[][]
Wissmann-Kuhnert,
In den Wildnissen Afrikas und Asiens.

[]
In den
Wildnissen Afrikas und Asiens.
Jagderlebnisse
[figure]

Mit 28 Vollbildern und 42 Textabbildungen
von
Wilhelm Kuhnert.

BERLIN:
VERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY.
Verlag für Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwesen.
SW., Hedemannstrasse 10.

1901.
[]
[]

VORWORT.



Von Jahr zu Jahr wächst unter den Deutschen die Zahl der Besucher und
Kenner fremder Länder und Weltteile, und hiermit wächst auch die Zahl
der Jäger, die den für den Weidmann höchsten Genuss, die Jagd in der wirk-
lichen Wildnis, kennen lernen wollen.


Erst in der Wildnis, wo der Jäger ganz auf sich selbst angewiesen ist,
sich und seine Karawane zu schützen hat, grossem, wehrhaftem oder seltenem
Wild entgegentritt, dabei fast unbekannte Länder mit ihren vom Menschen noch
kaum berührten Herrlichkeiten bewundern kann, erst dort lernt er wahrhaft den
Hochgenuss kennen, nur sich selbst seine Erfolge als Jäger zu verdanken.
Welch' gewaltiger Unterschied zwischen unserem heimischen Wild, selbst in
freier Wildbahn, und dem der unberührten Wildnis!


Kein Jäger oder Förster ist dort, der ihm die Wechsel ausmacht, den
Stand des Wildes bezeichnet, ihm, wie man sagt, das Wild anbindet. Geführt
von Eingeborenen, die zwar das Land, nicht immer aber auch das Wild
kennen, muss er es sich selbst ausmachen, aber — in hohem Masse lohnt ihn
die viel grössere Freude an der Strecke. —


Angeregt durch den Erfolg, welchen einige meiner Erzählungen bei ihrer
Veröffentlichung in der jagdlichen Wochenschrift „Wild und Hund“ hatten, habe
ich mich entschlossen, meine Jagderlebnisse in Asien und Afrika im Zusammen-
hang herauszugeben. Gewiss werden dieselben nicht nur den passionierten
[] Jäger, sondern hoffentlich auch manchen Offizier und Beamten in unseren Kolonien
interessieren, und vielleicht ist auch manche Beobachtung wiedergegeben, die
dem Zoologen neu ist.


Was ich erzähle, ist weder von der Phantasie erdichtet noch aus-
geschmückt, es ist kein Jäger-Latein, sondern Jäger-Deutsch, einfache, selbst-
erlebte Wirklichkeit, die sicher von einer gewandteren Feder sehr viel schöner
und anschaulicher hätte geschildert werden können. Was daran fehlen sollte,
wird ersetzt durch die Zeichnungen von der Meisterhand W. Kuhnerts, der
das beschriebene Wild zumeist selbst kennt und dessen lebensvolle Bilder die
Anerkennung aller Freunde der Natur gefunden haben.


Die beiden Schlusskapitel enthalten praktische Winke für die Ausrüstung
des Jägers in Tropengegenden wie im Hochgebirge, für die Auswahl der dort
nötigen Waffen etc. und werden dem Weltreisenden, der sich der Jagd in
fremden Ländern zu widmen gedenkt, willkommen sein.


Dr. v. Wissmann.

[]

INHALT.


  • Flusspferd 1
  • Leopard 13
  • Giraffen 21
  • Der Hirsch des Altai 29
  • Straussen 35
  • Nashornjagd 43
  • Jagden in Indien 49
  • Jagd auf Elenantilopen in Südafrika 55
  • Ein Tag in den Steppen des Kilima Ndjaro 61
  • Gazellen und kleine Antilopen 67
  • Ein Jagdtag am Elefant-Marsh 79
  • Jagd auf den Katschgoar 85
  • Das Wildschwein 93
  • Büffeljagd 99
  • Krokodile, Schlangen und anderes Ungeziefer der Wildnis 103
  • Auf Antilopen in den Steppen Asiens 113
  • Jagd auf das Gnu 119
  • Grosse Antilopen 123
  • Zebra-Jagd 137
  • Afrikanische Elefanten 143
  • Steinböcke 151
  • Das Nilgai und ein Jagdfrevel in Indien 159
  • Waffenausrüstung des Jägers 167
  • Ratschläge zum Jagen in der Wildnis 174


[]

Verzeichnis der 28 Vollbilder.


  • Flusspferde auf einer Sandbank.
  • Erlegtes Flusspferd.
  • Im Mondschein.
  • Leopard und Pavian.
  • Giraffenherde.
  • Aesende Giraffen.
  • Maralhirsche.
  • Flüchtiger Strauss.
  • Erlegte Straussenhenne.
  • Hirschziegenantilopen.
  • Jagd auf Sambarwild.
  • Elenantilope.
  • Amodorcas clarkei.
  • Von wilden Hunden gehetzte Springböcke.
  • Palla-Gazelle.
  • Löwen am Riss.
  • Warzenschwein.
  • Büffel, Feind suchend.
  • Krokodil.
  • Kämpfende Gnus.
  • Rappenantilope.
  • Kuduantilope.
  • Sichernder Zebrahengst.
  • Flüchtige Zebras.
  • Kämpfende Zebrahengste.
  • Afrikanische Elefanten.
  • Steinbock.
  • Nilgai.

[[1]]

Flusspferd.

[figure]


Mit keiner Art des afrikanischen Wildes
bin ich so vertraut, wie mit dem „Weissbier-
Spiesser“ unter den vierfüssigen Bewohnern der
afrikanischen Wildnis, dem Flusspferd. Die fette
Behaglichkeit, das grosse M—undwerk, der Leibes-
umfang, das feuchte Dasein, die Freude an der Gesellig-
keit, alles hat es mit der Species Civis albocerevisiacus
berolinensis Lin. gemein, und hieran mag es auch liegen, dass
ich mich zu diesem, heimische Erinnerung weckenden Wilde so
sehr hingezogen gefühlt habe.


Kaum hat ein anderer so viel Gelegenheit gehabt, in so ver-
schiedenen Gegenden diese Ueberreste einer riesigen, vorzeitlichen
Tierwelt zu studieren.


Ihrem Benehmen nach zerfallen für mich die Hippopotamen in zwei
Kategorieen; die eine lebt dort, wo der Weisse schon jagte oder der
Neger Feuerwaffen hat, die andere, wo dies nicht der Fall.


Hier ist das Tier ein harmloses, ruhiges, nur seinem Bauch und
seiner Liebe lebendes Geschöpf, furchtlos, weil es keinen Feind kennt, und
ungefährlich, weil es mit keinem Wesen den Kampf ums Dasein aufzu-
nehmen hat, und infolge davon ist es natürlich ziemlich stumpfsinnig, unvorsichtig, ja
dummdreist.


Der Eingeborene, der nur über Bogen und Speer als Waffen verfügt, kann dem
Flusspferde nur mit Fallen beikommen. Hier und da versucht er es auch mit Harpunen;
aber das ist selten. Deshalb kennt das Flusspferd den Menschen als Feind nicht und
behandelt ihn indifferent.


Die andere Kategorie ist je nach ihren schlimmen Erfahrungen, die sie mit dem
Menschen gemacht hat, mehr oder weniger zornig, ja boshaft und dann durch seine
Masse und Gewandtheit in seinem Element gefährlich.


v. Wissmann.
[2]Flusspferd.

Ich habe Flusspferde beobachtet in einem grossen Teil des Congo-Gebietes,
hauptsächlich im Kassai mit seinen Nebenflüssen, in fast allen Flüssen, die in den indischen
Ocean münden, im Gebiete des Tanganika-, Nyassa- und Rikwa-Sees und des Zambesi,
also in dem bei weitem grössten Teile ihres Verbreitungsgebietes überhaupt. Ich habe
Rudel — dieser Name kommt mir für das Riesentier eigentlich etwas komisch vor —
bis zu achtzig Stück genau beobachtet, ich habe an manchem Tage mehr als fünfhundert
in Flüssen, in Seen, Teichen, ja Wasserlöchern, in Sümpfen und auch im Meere in der
Nähe der Flussmündungen gesehen, und selbst gegen fünfzig — fast nur alte Bullen —
erlegt, allerdings in einem Zeitraum von fünfzehn Jahren. Wenn ich vom Flusspferd
spreche, verstehe ich darunter immer nur die grosse Art und sehe von dem Zwerg-
flusspferd ab, welches sich nur in einem kleinen, aber durch sein Vorkommen, wie
durch das des Gorilla und des grössten Schimpansen äusserst interessanten Gebiete, der
Nordwestecke des tropischen Afrika, aufhält.


Im Jahre 1881 sah ich die ersten Flusspferdspuren an den südlichen Nebenflüssen
des Congo und die ersten Tiere selbst im Tschikapa-Fluss.


Als ich mich dann monatelang an den Ufern des Lulua bei einem Volke aufhielt,
das in mir den ersten Europäer bewunderte, verhalf mir das Flusspferd zu einem
bedeutenden Ansehen.


Es waren zu dem Baluba-Volke schon Händler aus afrikanischen Küstenstämmen
gedrungen, die ihm die ersten Steinschlossgewehre gebracht hatten. Diese „Kioque“
galten den Baluba bis dahin als die vornehmsten Kulturträger und, mit der neuen Waffe
in Händen, als die mächtigsten Neger. Diesen war mein Erscheinen bei den Baluba
sehr unangenehm, sie fürchteten in mir den Konkurrenten im Elfenbein-Handel und
suchten meinen Einfluss dadurch zu untergraben, dass sie den Baluba sagten, wir
Weissen hätten nur solche Gewehre, mit denen man nur nach Bäumen schiessen könne;
denn mit Schüssen auf Baumstämme hatte ich den Baluba oft die Treffsicherheit unserer
Waffen im Vergleich zu denen der Kioque bewiesen.


Da schoss ich eines Tages das erste Flusspferd und gab allen benachbarten
Dörfern eine grosse Schmauserei. Fleisch ist für den Neger überhaupt, für die Baluba
aber ganz besonders eine Delikatesse.


Die Verteilung des Fleisches ging nicht ohne Messerstiche und Verwundungen
ab, und von meiner Seite nicht ohne sehr ausgiebige Stockprügel, denn ich musste die
von mir eingeladenen Gäste mit Gewalt abhalten, sich des ganzen Fleisches zu bemäch-
tigen und meinen eigenen Leuten ihren Anteil sichern. „Freundlicher Gastgeber“!


Was meine Büchse geleistet hatte, ein solches Riesentier mit einem Schuss
zu töten, das konnten die Kioque mit ihren langen, schön verzierten, mit Amuletten
behängten Flinten nicht!


Dieser erste Schuss auf ein Flusspferd war für mich von grossem Vorteil, denn diese
„Heldenthat“ verbreitete sich mit der der Wichtigkeit entsprechenden Eile weit umher und
gewann mir viele Freunde bei einem Stamm, von dessen Stellung zu mir viel abhing.


Der Nutzen der Flusspferdjagd ist ein vielfacher. Das Fleisch des Dickhäuters
wird gerne gegessen und liegt im Geschmacke zwischen Rind- und Schweinefleisch.
Die Haut wird zu den bekannten Flusspferdpeitschen oder sehr schönen Stöcken ver-
arbeitet, in neuerer Zeit aber mit sehr hohen Preisen bezahlt, da man sie zu Schwung-
[3]
Flusspferd.
riemen, wie man solche früher aus der Haut des jetzt immer seltener werdenden Wal-
rosses angefertigt hat, benutzt.


Die Zähne werden, da sie sehr hart und spröde sind, geringer als Elfenbein
bezahlt, und heute meistens zu Bilderrahmen, Stockkrücken u. s. w. verarbeitet.


Das Bauchfett des Tieres, das Feist, ist sehr wohlschmeckend, hält sich lange
frisch und hat mir in Afrika bei allen meinen Reisen das Fett für die Küche ersetzt.
Es ist auch gut zum Einfetten der Waffen.


Die Lebensweise der Flusspferde ist eine ihrem, vom Wasser abhängenden,
beschränkten Aufenthaltsort entsprechende, einförmige, ruhige. Sie treten abends auf
tief ausgetretenen Wechseln, die manchmal so steil sind, dass man sich wundert, wie
die plumpen Geschöpfe sie ersteigen können, ans Land und beginnen ihre verwüstende
Aesung in Gras, Schilf und Binsen der Ufergebiete. Sie nehmen auch alle im Wasser
wachsenden Pflanzen an und lieben besonders die saftigen, dickstieligen und gross-
blättrigen Sumpfkräuter.


Wo Urwald an die Ufer tritt, findet man nie Flusspferdwechsel, denn im Ur-
wald wächst auf den faulenden Blättern und Stämmen kein Gras und im Boden
bricht das Flusspferd nicht, was, wenn man die hierzu geeigneten Zähne betrachtet,
wunderbar erscheinen muss.


In mondhellen Nächten bleibt unser Wild die ganze Nacht äsend am Ufer, in
dunklen steht es dort nur abends und morgens, und in ganz stillen Gegenden, wo die
Eingeborenen keine Gewehre besitzen, tritt es auch hie und da bei Tage auf Aesung, wie
ich das in den weiten, menschenleeren Wasserwildnissen des Kassai beobachtet habe.


Den Tag über liegt das „Behemot“ im Wasser, am liebsten an flachen Stellen,
wo es auf dem Grunde ruht und nur Augen und Nase über dem Wasserspiegel hat.
Ab und zu geht es dann an tiefere Stellen, schwimmt hier gemütlich hin und her,
taucht, kommt wieder an die Oberfläche und stösst mit dem lange unter Wasser
angehaltenen Atem Wasserstaub in die Höhe. Das Ausblasen der Luft aus den
mächtigen Lungen ist weit zu hören.


Das Einziehen frischer Luft geschieht schnell, dann schliessen sich die Nüstern
und das Tier verschwindet wieder unter Wasser.


Sehr gerne geht das Flusspferd auf Inseln, Sandbänke oder an ruhige Stellen
des Ufers, um sich zu sonnen und zu spielen oder in der Brunftzeit zu kämpfen.


Während man den mächtigen Generalbass, den man in stillen Nächten meilen-
weit hören kann, das ganze Jahr hindurch ab und zu vernimmt, einen Ton, der wie
aus einer riesigen Tonne hervorkommend, an Mächtigkeit alle Stimmen der Wildnis,
selbst das Gebrüll des Löwen übertönt, hört man in der Brunftzeit, wenn die Bullen
kämpfen, häufig einen Ton in solcher Höhe, dass er an ein vielfach verstärktes Quietschen
der Schweine erinnert.


Die kämpfenden männlichen Tiere drängen sich gegen einander, schieben sich,
stossen sich in die Seiten, rennen in kurzem, plumpem Galopp, aber doch mit einer an
das Schwein erinnernden Schnelligkeit der Bewegungen, um einander her und fallen,
wenn der Kampf ernst wird, von oben auf den Gegner herab, ihn mit den langen
Zähnen bearbeitend.


Jeder alte Bulle hat gewaltige Narben von solchen Kämpfen aufzuweisen.


1*
[4]Flusspferd.

Die Flusspferde zerkleinern und verstreuen ihre Losung, und zwar meistens im
Wasser, durch ganz schnelles Hin- und Herschlagen des kurzen Schwanzes, so dass
man von ihnen niemals Haufen von Losung wie von anderem Grosswilde findet.


Feinde, ausser dem Menschen, haben sie nicht, wenn man von Schmarotzern absieht,
durch die sie viel zu leiden haben. Die Haut ist häufig durchbohrt und durchfressen. In
dem mächtigen, hellroten Maul findet man Würmer und Egel; ja auch die inneren Teile
edler Organe werden von Schmarotzern angegriffen.


Unsere Riesentiere unterliegen auch verheerenden Krankheiten. Ich habe an der
Mündung des Kassai in den Congo an einer Pest verendete Flusspferde einst täglich in
grosser Anzahl abwärts treiben sehen.


Man kann das Flusspferd auf verschiedene Weise jagen. Die für den Jäger
sicherste, aber, ich möchte sagen, am wenigsten würdige, ist die, die Tiere vom Ufer aus
„tot zu schiessen“ und abzuwarten, bis das vielleicht nach vielen Schüssen endlich zu
Tode getroffene Tier an die Oberfläche kommt. Dies geschieht, je nachdem morgens
oder abends der Leib noch mehr oder weniger voll von bei Nacht genommener Aesung
ist, früher oder später; jedoch dauert es nie länger als 2 Stunden, bis die im Leibe
sich entwickelnden Gase den gewaltigen Körper an die Oberfläche bringen.


Diese Jagd entbehrt natürlich ganz des Reizes der Gefahr und ist von mir und
meinen Begleitern auch nur betrieben worden, wenn wir Fleisch nötig hatten und uns
Fahrzeuge fehlten, um das Tier in seinem eigenen Element angreifen zu können.


Die zweite Art, die ritterlichere, besteht darin, dass man in einem Kahn, gewöhnlich
einem kleinen Kanoe, in dem man nur Platz zum Sitzen hat, das Flusspferd in seinem
Element aufsucht und ihm nahe auf den Leib rückt, um ihm mit möglichst grosser
Sicherheit den einzig tödlichen Schuss ins Gehirn zu geben.


Hier hat auch das Wild eine Chance; es kann, und thut dies oft, das Boot
annehmen, oder sich durch Tauchen und Unter-Wasser-Schwimmen dem Auge des Jägers
entziehen. An verborgenen Stellen unter überhängenden Bäumen und Gebüsch oder in
Wasserpflanzen nimmt es dann frische Luft ein.


Da wo die Tiere schon von der Feuerwaffe gelitten haben, ist diese Jagd oft
gefährlich. Ich wurde, als ich einst am Stanleypool mitten in eine Herde hie und da
auftauchender Flusspferde hineinfuhr, von meinen europäischen Begleitern beschworen,
zurückzubleiben, denn hier waren schon mehrfach von den Riesengeschöpfen Boote an-
genommen und zertrümmert oder zum Kentern gebracht worden.


An einem Küstenorte Westafrikas, nur wenig nördlich der Congomündung, machten
einst drei englische Offiziere und ein Pflanzer in einem Boot Jagd auf ein Flusspferd,
das mit seinem Jungen vor der Mündung des Flusses in der See lag. Die Alte wurde
krank geschossen, nahm das Boot an und brachte dasselbe, obgleich es ziemlich schwer
war, dadurch zum Kentern, dass sie sich mit ihrem ganzen Gewicht auf den einen
Bordrand warf. Die vier ins Wasser geschleuderten Jäger suchten sich schwimmend zu
retten, jedoch nur einem, der in grauen Stoff gekleidet war, gelang dies; die drei in
Weiss gekleideten Offiziere wurden trotz Tauchens nacheinander von der erbosten Mutter
aufgefunden und durch Bisse vollständig zermalmt.


Hie und da begnügen sich die gereizten Tiere auch damit, das Boot zu zer-
beissen und umzuwerfen, wie dies im Schire-Fluss häufig vorgekommen ist.


[]
Figure 1. Flusspferde auf einer Sandbank.

[5]Flusspferd.

Die dritte Art der Jagd betreibt man durch Anstand bei den einigermassen
regelmässigen Wechseln im Mondschein. Selten treten die Flusspferde vor Eintreten der
Nacht ans Ufer auf Aesung, und da ein guter Blattschuss selbst mit einer schweren
Elefantenbüchse wohl kaum den Erfolg hat, das mächtige Wild sofort zu fällen und ein
Schuss ins Gehirn bei Mondlicht eine zweifelhafte Sache ist, so hat diese Jagd wegen
der Nähe des bergenden Wassers nicht viel Aussicht auf Erfolg.


Ich will nicht behaupten, dass das auf dem Lande angeschossene Flusspferd
immer den Jäger annimmt, sondern glaube, dass es sich für gewöhnlich dem bergenden
Element zuwendet. Steht aber der Jäger zwischen dem vergrämten oder krank-
geschossenen Tiere und seinem Zufluchtsort, dann wird er sicher angenommen, oder
wenigstens überrannt werden.


Auf den Fang endlich in Fallen und mit Harpunen komme ich später zurück.


Im Jahre 1882 schoss ich einmal im Lulua einen starken Bullen, der nach dem
Schuss ohne jede Bewegung und ohne jeden Ton ganz ruhig herabsank, was erfahrungs-
gemäss nur geschieht, wenn die Zerstörung des Gehirns eine ganz bedeutende ist. Nach
zwei Stunden trieb der an die Oberfläche gekommene Körper stromabwärts und ich
folgte am Ufer in der Hoffnung, ihn irgendwo antreiben zu sehen. Dies geschah dann
auch, aber an einer Stelle, die schwierig zu erreichen war.


Mitten im Strom, am oberen Rande eines kleinen Katarakts von etwa vier Fuss
Gefälle, war der schiefergraue Riesenleib auf einem aus dem schäumenden Wasser
ragenden Fels festgetrieben. Nach langem Bitten und vielerlei Versprechungen über-
redete ich einen Muluba, mit mir in einem kleinen Kanoe hinüberzurudern und das Tier
vom Felsen loszuarbeiten, damit es weiter stromabwärts an einer zum Bergen geeigneten
Stelle ans Ufer triebe. Zu diesem Zwecke mussten wir ein gutes Stück aufwärts rudern,
damit uns der starke Strom nicht an der Stelle vorbeireissen konnte und wir dirigierten
dann das Kanoe so, dass es mit einem starken Stoss auf das angetriebene Flusspferd
auffuhr und — — umschlug. Hierbei kamen wir zwar auf die Beine, standen aber bis
an den Gurt im schäumenden Wasser. Weil wir fürchteten, von der starken Strömung
fortgerissen zu werden, kletterten wir auf den Leib des Flusspferdes und es gelang uns,
das kleine, leichte Kanoe, welches unterhalb im schäumenden Wasser trieb, festzuhalten.


Der Stoss des Nachens hatte bewirkt, dass meine Jagdbeute sich auf dem Felsen
etwas gelockert hatte und sie fing jetzt so bedenklich an zu schwanken, dass wir uns,
fortwährend hin- und herbalancierend, nur mit grosser Anstrengung oben halten konnten
und das Kanoe loslassen mussten.


Der Lulua ist hier sehr reich an Krokodilen und der Strom war unterhalb der
Stelle, auf der wir auf dem Flusspferde ritten, tief. Der Schweiss oder vielleicht auch
die Witterung des verendeten Tieres zog bald die scheusslichen Echsen heran und hie
und da tauchten unterhalb unseres nicht gerade sehr gemütlichen Standortes die Augen
und Nasenlöcher der Krokodile auf, und ein gewiss 6 Meter langes Tier zeigte sich
sogar mehrfach fast in seiner ganzen Länge.


Am Ufer hatte sich allmählich die ganze Dorfbevölkerung versammelt, und unser
gewiss komisch wirkendes Hin- und Herbalancieren auf dem rollenden Leibe des Fluss-
pferdes rief ein, beim Neger so leicht erregtes, jubelndes Gelächter hervor. Man schrie,
lief hin und her, traf aber keine Anstalten, um uns aus der gewiss nicht beneidenswerten
[6]Flusspferd.
Lage zu erlösen, von der man sich gar keine Vorstellung zu machen schien. Lange
konnte das Flusspferd, das immer bedenklicher schwankte, nicht mehr liegen bleiben
und mit ihm wären auch wir in die tiefe Flusserweiterung mit ihrer unheimlichen Be-
völkerung hinabgespült worden.


Wohl eine halbe Stunde dauerte bereits unser Balancieren in der vollen prallen
Mittags-Sonnenhitze des tropischen Sommers, und meine Kleider waren schon vollständig
nach dem unfreiwilligen Bade getrocknet, da endlich erschien mein Freund, der Häuptling
Tschingenge, mit seinem Staats-Kanoe, das mit sechs oder acht Mann bemannt, sich uns
schnell näherte. Den Stern des Bootes flussabwärts gewendet, liess man sich, gegen den
Strom rudernd, an uns herantreiben. Es war aber auch die höchste Zeit, dass wir von
der Bemannung an Bord gezogen wurden, denn der kleine Stoss des Kanoes genügte,
das Flusspferd, das jetzt von unserer Last befreit war, vom Steine loszumachen; es
rollte den kleinen Wasserfall hinab und trieb flussabwärts.


Als ich später das an einem in den Fluss gestürzten Baum angetriebene Tier
fand und zerlegt hatte, bedurften wir zweier Kanoes, um den riesigen Kopf desselben,
der am äussersten Wirbel abgeschärft war, an unser Ufer zu bringen, und acht Mann
waren nötig, um ihn an starken Stangen nach der Station Luluaburg zu tragen,
wo der Schädel vielleicht heute noch über dem Stationshause als seltener Schmuck zu
sehen ist.


Es war fraglos dieses Flusspferd eines der grössten, das ich je gesehen habe,
und sein Kopf war so massig, dass man, auf ihm sitzend, mit den Füssen den Boden
nicht erreichte.


Der riesige Schädel hat in seinen massigen, urwüchsigen Formen etwas, ich
möchte sagen, Monumentales, ja geradezu etwas grossartig Ernstes, was jedem Jäger
oder sonstigen Beschauer auffällt.


Am meisten Gelegenheit zu Beobachtungen des Hippo, wie es der Engländer
nennt, hatten wir, als ich, den Lauf des Kassai erforschend, mit einer Karawane abwärts
fuhr, die aus zwanzig bemannten Kanoes und meinem zerlegbaren Stahlboot bestand.
So lange ich zwischen Urwaldufern dahinfuhr, war alles ringsum still und tot, nur
Schwärme von Papageien unterbrachen hier und da die Stille des Urwaldes, die auch
über dem Fluss lagerte. Sobald aber die Ufer freier wurden, und mit Gras bewachsene
oder gar sumpfige Inseln und Sandbänke auftauchten, glitten wir unausgesetzt bei unsere
Flottille anstaunenden Riesenhäuptern vorüber.


Eines Nachts — wir hatten das Lager dicht am Ufer aufgeschlagen und alles
lag in tiefer Ruhe — entstand ein furchtbarer Lärm. Alles schrie, stürzte durchein-
ander, einige Schüsse fielen und ich glaubte schon, wir wären von den Eingeborenen
überfallen und diese ins Lager eingedrungen, als sich der Lärm wieder legte und in leb-
haftes Schwatzen und Lachen überging.


Ein Flusspferd hatte seinen gewöhnlichen Wechsel zum Wasser von uns besetzt
gefunden, wir hatten ihm aber so wenig imponiert, dass es seinen Weg mitten durchs
Lager nahm, einige Hütten umrannte und durch sein Erscheinen natürlich einen grossen
Aufruhr verursachte. Durch das wüste Geschrei erschreckt, war es dann in schneller
Flucht, die noch durch einige nach ihm geworfene Feuerbrände beschleunigt wurde,
bald im schützenden Flusse verschwunden.


[7]Flusspferd.

Häufig wurden wir auf Inseln oder am Ufer, wenn wir zufällig in der Nähe von
Flusspferdpässen nächtigten, derartig von den Riesentieren belagert und herausfordernd
angebrüllt, dass wir die ganze Nacht hindurch Leute mit Gewehren aufstellen mussten,
um die frechen Dickhäuter vom Einbrechen ins Lager abzuwehren.


Lange Zeit schwammen sie dann unruhig brüllend und schnaubend dicht vor
uns hin und her, traten halb aus dem Wasser heraus und kamen bis dicht an das Lager
heran, bis sie, mit Schiessen und Schreien begrüsst, sich doch endlich wieder zurückzogen.


Als ich einst mit meinem Stahlboot, mit welchem ich meiner Kanoeflottille stets
vorausfuhr, in einen schmalen Flussarm eingebogen war, fand ich ihn ganz von Fluss-
pferden versperrt. In dem höchstens vierzig Meter breiten Arme waren einige fünfzig
Flusspferde so dicht Kopf an Kopf gedrängt, dass an ein Passieren, ohne mit den
Tieren in Rempelei zu kommen, kaum zu denken war. Mitten auf dem Flusse zu fahren,
war also unmöglich, da aber das Wasser bis dicht ans Ufer eine genügende Tiefe hatte
und die Wurzeln der am Rande des Wassers stehenden Bäume aus der abgestürzten
Uferwand herausragten, so konnten wir ein Fahrzeug nach dem andern an den Wurzeln
dicht am Lande langsam vorwärts ziehen, bis wir die erregte Herde der Dickhäuter
hinter uns hatten. Bei dieser ungemütlichen Fahrt tauchten die riesigen Schädel auf
eine Entfernung von den Booten und Kanoes auf, dass wir sie mit den Paddeln hätten
erreichen können. Dann schlug auch wohl ein Tier, über die Störung beunruhigt,
einige Purzelbäume im Wasser, so dass die hierdurch erzeugten Wellen unsere kleinen
Kanoes fast zum Kentern brachten.


Jedes Kanoe führte ein Europäer, der nach meinem Beispiele mit der schwersten
Büchse so sass, dass er sie einem etwaigen Angreifer direkt ins Gesicht hätte abfeuern
können. Aber die Flusspferde gefährdeten uns nicht ernstlich und begnügten sich mit
unruhigem Hin- und Herschwimmen, Tauchen und Brüllen. Sicher waren sie noch nie
in Berührung mit Feuerwaffen gekommen, sonst hätte uns die Fahrt gewiss einige Ver-
luste gekostet.


Wenn ich des Abends beim Lager am Ufer auf und ab ging und einen der
Dickhäuter beim Auswechseln störte, war ich oft darüber nicht klar, ob der Riese mich
annehmen wollte. In der Dunkelheit kam ich häufig bis auf einige Meter an die Kolosse
heran; die Begegnung endete aber meistens mit einem heftigen Schnauben, einer kurzen
Drehung und dem Verschwinden des Tieres nach dem Wasser zu.


Im sumpfigen Boden, wo die schweren Läufe des Flusspferdes spannentief
eindrangen, klang das Trollen, als wenn ein Mensch in zu grossen schweren Stiefeln
davon liefe.


Nicht immer waren allerdings die Begegnungen so harmlos. Als mich einst am
Lomami-Flusse die Flusspferde in einer Vollmond-Nacht garnicht schlafen lassen wollten,
sondern durch einen Mordsspektakel das ganze Lager wach erhielten, machte ich mich
mit der Elefantenbüchse auf, um uns Ruhe und Fleisch zu verschaffen. Es war
Mitternacht und fast tageshell. Die grunzenden, schnaubenden und brüllenden Kolosse
schienen vom Mond beleuchtet ganz weiss. In einem trocken liegenden, fast mannstiefen
Graben kam ich dicht heran, ja mitten ins Rudel hinein und schoss auf 20 m einen
starken Kerl, der sich am wüstesten benahm, mit der Elefantenbüchse, 8 Bohr, aufs
Blatt. Sofort kam er mit durchdringendem Geschrei klagend, vorne nieder, war aber
[8]Flusspferd.
bald wieder hoch und zog nun direkt auf die Stelle zu, wo ich mich in den Graben
duckte. Am Rande des Steilabfalls verhielt das Tier, vor Wut schnaubend und seinen
Feind suchend, während andere Stücke der Herde von allen Seiten neugierig herbei-
kamen. Ich stand in kaum 4 m Entfernung, die Büchse am Kopf, unter dem erbosten,
Massen von Schweiss um sich werfenden Bullen und feuerte unter das Ohr, als er mir,
nach der entgegengesetzten Seite suchend, schräg die rechte Seite des Hauptes zeigte.
Langsam sank der Koloss zusammen und rollte verendend in den Graben. Das schwere
Geschoss war von unten her in das Gehirn gedrungen.


Als ich sicher war, dass mein Schuss genügt hatte, lugte ich vorsichtig über den
Grabenrand und gewahrte, dass 4–6 Flusspferde misstrauisch herankamen, um das Schicksal
ihres Kameraden festzustellen. Ich schlich mich im Graben seitwärts, um das Benehmen
des Wildes weiter zu beobachten. Leider aber kamen meine Leute, die die Schüsse gehört
hatten, schreiend aus dem Lager angelaufen und vertrieben die Dickhäuter, die erst stutzten,
dann unruhig durcheinander trollten und endlich nach dem Flusse zu sich drückten.


Zweimal wurden Kanoes meiner Kameraden in die Höhe geworfen, eines davon
kenterte und einer der beiden Leute flog durch den Stoss von unten aus dem Fahrzeug
heraus und dem Flusspferde, welches sich davonmachte, direkt auf den Rücken. Mit
Entsetzen trennten sich Reiter und Reittier, die gegen ihren Willen vereinigt waren.


Auf meiner ersten Reise, bevor ich noch Respekt vor Krokodilen bekommen
hatte und täglich im Lulua umherschwamm und tauchte, fand ich mich ganz
plötzlich, aus dem Wasser auftauchend, dem Riesenschädel eines Flusspferdes auf wenige
Meter gegenüber. Mit einem aus Schreck hervorgestossenen, scharfen Prusten ver-
schwand jedoch das Ungeheuer alsbald wieder unter dem Wasserspiegel, aber auch ich
tauchte unter und schwamm so schnell als möglich dem Ufer zu.


Mehrfach bin ich mit dem ersten Dampfer, mit dem ich den eben erforschten
Kassai aufwärts ging, über Flusspferde hingefahren, so dass das ganze Boot in rollende
und springende Bewegungen geriet. Das Flusspferd, welches wie die Walze einer
Wäscherolle von uns übergerollt war, schwamm wie es schien, durchaus gesund und
unverletzt in mächtigen Sätzen im Wasser davon.


Dasselbe Boot wurde öfter von Flusspferden angegriffen, und einmal wurden ihm
sogar beide Stoss-Zähne tief in den Rumpf hineingerannt. Es verging kein Tag ohne
irgendwelches interessante Erlebnis mit den mächtigen Bewohnern des Flusses.


Am hellen Tage war ich einst an einer sumpfigen Stelle des Nyassa-Sees ans
Land gegangen, um das etwas höher und zurückliegende Ufer zu erreichen. Dies
wäre kaum möglich gewesen, wenn nicht die Flusspferde sich durch die riesigen Sumpf-
gewächse Tunnels hindurchgebrochen hätten, die oben und an den Seiten aus fast
undurchdringlichen Schilf- und anderen Sumpfpflanzen bestanden. In einem solchen
‚Wechsel“ ging ich bis an den Bauch im Wasser, als ich plötzlich an einer Biegung
auf 10 Schritt einem Flusspferde gegenüberstand, das mich ganz erstaunt anglotzte.
An Ausweichen war nicht zu denken und wenn ich geschossen hätte, würde mich das
sehr starke, alte Tier wahrscheinlich angenommen haben. Kurz entschlossen riss ich
mein Taschentuch heraus und schwenkte es schreiend dem gewaltigen Dickhäuter entgegen,
der auch wirklich sofort erschreckt, aus den Nüstern wie eine Dampfmaschine blasend,
herumfuhr und sich einen neuen Pass seitwärts im Sumpf-Dickicht brach.


[]
Figure 2. Erlegtes Flusspferd.

[9]Flusspferd.

Häufig beobachtete ich auch Flusspferde vor den Mündungen der Flüsse zwischen
den Korallenbänken der Küste Ostafrikas. Sie schienen sich im Salzwasser eben so
wohl zu fühlen, wie in den Flüssen. Auch in den mit Mangrovebäumen bestandenen
Deltabildungen afrikanischer Flüsse sind sie heimisch.


Am Zambesi wohnte ich einst einer Jagd der Eingeborenen mit Harpunen bei.
Zwei Kanoes mit je drei Mann, von denen einer hinten das Kanoe lenkte, der zweite
mit der Harpune und der dritte mit leichteren Wurfspeeren bewaffnet war, fuhren in
ein Rudel von auf- und abtauchenden Flusspferden hinein. Sobald eines der mächtigen
Häupter auftauchte, flogen die Harpunen, hefteten sich im Genick fest und die Leine
wurde gelockert. Sofort verschwand der Koloss und versuchte zunächst, sich durch
Ueberschlagen und schnelles Schwimmen des Geschosses zu entledigen. Hierbei kam
er mehrfach an die Oberfläche und riss das Kanoe einige Male so scharf herum, dass
alle Gewandtheit des Steuermanns dazu gehörte, es in die Richtung zu bringen und
vor dem Kentern zu bewahren. Die übrigen Stücke des Rudels flüchteten, von einem
Kanoe verfolgt, stromaufwärts. Nachdem das „angeschossene“ Tier sich durch Toben
etwas ermüdet hatte, wurde die Leine mehr und mehr eingeholt. Das Flusspferd,
das anfangs, um Atem zu holen, nur in sehr langen Zwischenräumen über Wasser
erschien, wurde wohl mehr durch das lange Verbleiben unter Wasser, ohne zu atmen,
als durch den geringen Blutverlust geschwächt und war gezwungen, je länger die Zeit vom
Harpunieren andauerte, in um so kürzeren Zwischenräumen wieder in die Höhe zu kommen.


Jetzt standen beide Jäger, bewaffnet mit kleineren Wurfspeeren, bereit und
jedesmal, wenn der ermattete Dickhäuter an die Oberfläche kam, flogen zwei Speere
nach ihm hin und vergruben sich in seinen Körper, der auch anfing, sehr viel Schweiss
zu verlieren. Dieses grausame Spiel dauerte über eine Stunde, während welcher Zeit
die Kraft des Flusspferdes immer mehr abnahm. Endlich konnte es kaum noch, wenn
es Atem geholt hatte, unter Wasser kommen und jetzt fuhr das Kanoe dicht heran und
der Harpunier stiess dem kraftlos gewordenen Tiere einen schweren, mit haarscharfem
Eisen bewehrten Speer, so oft es ging, tief in den Nacken und in die Schultern und
warf ihm, bevor es verendend untersank, geschickt eine Schlinge über den Kopf. Dann
ruderten die Jäger ans Ufer und zogen mit Leichtigkeit das mächtige Wild ans Land
und mit Hilfe der schon wartenden Eingeborenen zum Zerlegen ganz aufs Ufer.


Ich war erstaunt, dass der gequälte Riese nicht ein einziges Mal einen Versuch
machte, sich seiner Feinde durch einen Angriff zu entledigen, hörte aber, dass die
Harpuniere, lange bevor sie ihre Jagd beginnen, den Trupp beobachten und sich nur
solche Tiere aussuchen, die nicht böse sind, also vielleicht junge weibliche oder Kälber.
Diese Leute waren aus einem entfernten Stamm und machten sich lediglich durch
Flusspferdjagd einen für ihre Verhältnisse bedeutenden Verdienst.


Mehrere Reisende haben von den sinnreichen Fallen berichtet, die der Ein-
geborene dem „Behemot“ stellt. Fallgruben, in denen sich das hineinstürzende Tier an
den Schultern und Hüften einklemmt, werden im Wechsel gegraben und vorsichtig
verdeckt. Ferner bringt man über den hohlwegartig ausgetretenen Wechseln am Ufer
schwere Baumklötze mit starker Eisenspitze, die Widerhaken hat, derart an, dass, wenn
der Dickhäuter eine über den Wechsel gespannte Schnur berührt, der bewehrte Klotz
herabstürzt und sich die Spitze in das Genick vergräbt.


v. Wissmann. 2
[10]Flusspferd.

Der Schirefluss, zur Zeit noch der einzige Verbindungsweg vom englischen
Nyassa-Land zur Küste, war in den Jahren, als ich unseren ersten Dampfer nach
dem Nyassa-See brachte, derartig von bösen Flusspferden unsicher gemacht, dass sich
die Regierung gezwungen sah, die Tiere zu vernichten.


Meine Fahrzeuge wurden häufig angegriffen, waren aber sämtlich zu gross und
zu schwer, um gekentert werden zu können. Oft aber verfolgten uns wütende Fluss-
pferde brüllend und tobend lange Strecken.


Ein englischer Jagdreisender, der mit einem mit Jagdtrophäen und Sammlungen
voll beladenen Fahrzeuge aus dem Innern zurückkommend, nach der Küste ging, wurde
seiner ganzen Habe durch ein Flusspferd beraubt, welches das grosse Boot zerbrach
und zum Kentern brachte, und er selbst und seine Leute konnten kaum das nackte
Leben vor dem erbosten Angreifer retten.


Woher kam es, dass hier und an einigen anderen Stellen, wo ich Aehnliches
beobachtete, die Flusspferde so ganz ihre friedliche Ruhe, die sie sonst zeigen, verloren
haben? Hatte ich doch im Innern häufig gesehen, dass Eingeborene ihre Netze auf
Sandbänken trockneten, auf denen ringsum sie her ruhende Flusspferde lagen. Die
Fischer bewegten sich furchtlos auf zwanzig Meter Entfernung von denselben und diese
nahmen von den Menschen gar keine Notiz.


Der Grund liegt — ich habe keinen andern Ausdruck — in Aasjägerei. Fast
jeder Europäer und viele Eingeborene knallen zum Zeitvertreib auf jeden der unschuldigen
Dickhäuter, wenn er auch nur einen kleinen Teil des Kopfes über Wasser zeigt. Es
ist bei Dampferfahrten auf afrikanischen Flüssen geradezu ein Hauptzeitvertreib, alles was
da kreucht und fleucht, als Scheibe anzusehen. So gut und nützlich dieser Schiesssport
auch gegen Krokodile sein mag, so schädlich und grausam ist das Feuern mit häufig
ganz wirkungslosen Waffen auf die friedlichen Flusspferde.


Nur ein Schuss ins Gehirn tötet dieses Wild, und dann sinkt es entweder,
wenn das ganze Gehirn zerstört ist, langsam unter und kommt erst nach einer bis zwei
Stunden wieder an die Oberfläche, oder es verschwindet und erscheint um sich schlagend
zwei- oder dreimal, gewöhnlich mit den Läufen zuerst, an der Oberfläche, um dann
verendet zu versinken.


Jedes andere Zeichen ist ein Beweis, dass das Tier nicht ins Gehirn, also nicht
tödtlich getroffen ist. Mag es tobend und noch so viel Schweiss um sich werfend,
brüllend und prustend die Wasserfluten aufrühren, mag es sonst zeichnen, wie es will,
wenn es nicht mit den Läufen zuerst an der Oberfläche erscheint, ist es nicht tödtlich
getroffen.


Da auch die Eingeborenen oft versuchen, mit ihren schlechten Waffen Flusspferde
zu töten, die eisernen Kugeln aber aus den glatten Läufen kaum im stande sind, den
Schädel zu durchschlagen und alle anderen Schüsse nicht töten, so kann man sich
denken, wie die friedlichen Flusspferde gequält und gepeinigt werden und bald in jedem
Menschen einen Feind sehen, der ihm schmerzliche Wunden beibringt.


Als ich zum zweiten Male in Centralafrika das Volk der Baluba besuchte, war
zu ihm schon eine Anzahl von Steinschlossflinten gebracht worden. Ich schoss eines
Tages beim Uebersetzen eines Flusses einen starken Flusspferdbullen, der auf nicht
mehr als drei Meter vom Kanoe auftauchte und zu meinem Erstaunen Miene machte,
[]

Figure 3. Im Mondschein.


[11]Flusspferd.
das Kanoe anzunehmen, während ich die Dickhäuter des Lulua früher nur als harmlose
Wesen kennen gelernt hatte.


Als das Tier zwei Stunden nach dem Schuss an die Oberfläche kam, war es
inzwischen Abend geworden und wir konnten gerade noch in der Dunkelheit erkennen,
dass der Körper auf einen, etwa sechzig Schritte vom Ufer liegenden Stein angetrieben
war. Da es zu schwierig gewesen wäre, das ganze Tier herüber zu schaffen, weil ich
nur ein kleines Kanoe zur Stelle hatte, so zerlegten wir das Wild und brachten, so lange
der Mond noch genügend helles Licht verbreitete, die Hälfte des Wildbrets, die vier
Läufe und den Kopf ins Lager und verschoben die Wegschaffung des anderen Teiles
bis zum nächsten Tage.


Am Morgen war aber nichts mehr von dem Flusspferd zu sehen; offenbar hatten
die Krokodile den Rest hinabgerissen.


In dem Teile aber, den ich den Abend vorher schon gesichert hatte, fand ich
nicht weniger als acht eiserne, mehr oder weniger tief unter der Haut sitzende Kugeln,
wie sie die Eingeborenen für ihre Vorderlader hämmern. Einige dieser Geschosse
waren schon eingekapselt, andere hatten hässliche Wunden verursacht. Hier hatten
wir einen unantastbaren Beleg dafür, auf welche Weise das friedfertige Tier zum
gefährlichen Flusspiraten gemacht wird.


So wird das gemütliche, biedere Flusspferd in Gewässern, die schiffbar sind,
leider verschwinden müssen, denn der Mordlust der Menschen ist ja doch nicht in der
Weise zu steuern, dass die Passagiere eines Dampfers abzuhalten wären, auf die armen
Dickhäuter ein Scheibenschiessen zu veranstalten und sie dadurch allmählich bös und
gefährlich zu machen. Mit dem Flusspferd würde aber ein Geschöpf verschwinden,
welches der Wildnis wie kein anderes einen ganz eigentümlichen Reiz verleiht.


Der Beobachter, der die Riesenhäupter über dem Wasser oder die Riesenleiber sich
auf Sandbänken sonnen sieht, fühlt sich in frühere Erdperioden versetzt, in denen die
gigantischen vorgeschichtlichen Wundertiere die Herrschaft über alles Lebendige ausübten.


Welch' ein grosser Anziehungspunkt für jeden zoologischen Garten ist doch das
Flusspferd! Ich entsinne mich noch aus meiner Jugend, mit welchem Erstaunen ich
den bekannten „Hermann“ und seine „Dorothea“ im zoologischen Garten in Amsterdam
angestaunt habe.


Gerade jetzt, wo ich dies schreibe, stehe ich vor einer Aufgabe, in der ich —
so hoffe ich — etwas für die Erhaltung meiner alten, langjährigen Freunde in den
gelben Wässern Afrikas thun kann, nämlich als deutscher Vertreter bei einer inter-
nationalen Konferenz zum Schutze afrikanischen Wildes.


Es finden sich genug abgelegene Sümpfe und Lagunen und Wasserwildnisse,
die noch Jahrhunderte hindurch von der vordringenden Kultur unberührt bleiben werden,
wo das Behemot der Bibel, das in seinem Aeussern und seiner Lebensweise so eigen-
artige Riesentier geschont und erhalten werden kann. Es bedarf nur einer Uferstrecke
mit Graswuchs, Schilf, Binsen, Sumpf- und Wasserpflanzen, um den mächtigen Leib zu
füllen. Nicht gerne wechselt das Flusspferd vom gewöhnlichen Stand.


Aus Geländen, die bebaut werden, muss es, das gebe ich zu, verschwinden,
denn was von dem thorähnlichen grossen Rachen nicht abgerissen wird, wird zermalmt
unter den säulenartigen Läufen, die die gewaltige Last des walzenförmigen Leibes tragen.


2*
[12]Flusspferd.

Aber obwohl in Afrika die Eingeborenen mit ihren Feldern und Gärten
grösstenteils auf die nächste Nähe der Flüsse angewiesen sind, so hört man doch selten
von Verwüstungen durch Flusspferde, sehr viel häufiger von solchen durch Wild-
schweine, am häufigsten durch Affen, was doch wohl beweist, dass das Flusspferd ein
leicht zu verscheuchendes Schadwild ist.


Nicht der Vorteil, den die Jagd auf das Flusspferd bietet, wird in erster Linie
zur Erhaltung des Tieres mitsprechen, sondern das wissenschaftliche Interesse und der
Umstand, dass man mit nur geringem Aufwand ein solches interessantes Werk der
Schöpfung vor völliger Ausrottung zu schützen vermag.


[[13]]

Leopard.

[figure]


Erst nachdem ich vom Jahre 1880 bis 1896 Afrika im Dienste der Wissenschaft
und Politik bereist hatte, unternahm ich Reisen nach Asien und Afrika, deren Zweck in
erster Linie die Jagd war. Ich brauche wohl nicht hervorzuheben, dass mir auf den
früheren Reisen keine jagdlichen Gesichtspunkte den Weg vorschrieben und die Jagd
von mir nur als einziges Vergnügen und gelegentlicher Zeitvertreib, oder auch, um
meine Leute mit Nahrung zu versehen, betrieben werden konnte. Trotzdem bleibt es
mir unerklärlich, dass ich ungleich seltener grosses Raubwild beobachtet habe, als
Jäger, die im Verlauf nur Wochen dauernder Reisen Löwen, Leoparden und anderes
Raubwild in einer Anzahl erlegt haben, die mein Erstaunen erregte.


Ich kenne Jäger, die in wenigen Monaten 5–10 Löwen erlegten. Diese reisten
ausschliesslich zum Zwecke der Jagd und besuchten nur Gebiete, die als wildreich
bekannt und daher auch reich an Löwen waren — vornehmlich das Innere des
Somalilandes.


Seltener als der grössten Katze, dem Herrn der Wildnis, dem Löwen, begegnet
man, trotzdem sie häufiger ist, der schönsten, grimmigsten und gefährlichsten, dem
Leoparden, denn er ist viel schlauer und scheuer als der Löwe, und mehr ein Tier der
Wälder oder besser des koupierten und bedeckten Geländes, während der Löwe als
Jagdgebiet hauptsächlich die weite, offene, wildreiche Steppe liebt.


Meine erste „Leopardenjagd“ war gewiss eine recht sonderliche, denn erstens
war bei derselben überhaupt kein Leopard zugegen und zweitens hätte sie trotzdem sehr
unangenehm ablaufen können.


Ich ging einst ganz zu Anfang meines Reiselebens in Angola morgens früh nur
mit der Doppelflinte bewaffnet aus dem Lager, um einige der zu Tausenden umher-
schwärmenden Tauben für unseren Tisch zu schiessen. Bald kam ich an eine Stelle, die
vor kurzem durch Abbrennen des hohen, trockenen Grases in eine schon frisches junges
[14]Leopard.
Gras treibende Wiese verwandelt war. In der Mitte derselben stand ein dicht belaubter
Baum, dessen Zweige sich, als ich mich näherte, leicht bewegten. Es war windstill und
durch die unerklärliche Bewegung neugierig gemacht, schlich ich mich näher heran und
gewahrte plötzlich zu meiner grössten Ueberraschung durch die dichten Zweige das bunte
Rosenfell eines Leoparden.


Natürlich packte mich sofort die Jagdleidenschaft mit ihrer Allgewalt — aber
was thun? Ich hatte nur eine Schrotflinte bei mir und die stärkste Ladung, die ich in
der Tasche hatte, war Nr. 00. Später bin ich nie ohne einige Rundkugelpatronen oder
Witzlebensche Geschoss-Patronen ausgegangen. Aber auf nahe Entfernung musste auch
diese Ladung für einen Leoparden genügen und es kam nur darauf an, ob mich die
Bestie so nahe heranlassen würde, dass der Schuss eine fast kugelgleiche Wirkung hatte.


Mit der allergrössten Vorsicht und Geduld kam ich auch wirklich bis auf
15 Schritte an den Baum und visierte ab und zu nach dem Leoparden, der mich seinem
Benehmen nach noch nicht bemerkt hatte. Leider verdeckten die dichten Zweige so
sehr den bunten Körper, dass ich die Umrisse nicht genau erkennen, ja nicht einmal
ausmachen konnte, wo der Kopf war. Zuletzt beschloss ich auf die Stelle zu feuern,
die ich sah, legte an — — und aus dem Baume ertönte plötzlich ein lauter Angstschrei,
ein Gewehr fiel aus den Zweigen herab und gleich darauf rutschte ein baumlanger Ein-
geborener — wie sich später herausstellte, ein Häuptling aus dem Stamme der Massongo —
zur Erde, und stand mit schlotternden Knieen aschgrau vor Angst und Schrecken vor
mir. Der Mann hatte eine Leopardendecke über dem Rücken hängen und nur diese
hatte ich durch den dichten Blätterwuchs erkennen können.


Ein lautes Gelächter und freundschaftliches Hinhalten der Hand überzeugte ihn
schnell von meinem Irrtum, dann nahm ich ihn mit ins Lager, um ihn durch einige
Geschenke ganz zu beruhigen. Hätte ich geschossen und, was auf diese Entfernung
wahrscheinlich, den Mann getötet oder schwer verwundet, so würde das für unsere
kleine Karawane mitten im Gebiete des mächtigen Stammes der Massongo sehr bedenk-
liche Folgen gehabt haben.


Von der unbeschreiblichen Wildheit und Frechheit des Leoparden erhielt ich
Beweise, als ich später mit Dr. Pogge im Centrum des äquatorialen Afrika die von
wüster, wilder Vegetation geradezu unwegsam gemachten Gelände des linken Nomami-
Ufers passierte.


Es war mitten in der Regenzeit und furchtbare Ueberschwemmungen hatten die
Eingeborenen gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen und sich auf höher gelegenen Orten
vorübergehend anzubauen. In einem solchen interimistischen Dorfe lagerten wir einst
für eine Nacht. Gegen Mitternacht wurden wir durch Schüsse und ein wüstes Durch-
einanderschreien geweckt. Ich lief zur Stelle, von der der Lärm kam und fand einen
meiner Träger buchstäblich zerfleischt am Boden liegen. Der Mann hatte sich aus dem
Lager geschlichen, um in der Nähe Kalabassen mit Palmenwein zu stehlen, und war,
kaum zwanzig Schritte vom Lager, plötzlich von einem Leoparden angefallen. Die Katze
hatte den kleinen, aber stämmigen und muskulösen Mann niedergeworfen, und beide
hatten sich dann, wie das ringsumher niedergedrückte Gras zeigte, lange Zeit ringend
am Boden gewälzt. Unsere durch das Stöhnen des Menschen und das Knurren der
Bestie aufmerksam gewordenen Wachen waren nach der Stelle gelaufen und hatten durch
[15]Leopard.
einige Schüsse in die Luft — denn auf das Knäuel von Mensch und Tier konnten sie
nicht schiessen — den Leoparden verjagt. Der Träger hatte schwere Bisswunden im
Gesicht; der vordere Teil des Schädels war skalpiert, ein Auge ausgerissen, und in Brust
und Rücken hatte er zahlreiche Prankenhiebe, die bis in die Lunge gedrungen sein
mussten, denn aus den Wunden drang bei jedem Atemzug hellrotes Schaumblut. Am
Oberschenkel, wo sich die Katze mit den Hinterpranken eingekrallt hatte, waren bis auf
den Knochen dringende Zerfleischungen.


In dreistündiger Arbeit versuchte ich mit Nadel, Pflaster und Bandagen den
schrecklich Zugerichteten zu verbinden; am dritten Tage erlag der kräftige Neger trotz
seiner zähen Natur aber doch den furchtbaren Wunden.


Durch die immer höher steigende Ueberschwemmung waren wir gezwungen,
längere Zeit an demselben Orte zu verweilen. In der nächsten Nacht abermals Lärm
und Hilferufe. Schnell hinzugeeilt fand ich ein Weib, dem an zwei Stellen die Hand
schrecklich zerfleischt war. Ein Leopard hatte sich einer der nur oberflächlich hergerichteten
Hütten, in der zwei Träger und ein Weib schliefen, genähert, die Hand des Weibes,
die unter dem Gras der Hütte hervorgesehen, gepackt und versucht das Weib heraus-
zuzerren. Die Männer waren auf den Hilferuf der Frau aufgesprungen und andere aus
den benachbarten Hütten hinzugekommen, aber die wütende Bestie hatte erst losgelassen
und war in langen Fluchten ins Dickicht entflohen, als diese Leute Feuerbrände aus
nächster Nähe auf sie geworfen hatten.


Am nächsten Morgen kamen Bewohner eines anderen Dorfes und erzählten
höchst aufgeregt, dass gestern ein Weib, das sich, um Wasser zu holen, am hellen
Tage kaum fünf Minuten weit vom Dorfe entfernt hatte, von Leoparden geschlagen, ins
Dickicht gerissen und zerfleischt worden sei.


Die Eingeborenen wagten sich überhaupt nur noch in Trupps und bewaffnet aus
ihren Dörfern. Sie verrammelten für die Nacht ihre Häuser und einige Leute schlugen
die ganze Nacht hindurch die Trommel, um ein ganzes Rudel — sie behaupteten fünf
Stück — Leoparden, die die Umgegend unsicher machten und ausser den uns bekannt
gewordenen Fällen noch andere mit traurigem Ausgang herbeigeführt hatten, abzuwehren.


Heute beim Erzählen kommen mir diese Erinnerungen selbst wunderlich vor,
und ich hätte nach meinen sonstigen Beobachtungen diese Thatsachen für Jagdgeschichten
gehalten, wenn ich sie nicht zumteil selbst erlebt hätte. Ich habe daher auch später
ähnliche Berichte über die Frechheit und Blutgier, Schlauheit und Kraft der Leoparden
nicht angezweifelt.


Natürlich wünschte ich auf die menschenräuberischen Bestien zu Schuss zu
kommen und schlug zu dem Zweck mit meinen Leuten aus einer Palme, deren Stamm
erst zwei Meter hoch war, die inneren Blätter heraus und stellte so einen bequemen
Hochsitz her, der ringsum von den stehengebliebenen, stacheligen Palmenblättern ge-
schützt war. Zur Rechten und Linken je eine Doppelflinte mit Rehposten stark geladen,
Messer, Revolver und Beil zur Hand gelegt, sass ich dann drei Nächte hindurch auf
meiner Kanzel. In Schussnähe band ich ein von der noch säugenden Ziege genommenes
Kitz an, an dessen Lauf ich eine Schnur befestigt hatte, um es, wenn es zu rufen auf-
hörte, wieder zum Schreien zu zwingen. In nervöser Spannung erwartete ich allnächtlich,
solange der Mond noch einigermassen den Schuss erlaubte, das Erscheinen der Bestien.
[16]Leopard.
In der Stille der Nacht konnte ich genau verfolgen, wo sie sich bemerkbar machten,
sogar wo sie versuchten, in die verrammelten Häuser einzubrechen und, durch
Speerstösse von Innen verhindert wurden ihr Vorhaben auszuführen. Auch zeigte mir
das entferntere und nähere Geschrei und Trommeln genau an, in welchem Teile der
äusserst bevölkerten Gegend die frechen Räuber jagten.


Doch alles Klagen meiner jungen Ziege war umsonst, kein Leopard erschien,
und wenn der Mond unterging und mit ihm das Büchsenlicht schwand, musste ich mich
stets erfolglos ins Lager zurückbegeben. Dieser Rückzug auf schmalen Fusssteigen
zwischen dicht verwachsener Wildnis, das arme Kitz an der Leine hinter mir, war der
unangenehmste Teil des fruchtlosen Anstandes, denn ich war so mit Waffen behängt,
dass ich wohl zum Gebrauch derselben nicht gekommen wäre, bevor die wilden Menschen-
jäger sich auf mich gestürzt hätten.


Manchen erfolglosen Schuss hatte ich schon gelegentlich auf vorbeihuschende
Leoparden abgegeben, als ich endlich den ersten in der Umgegend der von mir erbauten
Station Luluaburg im Lande der Baluba zur Strecke brachte.


Ein der Fährte nach sehr starker Leopard hatte lange schon des Nachts bei
der Station umher gelungert und sogar einen meiner Teckel zerrissen.


Die Bestie war in leichtem Satz über die fast drei Meter hohe Pallisadenwand,
die die Station schützte, gefallen und hatte ruhig den Hof der Station abgesucht, bis
die Hunde sie zur Flucht zwangen. Da sie stets in derselben Dickung gespürt wurde,
ging ich eines Morgens mit meinem langjährigen Begleiter, dem Schiffszimmermann
Buchschlag, nach der Stelle, wo die Eingeborenen den Leopard vermuteten.


Der erste Versuch misslang vollständig, denn der schlaue Räuber hatte sich schon
gedrückt, bevor die Leute zum Treiben angestellt waren.


Jetzt liessen wir ihm einige Zeit Ruhe, dann köderten wir ihn zwei Tage hinter-
einander mit einem jungen Schwein an, bis ihn die leichte Beute in der Nähe der
Station festhielt und er sich bei Tag kaum noch aus der Dickung entfernte. Der Wechsel
aus dieser in die nächste war unbedingt ein schmaler Streifen Buschwerk, der die
beiden Dickungen in dem sonst offenen Gelände mit einander verband.


Kaum hatten die Treiber zu lärmen begonnen, als ich auch schon an den Be-
wegungen der Büsche erkannte, dass sich ein unsichtbares Etwas vorsichtig drücken
wollte. Ab und zu blieb es stehen, um zu sichern, dann schlich es, jede Deckung be-
nutzend, behutsam weiter. Jetzt musste der Leopard etwa 10 Meter Lichtung passieren
— aber kaum hatte ich Zeit, die Büchse hochzureissen, da war die Bestie auch schon
an der anderen Seite wieder im lichten Gebüsch, so blitzschnell hatte sie in langen
Fluchten das offene Gelände überflohen. Ich folgte mit der Büchse dem hellen Streifen,
drückte — und ein wütendes Stöhnen und Knurren und ein Brechen im Buschwerk gab
mir sofort Sicherheit, dass ich nicht umsonst geschossen hatte. Ich sprang im Eifer
der Jagd sofort hin — gewiss eine grosse Unvorsichtigkeit, deren ich mich später als
erfahrener Jäger nicht mehr schuldig gemacht hätte, aber zum Glück blieb alles still,
und als ich die Büsche auseinander bog, lag die schöne Katze verendet vor mir. Die
Kugel, ein Expansionsgeschoss aus 500 Express, war in den Hals gedrungen und hatte,
sich ausbreitend, eine grosse Verwüstung in den Halsmuskeln angerichtet und den Hals-
wirbel zerschmettert.


[]
Figure 4. Leopard und Pavian.

[17]Leopard.

Es war ein starker männlicher Leopard, doch leider von so dunkler Farbe, dass
die Rosenzeichnung darauf kaum hervortrat, auch war die Decke schlecht im Haar und
hatte abgeschundene Stellen. Offenbar hatte ich einen alten Räuber gestreckt, über den
von den benachbarten Dörfern schon viele Klagen gekommen waren.


Ein anderes Zusammentreffen mit Leoparden hatte ich dicht am Ufer des Tan-
ganika, während ich auf der Missions-Station Plymouth-Rock bei dem Missionar
Griffith wohnte.


Ich ging eines Abends nach einem kleinen Holzverschlag, der zwanzig Schritte
vom Haus entfernt stand. Als ich die Thür öffnete, fuhr dicht an mir ein Tier von
der Grösse eines starken Hundes vorüber, das nach einigen weiten Fluchten nieder kauerte
und ein drohendes Knurren hören liess, an dem ich sofort den Leoparden erkannte,
doch war es zu dunkel, um das Tier zu sehen. Ich rief Mr. Griffith, schnell heraus-
zukommen und unsere Gewehre mitzubringen, und wir gingen dann auf die Stelle zu,
von der die Bestie gewarnt hatte. Wieder einige Fluchten im Dunkeln vor uns und
wieder verhielt das Tier und drohte.


Nun bat ich den Missionar, mit einem Stück Holz nach der Bestie zu werfen,
während ich mit der Büchse fertig stand.


Auf den Wurf erfolgte ein drohendes Knurren, aber nichts regte sich und als
ich vorsichtig weiter ging, war die Stelle leer.


Jetzt bewegte sich etwas weiter hin das Gras, ich schoss und glaubte nach dem
diesmal ganz anders klingenden Stossgebrüll der Katze annehmen zu können, dass ich
sie nicht gefehlt hatte; aber leider haben wir sie nicht gefunden.


Drei Tage später sass ich mit demselben Herrn abends am Tisch, auf welchem
eine Lampe stand, die auch durch die weit geöffnete Thür einen Teil des Platzes vor
dem Hause beschien. Plötzlich wurde unser lebhaftes Gespräch durch tiefes Knurren
unterbrochen, das durch die Thür hereindrang — und mitten in dem beleuchteten
Raume im Freien stand ein Leopard und äugte erstaunt und knurrend ins Zimmer
hinein, war aber, als wir die Stühle zurückschleudernd aufsprangen und nach den
Gewehren eilten, spurlos verschwunden.


Obwohl der Leopard ein durchaus nächtliches Raubtier ist, begegnete man ihm
doch nicht allzu selten, denn er dehnt seine Jagd auf weite Entfernungen aus und bricht
oft schon in den Nachmittagsstunden auf, um seine weiten Raubzüge durchführen zu
können.


Die meisten Leoparden habe ich in Gegenden beobachtet, wo es viele Affen und
ganz besonders Paviane giebt. Da sich letztere fast ausnahmslos in felsigen Bergen
aufhalten, so kann man auch mit ziemlicher Sicherheit in solchem Gelände auf Leoparden
rechnen.


Nächst dem Pavian ist die häufigste Beute der schönen Katze das Perlhuhn; sie
verschmäht aber nichts Lebendiges und selbst die grösseren Antilopen sind wohl ebenso
wenig vor ihr sicher, als im Notfalle Ratte oder Maus. Jeder Vogel bis zum Strauss
hinauf, ja auch Fische finden sich, wie die Eingeborenen behaupten, auf ihrer Speise-
karte, und für den schönen, kühnen, schlauen, gewandten und starken Räuber ist der
Tisch überall gedeckt, niemals braucht er Not zu leiden, was der reichlich gesammelte
Feist fast immer beim Abdecken und Zerwirken beweist.


v. Wissmann. 3
[18]Leopard.

Einst schoss ich einen Leoparden im Gebiete des Lulua vom Kanoe aus, als
er sich, nachdem er den Fluss durchschwommen und behutsam das Ufer bestiegen
hatte, das Wasser abschüttelte und dann reinlich und zierlich wie eine Katze das
Fell leckte.


Die Kugel drang ihm (der Flussarm war etwa fünfzig Meter breit und der Leopard
drehte mir nach dem Ufer aufsteigend den Rücken zu) zwischen den Schulterblättern da,
wo der Hals ansetzt, ein, zerbrach ihm die Wirbelsäule und warf ihn sofort tot nieder.


Ein einziges Mal habe ich seinen nächsten Verwandten in Afrika, den Gepard,
gesehen, als ich auf dem Dampfer „Peace“ mit dem Missionar Greenfield einen kleinen
Nebenfluss des Kassai, den Lua, aufwärts fuhr. Ein Tier, das ich dem Kopfe nach für
einen Leoparden ansprach, sprang vor dem Dampfer in den Fluss und kreuzte ihn
schwimmend. Rasch griff ich zur Büchse.


Als das hochläufige schlanke Geschöpf aus dem Wasser stieg, entpuppte es sich
als ein Gepard, der aber auf meinen Fehlschuss im hohen Grase verschwand.


Leider legten wir die Büchsen in der Annahme weg, dass die Katze verscheucht
und flüchtig geworden sei und kamen deshalb zu spät, als wir, die Austrittsstelle mit
dem Dampfer passierend, den schönen, schlanken Panther am Ufer stehen und erstaunt
das dampfpuffende Fahrzeug beobachten sahen. Ehe wir abermals die Büchse zur Hand
hatten, war der schlanke Räuber, dessen alle andern Geschöpfe der Welt weit über-
treffende, geradezu verblüffende Schnelligkeit ich später in Indien an einer verwandten
Art bewundern konnte, im Schilf verschwunden.


Verwundet wurde ich von einem Leoparden einst in Wien im Schönbrunner
Tiergarten, gewiss für jemand, der so lange den Bestien in ihrer Heimat dazu Gelegen-
heit gegeben hat, ein eigentümlicher Fall.


Einer meiner Offiziere besass im Jahre 1890 einen zahmen, fast ausgewachsenen
Leoparden, der an einem Taubenschlag an die Kette gelegt war. Der Herr fertigte
Photographieen vom Leoparden, der zwischen einem halben Dutzend weisser Tauben
stand, an — ein Sinnbild wilder Blutgier und des Friedens.


Kein Wild habe ich in Grösse, Farbe und auch Körperform der einzelnen
Individuen so verschieden gefunden wie den Leopard, und zwar nicht nur in Afrika,
sondern in seinem ganzen Verbreitungskreis, der sich über Arabien nach Persien, Indien,
Südsibirien, ja bis nach China hinein ausdehnt.


Eine Unterscheidung verschiedener Arten ist daher fast unmöglich und ich
glaube, es wird den Zoologen nicht gelingen, grundlegende Unterschiede zu finden. Auch
die Spielarten der schwarzen Panther, der Nebelpanther und Irbis kreuzen sich, so viel
ich weiss mit dem gewöhnlichen Panther und erhalten sich nur in ganz bestimmt ab-
gegrenzten Gebieten (Inseln) rein.


Unter tausend Häuten finden sich kaum zwei, die sich gleichen.


In derselben Gegend trifft man grosse, einem schwachen Tiger an Masse nahe
kommende Tiere, neben ganz kleinen, schlanken, zartgliedrigen, die nicht viel stärker
sind als der Serval.


Ich möchte aber doch im allgemeinen behaupten, dass die Leoparden des
westlichen Afrika, in dem weniger Steppen und trockene Savannen vor-
herrschen, als Urwälder, und eine reichere Flora, stärker sind als die des
[19]
Leopard.
ostafrikanischen Tierreiches. In ihnen haben sie durch eine reichere Auswahl
kleinerer Tiere bessere Nahrung.


Man findet hie und da Leoparden, die Ansätze zu einer Mähne haben, wie auch
eine der Spielarten des Jagdleoparden eine solche Mähne-Entwicklung zeigt.


Ich glaube auch bestimmt, dass sich alle Katzen kreuzen, selbst der Löwe mit
dem Panther, und wir haben in unseren zoologischen Gärten schon die wunderlichsten
Kreuzungen durchgeführt, so die der doch scheinbar fernstehenden Arten des amerika-
nischen Puma und Leoparden.


Ueber die Stimme des schönen, rosenhäutigen Räubers mit den weichen,
graziösen Bewegungen möchte ich noch erwähnen, dass man in der Wildnis vor-
nehmlich zwei Stimmungsäusserungen unterscheiden kann.


Die eine, die man häufig abends und morgens vernimmt, und die vielleicht wie
das Brüllen des Löwen den Zweck hat, das Wild aus dem Lager aufzuscheuchen, so
dass es der Räuber leichter entdecken kann, ist ein kurz abgebrochenes, heiseres,
rauhes Bellen.


Dann habe ich des Nachts ein langgezogenes, klagendes Geschrei gehört, das an
die Liebeslieder unseres Hauskaters erinnert, natürlich entsprechend der Körpergrösse
lauter.


Dies wird wohl auch beim Leoparden die Liebesklage sein, denn mehrfach
habe ich die eigentümlichen Töne sehr bald aus anderer Richtung beantworten hören.


Das Geschrei der jungen Leoparden ist ganz dem bekannten „Miau“ unserer Katzen
ähnlich, ich möchte es aber mehr als ein „Eau“ wiedergeben. — Ich hörte es einst am
Tanganika, als ich zwei Leoparden am Ufer gewahrend, mit meinem Boot anlegte, um
an die Räuber heranzubirschen. Riesiges Felsgerölle, rund gewaschen von den
brechenden Wellen, begrenzte den Rand des Sees und gab den Leoparden unzählige
unerreichbare Schlupfwinkel.


Auf einer Stelle, wo diese Felsüberreste zu einem Hügel zusammengetürmt
waren, hörte ich mit meinem Begleiter unter uns das Schreien zweier junger Panther,
die offenbar nach ihren von uns verscheuchten Eltern riefen, aber es war unmöglich,
bis zu ihrem tiefen Versteck zu gelangen, denn die riesigen Granitblöcke, unter denen
sie sich eingenistet hatten, spotteten jeden Versuches, sie zu bewegen.


Zum Schlusse möchte ich noch erwähnen, dass die Jagden auf den Panther
selten so glatt ablaufen wie die, die ich selbst mitgemacht habe, und möchte auch
behaupten, dass die Jagd gefährlicher ist als die auf den Löwen; denn der königliche
Räuber ist nicht so blitzschnell in seinen Bewegungen und vor allem in seinen Ent-
schlüssen wie der Leopard, der verwundet schon mehrfach drei, ja vier Jäger bösartig
geschlagen hat, ehe sich Gelegenheit bot, ihm den Rest zu geben.


Mit verblüffender Schnelligkeit und Wut wirft er sich von einem Feind auf den
andern, und die Schläge seiner scharf bewehrten Pranken und seine Bisse sind nicht
zu verachten, wenn sie auch nicht wie die des Löwen als absolut tödlich bezeichnet
werden können.


Ein durch seine Kleidung schon etwas vor den scharfen Prankenhieben ge-
schützter Europäer ist mehrfach schon mit einem guten Jagdmesser eines anspringenden
Leoparden Herr geworden, was natürlich beim Löwen nicht der Fall ist. Aber dieser
3*
[20]Leopard.
ist wieder nicht so schnell und unberechenbar in seinen Angriffen, wirft häufig einen
Feind nieder und stellt sich grollend über ihn, ja — wie man sagt — beginnt mit ihm
zu spielen wie eine Katze mit der Maus, ehe er ihn tötet, und giebt dadurch, wovon ja
Beispiele genug bekannt sind, Gelegenheit, seiner Herr zu werden.


Im Vergleiche zu seiner Grösse ist jedenfalls der Panther oder Leopard das
vollkommenste Raubtier und nötigt deshalb jedem Beobachter der Natur Bewunderung ab.


[[21]]

Giraffen.

[figure]


Eine der seltensten und ich möchte
doch sagen, trotz ihrer wunderlichen Form
edelsten Wildarten ist die Giraffe. Nur
mager sind die Berichte über sie und nur
selten sehen wir sie jetzt bei uns in Europa.
Soviel ich weiss, ist sie augenblicklich nur
im Berliner Garten vertreten, obgleich man
besonders in London grosse Preise für die Tiere
bietet. In die weiten, wasserarmen Wildnisse, die die
Giraffe bevorzugt, kommen Europäer äusserst selten, und
diese Gelände sind nicht offene, weit übersichtliche Steppen,
sondern lichte, weite, meist aus Akazien bestehende Wälder, die
der Giraffe Aesung bieten und die sie dem Auge verbergen. Es
gehört schon Uebung dazu, sie zwischen den gefleckten Akazienstämmen
und anderen, meist hell gefärbten Bäumen herauszufinden, wenn sie sich
nicht bewegt.


Die Seraffe des Arabers oder Twiga des Ostafrikaners, das Kamel des Buren,
kommt doch immerhin noch vom oberen Nil durch Ostafrika, nördlich an den von den
Buren eingenommenen Gebieten vorbei bis nach Südwestafrika hinein vor. Ich selbst
habe sie an vielen Stellen in Ostafrika getroffen, ferner am mittleren Zambesi, am
Tanganika- und Rikwa-See und in Südwestafrika an der Etoschapfanne und im äussersten
Osten unserer Kolonie. Von der Etoschapfanne soll sie noch bis dicht an die Küste
kommen. In Ostafrika ist das sicher der Fall, denn ich habe sie dort während der Nieder-
werfung des Araber-Aufstandes an der Mündung des Kinganiflusses selbst gespürt.


Interessant muss die Entwicklung des Tieres aus früheren Formen gewesen
sein. Sie zeigt noch, wie die Rosenstöcke des Hirsches, zwei jetzt mit Haut überdeckte
Knochenzapfen und auf der Nase die Basis zu einem dritten verkümmerten Horn, denn
anders ist die Erhöhung nicht zu erklären.


Die Grundfarbe variiert in ihren Nüancen von fast Dunkelbraun bis Hellgelb und
die Zeichnung von grossen Pantherflecken bis zu ganz kleinen Tupfen, welch' letzteren
[22]Giraffe.
eine Giraffe im Somaliland wohl hauptsächlich zu verdanken hat, dass sie als eine neue
Spielart angesprochen wird.


Edel sind meiner Ansicht nach ihre Bewegungen in ungestörter Ruhe, wunderbar
schön das Auge, das mit seinem tiefdunklen Sammetglanz Dichtern schon Vergleiche mit
dem sanften, milden Glanz des Auges der Semitin aufgezwungen hat.


Schwierig ist die Jagd auf dieses Wild, denn die enorme Höhe des Lichtes über
dem Boden erlaubt ihm nicht nur einen weiten Umblick, sondern auch Einblick in
niedrige Dickungen, die sein Feind zum Anschleichen benutzt.


Das Auge ist nicht allein der schönste Schmuck der Giraffe, sondern auch ihr
schärfster Sinn, ihre beste Waffe im Kampfe ums Dasein. Der Geruch ist wohl
dem Durchschnitte der wilden Wiederkäuer entsprechend; das Gehör soll gegen diesen
zurückstehen.


Dass die Aesung unseres Wildes hauptsächlich in den äussersten Enden der
Baumzweige, besonders der Akazien und des Kameldornbaumes besteht, ist bekannt,
ebenso, wie schwierig es demselben wird, Aesung vom Boden aufzunehmen. Hinzu-
zufügen ist nur noch, dass die Giraffe höchstens jeden vierten, fünften Tag Wasser
braucht, und in Gegenden, wie z. B. in Südwestafrika, wo Wasserkürbisse und wasser-
haltige Wurzeln vorkommen, nie zum Wasser tritt.


Ich will der Reihenfolge nach meine Erlebnisse mit dem interessanten Wilde
erzählen.


Als ich im Jahre 1883, zum ersten Mal Afrika durchquerend, den Tanganika-See,
von Westen kommend, überschritten hatte und mich durch das bevölkerte Uhha, ich
kann wohl sagen, hindurchschleichend dem Malagarassi näherte, sah ich die ersten
Giraffen, die westlich des Tanganika im ganzen Kongobecken nicht vorkommen.


Einen Ausruf höchsten Erstaunens entlockte meinen westafrikanischen Begleitern
der erste Anblick eines flüchtigen Trupps von fünf Stück, denn kaum ist ein Bild in der
Wildnis fesselnder als das eines flüchtigen Rudels dieser riesigen Tiere.


Obwohl im ganzen Gebiet der Waniamwesi die Giraffe häufig ist, gelang es mir
doch erst nahe der Ostküste, meine erste zu strecken und dieser Tag ist mir besonders
aus dem Grunde in der Erinnerung haften geblieben, weil ich innerhalb einer Stunde
den kleinsten Wiederkäuer und den grössten, die unsere Erde beherbergt, erbeutete.


Ich hatte eben eine Zwergantilope geschossen, die so zierlich war, dass sie von
meinem Geschoss vollständig in Stücke zerrissen wurde. Die Zunge der Giraffe ist fast
doppelt so lang, wie diese kleine Verwandte von ihr.


Nach diesem Schuss traten wir in einen lichten Akazien-Hochwald, wo weite
ebene Wälder und Savannen sich an einen Bergzug anlehnen, und bald gewahrte ich ein
Rudel von 6 oder 7 Giraffen. Der Wind war gut und es gelang mir, mich bis auf
zweihundert Schritt heranzubirschen, bevor die scharfen Lichter des Wildes mich
gewahrten und es anfing, unruhig zu werden. Noch ehe ich zum Schuss kam, der
auf diese Entfernung wegen des riesengrossen Zieles ein leichter ist, hatten sich die
wunderlichen Tiere bereits in ihren drolligen, schwerfälligen Galopp gesetzt und wandten
sich unschlüssig bald hierhin, bald dorthin.


Den stärksten Bullen musste ich mitten aufs Blatt getroffen haben, denn deutlich
hörte ich den Einschlag des Geschosses, und ich war meines Schusses sicher, obwohl
[]

Figure 5. Giraffenherde.


[23]Giraffe.
das Tier in keiner Weise zeichnete. Doch bald trennte es sich vom Rudel, zeigte grosse
Unruhe und kam flüchtig direkt auf mich los. Obgleich ich ganz frei stand, gewahrte
mich, da ich mich nicht rührte, das kranke Tier doch erst, als es nur einige zwanzig
Schritte vor mir in der Flucht verhielt.


Ich konnte jetzt die weiteren Vorgänge ganz genau beobachten, denn der riesige
Bulle war offenbar so krank, dass er mir nicht entgehen konnte. Nach einigen Sekunden
bewegungslosen Verhaltens senkte sich der lange Hals langsam zur Erde hinab, das schon
schwankende Riesentier stellte, um sich aufrecht zu erhalten, die vier Läufe seitwärts und
auswärts, ein Zittern überflog den Riesenkörper und mit dumpfem Fall brach es vorwärts
zusammen. Als ich hinzuspringend den Gestreckten abfangen wollte, wie man es in
Ostafrika als Jäger leider thun muss, damit die muhamedanischen schwarzen Begleiter
das Wildbret nicht verschmähen, rief mir einer meiner ostafrikanischen Träger zu, ich
möchte mich vorsehen; und wirklich schnellte auch das Tier mit den ausserordentlich
sehnigen Läufen nach mir. Ein solcher Schlag ist gewiss imstande, auch den stärksten
Knochen zu zermalmen. Wenn man bedenkt, welche Kraft schon in dem Laufe eines
Hirsches wohnt, so wird man sich eine ungefähre Vorstellung von der zermalmenden
Wucht eines solchen Schlages machen können.


Noch zweimal erhob meine Jagdbeute das Haupt, als wenn sie mit letzter Kraft-
anstrengung den Versuch machen wollte, hoch zu werden, dann blieb sie liegen, und
ich sah ihr einige Augenblicke in das grosse, jetzt allmählich brechende Licht.


Es überkam mich ein Gefühl, ich möchte sagen, der Wehmut und der Reue, das
meine Freude an der schönen Jagdbeute sehr herabstimmte, denn der Ausdruck dieser
wundervollen Augen im Todesbrechen ist unvergesslich.


Anders meine Begleiter, besonders die westafrikanischen, die zum ersten Male
ein solches riesiges Wild vor sich sahen. Sie entrissen mir die Büchse und tanzten
schreiend und singend, dieselbe wie ein Fetisch hochhaltend, um die erlegte Giraffe.


Natürlich bildete dies Ereignis den Schluss des Tagesmarsches und bald erhoben
sich die Lagerhütten rings um die farbenprächtige Jagdbeute, die ich dann aus der
grossen und ausserordentlich dicken Decke schlagen liess.


Ein Teil der Leute ging bewaffnet, denn die Gegend war damals vor Rugaruga
nicht sicher, nach dem zwei Stunden entfernten Wasserplatz und die andern zerlegten
die Giraffe und suchten das Wildbret nach Möglichkeit auf die Lasten zu verteilen. Da
es nicht möglich war, auch nur den vierten Teil desselben mitzunehmen, denn ich
hatte nur zehn Träger bei mir, sandte ich andere Leute nach dem Dorf zurück, bei dem
wir zuletzt genächtigt hatten, und lud die Eingeborenen zum Schmaus ein. Mit Weib,
Kind und Körben erschien bald die ganze Dorfbevölkerung und in kürzester Zeit war
absolut nichts mehr von dem ganzen Tiere zu sehen, denn kein Körperteil, selbst nicht
der Panseninhalt, den die Eingeborenen kochen und essen, bleibt in Afrika vom Wilde
unbenutzt.


Als ich am nächsten Morgen aufbrechen wollte und den Versuch machte, die
frische Haut von zwei Mann tragen zu lassen, stellte es sich heraus, dass sie viel zu
schwer war. Ich schärfte daher den grösseren Teil derselben im Oval um die Rücken-
linie heraus. Leider wurde mir dies Stück später in Deutschland von allen Gerbern
zurückgeschickt, da es zu dick und hart sei, um gegerbt werden zu können.


[24]Giraffe

Meine nächste Begegnung mit Giraffen war südlich des Zambesi in ähnlichem
Gelände wie das oben beschriebene. Das Wild wurde diesmal, bevor ich zum Schuss
kam, flüchtig und zwar nicht von mir ab, sondern in spitzem Winkel auf mich zu. Ich
hatte, wie jeder Jäger, der zum ersten Mal eine flüchtige Giraffe sieht, den Eindruck,
ihr den Weg abschneiden zu können. Die Flucht derselben sieht so langsam aus, dass
man glaubt, es gehörte keine grosse Anstrengung dazu, sie zu Fuss einzuholen. Die
lange Zeit, die jeder Galoppsprung dauert, indem sich das Tier in schwerfälliger Weise
von der schwachen Hinterhand auf die mächtige Vorderhand wirft, und die scheinbare
Ungeschicklichkeit des Sprunges selbst lassen falsche Schlüsse in Bezug auf ihre Schnelligkeit
ziehen, denn wie ich später zu Pferde erfahren musste, ist die Flucht doch so schaffend,
dass schon ein leidlich gutes Pferd dazu gehört, die Giraffe einzuholen.


Sie soll übrigens eine der wenigen Wildarten sein, die von den Buschmännern
Südafrikas nicht zu Fuss niedergerannt wird.


Während der Niederwerfung des Araberaufstandes in Ostafrika berührte ich
auch im Jahre 1885 auf meinem Zuge gegen den mir ausgewichenen Führer der Araber,
Buschiri, die Makata-Ebene, das wildreiche Thal des mittleren Kingani. Ich hatte von
der Küste Pferde mitgenommen, um im äquatorialen Afrika die ersten Versuche mit
deren Benutzung zu machen. Damals war mein braunes, schnelles Somalipferd noch
gut imstande, und so beschloss ich, es bei einer Hetze auf Giraffen zu versuchen.


Da die beschriebene Niederung ein Lieblingsaufenthalt dieser Wildart ist, gelang
es bald, ein Rudel aufzufinden, und zwar auf einer Ebene, die selbst nur spärlich hier
und da mit Akazien bestanden war, aber nach Norden von einem Akazienbuschwald
begrenzt wurde. Das Gebüsch war nicht höher als zwei Meter und ziemlich licht, die
ganze Ebene aber leider von Termiten durchwühlt. Bis auf sechshundert Schritt
näherte ich mich leidlich gedeckt dem Rudel, dann legte ich mich dem Pferde auf den
Rücken, deckte meinen Oberkörper durch dessen Hals und drückte es langsam und mit
Unterbrechungen, in denen ich das Tier Gras rupfen liess, nach dem Rudel zu.


Die langen Hälse senkrecht hochgestreckt, beobachtete das Wild aufmerksam
das noch nie gesehene Wesen, liess mich jedoch bis auf 400 Schritte heran, bevor es
unruhig wurde und bald darauf gab ein Stück des Rudels, das sich zur Flucht wandte,
das Zeichen für die andern, zu folgen. Jetzt warf ich mich in den Sattel, gab meinem
Somali-Pony die Sporen und jagte ventre à terre vorwärts, um noch möglichst Raum
zu gewinnen, bevor das Wild aus den ersten schwerfälligen Sprüngen in volle Flucht
gelangte. Plötzlich gewahrte ich zu meinem grössten Schrecken, dass ich über ein Ge-
lände hinwegjagte, das dicht mit tiefen Löchern eingestürzter Termitenbauten bedeckt
war. Diese Löcher sind von einem Durchmesser, dass das Pferdebein bequem hinein-
geht, zwei bis vier Meter tief und haben harte Ränder, so dass ein Tritt in ein solches
Loch dem Pferde rettungslos das Bein brechen muss.


Ich hatte Ueberlegung genug, dem Pferde vollständig die Zügel zu geben, denn
wenn man es fest im Zügel hat, kann es die nötige Aufmerksamkeit nicht auf den Boden
unter sich wenden. Bald war ich über die schlimme Stelle hinweg und jagte nun in
das Buschdickicht hinein. Ich war dem Wilde bis auf zweihundert Schritte aufgerückt,
verlor jedoch viel von diesem Vorteil wieder, weil mein noch nicht zu dieser Jagd ge-
drilltes Pferd sich nur schwer zum Abspringen und Schiessen verhalten liess.


[]
Figure 6. Aesende Giraffen.

[25]Giraffe.

Mein Schuss hatte trotzdem scheinbar grossen Erfolg, denn das letzte Stück
des Trupps brach unterm Feuer zusammen. Während ich in den Sattel stieg und
eben anspringen liess, um nach dem Wilde zu galoppieren, war das kranke Tier wieder
auf den Läufen und in voller Flucht, als ob nichts geschehen wäre. In dem jetzt
dichter bewachsenen Gelände verlor ich bald die Fährte des angeschossenen Stückes,
nahm die des ganzen Rudels, die leichter zu halten war, wieder auf und folgte ihr, so
schnell es in dem jetzt ziemlich bewachsenen Dornendickicht gehen wollte.


Doch in diesem Gelände war das Wild dem Pferde weit überlegen; denn Gebüsch,
welches den muskulösen, hohen Läufen der Giraffe nicht mehr Widerstand bietet als
dem Pferde leichter Graswuchs, gestattet der Giraffe unverminderte Flucht, zwingt das
Pferd aber, sich in fortwährenden Schlangenlinien hindurchzuwinden und machte ausser-
dem durch die nadelscharfen Dornen mein etwas heftiges Pony so ungeberdig, dass
ich die weitere Folge aufgeben musste.


Mein Pferd und ich schweissten aus vielen nicht unbedeutenden Rissen und der
grösste Teil meiner Hose war in Fetzen an den Büschen zurückgeblieben.


Am nächsten Tage fanden die Eingeborenen die krankgeschossene Giraffe.


Im äussersten Osten Deutsch-Südwestafrikas, an der Grenze des sich im Kreise
um unsere Kolonie ausdehnenden Ringes wasserloser Wildnis, die diese Kolonie in
der Trockenzeit vom Inneren vollständig absperrt, habe ich Giraffen hier und da gespürt,
ohne sie zu Gesicht zu bekommen. Später aber, an der Etoschapfanne, gelang es mir
noch einmal, eine Hetze auf das wundervolle Wild durchzuführen. Diesmal traf ich es
in einem lichten Hochwald, der aus Bäumen bestand, die ich noch nie gesehen hatte —
ganz helle, ebenfalls fleckige Stämme, die der Giraffe durch gleiche Färbung denselben
Schutz gewähren wie Mimosenwälder, Bäume, in deren Stamm man mit Leichtigkeit
das Jagdmesser bis ans Heft hineinstossen kann.


Dort standen vier Giraffen, die im selben Augenblick, als ich sie sah, flüchtig
wurden. Sofort drückten wir — nämlich ich, mein Mulattenjäger und ein schwarzer
Diener — den Pferden die Sporen in die Seiten und in halsbrecherischem Lauf ging's
zwischen den Bäumen hindurch dem Wilde nach.


Der Boden war eine gute, feste Grasnarbe ohne Unterholz und erleichterte den
sonst schwierigen Ritt. Mein schneller Schimmel liess bald meine Begleiter hinter sich
und, da auf dem weichen Boden das Geräusch der Hufe meines Pferdes nicht zu hören
war, so kam ich dicht an das Rudel und sogar, rechts seitwärts vorbeihaltend, auf gleiche
Höhe mit demselben.


Da ich den Karabiner bei mir hatte, so gab ich im vollen Laufe zwei Schüsse
auf das letzte Stück des Rudels ab, aber ohne Erfolg, und ich beschloss daher, abzu-
springen. Ich riss mein Pferd zur Seite, kam wieder hinter das Rudel und wollte nun
links auf gleiche Höhe kommen, um abzuspringen und zu schiessen. Doch als ich
eben mein Pferd zur höchsten Anstrengung anspornte, sah ich mich plötzlich vor
einem ausgetrockneten Bach, dessen Ufer mit so dichtem Baum- und Buschwuchs
bestanden war, dass ich, wäre ich in voller Fahrt hineingeritten, wahrscheinlich mir
und meinem Pferde alle Knochen zerbrochen hätte. Zum Glück konnte ich den
Schimmel noch rechts herumreissen und in einer Volte den Einbruch in das Dickicht
vermeiden.


v. Wissmann. 4
[26]
Figure 7. Erlegte Giraffe.

[27]
Giraffe.

Das Wild war, wie ich nachher sah, auf einem etwas freieren Wechsel durch
das Dickicht hindurch und jetzt, als ich so schnell als möglich nach der Stelle ritt, wo
es in das Uferdickicht eingebrochen war, schon weit voraus.


Drüben, auf dem andern Ufer des Baches, war der Boden dicht bewachsen und,
da mein armer Schimmel schon in den Flanken schäumte — er hatte an diesem Tage
bereits die dritte Hetze durchgeführt — gab ich in der Ueberzeugung, die in voller
Flucht enteilenden Giraffen nicht mehr einholen zu können, die Jagd auf.



Das Wildpret der Giraffe ist gut, hell von Farbe und, wenn auch etwas lang-
faserig und trocken, doch zart; das einer jungen ist sogar ein Leckerbissen, und die Haut
einer solchen, weil in den Farben frischer, eine der schönsten Decken, die ich kenne.
Die Haut der ausgewachsenen Giraffe lässt sich kaum wegen ihrer Härte und Stärke zu
einer Decke verarbeiten, wie ich ja schon weiter oben erwähnt habe.


Wenn man dieses interessante Wild erhalten will, muss man ihr Wildreserven
und zwar solche von grossem Umfang geben, denn es wechselt sehr rege und ist auch
während des Aesens in einer ziemlich fördernden Fortbewegung. Ich habe mehrfach ganz
frische Fährten von Giraffen nach stundenlanger schneller Verfolgung aufgeben müssen.


Der Hauptfeind der Giraffe ist der Löwe und die einzige Waffe des grossen,
scheuen, furchtsamen Tieres die, dass es ein Raubwild, welches ihm im Nacken sitzt, an
Baumästen abrennen oder -quetschen kann, was auch mit dem Löwen vorkommen soll.


Ob es wahr ist, dass der Wildhund vor den furchtbaren Schlägen der Vorder-
schalen Respekt hat, bezweifle ich und halte es für eine Erzählung, die nur die Kraft
des Laufes der Giraffe als Waffe gegen den mörderischesten Feind des afrikanischen
Wildes veranschaulichen soll. Vielleicht wird es dem Wildhund schwer, die flüchtige
Giraffe in vollem Lauf so anzuspringen, dass er edle Teile derselben durch den Biss
verwunden kann.


Man sieht unser Wild stets in kleinen Rudeln, wohl Familien, aber immer allein,
getrennt von anderem Wilde bei der Aesung. Es hat nicht die Gewohnheit, sich mit
anderen Wildarten zusammenzuthun, wie Straussen, Gnus und Zebras, drei so verschiedene
Tierarten, die sich, wie man sagt, eines auf die Klugheit und Vorsicht des andern bauend,
so gerne auf der Steppe zusammenfinden.


Man kann aber mit Sicherheit darauf rechnen, dass Gegenden, die Giraffenfährten
aufweisen, auch reich an anderem Wild sind, denn die Vorsicht hat die Giraffe gelehrt, in
vom Menschen möglichst wenig berührten Gebieten zu stehen, Gebiete, die aus demselben
Grunde auch von anderen Wildarten aufgesucht werden.



4*
[[28]]

Der Hirsch des Altai.

[figure]


Vom Kamme des westlichen, sibirischen Altai,
auf dessen mächtigen, grasigen Kuppen ich das Wildschaf
gejagt hatte, stiegen wir nach Süden zu hinab nach dem
Flussgebiet des schwarzen Irtisch, eines der beiden gewaltigen Quellflüsse des Ob. Fast
immer die chinesische Grenze zur Linken neben uns, durchzogen wir bei einem furcht-
baren Sturm und Schneewetter die rauhen Schluchten, die von aufgestauten Eisschollen
verbarrikadierten, längs der Wildwasser dahinführenden Pfade.


Mit beispielloser Sicherheit überstiegen unsere kleinen Kalmücken-Ponys Berge
aufgestauter Eisschollen oder wühlten sich durch fast zwei Meter hohe Schnee-
Anhäufungen hindurch, niemals ausgleitend, mit einer Gewandtheit und Geduld, die bei
einem Pferde geradezu bewunderungswürdig ist.


In umgekehrter Reihenfolge wie beim Aufstieg nach dem Kamme des Altai-
Gebirges hinauf begegneten wir jetzt nach abwärts zuerst der Zirbelkiefer, dann weiter
abwärts der Fichte, die noch weiter hinab der Lärche wich. Dichter bewaldet als die
Nordabhänge des Gebirges, bieten die südlichen Hänge mehr dem Rotwild Unterkunft,
dem Wapiti dieses Teiles Asiens, dem Cervus eustephanus, dem Maral, wie er bei Kal-
mücken und Kirgisen, die allein diese Wildnis durchziehen, heisst. Schlimm steht es
schon mit der Zukunft dieses, wohl nur dem Wapiti Nordamerikas an Grösse nach-
stehenden Gliede der Hirschfamilie.


Es ist nicht das Wildpret oder die Decke, die eine so heftige Verfolgung durch
den Menschen begründet, es ist vielmehr der Aberglaube des sinnlichen Chinesen, der
das in der Kolbenzeit getrocknete und pulverisierte Geweih des Hirsches fast mit Gold
aufwiegt, da er es für ein sicheres Mittel der Stärkung seiner Zeugungsorgane hält.


Derselbe Umstand hat allerdings auch einige unternehmende russische Bauern
dazu veranlasst, das genannte Wild in Gärten zu hegen und dem Hirsch in der Kolben-
[30]Der Hirsch des Altai.
zeit das Geweih abzuschneiden; aber ich fürchte, dass diese Operation von nachteiligem
Einfluss ist auf die Brunft des Hirsches und infolgedessen das gehegte Wild sehr bald
degenerieren wird. Ist es doch bekannt, dass die Zeugungsorgane des Hirsches in sehr
naher Beziehung zu seinem Geweih stehen, dass der grösste Teil der widersinnigen Ge-
weihe auf Verletzungen des Kurzwildpretes zurückzuführen ist und dass ein gelegter
Hirsch nur perrückenartige Stangen aufsetzt, die nicht reif und nicht gefegt werden.


Und so glaube ich auch, dass umgekehrt die Wegnahme des noch nicht ent-
wickelten Geweihes auf die Erfolge der Brunft von Einfluss sein wird.


Die im Gehege gesetzte, also von derartig verstümmelten Hirschen gezeugte
Nachkommenschaft, die ich sah, war offenbar gegen die aus der Wildnis direkt einge-
führten Stücke in der Entwickelung ausserordentlich zurückgeblieben.


Leider hat die russische Regierung, wie sie meint, einerseits um das Wild zu
schützen, andrerseits aber, um den Jägern nicht den so ausserordentlich lohnenden Ge-
winn der unreifen Geweihe zu entziehen, den Abschuss des Hirsches nur vor der Brunft,
also in der Kolbenzeit erlaubt. Sollte die Regierung nicht bald auf einige Jahre
wenigstens eine vollständige Schonung anordnen, die sie allerdings schwer wird durch-
führen können, so wird schon in einem Jahrzehnt der Hirsch des Altai zu den ausge-
rotteten Wildarten gezählt werden müssen.


Es kommt dieser Hirsch ja nicht allein im Altai vor, sondern sein Verbreitungs-
gebiet geht weiter nach Nordosten hin und schliesst so ziemlich die die russisch-chine-
sische Grenze begleitenden Gebirgszüge in sich; aber gerade der Umstand der Nachbar-
schaft Chinas wirkt überall gleich vernichtend auf das genannte Wild, und soviel ich weiss,
steht in den weiter nach Sibirien hineinreichenden Gebirgen schon ein anderer Hirsch.


Zu spät erst erfuhr ich, dass schon an den nordöstlichsten Ausläufern des Altai
der Elch und das Ren vorkommen, denn Kalmücken sowohl wie Kirgisen erzählten
mir, dass es dort noch zwei ganz andere Hirscharten gäbe, von denen eine, mit einem
Geweih wie eine geöffnete Handfläche, noch grösser sei wie der Maral, eine andere, bei
der auch das weibliche Stück ein Geweih trage, kleiner wie dieser. Der Maral geht bis
auf die höchsten Höhen des Altai; ich habe bei 3000 m Höhe oben auf den kahlen
Bergen — der Heimat der Wildschafe und des Steinbockes — einige abgeworfene
Stangen gefunden. Er tritt andererseits aber nicht bis in die Ebene hinab, sondern
hält sich nur an den Hängen des Gebirges, nicht einmal an den tiefsten, in denen dafür
der stolze Rehbock Sibiriens mit seinen erstaunlich starken, bis zu 40 cm hohen Kronen
als häufigstes Wild gefunden wird.


Einer Jagdgesellschaft von einem russischen Fürsten und einem englischen Lord,
die vor uns im Altai gejagt hatte, war es nicht gelungen, auf den Maral zum Schuss zu
kommen, obgleich sie sechs Wochen lang in seinem Bereich auf ihn gejagt hatten.


Nur ein Europäer, soviel ich erfahren konnte ein englischer Major, hatte auf
einem seiner beiden Jagdzüge nach dem Altai einen Hirsch erlegt, jedoch war ihm
das Geweih in Sibirien gestohlen worden, so dass der von mir erlegte Hirsch, den ich dem
Museum für Naturkunde in Berlin gegeben habe, das erste Exemplar ist, welches nach
Europa kam.


Der Maral legt sein Geweih weiter nach den Seiten aus als durchschnittlich
unser Hirsch (cervus elaphus). Augensprossen und Eissprossen stehen dicht bei ein-
[31]Der Hirsch des Altai.
ander und sind ziemlich gleich entwickelt. Eine Kronenbildung soll selten vorkommen,
und gewöhnlich endet das Geweih in einer die andern weit überragenden Spitze.


Ein anderes Geweih, welches ich unweit des Platzes, an dem ich einen Hirsch
erlegte, fand, war fast doppelt so stark, wie das von mir erbeutete, und konnte sich mit
einem starken amerikanischen Wapiti messen.


Der Hirsch selbst ist, wie auch der Wapiti, ich möchte sagen nicht
so edel, wie der Hirsch unserer Heimat. Er zieht nicht so stolz, sondern trägt das
Haupt beim Ziehen tiefer. Sein ganzes Auftreten zeigt nicht so viel Adel, wie das
unseres Königs der Wälder, und gar seine Stimme in der Brunft fällt jämmerlich gegen
das Orgeln unseres Edelhirsches ab; es ist ein aus hohen Fisteltönen zusammengesetztes
Schreien, dessen einzelne Töne an diejenigen des Dudelsacks erinnern. Immerhin bietet der
mächtige Hirsch durch seine Grösse, besonders in der Flucht, noch ein wundervolles Bild.


Am Jessater, der sein meistes Wasser von den Gletschern der Belucha, des
höchsten Berges des sibirischen Altai, erhält und rauschend und schäumend zwischen
Wänden, die bald dicht bewaldet, bald parkartig mit einzelnen Baumgruppen bestanden
sind, offene Wiesen dem Wilde bietend, sich hindurchwühlt, schlugen wir nach einem
ermüdenden Tagmarsche unser Lager auf, inmitten eines sanft zum Flusse neigenden
lichten Hochwaldes von Lärchen.


Am ersten Tage durchzog ich, von nur einem Kalmückenjäger begleitet, die
nördlich des Flusses gelegenen Hänge. Wohl fanden wir einige frische Fährten und
einen scheinbar sehr gut besuchten Brunftplatz, machten jedoch nur zweimal weibliches
Wild hoch, auf das ich, um den Brunfthirsch, den wir spürten, nicht zu vergrämen,
nicht schoss. Am nächsten Tage fanden wir wieder Fährten, die uns zeigten, dass auch
in der letzten Nacht der Brunftplatz besucht war, und so beschlossen wir von hochge-
legenen Punkten aus den Lockruf für den Brunfthirsch die Hänge hinunterschallen zu
lassen, um ihn zur Antwort zu reizen.


Mein Kalmücke trug zu diesem Zweck ein, einer langen spitzen Düte ähnelndes,
aus Birkenrinde zusammengedrehtes Instrument bei sich, dem er so drollig klingende,
hohe fistelnde Töne entlockte, dass ich nicht eher mich von der Natürlichkeit des Lock-
rufes überzeugen liess, bis ich plötzlich tief unter uns aus einer dichten Fichtenwildnis
ganz gleiche Töne als Antwort heraufschallen hörte.


Jetzt stiegen wir von unseren Ponys und zogen uns langsam, von Zeit zu Zeit
den Lockruf blasend, in der Richtung der stets erfolgenden Antwort abwärts. Entweder
täuscht der Ruf des Maralhirsches dadurch, dass er nach verschiedenen Seiten hin
ausgestossen wird, ganz ausserordentlich, und es lässt sich danach die Entfernung und
Richtung sehr schwer beurteilen, oder es waren drei Hirsche, die in verschiedenen
Stimmen und verschiedenen Richtungen uns antworteten. Ich glaube jedoch das erstere,
denn alle unsere Mühen späterer Tage wurden nicht mehr von Erfolg gekrönt — wir
fanden keinen Hirsch mehr in der ganzen Gegend.


Einen Wolf, der offenbar sich auch durch unsern Lockruf hatte täuschen lassen,
scheuchten wir dicht vor uns auf, natürlich schoss ich nicht, denn mich lockte das erste
Geweih des Maralhirsches viel mehr als der Balg des Räubers. Ich glaube jedoch nicht,
dass sich der Wolf an ausgewachsenes Maralwild wagt, jedenfalls nicht allein, denn die
scharfen Schalen dieser mächtigen Tiere sind ihm fraglos eine zu gefährliche Waffe.


[32]Der Hirsch des Altai.

Fast eine Stunde lang wechselten so Ruf und vorsichtiges Anschleichen. Der
oder die uns antwortenden Hirsche schienen in Geduld das Näherkommen des Ri-
valen abzuwarten. Als wir annahmen, dass der Hirsch schon in nächster Nähe von uns
stehen müsste, blieb der Kalmücke zurück, und ich birschte allein, von dem Tone
geleitet, nach vorwärts. Vor mir lag eine flache Höhe, auf deren anderer Seite ich
den Hirsch vermutete, und fast hätte ich mir das Wild vergrämt, als plötzlich nur 50
Schritte vor mir aus dem Schnee, in dem der Hirsch sich sein Bett tief eingedrückt
hatte, ein mächtiges Geweih von zwölf Enden und dann ein starker Hirsch auftauchte.
Kurz vorher war er laut geworden — also im Lager sitzend —, es hatte mich aber
seine Stimme auf die Entfernung hin zu einer falschen Annahme bewogen. Der Hirsch

Figure 8. Hurte armer Kalmücken.


schien unschlüssig zu sein und nach kurzem Ueberlegen mehr Lust zu haben, sich vor
dem Rivalen zu drücken, als ihn anzunehmen. Bevor er sich aber ganz abwandte und
mir dadurch den Schuss aufs Blatt entzogen hätte, gab ich Feuer, und nach einem
mächtigen Sprung stürmte der starke Hirsch in weiten Fluchten über den Schnee da-
hin. Schnell gab ich ihm den zweiten Lauf. Es wäre aber nicht mehr nötig gewesen,
denn schon nach wenigen Fluchten brach er zusammen und war verendet. Mein Ge-
schoss aus der 500-Expressbüchse sass mitten auf dem Blatt.


Jetzt kam der Kalmücke jubelnd angerannt, leider so laut, dass es aussichtslos
war, festzustellen, ob vielleicht noch andere Hirsche, wie wir vorher vermutet hatten,
in der Gegend seien.


Als der Hirsch hoch geworden war und nicht, wie unser Hirsch, wenn er
sichert, mit stolz erhobenem Haupte, sondern wenig edel und eindrucksvoll, in der
[]

Figure 9. Maralhirsche.


[33]Der Hirsch des Altai.
Haltung noch unsicher, was er beginnen sollte, vor mir stand, fiel es mir auf, wie viel
weniger er als unser Hirsch die Bezeichnung des Edelhirsches verdient.


Es war allerdings ziemlich zu Ende der Brunftzeit, und dann ist ja auch unser
Hirsch in seinem Aeusseren nicht auf der Höhe.


Es lag mir soviel daran, den Hirsch, von dessen Transport wir seines riesigen
Gewichtes wegen absehen mussten, nicht zu verlieren, dass ich dem Kalmücken half, ein
tüchtiges Feuer anzufachen und ihm noch eine Decke gab und ihm befahl, die Nacht
beim Hirsch zu bleiben.


Wer weiss, ob mir nicht die Wölfe in ihrer Gierigkeit selbst das Geweih ver-
schleppt hätten. Ich suchte mir, so gut es ging, den Weg zum Lager, den ich allerdings
ohne mein braves Pony wahrscheinlich nicht gefunden hätte, und traf lange nach
Eintritt der Dunkelheit dort ein.


Am nächsten Tage verfertigten wir aus zwei Baumstämmen eine Schleppe, die
wie eine Gabel einem der Pferde am Gurt befestigt wurde, und auf deren, auf dem
Schnee schleifenden Ende der Hirsch festgemacht wurde. Und so brachten wir ihn
hinab dem Lager zu.


Das Wildpret war natürlich kein besonderer Genuss, ebenso wenig wie bei
unseren abgebrunfteten Hirschen, wurde jedoch von den Kalmücken und einer bei uns
vorbeiziehenden Kirgisenhorde sehr geschätzt.



v. Wissmann 5
[[35]]

Straussen.

[figure]


Einer der bekanntesten Jäger und Händler
in Deutsch-Südwestafrika, der Schwede Erikson,
war früher Begleiter und Präparator des be-
rühmten Ornithologen Anderson, blieb aber in Afrika zurück und verwendete seine Er-
fahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten für sich selbst, er wurde Händler in Straussen-
federn und Elfenbein.


Wie überall, hielt die gute Ernte des Elfenbeines in dem von ihm bereisten Gebiete
nur wenige Jahre vor, so dass er dann selbst erklärte, dass sein einziges rentabeles
Geschäft das mit Straussenfedern sei.


Welche Wichtigkeit der Handel mit diesen erreicht hat, beweisen am besten die
älteren Unternehmungen und neuen Versuche mit Straussenzucht. Es giebt solche in
grosser Anzahl in Südafrika, dann bei Kairo, im Nilgebiet, in Algier, ferner in Kalifornien
und in Australien, nach welchen letztgenannten Ländern der Strauss natürlich ausgeführt
ist. Neuerdings werden auch in Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika Versuche
mit Gründungen von Straussenzüchtereien gemacht.


Viel bedeutender aber als der Handel mit den Federn gezüchteter Straussen ist
der mit dem Schmuck der in der Wildnis lebenden Vögel, welcher am regsten in Südwest-
afrika und vom Somalilande nach Aden hinüber betrieben wird. Die Federn der wilden
Straussen sind den andern weit vorzuziehen. Nur während einer kurzen Zeit des Jahres ist
der Strauss im Vollschmuck seiner Federn, von denen die schönen schwarz und weissen
ausschliesslich vom Hahn stammen; doch kann man sie heute auch nach Belieben färben.


Ausser dem Menschen verfolgen viele Raubtiere, unter denen das heisshungrigste
der Wildhund ist, den stolzen Riesenvogel, und man muss sich wundern, dass er nicht
schon längst verschwunden oder doch ausserordentlich decimiert ist. Dass dies nicht
geschehen, sondern vielmehr in den verschiedensten Gegenden Afrikas noch ein grosser
Reichtum an Straussen vorhanden ist, kann nur seiner grossen Klugheit und Vorsicht,
verbunden mit grosser Fruchtbarkeit, zugeschrieben werden.


Bekannt dürfte sein, dass Afrika von dem oberen Nilgebiete an durch den Osten
des Kontinents hindurch, nach Südwestafrika und im Westen bis Benguela nordwärts,
dann Arabien und einige Steppen Süd-West-Asiens die Heimat des Strausses ist.


Der oben erwähnte schwedische Jäger und Kenner behauptet zwar, es gebe zwei
verschiedene Arten Strausse, die sogar in ein und derselben Gegend heimisch wären,
5*
[36]Straussen.
nämlich in Südwestafrika, allein es ist mir nicht gelungen, auch nur oberflächliche An-
haltspunkte für diese Behauptung zu finden. Er will kürzere niedergestellte und schlanke,
hochständigere unterscheiden, und hält die Federn der erstbeschriebenen für die besseren.
Einige seiner farbigen Jäger bestätigten diese Behauptung, aber wie gesagt, unter den
Hunderten, die ich gesehen habe, ist mir eine Verschiedenheit nicht aufgefallen, ich will
jedoch hiermit die Behauptung des alten erfahrenen Jägers und Beobachters nicht in
Zweifel ziehen.


Die einzelnen Sinne des Vogels sind an Schärfe ausserordentlich verschieden.
Obenan steht das Licht, das in seiner Grösse und tiefen schönen Farbe etwas an das
der Giraffe erinnert, wenn es auch nicht den sanften — ich möchte geradezu sagen —
milden Ausdruck desselben hat. Wie bei der Giraffe steht es so hoch über dem Erd-
boden, dass es dem Vogel eine weite Umsicht und Einsicht in die Deckungen seiner
Feinde gewährt, und man glaubt gar nicht, bis zu welcher Höhe sich der Strauss, wenn
er behutsam Umschau hält, aufrecken kann.


Die Farbe des langen dünnen Halses ist derartig, dass sie vollkommen in der
vorwiegend gelben Umgebung verschwindet, und so wird man meist von dem Strauss
eräugt, lange bevor man seiner selbst ansichtig wird; denn man erkennt ihn erst an dem
schwarzen oder braunen Leib, der bedeutend tiefer liegt als die Lichter, und sieht
Straussen selbst dann nicht, wenn sie sich in der Buschwildnis bewegen und mit ihren
langen Hälsen über die Deckung hervorragen. Wenn der Strauss sitzt und das Gras
auch nur geringe Höhe hat, so verdeckt dasselbe den dunkelgefärbten Leib und der
lange, dünne Hals mit dem Kopf ist nur für das scharfe Auge der Wilden zu gewahren.


Man sagt, dass die Vorsicht des grossen Vogels und das durch sein scharfes
Gesicht bedingte frühe Erkennen einer Gefahr der Grund sei von dem wunderlichen
geselligen Zusammenstehen verschiedener Wildarten auf der afrikanischen Steppe. Sehr
häufig sieht man zwei, drei, ja vier verschiedene Wildarten in einem Rudel vereinigt,
allerdings nur zur Aesung, denn aufgeschreckt trennen sich diese Trupps alsbald wieder
und die einzelnen Arten suchen Schutz und Rettung, wie es durch körperliche und
geistige Begabung einer jeden bedingt wird.


Es sind dies der Strauss, ein Vogel, das Zebra, ein Einhufer, das Gnu, das
Bindeglied zwischen Antilope und Rind, und das Hartebeest, die schnellste und aus-
dauerndste aller Antilopen. Ich habe mich oft gefragt, ob die Natur diese Geschöpfe
gelehrt hat, sich so zusammenzufinden, dass alle Sinne, die das Wild vor seinen Feinden
schützen, sich hier vereinigen? Der Strauss mit dem unübertrefflichen scharfen Gesicht,
das Zebra mit dem feinen Gehör, und die beiden Anderen mit der hervorragenden feinen
Witterung? Es ist gewiss, dass es dem Jäger schwer wird, sich an ein solches Rudel
anzubirschen und für die beiden Wiederkäuer, über deren wunderliches und oft für sie
so verderbliches Gebaren ich in anderen Kapiteln berichtet habe, ist die Freundschaft
der beiden anderen klugen und vorsichtigen Tischgenossen eine besonders wichtige Hilfe
im Kampfe ums Dasein.


Die Schärfe der Lichter muss dem Strauss den Mangel an den anderen, der
Sicherheit des Wildes dienenden Sinne ersetzen, denn wittern kann er, wie wohl alle
Vögel, überhaupt nicht, und die Eingeborenen behaupten sogar trotz aller von mir aus-
gedrückten Zweifel fest, dass er auch absolut taub sei. Man könne ein Gewehr in seiner
[]

[figure]

[37]
Straussen.
nächsten Nähe abdrücken, er würde keine Notiz davon nehmen, wenn er nicht durch
die Lichter aufmerksam darauf gemacht würde. Versuche darüber habe ich nicht
anstellen können, denn wenn allerdings auch Strausse auf weitere Entfernungen auf den
Knall meines Gewehres keine Rücksicht nahmen, so war das doch noch kein Zeichen,
dass sie ihn nicht gehört hatten, sie wussten ihn sich vielleicht nicht zu erklären, wie
ich häufig an Wild in Gegenden, in welchen noch kein Gewehrknall die Stille der
Wildnis unterbrochen hatte, beobachtete.


Neben dem scharfen Gesicht schützt den Strauss vor seinen Feinden die
Schnelligkeit der stahlharten sehnigen Ständer, mit denen er, unterstützt von dem Schlagen
der plumpen Flügel, ausserordentlich weite Schritte in der Flucht machen kann. Endlich
ist der Strauss auch keineswegs wehrlos. Er besitzt in den harten, nun, sagen wir
„Schalen“, mit denen die muskulösen Ständer bewehrt sind, eine nicht zu unterschätzende
Waffe. Es ist vorgekommen, dass Hähne, deren hochgradige Erregtheit in der Balzzeit
an der tiefen Rötung des Halses und der nackten Teile am Körper erkenntlich ist, ihren
Wärter mit einem Schlag auf den Kopf sofort durch Zerschmettern der Hirnschale
getötet haben.


Der Strauss kann hin- und herspringen, sehr gewandt ausweichen und im Hoch-
sprung seinen Hieb von oben herab führen. Erstaunlich ist es daher, dass der Wild-
hund, der doch nicht die Gewandtheit der grossen Katzen besitzt, der gefährlichste
Feind des Strausses ist.


Dass unser Wild nicht in dichte Wälder tritt, ist bekannt. Offene lichte Wälder
beherbergen ihn zwar häufig, am meisten liebt er aber mit vielem niedrigen Buschwerk
und vereinzelten Bäumen bestandene Steppen. Die Büsche entziehen seinen Körper dem
spähenden Blicke seines Feindes, die letzteren gewähren ihm Schatten, und ich habe die
meisten Straussennester dicht am Stamme eines niedrigen Baumes gefunden.


Unbestritten giebt es mehr Hennen als Hähne und selten hat ein Hahn weniger
als zwei, mehrfach sogar drei Hennen bei sich. Der Grund dieses Zusammenstehens ist
nicht einzig der der Paarung, sondern die Hennen unterstützen sich auch beim Brüten;
denn es unterliegt keinem Zweifel, dass sich die Vögel beim Brüten abwechseln, und
dass auch die Hennen, die nicht gelegt haben, mitbrüten. Vielfach kommt es vor, dass
zwei Hennen in ein- und dasselbe Nest legen, die dann am Tage abwechselnd brüten,
während in der Dunkelheit die ganze Nacht hindurch der Hahn auf den Eiern sitzt.


Der einzige Ton, den ich von Straussen gehört habe, ist das bekannte Trom-
meln, ein Geräusch, das am meisten an die Töne von in einiger Entfernung geschlagenen
tief gestimmten Kesselpauken erinnert.


In der Balzzeit ist der Hahn leicht zu überlisten, wenn er aus Eitelkeit und
Sucht, den Hennen zu gefallen, unter den drolligsten Kapriolen reguläre Tänze auf-
führt. Sechs-, siebenmal hinter einander dreht er sich im Kreise herum, schlägt mit
den Flügelstümpfen in die Luft, verrenkt den langen Hals in komischer Weise, rennt
kurze Strecken voran, springt von einem Tritt auf den andern und wiederholt dies alles
vielmal in abwechslungreichen Touren, so dass man nicht müde wird, das interessante
Balzballet stundenlang zu bewundern.


Das Brutgeschäft scheint nicht fest an eine bestimmte Jahreszeit gebunden zu
sein. Man sagte mir wenigstens in Südwestafrika, dass man, ausser in der dort so kurzen
[38]Straussen.
Regenzeit, das ganze Jahr hindurch Eier fände; jedenfalls erhielt ich solche vom Juli bis
zum Dezember und fand selbst, wie ich später erzählen werde, ein Nest mit frisch
gelegten Eiern im Oktober. Im Januar und Februar, ja noch im März, habe ich ganz
junge, erst vor wenigen Tagen ausgefallene Straussen gesehen, die häufig von Eingeborenen
gefangen werden.


Die Eier haben einen eigentümlichen, ich möchte sagen „überkräftigen“ Neben-
geschmack und sind, wenn man sich an diesen gewöhnt hat, eine grosse Delikatesse.
Nur ein Buschmann bringt es fertig, ein hartgekochtes Straussenei in einer Mahlzeit
allein zu vertilgen. Ich habe, wenn ich in Südwestafrika mich auf längere Zeit vom
Lager entfernte, das Dotter eines hartgekochten Strausseneies als vollständig ausreichende
Nahrung für einen Tag mitgenommen.


Zu Koch- und Backzwecken ist das Ei ausserordentlich gut verwendbar. Man
siedet es entweder in zwanzig bis dreissig Minuten hart oder man öffnet es an einer
Stelle, quirlt es in rohem Zustande durcheinander, thut etwas Salz hinein und gewinnt
so ein vorzügliches Rührei.


Das Wildpret des Strausses ist ebenfalls nicht schlecht, wenn auch stark faserig.
Es ist an den verschiedenen Teilen des Körpers ganz ausserordentlich verschieden und
wird von den Eingeborenen sehr geschätzt — mehr aber noch das gelbe Fett, das der
Vogel in der Zeit vor dem Brüten sehr reichlich ansetzt und das von Eingeborenen und
Buren zu tausenderlei Zwecken verwendet wird.


Auch die Haut benutzt man zu Kappen, Taschen, Säcken und anderen Zwecken,
so dass eigentlich von dem erlegten Tier nichts verloren geht.


Die ungleichmässige Brutzeit der einzelnen Vögel bedingt auch eine Verschieden-
heit in der Entwicklung der Federn der verschiedenen Familien, so dass man sehr wohl
an demselben Tage einen tadellosen Vogel schiessen kann und einen, der, einem Stachel-
schwein ähnlich, nur mit einigen starren Federposen bedeckt ist.


Es kommt zwar vor, dass man sechs und sogar noch mehr Straussen vereinigt
sieht, doch ist das nur ein zufälliges Zusammenfinden, denn gewöhnlich stehen die
Vögel allein oder, wie schon gesagt, der Hahn mit einer bis drei Hennen zusammen.
Selbstverständlich verstehe ich hierunter nur alte Strausse, denn so lange die jungen
Vögel noch bei den alten stehen, bilden sie nicht selten Trupps von 20 bis 25 Stück.


Junge Strausse kann man sehr leicht aufziehen, sie werden schnell zahm, ja es
scheint, dass sie sich vom ersten Augenblick der Gefangenschaft an an ihren Herrn ge-
wöhnen. Dies erleichtert das Anlegen einer Straussenzucht sehr, und ebenso das Ein-
setzen gezähmter Wildlinge in die Straussengehege zwecks Blutauffrischung.


Am meisten Erfahrung in der Straussenjagd habe ich in Deutsch-Südwestafrika
gewonnen. Es kam vor, dass wir zwanzigmal an einem Tage Straussen sahen,
doch habe ich nur selten und zwar nur dann die Jagd aufgenommen, wenn ich einen
Hahn im vollen Schmuck seiner Federn fand. Auf einen solchen ist die Jagd höchst
interessant, denn er stellt dem Pferde eine Aufgabe, der nur ein zäher, schneller Renner,
und zwar nur auf hindernislosem Grund gewachsen ist, denn mit grossartiger Kraft und
Gewandtheit überflieht der Strauss im Sprunge die Hindernisse der Wildnis.


In ganz auffallender Weise die Meinung der Eingeborenen, dass der Strauss taub
sei, bekräftigend, kam ich einst mit meinen Begleitern an einen in voller Pracht seines
[39]Straussen.
Federschmuckes stehenden Hahn heran, der so eifrig mit dem Aufnehmen der ab-
gefallenen Früchte eines Baumes beschäftigt war, dass er uns nicht eräugte. Ich hätte
ihn leicht schiessen können, zog aber die lustige Hetze vor und nahm dieselbe auf, als
er noch kaum mehr als vierzig Schritte von mir entfernt war.


Anfangs kommt der Reiter dem Vogel schnell näher, denn dieser scheint vor
der Gefahr den Kopf zu verlieren und rennt planlos hin und her, den langen Hals bald
duckend, bald hochreckend, ungleich mit den Flügeln schlagend und wie ein Betrunkener
hin und her taumelnd. Bald aber hat er sich für eine Richtung entschieden und nun
geht es schnurgerade mit langgestrecktem Halse vorwärts.


Jetzt ist es eigentlich zu spät, denn im vollen Laufe einzuholen ist der Strauss
nicht mehr, wenigstens nicht für die besten Jagdpferde Südwestafrikas, und ich bezweifle
sogar, ob selbst für ein edles Pferd. Will man deshalb den Strauss zu Pferde jagen,
so muss man entweder im ersten Anlauf, die Unentschlossenheit benutzend, heran-
sprengen, abspringen und schiessen, oder — und das geht nur, wenn man ein sehr aus-
dauerndes Pferd unter sich hat — ihm im leichten Jagdgalopp und Trab folgen, bis er
hallali ist und sich vom Reiter mit einem Stock oder dem bekannten Schambock, der
Peitsche der Südafrikaner, niederschlagen lässt.


Eine solche Parforcejagd, die, solange der Strauss frisch ist, geradeaus geht, so-
bald er aber etwas Ermüdung spürt und Haken zu schlagen beginnt, um dem Jäger zu
entkommen, in den verschiedensten Windungen verläuft, kann sich leicht über mehr als
zwanzig englische Meilen erstrecken und muss von einem Eingeborenen geleitet werden,
weil der Europäer, der den Strauss nicht kennt, zu Anfang leicht die Fährte verliert
und mit dieser auch den Strauss.


Ist die Ebene, in der man dem flüchtigen Strauss folgt, nicht ganz offen, so
verliert man ihn häufig aus den Augen und muss dann der Fährte in der vom Führer
angegebenen Richtung folgen. So verlor ich auch den oben erwähnten prächtigen Hahn
bald aus dem Gesicht und sah nach wenigen Kilometern in gestrecktem Galopp leider
ein, dass es mir unmöglich sein würde, ihn einzuholen. Als meine zurückgebliebenen
Begleiter herangekommen waren, wollten sie zwar die Jagd wieder aufnehmen, allein ich
unterliess es doch aus Rücksicht auf mein ermüdetes Pferd.


Das nächste Mal, als ich drei Straussen aufthat, liess ich mich von meinem Jäger,
einem Mulatten, der in Südwestafrika heimisch war, führen und folgte ihm in scharfem
Trab oder leichtem Jagdgalopp. Oft verloren wir die Strausse ganz und schliesslich,
als sie schon ermüdet waren, trennten sie sich und jetzt ging's hinter dem Hahn her,
der uns nun nicht mehr aus den Augen kam. Er war zuletzt vollkommen hallali, die
Flügel hingen ihm schlapp am Leibe herab und machten höchstens einmal den Versuch,
den taumelnden Körper aufrecht zu erhalten und der lange Hals kam der Erde immer
näher. Als ich ihm endlich so nahe war, dass ich ihn vom Pferde mit dem Karabiner
erlegen konnte, waren aber auch wir und unsere Pferde vollständig fertig. Diese legten
sich sofort nieder und dachten erst viel später ans Fressen. Sie waren buchstäblich mit
Schaum bedeckt und zitterten am ganzen Leibe. Ich aber dachte: einmal und nicht
wieder. Ich hatte, um diese Jagd kennen zu lernen, an diesem einen Male genug — denn
will man den Strauss auf diese Art jagen, so muss man einen ganzen Marstall von Pferden
mit sich führen. Ich musste meinen Schimmel tagelang nach diesem Dauerritt schonen.


[40]Straussen.

Häufig bin ich später noch im ersten Anlauf so nahe herangekommen, dass ich
schiessen konnte, und häufig habe ich mich zu Fuss angebirscht. So sah ich einmal
auf freier Steppe, die mit lichtem Hochwald untermischt war, Straussen. Ich birschte
mich bis auf dreihundert Meter heran, wurde dann aber von den Vögeln eräugt.
Erstaunlicherweise wurden dieselben — es war ein Hahn und zwei Hennen —
nicht flüchtig, sondern zwei rannten unentschlossen hin und her und einer versteckte sich.


Als ich noch näher kam, ergriff der Hahn die Flucht, die zwei Hennen aber
standen so dicht beieinander, dass ich sie kaum unterscheiden konnte. Ich wollte
einmal eine Henne schiessen, die erste und einzige, die ich überhaupt erlegt habe, —
drückte ab und sah eine der beiden flüchtig abgehen und nach etwa 20 Fluchten im
vollen Lauf ein Ei verlieren.


Rasch lief ich in der Richtung meines Schusses und sah eine der Hennen verendet am
Boden liegen und — ein wunderbar überraschend schöner Anblick — dicht hinter ihr eine
flache Mulde, angefüllt mit 19 schönen, in ihrer Grösse und Form stark variierendenEiern.


Meine farbigen Begleiter brachen in Jubel aus, nicht über den erlegten Strauss,
wohl aber über die so erwünschte Beute, die wir im Neste fanden. Vor allem suchten
wir jetzt festzustellen, ob die Eier bebrütet seien, ausserdem war ich aber auch im
Zweifel, ob ich sie fortnehmen sollte. Mein Jäger aber versicherte mich, dass die beiden
flüchtig gewordenen Vögel sicher nicht an ein Nest zurückkehren würden, von dem sie
derart vergrämt wären, zumal der gestreckte Strauss stark geschweisst hatte und der
Schweiss bis ins Nest gespritzt war. In nicht weit entferntem Wasser stellten wir fest,
dass alle Eier frisch waren, denn sie sanken unter und legten sich unter Wasser auf die
Seite. Wir fanden später auch die Richtigkeit der Wasserprobe bestätigt, die Eier waren noch
nicht bebrütet und boten uns auf lange Zeit schwelgerische Mahlzeiten in der Wildnis.


Jetzt trat die wichtige Frage des Fortschaffens der schweren Eier und des
Wildpretes an uns heran. Wir waren nur drei Reiter und die Eier mussten vorsichtig
transportiert werden, obwohl ich erstaunt war, wie hart und widerstandsfähig die Schale
der noch nicht entleerten Strausseneier ist.


Zunächst balgten wir vorsichtig den Strauss ab und zwar so, dass wir den
langen, an einem Ende zugeschnürten Hals mit der frischen, dehnbaren Haut als Sack
benutzten und eine Anzahl Eier hineinstopften, und ebenso wurde die Haut des hinteren
Endes des Körpers benutzt. Dann wurden die Satteltaschen gefüllt und unsere an den
Aermeln und oben zugebundenen und mit Eiern gefüllten Röcke zu beiden Seiten des
Sattels befestigt und das Wildpret über den Sattel gehängt.


Unsere Beute belastete die drei Pferde so, dass meine beiden Begleiter ihre Reittiere
führen mussten. Wir hatten gewiss sechzig bis siebzig Pfund Eier und an 150 Pfund Wildpret
mitzuführen, und selten hat mir eine Jagdbeute in der Wildnis so viel Freude gemacht,
und sich auch gleichzeitig in materieller Hinsicht so rentiert, wie die beschriebene.


Ich will den Leser nicht mit Birschgängen auf Hähne ermüden, denen ich den
schönen Schmuck zu Geschenken für die Lieben in der Heimat abnahm*), und nur noch
eines Falles aus den grossen Steppen des Nordens von Deutsch-Ostafrika Erwähnung thun.


[]
Figure 10. Erlegte Straussenhenne

[41]Straussen.

Auf dem Marsche mit zwei Kompagnien meiner Truppen gewahrte ich auf eine
grosse Entfernung seitwärts unseres Weges einige Straussen und übte mich mit meinen
Begleitern in der Schätzung der Entfernung. Da wir mit unserer Meinung sehr weit
auseinander waren und ich auf siebenhundert Metern bestand, nahm ich zur Probe das
Mausergewehr eines meiner Leute, schoss mit diesem Visier und legte einen der
Straussen nieder.


Dies war in der vollen Regenzeit, also der Zeit, wo die Straussen sicher nicht
balzen oder brüten. Einen komischeren Anblick, als den, den dieser Strauss bot, habe
ich selten gehabt. Er war fast vollkommen nackt und die wenigen Federn, die auf
seinem fleischfarbigen Körper starrten, waren noch durch Regen und Dornenbüsche
vollständig ihres Flaumes beraubt, so dass das Tier eine uns allen auffallende Aehn-
lichkeit mit „Hans Huckebein, dem Unglücks-Raben“ hatte.


Ist auch der Strauss, wie schon oben gesagt, heute noch ein häufiger Bewohner
der menschenleeren Steppen Ost- und Südwest-Afrikas, so kennen wir doch weite
Gebiete, in denen er schon vollständig verschwunden ist, und wir sollten das durch
seine schönen Federn nützliche Tier zu schützen suchen, wenn es auch sehr viele andere
Tiere der Wildnis giebt, deren Erhaltung der Menschheit einst viel wichtiger werden
kann, als die des Strausses, der uns ja doch nur zu Schmuckzwecken dienen wird.



v. Wissmann. 6
[[43]]

Nashornjagd.

[figure]


Ein interessantes Gebiet in unserem Deutsch - Ostafrika ist das südlich der
Rovuma-Mündung gelegene kleine Deltagebiet Kionga, welches unter dem Gouverne-
ment des Herrn von Scheele von der portugiesischen Provinz Mozambique an Deutsch-
land abgetreten wurde. Hier tritt noch einer der drei mächtigen Dickhäuter, die in
Afrika vorkommen und von denen man glaubt, dass man sie weit im Innern des Kon-
tinents aufsuchen muss, bis an den Strand des Meeres heran. Hier tummeln sich auf
den Deltabildungen noch eine Anzahl verschiedener Wildarten. Nur ein schmaler Land-
saum am Seestrande ist mit einigen Dörfern der Eingeborenen besetzt, sonst muss man
schon weit landeinwärts und den Rovuma aufwärts gehen, um wieder Bevölkerung
zu finden.


Natürlich sind die feuchten Niederungen des Deltas besonders bevölkert von
Wildschweinen und den langschaligen Sumpfantilopen (tragelaphus); aber auch andere,
grössere Antilopen haben diese stille Gegend aufgesucht.


Ich hatte noch kein Nashorn geschossen; denn in ihrer vornehmlichen Heimat,
nördlich des Kilima Ndscharo-Gebietes oder den Sambesi weiter aufwärts, war ich nicht
gewesen. Einmal, dicht am Kilima Ndscharo, entging ich knapp dem Schicksal, von
einer boshaft schnaubenden Nashornkuh, die von einem Jungen begleitet war, über den
Haufen gerannt zu werden, hatte aber dem anrennenden Tier (ich führte kein Gewehr
bei mir) im dichten Busch ausweichen können.


Meine ersten Jagderlebnisse mit Rhinocerossen im Jahre 1883 waren noch
betrübender. Zweimal stürzte ich in Ugogo und dem Marenga mkali während des
Birschens in Rhinoceros-Fallgruben, die von den Eingeborenen so geschickt verdeckt
werden, dass der Mensch, der diese Anlagen nicht kennt, sie unmöglich entdecken kann.


Das Rhinoceros hält ziemlich regelmässig Wechsel, und diese Wechsel sind mit
von den scharfen Dreihufen häckselartig zerschnittenem, vertrocknetem Gras bedeckt.
6*
[44]Nashornjagd.
Mit diesem Material werden auch die mitten auf dem Wechsel angelegten Fallgruben
überdeckt.


Schaden macht klug. Von da ab sah ich mich stets vorsichtig um, ob ich einen
in der Wildnis unmotivierten Erdhaufen gewahrte. Der Boden, der aus der Fallgrube
ausgehoben wird, wird nicht zerstreut, denn das stumpfsinnige Nashorn besitzt nicht
soviel Scharfsinn, dass ihm die aufgehäufte Erde zur Warnung dienen könnte. Man
zweifelt vielleicht, dass ich anderen Tieren soviel Beobachtungsgabe zutraue; ich habe
aber sehr häufig meine Reitstiere, auf deren Rücken ich jahrelang in Afrika gereist bin,
Stellen vorsichtig untersuchen und umgehen sehen, die irgend welche Unregelmässigkeit
im Boden aufwiesen.


Zum Glück ist die Sohle der Fallgruben für Rhinocerosse nicht, wie die der
Elefanten, mit spitzen Pfählen bepflanzt, an denen sich das hineinstürzende Tier so
schwer verwundet, dass es unfähig wird, Fluchtversuche zu machen. Der Elefant, so
behaupten die Eingeborenen, arbeitet sich mit Stosszähnen und Rüssel aus jeder Fall-
grube heraus, ja die anderen Tiere des Rudels sollen dem verunglückten Verwandten
dabei behilflich sein, was ich von dem Muttertier zur Rettung des Jungen unbeanstandet
glaube. Die Fallen der Nashörner verjüngen sich nach unten bis zu einem spitzen
Winkel. Beim Sturz klemmt sich das Tier in den Blättern und Keulen an den Seiten-
wänden fest und wird somit fast bewegungsunfähig, da die Läufe den Boden nicht
berühren.


Das eine Mal war mein Einbrechen in eine solche Grube besonders unangenehm.
Ich birschte mich mit schon gespanntem Gewehr auf ein Rudel von Kudu-Antilopen
an, als plötzlich der Boden unter mir schwand, ich 3—4 Meter abwärts fiel und im
Sturze sich beide Läufe des Gewehres entluden, zum Glück beim Kopfe vorbei. Natür-
lich war auch das Wild, von dem mir ein prächtiger Kudubock mit weit ausgelegtem
Gehörn am nächsten stand, verschwunden.


Doch zurück nach Kionga.


Es gelang mir, in dem Dörfchen bei der Station des Gouvernements zwei Jäger
anzuwerben, die mich in die Buschländer, die Heimat des dortigen Nashorns, führen
sollten. Einer der Nimrode hatte sogar schon ein Nashorn geschossen, der andere
war bei einem solchen Falle zugegen gewesen und galt deshalb auch als ein grosser
Nashornjäger!


Weidmännische Kunst ist für das Jagen des Nashorns nicht von nöten. Der
mächtige, plumpe Dickhäuter ist wohl das stumpfsinnigste Wild des schwarzen Konti-
nents, und nur ein Sinn ist wirklich scharf ausgebildet, der des Geruches; aber selbst
die Witterung des Menschen veranlasst das Nashorn — und es ist hierin vielleicht das
einzige Wild der Welt — nicht, oder häufig nicht zur Flucht, denn es fürchtet den
Menschen nicht. Es kommt häufig vor, dass es aus Faulheit oder Stumpfsinn sogar
durch Schreien nicht vom Wege zu vertreiben ist, wenn Eingeborene passieren wollen.
Auch das Gehör kann man wohl nicht geradezu stumpf nennen. Aber das Gesicht ist
sehr gering ausgebildet, wie bei allen Riesen des Kontinents und bei den Wildschweinen.


In Kionga hatten wir es mit dem Busch-Rhinoceros zu thun, das immer noch
im Vergleich zu seinem Verwandten, dem Steppen-Rhinoceros „schön“ genannt werden
kann, denn das Verhältnis der Höhe der Läufe zu dem mächtigen, walzenförmigen Leib
[45]Nashornjagd.
ist immer noch besser wie bei jenem, und der Kopf ist sogar verhältnismässig klein.
Die Entwicklung der Hörner, besonders des vorderen, bleibt hinter dem des Steppen-
Rhinocerosses weit zurück, es ist massiver, aber erreicht nie die Länge der bis zu 110 cm
langen Waffe des Steppen-Rhinocerosses. (Ich besitze selbst ein Horn von dieser Länge.)


Die Hauptäsung besteht, wie schon aus seinem Aufenthaltsort hervorgeht, aus
Buschwerk, jungen Zweigen und Früchten des Waldes, auch den giftigen Strichnusäpfeln.
Gräser, wie das Steppen-Rhinoceros fast ausschliesslich, scheint es gar nicht zu äsen,
wenigstens trockene Steppengräser nicht, während es wohl Schilf und Binsen nicht
verschmäht.


Neben der Aesung ist die Hauptbeschäftigung das Suhlen, und hierbei hört man
häufig laut grunzende, Behaglichkeit ausdrückende Töne. In Kionga geht das Busch-
Rhinoceros sogar zum Suhlen in die See. Ich habe die Fährte durch den Sand bis in
die salzige Flut verfolgt und die beim Rücktritt der Flut noch mit Wasser angefüllten
Vertiefungen, die sich die Tiere gewühlt hatten, beobachtet.


Schlammige Wasserlöcher zieht unser Wild wohl vor, besonders in der Zeit,
wenn es am meisten von Insekten gequält wird. Die tiefen Furchen in der Haut, die
Hauptangriffsstellen der Insekten, sind deshalb häufig mit Schlamm ausgefüllt.


Von meinen zwei Jägern, einem Koch und einem Diener, sowie einigen Trägern,
die Zelt und Proviant für einige Tage trugen, begleitet, zog ich aus, um inmitten des
Hauptstandortes der Nashörner mein Lager aufzuschlagen. Den ersten Tag benutzte
ich, um die Gegend kennen zu lernen, nahm verschiedene Fährten auf, bekam jedoch
kein Wild zu sehen.


Wie manches andere Wild, besonders auch die Zwergantilopen, so setzt das
Nashorn seine Losung gern auf einem Haufen ab, und man findet Losungshügel bis zu
Meterhöhe.


In ziemlich dichtem Busch, auf frischer Fährte veranlasste mich plötzlich ein
lautes Rascheln nach meinem schweren Achtbohr, den mir mein Jäger nachtrug, zu
greifen, aber es war kein Nashorn, sondern eine grosse Herde von Zebramangusten,
die das Geräusch verursacht hatte. Die kleinen, klugen Tiere, die in der Gefangen-
schaft so amüsant sind, dass man sie in Afrika bei den Eingeborenen häufig als
Haustiere findet, waren bei der Arbeit, einen grossen Haufen Rhinoceroslosung zu
durchwühlen, offenbar nach Mistkäfern und anderen Kerbtieren, die sich in grosser
Anzahl darin finden.


Am zweiten Tage fand ich die ganz frische Fährte eines starken Nashorns,
begleitet von einem jungen Stück. Ich folgte bis gegen Mittag und kam zuletzt in ein
solch' dichtes Buschwerk, dass es häufig nur auf allen Vieren möglich war, auf der
Fährte zu bleiben. Bald musste unser Wild dicht vor uns sein, denn während der
heissen Stunden des Tages ruht das Nashorn, wenn angängig, im tiefen Schatten und
in einer Wasserlache.


Ich glaube, dass das „wüste“ Wild nicht länger als bis gegen 8 Uhr morgens
auf den Läufen ist und nicht vor 5 Uhr abends wieder auf Aesung tritt. In der
Zwischenzeit ist es nicht ungefährlich, ohne besondere Vorsicht einer Fährte zu folgen,
denn man wird meist in dem unübersichtlichen Buschgelände ganz plötzlich auf den
ruhenden Koloss stossen und dann wohl ausnahmslos angenommen werden.


[46]Nashornjagd.

So schlichen wir denn mit grösster Vorsicht weiter, bis wir ganz dicht vor uns
das Schnauben und Prusten des Wildes hörten. Wir konnten die Töne des jungen
Tieres von denen der Alten genau unterscheiden. Die Alte ruhte offenbar, während das
junge Stück um sie herum spielte. Bei diesem Rundgalopp um die Mutter kam das
Junge so dicht an uns heran, dass wir auf nur wenige Meter vor uns die Büsche
sich bewegen sahen. Das Buschwerk war so dicht, dass von Aufrechtgehen keine Rede
war. An ein Ausweichen in diesem Dickicht war nicht zu denken, und ein Nashorn
auf den ersten Schuss zu fällen, ist eine grosse Seltenheit, so dass die Chancen für den
Ausgang hier ungünstige waren und ich nach langer Ueberlegung betrübten Herzens
mich von dem begleitenden Jäger zurückführen liess. Wahrscheinlich war auch noch
das Junge so klein, wohl noch im Gesäuge, dass mir der Schuss schwer geworden
wäre. Ich hätte sicherlich die Fährte nicht aufgenommen, wenn nicht der Jagdeifer auf
das einzige noch nicht erlegte Wild übermässig

[figure]


gewesen wäre.


Auf die Entfernung von ungefähr 50 Schritt
fanden wir eine kleine Lichtung, und von hier aus
warf ich Steine nach der Gegend, wo
das Wild sich niedergethan hatte.
Obgleich die Steine sicher in nächster
Nähe niederfallen mussten, liess sich
[47]
Nashornjagd.
unser Wild in keiner Weise stören oder beunruhigen, sodass ich die Jagd aufgab, mit
der Absicht, wenn ich keine weidgerechte Fährte finden sollte, gegen Abend zurück-
zukommen.


Durch die ganz frische Fährte eines anderen, stärkeren Nashorns wurde ich am
Abend von dieser Absicht abgebracht. Aber auch diese Fährte brachte uns bis zur
vollständigen Dunkelheit nicht an das Wild heran.


Nachts, gegen 12 Uhr, kam plötzlich mein kleines Lager auf die Beine, und ich
hörte in nächster Nähe das Toben und Brechen von schwerem Wild, tiefes Grunzen
und ein bis zu den höchsten Tönen gehendes, durchdringendes Geschrei kämpfender
Rhinocerosbullen. Ich machte mich sofort nach der Gegend auf, da es Mondschein
war, musste mich jedoch bald überzeugen, dass das Licht des Mondes, der
noch dazu häufig von Wolken beschattet wurde, ein so mangelhaftes war, dass die Jagd
in dem Buschgelände aussichtslos verlaufen musste, und stand ab, besonders weil mich
meine Jäger baten, bis zum ersten Tageslicht zu warten, „wir würden dann die Tiere
noch auf derselben Stelle finden“.


Mit dem ersten Schein der Dämmerung brachen wir auf; noch immer leitete
uns das Pusten, Grunzen und Schreien wie in der Nacht. Immer näher kamen wir den
wüsten Tönen, und endlich blieb, im Schreck zusammenfahrend, mein schwarzer
Jäger vor mir stehen und flüsterte mir zu: „farao“, das Nashorn. Es war still
geworden, das Wild hatte offenbar uns vernommen oder Witterung von uns. Nach
den Stimmen zu urteilen, mussten mindestens drei Stück vor mir stehen. Ich suchte in
der Richtung, die mir der Jäger angab, konnte aber nichts entdecken, so dass mein
Führer ganz ungeduldig wurde. Jetzt erst sah ich auf einmal nur 20 Schritte vor uns,
durch eine Bewegung des mächtigen Kopfes aufmerksam gemacht, das Nashorn.


Die Ohren fest angelegt, den Kopf zu Boden gesenkt, so stand der Koloss ganz
unbeweglich und schien zu vernehmen. Er zeigte mir das rechte Blatt. Ich hob meine
Elefantenbüchse, einen Achtbohr, schoss und warf den Riesen auf die Kniee nieder.
Im Augenblick jedoch war er wieder auf den Läufen, und mit einem Pusten wie von
einer Lokomotive, fuhr er scharf herum. Mein Jäger machte kehrt, rannte mich an, dass
ich über eine Wurzel stolpernd zu Boden fiel, und verschwand. Als ich mich wieder
aufrichtete, brach das Rhinoceros seitwärts von mir ab, hielt aber nach 20 Schritten
wieder an und sicherte diesmal mit hochgehobenem Kopfe nach allen Seiten. Es hatte
mir jetzt das linke Blatt für das schwere Langblei meines zweiten Laufes zugewandt.
Das mächtige Tier brach vollständig zusammen, aber wieder nur für einen Moment —
sprang abermals auf und ging nun flüchtig, alles niederbrechend, mit prasselndem
Geräusch gerade auf das Lager zu. Mit meiner kleinen Büchse, 500 Express, schoss ich
jetzt auf circa 50 Schritt von der Seite rückwärts nach dem Kreuz des Tieres ohne
jeden sichtlichen Erfolg.


Durch meine Schüsse waren meine Leute im Lager auf die Beine gekommen
und standen vor dem Zelt, auf das jetzt das Rhinoceros in gerader Linie losrannte.
Schreien und Tücherschwenken der Leute machten es stutzen, einen Haken schlagen
und im spitzen Winkel rückwärts flüchtig werden. Jetzt kam es mir wieder näher, aber
ich sah, wie seine Sprünge kürzer wurden und unsicherer, und wie es plötzlich stehen blieb.
Ich lief nun auf das schwerkrank zeichnende Wild, das ich in jedem Moment glaubte
[48]Nashornjagd.
zusammenbrechen zu sehen, zu, um ihm den Fangschuss zu geben. Noch einmal setzte
es an, wurde aber diesmal trollend flüchtig. Ich rannte in wildem Jagdeifer hinter- und
bald nebenher und feuerte auf kaum zwei Meter meine 500 Express-Büchse direkt ins
Gehör des sich langsam vorwärts schleppenden Kolosses. Wie vom Blitz getroffen
stürzte nach dem Schuss der Riese vorwärts, rannte sein mächtiges Horn tief in einen
Termitenbau hinein, aus beiden Nasenlöchern fuhr der Dampf meines Schusses, der
durch das Ohr nach vorn durchgedrungen war, heraus, und wie ein vorweltliches, Feuer
atmendes Ungeheuer lag es bewegungslos vor mir.


Es war ein starker Bulle. Das vordere Horn mass 52, das hintere 24 cm. Ich
bemerkte erst jetzt, dass, wahrscheinlich infolge der Kämpfe mit Nebenbuhlern, das rechte
Auge ausgestossen war und deshalb der Riese, da ich meist an dieser Seite war, mich
nicht angenommen hatte. Vielleicht auch war er gleich vom ersten Schuss so schwer
getroffen, dass er überhaupt nicht mehr zu einem Entschlusse kommen konnte.


Die Fährte zeigte uns, dass noch zwei andere starke Tiere mit dem erlegten
gespielt oder gekämpft hatten, die auf den ersten Schuss flüchtig geworden waren. Der
Fährte nach waren alle drei von dem nur etwa 800 m entfernten Meeresstrand heran-
gewechselt.


Infolge dieser Jagd verschrieb ich mir sofort einen Karabiner Modell 88. Der
europäische Jäger ist nicht imstande, während des stundenlangen Folgens einer Fährte
durch die Dickungen der Wildnis, bei glühenden Sonnenstrahlen das schwere Elefanten-
gewehr zur Jagd auf grosses Wild selbst zu tragen. Es kann ihm, wie es mir ja schon
früher mit Elefanten ergangen war, leicht passieren, dass er ganz plötzlich vor dem Wilde
steht, welches dann meist annimmt.


Früher einmal ergriffen meine schwarzen Begleiter, die meine Gewehre trugen,
vor Elefanten im ersten Schreck die Flucht, so dass ich vollkommen wehrlos dem riesigen
Wild gegenüberstand und von einem Elefanten, der mich flüchtend aus dem Wege
räumen wollte, zu Boden geschlagen wurde.


In Buschdickungen würde man kaum Zeit haben, die schwere Büchse zur Hand
zu nehmen, da sich leicht der begleitende Eingeborene durch plötzliches Erscheinen
wehrhaften Wildes einschüchtern lassen und zur Flucht wenden wird. Man sollte deshalb stets
einen kleinen, leichten Karabiner (Kaliber 8 mm) bei sich tragen, um für solche Fälle schnell
einen auf geringe Entfernung vernichtend wirkenden Schuss zur Verfügung zu haben.


Ich bin sonst für die Jagd, besonders für afrikanische, ein Gegner der neuen,
weittragenden Waffen, schon deshalb, weil sie den Jäger verleiten, auf riesige Entfernung
zu schiessen und dadurch viel Wild zu Holz geschossen wird. Wo bleibt denn auch
der Reiz der Jagd, wenn man das Wild auf Hunderte von Metern niederknallt? Nur
für Ueberraschungen möchte ich eine solche Waffe empfehlen, die so leicht wie möglich
sein sollte, und die man mit Halbmantelgeschossen laden müsste. Sie ist für alle unvorher-
gesehenen Fälle eine Waffe, deren man sich im dichtesten Gebüsch schnell bedienen
kann und deren Schuss selbst vernichtender ist, als die grossen Geschosse der schweren
Elefantenbüchsen. Ich habe niemals auf Wild, das mir irgend eine Chance zum An-
birschen gab, mit dem kleinkalibrigen Gewehr geschossen.



[[49]]
Figure 11. Hirschziegenantilope.

Jagden in Indien.



Trotz geringer Jagderfolge zähle ich meine
Reise nach Indien zu der schönsten und inter-
essantesten.


Ein Wunderland mit reicher Abwechselung in Ge-
staltung, Flora und Fauna, mit grossartigen, unerreicht
schönen Bauten und einer Bevölkerung, die in Kultur und
Abstammung überraschend vielseitig ist, muss es jeden Fremden
fesseln und ihn bei jedem Schritt und Tritt fühlen lassen, dass die
Wunder von „Tausend und eine Nacht“ bestanden haben. Nur ein Gefühl, das
des Bedauerns, hat mich während der ganzen Reise nicht verlassen, dass der wüste
Despotismus, der solche Wunder in Indien schuf, ein Volk von 300 Millionen
Menschen zu solcher Erbärmlichkeit herabdrückte, dass es eine Handvoll zäher Europäer
knechten konnte.


Der Hauptzweck meiner Reise, die Jagd, blieb leider weit hinter meinen Er-
wartungen zurück.


Da ich während meines dortigen Aufenthaltes Landsleute getroffen habe, die,
um zu jagen, die kostspielige Reise unternommen hatten und sich enttäuscht sahen, so
möchte ich in erster Linie die Ansicht aussprechen, dass nur persönliche Verbindungen
mit in Indien wohnenden Bekannten oder Verwandten eine gute Garantie für erfolg-
reiche Jagd geben.


Ich kannte niemanden in dieser reichsten Kolonie Englands, glaubte aber durch
Empfehlungen meiner höchsten Behörden Gelegenheit zu guter Jagd zu erreichen. Es
wäre dies auch bei deutschen Behörden fraglos der Fall gewesen, in Indien war es aber
anders. Man kann es jedoch verstehen, dass die indischen Beamten, meistens jüngere
v. Wissmann. 7
[50]Jagden in Indien.
Herren im auswärtigen Dienste, oder Offiziere, es nicht gerne sehen, dass Indien von
fremden Jägern überschwemmt wird, denn jene Herren sind fast ausnahmslos selbst —
ich weiss nicht, ob ich den Ausdruck Jäger gebrauchen darf — jedenfalls Sportsman.


Ich kenne nur eine Ausnahme von der Regel, dass man sich in Indien nur
durch persönliche Bekanntschaften zu guten Jagden verhelfen kann, das ist in Ceylon,
wo ein Empfehlungsschreiben an die Konsuln und das Engagieren fast erwerbsmässiger
Jagdführer genügt, um sich einige Jagderfolge zu sichern. Dort bezahlt man eine be-
stimmte Summe für jeden Elefanten u. s. w. an die Regierung und kann dann mit allem
Komfort der Jagd obliegen.


Der Elefant dieser Insel steht an Grösse dem des Kontinents weit nach, und
deshalb ist die englische Regierung, die sonst sehr die Hände über die wilden Elefanten
hält, mit der Jagd auf den in Ceylon nicht so streng.


Vor allem möge jeder Jäger, der nach Indien geht, genaue Erkundigungen über
die günstige Jahreszeit einziehen, denn diese ist für die verschiedenen Wildarten durch-
aus massgebend.


Man jagt z. B. den Tiger nur zu bestimmten Jahreszeiten, anderes Wild
zu anderen.


In Calcutta wurde mir vom Vicekönig von Indien der Maharadscha von Benares
als Jagdgeber angeboten. Da ich aber von allen mir bekannten englischen Sportsman
hörte, dass die Gebiete dieses Fürsten zu den wildärmsten gehören, so lehnte ich
dieses Anerbieten ab, zumal ich nach langem, anstrengendem Aufenthalt in Afrika körper-
lich herunter und nach Indien zur Erholung gekommen war, und habe deshalb auch
nur gelegentlich kleinere Jagden mitgemacht.


Meine Jagdbeute in Indien bestand nur in der grössten der Antilopen, dem
Nilgai, dem stärksten der dortigen Hirsche, dem Sambur, der zierlichsten, an den
afrikanischen Springbock am meisten erinnernden Antilope, der Hirschziegen-Antilope,
von dem Engländer „Blackbock“ genannt, der indischen Gazelle (benetti), dem Wild-
schwein, einem Pfau und einem Büffel, der sich aber als ein zahmer entpuppte.


Die grossen Jagden auf Büffel, Rhinoceros und Elefant waren schon für dieses
Jahr beendet und die Tigerjagden standen erst in Aussicht, als ich der Gesundheit wegen
Indien verlassen musste und daher zwei Einladungen leider nicht nachkommen konnte.


In Ulvar (der Engländer schreibt Alvor) unterbrach ich meine Reise von Bombay
nach Delhi, weil ich von der Bahn aus zahllose Rudel von Antilopen gesehen hatte.


Ich wandte mich an den dortigen englischen Residenten, der im Namen des —
so viel ich mich erinnere — erst zehn Jahre alten Maharadscha die Regierung führte.


Ich fuhr in einer Staatskarosse, einem Vehikel, wie es zu Ende des achtzehnten
Jahrhunderts vielleicht noch bei uns zu sehen war, von dem Ort in die Ebene hinaus,
wo mich die dorthin beorderten Jäger des Maharadscha erwarteten.


Die Sonne brannte derartig auf die weite Sandebene, dass sie mir altem Afrikaner
sogar lästig fiel, und mein Begleiter, der noch nicht so sonnenfest war, bald die weitere
Jagd aufgab.


Stundenlang versuchten wir vergebens, uns an die vorsichtigen, schönen Antilopen
anzubirschen, denn es gab keine Deckung auf den offenen Ebenen und der Blackbock
unterscheidet so genau den Europäer von dem Eingeborenen, der nicht jagen darf, dass
[]

Figure 12. Hirschziegenantilopen.


[51]Jagden in Indien.
er die Entfernung immer höchst vorsichtig bemessend, unserer vom frühen Morgen bis
in die Nachmittagsstunden hinein spottete. Hätten mich nicht die wundervollen
Bewegungen des schnellen Wildes gefesselt, so wäre auch mein Jagdeifer der An-
strengung erlegen.


Der Blackbock ist eine Antilope von der Grösse unseres Damhirsches. Nur das
männliche Wild trägt den zierlichen Schmuck eines korkzieherartig gewundenen und
geringelten, eleganten Gehörnes und zeichnet sich ausserdem von dem hellgelben Mutter-
wild durch dunklere Färbung aus.


Junge Böcke haben noch wie das Mutterwild hellgelbe, nach unten in weiss
verlaufende Decken, die mit jedem Jahr mehr in einen braunen Ton und zuletzt in ein
dunkles Schwarzbraun übergehen.


In ihren leichten Bewegungen und ganz besonders in dem wunderbaren, gummi-
ballartigen Hochschnellen ähneln diese Antilopen nur dem Springbock Südafrikas.


Fast war ich nach sechsstündigem Birschen in der glühenden Sonne am Ende
meiner Kraft, als wir endlich gedecktere Gelände am Ufer eines Wasserlaufes erreichten.


Hier kam ich an ein Rudel so heran, dass ich einen sehr starken Bock streckte,
und auf der Rückfahrt, als wir uns schon dem Orte wieder näherten, gelang es mir
abermals, mich an ein Rudel heranzubirschen.


Ich musste mich durch ein Feld, das mit hüftenhoher Hirse bestanden war, an-
schleichen, hatte guten Wind und alle Aussicht, an das Rudel heranzukommen.


Daher war ich äusserst erstaunt, als die Antilopen unruhig wurden und sich
nicht vertraut zeigten.


Da ich unmöglich der Grund zu diesem auffälligen Benehmen sein konnte,
glaubte ich, dass sich ein Stück Raubwild an das Rudel schliche, und erhob mich, um
Umschau zu halten. Zu meiner Ueberraschung gewahrte ich aber vor mir in demselben
Felde einen Menschen und zwar einen Eingeborenen, der auf allen Vieren an die
Antilopen herankroch.


Ich wusste, dass den Eingeborenen das Jagen streng verboten war und rief
deshalb einen der bei dem Wagen zurückgebliebenen Jäger zu mir heran und zeigte
ihm meinen Konkurrenten.


Der Jäger sagte mir, dass es ein Wilddieb sei, und ich schlich mich nun, weniger
das Wild im Auge als den Jäger, so heran, dass er mich erst bemerkte, als ich kaum
noch zehn Schritte von ihm entfernt war. Noch bevor er auf den Beinen stand, hatte
ich mich auf ihn geworfen, ihn zur Erde gedrückt und ihm das Gewehr abgenommen.


Nun kamen die Jäger des Maharadscha gelaufen und brachten den Mann an den
Wagen — das Wild war inzwischen natürlich flüchtig geworden.


Die Jäger wollten jetzt den Mann knebeln und behaupteten, er würde mindestens
mit einem Jahre Zwangsarbeit bestraft werden. Da machte ich mir doch Vorwürfe,
dass ich als unbefugter Exekutor der strengen indischen Jagdgesetze einen Menschen,
der natürlich furchtbar jammerte und klagte, er habe eine Familie daheim mit, ich weiss
nicht, wie viel Kindern, ins Unglück gebracht hätte, warf das Gewehr in den Wagen,
machte ihn von den ihn haltenden Jägern frei und liess ihn nach einem thätlichen Beweis
meines Unwillens über seine Uebertretung laufen, trotzdem die Jäger des Maharadscha
lebhaft protestierten.


7*
[52]Jagden in Indien.

Auf dem weiteren Wege nach der Stadt schoss ich noch einen Bock, der auch
in anderer Weise an die zierlichen Springböcke Südafrikas erinnerte, nämlich durch
seine ganz unbeschreibliche Zählebigkeit. Erst nach dem fünften Schuss aus meiner
500-Expressbüchse mit Expansionsgeschossen — es sass natürlich keine Kugel auf dem
richtigen Fleck — brach das fast zerrissene, leichte, aber zähe Wild zusammen.


Später bei Delhi und Agra habe ich noch mehrfach Blackböcke geschossen. Da-
mals standen sie zum grössten Teil in Kornfeldern und in offener Ebene.


Es war für uns Europäer unmöglich, an das Wild heranzukommen, und ich
mietete mir deshalb im nächsten Dorfe eine Frau, die mir mit einem Bündel Viehfutter
auf dem Kopf, wie es die Leute dort zu tragen gewohnt sind, als Deckung dienen musste.


Die Frau ging zuerst direkt auf das Rudel zu, und wenn es anfing unruhig zu
werden, in einer Richtung, als wollte sie schräg an ihm vorbeigehen.


So kam ich mehrfach bis auf 150 Schritte heran, legte mich nieder und suchte
mir, weil die Stücke mit grösster Aufmerksamkeit dem Weibe nachäugten, in aller Ruhe
den stärksten Bock aus.


Auf diese Weise war ich stets einer guten Jagd sicher und erlegte auch so zwei
Böcke der gazella benetti, die dasselbe Gelände wie die Blackböcke lieben.


In ihrem Benehmen gleicht diese Gazelle der eben beschriebenen Antilope, ist
vielleicht in der Flucht noch leichter, führt aber nicht die charakteristischen Hochsprünge
aus. Damals, als ich sie jagte, zeigte sie mehr Rot in der Farbe der Decke, und es ist
schwer, die Geschlechter auseinander zu halten. Auch ist sie etwas leichter als der
Blackbock und zeichnet sich vor allen anderen Gazellen durch das fast gerade, hoch-
gewachsene Gehörn aus. Von vorne gesehen, scheinen die Stangen schnurgerade zu sein,
denn sie machen nur eine leichte Biegung nach rückwärts.


Doch zurück nach Ulvar.


Am zweiten Tage meines dortigen Aufenthaltes lud mich der englische Vertreter
des Maharadscha zu einer Jagd auf den grössten indischen Hirsch, den Sambur, ein, und
ich wurde gebeten, mich am Morgen in dem Wirtschaftshofe des Schlosses einzufinden.
Ein seltsam interessantes, buntes Bild bot dieser grosse, ringsum von Ställen und Hallen
umgebene indische Gutshof.


Acht Elefanten standen schon zu unserem Gebrauch bereit; der Jagd-Elefant
mit dem Schützen-Turm, der hinten einen Sitz und nach vorne genügenden Raum hat,
um stehend zu schiessen, die übrigen nackt und nur von einem Führer, der im Genick
der mächtigen Tiere sass, geleitet.


Die eine fast hundert Meter lange Seite des Hofes bildete den Pferdestall, ein
Schuppen, der nach einer Seite ganz offen war und in dem gegen 50 Pferde orientalischen
Blutes, meist Schimmel, standen. Gegenüber war der Unterstand für die Kamele, dann
ein langer Viehstall, in dem 3 bis 4 Varietäten Zebus, Zwergrinder aus Ceylon und
riesiges nordindisches Vieh untergebracht waren.


Auf dem Hofe selbst trieben sich Schweine umher, die in ihrem Aeusseren von
unseren Wildschweinen kaum zu unterscheiden waren, dann viele Rassen von Hunden, auch
europäischen, und den grossen Hof bevölkerte ferner auch allerlei Geflügel, wie Pfauen, Trut-
hühner, Fasanen, Hühner, Enten, Gänse, Perlhühner, Tauben, und endlich auch einige
zahme Blackbock-Antilopen, deren zwei, an einen kleinen, zierlichen Wagen gespannt,
[]

Figure 13. Jagd auf Sambarwild.


[53]Jagden in Indien.
uns vorgeführt wurden. Den dunkeln, also alten, Böcken hatte man an die spitzen Ge-
hörne vergoldete Kugeln geschraubt. Die zierlichen, aber kräftigen Tiere waren voll-
ständig eingefahren und zogen zwei Mann mit der Geschwindigkeit des Windes. In
Käfigen sassen zum Vogelfang abgerichtete Luchse und angekettet zwei Jagdleoparden,
die auf Antilopen und Gazellen abgeführt waren.


Mehrere Arten Ziegen, Schafe, Esel, kurz alles denkbare Hausgetier und ge-
zähmtes Wild trieb sich ausserdem noch auf dem Hofe herum, der mehr den Eindruck
eines zoologischen Gartens als den eines Wirtschaftshofes machte. Für einen Zoologen
bietet der Hof eines Radjas eine reiche Beobachtungsquelle, denn allen orientalischen
Machthabern scheint das Vergnügen an Tierparks und Zuchtversuchen eigen zu sein.


Der alte Oberjäger, ein Greis, der wohl siebzig Jahre zählte, ein Mann mit
langem, weissem Bart, gab jetzt das Zeichen zum Aufbrechen und erklärte, dass wir
bis zum Abend benachbarte Hügel abtreiben wollten. Er bestieg darauf einen Elefanten,
dem der von meinem Begleiter und mir bestiegene Jagd-Elefant folgte, und die sechs
Treiber-Elefanten schlossen den Zug.


Nach zweistündigem Marsche kamen wir in eine hügelige Wildnis, die von über-
mannshohem, dornigem Gebüsch bedeckt war. Es wurde uns nun mitgeteilt, dass wir

Figure 14. Samburwild.


[54]Jagden in Indien.
mit dem Jagd-Elefanten in der Thalsohle einer Schlucht aufwärts reiten möchten, aber
den zu beiden Seiten mit vorgebogenen Flügeln gehenden drei Treiber-Elefanten Zeit
lassen sollten, vor uns die Büsche abzutreiben, denn das Sambur-Wild bricht ebenso wie
unser Hirsch und alles Hirschwild, das ich kenne, bei lautem Treiben am liebsten durch
die Treiber zurück.


Zuerst kamen wir an eine von den Engländern „Kill“ genannte Stelle. Es war
dort ein Block tief eingeschlagen, an dem man, um den Tiger zu locken, meist ein
junges Büffelkalb festmacht, und in einem benachbarten Baume hatte man einen be-
quemen Sitz hergerichtet, in dem der englische Resident — wie man mir erzählte —
mehrfach mit seiner Gemahlin auf Tiger angesessen und auch schon zwei der schönen
Räuber erlegt hatte.


Bald wurden die Führer der Treiber-Elefanten laut, und wir sahen vor uns
weit oben am Hange, dem äussersten Treiber-Elefanten gegenüber, sich etwas durch die
Büsche uns entgegen drücken. Kurz vor jenem brach das Wild nach unten aus, traf
auf den zweiten und dritten Elefanten und kam daher dicht an die Thalsohle, wo es,
uns eräugend, zwischen uns und dem nächsten Treiber-Elefanten durchbrechen wollte.


Wir sahen jetzt, dass es Sambur-Wild war, und zwar zwei Tiere, denen ein
geringer Hirsch folgte, und den Schluss machte ein starker, auch in der Farbe viel
dunklerer Hirsch.


Die Büchse lag im Anschlag, und von zwei Kugeln getroffen, die beide auf dem
Blatt sassen, brach der Kapitale zusammen.


Jetzt wurde Halt geblasen und der erlegte Hirsch ins Thal hinabgezogen.


Der Sambur wird reichlich so stark wie unser Rothirsch, oder ich will besser
sagen, mindestens reichlich so hoch, aber schwerer. Er erscheint nicht so elegant, ist
plumper gebaut, niedriger gestellt, die Decke ist weniger behaart, und der Hirsch bringt
es nur auf sechs Enden, wie ein grosser Teil der indischen Hirscharten.


Ich habe Stangen gesehen, die in der Stärke nur mit den mächtigsten Wapiti-
Geweihen zu vergleichen waren, aber nie mehr als sechs Enden trugen.


Die Jagd ging weiter. Noch zweimal trieben wir Sambur-Wild auf, aber ein-
mal brach das Rudel zu hoch über dem äussersten Treiber-Elefanten durch, und das
andere Mal wurde es zu früh hoch und zog schon vor Beginn des Treibens weg.


Von der Jagd zurückgekehrt, fragte ich den Jagdleiter, was mit dem Hirsch ge-
schähe, und erhielt zur Antwort, dass er mir das Geweih am nächsten Tage schicken
würde, das Wildbret könne er natürlich nur den Treibern geben, die zu irgend welcher
niedrigen Kaste oder Stamm gehörten, denn nur diese Leute ständen so tief, dass sie
das Wildbret des Hirsches ässen. —


Eine Jagd, wie die eben beschriebene, ist natürlich interessanter in völkerkundiger
als in jagdlicher Beziehung, denn der Aufwand an Elefanten und Treibern steht in keinem
Verhältnis zu dem geringen Vergnügen eines Schusses vom Jagd-Elefanten aus auf das Wild.


Noch weniger anziehend von rein weidmännischem Standpunkte aus sind die
grossen Prunk- und Gesellschafts-Jagden auf Tiger und Grosswild mit 100 Elefanten,
1000 Treibern, ganzen Zeltlagern, viel Champagner und viel „flirten“, denn bei allen
diesen Jagden sind Damen in grosser Anzahl vertreten.


[[55]]

Jagd auf Elenantilopen in Südafrika.

[figure]


Was giebt es wohl schöneres für den Jäger, als auf dem sicheren, schnellen
Jagdpferde durch die weite, unbegrenzte Wildnis dahin zu jagen, nicht an den Raum
gebunden, von keiner Bestimmung oder Verordnung, von keiner Grenze eingeschränkt,
als nur von dem eigenen Rechtsgefühl des richtigen Jägers?


Wo das Wild steht und wo Wasser ist, da ist der Jäger zu Hause, kann er
sein Lager schlagen; die Wildnis steht mit dem, was sie hat, mit Holz zum Feuern, mit
ihrem Gras für seine Jagdpferde, mit Wasser, mit dem Wild für seine Küche ganz zu
seiner Verfügung; ja, sie liefert ihm, wenn er genügsam und an dieses Leben gewöhnt
ist, fast alle Bedürfnisse für ein Dasein, so frei und so schön, so voller Abwechslung
und voller Reiz, wie es in Kulturländern gar nicht denkbar ist.


Leichter noch wie in den Wildnissen des äquatorialen Afrika reist und jagt es
sich im Süden des Kontinentes. Hier ist die Flora nicht so wild wuchernd wie dort,
hier giebt es keine Urwälder, die den Weg versperren, keine grossen Flüsse, und überall
kann man mit dem bequemen Ochsenkarren durchkommen, der es erlaubt, manche
Annehmlichkeit der Civilisation bei sich zu führen, der auch eventuell das Zelt oder die
Grashütte ersetzt und auch nicht so abhängig macht von dem Vorhandensein des
Wassers, denn man kann sich wenigstens für Jäger und für Pferde mit Wasser ver-
sehen — und der Zugochse Südafrikas ist sehr genügsam.


Das Jagdpferd Südafrikas, wohl von den Buren, diesen grössten Jägern aller
heute lebenden Völker, zu dem gezüchtet, was es heute ist, ist hart und genügsam, sehr
sicher, leidlich schnell, vor allem aber leicht abzurichten zur Jagd. Kauft man ein gutes
Jagdpferd, so ist es selbstverständlich, dass es zum Stehen abgerichtet ist, dass heisst,
dass es, wenn der Jäger zum Feuern abspringt, die Stelle nicht verlässt, und, während
[56]Jagd auf Elenantilopen in Südafrika.
der Jäger das Wild anreitet und verfolgt, stets dicht an dem einmal ausgesuchten
Stück des Rudels bleibt.


Von nöten ist beim Abspringen zum Schuss lediglich, dass man den Zügel dem
Pferde über den Kopf wirft, so dass er am Boden schleift.


Ich hatte in Windhook ein solches Pferd ersten Ranges erstanden. War es
auch nicht vollkommen abgerichtet, so lernte es doch schnell, ja fast zu gut, denn der
leiseste Wink zum Stehen brachte in höchstens drei Sprüngen das für dortige Verhält-
nisse grosse, starke Pferd aus flüchtigster Karriere zum Halten, so dass man eigentlich
schneller von selbst herunterkam als abstieg. Auch liess es nie das Wild, auf das es
der Jäger abgesehen hatte, aus dem Auge, und manches Stück habe ich aus dem Sattel
geschossen, ohne dass es nötig war, die Zügel auch nur zu berühren.


Das Pferd blieb stets zur linken Seite des gehetzten Wildes, und ich hatte alle
Zeit und Ruhe, die Büchse zu laden, und eventuell par pistolet dicht vor dem Blatt des
Wildes abzudrücken.


Mit welchem Temperament mein guter Schimmel jagte, zeigte sich dadurch, dass
er dicht am Wild in vollem Laufe lustig wieherte, besonders aber, wenn er hinter
Zebras war, die dann ab und zu den Gruss erwiderten.


Das Jagdpferd weidet frei beim Wagen oder Zelt und wird nur abends an-
gekoppelt. Es macht dem Jäger, was Pflege anbetrifft, nicht die geringsten Schwierig-
keiten, denn wo das Wild Aesung findet, findet sicher auch das genügsame Pferd Süd-
afrikas sein Futter.


Die Pferde sind häufig — und so war es mein Schimmel in hohem Grade —
gute Springer und so sicher, dass ich auf den vielen Jagden, die ich auf seinem Rücken
machte, nicht ein einziges Mal gestürzt bin, ein Umstand, der allerdings weiter nördlich,
im äquatorialen Afrika unmöglich gewesen wäre, denn dort ist der Boden vielfach von
Termitenbauten so durchlöchert oder von der Hitze mit tiefen Rissen durchzogen, dass
auch das sicherste Pferd, wie mir aus vielen Proben hervorging, nicht zu brauchen ist.


Nun zu unserem Wilde. Die Elenantilope ist die stärkste ihrer Familie. Ihre
Massigkeit und scheinbare Ruhe und Behaglichkeit drängen jedem Beobachter sofort die
Frage auf, warum diese Antilope, die, nebenbei gesagt, wohl das beste Wildbret hat, was
es auf der ganzen Welt giebt, nicht zum Haustier gezähmt ist, so dass sie schon dem
vollen Verschwinden entgegengedrängt wird, und es vielleicht kaum noch mit grossem
Aufwande möglich sein würde, sie zu domestizieren. Zeigen doch die Bilder altägyptischer
Denkmäler, dass die Bewohner des Nilthales damals schon Herden gezähmter Antilopen
hatten, die Säbelantilope und die Mendesantilope, die beide auf den ersten Blick viel
weniger für ein Haustier geeignet sind, als die Elenantilope.


Verfolgt wird dieses Wild hauptsächlich wohl vom Menschen und zwar in erster
Linie wegen des delikaten, zarten Wildbretes, wegen der guten, nachgiebigen, weichen
Haut und endlich des schönen massiven Kopfschmuckes wegen.


Wie durch die breite Wamme, die vor Hals und Brust hängt, so ähnelt weiter
unsere Antilope dem Rindvieh durch die Massigkeit, die Tiefe des Leibes, die kurzen,
starken Läufe, und — wie schon bemerkt — durch das ruhige Temperament.


Die Elenantilope ist sehr scheu und zwar wohl infolge der heftigen Verfolgungen.
Sie ist — und ganz besonders die alten, schweren Stiere — wenig beweglich, leicht
[]

Figure 15. Elenantilope.


[57]Jagd auf Elenantilopen in Südafrika.
ermüdet, kann nur kurze Zeit voll flüchtig gehen, trollt dann, allerdings sehr schaffend,
aber auch nicht lange, und fällt, nachhaltig verfolgt, bald in Schritt, ja bleibt wehrlos
stehen und empfängt den Speer, den Pfeil oder die Kugel, die ihrem Leben ein Ende macht.


Es ist die Antilope, die am meisten von dem Buschmann Südafrikas, der durch seine
Lebensart selbst zäh und flüchtig ist wie ein Wild, zu Fuss niedergejagt wird. Der Busch-
mann folgt der Antilope in seinem leichten fördernden Trab so lange, bis dieselbe ermüdet
stehen bleibt, und dies geschieht bei einem alten schweren Bullen überraschend bald.


Es ist sehr eigentümlich, dass ein so wenig flüchtiges Wild, das noch dazu so
wenig wehrhaft ist und so passiv, überhaupt den Kampf ums Dasein gegen das Raub-
wild hat aushalten können, denn offenbar fängt es der Löwe oder jede grosse Katze
leicht mit den ersten Sprüngen, und gar dem zähen Wildhund müsste es eine leichte
Beute werden. Es ist hier offenbar noch ein Geheimnis der Natur aufzudecken, wem sie
ihren Schutz verdankt, denn alle Eingeborenen behaupten, dass man diese Antilope am
seltensten als Beute des Wildhundes, ja des Raubwildes findet. Vielleicht ist es der
Umstand, dass sie sich nur im Walde hält und dann vielleicht nur in Gegenden, wo
viel anderes Wild im offenen Gelände steht. Dass der Löwe die Steppe geschlossenem
Walde vorzieht, ist ja bekannt; leichter auch jagt dort der Wildhund, und des Leoparden
entledigt sich vielleicht das mächtige Tier, das gewiss seine starke Decke vor den ersten
Krallenhieben und Bissen der Katze schützt, dadurch, dass es den Räuber an Bäumen
oder Aesten abrennt oder ihn zerquetscht. Ich habe Häute gesehen, die mächtige Narben
in der Gegend des Genickes aufwiesen, die eher auf die Fänge einer starken Katze als
auf die spitzen Hörner eines Rivalen der gleichen Gattung schliessen liessen.


Ich selbst besitze die Haut einer Schirrantilope, die nur die Grösse unseres
Damwildes hat und die, als ich sie erbeutete, nur kurze Zeit vorher sich auf oben an-
gedeutete Art von einem Leoparden oder Luchs befreit haben musste.


Sehr häufig ist allerdings die Elenantilope wohl nirgends, und überall, wo ich
noch im schwarzen Kontinent gejagt habe, wird sie als eine besonders willkommene,
seltene Beute heftig verfolgt. Es ist das einzige mir bekannte Wild, dessen Wildbret
so zart und so durchwachsen ist wie das Fleisch von Haustieren, und das setzt schon
eine ziemlich behäbige, ruhige Lebensart voraus.


Ob es verschiedene Arten dieses Wildes giebt, ist wohl noch kaum entschieden. Von
drei verschiedenen Bullen, die ich schoss, war die Decke grundverschieden gefärbt, die eine
fast blaugrau, die andere erbsengelb mit weisslichen, hellen Seitenstreifen, die dritte fast braun.


Sehr wunderlich ist eine fast krapprot gefärbte Haarlocke, die der Stier vor dem
Gehörn auf der Stirne trägt. Die Eingeborenen behaupten, dass er diese Stelle des
Kopfes auf dem Urin der Kühe, und auch dem seinigen reibe, oder dass er dieses
Farbmittel bei der Brunft von den Kühen erhalte.


Die Sinne der Elenantilope sind scharf wie überhaupt nur bei derartigem Wild,
sie sind ihr offenbar Hauptschutz, denn das schwere Tier hinterlässt eine unter allen
Umständen leicht aufzunehmende und zu haltende Fährte.


Ich hatte mein Lager in einer Gegend, in der ich die wunderbare Erfahrung
machte, dass sich selbst Buschmänner, mit denen ich hauptsächlich jagte, verirrten. Aus
der Vogelschau muss diese Gegend ausgesehen haben wie ein Meer mit hohler See, auf
dem sich endlos lange, runde Wellen gleichmässig folgen. Langgestreckte, etwa 400 bis
v. Wissmann. 8
[58]Jagd auf Elenantilopen in Südafrika.
500 Meter breite Geländewellen zogen sich in ununterbrochener Reihenfolge von Norden
nach Süden nebeneinander hin. Die Wellenthäler stellten Wiesen dar, der ganze
Wellenrücken und seine Hänge ziemlich dichte Waldungen.


Es war so schwer, sich hier zurecht zu finden, weil, wenn man auf dem Wege
zurück zum Lager die einzelnen Wellen, die man passiert hatte, zählte, man nie auskam,
denn hie und da trennte sich eine Welle des Geländes und löste sich in zwei auf, oder
aber zwei vereinigten sich in eine, so zwar, dass, wenn man nicht genau denselben Weg
zum Lager zurück verfolgte, man mehr oder weniger Terrainwellen passierte. So kam
ich mehrmals von den, mit der Wildnis so vertrauten Buschmännern begleitet, oft erst spät
in der Nacht, ja gegen Morgen heim, nachdem wir die ganze Nacht hindurch gesucht
hatten — und einmal nur durch eigentümlichen Zufall. Ratlos standen wir bei hellem
Mondschein in der stillen Wildnis. „Dorthin“, meinte ich, „müssen wir zum Lager“.
„Nein Herr“, wandte einer der Buschmänner ein, „nach der entgegengesetzten Seite“,
und der andere war wieder anderer Meinung. Schon hatte ich mich entschlossen, den
Tag an der Stelle abzuwarten, als einer meiner kleinen, zwergartigen, runzeligen Begleiter
mir zu rief: „Warte hier!“ und sich in vollem Lauf entfernte. Bald kam er zurück
mit einem glänzenden Stück Staniol, der Haube einer Champagnerflasche, gewiss ein
wunderbarer Fund für die Einöden afrikanischer Wildnis.


Jetzt hatten wir uns orientiert. Vor wenigen Tagen hatte ich unweit der Stelle einen
kapitalen Kudubock geschossen und ihn mit einer aus Windhook mitgebrachten Flasche
Schaumwein „tot“ getrunken. Das scharfe Auge des kleinen Urafrikaners hatte von weitem
etwas blitzen sehen und in dem wunderlichen Fund unsern Wegweiser zurückgebracht.


Hier in diesen Wäldern steht die Elenantilope, die in den Thälern der Gelände-
wellen ihre Aesung nimmt und bei dem geringsten Misstrauen mit nur wenigen Fluchten
den schützenden Wald erreicht. Trotzdem das Wild auf der Flucht so leicht ermüdet,
ist es doch während des Tages sehr beweglich und bei der Aesung unstät. Auch ruht
es stets nur kurze Zeit, da es im Schatten des Waldes nicht so von der Sonne leidet.


Die Hauptkunst der Elenjagd ist die, das Wild wenn irgend möglich auf eine
freie Ebene zu drängen, wo es vom Pferde sehr leicht einzuholen ist. Dies war inmitten
des eben beschriebenen Geländes nicht möglich, und daher nahmen wir zunächst nur
frische Fährten auf und verfolgten dieselben, soweit es angängig war, zu Pferde, erst absteigend,
wenn die Fährte zeigte, dass das Wild nicht weit entfernt sein konnte, eine Bestätigung,
die dem kundigen Buschmann, der jeden Bruch eines Grashalmes, die Frische der Losung
und viele andere Zeichen beobachtet, nicht schwer fällt.


Trotz aller Anstrengung gelang es mir hier nur junge Bullen und eine Kuh zu
erbeuten, hauptsächlich des Wildbrets wegen. Die Kuh ist, da auch sie Gehörn trägt,
das allerdings weniger massiv, aber sehr viel länger ist, doch nur in einiger Nähe zu
unterscheiden. Ich besitze das Gehörn einer Kuh, dessen Stangen über einen Meter lang
sind und von manchem afrikanischen Jäger kopfschüttelnd als das Gehörn einer ihm nicht
bekannten Antilopenart betrachtet wurde.


Später verschoben wir unser Lager mehr nach der Grenze dieser Wälder zu,
wo weite Ebenen eine erfolgreiche Jagd versprachen.


Nur ungern tritt die Elenantilope aus dem Schutze des Waldes. Hier aber
schob sich eine offene Ebene trennend zwischen zwei Waldgebiete und über diese führte
[59]Jagd auf Elenantilopen in Südafrika.
der Wechsel vieler Elenantilopen, besonders da in dem einen dieser Wälder, der bis an
das Nordwestufer der Etoschapfanne reicht, eine grosse Salzpfanne liegt, zu der, wie
alles andere, auch unser Wild gerne zog.


Hier suchten wir nun, zunächst möglichst frischen Fährten folgend, das Wild
auf. Bald brach dicht vor uns ein starkes Rudel durch das Holz. Ich wollte abspringen,
um zu Schuss zu kommen, wurde aber von meinem Jäger, der mir eifrig winkte ihm
zu folgen, davon abgehalten.


So gut es gehen wollte, jagten wir, der Jäger voraus, durch das Gehölz; und
wahrlich, es ist kein bequemer Ritt durch einen südafrikanischen Wald, der zum grössten
Teil aus dornigem Gebüsch und Bäumen besteht, aus vielerlei Arten von Akazien.
Gesicht und Hände sind bald mit Rissen derartig bedeckt, dass man eher einem gejagten
Wild gleicht als dem Jäger; hier bleibt ein Stück Haut hängen und das Blut trieft von
Gesicht und Händen, dort lässt man einem zähen Akazienbaum ein Stück des Rockes,
und nur das in Südafrika meist getragene Kordzeug, ein plüschartig-gestreifter starker Stoff,
widersteht einigermassen den Angriffen der stacheligen Vegetation bei einem solchen Ritt.


Aber wer denkt an solche Kleinigkeiten, wenn es gilt, das seltene Wild zu ver-
folgen. Bald wurde mir klar, was unsere Jagd bezweckte. Wir schnitten dem Rudel
den Wechsel nach dem Holze ab und drängten es hinaus auf die Ebene.


Am Waldrand angelangt, sahen wir eben das letzte Stück des Rudels die weiche
Niederung passieren und sich drüben, wo nur niedrige Akazienbüsche das Wild von
der freien offenen Ebene trennten, mit einem starken Rudel von Orix und Gnus
vermischen. Natürlich nahm das von uns verfolgte Wild die anderen Rudel mit sich
fort. Doch bald trennten sich die verschiedenen Arten je nach ihrer Schnelligkeit. Die
Orix-Antilopen verschwanden nach der einen Seite, und die Gnus verhofften, sich nach
uns kehrend und uns erstaunt beobachtend.


Doch sie hatten heute für uns keine Anziehungskraft; es galt die schon jetzt
hinter dem anderen Wild zurückgebliebenen Elenantilopen aufzunehmen. Nach einer
Viertelstunde — denn das Passieren der weichen Niederung hatte uns aufgehalten —
waren wir in fliegender Carrière dicht an unser Wild heran und mitten darin. Es
zeigte sich jetzt, wie viel schneller die leichteren Kühe sind, die immer schon geführt hatten.


Ich hatte mir den stärksten Bullen ausersehen. Mein Schimmel kannte nun seine
Aufgabe und liess nicht mehr von ihm ab.


Es war ein überraschend mächtiges Tier von dunkelblaugrauer Färbung, so
massig, ich möchte sagen so dem fetten Schlachtvieh an übermässiger Fleischentwickelung
ähnlich, dass es fast einen komischen Anblick gewährte. Die Hörner, massiv, kurz, aber
mächtig, zeigten, dass es schon ein alter Stier war, dessen Wildbret jedoch, wie sich
nachher ergab, noch ebenso delikat war, wie das der jungen Kühe.


Ich drängte den alten Herrn von dem Rudel ab. Nicht lange dauerte die schwer-
fällige Flucht des massigen Kolosses. Bald gab er keuchend seine Flucht auf und
unterhielt nun wohl zehn Minuten lang einen scharfen Troll, bei dem immer noch das
übermässig strotzende Wildbret an ihm schlotterte wie bei einem Stück Mastvieh. Ich
musste meinen Schimmel fest verhalten, denn immer wieder flog er beim Wilde vorbei,
das dann einen Haken schlagend hinter mir durchbrach oder versuchte, rückwärts zu
entkommen. Nach dem Heranrufen meines schwarzen Dieners, der ein guter Reiter
8*
[60]Jagd auf Elenantilopen in Südafrika.
war, beschloss ich, das schwere Wild in der Richtung unseres Lagers fortzutreiben, was
uns auch vollständig gelang.


Mein Schimmel schien ganz erstaunt zu sein darüber, dass er bei einer Jagd, wo
er das Wild so dicht bei sich hatte nicht mehr ausgreifen durfte. Er drängte schäumend
in die Zügel. Die Antilope versuchte nicht einmal, obwohl ich häufig kaum zwei Meter
von ihrer Seite entfernt galoppierte, sich ihres Feindes zu erwehren. Nicht weit vom
Lager blieb der Bulle, vollkommen ermattet, stehen, ich ritt heran mit dem Karabiner
(8 mm) und setzte ihm ein Halbmantelgeschoss hoch aufs Blatt, dass er zusammenbrach.


Der Stier war so mächtig, dass ich mir auf meinem nicht sehr kleinen Pferde
neben ihm ganz winzig vorkam, und ich habe niemals einen Büffelstier in Afrika gesehen, der
sich in Massigkeit, ja auch in Höhe des Widerristes, mit diesem Tier vergleichen liess.


Der nächste Tag sollte mich belehren, dass das Wild doch nicht immer so passiv
ist wie dieser Riese. Ich machte durch Zufall zwei zusammengehende Elenbullen hoch,
deren einer hellgelb gestreift, der andere gelbbraun gefärbt war. Da das Wild dicht
am Rande des Waldes gesessen hatte, so war es leicht, dasselbe vom Holze abzuschneiden
und hinauszudrängen auf die Ebene. Die beiden, die ängstlich zusammenhielten, stellten
meinem Schimmel eine schwierigere Aufgabe als der gestrige massige Stier. Sie waren
beide noch jünger, nicht so feist und massig und daher flüchtiger, so dass ich wohl eine
Viertelstunde lang in voller Jagd meinen Schimmel laufen lassen musste, bevor ich dicht
an sie heran war; obgleich auch sie ermüdet, schon, zwei-, dreimal in Troll gefallen
waren, wurden sie doch wieder flüchtiger. Dem einen kam ich bald zur Seite und ver-
suchte ihm den Karabiner dicht vor das Blatt zu halten. Er war aber gewandter als
ich angenommen hatte. Drei-, viermal stutzte er ganz plötzlich, brach hinter dem Pferde,
das an ihm vorbeischoss, durch, aber war so dumm, stets wieder nach dem anderen
Bullen, der auch auf ihn wartete, zuzufliehen.


Einmal, als ich ihm ganz dicht zur Seite kam und eben schiessen wollte, stiess
er einen halb blökenden, halb knurrenden Laut aus, die Muffel zog sich in Falten, stets
das Zeichen von Zorn bei Wild, das zu den Wiederkäuern gehört, und schon hatte er
die Spitzen des soliden, starken Gehörns unter dem Leibe meines Schimmels, als dieser
sich durch einen mächtigen Satz, der mich — mit dem Gewehre beschäftigt — fast aus
dem Sattel gebracht hätte, rettete.


Jetzt beeilte ich mich, und wie ich das nächste Mal ihm näher kam, stoppte ich
seine Schnelligkeit durch einen Schuss nach dem Blatt, der etwas zu weit nach hinten
sass, offenbar aber die Flucht des Tieres noch mehr verlangsamte, so dass ich auf den
dritten Schuss aus dem Sattel das kräftige Wild niederwarf. Kaum zehn Minuten später
hatte ich auch den Gefährten wieder eingeholt, und weit bei ihm vorbeijagend sprang
ich ab und streckte ihn durch einen Halsschuss.


Die ganze Jagd hatte wohl gut eine halbe Stunde gedauert, in der mein armer
Schimmel fast unausgesetzt in gestrecktem Lauf geblieben war. — — Eine seltene Beute,
zwei Elenbullen an einem Tag, wie jeder weiss, der afrikanisches Wild einigermassen
kennt, und ein freudig begrüsstes Geschenk, das gedörrte Wildbret der drei Elen-
bullen für die Station Othio, die gerade damals noch durch die Folgen der Rinderpest
sehr an Fleischmangel litt.


[]

Ein Tag in den Steppen
des Kilima Ndjaro.

[figure]


Hell beleuchtet der Mond die weiten, wildreichen
Steppen, aus deren endlosem Meer sich an der Nord-
westgrenze Deutsch-Ost-Afrikas ganz unvermittelt und
imposant die beiden Riesenvulkane, der Kilima Ndjaro
und der Meru, erheben.


Unter einigen Tamarindenbäumen, die der Nähe
des Rua-Flusses ihre Lebensbedingungen verdanken,
dehnt sich im Kreise das Lager von vier Kompagnien
Sudanesen und Zulus aus, in dessen Mitte eine Anzahl
weisser Zelte — die der Offiziere und Unteroffiziere — im Mondschein
scharf hervorstechen.


Die nächtliche Stille wird hie und da unterbrochen durch den Anruf
der Posten: „Wachet, etneen, telassa, arba“ (eins, zwei, drei, vier), die
Nummern der Posten, die sie sich zur gegenseitigen Kontrolle halbstündlich
zurufen. Zuweilen hört man auch das Klatschen einer Hand, die einen
blutgierigen Moskito auf dem Leibe erschlägt, dann das Gebrüll und Gestampf
des im letzten Gefechte den Eingeborenen abgenommenen Viehes, wenn sich
ein Raubtier über Wind dem Lager nähert. Fern in der Wildnis ertönt auch
wohl das dumpfe Grollen des Löwen, das unheimliche U-i der Hyäne oder das
quarrende Kleffen des Schakals. Aber plötzlich verstummt alles ringsumher,
erschreckt durch den Ton des Hornes, der das Lager zum Erwachen ruft — das
einzige Signal, das mir aus den Zeiten des Kadettenlebens nicht sympatisch geblieben
ist. Alles wird geschäftig; in fünf Minuten ist die Toilette beendigt, in den
nächsten fünf der Thee eingenommen und von den Leuten der Rest ihrer Abend-
mahlzeit verzehrt. Die Zelte sind abgebrochen, und bei dem ersten Röten des Horizonts
im Osten treten die Truppen ausserhalb der Dornhecke, die das Lager umschliesst,
an, und erhalten den Befehl, in welcher Reihenfolge sie sich auf dem Marsche zu
formieren haben.


Ich selbst ging immer, begleitet von einem oder zweien meiner Offiziere, einem
Führer und einigen Gewehrträgern, ein gutes Stück der Truppen-Karawane voraus, um
die von dem Lärm der Karawane noch nicht beunruhigte oder gar verscheuchte Tier-
welt beobachten zu können oder glücklichenfalls sogar zum Schuss zu kommen.


[62]Ein Tag in den Steppen des Kilima Ndjaro.

Aus jener Zeit ist mir ein Tag in Erinnerung geblieben, der selbst für jenes
Jagd-Dorado in den Steppen, die den Rua an beiden Ufern begleiten, aussergewöhnlich
reich an interessanten Beobachtungen war.


Kaum zehn Minuten vom Lager entfernt standen plötzlich, aus einer Akazien-
Dickung heraustretend, fünf Massai, mit denen wir Krieg führten, in ihrem bekannten
bunten Kriegsschmuck vor uns. Ein Ruf des Schreckens und dahin stürmten die wild
ausschauenden Krieger, die Erde mit dem flüchtigen Fusse kaum berührend. Rechts
und links flogen ihre Schilde hin, die sie an der Flucht behinderten, und bald waren
sie mit jener Gewandtheit, mit der der Wilde das Gelände zur Deckung zu benutzen
versteht, unseren Blicken entschwunden.


Schon warf die Sonne ihre ersten Strahlen über die weite, mit gelbbraunem
Gras und gelbbraun gebrannten Akazien bestandene Ebene, da wurde ein Rudel Antilopen
ganz dicht am Wege hoch und flüchtig. Als wir den ersten Blick auf sie geworfen
und nach den Gewehren gegriffen hatten, blieben wir alle stehen und brachen wie auf
Kommando in ein lautes Gelächter aus. Noch nie hatten wir diese Wildart gesehen,
und noch nie einen derart drolligen Anblick gehabt, wie den, als diese hochläufige und
leichte Antilope, die Ammodorcas clarkei, mit ihrem hässlich langen, dünn zusammen-
geschnürten Leib und giraffenartig langen, dünnen Hals fast kankerartig über die Ebene
schwebte.


Auf unsere Schüsse fielen zwei derselben aus dem Tänzeln in einigermassen
regelrechte Fluchten, „Galoppsprünge“, jedoch nur für kurze Zeit, um dann gleich wieder
in dem wunderlichen Trollen dahinzueilen. Man hat den Eindruck, als würde ein leid-
lich starker Wind die Tiere über die Ebene blasen können, so wunderbar, ich möchte
sagen, so übermässig windhundartig leicht schweben die schlanken Gestalten dahin.


Ich glaube nicht, dass ein Schritt ihres Trollens unter 10 m Länge betragen
wird; leider vergass ich es zu messen. Unser Staunen über das Neue und Lächerliche
der Szene, wohl auch die übermässige Schlankheit des Wildes, waren schuld an unseren
Fehlschüssen.


Das Vorkommen dieser Antilope ist nach Erklärung der Eingeborenen in jenen
Gegenden sehr selten, und fraglos ist hier wohl die südliche Grenze ihres Verbreitungs-
gebietes.


Jetzt wurde die Gegend, da sich der Weg dem Flusse mehr näherte, dichter
bewachsen. Zu unserer Rechten war durch unsere Schüsse ein Rudel Zebras hoch
gemacht und begleitete uns lange Zeit, bald Strecken flüchtig zurücklegend, bald nach
uns äugend und unser Annähern abwartend. Zwei Hengste übten ihre Stimme, die
fast wie das jauchzende Bellen eines Hundes klingt. Dieser Ton belehrte mich, dass
wir es hier mit einer Art von Zebras zu thun hatten, der ich bis dahin noch nicht be-
gegnet war, denn schon häufig hatte ich das Wiehern des schönen Wildpferdes gehört,
zwar auch in verschiedener Weise, aber stets anders als dieses. Leider zog das inter-
essante Wild immer auf eine zu sicher abgemessene Entfernung neben uns her,
als dass es möglich gewesen wäre, Unterschiede in der Zeichnung zu erkennen.


Gegen acht Uhr traten wir, den Fluss dicht neben uns, in eine Dickung. Ich
ging voraus und bog eben um ein dichtes Buschwerk, als 10 m vor mir mit einem
kurzen Prusten ein junger, aber schon gut gehörnter Büffelstier hoch wurde, einen
[]

Figure 16. Amodorcas clarkei.


[63]
Ein Tag in den Steppen des Kilima Ndjaro.
Moment die Flanken mit dem Schwanz peitschte und dann direkt auf mich losstürmte.
Der Moment des Staunens hatte ihm den Vorteil abgewonnen, denn schon hatte ich die
Büchse an der Wange, drückte, und zwischen die Lichter getroffen brach der junge,
mutige Bursche ungefähr 3 m vor mir zusammen. Er war noch glatt und rund, also
nocht nicht von der Seuche ergriffen, die gerade damals herrschte und den wunderbaren
Bestand der Büffel in jenen Steppen so furchtbar dezimiert hat. Der Vorsicht halber
liess ich aber doch einen Mann bei dem erlegten Wild zurück, der ihm das Gehörn
für mich abschlagen und die Leute abhalten sollte, das Wildbret mitzunehmen, da ich
fürchtete, dass der Büffel möglicherweise doch schon den Keim der Krankheit in sich
haben könnte.


Einige Tage vorher hatten wir eine sehr starke Büffelkuh gesehen, die schwer
krank, von ihrem Kalb gefolgt, nach dem Wasser zog. Das arme, augenscheinlich schon
von der Seuche ergriffene Tier litt ausserdem noch an einer furchtbaren Fleischwunde
an der rechten Keule. Wahrscheinlich hatte es, kraftlos durch die Krankheit, einem
zornigen Nashorn nicht schnell genug ausweichen können und die Waffe des immer
missmutigen, grimmigen Dickhäuters fühlen müssen. Da die Büffelkuh doch dem sicheren
Tode verfallen war, schoss ich sie nieder und fing das kleine Stierkalb ein, liess es
jedoch später wieder laufen, da wir befürchteten, es würde die Seuche auf das von uns
mitgeführte Vieh übertragen, — eine Vorsicht, die ganz unnötig gewesen war, denn in
nicht allzu langer Zeit war unser sämtlicher Viehbestand der Seuche erlegen.


Am Vormittag des oben angedeuteten Tages machten wir Halt, um erst nach
den heissesten Mittagsstunden unseren Marsch fortzusetzen, denn Nachrichten von der
Küste trieben mich zur Eile an.


Ich ging vom Lager nach dem nahen Flusse in Begleitung eines Herrn, der sich
meinem Kriegszuge angeschlossen hatte und darauf brannte, seinen ersten Büffel zu
schiessen. Ich selbst trug keine Büchse bei mir, da ich nicht vorhatte, mich weit vom
Lager zu entfernen. Etwa 300 Schritte davon kam ich an das Bett des Rua, dessen
Ufer von einigen schattengebenden Bäumen eingefasst war. Mein Begleiter hatte sich
50 Schritte von mir entfernt, als ich unter einem der Schattenbäume eine starke Büffel-
kuh gewahrte.


Ich rief — wohl etwas unvorsichtig, aber auf die Doppelbüchse meines Be-
gleiters vertrauend: „Hierher gesehen, hier ist ein Büffel!“ und im selben Augenblick
sprang die Kuh, obgleich sie, wie sich später herausstellte, schon von der Seuche er-
griffen war, auf die Läufe und stürmte, das stark bewehrte Haupt niedergedrückt, in
voller Flucht auf mich zu.


Das Gehörn der Büffelkuh ist länger und spitzer als das des Bullen, und dieser
wirft auch wie unser Hausrind seinen Feind durch einen Stoss zu Boden und gebraucht
dann als Waffe die mächtigen, harten Schalen der Vorderläufe, während die Kuh das
spitze, lange Gehörn zum Stossen und Aufreissen der Wunde und auch zum Hochwerfen
ihres Feindes benutzt.


Ich war in einer höchst peinlichen Lage. Sechzig Schritte vor mir war die
erboste Kuh im Begriff, mich anzunehmen, doch so, dass sie meinem Begleiter einen
guten Blattschuss auf höchstens 70–80 Schritte bot. Auf meinen Ruf: „Schiessen
Sie!“ hörte ich das Knacken eines niederschlagenden Hahnes und auf mein weiteres,
[64]Ein Tag in den Steppen des Kilima Ndjaro.
dringenderes Auffordern zum zweiten Male das Abdrücken des Gewehres ohne folgenden
Schuss. Der Herr hatte in beiden Läufen keine Patrone!


Das war ein kritischer Augenblick! Hinter mir, vom Lager her, riefen mir meine
Offiziere zu, ich möchte fliehen. Als ich mich unwillkürlich umdrehte, gewahrte ich
jedoch, dass sich, die Büchse in der Hand, ein Gewehrträger, der kleine Diener des
später gegen die Wahehe gefallenen Leutnants v. Zitzewitz, in vollem Laufe näherte,
und blieb deshalb, die Hand rückwärts streckend, das wütende Tier erwartend, stehen.
Kaum fühlte ich den Lauf in der Rechten, als ich auch schon im Hochreissen den einen
Hahn spannte und losdrückte, und fast im selben Augenblick rettete ich mich durch
einen Seitensprung vor dem Anprall des Büffels, der dicht vor mir verendend zusammen-
brach. Zweifellos hätte mich sonst das mitten zwischen die Lichter getroffene Tier im
Sturze niedergeworfen.


Dies war also eine Büffelkuh ohne Kalb, nicht verwundet, nicht behelligt und
noch dazu schon von der Seuche ergriffen. Nur auf meinen Ruf und Anblick hin hatte
sie sich sofort auf mich geworfen und würde mich fraglos zu Tode geforkelt haben,
wenn mich der kleine, umsichtige Gewehrträger, ich glaube Pitti hiess er, nur zwei
Sekunden später erreicht hätte, denn wenn ich den mir zugerufenen Rat meiner Offiziere
befolgt hätte, wäre ich sicher verloren gewesen. Der ziemlich hochgebaute Bos-Kaffer
Ostafrikas ist viel zu schnell und gewandt, um ihm, noch dazu auf offenem Gelände,
entkommen zu können. Schon mancher Jäger hat, den Kopf verlierend, unter den
Schalen oder dem Gehörn des wehrhaften Büffels sein Leben gelassen. Ich erinnere
unter anderen an den preussischen Forschungsreisenden Harnier, der von seinen,
beim Angriff des Büffels geflohenen schwarzen Begleitern später nur als ein Klumpen
zerquetschten Fleisches und zermalmter Knochen aufgefunden wurde. Schüsse, wie die
an diesem Tag von mir mit so unmittelbarem Erfolge abgegebenen, sind auf dieses
Wild selten; auch ist dazu eine Büchse nötig, deren Wirkung sicher nicht unter
der des 500-Express-Rifle sein darf. Ich schoss meist in Afrika auf Büffel mit
577-Express.


Die Kosten der Aufregung im Lager während dieser Szene hatte natürlich mein
jagdeifriger Begleiter, der mit ungeladenem Gewehr zur Birsche ging, zu tragen.


Bei der Fortsetzung des Marsches am Nachmittag kamen wir in immer mehr
verseuchtes Gebiet, ja die Karawane musste häufig einen Umweg machen, um dem
furchtbaren Pesthauche anbrüchig gewordener Büffel auszuweichen, die überall auf der
Ebene, von der Seuche niedergeworfen, umherlagen.


Kurz bevor wir unser Lager für die Nacht bezogen, wurde zur Rechten des
Weges ein langgestrecktes, gelbes Tier hoch, trollte zuerst mit tiefgedrücktem Haupte
dahin und ging dann in langen Fluchten vor uns über den Weg — eine Löwin, die
dicht rechts am Wege eine Antilope gerissen hatte, und die von uns bei ihrer Mahlzeit
gestört war. Zu spät erkannten wir bei dem schon dämmernden Lichte, was für ein
Wild uns entgangen war. Schon bald nach Eintritt der Dunkelheit meldete sich die
Räuberin wieder und rief den Gemahl, der von weiter Entfernung her antwortete, zu
ihrem Riss. Leider war es uns unmöglich, dem Löwenpaar dort einen Besuch ab-
zustatten, denn der Mond hatte sich mit dichtem Wolkenschleier umhüllt, und es fehlte
daher das zu einer solchen Jagd nötige Büchsenlicht.


[65]Ein Tag in den Steppen des Kilima Ndjaro.

Dies war ein Tag, und nur ein Marschtag, nicht ein der Jagd geweihter in
jenen Ländern, deren damals unermesslicher Wildreichtum heute schon ebenso ab-
genommen hat, wie in vielen anderen Gegenden Afrikas, und wenn man nicht bald mit
aller Energie gegen das unverantwortliche mörderische Abschlachten des Wildes vor-
geht, so wird in absehbarer Zeit die Steppe tot und öde, ohne Leben und Ab-
wechselung sein und nicht mehr an so viele schöne, interessante Erlebnisse erinnern,
vor allem aber den Karawanen nicht mehr den Unterhalt an Wildbret bieten, der es
heute einzig ermöglicht, dass ein grosser Teil der weiten Steppen passierbar ist. —


Der Leser möge nicht glauben, dass solche Tage, wie der soeben beschriebene,
häufig sind. Er kann leicht an einem Tage zur richtigen Jahreszeit auf der offenen
Steppe Tausende von Stücken Wild zählen, er kann dann aber auch manchmal wieder
wochenlang marschieren, ohne nur ein einziges Stück, ja eine Fährte zu Gesicht
zu bekommen.


Ich kann dreist behaupten, dass grosse Teile Afrikas an Wild ärmer sind als
Deutschland, so z. B. wenigstens in den achtziger Jahren das damals noch so bevölkerte
südliche Kongobecken Centralafrikas, wo reich bevölkerte, offene Gelände mit endlosen,
finstern, toten Urwäldern, in denen nur der Elefant und das Wildschwein hausen,
abwechseln.



v. Wissmann. 9
[[67]]
Figure 17. Thomson-Gazelle.

Gazellen und kleine Antilopen.



Der Leser dieser Erzählungen wird nicht
selten an Ausdrücken Anstoss nehmen, die das
Weidmannsohr befremden, denn es ist schwer,
unsere weidmännischen Bezeichnungen auch auf
fremdes Wild zu übertragen. Ist der weibliche Elefant
„Tier“, „Kuh“ oder gar (er gehört ja zu den Viel-
hufern) „Sau“? Ebenso das Nashorn oder Flusspferd.
Letzteres wird hie und da mit „Hengst“ und „Stute“
unterschieden, da es ja Flusspferd heisst. Dem Aus-
sehen nach ist es aber ein mächtiges Schwein, und
trotzdem sagt man doch gewöhnlich Flusspferd-„Kuh“
und -„Bulle“. —


Die Grenze zwischen Hoch-, Mittel- und Nieder-
jagd ist für fremdes Wild noch nicht gezogen, und
am besten sagt man wohl: Gross-, Mittel- und Klein-
wild.


Zum kleinen Wilde in Afrika rechnet man gewöhn-
lich die Gazellen und Zwerg-Antilopen, zum Mittelwild
die grossen Antilopen, Zebra, Strauss etc. und zum
grossen Elefant, Nashorn, Flusspferd, Giraffe und Büffel.


Kleines Wild würde also umfassen: die Wald- und Sumpfböcke, Riedböcke,
Ducker, Gazellen, Klippspringer, Steinböckchen und Zwerg-Antilopen.


Die Sumpfböcke stehen in den Mangrove-Sümpfen und Deltas der Mündungen
afrikanischer Flüsse, in feuchten Niederungen und an den Ufern von Flüssen, Seen
und Lagunen.


Den Sumpfböcken in ihrer Lebensweise am nächsten kommen die hauptsächlich
an Flussufern, in feuchten Wiesen und Schilfbeständen, weniger in grossen Sümpfen
stehenden Riedböcke. Ihnen folgen die im Urwald sowohl, als in dichtem Buschgelände
lebenden Waldböcke, Zwergantilopen und Ducker und endlich die grosse Anzahl der
verschiedenen Gazellen, die die Steppen, ja Wüsten bewohnen und mit der kargen,
spärlichen Aesung der erbärmlichsten und trockensten Landstriche vorlieb nehmen, mit
Ausnahme der schönen Palla (Aepyceros melampus), die Wald- und Park-
landschaft bevorzugt.


9*
[68]Gazellen und kleine Antilopen.

Es giebt kein Gebiet in Afrika von der hungrigen Wüste bis zum üppigsten
Urwald, wo sich nicht irgend eine Form des Wildes aus der Ordnung der Wieder-
käuer heimisch fühlt, wo nicht die Jagd auf diese schönen und nützlichen Geschöpfe
der Wildnis uns Freude und Erholung bietet.


Die Sumpfböcke, von denen wir zuerst sprechen wollen, leben, wie es schon der
Name sagt, überall in Afrika, wo Wasser das Gelände unpassierbar macht und stille,
vor dem Menschen sichere Aufenthalte schafft. Sie sind so gebaut, dass die Belastung
des Bodens durch ihr Gewicht eine gleichmässig verteilte ist, und haben zum Be-

Figure 18. Riedbock.


schreiten des weichen Bodens zum grossen Teil lange und weit
spreizbare Schalen, so dass sie mit jedem Schritt ein grosses
Stück der weichen Bodenoberfläche bedecken, um ein Durch-
brechen zu verhindern. Auch der stelzende,
wunderliche Gang zeigt, dass sie leicht und vor-
sichtig über die den lockeren Sumpf bedeckende
Grasnarbe hinwegschweben.


Da Feuchtigkeit im heissen Klima
stets einen üppigen Pflanzenwuchs her-
vorruft, so leben sie auch meist in
dichtem, unübersehbarem Gebiet,
in dem ihnen nur sehr schwer von
ihren Feinden beizukommen ist.


Der grosse Räuber, der Löwe,
kann in dem nachgiebigen Boden
nicht seine zwei oder drei ersten
mächtigen Fluchten ausführen,
mit denen er seine Beute zu er-
reichen strebt, und nur der ge-
wandte Leopard ist imstande,
auch in dem weichen Boden zu
jagen.


Vor Wildhunden, überhaupt
vor den der Canis-Familie an-
gehörenden Räubern, sind sie
ziemlich sicher.


Man sieht den Sumpfbock fast
nur bei einer zufälligen Begeg-
nung, wenn man auf den vielen
Wasserarmen, die gewöhnlich
die Mangrovedickungen durch-
kreuzen, im Boot oder Canoe
reist, oder sich an einer, beson-
ders gute Aesung aufweisenden
Stelle, auf der man seine Fährten
findet, am Abend oder Morgen
[69]Gazellen und kleine Antilopen.
ansetzt, denn zu anderer Tageszeit hat er sich auf einer trocken gelegenen Stelle in
dieser dicht verwachsenen Wildnis niedergethan. Von der Jagd auf den Sumpfbock ist
also nicht viel zu erzählen. Er ist besonders vorsichtig auf jedes Geräusch, das jede
Bewegung des Feindes in dem weichen Boden hervorruft, und auch seine Witterung
ist gut. Schnell ist er aufgeschreckt und im Dickicht oder in einem tiefen Graben
verschwunden, und ein Verfolgen ist natürlich ausgeschlossen, denn der Mensch kann
meistens kaum den Standort der Sumpfböcke betreten.


Wer unser Wild erlegen will, soll in einem kleinen Canoe, begleitet von nur
einem Neger, der sich in dem Gewirr der Wasserläufe zwischen den Mangrove-Inseln
zurechtzufinden weiss, geräuschlos dahinfahren, die Büchse stets zur Hand, um einen
schnellen Schuss abgeben zu können, oder wie schon vorher erwähnt, sich ansetzen.


Schon leichter jagt sich der nächste Verwandte, der Waldbock, auf dessen vom
Dunkelbraungrau bis ins helle Rot gefärbter Decke sich eine hieroglyphenartige, weisse
Zeichnung wunderbar abhebt und sie zu einer sehr schönen macht.


Auch der Waldbock verlangt viel Wasser und ist daher auf trockenem Gelände
kaum zu treffen. Das spiralförmig gedrehte Gehörn ist ein zierlicher Schmuck, der der
grösseren Arten sogar ein recht stolzer.


Auch ihm, dem Waldbock, bin ich abends vom Lager aus, in bedecktem Ge-
lände bummelnd, am häufigsten begegnet. Er tritt dann gerne aus dem dichten Schatten
des ihn am Tage vor der Sonne schützenden Waldes heraus und hält auch, wie unser
Rehbock, ziemlich regelmässig seinen Wechsel.


Ich sah ihn immer nur allein oder begleitet von einem weiblichen Stück, und
niemals, den Sumpfbock ebenfalls nicht, in Rudeln. Er führt bis auf die kurze Zeit der
Brunft ein einsames Leben in Dickichten, in denen er wohl am meisten mit dem Wild-
schwein zusammentrifft und sich hauptsächlich vor dem Leoparden zu schützen hat.
Der Mensch ist ihm kein so schrecklicher Feind wie den anderen Antilopen, besonders
der Neger nicht, denn die beiden bisher genannten Arten werden von den meisten
Stämmen Afrikas nicht gejagt, ja es giebt Stämme, die eine abergläubische Furcht vor
diesem Wilde haben, besonders vor dem mit Hieroglyphen gezeichneten; so konnte ich
z. B. in Westafrika in dem grossen Gebiete der Lunda, Kioque und Massongo auch für
noch so hohe Belohnung keinen Eingeborenen bewegen, einen geschossenen Waldbock
oder Sumpfbock, ja nicht einmal deren Decke zu berühren; denn der Aberglaube
gaukelte diesen Stämmen vor, dass die Berührung Pocken oder sonstige Hautkrankheiten
hervorruft.


Das Wildbret des Sumpfbockes gehört nicht zu dem besten und ruft wohl in-
folge der Sumpfäsung Verdauungsstörungen hervor. Das des Waldbockes aber ist
gut und zart und hat mich stets an das des Rehbockes erinnert.


Einst schoss ich eine Hieroglyphen-Antilope, deren ganzer Nacken und Vorder-
rücken kaum vernarbte, furchtbare Wunden zeigte, die fraglos von den Fängen eines
Leoparden oder Luchses herrührten, den sie meiner Ansicht nach im Dickicht unter
Aesten abgestreift hatte.


Der nächste Verwandte dieser beiden genannten Arten, der Riedbock, zeichnet
sich durch sehr begehrtes Wildbret aus, das ich sogar dem des Rehbockes vorziehe. Er
wird infolgedessen überall, besonders aber vom Europäer, häufig gejagt. Seine hübsche
[70]Gazellen und kleine Antilopen.
gelbe Decke eignet sich sehr zum Bettteppich und sie ist so leicht zu bearbeiten und so
weich, dass die Eingeborenen sich vielfach Schurzfelle aus ihr verfertigen. Fast jeder
Europäer, der in Afrika gejagt hat, bringt die nach vorn gebogenen, spitzen, massiven,
aber kurzen Gehörne mit nach Haus, die man umgekehrten Gemskrickeln vergleichen
kann, also solchen, die nach vorn gebogen sind, aber etwas geringere Biegung haben.


Ob unsere Antilope trotz des bei richtiger Verwendung so gefährlichen Gehörns
von ihm als Waffe Gebrauch macht, ist mir zweifelhaft. Gegen Schakale und kleines
Raubzeug wird sie ihre Kälber auch mit den Schalen verteidigen.


Wie Wild sich benimmt, das noch keine Bekanntschaft mit der Feuerwaffe ge-
macht hat, zeigte mir nachstehende Beobachtung an Riedböcken. Als ich am
Nyassa für meine grosse Karawane viel Fleisch gebrauchte und mit einem Begleiter einen
mit einem schmalen sumpfigen Wiesenstrich eingefassten Bach entlang weidwerkte,
kamen wir bis auf dreihundert Meter an drei Riedböcke heran.


Ich schoss zuerst und einer der Böcke brach im Feuer zusammen, ohne sich
weiter zu rühren. Die beiden andern, die dicht neben ihm standen, warfen auf, schlugen
sich das Gehör um das Haupt und pfiffen mit einem scharfen, durchdringenden, weit
hörbaren Laut, ohne an die Flucht zu denken.


Da gab mein Begleiter den zweiten Schuss mit demselben Erfolge ab und trotz-
dem blieb das noch übrig gebliebene Stück stehen, schlug ärgerlich mit der zier-
lichen Schale den Boden und pfiff und äugte erstaunt umher, bis ich es mit dem dritten
Schuss, der genau dieselbe Wirkung hatte, niederlegte.


Als wir hinzutraten, lagen alle drei Böcke, wie zur Strecke hingelegt, in einer
Reihe neben einander, mit den Häuptern nach einer Richtung.


Der Riedbock scheint mir nicht sehr scharf ausgebildete Sinne zu haben und ist
deshalb in schnell bevölkerten Landstrichen sehr bald ausgerottet worden, so in ganz Süd-
afrika, wo er nur noch in englischen Gegenden als „royale game“ (königliches Wild) ge-
schont wird. Es wäre sehr wünschenswert, diese in vieler Beziehung, besonders auch
durch das sehr schöne Wildbret, unserem Rehbock so ähnliche Antilopenart zu erhalten.


Der schöne, hellgelbe Riedbock, mit dem schlohweissen Unterleib und zierlichem
Gebahren, kommt fast überall in Afrika vor, wo weiche Wiesen mit Schilfbestand auf-
treten. Da, wo man dem Raubwild und ganz besonders dem Leoparden scharf zu Leibe
geht, würde es ein Leichtes sein, ihn zu erhalten, wenn man für das weibliche Wild
eine viermonatliche Schonzeit zur Aufzucht der Jungen anordnen, oder besser noch, es
überhaupt schonen würde.


Die Riedgais trägt kein Gehörn und ist daher leicht zu erkennen und zu schonen,
was nicht unwesentlich für die Erhaltung dieses schönen Wildes ist, das sich gewiss
auch in bevölkerten Gegenden leicht halten lässt.


Auch Wildschaden ist von ihm kaum zu fürchten, da es sehr ungern aus der
feuchten Niederung heraustritt, wo es die zarten Spitzen des Schilfes, der Binsen und
der saftigen Gräser abäst. Es könnte in Afrika das werden, was bei uns der Rehbock ist.


Von den kleinsten Antilopen, den zierlichen Miniaturgeschöpfen, den Zwergen
der Wiederkäuer, ist deshalb nicht viel zu sagen, weil sie sich immer im dichten,
schützenden Strauch- oder Buschwerk verbergen und nur, wie ein Geist vorüber-
huschend, sich dem Jäger zeigen.


[71]Gazellen und kleine Antilopen.

Sie werden von den Eingeborenen sehr viel, aber fast nur mit Netzen gejagt,
denn die Waffen des Negers schiessen nicht so genau, dass sie gegen ein so kleines,
bewegliches Geschöpf von Wirksamkeit sein könnten, und auch der Europäer, selbst der
beste Schütze, wird den Schuss mit der Büchse auf dieses Wild bald aufgeben,
und zwar nicht nur, weil der Schuss zu schwer ist, sondern besonders auch, weil
die Kugel dieses zierliche Wild, das in einigen Spielarten kaum stärker als ein Hase
ist, zu sehr zerreisst.


Diese reizenden Tiere, deren Läufe nicht stärker als ein Bleistift, und deren
Hörnchen nicht länger als das äusserste Glied des kleinen Fingers und meist ganz dünn
und nadelspitz sind, schützen sich nicht nur dadurch, dass sie überhaupt in undurch-
sichtigem Gelände stehen und offene Stellen in ihrer dichtbewachsenen Heimat in leichten,
weiten Fluchten durchmessen, sondern auch, dass sie sich in Gefahr niederducken, um
sich dem Auge des Feindes zu verbergen.


Trotzdem wird aber die Jagd auf diese kleinen Geschöpfe dadurch ergiebig, dass
sie dort, wo sie heimisch sind, oft in grosser Anzahl stehen.


Wenn man später erst einmal einen guten Jagdhund in den tropischen Gebieten
haben wird, einen Hund, der nicht, wie heute alle hinübergebrachten, seine Nase ver-
liert, sondern vielleicht durch Kreuzung mit dem Wildhund, der sich durch die schärfste
Nase vor allen Räubern der Wildnis hervorthut, ein brauchbarer Begleiter des Jägers

Figure 19. Zwergantilope.


[72]Gazellen und kleine Antilopen.
geworden ist, dann wird man nicht so häufig mehr an den kleinen, scheuen Tieren
vorbeilaufen und eine ebenso interessante, wie erfolgreiche Jagd haben.


Bei diesen Antilopen ist das weibliche Wild von dem männlichen kaum zu
unterscheiden und es wird daher nötig sein, für diese Zwerge eine Schonzeit festzusetzen,
wenn man sie erhalten will, was mir sehr ratsam erscheint, da ihr Wildbret sehr gut
und zart ist.


Natürlich muss sie der Jäger mit der Flinte jagen und dann dürfte diese Jagd
am meisten Aehnlichkeit mit der heimischen auf Hasen vor dem Hunde haben,
denn wie bei dieser wird langes Besinnen nicht zum Ziel führen.


Meine erste Zwergantilope schoss ich leider mit der Kugel, die das kleine Wild
vollständig in zwei Teile riss, die nur noch an einem Stückchen Decke am Rücken
zusammenhingen.


An der Ostküste werden in einigen Gegenden, z. B. bei Tanga, häufig Massen
dieser kleinen Wildart zu Markte gebracht.


Die Eingeborenen treiben dicht verwachsene Gebüsche nach der Richtung, wo
sie Netze aufgestellt haben und schlagen dann die Tiere, die sich im Garn fangen, mit
Stöcken tot. Ich hoffe aber, dass diese Jagd, wenn erst die Bestimmungen der Tier-
schutz-Konferenz in London durchgeführt sind, aufhören wird, denn jeder Gebrauch
von Stellnetzen ist darin verboten.


Diesen Liliputanern unter den Antilopen am ähnlichsten sind die Ducker, deren
Name schon ihr Gebahren andeutet, wenn sie sich verfolgt wissen. Da sie ihren
Aufenthalt nur dort wählen, wo ihnen die Bewachsung des Bodens sowohl durch
Dichtigkeit als auch durch dieselbe Farbe, wie sie ihre Decke hat, sichere Verstecke
bietet, hat sie der afrikanische Jäger wohl nur bei zufälliger Begegnung erlegt, oder
dann, wenn er sie sich zutreiben liess. Auch auf dieses Wild wird einst die Jagd mit
einem guten Vorstehhunde ein beliebter Sport werden.


Nach den kleinsten Repräsentanten der zahlreichen Familie der Antilopen will
ich der elegantesten und vielleicht schönsten Erwähnung thun, der Gazellen.


Die hohe Poesie der Blütezeit der Araber, deren leuchtendstes Motiv die
Schönheit des Weibes ist, hat nicht ohne vollen Grund dieser wundervollen Schöpfung
der Natur, der Gazelle, einen Vergleich entlehnt, der jedem, der die Gazelle kennt,
wahrhaft getreu erscheinen muss — ich meine das Licht der Gazelle, mit dem der Dichter
das Auge der schönen Semitin vergleicht. Die tiefe, dunkelbraune Färbung mit dem
sammetartigen Ton des Gazellenauges fällt dem Beobachter zuerst und am meisten auf.


Das Licht hat etwas Scheues, Flehendes, ja man könnte fast sagen, Frommes.
Es giebt dem Beobachter Rätsel auf, die er in seinem tiefsten Innern zu lösen suchen möchte.


Aber auch die zierliche Gestalt, die feinen, wohlgeformten und doch sehnigen
Glieder, die Zierlichkeit und überraschende Kraft der Bewegungen, die schöne
Färbung — dies alles macht fraglos die Gazelle zu einer der herrlichsten Zierden der
Schöpfung und ringt selbst dem wildesten Jäger nach der Erlegung ein gewisses Be-
dauern ab.


Vornehm und reizvoll ist es eigentlich nur, diese wunderschnellen, zierlichen
Geschöpfe auf dem Rücken des edlen Rosses mit dem schnellen, edlen Hund oder dem
stolzen, kühnen Falken zu jagen, wie es in Persien, in Arabien und in Kordofan
[]

Figure 20. Von wilden Hunden gehetzte Springböcke.


[73]
Gazellen und kleine Antilopen.
geschieht. Aber es gehört schon das edle, schnelle Pferd der diese Länder bewohnen-
den Stämme dazu, der mit den schnellen Läufen spielenden Gazelle zu folgen, und
leider kann man in den heissen Teilen Afrikas kein Reittier halten, das sich zu einer
Gazellenjagd aus dem Sattel eignen würde.


Auch in Südwestafrika habe ich es versucht, mit dem dortigen Jagdpferd die
daselbst verbreitetste Gazelle, den schönen Springbock, zu jagen und zwar mit dem Speer,
musste es aber aufgeben, weil die Schnelligkeit der Pferde hierzu nicht ausreichte und
mich bescheiden, die erste Unschlüssigkeit vor der Flucht zu benutzen, um so schnell
als möglich an das Wild heranzusprengen, dann abzuspringen und den Bock zu schiessen.


Der Artenreichtum der Gazellen ist gross; leider sind auch einige Arten ihrer
Gattung so übermässig schlank gebaut, so leicht und flüchtig, dass sie Zerrgestalten
geworden sind.


Eins der reichsten Gazellenländer ist das Somaliland. Hier giebt es die beiden
Arten, die das Höchste erreichen an Ueberschlankheit, die Gazella Walleri und die
Amodorcas Clarkei. Ein hervorragender Tierbeobachter möchte sie wegen ihres langen,
dünnen Halses und schmalen, spitzen Kopfes, Giraffengazellen genannt wissen, eine
Benennung, der ich mich nicht anschliessen möchte, denn zum Glück haben sie nicht
den überbauten Körper der Giraffe, durch den diese in der Flucht schwerfällig erscheint.


Die erstere der beiden kenne ich nicht. Die letztere habe ich in den Steppen
am Fusse des Kilima Ndscharo geschossen. Hier sah ich einst, als ich an der Spitze
meiner Karawane marschierte, ein kleines Rudel von noch nie gesehenem Wild vor
mir. Auf unverhältnismässig langen Läufen ruhte ein unverhältnismässig langer, eng
zusammengeschnürter Leib, auf diesem ein übermässig dünner Hals mit einem langen,
schmalen Kopf, der bewehrt war mit einem Gehörn, das eigentlich sonst an keine
Gazelle erinnert, sondern durchaus dem Riedbockgehörn gleicht und nur etwas
schlanker ist.


Als dieses windige Wild uns wahrnahm, fing es an zu trollen und setzte mich
und meine Begleiter durch den unbeschreiblich hohen und schaffenden Trab ins äusserste
Erstaunen.


Die langen Läufe schienen den Boden kaum zu berühren, und wie, ich möchte
sagen, vom Wind geweht, schwebten die Geschöpfe über die Steppe.


Einige Schüsse, die sehr dicht am Wild vorbeipfiffen, hatten die Wirkung, das
Rudel wenige Fluchten zum Galoppieren zu zwingen, aber bald fiel es wieder in den
enorm schaffenden, schwebenden Trott zurück.


Bald darauf erlegte ich eine dieser Antilopen und konnte jetzt meine Neugierde
befriedigen.


Natürlich giebt es Uebergänge von der eben beschriebenen zu den schöneren,
proportionierter gebauten. Die Soemmerings-Gazelle, die Berberana und andere kommen
schon in ihrem Bau den echten, eigentlichen Gazellen, dem Springbock, der Swalla
oder Palla und endlich den etwas kleineren, den arabischen, ägyptischen und nord-
afrikanischen Gazellen nahe. Letztere bewohnen hauptsächlich die Wüsten und Steppen
Nordafrikas und Arabiens und ich habe sie im Sinaigebirge und Oberägypten beobachtet.


In der grössten Anzahl, ja geradezu zu vielen Tausenden, habe ich den Spring-
bock in Südwestafrika gesehen. Wir konnten häufig vom Sattel herab Tausende
v. Wissmann. 10
[74]Gazellen und kleine Antilopen.
erkennen und sahen dann noch, wie weiterhin auf der Ebene, allmählich verschwimmend,
alles von den prachtvollen, rot- und weissgefärbten, eleganten Tieren belebt war. Häufig
waren die reizenden Geschöpfe so dumm und neugierig, dass wir sie aus dem Sattel
oder vom Ochsenwagen aus schiessen konnten, meistens mussten wir aber dem Pferde
die Sporen geben und im vollsten Lauf auf das Rudel los rennen.


Dann zeigte sich zunächst in dem ganzen Rudel eine gewisse Unentschlossenheit
bezüglich der Richtung der Flucht. Alles trollte durcheinander, bis endlich einige Stücke
den Weg gezeigt hatten und sich die andern anschlossen.


Dies war der Augenblick, in dem man durch einen kurzen Ruck dem abge-
richteten Jagdpferd das Zeichen zum Stehen gab, was bei gut geschulten Pferden bald
so schnell und hart geschieht, dass man mehr aus dem Sattel fliegt als springt.


Dann heisst es, sobald man festen Boden unter den Füssen hat, die Büchse an die Backe
und feuern, bevor noch das Hochschnellen der „tanzenden“ Gazelle (Euchore), das haupt-
sächlich ihr und einer indischen (Blackbock) eigentümlich ist, den Schuss erschweren.


Dies eigentümliche Hochwerfen im vollen Lauf ist nur, wie gesagt, den beiden eben
genannten und, wenn auch nicht in gleichem Masse, der Palla und dem Bunt- und Bläss-
bock eigen und sieht aus, als ob das leichte Tier, wenn es sich 2 bis 3 Meter hoch
in die Luft geworfen hat, die Läufe schlaff hängen liesse, um sie erst wieder anzuspannen,
wenn es festen Boden unter sich fühlt. Ich denke mir, dass das Wild die Sprünge macht,
um hoch in der Luft bessere Uebersicht über das in der Flucht die Aussicht
beschränkende Gras der Steppe zu haben.


Die so viel beschriebenen Wanderungen der Springböcke in Trupps von vielen
Hunderttausenden habe ich zwar nicht gesehen, halte sie aber für möglich, denn ich
weiss, dass manchmal die vielen Tausende dieser schönen Gazellen plötzlich aus einer
Gegend verschwunden sind und dass ihre Wanderung nach derselben Richtung vor sich
geht. Wo Höhenzüge oder Gebirge, die das Tier sehr ungern betritt, oder auch nur
dichtere Bodenbestockungen Engpässe für unser Wild bilden, da mögen dann wohl
diese lebendigen Ströme von Tausenden zu Hunderttausenden anschwellen.


Jeder kennt das schöne, elegant geformte Gehörn des Springbockes und jeder
Jäger weiss, dass es eine dem schönen, buntgefärbten Wilde würdige Jagdtrophäe ist.


Das Wildbret des Springbockes ist, wie das aller Gazellenarten, ausgezeichnet,
vielleicht jedoch etwas trockener als das unseres Rehes, und für die grossen Buren-
trecks ein wichtiges, ja sie häufig vor Hungersgefahr schützendes Nahrungsmittel — und
wird es heute noch besonders auch in nächster Zeit sein, wo gewiss wieder ein Buren-
treck vor sich gehen wird, wenn die englische Armee in Transvaal Herr bleiben sollte.


Ein Jammer wäre es, wenn auch dies Tier, wie schon so viele ausschliesslich
Südafrika bewohnende, vernichtet würde. Die nördliche Verbreitungsgrenze des Spring-
bockes geht nicht einmal bis zum Zambesi, und so ist eigentlich ihr Gebiet schon heute
im Bereich der neuen Kultur Südafrikas. Nur die Steppen und Wüsten Südwest-Afrikas
bieten ihm noch Schutz und Ruhe, und ich hoffe sehr, dass diese Steppen, die wegen
ihres Wassermangels dem vordringenden Menschen schwere Hindernisse in den Weg
legen, noch lange dieser schönen Gazelle ein sicheres Heim sein werden.


Die ebenso schöne, als nützliche Pallagazelle unterscheidet sich wesentlich von
allen Verwandten durch ihren Stand und in Verbindung damit, durch ihre Lebensweise.


[]
Figure 21. Palla-Gazelle.

[75]Gazellen und kleine Antilopen.

Sie bevorzugt lichten Wald oder Parklandschaft und im ganzen Süden und
Osten Afrikas, d. h. im Süden, wo sie noch nicht ausgerottet ist, trifft man die
Swalla oder Palla, wo grasige Ebenen mit Waldparzellen wechseln.


Diese Gazelle ist also die einzige, bei welcher der Jäger nicht nur Freude an
der Schönheit des Wildes, sondern auch an der des Standortes, einer dem Auge reiche
Abwechselung bietenden Landschaft, hat, und da Parklandschaft auch andere Antilopen-
arten, wie die schöne Pferdeantilope, das Gnu und den Kudu anzieht, so ist meist der
Standort der Swalla ein Dorado für den reisenden Jäger.


Welch' wundervolles Bild, wenn am Abend die letzten Sonnenstrahlen die
Wildnis mit zarten Farben übergiessen und aus dem Rande des lichten Hochwaldes ein
Rudel bunter, zierlicher Geschöpfe auf die saftiggrüne Wiese tritt. Man kann sich nicht
satt sehen an dem prächtigen Gemälde. Das Licht der scheidenden Sonne, die viel-
farbige, in tiefen, satten Tönen sich ausbreitende Flora der Tropen und das das Auge
des Jägers erfreuende Wild mit seiner schönen, bunten Decke, seiner eleganten Form
und seinen leichten, zierlichen Bewegungen — ein Stück des Paradieses, wie es sich die
Phantasie des Menschen nicht herrlicher ausmalen und nur den unberührt lassen kann,
dem das Gefühl für Natur-Schönheiten versagt blieb.


Wie müsste sich die Swalla für schön angelegte Parks eignen! Wie bei keinem
anderen Wild vereinigen sich bei ihr Farbe, Form und Auftreten zu einem entzückenden
Wesen. Die Swalla scheint mir ganz besonders zart, ähnlich wie unser Reh, zu sein,
denn ich habe Stücke mit verhältnismässig leichten Schüssen unterm Feuer zusammen-
brechen sehen, die anderes afrikanisches Wild, z. B. den Springbock und alle anderen
Gazellen der Wüste oder Steppe noch nicht annähernd auf die Decke gebracht hätten.
Besonders der Springbock verträgt sehr schwere Verwundungen.


Ich möchte die mehr oder weniger grosse Unempfindlichkeit gegen Schüsse auf
folgende Weise erklären und glaube damit das Richtige zu treffen. Alles Wild der
trockenen Ebene, das naturgemäss hauptsächlich trockene Aesung nimmt, ist zäher als
das Wild des Waldes oder feuchter Standorte. Jene schöpfen sehr viel seltener Wasser,
ja einige Arten sogar im ganzen Jahr kaum einmal; sie löschen ihren Durst häufig an
Früchten, besonders einer Kürbisart und auch an wasserhaltigen Wurzeln. Die den
Wald oder Sumpf bewohnenden Antilopen nehmen gewiss sehr häufig zu ihrer so wie
so schon saftigen Aesung Wasser und scheinen mir im ganzen nicht so zäh und wider-
standsfähig zu sein wie jene.


Ist es nicht auch beim Menschen dasselbe? Wie viel zäher, härter und widerstands-
fähiger ist der Bewohner der Wüste oder Steppe als der des Urwaldes. Es lässt sich
dies natürlich am leichtesten bei Stämmen beobachten, deren Lebensweise noch nicht
durch die Kultur verallgemeinert worden ist.


Dass diese Behauptung unbestreitbar, wird man aus jeder Reisebeschreibung
entnehmen können und zeigt sich am besten im Kriege. Der Wüstenbewohner muss
durch anstrengende Jagd oder harte Arbeit der Natur unter grosser Mühe und vielen
Entbehrungen seinen Unterhalt abgewinnen. Dem Bewohner des Urwaldes reicher,
üppiger Tropengegenden wächst sein Unterhalt fast in den Mund. Er kennt deshalb
viel weniger die Härte des Lebens und ist infolgedessen nicht so widerstandsfähig. Ebenso
ergeht es auch den anderen Geschöpfen, dem Wild.


10*
[76]
Figure 22. Klippspringer.

Geradezu schmachvoll wäre es, wenn die Swalla
Ostafrikas demselben Schicksal entgegensehen sollte, wie
ihr Verwandter des Südens, der Rooibock der Buren,
der in Südafrika einst eine der häufigsten Gazellen war und
nicht zum wenigsten durch die furchtbare Wildmörderei der
Buren heute aus ganz Südafrika verschwunden ist.


Nun endlich noch ein Wort über eine Antilope, die in
ihrer Art ganz allein dasteht, die ich vielleicht bei den Zwerg-
antilopen hätte erwähnen sollen, die aber durch ihre Lebensweise doch von jenen auch
für den Jäger unterschieden werden muss. Es ist dies der Klippspringer, eine ebenso
zierliche als gedrungene, starke, kleine Antilopenart, ein Felsen- und Gebirgstier, das es
im Klettern und springen mit allen Wildziegen und Wildschafen aufnimmt.


Der Klippspringer kommt in ganz Süd- und Ostafrika bis nach Abessinien hin
vor, wo er mit dem Steinbock zusammen in nackten, zerrissenen Gebirgen steht.


Wo immer in diesen Teilen Afrikas Gebirge mit Felsenbildung auftreten, kann
man auch auf den Klippspringer rechnen.


Keine andere Antilope zeigt sich in ihrem Aeusseren so für ihren Aufenthaltsort
angepasst wie diese. Sie ist kurz gedrungen gebaut wie der Steinbock und hat besonders
harte Schalen. Ich habe diese Felsenantilope nur zufällig während des Marsches erlegt.
In ihrem Bereich hält sich kaum anderes jagdbares Wild ausser dem Leoparden auf,
[77]Gazellen und kleine Antilopen.
der diese steinigen Gebiete jedoch nicht der erwähnten Antilope, sondern der Paviane
wegen bewohnt, die ebenso wie jene fast überall sich aufhalten, wo Felsenwildnisse zu
finden sind.


Das Steinböckchen, dem beschriebenen sehr ähnlich, habe ich nur in Südwestafrika
erlegt, jedoch kommt es auch in Ostafrika vor. Ich schoss den ersten Bock nicht in
Felsen, sondern in einer wüstenartigen, sandigen Steppe, in der hier und da Felsblöcke
und Felsgerölle aufgehäuft waren, und dies scheint mir auch der Lieblingsaufenthalt des
Tieres zu sein. In der Färbung ist es rötlicher als der dem Reh im Winterhaar ähnlich
gefärbte Klippspringer.


Die rötlich gelbe Farbe des Steinböckchens harmoniert mit der des Sandes, auf
dem ich es antraf. Es war bei den Spitzkoppjes, wo heute schon verschiedene europäische
Niederlassungen sind, und der mich führende Hottentotte sagte mir, dass es nur unten in
der Sandwüste zwischen dem Felsengerölle vorkomme und nicht hinaufsteige auf die
imposanten nackten Felsen der Koppjes, während weiter oben der Klippspringer stehe.


So habe ich im grossen Ganzen jede Familie der kleineren Antilopenarten berührt.
Die Zahl der Spielarten ist sehr gross und einen Teil derselben kenne ich besonders
aus dem Grunde natürlich selbst nicht, weil mir Afrika nördlich des Aequators nur
sehr wenig bekannt ist.


Alle diese Tiere, die fast sämtlich das Auge jedes Jägers durch ihre prächtige
Erscheinung erfreuen, könnten so leicht erhalten werden. Sie alle werden niemals Wild-
schadens wegen lästig fallen, die meisten bewohnen unfruchtbare, wertlose Gebiete,
Sümpfe, trockenes Dornendickicht, Felsenwildnisse, Steppen oder Wüsten, und können
infolgedessen durch ihr Wildbret nur als nützliche Jagdtiere bezeichnet werden.


Leider ist es bei manchen Arten schwer, das weibliche Wild zu erkennen, da
auch dieses Gehörne trägt. Dieselben sind aber stets feiner und geringer und bei einiger
Fürsorge wird es der Jäger doch vermeiden können, weibliches Wild zu schiessen. Schon
das allein und eine kurze Schonzeit würden sicherlich genügen, diese edlen, schönen
Geschöpfe noch lange zu erhalten.


[[79]]

Ein Jagdtag
am Elefant-Marsh.

[figure]


Neuntausend Trägerlasten brachte
ich von der Zambesi-Mündung, wo
sie, von Hamburg kommend, gelöscht waren, den
Zambesi und Schire aufwärts bis zum Nyassa-See, wo
der „Hermann von Wissmann“ heute noch als grösstes und
seetüchtigstes Dampfboot auf diesem achtzig deutsche Meilen
langen und zehn deutsche Meilen breiten See gute Dienste thut und die
dortigen Stationen mit seinen Einnahmen erhält.


Natürlich hatte ich nicht für jede dieser Lasten einen Träger, sondern
sie wurden auf allerhand hierzu erfundenen kleinen Fahrzeugen von acht
bis neunhundert Negern um die Wasserfälle des Schire, die auf eine Strecke von zwanzig
deutschen Meilen den Wassertransport unterbrechen, herumbefördert.


Schwer war es, eine so grosse Anzahl von Schwarzen zu bekommen, denn auch
die Engländer brachten damals gerade zwei kleinere Dampfboote nach dem See, noch viel
schwerer aber, sie zu verpflegen, denn es war im Lande selbst fast eine Hungersnot gewesen.
Da kamen uns denn die zum Teil ganz ausserordentlich wildreichen Gebiete an den
Ufern des Schire sehr zu statten, und ich glaube, dass es nicht zum wenigsten unserer
Jagdbeute zu danken war, dass wir immer genügend Mannschaften hatten, denn Fleisch
ist für den Neger die höchste Delikatesse.


Im Elefantensumpf (Elefant-Marsh der Engländer), einer auf viele Quadratmeilen
sich ausdehnenden, einen grossen Teil des Jahres sumpfigen Niederung, auf der aller-
dings die früher häufigen Elefanten bis auf seltene Besuche aus anderen Gegenden ver-
schwunden waren, schlugen wir unseren Hauptjagdplatz auf, da die Niederungen immer
noch von zahllosen Büffeln, Gnus, Wasserböcken, Hartebeestern und anderem Wild
bevölkert waren.


Zwei, zu Zeiten drei meiner Offiziere und ich hatten uns hier für einige Wochen
festgesetzt, um täglich eine Anzahl, wenn möglich natürlich nur männliches Wild zu
schiessen, und einige zwanzig Neger waren damit beschäftigt, unausgesetzt in der Sonne
und an Feuern Wildbret zu dörren. Ganze Bootsladungen von diesem Nahrungsmittel
schickten wir von hier aus den Schire auf- und abwärts, wo mit dem Transport
beschäftigte Teile meiner sehr grossen Expedition ihr Lager hatten.


[80]Ein Jagdtag am Elefant-Marsh.

Das einzige Unangenehme einer solchen Jagdexpedition zu praktischen Zwecken
ist der nicht sehr verlockende Geruch, der natürlich stets ein Lager verpestet, in dem
viel Wild zerlegt und präpariert wird. Leider mussten wir bald davon absehen, das
häufigste Wild, Wasserböcke, und das massigste, Flusspferde, zu schiessen, obwohl das
Jagen der letzteren hoch erwünscht für die Sicherheit des Schire war, weil diese riesigen
Wasserbewohner schon mehrfach Fahrzeuge umgeworfen und auch einige Boote meiner
Expedition angegriffen und beschädigt hatten.


Wir machten nämlich die Erfahrung, dass nach öfterem Genuss dieser beiden
Arten von Wildbret unsere Leute stark an Verdauungsstörungen litten.


Doch nun zu dem Tage, den ich hier bei der Erzählung im Auge habe.


Beim ersten Tageslicht brach ich, begleitet von einem meiner Offiziere und un-
gefähr zwanzig zum Tragen des erlegten Wildes dienenden Schwarzen vom Lager auf.
Bald gewahrte ich im noch niederen Uferschilf des Schire einen Riedbock, eine Antilope
von der Grösse unseres Damhirsches, deren Wildbret mit zu dem besten gehört, das ich
kenne. Unglücklicherweise schoss ich den Bock lauflahm, und leider gelang es mir nicht,
noch einen zweiten Schuss anzubringen. Ich folgte mit meinem Begleiter in der Richtung,
in der der kranke Bock verschwunden war, und er kam uns auch bald wieder zu Gesicht,
wenn auch zu weit, um mit Aussicht auf Erfolg schiessen zu können.


Während er bisher natürlich nach uns hin gesichert hatte, war es auffallend, dass
er jetzt nach der entgegengesetzten Richtung verhoffte, mehrfach schreckte und bald auf
drei Läufen flüchtig wurde. Nach der Ursache dieser plötzlichen Aenderung in dem
Benehmen des Wildes ausschauend, gewahrte ich in ungefähr 500 Meter Entfernung drei
Tiere im mittelhohen Gras, die ich mit Hilfe meines Glases als Löwen erkannte. Ein
alter Herr mit fast schwarzer Mähne, eine ausgewachsene Löwin und ein junger Löwe
mit erstem Ansatz zur Mähne waren an einem Wild beschäftigt, und zwar an einer
Büffelkuh, welche ich am Abend vorher geschossen, aber bis auf das Gehörn liegen
gelassen hatte, weil das Tier krank und verseucht aussah.


Es herrschte in dieser Gegend damals gerade die Rinderseuche, die zum Glück
hier den Büffelbestand nicht so mitgenommen hatte, wie z. B. im Norden Deutsch-Ost-
afrikas. Im Halbkreis um die hungrige Löwenfamilie sassen, wie es uns schien, ein
Leopard, jedenfalls aber zwei Hyänen, respektvoll wartend, bis der Herr der Wildnis
ihnen die Reste seiner Mahlzeit überlassen würde.


Mein Begleiter, der einige hundert Schritt seitwärts von mir ging, war auf das Raub-
wild nicht aufmerksam geworden, und da ich fürchten musste, dass er es, wenn er weiter ging,
verjagen würde, so pfiff ich scharf auf dem Finger und bedeutete ihm, niederzuknieen.


Leider war der Pfiff, obwohl gegen den Wind, auch von den Löwen gehört
worden, denn alle drei sicherten nach mir hin. Bald aber hatten sie sich beruhigt und
waren wieder mit ihrer Mahlzeit beschäftigt, so dass es mir und meinem inzwischen
herangekommenen Begleiter gelang, noch gute hundert Meter näher heranzubirschen.


Da kamen leider die mich zum Wildbrettragen begleitenden Soldaten schwatzend
und lachend hinter uns auf eine Geländewelle und machten die Löwen wieder rege.
Folglich half kein Zögern mehr und wir versuchten laufend so nahe als möglich heran-
zukommen, hatten aber kaum fünfzig Schritte zurückgelegt, als zuerst der alte Löwe,
dann der junge und zuletzt die Löwin das Luder verliessen und nach einem Dickicht trollten.


[]
Figure 23. Löwen am Riss.

[81]Ein Jagdtag am Elefant-Marsh.

Da ich fürchtete, nicht wieder zu Schuss zu kommen, stand ich auf und schoss
mit dem Visier für 350 Meter und vollem Korn auf den alten Löwen. Ein Stossgebrüll
und einige mächtige Fluchten zeigten, dass er getroffen, wenn auch allem Anschein nach
nicht schwer angeschossen war, denn gleich darauf wurden alle drei flüchtig und ver-
schwanden mit weiten Fluchten in einem kleinen Rohrdickicht.


Wir gingen jetzt zunächst zum Luder und stellten fest, dass es die Löwen erst
vor kurzem gefunden haben konnten. Dieser Büffel war wieder ein Beweis dafür, dass
der Löwe nicht ausschliesslich Wild annimmt, das er selbst gerissen hat, und besonders
dann auch nicht wählerisch ist, in welchem Zustande sich der Frass befindet, wenn es
sich um einen Büffel handelt.


Büffelwildbret ist gewiss ein sehr seltener Genuss für den Löwen, da ihm nur
gelegentlich einmal kranke Kühe oder Kälber zur Beute fallen.


Wir folgten dann der Spur des Löwen bis an eine Dickung von daumenstarkem,
noch grünem Schilfrohr, das so dicht stand, dass wir nur mit grosser Anstrengung in
dasselbe hätten eindringen können. An Schiessen im Dickicht war aber gar nicht zu denken,
denn das zähe, harte Schilfrohr verhinderte jede freie Bewegung.


Wir umschlugen das Röhricht und fanden, dass es nur ganz klein war, viel-
leicht 300 Meter im Umkreis hatte, und konnten bei dem sumpfigen Boden auch fest-
stellen, dass alle drei Löwen stecken geblieben waren.


Jetzt machten wir wohl eine Stunde lang Versuche, die Räuber herauszutreiben;
wir warfen Steine hinein, schleppten, da das Schilf selbst nicht brennen wollte, Gebüsch
zum Rauchfeuer heran — aber alles ohne Erfolg. Einige meiner besten Soldaten er-
boten sich endlich, dicht zusammengedrängt in die Dickung einzudringen, was ich aber
nicht erlaubte, denn fraglos wäre mindestens einer, wenn nicht alle, schlecht dabei weg-
gekommen. Die Löwen, die erkannt hatten, dass sie von uns umstellt waren, würden wohl
nicht versucht haben, sich davon zu schleichen, sondern sie wären zweifellos mit Gewalt,
und zwar vereint, durchgebrochen. Ich gab daher den Versuch auf und birschte weiter,
mich mit dem Gedanken tröstend, dass wir in den nächsten Tagen mit den Löwen, die
wir jede Nacht gehört hatten, mehr Glück haben würden.


Aber wohl niemals wieder habe ich so unverzeihlich unüberlegt gehandelt und mir
dadurch eine gute Jagd entgehen lassen, wie damals. Ich hätte mir sagen müssen, dass
das Raubwild mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit, so bald es still geworden wäre,
zum Frass zurückkehren würde, hätte mich unter Wind mit meinen beiden schweren
Büchsen hinter einem schnell hergestellten Schirm aus Buschwerk anstellen müssen und
dann mit ziemlicher Gewissheit alle drei Räuber schiessen können. Doch wie es häufig
geht, wir dachten nicht daran — weder ich noch meine Begleiter.


Wir erlegten zwei Hartebeester und den vorher erwähnten Riedbock, den wir
wieder fanden und kamen auf dem Rückmarsch zum Lager ungefähr zwei Stunden
nach der Begegnung mit den Löwen in dieselbe Gegend zurück.


Jetzt schien unser Glücksstern aufzugehen und ein Gefühl der Freude und
Jagdlust elektrisierte unser Inneres, denn allem Anschein nach waren die Löwen wieder
beim Luder. Aber die Freude dauerte nicht lange, wir gewahrten durch unsere Gläser,
dass sich an den Ueberresten der Büffelkuh drei Hyänen gütlich thaten, denen wohl
20 Geier dreier verschiedener Arten Gesellschaft leisteten. Vorsichtig birschte ich mich
v. Wissmann. 11
[82]
Ein Jagdtag am Elefant-Marsh.
an die bunte Tafelrunde, aber zwei Hyänen wurden mich gewahr und drückten sich,
die dritte, die offenbar durch Hunger nicht genügend vorsichtig war, liess mich,
obgleich die Hyäne neben dem Wildhund den feinsten Geruchsinn hat, bis auf 40 Schritt
herankommen, so dass ich ihr meine Kugel dicht hinters Blatt setzen konnte. Sie biss
wie ein angeschossener Fuchs nach dem Einschuss, drehte sich eine halbe Minute wie
ein Kreisel um sich selbst und brach zusammen. Als ich herantrat, zeigte sie mir die
Zähne, schnappte noch nach mir und verendete dann.


Jetzt sah ich am Luder selbst und an den Spuren ringsum ganz deutlich zu
meinem nicht geringen Aerger, dass die Löwen sehr bald nach unserem Verschwinden
zurückgekommen waren und sich satt gefressen hatten. Erst dann hatten sich die
Hyänen, die wir vorher in respektvoller Entfernung von den Löwen wahrgenommen,
herangewagt, und die letzten Reste dann den Schakalen, die natürlich auch in der Um-
gegend umherschlichen, und den Geiern, sowie zwei Marabustörchen überlassen, die
erst aufgingen, als ich bis auf zehn Schritte herangekommen war.


Also wieder einmal, und diesmal augenscheinlich durch eigene Schuld, eine
Gelegenheit versäumt, dreier so schöner Jagdtrophäen habhaft zu werden, wie es fraglos
die Häute der Löwen, besonders die des alten, mächtig bemähnten, waren.


Meine Erregung über mein durch eigene Schuld herbeigeführtes jagdliches Miss-
geschick hatte sich noch nicht gelegt, als ich ins Lager zurückkehrte, und mein Erstes
war es, unsere Erlebnisse meinem langjährigen Reisebegleiter zu erzählen, der ebenfalls
gerade von der Jagd zurückkam. Aber auch er hatte an diesem Morgen, allerdings
ohne sein Verschulden, ein Jagdabenteuer gehabt, dessen unerwünschter Ausgang dem
meinigen ähnlich war.


Auf seinem in Begleitung von vier Soldaten unternommenen Birschgange hatte
er aus einem Dickicht von grossblättrigen Sumpfkräutern einen sehr starken Büffelstier
in einem so günstigen Gelände austreten sehen, dass er mit seinen Begleitern, die dicht
hinter ihm folgten, herankommen konnte.


Der erste Schuss fasste den Büffel zu hoch und zu schräg am Blatt und hatte
nur den Erfolg, dass der Angeschweisste wütend nach der Richtung des Schusses
vorwärts stürmte. Aber der Schütze stand so gedeckt, dass er nicht eräugt werden
und der Bulle auch keinen Wind von ihm bekommen konnte. Erst dicht vor den
ebenfalls gedeckt stehenden schwarzen Soldaten hielt er an in seinem Lauf, schüttelte
wütend schnaubend das gut behörnte Haupt und suchte mit den rotunterlaufenen
Lichtern seinen Gegner.


Da liessen sich die schwarzen Begleiter des Schützen hinreissen, sich zu zeigen
und einer derselben schoss auf den nur wenige Schritte vor ihm stehenden Büffel, leider
aber nur mit dem Erfolg, ihn leicht zu streifen.


Jetzt brach das erboste Tier direkt auf die flüchtig auseinanderstiebenden vier
Leute los, so dass mein Reisebegleiter aus Besorgnis, einen derselben zu treffen, nicht
schiessen konnte. Der Büffel nahm zunächst einen Soldaten an und verfolgte ihn. Der
Mann hatte die Geistesgegenwart, seine Decke, die er des kühlen Morgens wegen noch
umgehängt hatte, herabzureissen und sie dem Büffel entgegenzuschleudern. Das rettete
ihn. Denn als die hellgelbe Decke demselben vor den Kopf flog, stutzte er, stiess sie
mit den Hörnern und trat sie erbost in den Boden.


[83]Ein Jagdtag am Elefant-Marsh.

Unterdessen schoss einer der anderen Soldaten von seitwärts mit seinem
Karabiner auf den Büffel. Sofort liess er ab von der Decke und nahm den neuen
Feind wütend an. Dieser aber erreichte einen Baum und war mit einer so affenartigen
Geschwindigkeit in den Zweigen hoch über dem Stier, dass derselbe ganz erstaunt den
seiner Wut Entrückten schnaubend beobachtete.


Der Flüchtling hatte leider eine Akazie annehmen müssen, von deren Stacheln
er nicht unbedeutend aus mehreren Rissen schweisste. Er erklärte später jedoch, er würde
sich immerhin lieber noch einmal von einigen Stacheln, als von den Hörnern des wüten-
den Büffels verwunden lassen.


Wieder schoss einer von den Leuten und wieder nahm der Stier diesen an und
versuchte ihm den Weg nach den schützenden Bäumen abzuschneiden. Hierbei bot er
aber meinem Reisebegleiter die Breitseite, erhielt schnell nacheinander zwei Geschosse
aufs Blatt, worauf er vorwärts zusammenbrach. Bevor jedoch der Schütze, der glaubte,
dem Bullen den Rest gegeben zu haben, wieder geladen hatte, war das zähe Wild
wieder auf den Läufen, stürmte auf ihn los und erhielt abermals einen Schuss. Dieser
lenkte den stark schweissenden Büffel glücklicherweise von meinem Begleiter, der noch
nicht wieder mit Laden der Büchse fertig war, ab und prasselnd brach der Wüterich
in eine Dickung von Rohr und Sumpfpflanzen hinein, an deren Bewegung die enttäuschten
Jäger die Richtung seiner Flucht noch ein ganzes Stück verfolgen konnten.


Als der europäische Weidmann nach einiger Zeit annehmen konnte, dass die Schüsse
ihre Wirkung gethan haben würden, folgten die Jäger der starken Schweissfährte, eine
Massnahme, die niemandem bei einem Wilde, wie dem afrikanischen Büffel, anzuraten
ist, wenn man nicht ganz sicher weiss, dass es tödlich getroffen wurde; denn gerade
beim Verfolgen eines kranken Stückes kommen am häufigsten Unglücksfälle vor.


Das kranke Wild thut sich nieder, lässt seinen Verfolger in der Dickung, die
es fast immer aufsucht, dicht heran und stürzt sich dann mit einer durch die Schmerzen
an Raserei grenzenden Wut eines in die Enge getriebenen, zur Verzweiflung gebrachten
Tieres auf seinen Feind.


Bei der eben beschriebenen Gelegenheit führte die Fährte aber durch die ganze
Dickung hindurch an den Rand des Schire, dann in den Fluss hinein und von da nicht
weiter.


Entweder war der Bulle im Wasser zu krank geworden und abwärts getrieben,
oder er war stromab geschwommen und hatte an einer anderen Stelle das Ufer
gewonnen.


Jedenfalls konnte das sicher schwer getroffene Wild nicht ausgemacht werden.
Es ist auch möglich, dass Krokodile, von dem Schweiss des Tieres im Wasser angelockt,
den schon schwachen Büffel weggerissen haben, wie ich es bei Rindvieh, welches über
Flüsse setzen wollte, mehrfach beobachtet habe.


Bei gesunden Büffeln scheint dies nicht der Fall zu sein, denn das Wild steht
sehr häufig im flachen Wasser, ja oft so tief im Fluss, dass nur noch Licht und Muffel
über dem Wasserspiegel sind.


Der Büffel ist ein grosser Freund vom Suhlen im Sumpf und Wasser und
würde dies offenbar nicht sein, wenn er vor Krokodilen, die gerade im Schire ausser-
ordentlich häufig und bösartig sind, sich nicht sicher fühlte. Ich habe auf der Expedition,
11*
[84]Ein Jagdtag am Elefant-Marsh.
während der sich die oben beschriebenen beiden Jagdabenteuer ereigneten, allein aus
meiner Karawane von etwa hundert Soldaten und Dienern sechs durch Krokodile ver-
loren, und im Schire fünfundsiebzig Krokodile geschossen, von diesen aber nur acht bis
zehn bekommen, da sich diese muskulöse Echse, wenn das Geschoss nicht das ganze
Gehirn zerstört hat, noch mit der letzten Kraftanstrengung ins nahe Wasser wirft,
untertaucht und dann wahrscheinlich von den andern zerrissen wird.


Ein totes Krokodil kommt niemals an die Oberfläche. In dreien dieser zur
Strecke gelieferten, die ich alle in Gegenwart mehrerer Europäer aufbrach und zerlegte,
fand ich Kupfer- und Messing-Armbänder, Fussringe und Glasperlen, wie sie die Ein-
geborenen tragen, und bei einem auch ein Stück des gewöhnlichen Zeuges, mit dem sich
die Eingeborenen bekleiden; ausserdem bei allen, je nach ihrer Grösse, ein bis fünf
Kilogramm pflaumen- bis apfelgrosse Steine, meistens Quarzkiesel. Meiner Ansicht
nach verwerten die Echsen diese Belastung entweder, um bequemer tauchen zu können,
oder sie ist ihnen zur Verdauung nötig.


[[85]]

Jagd auf den Katschgoar.

[figure]


Ich muss den Leser bitten, mich nach einem der abgelegensten Winkel der Erde
zu begleiten, einem Lande, das in vielleicht hundert Jahren manchen Bewunderer der
schönen Natur dorthin locken wird, wenn erst die bald beendete grosse sibirisch-chinesische
Bahn durch ihre mit der Zeit nötig werdenden Verästelungen eine Kommunikation
erleichtert, die heute nur mit grossem Zeitaufwand, grossen Mitteln und mit Verzicht
auf die Annehmlichkeiten der Civilisation zu erreichen ist.


Wir befinden uns auf einer Höhe von fast 3000 m, mitten in den wilden Bergen
der zerrissenen Gebirgslandschaft des Altai. Rings um unser Zelt und eine Filzhürde,
die unsere Begleiter — lithauische und russische Dolmetscher und Jäger aus dem Stamme
der Kalmücken — aufnahmen, gruppierten sich nackte, nur mit kurzem Gras bewachsene
Kuppen, von sanften Thälern unterbrochen, begrenzt nach der einen Seite in der Richtung
des höchsten Berges des Altai — der Belucha, mit ihren berühmten Gletschern — von
schroff emporragenden, felsigen Gebirgsformen, deren Häupter mit Schnee bedeckt waren;
nach Norden zu das sich allmählich nach der weiten sibirischen Steppe herabsenkende
Nordwestgehänge des Altai, nach Osten hin, nach dem weiten China hinein, in unab-
sehbarer Aufeinanderfolge gleich hohe Gebirgszüge. Ein wunderbarer Platz für unser
Jagdlager! Rings um uns die mächtigen noch grünen Bergwellen, unser Jagdgebiet, der
Standort des Riesen unter den Wildschafen, des Ovis Ammon; in blauer Ferne sich
verlierend die westlichsten Grenzländer der steinigen Wüste, die wilde Mongolei, nach
abwärts die von Fichten und Lärchen gekrönten Bergstöcke des sibirischen Altai. Hier
das vierhundert Millionen ernährende, an uralter Kultur mit harter Zähigkeit festhaltende
himmlische Reich, dort das unter verhältnismässig junger Kultur nur langsam, aber sicher
[86]Jagd auf den Katschgoar.
aufblühende weite Sibirien, noch eine halbe Einöde, von nur wenigen, ihrem Untergang
entgegengehenden Nomadenstämmen bewohnt, aber schon in den ersten Anfängen einer
Kultur unseres jetzigen Zeitalters.


Die Jagd auf das oben erwähnte, noch so wenig bekannte Wildschaf hat uns
vor allem hierher gelockt. Wenn schon der Jäger, der Interesse und Gelegenheit hat,
das Wild fremder Kontinente, weit entlegener Wildnis, kennen zu lernen, das mächtige,
doppelt gewundene Gehörn des berühmten Ovis Poli — benannt nach dem ersten grossen
Asien-Reisenden Marco Polo — für eine selten schöne Jagdbeute hält, so muss diese
Jagdtrophäe doch weit zurückstehen gegen die des Wildschafes der Höhen des Altai. —
Ich will, da ich meine Beobachtungen in mancher Beziehung abweichend gefunden habe
von den Beschreibungen des einzigen Zoologen, der Gelegenheit hatte, dieses Wild
selbst zu sehen, des durch sein über die ganze Welt verbreitetes „Tierleben“ bekannten
Brehm, dasselbe zu beschreiben versuchen. Der Wald, der hauptsächlich die Nord-
hänge im ganzen Altaigebiet mit Lärchen-, Fichten- und Zirbelkiefern schmückt, hört
durchschnittlich bei einer Höhe von 2300 m auf. Von hier an aufwärts wechseln
schroffe, felsige oder mit Geröll bedeckte Hänge mit sanften Böschungen ab, deren
geringe Humusschicht mit Gras und kurzen Kräutern bestanden ist. Das Wildschaf tritt
nie in den Schutz des Waldes; hier können seine schlimmsten Feinde, der Wolf und
Luchs, sich zu leicht anschleichen, und Schutz vor Unbilden der Witterung braucht das
Wildschaf nicht, liegt doch die Zeit seiner höchstentwickelten Kraft, die Jahreszeit, in
der es sich am wohlsten fühlt, die Brunft, im Dezember, wenn eisig kalte Stürme und
Schneewehen alles andere Wild, vielleicht ausser dem Steinbock, hinabtreiben in die
schützenden Wälder.


Aehnlich unserer Hutung daheim bieten die Grashänge dem Wildschaf die
erwünschte Aesung, die Felsenschluchten ein geschütztes Lager, die nackten, unbedeckten
Hänge weite Umschau zum Sichern.


Schon das mächtige, vollständig von Knochenzellen ausgefüllte Gehörn zeigt, dass
nur ein starkes Tier einen solchen Schmuck zu tragen imstande ist. Der Bock erreicht
eine Höhe von 1,25 m im Widerrist und eine Länge von 1,90 m. Das bedeutende
Wildbretgewicht war uns leider nicht möglich festzustellen.


Das Schaf ist bedeutend kleiner als der gedrungene und fast mächtig gebaute
Bock; auch unterscheidet es sich in der Farbe von dem am Kopfe, Rücken und Seiten
mattbraunen, an Brust, Spiegel, Flanken und Läufen gelblich-weissen Bock. Es ist ein-
farbiger und wird nur da, wo der Bock in die weissliche Farbe übergeht, in der Färbung
etwas heller. Das Gehörn ist nur klein, schmal, nach rückwärts gebogen und bis höchstens
20 cm lang. Das Gewicht des Schafes erreicht wohl kaum die Hälfte von dem eines
starken Bockes.


Die Sinne unseres Wildes sind — ich stehe nicht an, dies zu behaupten — die
schärfsten, die ich je bei einer Wildart kennen lernte. Allen voran steht das Licht,
dessen Ausbildung geradezu Erstaunen erregend genannt werden muss. Auf fünf bis
sechs Kilometer Entfernung erkennt und unterscheidet das Wildschaf jedes sich bewegende
Wesen, d. h. es lässt sich nur beunruhigen durch seine Feinde, den Bären, Wolf, Luchs
und Menschen. Es erkennt genau das Pferd, und es ist nicht möglich, sich abgesessen
hinter dem Pferde anzuschleichen.


[87]Jagd auf den Katschgoar.

Wenn wir mit den Birschgläsern noch nicht ausmachen konnten, ob ein an
seinem Riesengehörn doch so leicht erkennbarer Bock beim Rudel war, so durften wir
uns schon nicht bewegen, ohne das scheue Wild sofort zu vergrämen. Unmöglich wäre
es nach unsern Beobachtungen gewesen, wie andere Reisende, z. B. der grösste Forscher
der sibirischen Wildnis, Przwalski, es bei dem Ovis Poli mit Erfolg gethan haben, durch
irgend einen auffallenden, dem Wilde unbekannten Gegenstand dessen Neugier zu erregen
und es dadurch heranzulocken, um zu Schuss zu kommen.


Unser Wild wurde auf alles, was auch nur das geringste Misstrauen veranlasste,
sofort flüchtig und zwar so weit und so nachhaltig vergrämt, dass jeder weitere Versuch,
noch an demselben Tage auf das Rudel zu Schuss zu kommen, ausgeschlossen war.


Vielleicht hat jener Jäger das Wildschaf in Gegenden gefunden, wo es den
Menschen gar nicht kannte oder nicht gejagt wird. In unserem Jagdgebiete treiben sich
viele sehr gewandte Jäger der Kalmückenstämme umher, und leider war auch kurz vor
uns eine andere Jagdgesellschaft hier gewesen, die 35 Böcke des schönen Wildes
gestreckt hatte, ein unglücklicher Umstand, denn ausser dieser Jagdgesellschaft ist, so viel
ich in Erfahrung bringen konnte, in den letzten zehn Jahren nur noch zweimal ein
englischer Major in dieser Wildnis gewesen.


Auch die Witterung des Wildes ist entwickelt, wie wohl kaum bei einem anderen
Wilde. Ganz windstill ist es selten in diesen Bergen, und die dünne Luft der Höhe
mag ja die Witterung des Feindes begünstigen. Derselbe Umstand, die leichte Luft, wird
auch zum Vorteil für das Gehör des Wildes. Jedes Geräusch pflanzt sich dort oben
mit grösserer Schärfe weit fort. Ein Zeichen der Vorsicht des wilden Schafes ist es,
dass es Schluchten und Thäler, von denen aus es keine Uebersicht, keine freie Aufnahme
des Windes hat, stets in voller Flucht und ohne Aufenthalt durchflieht, dass es, bevor es
einen Berggrat überschreitet, stets auf dem höchsten, die weiteste Umsicht erlaubenden Punkt
verhofft, und dass immer ein Stück des Rudels noch lange nach Flüchtigwerden desselben
diesen Aussichtspunkt besetzt, um den Genossen erst später zu folgen.


Aus diesem Grunde ist die Birsche auf das Wildschaf schwer und wenig lohnend.
Die ergiebigste Art des Jagens ist die, den Jäger oberhalb des Wildes anzustellen und
das Rudel behutsam zur Annahme jener Wechsel hinzudrücken. Der Jäger weiss, dass
das Wild fast ausnahmslos nach oben flüchtig wird, wenn es beunruhigt ist. Man erkennt
die Wechsel, die es bevorzugt, leicht, denn wo der Boden mit Rasen bedeckt ist und
im Gerölle hat sich das Wildschaf richtige Pfade ausgetreten, und an felsigen Stellen
wechselt es auf dem Rücken der Hänge aufwärts und niemals in den Schluchten. Dass
die Wechsel so erkennbar sind, liegt daran, dass unser Wild, wenn es vertraut zieht
und wenn es flüchtig wird, stets im „Indianermarsch“ sich bewegt, das Leittier — immer
ein altes Schaf — an der Spitze, und dass diese Wechsel vielleicht seit Jahrtausenden
dieselben sind.


Die beste Tageszeit zum Jagen ist der früheste Morgen, dann ist das Wild, das
sehr viel weniger nachts auf Aesung zieht, wie alles andere mir sonst bekannte, am
sichersten auf den Läufen. Es ruht gegen Mittag, je nach der Witterung — an heissen
Tagen am längsten — 3 bis 5 Stunden, bevor es wieder „lebhaft“ wird. Nach dieser Ruhe
wird es meist zu spät sein, die Jagd auf ein Rudel zu beginnen, da das Umgehen desselben
häufig 3, ja 4 Stunden in Anspruch nimmt.


[88]Jagd auf den Katschgoar.
[figure]

Hat sich das Wild nieder-
gethan, so ist es auch für
das schärfste Auge wegen der
der Umgebung gleichkommenden Farbe seiner Decke nicht zu erkennen. Das Wild
wird niemals andauernd auf lange Strecken flüchtig, sondern stets auf Entfernungen
von einigen hundert Metern, worauf das Rudel immer wieder verhofft und sichert.


So rückten wir denn, mein Begleiter und ich, stets nach verschiedenen Richtungen,
jeder begleitet von mindestens 2 bis 4 Kalmücken-Jägern, noch im Dunkeln
vor dem ersten Tageslichte aus, natürlich im Sattel, denn selbst hier im Gebirge
verlässt der Jäger sein sicheres struppiges kleines Pony nur, wenn er sich ans Wild
anbirscht oder ansetzt.


Der Kalmücke sucht mit seinem Adlerauge, sobald es Büchsenlicht geworden
ist, die Hänge der Berge ab und meldet dem Jäger jeden verdächtigen Gegenstand, den
derselbe dann mit dem Fernglas untersucht. (Ein gutes Glas ist für die Jagd auf das
Wildschaf durchaus nötig.) Es heisst dann entweder „tasch“, d. h. Stein, oder „arkar“,
Schaf, oder aber mit einem Ausdruck, der gleich den ganzen Jägertrupp elektrisiert:
„Katschgoar“, das ist der starke Bock, der sich durch sein mächtiges Gehörn sofort schon
auf weite Strecken zu erkennen giebt. Der junge Bock, so lange er sein Gehörn noch
[89]Jagd auf den Katschgoar.
nicht zu jenem mächtigen Kopfschmuck entwickelt hat, geht mit den Schafen und dem
jungen Wild in grossen Rudeln, die wir bis zu 300 Stück stark mehrfach beobachtet haben.


Der alte Bock, der Katschgoar, hält sich das ganze Jahr über in Rudeln von
4—10 Stück zusammen und verborgen, bis die Brunft beginnt, wo er dann das Mutter-
wild aufsucht und begleitet.


Sobald das Wild entdeckt ist, gleitet alles, möglichst wenig Bewegung machend,
aus den Sätteln; behutsam und möglichst unauffällig werden die Pferde in Deckung
gezogen und erst in aller Ruhe Kriegsrat gehalten. Jeder giebt, vom ältesten Jäger an-
fangend, seinen Rat, der dann dem Schützen, natürlich zum grössten Teile in der Zeichen-
sprache, mitgeteilt wird, und auf seine Zustimmung löst sich der kleine Trupp auf. Ein
Mann führt oft den Schützen auf meilenweiten Umwegen, um nicht in den weiten Kreis
des scharfen Lichtes des Wildes zu kommen, dorthin, wo nach der Meinung der Jäger
das Wild, von unten her beunruhigt, heraufwechseln wird.


Häufig trennen sich dann auch die unten bleibenden Begleiter, um eventuell von
mehreren Seiten her zu drücken.


Das Wild ist während der Aesung ziemlich stetig, bleibt lange Zeit auf demselben
Stand und thut sich auch gewöhnlich, sobald es warm wird oder sonst überhaupt gegen
Mittag, an der Stelle, an der es vom Morgen ab geäst hat, nieder, so dass man zu seinen
Manövern den ganzen Tag vor sich hat und in aller Ruhe und Sicherheit seine Anstalten
treffen kann.


Wenn irgend thunlich, sucht der oberhalb des Rudels angekommene Schütze
einen Punkt zu gewinnen, von dem er, wenn es der Wind erlaubt, das Wild von oben
herab beobachten kann. Entweder wird ein Zeichen für die unten harrenden Treiber
verabredet, oder man lässt dieselben nach Verstreichen eines bestimmten Zeitraums angehen.


Da man natürlich, wie alles, so auch den Aufstieg nach oberhalb des Wildes
zu Pferde gemacht hat, so kann man oben, sollte das Wild einen nicht vorhergesehenen
Wechsel schräg aufwärts annehmen, immer noch in gestrecktem Lauf den Wechsel
abschneiden. Meist hat man aber Zeit, denn wie schon erwähnt, wird das Wild nur
„sprungweise“ flüchtig.


In dieser Weise jagten wir nun 10 Tage lang, ohne dass es uns gelang, die
starken Böcke aufzufinden. Dieselben hatten sich um diese Zeit ganz vom weiblichen
Wild getrennt und, entsprechend unserem Feisthirsch, sich, wie wir später entdeckten,
in die unwegsamsten verlassenen Schluchten und Berge weiter östlich gestellt. Tag für
Tag sahen wir zwei bis zu zehn Rudel Schafwild mit jungen Böcken und erlegten für
unsere Küche und für unsere Leute und der Gehörne wegen zwei Schafe und drei
junge Böcke, deren Wildbret gutem zartem Rindfleisch am nächsten kommt.


Unsere Begleiter, die Kalmücken, und wir waren nach dieser zehntägigen Gedulds-
probe ausser uns gekommen und fürchteten schon, dass die Gesellschaft, die vor uns
gejagt hatte, die meisten starken Böcke der Gegend abgeschossen, krank geschossen oder
vergrämt hätte. Wir sandten nach einem anderen Jäger, der die vor uns jagenden
Herren geführt hatte, und dieser führte uns dann auch gleich aus dem Hauptstandort
des Wildes meilenweit hinweg über die nahe chinesische Grenze nach der Mongolei
hinein, in der wir eigentlich nach dem Befehl eines alten chinesischen Obersten, Kom-
mandanten eines Grenzkorps, den ich besucht hatte, wegen Mangels eines chinesischen
v. Wissmann 12
[90]Jagd auf den Katschgoar.
Passes uns nicht aufhalten durften, wenigstens — wie er uns warnend mitteilte — nicht
länger als 24 Stunden.


Der würdige Herr wäre allerdings mit seiner dreissig Mann zählenden Truppe
wohl kaum imstande gewesen, uns irgend welchen Zwang anzuthun, denn diese Kavallerie-
abteilung, die nur 4 Pferde zu ihrem Gebrauch hatte und nur mit Radschlossflinten
uralten Systems bewaffnet war, wäre unserer Jagdgesellschaft nicht gewachsen gewesen.


Endlich brachte uns der neue Jäger ans Wild. Tief unten in einer von schroffen
Hängen eingefassten Niederung entdeckten wir fünf Katschgoars, alte Böcke, und ich
musste bekennen, dass es mir nicht möglich gewesen wäre, auch nur annähernd anzu-
geben, nach welcher Seite hin das beunruhigte Wild sich wenden würde. Unser Jäger
aber schien dies so genau zu wissen, als wenn er dieses Rudel täglich beobachtet hätte.
Er führte mich an den Rand eines steilen Rückens, auf dessen Grat, schon bevor noch
die Treiber auch nur begonnen hatten, sich nach dem ihnen angewiesenen Punkt zu
begeben, die Böcke flüchtig herankamen. Sie mussten, was bei der Entfernung, in der
sie von uns gestanden hatten, Wunder nehmen muss, doch Wind von uns bekommen
oder uns vernommen haben. Leider erschien das Wild so plötzlich, dass es mir nicht
mehr möglich war, meinen dicken Pelz herunter zu reissen, sondern ich mit demselben
und durch ihn behindert schiessen musste und den Leitbock, den stärksten, ein mächtiges
Tier, fehlte.


Die Böcke schienen überhaupt unter der Last der mächtigen Gehörne zu leiden,
d. h. die Last schien sie an der Flucht zu behindern. Es ist fast ein lächerlicher Anblick,
wenn man das kräftige, stämmige Wild, mit dem Kopf hin und her wackelnd, als wenn
ihm die Last der Gehörne zu schwer sei, hinanklimmen sieht.


Es ist keine Frage, dass der Bock mit seinem schweren Kopfschmuck mit einem
flüchtigen Rudel von Schafen und jungen Böcken nicht mithalten kann, zurückbleiben
und infolgedessen wohl dem jagenden Wolf zuerst zur Beute fallen muss. Das ist wohl
auch ein Grund, dass die starken Böcke allein und möglichst versteckt und vor allem
entfernt von dem Hauptstandorte des meisten Wildes sich aufhalten, denn der Wolf,
dem wohl am meisten Lämmer zur Beute fallen, wird sich hauptsächlich in der Nähe
der grossen Rudel des weiblichen Wildes halten, wie wir denn fast täglich auf der Jagd
Wölfe, starke Exemplare mit schön behaarter Rute, fast einem Neufundländer ähnlich,
beobachteten.


Ich schoss das zweite Stück des Rudels, das nach wenigen Fluchten stehen
blieb, das schwere Haupt senkte, sich noch einige Minuten gegen das Zusammenbrechen
wehrte, dann aber — die Kugel war ihm durchs Geräusch gedrungen — vorwärts
zusammenbrach.


Ein anderes Stück, leider weidwund geschossen, verfolgten wir leicht über die
mit Schnee bedeckte Kuppe, verloren aber später die Fährte auf dem nackten Fels, be-
sonders da es unter heulendem Sturm stark regnete und die Schweissfährte schnell ver-
waschen wurde. Der erlegte war der erste starke Bock, der jetzt als erstes Stück,
welches überhaupt von dieser Familie der Wildschafe nach Deutschland gekommen ist,
ausgestopft im zoologischen Museum in Berlin steht.


War auch unsere Jagdbeute in dem Standorte des Wildschafes weit geringer
als die der früher hier gejagt habenden Europäer, so waren wir doch durchaus be-
[91]Jagd auf den Katschgoar.
friedigt, denn es lag uns nichts an der Masse solcher Jagdtrophäen, sondern vor allem
daran, das seltene Wild kennen zu lernen und einige schöne Erinnerungen mit heim zu
bringen. Die Jagdtour bot ja auch sonst, abgesehen von dem Hauptwilde, viel Inter-
essantes. Wir sahen, wie schon erwähnt, fast täglich den Wolf auf der Fährte des
Wildes lungernd, den Vetter Reineke umherstreifen und mit unendlicher Geduld auf grosse
Nager lauern, die stellenweise den Boden ganz durchwühlt hatten und die, in höchst
spassiger Weise Männchen machend, uns oft bis dicht an sie herankommen liessen. Nur ein
einziges Mal fanden wir die alte Fährte eines Bären, der — sehr zu unserem Er-
staunen — im sibirischen Altai selten zu sein scheint; Steinböcke, auf derselben Höhe
und häufig in demselben Gelände mit den Wildschafen stehend und nicht — wie man
behauptet — höher und von diesen getrennt, zeigten sich ab und zu, und es gelang mir,
ein, wenn auch nicht sehr starkes Stück zur Strecke zu bringen; Schneehasen und das
dumme Schneehuhn, das, seiner weissen Farbe vertrauend, sich in den Schnee drückend
uns stets so dicht heranliess, dass es uns gelang, das ganze Volk bis auf das letzte
Stück abzuschiessen, Birkhühner und Steinhühner, ein grosser, schön gefärbter Fasan,
das grosse Königshuhn, hoch über uns Züge wilder Schwäne, die in den Sümpfen und
Seen bei Katschagatsch einfielen, Wildgänse und Enten auf den kleinen Gebirgsseen, das
alles bot fast unausgesetzt dem Auge Interessantes; und dann die wundervolle Aussicht in
der klaren, dünnen Luft der Höhe von häufig fast 3000 Metern!


Die scharfe, kalte Luft der Nacht, die häufig bis zu 12° unter Null sank, nimmt
gegen Morgen ab und weicht gegen Mittag so den wärmenden Sonnenstrahlen, dass wir,
Pelz und Rock abwerfend, nur mit dem wollenen Hemde bekleidet, über die Schnee-
fläche wanderten. Dies und der Einfluss der dünnen Luft und der blendenden Sonnen-
strahlen bewirkten, dass ich mich, von der Steppe Südsibiriens aufsteigend zum Altai
und wieder hinaus zur Niederung des Irtisch, dreimal vollständig in Gesicht und Händen
gehäutet habe.


Der Schmerz des Schneebrandes im Gesicht war häufig unerträglich, und einige
Tage lang war ich auf einem, ja kurze Zeit auf beiden Augen fast völlig schneeblind.
Das sind aber Beschwerden, die ich, um gleichen Sport zu haben, immer gerne wieder
ertragen würde, und die doch — verglichen mit den Unbilden des tropischen Klimas
Afrikas, seinen Fiebern und seiner erschlaffenden Wirkung — noch immer leicht auszu-
halten sind, denn die schöne, trockene Luft stählt Nerven und Körper und hilft zum
Ertragen aller Strapazen nicht unbeträchtlich mit.



[[93]]
Figure 24. Pinselohrschwein.

Das Wildschwein.



Obwohl ich kein Zoologe von
Fach bin, erlaube ich mir doch die
Ansicht auszusprechen, dass über
den Artenreichtum der afrikanischen
Wildschweine noch Irrtümer ob-
walten. Da ich aber auf meinen
Reisen keine Häute und Skelette,
ja nicht einmal Gehörne der erlegten
Tiere mitführen konnte, und ich zu Zeiten froh sein musste, dass es
mir möglich war, wenigstens ein paar wollene Decken, ein paar Hemden
und einige Kochgeschirre bei mir zu haben, so fehlen mir die Mittel,
meine Beobachtungen zu belegen, sonst würde ich natürlich mit denselben
hervorgetreten sein.


Ich kenne das westafrikanische Flussschwein, das ich in den Urwäldern des
Kongogebietes öfters getroffen und erlegt habe, genau; ich kenne ebenso auch das
Flussschwein Ostafrikas, welches die Flussniederungen bis in die Mangrove-Dickichte an
der Küste bevölkert und von den Eingeborenen sehr häufig zum Verkauf angeboten
wird, und kann daher behaupten, dass es auf dem Hochplateau Ostafrikas südlich bis
zum Nyassa noch ein drittes, von diesen beiden Arten verschiedenes Wildschwein giebt,
welches noch bunter als das Pinselohr-Schwein Westafrikas ist, und bei mir Zweifel
daran, dass es sich um eine neue Art handelt, gar nicht aufkommen lässt.


Dieses Schwein habe ich in Uniamwesi und zwischen dem Nyassa und Tanganika
mehrfach in ausgetrockneten Flussbetten getroffen und es sowohl auf meiner ersten als
auch zweiten Reise öfters erlegt, bin jedoch, wie schon erwähnt, leider nicht imstande
gewesen, Schwarte oder Skelett mitnehmen zu können.


Damals wusste ich allerdings noch nicht, dass es sich um eine noch unbekannte
Art handelte. Später aber, als ich darüber unterrichtet war, habe ich das Schwein zwar
noch gesehen, aber nicht mehr zur Strecke zu bringen vermocht.


Auch das Warzenschwein, welches den ganzen Osten und Süden Afrikas bewohnt,
muss man meiner Ansicht nach in mehrere Varietäten trennen, denn zwischen denen
der nördlichen Teile Deutsch-Ostafrikas, der Zambesiländer und gar erst Südwestafrikas
ist eine grosse Verschiedenheit in Stärke und im Aeusseren, und ich bin überzeugt,
[94]Das Wildschwein.
dass man mindestens zwei in der Körpergrösse von einander verschiedene Arten unter-
scheiden muss.


Die ersten, die ich, und zwar tief im Innern in der Nähe des Tanganika gesehen
habe, übertrafen unser europäisches Wildschwein an Stärke bedeutend. Ich habe mehr-
fach Keiler auf nicht allzugrosse Entfernung für Büffel angesprochen und mich dann
überzeugt, dass es Bursche waren, denen an Höhe und Schwere in Deutschland kein
Keiler heute auch nur annähernd mehr gleich kommt, während ich später weiter nach
der Küste zu das Durchschnittsmass der Warzenschweine als unter dem unseres Wild-
schweines stehend gefunden habe.


Rätselhaft ist mir bis heute noch ein Warzenschwein, welches ich westlich
des Lualaba, also in dem westafrikanischen zoologischen Gebiet gesehen habe. Es
übertraf an Massigkeit alle je von mir gesehenen Wildschweine, und ich habe häufig
mit Dr. Pogge, der ein alter afrikanischer Jäger war, die an Stärke fast der einer Kuh
gleichkommende Fährte dieser Tiere zwischen Lualaba und Lomami bewundert.


Mit einem Worte, es ist über die Artenfrage noch lange nicht das letzte Wort
gesprochen.


Das Flussschwein Westafrikas traf ich meist in Urwäldern, und zwar sowohl
in Galleriewäldern, die alle Wasseradern des Kongobeckens begleiten, als auch in den
stillen, weiten Landurwäldern des mittleren Kongogebietes. Unser Wild, das nach
meinen Beobachtungen den Tag über auf den Läufen ist und des Nachts ruht, ist
sehr feist, denn es wuchert in diesen Urwäldern eine so unbeschreiblich reiche Pflanzen-
welt, dass es ohne viele Mühe einen ausgesucht guten Frass findet. Alle die unendlich
vielen verschiedenen Früchte, Wurzeln und Pilze und die überreiche niedere Tierwelt
bieten dem Schweine Lebensbedingungen, wie sie sonst wohl nur noch in den Urwäldern
des Amazonenstromes gefunden werden.


Das Wildbret aller afrikanischen Schweine ist zu wenig begehrenswert, die
Jagdtrophäe zu gering, als dass ein Jäger sich grosse Mühe um die Erlegung eines
Schweines giebt. Daher trifft man es auch nur zufällig, überrascht es bei der Aesung
und kommt weniger dazu, seine Lebensweise zu beobachten.


Die zwei bekannten und das eine, meiner Ueberzeugung nach, noch unbekannte
Flussschwein, sind die friedlichsten Arten der ganzen Familie, während das Warzen-
schwein, besonders die grössere Art, seine Furchtlosigkeit und seinen Mut häufig
beweist.


Die ersteren stehen ja auch bezüglich ihres Gewaff gegen dieses zurück.


Die Gewehre des Wasserschwein-Keilers sind nur gering, während die des
Warzenschweines bekanntlich nur von dem eigentümlichen Gewaff des Hirschebers an
Länge, von dem keiner andern Art aber an Stärke übertroffen werden.


Die Flussschweine schieben sich unter Baumwurzeln oder irgendwo im Urwald
ein, wo sie gerade am Abend zu fressen aufgehört haben. Das Warzenschwein dagegen
hat seine bestimmten Lager, die vielfach aus Höhlen oder aus erweiterten Kesseln des
Erdschweines bestehen.


Das Flussschwein, welches seinem Aufenthalt entsprechend als Feind nur den
Leoparden und in der Jugend vielleicht die Riesenschlange, und, da es so gern ins
Wasser geht, auch das Krokodil hat, Räuber, denen es durch Schnelligkeit in dem
[]

Figure 25. Warzenschwein.


[95]Das Wildschwein.
dicht verwachsenen Urwald nicht zu entkommen vermag, sondern die es stets so über-
raschend schnell ergreifen, dass an ein sich zur Wehre setzen oder Fliehen nicht mehr
gedacht werden kann, ist langsam und, wie mir scheint, auch in seinen Sinnen nicht
sehr ausgebildet.


Das Licht ist bekanntlich bei allen Schweinen der schwächste Sinn, das Gehör
besser und das Vermögen, zu wittern, gut. Beim Warzenschwein, dem Bewohner der trocke-
nen Steppe, sind die beiden letzteren Sinne jedenfalls scharf. Als Feinde hat es besonders
den Löwen, möglicherweise noch den Wildhund zu fürchten, denn ich glaube nicht,
dass sich ein Leopard an Warzenschweine heranwagt, besonders wenn die Rotte von
einem ausgewachsenen Keiler beschützt wird. Vielleicht mag dies bei der kleineren Art
der Fall sein, während ich von Keilern der grossen Art, die ich gesehen habe, annehmen
muss, dass sie selbst dem Löwen einen nicht zu verachtenden Widerstand entgegen-
setzen können. Sie sind wie unser Schwarzwild Nachttiere und am Tage selten
zu sehen.


Ich hatte mir in Südwestafrika einen Speer machen lassen, um ähnlich dem
englischen Pigstiking zu jagen, erlegte aber mit demselben nur einige Halali gehetzte
Antilopen, nie ein Schwein, auf das ich diese Art Jagd überhaupt nur einmal auf-
genommen habe. Als ich heran war, wurde ich fünf-, sechsmal durch kurze Haken,
die der dicht verfolgte Schwarzkittel machte, am Stoss verhindert und dann an der
weiteren Verfolgung dadurch, dass er ein Dickicht erreichte.


Erstaunlich ist die Schnelligkeit des Warzenschweines. So unbeholfen, kurz- und
rundleibig es erscheint, so unglaublich schnell vermag es wenigstens kürzere Strecken zu
durchmessen.


Verfolgt, flieht es stets nach dichtbewachsenen Geländestellen, deren dornige
Gebüsche für seine undurchdringliche Schwarte kein Hindernis sind, die dem Verfolger
aber ein gebieterisches Halt! zurufen.


Das Wildbret der Wildschweine wird von den Eingeborenen West- und Cen-
tralafrikas gegessen und nur von denen, bei welchen sich schon muhamedanischer Ein-
fluss geltend gemacht hat, verschmäht. Das der Flussschweine ist das bessere, während
das Wildbret des Warzenschweines, ausser von ganz jungen Tieren, für uns Europäer
kaum geniessbar ist.


Der häufige Genuss des Wildbretes beider Arten hat ebenso Verdauungsstörungen
zur Folge, wie der Genuss des Nilpferdfleisches und des Wildbretes vom Wasserbock,
alles Tiere, die ihre Hauptnahrung in sumpfigem, moorigem Gelände suchen.


Einmal nahm mich ein von mir angeschossenes Warzenschwein an, das ich für
einen Ueberläufer hielt und dessen Schweissfährte ich gefolgt war.


Der hässliche Bursche hatte sich unter einen überhängenden Baum am Rande
eines Baches gesteckt und stürzte schnaubend hervor und auf mich zu, als ich mich bis
auf zwanzig Schritte genähert hatte. Ich schoss ihn von vorn in das Oberhaupt und
fand dann, dass es ein ganz alter, stark bewehrter, doch so geringer Keiler war, dass
ich ihn für kaum halb so schwer hielt als die bis dahin von mir erlegten groben Keiler.


Es wäre ein Wildschwein auch fast einmal der Grund zu einem Unglücksfall
gewesen. Ein Eingeborener hatte mir ein gefangenes Flussschwein geschenkt, welches
ich meinen Leuten geben wollte. Da es sehr unbändig war, bat ich den Mann, den Schlag
[96]Das Wildschwein.

Figure 26. Flussschweine.


des Käfigs, in dem es eingesperrt war, zu öffnen,
damit ich es schösse, sobald es aus seinem
Behältnisse herausstürmte, und es brach dann
auch im Knall mit Kopfschuss zusammen. Im
selben Augenblick hörten wir aber auch das Schreien eines Menschen und gleich darauf
kam ein Eingeborener, der am Schenkel blutete und furchtbar klagte, hinter einem Hause
zum Vorschein.


Ich hatte nicht daran gedacht, wie dünn die Wände der Hütten der Einge-
borenen sind.


Mein Geschoss, ein Expressgeschoss, war, den oberen Schädelteil des Schweines
wegreissend, zersplittert, und ein Stück hatte, nachdem es durch zwei verfallene Hütten der
Eingeborenen hindurchgeschlagen, einen Mann am Oberschenkel verwundet, der dort
gesessen hatte.


Einstmals trieb ich einen kleinen Urwald am Ufer des Lulua mit vier Teckeln
ab, nachdem mir gemeldet war, dass Schweine in dies Dickicht eingewechselt wären. Es
dauerte auch nicht lange, bis mir das wütende Anschlagen der kleinen, schneidigen
Hunde verkündete, dass das Wild gefunden war, und dann brachen auch schon in voller
Flucht vier Sauen heraus und etwas später noch ein starker Keiler.


Kurz bevor er ins Freie kam, hatte ich das laute Klagen eines der Teckel ver-
nommen, und es jagten auch nur drei hinter den Schweinen her. Ich schoss den Keiler,
und einer meiner Leute eine der Sauen. Natürlich suchten wir sofort den vierten
Teckel, eine Hündin, im Dickicht, fanden sie auch bald, aber wie war das arme, schon
verendete Tier zugerichtet! Das Gewehr des Keilers war zwischen zwei Rippen hinauf-
[97]Das Wildschwein.
gefahren und hatte den ganzen Leib aufgeschlagen und zwar mit solcher Wucht, dass
auch das Kreuz gebrochen war.


In Indien treiben sich die Wildschweine in nächster Nähe der Dörfer umher, um
einen ekligen Frass zu suchen, und da die zahmen oder wenigstens halbwilden Schweine
wohl kaum jemals in ein Gebäude kommen und weit in der Wildnis umherstreifen,
war ich dort auf den Jagden niemals sicher, ob ich zahme oder wilde Sauen vor mir
hatte — und mit den Büffeln war es ebenso.


Ich schoss z. B. einmal in stiller Wildnis, in der ich auf Nilgai-Antilopen jagte,
den vordersten Büffel von zweien nieder, die mich annahmen und die ich für zahme
Büffel gehalten hatte. Ob wilde, ob zahme kann man nur an der geringeren Entwickelung
des Gehörns bei den Letzteren feststellen und dadurch, dass der Wildbüffel seine be-
stimmten Lieblingsaufenthaltsstellen hat und nicht in trockenen Steppen steht. Da ich
aber, wie schon erwähnt, angenommen wurde, musste ich schiessen, obgleich ich die
Büffel für zahme hielt und ergriff dann mit meinen inzwischen herbeigekommenen
Begleitern, den Kamelführern, die mir bestätigten, dass es ein zahmer Büffel war,
schleunigst die Flucht.


Es kommt nicht selten vor, dass zahme Büffel den Europäer annehmen, der
ihnen in seiner Kleidung und wahrscheinlich auch in der Witterung unbekannt ist,
während sie sich von einem Kind der Eingeborenen leiten lassen.


Auch in Sibirien habe ich auf Wildschweine gejagt und zwar am Iliflusse, wo,
wie man [] mir sagte, die grosse Anzahl derselben, wie auch die des Kulans (Wild-
esel), den Tigern die Existenz ermögliche. In Ilinsk liess ich durch den Hetmann des
Kosacken-Dorfes Jäger rufen, um für den nächsten Tag einen Ausflug zu besprechen.


Von Tigern war seit mehr als Jahresfrist in der Gegend nichts gehört.


Die Kulans, so behaupteten die Jäger, ständen in dieser Jahreszeit weiter fluss-
aufwärts, Wildschweine aber würden wir in der Richtung nach dem Balkasch-See in
grosser Anzahl finden.


Wir hatten zwei Tage vorher von einer Anhöhe aus den Balkasch gesehen, das
heisst, wir hatten eine unübersehbare Schilfebene, die hier und da von Wasserlachen
unterbrochen wurde und von Millionen von Vögeln bevölkert war, sich vor uns aus-
breiten sehen. Diese Dickichte des Balkasch — ich glaube besser zu sagen — Sumpfes,
sollen die Heimat unzähliger Wildschweine sein.


Noch in derselben Nacht brachen sechs berittene Jäger mit einem Pferde für mich
auf, denen ich am Morgen in der Tarantass folgte. Gegen Mittag holte ich die Reiter ein,
aber erst gegen Abend lagerten wir in der Nähe eines verfallenen Gehöftes am Ufer
des Ili. Auf meiner Fahrt hatte ich nur einen flüchtigen Wolf, aber viele Sumpf- und
Stelzvögel gesehen.


Abends setzte ich mich mit zwei Kosacken in einer Schilfhütte auf den Anstand
und wartete umsonst bis gegen elf Uhr. Da endlich hörten wir mehrfach das Schnaufen
und Brechen von Sauen, kamen aber nicht zum Schuss, weil sie nicht aus den Schilf-
dickungen heraustraten. Aber wir hatten wenigstens festgestellt, dass Schwarzwild da
war, und daher wurde es am folgenden Morgen mit einer Treibjagd versucht, auf der
ich allein als Schütze angestellt wurde mit einem Begleiter, der hinter mir die Pferde
hielt. Zuerst brachen seitwärts mehrfach Rudel Sauen durch, dann endlich kamen mir
v. Wissmann. 13
[98]Das Wildschwein.
fünf Stück, von denen ich das stärkste, eine grobe Bache, und bald darauf einen einzeln
kommenden sehr starken Keiler niederlegte.


Ich habe zwischen denselben und unserem Schwarzwild gar keinen Unterschied
entdecken können, nur erschienen sie mir in der Farbe etwas dunkler, was auch vom
Suhlen in Morast kommen konnte.


Die Kosacken rieten mir, dass ich noch dort bleiben sollte, um Wölfe zu
schiessen, denn nirgends gäbe es in ganz Sibirien so starke Wölfe, als hier in den
Sümpfen des Balkasch.


Für schwache Wölfe würde das Wild, das ihnen hier allein zur Beute fallen
kann, das Schwarzwild und der kräftige Kulan, zu stark sein, denn die Fabel, dass die
Wölfe in grossen Rudeln jagen, wird hier, wie überhaupt in ganz Sibirien, nicht
geglaubt.


Ich habe mich sorgfältig erkundigt und überall, sowohl in der weiten sibirischen
Steppe, wie auch im Gebirge erfahren, dass der Wolf sich nie zu stärkeren Rudeln als
höchstens acht Stück zusammenschlägt.


Stets wurde ich ausgelacht, wenn ich von einer dem Menschen vom Wolfe
drohenden Gefahr sprach, und nur ein einziger Fall wurde mir bekannt, wo zwei tot-
schwer betrunkene Kalmücken, die ausserdem wahrscheinlich schon vorher erfroren
waren, von Wölfen zerrissen worden sind.


In Gegenden, in denen ich häufig Wölfe sah, habe ich Ziegen und Schafe von
Kindern, von zwölfjährigen Knaben, hier und da sogar ohne Hund hüten sehen. Aller-
dings wurden oft Klagen über zerrissene Schafe laut, aber stets wurde dem jungen
Hirten ein Vorwurf gemacht, dass er die Wölfe nicht vertrieben hätte, und er ist doch
nur mit einem Stocke und höchstens noch mit einer Schleuder bewaffnet. Es genügt
aber auch vollkommen, um sie zu verscheuchen, wenn der Knabe schreiend und mit
dem Stocke drohend auf die Wölfe zuläuft.


Dass die Bestien immerhin Schaden thun, wenn nicht aufgepasst wird, und zwar
mit grosser Frechheit, geht aus folgender Thatsache hervor. Eines Tages liess ich in der
Steppe die Tarantass halten, weil ich seitwärts des Weges ein Schaf einsam sitzen sah. Ich
ging hinzu und fand, dass dem Tiere der Fettschwanz aufgerissen und vollständig zerfleischt
war, und zwar in einer Weise, dass an das Wiederaufkommen des Schafes kaum ge-
dacht werden konnte. Ich liess es daher schlachten und nahm es mit, um auf der
nächsten Poststation den Eigentümer ausfindig zu machen. Bevor ich jedoch ankam,
fand ich noch zwei in derselben Weise zugerichtete Schafe und hörte bald darauf, dass
sie von einer Herde stammten, die von weit her herangetrieben sei und dass die so schlimm
zugerichteten Stücke ermüdet zurückgeblieben wären. Die Wölfe hatten sich dann auf
sie geworfen und ihnen nur den leckeren Fettschwanz ausgefressen.


Ich denke mir, dass nur ein schon übersättigter Wolf der freche Räuber gewesen
sein konnte, und habe ihn vielleicht selbst gesehen, denn auf einen hatte ich, bevor wir die
Poststation erreichten, aus der Tarantass geschossen, als er sich schwerfällig kaum
zwanzig Schritte von mir aus dem Ginsterdickicht erhob und davon trabte.


[[99]]

Büffeljagd.

[figure]


Dem Löwen, wenn er nicht, was übrigens häufig vorkommt, in Rudeln jagt,
fällt der afrikanische Büffel nur selten zur Beute. Als Beleg dafür, dass dieses wehr-
hafte Tier den grossen Räuber in Respekt zu halten weiss, diene folgende Beobachtung:


Ich stand eines Tages mit zwei Europäern auf der einen Seite einer von
dichtem Wald eingefassten Wiese. Drüben auf der anderen Seite, vielleicht 400 Schritt
von uns entfernt, zogen eben die ersten Stücke einer Büffelherde ins Freie, um auf
Aesung zu treten; es folgten nach und nach mehrere Kühe und junge Stiere. Plötzlich
stutzten die vordersten, schnaubten, dass wir es hören konnten, und beobachteten scharf
einen Gegenstand vor sich im Grase. Immer mehr Neugierige kamen hinzu, und bald
stand eine kleine Phalanx Kopf neben Kopf, wild schnaubend, den Boden mit den
scharfen Hufen schlagend, ein Etwas vor sich, das sich im Grase bewegte, bedrohend.


Bald sprang eine Kuh einige Schritte rückwärts, wandte sich wie spielend zur
Flucht, um dann wieder kehrt zu machen, vorzurücken und mit den Hörnern den Boden
drohend aufzuwühlen. Die meisten übrigen schlossen sich dem Spiele an, und so ent-
stand ein fortwährendes Vorwärts- und Rückwärtsdrängen. Jetzt waren die letzten des
25 Stück zählenden Rudels auf die Blösse herausgetreten. Noch einmal regte es sich
im Holze und mit bedachtsam wuchtigem Schritt, das mächtig gehörnte Haupt erhoben,
um Wind zu ziehen, trat ein kolossaler alter Bulle, der Herr der Herde, aus dem Holz.


Einige Sekunden stand er und beobachtete das Spielen der Herde, die sich immer
aufgeregter benahm. Dann schien auch er plötzlich erregt zu werden und stiess einen
13*
[100]Büffeljagd.
leisen, ich möchte fast sagen knurrenden Laut aus, den einzigen Ton, den ich, ausser
dem bekannten Todesklagen, je vom Büffel gehört habe. Der Stier bekam ein ganz
anderes Aussehen, der Schweif peitschte die Flanken, er warf drohend das mächtige
Gehörn aufwärts, sträubte die wenigen borstenartigen Haare des Nackens und stiess
mit den Schalen dröhnend den Boden. Nun ging er in entschlossenem Schritt auf die
Herde zu, durch dieselbe hindurch und stand abermals einen Augenblick. Dann stiess
er ein weit hörbares Schnauben aus, streckte das Haupt tief nach vorwärts, wie es
stets der Büffel thut, wenn er annimmt, und brach in dem eigentümlich schweren,
wiegenden Galopp vorwärts.


[figure]

Wir sahen an der Stelle, auf die er losging, sich das hohe Gras bewegen und
ein Tier in langen Sätzen flüchtig werden. Der Bulle stand, den Kopf hoch gehoben,
dem Flüchtling stolz nachäugend, wandte sich dann der Herde zu, und alle begannen
beruhigt die Aesung.


Bevor ich meine Absicht ausführte, zu untersuchen, was wohl den Zorn des
alten Recken in so hohem Grade erregt hatte, beschloss ich, des wunderbaren, wehr-
haften Kopfschmuckes des Bullen habhaft zu werden, und nach dem eine halbe Stunde
dauernden Anbirschen verkündete der weit hörbare, durchdringende Klagelaut, ein in
die Länge gezogenes tiefes „Eh“, dass eine Kugel der 577 Expressbüchse (Expansions-
geschoss) in den Hals genügt hatte, den Koloss zu strecken.


Es war ein sehr altes Tier, das besser einem jüngeren den Platz der Führer-
schaft, den es bis zuletzt so mutig vertreten hatte, überliess. 120 cm mass die direkte
[]

Figure 27. Büffel, Feind suchend.


[101]
Büffeljagd.
Entfernung des Gehörns von Rundung zu Rundung, 208 cm die Länge von Spitze zu
Spitze, der Biegung der Hörner folgend; 35 cm die Breite des Hornes am Ansatz an
der Stirn.


Jetzt begaben wir uns nach der Austrittsstelle der Büffel aus dem Holze und
fanden hier die Ueberreste eines noch am selben Morgen von einem Löwen gerissenen
Hartebeestes. Das Raubtier hatte seine Beute da angeschnitten, wo es sie geschlagen
hatte, und nicht in den nahen, dicken Busch geschleppt, wie es sonst seine Gewohn-
heit ist.


Die aus dem Holz tretende Büffelherde hatte Wind von dem Löwen bekommen.
Die Kühe und jungen Bullen hatten sich nicht zur Initiative aufschwingen können, die
grosse Katze anzugreifen, oder hatten aus Respekt das ihrem alten Führer überlassen.
Denn häufig genug nimmt auch eine Büffelkuh den Löwen an, besonders wenn sie mit
einem Kalbe geht.


Der Löwe hatte offenbar, solange er sah, dass der Angriff kein ernster war,
sich beim Reissen nicht stören lassen und, wenn ihm die Phalanx der Büffel allzu nahe
auf den Leib rückte, die Zähne gezeigt oder knurrend gewarnt, was zu dem oben
beschriebenen Spiel veranlasst hatte.


Auf das rücksichtslose Vorgehen aber des alten Führers der Herde hatte er
flüchtig seine Beute verlassen und dann durch meinen Schuss auf den Büffel erschreckt,
das Weite gesucht, denn mein Ansitzen in der Nähe des vom Löwen verlassenen
„Risses“ blieb bis tief in die Nacht hinein erfolglos, obwohl ich durch die wunderbare
nächtliche Stille der Wildnis drei Löwen von verschiedenen Richtungen aus ihr nerven-
erschütterndes Konzert anstimmen hörte. Natürlich umschlichen meinen Stand während
der ganzen Zeit, das widrige, unheimliche Geheul ausstossend, Hyänen, deren ungemein
scharfer Witterung der „Riss“ des Löwen nicht entgehen konnte, und hie und da huschte
ein Schakal, der sich, solange er grössere Räuber in der Nähe weiss, still verhält, im
ungewissen Mondlicht durch das hohe Gras.



[[103]]
Figure 28. Speischlange.

Krokodile, Schlangen
und anderes Ungeziefer
der Wildnis.



Habe ich bisher nur von schönem, nützlichem Wild ge-
sprochen, den Genuss und die Freuden der Jagd auf dieses zu
schildern versucht, so will ich auch einmal des schädlichen, häss-
lichsten und abstossendsten Getiers in allen tropischen Gebieten
Erwähnung thun, weil es für jeden reisenden Jäger von Interesse
sein muss, auch dieses seiner eigenen Sicherheit wegen kennen zu lernen, und weil er
sich mit der Vernichtung desselben ein Verdienst erwirbt.


Zu Anfang eines Jagdzuges ist man natürlich mit dem Verbrauch der Munition
vorsichtig und sparsam, und da man sich reichlich mit Munition versieht, hat man,
wenn sich der Zug seinem Ende nähert, gewöhnlich auch sehr viel übrig. Denn
hundert Patronen auf afrikanisches Wild verschossen, müssen dem Jäger schon eine
stolze Strecke sichern.


Ich habe nun, um keine Munition zur Küste zurückzubringen, den übrig
gebliebenen Rest auf schädliches Wild, besonders Krokodile verschossen, einmal zur
Uebung, dann aber auch, um das meinige zur Vernichtung dieser Bestien beizutragen.
Der Schuss auf ein Krokodil muss schon ein ausgezeichneter sein, wenn er es zur
Strecke liefern soll, denn das nur kleine Gehirn der Echse ist nicht grösser als eine
Faust. Nur wenn dieses vollständig zerstört ist, hat man Aussicht, seine Beute zu
erlangen; mit jedem andern, wenn auch tödlichen Schuss, schnellt sich das muskulöse
Tier immer noch in das bergende Wasser und kommt nie wieder zum Vorschein, da
sich seiner wahrscheinlich die lieben Verwandten bemächtigen und es zerreissen.


Das brauche ich dem Jäger wohl kaum mitzuteilen, dass die Undurchdringlich-
keit der Krokodilhaut eine Fabel ist. Selbst ein guter Schrotschuss durchschlägt
dieselbe und wird auch von tödlicher Wirkung sein, da sich im Wasser in offene
Wunden Schmarotzer setzen, die den Tod des Tieres, wenn auch nur langsam, zur
Folge haben.


Natürlich darf man einen Schrotschuss nur auf ganz junge Krokodile, die von
demselben schnell getötet werden, anwenden, denn man soll selbst eine solche gierige
[104]Krokodile, Schlangen und anderes Ungeziefer der Wildnis.
und schädliche Bestie nicht unnützerweise quälen. Die Gefährlichkeit und der
Schaden, den das Krokodil anrichtet, sind ja bedingt durch den Kampf ums Dasein.


Ich halte das Krokodil für das schädlichste Raubtier der Tropenländer und
zwar nicht so sehr wegen seiner Gefährlichkeit für den Menschen, sondern weil dort,
wo das so ausserordentlich fruchtbare Krokodil lebt, an Fischerei nicht zu denken ist,
während Gewässer in den Tropen, in denen das Krokodil fehlt oder selten ist, derartig
fischreich zu sein pflegen, wie wir ein Gleiches in Europa wohl nur von geschützten
Teichen kennen.


Ich fischte einst in einem Tümpel, der nur zeitweise mit einem fliessenden
Gewässer in Verbindung stand und das Krokodil nicht beherbergte. Obgleich mein
einziges Fischwerkzeug nur eine Hängematte aus Netzwerk war, die wir, zwei Mann
auf jeder Seite, durch den flachen Tümpel zogen, warfen wir sie doch jedesmal mit
30 bis 40 Fischen angefüllt ans Ufer.


Das Wasserloch hatte buchstäblich mehr Fische als Wasser, leider lauter
Welse, die wegen ihres weichen Fleisches nicht zu den schmackhaftesten Fischen gehören.


Auf den grossen Fischreichtum war ich aufmerksam geworden, als ich bei
Mondenschein mich auf Büffel angesetzt hatte, die, wie die Fährten zeigten, allnächtlich
hierher zur Tränke und Suhle kamen, und die ganze Oberfläche des Teiches von der
Menge der Fische in eine wellige Bewegung geriet.


Wo immer ich auf meinen Reisen in Afrika ausmachte, dass es dort wenig
Krokodile gab, griff ich zur Angel und machte gewöhnlich einen guten Fang.


Nicht immer kann man sich auf die Auskunft der Eingeborenen verlassen, wie
ich einstmals beinahe zu meinem Schaden erfahren hätte.


Ich hatte im Lulua, einem Zufluss des Kongo, täglich mein Bad genommen
und war weit in den Fluss hinausgeschwommen, weil die mir freundlich gesinnten
Baschilange behaupteten, die Krokodile wären hier nicht gefährlich, es sei nie ein
Mensch von ihnen angegriffen worden.


Als ich nun wieder einmal gegen Abend auf einem Reitstier zum Lulua hinab-
ritt, um ein Bad zu nehmen, kamen Negerinnen schreiend und lärmend vom Fluss
herauf gelaufen und erzählten mir, dass soeben an meinem Badeplatz ein ausgewachsener
Mann, der nur bis an die Kniee im Wasser gestanden hätte, niedergeschlagen und vom
Krokodil weggenommen sei.


Wenige Tage darauf wurde denn auch der Räuber, ein Riesenkrokodil von
wohl fünf Metern Länge, an derselben Stelle geschossen.


Wo das Krokodil selten vorkommt, ist es allerdings für den Menschen meistens
ungefährlich, da es an den Fischen reichlich Frass findet und andere Beute kaum
annimmt.


Am Tschikapa, einem Nebenfluss des Kassai im centralen Afrika, fing ich mit
zweien meiner Träger, also drei Angeln, in einer Stunde so viele Riesenkarpfen von
goldblauer und goldroter Färbung, dass sechs Mann die Beute an Stangen auf der
Schulter kaum nach dem Lager zu tragen imstande waren. Die einzelnen Fische hatten
ein Gewicht von 4—15 kg.


Das Ende dieses Fischzuges bestand darin, dass mich ein mächtiger Fisch,
wahrscheinlich ein Wels, an der starken Schnur, deren Ende ich mir unvorsichtiger-
[]

Figure 29. Krokodil.


[105]Krokodile, Schlangen und anderes Ungeziefer der Wildnis.
weise um das Handgelenk gewunden hatte, vom Ufer hinab in den Fluss riss. Zum
Glück sank ich sofort bis an die Hüften in den Schlamm; aber das kolossale Tier, das
ab und zu bei dem wütenden Reissen eine zwei bis drei Meter lange, dunkle Rücken-
linie zeigte, hätte mich doch in den Fluss gerissen, wenn nicht meine Begleiter herbei-
gesprungen wären, mich gehalten und schnell die Schnur am Handgelenk abgeschnitten
hätten, die von dem kräftigen Reissen des Riesenfisches durch die Haut bis ins Fleisch
eingedrungen war.


Die Frage ist auch heute noch eine offene, ob das Krokodil eine Stimme hat.
Viele behaupten, es könne schreien wie ein kleines Kind. Ich glaube bestimmt, nur
einen unkenartigen Ton, natürlich viel stärker als diesen, gehört zu haben.


Ich sass einst auf dem Stamm eines in den Fluss (Sankurru) gestürzten Riesen-
baumes dicht bei einer Sandbank.


Der einzige Ton, der in der stillen Wildnis sich bemerkbar machte, war ein
unausgesetzt ertönender etwas langgezogener Unkenruf.


Zuerst hielt ich einen wunderbaren Vogel, den ich damals zum erstenmal sah,
den Hammerkopf oder Schattenvogel, der mich neugierig umflog, für den Urheber, bis
er sich bei mir auf dem Stamm niederliess und so dicht an mich herankam, dass ich
ihn bequem mit der Hand hätte greifen können.


Jetzt merkte ich, dass der Ton von dem Vogel nicht herrühren konnte. Bald darauf
sauste es in der Luft und mit pfeifenden Flügelschlägen liessen sich zwei langhalsige,
grosse schwarze Sporengänse auf der Sandbank nieder, von denen ich eine schoss.
Wunderbar war der Erfolg des Schusses. Rings um die Sandbank rauschte es plötzlich,
das Wasser kam in Bewegung und wurde von einer Unzahl ins tiefere Wasser schiessender
Krokodile hoch aufgespritzt. Von vielen konnte ich im kurzen Umkehren die
Schwänze sehen.


Es hatte rings um die Insel eine grosse Anzahl Krokodile so gelegen, dass sie
nur die beiden Nüstern oder Augen über Wasser zeigten.


Da ich damals noch ziemlich unbekannt mit der Tierwelt Afrikas war, hatte ich
mir die rings um die Sandbank sichtbaren kleinen Höcker nicht erklären können und
das Wasser war so undurchsichtig gelb, dass von den Körpern der Krokodile nichts zu
sehen gewesen war.


Ich blieb wohl noch eine Stunde lang auf meinem Baumstamme sitzen, aber
obgleich alles wieder in der Wildnis still geworden war, wurde der Unkenlaut nicht
mehr gehört und ich nehme deshalb an, dass es die Stimme der Krokodile war.


Einem schrecklichen Beweise von der Gefährlichkeit der Krokodile wohnte einst
am Nyassa fast das ganze Offizierkorps meiner Expedition bei.


Zwei Negerinnen waren in einem Kahn auf eine Sandbank gefahren und wuschen
dort ihre Tücher. Eins der Mädchen hatte sich aufgerichtet und stand bis an die Knie
im Wasser, als es plötzlich von dem aus dem Wasser hervorschlagenden Schwanze
eines Krokodils so niedergehauen wurde, dass es sich fast überschlug. Sobald es am
Boden lag, schoss der mächtige Kopf der Bestie hervor, packte das schreiende und sich
umsonst wehrende Weib und verschwand mit ihm im Fluss.


Eine Minute später erschien ein Riesenkrokodil, das den Oberleib der Negerin
im Rachen hatte und die Beine zwischen seinen hochgestellten Vorderbeinen nachschleifte.
v. Wissmann. 14
[106]Krokodile, Schlangen und anderes Ungeziefer der Wildnis.
Zuckend bewegte sich noch der sonst nicht entstellte Körper der ertränkten Negerin.
Die Bestie legte ihre Beute nieder und fuhr dann einige Male seitwärts dicht über
dem Körper mit dem Kopf hin und her. In diesem Augenblick erhielt sie von einem
meiner Offiziere, die unterdessen ihre Gewehre geholt hatten, einen Schuss, schnellte
vorn in die Höhe, packte dann aber den Leib der Negerin und verschwand wieder
im Wasser.


Nach kaum drei Minuten spielte sich dieselbe Scene an dem anderen Ende der
Sandbank noch einmal ab.


Diesmal begrüssten die Riesenechse jedoch schon einige Kugeln, bevor sie noch
weiter als bis zu den Schultern über Wasser war; aber noch zum dritten Male erschien
der unheimliche Räuber, jetzt jedoch am gegenüberliegenden Ufer, immer noch seine
Beute im Rachen haltend, die er meiner Ueberzeugung nach der anderen Krokodile
wegen für sich am Lande und nicht unter Wasser zerreissen wollte.


Jetzt sassen die Schüsse scheinbar besser, denn die Riesenechse, von mehreren
Kugeln getroffen, überschlug sich fast, riss aber die Beute doch noch an einem Arm
mit sich in das Wasser.


Während ich einen Dampfer nach dem Nyassa-See brachte, verlor ich nicht
weniger als sechs Mann von meinen 100 Askari durch Krokodile, alle am Zambesi,
Schire oder im Nyassasee.


Im Schire sind die Bestien so gefährlich, dass bei jedem Dorf die Stellen, wo
die Eingeborenen ihr Wasser schöpfen, mit Palissaden nach dem Wasser zu eingehegt sind.


Als ich einst dicht am Ufer dieses Flusses lagerte, vor meinem Zelt sass, und
die Abendpfeife rauchend, den wundervollen Sternenhimmel betrachtete, trat einer meiner
Askaris mit seiner Kalabasse an den Fluss und liess mit glucksendem Geräusch das
Wasser in dieselbe hineinlaufen. Plötzlich ein Rauschen, ein Schrei. Ich sah den Mann
durch die Luft fliegen und zu Boden fallen. Noch ehe ich aufspringen konnte, war er
schon vom Krokodil gepackt und mit einem furchtbaren, vom Wasser erstickten Hilfe-
schrei verschwunden.


Bei den anderen Fällen, die alle ähnlich verliefen, war ich nicht selbst zugegen.


Die Eingeborenen warnten stets, die Hand an den äusseren Bord des Canoes
zu legen, und duckten sich tief nieder, denn sie behaupteten, die Krokodile hätten schon
mit ihrem ausserordentlich muskulösen Schwanz Leute aus dem Fahrzeug ins Wasser
geschlagen.


Welcher Kraftäusserung diese Waffe des Krokodils fähig ist, konnte man an
einer Kuh beobachten, die an der Kongomündung bei Banana zum Trinken an den
Fluss getreten war und einen Hieb vom Schwanz des Krokodiles auf die Keule erhielt,
der den Schwanz der Kuh dicht unter der Wurzel abschnitt und eine furchtbare Fleisch-
wunde bis auf den Knochen in der Keule schlug.


Ich sah die Kuh einige Jahre später. Man konnte noch immer fast die ganze
Hand in die Narbe legen.


Ebenso schlimm wie im Schirefluss sind auch die Echsen des Kuanzaflusses. Hier
passierte es einst, dass ein Krokodil einen Neger von einer einen Meter über dem Wasser
liegenden Laufplanke, die den Bord des Dampfers mit der Landungsbrücke verband,
herabschlug.


[107]Krokodile, Schlangen und anderes Ungeziefer der Wildnis.

So giebt es unzählige Beispiele von der Gefährlichkeit und Frechheit des
Krokodils, und wenn man bedenkt, dass diese Bestie bis zu 100 Eier legt, so kann man
sich ausmalen, wie gross ihre Vermehrung ist.


Zum Glück werden die meisten Jungen von den Alten aufgefressen, zum Glück
werden auch viele Junge von Vögeln weggenommen, aber immerhin glaube ich, dass
sich in afrikanischen Flüssen folgender Zirkellauf vollzieht.


Das Krokodil vermehrt sich so ausserordentlich, dass der Fischreichtum des Flusses
abnimmt. Jetzt frisst die Echse ihre eigene Brut, zieht sich vom Flusse fort und mag
auch vielleicht teilweise vor Hunger eingehen. Dann nimmt der Fischreichtum wieder
zu und bald auch infolgedessen die Zahl der Echsen, und so fort.


Leider kann man für die Vernichtung des Krokodils Schussprämien an Ein-
geborene nicht geben, denn wenn die Leute auch mit ihren schlechten Gewehren im-
stande sind, das Krokodil so zu verwunden, dass es eingehen muss, so werden sie
doch nur in äusserst seltenen Fällen einen Beweis für die Erlegung desselben bei-
bringen können.


Habe ich doch selbst von den gegen fünfhundert geschossenen Krokodilen nicht
mehr als ein Dutzend zur Strecke gebracht, weil die anderen, die fast alle gute Kopf-
schüsse hatten, sich noch ins Wasser werfen konnten.


Deshalb ist es geboten, den Eingeborenen Prämien für die Eier des Krokodils
zu geben, die bei einiger Aufmerksamkeit leicht zu finden sind, denn jedes Nest verrät
sich durch einen kleinen Haufen von zusammengescharrtem Sand.


In dreien der erlegten Krokodile fand ich Perlen, wie sie die Eingeborenen
tragen, Knöpfe und Messingringe, Arm- und Beinschmuck der Neger, und in einem noch
einen Fetzen blauen Zeuges.


Diese drei wurden in Gegenwart vieler Europäer geöffnet und das eine hatte
fünf bis sechs Ringe im Leib, so dass ich jedem Anwesenden einen derselben als An-
denken schenken konnte.


Ausserdem findet man im Innern jedes Krokodils einen Haufen Kieselsteine,
je nach der Grösse des Tieres bis zu zehn Pfund schwer. Sie nehmen, wenn möglich,
rundgeschliffenes Quarzgerölle, denn so waren die meisten der von mir gefundenen
„Belastungssteine“, die sie verschlingen, um leichter tauchen zu können. Je älter und
fetter — dies hängt meist zusammen — eine Bestie ist, um so schwerer die Belastung.


Natürlich nimmt das Krokodil ausser Fischen auch jedes andere lebende Wesen,
das ihm erreichbar ist, so z. B. Enten, Gänse, Wasser- und Stelzvögel.


Einst schoss ich am Kongo ein nur zwei Meter langes, junges Krokodil, das so
fest schlief, dass wir es, mit dem Dampfer an Land laufend, beinahe überrannt hätten,
und die Frau des Kapitäns, eines Missionars, eine Negerin, bereitete uns ein Fricassée
von demselben. Ich fand das Fleisch im Geschmack und Aussehen zwischen Fisch und
Huhn, aber zähe. Immerhin ist es essbar und wird von den Eingeborenen am Kongo
auch gegessen.


Fast ebenso schmeckt das Fleisch der Riesenschlange, das ich später einmal ver-
sucht habe, aber ein Europäer muss doch schon arg vom Hunger gequält sein, bevor
er solche Kost zu sich nimmt, denn die Einbildungskraft spielt doch beim Geschmack
eine grosse Rolle.


14*
[108]Krokodile, Schlangen und anderes Ungeziefer der Wildnis.

So ist es auch mit dem Fleisch der Affen, das von vielen Arten sicherlich recht
gut schmeckt.


Hassen lernt der Europäer das Krokodil ganz besonders deshalb, weil es ihm
so häufig das brennend begehrte Bad verdirbt.


Schönere Stunden als die des Badens am Abend in den wundervollen, klaren,
kühlen Urwaldbächen Centralafrikas habe ich in Afrika nicht erlebt.


Des Abends stieg ich aus dem Lärm und Getöse des Lagers hinab zu den tief-
eingeschnittenen, über Granit oder Sandstein klar dahinsprudelnden Bächen, die im
Halbdunkel liegen, da die Hänge von riesigen Urwaldbäumen bestanden sind, so dass
sich ihre Kronen hoch über dem Bach zu einem ewig Schatten spendenden Dach
vereinigen.


In diesen Bächen, die zu klein, zu fischarm und zu klar sind, als dass man
Krokodile fürchten müsste, habe ich der Badelust den denkbar höchsten Genuss ab-
gewonnen, und nicht wenig haben diese allabendlichen Bäder dazu beigetragen, dass ich
während dieser Reise so wenig an Fieber litt. Solche Bäder sind aber in Afrika sehr
selten, denn nur im zentralen Urwaldgebiete findet man die schönen, klaren, kühlen
Bäche. Wo immer das Wasser dunkel ist, muss man des Krokodils gewärtig sein, wenn
auch das Gewässer noch so klein ist.


Ich passierte einst mit meiner Karawane einen Bach, der nur drei Meter breit
und etwas über einen Meter tief war und ganz dunkles Wasser hatte.


Ein Maultier sträubte sich, ins Wasser hinabzugehen und der Reiter desselben,
der später von den Wahehe getötete Leutnant von Zitzewitz, fuhr zwei unserer Leute
hart an, weil sie nicht ins Wasser stiegen, um das Tier hineinzuziehen.


Die Leute fürchteten das Krokodil, doch der Offizier, der nicht glaubte, dass in
solch kleinem Gewässer sich die Echse aufhalten könnte, lachte sie aus und schickte
sie hinab.


Kaum war aber ein Mann im Wasser, als er auch schon aschgrau vor Furcht
und Schrecken, „Mamba, Mamba“ (Krokodil) schreiend, ans Ufer kletterte.


Er sagte uns, er habe ein grosses Tier dicht bei sich vorbeistreichen und einen
starken Druck des Wassers dicht neben sich verspürt.


Ich kam dazu und muss gestehen, dass ich selbst in solch' kleinem Wasser kaum
an Krokodile glaubte. Da zeigten sich aber zwanzig Meter abwärts die beiden ominösen
Punkte an der Oberfläche, die beiden höckerhaft hervorstehenden Augen der Bestie, die
von dort aus den Vorgang beobachtete.


Ein Schuss, etwas von obenher, der gut zwischen beiden Punkten sass, brachte
mit einer riesigen Lançade ein gewiss drei Meter langes Krokodil, bevor es ganz ver-
schwand, über die Oberfläche.


Doch nun genug von dieser Bestie, die ein Feind der ganzen übrigen Schöpfung
ist, und zu einer anderen, ebenso gefährlichen, wenn auch nicht so viel Schaden an-
richtenden, der Schlange.


Ich habe in meiner Afrikapraxis gewiss 50 Fälle von Schlangenbissen kuriert
und nur ein Mann ist mir gestorben, weil er so gebissen war, dass ich den verwundeten
Körperteil nicht unterbinden konnte.


Abschnüren der Blutzirkulation ist die erste Massnahme gegen einen Schlangenbiss.


[109]Krokodile, Schlangen und anderes Ungeziefer der Wildnis.

An ein bis drei Stellen soll man den Blutzulauf zu dem gebissenen Teil des
Körpers so scharf unterbinden, dass das Glied ganz gelb, abgestorben aussieht. Dies
kann man mit Fetzen vom Taschentuch oder im Notfalle auch von der Kleidung, überall
ausführen. Dann sollte jeder, der in den Tropen reist, stets eine an beiden Seiten zu-
geschmolzene Phiole mit Salmiakgeist oder Ammoniak bei sich tragen.


Sind die Wunden der Giftzähne sehr klein, so öffne man sie schnell mit einem
Messer, schlage die Spitze der Glasröhre ab und stosse dieselbe in die Wunde hinein,
so dass sich ein Teil der Flüssigkeit in dieselbe zieht. Wenn das Glied gut abgeschnürt

Figure 30. Puffotter.


ist, fühlt der Gebissene kaum das scharfe Brennen des Ammoniaks. Dann gebe man
den Rest aus der Phiole, aber nicht mehr als zehn Tropfen, in ungefähr einem Viertel-
liter Wasser dem Gebissenen zu trinken. So habe ich fast alle von Schlangen Ge-
bissenen und auch einige von Giftpfeilen verwundete Leute behandelt, während mich
selbst in Leopoldville am Kongo ein englischer Arzt, als ich von einer Giftschlange in
die Hand gebissen war, derart kurierte, dass er gleich die ganze Fläche Haut und Fleisch,
in der die Bisse sassen, bis auf die Knochen abschnitt und die grosse Wunde in einer
Lösung von hypermangansaurem Kali badete.


Dies ist vielleicht die sicherere, aber auch für einen Laien die schwerer auszu-
führende Art, und die erstere ist doch fast stets von Erfolg begleitet.


[110]Krokodile, Schlangen und anderes Ungeziefer der Wildnis.

Ist man in der Mittagshitze gebissen, so ist der Biss sehr viel gefährlicher als in
einer kalten und kühlen Nacht, denn es scheint, dass die Hitze das Gift flüssiger, die
Kälte es dicker und fester macht.


Die giftigsten Schlangen Afrikas sind die Speischlange, die Puffotter und eine
fast ebenso walzenrunde, dicke, kurze, die aber viel grösser ist als die Puffotter, und die
wie die Hornviper über jedem Auge ein kleines Horn hat. Sie ist, wie ich glaube,
noch nicht bekannt.


Nur einmal wurde ein Mann von ihr gebissen und zeigte sehr bedenkliche
Symptome einer starken Vergiftung; und auch nur einmal habe ich das Tier selbst gesehen,
dessen Kopf das denkbar diabolisch Wildeste ist, was man sich vorstellen kann. Sie
soll sich nur in sehr feuchten, dichtbewachsenen Niederungen finden und nicht in der
trockenen Savanne, wie meist die anderen Giftschlangen.


Ausserdem sind fast alle Wasserschlangen giftig und auch einige kleinere Vipern,
besonders die grüne Viper, die man an den Ufern der Flüsse häufig findet.


Ich halte es übrigens für richtig, dass man jede Schlange tötet, denn einmal ist
noch gar nicht bei allen Schlangen bekannt, ob sie giftig sind oder nicht, und dann sind
doch auch die ungiftigen so wenig nützlich, dass man sie am besten mit den anderen
dem Untergange weiht.


Sicher kann man nur bei den Pythons, den Riesenschlangen, sein, und diese
sollte man auch genau wie jedes andere Raubtier behandeln, denn die Nahrung derselben
besteht in jungem Wild und Vögeln und ihre Haut ist sehr gut verwendbar für allerlei
Ledersachen, Zigarrenetuis, Damengürtel u. s. w.


Da ich stets in den Tropen leichte, dünne Kniestiefel trug, so bin ich mehrfach
Bissen kleinerer Schlangen, auch der Puffotter entgangen.


Vor der Gefahr des Niedertretens auf eine Spei-Schlange wurde ich durch
einen Stoss gerettet, den mir der hinter mir gehende Offizier gab, und der mich über
die Schlange hinwegfliegen machte.


Der weiter oben erwähnte Schlangenbiss in die Hand war allerdings nicht abzu-
wehren gewesen. Ich schlief krank auf einem Feldlehnstuhl in einer Strohhütte und hatte
mich mit einer Decke zugedeckt und die Hände im Schoss. Noch halb im Schlaf spürte
ich eine Bewegung auf dem Schoss und als ich mich rührte, einen heftigen Stich
in der Hand.


Als ich die Augen öffnete, lief eine kurze, dicke Schlange mit flachem,
breitem, hinter den Kiefern stark abgesetztem Kopf — dem Haupterkennungszeichen
einer Giftschlange — von meinem Schoss auf den Boden und unter das Stroh
der Hütte.


Ich unterband sofort die Hand, sandte nach einem dicht neben mir wohnenden
Arzte und wurde wie oben erwähnt, behandelt.


Noch lange, ja noch heute, spüre ich ab und zu an der Bissstelle ein heftiges
Jucken, wie ich es sonst bei keiner anderen Narbe kenne.


Dass Ammoniak auch günstig ist gegen andere Gifte, lehrt folgender Fall.


Ich marschierte einst in Centralafrika im Kongobecken am Lulua gegen einen
Häuptling, um ihn zu strafen. Ich ritt an der Tête und vor mir ging mein junger
Gewehrträger, natürlich barfuss.


[111]
Krokodile, Schlangen und anderes Ungeziefer der Wildnis.

Plötzlich zuckte er zusammen und holte sich eine hölzerne Pfeilspitze aus dem
Fuss, der gleich darauf zu schwellen anfing. Die Eingeborenen hatten die Fusssteige,
auf denen wir uns nähern mussten, an einigen Stellen mit vergifteten Pfeilspitzen, die
schräg gegen die Marschrichtung in den Boden gesteckt waren, besetzt.


Auch hier half Ammoniak. Wahrscheinlich war es ein tierisches Gift.


Nichts half allerdings dieses Mittel gegen die Pfeile der Zwergvölker in den
grossen Wäldern Centralafrikas.


Jeder meiner Leute starb, wenn er von einem solchen Pfeile getroffen war, in
der kurzen Zeit zwischen sieben Minuten und einer Viertelstunde, jeder genau mit
demselben krampfartigen Ausrecken des Körpers.


Diese „batwa“ wie auch die Buschmänner Südafrikas, von denen ich mir die
Anfertigung ihrer Gifte habe zeigen lassen, benutzen das Gift dreier Pflanzen, eines
Baumes und zweier Stauden, füllen dieses in eine kleine Kalabasse, die sie am Gürtel
hängen haben, und tauchen den Pfeil erst kurz vorm Abschiessen in das Gift.


Durch die obigen Erzählungen möchte ich aber durchaus nicht den Glauben
erwecken, als ob Schlangenbisse häufig wären.


Man kann oft monatelang marschieren, ohne eine Schlange zu sehen, kommt
dann aber wieder plötzlich in eine Gegend, wo sie ausserordentlich häufig sind. Es wird
dies mit dem Vorkommen von kleinen Nagern zusammenhängen, die die Hauptbeute der
Schlangen ausmachen.


Der Europäer, der leichte Stiefel trägt, ist auch gegen Schlangenbisse ziemlich
geschützt, überhaupt auch schon durch seine Kleidung, da bei dem Bisse viel von dem
Gifte in der Kleidung hängen bleiben wird.


Da wir nun einmal bei den unangenehmsten Tieren der Tropenwelt angekommen
sind, so kann ich auch noch gleich einige kurze Winke für anderes schädliches Gewürm
geben, so vor allem dem Skorpion und dem Hundertfuss (Scolopender).


Beide sind nach meiner Ueberzeugung wohl recht giftig, aber nicht lebens-
gefährlich. Ich habe nie davon gehört, dass ein Mensch am Stiche des Skorpions
oder Biss des Hundertfusses gestorben sei. Wohl aber sind beide sehr schmerz-
haft und können sehr lange anhaltend wirken. Auch gegen die Stiche des blut-
dürstigsten Getiers in Afrika, des Moskitos, ist die Anwendung von Ammoniak sehr zu
empfehlen.


Man vermeide beim Aufschlagen des Zeltes die Nähe des Affenbrotbaumes.
Ich habe gefunden, dass die Risse und Falten der Affenbrotbaumrinde den Skorpion
häufig beherbergen.


Führt man für seine Betten Leinenwäsche mit, so thut man gut, das Kopfkissen
und die Decke aufzuheben, denn die feuchte Kühle solcher Decken zieht Skorpione an;
auch sehe man sich bei gefallenen und halbverfaulten Bäumen vor.


Der Hundertfuss liegt meistens unter Steinen. Ausser seinem Bisse ist auch
eine Giftabsonderung aus seinen Füssen schädlich. Mehrfach kamen Neger zu mir, die
lange Streifen dicht neben einander herlaufender, schnell in Eiter übergehender Wunden
hatten. Es waren Hundertfüsse über den nackten Rücken gekrochen und hatten
offenbar in die Poren hinein ihr Gift abgesetzt. So wenigstens erklärten mir die Leute
diese hässlichen Geschwüre.


[112]Krokodile, Schlangen und anderes Ungeziefer der Wildnis.

Natürlich ist ein Hauptmittel gegen alle solche kleinen Quälgeister und besonders
gegen Moskitos, ein gutes, dichtes, starkes Moskitonetz, welches rings herum im Bette
festgesteckt sein muss, so dass nichts herein kommen kann, und zwar schon beim Auf-
stellen des Bettes.


Der Reisende wird in den Tropen des Nachts auch häufig von Beissameisen
überfallen, die sehr schmerzlich beissen und in solchen Massen ihre Ueberfälle machen,
dass man Haar und Bart von ihnen nur schwer befreien kann.


Ein Zug solcher von den Negern sehr gefürchteter Ameisen bringt oft des
Nachts das ganze Lager auf die Beine. Man soll dann zuerst im Lager möglicherweise
angebundenes Vieh (Schafe, Ziegen, Hühner) retten, denn die Ameisen töten es, wenn
es nicht fliehen kann.


Ein sorgfältig aufgestelltes Moskitonetz und ein Gläschen Ammoniak in der
Tasche, sind die besten Schutzmittel gegen die meisten Quälgeister.



[[113]]
Figure 31. Kropfantilope.

Auf Antilopen
in den Steppen Asiens.



Ist in Afrika die Steppe die Heimat
der meisten Wildarten, die zum
grössten Teil zu der enorm reich-
artigen Familie der Antilopen gehören,
so ist dies in anderen Kontinenten
nicht der Fall, so zum Beispiel be-
schränkt sich in Asien das Wild der
Steppe hauptsächlich auf eine Anti-
lopenart, denn der Kulan, der asiatische Wildesel, die letzten Ueberreste des Wildpferdes
in Asien (equus Przewalski) und die des baktrischen Kamels leben nicht in der Steppe,
sondern nur noch in wenigen kleinen Rudeln in den fast unzugänglichen, trockenen Sand-
wüsten Centralasiens, und noch zwei bis drei Arten Antilopen in den Wildnissen des
dem Europäer unzugänglichen Tibet.


Das oben genannte, fast einzige Wild der sibirischen Steppe ist die Kropfantilope
(Procapra gutturosa). Etwas gedrungen gebaut, wie die meisten gleich grossen Arten
ihrer Familie, mit etwas kurzem Kopf, der durch den stark hervortretenden Kropf noch
mehr entstellt wird, ist sie, wenigstens in der Nähe gesehen, nicht zu den schönsten
Arten der Familie zu rechnen. Von weitem aber muss man sie doch nach ihren leichten,
gazellenartigen Bewegungen schön nennen.


Entweder dem gelben Sand entsprechend, denn auch in den Sandwüsten der
Turkmenen habe ich sie gesehen, oder dem gelben Gras der Steppe ähnelnd, ist die Farbe
unserer Antilope hellgelb, mit nach Bauch und inneren Läufen übergehendem Weiss.


v. Wissmann. 15
[114]Auf Antilopen in den Steppen Asiens.

Von der chinesischen Mongolei, die wohl heute ihre ungestörteste Heimat ist, von
den steppenartigen Hochflächen des Altai, hat sie mich begleitet auf der geisttötenden Reise
durch das endlose baum- und strauchlose Turkestan und die Turkmenen-Wüste bis an die
Ufer des kaspischen Meeres. Weiter nördlich in den sibirischen Steppen, die von der
neuen grossen Bahn durchzogen werden, habe ich sie nie beobachtet; hier verbietet ihr wohl
der hohe Schnee des Winters die Existenz. Aber nach Süden geht sie überall bis an die

Figure 32. Kirgisischer Falkenbeizer.


Ränder der mächtigen centralasiatischen Gebirgszüge, ja bis in deren steppenartige Hochebene
hinauf und trifft hier, besonders in Tibet, aber auch weiter westlich, andere Verwandte.


Unsere Antilope ist, je nachdem sie mehr oder weniger von Menschen verfolgt
wird, scheu oder vertraut, denn einen anderen Feind als den Menschen hat sie kaum,
ausser in den südlichsten Teilen ihres Standes die seltenen grossen Katzen, besonders
den schlanken Jagdgeparden, auf kürzere Strecken das bei weitem schnellste Tier der
Welt. Dem Wolf ist sie viel zu schnell und wachsam, vielleicht dass dem Adler oder
Bartgeier manchmal ein junges Stück zur Beute fällt.


Häufig fand ich in den Poststationen der Einöden Turkestans zahme Antilopen
die, jung eingefangen, muntere, liebenswürdige Haustiere werden.


[115]Auf Antilopen in den Steppen Asiens.

Es giebt wohl nur ein Volk, das mehr des Sportes wegen als des geringen
Ertrages die Jagd auf die Kropfantilope mit soviel Eifer betreibt: die Kirgisen.


In umgekehrter Weise wie sonst überall auf der Welt kann man sagen, dass,
je weiter in Sibirien die Civilisation vorschreitet, umso besser sich unsere Antilope hält,
denn wo der russische Bauer und Kosak sich angesiedelt haben, da geht es bald mit
den wilden, eingeborenen Stämmen, den Kirgisen besonders, den Kalmücken und Ta-
taren, abwärts. Sie sind bald den Russen verschuldet und in eine elende Schuldknechtschaft
hinabgedrückt, die einen traurigen Gegensatz zu dem stolzen wilden Jagd- und Räuber-
leben der alten Kirgisenhorden bildet.


In der chinesischen Mongolei und in den äussersten sibirischen Steppen, die
nach China zu liegen und den bedrängten Kirgisen Gelegenheit geben, sich dem hab-
süchtigen Russen, der russischen Behörde zu entziehen, nur dort noch trifft man Horden,
die einigermassen an den früheren Räuberstolz erinnern, nur dort noch sind die Reste
dieses Stammes wohlhabende, ja reiche Nomaden, deren Herden hie und da nach
Tausenden zählen. Rinder, Schafe und Ziegen, Kamele und vor allem aber zahllose
Herden kleiner, oft recht hübscher, enorm zäher und leistungsfähiger Pferde sind ihr
Reichtum. Auf russischem Boden dürfen sie die alte Stammwaffe, die Lanze, nicht mehr
tragen, nur das Gewehr.


Nie in meinem Leben, auch nicht weit hinein in die Wildnis des afrikanischen
Kontinents, habe ich so elende, einem Kinderspielzeug ähnliche Feuerwaffen gesehen,
wie hier in Sibirien, so dass man eigentlich behaupten kann, die Stämme seien unbe-
waffnet. Weiter nach Westen zu, wo die Ansiedlungen der Russen immer dichter
werden, trifft man mehr und mehr verarmte Kirgisen, die zuletzt nur noch als Pferde-
knechte und Kutscher in armselig bezahlten Diensten der Poststationen stehen.


Am besten zeigt sich die Abnahme des Wohlstandes dieses Stammes in der Art,
wie sie beritten sind. Dort im Osten steht mit drei- bis vierfacher Abwechslung
unausgesetzt ein Pferd an der Jurte (kirgisische Wohnung) angepflockt, bereit selbst
für einen Weg von wenigen hundert Schritten; nach Westen zu wird das Pferd immer
seltener, und der viel billigere Ochse wird geritten, ja selbst die Kuh, die zu gleicher
Zeit der Familie noch mit etwas magerer Milch dienen muss.


In dieser Gegend natürlich ist auch der Lieblingssport der Kirgisen, die Jagd
auf die Kropfantilope, vorbei, und da der Russe überhaupt kaum Jäger ist, so ist dort
dieses Wild nur geringer Verfolgung ausgesetzt.


Im Osten aber versammeln sich noch wie zu einem Feste die Reiter mit Hund
und Falken zur lustigen ungebundenen Hetze über die weite freie Steppe.


Sobald ein Rudel unseres Wildes durch die Annäherung der Reiter beunruhigt
wird, wird der stolze Falke entkappt, äugt mit dem kühnen, scharfen Auge, wissend,
dass es jetzt edle Arbeit giebt, umher, erkennt das Wild, duckt sich zusammen und
schiesst in tiefem, schnellem Flug auf seine Beute zu. Das Rudel wird unruhig, schiebt
sich durcheinander, ein Stück wird flüchtig, die anderen folgen, und der Falke wirft
sich einem Stück auf das Haupt, mit den scharfen Fängen am Gehör sich festklammernd
und durch seine wilden Flügelschläge sein Opfer zu unsteter Flucht verleitend, wodurch
der Meute von schnellen, Windhunden ähnlichen Hunden und der jauchzend folgenden
Reiterschaar Gelegenheit geboten wird, sich schnell zu nähern.


15*
[116]Auf Antilopen in den Steppen Asiens.

Nicht nur unsere Antilope wird so gejagt, sondern überhaupt alles Wild der Steppe,
auch der Fuchs und, wie man mir mehrfach sagte, sogar der Wolf. Diesen beizt man
allerdings nicht mit dem Falken, sondern mit dem starken Adler, den ich häufig mit
Kappe und scheinbar völlig abgerichtet bei den Kirgisen fand.


Die ersten Kropfantilopen fanden wir — wenigstens in einigermassen beträcht-
licher Zahl — auf der Dschuja-Steppe im Hochaltai rings um den äussersten russischen
Karawanenort Katschagatsch am Wege nach der chinesischen Grenze, nach Kobdo.
Hier in nächster Nähe der steinigen Mongolei mit ihren wilden Steppen hält sich die
Kropfantilope in starken Rudeln während eines grossen Teiles des Jahres auf. Im
Winter zieht sie fort nach Süden, wohl in wärmere Steppen.


Leider war während meiner Anwesenheit infolge einiger Misshelligkeiten
zwischen den Kirgisen-Saisan (Häuptlingen) und der russischen Regierung keine Horde

Figure 33. Auf Ochsen reitende (arme) Kirgisen


dieses Stammes dort, und so
beschloss ich, mit den Kal-
mücken, deren Jagd auf die
Antilopen, wenn auch nicht
so romantisch wie die jener,
so doch, wenn richtig ein-
geleitet, ergiebig ist, zu jagen.


Wir ritten aus, ich mit drei bis vier Kalmücken, deren scharfes Auge bald ein
Rudel Antilopen entdeckte, zu deren Auffindung in dem gleichfarbigen Gelände das
Auge erst geschult werden muss.


Nun ging es zuerst im leichten Galopp in direkter Richtung auf das Rudel
los; sobald das Rudel unruhig und bald darauf flüchtig wird, ändert man die Richtung
und jagt nun im vollen Laufe so, als ob man seitwärts am Rudel vorbeikommen wollte.


Die Antilopen ändern selten ihre Richtung, sondern werden stets auf 2- bis
300 Meter flüchtig und bleiben dann, nach den Reitern sichernd, wieder einige
Momente stehen. Dadurch, dass die Reiter, scheinbar sich nicht um das Wild
kümmernd, weiter galoppieren, kommen sie bald an der Seite des Wildes auf gleiche
Höhe mit demselben.


[117]Auf Antilopen in den Steppen Asiens.

Nun rief mir, den Zügel meines Pferdes fassend und im schnellen Laufe ver-
haltend, der eine Jäger zu, mich flach auf den Bauch niederzuwerfen, denn nur ganz
kurzes Gras bedeckt die offene Steppe, die sonst keine Deckung bot. Ohne mich zu
rühren, nur den Kopf nach dem Wilde hindrehend, blieb ich liegen, während meine
Begleiter mit meinem Pferde noch eine Strecke dieselbe Richtung verfolgten, dann
aber schräg seitwärts von dem Rudel so abbogen, als wollten sie dem Wild den
Wechsel verlegen. Jetzt bricht fast regelmässig das Rudel nach der Seite der schräg
vor ihnen herjagenden Jäger aus, um hinter ihnen zu entkommen, und muss dabei
über den am Boden liegenden Jäger oder nahe bei ihm vorbei flüchten.


Zweimal war uns das Manöver misslungen; beim dritten Male aber flüchtete ein
Rudel Antilopen auf mich zu, der ich unbeweglich am Boden lag, und jagte rechts
und links bei mir vorbei. Ich erhob mich jetzt auf das Knie und feuerte auf das
nächste starke Stück, das zusammenbrach.


Ein anderes Mal war die Jagd noch leichter, denn das Wild, das mich nicht
entdeckte, verhoffte rings um mich her, nach meinen davonjagenden Begleitern hin-
äugend, und bot mir so Gelegenheit für einen leichten Schuss.


Als wir zum Aufbrechen des Wildes uns gelagert hatten, stiess aus dem hohen
Aether ein mächtiger Adler nieder und sauste mehrfach so dicht über unseren Köpfen
— fast auf uns stossend — dahin, dass wir scharf den Luftzug der gewaltigen
Schwingen fühlten.


Aehnliches war mir schon vorher im Hochgebirge auf der Jagd nach dem
Wildschafe und dem Steinbock vorgekommen, besonders von einem Bartgeier, den ich
genau erkannte und schoss, der aber dann im Todeskampfe mehrere tausend Fuss
unter uns erst den Boden erreichte. Ich war wirklich im Zweifel, ob dieser mächtigste
Räuber der Lüfte in jenen Gegenden an einen Versuch gedacht hatte, uns von der
Wand herabzustürzen. Vielleicht war es ihm beim Wilde schon gelungen, ein durch
den plötzlichen Angriff erschrecktes Stück zum unüberlegten Sprung zu verleiten und
als Beute hinabzustürzen.


Zum Jagen wie in anderen Steppengegenden, d. h. sich im schnellsten Rosses-
lauf dem Wilde möglichst zu nähern, abzuspringen und zu schiessen, dazu ist die Kropf-
antilope, wo ich sie kennen lernte, viel zu scheu. Sie lässt den Jäger niemals so nahe
heran, und so ist die besprochene Art zu jagen in scharfsinniger Weise der Gewohn-
heit des Wildes abgelauscht und recht einträglich.


Nur wenn die Antilopen fortziehen aus der Gegend und sich zu diesem Zwecke zu
starken Rudeln zusammenthun, dann setzen sich die Jäger auch auf den ihnen bekannten
Wechseln an und können dann selbst mit ihren schlechten Gewehren, die nur Vorder-
lader sind, eine grosse Anzahl Stücke aus den mehrere Hunderte zählenden Rudeln erlegen.


Es war, als ich im Altai jagte, kurz vor der Zeit des Auswanderns; schon
sahen wir Rudel bis zu hundert Stück stark, und als wir zwei Monate später aus
den höchsten Höhen des Altai nach der Dschuja-Steppe zurückkamen, war schon keine
Antilope mehr zu sehen.


Erst später traf ich sie in kleinen Rudeln in Turkestan, den Wüsten des Sir-
Darja und Transkaspien wieder.


[]

Jagd auf das Gnu.

[figure]


Leicht findet man auf der Karte
unserer Kolonie Deutsch-Südwestafrika
im Norden einen grossen See oder
vielmehr Sumpf, der nur in starker
Regenzeit ganz mit Wasser bedeckt
ist, dann aber lange Zeit so sumpfig ist, dass nur Sumpf-
vögel sich auf ihm niederlassen können. Erst allmählich
trocknet er soweit aus, dass auch das grössere Wild sich
auf diese absolut ebene grosse Fläche wagen kann. Aber
selbst dann ist es noch an einigen Stellen gefährlich, zu Pferde — denn nur so wird in
jenen Steppen gejagt und kann bei dem Mangel an Deckung gejagt werden — dem
Wilde zu folgen, denn das vom Reiter belastete Pferd wird nur stellenweise genügend
festen Boden unter sich finden, um gefahrlos zu galoppieren.


Der grösste Teil des afrikanischen Wildes liebt die weite, leicht übersehbare
Ebene, wo es gegen seine Feinde, den Menschen und die grösseren Raubkatzen, ganz
besonders aber gegen den schlimmsten, grausamsten und am meisten Wild verwüstenden
Verfolger, den wilden Hund, geschützt ist.


Der Löwe reisst ein Stück des Rudels und sättigt seinen Hunger, der Leopard
desgleichen, der wilde Hund aber, der meist in Rudeln jagt, obwohl man auch
beobachten kann, dass ein einziges Tier eine ihm an Gewicht vielleicht zwanzigfach
überlegene Antilope zu Tode hetzt, reisst zunächst ein Stück des Rudels nieder, jede
der jagenden Bestien schlingt ein schnell aus den Weichen herausgerissenes Stück des
Wildbretes hinunter, um dann sofort die Fährte des unterdessen flüchtig gewordenen
Wildes wieder aufzunehmen, weiter zu verfolgen und so häufig das ganze Rudel zu
vernichten.


Möglich wird den Hunden das stets wiederholte Einholen des Wildes dadurch,
dass, sobald die verfolgten Antilopen oder Strausse, die die Hauptbeute des wilden Hundes
ausmachen, den Verfolger nicht mehr dicht auf den Fersen haben, sie bald verhoffen
und nach rückwärts sichern, bis die heisshungrige Meute wieder dahersaust.


Die weiten Ebenen der „Etoscha-Pfanne“ sind bevölkert vor allem von Tausenden
und Abertausenden von Springböcken, ein wunderbarer Schmuck der einförmigen weiten
Wildnis. Leicht wie ein Windspiel „fliegt“ das bunte, weiss und rotfarbige, zierliche,
schön gehörnte Wild über die Fläche; als wenn sie mit ihren Läufen mit der leichten
[120]Die Jagd auf das Gnu.
Last des Körpers spielten, werfen sich abwechselnd einzelne Stücke fast senkrecht zwei
Meter in die Höhe, um dann wieder in weiten Fluchten, dem Winde gleich, dahinzueilen.


Dort steht, in munteren Spielen sich tummelnd, ein Rudel Zebras; zwei Hengste
kämpfen, kurz abgebrochen, fast dem Gebell eines Hundes ähnlich, wiehernd; mit
angelegten Ohren beissen sie sich neckend, bäumen kerzengerade auf, um mit den stahl-
harten Vorderhufen zu schlagen, oder fliegen in einigen Sprüngen, ihren Gegner durch
scheinbare Flucht lockend, dahin.


Bedächtig, ja stumpfsinnig äst dort ein Rudel Gnus, denn, so wunderbar die
Kapriolen dieses Wildes sind, wenn irgend etwas seine Aufmerksamkeit in Anspruch
nimmt, so stumpf erscheint es in der Ruhe. Zwischen ihnen stolziert mit seinem
komisch stelzenden Schritt der Strauss, weiterhin erkennt das Auge noch ein Rudel der
starken Orix-Antilope (Orix gazella), und, wenn der Jäger Glück hat, wohl auch zwei
oder drei der selteneren Pferdeantilope, die mit der zuletzt genannten allein wehrhaftes
Wild genannt werden kann, denn beide gebrauchen gerne gegen Raubwild, ja auch gegen
den Jäger, ihre massiven, spitzen Hörner, natürlich nur, wenn sie krank geschossen oder
in die Enge getrieben sind.


Die obgenannten Wildarten, zu denen sich noch die flüchtigste und ausdauerndste
der Antilopen, das wunderliche Hartebeest, gesellt, sind Tiere der Ebene.


Die Pferdeantilope tritt ab und zu aus Deckung gewährendem Gelände, und die
mächtigste der Antilopen, die Elenantilope, die an Gewicht das bei uns heimische starke
Rindvieh übertrifft, verlässt nur sehr selten den schützenden Wald. — —


Schon bald nach Sonnenaufgang scheint die Luft über der weiten Ebene zu
zittern, die glühenden Sonnenstrahlen werden von dem durchhitzten Steppenboden
flimmernd zurückgegeben. Daher ruht das Wild einen beträchtlichen Teil des Tages,
und man kann auf jenen weiten, wildreichen Ebenen mit ziemlicher Sicherheit darauf
rechnen, Wild zu finden, wenn man sich einem, wenn auch nur wenig Schatten gebenden
Baum oder Strauch zuwendet. Die Hauptzeit für die Jagd ist am frühen Morgen, bevor
noch der Boden durchglüht ist, oder am Abend, wenn schon die Sonne ihre Strahlen
schräg sendet. Dann wird es munter, und wohin das Auge blickt, sieht es ein selten
interessantes, schönes Bild: die Geschöpfe der Natur noch in ihrer vom Menschen un-
berührten, stillen Wildnis.


Es galt heute das erste Gnu dieses Teiles Afrikas zu erlegen, das, wenn es auch
an Stärke des Gehörnes weit gegen dasjenige Ostafrikas zurücksteht, doch immer noch
vom alten Bullen eine schöne Jagdtrophäe gewährt.


Ich ritt mit meinem Jäger, einem früheren Steppenräuber, den mir der Herr
Bezirkschef von Othio als besonders guten Jagdbegleiter anempfohlen hatte, und einem
Neger von Grika-Abstammung, der mir von der Artillerie von Windhoek als Diener
kommandiert war, des Morgens von meinem Lager am Südostrande der Etoscha-Pfanne
aus, um Gnus zu suchen.


Im Süden an die weite Ebene schlossen sich, nur mit dem leichten Steppengras
bedeckt, flache Hügel an, auf denen das Wild — abwartend, bis die Etoscha-Pfanne
trägt — gerne steht. Ueber eine Bodenwelle hinweg entdeckten wir bald ein Rudel der so
wild und boshaft aussehenden Gnus, die nach ihrem ganzen Bau schon einen Uebergang
zeigen zum Geschlechte des Rindes.


[]
Figure 34. Kämpfende Gnus.

[121]
Die Jagd auf das Gnu.

Drei Kühe lagerten behaglich und sahen dem Kampfe zweier Bullen zu, den
auch wir zunächst noch nicht zu stören beschlossen. Unter heftigem Grunzen und
Schnauben fuhren die zwei finster blickenden Recken aufeinander zu, stemmten ihre
massiven Schädel gegen einander und suchten sich gegenseitig zurückzudrängen, bald
mit schnellem Ausfall nach der Seite abgleitend, um die Hörner unter die Schulter des
Gegners zu setzen, bald zurückspringend, um im Anlauf den Gegner vorbeiprallen zu
lassen und ihn von der Seite zu fassen. In eine Staubwolke gehüllt, drängten, jagten
und stiessen sich die beiden lange Zeit, ab und zu sich dicht gegenüberstehend, wobei
sie sich mit drohendem Blick bewachten und von der Anstrengung des Kampfes ver-
schnauften.


Ein anderes Rudel desselben Wildes kam plötzlich trollend über eine Höhe,
mischte sich unter die Streitenden, trennte sie und schien dann von uns Wind zu
bekommen und zu sichern.


Wir zeigten uns jetzt, denn das Gelände erlaubte nicht, gedeckt an das Wild
schussmässig heranzukommen, und wollten uns eben in Galopp setzen, um im ersten
schnellen Anlauf dem Wilde möglichst nahe und so zu Schuss zu kommen. Bevor wir
aber noch anritten, setzte sich das Rudel, jetzt zwölf Stück stark, Unruhe zeigend,
schnaubend und mit den Schalen den Boden stampfend, langsam gegen uns in Bewegung.


Wir stiegen ab, um das weitere Benehmen des Wildes abzuwarten. Etwa 100
Schritte zog dasselbe gerade auf uns zu, dann fing es an zu trollen und zuletzt, auf
ungefähr 80 Schritte vor uns, wurde es mit gesenkten Häuptern gegen uns im Galopp flüchtig.


Die beiden Pferde meiner Begleiter wurden unruhig, und der „grosse Jäger“, mein
Führer, ein Mulatte, wollte sich in den Sattel schwingen, um zu fliehen, konnte jedoch
mit seinem Pferde, das, erschreckt durch das anstürmende Wild, nicht stehen wollte,
nicht fertig werden. Mein erprobter Schimmel, dessen Zügel mir über der Schulter
hing, rührte sich nicht und stand so gleichgiltig, als ginge ihn die ganze Sache nichts
an. Dadurch gelang es mir, dem Vordersten des attackierenden Rudels ein Geschoss auf
den Stich zu setzen. Das Stück brach zusammen, war aber sofort wieder auf den Läufen
und stürmte nun, einen grossen Teil des Rudels mit sich nehmend, seitwärts an uns vorbei.


Vier Stück jedoch liessen sich nicht beirren, stürmten gerade auf uns los und
zwischen uns hindurch, als ob ihr Angriff gar nicht in feindlicher Absicht geschehen sei.
Auf wenige Schritte schoss ich den stärksten Bullen, der so dicht an mir vorbeijagte, dass ich
ihn mit der Hand hätte erreichen können, und dicht hinter uns verendend niederstürzte.


Meine beiden Begleiter hatten genug mit ihren Pferden zu thun und kamen nicht
zu Schuss; der Jäger schrie vor Furcht und versuchte sich hinter seinem Pferde, das
ihn nicht aufnehmen wollte, zu decken.


Ich bin der Ansicht, dass nur Neugierde und die ganze Unberechenbarkeit, die
ich schon oft bei diesem Wild beobachtet habe, nicht Wildheit oder die Absicht anzu-
greifen, das Rudel Gnus zu dem beschriebenen Benehmen veranlasst hatte; stand doch
einmal ein starkes Gnu, auf das ich meine beiden letzten Patronen verschossen hatte,
krank geschossen nur circa dreissig Schritte vor mir, bewegungslos wie eine Bildsäule
mich im Auge behaltend, bis mein nach dem nahen Lager geschickter schwarzer Begleiter mir
von dort her neue Patronen gebracht hatte. Habe ich's doch erlebt, wie einer meiner
Untergebenen in der Ebene des Kilima Ndjaro unverantwortlicher Weise ein ganzes
v. Wissmann. 16
[122]Die Jagd auf das Gnu.
Rudel von sieben Gnus, die unausgesetzt in einem Kreise um ihn herumjagten, bis auf
das letzte Stück niederschoss.


Bald nach der anfangs beschriebenen Jagd entführte ein Rudel Gnus unsere
zwölf Maultiere und Pferde, die in der Nähe des Lagers frei grasten, so dass wir, bis
auf ein Pferd, das verloren blieb, die Tiere erst nach acht Tagen durch das Aufgebot
aller Buschmänner der Umgegend wieder erhielten.


Und was ich hier vom Gnu erzähle, gilt auch für das Hartebeest, das ebenso
unberechenbar den Jäger häufig bis auf nur wenige Schritte an sich heranlässt, das auf
den Knall des Gewehres nur das Gehör schüttelt, wie über ein ihm unbekanntes Geräusch,
und manchmal in wildem, sinnlosem Ansturm Karawanen durchbricht.


Ich glaube den Grund zu diesen Absonderlichkeiten zu wissen. Bei den meisten
der sehr vielen von mir erlegten Hartebeeste und bei manchem Gnu fand ich in den
Knochenzellen des Oberhauptes grosse, dicke, weisse Maden, fast von der Stärke eines
kleinen Fingers, Maden irgend eines Insektes, die dann wie der Drehwurm beim Schaf
der Grund zu solch' wunderlichen Streichen des Wildes sind. — Desgleichen rühren
daher wohl die Kapriolen, die beiden eigen sind. Drehen im Kreise, höchst komisch
wirkende plötzliche Sprünge, Männchen und ähnliche Allotria beobachtet man bei beiden
Wildgattungen nicht selten, und nur bei diesen beiden, bei anderen habe ich auch
niemals — ein weiterer Beweis wohl, dass meine Annahme richtig ist — die oben be-
schriebenen Maden gefunden. Ob auch das Weiss-Schwanz-Gnu, das ich leider nie in
Freiheit sah und auch wohl kaum noch in der Freiheit vorkommt, wohl aber von
einigen Grossgrundbesitzern in Südafrika gehegt wird, der Krankheit des Wurmes
unterliegt, habe ich nie erfahren.


Die beiden Arten des Wildebeestes sind verwandter, als ihr Aeusseres annehmen
lässt. Das Hauptkennzeichen des Weiss-Schwanz-Gnus ist der wie beim Pferde ganz
lange und weiss behaarte Schweif, während der des ersterwähnten nur halb behaart ist,
und dass die Hörner nach unten gebogen sind. Bricht man jedoch das Schädelstück
mit den Hörnern auseinander und hält die Stücke in wagerechter Richtung aneinander,
so hat man täuschend genau das Gehörn des anderen Gnus.


Wie alle Arten Antilopen, so wird auch dieses Wild niemals auf weite Strecken
flüchtig, sondern das Rudel verhofft nach einer Flucht von 200 bis 300 Metern, um
nach dem Verfolger zurückzusichern. Dadurch, dass das ganze Rudel aufläuft, in der
Flucht verhofft und sich dann auch wieder eines nach dem anderen in Flucht setzt,
gewinnt der Jäger im Sattel schnell so viel Gelände, dass er zu Schuss herankommt.


Auch beim Gnu, wie bei den grösseren Antilopen wenigstens ausnahmslos, sind
auf der Flucht die Bullen oder Böcke, wie man sie — ich denke wohl je nach ihrer
Grösse — am besten nennt, am weitesten hinten; nicht deshalb wohl, um die vorwärts-
stürmenden Kühe vor der Verfolgung zu sichern, sondern besonders, weil das männliche
Wild stets schwerer ist im Knochenbau wie auch im Wildbret, als das weibliche, und diese
Schwere mit dem Alter, also auch gleichzeitig mit dem Verfall der Kräfte etwas zunimmt.


Es ist daher ein grosser Vorteil bei der Jagd zu Pferde, dass, indem man auf
das letzte Stück des Rudels feuert, man gewöhnlich auch einen starken Bullen und damit
wohl immer eine herrliche Jagdtrophäe erbeutet.



[[123]]
Figure 35. Oryxantilope.

Grosse Antilopen.



Die Jagd in der Wildnis ist so ver-
schieden von der daheim, dass nur ein
Jäger, der beide kennt, sich ein an-
nähernd richtiges Urteil darüber bilden
kann.


In der Heimat ist es mehr ein
Genuss, ein hohes Vergnügen, bei
dem die mit der Jagd verbundenen
Strapazen derart in den Hintergrund
treten, dass man mit Recht vom
„frischen, fröhlichen Jagen“ sprechen kann. Die Poesie
und das Lied haben sich nicht ohne Erfolg die Jagd,
das Wild und den Jäger zu Motiven ausersehen, und
zweifellos ist auch mit der Jagd, wie sie allerdings nur
in Deutschland und Oesterreich ausgeübt wird, eine gewisse
Poesie verbunden, die dem Stadtmenschen entgegenweht, wenn
er hinaustritt in die kühlen, duftigen Hallen der deutschen
Wälder. Der Jäger ist grossen Entbehrungen nicht ausgesetzt,
ja im Gegenteil, die Jagd giebt einen gesunden Durst, der immer
leicht zu stillen ist und Jagdfrühstücke und Jagddiners pflegen die anregendsten und
feuchtesten zu sein.


Anders in der Wildnis. Hier sind die Strapazen bei weitem ernsterer Natur,
hier sind Entbehrungen mancher Art unumgänglich; den Jäger erfreut schon ein Trunk
kühlen Wassers, und er ist zufrieden, wenn sein Nachtlager einigermassen gegen die
Unbilden der Witterung geschützt ist, und endlich hat er auch häufig mit wehrhaftem
Wild zu thun, das ganz anders wie unser Wild daheim die Nerven erregt.


Es ist daher mancher eifrige Weidmann in der Heimat noch lange kein Jäger
der Wildnis. Vielleicht erlaubt es ihm seine Konstitution nicht, sich den grossen
Strapazen auszusetzen und fraglos gehört schon sehr viel mehr Passion dazu, dort zu
jagen, wo das Vergnügen in Vergleich mit der Arbeit und Gefahr so weit in den
Hintergrund tritt. Im höchsten Grade ist dies aber im tropischen Afrika oder besser
überhaupt in tropischen Gebieten der Fall, denn hier tritt noch ein Umstand hinzu, der
16*
[124]Grosse Antilopen.
manchem noch so kräftigen, widerstandsfähigen, eifrigen und passionierten Jäger das Jagen
unmöglich macht, das Klima. Nicht die Hitze allein ist es, die wohl erträglich wäre,
sondern die tropischen Krankheiten, besonders aber das Fieber, welches bekanntermassen
das Herz des Europäers so klein macht, die Energie bricht und, wie man das häufig
beobachtet, selbst die thatkräftigste, härteste Natur auf kräftig deutsch gesagt so „windel-
weich“ macht, dass sie nicht mehr im stande ist, sich grossen Strapazen auszusetzen.


Wer es noch nicht versucht hat, vom Fieber geschüttelt, hungrig und durstig
unter den glühenden Strahlen der tropischen Sonne der Fährte des krankgeschossenen
Wildes treu zu folgen, der kann nicht ermessen, wie schwer das ist. Und alles dies
wäre noch unendlich viel leichter für die menschliche Natur zu ertragen, wenn jemand
da wäre, der die Erfolge des bis an die Grenze seiner Kraft gekommenen Jägers nachher
bewundernd anerkennen würde, wenn er sich mit einem Gleichgesinnten über dieselben
unterhalten könnte. Aber das Alles fällt weg, und nur die eigene Befriedigung kann
den passionierten Jäger über alle diese Schwierigkeiten hinweghelfen.


Ich weiss nicht, ob andere Menschen dasselbe störende physische Gefühl haben
wie ich, wenn die Nerven im höchsten Grade gespannt sind, nämlich die unangenehm
rauhe Trockenheit des Gaumens, verbunden mit einem schwer zu regulierenden Atem.
Da ich mich von früher her eines solchen Zustandes nicht entsinne, mag er wohl erst
durch die lange Zeit des Tropenlebens und der damit verbundenen Herabstimmung der
Nerven entstanden sein. Dies peinliche Gefühl stört mich aber auf der Jagd besonders
dann, wie ich offen bekennen muss, wenn ich wehrhaftes Wild vor mir habe, wohl ein
Zeichen, dass der Körper nicht mehr ohne besondere Reaktion dem Willen folgen
kann, weniger, wenn ich Wild vor mir habe, das mehr unserem heimischen entspricht.
Deshalb war auch für mich die Jagd auf Antilopen in höherem Grade eine Erholung,
als die auf grosses Wild.


Die grosse Anzahl der wunderbar prächtigen Geschöpfe in Afrika, die wir alle
unter dem einen Namen „Antilopen“ zusammenfassen, muss jedes für die Schönheiten
der Natur auch noch so stumpfe Auge entzücken.


Erkenne ich auch unserem Hirsch und zwar nur unserem, d. h. dem eigent-
lichen Rot- oder Edelhirsch, die Krone der Schönheit und edler stolzer Grazie zu, so
stehen ihm doch die schönen Antilopenarten Afrikas dicht zur Seite.


Da ist das mächtig gehörnte, stolze Kudu, das selbst die grössten Hirscharten,
auch den Wapiti, an Körperschwere bei weitem übertrifft und nächst der Elenantilope
die schwerste ist, und dann der, wie der Hirsch, schön bemähnte grosse Wasserbock
mit seinem kaum weniger stolzen Gehörn.


Diese beiden gleichen in ihrem Auftreten, in der stolzen Hauptbewegung, mit
der sie jeden Schritt begleiten, in der edlen Haltung, in der sie flüchtig davonjagen, derart
unserem Hirsch, dass man stets lebhaft an ihn erinnert wird.


Ihnen folgen einige starke, immer noch graziöse Geschöpfe, die — ich möchte
sagen — mehr durch ihre wohlgeformte, kräftige, muskulöse Gestalt, als durch die stolze
Eleganz der beiden vorgenannten das Auge erfreuen. Da ist die dunkle Pferdeantilope,
die man am besten mit einem riesigen Gemsbock oder Steinbock vergleichen könnte und
die auch in ihrer Haltung an dies Bergwild erinnert, wenn es sichernd auf der Felsen-
kante steht; ferner die zwar schwere, aber leider weniger schön gebaute, lichte Pferde-
[]

Figure 36. Kuduantilope.


[125]Grosse Antilopen.
antilope, dann die durch ihre langen, spitzen, schlanken Gehörne ausgezeichnete Oryx-
antilope, deren von dem muskulösen Körper getragener Kopfschmuck Respekt einzu-
flössen vermag.


Die anderen grossen Arten derselben reichen Familie, die Elenantilope, die Gnus
und Hartebeester, über die ich schon gesprochen habe, gehören nicht hierher, denn wenn
auch jede in ihrer Art interessant und eigentümlich ist, so fehlt ihnen doch die Schön-
heit des eben genannten edlen Wildes.


Die Elenantilopen sind die mächtigsten und schwersten, die Gnus die wunder-
lichsten, fremdartigsten, die Hartebeester die durch ihre Hässlichkeit auffallendsten und
schnellsten und zähesten ihrer Familie.


Das Kudu, und zwar das grosse (Strepciperos strepciperos), dessen nähere Be-
schreibung ich mir sparen kann, da das beigefügte Bild von der Hand, die heute am
meisterhaftesten uns afrikanisches Wild vor Augen führt, dies sehr viel besser thut, als
es Worte könnten, hat leider auch durch die Rinderseuche der letzten Jahre in einigen
Gegenden furchtbar gelitten, besonders in Südwestafrika, wo die Eingeborenen nach der
Seuchezeit Hunderte der wundervollen Gehörne nach der Küste zum Verkauf brachten,
die meistens von elend an der Seuche eingegangenen Tieren stammten.


Hier soll diese Antilope früher in offenen Waldgegenden die häufigste gewesen
sein, bei meinen langjährigen Zügen in der afrikanischen Wildnis habe ich sie aber
immer nur selten angetroffen.


Zum ersten Male sah ich das Kudu im Jahre 1882, von Westen kommend, in
den Wildnissen zwischen Ugogo und den Küstenländern, natürlich im Walde, denn nie-
mals findet man dieses stolze Tier unter den zahlreichen Bewohnern der weiten Steppen.
Durch sein Waldleben hat es auch in seinem ganzen Benehmen sehr viel mehr mit unserem
Hirsche Aehnlichkeit als das übrige afrikanische Wild.


Der Bock — fast scheint mir diese Bezeichnung für das starke Wild zu winzig —
geht wie der Hirsch je nach der Jahreszeit allein oder mit dem so prächtig rehbraun
gefärbten Mutterwild.


Die erste Birsch auf einen stolzen, mächtigen Bock mit weitausgelegtem Gehörn
misslang, denn als ich mich in einem Nashornwechsel behutsam mit gutem Wind an
ihn heranschlich, stürzte ich plötzlich in eine, von den Eingeborenen für Nashörner an-
gelegte, tiefe Fallgrube. Mein Gewehr entlud sich und das Wild war verschwunden.
Bald darauf erlegte ich einen andern, nicht minder stolz geschmückten Bock, bei dem es
mir auffiel, wie ganz anders bei ihm die schön gedrehten Hörner in Vergleich mit denen
des von mir zuvor gesehenen Bockes standen.


Man war früher im Zweifel darüber, ob die verschiedene Auslage des Gehörns
zur Trennung in verschiedene Spielarten berechtige, oder ob das Gehörn nur je nach
dem Gebiet, in dem das Kudu stände, verschieden sei.


Letzteres ist aber nicht der Fall, denn ich habe später häufig in Südwestafrika
Böcke sogar in einem Rudel gesehen, von denen die einen Gehörne trugen, deren
Spitzen etwa einen Meter auseinander standen, während die der anderen kaum halb so
weit klafterten.


Als der vorher erwähnte Bock flüchtig die Kugel bekam, machte er eine letzte
mächtige Flucht wie der Hirsch beim Herzschuss und brach dann verendet zusammen.


[126]Grosse Antilopen.

Die Leichtigkeit der Bewegungen und die kolossalen Fluchten, die das Kuduwild
ausführen kann, imponieren bei weitem mehr als beim Hirsch, denn die Antilope bewegt
auf ihren Läufen wohl das 3- bis 4fache Gewicht unseres Edel-Hirsches.


Ein anderes Mal schoss ich ein Kudu, als ich nur das Gehörn über das Buschwerk
hervorragen sah. Das Stück zog langsam an mir vorbei und ich konnte mit dem Korn
vom Gehörn schräg abwärts gehend einen guten Halsschuss anbringen, auf den dasselbe,
das schwerste, das ich je geschossen habe, wie vom Blitz getroffen zusammensank.


Für schweres afrikanisches Wild halte ich den Halsschuss mit Geschossen, die
sich nach dem Einschuss ausdehnen, für ebenso wirksam als den Blattschuss. Ich habe
in meiner doch ziemlich grossen Praxis nur selten ein Stück mit einem Halsschuss ver-
loren, vielleicht weil meistens die Kugel zwischen der Drossel und den die grossen Venen
bergenden Muskeln durchgedrungen war.


In den schon bei der Jagd auf die Elenantilope beschriebenen welligen Wald-
gebieten in Südwest-Afrika traf ich im Dezember die Geschlechter getrennt, und meistens
Rudel von 3 bis 5 Böcken oder 4 bis 6 Tieren. Bevor sich bei jungen Böcken das
Gehörn nicht einigermassen sehen lassen kann, stehen sie bei dem Mutterwild, von dem
sie sich später trennen, und nachdem sie dann eine Zeitlang allein gestanden haben,
treiben sie sich weibliches Wild zusammen. Ich habe Böcke mit nur einem Tier
gesehen und solche, die 5 Stück, Tiere und Jungwild, bei sich hatten.


Die Schnelligkeit der Kudus zu erproben gelang mir nicht, denn wo immer ich
sie traf, verbot mir die Bewachsung des Geländes, dem Wild zu Pferde zu folgen.


Das Wildbret ist gut, wenn es auch nicht dem der Elenantilope gleichkommt.
Die Decke ist sehr weich und zähe und wird sehr gut bezahlt. Die Buren wissen
dieselbe vielfach zu verwenden, besonders aber dient sie bei den riesigen Ochsenpeitschen
als Schnur am Ende des bis 5 Meter langen Bambus-Peitschenstockes.


Das kleine Kudu (Strepciperos imberbis), das ich nie gejagt habe, ist Bewohner
der Somaliländer und tritt wohl kaum nach Süden bis in die Gegend des Kilima Ndjaro.


Nun zu der zweiten, dem Hirsche ähnlichen Antilope, dem Wasserbock. Ich
spreche zunächst nur von den grösseren Arten, mit Ausnahme des in dem Gebiete des
Senegal vorkommenden, den ich nicht kenne.


Die im ganzen äquatorialen und südlichen Afrika vorkommenden Vertreter
der Wasserbockfamilie, von der man bisher, soviel ich weiss, nur zwei Arten unter-
schieden hat, sind noch nicht derart bekannt, dass man die Bestimmung der
Varietäten als abgeschlossen betrachten könnte. Leider war es mir wegen der Schwierigkeit,
die der Transport von Decken und Skeletten verursachte, unmöglich, etwas zur
weiteren Aufklärung zu thun, obwohl ich sicher glaube, dass vier Arten unterschieden
werden können.


Dass diese Antilope fast ein Wassertier ist, sagt ihr Name, denn nur dort, wo
sich weite Sümpfe, Moore und Marschländer ausdehnen, steht der Wasserbock.


Ich habe gefunden, dass er in der Schwere bedeutend variiert; am stärksten ist
er in den Ländern nördlich des Zambesi, besonders im Schirethal, in dem er am massen-
haftesten, zu vielen Hunderten in dem bekannten Elefant-Marsh seinen Stand hat.


Es giebt kaum ein schöneres Bild als das bemähnte Haupt des Wasserbockes
von lichtem Schilf umrahmt. Dem Bocke giebt das elegant geschwungene Gehörn und
[127]

Figure 37. Wasserböcke.


die Mähne ein überraschend edleres Aussehen den Tieren gegenüber, die wegen ihres
starken Gehörs, der grauen Farbe und auch wegen Mangel der stolzen Kopfhaltung, die
den Bock in so hohem Grade auszeichnet, einen eselartigen Eindruck machen.


In dem vorher erwähnten Elefant-Marsh sah ich unser Wild in Rudeln zu
mehreren Hunderten vereinigt, was jedoch ein seltenes Vorkommnis und nur da der
Fall sein wird, wo sich solche weitausgedehnte Moore finden. Sonst kommt diese
Antilope an den Ufern aller Flüsse und Seen vor, wo immer kleine Lagunen und
feuchte Niederungen als Aesung Schilf und Sumpfpflanzen gewähren.


[128]Grosse Antilopen.

Das Wildbret des Wasserbockes gehört nicht zu dem besten, es wirkt sogar
schädlich auf die Verdauungsorgane, wenn man es zu häufig geniesst, wie ich dies bei
allem Wild gefunden habe, welches sich hauptsächlich von Sumpf- und Wasser-
pflanzen nährt.


Wo immer ich dieser Antilope begegnet bin, ist mir aufgefallen, dass ihre
Sinneswerkzeuge nicht sehr scharf ausgebildet sind. Das Wild findet seinen Hauptschutz
darin, dass es in fast unpassierbarem, sumpfigem Gelände steht und meist in so hohem
Pflanzenwuchs, dass es in demselben verborgen ist und dass sich der anschleichende
Feind, sei es Jäger oder Raubwild, durch das Geräusch, welches das Anbirschen durch
Schilf und hohe Sumpfpflanzen verursacht, bald verrät. Ich glaube auch, dass der
Wasserbock häufig vor seinem Feind nicht flüchtig wird, sondern sich verbirgt, sich
drückt und zwar nicht allein in den dichten Sumpfgewächsen, sondern auch mit dem
grössten Teil des Körpers im Wasser, stehend oder sitzend, so dass hierdurch auch seine
Witterung für ein sich anschleichendes Raubwild verloren geht; denn die Witterung des
Wasserbocks ist so scharf und eigentümlich, dass selbst dem Europäer ein eben ver-
lassenes Bett desselben sich dadurch verrät. Ob er sich aber, wie ich es bestimmt von
den kleineren Wasserböcken*) beobachtet habe, in den Morast bis fast an die Nase
hineinarbeitet, besonders wenn er krank geschossen ist, vermag ich nicht anzugeben,
jedenfalls habe ich schwer krank geschossene Stücke trotz stundenlanger Nachsuche
mehrfach nicht finden können. Jener ebenerwähnte kleine Wasserbock ist im stande,
selbst die grösste Geduld des Jägers derart auf die Probe zu stellen, dass er die
Jagd aufgiebt.


Als ich einst an einem kleinen, sumpfigen See südöstlich des Tanganika lagerte,
sah ich eine grössere Anzahl einzelner, schön gelb gefärbter Antilopen, die wunderbar
stelzend von Hulk zu Hulk über den sumpfigen See zogen. Ich schoss auf die erste,
sie zeichnete gut, verschwand aber sehr schnell unseren Blicken, trotzdem nur ver-
hältnismässig kurze Gewächse den Sumpf bestanden. Mit vielen Schwierigkeiten gelang
es uns, an die Anschussstelle zu kommen, wir fanden auch Schweiss, aber es war
unmöglich, das kranke Stück zu finden. Flüchtig geworden konnte es nicht sein, denn
wir konnten die ganze Sumpfniederung sehr gut übersehen und die festen Ufer hatte
es auch nicht betreten. Es musste sich also in den Sumpf hineingearbeitet und derart
verborgen haben, dass es uns nicht gelang, desselben habhaft zu werden.


Drei weitere Fälle verliefen ebenso, es schien, als hätte der Boden die Tiere
verschlungen.


Es giebt wohl kaum Antilopen, die weniger bekannt sind, als die kleinen
Wasserböcke, weil sowohl die Jagd als auch ganz besonders nachher das Auffinden
des sehr zähen Wildes so schwierig ist, während die grösseren Arten sich doch in
Folge ihrer Höhe oft über dem jungen Schilfgras zeigen und sich auch sehr leicht
treiben lassen.


[]
Figure 38. Rappenantilope.

[129]
Grosse Antilopen.

Eine grosse Annehmlichkeit war für mich der Reichtum des Elefant-Marsh an
Wasserböcken, als ich im Jahre 1894 ein Dampfboot nach dem Nyassa brachte und
Tausende von Trägern in einem Gebiet zu erhalten hatte, in dem fast Hungersnot war.


Ich hatte unausgesetzt etwa 20 Neger damit beschäftigt, Wildbret des Wasser-
bockes am Feuer zu trocknen und sandte nach meinen verschiedenen Lagern längs des
Flusses Bootsladungen von getrocknetem Antilopen- und Flusspferdfleisch. Ohne diese
Hilfe würde die Expedition Monate länger in Anspruch genommen haben, denn ich
hätte nicht eine solche Anzahl von Leuten ernähren können.


Hierbei kann ich jedoch mit Genugthuung feststellen, dass von der grossen Zahl
von Wasserbockwild während der ganzen Zeit nur, und zwar aus Versehen, ein einziges
Stück weibliches Wild geschossen wurde, was übrigens sehr leicht zu vermeiden gewesen
wäre, da die Tiere damals sich in grossen Rudeln abgesondert hatten und die Böcke
meist allein standen. Ich betone noch einmal, dass, wenn das Wildbret des grossen
Wasserbockes — wie oben schon bemerkt — auch nicht gut genannt werden kann, ich
doch den Beschreibungen, die ich darüber im Brehm gefunden habe, nicht beizupflichten
vermag, denn es wurde immerhin von allen meinen Leuten gern genommen.


Die Eingeborenen erzählen sich viele wunderbare Geschichten von den Wasser-
böcken und ihren kleinen Verwandten, die hauptsächlich durch die Gewandtheit der
Tiere im Sichverstecken entstanden sind. Sie behaupten z. B., dass der Wasserbock
untertauchen und lange Zeit unter Wasser bleiben und sich ganz in den Sumpf ein-
grabe und dort ebenfalls stundenlang aushalten könne. Dass dies bis auf die Muffel, die
die Tiere über Wasser oder über den Sumpf halten, geschieht, glaube ich ebenfalls,
besonders aber von den eben erwähnten kleineren Arten.


Auffallend ist bei diesen Tieren, dass ihre Decke immer schön rein und in ihrer
Farbe glänzend ist und sich nie Morastteile in ihr festgesetzt haben. Der Grund davon
ist einmal die grosse Fettigkeit der ganzen Decke, die sogar dem Senegal-Wasserbock
die Bezeichnung unctuosus eingetragen hat, und dann sieht man auch sehr häufig dieses
Wild sich reinigen und wie eine Katze putzen.


Niemals habe ich einen Wasserbock in offenem Wasser, also im Fluss oder im
See, schwimmend gesehen, was sich durch die Furcht vor Krokodilen erklärt. So gern
das Wild im Wasser ist, so geht es doch nie so weit hinein, dass es nicht noch Grund
unter den Läufen fühlte, und tritt auch sehr vorsichtig ins Wasser, beobachtet also wohl
die Bewegungen desselben, um sich gegen die gefrässigen grossen Echsen zu schützen.


Am leichtesten kommt man an den grossen Wasserbock im Boote vom Wasser
aus. Er scheint sich seiner Sache so sicher zu sein, dass er von hier aus keine Gefahr
zu fürchten hat und ich mich ganz ungedeckt im Kanoe bis auf dreissig, ja zwanzig
Meter nähern konnte, während bei einem Anschleichen im Schilf schon das leiseste Ge-
räusch genügt, ihn zu warnen und flüchtig zu machen.


Da der Aufenthaltsort des beschriebenen Wildes ein so beschränkter ist, so sind
auch die Jagderfahrungen mit wenig Worten abgethan. Die Jagd ist im Vergleich mit
der auf anderes Wild gleichförmig und wenig interessant.


Im Gegensatz zu der auf den grossen Wasserbock, bietet die Jagd auf die über-
raschend schöne, sehr kluge und vorsichtige, dunkle Pferdeantilope (Hippotragus niger)
einen ungewöhnlich hohen Reiz und die grösste Abwechslung. Dieses imponierende,
v. Wissmann. 17
[130]Grosse Antilopen.

Figure 39. Hartebeest.


auch durch seine dunkle Farbe schon so auffallende
Wild, kann weder als Antilope der offenen Steppe,
noch als Waldantilope angesprochen werden. Am
leichtesten findet man sie wohl, habe ich sie wenigstens
gefunden, in parkartigem, zwischen Wald und Wiese
wechselndem Gelände.


Ihrem Aufenthalt entsprechend, sind auch alle
Sinne äusserst scharf, und es darf nicht vergessen
werden, dass sie eine der Antilopenarten ist, die gegen
kleinere Feinde unbedingt und auch gegen grössere
von ihren respektablen Waffen Gebrauch
machen, wenn sie bedrängt werden. Die
langen, spitzen Gehörne und die kräftigen
Läufe mit den harten Schalen werden von
allem Raubwild, vielleicht sogar dem Löwen
und dem Wildhund gefürchtet.


Eingeborene haben mir häufig erzählt,
dass diese Antilope nicht den Leopard zu
fürchten hätte, dass sie sich aber sofort auf
das melancholisch klingende, geheulartige
Bellen eines Wildhundes aus der Gegend
wegzöge.


Einen schöneren Anblick, als die gras-
artigen Blössen einer parkartigen Wildnis mit
dem auffallend dunkel gefärbten edlen Wild bestanden zu sehen, kann
man sich kaum denken.


Das Gehörn des Bockes übertrifft an Länge drei-, ja vierfach das
der Tiere und ist so lang, dass sich der Bock mit leichter Erhebung des
Hauptes hinten am Widerrist scheuern kann.


Der erste Bock, den ich sah und erlegte, hatte nicht allein das mächtigste Ge-
hörn, das mir je zu Gesicht gekommen ist, sondern sogar, meiner Ansicht nach, das
wohl jemals festgestellt wurde, denn es hat eine Länge von 1.25 m.


Die Jagd ist, da das Gelände, in dem das Wild zu stehen pflegt, vielfach
Deckung bietet, nicht sehr schwierig, wenn man nur auf den Wind achtgiebt, und da
ich alle derartigen Antilopen zu Fuss beim Birschen erlegt habe, so verlief eigentlich
eine wie die andere, denn ich war bei allen so glücklich, einen guten Blatt- oder Hals-
schuss anzubringen, der nach wenigen wundervollen, hohen und weiten Fluchten das Wild
niederbrachte. Ich habe meist mit dem 577-Express-Rifle geschossen, und da unsere
Antilope im Verhältnis zu ihrem Körper eine sehr bedeutend entwickelte Vorderhand,
also ein grosses Blatt hat, so bietet sie einen leichten Schuss.


Zweimal trat ich an das kranke Stück heran, bevor es verendet war, und jedes-
mal zog der Bock, wütend schnaubend, die Muffel in Falten, versuchte auf die Läufe
zu kommen, um mich anzunehmen und einmal schnellte er sogar mit dem Laufe nach mir,
als ich mich näherte, obgleich er so krank war, dass er keinen Schaden mehr anrichten konnte.


[131]Grosse Antilopen.

Ausser den Gehörnen, die von den Eingeborenen im Innern zu Kriegs-
hörnern benutzt werden, waren bei den Zulus die Nackenhaare sehr beliebt, die man
sich, mit einem schmalen Streifen Haut ausgeschärft, wie eine Haarkrone um den
Kopf wand.


Weniger schön, aber viel massiger und grösser, der Stärke nach der Elen-
antilope und dem Kudu am nächsten stehend, ist die helle Pferdeantilope (Hippotragus
equinus), die in ihrem sehr weiten Verbreitungsgebiet, nämlich vom hohen Nordwest
und vom oberen Nil bis nach Südafrika, mehrere Spielarten aufweist.


Durch die grössere Massigkeit verliert sie im Vergleich mit ihrem dunklen Ver-
wandten sehr an Schönheit, stolzer Haltung und an Adel der Bewegungen.


Ihre Gehörne sind bei weitem kürzer und nicht an den Seiten flach gedrückt,
wie die der oben beschriebenen, sondern rund im Durchschnitt.


Diese Antilope ist ebenso vorsichtig und mindestens ebenso gefährlich für den
unvorsichtigen Jäger und vielleicht noch mehr gegen ihre vierfüssigen Feinde in der
Wildnis, denn sie verfügt über grössere Masse und Kraft. Sie macht häufig, von weitem
gesehen, den Eindruck, als wäre sie vierhörnig, denn das lange Gehör endet in hohen
Haarbüscheln, die rechts und links neben dem Gehörn emporstehend, jene Täuschung
hervorrufen.


Nur zweimal bin ich dieser Antilope begegnet, und zwar einmal im Westen,
im weiten Gebiete des Kioque-Stammes und einmal im zentralen Afrika am Lulua.
In Südwestafrika habe ich sie zwar gespürt, aber nicht zu Gesicht bekommen.


Auch sie ist wegen ihrer mächtigen Schulterentwicklung leicht zu schiessen, auch
bei ihr soll der Jäger sich vorsichtig nähern, denn sie scheint mir im hohen Grade zähe
und zornig zu sein.


Mit einem recht guten Blattschuss ging ein mächtiger Bock noch ungefähr
fünfzig Meter weit, blieb dann stehen und that sich nieder. Ich näherte mich vor-
sichtig und wurde nicht eher von ihm wahrgenommen, bis ich auf etwa dreissig Schritte
heran war. Jetzt machte er die denkbar grössten Anstrengungen, um wieder auf die
Läufe zu kommen, zunächst wohl zur weiteren Flucht, dann aber, als er einsah, dass
an ein Entkommen nicht mehr zu denken war, wandte er sich gegen mich mit dem
Ausdruck der grössten Wut, wobei er ein pfeifendes Schnauben ausstiess. Er kam jetzt
auch wirklich wieder auf die Läufe, konnte aber nur noch unsicher wenige Schritte auf
mich zutaumeln und brach dann zusammen. Aber immer noch bemühte er sich, je
mehr ich mich näherte, mich anzunehmen, ja er rutschte sogar auf den Knieen auf mich
zu, fortwährend mit dem stark bewehrten Haupte um sich und besonders nach vorwärts
schlagend, bis ich ihm den Fangschuss gab.


Ich bedauere sehr, diese Antilope nicht im Süden, als ich zu Pferde jagte, ge-
troffen zu haben, denn dieses mächtige und wehrhafte Wild zu hetzen, muss einen ganz
besonderen Reiz ausüben.


Wo immer man eine der beiden beschriebenen Arten gefangen sieht, wird man
auch Erfahrungen bezüglich ihres zornigen Charakters machen. Ich habe sie mehrfach
in diesem Zustande wütend an das Gitter schlagen sehen, wenn man sich näherte, und
ich weiss nicht, ob sich selbst der Herr der Wildnis, wenn ihn nicht starker Hunger
dazu treibt, besonders an die hellere, stärkere Art, allein heranwagt.


17*
[132]Grosse Antilopen.

Den Namen Pferde-Antilope verdankt sie offenbar dem edlen, lebhaften Tem-
perament, und besonders die dunkle Art auch dem pferdeähnlichen Kopf, vielleicht auch
dem einzigen Ton, den man häufig hört, dem Prusten mit den Lippen, genau wie es ein
ungeduldiges Pferd thut.


Und nun zu der vierten Familie der grossen edlen Antilopen, die wir wegen
ihres langen spitzen Kopfschmuckes und Waffe als Spiessböcke zusammenfassen, den
Orix-Arten.


Am besten kenne ich von diesen die bei weitem grösste und stärkste, die Orix
Gazella Südafrikas, die ich in unserer Kolonie Südwestafrika häufig zu Pferde und zu
Fuss gejagt habe.


Auch die Orix callotis habe ich im Innern Afrikas erlegt, während ich die Orix
Beissa in den Steppen des Kilima Ndjaro zwar gesehen, leider aber nicht erbeutet habe.


Es giebt dann noch zwei Spielarten, die schöne weisse beatrix, die nur Arabien
bewohnt, und die leucorix, die Säbelantilope, die Steppenkuh der Araber im Kordofan
und östlichen Sudan.


In ihrem Auftreten sind sie wohl alle gleich, sie sind Bewohner der weiten,
offenen Steppe.


Bei dieser Antilopenfamilie ist mir — von der Körperbeschreibung sehe ich hier
ab — der wenig verträgliche Charakter, der alle andern Arten übertreffende Mut und
ganz besonders die Lebenszähigkeit aufgefallen.


Zu Pferde habe ich nur die Orix gazella gejagt und muss sie nächst den Harte-
beestern, denen sie allerdings weit nachsteht, den schnellsten Bewohner der Steppe
nennen. Sie giebt dem Pferde eine tüchtige Arbeit und würde, wenn sie nicht zu
häufig verhielte und rückwärts sicherte, nur von einem recht guten Renner einzu-
holen sein.


Nur einmal, und das auch nur durch Zufall und auf kurze Zeit, habe ich
sie in einem Trupp mit anderen Arten zusammengesehen, sonst ist sie, glaube
ich, zu unverträglich, um wie das Gnu, das Hartebeest, Zebra und der Strauss gesellig
zu äsen.


Die Tiere und jungen Böcke sind natürlich wie bei allem Wild viel flüchtiger
als die alten, sehr massig werdenden Böcke, was für den zu Pferde jagenden Jäger
angenehm ist.


Bei allen Orix-Arten sind die Gehörne bei den Tieren am längsten, bei der
südafrikanischen bis zu 1,20 m lang, während das Gehörn der Böcke kürzer und
massiger ist.


Wunderbar muss es erscheinen, dass diese streitbare Antilope vom Wildhund
niedergehetzt wird, ja dass ein einzelner Hund, wie zuverlässige Berichterstatter melden,
sich an die so gut bewehrte starke Antilope wagt und sie auch regelmässig reisst. Ein
nur gelinder Stoss würde ihre nadelspitze lange Waffe selbst einem dickhäutigen Gegner
tief in den Leib treiben, und anderem Wild gegenüber soll es bei schlechter Laune auch
oft von ihr Gebrauch machen.


Die „Callotis“ erlegte ich, als ich auf der Steppe östlich des Malagarassi mich an
ein Rudel anbirschte, das seine ganze Aufmerksamkeit auf meine weiter marschierende
Karawane richtete und mich zu spät eräugte. Ich schoss zunächst auf einen Bock, der
[133]Grosse Antilopen.
sofort zusammenbrach, und dann auf einen zweiten, der meine Kugel auf dieselbe Weise
quittierte. Als ich mich aber näherte, wurde der eine wieder hoch. Ich sah jetzt, dass
ich, schräg aufs Blatt haltend, über dem Blatt Haut und Muskeln zerrissen hatte und
feuerte rasch noch einmal schräg von hinten nach dem anderen Blatt, das mir jetzt das
Wild zeigte. Wieder brach die Antilope zusammen, wurde aber auch jetzt wieder hoch,
als ich mich näherte, doch nur für wenige Fluchten, dann konnte sie nicht weiter und
that sich von neuem nieder.


Inzwischen waren einige meiner Träger im vollen Lauf herangekommen,
und da ich an Munition schon Mangel zu leiden begann, denn ich war schon

Figure 40. Pferdeantilope.


fast zwei Jahre im Inneren Afrikas, so gab ich die Büchse aus der Hand und
nahm einem der Leute den Speer ab, um hiermit dem kranken Bock den Fangstoss
zu geben.


Als ich jedoch ausholte, war das Wild schon wieder auf den Läufen und wurde,
wenn auch langsam und offenbar sehr krank, noch einmal flüchtig.


Jetzt jagten meine Träger mit ihren Speeren hinterher, so dass ich, weil sie
zwischen mir und Bock dahinstürmten, nicht mehr schiessen konnte. Ich verfolgte die
wilde Hetze noch eine Zeitlang mit den Augen, bis sie in den dichter stehenden Akazien
verschwand.


Nach einer halben Stunde kamen meine Leute vollkommen erschöpft zurück,
doch leider ohne Antilope, die ihnen entkommen war.


[134]Grosse Antilopen.

Jetzt ging ich zu der erstgeschossenen zurück und musste ihr mit einem Speer-
wurf den Fang geben, da sie nach jedem, der sich ihr näherte, mit dem langen, spitzen
Gehörn wütend schlug.


In Südwestafrika hatte ich zwei gute Böcke erlegt, den einen auf der Birsch, den
andern zu Pferde als zu mir ins Lager einer der Offiziere der Station Othio kam, der
ausgesandt war, um zur Verpflegung der Station Wildbret zu holen, da die Station
schon monatelang kein Fleisch mehr gesehen hatte.


Ich half dem Kameraden bei seinem Auftrage und erlegte in vier Tagen noch acht
gute, starke Orixböcke. Die meisten jagte ich zu Pferd. Ich näherte mich tief auf den
Hals niedergebeugt im Schritt, das Pferd beim Grasen hin- und herdrückend, behutsam
nach und nach immer mehr, bis das Wild misstrauisch und flüchtig wurde. Dann
gab's die Sporen und in wenigen Minuten war ich auf gleicher Höhe oder doch
so nahe an dem mehr und mehr zurückbleibenden starken Bock des Rudels, dass ich
abspringen und feuern konnte.


In nur wenigen Fällen brachte ich das Stück gleich nieder. Meistens versuchte
der krankgeschossene Bock noch zu entkommen und ich musste noch einen, ja zwei
Schüsse, die alle leidlich gut sassen, abgeben, bevor er sich niederthat. Aber selbst
dann mussten wir uns vorsichtig nähern, denn zweimal kam er noch auf die Läufe und
wir mussten ihm, um uns aus dem Bereich der wütend geführten spitzen Waffen zu
bringen, auf kurze Strecken aus dem Wege sprengen.


Es ist erstaunlich, wie ganz unglaublich gross die Widerstandsfähigkeit eines
solchen alten Bockes war, wenn ihn einige gute Schüsse so weit gebracht hatten, dass
er nicht mehr auf die Läufe kommen konnte. Wir mussten dann noch drei, ja vier
Schüsse auf das Blatt, Hals oder selbst in den Kopf des Wildes abgeben, bevor das
Leben entwichen schien.


Ich habe niemals Aehnliches bei anderem Wild beobachtet und auch andere
Jäger waren im höchsten Grade erstaunt, was für furchtbare Schüsse das Stück ertragen
konnte; denn wir beabsichtigten nicht etwa die Lebensfähigkeit desselben auf die Probe
zu stellen, sondern durch jeden Schuss der Qual des Wildes ein Ende zu machen.


Fortwährend zeigte es, bevor der Kopf am Boden war, eine solche Wut, dass
es, schnaubend und selbst auf den zerschossenen Läufen sich vorwärts arbeitend, an
seinen Feind heran zu kommen trachtete. Das Licht trat weit heraus, die Muffel war
in Falten gezogen und es kam mir vor, als würde die eigentümliche Witterung, die die
Antilope ausströmt, noch viel schärfer bei ihren Wutausbrüchen.


Einmal entging einer meiner schwarzen Begleiter nur durch einen von mir zur
rechten Zeit abgegebenen Schuss dem Schicksal, mit dem langen, spitzen Gehörn geforkelt
zu werden.


Mit vier Schüssen auf dem Blatt kam noch ein Bock, der wohl schon zehn
Minuten gelegen hatte, wieder auf die Läufe und warf sich halb im Niederbrechen mit
seiner letzten Kraft auf meinen eben vom Pferde gesprungenen Diener. Mein Schuss
durch den Oberhals liess ihn, kurz bevor er seinen Feind erreicht hatte, zwar zusammen-
brechen, aber noch nicht verenden.


Ich muss sagen, dass mir diese Antilope, trotzdem sie doch in ihrer Zeichnung
und ihrem Aeussern ein schönes, edles Tier genannt werden muss, von allem Wild am
[135]Grosse Antilopen.
wenigsten sympathisch war, nicht etwa wegen des Mutes und der Wut, die sie ihrem
Feinde gegenüber zeigt, sondern wegen ihres ganzen sonstigen Gebahrens. Dieselbe
Abneigung scheint auch das andere Wild gegen sie zu hegen, denn es steht ungerne
in der Nähe der grossen Orix.


Von dieser Antilope habe ich in der Wut auch ausser dem Schnaufen einen Ton
gehört, ähnlich dem, den ein Elenbulle, den ich zu Pferde verfolgte, ausstiess, ein
Blöken, aus dem die Wut herauszuhören war.


Wo die Orix vorkommt, steht sie wohl in grösserer Zahl als die drei vorher
beschriebenen Arten, wie alles Wild der offenen Steppe, oder man sieht sie doch wegen
des offenen Geländes in grösseren Massen als jene drei, die entweder im Wald, in
Parklandschaften oder im hohen Röhricht dem Auge mehr verborgen sind. Jedenfalls
kann man darauf rechnen, dass, wenn man das Vorhandensein der Orix festgestellt hat,
man sie auch häufig sehen wird.


So habe ich denn, um nicht durch Erzählung der sich doch häufig so ähnlich
bleibenden Birschgänge zu ermüden, hier vier Arten der grösseren Antilopen dem Leser
vorgeführt; einige andere, die sich durch die Jagdart oder ihr Benehmen besonders
hervorthun, habe ich schon in anderen Aufsätzen berührt, wie z. B. die grosse Anzahl
der verschiedenen Hartebeester, der Bubalus.


Sie sind ein Wild der weiten Ebenen, der grossen Steppen und die schnellsten
und ausdauerndsten aller Antilopen und gewiss kaum mit dem edlen Renner einzuholen.
Gleichzeitig sind sie auch die häufigsten der grösseren Antilopen im wildreichen Afrika.
Ihre Hässlichkeit macht sie nicht weniger interessant, denn ihre eigentümlichen Manieren
— man könnte sie die Clowns der Steppe nennen — bieten dem Jäger und Beobachter
stets ein neues Bild, eine interessante, meist spasshafte Beobachtung. Wie sie durch
ihre Schnelligkeit und Zähigkeit dem Jäger zu Pferde mehr Schwierigkeiten bereiten als
alle andern Antilopen, und wie sie durch ihre scharfen Sinne auch dem birschenden
Jäger viele Mühe machen, so bringen sie sich doch oft leichtsinnig durch unberechenbare,
sehr thörichte Einfälle in Gefahr und werden eine leichte Beute.


Ich hoffe, dass diese Antilope am längsten der vernichtend fortschreitenden
Kultur Widerstand leisten und noch lange zur Freude des Beobachters und Jägers die
weiten Steppen Afrikas bevölkern wird.


Wie wunderbar schon im Aeussern, ja im Gesicht der Hartebeester das Un-
berechenbare, wunderlich Clownartige zum Ausdruck kommt, wird jeder zugestehen
müssen, der Sinn für Tierphysiognomien hat. Das Wildbret gehört mit zu dem besten
der grossen Antilopen.


Ich schrieb diese kurzen Erinnerungen über das afrikanische Wild, das mir so
unendlich viele Freude gemacht hat, wenn ich einsam im dunklen Kontinent, jahrelang
fast nur auf mich selbst angewiesen, umherstreifte, mit einer gewissen Wehmut nieder,
in der Besorgnis, dass diese schönen Geschöpfe der Natur einer eben so rapiden Ver-
nichtung ausgesetzt sein sollten, wie die Arten, die einst Südafrika zu Millionen von
Individuen bevölkerten und heute nur noch in geringer Anzahl einige Wildreserven
bewohnen, das Gnu, der Bunt- und der Blässbock.


Heute nach der Wildschutz-Konferenz in London, für deren Zustandekommen
ich mich schon ein Jahrzehnt lang bemühte, habe ich die frohe Zuversicht, dass das
[136]Grosse Antilopen.
artenreiche, schöne Wild im weiten Afrika noch für manche Generation hin erhalten
bleiben, noch vielen Generationen nach uns dieselbe Freude machen, denselben Nutzen
haben wird wie bisher. Es leben auch nach uns noch Menschen, denen ebenso wie
uns in Afrika Freude und Erholung durch die Jagd wohlthun wird.


Wenn es einen heiligen Hubertus giebt, so hoffe ich mir durch meine nicht
erfolglos gebliebenen Bemühungen sein Wohlwollen gesichert zu haben und kann
gerechterweise auf eine Anerkennung des Protektors aller Jäger rechnen, wenn ich
einmal wieder in hoffentlich nicht allzulanger Zeit die Büchse zur Hand nehmen kann,
um in der Wildnis irgend eines Flecks unserer Erde als deutscher Jäger dem
Weidwerk obzuliegen.


[[137]]

Zebra-Jagd.

[figure]


Die Ueberschrift zu der folgenden Er-
zählung ist eigentlich schon ein weid-
männisches Vergehen, denn man sollte das
Zebra gar nicht als jagdliches Wild betrachten.
Dieser wunderbar schöne, kräftige Einhufer hat offenbar
eine vollkommen andere Bestimmung als die, nur mit Haut
und Wildbret dem Menschen zu dienen, und ich hoffe es
noch durchgesetzt zu sehen, dass er aus der Liste der jagd-
baren Tiere ausgeschieden wird.


Wenn ich aber dennoch selbst gegen diese meine heutige Ansicht
gefehlt habe, so geschah das zunächst in einer Zeit, als ich noch zu
wenig Jäger und Tierkenner war, um das Unrecht, auf das Zebra Jagd
zu machen, einzusehen; dann wohl auch hie und da, wo ich des Wild-
brets notwendig bedurfte, und endlich aus wissenschaftlichen Gründen.
Um die eben ausgesprochene Ansicht klar zu stellen, muss ich bemerken, dass
der wichtigste, von den Menschen gezähmte Einhufer gerade in den Ländern, in denen
das Zebra lebt, fast unbrauchbar ist. Das Pferd leidet derartig unter dem Klima der
heissen Gebiete Afrikas und ganz besonders der feuchten Landstriche, dass man auf seine
Verwendung wird verzichten müssen. In den südlichen Teilen des vom Zebra bewohnten
Gebietes, wo das Klima für Pferde besser ist, tritt die „Pferdesterbe“ genannte Seuche
verheerend auf.


In den rein tropischen Landstrichen sind Malaria, Moskitos, Zezefliegen und
andere böse Insekten immer noch so grimmige Feinde des Pferdes, dass man die Ver-
suche, dasselbe heimisch zu machen, die auch ich in ziemlich grossem Massstabe mit
ungünstigem Erfolge angestellt habe, wird unterlassen müssen.


Der Esel ist schon sehr viel eher verwendbar, aber natürlich kein Ersatz für das
Pferd, und ich bin der Ueberzeugung, dass entweder die verschiedenen Arten des Zebra,
die noch heute existieren (zwei derselben sind schon vernichtet worden: das Quagga
v. Wissmann. 18
[138]Zebra-Jagd.
und das Berg-Zebra), oder wenigstens Kreuzungen derselben mit Pferd oder Esel, das
Pferd ersetzen müssen.


Ueber den Zweifel, ob das Zebra zu zähmen sei, sind wir endlich hinaus.


In London wird ein Viergespann von Zebras gefahren, in den Steppen Asiens
hat sie sogar ein Liebhaber gezüchtet und benutzt und in Südafrika sind schon vielfach
Zebras eingespannt, sowohl allein, als auch zusammen mit Pferden und mit Maultieren.
Zum Reiten allerdings ist es bisher noch nicht verwendet worden, aber das ist auch nur
eine Frage der Zeit, denn alle Eigenschaften, ein Reittier zu werden, besitzt es und
wenn es erst einmal durch mehrere Generationen hindurch im Dienste des Menschen
steht, wird man ihm auch den Sattel auflegen können.


Ausser dem Vorzug, einst in Afrika das Pferd zu ersetzen, hat es doch auch vor
allen den, dass es ganz frisches Blut in die von uns schon domestizierten Einhufer
bringen kann, ein Vorteil für die weitere Entwicklung der Einhufer, der von Züchtern
gewiss erkannt wird.


Jeder Jäger hat das Gefühl, wenn er das Zebra vor sich sieht, dass es Schade
um dasselbe ist, nur im Wildbret von ihm Nutzen zu ziehen.


Die Stärke, Gewandtheit, Zähigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen das Klima,
die es in seiner Heimat besitzt, sind bekannt. Ich würde auch, hätte ich diesen Aufsatz
vor zwei Jahren geschrieben, hinzugefügt haben: die Schnelligkeit. Diese aber kann ich
ihm im Vergleich mit den andern Einhufern nicht mehr zusprechen, nachdem ich es im
Jahre 1899 zu Pferde oft gehetzt habe. Die Schnelligkeit muss ihm erst durch den
Menschen angezüchtet werden, wie ja das Pferd im Dienste des Menschen auch erst das
Traben gelernt hat.


Das wilde Pferd und das Zebra, oder besser alle Einhufer, traben wohl ab und
zu einige Schritte im ersten Ansatz zur Fortbewegung, aber ihre natürliche Gangart für
längere Strecken ist es nicht, das ist nur der Galopp.


Ich habe sehr häufig Zebras angebirscht, beobachtet und zu Pferde gejagt, sehr
selten aber eins geschossen, denn ich bin ihm häufig nur gefolgt, um es zu beobachten
und mich an dem prächtigen Tier zu ergötzen. Viele Tausende von Zebras
habe ich gesehen, viele Hunderte schussgerecht gehabt, aber nicht mehr als fünf erlegt,
eben weil es mir widerstand, das wundervolle Geschöpf nur auf die Höhe des Jagd-
wildes zu stellen.


Die Heimat des Zebra beginnt im Osten in Abessinien, es kommt durch ganz
Ostafrika und den Süden, soweit es dort noch nicht ausgerottet ist, vor und geht im
Westen bis nahe an den Quandsa-Fluss nach Norden hinauf, es bewohnt also noch die
portugiesische Kolonie Benguela.


Im Norden scheint es sich im allgemeinen mehr dem Esel, im Süden mehr dem
Pferde zu nähern. Das südlichste, pferdeähnlichste, das Quagga, ist schon von den
Buren und englischen Jägern ausgerottet.


Das Zebra liebt natürlich als Einhufer grosse, weite, freie Bewegung gestattende
Ebenen, geht aber auch in die Berge, ja ins Gebirge, sogar in lichte Wälder, es muss
aber im allgemeinen doch als ein Tier der freien Steppe bezeichnet werden.


In den Ebenen des Kilima Ndjaro habe ich Herden beobachtet, die sicher über
fünfhundert Köpfe zählten, vielleicht an tausend. Die Bewegungen solcher Riesenrudel
[]

Figure 41. Sichernder Zebrahengst.


[139]Zebra-Jagd.
erinnerten etwas an das Exercieren grosser Kavalleriemassen; bei Schwenkungen
suchte immer der äussere Flügel in der denkbar schnellsten Gangart die neue Front
herzustellen.


Weiter südlich habe ich nur Trupps bis zu höchstens 50 Stück gesehen und in
Südwestafrika in noch geringerer Anzahl, obwohl ich glaube, dass sie sich auch hier
zeitweise zu grossen Trupps vereinigen.


Der grimmigste Feind des Zebra scheint der Löwe zu sein und der Grund
hierfür mag der sein, dass sie beim ersten Erscheinen des Feindes so kopflos werden,
dass das grosse Raubtier sich schon auf ein Stück geworfen hat, bevor sich die Herde
zur Flucht entschliesst.


Kleinere Raubtiere, und ich glaube sogar der Wildhund, wagen sich nicht an
das Zebra, denn die Hengste, die die Familie leiten oder auch überhaupt im Trupp
anwesend sind, gehen ihrem Feinde, ausser dem Löwen, zu Leibe und kämpfen mit
Zähnen und Hufen so tapfer, dass ein geringeres Raubtier als der Herr der Steppe kaum
Chancen hat.


Das Zebra benimmt sich dem Feinde gegenüber genau so wie alle wilden Ein-
hufer, auch die halbwilden Pferdeherden in Asien, von denen man heute immer noch
die hübsche Fabel in Bildern sieht, wie sich die Tiere im Kreise, den Kopf nach innen
gerichtet, aufstellen und, wie im Carré stehend, durch Ausfeuern nach hinten sich vor
ihrem Feind schützen.


Wie diese Fabel entstanden, ist mir unerklärlich; vielleicht dadurch, dass der
Hengst bei nahender Gefahr Stuten und Fohlen zu einem dichten Trupp zusammentreibt,
um seine Untergebenen und Schutzbefohlenen besser im Auge haben und verteidigen
zu können. Dies thut er, indem er direkt auf den Feind losgeht und ihn mit den
Vorderhufen oder dem zermalmenden Gebiss angreift.


Unter sich kämpfen die Zebrahengste auch oft sehr heftig und bringen sich ganz
respektable Bisswunden bei. Dem Menschen sind sie aber vollständig ungefährlich; selbst
krank geschossen oder in die Enge getrieben denken sie nie an Widerstand. Nur als
ich zu Pferde Zebras verfolgte, stellte sich einmal einer kamptbereit, aber wahrscheinlich
nur meinem Pferde gegenüber.


Es giebt wohl kaum ein schöneres Wild in der Wildnis als ein Rudel Zebras,
in welcher Verfassung es auch immer sei. In der Ruhe und vom Feinde unbehelligt,
sind die Tiere doch immer in lebhafter Bewegung. Die Fohlen spielen um die Stuten
herum, die Hengste schmeicheln oder necken die Stuten oder kämpfen im Spiel oder
Ernst untereinander.


Es scheint, als seien sie sich mit Stolz ihrer Kraft und Schönheit bewusst und
üben und zeigen dieselbe zu ihrem eigenen Vergnügen oder um von dem andern Ge-
schlechte bewundert zu werden.


Ein aufgeschrecktes Rudel — sei es, dass es anfangs mit gespitzten Ohren und
weit geöffneten Nüstern durcheinander trollt und sichert, bevor es flüchtig wird, sei es
in der Flucht selbst, wenn es in buntem Durcheinander dahinfliegt, hochaufbäumend
oder hinten ausschlagend — bietet immer ein entzückendes Bild stählerner Kraft,
ungebundener Wildheit und spielender Lust am Probieren der Stärke der Muskeln
und Sehnen.


18*
[140]Zebra-Jagd.

Obwohl man diese Wildpferde häufig gesellig mit Straussen, Gnus und Harte-
beestern zusammen äsen sieht, so trennen sie sich in der Flucht doch sofort von diesen.
Sie sind munterer wie anderes Wild, das am Tage mehr ruht und in die Dunkelheit
hinein äsend auf den Läufen ist. Das Zebra ist ein Wild des Tages und thut
sich bei Sonnenuntergang gern nieder. Seine Sinne sind scharf, schwer festzustellen
ist jedoch, welcher der drei schützenden Sinne, ob Auge, Witterung oder Gehör, am
schärfsten ist.


Die Stimme der Zebras ist kaum ein Wiehern zu nennen. Der kurz aus-
gestossene und sich häufig wiederholende Ton erinnert am meisten an das Bellen des
Hundes, manchmal ist er mehr jauchzend, dann wieder kürzer, markierter, abgerissener.


Die am weitesten nördlich vorkommende Art, die mit den feinsten schwarzen
Streifen gezeichnete und langohrigste, welche südlich vom Somalilande nicht mehr vor-
kommt, ist, wie ich schon vorher erwähnte, Eseln ähnlicher als ihre südlichen Verwandten
und hat dementsprechend auch eine ganz andere Stimme. Sie soll — ich weiss es nur
von anderen Jägern — geradezu brüllen können wie der Wildesel. Dieser laute, durch-
dringende Ton ist bei uns daheim vom Esel nicht bekannt. Ich habe ihn hauptsächlich
von den edlen Eseln der Araber in Aegypten, Arabien und Ostafrika gehört und häufig
Eingeborene, die das Langohr noch nicht kannten, vor dem Gebrüll die Flucht
ergreifen sehen.


Als ich bei meiner ersten Durchquerung Afrikas von Westen kommend den
Tanganika-See überschritten hatte, sah ich das erste Zebra in der Wildnis und erlegte
es auch nach langem mühsamen Anbirschen. Diese Jagd ist mir wegen des Gebahrens
zweier Adler fest in der Erinnerung haften geblieben; langsam kroch ich auf Knieen
und Händen heran, was bei dem kurz abgebrannten Gras, von dem noch verkohlte
dicke, harte Stoppeln am Boden standen, sehr beschwerlich war, und hatte meine ganze
Aufmerksamkeit auf die Zebras vor mir gerichtet, als ich plötzlich dicht über mir ein
Rauschen hörte. Ein Schatten fuhr über mich dahin und ich fühlte den Luftzug von
den Flügelschlägen eines grossen Adlers, der dicht über mir dahin schoss und dem
gleich darauf ein zweiter folgte. Die Räuber der Luft kreisten dann über mir und
sausten über mich dahin, so dass mir der Gedanke kam, ob ich nicht lieber das Gewehr
gegen die mächtigen Raubvögel wenden sollte. Offenbar hielten sie mich für ein krankes
Wesen, das mühselig über den Boden kroch und für ihre Fänge eine willkommene
Beute sei.


Erst als ich auf das Zebra schoss, das unterm Feuer zusammenbrach, über-
schlugen sich die beiden Adler vor Schreck und strichen dann eiligst davon.


Das Zebra war auf einen Halsschuss in sich selbst zusammengebrochen.


Später schoss ich einmal ein Zebra auf nur wenige Schritte. Bei dieser Gelegen-
heit habe ich zum erstenmal gesehen, dass Neugierde ein Wild alle Vorsicht vergessen
liess. Da ich auch vielfach gelesen hatte, dass man Wild dadurch zu sich heranlocken
könnte, dass man seine Neugierde erregte, habe ich nachher öfters den Versuch gemacht,
auf diese Weise zu Schuss zu kommen, es ist mir aber nur selten gelungen.


Häufig haben mich Zebras lange Strecken begleitet, fortwährend ihre Auf-
merksamkeit mir zuwendend, aber meist haben sie dabei eine sichere Entfernung mit
grosser Vorsicht innegehalten.


[]
Figure 42. Flüchtige Zebras.

[141]Zebra-Jagd.

In Südwestafrika jagte ich das Zebra oft zu Pferde und war gleich bei dem
ersten Ritt erstaunt, wie langsam dasselbe im Vergleich zu anderem Wild war, denn es
blieb zurück, wenn es kurze Strecken zusammen mit diesem flüchtig wurde. Meist
liessen mich die Zebras in Südafrika schon im Anreiten sehr viel näher heran als anderes
Wild, und wenn sie sich dann zur Flucht wandten, wurden sie von mir in wenigen
Minuten eingeholt.


Ich muss allerdings zugeben, dass die Flucht niemals eine energische war und
dass die Zebras, wenn ich erst dicht an sie heran kam, sehr viel schneller wurden als
vorher, wo sie, durcheinander galoppierend, springend und ausschlagend, noch nicht ihr
ganzes Trachten auf schnelles Fliehen gerichtet hatten. Aber selbst dann, wenn man
ihnen zuletzt ansah, dass sie alles daran setzten, um davon zu kommen, waren sie doch
an Schnelligkeit meinem Pferde bei weitem nicht gewachsen.


Einstmals kam ein kleines Rudel von ihnen über eine weite Ebene langsam
direkt auf mein Lager zugezogen, das aus meinem Zelte und meinen beiden Ochsen-
karren bestand.


Seitwärts grasten meine 20 Zugochsen und sechs Pferde. Ich war besorgt, dass
mir die Zebras meine Reitpferde entführen würden, was häufig vorkommen soll und
welche Freude mir bald darauf auch von Gnus beschert wurde. Deshalb sprang ich
rasch auf meinen bereits gesattelten Schimmel, um dem Wilde entgegenzureiten.


Jetzt wurden die schönen Einhufer flüchtig und ich jagte hinterdrein. Als ich
in kurzer Zeit bis auf sechzig Schritte herangekommen war, fing mein Pferd, wie es das
häufig in der Erregung der Jagdlust that, laut zu wiehern an. Sofort wurde der Gruss
des Verwandten von dem am weitesten rückwärts galoppierenden Zebrahengst beant-
wortet und von nun an folgten sich unausgesetzt Frage und Antwort von beiden Seiten.


Ich verhielt mein Pferd, um das Vergnügen der Hetze länger zu haben, und so-
fort blieb der Hengst und bald darauf auch sein Rudel stehen, äugten nach mir zurück,
wurden wieder flüchtig, hielten abermals und so fort, bis ich endlich den schönen Tieren
bis auf dreissig Schritte nahe kam.


Da machte plötzlich der Hengst Front gegen mich und schlug mit dem Vorder-
fuss den Boden. Zehn Schritte vor dem in seiner Wut geradezu wundervollen Wild-
pferde hielt ich an, sprang ab, und noch immer stand der Prachtkerl da, die Ohren
angelegt und mit dem Huf drohend den Boden schlagend, bis ich nach einiger Zeit die
Büchse hob und das herrliche Bild im Pulverdampf verschwand.


Merkwürdig, so gern mein Schimmel dicht an die flüchtigen Verwandten heran-
ging, so wenig er sich sonst vor erlegtem Wild scheute, so war er doch durch nichts an das
erlegte Zebra heranzubringen. Es schien, dass ihm die Witterung des Schweisses dieses
Verwandten Furcht einflösste, wie es vorher bei keiner andern Wildart der Fall ge-
wesen war.


Das Wildbret des Zebras ist besser wie das Fleisch des Pferdes, wenn es auch
einen süsslichen Geschmack hat.


Die schöne Haut ist ja bekannt genug; die eines ganz jungen Fohlen wegen
seiner Farbenreinheit wohl eine der schönsten Decken, die ich kenne.


Aus dem Hufe machen die Eingeborenen häufig Fingerringe, aus dem Schweif
Fliegenwedel. Auch habe ich hie und da die Haut des Kopfes und des oberen Teiles
[142]Zebra-Jagd.
des Halses mit der aufrecht stehenden Mähne und den Ohren als Kopfbedeckung bei
den Eingeborenen gesehen.


Die Mähne wird vielfach der Länge nach in einem schmalen Streifen aus der
Decke herausgeschärft und als Schmuck getragen oder zur Verbrämung von anderen
Häuten benutzt.


Das gelbe Fett verwenden die Eingeborenen als Heilmittel und schreiben ihm
eine besonders kräftige Wirkung zu.


Wie wenig kommen aber alle diese Vorteile in Betracht gegen den Nutzen, den
uns das wundervolle Wildpferd bieten könnte, wenn wir es zähmen.


Ich hoffe, dass die heutigen Versuche, die unter andern auch in Deutsch-Ostafrika
gemacht werden, sich bald mehren werden und würde es für einen Fortschritt von
weittragender Bedeutung halten, wenn wir erst in unseren Kolonien mit leichten Zebra-
gespannen, statt wie jetzt auf dem Rücken des Esels, die grossen Entfernungen zurück-
legen könnten.



[]
Figure 43. Kämpfende Zebrahengste.
[[143]]

Afrikanische Elefanten.

[figure]


Heute, geduldiger Leser, begleitest du mich wieder nach einem der abgelegensten
Punkte unseres Planeten.


Es war im Jahre 1883, in dem noch das Centrum Afrikas auf den Karten durch
einen grossen weissen Fleck sich hervorthat, als ich, den Kontinent durchquerend,
ziemlich im Centrum des schwarzen Weltteiles von Osten nach Westen, von Norden
nach Süden gerechnet, zum erstenmal mit dem Riesen der Tierwelt, dem Elefanten,
Bekanntschaft machte und zwar in wenig angenehmer Weise.


Westlich der grossen Lebensader Aequatorial-Afrikas, des Kongo-Lualaba,
zwischen diesem und seinem Nebenfluss, dem Lomami, dessen weiterer Lauf damals
noch nicht festgestellt war, schliessen sich an den gewaltigen centralafrikanischen Ur-
waldkern Wildnisse an, die immer noch durch ihre üppige Flora fast undurchdringlich
genannt werden können, wenn sie auch nicht solches Riesenwachstum, wie das des
Urwaldes selbst hervorbringen. Noch für viele Jahrzehnte hin kann ich dem Jäger die
Möglichkeit, auf das grösste Wild der Welt zu jagen, in Aussicht stellen.


Die weiten Urwaldländer, die durch die finstere Beschreibung Stanleys bekannt
sind, in die auch ich einmal auf 14 lange Tage hindurch eintauchte, ohne während
dieser Zeit die Sonne durch das dichte himmelhohe Blätterdach gesehen zu haben,
werden dem Elefanten noch viele Jahrzehnte einen Schutz gewähren vor dem durch das
wertvolle Elfenbein und den edlen Sport angelockten Jäger.


In diese Urwälder dem Elefanten zu folgen, ist noch fast ausgeschlossen, und
Jahrhunderte wird es dauern, bevor die Axt des kulturbringenden Menschen jene finsteren,
stillen, kellerartig dunklen, feuchten Wildnisse lichtet.


Wie schon erwähnt, trifft man an der südlichen Grenze dieses Urwaldgebietes
noch häufig die Fährte des Elefanten. Auch er verlässt gern einmal den finsteren
[144]Afrikanische Elefanten.
Wald und nascht zur Zeit der Reife die süssen Früchte der Dum-Palme, die nicht im
dichten Urwald wächst.


Auf einem Marsche, der in wenig bevölkerter Gegend und infolgedessen auf
wildverwachsenen Steigen für meine armen Träger sehr anstrengend war, passierten wir
eines Tages ganz frische Fährten eines acht Stück zählenden Elefantenrudels. Da der
in Aussicht genommene Lagerplatz nicht mehr weit war, sandte ich meine Leute voraus
und machte mich mit meinem Koch, dem treuen Angolaneger Humba und zwei Ein-
geborenen, die uns als Führer dienten, auf die Fährte.


Wer nie in tropischen Gebieten durch die Wildnis streifte, weiss nicht, was es
heisst, vom Wege abzugehen. Fast jeder Schritt will erst erkämpft werden gegen zähen
Widerstand leistende Lianen; dichtes, starkes Gras, das durch an demselben hoch-
kriechende Winden zu einer filzigen Masse verbunden ist, erschwert Schritt für Schritt
das Vorwärtskommen, das nur durch anstrengenden Gebrauch des Bowiemessers erkämpft
werden kann.


Wo die Eingeborenen nicht durch alljährliches Inbrandstecken der Graswildnis
wenigstens für die Vernichtung des vorjährigen, mächtig aufgeschossenen Graswuchses
sorgen, da ist überhaupt derselbe so dicht und fest und filzig, dass man, sich mit der
Last des Körpers dagegen werfend, nicht imstande ist, den Boden zu berühren, sondern
wie von einer federnden Decke zurückgeworfen wird.


Zum Glück übernahm den grössten Teil der Arbeit des Vorwärtsdringens durch
die Wildnis mein braver Reitstier, der kräftige, schwarze „Maluko“, der mich schon
Hunderte von Meilen durch die afrikanische Wildnis getragen hatte und ein mutiges Tier
war, das die Witterung keines grossen Wildes aus der Fassung brachte. Hatte er sich
doch einmal losgerissen und, bei Nacht aus dem Lager ins Freie stürmend in einen
dicken Busch einbrechend, nach der Fährte zu rechnen, einen sehr starken Leoparden
oder eine Löwin unter wütendem Gebrüll in die Flucht geschlagen.


Eine Elefantenfährte erleichtert allerdings die Passage durch die Wildnis, und
es sind deshalb auch die Elefantenwechsel in den grossen Urwäldern die Strassen, auf
denen die Familien der Zwergvölker, der Bewohner dieser Urwälder, ihre Wanderungen
machen. Es ist erstaunlich, wie ein Elefant unter einem gestürzten Baumstamme hindurch-
kriechen wie er steile Hänge erklettern und weiches Gelände mit grosser Sicherheit
passieren kann.


Zurück jetzt zu meiner Fährte.


Bald kamen wir an einen riesigen Termitenbau, in dessen Wänden ein Elefant
seine mächtigen Waffen, die Stosszähne, poliert hatte. Es musste ein gewaltig alter
Waldrecke gewesen sein, denn die Löcher, in welche die mächtigen Zähne eingedrungen
waren, hatten fast eine Handspanne Durchmesser.


Bald darauf erzählte uns das Studium der Fährte, dass einer der Dickhäuter eine
Liane gefasst hatte und mit ihr weiter gewandert war, im Losreissen des zähen Ge-
wächses von den Bäumen und Niederreissen kleiner Bäume seine gewaltige Kraft versuchend.


Dann kamen wir an einen von sumpfigen Boden eingefassten Bach, in dessen
über mannshohem, üppigem Kraut- und Blätterwuchs die Tiere eine kolossale Ver-
wüstung angerichtet hatten. Am Hange des Ufers fanden wir ein ovales, tiefes Loch
in den Boden gestampft. Hier hatte sich ein alter Bulle lange Zeit damit vergnügt, den
[]

Figure 44. Afrikanische Elefanten.


[145]
Afrikanische Elefanten
Fuss in den feuchten Boden tief hineinzustampfen, und das Geräusch beim Herausziehen
aus dem nassen Lehm hatte ihn scheinbar unterhalten. Ich sage eines alten Bullen, denn
das erzählte die Fährte. Die Sohle der Kuh ist runder, die des Bullen etwas ovaler
und bei weitem grösser, und die doppelte Peripherie der Fährte ist genau gleich
der Höhe des Widerristes des Elefanten. Da der Bulle das grösste Elfenbein trägt (der
Elefant ist erst mit zwanzig Jahren ausgewachsen, die Elefantenkuh trägt zwanzig Monate),
so ist es nach der Fährte leicht für den Jäger, seine Wahl zu treffen.


Die Fährte wurde nun immer frischer, die turmartigen Losungshaufen im Innern
immer wärmer, die Brüche der Zweige und Stengel immer saftiger — denn schnell ver-
trocknet in der heissen Sonne der Tropen der Bruch eines Halmes oder Stengels, und
ist daher dessen Frische ein Zeichen von kurz vorhergegangenem Bruch.


Nun traten wir auf eine Blösse, die mit Dum-Palmen bestanden war. Es war
die Zeit der Fruchtreife, und rings um die Bäume sahen wir die Fährten und Zeichen
an den Stämmen: Krusten des Schmutzes, von dem Schlamm herrührend, mit dem sich
gerne die Elefanten gegen schmerzende Insektenbisse schützen.


Hier hatte sich ein Tier, sein riesiges Gewicht gebrauchend, mit der Schulter
an einen Baum gelehnt, um ihn zu schütteln und die Früchte zu gewinnen, dort hatte
es ihn mit dem Rüssel zum selben Zwecke umfasst.


Zu nicht geringem Aerger eines uns begleitenden Eingeborenen hatte auch einer
hinaufgereicht nach dem Ansatze der Krone einer Borassus-Palme und dort die Kalabasse,
die zum Volllaufen mit dem begehrten Palmwein angebracht war, herabgerissen. Ob
er den süssen Inhalt derselben kannte und das Gefäss ausgetrunken hatte, war nicht fest-
zustellen. Die Scherben des zertrümmerten Gefässes lagen weit umher.


So ist stets die Fährte des aus einer anderen Welt noch zu uns überkommenen
Dickhäuters voll von Interesse für den aufmerksamen Jäger.


Den Bach wieder aufwärts führte uns die Fährte in hohes Schilfgras, und wir
hörten unweit vor uns in dem Holze brechen. Ich stieg aus dem Sattel, und wir
schlichen behutsam vorwärts. Nichts regte sich, und als wir einige hundert Schritte
zurückgelegt hatten, gab ich meine schwere Büchse, die in der Tropensonne und der
dichten Wildnis zu tragen eine ungewohnte Arbeit ist, einem der Eingeborenen, der
hinter mir ging.


Die Leute meinten, Affen seien die Urheber des Geräusches gewesen. Es teilte
sich die Fährte, wie schon öfter vorher. Ich folgte der der grösseren Zahl des Wildes,
und mein Koch, der nur seinen Mauserkarabiner trug, der andern.


Plötzlich schrie hinter mir der Eingeborene: „Ngelu“ (Elefant), machte kehrt,
warf meine Büchse weit von sich und entfloh. Ich sah in die Höhe und gewahrte
10 Schritte vor mir den mächtigen Kopf eines Elefanten, der mit den grossen seitwärts
abgespreizten Ohren etwas Ueberwältigendes hat. Die starken, weissen Stosszähne hoben
sich hell von der dunklen Masse ab.


Im selben Augenblick fiel von der Richtung, in der mein Koch vorgegangen
war, also hinter dem vor mir stehenden Wild ein Schuss. Mit einem durchdringenden,
schmetternden Trompetenschrei brach der Riese vor mir auf mich los. Ich sprang
seitwärts und suchte mich, so gut es das hohe, wild verwachsene Gras erlauben wollte,
durchzuarbeiten, denn ich war, abgesehen von meinem Jagdmesser, waffenlos.


v. Wissmann. 19
[146]Afrikanische Elefanten.

Mit fürchterlichem Prasseln stürzte die bergartige Masse meines vis à vis bei mir
vorbei, der noch ein anderer Elefant seitwärts folgte. Ich hatte mich nicht schnell
genug fortarbeiten können, um auch ihm den Weg frei zu machen und verspürte
plötzlich einen Hieb in den Nacken, dass mir das Blut aus Mund und Nase drang, mir
dunkel vor den Augen wurde und ich eine weite Strecke vorwärts geschleudert ins hohe
Gras stürzte.


Rings um mich her war ein Prasseln und Brechen, als wenn die ganze Wildnis
vernichtet würde.


Ich hatte die Besinnung nicht verloren. Noch dicht vor mir tobte eine dunkle
Masse vorüber, ihm folgend eine zweite, so dicht bei mir, dass die niedergetretenen
Halme und Ruten des Gebüsches auf mich niederschlugen. Dann entfernte sich das
Geräusch immer mehr und mehr, und bald wurde es still.


Jetzt arbeitete ich mich aus meiner wenig stolzen Lage auf, suchte zunächst
das Blut zu stillen und rief, mich des Schusses erinnernd, den Namen meines Koches.
Nichts antwortete. Ich rief zum zweitenmal: „Humba“ und zum drittenmal. Da brach
noch dicht bei mir, aber verdeckt durch das hohe Gras, ein Elefant, der in meiner
Nähe gestanden hatte, durch nach einer anderen Richtung. Jetzt ging ich, Böses ahnend,
nach der Stelle und fand meinen Koch in einer grossen Lache Blutes bewusstlos liegen.
Beide Rückenmuskeln waren ihm wie von einem scharfen Messer durchgeschnitten. Er
kam, als ich seinen Kopf ihm hochhob, zu sich und schrie beteuernd, er sei tot.


Nach langem Rufen erschienen auch die beiden tapferen Führer, die sich hoch
in die Zweige naher Bäume geflüchtet hatten, jedoch ohne mein Gewehr, das ich erst
später, nach langem Suchen, fand. Ich liess meine Begleiter Wasser holen, um die
Wunden meines Koches zu waschen, verband mit Stücken meines Hemdes den Mann,
so gut es gehen wollte und ritt voraus zum Lager, um schnell Leute mit einer Tragbahre
zu senden, die den Kranken spät am Abend ins Lager brachten.


Zum erstenmal in meinem Leben war ich regelrecht — ich finde keinen anderen
Ausdruck — verprügelt worden, ohne die Schmach rächen zu können. Natürlich ward
von da ab mein Eifer, an einem Elefanten mich zu revanchieren, umso lebhafter. Aber
lange sollte es dauern, bis mir dazu Gelegenheit ward.


Wohl sah ich auf dieser Reise noch zwei- oder dreimal Elefanten, konnte aber
nie zu Schuss kommen. Endlich, auf meiner zweiten Reise in Afrika, als ich den
letzten noch unbekannten grossen Fluss, den mächtigen Kassai, den grössten Nebenfluss
des Kongo erforschend, stromabwärts ging, wurde mir Gelegenheit zur Rache. In einem
Stahlboot und 20 meist selbsterbauten Kanoes fuhr ich wochenlang auf dem Strom
zwischen enormen Urwaldwänden, die unserem Auge alles Tierleben verbargen, strom-
abwärts, dann erweiterte sich der Fluss, viele Sandbänke und Inseln bildend, allmählich
bis zu der Breite von mehr als 7 Kilometern. Ein anderes Bild boten jetzt die Ufer:
nur hier und da noch Urwald-Parzellen, sonst flache, mit Gras und Schilf bedeckte Ufer
oder breite Sümpfe, die sich vom Fluss noch viele Meilen weit ins Land erstreckten.
War bisher die Grossartigkeit der stillen Urwaldufer fast ermüdend gewesen, ihre Stille
nur unterbrochen hier und da von dem Geschrei grosser Flüge des grauen Papageis,
so war jetzt Leben, wohin das Auge reichte, übermässiges Leben einer Wildnis, in die
der Mensch, ja selbst der wilde Eingeborene kaum gedrungen war.


[147]Afrikanische Elefanten.

Flusspferde lagerten in Herden bis zu 80 Stück, sich sonnend, auf den Bänken,
oder tummelten sich spielend auf den Inseln, scheussliche, grosse Echsen, mächtige
Krokodile zwischen ihnen, stets aber dicht am Wasser, in das sie sich auf die erste
Beunruhigung mit enormer Muskelkraft hineinschnellten. Ich kann wohl unbeanstandet
sagen: Millionen von Vögeln, die aus dem Wasser und dem Sumpf, von den Ufern,
aus den Lagunen, aus dem Schlamme und aus dem Sande ihre Nahrung holten, bedeckten
die Wasserwildnis.


Pelikane in stolzer Ruhe, viele Arten von Störchen, wie Soldaten aufgereiht auf
einem Bein am Strande stehend, weisse und bunte Reiher im seichten Wasser auf und
ab stolzierend, Nachtreiher, sich aufgeschreckt von einem Busch des Ufers zum andern
schwingend, Strandläufer, Schnepfen, Rallen, Ibisse und Scharben, der bis zum Hals
eingetauchte Schlangenhalsvogel, grosse Flüge wilder Enten und Gänse in vielen Arten,
das alles pfiff und klapperte, schrie und kreischte durcheinander, das alles sonnte sich,
lauerte auf Nahrung, badete im Sande oder duckte sich und eilte schnell ins Schilf, wenn
über ihnen ein stolzer Adler seine Kreise zog, auf leichte Beute hier in diesen dichten
Massen von Leben lauernd.


Unbeschreiblich ist der Eindruck, der sich dem Europäer beim Passieren solcher
Fülle von Leben aufdrängt.


Hier und da standen kleinere Büffelrudel an den ihnen so beliebten, Suhle
spendenden, sumpfigen Ufern; der Behemot, das massige Flusspferd mit seiner wie aus
einer mächtigen, tiefen Tonne hervorklingenden, dröhnenden Stimme, ein Elefant, der
dort am Ufer stand, das alles rief mir den Eindruck hervor, als wenn ich in eine weite
Wildnis, die in vorgeschichtlicher Ruhe liege, eingedrungen sei.


Schon seit vielen Tagen hatten uns die Eingeborenen, die in mir den ersten
Weissen sahen, wenn wir Lebensmittel kaufen wollten, mit Pfeilen oder Speeren ab-
gewiesen. Sie waren gewohnt, dass jeder Fremde in feindlicher, räuberischer Absicht
kam, und ich war daher betreffs der Verpflegung der mich begleitenden zweihundert
Neger in grosse Verlegenheit gekommen.


Gleich am ersten Tage in der oben beschriebenen Wasserwildnis schoss ich zwei
Flusspferde, deren Erlegung es mir ersparte, in den Dörfern der Eingeborenen mit
Gewalt fouragieren zu müssen, oder das von den Flüchtigen Zurückgelassene zu nehmen,
um nicht zu verhungern.


Bald aber sollten wir der Sorge der Nahrung mit einem Schlage für lange Zeit,
für Monate enthoben sein.


Als ich in meinem Stahlboot, stets der Kanoe-Karawane voraus, um eine Gras-
insel biegend einen Flussarm weit hinabsah, fesselte mich ein grossartiges Bild. Ein
Rudel von elf Elefanten stand mitten im Strom, bis an den Bauch im Wasser, sich
badend, sich mit dem Rüssel durch Ausprusten des aufgesogenen Wassers abspritzend
und sich offenbar in dem kühlenden, erfrischenden Nass sehr wohl fühlend. Rüssel und
Ohren waren, als wenn eine lebhafte Unterhaltung mit reichen Gesten im Gange sei,
in stetiger komischer Bewegung.


Ein Schrei der Ueberraschung und Freude der in den nachkommenden Kanoes
Befindlichen machte die unangenehm überraschten und gestörten Dickhäuter aufmerksam,
und in weiten Schritten die Fluten hoch aufspritzen machend, strebten sie dem rechten
19*
[148]Afrikanische Elefanten.
Ufer zu. Doch unbegreiflich; bevor sie dasselbe erstiegen und unbehelligt flüchten
konnten, machten sie wieder kehrt, um abermals den Flussarm zu durchschreiten. Jetzt
war ich, da meine Ruderer mit allen Kräften sich in die Riemen legten, dicht heran und
trieb gerade auf einen starken Elefanten los. Ich stand im Bug des Bootes mit meinem
schweren Doppelachtbohr, bei dem ich schon die Erfahrung gemacht hatte, dass jeder
Schuss im Boote mich niederwarf, denn die zehn Gramm Pulver der Ladung verlangen
für den Schützen einen sichereren Standpunkt als die beweglichen Planken eines leichten
Fahrzeuges.


Ich feuerte nach dem Ohr des Kolosses und stürzte rückwärts in die Arme
meiner Ruderer, erhob mich wieder, um zu sehen, dass meine Kugel zu weit nach hinten
in dem oberen Hals sass, und dass nun die Elefanten dem Ufer zu flüchtig wurden.
Jetzt warf ich mich ans Steuer und brauchte kaum meiner Bootsbesatzung zuzurufen,
dass sie reissen sollten an den Riemen, was ihre Kraft erlaube, um vor den Elefanten
das Ufer zu gewinnen und ihnen den Weg abzuschneiden. Vorwärts flog mein gutes
Stahlboot; kurz bevor der Bug aufs Ufer lief, schoss eines der flachen, leichten Kanoes,
die ich in den eben bestandenen Gefechten den wütenden Bakuba abgenommen, am Ufer
lang, kam gerade vor mein Boot und wurde von demselben mitten durchgeschnitten,
zum Glück im flachen Wasser. Mein Boot rannte hoch aufs Ufer, in Sprüngen waren
wir heraus und nach kurzem Lauf an einem vielleicht 3 m hohen, steilabfallenden Ufer,
wo jetzt die Elefanten angekommen waren und hinaufzuklimmen suchten.


Auf den ersten Schuss warf ich auf kaum 3 m Entfernung den vorher von mir
angeschossenen Koloss verendet ins flache Wasser zurück — und was dann erfolgte, ist
kaum zu beschreiben. Es war — zu meinem Bedauern muss ich es bekennen — keine
Jagd mehr, es war ein Schlachten. Bis auf vier Stück, die leider schwer krank zwischen
uns durchbrachen und das Weite suchten, erlagen in kurzer Frist die sämtlichen An-
gehörigen des Rudels.


Die mich begleitenden Europäer waren unterdessen herangekommen, und die
Schwarzen, die fast alle mit Gewehren bewaffnet waren, unterhielten ein Schnellfeuer
auf die armen Dickhäuter; allerhand Geschosse, selbst grobes Schrot, das ich für die
während der Nacht beim Lager wachenden Leute als Ladung anbefohlen hatte, schlugen
dem erschreckten Wild entgegen. Das wilde, wüste Durcheinander, das Knattern der
Gewehre wie in einem hitzigen Gefecht legte sich allmählich, und zweihundert schwarze
Gestalten bemühten sich im flachen Wasser, die mächtigen gefallenen Tiere jubelnd ans
Ufer zu befördern und dort zu zerwirken und zu zerlegen.


Zum Glück kann ich behaupten, dass wohl kaum ein Kilogramm aller dieser
Massen von Wildbret verloren ging.


Natürlich lebten alle Neger zunächst in Saus und Braus, denn Fleisch ist die
höchste Delikatesse für sie. Dann aber gab ich meinen Leuten zwei Tage Zeit, um in
der Nacht durch Feuer — bei Tag durch das Feuer von unten, durch die glühende
Sonne von oben — das Fleisch zu trocknen.


Sämtliche Kanoes waren fast überladen mit dem trockenen Fleisch von sieben
Elefanten und zwei Flusspferden. Wir brauchten jetzt nicht mehr für unsere Nahrung
mit den Eingeborenen zu kämpfen. Noch Monate später kauften wir mit dem begehr-
testen Handelsartikel in Afrika, trockenem Fleisch, süsse Kartoffeln, Mais, Hirse u. s. w.


[149]Afrikanische Elefanten.

Wir Europäer aber sassen am Abend dieses wilden Tages beim Diner. Auf
unserer Tafel prangte zunächst eine kräftige Elefantenschwanzsuppe, der zart durch-
wachsene Rüssel war gekocht, ein Stück des inneren Filet und das mit feingehacktem
Fleisch gestopfte Herz gebraten. Selbst die Milch einer gefallenen Elefantenmutter hatten
wir gleich nach dem Tode des Tieres versucht, bei derselben aber einen so scharfen
Chlorgeschmack gefunden, dass wir als Getränk zu unserem sonst so üppigen Mahle
gelbes Kassaiwasser vorzogen, denn von anderen Getränken der Civilisation war schon
lange keine Rede mehr, und Palmenwein oder Hirsebier der Eingeborenen, wie wir es
immer gerne getrunken hatten, war wegen der Feindseligkeit der Uferbewohner nicht
zu haben.


Noch eine ganze Strecke fuhren wir in dieser unglaublich wildreichen Gegend
dahin. Am nächsten Morgen passierten wir ein Rudel von einigen achtzig Flusspferden,
bald darauf kreuzten wieder dicht vor uns dreizehn Elefanten unseren Flussarm, aber
wir überwanden uns und — das möchte ich doch mit einem gewissen Stolz hervor-
heben — wir kämpften unseren Jagdeifer nieder, denn wir hatten, hingerissen von dem
Moment, schon zu toll in dem Reichtum der Natur gewüstet. Es wurde von nun ab
bis zum Kongo, wo meine Aufgabe erfüllt war, kein grösseres Stück Wild mehr
geschossen.


Schon die Nacht nach der oben beschriebenen Jagd brachte mir Gewissensbisse
über die wilde „Schlacht“, die zu hindern allerdings wohl kaum in meiner Macht ge-
legen hätte.


Es war um Mitternacht, als wir plötzlich durch Töne geweckt wurden, die
geradezu zum Herzen gehend waren. Es war das in mächtig tiefen Tönen ausge-
drückte Klagen eines Elefantenrudels, das von unserem Lager her den Wind bekommen
hatte von den erlegten und zerlegten Tieren. So traurig war in der Stille der nächt-
lichen Wildnis dieses Klagen, dass ich noch lange daran erinnert wurde.


Dies waren die beiden wildesten Erlebnisse, die ich während der langen Zeit
meines Aufenthaltes im schwarzen Kontinent mit dem Riesen der Tierwelt, dem Elefanten,
zu verzeichnen hatte.


[[151]]
Figure 45. Sinai-Steinbock.

Steinböcke.



Für den Jäger ist wohl alle Tage Jagdtag,
nicht aber Schiesstag. Ich bitte daher den Leser,
um ihn mit einem seltenen Wild bekannt zu machen,
die Erzählung meiner Jagden auf den Stein-
bock anzuhören, wenn sie auch nur von geringen Erfolgen be-
richten kann.


Wir steigen heute in der Erinnerung auf zu den höchsten
Gipfeln verschiedener Gebirge, dem Standort des Wildes, das mich
so viele karg belohnte Mühe gekostet hat, des Steinbockes. Nicht vom europäischen
oder besser gesagt Alpensteinbock, der nur noch in den Jagdgründen des Königs von
Italien*), in den wilden Gebirgen des Monte Rosa lebt, will ich berichten, sondern von
drei anderen Arten der Familie, dem Sinai-Steinbock, dem Altai-Bock und einem, der
in den Gebirgen, die die weiten Wüsten und Steppen Turkistans im Süden begrenzen,
lebt und meiner Ansicht nach derselbe ist, den wir Himalaya-Steinbock nennen.


Zunächst möchte ich im allgemeinen erwähnen, dass die Behauptung, der Stein-
bock lebe nur in den allerhöchsten Lagen der Gebirge über dem Gebiete der Wild-
schafe, die ebenfalls niemals in die Waldgürtel hinabsteigen, nicht zutrifft.


Dass er nur ausnahmsweise die nackten, steinigen, baumlosen Höhen verlässt,
ist sicher; dass er aber mit den Wildschafen in denselben Gebieten steht, ja, wenn der
Rothirsch, wie er es in den Gebirgen Asiens thut, über die Waldgrenze hinaufsteigt,
diesem begegnet, habe ich selbst gesehen.


Es ist weniger die Höhe, die seinen Aufenthalt bedingt, als die Bewachsung des
Bodens, weil seine Hauptäsung Pflanzen sind, die nur in den offenen, steinigen Ge-
birgen und auf fast nackten Hängen zu finden sind.


Wo die Hänge der Gebirge aus irgendwelchem Grunde unbewaldet sind, steigt
der Steinbock auch viel tiefer als bis zur Waldgrenze herab. In Europa thut er dies
aber, wo wir ihn zu beobachten Gelegenheit haben, aus dem Grunde nicht, weil er so
verfolgt wird, dass ihn die Klugheit lehrt, nur die unzugänglichsten Höhen zu halten.


Geistig steht der Steinbock vielleicht über den Wildschafen, den Mitbewohnern
der höchsten Spitzen der Gebirge der alten Welt, und muss ein kluges,
[152]Steinböcke.
vorsichtiges Wild genannt werden. Sein Witterungsvermögen ist ebenso scharf wie
sein Gehör und Gesicht. Die Schärfe dieser Sinne teilt er gleichmässig mit den Wild-
schafen, die ich in Asien kennen gelernt habe, aber er besitzt viel mehr Urteilskraft und
Ueberlegung als jene.


Wenden wir uns zunächst zu dem zierlichsten und elegantesten der ganzen
Familie, dem Steinbock des Sinai, dem Beden der Araber, der nicht nur die ganze
Sinai-Halbinsel, sondern auch alle Gebirge Arabiens, vom Mittelmeer bis hinab nach
Maskat und Hadramaut bewohnt.


Sein Kopfschmuck ist sehr viel schwächer, aber eleganter geschwungen und der
Körper zarter, gazellenähnlicher als der der Steinböcke nördlicher Gegenden, die alle
mehr kräftig gedrungen sind und deren Riese der Alpensteinbock ist.


Nur der abessinische Steinbock, Wali, ist an Schönheit dem Beden zu ver-
gleichen, er ist ihm ja auch, wie schon nach dem Verbreitungsgebiet erklärlich, am
nächsten verwandt.


Als ich im Jahre 1883 von meiner ersten Durchquerung des damals wirklich
noch recht dunkeln Weltteiles zurückkehrte, traf ich in Aegypten den hochseligen
Prinzen Friedrich Karl von Preussen, der im Begriffe war, das Sinai-Gebirge zu
besuchen, und hatte die Ehre, von ihm zur Beteiligung an dieser Reise befohlen zu
werden.


Ich bitte den Leser, mir auf die sattelartige Einsenkung zwischen den beiden
höchsten Bergen des steinigen Arabien, den Gebl el Mussa und Gebl el Horeb, zu
folgen, wo sich das bekannte russische Kloster schon in manchem Strauss gegen
raubende Araberhorden gehalten hat.


Dicht an den Mauern des Klosters, das dort erbaut sein soll, wo der gewaltige
Moses die zehn Gebote empfing, war unser Zeltlager errichtet.


Der Prinz war der erste, der, nur von seinem Leibjäger und einem
Beduinenjäger begleitet, hinaufstieg in die wilden Hänge des Mosesberges, um den Stein-
bock zu jagen.


Auf einer anstrengenden, den ganzen Tag währenden Klettertour kam der Prinz
leider nicht zu Schuss und gab, da er, von der grossen Seltenheit des Wildes überzeugt,
sich keinen Erfolg versprach, das weitere Jagen auf.


Wir traten den Marsch von den höchsten Höhen des Gebirges abwärts nach
Norden an durch wilde Felsenschluchten, die, wie ein uns begleitender Beduine ver-
sicherte, den Steinbock noch in grosser Anzahl beherbergen sollten.


Als ich eines Morgens die Absicht bekundete, den Versuch zu machen, ob ich
nicht doch noch auf einen Steinbock zu Schuss käme, gab mir auch der Prinz einen
seiner Jäger zur Begleitung mit und ein alter Beduinenjäger führte uns.


Nach seinem Beispiel — er trug nur weiche Ledersandalen an den Füssen —
wählte ich weiche Zeugschuhe zum Aufstieg, während der Jäger des Prinzen leider stark
beschlagene Gebirgsschuhe trug, die schon von vornherein durch das Geräusch, das sie
beim Klettern hervorriefen, das Misfallen des Führers erregten.


Nach einstündigem Aufstieg gewahrte der Beduine hoch über uns auf einem scharfen,
zackigen Felsgrat einen sichernden Bock und sagte uns, dass es der Wachtbock eines Rudels
Steinwild sei. Mit unbewaffnetem Auge konnten wir gar nichts, mit dem Glas aber nur
[]

Figure 46. Steinbock.


[153]Steinböcke.
zwei schräg auseinander stehende Zacken erkennen, das Gehörn des Bockes, das sich
vom Felsen gegen den dunkelblauen Himmel in der reinen, klaren Höhenluft abhob.


Wir waren etwa 7000 Fuss hoch und fanden an Stellen, an die die Sonne nicht
herankam, Eis und hartgefrorenen Schnee.


Jetzt hiess es mit gutem Wind und geräuschlos über nackten Fels und Geröll
an das Wild heranzukommen.


Der Wachtbock stand unbeweglich, nur ab und zu wurden aus den zwei feinen
Linien des Gehörns eine, wenn er sichernd den Kopf nach der Seite wandte. Der
Führer meinte, das Rudel müsse seitwärts an den Hängen äsen, zu sehen war aber
nichts; ist doch der Steinbock, wenn er unbeweglich sitzt, selbst auf nahe Entfernung
nicht zu erkennen, so sehr gleicht die Farbe seiner Decke der des Felsens.


Mit vieler Mühe, jedes Geräusch vermeidend, stiegen wir hinan, der Beduine sich
häufig warnend an den Jäger wendend, der mit seinen schweren Schuhen sich doppelt
abmühen musste, geräuschlos vorwärts zu kommen.


Schweisstriefend, trotz der scharfen, frischen Höhenluft, kamen wir wohl bis auf
300 Schritte ans Wild heran. Noch stand der Bock an derselben Stelle und hie und
da konnten wir auch zwischen den Steinen sich etwas bewegen sehen — die anderen
Stücke des Rudels, die sich auf die Wachsamkeit des Postens ganz verliessen.


Der Beduine glaubte, wie häufig die Eingeborenen, dass wir Europäer
auf unglaubliche Entfernungen schiessen können, und forderte mich zum Schiessen
auf. Ich aber war der Meinung, dass das Wild noch länger aushalten würde, und
bewog ihn dazu, mich noch weiter aufwärts nach einem Felsblock hinzuführen, den
wir gedeckt erreichen und von dem ich einen bequemen Schuss auf ungefähr 150 m
abgeben konnte.


Fast waren wir schon an dieser Stelle angekommen, als plötzlich einige Steine
unter den schweren Schuhen des Jägers hinabrollten. Erschreckt sprang der Beduine
seitwärts aus der Deckung und ich folgte ihm, um gerade noch den stolzen Bock in
voller Flucht auf dem scharfen Felsgrat dahin flüchten zu sehen.


Rollendes Gestein an vielen Stellen bewies, dass das ganze Rudel dem
Führer folgte.


Die ganze schwere Arbeit des Aufsteigens und die heftigen Schmerzen von dem
ungewohnten Steigen auf scharfen Felsen in dünnen Zeugschuhen, alles war umsonst
gewesen. Zum Aufsuchen eines anderen Rudels war es zu spät, und da der Prinz für
den nächsten Tag schon den Weitermarsch tiefer hinab, wo kein Steinwild mehr stand,
angeordnet hatte, so war die Möglichkeit, den stolzen Steinbock Arabiens zu er-
legen, dahin.


Nur noch zierliche Gazellen, der listige Schakal und ein über den Weg huschen-
der Luchs wurden gesehen, nichts aber von den seltenen Bewohnern der Sinai-
gebirge erlegt.


Machen wir jetzt einen weiten Sprung aus den bei Tag glühend heissen, bei
Nacht eisig kalten, nackten Schluchten des arabischen Gebirges in die Felsenwildnisse
des centralsten asiatischen Gebirges, des Altai.


Auch der Steinbock dieser Berge steht fraglos an Stärke des Gehörns und an
Körpergewicht den übrigen der gemässigten Zonen nach.


v. Wissmann. 20
[154]Steinböcke.

Noch in den Vorbergen des Altai machte ich einen Ausflug von meinem Lager
aus, um den Steinbock, der unweit der Poststation, bei der ich lagerte, einen bevorzugten
Stand haben sollte, zu jagen.


Man sieht hier, dass nicht die Höhenlage, sondern die übrigen Lebensbedingungen
den Standort des Tieres bedingen, denn die Berge, in denen wir den ersten Versuch
machen wollten, erreichten kaum 4000 Fuss Höhe.


Nach einem schweren Aufstieg am Nachmittag schlugen wir für die Nacht das
Lager an einer Stelle auf, die so entzückend wildromantisch war, dass ich mir den
Versuch nicht versagen kann, sie mit einigen Worten zu beschreiben.


Tief unten in einer von steilen Wänden eingefassten Schlucht lag ein kleiner
Quellsee von tiefblaugrüner Färbung, der wie ein Smaragd aus dem einfassenden Gestein
hervorleuchtete.


Die schmalen Ufer waren von mächtigen, dunklen Fichten bekränzt, zwischen denen
noch hie und da Schnee liegen geblieben war, an den die Sonne nicht heranzukommen
vermocht hatte. Fast senkrecht türmten sich nach allen Richtungen, ausser nach dem
Abfluss des kleinen Sees, wohl tausend Fuss hohe Felswände auf.


Aber hoch oben, wo wir in Bewunderung versunken standen, stürmte es so
stark, dass sich die mächtigen Fichten unter dem Druck des Windes beugten, während
unten alles still und ruhig dalag, und das reizende kleine Felsenloch sah so verlockend
aus, dass wir die Mühe des Hinabsteigens nicht scheuten, um einen so lieblich liegenden
geschützten Lagerplatz zu finden. Aber der mühselige Abstieg wurde nicht nur durch
die wunderbare, zauberhaft schöne Lage des in tiefen Farbentönen prangenden blau-
grünen Sees reichlich belohnt, sondern auch durch den Schutz, den uns die lauschige
Ecke in der Wildnis gewährte, denn in der Nacht wurde es so kalt, dass ich, weil ich
nach vieljährigem Aufenthalte in Afrika etwas verwöhnt war, in meinem einfachen
Tropenzelt fast erfror. Ich habe nie im Leben wieder so geradezu schmerzhafte Kälte
empfunden, obgleich ich alles, was herbeizuschaffen war, über meine Wolldecken auf-
türmte, um etwas Wärme zu erlangen.


Hätten wir oben im Sturm unser Lager aufschlagen müssen, so kann ich mir
kaum eine Vorstellung machen, wie ich dem Erfrieren hätte entgehen können.


Am nächsten Morgen war der See mit vier Finger starkem Eis bedeckt, wir
hatten mindestens 15° Kälte gehabt, eine Temperatur, die für den Unvorbereiteten, wenn
auch noch so Abgehärteten bedenklich ist, denn wir hatten, als wir vom Lager auf-
brachen, auf solche Kälte nicht gerechnet und uns nicht vorgesehen.


Doch zurück zur Jagd.


Es dauerte fast bis zum Mittag, bis ich mich durch alle nur denkbaren Mittel
soweit wieder aus einem Eiszapfen in einen Menschen verwandelt hatte, dass ich zur
Jagd aufbrechen konnte.


Wir stiegen in einer weiten Schlucht, die von gewaltigen, aber sanften Hängen
eingefasst war, aufwärts. Drei- bis viermal sahen wir seitwärts an den Hängen auch
Steinwild, jedoch in solcher Entfernung, dass an Schiessen nicht zu denken war, und
stets so freistehend, dass auch von vornherein nicht an Anbirschen gedacht werden konnte.
Auf dem Rückwege, als ich noch nicht die Büchse hochgehabt hatte und schon
wieder tief herabgestiegen war, flüchtete, als ich gerade einen Wall zusammengewehten


[155]
Steinböcke.

Schnees passierte, ein Rudel Steinwild mit zwei Böcken dicht vor uns vorüber, aber so
schnell, dass ich kaum vom Pferde springen und zur Büchse greifen konnte, als es auch
schon verschwunden war.


Also auch dieser Ausflug blieb erfolglos.


Später endlich, im Bereich des Riesen unter den Wildschafen, des Ovis amon,
traf ich zum ersten Mal ein Rudel Steinwild so an, dass ich es beobachten konnte.
Leider waren sämtliche zehn Stücke des Rudels starke weibliche Tiere und junge Böcke,
die noch nicht höher aufhatten, als 3—4 Finger hohe Zacken. Das Wild war durchaus
nicht schön, fast plump gebaut, überraschend klein und in den Decken rauh und
struppig, so dass es einen minderwertigen Eindruck machte, wie denn überhaupt nur
der Bock eine schöne Erscheinung ist und auch dann nur, wenn er sichernd steht oder
flüchtig abgeht, denn sitzend ist er zu viel Ziege und zu wenig Wild. Zweifellos steht
der Altai-Steinbock allen übrigen an Körpergewicht nach.


Ich kam an das Rudel heran und schoss, als es Wind von mir bekam und ganz
plötzlich und auffallend schnell entschlossen flüchtig wurde. Ich suchte mir in aller Eile
das stärkste Stück heraus, sah, dass ich nicht gefehlt hatte und folgte ihm, da es über
eine mit Schnee bedeckte Höhe flüchtete und unserem Auge schnell entschwunden war.


Eine starke Schweissfährte auf dem Schnee brachte uns sehr bald an ein weib-
liches Stück heran, dem noch dazu das eine Horn gebrochen war. Erlegt, d. h. leblos,
ist dieses Wild sogar hässlich und unansehnlich und die Kalmückenjäger, die mich be-
gleiteten, wollten nichts vom Wildbret wissen und behaupteten, dies sei so zähe, dass
es kaum geniessbar sei.


Zwei Tage suchte ich noch in derselben Gegend nach Steinwild, kam noch
zweimal an Rudel weiblichen Wildes heran, schoss aber nicht, da kein Bock dabei stand,
dessen Gehörn einen Schuss wert gewesen wäre, bis ich endlich am Abend des zweiten
Tages in einer Schlucht, an der wir entlang ritten, tief unter uns Steinwild sah und in
demselben auch zwei Böcke zu erkennen glaubte, die ausgewachsen schienen.


Es war schon spät am Nachmittag und vielleicht nur noch zwei Stunden
Büchsenlicht, so dass wir uns beeilen mussten, denn nur mit Hilfe meiner Jäger konnte
ich hoffen, zu Schuss zu kommen. Ich blieb oben am Rand der Schlucht und die Jäger
ritten, einen grossen Umweg nehmend, um das Wild nicht zu vergrämen, hinab, um
mir das Steinwild, das meist aufwärts flüchtet, wie fast alles Bergwild, zuzudrücken.


Trotzdem ich hoch über dem Wild nur ganz vorsichtig am Rande des Abfalles
entlang den Bewegungen desselben folgte, schien es mir doch, als ob es, besonders die beiden
Böcke, Wind von mir bekommen hätte, denn sie sicherten mehrfach misstrauisch aufwärts.


Der Wind war leider nicht stetig, und es war auch die höchste Zeit, dass tief
unten meine Treiber erschienen, denn schon neigte sich der Tag zum Abend. Bald
wurde das Wild nach abwärts aufmerksam und zog, leider nicht gerade auf mich zu,
sondern schräg aufwärts von den Treibern weg. Ich musste, um dem Rudel den Weg
abzuschneiden, oben folgen. Offenbar hatten die Steinböcke doch das erste Misstrauen
nicht ganz vergessen, denn sie hielten sich stets vom Rande der Schlucht so fern, dass
ein Schuss unmöglich war. Jetzt kam aber vor ihnen eine fast steil abfallende Schlucht
und jetzt mussten sie entweder nach oben, dem Rande zu, flüchtig werden, oder
bergab, was sie niemals thun.


20*
[156]Steinböcke.
Figure 47. Sibirischer Rehbock.

Und so kam denn das Rudel in
voller Flucht heran, zahllose Steine
unter ihren Schalen abwärts schleudernd.
Leider war es schon so dunkel, dass
ich nicht mehr recht die Böcke unter-
scheiden konnte, besonders da sich das
Wild fortwährend durcheinanderschob,
wenn einige Stücke abwärts sichernd
stehen blieben, während die andern
vorbei flüchteten.


Trotzdem ich mit aller Anstrengung
im Laufen den Bewegungen des Wildes
oben gefolgt war, musste ich doch auf
etwa hundert Meter Entfernung vom
Wild niederknieen, als das Rudel den
Rand des Abhanges betrat und ohne
sich aufzuhalten die Flucht fortsetzte.
So gelang es mir nicht mehr, da schon
das Tageslicht fast geschwunden
war, den richtigen Bock heraus-
zufinden.


Ich musste froh sein, wenn
ich überhaupt noch zu Schuss
kommen wollte, aber ich schoss
und sah ein Stück zusammen-
brechen. Als ich hin-
zukam, war es leider
ein junger Bock mit
einem nur ungefähr
eine Spanne langen
Gehörn.


Dies war das letzte
Mal, dass ich auf den
Jagden im Altai Stein-
wild sah, denn da die
Zeit drängte, um zu
rechter Zeit weiter
unten im Gebirge zur
Brunft des Hirsches zu
kommen, musste ich
die nackten Höhen,
wo der Steinbock und das Wildschaf steht, verlassen. Noch einmal am Südrande der
endlosen Steppen Turkistans in der Nähe der südlichsten Stadt Sibiriens, Werni, in dem
Gebirge, das die Steppe von dem schönen Issik-Kul trennt, sah ich einen Steinbock und
[157]Steinböcke
zwar einen viel stärkeren, der, soviel ich ausmachen konnte, der Himalayasteinbock zu
sein schien.


Schon am frühen Morgen hatte ich die Stadt verlassen und gegen Mittag einen
Rehbock geschossen, dessen Gehörn mir mehr wert war, als hundert Kopfzierden des
Steinbockes, denn es war das beste Gehörn, das ich in Sibirien erbeutete, ein ungerader
Zwölfer, dessen 35 cm hohe Stangen in hakenförmig stark gebogene Enden auslaufen
und das fast damschaufelartig flach gewachsen ist.


Ich schoss den Bock beim Abtreiben einer Dickung, als er einen schwindelnden
Abhang abwärts flüchtig wurde, eine Flucht, wie ich sie einem Rehbock niemals zu-
getraut hätte und wie sie einem Steinbock alle Ehre machen würde. Es ist auch wohl
nur das starke Rehwild der asiatischen Gebirge, das solche Leistungen aufweisen kann.


Glücklich über meine Beute, setzten wir, obgleich wir fürchten mussten, einen
Marsch bei tiefer Dunkelheit nach dem Lager machen zu müssen, in sehr schwierigem
Gebirgsgelände die Jagd fort. Da stand, als wir eben um den Grat eines scharfen
Rückens bogen, vor uns auf einer weit vorspringenden Felsenkanzel ein Steinbock in
einer Stellung, wie man sie nicht schöner auf einem Bilde sieht. Scharf hob er sich
gegen den klaren Abendhimmel ab mit seinem kräftigen, knotigen Gehörn, mit seinem
langen, stark entwickelten Ziegenbart, ein prächtiges Bild sicherer Kraft.


Alles war günstig, der Wind und das Gelände, und ich glaubte schon mit aller
Bestimmtheit, diesen Tag als einen der erfolgreichsten Jagdtage meines Lebens feiern
zu können.


Die Entfernung betrug gegen 400 m. Ich stand noch überlegend, wie der Fall
anzufassen sei, da plötzlich, ganz ohne gestört zu sein, machte der stolze Bock kehrt,
stieg ruhig von der Kanzel nach der Felswand zurück und verschwand unseren Blicken.
Ich versuchte zwar noch weiterzubirschen und heranzukommen, denn da er nicht ver-
grämt war, so musste er an der dünn bewachsenen Wand stehen. Aber trotz aller
Vorsicht und Geduld, war nichts zu finden, obgleich ich bis zum Aufhören des Büchsen-
lichtes birschend lautlos die Gegend absuchte. Der prächtige Bock war und blieb ver-
schwunden, und ich musste am nächsten Tage meinem vorangereisten Begleiter folgen.


So bestand die ganze Beute bei der Jagd auf den Steinbock in drei verschiedenen
Gebirgen Asiens in einem weiblichen Gehörn, das noch dazu verletzt war, und dem eines
jungen Bockes, das kaum als männliches Gehörn zu erkennen ist.


Aber immerhin habe ich das schöne, stolze Wild gesehen und beobachtet und
den Genuss gehabt, die eigentümliche kühne Sicherheit, Gewandtheit und Kraft, die im
Steinbock so hervorragend ausgezeichnet ist, zu bewundern.


Einer der Gründe, dass ich nicht glücklicher in meinen Jagden war, ist wohl
der, dass die Eingeborenen, Jäger und Führer, das Steinwild weniger kennen als anderes
Wild und deshalb ihre Massnahmen nicht so zum Ziele führen; denn der Eingeborene
macht sich aus dem Wild nicht viel. Die Haut hat keinen Wert, das Wildbret ver-
achtet er und das Gehörn wirft auch nichts ab, denn in jene Gegenden ist der Sammler
noch nicht gedrungen. Das Steinwild bringt also seinem Verfolger kaum einen Vorteil
und dabei ist die Jagd schwer und mühsam.


[[159]]

Das Nilgai und ein Jagdfrevel
in Indien.

[figure]


Vom Nordosten Vorderindiens reiste ich ziemlich
niedergeschlagen wegen meiner geringen Jagderfolge in
Indien nach Bombay zurück, um heimzukehren. Ich
hatte geglaubt, mich nach einer zweijährigen anstrengen-
den Aufgabe in Afrika auf einer Jagdfahrt in Indien erholen zu
können, war aber bitter enttäuscht, denn ich war zur unrechten
Jahreszeit gekommen, die Hitze gab im Frühjahr in Indien der
der Nyassaländer, von denen ich eben kam, nichts nach.


Bevor ich nach Achmet-abad, einer der grossen Stationen der
Bahn Bombay-Delhi, reiste, durchflog ich auf dem Schienenweg die
äusserste Ecke des im Nordwesten Vorderindiens liegenden, ziemlich wildreichen, sonst
aber fast wüstenähnlichen Gebietes, welches dann ganz in die nordwest-indische Sand-
wüste übergeht.


Aus dem Kupee fortwährend die Gegend nach Wild absuchend, gewahrte ich
ein Tier, das ich noch niemals, selbst nicht in europäischen Gärten gesehen hatte, näm-
lich das Nilgai oder Nilgao, eine grosse Antilope, die zoologisch in ihrer Zwischen-
stellung interessant, eigentlich ein auf dem Planeten ganz für sich allein dastehendes
Geschöpf ist.


Das grosse, schlanke, etwas giraffenartig überbaute Tier hat leider nur ein sehr
schwach entwickeltes Gehörn, zieht aber doch das Auge des Jägers durch seine eigen-
tümliche Figur, Grösse und Färbung an.


Ich möchte nicht gerade sagen, dass man diese Antilope besonders edel nennen
könnte, doch ist sie in ihren Bewegungen auffallend und macht auf jeden sofort den Ein-
druck, dass es ein Wild ist, an dem man neue Beobachtungen machen kann.


[160]Das Nilgai und ein Jagdfrevel in Indien.

Der Bock, der sich durch grössere Schwere von dem Tier unterscheidet, hat,
wenn er so weit ausgewachsen ist, dass er in seiner vollen Kraft steht, eine dunkel-
blaugraue Decke.


Das giraffenartig Ueberbaute und der giraffenartig lange, schmale Kopf mit den
auch nur mit denen der Giraffe zu vergleichenden, schönen, grossen, dunklen Lichtern
lassen mir das Nilgai als den indischen Vertreter des genannten grossen, schönen Wieder-
käuers in Afrika erscheinen.


Das weibliche Wild, welches kein Gehörn trägt, ist herrlich rehbraun, weniger
hoch im Widerrist und infolge dessen schöner und eleganter gebaut.


Obgleich ich mir meines Gesundheitszustandes wegen keine grossen Strapazen
zutrauen durfte, konnte ich es doch nicht über mich gewinnen, den Versuch zu unter-
lassen, an das Wild heranzukommen. Ich unterbrach deshalb meine Reise nach der
Küste in Achmet-abad und liess mir durch den Verwalter des Fremden-Bungalo alle Leute
holen, die bekannt als Steppenjäger oder -Führer waren.


Nach kurzer Unterhandlung schloss ich mit einem Muhamedaner ab, der mir
versprach, mich in einem Tage, ohne dass ich draussen in der Steppe zu übernachten
brauchte, auf Nilgaiwild zum Schuss zu bringen.


Schon am selben Abend kam mein Führer mit drei Reitkamelen und einem
Begleiter an, übernachtete beim Bungalo, und da es Mondlicht war, bestiegen wir noch
bei Nacht das Schiff der Wüste und ritten in scharfer Gangart in der Richtung nach
Nordwesten zur Stadt hinaus.


Die Gegend wechselte zwischen Akaziensteppe und etwas lebhaftere Farben zeigenden
Niederungen, die in der Nähe der Stadt von Vieh- und Schafherden bevölkert waren.
Je weiter wir ritten, je steiler und unbewohnter, aber auch trockener und öder wurde
die Gegend, und jetzt hielten wir Umschau von dem hohen Rücken der Dromedare, ob
sich nirgends Wild zeigte.


Das scharfe Auge meines Führers erkannte zuerst einige Gazellen, deren auf-
fallend rote Decke wie die des Rehes bei uns im frühen Sommer sich von dem matten
Gelbrot des Sandes und dürren Laubes abhob.


Es war leicht, bei günstigem Wind und von niedrigem Akazienbuschwerk gedeckt,
heranzukommen und den einzigen, aber alten starken Bock des Rudels durch einen
Blattschuss niederzulegen. Ich hatte schon weiter im Norden bei Agra diese zierliche,
leichte Gazelle (Benetti) geschossen, die dort mit der indischen Antilope zusammen die
Ebene bevölkert.


Aber der Schuss brachte mir mehr ein, als nur den guten Bock, denn wieder
im Sattel, gewahrten wir ein Rudel Nilgai-Wild, das wahrscheinlich durch den Schuss
hochgemacht war und erhobenen Hauptes sicherte, aber, als alles still blieb, bald zu äsen
begann. Es war ein alter, dunkler, blaugrauer Bock, ein junger Bock, der noch ein
bräunliches Mausgrau als Farbe der Decke zeigte, und ein rehgelbes weibliches Stück
Wild mit einem schon fast ausgewachsenen Kalb oder Schmaltier.


Da der Wind gut stand, so wurde das Wild durch das aus der Kehle rauh aus-
gestossene „Ch“, mit dem wir die Reitkamele zum Niederlegen aufforderten, nicht ge-
stört, und ich konnte meinen Plan zum Anbirschen ausführen. Ich hatte, der Stärke des
Wildes entsprechend, meine 577-Expressbüchse mitgenommen, vergass aber, was ich
[]

Figure 48. Nilgai.


[161]Das Nilgai und ein Jagdfrevel in Indien.
als alter Jäger beschämt gestehen muss, ausser den beiden Patronen im Lauf, noch
weitere Munition einzustecken, als ich mich von meinen Begleitern trennte.


Als ich bis auf zweihundert Schritte ans Wild heran war, das zwischen niedrigem
Akaziengebüsch das magere, hellgelbe Gras abäste, hatte ich fast eine halbe Stunde Zeit,
in aller Ruhe die mir neue Antilopenart zu beobachten, denn der Wind war stetig gut,
ich lag gedeckt und in der ganzen Zeit hatte sich kein einziges Mal der alte Bock, der
am weitesten von mir abstand, zu einem guten Schuss hingestellt.


Wo auch immer ich Abbildungen dieses Wildes gesehen habe, hatte man es
miteinander spielend gezeichnet. Es scheint also, dass das Nilgaiwild sehr rege und leb-
haft und immer miteinander beschäftigt ist. Auch ich ward zu meiner Freude Zeuge
kleiner Familienscenen. Sobald der junge Bock sich dem Wild zu sehr näherte, trollte
der alte blaugraue Familienherr heran und vertrieb den jüngeren, der sich, bevor er in
leichten Fluchten vor dem alten floh, stellte, als wenn er Widerstand leisten wollte.
Hierbei warf er sich in wunderlich harter Weise auf die Kniee und senkte das Haupt,
bevor der Gegner aber heran war, stand er schon wieder auf den Läufen und wich mit
kurzen Wendungen dem Anlauf desselben aus.


Dem Mutterwild schien das eifersüchtige Gebahren der beiden Bewerber viel
Spass zu machen, denn während sie sich jagten und bedrohten, machte auch das Tier
aus Vergnügen wunderliche Kapriolen und wurde dabei von seinem Kalbe in der
spassigsten Weise begleitet.


In solchem Liebesspiel äste sich das Rudel direkt auf mich zu und endlich bot
mir der Bock auf 150 Schritte das Blatt. Ich schoss, scheinbar leider ohne Wirkung,
denn nach kurzem Verhoffen wurde die Familie von mir ab flüchtig und schon sprang
ich auf, um enttäuscht noch meinen zweiten Lauf zu versuchen, als das Rudel sichernd
stehen blieb, Kehrt machte und jetzt direkt auf mich zu geflüchtet kam. Als ich unter-
dessen den abgeschossenen Lauf laden wollte, bemerkte ich zu meinem grössten Ver-
druss, dass ich keine Patronen mehr bei mir hatte. Der zweite Lauf musste es also
thun oder ich hätte meine Unvorsichtigkeit bitter büssen müssen.


In langen, weiten Fluchten kam auf nicht mehr als dreissig Schritte zuerst
das Wild mit seinem Kalbe an mir vorüber, dann der alte Bock. Ich riss die
Büchse an die Backe, zog ab und sich fast überschlagend brach der Bock im Knall zu-
sammen und zeigte durch Schlagen mit den Läufen an, dass er im Verenden war.


Der junge Bock, der zuletzt gefolgt war, wandte sich, erschreckt vom Schuss
und dem Sturz seines Gefährten, nach links hin und flüchtete ins Weite.


Jetzt kamen meine Führer mit lautem Jubelgeschrei angelaufen und vertrieben
das weibliche Wild mit dem Kalbe, das nach einer Flucht von 3—400 Metern verhalten
hatte und nach dem Bock zurückäugte.


Als wir unsere Beute, die sicher an Gewicht einem guten Wapitihirsch gleich-
kam, aufgebrochen hatten, versuchten wir, unsere Kamele an den Bock zu führen, um
ihn aufzuladen und dann zurückzureiten, denn es war inzwischen fast Mittag geworden
und die Sonne brannte schon mit glühenden Strahlen auf die Steppe nieder. Aber es
gelang uns nicht einmal, die Kamele heranzubringen, geschweige denn, ihnen den Bock
auf den Rücken zu legen und eins riss sich sogar los, wurde flüchtig und konnte
erst nach einstündiger Bemühung wieder eingefangen werden.


v. Wissmann. 21
[162]Das Nilgai und ein Jagdfrevel in Indien.

Es war also mit den Kamelen nichts zu machen und wir bedeckten daher das
erlegte Nilgai, so gut es ging, mit Buschwerk und sandten den Sohn meines Führers
nach dem nächsten Dorf, von wo er einige Leute und ein sicheres Kamel holen und den
Bock nach der Stadt schaffen sollte. Wir selbst aber ritten auf einem andern Wege
nach einer bewohnten Gegend, um unsern Hunger in einem dem Führer bekannten
Dorfe mit Milch und Eiern zu stillen.


Von den freundlichen Eingeborenen wurden wir noch nach einer andern Gegend
hin verwiesen, wo wir mit Sicherheit Nilgai und auch Samburwild treffen sollten.


Nach kurzer Ruhe legten wir auf unsern schnellen Dromedaren eine bedeutende
Strecke zurück und machten in einer bei weitem besser bewachsenen Gegend an der uns
als wildreich angegebenen Stelle Halt.


Ich beschloss jetzt zu Fuss zu weidwerken, denn das Gelände war so wenig frei
und übersichtlich, dass ich keine Aussicht vom Rücken des Kamels hatte. Wir ver-
abredeten, dass mein Führer meiner Fährte, die ich durch Knicken des Buschwerks
möglichst deutlich markieren wollte, langsam folgen sollte.


Immer dichter wurde das Gebüsch, ich kam auch an einige Wassertümpel, von
denen Reiher und anderes Flugwild, für das ich aber keine Waffe bei mir hatte, auf-
stand. Dann fand ich einen Flug von vier Pfauen. Ich wusste wohl, dass der Pfau,
in Indien halb Wild halb Haustier, den Eingeborenen als heilig gilt und es nicht erlaubt
ist, ihn zu schiessen, glaubte aber, dass in dieser unbewohnten Wildnis Rücksichten
nicht genommen zu werden brauchten und schoss mit der Büchse einen derselben, der
wunderbar schön im Gefieder war und selbst in diesem Fluge von lauter Hahnen
auffiel. Ich liess den Vogel in meiner Fährte für den mir folgenden Führer liegen und
ging weiter.


Plötzlich — der Boden senkte sich zu einem flachen kleinen Wassertümpel —
sah ich mich zwei Büffeln gegenüber, die mich, erstaunt und wütend über die Störung,
schnaubend ansicherten.


Im ersten Augenblick dachte ich an wilde Büffel, erinnerte mich jedoch, dass
der wilde Büffel in diesen Teilen Indiens nicht vorkommt und dass er — eigentlich
der einzige Unterschied von dem gezähmten — ein bei weitem mächtiger entwickeltes
Gehörn trägt.


Ich wollte mich abwenden, um den über meine Erscheinung erregten Tieren
auszuweichen. Das verstanden aber die beiden anders, sie scharrten den Boden, warfen
Staub und Erde in die Höhe und setzten sich in Galopp in der nicht zu verkennenden
Absicht, mich anzunehmen und zu forkeln. Sofort wurde mir klar, dass mir nichts
anderes übrig blieb, als mich meiner Haut zu wehren.


Ich war schon früher vor einer solchen Begegnung gewarnt, und es war mir
gesagt, dass zahme Büffel, die sich von einem Kinde der Eingeborenen leiten lassen,
nicht selten Europäern ernstlich zu Leibe gingen. Auch vorher hatten mich schon einmal
Hausbüffel, als ich auf einem Kamel ritt, in eine unangenehme Lage gebracht, sie hatten
meinem Reittier so zugesetzt, dass es, als es einige Stösse erhalten, die Flucht ergriff
und ich froh war, dass ich mich auf dem flüchtigen Tier so lange halten konnte, bis ich
es wieder zum Stehen brachte, denn es ist nicht leicht, auf einem durchgehenden
Kamel festzusitzen.


[163]Das Nilgai und ein Jagdfrevel in Indien.

Es blieb mir also nichts übrig, als meine Büchse an die Backe zu reissen und
den vordersten der beiden auf mich losstürmenden Büffel zwischen die Augen zu
schiessen. Wie vom Blitz getroffen brach er zusammen, der andere stutzte und stürmte
dann, seitwärts ausweichend und mit dem Schwanz die Flanken schlagend, davon.


Bald erreichte mich mein Führer, der schon ganz aufgeregt darüber war, dass
ich einen Pfau geschossen hatte und nun in noch viel grössere Erregung kam, als er
den erlegten zahmen Büffel liegen sah.


Seinem Rate folgend, sassen wir auf und ritten, so schnell uns unsere Tiere
tragen wollten zur Stadt zurück, natürlich nicht direkt, sondern auf Umwegen auf
betretenen Strassen.


Als ich ihn nach dem Grunde hiervon befragte, antwortete er mir, dass er die
verschiedenen Wege eingeschlagen hätte, damit uns die Eingeborenen, wenn sie den
erlegten Büffel fänden und den Frevler verfolgten, unsere Fährte nicht finden könnten.


Bis zum nächsten Morgen, wo ich meine Weiterreise antreten musste, war denn
auch kein Verfolger erschienen.


Ich gab nach Verabredung mit dem Aufseher des Fremdenhauses dem Führer
eine kleine Summe für eventuelle Requisitionen des Eigentümers des Büffels und verliess
nach einem Frühstück von sehr zarten wohlschmeckenden Nilgai-Steaks Achmet-abad.



21*
[]

Appendix A Anhang.



[[167]]
Buschbock.

Appendix A.1 Waffen-Ausrüstung des Jägers.



Unter dieser Ueberschrift sollen einige kleine
Episoden Platz finden, die den Jäger in fremden
Erdteilen — ich möchte den Ausdruck ge-
brauchen: „Weltjäger“ — interessieren dürften, und aus denen er teilweis auch wohl
Lehre schöpfen kann.


Zunächst sei erwähnt, dass man mit dem Gebrauch der ganz schweren Elefanten-
büchse, Acht- oder gar Vier-Bohr, vorsichtig sein muss, wenn man Unfälle, die häufig
vorgekommen sind, vermeiden will. Diese schweren Büchsen, die wohl nur auf Ele-
fanten und Nashorn verwendet werden, sind im Aussterben begriffen, denn mit den
neuen kleinkalibrigen Waffen mit Halbmantelgeschoss und rauchlosem Pulver erzielt der
Jäger selbst auf das schwerste Wild eine viel vernichtendere Wirkung als mit den alten,
schweren Elefantenbüchsen.


Ich muss sagen, dass ich das Ausscheiden dieser Gewehre in mancher Beziehung
bedauere. Einmal sind die meisten Jagderfolge auf Grosswild in den schönsten Jagd-
zeiten Afrikas mit dieser Büchse erzielt worden, sie ist jedem afrikanischen Jäger eine
liebgewordene Waffe, und dann zwang sie den Jäger auch, sich nahe an das Wild
heranzubirschen. Während man mit den neuen, rasanten Gewehren schon auf eine
Entfernung, wo man kaum die Riesen der Tierwelt erkennen kann, eine ziemlich sichere
Wirkung hat, musste man mit den alten Büchsen, deren Geschosse, von denen 8 oder 4
auf ein Pfund gehen, eine sehr geringe Rasanz hatten, dem grossen Wilde sozusagen
bis „unter den Bauch“, bevor man auf einen sicheren Schuss rechnen konnte; dann aber
war fraglos die Wirkung eine überwältigende. Sicherlich wurde mit jenen schweren
Büchsen nicht so viel grosses Wild zu Holz geschossen als heute.


[168]Waffen-Ausrüstung des Jägers.

Dass diese alten Arkebusen aber auch ihre Mucken hatten, mögen folgende Bei-
spiele zeigen:


Ich hatte einst am Südufer des mittleren Zambesi mit einem weissen Begleiter
und wenigen Negern einen Jagdausflug unternommen und marschierte eines Morgens
in recht wildreicher Gegend durch eine feuchte Niederung, in deren Mitte sich ein Sumpf
befand, der mit 3 bis 4 Meter hohen Schilf- und Sumpfpflanzen dicht bewachsen war.
Der Pfad, der um die Dickung führte, lief auf einer Stelle eine kurze Strecke durch
das Röhricht hindurch. Ich ging meiner kleinen Karawane weit voraus, nur von meinem
Gewehrträger begleitet, der meinen Doppel-Achtbohr trug, da wir kurz vorher auf Ele-
fantenfährten gestossen waren.


Als wir gerade in einem von den dichten Sumpfgewächsen gebildeten Tunnel
vorwärts schritten, hörte ich plötzlich dicht zu meiner Linken ein lautes Brechen, als
wenn ein schweres Wild auf die Läufe spränge, und gleich darauf stürmte irgend ein
Etwas, alles krachend vor sich niederwerfend, in direkter Richtung auf mich los und
stiess ein wütendes Gebrüll aus, wie ich es nie vorher in der Wildnis und nie wieder
nachher gehört habe. Die Macht desselben entsprach der Lunge des gewaltigen Behemot,
die heisere Wut, die sich in den Tönen ausdrückte, der Stimme des Löwen. Offenbar
war das Wild von mir aufgeschreckt und brach nun zornig in der Richtung auf den
Störenfried durch die dichtbewachsene Wildnis.


Von dem Angreifer war nichts zu sehen, denn eingeklemmt in den nur gerade
mannsbreiten, tunnelartigen Durchgang, konnte ich nicht einen Meter weit rechts oder
links das Dickicht mit dem Auge durchdringen.


Ich hatte auf das erste Brechen hin meinem Gewehrträger die schwere Büchse
entrissen und in der Erregung des Augenblicks beide Hämmer in die Höhe gerissen,
was ich sonst, durch frühere Unfälle belehrt, vermied. Wenn ich nicht niedergerannt
oder niedergeschlagen werden wollte, musste ich auf meinen unsichtbar auf mich los-
brechenden Gegner feuern, denn im Augenblicke, wo ich ihn gesehen hätte, würde ich
auch schon unter ihm gelegen haben.


Der ganze Vorfall vollzog sich in einem kleinen Teil einer Sekunde.


Ich riss die schwere Büchse an die Schulter und drückte ab. Ein betäubender
Knall dröhnte in meinen Ohren, ich wurde einige Meter zurückgeworfen und
mass der Länge nach die Erde, und meine Büchse flog in einem hohen Bogen über
mich hinweg.


Von dem betäubenden Stoss erwacht, hörte ich, dass der unsichtbare Feind mit
der wütend drohenden Stimme sich seitwärts prasselnd durch das Dickicht davonmachte.
Glücklicherweise hatte ich keine Verletzungen davongetragen, nur blutete ich stark aus
der Nase. Mein Gewehrträger war natürlich vom Kampfplatz verschwunden und schrie
jetzt ausserhalb der Dickung zeternd um Hilfe.


Als meine Leute ankamen, hatte ich mein Gewehr, das fast 20 Meter zurück-
geflogen war und bis an die Mitte der Läufe im Boden steckte, wieder aufgenommen.
Wie ich vermutete, waren beide Läufe zugleich losgegangen und die Gewalt der
20 Gramm Pulver hatte mich niedergeworfen, aber der fürchterliche Knall, vielleicht in
Verbindung mit der Wirkung der Geschosse, gleichzeitig auch bewirkt, dass mein un-
sichtbarer Feind aufgehalten und von mir abgelenkt war.


[169]Waffen-Ausrüstung des Jägers.

Aus dieser Geschichte geht hervor, dass man niemals bei diesen schweren Büchsen
beide Hämmer zugleich spannen soll, denn die Erschütterung beim Abfeuern ist so stark,
dass es nicht selten vorkommt, dass auch der andere Hammer die Feder überspringt
und beide Läufe sich zugleich entladen.


Doch zu meinem vorerwähnten unsichtbaren Feind zurück. Da ich mit Be-
stimmtheit irgend ein mächtiges Tier der Wildnis hatte flüchten hören, so untersuchte
ich zunächst die sumpfige Dickung, deren Grund aus zähem, festem, schwarzem Schlamm
bestand.


Da fand ich eine erstaunlich reichhaltige Karte, ich möchte sagen, fast der ganzen
Tierwelt Afrikas. Der Boden und die Jahreszeit waren so günstig, dass sich die Fährten
gut erhielten. Da stand neben der Spur eines starken Leoparden die breite, scharfe
Fährte des Büffelstieres, dort kreuzte sich die Fährtenreihe des vierhufigen Flusspferdes
mit der des dreizehigen Nashorns, und hier wieder waren wie kleine Fallgruben die
mächtigen, säulenartigen Läufe des Elefanten tief eingedrückt und zwischen diesen tiefen,
schweren Stapfen eine Anzahl grösserer und kleinerer Fährten von Antilopen, die langen
Schalen der Sumpfantilopen neben denen des Wasserbockes, die zierlichen, spitzen
Eindrücke der Zwergantilope neben den Spuren des Schakals und des Wildhundes, und
endlich auch die des Herrn der Wildnis.


Der dichte, wildverwachsene, feuchte Sumpf, der jedem Wilde Kühlung und
Schatten bot, schien für alles Wild ein beliebter und gesuchter Standort zu sein. Die
meisten Fährten waren so frisch, gingen so durcheinander, ja die ganze Niederung war
derartig zertreten und weiter in ihrem Innern aufgebrochen und durchfurcht, dass es
mir nicht möglich war, herauszufinden, wer von den vielen Besuchern dieses Erholungs-
ortes, über meine Störung empört, mich anzunehmen versucht hatte.


Mein europäischer Begleiter bestieg einen am höher liegenden Rande des Sumpfes
stehenden Baum und spähte von oben her in die Dickung. „Ha!“ rief er, „dort liegt
das Wild. Es ist ein Flusspferd, Nashorn oder Elefant, ich kann es nicht genau aus-
machen, sehe aber den mächtigen, schwarzen Leib unbeweglich liegen.“


Sofort wollten auf diese frohe Botschaft hin meine schwarzen Begleiter in das
Dickicht stürzen, um sich des Wildes zu versichern. Ich untersagte es aber, denn jeder
Mensch ist zweifellos in einem solchen sumpfigen, dichtbewachsenen Loch verloren,
wenn ein solches schweres, krankgeschossenes Wild noch so viel Kraft hat, um auf die
Läufe zu kommen und seinen Gegner anzunehmen.


Ich bat daher meinen Begleiter, einige Schüsse auf verschiedene Stellen des
schwarzen Körpers abzugeben, um sich davon zu überzeugen, ob das Tier verendet sei.
Als der Rumpf durch zwei Schüsse zu keiner Bewegung veranlasst werden konnte,
erlaubte ich den Leuten, ins Dickicht zu gehen, oder machte mich vielmehr selbst mit
ihnen auf, um den ungesehen gefällten Riesen zu besichtigen.


Wir wurden vom Baume aus bei unserem Vordringen durch den Sumpf ge-
leitet und befanden uns bald vor einem niedergestürzten, halbvermoderten Baumstamm,
in dem die zwei Versuchsschüsse meines Begleiters sassen, der den gefallenen Baum für
das verendete Grosswild gehalten hatte.


Weder Schweiss noch sonst irgend ein Anzeichen gab uns Hoffnung, dass der
unsichtbare Angreifer getroffen war.


v. Wissmann. 22
[170]Waffen-Ausrüstung des Jägers.

Besonders schwierig ist es, mit schweren Elefantenbüchsen aus dem Boot zu
schiessen, wie ich dazu auf meiner Kassai-Reise mehrfach gegen angreifende Flusspferde
und auch einmal auf Elefanten gezwungen war.


Man wird dann schon beim Schuss mit einem einzelnen Lauf jedesmal nieder-
geworfen, weil man keinen festen Grund unter den Füssen hat. Die Erinnerung hieran
veranlasst mich zu einer Mahnung, die keinem Jäger gegenüber scharf genug betont
werden kann, nämlich im Boot oder Kanoe mit jeder Büchse doppelt so vorsichtig zu
sein, als auf dem Lande.


Einige kleine Beispiele mögen als Beweise für das Gesagte dienen.


Ich ging einst auf einer Dampfpinasse, die grösseren Arme des Rofitschie-Deltas
untersuchend, flussaufwärts. Vor uns auf einem vom Ufer weit überhängenden Baum
sass der schöne Flussschreiadler, der sowohl durch die Pracht seines Gefieders, als auch
durch seinen wunderlichen, weitklingenden Frage- und Antwortschrei jeden Befahrer
afrikanischer Flüsse fesselt. Ich nahm, am Ruder der Dampfpinasse stehend, die Büchse
(500 Express) zur Hand, liess die Maschine, um einen besseren Schuss zu haben, stoppen
und hob die Büchse langsam an die Schulter, setzte aber wieder ab, da ein Zweig im
Wege war. Hierbei stützte ich die Büchse — sie war schon gespannt, der Finger im
Abzugsbügel, aber nicht am Drücker — auf das Sonnensegel des Bootes, bis ich den
maskierenden Zweig passiert haben würde. In dem Augenblick des Niedersetzens des
Büchsenkolbens rannte die Pinasse, die noch ziemlich viel Fahrt hatte, auf einen im
Wasser liegenden toten Baum, ich fiel vornüber auf das Sonnensegel, die Büchse natür-
lich auch und sie entlud sich.


Mein kleiner Diener, der vorne im Boote stand, griff sich schreiend mit beiden
Händen an den Kopf und sank zusammen. Der Maschinist, der ebenfalls, um den Adler
zu sehen, vorn aufs Boot gestiegen war und noch höher stand als der Neger, fasste
sich mit beiden Händen krampfhaft an den Unterleib, bog sich zusammen und fiel
ins Boot, und in dem Augenblick, als ich mich von meinem Sturz emporarbeitete,
hatte ich die alle Nerven erschütternde Ueberzeugung, dass ich, statt des Adlers,
meinen Maschinisten durch den Leib und meinen schwarzen Diener durch den Kopf
geschossen hatte.


Ich entsinne mich kaum eines wohlthuenderen Momentes in meinem Leben,
als dessen, als sich beide — noch etwas wild und erstaunt blickend — wieder erhoben
und mir durch ihre Mienen zeigten, dass kein Unglück geschehen war.


Die Kugel war dem Maschinisten gerade unter dem Bauch durch die Beinkleider
gefahren, hatte am Leib nur einen dunkelroten Strich zurückgelassen, das Tabaketui des
Mannes in der Tasche zerrissen und war dann dem schwarzen Diener durch die dicken,
wolligen Haare geflogen, ohne die Haut zu berühren.


Man kann sich vorstellen, was ich in diesem Augenblicke fühlte, in dem ich
mich von einer schweren, wenn auch vielleicht in gewisser Beziehung zu entschuldigen-
den That erlöst fühlte.


Ein anderer Unglücksfall mit Gewehren im Boot, der ernster ablief, begegnete
den beiden Reisenden Lieutenant Kunt und Tappenbeck. Einem der beiden Herren ent-
lud sich, soviel ich mich entsinne, ebenfalls durch Auflaufen des Bootes die schwere
Elefantenbüchse, die geladen und gespannt war, um im nächsten Augenblicke gebraucht
[171]Waffen-Ausrüstung des Jägers.
zu werden, und zerfleischte einem der im Boote sitzenden Neger in fürchterlicher Weise
den Oberschenkel.


Und noch unglücklicher lief ein kurzer Jagdausflug ab, den mehrere meiner
Offiziere in Ostafrika den Pangani-Fluss aufwärts machten. Ein Herr, der sich erst
seit kurzer Zeit in Afrika befand — er war mir, während ich Reichskommissar war, als
Richter beigegeben —, schoss sich unter ziemlich denselben oben beschriebenen Um-
ständen die rechte Hand im Handgelenke ab.


Wenn man keinen festen Boden unter sich hat und, ich möchte sagen, nicht
absoluter Herr seiner Bewegungen ist, was ja auf einem schwankenden, leichten Fahr-
zeuge im hohen Grade der Fall, muss man zehnfach aufmerksam sein, um nicht die
grosse Zahl der Unglücksfälle, die unter solchen Umständen vorkommen, zu vermehren.


Man soll, wenn ich weiter mit Ratschlägen fortfahren darf, für die Wildnis
bestimmte Gewehrträger haben, die immer möglichst dieselbe Büchse tragen und diese
genau kennen, und soll die Leute belehren, dass sie sich unausgesetzt davon überzeugen,
ob die Büchse gesichert ist, denn man wird sich auf Reisen in der Wildnis doch immer
die geladenen Büchsen nachtragen lassen. Die Büchsenträger müssen gewohnt werden,
ihre Last vorsichtig wie ein rohes Ei zu behandeln und in erster Linie die Sicherheits-
massregeln im Auge haben.


Je weniger Büchsen der Jäger, ganz besonders in tropischen Gegenden, bei sich
führt, desto besser, und es ist deshalb eine vorsichtige Auswahl der Waffen erforderlich,
damit man auch für die verschiedenen Wildarten die geeigneten Waffen zur Ver-
fügung hat.


In früheren Zeiten empfahl ich stets, eine schwere Elefantenbüchse, Doppelrohr,
mitzunehmen, ferner einen 500-Express-Rifle und eine Doppel-Schrotflinte Kaliber 12,
die einen starken Pulverschuss mit einer tüchtigen Schrotladung verträgt.


Heute kann man mit einer Büchse, nämlich mit der neuen kleinkalibrigen, aus-
kommen und es würde also nach meinem soeben gegebenen Rat diese Büchse und eine
Schrotflinte genügen. Ich muss jedoch bekennen, dass ich ein Feind der neuen Waffen
bin, aber vielleicht mehr aus Konservatismus, als aus praktischen Gründen, denn ich
ziehe es noch immer vor, so nahe als möglich an das Wild heranzukommen, und
möchte mich nicht durch eine weittragende Büchse zu weiten Schüssen verleiten lassen.
Allerdings kann ja ein guter Jäger und wird es auch thun, trotz der grossen Rasanz
seines Gewehres möglichst nahe heranbirschen.


Also der moderne Jäger braucht eine gute, kleinkalibrige Büchse neuesten Systems
mit rauchlosem Pulver und Ganz- und Halbmantel-Geschosspatronen und ein Schrot-
gewehr, und ist damit eigentlich allem Wild gewachsen. Ich erkenne das mit einem
gewissen Bedauern an, denn alle unsere alten, schönen, erprobten Büchsen müssen wir
jetzt als altes Gerümpel in die Ecke stellen, denn die neue hat ausserdem noch den
grossen Vorzug des leichten Gewichtes, so dass der europäische Jäger seine Büchse meist
selbst tragen kann und nicht im kritischen Moment gezwungen ist, sich erst nach seinem
Gewehrträger umzuwenden, auf dessen Ruhe ausserdem wenig Verlass ist.


Allerdings sollte die Büchse doppelläufig sein, denn ich muss bekennen, dass
mir der zweite Schuss, in unmittelbar schnellster Folge auf den ersten Schuss, sehr viel
wert ist. Aber ich habe Schützen kennen gelernt, die die Repetiervorrichtung so wenig
22*
[172]Waffen-Ausrüstung des Jägers.
aufhielt, dass sie kaum weniger schnell als ich aus meiner Doppelbüchse den zweiten
Schuss abbrannten, und hat man erst darin eine grosse Gewandtheit erreicht, dann ist
die Repetierbüchse mit 5 oder gar 10 Patronen vorzuziehen.


Die Fortschritte des letzten Jahrzehntes in den Feuerwaffen sind so grossartiger
Natur, dass sich ein junger Jäger der Jetztzeit bei Jagdbeschreibungen mit unseren alt-
gewohnten Waffen häufig über den Mangel an Erfolg wundern wird.


Das Schrotgewehr ist mehr für den Reisenden in der Wildnis von Wichtigkeit
als für den Jäger, denn es hat mehr den Zweck, Abwechselung auf seine Speisekarte zu
bringen, als ihm grosse Jagderfolge zu sichern, wenn er nicht nebenbei ornithologisch
sammelt. Dann ist aber auch zur Nachtjagd ein recht weittragendes langläufiges Schrot-
gewehr Kaliber 12 recht angenehm. Ich möchte nicht raten, Chokbohr, oder doch nur
höchstens einen Lauf als Chokbohr zu nehmen, denn es ist immer gut, wenn man in
der Wildnis auch aus der Schrotflinte eine Rundkugel oder das bolzenartige Witz-
leben'sche Geschoss feuern kann. Beide Schüsse haben bei einer guten Flinte auf nicht
allzugrosse Entfernung, also bis 80 Schritt, ganz überraschend gute Wirkung, und man
ist dem nicht ausgesetzt, dass man sich bei der Jagd auf Enten, Perlhühner oder
sonstiges Vogelwild, den Erfolg bei einer zufälligen Begegnung mit einem grösseren
Wilde versagen muss. Ich habe manche gute Antilope mit der Rundkugel Kaliber 12,
die ich mit einem Drittel Zink versetze, geschossen und trug stets einen Lauf der Flinte
mit einer Kugel, den andern nur mit Schrot geladen.


Bei Nacht, wo man des Kugelschusses auch bei bestem Mondlicht selbst dann
nicht sicher ist, wenn man mit Glühkorn schiesst oder sich über der Mündung des Ge-
wehres hinter oder vor dem Korn eine weisse, in der Dunkelheit gut zu erkennende
Marke gemacht hat, wird man sich immer noch auf einen Schrotschuss ziemlich sicher
verlassen können. Ich habe mich auf Raubwild bis zum Leoparden aufwärts nur mit
der mit Rehposten oder Schweinsschrot geladenen Schrotflinte angesetzt und auch bei
nächtlichen Belästigungen von raub- oder diebslustigen Eingeborenen von der Schrot-
flinte den besten Gebrauch gemacht.


Der neue Jäger, der also sein kleinkalibriges Gewehr mit den zwei verschiedenen
Patronenarten selbst trägt, braucht heute nur noch einen Gewehrträger bei sich zu
haben, natürlich einen Eingeborenen, der gleichzeitig auch als Führer und Kenner des
Landes dient und notwendig ist. Dieser trägt die Schrotflinte mit folgenden Patronen:
2 Rundkugel- und 2 Witzleben'sche Patronen, 2 Rehposten- und 2 Schweinsschrot-
Patronen, 2 mit grobem Schrot für Gänse, Trappen, Perlhühner und dergleichen, einige
mit Schrot für Enten, Savannenhühner, Hasen und endlich einige mit feinem Schrot für
Tauben, Wachteln und kleineres Federwild.


Der Zwergantilope begegnet man gewöhnlich in dichtem Unterwuchs und in
grosser Anzahl. Diese, wie alles kleine Wild, ist so schnell und unerwartet in ihrem
Erscheinen und Verschwinden, dass nur Schrot zum Ziele führt.


Da ich hier bei der Ausrüstung des Jägers bin, so möchte ich gleich hinzufügen,
dass ich es für sehr praktisch gefunden habe, ein kleines kräftiges Handbeil im Leder-
futteral, wie es z. B. durch die bekannte Fischereigerätehandlung von Merrem in
Berlin zu beziehen ist, mitzunehmen, welches zum Zerlegen des Wildes, hauptsächlich
des schweren, sowie für manche anderen Lagererfordernisse sehr brauchbar ist.
[173]Waffen-Ausrüstung des Jägers.
Ferner muss man ein gutes, starkes Jagdmesser mit sich führen, welches sowohl zum
Freischlagen des Weges, als auch als letzte Waffe zu gebrauchen ist. Es muss zwei-
schneidig und gut zweifingerbreit sein, eine starke, nicht zu feine Spitze haben und
seine Klinge eine gute Handspanne lang sein. Zweckmässig ist es, wenn ausserhalb an
der Scheide ein zweites, leichteres Messer steckt, das bei weitem kleiner und geeignet
zum Aufbrechen, Zerwirken und Zerlegen des geschossenen Wildes ist.


Seinem Gewehrträger kann man ausserdem ein starkes Buschmesser mitgeben,
wie sie überall in den Pflanzungen der Kolonien gebraucht werden. Diese Messer sind
zum Freischlagen dicht verwachsenen Geländes die handlichste Waffe.


Ein jedes Mehr in der Bewaffnung halte ich für überflüssig, wenigstens für
Jagdzwecke. Will man in Ländern, in denen die Sicherheit noch keine sehr grosse ist,
stets eine Waffe bei sich führen, so muss man eine vorsichtige Wahl unter den neuen
Magazinpistolen mit rauchlosem Pulver treffen, damit man mit möglichster Leichtigkeit
und Bequemlichkeit beim Tragen eine genügende Wirkung verbindet. Die alten Revolver
haben sich überlebt, denn sie sind in der Wirkung von den neuen Pistolen übertroffen.
Revolver waren niemals eine in jeder Weise zuverlässige Waffe und zwar wegen der
Unsicherheit des Schusses, die durch das Entweichen der Pulvergase zwischen Trommel
und Lauf veranlasst wird.



[[174]]

Appendix A.2 Ratschläge zum Jagen in der Wildnis.



Ueber die Ausrüstung des Jägers zur Jagd in den Wildnissen fremder Erdteile
könnte man Bücher schreiben, doch will ich hier nur einige besonders wichtige Winke
geben; denn es giebt heute schon Geschäfte, die infolge langjähriger Lieferungen den
Jäger mit einer den Verhältnissen entsprechenden, richtigen Ausrüstung zu versehen im
stande sind. Solche Geschäfte werden jedoch wahrscheinlich stets eine recht umfang-
reiche Ausrüstung vorschlagen, und deshalb sei mein erster Rat der, nur das mit sich
zu nehmen, was man nötig braucht.


Am meisten muss man darauf sehen, dass man sich zur Reise in die Wildnis
so einrichtet, dass man möglichst beweglich und unabhängig von einem grossen
Tross ist.


Jemand, der auf die Kosten gar nicht zu sehen braucht, wird sich auch so ein-
richten können, dass er mit allem Komfort reisen kann. Er muss dann eben eine voll-
ständige Expedition ausrüsten, die unter besonderer Führung und besonderem Schutz
im grossen Ganzen die Richtung des Reiseunternehmers innehält und von ihm sozusagen
als bewegliches Magazin betrachtet wird, von dem aus er sich immer wieder aus-
rüsten kann.


Solche Reisen sind sehr teuer, denn sie beanspruchen vor allem ein sehr grosses
Personal und der Reisende muss überall in der Wildnis ein Anhängsel mitschleppen,
von dem er mehr Aerger als Annehmlichkeiten hat, besonders in jenen Teilen der
Wildnis, wo alles auf den Köpfen der Träger transportiert werden muss, also im äqua-
torialen Afrika.


Es erfordert ein eingehendes Studium, mit möglichst wenig Lasten lange auszu-
kommen, also gewissermassen alles kondensiert, konzentriert und natürlich nur in bester
Qualität mit sich zu führen; denn nichts ist so unvorteilhaft, als billige, schlechte Ware
anzuschaffen, die, weil sie nicht ganz ihrem Zwecke entspricht, oder weil es im Innern
nicht möglich ist, Reparaturen vorzunehmen, kaum die hohen Transportkosten lohnt.


Der Reisende soll also vor allem nicht auf die Billigkeit dessen sehen, was er
mit sich führt, sondern auf die Güte. Wenig und gut, aber doch genug und für alle Fälle
vorbereitet sein, das ist kurz gesagt der beste Rat zur Ausrüstung für Reisende, wie ich
es schon in der Waffenausrüstung besprochen habe.


Die Ausrüstung ist natürlich auch für die verschiedenen Gegenden ausserordent-
lich verschieden.


[175]Ratschläge zum Jagen in der Wildnis.

Am leichtesten, bequemsten und auch sichersten reist man zu Wasser in Booten,
weil der Transport verhältnismässig billig ist und man sich infolgedessen sehr viel An-
nehmlichkeiten erlauben kann, die dort, wo teuere und unzuverlässige Träger für den
Jäger das notwendigste mittragen, unmöglich sind.


Demnächst reist man am leichtesten in jenen Gegenden Südafrikas, wo der be-
kannte Treckwagen der Buren im Gebrauch ist. Ich möchte aber nach achtmonatlicher
Erfahrung raten, nicht den grossen Treckwagen zu wählen, sondern statt dessen zwei
zweirädrige starkgebaute Karren, deren jeder mit zehn Ochsen zu bespannen wäre.


Zwei solche Karren fassen ebensoviel Ladung wie einer der grossen Treckwagen,
der gewöhnlich mit 20 Ochsen bespannt ist, und haben den Vorteil, dass sie als leichtere
und nur zweiräderige Fuhrwerke viel handlicher im Gelände und leichter sind, und in-
folgedessen ein sehr viel schnelleres Reisen ermöglichen und ausserdem den grossen Vor-
teil gewähren, dass man einen Wagen mit der Ladung, die man nicht fortwährend
nötig hat, also dem Ersatz, auf dem grossen Wege lassen kann und den andern Karren
mit den Sachen beladet, die man täglich braucht.


Man wähle zu diesem einen etwas leichteren Karren, der auch mit den besten,
besonders in bezug auf Wasser, genügsamsten Ochsen bespannt wird.


Man kann dann, wenn man sein Jagdlager weit in wasserloser Wildnis aufschlägt,
diesen Karren unausgesetzt zwischen der entfernten Wasserstelle und dem Lager
gehen lassen und vielleicht auch hierzu die Ochsen vom Reservekarren abwechselnd
benutzen.


Vor allem ist man aber nicht durch Achsenbrechen oder sonstige recht häufig
bei einem grossen Treckwagen vorkommende Schiffbrüche ganz lahmgelegt, sondern
kann auch mit einem Karren weiterkommen.


Der Jagdreisende in Südafrika möge also einen grossen starken und einen etwas
leichteren zweiräderigen Karren und zwanzig gute Ochsen bei sich führen.


Für einen grossen Treckwagen gebraucht er eben so viele Ochsen, aber bei
diesem wird der Zug viel länger, in schwierigen Gegenden also viel unhandlicher. Je
mehr Ochsen man vorspannt, desto weniger wird auch die Kraft jedes einzelnen aus-
genutzt, die die Zahl von vier Paaren übersteigt.


Ausserdem muss der Jäger so viele Jagdpferde bei sich haben, dass er sich stets
mit einem Diener und einem Führer beritten machen kann, wozu sechs Pferde ge-
nügen werden.


Ueber Reisen mit Trägerkarawanen ist so viel geschrieben, dass jeder, der in
Ländern zu reisen wünscht, wo solche Transportmittel die einzig verfügbaren sind, reich-
lich viele Anweisungen in Reisewerken findet.


Kurz sei nur erwähnt, dass für den Neuling im Reisen alles darauf ankommt,
dass er einen guten erprobten Reisemarschall hat, der die Träger in Ordnung hält, und
einige verlässliche Askaris, die die Träger überwachen und als Kerntruppe zum Schutz
gegen Eingeborene verwendbar sind.


Für solche Zwecke eignen sich sehr gut Somali, aber nur in der östlichen Hälfte
Afrikas, da bislang alle Versuche mit diesen Stämmen im Westen misslangen, weil die
Somali offenbar gegen das Klima Westafrikas sehr wenig widerstandsfähig sind und dem
Fieber schnell erliegen.


[176]Ratschläge zum Jagen in der Wildnis.

Für den Westen würden echte Haussa dasselbe sein, was die Somali für den
Osten sind.


Gut ist es, wenn diese Karawanenpolizei in dem Lande, in dem man reisen will,
fremd ist, weil sie sich dann in der Hand des Führers weiss und mit der eingeborenen
Mannschaft nicht unter einer Decke stecken wird.


Eine und vielleicht die wichtigste Reiseregel in der Wildnis, die eigentlich hätte
obenan stehen sollen, ist die, dass man so reisen soll, wie es in dem Lande Brauch ist,
und Versuche, neue Transportmittel einzuführen, sind dem Reisenden unter keinen Um-
ständen anzuraten. Das kann wohl jemand thun, der ein grosses Unternehmen zu leiten
hat, nicht aber ein Jagdreisender.


Da heute kein Reisender, wohin er auch gehen möge, jemals in Länder kommen
wird, die nicht schon von anderen bereist sind, so wird er auch stets Anhaltspunkte
haben, welche Vorbereitungen er treffen und welche Ausrüstung er mitnehmen muss.


Trotzdem ich gewiss eine langjährige Reise-Erfahrung, und zwar nicht bloss in
Afrika, hatte, war ich doch für meine asiatische Reise nicht genügend vorbereitet, ganz
besonders, was die Mittel für Unterkunft anbetrifft.


Ich wohnte in der glühenden Hitze des Spätsommers in der Steppe und auch
bei 17° Kälte auf den Höhen des Altai in meinem Tropenzelt, das ich in Afrika stets
benutzt hatte. Allerdings war diese unpraktische Behausung schwer durch eine bessere zu
ersetzen, denn die für alle kalten Gebiete sehr zu empfehlenden Filzjurten der Kirgisen
waren meist zu gross, schwer und in sehr elendem Zustande, ausserdem aber sehr teuer,
sodass wir erst nach langer Mühe für unsere Leute eine alte Jurte preiswert erwerben
konnten. Wir selbst halfen uns dadurch, dass wir über das Zelt noch andere Plane
deckten, um es dichter und wärmer zu machen.


Jemand, der in kalten Gegenden, wo es auch immer sein mag, reisen will, thäte
gut, sich eine schöne kleine Jurte von dichtem, gutem Filz anfertigen zu lassen und diese
nicht durch ein offenes Feuer, sondern durch einen kleinen transportablen Ofen zu
erwärmen, der auch zum Kochen benutzt werden kann.


Bedeckt man ausserdem die Jurte bei grosser Kälte noch bis zur halben Höhe
mit Schnee, so kann man schon ausserordentliche Kältegrade ertragen.


Man sollte auch den Fussboden mit Filzen decken, die sich an den Filz der
Wände anlegen. Ich bin erstaunt, dass Nordpolfahrer keine kleinen Jurten mit sich
führten. Wird sie gut aufgestellt, so kann sie jeden Sturm aushalten und guter Filz ist
nicht nur für Regen, sondern auch für Wind undurchlässig.


Ich würde mir bei einer abermaligen Reise in kalte Länder ein so gemütliches
warmes Heim in einer kleinen Filzjurte einrichten, wie ich es bisher noch bei keinem
Reisenden beschrieben gefunden habe.


Für tropische Gebiete empfiehlt sich das bekannte Doppelzelt mit Sonnendach
von wasserdichtem und rostsicherem Stoff, so dass alle unteren Teile des inneren Zeltes
hochgeschnürt werden können, damit man dort, wo man zum Aufschlagen desselben
keinen Schatten findet, unter dem doppelten Sonnensegel sitzt, unter dem von allen
Seiten die Luft durchstreichen kann.


Als Bett ist fraglos ein aus zwei Böcken und zwei langen und zwei kurzen,
starken und von leichtem Holz gefertigten Stangen herzustellendes, einfaches, festes und
[177]Ratschläge zum Jagen in der Wildnis.
leichtes Feldbett das praktischste. Dichte starke Doppelleinen bilden die Matratze und
Kamelhaardecken, sowie einige lederne Rosshaar-Kissen die Einlage.


Ein gutes Moskitonetz ist für alle Gegenden und Länder der Welt anzuraten,
und Decken kann man nie genug bei sich haben. Die Kamelhaardecke ist die wärmste
und zugleich leichteste.


Ich bin ein grosser Feind der früher gebrauchten Schlafsäcke, die wohl nur für
Nordpolexpeditionen in Frage kommen.


Die Kleidung richtet sich natürlich nach dem Klima. In den Tropen ist leichte
Baumwolle direkt auf dem Körper zu tragen, und nicht etwa Leinwand.


Auch ist der Ausspruch der Araber: „Was gegen die Kälte schützt, schützt
auch gegen die Sonne“, durchaus nicht sinnlos, denn eine zu leichte Kleidung ist in
glühender Sonnenhitze ebenso unerträglich als eine zu schwere.


Da der Europäer, wenn er eine Expedition in die Wildnis führt, gewöhnlich
auch die Verpflichtung übernimmt, in gesundheitlicher Hinsicht für sich und seine Leute
zu sorgen, so sollte er eine praktisch zusammengestellte Reiseapotheke und eine gute
ärztliche Anweisung mit sich führen, die ja für alle Gebiete der Erde vorbereitet sind.
Ausserdem sollte sich jeder Europäer eine kleine, leichte Taschenapotheke von der Grösse
einer Cigarrentasche zusammenstellen, die er in der Patronentasche unterbringen kann.
Dieselbe sollte vor allem gegen Schlangenbisse und alle tierischen Vergiftungen bis
hinab zum Moskitostich, Ammoniak und dann auch Chinin enthalten, um es zu nehmen,
wenn er ein Fieber nahen fühlt.


Ferner darf Nadel und Seide zum Nähen von Wunden nicht vergessen werden,
dann ein Stückchen Leinwand zum Verband oder mit einem Stein, der hineingedreht
und als Turniket verwandt wird und endlich ein gutes scharfes Messer, Heftpflaster,
Schere, Pincette und andere kleine nötige Instrumente.


Wie man sich mit Lebensmitteln zu versehen hat, wird man am besten da
erfahren, von wo aus die zu bereisende Wildnis am meisten besucht wird.


Immerhin kann man, um sicher zu sein, nicht zu alte Ware zu erhalten, aus
der Heimat möglichst frische Konserven mitnehmen, die man in allen Verhältnissen
gebrauchen kann, und es ist auch anzuraten, alle Bedürfnisse so in nicht zu schweren
Kisten zu verpacken, dass man allwöchentlich oder monatlich immer nur eine zu öffnen
braucht, die dann sowohl Konserven, wie auch Getränke, Tabak, Licht und Feuerzeug und
alle sonstigen Erfordernisse in einer Menge enthält, die für die bestimmte Zeit berechnet ist.


Man hat dann eine bessere Uebersicht und setzt seine Diener und Köche nicht
so in Versuchung.


Da es nicht ratsam ist, jemandem, der in der Heimat Spirituosen gewohnt ist,
diese Anregungsmittel unter anstrengenden Verhältnissen ganz zu entziehen, so nimmt
man dieselben am besten in der denkbar konzentriertesten Form mit sich, also Kognak
oder Wisky. Wein oder gar Bier ist natürlich für längere Reisen fast ausgeschlossen, da
sie im Verhältnis zu ihrer Wirkung ein viel zu grosses Gewicht haben, das ja bei solchen
Expeditionen eine Hauptrolle spielt.


Tabak und alle sonstigen Gegenstände, die leicht verderben, soll man natürlich
gut und sicher einlöten lassen, damit sie weder zu grosser Feuchtigkeit noch Trockenheit
ausgesetzt sind.


.v Wissmann. 23
[178]Ratschläge zum Jagen in der Wildnis.

Wenn der Jäger sich von seinen Begleitern trennt, sollte er eine kleine Schnaps-
flasche mit sich nehmen, ferner ein Feuerzeug, eine leichte Schnur und Leine und
besonders auch etwas Chocolade oder einen Schiffszwieback, damit er im Fall des
Verirrens etwas bei sich hat, um den Magen zu beschwichtigen, und nötig ist es auch,
dass sein Gewehrträger oder sonstiger Begleiter eine grosse Feldflasche, die womöglich
mit kaltem Thee gefüllt ist, und eine wollene Decke, trägt, die man in ein Stück leichtes,
wasserdichtes Zeug eingewickelt hat, das als Unterlage oder als Regendach oder Regen-
mantel verwandt werden kann.


Dorthin, wo man auf Benutzung von Reittieren zu rechnen hat, sollte man unter
allen Umständen Sättel aus der Heimat mitnehmen, denn es ist durchaus kein Vergnügen,
auf einem kirgisischen Bocksattel oder dem nackten Holzgestell des Araukaners viele
Stunden des Tages zubringen zu müssen.


Ich habe deutsche, einfache Pferdesättel auf Pferde, Esel, Reitstiere, Maultiere
und Kamel gelegt. Es wird sich überall mit Hilfe von Decken, Riemen, Gurten,
Stricken und Leinen, von denen man immer einen gewissen Vorrat bei sich haben
sollte, ein guter Sitz herrichten lassen.


Ebenso wie es nötig ist, sein eigenes Reitzeug bei sich zu haben, ist es auch gut,
sich den oder die Wagen, die man braucht, käuflich zu erwerben, man wird sie später
immer wieder, wenn auch mit etwas Verlust, verkaufen können.


So habe ich viele tausend Werst in Sibirien von der Bahn bis zum Altai und
vom Altai durch ganz Turkistan bis nach Taschkend in meiner eigenen Tarantass, einer
fest gebauten, bequemen Kutsche zurückgelegt.


Wechselt man hingegen monatelang täglich 3—4 Mal den Wagen, so kostet der
Zeitverlust, die Arbeit und sonstiger Verlust beim Umladen mehr als ein eigener Wagen
und man wird ausserdem stets mit Quetschungen und Beulen bedeckt und steif und
lahm von dem fürchterlichen sibirischen Postwagen sein.


Ebenso ist es, wenn man zu Wasser Reisen macht, mit den Booten. Es ist
dann bei wilden, nicht regulierten Flüssen am ratsamsten, sich zerlegbare Stahlboote
anzuschaffen, denn bei diesen kann man die einzelnen Teile um Hindernisse, Strom-
schnellen, Wasserfälle u. s. w. herumbringen, und sie sind auch weniger leicht zer-
brechlich als Holzboote. Wo diese zerschellen würden, werden erstere nur eingebeult.


Ein besonders interessanter Punkt ist der, ob man sich aus der Heimat Hunde
als Jagdgehilfen mitnehmen soll.


In kalte Länder kann man dies unbedenklich thun, denn gegen die Kälte, die die
Tiere doch nur nachts fühlen werden, kann man sie schützen.


In Tropengegenden ist es heikler, da leider die Hunde aus Europa sehr schnell
degenerieren und, trotz aller Pflege, körperlich und geistig sehr herunterkommen. Es
ist deshalb eine wichtige Aufgabe der Zukunft, durch Kreuzung einen Hund zu schaffen,
der auch in den Tropen für den Jäger brauchbar ist, worüber ich in „Der Weidmann“
geschrieben habe.


Am meisten sind für die heissen Länder von europäischen Hunden immer noch
die Teckel anzuraten, und zwar aus dem Grunde, weil man sie einmal leicht auf dem
Marsche transportieren kann, dann aber auch, weil sie durch ihre Vielseitigkeit dem Jäger
in der Wildnis den grössten Nutzen zu bringen vermögen.


[179]Ratschläge zum Jagen in der Wildnis.

Man sollte rote Teckel im Alter von nicht unter einem Jahr, aber auch nicht
zu alt, auswählen, die auf Schweiss abgeführt und besonders ferm im Abtreiben von
Dickungen sind, was sie ja sehr leicht lernen.


Ein angeschossenes Stück Wild zu suchen, oder Wild, das in der Dickung steht,
herauszutreiben, werden die häufigsten Arbeiten sein, für die der Jäger sich den vier-
füssigen Gehilfen herbeiwünscht.


Es ist aber die allergrösste Sorgfalt für jeden Hund in den Tropen nötig. Man
gebe ihm beim Fieber stets Chinin, lasse ihn nicht ins Wasser gehen, wenn er zu er-
hitzt ist, und überhaupt in kein Wasser, das von Krokodilen bewohnt sein kann, auch
reinige man seine Haut täglich von den furchtbar schädlichen Schmarotzern, halte ihn
in jeder Weise rein und sei vorsichtig mit dem Futter, besonders mit Fleischfutter.


Man sollte Teckel bis zum Augenblick, wo sie gebraucht werden sollen, besonders
aber in den heissen Tagesstunden, tragen lassen. Sie sind sehr angenehm als Wächter
des Lagers und ihr Mut ist so gross, dass sie fraglos auch den Elefanten im Dickicht
so lange ärgern, bis er die Ruhe verliert und herausbricht.


Ihr Mut ist leider aber auch der Hauptgrund, dass sie häufig durch Leoparden
und Hyänen verloren gehen und man thut deshalb gut, sie über Nacht beim Zelte anzu-
legen, damit sie nicht von Hyänen hinausgelockt und gerissen oder von dem ums Lager
schleichenden Leoparden oder anderem Raubzeug getötet werden.


Reit- und Zugtiere kauft oder mietet man sich selbstverständlich an Ort und Stelle,
also dort, wo sie schon Klima und die Art der Arbeit, die man von ihnen fordert,
gewohnt sind.


Dies alles sind kurze Winke, die das Wichtigste zur Ausrüstung des Jägers in
der Wildnis enthalten. Da wohl kaum jemand irgend eine wenig bekannte und bewohnte
Gegend der Erde besuchen wird, ohne sich vorher wenigstens die wichtigste Lektüre
über diese Gegend zu verschaffen,*) so ist es hier nicht am Platze, näher auf diese
Punkte einzugehen. Ich will diesen Aufsatz damit schliessen, einige Stellen unseres
Planeten anzuführen, nach denen sich Ausflüge für Weidmänner, die in der Wildnis
jagen wollen, besonders lohnen würden.


Von Afrika ist eigentlich für den Jäger nur das Gebiet südlich der Sahara von
Interesse. Im Norden wird er hie und da noch die Gazelle jagen können oder im Atlas
das seltene Mähnenschaf, doch wird sich dorthin eine ausschliesslich zu Jagdzwecken
unternommene Reise kaum verlohnen.


Abessinien, der obere Nil, der Sudan, nämlich Kordofan und Darfur, und nach
Westen bis zu den Haussaländern, das sind die nördlichen Grenzen der jagdlich inter-
essanten Gebiete, während im Süden die Länder der von Südafrika nordwärts vor-
gedrungenen Kultur, mit Ausnahme Südwest-Afrikas, das noch hinab bis zum Orange-
fluss viel Wild birgt, auch die Grenzen für den Jäger sind.


In den Küstenländern steht im allgemeinen weniger Wild, obgleich es auch
hierin Ausnahmen giebt.


Das Hauptgebiet der grossen Massen vieler Arten von Wild sind die Steppen
Nordost-, Ost- und Südwestafrikas.


23*
[180]Ratschläge zum Jagen in der Wildnis.

Die Urwaldländer des zentralen Kontinents beherbergen hauptsächlich den Ele-
fanten und die Savannen Westafrikas sind recht wildarm.


Hervorragend wildreich sind die Ufer der Flüsse oder Seen und ganz besonders
sumpfreiche Gegenden.


In erster Linie würde also das Somaliland in Frage kommen, das von Norden
oder Südwesten aus besucht werden muss, da die Somali der Küste des indischen Oceans
europäerfeindlich sind und bisher noch keine Expedition durch diesen Stamm, besonders
den grossen Stamm der Medschertin, vorgedrungen ist.


Englisch-Ostafrika wird etwa zehn bis zwanzig Tagereisen von der Küste wild-
reich und dorthin wird die neue Bahn den Jäger ganz besonders schnell, billig und
bequem befördern.


Deutsch-Ostafrika ist in seinem Norden und Nordwesten am reichsten an Wild,
und dann finden sich an den Ufern der grossen Flüsse ergiebige Jagdgebiete, so am
Nordufer des mittleren und oberen Rufitschi, am Mittellauf des Wani und Kingani und
ferner an den Ufern des Tanganika-Sees, des Nyassa- und besonders des Rickwa-Sees.


Auch die Provinz Mozambique ist nach dem Innern zu, wo sie zum grossen
Teile sehr entvölkert ist, recht wildreich, am meisten dort, wo sie mit den Schireländern
der Engländer zusammengrenzt.


Ebenso ist der obere Zambesi südlich noch bis zum Ngami-See und bis zum
Quellgebiet des Lualaba stellenweise sehr wildreich, und dann, wie vorher schon
erwähnt, im Norden Südwestafrika bis dicht zur Küste und im Süden weiter nach dem
Innern zu.


Von den portugiesischen Besitzungen Westafrikas ist besonders Benguela und
Mossamedes ein gutes Jagdland.


Im Gebiete des Congo, den man mit der neuen Bahn und den vielen Dampfern,
die seine Gebiete befahren, leicht erreichen kann, finden sich hier und da wildreiche Stellen,
hauptsächlich mit Elefanten und Büffeln, nämlich der kleineren Art, dem „Congobüffel“.
Natürlich giebt es auch Antilopen, die feuchte Gebiete bevorzugen, wie der Wasserbock,
die Sumpf- und Moor-Antilopen, und das Flusspferd, das noch im Congogebiet in
grosser Anzahl vorhanden ist.


Im Nordwesten bin ich ziemlich unbekannt, doch weiss ich, dass man von
Kamerun aus schon sehr weit ins Innere reisen muss, um Wild anzutreffen, und man
dann stets nur wenige Arten und in nicht grosser Zahl vereinigt findet.


In Asien ist natülich in erster Linie Indien zu berücksichtigen, doch wird man
dort nur jagen können, wenn man mit höheren indischen Beamten Beziehungen hat
oder anzuknüpfen im stande ist, denn der Fremde, der nicht von indischen Verwaltungs-
beamten oder Offizieren eingeführt wird, kann ruhig fortbleiben. Nur in Ceylon kann man
lediglich nach Erlegung einer gewissen Summe Erlaubnis zum Jagen im Innern erlangen.


Im russischen Asien wird wunderbarer Weise wenig gejagt, obwohl die Jagd
dort weder so ausserordentlich beschwerlich, noch auch teuer ist.


Man kann heute mit der grossen asiatischen Centralbahn oder mit der vom
kaspischen Meer bis Taschkend schon weit ins Innere kommen und dann durchfliegt
man mit der Tarantass die weiten Ebenen schnell bis an die Gebirge, die noch wunder-
volle Jagdgebiete bergen.


[181]Ratschläge zum Jagen in der Wildnis.

Es steht in dieser Beziehung der Altai wohl obenan, denn hier ist der starke
Maralhirsch, der Riese unter den Wildschafen, das Ovis amon, der Steinbock, der
wundervoll gehörnte Rehbock und der Wolf, und nur wenig nordöstlich vom eigent-
lichen Altai schon Elch- und Rentier Jagdwild.


Wählt man für diese Gegenden den Sommer oder Herbst, so kann man be-
sonders hoch oben im Gebirge bis zum November hin auf prächtige Witterung rechnen.


Auch sämtliche Gebirge, die im Süden Turkistan begrenzen, der Alatau und
die nördlichsten Ausläufer des Tienschan haben ebenso vielartiges Wild.


Das Bergschaf ist etwas geringer, wenn auch z. B. in dem Ovis polli mit noch
schönerem Kopfschmuck ausgestattet, während der Steinbock stärker ist und der Hirsch
sich in jedem Gebirge in etwas anderer Form präsentiert, und ausserdem kommt dort
auch der Bär zum jagdbaren Wild hinzu.


Von diesen Randgebirgen weiter in die kolossalste Gebirgswelt unseres Planeten,
nach dem Himalaya hin, wird das Reisen einer Jagdexpedition schon sehr viel schwie-
riger und hört nach Tibet zu vollkommen auf, denn heute sind wohl das weite Tibet
und das Innere Arabiens die grössten unbekannten Länderkomplexe unserer Erde. Man
kann wohl behaupten, dass in diesen Ländern das Wild viel weniger bekannt ist als in
Afrika, das auf der Karte nach der Forscherarbeit von zwei Jahrzehnten kaum noch
wiederzuerkennen ist. Der Jäger, Forscher und Zoologe haben in zwei Jahrzehnten das
Wild des dunkeln Kontinentes so bekannt gemacht, dass es uns viel näher gerückt ist
als das Wild Asiens, besonders das des Daches der Welt, Tibet.


Leider bin ich über amerikanische Jagdverhältnisse nicht durch eigene Erfahrung
unterrichtet. Fraglos ist aber in Amerika nur noch ziemlich hoch im Norden für den
Jäger etwas zu machen, dann in wenigen Gebieten des Nordwestens der Vereinigten
Staaten und besonders im Westen und Norden Kanadas.


Es würden dann noch die Gebirge und inneren Gelände der grossen Inseln Java,
Sumatra und Borneo dem Jäger recht wenig bekanntes Wild bieten können. Doch auch
in diesen Gebieten kann ich kein Führer sein und hier ist es zum Teil auch viel schwie-
riger, ins Innere vorzudringen, besonders in Borneo, als in dem so schnell beleuchteten
dunklen Kontinent. Immerhin wird jedem, der Lust zu Jagden in der Wildnis hat, nirgends
eine vielseitigere, interessantere und aufregendere Jagd geboten als in Afrika, im Lande der
unzähligen Arten von Antilopen und streitbaren Büffel, der grossen Dickhäuter, schönen
Wildpferde und gewaltigen Raubtiere. —


Von Jahr zu Jahr wird es durch das Vordringen der Kultur weniger schwierig,
dort Jagdgebiete zu erreichen, zum Glück aber damit hoffentlich jetzt nicht mehr er-
leichtert, wie bisher in dem grossartigen Tierleben zu wüsten, sondern nach den kürzlich
international abgeschlossenen Jagdgesetzen wird es dort von jetzt an nur möglich sein,
als gerechter Jäger, ich möchte sagen, anständig zu jagen.


Manche Enthaltsamkeit wird sich jetzt allerdings der Jäger in den afrikanischen
Wildnissen aufzuerlegen haben, aber es bleibt doch noch unendlich viel für seine Büchse
übrig, denn grossartig ist noch die Verschiedenheit und Masse des edlen, schönen,
mächtigen und wehrhaften Wildes, an dem er seine Freude im Bewundern und Erlegen
haben kann.



[]
[figure]
[]
Notes
*)
Wenn man neben der Straussenfeder noch solcher des Marabustorches und des Edel-
Reihers habhaft werden kann, so kann man daraus Fächer herstellen, wie sie schöner nicht denkbar sind.
*)
Leider ist der Gattungsname für die grossen und kleinen Wasserböcke derselbe: Kobus,
während doch das Auge jedes Beobachters einen ganz bedeutenden Unterschied herauserkennen muss,
der nicht allein in der Schwere — die grossen Wasserböcke wiegen wohl mehr als das Doppelte der
kleinen — sondern auch in der Färbung der Decke und im ganzen Auftreten und Benehmen des Wildes
sich zeigt. Ich will sie deshalb hier nur durch Erläuterung „gross“ und „klein“ unterscheiden.
*)
In Neumarktl in Oberkrain hat Freiherr von Born scheinbar mit gutem Erfolge Abkömmlinge dieses
Steinwildes und auch das interessante Mähnenschaf Nordafrika's in freie Wildbahn ausgesetzt. Möchten doch
solche Versuche Nachahmung finden.
*)
„Afrika. Schilderungen und Ratschläge“ von Wissmann.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 3. In den Wildnissen Afrikas und Asiens. In den Wildnissen Afrikas und Asiens. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bpcs.0