Zeichen eines
Schwerdtes und Kreuzes, 31. §. 6. empfaͤngt
den Liven Caupo ſehr gnaͤdig, und ſchenkt
dem Biſchof eine rare Bibel, 35. einige
Briefe von ihm, ſo Liefland angehen, 111.
haͤlt ein Concilium zu Rom, 120. ſeine
Verordnungen werden den Liven von dem
paͤbſtlichen Geſandten eingeſchaͤrfet, 208. - Johann von Apeldern, haͤlt ſich tapfer bey der
Belagerung des Schloſſes Tarbat, 196.- ‒ ‒ Koͤnig von Schweden, komt mit einer Ar-
mee nach Rotalien, 160. mehr Nachricht
von ihm, 161. d). - ‒ ‒ aus dem Kloſter Stethen, wird Probſt in
Riga, 73. - ‒ ‒ in einer Unterſchrift, 217.
- ‒ ‒ Ordensmeiſter, faͤngt mit den Daͤnen in
Wirland Krieg an, 210. 211.
- ‒ ‒ Koͤnig von Schweden, komt mit einer Ar-
- Jordan, Ritter in Kukenois, 107. Pfarherr
zum heilgen Peter und Canonicus, 217. - Jſenburg, von Erbauung dieſes Schloſſes,
S. 42. k). Cono Graf von Jſenburg,
komt nach Liefland, 42. k).
Appendix A.10 K.
- Kadlubko, erſter Geſchichtſchreiber von Po-
len, 133. c). - Kettis, Eſthniſches Dorf, 165. Keytis, 189.
- Kiaͤnegund, was er vor ein Land ſey, 127.
- Kirchholmer, verſprechen ſich taufen zu laſ-
ſen, und erhalten deswegen ein Schloß,
8. §. 7. - Kukenois, Schloß ſo ſonſt Kokenhuſen heiſt,
43. §. 10. l) wird von den Ruſſen in
Brand geſtecket, 65. vom Biſchof wieder
aufgebauet, 72. von den Litthauern wieder
belagert, 79. §. 5. Ritter in Kukenois, 107. - Kyowa, oder Kiow, rußiſche Reſidenz, 179. b)
Appendix A.11 L.
- Ladyſſe, Eſthniſches Dorf, 142.
- Lappegunde, eſthniſche Provinz, 165.
- Lauenburg, komt an den Graf Albert, 130.
- Leale, Dorf des Lembit, 93. 158. der Koͤnig
von Schweden legt ſich drein, 160. - Lembit, Live, wird getauft, und ſein Dorf er-
obert, 109. ſchlaͤgt ſich zu den Eſthen wi-
der die Rigiſchen, 133. komt um, 134. - Lenewarden, Schloß in Liefland, wird ver-
lehnt, 29. Stadt, 43. - Lethegorwe, Liefl. Provinz, 86. 204.
- Lethgallen von Tholowa, nehmen das Evan-
gelium an, 63. - Letten, ſuchen gleiches Recht als andere ge-
tauften, 68. §. 6. werden von den Ungan-
niern uͤberfallen, 69. raͤchen ſich dafuͤr wie-
der, 70. fallen in Litthauen ein, 72. thun
in Ungannien groſſen Schaden, 114. uͤber-
fallen die Ruſſen, 148. fallen in Gerwen
ein, ibid. §. 6. werden von den Ruſſen
und Unganniern hart mitgenommen, 185. - Lettowinen,173.
- Liofland, wird dem Biſchof vom Reich uͤber-
laſſen, 5. und 60. faͤngt an ſtille zu werden, 63.
genieſt abermalige Ruhe, 59. wird zwi-
ſchen dem Biſchof und Bruͤdern von der
Ritterſchaft getheilt, 60. endlich ganz an
den Biſchof Albert uͤberlaſſen, 180. wird
ruhig, 201. hat 5. Bisthuͤmer, 202. 203. d) - Lieflaͤndiſcher Chronik Rechnungsart, 24. c)
- Litthauer, wenn dieſer Name bekant worden,
30. d) geben durch ihre Einfaͤlle Gelegen-
heit, daß Biſchof Meinhard Schloͤſſer er-
bauet, 7. §. 5. 6. ſuchen Friede von Bi-
ſchof Alberten, 30. §. 4. vereinigen ſich mit
den Liven wider die Rigiſchen, 37. §. 1. un-
ternehmen einen andern groſſen Feldzug, 39.
Verlauf deſſelben, ſeqq. werden mit Huͤlfe
der Semgallen geſchlagen, 40. §. 3. ihre
Weiber erhenken ſich fuͤr Betruͤbnis, 41.
§. 5. bringen eine groſſe Armee zuſammen
ſich zu raͤchen, 60. fallen in Cubbeſele ein,
60. 61. werden aber geſchlagen, 62. wer-
den vom Weſthard und den Rigiſchen uͤber-
zogen, 66. §. 2. fallen in Semgallien ein,
68. verbinden ſich mit vielen andern Voͤl-
kern wider die Deutſchen, 79. §. 5. fallen
in Eſthland ein, 104. brechen den mit den
Deutſchen gemachten Frieden, 105. wer-
den von den Rittern und Letten ſehr mitge-
nommen, 106. verlieren ihren Herzog, ibid.
§. 6. helfen dem Koͤnig Wiſſewald, 111.
§. 9. von ihrem Lehrbegrif in Anſehung
der Seelen nach dem Tode, 41. f). Ur-
theil von der Geſchichte der Litthauer durch
M. Stryckowsky Oſoſtewitz. 7. - Liven, an der Duͤne, was ſie vor Grenzen ha-
ben, 6. e). haben wol nie einen eigenen
Oberherrn aus ihnen gehabt, ibid. hoͤren
zum erſten die Predigt Meinhards, 6. §. 3.
werden theils getauft, §. 5. bekommen von
Meinharden ein ſteinernes Schloß, §. 6.
verſprechen zum 2ten mal den chriſtlichen
Glauben anzunehmen, 12. §. 11. machen mit
Ber-
[[227]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
Bertolden einen betruͤglichen Stilſtand, 18.
19. toͤdten ihn in einem Treffen, und flie-
hen, 20. §. 6. 7. ſchicken nach Deutſchland
um einen andern Biſchof, §. 8. meinen
die Goͤtter wuͤchſen aus den Baͤumen, 21. l)
thun groſſen Schaden am Getreide der Chri-
ſten, 21. §. 9. beſchlieſſen alle Pfaffen um-
zubringen, §. 10. machen einen Stilſtand
mit Biſchof Albert, 26. §. 2. machen von
neuem Friede und werden viel getauft, 27.
geben Geiſſel, §. 4. vereinigen ſich mit den
Litthauern wider die Rigiſchen, 37. ſuchen
den Conrad von Meindorf hinzurichten, 43.
ſtellen den Einwonern von Ykeskole nach,
44. §. 12. verſprechen wieder ſich taufen
zu laſſen, §. 13. von Thoreida, werden
bekrieget, 50. machen einen neuen Frieden,
51. wiegelen bald darauf den Koͤnig von
Ploſceke auf, §. 12. verbinden ſich mit an-
dern Voͤlkern wider die Deutſchen, 79. §. 5.
von Satteſeln, ſuchen einen algemeinen
Aufſtand zu erregen, 99. §. 3. wollen ſich
nicht beſaͤnftigen laſſen, 100. werden im
Schloſſe Dabrels belagert, 101. ergeben
ſich, 102. 103. - Liven, die mit Namen genennet werden Ako,
49. Alo, 7. Anno, 13. 61. Aſſe, 101.
Azo, 27. §. 3. 4. Caupo, 27. Gerweder,
8. §. 7. Kulewene, 7. §. 4. Rameko, 105.
§. 2. Rußin, 101. Thalibald, 93. Ul-
denago, 8. §. 7. Viezo, 7. 8. §. 7. Vi-
liendi, 8. Wade, 8. Waldeko, ibid.
Wane, 82. Waribul, 105. Ymant, 19.
§. 6. - von Lode, adeliche Familie, 179. *).
- Lokum, Nachricht von dieſem Kloſter, 15. a)
- Lohne, Dorf, 122. Schloß, wird von den
Rigiſchen belagert, 189. - Lonecotte, Dorf in Eſthland, 158.
- Loos, Beyſpiele des Gebrauchs unter den Hei-
den, 10. §. 10. S. 12. p). - Ludolf, wird vom Koͤnig von Pleſcekow nach
Riga geſchickt, 82. - Luͤbek, wird der Haupthafen an der Oſtſee,
5. d). - Lubeckiſche Kaufleute, ob ſie zuerſt Liefland
befahren haben, ibid. - von Luͤneburch, Nachricht von dieſer Fami-
lie, 200. i). - Lundiſcher Biſchoͤfe Chronik, 119.
- Lyndeniſſe, Revelſches Schloß, 143. §. 2. wird
belagert, 189.
Appendix A.12 M.
- Maja, was es heiſſet, 152. 93.
- Majampathe, Provinz, 207. Schloß wird
vom Meiſter Johannes belagert, 211. - Malewa, in Lieflaͤnd. Sprache ein Heer,
40. **) 121. 122. 150. - Maria, beſondre Lobeserhebung derſelben,
170. 171, 172.
- Marqvard, Ritter, 80.
- Meer, Getraͤnk das die Liven gerne trinken,
20. §. 8. S. 39. §. 1. - Meindorp, Nachricht von dieſem adlichen
Geſchlecht, 29. §. 2. b).Conrad von,
nent ſich nachher von Ykeskole, 39. §. 2.
welches er vom Biſchof Albert zum Lehn be-
kommen, 42. §. 7. hilft die Litthauer ſchla-
gen, 40. §. 3. ſteht in Gefahr ums Leben
zu kommen, 42. 43. hilft den Rigiſchen
wider die Curen und andre Heiden, 80. - Meinhard, des Ordens des heil. Auguſt. rei-
ſet nach Liefland, 3. §. 2. aus welchem Klo-
ſter Siegeberg er geweſen, 4. warum er
ein luͤbekiſcher Prieſter genennet wird, 4.
beſondre Unterſuchung, wenn er nach Lief-
land gekommen, 4. n. c). iſt vielleicht von
Luͤbek abgefahren, 6. bekomt vom Koͤnig
Waldemar Geſchenke, predigt und bauet
die erſte Kirche, 6. §. 3. tauft zum erſten
mal, §. 4. verſpricht den Liven Schloͤſſer
zu bauen, §. 5. 6. bauet eins in Kirchholm,
8, §. 7. wird zum Biſchof ordiniret, 8.
§. 8. wenn dieſes geſchehen, k). ſeine
Grabſchrift, 9. hat groſſe Betruͤbniß uͤber
die Untreue der Getauften, 10. §. 9. nimt
ſich vor, nach Deutſchland zu ziehen, 12.
§. 11. kan nicht aus dem Lande kommen,
13. ſtirbt, 15. §. 14. - Meinhard, Ritter von Kukenois, 107. fuͤhrt
eine ſtarke Armee wider den Koͤnig Wiſſe-
wald, 111. - Memekuͤlle,43.
- Meſoyten, ſemgalliſches Schloß, 147. §. 3.
wird von den Deutſchen belagert, 150. - Meſſenii Jrthum bey dem ſchwediſchen Herzog
Karl, 162. i). - Metimne, Burg, 106. §. 6.
- Metſepole, Liefl. Provinz, 54. 59. 60. 113.
- Miſceslawe, Groskoͤnig von Neugarden,
zieht wider die Deutſchen, 95. verſpricht
den Eſthen Huͤlfe, 133. - Mocha, Provinz, 95. 165.
- Moͤnche, ſind oft mit zu Felde gezogen, 136.
- Mone, Oeſelſches Schloß, auf der Jnſel
gleiches Namens, wird von den Deutſchen
belagert, 211. 212. erobert, 213. - Moritz, Prieſter, wird nach Rom geſendet,
202. ſteht als Zeuge unterſchrieben, 217. - Muͤnchhauſen, von, ſcheinen denen von Apel-
dern in den Guͤtern gefolgt zu haben, 24. - Murumgunde, Eſthniſche Provinz, wird ge-
pluͤndert, 93. - Mushards Jrthum wegen der von Betes-
hovede 198. - Muſſa, Fluß, 147. 150.
- Mysceslaus, zwey Koͤnige dieſes Namens
zu einer Zeit, 177. - Myſteria, heiſſen zuweilen geiſtliche Comoͤ-
dien, 44. n).
L l l 2Na-
[[228]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
Appendix A.13 N.
- Nagaten, eine gewiſſe Muͤnzforte, 78. c).
95. §. 8. - Neugarden, Groskoͤnig von Neugarden, faͤlt
in Ungannien ein, 77. heiſt Misceslawe,
95. faͤlt in Lettland ein, 173. wird von den
Rigiſchen mit Krieg uͤberzogen, 176. - Nicolaus, Prieſter, wird getoͤdtet, 26.
- ‒ ‒ Biſchof von Schleswig,, komt nach
Riga, 52. mehr Nachricht von ihm, 54. p).
komt nochmals nach Liefland, 143. - ‒ ‒ von Magdeburg, wird Biſchof uͤber
Liefland, 216. ein Diploma von ihm, 217.
wie lange er gelebt, 219.
- ‒ ‒ Biſchof von Schleswig,, komt nach
- Normegunde, Eſthniſche Provinz, 95. 152.
- Nunnus, Landesaͤlteſter der Liven, 83. ſtirbt
an der Peſt, 93.
Appendix A.14 O.
- Octave, was es geweſen, 33. **)
- Odempe, Schloß, 69. wird von dem Rußi-
ſchen Koͤnig bekrieget, 77. von den Rigi-
ſchen beveſtiget, 123. §. 5. von den abtruͤn-
nigen Eſthen und Ruſſen belagert, 124. an
ſie abgetreten, 125. vom Biſchof Hermann
wieder erbauet, 200. - Oernhiaͤlm, Urtheil von dieſem Schwediſchen
Geſchichtſchreiber, 127. 128. - Oeſel, Jnſel, die gemeiniglich zu Eſthland
gerechnet wird, 53. n). wird in drey gleiche
Theile getheilet, 218. 219. - Oeſeler, pluͤndern Cubbeſele, 86. vereinigen
ſich mit andern Heiden wider Liefland, 88.
bringen einen Prieſter jaͤmmerlich um, 110.
kommen mit einer groſſen Seemacht, 112.
bringen die Biſchoͤfe Philippen und Dietri-
chen in groſſe Gefahr, 115. 116. werden von den
Rigiſchen wieder ſehr mitgenommen, 121.
fallen in Metſepole ein, belagern Revel,
168. belagern und zerſtoͤren ein von den
Daͤnen erbautes Schloß, 180. wiegeln auch
andre auf, 181. - Oeſering, Muͤnze, 102. 113.
- Opfer, Beyſpiele von Menſchenopfern, 10.
11. m). - Orden der Ritterſchaft Chriſti, wird geſtif-
tet, 31. - Otto, Cardinal de carcere tulliano, ſol die
ſtreitige Wahl eines Lieflaͤndiſchen Biſchofs
entſcheiden, 216. - Owele, Schloß in Saccala, wird vom Cau-
po erbauet, 87.
Appendix A.15 P.
- Pabſt, ein ungenanter, ſchreibt zuerſt einen
Kreuzzug nach Liefland aus, 14. - Padelborn, Biſchof von, ziehet mit nach Lief-
land, 78. 86. - Pala, Fluß, 93 ꝛc.
- Paldones, Baltiſche grobe Roͤcke, 13. ſ).
- Peringskioͤlsmonum. Vpland.215. e).
- Peſt, entſteht in Liefland, 93.
- Pferd, wird gebraucht, den Willen der Goͤt-
ter zu erfragen, 10. 11. n). - Philip, Biſchof von Ratzeburg, komt nach
Liefland, 86. 82. g). wird von den Liven
beynahe gefangen, 100. verſieht Biſchof
Alberts Stelle, 105. §. 1. erbauet das
Schloß Fredeland, 107. §. 3. veranſtaltet ei-
nen Zug wider die Eſthen, 108. §. 5. zieht
nach Rom aufs Concilium, 115. ſtirbt un-
terwegens nach ausgeſtandener vieler Noth,
116. 117. §. 6. - Philip, ein Lette, und Dolmetſcher des Prie-
ſters Salomo, komt um, 96. §. 9.- ‒ ‒ Roͤmiſcher Koͤnig, hielt ein praͤchtiges
Hoflager zu Magdeburg, 25. d).
- ‒ ‒ Roͤmiſcher Koͤnig, hielt ein praͤchtiges
- Pilger, bekommen Ablaß ihrer Suͤnden, 14.
§. 12. S. 25. §. 5. blieben nur ein Jahr in
ſolchen Dienſten. 64. - Planci, Planken, 150. 152. q).
- Plescekow, Koͤnig von, faͤlt in Ungannien
ein, 77. §. 2. muß von Polocz unterſchie-
den werden, 97. u). belagert Lyndaniſſe,
189. - Plosceke, Koͤnig von, beſtuͤrmet das Schloß
Ykeskola, 35. muß vor Holm abziehen, ib.
laͤſt ſich von den Liven aufwiegeln, 51. die
Rigiſchen ſuchen mit ihm einen Frieden zu
treffen, 81. 82. ſo auch zu Stande komt,
ibid. ſchickt den Rigiſchen Huͤlfe, 83. §. 9.
wil mit dem Biſchof tractiren, wegen ſeiner
ehemaligen heidniſchen Unterthanen, 98.
§. 2. - Pnydiſe, Eſthniſche Provinz, 188.
- Pœna, pœnoſa hebdomas,9.
- Polocz, Urſprung des Namens dieſes Lan-
des, 28. - Polotta, Stadt und Fluß an der Duͤne, 28.
- Puduren, Provinz, wird von den Ungan-
niern gepluͤndert 149. §. 7. - Punekalla, Provinz, 207.
- Purke, Schloß in Saccala, 87.
- Pydymen, Wirlaͤndiſche Provinz, 159.
Appendix A.16 R.
- Rameko, ein Live, ſucht ſeinen gefangenen
Vater den Litthauern wieder zu entreiſſen,
105. faͤlt in Ungannien ein, 184. §. 12.
thut den Ruſſen und Eſthen abermals groſ-
ſen Schaden, 185. - Raſtigerwe, See, 124. §. 7.
- Ratzeburg, ſ. Philip von.
- Rechte, Unterſuchung des Gebrauchs des
kaiſerlichroͤmiſchen und deutſchen Rechts,
56. u). - Regenen, Eſthniſches Dorf, 165.
- Remine, Dabrels Schloß, 55.
- Reſponſorium, was es iſt, 117. **).
- Revel, Unterſuchung vom Urſprung dieſes
Worts, 18. *). wird niedergeriſſen und
neu erbauet, 143. 145. e). gehoͤrte den Daͤ-
nen,
[[229]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
nen, 153. 163. l). wird von den Oeſelern
vergeblich belagert, 168. Bisthum von
Revel ſtund unter dem Erzbiſchof von Lun-
den, 203.d). - Revelſchen, vereinigen ſich mit andern Hei-
den wider Liefland, 88. §. 3. werden von
den Deutſchen und Liven bekrieget, 138.
§. 2. - Riga, Urſprung des Namens, 27. d)5. f).
dieſe Stadt wird erbauet, 29. §. 1. daſelbſt
wird eine Comoͤdie aufgefuͤhret, 44. §. 14.
komt in groſſe Betruͤbniß wegen eines nicht
wohl abgelaufenen Treffens, 67. §. 3.
komt in groſſe Noth wegen Verbindung der
Heiden, 79. daſelbſt entſteht eine Feuers-
brunſt, 109. wird von den Oeſelern mit ei-
ner Belagerung bedrohet, 112. §. 1. 2. ei-
nige Briefe vom Pabſt Jnnocentius, die
Riga angehen, 111. das Recht, einen Ri-
giſchen Biſchof zu ſetzen, iſt ſtreitig,
215. g). - Riga, ein Berg, 18. 27. ein Ort an der Duͤ-
na, 18. e). - Riole, Burg in Eſthland, 159.
- Ritterſchaft Chriſti, Nachricht von dem
Urſprung dieſes Ordens, 31. §. 6. c). be-
komt vom Biſchof den dritten Theil Lief-
lands mit allen Rechten, 59. 60. begibt
ſich unter den Schutz der Deutſchen Or-
densbruͤder, 220. - Roboam, ein tapferer Lette, 99.
- Rodenpois, Ort, 40. §. 3.
- Ronneburg, in dem Bilderſaale dieſes
Schloſſes ſtehen die Bildniſſe der Rigiſchen
Biſchoͤfe, 9. - Ropa, Fluß, 55. §. 15. S. 83. §. 9. ein
Kirchſpiel, 86. §. 2. gehoͤret heut zu Tage
den Herrn von Alvendiel, 140, f). - Roſula, Lettiſche Provinz, 185.
- Rotalewien, oder Rotalien, begreift mehr
Provinzen, 109. b). - Rotalier, bekriegen die bekerten Liven, 86.
vereinigen ſich mit andern Heiden wider
Liefland, 88. §. 3. fallen in Liefland ein, 113.
werden von den Deutſchen wieder uͤberzo-
gen, 120. §. 8. werden getauft, 121. - Rotmar, Biſchof Alberts Bruder, komt mit
ihm nach Liefland, 41. §. 6. wird Probſt,
200. §. 8. - Rudolph, von Jericho, wird an den Koͤnig
von Ploſceke mit Tractaten geſchickt, 81.- ‒ ‒ Ordensmeiſter der Bruͤder, wird von
den Liven verklagt, 100. bekomt Saccala
und Ungannien vom Koͤnige von Daͤnne-
mark, 160.
- ‒ ‒ Ordensmeiſter der Bruͤder, wird von
- Rumbul, kleiner Fluß, 27.
- Ruſſen, von Polocz, belagern das Schloß
Holm, 51. §. 12. ſtecken Kukenois in Brand,
65. von Pleſcekow, werden boͤſe auf die
Ungannier, 123. §. 3. belagern Odempe,
124. §. 7. von Gercike, muͤſſen dem Bi-
ſchof huldigen, 74. §. 4. verſprechen den
Eſthen zu helfen wider die Rigiſchen, 133.
fuͤhren ihnen abermalige Huͤlfe zu, 138.
139. pluͤndern Lettland und Ydumaͤa, 140.
belagern das Schloß Wenden, ibid. fal-
len nochmals in Lettland ein, 173. machen
wieder Friede mit den Rigiſchen, 201. - Rußin, oder Ruſcin, 68. aus Soteske,
86. §. 6. ſucht ſich an den Eſthen zu raͤ-
chen, 70. nimt mit Bertolden einen zwei-
ten Zug vor, 76. einen dritten mit den
Rigiſchen, 83. haͤlt ſich tapfer in der Be-
lagerung Viliende, 84. komt um in der
Belagerung des Schloſſes des Dabrels,
101. - Rutheni, was vor Einwohner darunter ver-
ſtanden werden, 35. §. 7.
Appendix A.17 S.
- Saccala, Eſthniſche Provinz, komt an die
Bruͤder der Ritterſchaft Chriſti, 60. ver-
einigt ſich mit den Unganniern wider die
Letten, 96. wird von den Letten wieder
uͤberfallen, 70. darin waren Owele und
Purke, zwey Schloͤſſer, 87. die Einwoh-
ner bis an die Pala, fallen dem Biſchof in
einem Frieden zu, 97. §. 1. - Saccalaner, unternehmen einen Zug wider
Liefland, 92. §. 7. bitten um Friede, 115.
§. 4. werden getauft, ibid. brechen das
Buͤndniß, und fallen den Letten ins Land,
125. machen abermals Frieden, 135. re-
belliren nochmals wider die Deutſchen, 182.
183. 185. - Sadegerwe, adeliches Gut, 158. *)
- Saletſa, Provinz, 108. §. 5.
- Salomon, Prieſter des Biſchofs von Eſth-
land, 96. 167.- ‒ ‒ Bruder des Biſchof Alberts, 166.
167.
- ‒ ‒ Bruder des Biſchof Alberts, 166.
- Satteſele, Lieflaͤndiſche Provinz, 99. 100.
- Schminks Abhandlung von den Aſchenkruͤ-
gen, 183. - Scburzfleiſchii hiſtoria Enſiferorum iſt ſehr
mangelhaft, 153. ſ). - Schweden, werden in Leal von den Oeſelern
belagert, 160. §. 3. - Schwelgate, ein reicher Litthauer, hetzt ſeine
Landsleute auf wider die Rigiſchen, 39.
komt um, 40. §. 4. - Schwerdrbruͤder,152. 155. ſ). Nachricht
von ihrem Urſprung, 31. c) - Selen, werden von den Rittern hart mitge-
nommen, 106. - Seleburg, oder Burg der Selen, nimt den
angebotenen Vergleich an, 62. 63. §. 6.
wie viel es Biſchoͤfe gehabt, 207. i). wird
zu dem Rigiſchen Bisthum geſchlagen,
ibid. *) - Semgallen, wollen das Schloß Ykeskola mit
Stricken umreiſſen, 7. §. 6. verbrennen die
M m mKirche
[[230]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
Kirche in Holm, 32. §. 7. kommen den Ri-
giſchen zu Huͤlfe, 39. ſchlagen die Litthauer,
40. §. 4. verbinden ſich abermals mit den
Rigiſchen wider die von Thoreida, 50. §. 10.
auch wider die Litthauer, 66. von Meſoy-
ten, laſſen ſich taufen, 147. §. 3. - Semgallien, Hafen darin, wird vom Pabſt
hochverboten zu befahren, 28. §. 6. b). auch
von den Kauf leuten, ibid. §. 6. - Sequentia, was es iſt, 61. *)
- Siegeberg, Nachricht von zweyen Kloͤſtern
dieſes Namens in Deutſchland, 3. b). von
ihren Stiftungsbriefen, 4. - Siegenwalde,81. §. 8.
- Siegfried, ein frommer Moͤnch, bey deſſem
Tode ſich beſondere Umſtaͤnde zugetragen,
36. §. 9.- ‒ ‒ Graf von Orlamuͤnde, 126. b).
- ‒ ‒ ein Abgeordneter aus Riga an die
Eſthen, 97.
- Solgeſim, Eſthniſches Dorf, 165.
- Somelinde, Burg, 94.
- Sonnenfinſternis, bringt einen Chriſten in
Lebensgefahr, 10. eine andre, 58. §. 16. - Sontagana, Eſthniſche Provinz, 83. 108.
§. 5. - Sotecle, Soteske, Schloß, 68. §. 6.
- Sprache, einige Woͤrter aus der Lieflaͤndi-
ſchen Sprache, Ba,61. Draug,101.
Rylegunde,193. c). *) Laula Pappi,
110. Maga Magamas,88. §. 3. Maja,
93. Nagaten,78. c)Odempe,69.
Patſchka,75. Waypen,190. - Stecſe, Herzog der Litthauer, komt um, 106.
- Stethen, Kloſter, 73. §. 3.
- Strandwyck,86. faͤlt an Riga, 192. un-
terwirft ſich freywillig, 197. 198. - Stumpenhuſen, Graf von, komt nach Lief-
land, 42. mehr Nachricht von ihm, i). - Sund, was es iſt, 77. a)
- Susdal, Koͤnig von, 188. §. 3. Rußiſche
Provinz, 189. b) - Sydegunde,54. §. 14.
- Sygenwalde,88. §. 3. Ordensbruͤder von,
bekommen Krieg mit den Liven von Satte-
ſeln, 100. uͤberziehen die Ungannier und
Eſthen, 185.
Appendix A.18 T.
- Tabelin,149. wird von den Daͤnen gehenkt,
159. - Tabellus, Wirlaͤndiſche Provinz, 207.
- Taliald, von Bewerin, 68. §. 6.
- Thalibald, wird von den Eſthen gepluͤndert,
93. von den Litthauern gefangen, 105.
begibt ſich unter den Schutz des Biſchofs,
107. ſeine Soͤhne machen groſſe Beute in
Rotalien, 109. wird von den Eſthen ſehr
gemartert, ſein Geld herzuweiſen, 113. ſei-
ne Soͤhne ſuchen ſeinen Tod zu raͤchen,
113. 114.
- Tarbat, Schloß in Ungannien, 94. auch
eine Provinz, ibid. rebelliret wider die
Deutſchen, 182. wird vom Koͤnig Vieſceka
in Beſitz genommen, 193. wird von den
Deutſchen belagert, 194. 195. und endlich
erobert, 196. - Tharapita, Gott der Oeſeler, 165. 212. 214.
215. einige Erlaͤuterung dieſes Namens,
166. t) *) - Tartarn, wenn dieſer Name zuerſt gehoͤrt
worden, 178. - Tarwaupe, in Wirland, 207.
- Taufe der Lieflaͤnder iſt durchs Eintauchen
verrichtet worden, 214. 215. e) - Therneten, Semgalliſche Provinz, 197.
- Thuͤringen, Erlaͤuterung eines Theils der
Hiſtorie Landgraf Hermans, 130. 131. - Tolowa, Lettiſche Provinz, 204.
- Treyden, oder Thoreida, Liven von, wol-
len den Mitgehuͤlfen des erſten Biſchofs
ihren Goͤtzen aufopfern, 10. Schloß, wird
verbrant, daß es den Liven nicht zum Hin-
terhalt dienen koͤnne, 100. - Tricatien, Provinz, 69.
- Tuwine, Dorf in Wirland, 149. §. 7.
Appendix A.19 U.
- Uldewene, aͤlteſter der Prov. Lenewarden, wird
von den Litthauern gefangen, 106. - Vncus, Hake, Hufe Landes, 92. §. 5. l).
- Unepewe, Lembits Bruder, 134.
- Ungannien wird von den Rigiſchen bekrie-
get, 69. - Ungannier, werden von den Letten und Wen-
den uͤberzogen, 76. von den rußiſchen
Koͤnigen, 77. unternehmen nochmals einen
Zug wider die Liven, 92. auch wider die
Letten, 112. werden aber uͤbel abgewieſen,
114. bitten um Friede, 115. fallen in
Liefland ein, 123. werden gepluͤndert, ver-
ſprechen nochmals ihre Treue, 184. - Ungariſcher Koͤnig Andreas, gibt Gelegen-
heit zu dem Krieg zwiſchen dem Koͤnig Mis-
ceslaus, 133. - Urele, eſthniſcher Ort, 185.
Appendix A.20 V.
- Valven, wer unter dieſem Volke zu verſte-
hen, 177. 178. a). - Vaſtoviivitis aquilonia, die Coͤlniſche Edit.
iſt die beſte, 162. i). - Veko, ein tapferer Lette, 140.
- Ventilogium,117. c).
- Verona, daſelbſt ſtirbt Philip Biſchof von
Ratzeburg, 117. - Veſceke, Konig von Kokenhuſen, 43. ſchlieſt
mit den Deutſchen Frieden, und bittet von
ihnen Friede gegen Abtretung eines Theils
Landes, 59. wird von den Knechten Da-
niels gefangen genommen, 63. mit allen
Ehren
[[231]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
Ehren wieder losgelaſſen, 64. uͤberfaͤlt die
Rigiſchen und wiegelt den Groskoͤnig Wol-
demar auf, 64. §. 9. - Veſike, Landesaͤlteſter der Liven, 103. ſetzt
den Oeſelern nach, 136. §. 7. - Vicelinus, erſter Probſt zu Luͤbek, 3. b) 4.
- Veſceke, Koͤnig, beſetzt Tarbat, 189. thut
den Chriſten groſſen Schaden, ibid. 191.
wil nicht aus Tarbat weichen, 193. - Viliende, Schloß in Saccala, 83. wird be-
lagert, 84. aufgefordert den Glauben an-
zunehmen, ibid. ergibt ſich endlich, 85.
heiſt jetzo Felein, 133. 134. c). darin ent-
ſtehet ein Aufruhr, 181. wird von den Deut-
ſchen abermals belagert, 186. und mehr
beveſtiget, 201. heiſt auch Velnio, 206. - Vinno, Ordensmeiſter der Ritterſchaft Chri-
ſti in Wenden, 70. 71. f). wird durch den
Wigbert ermordet, 73. - Vitiſele, Liefl. Provinz, 204.
- Volqvin, Ordensmeiſter in Wenden, 73. c).
komt mit Biſchof Albert nach Rom, 86.
ſchlaͤgt die Litthauer, 106. §. 5. hilft Odem-
pe entſetzen, 124. wohnt dem Zuge wider
die Harrier bey, 152. auch wider die Eſthen
und Saccalaner, 185. ſucht ſeine Bruͤder
mit den deutſchen Ordensbruͤdern zu verei-
nigen, 220. komt um, ibid.
Appendix A.21 W.
- Wagien, Provinz in Eſthland, 94.
- Waiga, Fluß, 114.
- Waypa, Provinz, 158. 165. wird getheilt,
201. - Walde, Schloß und Stadt in der Jnſel Oe-
ſel, wird von den Chriſten erobert, 213.
Einwohner werden getauft, 214. - Waldemars, des erſten daͤniſchen Koͤnigs
Prinzeßinnen, 128.- ‒ ‒ der andere, komt mit einer Armee nach
Liefland, 143. mehr Nachricht von ihm,
144. c). beruͤhmte Schlacht der er beyge-
wohnet oder daher er den Danebroghs Orden
geſtiftet haben ſol, 145. 146. praͤtendiret
Eſthland, 154. 159. ſein Ungluͤck in Deutſch-
land komt den Biſchoͤffen in Liefland zu gu-
te, 191. 192.
- ‒ ‒ der andere, komt mit einer Armee nach
- Waldemar aus den Holmgardiſchen Koͤni-
gen, 132. - Walfarten, ſind unter Hofnung Vergebung
der Suͤnden zu erlangen unternommen wor-
den, 25. d)5. *). - Warbole, Schloß, wird belagert, 95. §. 8.
bittet von den Deutſchen Frieden, 153. wie
es heut zu Tage heiſſet, 154. gehoͤrte den
Daͤnen, 180. ergibt ſich an die Rigiſchen,
199. - Waremar, rußiſcher Fuͤrſt, 185.
- Waribule, wird von den Litthauern gefangen,
105. - Waridote von Antine, 68. hilft die Eſthen
uͤberfallen, S. 70. - Waſela, eſthniſches Dorf, 165.
- Watmal, Erklaͤrung dieſes Wortes, 13. ſ).
- Weiber der Litthauer erhenken ſich, auf er-
haltene Nachricht von ihrem Tode, 41. §. 5.
aͤhnliche Beyſpiele, e). - Welfen, Nachricht von dieſer Familie, 200. i).
- Welpole, Eſthniſches Dorf, 165.
- Wendecuͤlla,83. §. 3.
- Wenden, was dis vor ein Volk geweſen, 55. f).
ein Schloß, 71. d). wird von den Eſthen
belagert, 81. auch vom Gerceslaus, 140.
von den Ruſſen, ibid. §. 5. Bruͤder der
Ritterſchaft von Wenden, 68. 70. bekom-
men Streit mit den Letten von Antine, 99.
daſelbſt waren dreyerley Nationen, 205. f). - Wenceslaus, ein Slaviſcher Fuͤrſt, zieht mit
dem Koͤnig von Daͤnnemark nach Liefland,
193. wer wol darunter zu verſtehen ſey,
144. d). - Weſſelin, wird Biſchof uͤber Eſthland, 144.
- Weſthard, ein Landesaͤlteſter von Semgalli-
en, 39. fuͤhrt den Rigiſchen Huͤlfe zu, ibid.
40. zieht abermal wider die abtruͤnnigen
Liven, 50. bittet von den Rigiſchen Bey-
ſtand wider die Litthauer, 66. uͤberzieht
die getauften Semgallier, 147. wird vom
roͤmiſchen Geſandten ermahnet, 205. §. 4. - Wigbert, einer von den Bruͤdern der Rit-
terſchaft, faͤngt viel Unordnung an, 72.
ermordet den Vinno und Johannes, 73. - Wilhelm von Modena, Geſandter des roͤmi-
ſchen Stuhls in Liefland, 202. c) gibt
ſich viel Muͤhe mit den Neubekehrten, 203.
ſqq. bringt Wirland an den Pabſt, 206.
reiſet wieder nach Hauſe, 208. ermahnet
die Gothlaͤnder und Deutſchen zu einem
Zuge wider die Oeſeler, 210. komt wieder
als paͤbſtlicher Legate, 219. 220. - Wirland, eine ſchoͤne Provinz, wird von den
Deutſchen genoͤthigt Friede zu ſuchen, 149.
laͤſt ſich taufen, 150. ergibt ſich an Ri-
ga, 199. faͤlt durch den roͤmiſchen Geſand-
ten an den Pabſt, 206. Wirlaͤnder wollen
ſich in Tractaten einlaſſen, 14. - Wiſſewald, Koͤnig von Gercike, muß dem
Biſchof Albert huldigen, 74. wird ver-
klagt, daß er ſich ſo lange vor dem Biſchof
nicht geſtelt habe, 107. ſein Schloß wird
gepluͤndert, 108. komt den roͤmiſchen Ge-
ſandten zu ſehen, 205. - Woldemar, Koͤnig von Ploſceke, vereinigt
ſich mit den Eſthen wider Riga, 121. ſtirbt,
ibid. §. 10.- ‒ ‒ verheert Ungannien, 123. belagert Odem-
pe, 124. - ‒ ‒ Groskoͤnig von Moscau, wird vom Koͤ-
M m m 2nig
[[232]]Regiſter der vornehmſten Namen und Sachen.
nig Veſceke wider die Rigiſchen aufgewiegelt,
64. von den Ruſſen verjaget, und wendet
ſich nach Riga, 97. uͤbernimt die Advo-
catur in Antine, 104. ſteht ihr aber nicht gut
vor, 106. begibt ſich wieder nach Liefland,
106. §. 6. bekomt vom Alobrand eine Ver-
mahnung wegen ſeines Geldſchneidens, 107. - ‒ ‒ von Polocz, iſt dem Biſchof Meinhard
befoͤrderlich, 6. §. 3.
- ‒ ‒ verheert Ungannien, 123. belagert Odem-
- Wormegunde,165.
- Wottele, Landesaͤlteſter von Saccala, komt
um, 134. - Wyndus, ein Fluß in Curland, 55.
Appendix A.22 Y.
- Ydumaͤa, Provinz, 59. an den Grenzen der
Letten und Wenden, S. 93.
- Ydumaͤer, hoͤren das Evangelium, 55. er-
legen ihre jaͤhrlichen Abgaben, 103. - Ygetenern, Eſthn. Dorf, 165.
- Ykeskole, Dorf, wo Biſchof Meinhard die
erſte Kirche bauet, 6. §. 3. f). Schloß
eben dieſes Namens, ſo er erbauet, 7. §. 6.
wird verlehnt, 29. §. 3. Stadt, 43. - Ykewalde, Dorf, 174.
- Ylo, einer der erſten Lieven, ſo Meinhard ge-
tauft hat, 7. - Yme, Dorf, 140.
- Yſo, Biſchof von Verden, komt nach Liefland,
86. mehr Nachricht von ihm, 87. e) 97.
kehrt wieder nach Deutſchland, 96.
Appendix B Folgende Druckfehler hat man anmerken wollen.
- Jn den Verweiſungen auf andere Stellen im Buch hat man allezeit unter num, die §§. zu ver-
ſtehen. - S. 9. Dhabsburg, fuͤr Habſpurg.
- S. 31. ſeinen Bruder, fuͤr den Bruder.
- S. 61. ſtand ihnen treulich bey, fuͤr ihm.
- S. 99. Birnenbaͤume, fuͤr Bienenbaͤume.
tom. I. p. 120. n. 5469.
p. 51 die Lateiniſchen Worte, welche er aus ſelbigem anfuͤhret, ſondern auch etliche an-
dere Begebenheiten, und der Ort p. 57, wenn er ſie nicht aus dem Hiaͤrne genommen.
Die ſchlechte und unverſtaͤndliche Abſchrift aber hat ihn entweder am Gebrauch deſſelben
gehindert, oder er hat auch ſeinem Schatz nicht den rechten Werth zu geben gewuſt; wie
denn dazu eine ungemeine Beleſenheit gehoͤret, mit alten Handſchriften ſo umzugehen, als
der Herr Hofrath Gruber mit dieſer gethan, worinne gewiß ein Meiſterſtuͤck einer gruͤnd-
lichen Gelehrſamkeit abgeleget worden.
ſtae aber waren die bekanten groſſen Schleudern, welche Steine, Balken, Feuertoͤpfe und dergleichen
ſchmiſſen, und durch mechaniſche Raͤder zum Wurf regiret wurden, die Mauren oder Planken, als
den ſchwaͤchſten Theil einer Veſtung umzuwerfen, und die Feinde zu beſchaͤdigen; da man hingegen
das untere veſtere Theil mit Mauerbrechern durchboren muſte. Sie heiſſen in dieſem Buche auch oft-
mals Patherellen. Die kleinſten warfen etwan eine Laſt von 5 Lispfund, die groͤſten auch wol ein
Schifpfund. Sie trugen aber nicht viel weiter als 500 Schritte, dabey ſie doch die Kraft hatten, al-
les zu zerſchmettern, und was ſie ſchlugen, einige hundert Schritte und weiter in die Luft zu prellen.
Man verkroch ſich vor ihrem Schuß hinter lederne mit Spreu gefuͤlte Saͤcke, und ausgeſpante Segel-
tuͤcher. Manchmal wurden aus ſelbigen auch ſolche Balken geworfen, die vorne ſpitzig gemacht und
mit Eiſen verſehen waren; daß alſo patherella, balliſta und catapulta einerley, (und nur der Gewalt
und Groͤſſe nach verſchieden) ſind.
Ykeskola iſt die rechte und aͤlteſte Schreibart. Der Herr Paſtor Kelch leitet es von uͤr kuͤl ein
Dorf her, weil ihm der alte Name nicht angeſtanden, da es doch gleich in die Augen faͤlt, daß mans
uͤx kool eine Schule geheiſſen. Es iſt kaum zu erinnern noͤthig, daß die Kloͤſter bey den Alten den
Namen der Schulen gefuͤhret. Jnzwiſchen iſt an der alten Benennung etwas zu wiſſen gelegen. Lin-
denbrog Script. Septemtr. p. 164. fuͤhrt eine Bulle von ClemensIII. an, in welcher er dem Erzbi-
ſchof Hartwich von Bremen auſſer den Bisthuͤmern Luͤbek, Schwerin und Ratzeburg auch das
Jxcolanenſiſche beſtaͤtiget. Wie Staphorſt hiſt. eccleſ. Hamburg. tom I. p. 595. dieſe Bulle abge-
ſchrieben, ſo haͤngt er hinten die Frage an, was das Jxcolanenſiſche Bisthum ſey. Jn dem beyge-
fuͤgten Lemma aber geſtehet er, er wiſſe es nicht. Es geſtehens auch andre, wiewol ſie lieber das Js-
laͤndiſche leſen. Es iſt aber handgreiflich, daß es das Jxkoliſche ſeyn ſoll, ſo der Biſchof Mein-
hard ſich zur Reſidenz erſehen. Der Herr Hofrath Gruber macht dieſes Worts halber dennoch die
ganze Bulle verdaͤchtig, weil der Biſchof nicht nach ſeinem Schloſſe oder gewiſſen Sitze, ſondern nach
ſeinem Volke mit einer am paͤbſtl. Hofe gewoͤhnlichen Titelatur der Lieflaͤndiſche genennet werden
muͤſte.
vor, die im 13 Jahrhundert geſchrieben worden, beym Jahr 1208 p. 434: Jn der Marterwoche
(hebdomada pœnoſa) nach dem Palmen Sonntage reiſten ſie ab, und kamen den heiligen Oſtertag
nach Muͤnſter.
worden.
ſelbſt den Altbekehrten der damaligen Zeit nicht beſſer ergangen. Anno 1188. ſahe der Prior des Ma-
rienordens vom Berge Carmel, Bertold, gar viele Seelen ſeiner Moͤnche, die von den Saracenen
ermordet waren, durch eine Menge heiliger Engel in Himmel tragen.
dem Rigiſchen ſtehen die Worte: Abiit in patriam, am Ende eingeſchloſſen.
ſtehet BartholdI. mit dem Zunamen Emcho, der ſchon Anno 1187 nach Liefland gegangen: welches
gegen andre ſicherere Nachrichten ſtreitet.
eines gejagten Rehes vom Schloßberge, oder von dem alten adelichen Geſchlechte der Revelen, ſiehe
bey Kelchp. 64. Brandis in einem Manuſcript von 1226 ſetzet, ein gelehrter Mann habe es von
Regenfal ableiten wollen, weil bey ſtarkem Regen das Waſſer mit einem ſchnellen Fal von Dumberg
ſtuͤrze, oder wie es ihm ein vornehmer Reichsrath erklaͤret, Refvol, von den vielen Reffen in der See;
wobey er doch die Privilegien des Michaeliskloſters anfuͤhret, in welchen der Ort ſchon vor Stiftung
deſſelben Revel genennet worden. Der Herr von Lode bemerket, daß Brandis aus Verſehen dieſe
Briefſchaften 100 Jahr aͤlter macht, indem Lode ſelbige gleichfals unter Haͤnden gehabt. Thomas
Hiaͤrne leitet es auch von dem Daͤniſchen Worte Reff ab, und bezeuget, daß nach alter glaubwuͤrdi-
ger Leute Bericht, die beyden Holme, die Carlen genant, bey ihrer Eltern Gedenken noch nicht ſo hoch
geweſen, ſondern nur als Reffe in der See gelegen haben. Anderwerts haͤlt ers fuͤr ſo ſchlim nicht,
wenn mans der Erſcheinung wegen, die dem Koͤnig bey Belagerung der Stadt Praag widerfahren ſeyn
ſol, an dieſem Orte ein Kloſter zu errichten, von Reuelatio herzukommen glaubte; und wer koͤnte es un-
ſerm Chronikſchreiber alſo veruͤbeln, wenn er Riga von Rigatio herfuͤhret.
aber kaum richtig ſeyn: indem ſowol von wirklicher Hinrichtung nichts vorkomt, ſondern erſt §. 10 be-
ſchloſſen wird, auch weiter unten Anno 1199 §. 2 noch Bruͤder in Ykeskole den neuen Biſchof em-
pfangen, als auch derſelben Anzahl, da die Heiden alle wieder abgeſprungen, nicht ſo groß kan geweſen
ſeyn. Daher die Folgerung unde, ſo ſich auf den verhinderten Feldbau beziehet, faſt wahrſchemlich
macht, daß geſtanden habe, ad ducentas metretas, ſo ein Gemaͤß zum Getreide iſt: daß alſo die Ein-
kuͤnfts der Kirchen dadurch gelitten haben.]
Biſchofs, welches aber gegen die Zeitrechnung und ihr Alter zu lauſen ſcheinet, ohne Zweifel, weil er
das Wort gener nicht zu erklaͤren gewuſt.
gen: Als zu Ausgang des 11ten Jahrhunderts ein gewiſſer Einſiedler, Peter, aus dem gelobten
Lande kam, und eine goͤttliche Offenbarung vorgab, daß die Europaͤiſchen Chriſten denen in Aſien
wider die Saracenen zu Huͤlfe kommen ſolten: ſo fand dieſes Vorgeben deſto mehr Glauben, weil
die armen Leute ohnedem in ihrer Blindheit ſich eine groſſe Seligkeit verſprachen, wenn ſie die heiligen
Oerter der Geburtsſtadt, des Leidens und des Begraͤbniſſes Chriſti, aus den Haͤnden der Unglaͤubigen
entriſſen; indem man in die Walfarten nach dieſen geheiligten Oertern ein groſſes Verdienſt und eine
ſonderbare Heiligkeit ſetzte. Fuͤr den Pabſt und die Pfaffen war es eine gewuͤnſchte Sache, welche
hierdurch die Macht der Potentaten ſchwaͤchen, und im Truͤben fiſchen wolten. Urbanus der andere
verſprach auf der Kirchenverſamlung zu Clermont allen Vergebung der Suͤnden, welche zu dieſem
Zuge ins heilige Land ſich wolten gebrauchen laſſen. Kaiſer und Koͤnige, Herzoge und Fuͤrſten, mach-
ten ſich in 5 unterſchiedenen Hauptzuͤgen auf, und ging der erſte ſchon 1096 an. Hier begaben ſich
300000 Menſchen auf den Weg, die im Wegziehen auf 700000 anwuchſen, Anno 1099 Jeruſalem
einnahmen, und ſo viel Blut vergoſſen, daß die Pferde bis uͤber die Ohren darinne gingen, und die er-
ſchlagenen Koͤrper dadurch fortſchwummen. Wie denn auch in den drauf folgenden Scharmuͤtzeln
uͤber 100000 Saracenen niedergemetzelt wurden. GOTT wieß aber dieſen Leuten durch den ungluͤck-
lichen Ausgang, daß es ſein Werk nicht ſey; denn in dieſem, wie auch in den uͤbrigen Kreuzzuͤgen ging
es ſo jaͤmmerlich ab, daß nach und nach wol ſechs tauſend mal tauſend Menſchen aufgeopfert wurden,
und die Barbaren an denen Chriſten nur deſto bitterere Feindſeligkeiten veruͤbten. Den Ueberreſt der
Soldaten, die alle ein Kreuz trugen, mit dem ſie ſich auf den Maͤnteln hatten bezeichnen laſſen, und da-
her nur Kreuztraͤger genent wurden, nahm der Pabſt zu ſeiner Leibwache an, die er nachgehends gegen
die ausſchickte, welche nicht gleich nach ſeiner Pfeife tanzten. Beſiehe Arnolds Kirchen- und Ketzer-
hiſtorie, tom. 1 lib. 11 c. 2 n. 9. 10. Weismann. hiſt. eccl. ſæc. 12 §. 14. 15. Cellarii hiſt. med.
ſæc. 11. 12. 13. Weil nun die armen Leute keine andere Vergebung der Suͤnden wuſten, ſo traten ſie
dieſe weite Reiſe nach dem gelobten Lande an; vielen alſo, die nicht im Stande waren, ſo weit zu
wandern, gab der Pabſt eben dieſelbige Suͤndenvergebung, wenn ſie nach Liefland gegen die Heiden
zoͤgen, als denen, ſo nach Jeruſalem wider die Saracenen zu Felde gehen wuͤrden.
gewuſt, und daher uͤber lacum, die alte Leſeart locum klein uͤbergeſchrieben.
kommen ſol. Fuͤr fiat irrigua ſuperis, muß wol angenommen werden, ſuperius; indem es ſonſt noch
unverſtaͤndlicher wird.
natuͤrlichſte iſt. Wobey zu merken, daß das Revelſche Manuſcript pro litteris expeditionis liſt,
an ſtat confirmationis: welches die Meinung hat, daß Dietrich eine Bulle empfangen, kraft de-
ren er allen Vergebung der Suͤnden ankuͤndigen koͤnnen, die den heil. Zug nach Liefland unter-
nehmen wuͤrden.
ter GOttes ſo uͤbertreibet.
wenigerer Aenderung koͤnte man auch exurunt leſen, ſo wie gleich darauf folget recedunt.
wenigerer Aenderung koͤnte man auch exurunt leſen, ſo wie gleich darauf folget recedunt.
her ihren Urſprung.
an, daß inſula hier eine Halbinſel heiſſen muͤſſe. Welches erſte, wenn es von Oeſel zu verſtehen,
derſelben Umfang ausmachet. Uebrigens ſcheinet die Gruberiſche Muthmaſſung des Grotius ſeiner
vorzuziehen zu ſeyn.
der Laͤnge, und von dem 48 bis faſt 70 Grad der Breite erſtrecket. Daß ſelbſt Liefland darunter be-
griffen geweſen, beweiſet ein Breve vom Pabſt Clemens dem III an den Bremiſchen Erzbiſchof Hart-
wich, worinne er Meinharden, dem Biſchof von Ykeskola nachruͤhmet, was er vor groſſe Dienſte
am Werke des HErrn in Ruthenia gethan, und daher verdiene Paſtor und Biſchof zu werden, in wel-
chem Amte er ihn auch beſtaͤtiget. Jn unſerm Auctore ſind Rutheni nur die naͤchſten Nachbaren von
Liefland, die unter eigenen Koͤnigen ſtunden, und wegen Vielheit ihrer Regenten nichts wichtiges aus-
fuͤhren konten, bis nach und nach dieſe kleinern Reiche in eins gezogen wurden.
ſchriften, haben den Buchſtaben G. beybehalten.
dern Wundern den Teufel aus einem Knaben mit einem Strohwiſche vertrieben, daß, wie er Anno
1130 beerdiget werden ſollen, die Leichentraͤger keine Laſt einmal gefuͤhlet, ſondern der Sarg auf ihren
Schultern ſich von ſelbſt in die Hoͤhe gehoben.
in verhaſtem Ruf geſtanden.
deuehebat verdeutſchen.
ſodalibus ad ciuitatem diuertit.
welches unrecht, und lieber intrauerimus heiſſen koͤnte.
dem in aͤlteſten Zeiten um den Staat wohlverdiente Maͤnner entſproſſen. Es hat uns nicht gluͤcken
wollen, von ihrem vornehmen Geſchlechte die noͤthige Nachricht einzuziehen. So viel iſt uns be-
kant geworden, daß die eine Branche ſich von Uxkuͤll aus dem Hauſe Meyendorf ſchreibet, wel-
che Anno 1679 den 16 April in den Freyherrenſtand erhoben worden. Das andere fuͤhret den Bey-
namen vom Guͤldenband, und iſt ſchon ſeit 1648 den 23 Auguſt baroniſiret
RevelſcheMalewa, welches Wort die Muthmaſſung des beruͤhmten Herrn Grubers bey Anno
1214 not. h) beſtaͤtiget.
werden.
wurden auch noch gar in Romanen getragen, damit die Abweſenden dieſer ſeltſamen Erfindung
nicht verluſtig gingen. Beſiehe la Bibliotheque de Romans par Monſ. Langlet du Fresnoy 1734.
Man ſchrieb ſogar von dem Kyrie Eleiſon eine Rittergeſchichte. Chriſtus und Apollo, Cupi-
do und der Heilige Geiſt, die Jungfrau Maria und Venus, hatten darinnen eine ſtete Zuſam-
menkunft. Ja in dieſen Zeiten der Unwiſſenheit machte man den Ritter Kyrie Eleiſon von
Montauban, den Deuteronium (das fuͤnfte Buch Moſis,) und den Paralipomenon (die Buͤcher
der Chronike,) zu groſſen und vornehmen Heiligen.
dem erſten Maͤrtyrer verwechſeln moͤchten, von dem Apoſtel Geſchicht am 7ten Kap. ſtehet.
ich vorziehe.
zukam, welche aber gemeiniglich ſolches Amt ihren fuͤrnehmſten Bedienten uͤbertrugen, daß ſie der Kir-
che GOttes und den Armen Recht ſchaften, wie ſie es einmal vor dem hoͤchſten Richter verantworten
koͤnten. Sie hatten darinne die hoͤchſte und unumſchraͤnkte Gewalt, daher auch auswaͤrtige Koͤnige
ſich bey den Kaiſern darum bewarben. Weil ſie es aber zur Erweiterung der weltlichen Macht miß-
brauchten, trugen die Kaiſer Bedenken, es ihnen zu uͤberlaſſen. Jn Liefland hieſſen Aduocati die
Schirmherren oder Kaſtenvoigte, welche in der Kirche die weltlichen Affairen abmachten, und jedem zu
ſeinem Rechte halfen. Aus den Tradit. Fuldenſ. lib. 1. 2. 3. iſt zu erſehen, daß einem jeden Stifte
bey ſeiner Errichtung ein dergleichen Advocate zugeſtanden worden.
recipit.
neuen iſt es ein in Knittelverſen abgefaſter Lobgeſang.
dentes, welches allerdings richtiger iſt.
habe daher die Gruberſche Leſeart beybehalten.
koͤnnen; da er aber dieſen Herrn Magnus Rex nennet, ſo haben wir den Worten eigentlich folgen
wollen, um die alte Benennung zu zeigen.
Meinhard, und hier iſt zugleich das Rigiſche mangelhafte Manuſcript zu Ende.
vom Wort committens abhange.
multitudo de quibus confidebant Teutonici, licet pluuiarum ‒ ‒ eſſet inundantia. Procedunt
tamen \&c.
Jm Rigiſchen ſteht derepente, doch iſt repræſente daruͤber geſchrieben.
leicht nicht jedem gleich, der Abſtammung wegen, begreiflich fallen, indem die Eſthen einen Baͤr Kar-
ro, oder Wanna muſt, den alten ſchwarzen nennen. Daß aber das Wort Ott in alten Zeiten ei-
nen Baͤr bedeutet, erhellet nicht nur aus dieſer Stelle, indem die Bauren den Ort noch Ottepeh
heiſſen; ſondern auch aus dem noch uͤbrig gebliebenen aberglaͤubiſchen Gebrauch dieſes Namens. Denn
wenn ſie Haber ſaͤen, pflegen ſie aus Aberglauben das Geſichte nach einer beſondern Gegend zu kehren,
damit es der alte Ott nicht ſehe, oder wenn ſie einen Baͤr geſchoſſen, ſtoſſen ſie ihn wol aus Zorn mit
dem Fuſſe an, und ſagen: Du alter Ott; weil ſie dieſes ſchaͤdlichen Thieres rechten Namen nicht
gerne nennen. Sonſt ſol der Schloßberg von Odempeh der Figur eines Thierkopfs nicht unaͤhn-
lich ſeyn.
halten.
er hier das Manuſcript nicht geleſen, ſondern der Preußiſchen Chronik gefolget.
unter ihnen Geld gangbar geweſen. Denn auſſer dem, daß dieſe Woͤrter uͤberhaupt ihrem Urſprung
nach Hab und Gut bedeuten, ſind viele Dinge mit eigenen Benennungen verſehen worden, die vorher
entweder nicht im Gebrauch geweſen, oder doch erſt durch Auslaͤnder bekant geworden. Zwar wird
wol in den meiſten fremden Sachen der fremde Name beybehalten, oder doch nach der Mundart nur
ſo geaͤndert, daß man gleich ſein Herkommen errathen kan. Doch hat zum Exempel die Eſthniſche
Sprache ganz einheimiſche Namen zu verſchiedenen Dingen, die aus der Fremde gekommen, als Schild-
kroͤte, Loͤwe, Wiege, Drache, Pulver, Affe, Schroͤpfen ꝛc. Aber der Name Oeſering iſt
deutſch, davon bey gemeldetem Jahre.
beym Herrn Grubern noch aus den Handſchriften etwas angemerket wird: indem nicht zu begreifen iſt,
warum der Verfaſſer ſolte eine Sache, die etliche Jahre ſpaͤter geſchehen, hierauf ſetzen in des Biſchofs
zwoͤlftes Jahr. Es ſtreitet auch dawider, daß die Frieſen vorerwehnte Kaper und Curlaͤnder noch
mit geſamter Beute angetroffen haben, dergleichen nicht zu vermuthen iſt, wenn dieſe Frieſen nach et-
lichen Jahren gekommen ſind. Daher wol wahrſcheinlich mag geſtanden haben, poſt 7anas aliquot; oder
ſeptimanas, (Wochen,) ſo ein Abſchreiber gar leicht in Jahre verwandelt hat. Des Biſchofs §. 4 gemel-
dete Abreiſe muß nicht fuͤr verſchieden von der §. 1. gemeldeten gehalten werden, indem er ſich in Goth-
land ſcheinet etwas aufgehalten, und eben daſelbſt von gedachtem Unfal der Seinigen Nachricht erhal-
ten, und alsdenn die Reiſe fortgeſetzet zu haben.]
und Fickel liegen. Der Zug von Riga aber nach Oeſel und andere Stellen zeigens an, daß ſie gleich
nach Paßirung des Fluſſes und der Provinz Salis in Sontagana getreten, und muͤſte alſo wol
das Pernauiſche darunter verſtanden werden.
von Wagen hier nichts denken laͤſſet; vehiculum aber gar oft, beſonders bey den Aerzten, fuͤr etwas
genommen wird, das man wozu braucht.]
die Hauptſtuͤcke der chriſtlichen Lehre durch Frage und Antwort jemand beybringen. Herr Gruber
wolte erſt caracterizantur leſen, und es von der vor der Taufe uͤblichen Salbung verſtehen; es war
ihm aber die Stelle beym Jahr 1218 n. 7. im Wege; wo die Catechismuslehre, die Oelung mit Chri-
ſam und die Taufe, als drey unterſchiedene und aufeinander folgende Handlungen beſchrieben werden.
ep. 141. p. 479. Die Formalien beſtehen darinne, daß den Bruͤdern der dritte Theil von Lett- und
Liefland zugeſtanden wird, wofuͤr ſie in zeitl. nichts zu erlegen, ſondern nur fuͤr den Schutz der Kir-
che wider die Heiden ſtets zu ſorgen haͤtten. Der damalige Ordensmeiſter verſpricht dem Rigiſchen
Biſchof unverruͤckten Gehorſam, die Bruͤder aber und die Geiſtlichen, werden von Entrichtung
der Zehnden, der Erſtlinge, des Opfergeldes und der Ordinationsunkoſten losgeſprochen. Doch
ſollen die Bauren den Zehnden an ihre Kirchen zahlen, davon das Viertel dem Biſchof anheim
faͤlt, wenn ers nicht aus vernuͤnftigen Urſachen freywillig erlaſſen will. Die Bruͤder und ihre Nach-
folger behalten das Recht Candidaten in Vorſchlag zu bringen, die der Biſchof ſo gleich annehmen wird.
Zur Kirchenviſitation ſollen ſie dem Biſchof jaͤhrlich einmal zwanzig Fuhren ſtellen, wenn er ihr Haus
beſucht; zweymal aber des Jahrs ihn auf die Pfarren herumſchaffen. Von den auswaͤrtigen Provin-
zen, die ſie noch einbekommen moͤchten, ſind ſie an keine Rechenſchaft vor dem Biſchof gebunden, ſon-
dern haben ſich, wenn wegen der Wahl der Biſchoͤfe keine Einigkeit da iſt, an den roͤmiſchen Stuhl
zu wenden. Sie ſolten auf ihrem Kleide ein ander Zeichen, als die Tempelherren tragen, um zu zei-
gen, daß ſie dieſen gar nicht unterworfen waͤren. Sie ſolten dabey fuͤr ſich und die ihrigen freyes Be-
graͤbniß haben, auch ſo gar die, ſo ſich in Riga das Grab beſtellen wuͤrden, doch unbeſchadet des ver-
ordneten Antheils der Kirchen, wovon die Leichen weggefuͤhret wuͤrden. Dieſe iſt gezeichnet im Lateran
den zwanzigſten October, im dreyzehnten Jahr ſeiner paͤbſtlichen Regirung (Anno 1210) und an den
Biſchof Albert ſelbſt gerichtet. Ein ander Breve an den Ordensmeiſter Volquin von gleichem Tag,
Orte und Jahre datirt, befindet ſich eben daſelbſt von eben demſelben Jnhalt.
General-Feldmarſchal, Peter von Lascy erblich zugehoͤret.
Gruber muthmaſſet vom Jahre 1170, worinne der Moͤnch Fulco dem Koͤnig von Schweden, den
Herzogen und Fuͤrſten, und derſelben Erzbiſchof, wie auch allen Biſchoͤfen beſtens empfolen und zum
Biſchof der Eſthen beſtimmet wird. Das andre iſt von eben der Jahrzahl ein Empfehlungsſchreiben
wegen dieſes Fulco an den Erzbiſchof Eskill von Lunden. Das dritte von etwan 1178 iſt eine Dank-
ſchrift an den Lundiſchen Erzbiſchof Abſolon, wegen ſeiner dem Fulco erzeigten Wohlthaten. Das
vierte ein Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben an den Erzbiſchof Abſolon auf Bitte des Fulco, von eben dem
Jahre. Das fuͤnfte ein Kriegsmanifeſt wider die Eſthen vom Pabſt AlexanderIII Anno 1171 unge-
faͤhr. Jm ſechſten verlangt AlexanderIII aus Norwegen einen Eſthniſchen Moͤnch zum Dolmet-
ſcher fuͤr den Eſthniſchen Biſchof Fulco. Jm ſiebenten wird der Eſthniſche Biſchof Julius oder
Fulco von dieſem Pabſt den Daͤnen in Liebe empfolen. Dieſe beyden letzten ſind auch etwan von 1171,
und alle Briefe befinden ſich in den Briefſchaften des Petrus Cellenſis. Bey dem letzten meldet
Herr Gruber dieſe Worte: der einzige Claudius Oernhiaͤlmhiſt. Suec. eccleſ. lib. 4. c. 7. n. 78.
p. 572, hat den Namen Julius an ſtat Fulco, der auch den Brief da ganz anfuͤhret. Er zeiger
aber nicht an, woher er ſeine Abſchrift genommen. Auf dieſes einzigen Mannes Anſehen alſo, das
doch bey mir nicht groß iſt, ſteht und faͤlt dieſer Eſthniſche Biſchof Julius.
Landes, ſo viel nemlich zwey Pferde in einem Tage umackern konten. Gewoͤhnlich wirds durch
ganz Liefland und Preuſſen ein Haken genant. Aus den Extractis \& tranſſumtis nonnullorum
vet. privileg. Rigenſ. befindet ſich eine Verordnung de anno 1232: Manſus continet triginta juge-
ra agrorum, quiMorgendicuntur: Jugerum, ager, quadraginta in longum \& decem men-
ſuras virgarum in latum habebit. D. i. ein manſus (Haken Landes) haͤlt dreyſig Morgen
Landes: ein Morgen Landes ſol vierzig Ruthen in der Laͤnge und zehn Ruthen in der Breite
haben.
Dar bet, dort weiter, wird hier deutlich umgeſtoſſen, weil die Sachſen ſich hier nicht gezanket, wo
die Stadt anzulegen ſey, ſondern ſchon ein Schloß Tarbat vor ſich gefunden; welchen Namen es
Zweifels ohne von den Heiden erhalten, wie denn ſelbſt die kleine Provinz den Namen Tarbat
fuͤhrte.
ges Tages Wyburg in Carelen genant. Daß die Finnen und Eſthen ihrem Urſprung und der
Sprache nach nicht viel unterſchieden, iſt ausgemacht, obgleich die erſtern weit etwas aͤlteres und de-
nen Morgenlaͤndiſchen Sprachen aͤhnlichers in ihrer Mundart haben, und auſſer andern Aehnlich-
keiten alle conjugationes von Kal bis Hithpael mit geringer Veraͤnderung des Stamworts durch-
fuͤhren koͤnnen.
Nachtlager, und hier ein Feldlager.
dieſem Gebrauch richten wollen.
ſche Woͤrter, die Finniſche noch mehr, beybehalten.
meggi oder Warenberg, gleich daran ſtoſſen die zwey kleinen Seen, Mochjerwi und Porri-
jerwi.
ſelbſt rechtſchaffene und vernuͤnftige Maͤnner im Pabſtthum gegen die unvernuͤnftige Bekehrungsſucht
und die ungereimten Zwangsmittel ihrer Glaubensgenoſſen geeifert haben. Man ſehe hier artige
Nachrichten nach in Arnolds Kirchenhiſtorie tom. 1. lib. 9. cap. 1. §. 5. 6. 7.
ten, ſo Chriſten abgefordert, und von unſerm Auctor hier und da das Joch des Chriſtenthums ge-
nennet werden. Die hieſigen Bauren brauchen noch jetzo das Wort Kohhus, eine Pflicht, eine Ge-
rechtigkeit von den Abgaben an den Edelhof, oder an den Prediger, welche die Deutſchen die Gerech-
tigkeit heiſſen.
in der Ueberſetzung, da er den Rußin beſchuldiget, als habe er Bertholden von Wenden umbringen
wollen.
mit Buckeln von gleichem Metal, welches die Bauerweiber vor der Bruſt zur Zierrath tragen. Daß
es ein deutſch Wort ſey, weiſen die Sylben, Oeſe und Ring. Oer, iſt noch jetzo eine Schwedi-
ſche Muͤnzſorte. Oeſe und Ring zeigen die runde Forme an. Vielleicht ſind es alte Silberſtuͤcken
geweſen, mit Henkeln oder Oeſen verſehen, die eine halbe Mark am Gewichte gehalten. Das
Bauervolk weibliches Geſchlechts pflegets noch fuͤr ſeinen groͤſten Staat zu halten, wenn es um
den Hals eine Schnure von alten Henkelthalern und andern Schaupfennigen oder angereiheten
Geldſorten tragen kan. Und weil die Liven mit den Fremden Handel getrieben, ſo iſt nicht un-
wahrſcheinlich, daß einige auſſer dem Tauſch der Waaren auch einen andern Werth an Silber dafuͤr
empfangen, weil ſie ihr Geld nicht gezaͤhlet, indem es kein Gepraͤge hatte, ſondern nur gewogen,
bis die Biſchoͤfe Freyheit erhielten, ſelbſt Muͤnzen ſchlagen zu laſſen. Jſt ja gepraͤgtes Geld unter
ihnen im Gange geweſen, ſo war es wol kein anders vermuthlich, als auslaͤndiſches, weil man
kein Erempel hier weiß, daß irgendwo eine alte Muͤnzſorte wo gefunden ſeyn ſolte, welche in ſo
ſpaͤte Zeiten fallen koͤnte.
remanſerant, ſani de caſtro Dabrelis.]
zu entſchuldigen und Rechenſchaft davon zu geben hat. Das Gloſſarium Freheri, ſo dem erſten
Theile der Scriptor. German. angehaͤnget worden, erklaͤret es unrichtig durch ein Beantwortungs-
ſchreiben.
da das Silber noch ungemein rar war, und man damit gar vieles kaufen konte. Vielleicht iſt das
Wort Lispfund aus Liviſch Pfund zuſammen gezogen, und von den dahin handelnden Nationen bey-
behalten worden; da zumal dieſe Sprache ein beſonder Wort Leiſik dazu hat.
der Herzog Karl, waͤren nicht weit von Lincoͤping zu Rotala in Oſtergothland umgebracht wor-
den. Daß aber die Gleichheit der Namen dieſe unaleiche Meynung veranlaſſet, erhellet aus dem,
was beym Jahr 1219. n. 3. vorkomt. Ehe die Stadt Hapſal erbauet worden, fuͤhrte der nordliche Theil
von der Wyck nach dem Roͤtelſchen Landſtriche den Namen Rotalien, der nunmehr bey Aufnahme der
Stadt Hapſal verloſchen und aus dem Gebrauch gekommen. Weil das Alterthum dieſer Stadt nicht
bis in dieſe ſpaͤten Zeiten gehet: ſo kan von ihrer Erbauung nicht eher als im andern Theil Erweh-
nung geſchehen.
maslich aus ad cibaria verfaͤlſchet worden, ſo oͤfter vorkomt.]
in ſelbiger die Stadt Darbet, oder Tarbat lag. Vielleicht daß ein Fluͤßgen in ſelbiger Gegend
den Namen damals gefuͤhret, welche Namen alle aͤlter ſeyn, als die Deutſchen, und alſo nicht von
dieſen ihre Benennung empfaugen haben koͤnnen. Siehe beym Jahr 1210. n. 7.
gibt alſo der Muthmaſſung des Herrn Hofraths Beyfal. [Dieſe Muthmaſſung, die dem Jnhalt
nach richtig iſt, moͤchte wol manchem zu ſehr vom geſchriebenen abzugehen ſcheinen; welches weniger
geſchiehet, wenn Iminauta, priminauta dafuͤr geleſen wird, da der Abſchreiber gar leicht ſich hat ir-
ren koͤnnen.]
vorſinget, und das Chor eben ſo antwortet. Wenn der Meßprieſter langſam ſung, und die Worte
nach der Muſik zog und ausdehnete; das Chor aber nichts antwortete, ſo hieß es tractus. Bey-
des muß von antiphona unterſchieden werden, wo der Prieſter und das Chor wechſelsweiſe ſungen.
officium communicaret.]
Veronienſis heiſſen muß: ſo hat ihm ſolches Gelegenheit zu einer zwar vergeblichen, aber an ſich
doch gelehrten und beleſenen Anmerkung gegeben, welche wir unſern Leſern hier unter e) mitthei-
len wollen.
horam diei primam finitam, umquam interrumpere vellet, ſo auch uͤberſetzt werden kan: daß er
auch ſeine gewoͤhnliche Ordnung, ſo lange zu beten bis die Morgenroͤthe anbrach und die erſte Tages-
ſtunde zu Ende ging, nicht hat unterbrechen wollen u. ſ. w.]
bers nicht auf das leichte Veronia gekommen, als auf welches ſich auch alle Umſtaͤnde paſſen; weil
wir ſonſt aus der Feder dieſes gelehrten Mannes hiervon etwas mehrers zu vernehmen haͤtten, zu
deſſen Abhandlung wir nicht mit den rechten Buͤchern verſehen ſeyn.
berſchemilitantium turba lieſet, und alſo ein Kriegesheer bedeute.
ſeiner 10 Arme und Einfluͤſſe ins Meer, den Namen von der Zahl, und das Reich den Namen vom
Fluſſe erhalten, deſſen Gegend noch jetzo Kuͤmmenegaͤrds-Lehn heiſſet.
reich heiſſe.
dern ſie nur errathen muͤſſen: ſo folget die Lateiniſche Benennung hierbey: Checiacum, caſtrum
nouum und Nouilla.
Liefland
wie hieruͤber (vom Kaiſer) Patente ausgefertiget worden, darin er legatus imperii genennet wird.]
Schiffen eingelaufen, deren jedes groſſe mit 120 Mann, jedes kleine mit 12 Ruderknechten, einem
Kuͤraßirer, und einem Armbruſtirer beſetzt geweſen. Ohnerachtet dieſe eine Armee von 67000 Mann
ausmachen, ſo ſol der Koͤnig doch bey Erblickung der wilden Eſthen ſo verzagt geworden ſeyn, daß
er wieder umkehren wollen. Doch der Biſchof von Aarhus ermunterte ihn wieder, Stand zu hal-
ten, und gab ihm die Verſicherung des Sieges, ſo ferne er ſein Leben beſſern, der gottloſen Koͤnigin
nicht mehr folgen, die biſchoͤflichen Einkuͤnfte nicht beſchneiden, und die Unterthanen mit groſſer
Schatzung belegen wuͤrde. Der Koͤnig verſprach nicht allein dieſes, ſondern gelobte auch, daß jeder
in ſeinem Lande uͤber 12 Jahr alt auf St. Laurentius Abend zum Andenken des erfochtenen Sieges
bey Waſſer und Brod faſten ſolle. Der Erzbiſchof Andreas verrichtete indeſſen ſein Gebet auf einem
Berge, da es ihm wie Moſe erging. Denn ſo lange er ſeine Haͤnde empor hielt, ſiegten die Daͤ-
nen, wenn ſie aber niederſunken, lagen die Eſthen ob, bis ihm die andern Biſchoͤfe die Arme
ſtuͤtzten. Hierauf ſol nach Verluſt ihrer Fahne eine andre vom Himmel gefallen ſeyn; welches Maͤhr-
chen denn ſchon von den Gelehrten ſeine Abfertigung erhalten.
herrn von Wrangeln zuſtehet, an einer ſtehenden See gleiches Namens, die ein und eine halbe Mei-
le lang und einigen Orten auch wol ſo breit iſt.
ſchreibers gerechnet werden.
gemacht. Die Eſthen nennen noch die brummende Baßroͤhre in ihrem Dudelſacke Torro, und
den Diſcant Pil, woraus das zuſammengeſetzte Wort Torropil, eine Sackpfeife herkomt. Die
Oeſeler, welche ein ſolch Jnſtrument gehoͤret, moͤgen ſich wol zum erſten male haben laſſen weis
machen, als waͤre ein Gott darinne, der im Walde gewachſen, weil die dicke Roͤhre des Baſſes von
Holze war. Da aber Tharabita in meinem Manuſcripte ſtehet, auch Kelch und Hiaͤrne ſo ge-
leſen haben, ſo muͤſſen wol die andern Einfaͤlle hier ſchweigen.
gehet, die doch Rotalien ſelbſt beſetzet und dieſen Prieſter daraus fortgeſchaft haben; daher fuͤr mi-
ſerunt etiam fratrem Epiſcopi Rigenſis Salomonem: ohne Zweifel geleſen werden muß,-Epiſcopi,
Rigenſes, die Rigiſchen haben nach Verluſt der Schweden Rotalien wieder in Beſitz zu nehmen
geſucht. Wenn man dieſen Worten trauen kan, ſo iſt dis der 6te Bruder des Biſchof Alberts,
den Herr Gruberad an. 1198 not. a. nicht gewuſt hat, oder vielmehr nicht wiſſen koͤnnen.]
hat geſtanden in malibus, d. i. miniſterialibus ſuis; denn die Rede iſt von den Daͤnen, die den
Bauern das Waſſer mit nach Hauſe gaben; daß alſo der auf dieſe Art getauften Anzahl dem erſten
Prieſter, ſo dieſes veranſtaltet, zugerechnet wird; oder, item alii bis VI millia, oder was vor eine
andere Zahl.]
Namen Miriam.]
aliis;es zogen die Rigiſchen Kaufleute mit andern nach Roͤtel.]
Verumenſe beym Jahre 1227 p. 488 ſetzet: Boritz ein vornehmer Fuͤrſt der Hunnen, welche die
Deutſchen Walwyn nennen, iſt durch die Bruͤder des Predigerordens zum chriſtlichen Glauben
gebracht.
Johann von Tuwen oder Tauhen aus dem Hanſe Paterborn angekommen ſeyn, die ſchon vorher
dem Koͤnig gegen die Hamburger und andre Feinde treue Dienſte geleiſtet hatten. Beſagter Verfaſſer
ſchreibet, man vermeine, der Koͤnig habe um dieſe Zeit den Dom und die Stadt Reval, ingleichen
Narva und Weſenberg theils anlegen, theils beveſtigen laſſen. Auch confirmirte der Koͤnig dem
Ritter und koͤniglichen Rath in Eſthland Herrn Henrich von Lode verſchiedene Lehnsguͤter. Deſ-
ſen Vater Odert von Lode der ſchon 1196 mit Koͤnig Canutus dem 6ten als Ritter ins Land ge-
kommen, und ſeiner tapferen und treuen Dienſte wegen ein anſehnliches Lehn empfangen, iſt der
Stammherr aller noch jetzt lebenden Herrn von Lode, die ſchon uͤber das 16 Glied ausmachen; von
welchem auch der Guſtav von Lode entſproſſen, der als Mannrichter und Rittmeiſter ein kurzes
Mannſcript von Eſth- und Liefland nachgelaſſen.
konten ſie die Zeit noch nicht beſtimmen.
Leſers das uͤbrige mit beybringen. Sein Vater war Bernhard derI, und ſeine Mutter eine An-
verwandtin des Kaiſers Lotharius, Petronella von Arne. Er hatte in ſeiner Jugend den geiſt-
lichen Stand erwaͤhlen muͤſſen, und erhielt auch ein Kanonicat im Stifte Hildesheim, weil ihm
aber ſein aͤlteſter Bruder durch den Tod zur Regirung Platz machte, ſo uͤberredete ihn der Vater den
geiſtlichen Stand niederzulegen. Die Uebermacht ſeiner Feinde, die in ſeinen Laͤndern uͤbel hauſten,
noͤthigte ihn bey Heinrich dem Loͤwen Dienſte zu nehmen, wo ihm ſeiner bekanten Herzhaftigkeit
und Klugheit wegen das Hauptpanier anvertrauet, und der Zuname Achilles und Ulyſſes gegeben
wurde. Henricus Leo erlaubte ihm eine Armee, um ſeine verlornen Laͤnder wieder zu erobern;
weil er ihn inſtaͤndigſt um Beyhuͤlfe erſuchet hatte. Der Graf gab dieſen Soldaten eine ſchimmernde
Ruͤſtung, und ließ ſeinen Unterthanen ihre Pflugſcharen, Spaten und ander Eiſenzeug ſo blank
machen, daß die Feinde, weil ihnen die Armee bey ſcheinender Sonne mit ihren polirten Waffen ſo
in die Augen blitzte, aus Furcht die Flucht ergriffen. Weil es dieſem Graf aber an Veſtungen fehlte,
ſo wandte er ſich wieder an Heinrich den Loͤwen und brachte es auf einem Reichstage dahin, daß
Friede gemacht, und er Freyheit erhielt das heutige Lippſtadt anzulegen. Anno 1156 ging er mit
dem Herzog als deſſen General unter Kaiſer Fridrich dem I in Jtalien zu Felde, hielt im Bisthum
Coͤln auf gut ſoldatiſch haus, und ward Commendante in Haldensleben, wovon er 1180 die Be-
lagerer tapfer wegſchlug; auch das folgende Jahr ein gleiches that, aber doch endlich den Ort mit
Accord uͤbergab. Er ſprung mit des Herzogs Feinden uͤbel um, daher ihm viele gram wurden, und
die benachbarten Biſchoͤfe ihm ſeine Laͤnder aufs neue entriſſen, konte auch in dem Coͤlniſchen Ver-
gleiche nichts mehr als Lippe und Lipperode erhalten, dagegen ihm der Herzog Heinrich die
Herrſchaft Engern und mehr andre Guͤter ſchenkte. Aus Gewiſſensangſt legte er 1190 den Degen
nieder, trente ſich von ſeiner Gemahlin und ging 1210 nach Liefland. Jn ſeiner Jugend machte er
ſich in Thurnieren ein groſſes Anſehen, erhielt auch den Beynamen des Grosmuͤthigen. Er war
dabey gaſtfrey, und ruͤhmet man ihm nach, daß er oͤfters mehr Gaͤſte gehabt, als Stuͤhle fuͤr ſie
zu bekommen geweſen, wobey er ſich mit Muſik brav luſtig gemacht. Andre Geſchichtſchreiber und
Herr P. Kelch ſetzen ſeinen Tod Anno 1220 in der Duͤnemuͤnde, wir finden ihn aber hier 2 Jahr
nachher noch lebendig. Der 23 Jan. wird ihm zum Andenken gefeyert. Seine Gemahlin ſol Graf
Friedrichs des Streitbaren zu Arensberg Tochter, Namens Sophia, geweſen ſeyn. Weil ſeine
Kinder nicht alle bekant ſind, ſo hat Herr Gruber ein altes Document von 244 angebracht, dar-
inne ſein Sohn Gerhard, Erzbiſchof von Bremen, ein Vermaͤchtniß allen ſeinen Bruͤdern und
Schweſtern beſtimmet, und ſeine Mutter nicht Sophia, ſondern Heilwig eine edle Matrone nennet
Die Kinder waren alſo
- 1) Herr Gerhard, Erzbiſchof von Bremen.
- 2) Otto, Biſchof zu Utrecht.
- 3) Bernhard, Biſchof zu Paterborn.
- 4) Dietrich, Probſt zu Deventer.
- 5) Hermann, von Lippia.
- 6) Frau Hethelint, Aebtißin zu Berſe.
- 7) Gerdrut, ‒ ‒ zu Hervorden.
- 8) Conegundis, ‒ ‒ zu Vrekenhorſt.
- 9) Athelheid, ‒ ‒ zu Alten.
- 10) Heilwig, Graͤfin von Kegenhagen.
- 11) Beatrix,‒ ‒ von Lutterberg.
die Bauerweiber der Letten und Eſthen zum Zierath umzuhaͤngen pflegen.
kuͤlla,pagus, eine Dorfſchaft, herzukommen, dem man nachher die Endigung gunde angehaͤnget,
um die ganze Provinz, die man nach dem Hauptdorfe, oder dem Landesaͤlteſten benennet, anzuzei-
gen. So wird es auch in unſerm Verfaſſer oftmals hinten an geſetzet, als Memekulle, Jmme-
kuͤlle, Wanekulle, davon doch die letztere Sylbe le heutiges Tages wegfaͤlt.
machen dieſe beyden Maͤnner mit Gewalt zu Herzogen, und hingegen den Herzog Karl von Oſter-
gothland nur zum koͤniglichen Hauptmann.
das Vorurtheil der gemeinen Sage und der von den Vorfahren empfangenen Berichte ſchwerlich uͤber-
winden
hens und des Alterthums, ob ihr gleich die Ehre der Verwandtſchaft mit dem Biſchof Albert ſtrei-
tig gemacht wird. Vielleicht, daß dieſes alte Haus einmal ſichere Documente vorbringt, die dieſen
gelehrten Muthmaſſungen widerſprechen. Wir liefern hierbey die vom Herrn Hofrath beym Jahr
1198 not. a) angezogene Nummer IX, daraus zugleich die Herkunft des Biſchof Alberts von muͤtterli-
cher Seite zu erſehen iſt, und welche umſtaͤndlich zu erweiſen ſuchet, daß der Biſchof Albert kein Herr
von Buxhoͤveden ſondern von Appeldern geweſen ſey.
§. IX.
Nun iſt noch uͤbrig, daß wir von der Familie des Biſchofs von Liefland, Alberts,
noch einiges beyfuͤgen. Daraus, daß ſein Bruder Johannes von unſerm Chronik-
ſchreiber ein Ritter von Apeldern genant wird, iſt ein unumſtoͤßlicher Schluß zu ma-
chen, daß dieſe Bruͤder nicht buͤrgerlichen Standes oder gemeiner Herkunft, ſondern
aus ritterlichem Geſchlechte geweſen, die ihren Zunamen von dem Dorfe Apeldern er-
halten, welches ſie entweder von ihren Voreltern geerbet, oder ſelbſt bewohnet haben.
Und weil wir ein Dorf dieſes Namens, wo noch heutiges Tages ein adliches Gut zu
ſehen iſt, in der benachbarten Gegend im Schauenburgiſchen, und alſo gleichſam
vor unſern Fuͤſſen finden: ſo wuͤrde vielleicht kaum zum Schein was koͤnnen eingewen-
det werden, wenn man ſaget, dieſe Herren von Apeldern waͤren Schauenburgiſche
Vaſallen geweſen. Doch leugne ich nicht, da ich hiſtoriſche Berichte nicht ohne ſchar-
fe Unterſuchung anzunehmen und nachzuſagen pflege, daß von mir, wenn ichs behaupte,
eines vermiſſet werde, nemlich ein klares Zeugniß, oder eine zuverlaͤßige Urkunde, wor-
aus man ſehen moͤge, daß im Schauenburgiſchen Adliche vormals gelebet, oder
auch noch leben, die von Apeldern oder Apelern geheiſſen. Denn jener Burgemei-
ſter von Stadthagen, des Graf Adolphs Jordan von Apeldern, den die Num.
IIX. h. beygelegte Schrift von Anno 1333 zeiget, duͤrfte vielleicht eben ſo unerweislich
und unrichtig unter die Adelichen gerechnet werden, als die uͤbrigen, welche in ſelbigem
Briefe vorkommen, und noch andere ſeines Standes aus unſerer Stadt, denen zu Ge-
fallen wir das Diploma unten angehaͤnget a). Und hier geſtehe ich gerne, daß ich nicht
fortkomme. Doch mache ich mir Hofnung, meinen Wunſch zu erlangen. Da es aber
auch fehl ſchlagen kan, ſo wollen wir indeſſen aus dem Schauenburgiſchen in die
Nachbarſchaft der Stadt Bremen ſpatzieren, und ſehen, ob Hoͤfe eines gleichen oder ei-
nes aͤhnlichen Namens uͤbrig ſeyn, wo die Ritter von Apeldern etwan ihren Sitz ge-
habt. Fahren wir auf dieſer Reiſe uͤber die Weſer, und durchreiſen die Grafſchaft
Hoya, ſo finden wir ganz hinten an den Grenzen des Amtes Ehrenburg, nach der
Hunte zu, nicht weit von der Stadt Wildeshauſen, die Doͤrfer Apenderden und
Duvenek, die als ein paar Schweſtern nahe beyſammen liegen. Ob nun gleich das
erſte heutiges Tages Abbenthurn heiſſet; ſo nennen es doch die alten Schriften Apen-
derden, welcher Name von Apeldern nicht weit unterſchieden iſt. Hier aber iſt uns
eben dieſe, wo nicht noch groͤſſere Schwierigkeit im Wege. Jndem weder in alten Ur-
kunden noch bey Menſchen Gedenken eine Spur vorhanden, daß Edelleute daſelbſt je-
mals reſidiret, oder davon ihren Namen gefuͤhret. Wir wollen alſo tiefer ins Bremi-
ſche gehen, in die Nachbarſchaft der Herrſchaft Bederkeſen, die ſchon von den aͤlte-
ſten Zeiten her viel vornehme Ritter hervorgebracht. Da komt erſtlich zwiſchen der
Luͤne und Geiſte, bey dem Schloſſe Nukel, deſſen Caſtellane in alten Schriften oft
angefuͤhret werden, das Dorf Bexhaven vor, und etwas druͤber ein Dorf Apelern
genant. Bexhaven iſt zweifelsohne das Bikishovede, davon die Ritter von Bi-
kishovede genant worden, weil ſie Herren dieſes Dorfs waren und daſelbſt ihren Sitz
hatten. Weil nun der Biſchof Albert und ſeine Bruͤder daher ſtammen ſollen, ſo ver-
lohnt ſichs der Muͤhe, die Ritter von Bikishovede, ſo viel ihrer in dieſen 300 Jahren
vorkommen, gleichſam zu uͤberzaͤhlen, und nachzuſehen, ob ihre Namen und Ehrenaͤm-
ter ſo beſchaffen ſeyn, daß ſie mit den Namen und Wuͤrden dieſer 5 Bruͤder (nunmeh-
D d dro
me von Apeldern, den er von dem benachbarten Dorfe Apelern annehmen konte,
mich nicht irren, Alberten und ſeine Bruͤder nach der gemeinen Mode zur Bikishoͤv-
denſchen Familie zu ſchreiben und zu rechnen. Die erſten Ritter dieſes Namens, ſo
viel zu unſerm Vorhaben dienet, die Gebruͤdere Geltmar, Albert und Luder, hat-
ten das Dorf Bekeshovede von der Bremiſchen Kirche zu Lehn erhalten, und in
ſelbigem auf ihre Koſten die erſte Kirche erbauet, welche der Erzbiſchof Sifrid, ein
Sohn Albert des Baͤren, eingeweihet hat. Das Capital der Stiftung hat erſtlich
1202 Sifrids Nachfolger, Hartwich der II, beſtaͤtiget, welches beygehendes Do-
cument b) mit mehrerm beſaget. Anno 1203 den 25 May ſteht unter einem Diploma,
vom Erzbiſchof Hartwich, darinne er den Zehnden in Emceke dem Probſt bey der
Kirche des heiligen Willehad in Bremen beſtaͤtiget, als Zeuge| unterſchrieben:
Henrich von Bekeshovede, Canonicus der Hauptkirche.
Dieſer Heinrich gelangte endlich zur Wuͤrde eines Probſts bey der Hauptkirche in
Bremen, und ſtarb ums Jahr 1241, nachdem er der Kirche eine anſehnliche Stiftung
vermacht. Das Diploma des Erzbiſchof GerhardsII iſt leſenswuͤrdig, wegen Men-
ge und Anſehen der Zeugen, in welchem Jwan (die Alten ſchrieben Unwan) von
Blitterſtorpe derſelbige iſt, welcher am Rande zur Rechten auf unſerer genealogiſchen
Tabelle erſcheinet, ein Sohn nemlich der Gertrudis und Daniels, und ein Bruder
des juͤngern Daniels. Auſſer dieſen vieren lebte zu gleicher Zeit, nemlich Anno 1208,
der fuͤnfte, Johann von Bikishovede. Wir fuͤhren deswegen dieſe Schrift d) ganz
zum Zeugen an, weil ſich daraus ſchlieſſen laͤſt, daß Herren aus dieſer Familie auch am
Biſchoͤflichen Hofe zu Minden hoch am Brete geweſen. Eben dieſer Johann, Rit-
ter von Bikishovede, iſt unter ein Diploma von dieſem Gerhard gezeichnet, in wel-
chem er auf Anſuchen des Probſt Dietrichs den Nonnen von Zevena Anno 1226 Si-
cherheit wegen ihrer Privilegien verſpricht. Ferner werden bey einer Schenkung dieſes
Gerhards an das Kloſter Lilienthal Anno 1232, als Zeugen angefuͤhret geleſen, aus
den Domherren Alexander von Bikishovede; von den Layen: Gottfried, Advocate
von Staden: Dietrich von Haſeldorpe, und Jwan von Blitterſtorpe. Anno
1235, da eben dieſer Gerhard die Kirche in Vilhauſen confirmirte; ſo ſtanden En-
gelbert von Bekeshovede und ſein Bruder Bernhard, Ritter und biſchoͤflicher Be-
amter der Bremiſchen Kirche, als Zeugen dabey. Alſo hat Mushardp. 104 unrecht,
wenn er meldet, dieſe Bruͤder waͤren bey Graf Heinrichen von Hoya und dem Ol-
denburgiſchen Grafen Otto in Dienſten geweſen: deren doch nicht in dem Diploma
gedacht wird. Anno 1245 komt Engelbert wieder allein vor, und in einer andern Ur-
kunde vom ſelben Jahre werden als weltliche Zeugen geleſen: H - - - Edler von
Wiknigerothe, Engelbert von Bikishovede, Alard von Hutha,H - - - -
von Hasbergen. Die in folgenden Zeiten beruͤhmt geweſen, laſſen wir weg, weil ſie
nicht hierher gehoͤren. Nun wollen wir ſo lange ſetzen, daß die von Bikishoveden
auch das nechſte Gut Apelern beſeſſen: geſetzt auch das Uebrige was man
ſetzen ſol; daß man annimt, die von Bikishoveden und Apeldern waͤren
aus einer Familie geweſen, nemlich das Dorf Apelern waͤre in der bruͤderlichen
Theilung einem gewiſſen Ritter von Bikishoveden zugefallen, der davon den Bey-
namen von Apeldern angenommen und auf ſeine Nachkommen gebracht: ſo wird doch
immer die Hauptfrage ſich wieder einfinden, warum bey einer ſo groſſen Wolke Zeugen,
die ſich unter die Bremiſchen, Schauenburgiſchen, Luͤbekiſchen, und andere, ſo-
wol gedruckte als geſchriebene Urkunden unterzeichnet, nicht ein einziger Ritter ſich dar-
ſtellet, der von Apeldern geheiſſen? Da nun hierauf nichts anders erwiedert werden
kan, als daß die Jnhaber des Guts Apelern zwar gemeiniglich Ritter von Apel-
dern geheiſſen, ſich aber nach der Schreibart bey Hofe von dem Hauptgute von Bi-
kishovede geſchrieben, und daher unſere Lieflaͤndiſche Herren unter dem nur vorher
angebrachten Namen der Ritter von Bikishovede verborgen ſtaͤcken: wolan! ſo wol-
len wir die Namen dieſer Bikishoveden und unſerer Lieflaͤnder gegen einander hal-
ten; darunter dann nur 3 mit einander uͤbereinkommen, Albert nemlich, Johann und
Engelbert. Denn Rothmar, Dietrich und Herrmann, (auch Salomon,)
welche
veden nicht zu finden. Nun aber iſt derjenige Albert, der bey Stiftung der Bikis-
hovedenſchen Kapelle vorkomt, nicht der Biſchof Albert von Liefland, weil er an-
dere Bruͤder hatte, nemlich Geltmarn und Luͤdern. Und damit man nicht denke,
Geltmar ſey verſchrieben, fuͤr Rotmar; ſo kan man ſicher meinen Augen trauen, der
ich Geltmars Namen in andern Bremiſchen Urkunden gebraucht geſehen. Johan-
nes aber, Ritter von Bikishovede, welcher Anno 1208 zu Minden und Anno 1226
zu Bremen ſich aufgehalten, iſt der Johannes von Apeldern auch nicht, als der
in dieſen letzten Jahren in Liefland gedienet, und als der vornehmſte Eroberer des
Schloſſes Dorpat, nach dem Exempel ſeines Bruders Dietrich, ohne Zweifel einen
fetten Lohn ſeines Sieges in Ungannien davon getragen, welches ihn in Liefland auf-
gehalten hat. Auch Engelbert von Bikishoveden kan unſers Biſchofs Bruder En-
gelbert nicht ſeyn: weil jener Ritter und Biſchoͤflicher Bedienter bey der Bremiſchen
Kirche, dieſer ein Moͤnch und zuletzt Praͤpoſitus in Riga geweſen: jener lebte bis 1245,
dieſer ſtarb ſchon 1208.
§. X.
Hieraus ſiehet der Leſer, wie wichtig es ſey, in alten Geſchichten nicht in Tag hin-
ein, ſondern mit Vernunft und Wegraͤumung aller Zweifel was gewiſſes zu be-
ſtimmen ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Aus beygehender Tabelle laͤſt ſichs erſehen, wie weitlaͤuftig des Lieflaͤndiſchen Biſchof
Alberts Verwandtſchaft geweſen.
theil Freyherrlichen Familie aufgewartet haͤtten, ſo wenig ſind wir dieſer Dienſte auf unſer Ver-
langen gewuͤrdiget worden. Da inzwiſchen der Herr Hofgerichts-Aſſeſſor von Tieſenhauſen bey
der letztern Lieflaͤndiſchen Adels-Matricul-Commiſſion eine ſehr gruͤndliche Ableitung des Ur-
ſprungs dieſer alten Familie aus Deutſchland, und von deſſelben Flor und Wachsthum in Lief-
und Eſthland, aufzuſetzen geruhet: ſo waͤre zu wuͤnſchen, daß einmal eine geſchickte Feder nobili-
tatem Livoniœ der gelehrten Welt mittheilen moͤchte, weil insbeſondere Auslaͤnder die Zweige des
Lieflaͤndiſchen Adels vermiſſen, der doch ſo wol an Hoheit der Ehrenſtellen, als an Groͤſſe der
Heldenthaten, und Beſitz anſehnlicher Guͤter nicht geringer als der Deutſche iſt, wo nicht manche
angeſehene Familien Deutſchland noch uͤbertreffen. Jn den Gruberiſchen Documenten befindet
ſich eine Stiftung von Anno 1281, in welcher Margareta, eine Gemahlin des Herrn Gottfried von
Tiſenoſſen, zwey Salzpfannen, welche ſie vom Grafen Ludolph von Wunſtorpe in Munder zu
Lehn gehabt, mit deſſen Genehmhaltung dem Nonnenkloſter in Lodhenn zur Rettung ihrer Seele ver-
macht; woraus der Herr Hofrath folgert, daß die Herren von Tieſenhauſen nicht in Pommern, wie
man wol geglaubet hat, ſondern in Engern in Weſtphalen ihr Stamhaus zu ſuchen haben.
Jan. 1227. daß ſie die Glaͤubigen in Lief- und Eſthland nicht beſchweren ſolten, aus Raynald.
annal. eccleſ. tom. 13. P. 337.
daß indebitis zu exactionibus gehoͤre, wie duris grauaminibus; ſonſt iſt der Verſtand dunkel.
ſo ward ſelbige dem Rigiſchen Bisthum unterworfen, nachdem der Pabſt 1245 Petern, Biſchof
von Alba, Wilbelmen, nunmehrigen Biſchof von Sabina, und Johannem, einem Cardinal-
Presbyter, die Sache zu unterſuchen und abzumachen auctoriſiret hatte.
die Vermittelung dieſes Modeneſiſchen Biſchof Wilhelms zwiſchen dem Erzbiſchof, (dieſen Titel
ſcheinet der Geſandte zu fruͤh ertheilet zu haben,) dem Ordensmeiſter und der Stadt, von Anno 1225,
woraus zu ſchlieſſen, daß dieſer Legate nicht eher als mit den Fruͤhlingsſchiffen von 1225 weggegan-
gen, wie §. 1 beym Jahre 1225 ſtehet. Die Beſtaͤtigung davon ertheilte Pabſt AlexanderIIII von
1256, und die andere Beſtaͤtigung uͤberſandte Pabſt HonoriusIIII von 1287. Der Stadt wird
das Gothiſche Recht erklaͤret, ſich nemlich einen Stadtrichter zu erwaͤhlen, doch daß ſie ſelbigen
dem Biſchof vorher zur Beſtaͤtigung vorſtellen, welcher Richter uͤber alle weltliche Sachen ſprechen
ſol. Die Leute des Biſchofs aber und der Bedienten des Biſchofs ſind nicht gehalten, dieſem Rich-
ter ſich zu ſtellen, als nur in Contractſachen, und in Verbrechen, die in der Stadt oder auf dem
Gebiete der Stadt begangen worden. Die Muͤnze ſol der Biſchof praͤgen von Gothiſchem Korn
und Schrot, (bonitatis et ponderis Gothorum,) die Buͤrger ſollen frey ſeyn von der Strafe des
gluͤhenden Eiſens, von Zolgeldern, vom Strandrechte und vom Kampfgerichte.
kleinen Anmerkung werth. Die umſtaͤndliche Nachricht weiſets aus, daß er in Perſon dabey geweſen,
und ihm, als einem einheimiſchen Letten, die Lage des Landes nicht unbekant ſeyn koͤnnen. Dieſer
Zug ging uͤber den groſſen Sund, deſſen Breite 2 Meilen iſt. Geſetzt nun, der Verfaſſer nehme
hier Oeſel im weitlaͤufigen Verſtande, und ſehe die Jnſel Moon als einen Theil davon an, ſo komt
doch noch der kleine Sund, von einer halben Meile, auf dem noch Abentheuer gnug haben vorfallen
koͤnnen; von denen doch der Auctor mit keiner Sylbe gedenkt. Zwar meldet die unten angebrachte
Urkunde, wenn man der zwiefachen Ordnung nachgehen wil, daß zwiſchen Carmel und Wolde ein
Moon gelegen; dabey aber noch die Frage iſt, ob die Erzaͤhlung eben nach der Nachbarſchaft der Oer-
ter, oder nach der Groͤſſe und Fruchtbarkeit der Felder eingerichtet ſey, wie denn das Loos ſelbſt zeiget,
daß es mehr dem Range und der Nothdurft, als dem Gluͤcke nach ausgefallen; da zumal von dem
auf Oeſel gelegenen Schloß Mone keine Spur und kein Andenken uͤbrig iſt. Man kan ſich hier
nicht anders helfen, als entweder einen ſichtlichen Zeugen der Unwiſſenheit beſchuldigen, oder aber zu-
geben, daß die Jnſel Moon, deren Meerenge ſchmal und ſeichte iſt, damals noch mit dem veſten
Lande zuſammen gehangen, und erſt alsdenn durch diejenige Seeerſchuͤtterung abgeriſſen ſey, welche der
beruͤhmten Stadt Wisby ein gutes Theil ihrer Groͤſſe und denen andern Jnſeln an der Oſtſee
Staͤdte und Felder verſchlungen hat; ſo etwan in der erſten Helfte des 14 Jahrhunderts geſchehen
ſeyn duͤrfte: indeſſen iſts dieſer Muthmaſſung nicht entgegen, wenn man auch 2 Schloͤſſer gleiches Na-
mens anuimt, davon das eine vorne an Oeſel, das andre auf der Mitten der Jnſel gelegen.
læderetur, deſubtus clypeum locauit ſub pedibus, ſtansque ſuper clypeum, ſolus pugnauit \&c.
Jſt doch ſo zu verſtehen, daß er in dem Gebaͤude ganz zu oberſt, unter ihm aber die Feinde geweſen; daß
ſie ihn nun nicht von unten hinauf mit ihren Lanzen treffen koͤnten, hat er ſein Schild gleichſam zur
Bodendecke gebraucht und ſich mit dem Degen uͤbrigens gewehret.
Zuſammenhang der Worte Noth litte. Es ſieht freylich gezwungen aus, es wuͤrde aber noch ge-
zwungener heraus kommen, wenn man dieſe Gedanken vollends in dentſche Reime zwingen wolte-
Das Alterthum der Zeit, davon ſolche Stellen einen ſichern Beweiß geben, hat unter Kennern ſol-
cher Schriften ſchon ſeine hinreichende Entſchuldigung.
davon noch uͤbrig; das Wort urbs aber kan unmoͤglich eine Stadt hier bedeuten, weil nicht er-
weißlich, daß die Bauren von Staͤdten was gewuſt, ehe die Deutſchen angekommen, noch vielwe-
niger ein Stein vorhanden, der von deren Zerſtoͤrung ein Denkmal ſeyn koͤnte.
annal. eccl. t. 13. p. 387 einen Vergleich mit den Curen. Jn ſelbigem boten ſich zur Annehmung
des chriſtlichen Glaubens an, erſtlich, der Koͤnig Lammechin, und die Heiden von Curland,
aus den Laͤndern Eſeſtua, nemlich Durpis und Saggara, und zum andern, die Provinzen
Tdargolara, Oſua, Langis, Venelis, Normis, Kiemala, Puͤgawas, Sarnitus, Riwa,
Saceze, Edualia, Aliswanges, Ardus, Aloſtanotachos, wie auch die andern Kylegunden,
oder Dorfſchaften, nemlich die an beyden Seiten der Winda liegen. Es wird darinne mit Ge-
nehmhaltung der rigiſchen Kirche, des Abts von Dunemuͤnde, aller Kaufleute, der Ritter
Chriſti, der Pilger, und Rigiſchen Buͤrgerſchaft ihnen gegen Annehmung der Taufe aller
Schutz zugeſaget, wenn ſie ihrem Biſchof in allem gehorchen und wie alle Einheimiſche von Goth-
land, ihm und ſeinen Praͤlaten ein gewiſſes geben wollen, dafuͤr ſie weder dem Koͤnig von Daͤn-
nemark
dentſche Ueberſetzung wir hier liefern.
Nicolaus, von GOttes Gnaden Biſchof zu Riga, allen Glaͤubigen Chriſti ſo wol kuͤnf-Anno 1231.
tigen als gegenwaͤrtigen eine gluͤckliche Vollendung. Weil die Qvelle des Glaubens
ihre Stroͤme in unterſchiedene Provinzen ergoſſen, und nach Verſpottung der Abgoͤt-
terey den unter den Heiden unbekanten Namen unſers HErrn JEſu Chriſti kund
gemacht: ſo wuͤrde es ſehr ungereimt und unanſtaͤndig ſcheinen, wenn die deſſen be-
raubet werden ſolten, die dieſer Waſſerqvelle mit ſaurer Muͤhe und nicht geringen
Koſten den Zufluß des Troſtes ertheilet. Daher wollen wir Ew. Liebe zu wiſſen
thun, daß wir mit Einſtimmung und Vorwiſſen unſers Kapitels, wie auch auf Rath
der ehrbaren und klugen Pilger, und anderer damals gegenwaͤrtigen von den Laͤndern,
nemlich Oeſel, Curland, Semgallen, auſſer Mederothe und Uppernede nicht,
die nach Abſchied des Herrn Biſchofs von Modena, ſo damals in den Gegenden
Lieflands des apoſtoliſchen Stuhls Geſandter geweſen, fuͤr den HErrn erobert
worden, oder nachher ſollen erobert werden, den 3ten Theil, nebſt allem weltlichen
Rechte und Verpachtung des Kirchenzehnden, denen Buͤrgern in Riga und ihren
Erben beyderley Geſchlechts zum Lehn gegeben; doch dergeſtalt, daß ſie Kirchen ſtif-
ten und uns tuͤchtige Perſonen vorſchlagen, welche von uns die Seelſorge uͤberneh-
men, und die ſo wol als Layen, wie auch als Geiſtliche in Kirchenſachen gehorchen.
Wer aber als Vicebiſchof die Kirchen- und Synodal-Viſitation halten wird, ſol mit
7 Perſonen zu Pferde verſehen werden. Obgedachtes Lehn haben die 12 Burgemei-
ſter im Namen der ganzen Stadt in Empfang genommen, nachdem ſie der Rigi-
ſchen Kirche und uns den Lehnseid geſchworen, daß ſie die Stadt Riga, und alle
Grenzen unſers Bisthums, gegen alles, das Reich ausgenommen, ſchuͤtzen und uns
dieſelbige Treue leiſten, die treue Unterthanen ihren Herren zu halten ſchuldig ſeyn,
und daſſelbe auch in allen Stuͤcken unſern Nachfolgern erfuͤllen. Wenn aber einer
von dieſen zwoͤlfen durch den Tod oder auf andre Art aus der Rathsverſamlung ab-
gehen wuͤrde; ſo iſt deſſen Amtsfolger gehalten, uns eben dieſe Huldigung abzulegen,
und nach vorgeſchriebenem Eidsformular zu ſchweren. Unter andern thun wir dieſen
Unterſcheid dazu, daß von obgeſchaͤtzten Laͤndern, ſo viel zum Bisthum Riga gehoͤ-
ren, alles nach angefuͤhrter Weiſe ſein Bewenden haben ſol. Bey den Bisthuͤ-
mern aber, die noch angeleget werden ſollen, werden wir unſre Vermittelung treulich
fuͤr jetzt beſagte Buͤrger dazwiſchen legen, daß ſie ihr Antheil erhalten, welches ſie
aus den Haͤnden der Biſchoͤfe, die noch ſollen eingeſetzet werden, empfangen. Und
damit nicht die Folge dieſer wohluͤberlegten Handlung vergeſſen, oder ein Zweifel des
Widerſpruchs dagegen gemacht werde: ſo haben wir gegenwaͤrtige Urkunde mit un-
ſerm, und unſerer Kirche, wie auch mit des Hauſes der Bruͤder von der Ritterſchaft
Chriſti Jnſiegeln beveſtiget.
Die Zeugen dieſer Handlung ſeyn:
- Johannes, Probſt,
- Moritz, Prior,
- Heinrich, Kaͤmmerer der Rigiſchen Kirche,
- Jordan, Pfarrer zum heiligen Peter, und derſelben Kirche Canonicus.
- Arnold, unſer Kapellan,
- Der Meiſter Volquin,
- Rudolf von Casle,
- Oerfrid Widikee,
J i iDer,
Kindertage. Einen ſolchen Vergleich machte er auch ſelbiges Jahr mit den heidniſchen Curen
von Bandowe, von Wannen, von diſſeits der Winda, nemlich mit den Dorfſchaften Rende,
Waſa, Galle, Matichule, Wanne, Pyrre, Vgeneſſe, Cadowe, Anzes, Talſe, Arowelle
Pope, und mehrern andern, die gleiche Bedingungen eingehen muſten. Endlich machte der Pabſt
dieſen Balduin 1232 zum Semgalliſchen Biſchof und Geſandten des apoſtoliſchen Stuhls in
Liefland, Gothland, Finnlaud, Eſthland, Semgallen und Curland, gegeben Reate den
28 Jan. im 5ten Jahr ſeiner Regierung.
Hildemar Skoke, Conrad und Volquin von Halle, Pilger,
Walther, Ritter, Thiedrich von Berewich, Johann von Ratzeburg,
Fridrich von Luͤbek, Heinrich, Ertmars Sohn, Rigiſche Buͤrger,
Gegeben im Gnadenjahr 1231 den 9 Auguſt in der 6ten Jndiction, unſers Bisthums
im erſten.
Jn des Herrn D. NettelbladtsRer. Curland. faſcic. I. p. 145. befindet ſich ein Vergleich, den die
Rigiſchen und die Bruͤder der Ritterſchaft mit den Curen ein Jahr vorher getroffen, da ſich die
Curen von Rende, Galewalle, Pidewale, Matekale, Wane, Pure, Ugeſſe, Candowe
und Anſes verbinden, fuͤr ſich und ihre Nachkommen von jedem Haken (Pfluge) jaͤhrlich ein
Schifpfund Rocken, und von jeder Egge ein halbes Schifpfund Rocken zu entrichten, uͤberdem den
Prieſtern, die man je eher je lieber von Riga ohne Geſehrde abholen wolte, die Lebensnothwendig-
keiten zu reichen, und die Taufe, wie auch das Chriſtliche Geſetz von ihnen gehorſam anzunehmen,
doch daß ihre Guͤter, Aecker und Eigenthum ihnen ungekraͤnkt bleiben moͤchte, daneben ihnen gegen
die Feinde Chriſti beyzuſtehen. Als Zeugen haben ſich unterſchrieben:
- Moritz, Prior bey dem Kloſter Unſerer Lieben Frauen in Riga,
- Hedenrich, der Geſchwindſchreiber,
- Heinrich, der Kaͤmmerer,
- Volquin, der Bruͤder Ordensmeiſter,
- Rudoph von Caſſele,
- Gerefried Wirdik,
- Mariaͤward von Thuͤringen,
Von Rathmaͤnnern: Werner, Triderich von Wenden, Albert, Utnord, Wol-
derich.
Pilger: Juſtav von Dut, Alerander von Vechte, Thomas von Hunefelde,
Dodo von Travenemine.
Luͤbiſche Buͤrger: Marquard von Hagen, Sifrid von Hoſenberge, Heinrich
Clenebur und mehr andere.
Geſchehen oͤffentlich in Riga, im Jahr nach der Menſchwerdung unſers HErrn
1230.
Der um alte und ſichere Abſchriften ruͤhmlich bemuͤhte Herr Bernhard von Huikelhaven in Riga,
hat unter manchen andern artigen Documenten, die aber noch nicht hierher gehoͤren, auch einige
Nachricht von dieſem Vertrag aus einer glaubwuͤrdigen Urkunde abnehmen, und ſie uns uͤberſchicken
wollen, deren Auszug hierbey erfolget.
Anno 1226 hat der paͤbſtliche Legate, Herr Wilhelm, Biſchof von Modena, den
11 April einen Beſcheid gemacht, daß die bisher noch nicht zum Rigiſchen Kirchenge-
horſam gebrachten Laͤnder in drey gleiche Theile getheilet werden ſollen. Ein Theil ward
dem biſchoͤflichen Stuhl, das andere dem Schwerdtbruͤderorden, das dritte den Buͤr-
gern zu Riga angewieſen; doch mit der Bedingung, daß dieſe 3 Parten unter 3 Fah-
nen zu Felde ziehen, und die Laͤnder erobern ſolten. Wie nun nach erhaltenem Siege
das buͤrgerliche Antheil zu knap zugeſchnitten worden, ſo hat zu ihrer Befriedigung der
Biſchof Nicolaus obgeſetztes Jnſtrument errichtet. Nachgehends iſt mit der Stadt
ein noch beſonderer Vergleich unterm 1 Merz Anno 1232 getroffen, welcher eine meh-
rere Beſtaͤtigung des erſtern enthaͤlt.
Der Biſchof von Semgallen, nemlich Balduinus, der erſt als paͤbſtlicher Ge-
ſandter ins Land kam, hernach den Biſchofshut davon trug, hat Anno 1234 den ‒ ‒ Iduſ
Maj. ſich mit der Stadt Riga ſo verglichen, daß er 70 Buͤrger, jeden auf 25 Haken,
zu Vaſallen angenommen, worauf die Stadt ſich ihres Anſpruchs auf Semgallen
begeben.
Daſſelbige Jahr nahm beſagter Biſchof noch 56 Buͤrger, jeden auf 20 Haken Lan-
des, zu Vaſallen in Curland an, nemlich auf ein Drittel diſſeits der Windau, und
ein Sechſtel jenſeit bemeldeten Fluſſes.
Gleichfals ward von dem Biſchof Nicolaus, dem Ordensmeiſter Volquin und
der Stadt Riga die Jnſel und das Land Oeſel in 3 gleiche Theile folgender geſtalt
getheilet, davon wir erſt das Lateiniſche und hernach die Ueberſetzung liefern. Da-
bey mans dem Buchdrucker fuͤr keinen Fehler anrechnen muß, wenn die alten Abſchrif-
ten einige Buchſtaben weniger, als die Grammatik, haben.
Una
finde in den tranſumtis und extractis nonnull, veter. priuil. Rig. vom 20. Dec. 1234 nicht nur
die ſchon angefuͤhrte Theilung von Oeſel, ſondern auch von 1238 eine von ihm an die Herren Buͤr-
germeiſter von Riga ertheilte Freyheit, die bisher gebrauchten Gottlaͤndiſchen Rechte zu verbeſſern,
wie es GOtt zu Ehren und der Stadt zum Nutzen gereiche. Es iſt ſogar noch eine Urkunde von
1240, beſtaͤtiget von 1244, zweymal in ſelbigem Jahre von dieſem Biſchof vorhanden, darinne Ni-
colaus der Buͤrgerſchaft in Riga verbietet, bey Strafe des Bannes, daß keiner ſein innerhalb der
Stadtmauer gelegenes Haus und Hof an einen Orden oder an ein Gotteshaus verkaufe oder ver-
ſchenke, damit dieſe Freyſtadt keinen Mangel an gewiſſen Einwohnern litte, die zur Zeit des Hun-
gers oder Krieges der Stadt mit Rath und That helfen und ſie beſchuͤtzen koͤnten. Wolte aber je-
mand ſein Haus veraͤuſſern, ſolte ers einer weltlichen Perſon kaͤuflich uͤberlaſſen, oder, wenn es ja
dem Ordern vermacht wuͤrde, ſolle es innerhalb Jahr und Tag verkaufet werden. Verkauft ers
nicht, ſo ſol es der Magiſtrat, ſo hoch es heraus zu bringen ſtehet, los ſchlogen, und das Geld dem
Orden auszahlen, an welchen das Haus verſchenket worden. Bey Strafe des Bannes. Unter
den Gruberiſchen Documenten befinden ſich einige, die dieſer Sache weiter Licht geben, die aber
noch nicht dieſe Zeiten beruͤhren, ſondern aufs folgende verſparet werden muͤſſen.
merari in villis quæ proxime ſunt Suorve.
Altera pars erit Horeli Moni, de trecenti unci, de Kyligundi, qui incipient
numerari, ubi prædicti centum unci fuerunt terminati.
Tertia pars erit Waldele de ducenti unci reſidui de Kyligundi. Si vero quingen-
tis uncis inter Waldele et Horele diſtribuendis aliqui ſuperfuerint, inter eosdem
ſecundo diſtribuentur juxta priorem proportionem; ſi autem defuerint ſecundum
eandem proportionem utique ſubtrahentur \&c.
Hac diuiſione facta, conuenimus in hoc, ut partes ſic diſtinctæ ſorte partibus
aſſignentur, ut omnis ſuſpicionis ſcrupulus et occaſio tolleretur.
Miſſa itaque ſorte, nobis, videlicet:
Epiſcopo Rigenſi ceſſit Wilsdeck (Walde), cum pertinentiis ſuis, ſecundum
quod præſcriptum eſt.
Fratribus Militiæ Chriſti, Horile Mone cum pertinentiis ſuis.
Ciuibus Rigenſibus Carmeli Suorwe cum attinentiis ſuis.
Datum in Riga. Anno Domini 1234 d. 13 Cal. Jan. ſub quatuor ſigillis.
Das iſt:
Ein Theil ſol Carmele Sworwe von 100 Haken aus ſelbiger Provinz ſeyn, die
man von den Dorfſchaften zu zaͤhlen anfangen ſol, die zunaͤchſt am Sworwiſchen liegen.
Der andere Theil ſol Horeli Mone ſeyn, von 300 Haken ſelbiger Provinz, die
man da zu rechnen anfangen ſol, wo vorerwehnte 100 Haken zu Ende gehen.
Der dritte Theil ſol Waldele ſeyn, von den uͤbrigen 200 Haken in der Provinz-
Solte aber nach Vertheilung der 500 Haken zwiſchen Waldele und Horele einige
uͤbrig bleiben; ſo ſollen ſelbige unter ſie zum andern male nach erſterem Verhaͤltniß ge-
theilet werden: wuͤrden hingegen einige fehlen; ſo ſollen nach demſelben Verhaͤltniß
dieſe allerdings abgerechnet werden ꝛc.
Nach dieſer getroffenen Eintheilung machten wir unter uns aus, daß die ſo bezeich-
neten Theile denen Parten durchs Loos angewieſen werden ſolten, damit alle Gelegenheit
und Veranlaſſung zum Verdacht wegfiele.
Wir wurfen alſo das Loos, und fiel demnach uns zu, nemlich:
Dem Biſchof von Riga, Wilsdeck (Wolde) mit ſeinen Zubehoͤrigen.
Den Bruͤdern der Ritterſchaft Chriſti, Horile Mone mit ſeinem Zubehoͤr.
Den Buͤrgern von Riga, Carmeli Sworwe mit ſeinem Zubehoͤr.
Gegeben in Riga, im Jahr unſers Herrn 1234 den 20 Dec. unter 4 Jnſiegeln.
Aus dieſer Urkunde erhellet ein Doppeltes. Einmal, daß damals nur das Landiſche nicht aber
Schworbiſche von Oeſel erobert geweſen. Zum andern, daß die Karte des Johannis Portan-
tius, die Ortelius wieder abſtechen laſſen, nicht unrecht habe, wenn ſie Moon zu einem Schloſſe auf der
Jnſel Oeſel macht. Daß aber dieſes die Jnſel Moon nicht geweſen, erklaͤren die Worte, daß ſich das
Mooniſche da angefangen, wo das Carmeliſche zu Ende gehet, und ehe man ins Woldiſche komt.
Anno 1234, den 26 Merz (oder wie es anderwerts heiſſet, den 7 April,) uͤberließ die
Stadt Riga die Helfte ihres dritten Theils auf Oeſel dem Modeneſiſchen Biſchof
Wilhelm, als paͤbſtlichen Legaten in Liefland, in der Dunemuͤnde auf Lebens-
zeit, mit der Clauſel, daß dieſe Ceßion als nicht geſchehen angeſehen werden
ſolte, daferne der Stadt von Seiten des Oeſelſchen Biſchofs einige Beſchwerde des-
wegen widerfahren wuͤrde.
ſti vom Pabſt Gregorius dem IX aus dem Lateran unterm 21 Febr. 1234 ertheilet worden.
Weil uͤberhaupt die Begebenheiten nach Alberts Tode; zumal die Verbindung der Schwerdtbruͤder
mit dem Deutſchen Orden, einer volſtaͤndigen Ausfuͤhrung werth ſind, und dieſe Materien in den
andern Theil dieſes Werks nothwendig einſchlagen: ſo bitten wir die Leſer um Geduld und Gewogen-
heit, dieſes Werk einer geneigten Aufnahme und Befoͤrderung zu wuͤrdigen; fuͤr uns aber die Er-
laubniß, den erſten Theil hiermit zu endigen.
tig, und ob er aus adlicher oder buͤrgerlicher Familie geweſen, iſt unbekant. Denn
die Alten melden nichts davon, und ſelbſt die Neuern, wie es doch ſonſt meiſtentheils ge-
ſchiehet, bringen hier weder einige Muthmaſſungen noch Fabeln an: ſo gewiß ein ſelten
Exempel ihrer Behutſamkeit iſt.
Das eine lag im Erzbisthum Coͤlln an dem Siegflus, davon es die Benennung hat.
Das andere im Bremiſchen Stifte jenſeit der Elbe, unten am Schloſſe Sigeberg
in Wagrien. Jenes erbauete der Erzbiſchof von Coͤlln Anno, zur Zeit Kaiſer
Heinrichs des 4ten, und ſetzte aus dem Kloſter Frudelle, im Gebiet Canaveſe, zum
Bisthum Jvrea gehoͤrig, (worinne vormals der Koͤnig Ardoinus ſein Alter zuge-
bracht,) Benedictinermoͤnche dahin, und zwar ſolche, die eine ſtrengere Ordensregel
beobachteten, als die andern damals in Deutſchland zu haben ſchienen. Siehe Lam-
berten von Schafnaburg beym Jahr 1075 und beym Jahre 1070 zu Ende. Des
Hn. Martene Collect. ampliſſ. tom. I. p. 978. Dieſes ward nach Erbauung des Schloſ-
ſes Sigeberg auf einem Berge, ſonſt der Aelberg genant, auf Koſten des Kaiſers
Lotharius aufgebauet, der den Vicelinus daruͤber ſetzte, welcher kurz vorher das
benachbarte neue Kloſter nach der Regel des heil. Auguſtinus angeleget, nach der auch
A 2das
[4]Geſchichte des erſten Biſchofs Meinhards,
1186das Sigebergiſche Kloſter ſeine Verfaſſung bekam; wie auſſer der Hollſteiniſchen
Chronik beym Herrn von Leibniz S. 22. und Alberten von Stade beym Jahre 1134
am Ende, auch die Stiftungsbriefe des Kaiſers Lotharius erweiſen, die Heinrich
Muͤhlius in der Hiſtorie des Kloſters Bordisholm S. 544, 546 aus dem kaiſerl. Hand-
ſchreiben, ſeiner Auſſage nach, am erſten in Druck gegeben. Denn das Sigebergi-
ſche (diploma) hatte ſchon der aͤltere Meibom abdrucken laſſen, in den Anmerkungen
zu Lerbeks Schauenburgiſcher Chronik, Scriptor. tom. I. p. 524. und Bangert
in den Anmerkungen zu dem Chron. Slauor. l. 1. c. 53. not. c). Aus welchen von bey-
den Kloͤſtern dieſer Meinhard geweſen, wuͤrde eine kuͤtzliche Frage ſeyn, wo ihn nicht
unſer Auctor einen Prieſter des heil. Auguſtinerordens nente, und weiter bezeugete,
daß von ihm das erſte Collegium der Geiſtlichen in Liefland, woraus nach und nach
die Biſchoͤfliche Kirche in Riga erwachſen, nach der Ordensregel des heil. Augu-
ſtinus angeordnet worden ſey. Denn hieraus erhellet, daß er aus dem Hollſteini-
ſchen Kloſter Sigeberg gekommen, und daß der Ruhm der erſten Ausbreitung des
Chriſtenthums in Liefland denen regulairen Auguſtinerordensbruͤdern, insbeſondere
denen zu Sigeberg in Hollſtein unter dem Bisthum Bremen, oder beſſer, Luͤbek,
zugeſtanden werden muͤſſe. Denn ob ſchon zur Zeit der Stiftung des Kloſters Sige-
berg noch kein Bisthum in Luͤbek war, und deswegen Vicelinus, der erſte Probſt
daſelbſt, unmittelbar unter dem Erzbiſchof von Bremen ſtand; ſo iſt doch dieſes Klo-
ſter nicht lange nachher zum Bisthum Luͤbek geſchlagen worden, als Vicelinus ſelbſt
zum erſten Biſchof bey dem wieder neu angelegten Dom in Oldenburg gemacht ward,
den Heinrich der Loͤwe nachgehends nach Luͤbek verlegte. Daher, deucht mir, mags
gekommen ſeyn, daß die Auslaͤnder dieſen Meinhard einen Luͤbeckiſchen Prieſter
nennen, den unſer Auctor fuͤr einen Prieſter aus dem Kloſter Sigeberg ausgiebt. Wie
des Anſelmus Chronicon zum Exempel thut, ſo bey dem Sigebertus Gemblacenſis in
Piſtor. Scriptor. German. tom. I. p. 995. der neueſten Auflage, angehaͤngt iſt; ingleichen
Alexander Guagninus Chronograph. Polon. p. 64. der Meinharden einen in der Stadt
Luͤbek wegen Froͤmmigkeit und Heiligkeit des Lebens angeſehenen Mann nennet.
den von der, da die deutſchen Kaufleute angefangen den Lieflaͤndiſchen Meerbuſen
zu beſuchen, und auf der Duͤne zu ſchiffen. Die letztere wird daher gewiß, weil un-
ſer Auctor beym Jahr 1224 behauptet n. 9. daß damals ſchon 67 Jahr verfloſſen, ſeit
dem der Lieflaͤndiſche Hafen von den Kaufleuten entdecket worden. Denn wenn man
dieſe 67 Jahr von Anno 1224 abziehet, ſo faͤlt der Kaufleute erſte Ankunft in Liefland
in das Jahr 1157 oder 1158; welches ich doch nur von dem Hafen oder der Muͤndung der
Duͤne will verſtanden wiſſen, weil Adamus Bremenſis l. 2. c. 13. und von der Lage
Daͤnnemarksn. 75. 76. 77. ſchon allein erweiſen kan, daß die Deutſchen lange vor-
her nach Samland in Preuſſen, nach Curland, ja nach Eſthland und Jnger-
manland gefahren. Die erſtere Zeit, da nemlich Meinhard anfaͤnglich fuͤr ſich und
aus eignem Triebe mit Kaufleuten nach Luͤbek gegangen, und unter den Liven den
Samen des goͤttlichen Worts auszuſtreuen angefangen, iſt ganz ungewiß, und kan we-
der aus unſerm noch einem andern alten und glaubwuͤrdigen Schriftſteller, die wenig-
ſtens bekant ſind, ſicher beſtimmet und auſſer allen Zweifel geſetzet werden. Jch ſtehe
bey mir an, ob ich das Jahr 1170 oder 1186 annehme. Jener Jahrzahl kommen einiger-
maſſen zu ſtatten, theils die Worte unſers Verfaſſers: Kurze Zeit vorher; theils ei-
ne Sage unter der Nation, welche uns, obgleich nicht lauter, Balthaſar Ruſſov.
Chron. Liv. part. 1. f. 3. ſcheinet aufbehalten zu haben, wenn man nur nicht, wie er,
den Anfang des Bisthums Meinhards von demſelben Jahre an rechnet, wie auch
Bangert thut uͤber das Chronic. Slav. lib. 7. c. 8. wo er deswegen vorgiebt, Mein-
hard habe der neuen Kirche 23 Jahr als Biſchof vorgeſtanden; welches doch unrichtig
iſt. Die Jahrzahl 1186 aber anzunehmen, moͤchte uns wol rathen, theils Mein-
hards hohes Alter, theils die Lebenszeit des Koͤnigs Wlodimir von Polocz, die weit
ins folgende Jahrhundert hineingehet; theils auch nicht nur Cranzens Anſehn, der
Vandal. lib. 6. c. 9. dieſes in die letzten Zeiten Kaiſer Fridrichs des 1ſten bringet,
ſondern auch und zwar hauptſaͤchlich die Anſelmiſche Chronik beym Piſtor.l. c. wel-
che den Anfang ſeiner Predigt in dieſes Jahr ſetzet, und das Biſchofsamt Meinhards
in die folgenden Jahre weiter hinaus ſetzet. Denn ſo lieſet man daſelbſt beym Jahre 1186:
„Die Liven fiengen an Chriſtum zu erkennen, durch die Predigt Meinhards, eines
„Luͤbeckiſchen Prieſters; der nachher zum (erſten) Lieflaͤndiſchen Biſchof verordnet
„worden.„ Ja unten beym Jahre 1224 n. 1. ſagt unſer Schriftſteller, die Liven haͤt-
ten damals eine ſolche Ruhe genoſſen, dergleichen ſie faſt ſeit 40 Jahren ſo algemein
nicht
[5]von 1184 bis 1196.
nicht gehabt; weil die Litthauer und andre Nationen ſo wol vor der Verkuͤndigung1186
des Wortes GOttes in Liefland, als nach ihrer (der Liven) Taufe ſie niemals zu-
frieden gelaſſen. Er zeiget mit dieſen Worten an, daß der Anfang dieſer Beunruhi-
gung in die Zeiten gefallen, die vor der Predigt des goͤttlichen Worts vorhergegangen,
und dennoch in das Jahr 1184. Woraus man ſchlieſſen kan, Meinhard habe vor
dieſem Jahre Liefland nicht betreten. Setzen wir nun mit Anſelmen deſſen erſte An-
kunft in das Jahr 1186, ſo haben wir von dem Jahre 1184 an, bis auf das Jahr 1224
einen Zeitlauf von 40 Jahren, davon ein Theil, nach der Meinung unſers Schriftſtellers,
vor der Zeit vorhergehet, ehe das Wort GOttes in Liefland geprediget worden.
mer und Hamburger, zur Zeit Meinhards Liefland befahren haben. Was aber die
fuͤr Landsleute eigentlich geweſen, ſo zu erſt auf der Muͤndung der Duͤne angelanget, iſt
noch nichtausgemacht. Bangert entſcheidet die Sache an angef. Ort fuͤr ſeine Luͤbecker,
und beſchuldiget die eines Jrthums, welche dieſe beſondre Ehre den Bremern beylegen,
wie fuͤrnemlich der angefuͤhrte Ruſſov thut. Den Urſprung dieſes Jrthums meint
Bangert in der Unwiſſenheit der Gegenden zu finden, worin die notwendig muͤſten ge-
ſtanden haben, welche, da ſie gehoͤret, daß die Biſchoͤfe von Luͤbek unter dem Erz-
biſchof von Bremen geſtanden, auch die Ehre des entdeckten und zuerſt beſuchten Lief-
landes eben dieſen Kaufleuten und Landsleuten dieſes Erzbiſchofs zugeſchrieben haben.
Es komt ihm auch nicht warſcheinlich vor, daß die Bremer um daſige Zeit die Oſtſee
der Handlung halber beſchiffet haͤtten. Hartknoch uͤber des Duisburgs Preußiſche
Chronik part. 3. c. 28. nimt die Meinung dieſes Mannes nicht allein an, ſondern bekraͤf-
tiget und ſchmuͤcket noch der andern ihre Hiſtoͤrchen von Meinharden ſehr aus, als, daß
er von dem Pabſt JnnocentiusII. zum Biſchof gemacht, und der Orden der Schwert-
bruͤder vom Pabſt AlexanderIII. geſtiftet worden ſey. Allein Bangerten widerleget un-
ſer Auctor bey dem Jahr 1224 n. 9. wenn er mit deutlichen Worten bejahet, daß der Lief-
laͤndiſche Hafen von den Bremiſchen Kaufleuten zuerſt entdecket worden. Fuͤrs
andre, ſehe ich nicht, wie unſer Verfaſſer oder auch Ruſſov aus Unwiſſenheit in den
Oertern fehlen, oder dieſer Fehler der hiſtoriſchen Wahrheit Eintrag thun koͤnnen; da
doch daraus nicht einmal folget, weil einige Meinharden einen Luͤbeckiſchen Prie-
ſter heiſſen, daß die Luͤbeckiſchen Kaufleute fuͤr die erſten Erfinder der Schiffart nach
Liefland gehalten werden muͤſten. Hierzu komt noch, daß damals, wie der Lief-
laͤndiſche Hafen von den Bremern ſoll erfunden worden ſeyn, Luͤbek gleichſam noch
in der Wiege gelegen, und auch nachher bey ſeinem Anwachs ohne die Bremer nicht auf
der See gefahren Anno 1190, (ſiehe Albert. Stadenſ. bey dieſem Jahre,) in welchem
Jahre es zugleich mit dieſen bey Acra Gelegenheit und einen gluͤcklichen Anfang zur
Stiftung des deutſchen Ordens veranlaſſet, wie Peter von Duisburg bezeuget,
Preußiſcher Chronike part. 1. c. 1. welches auch Bangert ſelbſt nicht in Abrede iſt ad
Chron. Slav. libr. 3. c. 36. not. b). Man brauchte auch in dieſen alten Zeiten, wenn
man auf der Oſtſee fahren wolte, nicht eben von Luͤbek oder Travemuͤnde auszu-
laufen. Denn ganz anders beſchreibet Adamus Bremenſis lib. 2. c. 13. die Einrichtung
dieſer Reiſe: Der Weg (nach Semland) gehet ſo, daß man von Hamburg oder
von der Elbe ab in 8 Tagen zu Lande nach der Stadt Julin kommen kan.
Denn wenn man uͤber See und zu Schiffe gehet, von Sliaswig oder Olden-
burg ab, nach Jumin: ſo kan man in 43 Tagen, wenn man gerade von die-
ſer Stadt abſegelt, in Rußiſch Oſtragard ſeyn. Und von der Lage Daͤnne-
marks ſchreibt er n. 74: Schleswig liegt an einem Arm der fremden See, wel-
cher die Slia (Schley) genant wird, daher die Stadt den Namen fuͤhret.
Aus dieſem Hafen pflegen Schiffe auszufahren nach Schalauen (Slauaniam),
oder nach Schweden, oder Semland, ja gar bis nach Griechenland, das iſt,
Rußland.
Doch iſt Luͤbek nicht lange nachher der Haupthafen und die Stapelſtadt der Oſtſee
geworden, indem der Bayern und Sachſen Herzog, Heinrich der Loͤwe, ſich die
Sache recht angelegen ſeyn ließ, welcher auch den Kaufleuten von Wisby aus Goth-
land Anno 1163 herliche Privilegien ertheilte, damit ſie uns (ſo ſchreibt Adamus Bre-
menſis,) und unſer Land vor andern mehr lieben, und unſern Hafen in Luͤbek
fleißiger beſuchen moͤchten. Den Freiheitsbrief hat Lambecius Orig. Hamburg.
l. 2. in der Beilage der Documenten, und aus ihm der groſſe LeibnizScriptor. Brun-
ſuic. tom. 3. in der Einleitung p. 29. beygebracht. Von dieſer Zeit an pflegten die
Deutſchen von Luͤbek abzufahren und zu Wisby ihr Gewerbe zu treiben, ſo wie die
Kaufleute aus Norden zu Luͤbek. Daher da ArnoldChron. Slau. l. 7. c. 9. n. 5.
Bbezeu-
[6]Geſchichte des erſten Biſchof Meinhards,
1186bezeuget, daß die Kriegesmacht des andern Biſchofs in Liefland, Bertolds, zu Luͤ-
bek angeworben worden, und von da nach Liefland geſegelt ſey; ſo mag ich dem nicht
widerſprechen, was Cranzen beliebet Vandal. l. 6. c. 10. daß auch Meinhard von
Luͤbek abgefahren, als er nach Liefland geſchiffet; obgleich das deutliche Zeugniß un-
ſers Auctors im Wege ſtehet, daß dem Bangert wegen des Lieflaͤndiſchen Hafens
nicht beypflichten kan, als ob die Luͤbeckiſchen Kaufleute ihn zu erſt und vor allen an-
dern befahren haben ſolten.
len, die Samogeten zu Nachbaren, welche Kadlubko hiſt. Polon. l. 4. c. 19. ſchlecht-
weg Geten nennet; gegen Mittag die Litthauer, welche unſer Auctor oft Lettones
benamet, und ſie von den Lettis, die Einwohner Lieflands waren, unterſcheidet; ge-
gen Morgen aber die Pleskoviſchen Ruſſen; die auch damals ſchon dem Chriſtli-
chen Glauben und den Gebraͤuchen der griechiſchen Kirche zugethan waren. Die er-
ſte Erwehnung dieſes Volks komt beym Ptolemaͤus vor l. 2. c. 11. da er die Guten
und Levonen unter die Einwohner Scandiens zaͤhlet. Siehe Ortelii Nomenclat.
Ptolemaic. p. 15. Olaus Hermelin, der anfaͤnglich auf der Akademie in Doͤrpt,
hernach bey Hofe und im Felde in den wichtigſten Bedienungen geſtanden, hat verſucht,
den Urſprung und die Geſchichte dieſer Nation in einer akademiſchen Abhandlung von
dem Urſprung der Liven zu unterſuchen. Dieſer Woldemarus, welchen unſer
Verfaſſer Koͤnig von Ploſceke nennet, heiſt bey den Ruſſen Wlodomir, und hat
nicht uͤber die von Pleskaw, ſondern uͤber die von Polocz an der Duͤne geherſchet,
(Siehe bey dem Jahr 1211 n. 2.) welche heutiges Tages das Litthauiſche Palatinat
ausmachen, ſo ehemals unter den Ruſſen geſtanden, auch noch jetzo von Ruſſen
bewohnet wird. Demnach haben die Daͤniſchen Geſchichtſchreiber Unrecht, denen
Ioh. Iſaac Pontanus rer. Dan. lib. 6. p. 290. gefolget iſt, wenn er ſchreibet: Walde-
marusI. Koͤnig in Daͤnnemark, habe Liefland zu der Zeit beſeſſen, und Mein-
hard habe auf deſſen Verguͤnſtigung bey dem Ufer des Rubo (der Duͤne) eine Kapelle
erbauet, auch ſchon damals angefangen den Samen des goͤttlichen Worts auszuſtreuen.
Daß dieſes aber auf den Rußiſchen Koͤnig Wlodomir muͤſſe gedeutet werden, lehret
unſer Chronikſchreiber, und Pontanus haͤtte ſich nur duͤrfen von Arnold. Lubec.
lib. 7. c. 9. n. 10. belehren laſſen. Es iſt wenig bekant, ob die Lieflaͤnder vermoͤge
eines Vergleichs, oder kraft des Unterwerfungsgeſetzes den Ruſſen Tribut entrichtet.
So viel erhellet aus unſerm Auctor, und Arnold leugnet es auch nicht an angefuͤhr-
tem Orte, daß die Chriſtlichen Liven durch Weigerung dieſes Tributs manchmal die
Ruſſen gegen ſich in Harniſch gebracht. Meinhard iſt beſcheiden. Er will mit den
Liven nichts zu thun haben ohne Erlaubniß des Oberherrn. Denn wir leſen nirgends,
daß die Liven einen gewiſſen Fuͤrſten oder ein Oberhaupt aus ihrer Nation gehabt haͤt-
ten. Die Aermern muſten den Reichern Gehorſam leiſten, die unſer Auctor die Aelte-
ſten (Seniores et Maiores natu) tituliret, niemals Edle, Fuͤrſten oder Koͤnige:
weil ihre Mutterſprache kein dergleichen Ehrenwort hat, und ſie das Wort Kaͤnings und
Kunninges aus der deutſchen Sprache entlehnet haben.
Kirchholm, worin Meinhard nicht nur eine Kirche erbauet, ſondern auch eine
Geſelſchaft von Auguſtinermoͤnchen errichtet, welche gleichſam ein Capitul vorſtellen
ſolten, wenn er ſelbſt zum Biſchof wuͤrde gemacht ſeyn. Jn dieſem Orte iſt erſt Mein-
hard, und nachher Bertold beerdiget. Der darauf folgende dritte Biſchof Albert
hat dieſes Capitul nach Riga verlegt, das er erbauet, und den biſchoͤflichen Sitz da-
ſelbſt beveſtiget, welcher vorher zu Ykeskola geweſen. Siehe beym Jahr 1201 n. 3. 4.
Daher werden alle Lieflaͤndiſche Schriftſteller widerleget, welche melden, die erſte
Kirche ſey zu Kirchholm, oder in Dalen, oder wie Pontanusl. c. ſetzet, an dem
Orte, wo nun Riga ſtehet, auferbauet worden.
nald in ſeinen Jahrbuͤchern lieſet manchmal Lectouia und Luctouia, wann er ihr Land
anzeigen will. Das beweiſet, wie auch in den paͤbſtlichen Regeſten die Namen wenig
bekanter Voͤlker von den Schreibern ſehr verſtellet ſeyn. Die Geſchichte dieſes Volks,
die Matthias Stryikowsky Oſoſtewiz, ein Domherr in Samogitien, in polni-
ſcher Sprache beſchrieben, hat uns der Jeſuite Albertus Wuͤuk Kojalowicz ins
Lateiniſche uͤberſetzet, die wir aber nichtsdeſtoweniger nicht ſonderlich nutzen koͤnnen,
weil ſie in den Begebenheiten dieſer Zeit mangelhaft, und faſt gar kein Licht zu geben
vermoͤgend iſt.
der Einwohner Haͤuſer ſollen auch jetzo noch nur aus Balken zuſammen gefuͤget, und da-
her leicht von ihrem Ort zu bewegen ſeyn.
vielleicht am Rande geſtanden, und durch Dumheit des Abſchreibers in den Text gera-
then. Zu welcher Meinung nicht nur deswegen veranlaſſet werde, weil ſie uͤberfluͤßig
ſind, indem ein noch ſo ſchlaͤfriger. Leſer gnugſam ſiehet, von welchen Schloͤſſern die
Rede ſey; ſondern auch hauptſaͤchlich deshalben, daß der Gebrauch des Worts Uxkul
in die neuern Zeiten faͤllt, und unſer Verfaſſer nichts davon gewuſt, als der uͤberall das
Wort Ykeskola gebrauchet.
dination, noch die Jahre des Amts, noch das Todesjahr eines ſo groſſen Mannes an.
Jch mache meine Rechnung ſo: Berthold, Meinhards Nachfolger, ſtarb im Ju-
lius 1198 im andern Jahre ſeines Amts. Alſo trat er ſeinen Dienſt mit Ausgang des
1196ſten Jahrs an. Daß nach Meinhards Tode ſeine Stelle nicht lange ledig geſtan-
den, erhellet aus den Berichten Arnoldsl. 7. c. 9. Meinhard mag alſo 1196 geſtor-
ben ſeyn. Nun muͤſſen wir uns noch nach einer glaubwuͤrdigen Urkunde umſehen, wor-
aus die Jahre des Bisthums Meinhards zu erſehen, damit deſſen Anfang oder die
Zeit ſeiner Einweihung gewiß beſtimmet werden koͤnne. Jch ſehe zwar, daß Arnold
von Luͤbekl. c. dis ins Jahr 1186 ſetzet. Aber da wird entweder der Antrit ſeines Pre-
digens, und der Anfang des Bisthums Meinhards mit einander verwechſelt, oder
die Jahrzahl iſt verfaͤlſchet; die ich lieber mit Worten ausgedruckt als mit Ziffern an-
gegeben zu ſeyn wuͤnſchte. Zwar deucht mir, ich ſehe die mehreſten hier die Achſeln zu-
cken, die ſolche vorgeſchuͤtzte Unwiſſenheit tadeln, und mir eine mehr als critiſche Ver-
wegenheit vorruͤcken, bey ſo groſſer Uebereinſtimmung aller von Bangerten zu Rath ge-
zogenen Manuſcripte. Bey mir aber, der ich aus der Erfahrung gelernet, wie leichte
von einem fehlerhaften Buche die Schnitzer in mehrere Exemplare uͤberſchrieben werden,
hat dergleichen Uebereinſtimmung wenig Anſehen. Die Leſer belieben doch hier eben
dieſen Arnold nachzuſchlagen lib. 4. c. 23. n. 6. wo alle Handſchriften des Bangerts
das Jahr 1184 haben, in welchem die Ankunft der Gebeine des heil. Bern-
wards, Biſchofs zu Hildesheim, ſoll gefeiert worden ſeyn. Und doch erweiſet das
vierte Jahr des Pabſts Coͤleſtinus des dritten, und das vierte Jahr Kaiſer Heinrichs
des ſechſten augenſcheinlich, daß die Jahrzahl in allen Handſchriften falſch geweſen, und
in dem Original fuͤr 1184 das Jahr 1194 geſtanden habe. Unten beym Jahr 1216, wo
von dem Orlamuͤndiſchen Grafen Albert etwas muß geſaget werden, wollen wir
mit einem andern Exempel erweiſen, wie die Verwechſelung des einigen Buchſtabens o
mit
[9]von 1184 bis 1196.
mit a nicht nur in alle Thuͤringiſche Geſchichtſchreiber, ſowol gedruckte als ungedruckte1192
eingeſchlichen; ſondern auch ganz allein die Geſchlechtslinien der alten Thuͤringiſchen
Landgrafen, wie auch der Grafen von Dhabsburg und Orlamuͤnde verworren ge-
macht, die wir l. c. von dieſem anſehnlichen Fehler reinigen werden. So viel iſt gewiß,
das, was Arnold zu Anfang des 9ten Cap. anbringet, haͤlt nicht Stich, da er ſo wol
Meinhards Biſchoͤflichen Sitz nach Riga ſetzet, als auch deſſen Amtsfolger Bertol-
den in der Stadt Riga, welche damals noch nicht in in der Welt geweſen, begraͤbet,
und fuͤrgiebt, unter Pabſt Caͤleſtinus dem IIIten haͤtten die heil. Zuͤge ins gelobte Land ih-
ren Anſtand oder ihr Ende genommen, da doch ſelbſt ſowol aus Arnoldenl. 5. c. 1. als auch
aus andern Schriften aller Chronikenſchreiber derſelben Zeit bewieſen werden kan, daß
dieſelben unter keinem Pabſt eifriger veranſtaltet worden. Jch berufe mich ſowol auf die
Breve des Pabſts; als auf des Kaiſers Briefe ſelbſt: davon jene Baroniustom. 12.
beym Jahre 1195. n. 22, dieſe aber Gottfried von Coͤlln bey eben dieſem Jahr liefert.
Dieſer erzaͤhlet an angefuͤhrter Stelle, der Pabſt habe deswegen 2 Cardinaͤle nach Frank-
reich und aller Orten umher, abgeſchickt. Es gingen auch die Kreuzfarer eben zu der Zeit
ins gelobte Land, da Bertold nach Liefland zog, und kamen um die Zeit, da jener
im Treffen blieb, wieder in ihr Vaterland. Das dienet uns dazu, daß man ſehen kan,
Arnold habe mehr von Hoͤrenſagen, als nach der Ordnung die Begebenheiten der 2 er-
ſten Biſchoͤfe von Liefland uns aufgezeichnet. Das Geruͤchte aber pflegt nur uͤber-
haupt Begebenheiten, nicht aber derſelben Ordnung zu erzaͤhlen. Ein deutlicher Licht
ſcheinen uns die Verschen zu ertheilen, ſo auf Meinhards Grabmal ſtehen, welche uns
Chytræus Saxon. lib. 31. f. 980 aufbehalten, die ihm von Einem Hochedl. Rath in Riga
zugeſchickt worden, dieſes Jnhalts:
Hac ſunt in foſſa Meinardi præſulis oſſa.Nobis primo fidem dedit annis quattuor idem.Actis millenis centenis nonaquegenisAnnis cum ſenis, hic ab his it ad æthera pœnis.
Zwar will ich wol nicht glauben, daß die Aufſchriften, die in dem Bilderſaale des
Schloſſes Ronneburg unter jedem Bildniß der Rigiſchen Biſchoͤfe ſtehen, mit den
Biſchoͤfen ſelbſt gleiches Alters ſeyn. Doch dieſe Verschen, die von der Aufſchrift unter
Meinards Bilde ganz unterſchieden, ſind aͤlter, und ſchmecken nach der Einfalt und
Schreibart des damaligen Jahrhunderts. Welches uns der bloſſe Gebrauch des Worts
pœnæ fuͤr Qual, auf Franzoͤſiſch peines, ſo unten beym Jahr 1205. n. 5. und 1211. n. 1.
wieder vorkomt, belehren kan. Jn welcher Bedeutung diejenige Woche, in der Chri-
ſtus nach Faſten und ſaurer Arbeit ſich kreuzigen laſſen, damals hebdomas pœnoſa,
(die Marterwoche,) auf Franzoͤſiſch la ſemaine peneuſe, genennet worden, nicht allein in
Frankreich, ſondern auch in den Nordlaͤndern. Denn ſo heiſts in der von Joh. Schef-
fern herausgegebenen Chronik der Erzbiſchoͤfe von Upſal, S. 216: Ausgenommen
4 Wochen, nemlich, die hebdomas pœnoſa*) vor Oſtern ꝛc. wo Scheffer dabey ſetzt:
So recht deutlich wird geleſen. Es iſt aber diehebdomas pœnoſa,die gleich vor
dem Oſterfeſt vorhergehet, und gemeiniglichcharaheiſſet, nemlich in Stras-
burg, Scheffers Geburtsſtadt, die Char- oder Karwoche. Wenn man auch ganz
und gar zugibt, die Grabſchrift ſey lange nach gedachtem Feſt gemacht; ſo konte doch bey
den Rigiſchen das Andenken beſagter Jahre aus den Todtenzetteln vorhanden ſeyn, oder
aus andern noch nicht bekant gemachten Schriften. Nun, da die Zeit ſeines Todes,
welchen die Grabſchrift ins Jahr 1196 ſetzet mit obengeſetzter Rechnung uͤbereintrift; ſo
ſolte man ihr auch in den Jahren ſeines Biſchoͤflichen Amtes trauen, deren ſie Mein-
harden nur viere beyleget; ſo daß Meinhards Ordination zum Biſchof ins Jahr 1192.
fallen muß. Welche Jahrzahl man um ſo viel williger annehmen kan, je zuverlaͤßiger
der Fortſetzer des Sigeberts den Anfang von Meinhards Bisthum hinter das Jahr
1186 ſetzet, und je deutlicher der aͤlteſte Schriftſteller der Pohlen, wenn ich den Kad-
lubko ausnehme, der doch dieſe Zeiten nicht beruͤhrt, Dlugoſſus lib. 4. pag. 318. Mein-
hards Bisthum in die Zeiten Pabſts Caͤleſtinus des dritten rechnet, von dem bekant,
daß er erſt Anno 1191 Pabſt worden, wenn er ſchreibt: Zur Zeit des Pabſts Caͤle-
ſtinus des dritten, iſt Liefland durch den Dienſt Meinhards, des Lieflaͤndi-
ſchen Biſchofs, zum chriſtlichen Glauben gebracht worden. Wo ich doch nicht
Cnur
[10]Geſchichte des erſten Biſchof Meinhards,
1192nur in der Leipziger Ausgabe, ſondern auch in der zu Dobromilp. 288. fuͤr das Jahr
1191 wohin der Pabſt Caͤleſtinus der 3te und Kaiſer Heinrich der 6te gehoͤrt, die
Jahrzahl 1091 unrichtig geſetzt ſehe. Denn auch andere Chronikenſchrei-
ber nennen hier die Zeit Kaiſer Heinrichs des 6ten, welche in die Zeit Caͤleſtinus
des 3ten faͤlt. Als nemlich die Luͤneburgiſche Chronik bey Eccarden Script. tom. 1. p.
1407. Bi deſſelven Keiſer Vriderikes Tiden erhof ſic de Kerſtenheit to Pruten.
Bi ſines Vader Keiſer Heinrikes Tiden ward Liflanden Kerſten, unde bedwungen
van den Saſſen. Das iſt: Zu deſſelben Kaiſer Friedrichs Zeiten kam das Chriſten-
thum in Preuſſen empor. Zu ſeines Vaters, Kaiſer Heinrichs des 6ten Zeiten, wurde
Liefland chriſtlich, und von den Sachſen bezwungen. Daß Meinhard erſt Anno
1200 gelebt, ſagt Alexander Gaguinus p. 64. da er ſich vielleicht durch Cranzens
Anſehen verleiten laſſen, welcher Vandal l. 6. c. 10. ſchreibet, Meinhard ſey ein wenig
vor Ende des 1200ten Jahrs mit Kaufleuteu nach Liefland gezogen. Das
iſt aber theils falſch, theils alzu unbeſtimt, und gibt uns nicht das eigentliche Jahr der
Einweihung Meinhards. Denn die von uns angehaͤngten Urkunden belehren, daß
ſchon zur Zeit Clemens des III, der vor Caͤleſtinus dem III. geſeſſen, und 1189. Pabſt
geworden, Meinhard Biſchof, und zwar zu Ykeskola, ſey tituliret worden; daß alſo
das Jahr ſeiner Einſegnung eben ſo ungewiß iſt, als das erſte Jahr ſeines Abzugs
nach Liefland, bis neue Schriften zum Beweis gefunden werden.
der Aa zu allererſt zum chriſtlichen Glauben gebracht, und von der Gegend, ſo Thorcida
heiſſet, in welcher Treyden gelegen, den Zunamen bekommen, damit man ihn von an-
dern Theodoricis unterſcheiden koͤnne. Der Biſchof Albert ſetzte ihn uͤber ein bey
der Muͤndung der Duͤne von ihm neuerbauetes Kloſter Ciſtercienſer Ordens, ſo er
den Berg des heiligen Nicolai nante. Nach vieljaͤhrigen Bemuͤhungen und Reiſen,
die er nach Rom that, ward er beym Pabſt Jnnocentius dem III. bekant, und er-
hielt mehr den Titel als das wirkliche Amt eines Biſchofs von Eſthland, wie unſer
Verfaſſer nachher alles vollſtaͤndiger unter jedwedem Jahre vortraͤget.
wie die uͤbrigen, von denen Caͤſar vom Galliſchen Kriege l. 6. c. 16. Lactantius diu.
inſtit. l. 1. c. 21. und Lagerloͤoͤf von den Druidenc. 2. §. 7. p. 45. ſeq. handeln, ihren
Goͤttern mit Menſchenblut, und ſonderlich mit Chriſtenblut geopfert. Es iſt abſcheulich,
was Adam aus Bremen von den Sveonen erzaͤhlet, von der Lage Daͤnnemarks
n. 94. und vor ihm von den Daͤnen und Normaͤnnern Ditmar von Merſeburg,
libr. 1. am Ende, wo er ſetzet, man habe alle 9 Jahr 99 Menſchen, mit eben ſo
viel Pferden, Hunden und Haͤnen geopfert. Daher ein gewiſſer Chriſt Adamen
berichtet, er habe in einem Walde bey Upſal Hunde- und Menſchenkoͤrper untereinan-
der haͤngen ſehen. Dieſer entſetzliche Anblick erinnert mich an das Leichengepraͤnge des
cumaniſchen Koͤnigs Jonas; als der in ein ſehr tiefes Grab verſcharret ward, ſo
wurden zu ſeiner Rechten und Linken 8 Waffentraͤger lebendig gehenket, die als frey-
willig in den Tod gingen, und daneben wurden 26 Pferde gleichfals lebendig aufge-
knuͤpfet, wie Alberic bezeuget beym Jahr 1241. p. 579. Eben dieſer Adam meldet,
daß auch die Eſthen ſich nicht enthalten Menſchen zu opfern, n. 75. da er ſpricht: Sie er-
handeln die Menſchen von den Kaufleuten, und ſehen vorher genau nach, daß ſie ja kein
Maal am Leibe haben, und opfern ſie. Manchmal pflegte der Ruͤgier Prieſter einen
Chriſten zu opfern, und gab dabey vor, die Goͤtter vergnuͤgten ſich ungemein an derglei-
chen Blute, wie Helmold ausſaget Chron. Slauor. l. 2. c. 12. n. 9. Peter von Duis-
burg erwehnet ein gleiches von dem Criwe, den die Preuſſen als ihren Pabſt geehret,
part. 3. c. 5. Denn da der erſte chriſtliche Biſchof zu ihnen kam, waren ſie ſo grauſam,
daß ſie alle Kinder weibliches Geſchlechts, die ihnen geboren wurden, auſſer einem Maͤgd-
gen, umbrachten, und ihre Gefangenen den Goͤttern opferten, in deren Blut ſie Schwerdt
und Lanzen tauchten, um gutes Gluͤck zu haben. Dieſe Unmenſchlichkeit machte Pabſt
Honorius der III allen Biſchoͤfen kund, bey Raynald Jahr 1218. n. 43. Welches
ſich auch mit auf die Liven erſtrecket, weil nach Ausſage dieſes Peters von Duisburg,
nicht die Preuſſen allein, ſondern auch die Letten und andere Lieflaͤndiſche Nationen,
den Befehlen dieſes Criwe unterworfen waren.
man bey den Ruͤgiern im Gebrauch gehabt, mit einem weiſſen Pferde ungefehr ſolcher
Geſtalt ſich von dem Ausgang kuͤnftiger Dinge zu erkundigen. Vor dem Tempel,
ſchreibt er, pflegte eine 3fache Reihe Spieſſe von den Opferbedienten hingeſtellet zu wer-
den; in jeder derſelben waren 2 und 2 gegen einander uͤber geleget, ſo, daß die Spitzen
in der Erde ſtacken, und zwiſchen beyden Reihen allezeit ein gleich weiter Zwiſchenraum
blieb. Zu ſelbigen ward ein Pferd — — nach vorhergegangenem feyerlichen Gebet
von dem Prieſter aus dem Vorhofe mit Sattel und Zeug hervor gefuͤhret, wenn es nun
uͤber die vor ſich habenden Reihen eher mit dem rechten als linken Fuſſe ſchritte, ſo nahm
mans fuͤr ein gluͤcklich Zeichen an. Wenn es aber auch nur einmal den linken Fuß
vor den rechten voraus geſetzet hatte, — ſo aͤnderte man ſein ganz Unternehmen. Von
den Liuticiern, die mit zu den Ruͤgiern gehoͤren, erzaͤhlet Ditmar von Merſeburg
ein gleiches l. 6. p. 382, es habe nemlich ein heiliges Pferd, welches man uͤber die in die
Erde geſtochenen Spitzen zweyer Spieſſe gefuͤhret, deren Schaͤfte in einander gegangen,
allen Ausſpruͤchen der Goͤtter den letzten Ausſchlag gegeben. Daß auch die Stetiner
C 2dieſem
[12]Geſchichte des erſten Biſchof Meinhards,
1192dieſem Aberglauben ergeben geweſen, bezeuget der ungenante Verfaſſer der Lebensbeſchrei-
bung des heiligen Ottolib. 2. c. 32 ſo den Titel fuͤhret: Von dem prophetiſchen Pfer-
de und Spieſſen. Cranz geſtehet, Vandal. lib. 5. cap. 12. er habe den Saxo ausgeſchrie-
ben; doch druͤckt er die ganze Sache kuͤrzer und beſſer aus: Wenn es die bezeichnete
Stelle mit dem rechten Fuſſe beruͤhret: ſo vermuthen ſie was gutes; wenn aber mit dem lin-
ken, etwas boͤſes. Daher nent unſer Verfaſſer den rechten Fuß den| Fuß des Lebens.
oder Schimmel zu reiten, ihrer Goͤtter wegen, ſchreibt der von Duisburgpart. 3. c. 5.
Unſer Auctor gibt davon die Urſache an, nemlich die Einbildung, als ob ein Goͤtze auf des
Pferdes Ruͤcken ſaͤſſe, den man ohne die groͤſte Suͤnde nicht herunter jagen koͤnne.
ger aus Magdeburg, den die Preuſſen im Kriege gefangen bekommen. Von dieſem
meldet der Duisburgerpart. 3. c. 86: Die Nattanger wolten ihren Goͤttern ein Sie-
gesopfer bringen, und warfen daher das Loos uͤber die bey ihnen gefangenen Deutſchen:
ſelbiges traf zu zweyen malen einen gewiſſen Buͤrger von Meydenburg, der Hirz-
hals hieß, einen vornehmen und reichen Mann. Wie er nun dergeſtalt in Angſt war, bat
er Heinrich Monten, er moͤchte doch an die Wohlthaten denken, die er ihm oftmals in
der Stadt Meydeburg erwieſen, und ihn aus dieſer Truͤbſal erretten. Auf dieſe Worte
hatte Heinrich Mitleiden, und half ihm zweymal durch. Als aber das Loos zum dritten
mal geworfen ward, und wieder auf ihn fiel; ſo wolte er ſich nicht mehr losmachen laſ-
ſen, ſondern begab ſich von freyen Stuͤcken, mit einem guten Bekentniß, GOtt zu einem
Opfer, ließ ſich auf ſein Pferd binden, und lebendig verbrennen. Ein ander Exempel hat
die Chronik von Kiow beym Jahr 983. Collect. Rer. Ruſſic. part. 2. p. 106.
bemerket Gottfried von Coͤlln bey dieſem Jahre. Obs eben die ſey, von der hier die
Rede iſt, mag ich nicht ausmachen. Denn Urspergenſ. hat beym Jahre 1187. eine an-
dere, die am Tage St. Johannis des Taͤufers um die 6te Tagesſtunde bemerket iſt. Un-
ten beym Jahr 1209. n. 5. ſagen die Heiden, als ſie den Schall der Sturmglocke hoͤrten,
welche die Rigiſchen laͤuteten, da der Feind vor der Thuͤre war; ſie wuͤrden von die-
ſem GOtt der Chriſten gefreſſen und aufgezehret. Sie hatten mehr Grund es zu ver-
muthen, als dieſe Eſthen, von einem gewehrloſen Manne, den ſie vielleicht fuͤr einen
Zauberer gehalten.
als er Anno 1183 zu einer groͤſſern Gemeine ziehen wolte, wie Arnold meldet libr. 3. c. 3.
n. 3.
ſuchen nicht unangenehm ſeyn duͤrfte Goldaſt in den Anmerkungen uͤber Eginhards
Lebensbeſchreibung Carls des Groſſen, p. 198. und 199. nach Schminkens Ausgabe,
hat eine Schrift von dem Abt Notpert zu Sanct Gallen von Anno 1061, wor-
inne das Wort Watſpenda vorkomt. Woruͤber jener folgende Erklaͤrung gibt:
Watſpenda iſt ein fremdes Wort, und bedeutet ein Geſchenke an Kleidern. Denn die
Deutſchen nennen Wat ein Kleid, und Watman heiſt gewoͤhnlich, einer der Tuch
verkaufet. Er hat zwar ganz recht, denn man braucht auch noch heutiges Tages bey uns
das Wort Wad oder Wand in dieſer Bedeutung; weil man die Waͤſche oder leine-
nen Kleider Leinwad oder Leinewand, die von Wolle aber ſchlecht weg Wand,
und die Tuchverſchneider oder Tuchkraͤmer Wandſnidere nennet. Was heiſt aber
das zuſammengeſetzte Wort Watmal? Hier komt uns Peter von Duisburg zu Huͤl-
fe, der in der Preußiſchen Chronik part. 3 c. 79 von Herrmann Grumbachen,
dem fuͤnften Heermeiſter in Preuſſen, ſchreibt; dieſer wurde nur Watmal zubenamet,
von einem wollenen Tuche, Watmal genant, ſo er den Ordensbruͤdern zu tragen ver-
ordnete. Aus dieſer Stelle erhellet, daß Watmal eine Art von groben Kleidern von
einem ſtarken Faden, aus unbereiteter Wolle verfertiget und von weiſſer Farbe geweſen.
Denn daß die Deutſchen Ordensbruͤder weiſſe Maͤntel mit ſchwarzen Kreuzen bezeichnet,
gemeiniglich getragen haben, zeigt eben dieſer Schriftſteller part. 2. c. 4. und part. 1. c. 1.
an. Ja in dem Vorbericht meldet er, etliche haͤtten ihren Leib dergeſtalt kaſteyet, daß
ſie ſtatt des Unterkleides einen haͤrinen Sack oder Panzer getragen, oder auch Kleider
aus Sackleinewand, worinnen ihnen Mehl uͤber die See zugefuͤhret worden, angezogen.
Hartmann nun, da er allen einen gleichfoͤrmigen Habit geben wolte, den Ordensbruͤ-
dern aber alzugrobe Kleider aus unbearbeiteter und zottichter Wolle mochte gegeben ha-
ben, gab hierdurch zugleich Veranlaſſung zu einem ſpitzigen Scherz, und dem Scriben-
ten Gelegenheit, mit dem Namen dieſes Heermeiſters zu ſpielen: Dieſer Mann hatte
den Namen in der That, weil er einen ſehr harten Nacken hatte. Hartmann wird
verdolmetſchet: ein harter Mann. Und dieſe Art Kleider, ſo die Preuſſen ſchon
laͤngſt aus Deutſchland angenommen hatten, nent Adam. Bremenſ. von der Lage Daͤn-
nemarksn. 77. Paldones, und ſein Ausſchreiber Helmold Chron. Slau. libr. 1. c. 1.
n. 5. Faldones. Beyde ſchreiben: Die Preuſſen haben an fremdem Pelzwerk Ueber-
fluß, deſſen lieblichen Geruch unſern Laͤndern einen toͤdtlichen Gift der Hoffart beyge-
bracht. Und zwar achten es jene Auslaͤnder wie Koth, vielleicht zu unſerer Beſtrafung,
weil wir, es ſey mit Recht oder Unrecht, nach einem Zobelpelz, als nach der hoͤchſten Gluͤck-
ſeligkeit trachten. Daher bieten uns jene fuͤr unſere wollene Kleider, die wir Paldones
nennen, ſo koſtbare Marder an. Aus welcher Vergleichung erhellet, daß dieſe Paldones
die geringſte und groͤbſte Gattung von wollener Kleidung geweſen, die vom baltiſchen
Meere Paltroͤcke, und in Pomerellien Caſſuben heiſſen. Davon, meinet Micraͤ-
lius, habe die Nation den Zunamen bekommen, Chron. Pomer. l. 6. am Ende. Jen-
ſeit des Meers aber, ſonderlich bey den Lappen und Liven, heiſſen ſie bis dato noch
Watmal, wie Wexionius deſcript Suec. l. 4. c. 8, und Weber im bekehrten Ruß-
landepart. 3. p. 120. bezeuget. Dieſes finde ich auch weder dem Namen noch der
Sache nach bey den Engelaͤndern nicht unbekant zu ſeyn. Vitus Kennet, nunmeh-
riger Biſchof von Petersburg, gab, wie er noch zu Ambrosden Landprediger war, zu
Oxford 1695. die Alterthuͤmer des Kirchſpiels Ambrosden heraus. (Parochial Anti-
quities, attempted in the Hiſtory of Ambrosden, Burceſter and other adjacent
Parts, in the Counties of Oxford and Bucks,) in denen ein groſſer Vorrath von Do-
cumenten befindlich, wobey auch ein vortrefliches Woͤrterbuch, zu Erlaͤuterung des Lateins
der neuern Zeiten, angehaͤnget worden. Jn dieſem Werke komt p. 574. ein Diploma
vor, von Anno 1425, wo unter den Ausgaben auch dieſes mit berechnet wird: Fuͤr 5 Ger-
den Waddemole, die zu Pferdekollern gekauft, (ſind ausgegeben) dis Jahr 2 Pfund
D1 Schil-
[14]Geſchichte des erſten Biſchof Meinhards,
11961 Schilling. Dieſe Worte erlaͤutert der Verfaſſer des Woͤrterbuchs auf dieſe Art:
Waddemole, now called Woadmel, and in Oxfordshine Woddenell, a courſe Sort of
Stuff, uſ’d for the Covering of the Collars of Cart Horſes. Mr. Ray in His Col-
lection of Eaſt and South-Country Words deſcribes it to be a hairy courſe Stuff,
made of Jsland wooll and brought thence by our Seamen to Norfolck, Suffolck \&c.
Alſo iſt Watmal bey den Engelaͤndern ein grobes, aus Jslaͤndiſcher Wolle geweb-
tes Tuch, dergleichen die Schifleute von Jsland in die Nordlichen Provinzen von
Engeland zu bringen pflegen. Dem ſcheinen des Virgilius Bockshaare beyzukommen
— — — — — ſetæque comantes
Uſum in caſtrorum \& miſeris velamina nautis.
Georg. l. 3 v. 312.
Namen des Pabſts nicht anzeiget, ſo er doch nachher bey Jnnocentius dem 3ten und
Honorius dem 3ten niemals auslaͤſt. Denn Jnnocentius ſcheinet, wenn man die
ſchriftlichen Urkunden damaliger Zeit anſiehet, am erſten die Sorge dafuͤr uͤbernommen
zu haben, da hingegen die Geſchichte Caͤleſtinus des 3ten, ſo viel wenigſtens in Druck
gekommen, nichts davon gedenken.
behalten worden. Daher nicht nur Pontanus Rer. Danic. lib. 6. p. 290, ſondern auch
ſelbſt ein Schwede Ioannes Meſſenius, Scond. Illuſtr. Tom. 2 beym Jahre 1196 p.
16 die Ehre davon dem Daͤniſchen Koͤnige Canut zuſchreibet, einem Prinzen Wal-
demars des 1ſten; obgleich zur ſelbigen Zeit auch ein Koͤnig gleiches Namens in Schwe-
den beruͤhmt geweſen. Doch mag ich, was das angegebne Jahr betrift, nicht entge-
gen ſeyn, weil auch unſer Verfaſſer den Tod Meinhards gleich darauf ſetzet. Jn-
zwiſchen kan man wohl annehmen, daß beyde Canuten, der Schwediſche und Daͤ-
niſche die Eſthen daſſelbe Jahr angegriffen. Von dem in Schweden muß man un-
ſerm Auctor glauben, der bezeuget, wie er ſeines Herzogs Dienſte dazu gebraucht. Die-
ſer war Birger JerlI. von dem Erich von Upſalhiſtor. Suec. lib. 3 p. 103 erſte-
rer Ausgabe ſchreibet, er ſey Anno 1202. mit Tode abgegangen. Von dem Daͤniſchen
Canut bezeugets die von Arnas Magnaͤus herausgegebene Seelaͤndiſche Chronik
p. 48 Anno 1196 zog der Koͤnig Canutus mit einer Armee nach Eſthland. Zwar er-
zaͤhlet
[15]von 1184. bis 1196.
zaͤhlet vorerwehnter Erichl. c. p. 99, daß der Schwediſche Koͤnig Canut ſchon Anno1196
1192. Todes verblichen, dem es Ioh. Magnus Hiſtor. Goth. lib. 19 c. 9 p. 603 ſo
nachſchreibet. Claudius Oernhiaelm aber hiſt. Suec. eccleſ. lib. 4. c. 7 erweiſet es aus
beygebrachten Urkunden, daß er ſein Leben bis 1199 gebracht, und ſchlieſſet, die Schwe-
den und Daͤnen haͤtten gegen die Eſthen den Krieg gemeinſchaftlich gefuͤhret; ob er
gleich auch von dieſem Feldzuge nichts weiß, wenn er n. 67 ſchreibet: Canutus war
zu frieden, daß er dieſes Ungluͤck (die Eſthen, die in Schweden eingefallen waren,) von
ſeinem Lande abgehalten hatte, und traute ſich aus Furcht vor den einheimiſchen Compe-
tenten nicht ſein Rachſchwerdt auswerts gegen die Laͤnder dieſer Raͤuber auszuziehen.
ram*)ſuam, die unten ofte vorkommen, hier ausgelaſſen ſeyn.
Jahr ſeines Bisthums geſetzet wird. Wenn man das zum Grunde ſetzet, ſo hat
Meinhard ſein Leben nicht uͤber beſagtes 1196 Jahr bringen noch ſeine Grabſchrift
falſch ſeyn koͤnnen. Die Faſti ſacri Colonienſes bey Gelen. de magnitud. Colon. p.
713 haben den 19 Cal. Sept. zum Todestage, ſo der 14te Auguſt iſt.
geweſen, fuͤhrt Albert von Stade an ums Jahr 1195. Ein gewiſſer Bruder aus
dem grauen Orden Bertold ward vom (Bremiſchen) Erzbiſchof Hartwich
zum Biſchof geweihet, und nach Liefland geſchickt. Die naͤhere Unterſcheidung,
daß er aus dem Ciſtercienſer Orden geweſen, fuͤget Albericus hinzu, ums Jahr
1194 p. 404: Jn dieſen Tagen, ſagt er, predigte in Liefland, ſo zwiſchen Schwe-
den und Preußen, (Reußen) und Pohlen liegt, ein gewiſſer Hochwuͤrdiger Abt,
Ciſtercienſer Ordens, Namens Bertold, Chriſtum mit allem Nachdruck: Welcher
auch der andre Biſchof nach Meinharden geworden, der aus den Regulairen geweſen,
und am erſten in dieſer Provinz geprediget hat. Alſo war dieſer Bertold Abt uͤber
ein gewiſſes Kloſter Ciſtercienſer Ordens, ſo Lockum hieß, deſſen Lage Cranz
nicht gewuſt. Denn Vandal. l. 6 c. 10 ſagt er obenhin: Die Jahrbuͤcher nennen das
Kloſter, woraus er gekommen Luca. Ferner Metropol. l. 7 c. 14 wiederholet er
aus Alberten von Stade, daß der Erzbiſchof von Bremen Hartwich einen gewiſ-
ſen Bertold, aus dem grauen, das iſt, Ciſtercienſer Orden zum Biſchof von
Liefland geweihet. Endlich Saxon. l. 7 c. 13 geſtehet er ſeine Unwiſſenheit, wenn er
alſo ſchreibet: Bertold Abt von Lucka. Jch verſtehe darunter ein Kloſter der Ciſter-
cienſermoͤnche, es liege wo es wolle. Denn andre Jahrbuͤcher geben vor, er ſey
Abt der grauen Moͤnche geweſen, welche Art Kleider die Ciſtercienſermoͤnche
trugen. Es iſt aber dieſes Kloſter Lockum Ciſtercienſer Ordens noch heutiges
Tages vorhanden in der um Hannover gelegenen Provinz, zwiſchen der Leine und
Weſer, und liegt 5 Meilen von dieſer Stadt gegen Norden, von deſſen Stiftung und
Aebten eine Nachricht in Scriptor. Brunſuic. tom. 3 p. 690 befindlich. Der Abt
von Lockum hat unter den Praͤlaten die Oberſtelle, ſeit dem der von Bursfeld
nicht mehr bey den Landtagsverſamlungen zugegen geweſen. Beſiehe die Unterſchrif-
ten des Gandersheimiſchen Receſſes von Anno 1601. Nach Gerhard Wolter
Molanus und Juſtus Chriſtoph Boͤhmern, die zu unſern Zeiten die Abtswuͤrde
bekleidet, hat nun die Abtey der Herr Georg, aus der beruͤhmten Familie der Ebel.
Man
[17]Geſchichte des andern Biſchofs, Bertolds, von 1196 bis 1198.
Man braucht ſich alſo nicht an den ChytraͤusSax. l. 1. p. 17. und MeibomenScript.1197
tom. 1. p. 530. nebſt ihren Anhaͤngern zu kehren, die da behaupten, dieſer Bertold
ſey aus einem Moͤnch bey der Pauliner Kirche in der Vorſtadt zu Bremen zum Biſchof
in Liefland gemacht, und verwechſeln alſo Bertolden mit Hermannen, des drauf
folgenden Biſchofs Alberts Bruder, der aus dieſem Kloſter zum Biſchof uͤber Eſth-
land erwaͤhlet worden. Siehe unten beym Jahre 1218. n. 11. Man muß auch den
Bzovius nicht anhoͤren, der Bertolds Verſendung nach Liefland in eine nach Luͤbek
verdrehet, indem er bey dem Jahre 1186 ſchreibet, der Abt Bertold habe denen Luͤ-
beckern, die bisher noch Goͤtzendiener geweſen, das Evangelium geprediget. Wir
wiſſen bis jetzo noch nicht, aus welchem Geſchlechte oder Familie er geweſen. Zwar
nennen ihn die gemeinen Hiſtorienſchreiber von Liefland, Bertolden von Lochaw,
als ob er zur Familie dieſes Namens zu rechnen waͤre*). Die Urſache dieſes Verſehens
aber iſt handgreiflich: vor welchem ſich doch nicht einmal Friedrich Menius, der
Doͤrptiſchen Akademie erſter Profeſſor der Hiſtorien und Alterthuͤmer, in acht genom-
men, in Prodromo iuris \& regim. Liuon. p. 4, und Claudius Oernhiaelm iſt da-
von auch nicht frey, der dem Menius in allem folget im Leben des Pontus de la Gar-
die, p. 74.
Meinharden nach Liefland, ward auch von den Liven, die den Mann vorher
kanten, an die Stelle des verſtorbenen Meinhards zum Biſchof berufen. Aus un-
ſerm Chronikſchreiber laͤſt ſich nichts dergleichen erſehen. Ja aus Bertolds Bedenk-
lichkeiten, und ſeiner erſten Reiſe nach Liefland, die er nur gethan ſich um die daſige
Einrichtung zu erkundigen, koͤnte das Gegentheil geſchloſſen werden, wenn nicht Alberi-
cus, l. c.Arnolden Beyfal gaͤbe. Uebrigens iſt hier werth anzumerken, daß Ber-
tolden zu einiger Erſetzung ſeiner Muͤhe auf 20 Mark jaͤhrliche Einkuͤnfte aus der Kir-
che zu Bremen angewieſen worden; weil die Bremiſche Kirche nachher von der Lief-
laͤndiſchen die Unterwuͤrfigkeit verlanget, auch, daß der Biſchof von Riga ſolle als ein
Suffraganeus unter dem Erzbiſchof von Bremen ſtehen, von dem er eingeweihet und
beſoldet worden waͤre. Dieſer Streit daurete ſo lange, bis der Rigiſche zum Erz-
biſchof und folglich auf die Art dem Bremiſchen gleich gemacht wurde.
hat er in der Nachbarſchaft unſerer Stadt die erſte auf dem Dorfe Heſede erbauete Kir-
che eingeweihet, und den Urkunden, die er als Beweiſe der Einweihung von ſich geſtel-
let, die Geſchichte der Stiftung mit einverleibet.
ſchichten Caͤleſtinus des 3ten, wieder was zu thun. Es ſchienen auch die Anſtalten in
Liefland noch nicht von der Wichtigkeit, daß das Anſehen des Pabſts, der mit den
Feldzuͤgen in die Morgenlaͤnder damals alle Haͤnde vol zu thun hatte, ſonderlich noͤ-
thig geweſen, indem ſie blos auf den Wink des Erzbiſchofs von Bremen angefangen
worden. Doch iſt es Meldens werth, daß Baronius beym Jahre 1195. n. 25. nicht in
Abrede iſt, daß unter dieſem Pabſt viele falſche Bullen vom Roͤmiſchen Hofe ausge-
fertiget ſeyn; und daß er namentlich einen ſolchen falſchen Briefſteller angibt. Dis
ſage ich nicht zu dem Ende, als wolte ich dieſe Briefe des CaͤleſtinusIII, wenn ſie ein-
mal an Tag kommen ſolten, fuͤr erdichtet ausgeben, ſondern, damit des Baronius offen-
herziges Geſtaͤndniß diejenigen behutſamer mache, welche auf Diplomata ſo verpicht ſind.
Denn da wir wiſſen, daß es zu Rom manchmal ſo gegangen, warum ſolten wir nicht
glauben, daß es auch auſſer Rom geſchehen koͤnnen? Wirklich beſtraft Jnnocentius
der 3te hier und da dergleichen Betriegereyen, als die zu ſeiner Zeit ſehr im Schwange
gingen; ſonderlich aber lib. 1. epiſt. 383, wo er den Koͤnig in Norwegen beſchuldiget,
und ſchreibt: Dieſer hat ſich nicht geſcheuet, eine Bulle unſers Vorfahren, des Pabſts
Caͤleſtinus, gottſel. Gedaͤchtniſſes, faͤlſchlich nachzumachen, mit der er verſchiedene Brie-
fe verſiegelt. Der aber, dem alles offenbar iſt, hat ſeine Falſchheit entdecket,. Dis leh-
ret uns hinlaͤnglich, daß auch weit von Rom, und zwar im aͤuſſerſten Norden, an fal-
ſchen Sigillenſchmieden und Verfaſſern untergeſchobener Urkunden, kein Mangel geweſen.
der nach Auſſage unſers Verfaſſers beym Jahre 1200 n. 1 einen Schifshafen abgeben
konte, hatte ſchon den Namen Rige vor Erbauung der Stadt gleiches Namens; gleich-
wie der Ort oder die Gegend von Revel am Finniſchen Meerbuſen in Eſthland den
Namen Revel*) ehe gefuͤhret, als von den Daͤnen die Stadt und das Schloß Revel
angelegt worden. Siehe beym Jahre 1218 n. 2.
wenn ſie ihre Lanzen ſich einander zuſchicken, daß mein Gewehr, zum Exempel, ſo lange
in deiner Gewalt bleibet, als deines in meiner. Die ganze Kraft der Verbindlichkeit
beruhet auf der ausgeſtelten Verſicherung: dieſe aber pflegten uncultivirte Voͤlker durch
gewiſſe Unterpfaͤnder zu geben; ſo gleichſam eine Beſtaͤtigung und eine Bekantmachung
ſeyn ſolten. Denn durch unterlaſſene Kundthuung des Stilſtandes ſind die von der Stra-
fe frey, welche gegen den Stilſtand was verſehen, wie Grotius lehret de Iur. B. \& P.
l. 3. c. 21. §. 5. Die Americaniſchen Voͤlker brauchen heutiges Tages dergleichen
Bedeutungszeichen noch ſtark, in Errichtung der Buͤndniſſe, in Geſandſchaften, und in
Freundſchaftsvertraͤgen, welche auch die Europaͤer ihnen zu gefallen beybehalten, wenn
ſie mit ihnen Unterhandlung pflegen. Alſo ſchicket der Engliſche Gouverneur den
Wilden, ſo er zur Verſamlung einladet, einen ledernen Guͤrtel zu, als ein Zeichen
ihrer ſichern Her- und Hinreiſe. Wenn er ſie bey ihrer Ankunft anredet, ſo nimt er
zu unterſchiedenen Zeiten unter dem Reden 3 Riemen vor, und reichet ſie ihnen als ein
Pfand der Freundſchaft. Wenn der Vornehmſte unter dieſen Barbaren antworten
wil, gibt er erſt den Guͤrtel zuruͤck, und uͤberreicht in ſeiner Rede ebenfals zu unter-
ſchiedenen Zeiten die 3 Riemen an den Gouverneur, zur Beſtaͤtigung der Freundſchaft;
die mit einem Trunk Wein auf die hohe Geſundheit des Koͤnigs in Engeland verſie-
gelt wird. Wie mit mehrerm die Inſcriptiones facti belehren, ſo Jhro Hochehrwuͤr-
den, der Herr Senior Urlsperger, denen jaͤhrlichen Nachrichten von Georgien ein-
verleibet, Cont. 1. p. 547. ſeq.
jetzo nicht gewuſt, und der werth iſt, daß man ihn in Kalender ſchreibe, und dem nun
der 21 October, (den 20ten haben die faſti ſacri colonienſes p. 733,) weichen muß, auf wel-
chen das Menologium CiſtercienſeBertolds Tod anſetzet. Zwar, wenn ich wo leſen ſol-
te, daß Bertolds Gebeine in ſein Vaterland abgefuͤhret, und in dem Kloſter Lockum
beygeſetzt worden waͤren, ſo wolte ich leicht das Menologium mit unſerm Schriftſteller
vereinigen, und glauben, der 21 October ſey von der Abfuͤhrung und Beyſetzung zu ver-
ſtehen. Da wir aber beym Jahr 1205 n. 6 finden, daß die Gebeine Bertolds zuruͤck
geblieben, ſo iſt und bleibt Chryſoſtomus Henriquez, als der Auctor dieſes monatlichen
Regiſters, mit unſerm Verfaſſer unverſoͤhnlich, doch ohne Abgang der Wahrheit;
weil Henriquez ſelbſt unter ſeinen Glaubensgenoſſen keinen, oder doch ſchlechten Credit
hat. Denn ſo ſchreibet der Herr Claudius, Abt zu Clervaux, an Caſpar Jonge-
linen, der das Verzeichniß der Abteyen Ciſtercienſer Ordens aufgeſetzet, von ſeinen
Schriften, die kurz vorher zu Antwerpen ans Licht getreten, zur Antwort: Jch
E 2weiß
[20]Geſchichte des andern Biſchof Bertolds,
1198weiß gar wohl, daß der Herr Chryſoſtomus Henriquez aus vielerley Miſchmaſch
ein groſſes Werk zuſammen getragen; es iſt aber auch vieles mit untergelaufen, das
der Wahrheit zu nahe trit, und von dem Verfaſſer nicht wohl uͤberlegt worden, als der
nur nach geringſchaͤtzigen, und von allen Ecken her zuſammen geſchlepten Schriften ſo
was hingeſchmieret. Jn der Jahrzahl kommen doch die Alten uͤberein, obgleich die
Neuern davon abgehen; zum Exempel: Albert von Stade ſchreibt beym Jahre 1198:
Bertold, Biſchof der Kirche in Liefland, ward von den Heiden getoͤdtet; dem ein
Bremiſcher Domherr, Albert, im Amte folgte. Albert nennet nachdruͤcklich Ber-
tolden einen Lieflaͤndiſchen Biſchof, weil er Landesbiſchof war; wie vormals der
heilige Bonifacius uͤber Heſſen und Thuͤringen Biſchof geweſen; ehe er als Erz-
biſchof zu Maynz eine veſte Stelle hatte. Arnold von Luͤbekl. 7. c. 9. n. 6. mel-
det, er ſey in der Stadt Riga begraben worden. Welches weder wahr iſt, noch wahr
ſeyn kan. Wahr iſts nicht, weil unſer Verfaſſer als ein ſichtlicher Zeuge ausſaget, er
ſey in der Kirche zu Ykeskola beerdiget l. c. Moͤglich iſts auch nicht, an und vor ſich
ſelbſt, daß er in der Stadt Riga verſcharret werden koͤnnen; indem ſie zu dieſer Zeit
ſelbſt noch nicht in der Welt geweſen.
Worts in Liefland.
richteten Taufe. Da ſelbſt die geſunde Vernunft den Unterricht bey Erwachſenen vor-
aus vorzunehmen rathen koͤnte, wenn auch ganz und gar kein Befehl Chriſti dazu
da waͤre.
meinten, die Goͤtter wuͤchſen aus den Baͤumen. Siehe beym Jahre 1206 n. 14.
Daher wunderten ſie ſich, wenn ſie dergleichen Baͤume von den chriſtlichen Prieſtern
umhauen ſahen, daß kein Blut darnach gelaufen. Siehe beym Jahre 1219 n. 5.
Aus ſolcher Leute Munde, die dergleichen mit angeſehen, berichtet Oliverius Hiſtor. terr.
ſanct. n. 65, daß die Liven, Eſthen und Preuſſen, die heidniſchen Gottheiten vereh-
ret, die Dryaden, Hamadryaden, Oreaden, Napeen, Numiden, Satyren
und Faunen. Denn ſie hoften, faͤhret er fort, auf ihre Hayne, die keine Axt zu be-
ſchaͤdigen ſich unternehmen duͤrfte, wo ſie Brunnen, Huͤgel, Felſen und Thaͤler ehr-
ten, als ob einige Kraft und Segen in ihnen gefunden werden koͤnne.
der gemeinen Rechnung nach, faͤlt. Denn obgleich Albert ſchon im vorigen Jahre an
Bertolds Stelle gekommen; ſo langte er doch in Liefland nicht eher an, als im Som-
mer 1199. Unſer Auctor hat alſo hier alles zuſammen anbringen wollen, was die from-
men Prieſter nach Bertolds Tode bis auf Alberts Ankunſt in Liefland, unter dieſen
Wilden ausgeſtanden haben.
ſorgfaͤltig unterſucht werde. Jch nenne ihn der Liven Apoſtel mit Cranzen in Vandal.
libr. 7. c. 22., nicht, weil er zuerſt das Chriſtenthum in Liefland bekant gemacht;
ſondern, weil er in Bekehrung der Liven zu Chriſto beſondere, hauptſaͤchliche und ſehr
geſegnete Dienſte gethan: wie Emmeranus gewoͤhnlich fuͤr der Bayren, Kilian der
Oſtfranken, Bonifacius der Thuͤringer und Heſſen, Ansgarius der Sachſen
und Frieſen, Otto von Bamberg, der Pommern, Adelbert, der Preußen
Apoſtel gehalten wird. Gewafnet nenne ich ihn, nicht, daß er nach Art der Ritter und
vieler Geiſtlichen in ſeiner Reiſegeſelſchaft, in eigener Perſon gepanzert in Schlachten
geweſen, oder ſeine Haͤnde mit feindlichem Blut beſudelt habe: denn ich befinde, daß
er aus Klugheit davon geblieben, indem ihn vielleicht das Exempel ſeines Vorfahren be-
hutſam gemacht; ſondern weil er viele Ritter angeworben, und mit ſo groſſer Kriegs-
ruͤſtung nach Liefland gezogen, daß er 23 Laſtſchiffe damit beladen hatte. Arnold
von Luͤbeklibr. 7. c. 9. n. 7. heiſt ihn virum parentatum; welches ſein Ausleger
Bangert bey c. 3. n. 4. von einem Manne erklaͤret, der viel beruͤhmte Ahnen hat.
Daher koͤnte einer auf die Meinung kommen, daß Albert an Herkunft nicht geringer
geweſen als jener Erzbiſchof von Coͤln, Adolph, aus der Familie der Grafen von
Bergen und Altena, der an dieſer Stelle gleichfals vir parentatus heiſt. Mir aber
wenigſtens ſcheinet Arnold den Begrif der Vielheit und des Anſehens ſeiner Ahnen
von dieſem Worte abgeſondert zu haben, indem er virum parentatum umſchreibet durch
virum ornatum fratribus \& amicis, das heiſt, der viele ihrer Verdienſte wegen bekan-
te Bruͤder hat, und ſich auf ſeine anſehnliche Anverwandtſchaft ſtuͤtzen kan. Auf fran-
zoͤſiſch koͤnte mans ausdruͤcken, un homme, dont le parenté eſt très nombreux. Wel-
ches von Maͤnnern die ungleiches Herkommens ſeyn, wol kan geſagt werden, und ſich
ſo gut auf unſern Albert ſchicket, als auf den Grafen Adolph, deſſen Verwandſchaft
Bangert in einer Tabelle darſtellet: ſintemal jenem in verſchiedenen Zeiten 5*) Bruͤ-
der nach Liefland gefolget ſeyn, die theils vom Soldaten, theils vom geiſtlichen Stan-
de Profeſſion gemacht; wie auch Engelbert von Tieſenhauſen, des Biſchofs Eidam,
unten
[23]Geſchichte des dritten Biſchofs Alberts, erſtes Jahr, von 1198 bis 1199.
unten beym Jahr 1223; welchen ich vor ſeinen Schweſtermann*) erklaͤre. Jetzo nichts1198
zu erwehnen von den uͤbrigen mit ihm verwandten Rittern, die ihm in groſſer Menge
nachzogen. Zwar unter denen Geſchlechtstafeln, welche eine pergamentene Abſchrift
der Jahrbuͤcher Alberts von Stade, ſo auf der Univerſitaͤts Bibliothek in Helmſtaͤdt
verwahret lieget, in groſſer Menge enthaͤlt, komt bey dem Jahre 1140, wo von einem
Marggraf Rudolphen die Rede iſt, eine genealogiſche Tabelle vor, welche der ſel.
Andreas Hoier, ein in dieſen Wiſſenſchaften ſehr erfahrner Mann, in Kupfer ſtechen
laſſen, ſelbige auch der Vorrede zur Fortſetzung des Alberti Stadenſis einverleibet,
und zu erlaͤutern ſich unternommen. Dieſe Stamtafel, ſo von uns in dem Anhang
der Urkunden n. 9.**) verbeſſerter ſol dargeſtellet werden, ob ſie gleich ſo verworren
iſt, daß ſie einen Oedipus brauchte; zeiget doch, daß unſer Albert muͤtterlicher ſeits von
einem Graf Alverich herſtamme, und ein Verwandter von dem Erzbiſchof Hartwich
dem andern, aus der Familie der Herren von Lith, geweſen, als von dem er eingeweihet
und nach Liefland geſchicket worden. Denn da ſtehet unter den Enkeln dieſer Adel-
heid, Albert Biſchof von Liefland und ſeine Bruͤder. Jch weiß zwar wohl, daß
nach dem Nicolaus, des Alberts Nachfolger, ein andrer Albert beruͤhmt geweſen,
der gleichfalls Canonicus in Bremen, ingleichen Lieflaͤndiſcher Biſchof, und nach-
her der erſte Erzbiſchof in Riga war, welcher hier eben ſo gut gemeinet zu ſeyn ſchei-
nen koͤnte. Doch weil ich dieſen lezten Albert, in dieſe auf der Tabelle verzeichnete
Familien nicht mit eingezogen finde, ſo trage ich kein Bedenken dieſe Tafel von unſerm
erſten Albert zu verſtehen. Denn aus ſelbiger wird die von Arnolden geruͤhmte ſehr
weitlaͤufige Verwandſchaft unſers Alberts klar, und man lernet zugleich daraus, daß
das muͤtterliche Stamhaus Alberts weit vornehmer als das vaͤterliche geweſen, daß
aber auch Cranz nicht unrecht habe, der Vandal. libr. 6. c. 11. n. 1. ihn ritterliches
Standes nennet; das heiſt, aus der Familie derer, die man heutiges Tages Nobiles,
vor Zeiten Milites und Militares hieſſe. Wo bleibt aber der Geſchlechts- und Guͤter-
name? alle Lieflaͤndiſche Scribenten nennen ihn Alberten von Buxhoͤveden. Wir
kennen eine Familie dieſes Namens aus ungedruckten Nachrichten, dergleichen eine von
Herzog Albert von Sachſen iſt, von den Guͤtern Helmberts von Mone, ausgeſtelt.
vom Jahr 1242; darunter als Zeugen ſtehen:
Ulrich Burggraf von Witin.
Sifrid von Bremen.
Engelbert von Bikeshovede.
Mehrere hat Mushard von der Bremiſchen Ritterſchaft p. 104. Einen vornehmen
und noch heutiges Tages in Liefland bluͤhenden Zweig derſelben hat Caſpar von Ceu-
mern in Theatridio Liuonico p. 34. Dis alles aber reichet nicht an die Zeit, da der
Bremiſche Canonicus Albert lebete, der ſchon zu Ende des 12 Jahrhunderts beruͤhmt
war; die Namen kommen auch nicht mit dem unſrigen uͤberein. Unſer Verfaſſer, der
uͤberal mehr die lautere und reine Wahrheit ſchreibt, iſt auch in Meldung der Zuna-
men der Ritter nicht ſparſam. Jnzwiſchen laͤſt er doch 4 Bruͤder des Biſchofs, Engel-
berten, Dietrichen, Rotmarn, Hermannen, in dieſer Chronik ohne ihren Ge-
ſchlechtsnamen vorbey, und behilft ſich allein mit dem Beyworte: Bruder des Biſchofs,
bis an das Jahr 1223 n. 6, wo der 5te vorkomt, Johannes von Apeldern, Bruder
des Biſchofs, ein fuͤrtreflicher Ritter. Dieſe einzige Stelle befriediget endlich
den begierigen Leſer, und entdecket ſowol das Geſchlecht, als den Namen und das Vater-
land des Biſchof Alberts. Denn da die Adelichen, ſeitdem der Gebrauch der Zuna-
men aufgekommen, ſelbige entweder von den Doͤrfern, ſo ſie von ihren Vorfahren er-
halten, oder in welchen ſie gewohnet haben, angenommen, (ob ich gleich weiß, daß ſol-
ches bey buͤrgerlichen Familien, wenn ſie ſich in Staͤdten geſetzet, auch geſchehen ſey,) oder
von neu angelegten Guͤtern, denen ſie ihren Zunamen gegeben: ſo iſt hoͤchſt wahrſcheinlich,
daß unſre von dem Dorfe Apeldern ihren Geſchlechtsnamen gefuͤhret. Und hier komt
uns zuerſt Apeldern vor, jetzo Apelern, ein Dorf im Schauenburgiſchen, in dem
Amte Rotenburg, ſo an die Provinz Calenberg ſtoͤſt, ſo um die Stadt Hanover
liegt. Heutiges Tages ſteht es unter dem Durchlauchtigſten Hauſe Heſſen, es war
aber von den aͤlteſten Zeiten her ein Ritterſitz der Schaumburgiſchen Vaſallen, der
F 2ſeit
[24]Geſchichte des dritten Biſchofs Alberts, erſtes Jahr,
1198ſeit einigen hundert Jahren von der hochadelichen Familie derer von Muͤnchshauſen
beſeſſen wird: welches die Stiftungsbriefe des Kloſters Overnkirke bezeugen, und noch
mehrere Lehntafeln, die eines Theils in das Stamregiſter der Herren von Muͤnch-
hauſen eingeſetzet ſeyn, das ſich jezt immer ſehen laſſen koͤnte. Dieſe ſcheinen alſo
denen Edlen von Apeldern, von denen wir leſen, daß ſie alle nach Liefland gegangen
und daſelbſt ihren ſteten Ritterſitz genommen, auf Belehnung der alten Grafen von
Schaumburg in den Apelderniſchen Guͤtern gefolget zu haben, deren heutiger Be-
ſitzer der Hochwolgeborne Herr Hieronymus iſt, des Durchlauchtigſten Herzogs zu
Braunſchweig Luͤneburg, Premierminiſter. Vielleicht duͤrften einige dreiſter ſeyn
als ich, die denken moͤchten, unſer Albert gehoͤre deswegen mit ſeinen Bruͤdern zur
Muͤnchhauſiſchen Familie ſelbſt, da es an Exempeln ſolcher nicht fehlet, die aus ei-
ner weitlaͤuftigen Familie entſproſſen, und des Unterſcheids halben von dem Sitze, den
ſie ſich ausgeleſen, einen neuen Namen angenommen. Weil aber die Namen Engel-
bert und Rotmar in dieſer Familie ſich nicht finden, ſo wil lieber etwas furchtſam
ſcheinen, als jemand zum Nachtheil der Wahrheit zu ſchmeicheln ſcheinen. Doch fin-
den wir ein ander Dorf dieſes Namens in dem Bremiſchen Diſtricte in der Nachbar-
ſchaft des Schloſſes Buxhoveden, welches denen Laͤndereyen der Familien naͤher liegt,
wozu der Biſchof Albert gehoͤret hat. Hieruͤber wollen wir was mehrers ſagen bey
Erklaͤrung der genealogiſchen Tabelle n. 9. Uebrigens wie ſeinem Vorfahren Bertold
die Einkuͤnfte der 20 Mark aus den Guͤtern der Kirche zu Bremen angewieſen worden;
alſo hat Albert die Pfruͤnde, ſo er ehemals aus ſelben hatte, auch beybehalten. Denn,
da nach Waldemars Verſtoſſung, die Geſcheuteſten aus den Collegen den Biſchof von
Osnabruͤg Gerharden, vom Pabſt zu ihrem Erzbiſchof begehrten; ſo finde ich, daß
der Lieflaͤndiſche Biſchof Albert mit unter den Poſtulanten geweſen ſey, nach Jn-
nocent.III. libr. 13. ep. 158, in welcher er dieſes Anſinnen zugeſtanden. Albert von
Stade beym Jahre 1211.
geſchrieben werde, iſt was gemeines. Das iſt merkwuͤrdiger, daß derjenige Hof, der
zu unſern Zeiten durch ausgeſandte Mißionarien an die Malabaren das Heil der Jn-
dianer ſich angelegen ſeyn laͤſt, ſchon zu dieſer Zeit Alberten, der die Liven zu bekeh-
ren eben abreiſen wolte, und deſſen Reiſegefaͤhrten unterſtuͤtzet; als die gewiß ohne koͤnig-
liche Koſten zu dieſem Zuge auf 23 Schiffe kaum Rechnung machen konten. Die Zeit-
buͤcher ſind vol Ruͤhmens von Canut dem juͤngern, Koͤnige von Daͤnnemark. Er
war Heinrichs des Loͤwen Schwiegerſohn, und ſeine Schweſter, Helena, war an dieſes
Heinrichs Prinz, Wilhelmen vermaͤhlet; die die Mutter wurde aller jemaligen Her-
zoge von Braunſchweig und Luͤneburg, Churfuͤrſten des heiligen Roͤmiſchen
Reichs, und Koͤnige von Großbritannien, die GOTT erhalten, und zu ſo viel Koͤ-
nigen machen wolle, als er, zuruͤck zu rechnen, Herzoge verliehen.
davon ab, und faͤnget ſie von der Einweihung des Biſchofs an. Weil nun dieſe in die
andere Helfte des 1198ſten Jahres faͤlt, ſo treffen dieſe Jahre mit den Jahren nach Chri-
ſti Geburt nicht genau uͤberein, indem zum Exempel die Geſchichte des erſten Jahrs,
zum theil in das Jahr Chriſti 1198, zum theil in das Jahr 1199 gehoͤren. Welches
deswegen zu erinnern noͤthig geſchienen, daß man nicht denke, als ob die Rechnung des
Verfaſſers nicht zuverlaͤßig ſey; welche an ſich richtig genug iſt, wenn man nur das,
was in dieſem oder jenem Jahre des Biſchofs ſich zugetragen haben ſol, eines theils
zu
[25]von 1198 bis 1199.
zu dem gegenwaͤrtigen Jahre, andern theils zu dem folgenden Jahre CHriſti rechnet,1198
wie die dabey gezeichneten Monate oder Feſttage es erfordern wollen. Und dieſe Schwie-
rigkeit hat bey mir ſo viel vermocht, daß ich bey jedes Jahr des Biſchofs allezeit 2 Jahre
Chriſti, als in welche die Begebenheiten eines Jahres einfallen, vorauszuſetzen und an
den Rand zu ſchreiben fuͤr gut befunden, damit ich niemand irre mache.
oͤffentlich ſehen lies, wie die Magdeburgiſche Chronik des Meibom.tom. 2. p. 330. hat,
welches von einem Reichstage zeuget. Die Urſache war, daß des Philipps Neben-
kaiſer Otto ſchon damals vor Goslar ruͤcken wolte, wie Gottfried von Coͤln beym
Jahre 1198 davon Zeuge iſt. Die Erhaltung dieſer Stadt ſchien einer Reiſe nach
Sachſen werth zu ſeyn, auf welcher Philipp auch in Hildesheim einſprach. Denn
zu Hildesheim iſt 1199 ſein Diploma wegen der Grafſchaft Stade datiret, bey Lin-
denbrog.Scriptor. Septemtr. p. 170. Der Magdeburgiſche Chronikſchreiber
ziehet dis, wiewol unrecht, auf die Zeiten des Erzbiſchofs Alberts, der weit ſpaͤter den
Biſchofshut bekommen, nachdem er vom Pabſt Jnnocentius dem 3ten 1206 beſtaͤtiget
und 1207 n. 11. eingeweihet worden, wie Raynald um dieſes Jahr n. 11. bezeuget. Ein
Ungenanter in Menck.tom. 3. p. 117. erzaͤhlets in dieſer Ordnung: Der Koͤnig Otto,
ſpricht er, ruͤckte vor Goslar, und verglich ſich mit der Stadt auf dieſe Bedingung,
daß, wenn ſie innerhalb der beſtimten Tage nicht entſetzet wuͤrde, ſie ſich ergeben muͤſte.
Es begab ſich aber, daß der Koͤnig Philipp mit der Menge ſeines tapfern Heers ſie
maͤchtig befreyete. Der Koͤnig Philipp hielt auch ein praͤchtiges Hoflager zu Mey-
deborg, wo er mit ſeiner Gemahlin in koͤniglichem Staat und gekroͤnet einherging.
Nachher ſtarb auch der Meydeburgiſche Biſchof Ludolf. Die Luͤneburgiſche
Chronik ſtimt damit uͤberein; Eccard. tom. 1. p. 1399. De Koning Otto vor oc to
Goslare, unde vordingede de Stat, dat ſe to ime keren ſolden bit an enen beſche-
denen Dach, of men ſe nicht ne ledegede. Do ledegede ſe de Koning Philippus
mit groter Craft. De Koning Philippus hadde oc enen groten Hof to Maideburch,
dar he kronet ging mit ſinem Wive ‒ ‒ Des andern Iars darna ſtarf de Biſchop
Ludolf van Maideborch.
denen wir oben ſchon geſaget, daß ſie nirgend zu finden; es muͤſte denn ſeyn, daß man
Jnnocentius den 3ten verſtuͤnde, wegen des folgenden beym Jahr 1199 n. 6. Denn
ob gleich dieſes ſeine 3 erſten Bullen in das andere Buch gebracht worden, ſo hindert
uns doch nichts, ſie zu dieſem Jahre zu rechnen, weil das Jahr der Paͤbſtlichen Regi-
rung nicht dabey geſchrieben ſtehet.
WaiſſelnChron. Pruſſ. p. 64. b) glaubet, ward nebſt mehrern Deutſchen Ordens-
rittern Anno 1240 bey der Weichſel von einem Heidniſchen Herzog der Caſſuben,
Sventepolc erſchlagen. Gewiſſer iſt Conrad, Graf von Dortmund, der es mit
dem Kaiſer OttoIIII hielt, und zugleich mit dem Grafen Bernhard von Tecklen-
burg in der Schlacht bey Bovines gefangen worden, wie Alberich berichtet ums
Jahr 1214 p 481. Noch ein Conrad Graf von Dortmund lebte Anno 1225 am Ho-
fe des Erzbiſchofs zu Coͤln, Engelberts, und hat als ſein Reiſegefehrte, da die an-
dern wegliefen, den Biſchof ganz allein vertheidiget, der meuchelmoͤrdriſcher Weiſe uͤ-
berfallen und erſtochen wurde; wobey er erſtlich ſelbſt in die Stirne gehauen, und dar-
nach von den Moͤrdern zwiſchen den Schulterblaͤttern ſtark verwundet worden, wie Ca-
ſarius erzaͤhlet im Leben des heil. Engelbertslibr. 2. c. 6 \& 7. Jch ſehe auch nicht,
was es hindert, wenn man dieſen fuͤr eben denſelbigen haͤlt, der Anno 1199 einen Kreuz-
zug nach Liefland gethan, 1214 der Schlacht bey Bovines beygewohnet, und 1225
dem Erzbiſchof von Coͤln gegen die Straſſenraͤuber beygeſtanden. Wenn die Familie
der Grafen von Dortmund verloſchen ſey, (worinne Hammelmann, der von den aus-
geſtorbenen Familien handelt, nichts anzugeben weiß,) und auf was Art die Grafſchaft an
den Rath zu Dortmund und die Verwaltung derſelben an die Vicebuͤrgemeiſter gefal-
len, die nachher vom Kaiſer Maximilian dem 1ſten in einem oͤffentlichen Patent be-
ſtaͤtiget worden, fuͤhrt Gelen aus uͤber das Leben Engelbertsp. 140.
lange, bis Ernſt AuguſtI. einen Pallaſt zu Osnabruͤg bauete. Dieſer Harbert
war vielleicht von den Burggrafen zu Jburg, und hat daher ſeinen Namen bekommen.
Was Hammelmannde famil emort. opp. p. 687 ſo dreiſte hinſaget, daß Werne-
chin, des Herzogs von Sachſen Wittekinds Vater, unter andern den Titel von
Jburg gefuͤhret, ſcheinet mehr Lachens als Meldungs werth zu ſeyn.
wundern moͤchte, warum er verſchwiegen, wo, wenn und von wem er getauft ſey.
Doch ſiehe die Geſchichte Meinhardsn. 10. am Ende.
halten koͤnte, weil er ſchon damals Riga hieß.
Riga ein Lieflaͤndiſches oder Deutſches Wort ſey, oder vielleicht keins von beyden.
Wenn die Deutſchen Kaufleute an der Stelle eine Anfurt vor ihre Schiffe gehabt, wie
unſer Verfaſſer darauf zu zielen ſcheinet beym Jahre 1200 n. 1. ſo hat ihm wol von der
Reihe der Schiffe, die da nacheinander ſtunden, und in der Saͤchſiſchen Sprache
eine Rige heiſſet, der Name beygeleget werden koͤnnen, als ein eigenthuͤmlicher, der nachher
G 2ſelbſt
[28]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, andres Jahr,
1199ſelbſt von den Liven angenommen und gebraucht worden. Der Geiſtlichkeit gefiel es, auf
das Wort Rigatio zu zielen. Wuͤrde aber vielleicht eine See dieſes Namens oder ein
Stroͤmchen in der Naͤhe ſeyn, das in die Duͤne liefe, ſo wuͤrde ich deſto weniger zweifeln,
daß die Stadt davon den Namen erhalten, je bekanter es iſt, daß faſt alle Staͤdte an
der Duͤne an der Muͤndung eines kleinen Fluſſes liegen, von dem ſie den Namen fuͤhren.
Alſo hat die Polotta, ein nicht groſſer Fluß bey ſeinem Einfal in die Duͤne, dem
Schloſſe und der Stadt, die Stadt dem Lande und der Woywoidſchaft Polocz den
Namen gegeben. Dieſe Anmerkung Heidenſtensde bello Moſcou. l. 2. wird beſtaͤti-
get durch das Nachſchlagen der Landkarten.
glaube nicht. Denn obgleich dieſes Jahr Jnnocentius der 3te den paͤbſtlichen Stuhl
beſtiegen, ſo lieſet man doch nirgends eher, daß er dieſes Punkts wegen angeſprochen
ſey, als da Dietrich nach Rom gekommen. Vorerwehntes Schreiben verſtehe ich alſo
von einem Briefe*), den Dietrich ſelbſt aufgeſetzt; der Pabſt genehm gehalten, und
nach der am Roͤmiſchen Hofe gebraͤuchlichen Form ausgeſtellet, und Dietrichen uͤber-
reichet. Und dergleichen Art Briefe haben wir 3, die man in das andre Buch des
Jnnocentius des 3ten gebracht; ihr Titel iſt, von dem Werke des Glaubens in
Liefland, und ſind gezeichnet im Lateran unter dem 5 October; die auch Raynald
in ſeiner Kirchengeſchichte beym Jahre 1199 n. 38 anfuͤhret. Und zwar iſt der erſte, an
alle Glaͤubigen CHriſti in Sachſen und Weſtphalen gerichtet; der andre, an alle
Glaͤubigen CHriſti in Slavien; der letzte, an alle Glaͤubigen CHriſti, die jenſeit der
Elbe wohnen: wo Raynald einen Schnitzer macht, indem er Chriſtianos tranſalpi-
nos, (die Chriſten, die uͤber den Alpen wohnen,) ſetzet, an ſtat Chriſtianos transalbi-
nos, (fuͤr Chriſten jenſeit der Elbe). Der Jnhalt von allen dreyen iſt einerley. Wir
verſparen ſie in den Anhang der Documenten, und bemerken hier, daß in ihnen keine Er-
wehnung des gegenwaͤrtigen Biſchof Alberts vorkomme; ſondern allein des Lieflaͤndi-
ſchen Biſchof Meinhards, gottſeliges Andenkens, der in der Provinz Liefland ange-
kommen ſey.
gleichen Verbot zu einer geſchwinden und vorzuͤglichen Aufnahme derſelben noͤthig, damit
die Schiffe nicht anderwerts einliefen. Was aber durch den Hafen in Semgallien zu
verſtehen ſey, laͤſt ſich ſchwer ſagen, wo man nicht die Muͤndung der Muſſe, (Mie-
tau,) wo ſie ſich gleich bey der See in die Duͤne ergieſt, dafuͤr haͤlt. Denn das nach-
folgende ſcheinet darauf zu gehen.
leget worden, ſo fallen die Meinungen derer uͤbern Haufen, die Riga aͤlter machen als
unſern Albert, welchem die Alten uͤbereinſtimmig dieſes Lob beylegen; zum Exempel,
Albert von Stade beym Jahre 1203: Albert ein Lieflaͤnder Biſchof erbauet die
Stadt Riga. Das Chronicon von den Bremiſchen Erzbiſchoͤfen bey Lindenbrog
p. 95: Dieſer Albert hat die Stadt Righe gebauet; welche das Chronic. Slau. eben
da c. 36 ciuitatem Regis (Rigis) nennet. Ein Ungenanter in MenkensScript. tom.
3. p. 117: Zu der Zeit hat der Biſchof Albert in Liefland die Stadt Riga mit den
Auslaͤndern aufgefuͤret. Die Luͤneburgiſche Chronik in EccardsScriptor.
tom. 1. p. 1399. Bi den Tiden buwede Biſchop Albrecht mit den Pelegrinen de Stat
to Rige to Liflande.Alberich beym Jahr 1201. p. 424: Nachdem Biſchof Ber-
told in Liefland zum Maͤrtyrer geworden, kam ein ehrwuͤrdiger Geiſtlicher in
ſeine Stelle, Namens Albert, der eine neue Stadt, Riga genant, zu bauen an-
fing, und eine Abtey Ciſtercienſer-Ordens ſtiftete, nemlich in Dunemunde. E-
ben dieſe Jahrzahl hat Meibom,Script. tom. 1. p. 530. dem Anfang dieſes Werks
richtig vorgezeichnet.
einem Jahre volbrachten, und nach Endigung deſſelben in ihr Vaterland wieder zuruͤck
kehrten; ſo fand der Biſchof fuͤr dienlich, durch Ertheilung gewiſſer Guͤter einige tapfere
Maͤnner in Liefland zuruͤck zu behalten, damit er gleichſam eine beſtaͤndige Ritterſchaft be-
reit haͤtte, die das einmal eroberte behaupten, und alſo gegen die Heiden nicht allein fuͤr die
Religion, ſondern auch fuͤr ihr Eigenthum fechten muͤſten. Wer die Bannerowen
geweſen, weiß ich nicht zu ſagen; es komt auch der Name in des Herrn Ceumers Ver-
zeichniß nicht vor: die von Meindorp aber ſtunden im Holſteiniſchen, Magde-
burgiſchen und in der Mark ehmals in groſſem Anſehen. Jhre Genealogie hat Hen-
ninges in dem Saͤchſiſchen Adel beygebracht; welches Buch wegen ſeiner Seltenheit
theuer verkauft wird. Doch weiß Henninges von dem Lieflaͤndiſchen Zweige der
von Meindorp nichts, weil der Namen ihres Lehnguts Yxkuͤl, den Geſchlechtsnamen
verdraͤnget hat. Die, welche Clemens den II, der 1046 Roͤmiſcher Pabſt gewor-
den, zu dieſer Familie rechnen, ſind unter ſich wegen der Linie wohin er zu bringen nicht
einig. Siehe Mollershiſt. Cimbr. p. 212. ſqq. und in der Vorrede.
30 trauen kan, hat man allererſt den Namen eines Litthauiſchen Volks gehoͤret, der
vorher unbekant geweſen. Sie waren Knechte der Ruſſen, zahlten ſtat ihres Tributs
Guͤrtel, Holz zu Gurkenſtoͤpſeln und Pelzwerk, und waren aus aͤuſſerſter Armuth ſo uͤbel
gekleidet, daß ſie eines Rockes halben wol einen Freund todtgeſchlagen haͤtten. Man
ſchlage auch noch MechovsSarmatia libr. 2 c. 2 nach, wo er unter andern erzaͤhlet,
wie dieſes zerlumpte Volk, ſo ſich bis dahin ſonſt mit Linnen behelfen muͤſſen, ſich hau-
fenweiſe zur Taufe gedraͤnget, um wollene Kleider zu bekommen, die Jagello fuͤr die
Getauften fertig hielte.
dens, aus dem neuen Kloſter in Holſtein, das nach ſeiner Verlegung Bordisholm
heiſſet, in deſſen Dom die Durchlauchtigſten Herzoge von Holſtein beygeſetzet zu werden
pflegen. Von den Einkuͤnften deſſelben aber wird heut zu Tage die Univerſitaͤt zu Kiel
verſorget und unterhalten.
er, weil die Landguͤter nicht hinreichend waren tapfere Maͤnner in Liefland zu behalten,
Kriegesleute ausgeleſen, die nicht durch einen einjaͤhrigen Feldzug ihr Geluͤbde vollendeten,
ſondern nach einem beſtaͤndigen Geluͤbde Krieg fuͤhren muſten. Hierin hat er die
Stifter der Tempelherren, der Johanniter- und Marianer-Ritter zu Vorgaͤngern;
Jngleichen die Bruͤder der Ritterſchaft von St. Jago, ſo in Spanien ihren Zunamen
vom Schwerdte hatten, von denen Gottfried von Coͤln bey dem Jahr 1217 handelt,
und welche Alberichp. 496. fratres de Spatha heiſſet, deren Stiftung Jnnocentius
III. und HonoriusIII. beſtaͤtiget, beym Raynald ums Jahr 1210 n. 6. 7. und ums
Jahr 1223 n. 54. Unſer Verfaſſer nennet ſie allezeit fratres militiæ Chriſti, doch an
einer einigen Stelle Schwerdttraͤger, die auf Veranlaſſung des Biſchofs aus man-
cherley Art Leuten in dieſe Kriegesgeſelſchaft getreten, und eroͤfnet uns derſelben Urſprung
und wahre Beſchaffenheit mit wenigen Worten; da hingegen meiſtentheils von dem Ur-
heber und Stifter, von der Benennung und Zeit des errichteten Ordens, und inſonder-
heit von dem auf den Kleidern getragenen Zeichen, ſo viel Meinungen als Koͤpfe ſeyn.
Dieſe mit einander zu vergleichen, haben ſich die beyden Bruͤder, die Schurzfleiſcho,
bald den Kopf zerbrochen, als deren Schriften beyde von dem Orden der Schwerdt-
traͤger bekant ſind, die dieſe klare Stelle nicht gewuſt und gebrauchet haben. Fran-
ciſcus Modius geſtehet, daß er von dieſem Orden gar nichts ausmachen koͤnne.
Der hier ausgelaſſene und nicht angegebene Name des erſten Ordensmeiſters zeiget ihren
geringen Anfang an, der doch bey einer ſo wichtigen Sache vor allen andern haͤtte muͤſſen
angefuͤhret werden. Die groͤſte Uneinigkeit iſt bey dem auf die Kleider gehefteten Zei-
chen, da die gelehrteſten ein Schwerdt mit einem Stern angeben**). Jn dieſen Jrthum
hat ſie Peter von Duisburg verleitet, der in der Preußiſchen Chronik part. 2 c. 4. von
dem Herzog Conrad von Maſſocien, ehe er die deutſchen Ordensbruͤder nach Preuſ-
ſen rief, alſo ſchreibet: Auf Angeben des Bruder Chriſtians, Biſchofs von Preuſſen,
und einiger von Adel, ſtiftete er zur Vertheidigung des Landes die Bruͤder, ſo die Krie-
ger Chriſti genennet wurden, mit weiſſen Maͤnteln, rothem Schwerdte und Sterne,
welche damals in den Gegenden von Liefland geweſen und viele Laͤnder der Unglaͤubi-
gen mit Gewalt dem chriſtlichen Glauben unterwuͤrfig gemacht hatten. Vorerwehnter
H 2Biſchof
[32]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, fuͤnftes Jahr,
1201Biſchof inveſtirte einen gar beſcheidenen Mann, Bruno genant, und mit ihm 13 an-
dre in beſagten Orden. Hierauf bauete dieſer Herzog den Bruͤdern ein Schloß, Do-
brin (Dobrezyn) genant, von dem ſie nachher Bruͤder von Dobrin (Dobrezyn)
genennet worden. Wenn man mit Hartknochen entweder dafuͤr halten muß, daß
entweder der Herzog Conrad zur Nachahmung des Lieflaͤndiſchen Biſchofs, einen
beſondern und von dem Lieflaͤndiſchen unterſchiedenen Ritterorden geſtiftet, oder,
wenn er eine Gattung von Lieflaͤndiſchen Orden geweſen, daß der Duisburger in Be-
ſchreibung des auf die Kleider genaͤheten Zeichens geirret habe. Dlugoſſus ſchreibet
richtiger hiſt. Polon. l. 6. p. 536 in der Dobromiliſchen und p. 600 in der Leipziger Ausga-
be beym Jahre 1205: Albert, der dritte Lieflaͤndiſche, ſonſt Rigiſche Biſchof, der
auf den andern Biſchof uͤber Liefland, Bertolden, welchen die Liven bey Riga
todtgeſchlagen, folgete, hat einen Orden der Bruͤder, von der Ritterſchaft Chriſti ge-
nant, welche zu ihrem Ordenszeichen ein Schwerdt und daruͤber ein Kreuz auf den
Mantel genaͤhet fuͤhreten, in Liefland errichtet, um die Glaͤubigen wider die Bar-
baren zu ſchuͤtzen, und beſtimte fuͤr ſie den dritten Theil von den Guͤtern der Rigiſchen
Kirche. Unter unſern Landsleuten iſt auch Nauclerus nicht entgegen, der vol. 3 ge-
nerat. 42 ſchreibet: Jn Liefland waren Bruͤdermoͤnche, gemeiniglich von dem
Schwerdte genant; dieſe trugen auf ihrer Kleidung, auſſer einem Kreuze, (das ſie mit
allen Orden gemein hatten,) auch ein angeheftetes Schwerdt, und ſtritten wider die Hei-
den, zur Vertheidigung des Glaubens.
adeliche Dame geheirathet, und als oberſter Miniſter des Alberts nach mancherley Be-
gebenheiten, und vielen Schickſalen zu Lande und zu Waſſer, endlich ſich im Schloß
Odempe niedergelaſſen. Welches alles unſer Verfaſſer bey jedem Jahre anzeigen
wird.
ausfuͤhrlichen und genauen Chorographia Danica des Pontanus; ſo kam ich auf die
Gedanken, entweder Falſtria zu leſen, oder Loxtra oder Lethra: wovon Erich in
hiſtor. gent. Dan. p. 263 265; Stephan uͤber den Saxo Grammaticus p. 29.
Worm. in monument. Dan. c. 12; Leibniz in ſcript. Brunſuic. tom. 1 p. 7 not. 1).
Herr Keisler in antiqu. celt. p. 93 nachzuſchlagen. Die letztere Muthmaſſung gefiel
mir deswegen, weil ich ſahe, daß einige Lethra in Schonen ſetzen, ſo groͤſtentheils
an der See liegt, und von Kapern leichte befahren werden kan. Endlich grif ich nach
alten Urkunden, worinne oͤfters die beſten Beſchreibungen der Landſchaften in mitlerer
Zeit enthalten ſind, und fand, daß Schonen ehemals in 3 kleinere Provinzen eingethei-
let worden, in Halland nemlich, Lyſtrien und Blecking. Denn da der Koͤnig von
Schweden, Magnus, 1333 in der Octave**) des heiligen Martini mit Waldemar
dem 3ten Koͤnig in Daͤnnemark einen Vergleich traf, ſo verſprach er unter andern, daß
der Brief, der durch Waldemaren ihm gegeben ſey, uͤber die Laͤnder Schonen, Hal-
land und Bleckingen, Lyſter und die Jnſel Huaͤn, in ſeiner voͤlligen Guͤltigkeit und
Kraft, auf ewig ſich erſtrecken und dauren ſolte. Den ganzen Vergleich liefert Ponta-
nusRer. Dan. libr. 8 p. 468 ſeq. Der in der Beſchreibung von Daͤnnemark aber
ausgelaſſene Name Lyſtrien zeiget an, daß dieſe Eintheilung ſchon zu Pontanus Zei-
ten aus dem Gebrauch, und ſtat Lyſtrien der Name Schonen aufgekommen, wie es
in engerm Verſtande Halland und Bleckingen entgegen geſetzt wird; welche 3 Pro-
vinzen das heutige groͤſſere Schonen oder Scandinavien ausmachen.
nemark durchgegangen, ſchreibet: Es gibt auch noch andere, die unter Schwe-
diſchem Scepter ſtehen, davon die groͤſte diejenige iſt, welche Curland heiſ-
ſet***) ‒ ‒ ‒ Wir glauben, ſie werde in dem Leben des heiligen Anſcharius Chori
genant, welche die Schweden damals ſich zinsbar gemacht. Wie aber bey dem Ver-
faſſer der Lebensbeſchreibung des heiligen Anſcharius, dem heiligen Rembertc. 27,
Chori nicht eine Jnſel, ſondern ein gewiſſes Volk bedeutet, alſo fragt PontanusCho-
rogr. Dan. p. 734 nicht unbillig, was fuͤr ein Curland hier zu verſtehen ſey, da das
jetzige keine Jnſel iſt, und muthmaſſet, weil Adam gedenket, daß ers vom Koͤnige von
Daͤnnemark gehoͤret, er ſey mehr dem Klange als den Worten gefolget, und habe
Curland fuͤr Gulland geſetzet, das iſt, die Jnſel Gothland, die in der Mutter-
ſprache Gulland heiſſen ſol. Pontanus iſt dieſer Meinung deſto lieber zugethan,
weil Adam ſonſt nirgends einer Jnſel Gothland gedenket. Aber die Sache hat nichts
zu ſagen. Denn Adam hatte ſich nicht vorgenommen, alle zu Schweden gehoͤrige
Jnſeln zu nennen. Wir ſehen ja auch Oeland nicht angefuͤhret. Gothland und Oe-
land aber ſcheinen deswegen ausgelaſſen zu ſeyn, weil ſie dem veſten Lande von Goth-
land alzunahe liegen und zu Gothland gerechnet werden. Joh. Baaziushiſtor.
eccleſ. ſveogoth. l. 1. c. 1. p. 39. Zur Aufloͤſung dieſes Knotens aber thut ſonderlich
viel, daß die Jnſel Oeſel in Eſthniſcher Sprache Curreſaar, das iſt, der Curen
Jnſel heiſſet. Weil man daher ſchlieſſen kan, daß die Curen oder Choren, wie
ſie Rembert nennet, ſo wol Einwohner der Jnſel, als des veſten Landes geweſen, die
nur der Sund bey Domnes abgeſondert, die auch in der Mundart heutiges Tages
Jnicht
[34]Geſchichte des dritten Biſchof Bertolds, viertes Jahr,
1202nicht ſonderlich verſchieden ſind; ſo folget daraus, daß Adam unter dem Namen der Jn-
ſel Curland nicht Gothland oder Gulland, ſondern Oeſel verſtanden. Weil aber
die Einwohner dieſer, noch heutiges Tages Curreſaar genanten Jnſel von den aͤlteſten
Zeiten her die Kaperey getrieben; ſo wollen wirs dem Leſer zu beurtheilen uͤberlaſſen, ob
nicht lieber von dieſer, als von den Corſen, der Name Corſare in der Welt bekant wor-
den, wodurch man Seeraͤuber anzuzeigen pfleget.
ſchenke empfangen, war Anno 1201 geſtorben, und hatte zu ſeinem Nachfolger dieſen An-
dreas, von dem gleich ein mehrers. Man beſehe hier das Chronicon Sialandicum,
ſo Arnas Magnaͤus herausgegeben, p. 50.
Munde erzaͤhlen, dieſer Caupo ſey 1170 von dem erſten Biſchof Meinhard nach Rom
zum Pabſt AlexanderIII. gebracht, und nach ſeiner Zuruͤckkunft ins Vaterland, in
dem Treffen, ſo der Biſchof Bertold mit den Liven gehalten, geblieben: da wir ihn
doch noch friſch und geſund ſehen werden bis aufs Jahr 1216 n. 4, wo wir erſt leſen, daß
er in einer Schlacht mit den Eſthen erſtochen worden.
die Schriften altes und neues Teſtaments, oder uͤberhaupt das, was wir mit einem uͤbli-
chern Worte biblia nennen. Alſo ſtirbt beym Albericusp. 450 Magiſter Peter von
Riga, der den Beynamen bibliothecæ verſificator fuͤhrte. Die Moͤnche nennen es oft
bibliam, und was bey uns bibliotheca heiſt, nennen ſie librariam. Beydes finden wir
in angehaͤngtem Schein: Jch Johannes von Velſtede, Canonicus dieſer Kirche, er-
kenne hiermit ſchriftlich, daß auf Eiwilligung und Erlaubniß meiner Herren, der Dom-
herren zu Hildesheim, da ſie in der groſſen Kapitelſtube in Kapitelſachen beyſammen
waren, den andern Advent eine Bibel (bibliam) aus unſerer Bibliothek (libraria) em-
pfangen, von mitlerm Format und kleiner Schrift, die ich verſpreche wieder dahin zu
liefern. Gegeben im Jahr unſers Herrn 1317, am Sonntage Epiphanias, unter mei-
nem Pitſchaft.
ſich ſo aͤhnlich, daß man in eigentuͤmlichen Namen, oder in Woͤrtern, die nur einmal vor-
kommen, faſt nicht weiß, welchen man von beyden nehmen ſol. Jch ſehe, daß mein
Abſchreiber hier ſtecken geblieben, weil er dem Buchſtaben B, den er vorher geſetzet, ein
groſſes G. auf- oder vielmehr uͤbergeſchrieben. Man ſolte denken, das waͤre ſchlecht ge-
rathen, indem keine Provinz oder Stadt in der Nachbarſchaft von Liefland vorkomt,
die wie Gercike einigermaſſen klinge; wenn man hingegen Bercike leſen wuͤrde, ſo haͤt-
te man die Stadt Birze in Samogitien, derer Fuͤrſten von Radzivil Erbgut. Weil
aber Gercike beym Jahr 1208 n. 4 beſchrieben wird, als eine Stadt an der Duͤne, von
der Birze etwas abliegt: ſo meine ich nichts zu aͤndern; doch laß ich mich von einem,
der Orte kundigen, gerne zurechte weiſen*).
Muͤnſteriſchen und Bremiſchen waͤren.
werke vorhanden, daß Caͤſarius ein Moͤnch von Heiſterbach in dem Erzſtifte Coͤln,
nur blos mit denen, ſo bey ſeinem Leben paſſiret, 12 Buͤcher volſchreiben und ſie der
Nachwelt aufbehalten koͤnnen: ſo wuͤrde es ein groß Wunder ſeyn, und mit der Beſchaf-
fenheit dieſer Zeit ſich nicht reimen laſſen, wenn nicht auch unter den Leuten jenſeit der
See was vorgegangen zu ſeyn erzaͤhlet wuͤrde. Jch kan ſogar unſerm Chronikſchreiber
es nicht verdenken, daß ichs ihm deſto lieber noch zu gute halte, je ſparſamer er mit der-
gleichen Hiſtoͤrchen aufgezogen koͤmt.
dere mal fuͤr conuerſio; wie beym Jahre 1206 n. 6.
packten, waren im vorigen Jahre angekommen. Hieraus erhaͤlt das gloſſarium des du
Cange etwas Licht, ſo unter dem Worte ſeculum einen einzigen Ort hat, der dazu noch
etwas dunkel iſt, da Mabillon gemeinet, es ſey ſeculum fuͤr annus gebraucht worden,
weil es heiſt, der Leichnam eines Heiligen ſey durch viele ſecula hindurch unverweßlich
erhalten worden, der vor noch nicht 200 Jahren geſtorben.
ſeinem Lehngut angenommen. Es ſind noch Herren von Yxkuͤl da, die in Liefland
groſſe Guͤter beſitzen, und vielleicht von dieſem ihrem Stamhauſe nichts wiſſen*).
Marius im Raudiſchen Felde niedergehauen waren, vorher ihre Kinder erwuͤrg-
ten und zerſchmetterten, und hernach entweder eine die andere todt ſtach, oder aus ih-
ren Haren Stricke flochten, und ſich damit an die Baͤume oder Querhoͤlzer ihrer Wa-
gen henkten. Wenn Florushiſt. rom. l. 3 c. 3 das erzaͤhlet, ſo nennet er dieſe To-
desart ſehr anſehnlich, (ſpecioſam mortem,) einen Tod zur Parade. Valerius Maxi-
mus l. 5 c. 1 fuͤget hinzu, der Deutſchen Weiber haͤtten den Ueberwinder Marius
gebeten, er moͤchte ſie den Veſtaliſchen Jungfrauen zum Geſchenke ſenden, mit der
Verſicherung, ſie wolten eben ſo wie jene, ſich nimmer wieder verheirathen, und als ſie
das nicht erlangen koͤnnen, haͤtten ſie ſich die Nacht drauf mit dem Strange getoͤdtet.
von den Litthauern ſchreibet: Von jenem Leben, ſagt er, welches die Menſchen nach
dem Tode haben ſolten, und von der Wiederkunft der Seelen in ihre Leiber, wenn ein
ihnen unbekanter GOtt das ganze menſchliche Geſchlechte aus den Graͤbern auf einen ſehr
hohen Berg zum Gerichte berufen wuͤrde, glaubten doch die alten Litthauer etwas, ob-
gleich nach heidniſcher und aberglaͤubiſcher Art; weil ſie in GOttes Wort voͤllig unerfah-
ren waren. Das iſt doch richtiger, als was Kadlubkohiſt. Polon. l. 4 c. 19 p. 512
edit. Dobromil. den Geten, das iſt, den Samogeten beymiſt, wo er ſagt: Alle
Geten, (die er vorher Preuſſen genennet,) haben dieſe Thorheit gemein, als ob die
vom Leibe getrenten Seelen wieder in Leiber geſtecket wuͤrden, die noch ſolten geboren
werden: wie auch, daß einige durch Annehmung viehiſcher Koͤrper zum Vieh wuͤrden.
Und vielleicht machts dieſe beſondere Meynung von ihrem bevorſtehenden Schickſal, daß
ſie von der Unwiſſenheit der wilden Thiere nicht weit entfernet ſind. Hingegen der
Duisburger ſchreibet part. 3 c. 5: Die alten Preuſſen haͤtten die Auferſtehung des
Fleiſches geglaubet; dis kan aber ſein Ausleger nicht verdauen. Doch wenn man be-
denkt, daß dieſes ein an die Redensart der Schrift gewoͤhnter Geiſtlicher geſchrieben, die
heilige Schrift aber die Frage von der Auferſtehung von der Unſterblichkeit nicht trenne,
ja, daß die Auferſtehung ſo viel ſey, als das ewige Leben, wie Grotiusep. 130 f. 49
bemerket: ſo hat Peter von Duisburg eben das geſagt, was die Litthauiſchen Wei-
ber geglaubet, nemlich, ein ander Leben nach dem Tode. Die uͤbrigen Meynungen der
Nordlichen Voͤlker hieruͤber hat Hartknoch geſamlet und gelehrt unterſucht in der
Abhandlung von den Leichenbegaͤngniſſen der alten Preuſſen, im letzten §, welche Ab-
handlung unter den Preußiſchen Diſſertationen die dreyzehnte iſt.
nonicus des Kloſters Sigeberg, der nachher der erſte Praͤpoſitus bey der Domkirche
zu Dorpat geworden, Anno 1223 n. 8.
men und deſſen untergebene Biſchoͤfe, worinne er ſie vermahnet, daß ſie ſowol Prieſter
und Geiſtliche, die das Zeichen des Kreuzes genommen, und einen Feldzug nach Jeru-
ſalem zur Verkuͤndigung des Glaubens an CHriſtum angelobet haͤtten, als auch Laien,
die aus Mangel der Reiſekoſten, oder Kraͤnklichkeit des Leibes, nicht nach Jeruſalem
walfarten koͤnten, ihr Geluͤbde aͤndern, und gegen die Unglaͤubigen nach Liefland zie-
hen lieſſen. Gegeben Rom beym heiligen Peter den 10 October, im ſiebenten Jahr
ſeines Sitzes; wie ſolches auſſer Raynaldenn. 56, auch Bzovius beym Jahr 1204
n. 8, und Spondanus bey dieſem Jahre n. 14 anfuͤhren. Den zehnten Moͤnch aber
allezeit dazu zu werben, daran iſt damals gar noch nicht gedacht worden.
aus den Ruinen des Schloſſes Stumpenhuſen, wie Mushard von der Bremi-
ſchen Ritterſchaft p. 58 aus einer geſchriebenen Chronik von Hoya anfuͤhrt, ſol das
Schloß Nienburg an der Weſer errichtet ſeyn. Bey einem alten Meßbuch ſteht
unterm 29 Octobr. beygeſchrieben: Heute ſtarb Heinrich, Graf von Stumpenhuſen,
der ſein Begraͤbniß in der Kirche zu Mellinghauſen hat. Er war ein Sohn
Widekinds.
Aachen gekroͤnet, bauete erſt das Schloß Jſenhurg an der Roer, und belehnete nach-
mals ſeinen Bruder Arnold damit, der zuerſt ſamt ſeinen Soͤhnen den Titel eines
Grafen und Edlen von Jſenborch annahm, um ſich von ſeinem Bruder und uͤbrigen
mit ihm verwandten Grafen von Bergen und von Altena zu unterſcheiden. Gelen.
in auctar. ad vitam Engelbert. p. 4 \& 308 ſeq. legt ihm aus alten Briefſchaften acht
Soͤhne bey, welchen dieſer Cono oder Conrad als der neunte beyzufuͤgen. Denn
auſſer dieſem Arnold, als dem Vater, und ſeinen Soͤhnen, hat niemand aus dieſer Fa-
milie den Jſenburgiſchen Titel gefuͤhret. Denn da der aͤlteſte Bruder Friedrich
wegen veruͤbter Mordthat an dem Erzbiſchof Engelbert, zu Coͤln geraͤdert wurde: ſo
ward auch zu Vertilgung des Andenkens dieſer ſo groſſen Uebelthat, das Schloß Jſen-
burg geſchleifet. Und obgleich noch zwey Soͤhne von dieſem Friedrich uͤbrig waren:
ſo enthielten ſie ſich doch des Jſenburgiſchen Namens, und lieſſen ſich von dem Schloſ-
ſe Limburg, ſo ihnen zu gefallen ihr Großvater muͤtterlicher Seite an dem Fluß Lenna
erbauet, Grafen von Limburg nennen, die in ihren Nachkommen, den Grafen von
Limburg und Herren in Stirum, noch bis dieſen Tag in Weſtphalen uͤbrig ſeyn.
Kokenhuſen bey unſerm Verfaſſer Kukenoys heiſt; alſo iſt die Urſache nun bekant,
warum die Herren des Schloſſes Adenhuſen, kuͤrzer Adenſen, zu dieſer Zeit Herren
von Adenois genennet werden.
meiſterin der bibliſchen Hiſtorie, und erſetzet den Mangel einer chriſtlichen Unterweiſung.
Spaͤter hin fing man in Frankreich an, dergleichen geiſtliches Spielwerk oͤffentlich aufzu-
fuͤhren, und nennete es Myſteria, bis es Anno 1548 durch ein koͤniglich Edict verboten
ward. Mehr Exempel, oder Proben vielmehr, von dieſer bund ſcheckigten Erbauung,
ſtellet uns die Geſchichte der Franzoͤſiſchen Schaubuͤhne vor, die neulich in Druck ge-
kommen. Die Sache ſelbſt beſchreibet uns der ſehr ſcharfſinnige Satirenſchreiber in
Frankreich, in dem dritten Liede ſeiner Dichtkunſt:
De
[45]von 1204 bis 1205.
Ob dieſe Meiſterſaͤnger, (welche der Landgraf von Thuͤringen, Hermann, zu dieſen
Zeiten am Hofe zu Eiſenach oder Wartenburg hielt, der von ihren deutſchen Ge-
dichten, in welchen ſie ebenfals die goͤttlichen Geheimniſſe beſungen, ein ſonderlicher Lieb-
haber war, und ſo nur ſchlechthin das Spiel zu Wartburg genennet wurde, von de-
nen die Hiſtorie von den Landgrafen ums Jahr 1207 nach des Eckarts Ausgabe mel-
det,) Comoͤdianten geweſen, oder wenigſtens ihre Lieder auf oͤffentlichem Schauplatz
hergeſaget, und alſo ebenfals bibliſche Comoͤdien geſpielet, leidet die Zeit nicht zu unter-
ſuchen. Daß es dieſen Leuten, die nach Liefland gewandert, an Einfaͤllen und Mun-
terkeit nicht gefehlet habe, zeigen alle Umſtaͤnde, man mag nun annehmen, daß ſie dieſe
Schauſpiele ſelbſt erfunden, oder nur aufgefuͤhret, und die Compoſition davon aus
Deutſchland mit ſich gebracht*).
und faͤlt zwiſchen Yxkul und Lenewarden in dieſelbe.
Daher glaube ich, die, ſo die Duͤne befahren, haben das Land, ſo ſich an der weſtli-
chen Seite des Stroms in die Laͤnge hinziehet, Semgal genant, welches einige fuͤr
das Ende des Landes erklaͤren. Denn Sem heiſt Land. Alſo ſcheinen auch die Letten
als Bewohner des innern Theils von Liefland Lettgallen genennet zu werden; weil
ihre Wohnplaͤtze laͤngſt dem Ledaſtrom ſich erſtrecken, der in den Lieflaͤndiſchen
Meerbuſen ſich ergieſſet. Das ſage ich aber doch nicht ohne Beyſorge zu verſtoſſen,
und bin willig gerne denen nachzugeben, welche dieſer Oerter kundiger ſind.
not. k). Und es ſcheinet, dieſe Neubekehrten ſind die, deren Nachruhm uͤber die See
gekommen, und deren Standhaftigkeit Arnold von Luͤbekl. 7 c. 9 n. 9 ruͤhmet.
Luͤbek.
Siehe Anno 1186. n. 6.
fangenen das Leben, ſondern auch die Freyheit, da er ſie doch dem Voͤlkerrechte nach zu
Knechten machen koͤnnen, §. 3 \& 4. T. de jur. perſon. ja er ſchickt ſie nach Sachſen,
um ſie zu einer geſittetern Lebensart zu gewoͤhnen. Haͤrter war Karl der Groſſe: und
noch grauſamer die erſten Kreutzfahrer nach dem gelobten Lande. Denn jener wolte
Anno 1282 bey Verden 4500 Sachſen auf einem Flecke und an einem Tage den Kopf
abgeſchlagen wiſſen: dieſe lieſſen 8000 Tuͤrken vor den Mauren der Stadt Acra
uͤber die Klinge ſpringen, wie Gottfried von Coͤln meldet bey dem Jahr 1191.
aber den Strom, der etwas uͤber Riga ins Meer flieſſet, den ich auf den Karten die
Ava oder Aa (die Treyder Aa) genent ſehe.
hier die Rede von dem Koͤnig von Polocz, und nicht von Pleskow ſey; weil von ihm
geſaget wird, er ſey die Duͤne herunter gekommen, und mit einem Fahrzeuge wieder in
ſein Land gekehret. Denn Polocz liegt an der Duͤne; Pleskow aber nicht. Sonſt
iſt Schade, daß das Wort dieſer zwey Oerter in unſerm Buche faſt auf einerley Art ge-
ſchrieben ſtehet, daß man gemeiniglich nicht weiß, welcher von beyden zu verſtehen, wenn
die andern Umſchreibungen dabey fehlen.
auf Lateiniſch der Mann genant, den die deutſchen Schriften Drozet, heutiges Ta-
ges Droſt heiſſen. Es iſt aber darunter ein Vorgeſetzter einiger Unteramtleute, oder
ein Oberamtmann zu verſtehen, der im Namen des Fuͤrſten den Unterthanen Recht
ſprach, die Quartiere fuͤr das Hoflager anordnete, ja, in benoͤthigtem Fal ſie in Krieg
fuͤhrte, ſo lange die Fuͤrſten keine Soldaten in Lehnung hatten. Dergleichen Mann
brauchte auch der Biſchof Albert, uͤber ſeine Bedienten ſowol, als uͤber die Untertha-
nen des eingenommenen Stuͤcks von Liefland, die Aufſicht zu haben, und das Regiment
zu fuͤhren.
ſen Feldzug den Eſthniſchen zu nennen. Die Seelaͤndiſche Chronik beym Jahr
1206 ſpricht ſo davon, als ob der Koͤnig Woldemarus dabey nichts gethan habe. Es
heiſt da: Der Erzbiſchof Andreas fuͤhrte mit ſeinen deutſchen (leiblichen) Bruͤdern ei-
ne Armee nach Eſthland. Pontannshiſt. Dan. libr. 6 p. 298 heiſt es eine Seear-
made wider die Eſthlaͤnder, und nennet des Erzbiſchofs Bruͤder, Suno, Ebbo und
Lorenz. Mit dem Suno fehlt er, denn ſo hieß der Vater. An deſſen Stelle aber
muß ſein Bruder Jacob ſtehen, und Peter, ſo dem Abſolom im Bisthum Roth-
ſchild folgte. Die drey Bruͤder, Jocob nemlich, Ebbo und Lorenz, blieben nicht
lange nachher in dem Anno 1208 mit den Schweden an der Laͤne gehaltenen Treffen.
Wovon Upſalienſ. libr. 3 p. 103; Johann MeſſeniusAnalect. tom. 2 p. 3; Mat-
thiaͤChron. Epiſcop. Lundenſ. p. 58, (nachzuſehen). Erich, oder wer der Verfaſ-
ſer hiſtoriæ gentis Danorum iſt bey Lindenbrogp. 272 ſchreibet, es ſey eine Armee
ins Revelſche geruͤcket; allein das iſt nicht an dem. Denn die Daͤniſche Armee ſetzte
erſt Anno 1218 aufs veſte Land in Eſthland uͤber, wie Erich ſelbſt hat, und unſer Ver-
faſſer um dieſes Jahr weitlaͤuftiger abhandeln wird.
Reichen, in Engeland nemlich, Frankreich und Jtalien, lange Zeit den Studien
obgelegen, und ward, als er nach Hauſe kam, des Koͤnigs Canutus des juͤngern Ober-
kanzler, und nach Ableben des beruͤchtigten Abſoloms Anno 1201 Erzbiſchof von Lun-
den, Primas von Schweden, und des apoſtoliſchen Stuhls beſtaͤndiger Geſandte bey
den Nordiſchen Kronen. Dieſem ſowol frommen als gelehrten Mann geben die Scri-
benten ſelbiger Zeit ſein gebuͤhrend Lob, als, Saxo Grammaticus, der ihm ſeine Daͤniſche
Geſchichte zugeſchrieben, und Arnold von Luͤbeklibr. 4 c. 8. Jch kan des Johann
Meſſenius Zeugniß von ihm hier nicht weglaſſen. Dieſer ſagte Scond. Illuſtr. tom.
2 p. 29: Andreas war auſſer ſeinen andern ſchoͤnen Wiſſenſchaften auch ein treflicher
Poet, wie das zwey ſeiner Buͤcher nicht undeutlich erweiſen, ſo er in heroiſchem Syl-
benmaß von den fuͤrnehmſten Glaubensartikeln und von den ſieben Sacramenten der
Kirche geſchrieben, und noch heutiges Tages zu Lunden in Schonen zu ſehen ſind.
Die Seelaͤndiſche Chronik beym Jahre 1228 p. 60 thut zu dieſen Poeſien noch ein Ge-
dichte hinzu, ſo Hexameron (Hexaemeron) betitelt iſt, und die Sequentias virginis glo-
rioſæ. Seine Reiſe nach Liefland haben uns die Alten verſchwiegen. Der einzige
Lebensbeſchreiber Matthiasl. c. p. 60 ſchreibt alſo: Jm Jahr unſers HErrn 1207 ward der
Erzbiſchof Andreas von dem Koͤnig Woldemar mit einer ſtarken Armee nach Liefland
Ogeſandt,
[54]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr,
1205geſandt, daſſelbe unters Joch zu bringen, und zu zwingen den chriſtlichen Glauben
mit Ernſt anzunehmen. Daß er mit ganz andern Waffen verſehen geweſen und gebrau-
chet, als er dahin gekommen, zeiget das folgende an.
von Schleswig, der, weil er nach der Krone getrachtet, ins Gefaͤngniß gelegt wor-
den, zum Nachfolger verordnet und Anno 1202 von dem Erzbiſchof von Lunden, An-
dreas mit dem Schleswigiſchen Biſchofshute beehret. Chron. Sleſvic. bey Herrn
Menkensſcript. tom. 3. p. 588 und 589. Cypraͤusannal. Sleſvic. libr. 2. c. 3. hat
uns verſchiedene Paſtoral- und Religionsfragen geſamlet, ſo dieſer Nicolaus an den
roͤmiſchen Pabſt gelangen laſſen, zugleich mit den Entſcheidungen Pabſtes Jnno-
centiusIII, von denen libr. 16. ep. 26. handelt. Pontanusrer. Dan. libr. 6.
p. 301. 302 zeiget, daß er uns die Schleswickiſchen Reliquien zuſammen geleſen.
nach langwierigen Reiſen das anſehnlichſte Regiment einer auswaͤrtigen Schule uͤber dich
genommen, und biſt eine ſo ſtarke Stuͤtze derſelben geworden, daß es ſcheinet, du ha-
beſt dem Magiſteramte mehr Zierrath gegeben als von ihm empfangen. Stephanus
meinet, dieſe Worte waͤren von derſelben akademiſchen obrigkeitlichen Wuͤrde zu ver-
ſtehen, die manchmal auch Auslaͤndern pflegt ertheilt zu werden, fuͤrnemlich die durch
ihren Stand, Wiſſenſchaften und Geſchicklichkeit ſich hervorthun. Vellejus aber er-
klaͤret es von einer oͤffentlichen Profeſſur. Mir, der ich Arnolden von Luͤbeklib. 3.
c. 5. n. 2. zu meinem Beyſtande nehme, ſcheinet Saxo anzudeuten, Andreas habe bey
den Auslaͤndern, wenn mir recht iſt, zu Paris, in der Gottesgelehrſamkeit oder Rechts-
wiſſenſchaft die Magiſterwuͤrde erhalten, und oͤffentlich Collegia geleſen, daß er nicht ſo
wol Magiſter hieß, als wirklich war. Welche Gewohnheit er dieſen Winter, weil es
die Gelegenheit ſo gab, zu Riga fortſetzte, in zahlreicher Verſamlung allerhand und
unterſchiedener Nationen, von geiſtlichen Prieſtern und Predigern, die ſich haͤufig dahin
begeben hatten, die Liven zum Chriſtlichen Glauben zu bringen, und hier aus dem
Unterricht dieſes nicht nur gelehrten und frommen, ſondern auch ſehr geſetzten und er-
fahrnen Mannes manches zu beſſerer Amtsfuͤhrung erlernen konten. Wenn man der
Geſchichte JnnocentiusIII. §. 127 folget, ſo war Andreas als gevolmaͤchtigter Ge-
ſandte des apoſtoliſchen Stuhls zu Riga, und erzaͤhlte bey ſeiner Zuruͤckkunft dem Pabſte,
daß ganz Liefland das Sacrament der heilgen Taufe angenommen; wie denn auch
die benachbarten Voͤlker dazu groͤſten Theils bereit waͤren. Raynald berichtet dieſes
beym Jahre 1207. n. 4. Dis kan ſonſt nicht an dem ſeyn, wenn mans nicht von Riga
nimt. Denn ganz Liefland iſt ſpaͤter getauft worden.
Stadt ausweiſet. Uebrigens iſt dieſe Wanderſchaft der Wenden nach Lettland merk-
wuͤrdig, als die denen im Wege zu ſtehen ſcheinet, welche in der Einbildung ſtehen, als
ob die Venedi (Wenden) der Wendiſchen Stadt den Namen gegeben: wo man
nicht glaubt, daß ſelbſt Windan in Curland von den Wenden ſeinen Namen habe.
Die treffen es noch weniger, die vorgeben, Wenden ſey von dem erſten Ordensmei-
ſter Vinno angelegt und nach ihm benamet worden.
den Kaiſerlichen Deutſchen Rechten? Komt etwan dieſes Einrathen von dem Erz-
biſchof von Lunden her, der was er zu Paris zur Schlichtung buͤrgerlicher Haͤndel
dienliches erlernet hatte, vor gut befunden, den Liven es anzupreiſen, die nun zu einer
neuen Republik anwachſen ſolten? Arnold von Luͤbeklibr. 3. c. 5. n. 2 bezeuget wirk-
lich, daß die Daͤnen zu ſeiner Zeit zu Paris gute Decretiſten oder Rechtsgelehrte ge-
worden. Und Joh. MeſſeniusSvec. Sanct. libr. 2. c. 21. ſagt ausdruͤcklich, Andreas
ſey zu einem Doctor beyder Rechte mit groſſem Ruhm gemacht. Der Koͤnig von Daͤn-
nemark WaldemarII fuͤhrte den Beynamen des Geſetzgebers, weil er zuerſt die
von unterſchiedenen, ſonderlich von den Biſchoͤfen geſamleten Geſetze in ein Buch brin-
gen laſſen. Die Fortſetzung des Saxo bey Benzelnmonum Suec. p. 147: Dieſer
Woldemar hat unter ſeinen uͤbrigen denkwuͤrdigen Thaten auch die Geſetze der Daͤnen
bekant gemacht. Lyſchandergeneal. Dan. p. 226. Joh. Svaningchronol. Dan.
p. 81. Pontanusrer. Dan. libr. 6. p. 321. Daß dieſe nicht nur in paͤbſtlichen, ſon-
dern auch in kaiſerlichen Rechten ſehr erfahren geweſen, hat daher ſeinen gnugſamen
Beweiß, weil offenbar iſt, daß viele Hauptſtuͤcke aus den Geſetzen von Wort zu Wort
in dieſes Werk gebracht worden. Alſo meldet das Chron. Sleſvic. l. c. p. 591. Cypraͤus
Annal. Sleſvic. l. 2. c. 5. p. 245. Des Herrn ArpeThemis Cimbrica p. 112. ſeq.
Der alzuſtarke Eifer, den die Lehrer zu Paris damals fuͤr das weltliche Recht hatten,
bewog den Pabſt Honoriuslll, daß er Anno 1220 nach Frankreich ein Reſcript ſandte,
ſo c. 28 X. de priuileg. zu leſen iſt: Ob gleich die heilige Kirche den Dienſt weltlicher Ge-
ſetze nicht verſchmaͤhet, ſo ferne ſie den Spuren der Billigkeit und Gerechtigkeit nach-
gehen|; doch weil in Frankreich und einigen Provinzen die Laien der Geſetze der Roͤ-
miſchen Kaiſer ſich nicht bedienen, und ſelten dergleichen Proceſſe in der Kirche vor-
fallen, die nicht aus den Canoniſchen Verordnungen ausgemacht werden koͤnten: ſo un-
terſagen wir ernſtlich und verbieten ausdruͤcklich, daß weder zu Paris, oder in andern
Staͤdten und Oertern ſich niemand unterfange das buͤrgerliche Recht entweder zu lehren
oder auch nur zu hoͤren, damit man ſich deſto eigentlicher an die Bibel halte. Die Ci-
ſtercienſer waren auch gleich folgſam, und legten in ihren Buͤcherſchraͤnken die Buͤcher
des buͤrgerlichen und des canoniſchen Rechts jegliches an beſondre Stellen. Denn in
der Diſtinct. 1. cap. XI. der zu dieſer Zeit geſamleten Verordnungen ſtehet alſo: Die
Buͤcher des weltlichen und die Buͤcher des geiſtlichen Rechts ſollen ganz und gar nicht in
einem Behaͤltniß bey einander liegen ꝛc. Spondanus beym Jahr 1223 ſchlieſſet hier-
aus, man habe auf den Schulen in Frankreich eher uͤber das Kirchenrecht zu leſen ange-
fangen, als uͤber das buͤrgerliche. Es kan aber auch das daraus geſchloſſen werden,
daß die buͤrgerliche Rechtsgelehrſamkeit um dieſe Zeit in ſolchem Flor geſtanden, daß der
Pabſt daruͤber gar den Verfal des Anſehens der Kirchengeſetze beſorgte. Von Einrich-
tung der Pariſer Schule iſt eine merkwuͤrdige Stelle im Chronico Alberici ums Jahr
1209 p. 451: Jn dieſer ſo beruͤhmten Stadt wird nicht allein eine volſtaͤndige und vol-
kommene Unterweiſung gegeben von den Trivial- und Quadrivialwiſſenſchaften, ſondern
auch in den Streitfragen des geiſtlichen und weltlichen Rechts, und in der Kunſt, die von
Heilung der Koͤrper und Erhaltung der Geſundheit handelt; doch wurde den Studenten
auf ihr haͤufiges Verlangen mehr die heilige Schrift und die theologiſchen Fragen geleh-
ret. Hier hat man die ſo genanten vier Facultaͤten, und inſonderheit die Lehre ſo wol
des buͤrgerlichen als kirchlichen Rechts. Es iſt aber durch das paͤbſtliche Verbot auf
den Akademien nichts ausgerichtet worden. Denn auſſer dem, daß wir uͤberhaupt dem
Verbotenen gerne entgegen handeln, ſo haben die Paͤbſte ſelbſt in ihren Verordnungen
hier und da das buͤrgerliche Recht verbeſſert, und dadurch den Geiſtlichen eben den Appe-
tit gereizet, oder vielmehr ſie genoͤthiget, das verbeſſerte Recht ſich bekant zu machen.
Daß wirklich unſre Deutſchen ſchon im vorigen Jahrhundert die Buͤcher des Roͤmiſch
kaiſer-
[57]von 1205 bis 1206.
kaiſerlichen Rechts ſich wohl bekant gemacht, davon entdecken ſich viele Anzeigen, von1205
denen wir doch etliche beybringen wollen. Da ConradII Anno 1145 zu Magdeburg
die Schenkung Hartwichs bey LindenbrogScript. Septemtr. p. 155 mit angehaͤng-
ter Vorbehaltungsclauſel beſtaͤtiget, ſo faͤhrt er alſo fort: Die Schriften des heiligen
Roͤmiſchen Reichs bezeugen, es ſey ungezweifelt Rechtsbeſtaͤndig, daß eine Bedingung
in allen Contracten gelte. Friedrich der erſte bey Hund.metrop. tom. 2 p. 113 be-
ſtaͤtiget Anno 1166 einen Gegenwechſel, und ſetzt hinzu: Wer auf richterlichen Ausſpruch
der Beſitzer iſt, der iſt es rechtmaͤßig. Heinrich der Loͤwe in einer Urkunde, die
der Reichersbergiſchen Chronik beym Jahr 1162 einverleibet worden, ſagt: Die Kir-
che ſucht in Erſetzung des Schadens nichts mehr, als daß ihr ſelbiger einfach erſetzet
werde, den doch die kaiſerlichen Rechte gedoppelt und druͤber zu erſtatten gebieten. Eben
derſelbe Herr ſagt 1170 in Stiftung der Kirche zu Schwerin bey Lindenbrogp. 165:
Drey Bisthuͤmer haben wir errichtet. Den Vorzug der ganzen Kirchenfreyheit, haben
wir nach Maßgebung der heiligen Rechte, und nach den Geſetzen der Kaiſer in unſerm
Edicte beſtaͤtiget. Um eben dieſe Zeiten ſagt der Abt von ReinhuſenScript. Brunſuic.
tom. 1 p. 704: Die Hildesheimiſchen Bruͤder bemuͤhen ſich vergeblich, die Schen-
kung zu widerrufen, weil die Kirche zu Reinhauſen dieſes vor meinem Antrit ſchon
zwanzig Jahr, und eben ſo lange nachher unterbrochen, unter rechtmaͤßigem Titel, und
mit gutem Grunde ruhig beſeſſen. Bey PetzenCod. diplom. part. 2 p. 26 ums
Jahr 1170, iſt folgendes Reſcript: die ſcheinen durch euch unrechtmaͤßig belaͤſtiget zu
werden, welche ſagen, ihr habet ein Eigenthum, ſo die Kirche bis auf dieſe Zeiten un-
ter ihrer Gerichtbarkeit, auf gutem Glauben, mit ſicherm Erweiß und ruhigem Beſitz
inne gehabt, euch ungerecht zugeeignet. Eben daſelbſt part. 1 p. 309 ſpricht Pabſt
JnnocentiusII, ums Jahr 1130, da er die Appellationen an den paͤbſtlichen
Stuhl vertheidiget: Nach den kaiſerlichen Verordnungen, wenn ordentliche Richter
das Appelliren nicht annehmen, werden ſie um dreyßig Pfund Goldes ge-
ſtraft. Nichts von den ſchon eroͤfneten Erbvermaͤchtniſſen zu gedenken, weil ih-
nen die Rechtsſchluͤſſe zu ſtatten kommen, auf welche der Biſchof von Hildesheim,
Adelogus, ſich beziehet, wenn er ums Jahr 1179 ſaget: Wir beſtaͤtigen auch die Te-
ſtamente unſerer Bruͤder, die ſie gemacht, oder was ihnen aus anderer letztem Willen
vermacht iſt, kraft der Decrete. Als Heinrich der Stifter des Canonicats zu Sten-
del, in Becman. Notit. Uniuerſ. Francofurt. auctar. p. 29 beym Jahr 1192 den Dom-
herren Erlaubniß ertheilet hatte, Teſtamente zu machen, ſo ſetzet er darauf: Wenn ſichs
aber, GOtt verhuͤte es, begeben ſolte, daß einer ohne Teſtament mit Tode abginge:
ſo uͤberlaſſen wir das, was wir dem Stifter des Erbvermaͤchtniſſes freywillig zugeſte-
hen, ‒ ‒ ‒ dem Kloſter, es ſtat des Verſtorbenen anzuwenden. Der Verfertiger
des Petersbergiſchen Chronikons beym Jahr 1205 berichtet, daß zu dieſer Zeit der
Gebrauch der Appellation und der Redensarten aus den paͤbſtlichen Verordnungen, von
dem Probſt Dietrich eingefuͤhret, und daſelbſt ſehr im Schwange gegangen. Dieſe
Mode, wie Caͤſarius von Heiſterbachlib. 11 c. 46 ſchreibet, gab Veranlaſſung zu
einem ſpitzigen Scherz auf die unrecht beredten Decretiſten, und die Rechtsverkehrten.
Denn als daſſelbe Jahr einige von ihnen, nebſt etlichen Adelichen, ins Grab muſten, ſo
ſagte ein Canonicus: Die Herren von Adel thun wohl, daß ſie bey ihrem Tode jene Ad-
vocaten mitnehmen; denn ſie werden ihnen unentbehrlich ſeyn. Endlich macht er den
Schluß: Jn jenem goͤttlichen Gerichte ‒ ‒ ‒ wird kein Advocate weder fuͤr ſich noch fuͤr
andere etliche falſche Stellen aus den Geſetzen oder paͤbſtlichen Verordnungen anfuͤhren
koͤnnen. So ſchreibt Caͤſariuslib. 6 c. 28. Das alles dienet zum Beweiß, daß
das kaiſerlich roͤmiſche Recht zu der Zeit weder den Deutſchen noch Daͤnen unbe-
kant geweſen, und daß die Biſchoͤfe ein gleiches in Liefland haben wagen koͤnnen, die
ehemals dem Koͤnig Waldemar den Rath gegeben, einen Miſchmaſch aus den einhei-
miſchen, buͤrgerlichen und geiſtlichen Rechten zuſammen zu ſchmieren. Doch meine rech-
te Meinung zu ſagen, ſo glaube ich nicht, daß der Erzbiſchof von Lunden, Andreas,
als ein Fremder ſich in weltliche Dinge und in die Verwaltung eines fremden Landes
eingedrungen; ſondern ich urtheile, er habe die Regirung dem Truchſes Gerharden
unangeruͤhrt uͤberlaſſen, als dem ſie vom Biſchof Albert uͤbertragen war. Eine groͤſſe-
re Wahrſcheinlichkeit hat es, daß dieſe neuen Einwohner Lieflands, die faſt alle ent-
weder Magdeburger, oder Braunſchweiger und Luͤneburger, oder Schaum-
burger, Bremer, Weſtphaͤlinger und Holſteiner, mit einem Worte, Sachſen
geweſen, die Rechte ihres Vaterlandes, obgleich nicht ſchriftlich, nach Liefland mit ge-
bracht, davon einige Spuren beym Jahre 1211 n. 6 vorkommen. Wie nun der Mag-
deburgiſche Schoͤppenſtuhl viel Auf hebens machte, als wenn dieſe Rechte vom Karl
Pdem
[58]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtes Jahr, von 1205 bis 1206.
1205dem Groſſen und denen Kaiſern, Ottonen, an die Sachſen gekommen: ſo iſt es
durch Einbildung des Poͤbels, die kurz hernach der Zuſammenflicker des Sachſenſpie-
gels in Schriften ausgebreitet, wohl moͤglich geweſen, daß man dieſe die Rechte der
Chriſtlichen Kaiſer genennet hat. Denn jenes Jus Cæſareum Germanicum, ſo unter
dem Titel Keiſer-Recht noch ungedruckt herumwandert, obgleich ich einige Spuren
ſeines Gebrauchs in dieſen Laͤndern, ſonderlich zu Luͤneburg und Hildesheim finde,
iſt doch eine viel neuere Geburt, und ſcheinet uͤber die Zeiten Kaiſer Karls des IIII
nicht wegzugehen. Die Gruͤnde dieſer Muthmaſſung, die vielleicht bey anderer Gele-
genheit ſich entdecken laſſen, halte ich fuͤr unnoͤthig, hier her zu ſchreiben. Daß aber
das Jus Cæſareum ſcriptum, der Kaiſer geſchrieben Recht, welchem Heinrich der
VII in einer zu Speier 1309 datirten Achtserklaͤrung wider die Moͤrder Kaiſer Alberts
des erſten, gefolget zu ſeyn geſtehet, das roͤmiſche buͤrgerliche Recht geweſen ſey, be-
lehret uns deſſelben Jnhalt.
um die zehnte Tagesſtunde. Viele bezeugen, ſie haͤtten in der Sonne einen Men-
ſchenkopf geſehen.
kam er nach Braunſchweig; wie er auch da ſeine Sachen in Ordnung gebracht, be-
gab er ſich zu Schiffe uͤber Meer nach Engeland, wo ihn der Koͤnig, ſein Herr Vetter
von muͤtterlicher Seite, und alle deſſen Lords, mit groſſen Ehrenbezeigungen aufnahmen,
und eine Zeitlang bey ſich behielten, ſagt eben dieſer Gottfried von Coͤlnl. c. Uebri-
gens komt noch eine andere Stelle unter folgendem Jahre n. 3 vor, da das Reich ein
Recht auf Liefland affectiret.
beym Jahre 1209 n. 5 vorkomt.
Ruſſen Herzog, Vieſcus, zu Kokenhuſen, und rief Alberten gegen die Litthauer
zu Huͤlfe, dafuͤr er dem Biſchof ſein halbes Schloß und halbes Land pfandsweiſe zu be-
ſitzen gab. Was unten n. 8 folget, zeiget, daß ihm der halbe Theil des Schloſſes Ko-
kenhuſen nicht als eine Hypothek, ſondern als ein Lehn angetragen worden.
behalten werden zu koͤnnen.
nachher die Reſidenz des Biſchofs von Semgallen geworden, der deswegen der Sele-
burgiſche Biſchof geheiſſen.
mit auf die Liven, wie Peter von Duisburgpart. 3. c. 5. ſchreibet: Die Preuſſen
fangen ſelten etwas wichtiges an, wo ſie nicht vorher das Loos geworfen, und nach ihrer
Manier von ihren Goͤttern erforſchet haben, ob es gut oder ſchlecht fuͤr ſie ablaufen
werde.
ſchichtſchreiber den Perſiſchen Monarchen tituliren.
hoͤrte, daß die Rußiſchen Herzoge von Novogrod und Plescow den Biſchof be-
kriegen wolten, ward er anderer Gedanken, und ermordete alle Deutſchen, die zu Ko-
kenhuſen in Beſatzung lagen. Wie er aber von den Deutſchen, die dieſe Schmach
raͤchen wolten, belagert ward; ſo ſteckte er ſein Schloß in Brand, und nahm ſeine Zu-
flucht nach dem Herzog von Plescow. Wie das aus unſerm Chronikſchreiber muͤſſe
verbeſſert werden, liegt am Tage.
Nota. Herr Paſtor Kelch bringet in dieſes Jahr die Ankunft des Modeneſiſchen Bi-
ſchofs Wilhelms, als paͤbſtlichen Geſandten in Liefland. Allein ſelbiger erhielt ſeine
erſte Volmacht vom Pabſt HonoriusIII, den 30 December 1224, im neunten Jahr
ſeiner paͤbſtlichen Regirung; und die andere vom GregoriusVIII, den 21 Febr. 1234,
im ſiebenten Jahr ſeiner Regirung; die uͤbrigen Befehle aber von 1236, 1237 und 1238,
wie Raynald ſie nach der Ordnung anfuͤhret.
koͤnnen, es waͤre ein Schreibfehler.
nachgemacht, und Prieſter gehalten, die im Orden ſtunden, und nach deſſen Regel le-
ben muſten.
der der Ritterſchaft Chriſti zu ihrem Antheil bekommen hatten. Daruͤber war, wie
wir ſehen, einer gleichſam als Commendator geſetzet, der unter dem Ordensmeiſter,
welcher zu Riga ſich beym Biſchof aufzuhalten pflegte, das Schloß vertheidigte, uͤber
die daſigen Ordensbruͤder die Aufſicht hatte, und ſie im Kriege anfuͤhrte.
Malabaren die Poreier unter den Suttirern.
hat uns angetrieben, ſeine Herkunft auszuforſchen. Wir haben aber nichts ausgerich-
tet, denn auſſer einem gewiſſen Vinold, kuͤrzer Vinno, Buͤrgermeiſter zu Hamburg,
der als Zeuge in einer Urkunde von Anno 1190 vorkomt, haben wir nichts angetroffen,
was dieſem Namen gleich laute. Die Neuern, welche die Gebraͤuche aͤlterer Zeit
nach der Manier der ihrigen beurtheilen, fuͤhren hier einen Edelmann auf den Schau-
platz’, und nennen ihn Vinand von Rorbach, mit welcher Zuverlaͤßigkeit, iſt noch
nicht bekant. Joh. MeſſeniusScond. tom. 10. p. 6. macht nicht ohne Wahrſchein-
lichkeit die erſten Schwerdtbruͤder zu Rathsherrenſoͤhnen aus Bremen und Luͤbek, (ich
thue auch Hamburg hinzu,) dergleichen der Ordensmeiſter Vinno ſeyn koͤnnen, da
eben nicht geleſen wird, daß man bey Aufnehmung dieſer Ritter nach ihren adlichen
Ahnen gefraget.
Karl dem Groſſen ernſtlich unterſaget, und von den zum Chriſtenthum gebrachten Hei-
den muſte verſchworen werden. Der erſte an die Sachſen ergangene Befehl befindet
ſich bey Baluz. Capitular. tom. 1. p. 253: Wer einen verſtorbenen Menſchenleib nach
Art der Heiden durch Feuer verzehren, und ſeine Gebeine zu Aſche brennen wird, dem
ſol es das Leben koſten. Der andere folgte p. 254: Wir befehlen, daß die Leiber der
chriſtlichen Sachſen auf die Kirchhoͤfe, und nicht zu den Graͤbern der Heiden getragen
werden. An dieſes Geſetze dachte Adolph, Graf von Schaumburg, und befahl
bey Einweihung der erſten Kirche zu Oldenburg in Wagrien, Anno 1156 den her-
umliegenden Slaven, daß ſie nicht allein die Feſttage zur Kirche kaͤmen, das Wort
GOttes zu hoͤren, ſondern auch ihre Todten auf den Kirchhof zu begraben braͤchten.
Helmoldlibr. 1. c. 83. n. 18. Daher nach Verbindung der Deutſchen und Lieflaͤn-
diſchen Ritter die Neubekehrten dem 1249 nach Preuſſen abgeſchickten paͤbſtlichen Ge-
ſandten unter andern verſprachen, daß ſie und ihre Erben in Verbrennung der Todten
und in allen andern Stuͤcken, die Gebraͤuche der Heiden nicht weiter beobachten, ſon-
dern ihre Todten, chriſtlichem Gebrauch nach, auf die Gottesaͤcker begraben wolten.
Den ganzen Vergleich hat Hartknoch in des Duisburgenſis Chronicon Pruſſicum
beygebracht.
Nota. Jn dieſes Jahr ſetzet der Herr Paſtor Kelch die Erbauung des Doms zur alten
Pernau. Wir ſprechen dieſer Stadt nicht gerne die Ehre des Alterthums ab; ſo viel
iſt aber aus dieſem Werke erweißlich, daß, obgleich die Rigiſchen die Provinz Sa-
letſa und Sogentagana ſehr ofte durchzogen, dennoch nirgends eine Spur vorkomt,
wo nur einer Kirchenverfaſſung, geſchweige einer Stiftskirche Erwehnung geſchicht.
cho uͤber das von ihm daſelbſt erbauete Schloß (nemlich Kokenhuſen) zum Commen-
danten.
phalen, mit welcher Gewißheit, weiß ich nicht. Heinrich der Loͤwe hatte 1161 un-
ter andern Zeugen auch einen Volquin von Soͤſt, Burgemeiſter in Luͤbek,
gen die Schriftſteller ſtehen. Denn die Mundſchenken von Winterſteden, des heili-
gen roͤmiſchen Reichs Beamte und Truchſeſſe von Waldpurg, hieſſen mit ihrem Ge-
ſchlechtsnamen von Tanne, und waren von den vornehmſten Familien aus Schwa-
ben. Urſperg, beym Jahr 1221. Die von Oberdeutſchland aber, ob ſie gleich
in den Deutſchen Ritterorden getreten waren, hatten mit denen, ſo Liefland be-
zwungen, nichts zu thun. Eben die Vertheidiger jener Meinung thun dem Volquin
nach ſeinem Tode noch zu viel, da ſie ſeine meiſten Thaten ſeinem Vorgaͤnger Vinno
zuſchreiben, und des Vinno Meiſterthum bis Anno 1223 verlaͤngern. Dieſes iſt ſelbſt
Schurzfleiſchen begegnet hiſt. Enſifer. p. 4. der ſchlechten Erzaͤhlungen beygetreten,
wider welche einer einen dreyfachen Panzer um die Bruſt nehmen muß, wenn er die aller-
aͤlteſten Berichte und Begebenheiten voriger Zeit ſorgfaͤltig erzaͤhlen wil.
mag auch liegen wo es wolle. Jch zweifele aber, ob dieſe von Cranzen entlehnte Re-
densart einen Deckmantel meiner Unwiſſenheit abgeben koͤnne.
thauiſch Frauenzimmer, und ward Swelegatens Nachfolger im Herzogthum. Doch
war dieſe Dame, um deren Vermaͤhlung willen Wiſſewald der Litthauer Schwie-
gerſohn heiſt, nicht des Swelgats Prinzeßin, ſondern die Tochter eine Dangeruthe,
deſſen Name beym Jahr 1212 n. 3. befindlich iſt.
vergnuͤgen.
Huldigungseid noͤthigte, und bey Ertheilung des Lehns den Staat mit drey Fahnen ge-
brauchte: wie man lieſet, daß die Kaiſer ſich deren bedienet, als Lotharius bey dem
Landgraf LudwigI in Thuͤringen,Hiſtor. de Landgrau. beym Jahr 1124. Fri-
drichI Anno 1180 bey dem Erzbiſchofe Philipp von Coͤln, als Herzoge von Weſt-
phalen, bey Gelen. de magnitudine Colon. p. 74. FridrichII Anno 1235 bey OttoI
Herzog von Braunſchweig und Luͤneburg.Anonym.Menketom. 3. p. 128.
AlbertI Anno 1298 bey ſeinen Prinzen den Erzherzogen von Oeſterreich.Dumont.
Corp. diplom. tom. 1. part. 1. p. 314. und der Koͤnig von Daͤnnemark Chriſtoph
T 2Anno
[76]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, eilftes Jahr, von 1208 bis 1209.
1208Anno 1322 bey der Belehnung des Ruͤgiſchen Fuͤrſten Witzlaw, der ſchriftlich beym
Pontanuslibr. 7. p. 432. bekennet, er habe von ihm ſeine Laͤnder, nach gethanem
Eide, durch das Lehnsrecht, welches Fahnelehn genant wird, in Beſitz uͤberkommen.
Daß Albert die Kunſt zu herrſchen verſtanden, zeigen ſeine Geſchichte uͤberfluͤßig; in
welchen nichts anſehnlicher herauskomt, als dieſer Aufzug, woruͤber ein jeder urtheilen
kan, als er wil. Den meiſten moͤchte es ſcheinen, als habe er den Namen der Drey-
einigkeit zum Deckmantel ſeiner Affecten und dazu die drey Fahnen als Vorſtellungszei-
chen gebrauchet, bey Belehnung eines Schloſſes, wozu auch eine Fahne genug gewe-
ſen. Es iſt unſer Werk nicht, uͤber Biſchoͤfe zu urtheilen, da ſie oͤfters von vielen, viel
und manchmal auch ohne Grund gerichtet werden. Ein gewiſſer Geiſtlicher zu Paris
ſprach vor etlichen Jahren (das iſt Anno 1222 geſchrieben,) ein entſetzlich Wort gegen
die Biſchoͤfe, und ſagte: Alles kan ich glauben; aber kaum kan ich glauben, daß je-
mals ein deutſcher Biſchof in Himmel kommen kan. Warum hat er wol die Biſchoͤfe
in Deutſchland haͤrter beurtheilt, als die in Frankreich, Engeland, der Lombar-
dey oder Toſcana? Weil faſt alle Biſchoͤfe in Deutſchland ein doppelt Schwerdt
haben, das geiſtliche nemlich und das weltliche, und weil ſie Blutgerichte halten und
Kriege fuͤhren, ſo muͤſſen ſie wol mehr fuͤr der Soldaten Lehnung, als das Heil der ih-
nen anvertrauten Seelen bekuͤmmert ſeyn. Das ſage ich nicht, ſondern Caͤſarius von
Heiſterbachmemorabil. libr. 2. c. 28, damit man ſehen moͤge, daß Albert in Wer-
bung der Soldaten, in Vermehrung ſeiner Clienten, in Fuͤhrung der Kriege, in Aus-
breitung ſeiner Laͤnder und Religion nichts gethan habe, ſo wider die Gewohnheit da-
maliger Zeiten ſtreite. Jch ſaͤhe lieber, unſer Verfaſſer haͤtte nicht damit hinterm Ber-
ge gehalten, mit welchen Ceremonien der Biſchof Liefland vom Reich erhalten, durch
eine Fahne oder mehrere; durchs Scepter oder durchs Schwerdt. Nun haͤlt uns das
tiefe Stilſchweigen hievon in dem Argwohn, daß von dieſer kaiſerlichen Belehnung un-
ter den Bedienten des Biſchofs mehr Aufhebens gemacht worden, als wahr iſt.
gebraͤuchlich iſt, wenn ſie die engen Straſſen des Meers bezeichnen wollen, die ihren
Beynamen nach unterſchieden werden. Daher hat man die bekanten Meerengen Ore-
ſund, Gruͤneſund, Calmarſund, Strelaſund ꝛc. von denen PontanusChorogr.
Danic. p. 726. Hier wird die Enge verſtanden, wo eine Spitze des Landes auf der ei-
nen Seite von Curland, auf der andern von der Jnſel Oeſel ſich in die See erſtrecket,
und die Einfart in den Rigiſchen Meerbuſen ſchmal macht, von der man ſo lange nichts
gewuſt, und die wegen der Oeſelſchen und Curiſchen Seeraͤuber unſicher geweſen.
Denn ſolcher Kerl Auflauren laͤſt ſichs nicht entgehen, wo Vorgebirge ſind, dahinter
ſich ſolche Spitzbuben verſtecken koͤnnen; woraus ſie hernach heimlich auslaufen, und
Unbehutſame todtſchlagen. Helmoldlibr. 2. c. 13. n. 6. welches aus Adamo Bremenſi
libr. 2. c. 29. weiter bekraͤftiget wird, wo er ſagt, die kleine Ueberfart der Oſtſee bey
Halſingburg, wo man von Schonen nach Seeland ſehen kan, ſey der Kaper ge-
woͤhnliches Raubneſt. Daß es alſo nicht unwahrſcheinlich iſt, daß die Bremiſchen
Kaufleute nicht aus Vorſatz, ſondern durch Sturm zuerſt an die Muͤndung der Duͤne
verſchlagen worden. Jch ſehe aber, daß dieſe Meerenge von der Curiſchen Spitze
Domneſnes, wie es in des Adam Olearius Rußiſcher und Perſianiſcher Reiſe-
beſchreibung libr. 1. c. 3. heiſt, Domnes-Sund genant worden. Nes heiſt in Nor-
maͤnniſcher Sprache ein Vorgebirge, wie TorfaͤusGloſſar. ad hiſtor. Norveg.
tom. 3. adiecto zeiget, und ſich auf Lindisnis, Tialdanes, Engilsnes, und der-
gleichen berufet.
vom Gebrauch des Geldes *) noch von dem Namen deſſelben was gewuſt; das iſt aber
falſch. Denn die Eſthen nennen das Geld Rahha, was die Liven, Naud heiſ-
ſen. Wexion.deſcript. Suec. l. 3. c. 11. ſo allem Anſehen nach aus Nagat zuſammen
gezogen iſt, und ſeinen Urſprung verraͤth. Es ſcheinet uͤberdem, daß ſie eine Sorte
Geld gehabt; wie ich denn dafuͤr halte, daß die Oeſeringe beym Jahr 1214 n. 3. dafuͤr
anzunehmen ſeyn.
der an ihn ſo wol als den von Verden und Paderborn abgelaſſene Brief des Pabſts
beſaget.
[79]von 1209 bis 1210.
beſaget. Wenn man ihn fuͤr giltig annimt: ſo muͤſte der Abzug dieſer Biſchoͤfe bis auf1209
das Jahr 1213 ausgeſetzet werden. Weil Otto verhindert ward; ſo erſetzte der Biſchof
von Ratzeburg Philipp ſeine Stelle.
terung zu des TacitusGermania.
mentum ein Thurnier.
dieſe Deutſchen das Kreuz, welches ſie auf ihren Kleidern angenaͤhet getragen, auch
auf der Haut truͤgen.
aber der juͤngern Zeit zwingen dieſem Worte einen andern Sinn an. Denn da Arnold
libr. 2. c. 36. n. 7. den Koͤnig von Engeland, Heinrichen, einen generHeinrichs
des Loͤwen nennet, und libr. 3. c. 2. n. 4. Heinrich den Loͤwen, generum des juͤngern
Koͤnigs Canutus von Daͤnnemark heiſt: ſo nimt er gener fuͤr ſocer oder einen Schwie-
gervater. Jn welchem Verſtande Johannes, Herzog von Luͤneburg, Gerhar-
den, einen Grafen von Holſtein, deſſen Tochter Ludgard er zur Gemahlin hatte, ſei-
nen generum prædilectum nennet beym Meibom. ſcriptor. tom. 1. p. 539. Gleichfals
Arnold, da er libr. 6. c. 15. n. 2. Wilhelmen, einen Prinz Heinrichs des Loͤwen,
der des juͤngern Canuts in Daͤnnemark Schweſter geheirathet, des Koͤnigs Canuts
gener nennet; braucht das Wort gener zum Ausdruck der Schwaͤgerſchaft im erſten
Grade, fuͤr, ſeiner Schweſter Mann. Jn dieſem Verſtande muß man auch hier das
Wort gener nehmen, da ein im ledigen Stande lebender Biſchof weder einen Schwie-
gervater noch Schwiegerſohn, ſondern nur Schwaͤger, das iſt, Schweſtermaͤnner, ha-
ben konte. Denn daß unſer Verfaſſer beym Jahre 1208 n. 4. Wiſſewalden, einen
Ruſſen, deswegen, weil er eine Gemahlin aus Litthauen genommen, einen Schwie-
gerſohn der Litthauiſchen Nation heiſt, das findet man ſonſt nirgends. Der Schwa-
ger des Biſchofs aber wird unten beym Jahr 1223 Engelbert von Tiſſenhauſen
genant.
von Luͤbek ſein Chronicon Slavorum zugeſchrieben, deſſen angetretene Regirung
er libr. 7. c. 11. ſehr ruͤhmet. Er war ein guter Freund von der Familie der Wepen,
wie ſein Vorfahre im Amte Jsfried, der Heinrich den Loͤwen auf dem Sterbebette
bedienet. Als der Pabſt, Kaiſer Otto den IV und deſſen Freunde in Bann gethan, ſo
wolte Philipp dieſem Bannſtrahl entgehen und zog nach Liefland, brachte ſeine Lebens-
zeit da zu, und war in Deutſchland wenig bekant; kan aber nun endlich aus dieſer
Geſchichte wieder erkant werden. Denn was Cranz hat Metropol. l. 7. c. 22. iſt nicht
werth, daß mans nachſchlaͤgt.
denlibr. 7. c. 9. n. 7. denen Groſſen beygezaͤhlet, die Alberten in ſeinem Unternehmen
auf Liefland huͤlfliche Hand geboten; gleichfals c. 19. n. 2. ſtehet er unter den Biſchoͤ-
fen und Fuͤrſten, die Anno 1209 nach Wuͤrzburg zogen, ſich dem Kaiſer Otto dem
IVten zu unterwerfen. Als er aber auf ſeiner Ruͤckreiſe aus Jtalien wegen Drohungen
des Pabſts ſelbigem aufzuwarten ſich nicht getrauete: ſo unterließ er doch nicht deſſen
Bruͤdern alle Ehre zu erzeigen, inſonderheit, ſeit dem nach des Otto Tode Heinrich
von der Pfalz und Friederich der andere in ſo genaue Freundſchaft gekommen, daß
dieſer jenen zum Abgeſandten des Reichs machte. Da auch dieſer mit Tode abgegan-
gen, hat unſer Jſo fuͤr den jungen Otto, der damals zu Schwerin gefangen ſaß,
alle Kraͤfte angewendet, daß er ſein vaͤterlich Erbtheil ungekraͤnkt behielt. Sonderlich
half er ſeiner Mutter Helena, daß ſie dieſes behauptete, und die Liebe der Nach-
baren gewinnen konte. Und weil er in ſeinem Ausſchreiben die Helena ſeine Mitmutter
nennet, ſo glaubt man nicht ohne Grund, daß er den jungen Otto aus der Taufe ge-
hoben und ſein Pathe geweſen.
und folgenden.
braver Soldate, wurde nach dem toͤdlichen Hintrit ſeines Herrn der Welt uͤberdruͤßig,
zog in dem Ciſtercienſer Kloſter Marienfelde im Bisthum Muͤnſter die Moͤnchskutte
an; legte ſich noch in ſeinen alten Tagen aufs Studiren, und fand mehr Vergnuͤgen an
den Moͤnchsuͤbungen, als an den Waffen; reiſte hierauf aus heiligem Eifer nach
Liefland, und ward daſelbſt Abt von dem Kloſter Duͤnemuͤnde; ſolte auch nachher
Y 2Biſchof
[88]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, dreyzehntes Jahr,
1210Biſchof von Semgallien werden. Seine beſondern Begebenheiten erzaͤhlen Albert
von Stade beym Jahre 1228. Albericus beym Jahre 1207 p. 445. Meibom. Scriptor.
tom. 1. p. 902. Zu welchen unſer Chronikſchreiber hinzugethan werden kan unten n. 4.
und beym Jahre 1217. n. 1.
Opfervieh, wenn es auf die linken Seite fiel, einen ungluͤcklichen; und auf der rech-
Zten
[90]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, dreyzehntes Jahr,
1210ten Seite einen gluͤcklichen Ausgang des Unternehmens bedeutete. Caspar Peucer de
var. divinat gener. p. 360. ſeq. erzaͤhlet noch mehrere, weiß aber von dieſer nichts.
trug der Pabſt dem Biſchof in Liefland auf, daſelbſt neue Domkirchen anzulegen, und
und Biſchoͤfe daruͤber einzuſetzen, wie Raynald ums Jahr 1217 n. 45 berichtet, und
dieſes auf Pabſt HonoriumIII deutet. Daß aber ſelbſt vom Jnnocentius dem
III ſchon vorher dieſe Volmacht ergangen, lehret nicht allein unſer Verfaſſer, ſon-
dern auch das unten beygebrachte Schreiben des Pabſts.
ſegnung zu Huͤlfe, die damals zu Riga gegenwaͤrtig ſich befanden. Denn daß dieſe
Einweihung zu Riga volzogen ſey, bejahet unſer Verfaſſer mit deutlichen Worten ums
Jahr 1218 n. 2. Welches deswegen zu erinnern achte, daß niemand meine, Dietrich
ſey in Deutſchland eingeweihet, wegen der verſchiedenen Jahrrechnung, ſo bey dem
Paͤbſtlichen Breve ſtehet, und nicht leicht mit unſerm Verfaſſer zu reimen iſt, wo man
nicht fuͤr das ſechzehnte Jahr ſeiner paͤbſtlichen Regirung das dreyzehnte ſetzet, ſo nach
Chriſti Geburt das 1210 iſt, welches unſer Schriftſteller hat. Ob nun gleich dieſer
Dietrich gemeiniglich fuͤr den erſten Biſchof von Eſthland ausgegeben wird, ſo hat
man doch Beweisthuͤmer zur Hand, mit welchen das Gegentheil erwieſen werden kan.
Denn wie wir oben in den Geſchichten Meinhardsnot. c) erwieſen haben, daß Eſth-
land, als der nordliche Theil von Liefland von alters her den Chriſten bekant, und
von ihnen beſucht ſey, alſo muß man an dieſer Stelle merken, daß die Schwediſchen
Koͤnige und Biſchoͤfe, die Pabſt AlexanderIII dazu angereizet, ſchon hundert Jahr
vorher auf die Seligkeit der Eſthen, und derſelben Bekehrung zu Chriſto bedacht
geweſen. Jch berufe mich jetzo nicht auf die Unterſchrift der drey hundert und zwey
Biſchoͤfe, ſo nach der Kirchenverſamlung im Lateran aus unterſchiedenen Welttheilen
zuſammen gerufen worden, welche 1179 unter dem Pabſt Alexander dem III ge-
halten ward: davon uns Herr Martenecollect. ampliſſ. tom. 7. p. 78. ſeq. das Ver-
zeichniß giebt, und worinne p. 86. aus der Provinz Bremen erſcheinet BernozViri-
nenſis epiſcopus. Denn obgleich es das Anſehen hat, als ob der Wirlandiſche Bi-
ſchof in Eſthland hier koͤnne verſtanden werden, der deswegen zur Bremiſchen
Mutterkirche gerechnet wird, weil aus dem uͤbrigen Norden kein Biſchof aufm Con-
cilio zugegen geweſen; ſo iſt doch offenbar, daß die Buchſtaben hier uͤbel getheilet
ſeyn und man leſen muͤſſe Berno Zwirinenſis epiſcopus, (Berno Biſchof von
Schwerin) Helmoldlibr. 1. c. 87. n. 10. und Arnoldlibr. 2. c. 14. n. 6 und libr. 4.
c. 24. n. 1. Gewiſſer iſt Fulco ein Moͤnch von Celle, aus der fraͤnkiſchen Stadt
Troyes, deſſen oftmals in den Briefen Peters von Celle gedacht wird, die Johann
Sirmond herausgegeben. Denn unter den Bullen des Pabſts Jnnocentius des
drit-
[91]von 1210 bis 1211
dritten ſind verſchiedene, welche dieſen Eſthniſchen Biſchof angehen. Als, zum1210
Exempel, aus dem ſechzehnten Buch die hundert vier und zwanzigſte. Da er den Sach-
ſen recommandiret wird; die hundert acht und zwanzigſte, worinne ein Befehl an die
Biſchoͤfe in Sachſen ergehet, alle aus den Kloͤſtern zu laſſen, welche dieſer Dietrich
zu Mitarbeitern erwaͤhlen wuͤrde; die dritte Tages darauf an die Bruͤder der Ritter-
ſchaft, da ihnen anbefohlen wird, dem Biſchof von Eſthland nicht ſchwer zu fallen.
Doch dieſe Ermahnung machte die Herren Bruͤder um nichts beſſer. Denn Pabſt Ho-
noriusIII ließ ſie ziemlich hart an, daß ſie die nur neulich bekehrten Liven zu ihrem
groſſen Aergerniß plagten und andre Ungerechtigkeiten veruͤbten. Den Brief ſelbſt hat
Raynald beym Jahr 1222 n. 40 ins Kurze gebracht. Die vierte an den Biſchof ſelbſt,
daß er keinem Erzbiſchof unterwuͤrfig zu ſeyn noͤthig habe. Dieſe vier Bullen ſind alle
vom Jahre 1213. Denn dieſer ward ums Jahr 1170 erwaͤhlet, ſich an das Bekehrungs-
werk der Finnen und Eſthen zugleich zu machen, weil beyde Voͤlker nur durch den Fin-
niſchen Meerbuſen abgeſondert waͤren und faſt einerley Sprache haͤtten. Und ob ihn
gleich deswegen die Schweden mit in das Regiſter der Finniſchen Biſchoͤfe ſetzen;
ſo nennen ihn unſre Documente doch nur ſchlechtweg der Eſthen Biſchof. Der Pabſt
Alexander der dritte befoͤrderte dieſes Unternehmen nicht nur in einem an den Erzbi-
ſchof von Drontheim, und den Biſchof von Stavangern abgelaſſenen Breve, daß
ſie dem Eſthniſchen Biſchof Fulco, der das Amt der Predigt zur Bekehrung dieſes
Volks uͤbernommen, den Moͤnch Nicolaus zum Gehuͤlfen uͤberlaſſen moͤchten, weil
er ein Landsmann dieſer Nation waͤre; ſondern ermahnet auch die Koͤnige, Fuͤrſten und
andre Glaͤubigen Chriſti in Schweden, Daͤnnemark und Norwegen ſchriftlich,
daß ſie der Unbaͤndigkeit der Eſthen Einhalt thun moͤchten, wobey er allen, die gegen
beſagte Heiden tapfer und großmuͤthig fechten wuͤrden, Vergebung der Suͤnden auf
ein ganzes Jahr verſprach, ſo wie denen, die nach dem Grabe des Heilandes wal-
fartheten. Die aber im Treffen blieben, denen ſolten alle Suͤnden vergeben ſeyn. Auf
Fulco folgte der Eſthniſche Biſchof Julius, den eben dieſer Alexander in einem
andern Briefe allen Glaͤubigen in Schweden und Daͤnnemark empfielet, als einen
Mann, der ſichs aus allen Kraͤften angelegen ſeyn ließ, die Nation in ſeinem Bisthum
zu bekehren, die in dem chriſtlichen Glauben noch unwiſſend waͤre. Wobey doch anzu-
merken, daß vor dem Briefe, der bey Oernhiaͤlm des Julius Namen im Anfange hat,
in Sirmonds Ausgabe gleichfals des Fulco Name ſtehe. Wir werden dieſe Bullen
im Anhang der Urkunden anbringen *). Nach Julius Abſterben, hat der Lieflaͤndi-
ſche Biſchof Meinhard, durch Vorſchub der Schweden was in Eſthland ver-
ſucht; aber mit ſchlechtem Fortgange, wie wir in ſeinen Geſchichten n. 13 geſehen. Nun
macht Albert, der dreiſter als Meinhard zu Werke ging, ohne die Schweden
darum zu fragen, weil er entſchloſſen war, Eſthland mit Liefland zu vereinigen,
oder lieber zu uͤberwaͤltigen, denen Eſthen einen Biſchof aus, einen Mann, der dem
Pabſte bekant und lieb war, auch deswegen von dem Pabſte gleich ſein Beſtaͤtigungs-
ſchreiben erhielt; ohne deſſen Anſehen das aͤltere Recht der Schweden ohnedem nicht
leicht umgeſtoſſen werden konte. Wie aber die Daͤnen dazu kamen, und Eſthland
ſich zueigneten, ſo wurde ihnen nachher das Zuvorkommungsrecht entgegen geſetzet; wie
wir zu ſeiner Zeit ſehen werden. Alſo hat die Herzhaftigkeit und nachdenkliche Bemuͤ-
hung eines Mannes die Abſichten und Veranſtaltungen der ganzen Schwediſchen und
Daͤniſchen Nation mitten in ihrem Lauf aufgehalten.
Abſchreiber habe dieſes ihm unbekante Wort Haken, in ein ihm bekanters, nemlich
Pferd, verwandelt. Denn die Preuſſen und Lieflaͤnder nennen eine gewiſſe Abmeſ-
ſung ihrer Aecker einen Haken; und geben es auf Lateiniſch mit dem Worte Vncus:
welches mit dem deutſchen Worte Haken genau uͤbereinkomt. Alſo befindet ſich in der
Samlung der Preußiſchen Privilegien, die zu Braunsberg 1616 ans Licht getreten,
aus dem erſten Diploma von Anno 1233 eine Stelle: Wir wollen, daß von jedem Pol-
niſchen Pfluge, der Hake genent wird, ein Lof Weizen ‒ ‒ jaͤhrlich dem Biſchof der
Dioͤces ſtat des Zehnden entrichtet werde. Und in dem Vertrag zwiſchen den Deut-
ſchen Ordensbruͤdern und zwiſchen den Neubekehrten in Preuſſen, der auf Vermitte-
lung des paͤbſtlichen Geſandten getroffen worden, geloben die Neubekehrten an, ſie
wolten zum Unterhalt eines jeden Kirchenaͤlteſten acht Hufen (manſos) Landes geben,
vier nemlich von flachem Felde, und vier aus dem Buſche, und den Zehnden von zwan-
zig Haken, zwey Ochſen, ein Pferd, und eine Kuh. Friderich Menius in Prodrom.
Jur. \& Regim. Liuon. p. 7. ſchreibet, man habe eine Verordnung, nach welcher aus-
gemacht ſey, wie lang und breit ein Lieflaͤndiſcher Haken ſeyn ſolle *).
ſondern auch fuͤr jeden Ort, wo die Armeen ihren Sammelplatz hatten, und das ſo oft,
daß er einen ſonderlichen Gefallen daran zu haben ſcheinet. Wegen des Grundes die-
ſer Benennung kan man Goldaſten nachſchlagen uͤber den Eginhardp. 172 und
Andreas Rivinusde panegyricis Majumis, Maicampis \&c. c. 8. Uebrigens bin ich
nicht entgegen, wenn man meinet, die Worte: das iſt, eine Verſamlung, haben ſich
vom Rande in Tert eingeſchlichen *).
doch die Guͤltigkeit nicht anzugeben weiß: ſo erreiche ich des Verfaſſers Sinn nicht.
Man ſehe nach ums Jahr 1214 n. 3. wo ſie des Proviants wegen aus den Waͤldern auf
die Doͤrfer gingen.
ſtoſſen. Bey den Liven heiſt er Emmajoͤggi, bey den Deutſchen Embek, bey un-
ſerm Verfaſſer, der da wuſte, daß die erſte Haͤlfte des Worts im Hebraͤiſchen ***)
eine Mutter bedeute, heiſt er mater aquarum, als ob man ſagte: Mutterbach.
bach komt. Gerwe heiſt bey den Finnen und Eſthen eine See.
zu lehren ausgeſandt worden, einen gewiſſen Moͤnch zugeordnet, der aus der Eſthni-
ſchen Nation herſtamte; welches um keiner andern Urſache willen geſchehen zu ſeyn
ſcheinet, als daß der Biſchof Fulco, weil er kein Eſthniſch verſtand, einen der Spra-
che kundigen Dolmetſcher haͤtte. Selbſt die vom Roͤmiſchen Hofe in andre Reiche ab-
gefertigten Geſandten, hatten einen der die Landesſprache wohl inne hatte allezeit unent-
behrlich von noͤthen. Wie Pabſt JnnocentiusIIII. 1251 einen ſolchen in Deutſchland
hielte, um gewiſſe Befehle an die Fuͤrſten zu beſtellen, ſo ſchrieb er an ihn: Wir er-
mahnen dich, daß du den Bruder Dietrich zu dir nimſt, den Heermeiſter des Deut-
ſchen Hauſes in Preuſſen, der der deutſchen Sprache kundig iſt, wenn du zu den Her-
zogen, Marggrafen und Grafen des Reichs hingeheſt, ſie zum Gehorſam der Kirche
wieder noͤthigeſt, und dich bemuͤheſt, ſie ernſtlich anzuhalten, doß ſie dem Koͤnig Wil-
helm huldigen ‒ ‒ ‒ Raynald ums Jahr 1251 n. 7. Die auslaͤndiſchen Prieſter pre-
digten alſo auch in Liefland durch Dolmetſcher vor dem Volke, bis ſie die Landesſpra-
che erlernten. Vielleicht nach dem Exempel jenes Bruno, von dem Helmold handelt,
Chron. Slav. l. 1. c. 38. n. 18. Sie hatten ihre Predigten in Slaviſchen (Lieflaͤn-
diſchen) Worten aufgeſchrieben, die ſie nachher bey Gelegenheit den Leuten vorlaſen.
ob es gleich faſt auf eine Art geſchrieben iſt; beydes aber den Ruſſen gehoͤret habe.
Und obgleich letzteres heutiges Tages zu Litthauen gerechnet wird, ſo bewohnen doch
noch bis jetzo die Ruſſen den ganzen Strich Landes bis Kiow. Jch fuͤhre hier Me-
choven zum Zeugen an, der libr. 2. c. 3. p. 146. alſo ſchreibet: Jn den andern herum-
liegenden Provinzen, als, in Novogrod, Pleſcow, Polocz, Smolensko, und
gegen Mittag bis Kiow ſind alles Ruſſen und reden auch Rußiſch oder Sclavo-
niſch. Sie behalten die Griechiſchen Gebraͤuche, und leiſten dem Patriarchen zu Con-
ſtantinopel kirchlichen Gehorſam.
Not. eine alte geſchriebene Nachricht fuͤhret von dieſem Jahre den Stiftungsbrief der
Rigiſchen Domkirche an, daran ſich doch keine Siegel befunden.
quin geſchrieben und geleſen werden, der nunmehro Ordensmeiſter der Bruͤder von der
Ritterſchaft Chriſti war; aber ſeitdem ich von neuem beym Jahr 1218 n. 6 und 7. ei-
nen Ordensmeiſter Rodolf, und beym Jahr 1219 n. 2. einen Rodolf von Wenden,
und nachher wieder einen Ordensmeiſter Volquin antreffe: ſo komt mirs glaubwuͤrdig
vor, daß dieſer Rodolf Viceordensmeiſter uͤber die im Schloſſe Wenden wohnen-
den Ordensbruͤder geweſen, und daß er in dieſem Amte mit Bertolden von Wenden,
der erſt ums Jahr 1215 erſchlagen worden, abgewechſelt habe.
po zu ſeyn, von welchem oben beym Jahre 1299 n. 3. 4. nachzuſehen.
Verden und der von Paderborn, waren ſchon wieder in ihr Vaterland gereiſet.
Repekov ſein Magdeburgiſcher Sachſenſpiegel jung geworden; welches Recht jedoch
die Sachſen mit den Daͤnen gemein hatten. Denn nach dieſem Rechte waren die
Eidſchwuͤre ſtark im Schwange, und bey jeder Klage entſtund unter den Parten die
Hauptfrage, welche von beyden zum Eide zu laſſen waͤre. Das Recht gab gemeinig-
lich den Ausſchlag fuͤr den Beklagten, ſonderlich, wenn er, um den Verdacht ſeines
Leichtſinnes zu heben, noch einige an der Seite hatte, die mit ſchworen (conſacramen-
tales). Dieſes ſchien dem Pabſt HonoriusIII gegen das algemeine Recht zu laufen,
daß Beklagte gegen rechtmaͤßige Beſchuldigungen mit leugnen ſich behelfen koͤnten. Er
gab daher eine Bulle heraus, daß man den Beweiß des Klaͤgers hoͤren ſolle, und ſchrieb
an die Biſchoͤfe: Wir wollen dieſe Peſt, die wider alle Rechte iſt, ganz ausgetilget
wiſſen, und befehlen, ihr ſolt niemand hoͤren, der ſein Nein auf dergleichen Art bewei-
ſen wil, da doch des andern Ja im Gegentheil erwieſen werden kan. Raynald beym
Jahre 1218 n. 41. Die Sachſen hatten auch dieſen gemeinen Beweiß mit nach Lief-
land gebracht. Doch Pabſt Honorius der III ſchafte ihn wieder ab, und ſchrieb an
den Biſchof, er ſolte das Gerichte, welches durch ein gluͤhendes Eiſen mit den Neuge-
tauften ſo in Tag hinein gehalten wuͤrde, gaͤnzlich einſtellen. Raynald beym Jahre
1222. n. 40.
in Schweden ſelbſt geſuchet haben **), zeiget Herr Erich Benzelius uͤber Vaſto-
viump. 59, vornemlich nachdem ſie in Ruſſovs Lieflaͤndiſcher Chronik p. 8. fuͤr
Rotal durch ein Verſehen Rokal gedruckt gefunden. Es iſt aber Rotalien ein klein
Laͤndgen an der Seekuͤſte von Eſthland, der Jnſel Oeſel gegen uͤber, welche Seeſeite
auf deutſch die Strand-Wyck, auf eſthniſch Loͤnema heiſſet: worinne das
Kirchſpiel Roͤtel, auf eſthniſch Riddalikirrik den vorigen Namen beybehalten.
ſagte: Singe! ſinge! Pfaffe! Laulma bedeutet, ſingen. Ma laulan, ich ſinge.
Laula: Singe du.
Geor-
[115]von 1214 bis 1215.
Georgianum, (Juͤrgensſtadt) heiſt gewoͤhnlich Dorpat. Chronic. Kiovienſ. beym1214
Jahr 1030 Collect. Rer. Rusſic. part. 3. p. 186 *).
geworden.
und nicht uneben getroffen. Denn wie wir horologium (eine Uhr) eine Maſchine heiſ-
ſen, welche die Stunden anzeiget, alſo konte das Faͤhnchen, das auf den Giebeln der
Haͤuſer, auf den Spitzen der Thuͤrme und Maſtbaͤume ſich nach jeder Veraͤnderung des
Windes herumdrehet, und deſſen Strich zeiget, kaum geſchickter benennet werden.
nicht bekant iſt. Doch deucht mir es ein Amtsname zu ſeyn, und entweder einen, der
die Maſchinen zum Wurf richtet, oder beſſer einen Steuermann zu bedeuten, der am
Ruder ſitzet. Ja, well der Verfertiger dieſer Chronik nicht allezeit deutſche Worte
verachtet, wenn ihm die lateiniſchen nicht eingefallen, und er de plancis et erkeriis (von
Planken und Erkern) ſpricht: ſo wolte ich wol nicht eigenſinnig leugnen, daß hier
Stuurmann noſter (unſer Steurmann) geſchrieben geweſen; welches Wort der Ab-
ſchreiber, als ein ihm wider Vermuthen vorgekommenes, lieber hat moͤgen verpfuſchen,
als beybehalten wollen *).
der mir ihn gibt. Jn der Zeit ſeines Todes ſtimt Albert von Stade beym Jahr
1215 mit ein, da er den Hintrit des Biſchofs Philipp von Ratzeburg mit drey Wor-
ten bemerket, den Ort aber ſeines Todes und Begraͤbniſſes verſchweiget. Unſer Ver-
faſſer hat uns nichts davon verbergen wollen. Er meldet, Philipp ſey in Neronia
geſtorben, und in ein marmorſteinern Grab eines gewiſſen Cardinals beygeſetzet wor-
den, in dem Auguſtinerkloſter, ſo uͤber dem Fluſſe liegt. Da er uns aber Ne-
ronia in Weg legt, und weder den Namen des Kloſters noch des dabey flieſſenden
Stroms ausdruͤckt, ſo macht er uns viel zu thun, weil wir dieſes Neronia vergeb-
lich aufſuchen. Der am Gemuͤthe und Leibe kraͤnkliche Biſchof war nach Gothland
gekommen. Er hatte ſich auf der Reiſe zur See und unter dem Schwarm der Feinde
alzuſehr abgemattet, und mochte daher fuͤr dienlich befinden, bey dieſer ſeiner Schwach-
heit nicht ferner unter Segel zu gehen, ſondern in einem nahen Kloſter ſeines Ordens
Herberge zu nehmen. Zwar finden wir in dem Verzeichniß aller Kloͤſter im Koͤnig-
reich Schweden, das dem IX Tom. Scondiæ illuſtratæ des Johann Meſſenius ein-
verleibet iſt, und deren Anzahl Johann Vaſtoviusin vire Aquilonia vergroͤſſert und
bis auf vier und ſechzig gebracht, nicht ein einiges, das Auguſtinerordens geweſen.
Und obgleich unter den neun und ſechzig Kloͤſtern im Koͤnigreich Daͤnnemark achte
dieſes Ordens ſich befunden, ſo komt doch kein einziges darinne vor, deſſen Benen-
nung wie Neronia klinget. Weil aber dieſe beyden Herren an die Kloͤſter auf Goth-
land nicht gedacht, ſo gar, daß Vaſtovius, ohnerachtet er in der Zueignungsſchrift
an den Koͤnig von Polen SigismundenIII die zu Wisby in dem Moͤnchskloſter
Benedictinerordens vorhandene beruͤhmte Bibliothek ruͤhmet, doch dieſes Kloſter
nachher in dem Regiſter der Kloͤſter des Koͤnigreichs Schweden nicht einmal anfuͤhret;
ſo iſts gar kein Wunder, daß Neronia, wenn es ein Kloſter in Gothland iſt,
uns unbekant geblieben. Denn wir haben noch keine recht hinlaͤngliche Beſchreibung von
dieſer Jnſel: Des Johann Nilſon Strelovs Gothlaͤndiſche Chronik in Daͤniſcher
Sprache haben wir auch nicht jetzo zur Hand, und die uͤbrigen, ſo man nachſchlagen
kan, ſind in Beſchreibung derſelben alzu trucken. Daß inzwiſchen doch einige Kloͤſter
daſelbſt im Flor geweſen, iſt aus andern tuͤchtigen Zeugniſſen bekant. Denn Jacob
Ziegler, der ſchon lange vor Vaſtoven, Scondien beſchrieben, meldet, daß die
Stadt Wisby ein ſchoͤnes Schloß und vortrefliche Kloͤſter habe, dabey er ſonderlich
das Benedictinerkloſter ruͤhmet, das mit zwey tauſend Manuſcripten angefuͤllet geweſen.
PontanusChorogr. Dan. p. 734 ſetzet, es haͤtten ſich ehmals zehn Kirchen und vier
Kloͤſter in dieſer Stadt befunden. Adam Olearius, der Anno 1634 etliche Tage
auf dieſer Jnſel gelegen, und nicht allein die Stadt Wisby ſondern auch die ganze
Seekuͤſte mit eigenen Augen beſichtiget, ruͤhmet vor andern den Hafen Oſtergard,
Slitoe und Narwyk, und bezeuget, daß er drey Meilen von Slitoe ein altes Klo-
ſter geſehen. Perſianiſche Reiſebeſchr. lib. 2. c. 3. p. 69. Haͤtte er dis doch weit-
laͤufiger beſchrieben! Denn wenn es nahe bey Narwig laͤge, ſo wuͤrde es die Stelle
unſers Neronia haben vertreten koͤnnen. Was wuͤrde man aber alsdenn mit dem
marmor-
[119]von 1214 bis 1215.
marmorſteinernen Grabmal eines ehmaligen Cardinals machen? Nicolaus, Erzbiſchof1214
von Lunden, erzaͤhlet in der Chronik der Lundiſchen Biſchoͤfe, die vor Anno 1370
geſchrieben und unter dem Namen des Ausſchmierers Two herumgetragen worden, bis
es Thomas Bartholinus 1709 zu allererſt in Coppenhagen aus einem alten Per-
gament herausgegeben, und neulich der Kanzler von Ludewig aus einem zerſtuͤmmel-
ten Manuſcript, Reliq. tom. 9. p. 166. ſeqq. wieder auflegen laſſen; ingleichen Pon-
tanusrer. Dan. libr. 6. p. 290. und Johann MeſſeniusScond. illuſtr. tom. 2. p. 17,
und tom. 15. p. 31, daß der Cardinal Fidentius, welchen die Lundiſchen Pergament-
haͤute Fiderarium nennen, weil ſie entweder ſchlecht geſchrieben, oder ſchlecht geleſen
worden, da doch Ciaconii Geſta Pontificum \& Cardinalium p. 516. keinen andern als
den Fidentius kennen, Anno 1193 zum Cardinalprieſter mit dem Titel des heiligen
Marcellus gemacht worden. Dieſer ſey hierauf vom Coͤleſtinus dem dritten nach
Daͤnnemark geſchickt, die Loslaſſung des Biſchofs Woldemar auszuwirken, waͤre
aber 1197 in Schonen mit Tod abgegangen, und haͤtte ſeinen Begraͤbnißort zu Lun-
den in der Kirche des heiligen Laurentius gefunden. Wenn nun Philipp in das
Grab dieſes Cardinals beygeſetzet iſt: denn es iſt nicht bekant, daß ein andrer Geſandte
des Apoſtoliſchen Stuls in Daͤnnemark oder Schweden begraben worden, wuͤrde
man wol annehmen muͤſſen, daß er zu Lunden in Schonen geſtorben und begraben
ſey? Jch ſolte wol nicht meinen. Denn erſtlich finde ich in dem Verzeichniß des Meſ-
ſenius kein Auguſtinerkloſter in Lunden. Zum andern, wenn auch ſchon in Lunden
eines in Flor geſtanden; ſo heiſſets doch nicht, Fidentius ſey in ein Kloſter, ſondern in
die Domkirche ſelbſt begraben worden. Zum dritten haben von dem Jahre 1197 an die
Gebeine des Fidentius nicht ſo geſchwind in einem marmorſteinernen Grabe in die Aſche
gehen und verweſen koͤnnen, daß nach ſiebenzehn Jahren ein andrer Leichnam darinne
Platz gehabt. Endlich zum vierten, iſt Lunden, wenn man auch Lundonia ſchrei-
ben ſolte, von Neronia gar zu ſehr unterſchieden, als daß man eins fuͤr das andre
verſchrieben zu ſeyn glauben koͤnte. Es hat eine Warſcheinlichkeit, daß auf Gothland,
einer an Marmor reichen Jnſel, ein marmorſteinern Grabmal zum Begraͤbniß des Car-
dinal Fidentius verfertiget, aber nicht abgeholet und nun gebrauchet worden ſey, den
Leichnam des Biſchofs darein zu legen. Hier hat der Leſer eine Muthmaſſung; wem
dieſe aber nicht anſtehet, ſo iſt noch die andre da. Philipp war geſonnen, nach Rom
auf die vom Pabſt angeſetzte Lateraniſche Kirchenverſamlung zu gehen. Unterwegens
kam er nach Neronia, und ſtarb daſelbſt, ehe er Rom erreichen konte. Wie wenn
man durch Neronia Narnia (Narni eine Biſchoͤfliche Stadt in Umbrien) verſte-
het? Unſrer Muthmaſſung komt die Erſcheinung der Taube zu Huͤlfe, die von jenſeit
den Alpen gekommen. Aber auch hier faͤlt es ſchwer, ein Kloſter Auguſtinerordens
und den Ort des Begraͤbniſſes anzuzeigen, weil wir Narni wenig kennen, und was
Leander Albertideſcript. Ital. p. 153 von dieſer Stadt hat, einen nicht kluͤger macht.
Daß Ratzeburg aber ſelbſt durch Neronia von unſerm Auctor verſtanden werde,
laͤſſet die Redlichkeit dieſes einfaͤltigen Mannes nicht zu, obgleich die Geſchichte der
Ratzeburgiſchen Kirche nicht undeutliche Merkmale gibt, daß Ratzeburg bey der
erſtaunlichen Veraͤnderung des Nordalbingiſchen Reichs gleichſam ein Zuchthaus fuͤr
die Biſchoͤfe geweſen, die keine neuen Herren erkennen wolten. Solte aber dis alles je-
manden noch nicht warſcheinlich genug vorkommen; indem es mir ſelbſt nicht Gnuͤgen
leiſtet: ſo wuͤnſche mir den Tag zu ſehen, der dieſem Neronia*) das erwuͤnſchte Licht
gibt, und es naͤher vor die Augen bringet. Denn wenn man auch Neronia fuͤr
Coronia verſchrieben haͤlt, wie Landeskrone in Schonen manchmal beym Ponta-
nus heiſt; ſo zeiget doch ſchon des PontanusChorographia, daß Landeskrone da-
mals noch nicht in der Welt geweſen.
die Ausdruͤcke und Exempel nicht zweifeln. Alſo ſahe nach dem Abſterben des Luͤbecki-
ſchen Biſchofs, Heinrichs eine Nonne in Zevena im Schlafe eine Schneeweiſſe Taube,
die in ihren Schooß flog, mit der ſie auch geſprochen, und die endlich ſagte: Jch heiſſe
Heinrich, und war Biſchof in Luͤbeck. Arnold von Luͤbeklibr. 3. c. 3. n. 5. Ob
gleich die Erſcheinungen der Seulen nicht ungewoͤhnlich ſind, Cæſar. Mirabil. l. 4. c. 96.
das Eis auftreibende Fluth verſtehen, der ſie bey ihrem Zug uͤbers Eis haͤtten entgehen
wollen. Es zeigens aber andere Stellen des Verfaſſers, daß malewa bey ihm ein groſ-
ſer Schwarm Feinde **) bedeute. Siehe beym Jahr 1215 n. 2 und 1218 n. 7. Mir iſt
nicht bekant, wovon und aus welcher Sprache das Wort herkomme. Bey den Eſthen
bedeutet Wanlane einen Feind. Ob unſer Verfaſſer dieſes in ſein Malewan veraͤn-
dert, getraue mich nicht auszumachen.
Narva iſt; Wirland, worinne Borcholm; Harrien, darinne Revel; Jer-
wen, darinne Weiſſenſtein; und Wyck oder die Strandwyck, darinne Leal
liegen.
[123]von 1215 bis 1216.
liegen. Die Strandwyck heiſt von dem Ort noch heutiges Tages auf Eſthniſch1215
Loͤne-ma, das iſt das Land Lone.
meiſter geweſen; denn ſeiner wird im folgenden nicht mehr Erwehnung gethan.
Præſulis Alberti decimus nonus fuit annus,
Er non a bellis ſiluit gens Liuonienſis.
[Dergleichen Anfang doch nur in den folgenden Jahren gefunden.]
Stern an dem Himmel jenſeit der Elbe aufgegangen, und nach kaum vollendetem vier-
ten Theil ſeines Laufs wieder auf einmal verſchwunden iſt. Jn den Geſchichten iſt er
ohne Vater ohne Mutter und ohne Frau, bis endlich CranzSaxon. libr. 7. c. 22. ver-
ſprach, zu ſeiner Zeit zu zeigen, wer und woher er geweſen, auch c. 27. ſeine Zuſage
gehalten, wo er, nachdem er erzaͤhlet, daß Albert Graf von Orlemunde von dem
Koͤnige Waldemar in Daͤnnemark uͤber das ganze Gebiete geſetzt worden, das ehmals
Cranzens
falſche Nach-
richt von ihm.der Graf Adolph von Schauenburg beſeſſen, hinzufuͤget: „Er war ein Sohn
„Heinrichs von Orlemunde, der Adolphs des andern nachgelaſſene Witwe gehei-
„rathet, womit er, wie man muthmaſſet, dieſen Albert gezeuget ‒ ‒ ‒ Das iſt der
„Albert, deſſen Name in den Chroniken vorkomt, deſſen Herkunft aber man laͤcherli-
„cher Weiſe verſchwiegen: ein leiblicher Bruder Adolphs des dritten, deſſen Mutter,
„wie wir ſchon geſaget, den Vormund ihres kleinen Prinzen Heinrichen zum Gemahl
„genommen.„ Das Anſehen eines Mannes, der dis mit ſo groſſer Gewisheit vortraͤgt
und hier und da c. 36 einſchaͤrft, daß er ſich wundert, und es faſt fuͤr was laͤcherliches
haͤlt, warum andren vor ihm es nicht eingefallen, hat gemacht, daß alle die andern,
ſo hieruͤber geſchrieben, mit nachgeleiret, und ich glaube, deswegen, damit ſie nicht wol-
ten ausgelacht werden. Und dieſe Meinung, obſchon die natuͤrliche Verwandſchaft
redet, daß der Koͤnig Waldemar lieber ſeinem Fleiſch und Blute als Fremden und
Feinden es goͤnnen wollen, iſt in alle Zeitbuͤcher und Geſchlechtregiſter geſetzet worden,
ſonderlich von der Zeit an, da Cranz des ſonſt gelehrten und ſcharfſichtigen Manns Hen-
rich Bangerts Beyfal erhalten, in den Anmerkungen uͤber Helmoldlibr. 2. c. 7.
bis unſer Vorfahre, der Herr Eckardgeneal. Saxon. p. 511 Cranzens Betrug ent-
deckte, und augenſcheinlich zeigte, daß des Graf Alberts Vater Siffrid ein Graf von
Orlemunde geweſen, die Mutter aber eine Schweſter des Daͤniſchen Koͤnig Wal-
Alberts Va-
ter war Graf
Sigfrid von
Orlamuͤnde.demarsII, deren Namen er doch ſo wol als der Gemahlin des Alberts
nicht gewuſt hat, weil nemlich nicht allein unſere, ſondern auch die Daͤniſchen Ge-
ſchichtbuͤcher davon ſchweigen, welche doch in einheimiſchen Sachen beſonders ausfuͤhr-
lich ſeyn ſolten. Wir laſſen, was ſchon erwieſen iſt, fahren, und wollen das uͤbrige
vornehmen, damit der Nachwelt die Geſchlechtslinie und die Verwandten Alberts
nicht laͤnger verborgen bleiben. Sifrid, Alberts Vater, hatte zum Grosvater Al-
berten, der 1170, und zum Vater Hermannen, der 1176 geſtorben iſt. Chron.
Erford. bey Herrn MenkeScript. tom. 3. p. 224. Das iſt der Graf Hermann
von Orlamunde, der 1173 dem Kaiſer FriedrichI in einem Celliſchen Diplo-
ma zu Goslar ſich als Zeuge unterſchrieben, ſo aus der Original-Abſchrift zu ſehen iſt,
in der fortgeſetzten Samlung von alten und neuen theologiſchen Sachen des
1722 Jahrs p. 517 und deſſen Handbrief Meibom geſehen zu haben bezeuget, tom. 1
p. 529 welches Handſchreiben Erwehnung thut von ſeinem Vater dem Marggrafen
Adelbert, ſeiner Gemahlin Adelheit, und ſeinem Sohn Sigefrid. Dergleichen
auch etwas beym Hoen iſt in der Coburgiſchen Hiſtorie part. 1. p. 110. Sifrid,
Hermanns einziger Sohn, erhielt 1179 von Kaiſer FridrichI die Guͤter, ſo im
Dorfe Orla gelegen. Die Urkunde befindet ſich beym Kanzler von Ludewigreliq.
tom. 10 p. 148. Eben dieſer hat ſich 1180 zu Gelenhauſen als Zeuge mit unter die
guͤldene Bulle von Coͤln unterſchrieben, beym Geleniusp. 74 und war 1181 mit aufm
Reichstage zu Erfurt, bey Meibomtom. 1 p. 529. wie auch bey der Verſamlung zu
Traremuͤnde, wo er eine Prinzeßin des Koͤnigs WaldemarsI von Daͤnnemark
zur
[127]von 1216 bis 1217.
zur Gemahlin empfing, und zu Schleswig Hochzeit hielt. Siehe die alte Chrono-1216
logia Sveo-Danica bey Herrn Benzel. Monumentis Sveo-Gothicis part. 3. p. 83.
Das Seelaͤndiſche Chronicon, ſo Arnas Magnaͤus herausgegeben p. 48. Erich
hiſtor. gent. Dan. bey Lindenbrogp. 271. Saxo. Grammat. libr. 15 p. 371. Doch muß
man wiſſen, daß von dieſen Zeugen allein der Name Sifrid benennet werde, ohne daß
der Name eines Grafen von Orlamunde und ſeiner Braut dabey ſtehe. Weiter finde
ich einen Graf Sifrid von Orlamunde als Zeugen in Schriften von 1183 beym Herrn
MenkeScript. tom. 1 p. 772 von Anno 1190, bey Becmannen in Notit. Vniuerſitat.
Francofurt. auct. p. 30. von Anno 1192, bey Langens Zeitziſcher Chronik p. 1160 vom
Jahr 1193. bey Sagittar. hiſtor. Magdeburg. Mſct. und von Anno 1194 in
einem noch ungedruckten Diploma, von den bald ein mehrers. Er ſelbſt war Anno 1192
gegen das Kloſter Heusdorf bey Jena gutthaͤtig. Die Urkunde davon hat Thurin-
gia Sacra p. 332 von welchem ich wuͤnſchte, daß es das enthielte, was der Titel verſpricht.
Anno 1198 als zu Jchtershauſen, dichte bey Erfurt, im Lande dieſes Sifrids einige
Fuͤrſten und Grafen Philippen zum Koͤnige ernenten, war er der vornemſte der
erwaͤhlenden Grafen, wie man lieſet Chron. Erford. Menk. tom. 3 p. 233. Endlich
Anno 1206 ſtarb Sifrid von Orlamunde, wie die annales Reinersborn. Mſcrpt. bey
dieſem Jahr bezeugen. Nun muͤſſen wir auf Sifrids Gemahlin kommen, AlbertsDie Mutter
Alberts war
Sophia, eine
Prinzeßin des
Daͤniſchen
Koͤnigs Wol-
demarsI.
Mutter, des Koͤnigs von Daͤnnemark Waldemar des II Schweſter, und Wal-
demars des I Prinzeßin Tochter. WaldemarI ſelbſt war von einer Mutter aus
Holmgarden erzeuget, einer Prinzeßin Haralds, nemlich der Jngeburg einer
Enkelin Waldemar des II, welcher Name von da nach Daͤnnemark, und aus
Daͤnnemark nach Deutſchland gekommen; und hatte zur Ehe Sophien, eine Prin-
zeßin des Holmgardiſchen Hoͤnigs Waldemars des III und letzten Koͤnigs in Holm-
garden, ſeine Muhme. Aber in welchem Theil der Welt liegt das Koͤnigreich Holm-Was Holm-
garden ſey?
garden, und von welcher Nation ſind die Holmgardiſchen Koͤnige? Jch wil kurz
ſagen, was ich zu ſagen habe. Jn einer alten Charte von Schweden heiſt das Koͤnig-
reich Holmgarden derjenige Strich Landes, der Carelien und Jngermannland
mit den herumliegenden Jnſeln unter ſich begreift, deſſen Mittelpunkt jetzo St. Peters-
burg, das Augenmerk der Welt, iſt. Holmgard war der Name der koͤnigl. Reſidenz,
weil ſie auf einer Jnſel angeleget worden. Das Reich ſelbſt, weil es viele Garden
oder Buͤrge hatte, ob gleich die Ruſſen gard allenthalben in grod verwandelt haben,
hieß Gardarike, in Abſicht ſeiner Lage aber Oſtragardia oder Auſtan, ja von dem
Fluß Kymen, Kymenelf bey Wexion. deſcript. Svec. libr. 1 c. 28 oder von der
Jnſel Chyeina auf dem Finniſchen Meerbuſen, bey Joh. Meſſen. Scond. illuſtr. tom. 10
præfat. iſt es Kiaͤnugard*) genant worden. Dieſe 3 Namen kommen vor in der Ge-
ſchichte Gothrichs und Rolvons, die Olaus Verelius Gothiſch und Schwediſch
zu Upſal Anno 1664 herausgegeben. Die 2 letztern hat auch Helmold,libr. 1 c. 1
„n. 4 wo er ſaget: „Rußland wird von den Daͤnen Oſtrogard geheiſſen, weil es
„gegen Morgen liegt. (Adam von Bremen nent es Oſtrogard in Rußland,
„um es von dem Gothiſchen Oſtrogarden auf der Jnſel Gothland zu unterſchei-
den.) „Dieſes heiſt auch Chunigard, weil die Hunnen daſelbſt anfaͤnglich ihren
„Sitz gehabt.„ Welche Urſache wenig Warſcheinlichkeit hat. **)Das Chronicon
der Deutſchen Ordensritter, bey MatthaͤiAnnal. tom. 5. p. 699 ſeq. der neueſten
Edition, deſſen Erzaͤhlung von den Lieflaͤndiſchen Begebenheiten wir in den Anhang
der Beylagen gebracht n. II ſagt, daß die Einwohner desjenigen Rußlands, ſo an
die Duͤne gegrenzet, damals Keenen geheiſſen. Wenn das mit aͤltern Zeugniſſen be-
wieſen werden koͤnte, ſo waͤre der Urſprung des Worts Kiaͤnugard nicht weit herzu-
holen. Man kan leicht erachten, daß es in Schweden an denen nicht fehle, die da
behaupten, daß die Holmgardiſchen Koͤnige aus Schwediſchem Gebluͤte entſproſ-
ſen. Vor andern hat der koͤnigl. Hiſtorienſchreiber Claudius Arrhenius Oern-
hiaͤlm das als ſein Werk angeſehen, daß er das Geſchlecht dieſer Koͤnige dem Schwe-
diſchen Namen zueigne, hiſt. Svec. libr. 4 c. 8. wo er dieſes hat: Der ſiegreiche Erich
und Olaus Skattkonung ſein Sohn, haben nicht nur Curland, ſondern auch
Eſthland, Liefland, und mehr mit dieſen benachbarte Laͤnder unter ihrer Bot-
maͤßigkeit gehabt. Damit ſie nun dieſe deſto geruhiger vor dem Ueberfal der wilden
J i 2Hei-
[128]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neunzehntes Jahr,
1216Heiden daherum beſitzen moͤchten, ſo haben ſie gewiſſe Lehnskoͤnige ihres Gebluͤts
mitten in dieſen Meerbuſen geſetzet und mit ihrer Macht ſie unterſtuͤtzet; weil nun deren
Reſidenz auf den nicht weit vom Ufer gelegenen Jnſeln war, und ihr Reich auch auf
die an die Jnſeln ſtoſſende Laͤnder ſich erweiterte, welche nachher von den Moſcovi-
tern oder Ruſſen eingenommen worden: ſo werden ſie in den alten Geſchichtbuͤchern
unſers Reichs die Holmgardiſchen Koͤnige genant. Jch ſaͤhe lieber, dieſer gelehrte
Mann haͤtte einen andern Beweisgrund angenommen, als von den Hervarar, (alten
klugen Weibern, Sagis) ſeines Vaterlandes, und aus den Geſaͤngen und Maͤhrlein
der Sturloniſchen Weiber und Skalden, die nur erdacht worden, um groſſen Herrn
die Naͤchte zu verkuͤrzen, welche da bekanter maſſen ſehr lang ſind. Gewiß, daß Koͤ-
nige ſich mitten in das Meer geſtuͤrzet, im Seeboden mit den Feinden Schlachten
gehalten und dergleichen ſchoͤne Siebenſaͤchelchen mehr, wird nicht leichte ein deutſcher
Magen verdauen koͤnnen. Billiger geht doch noch Verelius zu Werke. Denn ob er
gleich ſelbſt l. c. not. p. 3 und 4 die Lieder der Schwediſchen Meiſterſaͤnger nicht zu
verwerfen ſcheint, weil die Maͤhrlein ſo gut als die Geſchichte einer Sprache Eigenſchaft
und Art, und der Menſchen Lebensart, Gebraͤuche und Einrichtungen vorſtellen ſollen;
ſo laͤſt er doch noch die Sache dahin geſtellet ſeyn, wenn er p. 96 ſagt, daß durch Gar-
darike derjenige Theil von Rußland verſtanden werde, der naͤher an unſer (Schwe-
diſches) Reich ſtoͤſſet, und ehemals von eignen Koͤnigen ſey beherrſchet worden. Was
wuͤrden die, ſo dieſer Meinung ſeyn in den Stamregiſtern derer nicht vor eine Nieder-
lage anrichten, ſo aus dieſer Quelle das Rußiſche Gebluͤte in die Adern einiger durch-
lauchtigen Familien Deutſchlands ableiten? Wie Herr Eckard aus dieſen Verwir-
rungen ſich geholfen, zeiget das Werkchen, ſo p. 631 in der Geneal. Saxon. ſtehet, da-
bey ich mich ſehr wundere, wie dieſer gelehrte Mann dem ſchoͤnen. Werke einen ſo ſchlech-
Wolde-
marsI Prin-
zeßinnen, wie
viel und wel-
che?ten Zuſatz anflicken koͤnnen. Doch ich komme wieder zur Sache. Dieſem Waldemar
nun, dem erſten Daͤniſchen Koͤnige dieſes Namens, gebar die Holmgardiſche So-
phia, eine Prinzeßin aus Rußiſchem oder Schwediſchem Gebluͤte, zwey Prinzen,
Canuten und Waldemarn, welche beyde, doch nach einander, nach dem Tode des
Vaters regiret haben, und 5 oder 6 Prinzeßinnen. Henrich Ernſt gibt ſich ent-
ſetzliche Muͤhe, dieſe auszuforſchen, und ihre Namen anzugeben, weil er in Erlaͤute-
rung uͤber ein Stamregiſter einiger Daͤniſchen Koͤnige, ſo vom Herrn von Ludewig
reliq. tom. 9. neulich wieder aufgelegt worden, bey Vereinigung der unterſchiedenen
Meinungen lieber, als bey Nachſchlagung der Qvellen ſchwitzen wollen. Weil wir die
Prinzeßinnen nicht nach der Ordnung ihrer Geburt nennen koͤnnen, ſondern ſie nach der
Zeit ihrer Vermaͤhlung anfuͤhren, ſo iſt die erſte davon Sophia; der andern Name
iſt nicht ausgedruͤcket; beyde ſind auf dem Vergleich zu Traremuͤnde, nemlich, jene an
Sifriden, von dem wir Handeln; dieſe an Kaiſer Friedrichs des I Prinzen verlobet.
Jene war damals ſchon mannbar, dieſe noch nicht. Jndem Saxo berichtet, daß So-
phia ihre Vermaͤhlung gleich zu Schleswig gehalten; dieſe aber ward an den kaiſerl.
Hof geſchickt, bis ſie groß wuͤrde, und muſte nachher mit einem ſchimpflichen Korb ver-
lieb nehmen. Arnold. libr. 3 c. 20. Der Sophie ihr Name iſt bekant aus einem noch
ungedruckten Pergament, ſo wir in unſern Anhang verſparet, welches Anno 1194 der
Erzbiſchof von Maynz, Conrad, dem Grafen von Orlamunde Sifriden ausge-
fertiget, zum Zeugniß, daß die Orlamuͤndiſche Schloßkirche dem heiligen Pancra-
tius zu Ehren von ihm eingerichtet ſey. Die dritte Prinzeßin hieß Jngeburg, die Anno
1193 von dem fraͤnkiſchen Koͤnige Philipp Auguſt geheiratet, gleich drauf wieder ver-
ſtoſſen, doch um der Draͤuungen des Pabſts willen wieder ins Ehebette aufgenommen
worden. Wovon auſſer den Geſchichtsbuͤchern der Franken des Pabſts Caͤleſtinus des
III Briefe zeugen, ſo vom Herrn Martenetom. 3. Coll. ampliſſ. herausgekommen,
ingleichen die Urkunden, die der Herr BaluziusMiſcell. tom. 7 p. 245 ſeq. ans Licht
geſtellet. Wir wollen doch die Eheſtiftung hier mit her ſetzen, weil ſie ſehr kurz iſt,
„und das gemeldete, voͤllig zuverlaͤßig machet: „Philipp ꝛc. Urkunden ꝛc. daß wir der
„Egemburg, der Durchlauchtigſten Schweſter unſers geliebten Koͤnigs von Daͤnne-
„mark, die wir durch GOttes Gnaden zur Gemahlin genommen, zum Brautſchatz alles
„ſchenken, was zur Probſtey Orleans, Checy, Chateau neuf und Neufville*)
„gehoͤret, damit nun gegenwaͤrtiges ſeine beſtaͤndige Dauer erreiche ꝛc.. Gegeben zu
„Amiens im Jahr 1193.„ Als ihr der Jnhalt des Scheidebriefs durch einen Dol-
metſcher
[129]von 1216 bis 1217.
metſcher erklaͤret ward, und ſie nicht appelliren konte, indem ſie gar kein Franzoͤſiſch1216
verſtand; ſo brach ſie in die Worte aus: Boͤſes Franken! boͤſes Franken! und rief
hinterher Rom! Rom!Geſta Innocentii III §. 49. Welches Wort fuͤr eine Appel-
lation an den Roͤmiſchen Stuhl angenommen ward. Die vierte war Helena, die
an Wilhelmen, den juͤngſten Prinzen Heinrichs des Loͤwen, zu Hamburg
vermaͤhlet ward Anno 1202, Arnoldlibr. 6 c. 15. Albert von Stade um dieſes
Jahr: Der Koͤnig Otto verheirathete ſeines Bruders Heinrich Prinzeßin in Ham-
burg an der Daͤnen Herzog (Waldemarn), und des Herzogs Prinzeßin Helena
an ſeinen Bruder Wilhelmen. Wobey diejenigen ganz unrecht haben, die fuͤr ſeine
Bruders Tochter leſen ſeines Vaters Tochter, und aus dieſem Grunde Waldemar
dem IIHeinrichs des Loͤwen Prinzeßin zur Gemahlin beylegen, welche doch deſſen
Bruder der Koͤnig Canut zur Ehe hatte. Und welcher Menſch, der im Kopfe richtig
iſt, wird doch wol ſeine leibliche Schweſter, eine Tochter ſeines Vaters nen-
nen? Demnach iſt die Prinzeßin Heinrichs von der Pfalz zu verſtehen, der des Koͤ-
nigs Otto Bruder war, ob gleich wegen erfolgter Mißhelligkeiten dieſes Verloͤbniß
nicht zu Stande gekommen. Aus der Ehe Wilhelms und Helenen ward der junge
Otto gezeuget, als erſter Herzog der Braunſchweigiſchen und Luͤneburgiſchen
Lande: den Albert von Orlamunde der Helena Schweſter Sohn von der Sophia,
deswegen ſeinen Blutsfreund nennet in einer Urkunde bey Lambec. Orig. Hamburg.
libr. 1 n. 118. Die fuͤnfte hieß Regiſſa oder Richuenza, ſo 1210 an den Koͤnig
Erich von Schweden vermaͤhlet worden, Chron. Dan. beym Herrn von Ludewig
reliq. tom. 9. p. 153, der Canutus Prinz und Erichs des Heiligen Enkel geweſen.
Ernſt thut die ſechste hinzu, Walpurg, BogislausI, Herzogs zu Pommern,
Gemahlin, die MicraͤliusChron. Pomeran. libr. 2 n. 82 in Hildemaris verwan-
delt, welche den Fuͤrſten von Ruͤgen Jaromar geheirathet. Wie aber Juriſten ohne
ihr Geſetz zu reden ſich ſchaͤmen muͤſſen, alſo auch wir Geſchichtſchreiber ohne tuͤchtige
Zeugen und Beweisthuͤmer. Sifrid hatte mit der Sophia zwey Soͤhne HermannenAlberts Bru-
der Hermann.
und Alberten; davon jener des Vaters, dieſer des Grosvaters Namen fuͤhrte.
Der aͤlteſte folgte dem Vater in der Regirung, doch ſo, daß der juͤngſte auch einen
Theil der vaͤterlichen Laͤnder bekam, wie wir bald ſehen wollen. Doch rief die-
ſen das Gluͤck an den Daͤniſchen Hof zu dem Koͤnig ſeiner Mutter Bruder,Albert kam
an Daͤniſchen
Hof.
unter deſſen Regirung er Anno 1202 zum Ritter geſchlagen wurde, wie die Daͤ-
niſchen Chronikenſchreiber beym Herrn von Ludewigreliq. tom. 9 p. 152 und 27
und Erichhiſt. gent. Dan. um dieſes Jahr genau bemerken. Welches uns zweyer-
ley lehret. Einmal, daß der Bruͤder Geburtstag in die erſten Jahre nach der Eltern
Hochzeit einfaͤlt, weil Hermann ſchon 1206 von ſo reifem Alter war, daß er ſelbſt
die Regirung uͤber ſeines Vaters Laͤnder uͤbernehmen konte. Zum andern, daß Al-
bert ſchon von ſeiner Kindheit an einen Soldatengeiſt gehabt, den er uͤberal an den
Koͤpfen ſeiner Feinde auslaſſen wollen, wie ſeine Thaten bezeugen. Doch hat es auch
ſogar ſeiner Jugend nicht an der Regirungskunſt gefehlet, weil der Koͤnig kein Beden-Ward Gou-
verneur von
Nordalbin-
gien.
ken getragen, einem ſo jungen Herrn ſaͤmtliche zwiſchen der Elbe, Eider und See ge-
legene Laͤnder anzuvertrauen, ſo kurz vorher mehr als einen Grafen und Gouverneur
gehabt. Denn es trug ſich zu, daß daſſelbige Jahr, da Canut geſtorben, und Wal-
demarII zur Regirung gekommen, der Graf Adolph, der den groͤſten Theil dieſer
Provinz beſeſſen, gefangen genommen, und Albert von dem neuen Koͤnig uͤber ganz
Nordalbingen geſetzet ward. Er war nicht allein Regente uͤber eines fremden Herrn
Land, ſondern beſaß auch ein gut Theil deſſelben eigenthuͤmlich, und zwar namentlich
Hamburg und Lauenburg, ſo er entweder fuͤr ſein Geld gekauft, oder ihm vom
Koͤnig, ſeiner Mutter Bruder, eigenthuͤmlich geſchenket worden. „Daß er das Vica-
riat aber doch mit ſehr unumſchraͤnkter Gewalt gefuͤhret, laͤſt ſich daher beweiſen, daß
er bey Erledigung des Ratzeburgiſchen Bisthums Anno 1206 den unter ſich unei-
nigen geiſtlichen Amtsbruͤdern Philippen zum Biſchof ſetzte. Der Geſchichtſchreiber
gibt vor, es ſey deswegen geſchehen, weil der Herr Koͤnig Waldemar in Schwe-
den mit den Kriegen zu thun hatte.„ Arnoldlibr. 7. c. 11. Eben dieſes erhellet aus
des Koͤnigs und dieſes Alberts Titel. Jener wird in den Urkunden dieſer Zeit Koͤnig
der Daͤnen und Slaven, Herzog von Juͤtland und Herr uͤber Nordalbingien
genant, bey Terpager. Rip. Cimbr. p. 685 p. 177 p. 178 und bey Raynalden ums
Jahr 1206. n. 19. Dieſer behalf ſich auſſer der ihm angeſtamten Ehre eines Grafen
von Orlamunde bloß mit dem Titel eines Grafen von Nordalbingien oder Holl-
ſtein: wie die Samlung der Urkunden ausweiſet, ſowol in Lambec. Orig. Hamburg.
als in Mollerihiſtor. Cimbr. Nun aber war die Benennung eines Herrn von ein
K kZeichen
[130]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neunzehntes Jahr,
1216Zeichen einer oberſten und unumſchraͤnkten, eines Grafen aber ein Beweiß ſeiner ein-
geſchraͤnkten und von anderer Befehl abhangenden Gewalt. Von Hamburg und dem
wird Herr von
Lawenburg.Rechte Alberts auf ſelbige Stadt handelt Lambec. Von Lovenburg aber bezeu-
gens alle Scribenten damaliger Zeit, ſo viel ihn nur einen Grafen von Louenburg,
manchmal auch aus Verſehen der Abſchreiber von Luͤneborg nennen. Man verſtehet
aber darunter Lauenburg an der Elbe, mit der herumliegenden Gegend Sadelbende,
welches der Koͤnig 1204 dem Grafen Adolph von Hollſtein entriſſen und es an Alber-
ten gegeben, der wiederum durch deſſen Zuruͤckgebung Anno 1227 ſich aus dem Gefaͤng-
niß los geholfen. Er beklagt ſich hieruͤber in einem an den Pabſt abgelaſſenen Schrei-
ben bey Schannat. vindem. l. p. 196: „Jch ward gefangen und ſaß ſehr lange in
„Eiſen, woraus ich nicht eher errettet noch losgelaſſen werden konte, bis ich eins meiner
„veſteſten Schloͤſſer, ſo mir durch das Erbſchafts- (d. i. Eigenthums) Recht zuſtaͤndig
„war, fahren laſſen muſte ꝛc.„ Was das vor ein Schloß geweſen, und an wen es
uͤberlaſſen worden, erklaͤret uns Albert von Staden ums Jahr 1227: „Das Schloß
„Louenburg wird dem Herzog (von Sachſen) Alberten fuͤr die Loslaſſung des Gra-
„fen Albert wieder ausgegeben.„ Dieſer, weil ihm zu gleicher Zeit Ratzeburg mit ab-
getreten wurde, behielt dieſe 2 Schloͤſſer als gleichſam zum Grunde des neu anzulegenden
Herzogthums Sachſen, nachdem nicht allein Heinrich der Loͤwe und deſſen Prinzen,
ſondern auch Adolph von Schauenburg und die Koͤnige von Daͤnnemark, Canut
und Waldemar, dasjenige Gewebe zerriſſen hatten, welches ſein Vater, erwaͤhlter
Herzog von Engern und einen Theil von Weſtphalen, in dieſen Gegenden jenſeit der
Elbe unrechtmaͤßig angezettelt. Denn Lauenburg iſt niemals ein Stuͤck von En-
gern oder Weſtphalen geweſen. Wenn das wahr iſt, wie es auch iſt: ſo ſehe ich
nicht ab, wie Lauenburg die Seitenverwandten angehe, die nicht von dem erſten
Stifter des neuen Fuͤrſtenthums, Alberten, abſtammen, und ſich ſelbſt nicht einmal
Alberts Ge-
mahlin war
Hedwig, eine
Prinzeßin des
Landgrafen
von Thuͤrin-
gen, erſter
Ehe.vor Nachkommen Alberts, ſondern ſeines Bruders Heinrichs, ausgeben. Das an-
ſehnliche Gluͤck dieſes jungen Orlamuͤndiſchen Herrn, ſo ihm von der Gnade ſeines
Vetters, des Koͤnigs, anleuchtete, und die Herrſchaft uͤber ganz Nordalbingen ihn
hoffen ließ, bewog den Landgraf Hermannen von Thuͤringen, daß er ihm ſeine Prin-
zeßin Tochter erſter Ehe, Namens Hedwig, zur Gemahlin gab, die die einzige leibli-
che Schweſter von derſelben Jetta war, welche nachher die Landgrafſchaft Thuͤringen
auf das Haus Meiſſen gebracht. Daß Landgraf Hermann eine Tochter dieſes Na-
mens aus erſterer Ehe gehabt, und dieſe an einen Graf Alberten vermaͤhlet worden,
iſt auſſer Zweifel. Denn ſo melden die annales Landgraviorum p. 350 edit. Eccard.
„Hermann hatte von Sophien 2 Toͤchter, Jutta und Hedwigen. Die hiſtoria de
„Landgraviis p. 406. Hermann nahm Sophien, des Pfalzgrafen einzige Prin-
„zeßin zur Gemahlin, und zeugte 2 Prinzeßinnen mit ihr, davon eine den Grafen von
„Elſaten geheirathet, die andere, Namens Jutta, mit Dietrichen ‒ ‒ verlobet wor-
„den. Annales Breves p. 345. Hermann bekam die Sophie aus der Pfalz zur
„Gewahlin, und zeugtete mit ihr 2 Toͤchter; davon die eine mit dem Marggrafen von
„Meiſſen, Dietrichen, getrauet ward, die andere, Heddewiges, bekam den Graf
„Albert von Alſaten. Die Annales Reinersbornenſes in Manuſcript: „Die an-
„dere Prinzeßin des Landgrafen Hermanns, nemlich Hedwigis, ward an den Graf
„Albert von Alſaten vermaͤhlet.„ Alſo ſchreibt auch Roth, Urſinus und alle alte
Jrthum bey
der Heirath
dieſer Hed-
wig.und neue Verfaſſer der Thuͤringiſchen Geſchichte. Die einmuͤthige Uebereinſtimmung
dieſer Scribenten hat den Herrn Eccarden bewogen, unter den Elſaßiſchen Landgra-
fen ſich einen zu ſuchen, dem er die Hedwig zur Gemahlin beylegen koͤnte, und endlich
Alberten, des Koͤnigs Rudolphs Vater, dazu zu erwaͤhlen, in Geneal. Saxon. p. 335.
ohnerachtet die Genealog. Habsburg. p. 83 von der Vermaͤhlung dieſes Alberts mit der
Thuͤringiſchen Hedwig nichts gewuſt, der auch Herr Hergott im tom. 1. p. 130 ſei-
nes anſehnlichen genealogiſchen Werks Recht, und anderer ihren Romainen aus der Hi-
ſtorie ſpoͤttiſchen Abſchied gibt. Wie ich nun hierbey die Erfindungskraft des Herrn
Eccards bewundere, der aus allem allerley machen kan: alſo halte ichs dieſem Mann
auch zu gute, weil er durch die einhellige Ausſage aller Thuͤringiſchen Hiſtorienſchrei-
Quelle des Jr-
thums.ber, die wir nur haben, zu dieſem Fehltrit ſich verleiten laſſen, helfe ihm auch gerne und
willig auf, und bringe ihn wieder auf den rechten Weg. Die Quelle der ganzen Thuͤ-
ringiſchen Geſchichte mitlerer Zeit, ſo weit noch was geſundes daran iſt, ſind die Rei-
netsborniſchen Jahrbuͤcher, welche die Moͤnche dieſes Kloſters von ſeiner erſten Gruͤn-
dung an bis auf die Zeiten Karls des IIII ausgefuͤhret haben. Es iſt Sonnen-
klar, daß die uͤbrigen Scribenten alle daraus geſchoͤpfet, und jeder nach ſeinem Gutbe-
finden theils manches weggelaſſen, theils hinzugethan, theils geaͤndert haben, wie es ei-
nes
[131]von 1216 bis 1217.
nes jeglichen Abſicht oder Kopf mit ſich zu bringen geſchienen. Es mag nun an der dar-1216
aus jetzo angefuͤhrten Stelle, der erſte Buchſtabe des Worts Alſaten in dem Original
entweder mit einem a geſchrieben, oder ſo undeutlich gezogen ſeyn, daß er von denen
gemeiniglich ſehr eilfertigen Abſchreibern fuͤr ein a angeſehen worden, da doch eigent-
lich ein o geſchrieben geſtanden. Eins von beyden muß es freylich geweſen ſeyn: und
alſo iſt die Quelle des Jrthums da und zugleich klar, wie gar nichts auf die Ueberein-
ſtimmung aller Manuſcripte zu bauen ſey. Daß aber ein Schreibefehler vorgefallen,
und man fuͤr Graf von Alſaten nothwendig Olſaten leſen muͤſſe, beweiſet die vetus
Narratio Althahenſis Script. Brunſuicenſ. tom. 2 p. 21, dabey ich erſtaune, wie dieſe
Stelle der Scharfſichtigkeit und dem Gedaͤchtniß des in ſolchen Dingen ſehr bewander-
ten Herrn Eccards entwiſchet ſey. Denn obgleich jener Verfaſſer bey der Mutter
Hedwigs und ihren Kindern ſelbſt etwas menſchliches ſcheinet begangen zu haben: ſo
hat er doch in Hedwigs Vermaͤhlung gar nicht geirret. „Otto, Herzog von Bayern,
„ſchreibt er, hatte 5 Prinzeßinnen,„ gemeiniglich weiß man nur von zweyen: „Die eine
„von ihnen, nemlich Sophien, heirathete der Landgruf von Thuͤringen, Hermann,
„und zeugete mit ihr Ludewigen, einen Gemahl der heiligen Eliſabeth, und Hein-
„richen ‒ ‒ und ‒ ‒ die Gemahlin des Grafen Alberts von Holtſezzen, der ein Bru-
„der des Orlamuͤndiſchen Grafens Hermanns geweſen.„ Was kan deutlicher ſeyn?
Wer damit noch nicht zufrieden ſeyn wil, der ſchlage weiter nach, was die Annales
Reinersbornenſes in Manuſcript haben beym Jahre 1214: „Jnzwiſchen kam Krieg
„auf Krieg, Mord auf Mord, und kein Bruder war vor dem Auflauren des andern
„mehr des Lebens ſicher. Denn der Graf Hermann von Orlamuͤnde trachtete in Ab-
„weſenheit ſeines leiblichen Bruders mit Liſt, Gewalt und Macht, ſo viel er konte, nach
„den Guͤtern und Schloͤſſern deſſelben, und ſuchte ſeine Rechnung nur zu finden, wenn
„er auch den Bruder auf allerhand Art und Weiſe um die Erbſchaft braͤchte. Weiter,
„ſetzen ſie, konte der Landgraf, des Grafen Alberts Schwiegervater, den erlittenen Be-
„leidigungen ſeines Schwiegerſohns nicht laͤnger zuſehen, und grif daher, nach ſeiner ge-
„woͤhnlichen Tapferkeit, nach den Waffen, machte alle Kriegesanſtalten, und ſchloß mit
„zureichender Mannſchaft das Schloß Wymar auf allen Seiten ein ꝛc.„ Hier hat
man die Hedewig, des Thuͤringiſchen Landgrafens Prinzeßin, welche an einen Gra-
fen von Holſtein, Alberten, vermaͤhlet worden. Hier iſt dieſes Grafens Bruder,
Herrmann, Graf von Orlamuͤnde, der, als ſein Bruder nicht zu Hauſe war, nach
deſſelben Schloͤſſern in Thuͤringen getrachtet und geſchnappet hat. Hier ſiehet man
endlich den Landgraf Hermann, der als Schwiegervater von demjenigen Graf Al-
bert, der mit dem Grafen von Orlamuͤnde, Hermannen, Bruder iſt, die Laͤnder
ſeines Eidams vertheidiget. Aus dieſen Saͤtzen iſt offenbar, daß dieſer Albert, der ein
Graf bald von Orlamuͤnde, bald von Holſtein, bald von Nordalbingien, bey den Hi-
ſtorienſchreibern aber mehrentheils ein Graf von Lauenburg heiſſet, und einjuͤngerer Bru-
der von dem Orlamuͤndiſchen Grafen Hermann war, die Hedwig, eine Prinzeßin des
Landgrafen Hermanns von Thuͤringen zur Gemahlin gehabt, und daß dieſe Hedwig an
keinen Grafen von Elſaß verheirathet geweſen. Welches hier muſte erwieſen werden. Al-
bert ſtund auch nicht allein beym Koͤnig Waldemar in Daͤnnemark in hohen Gnaden, ſoAlbert ward
am roͤmi-
ſchen Hofe
bekant.
lange des Koͤnigs Gluͤck waͤhrete, ſondern hatte ſich auch am roͤmiſchen Hofe wohl einge-
ſchmeichelt, welcher damals ſehr maͤchtig war. Denn als zu dieſer Zeit in Sachſen jenſeit
der Elbe alles in Ruhe und hinlaͤnglicher Sicherheit zu ſeyn ſchiene, ſo gab er ſich, um bey
dieſem Hofe ſich recht beliebt zu machen, mit an, den heiligen Krieg in Liefland mit auszu-
fuͤhren. Als er dem Pabſt HonoriusIII von ſeinem Entſchluß Theil gegeben; ſo machte
ihm dieſer das Herz immer groͤſſer, dis Vorhaben ins Werk zu ſetzen, in einem Apoſtoliſchen
Breve, ſo in der Samlung der Briefſchaften (Regeſto) von dieſem Pabſte libr. 1 ep. 197 be-
findlich iſt, wie Raynald beym Jahre 1217 n. 45 bemerket. Wer dieſes weiß, den wirds
nicht Wunder nehmen, daß Albert nach Einbuͤſſung der jenſeit der Elbe gelegenen Laͤnder
ſeine Zuflucht zum roͤmiſchen Hofe genommen, und nebſt ſeinem Mutterbruder die Losſpre-
chung von der Verbindlichkeit an ſeinen Eid erhalten, den er in der Gefangenſchaft dem Fein-Zeugen ſeiner
Walfahrt
nach Lief-
land.
de geſchworen. Wir haben auch noch andere Zeugen von ſeinem heiligen Feldzuge. Denn
Albert von Stade ſchreibet beym Jahre 1227 alſo: „Der Graf Albert kam nach Lief-
land.„ Cranz ſchreibet dieſen aus in Saxon. l. 7. c. 37, und thut noch etliche Dinge dazu,
worinne er unſerm Chronikſchreiber zum Beſten redet: „Albert, Graf von Nordalbin-
„gien ſchifte nach Liefland, um gegen die Unglaͤubigen zu Felde zu gehen. Dieſe Wal-
„farth ward alle Jahre von neuem fortgeſetzet, und brachte in Bekehrung der Heiden groſ-
„ſen Nutzen, weil ſie aus Haͤrtigkeit ihrer Nation nicht anders als durch die Waffen zur Ge-
„rechtigkeit (des Glaubens) konten gebracht werden. Der Biſchof in Liefland, Albert,
K k 2fuͤhrte
[132]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, neunzehntes Jahr,
1216„fuͤhrte daruͤber die Umſorge, und ſchafte 30 Jahre, durch anhaltende Schiffahrt, Pilger hin
„und wieder her, nemlich, Herzoge, Grafen, Biſchoͤfe, Praͤlaten, Ritter, Edelleute, Reu-
„ter und Fußgaͤnger, Buͤrger und Kaufleute. Dieſe wurden von dem Eifer ihrer Andacht
„angetrieben, und konten nicht eher ruhen, ſo lange noch was zu verrichten uͤbrig war.‟
Das uͤbrige gehe ich nicht durch, weil es die Gelegenheit nicht zulaͤſt, die andern Begeben-
heiten des Grafen Alberts, ingleichen das letzte Stamregiſter der Grafen von Orlamuͤn-
de, von denen Albertus Stadenſis, Godefridus Colonienſis und andere Scribenten ſelbiger
Die Orla-
muͤndiſchen
Laͤnder kom-
men zu Thuͤ-
ringen.Zeit nachgeleſen werden koͤnnen, hier vor Augen zu legen. Eines kan ich mit Stillſchweigen
nicht uͤbergehen, daß die Landgrafen von Thuͤringen, Meißniſcher Linie, bey almaͤligem
Verfal dieſer graͤflichen Familie nicht allein auf mancherley Art die Orlamuͤndiſchen
Lehnguͤter an ſich gebracht, ſondern ſie auch zu ihrem Erbgute gemacht; welches die letz-
ten aus dieſem Geſchlechte Anno 1395 dem Landgrafen Balthaſar nach einer alten Saͤch-
Nach Maß-
gebung des
Saͤchſiſchen
Rechts.ſiſchen Rechtsformel dergeſtalt uͤbertragen, daß, wenn Balthaſar es Jahr und Tag
im Beſitz gehabt haͤtte, ers denen von Orlamuͤnde wieder zuruͤck gaͤbe, als ein Lehn,
das nach ihrem Tode an den rechten Herrn wieder kommen ſolte.
Polen ſtehet, und Lemberg (Leopolin) zur Hauptſtadt hat; die ehemals Halicz oder
Galiz hieß, davon das Reich den Namen bekommen. Die Veranlaſſung des Krieges
war, daß die daſelbſt wohnenden Ruſſen die Fuͤrſten Rußiſches Gebluͤts verwarfen,
und Colomannen, des Ungeriſchen Koͤnigs Andreas, andern Prinzen, einen Bru-
der der heiligen Landgraͤfin Eliſabeth, zum Koͤnig beriefen; welchen der Erzbiſchof von
Gran und Vincentius Kadlubko, Biſchof von Cracau, zum Koͤnig von Halicz
kroͤnte. Dieſer Kadlubko hat zuerſt unter den Polen in der Geſchichte ſeines Va-
terlandes was gewaget, was nemlich uns in die Haͤnde gekommen, ob es gleich durch
eines muͤßigen Schwaͤtzers laͤppiſche Erlaͤuterungen ſehr verſtelt ans Licht getreten. Die-
ſen Halicziſchen Krieg beſchreibt des Kadlubko weit wuͤrdiger Nachfolger in Beſchrei-
bung der Geſchichte, Dlugoſſus,libr. 6 p. 604 ſeq. und deſſen Auszugsverfaſſer
Mechoviuslibr. 3 c. 31 p. 118 ſeq. nach der Cracauiſchen Ausgabe, der nicht ſelten
Galatien fuͤr Halicz gebraucht. Man ſehe ums Jahr 1221 not. c). Jn dieſes Un-
ternehmen ſchlaͤgt auch des Pabſt HonoriusIII an den Ungeriſchen Koͤnig Andreas
abgelaſſenes Breve mit ein, bey Raynalden ums Jahr 1222 n. 42. Den Mieces-
laus aber, Koͤnig von Neugarden, kennen wir ſchon vom 1210ten Jahr n. 8.
ger in einer andern Ruͤſtung zu Felde lag, von dem beym Jahre 1210 n. 2 und 4.
bey Lebensſtrafe verboten, und an deſſen ſtat die Beerdigung anbefohlen worden; ſo
koͤnte die Verbrennung von des Caupo Leichnam wunderlich und gegen die chriſtlichen
Geſetze anſtoͤßig ſcheinen. Da aber nicht geſagt wird, daß die Gebeine mit dem Fleiſche
zugleich zu Aſche verbrant ſeyn, welches das Geſetz verbietet, ſondern vom Fleiſche ab-
geſondert, nach dem Vaterlande gebracht, und zur Erde beſtattet ſind, ſo findet dabey
keine Uebertretung des chriſtlichen Geſetzes ſtat. Denn man pflegte nach Gewohnheit
damaliger Zeit, daß ich mich hier der Worte des Geleniusad vitam Engelberti. p. 158
als eigner bedienen darf, das Fleiſch von den Knochen in einer Pfanne abzuloͤſen, ſo
ofte todte Menſchen anders wohin ſolten fortgebracht werden. So leſen wir, daß dieſes
Engelberts Gebeine ſelbſt Anno 1225 von Coͤln nach Nuͤrnberg abgefuͤhret ſeyn,
dem Koͤnig Heinrich als in der Sache ſitzenden Richter das corpus delicti (die Wahr-
heit der That) zu erweiſen. So finden wir, daß man die Gebeine des Landgrafen
Ludwigs, eines Gemahls der heiligen Eliſabeth, ausgekocht, von ihrem Fleiſch abge-
ſondert, auch der andern ihre, die auf den Kreuzzuͤgen geſtorben; ſie hierauf nach Hauſe
gebracht, wo ſie denn in den Kloͤſtern beygeſetzet worden.
der dreiſter iſt, als ich bin, koͤnte ſchlieſſen, weil es von dem Caupo ſeinen Namen
zu haben ſcheinet, daß es vom Caupo zu erſt erbauet worden ſey. Denn Cubbeſele,
oder
[135]von 1216 bis 1217.
oder nach einer geringen Veraͤnderung Cobbeſale, was iſt das anders als Cobbonis1216
Sala oder des Caupo Reſidenz. Wie ich nun dieſe Wahrſcheinlichkeit nicht eben wil
verworfen haben, ſo bin ich doch in Behauptung derſelben etwas furchtſam, ſeitdem ich
einen Nicolaus von Cubeſol unter die Schrift eines Saͤchſiſchen Grafen Alberts
von Anno 1242 unterſchrieben geſehen, und aus unzaͤhlichen Exempeln gewitziget bin,
wie betruͤglich alle Wortforſchungsſpiele ſeyn, zumal in Sprachen, die aus dem Gange
gekommen, oder wenig bekant ſeyn. Caupo hat ſeine Guͤter an die Kirchen vermacht,
vielleicht, weil er auſſer ſeinem Sohn Bertolden, der vor ſeines Vaters Tode ein glei-
ches Ende genommen, keine Kinder mehr hatte. Die uͤbrigen Anverwandten aber, da
ſie noch vom Chriſtenthum ferne waren, der Erbſchaft unfaͤhig erklaͤrte.
Biſchof Arno zu canoniſiren ſich bemuͤhet, leugnet ganz ſteif, daß die Biſchoͤfe ehmals
gefochten und in Gewehr geſtanden: denn ob ſie gleich in Krieg gehen muͤſſen, ſo waͤ-
ren ihre Waffen doch immer geiſtliche geweſen; Aufmunterungen nemlich und Gebet zu
GOtt, weil ſie ſich nicht unterſtanden, etwas vorzunehmen, ſo gegen die Kirchenge-
ſetze liefen. Hierbey faͤlt mir vor andern jener Biſchof von Maynz, Gerwilio, ein, der
dem heiligen Bonifacius Platz machte. Ferner ein Chriſtian, deſſelbigen Stuhls
Erzbiſchof, den der Kaiſer Friderich der I als ſeinen Generalfeldmarſchal in Jtalien
„hielt, „der zu Pferde ſaß, einen Panzer und oben darauf ein Hyacinthenfarbenes Kleid
„an hatte, auf dem Kopfe einen Helm, in den Haͤnden eine dreyknotigte Keule fuͤhrte,
„und in einer Schlacht neun Kerl mit eigner Hand erlegte.„ Albert von Staden,
beym Jahr 1172; wo auch das nachfolgende geleſen zu werden verdienet. Zulezt, da die
Rednerkunſt uͤber die Vernunftslehre in dem Bisthum Hildesheim ſiegte, ſo
wurde gewiß nicht mit Gebet ſondern mit Waffen gefochten, und zwar da die Biſchoͤfe
von beyden Seiten das Commando fuͤhrten, nemlich auf dieſer der Halberſtaͤdtſche,
auf jener der von Hildesheim.Seriptor. Brunſvic. tom. 2. p. 800. Ja was noch
mehr, die Moͤnche ſelbſt und die Ordensleute enthielten ſich nicht einmal des Blutver-
gieſſens. Ermold Nigeleus diente als ein Freywilliger in Dienſten Kaiſer Lude-
wigs des Frommen, ob er gleich Benedictinerordens geweſen. Joh. Mabillon,
nimt deswegen, weil er dis nicht verdauen konte, lieber zwey Ermolde an, als einen,
der aus ſeinem Orden Soldate geweſen waͤre. Der Gelehrte Gentilotti erweiſet nicht
allein, daß dieſer Ermold ein Poete, ein Benedictinermoͤnch und ein Soldat gewe-
ſen; ſondern haͤlt es als was bekantes, daß zu der Zeit die Moͤnche ſo gut als die
Aebte zu Felde gegangen ſeyn.Script. Menke tom. 1. p. 877. Hier haben wir
auch
[137]von 1216 bis 1217.
auch einen Prieſter, der geharniſcht und gepanzert wie ein Rieſe, nicht mit Gebet,1216
ſondern mit der Keule ſeine Schafe aus der Woͤlfe Rachen reiſſen wolte. Die Schaͤrfe
der Kirchengeſetze verdamt zwar die Prieſter, ſo Gewehr fuͤhren, und ſelbſt Jnnocen-
tiusIII libr. 1. epiſt. 381 hat den Ausſpruch gethan, daß die alle ſich entſetzlich verſuͤn-
digen, die entweder in eigner Perſon eine Schlacht liefern, oder andere zum Fechten
anreizen, c. 5 X. de pœnis. Allein das Werk GOttes, oder ein heiliger Krieg und
eine obſchwebende Noth ſchien kein Geſetz zu haben und eine Ausnahme zu machen. „Ja
„man muß allerdings geſtehen, daß die Kirchenvorſteher ein wahres Lob ſich verdienen
„und erwerben, wenn ſie mit Gewalt, und im Fal der Noth, mit Waffen das Unrecht
„abwenden. Denn daß ſolches die kluͤgſten und unſtraͤflichſten Biſchoͤfe gethan, faͤlt je-
„dem alzuklar und deutlich in die Augen, der auch nur obenhin in den Kirchengeſchich-
„ten bewandert iſt.„ So antwortet Raynald ums Jahr 1200 n. 42 dem Aventinus,
da er wider die kriegeriſchen Biſchoͤfe ausfaͤhret. Ein Moͤnch aus der Schulpforte
bey Naumburg, der kurz nachher Prior des Kloſters war, ward endlich nach gar
vielen gehaltenen Treffen Biſchof von Leal, und der Ritter Gottfried; wo nicht zwey
dieſes Namens, in Liefland zu Felde gedienet. Man ſehe unten beym Jahr 1218. not. x).
von ſeiner Einweihung an ſich mehrentheils in Sachſen aufgehalten; vornemlich in
dem Bisthum Coͤln, wo ich finde, daß er daſelbſt die Stelle eines Suffraganbi-
ſchofs vertreten habe. Eine alte Aufſchrift bey Schatenin annal. Paderborn. tom. 1
„p. 963 zeuget davon. „Anno 1213 den 25ten Auguſt iſt der Altar des neuen innern Chors
„von dem Eſthniſchen Biſchof zur Ehre der Jungfrau Maria eingeweihet worden.„
Auf ihn beziehet ſich auch das, was Godefridus Colon. beym Jahr 1216 meldet:
„Selbiges Jahr iſt die Kirche des heiligen Pantaleons von dem hochwuͤrdigen Biſchof
„der Heiſten (Eſthen) den 27 April eingeweihet worden.„ Das Kloſter des heiligen
Pantaleons zu Coͤln iſt daſſelbe, worinne Gottfried lebte, als er dieſes geſchrieben.
Dieſe und vielleicht mehrere andere Zeugniſſe hat Gelenius vor Augen gehabt, da er
beym Leben des heiligen Engelbertsp. 158 verſichert, Engelbert habe, ob er ſchon
M mſein
[138]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwanzigſtes Jahr,
1217ſein Biſchoͤfliches Amt dem Biſchof der Heiſten, Dietrichen, und dem Biſchof von
Carlisle, Walthern, aufgetragen, doch weder durch die Reichsangelegenheiten, noch
durch die Verwaltung der Grafſchaft Bergen ſich von der perſoͤnlichen Amtsverrichtung
ſeines Bisthums laſſen abhalten.
von Duͤnemuͤnde, zum Biſchof von Semgallen gewaͤhlet und eingeweihet worden;
davon unſre Chroniken bis dato nichts wiſſen. Jch ſage, zum Biſchof von Semgallen;
nicht von Leal, wie viele wollen, die ſich von CranzenMetropol. libr. 7 c. 4 verlei-
ten laſſen, unter denen auch Schaten iſt in annal. Paderborn. tom. 1 p. 903. Denn
zum Lealſchen iſt er weder jetzt, noch jemals gewaͤhlet worden. Es war ihm zu ſei-
nem Sitz das Schloß Meſothen angewieſen, ſo etwas uͤber dem heutigen Mietau an
der Muſſa recht mitten in Semgallen lieget. Siehe beym Jahr 1218 n. 4. Weil
aber der Krieg die Bewerkſtelligung deſſelben unterbrochen, ſo aͤnderte man das Vorha-
ben, und gab das Schloß Seleburg an der Duͤne den Biſchoͤfen von Semgallen
zur Reſidenz, die deswegen Biſchoͤfe von Seleburg und von Semgallen ohne Unter-
ſcheid genennet werden. Und ſo laͤßt ſich endlich Albertus Stadenſis verſtehen,
wenn er beym Jahre 1228 ſaget, dieſer Bernhard ſey der Seliſchen Nation zum Bi-
ſchof geſetzet worden. Von dem durch die Chriſten eroberten Schloſſe Selen aber iſt
beym Jahr 1206 n. 6 ſchon was vorgekommen. Uebrigens hatte es mit dieſem Bisthum
faſt gleiche Bewandniß, wie mit dem Eſthniſchen. Denn Bernhard lag entweder
dem Lieflaͤndiſchen Biſchof Alberten zu Riga auf dem Halſe, oder kreuzte Weſt-
phalen durch, und kroch mehrentheils in den Coͤlniſchen Kloͤſtern herum. Wir wol-
len hievon einen Zeugen anfuͤhren bey dem Jahre 1222, in welchem er geſtorben.
Helmoldlibr. 1 c. 49 n. 9 c. 92 n. 8 und zu ſeinem Vater Pribislaum den II, den letzten
Obotritiſchen Koͤnige. Arnoldlib. 3 c. 4 n. 5. Denn ohnerachtet Albert von Stade
beym Jahre 1164 ihn zu einem Sohne des Wertislaus machet, der ein Bruder vom
Pribislaus geweſen; ſo iſt doch das Anſehen Arnolds giltiger, der nicht nur dieſen
Maͤnnern naͤher war, ſondern auch an angefuͤhrtem Orte ihre Geſchichte weitlaͤuftiger
abhandelt. Er hatte die Mechtilda, eine natuͤrliche Tochter des Herzogs von Bayern
und Sachſen, Heinrichs des Loͤwen, zur Gemahlin. Siehe Arnolden und Al-
berten in den vorbemeldten Stellen. Von welchem Stande dieſe Dame geweſen, mit
der Heinrich der Loͤwe die Mechtildis gezeuget, habe nach vielem und langem Su-
chen endlich, wie mir deucht, nach Wunſch gefunden, welches auch bey andrer Gele-
genheit dem Leſer mittheilen wil. Jetzt ſage nur ſo viel, daß ſie aus einer alten und
ſchon laͤngſt ausgeſtorbenen Graͤflichen Familie herſtamme.
breuiſſima ſich verhoͤren und preuidiſſe*) ſchreiben koͤnnen. Eine andre Art, ihm durch-
zuhelfen, faͤlt mir nicht ein.
Sclavoniſch. Denn derjenige, den Adam von Bremen,libr. 2 c. 28. den Koͤnig
Gerzlef von Rußland nennet, heiſſet in der Hiſtorie von den Koͤnigen in Norwe-
genc. 16 der Koͤnig Wirzlaus, wie wir durch die Bank Wilhelmus und Guiliel-
mus, Guelphus und Welfus ſchreiben; ob wir gleich eines dem andern vorziehen.
hen ſol. Weil mich aber erinnere geleſen zu haben, daß das ſpaͤter von den Daͤnen
erbauet worden, ſo wird man mit Ladyſſe ſich behelfen und Lais verſtehen muͤſſen.
munde. Er war ein tapferer, großmuͤthiger, kluger und gluͤcklicher Herr; der in ſei-
ner zarten Jugend ſchon mit groſſen Abſichten ſchwanger ging, einen hohen Geiſt beſaß
und ſich in Gluͤck und Ungluͤck zu ſchicken wuſte; dabey ſchwaͤchten ihn keine Strapazen,
ſondern hatte, wenn es wunderlich herging, ſtets guten Rath zur Hand, und machte ſich
alle Gelegenheit kluͤglich zu nutze. Mit einem Worte, er war ſo beſchaffen, als einer
ſeyn ſol, der durch Verdienſte ſich ein Reich erwerben wil. Dieſer bekam von der vaͤ-
terlichen Erbſchaft, ob er gleich der juͤngſte Sohn war, das Herzogthum. Albert
von Stade beym Jahr 1211: „Denn der aͤlteſte, Heinrich, wolte lieber eine Graf-
„ſchaft in Ruhe beſitzen, als eine groͤſſere Wuͤrde mit Muͤhe. Denn ſo lange Hein-
„richs des Loͤwen Prinzen lebten, war es ihnen immer ein Dorn im Auge, daß ein
„Auslaͤnder die Wuͤrde ihres Vaters und ihre Guͤter von Vater und Großvater her be-
„ſitzen ſolte. Sie konten nicht die Competenten gleichguͤltig anſehen, die durch ihres
„Vaters Nachlaſſenſchaft in Anſehen gekommen waren. Heinrich aber uͤberließ aus
„Beſchei-
[143]von 1218 bis 1219.
„Beſcheidenheit ſeinem juͤngern Bruder das Herzogthum, dabey er alle Haͤnde vol zu1218
„thun fand.„ Alſo ſchreibt CranzMetropol. libr. 7. c. 32. Cranz nent dieſes
Herzogthum plenum laboris ducatum, weil es noch nicht eingenommen war, ſondern
erſt eingenommen werden ſolte. Denn des Leo Prinz, Heinrich von der Pfalz, wie
eine geſchriebene Chronik von Verden anmerket, hatte, nach ſeines Bruders Otto Ab-
ſterben, durch Zuruͤcklieferung der Reichskleinodien zu Goslar ſich bey Kayſer Fri-
drichII dergeſtalt in Gnade gebracht, daß er die Volmacht erhielt, an ſtat eines Koͤ-
nigs *) uͤber ganz Sachſen zu herſchen; ja, daß er auch ſeine ganze Lebenszeit in dem
groͤſten Theil von Sachſen regirte; und in ſeinen Patenten den Namen eines Legatus
Imperii vorzeichnete **). Bey ſolchen Umſtaͤnden gefiel dieſem Herzog Albert die Luft
in Sachſen freylich nicht zum beſten, und meinte deswegen in Liefland friſche zu
ſchoͤpfen, Er hatte kaum die Kinderſchuhe vertreten, als er ſich zu dieſem Feldzuge an-
ſchickte, darinne er auch eine vortrefliche Lehrprobe abgeleget, und insbeſondere eine
groſſe Fertigkeit in gluͤcklichem Gebrauch der Kriegesmaſchinen erwieſen; wie wir wei-
ter ſehen werden. Denn bis dato iſt von ſeinem Zuge nach Liefland nichts als ein
ſchwaches Geruͤchte zu uns gekommen, ohne Erwehnung der Zeit und ſeiner Thaten,
an denen zu wiſſen am meiſten gelegen war.
ſen und ein Herr uͤber diejenige Landſchaft verſtanden werden, die am rechten Ufer der
Weſer unterhalb Bremen liegt. Jn MushardsTheatro Nobilitatis Bremenſis
iſt derjenige Theil, der von dieſem Grafen handelt, am beſten ausgearbeitet, und ſpart
uns alſo hier die Muͤhe. Durch den Burggraf koͤnte man leicht den von Magde-
burg verſtehen, weil der Biſchof Albert zu Magdeburg ſich manchmal aufgehalten,
und aus dem Magdeburgiſchen viele vom Adel mit nach Liefland genommen. Weil
ich aber einen Ulrich, Burggrafen von Wetin, erblicke, der ſich in gar vielen Brief-
ſchaften des Herzog Alberts unterſchrieben: ſo meine ich, man koͤnne dieſen eher, als
ſonſt einen andern, darunter verſtehen. Wenn doch unſer Verfaſſer hier nicht den Na-
men des jungen Grafen verſchwiegen haͤtte! Unten n. 7 heiſt es: Er ſey von des Bi-
ſchofs Familie geweſen, und n. 9 wird ſein toͤdtlicher Hintrit gemeldet.
Saxo Grammaticus bey Herrn Benzel. Monument. Sveo. Goth. part. 5. p. 146: „Anno
„1218 ſegelte der Koͤnig Waldemarus mit 1500 Orlogſchiffen *) nach Eſthland,
„bezwang es nach vielen Schlachten, brachte es endlich zum Chriſtenthum, und unter-
„warf es den Daͤnen bis auf den heutigen Tag. Erich von Upſal.libr. 3 p. 105.
„Um dieſe Zeit kam der Daͤniſche Koͤnig Waldemar mit 1500 Kriegesſchiffen nach
„Eſthland, brachte es unters Joch und bekehrte es zum chriſtlichen Glauben.„ Das
SeelaͤndiſcheChronicon p. 14: „Anno 1219 zog Waldemar mit einer Armee gegen
„die Heiden in Eſthland.„ NicolaiChronicon Lundenſ. Epiſc. p. 8. „Zu An-
„dreaͤ Zeiten eroberte der Koͤnig Waldemar nach vielen vorgefallenen Kriegen und
„Beſchwerden zuerſt Eſthland von den Heiden, im Jahr unſers HErrn 1219.„ Den
Erzbiſchof von Lunden, Andreas, und den von Schleswig, Nicolaus, den die
Schleswigiſche Chronike Anno 1215 geſtorben zu ſeyn, faͤlſchlich vorgiebt, kennen wir
aus dem, was beym Jahr 1205 gemeldet worden. Der 3te Biſchof aber, des Koͤnigs
Kanzler, war Peter, des Andreas Bruder, Biſchof von Rothſchild. Arnoldlibr.
6 c. 17 n. 2 \& 3. obgleich das Chronicon, Ludewig. Reliq. tom. 9 p. 28, will, er ſey ſchon
1214 mit Tode abgegangen.
Wertislaus oder Wiceslaus lieſet, ſo moͤchte es doch ſchwer ſeyn, den mit dieſen
Worten beſchriebenen Prinz anzuzeigen, weil in Hinterpommern mehrere Wertislai,
in Vorpommern damals Wizlaus bekant iſt. Der ſehr gelehrte Erlaͤuterer der
Pommeriſchen Hiſtorie, Herr Schwarz, von den Grenzen des Fuͤrſtenthums
Ruͤgenp. 99 eignet dieſes Lob dem Ruͤgiſchen Fuͤrſten Witzlaus dem I zu, und
folget vielleicht, weil er keinen andern hatte, dem Anſehen des Micraͤlius, der Chron.
Pomeran. libr. 3 c. 8 es eben ſo macht. Bey Cranzen iſt keine Huͤlfe zu holen. Denn
der ſchreibet Vandal. libr. 7 c. 17 (ſol es Ernſt oder Scherz ſeyn?) „Die vortreflichen
„Thaten der Fuͤrſten (von Pommern) ſind mir nicht zu handen gekommen, ob ich ſie
„gleich mit nicht geringem Fleiß aufgeſuchet.„ Nun bringet unſer Geſchichtſchreiber
einen
[145]von 1218 bis 1219.
einen Pommerſchen Fuͤrſten auf den Schauplatz, welcher die Sache der Daͤnen,1218
als ſie in dem Treffen weichen wolten, wieder herſtelte.
gen die Heiden Reval und nimt es in Beſitz.Anonym.Menkeſeript. tom. 3
„p. 121. „Um dieſe Zeit bauete der Koͤnig von Daͤnnemark das Schloß Revel in
„Eſthland.„ Welcher Scheinwiderſpruch aus unſerm Verfaſſer leichtlich mit einan-
der zu reimen ſtehet.
der erſte unter denen, die das Chriſtenthum anfaͤnglich nach Liefland gebracht,
ein Mitarbeiter des erſten Biſchof Meinhards; und war am Roͤmiſchen Hofe, wie
auch an den Hoͤfen und Kloͤſtern der Biſchoͤfe von Sachſen ſehr bekant. Daß er von
den Heiden erſchlagen worden, merkt nicht allein Albert von Stade an, ſondern es
„ſchreibt auch Albericus beym Jahr 1221 p. 510. „Der Biſchof von Eſthland,
„Dietrich, ward um Chriſti willen in Liefland zum Maͤrtyrer.„ Daß man alſo ſiehet,
dieſes Mannes Name ſey auch uͤbern Rhein gekommen. Von welchem Stam und
Familie er geweſen, kan ich nicht ſagen. Unſer Auctor hat ſeine Begebenheiten genau
aufgezeichnet. Und weil wir weiter nichts von ihm ſagen werden, ſo wollen wir einige
Denkwuͤrdigkeiten mit anhaͤngen, welche ſeine Gemuͤthseigenſchaft entdecken. Caͤſa-
rius von HeiſterbachMirabil. libr. 8 c. 13 da er von einem jungen Moͤnche Peter
„aus dem Kloſter Hemmenrade viele Wunderdinge erzaͤhlet, fuͤget hinzu: „Dieſer
„Peter war ſo eifrig in der Paßion Chriſti, daß er aus Hofnung der Maͤrtyrerkrone,
„Dietrichen, Biſchofen in Liefland, ohne Erlaubniß ſeines Abts folgte. Jener hatte
„vom Herrn Pabſt Jnnocentius Volmacht empfangen, alle mit zu nehmen, die mit
„gehen wolten, den Weinberg des HErrn Zebaoth unter einem wilden Volk auszu-
„breiten. Wie man ſagt, ſo lebt dieſer (Peter) noch, und bedienet ein Kirchſpiel in
„Liefland auf Befehl ſeines Abts, wo er prediget und taufet, und ſo wol mit Wort
„als Wandel viele erbauet, und im Glauben ſtaͤrket.„ Man moͤchte denken, hier wer-
de Peter Kakewald verſtanden, den unſer Schriftſteller ſo ſehr lobet. Aber des Ka-
kewalds ſtete Wanderſchaft und dieſes Peters Religion ſteht uns im Wege, der aus
einem Ciſtercienſerkloſter in ein anders von gleichem Orden in Liefland gezogen, nem-
lich in das Duͤnemuͤndiſche, wo er unter dem Abt geſtanden, und nach der Regel
dieſes Abts ohne Zweifel einer benachbarten Pfarre vorgeſtanden. Eben dieſer libr. 8
c. 80 erzaͤhlet ein Geſichte, ſo ſich begeben, als der weiland Hochwuͤrdige Dietrich,
Biſchof von Liefland, Kloſternonnen einweihete. Jch verſpare hier das Geſichte ſelbſt
herzuſetzen, weil es nicht dieſem Dietrich, ſondern einem dabey ſtehenden Moͤnche wi-
derfahren ſeyn ſol. Dieſe Stelle aber beſtaͤtiget Gelens Meinung, der Dietrichen
mit unter die Biſchoͤfe rechnet, die unter dem Erzbiſchof von Coͤln, Engelberten, ge-
ſtanden. Daß aber auch Dietrich nicht den Erſcheinungen zuwider geweſen, erzaͤhlet
„eben dieſer libr. 9 c. 3. Man hoͤre die Begebenheit ſelbſt: „Als der Hochwuͤrdige Bi-
„ſchof von Liefland und Magiſter Lambert, Decanus bey den heiligen Apoſteln in
„Coͤln, vor wenigen Jahren zugleich an den kaiſerlichen Hof reiſten, und unterwegens
„aus der Schrift ſprachen; ſo gedachte man auch des Leibes Chriſti. Da nun der
„Decanus bey dieſem Sacramente den Chriſtlichen Glauben ruͤhmte, antwortete der
„Biſchof:„ Jch kenne einen Prieſter, der neulich mit ſeinen leiblichen Augen Chriſtum
„auf dem Altar geſehen. „Wie nun der Decanus die Perſon, welche einer ſo wichtigen
„Erſcheinung gewuͤrdiget worden, damals nicht heraus krigen konte, ſo geſtund ihm
„der Biſchof den letzten Tag, da ſie ſich beyde von einander ſcheiden muſten, er waͤre
„die Perſon ſelbſt. Das hat dieſer Decanus an den Probſt von Pleißenlande und
„dieſer mir erzaͤhlet.„ Ein noch groͤſſer Wunder meldet von ſich Cantipratenſ. Ap.
libr. 2 c. 40. „Wenn wir von Geſichtern reden, ſo wird das meiſte dazu gepralet,
„das man groͤſtentheils der Unwahrheit beſchuldigen kan. Manchmal betriegen die Sinne;
„die Seele macht ſich laͤppiſche und wunderliche Vorſtellungen, und oftmals wird zu den
„goͤttlichen Erſcheinungen entweder durch Unachtſamkeit der Leute, oder aus Leichtſinn,
„oder auch bisweilen aus Bosheit mehr zugethan.„ Alſo raiſoniret Raynald beym
Jahr 1216 n. 12 gegen dieſen Cantipratenſis, der ein Geſichte dem Leben der heiligen
Luitgard einverleibet, ſo dem Andenken des Pabſts Jnnocentius des III ſehr nach-
theilig faͤlt.
Sage noch groͤſſer gemacht, da man unter den Leuten ein Wunderwerk ausgeſprenget,
als waͤre eine Fahne vom Himmel gefallen, wodurch dieſer Daͤniſche Conſtantinus
O ouͤber-
[146]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ein und zwanzigſtes Jahr,
1218uͤberwunden, der daher einen Ritterorden geſtiftet, welcher nach dieſem Zeichen der
Danebroggiſche genennet worden, zum ewigen Gedaͤchtniß dieſer Daͤniſchen Fahne.
„Als man im erſten Scharmuͤtzel die Feinde angrif, und das Haupttreffen hielt; ſo ging
„die Fahne verloren, welcher unſre Leute nachmarſchirten; geſchahe es nun durch Ver-
„ſehen des Faͤhndrichs, oder auf GOttes Willen, damit die Macht der goͤttlichen Ma-
„jeſtaͤt deſto offenbarer hervorleuchtete, das weiß ich nicht, gnug, die Unſrigen wurden
„in die Flucht getrieben.„ Weil es aber ſchimpflich war, nach etwas zu greifen, und es doch
nicht zu erhalten, ſo fing der Koͤnig Waldemar die Schlacht von neuem an, und
machte, daß die Fluͤchtigen Stand hielten. Er betete zu GOtt, dem er ſeine Krieges-
macht unter ſeinem koͤniglichen Commando empfolen hatte, und hofte, das Loos des
Krieges werde fuͤr ihn guͤnſtiger ausfallen. Dieſe Bemuͤhungen eines ſo frommen und
tapfern Koͤnigs unterſtuͤtzte auch der Himmel durch ein goͤttliches Wunderwerk. Denn
eine neue Fahne fiel vom Himmel, die ordentlich gewebet war, auf deren rothen Grunde
ein weiſſes Kreuz ſchimmerte, die man den Fluͤchtigen vortrug, welche die Daͤnen zu
einem ſehr hitzigen Gefechte ermunterte, und die Feinde im Triumph, nicht ſo wol dem
unuͤberwindlichen Koͤnige, als vielmehr Chriſto, dem HErrn der Himmel, zu Ehren
auffuͤhrte. So ſchreibet Thomas Bartholin von dem Urſprung des Ritteror-
dens vom Dannebrogge S. 7 und 8 ohne Zeugen, ohne Grund, ohne ein Merkmal
aus einer alten Schrift, und das ſo dreiſte, daß er nicht einmal fuͤr noͤthig haͤlt S. 6 um
Vergebung zu bitten, daß er GOtt und Menſchen unter einander menget, um nur den
Urſprung dieſes Ordens anſehnlicher zu machen. Er begleitet es nicht allein mit harten
Auslaſſungen gegen die, ſo anderer Meinung ſeyn, ſondern auch mit einer groſſen
Menge von Beyſpielen aus allen Zeiten der Ritter her: wo inſonderheit luſtig iſt, wenn S. 33
Albert, Graf von Orlamunde, Anno 1201 dieſes Ordens Zeichen ſol angenommen
haben, wegen ſeiner Thaten, die er in dem heidniſchen Liefland ſo ruͤhmlich verrichtet
hat. Verſchlagener machts doch Saxo, der lieber ſein Chaos ganz ohne Licht laſſen wollen,
damit er nicht in gleiche Netze verwickelt und eingeflochten wuͤrde. Doch Bartholin
ſol Vergebung haben, ob er ſie gleich nicht geſucht hat, weil er nach dem Sinn des Ho-
ſes und an einen neuen Ritter geſchrieben, der nur erſt neulich in dieſen Orden aufge-
nommen war. Pontanusrer. Dan. libr. 6 p. 306. 307 obgleich er auch ſelbſt in vie-
lem fehlet, und den Ort des Treffens bey der Stadt Wolmer ſetzt, damit er der Stadt
den Namen vom Koͤnige Waldemar geben moͤchte; ſetzet doch gleich, (wo er Huit-
„felden folget,) dieſes dabey: „Ob aber dieſe Fahne vom Himmel herabgelaſſen, oder
„aber vom Pabſte des Koͤnigs Eifer zu vermehren, ſtat der Kreuzfahne, wie man ſie
„damals hieß, zugeſandt ſey, iſt unſre Abſicht nicht daruͤber zu ſtreiten.„ Keins von
beyden gefaͤlt uns, weil unſer Verfaſſer und die Scribenten ſelbiger Zeit ſchweigen, die
wir not. c) angefuͤhret. Zwar war Waldemar Anno 1210, ſeitdem er auf dieſen
Feldzug dachte, ſchon mit dem Kreuze bezeichnet, weil der Pabſt JnnocentiusIII
„ihn lobet, „daß er aus Eifer den wahren Glauben, zum Lobe GOttes und zur Ehre
„der Chriſtlichen Religion, das Zeichen des Kreuzes angenommen, um die Wuth
„der unglaͤubigen Nation zu hemmen, und das Schwerdt der koͤniglichen Gewalt zu
„brauchen ſich entſchloſſen; er empfoͤle den frommen und andaͤchtigen Vorſatz ihm im
„HErrn, ſaͤhe ihn mit der Gnade des Apoſtoliſchen Stuls an, naͤhme die Perſon des
„Koͤnigs ſamt dem Reiche mit allen deſſen Guͤtern unter des heiligen Peters und ſeinen
„Schutz, und verordne, daß, ſo lange er dieſen gottſeligen Werken obliegen werde, al-
„les in voͤlligem Stande bleiben, und vor dem Anlauf jedes Verwegenen in Ruhe ſte-
„hen ſolle.„ Raynald ums Jahr 1210 p. 178. Ja der Pabſt Honorius der III Anno
1217 hat zur Befoͤrderung dieſes Werks zu dem Vergleich zwiſchen Kaiſer Friedrich dem
II und unſerm Waldemarn (daß Nordalbingien dem Koͤnigreiche Daͤnnemark zu-
geſchlagen wuͤrde) auf Waldemars Bitte ſeine Genehmhaltung hinzugefuͤget, wie eben
dieſer Raynald bey dieſem Jahr p. 242 berichtet. Doch wir leſen nicht, daß Wal-
demaren zu dem Ende die Fahne aus Rom zugeſchickt ſey, ob es gleich nicht unge-
woͤhnlich geweſen. Denn eine dergleichen und zwar die St. Petersfahne ſandte Pabſt
JnnocentiusIII dem Armeniſchen Koͤnige Leo, die er gegen die Feinde des Kreu-
zes allein brauchen, und ihren Stolz, durch Beyhuͤlfe der Verdienſte des Oberſten Apo-
ſtels, mit Erlaubniß des HErrn, zertreten ſolte. Libr. 2 epiſt. 254. Sie hieß die St.
Petersfahne, weil das Geſichte dieſes Hauptapoſtels darauf geſtickt war. Die Fahne
aber, der die Daͤnen ihre Errettung danken, war mit dem Zeichen des Kreuzes verſehen.
Dergleichen war die Deutſche Fahne auch n. 8. Weil ſie nun von dieſen wider Erwarten
Huͤlfe bekamen, und die Kreuzfahne der Deutſchen erblickten, ſo konten ſie glauben, ſie ſey
vom Himmel, das heiſt, nicht ohne beſondere Vorſehung GOttes ihnen zugebracht
worden,
[147]von 1218 bis 1219.
worden, wie etwan ein Schutzgott (auf der Comoͤdie) aus der Maſchine faͤlt. Doch1218
wil ich nicht entgegen ſeyn, wenn man lieber den Urſprung und Grund der Begebenheit
auf die Fahne des Fuͤrſtens der Slaven deute. Denn der hat an der geleiſteten Huͤlfe
den vornehmſten Antheil gehabt. Oder wenn man ſonſt eine gleichfals natuͤrliche Erklaͤ-
rung annimt, dabey eben nicht noͤthig iſt, daß GOtt dabey ſey, oder das, was wir zu
erſt ſagten.
bey Alberichenp. 456, die wir unten beybringen wollen, not. x).
Mietau, der Hauptſtadt in Semgallien.
Maria, gewidmet war.
weil ſie wie das Thier dieſes Namens allenthalben voller Spitzen und Stacheln war.
Das Wort, ſo in dieſem Verſtande ſchon bey den Roͤmern uͤblich geweſen, komt wieder
vor beym Jahre 1223 n. 5.
taͤfele, wie ein Bolwerk.
den Franzoſen, um eine Reihe aufrechts geſtelter Breter auszudruͤcken.
(Schwerdttraͤger) heiſſen, Enſiferi nirgends. Von Schurzfleiſchens Tractaͤtchen, das
er Hiſtoria Enſiferorum (die Geſchichte der Schwerdtbruͤder) betitelt, haben wir andres
Q qOrts
[154]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ein und zwanzigſtes Jahr,
1218Orts unſre Gedanken eroͤfnet. Man muß den Kopf daran abhauen, wie an den mei-
ſten hiſtoriſchen Buͤchern, wenn man den Leib nutzen wil. Denn die voͤrderſten Nach-
richten darinnen ſind faſt meiſt beſudelt und aus dem Kothe gezogen.
er des Biſchofs Befreundter oder Anverwandter geweſen; ſondern weil er unter dem
Biſchof Kriegesdienſte gethan. Denn wie bey den Roͤmern das Wort Familia eine
Menge Knechte bedeutet; §. 2. I. de his, qui ſui vel alien. iur. alſo heiſſen nach der
Schreibart der mitlern Zeiten Leute aus Fuͤrſtlicher, Biſchoͤflicher und Herren Familie
ſolche, die Leibeigen ſeyn, Bedienungen haben, oder in gewiſſem Lohn und Brode ſte-
hen. Dergleichen der Biſchof genung in Liefland gehalten. Daher leſen wir, daß die
Familie des Biſchofs, oder die Maͤnner des Biſchofs in den Feldzuͤgen manchmal eine
beſondre Compagnie ausgemacht haben. Die Unwiſſenheit einer ſo gar gemeinen Sa-
che hat einen unſerer Landsleute zu einem heßlichen Schnitzer verleitet. Er hatte nemlich
ein Privilegium von Heinrich dem Loͤwen vor ſich, welches dieſer den Knechten Got-
„tes zu Catlenburg ertheilet, „daß, wer da nur aus der Familie ſelbiger Kirche Be-
„lieben haͤtte, derjenige ſolte durch ein rechtmaͤßiges Eheband in unſre (Luneburgiſche)
„Familie ohne einigen Widerſpruch aufgenommen werden: und wem es Wechſelsweiſe
„aus unſerer Familie anſtehen wuͤrde, ſolle mit gleicher Bedingung in die Familie be-
„ſagter Kirche heirathen koͤnnen.„ Der gute Mann hatte aber vergeſſen, daß die
Moͤnche wegen des Geluͤbdes der Keuſchheit den Eheloſen Stand beobachten muͤſſen,
und preiſet ſeine Landesleute daher gluͤcklich, daß ſie zu einer ſo vornehmen Heirath, aus
dem Welfiſchen Hauſe nemlich, haben gelangen koͤnnen. O wie ſchwer iſts hier, ſich
des Satirenſchreibens zuenthalten. Und doch, wenn man ſolche Leute bey dergleichen
Verſehen erinnert, ſo beiſſen ſie nicht nur die Zaͤhne zuſammen und ruͤmpfen die Naſe,
ſondern wenden auch alle Kuͤnſte an es zu rechtfertigen. Alſo ſpielen ſie oͤffentlich eine
Komoͤdie, die noch ſchlimmer iſt, als die vorige, und groͤber herauskomt, als die
aͤrgſten Bauerſtreiche.
wyck, ſo auf Eſthniſch Loͤnema heiſſet, gerechnet. Die Eſthen nennen es Warb-
lakabbel, die Deutſchen Werpel. Es gehoͤren dazu die Hoͤfe Warbla, Sau-
leppe und Waiſte.
Daher ſchlieſſe ich, er ſey nach volbrachtem Jahre ſeiner Walfahrt wieder in ſein Va-
terland gegangen. Nach ſeiner Ankunft in Deutſchland hielt er ſich 1220 zu Erfurt
am Hofe Kaiſer FriedrichsII auf. Denn in einem Freyheitsbriefe, den er damals
der Lauſenitziſchen Kirche im Pleißnerlande gegeben, werden folgende als unter-
ſchriebene Zeugen geleſen bey Schilternde Inueſtitura ſimultanea c. 4. §. 9:
Heinrich, Graf von Anehalt,
Albert, deſſen Bruder, Herzog von Berneburch,
Die Prinzen des Herzogs Bernhards.
Worauf dis ziele, ſiehet jeder, der was wir oben geſagt in Erwegung gezogen. Anno
1222 bekam er Agneten zur Gemahlin, des glorreichen Leopolds, Herzogs von
Oeſterreich und Steiermark Prinzeßin. Denn ſo hat das Chronicon MellicenſeDes Herzog
Alberts von
Sachſen er-
ſte Heirath
ums Jahr 1222: „Albert, Herzog von Sachſen, nahm des Herzogs von Oeſterreich
„und Steiermark Prinzeßin, Namens Agnete, zur Gemahlin.„ Und das Chron.
Auſtral. bey Freber. Script. Germ, tom. 1 p. 452: „Anno 1222 war ein groſſes Feſt zu
„Wien, ſo der Herzog Leopold gab, deſſen Prinzeßin Tochter mit einem Saͤchſi-
„ſchen Herzog ehelich getrauet ward.„ Das Todtenregiſter vom Kloſter Neuburg
bey PetzScript. Auſtr. tom. 1 p. 494 hat auch nicht unrecht: „Den 28 Auguſt. ſtarb
„Agnes, Herzogin von Sachſen, eine Tochter Leopolds, Herzogs von Oeſter-
reich.„ Durch dieſe Heirath hat Albert viele zu Schwaͤgern bekommen, nicht allein
den letzten und ſehr maͤchtigen Herzog von Oeſterreich, Friedrichen, der ſeiner Ge-
mahlin Bruder war; ſondern auch des Kaiſer FriedrichsII Prinz, den Koͤnig Hein-
rich; den Landgrafen von Thuͤringen, Heinrich, ſo ebenfals nachher Koͤnig ward,
und einen dritten Heinrich, Maggrafen zu Meiſſen und Landgrafen von Thuͤringen;
als denen die uͤbrigen Schweſtern ſeiner Gemahlin nach und nach vermaͤhlet worden.
Siehe Hagens, Einikels und Eberndoͤrfers Oeſterreichiſche Chronik bey Pez.
tom. 1 p. 1065, tom. 2 p. 540 und p. 716. Albert hat mit Agneten nichts andersZeugte vie
Prinzeßin-
nen.
als Prinzeßinnen gezeuget. Darunter die erſte Judith eine Gemahlin Erichs, des
Prinzen Koͤnigs WaldemarII in Daͤnnemark geworden. Albert von Stade ums
Jahr 1239: „Abels Bruder, Erich der juͤngere, Koͤnig von Daͤnnemark, verlobte
„ſich mit der Prinzeßin des Herzogs Albert von Anehalt am Tage Dionyſius.„ Er
nennet ihn Herzog von Anehalt, weil viel Scribenten, ja ſelbft die Paͤbſte, die Wel-
fiſchen Fuͤrſten noch immer Herzoge von Sachſen titulirten. Der Name Judith
komt vor in hiſtor. gent. Dan. bey Lindenbrogp. 273 und in der Fortſetzung des
Saxo Grammaticus bey Herrn BenzelsMonum. Sueo-Goth. part. 5 p. 147
mit dieſen Worten: „Der Koͤnig Erich bekam die Jutta, eine Prinzeßin des Her-
„zogs von Sachſen zur Gemahlin. Die andere, Eliſabeth, fiel Johannes, einem
„Erbprinz des Grafens Adolfs von Holſtein anheim, den man, weil er zu Hamburg
„ſich unter die Franciſcaner begeben, nur Bruder Adolph zu nennen pflegte.„ Alber-
tus Stadenſis ums Jahr 1241: „Der Graf Johann, des Bruder Adolfs Sohn,
„ward den 10 Novembr. in Hamborch mit groſſem Frolocken der Geiſtlichkeit und
„des Volks aufgenommen, dem man auch zu gleicher Zeit die damals noch gar kleine
„Prinzeßin des Herzogs von Sachſen zur Ehe verſprach.„ Den Namen Eliſabeth
hat das Chron. Slau. bey Lindenbrogp. 277, und den Namen Adolpheis hat
Meibomc. 13. Daher irret Lambec. Orig. Hamburg. l. 1. n. 176. 177, da er ſie zu
einer Prinzeßin AlbertsII macht. Die dritte, Mathildis, war erſt an den Otto,
des OttoPuer Erbprinz; hernach an den Kaiſer FridrichII verſprochen, wegen der
Drohworte des Pabſtes aber nicht heimgeholet worden. Eine Handſchrift des Al-
bert von Staden auf der Helmſtaͤdrſchen Bibliothek ums Jahr 1247 meldet bey der
220 Seite nach des Reineccius Ausgabe nach den Worten, eſt electus, dieſes: „Kurz
„vorher ward eine Prinzeßin des Herzogs von Sachſen dem ehmaligen Kaiſer Frie-
„drich zugeſchickt, mit der er ſich verlobet hatte. Dieſe hatte ſich ein wenig vorher
„Otto, des Herzogs von Braunſchweig Prinz, verſprechen laſſen, der aber bald nach-
her geſtorben.„ Die paͤbſtliche Bulle, darinne der Pabſt entgegen iſt, und dieſe Ver-
Q q 2maͤhlung
[156]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ein und zwanzigſtes Jahr,
1218maͤhlung beſtreitet, findet man bey Raynalden ums Jahr 1247 n. 8. Der Name
Mathildis iſt in Alberts Billingiſcher Geſchlechtstafel p. 277. Das iſt vielleicht
die, ſo nachher der Schweriniſche Graf Helmold zur Ehe hatte, den der Prinz Jo-
hannes 1274 in einem geſchriebenen Diploma ſeiner Schweſter Mann nennet. Und
weil AlbertII Anno 1292 den Burggrafen von Nuͤrnberg, Friedrichen, auch ſei-
nen Schweſtermann in einem geſchriebenen Diploma heiſſet, ſo war ſeine Gemah-
lin Helene ebenfals eine Prinzeßin Alberts des I, aber von der andern Ehe, wie der
Name zu bedeuten, ſcheinet. Nun iſt die 4te oder 5te noch uͤbrig Eliſabeth, Graͤfin
von Brenne. Von welcher Eccardsgeneal. Saxon. p. 89 handelt. Vielleicht aber
war ſie eine Witwe des Grafen Johannes von Holſtein, weil ich das Jahr ihres
Todes in den Holſteiniſchen Scribenten nicht bemerket finde. Es koͤnte es aber ein an-
derer einmal finden, der gluͤcklicher iſt, als ich. Die Mutter Agnes ging ſchon 1238
mit Tode ab. Doch ich muß hier von Alberts Familie mich ab, und zu den oͤffent-
lichen Angelegenheiten dieſes tapfern Fuͤrſten wenden. Denn weil ihm das Stilleſitzen
unertraͤglich war, ſo ging er nicht lange nach volzognem Beylager nach Jtalien zum Kai-
ſer Friedrieh dem II in die Campagne, wo er in dem naͤchſtfolgenden Jahre faſt unter
allen kaiſerlichen Briefſchaften unterſchrieben ſtehet: A. Herzog zu Sachſen. Als
1225 der Landgraf von Thuͤringen, Ludwig der Heilige, in Vormundsſachen des
Meißniſchen Marggraf Heinrichs, ſeines Schweſterſohns, an den Kaiſer ſich wen-
den wolte; ſo traf er den Kaiſer, und deſſen Armee wie auch unſern Albert zu Ra-
venna an. Der Landgraf hatte ſeinen Kapelan Bertold zum Reiſegefaͤhrten bey ſich,
der ſeines Herrn Leben beſchrieben: daraus die Reinersborniſchen Moͤnche das wich-
tigſte Stuͤck in ihre Jahrbuͤcher eingetragen, die noch nicht recht voͤllig im Drucke liegen.
Darinne wird genau erzaͤhlet, wie der Kaiſer mit der Armee von Ravenna nach Pla-
cenz aufgebrochen, und was er vor Beſchwerlichkeiten ausgeſtanden, als er das For-
liſche, Bologneſiſche, Modeneſiſche, Rezziſche und Parmeſaniſche paßiret.
Darzwiſchen wird namentlich erwehnet, was dem Herzog zu Sachſen begegnet ſey,
„mit dieſen Worten. „Der Kaiſer zog von Modena weg, und in Reggio ein, blieb
„auch dieſelbe Nacht da bis an fruͤhen Morgen. Wie der Tag aber anbrach, machte
„ſich der Kaiſer mit ſeiner ganzen Armee wieder aus derſelben Stadt weg. Einer von
„den Buͤrgern der Stadt aber, bey dem der Herzog von Sachſen im Quartiere lag,
„fing mitten in der Nacht an mit dem Herzoge und ſeinen Leuten ſich zu uͤberwerfen, und
„der Herzog konte nichts dagegen thun. Wie nun beyde Parteien auf einander losgin-
„gen, ſo wurden 2 Bediente des Herzogs hart verwundet, und lieſſen den Streit alſo
„nach. Die Buͤrger aber jagten dieſer Beleidigung halber des Kaiſers Vieh, das er
„bey der Armee zum taͤglichen Unterhalt hertreiben ließ, von ihrer Weide, und wolten
„die Jungen, welche die Heerde trieben, todtſchlagen. Nachdem der Kaiſer ſolches
„vernommen, ging er eiligſt zuruͤcke, und zog in die beruͤhmte Stadt Parma.„ Da
Albert be-
komt Lanen-
burg, Ratze-
burg und das
Obereigen-
thum uͤber
Nordalbin-
gien.unterdeſſen es mit den Daͤnen in Hollſtein zur Neige ging, weil ihr Koͤnig Walde-
mar und deſſen Prinz gleiches Namens gefangen worden; ſo kam er auf Antrag der
Feinde des Koͤnigs unverzuͤglich herbey, nahm Lauenburg und Ratzeburg weg, ge-
wann das Treffen bey Bornhoveden Anno 1227, und erhielt zugleich, mit Genehm-
haltung ſeiner Alliirten, die Herrſchaft uͤber ganz Nordalbingien. Jch wil von die-
ſer Schlacht was herſetzen aus Contin. Saxonis Grammatici l. c. was mich nicht erin-
nere, ſonſt wo geleſen zu haben: „Der Koͤnig (Waldemar) ſelbſt hatte ein Auge ver-
„loren und war ſo getroffen, daß er ganz ohne Gefuͤhl lag. Er wuͤrde auch wieder ge-
„fangen oder getoͤdtet worden ſeyn, wenn nicht ein deutſcher Ritter ihn quer uͤber vor
„ſich auf ſein Pferd geleget, und ihn durch heimliche Wege nach Riel gebracht. Denn
Luͤbek hatte ſchon vor der Schlacht ſich in Freyheit geſetzt. Nachdem aber Graf
Adolf die grosvaͤterlichen Laͤnder wieder bekam, ſo erkante er Alberten fuͤr ſeinen
Herrn und unterwarf ſich ihm als Vaſal. Das iſt daraus zu erweiſen, daß in denen
hernach ausgegangenen Patenten auſſer dem herzoglichen Titel von Sachſen, Engern
und Weſtphalen, der Name eines Herrn uͤber Nordalbingien vorgeſchrieben ſtehet.
Wie dergleichen bey Pfeffinger. jun. hiſt. Brunſuic. tom. 2. p. 364 vorhanden. Jn
des Herrn Staphorſt. hiſt. eccleſ. Hamburg. tom. 2. p. 21. wird einer Bulle gedacht
vom Albert, Herzog von Sachſen, Engern und Weſtphalen, auch Herrn uͤber
Nordalbingien, darinne er den Hochgebornen(illuſtrem)Grafen von Hollſtein
ſeinen Vaſallen nennet, die Anno 1237 datiret iſt. Und Anno 1232 hat unſer Albert
ein Privilegium von Graf Adolfen beſtaͤtiget, ſo dem Kloſter Preze ertheilet worden,
und nicht eher gelten ſolte, als bis des Kaiſers und Herzogs Alberts Einwilligung da-
zu kaͤme bey Moller. hiſt. Cimbr. part. 4 p. 392 p. 397 §. 8. Es koͤnten dergleichen
Jnſtru-
[157]von 1218 bis 1219.
Jnſtrumente noch mehr angefuͤhret werden. Aber das iſt jetzo unſere Abſicht nicht. Als1218
Beſorget, Ot-
to von Luͤ-
neburg moͤch-
te in Frie-
drichsII
Stelle erwaͤh-
let werden.
1228 der Pabſt Gregorius der IX den Kaiſer FriedrichII in Bann gethan, und er
ſich gleich drauf nach einem andern Fuͤrſten umſahe, der die Kaiſerkrone annehmen wol-
te; ſo uͤberfiel Alberten recht ein Schauer, bevoraus, da der Cardinal de carcere Tul-
liano,Otto, des Apoſtoliſchen Stuhls Geſandter, nachdem er den norwegiſchen
Koͤnig Haquin vergeblich aufgehetzet, nach Sachſen kam, und daruͤber des Otto,
Herzogs von Lunimburg, Rath vernehmen wolte. Gottfried von Coͤln ums
Jahr 1228: „Denn ob dieſer gleich es abſchlug, wider den Kaiſer etwas zu wagen;
„welches ihm nachher im herzoglichen Diploma Anno 1235 als ein Verdienſt angerechnet
„worden; nichtsdeſtoweniger als eben dieſer Geſandte einen Reichstag zu Wuͤrzburg
„aufs Jahr 1231 ausgeſchrieben; gab Albert mit ſeinem Bruder ſich alle Muͤhe, dieſe
„Zuſammenkunft zu verhindern, weil er befurchte, es moͤchte Otto Koͤnig werden.‟
Alberic. ums Jahr 1241 p. 577. Es iſt noch ein Brief uͤbrig, der damals an die Erz-
biſchoͤfe und Biſchoͤfe abgefertiget worden, in welchem er ſie von der Reichstagsverſam-
lung abſchrecket, unter dem Vorwand der Kirchenfreyheit, bey Alberic. p. 539. Als die-
ſes Wetter ſich geleget, ſo fing er an, dem Koͤnig Heinrich genauer anzuhaͤngen, deſſen
Briefſchaften er als Zeuge faſt alle unterſchrieben; auch eine, wie der Prinz die vaͤter-
liche Ordre uͤberſchritten, ſonderlich Anno 1234. Siehe Gottfrieden von Coͤln um
dieſes Jahr. Wie die Ausfoͤhnung mit Otto erfolgte, und es mit den Affairen Frie-
drichs in Deutſchland nicht zum beſten ausſahe; ſo dachte er auf ſeine andere Heirath,Heirathet die-
ſes Otto
Prinzeßin.
und erwaͤhlte ſich Helenen, dieſes Otto Prinzeßin Tochter, welche an Hermann
den juͤngern, Landgrafen von Thuͤringen, der Anno 1241 ſtarb, vermaͤhlet geweſen.
Welche Vermaͤhlung ihm hauptſaͤchlich damals lieb war, als der Koͤnig Wilhelm der
Helene Schweſter, Eliſabeth, heirathete, und er ſelbſt ein Vater zweyer Soͤhne wurde,
Johannis und Alberts, da er ſchon zur Fortpflanzung ſeines Geſchlechts alle Hofnung
fahren laſſen, und ſich einen Nachfolger ſuchte, wenn er ohne maͤnnliche Erben abſterben
ſolte, nicht in ſeines Bruders Familie, ſondern unter ſeinen BrandenburgiſchenWolte nicht
die Anbalti-
ſche Linie,
ſondern die
Marggrafen
von Bran-
denburg zu
Erben haben.
Nebenverwandten. Denn dieſe waren ſeine Mithelfer in der Eroberung von Nord-
albingien und Lauenburg, nicht aber das Geſchlechte ſeines Bruders Heinrichs.
Der Koͤnig Wilhelm that es ihm zu Gefallen, und ſetzte in einer daruͤber ausgefertigten
Acte die Marggrafen zu Erben von dieſem Albert ein, zu Braunſchweig Anno 1252.
Wir wollen es im Anhang der Urkunden mittheilen. Seine uͤbrige Lebenszeit brachte er
in Ruhe zu, auſſer daß die Holſteiniſchen Biſchoͤfe ihm den Gehorſam verſagten, bis
ums Jahr 1260, da er den Weg aller Welt ging. Dis mag dem neuen Stifter des
Herzogthums Sachſen zu Gefallen ſeyn, als einem Fuͤrſten, der ſo weit zu loben iſt,
als man Tugend, Weisheit, Grosmuth und edle Gemuͤthseigenſchaften darunter verſte-
hen kan: er wird aber doch faſt unbekant in der langen Nacht des Todes begraben
liegen;
Weil kein Homerus ihn der Nachwelt kund gemacht.
Paul in Bremen, Benedictinerordens. Von der Stiftung dieſes Kloſters und deſ-
ſen erſtem Abte, Berthold, kan Mushard nachgeſchlagen werden de nobilit. Bre-
menſ. p. 41 ſeq. Aus dieſer Quelle iſt vielleicht der Jrthum hergefloſſen, daß man
vorgibt, Berthold, der andere Lieflaͤndiſche Biſchof, ſey in dieſem Kloſter Abt ge-
weſen. Uebrigens ſcheinet es, als ſey dieſe Einſetzung gleichſam geſchehen, um den Lan-
desbeſitz zu erhalten, oder wenigſtens ihm ein Ehrenamt aufzutragen. Denn die Daͤ-
R rnen
[158]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwey und zwanzigſtes Jahr,
1218nen hatten Weſſelinen zum Biſchof von Eſthland gemacht n. 2. Albert von Sta-
de ums Jahr 1218 ſtimt mit unſerm Verfaſſer uͤberein, wenn er ſpricht: „Jn die Stelle
„des von den Heiden erſchlagenen Biſchof Dietrichs ward Hermann, Abt zu St.
„Paul in Bremen, in das Biſchofthum Leal eingeſetzet.„ Er ſagt richtig Leal. Denn
man beliebte almaͤlig jeder Provinz in Eſthland einen beſondern Biſchof zu geben.
Damit nun Albert den Daͤnen nicht zu nahe traͤte, die Revel inne hatten; ſo uͤber-
trug er ſeinem Bruder die Strandwyk, darinne Leal lag. Hier gibt uns Albericus
Licht, von dem ichs nicht gehoffet hatte, obgleich an der unrechten Stelle. Denn beym
Jahr 1215 p. 486 heiſt es ſo, welches, weil es falſch gedruckt, ich aus einer pergamente-
nen Handſchrift abſchreibe: „Jn den Gegenden von Liefland iſt Herr Dietrich, der
„erſte Biſchof von Eſthland, zum Maͤrtyrer geworden.„ Wenn man nemlich den
Fulco ausnimt, der zur Zeit des Pabſt AlexandersIII ums Jahr 1179 nach Eſth-
land entweder geſchickt oder beſtimmet geweſen; der doch gewiß den Titel davon bekom-
men. „Auf dieſen folgten 2: Magiſter Herrmann, erſter Biſchof von Ogonie;
bey unſerm Verfaſſer Ungannien, das iſt in Doͤrpt. Denn wir werden nachher ſe-
hen, daß es von Leal nach Doͤrpt verleget worden: „und Gottfried, Prior von der
„Pforte, Biſchof uͤber die Wyk und die Jnſel Oeſel; weil er in Hermanns von
„Leal Stelle kam. Nachdem wurden 2 hinzugethan: vielmehr zugleich verbunden:
„nemlich Weſcelo, bey unſerm Auctor Weſſelinus: Biſchof uͤber Revel, und einer
„aus Daͤnnemark, Oſtrad, Biſchof von Wierland.„ Alwo zu merken, daß der
Revelſche und Wierlaͤndiſche unter dem Erzbiſchof von Lunden geſtanden, weil
ſie von den Daͤnen eingeſetzet wurden. Siehe ums Jahr 1219 n. 2 am Ende. Weſ-
ſelin in Revel hatte zum Nachfolger Torchillen, und unter den Wirlaͤndiſchen
Biſchoͤfen, die auf Oſtraden gefolget, kenne ich einen Dietrich, der zu Minden und
Hildesheim gelebet, und deſſen Teſtament ich geſehen habe. Weil es aber in die Jah-
re gehoͤret, die unſer Schriftſteller nicht beruͤhret, ſo wil ich hier keine Ausſchwei-
fung machen.
entweder muß man leſen: Cujus inſtantia plus quam ſollicitudo omnium eccleſiarum
illum ſemper detinuit, oder: Cujus inſtantia \& ſollicitudo ſuper omnium eccle-
ſiarum, (ſc. ſollicitudinem,) illum detinuit. [Mit der wenigſten Aenderung iſt in dieſer
Ueberſetzung; cujus inſtantiæ ſoll. angenommen worden, daß inſtantia eccleſiarum,
die noch fehlende Prediger ſind.]
vertrat, welcher damals nach Rom gereiſet war.
„ward zum Koͤnig erwaͤhlet Johannes, des Koͤnigs Sverckers Prinz, in ſeiner
„Kindheit, und hieß daher Johannes der Junge, ingleichen Johannes der From-
„me. Dieſer fuͤhrte nur 3 Jahr den koͤniglichen Titel, ſtarb eines natuͤrlichen Todes in
„Wiſingzoe, und ward begraben in Alvaſtra im Jahr unſers HErrn 1222.„ Ein
gleichmaͤßiges meldet Johannes Magnushiſtor. Svec. libr. 19 c. 13. Von dieſem
Feldzuge wiſſen die alten Geſchichtſchreiber der Schweden nichts, wenn anders die,
welche ſie haben, alt zu nennen ſeyn. Joh. Meſſenius hat dem 13 Theil ſeiner Scon-
„dia illuſtrata „ein Verzeichniß aller Scribenten beygefuͤget, ſo wol der alten als neuern,
„der aus- und einlaͤndiſchen, welche die Scondiſchen Geſchichte bisher beſchrieben, ent-
„weder ganz oder ſtuͤckweiſe, in gebundener oder ungebundener Rede, Lateiniſch, Teutſch
„oder Scondiſch, entweder mit Roͤmiſchen oder Rhuniſchen Buchſtaben, gedruckte
„ſo wol als ungedruckte.„ Darinne thut er, nach dem Adam aus Bremen und dem
Saxo Grammaticus, einen Sprung ins 15te Jahrhundert, und nennet uns Lorenzen
von Weſteråås, (Aruſienſem), und Erichen von Upſala, deſſen Erzaͤhlung vom
Koͤnig Johannes wir kurz vorher geliefert haben. Nachdem Job. Scheffer die
Grabſchrift dieſes Erichs, der Anno 1486 geſtorben, beſchrieben hatte, Upſal.. antiq.
„c. 13 p. 228, ſo fuͤget er hinzu: „Dis iſt der Verfaſſer der Geſchichte, die vom Mel-
„ſenius zu Stockholm zuerſt Anno 1615 (welcher Ausgabe wir bisher uns bedienet,)
„und vor wenig Jahren von-meinem Schwiegervater Johann Loccenius zum an-
„dern male ans Licht gegeben worden. Wir haben keine aͤltere und beſſere als dieſe in
„der Art, die wenigſtens oͤffentlich bekant und in Schweden ehmals geſchrieben wor-
„den.„ Selbſt der geweſene Upſaliſche Univerſitaͤtsbibliothekarius, Erich Benzelius,
Monument. Sveo-Goth. prolegom. p. 2, da er glaubet aus gewiſſen Merkmalen ent-
decket zu haben, als ob das Leben Sifrids des Bekenners ums Jahr 1205 geſchrieben
„ſey, daruͤber wir jetzo nicht urtheilen; behauptet; „daß ihm, ſo fleißig er auch die ei-
„gentliche Zeit der Schriftſteller ſeines Vaterlandes, die entweder in Druck gekommen,
„oder noch in Manuſcript auf den Bibliotheken ſtecken, nachgeſuchet, bisher unter den
„Einheimiſchen, Lateiniſch geſchrieben, kein aͤlterer als dieſer vorgekommen ſey.„ Ob
nun gleich dieſes gegen Scheffers Meinung einen Scheinwiderſpruch hat; ſo fuͤhret
er doch nur den aͤlteſten Schwediſchen Verfaſſer von den Lebensbeſchreibungen der
Heiligen an, da doch Scheffers Meinung auf die Geſchichtſchreiber gehet. Joh.
MeſſeniusScondiæ tom. XII p. 113 iſt auch nicht in Abrede, daß er in Erzaͤhlung die-
ſes Krieges, des Balthaſar Ruſſovens Lieflaͤndiſche Chronik|gebraucht habe, „weil,
wie Meſſenius Worte ſelbſt lauten; „keiner unſerer Chronikſchreiber dieſen Feldzug
„des Johannis bisher in einer deutlichen Erzaͤhlung bekant gemacht.„ Da er nun ei-
ne offenbare und deutliche Meldung der Geſchichtſchreiber vermiſſet, ſo gibt er zu, daß
die Verfaſſer der Lebensbeſchreibungen von den Heiligen in Schweden manches mangel-
haft aufgeſetzet. Doch in dem Jahre irret er ſelbſt tom. 2 p. 24 wo er von Begeben-
heiten des 1218 Jahrs handelt, und dieſes anfuͤhret, ſo doch noch ordentlich gnug zuſam-
„men haͤnget: „Unterdeſſen ward der Koͤnig von Schweden Johannes durch die oͤf-
„tern Einfaͤlle der Eſthen aufgebracht, und weil ihn zugleich die Liebe zur Ausbreitung
„der chriſtlichen Religion und der Schwediſchen Herrſchaft antrieb, ſo grif er gleich
„Liefland an, bezwung die Wyck, nahm das Schloß Leal, ſo dem damals abwe-
„ſenden Biſchof Hermannen gehoͤrte, mit ſtuͤrmender Hand weg, legte ſeine Solda-
„ten zur Garniſon ein, und vertrauete es ihnen zur Beſchuͤtzung des bezwungenen Lan-
„des. Carlen aber, dem Biſchof von Linkoͤping, der mit vielen Prieſtern dabey
„war, empfal er die Heidenbekehrung, und ſegelte als Ueberwinder wieder nach Hauſe.‟
Ein groͤſſer Licht, ſo wie in der ganzen Hiſtorie, alſo auch in den Geſchichten dieſes
Johannes, von denen die Schweden ſelbſt nicht viel wiſſen, geben uns die Paͤbſt-
lichen Breve: wenn wir dieſe alle haͤtten, ſo wuͤrde faſt nichts in der Hiſtorie aller
Reiche mitlerer Zeit vermiſſet werden, weil faſt alles auf den Wink der Paͤbſte an-
S skam,
[162]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zwey und zwanzigſtes Jahr,
1219kam, ſo ferne ſie Richter oder Schiedsmaͤnner abgaben. Daß die Thronfolge dieſes
Johannis ſtreitig geweſen, zeiget des Pabſts Honorius des 4ten Befehl an die Bi-
ſchoͤfe zu Luͤbek, Schwerin und Ratzeburg, daß ſie dem Erzbiſchof von Upſala
andeuten ſolten, wenn er Johannen zum Koͤnig geſalbet, ſich vor dem Roͤmiſchen
Pabſt zur Verantwortung zu ſtellen, und daß ſie die widriggeſinnten Fuͤrſten zu verein-
baren trachten moͤchten; wuͤrde aber der Ausgang davon nicht nach Wunſche gelingen,
ſo ſolten ſie uͤber alles, oͤffentliche Acten verfertigen und dem Apoſtoliſchen Stul Nach-
richt ertheilen. Raynald ums Jahr 1219 n. 30. Dieſer berichtet weiter ums Jahr
1220 n. 36 wie der Pabſt den Johannes nach ſeiner Beſtaͤtigung auf dem Thron gewar-
net, er ſolle keine Kirchenguͤter anpacken, noch der Kirche unechte Biſchoͤfe aufdringen.
von dem ich bey den Geſchichten Meinhards gemeldet, daß er Anno 1202 mit Tode
abgegangen, ein Sohn Benedicts, ebenfals Herzogs von Oſtergothland. Dieſes
Benedictus Vater, Fulco, hatte die Ehre die Prinzeßin Jngergerdis koͤniglicher
Hoheit zu heirathen, und fing daher an das Haupt uͤber alle vornehme Familien in
Schweden zu erheben. Unſer Geſchichtſchreiber nennet Karln ſeinen Herzog, nemlich
des Koͤnigs Johannes, weil er des Koͤnigs Vormund geweſen, und vor ihm das
Reich verwaltet. Johannes Magnushiſtor. Svec. libr. 19 c. 13 ſagt deutlich, der
Koͤnig habe unter Vormuͤndern geſtanden, und ſetzet Karln noch den Erzbiſchof
von Upſala Olaus zur Seite.
an gehoͤrigem Orte angebracht.
da, den unſer Verfaſſer nicht nennet. Es nennen ihn aber die Schwediſchen Scri-
benten des Lebens der Heiligen, Vaſtovius und Joh. Meſſenius, davon gleich
mehrers.
uns die Wadſteniſche Chronik und eine alte Schwediſchdaͤniſche Zeitrechnung
in Benzels.Monum. Sveo-Goth. part. I aufbehalten, nemlich den 8ten Au-
guſti. Der Herzog Karl wird deswegen zwar nicht von Meſſenius, doch von Joh.
Vaſtovius unter die Schwediſchen Heiligen gerechnet. Jener der deſſen Leben
vite Aquilonia p. 73 beſchreiben wolte, komt vor die unrechte Thuͤre, und erzaͤhlet
uns die Thaten eines andern Karls Ulphons Sohn, der 1264 ſich in den Ritterorden
der Rreuzfahrer begab, und in einer Schlacht mit den Litthauern geblieben, wie
Benzelius in Noten p. 58 anmerket. Benzelius hat ſich um die gelehrte Welt
und Geſchichte wohlverdient gemacht, daß er des Joh. VaſtoviusVitem Aquiloniam,
der zu Coͤln 1623 herausgekommen, aber ſo rar war, daß ſie ſchon zur Zeit des Clau-
dius Arrhenius in weniger Haͤnden ſich befunden, zu Upſala 1708 wieder auflegen
laſſen, und ſie mit einigen Anmerkungen verſehen, die Vaſtovens erheblichſte Fehler
entdecken. Er wuͤrde ſich weit verdienter gemacht haben, wenn er nicht auf die Ge-
danken gekommen, die Briefſchaften der Koͤnige, die Bullen der Paͤbſte und den ge-
ſamten Vorrath der uͤbrigen Jnſtrumente, die in ganz Schweden die aͤlteſten ſeyn,
welchen Vorrath Vaſtov von allen Orten herbeygeſchaffet, und damit die Coͤlniſche
Auflage ſich ausnimt, das iſt recht die Adern und Glieder dieſem Buche bey dieſer
andern Auflage wegzuſchneiden; weil er ſich durch das Vorhaben des Claudius Ar-
rhenius und Joh. Peringskioͤlds abſchrecken ließ, die damals auf eine Roͤmiſch-
Schwediſch-Gothiſche und ich weiß nicht, auf was ſonſt noch vor eine Samlung
paͤbſtlicher Bullen bedacht waren. Wiewol dieſem Uebel hat doch eben derſelbe Arrhe-
nius, oder beſſer zu ſagen, Oernhiaͤlm einiger maſſen abgeholfen, daß er ein Theil
dieſer Urkunden in das 4te Buch der Schwediſchen Hiſtorie eingetragen, darinne er
die Dinge des 12ten Jahrhunderts durchgehet.
ſeinem Bruder Magnus. Deſſen Lebenslauf liefet man gleichfals in dem Nordi-
ſchen Weinſtockp. 73 aber ſo, daß er kaum etliche Worte ausmachet. Joh. Meſ-
ſenius in der Chronik von den Biſchoͤfen von Linkoͤping hat dieſes von ihm p. 56
„Karl
[163]von 1219 bis 1220.
„Rarl ein leiblicher Bruder des durchlauchtigſten Herzogs Birger Jerl, und ein ſon-1219
„derbarer Patron der Gerechtigkeit, erhielt mit Genehmhaltung deſſelben Pabſts Au-
„ſonius (Honorius des IIIten) zur Zeit Johannis des Iſten, allergnaͤdigſten Koͤnigs
„in Schweden den Linkopingiſchen Biſchofsſtab, und zog nachher in Geſelſchaft
„einiger andern Praͤlaten mit ſeinem Vaterbruder, dem Herzog Karl nach Rußland
„(nach Eſthland ſolte es heiſſen,) um die chriſtliche Religion fortzupflanzen, wo er
„von dem wuͤtenden Rußiſchen (Eſthniſchen) Volke in Recalom (Rotalien)
„Anno 1220 niedergehauen ward und eines ruͤhmlichen Todes ſtarb.„ Welches er nach-
gehends Scond. tom. XII p. 113 verbeſſert. Weil nun Birger JerlII dieſes Rarls
Bruder geweſen, ſo haben diejenigen, die Jahrzahl 1220 unrecht bey das Bildniß des
Herzog Birgers beygeſchrieben, das aufm Schloſſe Tawaſthus in Finnland zu ſe-
hen iſt, die das alte und heutige Schweden mit den ſauberſten Kupferſtichen auf
koͤnigliche Koſten uns geliefert haben. Welches Werk neulich durch die Vorſorge des
beruͤhmten Herrn von Meiern, meines ſehr werthen Freundes und Collegen, in des Koͤ-
nigs Bibliothek gekommen. Denn dieſer Birger kam vor dem Jahre 1248 nicht zur
Regirung, da nemlich Jerl erwaͤhlet und in ſolcher Wuͤrde in ſeines Vaters Bruders
Sohnes Ulpho Stelle gekommen, welcher zu dieſer Zeit ſtarb; wobey die ſehr fehlen,
welche behaupten, dieſer ſey auf den Anno 1202 verſtorbenen Birger gefolget. Gewiß,
jener Birger fuͤhrte nur erſt in den letzten Jahren des Koͤnigs Erichs eine Armee in
Tawaſthland, und bauete daſelbſt Tawaſthus als ein Denkmal ſeines Sieges Anno
1250. Siehe Erichen von Vpſallibr. 3 p. 109 Joh. Meſſen.tom. 12 p. 117.
Daher muß bey dem Birgeriſchen Bildniſſe die Jahrzahl 1250 beygeſchrieben werden.
Damit aber die Verwandſchaft dieſer Rarle unter ſich und mit dem Herzog Birger
dem II dem Leſer gleich vor den Augen deutlich ſey, ſo haͤngen wir gegenwaͤrtige Ge-
ſchlechtstabelle an.
Rolivan*) und bey den Eſthen Talin, das iſt Danilin, der Daͤnen Stadt. Da-
her finde ich: Talin Eeſti-ma pea-lin, das iſt: Reval Eſthlands Hauptſtadt.
auf die Gefangenſchaft Waldemars, und bis auf die Schlacht bey Bornhoveden, in
welchem 1227 Jahr es mit den Daͤnen in Deutſchland gar aus war.
deswegen nicht ſonderlich auf ſeiner Seite, weil dieſer ſich und das Reich dem Apoſtoli-
ſchen Stul zinsbar gemacht: wie es im Reſcript des Pabſts HonoriusIII an den Coͤl-
niſchen Erzbiſchof lautet, bey Raynalden ums Jahr 1223 p. 301. Albert hatte ei-
gentlich um die Erzbiſchoͤfliche oder beſſer um die Wuͤrde eines Metropolitans uͤber ganz
Liefland Anſuchung gethan; weil er nach deſſen Erhaltung nicht zweifeln konte, es
wuͤrden ſich die Biſchoͤfe in demjenigen Theil Eſthlands unterwerfen muͤſſen, den die
Daͤnen unter ſich gebracht, oder noch unter ſich bringen wuͤrden. Der Pabſt aber
willigte in dieſes Anbringen nicht, weil es ihm vor die Lieflaͤndiſche Kirche noch nicht
zutraͤglich zu ſeyn ſchiene, wie Raynald ums Jahr 1219 n. 31 bemerket, in der That
aber, um nicht dem Koͤnig von Daͤnnemark vor den Kopf zu ſtoſſen. Doch in Lief-
land neue Domkirchen anzulegen, und Biſchoͤfe daruͤber zu ſetzen, dazu hatte der Pabſt
ſchon Alberten auctoriſiret Anno 1217, wie eben dieſer bey dieſem Jahre n. 45 bezeu-
get.
ten, daß er Liefland vordem von dem Koͤnig Philipp und vom Reiche zum Lehn er-
halten.
der ihm die Macht der Welfen ſchwaͤchen und Nordalbingien ihnen hatte entreiſſen
helfen. Nicht allein die Daͤniſchen Chroniken beſagens oft, daß eine Abtretung die-
ſes Landes von Friedrichen an Waldemaren geſchehen, ſondern Joh. Meſſenius
Scond. tom. 2 p. 23 beym Jahr 1214 vertheidiget ſie noch gar.
vorher, ohne Vorwiſſen des Biſchofs einen beſondern Frieden und Theilung mit den
Daͤnen getroffen haben.
uns uͤberdem noch zu thun auflegen, da wir einmal getauft ſeyn?
allen Voͤlkern bekant und von ihnen verehret worden, meinen auch hier den Thor anzu-
treffen. Denn wenn ſie Tharapita hoͤren, ſo glauben ſie, der Gott Thor ſey von den
Eſthen vor der Schlacht zu Huͤlfe gerufen worden, die immer geſchrien: Thorawwita!
das iſt: Thor hilf! Thor ſtehe bey! Sie beſchuldigen die noch wol gar eines Jr-
thums, welche der Meinung ſeyn, die Eſthen haͤtten ehmals einen GOtt unter dieſem
Namen verehret, weil es kein eigentlicher Goͤtzenname ſey, ſondern nur ein Anrufen des
GOttes Thor, Allein dieſe werden von unſerm Verfaſſer widerleget, der nicht nur
hier, ſondern auch unten beym Jahre 1225, wo er von der Eroberung Oeſel ſpricht,
den Oeſelern einen Gott zuſchreibet, den ſie Tharapitha oder Tharapilla genant.
Denn ſo iſt das Wort geſchrieben, daß mans auf beyderley Art leſen kan, und zweifel-
haft bleibet, welche Lesart der andern vorzuziehen. Fraͤget man, was es vor ein Gott
geweſen, ſo muß man die Landesſprache der Nation, die ihn verehret, zu Rathe zie-
hen. Weil nun in der Eſthniſchen Sprache Thara einen rundumher umzaͤunten Ort,
und Pilla einen Affen bedeutet; ſo iſt der Tharapilla vielleicht kein anderer Gott,
als der Gartenwaͤchter, deſſen Bildniß die Schweden vormals mit einem groſſen
Priapus aufgeſtellet, wie Adamus Bremenſis de ſim Daniæ n. 92 meldet. Ja es komt
treflich mit dem Flug, davon unſer Verfaſſer ſchreibet, uͤberein, was eben dieſer Adam
l. c. n. 75 von den gefluͤgelten Goͤtzen der Eſthen ſpricht: Sie beten die Drachen
und Voͤgel an. Jch laſſe dieſes aber der weitern Unterſuchung anderer anheimge-
ſtellet*).
die hier in der Ueberſetzung ſo wol als denen zu Gefallen welche das Gruberiſche Werk
beſitzen, im Lateiniſchen folgen. Die Note in dem Lateiniſchen Exemplar des Herrn
Grubers heiſt ſo: Von den Begebenheiten des 1220 Jahrs kan ich nichts hier zur
Ergaͤnzung einſchieben, weil nirgends geleſen wird, was bis Jahr in Liefland ſich zu-
getragen; ausgenommen die Stiftung des Bisthums Pilten in Curland, welche die
neuern Scribenten in dieſe Zeiten werfen, und ſie dem Daͤniſchen Koͤnige Walde-
marII zuſchreiben: Wie weit man ſich drauf verlaſſen koͤnne, weiß ich nicht. Gewiſ-
ſer iſt die Sorgfalt des Pabſts Honorius des III, fuͤr die Vermehrung der Anzahl von
Predigern, davon wir deſſen Breve in den Anhang der Urkunden zum Beweis anfuͤhren.
mals unter Rußiſcher Botmaͤßigkeit, weil das Koͤnigreich Neugarden ein Rußiſches
Reich iſt. Ja eben dieſelben Grenzen haben damals Rußland von Eſthland abge-
ſondert, wornach man ſich nachher viele Jahrhunderte hindurch gerichtet; nemlich
Narva diſſeits des Stroms und Jvanogrod, ſo jenſeit gelegen.
Not. Aus einer alten Notiz erſehe, daß in dieſem Jahr das St. Georgen-Hoſpital von
dem Biſchof Albert in Riga geſtiftet ſey.
nicht allein alle Polniſchen Scribenten einmuͤndig, ſondern es geſtehens auch die Unſri-
gen, ſo gar, daß Caͤſarius auch in dem Jahre mit ihnen uͤbereinkomt. Denn als er
libr. 10 c. 47 geſagt, es ſchiene zu ſeinen Zeiten erfuͤllet, was der HErr im Evangelio
ſagt: Ein Volk wird ſich wider das andre empoͤren ꝛc. ſo fuͤget er unter andern
„Exempeln auch dieſes hinzu: „Es kam auch in vorigem Jahre eine Nation in die Ruſ-
„ſiſchen Reiche, und rieb daſelbſt dieſes Volk voͤllig auf *), wir haben keine Nachricht
„was es vor Leute geweſen, woher ſie gekommen, oder wohin ſie ziehen moͤchten.„ Das
vorige Jahr iſt das 1221te, weil er im folgenden 48 Cap. ſagt: Jm gegenwaͤrtigen Jahre,
welches das 1222te iſt nach der Menſchwerdung unſers HErrn. Was dis vor ein Volk
geweſen, welches dieſer Heiſterbacher damals noch nicht gekant, erklaͤrt Martinus
Polonus Chronol. Pontif. unter Pabſt JnnocentioIII. Unſer Verfaſſer nennet aber
dieſe von den Tartern vertilgte Nation die Valven, nach Deutſcher Art **), welche
die Voͤlker, deren Sprache ſie nicht verſtunden, noch mit einem andern Namen zu un-
terſcheiden wuſten, ehmals Valwen zu nennen pflegten, gleichſam Leute von fremder
Sprache. Alſo gedenket ſchon Otto von FreiſingenChron. libr. 6 c. 10 zu ſeiner
Zeit, nachdem er die Ungern, Avaren und Peucener genant, ſolcher, die Falonen
hieſſen, die rohes und unreines Fleiſch, nemlich von Pferden und Fuͤllen bis auf den
heutigen Tag noch freſſen. Alſo wird Arnold von Luͤbeklibr. 6 c. 5 n. 4 faſt boͤſe, daß
der Koͤnig Philipp in ſeinem Lager eine ſehr liederliche Art Leute gehabt, die Valve
hieſſen, und libr. 7 c. 14 n. 1, daß er eine unzaͤhlbare Armee aus dem ganzen Reiche an-
geworben, wobey ungemein viel von den Ungeriſchen Grenzen ſich befanden, wie auch
die Huͤlfstruppen von den liederlichſten Leuten, die Valve genant werden. CranzSax.
libr. 7 c. 16 beſchuldiget Arnolden, daß er ausgelaſſen, wo die Valven hergekom-
men. Bangert beſchuldiget wieder Cranzen, daß er die Wallonen darunter ver-
ſtanden, ſagt aber ſelbſt nichts. So ſind auch die Verbeſſerer des Woͤrterbuchs des
Herrn du Frêne ſtumm, die zufrieden ſind Arnolds Worte blos nachzuſchreiben, und
von ihrem Vorrath nichts hinzuzuthun. Wir wollen alſo ſehen, ob die Sache ſo viel Muͤhe
koſte, den Sitz dieſer Valven aufzuſuchen. Einigermaſſen gibt Arnold zu verſtehen,
daß ſie an Ungern grenzen, recht ſo wie Otto von Freiſingen ſeine Falonen zu Nach-
barn von den Peucenern macht, l. c. Leichter laͤſſet ſie unſer Verfaſſer finden, indem
er die Valven von den Tartern unterſcheidet, und behauptet, ſie ſeyn Heiden gewe-
ſen, und von einigen Parther genant worden. Nun aber ſchreibet MechoviusSarmat.
libr. 1 c. 2 daß an dem nordlichen Ufer des ſchwarzen Meers, wo heutiges Tages die
Crimmiſchen, Donniſchen und Precopenſiſchen Tartern wohnen, nicht lange vor
dieſem eine Art Tartern gelebet, Polowczer genant, die aber von denen aus Orient
einbrechenden Tartern in oftmaligen Scharmuͤtzeln ſo aufgerieben ſeyn, daß ſie nach und
nach gaͤnzlich ausgegangen. Die gelehrte Erzaͤhlung des Herrn Muͤllers von den
Schickſalen der Stadt Azow, die eben jetzo zu uns von Petersburg aus der Preſſe
herkomt, unterſuchet nicht allein den Urſprung der Polowczier, und weiſet ihren Sitz
an, ſondern zeiget auch, daß ſie Beſitzer der Donniſchen Stadt, das iſt, der Stadt
Azov geweſen p. 41 ſeq. Ferner erzaͤhlet Dlugoſſuslibr. 3 p. 247 libr. 4 p. 315 und
libr. 6 p. 599 die von den Polowcziern mit den Ruſſen gefuͤhrten Kriege. Und ge-
genwaͤrtigen Krieg, davon unſer Verfaſſer handelt, beſchreibet dieſer Dlugoſſuslibr.
6 p. 612 und im folgenden, wie auch MechoviusChron. Polon. l. 3 c. 32 und von
Sarmatien an der angefuͤhrten Stelle. Allein die Deutſchen Scribenten, ſo dieſer
Niederlage gedacht, heiſſen diejenigen Parther und Valven, welche die Polen und
Ruſſen Polowczier nennen. Als ein Ungenanter in Menk. Scriptor. tom. 3 p. 122.
„Zu Zeiten dieſes Kaiſers (Friderichs des II) kam ein Heer aus Aſien her, das neben
einem Fluſſe, der Thau (Than Thanais) genant, wohnte, und die Parther angrif,
denen die Ruſſen zu Huͤlfe kamen. Sie hielten auch mit den Tartern ein Treffen,
und
[179]von 1221 bis 1222.
und wurden uͤberwunden. Alſo blieben von den Ruſſen und Parthern auf hundert1221
tauſend Mann. „Die Luͤneburgiſche Chronik in Eccard. Scriptor. tom. 1 p. 1403
„ums Jahr 1221. Bi deſſelven Keiſers Tiden vor en Here von Aſia, ‒ den qvamen
„de Ruzen to Helpe ‒ dar ward der Ruzen unde Valwen geſlagen mer den hundert
„duſent. Und p. 1410. Jn denſelven Tiden qvamen de Tateren met eme creftigen
„Here in dat Land to Polonen, de darvore hadden vorovert Walwen, Ruzen unde
„mennich Lan, das iſt: Zu der Zeit, nemlich Anno 1242, brachen die Tartern mit einer
groſſen Armee in Polen, nachdem ſie vorher die Valven, Ruſſen und mehrere Pro-
vinzen unter ſich gebracht. Daraus iſt zu ſchlieſſen, daß die Valven keine andre Leute
geweſen, als die aͤlteſten Einwohner der Tarterhorden, und die auf Sclavoniſch
Poloczier genent worden: deren Beſchreibnng wolbemeldte Aſoviſche Hiſtorie des
beruͤhmten Herrn Muͤllers ein recht Meiſterſtuͤcke iſt. Einmal gerieth ich auf die Ge-
danken, daß die Blachen, von denen vieles in den Briefen des Pabſt Jnnocentius
des III vorkomt, unter dieſem Namen ſtaͤcken. Wie ich aber gewahr wurde, daß die
Blachen und Bulgaren immer beyſammen ſtehen, und Jnnocentius ſich Muͤhe ge-
geben, beyde Voͤlker zur Lateiniſchen Kirche zu bringen; ſo aͤnderte ich meine Meinung,
und ſolte wol glauben, daß durch die Blachen die mit den Bulgaren benachbarten
Walachen angedeutet werden.
Adamus Bremenſis libr. 2 c. 13 von Rußland erwehnet, ſo thut er hinzu: Deſſen
Hauptſtadt die Stadt Chive iſt, die mit dem Conſtantinopolitaniſchen Reiche um
den Vorzug eifert, die beruͤhmteſte Stadt in Griechenland.
Gallicien geheiſſen. Bey dem Sarmatiſchen Gebirge, ſpricht er, wohnet eine
Nation Ruſſen, uͤber welche die vornehmen Polen in Kolomya, in Zidazou, in
Sniatin zu gebieten haben. ‒ Unter dieſem Gebuͤrge iſt der Strich von Halicz, ehmals
Gallicien genant, und Przemisl ‒ ‒ Wenn man den Weg mitten nach Reuſſen nimt,
ſo komt die Woywodſchaft Lemberg ꝛc. Siehe oben beym Jahr 1216. not. c).
wo er erwehnet, er habe endlich vol Furcht und Zittern Halicz noch erreichet.
der Nordalbingien als Vicekoͤnig regirte: von dem oben. Das Geruͤchte von die-
ſem wiederholten Feldzuge kam auch vor Alberten von Stade. Denn er ſchreibet beym
„Jahr 1222. „Der Koͤnig von Daͤnnemark kam ins Land Leal mit dem Grafen
„Albert, verjagte die Feinde chriſtliches Namens, und bauete in ſelbigem eine Stadt,
„die nicht lange darauf von den Heiden zerſtoͤret ward.„ Was weiter in unſerm Auctor
folget, zeiget genugſam an, daß er das Land Leal: wie es auch ein Helmſtaͤdtiſch
Manuſcript hat: hat ſollen das Land Oeſel oder beſſer die Jnſel Oeſel geſchrieben wer-
den, weil terra gemeiniglich das veſte Land bedeutet und den Jnſeln entgegen geſetzet
wird.
Der Chronikſchreiber redet hier nur von der Bruͤder der Ritterſchaft ihren Guͤtern in
Saccala und Ungannien.
Oeſel gegen uͤber wohnen auf dem veſten Lande an der Seekante. Siehe beym Jahr
1223 not. c).
gen) der mitternaͤchtigen Voͤlker ermangeln des noͤthigen Lichts aus der Zeitrechnung,
weil ſie das, was niemals *) geſchehen, zu keiner Zeit bringen konten; doch unterſcheiden
ſie
[183]von 1221 bis 1222.
ſie die alten Zeiten ſo, daß ſie das die erſte Zeit nennen, in welcher alle Todte verbrant1221
wurden; die andere, in der man die Vornehmen alle in Begraͤbniſſe legte, das gemeine
Volk aber nach dem Tode ſchlechtweg verſcharrete, wie Olaus Verelius bey der Hiſtorie
Gothrichsp. 81 anmerket, wo er auch hinzu ſetzet, daß eine zeitlang beydes beyſam-
men geweſen, und daß ſelbſt das Verbrennen zur Auffuͤhrung der Graͤber Veranlaſſung
gegeben, weil die Aſche des verbranten Leichnams mit Erde beworfen, und mit Steinen
bedecket wurde. Er erzaͤhlet weiter, wie er ſelbſt ein groſſes Begraͤbniß von dieſer Art
durch angenommene Arbeiter eroͤfnet, und was er darinne gefunden. Jch uͤberhebe
mich der Muͤhe, das hierher zu ſchreiben, weil es nicht dieſes Orts iſt; und begnuͤge
mich das eine noch zu ſagen, daß die Oerter, wo man heut zu Tage die Spuren des
Verbrennens angetroffen, vormals von niemand bewohnet worden, weil die Verbrennung
und die Errichtung der Graͤber nur an unfruchtbaren und wuͤſten Oertern geſchahe, ob-
gleich einiger Orten auch an der oͤffentlichen Landſtraſſe. Man ſehe des Herrn Schmincks
gelehrte Abhandlung von den Aſchenkruͤgen in den Graͤbern, darinne er erzaͤhlet, wie
der Durchlauchtigſte Landgraf Karl, als ihm vorgebracht worden, daß man nicht weit
von der Edder auf einem unfruchtbaren Felde, das die Einwohner von dem nahgele-
genen Dorf Mader die Maderheide nennen, viele aus Raſen errichtete Begraͤbniſſe
erblicket, ſelbige in ſeiner Gegenwart habe laſſen oͤfnen, und was er in ſelbigen angetroffen.
Uebrigens ſcheinet Albert von Stade auf dieſen Abfal der Eſthen vom chriſtlichen
„Glauben zu zielen, wenn er beym Jahre 1224 alſo ſchreibet: „Die Eſthen verlieſſen
„den katholiſchen Glauben, und machten mit den Wilden und Ruſſen ein Buͤndniß.
„Die neue Armee der Pilger aber ließ an ihnen dafuͤr ihre Rache aus.„ Dis geſchahe
auch kurz nachher bey Eroberung des Schloſſes Dorpat.
den; alſo iſt das Andenken dieſer ſeltſamen Begebenheit auch auf die Nachwelt fortge-
pflanzet, und endlich in die Chronik des Deutſchen Ordens eingeſchlichen, und daraus
in Waiſſels Preußiſche und Ruſſovs Lieflaͤndiſche Chronik; doch, daß hier und
da was zugeſetzet und etliches veraͤndert worden.
ten beym Jahr 1224 n. 7 ein anderer Biſchof der Semgallen, Lambert, ans Licht
trit; ſo wollen wir doch hier bemerken, was Caͤſarius von Heiſterbach von dieſem
ihm gar wohl bekanten Herrn aufgezeichnet hat; theils weil es die Gemuͤthseigenſchaften
dieſes Bernhards bekant macht; theils weil Zeugen von eigener Erfahrung in der Ge-
„ſchichte rar, und vor allen andern muͤſſen gehoͤret werden. „Es erzaͤhlte uns, ſchreibt
„Caͤſariuslibr. 9 c. 37. der Herr Bernhard von der Lippe, Abt in Liefland, nun-
„mehriger Biſchof daſelbſt, eine gar ruhmwuͤrdige Begebenheit. Als ein gewiſſer Be-
„kehrter, wenn ich mich recht beſinne, der nur neulich den chriſtlichen Glauben ange-
A a a 2„nommen
[188]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, fuͤnf und zwanzigſtes Jahr,
1222„nommen, die Moͤnche communiciren geſehen, und man ihn verſtaͤndiget, er habe noch
„keine Erlaubniß dazu; ſo ſtelte er ſich dem Altar gegen uͤber, und ſeufzete aus ſehnli-
„chem Verlangen, das Nachtmahl mit zu halten. Und ſiehe! der gute Herr wuͤrdigte
„ihn ohne den Dienſt des Prieſters im Sacramente, vom Altar ſich in ſeinen Mund her-
„abzulaſſen. Dieſer that gleich ſeinen Mund auf, zeigte die Hoſtie, offenbarete ihnen
„die Urſache dieſer ſo groſſen Gnade, und ſetzte alle Anweſende dadurch in Erſtaunen.
„Denn man fand, daß eben dieſelbe Hoſtie auf dem Altar gefehlet hatte. Und libr 10
„c. 35 ſchreibet Caͤſarius: Der Herr Bernhard von der Lippe vormaliger Abt und
„nunmehr Biſchof in Liefland pflegte ein Wunder zu erzaͤhlen. Jch kante, ſprach er,
„einen Fiſcher in dem Bisthum Utrecht, der lange Zeit mit einem gewiſſen Weibes-
„ſtuͤcke zugehalten. Und weil ſein Vergehen alzuruchtbar war, ſo ward ihm einmal
„bange auf dem naͤchſten Synodo verklagt zu werden, und ſprach in ſeinem Herzen:
„Was wilſt du armer Menſch nun anfangen? Wirſt du auf der Synode der Hurerey
„wegen verklagt und geſteheſt es, ſo wirſt du gleich gezwungen, ſie zu heirathen: leug-
„neſt du es aber; ſo wirſt du noch mehr zu ſchande, wenn dich das gluͤhende Eiſen uͤber-
„fuͤhren wird. Er ging alſo gleich hin zum Prieſter, legte ſeine Beichte ab, doch mehr
„aus Furcht der Strafe, wie man nachher geſehen hat, als aus Liebe zur Gerechtigkeit,
„ſuchte guten Rath und fand ihn. Der Prieſter ſprach: Haſt du einen veſten Vorſatz
„niemals mit ihr wieder zu ſuͤndigen; ſo wirſt du das gluͤhende Eiſen ſicher halten, und
„dieſe Suͤnde leugnen koͤnnen. Jch hoffe aber, daß die Kraft deines Bekentniſſes dich
„befreyen wird. Welches auch ſo geſchahe, daß alle druͤber erſtaunten, denen ſein Hu-
„renleben bekant geweſen. Nach vielen Tagen fuhr er mit einem andern Schiffer, in ſei-
„nem Beruf auf dem Waſſer, und da ſie das Haus vorgemeldter Weibesperſon zu Ge-
„ſichte bekamen, ſagte einer zum andern: Jch und viele mit mir wundern uns ſehr, warum
„dich das gluͤhende Eiſen auf der Kirchenverſamlung nicht verbrant, da deine Suͤnde
„doch ſo kundbar geweſen. Dieſer pralte mit der erhaltenen Gnade auf eine unrechtmaͤßige
„Weiſe, weil er ſchon wieder Luſt hatte mit ihr zuſammen zu kommen; ſchlug hierauf mit
„der Hand aufs Flußwaſſer und ſprach: Siehe! ſo viel ſchadete mir jenes Feuer. (Wie
„wunderbar war hier die Gerechtigkeit GOttes! der dieſen busfertigen aus Barmherzig-
„keit behuͤtet; ſtrafte ihn bey ſeinen Ruͤckfal auf eine gerechte und alzuwunderbare Art.
„Kaum hatte er das Waſſer angeruͤhret, ſo wurde ihm ſelbiges zu einem gluͤhenden Eiſen.)
„Er zog die hand mit ſtarkem Geſchrey heraus, ließ aber die Haut im Waſſer ſtecken;
„Er erzaͤhlte hierauf ſeinem Kammerad alles, was mit ihm vorgegangen, und lernte end-
„lich, wiewol ſpaͤte, Buſſe thun.‟
gegen Abend an Roſtov. Der Name der Hauptſtadt und des Landes iſt einerley.
Siehe Alpbonſus Laſor y varea Orbe Geogr. tom. 2 p. 541.
nen zerſtoͤrten, und in Revel ein neues anlegten.
ſammenfuͤgung von Bretern, ſo um Gaͤrten und Hoͤfe gefuͤhret ſeyn, plancas genent,
hat auch wol die Waffen Waypas*) heiſſen koͤnnen. Doch ich wolte lieber, Schafe
und Ochſen und ander zum Unterhalt der Menſchen bequemes Vieh darunter verſtehen,
es moͤchte nun im Buſche gehen, oder keinen Herrn mehr haben, dergleichen Vieh in
den Schriften der Engellaͤnder Wayf genant wird, wie das Gloſſarium Cangianum
belehret.
ſeiner Botmaͤßigkeit hatte, und, um ſeinen Sieg zu zeigen, an den Namen eines Koͤnigs
von Daͤnnemark und Herzogs von Juͤtland auch den Titel eines Roͤnigs der Sla-
ven und Herrns von Nordalbingien anhaͤngte, als ob er dieſe Provinzen wie ein
nicht vom Reiche, ſondern von GOtt gemachtes Oberhaupt beſitzen wolte; ſo muſten auch
die Grafen von Schwerin, obſchon nach langem und vielem Widerſtande zu Kreuze
kriechen. Sintemal ihre Diplomata eben ſo wie der uͤbrigen dieſer Gegend jenſeit der
Elbe zu dieſer Zeit nicht mehr den Namen des Kaiſers oder Koͤnigs bey den Jahrzahlen
haben; ſondern meiſtens datirt ſeyn Rege Waldemaro regnante, oder regnante Wal-
demaro Rege (unter der Regirung des Koͤnigs Waldemar) welches das allerunfehl-
barſte Kenzeichen der oberherrlichen Gewalt iſt. Schon Anno 1207 hatte der Koͤnig
den Grafen Albert in die Schweriniſchen Laͤnder geſandt, der nach Zerſtoͤrung des
Schloſſes Boitzenburg die Bruͤder, Graf Guͤnzeln und Heinrichen, ſo in die Enge
trieb, daß ſie ihm im Jahr 1214 huldigen, wenn ſie die Grafſchaft von dem Koͤnig wie-
der erhalten wolten, Arnoldlibr. 7 c. 13 hiſtor. gent. Dan. bey Lindenbrogp. 272
und der Tochter, die der Koͤnig mit ſeinem natuͤrlichen Prinz Nicolaus verlobet, die
Helfte ihrer Guͤter zur Morgengabe verſprechen muſten. Als nun Graf Heinrich nach
ſeines Bruders Tode dieſen Vertrag nicht halten wolte; ſo entriß ihm der Koͤnig das
meiſte mit Gewalt, und gab ein Theil der Grafſchaft an ſeinen Prinz Nicolaus,
der hernach zum Herzog von Holland gemacht worden. Chronol. Sveo-Danica in
BenzelsMonument. Sveo-Goth. part. 3 p. 85. Nachdem Heinrich, wie wol ver-
gebens, alle Wege verſuchet, um die grosvaͤterliche Verlaſſenſchaft wieder zubekommen;
ſo unterfing er ſich eines Unternehmens, das bey der ganzen Nachwelt denkwuͤrdig iſt.
Denn er nahm den Koͤnig gefangen, ſamt deſſen damals ſchon gekroͤnten Prinzen Wal-
demarn in ſeinem eigenen Lande auf eine ganz unvermuthete Art, ja gar in deſſen ei-
genem Zelte, und fuͤhrte ihn mit ſich als einen Arreſtanten fort nach dem Schloße Dan-
B b b 2nenberg.
[192]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechs und zwanzigſtes Jahr,
1223nenberg.Albertus Stadenſis beym Jahr 1223 nent die Jnſel, wo er veſt genommen
ward, Lytthoe. Contin. Saxon. Grammat. bey Benzel.p. 146 gibt ihr den Namen
Lyuthe.Hiſtor. gent. Dan. p. 272. Dieſe wird man kaum in Lethra finden, weil
Lethra die koͤnigliche Reſidenz war, wo der Hofſtaat und des Koͤnigs beſtaͤndige
Gvarde war. Der Koͤnig aber hatte in Begleitung weniger Miniſter die Einſamkeit
geſucht, und zwar auf einer von dem Getuͤmmel der Leute entfernten Jnſel. Vielleicht
iſt Lyoe zu verſtehen, die eine kleine Jnſel des Balthiſchen Meers bey Fuͤnen iſt,
gegen Suͤden. Cluver. Mecklenburg. part. 1 p. 116. Den Ort, wohin er gebracht wor-
den, nennen alle Danneberg; wiewol Heinrich, nach Wiedereroberung des Schloſſes
Schwerin, ihn lieber in ſeinem eigenen, als in einem fremden Schloſſe wolte verwah-
ret wiſſen. Die Zeit, wenn ſichs zugetragen, beſchreiben einige durch den Tag St.
Johannis vor der Lateiniſchen Pforte.hiſt. gent. Dan. p. 272. Das Rudi-
mentum nouitiorum p. 387 und Hermann Cornerp. 856 nent es die Nacht St.
Johannis vor der Lateiniſchen Pforte. Das iſt aber der 6 May. Hierbey iſt der
Schnitzer des Gandersheimiſchen Zuſammenſtoppelers laͤcherlich, der den Tag St.
Johannis vor der Lateiniſchen Pforte, in die St. Johannis Pforte des Schloſſes
Schwerin verwandelt hat, als den Ort des Arreſts: welches einem Mann nicht kan
zu gute gehalten werden, der Urkunden unter Haͤnden gehabt, und die unter ſelbigen
unterſchriebene Zeitbemerkungen hauptſaͤchlich inne haben ſolte. Kaum war die Zeitung
von des Koͤnigs Gefangenſchaft dem Kaiſer Fridrich dem II zu Ohren gekommen,
als dieſer ſchon dem Biſchof von Hildesheim Befehl ertheilte, alle Bemuͤhungen an-
zuwenden, daß der Koͤnig und ſein Prinz in des Kaiſers Gewalt kaͤmen. Siehe das
kaiſerliche Schreiben deswegen bey Schannat. Vindem. I p. 194. Er meinte, der
Graf von Schwerin wuͤrde es ſo machen, wie es Leopold von Oeſterreich in
Auslieferung des Koͤnigs von Engelland Richards gemacht, daß er nicht allein ganz
Nordalbingien und Slavien, ſondern auch eine gute Summe Geldes von Walde-
maren erpreſſen koͤnte. Der Pabſt hingegen arbeitete daran mit aͤuſſerſten Kraͤften,
daß Waldemar je eher je lieber ſeines Gefaͤngniſſes entlaſſen wuͤrde, und ſchrieb an
des Koͤnig Heinrichs damaligen Vormund, den Erzbiſchof von Coͤln, Engelberten
einen wichtigen Brief, den Raynald hat beym Jahre 1223 p. 301. Hieruͤber ward
zu Nordhauſen und Bardewik ein Reichstag gehalten: auf welchem man mit dem
Koͤnige einen Vergleich traf, daß er die abgenommenen Laͤnder dem Reiche wiedergeben,
die Krone aus der Hand des Kaiſers empfangen, und fuͤr ſeine Befreyung hundert tau-
ſend Mark erlegen ſolte. Wie das nun den anweſenden Fuͤrſten genehm fiel; ſo wider-
ſprach der Graf Albert von Orlamunde ganz allein, der das Gluͤck mit Huͤlfe der
Waffen zu verſuchen meinte. Es lief aber fuͤr ihn ſo mißlich ab, daß er in dem Tref-
fen gefangen, bey dem Koͤnig in daſſelbe Gefaͤngniß geworfen, und der Vicekoͤnig En-
gelbert inzwiſchen von dem Jſenburgiſchen Grafen Friedrich ermordet wurde; Der
Graf Heinrich wolte nicht mehr dem Kaiſer, ſondern ſich Vortheil ſchaffen, und er-
laubte nach Empfang einer anſehnlichen Geldſumme, und vieler Geiſſeln dem Koͤnig mit
ſeinem Prinze nach Hauſe zu ziehen, nachdem ſie vorher ſchweren muſten, niemals die-
ſem Lande mehr Schaden zuzufuͤgen. Godefridus Colon. beym Jahre 1223, 1224, 1225.
Rudim. nouit. l. c. Der Pabſt ließ hieruͤber den Grafen Heinrich hart an, und mu-
thete ihm zu, dem Koͤnige ſo wol die Geiſſeln als die Ranzion wieder zu zuſtellen.
Raynald beym Jahre 1226. p. 334. Wie ers aber dazu nicht bringen konte, ſo ſprach
er den Koͤnig vom Eide los, damit er was unternehmen moͤchte. Weil wir aber ſchon
oben zum voraus gemelder, wie es mit dem bey Bornhoveden im folgenden Jahre
gehaltenen Treffen vor die Daͤnen abgelaufen; ſo thun wir weiter nichts mehr hinzu,
als daß die Lieflaͤndiſchen Biſchoͤfe und die Ritterſchaft nach dem Beyſpiel der uͤbri-
gen keine Gelegenheit vorbey gelaſſen, die Schlappe des Koͤnigs in Daͤnnemark zu
ihrem Vortheil anzuwenden.
ter den Daͤnen ſtand, ſey davon auszunehmen.
ner Strich Landes, deſſen Einwohner, ob ſie gleich zerſtreuet wohnen, doch alle dar-
inne in eine Kirche gepfarret ſeyn; welches wir gemeiniglich eine Parochie (Kirchſpiel)
nennen. Unten n. 7 und 8 heiſſen die Provinzen Kylegunden. Und in dieſem Ver-
ſtande muß man die Kylegunden auf Oeſel nehmen, beym Jahr 1225 n. 5, als die
zwar noch heidniſch und ohne Kirchen waren, die aber unſer Chronikſchreiber vor-
laͤufig ſo mag genennet haben. Hauptſaͤchlich aber iſt hier zu erwehnen, daß die Strand-
wyk noch heute zu Tage in die ſieben Kirchpiele, von denen hier die Rede iſt, abge-
theilet ſey, deren Namen ich, weil ſie auſſer Werpel und Roͤtel ſehr kauderwelſch
klingen, aus dem Regiſter der undeutſchen Grammatik (ex nomenclatore) abzuſchreiben
keine Luſt habe. Siehe beym Jahr 1221 not. g).
Siehe den du Cange unter dem Worte Taratantara.
damaliger Zeit unter den Herzogen von Niederſachſen und den Nordiſchen Reichen
nicht zu finden. Jch glaube daher, das Wort Herzog ſey hier kein Ehrentitel *), ſon-
dern das Unterſcheidungswort einer Familie, die den Zunamen Herzoge gefuͤhret. Jch
glaube auch nicht, daß Friedehelm von Adel geweſen, als nur in einem nach der
Grammatik uͤblichen Verſtande, da ein vir nobilis ſo viel heiſt, als ein vornehmer
Mann. Denn ſchon oben in den Geſchichten Meinhardsnot. p) hatten wir einen
Buͤrger von Magdeburg, der ebenfals (nobilis) vornehm und reich genant wird.
Solte wol Friedehelm Hertoge in ſolchen Ehren geſtanden, weil er der Armee der
Kreuzfarer Proviant, Geld und Gewehr vielleicht zugefuͤhret, und das Amt eines
Kriegescommiſſarius verwaltet haben? Denn ſolche Herren ſind gemeiniglich angeſehen
C c c 2und
[196]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechs und zwanzigſtes Jahr,
1223und reich, oder werdens doch, wenn ihr Dienſt gut gehet. Jn dieſer Meinung bin
ich beſtaͤrket worden, ſeit dem mir in einer Urkunde, die ich No. IX. §. 7 beygebracht,
ein Bremiſcher Buͤrger vorgekommen, Albero, genant Koͤnig, (Albero, dictus Rex,)
und in einer andern, unter den Buͤrgemeiſtern der Stadt Bremen ThiderichDux;
der im Deutſchen ohne Zweifel Hertoge geheiſſen.
Biſchofs Bruder, Johann, entdecket wird. Dieſer Beweisgrund iſt bey denen Natio-
nen, ſo jeglichem Bruder aus adelichen Haͤuſern einen beſondern und zwar verſchiedenen
Zunamen beylegen, ganz unnuͤtz, unter den Deutſchen aber ungemein bindig, die nur
einerley Zunamen mehrern Bruͤdern geben. Daher die deutſchen Geſchlechtregiſter
viel leichter zu verfertigen ſind, ſeitdem die Zunamen aufgekommen, als der Franzoſen
und
[197]von 1223 bis 1224.
und Engellaͤnder und derer ihre, die ihrer Manier folgen. Das uͤbrige von denen von1223
Apeldern ſiehe oben beym Jahr 1198 not. a).
hundert Jahren her in Liefland ſo wol ihres Adels als ihrer groſſen Thaten halber in
groſſen Ehren geſtanden, und bis jetzo noch groſſe Guͤter und Anſehn haben. *)
das Suum nicht auf den Biſchof ziehen, ſondern auf Engelberten, und ſtatuiren des-
wegen zwey Bruͤder von Tieſenhauſen. Doch gefaͤlt mir das erſte beſſer, weil es der
Eigenſchaft der Sprache naͤher komt.
Heinrich der Loͤwe, als er nach dem gelobten Lande ziehen wolte, Heinrichen von
Luͤneburg nebſt Ecberten von Wolfenbuͤttle ſeiner Gemahlin zu Hofmeiſtern ge-
ſetzet. Arnold von Luͤbekl. 3 c. 2 n. 5. Jch wuͤnſchte, daß dieſe Stelle die recht
anſehen moͤchten, welche alle Herren von Luͤneburg oder von Braunſchweig, wo ſie
dergleichen finden, zur Familie der Welfen rechnen, und die Diener unter die Herren
mengen. Einige muthmaſſen nicht ohne Grund, daß die Herren von Wittorp unter
dieſen Namen ſtecken, und ihn deswegen fuͤhren, weil ſie der Stadt Luͤneburg als
Advocaten fuͤrgeſtanden. Denn welche aus den Welfen ſo hieſſen, deren ſind nicht
ſo viel, daß man ſie nicht gleich aufzaͤhlen koͤnte: der Vater nemlich Wilhelm, und der
Sohn
[201]von 1223 bis 1224.
Sohn Otto. Dieſe Grafen hatten aber ihre Vaſallen, und hatten einen Adel aufzu-1223
weiſen, der mit den aͤlteſten um den Vorzug ſtreiten konte. Siehe Arnolden von Luͤ-
beklibr. 6 c. 15 n. 1; das Weingartenſche Chronicon c. 3. Doch ſind dieſe nicht
allein ſo genent worden, wenn ſie es ja ſo heiſſen; maſſen dieſe Ehre auch andern wi-
derfahren, die in dieſer Stadt das Amt eines Advocaten fuͤhrten. Mir ſchwebt eben
jetzo vor Augen eine geſchriebene Urkunde von Anno 1280, darunter als Zeugen ſtehen
Otto Magnus von Luͤneburg und ſein Bruder Gerhard. Dieſes Grote (Magnus)
von Luͤneburg Zuname ruhet auf keinem andern, als vorbeſagtem Grunde. Ein
Welfe war er gewiß nicht, und konte es auch nicht ſeyn.
die Zeit rechnen muß, die vor der Verkuͤndigung des Worts GOttes vorher verlaufen;
ſo folgern wir einen neuen Beweisgrund daraus, daß Meinhard vor beſagtem Jahre
nicht nach Liefland gekommen, und daß das Jahr 1186, welches Arnold hat, nicht
das erſte von Meinhards Bisthum, ſondern von ſeiner Ankunft und ſeinem Predigen
geweſen.
Ankunft des Geſandten nach Liefland ins Jahr 1224 faͤlt. Denn da Moritz den Pabſt
nicht zu Rom, ſondern zu Bari angetroffen; ſo muß er wol das Jahr zuvor dahin
gekommen ſeyn, als der Pabſt Honorius der III in Campanien auf der Soldaten
Verſamlung (militari concilio) zugegen war: von dem Raynald beym Jahre 1223 n. 1.
Biſchofs und der heiligen Roͤmiſchen Kirchen Cardinals, der zuletzt 1251 zu Lion mit
Tode abgegangen, handelt mit mehrerm VghelliItal. ſacr. tom. 1 p. 172 unter den
Sabiniſchen Biſchoͤfen, und tom. 2 p. 120 unter den Modeneſiſchen, wie auch
Alphonſus Ciacon.Geſt. Pontif. \& Cardin. tom. 1 p. 568 und deſſen Ausleger Ol-
doinustom. 2 p. 116. Aus welchen ſo wol als aus des Baronius Fortſetzern, dem
Spondanus, Bzovius und Raynalden bekant, daß er nicht nur nach Liefland
und Preußen, ſondern auch im uͤbrigen Norden mehrere Geſandſchaften fuͤr den
apoſtoliſchen Stuhl verrichtet, unter denen dieſes die erſte geweſen. Das Antragungs-
ſchreiben des Pabſts Honorius des III, liefern wir im Anhang der Urkunden. Wir
wollen doch das Zeugniß des Albericus hier beyfuͤgen, der von dem Fleiße und Eifer
„dieſes Mannes alſo ſchreibet beym Jahre 1228. „Jn Preußen, welches uͤber Polen
„und uͤber Pommern lieget, hat der Biſchof von Modena, Wilhelm, als vom
„Pabſt dahin abgefertigter Geſandte, durch ſeinen Verſtand und ſeine Weisheit,
„(nicht mit Gewehr und Waffen,) viele Heiden zum Glauben gezogen, und ihre
„Sprache groſſen Theils erlernet. Ueberdem hat er die Anfangsgruͤnde der Sprach-
„kunſt, nemlich den Donat, mit recht vieler Muͤhe in dieſe fremde Sprache uͤberſetzet.
„Es waren aber dieſes Jahr in dieſen Gegenden nur 5 heidniſche Provinzen zu erobern
„die, davon wir handeln, nemlich Preuſſen und Curland, Lettland, Withland
„(vielleicht Wierland) und Sambiter, (vielleicht Sambland). Franciſcus Auguſti-
nus
[203]von 1224 bis 1225.
nus ab Eccleſia in der hiſtoriſchen Zeitrechnung der Erlauchteten Cardinaͤle der roͤmi-1224
ſchen Kirche, der Erz- und Biſchoͤfe, wie auch Aebte des Fuͤrſtenthums Piemont,
„die Anno 1645 zu Turin gedruckt worden, ſpricht alſo von ihm: „Weil Wilhelm, den
„Ciaconius, einen Landsmann unter den Alpen her, und Deoſtubery einen Piemon-
„teſer nennen, deſſen Vaterland und Zunamen man noch nicht weiß, wegen ſeines ehr-
„baren Lebens, guten Wandels und ungemeiner Gelehrſamkeit in Anſehen ſtund; ſo
„ward er vom Pabſt Honorius dem III als Geſandter und Erzbiſchof (man leſe hier:
„als apoſtoliſcher Geſandter) nach Liefland und Preußen (doch nicht zu einer Zeit)
„geſchickt, mit der Volmacht, biſchoͤfliche Sitze in dieſen Laͤndern zu errichten, und Bi-
„ſchoͤfe einzuſetzen, die den katholiſchen Glauben den wilden und unglaͤubigen Voͤlkern
„predigen ſolten; und hat ſich ſo ruͤhmlich dabey aufgefuͤhret, daß er bey ſeiner Ruͤckkunft
„an den Roͤmiſchen Hof, die Cardinalswuͤrde ſich verdienet. Daher Jnnocen-
„tiusIV ihn aus einem Biſchof von Modena Anno 1244 zum Cardinalbiſchof von
„Sabina machte. Er ſtarb zu Lion kurz vor dem Abzuge des Jnnocentius Anno
„1251 und lieget bey den Predigermoͤnchen begraben, mit folgender Grabſchrift: „Hier
liegt der ſehr eifrige Prediger und Lobredner des Namens JEſu CHriſti,
Retter des Glaubens und der ganzen Wahrheit, ein Mann von gar groſſer
Heiligkeit und eine Zierde der Gottesfurcht, der Hochwuͤrdige Vater, D.
Wilhelm, Cardinalbiſchof von Sabina.
nachher das Oeſelſche genant, welches nach Dietrichen und Hermannen, einem Bru-
der des Biſchofs, damals Gottfried ein Prior von der Himmelspforte, einem Ciſter-
cienſer Kloſter bey Naumburg an der Saale in Thuͤringen, bekleidete; 3) Das
Seleburgiſche in Semgallen, worinne auf Bernharden, Grafen von der Lippe,
Lambert folgte; 4) Das Unganniſche oder Doͤrptiſche, ſo des Biſchof Alberts
Bruder, Hermann angeleget; 5) Das Revelſche, deſſen Biſchofshut zuerſt Weſſe-
linen, einem Kapelan des Daͤniſchen Koͤnigs WaldemarII zugefallen, (wenn man
nicht lieber fuͤr das Revelſche das Piltenſche nehmen wil). Auſſer dieſem, ſo unter
dem Erzbiſchof von Lunden ſtund, waren die uͤbrigen dem Rigiſchen unterworfen.
Denn ſchon ein Jahr vorher 1223, wie Raynald bey dieſem Jahre n. 30 meldet, war
Pabſt Honorius der III gebeten worden, daß er die Lieflaͤndiſche Kirche, das iſt, die
Rigiſche, mit der Metropolitanwuͤrde beehren, und ſie uͤber die Seleburgiſche und
Lealſche ſetzen moͤchte, als die nur erſt neulich aus den neubekehrten Heiden waͤren ge-
ſamlet worden. Ob nun gleich dieſer es auf eine bequemere Zeit ausgeſetzet; ſo ließ er
doch inzwiſchen den Biſchof von Liefland (Alberten) als Vicepabſt ſeyn, und ſo gar
Dinge abmachen, die ſonſt vor den Roͤmiſchen Stuhl gehoͤrten, ohne daß zu appelliren
erlaubet war. Und da eben derſelbige bey dem apoſtoliſchen Stuhl ſich uͤber das Unrecht
beſchweret hatte, welches ihm der Erzbiſchof von Bremen und das Collegium der
Domherren ſelbiger Kirche zugefuͤget, als die ſich bemuͤheten die Lieflaͤndiſche Kirche
der ihrigen, als einer Mutterkirche zu unterwerfen: ſo befahl doch Honorius, ſie ſol-
ten von ſolchem Vornehmen abſtehen. Nun, da auf eben dieſes Bericht beym Jahr
1225 n. 16. der Geſandte Wilhelm in ſeinem aus Liefland an den Pabſt geſchrie-
benen Briefe nicht gnug erzaͤhlen konte, wie ſehr das Chriſtenthum in dieſen Gegen-
den ſich vermehret und ausgebreitet; ſo fiel der Pabſt von ſelbſt darauf, eine Metropoli-
tankirche da anzulegen, und ſchrieb deswegen an den Geſandten Wilhelm, dem er
zugleich Ordre gab, das zu bewerkſtelligen, was der Kirche erſprießlich ſchiene, ihm
auch zugleich von allem Bericht abzuſtatten. Der Wunſch, deſſen der erſte Albert nicht
theilhaftig werden koͤnnen, ward endlich an ſeinem Nachfolger nach dem Nicolaus,
nemlich an Albert dem andern, erfuͤllet; der doch dadurch, wie ſeine Geſchichte melden,
nichts gluͤcklicher war, auſſer, daß ihm bey Verbindung der Deutſchen- und Schwerdt-
traͤger Ordensbruͤder auch gleichfals die Biſchoͤfe von Preuſſen mit unterworfen
wurden.
nach verſchiedene Nationen wohnhaft. Die Letten, als Landeskinder; die Wenden
als Fremdlinge; die Deutſchen als Ueberwinder und Herren: denn der Geſandte
hat jede insbeſondere unterrichtet. Durch welches Verhaͤngniß die Wenden dahin ge-
rathen und der Stadt den Namen gegeben, hat unſer Auctor beym Jahre 1205 n. 14.
geſagt *).
falgte derſelben Einladung **) zum Beytritt zur Lateiniſchen Kirche bey Raynalden
ums Jahr 1227. n. 8.
nun vielleicht im Daͤniſchen Lager bey Revel in Dienſte getreten.
oder zu Seleburg, deſſen Abſterben der Verfaſſer unſerer Chronik nicht bemerket
hat. Daß er aber doch vor dieſem Jahre Todes verblichen, zeiget nicht allein dieſe
Stelle an, ſondern wird auch aus Alberichen geſchloſſen, der beym Jahre 1232 p.
542 alſo ſchreibet: „Der erſte Biſchof von Seleburg war der Herr Bernhard; der
„andere Lambert, der dritte vorerwehnter Balduin (von Alna), und heiſſet Biſchof
„von Semgallien.„ Hierdurch wird dasjenige ſchoͤn bekraͤftiget, was wir beym Jah-
re 1217 not. a) geſaget. Mehrere Biſchoͤfe hat Seleburg nicht gehabt. Denn ob-
gleich der Erzbiſchof von Maynz nach Baͤlduins Abſterben einen Moͤnch Minoriten-
ordens, Heinrichen von Luͤtkeburg zum Seleburgiſchen Biſchof eingeſetzet: ſo
hat doch JnnocentiusIIII das Bisthum Seleburg oder Semgallien zum Rigi-
ſchen geſchlagen, und dieſen Heinrich in den Sitz von Curland oder Pilten geſetzet,
der damals ledig war. Die Briefſchaften der deputirten Commißion liefern wir im An-
hange der Urkunden *).
Anno 1215 herausgegeben.
Biſchoͤfe ſelbſt, wenn ſie einen Vortrag an das Volk hielten, hin und wieder ihre
Herren zu nennen pflegten; zum Exempel, beym Jahre 1223, n. 3 und 7.
Not. 1. Jn dieſes Jahr faͤlt die Zuſchrift des Pabſt Honorins des III an die Lieflaͤnder, wegen ſeines
Geſandten, des Biſchofs von Modena Wilhelms, als paͤbſtlichen Geſandtens in Holzeten, He-
ſtonien, Semgallien, Curland, Wirland und den Jnſeln Guland, Burgundomlin, Rive,
und Gothland, aus Raynald beym Jahr 1224. §. 38: wie auch die wiederholte Warnung an den
Erzbiſchof und das Kapitel von Bremen, dem Lieflaͤndiſchen Biſchof bey Leibe nicht mehr die Un-
terwerfung anzuſinnen; welches Herr Gruber aus einem alten Manuſcripte genommen.
Not. 2. Herr Thomas Hiaͤrne fuͤhrt bey dieſem Jahre aus einer untergeſchobenen Bulle an, daß den
1ſten Decembr. auf dem Reichstag zu Nuͤrnberg der Biſchof Albrecht zu Riga, und ſein Bruder
Hermann, Biſchof zu Doͤrpt, vom Heinrich dem Roͤmiſchen Koͤnige in die Zahl der heiligen Roͤmi-
ſchen Reichsfuͤrſten aufgenommen, und mit allen Zubehoͤrigen, und den Reichsfuͤrſten gebuͤhrenden
Vorrechten belehnet worden ſey. Herr Gruber hat beyde Documente aus dem Diario Europ. Tom.
VIII Append. p. 47 ſeq. angebracht, wie die Schwediſchen Geſandten ſelbige bey den Oliviſchen
Friedenstractaten aufgewieſen. Das erſte von Anno 1224, von der Jnveſtitur des Biſchofs Albert,
enthaͤlt die Freyheit, daß Albert Muͤnze praͤgen und zu Riga eine Stadt anlegen koͤnne. Dabey
Herr Gruber folgende Anmerkung macht. Hier verraͤth ſich die Spitzmaus mit ihrem Gepfeife. Es
iſt ein Gluͤck fuͤr die Diplomatik, daß ſolche falſche Bullenſchmiede die wahre Geſchichte derſelben Zeit,
wohin ſie ihren Hammerſchlag werfen, nicht gewuſt, und daher ihrer Betruͤgerey deſto leichter uͤber-
fuͤhret werden koͤnnen, indem Riga 24 Jahr eher geſtanden. Das andre Document betrift die Jn-
veſtitur des Biſchofs Hermann zu Doͤrpt, welche unſerm Revelſchen Manuſcript hinten mit ange-
haͤnget iſt. Dem Biſchof wird gleiches Vorrecht zugeſtanden, wie denn auch von ihm noch Muͤnzen
vorhanden ſeyn ſollen. Doch laut des Revelſchen Manuſcript iſt ſelbiges nur die Beſtaͤtigung, ſo
Anno 1224 bey Nuͤrnberg den 1ſten Decembr. abgefaſſet worden. Das kaiſerliche Patent der Jn-
veſtitur ſelbſt, iſt bey Wimpfen unter dem 6ten Nov. 1224 unterzeichnet, und weil es bey den Gru-
beriſchen Documenten, auch andern Schriftſtellern nicht befindlich, ſo wollen wir es hier nach ſeiner
wahren Geſtalt liefern.
Litteræ inveſtituræ Hermanni, epiſcopi Torpatenſis.
Henricus, Dei gratia Romanorum Rex \& ſemper Auguſtus, vniuerſis Imperii fidelibus,
ad quos hæ litteræ peruenirent, gratiam ſuam \& omne bonum. Accedentem ad
præſentiam veſtram Hermannum, venerabilem Torpatenſem epiſcopum, benigne, \&
quo decuit honore, recepimus, inueſtientes eum de regalibus Torpatenſis epiſco-
patus, ciuitatis, \& attinentiis prouinciæ, videlicet Vgenois cum Waigel, Sobolitz,
Saccala cum Moicke, Alumbus \& Nurmegunde, recipientes ab ipſo fidelitatis jura-
mentum. Statuimus igitur, \& ſub interminatione gratiæ noſtræ præcipimus firmi-
ter, quatenus Epiſcopo prænominato de omnibus juſtitiis \& rationibus ad regalem
jurisdictionem pertinentibus plene reſpondeatis, \& per omnia intendatis, ſcituri,
quod ipſum tanquam dilectum imperii principem ſincere diligimus, \& cum per
ipſum Imperiales termini dilatentur, \& barbarorum infidelitas, annuente Domino,
Chriſtianæ Culturæ ſubjugatur, nihil eorum omittere volumus, quæ ſuo commodo
conduci poterunt \& honori. Datum apud Wimpiam IIX Idus Nov. 1224.
Aber auch dieſe Urkunde koͤnte uns verdaͤchtig vorkommen, weil unſer Auctor als ein Cliente der bi-
ſchoͤflichen Familie ſie verſchweiget, und der Name Torpatenſis epiſcopus viel zu neu iſt, als daß | ſie
von unſerm Verfaſſer herruͤhre, der niemals Tarpat, ſondern Tarbet oder Darbet ſchreibet.
Not. 3. Auch verkaufte der Abt von Dunemunde zwey und ein halb Haken Landes an das neue Kloſter,
wozu Herzog Albert von Holſtein ſeine Genehmhaltung gab: der Kaufcontract iſt von dem Bi-
ſchof Albert und ſeinem Bruder Rothmar unterſchrieben 1224 den 29 Merz.
dem, was beym Jahre 1202 n. 1. 2 beygebracht worden, und welches gnug anzeiget,
daß die Gothen, das iſt, die Einwohner Gothlands, mit den Oeſelern, als Jnſu-
laner mit Jnſulanern, Friede gehalten, die ihrer Seeraͤuberey durch die Finger geſehen,
und ſich an die Geſetze der Chriſten wenig gekehret. Uebrigens fuͤhret Joh. Meſſe-
nius aus dieſem Jahre Scond. Illuſtrat. tom. 12 p. 103 ein Schreiben des Geſandten
Wilhelms an, daraus ſein Abtrit auf dieſe Jnſel zu erſehen, worinne er bezeuget, daß
die Gothlaͤnder vom erſten Anfang ihrer Bekehrung der Kirche von Linkoͤping in
Glaubensſachen allezeit unterthaͤnig geweſen. Und Claudius Oernhiålmlibr. 4
c. 7 n. 74 hat ein Diploma, woraus erhellet, daß Gothland, Oeland und Am-
byrde den dritten Theil des Linkoͤpingiſchen Bisthums ausgemacht.
ſchmalen Sund dazwiſchen hat. Jn einer Karte des Joh. Pontanus, die Abra-
ham Ortel von neuem geſtochen, iſt Mone*) gar ein Schloß auf der Jnſel Oeſel,
nach dem Sinn unſers Chronikſchreibers.
mitten in der Jnſel liegt. Aber beym Pontanus in Chorograph. Dan. p. 735. ſehe
ich
[215]von 1225 bis 1226.
ich unter den Oeſelſchen Kirchſpielen ein Wolde gerechnet; daß alſo das Schloß1225
Walde*) mit der Zeit ein Dorf geworden zu ſeyn ſcheinet.
chen Exempel beym Caͤſarius von einem Maͤgdgen von 10 Jahren vorkomt, libr. 10.
c. 44. Jn Johann PeringſkioͤldsMonument. Upland. tom. 2. p. 48 ſind die al-
ten Figuren vorhanden, die die Ankunft Heinrichs des Heiligen in Finnland, und die
heiligen Caͤremonien vorſtellen, damit er die Finnen auf Chriſti Namen getauft.
Darunter erblicket man einen geraumigen Taufſtein, worinne zwey Menſchen bis an
den Nabel nackend ſtehen. Die Gebraͤuche, ſo der heilige Otto bey der Taufe der
Pommern gemacht, beſchreibet ſein ungenanter Lebensverfaſſer weitlaͤuftig libr. 2. c. 15.
Es komt aber mit unſerm Chronikſchreiber genau uͤberein. Denn der ließ auch ſehr
groſſe Kuͤben tief in die Erde ſenken, ſo daß der Rand der Gefaͤſſe bis an die Knie des
Menſchen, oder nicht voͤllig ſo weit ging: dieſe wurden vol Waſſer gefuͤllet, und war
alſo das Einſteigen deſto leichter.
ich, man muͤſſe das erſte **) vorziehen, weil die Oeſeler nicht allein in kurzer Zeit, ſon-
dern auch mit leichter Muͤhe und ohne groſſe Arbeit und Beſchwerde ſind bezwungen
und uͤberwunden worden.
1229. Als die Poſt davon nach Deutſchland und nach Bremen kam: ſo wolte
der Erzbiſchof, der wohl wuſte, daß die drey erſten Lieflaͤndiſchen Biſchoͤfe von ſei-
nem Amtsvorgaͤnger Hartwich geweihet und nach Liefland geſchickt worden, gleiches
Recht gebrauchen, und ernente einen andern Albert, einen Scholaſticus der Kirche
H h h 2zu
[216]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, acht und zwanzigſtes Jahr,
1225zu Bremen, zum Rigiſchen Biſchofe, den er auch einweihete; als eben indeſſen die
Rigiſchen Domherren einen Nicolaus von Magdeburg aus dem Mittel ihres
Kapitels erwaͤhlet hatten. Wie die Sache an den apoſtoliſchen Stuhl gelangete, ſo
trug Pabſt Gregorius der IX derſelben Eroͤrterung dem Otto uͤber, einem Cardinal
des heiligen Nicolausde carcere Tulliano, und des apoſtoliſchen Stuhls in Daͤnne-
mark und bald darauf in Deutſchland, Geſandten. Damit nun bey Erledigung
des Rigiſchen Sitzes die Verfaſſung in Liefland keinen Schaden litte; ſo ſchickte
dieſer ſo gleich ſeinen Nuncius, jezt nennet man ihn Auditori, den Balduinus
von Alna nach Riga, die Kirchenangelegenheiten zu beſorgen, bis der Streit entſchie-
den waͤre. Jch ſchreibe Balduinus von Alna, wie es in einer Handſchrift des Al-
bericus mir vorgeſchrieben iſt, den hingegen die Roͤmiſchen Urkunden bey Raynal-
den, wenn anders Raynald recht geſehen, von Alva oder einen Alvenſer nen-
nen. Dieſer nun hat den groͤſten Theil von Curland mit gar beſonderm Gluͤck, ohne
Zwang und Schwerdt, durch Antrag billiger Vorſchlaͤge zur Annehmung des chriſtli-
chen Glaubens gebracht. Nach ſchleuniger Ausfuͤhrung eines ſo ruͤhmlichen Werks,
begab er ſich wieder nach Rom, und erhielt den Biſchofshut von Semgallien,
der ſeit Lamberts Tode ledig geweſen, wie auch eine Legatenſtelle des apoſtoli-
ſchen Stuhls uͤber Liefland, Gottland, Finnland, Eſthland, Semgallen und
Curland zur Belohnung, fuͤr ſeine angewandte Bemuͤhung, Anno 1232. Damals
konten erſt die Curen einen Biſchof bekommen, darunter der erſte Herrmann,
der andre Heinrich geweſen. Als inzwiſchen der Cardinal Otto in der Streitſache
uͤber den Biſchofshut zu Riga fuͤr den Nicolaus geſprochen, den das Kapitel er-
waͤhlet; ſo beſtaͤtigte der Pabſt ſeinen Ausſpruch, und legte den Bremiſchen, wel-
che dawider mureten, ein Stilſchweigen auf. Jch nehme auf meine Worte zu Zeu-
„gen, Alberten von Stade, der ums Jahr 1229 alſo ſchreibet: „Albert, Biſchof
„von Liefland, ſtarb. Die Kirche in Bremen bediente ſich hierauf ihres Rechts,
„und erwaͤhlte Magiſter Alberten, einen Bremiſchen Scholaſticus zum Biſchof,
„der nachher Primas in Jrrland geworden. Die Rigiſchen Domherren aber er-
„waͤhlten ſich einen andern, nehmlich Nicolauſſen: Und man zuſtritte ſich lange
„auf beyden Theilen vor den von dem apoſtoliſchen Stuhl niedergeſetzten Commiſ-
„ſionsherren. Zuletzt legte der Pabſt den Bremiſchen ein Stilſchweigen auf,
„weil ers, wie es heiſt, ſo haben wolle.„ Und Alberich beym Jahre 1230 p. 536
ſagt: „Der Cardinal in Deutſchland, der Herr Otto, war in Daͤnnemark, und
„machte den Streit volkommen ab, der ſich bey der Wahl des Rigiſchen Biſchofs
„in Liefland hervorgethan. Er dankte alſo den ab, der von Seiten des Bremi-
„ſchen Domkapitels erwaͤhlet worden, und weihete Nicolaum von Medebork dazu
„ein, welchen die Domherren ernennet.„ Jngleichen ums Jahr 1232 p. 542. „Der
„Herr Balduin von Alna, den der Cardinal Otto in die Gegenden von Liefland
„geſchickt, kehrte, nachdem er manche heidniſche Laͤnder in groſſer Anzahl an ſich ge-
„bracht, wieder zuruͤck. Da er an den Roͤmiſchen Hof kam, fand er daſelbſt ei-
„nige ſeiner Gegner vor ſich, die ſich Ritter GOttes nanten. Dieſe waren vom Bi-
„ſchof Dietrichen (Alberten) dem erſten geſtiftet, und ohnerachtet ſie vorgaben, daß
„ſie den Tempelherrenorden hielten, ſo unterwarfen ſie ſich doch den Tempelherren in
„keinem Stuͤcke. Ob nun ſchon dieſes Kaufleute ſeyn, dabey reich, und ehmals
„aus Sachſen ihrer Schelmſtuͤcke wegen verbannet worden, ſo haben ſie doch ſchon
„ſo weit um ſich gegriffen, daß ſie glauben, ſie koͤnnen ohne Geſetze und ohne Koͤ-
„nig leben. Da aber der Herr Balduin dem Herrn Pabſt bedeutete, was vorge-
„gangen; ſo ward er zum Biſchof von Semgallen und Legaten uͤber ganz Liefland
„gemacht.„ Das uͤbrige ergaͤnzen unſere Documente *), denen wir des Rigiſchen
Biſchofs
[217]von 1225 bis 1226.
Biſchofs Nicolaus Diploma beyfuͤgen, wo er recht im Anfang ſeiner biſchoͤflichen1225
Regirung in ein Weſpenneſt geſtochen zu haben ſcheinet, indem er der Buͤrgerſchaft
zu Riga den dritten Theil von Oeſel*)Curland und Semgallen geſchenkt,
ſoferne
*)
[218]Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſieben und zwanzigſtes Jahr,
1225ſoferne dieſe Provinzen nach dem Abſchiede des Biſchofs von Modena erobert wor-
den waren. Nicolaus ſol 1233 mit Tode abgegangen, und ihm ſein Competente
Albert gefolget ſeyn, allein in dieſer Zeitrechnung wird verfehlet. Denn Nicolaus
iſt
Armagh ſitzen. Anno 1234 kam der Modeneſiſche Biſchof Wilhelm, der, wel-
cher Anno 1224 zu Riga geweſen, in Balduins Stelle, als Legate uͤber Preußen
J i i 2und
hang der Documenten *). Jnzwiſchen begaben ſich die Bruͤder von der Ritterſchaft Chriſti
in den Schutz der deutſchen Ordensbruͤder, die damals ſonderlich in Preuſſen das Haupt
empor trugen, weil ſie glaubten, ſie koͤnten auf dieſer Seite die haͤufigen Anfaͤlle der Wil-
den, auf der andern Seite die oftern Beunruhigungen der Daͤnen in die Laͤnge nicht aus-
halten. Doch kam dieſe Sache nicht eher zu Stande, als nach der betruͤbten Niederlage
in Litthauen, in welcher ſelbſt der Ordensmeiſter Volquin geblieben. Wir wollen doch
den Duisburger daruͤber vernehmen part. 3. c. 28. der alſo ſchreibet: „Zu dieſer Zeit,
„(nemlich Anno 1237) gab ſich der Bruder Volquin, der andere Ordensmeiſter der Ritter
„Chriſti in Liefland, ſechs ganzer Jahr durch feyerliche Unterhaͤndler bey dem Bruder
„Hermann von Salza, Obermeiſter des Deutſchen Hauſes, groſſe Muͤhe, daß ſein Or-
„den dieſem Orden einverleibet werden moͤchte. Dieſer Verrichtung halber wandte ſich
„vorerwehnter Ordensmeiſter, der Bruder Herrmann, mit ſeinem Bruder Johann von
„Magdeburg, auf Bericht des gemeldten Bruders Volquin, an den Herrn Pabſt. Waͤh-
„render Zeit kam der Bruder Gerlach Fuchs aus Liefland dazu, und berichtete, daß der
„Ordensmeiſter Volquin mit den Bruͤdern, Pilgern, und vielen aus dem Volke GOttes
„in einem Treffen todtgeſchlagen und niedergemacht waͤren. Wie der Herr Pabſt das zu Oh-
„ren bekam, ſo machte er der ganzen Sache ein Ende, und kleidete oberwehnten Bruder
„Gerlach und den Bruder Johannes in den Orden des Hoſpitals der heiligen Maria
„des Deutſchen Hauſes ein, gab ihnen einen weiſſen Mantel mit einem ſchwarzen Kreuz,
„und legte ihnen und andern in Liefland befindlichen Bruͤdern deſſelben Ordens der Ritter
„Chriſti, zur Vergebung ihrer Suͤnden auf, daß ſie den regelmaͤßigen Habit des Deut-
„ſchen Hauſes Ordens annehmen ſolten. Hierauf ſchickte der Obermeiſter, Bruder Herr-
„mann, den Bruder, Hermann Balke genant, des Preußiſchen Landes Ordensmeiſter
„mit 40 Bruͤdern und vielen Gewafneten in Liefland. Als vorgemeldter Bruder Her-
„mann Balke faſt 6 Jahr da regiret, ſo begab er ſich nach Deutſchland, und entſchlief
„daſelbſt in Frieden.„ Die Volmacht des Pabſtes Gregorius des IX iſt von Anno
1237. Nachdem unterdeſſen der Biſchof von Semgallen, Balduin, verſtorben war,
ſo ward der Erzbiſchof von Maynz, vom Roͤmiſchen Pabſte befehliget fuͤr die Sem-
galliſche Kirche mit zu ſorgen, der auch Henrichen von Litleburg einen Moͤnch,
Minoritenordens dahin ſchickte. Die Ritter hatten noch nicht gnug, und erhielten nach
und nach 2 Theile von Curland, und den 3ten Theil von Semgallien, damit ſie deſto
reichlicher zur Verfechtung der Kirchen herbeygelocket wuͤrden; indem Henrich von Lit-
leburg aus dem Biſchoͤflichen Sitz in Semgallen nach Curland geſchaft wurde, und
alſo das Bisthum Semgallen gaͤnzlich einging; deſſen Gebiete zu dem Rigiſchen ge-
ſchlagen ward 1245. Da Anno 1246 Wilhelm, vormals in Modena, nunmehr in
Sabina Biſchof, und des Roͤmiſchen Stuhls Erlauchteter Cardinal, als Legate nach
Schweden und Norwegen ging, ſo berief Pabſt Jnnocentius der IV den Erz-
biſchof Albert aus ſeinem Sitze in Armagh weg, und ſchickte ihn als Legaten nach
Preußen, Liefland und Rußland, gab ihm auch die Wahl, daß, welchen Sitz,
der einmal in Liefland und Preußen ledig wuͤrde, er ausleſen wolte, derſelbe der Erz-
biſchoͤfliche und Mutterſitz uͤber ganz Preußen und Liefland ſeyn ſolte. Wie er bey
ſeiner Ruͤckreiſe zu Luͤbek ſich aufhielt, und der Biſchof Johannes mit Tode abging;
ſo foderten ihn die Domherren in Luͤbke zu ihren Biſchof, und erhielten ihn auch. Jn
dieſem Amte nante er ſich allezeit von GOttes Erbarmung Erzbiſchof zu Liefland
und Preußen, und Diener der Kirche zu Luͤbek. Wie das 33ſte Document aus-
weiſet. Wie er aber in Luͤbek 6 Jahre zugebracht; ſo erhielte er die Zeitung von dem
Abſterben des Rigiſchen Biſchofs Nicolaus, worauf er uͤber Hals und Kopf nach
Riga eilte, und ſich ſelbiges zu ſeinem Erzbiſchoͤflichen Sitze erwaͤhlte, den endlich Pabſt
Alexander der IIII 1254 beſtaͤtiget hat. Hieraus muß Cranz verbeſſert werden Metrop.
libr. 7 c. 46 und libr. 8 c. 10. Denn die uͤbrigen Chronikſchreiber, zumal die, ſo vor-
ſaͤtzlich von Liefland geſchrieben, ſind, was dieſe Zeit betrift, unheilbar, und laſſen ſich
mit der wahren Geſchichte nicht zuſammen reimen.
- Holder of rights
- Kolimo+
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- TextGrid Repository (2025). Collection 3. Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bpkw.0