Mein Leſer,
Du haſt die freien Lieder, die mein ſcherz-
hafter Liebhaber nach der Natur und
nach dem Anakreon gedichtet, deines
Beifalls werth gehalten. Du haſt
ſie nach kritiſcher Einſicht gebilliget: mir haben
ſie aus Zärtlichkeit gegen den Verfaſſer, und
wenn ich es ſagen darf, aus einer kleinen Eitel-
keit gefallen. Die meiſten enthalten mein ge-
heimes Lob. Gewiſſe verräteriſche Züge ma-
len dir die Doris. Sie muß dir gefallen, ſo
oft dir der Poet gefällt, und du muſt ſie loben,
ſo oft du den Dichter erhebſt. Welch ein an-
genehmes Opfer für ein Frauenzimmer, gelobt
zu werden! Ich kan meine Empfindungen nicht
verläugnen, und ich ſtatte dir hiermit für dein
Lob öffentlichen Dank ab, indem ich dir zugleich
)( 2noch
[IV] noch eine Sammlung von Gedichten eben der
Art übergebe. Konte ich wol eine beſſere Gele-
legenheit ergreifen, dir meine Erkentlichkeit zu be-
zeigen? (*) Es geſchiehet ſo gar wieder Wiſſen
meines
[V] meines Geliebten, daß ich dir dieſe neue Oden
überreiche. Er hat ſie meiſtens zu meinem ein-
)( 3ſamen
(*)
[VI] ſamen Vergnügen geſungen. Bedenke, welche
Gefälligkeit gegen dich! Ich ſetze mich deinet-
wegen der Gefahr aus, meinen zärtlichen Freund
das erſte mal zu beleidigen. Er iſt in den Krieg
gezogen. Ich habe ſchon dreimal behauptet,
daß dieſe Welt nicht die beſte ſei, ſeit dem ich
ſeinen Kuß entbehre. Ach, wie viel Unglükk
richtet der Krieg an! Ich würde über ſeine Ent-
fernung untröſtbar ſeyn, wenn ich nicht zuwei-
len das Vergnügen hätte, ſeine Briefe, dieſe
zärtlichen Briefe zu küſſen. Er iſt noch immer
ſcherzhaft. Er hat mir geſchrieben, daß er viele
dieſer Geſänge in ſeinem Zelte angeſtimmet,
wenn Kugeln über daſſelbe ehrerbietig hinweg-
geflogen ſind, oder Bomben gewütet haben.
Wie freundſchaftlich haben dieſe wilden Ge-
ſchöpfe an mir gehandelt! Zu der Erfindung des
Plünderers hat ihm eine Begebenheit in dem
Lager bei Lobeſitz Anlaß gegeben. Ich habe ge-
zweifelt, ob die betrübten Handlungen der Hel-
den
(*)
[VII] den einem ſcherzhaften Dichter Stoff liefern
könten. Ich verwies es daher meinem Gelieb-
ten, daß er vor ſeiner Abreiſe, an ſeinen un-
vergleichlichen Freund, den Herrn von Kleiſt,
ſchrieb:
Und wenn du tapfer ſchlägſt, ſo will ich ſcherzhaft
dichten.
Wer kan Feinde ſehen, und doch ſcherzen? Ich
beſorgte damals, mein verwegner Freund würde
zeitig genung geſtehen müſſen:
Vorm Anblikk ihrer furchtbarn Heere
Floh Scherz und Muſe ſchüchtern hin;
Allein der Krieg hat ſeiner herzhaften Muſe kei-
nen Zug ihrer lächelnden Minen verrükket, und
er hat mir mit iedem Briefe neue Scherze über-
ſchikkt. Er verbot mir zugleich ſie bekant zu
machen. Er nennte ſie, mit dem Herrn von
Canitz, Ständchen, die er mir ins geheim
brächte. Sie gefielen mir nicht weniger als
die, welche gedrukkt und von keinem Kenner
verachtet ſind. Mein Geliebter hat mir oft
ſelbſt geſagt, daß mein Geſchmakk richtig ſei.
Können alſo dieſe Gedichte von Leſerinnen und
Kunſtrichtern verworfen werden, und hatte ich
Urſach ſeinem Verbote zu gehorchen? Dein Ur-
)( 4teil,
[VIII] teil, mein Leſer, ſoll mich ſtrafen oder recht-
fertigen.
Du haſt Verlangen getragen, den Ver-
faſſer der ſcherzhaften Lieder zu kennen. Hier
ſolte ich alſo, als an dem bequemſten Orte, ſein
Bildniß ſchildern, wie er das meinige geſchil-
dert hat. Allein wie leicht könte ihn mein Pin-
ſel verfehlen? Er müſte ſich ſelbſt malen. Doch
ich will dir geſtehen, wie ich einmal die Worte
eines liebenswürdigen Dichters verändert habe,
als ich das Bild meines Freundes einer eifer-
ſüchtigen Freundin kennbar machen wolte. Ich
ſagte zu ihr:
Auf ſeinen Wangen iſt zu ſchaun,
An ſtatt der Jugend-Milch, ein lebhaft männlich Braun,
Den Augen fehlt kein Geiſt, noch Anſtand den Ge-
behrden,
Er hat, was man gebraucht, von mir geliebt zu werden.
Ja, ich muß dieſen vollkommenen Liebhaber lie-
ben, und ich liebte ihn ſchon, ehe mich das zärt-
lichſte von ſeinen Gedichten, und ſein Kuß, be-
wegte, mein Herze zu verrathen. Hier iſt das
Gedicht. Es nöthigt mich ein gnädiger Befehl
es nicht zurükk zu behalten:
An[IX]An Doris.Doris, ia, Du magſt mich haſſen,
Mich verſtoſſen, mich verlaſſen,
Wiß, es blutet zwar mein Herz,
Doch, es ändert es kein Schmerz.
Unter meinen edlen Trieben
Iſt kein Trieb veränderlich:
Doris! wilſt du mich nicht lieben;
O ſo lieb ich dennoch Dich
Doris, kanſt Du mich verlaſſen?
Schönſte, ſprich, ſollſt Du mich haſſen?
Mich, den nichts, als Du, betrübt,
Mich, der Dich ſo zärtlich liebt?
Mich, der iüngſt die Welt noch ſchätzte,
Weil Du zu der Welt gehörſt,
Welchen nichts darinn ergözte,
Wenn Du nicht darinnen wärſt
Deine Weisheit, Deine Tugend
Ubertrift noch Deine Jugend,
Dein holdſeeliges Geſicht
Gleicht der ſchönen Seele nicht.
Roſen blühen auf den Wangen,
Lilien glänzen rund umher:
Doch ſie würkten kein Verlangen,
Wenn Dein Geiſt nicht ſchöner wär.
Freund-
[X]Freundlichkeit in allen Minen,
Eifer, iedermann zu dienen,
Edelmut, Verſchwiegenheit,
Menſchenliebe, Zärtlichkeit;
Jede Tugend iſt Dir eigen,
Jede haſt Du Dir erwählt,
Und kein Läſtrer kan mir zeigen,
Daß Dir auch nur eine fehlt
Du gebieteſt meinen Trieben,
Dich allein kan ich nur lieben.
Tauſend nennt man reich und ſchön,
Und ich mag ſie doch nicht ſehn.
Keine Schöne, keine Reiche
Iſt Dir an Verdienſten gleich:
Wenn ich ſie mit Dir vergleiche,
Dann iſt keine ſchön und reich
Laß mich meinen Kummer ſagen!
Wirſt Du mich gleich nicht beklagen,
So beklagt ein andrer mich,
Der Dich minder liebt, als ich.
Zeig ihm dieſes Tuch voll Zähren,
Das mein Auge voll geweint,
Prüf ihn, Doris, laß Dir ſchwören,
Ob ers halb ſo redlich meint.
Sein
[XI]Sein verklagendes Gewiſſen
Wird die Treue loben müſſen,
Die er zwar mit Nahmen nennt,
Aber die ſein Herz nicht kennt.
Glükk und Dich will ich ihm gönnen,
Wenn er nur die Warheit ſpricht.
Warheit, zwing ihn zu bekennen:
Solche Triebe kenn ich nicht
Nein, ich kann den Trieb nicht hindern,
Nein, ich kann mein Leid nicht mindern,
Was ich rede, denk und thu,
Setzt mein Herz doch nicht in Ruh.
Canitz rief die ſchnellen Stunden,
Und verging, wie ſie, im Schmerz;
Was ſein blutend Herz empfunden,
Das empfindet itzt mein Herz
Denk an ſeine Trauerode!
Doris ringt noch mit dem Tode:
Folge dieſer Doris nach,
Sprich, was einſt ihr Schatten ſprach:
Nur drei Worte darf ich ſagen,
Ich weiß, daß du traurig biſt.
Folge mir. Vergiß dein Klagen,
Weil dich Doris nicht vergißt.
Säh
[XII]Säh ich Dich in letzten Zügen
Sterbend auf dem Lager liegen,
Sprächeſt Du, daß Deine Treu
Mir im Tode ſicher ſey;
Könnt ich dann wol Abſchied nehmen,
Wie erſt Haller Abſchied nahm?
Nein! Ich würde mich nur grämen,
Denn ſo ſtürb ich erſt für Gram
Freunde, Doris läßt mich ſterben!
Seht, ich will den Ruhm erwerben,
Den ſich iedes Herz erwirbt,
Welches liebt, und liebend ſtirbt.
Daß man einſt von mir noch ſpreche,
Seht mein Leid und ſagt es nach!
Tauſend andre Tränenbäche
Würke dieſer Tränenbach
Dichter ſollen mich bedauren!
Schönen ſollen um mich trauren!
Denn ich weiß, es rührt mein Lied
Jedes zärtliche Gemüth.
Weint bei meinen Trauertönen,
Weint, gerührte Herzen, weint!
Sagt einſt: Hier zerfloß in Thränen
Ein Verliebter und ein Freund.
Doris,[XIII]Doris, biſt Du zu erweichen;
O ſo denk an iene Leichen,
Die der treuen Liebe Macht
Vor der Zeit ins Grab gebracht!
Soll ich mich zu Tode grämen?
Sage ia. Es ſoll geſchehn.
Laß mich nur beim Abſchiednehmen
Dich noch einmal freundlich ſehn
Hörſt du, was die Liebe fodert?
Wann einſt dis Gebeine modert,
Dann erwache Dein Gehör;
Doch, dann fodert ſie nichts mehr.
Ruf einmal bei tauſend Zähren
Meine Aſche aus der Gruft.
Doch, vielleicht wird ſie nicht hören,
Wenn Dein Mund gleich ſelber ruft
Aber wenn ich noch im Grabe
Kräfte zum empfinden habe,
Wenn man dort noch ſieht und hört,
Wenn mich dort Dein Gram noch ſtört;
O, was werd ich dann verſpüren,
O, wie wird es Dich gereun!
Wie wird mich Dein Jammer růhren,
Wenn ich nicht kan bei Dir ſeyn.
Sorgen,
[XIV]Sorgen, die das Herz verletzen,
Tränen, die die Wangen netzen,
Nachreu, in der zarten Bruſt,
Seufzer, über den Verluſt,
Werden mich erwekken ſollen.
Doris, ändre Deinen Sinn,
Dann wirſt Du mich lieben wollen,
Wann ich halb verweſet bin
Werd ich Dir mit dürren Beinen,
Künftig in der Nacht erſcheinen,
Komm ich als ein Geiſt zu Dir,
So erſchrikk nur nicht vor mir.
Nein, mein Geiſt ſoll Dich nicht quälen,
Wenn er Dich gleich quälen kan!
Wird ihm Ruh im Grabe fehlen,
O ſo biſt Du Schuld daran
Ach mit tauſend edlen Tränen
Wirſt Du meiner Lieb erwähnen,
Und zur Lindrung Deiner Noth
Rufſt Du wol noch ſelbſt den Tod.
Wünſche Dir kein Sterbebette!
Warte bis der Tod Dich ruft:
Doch, nimm Deine Ruheſtädte
Nur nicht weit von meiner Gruft.
Dann
[XV]Dann werd ich beim Auferſtehen
Dich an meiner Seite ſehen!
Dann miſcht ſich, in meiner Bruſt,
Liebe zu der Himmelsluſt.
Dann wirſt Du mich erſt entzükken,
Wann Du nicht mehr irrdiſch biſt.
Dann wird mich Dein Kuß beglükken,
Wann mich erſt ein Engel küßt
Welcher Donner, welche Freude,
Störet mich in meinem Leide!
Hört den lauten Freudenton,
Seht die Erde zittert ſchon.
Welten fallen aus der Höhe,
Sterne werden Sonnen gleich.
Dort, wo ich die Schaaren ſehe,
Dort entſteht das Himmelreich
Engel jauchzen in den Lüften,
Menſchen ſteigen aus den Grüften,
Fromme werden ſchon verklärt,
Und mir wird mein Wunſch gewärt.
Doris, nun will ich Dich führen,
Sieh, dort iſt Dein Vaterland!
Komm, Du ſolſt den Himmel zieren,
Zier ihn nur an meiner Hand!
Konte
[XVI]Konte ich ihm wol wiederſtehen? Malte er
mir nicht zu ſchön ſein Leiden ab?
Erlaubt mir nunmehro, geliebte Mitſchwe-
ſtern, daß ich mich mit euch unterhalte. Ihr
ſeid ſo liederwürdig, als es die Schönen in Athen
und Teios waren. Nehmt dieſe Verſicherung
ſtatt des Danks an, den ich euch ſchuldig bin,
weil ihr kein Verlangen bezeugt habt, die Lieder,
womit euch mein Geliebter ergötzet hat, in Reime
überſetzet zu ſehn. Ihr habt ſie gehöret, ohne
dabei den Reichthum eines Reimregiſters zu
wünſchen, und ihr habt dadurch bewieſen, daß
der ſchöne Geſchmakk des griechiſchen Frauen-
zimmers, welches Anakreon beſang, der eurige
ſei. Wie wenig Ehre würde daſſelbe noch ietzo
davon haben, wenn es ſeine Lieder in Reime
überſetzet hätte! Die Frau Dacier merkte, als
ſie dieſen Griechen in ihrer Mutterſprache unter-
richten wolte, wie ſehr der bunte Zierrath der
Reime, der edlen Einfalt ſeiner Gedanken ſcha-
den würde, und ſie lehrte ihn deshalb nur pro-
ſaiſch ſprechen. Die Lieder des Anakreon ſind
unſern beſcheidenen Anzügen gleich, welche wir
durch die Vielfältigkeit der Farben, und der Mo-
den verderben würden. Longepierre und viel
andere, deren Uberſetzungen mein Geliebter oft
getadelt hat, haben ſie durch ihre Reime verdor-
ben.
[XVII] ben. Ich könte es nicht verantworten, liebens-
würdige Geſpielen, wenn ich euch den Ana-
kreon, von deſſen Liedern ich mit euch rede, nicht
näher kennen lehrte. Die Frau Dacier und mein
Geliebter haben mich mit ihm bekant gemacht.
Ihr wißt, daß er ihn den artigſten Geiſt unter
den Alten genennet hat. Leſet, was ich von
ihm weiß.
Teios, eine Stadt in Jonien, war ſein Ge-
burtsort, weswegen er oft der Teiiſche Dichter
heißt. Die Frau Dacier giebt ihm fürſtliche
Vorfahren. Er war glükklich, daß er vor mehr
als zwei tauſend Jahren zu der Zeit zweener
Prinzen lebte, deren Einſicht in die Werke des
Geiſtes ſo groß war, als ihre Macht. Dieſe
waren Polykrates, welcher zu Samos ſanft und
glükklich regierte, und Hipparchus, auf den ſein
Vater die Herrſchaft über Athen gebracht hatte.
Der Ruhm eines ſo artigen Dichters drang aus
den Schaaren gemeiner Bewunderer, bis in die
Verſammlungen der feinſten Kenner der Höfe,
durch welche er bis zu den Ohren der Fürſten ge-
langte. Konten ſie wol von dem ſchönen Gei-
ſte, der die Zierde ihrer Zeiten war, Nachricht er-
halten, ohne aufmerkſam zu werden? Hippar-
chus ließ ein Schiff von funfzig Rudern ausrü-
ſten, welches nach Teios ſegeln muſte, daſelbſt
)( )(den
[XVIII] den Anakreon abzuholen, und ihn nach ſeiner Re-
ſidenz Athen zu führen, wo unter dem weiſen Be-
herrſcher, der gute Geſchmakk herrſchte, der den
Verfaſſern witziger Werke Bewunderer zu ver-
ſchaffen pflegt. Dis iſt die Nachricht des Plato,
eines Weltweiſen, der ſo wenig lügen kan, als
Doris, (*) und ſie betrift einen Prinzen, dem
die Geſchichtſchreiber das Lob eines Tugendhaf-
ten gegeben haben. Wie vorteilhaft iſt dieſer
Umſtand für den Lehrer meines Geliebten! Das
Lob des Fürſten von Athen iſt das Lob des
Anakreon.
Können die Lieblinge ruhmwürdiger Prinzen
laſterhaft ſeyn? Und kan ein Dichter, allein mit
der Wiſſenſchaft der Trinklieder und der Liebes-
briefe, die Gnade erlauchter Fürſten verdienen?
Dieſe Uberlegung, und die Nachricht, welche von
mehr als einem Griechen beſtätiget iſt, daß Po-
lykrates, der Fürſt zu Samos, den Anakreon an
ſeinen Hof gezogen, und ihn auch ſogar als dann
um ſich gehabt habe, wenn er mit den Abge-
ſandten der Prinzen die Geheimniſſe der Völker
überleget hat, überzeugt mich völlig, daß die Er-
findung ſcharfſinniger Werke das geringſte Ver-
dienſt geweſen ſei, welches ihm die Gunſt der
Groſſen erworben.
Er
[XIX]Er hatte die Eigenſchaften eines Miniſters,
wenn ihn ſein Prinz zu Rathe zog, und man lobte
die Aufführung des artigſten Hofmanns, wenn
er ſich unter den Fräulein zu Samos befand.
Unterſuchet die Anmerkungen der Frau Dacier
über ſeine Lieder, wenn ihr wiſſen wolt, wie fein
er mit ihnen getändelt hat. Sie wird euch durch
das Lob, das ihr in denſelben finden werdet,
die Schönheiten ſeiner Scherze empfindlich ma-
chen. Er ſcherzte nicht allein mit den Fräulein,
die er eiferſüchtig machte, ſondern auch mit den
Fürſten, in deren Gnade er ſtand. Es iſt aus
ſeinen Liedern zu erſehen, ich will es aber aus
einer andern Nachricht beweiſen. Polykrates,
ſein gnädiger Herr, beſchenkte ihn einſt mit ohn-
gefehr drei tauſend Thalern. Er nahm ſie an,
verwahrte ſie einige Tage mit einer verſtellten
Aengſtlichkeit, und trug ſie hierauf mit der Mine
einer angenommenen Sorgloſigkeit zu ſeinem
Wohlthäter, und erſuchte denſelben ein Ge-
ſchenk zurükk zu nehmen, welches ihm allzu viel
ſchlafloſe Nächte machte. Dieienigen, welche
einen Anakreon nicht ſo gut kennen, als ich, ver-
ſichern, daß der ſcherzhafte Grieche dis in Ernſt
vom Polykrates verlangt habe; Allein, wie ſehr
irren ſie ſich nicht! Wie leicht hätte er drei tau-
ſend Thaler los werden können, ohne daß er
)( )( 2ſeinem
[XX] ſeinem Prinzen die Mühe gemacht hätte, ſie wie-
der anzunehmen! Der Maler, welcher ſeine
Freundin ſo unvergleichlich abſchilderte, als er
ſie beſchrieb, hatte vielmehr verdient. (*) Ich
will dieſe Irrende zurecht weiſen. Anakreon
ſcherzte auf die erzälte Art, über die Weltwei-
ſen, welche zwar von der Verachtung der Reich-
tümer predigen, und ihren Schülern eine edle
Sorgloſigkeit anpreiſen, aber ſelbſt ihre Lehren
niemals ſo gut ausüben, als Johann, der mun-
tre Seifenſieder. (**) Wie ſehr muß nicht
dieſer Scherz den Polykrates ergötzt haben?
Stellt euch einen Hofmann aus eurer Bekant-
ſchaft vor, welcher dem Könige drei tauſend
Thaler zurükk bringt, weil er nicht davor ſchla-
fen kan. Ihr müßt verdrießlich ſeyn, wenn
ihr nicht über ihn lacht.
Könt ihr wol den Läſterern glauben, liebens-
würdige Mitſchweſtern, welche ſagen, daß die-
ſer Anakreon, den wir, wenn wir nicht undank-
bar ſeyn wollen, ſo hoch ſchätzen müſſen, als
ihn die Frau Dacier geſchätzt hat, dem Wein
und der Liebe tadelhaft ergeben geweſen ſei?
Schlieſſet niemals aus den Schriften der Dich-
ter,
[XXI] ter, auf die Sitten derſelben. Ihr werdet euch
betriegen; denn ſie ſchreiben nur, ihren Witz
zu zeigen, und ſolten ſie auch dadurch ihre Tu-
gend in Verdacht ſetzen. Sie characteriſiren
ſich nicht, wie ſie ſind, ſondern wie es die Art
der Gedichte erfodert, und ſie nehmen das Sy-
ſtema am liebſten an, welches am meiſten Gele-
genheit giebt, witzig zu ſeyn. Die matemati-
ſchen Beweiſe der Wolfianer verſchönern kein
Gedicht, und die Weltweisheit des Plato ſchikkt
ſich nicht zum Inhalt ſcherzhafter Lieder. Ich
empfehle ſie den Dichtern, welche die Gottheit
loben.
Anakreon wäre nicht ſo alt geworden, wenn
die Lehrſätze ſeiner frohen Muſe, nicht auf die
weiſeſte Art, die Vorſchriften ſeines Lebens ge-
weſen wären. Er war ein ehrwürdiger Greis
von fünf und achzig Jahren, als er mit ſeinem
Tode aufhörte zu ſcherzen. Er ſtarb vermut-
lich ſo, wie die Nachtigall, die mein Geliebter
beſungen hat:
Tod, als du den Dichter holteſt,
Sprich, ſcherzt er dir nicht entgegen?
Es ſoll der Kern einer Roſine ſein Lebensende
verurſacht haben, und mein Freund hat mir ei-
)( )( 4nen
[XXII] nen römiſchen Schriftſteller genennt, welcher es
der Gerechtigkeit der Götter zuſchreibt, daß der
angenehmſte Dichter, eines ſo ſanften Todes
geſtorben ſei. Ich nenne einen ſolchen Tod,
einen artigen anakreontiſchen Tod.
Nun wißt ihr, geliebteſte Freundinnen,
was ich von dem teiiſchen Dichter weiß. Es
iſt mir entfallen, woſelbſt man ihm eine Ehren-
ſäule aufgerichtet hat; mich deucht aber, es ſei
zu Athen geſchehen, und wenn dieſes iſt, ſo laßt
uns die Athenienſerinnen loben, welche zur
Verherrlichung ihres Dichters, alles mögliche
beigetragen haben.
Die Lieder, welche von demſelbigen übrig
geblieben ſind, ſind von allen freundlichen Völ-
kern hochgeſchätzt, und von Kennern feiner
Schönheiten bewundert worden. Leſet ſie mit
der Einſicht der Frau Dacier, wenn ihr Luſt
habt, ihnen Gerechtigkeit wiederfahren zu laſ-
ſen. “Man findet in denſelben eine ſolche
„Süßigkeit, und etwas ſo feines und zärtli-
„ches, als man vielleicht ſonſt nirgends findet.
„Alles iſt darinn ſchön und natürlich; ieder Ge-
„danke iſt eine Empfindung. Man findet da
„dieſe ungekünſtelten Annehmlichkeiten, welche
„den
[XXIII] „den Character des Liedes ausmachen, und daſ-
„ſelbe von allen andern Werken der Poeſie
„unterſcheiden. Man ſiehet da dieienigen la-
„chenden Bilder, welche allemal gewiß gefal-
„len, weil ſie mit Geſchmakk und Urteil aus
„der bloſſen Natur genommen ſind.“ (*) Die
Gratien haben alle Annehmlichkeiten in den-
ſelben vereiniget, und ſie verdienen von uns in
alle Sprachen überſetzt zu werden. Ich habe
mir niemals aus einer andern Urſache, die grie-
chiſche Gelehrſamkeit der Frau Dacier ge-
wünſcht, als aus Verlangen, ihrem ſchönen
Beiſpiel zu folgen, und ich würde noch heute
fortfahren, die Sprache des Dichters aus Teios
zu erlernen, wenn der Freund meines Geliebten,
der einmal an dem Ufer eines Teiches gelauſcht
hat, ihn nicht bereits gelehret hätte, ohne An-
ſtoß deutſch zu ſprechen. Ich erſuche ‒ ‒ ‒
Himmel,
[XXIV]Himmel, eben höre ich, daß mein Ge-
liebter von dem Feldzuge zurükk gekommen
iſt ‒ ‒ ‒ und meine Vorrede iſt noch nicht ge-
drukkt. Wie leicht könte er mich überraſchen!
Ich fürchte ſein Verbot. Entſchuldigt mich,
liebenswürdige Freundinnen. Ich muß ihn
umarmen. Lebt wohl.
1744. Doris.
An Herrn Pesne.
Maler, male meine Freunde!
Kleiſt ſoll, mitten unter Helden,
Auf das Lob der Gottheit ſinnen.
Mal ihn unter tauſend Blumen;
Mal ihn, daß er an dem Himmel,
Regenbogen vor ſich ſiehet!
Adler ſoll dem wilden Menzel
Mit dem krummen Schwerdte drohen,
Und zugleich den Maasſtab halten.
Donop ſoll ſatiriſch lächeln.
Seidlitz ſoll der Braut entfliehen,
Die ihm ſeine Mutter bringet.
Venus ſoll, mit ofnen Armen,
Ihm vergnügt entgegen eilen,
Und, Adonis an der Seite,
Soll den Pfeil, der ihn erobert,
Einem Plutus ſpöttiſch zeigen.
.... ſoll der Tugend folgen,
Die ihm himmliſch freundlich winket.
Kannſt du wol die Tugend malen?
Male ſie wie ſeine Schweſter.
Fromm ſoll reife Weitzenähren
A 2Um
[4]Um das Haupt der Ceres winden.
Lamprecht ſoll, umringt von Laſtern,
Gütig mit den Laſtern ſtreiten.
Mal um ihn die Laſter heßlich!
Male ſie, daß man ſich fürchtet,
Wie Lucan die Hexen malet!
Naumann ſoll, mit ſtarren Augen,
Einen Liebesgott betrachten,
Der ihn wiederum betrachtet;
Gieb auch beiden Pfeil und Bogen,
Daß ſie auf einander zielen.
Sulzer ſoll, am ſchönſten Morgen,
Auf der ſchönſten Aue ſchleichen.
Laß uns ſehn, wie er ſich freuet,
Wenn er neue Blumen findet,
Wie er, wenn ein Freund erſcheinet,
Auch die Blumen gleich verläſſet,
Und dem Freund entgegen eilet.
Uz, wie laß ich dich doch malen?
Siehſt du nicht dem Wachsbild ähnlich,
Das Anakreon beſtellte?
Maler, mal ihn nach dem Bilde:
Mal ihn, hinter Roſenbüſchen,
An
[5]An dem Ufer eines Teiches.
Laß ihn lauſchen, laß ihn ſehen,
Wie ſich eine Venus badet.
Maler, dis ſind meine Freunde.
Male mich, daß ich ſie küſſe,
Und dann male meinem Vater
An der Seite ſeines Zabels,
An der Hand des beſten Prieſters,
Daß er meine Freunde ſiehet.
Wenn du meinen Vater maleſt,
Muſt du, mit beſeelten Zügen,
Seine Redlichkeit bezeichnen.
Denn es ſoll ſein wehrtes Bildnis,
Wenn ichs meinen Freunden zeige,
Mich und ſie zur Tugend reitzen.
Maler, nun kannſt du mir danken,
Wenn die Bilder treuer Männer
Deinem Pinſel Ehre bringen.
Sollen Bilder treuer Schönen,
Deinem Pinſel Ehre bringen;
O ſo mal auch ihre Mädchen.
Geh, und frage meine Freunde:
Sagt, wo habt ihr eure Mädchen?
Zefir.
Roſen blühn auf ſchwarzen Stökken.
Seht, wie ſich die Farben miſchen!
Lilien ſtehn, wie weiſſe Kronen,
Stolz auf grünen Heroldsſtäben.
Nelken ſtehn, wie bunte Kränze,
Auf gefärbten Schwanenhälſen.
Aber ſeht, ſie ſtehn ſo ſtille!
Läßt ſie Zefir ſo zufrieden?
Zefir, biſt du denn ſo müßig,
Oder biſt du weggeſchwärmet?
Kannſt du dieſe Flur verlaſſen?
Wohnſt du nicht in dieſem Garten?
Schwärmſt du nicht in dieſen Büſchen,
Die mein Prinz für dich gepflanzet?
Komm, es warten tauſend Nelken,
Komm, und ſchüttle ſie zuſammen,
Daß es läßt, als wenn ſie küßten!
Schwärme doch um tauſend Roſen!
Laß mich ſehn, ob ſich am liebſten
Roſen oder Nelken küſſen!
Zefir kannſt du nicht mehr ſchwärmen?
Oder biſt du weggeſchwärmet?
Sucht
[9]Sucht ihn doch, ihr muntern Knaben,
Sucht ihn doch, den Müßiggänger!
Kommt, dort wollen wir ihn ſuchen,
Dort bewegen ſich die Lilien.
Seid nur ſtill, ich hör ihn lachen,
Hört nur zu, er lacht recht laute!
Seht, dort ſchwärmt er um das Mädchen!
Seht, der Zefir iagt das Mädchen!
Seht, ietzt ſchwärmt er um den Buſen!
Seht, ietzt weicht die leichte Seide!
Seht, ietzt zeigt er uns den Buſen.
Kommt, wir wollen näher laufen,
Denn er ſoll uns noch was zeigen!
An die Alten.
Väter, ſtört uns nicht im Tanze!
Kommt, und miſcht euch in die Reihen,
Wenn ihr gleich mit Krükken tanzet!
Tanzt, ihr Väter, mit den Töchtern,
Geht, ihr Söhne, holt die Mütter,
Tragt ſie tanzend auf den Armen,
Oder laßt die alten Rükken
Auf den iungeu Rükken tanzen!
Schüttelt Väter, ſchüttelt Mütter,
Daß das kalte Blut erwärme,
Daß das Feuer in den Adern,
Noch einmal für Wolluſt brenne,
Wie es in der Jugend brannte,
Damals, als ihr Söhne wurdet!
Väter, fühlt die Freude wieder,
Die ihr in der Jugend fühltet,
Nehmt die Mütter bei den Hälſen’,
Herzt und küßt ſie, bis ſie lachen!
Wälzt die Falten von der Stirne,
Laßt die Jugend wieder blühen!
Was iſt beſſer, als die Jugend?
Was iſt ſchöner, als der Früling?
Die Tänzerinn.
Mädchen mit dem ſchönen Buſen,
Sitze nicht ſo fromm im Winkel!
Sieh die frölichen Brunetten
Tanzen mit vergnügten Männern!
Sieh die Tänzer, ſieh die Füſſe
Fliehen, wie die ſchnellen Töne!
Sieh wie frölich tanzt der Haufe!
Sieh, es trennet ſich der Haufe!
Sieh, das Mädchen tanzt ein Solo!
Sieh, wie reitzend wirfts die Füſſe!
Sieh, wie ſchnell kann es ſie drehen!
Sieh, ſieh, ſieh wie hoch es ſpringet!
Sieh, nun ſchleicht es mit den Tönen!
Sieh, nun hüpft es mit den Saiten!
Sieh, nun dreht es ſich im Zirkel,
Sieh, wie langſam machts die Ründe!
Sieh, nun fliegt es aus dem Zirkel,
Sieh, nun dreht ſichs wieder langſam,
Als wenn Graun an ſeinen Tönen
Leib und Füß und Hände zöge.
Sieh, nun ſchleicht, nun ſpringt es wieder!
Sahſt du, wie es, unterm Springen,
Schwe-
[16]Schwebend mit den Füſſen ſpielte?
Sieh, ietzt eben ſpielt es wieder!
Tänzerinn, hör auf zu tanzen;
Denn indem ich deine Füſſe
Springen, ſchleichen, ſpielen ſehe,
Seh ich keinen ſchönen Buſen.
Einladung nach Berlin.
Der iunge Zefir weicht,
Da er ſein Ziel erreicht;
Er folget der Natur,
Und weicht von unſrer Flur.
Sein ſanfter freier Hauch
Verläßt den Roſenſtrauch,
Den er ſonſt nicht verließ,
Wann er des Morgens blies,
Von dem er, wann er kam,
Den Ambra mit ſich nahm,
Und dann im Abendflug
Zu meiner Laube trug
Nun ſtirbt das friſche Gras
Vom kalten Boreas,
Der ſtürmiſch drüber fährt
Der Wieſen Schmukk verheert,
Und feindlich, wie ein Tod,
Den Blumenbeeten droht.
Er hat ſchon Florens Tracht
Zum Teil zu nicht gemacht.
Ihr buntes Sommerkleid
Vermißt den Unterſcheid.
Das ſchön gefärbte Kraut
Wird blaß und gelb geſchaut.
BFreund,
[18]Freund, folge meinem Rath,
Und ſuche nun die Stadt,
Die, wenn der Sommer ſchließt,
In Zimmern ihn genießt.
Da ſieht man beim Kamin
Manch Donnerwölkchen ziehn!
Da zeigt des Künſtlers Hand
Uns Floren an der Wand;
Und was, auf ihrer Jagd,
Dianen froh gemacht:
Zu dieſer Frölichkeit
Sind Zimmer eingeweiht
Du ſprichſt: Wo find ich dort,
Den angenehmen Ort,
Den frohen Aufenthalt,
Den kleinen ſtillen Wald,
Wo ich der Städte Pracht
So oft vergnügt belacht,
Wenn mir der Vögel Schaar
Statt Virtuoſen war,
Wo ich die Schäferinn,
Der ich ergeben bin,
Mit Blumen ſchön geziert,
Zum Tanze aufgeführt?
Den
[19]Den ſchönſten Blumenkranz,
Den muntern Schäfertanz,
Solſt du, gedoppelt ſchön,
Im Operſaale ſehn.
Da ſieht man unſerm Pan
Das Groß und Schöne an,
Das Schöne ſo ihn ziert,
Wenn er den Reihen führt;
Und daß ſein Heldenmuth
Sich ſo zum Schäferhuth,
Als zu dem Helme ſchikkt,
Wenn ihn der Feind erblikkt
Du weiſt wie ſchön es klingt
Wenn Salimbeni ſingt,
Und haſt dich oft gefühlt,
Wenn Benda mit geſpielt.
Wie froh war Herz und Ohr
Wenn Graun ſein ganzes Chor
Zum Streite aufgeführt?
Wie wurdeſt du gerührt?
Bald lachteſt du für Luſt,
Bald ſeufzte deine Bruſt.
Der Töne Gram und Scherz
Drang wechſelsweis ans Herz.
B 2Dein
[20]Dein Feld iſt wüſt und leer,
Dein Wald erklingt nicht mehr,
Das Volk in deiner See
Springt nicht mehr in die Höh.
Bereite deine Bruſt,
Zu mancher neuen Luſt.
Wie ſchön Molteni ſingt,
Wie künſtlich Lani ſpringt,
Wie witzig .... dalt
Wie treflich Pesne malt,
Wie Schmidt in Kupfer ſticht,
Lehrt dich dein Landgut nicht
Freund, iſt zur Winterzeit
Des Landes Einſamkeit,
Dem prächtigen Berlin
Noch irgend vorzuziehn?
Ich weiß, du ſageſt nein.
So triff denn öfters ein.
Dein brauner raſcher Gaul
Iſt unter dir nicht faul.
Doch komm auch oft gepaart,
Auf einer Schlittenfahrt,
Und nimm, ſo fährſt du warm
Dein Schätzgen in den Arm.
An Herrn von Hagedorn.
Dichter, du biſt Amors Liebling!
Wenn du Liebeslieder ſingeſt,
Nimmt er ſchnell den Pfeil vom Bogen
Lehnt ſich müßig an die Mutter,
Und wenn ihn die Mutter fräget:
Sohn, bewegſt du nicht zur Liebe?
Spricht er: Liebſte Mutter, horche!
Hagedorn bewegt zur Liebe!
Hilf mir nur die Spröden zälen,
Zäle nur die Neuverliebten,
Die er ſchon dazu bewogen!
Dichter, du biſt Amors Liebling!
Wenn du mit den Schönen ſcherzeſt,
Schimpft er auf die Poſſenreiſſer.
O wie hat er dich geprieſen,
Als dich iüngſt der Weingott lobte!
Voll von Eifer dich zu loben,
Zankten ſich die frohen Götter.
Amor ſang mit zarten Trillern,
Eins von deinen Liebesliedern;
Plötzlich liebten alle Schönen.
Bacchus ließ ein Trinklied hören;
Plötzlich wolten alle trinken.
An einen Vater.
Alter, denk an deine Jugend!
Fühle noch einmal die Wolluſt,
Die du in den Adern fühlteſt,
Damals, als du Vater wurdeſt.
Sieh, hier ſitzt auf meinem Schooſſe
Deine Tochter, die mich liebet!
Sieh, ſie ſtreichelt meine Hände!
Sieh, ſie zupft mich bei der Naſe!
Sieh, ſie kneipt mich in die Wangen!
Sieh, ſie hüpft auf meinem Schooſſe!
Sieh, ſie kützelt mich und lachet!
Wie vergnügt iſt deine Tochter!
Kann ſie dich nicht frölich machen?
Alter, rufſt du nicht mit Tränen,
Deine Jugendzeit zurükke?
Sieh, wie ſchön wir ſie gebrauchen!
Lobe doch, in dem du trinkeſt,
Unſer Tändeln, unſre Jugend!
Sieh nur, wie vergnügt wir tändeln!
Doch du kannſt mit dunkeln Augen,
Unſer Tändeln nicht mehr ſehen.
Warte nur, du ſolſt es fühlen!
War-
[28]Warte, Lenchen ſoll dich küſſen!
Dann wirſt du die Jugend loben;
Dann wirſt du dich ſchnell veriüngen;
Dann wirſt du nicht murriſch ſagen:
Kinder, ſeid doch nicht ſo luſtig!
Ein Traum.
Bald hätte mich in dieſer Nacht,
Ein Traum ins Todtenreich gebracht
Mich deucht, ich ritt ſpatzieren,
Die Grillen zu verlieren;
Da traf ich, welch ein Glükke!
Mein Mädchen auf der Brükke,
Auf die ich einſt, mit Ruthen, ſchlug,
Als ſie mein Mädchen von mir trug
Itzt wards, in ofnem Wagen,
Von Rappen hergetragen.
Wir ſahen uns, o Freude!
Mich deucht, wir wünſchten beide:
Ach möchte doch, uns zu erfreun,
Die Mutter nicht im Wagen ſeyn
Indem der Wunſch geſchahe,
Kam uns ein Tolpatſch nahe,
Und, ach! für ſeinen Lappen,
Erſchrekken ſich die Rappen,
Und ſpringen ſeitwerts in den Fluß,
Daß auch der Wagen fallen muß!
Da
[30]Da fällt, ach Ungelükke,
Mein Mädchen von der Brükke!
Mein Blut fängt an zu wallen,
Ich denk ihm nachzufallen.
Mein Mädchen ſtirbt! ach, welche Noth!
Im Waſſer ‒ ‒ ‒ Waſſer ſei mein Tod
Drauf ſoll mein Pferd ſich ſchwingen,
Und ſchnell ins Waſſer ſpringen.
Allein, es bäumt zurükke,
Und will nicht von der Brükke,
So traurig auch der Reuter ſprach:
Ach, ſpringe doch dem Mädchen nach
Itzt wach ich, und es kommt gelaufen:
Nun werd ich mich wol nicht erſaufen.
Die Sehnſucht.
Jüngſt ging ich in den Garten,
Wohin mich oft die Liebe,
In ſichre Schatten lokket;
Wohin mich oft der Früling
Zu meiner Doris führet;
Wohin mich meine Doris,
Wann ſie allein ſpatziret,
Selbſt oft durch Hekken winket.
Itzt ſah ich keine Doris.
Ich wünſchte ſie zu ſehen.
Ich ſchlich in alle Gänge,
Und wünſchte ſie zu ſehen.
Ich lauſcht an allen Büſchen,
Und wünſchte ſie zu ſehen.
Ich ſtrekkte mich im Schatten,
Auf ein beblümtes Lager,
Und wünſchte ſie zu ſehen.
Ermüdet von den Wünſchen,
War ich hier eingeſchlafen.
Ich ſchlief, und fing im Schlafe,
Von neuem an zu wünſchen.
CIch
[34]Ich träumte von der Doris,
Ich wünſchte ſie zu ſehen,
Ich wünſchte ſie zu ſprechen,
Ich wünſchte ſie im Garten,
An meiner Hand zu führen,
Und ihre ſchönen Hände,
Wünſcht ich ſo ſanft zu drükken,
Wie ſie ſie mir oft drükket.
Ich ſahe ſie im Traume.
Schnell ſprang ich von dem Lager.
Da ſtand ſie mir vor Augen,
Da hab ich ſie geſehen,
Da hab ich ſie geſprochen,
Da hab ich ſie, im Garten,
An meiner Hand geführet.
Was hab ich mehr, ihr Schönen?
Befragt nur, dort im Winkel,
Das kleine loſe Miekchen!
Es ſagt, wenn ich es frage:
Du haſt ſie auch geküſſet!
An Hrn. Profeſſor A. G. Baumgarten
in Frankfurth.
Lehrer, den die Gottheit lehrte,
Lehrer, den die Weisheit liebet,
Lehrer, der mit Licht und Leben,
Und mit freundlichen Beweiſen,
Tugend, Witz und Warheit ſtiftet.
Sieh, wie ſtark ſind deine Lehren!
Sieh, ſie überwinden Zweifler;
Sie entwafnen Warheitsfeinde;
Sie gewinnen Weisheitsſpötter!
Seelen, nein, ich will ſie nennen:
Todte, ſchlafende Monaden,
Wekken ſie aus tiefem Schlummer.
Zwanzig fromme Hauspoſtillen
Leiten nicht ſo ſchnell zur Tugend,
Als wenn du mit ſchönen Worten,
Und mit freundlichen Beweiſen,
Einmal nur die Tugend lehreſt.
Denk einmal an deine Siege,
An den Seegen deiner Lehren.
C 2Sieh,
[36]Sieh, wie der die Tugend liebet,
Der, als du die Laſter ſchalteſt,
Plötzlich ſchwur: ich will ſie haſſen.
Durch die Kräfte deiner Lehren,
Zwangſt du ihn zur Tugendliebe.
O wie ſchaft man ſeinen Lehren
Solche Kräfte, ſolchen Seegen?
Lehrer, wenn du mich es lehreſt,
O ſo will ich Mädchen zwingen,
Daß ſie plötzlich ſchweren müſſen,
Mich zu lieben, wenn ich liebe.
Die Reue.
Doris, ſieh, die falben Blätter,
Sieh, hier werden ſie zu Leichen!
Wilſt du nicht den Herbſt verachten?
Sieh, er raubt uns Laub und Schatten
Und die Sänger, auf den Zweigen,
Jagt er aus den grünen Zellen
In die Ritzen hohler Klippen!
Werden ſie nun noch wol ſingen?
Doris, nein, ſie werden ſchweigen,
Und ſie haben ſchon geſchwiegen,
Als du geſtern früh, im Garten,
Mich mit tauſend Küſſen labteſt.
O wir werden ihre Lieder
Küſſend wünſchen und nicht hören.
O wie lange wird es währen,
Daß ſie froh zu deinen Küſſen
Ihre Lieder wieder ſingen?
Engel, ietzt empfinde Reue;
Denn, am zwanzigſten des Maien,
Als dich Nachtigallen lokkten,
Wolteſt du nicht immer küſſen!
Wenn ſie künftig wieder lokken,
Wilſt du dann nicht immer küſſen?
Aufmunterung zum Spatzierengehen.
Ach geht doch oft, ihr Schönen,
An hellen Frülingstagen,
Ins Feld und ins Gebüſche!
Welch irdiſches Vergnügen
Wird euren Geiſt ermuntern!
Welch Labſal, welche Wonne,
Wird euer Herz erfriſchen!
Wie Brokks, auf ſeinen Fluren,
Den Reitz der Freude ſpüret,
So werdet ihr ihn ſpüren.
Ihr werdet Blumen ſehen,
Und ſie mit Seide ſtikken,
Wenn ihr zurükke kehret,
So, wie ſie Brokkes malet,
Wenn er zurükke kehret.
Ihr werdet, voll Vergnügen,
Den Spieltiſch wieder ſuchen,
Wenn ihr zurükke kehret.
Ihr werdet Männer reitzen,
Ihr werdet Freunde lokken,
Euch in den Buſch zu führen.
Ihr werdet Caffé trinken,
Und noch die Luſt empfinden,
Die ihr im Buſch empfunden;
C 5Ihr
[42] Ihr werdet treuen Schweſtern,
Ihr werdet Dienerinnen
Viel Schönes von den Auen,
Und von den Wäldern ſagen;
Ihr ſollt mit Luſt erzählen,
Was euer Blikk geſehen.
Erwählt mich nur zum Führer
Und ſeht, was ich einſt ſahe,
Am ſchönſten Frülingstage!
Ein heller Regenbogen,
Stand um den halben Himmel,
In treufelnd ſchwarzen Wolken.
Er ſtand, mit tauſend Farben,
Der Sonne gegenüber.
Die Sonne, frei von Wolken,
Umgab, mit goldnen Strahlen,
Den halben blauen Abgrund.
Es glänzt, um tauſend Blumen,
Ein ſilberweiſſer Schimmer;
Es hiengen, um die Roſen,
Die hellſten Waſſertropfen,
Wie, um den Hals der Braunen,
Die hellſten Perlen hangen.
Ein ſchlauer ſtarker Zefir
Bewegte, wo er ſchwärmte,
Die Gipfel hoher Tannen
Die Wieſ und Thal umgrenzten,
Und wenn er ſie bewegte,
So
[43] So ſah man, auf den Gipfeln,
Wie Licht und Schatten wechſelt.
Am niedrigen Geſträuche
Bewegte ſich der Schatten,
Wenn die geſchlanken Zweige,
Durch Zefirs Hauch belebet,
Sanft an einander ſchlugen.
Hierdurch entſtand, im Buſche,
Das lieblichſte Geräuſche,
Zu welchem ſich das Murmeln
Der kleinen nahen Bäche,
Und tauſend helle Kehlen
Der kleinen Vögel miſchten.
Es lokkten Nachtigallen,
Es ſangen Staar und Amſeln
Es ſchlugen Wachtelhäne.
Indem ich ihre Lieder
Mit ſtillem Lobe hörte:
Sprang, aus dem dikken Buſche,
Ein ſtolzer Hirſch ins Waſſer;
Und plötzlich blieb er ſtehen,
Und ſchien ſich zu beſinnen,
Und langſam ging er weiter,
Und, mitten auf der Wieſe,
Beſah er ſich im Waſſer.
Er wies, mit ſteifem Kopfe,
Sein prächtiges Geweihe.
Als
[44] Als ſich der Corſen König,
In ſeiner Krone zeigte,
Ließ er nicht halb ſo prächtig.
Er putzte mit der Zunge
An Beinen ohne Waden,
Und ſtand auf dreien Beinen,
Gleich als ſich ſeinen Augen
Die ſchönſte Hirſchkuh zeigte.
Schnell trat er auf vier Beine,
Und ging im hohen Graſe,
Stolz, wie ein Fürſt der Thiere,
Gerade nach der Schönen.
Sie ſahe den Geliebten,
Sie ging ihm ſelbſt entgegen
Ach, fragt mich nicht, ihr Schönen,
Was haſt du mehr geſehen?
Nein, geht mit mir in Wälder,
Da ſolt ihr alles ſehen.
Bacchus und Cithere.
Soll ich trinken oder küſſen?
Hier winkt Bacchus, dort Cithere.
Beide winken, beide lächeln.
Baechus mit geſetzten Minen,
Und Cithere mit verliebten.
Baechus zeigt mir ſeine Reben,
Seht, ſie ſinken, ſchwer von Trauben!
Aber ſeht nur, dort im Schatten,
Dort im Schatten, unter Reben,
Liegt ein Mädchen lang geſtrekket!
Seht, es ſchläft, es lächelt ſchlafend,
Und es lächelte Cithere
Nicht ſo reitzend, als ſie winkte.
O wie ſüß mag es nicht ſchlummern!
O wie reitzend liegt das Mädchen!
Um den weiſſen regen Buſen,
Hangen ſchwarze reife Trauben,
Und es glänzen um den Lokken,
Um den Rabenſchwartzen Lokken,
Goldne Blumen in dem Schatten.
Weingott, winke nur nicht länger;
Denn ich muß erſt, bei dem Mädchen,
Unter deinen Trauben ſchlummern.
Das Thierchen ohne Nahmen.
Am zwanzigſten des Maien,
An dem du mich, o Doris,
Nicht immer küſſen wolteſt,
Saß an dem weiſſen Halſe
Der freundlichen Filinde
Ein kleines ſchwarzes Thierchen.
Ich weiß es nicht zu nennen;
Dis weiß ich, daß es hüpfet,
Wie Graſepferde hüpfen,
Und daß es oft entwiſchet,
Wenn es erzürnte Schönen,
Im freien Felde iagen.
Ein Kenner der Inſekten,
Beſchrieb mir iüngſt das Thierchen.
Er ſprach: Es wird bei Schönen
Geboren und erzogen,
Es wohnet bei den Schönen,
Und wagt ſich nur zu Männern,
Wenn ſie mit Schönen ſpielen.
Ein ſolch beglükktes Thierchen
Saß an dem weiſſen Halſe
Der freundlichen Filinde.
Ich
[48]Ich wolt es ſchnell erhaſchen,
Und dann wolt ich es fragen;
Wie wohnt es ſich bei Schönen?
Allein es ſprang vom Halſe,
Und hüpfte nach den Hügeln,
Die an dem Halſe grenzen.
Ich ſah es wieder ſitzen.
Es ſah ſich um, und lachte,
Und, triegen nicht die Minen,
So ſchiens, als wolt es ſprechen:
Nun ſolt du mich nicht kriegen,
Izt will ich weiter hüpfen.
Du darfſt mich nicht verfolgen,
Wohin ich itzo hüpfe.
Du hörteſt nicht, Filinde,
Als ich zum Thierchen ſagte:
Adieu du kleiner Springer,
Dürft ich dich nur verfolgen,
Wie bald wolt ich dich kriegen!
Der Schöpfer.
Liebſte Götter, ſeid ſo gütig,
Laßt mich auch einmal erſchaffen.
Menſchenplager, Tiegerthiere,
Laſterknechte, Wüſteneien,
Fegefeuer, Päbſte, Menzels,
Gottesläugner, Ketzermacher,
Himmelſtürmende Giganten,
Welten voller Aberglauben,
Will ich warlich nicht erſchaffen.
Nein, die laß ich euch erſchaffen.
Ich verſprech euch, liebſte Götter,
Nichts, als Mädchen, zu erſchaffen,
Nichts, als allerliebſte Mädchen.
Laßt mich nur ſo viel erſchaffen,
Daß der Raum, bis an den Himmel,
Uberall von Mädchen wimmelt,
Wie er, durch die Macht des Winters,
Uberall von Flokken wimmelt;
Aber dann gebt mir auch Flügel.
Die Träumerin.
Ein kleines ſchwarzes Mädchen,
Hielt auf dem weichſten Bette,
Die ſanfte Mittagsruhe.
Es ſchlief, wie Mädchen ſchlafen;
Es lächelte im Schlafe;
Es regte ſich der Buſen,
So oft es Athem holte.
Es that, als wolt es wachen;
Es warf ſich hin und wieder,
Und lächelte noch zweimal;
Es ſtekkte, bei dem Lächeln,
Die rechte Hand im Buſen.
Ich bükkte mich und lauſchte
Die Linke zu erblikken;
Allein ſie war verborgen.
Doch, als ich nicht mehr lauſchte,
Zog es ſie ſchnell zurükke,
Und warf ſie zu der Rechten,
Und faltete die Hände,
Wie fromme Beterinnen,
Die Händ aus Andacht falten.
Ach! ſprach ich zu den Brüdern,
Ach ſeht, das Mädchen betet!
Warum mag doch das Mädchen,
Den harten Himmel bitten?
Ver-
[53] Vernimm es, ſprach ein Bruder:
Ich weiß, daß fromme Mädchen
Gott oft um Männer bitten,
Und daß ſie oft, in Träumen,
Die Bitten wiederholen,
In Träumen Männer haben,
Und glauben ſie zu küſſen.
Dis glaub es, lieber Bruder,
Dis glaubet auch das Mädchen.
Gleich ſchlich ich zu dem Mädchen,
Und fragt es: Wilſt du küſſen?
Da ſtrekkte mir das Mädchen
Die Lippen ſchnell entgegen,
Und eh ich ſie berührte,
Ertönten ſchon die Schmätzgen
Nun ſagt einmal, ihr Schönen,
Zu mir und meinen Brüdern:
Ihr wolt nur immer küſſen.
An den Tod.
Tod, was wilſt du bei den Brüdern?
Komſt du her mit uns zu trinken?
Geh, hier iſt für dich kein Rheinwein!
Trink aus Heidelberger Fäſſern;
Denn der Durſt, in deinen Knochen,
Iſt mit Maaßen nicht zu löſchen!
Geh, du möchteſt ſtatt der Brüder,
Alle Römer ledig trinken!
Geh, und laß die Brüder trinken!
Denn du wilſt ſie doch nicht holen?
Nein, du holſt ia nur die Alten;
Denn was ſoll das Reich der Todten
Mit den Schatten, die noch trinken?
Du verſchonſt die muntre Jugend.
Tod, weil du der Jugend ſchoneſt,
Solſt du doch den Rheinwein ſchmekken.
Sieh, dort ſteht ein voller Römer,
Hol ihn mit den dürren Händen!
Kanſt du wol den Römer halten?
Trinke, wenn die Brüder trinken;
Aber ruf erſt mit den Brüdern:
Auf, es leben alle Mädchen!
Und wenn dir der Rheinwein ſchmekket,
O ſo iauchze mit den Brüdern,
D 4Freier,
[56]Freier, als mein Uz itzt iauchzte,
Oder ſinge ſeine Lieder,
Die den lieben Weingott loben!
Tod, du kanſt den Wein nicht ſchmekken!
Brüder, ſeht doch das Gerippe,
Seht, es fehlen Lefz und Zunge!
Brüder trinkt, und ſchmekkt den Rheinwein!
Seid ihr einſt, wie dis Gerippe,
Ohne Lefz und ohne Zunge,
Dann könnt ihr ihn nicht mehr ſchmekken.
Auf das Beilager des Freiherrn
von ***
Ja, nun hab ich ſie geſehen.
O wie reitzte ſie, die Schöne!
Welche kluge Schmeichelworte!
Welche ſanfte Venusminen!
Welche holde Roſenwangen!
Tauſend ſchöne Liebesgötter
Schwärmten um die ſchönen Glieder.
Dreißig ſchwärmten um die Wangen,
Zwanzig ſcherzten mit den Lokken;
Aber, wo die meiſten ſchwärmten,
Wo die meiſten ſchwärmen werden,
Soll der ſchöne Bräutgam ſagen.
Bräutgam, ſagſt du es dem Dichter,
O ſo ſoll er nebſt der Schönen,
Alle Liebesgötter malen.
Itzund ſoll er nur die Schöne
Pesnen oder Harpern malen
”Auf! Vortreflichſter der Maler!
„Auf, und ſchildre, Preis der Maler!
„Meiſter in der Kunſt der Rhoder,
„Komm,
[59]„Komm, und ſchildre dieſe Schöne,
„Wie ich ſie beſchreiben werde!
„Male mir vor allen Dingen,
„Zarte rabenſchwarze Haare,
„Und, wofern es anders möglich,
„Male ſie auch lieblich düftend.
„Male zwiſchen ſchwarze Lokken,
„Da, wo ſich die Wangen ſchlieſſen,
„Eine Stirn von Elfenbeine.
„Laß ſich nicht die ſchwarzen Bogen,
„Die ſich um die Augen krümmen,
„Gänzlich trennen, noch vermiſchen;
„Sondern, wie bei meinem Mädchen,
„In einander ſanft verlieren.
„Ihrer Augen Reitz zu treffen,
„Male ſie wie reges Feuer,
„Und auch blau, wie Pallasaugen,
„Und auch zärtlich, wie Citherens.
„Miſche Milch, zu iungen Roſen,
„Wann du Naſ und Wangen maleſt.
„Gib ihr Lippen, wie der Suada,
„Die den Mund zum Küſſen laden.
„Um das ſanfte Kinn der Schönen,
„Und um ihren Hals, wie Marmor,
„Laß
[60]„Laß die Huldgöttinnen fliegen.
„Kleide ſie nunmehr in Purpur.
„Aber laß vom zarten Leibe
„Etwas wenigs unverhüllet,
„Das verhüllte zu verraten.
„Geh itzt hin. Dis iſt die Schöne.
„Wirſt du Bild nicht auch bald reden?
Rede wie das Urbild redet,
Wann es dem Geliebten ſchmeichelt,
Holde, zarte Schmeichelworte;
Rede was es künftig redet,
Wann er es allein nur höret,
Und der Kleine, mit dem Bogen,
Welcher der vertrauten Mutter
Alles lächelnd wieder ſaget.
O! wie ſchön wird es ſich hören!
Wolt ihrs auch, ihr Schönen, hören?
Der Tröſter.
Als Barinchen ihren Liebling,
In dem leichten Todtenkleide,
Auf der Baare liegen ſahe:
Stiegen aus dem ſchönſten Buſen
Tauſend Ach, und tauſend Seufzer.
Von den Wangen, die an Farbe
Dem erblaßten Todten glichen,
Floſſen tauſend heiſſe Tränen.
Und es rief das arme Mädchen
Tauſendmal: Gerechter Himmel,
Grauſamer gerechter Himmel,
Gib mir meinen Liebling wieder!
Aber der gerechte Himmel
Gab den Liebling doch nicht wieder.
Ich beiammerte das Mädchen.
Und ich bat den harten Himmel:
Laß doch nur Geliebte leben.
Himmel, wenn Geliebte ſterben,
Müſſen treue Mädchen weinen.
Ach, wie wird mein treues Mädchen
Einſt bei meiner Leiche weinen!
Ach wie traurig wird es ſeufzen!
Ach wer wird, wenn ich einſt ſterbe,
Mein getreues Mädchen tröſten?
Kleiſt[62]Kleiſt du muſt, wenn ich einſt ſterbe,
Mein getreues Mädchen tröſten.
Als ich nach volbrachter Bitte,
Wieder nach dem Mädchen ſahe,
Sah ich noch die Tränen flieſſen;
Und ich ſtahl den Weiſen Gründe,
Und ich ſprach mit Trauerminen:
Weine nicht, gebeugtes Mädchen,
Weine nicht um deinen Liebling.
Lebt er doch anitzt im Himmel,
Gönn ihm doch das Glükk der Engel,
Murre nicht mit dem Geſchikke!
Aber das gebeugte Mädchen
Murrte doch mit dem Geſchikke;
Denn von den erblaßten Wangen
Floſſen noch viel heiſſe Tränen,
Als ich ausgetröſtet hatte.
Ich verließ hierauf das Mädchen,
Und begleitete die Leiche,
Ihres Lieblings in den Tempel.
Und nach zwanzig Todtenſeufzern,
Welche mich ein Redner lehrte,
Ging ich wieder zu dem Mädchen.
Und ich tröſtete von neuen,
[63]Und ich ſeufzte, wie der Redner.
Und das Mädchen ließ ſich tröſten.
Denn es floß von ſeinen Wangen,
Als ich ausgetröſtet hatte,
Nur noch eine heiſſe Träne.
Werd ich morgen, wenn ich lebe,
Wieder zu dem Mädchen gehen,
Will ich es noch einmal tröſten.
Wird alsdann von ſeinen Wangen,
Wenn ich ausgetröſtet habe,
Keine heiſſe Träne flieſſen;
So will ich zum Mädchen ſagen:
Nimm dir einen andern Liebling!
Antworten auf die Fragen
der Doris.
Warum ziehſt du doch mit Kriegern
Ich will Heldenthaten ſehen.
Warum wilſt du ſie denn ſehen,
Wilſt du künftig Helden loben
Ja, ich lobe künftig Helden;
Aber Helden, die nicht wüten,
Helden, welche Frieden ſtiften,
Helden, die den beſten Kaiſer
Auf dem Kaiſerthrone ſchützen;
Helden, welche, wie mein König,
Sclaven aus der Knechtſchaft reiſſen.
Fürchteſt du dich nicht für Schwerdtern?
Fürchteſt du dich nicht für Kugeln
Schwerdter ſollen mich nicht tödten;
Denn ich weiß mich tief zu bükken.
Kugeln ſollen mich nicht treffen;
Denn ich will nicht ſtille ſtehen.
EAber,
[66]Aber, wenn dich Feinde fangen,
Können ſie dich dann nicht tödten
Laß mich nur die Feinde fangen:
Wenn ſie feindlich trotzen wollen,
O ſo will ich freundlich lächeln,
Und geſchwinde will ich ſcherzen.
Ich will was von dir erzälen.
Wenn dich nun ein Talpatſch fänget,
Wird das Thier auch Scherz verſtehen?
Die Errettung vom Tode.
Das kleine Kind, mit Flügeln,
Das ich erſt kennen lernte,
Im Garten meines Mädchen,
Lief iüngſt, mit Pfeil und Bogen,
Und mit dem vollen Köcher,
Im Garten meines Prinzen,
Und ſchoß nach kleinen Vögeln.
Es übte ſich, ihr Schönen,
Der kleine Gott im Schieſſen;
Denn er will einſt, im Garten,
Euch ohne Fehler treffen.
Ich ſah, verſtekkt im Buſche,
Den kleinen Jäger wandern.
Allein, ich muſte lachen.
Er traf mit zwanzig Pfeilen
Kein Vögelchen im Garten.
Er lief mit leiſen Tritten,
Und aufgeſpantem Bogen,
Schnell durch die Sommerlauben,
Und fand mich hinterm Buſche.
Er ſchüttelte den Köcher,
Es raſſelten die Pfeile,
Er nikkte mit dem Kopfe,
Und
[71]Und ſprach ein bißgen zornig:
Du meinſt, ich kan nicht treffen.
Lauf nur, ich will dich ſchieſſen.
Da ſchoß er mich ins Herze,
Da ſolt ich plötzlich ſterben,
Und nicht noch einmal küſſen;
Allein, ich ſeufzte traurig:
Nun kan ich, liebſter Amor,
Mein Mädchen nicht mehr lieben!
Dis iammerte den Amor,
Drum ließ er mich nicht ſterben.
An die Stadt Prag.
Ach Prag, ich will dir rathen,
Verſpare deine Thaten.
Ergib dich an uns Preuſſen,
Eh wir die Bomben ſchmeiſſen,
Sonſt fallen deine Mauren,
Und deine Kinder trauren,
Wenn wir, auf deinen Gaſſen,
Die Bomben toben laſſen.
Auf, laß von deinen Kindern
Ihr Toben ſchnell verhindern!
Du muſt die beſten Schönen
Mit Lorbeerzweigen crönen.
Und mit gefaltnen Händen
Zu meinem König ſenden.
Dann werden ſie, im Flehen,
Sein gnädig Antlitz ſehen;
Dann wird der Held beweiſen,
Es dien ihm Stahl und Eiſen,
Es dienen ihm die Waffen
Zu ſeegnen nicht zu ſtrafen.
Wie wirſt du dann bedauren,
Daß er durch deine Mauren,
E 5Und
[74]Und tauſend Siegesbogen,
Nicht eher eingezogen.
Prag, ſpare Muth und Hitze,
Es tobt ſchon ſein Geſchütze!
Ach, träfen doch die Waffen,
Nur deine faule Pfaffen,
Ach, möchtet, ihr Kanonen,
Die Mädchen nur verſchonen!
Die Flucht aus dem Lager
vor Prag.
Als ein Heer die letzten Kräfte
Auf dem Ziskaberge wagte,
Und noch Bomben oder Kugeln
In dem nahen Lager tobten;
Als ich noch der Kugel fluchte,
Die mir meinen Prinzen raubte,
Kam, mit ſchnellen Taubenflügeln,
Amor in mein Zelt geflogen.
Dreiſter, ſprach der Gott der Liebe,
Dreiſter, kanſt du hier verweilen?
Hier, wo die verwegnen Menſchen
Tödten, und ſich tödten laſſen;
Hier, wo die erzürnten Götter,
Auch die beſten Helden tödten?
Iſt dein Prinz nicht ſchon getödtet?
Falſcher, geh, dein Mädchen weinet,
Geh, eh dich die Kugeln tödten,
Geh, was machſt du bei den Helden,
Geh, ich kan nicht länger ſehen,
Wie dein armes Mädchen weinet!
Liebſter,
[80]Liebſter, ſprach ich, liebſter Amor,
Komſt du ietzt von meinem Mädchen?
Aber er verſchwieg die Antwort,
Und ergrif den Stab im Zelte,
Der die Leinwand unterſtützet,
Und der Stab ward weis wie Silber,
Und das Zelt fing an zu fallen,
Und er trieb mich, mit dem Stabe,
Aus dem Zelt und aus dem Lager.
Hätten Krieger zugeſehen,
Als mich Amor, mit dem Stabe,
Zornig aus dem Lager iagte;
O wie hätten ſie gelachet!
Doch, es läßt der Gott der Liebe
Sich von keinem Krieger ſehen.
[figure]