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Sammlung
Neuer Oden
und
Lieder.

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Dritter Theil.


Hamburg: , bey Johann Carl Bohn. 1752.
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Weil die Sammlungen neuer Oden und Lieder,
wovon der erſte Theil in der Bohniſchen
Handlung 1742. und der zweyte 1744. her-
ausgekommen iſt, abermals unter der Preſſe ſind, und die Liebha-
ber derſelben mich erſucht haben, annoch einen dritten Theil dazu zu
fuͤgen: So habe ich, ſolches Verlangen zu erfuͤllen, mich dazu be-
reden laſſen. Wir leben gegenwaͤrtig in einer Zeit, da die Lieder
bey uns eben ſo ſtark zur Mode geworden ſind, als bey andern
Voͤlkern. Und warum ſollten wir auch denenſelben den Vorzug laſ-
ſen, da unſere Sprache, Dichter und Tonkuͤnſtler gleiche Staͤrke
beſitzen? Der Vorwurf, daß unſerer Sprache eine gewiſſe Haͤrte
und Rauhigkeit eigen waͤre, iſt gar nicht gegruͤndet. Wenn der
Dichter nur die Tonkunſt verſteht; ſo wird er die Woͤrter und Aus-
druͤcke ſchon zu ſinden wiſſen, die dahin gehoͤren. Allein die mei-
*ſten
[] ſten Dichter lieben zwar die Tonkunſt, aber ſie kennen dieſelbe nicht.
Wie kann es alſo anders moͤglich ſeyn, als daß mehrentheils unſing-
bare Oden herauskommen muͤſſen? Je kuͤrzer die Zeilen, naͤmlich
in Arien, je mehr Selbſtlauter, je beſſer zur Tonkunſt. Schoͤne
Beyſpiele ſind unter andern zu finden in den Oden und Liedern,
welche unſer deutſcher Horaz 1747. in fuͤnf Buͤchern dem Drucke
uͤberlaſſen hat. Aus dieſen Oden und Liedern ſind alſo diejenigen,
die in dieſem dritten Theile den Beſchluß machen. Die noch uͤbrig
ſind, beſtehen theils in Erzehlungen, theils in Horazianiſchen und
Anakreontiſchen Liedern. Von welchen ein jedes Stuͤck einige Blaͤt-
ter erfordert haben wuͤrde, wenn es haͤtte ſollen in die Muſik geſetzt
werden, welches aber gerade unſerem Zwecke entgegen waͤre. Die
Melodien habe ich den Liedern ſo angemeſſen, wie es die Ueberſchrift
und der Jnhalt mit ſich gebracht haben. Ueberhaupt, ich habe auf
den ganzen, und nicht auf den einzeln Ausdruck jeder Ode geſehen.
Das Gefaͤllige, das Reizende, das Scherzende, das Taͤndelnde, das
Verliebte, das Luſtige iſt in den Melodien mein Vorwurf geweſen.


Hamburg, den 26 Febr. 1752.
Goͤrner.




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Jnhalt des dritten Theils.


  • I. Die Freundſchaft.   Seite 3
  • II. Aufmunterung zum Vergnuͤgen.  〃 4
  • III. Elpin.  〃 6
  • IV. Die Schoͤnheit. 1744.  〃 8
  • V. Der Wink.  〃 10
  • VI. Die Verliebten.  〃 11
  • VII. Hoheit und Liebe.  〃 12
  • VIII. Der Wunſch.  〃 14
  • IX. Phryne.  〃 16
  • X. Doris und der Wein.  〃 18
  • XI. Der May.  〃 20
  • XII. Die Roſe.  〃 23
  • XIII. Die Schule.  〃 24
  • XIV. Burgunder-Wein.  〃 27
  • XV. Leichen-Carmen. 1740.  〃 28

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HORATIVS.
Condiſce modos, amanda
Voce quos reddas. Minuentur atrae
Carmine curae.
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I.
Die Freundſchaft.

Du Mutter holder Triebe,

O Freunſchaft! dir zur Ehre,

Dir, Freundſchaft, nicht der Liebe,

Erſchallen unſre Choͤre,

Und Phyllis ſtimmt mit ein:

Doch ſollte das Entzuͤcken

Von Phyllis Ton und Blicken

Nichts mehr als Freundſchaft ſeyn?


A 2
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II.
Aufmunterung zum Vergnuͤgen.

Erlernt von muntern Herzen

Die Kunſt begluͤckt zu ſcherzen,

Die Kunſt vergnuͤgt zu ſeyn.

Verſucht es. Laſſt uns ſingen,

Das Alter zu verjuͤngen,

Die Jugend zu erfreun.

Macht neue Freundſchafts-Schluͤſſe!

Jhr Kinder, gebt euch Kuͤſſe!

Jhr Vaͤter, gebt euch Wein!


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III.
Elpin.

Weil nach des Schickſals beſtem Schluß

Die junge Welt ſich lieben muß,

So ward Elpin verliebt.

Auch er fand, daß es artig ſey,

Wenn man, bey ſuͤſſer Schmeicheley,

Den Schoͤnen Kuͤſſe giebt.

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Noch hatt er nur um Pfand gekuͤſſt;

Was feuerreich im Kuͤſſen iſt

War ihm nur halb bewuſſt:

Doch wann er bey der Chloe ſtund,

Ward er bald roth wie Chloens Mund,

Bald weiß wie ihre Bruſt.

Er unterſucht ſich tauſendmal

Und ſpuͤret Luſt und ſpuͤret Qual,

So oft er ſich befragt.

Einſt, als er ſeufzt und ihr ſich naht,

Wird ihm der Kuß, um den er bat,

Und auch die Hand verſagt.

Er flieht und eilet in den Wald

Und klagt, in trauriger Geſtalt,

Den Eichen was ihn druͤckt.

O wuͤſſt er, was ihr Herz gewinnt!

Doch alles, was ſein Witz erſinnt,

Wird durch die Furcht erſtickt.

Nach langen Klagen ſchlaͤft er ein;

Die Liebe will ihm guͤnſtig ſeyn,

Der er die Traͤume weiht.

Mit ihren Fluͤgeln weckt ſie ihn

Und ſpricht: Jch wuͤnſche dir, Elpin,

Nur Liſt und Wachſamkeit.


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[9]
IV.
Die Schoͤnheit.

Wie lieblich iſt des heitern Himmels Wonne,

Der reine Mond, der hellen Sterne Heer,

Aurorens Licht, der Glanz der guͤldnen Sonne!

Und doch ergetzt ein ſchoͤn Geſicht weit mehr.

Der Tropfen Kraft, die Wald und Feld verjuͤngen,

Belebt ſie kaum, wie uns ein froher Kuß,

Und nimmer kann ein Vogel ſuͤſſer ſingen,

Als uns ein Mund, den man verehren muß.

Eleonor! auf Deren zarten Wangen

Der Jugend Bluͤht in friſchen Roſen lacht,

Und Zaͤrtlichkeit, Bewundrung und Verlangen

Dir, und nur Dir ſo zeitig eigen macht;

Ob Pſyche gleich die Liebe ſelbſt regierte,

Als ſie, mit Recht, des Gottes Goͤttinn hieß;

So glaub ich doch, daß ihn nichts ſchoͤners ruͤhrte,

Als die Natur in Deiner Bildung wies.

Dein Auge ſpielt und Deine Locken fliegen

Sanft, wie die Luft im Strahl der Sonne wallt;

Gefaͤlligkeit und Anmuth und Vergnuͤgen

Sind ungetrennt von Deinem Aufenthalt.

Dir huldigen die Herzen muntrer Jugend,

Das Alter ſelbſt beneidet deinen Witz.

Es wird, in Dir, der angenehmſten Tugend,

Und nirgend ſonſt der angenehmſte Sitz.

Man ſchmeichelt mir, daß, in zufriednen Stunden,

Eleonor auch meine Lieder ſingt,

Und manches Wort, das viele nicht empfunden,

Durch Jhre Stimm’ in aller Herzen dringt.

Gewaͤhre mir, den Dichter zu begluͤcken,

Der edler nichts als Deinen Beyfall fand,

Nur einen Blick von Deinen ſchoͤnen Blicken,

Nur einen Kuß auf Deine weiſſe Hand.


3 Th. B
[10]
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V.
Der Wink.

Jſt gleich dein Wink verſtohlen:

So find ich doch mein Gluͤcke

Jn jedem deiner Blicke,

Der meine Hoffnung naͤhrt.

Laß ihn oft wiederholen,

Dir fehle nur die Stunde,

Jn der von deinem Munde

Ein Kuß mir mehr erklaͤrt.


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VI.
Die Verliebten.

Jhr, deren Witz die Sehnſucht uͤbt

Und immer ſeufzet, harret, liebt,

Wie ſpaͤt erreicht ihr, unbetruͤbt,

Der Liebe Freuden!

Furcht, Knechtſchaft, Unruh und Verdacht,

Der wuͤſte Tag, die oͤde Nacht

Sind, bis die Lieb’ euch gluͤcklich macht,

Nicht zu vermeiden.

Wie groß muß ihr Vergnuͤgen ſeyn!

Wie ſehr muß ihr Genuß erfreun,

Wenn edle Seelen ihre Pein

So willig leiden!


B 2
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[13]
VII.
Hoheit und Liebe.

Monarch im Reiche ſtolzer Thoren,

Dich, hohes Gluͤck, verehr ich nicht!

Mir ward in Phyllis mehr gebohren,

Als alles, was dein Tand verſpricht.

Der Traum der Wachenden, die Ehre,

Der Sclaven-Stand der Eitelkeit,

Schlieſſt dein Gefolg an Hoͤf’ und Heere,

Bis es der letzte Schlaf befreyt.

Das Recht, mein Herze zu entzuͤcken

Und meiner Wuͤnſche Ziel zu ſeyn,

Raͤum ich nur einer Phyllis Blicken,

Nur Jhrer ſeltnen Schoͤnheit ein.

Wie ſtolz war ich, Sie zu gewinnen!

Auch dieſer Ruhm verewigt ſich.

Beneidet Sie, ihr Koͤniginnen!

Und, Koͤnige! beneidet mich.

O Phyllis, Seele meiner Lieder!

Mich reizt kein himmelhoher Flug.

Mich liebeſt Du, Dich lieb ich wieder.

Sind wir nicht beyde froh genug?

An treuer Bruſt, an treuer Seiten

Macht uns die Liebe groß und reich.

Ach ſey, an wahren Zaͤrtlichkeiten,

Unendlich jener Taube gleich!

Den Adler ſah die Turteltaube,

Die in der Stille girrt und liebt,

Wie ihn Gewalt und Muth zum Raube

Jn koͤniglichen Thaten uͤbt.

Sie ſah ihn Sieg und Ehre finden,

Dem Kranich ſtolz entgegen ziehn,

Sich heben, kaͤmpfen, uͤberwinden,

Und alle Voͤgel vor ihm fliehn.

Sie ſprach: Jch will dich nicht beneiden:

Sey immer groß und fuͤrchterlich.

Gepruͤfter Liebe ſuͤſſe Freuden!

Nur ihr allein begluͤcket mich.

Mir will ich keinen Sieg erwerben,

Als den mein Gatte mir gewaͤhrt.

Mit ihm zu leben und zu ſterben

Jſt alles, was mein Wunſch begehrt.


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[15]
VIII.
Der Wunſch.

Du holder Gott der ſuͤſſten Luſt auf Erden,

Der ſchoͤnſten Goͤttinn ſchoͤner Sohn!

Komm, lehre mich die Kunſt, geliebt zu werden;

Die leichte Kunſt zu lieben weiß ich ſchon.

Komm ebenfalls und bilde Phyllis Lachen,

Cythere! gib ihr Unterricht;

Denn Phyllis weiß die Kunſt verliebt zu machen;

Die leichte Kunſt zu lieben weiß ſie nicht.


[16]
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IX.
Phryne.

Als Phryne mit der kleinen Hand

Noch um der Mutter Buſen ſpielte,

Nichts als den keimenden Verſtand

Und den Beruf der Sinnen fuͤhlte;

Da kam ihr ſchon, an jener Bruſt,

Das erſte Lallen erſter Luſt.

[17]
Sie hatte kaum das Fluͤgel-Kleid

Und einen beſſern Putz empfangen;

So ſcherzten Witz und Freundlichkeit

Jn beyden Gruͤbchen ihrer Wangen;

So ſtiegen aus der zarten Bruſt

Die regen Seufzer junger Luſt.

O wie begluͤckt ſchien ihr das Jahr,

Das nun ſie in Geſellſchaft brachte,

Wo ſie ſo oft die Schoͤnſte war,

So reizend ſprach und ſang und lachte!

Wie wuchſen ſie und ihre Bruſt,

Und die Geſchwaͤtzigkeit der Luſt!

Sie ward mit Anſtand ſtolz und frey,

Und ihre Blicke pries die Liebe;

Der Spiegel und die Schmeicheley

Vermehrten taͤglich ihre Triebe,

Und ihr gerieth, bey reifer Bruſt,

Die ſanfte Sprache ſchlauer Luſt.

Die Oper, das Concert, der Ball

Erhitzten ihren Muth zum Scherzen.

Nur Phryne wies ſich uͤberall,

Als Meiſterinn der jungen Herzen,

Und faſſte, mit belebter Bruſt,

Die ganze Rede-Kunſt der Luſt.

Doch wahre Sehnſucht nimmt ſie ein;

Die Stolze laͤſſt ſich uͤberwinden.

Jhr Scherz verſtummt, ihr Muth wird klein,

Sie lechzt, und kann nicht Worte finden.

Denn ach! es wallt in ihrer Bruſt

Das Unausſprechliche der Luſt.


3 Th. C
[18]
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X.
Doris und der Wein.

OAnblick, der mich froͤhlich macht!

Mein Weinſtock reift und Doris lacht,

Und, mir zur Anmuth, wachſen beyde.

Ergetzt der Wein ein menſchlich Herz,

So iſt auch ſeltner Schoͤnen Scherz

Der wahren Menſchlichkeit ein Grund vollkom̃ner Freude.

[19]
Was die Empfindung ſchaͤrft und uͤbt,

Was Seelen neue Kraͤfte giebt,

Wird unſre heiſſe Sehnſucht ſtillen.

Wie reichlich will die mildre Zeit,

Die ſonſt ſo ſparſam uns erfreut,

Den tiefſten Kelch der Luſt fuͤr unſre Lippen fuͤllen.

Der Wein, des Kummers Gegengift,

Die Liebe, die ihn uͤbertrifft,

Die werden zwiſchen uns ſich theilen.

Wer mir der Weine Tropfen zaͤhlt,

Nur der berechnet unverfehlt

Die Kuͤſſe, die gehaͤuft zu dir, o Doris! eilen.

Weil deine Jugend lernen muß,

So laß dich meinen oͤftern Kuß

Die Menge deiner Schaͤtze lehren.

Gib ſeinem treuen Unbeſtand

Stirn, Augen, Wangen, Mund und Hand,

Und laß ihn ieden Reiz, der dich erhebt, verehren!

Uns klopft ein Vorwitz in der Bruſt,

Der ſtumme Rath ererbter Luſt,

Der Liebe Leidenſchaft zu kennen.

O lerne meine Holdinn ſeyn!

Jch ſchwoͤre dir, bey Moſt und Wein,

Mich ſoll auch Moſt und Wein von keiner Do ris trennen.

Es moͤgen kuͤnftig Wein und Moſt

Des traͤgen Alters Ernſt und Froſt

Durch feuerreiche Kraft verdringen!

Alsdann ertoͤnt fuͤr ſie mein Lied;

Jtzt, da die Jugend noch verzieht,

Will ich allein von dir, auch in der Leſe, ſingen.


C 2
[20]
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XI.
Der May.

Der Nachtigall reizende Lieder

Ertoͤnen und locken ſchon wieder

Die froͤhlichſten Stunden ins Jahr.

Nun ſinget die ſteigende Lerche,

Nun klappern die reiſenden Stoͤrche,

Nun ſchwatzet der gaukelnde Staar.

[21]
Wie munter ſind Schaͤfer und Herde!

Wie lieblich bebluͤmt ſich die Erde!

Wie lebhaft iſt itzo die Welt!

Die Tauben verdoppeln die Kuͤſſe,

Der Entrich beſuchet die Fluͤſſe,

Der luſtige Sperling ſein Feld.

Wie gleichet doch Zephyr der Floren!

Sie haben ſich weislich erkohren,

Sie waͤhlen den Wechſel zur Pflicht.

Er flattert um Sproſſen und Garben;

Sie liebet unzaͤhlige Farben;

Und Eiferſucht trennet ſie nicht.

Nun heben ſich Binſen und Keime,

Nun kleiden die Blaͤtter die Baͤume,

Nun ſchwindet des Winters Geſtalt;

Nun rauſchen lebendige Quellen

Und traͤnken mit ſpielenden Wellen

Die Triften, den Anger, den Wald.

Wie buhleriſch, wie ſo gelinde

Erwaͤrmen die weſtlichen Winde

Das Ufer, den Huͤgel, die Gruft!

Die jugendlich ſcherzende Liebe

Empfindet die Reizung der Triebe,

Empfindet die ſchmeichelnde Luft.

Nun ſtellt ſich die Dorfſchaft in Reihen,

Nun rufen euch eure Schallmeyen,

Jhr ſtampfenden Taͤnzer, hervor.

Jhr ſpringet auf gruͤnender Wieſe,

Der Bauerknecht hebet die Lieſe,

Jn hurtiger Wendung, empor.

C 3
[22]
Nicht froͤhlicher, weidlicher, kuͤhner

Schwang vormals der braune Sabiner

Mit maͤnnlicher Freyheit den Hut.

O reizet die Staͤdte zum Neide,

Jhr Doͤrfer voll huͤpfender Freude!

Was gleichet dem Land-Volk an Muth?


[23]
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XII.
Die Roſe.

Siehſt du jene Roſe bluͤhen,

Schoͤnſte! ſo erkenne dich:

Siehſt du Bienen zu ihr fliehen,

Phyllis! ſo gedenk an mich.

Deine Bluͤhte lockt die Triebe

Auf den Reichthum der Natur,

Und der Jugend ſuͤſſe Liebe

Raubt dir nichts, und naͤhrt ſich nur.


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[25]
XIII.
Die Schule.

Durch tiefe Seufzer bloͤder Luſt

Erklaͤrte Damie alle Triebe

Seiner Liebe;

Doch ruͤhrt er nicht der Schoͤnen Bruſt.

Es konnt ihm durch ſein Gold ja gluͤcken;

Doch ſpart’ er dieſes, und verlohr:

O der Thor!

Man muß ihn in die Schule ſchicken.

Ach liebte meine Phyllis mich!

Seufzt Damon, ſeine Zaͤrtlichkeiten

Anzudeuten.

Und Phyllis ſagt: Erklaͤre dich!

Allein, bey ihren ſuͤſſen Blicken,

Bringt Damon weiter nichts hervor:

O der Thor!

Man muß ihn in die Schule ſchicken.

Am Abend weid’ ich bey dem Bach;

Mein Polydor! ſcherzt Adelheide;

Wo ich weide,

Da, rath ich, ſchleiche mir nicht nach.

Sie nicht ſo ſtraͤflich zu beruͤcken,

Verſpricht und haͤlt ihr Polydor:

O der Thor!

Man muß ihn in die Schule ſchicken.

Ein Schwindel, aber nur zum Spaß,

Befiel Dorinen, als ihr Lehrer

Und Verehrer,

Der ſteife Cleon, bey ihr ſaß.

Unwiſſend ſelbſt ſie zu erquicken

Rief er die Mutter ſchnell hervor:

O der Thor!

Man muß ihn in die Schule ſchicken.*

3 Th. D
[26]
Melander, den die Schreibſucht quaͤlt,

Glaubt, weil der Reim ihm treu verbleibet,

Daß er ſchreibet,

Und daß ihm keine Muſe fehlt.

Auch er kann den Apoll entzuͤcken;

Auch er ſingt mit in ſeinem Chor:

O der Thor!

Man muß ihn in die Schule ſchicken.

Ein Witzling lieſt den Arouet,

Und raͤth ihm, Worte, Reime, Zeilen

Mehr zu feilen,

Vor allen in dem Mahomet.

Wie uͤbt er ſich an Meiſterſtuͤcken!

Wie ſteigt ſein leichter Ruhm empor:

O der Thor!

Man muß ihn in die Schule ſchicken.

Ein Neuling, der verrufen darf,

Was Lehrer, die entſcheiden koͤnnen,

Wahrheit nennen,

Glaubt nichts, als was ſein Wahn entwarf.

Sein Wahn wird einſt die Welt begluͤcken;

Nun denkt ſie edler, als zuvor:

O der Thor!

Man muß ihn in die Schule ſchicken.

Ein Arzt, der ſich zum Doctor prahlt,

Verlaͤſſt Paris, um Deutſchlands Kreiſen

Sich zu weiſen,

Wagt, martert, wuͤrgt, und wird bezahlt,

Nur er, den tauſend Kuͤnſte ſchmuͤcken,

Stellt ſichtbar den Galenus vor:

O der Thor!

Man muß ihn in die Schule ſchicken.


[27]
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XIV.
Burgunder-Wein.

Damit ich ſingen lerne,

Soll mir der Saft der Reben

Jtzt Muth und Toͤne geben

Und neue Kunſt verleihn.

Mich reizen deine Sterne,

Jhr Einfluß wirket Wunder,

O feuriger Burgunder,

O koͤniglicher Wein!


D 2
[28]
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[29]
XV.
Leichen-Carmen.

Herr Joſt iſt todt, der reiche Mann:

Waͤr er nicht reich geweſen;

Wir wuͤrden, falls ich rathen kann,

Auf Jhn kein Carmen leſen.

Sein hocherleuchteter Papa

Pflag Jhn oft ſelbſt zu wiegen;

Die tugendvolle Frau Mama

Erzog Jhn mit Vergnuͤgen.

Er war ein rechter Springinsfeld

Jm erſten bunten Kleide,

Und ward daher der jungen Welt

Und auch der Muhmen Freude.

Nur ſieben Jahre war Er alt,

Da wuſſt Er faſt zu leſen;

Und hieraus ſieht ein jeder bald,

Wie klug das Kind geweſen.

Man hielte Seiner Jugend zart

Wohl zehn Jnformatores;

Die lehrten Jhn, nach mancher Art,

Die Sprachen und die Mores.

Es lernte Joſt ohn Unterlaß,

Daß Jhm der Kopf faſt rauchte:

Kein Mutter-Kind ſtudirte baß

Was es zu wiſſen brauchte.

Da eilt Er mit der jungen Magd

Jn manche Claſſen eben,

Und fuͤhrte, mit ihr, unverzagt,

Ein exemplariſch Leben.

Er glich dem edlen Garten-Klee,

Der zeitig aufwaͤrts ſteiget,

Und nicht der traͤgen Aloe,

Die ſpaͤte Bluͤhten zeiget.

D 3
[30]
Doch, weil Er viel zu ſinnreich war,

Um nur gelehrt zu werden;

So riß Jhn bald der Eltern Paar

Aus allen Schul-Beſchwerden.

Sie ſagten: Sohn! Seyd unſer Troſt!

Vermehrt, was wir erworben!

Dann ſeyd Jhr nicht der erſte Joſt,

Der reich und ſtolz verſtorben.

Sogleich verging Jhm aller Dunſt

Lateinſcher alten Spruͤche.

Er faſſte durch die Rechenkunſt

Die allerſchwerſten Bruͤche.

O Einmal Eins! dich ſah Er ein,

So wie ein rechter Falke.

Durch Handlung wirſt du gluͤcklich ſeyn,

Verkuͤndigt ihm Herr Halke.

Johannes Halke hatte Recht:

Wer prophezeyt behender?

Die ihr mir etwa widerſprecht,

Leſt den Natur-Calender!

Seht, ſeht auf unſern Ehrenmann,

Den wir ſo ſchoͤn begraben;

Wer ſonſt kein Beyſpiel haben kann,

Wird es an dieſem haben!

Der Wohlerblaſſte ging auch, traun!

Auf nicht zu lange Reiſen;

Theils um die Fremde zu beſchaun,

Theils um Sich ihr zu weiſen.

Jn Frankreich war Er ein Baron,

Jn Holland Heer van Joſten,

Und zeigte Seines Vaters Sohn

Jn Suͤden, Weſten, Oſten.

[31]
Er kannte wirklich weit und breit

Geheime Staats-Jntrigues,

Und wuſſte ganz genau die Zeit

Des dreyſſigjaͤhrgen Krieges.

Herr Joſt bewies, als Knabe ſchon,

Bey vier Zuſammenkuͤnften,

Der Sechſte Carl ſey nicht ein Sohn

Von Kaiſer Carl dem Fuͤnften.

Er kam zuruͤck und ließ ſich ſehn,

Wo man Jhn ſehen ſollte.

Nun hieß Er iedem klug und ſchoͤn,

Der Jhn ſo nennen wollte.

Doch rieth man Jhm mit gutem Fug,

Den ritterlichen Degen,

Den Er an Seiner Seite trug,

Nur Sonntags anzulegen.

Das Werk der Handlung wohlgemuth

Ward nun von Jhm begriffen.

Jhm traͤumte nur von Geld und Guth,

Von Frachten und von Schiffen.

Gelehrte ſucht’ Er weiter nicht,

Als etwa bey Proceſſen;

Sonſt macht’ Er ihnen ein Geſicht,

Als wollt’ Er alle freſſen.

Der Reich-Entſchlafne wollte drauf

Sich doppelt reich durch Ehen,

Ja Sich und Seinen Lebens-Lauf

Jn echten Erben ſehen.

Madame ſtarb Jhm ploͤtzlich ab,

Eh Er die andre freyte;

Die dritte, die Sein Geld Jhm gab,

Beerdiget Jhn heute.

[32]
Als Trauermann folgt Sein Herr Sohn

Mit Ellen-langem Flohre;

Und vor Jhm ſingt die Schule ſchon

Jn dem gewohnten Chore.

Der ſchwarzen Maͤntel lange Zahl

Begleitet Jhn bey Paaren;

Er ſtirbt, doch nur ein einzigmal,

Die Koſten zu erſparen.


[[33]][[34]][[35]][[36]][[37]][[38]][[39]][[40]][[41]][[42]][][][][][]
Notes
*
Bis hieher iſt dieſes eine freye Nach-
ahmung der Couplets, welche Marivaux
ſeiner Ecole des Meres hinzugefuͤget hat,
die im vierten Bande des Nouveau
Théatre François
befindlich iſt.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


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Kolimo+

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TextGrid Repository (2025). Collection 3. Sammlung Neuer Oden und Lieder. Sammlung Neuer Oden und Lieder. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bph9.0