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[]
Der Wald


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Leipzig und Heidelberg.:
C. F. Winter’ſche Verlagshandlung
1863.

[][[I]]
Erſtes Buch.
Die Lebensgeſetze des Waldes.
[[II]][[III]]

Dem Gedächtniß
Heinrich Cotta’s.
Er war
über ein halbes Jahrhundert lang Freund und Pfleger des
deutſchen Waldes
und
Bildner der deutſchen Forſtpflegerſchaft.
Der Verfaſſer.


[[IV]]

Aus der Umſchrift der auf unſerm Titel dargeſtellten Denkmünze, welche auf ihrer
Gegenſeite in einem Eichenkranze die Inſchrift trägt: „Nach 50jährigem Lehren der
Forſtwiſſenſchaft“, darüber: „Tharand am 20. Aug. 1836“ darunter: „von ſeinen
Verehrern und Freunden“ — ergiebt ſich, daß die deutſche Forſtwelt am
30. Oktober 1863 Heinrich Cotta’s hundertjähriges Jubiläum zu
begehen hat
.


[[V]]

Vorwort.


Es iſt ein Vorzug lieferungsweiſe erſcheinender Bücher, daß
mit Erſcheinen der letzten Lieferung das Urtheil über ſie meiſt ſchon
feſtſteht. Faſt 2 volle Jahre ſind ſeit der Hinausgabe der erſten
Lieferung dieſes Buches verfloſſen und ſchon nachdem die zweite
nachgefolgt war, durfte ich nach den competenteſten Beurtheilungen
die Hoffnung hegen, daß meine Arbeit keine mißlungene ſei. Wenn
aufmunterndes Lob im Stande iſt, einen an ſeinem Werke fort-
ſchaffenden Arbeiter für die Fortführung ſeiner Arbeit immer mehr
anzuſpornen und dadurch dieſe ſelbſt in ihrem Gelingen zu fördern,
ſo darf ich vielleicht hoffen, daß mein Buch an ſeinem Ende der
ihm an ſeinem Anfange zu Theil gewordenen Anerkennung würdig
geblieben ſein werde.


Als ich an die Ausführung des lange gehegten und vorbe-
reiteten Planes ging — mit welchem ich beiläufig geſagt bei den
größten Verlagshandlungen ſo lange förmlich hauſiren gegangen war,
bis ich faſt muthlos wurde — ſo verhehle ich mir keinen Augen-
blick, daß ich, wie ich mir den Plan zurecht gelegt hatte, ein
kühnes Wagniß unternahm, und daß ich meinem Herrn Verleger
gegenüber, der bereitwillig auf die großartig angelegte Herſtellung
des Buches einging, große Verantwortung auf mich lade.


[VI]

Wenn zuletzt das Wagniß einen befriedigenden Ausgang ge-
nommen hat — worüber die Kritik bald ihr Endurtheil ſprechen
wird — ſo danke ich dies zu einem nicht kleinen Theile nächſt der
Munificenz meines Herrn Verlegers auch meinen auf dem Titel
genannten Mitarbeitern, neben denen die Herren Eigner und
von Bomsdorf, welche den Druck der Kupferſtiche und Karten
in der Brockhaus’ſchen Officin leiteten, nicht ungenannt bleiben
dürfen. Herrn Forſtvermeſſungs-Direktor Oberforſtmeiſter Blaſe
in Dresden verdanke ich die Benutzung der angefügten 2 Revier-
karten, ſowie mich Herr Forſtinſpektor Keilpflug auf Roſſauer,
Herr Oberförſter Lindner auf Krottendorfer und Herr Oberförſter
Wettengel auf Ebersbacher Revier mit forſtlichen Notizen unter-
ſtützt haben.


Ihnen allen überlaſſe ich als Ausdruck meines Dankes gern
ein gut Theil des Beifalls, welchen unſere gemeinſame Arbeit jetzt
ſchon gefunden hat. Mit meiner Liebe für den Wald verband ſich
die ihrige und darüber ſteht auch mir ein Urtheil zu, daß die
Leiſtungen der mithelfenden Künſtler denen keines der in ähnlicher
Weiſe illuſtrirten neuern Werke nachſtehen.


Wenn ich ſchon in dem kurzen Vorworte zur 1. Lieferung:
„Was will das Buch“ auf Zuſtimmung hoffen zu dürfen glaubte,
indem ich erklärte, in demſelben den Wald unter den Schutz
des Wiſſens Aller ſtellen zu wollen
, ſo iſt mir ſeitdem
in vielen Beurtheilungen dieſe Zuſtimmung geworden, und wenn
ſolchen Beurtheilungen eine Competenz eingeräumt werden darf, ſo
wäre mir die Löſung meiner Aufgabe in ihrem weſentlichen Theile
nicht mißlungen, indem man dem Buche zugeſteht, daß es dazu
beitragen kann, eine tiefere Einſicht in den Wald und ſeine Be-
wirthſchaftung, in ſein Leben und ſeine Bedeutung zu fördern.
Da nun bei Erſtrebung dieſes Ziels mir bei Allen Liebe zum
[VII] ſchönen Walde zur Seite ſteht, ſo dürfte mein Buch ſeines Erfolges
wohl ſicher ſein, obſchon mir dabei ein gut Theil des Verdienſtes
eben durch dieſe mithelfende Liebe weggenommen wird.


Den „Freunden“ des Waldes und den „Pflegern“ des
Waldes iſt das Buch gewidmet.


Den Freunden — und gar ſehr auch den Freundinnen
des Waldes bin ich Rechenſchaft über mein Verfahren ſchuldig,
obgleich ich andeutend ſchon in dem mit der 1. Lieferung veröffent-
lichten Vorworte ſagte, „daß es Diejenigen nur theilweiſe befriedigt
aus der Hand legen würden, welche bei dem Walde nur an „Vogel-
gezwitſcher“, an „Maiblümlein“ und an „zartes Säuſeln“ oder
„gewaltiges Rauſchen“ in den Laubkronen denken können“. Mein
Buch muthet ihnen etwas zu
. Es will ſie nicht blos unter-
haltend belehren, oder meinetwegen auch belehrend unterhalten —
nein es will ſie einfach belehren. Schlimm genug für unſern
Lehrton, wenn man um ihm Geſchmack zu verſchaffen, ihn mit
ſogenannter Unterhaltung überzuckern muß. Wenn eine Belehrung
nicht unterhaltend iſt, ſo taugt ſie nichts, wenn eine Unterhaltung nicht
belehrend iſt, ſo taugt ſie ebenfalls nichts. Beide ſind untrennbar.
So lange man noch „unterhaltende Belehrung“ als etwas Beſonderes,
als eine eigne Form der Darſtellung unterſcheidet, beweiſt man damit,
daß wir aus der Zeit des gelehrten Zopfthums noch nicht heraus ſind.


„Ich denke“, ſagte ich bei jener Gelegenheit, „der Wald iſt
es werth und verdient es um uns jeden Augenblick, daß wir unter
ſeiner ſchönen Außenſeite auch die innerlichen Regungen ſeines
Lebens aufſuchen. Unſere Waldliebe verliert nichts, wenn wir den
Wald nicht blos mit genußſuchendem ſondern auch mit verſtändniß-
ſuchendem Auge anſehen.“


Wenn es ſo mein Vorſatz war, die rechte Bedeutung des
Waldes in möglichſt weiten Kreiſen zum Bewußtſein zu bringen
[VIII] und doch dabei der Waldluſt ihr volles Recht zu laſſen, ſo iſt es
nicht minder meine Abſicht geweſen, die Zucht, Pflege und Be-
wirthſchaftung deſſelben möglichſt vielen von den Millionen Deutſchen
zu einem überſichtlichen Verſtändniß zu bringen, die davon kaum
die Anfänge eines Begriffes beſitzen, die da nicht ahnen, welch ein
wichtiges Glied der Staatsgeſellſchaft der Mann im grünen
Rocke iſt
.


Den Pflegern des Waldes bin ich noch mehr zu einer
Rechenſchaft darüber verpflichtet, daß ich ſie neben Jenen auf dem
Titel als die Empfänger meines Buches nenne. Bin ich auch
18 Jahre lang (1830 — 1848) Lehrer der forſtlichen Pflanzen-
und Thierkunde auf der Tharander Akademie geweſen, und ſind
ſomit Hunderte deutſcher Forſtmänner meine Schüler, ſo bin ich
doch nicht Forſtmann, kann mir alſo nicht beikommen laſſen, ihnen
in meinem Buche Etwas wie ein forſtliches Lehrbuch bieten zu
wollen; ja es kann leicht ſein, daß mein letzter Abſchnitt manche
Mängel hat, da eine Verkettung der Umſtände es unthunlich
machte, das Manuſcript vor dem Drucke, wie ich es beſchloſſen
hatte, einem meiner forſtlichen Freunde zur Durchſicht vorzulegen.
Doch fürchte ich nicht, darin dem Nichtforſtmanne irgend etwas
geradehin Falſches vorgetragen zu haben.


Was alſo dachte ich dabei, indem ich mein Buch auch für
die Pfleger des Waldes beſtimmte? Abgeſehen davon, daß aus
dem botaniſchen Theile deſſelben Manchem eine Auffriſchung alten
ja hie und da vielleicht ſelbſt Gewinnung einiges neuen Wiſſens
erwachſen kann, ſo wollte ich an ihr Urtheil darüber appelliren,
wie weit es mir gelungen ſei, den Schauplatz ihres ſegensreichen
Wirkens und dieſes ſelbſt dem Nicht-Forſtmanne anſchaulich zu
machen und dann auch wollte ich ihnen — den Pflegern des Waldes —
eine Freude damit machen, wenn mir dieſe Schilderung ſo weit ge-
[IX] lingen ſollte, daß daraus eine verſtändnißvolle Werthſchätzung ihres
Berufes von Seiten des Volkes hervorgehe, woran es ſo ſehr
gebricht. Daß dieſe Schilderung (das „dritte Buch“) nur eine
ſkizzenhafte iſt, war durch die Aufgabe meiner Arbeit bedingt,
welche durchaus keine tiefeingehend forſtliche ſein konnte.


Aber auch an die Künſtler wendet ſich mein Buch, nicht
allein deſſen 17 Charakterbilder deutſcher Bäume, ſondern ganz
beſonders auch der Abſchnitt „Architektur der Waldbäume“
(S. 210 — 236). Mit meinen Freunden Heyn, Krauße
und Neumann habe ich mehr als einen Sommer und Winter
lang Waldſpaziergänge gemacht, um uns in die Eigenthümlich-
keiten der Baumarten zu vertiefen. Die Ergebniſſe ſind unſere
Bilder, aus denen vielleicht hervorgehen wird, daß ſelbſt in ſo
kleiner Wiedergabe dieſe Eigenthümlichkeiten Berückſichtigung finden
können.


Endlich habe ich noch ein Wort an die Landwirthe zu richten.
Sie vor Allen ſind von ihrem eigenen Intereſſe zu Beſchützern des
Waldes berufen, beſonders die großen Grundbeſitzer unter ihnen,
welche meiſt auch zugleich Beſitzer von Waldungen ſind. In dem
bewaldeten Theile ihres Grundbeſitzes ruht großentheils die Gewähr
der Fruchtbarkeit ihres Feldbeſitzes, wenn auch nicht für einen
Einzelnen von ihnen, ſo doch für ſie alle zuſammen. Darum iſt es
als ein unnatürliches Verhältniß tief zu beklagen, welches weſent-
lich auf Unkenntniß der einfachſten Naturgeſetze beruht, daß der
Forſtwirth den Landwirth beinahe als ſeinen Feind anſieht, da dieſer
zuweilen nicht blos ſeine eignen Wälder verwüſtet, ſondern auch
fremden durch Streu- und Hutungsſervitute Schaden zufügt. Hier
iſt es ein Verdienſt, Verſtändniß zu verbreiten; das vorliegende
Buch hat ſich an mehreren Stellen ernſtlich bemüht, dieſes Verdienſt
zu erwerben.


[X]

Das ſehr ausführliche Sachregiſter, für welches ich einem
hülfreichen Freunde verpflichtet bin, wird die Benutzung des Buches
weſentlich unterſtützen.


Und ſo möge denn mein „Wald“ wenn ſein Vorbild draußen
erſtorben ſcheint dem Leſer und der Leſerin ein kleiner Erſatz ſein,
oder ein Begleiter in den wieder lebendig gewordenen Wald, und
in beiden Fällen werden die zwei Jahre meines Lebens, die ich
dieſer Arbeit gewidmet habe, nützlich verſtrichen ſein, wenn ſie
dazu beiträgt, den Wald unter den Schutz des Wiſſens
Aller zu ſtellen
.


Leipzig, im Oktober 1862.


E. A. Roßmäßler.


[[XI]]

Inhalts-Verzeichniß.


  • Erſtes Buch. Die Lebensgeſetze des WaldesSeite 1 — 236
    • S.
    • 1. Wald und Forſt 1
    • 2. Woraus beſteht der Wald? 9
    • 3. Der Baum 12
    • 4. Der Waldboden 25
    • S.
    • 5. Der Bau und das Leben des
      Baumes (der Bau) 48
    • 6. Der Bau und das Leben des
      Baumes (das Leben) 131
    • 7. Architektur der Waldbäume 210
  • Zweites Buch. Uaturgeſchichte der WaldbäumeSeite 237 — 550
    • 8. Die Nadelbäume 239
      • 1. Die gemeine Kiefer 257
      • 2. Die Schwarzkiefer 289
      • 3. Die Krummholzkiefer 293
      • 4. Die Zirbelkiefer oder Arve 298
      • 5. Die Fichte oder Rothtanne 304
      • 6. Die Tanne oder Weißtanne 324
      • 7. Die Lärche 334
      • 8. Der Taxus oder die Eibe 346
      • 9. Der Wachholder 351
    • 9. Die Laubbäume 355
      • 1. Die Buche 367
      • 2. Die Stiel- oder Sommereiche 382
      • 3. Die Stein- oder Wintereiche 398
      • 4. Die flaumhaarige Eiche 401
      • 5. Die Zerreiche 403
      • 6. Die öſterreichiſche Eiche 405
      • 7. Der Hornbaum 406
      • 8. Die Hopfenbuche 413
      • 9. Die Schwarz-Erle 415
      • 10. Die nordiſche oder Weiß-Erle 422
      • 11. Die Strauch-Erle 424
      • 12. Die gemeine Birke 426
      • 13. Die Strauchbirke 437
      • 14. Die Zwergbirke 438
      • 15. Die Espe oder Zitterpappel 439
      • 16. Die Silberpappel 445
      • 17. Die Schwarzpappel 449
      • 18. Die Sahlweide 454
      • 19. Die Ohrweide 459
      • 20. Die Feldrüſter 462
      • 21. Die Korkrüſter 471
      • 22. Die Flatterrüſter 474
      • 23. Der Zürgelbaum 478
      • 24. 25. Der ſchwarze Hollunder u.
        der Traubenhollunder 478
      • 26. 27. Der Kornel- und der ge-
        meine Hartriegel 480
      • 28. 29. Der Waſſerholder und der
        Schlingſtrauch 482
      • 30. Die gemeine Eſche 484
      • 31. Die Blumen-Eſche 491
      • 32. Der Liguſter 491
      • 33. Die Stechpalme oder Hülſe 493
      • 34. 35. Der glatte Wegedorn und
        der Kreuzdorn 495
      • 36. Die Ebereſche 500
      • 37. Die zahme Ebereſche 501
      • 38. Die Mehlbirne 502
      • 39. Die Elsbeere 504
      • 40. Der Weißdorn 504
      • 41. Die gemeine Mirpel 507
      • S.
      • 42. 43. Der wilde Apfelbaum und
        der wilde Birnbaum 508
      • 44. Die gemeine Quitte 511
      • 45. Die Vogelkirſche 512
      • 46. Die Felſenkirſche 514
      • 47. Die Traubenkirſche 515
      • 48. Der Schlehdorn 517
      • 49. Die Kriechen-Pflaume 518
      • S.
      • 50. Der Sauerdorn 520
      • 51. Der gemeine oder Berg-Ahorn 521
      • 52. Der Spitzahorn 526
      • 53. Der Feld-Ahorn oder Maßholder 529
      • 54. 55. Der gemeine und der breit-
        blättrige Spindelbaum 533
      • 56. Die kleinblättrige Linde 534
      • 57. Die großblättrige Linde 542
  • Drittes Buch. Die Waldwirthſchaft551
    • 10. Die Formen des Waldes 553
      Der Auenwald. Die Heide, Moor und Sandheide; (Götterbaum und Robinie);
      der Bruchwald; der Gebirgswald; internationale Bedeutung des Waldes; der
      Alpenwald; Wettertannen oder Gogants; Hoch-, Mittel- und Niederwald;
      Plänterwald; reiner und gemiſchter Beſtand.
    • 11. Die Arbeit des Forſtmannes 580
      Vorausſicht iſt Grundzug; Einrichtung eines Revieres; Beſtandskarte und
      Hauungsplan. Gliederung der Arbeit des Forſtmannes nach den Zweigen
      der Forſtwiſſenſchaft:
      • 1. Waldbau 592
      • 2. Forſtſchutz 602
      • 3. Forſteinrichtung 605
      • 4. Waldwerthberechnung 607
      • 5. Forſtverfaſſung 609
      • 6. Forſtbenutzung u. Forſttechnologie 613
  • Sachregiſter 616

[[XIII]]

Alphabetiſches Verzeichniß der Holzſchnitte.


  • Adventivknospen 191.
  • Ahorn, gemeiner 523.
  • — Spitz- 527.
  • — Feld- 530.
  • Anatomie des Coniferenholzes 264.
  • Birke 428.
  • — Blätter 431.
  • — Frucht 429.
  • Buche 369.
  • — Blattſpielarten 373.
  • — Keimpflanze 137.
  • Buchenholz, Gewebe 162.
  • Drehwüchſiges Holz 287.
  • Eiche, Sommer- 383.
  • — Keimpflanze 385.
  • — Winter- 399.
  • — Flaumblättrige und Zerr- 402.
  • — Oeſtreichiſche 404.
  • Entfaltung der Buchen- und Ahornknospe
    165, 166.
  • — der Lindenknospe 167.
  • Erle 416.
  • — Weiß- und Strauch- 422.
  • Espe 441.
  • Eſche 485.
  • — Blätter 487.
  • — Knospenentfaltung 489.
  • Fichte 305.
  • Fichtenborkenkäfer 314.
  • Flechten des Waldbodens 32.
  • Gefäßverlauf des Eichenholzes 178.
  • Holzauswuchs der Eiche 176.
  • Hornbaum 407.
  • — Blattſpielart 411.
  • Jahreszuwachs des Stammes 92.
  • — Ungleichmäßiger 93.
  • Keimung der Schminkbohne 135.
  • Kiefer, gemeine 124, 257.
  • Kiefer, vom Waldgärtner verunſtaltet 280.
  • Kiefernadel 260.
  • Kiefernmarkkäfer 281.
  • Kiefernſpinner 274.
  • Knospe 63.
  • Korkbildung des Rüſterntriebes 115.
  • Krummholzkiefer 294.
  • Kurztrieb und Knospen 60.
  • Lärche 335.
  • — Ueberwallungen 344.
  • Linde, Sommer- 536.
  • — Winter- 543.
  • Nadel- und Laubholzgefüge 101.
  • Oberhaut des Buchenblattes 126.
  • Querſchnitt des Adlerfarrn 37.
  • — des Buchenblattes 127.
  • — eines Eichentriebes 85.
  • — eines Eſchentriebes 87.
  • Quer- und Längsſchnitt der Lindenrinde
    97, 111.
  • Rüſter, Feld- 464.
  • — Flatter- 475.
  • Rüſter-Blätter 477.
  • Sahlweide 456.
  • Schema des Stammbaues 88.
  • Schlupfwespen 277.
  • Schwarzkiefer 290.
  • Schwarzpappel 450.
  • Silberpappel 446.
  • Tanne 325.
  • — Zapfen 327.
  • Taxus 384.
  • Triebzuwachs der Kiefer 70.
  • Verbänderungen 317.
  • Wachholder 352.
  • Weiß- und Schwarzdorn 505.
  • Wurzelſchößling 196.
  • Zauberring 172.
  • Zirbelkiefer 298.
  • — Keimpflanze 300.
  • — Zapfenſchuppen 299.
[[1]]

1.
Wald und Forſt.


Hier und da ſtaunen wir noch rieſenhafte Eichen und Tannen
an, die ohne alle Pflege gewachſen ſind, während wir uns
überzeugt fühlen, daß von uns an jenen Stellen durch keine
Kunſt und Pflege ähnliche Bäume erzogen werden können.

(Heinrich Cotta (1816).)

Auch die Pflanzen haben im Umgang mit einander wie die Menſchen
ihre Neigungen und Abneigungen, bald dem Sprichwort gehorſam gleich
und gleich ſich geſellend, bald fern von ihres Gleichen die Geſellſchaft
des Unverwandten ſuchend. Dies hat ſchon ſeit alter Zeit den Begriff
der geſelligen Pflanzen gegründet. Ja als man, namentlich nach
Humboldt’s Vorgange, das ſtille Volk der Pflanzen im Sinne einer Be-
völkerung neben der Thierbevölkerung des Erdenrundes auffaßte, bildete
ſich allmälig die Lehre von der geographiſchen Vertheilung der Gewächſe
aus, in welcher die ſociale Seite ihre Rolle ſpielt. Nicht der Zufall oder
die Launen des Windes und der Gewäſſer — welche die Samen bald hier
bald dorthin tragen — beſtimmen den Pflanzen ihre Stätte. Es herrſcht
hier wie bei der menſchlichen Geſellſchaft ein Zug mächtiger Kräfte oder
einer ſanften Innigkeit, dem die Pflanzen, wie auch oft wir, bewußtlos
folgen, und dabei dennoch, wie wiederum auch wir, in ſich ſelbſt die
maßgebenden Geſetze tragen, welche mit den Geſetzen der Außenwelt in
Verknüpfung ſtehen.


Es möchte ſcheinen, als übte die Natur Deutſchlands und ihm gleich
beſchaffener Lagen, welche die goldene Mittelſtraße geht, in mehr als einer
Hinſicht den Geſelligkeitszug aus; wenigſtens zeigt ſich dies in der Pflanzen-
welt wie in der menſchlichen Geſellſchaft. Zu keiner Zeit des Jahres zeigt
unſer Klima ſo herriſche Gegenſätze, daß wir in einem Kampfe mit den-
Roßmäßler, der Wald. 1
[2] ſelben uns gezwungen ſähen, alle anderen Rückſichten vergeſſend mit
äußerſter Mühe es uns in dem kleinen Raume, den unſer Leib erfüllt,
behaglich oder erträglich zu machen. Winter und Sommer — nahe dem
Pole und dem Erdgleicher, die Feinde der Geſelligkeit — ſind bei uns
die Beförderer derſelben. Ungeſucht bietet ſich, und zwar in einer eigen-
thümlich ausgeprägten Beſtimmtheit, das Gleichniß unſerer Pflanzenwelt
dar. Nicht bloß daß dieſe in vielen Punkten die gleiche Geſelligkeit zeigt,
ſondern ſie zeigt dieſe auch gleich uns deutſchen Menſchen in der Aus-
prägung des echt deutſchen Sprichwortes, was ich ſchon vorhin anwendete:
„Gleich und Gleich geſellt ſich gern“; nur daß ihr dies nicht ſo wie uns
ein Vorwurf ſein kann. Denn wahrlich, es würde eine überraſchende
Unterhaltung bieten, die einander ausſchließenden geſelligen Vereinigungen
der Deutſchen mit denen der deutſchen Pflanzenwelt in Parallele zu ſtellen.
Ich überlaſſe es aber meinen Leſern, zu dem ſich ſelbſt genügenden, heiteren
Buchenwalde, dem niederes Volk ſchirmenden ariſtokratiſchen Eichenwalde
oder dem plebejiſchen Weidendickicht des Flußufers ſich unter den Caſino’s
und Reunions der Menſchen die paſſenden Seitenſtücke ſelbſt auszuſuchen.


Wald und Wieſe ſind zwei geſellſchaftliche Erſcheinungsformen der
Pflanzenwelt, welche ſich in Deutſchland ſchärfer ausprägen, als in wär-
meren Klimaten. Nicht nur daß die ſtolzen Bäume ſich aus der Geſell-
ſchaft der niedrigen Pflanzengeſchlechter zurückziehen und im Walde ſich
dicht und eng zuſammenſchaaren, auch unter ſich beobachten ſie das Syſtem
der Ausſchließlichkeit. Der Nadelwald trennt ſich vom Laubwalde, ja die
Fichte trennt ſich von der Kiefer, die Buche von der Eiche. Dies iſt
wenigſtens dann der Fall, wenn der Wald im Mittelgebirge ſeine Herr-
ſchaft entfaltet. In den fruchtbaren Niederungen ſchwindet oft dieſes kalte
Streben der Abſonderung und wir erhalten dadurch gegenüber jenen reinen
Kiefern- oder Fichtenwaldungen die ſchönen gemiſchten Laubwälder unſerer
Auengegenden.


Die Wieſe zeigt uns das Bild eines liebenswürdigen Widerſpruchs:
das treue Zuſammenhalten gleicher Brüder, der Gräſer, und das freund-
liche Patronat derſelben gegen Fremde, die ſogenannten Wieſenkräuter,
welche wir nirgends anders antreffen, als im grünen Schooße der Wieſen-
gräſer, und deren ſich meine pflanzenkundigen Leſer und Leſerinnen eine
Menge nennen werden.


[3]

Oft drängt ſich unſer Intereſſe ein in die freie Vergeſellſchaftung der
Pflanzen und wir wenden alle Mittel der vorgeſchrittenen Feldbeſtellung
an, um von unſeren Getreidefeldern gewiſſe Pflanzen fern zu halten,
welche von Natur das Bedürfniß zu haben ſcheinen, die Geſellſchaft der
Getreidepflanzen, ja deren Schutz zu ſuchen. Gehaßte Unkräuter werden
uns dann auch jene drei vom Dichter geprieſenen Blumen, die „blaue
Cyane“ nebſt Kornrade und Ackermohn, deren heimathliche Berechtigung
zuletzt die Schnitterin dennoch anerkennt, wenn ſie dem ſegenſchweren
Wagen auf dem Rechen den Erntekranz vorträgt, in welchem ſie jene drei
Blumen zwiſchen die falben Aehren geflochten hatte.


Der Wald ſteigert das ins Große, was die Wieſe im Kleinen zeigt
und zwar in vielen Abſtufungen. Ich darf mich hier auf die Wahr-
nehmungen aller Waldfreunde berufen — und wer wäre kein Waldfreund?
Wir alle kennen die verſchiedenen Grade der Gaſtfreundſchaft der Wälder.
Der dicht geſchaarte Fichtenwald verſtattet nur dem zierlichen Völkchen der
Mooſe das Lager zu den Füßen ſeiner Stämme, während der weitäſtige
Eichenwald Raum läßt für ein ganzes Heer von Geſträuchen und Kräu-
tern, der Buchenwald hingegen, den Nadelhölzern es an Selbſtgenüg-
ſamkeit noch zuvorthuend, unter ſich faſt gar keine Waldkräuter duldet,
denn er bedeckt den Boden fußhoch mit den ſchier unverweslichen Leichen
ſeines Laubes.


Iſt alſo auch der Wald ein an ſich klarer und Niemand zweifelhafter
Begriff, ſo ſchließt er doch Manchfaltigkeit ſeiner Ausprägung nicht aus.
Ja dieſe Manchfaltigkeiten ſind ſo groß, daß ſie unſere Gemüthsſtimmung
auf die verſchiedenſte Weiſe anregen; und es geſchieht dies nicht bloß
durch die Baumverſchiedenheit der Wälder, ſondern faſt mehr noch durch
den Charakter ihrer Bodendecke. Mit dieſem Namen wollen wir nämlich,
dem Forſtmanne folgend, die Art bezeichnen, wie der Waldboden zwiſchen
den Bäumen verhüllt iſt, was bald durch die abgefallenen Nadeln oder
Blätter, oder durch mehr oder weniger dicht ſtehende Pflanzen niederen
Ranges geſchieht. Wie verſchieden der Wald die Saiten unſeres Gemüths
anzuſchlagen vermag, das werden wir ſofort inne, wenn wir uns in einen
ſonndurchglüheten, harzduftenden Kiefernwald und dann wieder in einen
Buchenwald verſetzen. Wir werden ſpäter Veranlaſſung finden, uns dieſer
Anregungen des Waldes und ihrer Gründe klar bewußt zu werden. Jetzt
1*
[4] iſt es uns bloß darum zu thun, den Wald als ein Beiſpiel des Geſellig-
keitstriebes im Pflanzenreiche uns vorzuhalten und nun weiter den Unter-
ſchied zwiſchen Wald und Forſt feſtzuſtellen.


Jeder Forſt iſt zugleich auch ein Wald, aber nicht jeder Wald, und
wäre er auch noch ſo groß, ein Forſt. Die geregelte Pflege und
Bewirthſchaftung macht den Wald zum Forſte
. Darum giebt es
Urwälder aber keine Urforſten, eine Forſtwiſſenſchaft, keine Waldwiſſenſchaft.
Das uralte deutſche Wort trägt dieſe ſeine beſchränkende Bedeutung in
dem Worte Förſter klar zur Schau, für welches die Sprache kein gleich-
bedeutendes von Wald gebildetes hat.


Die Nutzung des Waldes macht ihn noch nicht zum Forſte und
darum ſind leider noch viele unſerer Gemeindewaldungen keine Gemeinde-
forſten. Die Aufgabe der Zeit aber iſt es, wenigſtens in Kulturſtaaten,
alle Wälder Forſten werden zu laſſen. Wir alle ſind dabei betheiligt,
und mehr noch als wir unſere Enkel.


Man darf es wohl ſagen, daß die fern von großen Waldungen in
volkreichen Städten Wohnenden die forſtliche Bedeutung des Waldes nur
oberflächlich, meiſt ſogar noch weniger, kennen und würdigen. Ihnen iſt
der Wald eine von ſelbſt fließende Quelle, die ihnen um ſo unerſchöpf-
licher zu ſein ſcheint, je weniger ſie das Baumleben kennen und je unbe-
kannter ſie ſind mit den Ziffern der Statiſtik, einer Wiſſenſchaft, ſo meinen
ſie, die ſie ja nichts angeht.


Wie wenig ahnt man, daß der Förſter mit dem Gärtner und Acker-
bauer die gleiche Aufgabe hat: Pflanzen zu ſäen und zu erziehen, nur
unter noch weit größeren Mühen und Widerwärtigkeiten und — das ver-
geſſe man nicht — oft, ja meiſt ohne in der Reife ſeiner Saaten ſeinen
Lohn zu erleben. Leider iſt ja Vielen der Förſter mehr bloß ein Holz-
verwalter als ein Walderzieher.


Diejenigen meiner Leſer, welche ſich zu den Freunden, nicht zu den
Pflegern des Waldes zählen, mögen nur jetzt nicht fürchten, es könne
ihnen etwas verloren gehen von ihrer poetiſchen Waldliebe, wenn ſie ihren
Freund als Forſt in das kalte Licht der Wiſſenſchaft geſtellt ſehen. Lieben
wir denn einen Freund dann weniger, wenn wir hören, daß er nicht bloß
durch ſeine Innigkeit und Tiefe des Gemüths, nicht bloß durch den leuch-
tenden Blick ſeines ſchönen Auges und durch den Zauber ſeines Geſprächs
[5] glänzt — daß er in aller Stille einem ernſten edeln Berufe folgt? So
iſt es mit dem Walde.


Wenn der Eichbaum gefällt neben ſeiner Wurzel liegt und Säge und
Beil ihn zerſtücken — nicht dann erſt beginnt er uns zu nützen. Die
größere Halbſchied ſeines Nutzens endet mit ſeinem Leben. Was wir uns
aus ſeinem Holze machen, kommt dem an Wichtigkeit nicht gleich, wozu
er im Intereſſe unſeres Lebens mit anderen Bäumen als lebendiger Baum
beitrug. Als Waldpfleger, nicht als Holzfäller iſt der Förſter ein wichtiger
Arbeiter im Dienſte des Völkerlebens, nicht minder wichtig als der Ackers-
mann. Zwar muß zugegeben werden, daß dieſe Seite des Wälderſegens,
welche mit dem Fällen der Wälder aufhört, vielleicht ſelbſt von manchem
Förſter noch nicht gewürdigt iſt. Aber die warme Liebe der Waldpfleger
für ihre grünen Reviere verhütet die Gefahr, welche in jener Unkenntniß
liegen könnte, von ſelbſt, denn nur ſelten iſt ein Förſter nichts weiter als
ein kalter Finanzmann, der nur Klaftern im Walde wachſen ſieht, und
nur nach dem Ruhme eines hohen „Abgabe-Etats“ trachtet.


Vielleicht nur für wenige meiner Leſer und Leſerinnen brauche ich
erſt noch zu ſagen, daß ich jetzt die Bedeutung des Waldes für das Klima
und alſo für die Fruchtbarkeit des Bodens im Auge habe. Die Forſt-
wiſſenſchaft erkennt in neuerer Zeit in der Würdigung dieſer Bedeutung
des Waldes die Spitze ihrer Aufgabe und iſt dadurch aus der niederen
Stellung der Holzerzieherin zu einer Höhe emporgeſtiegen, wo ſie ſich
neben Wiſſenſchaften erblickt, welche man ſonſt hoch über ſie ſetzte.


Allerdings nimmt die ausübende Forſtwiſſenſchaft, die Forſtwirthſchaft,
in ihren Maßregeln und Arbeiten auf dieſe höchſte Seite der Waldbedeu-
tung noch keinen beſonderen Bedacht, denn ihr letztes und nächſtes Ziel war
immer nur eine möglichſt reichliche Holzernte unter vorſichtigem Bedacht,
daß eine gleiche auch den kommenden Zeiten geſichert ſei. Es kam aber
dabei von ſelbſt auch für den in Rede ſtehenden Nutzen des Waldes das
überhaupt Erreichbare heraus, denn der des Holzes wegen zu möglichſter
Lebensfülle erzogene Wald war zugleich geeignet, jener Aufgabe zu genügen.


Wie könnte ich noch zweifeln wollen, daß ſchon nach dieſer kurzen
Andeutung kein Waldfreund mehr den Forſt mit ſcheuem Bedenken
anſehen werde, daß keinem die Forſtwiſſenſchaft länger als ein Eingriff in
ſein poetiſches Beſitzthum erſcheine.


[6]

Hier drängt ſich uns ein alter noch ziemlich verbreiteter Irrthum zur
Beachtung und Berichtigung auf. Manche glauben, die großen Waldungen
Deutſchlands ſeien noch Erbſtücke der alten Teutonen und ohne unſer
Zuthun von ſelbſt gewachſen. Solcher Erbſtücke, echte Urwälder, giebt es
in Deutſchland nur noch ſehr wenige. Selbſt ſehr alte und ausgedehnte
Waldungen ſind theils urkundlich, theils durch gewiſſe Merkmale nachweis-
bar Schöpfungen forſtlicher Hände, deren Spuren ſich freilich für den
unkundigen Blick zuletzt vollkommen verwiſchen, was ja eben dem Wald-
freunde ganz recht ſein muß. Dieſer Irrthum hängt mit einem anderen
zuſammen, der ſich in der Form eines zum Glück nicht aller Welt geläu-
figen Sprichwortes breit macht: „wo nichts wächſt, wächſt Holz.“ Dieſe
grundfalſche Floskel ſpricht der Forſtwiſſenſchaft Hohn und erklärt den
Wald gewiſſermaßen für einen Lückenbüßer des Feldbaues. Wir werden
im Verlauf Gelegenheit finden, uns zu überzeugen, daß „wo nichts wächſt“,
d. h. an ſehr unfruchtbaren Orten, es zuletzt doch meiſt noch leichter gelingt,
einen kümmerlichen Feldbau zu betreiben, als ſolche Orte für Holzzucht zu
gewinnen. Bei der allgemeinen großen Unbekanntſchaft mit dem Geſchäft
des Forſtmannes wird es freilich Manchem unglaublich vorkommen, zu
hören, daß ein gar nicht eben ſehr unfruchtbar ausſehender Boden dem
Holzanbau zuweilen unbeſiegbare Schwierigkeiten entgegenſetzt, und daß
der Forſtwirth hierin gegen den Landwirth in ſofern ſelbſt im Nachtheil
iſt, weil er ſeine ungeheuren Kulturflächen nicht wie dieſer durch
Düngen und Beſtellungsarbeiten verbeſſern kann und hiernach liegt
wenigſtens etwas Wahres in der Volksmeinung, daß der Wald von ſelbſt
wachſe.


Was der Forſtmann zu dieſem „von ſelbſt“ ſeinerſeits noch hinzufügen
kann, um das Gedeihen und Heranwachſen ſeiner Kulturen zu kräftigen
und zu beſchleunigen, das iſt himmelweit von dem verſchieden, was hier
in der Hand des Landwirthes liegt und wird viele meiner Leſer über-
raſchen, wenn wir es ſpäter kennen lernen werden. Hier ſei nur vorläufig
daran erinnert, daß es der Forſtmann ſtets mit langen Zeiträumen zu
thun hat, wodurch ſeine Maßregeln einen weiten Spielraum gewinnen
und Erfolge oft lange auf ſich warten laſſen. Oft bleiben dieſe Jahre
und Jahrzehende lang aus, oder erweiſen ſich ganz der Erwartung ent-
gegen, treten auch wohl ſo ſpät erſt ein, daß dann die von der bisherigen
[7] Erfahrung gerechtfertigte Ungeduld durch Ergreifung neuer Maßregeln dem
endlich doch noch kommenden Erfolge ſtörend in den Weg tritt.


Der Waldbau iſt in der That ein großartiges Geduldſpiel; der
Förſter ſteht der Natur gegenüber und beide tauſchen ihre bedächtigen
Schachzüge, ſo bedächtig, daß der Erſtere oft darüber ſtirbt, ehe ſein
Gegenpart durch einen maßgebenden Gegenzug geantwortet hat.


Der Waldfreund denkt ſich die Sache meiſt ganz anders. Begegnet
er dem grünen Manne in ſeinen weiten, vom Morgengeſang der Vögel
durchſchmetterten Revieren, ſo hat er wohl keine Ahnung davon, daß unter
dem grünen Rocke vielleicht ein um ſeinen Pflegling bekümmertes Herz
ſchlägt, daß ſich vielleicht eben der Mann den Kopf zerſinnt, weshalb
wohl plötzlich jene Fichtenpflanzung nicht mehr wachſen will, an deren
Gedeihen er zehn Jahre lang ſeine Freude hatte. So ſtehen zwei Männer
neben einander, beide ſehen daſſelbe, beide lieben daſſelbe, der eine aber
nennt und empfindet darin den Wald, der andere ſieht und ſorgt ſich um
den Forſt.


Daneben kann es wohl vorkommen, daß ein greiſer Forſtmann, der
ſchon eine Wandelung ſeines Revieres geſehen hat, mit theilnahmvollem
Lächeln den Streifereien des Malers folgt, der vergeblich nach einem
Plätzchen für ſeinen Feldſtuhl ſpäht, von wo aus er ein kunſtgerechtes
Waldbild ſich geſtalten ſähe. „Du kommſt zu ſpät, an der Stelle Deines
Waldes ſteht jetzt mein Forſt.“


Wir wollen ehrlich ſein. Die Forſtwirthſchaft iſt der Poeſie des
Waldes nicht eben günſtig. Aber neben dieſem Geſtändniß kann es recht
gut beſtehen, daß ich vorhin dem Waldfreunde ſagte, die Forſtwiſſenſchaft
raube ihm nichts von ſeiner Waldliebe. Die Poeſie derſelben muß ſich
aber in demſelben Sinne vergeiſtigen, klären, wie wir vorhin vom Walde
einen höheren, tief in unſer Leben eingreifenden Beruf kennen lernten,
welcher viel bedeutſamer iſt, als der Holzwerth des Waldes, und vom
Denkenden leicht mit ſeiner poetiſchen Waldliebe verſchmolzen wird. Giebt
es eine poetiſchere Anſchauung des Waldes, als wenn wir ſeine Laubkronen
und ſeine Wurzeln als die Zauberer denken, welche das dreigeſtaltige ruhe-
loſe Waſſer in zweien ſeiner Geſtalten, als Gas und als flüſſige Tropfen,
im Dienſte des organiſchen Lebens feſthalten, herbeirufen — mit Einem
Worte: beherrſchen?


[8]

Der Wald hört nicht auf, ein Liebling unſeres Sehnens zu ſein,
wenn er eine Quelle unſeres ganzen Seins wird. Wer die fürchterlichen
Folgen der Entwaldung in dem franzöſiſchen Departement der Oberalpen
und der Dauphiné, wer ſie in vielen Gegenden Südſpaniens geſehen hat,
in dem ſteigert ſich ganz von ſelbſt ſeine kindliche Waldluſt zur dank-
baren Liebe.


Daß ich es gerade herausſage: was mich ſchon ſeit Jahren zu dieſer
Darſtellung des Waldes getrieben hat, was zuletzt in den genannten Län-
dern zu einem unwiderſtehlichen Drange wurde: es iſt der Wunſch,
den Wald gegenüber den maßloſen und gedankenloſen Anfor-
derungen an denſelben unter den Schutz des Wiſſens Aller
zu ſtellen
.


Wahrlich es iſt hohe Zeit, neben die Bedeutung des Waldes und
des Forſtes noch eine dritte zu ſtellen und nicht zu ruhen, bis dieſelbe
in Allen lebendig geworden iſt. Ich habe ſie hinlänglich angedeutet und
verſuche es jetzt nicht, für ſie einen Namen, gleich jenen kurz und bündig,
zu erfinden.


[[9]]

2.
Woraus beſteht der Wald?


Hier quillt die träumeriſche,Urjugendliche Friſche;In ahnungsvoller HülleDie ganze Lebensfülle.

(Lenau.)

Wenn hierauf „aus Bäumen“ die richtige Antwort wäre, ſo wäre
allerdings die Frage ſo müßig, wie ſie Manchem erſcheinen mag. Dieſe
Antwort würde aber die Frage nur ſehr mangelhaft erledigen und allen-
falls einen kunſtgerecht erzogenen Fichtenbeſtand treffen. Wenn wir uns
jetzt recht lebhaft eines unſerer fröhlichen Waldgänge erinnern, ſo fühlen
und wiſſen wir auch, daß der Wald nicht blos aus Bäumen beſteht.


Es fehlt unſerer reichen Sprache ein Wort, um es damit kurz und
rund auszudrücken, daß der Wald ein formenreicher Inbegriff von Körpern
und Erſcheinungen iſt. Ich entlehne jetzt nicht der franzöſiſchen Sprache,
welche ein ſolches Wort beſitzt, um auch nicht den leiſeſten Anklang an
Ausländiſches in die Betrachtung unſeres Deutſchen Waldes einzumiſchen.


Nennen wir darum den Wald eine ſchöne, eine gewaltige Vereinigung
von Körpern und Erſcheinungen, in welcher kein Theil den übrigen völlig
gleicht, und welche alle dennoch vollkommen zuſammenſtimmen zu erhabenem
Einklang, der die Saiten in einer jeden unverdorbenen Bruſt erklingen
macht.


Was in anderer Auffaſſung zu einem Vorwurfe werden kann, findet
in dem Einklang, der der Wald iſt, Erklärung und ſomit Entſchuldigung.
Umfangen von den hunderterlei Eindrücken, welche uns im Walde werden,
können wir über dem Ganzen die Theile vollſtändig vergeſſen, es kann
uns widerfahren, und vielen widerfährt es wirklich — und daraus kann
[10] man eben einen Vorwurf machen — daß in uns die ſprichwörtliche Redensart
ſich umkehrt, „daß wir vor dem Walde die Bäume nicht ſehen.“


Das Ordnungsloſe, das Ungebundene, das unbändig Kühne, was uns
ſonſt ſo oft verwirrt und verletzt: im Wald erhält es Berechtigung und
wirkt in uns gegentheilig; es erzeugt in uns jenen ahnungsvollen Schauer,
den nur die Natur in ihrer Größe hervorzurufen vermag. Es iſt nicht
ein einzelner Sinn, den wir angeregt fühlen; alle Sinne wölben ſich zu
Einer weitgeſpannten Pforte, durch welche das erhabene Waldbild in unſer
Inneres einzieht.


Indem wir uns deſſen bewußt werden, ſo wäre es jetzt eine pedan-
tiſche Entweihung, wollten wir den Wald in ſeine Einzelheiten zerlegen.
Die Titelfrage iſt darum auch nicht deshalb aufgeworfen, um nun mit
dem kalten Meſſer des Zergliederers den Wald in ſeine Theile zu zerlegen;
ſie will nichts weiter, als uns zwingen, einmal mehr als es gewöhnlich
geſchieht, uns zu erinnern, daß eben nicht blos die Bäume es ſind, daß
es überhaupt nicht blos einzelne Dinge ſind, welche uns den Wald bilden;
ſondern daß uns der Wald eine Erſcheinung iſt, ſo reich und manchfaltig,
daß wir, indem wir uns ihr hingeben, an ihre Zergliederung gar nicht
denken und kaum inne werden, wie uns geſchieht, wenn ſich der Wald
unſeres Gemüthes ganz und voll bemächtigt.


In dieſer Auffaſſung möchte es ſcheinen, als gehöre der Wald nur
dem Dichter und dem Maler, und wir merken eben, daß Inhalt und
Aufgabe dieſes kleinen Abſchnittes in der Hauptſache eben in der Anerken-
nung dieſes Eigenthums-Rechts aufgeht.


Aber ſind denn Dichter und Maler und der Forſcher ſo von einander
getrennt, daß deren beiderſeitige Beſitztitel am Walde auf verſchiedenen
Papieren geſchrieben ſind? Nimmermehr. Die Natur iſt ja eben die
große Verſöhnerin, welche die auseinanderſtrebenden Wege menſchlicher
Thätigkeit auf Einen Punkt zuſammenruft. Der Dichter, in dem ſich
nichts vom Maler, nichts vom Forſcher regt, der Forſcher, dem die
Empfindungen des Dichters und Malers fremd ſind, ſind keine echten
Söhne der Natur.


Es iſt eine von den Aufgaben unſerer Arbeit, dieſen Zwieſpalt zwiſchen
Dichter, Maler und Naturforſcher zu verſöhnen, und nirgends kann dies
erfolgreicher geſchehen, kein Ort iſt dazu würdiger angethan als der Wald.
[11] In ihm wird jedes reine, eines Aufſchwungs fähige Gemüth zum Dichter
wie zum Maler, und um es zu werden bedarf es nicht des Verſuchs,
ſeine Ausrufungen in gereimte Worte zu faſſen, die ausgebreitete Pracht
ſich und Anderen mit dem Griffel aufzubewahren. Nur Forſcher wird
man im Walde zuletzt und man könnte fragen, wie wir es im vorigen
Abſchnitt auch bereits gethan haben, ob nicht die forſchende Betrachtung
des Waldes eine Beeinträchtigung der poetiſchen ſei. Ich fürchte es nicht.
Wenn Dichter und Maler wenig daran denkt, die Frage unſerer Ueber-
ſchrift zu beantworten, ja überhaupt ſie ſich vorzulegen, ſo drängt ſie ſich
dem Forſcher von ſelbſt auf, und indem er ſie beantwortet, dient er nicht
blos ſich, ſondern zugleich jenen Beiden, die mit ihm eins ſind, oder
wenigſtens eins ſein müſſen, wenn er zu dem Ausrufe die volle Berech-
tigung des Verſtändniſſes haben will, „o wie herrlich iſt der Wald!“


Unter dieſer Auffaſſung kann uns nun die Frage „woraus beſteht
der Wald,“ nicht mehr müßig erſcheinen. Unſere Sinne fühlen ſich ge-
ſchärft, wir nehmen wahr, wir unterſcheiden, wir verſtehen, wo wir
früher blos empfanden und entzückt waren, und indem wir Jenes lernen,
büßen wir an Letzterem nichts ein. Mehr noch, wir büßen nicht nur
nichts ein, ſondern unſere Freude wird vergeiſtigt, weil ſie verſtändniß-
voll wird.


[[12]]

3.
Der Baum.


Wenn man einen Baum als ein Aggregat von eben
ſo vielen verbundenen Individuen hält als er
Knospen an ſeiner Oberfläche entwickelt hat, ſo
kann man nicht darüber ſtaunen, indem ohne
Unterlaß neue Knospen auf die früheren folgen,
daß das ſich ergebende Aggregat keinen nothwen-
digen Endpunkt ſeines Beſtehens hat.

(Decandolle.)

In der Betrachtung der uns umgebenden Natur, auch wenn ſie noch
keine Verſtändnißſuchende iſt, fühlen wir dennoch das Bedürfniß nach
Ruhepunkten, damit das Chaotiſche in der Formenwelt uns nicht unbe-
haglich werde, wie uns der Eintritt in einen großen Bilderſaal unbehaglich
wird, wo wir nicht wiſſen, wohin wir zunächſt blicken ſollen, und wo
unſer verblüfftes Auge leicht auf dem Unbedeutenden haftet.


In dem großen Bilderſaal, welcher die uns umgebende Natur iſt,
ſind ſolche Ruhepunkte, wo ſie der menſchliche Eingriff nicht verwiſcht hat,
faſt überall vorhanden: die unendliche Manchfaltigkeit der Geſtaltungen
zeigt ſich durch Vertheilung und Verhältniſſe gegliedert, und es iſt ſo
unſerem Auge Unbehaglichkeit und Ermüdung erſpart. Der ſtarre Träger
des Lebens, der flüſſige Vermittler deſſelben und des Lebens zwei Er-
ſcheinungsformen, Pflanze und Thier, ſind dieſe Ruhepunkte, die jeder
wieder in den verſchiedenſten Formen auftreten, ſich hundertfach verviel-
fältigen.


Es bedarf keiner weiteren Ausführung, daß die Pflanze, wie wir uns
bereits daran erinnerten, das Meiſte dazu beiträgt, die bewohnbaren
Gebiete der Erdoberfläche zu ſchmücken; in unüberſehbarer Vervielfältigung
webt ſie den Schooß, in welchem das Thier ſich geborgen fühlt; und ſchon
[13] dieſe nahe Beziehung zu einander mußte mit Nothwendigkeit zu einem
vergleichenden Blick auf beide, zu einer ſcharfen Unterſcheidung beider hin-
drängen.


Die im ganzen Pflanzenreiche ſich ausſprechende Unbegrenztheit wieder-
holt ſich mit mehr oder weniger Beſtimmtheit an der einzelnen Pflanze.
Wir können eine Pflanze nicht mit derſelben Schärfe und Abgeſchloſſenheit
ein Individuum, ein Einzelweſen, nennen, von dem wir ſagen könnten, es
iſt fertig, es kann ihm nichts genommen, nichts hinzugefügt oder wenigſtens
hinzugefügt gedacht werden, wie wir das Thier in ſolchem Sinne ein
Individuum nennen können. Das kleinſte Inſekt, ſobald es ſeine Ver-
wandlungszuſtände durchlaufen hat, iſt ein fertiger, abgeſchloſſener Körper,
dem wir kein Theilchen rauben können, ohne ſeinen leiblichen Beſtand zu
ſtören, von dem wir ebenſo beſtimmt wiſſen, daß es nicht größer wird,
daß ihm kein neuer Theil mehr zuwächſt.


Von welcher Pflanze können wir dies ſagen? Wann iſt ein Hyacinthen-
ſtock fertig? Wie viel Blätter und Blüthen muß er haben, um es zu ſein?
Wenn wir dies ſchon bei einem noch am meiſten abgeſchloſſenen Zwiebel-
gewächs nicht können, ſo können wir es noch viel weniger bei einem
Baume.


Wenn es, wie behauptet wird, hundertjährige Wallfiſche giebt, ſo
mögen dieſe, was jedoch zu bezweifeln iſt, immer noch an Größe zunehmen,
aber dieſes Wachsthum iſt nicht das Wachsthum eines Baumes. Es iſt
dem Wallfiſch kein neues Glied, kein inneres Organ hinzugewachſen; in
dieſer Beziehung iſt er ſchon ſeit langer Zeit fertig, ausgebildet, abge-
ſchloſſen. Bei einer hundertjährigen Buche hat man dies niemals ſagen
können und wird man es nie ſagen können, wenn ſie auch 200, 300 Jahre
alt werden ſollte; es werden ihr immer neue Theile hinzuwachſen und
früher beſeſſene gehen ihr fortwährend verloren.


Indem wir jetzt von anderen Pflanzengeſtalten abſehen, bei denen
dieſe Erſcheinung einige Einſchränkung erleidet, ſo können wir alſo bei
den Bäumen von einem Fertigſein, von einem Abſchluß nicht ſprechen.


Wir können einen Baum durchaus nicht in demſelben Sinne ein
Einzelweſen nennen, wie ein Pferd. Wenn das letztere ausgewachſen iſt,
ſo hört es im geſunden Zuſtande gleichwohl nicht auf, Nahrungsſtoffe in
ſich aufzunehmen, aus dem dazu brauchbaren Theile derſelben Blut zu
[14] bereiten und durch das Blut den Stoffwechſel zu unterhalten, das heißt,
die Theile ſeines Leibes fortwährend zu verjüngen. Aber es tritt in
ſeinem Lebensverlauf ein Zeitpunkt ein, wo ihm nicht nur kein neuer
Körpertheil mehr hinzugebildet wird, ſondern wo auch ſein körperlicher
Geſammtumfang ſich nicht mehr verändert. Nachdem der Zahnwechſel
ſtattgefunden hat, bleibt nur noch der jährliche Haarwechſel übrig, welcher
für den dauernden Körperbeſtand keine Bedeutung hat.


Wie ganz anders verhält ſich in dieſer Hinſicht der wachſende Baum!
Der einfache Hinweis genügt, uns an dieſe große Verſchiedenheit zwiſchen
Thier- und Pflanzenleib zu erinnern und es iſt kaum noch nöthig, weiter
auszuführen, worin dieſer Unterſchied beruht. Wir wollen es aber dennoch
thun, weil wir jetzt auch des Bekannten bedürfen, um uns den Begriff
und das Weſen des Baumes recht lebendig und deutlich vorzuſtellen.


Wir haben am Baume zwei Dinge zu unterſcheiden, welche ſich, wie
ſie in Geſtalt und Lebensbedeutung von einander ſehr abweichen, in dieſem
Augenblicke für uns namentlich die beiden Gegenſätze des Trägers und
des Getragenen herauskehren, Wurzel, Stamm und Zweige die einen —
Knospen, Blätter und Blüthen die andern. Dieſer Gegenſatz iſt, wie wir
ſogleich ſehen werden, nicht blos eine figürliche Redewendung und wir
ſagen nicht blos in ſolchem Sinne: dieſer Baum trägt ſchlechte Früchte.
Wenn uns ein Baum nur ſchlechte Früchte trägt, ſo — geben wir ihm
andere zu tragen, indem wir ihm eine oder gleichzeitig mehrere edlere
Sorten durch Okuliren oder Pfropfen aufladen.


Im Thierreiche haben wir nichts Aehnliches; wir müßten denn die
Rhinoplaſtik, die künſtliche Naſenbildung aus der Stirnhaut oder ſelbſt
aus der eines lebenden Thieres hierher rechnen wollen.


Der Baum trägt alſo nicht blos ſeine eigenen Blätter und Blüthen,
er trägt auch die anderer Arten, wenn ihm dieſe verwandt ſind, er trägt
ſogar ganze Pflanzen unverwandter Arten, denen er als Wurzelboden
und daher auch als Ernährer dient. Dies iſt der Fall mit den echten
Schmarotzern, z. B. der Miſtel, Viscum album, und der Riemenblume,
Loranthus europaeus.


Allein das Verhältniß zwiſchen Stengel- und Blattgebilden, wie wir
wiſſenſchaftlich jene zwei Klaſſen der Baumtheile nennen wollen, iſt nicht
allein das des Tragens und Getragenſeins, wobei die einen ſich handelnd
[15] und die anderen leidend verhalten würden, ſondern es beſteht ein weit
wichtigeres Gegenſeitigkeitsverhältniß zwiſchen beiden. Die Einen führen
den Anderen Nahrung zu.


Wir wiſſen, daß im Frühjahre im Holzkörper des Stammes und der
Zweige ein waſſerheller Saft aufwärts ſteigt, welchen die Wurzel aus
dem Boden aufgenommen hat. Dieſer Frühjahrsſaft iſt aber nicht reines
Waſſer, ſondern er enthält verſchiedene Stoffe aufgelöſt, und indem er
aufwärts ſteigend in den Holzzellen vorwärts dringt, löſt er die in dieſen
vom vorigen Jahre her aufgeſpeicherten Nahrungsvorräthe auf. Beſonders
in den Zellen der Markſtrahlen iſt zu dieſer Zeit ein großer Vorrath von
Stärkemehl enthalten. So wird der aufſteigende Frühjahrsſaft, je höher
er empordringt, immer reicher an nährenden Stoffen.


So gelangt er in die äußerſten Triebe und dringt in die Knospen
ein, welche ſich im vorigen Jahre in den Blattwinkeln der nun längſt
abgefallenen Blätter entwickelt hatten.


Derſelbe Wärmegrad, welcher in der Wurzel das Aufſaugungsvermögen
weckte, weckt nun auch die Bildungsthätigkeit in den Knospen. Den Bau
dieſer werden wir ſpäter genauer zu betrachten haben; jetzt genügt es,
uns daran zu erinnern, daß aus jeder Knospe ein neuer Trieb — wenn
es Triebknospen ſind, oder nur Blüthen ſich entwickeln, wenn es Blüthen-
knospen ſind, oder endlich beides, wenn es gemiſchte Knospen ſind.


In den Knospen wird aber aus dem ihnen zuſtrömenden Frühjahrs-
ſafte nicht nur der Stoff zu den ſich aus ihnen entwickelnden Gebilden
bereitet, ſondern ſie geben auch die Stoffe her, durch welche ſich ihr
Nahrungsbringer, der Stamm mit ſeinen Zweigen und die Wurzel, ſich
vergrößert. Dies geſchieht bekanntlich nur an deren Umfange, und in
dieſer jährlichen Dickenzunahme beruht bekanntlich die Bildung der ſoge-
nannten Jahresringe, welche wir an einem Stamm- oder Zweigquerſchnitte
zählen können.


Dieſer von den Knospengebilden, namentlich den Blättern, zubereitete
bildungsfähige Saft, heißt nun Bildungsſaft. Er ſteigt zwiſchen der
Rinde und dem zuletzt vorher gebildeten Jahresringe der Stammgebilde
abwärts und bildet unterwegs den neuen Jahresring.


Wenn wir dieſen Rückweg des zum Bildungsſaft veredelten Frühjahr-
ſaftes hemmen, indem wir rings um den Baum etwa zwei Zoll breit die
[16] Rinde bis auf das Holz abſchälen, ſo muß der Baum ſterben, weil ſelbſt
die Wurzel ſich nicht ſelbſt ernähren kann, ſondern der Blattgebilde bedarf,
welche ihr den Stoff läutern und zuführen müſſen, durch den ſie wächſt.
Wenn wir einem Zweige mehrere Jahre hintereinander alle Blätter, ſo
wie ſie ſich ausgebildet haben, abſchneiden, ſo ſtirbt er, weil er nicht von
den benachbarten Zweigen ernährt werden kann.


So ſehen wir denn in Wirklichkeit ein Gegenſeitigkeitsverhältniß
zwiſchen den Stengelgebilden und den Blattgebilden beſtehen, ein innigeres
als das des Tragens und des Getragenſeins. Der größte Baum iſt ein
tauſendfach gegliedertes Ganzes, in deſſen einzelnen Theilen eine ununter-
brochene Zuſammengehörigkeit, eine Kontinuität, beſteht, die wir für irgend
einen ſeiner Theile nicht unterbrechen dürfen, ohne das Abſterben dieſes
Theiles herbeizuführen. Das erhaltende Weſen dieſer Kontinuität iſt der
Saftſtrom, ſowohl des Frühjahrs- wie des Bildungsſaftes.


Wenn wir dieſes Verhältniß mit dem, was wir alle über das jähr-
liche Baumleben kennen, zuſammenhalten, ſo können wir in Wahrheit
ſagen, daß ſich der Baum alljährlich mit einer neuen Blatt- und Blüthen-
welt bevölkert, welche im Herbſte abſtirbt, abfällt und in den Knospen die
Keime zu einer neuen für das folgende Jahr hinterläßt.


Wir müſſen uns aber an noch einige andere Erſcheinungen im Baum-
leben erinnern.


Wenn wir eine Weidenruthe in der Knospenruhe abſchneiden und in
den Erdboden ſtecken, ſo wiſſen wir, daß dieſer „Steckling“ alsbald zu
einem Bäumchen erwächſt; er treibt unten an der Schnittſtelle Wurzeln,
und die Knospen entfalten ſich ebenſo gut, als wenn der Zweig am
Baume geblieben wäre. Es geht daraus hervor, daß es hier der Wurzel
als nahrungaufnehmenden Organes gar nicht bedurfte; ſondern daß das
an der Schnittſtelle aus dem Boden eindringende Waſſer ebenfalls empor
und zu den Knospen drang, dieſe weckte und daß dann der von den
entfalteten Blättern zubereitete Bildungsſaft abwärts geſtiegen, neue
Wurzeln an einer Stelle bildet, wo ſonſt gar keine Wurzeln zu ſein
pflegen.


Der erſte beſte hohle Baum muß uns jetzt daran mahnen, daß der
Holzkörper eine untergeordnete Bedeutung für das Baumleben hat. Wir
wiſſen, daß ein Baum, der eben noch in anſcheinend ungeſtörter Geſundheit
[17] und voller Lebenskraft vor uns ſtand, nachdem er gefällt iſt, ſich innen
vollſtändig ausgefault zeigt. In felſigen Gebirgsgegenden findet man nicht
ſelten Hornbäume, Carpinus Betulus, welche äußerlich geſund ausſehend
bei einem Fuß Stammdurchmeſſer ringsum vielleicht kaum noch zwei
Zoll Holz haben, alſo in Wahrheit gleich dem Rohre einen ganz hohlen
Stamm hatten. Bei der Buche iſt bei mehr als zwei Fuß Stammdurch-
meſſer das ganze Holz oft bis auf wenige Zoll, welche ſtets den Umfang
bilden, meiſt faul und ganz unfähig, an der Saftleitung theilzunehmen.
Aber keine Baumart treibt dieſes lebendige Ruinenthum ſo weit, als
mehrere Weidenarten und die Schwarzpappeln, Populus nigra. Dieſe
Bäume werden bekanntlich nur als Stecklinge oder Setzlinge erzogen.
Man nimmt dieſe gewöhnlich etwa drei Ellen lang und bis zwei Zoll
dick und der Umſtand, daß ſie auch oben abgehackt ſind, geſtattet den
Einflüſſen der Witterung den Zugang von oben und der untere Abhieb
von unten zu dem Innern des Holzes. Aus Stecklingen erwachſene
Bäume müſſen daher faſt mit Nothwendigkeit im Alter kernfaul werden.
Nur bei dünnen Setzreiſern wird der obere Abſchnitt durch die zunächſt
ausbrechenden Triebe oft zugeheilt und ein Ausfaulen verhindert.


Aber nichtsdeſtoweniger kann, wie wir hundert Mal geſehen haben,
ein zum Backtrog ausgehöhlter Weidenſtamm noch viele Jahre fortgrünen
und wenn ihr der Korbmacher auch jedes zweite Jahr alle Triebe abhaut,
der zerſchundene Stamm treibt unverdroſſen neue aus ſeinem krauſen
Kopfe hervor. Ja, wenn wir ihn auf eine noch härtere Lebensprobe
ſtellen wollten, ſo dürften wir nur die hohle Wand der Länge nach in
drei, vier Theile bis auf die Wurzel ſpalten; jeder würde fortfahren zu
treiben.


Um uns der Bedeutung des Baumſtammes vollſtändig klar zu werden,
müſſen wir noch einmal auf das Veredeln der Obſt- und einiger anderen
Bäume und auf die Schmarotzerpflanzen zurückkommen.


Mancher Obſtliebhaber, der nur einen kleinen Garten hat und darin
doch recht viele Obſtſorten erbauen möchte, hilft ſich damit, daß er auf
einen Baum mehrere verſchiedene Sorten zugleich pfropft. So kann er
von Einem Baume Reinetten, Calvillen, Pigeons ꝛc. ernten. Die Be-
ſchaffenheit des Wildlings übt alſo keinen Einfluß auf die Beſchaffenheit
der Edelreiſer und deren Blätter, Blüthen und Früchte aus! Ja beide
Roßmäßler, der Wald. 2
[18] dürfen ſogar verſchiedenen Arten, ſelbſt Gattungen angehören. Die edeln
Zwergbirnbäumchen erzieht man meiſt ſo, daß man die Birnreiſer auf
Quittenbäumchen pfropft.


Gewiſſermaßen ein natürliches Okuliren iſt die Fortpflanzungsweiſe
der Miſtel und anderer echter Schmarotzer. Die weißen Beeren derſelben
ſind mit einem ſehr klebrigen Schleim erfüllt, durch welchen die von ihm
eingehüllten Samenkerne an einem Baumzweige kleben bleiben, mögen ſie
nun an demſelben Baume von einem höher auf dieſem wachſenden Miſtel-
buſch reif herabfallen oder mag die Miſteldroſſel, Turdus viscivorus, zu
der Ausſaat behülflich ſein. Nur der auf Zweige lebender Bäume fallende
Miſtelſame keimt, der Keim dringt durch die Rinde und die Wurzeln
verbreiten ſich zwiſchen ihr und dem Holze und wachſen nach und nach
ſcheinbar in letzteres hinein, während in Wahrheit vielmehr die alljährlich
zuwachſenden Holzlagen die Miſtelwurzel immer tiefer in ſich begraben.
Alle Nahrung zieht die Miſtel nun aus dem Holzkörper ihres Ernährers
und Trägers, und die Miſtel iſt in Form und Farbe ihrer Theile und
in der Hauptſache ohne Zweifel auch in ihrer chemiſchen Beſchaffenheit
ſtets dieſelbe, mag ſie nun auf einer Tanne oder einer Linde oder einem
Apfelbaume wachſen.


Alle dieſe Fälle beweiſen, daß der Stamm erſtens zum größten Theile
vollſtändig verweſt ſein kann und ſich dennoch noch viele Jahre lang
jährlich ganz geſunde Blätter, Blüthen und Früchte darauf entwickeln,
und zweitens, daß der Stamm keinen Form und Miſchung bedingenden
Einfluß auf letztere ausübt.


Was iſt nun alſo ein Baum?


Daß er kein Individuum ſei, haben wir zwar ſchon vorhin geſagt,
aber wir ſind jetzt darüber klarer geworden. Schon das Wort läßt es
nicht zu, den Baum ſo zu nennen, denn Individuum heißt doch etwas
Untheilbares in dem Sinne, daß eine mechaniſche Theilung — die natürlich,
wie mit jedem Körper, ſo auch mit ihm vorgenommen werden kann — ein
Verſtümmeln, ein Aufheben ſeiner Vollſtändigkeit bedingt. Wir haben aber
geſehen, daß ein Baum zu keiner Zeit ſeines Lebens ein ſolches in ſich
abgeſchloſſenes unantaſtbares Ganzes iſt. Wir wiſſen, daß eine alte drei-
hundertjährige Eiche, die in ihrer mächtigen Pracht vor uns ſteht, in
ihrem langen wechſelvollen Leben ſehr viele Aeſte und Zweige verloren, die
[19] Narben ausgeheilt, neue bekommen hat und doch vermiſſen wir weder
etwas oder bemerken wir etwas Ueberzähliges an ihr. Wir wollen uns
noch einen recht intereſſanten Fall erzählen laſſen, um das Wort Indi-
viduum in Anwendung auf den Baum ganz fallen zu laſſen.


Unſere ſogenannte italieniſche Pappel kann bei uns nie anders als
durch Stecklinge erzogen werden, weil es in Europa — vielleicht in
botaniſchen Gärten verſteckte einzelne weibliche Exemplare ausgenommen —
nur männliche Pappeln giebt, denn als vor etwa hundert Jahren dieſer
Baum über Italien und England aus ſeinem Vaterlande, dem Orient,
nach Deutſchland kam, ſo geſchah dies durch einen Steckling, der zufällig
von einer männlichen Pappel geſchnitten worden war. Dieſer Steckling
iſt der Urahne aller italieniſchen Pappeln, welche in Europa ſtehen und
je geſtanden haben, und er iſt zugleich das verbindende Glied, wodurch
alle dieſe mit der oſtindiſchen Pappel als Glieder eines unſterblichen
ſonderbar zertheilten Rieſenleibes Eins werden.


Wir dürfen hier nicht etwa einwenden wollen, daß dies doch im
Grunde daſſelbe ſei, als wenn wir die Pappeln aus Samen erzogen
hätten. Im Erfolg wohl, aber nicht in der Weiſe.


Der Same iſt gleich dem Thierei beſtimmt, ſich vom Mutterkörper
zu trennen und alle Stufen der Entwickelung durchzumachen, bis ein
jenem gleicher Körper daraus geworden iſt; das Steckreis iſt ein mit der
Fortpflanzung und deren Organen nichts zu thun habender Theil des
Mutterkörpers, wofür hier vielleicht richtiger Stammkörper zu ſagen wäre,
ein Theil, der nicht beſtimmt iſt, ſich von jenem zu trennen und ſelbſt-
ſtändig zu machen, und der, wenn er gewaltſam getrennt und unter
günſtige Bedingungen gebracht worden iſt, ſogleich in dem Zuſtande des
Stammkörpers fortvegetirt.


Ein Baum und ſechs um ihn wachſende Samenpflänzchen und ein
Baum und ſechs um ihn wachſende Stecklinge ſind durchaus nicht daſſelbe;
das Erſtere beruht auf geſchlechtlicher Fortpflanzung, das Letztere iſt
blos Vermehrung, iſt ein Zerlegen des urſprünglich Einen, was in
ſeinen Theilen dennoch daſſelbe bleibt.


Wenn nun der Baum kein Individuum iſt, was iſt er dann und
wo ſind an ihm Individuen?


2*
[20]

Das iſt eine wiſſenſchaftliche Streitfrage, über welche auch heute
noch Meinungsverſchiedenheit beſteht. Wir wollen die verſchiedenen An-
ſichten hier nicht gegen einander abwägen, ſondern wollen verſuchen, eine
Auffaſſung annehmbar zu machen.


Man darf, an Decandolle anſchließend, wenigſtens iſt mir dies
ſeit langer Zeit das Annehmbarſte geſchienen, am Baume zweierlei Indi-
viduen unterſcheiden, von einer niedern und von einer höhern Rangord-
nung: Die Blätter und die Blüthen. Beide pflanzen ſich in ihrer Weiſe
fort und wirken dabei verſchieden für die Zukunft. Die Blätter erzeugen
die Knospen und ſorgen dadurch für die Vergrößerung des Baumes, die
Blüthen erzeugen die Samen und ſorgen dadurch für die Gründung
neuer Bäume ihrer Art. Für dieſe ſelbſtſtändigen Weſeneinheiten am
Baume iſt deſſen Holzkörper gewiſſermaßen ein organiſche Form annehmender
Boden, welcher am inwendig ausfaulenden Baume in demſelben Schritte
in Rückbildung wieder anorganiſche Form annimmt, in welchem ihm äußerlich
unter der Rinde neue Holzlagen zuwachſen. Die pflanzenſchaffende Natur
gewinnt ſo eine doppelte Benutzung der Erdoberfläche. Während ſie
Tauſende von Blättern und Blüthen hoch empor hebt in die veräſtelte
Krone, finden kaum weniger niedere Pflanzen um den Stamm gedeihlichen
Raum.


Für unſere Schilderung des Waldes kann dieſe Auffaſſung vorläufig
genügen und uns iſt demnach der Baum ein Staat, welcher zweierlei
Bürger zählt, von denen die einen das Staatsgebiet fortdauernd ver-
größern, die andern fortdauernd Auswanderer ausſenden, neue Colonien
zu gründen, die zuletzt dem Mutterlande an Größe und Schönheit gleich-
kommen ſollen.


Wir laſſen es uns jetzt von der ſtrengen Wiſſenſchaft nicht verbieten,
uns in das Baumverſtändniß an dieſem Gleichniſſe zu vertiefen und indem
wir dieſes zergliedern, finden wir ſeine Berechtigung größer, als es uns
im erſten Augenblicke vielleicht erſchien.


Die Landwirthſchaft, ſo oft und mit Recht die Hauptſtütze der Staats-
geſellſchaft genannt, denn ſie ſchafft dieſer die erſte Bedingung des Be-
ſtehens herbei, ſie müſſen wir am Baume in ſeiner Wurzel repräſentirt
finden. Das Erzeugniß des Landwirthes, ſei es das Brodkorn, der Ge-
webſtoff zu unſern Kleidern, Fleiſch, Haut und Wolle ſeiner Thiere,
[21] bringt theils er ſelbſt auf den Markt, theils überantwortet er es der
Hand des verbreitenden Verkehrs. Beides thut die Wurzel im Vereine
mit dem Stamme. So dringt die aus der Natur genommene Gabe in
die Blätter, in die tauſend arbeitenden Hände des Gewerbes, welche das
Verarbeitete denen zurückgeben, von denen ſie es als Rohſtoff empfingen.


Was uns Decandolle in dem Motto ſagte, erinnert uns jetzt daran,
daß viele Bäume heute noch leben und grünen, welche durch ihr hohes
Alter ſich dem Vergleiche mit einem Staate vollkommen ebenbürtig zeigen.
Es hat wohl niemals ein Volk gegeben, wenigſtens kein Kulturvolk, das
chineſiſche vielleicht nicht ausgenommen, welches 3000 Jahre als ein ge-
ſchichtliches Ganzes beſtanden hat, wie man z. B. dem Taxusbaum auf
dem Kirchhofe zu Braburn in Kent dieſes Alter beimißt.


Es fällt uns hierbei unwillkürlich ein, wie oft uns zur Bezeichnung
menſchlicher Verhältniſſe der Baum als Gleichniß dient und wir freuen
uns jetzt darüber, wie ſehr dies bisher von uns vielleicht ohne tieferes
Verſtändniß angewendete Gleichniß in der Natur des Baumes begründet iſt.


Für einen ſpäteren Abſchnitt eine eingehende Beſchreibung der Baum-
natur uns vorbehaltend, müſſen wir jetzt aber noch etwas vom Baume
lernen, was uns eine Seite des Pflanzenreichs beleuchten ſoll, die wir
bisher vielleicht überſehen haben.


Dadurch, daß die Pflanze, und am allerwenigſten der Baum, nicht
in dem Sinne des Thieres ein Individuum iſt, ging ihr auch das Eben-
maaß, die Symmetrie, des Baues verloren. Ob auch wir dabei etwas
verloren oder nicht vielmehr gewonnen haben, deſſen wollen wir uns in
folgenden Betrachtungen klar zu werden ſuchen, welche ich aus Nr. 9 des
Jahrganges 1860 meines naturwiſſenſchaftlichen Volksblattes „aus der
Heimath“ entlehne.


„Zu den mancherlei naturwiſſenſchaftlichen und äſthetiſchen Unter-
ſchieden zwiſchen dem Thier- und Gewächsreiche gehört als ein zunächſt
in das Auge fallender, aber doch oft nicht zum Bewußtſein gelangender,
das Verhalten der Pflanzen und Thiere zu dem Formgeſetz der Eben-
mäßigkeit (Symmetrie).


An unzähligen Punkten der Welt der Geſtalten verlangt der gebildete
Geſchmack Ebenmaaß und wird verletzt, wenn er es vermißt. Das ſchönſte
[22] Geſicht berührt das feinblickende Auge unangenehm, wenn es in ſeinen
zwei Hälften ſich nicht völlig übereinſtimmend zeigt.


Gleichwohl iſt die ganze eine Hälfte der organiſchen Geſtaltenwelt,
und zwar die umfangreichere, ohne Ebenmaaß: die Pflanzenwelt. Einzelne
Theile der höheren Gewächſe, ſehr viele Blüthen und Früchte, und auch
manche Pflanzen in ihrem ganzen Körper, z. B. die Mammillarien und
Echinokakten, Hutpilze ꝛc. zeigen zwar Ebenmaaß, aber die ſehr große
Mehrzahl der Gewächſe, jedes als ein Individuum betrachtet, z. B. eine
Eiche, entbehrt des Ebenmaaßes.


Gegenüber unſerem Verlangen nach Ebenmaaß da, wo wir es erfah-
rungsmäßig erwarten, iſt es bemerkenswerth, daß wir es in der Pflanzen-
welt nicht nur nicht erwarten, ſondern es uns ohne Mißbehagen gar nicht
denken können. Wem möchte nicht grauen vor einem Walde, in welchem
jeder Baum ein vollkommen ebenmäßiges Gebilde wäre mit regelmäßig
in gleichen Abſtänden und gleicher Richtung geordneten Zweigen und
Blättern und Blüthen. Annähernd zeigt ſich dieſes bei den Nadelhölzern,
und wie ſehr dieſes im Vergleich zu den frei ſich geſtaltenden Laubbäumen
auf unſern Schönheitsſinn und unſer Gemüth einwirkt, deſſen müſſen
wir uns ſofort klar werden, wenn wir vergleichende Blicke auf einen mit
Fichten beſtandenen Berghang und auf einen Eichenwald werfen.


Mit Schrecken denken die Aelteren unter uns noch an die Ueberreſte
des altfranzöſiſchen Gartengeſchmackes mit den geſchorenen Hecken und den
zu Pyramiden und Kuppeln und Scheiben beſchnittenen Bäumen.


Das Ebenmaaß giebt alſo allein das Schöne nicht, dieſe iſt vielmehr
von dem Ebenmaaß an ſich völlig unabhängig und iſt, wie es ſcheint,
etwas rein Erfahrungsmäßiges, durch die Natur vermittelſt der ſinnlichen
Wahrnehmung uns Eingepflanztes.


Wie ganz anders iſt es mit unſerem Urtheil über das Ebenmaaß bei
den Thieren. Wie wir den Baum, den Strauch, ja ſelbſt den Grasſtock
in ſeiner maleriſchen Ungebundenheit lieben, ſo widert uns ein krankhaft
verunſtaltetes Thier an, an welchem durch einſeitige Ausſchreitung das
Rechts und Links ſeiner Körpergeſtalt ungleich geworden ſind, das Eben-
maaß dadurch aufgehoben iſt.


Das durch eine geſchwollene Wange ſeines Ebenmaaßes beraubte
Geſicht reizt unwiderſtehlich unſer Lachen, wie ein an ſich ganz geſunder
[23] Menſch mit einer hohen Schulter unſer Mitleid erregt. So ſchuf die
griechiſche Sage Cyklopen einäugig nicht durch ein fehlendes Auge, ſondern
ſtatt der fehlenden beiden Augen ſetzte ſie ihnen das nur eine in die Mitte
der Stirn, um das menſchliche Ebenmaaß zu wahren. So erhielten ſie
hierdurch, wie es ſollte, etwas Schreckliches, während ſie auf die andere
Art etwas Lächerliches oder Bedauernswürdiges gehabt haben würden.
Und in der That hat die Störung des Ebenmaaßes nicht nur etwas den
Geſchmack Verletzendes, etwas Widerwärtiges, ſondern ſehr oft auch
etwas Lächerliches.“


Meine Leſer und Leſerinnen werden ohne Zweifel dieſer Anſchauung
beiſtimmen; aber indem ich dies vorausſetzen darf, kann ich Etwas nicht
ungeſagt laſſen. Es könnte in dieſem äſthetiſchen Urtheil möglicherweiſe
die Meinung vermuthet werden, die Natur habe ſich dem gebildeten Ge-
ſchmack der Menſchheit anbequemt, welche Meinung mit jener zuſammen-
fallen würde, die den Menſchen zum Mittelpunkte der Schöpfung macht
und Alles ſeinem Intereſſe unterordnet. Dieſes anmaßende Urtheil, welches
gerade diejenigen haben, die ſich die Demüthigſten nennen, iſt unſchwer
zu widerlegen. Nicht der Baum und das Pflanzenreich iſt nach dem Ge-
ſchmack des Menſchen eingerichtet, ſondern der Geſchmack der Menſchen
hat ſich nach und an jenen gebildet. Der an Laubornamenten und Spitz-
bögen und Roſen überreiche altdeutſche Bauſtyl weiſt eben ſo ſehr auf
unſern deutſchen Wald hin, wie der altgriechiſche Säulenſtyl auf die ein-
fach ſchöne Palme des Südens.


Unſer Ziel darf nicht ſein, einer erträumten Zweckmäßigkeitsordnung
nachzujagen, ſondern die verborgenen Verknüpfungen von Urſache und
Wirkung aufzuſuchen und uns zu freuen, wenn es uns einmal gelang,
eine Erſcheinung, die bisher als ein unvermitteltes Räthſel vor uns ſtand,
in jenen Zuſammenhang einzureihen.


Wir haben es eben mit dem Baume verſucht. Er ſteht jetzt nicht
mehr als eine Erſcheinung für ſich da; wir begreifen dies jetzt und es iſt
ſicher ein Gewinn zu nennen, daß wir die Erſcheinung ſo weit begriffen,
uns klar zu werden, daß Alles zuſammen ſtimmt. Und in der ſchönen
Harmonie, in welche unſers Inneres einſtimmt, tönt der Baum in ſeinem
Blätterrauſchen als ein leitender Akkord hindurch.


[24]

Kaum bedarf es nun noch eines Hinweiſes, wir finden es wenigſtens
nun begreiflicher, ja wir finden es naturnothwendig, daß der Baum zu
allen Zeiten und bei allen Völkern, deren Natur nicht zu karg war, um
ſich bis zum Schaffen des Baumes zu erheben, ein Gegenſtand der ſinn-
bildlichen Verehrung geweſen iſt. „Und ſo iſt es denn gekommen, daß die
Götterverehrung der Hellenen, wie ſie mit dem Baume entſtand und
mit ihm dauerte, auch mit ihm fiel. Wie der Baumkultus dem
Tempel- und Bilderkultus voranging, ſo überdauerte er denſelben auch
bei dem gemeinen Volke, und das Letzte, was chriſtlich-clerikale Straf-
geſetzgebung mit großer Mühe und ſchweren Strafen vernichtete, waren
die heiligen Bäume mit ihrer Verehrung“*).


Wenn wir nicht Fanatiker ſind, ſo haben wir jenes ſo oft dargeſtellte
Bild nicht ohne Mißbehagen ſehen können, welches den heil. Bonifacius
darſtellt, wie er mit hochgeſchwungener Axt eifrige Streiche gegen den
Stamm einer deutſchen Eiche führt.


[[25]]

4.
Der Waldboden.


Unabläſſig ſaugt die Lippe

Der Verwittrung an der Felſenklippe;

Feſt Gebundnes muß gelöſt zerfallen.

Und da fühlt das Starre Regung,

Was geruht bekommt Bewegung,

Mit dem Bache muß es thalwärts wallen.

Unten wird es Muttererde,

Ruft der Pflanze: leb’ und werde,

Sei Vermittlerin für höh’res Leben!

Darum iſt es tiefe Wahrheit,

Unſres Seins Erkenntnißklarheit:

Daß wir alle an der Scholle kleben.

Den Grund, auf welchem uns die Natur das ſchöne reiche Waldbild
malt, bildet der Waldboden. Da er der Quell des Waldbeſtandes
und die bedingende Urſache von deſſen Beſchaffenheit iſt, ſo ſteht ſeine
eigene Beſchaffenheit großentheils in einem geraden Verhältniſſe zu dem
Waldbeſtande und iſt in hohem Grade unſerer Beachtung werth.


Daß der Waldboden auch von der äſthetiſchen Seite ſeine große Be-
deutung für uns habe, wiſſen wir alle, wenn wir uns an die ſchwellende
Moosdecke eines friſchen Fichtenbeſtandes oder an das düſtere Haidekraut
erinnern, welches zwiſchen den weitläufiggeſtellten Bäumen eines Kiefern-
waldes den Boden locker verhüllt.


Wenn ſchon der Boden, welcher die Wieſe, das Kornfeld, den blumen-
reichen Garten trägt, als Spender von Nahrung für unſeren Leib und
für unſer Gemüth unſre dankbare Beachtung erregt, und wir zu einem
Warum uns veranlaßt fühlen, wenn wir auf einem Boden eine reiche
Pflanzenwelt hervorkeimen ſehen und ein anderer, von jenem kaum ver-
ſchieden ſcheinender, nur kümmerlichen Pflanzenwuchs erzeugt, um wieviel
mehr müſſen wir dieſe Frage an den Waldboden richten, deſſen Leiſtungen
[26] wir in noch viel auffallenderer Weiſe verſchieden finden, bald an tropiſche
Fülle erinnernd, bald nur das kümmerliche Haidebild zeigend.


Groß muß darum die Manchfaltigkeit der Faktoren ſein, durch deren
Zuſammenwirken der Boden der Mutterſchooß des Waldes wird. Wir
wollen den Waldboden in dieſer ſeiner Vielſeitigkeit der Zuſammenſetzung
ſeiner Stoffe und ſeiner Wirkungen auffaſſen und damit für die ſpäteren
Betrachtungen des Waldes ſelbſt recht eigentlich uns einen Boden unter
die Füße ſchaffen.


Da der Waldboden das, was er iſt und wirkt, nur unter dem ſich
unmittelbar betheiligenden Einfluß der Atmoſphäre und der Lage hinſichtlich
der Meereshöhe und der Himmelsgegenden iſt und wirkt, ſo müſſen wir
auch in dieſen Beziehungen den Begriff des Waldbodens auffaſſen.


Zwei ganz gleich zuſammengeſetzte Bodenflächen zeigen ganz verſchiedene
Beſtände, wenn die eine in der Ebene, die andere 8000 Fuß über dem
Meeresſpiegel, und letztere wieder wenn ſie an einem nach Abend oder an
einem nach Mittag gerichteten Berghang liegt.


Es iſt darum ſchwer und erfordert eine große Uebung und Er-
fahrenheit, im voraus von einem Boden zu ſagen, ob er ſich für Wald-
anbau eigene oder nicht; ja wir müſſen uns hier an den Ausſpruch im
erſten Abſchnitt erinnern, — daß der erfahrene Forſtwirth ſich „zuweilen
den Kopf zerſinnt, weshalb wohl plötzlich jene Fichtenpflanzung nicht mehr
wachſen will, an deren Gedeihen er zehn Jahre lang ſeine Freude hatte.“


Vergleichen wir den Waldboden und den Ackerboden hinſichtlich ihrer
Beſtandtheile in der weiteſten Auffaſſung dieſer, ſo ergeben ſich zwiſchen
beiden erhebliche Verſchiedenheiten. Was dem einen nothwendige Bedingung iſt,
kann dem andern zum großen Nachtheile gereichen und wir werden ſogleich
etwas als einen nothwendigen Beſtandtheil eines Waldbodens kennen lernen,
was wir vom Ackerboden fern zu halten bemüht ſind.


Die Unterſcheidung des Ackerbodens in die Ackerkrume und den
Untergrund oder die Grunderde kann auf den Waldboden nicht unmittelbar
übertragen werden, weil unter Ackerkrume die oberſte Bodenſchicht ver-
ſtanden wird, in welcher die Ackerwerkzeuge bei der Bodenbearbeitung und
bei der Düngung eindringen und von beiden in der Forſtwirthſchaft ja
kaum die Rede iſt. Wohl aber können wir ohne dieſe urſächlich bedingte
[27] nähere Bezeichnung auch im Waldboden von einer oberen und einer
unteren Schicht ſprechen.


Wenn wir auf einem feuchten und daher fruchtbaren Waldgehänge
von einigen Ruthen Flächenraum alle Bäume abhauen und den Boden
ſo tief und ſo lange abtragen laſſen, als wir in ihm noch eingedrungene
Pflanzenwurzeln auffinden würden, ſo würden wir mit zunehmender Tiefe
den Boden allmälig eine andere Beſchaffenheit zeigen ſehen.


Nehmen wir an, es handele ſich um einen mit einem gemiſchten,
aus Fichten, Buchen und einigen anderen untergeordneten Holzarten zu-
ſammengeſetzten hochſtämmigen Beſtand, auf einem aus Gneis gebildeten
Boden — wie wir ſolche Fälle in der größten Ausdehnung z. B. auf
dem bewaldeten Grenzgebirge zwiſchen Sachſen und Böhmen finden, —
ſo würden wir bei der angedeuteten Unterſuchung des Bodens Folgendes
finden.


Nachdem die dicht am Boden gefällten und abgehackten Stämme
und Geſträuche weggetragen wären, würde es uns erſt auffallen, daß die-
ſelben den Boden mit einer Welt niederer Pflanzen getheilt haben.
Mooſe und Farrenkräuter und allerlei Waldkräuter und Gräſer bedecken
die den Boden bildenden Gneisbrocken oder ſproſſen zwiſchen dieſen aus
der ſchwarzen, feuchten, Modergeruch aushauchenden Erde empor. Wir
laſſen ſie alle ſorgfältig beſeitigen und vor uns liegt nun der nackte, ſeiner
Lebenserzeugniſſe beraubte Boden und nach wenigen Stunden hat ſich
durch Austrocknen die zwiſchen den Blöcken hervorſchauende Erde weſent-
lich heller gefärbt.


Wir dringen tiefer ein; wir müſſen es ſchon, wenn es uns gelingen
ſoll, die ſich tief einkrallenden Baumwurzeln mit den Wurzelſtöcken, von
denen ſie ausſtrahlen, gründlich auszugraben. Wir ſtaunen, nirgends
große Maſſen von eigentlicher Erde zu finden. So tief wir wühlen, wir
finden nichts als große und kleine Gneisblöcke, zu einem mauerähnlichen
Haufwerk aufgethürmt, und dazwiſchen, nur wie einen locker verbindenden
Mörtel, die ſchwarze Walderde, reich gemiſcht mit gebräunten, zum Theil
noch wohl erkennbaren Blättermumien und Holzſtückchen, zwiſchen denen
wir anfänglich die fadenförmigen Wurzeln der beſeitigten Waldkräuter,
ſelbſt reichliche Ueberreſte von Käferflügeln und anderen Inſektentheilen,
ja wohl lebendige Inſekten und Schnecken ſelbſt antreffen. Selten ſtoßen
[28] wir zwiſchen den Steinen auf kleine ganz von Walderde ausgefüllte
Räume und wenn wir Steine und Erde geſondert aufſchütten wollten,
ſo würde die letztere gegen jene nur einen ſehr kleinen Haufen geben.
Wir treffen ſogar hier und da auf leere Räume, in denen ein Thaubeſchlag
die Steinflächen bedeckt und Modergeruch daraus hervordringt.


Wir wühlen und wühlen und immer noch wollen die Spuren des
tief eindringenden Lebens, wenn auch nur in Leichenüberreſten, nicht auf-
hören. Endlich wird der ſchwarzen Modererde weniger, die Blöcke liegen
dichter an einander bis wir zuletzt in ihrer gegenſeitigen Lage ſehen, daß
ſie die nur wenig auseinander gewichenen Trümmer des Gneisfelſens ſind,
und wir werden inne, daß wir bisher in der alten verwitterten Haut
deſſelben gewühlt haben bis wir endlich auf das feſte Felſenfleiſch gekommen
ſind. In ihm kommen wir zufällig auf eine Schicht, wo die unabläſſig
ſaugende Lippe der Verwitterung das feſte Gefüge aufgelockert hat. Die
Grundmaſſe des Felſengeſteins zeigt ſich entfärbt, hellgelblich und zerreiblich.
Die Fugen der Felſenzerklüftung ſind bezeichnet durch weiche bröcklige dünne
Schichten, die wir durch eine eingetriebene Spitzhacke leicht zum Ausein-
anderreißen des Felsgefüges benutzen könnten. Die ſchwarze Färbung iſt
nicht ſo weit herabgedrungen; wir wiſſen, daß ſie von den vermoderten
Ueberreſten organiſcher Körper, namentlich von Pflanzentheilen herrührt,
und deshalb nennen wir ſolche dunkle Erde Moder- oder Dammerde
oder mit dem vornehmklingenden Namen Humus. Hier würden wir auch
den Gärtnerausdruck Wald- oder Holzerde wählen können.


Jetzt gehen wir einmal mit unſerem Gehülfen nach jenem Fichten-
beſtande, der auf dem Rücken einer ſanft geſchwellten Hochebene liegt, an
drei Seiten von einer ſaftiggrünen Bergwieſe begrenzt.


Die Fichte hat hier das unbeſtrittene Regiment und bildet ein in freu-
digem Wuchſe ſtehendes, etwa dreißigjähriges geſchloſſenes Stangenholz. Die
Wipfel ſtehen in gutem Schuß und erſt kaum zum vierten Theil aufwärts
haben ſich die Stämme gereinigt. Den Boden bedeckt eine dichte Moos-
decke, hier und da an etwas trockenen Orten von Nadelſtreu verdrängt.
Nur an etwas lichteren Stellen hat das freier hereinfallende Sonnenlicht
einige im Boden ruhende Samen höherer Pflanzen zur Entwicklung gebracht:
einige Grasſtöcke der Waldſchmiele, Aira flexuosa, Waldkreuzkraut, Sene-
cio silvaticus,
und ein ſchönes Weidenröschen, Epilobium angustifolium
[29] und allenfalls noch ein Habichtskraut, Hieracium, und einige Haideſtöckchen.
Wir wollen ſehen, wie es in dieſem Boden ausſieht. Er iſt bald von
den gehauenen Fichten geräumt und wir laſſen Alles, was den Boden
bedeckt, Moos, Nadeln und Kräuter beſeitigen und ſtoßen alsbald auf ein
ſehr dichtes Geflecht wagerecht verlaufender Baumwurzeln. Dies liegt
ſehr ſeicht unter der Pflanzendecke in einer höchſtens eine halbe Elle
dicken Schicht, welche großentheils aus Dammerde beſteht, in welcher
wir eine Unmaſſe noch unverweſter Nadeln und Zweigſtückchen der
Fichten, aber keine Steine und nur wenig Erde- und Sandbeimiſchung
unterſcheiden. Indem wir dieſe mit den Stöcken und Wurzeln an einer
Stelle zugleich beſeitigen laſſen, werden wir dadurch überraſcht, daß ſich
die ganze Wurzelverbreitung lediglich auf dieſe Dammerdeſchicht beſchränkt,
und daß unter dieſer ſofort eine feſte undurchdringliche Thonſchicht folgt,
in welcher kaum eine einzige Wurzel eingedrungen iſt. Die Thonſchicht
erweiſt ſich vollkommen unbetheiligt an dem Waldbeſtande, den ſie trägt.


Wir haben hier zwei ganz verſchiedene Arten des Waldbodens kennen
gelernt und wer nur einigermaßen herumgekommen iſt, der erinnert ſich
jetzt, noch mancherlei andere wieder anders beſchaffene Bodenarten im
Walde geſehen zu haben. Er mag nur an den fetten, mit üppigem
Kräuterwuchs bedeckten Lehmboden unſerer Auenwälder, oder an den
magern Sandboden der märkiſchen Kiefernwaldungen denken. Wir finden
überall eine untere und eine obere Schicht des Waldbodens und können
mit dem Landwirthe jene den Untergrund nennen, in den beiden beſchrie-
benen Fällen einmal Felſen, einmal eine undurchlaſſende Thonſchicht.


Wir errathen ſchon, daß die Beſchaffenheit des Untergrundes nicht
ohne großen Einfluß auf die Beſchaffenheit des Waldbeſtandes ſein kann.
In beiden beſchriebenen Fällen ſahen wir die Fichte gleich gut gedeihen,
obgleich die Beſchaffenheit beider Waldboden ſehr ungleich war: das eine
Mal ein mehrere Ellen tiefer an Modererde und Feuchtigkeit reicher klüftiger
Felſenboden, das andere Mal ein nur fußtiefer, ganz ſteinfreier, auf
einer undurchdringlichen Lehmſchicht ruhender Dammerdeboden. Wir
müſſen die Fichte befragen, weshalb ſie zwei ſo ungleiche Wohnſtätten
mit gleichem Vortheile einnimmt. Das Fichte hat das auffallende, unter
unſern Waldbäumen faſt ihr allein eigene Weſen, daß ſie, auch wenn ſie es
kann, ihre Wurzeln nie tief eindringen, ſondern nur in der Oberfläche
[30] ſich ausbreiten läßt. Die Buche muß mit ihren Wurzeln tief eindringen
können; drum konnte ſie der Fichte nicht auf den zweiten Standort folgen.


Neben der aus verweslichen Stoffen und zu Sand oder Schutt zer-
fallenen Geſteinſtücken beſtehenden Dammerde, welche oft nicht minder
fein und mild iſt, wie auf dem Acker, und außer gröberen Steinen bis
ſelbſt anſehnlichen Blöcken finden wir an einem guten Waldboden — den
Untergrund laſſen wir jetzt ganz aus dem Spiele — an ſeiner Oberfläche
immer eine ſogenannte Bodendecke, welche für das Gedeihen der Wald-
beſtände von der größten Bedeutung iſt.


Sie iſt es beſonders, wodurch der Waldboden, als ein Theil des
Geſammtbildes, als welches uns der Wald ergötzt, zum Gegenſtande auch
unſerer äſthetiſchen Betrachtung wird.


Nach der Natur des Bodens, ſo weit er aus Stein- und Moder-
ſtoffen beſteht, nach der Art der Bäume, die den Waldbeſtand bilden,
und nach dem Feuchtigkeitsgehalte des Bodens und der Luft iſt die Boden-
decke höchſt verſchieden. Man kann ſie weſentlich als Pflanzendecke
und als Laub- oder Nadeldecke unterſcheiden, wobei es ſich von ſelbſt
verſteht, daß beide Klaſſen wohl niemals ganz ſcharf geſchieden ſind, weil
ſelbſt die entſchiedenſte Pflanzendecke natürlich auch den Laub- und Nadel-
abfall enthalten muß und die dichteſte Nadeldecke doch wenigſtens einige
niedere Pflanzen aufkommen läßt.


Es kommt namentlich auf die Oertlichkeit an, ob der Laub- und
Nadelfall ſchnell oder langſam verweſt. Verweſt er nur langſam, ſo muß
ſich nach und nach eine ſo dicke Laub- und Nadelſchicht anſammeln, daß
Waldkräuter und Gräſer kaum aufkommen können. Nicht minder iſt hierbei
die dichte oder lockere Belaubung im Verhältniß zu dem räumlichen Um-
fang der Baumkronen von Einfluß. Die dichte Belaubung der reichver-
zweigten Buche verurſacht darum meiſt eine hohe ſehr reine Laubdecke, um
ſo mehr, als die Buche mehr trocknen Standort liebt, auf welchem das
abgefallene Laub nur langſam verweſt. Die locker belaubte kleinblättrige
Birke macht einen geringen Laubfall, die Fichte einen dichteren als die
Kiefer. Obgleich die Erle ſehr dicht belaubt iſt, ſo duldet der feuchte
Standort, den ſie liebt, niemals eine längere Anſammlung des ſchnell
verweſenden Laubes. Die lockeren durchſichtigen Kronen alter Kiefernorte
machen, daß die Nadeln lange unverweſt bleiben, weil Sonnenſchein und
[31] Luft den ohnehin ſehr trockenen Kiefernboden mehr erreichen und noch mehr
austrocknen, als in einem in dichterem Wipfelſchluß ſtehenden Fichtenorte.


Für unſern Schönheitsſinn iſt natürlich die Laubſtreu weniger an-
genehm als die Pflanzenſtreu (denn ich muß nun hier den Namen Streu
für Decke geläufig machen, weil wir bald ſehen werden, daß die Bedeckung
des Waldbodens — Pflanzen oder Laub und Nadeln — als „Streu“
ein unglückſeliger Zankapfel für Land- und Forſtwirthe iſt). Nichtsdeſto-
weniger hat namentlich in einem Buchenhochwalde die gleichmäßige falbe
Laubdecke des Bodens für den geläuterten Geſchmack ihre Vorzüge. Sie
bildet zwiſchen den weitläufigſtehenden alten, ein hohes Laubdach wölbenden
Bäumen mit den weißgrauen ſäulenartigen Stämmen ein ſauberes Parkett,
in welchem das von unſern Füßen aufgewühlte raſchelnde Laub unſere
Schritte weit hinhallen läßt, wie in einem erhabenen Münſter.


Erfreuender freilich im wahren Sinne und anregender iſt die Boden-
decke, wenn ſie aus lebenden Pflanzen gebildet wird, die dann wie ein
Zwergengeſchlecht unter dem Schutze der Baumrieſen ſich vertrauensvoll
aneinanderſchmiegen. Es giebt eine Menge Pflanzen, welche beinahe aus-
ſchließend oder wenigſtens vorwaltend ſich unter dieſer Waldprotektion be-
haglich fühlen und viele von ihnen tragen als wiſſenſchaftliche Artnamen
die Bezeichnung vom Walde, z. B. das Waldvergißmeinnicht, Myosotis
silvatica,
der Waldzieſt, Stachys silvatica, das Waldlabkraut, Galium
silvaticum
und viele andere.


Der Wald in ſeinen verſchiedenen Ausprägungen als Gebirgswald
oder Ebenenwald, Auenwald, Haide, Nadel- oder Laubwald, Hochwald,
Nieder- oder Mittelwald bietet in ſeiner Pflanzendecke eine wahre Stufen-
leiter des Ganges der Pflanzenſchöpfung dar. Die beiden unterſten
Pflanzenklaſſen, die Pilze und Flechten, ſind, wenigſtens die letztern, in
der Hauptſache Waldbewohner und von den erſteren ſind wenigſtens die
Hutpilze am liebſten im Walde heimiſch. Jedoch tragen die Pilze zur
Zuſammenſetzung der Pflanzendecke des Waldbodens nicht weſentlich bei;
dazu ſind ſie zu ungeſellig und zu ſehr blos augenblickliche Emporkömm-
linge, wie ihnen gerade an einzelnen Punkten das Schickſal günſtig iſt.


Die Flechten aber und faſt immer im Verein mit ihnen die Mooſe,
betheiligen ſich um die Wette, den Boden des Waldes mit ihren niedlichen
Heerſchaaren zu bekleiden. Wenn man dem in der Pflanzenkunde nicht
[32] hinlänglich Unterrichteten von Mooſen ſpricht, ſo iſt man oft nicht ſicher,
daß er darunter daſſelbe verſteht, wie die Wiſſenſchaft; denn ſehr oft be-
legt man auch die Flechten mit dieſem Namen, indem man von „islän-
diſchem Moos“ ſpricht und von den „graubemooſten“ Bäumen. In
beiden Fällen meint man aber nicht Mooſe, die bekannten faſt immer
grünen beblätterten Pflänzchen, ſondern Flechten, welche niemals eine
entſchieden grüne Farbe und niemals Blättchen von nur einigermaaßen
ausgeprägter Form beſitzen. Beiſtehende Figuren, in welchen meine Leſer

Figure 1. I.

Flechten.
1. Die isländiſche Flechte, Cetraria islandica. — 2. Die Rennthierflechte, Cladonia ran-
giferina.
— 3. Die Knotenſchwammflechte, Baeomyces roseus. — 4. Die Korallenflechte,
Cladonia pleurota. — 5. Die wirtelförmige Säulenflechte, Cladonia verticillata.


[33] und Leſerinnen bekannte Gebilde erkennen werden, ſollen uns darüber
verſtändigen, was Flechten ſind. Fig. 1. iſt die isländiſche Flechte,
Cetraria islandica, welche uns den bekannten Thee für Bruſtleidende
liefert; Fig. 2. iſt die Rennthierflechte,Cladonia rangiferina, welche
faſt allein den Bewohnern der Polarländer den Genuß der Milch und
die übrigen Vortheile der Rennthierzucht vermittelt, da dieſes wichtige
Thier vorzugsweiſe von dieſer Flechte lebt.


Es iſt namentlich der Gebirgswaldboden, auf welchem die Flechten-
welt ſich anſiedelt. Den fruchtbaren Lehmboden der Waldblößen oder friſch
geräumter Schläge ſehen wir im Vorgebirge, da wo er vollkommen bloß
gelegt worden war, zuerſt von der Flechtenwelt wieder verhüllt werden,
wenn ihr nicht einige kleine Mooſe noch zuvorgekommen ſind. Oft ſehen
wir ſolche Stellen ganz weiß gefärbt, als habe eben des Fabeldichters
Anne Marthe hier ihren hoffnungsſeligen Luftſprung gemacht und ihren
Milchtopf verſchüttet. Wenn man ſolche Stellen genauer betrachtet, ſo
findet man einen grauweißen, trockenen käſigen Ueberzug. Es iſt entweder
blos der Anfang einer Flechte oder ſie iſt bereits vollſtändig ausgebildet.
Im letzteren Falle finden wir darauf kleinen Hutpilzen täuſchend ähn-
liche Gebilde, auf weißem Stielchen einen roſenrothen Hut tragend. Es
iſt die Knotenſchwammflechte,Baeomyces roseus, die erſte Coloniſtin
auf dem verfügbar gewordenen Waldboden. Unſere Fig. 3. zeigt uns
dieſe ſonderbare Flechte.


Wie keine andere Pflanzenklaſſe unſerer heimathlichen Flora ſind die
Flechten mit ihrem Nahrungsbedürfniß faſt lediglich an die in der Luft
vertheilte Feuchtigkeit gewieſen, während ihr Wurzelboden ihnen kaum mehr
iſt als der Ankergrund, auf welchem ſie ruhen, ohne aus ihm mit ihren
Wurzelhaaren, die eben nur Haftorgane ſind, Nahrung zu ſaugen. Die
Flechten ſind daher auch wahre Feuchtigkeitsmeſſer, an welchen ſich jede
Veränderung in dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft ausdrückt. Gehen wir
in thauiger Morgenkühle durch einen Fichtenbeſtand, deſſen Boden oft in
großen Strecken mit den bis 8 und 10 Zoll hohen grauweißen tauſendfach
verzweigten Büſchchen der Rennthierflechte (I. 2.) bedeckt ſind, ſo machen
ſie als ſchwellende weiche Polſter unſere Tritte unhörbar, indem ſie, weich
und ſchmiegſam, ſich hinter unſerem Fuße ſchnell wieder aufrichten. Hat
aber die ſteigende Sonne den Feuchtigkeitsgehalt der Luft vermindert, ſo
Roßmäßler, der Wald. 3
[34] trocknen auch dieſe Büſchchen ſchnell vollkommen aus, und unſer Tritt
zertrümmert dann mit einem feinen Kniſtern die ſtarren zerbrechlichen
Gebilde, die dadurch, wie auch in der Geſtalt, feinen Korallenbäumchen
ähnlicher ſind, als Gewächſen.


Im Nadelwald des Gebirges tragen die Flechten oft ſehr viel zur
Bildung des Waldbodens bei und geben ihm durch ihre vorwaltend bleiche,
grau- oder [grüngelbliche] Färbung einen ungewöhnlichen Farbenton. Nur
im Morgen- und Abendthau und bei anhaltend feuchtem Wetter vermögen
einige ſich einigermaßen zur Farbenſtufe des Pflanzenreichs empor zu
ſchwingen; dann leuchtet nämlich unter der angefeuchtet durchſcheinend
werdenden äußeren Zellenſchicht das in tiefer liegenden Zellenſchichten ab-
gelagerte Pflanzengrün etwas hindurch.


Fühlt ſich das Auge von den zierlichen Geſtalten angezogen und bückt
man ſich nach ihnen, ſo ſtaunt man entweder über die unerwartete Starr-
heit und Zerbrechlichkeit oder über die noch faſt überraſchendere Zartheit
und Zerreißbarkeit derſelben, jenachdem wir bei trockner oder bei feuchter
Luft unſern Waldgang machen. Und fangen wir dann an, all’ die ver-
ſchiedenen Formen zu ſammeln, ſo werden wir gar leicht daran irre, ob
hier die Natur auch beſtimmte Arten oder nur freie, nie mit einander
vollkommen übereinſtimmende Formen geſchaffen habe. Beſonders die
Gattung der Säulenflechten,Cladonia, entfalten auf dem Waldboden,
wenn die Standortsverhältniſſe ihnen zuſagen, eine unglaubliche Veränder-
lichkeit der Formen und nur die Rennthierflechte, welche wir ſchon als
Cladonie kennen, zeigt eine Beharrlichkeit in der Ausprägung ihrer Art-
kennzeichen. Zwei andere Arten dieſer beinahe nur in der Veränderlichkeit
beſtändigen Gattung, die ebenfalls den Waldboden höherer Gebirgslagen
lieben, ſind die I. 4. und 5. abgebildete Korallenflechte,Cladonia
pleurota
und die wirtelförmige Säulenflechte,Cladonia verticillata.
In erſterer erkennen wir das bekannte Korallen„moos“ der Brockenſträußchen.
Iſt einmal die Lage des Waldes rauh und an kalten Nebeln reich
genug, wie es die Flechten lieben, ſo wird man auch ſtets bei genauerer
Aufmerkſamkeit am Boden eine große Zahl ihrer chamäleontiſchen Formen
finden. Selbſt an den umherliegenden größeren Steinen, wenn ſie na-
mentlich hinlänglich ebene Flächen darbieten, ſiedeln ſich eine Menge
Flechten an, bald blos kaum für belebte Weſen anzuſehende Kruſten, bald
[35] zierlich gerundete, ſchuppenförmige, vielfach zerſchlitzte laubartige Roſetten
bildend. Dann klettern ſie aber auch faſt immer an den Stämmen ſelbſt
in die Höhe, theils auf der Rinde ſich anſiedelnd, theils den abſterbenden
untern Aeſtchen, vorzüglich der Fichte, einen bleichen leichenhaften Laub-
ſchmuck verleihend. Andere Arten gehen dann noch höher hinauf und
hangen als greisgraue Bärte von den Aeſten der alten melancholiſchen
Fichtenwipfel herab, von wo ſie der Sturm und das unſtäte Eichhorn
herabwerfen ſammt den dürren Aeſten, an deren Tode ſie ſelbſt vielleicht
einigen Antheil haben.


Wenn die Flechten als Beſtandtheile der Pflanzendecke für den Wald-
boden, ſelbſt wenn ſie in reicher Fülle vorhanden ſind, doch nur eine
untergeordnete Bedeutung haben, wohl nur wenig zur Bodenverbeſſerung
beitragen und auf unſeren Waldgängen meiſt nur dann unſere Aufmerkſamkeit
gewinnen, wenn wir dieſelbe für die Natur immer in Bereitſchaft haben,
ſo iſt dies Alles ganz anders mit den um einige Stufen des Pflanzen-
ſyſtems höher ſtehenden Mooſen. Sie ſind von einer großen Bedeutung
für den Wald, vielleicht ohne Ausnahme von einer vortheilhaften, und
ſchon ihr freudiges Grün und die Zierlichkeit ihrer blätterreichen, zu
ſchwellenden Polſtern verflochtenen Stengel macht ſie zu den Lieblingen
Aller. Wie die Flechten ſind auch ſie meiſt Kinder des rauhen nebelreichen
Waldgebirges und nur wenige ſteigen nieder in die ſonnige Ebene. In
höherem Grade als die Flechten geſellige Pflanzen überziehen ſie mit ihrer
ſammetnen Hülle oft in großen Beſtänden den Boden. Und zwar ſind es
oft blos zwei oder drei Arten, welche ſich in die Aufgabe theilen, die
Füße der Bäume zu bergen. Auf ſehr feuchtem Boden ſind es die bleichen
Sumpfmooſe,Sphagnum, und die Widerthone,Polytrichum, mit
ihren meiſt aſtloſen ſaftgrünen Stämmchen, welche faſt wie Fichtenpflänzchen
ausſehen. An nur friſchen Stellen finden ſich die Aſtmooſe,Hypnum,
ein, von denen das glänzende Aſtmoos,H. splendens, oft ganz allein
große Bodenflächen vollſtändig mit ſeinem bräunlichgrünen Raſen überzieht.
Jede Abſtufung im Feuchtigkeitsgehalte des Waldbodens ruft andere Mooſe
herbei, bis endlich auf trocknen ſonnigen Waldblößen das purpurfarbige
Haarzahnmoos,
Ceratodon purpureus, ganze Strecken im Purpur-
ſchimmer ſeiner haarfeinen Fruchtſtielchen leuchten läßt.


3*
[36]

Ganz beſonders und nicht ſo maſſenweiſe nach nur wenigen Arten
vertheilt, geſtaltet ſich die Moosdecke auf einem felſigen Waldboden. Da
ſind die loſe übereinanderliegenden Blöcke meiſt ganz und gar mit locker
aufliegenden Moosperrücken bedeckt, die man von den harten Glatzköpfen
leicht abnehmen kann. Hier ſind es vorzugsweiſe die Aſtmooſe — eine
jede Gebirgsflora vermag deren wohl an 50 Arten aufzuweiſen — welche
die Blöcke nicht ſelten ſo vollkommen verhüllen, daß der Unkundige ge-
fährlich ſtrauchelt, wenn er dem dunkeln Moosteppich vertraut.


Gehen wir um einen Syſtemſchritt weiter, ſo finden wir nun die
Farrnkräuter, in der alten Linné’ſchen umfaſſenden Bedeutung, als
weſentlich betheiligt bei der Bildung der Pflanzendecke. Außer einigen
ſumpfliebenden Schachtelhalmen,Equisetum, finden ſie ſich am liebſten
auf mäßig friſchen Waldſtellen ein und namentlich die echten Farrnkräuter
nicht ſelten in ſolcher Menge, daß ſie einen weſentlichen Antheil an der
Waldſtreu nehmen und dem Walde einen Schmuck verleihen, der für den-
jenigen eine ahnungsvolle Bedeutung gewinnt, der da weiß, daß die Farrn-
kräuter wenigſtens auf deutſchem Boden nur die wenigen Ueberlebenden
eines hier einſt mächtigen Geſchlechts ſind, deſſen Urahnen jetzt als Stein-
kohlen aus millionenjähriger Grabesruhe wieder auferſtehen. Der Gebirgs-
wald würde einen weſentlichen Schmuck und Vorzug vor dem Ebenenwalde
entbehren, wenn auch dieſe [wenigen] Ueberreſte der Farrnwelt ausgeſtorben
wären. Die zu eleganten [ſtammloſen] Palmenkronen gruppirten Wedel
der Schildfarrn,Aspidium, und verwandter Gattungen verleihen
unſeren friſchen Gebirgswäldern einen faſt tropiſchen Zug, der für den
Unkundigen, dem aber doch das Auge für die Formen der Pflanzenwelt
offen iſt, dadurch noch einen geheimnißvollen Reiz gewinnt, daß er an
dieſen zierlich zuſammengeſetzten anſehnlichen Blattgebilden zu keiner Zeit
und an keinem Orte jemals Blüthen, ſondern auf der Rückſeite derſelben
nur räthſelhafte, aus kleinen braunen Körnchen beſtehende regelmäßig
gruppirte Häufchen findet, deren Bedeutung als Früchte er kaum zu ver-
muthen wagt. Am meiſten fühlt man ſich von dem Adlerfarrn,Pteris
aquilina,
angezogen, deſſen dreifachgetheilter Wedel auf friſchem lockeren
Lehmboden nicht ſelten mannshoch wird; denn bei dieſem ſtattlichen Ge-
wächs, welches oft mit den Nadelhölzern, deren Geſellſchaft es am meiſten
[37] liebt, um den Platz kämpft, fällt die völlige Blüthenloſigkeit am meiſten
auf. Und wüßte nur ein Jeder, daß der Adlerfarrn, wie ſchon ſein Volks-
und ſein Wiſſenſchaftsname andeutet, der Bannerträger deutſcher Nation
iſt, der ſich mit ſeinem anvertrauten Reichskleinod unter den Schutz des
deutſchen Waldes flüchtete — man würde die Farrnkräuter des Waldes
noch mehr lieben.


Wie in anderen Beziehungen, ſo haben nämlich die Farrnkräuter
auch darin eine eigenthümliche Beſonderheit, daß in ihren Wedelſtielen —
man nennt die Farrnblätter Wedel — die Gefäßbündel nicht zu einem
einfach kreisrunden Holzkörper gruppirt ſind, wie es Regel iſt, ſondern
daß dieſelben in ganz eigenthümlicher, man möchte faſt ſagen abenteuerlicher
Weiſe in der zelligen Grundmaſſe liegen, ſo daß ein Querſchnitt des
Wedelſtieles die manchfachſten Figuren zeigt. In Figur II. ſehen wir
das etwa ſechsfach vergrößerte Bild dieſes Querſchnitts vom Adlerfarrn

Figure 2. II.

Schräg geführter Querſchnitt des Wedelſtieles vom Adlerfarrn.


und das deutſche Volk, welches der Pflanze dieſen Namen gab, dachte dabei
ſicherlich nur an den deutſchen Reichsadler. Es iſt übrigens an dem mit
vollkommenſter Treue gezeichneten Bilde durch keine Zuthat der Einbildungs-
kraft zu Hülfe gekommen.


Einen Schmuck von der unnachahmlichſten Zierlichkeit bildet im Ge-
birgswalde, oft große Flächen überziehend, der Waldſchachtelhalm,
[38]Equisetum silvaticum, bis fußhohe Bäumchen bildend, deren gegliederter
einfacher Stamm aus jedem Gelenk einen ſtrahligen Schirm ebenfalls fein
gegliederter Gebilde trägt, welche, obwohl beblätterte Zweige ſcheinend,
doch nichts anderes ſind, als fein zertheilte Zweigbildungen.


Was von den Farren geſagt wurde gilt auch von den Schachtelhalmen
und den noch hervorzuhebenden Bärlapp-Pflanzen,Lycopodium, auch
ſie ſind nur noch die wenigen ſchwächlichen Ueberreſte von Pflanzenfamilien
welche zur Zeit der Steinkohlenbildung in reicher Artenzahl und als ſtatt-
liche Bäume den deutſchen Boden bedeckten, wie jetzt ſo auch damals im
Vereine mit längſt ausgeſtorbenen Geſchlechtern von Nadelbäumen. Die
wenigen uns verbliebenen Bärlapp-Arten kriechen meiſt moosähnlich und
mehr vereinzelt am Waldboden und tragen daher nicht viel zu deſſen
Charakteriſirung bei.


Fanden wir ſchon unter den blüthenloſen Pflanzen, den Kryptogamen
Linné’s, eine große Befliſſenheit, den Waldboden zwiſchen den Stämmen
mit einer lebendigen Decke zu verhüllen, ſo ſind nun der Arten der
Blüthenpflanzen (Phanerogamen des Linné), welche daran Theil nehmen,
noch viel mehr; obgleich kein Waldgras oder Kraut ſo ausſchließlich dies
thut, wie wir ſahen daß es oft von zwei oder drei Moosarten geſchieht.
Faſt immer zeigt der Waldboden, welcher von Blüthenpflanzen bewachſen
iſt, ein Fülle zahlreicher Pflanzenarten auf einmal.


Die Blüthenpflanzen bedürfen als höher organiſirte Weſen noth-
wendig einer größeren Einwirkung des Lichtes, der Sonnenwärme und
des Luftwechſels. Wir finden deshalb, je dichter der Waldbeſtand iſt, deſto
weniger Blüthenpflanzen auf ſeinem Boden und ſelbſt die bisher betrach-
teten blüthenloſen vermögen nicht aufzukommen, wenn der Boden ganz
beſchattet iſt, wie z. B. in Fichtendickichten oder angehenden Stangen-
hölzern. Dann finden wir eben eine faſt oder ganz reine Nadelſtreu.


Je lockerer der Beſtand und zugleich fruchtbarer der Boden, deſto
üppiger ſchießt eine Fülle von Blüthenpflanzen auf ihm empor und manch-
mal kann man glauben, in einem verwilderten Garten zu ſein. Schließt
ſich aber der aufwachſende Beſtand mehr und mehr, z. B. in einem
Fichtenbeſaamungsſchlage, der durch „Saamenanflug“ von einzelnen „über-
gehaltenen“ „Saamenbäumen“ erzielt werden ſoll, ſo müſſen die großentheils
einjährigen „Waldunkräuter“ immer mehr weichen, wenn nicht, was
[39] auch vorkommt, das Unkraut die jungen Baumpflänzchen überwuchert,
erſtickt und „verdämmt“.


Wenn der Großſtädter aus der deutſchen Ebene einmal ins Gebirge
auf ſolch einen blumenſtrotzenden Waldſchlag kommt, ſo kann er nicht müde
werden, die ihm großentheils neuen Pflanzen zu muſtern. Neben dem
herrlichen Weidenröschen erblickt er den ſtattlichen Hohlzahn,Galeopsis
versicolor,
mit ſeinen großen citronengelben Lippenblumen mit dem violetten
Flecken an der Unterlippe; in den faſt ſchwarzen großen Beeren, die er noch
nie geſehen, erräth er die Tollkirſche,Atropa belladonna, denn gerade
ſo drohend und doch zum Koſten einladend iſt ſie ihm ja in der Schule be-
ſchrieben worden. Zu den Füßen der faſt mannshohen Giftpflanze ladet ihn
nicht vergebens die würzige Erdbeere ein, unter ihrer Blätterdreifaltigkeit
hervorgrüßend. Neben überraſchend ſtattlichen Federbüſchen des weiblichen
Milzfarrn,
Asplenium filix femina, giebt ihm das Rühremichnichtan,
Impatiens Nolimetangere, ihr Blumenräthſel auf und erſchreckt ihn wohl
mit dem geſchoßähnlichen Aufſpringen ihrer nur leiſe berührten Früchte.
Wenn es ihm daheim niemals einfiel, Heidelbeeren zu eſſen, hier lieſt
er mit Mühe die vereinzelt an den Büſchchen ſtehenden Beeren auf. Im
Hochſommer ſieht er entzückt und mit einem „was iſt das!“ die brennend
korallrothen Trauben des Traubenhollunders,Sambucus racemosa,
an; ſicher in der ganzen deutſchen Flora das vollendetſte Beiſpiel dieſer
ſchönen Farbe. Ganze Flächen ſind mit einem bunten Muſter von dem
reinſten Violett und Hochgelb überzogen, welches die Deckblätter und
Blüthen des Kuhweizens,Melampyrum nemorosum, bilden. Rieſige
Binſenbüſche und mannshohe Waldgräſer, voran die zierlichen Rispen
der Calamagroſten, am Boden kriechende, mit Millionen weißen Stern-
blümchen beſäete Labkräuter — Alles, Alles feſſelt ſeine Aufmerkſamkeit.


Es iſt ſchon oben geſagt worden, daß eine Menge höherer, d. h. im
Syſteme einen hohen Rang einnehmender Pflanzen ausſchließend oder vor-
zugsweiſe ihre Heimath im Walde haben, und es würde jetzt eine lange
Namenreihe geben, wenn wir dieſe Pflanzen alle aufzählen wollten; es
mögen darum vorſtehende Beiſpiele genügen. Es iſt keine Pflanzenfamilie
der Blüthenpflanzen, von den Gräſern bis zu den am höchſten ſtehenden
Thalamifloren des Reichenbach’ſchen Syſtems, welche nicht ihre Ver-
treterinnen im Waldesgrunde hätten.


[40]

Die Beobachtungen der Waldkräuter und Gräſer geben Gelegenheit
zu einer lehrreichen Erfahrung, die hier am beſten einige Worte der Er-
wähnung findet.


Wenn ein achtzigjähriger oder noch älterer Fichtenhochwald ganz abgetrie-
ben wird und nachdem die Stämme abgefahren auch die Stöcke gerodet worden
ſind, ſo iſt dies einigermaßen mit einer Art Bodenbearbeitung nothwendig
verbunden. Das Herausſchleifen und Abfahren des Holzes, das Aufwühlen
des Bodens beim Stockroden, die Wagengeleiſe und die Tritte der Pferde —
alles dieſes ſchließt den bisher dicht verhüllt geweſenen Boden auf und
geſtattet dem Regen und der Luft- und Wärmeeinwirkung den Zugang.
Tritt zumal nach der Schlagräumung fruchtbare Witterung ein, ſo erſcheinen
ſofort, ſpäteſtens im folgenden Jahre eine Menge Pflanzen, als wären
ſie hingeſäet und man fragt ſich, woher ſie gekommen. Bei ſo hochent-
wickelten Pflanzen träumt auch der Wunderſüchtige nicht von „einem
Entſtehen von ſelbſt“, ſondern er läßt ſich nur die Wahl, ob die Winde die
Saamen hierher geführt haben, oder ob der Saamen viele Jahrzehnte lang
im Boden geſchlummert habe und jetzt erſt in der ihm gewordenen Freiheit
aufgegangen ſei. Ohne Zweifel iſt Beides der Fall. Manche Wald-
pflanzen, wie z. B. das Waldkreuzkraut, Senecio silvaticus, und das
Weidenröschen, Epilobium angustifolium, zwei der verbreitetſten Schlag-
pflanzen, haben außerordentlich kleine mit großem Haarſchopf verſehene
Saamen, welche ſelbſt ein leiſer Luftzug leicht tragen kann; andere, bei denen
dies nicht der Fall iſt, können nur dadurch auf einem friſchgeräumten
Schlage ſich in Menge einfinden, daß ihre Saamen lange im Boden ge-
legen hatten, ohne ihre Keimkraft zu verlieren. Vor kurzem ſahe ich aus
einem Gefäß voll Erde, welches durch eine Glasglocke abgeſperrt war, allerlei
Keimpflänzchen aufgehen, obgleich feſtſtand, daß dieſe Erde, ein ehemaliger
Kompoſthaufen, ganze 30 Jahre von einem feſten Kieswege bedeckt ge-
weſen war. Hier waren alſo unzweifelhaft Sämereien 30 Jahre lang
mehrere Fuß tief im Boden vergraben geweſen und dennoch keimfähig
geblieben.


Wenn man dieſe Seite des Waldbodens ins Auge faßt, ſo gewinnt
er noch die ſinnvolle Bedeutung als fruchtbarer Mutterſchooß, dem nach
langer Verſchloſſenheit eine Blumenfülle entſprießt, wenn ſich des Himmels
Segen darauf ergoſſen.


[41]

Endlich iſt hier noch einer andern Art der Pflanzendecke auf dem
Waldboden zu gedenken, welche gewiſſermaßen ein Ueberbleibſel der Ur-
waldbildung iſt.


Es kommt, wiewohl nicht häufig, vor, daß ohne Dazuthun des
Förſters ſich der Wald ſelbſt ſeine Nachkommen erzieht, indem die ab-
gefallenen Saamen im Boden nicht nur keimen, was ſehr häufig der Fall
iſt, ſondern trotz der Ueberdachung der zeltartigen Laubkronen freudig
fortwachſen und einen jungen Wald unter dem alten bilden.


Dann bleibt dem Förſter nur übrig, die Alten, wenn ſie haubar
ſind, mit möglichſter Schonung der Jugend heraus zu nehmen.


Näher liegt uns aber jetzt die große Bedeutung, welche die aus
Pflanzen gewebte, eben ſo wie die aus dürrem Laub und Nadeln auf-
geſchüttete Bodendecke für den Wald hat, und wenn wir uns dieſe Be-
deutung recht klar gemacht, wenn wir ein Verſtändniß derſelben gewonnen
haben, ſo ſehen wir in dieſer Bodendecke nicht blos eine dem Auge wohl-
thuende Vermittlung zwiſchen dem Walde und ſeinem ſtarren Träger,
ſondern eine wichtige Bedingung des Waldlebens.


Der Walderzieher muß in der Hauptſache der Natur überlaſſen, für
das Gedeihen ſeiner Baum-Saaten und Pflanzungen zu ſorgen. Kaum
daß er für dieſe Einiges zur Bodenvorbereitung thun kann und daß er
alsdann mit Vorſicht den dazwiſchen aufwuchernden Unkräutern Einhalt
thut; ſo wie einmal ſeine Pfleglinge in eine kräftige Kindheit getreten ſind
und ſie ſich in ihren ausgreifenden Zweigen zu Schutz und Trutz die Hände
reichen, muß er ſie in der Hauptſache ſich ſelbſt überlaſſen. Er kann
allenfalls dem Boden das zu viele Naß durch Entwäſſerung ableiten und
Inſekten- und Wildſchaden nach Kräften abhalten, dem Eindringen des
Weideviehes wehren, durchforſtend das zu dicht werdende Gedränge lichten —
das iſt aber auch ſo ziemlich Alles, was er kann. Sein Auge iſt aber
unabläſſig auf die Bodenſtreu gerichtet.


Sie muß ihm den Waldboden friſch erhalten, ſie muß den austrock-
nenden Sonnenſtrahlen und Winden ſteuern, ſie muß dafür ſorgen, daß
den Baumwurzeln im Boden ſich immer erneuernder Vorrath verwes-
licher Stoffe und der unbeſchränkteſte Spielraum geboten ſei.


Wenn namentlich, wie wir es von der Fichte bereits wiſſen, die
Wurzel am liebſten in den oberſten Bodenſchichten bleibt, ſo iſt ihr die
[42] Bodendecke ein unentbehrliches Schutzmittel, möge ſie nun aus dem Nadel-
fall oder aus Moos oder aus Waldkräutern beſtehen.


Wir begreifen, daß es eine ſchwere Sünde am Walde be-
gehen heißt, wenn man ihm ſeine Bodendecke nimmt.


Und dieſe Sünde wird auch heute noch hundertfältig begangen! Wir
verſtehen nun, was es vorhin ſagen wollte, als wir die Bodenſtreu einen
Zankapfel zwiſchen Landwirthen und Forſtwirthen nannten.


Die Landwirthſchaft iſt noch vielfältig nicht ſo weit vorgeſchritten,
daß Getreidebau und Viehzucht mit einander in Gleichgewicht ſtehen, d. h.
in dieſem Falle, daß der Landwirth ſo viel Stroh erzeugt, als er an
Streu für ſeine Thiere bedarf, um die nöthige Menge Dünger zu er-
zeugen. Da ſoll und muß nun der Wald aushelfen, er muß ſeine
Bodendecke zur Stallſtreu hergeben und verliert dabei mehr, als der Acker
dadurch gewinnt; denn er verliert nachhaltig, während der Acker nur
vorübergehenden Nutzen zieht.


Die Ablöſung der Streuſervituten iſt ſeit einigen Jahrzehenten
das ſtehende Kapitel in den Jahrbüchern der Forſtverwaltung. In früheren
Jahrhunderten, wo der Werth des Waldes theils wirklich noch ein geringerer
war, theils für geringer galt als es hätte ſein ſollen, wurde ganzen
Dorfgemeinden von der Staatsgewalt das Recht des „Streurechens“
in den Staatswaldungen für alle Zeiten eingeräumt und jetzt ſeufzen
die räumlich und zuſtändlich herabgekommenen ſchwer unter dieſem un-
rechten Rechte.


Es iſt ſchon ſchlimm genug, wenn der Privatwaldbeſitzer, dem man
das freie Gebahren mit ſeinem Eigenthum nicht beſchränken will, eben
nicht angehalten werden kann, dieſe Waldverwüſtung, die es iſt, zu unter-
laſſen. Wie viel ſchlimmer, wenn ſie die Staatsforſtverwaltung ſich ge-
fallen laſſen muß, welche ſich verpflichtet fühlen ſoll, im Walde nicht
nur eine ſichere Holzquelle, ſondern in ihm auch einen der wichtigſten
meteorologiſchen Faktoren zu erhalten.


Gewiß, ich darf nun mit doppeltem Rechte wiederholen, daß uns der
leuchtendgrüne Moosteppich eines Fichtenwaldes mehr als eine Augen-
weide, daß er uns eine verſtändnißvolle Naturfreude gewähren muß.
Während es uns ergötzt, unhörbar wie auf weichem Flaum darüber hin-
zuſchreiten, ſo denken wir nun alle dabei auch daran, daß dieſe Decke es
[43] iſt, welche die geheimnißreiche Stätte des Baumlebens vor dem Herein-
brechen ſtörender Gewalten beſchützt.


Wer an den Jammer des Streurechens nicht recht glauben will, der
gehe nur in einen unter dem Streuſervitut ſeufzenden Wald. Nicht ſelten
wird er unmittelbar an einen ſolchen einen Staatswald, vielleicht nur
durch einen ſchmalen Holzweg und die mit der Krone verſehenen Grenz-
ſteine von jenem geſchieden, angrenzend finden. Vielleicht trifft es
ſich ſogar, daß dieſſeit und jenſeit des Grenzwegs derſelbe Fichtenhoch-
wald ſteht. Dann blicke er unter ſich und über ſich. Auf dem Boden
des ſtreugerechten Waldes ſieht er auf der kahlen Erde, nur mit küm-
merlichen Moospflänzchen und einem lockern Nadelfall nothdürftig bedeckt,
die entblößten Wurzeln hervortreten; und als Folge davon ſehe er dann die
lockern durchſichtigen Wipfel, während die ſtreugeſchützten Bäume auf der
andern Seite ein dichtes ſchattendes reichbenadeltes Schirmdach bilden.


Die Bedeutung der Waldſtreu iſt jedoch nicht allein eine ſchützende,
feuchterhaltende, ſondern ſelbſtverſtändlich auch eine bodenverbeſſernde,
düngende, indem die zerfallenden Pflanzentheile den Boden mit Dammerde
bereichern. Wie weſentlich dieſer Dienſt iſt, beſtätigt ſich ſogar in Fällen,
die man dazu für kaum geeignet halten ſollte. Im fürſtlich reußiſchen
Gröbaer Wald in der preußiſchen Niederlauſitz hat man ſeit einigen Jahren
ſchlechtwüchſige Kiefernorte dadurch zu einem beſſern Gedeihen gebracht,
daß man auf die vorzugsweiſe aus magerem Haidekraut und dem kümmer-
lichen Nadelfall beſtehende Bodendecke einen Fuß hoch Sand auffährt,
welcher die Zerſetzung der Pflanzentheile befördert und den Boden dadurch
bereichert.


Indem wir nun dem aus dem Steinreiche ſtammenden unteren
Theile des Waldbodens noch einige Aufmerkſamkeit zu widmen haben, ſo
iſt natürlich auch in dieſer Richtung die Bodenbeſchaffenheit eine ſehr
verſchiedene und es ſpielt ſchon die Geſteinsart,*) durch deren Verwitterung
der Boden entſtanden iſt, eine einflußreiche Rolle dabei.


[44]

Eine der weſentlichſten Bedingungen, durch welche eine Gebirgsart
mehr oder weniger fruchtbaren Waldboden bilden kann, liegt in dem
größeren oder geringeren Grade, in welchem das Waſſer in die Poren
deſſelben eindringen kann und eine auflöſende Kraft auf ſie ausübt. Dieſe
Seite der Gebirgsarten iſt eben ſo wichtig als die, ob dieſelben mehr oder
weniger aus ſolchen Stoffen beſtehen, welche im aufgelöſten Zuſtande zur
Nahrung dienen können.


Es iſt hier ein für allemal als eins der wichtigſten Geſetze des
Pflanzenlebens einzuſchalten, daß die Pflanze nur Löſungen aufzunehmen
im Stande iſt; auch noch ſo fein zertheilte Stoffe, welche das Waſſer
nur beigemengt enthält, vermögen nicht in die Wurzel einzudringen.
Sie werden an ihrer Außenſeite abgelagert, während das Waſſer ſelbſt
mit den in ihm vollkommen gelöſten Stoffen durch die Häute der äußeren
Zellenſchichten hindurch in das Innere der Wurzel eindringt.


Der Umfang, bis zu welchem die chemiſche Einwirkung des Waſſers,
vorzüglich durch deſſen Kohlenſäuregehalt, die Felſen in ihrem Gefüge
aufzulockern und zum Zerfallen zu bringen vermag, iſt nach der Be-
ſchaffenheit der Geſteine natürlich ſehr verſchieden. Hand in Hand gehen
mit ihr des Waſſers phyſikaliſche Eigenſchaften, namentlich die, beim
Gefrieren ſich auszudehnen. Das in die Poren und Haarſpalten der Ge-
ſteine eingedrungene Waſſer wirkt dabei in der Form unzähliger kleiner
Keile, weil es ſich beim Gefrieren ausdehnt und die Steintheilchen aus-
einander ſprengt.


Dies letztere iſt namentlich bei zuſammengeſetzten ſogenannten kryſtalli-
niſchen Gebirgsarten, z. B. Granit, Gneis, Syenit, der Fall, indem in
ſolchen in den Berührungsflächen der ſie zuſammenſetzenden Stein-
arten gewiſſermaßen der Weg angedeutet iſt, welchen das eindringende
Waſſer zu nehmen hat. Daher finden wir ſehr oft auf Granitgebirgen
den Waldboden aus einem nach oben hin immer feineren, nach unten
*)
[45] immer gröberem Granitſand beſtehend; und an ſtehenden Gebirgswänden
kann man dieſen zerfällenden Einfluß des Waſſers, der faſt immer auch
mit Verfärbung und Erweichung der einzelnen Beſtandtheile verbunden
iſt, oft bis in beträchtliche Tiefe verfolgen.


Wenn wir uns nun hierbei an die ſo höchſt manchfaltigen Zuſammen-
hangsverhältniſſe (Cohäſion) der verſchiedenen Gebirgsarten erinnern, vom
harten Baſalt an bis zu dem weichen Schieferthon und dem ganz zu-
ſammenhangsloſen Sande, ſo ergiebt ſich von ſelbſt, wie verſchieden ſchon
nach der Geſteinsbeſchaffenheit der Waldboden ſein kann. Die eine Ge-
ſteinsart zerfällt leicht, die andere ſchwer, die eine zerfällt in dünne
Schieferplatten, eine andere in kleinere oder größere ungeſtaltete Blöcke,
eine dritte in loſen Schotter; die eine löſt ſich dabei zugleich ſtark auf,
die andere ſehr wenig u. ſ. w. Dabei iſt es zuweilen von dem erheblichſten
Einfluß, ob ein Waldboden bis zu der Tiefe, bis zu welcher überhaupt
die Wurzeln eindringen mögen, von einer und derſelben Gebirgsart ge-
bildet wird, oder ob innerhalb der Wurzeltiefe bald eine zweite, vielleicht
ganz anders beſchaffene, folgt.


Man ſieht zuweilen Eichenbeſtände, welche an allen Bäumen deutlich
wahrnehmen laſſen, daß ſie bis zu einem gewiſſen Alter geſund und
kräftig erwachſen, dann aber ſämmtlich wipfeldürr geworden ſind. Zählen
wir die Jahresringe einer ſolchen Eiche, ſo ſehen wir, daß nicht das
Alter am Abſterben ſchuld geweſen ſein kann. Der Boden zeigt ſich außer-
ordentlich fruchtbar und dieſe oberflächliche Unterſuchung läßt uns die
Sache als ein Räthſel erſcheinen. Die Löſung liegt nicht tief, vielleicht
nur einige Fuß tief. Dort liegt nämlich eine undurchlaſſende feſte Kies-
ſchicht, oder eine Muſchelkalkbank, oder ſelbſt nur eine feſte Thonſchicht,
in welcher die tiefer dringenden Wurzeln nicht weiter können, was ein
Abſterben des Wipfel verurſacht.


Wie aus dieſem Beiſpiel erhellt, daß ſchon allein der mechaniſche
Widerſtand des Bodens einen nachtheiligen Einfluß auf das Gedeihen des
Waldes ausübt, ſo iſt überhaupt anzunehmen, daß die phyſikaliſchen Eigen-
ſchaften, wie Erwärmungsfähigkeit, Lockerheit, Waſſerhaltigkeit, Tiefgrün-
digkeit, von bedeutenderem Einfluß ſind, als die chemiſchen. Wenn z. B.
auf den Höhen der aus Jurakalk beſtehenden ſchwäbiſchen Alp ein geringerer
Waldwuchs iſt als auf den Gneis- und Granit-Kuppen des Schwarzwaldes,
[46] ſo hat dies ſeinen Grund weſentlich darin, daß der weiße Jurakalk außerordentlich
viel ſchwerer zerfällt und verwittert und daher einen mit den vegetabiliſchen
Reſten viel weniger innig gemengten Boden giebt als Granit und Gneis.


Wenn daher eine Gebirgsart nicht geradehin ſchädliche Stoffe enthält,
ſo iſt es ziemlich gleichgiltig, ob ein Waldboden aus einem Gemenge von
Moderſtoffen mit Kalk oder mit Sandſtein, oder mit Baſalt, Porphyr,
Granit u. ſ. w. beſteht, wenn das Gemenge nur derart iſt, daß der
Boden neben den ſteinigen Beſtandtheilen den gehörigen Antheil an Moder-
ſtoffen (Humus), die nöthige waſſerhaltende Kraft, Lockerheit, Erwärmungs-
fähigkeit und Mächtigkeit (Tiefgründigkeit) hat. Dieſe Eigenſchaften eines
Waldbodens werden bedingt durch die angemeſſene antheilige Zuſammen-
ſetzung aus den drei Hauptbeſtandtheilen Humus, Thonerde und Sand.


Ohne uns hier weiter in die überaus wichtige Lehre der Boden-
kunde
einlaſſen zu können, ſei doch noch zum Schluß dieſes Abſchnitts
kurz dargelegt, nach welchen Seiten hin die Güte eines Waldbodens zu
prüfen iſt. Wir folgen dabei der ſchon vor langer Zeit von Schübler
hierüber gegebenen Anleitung, indem wir von ſeinen neun Fragen, die
er an den Boden ſtellt, wobei er allerdings mehr Ackerboden im Auge
hat, die erſte weglaſſen, welche das ſpecifiſche Gewicht betrifft, da dieſes
bei dem Waldboden nicht von erheblicher Bedeutung iſt.


  • 1) Die Waſſerhaltigkeit eines Bodens, d. h. das Vermögen,
    beigemiſchtes Waſſer nicht abfließen zu laſſen, iſt eine ſehr wichtige Seite
    bei der Beurtheilung der Güte eines Waldbodens. Sandboden, oder
    vielmehr reiner Quarzſand, welcher oft genug faſt ganz allein den Kiefern-
    boden bildet, vermag nur 25 Procent Waſſer feſtzuhalten, während
    humusreiche Gartenerde 89 Procent aufnehmen kann. Am meiſten, näm-
    lich 190 Procent, hält der reine Humus (Moderſtoffe) feſt, daher es
    ſehr erklärlich iſt, welchen Nutzen ſchon hierdurch die Beimengung von
    Humus einem Waldboden bringt, wenn dieſer zumal aus Mineralſtoffen
    beſteht, welche eine geringe waſſerhaltende Kraft beſitzen.
  • 2) Die Zuſammenhangskraft (Cohäſion), in einem höhern
    Grade Zähigkeit genannt, findet ihre beiden Endpunkte im Sand und
    im Thon, und wenn man die Zuſammenhangskraft gleich 100 ſetzt, ſo iſt ſie
    bei guter Gartenerde 7,6 und bei gewöhnlicher Gartenerde 33,0; jene iſt
    alſo viel lockerer als dieſe.
  • 3) Die Austrocknungsfähigkeit des Bodens iſt mit Berückſich-
    tigung der mittlern Menge der atmoſphäriſchen Niederſchläge oder nicht zu
    beſeitigenden Bodenwaſſers eine wichtige Bodeneigenſchaft. Schübler fand,
    daß mit Waſſer getränkter Sand in 4 Stunden bei 900 Wärme 88,4 Proc.
    Waſſer verlor, mehr als irgend ein anderer Bodenbeſtandtheil, während
    Humus nur 20 Proc. verlor. Erinnern wir uns, daß Humus 190 Proc.
    Waſſer einſaugen kann, und nun auch am ſchwerſten daſſelbe wieder ab-
    giebt, ſo müſſen wir die Bedeutung deſſelben für den Waldboden doppelt
    hoch anſchlagen, und wir erinnern uns jetzt der oben geſchilderten erſten
    Bodenunterſuchung, wie das geringe Maaß von Modererde zwiſchen den
    locker übereinander liegenden Steinblöcken den Waldboden dennoch friſch
    erhalten hatte.
  • 4) Die Zuſammenziehung des Bodens durch Austrocknen iſt nicht
    minder bei den mancherlei Bodenarten und deſſen Beſtandtheilen verſchieden,
    und es entſtehen dadurch bekanntlich Sprünge im Boden. Am größten
    findet man letztere z. B. in einem abgelaſſenen Teiche in deſſen mit Humus
    überladenem Schlamm, weil der Humus das größte Zuſammenziehungs-
    vermögen hat, was man auch an den oft allein aus Moderſtoffen beſtehenden
    Torfziegeln ſieht.
  • 5) Die Waſſeraufſaugungskraft (Hygroſkopicität), nicht zu ver-
    wechſeln mit der waſſerhaltenden Kraft, beruht in dem Vermögen, den
    Waſſerdampf aus der Atmoſphäre einzuſaugen. Bei waſſerarmen Boden-
    arten und bei regenloſem Wetter iſt dieſe Kraft natürlich von großer Be-
    deutung. Der Sand ſaugt durchaus keine atmoſphäriſche Feuchtigkeit auf,
    der Humus wiederum am meiſten.
  • 6) Das Aufſaugungsvermögen für Sauerſtoff iſt neben der
    Verſchiedenheit ſeiner Beſtandtheile im Boden namentlich durch ſeine
    Lockerheit und Poroſität bedingt. Auch hier iſt der Humus von der höchſten
    Bedeutung, weil er nicht nur den Boden locker macht, ſondern durch
    ſeine fortdauernde Verweſung den aus der Luft eingedrungenen Sauerſtoff
    in Kohlenſäure verwandelt, welche einer der wichtigſten Nährſtoffe für die
    Pflanze iſt.
  • 7) Das Wärmeleitungsvermögen eines Bodens ſpricht ſich da-
    durch aus, in wie viel Zeit derſelbe einen aufgenommenen beſtimmten Wärme-
    grad wieder verliert. Auch hierin herrſchen unter den mancherlei Bodenarten
    [48] große Verſchiedenheiten. Auf 62½0 erhitzter Quarzſand brauchte 3½ Stunden
    um auf 21,00 abzukühlen, Humus dagegen blos 1 Stunde 43 Minuten.
  • 8) Endlich iſt die Erwärmungsfähigkeit des Bodens durch die
    Sonnenſtrahlen von großer Bedeutung und von nicht unbedeutender
    Verſchiedenheit. Dabei kommt es beſonders auf die Farbe deſſelben, auf
    den Feuchtigkeitsgrad, auf die Dichtigkeit und auf den Winkel an, unter
    welchem er von den Sonnenſtrahlen getroffen wird. Schon wegen ſeiner
    dunkeln Farbe erwärmt ſich der humusreiche Boden am ſtärkſten von allen.

Es iſt in dieſen acht Fragen zur Beurtheilung eines Waldbodens
nichts enthalten, was ohne gelehrtes Wiſſen nicht verſtändlich wäre, es
iſt in ihnen nur das ausgeſprochen — und das gehört recht eigentlich in
dieſes Volksbuch vom Walde — was uns von einer nachdenklichen Be-
trachtung der Natur als unſer ungekannter Wiſſensbeſitz nachgewieſen wird.


Wir ſind lange auf dem Waldboden herumgewandelt, aber ſicher
nicht ohne Vortheil davon gezogen zu haben. Wir haben den innigen
Lebenszuſammenhang zwiſchen ihm und dem Walde oder vielmehr den
Bäumen — denn ein Theil des Waldes iſt er ja ſelbſt — erkannt und
unſere Blicke, die wir aufwärts in die Wipfel richteten, wurden immer
aufmerkſamer und immer fragender und darum fühlen wir nun, daß wir
uns mit Dem nicht begnügen können, was wir im dritten Abſchnitte über
den Baum mehr im Allgemeinen und nur vorbereitend erfuhren.


[[49]]

5.
Der Bau und das Leben des Baumes.


Lehr mich, Ehrwürd’ger, Dein Weſen verſtehen,

Daß ich in ihm mein Vorbild erkenne,

Daß ich Deinen Schüler mich nenne,

Redlichen Eifers voll, Dir nachzugehen.

Du mein Vorbild im ſtillen Begnügen,

Du mein Vorbild in nützlichen Werken.

Du mein Vorbild, den Muth mir zu ſtärken,

Will meine Kraft im Sturme erliegen.

Es iſt eine ſonderbare Gedankenloſigkeit oder mindeſtens Unachtſam-
keit, daß man den Baum gemeiniglich mit gleichgültigen, wenn nicht mit
geringſchätzenden Blicken anſieht, wann er ſeines Schmuckes beraubt in
winterlicher Armuth vor uns ſteht. Es iſt aber geradehin eine Unmög-
lichkeit, ein volles Verſtändniß des Baumes zu gewinnen, wenn wir ihn
nicht auch im Winter anſehen. Gerade der laubloſe Baum enthüllt uns
die Geſetze ſeines Baues und ſeines Werdens vollſtändiger und klarer,
als wenn er in verwirrender Laub- und Blüthenpracht als ſchönes
vollendetes Ganzes vor uns ſteht, an dem der Theil ſich nicht geltend
machen kann.


Kaum daß der Landſchaftsmaler — von Anderen will ich gar nicht
ſprechen — im Sommer die Ulme von der Eſche, den Spitzahorn vom
Bergahorn, die Buche vom Hornbaum unterſcheiden kann; im Winter geht,
ich rede aus vielfacher Erfahrung, die Baumkenntniß über die weißſtäm-
mige Birke und über den Allerweltsſtudienbaum, die Eiche, nicht hinaus.


Jetzt wo wir den Baum nicht blos mit wiſſenſchaftlich forſchendem
Auge, ſondern, wie es in der Naturforſchung ſtets ſein ſollte, auch mit
dem ſchön menſchlichen Wohlgefallen des geläuterten Geſchmackes be-
trachten wollen, kann ich es mir um ſo weniger verſagen, über Kunſt
Roßmäßler, der Wald. 4
[50] und Natur etwas vorauszuſchicken, als der Baum in einem ſo beliebten
Zweige der darſtellenden Kunſt die hervorragendſte Rolle ſpielt.


„Kunſt und Natur, oder Natur und Kunſt? Man weiß nicht, welches
man vor, welches hinter ſetzen ſoll. Beide ſtehen ſo dicht neben einander,
durchdringen einander vielmehr ſo innig, daß man eben dieſem Zweifel
verfällt.


Dennoch werden beide oft als Gegenſätze gebraucht; vielleicht miß-
braucht.


„Dies iſt recht natürlich gemalt.“ In dieſem oft gehörten Satze
liegt ein Verlangen nach Harmonie zwiſchen Kunſt und Natur.


„Dieſe Ausſicht giebt ein ſchönes Bild,“ oder „Dieſer Blumen-
ſtrauß iſt wie gemalt“ — will ſagen, daß die Kunſt, wie ſie ſich in dem
geläuterten Geſchmack des Gebildeten ausgeprägt hat, ſich das Recht der
Kritik über die Natur vorbehält.


„Dieſe Körperhaltung iſt unnatürlich,“ oder geſteigert: „widernatür-
lich“ — dies ſetzt die Natur in ihr Oberhoheitsrecht.


Auch der Sprachgebrauch, der nicht blos ein Tyrann, ſondern ebenſo
oft, ohne daß wir daran denken, ein ſcharfer Logiker iſt, unterſcheidet auf
dem Gebiete des Künſtlichen, d. h. des von Menſchenhand Gemachten,
gegenüber dem Natürlichen in vielen Fällen ſehr klar. Bekanntlich wird
in dem eben angegebenen Sinne anſtatt Künſtlich oft auch Falſch an-
gewendet. Beide aber werden darum noch nicht für alle Anwendungsfälle
gleichbedeutend.


Wir ſagen falſche Zähne, falſche Locken, nicht künſtliche Zähne,
künſtliche Locken, obgleich ſie beide dieſes ſind, denn ſie ſind mit höchſter
Kunſtfertigkeit der Natur möglichſt treu nachgebildet; ebenſo ſagen wir
falſche Diamanten. Nicht aber ſagen wir falſche Blumen, ſondern künſt-
liche Blumen; ein Invalid hat ein künſtliches Bein, nicht ein falſches
Bein. Woher dieſe Verſchiedenheit? Offenbar daher, daß in die Be-
zeichnung Falſch der Vorwurf gelegt werden ſoll, daß die als falſche be-
zeichneten Dinge täuſchen wollen. Die anderen wollen nicht täuſchen;
ſie ſetzen ſich anſpruchslos und nur mit der Abſicht, die fehlende Natur-
wirklichkeit zu erſetzen, an die Stelle dieſer, und beanſpruchen und haben
einen Eigenwerth. Die falſchen Dinge haben ihren Werth nur in der
Täuſchung.


[51]

Dieſem nach beſtimmt ſich der Werth eines Kunſtwerks. Sobald
es ſeinen Werth in der höchſtmöglichen Nachahmung und ſomit in der
Täuſchung ſucht, hört es auf ein Kunſtwerk zu ſein, es wird ein Kunſt-
ſtück, welches den kunſtſinnigen Beſchauer verſtimmt. Darum mögen wir
eine Statue nicht mit den natürlichen Farben bemalt. Je peinlicher die Be-
mühung iſt, alle Seiten der Natur nachzuahmen, deſto mehr wird das Auge auf
diejenigen gelenkt, wo eine vollendete Nachahmung eine Unmöglichkeit iſt.


Dabei ergeht es ſolchen Werken noch ſchlimmer als den falſchen
Zähnen, weil ſie nicht einmal täuſchen können.


Die wahre Kunſt beſcheidet ſich daher, es der Natur nicht gleich thun
zu wollen, und zwar deshalb nicht thun zu wollen, weil ſie es nicht
kann. Sie ſtellt ſich mit der Natur in ein weiſes Einverſtändniß.


Dieſes Einverſtändniß beruht auf der richtigen Würdigung der
beiderſeitigen Mittel.


Die plaſtiſche Kunſt, namentlich die Bildhauerei, hat vor der ma-
lenden Kunſt die Körperlichkeit voraus und tritt dadurch der Natur einen
Schritt näher. Aber eben darum hütet ſie ſich vor dem Vorwurf, der
Natur zu nahe kommen zu wollen, und dann todte Nachäffungen neben
die lebenden Originale zu ſtellen. Sie hütet ſich alſo vor den Farben,
denn eine mit den lebenden Farben bemalte Statue ſagt: weiter kann
ich nicht, und verräth ihre Schwäche, während eine weiße Marmor-
ſtatue ſagt: weiter will ich nicht, und ihre Stärke innerhalb weiſer
Grenzen zeigt.


Es wird wenig Menſchen geben, welche ſich in einem Wachsfiguren-
Cabinet nicht unbehaglich fühlen. Dieſe Unbehaglichkeit, die ſich bei
Manchem bis zum Grauen ſteigert, iſt eine Verbannung dieſer Art von
Nachbildung aus den Grenzen der wahren Kunſt; denn was Unbehaglichkeit,
ja Grauen erweckt, kann nimmermehr auf dieſen erhabenen Namen An-
ſpruch machen.


Noch einen Schritt weiter über die Grenzen des Erlaubten hinaus
ſind die durch einen innern Mechanismus beweglichen Wachsfiguren,
welche jenes Gefühl bis zum Schrecken ſteigern können.


Worin nun liegt das Unzuläſſige in den Wachsfiguren? Einfach
darin, daß ſie außer Form und Farbe auch Stoff und zuletzt gar Bewegung
nachahmen wollen.


4*
[52]

Jenes Mißbehagen, welches bewegliche Wachsfiguren bis zum Schrecken
ſteigern können, beruht darauf, daß ſie täuſchen können und täuſchen
wollen. Man kann alſo eine Wachsfigur in ähnlichem Sinne wie den
falſchen Diamant einen falſchen Menſchen nennen. Warum aber nicht
einen künſtlichen Menſchen neben den künſtlichen Blumen? Weil die
Wachsfigur, wie der falſche Diamant, täuſchen will. Das will die
künſtliche Blume nicht, ſondern ſie will nur in Ermangelung der natür-
lichen deren Stelle vertreten, ſo weit ſie es vermag; und dies vermag
ſie in einem hohen Grade, da wenigſtens diejenigen Blumen, die wir
künſtlich nachahmen, ihren Hauptzweck darin haben, uns zu erfreuen,
was die künſtlichen ihnen eben bis zu einem gewiſſen Grade gleichthun
können. Es braucht nicht erſt hervorgehoben zu werden, daß dies von
Wachsfiguren gegenüber ihren lebenden Vorbildern nicht gilt.


Wir ſehen alſo, daß es gewiſſe Grenzen giebt, welche die Kunſt,
indem ſie die Natur darſtellt, nicht überſchreiten darf.


Es giebt aber auch Grenzen, welche die Kunſt bei ihrer Darſtellung
der Natur erreichen muß. Zwiſchen dem mindeſten Grade des Noth-
wendigen und dem höchſten Grade des Zuläſſigen bewegen ſich alſo die
Beſtrebungen der darſtellenden Kunſt.


In der Tonkunſt iſt es ähnlich; auch ſie hat eine äußerſte Grenze
des Zuläſſigen in ihrer Darſtellung der Natur. Dies ſind die Natur-
laute. Ein Zunahekommen an dieſe (Peitſchenknall!) iſt ein Ueberſchreiten
der Grenze.


Bleiben wir nun bei der Frage ſtehen, ob die Malerei die Grenzen
ihres Bereichs immer weiſe einhalte.


Was das Ueberſchreiten der Zuläſſigkeitsgrenzen betrifft, ſo ſind ihr
ſchon durch ihre Mittel Feſſeln angelegt. Sie kann nur die Farben und
von der Form nur Fläche und Umgrenzung nachahmen.


Wir kennen die Farben als Produkte des zerlegten Lichtſtrahls, wir
wiſſen auch, daß auf dem Blatte einer Roſe die Farbe in derſelben Weiſe
entſteht wie in dem Farbeſtoffe, mit dem wir ſie malen. Hier fallen alſo
Natur und Kunſt in Eins zuſammen, und von einem Ueberſchreiten der
Zuläſſigkeitsgrenzen kann hier eigentlich nicht die Rede ſein.


Wie wir aber nicht ohne Augenweh in die blendende Sonnenſcheibe
blicken können, ſondern nur die durch Aetherſchwingungen hervorgebrachte
[53] Beleuchtung und Färbung für das Bereich unſeres Auges gehört, ſo iſt es
eine Frage, ob es nicht bereits ein Ueberſchreiten der Zuläſſigkeitsgrenzen
ſei, die Sonnenſcheibe zu malen. Eine Berechtigung zu dieſer Frage
drückt ſich immer dadurch aus, daß wir jede Landſchaft, welche dieſes
Wagniß begeht, mit beſonders kritiſchem Auge anſehen und nicht leicht
Urſache zu voller Befriedigung haben. Die Lichtquelle zu malen, iſt
wohl eine Ueberſchreitung des Zuläſſigen zu nennen. Nicht ganz ſo miß-
lich iſt dies mit den Flammen, weil hier der Kontraſt bedeutend zu
Hülfe kommt.


Die Bewegung, an ſich durch die Malerei undarſtellbar, gehört doch
nicht durchaus zu dem Unzuläſſigen. Das brandende Meer, die ſturm-
bewegte Baumkrone, ein laufendes Thier ſehen wir auf einem Bilde ohne
Widerwillen, weil ſie einen Moment aus einer dauernden, ſich immer
wieder in denſelben Momenten darſtellenden und wiederholenden Be-
wegung veranſchaulichen, welche mehr als ein bloßes Mittel zum Zweck
iſt. Dagegen müſſen wir zuletzt über einen zum Axthieb ausholenden
Holzfäller lachen, weil wir den Zweck des Ausholens wiſſen und ihn doch
nicht folgen ſehen. Tanzende Figuren werden zu Zerrbildern, wenn ihre
Stellung eine ſolche Körperhaltung zeigt, welche gegen das Gleichgewicht iſt.


Nach dieſen wenigen Bemerkungen über das für die Malerei Zu-
läſſige verweilen wir etwas länger bei dem Nothwendigen, was ſie
erreichen muß.


Hier ſtößt der naturkundige Kunſtliebhaber mit dem ſchulmäßigen
Kunſtkritiker oft hart zuſammen, und um jetzt meinerſeits einen ſolchen
Zuſammenſtoß ſoweit möglich zu vermeiden, ſo hebe ich ausdrücklich her-
vor, daß ich auch in der Landſchaft, die ich hier beſonders im Auge habe,
eine Grenze der Zuläſſigkeit in der Nachahmung der Natur anerkenne.


Bilden auch immerhin in den meiſten Landſchaftsbildern die Pflanzen
den Hauptbeſtandtheil, ſo dürfen jene doch kein Moſaik von Pflanzen-
porträts ſein, ſondern eine harmoniſche Einheit, in der die einzelnen
Theile ſich nicht, wenigſtens nicht alle mit gleichem Verlangen, zu indivi-
dueller Geltung vordrängen dürfen.


Eine Landſchaft, in welcher der Pflanzenkundige jedes Blatt, jeden
Grashalm, jedes Kraut mit wiſſenſchaftlicher Genauigkeit dargeſtellt er-
kennen würde, könnte vielleicht dem Pflanzenkundigen ſelbſt eine Zeit lang
[54] gefallen, aber es iſt ſehr die Frage, ob eine ſolche Landſchaft ein Kunſt-
werk und nicht vielmehr ein Kunſtſtück würde genannt werden können.
Ich ſage ausdrücklich: es wäre dies die Frage, denn wir wiſſen es nicht,
weil ein ſolches Bild wohl noch niemals gemalt worden iſt. Es iſt jedoch
möglich, daß unſer durch die Photographie bereits an die höchſte Natur-
wahrheit gewöhntes Auge durch eine ſolche Landſchaft nicht unangenehm
berührt werden würde, vorausgeſetzt, daß die Lichtwirkung und Perſpektive
darin gut behandelt wäre. Die bekannten Landſchaftsſpiegel laſſen uns
vermuthen, daß eine ſolche Landſchaft gefallen könnte.


Der etwas widerliche Eindruck, den die bis auf das kleinſte Fältchen
und bis auf die Farbwölkchen in der Regenbogenhaut des Auges ausge-
führten Köpfe Denners machen, würde bei gleich ausgeführten Landſchaften
nicht zu fürchten ſein, weil bei dieſen nicht das Erſchreckende der
Naturwahrheit vorliegt, was den Dennerſchen Bildern eigen iſt, bei
denen man glaubt, ſie müßten jeden Augenblick den Mund öffnen oder
das Auge bewegen.


Ich will aber einer ſoweit gehenden Naturwahrheit der Landſchaften
nicht im Ernſt das Wort reden. Meine oder vielmehr der Naturwiſſen-
ſchaft Forderungen an die Landſchaftsmalerei, denn bei der bleibe ich zu-
nächſt ſtehen, bewegen ſich in engeren Grenzen.


In dieſe Forderungen würde ſofort alle Welt einſtimmen, wenn aller
Welt diejenige Naturkenntniß eigen wäre, die nach meiner Anſicht aus
einer Landſchaft hervortreten ſollte. Der Mangel dieſer Naturkenntniß,
welcher leider im Allgemeinen zu beklagen iſt, kommt den Leiſtungen
unſerer Maler zu Gute; man erklärt ſich mit ihnen zufrieden, weil man
daran nichts vermißt. Dennoch habe ich mich davon überzeugt, daß auch
ohne dieſe Kenntniß eine Landſchaft, in der die verſchiedenen Baumarten
in ihren charakteriſtiſchen Merkmalen der Stammbildung, der Aſtſtellung,
der Belaubung deutlich hervortraten, größeren Beifall fand, als andere,
die eben nur Baumſchlag in einer beliebigen ſchablonenmäßigen Technik
zeigten. Es beruht dieſe einigermaaßen auffallende Erſcheinung dennoch
ganz natürlich darauf, daß das hundertmalige Sehen von Buchen und
Eichen, Rüſtern, Linden, Fichten, Kiefern, von dieſen Baumarten allen
im Hirn der Leute Erinnerungsgebilde niedergelegt hat, welche durch ge-
malte Bilder jener Baumarten wachgerufen werden, auch wenn man ſich
[55] gar nicht bewußt geworden war, daß die ſo oft gedankenlos geſehenen
Bäume die Verſchiedenheit in ihrem allgemeinen Charakter haben. Es iſt
und bleibt eine der merkwürdigſten Erſcheinungen unſeres geiſtigen Lebens,
daß unſer Auge auch ohne unſer Geheiß und Wiſſen aus dem fortwäh-
renden Verkehr mit der Außenwelt eine Menge Eindrücke aufnimmt und
in unſerem Gehirn gewiſſermaaßen niederlegt, wo ſie als ein ungekannter
Beſitz ruhen, bis ſie durch eine äußere Veranlaſſung wachgerufen werden.
Wenn Letzteres geſchieht, ſo merken wir erſt mit einem Aufwachen aus
der Unbewußtheit und mit einem „ach ja!“, daß wir das ſchon gewußt
haben.


Dieſe Seite des menſchlichen Geiſtes verurſacht es, daß auch der
der Baumwelt Unkundige durch charaktervolle Baumbilder mehr angeſprochen
wird, als durch Baumſchlagmalerei.


Man verſtehe mich jetzt nicht falſch. Ich meine nicht die botaniſchen
Kennzeichen der Bäume, die ſich in den Blättern, Blüthen und Früchten
ausdrücken. Dieſe gehören nicht zu dem landſchaftlichen Baumcharakter,
abgeſehen davon, daß ſie ſchon des beſchränkten Raumes wegen in den
Landſchaften gar nicht zur Darſtellung kommen können. Die Form des
Blattes iſt nur inſoforn dabei von Einfluß, als durch ſie der Charakter
der Belaubung bedingt iſt. Das breite, zackige und lappige Blatt des
Ahorn bildet eine ganz andere Belaubung als das eiförmige der Buche.


Die „Naturſtudien“ unſerer jungen Ruisdaels beſchränken ſich ſehr
oft nur auf abenteuerliche Stammſonderlinge und impoſante Baumrieſen, und
ihr Stift erlahmt, wenn er über die Aſtgliederung hinaus an die feine
Verzweigung kommt, wo nachher das Univerſalmittel des „Baumſchlags“
beginnt. Der Baumkundige kann bei den meiſten Landſchaften nicht um-
hin, nur in Umkehrung des Oben und Unten, an das Horaziſche mulier
formosa superne desinit in piscem turpiter atrum
*) zu denken.


Beſucht man Gemäldeausſtellungen, ſo findet man immer die Land-
ſchaft am ſtärkſten vertreten und dennoch — auf den Malerſchulen für
eine gediegene Ausbildung des Landſchafters faſt nichts gethan.


Die bedauerliche Nichtbeachtung der charakteriſtiſchen Merkmale in
den Umriſſen der Bäume, wodurch ſich in einem gemiſchten Laubholzbeſtande,
[56] ja ſelbſt in einem reinen, die einzelnen Laubkronen faſt immer ſehr beſtimmt
von einander abheben, führt unſere Landſchaftsmaler auf einen Behelf,
der in den meiſten Fällen geradehin etwas Unwahres hervorbringt. Man
nimmt die Farbe zu Hülfe, um eine Baumwand zu gliedern, und ſcheut
ſich nicht, mitten in eine Sommerlandſchaft eine braune Baumkrone zu
malen, wie man ſie im Spätherbſt kaum zu ſehen bekommt.


Es iſt eine Aufgabe dieſes Buches, von unſeren wichtigeren deutſchen
Laub- und Nadelbäumen charakteriſtiſche Baumbilder mit eingehender Be-
ſchreibung zu geben, um etwas dazu beizutragen, die Künſtlerwelt auf
die große Bedeutung der naturwiſſenſchaftlichen Auffaſſung der Landſchafts-
malerei hinzuweiſen.


Der aufmerkſame Spaziergänger lernt in Wald und Flur die bedeu-
tungsvolle Zugabe zu einer naturwahren Landſchaft würdigen, welche in
der Färbung und Begrünung des Bodens liegt. Oft ſtehen in einer
Waldlandſchaft die Bäume ziemlich unvermittelt auf einem als geringe
Nebenſache vernachläſſigten Boden.


Ganz beſonders ſpricht ſich die Flüchtigkeit in der Behandlung der
armen Natur in den Vorgründen vieler Landſchaften aus. Da ſieht man
ſehr oft wahre Phantaſiegebilde, zu denen man in der Natur vergeblich
nach Vorbildern ſuchen würde. Gerade an kräftigen Vorgrundpflanzen
iſt unſere Flora ſehr reich. Was in einem Landſchaftsbilde dem Stand-
punkte des Beſchauers ſo nahe ſteht, daß er es, und manchmal faſt in
wirklicher Größe, deutlich in ſeinen Einzelheiten unterſcheiden kann, das
muß auch in ſeinen natürlichen Formen erkennbar ſein. Es braucht dies
deswegen noch lange nicht bis zur botaniſchen Genauigkeit getrieben zu werden.


Ein nicht minder häufiger Verſtoß gegen die Natur wird von den
Malern dadurch begangen, daß ſie Unzuſammengehöriges zuſammen ſtellen,
oder Pflanzen an den falſchen Ort bringen. Alles zu ſeiner Zeit und
an ſeinem Platze — iſt auch in der Malerei ein wohlzubeachtendes Ge-
ſetz. Geſtalten von Waſſerpflanzen auf trocknen Boden zu ſetzen, iſt ebenſo
tadelnswerth, als Blumen in Einen Strauß vereinigt, welche zu ſehr
verſchiedenen Zeiten blühen, Früchte auf Einem Teller, welche nicht gleich-
zeitig reifen.


Aber nicht allein Pflanzenkundiger ſollte der Landſchafts- und
Blumen- oder Fruchtmaler ſein, ſondern der erſtere muß auch
[57] bis zu einem gewiſſen Grade mit den Verhältniſſen der Verbreitung
der Pflanzen und mit der Geognoſie bekannt ſein.


Die geognoſtiſche, d. h. die Geſteins-Beſchaffenheit der Gebirge übt
einen weſentlichen Einfluß aus auf die Umriſſe der Berge und auf die
Einzelheiten der Felſen. Die Art der Verwitterung, die Zerklüftung in
Bänke oder Platten oder in unregelmäßige Blöcke, ebenſo wie die Fär-
bung, ſind nicht der Willkühr des Malers anheim gegeben, ſondern unter-
liegen bei den verſchiedenen Gebirgsformationen feſten Regeln, die beachtet
werden müſſen. Es erhöht den Werth einer felſigen Landſchaft bedeutend,
wenn der Kundige darin auf dieſe Merkmale Bedacht genommen ſieht.
Aber gerade hierbei wird gar oft das bunteſte Durcheinander willkührlicher
Felſendetails gemalt.“*)


Ich wiederhole, was ich in dieſer wiedergegebenen kleinen Anregung
zu tieferem Nachdenken über das Verhältniß zwiſchen Kunſt und Natur
eben ſagte, daß es dieſem Buche eine weſentliche Aufgabe iſt, alle Welt
und namentlich den Landſchaftsmaler zu veranlaſſen, die Bäume zu ſtudiren,
um ſich dadurch das Wohlgefallen an der Natur und an guten Bildern
zu erhöhen, und die Landſchaftsmaler, um gute Bilder malen zu lernen.


Bei der Ausführung der unſerem Buche beigegebenen Baumbilder
iſt es mir recht klar geworden, wie wenig wir im Allgemeinen daran ge-
wöhnt worden ſind, ſehenzulernen, was der Naturkundige Sehen nennt.
Meine Freunde, denen ich dieſe Bilder verdanke, geſtehen es mir jetzt
gern ein, daß ſie dazu erſt haben ſehen lernen müſſen und daß ſie das
meiſte Baumverſtändniß auf unſeren winterlichen Waldgängen gewonnen
haben. Was ſie dabei außerdem noch gewonnen haben, daß möchte ich
alle meine Leſer und Leſerinnen auch gewinnen laſſen: eine ungeahnte
Steigerung und Vergeiſtigung ihrer Freude am Walde.


Wenn im Frühjahr endlich die neuen Triebe des Waldes kommen
und das zarte gelbliche Grün aus tauſend Knospen hervorbricht, da denkt
man nicht daran, rückwärts zu meſſen und zu prüfen, was ſchon früher
geworden — man freut ſich an dem Werdenden; und dieſe Freude am
Werden benimmt uns das Nachdenken über das Geſetz des Werdens.


[58]

Und doch bietet die Kenntniß dieſes Geſetzes einen hohen Genuß.
Suchen wir uns ihn zu verſchaffen.


Wir durchſtreifen den laubloſen Wald und ohne uns mehr als ſonſt
umzuſchauen nehmen wir — wie Mancher von uns wird dies noch nie-
mals gethan haben! — von allerlei Bäumen und Geſträuchen ein kahles
Zweiglein mit; hier an dieſem vom Sturme aus einer alten Eſchenkrone
herabgeworfenen Aſte ein längeres Stück um Etwas daran zu lernen, was
zwar an jeder Baumart zu lernen iſt, aber an keiner ſo deutlich, als
an der Eſche. Die Knospen des winterlichen Waldes, welche wir be-
trachten wollen, und einige andere Theile und Merkmale an den feinen
Verzweigungen, ſollen uns jetzt den äußeren Bau und die Zuwachsver-
hältniſſe des Baumes erläutern, ehe wir deſſen Inneres betrachten.


Die Knospen.


Die in ihren Bildungen ſich immer an beſtimmte Formen-, Stellungs-
und Zahlengeſetze bindende Pflanzenwelt thut dies ganz beſonders auch an
den Knospen, denen man ſo ſelten einige Aufmerkſamkeit zu widmen
pflegt, wodurch man freilich auch nur dann einen Gewinn haben würde,
wenn man die Knospen von mehreren Baumarten vergleichend be-
trachten und dann finden würde, daß auch an dieſen unſcheinbaren Ge-
bilden die höchſte Geſetzmäßigkeit und nach den verſchiedenen Baumarten
ſcharfe Unterſchiedenheit ſtattfindet.


Was iſt eine Knospe? Wenn wir dieſe Frage mit ausſchließender
Berückſichtigung des Baumes beantworten wollen, ſo iſt ſie die vorgebil-
dete Anlage eines Triebes oder einer Blüthe oder eines Blüthenbüſchels,
von der wir bereits im 3. Abſchnitt erfuhren, daß ſie, ähnlich wie die
Saamen die Erzeugniſſe, die Abkömmlinge der Blüthe, die Erzeugniſſe
je eines Blattes ſind. Wir können uns an den mitgenommenen Reiſern
davon leicht überzeugen, denn wir finden dicht unter jeder Knospe die
Blattſtielnarbe (III. 4. n), d. i. die Stelle, wo der Blattſtiel des
abgefallenen Blattes geſeſſen hat. Selbſt dieſe Narben haben immer eine
ſehr beſtimmte Form, wie unſere Fußſpuren im weichen Schnee immer den
treuen Abdruck unſerer Sohlen geben. So lange das Blatt noch am
Triebe ſaß, bildete ſein Stiel mit dem Triebe einen Winkel, in welchem
die Knospe ſitzt — die Blattachſel oder der Blattwinkel. Selbſt
[59] in der Richtung wie die Knospen an unſern Aeſtchen über den Blattſtiel-
narben ſitzen herrſcht eine Verſchiedenheit, ſie ſtehen nämlich entweder
genau ſenkrecht über letzteren wie bei dem Hornbaum (III. 10.) oder
ſchräg wie bei der Buche (III. 9.) und im letzteren Falle ſtehen die an
einem Jahrestriebe ſtehenden Knospen abwechſelnd nach rechts und links
geneigt (z. B. bei der Buche, Linde, Ulme).


Die Blätter ſtehen bei den verſchiedenen Baumarten entweder, wie-
wohl nur ſelten, platt am Triebe, oder ſie ſtehen auf einer mehr oder
weniger hervortretenden Erhöhung deſſelben, dem ſogenannten Blatt-
kiſſen
. Demzufolge müſſen nun auch die Blattſtielnarben ebenſo ſtehen.
Wir ſehen dieſe z. B. bei der Eſche auf einem ſtark hervortretenden
Blattkiſſen ſtehen (III. 4. bk), ſo daß die Blattſtielnarbe gewiſſermaßen
die Oberfläche einer Conſole iſt — welche das Blattkiſſen darſtellt —
auf welcher das Blatt aufgeſetzt war. Durch die Blattkiſſen werden
namentlich die Triebe der Eſche ſehr knotig und höckerig, wie das unſere
Fig. III. 4. ſehr deutlich zeigt. Bei keinem deutſchen Baume ſteht die
Blattſtielnarbe ſo platt am Triebe, wie bei der Roßkaſtanie.


Die Blattſtielnarbe hat nicht nur in ihrem Umriſſe, ſondern auch
auf ihrer Fläche mancherlei bemerkenswerthe Unterſcheidungsmerkmale.
Immer finden wir darauf mancherlei Grübchen oder Knötchen: die Ge-
fäßbündelſpuren
, ſo genannt, weil hier aus dem Triebe die Gefäß-
bündel in den Blattſtiel eintraten. Bei der Rüſter (III. 1. n) finden wir
deren ſtets 3, bei der Eſche (III. 4.) bilden ſie ein liegendes [...].


Iſt nun ſchon das anſcheinend ſo gleichgültige Plätzchen, wo das
Blatt geſtanden hat, mit ſo ſcharfen Merkmalen ausgeſtattet, ſo iſt dies
in noch viel höherem Grade bei der Knospe ſelbſt der Fall.


Mit nur wenigen Ausnahmen ſind die Knospen unſerer Laubholz-
bäume mit Schuppen bedeckt und ſolche wollen wir vollſtändige oder
bedeckte, die ſchuppenloſen aber unvollſtändige oder nackte Knospen
nennen. Die letzteren finden ſich namentlich bei zwei Sträuchern, bei
dem gemeinen Wegedorn, Rhamnus Frangula, und bei der einen
Art Schneeball, Viburnum Lantana (III. 8.). Bei dieſen ſtehen die
jungen vorgebildeten Blättchen der Knospe frei und namentlich bei erſterer
der beiden genannten Pflanzen ſehen ſie wie erfroren aus.


[60]
Figure 3. III.

1. Rüſterknospe. — 2. Geſpaltener Eſchenzweig mit 3 Jahrestrieben, m′ innere, m äußere Schicht des
Markes, h Holz, r″, r′ und r Baſtſchicht, mittle und äußere Schicht der Rinde, n Blattſtielnarbe (deren
8 an der Figur ſind). Die Sternchen im Marke bezeichnen die Triebgrenzen. — 3. Querſchnitt des Triebes
da wo derſelbe am breiteſten iſt, die Buchſtaben bedeuten daſſelbe wie an Fig. 2, nur iſt für n ein k geſetzt,
zur Andeutung, daß die Blattſtielnarbe eine Korkſchicht trägt, welche den Blattfall vermittelt. — 4. Ein
Eſchenzweig von 4 Jahrestrieben, *, **, ***, **** die äußerlich ſichtbaren Jahresgrenzen, k Endknospe und
das letzte Knosvenpaar, n Blattſtielnarbe, bk Blattkiſſen. — 5. 6. 7. Querdurchſchnittene Knospen der
Erle, des Ahorn und der Schwarzpappel. — 8. Eine unbedeckte Knospe vom Viburnum Lantana.
9. 10. 11. 12. Triebſpitzen der Buche, des Hornbaumes, der Erle und der Korbweide.


[61]

Halbbedeckte Knospen hat der gemeine Hollunder oder Flieder,
Sambucus nigra, deſſen kurze Knospenſchuppen nicht lang genug ſind,
um die jungen Blättchen der Knospe ganz zu verhüllen. Bei der andern
Art, dem Traubenhollunder, S. racemosa, ſind die Knospen dagegen
ganz bedeckt.


Die bedeckten Knospen zeigen in der Zahl und Anordnung, in Farbe
und Oberfläche ihrer Schuppen eine große Manchfaltigkeit, wodurch die
Unterſcheidung der Bäume im Winterzuſtande außerordentlich erleichtert
wird. Sie ſind entweder regelmäßig oder unregelmäßig geſtellt, obgleich
auch die unregelmäßige Schuppenſtellung doch auch nach einer mathe-
matiſchen Regel geordnet iſt, die nur weniger leicht in das Auge fällt,
und auch hier in ihrer Regelmäßigkeit nicht nachgewieſen werden ſoll,
weil dies uns von unſerem Ziele zu weit abführen würde.


An den Knospen der Eſche (III. 4.) ſtehen die Knospenſchuppen
immer abwechſelnd paarweiſe gegenüber, was folgendermaßen ſich veran-
ſchaulichen läßt: ✧, und was man mit zuſammengebrochenen Karten-
blättern ſehr leicht darſtellen kann. Ebenſo ſtehen die Knospenſchuppen
auch bei den Ahornen, von denen wir, und zwar von dem Bergahorn,
Acer pseudoplantanus, eine Knospe im Querſchnitt III. 6. dargeſtellt
ſehen. Jedes Schuppenpaar umſchließt mit ſeiner Oeffnung die Ränder
des vorhergehenden Paares. Man nennt dieſe Anordnung die kreuz-
weiſe gegenſtändige
, weil Blätter oder Zweige, die ſo geſtellt ſind,
von der Spitze des Stengels aus geſehen, übers Kreuz ſtehen.


An den Rüſtern ſtehen die Schuppen nicht an 4 Seiten der Knospe —
von denen je zwei und zwei gegenüber liegen — ſondern nur an zwei
Seiten und zwar nicht paarweiſe einander gegenüber, ſondern abwech-
ſelnd, alternirend
. Wir ſehen dies an III. 1., wo die Schuppen
1, 3, 5 rechts, 2, 4 links ſtehen. Hier ſagt man, ſie ſtehen zwei-
zeilig oder zweireihig abwechſelnd
.


Ziegeldachartig oder dachziegelartig ſtehen die Schuppen bei der
Buchenknospe (III. 9.), bei dem Hornbaum (III. 10.), bei der Eiche.
Sie ſtehen dabei zugleich in Schraubenlinien geordnet, wie man dieſe
Anordnung am Fichtenzapfen recht deutlich ſehen kann.


Bei der Birke, Pappel, Linde, Erle (III. 11.) ſtehen die Knospen-
ſchuppen unregelmäßig.


[62]

Laſſen wir uns dies Stellungsgeſetz der Knospenſchuppen jetzt nicht
unwichtig vorkommen, denn wir werden bald ſehen, daß ſich das Geſetz
an dem Baume in höheren Verhältniſſen wiederholt.


Die Zahl der Knospenſchuppen iſt zwar ſelten ſo ſtreng feſtgehalten,
wie z. B. die der Staubgefäße, aber wenigſtens die der äußerlich ſicht-
baren bietet doch einige Anhaltepunkte der Unterſcheidung dar. An der
Hartriegelknospe (Cornus) kann man äußerlich nur ein Schuppenpaar
unterſcheiden, bei der Eſche 2, bei den Ahornarten 3—4 (bei allen dieſen
ſtehen ſie kreuzweiſe gegenüber); die Linde läßt nur 2 Knospenſchuppen
ſehen, die Erle und Birke 3, die Buche und Eiche 10 bis 15. Die an
den Trieb angedrückten Knospen der Weiden ſind von einer einzigen
kapuzenförmigen Schuppe dicht umſchloſſen, welche bei der Knospenent-
faltung abgehoben wird (III. 12.).


Daß die Farbe der Knospen ein allein ſchon ausreichendes Unter-
ſcheidungsmerkmal abgeben kann, davon liefert die gelbgrüne Knospe des
Bergahorns und die ſchmutzig karminrothe des Spitzahorns ein Beiſpiel.
Die feine ſeidenartige Behaarung unterſcheidet die Knospe der Feld-
rüſter von der kahlen der Flatterrüſter.


Die Knospen der Buche und des Hornbaumes ſind einander ſehr
ähnlich, aber bei jener ſteht ſie unter einem großen Winkel von dem
Triebe ab (III. 9.), bei dieſem iſt ſie angedrückt (III. 10.).


Gewöhnlich iſt die Knospe ſitzend, d. h. ohne beſonderen Stiel
angeheftet, bei der Erle jedoch iſt ſie geſtielt (III. 11.).


Daß die Geſtalten der Knospen verſchieden ſeien, läßt ſich ver-
muthen, und werden wir hierüber wie über die vorſtehenden, blos an-
gedeuteten, Verhältniſſe bei der Betrachtung unſerer verſchiedenen Wald-
bäume Weiteres erfahren.


Ehe wir jetzt das Innere der Knospe betrachten, müſſen wir noch
Seitenknospen und Endknospen unterſcheiden.


Nicht jede Knospe, welche am Ende, an der Spitze, des Triebes
ſteht, verdient die beſondere Bezeichnung als Endknospe, ſondern eigentlich
wird nur bei der kreuzweiſe gegenſtändigen Knospenſtellung die unpaarig
an der Triebſpitze ſtehende Knospe ſo genannt, während unter und zu-
nächſt neben ihr nur Knospenpaare ſtehen, wie es an III. 4. bei der
Eſche der Fall iſt, wo wir an dem oberſten, diesjährigen Triebe drei
[63] Seitenknospenpaare und an der Spitze eine Endknospe ſehen. Solche
eigentliche Endknospen ſind auch immer größer und vollkommener als die
Seitenknospen (IV. 1. Bergahorn).


Figure 4. IV.

1. Endknospe und Seitenknospenpaar vom gemeinen Ahorn. — 2. Eichentrieb. —
3. Schwarzpappel mit unechter Endknospe und 2 Seitenknospen; unten rechts daneben
eine Seitenknospe mit der großen Blattſtielnarbe, von welcher 3 erhabene Linien abwärts
gehen; Mark fünfſtrahlig. — 4. Kreuzdorntrieb, welcher ſtatt der Endknospe einen
Dorn trägt. — 5. Espenzweig; die Sternchen deuten die Baſis von 2 Kurztrieben
an, von denen der obere 2 dicke Blüthenknospen und über ihnen 2 ungleiche Laubknospen
trägt. — 6. Langtrieb der Traubenkirſche. — 7. Ein Langtriebſtück der Espe mit
einem aus 3 Trieben beſtehenden Kurztrieb (Kurzzweig), der nur eine Endknospe trägt. —
8. Langtriebſtück der Birke mit 2 aus je 7 Trieben beſtehenden nur eine Endknospe
tragenden Kurzzweigen. — 9. Kurzzweig der Buche, aus 4 Kurztrieben beſtehend, welche
immer mit den ringförmigen Schuppenſpuren beginnen. Der oberſte Kurztrieb trägt eine
Endknospe und die Stielſtummel der abgeſchnittenen Blätter und einer männlichen Blüthe.


[64]

An der Buche und dem Hornbaume (III. 9. und 10.) verdient die
oberſte Knospe den auszeichnenden Namen Endknospe nicht, weil ſie nicht
oben den Trieb quer abſchließt, was bei der Eſche der Fall iſt, ſondern
recht gut noch eine ſeitliche Verlängerung des Triebes mit noch einer
oder mehreren Knospen gedacht werden kann. Gleichwohl iſt dieſe letzte
Knospe, z. B. ſehr auffallend bei der Linde, meiſt doch etwas entwickelter
als die unteren, wenn auch nie ſo auffällig wie die echten Endknospen
der kreuzweiſe gegenſtändigen Knospenſtellung.


Die Eiche und die Pappelarten ſtehen zwiſchen den Bäumen mit und
denen ohne echte Endknospe in der Mitte, indem bei erſterer an den
Triebſpitzen die Knospen immer viel gedrängter ſtehen als tiefer am Triebe
und eine davon durch bedeutendere Größe und ihre Stellung auf dem
wirklichen Ende des Triebes ausgezeichnet iſt (IV. 2.), bei den Pappel-
arten aber an der Triebſpitze immer die den Trieb fortſetzende Knospe
immer größer iſt als die tieferen und ſo ziemlich genau an der wahren
Endfläche des Triebes ſteht (IV. 3. Schwarzpappel, IV. 5. und 7. Zitter-
pappel).


Anſtatt einer Endknospe enden einige Laubholzarten den Trieb in
einen Dorn, was dem Weißdorn, Crataegus oxyacantha, und dem
Schwarzdorn, Prunus spinosa, den Namen gegeben hat. Daſſelbe iſt
der Fall bei dem Kreuzdorn, Rhamnus catharticus (IV. 4.).


Endlich haben wir noch zwiſchen Laub- oder Triebknospen und
zwiſchen Blüthen- oder Tragknospen zu unterſcheiden. Oft ſind
an einem winterlichen Baumzweige die Blüthenknospen ſehr deutlich zu
erkennen und zwar, wie zu errathen, an ihrem größeren Umfang, wie
z. B. bei der Zitterpappel (IV. 5.), dem Hornbaum (III. 10. die unterſte
Knospe), den Weiden, Rüſtern und vielen anderen. An Fig. IV. 5.
ſehen wir an dem jüngſten Triebe 1 End-, dicht daneben 1 Seiten- und
tiefer 2 Blüthenknospen. Zuweilen iſt jedoch auch nur ein geringer oder
kein Unterſchied zwiſchen beiden.


Weiter in das äußere Anſehen der Knospen unſerer Bäume und
Sträucher einzugehen, würde uns jetzt zu weit von dem Ziele dieſes Ab-
ſchnittes ablenken; wir werden bei Betrachtung der einzelnen Arten immer
auch die Knospen beſprechen. Nur das ſei noch hinzugefügt, daß bei
manchen Arten die Knospenſchuppen zu noch dichterem Verſchluß des
[65] Knospeninneren mit einer harz- oder wachsartigen Maſſe überzogen ſind,
z. B. bei der Birke, Erle und Schwarzpappel.


In Vorſtehendem iſt übrigens lediglich auf die Laubhölzer Rückſicht
genommen. Bei den Nadelhölzern ſind dieſe Verhältniſſe ziemlich einfach
und im Ganzen ſehr übereinſtimmend. Die Triebknospen der Nadelhölzer
ſind meiſt ſehr vielſchuppig.


Die Baumknospen pflegen ziemlich lange Zeit vor dem Laubfall ſchon
vollkommen ausgebildet zu ſein. Im Oktober iſt es bei allen der Fall.
Bei der Linde iſt bereits zur Blüthezeit namentlich die Endknospe ſehr
entwickelt, während ſie an der Buche nur etwa zum fünften Theile fertig
iſt, wenn die Saamen bereits ausgewachſen ſind.


Wir haben nun das Innere der Knospen zu unterſuchen und
werden darin namentlich in der Art, wie die jungen Blättchen unter-
gebracht ſind, eine große Manchfaltigkeit kennen lernen.


Bei denjenigen Bäumen, welche wie die Buche und Eiche in auf-
fallend kurzer Zeit, oft in einer Woche, den ganzen Jahrestrieb, wenigſtens
ſeiner Länge nach, ausbilden, iſt dazu die ganze Anlage mit allen ſeinen
Blättern in der kleinen Knospe enthalten, ebenſo wie in der Puppe ſchon
der ganze Schmetterling mit ſeinen vier großen Flügeln enthalten iſt,
jedoch mit dem Unterſchiede, daß dem Schmetterlinge nach dem Aus-
ſchlüpfen keine neue Maſſe hinzugebildet wird, während dies bei dem
aus der Knospe in gewiſſem Sinne ebenfalls ausſchlüpfenden Triebe der
Fall iſt, wenn gleich deſſen Vergrößerung zum Theil auch nur auf Zellen-
Ausdehnung beruht.


Unſere deutſche Baumwelt bietet leider keine ſo großen Knospen dar,
daß eine Zergliederung den Knospenbau ſo bequem erkennen läßt, als
die Roßkaſtanie; weshalb ich zu dieſem Zwecke ſie empfehle. Vorher muß
man mit Weingeiſt den klebrigen Ueberzug wegwaſchen und auch das
Meſſer in Weingeiſt eintauchen, weil ſonſt das auch zwiſchen den inneren
Schuppen ſitzende Harz am Meſſer klebt und ſo das mit weichem Flaum
ausgepolſterte Knospeninnere in Unordnung gebracht wird. Dieſe Vor-
ſicht iſt überhaupt in vielen Fällen zu empfehlen, weil mit einem
unbenetzten Meſſer nicht leicht ein ſo ſcharfer und glatter Schnitt zu
machen iſt, wie mit einem naſſen, wenn es auch nur mit Waſſer
benetzt iſt.


Roßmäßler, der Wald. 5
[66]

Zunächſt ſehen wir uns auf S. 60 die Figuren III. 5. 6. und 7.
an, welche querdurchſchnittene Knospen der Erle, des gemeinen oder
Bergahorns und der Schwarzpappel darſtellen. Wir ſehen an der erſten
die unregelmäßig geſtellten bis in das Innere der Knospe vordringenden
Schuppen und dazwiſchen die ſchlangenförmig gebogenen Blätter, Alles
im Querſchnitt. Daſſelbe zeigt die Pappelknospe, nur daß hier die
Blättchen nicht geſchlängelt ſind, ſondern beiderſeits vom Rande her nach
der Mitte eingerollt. Bei dem Ahorn bleiben alle Knospenſchuppen, es
ſind deren meiſt 2 mal 4 gegenüber ſtehende Paare, am Umfange der
Knospe, und im Inneren ſehen wir die im Zickzack gefalteten Blättchen.
Wäre es eine Tragknospe geweſen, ſo würden wir auch die Querſchnitte
der Blüthenknöspchen ſehen*).


Die Entblößung der inneren Knospentheile durch allmälige Beſei-
tigung der Schuppen gewährt, wenn die Knospen nicht zu klein ſind,
mit Hülfe eines ſpitzen Meſſers und eines feinen Zängelchens einen noch
deutlicheren Einblick in den Knospenbau. Man ſieht, daß die äußeren
Knospenſchuppen meiſt keine höheren Blattgebilde hinter ſich haben; erſt
die weiter nach innen zu liegenden Schuppen decken je ein Blatt. Dabei
findet man oft, z. B. bei den Weidenarten, bei der Eſche und manchen
anderen Holzarten, daß eine Fülle von weichen, oft ſeidenartigen Härchen —
ſilberweiß bei den Weiden, braun bei der Eſche — die kleinen Blättchen
und die inneren Schuppen bedecken, während ſpäter das ausgebildete Blatt
vielleicht kahl iſt. In der Regel findet man bei einer ſolchen Zergliederung
die Knospenſchuppen viel zahlreicher, als man nach dem äußeren Anſehen
vermuthet hatte.


In der Art, wie die oft zahlreichen kleinen Blättchen in dem ſo
engen Raume des Knospeninneren untergebracht ſind, unterſcheidet man
zwei Rückſichten; erſtens die Art, wie jedes einzelne Blatt auf dem mög-
lich kleinſten Raum zuſammengefaltet iſt, was man die Knospenfaltung,
Vernation
, nennt und die Art, wie die einzelnen Blätter in Beziehung
[67] zu einander liegen, was Knospenlage, Foliation, heißt. Wir wollen
nur von der erſteren zu dem, was wir ſchon durch die Figuren III. 5. 6. 7.
kennen, noch Einiges hinzufügen, weil es blos eines etwas unter der Mitte
der Längenaxe der Knospe geführten Querſchnittes bedarf, um dieſe zier-
lichen Verhältniſſe mittels einer ſcharfen Lupe kennen zu lernen.


Wenn die Pappelblättchen in der Knospe ſtets von den beiden Seiten-
rändern her nach der Mittelrippe zu aufwärts gerollt ſind, ſo ſind ſie
es bei den Weiden abwärts. Bei dem Hornbaum und einigen andern
Holzarten iſt das Blatt beiderſeits von der Mittelrippe in viele ſcharfe
Falten, wie ein zuſammengelegter Fächer, gefaltet, wobei die Seitenrippen
den Anhalt zu der Faltung geben; dieſe Faltungen ſind nicht ſcharf, ſondern
gerundet bei der Erle. Bei der Linde, dem Faulbaum oder der Trauben-
kirſche (Prunus Padus), der Birke, den Blattlappen der Ahorne und den
Einzelblättern mehrerer fiederblättrigen Holzarten iſt das Blatt die Mittel-
rippe entlang einfach nach oben zuſammengeklappt wie ein zugemachtes Buch.


Durchſchneidet man eine Knospe genau durch die Mitte der Längen-
axe, ſo ſieht man im Grunde derſelben einen meiſt nur ſehr wenig er-
hobenen kleinen Hügel, auf welchem die inneren Knospenſchuppen und

Figure 5. V.

Knospenlängsſchnitte: 1. der Kiefer, 2. der Traubenkirſche, 3. der Eiche,
4. der Espe. 1. iſt eine gemiſchte, d. h. Blüthen- und Laubknospe, 4. eine Blüthen-
knospe. Die Sternchen bezeichnen die Knospenaxe.


die jungen Blättchen ſtehen. Dies iſt die Knospenaxe, die unmittel-
bare oder ſeitliche Verlängerung des Holz- und Markkörpers des Triebes,
aus welchem die Knospe entſpringt und woraus ſich bei der Knospenent-
faltung der neue Trieb entwickelt.


5*
[68]

Beſonders zierlich ſieht der Längsſchnitt einer männlichen Blüthen-
knospe der Zitterpappel (V. 4.) aus, wobei man findet, daß alle die Hun-
derte von Staubbeuteln darin bereits vorgebildet ſind, welche ſich ſpäter
an dem daraus gewordenen fingerlangen Kätzchen finden.


Die drei anderen Figuren des nebenſtehenden Holzſchnittes ſind die durch
die Knospenaxe (*) geführten Längsſchnitte der Kiefer (V. 1.), der Trauben-
kirſche, Prunus Padus (V. 2.), und der Eiche (V. 3.). Aus der Kiefern-
knospe würde ſich ein männlicher Blüthenſproß entwickelt haben. Die
Knospenaxe iſt hier beſonders lang und es gehen von ihr bereits Ab-
zweigungen in die Blüthenkätzchen über. Unten links daneben ſteht eine
Laubknospe. Ein ſehr kurzer Kegel iſt die Knospenaxe bei der Eſche, wie
wir an Fig. III. 2. (S. 60) in der geſpaltenen Endknospe ſehen.


Am anſehnlichſten ſieht man dieſe Knospenaxe bei der Kiefer während
des Winters. Um eine Kiefernknospe zu durchſchneiden muß man das
Meſſer immer mit Weingeiſt benetzt erhalten, weil ſonſt das Harz, welches
der Weingeiſt auflöſt, den Schnitt hindert.


Gerade bei der Kiefer iſt es ſehr anzurathen, zunächſt einige noch
ruhende Knospen im Innern zu unterſuchen und dann im Frühjahr die nach
einander folgenden Stufen der allmäligen Entwicklung an einer jungen,
üppig wachſenden Kiefer zu verfolgen. Ueberhaupt gewährt es einen ſehr
lehrreichen Genuß, zur Zeit der Knospenentfaltung den Wald fleißig zu
beſuchen und dabei beſonders beſtimmt angemerkte Knospen im Auge zu
behalten. Das erſte Nahen des erwachten Frühlingslebens giebt ſich da-
durch kund, daß die auseinander geſchobenen Schuppen ſich an den ent-
blößten Stellen heller gefärbt zeigen.


Der Jahrestrieb*).


Nachdem wir in der Knospe den Winterzuſtand des nächſtjährigen
Triebes kennen gelernt haben, müſſen wir nun die Bekanntſchaft des vor-
jährigen, eben vollendeten Triebes im Winterzuſtande machen, um dadurch
ein Verſtändniß der äußeren Gliederung des Kronenzuwachſes des Baumes
zu gewinnen.


[69]

Es iſt bekannt, daß auf dem Querſchnitte eines Baumſtammes aus
der Zahl der Jahresringe des Baumes Alter zu erſehen iſt. Wie aber
iſt dies am noch ſtehenden Baume zu erfahren?


Indem wir uns hiervon unterhalten wollen, müſſen wir uns über
die Bedeutung des Wortes Zuwachs verſtändigen. Es iſt ein Kunſt-
ausdruck des Forſtmannes, womit er die jährliche bleibende Maſſenzunahme
eines Baumes oder in annähernder Schätzung eines ganzen Beſtandes,
bezeichnet, alſo den Maſſenantheil der Blätter und Früchte nicht mit be-
rückſichtigt. Es iſt für den Forſtmann wichtig, zu wiſſen, ob ein Beſtand
in ſchlechtem oder gutem Zuwachs, wüchſig, ſei, weil er danach in
vielen Fällen zu beſtimmen hat, ob der Beſtand noch länger ſtehen bleiben
oder geſchlagen werden ſoll. Daß dieſe Ermittelung keine leichte Aufgabe
ſei, können wir leicht begreifen, und es iſt auch die „Zuwachsberechnung“
einer der ſchwierigſten Zweige der Forſtwiſſenſchaft.


Wir wollen nicht verſuchen, alle die dabei angewendeten Hülfsmittel
kennen zu lernen, ſondern wir beſchränken uns jetzt darauf, eins dieſer
Mittel, welches dem Forſtmanne bei ſeinen Zuwachsberechnungen auch nur
eine blos mittelbare Hülfe leiſtet, nach Anleitung einer ſchematiſirten Figur
praktiſch anzuwenden.


Während es dem Forſtmanne lediglich auf den Holzgehalt ſeiner Re-
viere ankommt, ſieht der Waldfreund mehr auf die ſchattenden Kronen der
Bäume und freut ſich, wenn er in dieſen ein recht geſundes und üppiges
Gedeihen wahrnimmt.


Dieſe unſere Freude am Wachsthum einer Baumkrone, beſonders
wenn es ſich um ſelbſt gepflanzte Bäume handelt, deren Krone noch im
Bereiche unſerer Hand iſt, entbehrt bis jetzt für die Meiſten des kundigen
Bewußtſeins, weil wir die ſichtbaren Maaße nicht kennen, um welche
jährlich die Krone zunimmt. Das Bäumchen wächſt und wächſt, und nach
4, 5 Jahren iſt ſeine Krone oben größer und voller, ohne daß wir wiſſen,
um wie viel. Wir können dies aber für jedes verfloſſene Jahr daran
ableſen, wie wir aus den am Thürſtock gemachten Marken ſehen, um
wie viel unſer Söhnchen in einem gewiſſen Zeitraum länger geworden iſt.


Wie in ſo vielen anderen Punkten, ſo iſt auch in den Kennzeichen
des äußeren Zuwachſes ein erheblicher Unterſchied zwiſchen Nadelhölzern
und Laubhölzern. Wer ein klein wenig mit Ueberlegung auf die Dinge
[70] um ſich ſieht, der kann es kaum unbemerkt laſſen, wie alt eine vor ihm
ſtehende etwa mannshohe Kiefer ſei. Trifft ſich’s nun vollends, daß es
gerade Mai oder Anfang Juni iſt, ſo müſſen ihn die hellen neuen Triebe
mit den ſilbergrauen Nadelſcheiden in ihrem augenfälligen Gegenſatze zu
den dunkleren älteren Trieben, deren Fortſätze ſie bilden, geradezu zum
Abwärtszählen auffordern. An der regelmäßigen Quirlſtellung der Aeſte
rings um den Stamm herum zählt man leicht Jahr um Jahr abwärts,
und nur ganz unten am Boden, wo die früheſten jungen Quirltriebe be-
reits abgeſtoßen ſind, bleibt man zuweilen um ein, zwei Jahre ab und
zu im Ungewiſſen.


Wir dürfen darum den mehr frei und ungebunden ſich entwickelnden
Laubhölzern gegenüber die Nadelhölzer ein „mathematiſches Geſchlecht“
nennen, denn wir finden nicht nur die Triebe, ſondern an dieſen auch
die Nadeln und an den Zapfen die Schuppen und Saamen in genauer
Regelmäßigkeit und zwar in Spirallinien geordnet.


Figure 6. VI.

Triebzuwachs der Kiefer.


[71]

Wer von meinen Leſern und Leſerinnen jetzt nicht gleich hinausgehen
kann, um eine junge Kiefer aufzuſuchen, möge ſich an unſerer Fig. VI.
ſchadlos halten. Sie ſtellt ſchematiſch einen dreijährigen Kiefernwipfel
dar. Die diesjährigen Triebe ſind mit einfachen, die vorjährigen mit
Doppellinien gezeichnet, die dreijährigen mit dreifachen, während unten
vierfache Linien die Spitze des vier Jahr alten Triebes zeigen, welcher
ſeit 3 Jahren aus ſich den ganzen dreijährigen Zuwachs getrieben hat.
Wir können demnach mit Leichtigkeit uns vorſtellen, wie dieſer Kiefern-
wipfel vor einem und vor zwei Jahren ausſah, wenn wir das mit ein-
fachen und das mit Doppellinien Gezeichnete hinwegdenken. Ja wir
können den Wipfel gewiſſermaßen vor unſeren Augen fortwachſen laſſen,
indem wir den vier-, drei-, zwei- und einfachen Linien je eine weitere
Linie hinzumalen und dann auf jede Spitze der jetzt einfachen Linien einen
Quirl aus einfachen Linien aufſetzen und ſo fort.


Dieſes Spiel würde uns eine vollſtändige Baumpyramide geben,
welche eine Kiefer im regelmäßigen Lebensverlaufe iſt, und wir würden
durch wiederholte Hinzufügung einer weiteren Linie zugleich den Dicken-
zuwachs veranſchaulicht erhalten. Hätten wir dieſes Zuwachs-Spiel auf
einem großen Tiſchblatt mit Kreide hingezeichnet, ſo würden wir, wenn
wir etwa bis zum zwanzigſten Jahrestrieb gekommen wären, mit jeder
ferneren Hinzufügung bis zu einer gewiſſen Höhe unten einen Quirl aus-
löſchen müſſen, weil dann von unten an das Abſterben der älteſten
Quirle beginnt.


Es iſt hier aber daran zu erinnern, daß nur die Kiefer dieſe ſtrenge
Durchführung der Quirlſtellung der Triebe zeigt; daß ſich dagegen bei
Fichte und Tanne außer dieſen regelmäßig geſtellten Quirltrieben auch
noch unregelmäßig an dieſen ſtehende Triebe finden, welche wir Neben-
triebe nennen. Allein bei einiger Aufmerkſamkeit ſtören uns in der Ab-
zählung des Alters einer Fichte oder Tanne dieſe Nebentriebe doch nicht,
weil auch an dieſen Bäumen die Quirſtellung der Haupttriebe zu deutlich iſt.


Wenn wir an unſerer Figur VI. den oberſten Quirl in’s Auge faſſen,
ſo finden wir an ihm einen Mitteltrieb, welcher den Stamm, die Haupt-
axe des Baumes, fortſetzt, und um dieſen herum 4 Seiten- oder Quirl-
triebe, Nebenaxen. Dieſe Zahl der letzteren, welche zwiſchen 3 und 5,
ſelten bis 6 ſchwankt, nimmt an den Aeſten und Verzweigungen älterer
[72] Bäume außer an der Hauptaxe, meiſt raſch ab und zuletzt ſinkt ſie auf 2 herab,
die man dann eigentlich gar nicht mehr Quirltriebe nennen kann, da zu
einem Quirl doch mindeſtens drei Arme gehören. An vielen Zweigen,
namentlich an den männliche Kätzchen tragenden der Kiefer, fallen oft die
Quirl- oder Seitentriebe ganz weg, ſo daß nur Haupttrieb ſich an Haupt-
trieb reiht. Da dies an ſehr alten, freiſtehenden und daher ihre unteren
Aeſte nicht verlierenden Fichten auch oft vorkommt, ſo haben dieſe dann
ſehr lange peitſchenförmige dünne und einfache Zweige, welche trauer-
weidenartig herabhängen.


Wenn wir ſo an einem Nadelbaume die einander gleichalterigen
Triebe mit Zuverläſſigkeit als Repräſentanten je eines Jahres betrachten
und nach ihnen das Alter des Baumes leicht erkennen können, ſo iſt dies
bei den Laubhölzern nicht ſo leicht erſichtlich, wenn immerhin für den
Kundigen nicht ſchwer.


Bevor wir die Verhältniſſe des äußeren Zuwachſes bei den Laub-
hölzern kennen lernen, müſſen wir noch auf eine ſehr intereſſante Eigen-
thümlichkeit der Nadelhölzer achten, durch welche dieſe gewiſſermaßen zu
Geſchichtſchreibern ihres Standortes werden.


Wenn nicht örtliche Verletzungen einzelner Knospen oder der aus
ihnen heraustretenden, noch kleinen und weichen Triebe ſtattgefunden
haben, ſo bleibt nur ſelten ein Trieb bedeutend hinter den andern in
Länge und Stärke zurück, und mit Ausnahme der faſt ſtets die Quirl-
triebe an Länge etwas übertreffenden Mitteltriebe zeigen die an einem
Nadelbaume, bis an das Ende des Stangenholzalters alljährlich zuwach-
ſenden Triebe eine durchſchnittlich ziemlich übereinſtimmende Länge und
Stärke. Es iſt dies ein Beweis von einem ſehr gleichmäßig im ganzen
Baum vertheilten Bildungsſtoff und Bildungsdrang. Beides iſt unmittelbar
und mittelbar von der Umgebung abhängig, welche jenen liefert und ſo
dieſen bedingt. Durch dieſe eben genannte gleichmäßige Vertheilung wird
es möglich, daß ſich der Grad der Fruchtbarkeit eines Jahres ſehr deutlich
an allen dieſem Jahre entſprechenden Trieben ausdrückt. Finden wir an einer
etwa ſechs Ellen hohen jungen Kiefer ein Stammglied zwiſchen 2 Aſtquirlen
ſehr kurz, alſo dieſe Quirle einander ungewöhnlich genähert, ſo können
wir darauf rechnen, daß nicht nur an allen Zweigen des Baumes das
entſprechende Zweigglied ſich ebenſo verhalten wird, ſondern wir werden
[73] oft in einem weiten Umkreis an allen Kiefern von gleicher Alters- und
Standortsbeſchaffenheit dieſelbe Erſcheinung wahrnehmen. Wenn wir auf
einem ganzen Fichtenorte das dem Jahre 1854 entſprechende Stammglied
an allen Fichten auffallend kurz finden, — und dann ſind faſt immer
auch die Nadeln ungewöhnlich kurz und weniger lebhaft gefärbt — ſo
werden wir mit Grund ſchließen dürfen, daß in dieſem Jahre eine heiße
und trockne Witterung geherrſcht habe; finden wir aber auf demſelben
Orte an einzelnen Plätzen an den Fichten den 1854er Trieb länger, ſo
werden wir gewiß im Gehalt des Bodens oder in der Umſtellung oder
in der Lage, in einer feuchten Einſenkung des Bodens einen Grund auf-
finden, welcher dieſe Fichten die Unbill des Jahres weniger empfinden ließ.


So kann man wirklich mit Grund ſagen, daß die Nadelhölzer, we-
nigſtens in der Dickicht- und Stangenholzperiode, die Geſchichtſchreiber
ihres eigenen Lebens und ihres Standortes ſind.


Sehen wir nun, wie man an den Trieben der Laubhölzer das Alter
oder wenigſtens den jährlichen Zuwachs erkennen kann. Dabei ſehen wir
von immergrünen ab, deren wir überhaupt in Deutſchland keine einzige
Art beſitzen, mit Ausnahme der Hülſe oder Stechpalme, Ilex Aquifolium,
welche den Namen eines Baumes kaum verdient.


Das jährliche Abwerfen des Laubes hat für uns in dieſem Augen-
blicke wenigſtens die Bedeutung, daß uns das Laub ſo lange es noch anſitzt,
ſagt, was diesjähriger Trieb iſt. Da nämlich unſere ſommergrünen
Bäume und Sträucher unter allen Verhältniſſen das Laub vor dem Aus-
bruch des neuen abwerfen, ſo iſt an einem Baume alles das als
diesjähriger Trieb zu betrachten, was die Blätter trägt
.
Dieſer laubtragende jüngſte Trieb iſt in der Regel auch durch ſeine friſchere
und hellere, meiſt grün gefärbte Rinde von den älteren Trieben, deren
letzte Fortſetzung er iſt, zu unterſcheiden.


So einfach dieſe Erkennung des dies- oder letztjährigen Triebes iſt,
ſo kann man doch leicht in einen Irrthum dabei verfallen, vor welchem
wir uns alſo im voraus zu bewahren haben.


Während wir bei den Nadelhölzern gefunden haben, daß alle Triebe
eines Jahres ſo ziemlich gleich lang ſind, wenigſtens die Haupttriebe
unter ſich und die Nebentriebe unter ſich, ſo iſt dies bei den
Laubhölzern durchaus anders.


[74]

Man nehme einen Birkenzweig zur Hand oder trete vor ein Apfel-
oder Birn-Spalierbäumchen, um ſofort zu ſehen, daß ſich daran hinſichtlich
der Länge zweierlei ſehr verſchiedene Triebe finden: ſolche welche eine
ſehr bedeutende Ausdehnung zeigen und bei manchen Arten — von den
drei genannten bei der Birke nicht — bis in den Herbſt an der ſich ver-
jüngenden Spitze immer noch fortwachſen, und dann ſolche, welche kurz
und dick ſind und nur an der Spitze ein Paar Blätter und zwiſchen dieſen
die Endknospe für das kommende Jahr tragen. Erſtere nennen wir mit
Willkomm in Tharand Langtriebe, letztere Kurztriebe*).


Dieſe Verſchiedenheit, welche übrigens auf einer unerforſchten inneren
Urſache beruht, iſt aber nicht ſo ſcharf begründet, daß an einem Baume
die Kurztriebe im Fortwachſen immer Kurztriebe, die Langtriebe immer
Langtriebe bleiben müßten. Oft bleiben ſie es allerdings eine Reihe von
Jahren hintereinander; oft aber auch ermannt ſich ein Kurztrieb plötzlich
zu einem kräftigen Langtriebe oder ein ſolcher ſinkt zu einem Kurztriebe
herab.


Ich ſchalte hier ein, daß dieſe Verſchiedenheit der Triebe einen be-
deutenden Einfluß auf den Habitus der Bäume ausübt, denn ihr verdanken
wir z. B., daß die Birke nicht ganz und gar wie eine durchſichtige Trauer-
weide ausſieht, indem zahlreiche, faſt immer nur 2 oder höchſtens 3 Blätter
tragende Kurztriebe die Krone füllen helfen.


Hinſichtlich dieſer Triebverſchiedenheit ſtellt ſich in auffallender Weiſe
ein Nadelholz auf die Seite der Laubhölzer, was es auch dadurch thut,
daß es im Winter ſeine Nadeln verliert: die Lärche. Dieſe hat außer
ſehr langen Langtrieben, an denen die Nadeln einzeln und auffallend
weitläufig ſtehen, ſehr übereinſtimmend gebaute, höchſtens ½ Zoll lang
werdende und dabei doch an 10 Jahr alte Kurztriebe, an deren Spitze
ein Kranz von zahlreichen Nadeln ſteht.


Woran erkennt man nun aber die Lang- und die Kurztriebe; woran
ſieht man überhaupt äußerlich an einem Zweige, wieviel von ſeiner Länge
auf je ein Jahr kommt? Es ſind bei einiger Aufmerkſamkeit an jedem
Baumzweige leicht Merkmale aufzufinden, an welchen man beſtimmt ſehen
[75] kann, bis hierher war der Zweig im vorigen Jahre gewachſen und von
hier an iſt er in dieſem Jahre gewachſen. Man wird dabei die über-
raſchende Thatſache finden, daß dies ebenſowohl eine Länge von 2 Ellen
und darüber und eine Länge von kaum 1/12 Zoll betragen kann.


Wir dürfen jetzt nur die Figur III. 4. (S. 60) anſehen, um an
dem dargeſtellten Eſchenzweige eine auffallende Abtheilung in Glieder durch
Sternchen bezeichnet, zu bemerken, welche faſt von ſelbſt für eben ſo viele
Wachsthumsſtillſtände Zeugniß ablegt.


Jede Triebknospe kann aus ſich einen neuen Trieb entwickeln, aber
nicht jede thut es und die es thun, thun es mit verſchie-
denem Erfolge
. Ein Blick auf einen Baumzweig belehrt uns, daß
viele Knospen ſitzen bleiben, nicht zur Entfaltung kommen, wofür wir den
nähern Grund um ſo weniger anzugeben wiſſen, als die ſitzen bleibenden
Knospen doch gewöhnlich die unteren am Triebe ſind, alſo der zuſtrömende
Frühjahrsſaft früher zu ihnen kommt, als zu den über ihnen am Triebe
ſtehenden. Allerdings ſind die unentwickelt bleibenden Knospen faſt immer
ſchwächlicher und unvollkommener als die, welche ſich entwickeln, und ſo
wäre dies ein Grund für jene Erſcheinung. Aber die Blätter, von
welchen dieſe unvollkommeneren Knospen gebildet wurden, ſaßen doch auch
tiefer am jungen Triebe, hatten alſo den Frühjahrsſaft früher, dem Ort
und ſelbſt der Zeit nach, als die höhern! Kurz, den nähern Grund des
Sitzenbleibens ſo vieler Knospen kennen wir nicht.


Wenn alle Knospen zur Entfaltung kämen, ſo würden die Kronen
unſerer ſämmtlichen Bäume nicht allein viel dichter ſein, ſondern ſie
würden auch eine viel größere Regelmäßigkeit der Verzweigung zeigen.
Wenn wir an dem oberſten, dem diesjährigen, Gliede (Triebe) des Eſchen-
zweiges (III. 4.) die ſchwarzen Knospen ſo äußerſt regelmäßig ſtehen ſehen
und mit dieſer Stellung die Zweigſtellungen einer alten Eſche vergleichen,
ſo muß uns die große Verſchiedenheit auffallen; wir müſſen bemerken,
daß viele Tauſende von Knospen fehlgeſchlagen ſind.


Wir ſehen an dem diesjährigen, etwa zolllangen Triebe des abge-
bildeten Eſchenzweiges 4 Paar Seitenknospen und die Endknospe; das
unterſte Seitenknospenpaar iſt ganz klein und unausgebildet geblieben.
Der vorhergehende hatte genau eben ſo viele gehabt, der vor dieſem ein
Seitenknospenpaar mehr und der unterſte ebenfalls. Von allen dieſen
[76] zahlreichen Knospen iſt in den drei Jahren immer nur die Endknospe
zur Entwicklung gekommen und ob es mit denen des neueſten Triebes
wiederum ſo geworden ſein würde, das würde zum Theil wenigſtens von
den Witterungsumſtänden abgehangen haben. Die ſitzen, d. h. unentfaltet
gebliebenen Seitenknospen haben oberhalb ihrer Blattſtielnarbe eine
Knospennarbe hinterlaſſen, wie man die Flecke nennen könnte, wo dieſe
Knospen geſeſſen haben, von denen einige ſelbſt jetzt noch feſtſitzen, wenn
auch nur vertrocknet und längſt todt.


Wo an unſerer Figur die Sternchen ſtehen erkennen wir mit Leich-
tigkeit die Grenze zwiſchen zwei Jahrestrieben an der daſelbſt bemerkbaren
Einſchnürung, zum Theil an der von da an etwas veränderten Richtung
des neuen Triebes und endlich an den dunkeln Querlinien, welche daſelbſt
bemerkbar ſind. Dieſe Linien ſind die Narben, welche die hier anſitzend
geweſenen Knospenſchuppen zurückgelaſſen haben, als ſie bei der Ent-
faltung der Knospe ſich auseinanderbiegen mußten und endlich abgeſtoßen
wurden.


Da die Zeichnung natürliche Größe iſt, ſo ſehen wir, daß in vier
Jahren dieſer Zweig jährlich um kaum mehr als um je 1 Zoll länger
geworden iſt und keinen einzigen Seitentrieb gewonnen hat. Daß wir
alſo hier 4 Kurztriebe vor uns haben verſteht ſich von ſelbſt.


Wenn die jährliche Triebgliederung auch nicht immer ſo augenfällig
iſt, wie hier, ſo iſt ſie doch, und zwar zumeiſt durch die Spuren
der ehemaligen Knospenſchuppen
, bei einiger Aufmerkſamkeit
leicht nachzuweiſen, beſonders wenn die Knospen des Baumes vielſchuppig
ſind, wie z. B. bei der Buche, wo die Baſis jedes neuen Triebes etwa
1 Linie breit mit zierlichen feinen Linien, den Schuppenſpuren, geringelt
iſt (Siehe S. 63 IV. 9. ****).


Dennoch gehört zuweilen große Aufmerkſamkeit oder wenigſtens eine
Kenntniß des betreffenden Kennzeichens dazu, um ſich, wie ſchon vorher
im voraus angedeutet wurde, vor einer Täuſchung zu bewahren.


Fig. IV. 8. zeigt uns ein Stück eines Langtriebes von der Birke, an
welchem zwei Kurztriebe ſitzen. An letzteren bemerken wir eine Menge
äußerſt regelmäßige Blattſtielnarben und dichtſtehende Einſchnürungen und
kleine Wülſte. Jeder dieſer Kurztriebe iſt ſieben Jahr alt, er trug an
ſeiner Spitze jedes Jahr ſtets nur 2 Blätter dicht nebeneinander, welche
[77] zwiſchen ſich eine Knospe bildeten, aus welcher ſich im folgenden Jahre
wieder ein winziger Kurztrieb mit 2 Blättern entwickelte. Dieſe Kurztriebe
haben alſo ſeit 7 Jahren am Wachsthum des Baumes Theil genommen
und haben es in dieſer langen Zeit noch nicht auf 1 Zoll Länge gebracht.
Wir haben jetzt der Kürze wegen dieſe beiden gekrümmten Aeſtchen an
Fig. IV. 8. Kurztriebe genannt, ſie ſind aber vielmehr zwei Zweige von
je 7 an einander gegliederten Kurztrieben. Während dieſe Zweige jährlich
höchſtens um 1 Linie zunahmen, hat der Hauptzweig, an dem ſie ſeitlich
anſitzen, vielleicht jedes Jahr einen 2 Fuß langen Trieb gemacht. Vor
6 Jahren waren dieſe aus Kurztrieben zuſammengeſetzten kleinen Seiten-
zweige noch ſo kurz, daß man ſie leicht überſehen und meinen konnte, ihre
2 Blätter ſtänden unmittelbar am Langtriebe. Dies iſt der Irrthum, in
den man leicht verfallen kann.


Namentlich an dieſem Birkenreis können wir den glatten, ſchlanken
Langtrieb von den buckligen und runzligen Kurztrieben leicht unterſcheiden,
und ebenſo erkennen wir in IV. 5. und 7. zwei Kurztriebe von der Espe,
und zwar den einen (7.) genau wie den der Birke an einem Stück
eines Langtriebes.


Wenn wir nun eine wiſſenſchaftlich beſtimmte Unterſcheidung zwiſchen
Lang- und Kurztrieben aufſtellen wollen, ſo müſſen wir ſagen, Langtriebe
ſind ſolche Triebe, welche erſtens eine bedeutende Längenausdehnung und
zahlreiche, weit auseinanderſtehende Blätter haben, welche wenigſtens
theilweiſe entwicklungsfähige Knospen hinterlaſſen, während gerade die
Endknospe bei ihnen oft fehlſchlägt. Viele Weidenarten machen faſt nur
Langtriebe (deshalb vorzugsweiſe Ruthen, Gerten genannt); Kurztriebe
dagegen ſind ſolche, welche bei einer ſehr unbedeutenden Längenausdehnung
nur wenige, dicht beiſammen an der Spitze ſtehende Blätter haben, welche
in der Regel entwicklungsunfähige Knospen hinterlaſſen, mit Ausnahme
der ſtets entwicklungsfähigen Endknospe und reiner Blüthenknospen, welche
erſtere oft auch die einzige Knospe des Kurztriebes iſt.


Von letzteren beiden Gegenſätzen bieten der Eſchenzweig (III. 4.) und
die Birken- und Espenzweige (IV. 8. 5. 7.) deutliche Beiſpiele, indem
erſterer beiderlei Knospen hat, von denen jedoch nur die Endknospe
entwicklungsfähig war, letztere überhaupt blos eine Endknospe. Kurztriebe
letzterer Art haben bei Bäumen, deren Blüthenknospen am vorjährigen
[78] Triebe ſtehen, neben der Endknospe meiſt nur noch ſolche Blüthen-
knospen (IV. 5.).


Auf dieſer Verſchiedenheit von Lang- und Kurztrieben und auf dem
Fehlſchlagen unzähliger Knospen beruht weſentlich die maleriſche, ſo manch-
faltig zuſammengeſetzte Fülle unſerer Laubkronen, während dieſe ohne
Zweifel an einer unſchönen Regelmäßigkeit leiden würden, wenn alle
Triebe gleich ſein und alle Knospen ſich zu Trieben entwickeln würden.


Es muß hier noch einmal ausdrücklich darauf aufmerkſam gemacht
werden, was uns eben der Birkenzweig (IV. 8.) lehrte, daß das, was
dieſe Figuren (8. 5. 7.) darſtellen, richtiger Kurzzweige als Kurztriebe
heißen ſollte, denn wir ſahen, daß an Fig. 8. zwei aus je 7 Kurztrieben
von je kaum 1 Linie Länge zuſammengeſetzte Kurzzweige ſtehen. Ein
Trieb iſt ja immer nur das Produkt einer Vegetationsperiode (wenigſtens
am Baume) und an Fig. 8. ſehen wir in jedem der beiden Kurzzweige
das Produkt von 7 Vegetationsperioden.


Das Wort Zweig hat ſtreng genommen gar keine wiſſenſchaftliche
Berechtigung, wenigſtens nicht in der Forſtbotanik, eben ſo wie auch Aſt
nur eine Volksbenennung iſt. Es würde uns ſehr ſchwer werden, im
Anblick einer Eichenkrone, und namentlich unter vergleichender Berück-
ſichtigung einer alten und einer jungen Eiche, beſtimmt zu ſagen, was
an ihnen Aſt und was Zweig iſt. Nur was Trieb, Sproß, iſt, wiſſen
wir beſtimmt zu umſchreiben: das Axenglied, welches innerhalb einer
Vegetationsperiode aus einer Knospe hervorging.


Wenn wir auch nicht wiſſen, aus welchen Gründen die eine End-
knospe einen Langtrieb, eine andere einen Kurztrieb entwickelt, ſo iſt doch
hierüber nach der Alters- und ſonſtigen Beſchaffenheit der Bäume eine
gewiſſe Verſchiedenheit bemerkbar. An alten Bäumen herrſchen meiſt die
Kurztriebe vor, an jungen die Langtriebe. Beſonders übt hierauf das
Beſchneiden des Baumes einen bemerkenswerthen Einfluß. Eine friſch
geköpfte Weide treibt nur ellenlange Langtriebe hervor; daſſelbe thut ein
ausſchlagender Wurzel-Stock, deren Triebe, z. B. bei dem Ahorn, der
Rüſter, der Weide und vielen andern Bäumen nicht ſelten 2—3 Ellen
lang in einem Sommer hervorſchießen und den beſonderen Namen Stock-
lohden
erhalten haben. Ohne Zweifel übt hier der Umſtand einen
Einfluß aus, daß der geköpfte Baum oder der ſeines ganzen Stammes
[79] beraubte Wurzelſtock ſich dieſes Ausweges bedient, um die Fülle des auf-
genommenen Nahrungsſaftes zu verwerthen, welche die alte bleibt, da ja
die Wurzel dieſelbe geblieben iſt. Es findet hier gewiſſermaßen ein haſtiger
zügelloſer Bildungsdrang in dem Baume ſtatt, daher auch an den in
großer Anzahl und Ausdehnung hervorgetriebenen Langtrieben die Blätter
nicht nur rieſenmäßig groß werden, ſondern zuweilen auch ganz aben-
teuerliche Formen annehmen, was z. B. bei der Linde, der Feldrüſter
und der Eiche der Fall iſt.


Wenn es vielleicht meinen Leſern und Leſerinnen des Redens von
dieſen Trieben zu viel geworden ſein ſollte, ſo werden ſie bald anderer
Meinung werden, wenn ſie nun mit dem hierüber Gelernten an die
Bäume und Sträucher herantreten und es nun ganz leicht finden werden,
die Lebensgeſchichte und das Lebensalter derſelben, ſoweit ſich dieſe an den
Trieben ausdrücken, abzuleſen.


Freilich hört dieſes Ableſen auf, wenn die Schriftzüge: die Ein-
ſchnürungen und die ringförmigen Spuren der ehemaligen Knospenſchuppen
und die Blattſtielnarben, bei dem Dickerwerden der Zweige verwachſen.
Dann kann aber der geübte Blick immer noch weit herab annähernd
ſchätzen und im äußerſten Falle giebt die Zahl der Jahrringe im quer-
durchſchnittenen Aſte die ſofortige Auskunft.


Bei dieſem Abwärtsleſen von den äußerſten Triebſpitzen immer näher
nach dem Stamme hin wird man auch, namentlich bei den Laubhölzern,
recht deutlich inne, wie mit der immer zunehmenden Dicke der Verzwei-
gungen keine Grenze feſtzuſtellen iſt, von wo an die Bezeichnung Zweig
nicht mehr ausreicht und man dann Aſt ſagen muß.


Nachdem einmal der Trieb ſeine volle Länge erreicht hat, welche ihm
nach der ihm innewohnenden Kraft und nach dem ihm zugedachten Bil-
dungsſtoff geſetzt iſt, und er verholzt iſt, was bei allen Bäumen, die ab-
geſchloſſene
Triebe haben, im Juni beſtimmt der Fall iſt, ſo nimmt
er alsdann in der laufenden Vegetationsperiode an Länge nicht mehr zu
und er mißt im Juni wie im Oktober genau daſſelbe Längenmaaß. Etwas
anderes iſt es bei den Bäumen und Sträuchern, deren Triebe die ganze
Vegetationsperiode hindurch an der Spitze fortwachſen, was namentlich
auch an den Stocklohden oder an den Trieben geköpfter Bäume der Fall
iſt, ſelbſt wenn dieſe ſolche ſind, die wie Eiche und Buche im gewöhnlichen
[80] Zuſtande abgeſchloſſene Triebe haben. Ich erinnere an die Weiden und
andere vorhin genannte Bäume.


Wenn die Buche, die Linde, die Eiche im Mai ihre Triebe aus den
Knospen herausgebildet haben, ſo ſteht nach längſtens 14 Tagen das
Treiben dieſer Bäume für einige Zeit vollſtändig ſtill. Es wächſt ihnen
kein neues Blatt nach; die Triebe werden keinen Strohhalm breit länger.
Dies ſind die Bäume mit abgeſchloſſenen Trieben. Wenn wir am An-
fange und am Ende dieſer Periode des Stillſtandes, welche ungefähr
6—8 Wochen dauert, zu verſchiedenen Zeiten Photographien von einem
ſolchen Baum nehmen könnten, ſo würden wir dieſe ſämmtlich hinſichtlich
der Blätter und Triebe vollkommen einander gleich bekommen. Aber dann
ermannt ſich das Baumleben noch einmal zu Neubildungen, namentlich
bei Buche und Eiche.


Einzelne Knospen, End- wie Seitenknospen, deren Mutterblatt noch
lebensfriſch neben ihnen ſteht, öffnen ſich und treiben einen meiſt ziemlich
kurz bleibenden, belaubten Trieb, deſſen Blätter bei der Buche ſo zu
ſagen meiſt etwas ſchlechter gerathen als die Maiblätter. Dann verleihen
dieſe zweitgeborenen Blätter durch ihre jugendliche gelbgrüne Farbe dieſen
Bäumen eine Zeit lang ein abſonderliches Anſehen, indem ihr ernſtes
tiefes Grün von friſchem Gelbgrün beſprenkelt erſcheint, bis nach kurzer
Zeit auch dieſe neuen Blätter dieſelbe tiefe Farbe wie die Maiblätter an-
genommen haben.


Dieſen zweiten Trieb nennt man Sommer-, Johannis- oder
auch wohl (gegen die Zeit) Auguſttrieb. Seine Zeit fällt je nach den
Witterungsverhältniſſen in dieſem Zeitraume etwas früher oder etwas
ſpäter. Da nun dieſer zweite Trieb auch aus einer Knospe hervorgeht,
ſo zeigt er zuletzt an ſeiner Baſis, wo er an den Maitrieb grenzt, ähn-
liche Kennzeichen, wie dieſer an ſeiner Grenze gegen den vorjährigen Trieb.
Man kann daher Gefahr laufen, Maitrieb und Sommertrieb Eines Jahres
für 2 Jahrestriebe zu halten und dann einem Zweige ein höheres Alter
zuſchreiben als er hat. Vor dem Laubfall kann man dieſen Irrthum
freilich nicht begehen, denn da man dann an beiden Trieben Blätter
findet, ſo weiß man, daß beide derſelben Vegetationsperiode angehören müſſen.


Man kann den Sommertrieb während der ganzen Vegetationsperiode
künſtlich hervorrufen, wenn man z. B. die Maitriebe ſtark zurückſtutzt,
[81] wodurch die Knospen der ſtehen gebliebenen Blätter genöthigt werden,
dem Andrange des Nahrungsſaftes ſich zu öffnen und einen Trieb zu
entwickeln. Darum treiben im Laub beſchnittene Hecken immer eine Menge
neue Triebe, welche ohne das Beſchneiden nicht gewachſen ſein würden.
Namentlich an Stockausſchlägen, die mit ihrem Bildungsſtoff nicht wiſſen
wohin, iſt dieſe Erſcheinung ſehr häufig. Dieſes Beſchneiden der Hecken
iſt daher ein allgemein angewendetes Mittel, dieſelben dichter zu machen.


Trotz dieſer vielen Ausnahmen kann man es doch als eine Regel be-
trachten, daß die Baumknospen beſtimmt ſind, ſich erſt in der
folgenden Vegetationsperiode (nach einem Winter) zu ent-
falten
.


Im Einklang mit dieſer Regel müſſen wir es nun einen Vorgriff,
eine Vorzeitigkeit — wiſſenſchaftlich Anticipation oder Pro-
lepſis
— nennen, wenn eine Knospe, wie wir es eben bei Eiche und
Buche kennen lernten, noch in derſelben Vegetationsperiode zur Entfaltung
kommt, in welcher ſie ſelbſt gebildet wurde und während ihr Mutterblatt
noch lebendig am Baume neben ihr ſteht.


Den Sommertrieb der Eichen und Buchen möchten wir eine na-
türliche Prolepſis
, die Triebe beſchnittener Bäume eine künſtliche
Prolepſis
nennen. Zwiſchen beiden beſteht der Unterſchied, daß es bei
der letzteren in der Regel zu einer vorgängigen Knospenbildung gar nicht
kommt, während bei jener der Trieb immer aus einer wirklichen Knospe
hervorgeht, wenn auch dieſe nie ſo vollkommen wie eine Herbſtknospe iſt.


Aus alledem, was wir bisher über den Jahrestrieb kennen gelernt
haben, geht nun als Endergebniß hervor, daß der Baum aus zeitweiſe
nacheinander hinzugewachſenen ſelbſtſtändigen Längentheilen zuſammengeſetzt
iſt, welche ſich ſcharf von einander abgliedern, ſo daß wir auch einen
Trieb an ſeiner Anfügungsſtelle am Zweige leichter abbrechen können, als
in ſeiner Mitte. Für dieſe letzte Erſcheinung müſſen wir nun noch einen
Grund in ſeinem Innern ſuchen, wobei uns Fig. III. 2. (auf S. 60)
behülflich ſein ſoll.


Dieſe Figur ſtellt einen durch die Mitte geſpaltenen Eſchenzweig dar,
dem in Fig. III. 4. abgebildeten ſehr ähnlich. Der Zweig beſteht aus
2 Kurztrieben und dem oberen Theile eines dritten. In dem geſpaltenen
Marke iſt durch Sternchen die Stelle bezeichnet, wo der Urſprung des
Roßmäßler, der Wald. 6
[82] neuen Triebes iſt. mm′ iſt das Mark und zwar m der innere Theil
deſſelben, welcher trocken und nicht mehr lebensthätig iſt, m′ der äußere
Theil, welcher in ſeinen Zellen Stärkemehl und einige andere Stoffe
enthält und noch lebensthätig iſt. Wir ſehen, daß dieſe äußere Markſchicht
nach jeder Knospe hin ſich vordrängt, während die Schicht m in der Axe
des Triebes zurückbleibt; h ſind die fünf Jahrringe, denn der Trieb war
5 Jahre alt; rr′r″ ſind die drei Schichten der Rinde.


Wir werden dieſe Figur noch beſſer verſtehen, wenn wir damit die
Figur 3 vergleichen. Sie ſtellt den Querſchnitt durch den Trieb mitten
durch zwei einander gegenüberſtehende Blattſtielnarben dar, wo allemal
der Trieb in der Richtung der Knospengegenüberſtellung breit gedrückt iſt
(was wir deutlich an III. 4. ſehen), daher eigentlich die Figur quer ſtehen
müßte. Dieſelben Buchſtabenbezeichnungen bezeichnen hier dieſelben Theile
wie an Fig. III. 2. Das Mark, was zwiſchen je zwei übereinander-
ſtehenden Knospenpaaren auf dem Querſchnitt ziemlich kreisförmig iſt,
zeigt ſich hier nur in ſeinem inneren Theile ſo m, während die äußere
Schicht deſſelben ſehr lang und ſchmal breit gezogen iſt m′ und von einer
Blattſtielnarbe bis zur andern quer herüber reicht, wo es in die Knospen-
axen der 2 Knospen eintrat, welche hier geſtanden haben. Das Mark
hat hier auch die 5 Holzlagen (der Zweig iſt alſo 5 Jahre alt) durch-
brochen, von denen die innerſte viel dicker als die vier andern iſt. Das
Mark iſt der erſte Ernährer der ſich bildenden und ſpäter der ihre Ent-
faltung beginnenden Knospe.


Stamm und Aeſte.


Wenn wir an einem alten ſchlanken Buchenſtamme ſtehen, ſo können
wir nicht mehr ſehen, daß auch er in ſeiner ganzen Länge Sproß auf
Sproß gliederweiſe erwachſen iſt und auch wenn wir ſeinen vielleicht 20 Ellen
langen aſtfreien Schaft mitten durch das Mark ſpalten, wir würden nur den
gleichmäßigen Holzkörper finden und nur das geübteſte, mit der ſcharfen
Lupe bewaffnete Auge könnte mit vieler Mühe den Markkörper entlang
die oberen Endigungen der immer höheren, einander umſchließenden Jahres-
lagen auffinden. Es iſt als ob der Stamm nur eine geſetzmäßige Jugend
hätte, während ſein Alter im Drange des Lebensberufes, welchen wir in der
[83] Saftzuführung und im Laſttragen bereits kennen gelernt haben, ihn an
ſeine eigene Leibes- und Lebensordnung am wenigſten denken laſſe, ſo
daß er inwendig oder ſeitlich dem Tode und der Fäulniß längſt verfallen
ſein kann und dennoch unverdroſſen ſeinem gemeinnützigen Berufe lebt.


Von den zahlreichen Zweigen, welche im Verlaufe ſeines vielleicht
mehr als hundertjährigen Lebens zwiſchen ſeiner Wurzel und ſeinem
jetzigen erſten, aber 20 Ellen hoch ſtehenden Aſte geſtanden haben, aber
jung ſtarben, iſt an ſeiner glatten ſilbergrauen Rinde nichts mehr zu
ſehen, als vielleicht einige längſt vernarbte Wunden, wo ihm der Sturm
erſt in reiferen Jahren einen Zweig glatt am Leibe abgeriſſen hatte.


Sehen wir eine alte Eiche oder Linde an, oder was ſonſt für einen
alten Laubholzbaum, wir finden dieſelbe vollſtändige Verwiſchung ſeiner
Entſtehungsgeſchichte, ſeiner Altersſtufen; eine tief gefurchte dicke Borke
umpanzert den mächtigen Leib. Weſentlich anders iſt es bei den Nadel-
hölzern. Auch an einer alten mehr als mannsdicken Kiefer erkennt man
in den meiſten Fällen bis herunter an die Erde ihre ehemaligen Aſtquirle
und während es bei einem alten Laubholzbaume ein ſehr gewagtes Ding
iſt, ſein Alter zu ſchätzen, ſo kann man es bei einem Nadelbaume, na-
mentlich wenn er gefällt vor uns liegt, nicht blos ſchätzen, ſondern bis
auf wenige Jahre ab und zu genau angeben, auch ohne daß wir am Ab-
ſchnitt ſeine Jahresringe zählen. Alſo bis in ihr hohes Alter bewährt
ſich der Einfluß ihres mathematiſchen Lebensgeſetzes bei den Nadelhölzern
von den wir vorhin ſprachen (S. 70).


Der Forſtmann ſagt, daß ſich der Nadelbaum ſpäter reinige als
der Laubholzbaum, d. h., daß er im Aelterwerden ſeine früheren, allmälig
abſterbenden Aeſte ſpäter abwerfe. Der Grund zu dieſer Erſcheinung,
welche eine Thatſache iſt, liegt in mehr als einem Umſtande. Das Harz,
welches den Nadelbäumen eigen iſt, ſchützt die abgeſtorbenen Aeſte längere
Zeit vor der Fäulniß. Da das Harz namentlich nach Verwundungen
hinſtrömt, ſo werden die Aſtſtummel oft nach und nach ganz mit Harz
durchdrungen. Wer im Walde einigermaßen zu Hauſe iſt, der weiß′
daß ein dürrer Aſt eines Laubholzbaumes wie Glas abbricht, während
er von einem Nadelbaume viel ſchwerer abzubrechen iſt. Ferner iſt dem
Baue nach das Holz der Nadelbäume an ſich zäher als das der Laub-
hölzer und namentlich iſt die Aſtverbindung mit dem Stamme inniger als
6*
[84] bei den Laubhölzern, daher es ſchwerer iſt einen lebenden Fichtenzweig
vom Stamme abzureißen, als von irgend welchem Laubholzbaume.


Darum ſehen wir auch in jedem Nadelwalde an jedem Baume eine
Menge Aſtſtummel ſtehen, die, wenn ſie nicht zu lang waren, zum Theil
nach und nach in den dicker werdenden Stamm gewiſſermaßen hinein-
wachſen, was bei den Laubhölzern viel weniger der Fall iſt. Wir dürfen
nur auf unſere fichtenen Stubendielen ſehen, um an den zahlreichen
„Aſtlöchern“ die Beſtätigung hiervon zu erhalten. An dem aus der
Mitte des Stammes geſchnittenen Bret ſehen wir auch immer die ein-
gewachſenen Aſtſtummel vom Marke aus die Holzfaſern ſchräg durch-
ſetzen, ſcharf von dieſen abgegrenzt.


Wenn aber auch äußerlich am alten Baumſtamme der artkennzeich-
nenden Merkmale wenige und noch weniger der altersbeſtimmenden ſind,
ſo zeigen ſich dafür beide in deſto reicherem Maaße in ſeinem Innern.
Wir wollen daher, nachdem wir die Geſetze ſeines äußeren Aufbaues
kennen gelernt haben, uns mit denen ſeines inwendigen Lebens und Ge-
ſtaltens bekannt machen.


Wir können dabei von einer breiten Grundlage von Allbekanntem
ausgehen. Mark, Holz und Rinde kennen wir alle als die drei un-
fehlbaren Haupttheile eines Pflanzenſtengels aus der Abtheilung der zwei-
ſaamenlappigen Gewächſe; wenn wir auch das Mark eines alten Baum-
ſtammes nur zufällig einmal an den Scheitchen unſeres Holzkorbes oder
an einem Brete ſehen, für welches der Sägeſchnitt ſehr gegen den Wunſch
des Käufers zufällig gerade durch das Mark ging und dadurch einen
Fehler, eine weiche Linie, bekam.


Weil man im Ganzen an Bretern oder aus denſelben gearbeiteten
Dingen ſo ſelten den Markcylinder zu ſehen bekommt, ſo hat ſich wohl
hie und da der Irrthum eingeniſtet, als werde am alten Baume das
Mark ſo ſtark zuſammengedrückt, daß es zuletzt verſchwinde. Ein ſolcher
Druck findet nicht ſtatt und das Mark verſchwindet auch im älteſten
Baumſtamme nicht, es ſei denn durch Ausfaulen mit dem Kern. Schon
der Umſtand, daß das Holz aus zahlreichen, einander umſchließenden
walzenförmigen Schichten beſteht, alſo ein echtes Tonnengewölbe iſt,
müßte jeden Gedanken an eine Zuſammenpreſſung des Innern fern
halten.


[85]

Schneiden wir einen einjährigen Zweig irgend eines Baumes, z. B.
eine Weidenruthe, durch und thun wir daſſelbe mit dem verholzten Stengel
einer krautartigen Pflanze, z. B. einer Klette, einer Sonnenroſe oder
auch nur eines Levkoi-Stockes, ſo finden wir ſie beide in der Anordnung
der drei genannten Beſtandtheile des Baumſtammes, der ja auch nur
ein Stengel, aber ein ſehr vieljähriger, iſt, ganz übereinſtimmend. Unter
der Rinde ſehen wir auf dem Schnitt einen Holzring und die Mitte
nimmt ein mehr oder weniger dicker Markkörper ein.


Der Holzring iſt bei allen unſeren Bäumen und Sträuchern ſchon
im jungen Triebe ein vollkommen geſchloſſener, während er bei vielen
krautartigen einjährigen Pflanzen aus einzelnen Holzbündeln zuſammen-
geſetzt iſt. Man ſieht jedoch auch bei manchen Bäumen wenigſtens etwas
Aehnliches. An dem Querſchnitte eines einjährigen Eichentriebes ſehen
wir um das fünfeckig ſternförmige Mark herum den Holzring ebenfalls
dieſe Geſtalt annehmen und zwiſchen je 2 der Ecken bildet das Holz ge-
wiſſermaßen durch die Ecken verbundene einwärts gebogene Partien. Wir
ſehen dies an Fig. VII., welche ein nur ſchematiſirtes Bild eines jungen
Eichentriebes im Querſchnitt darſtellt.


Figure 7. VII.

Querſchnitt eines ganz jungen Eichentriebes.

  • m. Mark.
  • h. Holz.
  • c. Cambiumcylinder.
  • b. Baſtſchicht in der Rinde.
  • r. Rinde.
  • o. Rindenhaut.

[86]

Im Weſentlichen ſtimmen alle unſere Bäume und Sträucher in der
Anordnung und Anlage der verſchiedenen Gewebsmaſſen ihrer Stengel-
theile überein. Die dabei ſtattfindenden Unterſchiede ſind nur nebenſäch-
liche, obgleich immerhin oft ſo erheblich und in das Auge fallend, daß
ein geübtes Auge in vielen Fällen an einjährigen Trieben auf dem Quer-
ſchnitte die Holzarten unterſcheiden kann. Wir werden einige dieſer Unter-
ſcheidungsmerkmale ſpäter bei denjenigen Baumarten kennen lernen, bei
denen ſie eben artunterſcheidend, oder wenigſtens gattungsunterſcheidend
auftreten.


Bei der Betrachtung des Markes, bei allen unſeren Holzarten
der innerſte Theil der Stengelgebilde, müſſen wir uns erinnern, daß
das Mark im Pflanzenkörper eine andere Bedeutung hat, als im Thier-
körper, wie es überhaupt ſchon oft zu irrigen Auffaſſungen verleitet hat,
wenn man pflanzliche Körpertheile und Lebenserſcheinungen nach thieriſchen
deuten wollte, weil die letzteren den erſteren ähnlich ſchienen.


Das Mark iſt in den Pflanzen eine faſt immer ſehr gleichmäßig
gebildete Zellengewebsmaſſe, welche aus ſogenannten kurzen, d. h. ſolchen
Zellen beſteht, an denen die Ausdehnung nach allen Richtungen (Länge,
Dicke, Breite) gleich iſt. Man kann ſich davon leicht am Hollundermark
überzeugen, wenn man einen Quer- und einen Längsſchnitt davon vergleicht.


Bei unſeren meiſten Waldbäumen iſt das Mark ein verhältnißmäßig
ſtarker, walzenförmiger und daher einen runden Querſchnitt zeigender
Körper, an welchem man eine innere, trockne, weiße Schicht und eine
zweite ſaftige, meiſt grünliche, jene erſte umſchließende äußere Schicht
unterſcheiden kann. Beſonders ſtark iſt der Markcylinder bei dem Hollunder
(Sambucus nigra), bei der Eſche, bei den Ahornen, beim Schneeball,
den wilden Roſen- und Brombeerſchoſſen u. ſ. w.


Bei anderen Bäumen iſt der Markcylinder dagegen auffallend dünn
und auch nicht aus den beiden eben erwähnten Schichten zuſammengeſetzt.
Solchem Marke fehlt dann die innere Schicht und es beſteht nur aus
lebendigen Zellen der äußeren Schicht. Es hat dann auch bei einigen
Bäumen keinen runden Querſchnitt. Daß er bei der Eiche fünfeckig oder
faſt ſternförmig iſt, wiſſen wir ſchon (Fig. IV. 3., S. 63 und Fig. VII.
der vor. S.). Bei der Birke iſt er dreieckig, bei der Erle ſogar faſt
ſpornförmig oder dreiſtrahlig (Fig. III. 11. S. 60).


[87]

Am augenfälligſten iſt die Trennung des Markes in eine äußere,
Kreisſchichtm, und in eine innere, Kernſchichtm′ an der Eſche
zu ſehen, wie dies nebenſtehende Figur VIII.*) zeigt. Die Kreisſchicht
wird auch Markſcheide genannt.


Figure 8. VIII.

Querſchnitt eines einjährigen Eſchentriebes, achtmalige Vergrößerung (nur ſchematiſirt.)

  • m′ Kernſchicht,
  • m Kreisſchicht des Markes.

Wir haben aber nun an einer, der größeren Deutlichkeit wegen auch
nur ſchematiſirten Figur (IX.) zu unterſuchen, wie die drei weſentlichen
Beſtandtheile eines Zweiges wie jeden Stammes unſerer Waldbäume,
untereinander verbunden ſind.


Es hat der ſehr ſtark vergrößerten Figur ein zweijähriger Trieb zum
Grunde gelegen und wir ſehen, daß ſie vom Mittelpunkte des Markes
aus etwa ein Sechstel des ganzen Querſchnittes darſtellt, von welchem
wieder außen ein würfelförmiges Stück herausgeſchnitten iſt. Wir be-
kommen dadurch die drei Hauptanſichten des Holzes oder überhaupt eines
Stengelgebildes zu Geſicht: erſtens den Querſchnitt (Q) — was der
[88] Holzarbeiter „über Hirn,“ „Hirnholz“ nennt, — zweitens den Spalt-
ſchnitt
(Sp), welcher vom Mittelpunkte nach einem Punkte des Um-
fanges des Stengels geführt iſt, und drittens den Sekantenſchnitt (Se),
oft auch, aber weniger richtig, Tangentialſchnitt genannt — durch welchen
auf der Sägemühle von einem Stamme das erſte Bret abgeſchnitten wird,
alſo rechtwinklig auf den Spaltſchnitt. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß
außer dieſen drei Schnitten noch unzählige andere durch einen Zweig oder

Figure 9. IX.

Schema des Stammbaues.
m das Mark, und zwar m′ deſſen Kern- und m deſſen Kreisſchicht; — h das Holz, und
zwar 2 Jahresringe, zwiſchen denen die Jahresgrenze jj; — 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. ſieben
Markſtrahlen; — c die Cambiumſchicht; — r die Rinde, darin die Rindenmarkſtrahlen *; —
Q Querſchnitt; Sp Spaltſchnitt; Se Sekantenſchnitt.


Stamm geführt werden können, welche immer eine andere Anſicht von
deſſen innerem Gefüge geben müſſen. Jene drei aber erkennen wir leicht
als die allein maaßgebenden, weil ſie in einem regelmäßigen Verhältniſſe
zu dem Gewebe des Stammes ſtehen und wir wollen ſie daher die drei
Normalſchnitte
nennen.


Auf dem Querſchnitte ſehen wir an der rechten Ecke das Mark (m),
dann das Holz (h) und außen die Rinde (r). An dem Markſechstel
unterſcheiden wir die Kernſchicht (m′) und die Kreisſchicht (m). Wo
dieſe beiden Marktheile ſich gegenſätzlich ausgeprägt finden, da iſt der
[89] innere, die Kernſchicht, an jedem mehr als 1 Jahr alten Triebe ſtets
trocken und ſaftleer, und wenn ſie, wie dies meiſt der Fall iſt, eine
weiße Farbe hat, ſo gleicht ſie auf einem glatten Querſchnitte recht fein-
blaſigem eingetrockneten Seifenſchaume, wegen des Glanzes der trocknen
Zellenwände (dies iſt am Hollundermark leicht zu ſehen). Von der Kreis-
ſchicht des Markes ſtrahlen auf dem Querſchnitte (Q) des abgebildeten
Holzſtückes 5 gerade, dünne und dickere Streifen (1. 2. 3. 4. 5.) durch
das Holz hindurch nach der Rinde hin. Dies ſind die ihren Namen
alſo ganz paſſend tragenden Markſtrahlen, wahre Ausſtrahlungen
des Markes.


Doch nur die Markſtrahlen der innerſten, zunächſt an das Mark
grenzenden Jahresringe gehen unmittelbar vom Marke aus; bei zu-
nehmender Dicke des Zweiges entſtehen in den neuhinzukommenden Jahres-
ringen immer mehr neue Markſtrahlen, die alſo ſtreng genommen, da ſie
nicht im Marke entſpringen, ihren Namen nicht vollkommen verdienen.
Eben ſo gehen ſchon bei einem nur einigermaßen ſtarken Zweige nicht
alle Markſtrahlen bis zur Rinde, und an einem Querſchnitte eines hundert-
jährigen Stammes gehen die einzelnen Markſtrahlen ſelten durch mehr
als 10—12 Jahresringe; dann entſpringen neben ihnen neue.


Es iſt als eine ſehr bemerkenswerthe Erſcheinung hier beſonders her-
vorzuheben, daß die Markſtrahlen mehr als ein anderer Beſtandtheil des
Stammes, ja eigentlich ſie ganz allein die ſtreng mathematiſche Regel der
vollkommen geraden und zum Marke rechtwinkligen Linie und des ſtrengſten
Parallelismus unter ſich beobachten. Der letztere tritt auf der Spaltfläche
jeder beliebigen Holzart deutlich hervor.


Die Markſtrahlen ſind nach ihrer Länge, Breite und Dicke
aufzufaſſen und zwar wenden wir ein für allemal dieſe drei Dimenſionen
an einem Markſtrahle eben ſo an wie an einem Bande. Demnach ſind
an unſerer Fig. IX. die Markſtrahlen 1. 2. 3. und 5. dünner als 4,
und (an der Spaltfläche Sp ſichtbar) 6. breiter als 7. Auf der Se-
kantenfläche, Se, ſehen wir die Breitenverſchiedenheiten von 10 hier quer-
durchſchnittenen Markſtrahlen. Auf der Fläche r c j, welche natürlich eine
Spaltfläche wie Sp iſt, ſehen wir drei verſchieden breite Markſtrahlen.


[90]

Nach dem Marke folgt von rechts nach links an der Figur IX. das
Holz und zwar 2 Jahresringe,*) welche durch die Jahresgrenze
(jj) getrennt ſind.


Es iſt noch gar nicht ſo lange, daß man über die zeitliche Bedeutung
der Jahrringe außer Zweifel iſt, obgleich der Praktiker hierin ſchon
ſeit langer Zeit dieſe auf dem Querſchnitt eines Stammes oder Aſtes
ſichtbaren ringförmig erſcheinenden Holzſchichten Jahrringe oder kurzweg
Jahre nennt, und von grob- und feinjährigem Holze ſpricht und
dadurch andeuten will, daß, wie es auch thatſächlich iſt, jedes Jahr alle-
mal nur eine ſolche Schicht gebildet wird.


In unſerem Klima unterbricht der kalte Winter und in den Tropen-
ländern die dürre Jahreszeit das Wachsthum der Bäume und erſt nach
Ablauf dieſes Stillſtandes hebt das Wachsthum von Neuem an, was zur
Folge hat, daß dieſes neue Anheben des Dickenzuwachſes durch eine Grenz-
linie bezeichnet iſt.


In der Regel ſind die Jahrringe, oder hier richtiger die Jahreslagen,
in dieſen Berührungs- oder Grenzflächen (denn nur auf dem Querſchnitte
ſind es Grenzlinien) innig und feſt mit einander verbunden. Zuweilen
zeigen aber die Stämme eine krankhafte Erſcheinung, welche der Forſtmann
Kernſchäligkeit nennt, und welche darin beſteht, daß ſich die Jahres-
lagen von einander ablöſen und dann der Stamm dieſelbe Erſcheinung
zeigt, welche man zuweilen an Wachskerzen bemerkt, die ſich der Länge
nach in Schalen auflöſen. Die Urſache der Kernſchäligkeit iſt noch unbekannt.


Es iſt leicht zu vermuthen, daß die Breite der Jahresringe theils
von der Fruchtbarkeit des Bodens, theils von der der Witterung abhängt,
[91] daher auf einem Stammquerſchnitt ſehr oft Jahrringe von der verſchie-
denſten Breite neben einander vorkommen. Oft aber ſehen wir an einem
Querſchnitte alle Jahrringe an einer Seite des Stammes viel breiter als
an der entgegengeſetzten und daher den Querſchnitt mehr eirund als kreis-
rund, und das Mark weit aus dem wahren Mittelpunkte des Stammes
gerückt. Dies deutet auf eine ungleichmäßige Ernährung des Stammes.
Stand ein Baum am Rande eines Beſtandes und konnte er vielleicht als
Randbaum einige recht kräftige Wurzeln in den lockern fruchtbaren Boden
einer anſtoßenden Wieſe hinaustreiben, und dabei ſeine Aeſte an dieſer
Seite frei in die Luft hinaus entfalten; oder ſtand ein Baum dicht an
einem ſteilen Felſen, in den er keine Wurzeln hineintreiben und gegen
den hin er auch keine Aeſte ausbilden konnte, ſo wird in beiden Fällen
der Stamm excentriſch wachſen, d. h. es werden bei dem einen auf der
nach der Wieſe hin und bei dem andern auf der vom Felſen ab liegenden
Seite die Jahresringe ſtärker ſein als auf der entgegengeſetzten, weil beide
hier die ſtärkeren Wurzeln und Aeſte hatten.


Dies Verhalten ſehen wir an Fig. X. 1. dargeſtellt (einem mitten
durchgeſpaltenen Baume), wo a eine kümmerliche dünne, etwa in einen
Felsſpalt eingetriebene Wurzel darſtellt und zugleich der Baum nach der-
ſelben Seite nur wenig Aeſte hatte. Darum ſehen wir das Mark ſehr außer
der Mitte des Stammes und deſſen Jahreslagen in gleichem Sinne nach
rechts dünner als nach links.


Dieſes höchſt ungleichmäßige Verhalten der Jahresringe zeigt ſich
namentlich an den dicken Aeſten des Stammes und des Wurzelſtockes.
Erſtere zeigen ſich an ihrem Urſprunge oft ſeitlich dreit gedrückt und dann
liegt das Mark weit außer dem wahren Mittelpunkte nach oben hin (Fig. X. 3.).


Stand aber ein Baum — was namentlich von der oft in dichteſtem
Schluſſe ſtehenden Fichte gilt — von allen Seiten von anderen Bäumen
dicht umſtanden, ſo daß auch ſeine Wurzeln und Aeſte ringsum die ganz
gleichen Entwicklungsbedingungen und das gleiche Maaß von Ernährung
fanden, ſo ſind auch die Jahresringe ringsum von ganz gleicher Dicke
und ſolche Stämme haben dann oft einen wie mit dem Zirkel gezogenen
Querſchnitt und ihr Mark liegt vollkommen im Mittelpunkte.


Zuweilen ſtehen auch, und hier wieder vorzugsweiſe Fichten,
zwei alte Bäume ganz dicht beiſammen, ſo daß in der unteren Partie
[92] oft kaum ein Finger breit Raum zwiſchen ihnen bleibt und ſie auch in der
Krone einander an der Aſtbildung hindern. Auch in dieſem Falle müſſen
beide Stämme excentriſch wachſen und an den einander zugekehrten Seiten
müſſen die Jahrringe dünner ſein als auswärts. Zuweilen kommt es dann
vor, daß der eine Baum umgehauen wird, wodurch der andere dann mehr
Freiheit bekommt. Er fängt dann an auf der frei gewordenen Seite die Jahr-
ringe wieder dicker zu machen. Dies Verhältniß zeigt ſich an Fig. X. 2.


Figure 10. X.

1. 2. 3. excentriſch gewachſene Stämme, an Fig. 1 a ein verwachſener Zweig, b ein
überwallter Aſt. — 4. Unterſchied zwiſchen Kernholz und Splint. — 5. Seitliche Aus-
heilung eines ganz ausgefaulten Stammes.


[93]

Oft ſieht man aber auch an verſchiedenen Seiten des Querſchnitts
eine Breitenverſchiedenheit der Jahrringe. Dann rührt die eine vielleicht
von dem Standorte, wie eben beſchrieben, her, die andere vielleicht da-
von, daß über ihr ſich ein Aſt beſonders ſtark entwickelte, der nun unter
ſich den Stamm beſonders reichlich ernährte. Später brach vielleicht der
Sturm dieſen Aſt ab, und nun treten über den bisher auffallend breiten
Stellen der Jahrringe auffallend dünne auf. Es iſt dies an Fig. XI.
dargeſtellt, an welcher die durch eine Linie zuſammengefaßten Jahresringe
drei dergleichen beſonders modificirte Stellen der Jahresringe bezeichnen.
Zuerſt hatte der Stamm dicht neben ſich einen Nachbar und daher waren

Figure 11. XI.

Stammquerſchnitt mit zeitweilig an verſchiedenen Stellen ungleichmäßiger Jahresringbildung.


die Jahresringe von dieſer Seite ſehr ſchmal, während ſie ſich an der
entgegengeſetzten ſehr breit entwickelten. Später wurde der hinderliche
Nachbar beſeitigt und nun entwickelten ſich auch an der frei gewordenen
Seite die Jahresringe breit. Die beiden, durch die anderen zwei Linien
zuſammengefaßten Anſchwellungen der Jahresringe wurden durch einen
über dieſer Stelle ſtehenden ſtarken Aſt bedingt. Einer derſelben iſt ſpäter
abgeſtorben oder abgebrochen, daher wir die Jahresringe hier wieder ſchmal
finden. Der drittletzte Ring iſt ringsum ſehr ſchmal, daher war das ihm
entſprechende Lebensjahr für dieſen Baum ein Hungerjahr — wenn wir
einmal jeden Ring an dieſer Figur für je einen Jahresring halten wollen,
während ich mir bei der Zeichnung derſelben unter jedem Ringe vielmehr
je deren fünf gedacht habe, weil ſonſt der Baum zu jung geweſen wäre, um
[94] ſchon ſolche auffallende Einflüſſe auf ſeine Holzbildung erlebt haben zu
können.


Dieſe bisher von vielen meiner Leſer und [Leſerinnen] gewiß mit
Gleichgültigkeit angeſehenen concentriſchen Kreiſe an dem Querſchnitte eines
Stammes oder eines ſtehenden Stockes oder auch nur eines Balkens werden
für dieſelben durch dieſe Mittheilungen gewiß eine überraſchende Bedeut-
ſamkeit erhalten haben, und es iſt nicht zu viel geſagt, indem ich ihnen
einen ſehr unterhaltenden Genuß verſpreche, wenn ſie auf das gegenſeitige
Verhalten der Jahresringe an einem Baumſtamme achten wollen. Man
kann daran die ganze Lebensgeſchichte eines vor uns liegenden, ſeiner
Wurzel und ſeiner Aeſte und Krone beraubten Baumes leſen, ſo weit ſich
dieſelbe an dem Holze ausſpricht.


Hier liegen zwei Fichtenſtämme vor einer Schneidemühle, um in
Breter geſchnitten zu werden. Sie ſind beide gleich dick und tragen am
Abſchnitt den gleichen Stempel ihres Beſitzers. Er hat vielleicht, ja
wahrſcheinlich, für beide den gleichen Preis gezahlt, denn bei gleicher Länge
und gleichem Durchmeſſer haben beide denſelben Gehalt an Holzmaſſe.
Und doch ſind die beiden Stämme ſehr verſchieden an Werth. Der eine
der beiden Stämme hat viel ſchwammigeres weicheres Holz, denn er iſt
auf einem ſehr üppigen fruchtbaren Boden erwachſen, viel ſchneller als
der andere, der auf magerem Boden ſtand. Wir ſehen das aus den
Jahresringen. Der erſte hat deren 15 weniger als der andere und iſt
doch ebenſo dick. Er ſetzte eben auf ſeinem guten Standorte jährlich dickere
Jahresringe an als der andere und war daher funfzehn Jahre früher
ebenſo dick als der andere; aber er wurde dies auf Koſten der Güte ſeines
Holzes. Er iſt grobjährig, während der andere feinjährig iſt — eine
ſonderbare Vertauſchung des wenig mit grob und des viel mit fein.


Es gewährt dem Gebirgsbewohner — wenn er darauf achten will —
eine angenehme Unterhaltung, vor der Schneidemühle am Gebirgsbache in
ſeiner Nachbarſchaft baumbiographiſche Studien zu machen. Er hat
beobachtet, daß ſeit mehreren Tagen immer dieſelben Geſpanne Fichten-
klötze angefahren bringen und vor der Schneidemühle zu einer hohen
Schicht aufthürmen. Sie ſind alle von gleicher Länge und durchſchnittlich
auch von ziemlich gleicher Stärke. Daß ſie alle aus einem königlichen
Forſtrevier kommen, ſieht er an dem Waldzeichen auf ihren Abſchnitten
[95] und er kann es auch allenfalls beim Schneidemüller erfragen. „Die
ſtanden auf echtem Fichtenboden und das in gutem Schluß,“ ſagt er ſich,
„denn die Jahre ſind von der richtigen Breite, eine Linie breit, etwas
drüber oder drunter, und einer wie der andere, das Mark im Mittel-
punkte wie das Schwarze in der Scheibe.“ Da fällt ihm ein, daß vor
ſechs Jahren ein harter Spätfroſt, noch ſpäter als Pancratius und Ser-
vatius, alle Maitriebe der Fichten weit und breit umher vernichtete, ſo
daß die roſtrothen Triebe den Beſtänden einen rothen Schein gaben.
Er zählt an den Stämmen 6 Jahresringe rückwärts und richtig findet
er wenigſtens bei der großen Mehrzahl den entſprechenden Jahresring
viel ſchmaler als die übrigen benachbarten.


So wird für denjenigen, der wenigſtens die Bedeutung der Jahres-
ringe kennen gelernt hat, dieſe ſo höchſt einfache Seite der Stammbildung
eine Quelle zu einer Unterhaltung, die wenigſtens ein anregender Zeitvertreib
genannt werden darf, für den ſinnigen Freund des Waldes aber jeden-
falls mehr iſt.


Es liegt uns jetzt die Frage nahe, ob trotz der großen Verſchieden-
heit, welche die Jahresringe in ihrer Breite ſelbſt an einem und demſelben
Stamme oder Aſte, ja ſelbſt die ein Jahresring an verſchiedenen Stellen
ſeines Umfanges zeigt — ob nicht dennoch bei den verſchiedenen Baum-
arten wenigſtens einigermaßen eine Regel in der durchſchnittlichen Breite
herrſche. Mit Vorbehalt iſt darauf ja zu antworten. Die Lärche hat
z. B. durchſchnittlich breitere Jahresringe als die Eiche, dieſe breitere als
die auf rauher Alpenzinne wachſende Arve und die Krummholzkiefer.
Schwierig bleibt es aber immer, hier eine Eintheilung feſtzuſtellen, weil
die Gunſt oder Ungunſt des Standortes einen ſo ſehr großen Einfluß auf
die Breite der Jahresringe ausübt.


Wer ſich hierüber von unſeren deutſchen Bäumen und Sträuchern
eine bequeme Ueberſicht verſchaffen will, der kaufe ſich die Miniatur-
Holzſammlung von Nördlinger*), die an Sorgfalt der Auswahl und
unübertrefflicher Eleganz der Exemplare Vorzügliches leiſtet.


[96]

Wir müſſen nun noch einmal zu Figur X. 1. zurückgehen, welche
uns in einem Schema deutlicher machen ſoll, wie nun der Baum in
ſeinem Holze aus lauter einzelnen Jahresſchichten zuſammengefügt iſt.
Am einfachſten können wir es uns ſo denken, daß ſich die einzelnen
Jahreslagen — Jahresringe würde jetzt eine falſche Vorſtellung geben —
wie Zwiebelſchalen verhalten. Wir dürfen nicht vergeſſen, daß auch an
der größten Eiche nicht bloß der Stamm und die Aeſte, ſondern auch das
jüngſte Reis, jede Wurzelfaſer alljährlich mit einer neuen Holzſchicht über-
kleidet wird, und daß dieſe Holzſchicht über den ganzen Baum hinweg
in ununterbrochenem Zuſammenhang ſteht. Es würde natürlich unmöglich
ſein, dies an einem geſpaltenen Baume, wenn wir einen ſpalten könnten,
der Wahrheit getreu zu zeichnen, darum muß uns unſer Schema aus-
helfen. Zählen wir unten über dem Erdboden und oben am Abſchnitte
an unſerer Figur die Jahresringe, die hier vielmehr durch ſenkrechte Grenz-
linien vertreten ſind, ſo zählen wir dort 14, hier 9. Dies iſt ganz na-
türlich, denn indem der Baum höher wurde, wurde er es ja durch neue
Triebe, deren jeder einen neuen Jahresring hinzubrachte. Wir wollen
aber jetzt wie vorhin bei Fig. XI., die ja eben nur ein Schema ſein ſoll,
unter jedem gezeichneten Jahresring deren je fünf, ein Luſtrum des Baum-
lebens, denken. Demnach wäre der Baum 70 Jahre alt, oder richtiger —
blos unten ſo alt und oben am Abſchnitt nur 45. Auch eine ſonderbare
Seite des Pflanzenleibes, inſonderheit des Baumes, daß er an verſchie-
denen Theilen ein verſchiedenes Alter hat! Wir erinnern uns hier der
Frage aus dem 3. Abſchnitte, ob der Baum in demſelben Sinne ein In-
dividuum genannt werden könne, wie eine Hund oder ein Pferd und
müſſen es nun doppelt verneinen, da wir eben daran denken, daß ein Baum
an verſchiedenen Theilen ſeines großen Leibes ein verſchiedenes Alter hat.


Während am ganzen Baume an jedem Theile das Holz mit jedem
neuen Jahre mit einer neuen Holzlage überzogen wird, ſo geſchieht ein
*)
[97] Gleiches mit der Rinde, nur mit dem Unterſchiede, daß hier die neuen
Lagen nach innen zu aufgelagert werden, ſo daß das Zuwachsverhältniß
beider ſich wie folgende durch — getrennte Zahlenreihen verhält:
1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 — 0 9 8 7 6 5 4 3 2 1 +


In dieſer Reihe entſpricht 1 bis 0 der Rinde, 0 bis 1 dem Holze
und + bezeichnet das Mark. Freilich kann man nur bei wenigen Bäumen
in der Rinde ebenſo deutlich wie im Holze die Jahrringe unterſcheiden
und noch ſeltener entſprechen die unterſcheidbaren Zahlen der Zuwachs-
ſchichten einander vollſtändig; entweder in der Rinde oder im Holze zählt
man deren mehr. Dies ſoll uns hier blos darthun, daß das Zu-
wachsverhältniß des Holzes ein viel regelmäßigeres und ſtetigeres iſt als
das der Rinde. Der nachfolgende Holzſchnitt, auf welchen wir ſpäter
noch einmal ausführlicher zurückkommen müſſen, wird hier vorläufig nur
deshalb eingeſchaltet, um daran zu ſehen, daß eine concentriſche Schich-
tung der Rindenmaſſe ebenſo erſichtlich iſt wie am Holze.


Figure 12. XII.

Querſchnitt der Lindenrinde.
h Rindenhaut. — g Grünſchicht. — b Baſtſchicht. — gr Holzgrenze. — m m m m m Mark-
ſtrahlen des Holzes, welche auf Rindenmarkſtrahlen ſtoßen.


An der Stelle des Minuszeichens (—) liegt nun im lebendigen Baume
über ſeinen ganzen Umfang hinweg, alſo genau zwiſchen Holz und Rinde,
Roßmäßler, der Wald. 7
[98] der Geſtaltungsheerd der jährlichen Zuwachsmaſſe, welche zum größeren
Theile dem Holze, zum kleineren der Rinde zufällt.


Während der Zeit des lebendigſten Wachsthums, alſo beſonders in
den Monaten Mai bis Auguſt, iſt dieſer Heerd auf dem Querſchnitte
eines lebenden Zweiges namentlich durch ſeine Farbe als ein das Holz
von der Rinde trennender Ring zu unterſcheiden. Er heißt der Cam-
biumring
oder die Cambiumſchicht und zeichnet ſich beſonders in der
angegebenen Zeit durch ſeine düſtere, faſt wie Oel auf weißem Papier
erſcheinende Farbe aus. Daß in dieſem Ringe das regſte Bildungsleben
herrſcht erkennt man auch daran, daß auf einem während der Vegetations-
zeit gemachten Querſchnitt dieſer Ring allein ſafterfüllt iſt und einen
Flüſſigkeitsring bildet, der aus der Schnittfläche hervorquillt, während
Holz und Rinde trocken bleiben. (An Fig. IX., S. 88, iſt der Cambium-
ring mit c angedeutet).


Es verſteht ſich bei dieſer Verlegung des Bildungsheerdes des jähr-
lichen Stammzuwachſes an die Grenze zwiſchen Holz und Rinde nun ganz
von ſelbſt, daß durch das gewaltſame alljährliche Einſchieben des neuen
Zuwachſes zwiſchen dieſe beiden die Rinde immer nach außen gedrängt
werden und da dieſe kein elaſtiſches Gewebe iſt, endlich in ihren älteren
äußeren Schichten zerreißen muß. Daß letzteres dennoch nicht in dem
Grade geſchieht, wie es eigentlich der Fall ſein müßte, und über die
ſonſtigen Eigenſchaften der Rinde werden wir bald näher zu ſprechen haben.


Wir kehren zur Betrachtung des Baues des Holzkörpers zurück, deſſen
Zuſammenſetzung aus concentriſchen Jahreslagen wir kennen gelernt haben.


Unſere Figuren VII., VIII., IX. und X. zeigen uns übereinſtimmend
in der Richtung vom Markmittelpunkte nach der Rinde die uns ebenfalls
bereits bekannten Markſtrahlen, welche wir in den drei Dimenſionen
der Länge, Breite und Dicke mit einem Bande verglichen haben. Indem
wir nun den feineren Bau des Holzes betrachten wollen, müſſen wir uns
der Markſtrahlen nochmals erinnern, weil ſie zu den übrigen Gewebs-
maſſen des Holzes in einem in jeder Hinſicht gegenſätzlichen Verhältniß ſtehen.


Wir hoben ſchon oben den unter ſich, natürlich blos in Beziehung
auf die Axe des Stammes, vollkommen parallelen Verlauf der Mark-
ſtrahlen hervor und ebenſo daß dieſelben in ihrem Verlaufe die übrige
Zellenmaſſe des Holzes rechtwinklig ſchneiden.


[99]

Keinem unſerer Hölzer fehlen die Markſtrahlen, in allen kommen ſie
ſtets in außerordentlich großer Menge vor, obgleich dennoch bei den einen
in größerer Anzahl als bei den andern. Wir können ſchon an Fig. VIII.
ſehen, wie zahlreich ſie ſind, obgleich an dieſer mehr ſchematiſirten Figur
viel weniger gezeichnet ſind, als vorhanden waren, um die Deutlichkeit
der Zeichnung nicht zu beeinträchtigen.


Die Markſtrahlen ſtellen durch ihre außerordentliche Häufigkeit und
durch ihren horizontalen Verlauf eine innige Verbindung zwiſchen den
übereinander liegenden Jahresringen her und ſorgen für einen Austauſch
der Säfte in horizontaler Richtung; während die nun zu betrachtenden
ſenkrecht verlaufenden Gewebsmaſſen des Holzes die Verbindung zwiſchen
dem Oben und Unten des Baumes und die ſenkrechte Saftleitung vermitteln.


Neben den Markſtrahlen, welche unter allen Umſtänden einen nicht
unbedeutenden Antheil an der Holzmaſſe nehmen, wird dennoch der größere
Antheil von den ſogenannten Holzbündeln gebildet, d. i. von den in
der Richtung der Stamm-Axe geſtreckten und verlaufenden Zellen und
Gefäßen. Es würde uns hier zu tief in die feinere Anatomie und von
unſerem Ziele ablenken, wenn ich hier eine genaue wiſſenſchaftliche Be-
ſchreibung der Elementar- oder Grundorgane der Pflanzen vortragen
wollte; wir beſchränken uns daher auf das Nothwendigſte.


Die Zelle in ihrer einfachen Grundgeſtalt oder in ihrer höheren
Entwicklung (Gefäß) iſt der Bauſtein, aus welchem unter allen Verhält-
niſſen auch der koloſſalſte Pflanzenleib aufgebaut iſt, wie es auf der
andern Seite aber auch Pflänzchen giebt, die nur aus einer einzigen
Zelle beſtehen. Die Zelle iſt urſprünglich ein winzig kleines kugelrundes
Bläschen, deſſen Haut, Membran, einen wäſſrigen Saft, Zellſaft,
einſchließt. Von dieſer Urform kommen aber zahlloſe Wandelformen vor.
Die Zellen der Kartoffelknolle, welche bei ſogenannten mehligen Kartoffeln
eben das körnige Mehl bilden, ſind ein Beiſpiel dieſer Urform. Durch
das Kochen haben ſich die Zellen von einander abgelöſt und ſind frei
geworden. Eine Baumwollenfaſer, wie wir ſie aus der Watte ziehen,
iſt das andere Extrem, eine außerordentlich lang geſtreckte Zelle. Zwiſchen
beiden Extremen kommen alle denkbaren Zwiſchenformen vor; es kommen
ſogar verzweigte, ſternförmige, flaſchenförmige Formen der Zellen vor.
Während eine einzelne freie Zelle meiſt gerundet iſt, ſo wird ſie im
7*
[100]Zellgewebe, wo ihrer viele innig mit einander verbunden ſind,
durch gegenſeitigen Druck eckig, kantig und ebenflächig, genau ſo wie eine
einzelne Seifenblaſe ebenfalls rund iſt, großblaſiger Seifenſchaum aber in
ſeinem durchſichtigen Innern die Seifenblaſen ebenfalls eckig, kantig und
ebenflächig zeigt. Die urſprünglich immer ſehr dünne und zarte Zellen-
haut wird in vielen Fällen durch ſpätere Ablagerung von Holzſtoff an
ihren inneren Wandungen allmälig dicker und ſogar nicht ſelten ſo ſehr
verdickt, daß gar kein Zellenraum mehr übrig bleibt. Daß dieſe Ver-
dickung der Zellenhaut der weſentliche Grund der Schwere und Härte des
Holzes iſt, iſt leicht zu errathen. Schwere, harte Hölzer haben immer
dickwandige Zellen.


Bei dieſer Verdickung der Zellenhaut bleiben aber oft kleine punkt-
oder ſtrichförmige Stellen derſelben unverdickt und dadurch der Säfteaus-
tauſch zwiſchen den benachbarten Zellen ermöglicht, der durch eine gleich-
mäßige Verdickung der Zellenhäute aufgehoben werden würde. So ent-
ſtehen die punktirten, getüpfelten und Spiralfaſer-Zellen, die
wir ſpäter durch eine Abbildung kennen lernen werden.


Was den Inhalt der Zellen betrifft, ſo iſt der Zellſaft entweder klar
und farblos oder er enthält Farbſtoffe, aufgelöſt oder in Körnchen, oder
er enthält Stärkemehlkörnchen, Tröpfchen fetten oder ätheriſchen Oeles,
winzig kleine Kalkkryſtalle und dergl. Alles dieſes und ſogar der Zellſaft
ſelbſt fehlt aber, ſobald das Zellgewebe an dem Leben der Pflanze keinen
Theil mehr nimmt, z. B. in der Kernſchicht des Markes (S. 87) mehr
als ein Jahr alter Stengelgebilde; z. B. Hollundermark.


Was die Lebensverrichtungen der Zellen betrifft, ſo ſind die ſehr
lang geſtreckten, welche mit ſchräg abgeſtutzten Enden im Zellgewebe
ſich zwiſchen einander ſchieben, der Hauptſache nach nur Organe der
Fortleitung der Säfte, daher im Holze vorherrſchend. Die nicht
oder nur wenig geſtreckten, die kurzen Zellen, welche mit platten Böden
ſich an einander anreihen, dienen mehr der Verarbeitung, Aſſimi-
lation, der ihnen zugeführten Stoffe, daher auch faſt nur in ihnen die
vorhin genannten Stoffe vorkommen. Die Markſtrahlenzellen ſind ſtets
ſolche kurze Zellen.


Aus den Zellen entſtehen die Gefäße, ſo zwar, daß ein Gefäß ſtets
aus einer Reihe von an einander ſtoßenden kurzen Zellen gebildet worden
[101] iſt, indem die an einander liegenden Böden derſelben beſeitigt werden.
Wenn wir uns 10 gleich große Fäſſer übereinander geſtellt und dann die
ſämmtlichen Böden der Fäſſer wegdenken mit Ausnahme des oberen Bodens
des oberen und des unteren des unteren Faſſes, ſo haben wir die Ent-
ſtehung eines Gefäßes. Am deutlichſten iſt ſelbſt mit unbewaffnetem Auge
dieſe Abſtammung der Gefäße am Eichenholze zu ſehen, an welchem die
großen „Poren“ des Querſchnittes (Fig. IX. Q.) die querdurchſchnittenen,
bei dem Eichenholze ſehr großen Gefäße ſind. Schneidet man mit einem
recht ſcharfen Meſſer von einem Stück alten Eichenholze eine glatte Spalt-
fläche (Fig. IX. Sp.) gerade im Längsverlauf dieſer Gefäße, ſo wird man
dieſe etwas perlſchnurförmig eingeſchnürt und wie gegliedert finden. Jedes
ſolches Glied entſpricht einer ehemaligen Zelle, aus deren Aneinanderreihung
das Gefäß unter Beſeitigung der trennenden Zellenböden entſprungen iſt.


Figure 13. XIII.

a.Nadelholz (Kiefer), b.Laubholz (Eiche) im Querſchnitt (ſchematiſirt).
An beiden Figuren bezeichnet F die Schicht des Frühjahrsholzes, H die des
Herbſtholzes, J die Jahresgrenze gegen den vorjährigen Jahresring. Die obere Linie
der Figuren bezeichnet die Jahresgrenze gegen den folgenden Jahresring. Mitten durch
das Eichenholz geht ein breiter Markſtrahl.


[102]

Wie die Zellen, ſo werden auch die Gefäße durch Auflagerung von
Holzſtoff an ihrer inneren Wandung allmälig dickwandiger, während auch
bei ihnen die Gefäßhaut urſprünglich dünn iſt. Auch hier bleiben bei der
Verdickung und zwar meiſt in ſehr regelmäßiger Anordnung einzelne Stellen
unverdickt, wodurch ähnlich den punktirten, getüpfelten und Spiralfaſer-
Zellen eben ſolche und noch einige andere Formen von Gefäßen entſtehen.
Sie dienen der Saftbewegung; nur die Spiralgefäße, welche luftführende
Organe ſind, machen davon eine Ausnahme. Im Zellgewebe, in welchem
die Gefäße mit eingewebt ſind, behaupten die Gefäße den Zellen gegen-
über ihre Rundung und nehmen nur von einander durch ſeitlichen Druck
Abflachung und Kanten an. Selbſt die ſo ſteif nach außen dringenden
Markſtrahlen müſſen ſich krümmen, um an einem Gefäße vorbeizukommen
(Fig. XIII. b. S. 101).


Meiſt ſind die Gefäße im Querſchnitt viel weiter als die Zellen und
bilden nicht ſelten ſehr lange feine Röhren. Durch die großen Gefäße
des Eichenholzes und des ſpaniſchen Rohres kann man ſehr leicht ein
Pferdehaar fußlang einführen.


Aus ſolchen Zellen und Gefäßen iſt nun, abgeſehen von den in
anderer Richtung verlaufenden Markſtrahlen, das Holz in der Weiſe zu-
ſammengeſetzt, daß dieſelben in der Richtung der Axe des Stammes oder
Zweiges dicht an einander gefügt ſind und durch eine unendlich dünne
Schicht eines zuſammenkittenden Stoffes, des Intercellularſtoffes, feſt
aneinander haften. Auffallender Weiſe machen hiervon unſere Nadelhölzer
inſofern eine Ausnahme, als deren Holz lediglich aus Zellen zuſammen gefügt iſt.


Um zu lernen, wie bei den verſchiedenen Holzarten Zellen und Ge-
fäße in verſchiedenem Verhältniß mit einander verbunden ſind, und wie
dadurch eine überraſchende Manchfaltigkeit und oft eine außerordentliche
Zierlichkeit des Holzgewebes hervorgeht, iſt nichts geeigneter als die S. 95
erwähnten Nördlinger’ſchen Holzquerſchnitte, denn faſt nur auf dem Quer-
ſchnitte ſprechen ſich dieſe Verſchiedenheiten vollkommen deutlich aus. Es
reicht zum deutlichen Erkennen derſelben eine ſcharfe Doppellupe voll-
kommen aus.


Die umſtehenden Figuren XIII. a. und b. ſind in etwa achtmaliger
Vergrößerung nach Nördlinger’ſchen Querſchnitten und zwar nur ſchematiſch
gezeichnet, denn zu einer naturwahren Zeichnung für den Holzſchnitt iſt
[103] dieſe Vergrößerung zu gering. Die Figuren ſtellen wiederum wie bei
Fig. VIII. (S. 87) das mohnblattdünne Querſchnittchen auf einer ſchwarzen
Unterlage dar.


Am Kiefernholze (a) ſehen wir die Zellen ziemlich regelmäßig
in einander durchſchneidenden Längs- und Querreihen angeordnet und ein
ſehr gleichmäßiges Gewebe bildend, und von zahlreichen ſehr dünnen
Markſtrahlen durchſetzt. Die regellos darin zerſtreuten etwas größeren
runden Löcher ſind keine Gefäße, wie wir ſie eben kennen gelernt haben,
ſondern haarfeine Harzgänge. Auf dem Holze erſcheinen ſie dem un-
bewaffneten Auge wie feine weißliche Nadelſtiche.


Wie ganz anders ſieht daneben das Eichenholz (b) aus. Wie am
Kiefernholze haben wir ein kleines ſchmales Stückchen des Umfanges eines
ganzen, in ſeiner Breite ganzen, Jahresringes vor uns und unten
bezeichnet J die Jahresgrenze gegen den vorjährigen Jahresring, von
dem unten noch ein Streifchen mit gezeichnet iſt. Die obere Grenze
der Figuren iſt zugleich die äußere Grenze des Jahresringes. Wenn wir
von der Jahresgrenze aufwärts das Gewebe des Eichenholzes, wie es ſich
innerhalb eines Jahresringes darſtellt, verfolgen, ſo begegnen wir zunächſt
einer Schicht ſehr großer, oder vielmehr ſehr weiter Gefäße — die „Poren“,
welche im Eichenholze am größten ſind — zwiſchen denen nur für wenige
Holzzellen Raum übrig geblieben iſt. Nach oben hin — dies „nach oben“
an unſerer Figur iſt eigentlich am ſtehenden Baume „nach außen“ —
werden die Gefäße allmälig kleiner (enger), bis ſie endlich an der oberen
(äußeren) Grenze des Jahresringes ſehr eng ſind und ſich dabei in
geſchlängelte Gruppen weitläufig angeordnet haben. Zwiſchen dieſem aus
Holzzellen und verhältnißmäßig nur wenigen Gefäßen zuſammengeſetzten Holze
ſtreicht ein ſehr dicker und viele andere immer weniger dicke Markſtrahlen
hindurch, von denen die dünneren ſich in ihrem Verlauf nach dem Um-
fang der großen Gefäße krümmen. Der große Markſtrahl endet an der
oberen Grenze in einen Ausſchnitt, in den ſeine keilförmige Fortſetzung
im folgenden Jahre eingreift, wie es unten die vorjährige thut.


Im anatomiſchen Bau iſt dem Kiefernholze, wenigſtens auf dem
Querſchnitte, jedes andere Nadelholz im Weſentlichen gleich, nur daß dem
der Tanne, P. picea L. (Abies pectinata Dec.) und des Taxus die
feinen Harzgänge fehlen. Es iſt alſo leicht, an einem Querſchnitte auch
[104] das kleinſte Stückchen Nadelholz als ſolches von jedem beliebigen Laub-
holze, deren keinem die Gefäße fehlen, zu unterſcheiden.


Vergleichen wir nun das Eichenholz mit andern Laubhölzern und
dieſe unter ſich, ſo zeigen ſich zwar bei mehreren ſehr erhebliche und be-
ſtändige Unterſchiede, aber es iſt dennoch auch nicht ſelten ziemlich ſchwierig
und erfordert eine lange Uebung, um jedes unſerer Laubhölzer zu erkennen,
namentlich wenn es ſich um die vielen Weidenarten und um die Pappel-
arten handelt. Wir werden auf hervorſtechende Holzkennzeichen ſpäter
bei den verſchiedenen Baumarten zurückkommen.


Im Allgemeinen beruhen dieſe unterſcheidenden Kennzeichen auf
folgenden:


1) Größe der Gefäße, d. h. die Größe der Löcher, welche ihre
Querſchnitte auf dem Holze bilden. Danach unterſcheidet Nördlinger ſechs
Stufen: 1. grob (Eiche), 2. ſchwach grob, gröblich (Ulme), 3. ſchwach
gröblich, mittler (Eſche), 4. ſchwach mittler, ziemlich fein (Ahorn),
5. ſchwach ziemlich fein, fein (Buche), 6. ſchwach fein und ſehr fein
(Buchsbaum). Dies ſind aber offenbar zu viele und daher kaum feſt-
zuhaltende Stufen. Man kann mit groß, mittel und klein auskommen.
Groß nenne ich diejenigen Gefäßporen, welche auf einem recht glatt ge-
ſchnittenen Querſchnitte mit unbewaffnetem Auge leicht zu erkennen ſind
(Eiche, Eſche, Ulme, Zürgelbaum, Celtis, und die Ausländerin Akazie);
mittel, wenn dies bei ſcharfem Auge nur mit Mühe geſchehen kann (Buche
und viele andere); klein, wenn dies nicht geſchehen kann (Paffenhütchen,
Buchsbaum und andere). Im Jahre 1847 *) glaubte ich ſogar mich auf
groß und klein beſchränken zu ſollen. Auf den Nördlinger’ſchen Quer-
ſchnitten, wenn man ſie namentlich gegen das Licht oder gegen eine ſchwarze
Unterlage hält, kann man weiter ſehen als an einem glattgeſchnittenen
Stück Holz.


2) Gleichmäßigkeit oder Ungleichmäßigkeit der Gefäße eines
Holzes. Kein Holz hat blos große Gefäße, wie wir ſchon bei der Eiche
[105] außer ſolchen auch kleine und immer kleinere Gefäße fanden. Bei den
allermeiſten Holzarten ſind ſie gleichmäßig und zwar mittel oder klein.
Die großen Gefäße finden ſich immer nur im Frühjahrsholze, wovon
wir gleich ſprechen werden.


3) Art der Vertheilung der Gefäße im Holzzellgewebe. Wir
werden hierin eins der weſentlichſten Unterſcheidungskennzeichen finden.
Am innigſten und gleichmäßigſten iſt das Gemenge zwiſchen Zellen und
Gefäßen bei dem Pfaffenhütchen, Evonymus europaeus; in quer, d. h. die
Markſtrahlen durchſchneidend, verlaufenden unterbrochenen Reihen geordnet
bei der Ulme; in flammigen Gruppen, von den Zellen abgeſondert, bei
dem Kreuzdorn, Rhamnus catharticus.


4) Die Dimenſionen der Markſtrahlen, die durch große
Breite bei Eiche und Buche den Namen „Spiegel“ erworben haben. Bei
manchen Holzarten ſind die Markſtrahlen auf dem Stammquerſchnitte
lange, gleichbreite Linien, bei andern nur kurze, ſpitz beginnende und
endende Striche (Ahorn), bald ſind ſie gleichmäßig in großer Anzahl im
Holze vertheilt, bald zu Bündeln vereinigt (Hornbaum, Schwarzerle).


5) Die Farbe, mit Unterſcheidung der des Splintes und des Kern-
holzes, iſt wenigſtens bei einigen Holzarten ein gutes Erkennungszeichen
(Eiche, Ulme, Taxus, Kreuzdorn und andere).


Wenn wir nun auch nach den eben angedeuteten Kennzeichen viele Holz-
arten ſicher unterſcheiden können, ſo iſt doch einzugeſtehen, daß die für eine
Art geltenden Kennzeichen bei verſchieden alten Bäumen, ja bei einem
und demſelben Baume in den jüngeren und älteren Holzſchichten nicht
immer übereinſtimmend zutreffen. So iſt z. B. der Schnitt des abge-
bildeten Eichenholzes offenbar von einem jüngeren wüchſigen Baume oder
wenigſtens aus dem mehr nach innen zu liegenden Holze einer alten Eiche
entnommen. An ſehr alten Bäumen oder an ſolchen, die auf einem
ſchlechten Boden nur kümmerlich erwachſen ſind, werden zuletzt die Jahres-
ringe ſo ſchmal, daß ſo zu ſagen die Holzkennzeichen nicht einmal Platz
haben, ſich geltend zu machen.


Mit dem vorhin vorläufig erwähnten Frühjahrsholze und dem
dieſem gegenüberzuſtellenden Herbſtholze hat es folgende Bewandtniß.


Bald nach dem Ausbruch des Laubes entfaltet ſich eine große Energie
der Holzbildung und in ziemlich kurzer Zeit iſt ein großer Theil des
[106] neuen Jahresringes gebildet. Dieſe erſte Schicht jedes einzelnen Jahres-
ringes, das Frühjahrsholz, zeichnet ſich bei den Nadelhölzern durch
weite, ſehr dünnwandige Zellen aus (XIII. a. F, S. 101) und bei den
Laubhölzern durch Reichthum an Gefäßen — wie denn eben große Ge-
fäße nur im Frühjahrsholze zu finden ſind (mit Ausnahme des Nußbaumes,
wo ſie im ganzen Jahresringe vorkommen) — und zuweilen ebenfalls
durch etwas dünnwandigere und lockere Zellen (XIII. b. F, S. 101).
Hat das Holz nur mittle oder kleine Gefäße, ſo ſind dieſelben im Früh-
jahrsholze meiſt nicht weſentlich anders vertheilt als im Herbſtholze. Zu-
weilen beginnt aber doch der neue Jahresring mit einer einfachen dichten
Reihe oder (wie bei der Vogelkirſche, Cerasus avium, und dem Pflaumen-
baum) mit einer Lage dicht beiſammenſtehender Gefäße, oder die Zahl der
Gefäße nimmt gegen das Herbſtholz hin ſehr allmälig ab.


Wie ſehr das Herbſtholz bei den Nadelhölzern von dem
Frühjahrsholze abſticht, das wiſſen wir Alle, und wenn wir es auch nur
an unſeren Stubendielen durch die tiefe Abnutzung des ſehr weichen Früh-
jahrsholzes gelernt hätten, wodurch ſich auf den Dielen vertieftere Furchen
bilden, welche mit den harten gelbbraunen Herbſtholzſtreifen abwechſeln.
Noch deutlicher und beſtimmter ſehen wir es aber auf dem glattgehobelten
Querſchnitte, wo ſich jeder Jahresring ſehr deutlich in eine innere helle und
weiche und in eine äußere harte und gelbbraune Schicht theilt. Beſonders
iſt dies bei dem gemeinen Kiefernholze ſehr in das Auge fallend, während bei
einigen anderen Nadelhölzern dieſer Unterſchied weniger erheblich iſt. Unter
dem Mikroſkop findet man, daß dieſer bedeutende Unterſchied des Herbſt-
holzes bei den Nadelholzarten darauf beruht, daß deſſen Zellen ſehr dickwandig
und dabei in der Richtung der Jahresgrenze ſehr breit gedrückt ſind, ſo
daß in ihnen nur wenig Zellenraum übrig bleibt (XIII. a. H). Es
kommt nicht ſelten vor, daß es ſo ſcheint, als habe vorzeitig die
Herbſtholzbildung begonnen und als ſei nachher wieder in die Frühjahrs-
holzbildung zurückgegriffen worden, bis erſt ſpäter das eigentliche Herbſt-
holz ſich bildete. Dies zeigt ſich namentlich bei der gemeinen Kiefer nicht
ſelten, und dann kann man zuweilen verſucht ſein, ſolche vorzeitige Herbſt-
holzringe für Jahresringe zu halten.


Neben dieſer ſehr bedeutenden Scheidung der einzelnen Jahresringe
in eine Frühjahrs- und eine Herbſtſchicht bei den Nadelhölzern, kann
[107] man von einem beſtimmt zu unterſcheidenden Herbſtholze der Laubhölzer
nur bei wenigen Arten ſprechen. Am beſtimmteſten bei denjenigen, welche
große Gefäße haben, die ſich eben nur im Frühjahrsholze finden. Bei
ſolchen Holzarten, wie bei der Eiche (XIII. b. H), kann man jedoch noch
nicht Alles Herbſtholz nennen, was eben nur kleine Gefäße hat, weil
ſchon ſehr früh die Schicht mit großen Gefäßen beendet wird und die
mit den blos kleinen ſofort danach begonnen wird. Bei vielen Holzarten
iſt aber dieſer Jahreszeitunterſchied kaum oder ſelbſt gar nicht vorhanden.
Bei der Buche iſt nur die äußerſte Herbſtgrenze als ein ſchmaler, etwas
dunkler gefärbter Ring zu unterſcheiden, in welchem die Gefäße faſt ganz
fehlen.


Bei mehreren Holzarten finden ſich höchſt unregelmäßig vertheilt in
den Jahresringen kleine quergezogene kurzzellige Fleckchen, welche ſich im
Längsverlauf des Jahresringes als meiſt bräunlich gefärbte Streifen ver-
folgen laſſen. Sie beſtehen aus unverkennbarem Markzellgewebe und
zwar dem der Kreisſchicht des Markes entſprechend, aus welchem die
Markſtrahlen entſpringen. Deshalb und weil auch aus dieſen Fleckchen
auf dem Querſchnitt meiſt neue ſtarke Markſtrahlen entſpringen, nannte
ich ſie (a. a. O. S. 33) Markwiederholungen. Nördlinger*)
nennt ſie Markfleckchen. Sie kommen beſonders bei der Birke, dem
Vogelbeerbaum, der Erle und einigen anderen vor.


Alle dieſe Kennzeichen des Holzes, ſo weit ſie in dem anatomiſchen
Bau deſſelben liegen, ſind jedoch im Aſtholze, wenn der Aſt weniger als
3 Zoll Durchmeſſer hatte, nicht immer deutlich ausgeprägt.


Auch das Wurzelholz iſt von dem Stammholze oft, ja meiſt ſehr
bedeutend abweichend. Zunächſt fehlt der Wurzel das eigentliche, beſtimmt
umgrenzte Mark, ſo daß die Markſtrahlen zwar von einem gemeinſamen
Mittelpunkte ausgehen, aber dieſer Mittelpunkt beſteht nur aus einer
[108] kleinen unregelmäßigen Zellengruppe. Da der Wurzel das wahre Mark fehlt,
ſo fehlen dem Wurzelholze auch die eben beſchriebenen Markwiederholungen.


Die Holzzellen der Wurzel ſind meiſt weiter und dünnwandiger, die
Gefäße, bei den Holzarten mit kleinen Poren im Stammholze, ſind größer
als letztere, faſt immer ſehr dicht und gleichmäßig vertheilt; die Jahres-
ringe ſelten deutlich, oft gar nicht zu unterſcheiden; kurz, das Wurzelholz
iſt weit weniger reich an unterſcheidenden Merkmalen und dazu iſt es
ein viel poröſeres, weicheres und daher meiſt viel leichteres als das
Stammholz. Auch der Unterſchied in Kern und Splint fällt bei der
Wurzel beinahe ganz weg.


Wir haben nun noch den Unterſchied von Kern oder Kernholz,
duramen, und Splint oder Splintholz, alburnum, kennen zu lernen,
wovon wir namentlich die holzverſtändigen Arbeiter reden hören, indem
ſie dem erſteren eine größere Dauerhaftigkeit nachrühmen. Zwiſchen beiden
beſteht, ſelbſt unter dem Mikroſkop, nur der Unterſchied der Farbe, und
außerdem allerdings der, daß das Kernholz ſich gewiſſen chemiſchen Ein-
wirkungen gegenüber widerſtandsfähiger verhält.


Auf dem Querſchnitt eines Eichen-, Ulmen- oder Kiefernſtammes
und auch an vielen anderen Holzarten findet man zunächſt unter der Rinde
das Holz heller, oft ſogar ſehr auffallend heller als mehr nach der Mitte
zu und zwar ſo, daß beide Farbentöne nicht allmälig in einander über-
gehen, ſondern durch eine ſcharfe Grenzlinie geſchieden ſind. So hat
z. B. das faſt ſchwarze Ebenholz einen geblichweißen Splint, von dem
wir an Gegenſtänden, die aus dieſem ſo ſehr dauerhaften Holze gearbeitet
ſind, z. B. Meſſerheften, zuweilen etwas ſehen.


Der Splint iſt alſo das jüngere und der Kern das ältere Holz und
es liegt uns jetzt die Vermuthung ſehr nahe, daß die Umwandlung des
Splintes in Kernholz Jahresring um Jahresring vorrücke, daß alſo die
Grenzlinie zwiſchen beiden immer mit einer Jahresgrenze zuſammenfallen
werde. Dies iſt jedoch nicht der Fall; denn auf dem Querſchnitte eines
Stammes ſehen wir oft an der einen Seite die Kernholzbildung um 5 bis
6 Jahresringe weiter vorgreifen als auf der andern (Fig. X. 4. S. 92).
Ja manchmal, z. B. am Birnbaum, iſt die Kernholzfigur auf dem Quer-
ſchnitt des Stammes ein höchſt unregelmäßiger zackiger Stern. Oft aller-
dings ſchließt die Kernholzfärbung mit einem Jahresringe genau ab.


[109]

Aus alledem ſcheint hervorzugehen, daß das Vordringen der Kern-
holzfärbung ein mit dem Pflanzenleben nicht in unmittelbarem Zuſammen-
hang ſtehender Akt ſei. Das Kernholz ſcheint nur noch den rein mecha-
niſchen Dienſt der Frühjahrsſaft-Leitung zu verrichten, und wenngleich
hieran auch der Splint Theil nimmt, ſo ſcheint es doch der letztere in
anderer Weiſe zu thun, welche mehr auf eine chemiſche Lebensthätigkeit
hinweiſt. Man kann leicht an verſchiedenen Holzarten, namentlich an
aufgeſchichteten, im Frühjahr — nachdem der Saft bereits im Aufſteigen
begriffen war — gefällten Klafterhölzern beobachten, daß an der Schnitt-
fläche gerade blos der Splint Schimmelbildungen hervorgetrieben hatte,
was beſtimmt auf anderes chemiſches Verhalten als im Kernholze hinweiſt.
Der Splint iſt ſo zu ſagen lebendiger als das Kernholz.


Wahrſcheinlich ſcheidet ſich aus dem in dem Gewebe des Holzes auf-
ſteigenden Safte irgend ein Stoff ununterbrochen im Holze ab, was zu-
letzt unter hinzukommenden beſonderen Umſtänden mit endlicher Verderbniß
des Kernholzes endet; denn an kernfaulen Stämmen ſehen wir die Kern-
fäule wie die Kernholzfärbung allmälig von innen heraus vorſchreiten
ohne eine ſcharfe Grenze zwiſchen ſich und dem noch geſunden Kernholz.
Am auffälligſten iſt dies im Stamme des bekannten Bohnenbaumes oder
Goldregens, Cytisus Laburnum, wo, wie es ſcheint, faſt mit Noth-
wendigkeit der Kernholzfärbung die Kernfäule auf dem Fuße folgt.


Es bleiben nun noch einige ungewöhnliche Bildungserſcheinungen
des Holzes übrig, wie z. B. Maſer, Wimmer, Froſtriſſe, Ueberwallungen,
und dergl., welche wir ſpäter bei denjenigen Baumarten kennen lernen
wollen, bei denen ſie ſich am häufigſten finden.


Die Riude.


Außer dem „Baſt“, den wir zum Anbinden der Gewächſe benutzen
oder den wir als Band um die Cigarrenbündel erhalten, bekümmert man
ſich wenig um die Rinde der Bäume, wenn ich etwa noch die Korkpfropfen
der Weinflaſchen und die ſo ſehr auffallende ſchneeweiße Lederſchicht der
Birkenrinde ausnehme. Es iſt auch in der That der Bau der Baumrinden
ein viel verwickelterer und zeigt faſt eine größere Manchfaltigkeit bei den
verſchiedenen Baumarten als das Holz; ja bei manchen, z. B. bei der
Birke; giebt er dem Pflanzenzergliederer ſchwere Räthſel auf.


[110]

Daher kann ich auch nicht eine jede beliebige Baumrinde als Beiſpiel
empfehlen, um daran den Rindenbau kennen zu lernen, wie dies bei dem
Holzbau geſchehen konnte, wo wir nur zwiſchen Nadel- und Laubholz zu
unterſcheiden hatten.


Man unterſcheidet an der Rinde unſerer Bäume gewöhnlich drei
verſchiedene Schichten: 1. die Baſtſchicht, 2. die Grünſchicht und
3. die Rindenhaut, welche die äußerſte iſt. Dieſe Schichten ſind aber
nicht nur nicht immer alle drei vorhanden, ſondern die eine oder die
andere iſt bei den verſchiedenen Baumarten ſo verſchieden gebildet, daß
dadurch die verſchiedenſten Rindenbildungen hervorgehen. Schon in der
räumlichen Ausdehnung iſt die Rinde bei den verſchiedenen Baumarten
oft höchſt verſchieden; man erinnere ſich an die dicke Rinde einer alten
Eiche und an die kaum 3—4 Linien dicke des ſtärkſten Buchenſtammes.


Am zugänglichſten und zugleich am inſtruktivſten und zierlichſten iſt
der Bau der Lindenrinde, weshalb ſie auch als Beiſpiel in nebenſtehenden
Figuren XIV. a. und b. abgebildet iſt, von denen a. ſchon einmal als
Fig. XII. auf Seite 97 gedient hat, um uns vorläufig zu zeigen, daß
auch in der Rinde ein alljährlicher Schichtenzuwachs ſtattfindet.


Wir ſehen uns zunächſt den Querſchnitt (a) an, an welchem wir
deutlich drei verſchiedene Gewebsmaſſen unterſcheiden. Zu äußerſt die
dünne, aus platten Zellen gebildete Rindenhauth; unter dieſer liegt
eine ziemlich großzellige, deutlich in Querſchichten abgetheilte Gewebsmaſſe,
die Grünſchichtg, welche gewiſſermaßen die Grundmaſſe bildet, in welche
die dritte, die Baſtſchichtb, eingebettet iſt. Dieſe letztere zeigt uns auf
dem Querſchnitt eigenthümlich flammige Figuren, durch welche die querge-
ſchichtete Anordnung der Grünſchicht mit hindurchgeht.


Die Rindenhaut beſteht aus dickwandigen, tafelförmigen, ſehr
regelmäßig und feſt aneinandergefügten Zellen und bildet daher eine nahezu
undurchdringliche feſte Hülle der unter ihr liegenden lebenskräftigeren
Schichten. Aus den äußerſten Zellenſchichten der Grünſchicht ſcheint ſich
während der Vegetationsperiode immer eine neue einfache Zellenſchicht in
eine neue Rindenhautſchicht umzuwandeln, denn die inneren Schichten
dieſer letzteren ſind weicher und heller je näher ſie nach innen liegen und
deſto härter und dunkleren Inhaltes, je weiter ſie nach außen liegen.


[111]

Wenn man, was ſich bei der Linde, Birke und mehreren anderen
Bäumen thun läßt, die Rindenhaut von einem friſchen Aſte abzieht, ſo
erſcheint die lebhaft grüne Grünſchicht. Dies iſt z. B. bei noch nicht
verkorkter Rinde des Hollunders (Sambucus nigra) beſonders leicht zu

Figure 14. XIV.

Figure 14. a

Querſchnitt der Lindenrinde.
h Rindenhaut. — g Grünſchicht. — b Baſt-
ſchicht. — gr Holzgrenze. — m m m m m Mark-
ſtrahlen des Holzes, welche auf Rindenmark-
ſtrahlen ſtoßen.


Figure 14. b

Längsſchnitt der Lindenrinde.
b Baſtbündel, welche ſich verzweigend ein
Maſchennetz bilden, deſſen ſchmale ſpitzige
Maſchen von der Grünſchicht (g) aus-
gefüllt werden.


bewerkſtelligen, bei dem die Rindenhaut aſchgrau ausſieht. Die Grünſchicht
iſt aber wie auch bei anderen Bäumen nur in ihren äußerſten Zellenlagen
chlorophyll-(blattgrün)-haltig und alſo grün. Weiter nach innen enthält
ſie in ihren Zellen auch andere Stoffe, z. B. auch ſehr oft Kryſtalle von Kalk.


Zwiſchen die Grünſchicht ſchieben ſich die Baſtzellenbündel der Baſt-
ſchicht
ein, welche, je dicker der Aſt oder der Stamm wird, unten, wo ſie
an dem Cambiumringe (S. 98) anliegen, deſto breiter werden und dadurch
eben auf dem Querſchnitt das flammenähnliche Anſehen bekommen.
[112] Zwiſchen ihnen ſehen wir nach innen die Partien der Grünſchicht immer
ſchmäler werden und allmälig in Rindenmarkſtrahlen übergehen, welche
immer genau auf die Holzmarkſtrahlen ſtoßen, was auch unſere Figur
zeigt, denn wir ſehen daran, daß unten noch etwas vom anliegenden
Splint-Holze mit gezeichnet iſt. Die Baſtzellenbündel verlaufen aber
nicht getrennt neben einander den ganzen Stamm oder Aſt entlang — in
welchem Falle die Flammenfiguren in allen Höhen eines ſolchen einander
gleich ſein würden — ſondern ſie verſchmelzen ſeitlich unter einander, um
bald wieder ſich zu trennen und dann wieder in anderen Stücken zu ver-
ſchmelzen. Da nun jedes Jahr, von einer dünnen großzelligen Schicht
getrennt, neue Baſtſchichten um den ganzen Aſt herum ſich bilden und
die Bündel jeder einzelnen Schicht ſich vielfältig maſchenartig verbinden,
ſo kann man eben die Baſtlagen, nachdem man die abgeſchälte Rinde eine
Zeit lang im Waſſer der Fäulniß ausgeſetzt hatte, von einander trennen.
Durch die beginnende Fäulniß, welcher die ſehr dickwandigen Baſtzellen
ſehr lange widerſtehen, werden die zarten Zellen der Rindenmarkſtrahlen
und der die Baſtlagen trennenden Grünſchicht aufgelöſt. So entſtehen im
Lindenbaſt der Cigarrenbündel die ſchmalen länglichen Maſchen, in denen
wir nun leicht die Stellen der herausgefaulten Markſtrahlenzellen erkennen.
Dabei verſteht es ſich nun auch von ſelbſt, daß dieſe Maſchen deſto größer
alſo die Baſtlagen deſto großmaſchiger ſein müſſen, je weiter ſie nach
außen liegen und umgekehrt. Ebenſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß die
vielleicht dreißig und mehr übereinander liegenden Baſtlagen in dem Ver-
laufe der Baſtzellenbündel und in der Vertheilung der Maſchen überein-
ſtimmen müſſen, nur daß die Maſchen in den äußeren Lagen immer
größer werden müſſen.


In gleicher Vergrößerung — etwa 20 mal im Durchmeſſer — ſehen
wir nun in Fig. XV. b. die Lindenrinde im Längsſchnitt. Der Schnitt
iſt etwa in der Mitte der Dicke der Rinde geführt, wo die geſchlängelten
Baſtbündel b ſchon bedeutende Partien der Grünſchicht g zwiſchen ſich
hindurchlaſſen.


Die Krümmungen der jüngſten Baſtbündel ſchließen ſich immer genau
den Krümmungen der jüngſten Holzzellenbündel an und müſſen es auch,
denn für beide werden dieſe Krümmungen von den ſich in gerader Rich-
tung hindurchdrängenden Markſtrahlen vorgeſchrieben; und da nun an das
[113] Ende eines Holzmarkſtrahls ein Rindenmarkſtrahl ſtößt, ſo müſſen die
Krümmungen der einander berührenden Holzzellen- und Baſtzellenbündel
einander gleich ſein.


An anderen Bäumen würden wir die Rinde in anderen Beziehungen
wiederum ſehr abweichend finden, namentlich z. B. die Baſtſchicht nicht
unmittelbar an den Holzkörper anliegend, ſondern tiefer in die Grün-
ſchicht hineingerückt und in einzelne Bündel zertheilt. Man kann ſogar
ſagen, ſo widerſprechend es klingt, daß die Baſtzellen nicht einmal ein
nothwendiger Beſtandtheil der Baſtſchicht ſind, weil ſie vielen Bäumen
(Birke, Buche) ganz abgehen. Wir werden bei Betrachtung unſerer
deutſchen Baumarten auf die wichtigſten Kennzeichen der Rinde einzugehen
haben; und wir wollen uns hier nur noch einmal daran erinnern, daß
uns die Lindenrinde lehrt, wie auch ſie durch alljährliche Schichtenan-
lagerung nach innen zu, wie das Holz nach außen zu, wachſe, was uns
die Zahlenreihe auf S. 97 veranſchaulichte.


Wir haben aber noch zwei Bildungen der Rinde kennen zu lernen,
welche mehr untergeordneter Art ſind und nicht zu den drei weſentlichen
Schichten derſelben gehören, bei manchen Holzarten deshalb auch nicht
oder wenigſtens nur ſehr untergeordnet vorkommen. Es iſt der Kork
und die Borke.


Beide treten in der Regel erſt an älteren Stammtheilen auf, wie
wir ja alle wiſſen, daß die Rinde junger Stämmchen meiſt glatt und
ſogar zuweilen glänzend iſt (Kirſchbaum, Eiche), während die Rinde alter
Bäume tief gefurchte Borke zeigt. Es giebt jedoch auch einige Bäume,
wo ſelbſt ſchon einjährige Zweige eine entſchiedene Kork-, wenn auch
nicht Borken-Bildung zeigen. Dies iſt namentlich bei der Korkrüſter,
Ulmus suberosa, und dem Maßholder und Feldahorn, Acer campestre,
der Fall.


Ganz eigenthümlich verhält ſich hierin bekanntlich der Spindelbaum
oder das Pfaffenhütchen, Evonymus europaeus, an deſſen rein grüner
Rinde an den jüngeren Zweigen 4 kreuzweisgeſtellte Längsſtreifen von zartem
Kork verlaufen, wodurch die an ſich vollkommen runden Zweige faſt vier-
ſeitig erſcheinen (deshalb bois carré der Franzoſen).


Kork und Borke ſind zwei ſchon ihrer Entſtehung nach ganz ver-
ſchiedene Gebilde, die aber ſehr oft miteinander verwechſelt werden.


Roßmäßler, der Wald. 8
[114]

Man kann mit gewiſſem Vorbehalt die Korkbildung eine normale,
geſunde Zellenverwucherung der Rinde, dagegen die Borkenbildung eine
abnorme, krankhafte nennen, wenn ſchon auch die Borkenbildung, wie
wir Alle wiſſen, an der Rinde der Bäume eine geſetzmäßige Erſcheinung
und nicht eine vereinzelte Krankheitserſcheinung iſt.


Wenn wir die mit einem ſehr ſcharfen Meſſer recht glatt geſchnittene
Oberfläche eines Korkſtöpſels mit einer gut vergrößernden Lupe betrachten,
ſo können wir ſehen, daß die einzelnen Korkzellen in radiale Reihen
geordnet ſind, ſo daß die Fläche dem in Fig. XIII. a (S. 101) abgebildeten
Nadelholz ſehr ähnlich iſt, nur muß man ſich die an der genannten Figur
ſichtbaren ſtarken weißen Linien (die Markſtrahlen des Holzes darſtellend)
hinwegdenken. Durch dieſe Anordnung müſſen die nach allen Dimenſionen
gleichen Korkzellen durch gegenſeitigen Druck ſo ziemlich eine würfelförmige
Geſtalt annehmen.


Bekanntlich finden wir die Korkbildung, die von unſeren Bäumen
am entſchiedenſten bei der Korkrüſter, Ulmus suberosa, und bei dem
Feldahorn, Acer campestre, vorkommt, an den diesjährigen Trieben
meiſt noch nicht vorhanden. Jedoch iſt dies gerade bei den beiden ge-
nannten Bäumen der Fall, und man kann namentlich an heurigen Trieben
der Korkrüſter von der Spitze bis herab zu ſeiner Urſprungsſtelle die
Korkbildung allmälig auftreten ſehen.


Wenn die Korkbildung, zunächſt mit einzelnen Korkzellen, beginnt,
iſt immer die Oberhaut, Epidermis, der Rinde noch vorhanden, unter
welcher ſie ſtattfindet.


Bei den meiſten Bäumen finden ſchon auf der diesjährigen Rinde
räumlich genau umſchriebene Korkwucherungen ſtatt. Es ſind dies die
meiſt länglich eirunden etwas erhabenen Rindenhöckerchen oder Len-
ticellen
, aus denen dann bei manchen Bäumen die weitere Korkbildung
ihren Urſprung nimmt. Wir ſehen dieſelben auf S. 63 als kleine rund-
liche Höckerchen der Rinde an Fig. 1. 2. und 3.


Durch die Zunahme der Korkſchicht in der angegebenen radialen An-
einanderfügung von neuen Zellen, welche durch Quertheilung älterer
erfolgt, wird die Korkſchicht bald ſo ſtark, daß die auf ihr ſitzende Epi-
dermis zerreißt und dann entweder wie bei den Haſelſtäben als ringsum
[115] loſe längliche Läppchen noch lange Zeit hängen bleiben oder wie bei der
Korkrüſter die Wölbung der Korkſtreifen bedeckt.


Da die älteren Korkzellen — dies ſind natürlich die der äußeren
Schicht der Korkhülle — bald abſterben und daher ganz trocken und in-
haltlos werden, ſo kann, indem an der innern Seite der Korkſchicht
immer neuer Zuwachs ſtattfindet, die äußere Schicht ſich nicht ausdehnen
und nachgeben, was für die Maſſenzunahme der innern nothwendig wäre,
ſondern ſie reißt in unregelmäßigen Längsfurchen auf, die ſich mit der
Zeit mehr und mehr vertiefen, indem die zwiſchen ihnen liegenden Kork-
züge immer höher und an ihrer Baſis immer breiter werden. So erhält
ſchon im erſten Jahre ein Trieb der Korkrüſter an ſeinem untern Ende
dicke Korkwülſte, welche etwas geſchlängelt und unterbrochen verlaufen
und auf dem Querſchnitt dem Triebe ein unregelmäßig ſternförmiges

Figure 15. XV.

Querſchnitt eines einjährigen Triebes der Korkrüſter.

  • aaaaaa ſechs Korkwülſte.
  • b die Rinde.
  • c das Holz.
  • d das Mark.


Anſehen geben, was die nebenſtehende Fig. XV. zeigt. Wir ſehen ſechs
querdurchſchnittene Korkzüge, welche mit ziemlich ebener Grundfläche auf
der Rinde aufſitzen, die dadurch deutlich ſechseckig geworden iſt, was ſelbſt
die Rundung des Holzkörpers einigermaßen geſtört hat.


8*
[116]

Bei keinem unſerer deutſchen Bäume iſt die Korkbildung ſo reichlich
wie bei der Korkeiche, Quercus suber, welche im Süden von Europa
und in Algier in großen Beſtänden wächſt. Je nach der Schnelligkeit
des Wachſens fängt man dort vom 15.—20. Lebensjahre an den Bäumen
die Korkſchicht abzuſchälen, was alle 3—5 oder auch erſt alle 8 Jahre
wiederholt wird. Friſchgeſchälte Korkeichen, deren ich auf der ſpaniſchen
Seite der Pyrenäen viele geſehen habe, machen einen wahrhaft ſchmerz-
lichen Eindruck, denn ſie ſehen wie geſchunden und blutend aus, indem die
der Korkſchicht beraubte Rinde ziemlich lebhaft roth ausſieht.


Wegen der geringen Durchdringbarkeit des weichen und elaſtiſchen
Korkes für Feuchtigkeit nutzt ſich die äußerſte Korklage auch nur ſehr
langſam ab, ohne ſich in Platten und Täfelchen abzulöſen, wie wir dies
nachher bei der Borke kennen lernen werden; obſchon man, was an
einem Korkſtöpſel leicht zu beſtätigen iſt, in der Korkmaſſe dunklere, den
Jahresringen des Holzes gleichlaufende ſchmale Streifen bemerkt, welche
aus etwas dickwandigeren Zellen beſtehen. Dieſe Streifen ſcheinen übrigens
nicht für Jahresabſchnitte gehalten werden zu dürfen, denn ich ſehe an
einem vierjährigen Korkeichenaſte deutlich nur drei ſolche Korkabtheilungen,
auf deren äußerſter die Oberhaut noch ganz wohlerhalten zu ſehen iſt.


Mit dem echten Kork müſſen wir ihrer phyſiologiſchen Bedeutung,
wenn auch nicht ihren übrigen Eigenſchaften nach die ſchon vorher er-
wähnte Rindenhaut, Periderm (S. 110) für gleichbedeutend halten,
denn auch ſie beſteht aus radial geordneten Lagen etwas platter würfeliger
Zellen. Sie nutzt ſich nur äußerſt wenig ab und verdickt ſich von innen
auch nur wenig durch Zellenvermehrung. Dieſe unverwüſtliche Rinden-
haut bildet die ſelbſt an ſehr alten Buchen noch überaus glatte Rinde,
und auch junge Eichen können bis in ihr 15.—20. Jahr eine ſolche und
zwar aus demſelben Grunde haben. Die weiße ſich leicht abblätternde
Schicht der Birkenrinde iſt unter anderen ebenfalls hierher zu rechnen.


Bei der uns ſchon bekannten faſt vollkommenen Undurchdringbarkeit
für Flüſſigkeiten und Gaſe dient der Kork ebenſo den Bäumen wie auf
unſeren Champagnerflaſchen zu Abſchließung der Verdunſtung von innen
heraus und des Eindringens atmoſphäriſcher Feuchtigkeit in das Innere*).


[117]

Wenn wir ſo in dem Korke eine normale Gewebebildung kennen
gelernt haben, ſo iſt dagegen die Borke vielmehr faſt ein pathologiſches
Gebilde zu nennen, wenn auch nicht in dem Sinne, daß ſie eine wahre
Krankheitserſcheinung ſei, da wir im Gegentheile wiſſen, daß viele Bäume
von einem gewiſſen Alter an regelmäßig eine dicke Borkenſchicht bilden.


Die Borke umfaßt bei den verſchiedenen Baumarten bald mehr bald
weniger tief, von außen her gerechnet, eindringende Schichten der Rinde.


Man muß hier ausdrücklich daran erinnern, daß im äußeren An-
ſehen Kork und Borke kaum von einander zu unterſcheiden ſind. An der
Korkeiche findet der Unkundige ſcheinbar daſſelbe wie an unſeren deutſchen
Eichen, dieſelben tiefen Furchen und zwiſchen dieſen die erhabenen Kämme.
Unterſucht man jedoch die letzteren bei der Korkeiche, ſo findet man, daß
ſie eben lediglich aus Korkzellen beſtehen, während ſie bei unſeren Eichen
aus Rindenparenchym der von uns ſogenannten Grünſchicht und aus
Baſtzellen beſtehen. Die Korkzellen ſpielen aber dennoch eine wichtige
Rolle bei der Borkenbildung, indem ſie das bekannte Abſtoßen der Bor-
kentafeln einleiten, welches am ausgeprägteſten bei der Kiefer und bei der
bei uns eingebürgerten Platane ſtattfindet. Es bilden ſich nämlich mitten
in der Rinde dünne mit dem Stammumfange gleich laufende Schichten
dickwandiger Korkzellen, wodurch die auswärts von ihnen liegende Rinden-
ſchicht abgeſperrt und dem Abſterben anheimgegeben wird, wodurch bei
der Platane bekanntlich das herbſtliche Abblättern von großen etwa ¼ Zoll
dicken Borkentafeln bedingt wird.


Neben dieſen maſſenhaften Abſtoßungen bewirkt noch die äußere Ver-
witterung eine Abnutzung der äußeren Borke, welche jedoch nur langſam
wirkt und am meiſten noch dadurch, daß das atmoſphäriſche Waſſer von
den Seiten der Borkenfurchen in die Borkenhügel eindringt und den
Korkabſperrungen folgend, die abgeſperrten Schichten abhebt, was am
deutlichſten bei der Kiefer zu ſehen iſt, bei welcher ohne Zweifel der
Wechſel zwiſchen feuchtem Wetter und austrocknender Wärme von großem
Einfluß auf die Abſchuppung der oberen Stammtheile iſt.


*)


[118]

Indem wir uns auf dieſe kurze allgemeine Schilderung der Rinde
beſchränken müſſen, bleibt uns noch etwas über die Bedeutung der-
ſelben zu ſagen übrig. Daß dieſe ſehr groß iſt, wiſſen wir Alle daher,
daß jede weſentliche Entrindung ein Kränkeln und eine auch nur wenige
Zoll hoch den ganzen Stammumfang einnehmende, den unausbleiblichen
Tod des Baumes zur Folge hat. Ohne Vermittlung der Rinde heilt
keine Stammwunde, wie wir im folgenden Abſchnitt lernen werden.


Die Rinde iſt der Stapelplatz für eine Menge von Stoffen, die ſich
im Holze nicht oder nur in geringer Menge finden; darum giebt es auch
in unſerem Arzneiſchatze ſo viele officinelle Rinden, von denen ich neben
der Zimmetrinde, nur die China- und Cascarill-Rinde, und wegen ihres
Reichsthums an Gerbſtoff die Eichenrinde nenne. Alle dieſe Stoffe kommen
jedoch mehr in der innern als in der äußern Schicht und mehr in den
jüngern als ältern Rinden vor.


Die Rinde mit der Haut und anderen Bedeckungen des thieriſchen
Körpers vergleichen zu wollen, was der oberflächlichen Auffaſſung vielleicht
nahe liegen könnte, iſt durchaus unzuläſſig und vielleicht höchſtens nur in
dem Punkte zutreffend, daß wie die Pflanze ohne Rinde, ſo das Thier
ohne Haut nicht leben kann. In den weſentlichſten Verrichtungen ſind
beide einander eher entgegengeſetzt als ähnlich. Die Haut vermittelt den
Verkehr und den Stoffaustauſch des thieriſchen Lebens mit der umgebenden
Luft, während die Rinde gerade das Gegentheil thut. — Nicht einmal
die regelmäßige und allgemeine Abſchuppung der Haut findet bei der Rinde
ein Seitenſtück, denn es giebt Pflanzen, und z. B. in unſerer Buche
auch Bäume, bei denen die Abſtoßung der äußerſten und älteſten Rinden-
ſchichten nicht oder wenigſtens nicht durch eine organiſche Bedingung ein-
geleitet ſtattfindet. Es iſt übrigens ſehr mißlich und hat ſchon zu großen
Verkehrtheiten geführt, pflanzliche Lebenserſcheinungen mit ähnlichen
thieriſchen zu vergleichen oder gar nach dieſen zu deuten. Die Geſetze
des Lebens ſind zwar in beiden Reichen dieſelben, aber ſie bedienen ſich
oder vielmehr ſie wirken in anderen Stoffverbindungen, ſehr zuſammen-
geſetzten im Thierleibe, höchſt einfachen im Pflanzenleibe.


[119]

Wurzel und Wurzeläſte.


Zwiſchen der Wurzel und dem Stamme unſerer Waldbäume iſt hin-
ſichtlich des innern Baues und Gefüges nur ein geringer Unterſchied und
bei keinem findet ſich eine ſcharf markirte Stelle, durch welche beide von
einander geſchieden wären, von welcher an aufwärts der Stamm und
abwärts die Wurzel beginnt.


Dieſe innere Uebereinſtimmung ſchließt nicht aus, daß im Ganzen
der äußerlichen Geſtalt zwiſchen Stamm und Wurzel eine ſehr große
Verſchiedenheit ſtattfindet. Die vielleicht über 100 Fuß hohe mächtige
Fichte hat eine regellos in Aeſte getheilte Wurzel, welche kaum 2 Fuß
tief in den Boden eindringen, ſondern ſich flach in demſelben verbreiten,
ſo daß man ſagen möchte, eine Fichte ſteht mehr auf einem flachen nur
leicht mit dem Boden verbundenen Fußgeſtelle, als daß ſie tief eingreifend,
tief in dem Boden wurzele. Daher kommt es auch, daß von allen Wal-
dungen reine Fichtenwaldungen am meiſten durch Windbruch leiden. Ein
Sturm legt zuweilen ganze Fichtenbeſtände um, ohne einen Baum zu
zerbrechen; er hebt verhältnißmäßig mit Leichtigkeit das flache ſeicht lie-
gende Wurzelgeflecht mit ſammt dem zwiſchen den Wurzeläſten feſtgehaltenen
Boden los, ſo daß jeder geworfene Baum einem umgeworfenen Chriſt-
bäumchen mit ſeinem Fußbretchen gleicht. Wird dann das hoch und hohl
liegende Stammende dicht über der Wurzel abgeſägt, ſo fällt der Wurzel-
ſtock oft ſo genau von ſelbſt wieder auf ſeinen alten Platz zurück, daß
man kaum noch ſehen kann, was hier vorgegangen iſt.


Doch es iſt hier nicht der Ort, die Aeußerlichkeit der Baumwurzeln
zu beſchreiben; wir verſparen dies, ſo weit es nothwendig iſt, auf die
ſpätere Betrachtung der einzelnen Baumarten, wo wir ja auch den ge-
ſtaltlichen Charakter von Stamm und Krone zu unterſcheiden haben werden.


Wenn wir die uns hier nicht beſchäftigenden Zwiebeln und Knollen
und einige andere, gewöhnlich, aber fälſchlich, Wurzeln genannte Gebilde
unberückſichtigt laſſen, ſo iſt die Geſtalt der Wurzeln unſerer Bäume im
Allgemeinen ſehr ſchlicht und bietet wenig Anlaß zu Unterſcheidung ver-
ſchiedener Wurzelformen.


Dem Urſprunge nach, d. h. nach der Art wie ſie aus dem keimenden
Samen hervortritt, beſteht auch jede Baumwurzel aus einer Haupt-
oder Pfahlwurzel und aus Neben- oder Adventivwurzeln.


[120]

Aber nicht immer behält die Pfahlwurzel bei der Weiterent-
wicklung des Baumes die Oberhand, wie ſie ſie beim jungen Keimpflänzchen
und auch einige Jahre lang an dem jungen Bäumchen hat. Aus dem
vorhin über die Wurzel der Fichte Geſagten geht von ſelbſt hervor, daß
bei ihr die Pfahlwurzel in ihrer Entwicklung bald nachläßt, während die
Pfahlwurzel der Eiche weit in die Tiefe des Bodens geht, woraus einmal
deren Vorliebe für einen lockern tiefgründigen Boden und ihre Feſtigkeit
im Sturme hervorgeht. Die Pfahlwurzel hat übrigens kein anderes
Merkmal vor den Nebenwurzeln voraus, außer eben das, daß ſie
bereits im Samen in der Anlage vorhanden war, was wir bei der
Betrachtung des Samens und des Lebens des Baumes näher kennen
lernen werden.


Alle übrigen Wurzeläſte ſind Neben- oder Adventivwurzeln,
d. h. ſie ſind an verſchiedenen Stellen der Pfahlwurzel oder an früher
aus dieſer gebildeten Nebenwurzeln entſprungen. In der Geſtalt und
Stellung der Nebenwurzeln findet bei unſeren Waldbäumen wenig Manch-
faltigkeit und überhaupt nicht die Regelmäßigkeit ſtatt, welche in der
Zweigſtellung der Baumkrone oft ſo ſehr bemerkbar iſt. So findet ſich
z. B. von der regelmäßigen Quirl- und Schraubenſtellung der Triebe
und Nadeln der Nadelhölzer (S. 70) bei deren Wurzeln keine Spur.


Wahre Wurzelknospen gehen der Bildung der Nebenwurzeln nicht
voraus, ſondern die letzteren brechen an beliebigen Stellen, meiſt ohne alle
bemerkbare Regelmäßigkeit aus der Rinde älterer Wurzeläſte hervor.


Dagegen vermögen die Wurzeln vieler Laubhölzer Adventivknospen
zu Stammtrieben hervorzutreiben, wodurch ſich namentlich die Pappelarten
und der Pflaumenbaum auszeichnen. Man ſieht oft neben den Chauſſee-
gräben ſchlanke Pappelſchößlinge aus dem Boden hervorſproßen, welche
aus einer Wurzel der danebenſtehenden alten Pappel hervorkommen.
Man nennt ſie Wurzelſchößlinge oder Wurzelausſchlag.


Da an der Baumwurzel alle Veräſtelungen nur Adventivbildungen
ſind und ihr namentlich an ihren Spitzen die Endknospe fehlt und in der
Hauptſache alle Regelmäßigkeit der Stellung fehlt, ſo fehlen ihr auch alle
hierauf gegründeten Erkennungszeichen des Alters und man iſt hierbei
allein auf die Jahresringe angewieſen, wovon weiter unten.


[121]

Nebenwurzeln finden ſich übrigens nicht blos am Wurzelkörper, ſon-
dern können auch an Stammtheilen entſpringen, wenn ſie unter ſolche
Verhältniſſe gebracht werden, wie ſie die Wurzelthätigkeit verlangt, d. h. in
den Erdboden. Wir wiſſen Alle, daß Weiden und italieniſche Pappeln
lediglich durch Stecklinge vermehrt werden. Es reicht aus, einen
Weidenzweig in die Erde zu ſtecken, um aus ihm ein Weidenbäumchen
werden zu laſſen, indem aus dem in dem Erdboden ſteckenden Ende deſſelben
an beliebigen Stellen Adventivwurzeln durch die Rinde hervortreten.


Was nun den innern Bau der Wurzel unſerer Waldbäume
anbelangt, ſo wiſſen wir zunächſt bereits, daß ihr das Mark fehlt, in-
dem nur ſelten ein feines Fädchen davon übrig iſt, in welchem die Mark-
ſtrahlen zuſammenſtoßen. Die Markſtrahlen ſind dagegen bei manchen
Arten deſto reichlicher entwickelt.


Das Wurzelholz iſt von dem Stamm- und Aſtholz in vielen
Stücken ſehr verſchieden, wenigſtens bei den Laubhölzern, weniger bei
den Nadelbäumen. Im Allgemeinen iſt es weicher, lockerer und leichter,
einmal weil die Zellen dünnwandiger ſind, einmal weil es reicher an
weiten Gefäßen iſt, ja bei den meiſten der Unterſchied zwiſchen weiten
und (ganz fehlenden) engen Gefäßen ganz wegfällt (S. 104, wo ſie große
und kleine Gefäße genannt wurden). Neben dieſen auch ſchon auf S. 107
mitgetheilten Unterſchieden des Wurzelholzes ſei noch hinzugefügt, daß
auch der Unterſchied zwiſchen Frühjahrs- und Herbſtholz (S. 105) mit
den Jahresringen bei dem Wurzelholze mehr oder weniger wegfällt.


Leider iſt unſere Kenntniß von den Verſchiedenheiten des Wurzelholzes
unſerer Bäume noch ſehr hinter der vom Stammholze zurück, weil man
ſelten Gelegenheit hat, Baumwurzeln zu bekommen, da von manchen
Bäumen, namentlich in gemiſchten Mittel- und Niederwald-Beſtänden die
Stöcke ſelten oder nicht gerodet werden, ſondern zum Stockausſchlag
ſtehen bleiben.


Die Rinde der Wurzeln gleicht zwar in der Hauptſache der des
Stammes, aber ſelbſt an den ſtärkſten Wurzeläſten iſt ſie meiſt viel
ſchwächer als am Stamme, an den dünnen dagegen meiſt etwas dicker
und fleiſchiger als an gleichſtarken Zweigen.


Eine ſo ſtarke Borkenbildung wie am Stamme findet ſelbſt an den
ſtärkſten Wurzeläſten nicht ſtatt, dagegen ſehr häufig eine nicht unbedeutende
[122] Korkerzeugung. Der Kork bildet dann aber nie eine allgemeine, die
ſtärkeren Wurzeläſte überziehende Hülle, wie an den Stämmen der Kork-
bäume, ſondern nur vereinzelte Partien, die jedoch, wie es ſcheint,
niemals nach der Länge der Wurzeln verlaufen, ſondern ringförmig ver-
theilt ſind.


Ueber den Bau der feineren Wurzelverzweigungen und der
Wurzelſpitzchen, der ſogenannten Saug- oder Thauwurzeln,
wollen wir bei der Betrachtung des Lebens des Baumes ſprechen, weil
ſie es allein ſind, wodurch die Nahrungsaufnahme im Boden bewerk-
ſtelligt wird.


Was die Lebensbedeutung der Wurzel betrifft, ſo iſt dem,
was hierüber das allgemeine Volkswiſſen zu ſagen weiß, kaum etwas
hinzuzufügen.


Die Wurzel iſt der Fuß und das wichtigſte Ernährungsorgan des
Baumes wie — mit wenigen Ausnahmen — aller Pflanzen, den Thieren
gegenüber gewiß eine ſonderbare Verknüpfung der Funktionen und ein
anderweiter Beleg, wie wenig rathſam es iſt, Pflanzen und Thiere hin-
ſichtlich der Lebensvorgänge, einander erklärend, zu vergleichen.


Nimmt auch ohne Zweifel der Luftraum einen nicht unbedeutenden
Antheil an der Ernährung des Baumes, ſo iſt doch der Erdboden deſſen
weſentliche Nahrungsquelle, in welcher die Wurzel nach dem größeren
oder geringeren Reichthum derſelben nach allen Seiten ſich verbreitet, um
das dem Baume Nöthige zu ſchöpfen. Es iſt darum für jeden Pflanzen-
erzieher eifrigſte Sorge, durch Bodenbearbeitung und Düngung dieſe
Nahrungsquelle zu bereichern und zuzubereiten.


Hier ſteht der Forſtmann mit ſeinen Mitteln gegen den Landwirth
weit zurück; er muß daher ſeine Hauptſorge darauf richten, weſentlich
mit Berückſichtigung der Wurzelbeſchaffenheit, für jede zu erziehende Baum-
art den richtigen Boden zu wählen, auf flachgründigem Boden keine
Eichen, auf ſehr feuchten keine Kiefern, auf trockenen keine Erlen zu bringen.


Wenn wir als zweite Aufgabe der Wurzel die Befeſtigung des Baumes
an ſeinem Standorte kennen, ſo müſſen wir doch zugeben, daß dieſe die
nebenſächliche, die weſentlichere dagegen die Ernährung iſt. Wir erinnern
uns hierbei wieder an die lehrreiche Fichte. Sie findet ihr Nahrungs-
bedürfniß nur in den oberen, an Moderſtoffen reichen Schichten des
[123] Bodens und — eine Warnung für die Zweckmäßigkeitstheoretiker! — ſie
verſäumt über dieſer Sorge die andere, ſie ankert ihren koloſſalen Leib,
den ſchwanken mächtigen Stamm, ſo unzureichend feſt, daß ſie bei jedem
Sturm dafür büßen muß.


Andere Bäume möchte man klüger nennen. Sie krallen ſich tief
und immer tiefer ſelbſt in felſigen Boden ein, jede Felſenkluft mit ihren
Würzelchen durchdringend. Es wäre aber thöricht, hierin eine Abſichtlich-
keit zu finden. Das Nahrungsbedürfniß ſolcher Bäume findet ſich mehr
in den unteren, an löslichen Steinſtoffen reicheren Bodenſchichten und
indem ſie ihrem Nahrungsdrange folgen, erreichen ſie gelegentlich, aber
nicht als erſtrebten Zweck, einen feſteren Stand.


Blätter und Blüthen.


Gerade bei unſeren Waldbäumen kann man ſich überzeugen, daß
Blätter und Blüthen im Grunde Eins, nur verſchiedene Entwicklungs-
ſtufen deſſelben Formgedankens ſind, denn die Mehrzahl unſerer Wald-
bäume trägt nur höchſt unvollkommene Blüthengebilde, deren Verwandtſchaft
mit den Blättern erſichtlicher iſt, als bei den prangenden Blumen tropiſcher
Bäume und ſelbſt einiger aus gemäßigten Zonen bei uns eingeführter,
wie z. B. der Kaſtanie, des Trompetenbaumes und der Robinie.


Von allen unſeren Waldbäumen tragen nur der wilde Apfel-, Birn-
und Kirſchbaum und einige andere vollkommen entwickelte Blüthen, an
denen man die normalen vier Kreiſe des Kelches, der Blumenkrone, der
Staubgefäße und der Stempel unterſcheidet, am vollſtändigſten, obgleich
bekanntlich nichts weniger als in die Augen fallend, bei der Linde, welche
man zu den vollkommenſten aller Gewächſe ſtellen muß.


Die Eiche dagegen, die Eſche, die Weiden, Pappeln, Birken, Erlen
und die Nadelhölzer haben Blüthen, bei welchen jene vier Kreiſe niemals
beiſammen und obendrein, wenigſtens Kelch und Blumenkrone, auf das
geringſte Maaß der Entwicklung beſchränkt ſind.


Wir ſehen uns hier zum Beweiſe deſſen den Blüthenbau der ge-
meinen Kiefer, Pinus silvestris, an, obgleich wir den Inhalt der Tafel
in allen ſeinen Einzelnheiten erſt ſpäter bei der botaniſchen Beſchreibung
auch dieſes Baumes durchzugehen haben werden.


[124]

Wir ſehen eine Triebſpitze mit einem abwärts gekrümmten weiblichen
Blüthenzäpfchen (1) und daneben einen mehrjährigen Trieb, an deſſen Baſis
dicht gedrängt eine Menge eirunder männlicher Blüthenkätzchen ſtehen (2).
Das weibliche Zäpfchen iſt in Fig. 5 und ein männliches in Fig. 13

Figure 16. XVI.

ſchwach vergrößert dargeſtellt. Jenes beſteht in der Hauptſache aus von
einer Schuppe geſtützten Stempeln (6, 7, 8), dieſes aus ungewöhnlich
geſtalteten Staubgefäßen (14, 15). Die männlichen Kätzchen fallen nach
[125] erfolgter Befruchtung bald ab (daher die Lücken an Fig. 2), während
das weibliche Zäpfchen allmälig zu dem Fruchtzapfen erwächſt (3, 4).


Ein Inſekt, welches wir ſpäter kennen lernen werden, vermittelt in
überraſchender Weiſe das Verſtändniß der Verwandtſchaft dieſer ſchlichten
Blüthengebilde mit den Blättern. Der Fichtenblattſauger übt bei der
Ablegung ſeiner Eier an die jungen Maitriebe der Fichte einen wahrhaft
zauberiſchen Einfluß aus, wodurch der benadelte Trieb ſich in ein Gebilde
umgeſtaltet, welches einem jungen Fichtenzapfen ſehr ähnlich ſieht.


Die Beſchreibung der Blüthen unſerer Waldbäume ſpäterer Be-
trachtung überlaſſend, ſprechen wir jetzt nur von einigen allgemeinen
Verhältniſſen dieſer und der ihnen verwandten Blätter.


Zwiſchen beiden beſteht eine bemerkenswerthe Zeitbeziehung: ent-
weder die Blätter erſcheinen am Baume vor den Blüthen oder nach
oder zugleich mit denſelben. Die Erlen, die Pappeln, die Eſchen, die
Rüſtern, viele Weiden, der Haſelſtrauch, der Schlehdorn, haben längſt
abgeblüht, wenn ihre Blätter erſt nachkommen; bei den Eichen, Buchen,
Hornbäumen, Birken, Ahornen und anderen Weidenarten kommen Blätter
und Blüthen zuſammen, und bei der Linde kommen die Blüthen um
mehr als einen Monat ſpäter als die Blätter.


Da bei der großen Verſchiedenheit des Blüthenbaues unſerer Wald-
bäume etwas Allgemeines ſich ſchwer ſagen läßt, ſo müſſen wir die Be-
ſchreibung bis auf die Betrachtung der einzelnen Arten verſchieben.


Unſere ſämmtlichen Laubholzbäume haben ſommergrüne Blätter,
d. h. ſie verlieren die im Frühling hervorgeſproßten im Herbſte wieder.
Dies ſchließt jedoch nicht aus, daß die abgeſtorbenen Blätter oft noch
den Winter über am Baume hängen bleiben, und erſt den neu auf-
brechenden Knospen weichen. Dies iſt namentlich der Eiche und dem
Hornbaum, wenn immerhin auch nur als Ausnahme von der Regel, eigen.


Was die Geſtalt der Blätter betrifft, ſo iſt dieſelbe bei den
meiſten einfach, d. h. ſie beſtehen nur aus einer wenn auch zuweilen
ſehr tief eingeſchnittenen und gelappten Blattfläche: Eiche, Ahorn, Buche,
Birke. Zuſammengeſetzt ſind ſie nur bei der Eſche und bei den
Ebereſchen, und zwar gefiedert.


An den Blättern der Laubbäume iſt faſt immer ſehr deutlich der
Blattſtiel von der Blattfläche (in neuerer Zeit nach Schimpers
[126] Vorgange oft Spreite genannt) zu unterſcheiden, wobei man dann an
den zuſammengeſetzten Blättern den gemeinſamen Blattſtiel und
die Blattſtielchen der Theilblätter — die dann Blättchen oder
Fiedern heißen — unterſcheidet.


An der Blattfläche finden ſich bei den verſchiedenen Laubhölzern
eine Menge von Merkmalen und Beziehungen, ſo daß in Ermangelung
anderer Theile die Blätter faſt immer allein ausreichen, um die Baum-
arten von einander zu unterſcheiden; nur bei den Weidenarten reichen die
Blätter allein nicht immer dazu aus.


Ober- und Unterſeite, Behaarung oder Glätte, Glanz,
Farbenton, Zähnung
oder tieferes Eingeſchnittenſein des

Figure 17. XVII.

Oberhaut der unteren Seite eines Buchenblattes (ſehr ſtark vergrößert).
a Oberhautzellen; — b Spaltöffnungen, gebildet aus zwei gegeneinander gekehrten, an
dieſer Seite concaven Zellen z s, welche den Spalt, c, die eigentliche Spaltöffnung,
Stoma, einſchließen.


Randes, Verhältniß der Länge des Blattſtieles zu der der Blatt-
fläche, das Geäder, endlich die ganze Geſtalt des Blattes geben eine
Menge Unterſcheidungsmerkmale an die Hand.


Der anatomiſche Bau der Blätter iſt bei allen unſeren Laubbäumen
und Sträuchern ſehr übereinſtimmend. Zunächſt ſind ſie oben und unten
[127] von einer oberen und einer unteren Oberhaut, Epidermis, über-
kleidet, welche immer aus einer einzigen von ſeitlich ſehr feſt aneinander
gefügten Zellen beſteht und darum, zwar nicht gerade bei den Baum-,
aber bei vielen anderen Blättern, als ein weißliches durchſcheinendes
Häutchen abgezogen werden kann. Fig. XVII. ſtellt ein Stückchen Ober-
haut der unteren Blattſeite von einem Buchenblatte dar. Die Oberhaut-
zellen, a, zeigen wurmförmig gekrümmte Seitenwände.


In der Epidermis der unteren Blattſeite, weniger und oft gar nicht
auf der oberen, finden ſich die ſogenannten Spaltöffnungen, Fig. XVII. b,
außerordentlich kleine von 2 gegeneinander gerichteten meiſt halbmondför-
migen Zellen — den Spaltöffnungszellen — begrenzte Oeffnungen, durch
welche das Blattinnere mit der umgebenden Luft in unmittelbarer Ver-
bindung ſteht.


Die zwiſchen den beiden Oberhäuten eingeſchloſſene Zellenmaſſe nennt
man das Blattfleiſch. Wenn man ein friſches Blatt gegen das Licht

Figure 18. XVIII.

Senkrechter Querſchnitt eines Stückchens Buchenblatt (ſehr ſtark vergr.).
o o die obere und u o die untere Oberhaut; — o die obere und u die untere Schicht des
Blattfleiſches; — 1 Luftlücken in derletzteren, zu deren einer die Spaltöffnung sp, zwiſchen
den beiden Spaltöffnungszellen, führt.


beſieht, ſo nimmt man wahr, daß das Blattfleiſch aus einer grünen
Grundmaſſe beſteht, in welcher die weißlich durchſcheinenden Blattrippen
liegen, die ſich zuletzt in ein außerordentlich feines Maſchennetz auflöſen.
Die zellige Grundmaſſe des Blattfleiſches beſteht auf der oberen Blattſeite —
[128] unter der oberen Oberhaut — aus länglichen, innig aneinander anliegenden
Zellen o, welche ganz mit Blattgrün, Chlorophyll, ausgefüllt ſind,
dem aus äußerſt kleinen Körnchen beſtehenden grünen Farb-Stoffe aller
grünen Pflanzentheile. Unter dieſer oberen Zellenſchicht des Blattfleiſches,
welche bei dickeren Blättern auch oft eine mehrfache iſt, liegt eine zweite
untere Zellenſchicht, u, deren blattgrünärmere Zellen meiſt ſehr unregel-
mäßig geſtaltet und ſo locker mit einander verbunden ſind, daß zwiſchen
ihnen eine Menge Luftlücken, l, übrig bleiben, welche mit den Spalt-
öffnungen in Verbindung ſtehen. An der Fig. XVIII. unterſcheiden wir
beide Oberhäute, o o und u o, die beiden Schichten des Blattfleiſches,
o und u, und in der unteren Oberhaut ſehen wir eine querdurchſchnittene
etwas in dieſelbe eingeſenkte Spaltöffnung, sp.


Die Blattrippen und deren letzte feine Veräſtelung, das Blatt-
geäder
oder Blattnetz, beſtehen aus Baſtzellen und Gefäßen, welche
letztere meiſt Spiralgefäße ſind.


Wir haben daher am Blatte zwiſchen den beiden Oberhäuten zu-
und ableitende und verarbeitende, aſſimilirende, Organe; jene ſind die
Baſtzellen und Gefäße, dieſe die chlorophyllhaltigen Zellen.


Der Blattſtiel, der bei manchen unſerer Waldbäume, z. B. der
Eſche, ſtengelartig erſcheint, iſt als weſentlich ſaftleitendes Organ auch
im Inneren dem Stengel ähnlich gebaut, indem man bei manchen Baum-
arten im Blattſtiele ein centrales Mark, einen Holzring und eine
Rinde, denen des Stengels ganz ähnlich gebaut, unterſcheidet. Meiſt
aber gleicht der Blattſtiel auf dem Querſchnitt mehr einem halbirten
Stengel; nämlich einem halbkreisförmigen Holzkörper liegt innenſeitig ein
Markkörper an und beide ſind von der gemeinſamen Rinde umſchloſſen.


Was nun die Blätter der Nadelhölzer betrifft, die mit der
gewöhnlichen Benennung Nadeln doch nicht als etwas ganz anderes von
den Blättern der Laubhölzer getrennt werden können, ſo iſt wie ihre
äußere Geſtalt auch ihr innerer Bau verſchieden, doch nicht in dem Grade,
daß wir nicht auch an ihnen eine Ober- und eine Unterſeite mit ihrer
Oberhaut und ein Blattfleiſch mit blattgrünhaltigen Zellen und mit aus
Baſtzellen und Gefäßen gebildeten Gefäßbündeln unterſcheiden könnten, nur
eben in anderer Anordnung.


[129]

Am deutlichſten iſt eine Ober- und eine Unterſeite am Blatte der
Tanne, Abies pectinata, zu unterſcheiden, am wenigſten bei der Fichte,
Abies excelsa, deren Blätter auf dem Querſchnitt faſt rautenförmig ſind.


Vor der Betrachtung einiger niederer Blattformen, welche namentlich
bei einigen unſerer deutſchen Waldbäume eine gewiſſe Bedeutung haben, muß
hier von den eigentlichen Blättern noch nachgetragen werden, daß ſie
nicht ſelten hinſichtlich ihrer allgemeinen Form einer beträchtlichen Ver-
änderlichkeit unterworfen ſind. Dieſe Abweichungen von der der betreffenden
Art zukommenden Grundform bilden zuweilen beachtenswerthe Ab- oder
Spielarten, von denen die auffallendſte die einfachblättrige Eſche, Fraxi-
nus excelsior var. simplicifolia
iſt, deren Blätter anſtatt 9—11-blättrig
gefiedert, wie bei der Stammart, einfach ſind. Die Buche hat drei ſolcher
auffallender Blattvarietäten, welche wir ſpäter durch Abbildungen kennen
lernen werden. Bekannter ſind die Spielarten mit geſchäckten Blättern,
foliis variegatis, wie die Gärtner ſagen, z. B. von dem gemeinen Ahorn,
Acer pseudoplatanus.


Aber faſt noch intereſſanter als dieſe aus unbekannten Urſachen ent-
ſprungenen Blätter-Spielarten ſind die Fälle, wo die Blätter in Folge
einer vor Augen liegenden Veranlaſſung ihre normalen Erſcheinungen
mehr oder weniger verleugnen. Namentlich zeigen die Blätter von ſtark
beſchnittenen Büſchen und Hecken, von Stock- und Wurzelausſchlag oder
von geköpften Bäumen oft ſehr abweichende Erſcheinungen. Es iſt, als
ob der allzureichliche Andrang von Nahrungsſtoff ein Ueberſchreiten des
gewöhnlichen Maaßes an Form und Umfang der Blätter herbeiführte,
denn namentlich ſind die Blätter von Stocklohden bei Eichen, Rüſtern,
Birken, Linden und andern Bäumen oft vielmal größer und auch oft
anders geſtaltet als an dem geſunden Baume und dabei natürlich auch
die Triebe wohl um das Zehnfache länger und viel ſtärker als ſonſt.


Ganz auffallend verhält ſich hinſichtlich der Blattgeſtalt die Espe,
Populus tremula, bei welcher an jungen Bäumchen die an der unteren
Hälfte der Triebe ſtehenden Blätter allein die normale Geſtalt zeigen,
während die mehr nach der Spitze des Triebes hin ſtehenden auffallend
anders geſtaltet ſind. Faſt noch auffälliger iſt der Unterſchied der Blätter
bei dem Weißdorn, Crataegus oxyacantha, je nachdem ſie an Trieben ſtehen,
welche aus Adventivknospen hervorgingen oder an den normalen Trieben.


Roßmäßler, der Wald. 9
[130]

Der Weißdorn leitet uns von den eigentlichen Blättern zu einigen
andern Blattgebilden, die namentlich bei dem eben genannten Buſche eine
große Rolle ſpielen. Es ſind dieſes die Neben- oder Afterblätter
und die inneren Schuppen der Knospen.


Schon die Knospenſchuppen (ſ. S. 59 ff.) ſind als niedere Blatt-
gebilde zu betrachten und bei manchen Bäumen kann man von den
äußerſten bis zu den innerſten Knospenſchuppen eine allmälige Zunahme
in der Ausbildung und eine ſtufenweiſe Annäherung an die Bildung der
Blätter erkennen. Dies iſt am meiſten bei der Eſche der Fall, bei der
ſogar die innerſten Schuppen bei der Entfaltung der Knospe zum Triebe
zu langen breiten, an der Spitze gefiederten Blattgebilden auswachſen.
Ganz ähnlich iſt es bei dem Spitzahorn, Acer platanoides.


Von dieſen laubartig auswachſenden Knospenſchuppen machen zu den
dauernden Nebenblättern die hinfälligen Nebenblätter den
Uebergang, welche ſich bei mehreren Baumarten finden, z. B. bei der
Buche und Linde. Wenn dieſe Bäume ihre Triebe aus der Knospe her-
vortreiben, ſo ſtehen neben jedem Blatte zwei zungenförmige weißlich oder
hellroſenroth gefärbte Afterblätter, welche aber nach einigen Tagen abfallen.


Dauernde Afterblätter finden ſich namentlich bei einigen Wei-
denarten, z. B. bei der deshalb ſo genannten Ohrweide, Salix aurita,
und bei dem Weißdorn, Crataegus oxyacantha. Sie nehmen immer
weſentlich Theil an der vorhin erwähnten Umgeſtaltung der Blattform
bei beſonders reichlichem Andrang von Nahrungsſaft.


Endlich ſind hier noch einige Blattgebilde zu nennen, welche ſich
immer nur am Grunde der gemeinſamen oder der einzelnen Blüthenſtiele
finden und welche Deckblätter heißen. Sie ſind immer klein und
von einfacher lanzettlicher Geſtalt. Eine ganz beſondere Art von Deckblatt
werden wir bei der Linde kennen lernen; wie wir überhaupt bei der Be-
trachtung der Illuſtrationen der einzelnen Baumarten die verſchiedenen
Geſtaltungen der Neben- und der Deckblätter kennen lernen werden.


[[131]]

6.
Der Bau und das Leben des Baumes.

(2. Das Leben.)


Da ſteh ich, ein entlaubter Stamm,

Doch innen im Marke lebt die ſchaffende Gewalt.

Wenn die Winterszeit überſtanden iſt und das gefeſſelte Leben ſich
im Laubwalde wieder regt und wie aus Millionen geſprengter Kerkerzellen
das junge Grün aus den Knospen hervortreibt — da ſchauen wir fragend
auf die ſcheinbar erſtorbenen Leiber der borkenumpanzerten Bäume und
auf den Boden, auf dem wir neben ihnen ſtehen, was es wohl ſei, was
dieſen Zauber bewirkt. Dann fallen uns obige Worte Schillers ein und
wir rechten jetzt auch nicht mit ihm, daß er dieſen Zauber dem Marke
zuſchreibt, von dem wir wiſſen, daß es in der Pflanze keine weittragende
Kraft, am allerwenigſten eine verjüngende Gewalt beſitzt.


Die Macht des geſtaltenden Lebens können wir zwar auch bei den
Pflanzen nicht in dem Momente ihres Schaffens ſehen: wir ſehen nur
das, was bereits da iſt, niemals den Moment des Werdens. Dennoch
bilden wir uns ein, im Frühjahrserwachen des Baumes einen ſchöpferiſchen
Akt zu belauſchen und das vergeiſtigt unſere Freude daran. Wenn wir
auch nicht vermögen, auch nicht mit den beſten Hülfsmitteln der ſpähenden
Wiſſenſchaft, dieſe Selbſttäuſchung zu einer Wahrheit zu machen, ſo wiſſen
wir doch, nachdem wir früher dem Bau der Baumknospen eine eingehende
Aufmerkſamkeit geſchenkt haben, daß wir uns die Freude über die Knospen-
entfaltung erhöhen können, wenn wir kurz vor dem Eintritt derſelben
eine Knospe zergliedern, um zu ſehen, wie die kleinen vorgebildeten
9*
[132] Blättchen darin zur Zeit noch untergebracht ſind, und wenn wir dann
von dem erſten Anſchwellen der Knospe an, dem bald ein Anseinander-
treten der Schuppen folgt, Schritt für Schritt der ſtündlich zunehmenden
Entfaltung und Geſtaltung folgen. Wir lernen dabei die Verſchieden-
heiten der Knospenfaltung kennen (S. 66) und ſehen, wie die Knospen-
ſchuppen ſich bei manchen Baumarten verwandtſchaftlich zu den hinfälligen
Nebenblättern verhalten. Wir ſehen, wie die einen Bäume zuerſt nur
die Blüthenknospen entfalten, was uns bisher vielleicht entging, weil wir
an einem Baume keine Blüthen zu ſuchen gewöhnt waren, der noch keine
Blätter hat, obgleich ſchon der Aprikoſenbaum und der Schlehdorn uns
vom Gegentheile belehren wollen.


Doch wir wollen das Leben des Baumes nicht an den Wandlungen
während eines Jahreslaufes betrachten, weil uns das darüber unbelehrt
laſſen würde, wie der Baum bis dahin gediehen ſei, wo wir dieſe Be-
trachtung beginnen. Wir verfolgen daher lieber die Entſtehung eines
Baumes aus einem Samenkorn und haben dabei Veranlaſſung, zunächſt
den Bau eines Samenkorns zu unterſuchen, um zu ſehen, welche von
ihm die Theile ſeien, aus denen das junge Bäumchen hervorgeht.


Wer den Bau einer Eichel nicht kennen ſollte, der kennt wenigſtens
den einer Mandel oder eines Kürbis- oder Bohnenkernes oder einer
Erbſe, bei denen allen die Verhältniſſe, um die es ſich uns jetzt handelt,
genau ſo ſind wie in der Eichel und wie bei den meiſten Waldſämereien.


Wenn wir uns recht genau von dem Bau der genannten Samen-
arten unterrichten wollen, ſo legen wir ſie etwa eine halbe Stunde in heißes
Waſſer, worauf alsdann die äußere Samenhaut weich geworden ſein und
ſich leicht abſtreifen laſſen wird. Indem wir dies thun haben wir uns
in Acht zu nehmen, daß der enthäutete Same nicht von ſelbſt in zwei
halbkugliche (bei der Erbſe) oder halbeiförmige (bei der Eiche) Hälften
zerfalle, denn ſie hängen nur an einer kleinen Stelle mit einander zu-
ſammen, und gerade dieſe kleine Stelle iſt das Weſentliche des Samen-
korns: der Keim oder Embryo.


Obgleich die Bohne nicht zu den deutſchen Waldbäumen gehört, ja
wir nicht einmal eine Familienverwandte von ihr unter dieſen haben, ſo
wähle ich doch einen Bohenkern zur Erläuterung des Keimens, weil ein
Bohnenkern für Jederman viel leichter zu haben iſt, als eine Eichel oder
[133] eine Buchecker und obendrein dieſe letzteren nur kurze Zeit keimfähig
bleiben und viel längere Zeit zum Keimen brauchen als die in wenigen
Tagen keimende Bohne. Letztere iſt auch deshalb hier eine ganz paſſende
Stellvertreterin der Eichel, weil ſie wie dieſe die Keim- oder Samen-
lappen im Boden zurückläßt, was beinahe alle übrigen Waldſamen nicht
thun. Um die wichtigſten Vorgänge des Keimens zu ſehen, genügt es,
unſern Bohnenkern in Waſſer zu legen, oder auch in feuchterhaltene
Sägeſpähne.


Wenn wir eine Bohne in kaltes Waſſer legen, ſo iſt nach einigen
Stunden die Folge hiervon, daß die Schale runzlig wird; laſſen wir ſie
dann noch länger im Waſſer liegen, ſo wird ſie allmälig wieder glatt,
und vergleichen wir ſie dann mit einer zweiten Bohne, die der in das
Waſſer gelegten an Größe und Gewicht vollkommen gleich war, ſo finden
wir nun, daß die im Waſſer geweſene etwas größer und ſchwerer als die
andere iſt. Das wiſſen wir Alle, das wiſſen namentlich unſere Hausfrauen,
welche daher zu einem Gericht Bohnen nicht den ganzen Topf bis an den
Rand damit anfüllen, weil ſie ſonſt über dieſen hinausquellen würden.
Quellen iſt auch für dieſe Veränderung der harten Pflanzenſamen der
allgemein gebräuchliche Ausdruck. Es iſt bekannt, daß die Zunahme der
Bohne an Umfang und Gewicht durch das Waſſer bedingt iſt, welches in
ſie eingedrungen iſt.


Das Runzligwerden hat ſeinen Grund darin, daß die Samenſchale
ſich durch das eingedrungene Waſſer ausdehnte, während dies der ein-
geſchloſſene Samenkörper noch nicht that. Dieſer ſaugt ſich vielmehr lang-
ſamer voll Waſſer, welches erſt durch die Samenſchale hindurch zu ihm
dringt, und erſt wenn die ganze innere Maſſe des Samens ſich ebenfalls
voll Waſſer geſogen und dabei natürlich ebenfalls eine Vergrößerung er-
fahren hat, wird die Samenſchale wieder glatt, denn nun wird ſie von
dem Samen wieder ganz ausgefüllt. — Es iſt bekannt, daß man dieſen
ganzen Vorgang durch Anwendung ſehr warmen Waſſers beſchleunigen
kann, wodurch allerdings in den meiſten Fällen die weitere Entwickelungs-
fähigkeit des Samens, die Keimkraft, zerſtört wird.


Wir lernten alſo, daß die Samenſchale das Vermögen Waſſer auf-
zuſaugen in hohem Grade beſitzt. Sie hält dieſes aber nicht in ihren
[134] Zellen feſt, ſondern läßt es durch dieſe hindurchgehen und in das Zell-
gewebe des Samenkorns eindringen.


In dem Samen befindet ſich ein Vorrath von gewiſſen Stoffen in
einem chemiſchen Ruhezuſtand, dieſe Stoffe ſind darin gewiſſermaßen feſt-
gelegt. Da wir wiſſen, daß manche Samen ihre Keimfähigkeit Jahr-
hunderte lang behalten, andere ſie ſchon nach einigen Jahren verlieren,
ſo iſt dieſer chemiſche Ruhezuſtand nicht in allen Pflanzenſamen von gleicher
Beſchaffenheit. Diejenigen Samen behalten in der Regel am längſten
die Keimfähigkeit, in ihnen iſt jener Ruhezuſtand der feſteſte Schlummer,
ein wahrer Scheintod, welche keine flüſſigen und als ſolche den chemiſchen
Zerſetzungen am leichteſten zugänglichen Stoffe oder Stoffverbindungen
enthalten. Darum iſt es ſchwer, ölhaltige Samen, in denen das Oel
leicht ranzig wird, längere Zeit keimfähig zu erhalten.


Wir ſehen auf unſerem Holzſchnitt XIX. in Fig. 1 einen gequellten
Bohnenkern von der ein wenig verwendeten Seiten-Anſicht und Fig. 2
denſelben in derſelben Lage, nachdem wir ſeine Samenſchale abgeſchält
haben. An Fig. 1 unterſcheiden wir die eirunde Stelle, n, mit welcher
der Kern vermittels eines kurzen dicken Stielchens in der Hülſe feſtge-
wachſen war und über derſelben verräth ſich durch eine Anſchwellung der
noch unter der Samenſchale eingeſchloſſene Keim, w, welchen wir an
Fig. 2 w ſelbſt ſehen. Alles was wir ſonſt nach an Fig. 2 ſehen, ſind
die uns Allen bekannten beiden halbeiförmigen dicken Körper, in die eben
nach Entfernung der Samenſchale viele Samen ſo leicht zerfallen. Dieſe
beiden Körper ſind die beiden Samen- oder Keimlappen, Kotyle-
donen
. In Fig. 3 iſt der eine Samenlappen hinweggenommen und
wir ſehen nun nicht blos den Keim — was man nämlich im gemeinen
Leben ſo nennt, ſondern auch noch die andere dazu gehörige Hälfte, welche
mehr nach einwärts zwiſchen den beiden ebenen Flächen der Samenlappen
eingeſchloſſen war. Wir ſehen aber leicht, daß das auf dem Samenlappen
aufliegende und nur an einer kleinen Stelle mit ihm verbundene Körperchen
das zukünftige Pflänzchen iſt, an dem wir, durch den Punkt c von ein-
ander geſchieden, das Würzelchen, w, und das Federchen, f, unter-
ſcheiden. Da bei dem keimenden Samen immer das Würzelchen zuerſt
hervortritt, ſo verſtehen wir gemeiniglich unter Keim blos dieſe eine Hälfte.
Die andere, die wir eben Federchen nannten, tritt erſt ſpäter, nachdem
[135] die Samenſchale ganz abgeworfen iſt, zwiſchen den Samenlappen hervor
und wächſt aufwärts, indem der oberirdiſche Theil der Keimpflanze daraus
wird, während das Würzelchen unter allen Umſtänden, der Same mag
bei dem Keimen gelegen haben wie er wolle, abwärts in den Boden
dringt. Es liegt alſo zwiſchen dem Würzelchen und dem Federchen ge-
wiſſermaßen ein Indifferenzpunkt, von welchem an ſich einerſeits das

Figure 19. XIX.

Das Keimen des Samens der Schminkbohne, Phaseolus multiflorus.
Fig. 1 ein Bohnenſame, w das durchſcheinende Würzelchen, n der Nabel; — Fig. 2
derſelbe der Samenſchale entkleidet, w das Würzelchen; — Fig. 3 der eine der beiden
Samenlappen mit dem Keime, der aus dem Federchen, f, und dem Würzelchen, w,
beſteht; — Fig. 4 ein Keimpflänzchen der Bohne, w. das ehemalige Würzelchen.


Wachsthum nach aufwärts, andererſeits nach abwärts richtet. Dieſer
Punkt iſt ungefähr da, wo an dem Keime die beiden Samenlappen be-
feſtigt ſind und welcher an Fig. 3 durch c angedeutet iſt.


[136]

Man kann darüber verſchiedener Meinung ſein, ob man unter Keim
blos das aus dem Federchen und Würzelchen beſtehende Gebilde, Fig. 3 fw,
ohne die beiden Samenlappen, oder jenes zuſammen mit dieſen
verſtehen will. Gewöhnlich geſchieht das Letztere, und demnach wäre das
ganze Samenkorn der Keim.


Wenn man der anderen Auffaſſung huldigt, ſo macht man dabei
geltend, daß unter Keim im eigentlichen Sinne doch blos verſtanden
werden dürfe, was vom Samen als ein bleibender Theil in die er-
wachſende Pflanze übergeht: das Federchen, aus dem der Stamm wird,
und das Würzelchen, aus dem die Wurzel wird. Die beiden Samen-
lappen ſterben in den meiſten Fällen bald nach einiger Erſtarkung des
Samenpflänzchens ab und verfaulen entweder im Boden — wie bei der
Erbſe und der Eichel — oder, wenn ſie — wie bei den allermeiſten
Pflanzen — nach dem Keimen über den Boden emporgehoben werden,
ſie vertrocknen und fallen ab. Demnach ſind die Samenlappen nicht in
demſelben Sinne wie das Federchen und das Würzelchen bleibende Theile
des Keimes.


Die Bedeutung der Samenlappen für das Leben des jungen Pflänz-
chens wird uns vielleicht bei der Löſung der Frage, ob wir ſie zum
Keime rechnen ſollen oder nicht, unterſtützen.


Nicht alle Pflanzenſamen haben ſo große Samenlappen wie z. B.
Bohne, Eichel, Mandel, Erbſe und Linſe, bei denen gegen ſie Federchen
und Würzelchen an Maſſe faſt verſchwindend zurücktreten. Der ſüße und
ölige und ſtärkemehlreiche Inhalt, den wir in dieſen Samen als Nahrung
genießen, iſt ebenſo die Nahrung für das Keimpflänzchen. Man kann
deshalb dieſe Samen in reinem ausgeglüheten Quarzſand und deſtillirtem
Waſſer — welches beides den Keimpflänzchen außer dem Waſſer faſt
keine Nahrung zu gewähren vermag — keimen und bis zu einer gewiſſen
Grenze erwachſen laſſen, indem ſie die dazu nöthigen Nahrungsmittel aus
den Samenlappen beziehen. So lange dieſer Vorrath reicht, bedürfen
die Keimpflänzchen aus dem Boden keine Nahrung. Demnach ſind die
Samenlappen Vorrathsbehälter, welche die Mutterpflanze dem jungen
Pflänzchen im Samen für ſeine erſte Jugendzeit mitgegeben hat, und
welche in den meiſten Fällen abgeworfen werden, nachdem der Nahrungs-
vorrath aufgezehrt iſt.


[137]

Es würde uns jetzt zu weit von un-
ſerem Waldgeſichtspunkt abführen, wollten
wir auf die Manchfaltigkeiten im Bau der
Pflanzenſamen eingehen. Es genüge zu
erwähnen, daß außer den Nadelhölzern
unſere ſämmtlichen Waldbäume Samen
mit zwei Samen- oder Keimlappen haben,
die von den meiſten mit über den Boden
emporgehoben werden, wie wir dies an
einem Keimpflänzchen der Buche ſehen,
Fig. XX., und da dies bei den allermeiſten
zweiſamenlappigen Pflanzen der Fall iſt,
ſo ſehen wir eben im Frühjahre überall
eine zahlloſe Menge Keimpflänzchen mit
den zwei blättchenähnlichen Samenlappen
dem Boden entſprießen, zwiſchen denen
dann ſpäter das erſte echte Blatt hervortritt.


Bei den Nadelhölzern finden ſich 5—
9 nadelähnliche, im Quirl ſtehende Samen-
lappen, weshalb man ſonſt aus ihnen eine
eigene Abtheilung der höheren Pflanzen,
die Bielſamenlappigen, Polykotyledonen,
machte, im Gegenſatze zu den zweiſamen-
lappigen, Dikotyledonen und zu den Ein-
ſamenlappigen, Monokotyledonen. Wir
ſehen dies auf Seite 124, XVI., Fig. 18,
an einem Keimpflänzchen der Kiefer, wo
zwiſchen 5 nadelähnlichen Samenlappen die
Knospe zu den erſten echten Nadeln her-
vortritt.


Der Vorgang der Keimung eines
Samens beruht auf folgenden inneren und
äußeren Bedingungen.


Daß die Samenlappen in ihrem Zell-
gewebe große Vorräthe von Nahrungsſtoffen

Figure 20. XX.

Keimpflänzchen der Buche.
c c die beiden Samenlappen von
der Rückſeite; darüber noch die zu-
ſammengefalteten behaarten beiden
erſten Blätter: die Herzblättera.


[138] enthalten, wiſſen wir ſchon. Dieſe zerfallen in ſtickſtoffhaltige und in
ſtickſtofffreie. Letztere ſind namentlich Stärkemehl, Zucker, Dextrin, Gummi;
erſtere Eiweißſtoffe, Caſeïn, Legumin. Alle dieſe Stoffe ſind löslich durch
die in den Samen eindringende Bodenfeuchtigkeit.


Zur Löſung dieſer theilweiſe flüſſigen, zum größten Theile jedoch
feſten Stoffe bedarf es neben der Bodenfeuchtigkeit einer gewiſſen
Wärme des Bodens, welche für unſere Holzgewächſe im Durchſchnitt
wahrſcheinlich nicht viel unter 8° R. betragen darf. Eine etwas höhere
Wärme befördert das Keimen; wenn ſie jedoch 20—25° überſteigt, ſo
wird die Keimung beeinträchtigt.


Obgleich bei weitem die meiſten Pflanzenſamen im Finſtern, d. h. von
dem undurchſichtigen Boden bedeckt, keimen, ſo iſt doch das Licht, ent-
weder das direkte oder das reflektirte Sonnenlicht, zur Vollendung eines
vollkommenen Keimes nothwendig, wenn wir dieſes, wie wir es ſogleich
thun werden, ſeiner Dauer nach richtig auffaſſen.


Endlich ſind von äußerlichen Keimbedingungen noch atmoſphäriſche
Luft und jedenfalls auch noch Elektricität erforderlich.


Dieſe Bedingungen zuſammengenommen rufen in dem Innern des
Samens chemiſche und phyſikaliſche [Veränderungen] hervor, hauptſächlich
dadurch, daß die in den Samenlappen aufgeſpeicherten Nahrungsſtoffe
gelöſt und in den Keim im engern Sinne, d. h. in das Federchen und
Würzelchen übergeführt werden, welche letzteren dieſelbe zu Neubildung
von Zellen, mithin zu ihrem Wachsthum verwenden. Dabei ſind die
beiden Punkte, wo die Samenlappen mit dem Keime zuſammenhängen
(S. 135 XIX. Fig. 3 c), der Weg, auf welchem dieſe Nahrungszuführung
ſtattfindet. Da nun das Keimen von dem Augenblicke beginnt, wo die
eben aufgezählten Bedingungen die Ernährung des Keimes durch die
Samenlappen einleitet, ſo müſſen wir die Dauer des Keimvorganges bis
zu dem Zeitpunkte verſtehen, wo die Samenlappen ihres Nahrungsgehaltes
vollſtändig beraubt ſind und dann in der Regel bald verwelkt abfallen.
Ein großer Theil dieſer Keim-Dauer fällt in den Zuſtand des Keim-
pflänzchens, wo dieſes längſt über den Erdboden ſich erhoben hat und
dann unerläßlich des Sonnenlichtes bedarf, um grün zu werden.


In vollkommener Dunkelheit erwachſene Keimpflanzen bleiben gelb-
weiß und ſterben bald ab.


[139]

Um die Bedeutung der Samenlappen als Ernährer des Keimes nach-
zuweiſen, hat man theils noch trocknen, theils gequellten oder ſchon gekeimten
Samen die Samenlappen ganz oder theilweiſe genommen und immer eine ent-
ſprechende nachtheilige Wirkung auf die Entwicklung des Keimpflänzchens
eintreten ſehen. Beſonders lehrreich ſind die neueren Verſuche von Ju-
lius Sachs
*), aus denen auch hervorging, daß eine ſolche Verſtümmelung
die erwachſenden Pflanzen in allen Theilen zwerghaft macht. Vielleicht
beruht alſo die Meinung in Wahrheit, daß die Chineſen bei der Erziehung
von Zwergbäumchen, in der ſie Meiſter ſind, ſich dieſer Operation bedienen.


Eine andere Verſtümmelung der Keimlinge hat man bei der Eiche
angewendet. Um ihr ſo zu ſagen die tief gehende Pfahlwurzel abzuge-
wöhnen, welche den Anbau der Eiche auf ſeichtem Boden verbietet, hatte
man den Wurzelkeim der keimenden Eicheln zum Theil abgeknippen. Da-
durch wurde allerdings die Abſicht ziemlich erreicht, aber die aus ſolchen
Eicheln erwachſenen Pflanzen waren ſchlechtwüchſig.


Wir haben nun, ehe wir den weiteren Verlauf des Baumlebens ver-
folgen, eine nicht nur in der Walderziehung ſehr wichtige, ſondern über-
haupt in der Naturgeſchichte eine der wichtigſten Fragen zu erörtern,
uämlich die, welche Bewandtniß es mit der Keimfähigkeit der Sa-
men habe.


Vorerſt iſt hier noch auf den Begriff der Reife des Samens zu
achten, die erfolgt ſein muß, wenn der Same keimfähig ſein ſoll, obgleich
von Mehreren, namentlich von Göppert und Cohn, auch mit unreifem
Samen gelungene Keimverſuche angeſtellt worden ſind. Auch manche Er-
folge der Gärtnerkunſt ſollen auf Anwendung unreifen Samens beruhen.


Das ſicherſte Kennzeichen der Reife des Samens iſt bei unſeren
Bäumen in der Regel das Abfallen derſelben, obgleich auch dieſe ihre
Ausnahmen hat, indem z. B. der Same der Feldrüſter ſehr oft unreif
abfällt. Ein Verſchrumpfen, Weichwerden, Verfärben ſeiner fleiſchigen
Fruchthülle, ein Vertrocknen der Fruchtſtiele, Trockenwerden des Samen-
[140] Innern (meiſt durch Stärkemehlbildung) ſind die weſentlichſten Kennzeichen
der Samenreife. Jedoch auch wenn dieſe vorhanden ſind, iſt bei manchen
Samen noch eine Nachreife erforderlich, die dadurch erzielt wird, daß
man den Samen nach dem Einſammeln noch eine Zeit lang an einem
luftigen, trocknen und der Sonne nicht zu ſtark ausgeſetzten Orte vollends
abtrocknen läßt.


Unter Keimfähigkeit des Samens verſteht man das Vermögen
deſſelben, unter Einwirkung jener kennen gelernten äußeren und inneren
Bedingungen, die in ihm ruhende vorgebildete Anlage zu einer Pflanze,
den Keim, zu einer ſolchen zu entwickeln. Durch Keimkraft, in der
Hauptſache daſſelbe bedeutend, bezeichnet man zugleich die längere oder
kürzere Zeitdauer, in welcher die verſchiedenen Samen die Keimfähigkeit behalten.


Zu einer tiefer eingehenden Betrachtung dieſer, ſchon vorhin als eine
der wichtigſten bezeichneten naturgeſchichtlichen Frage fühlen wir uns an
dieſer Stelle um ſo mehr veranlaßt, als im Walde nicht ſelten eine über-
raſchende Erſcheinung vorkommt, welche nur in der langen Keimkraft
mancher Baumſamen ihre Erklärung finden kann. Dieſe Frage liegt
zugleich auf einem Gebiete, welches in neueſter Zeit zu dem heftigſten
Meinungswiderſtreit geführt hat, auf dem der ſogenannten Lebenskraft.


„Es iſt bekannt und durch die glaubwürdigſten Gewährsmänner be-
wahrheitet, daß tauſendjährige Samenkörner dennoch keimfähig geblieben waren.


Waren nun ſolche Samen inzwiſchen, wo ſie ganz außer Kurs der
ſich verjüngenden Pflanzenwelt geſetzt waren, lebendig oder todt geweſen?
Iſt überhaupt ein Jahre lang aufbewahrter Same todt oder lebendig?
Man ſagt natürlich: lebendig, weil er unter Umſtänden durch das Keimen
eine lebendige Pflanze aus ſich hervorgehen laſſen kann.


Wenn man aus dieſem Grunde einen Samen lebendig nennt, ſo
darf man dabei wenigſtens nicht die, nach den Erſcheinungen am lebenden
Thier- oder Pflanzenleibe gebildete, Definition des Lebens anwenden,
nach welcher das Leben im Umſatz und der Bewegung der
Stoffe und in den dadurch bedingten Erſcheinungen beruht
.
Da hierbei Betheiligung von Waſſer nothwendig iſt, ſo iſt in dem voll-
kommen ausgetrockneten Samen Bewegung und Umſatz der ihn zuſammen-
ſetzenden Stoffe, und folglich in dieſem Sinne auch das Leben des Samens
nicht möglich.


[141]

Wenn wir alſo den Pflanzenſamen lebendig nennen wollen, ſo müßten
wir ſeinetwegen eine andere Begriffsbeſtimmung des Lebens aufſuchen,
welche der Stoffbewegung und des Stoffumſatzes (was Beides in der
Hauptſache Eins iſt) nicht bedürfte.


Daß wir aber für Ein Ding nicht zwei verſchiedene Definitionen
aufſtellen dürfen, liegt auf der Hand.


Demnach wäre alſo wohl der Pflanzenſame kein lebendiger Körper?


Leblos, in dem gangbaren Wortſinne, wie wir einen Stein leblos
nennen, können wir ein Samenkorn nicht nennen.


Wir müſſen zu der erwähnten bedingenden Weſenheit des Lebens:
Umſatz und Bewegung der Stoffe, die Form als Bedingung hinzufügen.


Nachdem wir die Erbſen gemahlen haben, wobei ihre Stoff-Beſtand-
theile dieſelben geblieben ſind, hören ſie auf keimfähig zu ſein. Die Stoffe
müſſen alſo nach gewiſſen Formgeſetzen angeordnet ſein.


Aber demnach müßte ein eben getödtetes Thier auch noch ein leben-
diges genannt werden, denn ſeine Form iſt dieſelbe geblieben, und auch
der Stoffumſatz und die Stoffbewegung geht fort, nämlich in der Fäulniß.
Alſo dieſe drei Bedingungen bilden das Leben noch nicht allein. Es muß
noch ein Viertes hinzukommen, was ſich freilich nur in ſeiner Erſcheinung,
nicht in ſeiner bedingten Nothwendigkeit auffaſſen läßt. Dieſes liegt in
einem gewiſſen Gleichgewicht des Umſatzes und der Bewegung der
Stoffe, in einem gewiſſermaßen in ſich abgeſchloſſenen Kreislaufe der-
ſelben.


Bei einem neunzigjährigen Greiſe hat dieſes Gleichgewicht, dieſer
Kreislauf neunzig Jahre lang beſtanden, im Moment des Todes wird es
aufgehoben und die Bewegung und der Umſatz der Stoffe tritt aus dieſem
geregelten Kreislaufe heraus. Wenn alſo auch im getödteten Thierkörper
ein Stoffumſatz und eine Stoffbewegung noch ſtattfindet, ſo geſchieht dies
doch nicht mehr innerhalb des bisherigen Gleichgewichts, des bisherigen
Kreislaufs — es führt zur Bildung von Fäulnißprodukten.


Die Bewegung und der Umſatz der Stoffe, worein wir eine Weſenheit
des Lebens ſetzten, iſt aber dadurch von beiden, wie ſie in den Fäulniß-
proceſſen ſtattfinden, verſchieden, daß in dem lebenden Thier- und Pflanzen-
leibe eine fortdauernde Erneuerung dieſer Stoffe (durch die Ernährung)
ein ſogenannter Stoffwechſel, innerhalb der gegebenen Körpergeſtalt
[142] ſtattfinden muß, eine Verjüngung, welche in Aufnahme ſolcher Stoffe,
welche denen des ſich ernährenden Körpers ähnlich ſein müſſen, und in
Wiederausſcheidung desjenigen Antheils dieſer Stoffe beſteht, welche ſich
der Körper nicht aneignen (aſſimiliren) kann.


Kehren wir zu den vollkommen gereiften und dann in der Regel
harten und trocknen Pflanzenſamen zurück. Bei ihnen finden wir von
allen Bedingungen des Lebens blos die Form gegeben, ſie haben weder
Umſatz und Bewegung der Stoffe noch einen Austauſch derſelben durch
Aufnahme und Ausſcheidung.


Wir dürfen daher nach unſeren bisherigen Betrachtungen die Pflan-
zenſamen noch immer nicht lebendige Körper nennen. Da wir ſie aber
doch beſtimmt nicht mit den Steinen auf eine Stufe ſtellen dürfen, ſo
müſſen wir noch einen weiteren Punkt betrachten.


In jedem Samenkorn, auch im kleinen Mohnkorn, finden wir einen
vorgebildeten Keim, der nichts Anderes iſt, als die Anlage zu einer der
Mutterpflanze in allen weſentlichen Stücken gleichen Pflanze, und neben
demſelben in den Samenlappen in einem feinen aber feſten Zellgewebe
niedergelegte Nahrungsſtoffe, welche das keimende Pflänzchen verzehren
ſoll. Alle dieſe Stoffe, ſowohl die des Keimes als die der Samenlappen,
befinden ſich bei vielen Samen in einem Zuſtande, der jeden chemiſchen
Stoffumſatz ausſchließt, indem ihnen das dazu nöthige Waſſer gebricht.
Dieſe Stoffe ſind daher in ſolchen Samen gewiſſermaßen feſtgelegt,
ſie befinden ſich in einem Ruhezuſtande. Sie ſind aber an ſich von
der Art, und dieſer Ruhezuſtand iſt ſo bedingt, daß, unter Betheiligung
der inneren Geſtaltungen des Samens, durch hinzutretende Wärme und
Feuchtigkeit Umſatz und Bewegung dieſer Stoffe und damit das bildende
Leben wieder beginnen können, welche bisher ruheten. Deshalb ſpricht
man auch von ruhendem Leben im Samenkorn.


Daß dieſe Anſchauung richtig iſt, beweiſen eben die eingangsgedachten
tauſendjährigen und doch noch keimenden Samen.


Es geht aus alledem von ſelbſt hervor, daß diejenigen Pflanzenſamen
die längſte Keimfähigkeit haben werden, in welchen jener Ruhezuſtand,
jene Feſtlegung ihrer Stoffe möglichſt vollſtändig iſt. Das wird dadurch
bedingt ſein, daß ſie keine Stoffe enthalten, welche flüſſig und als ſolche
der Zerſetzung am meiſten unterworfen ſind. Daher behalten ölreiche Samen,
[143] z. B. Bucheckern, meiſt nur über einen Winter ihre Keimkraft. Samen
mit weicher und daher die Feuchtigkeit der Luft leicht einſaugender Samen-
ſchale verlieren ihre Keimkraft leicht. Eben ſo ſolche Samen, welche, wie
z. B. die Eichel, in ihren Samenlappen viel Feuchtigkeit enthalten. Da-
gegen behalten jene Samen, welche am meiſten ein Bild des Todes zu
ſein ſcheinen wie knochenartige Weizenkörner, ihre Keimkraft am längſten,
weil der geringe Feuchtigkeitsgehalt trockner Luft — in feuchter Luft iſt
es natürlich umgekehrt — nicht fähig iſt, den Ruhezuſtand der chemiſchen
Feſtlegung ihrer Stoffe zu ſtören.


Demnach beruht die lange Dauer der Keimfähigkeit der Pflanzen-
ſamen in der Weſenheit darauf, daß ihre Beſtandtheile ſich in einem
ſolchen chemiſchen Ruhezuſtande befinden, der es ihnen erlaubt, durch die
weſentlichen Bedingungen des Keimens, Wärme und Feuchtigkeit, auch
noch nach langer Unterbrechung den natürlichen chemiſchen Umſatz wieder
zu beginnen.“ *)


Was hier von der Keimfähigkeit der Samen geſagt iſt, gilt ebenfalls
von ſehr vielen Sporen der kryptogamiſchen Gewächſe, welche nur aus
einer einzigen Zelle beſtehen, alſo keinen vorgebildeten Keim enthalten, und
ebendeswegen als „Sporen“ **) von den „Samen“ unterſchieden werden.


Dieſe Sporen ſind ſo klein, daß ſie in Menge ein außerordentlich
feines Pulver bilden; und dennoch hat man Sporen von Farrenkräutern,
welche Jahrzehnte in Herbarien gelegen hatten, nicht nur zum Keimen,
ſondern auch zur vollendeten Entwicklung der Pflanze gebracht.


Wo bleibt nun in allen ſolchen Fällen die Lebenskraft? Man ſagt,
ſie habe dieſe lange Zeit über im Samen oder in der Spore gebunden geruht.


[144]

Iſt dadurch an klarer Erkenntniß etwas gewonnen, und können wir
uns von einer ſolchen Lebenskraft eine deutliche Vorſtellung machen?


Nehmen wir daher lieber die Sache wie ſie iſt. Wir ſehen, daß die
Samen mancher Pflanzen wenn ſie den kennen gelernten äußeren Keim-
bedingungen (Wärme, Feuchtigkeit u. ſ. w.) entzogen werden, lange Zeit
liegen können, ohne die Keimfähigkeit zu verlieren, eine große Keimkraft
beſitzen. Dies bedeutet der Erſcheinung nach nichts weiter, als: es findet
in ihnen das chemiſche Spiel der Löſung und Bindung nicht ſtatt. Dieſes
tritt aber wieder ein, wenn die äußeren Anregungen dazu (Wärme,
Feuchtigkeit etc.) wieder an den Samen herantreten.


Wer zu einer Verherrlichung dieſer einfachen und gar nichts etwa
Ungewöhnliches einſchließenden Naturerſcheinung noch eine beſondere Kraft,
die er Lebenskraft nennt, bedarf, nun dem iſt dies unverwehrt; nur bilde
er ſich nicht ein, daß er dadurch die Erſcheinung beſſer und vollſtändiger
erklärt habe, denn er läßt, und muß dieſes, dabei die Lebenskraft ſelbſt
unerklärt; er erklärt eine Erſcheinung durch ein vermeintliches Etwas,
was an ſich ſelbſt unerklärlich und unnachweisbar iſt.


Es kommt dieſe Erſcheinung übrigens nicht allein bei den Samen
vor. Im Jahre 1857 bot ſich durch einen Zufall die Gelegenheit dar,
eine außerordentliche Wiederbelebungsfähigkeit (nennen wir es einmal ſo),
eines kleinen Farrenkrautſtockes von Cryptogramme crispa kennen zu
lernen. Nachdem derſelbe 4 Tage lang in einem Nachtſacke gelegen und
ganz vertrocknet war und ſchon weggeworfen werden ſollte, ſteckte ihn der
Beobachter ohne eine beſtimmte Abſicht in eine Blechbüchſe. Als er den
ganz zuſammengetrockneten Stock nach 7 Monaten in der Blechbüchſe zu-
fällig wiederfand und in Erde ſetzte, ſtand er nach einiger Zeit wieder in
vollem Wachsthum.


Wie weit in allen ſolchen Fällen die Zeitdauer der Möglichkeit reiche,
die unterbrochenen chemiſchen und phyſikaliſchen Proceſſe, in denen ſich
das Leben ausſpricht, wieder hervorzurufen — dies iſt uns freilich un-
bekannt. Man kann ſogar darüber nicht entſcheiden, ob nicht vielleicht
angenommen werden müſſe, daß dieſe Dauer eine unbegrenzte ſei, voraus-
geſetzt, daß der chemiſche Ruhezuſtand, die Feſtlegung der Stoffe, wie
wir uns auf Seite 143 ausdrückten, fortwährend und vollkommen un-
geſtört geblieben ſei. Wenn man Samen keimen und geſunde Pflanzen
[145] bringen ſah, von welchem unzweifelhaft war, daß er anderthalb Jahr-
tauſende tief im Boden unter dem Schädel eines beſtatteten Leichnams
gelegen hatte, warum ſoll man vermuthen, daß dieſe Keimkraft nach ander-
weiten anderthalbtauſend Jahren, unter vollkommener Beibehaltung der
bisherigen Umſtände, nicht mehr vorhanden ſein werde?


Dieſe Erwägungen zuſammen ſollen uns nun eine Erſcheinung er-
klärlich machen, welche im Walde und anderwärts ſehr oft vorkommt und
welche recht eigentlich an dieſem Orte ins Auge gefaßt zu werden verdient.
Dieſe Erſcheinung iſt vorläufig ſchon auf S. 40 bei Betrachtung des
Waldbodens kurz beſprochen worden, welche Stelle daher vorerſt noch
einmal nachzuleſen iſt.


Wenn der Forſtmann einen Hochwaldbeſtand kahl abgetrieben und
den Schlag geräumt, d. h. das gefällte Holz abgefahren und die Stöcke
gerodet hat, ſo wird er nicht ſelten durch ein reichliches Aufgehen von
Samenpflänzchen einer ganz anderen Baumart überraſcht, als diejenige
war, welche bisher vielleicht ſeit 50—60 Jahren ganz allein dieſe Fläche
bedeckt hatte.


Dies iſt z. B. bisweilen mit Buchen nach Fichten der Fall. Es kann
Niemand einfallen, zu glauben, daß die jungen Buchenpflänzchen ohne
Samen „von ſelbſt“ entſtanden ſeien, und es bleibt keine andere Deutung
ſolcher überraſchender Erſcheinungen übrig, als anzunehmen, daß die
Bucheckern ſeit ſehr langer Zeit unter den den Boden ganz bedeckenden
Wurzelſtöcken der Fichten gelegen haben, und nun, nachdem Luft und
Sonnenſchein und Regen den aufgewühlten Boden durchdrangen, endlich
noch aufgehen. Die andere an der erwähnten früheren Stelle unſeres
Buches für ſolche Erſcheinungen mitgetheilte Erklärung iſt bei den großen
ſchweren Bucheckern nicht nur an ſich nicht zuläſſig, ſondern in der Nähe
ſolcher ſogenannten natürlichen Buchenbeſamungen ſind oft die ſamentragenden
Buchen gar nicht einmal vorhanden, von denen der Wind die Samen
hieher geführt haben könnte.


Dieſe Erſcheinung iſt bei den Buchen um ſo mehr auffallend, als
wir bereits wiſſen, daß es eine Art Preisfrage des Waldbaues iſt, Buch-
eckern für mehrere Jahre ſo aufzubewahren, daß ſie ihre Keimkraft nicht
verlieren.


Roßmäßler, der Wald. 10
[146]

Was hier ohne Zweifel mit Bucheckern ſtattfindet, geſchieht auch mit
den Sämereien von vielen ſolchen Waldkräutern, von denen ebenfalls nicht
ſehr wahrſcheinlich iſt, daß ſie aus ſolchen Samen erwuchſen, welche der
Wind herzuführte. Noch vor Kurzem ſahe ich in auffallendſter Weiſe alle
Erdhaufen, welche bei dem Eiſenbahnbau zwiſchen Tharand und Freiberg
von abgetragenem Waldboden aufgefahren worden waren, ſo vollſtändig
mit zahlloſen jungen Pflanzen von einer Hohlzahn-Art, Galeopsis, be-
deckt, daß es ausſah, als ſeien ſie darauf ganz dick angeſäet worden.
Da an anderen Stellen, dicht daneben, die zum Aufgehen nicht minder
geeignet geweſen wären, ſich kein Exemplar dieſer gemeinen Waldpflanze
fand, ſo war kaum anzunehmen, daß in dieſem Falle der Wind die Samen
herbeigebracht haben ſollte.


Dieſe und viele ähnliche Fälle berechtigen daher zu der Annahme,
daß der Waldboden, namentlich der, welcher vielleicht ſeit Jahrtauſenden
ſchon immer Wald getragen hat, ein reichgefüllter Speicher von allerhand
Waldſämereien ſei, welche nach und nach unter begünſtigenden Umſtänden
zur Auferſtehung kommen. Welcher Art freilich die Umſtände ſein mögen,
wodurch denſelben die Keimkraft bewahrt wurde, was uns mit allen Vor-
ſichtsmaßregeln oft nicht gelingt, darüber iſt man noch ſehr im Dunkeln.


So viel jedoch hat man hier von der Natur gelernt, daß tiefes Ein-
graben in mäßigfeuchtes und im Feuchtigkeitsgehalt ſich möglichſt gleich-
bleibendes Erdreich ein erprobtes Mittel iſt, Waldſamen längere Zeit
aufzubewahren und keimfähig zu erhalten.


Um nun zu den weiteren Lebenserſcheinungen des Keimpflänzchens
überzugehen, ſo kann ich mich dabei hinſichtlich der äußeren Erſcheinungen
im Allgemeinen auf allgemein Bekanntes beziehen, was wir in unſerem
Garten kennen gelernt haben und was in der Hauptſache bei den Wald-
bäumen nicht anders iſt.


Das Würzelchen des Keimes, das wir an Fig. XIX. 3 w ſehen, dehnt
ſich, wie wir ſchon wiſſen, nach der Sprengung der Samenſchale in den
Boden eindringend immer mehr aus, jedoch nicht ſo unmittelbar, daß
die Spitze der Wurzel ſelbſt durch Vorſchreiten dieſe Verlängerung bildete.
Es findet vielmehr folgender Vorgang ſtatt. An jeder Wurzelſpitze, ſei
es die der Haupt- oder einer Nebenwurzel, bildet ſich alsbald bei ihrem
erſten Entſtehen die ſogenannte Wurzelhaube, eine feine Umhüllung
[147] der Wurzelſpitze aus einem zarten Zellgewebe, welche auf der Wurzelſpitze
etwa ſo aufſitzt, wie der Fingerhut auf dem Finger, jedoch ſo, daß das
äußerſte Wurzelſpitzchen innen im Grunde der Wurzelhaube befeſtigt iſt.
Indem nun die feinſten Würzelchen, die Wurzelfaſern, Saug- oder
Thauwurzeln, Nahrungsflüſſigkeit einſaugen, wozu die vielen Pflanzen
eigenen Wurzelhaare der Saugwurzeln viel beitragen, verlängern ſie
ſich zugleich — weiter unten werden wir ſehen, woher der Stoff zu dieſem
Wachsthum kommt — aber das Wachſen geſchieht nicht an der äußerſten
Spitze des Würzelchens, welche ja die Wurzelhaube bildet, ſondern unter
derſelben, was wir uns am beſten ſo verdeutlichen können, als wenn
unſere Fingerſpitze unter dem Fingerhute ſich verlängerte.


Dieſe Art des Wachsthums der Würzelchen ſcheint eine allgemeine
zu ſein und wir können ſie leicht an einigen Meerlinſen (Lemna) in
einem Glaſe Waſſer kennen lernen, an deren fadendünnen Wurzeln man
auch mit unbewaffnetem Auge die Wurzelhaube leicht ſehen kann.


Wir wiſſen ſchon, daß die von der jungen Wurzel aufgenommene
Bodenfeuchtigkeit nach den Samenlappen geleitet wird, um dort die in
dieſen aufgeſpeicherten Nahrungsſtoffe aufzulöſen, die dann zur Ernährung
des ganzen Keimpflänzchens, die Wurzel ſelbſt mit inbegriffen, verwendet
wird. Zwiſchen den ſich auseinanderbreitenden Samenlappen, von deren
Verbindungsſtelle an, ſchiebt ſich nun das beginnende Stämmchen empor,
wie ſich bei den meiſten Baumarten, um jetzt bei dieſen zu bleiben, von
dieſer Stelle an auch abwärts ein Stengelgebilde entwickelt, welches wir
beſonders anſehnlich bei der Buche finden (Fig. XX., S. 137), und welches
man das hypokotyle, d. h. das unterhalb der Kotyledonen ſtehende
Glied nennt. So lange es innerhalb des Samens lag, bildete es das
Würzelchen deſſelben.


An dem aufwärtswachſenden Stämmchen bilden ſich nun ſchnell oder
vielmehr faſt mit ihm zugleich die erſten echten Blätter, die wir im
Bohnenſamen ſogar bereits vorgebildet fanden (Fig. XIX. 3. S. 135).
Man bezeichnet ſie als die erſten mit dem Namen Herzblätter oder
Primordialblätter. Dieſe weichen bei manchen Bäumen ſehr von
den Stammblättern ab, wie wir ſie ſchon bei der Bohne einfach ſehen,
während doch die ſpäteren Stengelblätter dreizählig oder gedreit ſind, wie
bei dem Klee. So ſind z. B. die Herzblätter der Rüſter am Rande
10*
[148] einfach ſägezähnig, die ſpäteren doppeltſägezähnig; bei der Eſche ſind ſie
dreizählig, die ſpäteren bekanntlich gefiedert (S. 125); bei der bei uns
heimiſch gewordenen Robinie iſt das Herzblatt einfach und rund, das
zweite Blatt gedreit, das dritte fünffiederig und ſofort, bis die normale
Zahl des reichgefiederten Robinienblattes erreicht iſt.


Während der erſten Wochen des Lebens einer Keimpflanze iſt ihr
eine feuchte Luft zu einem geſunden Gedeihen ſehr nothwendig und der
Forſtmann bedeckt in dieſer Zeit ſeine Saatbeete bei trockenem Wetter
mit Reiſig und dennoch gehen ihm oft die Saaten durch „Sonnenbrand“
zu Grunde. Namentlich das unterhalb der Samenlappen liegende (das
hypokotyle) Glied iſt ſehr empfindlich, beſonders bei der Buche und Tanne,
deren Erziehung aus dieſem Grunde die meiſten Schwierigkeiten hat.


Je nach der Witterung, der Güte des Bodens und des Samens
ſelbſt entwickelt ſich nun bis zum Herbſte das junge Bäumchen mehr oder
weniger kräftig, in der Regel ohne Seitentriebe zu machen. Die durch-
ſchnittliche Höhe, die eine Samenpflanze unſerer Bäume im erſten Lebens-
jahre erreicht, iſt nach den verſchiedenen Arten verſchieden.


Wie das ganze Leben hindurch die verſchiedenen Baumarten an ihren
Standort verſchiedene Anforderungen ſtellen und von deſſen Eigenthüm-
lichkeiten mehr oder weniger beeinflußt werden, ſo iſt dies auch ſchon in
ihrer früheſten Jugend der Fall. Namentlich bedürfen die einen in der
Jugend Licht und freien Stand, um ſich geſund entwickeln zu können,
wie Fichte und Eiche; andere können lange Zeit und ohne Nachtheil Be-
ſchattung und Unterdrückung ertragen, um ſpäter, wenn ſie frei geſtellt
werden, doch noch zu kräftigem Wuchs ſich aufzuraffen, wie das in auf-
fallendem Grade der Tanne eigen iſt.


Bei den meiſten Baumarten iſt jedoch das erſte Lebensjahr von er-
heblichem Einfluß auf das ganze übrige Leben oder wenigſtens auf eine
lange Reihe von Jahren. Eine kräftige Samenpflanze, die auf paſſendem
Boden aus einem geſunden wohlausgebildeten Samenkorn hervorging, iſt
im folgenden Jahre zum Verpflanzen gut geeignet, wenn es einer Baum-
art angehört, welche ſo junge Verpflanzung erlaubt, oder das gerade
vorliegende Bedürfniß dieſe erheiſcht.


Auf der andern Seite iſt jedoch etwas nicht zu überſehen, was wahr-
ſcheinlich von den Walderziehern manchmal überſehen werden mag.


[149]

Man hat ſich für eine Saat den beſten, keimfähigſten Samen ver-
ſchafft, man hat ſich der Ueberzeugung hingegeben, daß der Boden, den
man damit beſäet hat, für die gewählte Holzart ganz der geeignete ſei
und ſiehe da, der Erfolg entſpricht ganz den Erwartungen, der Same
geht herrlich auf und im Herbſte ſteht das junge Heer in hoffnungerweckender
Kraft da, und man berechnet ſchon, wie hoch, wenn das ſo fort geht, etwa
in drei Jahren die Kultur ſein werde. Aber ſchon im zweiten Jahre
kommt es ganz anders. Der neue Trieb iſt äußerſt kümmerlich, und im
Herbſt zeigen ſich an den kurzen Trieben nur kleine dürftige Knospen und
im dritten Jahre ſchon gleichen die Bäumchen jungen Greiſen, denen man
kein langes Leben mehr prophezeien kann. Wir müſſen uns überzeugen,
daß der Boden der gewählten Holzart dennoch nicht zuſagt. Und doch
wuchſen im erſten Jahre die Pflänzchen ſo trefflich! Wir vergeſſen, daß
es damals nicht der Boden war, der ſie ernährte, ſondern der Nahrungs-
vorrath in den Samenlappen, welcher bei der einen Art beinahe allein
zu monatlanger Ernährung des Keimpflänzchen ausreicht, bei der andern
wenigſtens einen weſentlichen Beitrag zur Ergänzung des dem Boden an
ſich Mangelnden lieferte. Und in dem hier angenommenen Falle kam viel-
leicht noch hinzu, daß im Saatjahre während des Aufgehens und der
erſten Entwicklung des Samens eine beſonders günſtige Witterung herrſchte.


Es hat in früherer Zeit Naturforſcher gegeben, welche dieſe Betheili-
gung der Samenlappen an der Ernährung der Keimpflanze ſo ſehr über-
ſahen, daß ſie die voreiligſten Folgerungen machten. Sie ließen Samen
in ausgewaſchenem und ausgeglühtem Quarzſand, der mit deſtillirtem Waſſer
feucht erhalten wurde, keimen. Dadurch war dafür geſorgt, daß den Keim-
pflänzchen keine oder wenigſtens beinahe keine Nahrungsſtoffe von außen
zugeführt wurden. Als nun dennoch dieſe Samen nicht nur keimten, ſon-
dern auch in manchen Fällen ſich bis zur Blüthe entwickelten, ſo ſagten
ſie, daß die Pflanze das wunderbare Vermögen beſitze, aus dem Grund-
weſen des Waſſers alle die Stoffe zu bereiten, aus denen ſie beſteht.
Wir wiſſen es nun beſſer und lächeln um ſo berechtigter über den Irrthum,
als zu jenen Verſuchen große Samen gewählt worden waren, in denen
große Vorräthe von den gedeihlichſten Nahrungsſtoffen enthalten geweſen waren.


Es giebt, und gerade unter der Baumwelt, Pflanzen, deren Samen
allerdings gleich Anfangs an die Bodenernährung gewieſen, die nämlich
[150] ſo klein ſind, daß in ihnen kein weit reichender Nahrungsvorrath enthalten
ſein kann. Dies iſt namentlich bei einer Baumgattung der Fall, welche
zu den größten Bäumen zählt, nämlich bei den Pappeln, deren Same ſo
klein wie ein Sandkorn iſt. Daſſelbe iſt es mit den den Pappeln ganz
nahe verwandten Weiden. Hier muß der Boden ſogleich als Ernährer
eintreten, bei den am Waſſer wachſenden Weiden das Waſſer an den Ufern
der Lachen, in Buchten der Flüſſe und Bäche.


Bevor wir in der Betrachtung des Baumlebens fortfahren, müſſen
wir hier Einiges über die Ernährung der Pflanzen einſchalten. Wir be-
ſchränken uns aber dabei auf einige allgemeine Grundzüge, weil ein tieferes
Eingehen in dieſe Lehre uns unausweichlich in die Irrgänge eines noch
nicht überall vollſtändig aufgehellten Gebietes verlocken müßte. Obgleich
die Lehre von der Ernährung der Pflanzen ſeit 1840, wo Liebig durch
ſein berühmtes Buch*) den Zankapfel unter die Landwirthe und Pflanzen-
phyſiologen warf, tauſende von Beobachtungen und Verſuchen ins Leben
gerufen hat, ſo iſt man doch auch heute noch über einige Grundfragen
im Zweifel.


Alle Stoffe, aus denen eine Pflanze zuſammengeſetzt iſt, müſſen von
ihr aus der Außenwelt aufgenommen ſein, mit Ausnahme desjenigen An-
theils, den ſie in den Samenlappen von ihrer Mutter erhielt, welche in
letzter Inſtanz doch ebenfalls denſelben Urſprung haben müſſen.


Gleichwohl finden wir dem äußern Anſcheine nach im Boden nichts
von alledem, was wir in der Pflanze finden, kein Stärkemehl, keinen
Zucker, kein Harz, kein Gummi, keine Pflanzenfaſer etc. Wir finden nur
die chemiſchen Elemente zu allen dieſen Dingen im Boden und es muß
daher die Pflanze die Befähigung haben, aus den Elementen jene Pflanzen-
ſtoffe zuſammenzuſetzen, was uns mit Nothwendigkeit zu der Annahme hin-
drängt, daß das bildende Pflanzenleben weſentlich in chemiſchen Vorgängen
beruhe.


Wenn wir eine Pflanze einäſchern, ſo bleibt bekanntlich im Vergleich
zu dem bekannteren Gewicht nur äußerſt Weniges übrig, was nicht verbrannt
iſt, die Aſche. Es zerfällt daher zunächſt die Pflanzenmaſſe in zwei Klaſſen,
[151] in verbrennliche und in unverbrennliche oder Aſchen-Be-
ſtandtheile
. Jene entweichen in Gasform in die Luft, dieſe, in der
Pflanze vielfältig mit jenen verbunden, trennen ſich von ihnen und bleiben
feſt und unveränderlich zurück, obgleich wahrſcheinlich auch ſie alle in höhern
Hitzegraden gasförmig werden können. Immer bildet das Waſſer einen
bedeutenden, oft den bedeutendſten, Antheil an der Pflanzenmaſſe, bei
Spargel, Radischen, Rüben über neun Zehntel, bei friſchem Holz im
Durchſchnitt weniger als vier Zehntel.


An der Zuſammenſetzung dieſer Pflanzenbeſtandtheile betheiligt ſich
von den jetzt unterſchiedenen 61 chemiſchen Elementen*) kaum etwa der
dritte Theil, und von dieſen am weſentlichſten Waſſerſtoff, Kohlenſtoff,
Sauerſtoff, Stickſtoff, Calcium, Silicium, Kalium, Natrium, Bittererde.


Alle dieſe Stoffe müſſen in wäſſriger Löſung oder in Gasform der
Pflanze dargeboten werden um von dieſer aufgenommen werden zu können,
da es dieſer, mit Ausnahme der Spaltöffnungen (S. 127) an allen Oeff-
nungen gebricht, die einen Zugang zu ihrem Innern vermitteln könnten.
Namentlich ſind die Saugwürzelchen keineswegs etwa als feine Saugröhr-
chen aufzufaſſen, ſondern ſie beſtehen vielmehr lediglich aus Zellen, welche
rings von einer zwar feinen aber doch ganz dichten Haut gebildet werden,
wie wir ſie früher kennen lernten (S. 99).


Daß und wie eine Flüſſigkeit durch eine dichte Haut hindurchdringen
könne, iſt erſt 1826 durch den Verſuch nachgewieſen worden und zwar von
dem franzöſiſchen Naturforſcher Joachim Dutrochet zu Chaveau bei
Chateau-Regnault. Dieſer wurde dadurch der Entdecker eines allgemein
geltenden und alſo höchſt wichtigen Naturgeſetzes, welches er Endosmoſe
nannte (mit einem ergänzenden Gegenſatze: Exosmoſe), wofür aber in
neuerer Zeit die Benennung Diffuſion, die allerdings bezeichnender iſt,
eingeführt wird. Das Weſen der Diffuſion beſteht darin, daß zwei
Flüſſigkeiten von verſchiedener Dichtigkeit (z. B. Gummiwaſſer und reines
Waſſer), welche von einander durch eine dünne organiſche Haut getrennt
ſind, ſo lange durch dieſe Haut hindurch zu einander übertreten (diffundirt
werden), bis beide gleich dicht ſind, wonach alsdann die Diffuſion aufhört.


[152]

Man nimmt nun an und darf wohl annehmen, daß die Zellen der
aufſaugenden Wurzeln eine Flüſſigkeit enthalten, welche eine andere
Dichtigkeit hat als das Bodenwaſſer. Dadurch wird die Diffuſion oder
Endosmoſe eingeleitet und von den äußerſten aufſaugenden Zellen auf die
mehr nach innen liegenden Zellen übertragen, da natürlich auch zwiſchen
dieſen und jenen eine Dichtigkeitsverſchiedenheit des Zellſaftes vorhanden
ſein muß. Es beruht demnach das Einſaugungsvermögen der Wurzel
auf einem ununterbrochenen, von Zelle zu Zelle fortſchreitenden Aus-
gleichen der Säftedichtigkeit und auf daran ſich nothwendig anſchließender
fortwährenden Störung der Ausgleichung.


Man kann den Vorgang der Endosmoſe leicht durch einen Verſuch
kennen lernen.


Einen gewöhnlichen Lampencylinder, deſſen eine Oeffnung mit dünner
Schweinsblaſe luftdicht und ſtraff verſchloſſen iſt, füllt man etwa zur
Hälfte voll Waſſer, welchem man durch etwas Zucker, Kochſalz, Gummi
oder ſonſt einen löslichen Stoff eine größere Dichtigkeit gegeben hat. Zu-
gleich giebt man noch etwas von einem färbendem Stoff hinzu (der na-
türlich vollkommen löslich ſein muß), um die Wirkung der Endosmoſe
beſſer wahrnehmen zu können. Den Glascylinder ſtellt man nun in ein
Glas mit Waſſer, ſo daß nun alſo auf der einen Seite der Schweins-
blaſe ſich z. B. hellroth gefärbtes Gummiwaſſer, auf der andern reines
Waſſer, alſo zwei Flüſſigkeiten von verſchiedener Dichtigkeit, befinden.


Nach kurzer Zeit wird man die Flüſſigkeit in dem Cylinder ſteigen
ſehen und am Ende des Experimentes hat man innerhalb und außerhalb
deſſelben eine Flüſſigkeit von gleicher Färbung und gleichem Geſchmack —
mit einem Worte von gleicher Dichtigkeit. Je größer, bis zu einem ge-
wiſſen Grade, die Dichtigkeitsverſchiedenheit der beiden Flüſſigkeiten iſt,
deſto lebhafter findet die Endosmoſe ſtatt. Die weniger dichte wird von
der dichteren mit einer gewiſſen Kraft durch die Haut hindurchgezogen,
während nur ein geringeres Maaß von der dichteren zu der weniger dichten
übertritt. Hierauf beruht es, daß der Gärtner ſaftige Stecklinge erſt
etwas abwelken läßt, ehe er ſie ſteckt, d. h. er veranlaßt, daß das Zellen-
gewebe des Stecklings und namentlich auch an der Schnittfläche einen
Theil ſeines Waſſergehaltes verdunſtet, wodurch der zurückbleibende Theil
[153] verdichtet und alſo geeigneter wird, die Endosmoſe, die Waſſeraufnahme
aus dem Boden, einzuleiten.


Die ſich hierbei von ſelbſt aufdrängende Frage, ob hierbei die Pflanze
nicht genöthigt ſei, alles Mögliche unfreiwillig aufzunehmen, hat natürlich
alsbald zu Proben veranlaßt, deren Ergebniſſe noch zu keiner allgemein
angenommenen Entſcheidung der Frage geführt haben; jedoch ſprechen ſehr
viele Beobachtungen dafür, daß die Wurzel gleichzeitig in dem ihr darge-
botenen Waſſer gelöſte Stoffe nicht in gleichem Mengenverhältniß auf-
nimmt, mithin mit einer gewiſſen Auswahl zu verfahren ſcheint.


Nicht weniger legt ſich uns die Frage nahe, ob die Pflanzenwurzel,
wenn die Endosmoſe die die Wurzeleinſaugung vermittelnde Kraft ſein
ſoll, dann nicht auch nothwendig Etwas in den Boden ausſcheiden müſſe.
Nach dem Geſetz von Dutrochet muß dieſes allerdings folgerichtig ange-
nommen werden und dieſe Wurzelausſcheidung würde nach Dutrochet
Exosmoſe
zu nennen ſein, denn dieſe Bezeichnung giebt er der zweiten
Hälfte der Erſcheinung, dem Austreten der dichteren Flüſſigkeit, während
unter Endosmoſe von ihm das Eintreten der dünneren im engeren Sinne
verſtanden wird. Auch hierüber iſt durch Experimente viel und lange
beobachtet worden, mit theils bejahenden, theils verneinenden Reſultaten.
In neueſter Zeit wird namentlich durch Liebig die Anſicht verfochten,
daß durch Wurzelausſcheidung ſich die Pflanze die Stoffe des Bodens vor
deren Aufnahme gewiſſermaßen erſt chemiſch zubereite, was nicht anders
als durch Exosmoſe geſchehen kann.


Aus alledem möge für uns hier ſo viel hervorgehen, daß die Pflanzen-
ernährung ſozuſagen ein viel feinerer, mit viel einfacheren Stoffen ver-
fahrender Vorgang ſei, als die Ernährung der Thiere. Was wir in
dieſem Buche hierüber noch weiter aufnehmen dürfen, ohne zu tief in
die Pflanzenphyſiologie uns zu verſenken, ſoll auf den folgenden Seiten
gehörigen Ortes eingeſchaltet werden.


Bis zum eintretenden Froſt iſt nun unſere Samenpflanze je nach
der Gunſt des Bodens und der Witterung mehr oder weniger kräftig
herangewachſen und hat ſich durch Knospenbildung das Wiedererwachen
und Fortwachſen im kommenden Jahre geſichert.


Auf die Geſtalt des jungen Bäumchens hat namentlich auch deſſen
Umgebung einen großen Einfluß, ob dieſe entweder durch „verdämmende“
[154] Nachbarſchaft ſeine freie Entfaltung hemmte, oder ob ſie ihm einen ange-
meſſenen Schutz vor austrocknender Wärme und Luft und vor zu viel
Licht gewährte, oder endlich ob in Ermangelung dieſes Schutzes das
junge Bäumchen durch Hitze und Trockenheit kümmerte oder gar zu Grunde
ging. Daher iſt die Bodenbekleidung in den „Kulturen“, ſo nennt der
Forſtmann die durch Saat oder Pflanzung angebauten Flächen, von ſo
großer Bedeutung und hier zeigen ſich die verſchiedenen Baumarten ſehr
ungleich in dem höheren oder geringeren Grade, in welchem ſie durch die
Waldunkräuter leiden oder ſogar deren Schutz bedürfen. Nicht ſelten muß
der Forſtmann für ſeine Holzſaaten wenigſtens theilweiſe die Waldunkräuter
entfernen und anſtatt einer Vollſaat muß er dann Streifen- oder
Platz-Saaten anwenden.


Wir verlaſſen nun das junge Bäumchen und ſetzen unſere Betrach-
tung des Baumlebens erſt wieder fort, wenn es zu einem großen Baume
erwachſen iſt. Nur Einiges wollen wir über den dazwiſchen liegenden
Zeitraum noch hinzufügen; zunächſt daß derſelbe nicht nur bei den ver-
ſchiedenen Arten, ſondern auch bei einzelnen Bäumen oder ganzen Be-
ſtänden einer Art ſehr verſchieden iſt, wobei natürlich der Boden von
maßgebendem Einfluſſe iſt. Ferner erinnern wir uns jetzt an das, was
wir auf S. 13 über den Baum hinſichtlich ſeines individuellen Abſchluſſes
geſagt haben. Wir konnten bei den meiſten Pflanzen, am allerwenigſten
bei den Bäumen, nicht wie bei den Thieren ſagen, ſie ſei nun fertig und
„ausgewachſen.“ Von zwei gleich alten Eichen kann die eine, die auf
gutem Boden ſteht, noch ganz den Eindruck eines jugendlich kräftigen,
immer noch in bedeutendem Maße zunehmenden Baumes machen, während
die andere, in ſchlechtem Boden, bereits den Eindruck des Alters macht.


Man bezeichnet es gewöhnlich als einen bemerkenswerthen Lebens-
abſchnitt, wenn der Baum anfängt zu blühen und Früchte zu
tragen
, was keineswegs immer um ſo früher geſchieht, je fruchtbarer
der Boden iſt. Im Gegentheil ſieht der Forſtmann ein frühes Samen-
tragen gewöhnlich als ein Zeichen zu frühen Alterns an, was namentlich
bei der Lärche oft eintritt, wenn ſie auf ungünſtigem Boden ſteht. Ein
ſehr fruchtbarer Boden hat in der Regel mehr eine üppige Maſſenzunahme
des Baumes als eine Blüthenentwicklung zur Folge, und letztere beginnt in
der Regel erſt, wenn der Baum ſeinem möglichen Umfange bereits nahe iſt.


[155]

Wenn in der erſten Jugend die Pflanzendecke des Waldbodens einen
weſentlichen Einfluß auf deſſen Entwicklung und Geſtaltung hat, ſo üben
ſpäter die heranwachſenden Bäume gegen einander ſelbſt einen großen
Einfluß aus.


Namentlich bei Vollſaaten, beſonders wenn der Same recht gut auf-
gegangen iſt, bilden die heranwachſenden Bäumchen unter ſich in einigen
Jahren ein ſo dichtes Gedränge, daß ſie einander ſelbſt hinderlich werden.
Namentlich bei den Nadelhölzern, wenn ſie etwa 4—5 Fuß hoch geworden
ſind, iſt es dann gar nicht möglich hindurchzukommen, und man nennt
eine Fichtenkultur nun nicht mehr ſo, ſondern ein Dickicht, nachdem ſie
vorher eine Schonung geheißen hatte.


Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe ſich drängende junge Schaar
gar nicht einmal Raum dazu hat, daß alle Einzelnen zu gedeihlichem
Wachsthum kommen können. Der Forſtmann muß für Platz ſorgen. Er
kann dies nur durch Herausnehmen des Zuviel bewerkſtelligen; entweder
durch Herausheben, um die herausgehobenen Bäumchen zu „Pflanzkulturen“
zu verwenden, oder durch Heraushauen.


Man darf hier nicht etwa den anſcheinend ganz zweckmäßigen Vor-
ſchlag machen, daß man doch lieber gleich zu Anfang nicht mehr Samen
ausſtreuen ſollte, als man Bäumchen haben will. Daß dies ſelbſt bei
Saaten nicht zuläſſig ſein würde, begreift ſich leicht, weil immer theils
eine Menge Samenkörner nicht aufgehen, theils viele junge Pflänzchen
in den erſten Lebensabſchnitten zu Grunde gehen; aber ſelbſt bei Pflanz-
kulturen muß man immer viel dichter, alſo viel mehr ſelbſt bereits
3—4 Fuß hohe Bäumchen pflanzen, als man auf der Fläche nachher
Bäume haben will, weil ſelbſt von dieſen viele theils verkümmern und
abſterben, theils krüppelhaft wachſen und beſeitigt werden müſſen. Bei
den ſogenannten reinen Beſtänden, d. h. denen, welche nur aus einer
Holzart beſtehen und welche faſt nur von Nadelhölzern erzogen werden,
kommt noch ein wichtiger Grund hinzu, weshalb man ſie gleich von
Jugend an in „dichtem Schluß“, d. h. in den Kronen dicht aneinander
gedrängt, erzieht, welcher von der Lebens- und Bildungsweiſe der Bäume
abhängig iſt. Sehr weitläufig ſtehende Bäumchen würden, da ſie rings
um ſich einen großen Luftraum zu ihrer Ausbreitung haben, geneigt ſein
mehr breit in die Aeſte als ſchlank in die Höhe zu wachſen. Letzteres
[156] muß aber ſtattfinden, wenn ſie ſich gegenſeitig am Wachſen in die Aeſte
hindern und ihnen nur nach oben das Wachsthum freiſteht.


Hierneben iſt noch zu bemerken, daß ſehr „räumlich“, d. h. weit
von einander ab, geſtellte Pflänzlinge lange Zeit alljährlich würden aus-
geäſtet werden müſſen, um ſie zum Höhenwuchs zu zwingen. Dieſes
Ausäſten beſorgt der dichte Schluß von ſelbſt, indem die unten im dichten
Schatten ſich drängenden Aeſte bald abſterben und abbrechen, was der
Forſtmann „reinigen“ nennt.


Das Licht- und Luftbedürfniß zieht die im Schluß ſtehenden Bäum-
chen geradezu aufwärts und der Forſtmann, der nun daran denken muß,
hier Platz zu ſchaffen und das Gedränge zu lichten, muß ſeine Wald-
arbeiter gut anweiſen, welche und wieviel Bäumchen ein Opfer der ſtehen-
bleibenden werden ſollen. Als Hauptregel drängt ſich hier gewiſſermaßen
von ſelbſt auf, daß man die im Wuchs zurückbleibenden heraushaut und
die „wüchſigeren“ ſtehen läßt.


Wann dieſes Lichten eines Dickichts anzufangen habe, wie oft es zu
wiederholen ſei, wie viel herauszuſchlagen ſei, um einerſeits die nöthige
Freiheit zu ſchaffen, andrerſeits aber auch die Bäumchen nicht zu „licht“
zu ſtellen — das iſt dem erfahrenen Ermeſſen des Förſters anheim gegeben,
wie überhaupt die „Durchforſtungen“ — der Kunſtausdruck für dieſe
Maßregel des Waldbaues — zu denjenigen Obliegenheiten der Forſt-
bewirthſchaftung gehören, welche die meiſte Umſicht erheiſchen und über
die ſich am wenigſten eine feſte Regel aufſtellen läßt.


So iſt unter mehrmaligen Durchforſtungen und während ſich die
Bäumchen des Dickichts von ihren unteren Aeſten gereinigt haben, allmälig
die „Altersklaſſe“ des „Stangenholzes“ herangekommen, ſo genannt
wahrſcheinlich deshalb, weil die Bäumchen — beſonders die Nadelhölzer —
nun bereits anſehnliche, bis 3 oder 4 Zoll am unteren Abſchnitt ſtarke
hohe Stangen geben, während die Bäumchen, welche aus dem Dickicht
herausgenommen wurden, höchſtens zu Bohnenſtangen dienten.


Inzwiſchen hat ſich der Stamm immer mehr im Gegenſatz zum
Wipfel ausgebildet und unter mehrmaliger Durchforſtung ſind die bei-
ſammenſtehend belaſſenen jungen Bäume in immer lichteren Schluß
gekommen und haben dadurch, weil jedem der gleiche nöthige Raum ge-
boten wurde, auch im Wuchs immer mehr Gleichheit angenommen. Doch
[157] iſt dabei immer dafür geſorgt worden, daß der junge Beſtand in den
Wipfeln immer im Schluß bleibt. Wurde dieſer zu dicht und begann
aufs neue der Wettkampf um Platz und Licht und Luft, ſo erfolgt wieder-
um eine Durchforſtung, bis allmälig zuletzt nur ſo viel Bäume ſtehen
bleiben, als — wenn ein ſolcher beabſichtigt iſt — zu einem geſchloſſenen
Hoch- oder Baumwalds-Beſtande erforderlich ſind, der dann bis zum
Haubarkeits-Alter ſtehen bleibt, d. h. bis zu der Zeit, wo der
Beſtand dasjenige Alter erreicht hat, von welchem ab kein erheblicher
Zuwachs mehr zu erhoffen iſt und welches bei den verſchiedenen Baum-
arten verſchieden iſt.


Wir haben jetzt das allmälige Heranwachſen des Bäumchens zum
Baume Schritt für Schritt verfolgt, wir lernten eine angeſäte oder ange-
pflanzte Waldfläche der Zeitfolge nach zunächſt Kultur, Schonung, dann
Dickicht, Stangenholz benennen, bis zuletzt — und wir wurden dabei
unvermerkt von einem Nadelholzbeiſpiele feſtgehalten — ein reiner Hoch-
waldsbeſtand fertig war, was z. B. bei der Fichte durchſchnittlich nach
80 Jahren, das ungefähre Haubarkeitsalter der Fichte, der Fall iſt.


Dieſe kurze Bemerkung über das Alter der Haubarkeit einer Baum-
art (die „Umtriebszeit“), könnte vielleicht bei meinen Leſern und Leſerinnen
einigen Zweifel hervorrufen, da ja doch nicht leicht eine Perſon 80 Jahre
hindurch einen aufkeimenden und heranwachſenden Beſtand beobachten
kann, um obendrein aus vielen ſolchen Beobachtungen das durchſchnittliche
Haubarkeitsalter zu beſtimmen. Der Zweifel wird ſchwinden, wenn wir
uns an die Jahresringe und an die Länge der Jahrestriebe erinnern
(S. 68 u. 90). Zählt man an einem gefällten alten Baume eines Be-
ſtandes 80 Jahresringe und findet man die jüngſten Triebe noch anſehn-
lich lang, die letzten Jahreslagen auch noch nicht auf ein Minimum
reducirt und die Stämme nicht kernfaul, ſo wäre der Beſtand noch nicht
haubar geweſen, weil er noch einigen Zuwachs erwarten ließ. Es leuchtet
ein, daß aus vielen ſolchen Unterſuchungen für jede beſonders beſchaffene
Lage und Gegend ſich das Haubarkeitsalter jeder Holzart annähernd ſicher
beſtimmen läßt.


Das Leben des Baumes, welches unter der Gewalt ſo mancherlei
Einflüſſe ſteht, giebt in dieſer langen Zeit dem Forſtmann unausgeſetzt
Stoff zu wachſamer Sorge und gar nicht ſelten zu einſchreitenden Maß-
[158] regeln, wenn eine unvorhergeſehene Wendung der Dinge eintrat, Schnee-
druck, Duftanhang, Windbruch, Sonnenbrand, Inſektenfraß in den Lebens-
verlauf der Beſtände ſtörend eingriff. Ja zuweilen iſt es nichts von
alledem, was ihn nöthigt ein junges Stangenholz oder ſelbſt ein Dickicht
abzuhauen, weil im Boden die Wurzeln vielleicht eine undurchlaſſende
oder ſonſt eine feindſelige Schicht erreicht haben, welche plötzlich das
freudige Wachsthum unterbricht und es rathſam erſcheinen läßt, eine
andere Holzart anzubauen, welche dieſem ſchädlichen Einfluſſe weniger
unterworfen iſt.


Wir begreifen nun beſſer eine Stelle in unſerem erſten Abſchnitte
(S. 7), welche uns ſagte, daß das Amt eines Förſters auch ſeine Sorgen
und Bekümmerniſſe hat.


Nachdem wir nun in Gedanken den Baum vor uns heranwachſen
ließen, müſſen wir nun ſehen, wie ſich das Leben in ihm regt und bewegt,
wie es alljährlich Neues entfaltet und geſtaltet. Wir treten darum an
irgend einen erwachſenen Baum heran und laſſen uns von der erfahrenen
Wiſſenſchaft erzählen, was in ihm und äußerlich an ihm vom erſten
Frühjahrserwachen an bis zum Eintritt des Winters geſchieht.


Wir wählen eine Buche in einem Laubholz-Mittelwalde, d. h. einem
aus verſchiedenen Laubholzarten in der Weiſe zuſammengeſetzten, daß hohe
und alte Bäume in weitläufiger Stellung ein dichtes Unterholz überragen.


Der Schnee iſt ſchon ſeit einigen Wochen beſeitigt und auf ent-
blößteren Stellen ſproſſen auch ſchon die erſten Spitzchen von allerhand
Waldkräutern hervor. Wann, d. h. in welchem Monate und in welcher
Woche des Monates dies ſei, hängt von dem Wetter ab, welches das
Amt der Schlüſſel verwaltet, zu binden und zu löſen das der Befreiung
harrende Baumleben.


Während des Winters war Alles ſtill im Baume, wenigſtens hat
man durch Beobachtungen nicht das Gegentheil gefunden. Das Holz iſt
zwar nicht ſaftlos und trocken; im Gegentheil im todten Winter gefälltes
Holz gehört zu dem ſchwerſten und waſſerreichſten.


Ob bei ſtrenger Kälte der Saft in den Bäumen ſich in gefrorenem
Zuſtande befinde, iſt oft beſtritten und oft behauptet worden und wird
beides wohl jetzt noch. Daß man die Holzgefäße während großer Kälte
gefällter Bäume deutlich mit zu Eis erſtarrtem Safte erfüllt fand, wollen
[159] Viele nicht als einen Beweis anſehen, weil dieſe Erſtarrung auch erſt
nach dem Zerſpalten des Stammes ſtattgefunden haben könne, wie ja
bekanntlich tief unter den Gefrierpunkt erkaltetes Waſſer, ſo lange es in
vollkommener Ruhe ſich befindet, flüſſig bleibt, aber in dem Augenblicke,
wo es erſchüttert wird, ſofort zu Eis erſtarrt.


Daß hohe Kältegrade einen Einfluß auf die Bäume ausüben, beweiſen
die Froſtriſſe, deren im Namen ausgedrückter Urſprung jetzt wohl nicht
mehr bezweifelt werden kann. Die Stämme ſpringen dann in einem oft
viele Ellen langen Riſſe auf, welche meiſt ſpäter wieder vernarben. Dieſe
Froſtriſſe entſtehen plötzlich und Viele wollen den damit verbundenen
Knall gehört haben. Jedoch ſind die erwähnten Vernarbungen früherer
Riſſe wohl in vielen Fällen die Ausheilungen von Blitzſchlägen, von
welchen die Bäume oft getroffen werden.


Der nöthige Temperaturgrad des Bodens und der Luft, an welchen
der Beginn der Saftbewegung im Baume gebunden iſt, zeigt ſich für die
verſchiedenen Holzarten verſchieden, was ſich ſchon äußerlich durch die
verſchiedene Ausſchlagszeit ausſpricht, wenn ſchon natürlich lange vor der
Entfaltung der Knospen die Wurzel ihr Geſchäft der Nahrungsaufnahme
beginnt.


Das Erwachen des Baumlebens im Saftſteigen iſt ſchon von Alters
her als der Markſtein des Frühlingseintrittes angeſehen worden und eine
Menge alter Volksſprüche beziehen ſich auf denſelben. Es iſt dabei der
Baum nicht als Ganzes thätig, indem zu ſeiner Zeit auch am Abhiebe
der Wurzelſtöcke, die in der vorausgegangenen Winterszeit abgehauen
wurden, der Saft in Maſſe hervorquillt, alſo hier die allein im Boden
zurückgebliebene Wurzel die Nahrungsaufnahme vollzieht, als wenn ſie
ihren Stamm noch trüge. Dieſe Erſcheinung iſt ſehr geeignet, die Zeit
des Eintretens des Saftſtromes zu beſtimmen, vorausgeſetzt daß ſie
in ſolchen Wurzelſtöcken dieſelbe wie in ſtehenden Bäumen und nicht
vielmehr durch den gewaltſamen Lebenseingriff des Fällens geſtört
worden iſt.


Hier muß noch einer auffallenden Erſcheinung ähnlicher Natur gedacht
werden, woraus ebenfalls eine partielle Bewegung des Saftes hervorzu-
gehen ſcheint; man beobachtete nämlich, daß ein einzelner Zweig, welchen
man während des Winters durch eine Oeffnung am Fenſter in ein
[160] geheiztes Zimmer hereingezogen hatte, die Knospen öffnete und ſich be-
laubte, während draußen der Baum übrigens in der Winterruhe blieb.


Von der reichlichen Fülle des Saftſtromes kann man ſich leicht über-
zeugen, wenn man kurz vor dem Eintritt deſſelben einem Baume einen
ſeiner unterſten nicht zu ſtarken Aeſte bis auf einen kurzen Stummel
abſägt, indem dann in den Stunden des lebhafteſten Saftſtroms eine
förmliche Quelle von Frühjahrsſaft aus der Wunde herabträufelt.


Unter dem Namen des „Thränens“ iſt der Saftſtrom von der
Weinrebe längſt bekannt und hier ſchon 1727 von Stephan Hales
ſeine treibende Gewalt gemeſſen worden. Durch eine aufgeſteckte doppelt
gekrümmte in der Biegung mit Queckſilber gefüllte Barometerröhre fand
er, daß der Saftſtrom dem Druck einer Queckſilberſäule von 38 Zoll die
Waage hielt, alſo den Druck der Atmoſphäre überwand.


Dieſe Gewalt des emporſteigenden Saftſtroms ſchien eine treibende
oder eine hebende Kraft vorauszuſetzen, die man lange Zeit an ver-
ſchiedenen Stellen des Baumes und ſelbſt des Bodens vergeblich ſuchte,
bis man in neuerer Zeit in der uns bereits bekannten Endosmoſe wenig-
ſtens den hauptſächlichſten Grund dieſer Erſcheinung gefunden hat. Doch
iſt anzunehmen und zum Theil auch bereits nachgewieſen, daß hier nicht
blos Wärme und Licht, ſondern auch andere Kräfte mitwirken mögen.


Es giebt viele Beobachtungsreihen über die Zeit des beginnenden
Saftſtroms, die jedoch nach der Lage des Beobachtungsortes und auch
nach der Witterung des Beobachtungsjahres nur ſchwankende und daher
auf Mittelwerthe zu berechnende Ergebniſſe lieferten. In Prag z. B. hat
Fritzſch das Ende der Winterruhe der Bäume, die er weſentlich nach
dem Safteintritt beſtimmte, in der Mitte des März gefunden und rechnet
genauer ausgedrückt die Dauer der Vegetationsperiode vom 11. März bis
zum 10. November, alſo auf 245 Tage oder faſt doppelt ſo lange als
die Zeit der Winterruhe. Der erforderliche Wärmegrad, der an den
verſchiedenen Orten und zu verſchiedenen Jahren ſehr verſchieden ſein
kann, verſchiebt natürlich die Zeit des Safteintritts.


Wenn man den vollkommen waſſerhellen und in den meiſten Fällen
auch geſchmackloſen Frühjahrsſaft chemiſch unterſucht, ſo zeigt er ſich von
dem Bodenwaſſer ſehr verſchieden; er muß alſo innerhalb des Baumes
bereits eine Veränderung erlitten haben. Er enthält in verſchiedenen
[161] Verhältniſſen Gummi, Dextrin und Zucker. Seinen Reichthum an
organiſchen Subſtanzen kann man leicht daraus abnehmen, daß auf
den Schnittflächen der Stöcke kurz vorher gefällter Bäume der heraus-
quellende Frühjahrsſaft an der Luft in Fäulniß übergeht und meiſt eine
mennigröthliche Farbe und rahmartige Conſiſtenz annimmt.


Dieſe Bereicherung erfährt der aus dem Boden aufgenommene Früh-
jahrsſaft durch die in den Zellen des Holzkörpers der Wurzel, des Stammes
und der Zweige, beſonders in den Markſtrahlenzellen aus vorigem Jahre
aufgeſpeicherten Stoffe, unter denen Stärkemehl der wichtigſte und
reichlichſte iſt. Zur Verflüſſigung dieſer feſten Reſervenahrung iſt die
aus dem Boden in die Wurzel eingetretene und in dieſer von Zelle zu
Zelle aufwärts gedrungene Flüſſigkeit dadurch beſonders geeignet, daß ſie
reich an Kohlenſäure iſt, außer welcher ſie aufgelöſte Bodenſalze enthält.


Das von den Wurzelſpitzchen endosmotiſch aufgeſogene Waſſer gelangt
ſofort in die Axe derſelben, welche aus geſtreckten, alſo leitenden Zellen
und Gefäßen beſteht und ſich ſchon in den feinſten Wurzelverzweigungen
als ein centraler Holzkörper der Rinde gegenüberſetzt. Da alle Wurzel-
verzweigungen unter ſich und mit dem Stamm und dieſer wieder mit der
Verzweigung der Krone in unmittelbarem Zuſammenhang ſtehen, ſo ge-
ſchieht die Verbreitung des rohen Nahrungsſaftes, wie man den Früh-
jahrsſaft auch nennt, im ganzen Holzkörper ſehr ſchnell. Im Anfange
beſchränkt ſich dieſe Saftleitung auf den Splint (S. 108), erſtreckt ſich
aber zuletzt auf den geſammten Holzkörper.


Wir ſchalten hier die Betrachtung der Fig. XXI. ein, welche ein
ſehr kleines Stückchen Buchenholz in etwa 200 maliger Vergrößerung dar-
ſtellt, um das feine Holzgewebe mit ſeinen zahlloſen unendlich kleinen
Räumen kennen zu lernen, in denen der Saft von Zelle zu Zelle vor-
wärts dringt. Wir unterſcheiden darin zweierlei Grundorgane: Zellen,
p, pr und m, und Gefäßeg, und zwar von erſteren drei verſchiedene
Abänderungen. Zunächſt unterſcheiden wir kurze und geſtreckte Holz-
zellen; jene bilden das ſogenannte Holzparenchym,pp, und die Mark-
ſtrahlen
m m m in welchen Stoffe gebildet und umgebildet werden und
in denen man daher auch Stärkemehl während der Winterruhe findet;
dieſe, die geſtreckten Zellen pr, heißen auch Prosenchymzellen und
dienen vermöge ihrer geſtreckten Geſtalt zur Saftleitung. Beide haben
Roßmäßler, der Wald. 11
[162] häufig getüpfelte Zellenwände, d. h. dieſe haben punktförmige unverdickt
gebliebene Stellen, in denen die übrigens verdickte Zellenwand für Flüſſig-
keiten leicht durchdringbar bleibt. Von den Längsdurchſchnitten der Scheide-
wände von je zwei benachbarten Zellen ſind beiſpielsweiſe vier mit q q q q

Figure 21. XXI.

Gewebe des Buchenholzes (Schnitt parallel mit der Rinde, Sekantenſchnitt, S. 88)
200 mal vergrößert.
g g g g g punktirte Gefäße (S. 100) — p p kurze Zellen mit nur wenig ſchrägen Böden,
Holzparenchym (S. 100); — pr pr geſtreckte Zellen mit ſehr ſchrägen Böden, Prosenchym
(S. 100); — m m m querdurchſchnittene Markſtrahlen (S. 89); — q q q q vier beiſpiels-
weiſe bezeichnete Längsſcheidewände geſtreckter Zellen, an deren erſteren beiden man die
querdurchſchnittnen Tüpfel ſieht.


bezeichnet und von dieſen haben die beiden zumeiſt lings liegenden ſolche
Tüpfel und erſcheinen dadurch perlſchnurförmig.


Am meiſten in die Augen fallend obſchon am kleinſten ſind die Zellen
der Markſtrahlen,m m m (zwei weitere Markſtrahlen fallen in das
Innere des Bildes und konnten daher am Rande nicht bezeichnet werden).
Die Zellen der Holzmarkſtrahlen erſcheinen auf dem ſenkrechten Quer-
ſchnitte immer rund und geben den Markſtrahlen eine Aehnlichkeit mit
den alten Kirchenfenſtern mit kleinen runden Scheiben, namentlich bei der
Eiche und Buche, — welche dicke und feine Markſtrahlen zugleich haben
(S. 89) — die dickeren, deren wir zwei an unſerer Figur ſehen. Dieſe,
[163] in der Längsrichtung des Markſtrahls nur wenig oder nicht geſtreckten,
echten Parenchymzellen ſind, wie wir dies bereits wiſſen, die hauptſäch-
lichen Bildungsſtätten der Stärkemehlvorräthe für die folgende Vegeta-
tionsperode.


Zwiſchen den Zellen des Holzes vertheilt ſehen wir nun ferner die
Geſäßeg, und zwar getüpfelte Gefäße, deren 5 theilweiſe auf unſer
Bild fallen, von denen 2 (rechts) mit ihren Enden aneinander ſtoßen und
durch eine ſchräge Scheidewand getrennt ſind.


In allen dieſen Grundorganen des Holzgewebes unſerer Buche wie
aller Bäume ſteigt der rohe Nahrungsſaft aufwärts, denn es iſt dieſes,
was lange von Einigen beſtritten wurde, auch in den Gefäßen der Fall.
Durch die Tüpfel der Zellen- und Gefäßwände wird die Saftleitung
ſehr gefördert, indem die Endosmoſe durch unmittelbares Eintreten des
Saftes aus einem Grundorgan in das andere unterſtützt wird, weil
die Tüpfel wenigſtens zum Theil durch Verflüſſigung (Reſorption) zu
wirklichen Löcherchen oder Spaltchen werden.


Bedenken wir, daß ein Kubikzoll Buchenholz aus vielen Tauſenden
von Zellen beſteht, und in den meiſten Zellen eine Menge Tüpfel ſind,
ſo müſſen wir ſtaunen über die millionenfache Zertheilung des Saftſtromes
und wir ahnen die Feinheit im Detail dieſer mit ſo großer Gewalt ſtatt-
findenden Bewegung.


Indem der Saft aufwärts ſtrömt, beladet er ſich je höher er kommt
immer mehr mit der ſeiner harrenden Reſervenahrung vom vorigen Jahre,
die er auflöſt, und iſt daher je höher wir ihn abzapfen, wir kennen das
ſüße Birkenwaſſer, deſto reicher an aufgelöſten Stoffen.


In den vorjährigen Trieben angelangt tritt er an die unteren Enden
der Knospen, in deren Axe (S. 67. Fig. V. 1* 2* 3* 4*) er auf ein
ſehr kleinzelliges Markgewebe trifft, deſſen Zellen vollgeſtopft ſind von
aſſimilirten Stoffen, unter denen Proteinſtoffe vorwalten, jene wich-
tigen ſtickſtoff- und ſchwefelhaltigen Verbindungen, ohne welche keine Neu-
bildung im Pflanzenkörper ſtattzufinden ſcheint.


Die Lehre vom Baumleben hat hier Manches noch nicht vollſtändig
aufgehellt. Namentlich iſt es noch unbekannt, welche Wechſelwirkung
zwiſchen den proteinreichen Stoffen der innern Knospentheile und des
ankommenden Frühjahrsſaftes beſteht und ob wirklich die Entfaltung der
11*
[164] Knospen ohne Betheiligung des letzteren ſtattfindet oder wenigſtens be-
ginnt, was durch den auf S. 159 angeführten Fall eines ſelbſtſtändig
ausſchlagenden in ein warmes Zimmer gezogenen Zweiges wahrſcheinlich
gemacht wird.


Nachdem ſpäter die Blätter ſich vollſtändig entfaltet haben, hört der
mächtige Strom des Frühjahrsſaftes auf, wenn es nicht vielleicht richtiger
iſt zu ſagen: er ſetzt ſich mit dem Verbrauch durch die Blätter in’s Gleich-
gewicht; denn daß die Wurzel nicht aufhört Bodenwaſſer aufzunehmen
und ſtammaufwärts zu ſchicken erhellt aus dem Verdorren der Baum-
kronen bei lange anhaltender Wärme und Trockenheit.


Doch wir kehren nun vorbereitet zu den Erſcheinungen des Baum-
lebens vom erſten Erwachen an zurück.


Es beginnt nun in den Knospen ein reges Bildungsleben und wir
wiſſen es ſchon, daß in ihnen der neue Trieb mit allen Blättern, oder
wenigſtens ein guter Theil davon, bereits vorgebildet als kleine Anfänge
vorhanden iſt (S. 65 f.).


Namentlich an der Buche ſieht das kundige Auge ſchon vor dem
erſten Aufbrechen der Knospen, wenn daſſelbe eben ganz nahe bevorſteht,
eine Veränderung, die recht eigentlich in einer Summirung vieler faſt
unſichtbar kleiner Sümmchen beruht. Die großen ſpindelförmigen vom
Triebe weit abſtehenden Knospen der Buche (S. 60. III. Fig. 9) ver-
mögen durch ihr Anſchwellen einem aus der Ferne geſehenen Buchen-
beſtande eine bemerkbare Füllung und Färbung zu geben.


Die Art und Weiſe wie die jungen Blättchen in der Knospe unter-
gebracht und dabei verſchiedentlich zuſammengefaltet und gewunden waren,
bedingt nun eine große Manchfaltigkeit der Bilder, welche die ſich ent-
wickelnden Knospen darbieten. Dabei ſpielen die, vielen Bäumen eigenen,
bereits erwähnten Nebenblättchen eine nicht unbedeutende Rolle, was
z. B. auch bei der Buche der Fall iſt.


Sie zeigt uns zugleich durch ihre Knospenentfaltung, daß am Triebe
die Blätter (wenn ſie nicht gegenſtändig ſtehen) ſtets in Schraubenlinien
geſtellt ſind, ſo wenig dies auch nachher, nachdem der Trieb mit ſeinen
Blättern in ſeiner ganzen Länge hervorgetrieben iſt, noch auffällt. Eine
Buchenknospe bildet nach dem Aufbrechen der Knospe einen zierlichen
Trichter, gebildet durch die Spiralſtellung an dem noch ganz kurzen Triebe.
[165] Dieſer Zuſtand währt aber nur kurze Zeit, indem der ſich ſtreckende Trieb
die Blätter aus einander zieht und ſich dieſe dann ſchnell nach zwei
Seiten wenden, ſo daß ſie in einer Ebene liegen.


Figure 22. XXII.

Entfaltung der Buchenknospe.


Figure 23. XXIII.

Knospenentfaltung des gemeinen Ahorn,
Acer pseudoplatanus.


Wir ſehen dieſe Entwicklungsweiſe der Buchenknospe in Fig. XXII.
und vergleichen damit die der Bergahornknospe als der eines Baumes
mit kreuzweiſe gegenſtändigen Knospenſchuppen und Blättern, Fig. XXIII.


An der Buchen- und vielen anderen Knospen ſtehen nach ihrer Ent-
faltung neben jedem Blatte 2 zungenförmige bald abfallende Nebenblättchen,
welche anderen Bäumen, z. B. dem Ahorn fehlen. Dagegen zeigt uns
dieſer in auffallender Weiſe, daß die Knospenſchuppen nicht immer blos
[166] eine paſſive Umhüllung des jungen Triebes ſind, ſondern daß dieſelben je
weiter ſie nach innen zu ſtehen, deſto mehr Leben und Entwicklungsfähig-
keit zeigen, denn wir ſehen die innern Knospenſchuppen zu langen zungen-
förmigen Blattgebilden ausgewachſen, welche aber dann ſo wie die erſteren
ſich nicht weiter entwickelnden bald abfallen (Fig. XXIII.).


An manchen Bäumen ſind die Knospenſchuppen beſonders deutlich
als äußere eigentliche, blos mechaniſche Hüllen, welche ſich bei der Ent-
faltung nicht oder nur ſehr wenig verändern ſondern blos auseinander
gedrängt werden, und als lebendige entwicklungsfähige innere zu unter-
ſcheiden, welche, da ſie bedeutend auswachſen, ſogar vielleicht an der Er-
nährung des ſich entfaltenden Triebes Theil nehmen.


Figure 24. XXIV.

Weiter entfaltete Ahornknospe, welcher die Nebenblättchen fehlen.


Im letzteren Falle ſind die innern entwicklungsfähigen Schuppen ent-
weder wirkliche Schuppen, welche zu den jungen Blättchen keine Beziehung
haben, wie uns dies der nebenſtehende Umriß einer weiter entfalteten
Ahornknospe zeigt (Fig. XXIV.), oder ſie ſind gar nicht eigentlich Schuppen,
ſondern Schuppendienſte verrichtende After- oder Nebenblättchen, deren
je 2 zu einem der in der Knospe enthaltenen Blättchen gehören, wie
z. B. bei der Buche, Linde und dem Hornbaum, Fig. XXV.


[167]

Die Linde hat genau blos 2 eigentliche Knospenſchuppen, welche bei
der Knospenentfaltung nicht die mindeſte Veränderung erleiden, ſondern
auseinander gedrängt und dabei oft zerſchlitzt und bald hart und trocken
werden und abfallen.


Wir ſehen dies an drei Entfaltungsſtufen der Lindenknospe. Zunächſt
werden deren 2 eigentliche Knospenſchuppen von dem ſich ausdehnenden
Triebe, der von ſchnell wachſenden Schuppen noch eine Zeit lang um-
ſchloſſen bleibt, überwachſen, XXV. 1., und immer weiter auseinander

Figure 25. XXV.

Entfaltung der Lindenknospe.


gedrängt von dem ſich nun entfaltenden Triebe, XXV. 2., an dem endlich
deutlich wird, daß die nun ſichtbar werdenden langen zungenförmigen
Schuppen wirkliche wenn auch hinfällige Nebenblättchen ſind, deren je
2 zu einem Blatte gehören, XXV. 3.


Daſſelbe iſt es bei mehreren anderen Baumarten; ja die Erle hat ſtreng
genommen gar keine eigentlichen Knospenſchuppen, denn bei der Knospen-
entfaltung bemerkt man, daß die Schuppen wahre Nebenblättchen ſind,
und die Stelle der fehlenden Kospenſchuppen vertreten. Um dies zu ſehen
muß man den ſchnell verlaufenden Akt der Knospenentfaltung wohl
beobachten, weil die Nebenblättchen des unterſten Blattes ſehr bald ab-
fallen, nachdem ſie ſich zurückgekrümmt haben.


Wir erkennen hierin die Einheit und verwandtſchaftliche Zuſammen-
gehörigkeit aller Blattgebilde, auf welche ſchon S. 130 hingewieſen wurde
und welche ſich ſehr oft dadurch ausſpricht, daß durch bedingende Umſtände
[168] (die wir freilich in ihrem ſpeciellen Einfluß kaum nachweiſen können) aus
der Anlage eines Blattes — in dieſer allgemeinen Auffaſſung des Wortes —
ein anderes Blattgebilde wird, als der Regel nach hätte werden ſollen.
Blätter verwandeln ſich in Kelchblätter, Kelchblätter in Blumenblätter,
Staubgefäße und Stempel in Blumenblätter. Auf dieſer weſentlichen
Einheit aller Blattgebilde, zu denen alſo auch die Befruchtungswerkzeuge
der Blüthe gehören, beruht die Füllung vieler unſerer Gartenblumen
und manches andere Ergebniß der Gärtnerei.


Es wird daher an dieſer Stelle angemeſſen ſein, neben dem Begriff
des Blattes im alltäglichen engeren Sinne die Niederblätter und die
Hochblätter zu erklären. Beide Benennungen ſind von der Stellung
im Verhältniß zu den echten Blättern — die nun zum Unterſchied von
jenen Laubblätter oder Vegetationsblätter zu nennen ſind —
aufzufaſſen, nicht von ihrer geringeren oder höheren Ausbildung. Die
Blattgebilde, welche an der Pflanze eine tiefere Stelle als ein Bege-
tationsblatt einnehmen, heißen Niederblätter, z. B. die breiten ange-
drückten dreiſeitigen Schuppen am Spargelſchoß. Niederblätter ſind nun
auch die Knospenſchuppen und wir fanden eben jetzt zwiſchen ihnen und
den Nebenblättern, welche ebenfalls Niederblätter ſind, eine nahe verwandt-
ſchaftliche Beziehung.


Hochblätter ſind diejenigen Blattgebilde, welche über einem Vege-
tationsblatte und vielmehr in einer örtlichen Beziehung zu der Blüthe
ſtehen. Wir ſehen ein ſchuppenförmiges Hochblatt an der einzelnen freilich
auf das einfachſte Maaß beſchränkten weiblichen Blüthe der Kiefer in
Fig. XVI. 6 und 7 (S. 124) als ein weißliches angedrücktes Gebilde neben
der braunrothen in ein Spitzchen endenden runden Blüthenſchuppe ſtehen.


Von unſeren Bäumen hat die Linde ein am meiſten entwickeltes
Hochblatt, das bekannte zungenförmige gelbliche Blatt, welches in ſeiner
Mittelrippe zum Theil mit dem Blüthenſtiele verwachſen iſt. (Siehe
ſpäter unſere Abbildung der Lindenblüthe). Gewöhnlich ſtehen dieſe Hoch-
blätter dicht unter der Blüthe und heißen Deckblätter weil ſie die
Blüthe während des Knospenzuſtandes decken. Die Deckblätter ſind für
die Blüthe das, was für die Blätter die Nebenblätter ſind. Meine Leſer
und Leſerinnen werden bei vielen unſerer Wieſen- und Gartenblumen
neben den Blüthenſtielen ein meiſt einfachlanzettförmiges Deckblatt finden.


[169]

Nachdem die Befreiung des in der Knospe eingeſchloſſenen Triebes
begonnen hat, treibt dieſer mehr oder weniger ſchnell hervor und erreicht
damit entweder (wie bei der Buche) ſchon nach ſehr kurzer Zeit ſeinen
Abſchluß oder der Trieb wächſt beinahe die ganze Vegetationsperiode hin-
durch an der Spitze fort, welches letztere beſonders bei Stock- und Stamm-
Ausſchlägen ſtattfindet.


Wie ungleichzeitig die Triebentfaltung bei den verſchiedenen Baum-
arten ſtattfindet, davon iſt z. B. Buche und Eiche im Vergleich zu der
Traubenkirſche, Prunus Padus, ein Beleg. Während die Knospen der
erſteren noch vollkommen geſchloſſen ſind, hat ſich letzterer bereits voll-
ſtändig belaubt und junge Triebe von 6—8 Zoll mit ganz ausgewachſenen
Blättern gemacht.


Geſchützter ſonniger Stand übt außerdem einen beſchleunigenden Ein-
fluß auf die Knospenentfaltung aus.


Die Blätter erlangen meiſt ſehr ſchnell ihre volle Größe und zwar
zugleich durch einfache Ausdehnung aus ihrer zuſammengefalteten Knospen-
lage (S. S. 67), und durch Zellenvermehrung in ihrem Innern. Dabei
erfahren die Blätter mancher Baumarten eine bedeutende Farbenänderung;
nicht nur daß das anfänglich gelbliche Grün allmälig beſtimmter und
dunkler wird, ſondern bei manchen, z. B. bei der Espe und noch ent-
ſchiedener bei dem Weißdorn, Crataegus oxyacantha, ſind ſie anfangs
braunroth. Dieſe Jugendfarbe findet ſich namentlich an den Trieben,
welche ſpäter und daher unter intenſiverer Licht- und Wärme-Einwirkung
erwachſen, z. B. an beſchnittenen Weißdornhecken.


Was nun die Lebensverrichtungen der Blätter betrifft, ſo iſt dieſe,
wenn wohl auch nicht allein aber doch im Weſentlichen eine aſſimilirende
zu nennen, d. h. die in die Blätter aus dem Triebe eintretende Nahrungs-
flüſſigkeit, deren Beſchaffenheit wir bis hieher kennen gelernt haben, wird
in ihnen immer mehr veredelt, zu Neubildungen, die aus ihr hervor-
gehen ſollen, immer mehr geeignet gemacht. Wir unterſcheiden daher am
paſſendſten an dieſen Orte den noch unaſſimilirten Frühjahrsſaft als
rohen Nahrungsſaft von dem Bildungsſaft, der aus jenem durch
die Blätter gemacht wird.


Wenn wir einen vergleichenden Blick auf ähnliche Vorgänge im
Thierkörper thun wollen, ſo könnten wir die Blätter demnach Verdauungs-
[170] organe nennen, wobei wir uns jedoch hüten müſſen, die Blätter ihrer
Geltung nach den Verdauungsorganen des Thieres gleich zu ſtellen.


Man hat die Blätter auch Athmungsorgane genannt, weil ſie durch
Vermittlung der Spaltöffnungen (S. 127) gasförmige Stoffe aus- und
wahrſcheinlich auch eintreten laſſen.


Dieſes Athmen der Blätter ſteht aber mit der Zubereitung des ihnen
zuſtrömenden rohen Nahrungsſaftes in unmittelbarem Zuſammenhange,
indem von dieſen der überſchüſſige Theil an Waſſer in Gasform und
außerdem namentlich Sauerſtoff ausgehaucht wird.


Obgleich wir es bisher ſchon mit Zellenbildung zu thun hatten,
ſo ſei doch hier erſt über dieſelbe Einiges geſagt, weil mit der Entfaltung
der Knospen die Maſſenzunahme des Baumes am entſchiedenſten beginnt
und ein Baum um ſo ſtärkere Jahresringe anſetzt, je vollſtändiger er be-
laubt iſt.


Es iſt ſchwer das Verhältniß der Zeit genau anzugeben, in welchem
die Blätterentfaltung zu dem Beginn der neuen Holzlage unter der Rinde
ſteht, obgleich ſo viel wohl feſt ſteht, daß letztere ohne die Blätter, die
den Stoff dazu vorbereiten, nicht möglich iſt.


Der in den Blättern geläuterte und geſtaltungsfähig gewordene
Bildungsſaft ſteigt nun im Baume abwärts. Sowohl dieſe auffallende
rückgängige Bewegung an ſich iſt lange Zeit ein Gegenſtand der Unge-
wißheit und des Meinungswiderſtreites geweſen als auch der Ort, das
Gewebe, in dem dieſer Strom ſtattfindet.


Was den erſten Punkt betrifft, ſo iſt es zwar ſchon früher von der
Mehrheit angenommen aber erſt in neueſter Zeit durch Hauſteins mit
größter Umſicht angeſtellte Experimente unumſtößlich nachgewieſen worden,
daß der Bildungsſaft wirklich abwärts ſtrömt, mithin der Zuwachs von
oben nach unten fortſchreitet. Um uns dies klar zu machen, müſſen wir
vorher den andern Punkt feſtſtellen.


Wenn auf Seite 15 geſagt wurde, daß der Bildungsſaft zwiſchen
Rinde und Holz abwärts ſtrömt, ſo iſt dies nicht ſo zu verſtehen, als
dränge er dabei dieſe beiden auseinander und ſtröme nun frei in der da-
durch gebildeten Kluft, ſondern es iſt dabei vorläufig auf die allgemein
bekannte Erſcheinung, vielleicht zu ſehr, Rückſicht genommen worden, daß
man im Frühjahr eine geſchälte Weidenruthe von einer Flüſſigkeit benetzt
[171] findet, als ſei dieſelbe eben zwiſchen Rinde und Holz geweſen. Die
Thatſache kennen die Knaben ſehr gut, denn ſie ziehen mit Leichtigkeit
ein längeres Rindenrohr von der Weidenruthe ab, nachdem ſie vorher
durch Schlagen und Drücken die Rinde gelockert haben. Aber eben dieſe
nöthige Vorbereitung beweiſt, daß der Saft nicht frei zwiſchen Rinde und
Holz eingeſchloſſen war, ſonſt würde jenes Klopfen und Drücken nicht
nöthig ſein und das Rindenrohr ſich auch ohne dieſes leicht abziehen laſſen.
Vielmehr muß der Saft in einem zarthäutigen, locker verbundenen Ge-
webe eingeſchloſſen ſein, welches eben durch jene Vorbereitung leicht zer-
riſſen und von dem Holze abgelöſt wird. Von dem Vorhandenſein dieſes
Gewebes kann man ſich leicht überzeugen, wenn man mit dem Meſſer-
rücken dieſen vermeintlichen etwas ſchleimigen Saft zuſammenſtreicht. Man
findet nicht einen ſolchen, ſondern vielmehr einen ſchleimigen Brei, der
ſich mit der Lupe als aus zarthäutigen Zellen beſtehend erweiſt, wenn
man ihn in klarem Waſſer ſich ausbreiten läßt. Wir haben hier alſo
einen bereits fertigen Theil der neuen Holzlage.


Wenn nun alſo dieſer nur dem oberflächlichen Anſchein nach freie
Saft ſchon nicht mehr der Bildungsſaft iſt, ſondern daraus bereits ge-
ſtaltetes zartes Gewebe, ſo müſſen wir ihn anderswo ſuchen.


Wir wiſſen ſchon, daß diejenigen Grundorgane, welche die Saft-
leitung beſorgen, lang geſtreckt ſein müſſen, während die ſogenannten
kurzen, d. h. nach keiner Richtung vorwaltend ausgedehnten Zellen mehr
der Verarbeitung des Saftes (Aſſimilation) dienen.


Sowohl im Holze, wie in der Rinde finden ſich geſtreckte Zellen, in
erſterem außerdem noch die beſonders langen feinen Gefäßröhren. Da
aber in dem Holze der aufwärts gerichtete Strom des rohen Nahrungs-
ſaftes ſtattfindet, ſo iſt ſchon deshalb nicht anzunehmen, daß der abwärts
ſtrömende Bildungsſaft denſelben Weg nehmen werde, wie anderſeits
dieſes auch durch unmittelbare Beobachtungen widerlegt iſt. Es bleibt
alſo nur das Rindengewebe als die Bahn für den Bildungsſaft übrig
und zwar ſind es in dieſem die ſehr langgeſtreckten Baſt-
zellen, in denen der Bildungsſaft abwärts geleitet wird
.


Da aber nicht alle Bäume in der Rinde ſolche eigentliche, d. h. lang-
geſtreckte beiderſeits ſpitz endende Baſtzellen haben (S. 113), und dieſe,
wo ſie da ſind, meiſt außerordentlich dickwandig und daher wenig geeignet
[172] für endosmotiſche Durchdringung eines concentrirten Saftes erſcheinen,
ſo könnte allerdings an dieſer Saft-Leitung der Baſtzellen, wenigſtens der
älteren, ſo dickwandigen, daß ein Querſchnitt kaum noch einen Zellenraum
zeigt, gezweifelt werden. Jedoch ſprechen die Verſuche dafür.


Was nun die abwärts gerichtete Strömung des Bildungsſaftes be-
trifft, ſo hat man ſchon ſeit alter Zeit den bekannten Zauberring der
Gärtner als einen Beweis dafür betrachtet. Dieſer beſteht bekanntlich
darin, daß man an einem ſtärkeren Zweige eines Obſtbaumes nach dem
Anſetzen der Früchte einen ringförmigen Schnitt durch die Rinde bis auf
das Holz macht, oder einen ſchmalen Rindenring ablöſt, in Folge deſſen
man dann an dieſem Zweige die Früchte vollkommener werden ſah. Man
ſchloß daraus — und die ſorgfältigen Verſuche der Neuzeit haben es
beſtätigt — daß durch den Zauberring die Bahn des abwärts ſtrömenden
Bildungsſaftes unterbrochen und dieſer dadurch genöthigt werde, ſich ober-
halb des Schnittes zu verwerthen.


Figure 26. XXVI.

a b von der Rinde entblößte Strecke; — über a Wulſtbildung von dem abwärts ſtrebenden
Cambium gebildet; — b c abgeſtorbene und feſtgetrocknete Rinde; — unterhalb c d hat
Zuwachs ſtattgefunden durch Vermittlung des Zweiges e.


Schält man im Frühling an einem Stämmchen oder Zweige etwa
eine Elle unter der Spitze ein ungefähr zollbreites Rindenband ringsum
[173] ab und trocknet man dann den entblößten Holzring ſorgfältig ab, ſo zeigt
ſich nach einem Jahre Folgendes:


Das entblößte Holz a b hat ſich keineswegs mit neuer Rinde be-
kleidet, ſondern zeigt ſich vielmehr trocken und mißfarbig, wie abgeſtorben,
was es bis auf einige Tiefe auch wirklich iſt; es hat ſich nicht nur keine
neue Jahreslage gebildet, ſondern wenn wir nach dem Abſchälen den
Durchmeſſer der entblößten Stelle genau gemeſſen hätten, ſo würden wir
nun dieſelbe durch oberflächliche Vertrocknung ſogar etwas ſchwächer finden.
Oberhalb und unterhalb der geſchälten Stelle hat ſich in der Zeit ganz
Verſchiedenes ergeben. Ueber a hat ſich nicht nur eine merkliche Wulſt
gebildet, ſondern der ganze Zweig hat im Umfang etwas zugenommen,
ebenſo wie man an der nicht mit abgebildeten Zweigſpitze die hinzuge-
kommenen Jahrestriebe normal finden würde. Namentlich aber die Wulſt
a zeigt deutlich, daß hier ein Saftandrang ſtattgefunden hat, welcher hier
nicht weiter konnte und die Wulſt bildete. Ganz anders ſieht es unter
der geſchälten Stelle von b an abwärts aus. Eine Strecke weit, bis an
die ſchräge Grenzlinie c d iſt die Rinde verſchrumpft und ganz feſt auf-
getrocknet. Von dieſer Linie an abwärts, wo links bei e ein Zweig ab-
geht, iſt die Rinde aber wieder friſch und prall und der Zweig zeigt auch
Dickenzunahme. Alle dieſe Erſcheinungen beweiſen für den abwärts ge-
richteten Strom des Bildungsſaftes, ſo wie dafür, daß dieſer in der Rinde
ſtatthat, daß ſich die Rinde auf einer geſchälten Stelle nicht wieder erzeugt,
und daß das Holz aus ſich ohne Beihülfe der Rinde keine neue Holzſchicht
erzeugen kann.


Da wir die aſſimilirende Lebensaufgabe der Blätter und die des Holz-
körpers bereits kennen, ſo iſt uns nun alles das, was hier geſchehen
iſt, leicht erklärlich. Als wir etwa Ende April den Rindenring abſchälten,
war der oberhalb deſſelben liegende Theil des Zweiges und der bei c ab-
gehende Seitenzweig mit jungen Blättern verſehen. Zu ihnen ſtrömte
im Holzkörper der rohe Nahrungsſaft empor, die Blätter bereiteten aus
ihm den Bildungsſaft, den nachher die Rinde abwärts leitete. Weiter als
bis a konnte er nicht, da hier der Rindenweg unterbrochen war, er war
genöthigt, ſich hier zu geſtalten, wovon die Wulſt und die Dickenzu-
nahme die Folge iſt, vielleicht auch — unſere Figur zeigt uns das
nicht — Adventivknospen zu treiben und vorhandene Seitentriebe ſich be-
[174] ſonders kräftig entwickeln zu laſſen. Unterhalb der entrindeten Strecke
übernahmen die Blätter des Zweiges e die Bereitung des Bildungsſaftes,
der aber, da er nicht oder nur in ſehr beſchränktem Maaße aufwärts
ſteigen kann, dem von c bis b liegenden Theile nicht zu gute kam, wes-
halb hier nicht nur keine Dickenzunahme ſtattfand, ſondern auch die Rinde
abſtarb.


Würden wir nach der Entrindung das nackte Holz nicht glatt abge-
wiſcht haben, ſo würden zarte Ueberreſte des jungen Zellgewebes, als
welches wir vorher auf S. 171 den vermeintlichen Saft kennen gelernt
haben, zurückgeblieben ſein, und wäre unmittelbar nachher kühles feuchtes
Wetter eingetreten, ſo wären dieſe Ueberreſte nicht nur nicht vertrocknet,
ſondern aus ihnen würden ſich Vernarbungswärzchen gebildet haben, an
denen wir mit dem Mikroſkop eine beginnende Rinden- und eine Holz-
ſchicht würden haben erkennen können. So wäre es möglich geweſen,
daß die entblößte Stelle ganz wieder überkleidet worden wäre.


Es fragt ſich nun, was mit der Zeit mit dieſem Zweige geworden
ſein würde. Offenbar liegt das Heilungsbeſtreben vor, von oben herab die
entrindete Stelle wieder auszufüllen und wenn wir nur einen ſehr ſchmalen
Rindenring abgeſchält haben würden, ſo wäre dies auch gelungen und der
oberhalb liegende Zweigtheil wäre vielleicht am Leben geblieben. Viel-
leicht,
denn zwiſchen dem zuletzt an die untere Wundlippe herangerückten
Vernarbungsgewebe und jener findet niemals eine organiſche lebendige
Verwachſung, ſondern zuletzt höchſtens eine Ueberwachſung ſtatt. Daher
hier immer eine Stelle bleibt, wo durch einen Windſtoß der Zweig leicht
abgeknickt werden kann. An dem abgebildeten Zweige würde dies um ſo
gewiſſer der Fall geweſen ſein, als das entrindete Holz allmälig immer
tiefer abgeſtorben und am Ende ſelbſt für die Leitung des rohen Nahrungs-
ſaftes nicht mehr geeignet geblieben ſein würde.


Nachdem wir nun die große Bedeutung für das Stammwachsthum
und die Beſchaffenheit des Bildungsſaftes und dieſen ſelbſt vielmehr als
ein zartes Gewebe kennen gelernt haben, ſo bezeichnen wir nun dieſes
mit dem ſchon mehrmals erwähnten Namen Cambium oder Bildungs-
gewebe
. Es bildet ſich aus dem in den Baſtzellen abwärts ſtrömenden
Bildungsſafte und beſteht aus ſehr zarthäutigen langgeſtreckten Zellen,
die mit beinahe horizontalen Böden der Länge nach an einander ſtoßen.
[175] Durch Theilung, Streckung und ſonſtige Umbildung bilden ſich nun aus
dieſen Cambiumzellen einerſeits Rinden-, anderſeits Holzzellen, da ſich
das Cambium buchſtäblich zwiſchen Rinde und Holz eindrängt.


Wir ſchließen am paſſendſten an dieſer Stelle eine bisher noch nicht
berührte Auffaſſung der Gliederung des Holzkörpers an. Gewöhnlich iſt
man geneigt, ſich den Holzkörper und die Rinde als zwei für ſich getrennt
beſtehende Gewebemaſſen zu denken, wenn man auch nicht vergißt und
von uns eben recht eindringlich erkannt worden iſt, daß das Holz
ohne Rinde weder leben noch zunehmen kann. Beide aber gehören auf
das innigſte zuſammen und bilden ein Ganzes. Sehen wir mit einer
ſcharfen Lupe den recht glatt geſchnittenen Querſchnitt eines Zweiges an,
ſo ſehen wir das Holz durch die Markſtrahlen in keilförmige Partien ab-
getheilt. Dies ſind die Holzbündel, zu deren jedem das anſtoßende
Rindenſtück gehört, beide während der Vegetationszeit durch einen Cambium-
antheil verbunden, der nur deshalb während des Winters nicht ſichtbar
iſt, weil er dann vollſtändig einerſeits in Rinden-, anderſeits in Holz-
Gewebe verwandelt iſt.


Demnach beſteht ein Stamm aus zahlloſen platt keilförmigen Holz-
bündeln zu äußerſt mit einem zugehörigen Rindenantheil.


Solche Hölzer, welche recht glatt und gerade ſpalten, wie Tannen-
und Fichtenholz, bedingen mit Nothwendigkeit die Annahme, daß der
Strom des Bildungsſaftes und die Längsanordnung und Geſtaltung der
Cambiumzellen geradlinig erfolgt. Dies iſt aber keineswegs eine aus-
nahmsloſe Regel. Es kommen vielmehr Erſcheinungen vor, bei denen
man ſich nicht wundern kann, daß man bei oberflächlicher Betrachtung
den Bildungsſaft lange Zeit für eine zwiſchen Rinde und Holz frei
ſtrömende Flüſſigkeit gehalten hat.


Figur XXVII. zeigt uns ein Gebilde dieſer Art. Es iſt ein ent-
rindeter zapfenförmiger Holzauswuchs von einer Eiche, der mit mehreren
anderen gleicher Art auf der Verſammlung der deutſchen Naturforſcher
und Aerzte in Carlsruhe vorgezeigt und mir ſpäter zur Benutzung über-
laſſen wurde. Obgleich damals über die Entſtehungsweiſe und die Oert-
lichkeit des Vorkommens an der Eiche nichts mitgetheilt worden zu ſein
ſcheint, ſo glaube ich doch durch folgende Worte a. a. O. dieſes eigen-
thümliche Gebilde richtig gedeutet zu haben:


[176]

„Im Mai, wo die Bäume im vollſten Safte ſtehen und namentlich
der von den jungen Blättern bereits in reicher Fülle bereitete Bildungsſaft
in der Rinde abwärts ſteigt, wurde der Eiche durch einen Gewitter-

Figure 27. XXVII.

Ein entrindeter zapfenförmiger Holzauswuchs von einer Eiche*).


[177] ſturm ein ſtarker Aſt abgeriſſen, ſo daß ein tiefes Loch im Stamme
entſtand.


Der abwärts kommende Bildungsſaft trat an dem oberen Wund-
rande unter der Rinde hervor und bildete Anfangs kleine aber ſchnell
größer werdende berindete Holzwarzen — wie ich dies en miniature im
vorigen Herbſte nach dem Leipziger Hagelwetter an mehreren Baumarten
gefunden habe — welche über die Oeffnung der tiefen Stammwunde frei
herabhingen; frei unzweifelhaft, denn der Zapfen zeigt ringsum die ganz
gleiche Bildung.“


Solche pathologiſche Gebilde werfen oft ein helles Licht auf den
normalen Lebensvorgang. Die bunt durch einander gewundenen Ver-
ſchlingungen der Holzmaſſe, die an vielen Stellen unregelmäßige ge-
ſchloſſene, einander vielfach umſchließende Kreiſe bilden, deuten unwider-
leglich auf ein Stauchen und Zertheilen des Cambiumſtromes, auf ein
Ablenken von dem regelmäßigen geraden Verlaufe, der am geſunden Holze
der Eiche zukommt. Dieſes Stauchen des Saftſtromes war bedingt durch
die Aufhebung des ungeſtörten Verlaufs nach abwärts. Die an der frei
hängenden noch kleinen Wulſt, die nur an der in der Figur ſichtbaren
Stelle feſthing, rings herum ſich bildende Rinde bildete gewiſſermaßen
einen Sack, der eben den zuſtrömenden Bildungsſaft zu dieſen Ver-
krümmungen nöthigte, wie entgegenſtehende Klippen es mit einem Bache
thun. Freilich war dies mit einer augenblicklichen Geſtaltung, Zellen-
werdung, des Saftes verbunden. Die Cambiumbildung hat „ſich nach
der Decke geſtreckt“, der Decke, welche die Rinde war.


Eiche, Rüſter und Eſche, die drei deutſchen Holzarten mit den größten
Gefäßen (S. 104) geben überhaupt den beſten Aufſchuß über die Richtung
der aus dem Bildungsſaft ſich geſtaltenden Holzelemente. Namentlich die
Winkel, wo von etwa armsdicken Aeſten Zweige abgehen an alljährlich
ausſchlagenden Stummeln abgeſchnittener Aeſte kann man die Folgen eines
Stauchens des Saftſtroms ſehr ſchön beobachten, wenn man ſie bald nach
Entfaltung des Laubes ſchält. Um dieſe Zeit iſt bei der Eiche von dem
Frühjahrsholz (S. 105) gerade erſt der Kreis großer Gefäße fertig, welche
auf dem geſchälten Holze wie dicke Adern auf dem Arm eines Alten
verlaufen.


Roßmäßler, der Wald. 12
[178]

Dies zeigt Fig. XXVIII., ein Stück von der Oberfläche eines 2 Zoll
dicken Eichenaſtes wo 2 dicht an der Baſis abgeſchnittene Zweige abgingen.
Dieſe traten dem Herabwachſen des Cambiums, denn ſo muß man es
doch nennen, entgegen und wir ſehen, daß hier, namentlich zwiſchen den

Figure 28. XXVIII.

Verlauf der großen Gefäße auf der Oberfläche eines im Mai geſchälten Eichen-Aſtes.


beiden Zweigen mehrere Gefäße im Zickzack geſtaucht ſind und eins einen
geſchloſſenen ovalen Ring bildet, eins ſogar von rechts nach links zwiſchen
beiden Zweigen herübergeht. Oben links weichen die Gefäße einer Adven-
tivknospe *) aus. Daß beide Aeſte bereits todt waren, ſehen wir an
unſrer Figur deutlich daraus, daß keines der Gefäße von ihnen herab-
kommt. Endlich ſei hier noch bemerkt, daß dieſe weiten Gefäße, ohne ſich
jemals zu verzweigen, in dieſer Zeit, wo ſie eben allein erſt fertig ſind,
viele Zoll weit einzeln neben einander verfolgt werden können.


Wir werden ſpäter bei Betrachtung der einzelnen Baumarten, z. B.
bei der Eiche, Veranlaſſung finden, in anderer Abſicht auf dieſe intereſſante
Erſcheinung zurückzukommen, namentlich bei der ſogenannten Ueberwallung
und bei der Ausheilung von Stammwunden.


Wir erinnern uns, daß wir in Gedanken vor einer Buche ſtehen,
um die Erſcheinungen ihres Lebens während einer Vegetationsperiode zu
verfolgen. Sie öffnete ihre Knospen nicht eher, als bis ein höherer
[179] Wärmegrad der Luft ſtändig geworden iſt, obgleich ihr junges zartes Laub
oft genug durch einen Spätfroſt vollſtändig vernichtet wird, ſo daß als-
dann nach wenigen Stunden der grüne Laubſchmuck als häßliche oliven-
braune Leichen an den Trieben hängt, welche bis zu dem ſchnell er-
folgenden Verdorren einen ſehr merkbaren Fäulnißgeruch verbreiten.


Die jungen Triebe der Buche ſind in einer auffallend kurzen Zeit
vollendet und zwar in ſo ſaftiger Fülle, daß ſie einige Tage ſchlaff über-
hängen. Indem der Trieb ſchnell erſtarkt, verholzt und ſich ſtreckt, be-
ſchreibt er von Blatt zu Blatt immer eine merkliche knieförmige Knickung
(oft noch ſtärker als an Fig. IX. auf S. 60). Aus der Anfangs meiſt
horizontalen Richtung erheben ſich die Triebe allmälig zu einer mehr
aufrechten. Die hinfälligen Nebenblättchen, die zum Theil die Rolle von
Knospenſchuppen geſpielt hatten, fallen ſofort nach Erſtarkung der Blätter
ab — es iſt bei vielen Bäumen (Linde, Rüſter, Hornbaum, Erle) das-
ſelbe — und im Innern des Baumes vollzieht ſich ungeſehen der rege
Geſtaltungsproceß der Holzbildung, ſo daß wir an einem jungen vollkommen
runden wüchſigen Stämmchen vor dem Winter eine vorher im März
genau gemeſſene Stelle merklich dicker finden.


Wir haben jetzt in den Blättern die weſentlichen Ernährer der Pflanze
oder wenigſtens die Zubereiter der Nahrung kennen gelernt, der Nahrung,
durch welche der Baum wie jede Pflanze ſich lebendig erhält. Dabei
denken wir unwillkürlich an denſelben Vorgang im thieriſchen Körper.
Ich benutze dieſen Gedanken, um auf einen ſehr bedeutenden Unterſchied
aufmerkſam zu machen, der im Produkt zwiſchen der Ernährung eines
Baumes und eines höheren Thieres beſteht. Die im Magen eines Pferdes
verdaute, in den blutbereitenden Organen in Blut verwandelte Nahrung
gelangt als ſolches in den kleinen und großen Kreislauf und durch letzteren
in jeden Körpertheil, welcher daraus ebenſowohl bis zur Vollendung des
Wachsthums den Stoff zu ſeiner Vergrößerung als nachher zu ſeiner
fortwährenden Erneuerung und Verjüngung nimmt, was wir den Stoff-
wechſel nennen. Noch lange bevor das Pferd erwachſen war, wurde ſeinem
Körper kein neues Glied hinzugefügt, ſondern die gleich bei der Geburt
vorhandenen Körpertheile wachſen nur allmälig immer größer und zwar
nicht in der Weiſe wie ein Schneeball größer wird, ſondern ſo zu ſagen
von innen heraus, innen, außen, überall. Iſt dann das Wachsthum voll-
12*
[180] endet, ſo wird nur inſofern der Körpermaſſe noch Weiteres hinzugefügt,
als z. B. durch beſondere Muskelübung, durch reichliches Futter und der-
gleichen die bereits vorhandenen Gewebekörper (Muskeln, Fettmaſſen) in
derſelben Weiſe wie eben angegeben größer werden, es wächſt kein Muskel,
kein Knochen neu hinzu. Der Thier-Körper lebt eben als ein Ganzes
in allen ſeinen Theilen zugleich; der Kopf des Pferdes hat noch dieſelben
Theile die er am Füllen hatte, nur iſt er in allen ſeinen Geweben in
dieſer Zeit durch den Stoffwechſel vielmal erneuert worden. (Der Zahn-
und Haarwechſel widerlegt natürlich dieſe Regel nicht.)


Anders bei dem Baume. Wir haben geſehen, daß der durch Ver-
mittlung der Blätter zubereitete Bildungsſaft nicht in den Baumleib, wie
er eben augenblicklich iſt, eindringt und alle deſſen vorhandene Theile und
Gewebe theils von innen heraus, nennen wir es durch Ausdehnung, ver-
größert, theils durch den Stoffwechſel verjüngt, ſondern immer zu Neu-
bildungen
verwendet wird, entweder zu Hervorbringung von neuen
Gewebemaſſen, die ſich an die früheren, gleichen, anfügen und dann durch
eine Grenze davon unterſchieden ſind, wie z. B. bei Holz und Rinde und
den Jahresſproſſen; oder zur periodiſchen Wiedererſetzung verlorener
Theile, z. B. der Blätter und Blüthen. Alle dieſe Neubildungen ſind
aber nichts weiter als Zuſätze und Wiederholungen. Es iſt ſehr
fraglich, ob ein Stoffwechſel im Baume wie überhaupt in der Pflanze
in demſelben Sinne wie im Thierleibe beſteht, d. h. ob z. B. der Stamm
in ſeinen älteren Holzmaſſen mit Beibehaltung der Formelemente durch
fortwährenden Umtauſch des Stoffs gegen neuen ſich verjüngt, ſo daß in
einem alten Baume das hundertjährige Holz hundertmal ſeinen Stoff ge-
wechſelt, ſich verjüngt, erneut hat, wie dies bei den Thieren der Fall iſt;
ſo daß z. B. die arbeitende Hand eines alten Mannes zwar immer noch
dieſelbe Hand iſt, die ſie vor funfzig Jahren war, aber in ihrem Stoff-
beſtande ſeitdem vielmal durch den Stoffwechſel erneut worden iſt. Viele
Erſcheinungen ſprechen dafür, daß die Zellenwände der älteren Baum-
theile wohl eine Verdickung durch innere Anlagerung von Holzſtoff und
eine Durchtränkung mit zugeführten Löſungen erfahren hat, aber eine eigent-
liche Stofferneuerung nicht ſtattfindet.


Während dieſer vergleichenden Betrachtung des Lebens eines Baumes
und eines Thieres haben uns einige Bedenken gegen die Stichhaltigkeit
[181] des behaupteten Unterſchiedes darin beſchlichen. Wächſt denn ein Blatt,
welches in der werdenden Knospe als höchſt einfache Anlage ſich bildete,
bis zu ſeiner vollendeten Entfaltung nicht ebenſo wie das Thier, d. h. in
allen ſeinen Theilen ſo zu ſagen „von innen heraus, innen, außen,
überall“, (wie wir es vorhin bezeichneten)? Wenigſtens ſehr ähnlich.
Aber das gilt eben allerdings zwar von den Blattgebilden, aber nicht von
dem ganzen Baume. Und nun fällt uns ein, was wir im 3. Abſchnitt
von der Individualität im Pflanzenreiche urtheilten. Das Pferd iſt ein
Individuum und hat darum auch ein ungetrenntes in ſich abgeſchloſſenes, den
ganzen Leib ſo zu ſagen durchdringendes Wachsthum und da es lange
Zeit lebt und dabei alle ſeine Organe als eine bis auf den einzelſten Geweb-
theil derſelben innig geſchloſſene Lebenserſcheinung wirken, ſo ſetzt dies
den Stoffwechſel mit Nothwendigkeit voraus. Wenn nun der Baum
dieſe Erſcheinungen nicht zeigt, im Gegentheil die aufgenommenen Nahrungs-
ſtoffe nur Wiederholungen von periodiſch Verlorenem (Blätter) und Zu-
ſätze zu bereits vorhandenem Bleibendem (Stamm- und Wurzelgebilde)
hervorbringen, ſo finden wir hierin nur eine phyſiologiſche Begründung
unſerer damals gewonnenen Anſicht, daß der Baum eben kein Individuum
iſt. Wenn meine Leſer dieſe Andeutungen im Auge behalten, ſo werden
ſie auf ihren Waldgängen das Baumleben immer richtiger verſtehen
und eine Menge einzelne Erſcheinungen an den Bäumen richtig würdigen
lernen, die ihnen bisher vielleicht entgingen.


So ſteht z. B. die Wiedererzeugung, Reproduktion auf
normalem Wege (Laubfall) oder gewaltſamer Weiſe verlorener Theile
eines Baumes mit dieſem Umſtande, daß der Baum kein Individuum iſt,
in vollſtändigem Einklange und iſt in dieſem Sinne deshalb von der
thieriſchen Reproduktion weſentlich verſchieden. Der von Spallanzani an
vielfach gemarterte Salamander reproducirt den abgeſchnittenen Schwanz
an derſelben Stelle, aus der Wundfläche des ſtehen gebliebenen
Schwanzſtummels, weil eben das bildende Leben ſich in allen Theilen,
in jeder Gewebsmaſſe vertheilt findet. Ein durch Raupenfraß entlaubter
Zweig reproducirt zwar auch neue Blätter, aber niemals an denſelben
Stellen, wo die alten ſtanden, und wenn die Raupen Blattſtielſtummel
ſtehen ließen, ſo wächſt aus dieſen kein neues Blatt heraus, ſondern dies
geſchieht daneben entweder aus der bereits vorhandenen Knospe oder durch
[182] eine Adventivknospe, immer aber an einer anderen Stelle. Der
reproducirte Salamanderſchwanz iſt gewiſſermaßen derſelbe wie der
verlorene, das reproducirte Blatt iſt ein anderes. Jener iſt der repro-
ducirte Theil
, dieſes iſt ein nicht reproducirtes, ſondern einfach ein
producirtes neues Individuum; ja eine eigentliche Reproduktion kommt
im Pflanzenreiche vielleicht gar nicht oder nur ſehr beſchränkt vor. Die
Ausheilung einer Stammwunde durch Ueberwallung der Stelle, wo wir
einen Zweig abgeſchnitten hatten, iſt keine echte Rinden- und Holz-Repro-
dutkion; ſie iſt nichts weiter als die Benutzung der ſich darbietenden
neuen Fläche für den in der Rinde herabkommenden Bildungsſaft und
hat mit dem abgeſchnittenen Zweige gar nichts zu thun. Wenn wir einem
noch in kräftiger Entwicklung ſtehenden Blatte, einem pflanzlichen Indi-
viduum
, ein Stück abſchneiden, ſo wird dieſes niemals reproducirt.


Indem wir nach dieſer Vergleichung zwiſchen Thier und Pflanze
nochmals zu der Bedeutung der Blätter für das Pflanzenleben zurück-
kehren, ſo iſt hier noch hervorzuheben, daß bei einigen unſerer Waldbäume,
wie überhaupt bei vielen Pflanzen, die Blätter wenigſtens für das Blühen
im engern Sinne, d. h. für die Ernährung der Blüthen bis zu dem Zeit-
punkte, wo ſich meiſt nach dem Abſterben der Kronenblätter und der
Staubgefäße die Samen ausbilden, nichts beitragen. Dies iſt bei den vor
dem Ausbruch des Laubes blühenden
Arten der Fall, z. B. Schwarz-
oder Schlehdorn, Pappeln, Eſche, Rüſter, Erle, Haſel und einigen Weiden-
arten, denn bei dieſen ſind eben die Blätter gar nicht da und kommen
ſogar bei manchen ziemlich ſpät nach den Blüthen und nachdem die Be-
fruchtung in dieſen längſt ſtattgefunden hat, ſo daß z. B. die männlichen
Kätzchen der Espe längſt abgefallen ſind, wenn die Laubknospen erſt ſich
öffnen. Dagegen iſt die Ausbildung der Früchte und das Reifen der
Samen, ſo daß dieſe auch keimfähig ſind, ohne Ernährung durch die
Blätter unmöglich.


Die Buche, die wir jetzt zunächſt immer im Auge haben, iſt einer
von den mit dem Laube blühenden Bäumen, worin ihr der Hornbaum,
die Eiche, die Birke, unſere drei Ahorn-, viele Weidenarten gleich ſind.
Nur wenige Bäume blühen nach den Blättern, ſo daß zwiſchen dem Ab-
ſchluß der vollkommenen Belaubung und der Entwicklung der Blüthen
eine Zeit des Stillſtands mitten innen liegt. Dies iſt eigentlich blos bei
[183] den Lindenarten der Fall und ſpäter werden wir bei dieſen erfahren, daß
dies durch eine Anticipation (S. 81) bedingt iſt.


Abgeſehen von dieſen Zeitverſchiedenheiten des Blühens im Ver-
hältniß zu der Belaubung ſo fällt die Blüthezeit der Bäume und Sträucher
in verſchiedene Zeiten. Am früheſten blühen die Erle und Haſel, am
ſpäteſten, gegen Anfang Juli, die Linden.


Die große Mehrzahl unſrer eigentlichen Waldbäume iſt getrennten
Geſchlechts und zwar nach der Bezeichnung des Linnȳ’ſchen Syſtems
entweder monöciſch oder diöciſch, d. h. es finden ſich männliche Blüthen
und weibliche Blüthen auf einem Baume nebeneinander (Monöcie), wie
bei der Buche; oder der eine Baum trägt blos männliche, ein anderer
blos weibliche Blüthen (Diöcie) wie die Espe. Die Ahorne und Linden
gehören zu den wenigen Waldbäumen mit Zwitterblüthen. Bei den
monöciſchen Arten iſt es daher erforderlich, daß neben Bäumen mit weib-
lichen Blüthen auch ſolche mit männlichen in der Nähe ſeien, damit die
Befruchtung erfolgen könne. Es iſt jedoch nicht nothwendig, daß beide in
unmittelbarer Nachbarſchaft ſtehen, da der Blüthenſtaub (Pollen) durch
die Luftbewegungen weit verbreitet wird.


Die beſonderen ſich durch das Blühen und Fruchtreifen ausdrückenden
Lebenserſcheinungen werden bei den einzelnen Baumarten zu beſprechen
ſein und es ſei hierüber nur die im ganzen Pflanzenreiche ſelten vor-
kommende Erſcheinung hervorgehoben, daß die Kiefern ihren Samen erſt
im Spätherbſt des folgenden Jahres reifen und daß das Ausfliegen des-
ſelben aus den ſich öffnenden Zapfen gar erſt im Frühjahr des zweit-
folgenden Jahres erfolgt. Als ſchroffer Gegenſatz zu dieſer Langſamkeit
der Samenreife gilt die Anfang April blühende Rüſter, deren Same ſchon
Ende Mai reift.


Da der Baum kein abgeſchloſſenes Individuum und demzufolge
ſeine Entwicklung auch nicht an ſo beſtimmte Zeitgrenzen gebunden iſt,
wie bei den Thieren, welche hierin feſte Regeln befolgen, ſo iſt es auch
natürlich, daß der Eintritt des Fruchtbarkeitsalters bei den Bäumen ganz
anders als bei den Thieren bedingt iſt. Bei keiner Baumart läßt ſich
mit der Beſtimmtheit wie bei einem Thiere angeben, in welchem Alter ſie
tragbar wird. Nur allgemein und ungefähr läßt ſich angeben, in welchem
Lebensalter dies eintritt und es hat dabei faſt ebenſoſehr wie das innere
[184] Geſetz die Macht der äußeren Einflüſſe ein entſcheidendes Wort mit zu
reden, ebenſo wie es bekannt iſt, daß bei den Obſtbäumen die kundige
Uebung des Beſchneidens es vermag, einen Baum früher als gewöhnlich
tragbar zu machen.


Die Tragbarkeit tritt wie leicht begreiflich bei denjenigen Holzarten
früher ein, welchen im allgemeinen eine kürzere Lebensdauer eigen iſt, bei
den ſehr alt werdenden ſpäter. Am früheſten wird wohl die Lärche trag-
bar oder vielmehr wie der Gärtner ſagt blühbar, denn die Blüthen, die
man zuweilen ſchon an 10—12 jährigen Lärchenbäumchen findet, ent-
wickeln in der Regel keinen keimfähigen Samen. Wenn die Buche im
Schluß erwachſen iſt, ſo trägt ſie ſelten vor 70 Jahren Samen und in
höheren rauheren Lagen noch ſpäter. Da es der Nachzucht wegen wichtig
iſt, das durchſchnittliche Tragbarkeitsalter zu kennen, ſo muß für jedes
Waldrevier ermittelt werden, wann nach Maßgabe des Klimas, der Lage
und des Bodens bei den herrſchenden Holzarten das Alter der Fruchtbar-
keit eintritt, welches alsdann zugleich die unterſte Grenze des Haubarkeits-
alters iſt.


Warmer und mehr trockner Boden iſt dem früheren Eintritt und der
häufigern Wiederkehr des Samentragens mehr günſtig als kalter und
naſſer. Dieſe Wiederkehr anlangend ſo iſt es zwar ſchon vom Obſtbaue
her eine allbekannte aber deshalb nicht minder bemerkenswerthe Thatſache,
daß die Bäume nicht nur nicht alljährlich gleich reichlich, ſondern in
manchen Jahren gar nicht blühen, ſo daß der Forſtmann geradezu Samen-
jahre
unterſcheidet, auf deren Eintritt er manchmal längere Zeit ver-
geblich hofft.


Aus allen das Baumleben ausmachenden Erſcheinungen ſcheint her-
vorzugehen, daß der Baum erſt eine gewiſſe Sicherſtellung ſeiner ſelbſt
hergeſtellt haben muß, ehe er daran denkt, auch den Fortbeſtand ſeiner
Art durch Samenerzeugung zu ſichern. Da in der Mehrheit die Blüthen
mehr an den Kurztrieben (S. 74) als an den Langtrieben auftreten und
alte Bäume in der Krone viel mehr Kurz- als Langtriebe machen, ſo ſteht
hiermit das ſpäte Fruchtbarwerden der Bäume in organiſchem Zu-
ſammenhang.


Hinſichtlich der Stellung der Blüthen am Baume beſteht auch noch
die bemerkbare Verſchiedenheit, daß bei den einen dieſelben am alten,
[185] den vorjährigen Trieben, bei andern am jungen Holze, den neuen
Trieben, ſtehen. Am alten Holze ſtehen die Blüthen bei allen vor den
Blättern blühenden Arten (S. 182). Die ſpeciellen Beſonderheiten hierin
der Beſchreibung der einzelnen Baumarten vorbehaltend ſei hier nur noch
des eigenthümlichen Falles gedacht, daß bei den Birken die männlichen
Blüthen am alten (an den vorjährigen Triebſpitzen), die weiblichen da-
gegen am jungen Holze ſtehen.


Auch in der weiteren örtlichen Vertheilung der Blüthen in der
Baumkrone finden zuweilen beſtimmte Regeln ſtatt. Bald ſind ſie ziemlich
gleichmäßig in der Krone vertheilt, wenn der Baum in dem vollen Frucht-
barkeitsalter ſteht, wie bei Buche und Eiche; bald ſind ſie mehr auf ge-
wiſſe Theile der Krone beſchränkt, wie z. B. bei Fichte und Tanne mehr
an den höchſten Stellen als weiter unten, während ſie bei der verwandten
Kiefer gleichmäßig vertheilt ſind.


Wir nähern uns dem Ende des Jahreslaufs, zu deſſen Betrachtung
wir eine Buche als leitendes Beiſpiel wählten. Der Herbſt kommt mit
ſeinem Laubfall.


Dieſem geht aber die Verfärbung des Laubes voraus, welche
unſeren Laubwäldern einen neuen vorübergehenden zu Wehmuth ſtimmen-
den Schmuck verleiht. Auch hierin zeigen die Bäume ihre verſchiedenen
Beſonderheiten. Die Erle wechſelt ihre Farbe nicht, ſondern läßt das
Laub grün fallen, während die Birkenblätter vor dem Abfallen ein lichtes
Ockergelb annehmen, wie überhaupt die gelbe Farbe das bekannte
herrſchende Herbſtkleid des Waldes iſt. Am lebhafteſten, faſt pommeranzen-
gelb iſt es bei der Buche, ſo daß ein herbſtlicher Buchenwald von einem
leuchtenden Schimmer durchſtrahlt iſt. Der wilde Kirſchbaum färbt ſich im
Herbſt ziemlich rein und lebhaft karminroth. Am düſterſten ſieht die Eiche in
ihrer ſchon am Baume aus Gelb in Braun übergehenden Belaubung aus.


Der Gang der Umwandlung des Grün in die Herbſtfarbe iſt ent-
weder eine allmälige über die ganze Blattfläche gleichmäßig ſich erſtreckende
Umſtimmung des Tones, ſo daß ein grünes Blatt allmälig im Ganzen
gelblich und immer gelber wird; oder es iſt ein örtlich ſchrittweiſes Ver-
drängen der grünen durch die Herbſtfarbe, etwa ähnlich wie mit blauer
Pflanzenfarbe gefärbtes Fließpapier mit den Rande in Säure gehalten
durch die vordringende Säure ſtreifenweiſe roth wird.


[186]

Dadurch entſtehen auf den ſich verfärbenden Blättern nicht ſelten
zierliche Zeichnungen und Muſter, z. B. von der Birke und Spitzahorn,
bei deren Umgrenzung die Hauptſeitenrippen maßgebend ſind.


Der Farbenwechſel beruht auf einer Veränderung des Blattgrün,
Chlorophyll
, in Blattgelb, Xanthophyll und Blattroth,
Erythrophyll
. Das Blattgrün, überall im ganzen Pflanzenreiche die
Urſache der grünen Farbe, erſcheint unter dem Mikroſkop in Form von
kleinen, meiſt der inneren Zellenwand angelagerten oft aber auch die ganze
Zelle erfüllenden Kügelchen, welche jedoch nicht durchaus von dem Farb-
ſtoff gebildet werden, ſondern kleine farbloſe mit dem wachsartigen Chlo-
rophyll überzogene Körnchen ſind. Die näheren Urſachen dieſer Um-
änderung des Blattgrün, die nur chemiſcher und phyſikaliſcher Natur ſein
können, ſind noch nicht vollkommen feſtgeſtellt. Sie können aber nicht
lediglich äußere ſein, da man den ganzen Sommer hindurch nicht ſelten
unter grünen Blättern einzelne mit Herbſtfärbung findet.


Bei den immergrünen Bäumen iſt die Herbſtfärbung der Blätter
bekanntlich nicht vorhanden, denn es iſt wohl nur eine Täuſchung, her-
vorgerufen durch das lichtzerſtreuende blendende Weiß des Schnees, wenn
uns im Winter die Nadelwälder dunkler und weniger rein grün erſcheinen.
Einige Ausnahmen von dieſer Regel ſind um ſo bemerkenswerther, als
ſie eine Herbſtveränderung und eine im Frühjahr ſtattfindende Wieder-
herſtellung der reinen Blattgrünfarbe beweiſen. Die Blätter der Stech-
palme, Ilex aquifolium — ein Baum übrigens, der ſehr mit Unrecht
den Palmennamen trägt und darum auch Hülſe (in anderer Richtung
nicht weniger unpaſſend) genannt wird — ſind während des Winters ſo
mißfarbig, daß man ſie leicht für erfroren halten kann. Es bekommen
jedoch dieſelben Blätter im Sommer ihre, gerade bei dieſer Pflanze be-
ſonders tiefe und reine, grüne Farbe wieder. Daſſelbe iſt es bei dem
Epheu und bei dem Lebensbaum, Thuja.


Ueber die Urſachen des Laubfalls iſt man lange im Unklaren ge-
weſen und ſind darüber die verſchiedenſten Meinungen geltend gemacht
worden, unter denen wohl die unhaltbarſte die iſt, daß die bis zum Herbſt
ſich vollkommen ausbildende Knospe das dicht neben ihr ſtehende Blatt
wegſtoßen ſoll.


[187]

Wenn wir an einem recht ruhigen warmen Herbſttage darauf achten
wollen, ſo können wir, unter einem Ahorn oder einer Schwarzpappel
ſtehend, obgleich kein Lüftchen die Blätter bewegt bald hier bald da über
uns ein leiſes Knacken hören. Es iſt hervorgebracht durch das Abſpringen
eines Blattes, welches gleich darauf zu uns nieder ſchwebt. Schneiden
wir namentlich von einem der eben genannten Bäume einen mit zum
Abfallen bereiten Blättern verſehenen Zweig behutſam ab, ſo können wir
dann die mit breiter Baſis anſitzenden Blätter durch die leiſeſte Be-
rührung abſtoßen. Schon in den Wochen vorher nimmt die Leichtigkeit
immer mehr zu, mit der man das Blatt abbrechen kann, ohne eine eigent-
liche Rißwunde zu machen, während man im Sommer ein Baumblatt
nur gewaltſam abreißen kann, wobei die uns ſchon bekannte Blattſtielnarbe
(S. 59) keineswegs die vorgeſchriebene Fläche, iſt, in welcher die
Trennung ſtattfindet, was ſie, die Blattſtielnarbe, eben bei dem herbſtlichen
Laubfalle iſt. Daraus geht hervor, daß die nach dem Abfallen des Blattes
zurückbleibende Blattſtielnarbe die Fläche iſt, in welcher ſich vorher all-
mälig eine Trennung des Gewebes vorbereitet und ausbildet, während
bis dahin wenigſtens ein Theil davon ununterbrochen aus dem Triebe
in die Blattſtielbaſis überging, was wir durch die Gefäßbündelſpuren
(S. 59) angedeutet finden.


Dieſe Trennung wird durch Bildung einer dünnen Korkſchicht bewerk-
ſtelligt, was ich bereits in der Anmerkung auf S. 117 im voraus an-
deutete. Wir lernten dort die Korkzellenbildung in ihrer doppelten Eigen-
ſchaft kennen als Mittel dem Abſterben anheim gegebene Gewebsmaſſen
gegen die lebend bleibenden Theile abzuſperren und dadurch oder in anderer
Weiſe hervorgebrachte Wunden durch Abſchluß von äußeren Einflüſſen zu
heilen. Bei der Bildung der Borke lernten wir und hier ſehen wir
wiederholt eine Gleichzeitigkeit dieſer beiden Funktionen der Korkbildung:
die Korkſchicht löſt das abgelebte Blatt vom Triebe ab und heilt auch im
voraus die dadurch entſtehende Wunde. Die auf der Blattſtielnarbe
ſitzende und deren Maſſe bildende Korkſchicht ſehen wir an dem geſpaltenen
Eſchenzweige an Fig. III. 2 auf S. 60 durch n bezeichnet.


Es iſt bekannt, daß lange anhaltende Dürre mitten im Sommer
einen wenigſtens theilweiſen unzeitigen Laubfall bewerkſtelligen und daß
der erſte Nachtfroſt denſelben weſentlich beſchleunigen kann.


[188]

Nicht alle Baumarten und ebenſo nicht alle Bäume einer Art werfen
ihr Laub vollſtändig ab. An Eſchen, Ahornen, Erlen, Pappeln bleibt
kein Blatt am Baume, während in den Kronen ſelbſt alter Eichen und
Hornbäume faſt immer noch ein kleiner Theil derſelben hängen bleibt.
Beſonders halten junge Eichen, Buchen und Hornbäume ihr todtes Laub
über den Winter oft ſo feſt, daß es erſt im Frühjahre kurz vor dem Auf-
brechen der Knospen abfällt und man kann dann belaubte Traubenkirſchen,
der ſich am zeitigſten belaubende Baum, und mit dürrem Laub bedeckte
Eichenſtämmchen neben einander ſehen.


Nicht zu verwechſeln iſt mit dieſem vollſtändigen Verbleiben der
todten Blätter an den Bäumen, die namentlich an Eichen vorkommende
Erſcheinung, daß vereinzelte dürre Blattbüſchel, oft in Mehrzahl, über
Winter am Baume bleiben. Dies ſind die ſogenannten großen Raupen-
neſter
von dem Goldafter, Liparis chrysorrhoea, deren im Herbſt
noch unausgewachſene Raupen, Schwammraupen genannt, in ſolchen
Blätterbüſcheln überwintern, die ſie dadurch vom Abfallen hindern, daß
ſie die Blattſtiele an den Trieb feſt ſpinnen. Eine ähnliche Erſcheinung
ſind die von den Raupen des Baumweißlings, Pontia Crataegi,
herrührenden und mehr aus einzelnen Blättern beſtehenden kleinen
Raupenneſter
.


Die Lärche macht durch ihren regelmäßigen Nadelfall, worin ſie
den Laubhölzern gleich iſt, den Uebergang von dieſen zu den immergrünen
Nadelhölzern. Die Nadeln derſelben hinterlaſſen am Triebe eben ſolche
genau umſchriebene Narben, wie die Blattſtielnarben der Laubhölzer ſind.


Die Nadeln der übrigen wintergrünem Nadelhölzer ſind übrigens
auch nicht unbegrenzt bleibend, ſondern fallen endlich auch ab, nur bei
der einen Art früher als bei der andern und ſelbſt nach dem Alter des
Baumes findet hierin ein Unterſchied ſtatt. Bei der Leichtigkeit, das
Alter der Triebe an einem Nadelholzbäumchen oder am Wipfel eines
älteren Baumes abzuleſen (S. 69) kann man leicht ſehen, wie viele Jahre
die Nadeln ſtehen, ehe ſie abfallen.


Am längſten bleiben die Nadeln bei der Tanne ſtehen, indem man
namentlich an der Hauptaxe, am Stamme, oft acht- ja zuweilen ſogar
neunjährige Nadeln ſieht, deren weite Auseinanderſtellung im Vergleich
zu den jüngeren Trieben, zugleich lehrt, daß die Axenglieder auch
[189] nach der Verholzung ſich in der Länge noch etwas ausdehnen. Die
Kiefernnadeln fallen gewöhnlich im dritten Jahre ab. Doch iſt dieſes
theils nach dem Boden, nach dem dichteren oder räumlicheren Stande
und nach dem Alter des Baumes verſchieden. Es iſt daher das Wort
immergrün einfach wörtlich zu nehmen, d. h. daß die Nadelhölzer, mit
Ausnahme der Lärche, immer grün ſind, nicht ſo als verlieren ſie gar
niemals ihre Nadeln. Es iſt daſſelbe wie mit dem „ewigen Schnee“, was
auch nur heißen ſoll: von einer gewiſſen Sehhöhe an liegt ewig (immer)
Schnee, aber niemals unveränderlich derſelbe.


Was nun das Winterleben der Bäume betrifft, ſo bietet daſſelbe,
wenn wir uns nicht in die Feinheiten des noch ſehr mangelhaft bekannten
unmittelbaren Einfluſſes der Wärme auf das Zellenleben einlaſſen wollen —
was hier nicht am Orte ſein würde — für unſere Betrachtung des Waldes
wenig Berührungspunkte. In der Hauptſache ruht, wie der Augenſchein
lehrt, während des Froſtes das Leben des Baumes; es iſt jedoch ſehr
wahrſcheinlich und zum Theil durch Beobachtungen auch nachgewieſen,
daß mitten in den Wintermonaten bei zeitweilig eintretenden Wärme-
graden das innere Leben erwacht. Es iſt alſo der Winterſchlaf der Bäume
nicht an die Zeit gebunden, ſondern durch chemiſche und phyſikaliſche
Faktoren bedingt, unter denen die Wärme einer der einflußreichſten iſt.


Wir ſehen zwar in unſeren Waldungen im Ganzen wenig von Froſt-
ſchäden, jedoch kommen deren in jedem ſtrengeren Winter eine Menge
geringfügiger und daher meiſt überſehener vor und es hat ſchon Winter
gegeben, unter denen der von 1788 auf 1789 der verrufenſte iſt, wo viele
alte Bäume, namentlich Tannen, Buchen und Eichen ganz erfroren ſind.


Daß bei ſtarker Kälte und zwar ſehr oft ohne den Tod herbeizu-
führen der Saft der Bäume gefriert und durch Zuſammenziehen des
Holzes an ſtarken Stämmen, namentlich an Laubholzbäumen Froſtriſſe
entſtehen iſt eine jetzt nicht mehr in Zweifel zu ziehende Thatſache. Noch
vollkommen ruhende Knospen ſcheinen ſelbſt von ſtarkem Froſte oft nicht
zu leiden. Den auch im Winter belaubten Nadelhölzern iſt ſtarker Froſt
nicht ganz unſchädlich, was das Gelbwerden der Nadeln junger Fichten
beweiſt. Dabei ſind ſie dann wie andere Bäume vor dem Nachtheile der
Kälte mehr geſchützt, wenn ſie während des Winters nicht von der Sonne
beſchienen werden können.


[190]

Einen großen Nachtheil ſchreibt man dem Schmelzwaſſer des Rauch-
froſtes zu, wenn während der warmen ſonnigen Tagesſtunden dabei zu-
gleich die beſonnte Seite des Stammes und der Zweige plötzlich ſtark
erwärmt wird, nachdem ſie vorher ſtark erkältet geweſen war.


Am nachtheiligſten iſt die Winterkälte den Waldbäumen durch Er-
frieren der wegen zu ſchnellen Eintrittes des Winters nicht vollkommen
verholzten diesjährigen Triebe, und durch Erfrieren des noch nicht ganz aus-
gereiften Herbſtholzes des neuen Jahresringes (S. 105).


Ehe wir nun noch Einiges über die Lebensdauer und den natürlichen
Tod der Bäume hinzufügen, haben wir noch als zu dem Leben des Baumes
gehörend das Ausſchlagsvermögen des Baumes kennen zu lernen.


Es iſt bekannt, daß viele Baumarten, wenn ſie, wie es bei den
Laubhölzern faſt immer geſchieht, dicht über dem Boden abgehauen worden
ſind aus dem Stocke wieder ausſchlagen, auch wenn der Baum ſchon ſehr
alt geweſen war. Daß dies keine Reproduktion im Sinne des thieriſchen
Bildungslebens genannt werden kann iſt uns nach dem auf S. 180 hier-
über Geſagten ſelbſtverſtändlich.


Das Ausſchlagsvermögen beruht lediglich auf der Bildung von ſoge-
nannten Adventiv- oder Nebenknospen, d. h. ſolchen, welche nicht
aus der Achſel eines Blattes — wir wiſſen, daß das der obere Winkel
iſt, den ein Blatt mit dem Triebe macht — entſpringen, ſondern aus
irgend einer Stelle der Oberfläche von älteren Axengebilden. Wir nennen
daher nun die echten in den Blattachſeln gebildeten Knospen Achſel-
oder Axillarknospen, zu denen die am Trieb zwiſchen zwei Axillar-
knospen ſtehende End- oder Terminalknospe kommt. Von letzteren
beiden handelten wir auf S. 51 ff., wo wir die Achſelknospen Seiten-
knospen nannten (S. 62).


Die Bildung der Adventivknospen iſt ſozuſagen keine ſo planmäßige
wie die der Achſelknospen, welche ſchon bald nach der erſten Anlage des
Blattes, in deſſen Achſel ſie ſtehen ſollen, mit angelegt werden. Es kann
daher eine Adventivknospe an ſolchen Stellen der Axenglieder entſtehen,
wo urſprünglich keine Anlage dazu vorhanden war.


Doch müſſen wir hierbei zwiſchen echten Nebenknospen und ſo-
genannten ſchlafenden Knospen noch den Unterſchied machen, daß
letztere ſolche Knospen ſind, die bereits viele Jahre lang vorgebildet
[191] aber unbemerkbar vorhanden geweſen waren und bis zu ihrer plötz-
lichen Auferweckung durch beſonders dazu geeignete Umſtände geruht hatten.
Auf ſolchen ſchlafenden Knospen allein ſoll das ſo oft wahrzunehmende
Ausſchlagen ſtark beſchnittener Bäume aus der alten Rinde beruhen.


Folgender Fall iſt vielleicht geeignet, die Abſtammung der Adventiv-
knospen und ihr Auftreten ohne bereits vorgebildet geweſen zu ſein
darzuthun.


Im Mai 1840 ließ ich mir ein fußlanges etwa 4 Zoll ſtarkes
Klötzchen von einer eben, alſo mit dem noch ganz jungen Laube gefällten
jungen Silberpappel (Populus alba) ſchneiden und ſtellte daſſelbe neben
meinem Arbeitstiſche dicht an der Wand auf die Diele, alſo an einen
kühlen, ſchattigen und trockenen Ort. Hier wurde es von mir vergeſſen

Figure 29. XXIX.

Ein geſpaltenes Klötzchen einer etwa 10 Jahre alten Silberpappel.
r r r r Rinde; — k k k k k fünf Adventivknospen; — w w w w Ueberwallungsring; —
n k der Nullpunkt der Holzbildung, zu welcher der Ueberwallungsring gehört; — m Mark.


und als es nach vielleicht drei Wochen mir wieder in die Augen fiel,
fand ich daran eine Menge bereits wieder vertrockneter Blätter, welche
durch Adventivknospen aus der etwa ½ Zoll dicken Rinde (r) hervor-
[192] getrieben waren. Auf dem oberen und unteren Abſchnitte hatte ſich aus
dem in dem Augenblick der Fällung des Baumes in deſſen Rinde vor-
räthigen Bildungsſafte und wahrſcheinlich unter Betheiligung der aus den
Adventivknospen hervorgeſproßten Blätter ein gegen 1½ Linie dicker ring-
förmiger Wulſt (w) berindeten jungen Holzes gebildet, welcher auf der
unteren Abſchnittsfläche, d. h. auf derjenigen, auf welcher das Klötzchen
geſtanden hatte, durch den Widerſtand der Diele etwas breit gedrückt war.
Der oben und unten hervorgequollene Holzring, eine beginnende ſogenannte
Ueberwallung, nahm nach der Längs-Mitte des Klötzchens, wie an
einem Nullpunkte der Holzbildung (n k), ſchnell ab und war an dieſem kaum
noch zu erkennen.


Auf der Fläche des mitten durchgeſpaltenen Klötzchens zeigte ſich das,
was die vorſtehende ſchematiſirte Figur XXIX. veranſchaulicht. Es
ſcheint daraus beſtimmt hervorzugehen, daß die Adventivknospen aus
metamorphoſirten Markſtrahlen hervorgegangen ſind, deren 5 auf unſere
Figur fallen. Die ſchnurgeraden auf je eine Adventivknospe gerichteten
Markſtrahlen waren um das Vielfache breiter und dicker als die übrigen,
bräunlich gefärbt (vielleicht nur in Folge der Vertrocknung) und endeten
auf der Oberfläche des Holzes mit einem Höckerchen, welchem eine Ver-
tiefung auf der Innenſeite der Rinde entſprach. Dieſe Markſtrahlen
hatten eine auffallende Wirkung auf die vorbeiſtreichenden, ſehr lang ge-
ſtreckten Zellen und Gefäße des Holzes ausgeübt. Dieſe waren nämlich
in der nächſten Nachbarſchaft der Markſtrahlen oben und unten eine kleine
Strecke weit von ihrem geraden Verlauf nach auswärts abgelenkt, gewiſſer-
maßen als wären ſie von den Markſtrahlen oder vielmehr von den in
ihnen in dieſer Richtung ſtrömenden Safte mit fortgeriſſen worden, wie es
ein in einen Baum geſchlagener ſtumpfer Nagel thun mag. Dieſe Erſcheinung
kommt ſonſt bei den Holzzellen, wo ſie am Markſtrahle vorbeiſtreichen nicht vor.


Wir haben in dieſem Falle, wenn wir ihn nach den ſichtbaren Er-
folgen beurtheilen, eine Verwerthung des in dem Klötzchen enthaltenen
Bildungsſaftes vor uns, theils zur Bildung von Adventivknospen, theils
zur Bildung eines neuen Holzringes, der als ein Ueberwallungsring an
beiden Schnittflächen zwiſchen Holz und Rinde hervorquoll.


Ob dieſe Adventivknospen vielleicht die vorhin bezeichneten ſchlafenden,
alſo vorgebildet ſchon vorhanden geweſene Knospen waren, iſt nicht zu
[193] entſcheiden, da ich das Klötzchen nicht vorher unterſucht hatte. Es iſt aber
ſchwer anzunehmen, ſondern wir haben hier wahrſcheinlich echte von der
gebotenen Gelegenheit urſprünglich gebildete Adventivknospen vor uns.
Es iſt hierbei noch daran zu erinnern, daß die Pappelarten das Aus-
ſchlagsvermögen in hohem Grade beſitzen.


Was die Stellen betrifft, wo die Adventivknospen, „die Ausſchläge“,
am Baume erſcheinen, ſo kann ſich Jedermann durch ſeine eigene Erinnerung
an Kopfweiden und an ſeine Spaziergänge in „Buſchhölzern“ hierauf von
ſelbſt einige Antwort geben. Forſtlich unterſcheidet man gewöhnlich 4 Aus-
ſchlagsſtellen: am Stamm, am Abhiebe, am Wurzelſtocke, an den
Wurzeln ſelbſt.


Das Heraustreiben von Nebenknospen, was man ſo häufig am
Stamme von Alleebäumen, namentlich an Pappeln und Linden, ſieht,
an denen ſich dadurch nach und nach oft große Maſerknoten bilden,
ſteht meiſt in Verbindung mit einer verſchiedentlich bedingten Beein-
trächtigung und Verſtümmelung der Krone, ſo daß man zu der Auffaſſung
gedrängt wird, die Bildung von Neben- oder Adventivknospen beruhe auf
dem Drange, durch ſie die von der unverletzt gebliebenen Wurzel nach
wie vor in unverändertem Maaße aufgenommene Nahrung zu verwerthen.
Auf der Adventivknospenbildung beruht die Schneidel- und Kopfholz-
Wirthſchaft
der Landwirthe und die Mittel- und Niederwald-
Wirthſchaft
in den Waldungen, auf ihr beruht die Baumerziehung
durch Setzreiſer oder Stecklinge, bei welchen letzteren mit der Bil-
dung von Adventivknospen die von Adventivwurzeln Hand in Hand geht
(S. 119).


Wie die Adventivknospen nicht in der Achſel eines Blattes ihren
Urſprung nehmen ſo haben ſie auch meiſt nicht die regelmäßige Geſtalt
und Umhüllung der Achſelknospen, ſondern zeigen gewiſſermaaßen die
Merkmale einer mangelhaften Nachahmung. Der Unterſchied der ſchlafenden
Knospen von den wahrſcheinlich immer aus metamorphoſirten Markſtrahlen
hervorgehenden echten Nebenknospen (für welche letzteren alſo keine vor-
gebildete Anlage vorhanden iſt) wird anatomiſch dadurch bedingt und ihre
einſtige Erſcheinung oft für lange Zeit hinaus geſichert, daß an unſeren
Laub-Bäumen jedes Blatt ohne Ausnahme eine Achſelknospe hinterläßt.
Dieſe ſind aber an dem unteren Ende eines Langtriebes — wie das jeder
Roßmäßler, der Wald. 13
[194] belaubte Trieb zeigt — faſt immer viel kleiner und kümmerlicher als
weiter oben am Triebe und ebenſo ſind es auch die Knospen in ihrer
Achſel, wie wir Letzteres an Fig. III. 12 (S. 60) ſehen, wo die unterſte
von den 6 Knospen in hohem Grade gegen die höherſtehenden zurückge-
blieben iſt und im kommenden Jahre ſicher nicht zur Entfaltung gekommen
ſein würde. Da aber auch zu der Baſis ſolcher verkümmerten Knospen
ſich von dem Triebe, an dem ſie ſtehen, aus dem Gewebe des Triebes
ein zuleitendes Holz- und Markbündel abbiegt, ſo iſt die einſtige Auf-
erweckung ſolcher Knospen geſichert, weil dieſes zuleitende Bündel in den
allmälig zuwachſenden Jahreslagen immer mit fortwächſt. Man kann
daher an der noch nicht zu ſehr riſſig gewordenen Borke ſchon ziemlich
ſtarker Aeſte und Stämme die Spuren ſolcher ſeit vielen Jahren ruhenden
Knospen auffinden, und von ihrem Vorhandenſein noch leichter ſich über-
zeugen, wenn man z. B. einen fünfzehnjährigen Eichenzweig im Safte
ſchält, wo man dann auf der Oberfläche des Holzes eine Menge Höckerchen
finden wird, welche eben dieſe zuleitenden Bündel, die Nebenaxen ſchlafender
Knospen ſind, deren wenn auch noch ſo undeutliche Bezeichnung man an
dem entſprechenden Punkte außen an der Rinde auffinden wird. Der am
ungeſtört fortwachſenden Baume an den ruhenden Knospen und ihren
Axen vorbeiſtrömende Saft, ſucht ſie auf dem Wege dieſer Axen gewiſſer-
maaßen auf, wenn durch Schneideln oder Köpfen die kräftig vegetirenden
Triebe ganz oder theilweiſe entfernt worden waren, die bisher den Saft für
ſich in Anſpruch nahmen. Wenn es erlaubt iſt, hier dieſes Gleichniß anzu-
wenden, ſo ſind die ruhenden Knospen entfernte Seitenerben, die erſt dann
in ihr Erbrecht eintreten, wenn nächſte Erben, die vollkommenen Achſel- und
Endknospen, nicht da ſind. Nebenbei iſt es ſelbſtverſtändlich, daß ſolche
ſchlafende Knospen (ſchlafende „Augen“ der Gärtner) nicht eigentlich Adven-
tivknospen ſind, weil ſie aus einer Blattachſel hervorgingen, während die
wahren Adventivknospen aus metamorphoſirten Markſtrahlen hervorgehen.


Es liegt nun auf der Hand, daß das Ausſchlagen durch ruhende
Knospen allen Laubhölzern zukommen muß, weil alle Blätter haben und
in jeder Blattachſel ſich eine, wenn auch noch ſo ſehr verkümmert zurück-
bleibende Knospe bildet; ferner verſteht es ſich von ſelbſt, daß der am
ſogenannten Abhiebe und aus den Wurzeln erfolgende Ausſchlag nicht
aus ruhenden Knospen, ſondern nur aus echten Adventivknospen hervor-
[195] gehen kann. Erſteres (am Abhiebe) nicht, weil an einem vielleicht 2 Ellen
dicken Buchenſtock am letzten, vielleicht zweihundertſten, Jahrringe keine
Blätter geſtanden haben können und hier doch die Adventivknospen oft in
dichter Reihe nebeneinander zwiſchen dieſem und der Rinde aus der jungen
Ueberwallungswulſt hervorkommen; Letzteres (aus der Wurzel) deshalb nicht,
weil die Wurzel niemals Blätter hat, alſo auch keine Achſel-, mithin auch
keine ſchlafenden Knospen haben kann.


Am Stamme und älteren Aeſten und Zweigen ſtehen die Ausſchläge,
wenn man ſie auch nicht auf eine noch nachweisbare ſchlafende Knospe —
die ſozuſagen vielleicht mehrere Jahrzehnte lang vergeſſen worden iſt —
zurückführen kann, doch ſehr erſichtlich in der Nähe ſolcher Stellen, wo
ein früherer Zweig abgeworfen worden iſt, was ſich bekanntlich in der
Regel durch Ringwarzen zu erkennen giebt, oder ſie ſtehen am Grunde
ſtehen gebliebener Aſtſtummel. Die geringſte Wirkung der Erweckung
ſchlafender Knospen iſt die, daß an erfrorenen Langtrieben die unterſten
Knospen im nächſten Jahre zur Entwicklung kommen, die außerdem unent-
wickelt geblieben, eben ſchlafende Knospen geworden ſein würden. An
einem in dem harten Winter 1860 erfrorenem, über 3 Fuß langen Mas-
holdertriebe iſt von den 12 Knospenpaaren nur das unterſte, wo das
Holz des Triebes am ausgereifteſten und deshalb nicht erfroren war, zur
Entwicklung gekommen, was im gewöhnlichen Verlaufe ſicher nicht der
Fall geweſen ſein würde.


Wie viel man von der nachträglichen Erweckung ſchlafender Knospen
erwarten darf, das ſehen wir an der Kühnheit der Gärtner beim Be-
ſchneiden der Kugel-Akazien, wobei man oft kaum begreift, wie aus den
allein belaſſenen kurzen dicken Aſtſtummeln neuer Ausſchlag ſoll hervor-
kommen können. Jedoch in ſolchen Fällen geht derſelbe gewiß wenigſtens
zum Theil aus wirklichen, d. h. aus metamorphoſirten Markſtrahlen
kommenden Adventivknospen hervor.


Daß unſere meiſten Laubhölzer aus dem Stocke, dem Fuße des
Stammes, reichlich ausſchlagen, iſt allgemein bekannt, obgleich auch hierin
die eine Art die andere übertrifft. Hier ſind die Knospen wahrſcheinlich
meiſt als echte Adventivknospen zu betrachten. Der Stockausſchlag bedingt
die ſonderbare Erſcheinung, daß man von einer Pflanze im Verlaufe vieler
Jahrzehnte eine mehrmalige Holznutzung erzielt, indem man nach einer
13*
[196] gewiſſen Reihe von Jahren (Umtriebszeit) alle, meiſt ziemlich zahlreichen
und nur etwa 8 — 12 Zoll dicken, ſelten ſtärkeren meiſt noch ſchwächeren
Stangen (Reidel, Lohden) immer wieder abhaut und durch neuen Stock-
ausſchlag neue erzielt. Die Buche, die überhaupt das geringſte Aus-
ſchlagsvermögen hat, kann im höheren Alter nicht mehr „auf die Wurzel
geſtellt werden,“ da, wenn eine Buche mehr als 40—50 Jahre alt war,
ihr Stock ſelten hinlänglichen Ausſchlag macht. Die Eiche thut dies aber
oft im höchſten Alter noch. Wie lange nachher der Stock zur Erzielung
von Stockausſchlag (Niederwald-Betrieb) benutzt werden kann, iſt bei den
verſchiedenen Holzarten ebenfalls ſehr verſchieden. Je weicher und zur
Fäulniß geneigter das Holz iſt, deſto eher fault der Stock aus und theilt
ſich zuletzt ſehr oft in mehrere kreisförmig ſtehende Stücke, deren jedes
ſeine Lohden treibt.


Das Erſcheinen der Adventivknospen am Abhiebe, wobei im
günſtigſten Falle dieſelben, zwiſchen Rinde und Holz hervortretend, einen
Kreis bilden können, iſt forſtlich von der geringſten Bedeutung. Es
kommt namentlich bei der Buche und Eſche vor.


Wenn man einen jungen Wurzelſchößling einer Zitterpappel
(oder Espe, Populus tremula), der ſich immer ſenkrecht aus der wagerecht

Figure 30. XXX.

Urſprungsſtelle eines Wurzelſchößlings.
** Grenzlinie zwiſchen Schößling und Wurzel; — r (querſchraffirt) Rinde; — w Wurzel
aus der der Schößling entſpringt; — 1. 2. 3. die 3 ſeit der Bildung des Schößlings
zugewachſenen Jahreslagen; — a Adventivwurzel des Schößlings. Oben der Quer-
ſchnitt des geſpaltenen Schößlings.


im Boden kriechenden Wurzel erhebt, an ſeiner Urſprungsſtelle unterſucht,
ſo kann man ſich leicht überzeugen, daß er aus einem metamorphoſirten
Markſtrahle hervorgegangen iſt. Man ſchneidet den Schößling einige
[197] Linien über ſeinem Urſprung ab und ſpaltet dann den Stummel indem
man zugleich die Wurzel, aus der er kommt, ſenkrecht quer durchſchneidet.
Auf dem Querſchnitte bildet dann der betheiligte Markſtrahl gewiſſer-
maßen einen keilförmigen Fuß des Schößlings, welcher manchmal einen
großen Theil des Umkreiſes der Wurzel einnimmt. Wir ſehen dieſen
Bau in Fig. XXX., an welcher wir die dreijährige Wurzel (w) unter-
ſcheiden, von deren Markſtrahlen einer ſehr ſtark keilförmig entwickelt iſt,
aus dem oben der Schößling, urſprünglich als förmliche mit Schüppchen
bekleidete Knospe, hervortrat. Der Zuwachs (1. 2. 3.) des dreijährigen
Schößlings iſt auch der Wurzel zu Theil geworden. Die Grenzlinie
zwiſchen Wurzel und Schößling (**) pflegt immer deutlich bezeichnet zu
ſein. An der linken Seite des Schößlings ſehen wir eine Adventiv-
wurzel, deren er ſehr bald mehrere treibt und ſich durch ſie ſelbſt-
ſtändig macht.


Dieſe Adventivknospen kommen nicht immer wie an dem abge-
bildeten Beiſpiele an der oberen Seite der Wurzel hervor, ſondern oft
auch ſeitlich oder ſelbſt an der Unterſeite. In dieſen Fällen krümmt ſich
der Schößling nach ſeinem Hervortreten ſofort aufwärts.


Bekannt iſt es, daß man die Wurzelſchößlinge, weil ſie oft aus einer
ſeicht unter der Oberfläche des Bodens hinkriechenden Wurzel zahlreich
hervorkommen Wurzelbrut nennt.


Es iſt eine bemerkenswerthe Seite der Ausſchläge, daß ſie in manchen
Beziehungen von den normalen Verhältniſſen abweichende Beſonderheiten
an ſich tragen, ſo daß der Ungeübte namentlich Stockausſchlag manchmal
nicht auf die ihm vielleicht wohlbekannte richtige Baumart zurückführen
kann. Wenn ein Stock, von dem der Stamm oder frühere Stocklohden
abgehauen wurden, ſehr lebenskräftig iſt und auf gutem Boden ſteht, ſo
treibt er oft ungewöhnlich lange Lohden, wodurch ſich namentlich Eſche,
Ahorn und Rüſter auszeichnen. Solche, recht eigentlich, Langtriebe ſind
nicht ſelten 6—8 Fuß lang. Die Blätter daran ſind nicht nur viel
größer, ſaftiger und dunkler grün als die Stammblätter, ſondern ſie zeigen
nicht ſelten in der Geſtalt und in der Zähnelung des Randes bemerkens-
werthe Abweichungen. Am weiteſten treiben es geköpfte Linden, deren
Ausſchlagblätter oft ſo tief gelappt ſind, daß ſie Weinblättern ſehr ähnlich
werden. Bei Birkenſtockausſchlag ſind die viel größeren und faſt drei-
[198] lappigen Blätter dick behaart und an Wurzelbrut der Espe gleichen ſie
den Stammblättern nicht im Entfernteſten.


Aus alledem geht hervor, daß die Erzeugniſſe der Adventivknospen,
der echten wie der ſchlafenden Knospen, gewiſſermaaßen aus einem über-
eilten Drange des überreichlich aus der Wurzel, die ja die alte geblieben
iſt, zuſtrömenden Nahrungsſaftes hervorgehen. Ja es kommt auf ſehr
fruchtbarem Boden vor, daß die Stöcke im Safte gehauener Bäume wie
man es bezeichnet im Safte erſticken.


Es kommt aber auch das Gegentheil vor. Die — zum Unterſchiede
von den ſchlafenden hier einmal ſo bezeichneten — dämmernden, nicht
ſchlafenden, nicht wachenden, Knospen, welche, die Maſerknoten bildend, am
Stamme alter Bäume hervorlugen, bringen es in der Regel nicht nur
nicht zu eigentlichen Trieben, ſondern die wenigen Blättchen, die ſie ent-
wickeln, bleiben auch meiſt klein, kümmerlich und zum Theil mißgeſtaltet.


Wir verſtehen nun vollſtändig, daß, wie bereits einigemal angedeutet,
die Maſerbildung nichts weiter iſt, als eine Anhäufung von Adventiv-
knospen, welche ohne es zu einer Triebentwicklung bringen zu können
gleichwohl Jahrzehnte lang am Leben bleiben und zwiſchen ſich vielfache
Stauchungen und Windungen im Verlauf der zuwachſenden Jahreslagen
bedingen. Die Maſerknospen haben immer ein centrales Mark und
endigen in einen weichen Vegetationskegel, aus dem ſich unter begünſtigen-
den Umſtänden einige Blättchen entwickeln. Die Maſerknollen haben
meiſt eine ſehr dicke Rinde, nach deren Abſchälung man ſieht, daß jede
Maſerknospe die Spitze eines Kegels von breiter Baſis iſt, deren Ver-
bindung und Gruppirung namentlich bei entrindeter Eichenmaſer ein
wahres Modell eines Alpengebirges bildet. Das centrale Mark jedes
Maſerkegels wird, wahrſcheinlich durch Verflüſſigung beſeitigt und dadurch
der Kegel hohl, daher man in Maſer-Arbeiten eine Menge Grübchen
ſieht. Je nachdem man bei der Verarbeitung der Maſer den Schnitt
ſenkrecht oder wagerecht oder ſchräg durch die Kegel führt zeigen ſich
auf der Schnittfläche die wunderlichſten Verſchlingungen und Wellenlinien
der Holzfaſern.


Wenn man aber eine Maſerknolle in der Richtung der Markſtrahlen
durchſägt, ſo kommt ein Holzgefüge zum Vorſchein, für welches der Forſt-
mann die beſondere Bezeichnung Wimmer hat. Da die Wachsthums-
[199] bahn der Adventivknospen immer geſtreckt und rechtwinklich zur Stamm-
Axe erfolgt, ſo bilden die Adventivknospen-Axen gerade gleichlaufende
Stränge, zwiſchen welchen ſich die Holzfaſern ſenkrecht herabſchlängeln.
Dies giebt der Spaltfläche ein gewäſſertes welliges Relief und wenn ſie
gehobelt iſt ein moirirtes Ausſehen. Da die Veranlaſſung hierzu Stauchung
der ſich nicht ungehindert ausſtrecken könnenden Holzfaſern iſt, ſo kommt
der Wimmer auch ohne Adventivknospen in Aſtwinkeln des Stammes
und namentlich des Wurzelſtockes vor, auf welche Fälle dieſe Bezeichnung
eigentlich zunächſt angewendet wird.


Adventivknospen und alſo Ausſchlagsvermögen kommen den Nadel-
hölzern nur in ſehr beſchränktem Maaße zu, wie überhaupt dieſelben in
der Knospenbildung bedeutende Abweichungen von den Laubhölzern zeigen.
Fichte, Tanne und Lärche bilden an den jungen Trieben außer den end-
ſtändigen und, dicht unter dieſen, quirlſtändigen Knospen nur wenige
Achſelknospen, die wohl mit nur ſehr ſeltnen Ausnahmen im folgenden
Jahre mit jenen ſtets zur Entwicklung kommen, ſo daß ſie alſo nicht zu
ſchlafenden Knospen werden können. Wenn bis 8 Zoll dicke Tannen am
Stamme in Bruſthöhe junge Triebe machen, ſo ſind dieſe daher wohl
aus echten Adventivknospen, d. h. aus metamorphoſirten Markſtrahlen,
hervorgegangen. Einiges Weitere hierüber werden wir ſpäter bei der Schil-
derung dieſer Nadelbäume erfahren.


Ganz eigenthümlich verhalten ſich die Kiefern, deren Nadeln bei den
verſchiedenen Arten bekanntlich zu 2 bis 5, durch eine Scheide am Grunde
vereinigt, beiſammen ſtehen. Sie bilden gar keine ſich regelmäßig ent-
wickelnde Knospen außer den End- und Quirlknospen, wodurch eben der
ſo regelmäßig ſteife Bau der jungen Kiefern bedingt iſt. Dennoch ſind
gerade die Kiefern in eigenthümlicher Weiſe mit ſchlafenden Knospen aus-
geſtattet und dadurch unter Umſtänden ausſchlagsfähig, worüber wir weiter
unten ſprechen werden.


Endlich iſt hier noch eines nur bei manchen Baumarten vorkommen-
den unter den Begriff Knospe zu faſſenden Gebildes zu gedenken, deſſen
Entſtehung und Wachsthumsweiſe noch manches Räthſelhafe hat. Bei
der Ebereſche, Sorbus aucuparia, wo das Gebilde faſt Regel zu ſein
ſcheint, bei der Buche und bei noch einigen anderen Bäumen finden ſich
in der Rinde alter Stämme eingeſchloſſene und an ihr kropfähnlich her-
[200] vortretende bis 1 Zoll groß und größer werdende Kugeln, welche, im
Mittelpunkte wie die Kirſche den Kern einen Markkörper einſchließend,
von concentriſchen Holzlagen gebildet werden. Hartig hat dieſen unvoll-
kommenſten Verſuchen der Adventivſproßbildung den Namen Kugelſproß
gegeben und läßt ſie hervorgehen aus Adventivknospen, die in dem Rinden-
Zellgewebe dieſes ſonderbare Bildungs-Leben fortlebt, nachdem ihr Zu-
ſammenhang mit dem Holz- und Markkörper des Triebes durch Abſterben
des ſaftzuleitenden Gewebes aufgehoben worden iſt.


Nachdem wir ſo die wichtigſten Bedingungen und Mittel des Baum-
lebens und deſſen Gebilde kennen gelernt und gefunden haben, daß in
den Neben- oder Adventivknospen die Pflanzen vor den Thieren eine
eigenthümliche Verjüngungskraft voraushaben, tritt uns nun die Frage
nahe, wie das Lebensende des Baumes bedingt ſei.


Wenn Thiere und Pflanzen ſich als Weſen zweier verſchiedener
Reiche von einander unterſcheiden, ſo iſt dies in keiner Hinſicht augen-
fälliger als in der des Lebensendes. Schon die Frage, wann tritt dies
bei den Pflanzen ein und iſt dieſer Eintritt wie bei den Thieren (wenig-
ſtens bei den allermeiſten) an den Ablauf einer gewiſſen Zeitdauer ge-
knüpft, erinnert uns, daß wir ſie bei den Pflanzen und zumeiſt bei den
Bäumen ſich ganz anders beantworten ſehen. Daß es bei dem Baume
keinen Zuſtand des vollendeten Wachsthums, kein einheitliches in allen
Theilen zugleich ſich regendes Leben giebt, wiſſen wir ſchon.


Ein Thier, wobei wir natürlich an einige, geſchloſſene Kolonien
bildende (wie die Korallenpolypen) nicht denken dürfen, iſt eben noch in
allen ſeinen Theilen lebendig und im nächſten Augenblick todt. An einem
Baume kann ſchon ſeit Jahrzehnten der Stamm ausgefault ſein, er iſt
aber dennoch fähig, vielleicht noch ein Jahrhundert lang fortzugrünen.
Durch eine kleine auf einen einzigen Punkt — Herz, Lunge, verlängertes
Mark — gerichtete Verwundung löſchen wir das Thierleben aus wie ein
Flämmchen, während wir vom Baume wiſſen, daß er ſelbſt dann nicht
ſtirbt, wenn wir ſeinen Stamm von der Wurzel trennen. Todſtechen,
erſchießen, überhaupt tödten, wie wir es mit einem Thiere thun, können
wir einen Baum nicht. Ueberhaupt der Begriff des gewaltſamen Todes
geſtaltet ſich für den Baum anders als für das Thier. Das Gewächs
hat keine ſolche eng begrenzten bedingenden Lebensmittelpunkte, von denen
[201] aus die tödtende Wirkung einer Verwundung ſich auf den ganzen Leib
fortpflanzt. Wir wiſſen ja eben, daß der Baum kein Individuum iſt und
das erklärt uns alles. Je weiter er fortgeſchritten iſt in ſeinem Aufbau aus
zahlreichen um- und übereinander geſchichteten und gethürmten Gebiets-
vergrößerungen für die ſich ewig erneuenden Bewohner, die Blätter und
Blüthen, deſto mehr iſt das Baumleben einem auf einen Punkt gerichteten
Angriff entrückt, wenn wir ihn nicht durch Umhauen und Entwurzeln der
Möglichkeit berauben, ſich ernähren zu können; und auch da iſt es noch
möglich, daß der entwurzelt umſtürzende Baum mit der Ecke eines Aſtes
in den weichen Boden dringt, und ſo der Zufall einen Senker oder
Steckling macht und in dieſem Theile das Fortleben des Getödteten
ermöglicht. An Saatpflänzchen und ſelbſt an kleinen Bäumchen in der
Pflanzſchule ſehen wir freilich durch Sonnenbrand oder durch Verluſt der
Wurzel, die ein Engerling abnagte, plötzliche Tödtung; aber ein alter
Baum ſtirbt meiſt langſam und allmälig, ſozuſagen ſtückweiſe, bis endlich
nach jahre- ja jahrzehntelangem allmäligem Abſterben auch der letzte
Zweig keine Blätter mehr treibt. Das Wort abſterben, welches wir
nur vom Pflanzentode brauchen, während wir ein Thier ſterben laſſen,
drückt den Unterſchied ganz richtig aus: am Baume trennt der Tod das
Leben der einzelnen Theile nach einander vom Geſammtleben ab.


Wir lernten aber trotz der tauſendfältigen Gliederung des Baum-
lebens dennoch in dem Cambium (S. 174) gewiſſermaaßen einen, wenn
auch über das ganze Baumgebäude ſich vertheilenden, Herd der Ver-
mittlung aller Neubildungen kennen, weshalb man es mit dem deutſchen
Wort Bildungsgewebe bezeichnet. Wir wiſſen ferner, daß in nächſter
nachbarlicher und phyſiologiſcher Verknüpfung damit die den Bildungs-
ſaft von den Blättern, den Läuterern deſſelben, herableitenden Baſtzellen
ſtehen. Es muß alſo eine hier eingreifende Störung das Baumleben am
empfindlichſten treffen.


Wir ſehen dies am augenfälligſten an einer von dem Borkenkäfer,
Bostrichus typographus, befallenen Fichte. Wenn dieſer furchtbare
Feind der Fichtenwaldungen, wie es bei einer „Wurmtrockniß“ vorkommt,
ſich in Schwärmen über eine bisher verſchonte Fichte ſtürzt und in der
Baſtſchicht der Rinde ſeine Bruten abſetzt, wo dann in kurzer Zeit die
auskommenden Larven Tauſende von Gängen nagen, ſo dauert es kaum
[202] eine Woche und der Baum ſteht anfänglich mit getödteten braunrothen
Nadeln und dann mit entnadelten wie krampfhaft verkrümmten Zweigen
und aufplatzender und ſich ablöſender Rinde vor uns. Er iſt unwider-
ruflich todt. Es iſt dies genau dieſelbe Wirkung wie durch eine ring-
förmige Entrindung (S. 172), welche unmittelbar über der Wurzel an-
gebracht, den ganzen Baum tödtet, weil die Ernährerin Wurzel mit ſtirbt,
da auch ſie nur durch den von oben kommenden Bildungsſaft ihre Neu-
bildungen macht.


Der Blätterverluſt beraubt zwar den Baum der wichtigſten Lebens-
gehülfen, da ſie die aſſimilirenden Organe ſind; allein wir wiſſen ſchon,
daß ſie ſich aus den Achſelknospen und durch Auferweckung ſchlafender
Knospen meiſt wieder erſetzen können. Nur Tannen, Lärchen und Fichten,
weil ſie keine ſchlafenden Knospen haben, und die End- und Achſel-
knospen ſich nur im folgenden Jahre entfalten zu können ſcheinen, über-
ſtehen eine vollſtändige Entlaubung niemals, da bis dahin der Nadelverluſt
bereits tödtlich gewirkt hat. Die große Kiefernraupe, Gastropacha Pini,
die die Nadeln bis auf den Trieb herunter abweidet, tödtet darum die
Kiefer ebenfalls, weil ſie die kleine ruhende Knospe mit beſeitigt, welche
im Grunde der Nadelſcheide als kleines Wärzchen zwiſchen den Nadeln
liegt. Weniger nachtheilig iſt daher der Fraß anderer Kiefernfeinde,
welche ein Stümpfchen der Nadel ſtehen laſſen, aus welchem die ruhende
Knospe wenigſtens an den oberſten Enden der Triebe hervortreiben kann.


Am Schluſſe dieſes langen und wichtigen Abſchnittes über das Leben
des Baumes ſpitzt ſich unſere Betrachtung in der gewonnenen Ueber-
zeugung zu, daß eine beſtimmte Lebensdauer für die Bäume nicht
geſetzt iſt, wie dies auch Decandolle in dem für unſern 3. Abſchnitt auf
S. 12 entlehnten Motto ausſpricht. Innere und äußere Bedingungen
geſtatten hier einen außerordentlich weiten Spielraum. Ja durch die
Ausſchlagsfähigkeit und durch die Theilbarkeit des Sammelweſens, wie
man gegenüber dem Begriff Individuum den Baum nennen könnte, kann
man das Leben des Baumes in beſchränkterem Sinne gewiſſermaaßen
verewigen. Ein auf die Wurzel geſtellter Baum (S. 196), deſſen
Stock alsdann von nachfolgenden Förſtergenerationen mit beſonderer
Fürſorge gepflegt wird, kann vielleicht viele Jahrhunderte lang lebendig
bleiben.


[203]

In der Ueberwallung werden wir bei der Tanne, die ſie am
häufigſten zeigt, ſogar ein Mittel kennen, wodurch ein an ſich lebens-
unfähiger Stock von einem benachbarten Baume gleicher Art, ernährt und
in Zuwachs erhalten wird.


Denkt man nun vollends an die Theilbarkeit und Vervielfältigung
durch Stecklinge und Pfropfreiſer ſo kann man einem einzelnen Baume
in gewiſſem Sinne Ewigkeit und Allgegenwart verleihen. Wir erinnern
uns hier an unſere ſogenannte italieniſche Pappel, Populus dilatata
Aiton (P. Pastigiata foiret)
. Wir glauben deren viele Tauſende in
Europa zu haben und ſeit ihrer Einwanderung aus dem Orient in der
erſten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gehabt zu haben. Wir haben
aber nie mehr als eine einzige Pappel gehabt und werden vielleicht in
den kommenden Jahrhunderten nie mehr als dieſe eine haben. Die
Pappelarten ſind getrennten Geſchlechts, und der Zufall wollte es, daß
das erſte nach Europa, und zwar nach Italien, eingeführte Exemplar,
gleichviel ob ein Bäumchen oder nur ein Setzreiß, ein männliches war.
Es konnte alſo kein Same von dieſer erſten Stammpflanze gewonnen,
mithin auch keine Nachzucht aus Samen erzielt werden, ſondern man war
auf die Vermehrung durch Setzreiſer beſchränkt. Man würde dieſe
ſicher auch ohnehin der Fortpflanzung durch Samen vorgezogen
haben, da jene viel ſchneller zum Ziele führt und überhaupt Pappeln und
Weiden wegen ihrer winzig kleinen Samenkörmer zwar wohl durch frei-
willigen Samenanflug ſich leicht fortpflanzen, jedoch die künſtliche Ausſaat
Schwierigkeiten hat.


So iſt denn für dieſen langen Zeitraum die ganze Nachkommenſchaft
der italieniſchen Pappeln, ſämmtlich männlichen Geſchlechts, in der That
nur Ein Exemplar in ununterbrochen fortgeſetzter tauſendfältiger Zer-
theilung und man kann es in gewiſſem Sinne wohl ewig und allgegen-
wärtig, wenigſtens überall, an keinen Ort beſchränkt, nennen. Wahrlich
das direkteſte Gegentheil eines Individuums!


Wir werden hier unwillkürlich noch zu einer kurzen Berückſichtigung
der durch ihr Alter und ihren Umfang berühmten Bäume veranlaßt.


Es liegt ohne Zweifel mehr in dem Umſtande, daß Bäume ein nach
menſchlichem Maaßſtabe außerordentlich hohes Alter erreichen können, als
in deren rieſigen Dimenſionen, daß zum Naturkultus hinneigende Völker
[204] vielen Bäumen eine religiöſe Verehrung zollen und auch wir ſie wenigſtens
nicht ohne ahnungsvolle Schauer anſehen können. Ja wie kaum ein
Thier iſt in unſern Augen jeder Baum gefeyet und ſteht unter dem
ſittlichen Schutze eines Jeden. Wie ſchon früher daran erinnert wurde,
brandmarken wir daher jede muthwillige Verletzung eines Baumes,
namentlich eines hoffnungsvollen Bäumchens mit dem ſtarken Worte Frevel.


Eine Menge der verſchiedenſten Baumarten und zwar aus den ver-
ſchiedenſten Pflanzenfamilien ſind fähig, ein ungewöhnlich hohes Alter und
dann gewöhnlich auch rieſige Größe zu erreichen. Sogar in der in
Deutſchland, ja in ganz Europa durch keinen einzigen urſprünglich hei-
miſchen Baum vertretenen Abtheilung der Einſamenlappigen Pflanzen
(S. 143 Anm.) finden ſich einzelne ſolche Beiſpiele, als welches der
Drachenbaum, Dracaena Draco, von Orotava auf der Inſel Teneriffa
allgemein bekannt iſt, dem man ein Alter von 5000 Jahren giebt.
Berthelot ſagte (1827) von ihm: „wenn man die jungen Drachen-
bäume, die den alten Rieſen umſtehen, vergleicht, ſo erſchrickt unſre Ein-
bildungskraft.“


Von unſern deutſchen Waldbäumen, wenn wir dabei den alpinen
Süden mitbegreifen, ſind es namentlich Linde, Taxus, Ulme, Eiche, Eſche,
Lärche, Bergahorn, Arve, Fichte, Tanne, Buche, welche ein hohes Alter
erreichen können aber dabei doch nicht entfernt dem Drachenbaum und
dem Affenbrodbaum, Adansonia digitata, nahe kommen.


Wo die Verhältniſſe es beſonders begünſtigen, können jedoch auch
noch andere Bäume ein ungewöhnliches Alter erreichen, während die ge-
nannten an weniger günſtigen Orten gegen ſie zurückbleiben. Pfeil
berichtet von Rieſenespen in Ungarn, welche über 4 Ellen Durchmeſſer
und 2900 Kubikfuß Holzinhalt hatten.


Welcher Art dieſe begünſtigenden äußeren Verhältniſſe ſein müſſen,
iſt ſchwer in ſeinen Einzelheiten nachzuweiſen. Ohne Zweifel iſt es ein
Zuſammenwirken vieler einzelner Umſtände, die eben nicht immer ſich bei-
ſammen finden. Sicher aber würde es ſolcher denkwürdiger Bäume mehr
geben, wenn nicht die begehrliche Hand des Menſchen ſich danach aus-
ſtreckte und der Sturm, der unerbittlichſte aller Holzfäller, ſie ſtürzte.


Viele ſolcher altehrwürdiger Bäume haben ihre Geſchichte und ſind
mit denkwürdigen Ereigniſſen verknüpft. Bei der botaniſchen und forſt-
[205] lichen Beſchreibung der einzelnen Waldbäume werden wir ſolchen leben-
digen Geſchichtsdenkmalen unſere Beachtung zuwenden.


So hat denn der Schwede Agardh vielleicht Recht indem er ſagt:
„wenn in der Pflanze mit jedem Sonnenjahre ſich neue Theile erzeugen,
und die älteren, erhärteten durch neue, der Saftführung fähige, erſetzt
werden, ſo entſteht das Bild eines Wachsthums, welches nur äußere
Urſachen begränzen
“; und wenn Derſelbe weiter die kurze Lebensdauer
der Kräuter von dem „Uebergewicht des Blühens und Fruchtanſetzens
über die Blattbildung“ herleitet, ſo findet dies ſeine Beſtätigung darin,
daß man ſchwächliche Kräuter durch fortgeſetztes Hindern am Blühen und
Fruchttragen (indem man jede junge Blüthenknospe entfernt) zu mehr-
jährigen Bäumchen zwingen kann, wie es z. B. mit der Reſeda geſchehen
iſt und wie es Endlicher von einem Luzerneſtock (Medicago sativa var.
versicolor
) erzählt, der 80 Jahre alt wurde, weil er keine Früchte trug.


Laſſen wir uns nun noch für die Betrachtung der Baum-Architektonik
durch die folgende Schilderung eines deutſchen Urwaldes weihen,
welche Weſſely in ſeinem lehrreichen Buche über die öſterreichiſchen
Alpenwälder*) mittheilt. Denn es giebt noch Waldorte in Deutſchland, wo
noch nie die Axt des Holzfällers ertönte und denen man mit Beſtimmtheit
anſieht, daß ſie keines Menſchen Hand ſäete oder pflanzte. Der beſchriebene
Urwald liegt im Erzherzogthum Unteröſterreich in den hinterſten Quell-
ſchluchten der Mürz und heißt ſeinem Uralter zum Trotz der Neuwald.


„Höchſt merkwürdig iſt der große, üppige und wohlgeſchützte Keſſel
dieſer unabſehbaren Waldwüſte. Ein Bild großartiger Schöpfung und
prachtvoller Wildniß überwältigt er auch das ſtarrſte Gemüth mit ſcheuer
Ehrfurcht vor den gewaltigen Werken Gottes. — Die Natur, welche hier
ſeit den Tagen der jetzigen Weltgeſtaltung allein und ungeſtört waltete,
hat da ein Unglaubliches an vegetativer Kraft und Erzeugung zuſammen-
gehäuft, ſie hat hier Anfang und Vollendung, pflanzliches Leben und
Tod in rieſenhaften Formen überraſchend nebeneinander geordnet.


Die Fichten, die Tannen und ſelbſt die Lärchen dieſes Keſſels er-
reichen eine Länge von 150—200, eine untere Stammſtärke von 5—8 und
[206] einen Maſſengehalt von 1000—2000 Fuß, die Buchen auch 120 bis
150 Fuß Länge, 3—5 Schuh untere Stärke und 300—1000 Fuß Holz-
maſſe, und laſſen ſomit all das weit hinter ſich, was wir in unſern
modernen Holzbeſtänden zu ſehen gewohnt ſind. An dieſen Baumkoloſſen
ſchätzen ſich die geübteſten Maſſenſchätzer des Flachlandes zu Schanden.


Die Majeſtät dieſes gewaltigen Hochholzes iſt aber eine ſchauerliche,
denn inmitten der Stämme höchſter Lebenskraft ſtehen allenthalben die
abgeſtorbenen Zeugen früherer Jahrhunderte umher, mit gebrochenen
Aeſten und Gipfeln, die rindenloſen Schafte geiſterbleich und vielfach
durchlöchert von den Inſekten ſuchenden Spechten, öfter auch in lang-
geſtreckte Splitter endende Strünke vom Sturm gebrochener Fichten.


Das Rieſenhafte dieſer Vegetation rührt nicht blos daher, daß die
Stämme bis zu ihrem natürlichen Ausſterben, alſo über das gewöhnliche
Haubarkeitsalter hinaus fortwachſen und ihre Maſſe mehren können, ſon-
dern ganz beſonders auch vom Vorhandenſein aller Umſtände, welche eben
das Lebensalter der Bäume auf die äußerſte Grenze hinauszurücken ge-
eignet ſind. Das rauhere Klima, die mehr gleichmäßig feuchte Atmoſphäre,
der äußerſt humoſe Boden, der eigenthümliche gewiſſermaaßen nie unter-
brochene Waldesſchluß, welcher das Wachsthum der Stämme in der
Jugend zurückhält, und ihren Fuß beſtändig ſchützt, das alles zuſammen-
genommen fördert ſo abſonderlich die Lebensdauer, daß dieſe Baumrieſen,
wenn ſie nicht etwa früher von Sturm zerriſſen werden, meiſt ein Alter
von 300—400, öfter ſogar von 600 Jahren erreichen.


Tauſende von koloſſalen Schäften, wie ſie Alter und Orkane nach
und nach übereinander geworfen haben, bedecken kreuz und quer — oft
als wirrer Verhau — den grasloſen Boden. Hier ein friſcher eben vom
Sturme in der Fülle ſeiner Kraft zerriſſener Stamm, mit ſeiner ganzen
markigen tiefgrünen Benadlung; daneben der rindenloſe bleiche Schaft
eines heimgegangenen in ſich zuſammengebrochenen Altvaters aſtlos mit
geknicktem Gipfel; wieder daneben und darunter die Ueberreſte früherer
Generationen, dicht mit grünem Moosfilze mannigfacher Schattirung über-
zogen, in allen Stadien der Verweſung.


Wo Stämme über den einzigen Pfad geworfen wurden, welcher ſich
durch dieſe Wildniß windet, hat man Stufen in die Schäfte gehauen,
auf daß man ſie überſchreiten könne, denn es hätte eines ungeheuern
[207] Kraftaufwandes bedurft, ſie aus dem Wege zu räumen. Etwa in der
Mitte des Forſtes trafen wir auf einen eben geſtürzten Fichtkoloß. Der
ſechsfußige Schaft lag gleich einem Wall quer über den Steig, die Größten
unter uns vermochten nicht über ihn herüberzuſchauen; die gewandte
Jugend hieb umſonſt ihre Bergſtöcke (Griesbeile) ein, um ſich im kühnen
Satze hinaufzuſchwingen, ſie mußte endlich dem beſonnenen Alter folgen
und den Baum umgehen.


Merkwürdig iſt die Fülle neuer Vegetation, welche ſich auf den
alten Lägerſtämmen entwickelt. Ein dichter Pelz des üppigſten Mooſes
überzieht ſie nach allen Seiten; darin finden die fallenden Baumſamen
vortreffliches Keimbett und in dem darunter ſich bildenden Humus die
jungen Pflänzchen geeigneten Boden. — So haben in den Leichen der
hingeſchwundenen Baumgenerationen Millionen nachwachſender Pflänzlinge
Wurzel geſchlagen und ſtreben nunmehr rüſtig zu den ſpärlichen Licht-
löchern hinan, welche dieſe Leichen durch ihren Sturz in das hohe Laub-
gewölbe des rieſigen Forſtes ſchlugen. — Auf einigen ſolchen Baum-
kadavern fanden wir mehrere Hundert neuer Fichten und einzelne davon
ſchon zu anſehnlichen 60—70jährigen Reideln erwachſen. — Die moos-
bedeckten Lagerſchäfte eignen ſich gegenüber dem mit einer dicken Schwarte
überzogenen Erdboden ſo vorzüglich für den neuen Nachwuchs, daß dieſer
oft auch nur auf dieſen erſcheint. Vielen alten Horſten ſieht man dieſe
Entſtehungsweiſe jetzt noch an, denn ſie ſtehen in den geraden Linien des
längſt vergangenen Schaftes da, auf welchem ſie urſprünglich gekeimt
haben. — Nicht ſelten trifft man auch Altſtämme, deren Wurzelknoten
mehrere Fuße über dem Boden ſteht. Sie ſind eben auf ſtarken Baum-
leichen entſtanden, ihre Wurzeln haben dann über die Seiten dieſer
letzteren in den Erdboden hinabgegriffen und weil der von ihnen umfaßte
Schaft in der Folge ganz zuſammenfaulte, ſo ſtehen ſie nunmehr mit
einem Theile der Wurzeln in der Luft.


Ohne Unterlaß zog es uns vom Steige ab, den wir verfolgen ſollten;
dieſes Eindringen in die anſcheinend noch unbetretene Wildniß hatte
einen unnennbaren Reiz, dem Keiner zu widerſtehen vermochte, es war
das Gefühl, welches die großen Weltumſegler bewegt haben mag, als ſie
neue Erdtheile entdeckten.


[208]

Aber was war im Grunde unſer Vordringen! Wenige Schritte und
gewaltige Lagerholzmaſſen traten uns entgegen. Mit ungeheurer An-
ſtrengung ſchwangen wir uns über einen oder den andern Schaft hinüber,
mühſam durchkrochen wir anderwärts die Gipfel oder zwängten uns
zwiſchen dem Boden und dem Schaft durch; öfters ſprangen wir auf ein
dichtbemooſtes Stammſtück, aber es brach unter uns ein und wir ver-
ſanken bis über die Knie in Holzmoder. — Es waren das völlig ver-
mooſte Schäfte, welche nur noch durch den dichten Moosfilz zuſammen-
gehalten wurden. Kaum war ein Verhau überwunden, ſo ſtellte ſich
wieder ein neuer entgegen und nach halbſtündiger Anſtrengung aller
Kräfte hatten wir nicht viel über hundert Klafter Wegs zurückgelegt.
Gleichwohl befanden wir uns ſchon in einer völlig neuen Gegend, offen-
bar, weil uns die überſtiegenen Lagerholzmaſſen den Rückblick auf den
Steig abſchloſſen. Noch einige hundert Schritte, und wir waren nicht
nur unbewußt von einander abgekommen, ſondern hatten auch ungeachtet
der geſpannteſten Aufmerkſamkeit einer wie der andere gänzlich die Orien-
tirung verloren.


Zum erſtenmale machte mir der Wald, ſonſt der trauteſte Freund
meiner ſchönen wie meiner ſchmerzlichen Stunden — wahrhaftig bange.
Mit klopfendem Herzen und zurückgehaltenen Athem harrte ich voll Angſt
aber vergeblich auf den Ruf unſeres Führers.


Nun erſt begriff ich die ſchauerlichen Geſchichten, welche mein alter
Oheim, der ſeine Jugend in hieſiger Gegend verbracht hatte, in der
Spinnſtube meines Großvaters öfter zum Beſten gab.


Um nicht vielleicht noch weiter vom Steige abzukommen, ließ ich
mich auf einen bemooſten Baumſtamme nieder und beſchloß geduldig das
Rufen abzuwarten, das dann doch endlich erfolgen mußte. Ich zog die
Uhr, ſie wies auf ein Viertel auf Eins. Draußen ſchien — wie ich
mich ſpäter überzeugte — die Sonne im hellſten Mittagsglanze. Aber
nicht ein Strahl dieſer heißen Auguſtſonne drang in das ewige Dunkel,
noch ſtörte er die unwandelbare feuchte Kühlung unter dem hohen Laub-
gewölbe dieſes Forſtes. Schwermüthig ſtarrte ich in ſeine düſtern, ſchatten-
loſen Säulenhallen, welche grau auf grün und wieder grau ſich nach allen
Seiten in’s Endloſe zu erſtrecken ſchienen.“


[209]

Alle Bewegung ſchien weit und breit erſtorben, es ſchwirrte kein
Vogel, es flatterte kein Schmetterling und ſelbſt die Lüfte, welche hoch
oben die Baumgipfel in ſanften Schwingungen wiegten, drangen nicht
mehr in den Bereich der Schäfte herab. Lautloſe Stille rings umher,
deſtomehr ſchreckte plötzlich der ſchneidende Schrei eines einſamen Spechtes
und ein andermal das geiſterhafte Knurren zweier ſich reibender wind-
bewegter Schäfte. Keine Spur menſchlichen Waltens milderte den bangen
Eindruck dieſer ſchauerlichen Oede.


Ich wußte daß ich nicht ferne ſein könnte von meinen Freunden und
gleichwohl übermannte mich das Gefühl drückendſter Einſamkeit, unwider-
ſtehliches Bangen.“


Dieſen Eindruck machte jener Urwald auf den Erzähler wie er mit-
theilt „in ſeinen Jugendjahren.“ 1851 ſtanden davon nur noch etwa
2000 Bäume, deren baldiges Verſchwinden er mit Bedauern vorausſagt.
Intereſſant iſt, was Herr Weſſely am Schluſſe noch hinzufügt. „Das
Kernholz blieb hier 800—1000 Jahre geſund und die gefallenen Bäume
brauchten 150—200 Jahre zu ihrer völligen Verweſung.“


Roßmäßler, der Wald. 14
[[210]]

7.
Architektur der Waldbäume.


Du nennſt die alte Ulme wird und kraus,

Sie reckt, meinſt Du, die Aeſte hinaus

Wie’s grad’ ihr einfällt, krumm oder eben.

Du irrſt, mein Freund! ſei ihr nur gleich,

Dann biſt Du an innrer Ordnung reich.
Das Krauſe hat ihr das Schickſal gegeben.

Es iſt nicht blos ein ſich tröſtendes Hinnehmen, nicht blos ein ſich
Begnügen mit dem was uns nun einmal ſo und nicht anders beſchieden
iſt, es iſt nicht blos ein Urtheil des mit Nothwendigkeit an dem Immer-
wiederkehrenden ſich bildenden Geſchmackes, wenn wir vom deutſchen Walde
rühmen, daß er ſchön und herrlich, daß der Wald vielleicht nirgends
ſchöner und herrlicher ſei als in Deutſchland.


Wie unſer Motto ſagt, treu den Vorſchriften einer inneren ordnungs-
vollen Geſetzlichkeit, iſt das deutſche Klima dazu geſchaffen, den deutſchen
Baum herauszufordern, zum Kampfe mit ihm. Er geht aus dieſem
Kampfe hervor wie ein geläuterter Charakter, der treu den ewigen Vor-
ſchriften der im Innern geſchriebenen Ordnung das treue Spiegelbild
dieſes Kampfes und daher er ſelbſt iſt.


Wir erinnern uns an das, was wir im 5. Abſchnitte über die ord-
nungsvolle Bildung und Stellung der Knospen am Triebe, der Triebe am
Zweige, kennen gelernt haben.


Wenn dieſe Ordnung, gewiſſermaßen das innere Geſetz des Baumes,
ſich unbeſchränkt geltend machen könnte, ſo müßten unſere Bäume anders
ausſehen als es der Fall iſt, es müßte namentlich das mathematiſche
Geſchlecht der Nadelhölzer, wie wir es nannten, einen hohen Grad von
Regelmäßigkeit in der Gliederung der Krone zeigen, die vor dem ge-
läutertem Geſchmack nicht würde beſtehen können, da dieſer durchaus nicht
überall Regelmäßigkeit duldet.


[211]

Indem der Baum den zwingenden Nothwendigkeiten der äußeren
Verhältniſſe ſich fügt, indem er bei ſeiner Entfaltung Rückſicht auf die
ſeiner Nachbarn nimmt, giebt der Baum das Eigenwillige auf, was in
ſeiner Anlage liegt, wird er das Erzeugniß des auf ihn wirkenden be-
rechtigten Einfluſſes ohne ſich doch ganz aufzugeben, wird er ſo zur
charaktervollen Perſönlichkeit.


Vergleichen wir den knospentragenden Trieb eines Ahorn mit dem
einer Eiche (S. 63 Fig. 1. 2.) und erinnern wir uns dabei, daß dieſe
Knospenſtellung für dieſe beiden Bäume ein unabänderliches Geſetz iſt,
ſo müßten wir erwarten, daß die Architektur eines Ahorn und einer Eiche
ſehr von einander verſchieden ſein müßte. Vergleichen wir aber dann
eine alte Eiche und einen alten Ahorn mit einander, ſo finden wir das
Gegentheil: wir werden zwar beide unterſcheiden können aber keineswegs
durch die ſteife Regelmäßigkeit der Aſtſtellung, welche in Folge der Knospen-
ſtellung dem Ahorn zukommen müßte. Wir unterlaſſen nicht, uns hier
noch einmal daran zu erinnern, daß ſo wie die Blätter ſtehen ſo auch die
Knospen am Triebe, an den Knospen die Schuppen und die Triebe an
den Zweigen geſtellt ſind, nur ganz beſonders haben wir uns auch daran
zu erinnern, daß die Bäume von der Durchführung dieſer Anordnungs-
geſetze dadurch befreit werden, daß nicht alle Knospen zur Entfaltung und
nicht alle den entfalteten entſprungene Triebe zu gleicher Entwicklung
kommen.


Es iſt dieſem hier noch hinzuzufügen, daß zu dieſem Ergebniſſe noch
ein eigenthümliches Wechſelſeitigkeits-Verhältniß mitwirkt, welches zwar
den einzelnen Baum auf ſeinen Nachbar einen Einfluß ausüben läßt,
welches aber nicht immer bis zum unmittelbaren Handgemenge führt.


Könnten wir uns mit Leichtigkeit in die Wipfel eines Hochwaldes
erheben, ſo würden wir zwar das Gezweig der benachbarten Bäume ſich
vielfach durchſchlingen und berühren ſehn; dieß iſt aber nicht ein Ringen um
die Vortheile des Lebens, ſondern ein Theilen derſelben zwiſchen Solchen,
welche ſich zu Gleichberechtigten emporgearbeitet haben. Anders iſt es,
wenn wir das ſogenannte unterdrückte Unterholz zwiſchen den Stämmen
des Hochwaldes anſehen. Die Nachſtrebenden ſind kaum Nachſtrebende
zu nennen, ſie bleiben in der Dürftigkeit ihrer niederen Stellung und
es kommt in der Regel gar nicht bis zu einer unmittelbaren Berührung
14*
[212] zwiſchen ihnen und den Bevorzugten. Nur im Dickicht junger Hölzer
(S. 155), wie es der aufſtrebenden Jugend eigen iſt, kommt es zum un-
mittelbaren Wettringen, in welchem allmälig die Beſiegten zurückbleiben
und entweder ein verkümmertes Daſein lange Zeit fortführen oder zu
Grunde gehen.


Dieſes Gegenſeitigkeits-Verhältniß übt einen großen Einfluß auf die
Architektur der Bäume aus, und es kann dem aufmerkſamen Freunde der
Baumwelt eine überall zu wiederholende Unterhaltung verſchaffen, wenn
er ſieht, wie auch dadurch die menſchliche Geſellſchaft dem Walde gleicht,
daß ein Baum auf den andern einen beſtimmenden Einfluß ausübt.


Es iſt vor Allem von erheblicher Bedeutung bei der Ausprägung
ihrer Architektur, in welcher gegenſeitigen Benachbarung die Bäume
ſtehen, ob nur unter ihres Gleichen oder mit fremden gemiſcht, ob weit-
läufig oder dicht, oder gar vereinzelt; ob ſie mitten im Beſtande oder am
Saume deſſelben, ob ſie in ihrem rechten Boden ſtehen, der ihrer Natur
am meiſten zuſagt, oder auf einem ungewöhnlich günſtigen oder auf einem
ihnen ſo wenig zuſagenden, daß ſie auf ihn nur gerathen konnten, weil
ſie der Zufall oder unpaſſende Wahl ihres Erziehers dahin verſchlug.
Die größere oder geringere Meereshöhe ihres Standorts, die Lage des-
ſelben gegen die Himmelsgegenden, ſeine größere oder geringere Tief-
gründigkeit, alles das und noch Anderes mehr übt einen Einfluß auf den
architektoniſchen Charakter der Bäume aus.


Wir können hieraus leicht abnehmen, daß eine Eintheilung der
Bäume nach ihrem architektoniſchen Charakter durch eine Menge einfluß-
reicher Beſchränkungen erſchwert werden muß. Nichts deſto weniger iſt
es für unſern Zweck, der zunächſt eine genaue Kenntniß des Waldes iſt,
nothwendig, hier das Beſtändige im Wechſelnden aufzuſuchen.


Wenn wir durch Anwendung des Wortes Architektur den Baum mit
einem Gebäude vergleichen, ſo haben wir wie bei einem ſolchen auch am
Baume zwiſchen einer Gliederung der Haupttheile und einer Ornamentik
zu unterſcheiden.


Stamm und Verzweigung bilden das Erſtere und in dieſer Hinſicht
macht ſich zunächſt ein großer Unterſchied zwiſchen den Nadelbäumen und
den Laubhölzern darin geltend, daß bei erſteren, mit häufiger Ausnahme
der Kiefern, der Stamm ſich ſtrenger durchführt als bei den letzteren, ſo
[213] daß wir ſehr häufig an den oberſten Triebſpitzen einer alten Fichte die-
jenige leicht herausfinden, welche das jeweilige Ende des Stammes iſt.
In dieſem Falle bilden die unter ſich meiſt ziemlich übereinſtimmenden
Aeſte nur eine Umkleidung des Stammes und ſtehen hinſichtlich ihres
Durchmeſſers dem des letzteren bedeutend nach.


Am entſchiedenſten iſt dies bei der Lärche und Fichte der Fall, am
wenigſtens bei den Kiefern; die Tanne ſteht zwiſchen beiden.


Vergleichen wir eine junge Kiefer mit einer jungen Fichte, Tanne
oder Lärche und thun wir daſſelbe bis in das Stangenholzalter (S. 156),
ſo ſollte eigentlich das Gegentheil ſtattfinden: der gänzliche Mangel zu
regelmäßiger Entwickelung kommender Blattachſelknospen bei den Kiefern,
welche im Gegentheil nur End- oder Quirlknospen haben, müßte eigentlich
die Kiefernarchitektur zu einer rein pyramidalen machen, während die
zwar ebenfalls pyramidal angelegten andern Nadelhölzer deswegen am
meiſten angethan ſein müßten, dieſe Anlage zu verlaſſen, weil ſie eine
Menge unregelmäßig geſtellter Blattachſelknospen beſitzen. Gleichwohl iſt
es umgekehrt: nehmen gerade die Kiefern im Alter, wenn ſie nicht ganz
im dichten Schluſſe ſtehen, eine weitäſtige, die Durchführung des Stammes
aufgebende Architektonik an, ſo daß man aus der Ferne den Rand eines
alten Kiefernbeſtandes leicht für Laubholz nehmen könnte, wenn dem nicht
die dunkle Farbe der Benadelung und die braungelbe Rinde der Aeſte
widerſpräche.


Wodurch dieſes Aufgeben der urſprünglichen pyramidal angelegten
Architektonik der Kiefern bedingt ſei, werden wir ſpäter kennen lernen.


Die Tanne iſt zwar, wie angedeutet, geneigt es den Kiefern gleich zu
thun, aber es gelingt ihr niemals, die ſtrenge Durchführung des ſenk-
rechten Stammes los zu werden; wenigſtens die ſenkrechte Richtung des-
ſelben nicht, denn wenn auch zuweilen der Stamm ſich theilt, ſo ſtreben
doch unabänderlich die Theile in ſenkrechter Richtung nach oben. Da die
Tanne unter allen Nadelhölzern die größte Lebensfähigkeit und das größte
Vermögen beſitzt, Verletzungen auszuheilen und zu überwinden, ſo liegt
auch hierin ein Grund zu mancherlei oft bizarren Abweichungen von dem
pyramidalen Bau.


Wenn auch alle Nadelhölzer, wenigſtens bis zu einem gewiſſen Alter,
den verlorenen, den Stamm fortſetzenden Herztrieb dadurch erſetzen können,
[214] daß ſich einer der nächſt unteren Quirltriebe aus ſeiner ſchrägen Stellung
emporrichtet und die Stelle des verlorenen einnimmt, ſo iſt dies doch bei
der Tanne am meiſten der Fall und ſelbſt noch in höherem Alter, wo-
durch bei den Tannen oft abenteuerliche Geſtalten zu Tage kommen.


Die bekannte Pyramidengeſtalt der Fichte und Lärche erleidet in der
Ebene und im Mittelgebirge faſt nie eine erhebliche Störung, wohl aber
namentlich die erſtere in der Alpenregion, wo namentlich die ſogenannten
Wettertannen, um den Schaft herum mehrere Aeſte in weitausgreifen-
dem Bogen, zuletzt ſich ſenkrecht emporrichtend einen gewaltigen Baum mit
vier, fünf dem mittelſten nachſtrebenden Wipfeln bilden, unter welchem
die Alpenhirten mit ihrem Vieh gegen Unwetter Schutz finden.


Wie der Wachholder (Juniperus communis) und der Taxus (Taxus
baccata)
von den echten Zapfenbäumen (Strobilaceen oder Coniferen)
botaniſch abweichen und letzterer eine kleine natürliche Familie für ſich
bildet, ſo weichen ſie auch in der Architektur von dieſen ab, hierin ge-
wiſſermaaßen einen Uebergang zu den Laubhölzern bildend. Beide bleiben
meiſt ſtrauchartig, der Taxus, die am langſamſten wachſende deutſche
Holzpflanze, namentlich ſchon vom Stocke an vieläſtig. Der Taxus kann
recht eigentlich ein Architekturbaum genannt werden, indem er von der
altfranzöſiſchen und holländiſchen Gartenkunſt, traurigen Andenkens, durch
Halten unter dem Schnitt zu den monſtröſeſten Figuren, Thiergeſtalten
nicht ausgenommen, gezwungen wurde. Wir werden ſpäter ſehen, daß
der Taxus auch in andern Beziehungen einen eigenthümlichen Zug in
dem Charakter unſerer deutſchen Baumflora bildet.


Wir können nun, zu der Belaubung übergehend, dieſe eine Orna-
mentik des Baumgebäudes nennen, wie ja bekanntlich Laubwerk zu
allen Zeiten der fortgeſchrittenen Baukunſt Vorbilder für architektoniſche
Ornamente dargeboten hat.


Geſtalt, Farbe und Anordnung der Nadeln, obgleich durchaus keine
erheblichen Manchfaltigkeiten zeigend, vermögen dennoch den verſchiedenen
Nadelholzarten verſchiedene Charaktere aufzuprägen. Dies iſt namentlich
um ſo mehr der Fall, wenn wir die benadelten Triebe noch mit zur
Ornamentik ziehen und wir zugleich, in Samenjahren, auf die Zapfen achten.


Unleugbar werden Fichte und Lärche, neben ihrem ſtrengdurchge-
führten Pyramidenbaue, durch ihre Benadelung am weiteſten von den
[215] Laubhölzern entfernt, während Tanne und Kiefern dieſen hierin etwas
näher ſtehen.


Schon im Stangenholzalter iſt die Tanne durch ihre Nadelgruppirung,
die mehr ſelbſtſtändige buſchige Maſſen bildet, von der Fichte, bei der
linienförmige Gruppirung vorſticht, ſehr verſchieden, was durch das Auf-
ſtreben der Aeſte weſentlich erhöht wird, indem dadurch der Contraſt der
tiefgrünen Oberſeite von der hellblaugrünen Unterſeite der Nadeln mehr
hervortritt und dieſe contraſtirenden Farbentöne die Tanne noch mehr
vor dem Melancholiſchen der Fichte bewahren. Da die Kiefer im Alter
ihre Nadeln nicht leicht länger als 3—4 Jahre behält, alſo alle älteren
Triebe kahl ſind, ſo giebt dies bei der Länge und einiger Einwärts-
krümmung der Nadeln der Benadelung derſelben etwas Lockeres, Sträußchen-
artiges, worauf noch ganz beſonders die Stellung der männlichen Blüthen-
kätzchen nach deren Abfallen einen eigenthümlichen Einfluß ausübt.


Wenn in reichen Samenjahren die Fichte blüht und eben im Begriff
ſteht, ihre kugelrunden männlichen Blüthenkätzchen zu öffnen, dann erfreut
ſie ſich vor allen andern Waldbäumen eines reizenden Schmuckes, denn
dann ſehen dieſe an Geſtalt und Farbe Erdbeeren täuſchend ähnlich, ſo
daß es leicht ſein würde, einen Urkundigen mit einer Schale voll davon
bis zum Zulangen zu täuſchen. Dieſe prachtvoll purpurrothen Blüthen-
kugeln ſind über den ganzen Baum ausgebreitet, während die unſchein-
bareren weiblichen Blüthenzäpfchen mehr im Wipfel ſtehen.


Die Tanne trägt beiderlei Blüthen blos im oberſten Wipfel und
nur in reichen Samenjahren fallen ungeſucht die aufrechten fingerlangen
hellgrünen, igelartig mit langen Deckblättchen beſetzten weiblichen Blüthen-
zapfen in das Auge, während die männlichen weniger hervortreten.


Die Kiefern ſind von allen Nadelhölzern die blüthebefliſſenſten und
während die kleinen erbſengroßen weiblichen Blüthenzäpfchen (S. 124
Fig. 1.), obgleich an der Spitze der jungen Triebe ſtehend, nichts zum
Charakter des Baumes beitragen, ſo verleihen die in Menge um das
untere Ende des jungen Triebes gruppirten ſchwefelgelben eirunden männ-
lichen Blüthenkätzchen (S. 124 Fig. 13.) der blühenden Kiefer einen
allerdings kaum länger als eine Woche währenden Schmuck, der den
nichts weniger als zierenden Aberglauben des Schwefelregens veran-
laßt hat.


[216]

Bei der Lärche ſind es mehr die purpurrothen weiblichen Blüthen-
zäpfchen als die viel kleineren gelben männlichen, was die herabhängenden
peitſchenförmigen Triebe ſchmückt und wir wiſſen ſchon, daß dieſer Schmuck
bei der Lärche im früheſten Alter und oft ſchon an ſehr jungen Bäumen
erſcheint.


Einen nicht minder von einander abweichenden Schmuck verleihen in
Samenjahren die Zapfen der Fichte und der Tanne. Da dieſe bei der
Fichte an den Spitzen der Triebe und vorwaltend im Wipfel und zwar
abwärts hängend ſtehen, ſo ziehen ſie durch ihre Schwere die ohnehin
abwärts ſtrebenden Zweige noch mehr nieder und ſteigern das melancho-
liſche Anſehen des Baumes. In beſonders reichen Samenjahren ver-
mögen die hellkaffeebraunen Zapfen nicht nur die Farbe der Fichten
weſentlich zu beeinträchtigen, ſondern die Wipfel zu beugen und ſogar
abzubrechen, was z. B. in dem reichen Samenjahre 1859 der Fall war.


Die Tanne trägt ihre ſchönen faſt walzenrunden dunkeln Zapfen
aufrechtſtehend auf den für deren Laſt hinlänglich erſtarkten Zweigen des
oberſten Wipfels, ſo daß ſie, da nur hohe alte Tannen fruchttragend zu
ſein pflegen, nur in reichen Samenjahren in das Auge fallen, dann aber
auch dem Baume zu einer wahren Zierde gereichen. Nach einem Samen-
jahre bleibt in den Zapfenſpindeln der Tanne für einige Jahre ein ſonder-
barer Anputz. Es fallen nämlich nicht die ganzen Zapfen vom Baume
wie bei Fichte und Kiefer, ſondern beim Samenfall löſen ſich vom Zapfen
alle Schuppen und fallen mit den Samen zugleich ab und es bleiben die
federkieldicken ſteifen Spindeln allein ſtehen.


Die zwiſchen den Nadeln ziemlich verſteckten Zapfen der Kiefer
tragen wenig zur Ornamentirung des Baumes bei. Am meiſten noch,
wenn im Frühjahr nach dem Abfliegen des Samens die Zapfenſchuppen
ſich ſo ſtark öffnen und auswärts biegen, daß die Zapfen faſt kugelich
werden. Dieſer Schmuck iſt aber von kurzer Dauer, weil alsdann die
Zapfen bald abfallen.


Daß und wie ſelbſt einige Inſektenarten einen theils vorübergehenden
theils dauernden Einfluß auf Ornamentik und, bei der Kiefer, ſelbſt
auf die Architektur der Nadelhölzer äußern können, werden wir ſpäter
kennen lernen.


[217]

Bei der viel größern Manchfaltigkeit in der Stellung der Knospen
und Triebe verſteht es ſich nun leicht von ſelbſt, daß uns die Architektur
der Laubhölzer
weit mehr Abwechſelung bietet.


Schon der Unterſchied zwiſchen Baum und Strauch tritt bei den
Laubhölzern viel beſtimmter auf, als bei den Nadelhölzern.


Dieſer Unterſchied iſt nicht mit einer vollſtändigen Schärfe feſtzu-
ſtellen, indem einige Holzgewächſe vorkommen, bei denen es fraglich ſein
könnte, ob wir ſie Bäume oder Sträucher nennen ſollen. Jedermann
weiß, daß ein Baum ſich dadurch von einem Strauch unterſcheidet, daß
ſich aus ſeiner Wurzel nur ein Stamm erhebt, während ſich aus der
Wurzel des Strauches mehrere Stämme, meiſt unmittelbar aus dem
Stocke, bilden.


Dieſe allgemein bekannte Unterſcheidung unterliegt allerdings mancherlei
Beſchränkungen und es kommt vor, daß eine Holzart ebenſowohl als
Baum, wie als Strauch angetroffen wird. Dieſe Erſcheinung wird am
meiſten durch die Verſchiedenheit des Standorts bedingt. Holzgewächſe,
die in der Ebene oder in ſüdlicheren Lagen regelrechte Bäume ſind,
werden in höheren Berglagen oder in nördlicheren Breiten, welches Beides
in dieſer Wirkung nahe zuſammenfällt, zu vielſtämmigen Sträuchern, bis
ſie endlich zuletzt zu niedrigen Gebüſchen verkümmern.


Ein Beſuch der Alpen giebt Gelegenheit, ſich hiervon zu überzeugen,
wobei man namentlich finden würde, das Fichte und Buche dieſem Einfluß
unterliegen. Auch die forſtliche Behandlung der Holzarten, wie uns
bereits bekannt iſt, übt bei den Laubhölzern einen großen Einfluß auf die
Architektur aus. Selbſt die majeſtätiſche Eiche wird in der Niederwald-
wirthſchaft zu einem buſchigen Strauche, wie wir wiſſen dadurch, daß
man, bevor die Eiche ſich zu einem kräftigen Baum zu entwickeln be-
gonnen hat, ſie am Stocke abhaut und dann durch Adventivknospen eine
Menge Stämmchen ſich bilden.


Es iſt uns bereits bekannt, daß die faſt bei allen Bäumen ſehr regel-
mäßig geſtellten Knospen eigentlich einen durchgreifenden Einfluß auf die
Architektur der Bäume ausüben müßten und daß z. B. bei Eſche und
Ahorn die Knospen regelmäßig kreuzweiſe gegenſtändig geſtellt ſind, und
daher dieſe Bäume eine vollkommen regelmäßige Anordnung ihrer Aeſte
und Zweige bemerken laſſen müßten. Wir wiſſen aber, daß dies nicht
[218] der Fall iſt, ebenſo wodurch dies Aufgeben der Regelmäßigkeit bedingt iſt,
nämlich dadurch, daß eine Menge Knospen nicht zur Entfaltung kommen
und durch die dabei entſtehenden Lücken der regelmäßige Kronenbau ver-
loren gehen muß. Immerhin aber bleibt bei den genannten und noch
einigen andern Bäumen dieſe Regelmäßigkeit des Baumes bis zu einem
gewiſſen Alter erkennbar. Dies iſt namentlich der Fall, wenn die Er-
nährungs-Verhältniſſe des jungen Baumes beſonders günſtig ſind, ſo daß
nahezu alle Knospen zur Entfaltung gelangen können.


Wir unterſcheiden am Laubholzbaume ebenſogut, wie am Nadelholz-
baume, Stamm und Krone, ja ſogar mit noch größerer Beſtimmtheit,
weil zwiſchen ihnen bei jenen eine ſchärfere Scheidung beſteht.


Der Stamm, wenn er beſonders regelmäßig und lang ausgebildet
iſt vom Forſtmann Schaft genannt, iſt hinſichtlich der Vollkommenheit
ſeiner Ausprägung an einer und derſelben Baumart von verſchiedenen
Bedingungen abhängig. Wir haben ſchon erfahren, daß es hierbei ſehr
darauf ankommt, ob der Baum frei oder im dichten Schluſſe erwachſen
iſt, indem letzteres ſehr viel dazu beiträgt, daß ſich der Stamm ſehr voll-
ſtändig entwickelt. Es iſt daher nicht möglich anzugeben, wie lang bei
einer Baumart an ausgewachſenen Exemplaren der Stamm durchſchnittlich
zu ſein pflegt, wobei es außerdem noch fraglich iſt, die obere Grenze des
Stammes anzugeben, ob man dieſe da ſetzen ſoll, wo der erſte ſtarke Aſt
von ihm abgeht, oder da, wo er erſt beginnt, mit vollſtändiger Aufgebung
der ſenkrechten Richtung, ſich vollſtändig in Aeſte aufzulöſen. Nichts-
deſtoweniger kann man bei den verſchiedenen Laubholzbäumen in der
Stammgeſtaltung mancherlei Geſetze nachweiſen. Unter allen unſern Laub-
holzbäumen führt die Erle ihren Stamm am regelmäßigſten bis zur Spitze
durch, während das Gegentheil davon der Hornbaum iſt, deſſen kurzer
Stamm ſich vollſtändig in ziemlich gleich ſtarke zahlreiche Aeſte auflöſt,
wodurch der Baum ein beſenartiges Anſehen bekommt.


Einen erheblichen Einfluß auf das Anſehen der Bäume übt das
Dickenverhältniß zwiſchen Stamm und Aeſten aus und ein Blick auf eine
alte Eiche überzeugt uns, daß ſie uns deswegen ein Bild der gewaltigen
Kraft iſt, weil ihre Aeſte im Vergleich zum Stamm eine ſehr bedeutende
Stärke zeigen, während hierin der Hornbaum ihr gerades Gegentheil iſt.


[219]

Was die Geſtalt des Laubholzſtammes und deſſen allmäliges Abfallen
nach oben hin betrifft, ſo kann man in dieſer Hinſicht zweierlei Grund-
formen unterſcheiden. Die eine kommt mehr der Walzen- oder richtiger
Säulenform, die andere dem langen ſchmächtigen Kegel nahe. Die erſtere
iſt ganz vorzüglich der Buche eigen, die andere in auffallendſtem Grade
der Birke.


Wenn ein Baum unter ganz normalen Verhältniſſen erwachſen iſt,
ſo ſollte eigentlich ſein Stamm einen kreisrunden, ſcheibenförmigen Quer-
durchſchnitt zeigen. Dies iſt aber bekanntlich nur ſelten der Fall, indem
verſchiedene Veranlaſſungen dieſe Regel ſtörten.


Die Geſtalt des Querdurchſchnittes eines Stammes hängt theils von
der Wurzel, theils von der Krone ab, indem einem beſonders ſtarken
Wurzelaſte und einem beſonders vorwaltenden Kronenaſte am Stamme
gewöhnlich eine an ihm längs herablaufende Ausbauchung oder Kante
entſpricht. Es iſt mit dieſer Berückſichtigung daher ſelbſtverſtändlich, daß
der Querdurchſchnitt der Stämme dann der Scheibengeſtalt am nächſten
kommen muß, wenn der Baum im vollkommen gleichmäßigen Schluſſe
erwachſen iſt. Die Benachbarung eines Baumes mit einem andern dicht
neben ihm ſtehenden, oder mit einer ſenkrechten Felſenwand, üben
natürlich ebenfalls einen ſtörenden Einfluß in dieſer Beziehung aus.


Ebenſo wie der kreisrunde Durchſchnitt eines Stammes ſich eigentlich
von ſelbſt verſtehen ſollte, ſo iſt dies auch der Fall hinſichtlich der äußern
Erſcheinungen in ſeinem Verlaufe, d. h. es ſollten, wenn der Stamm voll-
ſtändig rund iſt, alle an ihm ſichtbaren Längslinien einen ſenkrechten
Verlauf zeigen. Dies iſt aber nur äußerſt ſelten der Fall und was man
in dieſer Beziehung lange Zeit bei gewiſſen Baumarten als eine ihnen
eigene Ausnahme von der Regel angeſehen hatte, iſt in neuerer Zeit
namentlich durch Alexander Braun, als die Regel erkannt worden. Faſt
alle Bäume zeigen nämlich eine mehr oder weniger ſtark ausgeprägte Spiral-
windung ihres Stammes, die ſich nicht blos äußerlich, ſondern auch im
innern Gefüge ausſpricht, ſo daß es daher nur ſelten möglich iſt, einen
Stamm der Länge nach ſo durchzuſpalten, daß die Spaltflächen vollkommen
eben ſind. Vielmehr zeigt oft ſchon auf 3—4 Fuß Länge der Stamm
in ſeinem Gefüge eine halbe Umdrehung.


[220]

Am ſtärkſten gedreht zeigt ſich, namentlich auch an der Oberfläche,
der Stamm des Hornbaumes, am wenigſten der der Buche. Dieſe
Drehung iſt bei dem Hornbaum zuweilen ſo bedeutend, daß ein Stamm
einem rieſenmäßigen wenig gedrehten Tau ähnlich wird, wobei die Um-
gänge ſich durch abwechſelnde Erhöhungen und flache Rinnen zu erkennen
geben. Der Forſtmann nennt dieſe Erſcheinung am Hornbaum an manchen
Orten ſpannrückig an andern kluftig.


Mögen wir nun einen Baumſtamm mehr mit einer Walze oder
einem Kegel vergleichen, ſo denken wir dabei unwillkürlich an eine im
mathematiſchen Mittelpunkt liegende Axe. Wir wiſſen bereits, daß das
Mark dieſe Axe bildet, wir wiſſen aber auch ſchon, das dieſe Axe faſt
nur dann im mathematiſchen Mittelpunkt liegt, wenn der Baum im
gleichmäßig dichten Schluß erwachſen iſt. Da aber kein einziger Laub-
holzbaum einen ſo dichten Schluß verträgt, wie Fichte und Tanne, ſo
kommen auch äußerſt ſelten Laubholzbäume mit vollkommen centraler
Markaxe vor, während jede Brunnenröhre uns ein Beiſpiel davon giebt,
daß dies bei den Nadelhölzern ſehr häufig der Fall iſt.


Wir haben ſchon früher einmal erfahren, daß der Forſtmann ſagt:
der Baum reinigt ſich, wenn er ausdrücken will, daß derſelbe die
unteren Aeſte allmälig abſterben läßt, ſo daß ſie abbrechen. Dieſes ſich
Reinigen iſt die Bedingung, durch welche der Stamm ſich der Krone geſtaltlich
entgegen ſtellt. Die Gründe, warum die eine Baumart ihren Stamm
früher reinigt, eine zweite ihn weiter hinauf reinigt, als eine andere,
beruhen zwar größtentheils in dem Grade des Schluſſes; allein eine
Baumart, die von Natur zu einer regelmäßigen Schaftbildung geneigt iſt,
reinigt ihren Stamm auch dann, wenn ſie vollkommen frei ſteht. Wir
müſſen alſo vermuthen, was wir freilich dem bedingenden Weſen nach
wenig zu erklären vermögen, daß dieſe Erſcheinung auf einem Lebens-
geſetz beruht, daß in demſelben Maßſtab, als oben neue Aeſte nachwachſen,
die untern abſterben und allmälig abgeworfen werden.


Wenn wir einen vielleicht 30 Fuß hohen aſtfreien Buchenſchaft vor
uns ſtehen ſehen, ſo dürfen wir nicht vergeſſen, daß in dieſer ganzen Er-
ſtreckung in früheren Lebensperioden des Baumes eine große Anzahl
Aeſte geſtanden haben, von denen wir gleichwohl jetzt äußerlich keine
Spur, nicht einmal Rindennarben mehr wahrnehmen.


[221]

Es verſteht ſich von ſelbſt, daß ein Stamm um ſo mehr einer der
beiden genannten mathematiſchen Grundformen gleicht, je vollſtändiger er
das Reinigungsgeſchäft an ſich vollzogen hat. Indem dieſes im hohen
Grade bei der Buche ſtattfindet, ſo gewinnt dadurch ein alter, im guten
Schluß ſtehender Buchenhochwald den impoſanten ſäulenhallenartigen
Charakter, was einen durchaus andern Eindruck auf unſere Phantaſie
macht, als ein in allen übrigen Beziehungen gleicher Eichenwald, in
welchem die Stämme, abgeſehen davon, daß ſie nicht ſo ſchlankſchaftig
ſind, faſt immer ſtehen gebliebene Aſtſtummel zeigen.


Indem wir zur Betrachtung der Krone übergehen, ſo zeigen in dieſer
Hinſicht unſere deutſchen Laubholzarten keine große Manchfaltigkeit, ob-
gleich darin doch nicht eine ſo vollſtändige Uebereinſtimmung herrſcht, daß
dadurch ein Laubwald langweilig würde.


Es gewährt für das fein blickende, künſtleriſch gebildete Auge eine
angenehme Unterhaltung und würzt die Spaziergänge im Walde, wenn
man ſich bei der Betrachtung der Baumkronen der feinen Unterſchiede
bewußt zu werden verſteht, welche durch die Art der Gliederung derſelben
bedingt ſind. Wir haben zunächſt die Geſammtformen der Kronen in’s
Auge zu faſſen. Wenn auch in dieſer Hinſicht bei manchen Baumarten
ein ſtark ausgeſprochener Charakter bemerkbar iſt, ſo übt dennoch die
Benachbarung und Stellung des Baumes hierauf einen nicht unweſent-
lichen Einfluß aus. Ob eine Buche z. B. im Schluſſe oder frei ſteht,
ob ſie am Rande oder in der Mitte eines Beſtandes, ob dicht neben ihr,
kaum einen Fuß weit getrennt eine andere Buche ſteht, ob ſie nach der
Eigenthümlichkeit des Bodens eine ſtarke Bewurzelung hat oder nicht,
alles dies übt einen bedeutenden Einfluß auf die Geſtaltung der Krone
aus. Dieſer Einfluß kann ſo mächtig ſein, daß zwei Bäume derſelben
Art einander in der Kronengeſtaltung nicht im Mindeſten gleichen. Dies
zeigt ſich in auffallender Weiſe, wenn ein geſchloſſener Hochwaldbeſtand
abgetrieben wird und man nur einzelne Bäume ſtehen läßt (überhält)
um durch ſie die Beſamung der abgetriebenen Fläche bewirken zu
laſſen. Solche „Samenbäume“ ſehen meiſt ganz anders aus, als frei
erwachſene.


Hiernächſt müſſen wir uns auch daran erinnern, daß die Kronen je
nach dem Alter des Baumes weſentliche Verſchiedenheiten erkennen laſſen.
[222] Eine alte haubare Buche, mag ſie frei oder im Schluſſe erwachſen ſein,
hat eine gerundete Abwölbung der Krone, während ein jüngerer etwa
4 Fuß hoher Baum, frei oder im Schluſſe erwachſen, eine mit zahl-
reichen hervorſtechenden Zweigſpitzen verſehene Krone ohne Spur von
Abwölbung zeigt.


Bei der folgenden Betrachtung der verſchiedenen Gattungseigen-
thümlichkeiten der Laubholzkronen müſſen wir uns alſo an ſolche Einflüſſe
erinnern, wenn wir nicht in den Fall kommen wollen, bei der Anwendung
derſelben die Schilderung entweder falſch zu finden oder uns irre führen
zu laſſen.


Wir haben zunächſt unter den Formen der Krone zu unterſcheiden,
ob dieſelben einen abgeſchloſſenen, mehr oder weniger regelmäßigen Umfang,
oder mehr eine unterbrochene Gliederung deſſelben zeigen. Im erſteren
Falle kann man hauptſächlich drei Formen unterſcheiden: die mehr oder
weniger vollkommen gerundete, die kuppelförmige und die längliche, durch
ſpitze Wipfelendigung nicht ſelten kegelförmig werdende. Namentlich in
dieſen drei Beziehungen iſt es von Einfluß, ob ein Baum frei oder im
Schluſſe erwachſen iſt, indem die frei erwachſenden Bäume zuletzt geneigt
ſind, eine abgeſchloſſene Kronenform anzunehmen, weil nichts ſie hindert
nach allen Seiten hin ihre Zweige gleichmäßig auszubreiten. Daher
kommt es, daß in den meiſten Fällen frei erwachſene Bäume keine
maleriſch ſchöne Form haben. Die kuppelförmige Kronengeſtalt iſt vor-
züglich der Eſche eigen, die wir auch in anderer Beziehung als einen
ſchönen maleriſchen Baum kennen lernen werden. Die Erle, welche, wie
wir ſchon wiſſen, ihren Stamm ſehr gerade durch die ganze Krone hin-
durchführt und dabei eine ziemlich gleiche Länge aller ihrer Aeſte zeigt,
hat am meiſten eine längliche, der Walzenform nahe kommende, oben ab-
geſtumpfte Krone, während in weitläufigem Schluſſe ſtehende Hornbäume
meiſt eine kegelförmige Krone bekommen.


Maleriſch ſind unter allen Verhältniſſen diejenigen Bäume, bei denen
die Krone einen mehr unterbrochenen Umriß zeigt, welcher zuweilen an
die Umriſſe der Haufwolken erinnert. Solche Geſtalten zeigen namentlich
die Eichen, Ahorne, Linden und Ulmen und die ſehr oft unverſtändlichen
Baumgeſtalten unſerer Landſchaftsbilder laſſen ſich gewöhnlich am leichteſten
noch auf eine von dieſen Baumarten zurückführen.


[223]

Da die Krone ein aus zahlreichen Aeſten und Zweigen zuſammen-
geſetzter Körper iſt, ſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß ihre Geſtalt ab-
hängig iſt von den Beziehungen, die ſich an dieſen ihren Gliedern finden
und wenn wir bei der Betrachtung dieſer Beziehungen von den Aeſten
zu den immer feiner werdenden Verzweigungen übergehen, ſo iſt zunächſt
Rückſicht zu nehmen auf die Richtung der Aeſte. Dieſe iſt in der Haupt-
ſache entweder mehr aufrecht, oder mehr wagerecht, oder ſelbſt hängend.
Unter allen unſern Waldbäumen hat der Hornbaum die am meiſten auf-
wärts gerichteten Aeſte, wodurch eben, wie wir ſchon vorhin ſahen,
namentlich die im lichten Schluſſe ſtehenden Hornbäume, die beſenähnliche
Geſtalt bekommen. Auch die Ulme iſt zu dieſer Richtung ihrer Aeſte
geneigt und es liegt hierin hauptſächlich ein Kennzeichen, wodurch von
Weitem die Ulmen von den Eichen unterſchieden werden können, zwiſchen
welchen zuweilen große Aehnlichkeiten ſtattfinden. Die Eiche iſt am
meiſten geneigt, ihre kräftigen Aeſte, namentlich die untern, wagerecht
nach allen Seiten auszudehnen, wodurch es bedingt iſt, daß die Eichen
unter allen Bäumen die größte Bodenfläche beſchirmen. Bei der Eſche
ſehen wir in dieſer Beziehung ganz vorzüglich den Einfluß, den das
Baumalter auf die geſtaltlichen Merkmale der Krone ausübt. Während
nähmlich jüngere Eſchen aufwärts ſtrebende Aeſte zeigen, ſo verwandelt
ſich dieſe Richtung an ſehr alten Bäumen durch die vorwaltende Ver-
längerung der Haupttriebe in eine waagerechte und zuletzt ſogar hängende.
Dieſe letztere Erſcheinung kommt bekanntlich bei keinem Baume ausge-
ſprochener vor, als bei der Birke, deren Krone man daher, wenn es
nicht unſchön klingen würde, geradehin perückenförmig nennen könnte.


In dieſer Richtung der Zweige liegt ein ganz beſonders brauchbares
Kennzeichen bei den Linden, welche bekanntlich ein ſehr hohes Alter und
eine ſehr bedeutende Größe erreichen und dadurch von Weitem gar leicht
mit der Eiche und mit ſehr großen Rüſtern verwechſelt werden können.
Immer aber ſind ihre Aeſte bogenförmig aus- und abwärts gebogen,
ohne jedoch dadurch jemals eine eigentlich hängende Richtung anzunehmen.
Gerade durch dieſe Eigenthümlichkeit gewinnt eine alte einſam ſtehende
Kirchhofslinde den ſo eigenthümlichen ſchönen Charakter, wodurch ſich die
Linden vor allen übrigen Bäumen auszeichnen.


[224]

Gehen wir in der feinern Zuſammenſetzung der Laubkronen um
einen Schritt weiter, ſo müſſen wir nun unterſuchen, wie an den Zweigen
die Triebe angeordnet ſind und kommen ſo allmälig in das Gebiet der
Ornamentik.


Wir haben uns hier daran zu erinnern, daß wir in der Hauptſache
die kreuzweis gegenſtändige, die ſpirale und allenfalls noch die zweizeilige
Triebſtellung zu unterſcheiden haben und in dieſen Stellungsverſchieden-
heiten müßte demnach ein weſentlicher Grund dazu liegen, welchen
Charakter eine Baumkrone in ihrer feinen Gliederung haben müßte.
Allein dies iſt weniger häufig der Fall, als man glauben ſollte und zwar
aus dem Grunde, den wir oben wiederholt berührten, daß eine Menge
Triebe nicht zur Entfaltung kommen, weil die Knospen, von denen die-
ſelben auszugehen gehabt hätten, abſtarben.


Wir können in der Hauptſache dreierlei Arten der Triebſtellung am
Zweige unterſcheiden, die büſchelige, die fächerförmige und die ſpitz kegel-
förmige, oder vielmehr durch die verſchiedene Anordnung der Triebe be-
kommt ein einzelner Zweig entweder eine büſchelige, eine fächerförmige
oder eine ſpitz kegelförmige Geſtalt und es iſt dann aus ſolchen Geſtalten
die Krone zuſammengeſetzt. Wir haben früher (S. 74) die Triebe als
Langtriebe und als Kurztriebe unterſchieden, woran wir uns jetzt wieder
erinnern müſſen, weil es einen großen Einfluß auf die feinere Gliederung
einer Laubholzkrone ausübt, ob ein Baum mehr Langtriebe oder mehr
Kurztriebe bildet. Die vorhin hervorgehobene Verſchiedenheit der Kronen-
bildung je nach dem Alter des Baumes beruht großentheils darauf, daß
junge, auf gutem Boden und in kräftigem Wuchs ſtehende Bäume mehr
Langtriebe, als Kurztriebe machen, während an ſehr alten Bäumen faſt
gar keine Langtriebe mehr vorkommen, ſondern die Krone an ihrem ganzen
Umfange nur ſehr ſpärlich ſich vergrößert durch Hinzuwachs von zahlloſen
außerordentlich geringfügigen Kurztrieben. Die Buche und die Ulme
macht namentlich bis in ein ziemlich hohes Alter ſehr viele Langtriebe,
wodurch es bedingt wird, daß die Krone dieſer Bäume eine mehr oder
weniger große Zahl heraustretender Spitzen zeigen. Am grellſten zeigt
ſich der Einfluß des Gegenſatzes zwiſchen Kurztrieben und Langtrieben bei
der Birke, wozu noch kommt, daß die Zweige und ſelbſt die Aeſte der-
ſelben außerordentlich viel geringer in der Dicke als in der Länge
[225] zunehmen, ſo daß die immer länger werdenden Zweige ſich nicht mehr
aufrecht erhalten können und eben die lange peitſchenförmige Geſtalt und
herabhängende Richtung annehmen.


Indem wir nun zur Ornamentik der Laubholzbäume übergehen,
d. h. zu denjenigen Charakteren der Krone, welche von den Blättern,
Blüthen und Früchten abhängig ſind, ſo iſt um zuerſt von den Blättern
zu ſprechen zunächſt deren Anordnung und Stellung an den Trieben in’s
Auge zu faſſen. Wenn wir den Holzſchnitt auf S. 63 betrachten und
z. B. den Eichentrieb Fig. 2. und den Trieb der Traubenkirſche Fig. 6.
vergleichen, ſo errathen wir leicht, daß die Blätter an dieſen beiden
Bäumen eine ganz verſchiedene Stellung und Anordnung haben, was auf
die Belaubungsverhältniſſe einen ſehr bedeutenden Einfluß ausüben muß.
Bei der Eiche ſtehen die Blätter immer an den Spitzen der Triebe in
Mehrzahl gehäuft dicht beiſammen, ſo daß die Belaubung der Eiche zuletzt
aus lauter einzelnen Blätterſträußchen zuſammengeſetzt iſt, wodurch die
Sitte weſentlich bedingt iſt, den Hut mit einem Eichenbruch zu ſchmücken,
was z. B. die Rüſter oder die Buche nicht leiſten könnten, weil bei
ihnen die Blätter durchaus nicht ſo maleriſch gruppirt ſind wie bei
der Eiche.


Vollkommen gleich thun es hierin der Eiche die Eſchen- und die
Ahornarten, freilich nur, wenn ſie bereits alte Bäume geworden ſind.
Junge Ahorne und Eſchen haben vorwaltend Langtriebe, an welchen die
kreuzweis gegenſtändigen Blätterpaare ſehr weit auseinander geſtellt ſind,
während wir von Fig. III. 4. S. 60 wiſſen, daß alte Eſchen faſt nur
aus Kurztrieben beſtehen, an welchen der gedrängte Blätterbüſchel ſteht,
was genau ebenſo bei den Ahorn-Arten der Fall iſt.


Nicht blos bei den zuletzt genannten Bäumen, ſondern auch bei
andern, wo ſich eine ganz andere Blattſtellung findet, ſehen wir den
großen Einfluß dieſer auf das Anſehen der Kronen. Eben weil bei den
Eichen, Ahorn und Eſchen die Blätter alter Bäume immer nur an den
Spitzen der Kurztriebe büſchelförmig beiſammen ſtehen und zwar in jedem
einzelnen Büſchel nach allen Richtungen, ſo erhalten dadurch deren Kronen
die fein büſchelige Zuſammenſetzung. Bei der Buche, Linde, Rüſter, dem
Hornbaume und noch einigen andern ſtehen die Blätter am Triebe mehr
oder weniger entſchieden nur noch zwei gegenüberliegenden Seiten ge-
Roßmäßler, der Wald. 15
[226] richtet und da wir wiſſen, daß wie die Blätter ſtehen ſo auch die Triebe
geſtellt ſind, ſo muß davon die nothwendige Folge eine flache, fächer-
förmige Geſtaltung der Zweige dieſer Bäume ſein.


Wer je einmal die Aufgabe zu löſen gehabt hat, aus friſchen Baum-
zweigen eine Decoration zuſammen zu ſtellen, der wird ſich erinnern, wie
leicht dies mit Eichenzweigen bewerkſtelligt werden kann, weil eben jeder
Eichenzweig gewiſſermaaßen ein kleines Bäumchen für ſich und alſo nach
allen Seiten hin gleich beſchaffen iſt. Brechen wir aber von einem der
andern eben genannten Bäume einen Zweig ab, ſo zeigt derſelbe eine
flache, zuſammengedrückte fächerförmige Geſtalt, bedingt durch die uns be-
kannte Stellung der Knospen, Blätter und Triebe. Dieſe Beiſpiele
mögen hinreichen uns davon zu überzeugen, daß in der Hauptſache die
Blattſtellung es iſt, worauf die Verſchiedenheiten der Ornamentik der
Bäume beruhen. Ein aufmerkſamer Blick auf eine noch ſo eichenähnliche
Linde läßt uns dieſelbe doch ſofort erkennen, weil ihre Krone aus lauter
flachen Partien zuſammengeſetzt iſt, während die Eiche eine feine, faſt
moosähnliche, büſchelige Zuſammenſetzung zeigt.


Nächſt der Stellung und Anordnung der Blätter übt auf die Orna-
mentik der Laubhölzer die Geſtalt und einigermaaßen auch die Farbe
der Blätter
einen Einfluß aus. Unſere meiſten Laubhölzer zeigen an
ihren Blättern mehr oder weniger eiförmige oder gerundete Formen,
deren Verſchiedenheiten ſich im großen Ganzen wenig geltend machen.
Dies gilt namentlich von der Buche, vom Hornbaume, von der Linde,
von der Erle, von der Traubenkirſche und noch von einigen anderen.
Eine geringe aber doch ſchon bemerkenswerthe Verſchiedenheit von dieſer
einfachen Grundform und daher auch ſchon einen Einfluß auf den Aus-
druck der Belaubung ausübend zeigt das Eichenblatt, deſſen im allge-
meinen ebenfalls eirunde Geſtalt durch die tiefe Einbuchtung des Randes
dennoch nicht unerheblich modificirt iſt. Dieſe eigenthümliche Geſtalt der
Eichenblätter bringt es mit ſich, daß wir ſchon in geringer Höhe am
Baume die einzelnen Blätter von einander nicht mehr gut unterſcheiden
können, was dazu beitragen hilft, daß die Eichenbelaubung eben das zier-
liche, moosartige Anſehen hat.


Noch etwas weiter in der Charakterausprägung der Blätter gehen
die Ahornarten, welche bekanntlich tief gelappt ſind und auf langen Stielen
[227] ſtehen. Dadurch wird zwar die Belaubung dieſer Bäume der Eiche
einigermaaßen ähnlich, ſie erſcheint aber ſozuſagen gröber und maſſiger
und nur der Feldahorn mit dem kleinſten Blatte ſteht hierin der Eiche
ſehr nahe, iſt aber von ihr doch dadurch verſchieden, daß er eine
dichtere Belaubung hat, wodurch er alle unſere übrigen Laubholzbäume
durch eine außerordentlich volle, zierlich moosartige Belaubung übertrifft.


Man hört und lieſt oft von dem eigenthümlich fremdartigen Baum-
charakter tropiſcher Länder. Wir wiſſen, daß derſelbe einigermaaßen ſchon
dadurch bedingt iſt, daß dort weniger als bei uns die untern Triebknospen
unentwickelt bleiben und dadurch eine größere Fülle und Regelmäßigkeit
der Belaubung bedingt wird. Allein mehr noch iſt jener abweichende
Charakter darin begründet, daß in den Tropenländern außerordentlich
viel Bäume mit gefiederten Blättern vorkommen, an denen die einzelnen
Fiedern oft eine bedeutendere Größe erreichen, als die größten ganzen
Blätter unſerer Bäume.


Unſere Waldflora hat — indem wir einige ſeltener vorkommende
unberückſichtigt laſſen — nur zwei Bäume mit gefiederten Blättern, die
Eſche und die wahrſcheinlich dieſer Uebereinſtimmung wegen ſogenannte
Ebereſche (Sorbus aucuparia). Dieſe Fiederung der Blätter giebt dieſen
Bäumen und durch ſie unſerer ganzen Baumwelt gewiſſermaaßen einen
eigenthümlichen fremdländiſchen Zug und ich habe mehrmals erlebt, daß,
wenn es Jemand zum erſtenmal einfiel, unſern Bäumen Aufmerkſamkeit
zu ſchenken, er mit einer gewiſſen Verwunderung eine Eſche anſah und
wohl gar geneigt war, ſie ihrer Blattbildung wegen für einen fremden
Baum zu halten.


Die Belaubung der Ebereſche und einer ihr naheſtehenden Gattungs-
verwandten weicht von der der Eſche nur durch kleinere Fiedern und
daraus folgende größere Dichtigkeit und Zierlichkeit ab.


Einen beſonderen Laubcharakter zeigen unſere drei wichtigſten Pappel-
arten und zwar theils durch ihre langen Blattſtiele und daraus folgende
große Beweglichkeit der Blätter, theils, was die Silberpappel betrifft,
wegen der auffallenden Farbenverſchiedenheit der obern und untern Blatt-
ſeite. Durch letzteres Merkmal ſteht die Silberpappel mit dem Mehl-
beerbaum, Sorbus Aria, einzig unter unſern deutſchen Bäumen da.


15*
[228]

Was überhaupt die Farbe des Laubwerks betrifft, die wir doch auch
zur Ornamentik des Baumes ziehen müſſen, ſo finden ſich darin nicht
unerhebliche Verſchiedenheiten und iſt dabei außerdem noch darauf zu
achten, daß die Färbung der Blätter nach dem Alter derſelben ſich ſehr
häufig einem Wechſel unterworfen zeigt. Manche Bäume haben, wie
z. B. die Eiche, die Espe und der Spitzahorn einige Zeit nach dem
Ausbrechen eine andre Farbe als ſpäter, ja nur wenige haben, wie z. B.
die Traubenkirſche, ſogleich ihr volles Saftgrün. Bedeutender iſt der
Farbenwechſel im Herbſt, wodurch der Wald einige Zeit lang einen ganz
neuen Schmuck trägt, der geeignet iſt in uns wehmüthige Empfindungen
zu erwecken. Wir haben jedoch hierüber ſchon früher (S. 185) Einiges
berührt, und werden ſpäter bei der Betrachtung der einzelnen Baum-
arten zuweilen darauf zurückkommen.


Wir gehen zu dem Einfluß der Blüthen und Früchte auf die
Ornamentik
der Laubhölzer über und haben, die Blüthen zunächſt ins
Auge faſſend, dabei zu unterſcheiden zwiſchen denjenigen Bäumen, welche
vor dem Laube blühen und jenen, bei welchen Blätter und Blüthen
zugleich, oder die Blüthen ſelbſt viel ſpäter als die Blätter erſcheinen.


Faſt ausnahmslos tragen bei denjenigen Bäumen, welche vor den
Blättern blühen, die Blüthen nicht viel dazu bei, den Baumkronen ein
eigenthümliches Gepräge zu geben, indem dieſe Blüthen ſehr unvoll-
kommen ſind, am allerwenigſten in das Auge fallende Blumenkronen haben.
In beſonders reichen Samenjahren jedoch, die wir bereits mit dieſem
Namen bezeichnen gelernt haben, ſind ſelbſt dieſe unvollſtändigen, dazu
meiſt ſehr kleinen Blüthen doch geeignet, den wieder erwachten Bäumen
einen Charakter zu geben. Wer kennt nicht, um mit einem unſrer
größten Sträucher zu beginnen, die hängenden, ſchwefelgelben männlichen
Kätzchen der Haſel, welche faſt zuerſt im Frühjahr das wieder erwachte
Baumleben ankündigen und um deswillen von Jedermann mit Freude
begrüßt werden. Daſſelbe läßt ſich von den Weiden ganz beſonders
rühmen, welche, wie die Sahlweide, ihre anfangs ſilberglänzend behaarten
Blüthenkätzchen lange vor den Blättern hervortreten laſſen. Solche vor
den Blättern erblühenden Bäume ſind ferner: die Rüſtern, Erlen, Eſchen,
Pappeln, die Kornelkirſche, der Zürgelbaum und der Schwarzdorn, welche
letzteren von allen genannten allein anſehnliche, vollſtändige Blüthen haben.
[229] Mancher von dieſen Bäumen wird vielen meiner Leſer hinſichtlich ihrer
Blüthe noch ganz unbekannt ſein und es gehört ein unterrichtetes Auge
dazu, um dieſelben zu bemerken, was namentlich von den Erlen und
Rüſtern gilt, bei denen die unſcheinbaren Blüthen noch obendrein ſich
faſt nur in den obern Partien der Krone finden. Sie und noch mehr
die Pappelarten gewinnen in ſehr reichen Samenjahren durch die Blüthen
eine merkliche Fülle ihrer noch winterlich laubloſen Kronen.


Wenn wir vorderhand von andern Sträuchern abſehen, ſo bleiben
uns als mit und nach dem Laube blühende Bäume allein noch folgende
Arten übrig: Ahorne, Birken, Eichen, Hornbaum, Buche, Ebereſche,
Apfel- und Birnbaum, einige Weiden und die Linden. Nicht bei allen
dieſen Bäumen ſind die Blüthen gleich ſehr im Stande, der Krone einen
ſehr bemerkenswerthen Charakter aufzuprägen und zwar aus demſelben
Grunde, wie bei den vor dem Laub blühenden Bäumen, indem nehmlich
ihre Blüthen unſcheinbar ſind. Dadurch können ſogar die Blüthen den
einheitlich beſtimmten Ausdruck, den nicht blühende Waldbäume haben,
beeinträchtigen, indem z. B. reich blühende Buchen und Eichen weniger
ſchön ausſehen, als nicht blühende aber um ſo reicher belaubte. Der
Spitzahorn tritt gewiſſermaaßen vermittelnd zwiſchen dieſe beiden Blüthen-
zeitklaſſen der Bäume, indem bei ihm die anſehnlichen grüngelben Blüthen-
ſträußchen ganz gleichen Schritt mit den Blättern halten und faſt noch
ein wenig vor ihnen ſich erſchließen.


Da die genannten Bäume allgemein bekannt ſind, ſo iſt es hier
nicht nöthig, diejenigen von ihnen hervorzuheben, bei welchen die Blüthen
weſentlich zum Schmuck beitragen und wir haben nur noch einige Worte
über den gleichen Einfluß der Früchte hinzuzufügen. Obgleich bei den
meiſten Waldbäumen die Früchte zu unanſehnlich und zu klein ſind, um
ihrer Geſtalt nach ſehr in das Auge fallen zu können, ſo üben ſie dennoch
in reichen Samenjahren, namentlich bei einigen Baumarten, durch ihr
Gewicht einen ſehr bedeutenden Einfluß auf den Kronencharakter aus.
Dies iſt namentlich der Fall bei der Buche und beim Hornbaum, deren
Triebe und ſogar die ganzen Aeſte davon niedergezogen werden, was den
Bäumen ein ganz verändertes Ausſehen giebt. Die großen auf kurzen
Stielchen dicht gedrängt beiſammenſtehenden blattähnlichen Früchte der
[230] Feldrüſter tragen zuweilen vieles dazu bei, den ſich belaubenden Zweigen
ein eigenthümliches wie bemoostes Anſehen zu verleihen.


Da wir bereits bei der Beantwortung der Frage: Woraus beſteht
der Wald? uns daran erinnern mußten, daß der Waldboden einen weſent-
lichen Theil des Waldcharakters abgiebt, ſo haben wir jetzt gewiſſer-
maaßen von der Ornamentik des Baumes zu einer allgemeinen Orna-
mentik des Waldes überzugehen, zu welcher weſentlich die zahlreichen
Sträucher beitragen, welche zu den Füßen unſerer Waldbäume in größerer
oder geringerer Zahl und Manchfaltigkeit den Waldboden bedecken. Dieſe
Sträucher ſind namentlich zum Theil durch ihre Frucht- und Blüthen-
bildung geeignet, dem Wald einen großen Schmuck zu verleihen, alſo
zur Ornamentik des Waldes im eigentlichſten Sinne des Worts bei-
zutragen.


Diejenigen, welche dies am meiſten zu thun vermögen, ſind etwa
folgende: der Traubenhollunder, der Seidelbaſt, der Liguſter, das Geis-
blatt, der Schneeball, der rothe Hartriegel, die Miſpel, die wilden
Roſen, die Brombeeren, der Weiß- und der Schwarzdorn, die Berberitze,
die Spierſtauden, die Beſenpfrieme, die Ginſterarten, Heidel- und Preiſel-
beeren, die Haidenarten und die Waldrebe. Namentlich in den Wal-
dungen der Vorberge Süddeutſchlands und überhaupt ſehr abhängig von
klimatiſchen Verhältniſſen, finden ſich mehr oder wenigere von dieſen
Straucharten in den Waldungen oft in ſolcher Menge ein, daß der Be-
wohner des nördlichen Haidelandes durch die Farben- und Formenfülle
derſelben überraſcht wird.


Es hat genügt, diejenigen Sträucher zu nennen, welche allgemein
bekannt ſind, um daran zu erinnern, welchen Einfluß dieſelben auf die
Ausſchmückung des Waldes ausüben, was beſonders im Mittel- und
Niederwald und im Hochwald meiſt nur dann der Fall iſt, wenn derſelbe
auf Gebirgsboden ſteht, deſſen Schluchten und Abhänge Gelegenheit zur
Anſiedelung dieſer Sträucher geben. Wir gehen daher auf eine genauere
Schilderung dieſer Seite der Waldornamentik jetzt nicht ein, indem wir
uns eine weitere Beſprechung derſelben für eine Schilderung der Formen
des Waldes im Ganzen vorbehalten.


Aus dieſer Skizze der Architektur und Ornamentik der Bäume geht
hervor, daß dadurch für den aufmerkſamen Freund des Waldes eine un-
[231] aufhörliche, höchſt manchfaltige Gelegenheit gegeben iſt, ſeiner Liebe zum
Wald ununterbrochen Nahrung und Beſchäftigung zu geben.


Dieſe Andeutungen über die Verſchiedenheiten im Bau und der Be-
laubung der Bäume, welche eben nur Andeutungen ſein und zu ver-
gleichender Betrachtung auffordern wollten, finden nun ihre Nutzanwendung
im Großen an dem Walde als einem Ganzen.


Hierüber müſſen wir uns jetzt blos auf Weniges beſchränken, weil
wir ſpäter, nachdem wir die einzelnen Baumarten genau unterſcheiden
und kennen gelernt haben werden, Geſammterſcheinungs-Formen des
Waldes ins Auge zu faſſen haben.


Der Nadelwald und der Laubwald ſcheiden auf Grund der
Architektur ihrer Angehörigen unſern deutſchen Waldbegriff ſo ſcharf in
zwei Hälften, daß es tief in die Auffaſſung des Volks eingedrungen iſt,
wobei man vom Nadelwald den Kiefernwald noch beſonders als Haide
trennt und an die unterſte Stufe der Wald-Rangordnung ſtellt. Es iſt
neben dieſem geſtaltreichen Charakter beſonders der Umſtand, daß die Nadel-
hölzer weit mehr als die Laubhölzer ein ausſchließendes Gleich und Gleich
lieben und dabei im dichteſten Schluß beiſammen ſtehen, was den Nadel-
waldungen einen ſo durchaus eigenthümlichen Stempel aufprägt. Die
Nadelhölzer ſind in ihren Anſprüchen weit ſchmiegſamer als die Laubhölzer
und es giebt beinahe keine Oertlichkeit, wo man ſie nicht mit mehr oder
weniger Erfolg in die Geſellſchaft der letzteren bringen könnte, was um-
gekehrt weit weniger ausführbar iſt.


Es giebt in der geeigneten Höhenlage zahlloſe reine Fichten- und
Kiefernbeſtände, aber nur äußerſt ſelten giebt es Beſtände, welche von
einer oder der andern Laubholzart ganz allein gebildet werden. Die
dadurch hervorgehenden Erſcheinungsformen des Waldes ſind allerdings
großentheils abhängig von den Eingriffen des Waldbaues, welche, da die
künſtliche Walderziehung dazu bereits alt genug iſt, einen großen Einfluß
auf das Waldbild haben. Es iſt allerdings ſchwer zu ſagen, ob mehr
die reinen oder mehr die gemiſchten Beſtände aus der Hand der Natur
hervorgegangen ſind. Der Waldbau ſchafft eben ſo ſehr das eine wie
das andere, in Gebirgslagen mehr die reinen als die gemiſchten Beſtände.
Hier ſcheint jedoch auch die Natur mehr die Einheit als die Manchfaltig-
[232] keit zu lieben und je mehr wir uns der Ebene nähern, deſto bunter zeigt
ſich meiſt das Waldbild zuſammengeſetzt.


Da die immergrünen, den dichteſten Schluß vertragenden Nadelhölzer
ihren Boden weit vollſtändiger beherrſchen, und ſie dazu in der Regel
auf dem weniger fruchtbaren Boden ſtehen, ſo iſt hierdurch zweierlei be-
dingt: die Eintönigkeit des Nadelwaldes und die große Uebereinſtimmung
des Bildes durch alle Altersſtufen hindurch. Daß in letzterer Beziehung
die Kiefer ſich abweichend verhält, haben wir bereits vorläufig erfahren
(S. 213). Wir ſehen den Nadelwald von dem Zuſtande der Schonung
(S. 155) bis zu ſeiner Haubarkeit in einer innig zuſammenhängenden
Stufenfolge heranwachſen; während ein ſelbſt rein angebauter Laubholz-
beſtand lange Zeit — bis zu ſeinem ausgeſprochenen Stangenholzalter —
meiſt noch ſo wenig geſchloſſen und daher oft ſo ſehr von Waldkräutern
und Geſträuchern durchwuchert iſt, daß er von dem Unkundigen kaum in
Zuſammenhang zu bringen iſt mit ſeinem dereinſtigen Haubarkeitsalter.


Ich wende mich nun noch an diejenigen meiner Leſer und Leſerinnen,
welchen der Wald nicht blos ein Freund und Pflegling, ſondern auch ein
Gegenſtand der künſtleriſchen Darſtellung iſt, ſei es berufsmäßig, ſei es
nur aus Liebhaberei.


Wenn man ſich jetzt auf Kunſtausſtellungen umſieht, ſo muß es
ſofort auffallen, daß die Landſchaftsmalerei mit beſonderer Vorliebe ge-
pflegt wird, während andere Klaſſen von Bildern z. B. das „Stillleben“,
beinahe ganz verſchwunden ſind. Mit dieſer vorherrſchenden Uebung der
Landſchaftsmalerei iſt jedoch leider ein tiefer eingehendes Studium des
Baumes nicht überall, ja ſogar im Ganzen nur wenig gleichen Schritt
gegangen; man ſieht ſehr häufig Landſchaften, welche zwar einen ange-
nehmen, künſtleriſch befriedigenden Geſammteindruck machen, bei denen
man aber vergeblich bemüht iſt, zu enträthſeln, was das wohl für Bäume
ſein mögen, welche da gemalt ſind. Wir haben zwar ſchon auf Seite 50
und den folgenden dieſer Auffaſſung des Waldes einige Aufmerkſamkeit
geſchenkt, es dürfte aber nicht überflüſſig ſein, hier noch etwas ausführ-
licher darauf einzugehen und indem ich dies thue, finde ich einige Be-
rechtigung dazu in der Erfahrung, welche ich dadurch gemacht habe, daß
mir mehrere tüchtige Landſchaftsmaler zugeſtanden haben, es ſei ihnen
wie Schuppen von den Augen gefallen, nachdem ſie mit mir längere Zeit,
[233] ſelbſt einen Winter hindurch, die ſchönen Baumwaldungen Leipzigs durch-
wandert und dabei ein Verſtändniß der unterſcheidenden Baumcharaktere
gewonnen hatten.


Ich will nicht in Abrede ſtellen und muß dies hier ausdrücklich
hervorheben, um nicht die Kunſtkritiker gegen mich aufzubringen, daß es
nicht die Aufgabe des Landſchafters iſt, in den Landſchaften mit botaniſcher
Genauigkeit aufgefaßte Baumbilder zu malen, aber eben ſo wenig wird
man mir beſtreiten können, daß ſolche Baumarten, welche einen beſtimmten
architektoniſchen Charakter zu haben pflegen, mit Wiedergabe dieſes dar-
geſtellt werden müſſen; und man wird mir dies um ſo weniger beſtreiten
wollen, weil bei einigen Baumarten, Eiche, Kiefer, Birke, man dies
ohnehin jetzt ſchon thut.


Will man ſich eine derartige größere Baumkenntniß verſchaffen, ſo
thut man wohl, damit im Winter zu beginnen, weil man da die Archi-
tektur der Bäume, wegen der mangelnden Belaubung klar und deutlich
vor ſich ſieht. Ich habe mich mehrmals überzeugt, daß auf einem winter-
lichen Spaziergange geſchickte Landſchaftsmaler wohl Eichen und Birken,
von Nadelhölzern natürlich nicht zu reden, zu unterſcheiden vermochten,
allein die übrigen Laubhölzer waren ihnen meiſtentheils unverſtändliches
Sparrwerk, wenn es ſich dabei nicht um beſtimmte Bäume handelte, die
ſie von der Belaubungszeit her kannten. Die verſtändnißvoll aufgefaßten
Baumbilder unſeres Buches ſind das Ergebniß ſolcher Wanderungen,
wobei es allerdings zuweilen ſeine Schwierigkeiten hatte, ein paſſendes
Baumbeiſpiel ausfindig zu machen.


Bei dieſer Gelegenheit mag es nicht überflüſſig ſein, darauf auf-
merkſam zu machen, daß es wohl überlegt ſein will, einen Baum für
ſeine Darſtellung auszuheben, wenn es darauf ankommt, dadurch ein
charakteriſtiſches Bild ſeiner Art zu geben. Nicht nur, daß man ſich dabei
davor hüten muß, zu ſehr die Rückſicht des „Maleriſchen“ zu nehmen,
ſondern man muß auch wohl berückſichtigen, unter welchen Verhältniſſen
ein zu wählender Baum aufgewachſen iſt.


Die Waldbäume ſind meiſt geſellige Weſen und wie bei Menſchen
ſo macht ſich auch bei den Bäumen der Einfluß der Geſellſchaft geltend.


Man ſtößt zunächſt ſehr häufig auf die große Schwierigkeit, daß ein
treu darzuſtellender Baum zu wenig frei ſteht, um ſein Bild in ſeinem
[234] ganzen Umriſſe darſtellen zu können, namentlich wenn die umſtehenden
Bäume derſelben Art ſind; findet man dagegen einen ganz frei ſtehenden
Baum, ſo iſt man wieder in einer andern Gefahr, nämlich in der, daß
der Baum durch ſeine Erwachſung im vollkommen freien Stande einen
ungewöhnlichen Charakter angenommen hat und daher keineswegs als
Muſterbild ſeiner Art gelten kann.


Es war bei der Auswahl unſrer Bilder ſehr ſchwer, dieſen von
beiden Seiten drohenden Klippen auszuweichen. Es war unerläßlich
nothwendig, wenigſtens ziemlich frei ſtehende Bäume zu wählen und dabei
doch ſolche zu vermeiden, welche dieſe ihre freie Stellung zu ſehr benutzt
hatten zu einer ungewöhnlichen ſchrankenloſen Geſtaltung. Es iſt daher
bei der Beurtheilung unſrer Bilder hierauf Rückſicht zu nehmen. Wir
haben eben ſo oft uns mit Gewalt zu halten gehabt, einen höchſt
maleriſchen Baum nicht zu wählen, als neben zahllos in dichtem Schluſſe
erwachſenen einen ſolchen zu finden, der ſeinen ruhigen, ihm ſeiner Art
nach zukommenden, Entwicklungsdrang hinlänglich hatte geltend machen
können.


Diejenigen meiner Leſer und Leſerinnen, welche ſich in der ange-
deutenden Weiſe in den Waldgenuß vertiefen wollen, werden, wenn ſie
nicht bereits eine vollſtändige Baumkenntniß beſitzen, wahrſcheinlich immer
in der Lage ſein, einen kundigen Freund zu finden, der ihre Baumſtudien
leitet, und wie ich ausdrücklich wiederhole, im Winter, oder wenigſtens
vor dem Ausſchlag der Knospen beginnen.


Man thut wohl, wenn man dieſe Studien mit der genauen Unter-
ſcheidung der Knospen und was damit zuſammenhängt beginnt, wozu die
bereits vorſtehenden und die nachfolgenden Abbildungen hinreichende An-
leitung geben werden. Man lernt alsdann ſehr leicht die Knospen als
die Grundlage der Baumarchitektur kennen. Hat man anſtatt im erſten
Frühjahr bald nach dem Laubfall dieſe Knospenſtudien begonnen, wie ſehr
anzurathen iſt, ſo hat man bis zum nächſten Ausbrechen des Laubes
nicht blos hinlänglich Zeit zu dieſen Knospenſtudien, ſondern da die
durch größere Schönheit abziehenden Blätter und Blüthen nicht da ſind,
auch die Rothwendigkeit, auf jene immer und immer wieder zurückzu-
kommen und ſich dieſelben zuletzt vollſtändig zu eigen zu machen.


[235]

Es dauert alsdann nicht lange, daß man von den Knospen einen
Schritt weiter geht. Mit der Berückſichtigung ihrer Stellung muß man
nothwendig die Stellung der Triebe am Zweige, weiter gehend die der
Zweige an den Aeſten, der Aeſte am Stamme beachten und ſo wird man
ganz unwillkürlich von den feinern, geſucht ſein wollenden, immer mehr
und mehr zu den mehr in das Auge fallenden, ſich von ſelbſt darbietenden
Unterſcheidungscharakteren geleitet. Es iſt dabei ein unerwartetes Er-
gebniß, daß man zuletzt oft weniger Mühe hat, einen winterlichen Baum
ſicher zu unterſcheiden, als einen im Laubſchmuck vor uns ſtehenden.
Die verhüllende Laubornamentik verbirgt uns zuweilen, wegen ihrer
großen Aehnlichkeit bei verſchiedenen Baumarten, die mehr in das Auge
fallenden architektoniſchen Merkmale.


Ich kann nach den vorhin angedeuteten Erfolgen verſichern, daß
unſre Landſchaften ſicher gewinnen werden, wenn die Künſtler mit größerer
Aufmerkſamkeit auf die charakteriſtiſchen Merkmale der verſchiedenen
Baumarten mehr achten werden, als es bisher geſchehen. Dabei iſt
allerdings nicht zu leugnen, daß die zu löſende Aufgabe eine ſehr ſchwierige
iſt. Wir wiſſen, daß der Baum kein in ſich abgeſchloſſenes, jemals
fertig werdendes Individuum iſt, deſſen Geſtalt, um ſeine Art wieder zu
geben, wir einfach blos nachzubilden brauchten. Eine vor uns ſtehende
Eiche könnte recht füglich zwei oder drei ſtarke Aeſte mehr oder weniger
haben, als ſie eben hat, oder dieſe könnten anders gebogen und ge-
ſchwungen ſein, als ſie es ſind, ſie würde nicht weniger eine Eiche
bleiben. Es liegt alſo der Charakter der Eiche nicht in den angedeuteten
Verhältniſſen allein, er liegt eben in einem charakteriſtiſchen Enſemble,
welches mit fein auswählendem Blick erkannt ſein will.


Für angehende Landſchafter möchte es eine ſehr zu empfehlende
Uebung ſein, bei ihren Baumſtudien ſo zu verfahren, daß ſie zunächſt
ausgewählte und leicht wieder zu findende Bäume vor der Belaubung
treu abzeichnen und im hohen Sommer bei voller Belaubung dieſe
gewiſſermaaßen nachträglich hinzufügen. Die Studien des Hiſtorien-
malers werden ja eben ſo gemacht; eine bekleidete Figur wird erſt unbe-
kleidet ſkizzirt und erſt nachher die Gewandung hinzugefügt.


Wenn an der vorhin angezogenen Stelle beſonders hervorgehoben
wurde, daß man jetzt auf den Landſchaftsbildern nur zu häufig mehr
[236] einem ſchablonenmäßigen Baumſchlag, als erkennbaren Bäumen begegnet,
ſo genügt ein Blick auf ſehr viele Landſchaften, namentlich auch auf
Radirungen, um zuzugeben, daß dieſer Vorwurf nicht ungerechtfertigt
iſt. Die „Technik“ der Landſchafterei charakteriſirt nicht ſowohl ver-
ſchiedene Baumarten, als verſchiedene Künſtler, indem meiſtentheils die
Maler ihre ganz beſtimmte Baumſchlagtechnik haben, die ſie über alles,
was Baum und Buſch heißt, ausgießen und die Abwechslung ihrer
Baumbilder auf Größe und Umriß und, oft ungerechtfertigt genug, auf
die Färbung beſchränken.


Ich kann nicht vergeſſen wollen, daß auch hierin in neuerer Zeit
Anerkennenswerthes geleiſtet wird, daß man nicht blos Eichen, Kiefern
und Birken, ſondern daß man auch Buchen und Linden von einander
auf den radirten Blättern unterſcheiden könnte, aber ſicher ließe ſich in
dieſer Beziehung noch weit mehr leiſten, ohne dadurch der künſtleriſchen
Einheit des Bildes Eintrag zu thun.


Die Geſtalt und Stellung der Blätter iſt ganz entſchieden von
großem Einfluß auf die Technik des Baumſchlags. Man vergleiche,
um ſich davon zu überzeugen, unſer Eichenbild mit dem, welches den
Bergahorn darſtellt. Das große, tief gelappte, zackige Ahornblatt kann
unmöglich von dem Künſtler ebenſo behandelt werden, wie das kleinere
ganz anders geſtaltete Eichenblatt.


Von jedenfalls nicht unbedeutendem Einfluß auf das Verſtändniß
und die Verſtändigkeit der Landſchaften ſind die Dimenſionsverhältniſſe
der Technik, d. h. daß die Technik bei demjenigen von zwei gleichen
Bäumen, welcher im Vordergrund ſteht, viel größer ſein muß, als bei
dem, welcher im hintern Mittelgrund ſteht. Hiergegen ſieht man ſehr
häufig gefehlt, was nicht anders als die Perſpektive der Landſchaft be-
einträchtigen kann.


Dieſe wenigen Andeutungen, die nichts mehr als ſolche ſein wollen,
ſind vielleicht geeignet, den Landſchaftsmalern ein noch größeres und ein-
gehenderes Studium der Bäume zu empfehlen.


[[237]]

Zweites Buch.
Naturgeſchichte der Waldbäume.


[[238]][[239]]

8.
Die Nadelbäume.


Was iſt’s, das mich im ſtillen Nadelwalde

So ernſt und gleich zu ſeiner Stille ſtimmt,

So daß ich kaum die Welt im Sinn behalte,

Die Welt, die draußen mich gefangen nimmt?

Es iſt der ſtille Ruf aus frühen Zeiten,

Der aus den Tannen an das Herz mir dringt;

Das ferne Einſt kann ſich vom Jetzt nicht ſcheiden,

Das in dem Nadelwalde in einander klingt.

Ja, der beſondere Reiz, den der Nadelwald vor dem Laubwalde
voraus hat und der eine ganz beſondere Macht auf Gemüth und Phantaſie
ausübt, er gewinnt für den, der die Erdgeſchichte wenigſtens in ihren
Hauptzügen kennt, eine ahnungsvolle Färbung.


Der Nadelwald iſt wie ein uraltes Geſchlecht, das ſeine Ahnen in
ungetrennter Reihe bis in ferne Jahrhunderte zurückzählen kann, ein
fortlebender Ueberreſt der Pflanzenwelt grauer Vergangenheit. Wie die
verkohlten Papyrusrollen aus dem vulkaniſchen Schutte Pompeji’s uns ein
mühſelig zu leſendes Archiv ſind, ſo ſind es die Steinkohlenlager, welche
uns Kunde geben von den Geſtalten, welche Flora vor Millionen von
Jahren aus dem jungfräulichen Boden der Erde hervorſprießen ließ.


Die neuere Zeit hat gelernt, in dieſem Archive der Urzeit zu leſen,
wir finden in ihm Schilderungen vom Walde wie er einſt war, während
wir hier es verſuchen, ihn zu ſchildern wie er jetzt iſt. Wir begegnen in
ſeiner Schilderung vertrauten und fremdartigen Formen, wenn wir dieſe
Worte mit der Gegenwart unſerer Pflanzenwelt zuſammenhalten.


Wo wir jetzt aus großer Tiefe die Steinkohle heraufholen, die
Grundſäule unſeres mächtigen Gewerbfleißes, da ſtanden einſt ſchattige
Wälder, halb verwandt, halb unverwandt den unſrigen; unverwandt
namentlich auch darin, daß ſie nicht durchtönt waren vom Morgengeſang
[240] der Vögel, nicht durchduftet und durchglüht von buntblüthigen Kräutern,
welche jetzt unſern Waldboden durchwirken.


Es waren nicht Eichen und Buchen, nicht duftende Linden und
weißſchaftige Birken, was den Steinkohlenwald bildete, nicht die im
leiſen Lufthauch erzitternde Espe oder die glattſchaftige Eſche, überhaupt
kein Baum wie ſie jetzt unſre Laubwälder bilden. Und dennoch iſt uns
in unſern Wäldern ein Anklang an jene untergegangenen Waldungen
geblieben, welche einſt unſer ganz anders geſtaltetes Deutſchland begrünten.


Obgleich ohne Zweifel in jenen Zeiten ein wärmerer Himmel über
Deutſchland ruhte, ſo waren doch ſchon damals Nadelhölzer unter den
Herrſchern des Waldes, die jetzt unter unſerem kühleren Himmel ſogar
noch die rauhe Gebirgshöhe ſuchen.


Auch jetzt noch liebt das räthſelhafte Geſchlecht der Farren, die am
Boden kriechenden Bärlapppflanzen und der zierlich geäſtete Schachtelhalm
in der Geſellſchaft der Nadelbäume ſich anzuſiedeln. So war es auch
damals. Aber während unſere Fichten, Kiefern und Tannen ebenbürtige
Bäume, ihren Steinkohlenahnen nichts nachgebend, geblieben ſind, ſo
ſanken die drei genannten Pflanzengeſchlechter zu ſchwächlichen Geſtalten
herab, nur ein ſchwaches Abbild jener Farren, Bärlapparten und Schachtel-
halme, welche als ſtattliche Bäume mit den Nadelbäumen jener Wal-
dungen wetteiferten, in ihren Leibern für das erſt noch zu ſchaffende
Menſchengeſchlecht die Schatzkammer der Steinkohlen zu gründen.


Die Nadelbäume gewöhnten ſich an die abnehmende Wärme, während
die Farrenbäume auswanderten und jetzt nur noch in heißen Himmels-
ſtrichen gedeihen.


Wenn man mit der Erinnerung hieran einen Nadelwald des Ge-
birges beſucht, ſo gewinnt derſelbe den ahnungsvollen Reiz den ich ihm
vorhin nachrühmte. Vereinſamt und wie trauernde Fremdlinge ſtehen
die Bäume dichtgeſchaart auf dem moosbekleideten Boden. Ihre einſtigen
Genoſſen, aus jenen anderen Pflanzengeſchlechtern, die ihre Wipfel unter
die ihrigen miſchten, haben ſie verlaſſen, ſie fühlen es faſt wie ein
trauriges Vorrecht, nur allein zu herrſchen, wo ſie früher mit Unver-
wandtem gern die Herrſchaft theilten.


Doch nein, ihre ragenden, nur himmelwärts blickenden Wipfel ſehen
es blos nicht, daß ſich zu ihren Füßen das erniedrigte Volk überlebender
[241] Genoſſen der Vorzeit drängt. Aus den Spalten zerklüfteter Felſen-
wände ſprießen die zierlichen Wedel des Haarfarrens hervor; faſt wie
ſtammloſe Palmenkronen bilden die eleganten Wedelbüſche der Schild-
farren und anderer die Waldquellen entlang oder auf ſteinigen Blößen
eine faſt tropiſch zu nennende Scenerie.


Aus von Feuchtigkeit ſtrotzenden Moospolſtern ragen die Wäldchen des
zierlichen Waldſchachtelhalmes hervor, während dort die ſelbſt moosähnliche
Bärlappranke über den Moosteppich hinkriecht.


Dazu iſt es faſt ſo ſtill wie es in jenen urzeitlichen Wäldern war;
die lauten Schläger lieben ſich den rauſchenden Laubwald; faſt nur die
Goldhähnchen und Meiſen miſchen ihre zarten Stimmchen mit dem ſüßen
Geflüſter der Nadelkronen, welches wie weitherdringende Kunde aus grauer
Vorzeit klingt. Abends kommt aber die Waldnachtigall, die klangreiche
Singdroſſel, und ſingt auf der Spitze einer Fichte ihr weithinſchallendes
Abendlied, als wolle ſie den träumeriſchen Nadelwald aus ſeinen Vorzeit-
gedanken wecken.


So gewinnt der ganz eigenthümliche, zur Melancholie einladende
Eindruck des Nadelwaldes eine tiefe geſchichtliche Bedeutung und indem
wir uns bewußt werden der ſo tief greifenden geſtaltlichen Verſchiedenheit
ſeiner Bäume von denen des Laubwaldes, ſo bringen wir unvermerkt
dieſe Verſchiedenheit in Einklang mit der Zeit. Im Laubwalde befinden
wir uns in der friſchen lebendigen Gegenwart, im Nadelwalde umfangen
uns die Schauer einer fernen Vergangenheit.


Wenn wir bei einer botaniſchen Betrachtung der Nadelbäume uns
auf die deutſchen Arten beſchränken, ſo finden wir unter ihnen eine große
Einförmigkeit und Uebereinſtimmung aller ihrer Theile und im Vergleich
zu den Laubhölzern hinſichtlich ihrer Organiſation eine tiefere Stellung
im Syſtem; man glaubt ihnen anſehen zu müſſen, daß ſie Schöpfungen
einer noch nicht das Höchſte vermögenden Natur ſind. Dieſe Auffaſſung
der Nadelhölzer ſchließt jedoch nicht aus, daß dieſelben in ihrer äußeren
Erſcheinung keineswegs als ſchwächliche Weſen, ſondern als mächtige
Beherrſcher ganzer Länderflächen erſcheinen. Es ſpricht ſich vielmehr die
tiefe Stellung auf der Stufenleiter des Pflanzenſyſtems bei den Nadel-
hölzern dadurch aus, daß ſowohl ihr innerer anatomiſcher Bau, als die
Roßmäßler, der Wald. 16
[242] Beſchaffenheit und Organiſation ihrer Blätter, Blüthen und Früchte auf
einer tieferen Stufe der Ausbildung ſtehen.


In den älteſten, Pflanzenverſteinerungen führenden Erdſchichten finden
wir den Beweis geliefert, daß die Nadelhölzer viel früher auf der Schau-
bühne des Lebens erſchienen, als die Laubhölzer. Dieſe ihre frühere
Herrſchaft hatten ſie nicht blos in den früheren, bis zur Kreideformation
und den tertiären Schichten heraufreichenden Perioden des Erdlebens ver-
loren, ſondern auch in unſerer gegenwärtigen Periode und auf deutſchem
Boden haben ſie in früheren Jahrtauſenden an Ausbreitung oft unter
den Laubhölzern geſtanden. Viele Anzeigen ſprechen dafür, daß Eichen-
und Buchenwaldungen in früheren Jahrhunderten in Deutſchland vor-
herrſchend, wenigſtens viel ausgedehnter waren als gegenwärtig. Es iſt
ſchon mehrmals vorgekommen, daß auf der Stelle, an der ein alter
Fichtenhochwaldbeſtand abgetrieben worden war, ein Buchenaufſchlag er-
ſchien, der nur aus Bucheckern hervorgegangen ſein konnte, welche ſo
lange im Boden geruht hatten, bis durch die Schlagräumung die Be-
dingungen des Keimens für ſie gegeben waren. In ſolchen Fällen waren
offenbar Buchen von Fichten verdrängt worden. Gegenüber der Schwierig-
keit, die es iſt, Bucheckern auch nur ein Jahr lang keimfähig zu erhalten,
iſt dieſe Erſcheinung doppelt intereſſant.


Dieſes lange Zeiträume hindurch währende Zurückweichen der Nadel-
hölzer vor den Laubhölzern hat ſich in neuerer Zeit in das Gegentheil
verkehrt, indem die Laubhölzer mehr und mehr an Terrain verlieren,
welches zum Theil vom Walde unbeſetzt bleibt, zum großen Theil aber
von den Nadelhölzern erobert wird. Es iſt daher nicht zu verkennen,
daß die Freunde der Laubhölzer in der Lage ſind, ihre Lieblinge mehr
und mehr zu verlieren und an deren Stelle die Nadelbäume treten zu
ſehen. Der Grund zu dieſer wichtigen Erſcheinung liegt in mehreren
ſehr verſchiedenen Umſtänden, unter denen ſelbſt Folgeerſcheinungen zu
neuen Urſachen werden. Die mehr und mehr ſteigende Bevölkerung
erheiſcht nicht nur mehr Bodenraum, ſondern auch mehr Kulturfläche
für Feld- und Gartenbau. Dieſe Fläche kann man der Natur der Sache
nach nur in der Ebene ſuchen und im Gebirge nur bis zu einer be-
ſchränkten Höhe, über welche hinaus aus verſchiedenen Gründen der
Feldbau gar nicht mehr oder nur mit großer Schwierigkeit zu betreiben
[243] iſt. Dadurch wird der Waldboden immer mehr beſchränkt und da er am
meiſten in den fruchtbaren Lagen an Umfang verliert, die Laubhölzer aber
im Allgemeinen mehr einen fruchtbaren Ebenen-Boden bedürfen als
Nadethölzer, ſo iſt die nothwendige Folge, daß die Laubhölzer in dem-
ſelben Verhältniß in Abnahme, wie die Nadelhölzer in Zunahme begriffen
ſind. Die Verminderung der Waldfläche in Folge der Ausbreitung des
Feldbaues hat aber offenbar ſchon jetzt einen Einfluß gezeigt auf das
Klima Deutſchlands und namentlich auf den Reichthum der Regennieder-
ſchläge und ſomit der Quellen und der Feuchtigkeit des Bodens. Dieſe
Thatſache, eine Folge der Waldverminderung, wird eben zu einer Folge-
urſache für die Verminderung oder wenigſtens Verſchlechterung des Waldes,
der nun an vielen Orten einen weniger fruchtbaren Boden findet, als
früher, und wir dürfen dieſen Moment nicht vorüber gehen laſſen, ohne
uns wiederholt daran zu erinnern, daß der Beruf des Forſtmannes, deſſen
hohe Aufgabe es iſt, nicht blos Wälder zu benutzen, ſondern auch Wälder
zu erziehen, ein ſchwieriger iſt und im Durchſchnitt mit jedem Jahrzehnt
ein ſchwierigerer wird.


Wenn man die vielerlei Maßregeln des deutſchen Waldbaues über-
blickt, welcher durch die Zerriſſenheit des deutſchen Vaterlandes eben in
ſeinen Maßregeln ein höchſt ungleicher und oft nach entgegengeſetzten
Grundſätzen verfahrender iſt, ſo muß man ſagen, daß ein fortwährender
Kampf zwiſchen Laubhölzern und Nadelhölzern um den Beſitz der Boden-
fläche ſtattfindet. Hier findet man es für nothwendig und am meiſten
Vortheil verſprechend, Nadelwaldungen in Laubholzwaldungen umzu-
wandeln, anderwärts verfährt man gerade umgekehrt.


Vergleicht man diejenige Bodenfläche Deutſchlands und der nördlicher
liegenden Theile Europas, welche die Nadelhölzer einnehmen, mit der-
jenigen, wo die Laubhölzer herrſchen, ſo ergiebt ſich, daß die wenigen
Nadelholzarten einen viel größeren Flächenraum behaupten, als die
viel zahlreicheren Laubholzarten zuſammengenommen.


Wie überhaupt hinſichtlich des Einfluſſes auf die Vertheilung der
Pflanzen auf der Erdoberfläche Seehöhe und geographiſche Breite oft
vollſtändig gleichbedeutend ſind, d. h. dieſelben Pflanzen in einer gewiſſen
Seehöhe wachſen, welche in einer gewiſſen Breite vorkommen, ſo iſt dies
derſelbe Fall auch bei den Bäumen. Die Laubhölzer lieben das Tiefland
16*
[244] und die mehr ſüdlich gelegenen Gebiete; die Nadelhölzer dagegen ziehen
hohe Lage und eine höhere nördliche Breite vor, obgleich auch dieſe Regel,
wie jede, nicht ohne ihre Ausnahmen iſt. Steigen wir auf unſeren deutſchen
Hochgebirgen immer höher hinauf, ſo verlaſſen uns die Laubhölzer ziemlich
bald und wir finden auf den höchſten Höhen, auf welchen überhaupt noch
Baumleben möglich iſt, nur noch Nadelbäume. Derſelbe Fall iſt es im
großen Ganzen, wenn wir eine Reiſe nach dem Norden unternehmen,
wo uns zuletzt auch nur noch einige Nadelbäume treu bleiben. Daß
allerdings zuletzt die Zwergbirke, Betula nana, dort den Plan behauptet,
iſt deshalb hier nicht ſehr maßgebend, weil dieſe Birkenart nichts weniger
als ein Baum, ſondern ein niedriger kriechender Strauch iſt.


Dieſe Erſcheinung kann ihren Grund nur darin haben, daß die
Nadelhölzer in verſchiedenen Beziehungen geringere Anſprüche an ihren
Wohnplatz machen, namentlich weniger empfindlich ſind gegen Kälte und
gegen ſchroffen Wechſel zwiſchen Wärme und Kälte. Auch hinſichtlich der
Boden-Beſtandtheile haben wenigſtens einige Nadelhölzer entſchieden ein
geringeres Maß von Bedürfniſſen, als die Laubhölzer, vielleicht die Birke
allein ausgenommen, welche hierin den Nadelhölzern gleichkommt. Mit
dieſer Rückſicht hat man die Bäume in genügſame und weniger genüg-
ſame
getheilt und kann im Allgemeinen die Nadelhölzer, zum Gegenſatz
von den Laubhölzern, genügſame nennen.


Es beſteht aber in dieſer Hinſicht zwiſchen den Baumarten ein ähn-
liches Gegenſeitigkeits-Verhältniß, eine ähnliche wechſelsweiſe Dienſt-
leiſtung, wie in der menſchlichen Geſellſchaft. Wo gegenwärtig eine
Baumart noch nicht gedeihen könnte, würde ſie es können, wenn ihr
vorher von einer andern, genügſameren, die Wohnſtätte bereitet worden
ſein würde. Wenn auf den Hochgebirgen die Knieholzkiefer lange Zeit
den Boden bekleidet und durch ihren Nadelfall den Boden mit Humus
bereichert hatte, da wird es hierdurch nachher der Fichte und der Lärche
möglich, ſich anfänglich nur einzeln zwiſchen jener einzufinden und allmälig
ſo ſehr überhand zu nehmen, daß ſie die dienſtfertige Vorbereiterin ihres
Bodens ganz verdrängt. Auf einer tieferen Höhenſtufe leiſtet wiederum
die Fichte denſelben Dienſt dem Bergahorn und ſelbſt der Buche.


Wir erhalten durch dieſe Thatſache eine Gelegenheit, die wir nicht
verabſäumen dürfen, um die Weitſichtigkeit und großartige Planmäßigkeit
[245] der Forſtwirthſchaft würdigen zu lernen. Wenn überhaupt der Waldes-
unkundige jemals daran denkt, den Maßregeln des Forſtmannes Aufmerk-
ſamkeit zu ſchenken und wenn er noch weiter gehend ſogar es wagt, dieſe
Maßregeln zu kritiſiren, ſo kommt er oft in die Gefahr, entweder die
Möglichkeit eines Urtheils ſich verſagt zu ſehen, oder ein ſchiefes Urtheil
zu fällen. In ſolchen Fällen kann man in die Lage kommen, ſich höchlich
darüber zu wundern, warum der Forſtmann in einer gegebenen Lage
dieſe Holzart und nicht lieber eine andere, nutzbringendere erziehe. Würde
man in ſolchen Fällen den vorſorglichen Walderzieher nach den Gründen
dieſer Wahl fragen, ſo würde man hören, daß er die Saat, die er eben
ausſtreut oder die Bäumchen, die er pflanzt, nicht ſowohl in der Abſicht
ausſtreut und pflanzt, um einen Wald zu erziehen, als vielmehr um
durch dieſe Maßregel für eine ſpäter zu kultivirende edle Holzart den
Boden vorzubereiten. Die Folge dieſer Vorbereitung erlebt freilich in
ſehr vielen Fällen derjenige nicht, der ſie anordnet und der ſie ausführt,
ſie treten nicht ſelten erſt nach mehreren Jahrzehnten ein. Müſſen wir
hier nicht recht lebhaft inne werden, welch großartig weitgreifendes Ge-
werbe das des Forſtmanns iſt? Wir begreifen, wie groß der Unterſchied
iſt zwiſchen Waldbau und Feldbau, wir begreifen aber auch bei dieſer
Gelegenheit, wie nothwendig es ſei, daß in der Waldbewirth-
ſchaftung einer großen Länderfläche nur dann das Höchſte er-
zielt werden kann, wenn Einheit im Plane ſtattfindet
.


Wir bedienten uns jetzt gelegentlich der Bezeichnung „edlere Holz-
arten“ und es veranlaßt uns dies, daran zu denken, ob wir vielleicht
die Laubhölzer edler nennen ſollen als die Nadelhölzer, oder umgekehrt,
oder ob und wie überhaupt eine derartige Rangordnung unter den ver-
ſchiedenen Holzarten zuläſſig und ausführbar ſei.


Man hört jetzt zwar nicht mehr ſo häufig wie früher, aber man
hört doch noch zuweilen von edlen Holzarten ſprechen und man meint
damit in der Regel einige Laubholzarten, beſonders die Buche und die
Eiche. Allein dieſe Klaſſifikation, die niemals vollkommen berechtigt war,
iſt es jetzt weniger als je. Die ſogenannten edlen Holzarten haben viel
von ihrem Ruhm eingebüßt, ja man kann ſagen, daß die ſogenannten
unedlen Holzarten, zu denen man vorzüglich auch die Nadelhölzer rechnete,
weniger an ihrem Werth und ihrer Bedeutung verloren haben, als die
[246] edleren. Der Grund davon liegt in den großen Fortſchritten, welche die
Benutzung der Metalle, namentlich des Eiſens und mancher Steine
gemacht haben, wodurch zu vielen Verwendungen, zu denen man ſonſt
nur edle, harte Holzarten zu benutzen pflegte, dieſe zu einem großen
Theil außer Gebrauch gekommen ſind. Hiervon ſind namentlich die
ſämmtlichen Nadelholzarten viel weniger betroffen worden. Die bekannte
anatomiſche Beſchaffenheit des Nadelholzes wird dieſes zur Herſtellung
von Brettern, Balken und Latten niemals entbehrlich werden laſſen. Die
jetzt viel ſorgſamere Wahl und Verwendung eines Stoffes für be-
ſtimmte Zwecke hat es mit ſich gebracht, daß unter andern Stoffen auch
jede einzelne Holzart ihre zweckmäßigſte Verwendung gefunden hat und
wenn wir in unſerer gegenwärtigen Auffaſſung edel das nennen, was
für einen beſtimmten Zweck am beſten dient, ſo können wir unmöglich
noch von edlen und unedlen Holzarten ſprechen.


Hinſichtlich der Nadelhölzer kommt hierzu noch der Umſtand, daß ſie
ſich durchaus leichter in reinen Beſtänden, ja überhaupt in jeder andern
Hinſicht ſicherer erziehen laſſen, als Laubhölzer, von denen die meiſten
der Erziehung in reinen Beſtänden durchaus widerſtreben.


Wir wiſſen, daß wir unter einem reinen Beſtand einen ſolchen ver-
ſtehen, der, ſo groß er auch iſt, durchaus nur aus einer Holzart beſteht,
in der höchſtens nur ſehr ausnahmsweiſe Bäume anderer Holzarten ein-
geſtreut ſind.


Durch dieſe große Geneigtheit zum geſelligen Beiſammenleben ge-
währen die Nadelhölzer auch einen viel größeren Einfluß auf den land-
ſchaftlichen Charakter einer Gegend, als die Laubhölzer. Hierzu kommt
noch, daß jene einen viel dichteren Schluß vertragen als die letzteren und
dadurch eine mit Nadelwald bedeckte Gegend, welche obendrein meiſten-
theils Berggegenden ſind, viel entſchiedener den Wald-Charakter aus-
prägen, wenn es ſich namentlich um ein Hügelgelände handelt, welches
man von einem hochgelegenen Punkte überblickt.


Durch dieſe Eigenſchaft, ſehr häufig im dichteſten Schluß und in
großer Ausdehnung zu erwachſen, ſind aber die Nadelhölzer mehr als
Laubhölzer den verſchiedenſten Gefahren ausgeſetzt. Sturm, Inſekten,
Feuer, Schnee
- und Duftbruch wüſten weit ſchlimmer im Nadelwald,
als im Laubwald. In den meiſten Fällen handelt es ſich allerdings nicht
[247] darum, daß der Wald durch dieſe Einflüſſe ſo vollſtändig vernichtet wird,
daß ſein Holzvorrath völlig verloren geht, was ſelbſt durch Waldbrände
nur ſelten vollſtändig geſchieht, indem auch in ihnen wenigſtens ein großer
Theil der angekohlten Stämme bleibt. Im Gegentheil ſpricht ſich die
Benachtheiligung der Waldungen durch die genannten Einflüſſe mehr
durch eine Störung in der Waldbenutzung und durch eine Verſchlechterung
der Güte und Benutzbarkeit des Holzes aus.


Wir wollen den Umſtand, daß alle Benachtheiligungen des Waldes
ſich am ſtärkſten in den Nadelwaldungen ausſprechen, dazu benutzen, dieſe
ſchädlichen Einflüſſe auf die Waldungen überhaupt an dieſer Stelle
kurz zu beſprechen und uns dabei beſonders auch klar werden, warum die-
ſelben ſich im Nadelholz einflußreicher zeigen, als in Laubwaldungen.


Was zuerſt den Einfluß der Stürme betrifft, ſo zeigt ſich derſelbe
bekanntlich im Durchſchnitt am häufigſten im Spätherbſt und im erſten
Frühjahr. Um dieſe Zeit ſtehen die Laubwaldungen ohne Laub da und
bieten darum dem Anprall des Sturmwindes eine geringere Fläche dar,
können daher auch weniger leicht vom Sturm gepackt und geworfen
werden. Die Nadelwaldungen dagegen haben zu allen Zeiten ihre volle
Benadlung und ſind alſo auch zu allen Zeiten gleich angreifbar für die
Gewalt der Winde. Hierzu kommt noch, daß die Nadelbäume im Allge-
meinen nicht ſo tief wurzeln, als es bei den meiſten Laubhölzern der
Fall iſt, ja die Fichte, der am häufigſten dichtgeſchloſſene, beſtändebildende
Nadelbaum, ſo ſeicht im Boden ſtreichende Wurzeln hat, daß ſie gewiſſer-
maßen mehr blos mit einem breiten, weitausgreifenden Wurzelgeſtell auf
dem Boden ſteht, als mit ihm verflochten iſt. Daher kommt es, daß ein
Sturm ganze Fichtenſtämme wie Kartenhäuſer umwirft und von jedem
Baum die Bodenfläche, in der er wurzelt, mit losgeriſſen wird und
ein einzelner ſolcher Baum an einen umgeſtürzten Leuchter erinnert.


Was den Inſektenſchaden in den Waldungen betrifft, ſo ſind
nicht nur die Nadelhölzer einer größeren Anzahl ſchädlicher Inſekten preis-
gegeben, ſondern ſoweit dieſe nadelfreſſende ſind, benachtheiligen ſie dieſe
auch dadurch mehr, daß die Nadelhölzer mit wenigen Ausnahmen und nur
theilweiſe ihre Nadeln, die ſie verloren haben, wieder erſetzen können,
während ein entlaubter Laubholzbaum bekanntermaßen im folgenden,
oft ſchon in demſelben Jahre, das verlorene Laub durch Neues wieder erſetzt.


[248]

Am wenigſten bekannt iſt der verwüſtende Einfluß, den Schneedruck
und Duftdruck oder Eisanhang auf Nadelwaldungen ausübt, und
welcher um ſo weniger nachtheilig, obgleich nicht ganz einflußlos, auf
Laubhölzer iſt, weil dieſe zur Winterszeit ebenfalls keine große Fläche dar-
bieten, auf welchen ſich große Schneemaſſen anhäufen können, um Aeſte
und Zweige oder ganze Bäume nieder zu ziehen und umzubrechen; es
iſt daher eigentlich nur der Duftdruck oder Eisanhang eben an den Laub-
hölzern von erheblichem Nachtheil. In den Nadelwaldungen hingegen
iſt der Einfluß großer Schneemaſſen, namentlich wenn ſie bei abwechſelndem
Thau- und Froſtwetter fallen, außerordentlich bedeutend und man kann
ſich kein traurigeres Bild vorſtellen, als ein junges, kräftiges Fichten-
oder Kiefernſtangenholz auf deſſen Zweigen und Wipfeln feſtgefrorne
Schneemaſſen laſten. Während man, ſo lange der Schnee noch auf den
Bäumchen laſtet, zuweilen die Verwüſtung nicht ſehr augenfällig findet,
weil der Schnee dieſe verhüllt, ſo entfaltet ſich ein höchſt betrübendes
Bild, nachdem der Schnee hinweggeſchmolzen iſt. Der Unkundige fragt
ſich dann nach dem Grund, wodurch die doch ſonſt geſunde und kräftige
junge Baumwelt vor ihm in einem Zuſtande ſteht, als habe ein furcht-
barer Wirbelwind in ihr gehauſt, welchem er auch ohne Bedenken dieſe
Wirkung zuſchreiben wird. Man ſieht nach allen Richtungen die Bäumchen
gekrümmt und verdrückt, niedergezogene Wipfel förmlich gegenſeitig ver-
ſchlungen, andere abgebrochen oder geknickt, ſo daß es eine Unmöglichkeit
iſt, in dieſem Chaos hindurch zu kommen. Diejenigen Stämmchen,
welche durch den Schneedruck nur wenig aus ihrer geraden Richtung
gedrückt worden ſind, richten ſich zwar zum Theil allmälig wieder auf,
der abgebrochene Herztrieb anderer wird durch einen Seitentrieb, der ſich
aufrichtet, jedoch nicht ohne Nachtheil für die Regelmäßigkeit des Stammes,
erſetzt; aber deren ſind ſehr häufig doch nur ſo wenig, daß man ſich
dadurch nicht beſtimmen laſſen kann, auf eine Ausheilung des Beſtandes
zu hoffen, ſondern ſich genöthigt ſieht, denſelben abzutreiben und dadurch
der ſo lachenden Hoffnung auf den Beſtand für die Zukunft verluſtig
zu werden.


Daß Waldbrände in Nadelwaldungen leichter verheerend werden
können als in Laubwaldungen, ergiebt ſich leicht von ſelbſt aus der
harzigen Beſchaffenheit der Nadeln und Triebe der Nadelbäume.


[249]

Aus dieſen Andeutungen geht hervor, daß die Benachtheiligung des
Waldes durch ſolche Unfälle meiſt nicht ſowohl ein völliges Berauben der
Forſtwirthſchaft iſt, ſondern vielmehr eine Störung in der geregelten
Forſtbenutzung. Wenn man einen durch ſchädliche Inſekten getödteten
Nadelholzbeſtand ſofort niederhauen kann, ſo hat das Holz noch keine ſehr
viel geringere Güte, als es hat, wenn man die Bäume im geſunden
Zuſtand und im regelmäßigen Umtriebe gehauen hat, obgleich ein durch
Inſekten getödteter Baum, namentlich ein Nadelbaum, ſehr ſchnell an
Güte ſeines Holzes verliert. Iſt aber eine Inſektenvermehrung eine ſehr
ausgebreitete geweſen, ſo kann der Fall eintreten, daß nicht Menſchen-
hände genug geſchafft werden können, um die getödteten Bäume in
Schnelligkeit zu fällen, ſo daß die Verderbniß des Holzes ſo ſchnell um
ſich greift, daß daſſelbe an Güte bedeutend verliert. Dies iſt namentlich
der Fall bei der Fichte durch den Borkenkäfer und bei der Kiefer durch
die große Kiefernraupe.


Wenn man nun erwägt, wie vorſichtig die Waldbenutzung geregelt
iſt, wie auf Jahrzehnte hinaus berechnet wird, wie viel in einem Wald-
reviere hier und dort alljährlich herausgenommen werden ſoll und darf,
um die Leiſtungsfähigkeit des Waldes aufrecht zu erhalten, ſo begreift
man leicht, wie ſolche Verheerungen durch Inſekten, Stürme und dergl.
eine heilloſe Verwirrung in die Waldbenutzung bringen können. Mit
der geregelten Holzernte regelt ſich ſelbſtverſtändlich gewiſſermaßen auch
der Holzbedarf und die Nachfrage des Marktes, wodurch wieder der
Holzpreis ſich feſtſtellt.


Jetzt tritt aber plötzlich der Fall ein, daß in einem großen Wald-
komplexe durch einen ausgedehnten Windbruch viele Tauſende von Klaftern
zur Verfügung geſtellt werden, welche obendrein, wenn ſie z. B. Fichten
ſind, ſo ſchnell als möglich beſeitigt werden müſſen, damit nicht der
Borkenkäfer hineinkomme und obendrein den Werth des zur Unzeit
verfügbar werdenden Holzes beeinträchtige. In ſolchen Fällen hat die
Forſtverwaltung die ſchwere Aufgabe zu löſen, über Hals und Kopf die
unvorhergeſehenen Holzvorräthe zu verkaufen, um ſo wenig als möglich
am Preis zu verlieren. Allein dies iſt nicht der einzige Nachtheil eines
ſolchen Waldunglücks. Das, was man augenblicklich viel zu viel hat,
fehlt in den nachfolgenden Benutzungsperioden und was von nicht minderem,
[250] oft ſehr großem Nachtheil iſt: die Schlagſtellung iſt vielleicht in großer
Ausdehnung geſtört. Es gehört nämlich zu den Aufgaben der geregelten
Forſtverwaltung, daß die Holzſchläge mit Berückſichtigung der herrſchenden
Winde und anderer klimatiſchen Erſcheinungen ſo geführt werden, daß
dadurch gewiſſermaaßen ein gegenſeitiger Schutzverband erhalten bleibt.


In Deutſchland ſind bekanntlich die herrſchenden Luftſtrömungen
weſtliche und mithin kommen am häufigſten auch die Stürme in dieſer
Richtung an. Man ſucht daher auf einer großen Waldfläche beſonders
an der weſtlichen Seite eine breite Wand von hohem Holz zu erhalten,
um durch ſie die inneren, und die weiter öſtlich liegenden Waldtheile zu
ſchützen. Iſt nun dieſe Schutzmauer durchbrochen, ſei es durch die
furchtbar ſchnell wirkende Macht des Sturmes, ſei es durch nagende
Inſekten, ſo kann es kommen, daß ein großer Waldkomplex auf viele
Jahrzehnte den klimatiſchen Einflüſſen in nachtheiliger Weiſe ausgeſetzt
iſt, vor welchen ihn eine weiſe Schlagſtellung lange Zeit hindurch zu
ſchützen gewußt hatte. Ein ähnliches Verhältniß beſteht hinſichtlich der
Einwirkung der Sommerhitze und zu vielen Lichtes und man iſt immer
bemüht, bei gewiſſen Holzarten die Schläge ſo zu ſtellen, daß die
Kulturen hiergegen und gegen das Austrocknen des Bodens geſchützt ſind.


Unter allen dieſen Unglücksfällen leiden aus Gründen, die uns klar
geworden ſind, die Nadelbeſtände viel mehr, als die Laubwaldungen und
wie überhaupt die erſteren eine größere Solidarität zeigen, man möchte
ſagen, eine innigere Gemeinſamkeit, ſo iſt dies, wie wir ſahen, ebenſo
der Fall hinſichtlich der Unglücksfälle, welchen der Wald ausgeſetzt iſt.


Wie wir eben geſehen haben, daß die Nadelwaldungen einen größern
Einfluß auf den landſchaftlichen Charakter einer Gegend ausüben, daß
ſie verſchiedenartigen Unfällen mehr ausgeſetzt ſind und dieſen gegenüber
eine größere gegenſeitige Mitleidenheit zeigen, ſo üben ſie auch mehr,
als die Laubholzwaldungen einen entſchiedenen Einfluß auf den Volks-
charakter und auf die Gewerbsthätigkeit
aus. Wie ſchon früher ein-
mal angedeutet wurde, daß die Nadelwaldungen mehr zur Stille und Melan-
cholie einladen, als die Laubwaldungen, ſo finden wir auch eine Be-
ſtätigung hierfür darin, daß die Bewohner unſerer nadelholzgekrönten
Gebirge mehr als die Ebenen-Bewohner ein Inſichgekehrtſein, eine
ruhige feſte Beſtimmtheit zeigen und wenn wir vorhin im Vergleich zu
[251] den Laubhölzern die Nadelhölzer genügſame Bäume nannten, ſo ſind
ihnen auch hierin die Menſchen gleich, welche in ihrem Schooße ihren
Wohnſitz aufgeſchlagen haben. Aber ganz beſonders kann man den
Nadelwald den Schooß nennen, welcher viele menſchliche Gewerbsthätig-
keitsformen hegt und birgt und man kann gewiſſermaaßen von einer
Nadelholzinduſtrie ſprechen. Wenn wir den Schwarzwald, den Harz
oder das ſächſiſche Erzgebirge durchſtreifen, ſo finden wir an vielen
Stellen die unmittelbaren Beweiſe, daß der Wald hier für den Menſchen
nicht blos Wohnplatz, ſondern auch die Stätte iſt, welche ihm den Stoff
zu ſeiner Thätigkeit liefert. Tief im Hintergrunde der Schluchten, durch
welche luſtige Waldbäche fließen, ſiedelt ſich die Schneidemühle an, welche
die ſchlanken Stämme zu reinlichen Bretern theilt und ein oft mühſam
unterhaltener Weg führt dieſe zu den fernen Städten des Marktes;
anderwärts finden wir das ſchwarze Völkchen der Köhler, denn es iſt
vorwaltend Nadelholz, was zu Kohle verwandelt wird. Weniger als
ſonſt, aber doch und häufiger als es ſein ſollte treffen wir anderwärts
Theerſchwelereien an, ein Waldgewerbe, welches man faſt auf gleiche
Stufe mit der Thätigkeit ſchädlicher Inſekten ſtellen ſollte, weil es den
Verbrauchswerth der Stämme ſehr weſentlich beeinträchtigt. Sobald ein
Bach waſſerreich genug wird, um als Floßbach dienen zu können, ſehen
wir zu Klötzen geſchnitten oder ſelbſt als Langholz von dem kräftigen
Volk der Flößer die Stämme aus dem Innern des Waldes hinausführen.
Im Hochgebirge wagt der Holzfäller ſein Leben daran, auf ſchlittenartigen
Gefährten die geſpaltenen Scheite die jähen Abhänge herunter zu führen
oder auf ſchwindligen Rieſen ſie über Thäler und Abgründe in tiefere
Lagen hinabgleiten zu laſſen. Jede Hütte iſt mindeſtens am Dache, oft
auch an den Wänden, mit den bald ergrauenden Nadelholz-Schindeln
bekleidet, deren der Waldbewohner Millionen an die Niederungen abgiebt.
Die umfangreiche Schachtelinduſtrie hat ihren Sitz faſt lediglich im
Schooße des Nadelwaldes und zu dieſen und vielen anderen Nadelwald-
Gewerben kommt in neuerer Zeit ein neues, welches mehr und mehr in
Aufſchwung kommt, es iſt die Waldwollinduſtrie, eine Schöpfung des auch
hierdurch verdienſtvollen preußiſchen Oberforſtmeiſters von Pannewitz.
Ja ſelbſt die Kunſt hat ſich in den Nadelwaldungen eine Stätte bereitet.
Wer kennt nicht die künſtlichen, zuweilen gar nicht werthloſen Schnitzereien
[252] der Tyroler, der Schwarzwälder und der Bewohner des Rieſengebirges?
Es iſt namentlich der Arve und das Knieholz, welche den Stoff dazu
liefern. So übt denn auch in dieſer Hinſicht der Nadelwald einen mäch-
tigen Einfluß auf die Gewerbthätigkeit des Menſchen.


Wenn wir vorhin ſahen, daß die Nadelhölzer einen größeren Einfluß
auf den Volkscharakter ausüben, als die Laubhölzer, ſo liegt der Grund
davon allerdings nicht allein in den Nadelbäumen ſelbſt, ſondern zum
Theil auch in der begleitenden Erſcheinung, daß die Nadelbäume zum
großen Theil Gebirgsbewohner ſind und es iſt alſo ein Theil des
Charakters und der Gemüthsſtimmung der Nadelwald-Bewohner auf
Rechnung der klimatiſchen und geographiſchen Einflüſſe zu ſchreiben, wie
ſich dieſe im Gebirge anders als in der Ebene geſtalten. Aber auf eine
Erſcheinung muß hier noch aufmerkſam gemacht werden, welche ſicher
nicht ohne Einfluß auf den Gebirgsvolkscharakter iſt, und welcher un-
mittelbar mit den Nadelbäumen im Zuſammenhange ſteht. Dieſe Er-
ſcheinung liegt darin, daß überall da, wo Nadelbäume überwiegend vor-
herrſchen, die Gegenſätzlichkeit der Jahreszeiten weniger grell hervortritt,
als da, wo das Laubholz das Regiment führt. Wenn wir die weiße
Schneedecke des Winters abrechnen, ſo iſt in einer Gegend, wo man
ringsum nichts als Nadelbäume ſieht, von einem Jahreszeitenwechſel
nicht in dem Sinne die Rede, wie an Orten, wo das Laubholz herrſchend
iſt. Dieſe ewige, ruhige Gleichheit iſt ohne Zweifel von außerordentlich
großem Einfluß auf die geiſtige und Gemüthsſtille, wie ſie ſich bei den
Gebirgsbewohnern findet. Dieſe ſind der treue Abdruck ihres ihnen
immer treubleibenden Nadelgrün.


Um ſich der Macht des Eindrucks der landſchaftlichen Umgebung
auf das Gemüth und mit der Dauer auch auf den Charakter der Men-
ſchen klar zu werden, iſt ſicher kein beſſeres Mittel, als wenn man ſich
einzelne beſonders hervorragende Fälle vor Augen hält, in welchen eine
plötzliche Verſetzung eines Menſchen aus ſeinen gewöhnlichen Pflanzenum-
gebungen in völlig andere ſtattgefunden hat. Alexander von Humboldt
erzählt in ſeinen „Anſichten der Natur“ (Band 2. Seite 206) einen
ſolchen Fall, der von höchſtem Intereſſe und ſehr geeignet iſt, die Größe
dieſes Einfluſſes thatſächlich zu beweiſen. Humboldt ſagt an der ange-
führten Stelle: „Ich bin Augenzeuge von dem ſonderbaren, beängſtigenden
[253] Eindruck geweſen, den auf der Reiſe von einem Hafen an der Südſee
durch Mexiko nach Europa der erſte Anblick eines Tannenwaldes bei
Chilpanzingo auf einen unſerer Begleiter machte, welcher in Quito unter
dem Aequator geboren nie Nadelhölzer und Folia acerosa geſehen. Die
Bäume ſchienen ihm blattlos, und er glaubte, da wir gegen den kalten
Norden reiſten, in der höchſten Zuſammenziehung der Organe ſchon den
verarmenden Einfluß des Poles zu erkennen. Der Reiſende, deſſen
Eindruck ich hier beſchreibe und deſſen Namen Bonpland, und ich nicht
ohne Wehmuth nennen, war ein trefflicher junger Mann, der Sohn des
Marques de Selvalegre, Don Carlos Montufar, welchen wenige Jahre
ſpäter in dem Unabhängigkeitskriege der ſpaniſchen Kolonien edle und
heiße Liebe zur Freiheit einem gewaltſamen, ihn nicht entehrenden Tode
muthig entgegenführte.“


Dieſe Anſchauung des Südländers von den Nadelwäldern, welcher
zufolge ihm dieſer das Bild einer vor Kälte zuſammengezogenen Pflanzen-
welt darſtellte, erinnert an eine Erſcheinung, welche vielleicht doch mehr,
als nur eine in der Zeit begründete Irrung iſt, die man nicht leicht durch
die Wirklichkeit kontroliren kann, weil man nicht zu gleicher Zeit einen
Nadelbaum im Winter und im Sommer ſieht. Ich meine die Erſcheinung,
daß unſere gemeine Kiefer und mehr noch die Weymouthskiefer im Winter
die Nadeln ſtraffer an den Zweigen angezogen trägt, als im Sommer.


Wir können uns nicht wundern, daß Humboldt’s Begleiter ſich durch
die dießſeits des Aequators von ihm geſehenen Nadelhölzer ſo ſehr über-
raſcht fand, denn er hatte noch niemals Gelegenheit gehabt in ſeiner
Heimath unter dem Aequator echte Nadelbäume zu ſehen, da von den
114 Arten echter Abietineen keine einzige jenſeits des Aequators gefunden
wird. Von dieſen 114 Arten kommen nur 15 auf Europa, und wenn
wir die Familie der Nadelhölzer im weiteſten Umfange auffaſſen, ſo kennt
man bis jetzt 312 lebende und aus oft allerdings nur bruchſtückweiſen
Ueberreſten 178 vorweltliche Arten.


Neben ihrer ſchlanken geradſchaftigen Geſtalt haben die Nadelhölzer
auch noch dadurch einen beſonders impoſanten Charakter, daß unter
ihnen die höchſten Bäume der Erde vorkommen. Es iſt bekannt, daß
Eichen, Buchen und andere zu hohen Bäumen erwachſende Laubholzarten
niemals die Höhen unſerer Fichten und namentlich unſerer Tannen er-
[254] reichen, aber auch dieſe bleiben weit zurück gegen die kaliforniſchen
Baumkoloſſe, die auffallender Weiſe erſt in dem letzten Jahrzehnt entdeckt
worden ſind. Dieſe Rieſenbäume — welche aus verzeihlicher Nationaleifer-
ſucht dießſeit des Oceans Wellingtonia und drüben Washingtonia gigantea
genannt wurden, welche beide Namen aber der dritten Taufe Sequoia
gigantea
weichen mußten — ſind recht eigentlich die Häupter des
Pflanzenreichs zu nennen, indem man einzelne Exemplare davon kennt,
welche bis 300 engl. Fuß erreichen.


In der weiteſten Auffaſſung der Nadelhölzer müſſen wir, ſyſtematiſch
aufgefaßt, dieſelben in drei Gruppen, d. h. in drei natürliche Familien
zerfällen: in die Zapfenbäume, Cypreſſen und Eiben. Wir haben
es hier zunächſt nur mit den erſteren zu thun, welche ohne Widerrede vor
allen anderen die herrſchenden Waldbäume genannt werden können.
Die botaniſche Benennung der Familie iſt bald Coniferen, bald Strobi-
laceen, je nachdem man den Fruchtzapfen conus oder strobilus nennt.
Der botaniſche Hauptcharakter der Zapfenbäume, wie wir die Familie
wiſſenſchaftlich nennen wollen, liegt in der Hauptſache im Bau der
weiblichen Blüthe und des daraus werdenden Fruchtzapfens, denn um das
hier einzuſchalten, unſere deutſchen Zapfenbäume ſind ohne Ausnahme
getrennten Geſchlechtes, jedoch ſo, daß männliche Blüthen und weibliche
Blüthen auf einem und demſelben Baume vereinigt, oft aber weit getrennt
von einander auf verſchiedenen Zweigen ſtehen. Indem wir die hierin ſo-
wie in der Nadelbildung beſtehenden Gattungs- und Artunterſchiede bei
der Betrachtung der einzelnen Nadelholzarten zu erörtern haben, be-
ſchränken wir uns jetzt nur noch auf folgende allgemeine Kennzeichen der
Familie, wobei wir dieſe im engern Sinne, alſo mit Ausſchluß von
Wachholder und Taxus auffaſſen.


In der Keimung unterſcheiden ſie ſich von allen Pflanzen dadurch,
daß ſie nicht einen oder zwei Samenlappen, wie wir letzteres von der
Buche ſchon kennen, (Seite 137 XX. c. c.) aus dem Samen entwickeln,
ſondern daß deren eine größere Zahl, fünf bis ſieben, iſt. Man iſt daher
lange Zeit geneigt geweſen, neben den beiden großen Hauptgruppen der
ſichtbar blühenden Gewächſe: der Einſamenlappigen, Monokotyledoneen
und der Zweiſamenlappigen, Dikotyledoneen, für die Nadelhölzer allein
eine dritte Gruppe: Vielſamenlappige, Polykotyledoneen, zu gründen.
[255] Die Samenlappen der Nadelhölzer ſehen den wahren Nadeln ſehr ähnlich,
ſind aber doch bei genauerer Unterſuchung von dieſen immer ſicher zu
unterſcheiden.


Einen beſonders durchgreifenden Charakter haben alle echten Nadel-
hölzer in dem anatomiſchen Bau des Holzes. Dieſes beſteht nämlich, mit
Ausſchluß aller Gefäße, nur aus lang geſtreckten Holzzellen von ſehr
regelmäßiger Anordnung und unter ſich von ſehr gleicher Beſchaffenheit.
Sehr unregelmäßig und in geringer Anzahl zerſtreut finden ſich im Holze
der Nadelbäume ſehr feine auf einem Querſchnitt wie Nadelſtiche aus-
ſehende Harzgänge mit Ausnahme des Tannenholzes, welchem dieſe
fehlen (Seite 104 XIII. a.). Auf dieſem Bau des Nadelholzes beruhen ſeine
große Spaltbarkeit und ſeine Federkraft, zwei Eigenſchaften, welche
keinem Laubholze in dieſem Grade zukommen. Ein anderes Unterſchei-
dungskennzeichen des Holzes der Nadelbäume, gegenüber dem unſerer Laub-
holzarten liegt in dem großen Unterſchied der Farbe, Härte und Dichtig-
keit zwiſchen dem Frühjahrs- und Herbſtholz der einzelnen Jahresringe
(Seite 106.).


Der bekannte, faſt alle Theile durchdringende Harzgehalt der Nadel-
hölzer iſt eines der weſentlichſten phyſiologiſchen Merkmale. Das Harz
beſteht aus einem Gemenge von an ſich feſtem Harz und ätheriſchen Oelen,
in welchen jenes aufgelöſt iſt. Daher iſt das aus einer Wunde aus-
tretende Harz anfänglich flüſſig und waſſerhell, wird aber in demſelben
Maßſtabe undurchſichtiger und feſter, als das ätheriſche Oel verdunſtet
und das Harz allein feſt zurückläßt. Bekanntlich wird das Harz der ver-
ſchiedenen Nadelbäume gewonnen und zu verſchiedenem Gebrauch zubereitet,
was freilich faſt nicht anders geſchehen kann, als mit Benachtheiligung
des Baumes, da das Harz nur durch Verletzung des lebendigen Baumes
zu gewinnen iſt. Man hat daher in neuerer Zeit das Harzen in ſolchen
Waldungen ſehr beſchränkt und zum Theil ganz aufgegeben, bei denen
es darauf abgeſehen iſt, ſie zu erhalten und alſo nachhaltig zu bewirth-
ſchaften.


Daß das Immergrün der Nadelbäume keine ausnahmsloſe Regel iſt,
indem die Lärche ihre Nadeln im Winter vollſtändig verliert, iſt uns
ſchon bekannt. Wenn nun aber auch die übrigen, Fichte, Tanne und
Kiefer, ihre Nadeln den Winter über behalten, ſo iſt das erſtens nicht ſo
[256] zu verſtehen, daß ſie überhaupt Nadeln niemals verlieren und zweitens
findet dennoch hinſichtlich der Nadeldauer einige Verſchiedenheit bei ihnen ſtatt.


Nicht blos an den alten Stämmen mit rauher Borke, wo wir ſie
gar nicht erwarten würden, ſtehen keine Nadeln mehr, ſondern auch die
Aeſte und Zweige, die älter als höchſtens acht bis neun Jahr alt ſind,
zeigen ſich unbenadelt. Einige Krankheiten der Nadelbäume ſprechen ſich
vorzugsweiſe dadurch aus, daß ſie ihre Nadeln verlieren, was, wenn es
vollſtändig geſchieht, den Tod zur unausbleiblichen und ſofortigen Folge
hat. Am empfindlichſten iſt hierin die Fichte, was ſich ſchon dadurch
ausſpricht, daß ein abgeſchnittener Zweig, ſobald er trocken geworden iſt,
alle Nadeln fallen läßt. Kiefer und beſonders Tanne leiden weniger durch
Nadelkrankheiten und faſt immer bleiben an abgeſchnittenen Kiefer- und
Tannenzweigen, nachdem ſie vollſtändig dürr geworden ſind, die Nadeln
ſehr feſt ſitzen.


So lange die Linné’ſche Auffaſſung in Geltung war, wurden alle
unſere echten Nadelholzarten in der einzigen Gattung Pinus vereinigt,
wofür man faſt keinen deutſchen Gattungs-Namen anwenden konnte, da
die Artnamen ſich zu ſehr geltend machten und ſich einem gemeinſamen
Gattungsnamen nicht beugten. Genauere Unterſuchung hat aber ergeben,
daß dieſe Zuſammenfaſſung nicht zuläſſig iſt, daß im Gegentheil unſere
vier Nadelholzarten eben ſo vielen verſchiedenen Gattungen angehören:
Kiefer, Pinus (deren wir mehrere Arten in Deutſchland haben); Fichte,
Picea; Tanne, Abies und Lärche, Larix. Dies hindert aber nicht, daß
man oft ſelbſt noch in neueren Büchern (in älteren verſteht es ſich von
ſelbſt) alle Nadelhölzer als Pinus-Arten aufgeführt findet, was, um
Irrthum zu vermeiden, hier hervorgehoben werden mußte.


Bei der nun folgenden Betrachtung der einzelnen Nadelholzarten
werden, wie ſpäter auch bei den Laubhölzern, zunächſt die botaniſchen
Merkmale in der kurzen, jedes überflüſſige Wort erſparenden Ausdrucks-
weiſe der beſchreibenden Naturgeſchichte angegeben werden, weil dieſe Form
der Beſchreibung das Verſtändniß am meiſten fördert.


[257]

1. Die gemeine Kiefer, Pinus silvestris L.*).


Figure 31. XXXb.

1. Triebſpitze mit einem weiblichen Blüthenzäpfchen; — 2. Zweig mit männlichen Blüthenkätzchen; —
3. reifer Zapfen; — 4. derſ. geöffnet; — 5. weibl. Blüthenzäpfchen in dopp. Gr.; — 6. 7. 8. eine Samen-
ſchuppe mit dahinterſtehender Deckſchuppe von verſchied. Seiten, an 8 ſieht man die beiden Samenknospen; —
9. Samenſchuppe (Zapfenſchuppe) von der Innenſeite mit den 2 aufliegenden Samen; — 10. dieſelbe von der
Außenſeite; — 11. 12. Samenflügel, entflügeltes Samenkorn, und (12) unterer Theil von jenem; — 13. männl.
Blüthenkätzchen; — 14. 15. entleerter Staubbeutel; — 16. 17. Pollenkorn; — 18. Keimpflanze; — 19. Nadel-
paar; — 20. Querſchnitt deſſelben


Roßmäßler, der Wald. 17
[258]

Die Blüthen der Kiefer erſcheinen im Mai an den jungen Trieben
und zwar die weiblichen an der Spitze, die männlichen am untern Theile
derſelben. Die weiblichen Blüthen bilden kleine, etwa erbſengroße,
ſchmutzig kirſchrothe, abwärts gekrümmte Zäpfchen und finden ſich einzeln
oder zu zwei bis drei auf der äußerſten Spitze des Triebes und zwar am
häufigſten auf den Haupttrieben der Zweige (Fig. 1). Man erkennt an
dem weiblichen Blüthenzäpfchen ſchon deutlich die Bildung des Frucht-
zapfens; es beſteht aus, in ein kleines Spitzchen ausgehenden Samen-
ſchuppen
und einer kürzeren und helleren, davorſtehenden Deckſchuppe
(Fig. 6. 7. 8.). Auf der innern Seite der Samenſchuppe ſtehen unten
die beiden Samenknospen (Fig. 8.), aus welchen die zwei Samen
werden, welche ſich unter jeder Schuppe des reifen Zapfens finden.


Oft an demſelben Triebe, meiſt aber auf anderen, finden ſich regel-
mäßig und in Mehrzahl, oft zwanzig bis dreißig, zuſammengeſtellt, die
männlichen Blüthenkätzchen (Fig. 2 u. 13), welche aus ſpiralig
angeordneten, ſitzenden, von Deckſchuppen geſtützten Staubbeuteln
(Fig. 14. u. 15.) zuſammengeſetzt ſind. Dieſe enthalten eine außer-
ordentlich große Menge von ſchwefelgelbem Blüthenſtaub (Pollen),
welcher, wenn er in beſonders reichen Samenjahren durch Wind und
Regen auf den Waldwegen zuſammengeſchwemmt wird, Veranlaſſung zu
der Fabel vom Schwefelregen giebt, woran auch der Blüthenſtaub
der Fichte Theil nimmt.


Nach erfolgter Befruchtung nimmt das weibliche Blüthenzäpfchen in
dem Blüthenjahre an Größe nur ſehr wenig zu und wir finden es im
Mai des folgenden Jahres nicht viel größer als vor zwölf Monaten.
Dann aber erwächſt es um ſo ſchneller bis Ende Juni zum ausgebildeten
Fruchtzapfen, in welchem bis October des zweiten Jahres die Samen
reifen, wozu alſo ein Zeitraum von achtzehn Monaten erforderlich iſt.
Die reifen Samen fallen aber auch im zweiten Jahre noch nicht aus,
ſondern dies geſchieht erſt, je nach der Wärme der Witterung, im März
und April des dritten Jahres. Dabei öffnen ſich die Zapfenſchuppen
und aus den vielfach aufklaffenden Zapfen fliegen die Samen aus.


Die Zapfen ſind von kegelförmiger Geſtalt und immer etwas
ungleichſeitig, weil ſie, abwärts gekrümmt, mit der einen Seite immer
an dem Triebe näher anſtehen und ſich daher an dieſer Seite nicht ſo
[259] vollſtändig entwickeln können, als auf der freien nach außen liegenden.
Der obere freie Theil der einzelnen Zapfenſchuppen und daher der
ganze noch nicht geöffnete reife Zapfen hat eine grünlich graue Farbe,
während der bedeckte Theil und die Innenſeite der Zapfenſchuppen, dunkel-
rothbraun ausſieht. Dieſer freie Theil hat mehr oder weniger eine
rautenförmige Geſtalt, iſt etwas erhaben und hat in der Mitte einen
erhabenen Nabel, wodurch dieſer Theil einigermaaßen einem Briefkouvert
mit dem Siegel ähnlich ſieht.


Unter jeder Schuppe liegen in Vertiefungen ihrer Innenſeite ein-
gedrückt, bei der Reife aber nicht mehr befeſtigt, zwei Samen (Fig. 9.).
Dieſe ſind ſpitz eiförmig, dunkel-ſchwarzgrau und tragen einen dünnen,
ſchief zungenförmigen durchſcheinenden Flügel (Fig. 11.), welcher mit zwei
Armen zangenartig den Samen umfaßt, aber leicht von dieſem abgezogen
werden kann (Fig. 12.).


Die Nadeln der gemeinen Kiefer ſtehen immer paarweiſe und ſind
an ihrer Baſis durch eine aſchgraue, trockenhäutige Scheide verbunden
(Fig. 1. 2. u. 19.). An den Rändern ſind ſie in ihrem ganzen Verlaufe
mit ſehr feinen kaum abſtehenden Sägezähnchen beſetzt. Sie ſind auf
dem Querſchnitt flach halbkreisförmig und bilden daher, mit ihren flachen
Seiten an einander liegend, vor der völligen Entfaltung des Nadelpaares,
gemeinſam einen faſt kreisrunden Querſchnitt (Fig. 20.).


Dies iſt die gewöhnliche, auch in der Wiſſenſchaft lange gültig
geweſene, Auffaſſung der Nadelpaare der Kiefer. In neuerer Zeit hat
man aber gefunden, daß ein ſolches Nadelpaar ein wirklicher Kurztrieb
iſt, wie wir ſolche, zum Unterſchied von den Langtrieben, Seite 74 kennen
gelernt haben, und daß man daher ein ſolches Nadelpaar und deſſen
häutige Scheide ganz anders auffaſſen muß.


Fig. XXXI. ſoll uns das Verſtändniß dieſer lange verkannten
Bildung verſchaffen. Wir ſehen an 1. ein noch nicht vollkommen ent-
faltetes Nadelpaar in demſelben Zuſtande, wie ſich dieſer an Fig. XXX b. 1.
zeigt. Wir unterſcheiden daran oben die Spitzen der ſich aus der Scheide
hervorſchiebenden beiden Nadeln (a) und unten die dieſelben vollſtändig
einſchließenden häutigen Schuppen der Scheide (b), zu welchen ganz
unten noch ein anderes kleines, am Rande gewimpertes, in eine lange
Spitze ausgezogenes, roſtbräunlich gefärbtes Blättchen (c) kommt. Dieſes
17*
[260] letztere nun iſt das eigentliche Blatt, welches aber auf einer ſehr tiefen
Stufe der Bildung ſtehen bleibt und aus deſſen Achſel (Seite 58) alles
Uebrige ſich als ein Kurztrieb entwickelte, ohne eine eigentliche bedeckte
Knospe geweſen zu ſein. Durch 1 iſt 2 ein der Länge nach geführter
Durchſchnitt: a die beiden Nadeln, b die häutigen Schuppen und c das
verkümmerte eigentliche Blättchen. Daß dieſes ganze Gebilde nun ein

Figure 32. XXXI.

1. Junges Nadelpaar der Kiefer.
2. Senkrechter Durchſchnitt durch daſſelbe, 5 mal vergrößert.


wirklicher Kurztrieb ſei, darüber belehrt uns der kleine Punkt d an der
Baſis zwiſchen beiden Nadeln: eine auf dem unvollkommenen Stand-
punkte des Vegetationskegels ſtehen gebliebene entwicklungsfähige, ſich aber
in der Regel nicht entwickelnde Endknospe. An den Trieben bleiben
nach dem Abfallen der Nadeln die eigentlichen Blättchen oft noch mehrere
Jahre ſtehen, wodurch ihre Rinde hakig rauh wird.


Die Keimpflanze der Kiefer (Fig. 18.) zeigt fünf bis ſechs Keim-
nadeln
(den Samenlappen entſprechend) und dieſe ſind anfänglich an ihrer
Spitze von der, wie ein Mützchen aufſitzenden Samenſchale zuſammen-
gefaßt, wie es weiter unten bei der Keimpflanze der Fichte abgebildet iſt.
In dem Vereinigungspunkte der Keimnadeln ſitzt die Stamm-Knospe
[]

[figure]

[][261] aus welcher ſich der erſte Trieb entwickelt, an welchen die Nadeln noch
nicht zu zwei, ſondern einzeln ſtehen, was auf ſehr magerem Boden auch
noch im zweiten, zuweilen ſelbſt noch im dritten Jahre der Fall iſt.


Der Stamm der Kiefer iſt je nach der Beſchaffenheit des Bodens
und dem Grade des Schluſſes entweder gerade und bis hoch hinauf ohne
ſtarke Aeſte, oder er iſt niedrig, bogig und knickig und theilt ſich ſchon
in geringer Höhe in ſtarke, abſtehende Aeſte. Die Rinde älterer Kiefern
iſt am untern Stammtheile mit einer dicken, durch tiefe Längsfurchen
zerriſſenen Borke verſehen und ſchülfert ſich durch eine eigenthümliche
Bildung von Peridermalzellen-Schichten in ihrem Innern leicht in Platten
ab. Die graue Farbe geht in den oberen Theilen der Krone durch
Rothbraun allmälig in eine leuchtende faſt rein dottergelbe Farbe über,
welche den, ſich ſehr leicht und unaufhörlich ablöſenden, dünnen Rinden-
häuten zukommt. Die Rinde der Triebe iſt roſtgelb und kahl.


Die Krone iſt bei keiner Nadelholzart je nach Alter und Standort
ſo manchfaltig geſtaltet, als bei der Kiefer. Schon früher haben wir
gelegentlich erfahren, daß vor Allen die Kiefer, weil ſie nur quirl- und
endſtändige aber keine Seiten-Knospen hat, dazu angethan iſt, den
regelmäßigſten Pyramidalwuchs ihr ganzes Leben hindurch haben zu können,
während ſie unter allen dieſen am Wenigſten hat, wenigſtens am Leich-
teſten, durch äußere Verhältniſſe gezwungen, aufgiebt. Dadurch, daß in
gutem Schluß, den ſie aber niemals dicht verträgt, die Kiefer ſich ſehr
hoch hinauf reinigt, d. h. die abgeſtorbenen Aeſte abwirft, erlangt die
Kiefer nur eine kurze, unbedeutende, lockere Krone, daher ſie ihren
Standort bei dem ohnehin lichten Schluſſe, den ſie verlangt, nur wenig
beſchattet. Iſt aber eine Kiefer unter günſtigen Verhältniſſen in hinlänglich
freiem Stande erwachſen, ſo bekommt ſie eine weit ausgreifende, faſt
kuppelförmig gewölbte und abgeſtufte Krone und gewinnt dadurch nicht
ſelten einen vollſtändigen Laubholzhabitus, wie der nebenſtehende Kupfer-
ſtich ſowohl an dem Hauptbaume, als an den im Hintergrunde auf der
Felſenkuppe ſtehenden Bäumen zeigt. Jüngere Kiefern zeigen bis zu dem
Zuſtande wo ſie aus dem Dickicht- in das Stangenholzalter übergehen,
wegen ihrer ſchrägaufwärts ſtrebenden Aeſte eine mehr ſpitzeiförmige, als
pyramidale Krone (ſiehe die linken Stämmchen auf unſerm Bilde.) In
dieſem Alter haben die Kiefern im Mai, kurz nach der Vollendung der
[262] neuen Triebe, ein eigenthümliches Anſehen dadurch, daß dieſe ſenkrecht
aufgerichtet ſind, und, weil die jungen Nadelpaare noch nicht weit aus der
ſilberglänzenden Scheide hervorgetreten ſind, ſich durch ihre helle Farbe
faſt wie die Kerzen eines Chriſtbäumchens von dem dunkeln Grün ab-
heben. Dieſe ſenkrechte Richtung und helle Farbe verſchwindet aber in
wenigen Wochen, indem die Triebe eine mehr geneigte Richtung annehmen
und die grüne Farbe der lang hervorwachſenden Nadeln, die bald unſchein-
bar werdende Scheidenfarbe verdrängt. Was die Benadelung der Kiefer
betrifft, ſo zeigt kein Baum hierin eine ſo große Verſchiedenheit, indem
je nach der Güte des Standortes die Triebe mehr oder weniger zahlreich
und lang und die Nadeln bald ſehr lang und kräftig, bald kurz und
dünn ſind. Da die Nadellänge anſehnlich genug iſt, bis 2½ p. Z., um
daran erhebliche Unterſchiede wahrnehmen zu können, ſo kann man aus
der Nadellänge, der dann auch die Trieblänge entſpricht, an dem noch be-
nadelten Theile der Krone junger Kiefern den Grad der Fruchtbarkeit der
Jahrgänge erkennen, gerade ſo wie wir es auf S. 94 von den Jahres-
ringen lernten.


Einen eigenthümlichen Einfluß auf die Belaubung der Krone, alſo
auf die Ornamentik der Kiefer, üben in doppelter Weiſe die männlichen
Blüthenkätzchen aus. Iſt auch, wie wir wiſſen, die Kiefer, wie alle
unſere echten Nadelholzarten ein monöciſcher Baum, d. h. ein ſolcher,
welcher männliche Blüthen und weibliche Blüthen auf ſich vereinigt, ſo
kommen doch ſehr häufig ſolche Kiefern vor, die man faſt vorzugsweiſe
männliche nennen möchte, weil ſie, und zwar faſt alljährlich, eine große
Fülle von männlichen Kätzchen und nur wenig weibliche Blüthenzäpfchen
tragen. Dies giebt ſolchen Bäumen während der Blüthezeit durch die
ſchwefelgelbe Farbe der männlichen Blüthenkätzchen ein eigenthümlich
freundliches Anſehen und eine ziemlich dichte Krone. Aber nach der
Blüthezeit haben gerade ſolche Bäume eine außerordentlich ärmliche und
durchſichtige Krone, weil die dicht und in großer Zahl zuſammengedrängt
geweſenen Blüthenkätzchen nach ihrem bald erfolgenden Abfallen eine Menge
Lücken an den Trieben hinterlaſſen, was wir an dem Fig. XXX b. 2.
gezeichneten Triebe ſehen.


Was die Wurzel der Kiefer betrifft, ſo dringt ſie ziemlich tief
namentlich mit einer entſchieden ausgebildeten Pfahlwurzel, in den
[263] Boden ein, welcher ſich im ſpäteren Alter und je nach der Beſchaffenheit
des Bodens, kräftige Seitenwurzeln zugeſellen. Dieſes Tiefgehen der
Wurzeln verleidet daher auch den Kiefern felſige Standorte, wenn dieſer
nicht wenigſtens klüftig iſt. In dieſem Falle jedoch vermag es die Kiefer
mit weit ausgreifenden Wurzeln tief in die Felſenſpalten einzudringen
und ſo geſtellte Kiefern werden an Felsabhängen ſehr häufig außerordent-
lich maleriſche Bäume, die freilich den Pyramidencharakter faſt gänzlich
verlieren, ja im Gegentheil zuweilen den ſchirmförmigen Kronenwuchs
der Pinie (Pinus Pinea) vollſtändig annehmen.


Das Holz der Kiefer ſtimmt mit dem aller übrigen Nadelhölzer im
anatomiſchen Bau weſentlich überein. Dieſer iſt ſo einfach und regel-
mäßig und dabei in ſehr wichtigen Punkten von dem aller übrigen Holz-
pflanzen ſo bedeutend verſchieden, daß dieſe Verſchiedenheit gerade hier
einen der intereſſanteſten Punkte der Pflanzenanatomie, eine von den
ſcharf markirten Grenzlinien auf dem weiten Gebiete der Pflanzenſchöpfung
bildet; weshalb es meinen Leſern und Leſerinnen intereſſant ſein wird,
hierüber etwas Ausführliches zu erfahren, nachdem wir auf Seite 162
den anatomiſchen Bau des Laubholzes kennen gelernt haben. Wir erinnern
uns der beiden Abbildungen XIII. a. b. auf Seite 104, durch welche wir
auch für das wenig oder unbewaffnete Auge die ſehr auffallende Ver-
ſchiedenheit zwiſchen Nadel- und Laubholz kennen lernten. In beiſtehenden
Figuren ſehen wir den Querſchnitt (1.) den Spaltſchnitt (2.) und den
Secantenſchnitt (3.) des Kiefernholzes und zwar bei ſehr ſtarker
Vergrößerung eines ſehr kleinen, kaum Stecknadelkopfs großen Stück-
chens Holz.


An Fig. 1. haben wir uns nach oben hin die Gegend der Rinde,
nach unten hin das Mark zu denken. Zwiſchen jj und zwiſchen j′j′ liegt
ein Jahresring, der wie es in der Wirklichkeit nur an ſehr feinjährigem
Holze ſelten vorkommt, nur aus fünf bis ſechs Zellenſchichten beſteht.
Wir ſehen, daß die Holzzellen auffallend, wenn auch nicht vollſtändig
regelmäßig in Reihen geordnet ſind, welche am ganzen Stammquerſchnitte
vom Marke nach der Rinde ſtrahlig verlaufen und nicht minder ſtehen
ſie ziemlich regelmäßig in kreisförmiger, mit der Rinde gleichlaufender
Anordnung. Von Innen (jj) nach Außen (j′j′) werden die Zellen
immer kleiner, platter und dickwandiger. Bei m ſehen wir einen Mark-
[264] ſtrahl verlaufen, der, wie es bei den Nadelhölzern immer der Fall iſt,
nur aus einer Zellenſchicht beſteht.


Figure 33. XXXII.

Anatomiſcher Bau des Coniferenholzes.
1. Querſchnitt, j j und j′j′ Jahresgrenzen, m Markſtrahl, t t t Tüpfel, h g Harzpore; —
2. Längsſchnitt in der Richtung c c von Fig. 1., j′j Jahresgrenzen, m Markſtrahl, e e die
ſich ſpitz zwiſchen einander ſchiebenden Holzzellen, t Tüpfel; — 3. Längsſchnitt in der
Richtung d d von Fig. 1, die Buchſtaben bezeichnen daſſelbe wie an voriger Fig.; —
4. Schematiſirte Figur einer von 6 anderen umlagerten Holzzelle des Taxus zur
Erläuterung der Coniferenholzzelle. (Nach Th. Hartig.)


In der Richtung der punktirten Linie c c. an Fig. 1. iſt der Spalt-
ſchnitt geführt, den wir in Fig. 2. ſehen. Rechts liegt die innere, links
die äußere Grenze des Jahresringes (jj′); wir erkennen dieſelbe Abnahme
des Durchmeſſers und dieſelbe Abplattung und zunehmende Dickwandigkeit
der ſechs Holzzellen. In m zeigt ſich das mauerförmige Gewebe des
Markſtrahles, deſſen Zellen mit einem großen Loche verſehen ſind.


[265]

Der Secantenſchnitt (parallel mit der Rinde), den uns Fig. 3. zeigt,
iſt in der punktirten Linie Fig. 1. d d geführt und wir ſehen darauf den
querdurchſchnittnen Markſtrahl m und die längsgeſpaltenen Holzzellen,
welche ſich, wie bei voriger Figur, mit ſpitzen Endigungen zwiſchen ein-
ander einkeilen e e.


Wir ſehen alſo die große Regelmäßigkeit im Bau des Coniferen-
holzes. Wir haben aber nun die feineren Einzelnheiten unſerer Figuren
genauer zu betrachten, welche diejenigen Einrichtungen der Coniferenholz-
zelle darſtellen, welche weſentlich der Saftverbreitung dienen.


Die punktirten Linien c c und d d bezeichnen die Richtung der
Flächen, mit welchen die Holzzellen, welche auf dem Querſchnitt in der
Hauptſache vierſeitig erſcheinen, aneinander liegen. Dieſe Flächenver-
bindung von aneinander liegenden Zellen iſt aber nur in der Richtung d d
eine vollſtändige, während in der Richtung c c vielfältig kleine, linſenförmige
Räume übrig bleiben, in welchen die aneinander liegenden Zellenwände
ſich nicht berühren, ungefähr eben ſo, wie zuweilen kleine Luftblaſen
bleiben, wenn wir ein Papier auf ein Stück Pappe aufkleben. Dies
vorausſchickend werden wir nun die an 1. 2. mit t bezeichneten Figuren
verſtehen können. An Fig. 2. ſehen wir auf diejenige Wand der Zellen,
welche in der Richtung c c an die daneben liegenden Zellen anliegt und
wenn die kleinen Doppelkreiſe (t) den inneren kleinen Kreis nicht hätten,
ſo würden wir jetzt ohne Weiteres in ihnen die zwiſchen den an einander
liegenden Zellenhäuten eingeſchloſſenen linſenförmigen Luftblaſen erkennen,
was ſie auch wirklich ſind. Was bedeutet nun aber dieſer uns jetzt noch
ſtörende kleinere, innere Ring?


Die urſprünglich dünnwandige Zelle nimmt ſelbſt in dem verhältniß-
mäßig dünnwandig bleibenden Frühjahrsholze (S. 105) ſehr ſchnell
an Dicke zu, indem ſich auf ihrer innern Wandung Holzſtoff auf-
lagert. Dieſe Auflagerung iſt aber nicht eine vollſtändig gleichmäßige,
ſondern die Gipfel der kleinen, zelleneinwärts geſtülpten Wölbungen,
deren immer je zwei zweier benachbarter Zellen den zwiſchen beiden
liegenden linſenförmigen Luftraum einſchließen, bleiben unverdickt, wodurch
nothwendig auf dem Gipfel dieſer Wölbungen eine trichterförmige Ver-
tiefung übrig bleiben muß. Der Umkreis dieſer Vertiefung bildet nun
[266] den kleinern innern Kreis, während der äußere, größere Kreis die Um-
grenzung des zwiſchen beiden Zellen eingeſchloſſenen Luftraumes iſt.


Nach dieſer Erklärung werden wir nun die an den Figuren 1. 2. 3.
mit t bezeichneten Stellen der Zellenwand verſtehen, denen man den
Namen Tüpfel gegeben hat, und nach welchem man die Holzzellen der
Nadelbäume Tüpfelzellen nennt. Die ſchematiſirte Fig. 4., welche ich
aus Hartig’s Lehrbuch für Förſter entlehne, wird das Verſtändniß ver-
vollſtändigen. Sie zeigt eine von ſechs Zellen, welche größtentheils
ſeitlich hinweggeſchnitten ſind, umlagerte ſiebente Zelle a aus Taxusholz,
welche außer den Tüpfeln auf der innern Zellenwand noch feine, ſpirale
Wulſtlinien zeigt.


Die kleinen, ſchwarzen Löcher, welche wir an Fig. XIII. a auf
Seite 104 ſahen und welche von feinen Harzgängen herrühren, werden
an unſerer Fig. 1. durch h g erläutert. Wir ſehen den von zartwandigen,
das Harz abſondernden Zellen umlagerten Raum des Harzganges.


Die Markſtrahlen (2. m) beſtehen aus mauerförmigem Zellen-
gewebe, deſſen Zellen mit einem großen Loche verſehen ſind, wodurch der
Säfte-Austauſch zwiſchen ihnen und den vorbeiſtreichenden Holzzellen
vermittelt wird.


Zu den beſonderen Eigenthümlichkeiten des Kiefernholzes zurück-
kehrend, ſo wiſſen wir, daß das Kernholz ſich mehr, als bei Fichte,
Tanne, Lärche durch eine dunklere, roſtrothe Färbung von dem Splint-
holze unterſcheidet. An alten Kiefern füllt ſich das Kernholz mehr und
mehr mit Harz und gewinnt dadurch die als „fett“ bezeichnete Beſchaffen-
heit, welche ihm namentlich gegen Witterungs-Veränderungen eine größere
Dauerhaftigkeit und daher zu manchem Gebrauch, z. B. zu Fenſterrahmen
vorzügliche Verwendbarkeit verſchafft. Dieſe „Verkienung“ des Holzes
ſoll namentlich an alten ſtehen gebliebenen Stöcken durch Wurzelver-
wachſung ſehr häufig erfolgen.


Außer den vorhin erwähnten Harzgängen findet man im Holze der
Kiefer und auch der übrigen harzführenden Bäume nicht ſelten ſogenannte
Harzgallen, die beim Spalten unerwartet zu Tage kommen und
honigähnliches Harz ausfließen laſſen. Sie rühren von ehemaligen
Rindenwunden her, durch welche eine Stelle des Holzes entblößt und
mit hartwerdendem Harz, gewiſſermaaßen mit einem Wundpflaſter, be-
[267] deckt wurden. Bei der allmäligen Ueberwallung der harzbedeckten Holz-
wunde mit neuem Holze wurde das bedeckende Harz eingeſchloſſen und
wieder verflüſſigt und ſo entſtand die Harzgalle, die alſo an alten
Stämmen zuweilen tief einwärts im Holze liegen kann.


Der Harzreichthum des Kiefernholzes iſt die Urſache, daß die Jahres-
ringe an ihnen durch dunkle Färbung des Herbſtholzes beſonders deutlich
hervortreten.


Standort und Verbreitung der gemeinen Kiefer. Beides
zeigt die größten Manchfaltigkeiten. Es iſt kaum eine Bodenbeſchaffenheit,
welche nicht dennoch das Wachsthum und Gedeihen der Kiefer zuließe;
ſie findet ſich ebenſo auf dürrem Sande, wie auf Moorboden, auf frucht-
barem Lehm, wie auf heißem Kalk. Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß
eine Pflanze hinſichtlich ihres Gedeihens ſich ſo großen Bodenverſchieden-
heiten gegenüber nicht gleichgültig verhält, daß im Gegentheil eine gewiſſe
Bodenbeſchaffenheit ihr am meiſten zuſagt. Die ſtarke Pfahlwurzel der
Kiefer erfordert einen tiefgründigen Boden, in den ſie leicht eindringen
kann; Lockerheit und einige Friſche des Bodens ſind daher die Haupt-
bedingungen für das Gedeihen der Kiefer. Ob eine gewiſſe Bodenart
der Kiefer zuſage oder nicht, läßt ſich übrigens, wenn er bereits Kiefern
trägt, an dieſen ſelbſt ſehr leicht ermeſſen an der Länge und Kräftigkeit
der Triebe und Nadeln. Dies ſchließt freilich nicht aus, daß die Kiefern
zwar äußerlich das Bild ſtrotzender Geſundheit, im Innern des Stammes
aber rothfaul ſein können, was beſonders auf ſehr feuchtem und frucht-
baren Boden nicht ſelten vorkommt und in demſelben Grade auch von
der Fichte gilt.


Die Verbreitung der gemeinen Kiefer erſtreckt ſich von dem
europäiſchen Alpengürtel bis zum äußerſten Norden, ſoweit hier Baum-
wuchs möglich iſt und öſtlich bis nach Polen und das mittlere Rußland.
Am Weſtrande Europas macht ſie allmälig der Seekiefer, P. maritima,
Platz, während ſie ſüdlich jenſeits der Alpen außer dieſer auch noch durch
die Pinie und durch P. pinaster erſetzt wird. In Deutſchland ſelbſt iſt ſie,
wenn auch nicht gleichmäßig verbreitet, doch faſt überall zu Hauſe; ihr
Hauptverbreitungsbezirk iſt hier die zum Theil ſandige, nördliche nament-
lich nordöſtliche Hälfte unſeres Vaterlandes. Hier bildet ſie die bekannten,
zum Theil ihrer Unfruchtbarkeit wegen berüchtigten Heiden, denen nicht
[268] ſie ſelbſt, ſondern jenes allbekannte Büſchchen den Namen giebt, welches
ein beſtändiger Begleiter der Kiefer auf ſandigem Boden zu ſein pflegt.


Was das Leben der Kiefer betrifft, ſowohl im geſunden, als im
kranken Zuſtande, ſo zeigt daſſelbe ſo viele Eigenthümlichkeiten, daß die
Kiefernkultur keineswegs ſo leicht iſt, als man oft und zwar um ſo mehr
annimmt, als man ſie im Verein mit der Birke den genügſamſten
Baum nennt.


Die Kiefer erinnert uns jetzt an eine Klaſſification der Bäume, welche
der walderziehende Forſtmann nicht ungeſtraft vernachläſſigen darf. Man
theilt ſie nämlich in Lichtbäume und in Schattenbäume: die Kiefer
iſt faſt entſchiedener, als jede andere Baumart, ein Lichtbaum und ver-
kümmert ſelbſt auf dem ihr zuſagendſten Boden, wenn ſie im Schatten
eines dichten Schluſſes ſteht, und ſo unterdrückte Bäumchen erholen ſich
auch nicht wieder, wenn man ihnen durch nachherige Freiſtellung ein
größeres Maß von Licht zuführt, während umgekehrt die Tanne durch
dieſes Mittel zu kräftigem Wuchs angereizt werden kann, auch wenn ſie
bereits im dichten Schluſſe zum Krüppel geworden war. Dieſes Licht-
bedürfniß der Kiefer ſpricht ſich auch dadurch aus, daß im Stangenholz-
alter nur die oberſten dem Licht zugekehrten Aeſte einen kurzen Kronen-
wipfel bilden, alle tieferſtehenden und demnach beſchatteten Aeſte aber ab-
ſterben. Bei dieſem Lichtbedürfniß der Kiefer iſt es daher auch nicht
möglich, alte Beſtände in einigermaaßen dichtem Schluſſe zu erziehen,
die Bäume müſſen daher mit zunehmendem Alter durch Herausnahme der
Zurückbleibenden immer „räumlicher“ geſtellt werden. In dem Maße
als dies geſchieht, bilden ſich die Kronenäſte immer vollkommener aus
und ſo gewinnt namentlich eine ganz freiſtehende Kiefer mehr und mehr
den Laubholzhabitus, den wir ſchon erwähnten, und den auch unſer
Kupferſtich zeigt.


Wie kaum ein anderer Waldbaum iſt die Kiefer vielen Krankheiten
und Gefahren, insbeſondere einem ganzen Heere von ſchädlichen In-
ſekten
preisgegeben. Schon in der erſten Jugend, etwa bis zum achten
Lebensjahre verlieren nicht ſelten die Pflanzen ganzer Kultur- und Pflanz-
gärten aus einem noch unerforſchtem Grunde alle Nadeln, was man das
„Schütten“ der Kiefer nennt. Die Krankheit iſt gewöhnlich tödtlich,
[269] doch kann man an dem Friſchbleiben der Knospen erkennen, ob die
Pflanzen wieder ausſchlagen und ſich erholen werden.


Zu feuchter oder ſonſt ungeeigneter Boden oder eine Beeinträchtigung
des Abwärtsdringens der Pfahlwurzel erzeugt Kernfäule und Kern-
ſchäligkeit
. Letzteres bezeichnet die Erſcheinung, daß ſich einzelne
Jahresringe von einander ablöſen, ſo daß beim Aufſpalten des Holzes
der Kern frei herausfällt. Wegen des Harzreichthums kann die Kiefer,
wie uns ſchon die Harzgallen zeigten, Stammwunden leicht ausheilen.


Da die Kiefer wenn nicht die wichtigſte, doch ſicher eine der wichtig-
ſten Holzarten Deutſchlands iſt, ſo iſt es doppelt verhängnißvoll, daß
gerade ſie am meiſten durch Inſektenfraß leidet. Dadurch wird die Be-
wirthſchaftung eines Kiefernrevieres ſchwieriger, und erfordert mehr eine
unausgeſetzte Aufmerkſamkeit, als die eines andern.


Die zum Verderben der Kiefernforſte verbündeten Feinde theilen ſich
förmlich in die Rollen ihres Angriffs. Die Einen überfallen die jungen
Pflanzen der Kulturen, die Andern die ältern Bäumchen der Dickichte
oder des Stangenholzalters, wieder Andere warten mit ihrem Angriff,
bis die Kiefern zu Bäumen erwachſen ſind. Auch in dem Orte ihres
Angriffs verfahren ſie nach verſchiedenen Plänen, je nachdem ſie die
Wurzeln, Rinde, die jungen Triebe oder die Nadeln vernichten. In
dem ausgezeichneten Hülfsbuche Ratzeburgs (Die Waldverderber. 5. Aufl.
Berlin, Nicolaiſche Verlagsbuchh. 1860) für den von den Inſekten be-
drohten Forſtmann, ſind nur die ſehr ſchädlichen Inſekten aufgenommen
und dennoch finden wir deren elf als Kieferfeinde aufgezählt und einen
zwölften blos deswegen an einer andern Stelle genannt, weil er anderen
Baumgattungen noch nachtheiliger iſt, als der Kiefer.


Da wir jetzt zum erſtenmal von den forſtſchädlichen Inſekten zu
ſprechen haben, ſo ſei hier einiges Allgemeine über ſie beigebracht.
Ratzeburg theilt dieſelben in die vier Abtheilungen, der Nadelholz-
kulturverderber
und der Nadelholzbeſtandsverderber, Laub-
holzkulturverderber
und Laubholzbeſtandsverderber, woraus
hervorgeht, daß der Forſtmann von dem Augenblicke an, wo ſeine Saaten
aufgehen, oder wo er ſeine Kulturen beendet — die jungen Bäumchen
ausgepflanzt hat, bis zu der Zeit, wo er die Holzernte beginnt, eine
unausgeſetzte Wachſamkeit und zwar weit mehr in Nadelholzwaldungen als
[270] in Laubwaldungen zu üben hat. Von den acht Hauptordnungen der In-
ſektenklaſſe ſind es hauptſächlich die Ordnungen der Falter, Käfer
und Aderflügler (wespenartigen Inſekten), welche die meiſten Forſt-
feinde enthalten. Da bekanntlich die Inſekten im zweiten ihrer vier
Verwandlungszuſtände, im Larvenzuſtande, am gefräßigſten ſind, ſo werden
auch die meiſten forſtſchädlichen Inſekten in dieſem Zuſtande am nach-
theiligſten; ja die Falter nur in ihm, weil dieſe wie wir Alle wiſſen,
in ihrem vollkommenen Zuſtande faſt lediglich von den ſüßen Säften der
Blüthen leben und ihre zarte, uhrfederartig aufgewundene Saugzunge
nicht fähig iſt, die Pflanzen zu verletzen. Die Käfer ſchaden dagegen im
Larven- und im Fliegenzuſtande; man nennt nämlich jedes Inſekt im
vollkommenen Zuſtande Fliege, weil es in ihm erſt, dafern es nicht zu
den flügelloſen Inſekten gehört, das Flugvermögen erhält. Die wenigen
forſtſchädlichen Inſektenarten aus der Ordnung der Geradflügler (heuſchrecken-
artigen Inſekten) werden ſogar auch im Puppenzuſtande nachtheilig, weil
ſie auch in ihm das Vermögen der freien Ortsbewegung und Nahrungs-
aufnahme behalten, was bekanntlich bei den meiſten Inſekten — am
Beſten wiſſen wir es von den mumienartigen Puppen der Falter — nicht
der Fall iſt. Einige forſtſchädliche Inſekten ſind in ihren verſchiedenen
Verwandlungszuſtänden den Bäumen in verſchiedener Weiſe nachtheilig.


Es verſteht ſich von ſelbſt, daß es erforderlich iſt, um den „Forſt-
ſchutz“ gegen Inſekten wirkſam ausüben zu können, daß der Förſter das
Leben der ſchädlichen Inſekten genau kenne; und ſo ſehen wir denn auch
von dieſer Seite, daß die Forſtwiſſenſchaft in engſter Beziehung zur
Naturwiſſenſchaft ſteht.


Was nun die Thätigkeit betrifft, welche der Forſtmann den ſchäd-
lichen Inſekten gegenüber ausgeſetzt üben muß, ſo kann man drei Formen
derſelben unterſcheiden: eine wachſame, nimmerruhende Aufmerk-
ſamkeit auf den Zuſtand der Forſten, Anwendung von Vor-
bauungsmaßregeln und Ausführung von Vertilgungsmaß-
regeln
.


Sind die beiden erſten Thätigkeitsformen aus Unachtſamkeit unter-
blieben, und iſt eine Inſekten-Vermehrung unbemerkt hereingebrochen,
ſo iſt dann freilich der Forſtmann oft in der traurigen Lage, mit ſeinen
Vertilgungsmitteln wenig auszurichten, weil das plötzlich erſcheinende
[271] Heer ſchädlicher Inſekten zuweilen ſo unermeßlich groß iſt, daß die Ver-
tilgung von Hunderttauſenden denſelben nur wenig Abbruch thut; und
dieſe Gefahr iſt nirgends größer als im Kiefern-Reviere, da ſelbſt der
Erbfeind der Fichte, der Borkenkäfer, viel ſeltner als Waldkalamität
auftritt.


In der Ausübung des Forſtſchutzes, namentlich gegen die ſchädlichen
Raupen, ſpielt eine ſehr artenreiche Inſektenfamilie eine überaus wichtige
Rolle, die Rolle der Bundesgenoſſenſchaft des Forſtmannes im Kampfe
gegen die ſchädlichen Inſekten. Dies ſind die Schlupfwespen, Ichneu-
moniden
, welche mit den Wespen, Bienen und Ameiſen in die Ordnung
der Aderflügler gehören.


Dieſe wohlthätigen Thiere überſtehen ihre drei erſten Entwicklungs-
zuſtände im Innern anderer lebender Inſekten, denen ſie dadurch immer
zuletzt den Tod bringen und dadurch bei großen Inſektenausbreitungen
im Walde deren vielmehr vertilgen als der Forſtmann, der zu dieſem
Ende Hunderte von Menſchen ſeine Beſtände durchſtreifen läßt.


Das Schlupfwespenweibchen legt ſeine Eier auf oder in die Haut
ſeines Schlachtopfers und wählt dazu in den allermeiſten Fällen den
Larvenzuſtand, ſeltner den Eizuſtand deſſelben. Eine höchſt bemerkens-
werthe Erſcheinung iſt es dabei, daß der Tod des von Schlupfwespen
bewohnten Inſektes ſpäteſtens immer im Puppenzuſtande erfolgt, in dem
erſt nur ſehr wenige Fälle bekannt ſind, daß ein ſolches Inſekt es bis
zum Fliegenzuſtand brachte, und dann erſt von ſeinem inwendig nagenden
Feinde getödtet wurde. Man kann alſo die große, nur ſehr ſeltene Aus-
nahmen habende Regel aufſtellen, daß ein Inſekt vor dieſen ſeinen Erb-
feinden aus ſeiner eigenen Klaſſe geſichert iſt, ſobald es einmal in den
Fliegenzuſtand eingetreten iſt.


Der namentlich bei dem Kiefernſpinner und der Nonne mehrmals
vorgekommene Fall, daß man auf dem Höhenpunkte der Verbreitung
die meiſten Raupen, Puppen und Eier von Schlupfwespen bewohnt und
daher dem ſichern Tode geweiht fand, ſo daß es den Anſchein hatte, daß
dieſe wirklich die Retter des Waldes im Augenblick der höchſten Gefahr
geweſen ſeien, hat dennoch unter den Forſtgelehrten eine Meinungsver-
ſchiedenheit aufkommen laſſen, welche andererſeits das Verdienſt der
Schlupfwespen in Zweifel ſtellt. Man glaubt nämlich von einer Seite
[272] derſelben, daß die Schlupfwespen nur ſolche Inſekten zu ihren Wohnungs-
und Ernährungsthieren wählen, welche bereits krank und einem die Fort-
pflanzung ausſchließenden Tode verfallen ſeien. Es iſt ſogar die Meinung
ausgeſprochen und verfochten worden, daß eine zu unermeßlichen Mengen
in wenigen Jahren herangewachſene Inſektenvermehrung an ſich ſchon
eine allgemeine Seuche derſelben im Gefolge habe, welche ſich namentlich
auch durch einen Verluſt des Fortpflanzungsvermögens kund gebe. Ob
dieſe Theorie vollkommen begründet ſei, würde ſich blos durch einen Fall
entſcheiden laſſen, durch den nachgewieſen werden könnte, daß eine
Inſektenvermehrung wieder verſchwunden ſei, ohne daß eine Mitwirkung
der Schlupfwespen dabei ſichtbarer geweſen war. Bei einigen ſchäd-
lichen Kiefernraupen, welche zu ſolchen Beobachtungen die beſte Gelegen-
heit geben, hat man das plötzliche Verſchwinden der größten Mengen
derſelben immer von Schlupfwespen begleitet gefunden, ſo daß es un-
möglich ſcheint, den Beweis zu führen, daß dieſelben auch ohne die
Schlupfwespen verſchwunden ſein würden. So lange dieſe Meinungs-
verſchiedenheit nach einer Seite hin noch nicht mit Beſtimmtheit ent-
ſchieden worden iſt, dürfen wir immerhin an einiges Verdienſt der Schlupf-
wespen glauben, wobei jedoch nicht verſchwiegen werden darf, daß man
bei großen Ausbreitungen gewöhnlich viele Raupen ſterben ſieht, in denen
ſich keine ſolche Schmarotzer finden.


Unter allen Verhältniſſen bleibt ihnen, wie Ratzeburg ſagt, das
Verdienſt, daß wir durch eine Beachtung ihrer Vermehrung während
einer Raupen-Vermehrung darauf ſchließen können, ob der Raupen-
fraß länger oder kürzer dauern werde. Letzteres iſt um ſo mehr der
Fall, je mehr wir in den Raupen Schlupfwespen finden, mögen nun
dieſe die Mörder der Raupen oder blos das Anzeichen von der überhand
nehmenden Seuche der Raupen ſein.


Dieſe zum Theil ſehr kleinen in einzelnen Arten aber auch mehr
als zollgroßen, zierlichen Geſchöpfe, ſind großentheils ſehr beſtimmt mit
ihrer Wohnung und Ernährung auf gewiſſe Inſektenarten beſchränkt,
ähnlich wie andere Inſekten nur beſtimmte Futterpflanzen, viele viele
Eingeweidewürmer nur beſtimmte Wohnungsthiere haben.


Im Allgemeinen haben die Schlupfwespen die bekannte ſchlanke
Wespengeſtalt und bei vielen iſt das Weibchen am Hinterbleibsende mit
[273] einem dünnen Legſtachel zum Ablegen der Eier verſehen. Die Zahl
ihrer Arten iſt eine ſehr große, indem man in Deutſchland bereits gegen
5000 aufgefunden hat, eine Abtheilung der Inſektenklaſſe, welche für uns
die allergrößte Bedeutung hat, wenn ihre Auffaſſung als Inſektenvertilger
und als Bundesgenoſſen des Förſters in der Ausübung des Forſtſchutzes
auch nur einigermaaßen richtig iſt; ja wenn letzteres der Fall iſt, ſo
müßte die Kiefer, vielleicht unſer verbreitetſter Waldbaum, ohne ſie vom
deutſchen Boden längſt verſchwunden ſein.


Was nun die wichtigſten Kiefernfeinde aus der Inſektenwelt betrifft
ſo ſind dieſe weſentlich folgende:


  • 1) der Kiefernſpinner, Bombyx Pini;
  • 2) die Nonne, Bombyx monacha;
  • 3) die Kieferneule, Noctua piniperda;
  • 4) der Kiefernſpanner, Geometra piniaria;
  • 5) der große Kiefernrüſſelkäfer, Curculio Pini;
  • 6) der kleine Kiefernrüſſelkäfer, Curculio notatus;
  • 7) die kleine Kiefernblattwespe, Tenthredo Pini;
  • 8) die große Kiefernblattwespe, Lyda pratensis;
  • 9) der Maikäfer, Melolontha vulgaris;
  • 10) der Kiefernmarkkäfer, Hylesinus piniperda;
  • 11) die Maulwurfsgrille oder Werle, Acheta gryllotalpa.

Da die meiſten von dieſen Kiefernfeinden eine ſtarke Vermehrungs-
fähigkeit haben und überall in Deutſchland verbreitet ſind, ſo möchte
man befürchten, daß es unmöglich ſei, Kiefernwaldungen zu erhalten und,
da einige von jenen Inſekten auch den jungen Kiefernpflanzen nachſtellen,
Kiefernkulturen aufzubringen. Allein wenn auch der Fälle genug vor-
liegen, daß ganze Kiefernwaldungen von einer Art dieſer Feinde getödtet
worden ſind, ſo ſind dieſe Fälle doch immer die Ausnahmen, die wenig-
ſtens zum Theil durch die wachſame Umſicht des Forſtmannes verhütet
und durch energiſches Einſchreiten beſchränkt werden können. Dazu kommt
noch, daß dieſe Waldverderber, wie ſie Ratzeburg ſehr bezeichnend nennt,
außer den Schlupfwespen auch noch viele andere Feinde haben, die ihnen
ohne Unterlaß nachſtellen und ihre Vermehrung im Zaume halten. Außer
vielen Vögeln thun dies namentlich auch noch einige andere Inſekten-
arten. Außerdem thun den ſchädlichen Inſekten in ihrer Verbreitung
Roßmäßler, der Wald. 18
[274] zuweilen auch jähe Temperatur- und Witterungswechſel Einhalt; ebenſo
wie letztere auch durch Krankmachen der Beſtände ſchädliche Inſekten
anlocken können. Wir ſehen, daß der Forſtſchutzbeamte nicht blos Inſekten-
kenner, ſondern auch Kenner des Pflanzenlebens, der Boden- und der
Witterungskunde ſein muß.


Figure 34. XXXIII.

Der Kiefernſpinner, Bombyx Pini.
1. 2. der weibliche und der männliche Schmetterling; — 3. 4. Puppe und Ge-
ſpinnſt; — 5. Raupe.


Der furchtbarſte Feind der Kiefernforſten iſt ohne Widerrede der
Kiefernſpinner — natürlich blos im Raupenzuſtande — von dem wir
Abbildungen des Raupen-, Puppen- und Fliegenzuſtandes vor uns haben.
Seine große, ſehr unbeſtimmt und verſchiedenartig gefärbte und gezeichnete
[275] behaarte Raupe (5.) iſt von vielen ähnlichen ſehr leicht zu unterſcheiden
durch zwei ſtahlblaue Flecken, welche ſie im Nacken zwiſchen dem erſten
und zweiten und zweiten und dritten Leibesringel hat und welche nament-
lich beim Herabbiegen des Kopfes hervortreten (5**.). Sie beſtehen aus
platten Borſtchen, welche bei der Bereitung des ſchmutzig braungrauen
Geſpinnſtes äußerlich immer mit verwendet werden und daher auch dieſes
leicht kennbar machen (4.).


Die Gefräßigkeit der „großen Kiefernraupe“ iſt außerordentlich groß
und wenn man ihr bei warmen Sonnenſchein zuſieht, ſo ſcheint ſie in
großen Biſſen die Kiefernnadel gleichſam ins Maul hineinzuſchieben und
das ſehr unvollkommene Verdauungsvermögen der Raupen, welches nur
die flüſſigen Theile der gefreſſenen Pflanzennahrung oberflächlich auszieht,
erklärt hinlänglich deren großes Nahrungsbedürfniß.


Der braun und grau gezeichnete Schmetterling (1. 2.) fliegt um
die Mitte des Juli träg in den erwachſenen 60—80jährigen Kiefern-
beſtänden und legt am liebſten in Bruſthöhe ſeine 100 bis 250 hirſekorn-
großen anfangs hellgrünen und ſpäter ſilbergrauen Eier in Klumpen von
40 — 50 an die Stämme ab, aus denen je nach der Witterung nach
2 — 4 Wochen die anfangs ſehr kleinen Räupchen auskriechen. Dieſe
freſſen in den Wipfeln bis zum Eintritt des Winters, verlaſſen dann
kaum halbwüchſig die Bäume, um ſich in der Bodendecke gekrümmt zur
Winterruhe zu begeben. Mit Eintritt der erſten Frühjahrswärme ver-
laſſen ſie ihr Winterlager, kehren in die Wipfel zurück und ſind im Juni
ausgewachſen. Das dichte, an dem Kopfende mit einem Seidengewirr
verſchloſſene, pflaumenförmige Geſpinnſt (4.) findet man meiſt zwiſchen
den Nadeln an den Trieben. Nach kurzer Puppenruhe kommt aus dieſem
der Schmetterling hervor. Bei großen Ausbreitungen, welche meiſt ſich
bis in das dritte Jahr ſteigern, findet man zur Sommerszeit meiſt
Raupen von allen Größen, ſo daß alſo auch hierin der regelmäßige
Lebensverlauf des Thieres geſtört erſcheint.


Da die Raupe des Kiefernſpinners die ganzen Nadeln bis auf die
Scheide frißt, wodurch das kleine auf S. 260 uns bekannt gewordene
Knöspchen mit verletzt wird, ſo ſchlagen die entnadelten Triebe nicht
wieder aus und völlig entnadelte Bäume ſterben ſehr ſchnell und es
18*
[276] müſſen ziemlich viele Triebe unentnadelt geblieben ſein, wenn der Baum
ſich wieder erholen ſoll.


Man kann ſich ſchwer eine Vorſtellung von einer Kiefernſpinner-
Verwüſtung auf ihrem Höhenpunkte machen. Die von Baum zu Baum
wandernden Raupen kommen Einem in den am meiſten befallenen Be-
ſtänden faſt bei jedem Schritte unter die Füße und von dem fallenden
Raupenkoth, mit dem man alle Pfade bedeckt findet, glaubt man einen
rieſelnden Regen zu hören; das Auge irrt ſchmerzhaft berührt durch die
grauen entnadelten Kronen. Ein Beiſpiel, welches Ratzeburg mittheilt,
wird am beſten unſerer Vorſtellungskraft zu Hülfe kommen. Nach den
Beobachtungen deſſelben verzehrt eine Raupe bis zum Augenblicke ihrer
Verpuppung zuſammen ungefähr 1000 Nadeln und um in einem Walde
täglich ein Pfund Nadeln zu verzehren, ſind je nach der Wärme, welche
die Freßluſt der Raupen ſteigert, 2218 bis 4754 Raupen erforderlich;
wie groß muß alſo die Raupenmenge geweſen ſein, in dem von Ratze-
burg erzählten Falle, wo nach dreijähriger Dauer eines Raupenfraßes
109,352 Klaftern raupenfräßiges Holz geſchlagen werden mußte, wodurch
ein Flächenraum von 9372 preußiſchen Morgen völlig entwaldet wurde. —


Wir ſehen nach dieſer Thatſache, deren ſelbſt die neueſten Annalen
unſerer Waldgeſchichte leider ziemlich viele aufzuweiſen haben, die neben-
ſtehend abgebildeten drei Verfolger der großen Kiefernraupe mit um ſo mehr
Intereſſe an, wenn auch deren Verdienſt um die Bändigung des furcht-
baren Kiefernfeindes nicht ſo groß ſein ſollte, als man lange Zeit ge-
glaubt hat.


Die nebenſtehenden Figuren (XXXIV.) ſtellen uns den unermüd-
lichſten Verfolger des Kiefernſpinners dar: Anomalon circumflexum (1.).
Zunächſt iſt die im Innern der Spinnerraupe lebende Larve frei (2. 3.),
dann befindet ſie ſich in einer eiförmigen Blaſe eingeſchloſſen (4. 5.) und
zuletzt nimmt ſie die Form und Größe von 6. u. 7. an, aber erſt im
Puppenzuſtande des Kiefernſpinners, in welchen dieſer wunderbarer Weiſe
den in ſeinem Innern nagenden Wurm mit hinüber nimmt. Zuletzt
verwandelt ſich die Anomalon-Larve im Innern der dabei ſteif und
unbeweglich werdenden Spinnerpuppe in die Anomalon-Puppe.


Wir dürfen dieſe höchſt auffallende Erſcheinung nicht ohne beſondere
Aufmerkſamkeit darauf an uns vorübergehen laſſen. Denken wir uns
[277] eine ausgewachſene Kiefernraupe, welche im Innern die in ihrer Blaſe
eingeſchloſſene Anomalon-Larve (4. 5.) birgt. Aeußerlich ſehen wir ihr
davon gar nichts an, ſie iſt anſcheinend geſund und vollendet in derſelben
Zeit, wie eine wirklich geſunde Raupe ihr pflaumenförmiges Geſpinnſt
und legt ſich in demſelben verſchrumpfend und mißfarbig werdend zu dem
Ruhezuſtande nieder, während welches in ihrem Innern die wunderbare

Figure 35. XXXIV.

Schlupfwespen des Kiefernſpinners.
1. Anomalon circumflexum; — 2. erſtes und 3. drittes Stadium ſeiner Larve; —
4. 5. fünftes Stadium derſelben (4. aus der Blaſe herausgenommen); — 6. 7. viertes
Stadium derſelben kurz vor der Verwandlung in die Puppe; — 8. eine todte von
Mikrogaſterlarven bedeckte Spinnerraupe; — 9. Teleas laeviusculus. — (Die beiſtehenden
Linien und bei Fig. 9. das Kreuzchen zeigen die natürliche Größe an.)


[278] Umwandlung der Raupenorganiſation in die des Schmetterlings vorgehen
würde, wenn ſie eben nicht von der Schlupfwespenlarve bewohnt wäre.
Die Verwandlung der Raupe in die Puppe geht daher nur unvoll-
kommen von ſtatten; die Raupe ſtreift innerhalb des Geſpinnſtes ihre
letzte Raupenhaut ab und erſcheint nun äußerlich als eine ganz normale
Spinnerpuppe. Aber innerlich findet ſich nicht der ſcheinbar beinahe
formloſe Brei, aus welchem ſich der Schmetterling geſtalten ſoll. In
kurzer Zeit wird die Puppe ſteif und unbeweglich, es geht in ihr eine
andere Verwandlung vor: die in ihr, der Schmetterlingspuppe, einge-
ſchloſſene Schlupfwespenlarve (6. 7.) verwandelt ſich in die Schlupf-
wespenpuppe, von dem Kiefernſpinner iſt faſt nichts weiter übrig ge-
blieben, als die Puppenſchale und das Geſpinnſt und zu ſeiner Zeit
durchbricht ein vollendetes Inſekt beide, es iſt dies aber nicht der
erwartete Schmetterling, ſondern die uns von Fig. 1. bekannte, anſehn-
liche Schlupfwespe.


Eine andere Lebensweiſe hat ein zweiter Erbfeind des Kiefern-
ſpinners: Microgaster globatus (ſonſt M. nemorum genannt). Die
ausgewachſene Spinnerraupe birgt Hundert und mehr den Käſemaden
ähnliche Larven dieſer kleinen Schlupfwespe, ſo daß dieſelben den größten
Theil ihres Innern ausfüllen und man es kaum begreifen kann, wie
eine ſolche Raupe kaum ein Mißbehagen erkennen läßt. Sind die
Schlupfwespenlarven zur Verpuppung reif, was bei allen zuſammen zu
derſelben Zeit der Fall iſt, ſo bohren ſie ſich wie auf ein Commando im
Verlauf von höchſtens einer Stunde alle miteinander durch die Haut der
Raupe heraus (8.) und jede ſpinnt ſich ein ſchneeweißes Seidencocon,
um ſich darin zu verpuppen, ſo daß die Raupenleiche nach kurzer Zeit
von einer ſchneeweißen Hülle eiförmiger Bällchen umſchloſſen erſcheint.


Wegen der dabei vorkommenden außerordentlich geringen Umfangs-
und Maſſenverhältniſſe ſind diejenigen Erſcheinungen beinahe noch über-
raſchender, welche eine dritte Schlupfwespe darbietet. Das kaum einen
Floh an Größe erreichende Weibchen von Teleas laeviusculus (9.) legt
zwölf und mehr ſeiner unendlich kleinen Eierchen in ein Kiefernſpinner-Ei
und die daraus auskommenden Lärvchen zehren wochenlang von dem
geringen Inhalte des Spinnereies bis zu ihrer vollkommenen Ausbildung,
und die im Innern deſſelben aus der Puppenruhe hervorgehenden kleinen
[279] Teleas-Wespen verlaſſen ihre kleine Welt durch ein in die Eiſchale
gemachtes Loch, welches nicht größer als ein Nadelſtich iſt.


„Um an dem glorreichen Ende auch ſeinen Theil haben zu wollen“,
ſagt der ſchon oft genannte Forſcher, geſellt ſich als Vierter noch Ptero-
malus xanthopus
hinzu, welcher ſich zu 600 und mehr in je einer Spinner-
puppe entwickelt.


Indem wir zu den übrigen genannten Kiefernfeinden zurückkehren,
ſo würden wir von jedem andere Lebensverhältniſſe zu berichten haben,
wenn uns der beſchränkte Raum nicht davon zurückhielt. Wir führen
daher nur noch einen derſelben etwas ausführlicher vor, weil er, obgleich
nur ein kleines Käferchen, einen großen Einfluß auf die Geſtalt des
Kiefernbaumes auszuüben vermag. Es iſt dies der Kiefernmarkkäfer,
Hylesinus piniperda, deſſen anderen deutſchen Namen „Waldgärtner“
wir beim Anblick der umſtehenden Abbildung einer von ihm beſchnittenen
jungen Kiefer vollkommen gerechtfertigt finden werden.


Solche Kiefern, an welchen wir nach oben hin die der Kiefer eigen-
thümliche, ſo regelmäßige Pyramidengeſtalt und Quirlſtellung der Aeſte
und Triebe vermiſſen, finden wir manchmal ſehr häufig an ſonnigen,
trocken und frei gelegenen Rändern jüngerer Beſtände. Solche Lage
liebt der Waldgärtner, der die Bäume ausäſtet und ausputzt, bis ſie
nach und nach die dargeſtellte abweichende, triebarme Kronengeſtalt an-
nehmen.


Der kleine kaum 3 Linien lange ziemlich walzige Käfer (XXXVI. 1.)
iſt braunſchwarz und geht, nachdem er unter der Rinde der Kiefernſtämme
ſich entwickelte und als Larve durch Zernagen der Rindenbaſtſchicht
ſchadete, in die Spitze der Triebe, wo er das Mark ausfrißt. Dadurch
werden die Triebe trocken und brüchig und werden noch vor dem Ab-
welken der Nadeln ſelbſt von nicht ſehr ſtarken Winden abgebrochen, ſo
daß man das Daſein des Kiefernmarkkäfers namentlich an den ſonnigen
Rändern jüngerer Beſtände durch die am Boden liegenden grünen Trieb-
ſpitzen leicht erkennt. Durch dieſe Beraubung zahlreicher Triebe be-
kommen die Kiefernwipfel jenes ſonderbare, ſchlank ausgeäſtete Anſehen,
welches ſelbſt dem Unkundigen bei einiger Achtſamkeit auffällt. Die
Aus- und Eingangslöcher der abgefallenen Triebe findet man ſtets von
einer hellgelben Harzwolle umgeben. Schädlicher noch als durch dieſe
[280]

Figure 36. XXXV.

Vom „Waldgärtner“ verunſtaltete Kiefer.


[281] Ausäſtung iſt dieſes Inſekt als Larve unter der Rinde, wo es ein ganz
ähnliches Leben und Treiben, wie der Fichtenborkenkäfer führt (ſiehe
dieſen weiter unten) obgleich dadurch niemals ſo großen Schaden unter
den Kiefern, wie jener unter den Fichten anrichtet.


Figure 37. XXXVI.

1. Kiefernmarkkäfer oder Waldgärtner, Hylesinus piniperda, 6fach vergrößert; —
2. deſſen Puppe, ebenſo; — 3. deſſen Larve vergrößert; — 4. dieſelbe nat. Größe; —
5. ein von ihm ausgenagter Trieb mit den Eingangslöchern.


Was die übrigen Kiefernfeinde aus der Klaſſe der Inſekten anlangt,
ſo gleichen die Nonne, die Kieferneule, der Kiefernſpanner und die
kleine Kiefernblattwespe durch Abfreſſen der Nadeln dem Spinner
und manche von ihnen, namentlich die Nonne, richten dadurch zuweilen
großen Schaden an, obgleich nicht in dem Grade, wie der Spinner. Sie
alle zuſammen ſind Kiefernbeſtandsverderber.


Kiefernculturverderber ſind der große und kleine Rüſſel-
käfer,
die große Kiefernblattwespe, der Maikäfer als Larve
(Engerling) und die Maulwurfsgrille, indem ſie theils die Wurzeln
der jungen Kiefern (Engerling und Maulwurfsgrille), theils die Rinde
und den Splint der jungen Stämmchen (die beiden Rüſſelkäfer), theils
die Nadeln derſelben (die große Kiefernblattwespe) angehen.


An dem habitusverändernden Einfluſſe der Kiefernkrone nehmen
außer dem Waldgärtner auch noch einige Wicklerraupen, namentlich
Tortrix buoliana, durch Tödtung und Verkrümmung vieler Triebe einigen
Antheil. Erinnern wir uns nebenbei noch an das Bedürfniß der Kiefer
[282] nach Lichtſtellung und Reinigung von den unteren, nicht vom Lichte ge-
troffenen Aeſten, ſo finden wir es nun ganz natürlich, daß die Kiefer im
höheren Alter ſo ſehr leicht ihre pyramidale Geſtalt verläßt und den weit-
äſtigen Laubholzhabitus annimmt.


Die Maßregeln, welche der Forſtmann gegen dieſe läſtigen Feinde
zu ergreifen hat, und die wir oben ſchon in drei Klaſſen eingetheilt
haben (S. 270), müſſen ſich natürlich nach den vorliegenden Verhält-
niſſen und namentlich nach der Lebensweiſe und den Zuſtänden der In-
ſekten richten. So lange man noch der Anſicht zugethan war, daß die
Schlupfwespen allein es ſeien, welche eine jede ungewöhnliche Inſekten-
vermehrung zuletzt immer bewältigten, dachte man ſelbſt daran, die Ver-
mehrung dieſer Thiere in ſogenannten Raupenzwingern zu befördern.
Man hat ſich jedoch in neuerer Zeit mehr und mehr davon überzeugt,
daß man dadurch keine Vortheile erzielt. Der Kampf mit den Kiefern-
feinden, namentlich mit dem Spinner, hat vorzüglich im nordöſtlichen
Viertel Deutſchlands ſchon große Summen verſchlungen, abgeſehen von
den Verluſten, welche man am Holze hatte. So ſind z. B. in dem
preußiſchen Regierungsbezirk Bromberg vor Kurzem während eines drei-
jährigen Spinnerfraßes 80,000 Morgen Kiefernwald in 118,000 Arbeits-
tagen abgeraupt und dafür etwas über 23,000 Thlr. verausgabt worden.
Die Fälle, in welchen zeitig genug begonnene Vertilgungsmaßregeln das
hereinbrechende Uebel im Keime erſtickten ſind aber weniger zahlreich, als
diejenigen, welche trotz Aufwendung vieler Arbeit und Koſten mit einem
großen Verluſt an Beſtänden endeten.


Außer dem bereits erwähnten Schütten der jungen Kiefern wird
die Kiefer noch von manchen andern Krankheiten heimgeſucht, wobei
namentlich eine zu naſſe Bodenbeſchaffenheit und ein zu üppiges Wachs-
thum viel beitragen.


Was die forſtliche Behandlung und Bedeutung der Kiefer
betrifft, ſo haben wir von erſterer bereits gehört, daß ſie nicht ſo leicht
iſt, als man oft glaubt und als man zu glauben berechtigt ſein könnte
bei der großen Genügſamkeit der Kiefer hinſichtlich ihrer Anſprüche an
den Boden.


Wir kommen hier zum erſtenmale auf die verſchiedenen Verfahrungs-
arten zu ſprechen, die man bei der Wäldererziehung anwendet und wir
[283] müſſen daher wenigſtens Einiges darüber vorläufig einſchalten. Man
unterſcheidet eine natürliche Holzzucht und eine künſtliche Holz-
zucht.
Unter erſterer — ſonſt ſchlechthin Holzzucht genannt — ver-
ſteht man, wenn man es den Bäumen ſelbſt überläßt, ihren Samen auf
die rings um ſie herum frei gemachte und zum Theil auch durch Auf-
lockern etwas vorbereitete Waldbodenfläche auszuſtreuen. Man ſtellt zu
dem Ende einen ſogenannten Samenſchlag, d. h. man läßt auf einer
Fläche nur ſo viel Bäume ſtehen, als gerade ausreichen, dieſelbe mit
Samen zu überſtreuen. Zu einer ſolchen Samenſchlagſtellung hat man
natürlich ein Samenjahr zu wählen, was bei der Kiefer um ſo leichter
iſt, als man ſchon 18 Monate vorher ſicher weiß, ob die Kiefer vielen
Samen hergeben werde (S. 258). In das Bereich der natürlichen
Holzzucht gehören auch diejenigen Verjüngungsarten der Waldungen,
bei denen man ſich des Ausſchlagsvermögens der Holzarten bedient.


Die künſtliche Holzzucht — ſonſt auch zum Unterſchied von
jener Holzanbau genannt — kann man wieder in Saat und Pflanzung
eintheilen, indem man entweder die zu kultivirende Fläche mit Samen
beſtreut oder mit ſolchen Pflänzchen bepflanzt, welche man in beſonderen
Pflanzgärten erzogen hat.


Die Saat iſt entweder Vollſaat, Platz- oder Riefenſaat. Bei
erſterer wird der Same, wie es der Landmann thut, gleichmäßig über
die Kulturfläche ausgeſtreut, die zu dieſem Zwecke entweder einigermaaßen
aufgelockert und gereinigt oder ohne weitere Vorbereitung gelaſſen wird,
wenn ihre natürliche Beſchaffenheit es zuläßt. Im andern Falle werden
entweder etwa 4 Fuß von einander entfernte Riefen aufgehackt und
gereinigt oder es geſchieht dies blos in regelmäßigen Abſtänden mit kleinen,
etwa einen Quadratfuß großen Plätzen.


Zur Pflanzung dürfen die Stämmchen bei der Kiefer höchſtens
2½ bis 3 Fuß groß ſein und auf ungünſtigem Boden dürfen ſie nicht
über drei bis fünf Jahr alt ſein. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß hier
nicht blos bei den verſchiedenen Waldbäumen, ſondern auch je nach der
Bodenbeſchaffenheit der Kulturfläche verſchiedene Regeln gelten. Eine
vollendete Kultur heißt nun eine Schonung, was ſich leicht von ſelbſt
erklärt, und es wird das Betreten derſelben und das Eintreiben von
[284] Vieh durch aufgeſteckte Strohwiſche verboten und je nach Bedürfniß wird
die Kultur auf verſchiedene Weiſe umfriedigt.


Wenn der Forſtmann es wenig in der Gewalt hat, für das Ge-
deihen ſeiner oft ſehr ausgedehnten Kulturen Etwas unmittelbar zu thun,
ſo hat er auf der andern Seite mit mancherlei Hinderniſſen zu kämpfen,
welche dem Gedeihen ſeiner Kulturen in den Weg treten. Außer den
Inſekten iſt es namentlich das die Pflänzchen „verbeißende“ Wild und
das wuchernde, verdämmende Aufſchießen der Waldunkräuter, womit er
zu kämpfen hat, während er gegen Regenmangel und Sonnenbrand, die
zuweilen nicht minder ſtörend einwirken, leider Nichts thun kann.


Daß bei dem geringen ja faſt gänzlich mangelnden Ausſchlagsver-
mögen bei der Kiefer und allen echten Nadelhölzern nur Saat und
Pflanzung bei der Verjüngung der Beſtände angewendet werden kann,
verſteht ſich von ſelbſt.


Den Kiefern-, Fichten- und Lärchenſamen läßt man, nachdem die
Zapfen von nicht zu alten und nicht zu jungen Bäumen gepflückt worden
ſind, meiſt in ſogenannten Samendarren, auf in geheizten Gemächern
aufgeſtellten Hürden, ausfallen, was man ausklengen nennt und es
werden dann die Samen meiſt noch abgeflügelt. Das Ausſäen oder
Stecken ganzer Zapfen, Zapfenſaat, iſt im Allgemeinen als eine Ver-
ſchwendung wenig empfehlenswerth.


Daß künſtliche Ausſaat vor der natürlichen ihre Vortheile habe,
liegt auf der Hand, weil ſie gleichmäßiger und ſicherer auszuführen und
man bei der natürlichen Beſamung von der Windrichtung und anderen
Zufälligkeiten abhängig iſt.


Der Same geht bei der Frühjahrsſaat bei günſtigen Verhältniſſen
nach 5 — 6 Wochen auf und der Unkundige hat ſich dann wie auch bei
Fichte und Lärche zu hüten, daß er die Keimpflänzchen, nachdem dieſelben
den Trieb zu entwickeln begonnen haben, nicht für Moospflänzchen
(namentlich Widerthon, Polytrichum) halte. Saaten und Pflanzungen,
nachdem letztere die Lebens-Störungen der Verpflanzung überwunden
haben, ſchließen ſich, nachdem ſie erſt 3 — 4 Fuß Höhe erreicht haben,
auf gutem Boden ſehr dicht und verdämmen das Unkraut zwiſchen ſich,
während ſie gleichzeitig ſchon frühzeitig anfangen ſich zu reinigen; und
dadurch erweiſt ſich gerade am meiſten bei der Kiefer die Berechtigung
[285] der Benennung Stangenholz, weil etwa 25 — 30 jährige in gutem
Schluſſe ſtehende Kiefern hohe meiſt ſehr aſtreine ſchlanke ſtangenartige
Stämme mit ſehr kurzer Krone ſind. Das Lichtbedürfniß der Kiefer iſt
ſo groß, daß ſelbſt in kleinen Horſten ſtehende Kiefern bis in das Alter,
wo die Krone, und zwar bei dieſem Stande um ſo mehr, weit ausgreifend
ihre Aeſte verlängert, die unteren Zweige abwerfen und nur kurze Kronen
behalten und daher oft wie auf Stelzen ſtehende Laubdächer ausſehen
und durchſichtige Horſte bilden, während in ſolchem Stande die Fichten,
tief herab beäſtet, in dichtem Schluß ſtehen und kleine dichte Horſte bilden.


Je mehr entweder durch Heraushauen zurückbleibender Stämme
(Durchforſtung) oder durch Unterdrücktwerden und Abſterben ſolcher ſich
die Kiefer räumlich ſtellt, deſto mehr ſchwindet der pyramidale Wuchs
und macht dem weitäſtigen Habitus mit gewölbter Krone Platz. Dies
geſchieht je nach der Fruchtbarkeit des Bodens in höherem oder geringerem
Alter; deſto ſpäter, je fruchtbarer der Boden iſt. Ueberhaupt übt kaum
auf eine andere Baumart hinſichtlich ihres Habitus die Bodenbeſchaffenheit
einen ſo großen Einfluß aus als auf die Kiefer.


In der erſten Hälfte ihres Lebens wächſt die Kiefer viel ſchneller
als in der zweiten und legt daher auch in dieſer viel breitere Jahres-
ringe an. Vom 50. bis 80. Jahre wächſt ſie langſamer aber gleichmäßig
fort und mit zunehmendem Alter füllt ſich das Kernholz mehr und mehr
mit Harz und gewinnt dabei als Nutzholz einen höheren Werth durch
geſteigerte Dauerhaftigkeit, während dieſelben Bäume in dem Stangen-
holzalter ein ſchwammiges, viel harzärmeres Holz hatten, an welchem
auch die Kernholzbildung meiſt noch gar nicht begonnen hatte.


Das durchſchnittliche Lebensalter der Kiefer iſt um ſo ſchwerer zu
beſtimmen, je mehr die Beſchaffenheit des Standortes Einfluß auf ihr
Gedeihen hat, und wie gewöhnlich findet man auch bei der Kiefer
einzelne Beiſpiele von ſehr hohem Alter, welches bis über 300 Jahre
ſteigen kann.


Wegen dieſer Abhängigkeit der Kiefer in Wuchs und Gedeihen iſt es
daher auch ſchwer, eine Umtriebszeit für ſie zu beſtimmen, worunter
der Forſtmann denjenigen Zeitraum zwiſchen Saat und Ernte des Holzes
verſteht, innerhalb welches eine Baumart die größte Holzmenge bei
beſter Holzbeſchaffenheit erreicht. Der Umtrieb des Kiefernhochwaldes
[286] richtet ſich daher nach der Beſchaffenheit des Bodens und den davon
abhängigen Wachsthumsverhältniſſen der Beſtände und kann zwiſchen
40, 80 und 120 Jahren ſchwanken. Weil die Kiefer bei guter Be-
wurzelung und günſtigen Bodenverhältniſſen eine große Freiſtellung ge-
ſtattet, ſo werden beſonders ſtarke Bäume ſehr häufig übergehalten,
d. h. auf übrigens abgetriebenen Schlägen allein ſtehen gelaſſen, und entweder
wenn ſie ihre höchſte Vollkommenheit erlangt haben aus dem jüngeren
Beſtande herausgenommen, der inzwiſchen um ſie herum aufgewachſen iſt,
oder ſie bleiben ſo lange ſtehen, bis auch dieſer in ſein Haubarkeitsalter
eingetreten iſt: ſie werden alſo erſt nach doppelter Umtriebszeit gehauen.
Dies geſchieht namentlich an ſolchen Orten, wo, wie z. B. zum Schiffs-
bau, beſonders ſtarke Holzſortimente geſucht ſind.


Der Betrieb der Kiefernwaldungen iſt nur Hochwaldbetrieb in
Schlägen, wie das des maugelnden Ausſchlagsvermögens wegen, wodurch
Mittel- und Niederwaldbetrieb ſich von ſelbſt verbietet, bei den Nadel-
waldungen nicht anders ſein kann. Die bisher allein geltende Gewohnheit,
die Kiefer wie alle Nadelhölzer nur in reinen Beſtänden zu erziehen,
wird jetzt an vielen Orten dahin modifizirt, daß man den Kiefernſaaten
und Kulturen wie auch denen anderer Nadelhölzer ein gewiſſes Procent
Laubhölzer beimiſcht, weil man gefunden hat, daß ganz reine Nadelholz-
beſtände durch Inſektenfraß mehr leiden als gemiſchte.


Die Benutzung der Kiefer iſt eine außerordentlich manchfaltige
und umfangreiche und da ſie vielleicht der verbreitetſte Baum Deutſchlands
iſt, ſo trägt ſie wahrſcheinlich das Meiſte zur Befriedigung unſeres Holz-
bedürfniſſes bei. Außer der Benutzung zu Brennholz bietet die Kiefer
eine große Manchfaltigkeit von Benutzungsformen dar und da ſie be-
ſonders ihres Lichtbedürfniſſes wegen ſchon ſehr frühzeitig durchforſtet
werden muß, ſo liefert ſie ſchon eine bedeutende Nutzung zu Bohnen-
und Hopfenſtangen, bis endlich ihre höchſte Nutzung als Maſtbaum
eintritt, wozu nächſt der Lärche Kiefernſtämme ihres Harzreichthums
wegen am meiſten geſucht ſind. Weil die Kiefernſtämme ſich ſchon in
früher Jugend reinigen, ſo bieten ſie im hohen Alter das aſtreinſte
Holz, wodurch deſſen Werth weſentlich erhöht wird.


Eine Aufzählung der verſchiedenen Dinge, wozu man das Kiefern-
holz verarbeitet, würde eine lange Reihe geben und, wie ſich von ſelbſt
[287] verſteht, doch keine unbedingte Richtigkeit bieten, weil, je nachdem ſie
oder ein anderes Nadelholz die Gegend beherrſcht, verſchiedene Nadel-
holzarten zu denſelben Verwendungen dienen müſſen, was jedoch nicht
ausſchließt, daß der vorzugsweiſe Harzgehalt des Kiefernholzes es zu
manchen Verwendungen unerſetzlich macht.


Die Benutzungsgüte des Kiefernholzes wird häufiger als bei anderen
Nadelhölzern durch Drehwüchſigkeit beeinträchtigt. Wir wiſſen
ſchon, daß die meiſten Stämme in dem Gefüge ihrer Holzzellen mehr
oder weniger eine ſpirale Drehung zeigen, ſo daß, wenn wir einen etwa
16 Schuh langen Klotz durchſpalten würden, wobei wir es demſelben
überließen wie er dem Verlauf ſeiner Faſern zu Folge ſpalten müßte,

Figure 38. XXXVII.


die Spaltfläche nur ſelten eine vollkommene Ebene ſein würde, wir ſie
im Gegentheil etwas windſchief und gebogen finden würden. Dies iſt
namentlich bei den Kiefern ſehr häufig und in einem ſo hohen Grade
der Fall, wie es kaum bei einer anderen Holzart, am wenigſten einem
anderen Nadelholze, vorkommt. Wir ſehen dies in auffallendem Grade
bei dem abgebildeten, 2 Fuß langen Scheit (Fig. XXXVII.), an welchem
wir ſehen, daß das Faſergefüge des Stammes auf 2 Fuß Stammlänge
eine halbe Umdrehung macht. Es liegt auf der Hand, daß ſolches
[288] Kiefernholz zu vielen Anwendungen nicht brauchbar iſt und faſt nur als
Brennholz dienen kann. Es finden ſich z. B. im ſüdlichen Baiern ganze
Beſtände von ſolchen drehwüchſigen Kiefern, wo man auch gefunden hat,
daß der Same ſolcher Kiefern auch wieder Bäume mit Drehwuchs giebt.
Dieſer ſpricht ſich ſogar äußerlich an der Rinde aus und findet ſich auch
an den jüngſten Trieben, von denen ſich ein ſchmaler Rindenſtreif, wenn
man ihn abzieht, ſpiral um den Trieb herum ablöſt. Die Erklärung

Figure 39. XXXVIII.

Ein Theil des Querſchnittes einer drehwüchſigen Kiefer.


dieſer räthſelhaften Erſcheinung iſt ebenſo ſchwierig als die Heilung dreh-
wüchſiger Beſtände und wenn wir unſere Figur XXXVIII. anſehen, ſo
finden wir dieſen Drehwuchs von einem höchſt eigenthümlichen Geſetz
der Jahresringbildung begleitet. Wir ſehen nämlich die Jahresringe
nicht parallel-concentriſch, wie dies mehr oder weniger der Fall zu ſein
pflegt, ſondern in einer ungleichmäßigen Anzahl von Jahresringen ab-
wechſelnd an der einen und der gegenüberliegenden Stammſeite ſehr
ſchmal oder ſehr breit. Auf dem abgebildeten Stück einer Stammober-
fläche ſehen wir deutlich eine Anzahl Jahresringe ſehr ſchmal und da-
zwiſchen liegende Partieen ſehr breit und zwar in viermaliger Wieder-
[289] holung (1. 2. 3. 4.). Auf der gegenüber liegenden Stammſeite würden
wir den ſchmalen Hälften der Jahresringe die breiten und den breiten
die ſchmalen entſprechend finden. Wenn man dieſe ſonderbare Er-
ſcheinung in einer veranſchaulichenden Formel ausdrücken wollte, ſo
könnte man ſagen, eine ſpiral um die Stammachſe herum gelegte aber
ununterbrochen ſeitlich fortrückende Urſache nöthigt örtlich zu breiter oder
wenn man lieber will, zu ſchmaler Holzringbildung. Ob die Drehung
eine linke oder eine rechte und ob ſie überhaupt, was wohl zu vermuthen
iſt, in dieſer Hinſicht regelmäßig ſei, iſt mir nicht bekannt.


Ehe wir zu den folgenden Kiefernarten übergehen, haben wir von
der gemeinen noch hinzuzufügen, daß ihre Abhängigkeit vom Standorte
ſie zuweilen ſo ſehr verändert, daß man ſich geneigt fühlen kann, mehrere
Abarten derſelben zu unterſcheiden. Dieſer Umſtand hat es mit ſich ge-
bracht, daß man darüber ſtreitet, ob die weiter unten zu betrachtende
Knieholzkiefer nicht vielleicht auch noch zu den Standortsvarietäten
der gemeinen Kiefer gehöre, was jedoch ſicher nicht der Fall iſt. Namentlich
auf Hochmooren nimmt die Kiefer zuweilen eine ſo veränderte Beſchaffen-
heit ihres Wuchſes und beſonders ihrer Zapfen an, daß man darin den
Charakter der Stammform kaum wieder erkennen kann.


2. Die Schwarzkiefer, Schwarzföhre*)oder öſtreichiſche Kiefer,
Pinus Laricio Poiret (P. austriaca Höss, P. nigricans Host).


Wir halten uns bei der Beſchreibung dieſer beinahe nur im ſüdöſt-
lichen Theile Deutſchlands als Waldbaum vorkommenden Kiefer ver-
gleichend an die vorhergehende. Die Schwarzkiefer iſt in allen ihren
Theilen kräftiger als die gemeine und gewinnt namentlich durch ihre
längeren, dunkleren Nadeln ein ſtarres und düſteres Anſehen.


Roßmäßler, der Wald. 19
[290]

Die Blüthen ſind größer, die weiblichen aufrecht ſtehend (XXXIX. 2.)
und die männlichen bilden längere Kätzchen, welche am Grunde des ſehr
kurz bleibenden Maitriebes zwiſchen den vorjährigen Nadeln ſtehen (1.).


Figure 40. XXXIX.

Schwarzkiefer, Pinus Laricio Poiret.
1. Trieb mit männlichen Blüthenkätzchen; — 2. Triebſpitze mit einem weiblichen
Blüthenzäpfchen, Nadeln noch kurz und von der Scheide umſchloſſen; — 3. 4. der ge-
ſchloſſene und der aufgeſprungene Zapfen; — 5. Außenſeite einer Zapfenſchuppe, oben
das gewölbte Schild mit dem Nabel; — 6. dieſelbe von innen mit dem Eindrucke der
beiden geflügelten Samen; — 7. 8. 9. Same mit und ohne Flügel und letzterer
allein; — 10. Nadelpaar; — 11. Durchſchnitt deſſelben.


[291]

Am meiſten verſchieden zeigen ſich die ausgewachſenen Zapfen (3. 4.),
welche, wenn ſie reif ſind, eine grünlich-ochergelbe Farbe und ſtark
angeſchwollene Schilder mit großem, hell-kaffeebraunem Nabel haben, der
eine deutliche kurze Spitze in ſeiner Mitte hat. Die Zapfen der Schwarz-
kiefer ſind ſtets länger und gekrümmter als die der gemeinen. Die
Samen ſind größer, heller, dunkelbraun marmorirt und haben einen
längeren ſtumpfen, mehr oder weniger ſtark dunkelbraun geſtreiften Flügel
(7. 8. 9.). Bei uns ſind die meiſten Samen dieſer Kiefer taub und
dann hellgelblich und hohl.


Die bei der gemeinen Kiefer gegebene Erklärung des Nadelpaares
als ein Kurztrieb iſt namentlich bei der Schwarzkiefer deutlich nachzu-
weiſen, weil bei ihr das eigentliche häutige Blättchen ſehr bedeutend
entwickelt, roſtroth gefärbt iſt und meiſt länger ſtehen bleibt als an der
gemeinen (2.).


Da dieſe Kiefer in allen Theilen kräftiger als die gemeine iſt, ſo
hat ſie auch kräftigere Keimpflänzchen mit ſtärkeren Keimnadeln
(Samenlappen).


Wie ſchon die eine ihrer Benennungen anzeigt, ſo iſt ihr urſprüng-
liches Vaterland das Erzherzogthum Oeſtreich, von wo aus ſie
namentlich durch die Empfehlung von Feiſtmantel in die nördlich
gelegenen deutſchen Waldungen eingeführt worden iſt, ohne jedoch dadurch
bereits zum mittel- und norddeutſchen Waldbaume geworden zu ſein.
Durch den ſtarken Nadelfall wirkt die Schwarzföhre außerordentlich boden-
verbeſſernd, und vermag ſich dadurch ſelbſt den dolomitiſchen Felsboden,
ihren hauptſächlichſten Standort, gedeihlich zu machen. Sie greift mit
tiefgehenden Wurzeln in dieſen ſo feſt ein, daß ſie trotz ihrer dicht-
benadelten, breiten Krone den Stürmen Trotz bieten kann. Unter
günſtigen Verhältniſſen erreicht die Schwarzföhre eine Höhe von 80 bis
90 und in Bruſthöhe eine Stärke von 3 bis 4 Fuß und wird in ge-
ſchützten Berglagen 500—600 Jahr alt. Wenn ſie auch in der Jugend
einen dichten Schluß verträgt, ſo ſtellt ſie ſich dennoch in höherem Alter
noch lichter als die gemeine Kiefer.


Weſſely ſagt, daß am niederöſtreichiſchen Alpenfuße, wo ſie über-
haupt allein in Deutſchland wildwachſend und herrſchend vorkommt, etwa
20,000 Joch reiner Beſtände von ihr gebildet werden, ſo daß ſie der
19*
[292] Ausdehnung nach zu den untergeordnetſten deutſchen Waldbäumen gehört.
Derſelbe rühmt von der Schwarzkiefer, daß ſie der harzreichſte europäiſche
Baum ſei. „Ihre Harzung, welche in Niederöſtreich ein eigenes Gewerbe
begründet, wirft gewöhnlich den hohen Ertrag von 55 bis 90 Procent
vom Holzertrage ab. Ja, es ſind Fälle vorgekommen, wo der Ertrag
aus dem Harze jenen des Holzes gar bedeutend überſtiegen hat.“


Das Holz der Schwarzkiefer wird ſeines großen Harzgehaltes wegen
unter allen Verhältniſſen 2 Pfund auf den Kubikfuß ſchwerer als das
der gemeinen Kiefer angegeben, es iſt darum ſehr dauerhaft und beſonders
zu Brunnenröhren ſehr geſucht.


Die großen Vorzüge, welche man in ſeiner Heimath dieſem Baume
nachrühmt, haben vielfältig dazu Veranlaſſung gegeben, denſelben auch in
mehr nördlich gelegenen Theilen Deutſchlands in die Waldungen ein-
zuführen. Allein der Erfolg ſcheint die gehegten Erwartungen nicht
gerechtfertigt zu haben. Die Schwarzföhre nimmt mit unſerm lockeren
Kiefernboden nicht fürlieb und ſcheint durchaus ihren Bergſtandort nur
auf Koſten ihrer Holzgüte mit tieferen Lagen vertauſchen zu können.
Nichtsdeſtoweniger möchten ſich doch in Deutſchlands gebirgigeren Theilen
noch viele Oertlichkeiten ausfindig machen laſſen, in denen anzurathen
wäre die Einführungsverſuche fortzuſetzen. Ein unläugbaren Werth aber
hat die Schwarzföhre als landſchaftlicher Baum für diejenigen Be-
ſitzer von Waldungen oder wenigſtens von Luſtgehölzen, denen es um
maleriſche Schönheit ihrer Beſitzungen zu thun iſt. Sie unterſcheidet
ſich von der gemeinen Kiefer ſehr weſentlich und im Spätherbſt auch
dadurch, daß in Samenjahren die großen hellen Zapfen ſehr ins Auge
fallen, während man dieſe bei der gemeinen Kiefer kaum ſieht. Was übrigens
die Holzbeſchaffenheit betrifft, ſo ſtehen hierin beide Kiefern einander ſehr
nahe, ſo daß Nördlinger in dem Texte zu ſeinem, uns bereits be-
kannten „50 Holzquerſchnitten“ (Seite 95) bei der Beſchreibung beide
zuſammenfaßt, alſo für gleich erklärt. Es ſcheint jedoch, wie der gerühmte
Harzreichthum ohnehin vermuthen läßt, im Schwarzföhrenholze die Harz-
porenzahl reicher als im gemeinen zu ſein.


[293]

3. Die Krummholzkiefer, Pinus Pumilio Haenke (P. Mughus
Scopoli).


Die Krummholzkiefer iſt für die Meiſten ein unklarer Geſammtbegriff
von einer Menge von Kiefernformen, denen man in höheren Gebirgs-
lagen begegnet: für den Pflanzenkundigen hingegen ein Haufen ſtreitiger
Formen, über deren Artſelbſtſtändigkeit die größten Meinungsverſchieden-
heiten obwalten.


Wenn wir Gebirgsreiſen machen und allmälig auf immer höhere
Stufen kommen, ſo nimmt mit der Abnahme der Pflanzenwelt unſere
Aufmerkſamkeit auf dieſelbe zu und um ſo mehr beachten wir in ſolchen
Lagen baumartige Gewächſe, wenn ſie ihren Baumcharakter aufgeben und
Strauchgeſtalt annehmen. Es iſt daher kein Wunder, wenn man in allen
ſolchen Lagen dieſen meiſt ſtrauchartigen Kiefernformen große Beachtung
ſchenkt und oft ortsübliche Benennungen beilegt. Deshalb haben auch
dieſe Kiefernformen faſt mehr wie eine andere Baumart die zahlreichſten
Namen: Krummholzkiefer, Knieholzkiefer, Zwergkiefer, Bergkiefer, Sumpf-
kiefer, Mooskiefer, Legkiefer, Latſche und viele andere, die wir unerwähnt
laſſen. Dabei können wir bei allen dieſen Namen Kiefer mit Föhre
vertauſchen, in vielen Theilen Deutſchlands die gebräuchliche Bezeichnung
für Kiefer.


Wenn wir die verſchiedenen Krummholzkieferformen in ihren einzelnen
Theilen und ihrem ganzen Habitus nach mit der gemeinen Kiefer ver-
gleichen, ſo finden wir zwar zwiſchen beiden hinlängliche Verſchiedenheit,
dabei aber auch unbeſtimmte Mittelformen, bei denen wir zweifelhaft ſein
können, ob wir ſie als Abarten der gemeinen Kiefer oder für eine Form
der als Art unterſchiedenen Krummholzkiefer halten ſollen. Dazu kommt
noch, daß unter den Krummholzkiefern ſelbſt eine ſo große Verſchiedenheit
ſtattfindet, daß man ſich oft gezwungen ſieht, unter ihnen wieder verſchiedene
Arten anzunehmen. Dies iſt denn auch vielfältig geſchehen und die
neueſten Bearbeiter der Krummholzkiefern, Hartig in Braunſchweig und
Willkomm in Tharand, unterſcheiden mehrere Arten. Da dies jedoch
auch ſchon vor ihnen von anderen Botanikern geſchehen iſt, die entweder
einer von den Arbeiten des anderen keine Kunde hatten, oder wirklich
neue Unterſcheidungsmerkmale bei der oder jener Form gefunden zu haben
[294]

Figure 41. XL.

Die Krummholzkiefer, Pinus Pumilio Haenke.
1. Zweig mit männlichen Blüthenkätzchen; — 2. Triebſpitze mit einem weiblichen Blüthenzäpfchen; —
3. letzteres etwas vergrößert; — 4. 5. 6. eine weibliche Blüthenſchuppe von außen, innen und von der Seite
mit der anſitzenden Deckſchuppe, innen mit den 2 rückwärts geſchwänzten Samenknospen; — 7. reifer Zapfen; —
8. Same mit und ohne Flügel und letzterer allein.


[295] glaubten, ſo iſt dieſe Abtheilung der Gattung Pinus leider mit zahl-
reichen Artnamen geſegnet und ein wahres Kreuz der Botaniker.


Wenn wir vorläufig von dem abweichenden Habitus der Krumm-
holzkiefer abſehen, ſo ſind folgende, an wichtigeren Theilen und Verhält-
niſſen ſich ausſprechende Unterſcheidungsmerkmale hervorzuheben, wodurch
es ganz unzweifelhaft wird, daß die Krummholzkiefer von der gemeinen
als eine beſondere Art getrennt werden muß.


Das weibliche Blüthenzäpfchen ſteht immer aufrecht (Fig. XL. 2.),
während es bei der gemeinen Kiefer ſtets abwärts gekrümmt iſt (ſiehe
Seite 257 XXX b. 1.); die Spitze der Samenſchuppe iſt viel länger
ausgezogen und die beiden Samenknospen auf derſelben zeigen je zwei
abwärts gerichtete ſpitze Anhängſel (5.). An dem immer entſchieden braun
gefärbten Zapfen iſt das Schild (der am geſchloſſenen Zapfen ſichtbare
Theil jeder Schuppe) erhabener und aufgetriebener, ja ſogar zum Theil
bei manchen Formen etwas hakenartig herabgekrümmt; der Nabel iſt im
Verhältniß zum Schilde ſtets viel größer und regelmäßiger rautenförmig
als bei der gemeinen Kiefer (7.) und der Samenflügel iſt ſtets oben
ſtumpf abgerundet, während er bei der gemeinen Kiefer ſehr viel ſpitzer
iſt. Was die Form des ganzen Zapfens betrifft, ſo iſt dieſe weniger
kegelförmig als vielmehr eiförmig, ja ſogar der runden Geſtalt zuweilen
ſehr nahe kommend. Da der ausgewachſene Zapfen bei manchen Formen
abwärts gebogen iſt, ſo entwickelt er ſich auch nur an der auswärts ge-
kehrten Seite vollkommen und wird dadurch ſehr ungleichſeitig und die
Schilde der äußeren Seite bilden ſich anders als an der dem Triebe
zugekehrten Seite. Unſere Fig. 7. zeigt dagegen einen ſehr gleichmäßig
ausgebildeten Zapfen. Dabei iſt es aber faſt unmöglich, wenn man alle
Krummholzkieferformen zu einer einzigen Art zuſammenfaſſen will, eine be-
zeichnende und allgemein gültige Zapfengeſtalt in die Artbeſchreibung aufzu-
nehmen, und zwar eben deshalb, weil die Krummholzkieferzapfen ſo höchſt
abweichende Geſtalten haben, unter denen ſogar die Kegelgeſtalt doch
auch zuweilen vorkommt. Diejenigen Botaniker, welche die Krummholz-
kiefern in mehrere Arten zerfällen, entlehnen daher den weſentlichſten
Unterſcheidungscharakter von der Zapfengeſtalt und von der Beſchaffenheit
des Schildes der Zapfenſchuppen.


[296]

Hinſichtlich der Nadeln und der männlichen Blüthen ſcheinen ſich
keine ſicheren Unterſcheidungsmerkmale darzubieten, wenn auch im Durch-
ſchnitt die Nadeln etwas kürzer ſind und gedrängter ſtehen als bei der
gemeinen Kiefer. Das dichtere Beiſammenſtehen der Nadelpaare iſt da-
durch begründet, daß überhaupt das Krummholz gedrungener in allen
ſeinen Verhältniſſen iſt, ſo daß auch die Triebe durchſchnittlich kürzer,
dabei aber meiſt dicker und kräftiger ſind.


Die Benennungen Krummholz, Knieholz und Legföhre, vielleicht ſelbſt
Latſche, deuten ſchon an, daß der Habitus mehr der eines niedrigen,
ſelbſt am Boden hingeſtreckten Strauches als der eines aufrechten Baumes
iſt. Eine ſehr verbreitete Meinung nimmt an, daß das Niederliegen der
bei 6, 8 Fuß Länge oft nur daumendicken Stämmchen nur die Wirkung
des laſtenden Schnees der Hochgebirge ſei. Dagegen läßt ſich aber
geltend machen, daß z. B. im Oberhaslithale der Schweiz 4—5 Ellen
hohe, faſt aufrecht ſtehende Bäumchen vorkommen, welche nach den an-
gegebenen charakteriſtiſchen Merkmalen unverkennbare Knieholzkiefern ſind,
und daß andererſeits aus dem Samen von Krummholzkiefern der Berg-
region auch in der Ebene nieder liegende Abkömmlinge erwachſen, woraus
deutlich hervorgeht, daß der gedrückte Habitus eine urſprüngliche Art-
eigenthümlichkeit und nicht die Folge mechaniſchen Schneedruckes ſei. Ja
es iſt mir ſogar ein Fall bekannt, daß einzelne Krummholzkiefern, welche
durch Unreinheit des Samens in einer Saatkultur der Ebene mitten
unter gemeinen Kiefern erwachſen waren und die man durch beigeſteckte
Pfähle in die Höhe gebunden hatte, dennoch an den fortwachſenden Spitzen
ſich abwärts zu richten ſtrebten.


Das Holz der Krummholzkiefern zeichnet ſich durch große Dichtigkeit
und Feinheit, faſt immer ſehr ſchmale Jahresringe und einen lebhaft
braunrothen Kern aus. Seine Verwendung zu Drechslerarbeiten und
Schnitzereien, von denen jeder Reiſende aus dem Bereiche des Rieſen-
gebirges einige Andenken mit heim nimmt, iſt bekannt genug. Wenn
auch die Bewohner der Knieholzregion, wie man bekanntlich nach dieſem
oberſten Vorpoſten der Baumwelt dieſe Höhenſtufe benennt, mit ihrem
Holzbedürfniß zum Theil an daſſelbe gewieſen ſind, ſo hat es doch einen
noch größeren Werth dadurch, daß es durch ſein dichtes Geflecht der
[]

[figure]

[][297] niedrigen Stämmchen auf ſteilen Abhängen das Abrutſchen der Schnee-
maſſen verhütet.


Die Verbreitung des Knieholzes iſt eine ſehr große, oder viel-
mehr jede rauhe Hochlage bis in die Pyrenäen hat ihre Knieholzform,
ſeien dieſe nun blos Standortsvarietäten der gemeinen Kiefer oder, wie
man glaubt, von dieſer und unter ſich verſchiedene Arten, die wir aber
in dieſem Buche, welches ſolche ſtreitige Fragen nicht zu entſcheiden hat,
als eine Art zuſammenfaſſen. Dieſe verſchiedenen Formen, oder immer-
hin Arten, ſind gewöhnlich auf kleine Gebiete beſchränkt, ſo daß z. B.
die Krummholzkiefer des Rieſengebirges von der des Erzgebirges, der
Schweiz oder Kärnthens verſchieden iſt.


Unſer Kupferſtich zeigt uns eine Situation aus der Heimath der
verſchiedenen Krummholzkieferformen der Schweiz, woſelbſt jedoch, wie
wir ſchon hörten, auch ziemlich aufrecht ſtehende Formen vorkommen.


Außer dem Hochgebirge finden ſich Kiefernformen, welche man in
den großen Topf des Knieholzes wirft, auch auf den Hochmooren unſerer
deutſchen Mittelgebirge vor, z. B. auf dem ſächſiſch-böhmiſchen Erzgebirge.
An manchen ſolchen Orten ſcheint das Knieholz nicht Unbedeutendes zur
Torfbildung beigetragen zu haben, da man häufig Stöcke in den Torf-
ſtichen findet, welche man als der „Sumpfkiefer“ angehörig anſieht.


Eine forſtliche Bedeutung und Behandlung hat das Knieholz
nicht oder höchſtens nur in ſofern, als man es ſeiner Bedeutung als
Schutz gegen Abrutſchen des Schnees wegen hegt. Zu ſeiner Anzucht
wird wohl kaum irgendwo etwas gethan. Sein Reichthum an Harz und
ätheriſchen Oelen iſt durch „das Krummholzöl und Mithridat“ der be-
kannten Fabel hinlänglich bekannt. Dagegen verdient es in der Land-
ſchaftsgärtnerei alle Beachtung, weil es auch in der Ebene ſeinen niedrigen
ausgeſpreizten Wuchs beibehält und daher in manchen Lagen eines Parkes
mit Vortheil angewendet werden kann und eine gute Wirkung thut.



[298]

4. Die Zirbelkiefer oder Arve, Pinus Cembra L.


Figure 42. XLI.

Die Zirbelkiefer oder Arve, Pinus Cembra L.

  • 1. ein zweijähriger Trieb mit einem reifen Zapfen und einem weiblichen Blüthenzäpfchen;
  • 2. Geſammtquerſchnitt des Nadelbüſchels und
  • 3. Querſchnitt einer einzelnen Nadel.

[299]

So ähnlich auch die Zirbelkiefer der gemeinen und noch mehr der
Schwarzkiefer iſt, wenn wir ſie im Ganzen als Baum im Auge haben,
ſo ſehr unterſcheidet ſie ſich doch von Beiden hinſichtlich der Nadeln, der
Zapfen und der Samen.


Die Nadeln ſtehen nicht zu zwei, ſondern zu fünf beiſammen; was
nothwendig eine keilförmige Geſtalt des Nadelquerſchnitts mit ſich bringt
(XLII. 2. 3.). Die die Nadelſcheide bildenden häutigen Schuppen ſind
nicht wie bei jenen Arten einander umſchließende, vollkommen geſchloſſene
häutige Röhren, ſondern wirklich freie, den Nadelbüſchel umſtehende lanzett-
förmige zarte Blättchen, welche nach der Vollendung des Triebes meiſt
ſchon am Ende des erſten Sommers abfallen, alſo keine bleibende Scheide
bilden, wie das bei jenen Kiefern der Fall iſt. Es iſt daher die Zirbel-
kiefer noch mehr geeignet als die Schwarzkiefer, uns in dem Nadelbüſchel
einen Kurztrieb erkennen zu laſſen. Die jüngeren Triebe ſind mit einem
feinen, gelblichgrauen Filz bedeckt, der aber ſchon an den vierjährigen
Trieben vollkommen verſchwunden iſt.


Die Zapfen ſind bis faſt 3 par. Zoll lang und gegen 2 par. Zoll
breit, eiförmig, mit ganz abgeplatteter oder ſelbſt etwas eingeſenkter Spitze,
und da ſie ungefähr rechtwinkelig vom Triebe abſtehen, faſt nicht ungleich-
ſeitig und haben eine große Aehnlichkeit mit einer kleinen Ananasfrucht.
Die Farbe iſt dunkel, faſt chocolatbraun und ganz friſch meiſt mit einem

Figure 43. XLII.

Zapfenſchuppe der Zirbelkiefer.

  • 1. Außenſeite;
  • 2. Innenſeite mit den 2 Nüßchen;
  • 3. Schild der Zapfenſchuppe;
  • 4. Seitenanſicht;
  • 5. ein Nüßchen.


[300] bläulichen Reif, der von einer außerordentlich feinen ſammetartigen Be-
haarung herrührt. An den Schildern der Zapfenſchuppen ſteht der als
kurzer Haken zurückgekrümmte Nabel nicht in deren Mitte wie bei den
vorigen Kiefern, ſondern an der Spitze (XLII. 1. und XLIII. 3.). Die
Dauer der Reifzeit iſt ſo ziemlich dieſelbe wie bei der gemeinen Kiefer,
wenn aber der Same ausfällt, ſo fallen die Schuppen des Zapfens
zugleich mit ab, ſo daß ſich derſelbe bis auf die eine Zeit lang ſtehen
bleibende kurze Spindel ganz auflöſt. Es iſt dies weſentlich dadurch
bedingt, daß die Samen viel zu groß ſind, als daß ſie zwiſchen den blos
klaffenden Schuppen hervorſchlüpfen könnten. Die Samen ſind wirkliche,
kleinen Haſelnüſſen an Größe wenig nachſtehende hartſchalige Nüſſe mit
ſüßem, ölreichem Kerne und ohne Spur eines Samenflügels. Wir ſehen
in Figur XLII. 1. 2. 3. 4. 5. die äußere, innere, obere und Seiten-
anſicht einer Zapfenſchuppe, ein Nüßchen und die Lage von je zwei der-
ſelben an der Innenſeite einer Zapfenſchuppe. Die Keimpflanzen der
Zirbelkiefer gehen mit 8—12, meiſt 10, kräftigen lang zugeſpitzten Keim-
nadeln auf, zwiſchen denen die kleine Stammknospe ſteht, deren kurze,
breite, ebenfalls einzeln ſtehende Nadeln feine Randzähnchen haben
(XLIII. 1. 2.).


Figure 44. XLIII.

1. Keimpflanze der Zirbelkiefer; — 2. Stammknospe derſelben.


[301]

Der Stamm der Zirbelkiefer iſt in der erſten Lebenshälfte ein
regelmäßiger gerader Schaft mit braungrauer, riſſiger Borke. Die Aeſte
ſind in dieſer Zeit kurz und in der Länge wenig von einander verſchieden,
ſo daß eine dreißig- bis vierzigjährige Zirbelkiefer eine, faſt bis zum
Boden beäſtete, faſt walzenförmige Krone bildet, welche nach der Spitze
hin nur wenig abfällt. Hiervon iſt der Habitus einer alten Zirbelkiefer
gründlich verſchieden, indem ſie zahlreiche, ſtarke Aeſte ausbildet, von
denen meiſt einige (Willkomm fand deren bis 9) als Seitenwipfel ſich
aufrichten.


Das Arvenholz hat einen rein gelblichweißen Splint und gelbrothes
Kernholz und einen angenehmen Harzgeruch, der die Inſekten abhält, ob-
gleich es wenig Harz enthält, wenigſtens im Alter nicht verkient. Den-
noch hat es namentlich im Herbſtholze der Jahresringe ziemlich zahlreiche
Harzporen. Es iſt nach dem Zeugniß der Alpenbewohner von außerordent-
licher Dauer.


Die Wurzel greift mit ihren ſtarken Aeſten außerordentlich tief in
ihren felſigen Standort ein und die Arve wird daher von den ſtärkſten
Stürmen wohl zum Theil ihrer Krone beraubt, aber nur ſehr ſelten
entwurzelt.


Ihr Standort iſt ein mäßig feuchter, tiefgründiger Boden mit
felſigem Untergrunde. Wild wachſend findet ſich die Zirbelkiefer nur in
der Alpenregion und geht in dieſer von 4000 Fuß Seehöhe an ſelbſt noch
über das Krummholz hinaus bis 7000 Fuß. Ihr Vaterland iſt nur dieſer
hohe Gürtel der Schweizer und Tyroler Alpen, einſchließlich des bayriſchen
und öſtreichiſchen Hochlandes und die Karpathen, da die Angabe, daß ſie
auch auf den Pyrenäen und in Sibirien wachſe, wahrſcheinlich auf einer
Verwechſelung mit einer verwandten Kiefernart beruht. Innerhalb der
deutſchen Alpen, worunter wir namentlich das bayriſche Hochland und
Tyrol verſtehen, bildet die Arve keinen zuſammenhängenden Waldgürtel,
ſondern tritt nur an einzelnen Stellen maſſenhaft auf, welche durch große
Lücken weit von einander getrennt ſind.


Das Leben der Arve trägt durchaus die Spuren des gefahrvollen
und kümmerlichen Hochalpenlebens. Die aus dem Samen aufgehenden
Pflänzchen bleiben ziemlich lange Zeit kleine, ſich zwiſchen den Alpenroſen
und anderen niedrigern Alpenſträuchern duckende Büſchchen, die nur ſehr
[302] allmälig zum ſchlanken Schaftwuchs übergehen und zu einem rechten
Baumwuchs gelangt ſie oft erſt nach anderthalb Jahrhunderten ihres Lebens.


Tſchudi nennt die Arve ſehr paſſend Alpen-Ceder, denn in dem
ganzen angegebenen Alpengürtel, der ſchon an der Dauphinè anhebt,
bietet ſie daſſelbe Bild dar, wie auf dem Libanon die Ceder. Selbſt an
denjenigen Orten, wo die Arve in Menge wächſt, ſteht ſie nur ſelten in
hinlänglichem Schluß, um von einem wirklichen Beſtande reden zu können.
Auf der durch ihre Ausſicht auf die Jungfrau weltberühmten Wengernalp,
wo ich ſie allein auf ihrem Heimathsſtandorte geſehen habe, machen die
vereinzelt umherſtehenden abgewetterten Arven einen eigenthümlichen, traurig
ſtimmenden Eindruck. Was man ſieht kann man nicht beſſer bezeichnen, als
mit dem Namen einer Waldruine. Kein einziger Baum zeigt ſich noch im
Beſitz aller ſeiner Aeſte, man ſieht keine einzige vollſtändige Krone;
mächtige, oft in Splitter ausgehende Aſtſtummel erzählen, daß jeder
Baum ſchon mehr als einmal dem wüthenden Fön ſeinen Tribut zu zahlen
hatte. Die kurzen ſtämmigen Schäfte, welche 7—8 Fuß Umfang er-
reichen, ſind nicht ſelten großentheils entrindet und das hellaſchgraue
verwitterte Holz hat etwas leichenhaftes, während die ebenfalls entrindeten,
aus dem Boden hervortretenden ſtarken Wurzeln ſchlangenartig dahin
kriechen, nur ihre kräftigen Enden tief in den ewig feuchten Alpenboden
einſenkend. Ganz abgeſtorbene und entrindete Bäume, die kein einziges
grünendes Reiß mehr haben, bleiben lange Zeit vom Sturme ungeworfen
ſtehen, als Denkmale einſtiger Baumherrlichkeit.


Willkomm hat zuerſt auf eine eigenthümliche Erſcheinung in dem
Leben der Arve aufmerkſam gemacht, indem dieſelben von dem Wipfel
an abwärts abzuſterben beginnt und in demſelben Maaße als dies mit der
Hauptachſe geſchieht, Aeſte zu Seitenwipfeln emporrichtet. Willkomm
beobachtete ſolche vielwipfelige Arven namentlich am Wetterſteinwalde im
bayriſchen Hochlande, wo er keine einzige alte Arve ohne dieſes auf-
fallende Merkmal der mit den Widerwärtigkeiten des Klimas ringenden
Verjüngungskraft fand. Dieſe Seite des Arvenlebens iſt ohne Zweifel
in der rauhen Hochlage ihrer Heimath bedingt, welche eben nicht im
Stande iſt, die große Reproduktionskraft dieſes äußerſten Vorpoſtens
des Baumlebens zu hindern, den Verluſt der Hauptachſe durch Ueber-
tragung ihrer Funktion an eine Seitenachſe zu erſetzen.


[303]

Es geht aus dieſen Mittheilungen zum Theil ſchon von ſelbſt hervor,
daß die Arve kein eigentlicher Waldbaum iſt und von einer eigentlichen
forſtlichen Behandlung derſelben kaum die Rede ſein kann. Letztere wird
dadurch ganz beſonders erſchwert und beinahe unmöglich gemacht, daß ſie
faſt nur noch an ſolchen Stellen wächſt, die nur der Aelpler und ſein
kletterndes Weidevieh erklimmen kann und von welchen ein Fortſchaffen
des Holzes eine Unmöglichkeit iſt. In dem ganzen Umfang des bayriſchen
Hochlandes wächſt die Arve nur an Orten der oben bezeichneten Art,
welche wegen ihrer Unzugänglichkeit nach Willkomms Mittheilung als
„unproduktives Terrain“ geradezu aus der Forſtbewirthſchaftung ausge-
ſchloſſen iſt, wobei Dieſer jedoch die Meinung ausſpricht, daß es an
manchen dieſer Orte doch nicht unmöglich ſein würde Arven künſtlich
zu erziehen und Klötzer herabzuſchaffen.


Außerhalb ihres urſprünglichen Heimathſtandortes kommt die Arve
nur ſehr vereinzelt, namentlich in Luſtwäldern vor. Nach dem guten
Gedeihn, welches die Arve hier meiſtentheils zeigt, iſt jedoch zu ver-
muthen, daß ſie in Deutſchland an vielen Orten mit Erfolg anzubauen
ſein würde. In dem erſt 1811 angelegten Forſtgarten der Tharander
Akademie ſtehen zahlreiche, ſchon wieder 12 Schuh hohe Arvenſtämmchen,
welche aus Samen erzogen worden ſind, welchen Arven, die 1811 hier
gepflanzt worden, getragen haben. Die Erzeugung keimfähigen Samens
iſt aber ſicher ein Zeichen, daß ein Baum da, wo er dies thut, ſich in
gedeihlicher Lage befindet. Die Schönheit des Baumes muß ſehr zu
Anbauverſuchen auffordern, um ſo mehr als er in ſeiner Alpenheimath
mehr und mehr abnimmt. Hierzu wirken mancherlei ungünſtige Ver-
hältniſſe zuſammen: das Alpenweidevieh verbeißt und zertritt die auf-
gehenden Pflänzchen und der Aelpler ſelbſt theilt ſich mit dem Tannen-
häher, Corvus Caryocatactes, in die ſüßen Nüßchen. Wo es nur
immer möglich iſt das Holz hinwegzuſchaffen, benutzt man daſſelbe vor
allen anderen am liebſten zu Alpenhausgeräthe aller Art und zu Schnitze-
reien, zu welchen letzteren es wegen ſeiner großen Feinheit und Gleich-
mäßigkeit ſich vortrefflich eignet, da die Jahresringe wegen des faſt gänzlich
mangelnden Unterſchiedes zwiſchen Frühjahr- und Herbſtholz ſehr wenig
hervortreten. Das ſchöne gleichmäßige Holz wird namentlich auch von den
Pianofortefabrikanten als Reſonanzholz ſehr geſucht und theuer bezahlt.


[304]

Als Zierbaum für Parkanlagen iſt die Arve nur in rauhen Ge-
birgslagen, mit feuchtem fruchtbarem Felsboden zu empfehlen, weil dieſe
ihrer urſprünglichen Heimath am nächſten kommen. Aber auch hier er-
reicht ſie ihren grotesken Charakter erſt in hohem Alter. Bis zu dem
Alter, wo ihre weitäſtige Kronenabwölbung beginnt, gleicht ſie der ſchnell-
wüchſigen ebenfalls fünfnadeligen Weymouthskiefer (P. Strobus) ſo ſehr,
daß ſie ſich neben dieſer kaum geltend machen kann.


5. Die Fichte oder Rothtanne, Picea excelsa Lamarck (Pinus
abies L., P. picea Duroi).


Hinſichtlich der Blüthen, der männlichen ſowohl wie der weib-
lichen, beſteht zwiſchen den Kiefern, Fichten, Tannen und Lärchen, alſo
allen Arten der alten Linné’ſchen Gattung Pinus, eine große Aehnlichkeit,
ſo daß wenigſtens in den erſteren kein Grund zu einer Gattungsab-
trennung gegeben iſt.


Die männlichen Blüthenkätzchen ſtehen einzeln an den vor-
jährigen Trieben zwiſchen den Nadeln und ſind ſchon im vorhergehenden
Jahre als dickere Knospen zu unterſcheiden. Kurz vor der Entfaltung
ſind die in den zahlreichen Staubbeuteln, aus denen ſie beſtehen, noch
dicht zuſammenſchließenden ei- oder kugelrunden, ſcharlachrothen, haſelnuß-
großen Kätzchen den Erdbeeren außerordentlich ähnlich, werden aber beim
Aufſpringen der Staubbeutel ſchwefelgelb. Dieſe ſpringen in 2 Fächer
auf, aus welchen der Blüthenſtaub austritt und tragen nach oben einen
am Rande gezähnelten Hautkamm (XLIV.).


Die weiblichen Blüthenzäpfchen ſtehen an den Spitzen der
vorjährigen Triebe (2), ſind karminroth, ſtumpf kegelförmig und etwa
1½—2 Zoll lang, die Samenſchuppen ſind abwärts geſchlagen und vor
jeder ſteht äußerlich eine ſehr kurze Deckſchuppe; innerlich tragen ſie am
Grunde die 2 Samenknospen.


Nach der Beſtäubung biegt ſich das Zäpfchen nieder und die reifen
Zapfen hängen daher an den Spitzen meiſt kurzer Triebe abwärts. Die
Zapfenſchuppen haben nicht das ausgeſprochene Schild des Kiefernzapfens,
ſondern ſind von durchaus gleicher Beſchaffenheit, derb pergamentartig
[305]

Figure 45. XLIV.

1. Zweig mit männlichen Blüthenkätzchen; — 2. Triebſpitze mit einem weiblichen
Blüthenzäpfchen; — 3. reifer Zapfen; — 4. 5. Zapfenſchuppe von außen mit der ſehr
kleinen Deckſchuppe am Grunde, und von innen mit dem aufliegenden Samenpaar; —
6. wie 5. mit den Abdrücken des entfernten Samenpaares; — 7. Same mit und ohne
Flügel und Flügel allein; — 8. aufgeſprungenes Staubgefäß von zwei Seiten; —
9. Nadel und Querſchnitt derſ.; — 10. Keimpflänzchen mit der noch aufſitzenden Samen-
ſchale; — 11. daſſelbe ohne dieſe; — 12. (an Fig. 1.) eine Galle des Fichtenblattſaugers.


Roßmäßler, der Wald. 20
[306] und an der bedeckten untern Hälfte kaum dunkler als an der oberen
freien hell lederbräunlich gefärbten. Sie gehen oft in eine kurze ab-
geſtumpfte Spitze aus und haben meiſt einen ausgenagten, welligen Rand.
Die Deckſchuppen des ausgewachſenen Zapfens ſind ſehr verkümmert und
ſitzen am Grunde der Samenſchuppen.


Die Samen ſind geflügelt, jedoch ſo, daß der Flügel an ſeinem
unteren Ende eine löffelartige Aushöhlung hat, in welche das ſpitzeiförmige
ſchwarzbraune Samenkorn eingedrückt und von einem ſchmalen Umſchlage
des inneren Flügelrandes etwas gehalten wird. Der Flügel iſt zungen-
förmig, ſtumpf zugerundet, rothgelb und faſt ſymmetriſch (7). Die
Samen liegen wie bei allen echten Zapfenbäumen je zu 2 nebeneinander
an den Samenſchuppen angedrückt.


Der Same reift im Oktober und fliegt je nach der Witterung theils
ſofort, meiſt aber erſt im nächſten Frühjahr ab. Die entleerten Zapfen, deren
Schuppen höchſt regelmäßig in Schraubenlinien ſtehen und dann be-
deutend klaffen, fallen im Laufe des nächſten Jahres ab. Je nach dem
Standorte, dem Alter und Geſundheitszuſtande der Bäume erreichen die
Fichtenzapfen eine Länge von 3—7 Zoll und 1—2½ Zoll Dicke (3).


Die Nadeln ſind ziemlich gerade, kurz zugeſpitzt, mehr oder weniger
ſpitzig, deutlich vierſeitig und ſtumpf vierkantig. An jeder der 4 Seiten
bemerkt man mit der Lupe 3—4 zierliche weiße Punktlinien. Der
Querſchnitt der Nadel iſt deutlich rautenförmig und oft ſogar ziemlich
regelmäßig quadratiſch (9). An den kräftigen Trieben des Wipfels ſind
die Nadeln deutlich aufwärts gekrümmt. Sie ſtehen übrigens wie bei
allen Zapfenbäumen in Schraubenlinien rings um den ganzen Trieb
herum, ſind aber an den dünnen Trieben langer meiſt hängender Aeſte
oft deutlich nach 2 entgegengeſetzten Seiten gerichtet.


Die Keimpflanze der Fichte (10) hat 6—9 Keimnadeln, welche
lang zugeſpitzt und viel länger als die Nadeln der Stammknospe ſind.


Der Stamm alter im Schluſſe erwachſener Bäume iſt immer
walzenrund, kerzengerade und fällt nach oben langſam und allmälig aber
mehr als der der Tanne zu einem langausgezogenen Kegel ab. Die
Rinde alter Bäume iſt düſter graubraun und mit vielen kleinen Borken-
täfelchen bedeckt. Sie wird nicht leicht über ½ Zoll dick und enthält
eine gerbſtoffreiche Baſtſchicht. Die Aeſte bleiben auch an alten Fichten
[307] verhältnißmäßig ſchwach, ſelten bis 3 Zoll ſtark und ſtehen abwärts
geneigt und meiſt mit den Spitzen in einem flachen Bogen aufwärts
gekrümmt bis tief herab an dem Stamme, ſo daß die Krone dem
Umriſſe nach ein regelmäßiges ſpitzes, pyramidales Zeltdach und der
Wipfel immer deſſen bleibende Spitze bildet. Eine eigentliche Kronen-
abwölbung findet daher bei der Fichte gar nicht ſtatt, ja ſie iſt — da
dieſe ſelbſt bei der Tanne in einigem Grade ſtatt hat — mit der Lärche
der einzige Baum ohne Kronenabwölbung. Den verlorenen Wipfel kann
die Fichte nur in der Jugend durch Aufrichtung eines Seitentriebes aus
einer Seitenknospe erſetzen, in höherem Alter weniger.


Die Fichtenkrone iſt viel dichter als die der Kiefer, was theils durch
die dichte Benadelung der bei räumlicher Stellung bis tief herab den
Schaft verhüllenden Zweige, theils dadurch bedingt iſt, daß ſie außer den
End- und Quirltrieben auch eine Menge Seitentriebe macht, welche den
Kiefern abgehen. Der Habitus der jungen Fichten und das gute Ge-
deihen derſelben in graſigen Kulturen — dafern nur das Gras die
Pflänzchen nicht überwächſt — deuten darauf hin, daß die Fichte eine
Beſchattung ihres Stammes erfordert wie ſie überhaupt zu den Schatten-
bäumen gehört.


Daß der Wurzel der Fichte die Pfahlwurzel gänzlich abgeht, daß
ſie vielmehr nur in der Oberfläche ihres Standortes bleibende kräftige
Wurzeln treibt, haben wir bei Beſprechung der Gefahren des Wind-
bruches (S. 247) ſchon erfahren. Durch dieſe horizontal in ſehr geringer
Tiefe ſtreichenden Wurzeln bildet ſich in geſchloſſenen Fichtenbeſtänden ein
dichtes Wurzelgeflecht, in welchem die Wurzeläſte benachbarter Bäume
oft verwachſen und ſo zu Stocküberwallungen Anlaß geben. In den
Gebirgswaldungen findet man zuweilen einzelne alte Fichten, welche wie
ein Pfeilertiſch auf 3—4 über eine Elle hohen freien Wurzeln wie auf
Stelzen ſtehen, was bei anderen Bäumen viel ſeltener vorkommt. Dieſe
an die bekannte Erſcheinung der Mangrovenwälder der Tropen erinnernde
Wurzelbildung iſt in folgender Weiſe bedingt. Ungerodet im Walde
ſtehen bleibende Stöcke*) fallen natürlich, wenn es Nadelholzſtöcke ſind,
20*
[308] die kein Ausſchlagsvermögen haben, der Verweſung bald anheim und
dieſe ſpricht ſich zunächſt oben am Abhiebe aus, wo durch die eindringende
Feuchtigkeit das Holz zunächſt in der Mitte verfault und in Moder zer-
fällt. In der dadurch entſtehenden und ſich mit der Zeit immer mehr
vertiefenden Einſenkung des Stockes bildet ſich mit Hülfe des hinein-
geweheten Staubes und des Unrathes der Vögel, die ſich gern auf ſolche
Stöcke ſetzen, eine gedeihliche Holzerde, der Stock wird ſo zu ſagen zu
einem Pflanzenkübel. In dieſen hineinfallende Fichtenſamen keimen und
die mit dem Vordringen der Vermoderung des Holzes gleichen Schrittes
tiefer dringenden Wurzeln des Bäumchens gelangen endlich in den
Boden und ſo ſtehen denn endlich, wenn zwiſchen ihnen der Stock ganz
weggefault iſt, die oberen Wurzelnden der in dem Stocke geborenen
Fichte ſchräg abwärts frei in der Luft: der Baum ſteht auf Stelzen.


Das Fichtenholz unterſcheidet ſich von dem Kiefernholz durch
größere Weiße und den gänzlichen Mangel eines eigentlichen Kernes;
Jahresringe ſtark bezeichnet mit deutlicher Unterſcheidung des Frühjahrs-
und Herbſtholzes; die ziemlich ſpärlichen Harzporen faſt nur in jenem.
Es iſt dennoch ziemlich harzreich und das Harzſcharren wird faſt nur mit
der Fichte betrieben. Dem Kiefern- und Lärchenholze ſteht es an Dauer-
haftigkeit weit nach.


Der Standort der Fichte muß vor allem friſch, ſteinig und moder-
reich und nicht zu flachgründig ſein. Da ſie beſonders Luftfeuchtigkeit
verlangt, durch welche ihr zum Theil die Bodenfeuchtigkeit erſetzt werden
kann, und durch Wärme mehr leidet als die Kiefer, ſo iſt ſie mehr ein
Gebirgs- als ein Ebenen-Baum. Kühle feuchte Hänge, alſo Abend- und
Mitternachtlage, ſagen ihr im Gebirge mehr zu, als die entgegengeſetzten.
Sie kann ſelbſt auf offenbaren Verſumpfungen noch gedeihen, wird dann
aber bald rothfaul und bleibt mehr ſtrauchartig. Die Fichte ſcheint am
liebſten auf gewiſſen Urgebirgsarten, namentlich auf Gneis, Granit,
Syenit, Prophyr und Thonſchiefer zu gedeihen. Neben dieſen mineraliſchen
Bodenbeſtandtheilen hat ſie aber ſtets ein großes Bedürfniß von Moder-
ſtoffen und gedeiht deshalb ganz beſonders gut auf einem felſigen Boden,
zwiſchen deſſen Blöcken ein reicher Vorrath von verweſenden Pflanzen-
theilen eingebettet iſt. Daß ihr aber die Fruchtbarkeit des Bodens
wenigſtens zum Theil durch Luftfeuchtigkeit erſetzt werden kann, iſt daraus
[309] zu erſehen, daß an einigen Orten der Oſtſeeküſte die Fichte auf den
ſandigen Dünen gut gedeiht, was nur durch die Feuchtigkeit der See-
winde bedingt ſein kann.


Die Verbreitung iſt ſowohl in der Höhe wie in der Fläche ſehr
beſtimmt charakeriſirt. Die Fichte kommt als Ebenenbaum erſt in Nord-
oſtdeutſchland, namentlich in der Niederlauſitz, Schleſien, Oſtpreußen und
jenſeit der Weichſel vor, mehr ſüdlich und weſtlich iſt ſie Gebirgsbaum
und ſteigt hier, namentlich in den Alpen, bis zur Knieholzregion hinauf.
In unſeren deutſchen Mittelgebirgen, Harz, Erzgebirge, Böhmerwald
u. ſ. w. iſt ſie der herrſchende Baum und bildet daſelbſt reine Beſtände
von großer Ausdehnung. In ſolchen wird, wenn ſie einen dichten Schluß
haben, der Schaft ſehr „vollholzig“, d. h. der Walzenform nahe kommend,
nach der Spitze hin weniger abfallend, während freier ſtehende Fichten
mehr „abholzig“ ſind, d. h. einen nach oben ſtärker abfallenden, alſo
mehr kegelförmigen Schaft erhalten. Außerhalb Deutſchland iſt die
Fichte nicht ſo weit verbreitet wie die Kiefer, da ſie weder große Wärme
noch eine niedrigere als + 1° betragende mittle Jahrestemperatur ver-
tragen kann.


Das Leben der Fichte vom Aufkeimen an bis zum höchſten Alter
zeigt mancherlei Eigenthümlichkeiten, die bei ihrer forſtlichen Behandlung
zum Theil ſehr maaßgebend ſind. Obgleich ein eingeborener deutſcher
Baum leidet ſie doch ſelbſt durch geringe Spätfröſte, indem ihre Anfang
Mai austretenden jungen gelbgrünen ſehr vollſaftigen Triebe oft er-
frieren. Die Knospenſchuppen fallen, nachdem die Triebe hervorgetreten
ſind, nicht wie bei der Kiefer ab, ſondern bleiben zurückgekrümmt ſtehen
und umfaſſen als ein zierliches Körbchen den Grund des Triebes. In
der erſten Jugend werden die Fichtenpflänzchen leicht durch den Gras-
wuchs erdrückt, ſo daß man aus dieſem Grunde wenigſtens keine Vollſaat,
ſondern nur Plätze- und Riefenſaat anwenden kann und noch beſſer,
wenn man nicht gar zu große Flächen zu kultiviren hat, Pflanzung
vorzieht.


Wenn der Boden nicht ungewöhnlich fruchtbar iſt, kommen die jungen
Fichten vor dem 4.—6. Jahre nach der Pflanzung nicht recht zu einen
entſchiedenen Längenwachsthum, dann aber tritt meiſt ein ſehr auffallender
Längenwuchs ein, ſo daß der Herztrieb nicht ſelten das Drei- bis Vier-
[310] fache der vorhergehenden Jahre erreicht. Dieſes verſchiedene Verhalten
zeigt auch dem Unkundigen deutlich, wenn er eine Fichtenkultur überblickt,
ob ſie das Nachkränkeln der Verpflanzung bereits überwunden hat oder
nicht. Später im Stangenholzalter tritt eine lange Periode langſamen
Wuchſes ein, und erſt nach dem 20. bis 30. Jahre folgt ein raſcheres
Wachsthum.


Die Eigenſchaft der Fichte, welche ſie mit der Tanne und Lärche
vor der Kiefer voraus hat, außer den Endknospen an den Spitzen der
Triebe auch Seitenknospen zu haben, welche aus den Achſeln der
Nadeln entſpringen, bringt es mit ſich, daß in gutem Schluſſe ſtehende
Fichtenorte ſehr dicht ſind und ſelbſt im Dickicht- und Stangenholzalter
nicht die ſteife Regelmäßigkeit der Zweigſtellung haben wie jene. Iſt
auch die Fichte ſehr abhängig von der Beſchaffenheit ihres Standortes,
welche Abhängigkeit ſich faſt immer durch ihr äußeres Ausſehen zu er-
kennen giebt, ſo kommen doch auch ſehr viele Fälle vor, wo man bei
anſcheinend gleichen Standortsverhältniſſen Leben und Gedeihen der
Fichte von ganz entgegengeſetztem Verhalten findet. In den Alpen findet
man ſie auf derſelben Höhenſtufe an dem einen Orte von ungewöhnlich
gutem Gedeihen und von beſonders ſchlankſchaftigem Wuchs, während ſie
an einem anderen krüppelhaft und kümmerlich iſt. Ganz beſonders
ſcheinen ſtetige Luftſtrömungen einen nachtheiligen Einfluß auf ſie aus-
zuüben und ihr eine beſondere beſtimmte Richtung ihrer Zweige zu geben,
ohne daß jedoch dadurch, wie es bei den Laubhölzern der Fall iſt, die
ſenkrechte Haltung des Stammes beeinträchtigt wird. Sendtner erzählt,
daß in den bayriſchen Gebirgen, ohne Zweifel in Folge der herrſchenden
weſtlichen Luftſtrömung, die Zweige der Fichte alle nach Oſten gerichtet
ſind. Das große Widerſtandsvermögen, welches im Ganzen der Fichte
dennoch eigen zu ſein ſcheint, ſpricht ſich unter Anderm dadurch aus,
daß ſelbſt diejenigen Fichten, die bis hart an die Region des Knieholzes
und der Arve herauf reichen, meiſt noch einen ganz normalen Wuchs
zeigen. Nur in ſehr zugigen Alpengaſſen, wie z. B. im Oberhaslithale
von der Handeck an aufwärts, zeigen die Fichten durch Verkrüppelung
und Verletzung der Wipfel und Aſtarmuth die Folgen der Alpenſtürme.


Hier ſind die ſogenannten „Wettertannen“ zu erwähnen, welche
auf höheren Alpenſtufen meiſt einzeln ſtehende Fichten ſind, von einem
[]

[figure]

[][311] ähnlichen Bau, wie wir ihn bei der Arve kennen gelernt haben. Ent-
gegen der Natur der Fichte, im höheren Alter die Zweige horizontal oder
abwärts geneigt zu tragen, richten ſich an den Wettertannen einige von
dieſen als Seitenwipfel rings um den in der Mitte ſtehenden Haupt-
wipfel empor und beſchirmen ſo mit ihrer dichtbenadelten Krone einen
großen Platz, ausreichend den Alpenhirten mit ſammt ſeiner Heerde gegen
die Unbill des Alpengewitters zu beſchirmen.


Unter allen Nadelhölzern zeigt auch ſonſt in jeder Beziehung die
Fichte große Schwankungen des Habitus, welche ſich freilich mehr in
kleinen Verhältniſſen ausſpricht, da im großen Ganzen die Pyramiden-
geſtalt von ihr ſtreng feſtgehalten wird. Man fühlt ſich dann oft auf-
gefordert, im Boden und ſonſtigen Standortsbedingungen nach dem
Grunde zu forſchen, warum die eine Fichte recht eigentlich das Bild des
Trübſinns iſt, indem an allen ihren weitausgreifenden Aeſten alle Zweige
als ellenlange kaum bleiſtiftdicke Ruthen vollkommen ſenkrecht herab-
hängen, während eine andere eben ſo alte ihr feines Zweigwerk horizontal
oder mit den Spitzen ſogar aufwärts gerichtet trägt. In den deutſchen
Gebirgen findet man in den Thalſchluchten die Bäche und Mühlgräben
entlang ſehr oft alte Fichten, welche eine ſolche Regelmäßigkeit des
Höhenwuchſes zeigen, daß von Quirl zu Quirl faſt bis auf den Zoll
derſelbe Abſtand iſt. Es iſt dies ohne Zweifel die Folge davon, daß
der ewig gleiche Feuchtigkeitsgehalt ihres Standorts hier immer die gleichen
Wachsthumsbedingungen darbietet. Nicht ſelten trifft man, namentlich in
horſtweiſe beſtandenen Fichtenorten einzelne alte Bäume, deren unterſte
Aeſte auf dem Boden aufliegen und hier zwiſchen den Waldkräutern in
dem moderreichen Boden ſogar Adventivwurzeln treiben.


Wegen ihrer außerordentlich dichten Benadelung haben alte Fichten-
beſtände eine dicke „Nadelſtreu“ unter ſich und tragen daher ſehr viel zur
Bodenverbeſſerung bei; denn die nicht ſehr harzreichen Fichtennadeln ver-
faulen ſchneller als die der Kiefern. Wegen dieſer Bereicherung des
Fichtenwaldbodens durch den ſtarken Nadelfall ſtellen ſich dann auf
friſchem Boden gewöhnlich zahlreiche Mooſe ein, wodurch oft eine dichte
Moosdecke gebildet wird, meiſt aus Aſtmooſen (Hypnum), Widerthon
(Polytrichum) und Gabelzahnen (Dicranum) beſtehend.


[312]

Nur die Tanne kann an Stammhöhe, aber auch dieſe nur in einzelnen
bevorzugten Stämmen, an Höhe mit der Fichte wetteifern. Sie kann
bei 5 Fuß und darüber Durchmeſſer eine Höhe von 200 Fuß erreichen,
und es ſind dann, wie leicht erklärlich, die Stämme um ſo mehr „aus-
haltend“, d. h. nach oben hin nur langſam an Dicke abnehmend, je
geſchloſſner ſie ſtehen. Jedoch wird ſie hierin von der Tanne übertroffen
(ſiehe dieſe).


Ihr Alter kann die Fichte auf 300 Jahre bringen und ſie wird
deshalb auf einen „hohen Umtrieb“ geſtellt, d. h. man läßt die Beſtände
80—140 Jahre alt werden, ehe man ſie abtreibt. Samentragend wird
ſie erſt im ſpäteren Alter, ſelten unter 50 Jahren und dann haben in
reichen Samenjahren, die je nach den klimatiſchen und Bodenverhält-
niſſen wiederkehren, in vielen Gegenden durchſchnittlich je nach 5 Jahren,
die zapfentragenden Fichten durch die hellbraunen, nur im oberen Wipfel
an den Spitzen der kürzeren Triebe abwärtshängenden, langen Zapfen
einen ſehr in die Augen fallenden Schmuck. Es kommt zuweilen, wie
vor 3 Jahren (1858) vor, daß die Wipfel die Laſt der Zapfen nicht
tragen können, und, wie es in jenem Jahre z. B. in altenburgiſchen
Forſten der Fall war, bedeutender Wipfelbruch eintritt. Um ſo weniger
kann man ſich der ſonderbaren teleologiſchen Anſicht anſchließen, welche
vor kurzem noch unſer berühmteſter deutſcher Forſtmann ausſprach, „daß
die Natur durch die ſogenannten Fichtenabſprünge ſich des Ueberfluſſes der
männlichen Blüthen entledigen wolle, um mehr Kräfte zur Ausbildung
der zahlreichen Zapfen zu haben“. Dieſe Fichtenabſprünge ſind etwa
fingerlange ganz friſche Triebe, welche man während des Winters, meiſt
bei bevorſtehenden Samenjahren, manchmal in großer Menge am Boden
unter den Bäumen liegen ſieht. Die Urſache derſelben iſt lange ein
Gegenſtand des Streites geweſen, bis man ſich jetzt ziemlich allgemein
dahin geeinigt hat, ſie den Vögeln, namentlich Kreuzſchnäbeln und den
Eichhörnchen zuzuſchreiben, welche, den männlichen Blüthenknospen nach-
ſtrebend, die Triebe abbeißen. Ob, wie Derſelbe behauptet, die Triebe,
die ſtets ganz geſund, friſch und vollſaftig ſind, in den Anfügungsſtellen
auch zuweilen von ſelbſt abbrechen, ſteht wohl nach dahin.


Auf der Eigenſchaft der Fichte als Schattenpflanze beruht es, daß
gleichaltrige Beſtände ſich in ſehr dichtem Schluſſe halten und unter allen
[313] Forſtbäumen auf einer gegebenen Fläche von keinem ſo viele als von der
Fichte Platz finden. Daher findet in geſchloſſenen Fichtenbeſtänden die
größte Holzerzeugung ſtatt. Bei den Durchforſtungen, die bei der
Schattenliebe der Fichte nicht ſo dringend und vorſorglich wie bei der
lichtbedürfenden Kiefer geboten ſind, muß man daher auch eine Frei-
ſtellung der einzelnen Bäumchen vermeiden und nur die wirklich unter-
drückten Stämmchen herausnehmen.


Ihr ganzes Leben hindurch iſt die Fichte mancherlei Gefahren aus-
geſetzt. Bei ihrer flachen Bewurzelung leidet ſie namentlich in der
Jugend und bei ſehr räumlichen Stande ſelbſt bis in ein höheres Alter
ſehr durch Dürre des Bodens. Da die Pflanzen der ausgeführten Kulturen
anfangs ſehr langſam wachſen und ohnehin oft ſehr junge kaum über
fingerlange Pflänzchen verwendet werden, ſo leiden ſie nicht ſelten durch
den Graswuchs, nicht allein durch Ueberwachſen und Verdämmen der
emporſchießenden Unkräuter, ſondern auch durch den Wurzelfilz derſelben,
welcher die flachen Fichtenwurzeln an der Ausbreitung hindert. Zur
Vermeidung der Gefahren des Graswuchſes wendet man mit Nutzen
Riefenſaat und Büſchelpflanzung an. Letztere beſteht darin, daß
man aus den Saatbeeten des Pflanzgartens nicht einzelne Pflänzchen,
ſondern ganze Büſchel von 6—8 3- bis 4jährigen Pflänzchen mit
dem anhangenden Boden in die Mitte kleiner frei gemachter Plätze
auspflanzt.


Im angehenden Stangenholzalter leiden die Fichtenorte in rauhen
Gebirgslagen viel durch Schneedruck, den wir ſammt ſeinen meteorolo-
giſchen Verwandten dem Duftanhang und dem Windbruch, welcher
letztere den flachbewurzelten Fichten beſonders verhängnißvoll wird, ſchon
oben (Seite 246 ff.) kennen lernten.


Die häufigſte Krankheit der Fichte iſt die Kern- oder Rothfäule,
welche namentlich auf ſehr fruchtbarem Boden in warmer Lage entſteht
und ſich durch eine braunrothe Farbe des von innen heraus feucht und
morſch werdenden Holzes ausſpricht. Auf Moorboden wird die Fichte
wipfeldürr und auf ſehr trockenem Boden ſterben ſelbſt 30jährige
Fichten durch die Bodentrockniß.


Unter den mancherlei ſchädlichen Inſekten ſind mehrere Arten
von Borkenkäfern vor allen zu nennen, von denen namentlich der
[314]gemeine oder Fichten- oder Buchdruckerborkenkäfer, Bostrichus
typographus,
der gefährlichſte Feind der Fichte iſt und ſich unter allen
Umſtänden in den geworfenen Stämmen nach Winterſtürmen einſtellt.
Der kleine ſchwarzbraune fein behaarte Käfer (XLV. 1. und 1a.) bohrt
in die Rinde erwachſener Kiefern ein ſeinem Leibesumfange angemeſſenes
Loch bis auf den Splint und weitet dann eine kleine Höhle in der Baſt-
ſchicht aus von der er auf- und abwärts einen lothrechten Gang, den
Muttergang, nagt, zu deſſen beiden Seiten das Weibchen ſehr kleine
milchbläuliche Eier einzeln in Grübchen ablegt. Die auskommenden

Figure 46. XLV.

Der Fichtenborkenkäfer, Bostrichus typographus.
1. und 1a. der Käfer vergr. und in nat. Gr.; — 2. ein Bein von der Seite; —
3. das Fußblatt von oben; — 4. ein Fühlhorn (Alles bedeutend vergr.); — 5. die
Larve vergr. und in nat. Gr.; — 6. Puppe eben ſo, der Strich links bezeichnet die
nat. Gr.; — 7. eine Brutkolonie (Siehe den Text), oben bei 8 eine ſolche von
B. chalcographus.


[315] Lärvchen freſſen von dem Hauptgange ſeitwärts mit ihrem eigenen Wachs-
thum immer weiter nöthig werdende Larvengänge, in deren zu einer
eiförmigen Höhle ausgenagtem Ende ſie ſich verpuppen. Die ausge-
krochenen Käfer nagen ſich dann nachdem ſie noch einige Tage lang ſich
an ihrem Geburtsorte unregelmäßige Gänge wühlten, ein Loch in die
Rinde um ins Freie zu kommen. Unſere Fig. 7. zeigt uns eine ſolche
Brutkolonie auf der Baſtſeite eines Rindenſtücks, deren zierliche Geſtalt
dem Käfer den Namen gegeben hat. Wir ſehen am Ende der Gänge
die Larven in den Endhöhlen der Verpuppung gewärtig. Im April und
Mai fliegen die aus ihren Winterverſtecken hervorkommenden Käfer die
Fichten an und gewöhnlich ſchon nach 8—10 Wochen iſt die Brut
vollendet.


Da wir die wichtige Bedeutung der Baſtſchicht der Rinde für das
Baumleben kennen (S. 170), ſo begreifen wir die Schädlichkeit dieſes
Käfers und es iſt auch eine Fichte, in welcher zahlreiche Bruten deſſelben
in der Baſtſchicht nagen dem Tode unrettbar verfallen.


Wie es bei den Schlupfwespen der Fall war, ſo iſt auch der Borken-
käfer der Gegenſtand eines heftigen Meinungskampfes geweſen, nämlich
darüber, ob derſelbe auch geſunde oder nicht vielmehr blos kranke Fichten
angehe. Man konnte ſich nämlich nicht denken, daß der Käfer ſich ſollte
bis auf die Baſtſchicht einbohren können, ohne von dem fließenden Harz
erſtickt zu werden. Zu leugnen iſt allerdings nicht, daß der Borkenkäfer
am liebſten und zuerſt ſolche Bäume angeht, welche aus irgend einem
Grunde kränkeln; aber die Erfahrung hat leider nur zu oft und zu ein-
dringlich gelehrt, daß er ſich zuletzt auch auf geſunde Beſtände ſtürzt,
denn es iſt nicht anzunehmen, daß die Tauſende von Ackern reiner
Fichtenbeſtände, welche der Borkenkäfer namentlich im vorigen Jahr-
hunderte auf dem Harz und in Sachſen getödtet hat, alle krank geweſen
ſein ſollten.


Die Natur des kleinen furchtbaren Feindes, welche ihn vorzugsweiſe
auf kränkelnde Fichtenorte anweiſt, giebt dem Forſtmann den Wink, bei
der Beſchützung ſeiner Fichtenbeſtände namentlich die für den Borkenkäfer
geeignetſten kränkelnden Orte im Auge zu behalten und außerdem zu-
weilen, namentlich im Frühjahr „Fangbäume“, d. h. gefällte und entäſtete
Stämme, zu legen um daraus, ob und wie viel Käfer ſich in ihnen ein-
[316] finden, zu ermeſſen, ob überhaupt Borkenkäfer in beſorglicher Menge in
der Nähe ſind. Große Gefahr iſt immer im Gefolge eines Windbruchs,
weil in den geworfenen Stämmen ſich die Borkenkäfer einfinden und
deren Nachkommen alsdann ſich auf die Beſtände werfen. Es iſt darum
nothwendig, geworfene Stämme ſofort vollſtändig zu ſchälen, wenn man
ſie nicht ſogleich aufbereiten laſſen kann. Das Leiden der Fichtenbeſtände
durch den Borkenkäfer heißt ſchon von Alters her die Wurmtrockniß.


Als ein zweiter Fichtenbeſtands-Verderber iſt ein Schmetterling zu
nennen: die Nonne, Bombyx monacha, welcher die Nadeln der Fichte
frißt und dadurch unausbleiblich deren Tod herbeiführt.


Ein Rüſſelkäfer, der Fichtenrüſſelkäfer, Curculio Pini, nimmt
die Fichtenkulturen oft hart mit, indem er die Rinde der jungen Pflanzen
benagt und dadurch dieſelben tödtet.


Im Allgemeinen leidet die Fichte jedoch durch Inſekten weniger als
die Kiefer.


Hier ſei noch einer ſonderbaren Mißbildung gedacht, welche namentlich
bei der Fichte, Kiefer und Eſche nicht gar ſelten, jedoch auch bei anderen
Pflanzen vorkommt. Es iſt dies die Verbänderung, fasciatio oder
caulis fasciatus, deren Beſprechung hier eingeſchaltet und durch den
beiſtehenden Holzſchnitt (XLVI.) veranſchaulicht werden ſoll.


Der Erſcheinung nach beſteht ſie einfach darin, daß Stengelgebilde,
welche bekanntlich meiſt einen runden Querſchnitt haben, bandartig breit
gedrückt ſind und ſcheinbar aus einer Menge, zu einer Fläche verwachſener,
gleichartiger Gebilde beſtehen; was ſich auch zuweilen aber nur ſelten als
wirklich ſo ſich verhaltend nachweiſen läßt.


An den Verbänderungen findet ſich meiſtentheils eine große Anzahl
von Blättern, und da gewöhnlich von der Anheftungsſtelle des Blattes
eine Kante am Stengel herabläuft, ſo erſcheinen deshalb die meiſten
Verbänderungen auf ihren beiden Flächen gefurcht und mit erhabenen
Streifen verſehen. Auf dem Querſchnitte kann man oft leichter als
äußerlich das Bedingtſein der Verbänderungen, als von einer Ver-
wachſung mehrerer gleichartiger Stengelgebilde nicht herrührend nach-
weiſen, da die anatomiſche Zuſammenſetzung aus Mark, Holz und Rinde
ihre normalen Verhältniſſe zeigt, indem das Mark ein einziger, wenn
auch breiter Körper iſt und der Holz- und Rindenkörper denſelben als
[317] platt zuſammengedrückter Ring umſchließen, an deſſen einwärts gerichteten
Einſchnürungen man allerdings zuweilen die Zahl der verwachſenen
Gebilde erkennen zu müſſen meint.


Die Blätter gehören bekanntlich nicht zu den Axengebilden; es
kommen aber doch, obgleich überaus ſelten, auch an ihnen ſcheinbare
Verbänderungen vor, die aber alsdann wirkliche Verwachſungen ſind.


Figure 47. XLVI.

Die Verbänderung der Fichte.


Die eigentlichen Verbänderungen kann man eintheilen in
ſolche, welche blüthenloſe Stengel oder Zweige, und in ſolche,
welche blühende Stengel oder Zweige betroffen haben, in welchem
[318] letzteren Falle die Blüthen zu einem oft ſehr monſtröſen Gebilde ver-
wandelt ſind.


Bei Celosia cristata, welche wohl ziemlich allgemein in Deutſchland
Hahnenkamm genannt wird, möchte es faſt ſcheinen, als ſei die Ver-
bänderung Regel, da man nur ſelten unverbänderte Exemplare findet.
Nicht blos der Stengel der einjährigen Pflanze iſt wenigſtens an ſeiner
oberen Hälfte breit verbändert, ſondern namentlich iſt die Spitze deſſelben
in ein breites an ſeiner oberen Linie wellenförmig hin und her ge-
bogenes, an den Kamm eines Hahnes erinnerndes Gebilde verbändert,
an welchem dicht gedrängt kurz geſtielte Blüthchen ſtehen, die allmälig
nach oben hin verſchwinden und wie ſie ſelbſt purpurroth gefärbten,
linienförmigen Deckblättchen Platz machen, welche wie das Vogelgefieder
nach einer Richtung dicht zuſammengeſchlichtet ſind.


Die Verbänderung blüthenloſer Triebe finden wir natürlich vorzugs-
weiſe bei den Bäumen, und zwar am häufigſten bei der Eſche, Fichte
und Kiefer, jedoch auch bei andern Bäumen und Sträuchern. Da bei
den Nadelhölzern die Blätter bekanntlich in ſehr regelmäßigen Schrauben-
linien ſtehen, ſo kann man namentlich an ihren Verbänderungen deutlich
ſehen, daß durch die Verbänderung die regelmäßige Anordnung der
Blätter geſtört wird. Es iſt bis jetzt nur ein einziger Fall bekannt,
in welchem die Verbänderung eine regelmäßige Blattſtellung gezeigt hat.
Er wird von B. A. de Juſſieu erwähnt und fand ſich an einem
Exemplare des ſichelblättrigen Haſenohres (Bupleurum falcatum), einem
Doldengewächſe. Während bei dieſer Pflanze an den normalen Stengeln
die Blätter ſehr vereinzelt ſtehen, obgleich in der That in einer weit-
läuftigen Spirale, ſo ſtanden ſie an der Verbänderung in regelmäßigen
Quirlen.


An den Verbänderungen der drei genannten Bäume bemerkt man
gewöhnlich einen gewiſſen haſtigen Drang der Bildung, der ſich dadurch
ausſpricht, daß dieſelben an der Spitze während des Wachsthums zu-
weilen zerreißen und ſich in dieſem Falle, oft aber auch wenn ſie nicht
zerreißen, einem Biſchofsſtabe ähnlich krümmen und zwar nicht nach der
Breite, ſondern immer nach der ſchmalen Seite.


Wenn die Verbänderung das Erzeugniß einer Stengel- oder Zweig-
verwachſung wäre, ſo könnte ſie ſich nicht bei ſolchen Pflanzen finden,
[319] welche im normalen unverbänderten Zuſtande einen einfachen und unver-
zweigten Stengel haben, wie dies bekanntlich z. B. bei dem Hahnen-
kamm der Fall iſt. Es dürften ferner die verbänderten Stengel ſelbſt
keine Verzweigung zeigen, während ich ſelbſt an einer Kamillenpflanze an
dem drei Zoll breit verbänderten Stengel eine ungewöhnlich große Anzahl
von Aeſten gefunden habe. Dagegen kommt der Fall vor, daß ſich eine
Verbänderung an der Spitze in Zweige auflöſt. Endlich iſt noch das ein
Beweis gegen die Entſtehung der Verbänderungen aus Stengel- und
Zweigverwachſung, daß man bis jetzt noch nicht ſolche Verbänderungen
gefunden hat, die das Anſehen von nur beginnender, noch nicht voll-
ſtändiger Verwachſung haben und die etwa ähnlich würden ausſehen
müſſen, wie die aneinandergedrückten Finger der Hand, wobei man als-
dann auf einem Querſchnitte die einzelnen Mark- und Holzkörper würde
unterſcheiden können, die blos von einer gemeinſamen Rinde über-
zogen wären.


Was man daher an einigen Gartenpflanzen, namentlich an der
Georgine zuweilen findet und für eine Verbänderung gehalten werden
könnte, iſt keine ſolche, ſondern iſt eine wirkliche Verwachſung. Man
findet nämlich bei der genannten Pflanze zuweilen, daß ſich aus dem
Blattwinkel ein offenbar aus zwei aneinander gewachſenen Blattſtielen
zuſammengeſetzter, breiter auf dem Querſchnitt die Figur der Ziffer 8
zeigender Blattſtiel erhebt, auf deſſen Spitze zwei mehr oder weniger
monſtröſe Blüthen ſtehen, welche mit dem Rücken gegeneinandergekehrt und
hier bald mehr bald weniger mit einander verwachſen ſind.


Um zu den wahren Verbänderungen zurückzugehen, ſo iſt auch bei
dieſen natürlich anzunehmen, daß der Keim dazu in der Knospe lag, und
wenn wir die Urſache der Verbänderung ergründen wollten, ſo müßten
wir ſie hier ſuchen.


Wenn aber auch in neuerer Zeit der anatomiſche Bau des Vege-
tationspunktes, d. h. der kleinen Zellengruppe, welche dem neuen Axen-
gliede als Grundlage dient, namentlich durch Wilhelm Hofmeiſters
Verdienſte beſſer bekannt worden iſt als früher, ſo ſind wir dadurch jener
Ergründung um keinen Schritt näher; denn wenn wir auch bei ſolchen
höchſt mühſamen mikroſkopiſchen Unterſuchungen Abweichungen von dem
normalen Bau des Vegetationspunktes finden würden, ſo könnten wir
[320] doch höchſtens vermuthen, daß dieſe Abweichung die Grundlage zur Ver-
bänderung ſei; eine Beſtätigung dieſer Vermuthung durch eine darauf
wirklich folgende Verbänderung iſt aber natürlich eine Unmöglichkeit, da
wir ja durch unſere mikroſkopiſche Unterſuchung die muthmaßliche Ver-
bänderungsanlage zerſtörten. Allein wenn auch dieſe Unmöglichkeit nicht
vorläge, wenn wir dieſe Abnormität des Vegetationspunktes aufgefunden
hätten ohne deſſen Weiterentwickelung zu ſtören, ſo hätten wir immer
noch nichts weiter gefunden als die abnorme Anlage zur Verbänderung,
und wir müßten dann weiter fragen, wodurch dieſe Abnormität bedingt
geweſen ſei.


Da ſtehen wir aber vor der verſchloſſenen Pforte, hinter welcher
die Geheimniſſe des Zellenlebens verborgen ſind und wahrſcheinlich immer
verborgen bleiben werden.


Da das Wachsthum der Pflanzen lediglich auf Zellenvermehrung
beruht, wobei ſich die Zellen bei den verſchiedenen Pflanzen und Pflanzen-
theilen nun wieder anders nebeneinander gruppiren, ſo dürfen und müſſen
wir annehmen, daß die Verbänderung mit einer Abweichung von der
normalen Aneinanderlagerung der neugebildeten Zellen beruhe. Es liegt
jedoch auf der Hand, daß dies keine Erklärung der Verbänderung iſt.


Die Wiſſenſchaft muß alſo ehrlich eingeſtehen, daß ſie Urſache und
Entwickelungsgang der Verbänderung nicht kenne.


Es wird behauptet, daß die Verbänderung mehr bei kultivirten,
namentlich Gartenpflanzen als bei wildwachſenden vorkommt. Wenn dies
richtig iſt, ſo wäre zu vermuthen, daß die veränderte Lebens- und
namentlich Ernährungsweiſe der Gewächſe die Verbänderung begünſtige.


Die zwei genannten Nadelhölzer, Fichte und Kiefer, ſind geeignet,
wenigſtens in einer Hinſicht ein mattes Licht auf die Verbänderung zu
werfen. Da an den Triebſpitzen dieſer Bäume die Knospen immer
regelmäßig und auch in ziemlich beſtimmter Zahl beiſammen ſtehen,
nämlich als Quirlknospen um eine Mittelknospe, ſo fragt es ſich, ob
bei ihnen die Verbänderung aus einer dieſer Knospen auf Koſten der
übrigen hervorgehe, oder ob wenigſtens die unverbänderten Triebe der
übrigen Knospen in der Entwickelung zurückbleiben; oder ob die Ver-
bänderung einen ſolchen Einfluß nicht ausübe. Ob hierüber Be-
[321] obachtungen vorliegen iſt mir nicht bekannt, und die Verbänderungen, die
ich beſitze, habe ich nicht ſelbſt gefunden.


Von Kiefern und Eſchen habe ich Verbänderungen geſehen, welche drei
und vier Jahre alt waren und deutlich die dem Zweige eigenthümlich ge-
wordene Mißbildung durch 3 und 4 übereinanderſtehende Triebe — ſämmtlich
Langtriebe (S. 74) — nachwieſen. An dem abgebildeten Beiſpiele ſieht
man die erwähnte Längszerreißung des verbänderten Triebes und die
Krümmung wenigſtens des einen Zipfels. Gekrönt ſind beide durch
große in die Breite gezogene Knospen unter denen mehrere Seiten-
knospen ſtehen. Eine zweite oben nicht eingeriſſene Fichtenverbänderung,
welche ich beſitze, iſt noch breiter und ganz gerade gerichtet und endet
oben in einen ſchlangenförmig gewundenen, den Krümmungen nach ge-
meſſen, 3 Zoll langen Knospenkörper, woran man eine Verwachſung
vieler in einer Reihe nebeneinander liegender Knospen nach dem äußeren
Anſehen durchaus nicht annehmen kann. Dieſe ſonderbare Knospen-
ſchlange ähnelt einigermaaßen einer Raupe oder dem kurzgeſchorenen
Kamme eines Pferdes.


Auf den breiten Flächen unſerer Verbänderung ſehen wir die Nadel-
höcker regellos geſtellt, doch giebt ſich die Spiralſtellung derſelben auf
den Kantenanſichten deutlich kund.


Die forſtliche Behandlung der Fichte iſt bei der außerordentlich
großen Bedeutung derſelben für die manchfaltigſte Benutzung eine der
wichtigſten Abtheilungen der Forſtwiſſenſchaft.


Als Baum ohne Ausſchlagsvermögen, wie mit äußerſt geringen
Ausnahmen alle Nadelhölzer, eignet ſie ſich nur für den Hochwald-
betrieb
und wurde bis vor kurzer Zeit faſt nur in reinen Beſtänden
erzogen. In neuerer Zeit erzieht man ſie aber häufig in Vermiſchung
mit andern Holzarten, weil ſich mehr und mehr herausgeſtellt hat, daß
Vermiſchungen das Gedeihen der Beſtände meiſt befördern und dadurch
mehr vor den ſchädlichen Inſekten ſchützen.


Welche Holzart zur Vermiſchung mit der Fichte zu wählen ſei, iſt
von mancherlei Rückſichten abhängig, vorzüglich auf den Boden und die
Lage und auf das gegenſeitige Verhalten der vereinigten Holzarten zu
einander hinſichtlich des Wachsthums, damit keine die andere „über-
gipfele“ und unterdrücke. Oft, namentlich an ſchwer zu kultivirenden
Roßmäßler, der Wald. 21
[322] Gebirgsorten, macht ſich die Vermiſchung von ſelbſt, und man findet mit
der Fichte die Buche, Kiefer, Tanne, den Bergahorn, Hornbaum, Birke,
ſelbſt Eiche und andere Laubholzarten vermiſcht und ſolche Orte bieten
dann, namentlich im färbenden Herbſt, oft die ſchönſten Waldbilder.


Die Nachzucht der Fichte geſchieht in ſehr umfangreichen Revieren,
denen es an kultivirenden Kräften fehlt, oder in ganz beſonders dazu
geeigneten Lagen wohl zuweilen durch natürliche Beſamung (Holz-
zucht), meiſt aber durch künſtliche Mittel, Saat oder Pflanzung
(Holzanbau) in manchfaltigen Abänderungen, von denen oben die Büſchel-
pflanzung
ſchon genannt wurde. Je nach den Bodenverhältniſſen
werden namentlich bei der Fichte — jedoch auch bei andern Holzarten —
verſchiedene Pflanzmethoden angewendet: Ballenpflanzung, wenn man
mehrere Schuh hohe Pflanzen mit dem Ballen aushebt und verpflanzt;
Hügelpflanzung, wobei die herausgenommene Pflanze nicht in ein
Pflanzloch, ſondern auf die neue Pflanzſtelle geſetzt und deren Wurzelſtock
mit Erde umſchüttet und auf dieſe Raſenſtücke ſchräg angelegt werden,
jedoch ſo, daß um das Stämmchen herum noch eine kleine trichterförmige
Vertiefung bleibt.


Die Saat wird dadurch ungemein erleichtert, daß die Fichte ziemlich
häufige Samenjahre und auch eine mehrere Jahre aushaltende Keimkraft
des Samens hat, indem drei- und vierjähriger gut aufbewahrter Same
noch vollkommen keimfähig zu ſein pflegt.


Daß die Benutzung der Fichte eine außerordentlich manchfaltige
und umfangreiche iſt, braucht nicht erſt hervorgehoben zu werden und
im Bauweſen übertrifft ſie die Kiefer, welche nicht ſo lange Stämme
giebt, und die viel ſeltnere Tanne weit.


Einige Nebennutzungen, die die Fichte noch gewährt, und in denen
zum Theil die andern Nadelbäume mit ihr im gleichen Falle ſind,
ſind hier noch hervorzuheben. Die eine iſt die Schneidelſtreu. So
nennt man die von den gefällten Stämmen und von Durchforſtungsreiſig
und Stangen abgeſchnittenen (geſchneidelten) benadelten Zweigſpitzen, um
ſie als Streu für das Rindvieh und ſo zur Düngerbereitung zu ver-
wenden. Dieſe Benutzung der Fichte verdient um ſo mehr Beförderung,
als ſie die andere nun noch zu erwähnende erſetzen kann. Sie iſt uns
ſchon bekannt — das heilloſe Streurechen, der „Zankapfel zwiſchen
[323] Land- und Forſtwirth“ (S. 31 und 42). Namentlich in den Lagen, wo
die Fichte als beſtandbildender Baum herrſcht ſind die Anſprüche des
Landwirthes — welcher hierdurch beinahe die Rolle eines forſtſchädlichen
Inſektes ſpielt — an die Waldſtreu oft ſehr groß und bei der flachen
Lage der Wurzeln der Fichte iſt das Streurechen von den nachtheiligſten
Folgen. Wo man durch eine Servitut gezwungen iſt, Waldſtreu abzu-
geben, ſo läßt man ſie wenigſtens nur aus den älteſten und geſchloſſenſten
Beſtänden nehmen, die ohnehin bald zum Abtrieb kommen, bei denen
alſo an Zuwachs nicht viel mehr verloren wird.


Kaum weniger nachtheilig, ja für die Güte des Holzes noch nach-
theiliger iſt das Harzſcharren zur Pechgewinnung, was daher an den
Orten ſo ziemlich allgemein eingeſtellt iſt, wo das Holz einen hohen
Werth hat, weil der Werth des Peches den dadurch hervorgebrachten
Verluſt an Holzwerth nicht deckt.


Dagegen iſt die Benutzung der Rinde nicht zu alter Bäume zur
Gerberlohe in manchen Gegenden Deutſchlands, wo Eichenrinde
nur zu hohem Preiſe zu haben iſt, eine erhebliche Zugabe zu dem Ertrage
der Fichtenreviere. Der Gerbſtoff findet ſich nur in der Baſtſchicht
der Rinde.


Endlich iſt die Fichte noch eine gute Heckenpflanze, wenn man die
ſehr dicht aneinander gepflanzten Stämmchen gut unter dem Schnitt hält.
Die vielen Seitenknospen der Triebe ſorgen trefflich für eine große Ver-
dichtung der Hecke, deren Wurzeln aber gern in die anliegenden Felder
oder Gärten ausſtreichen, wenn man ſie nicht durch Gräben davon abhält.


Noch iſt einer der Fichte eigenen, zwar allgemein bekannten, aber
zur Verwunderung ſelbſt in gebildeten Kreiſen hier und da noch falſch
verſtandenen, krankhaften Bildung an den Fichtentrieben zu gedenken,
welche an dem oberen rechten Triebe des abgebildeten Zweiges dargeſtellt
iſt. Es ſind dies entweder kleine etwa haſelnußgroße oder auch bis
pflaumengroße ananasähnliche kugelige Anſchwellungen der Triebe, über
welche hinaus dieſer gewöhnlich ſich verlängert und ſelbſt ohne Nachtheil
für ſein Leben ungeſtört fortwächſt. Da gewöhnlich auf jedem der Felder,
aus welchen dieſe Körper zapfenähnlich in ſpiraler Anordnung zuſammen-
geſetzt ſind, ein verkürzter Nadelſtummel ſteht, ſo kann man leicht er-
rathen, daß ſie aus umgewandelten, an ihrer Baſis verbreiterten Nadeln
21*
[324] entſtanden ſind. Dieſe Gebilde ſind die Gallen von zwei Blattläuſen,
dem rothen Fichtenblattſauger, Chermes coccineus (die kleinen)
und dem grünen Fichtenblattſauger, Ch. viridis (die großen Gallen).
Dieſe legen ihre Eier im Mai an die ſich öffnende Knospe und üben
dabei wie die Gallwespen der Eiche den magiſchen Einfluß auf das
Bildungsleben der Fichte aus, daß dieſe die zapfenähnlichen Gallen anſtatt
eines geſunden Triebes bilden muß. Unter jedem aus einer Nadelbaſis
hervorgegangenen Felde der Galle liegt eine kleine Höhle, in welcher
ſich die jungen Blattwespen entwickeln; und wenn dieſe erwachſen ſind,
ſo öffnen ſich dieſe klappenartigen Fächer, um die Inſekten heraustreten
zu laſſen. Noch vor wenigen Monaten hat — was kaum glaublich iſt —
ein franzöſiſcher Botaniker Baillard dieſe Gallen für Zapfenmißbildungen
gehalten und ſie als Beiſpiel der ſonſt im Pflanzenreiche (z. B. bei den
Lärchen) vorkommenden Durchwachſung hingeſtellt! (ſ. S. 335 Fig. 1a.)


5. Die Tanne, Weißtanne, Edeltanne, Abies pectinata Dec.
(Pinus picea L., P. abies du Roi).


Da die Tanne und die Fichte ſehr häufig mit einander verwechſelt
und von Solchen, die nicht häufig Nadelwaldung zu ſehen Gelegenheit
haben, meiſt ſogar nicht unterſchieden werden, ſo wollen wir jetzt die
charakteriſtiſchen Merkmale der Tanne im vergleichenden Rückblick auf die
Fichte hervorheben.


Was zunächſt die Blüthen betrifft, die männlichen ſowohl wie die
weiblichen, ſo ſtehen ſie eben ſo wie bei der Fichte an den vorjährigen
Trieben, jedoch beide faſt nur in den oberſten Verzweigungen des Wipfels.
Die männlichen Blüthenkätzchen ſind viel länger und ſtehen mehr
an den Seiten als an der Spitze der Triebe. Die Verſchiedenheit in
der Form der Staubbeutel, aus denen die männlichen Kätzchen zuſammen-
geſetzt ſind, iſt aus Figur 8 zu erſehen. Beim Ausſtreuen des Blüthen-
ſtaubes reißen ſie nicht wie die der Fichte in die Länge, ſondern in die
Quere auf.


[325]
Figure 48. XLVII.

Die Tanne, Abies pectinata Decandolle.
1. Ein Zweig mit männlichen Blüthenkätzchen; — 2. Trieb mit einem weiblichen
Blüthenkätzchen; — 3. 4. Weibliche Deckſchuppe mit der noch kleinen Samenſchuppe, von
der Innen- und Außenſeite, an erſterer unten die noch kleine Samenſchuppe mit den
2 Samenknospen; — 5. (und die Figur darüber) die Samenſchuppe allein in verſchie-
denen Entwicklungszuſtande, wie 3. und 4. vergrößert; — 6. 7. Männliche Blüthenkätzchen
als Knospe und vollkommen entwickelt, doppelte Größe; — 8. Staubgefäße; — 9. Nadel,
doppelte Größe; — 10. Querſchnitt derſelben ebenſo; — 11. Keimpflänzchen; — 12. Stamm-
knospe deſſelben mit abgeſchnittenen Nadeln und Keimnadeln, vergrößert.


[326]

Die weiblichen Blüthenzäpfchen ſtehen nur ſelten an der
Spitze des Triebes, und zwar oft zu zwei und drei hintereinander ſenk-
recht aufgerichtet in der Längserſtreckung horizontaler kräftiger Triebe des
Wipfels. Sie ſind meiſt von gelbgrüner Farbe und von den Fichten-
blüthenzäpfchen dadurch ſehr leicht zu unterſcheiden, daß die Deckſchuppen
als lange Spitzen über die Blüthenſchuppen hervorragen und auswärts
gebogen ſind, während dieſelben bei der Fichte gar nicht ſichtbar ſind
(Fig. 2., 3. und 4.). Nach der Beſtäubung, welche zu derſelben Zeit wie
bei der Fichte im Monat Mai ſtattfindet, bleiben die weiblichen Blüthen-
zäpfchen aufrecht gerichtet und die ſchnell nachwachſenden Blüthenſchuppen
bleiben dennoch bedeutend kürzer als die immer ſichtbar bleibenden ſpitzen
Deckſchuppen. Wenn die jungen Zapfen ungefähr die Länge eines
Fingers erlangt haben, ſo fallen ſie in einem reichen Samenjahre ſehr
in das Auge. Der 3 bis 5 Zoll lange reife Zapfen iſt faſt von
walzenförmiger Geſtalt, oben abgeſtumpft und zuletzt in eine kleine
ſtumpfe Spitze ſich erhebend (XLVIII. 1.). Der ſichtbare Theil der Zapfen-
ſchuppen iſt viel breiter als hoch und ſeine obere Begrenzungslinie bildet
einen flachen Bogen. Die Farbe des reifen Zapfens iſt ein düſteres
Chocolatbraun, er iſt völlig glanzlos und faſt immer hängen verhärtete
Harztropfen daran. Wie bei allen ächten Nadelhölzern, liegen unter
jeder Schuppe zwei geflügelte Samen, welche nebſt einer anderen Eigen-
thümlichkeit des Zapfens einen ſehr weſentlichen Unterſchied von der
Fichte begründen. Der Umſchlag des Flügels, welcher den Samen in
der für ihn beſtimmten Aushöhlung des Flügels feſthält, iſt bei der
Tanne ſo breit, daß er faſt das ganze Samenkorn bedeckt (XLVIII. 5. †).
Der Same iſt größer und unregelmäßiger geſtaltet als der Fichtenſame,
düſter dunkelbraun und namentlich durch einige unregelmäßige Buckel
unterſchieden, welche die Stellen ſind, wo unter der Samenſchale Drüſen
liegen, welche mit einem wohlriechenden ätheriſchen Oel gefüllt ſind,
welches dem Fichtenſamen gänzlich fehlt. Ein ſehr auffallendes Merkmal
beſitzt der Tannenzapfen darin, daß er nicht die Samen allein abfliegen
läßt und erſt ſpäter entleert vom Baume abfällt, ſondern daß er ſich
nach der Samenreife, oder vielmehr beim Abfliegen des Samens im
April des folgenden Jahres ganz auflöſt, ſo daß blos die ſpindelähnliche
aufrecht ſtehende Achſe am Triebe ſtehen bleibt und alſo die Zapfen-
[327] ſchuppen mit dem Samen zugleich abfallen (XLVIII. 8.). Dieſe ſonder-
bare Organiſation des Tannenzapfens bringt es mit ſich, daß man nur
ſehr ſchwierig einen Tannenzapfen zu ſehen bekommt, da dies nur ge-

Figure 49. XLVIII.

1. Reifer Zapfen der Tanne; — 2. Zapfenſchuppe von innen mit den aufliegenden
Samen; — 3. Derſelbe nach Hinwegnahme der letzteren; — 4. Zapfenſchuppe von
außen mit der langen ſchmal zugeſpitzten Deckſchuppe; — 5. Same mit dem Flügel,
rechts der Flügel allein, † der den Samen haltende Umſchlag; — 6. Der abgeflügelte
Same, daran bei * die Oelbehälter; — 7. Ein Triebſtückchen mit Blattſtielnarben; — 8. Die
Spindel eines Zapfens.


[328] ſchehen kann, wenn man ſich ihn aus dem ſchwer erſteigbaren oberſten
Wipfel herunterholen läßt. Die Tanne trägt im Allgemeinen ſpäter und
ſeltener Früchte als die Fichte.


Die Nadeln ſind von den Fichtennadeln ſo ſehr verſchieden, daß
ſie allein ausreichen, beide Bäume leicht von einander zu unterſcheiden
und es geradehin unbegreiflich iſt, wie beide doch ſo häufig verkannt
werden. Die Tannennadel hat eine deutliche Ober- und Unterſeite mit
entſchieden ausgeſprochener Mittelrippe, was Beides bei der vierkantigen,
auf dem Querſchnitt rautenförmigen Fichtennadel nicht der Fall iſt
(vergl. Figur 9. und 10. mit Figur 9. auf Seite 305). Die Oberſeite
der Tannennadel iſt glänzend und ſaftig dunkelgrün, die Unterſeite zeigt
auf jeder Seite der Mittelrippe zwiſchen dieſer und dem etwas abwärts
gekrümmten Nadelrande einen ſilberweißen Streifen, der bei ſtarker Ver-
größerung ſich in dicht beiſammenſtehende Längsreihen kleiner weißer
Pünktchen auflößt, welche aus Harz beſtehen, welches aus der unteren
Oberhaut der Nadel herausſchwitzt. Jedem dieſer Pünktchen entſpricht
eine Spaltöffnung (S. 126 Fig. XVII b.). Genau ebenſo beſchaffene
weiße Streifen hat auch die Fichtennadel, aber an allen vier Seiten, ſo
daß eben bei ihr von einer Ober- und Unterſeite nicht die Rede ſein
kann. Wie bei allen Nadelhölzern ſtehen auch bei der Tanne die Nadeln
am ganzen Umfang des Triebes in ſchraubenförmigen Reihen geordnet.
Bei oberflächlichem Anſchauen kann man jedoch leicht glauben, daß ſie,
namentlich an den Trieben junger Tannen und in den unteren Kronen-
theilen älterer zweizeilig ſtehen, wie die Fahne am Federkiel; ſie ſind
aber nicht zweizeilig geſtellt, ſondern nur zweizeilig gerichtet. Ein
anderer Unterſchied zwiſchen der Tannen- und Fichtennadel beruht darin,
daß die erſtere an der Spitze ſtumpf zweiſpitzig iſt, während wir die
Fichtennadel ſcharf einſpitzig fanden. Von dieſer Beſchaffenheit machen
die Tannennadeln des Herztriebes und im oberſten Wipfel auch die der
Längstriebe der Zweige eine merkwürdige Ausnahme, indem ſie wie die
Fichtennadeln einſpitzig ſind, ohne jedoch den Unterſchied zwiſchen Ober-
und Unterſeite aufzugeben (XLVII. 2.). Während die Fichtennadeln ſtets
ſo ziemlich von gleicher Länge ſind, ſo ſind die Tannennadeln eines und
deſſelben Triebes von ſehr verſchiedener Länge. Die Triebe der Tanne
ſind von den Fichtentrieben dadurch weſentlich verſchieden, daß ſie grünlich-
[329] grau und dicht und kurz behaart ſind, daß an ihnen die Nadeln flach
aufſitzen und alſo bei dem Abfallen nur eine flache kreisrunde Blattſtiel-
narbe hinterlaſſen (XLVIII. 7.), während die Fichtentriebe lebhaft roſtgelb,
kahl und mit deutlichen Höckern verſehen ſind, auf denen die Nadeln
ſtehen und nach deren Abfall der Rinde des Triebes eine rauhe, ſcharf
höckerige und gefurchte Oberfläche verleihen. An dem den Stamm
bildenden Herztriebe ſtehen die Nadeln faſt horizontal ab, während
ſie hier bei der Fichte emporgerichtet und faſt an den Trieb ange-
drückt ſind.


Die Tannennadeln bleiben unter allen Nadelhölzern am längſten
ſitzen, indem man an jungen Stangenhölzern am acht-, zuweilen ſelbſt
noch an den elfjährigen Trieben des Stammes wenigſtens zum Theil
noch Nadeln findet.


Die Keimpflanze der Tanne (XLVII. 12.) hat gewöhnlich 5—7 den
übrigen Nadeln ſehr ähnliche, nur bedeutend größere Keimnadeln. Das
Stämmchen der Keimpflanze iſt ſehr ſaftig und muß bei der Erziehung
von Saatpflanzen ſorgfältig vor Austrocknen und Sonnenbrand gehütet
werden, was einigermaaßen die Erziehung von Tannenſaaten erſchwert.


Der Stamm der Tanne iſt in jedem, namentlich im mittleren und
höheren Alter der Walzenform viel näher kommend als der Fichtenſtamm,
er iſt alſo vollholziger und zwar ohngefähr in dem Verhältniß von
5 zu 4, das heißt 4 Tannenſtämme enthalten ohngefähr ſo viel Holz-
maſſe als 5 Fichtenſtämme von derſelben Länge und demſelben Durch-
meſſer auf dem unteren Abſchnitt. In geſunden Tannenbeſtänden zeigt
ſich die Rinde glatt, hell ſilbergrau; im Vergleich zu der Fichte, von
welcher ſich in gemiſchten Beſtänden hierdurch die Tanne ſehr leicht
unterſcheidet, faſt weiß. Hierdurch und durch die helle Unterſeite der
Nadeln ſind die Volksbenennungen: Weißtanne und Silbertanne
veranlaßt worden. Die Tannenrinde iſt ohngefähr von gleicher Dicke
wie die Fichtenrinde, enthält viele kleine Harzgallen, aber ſo wenig
Gerbſtoff, daß ſie nicht wie jene zur Gerberei benutzt wird. Eine Borken-
ſchicht iſt bei der Tannenrinde ſehr wenig entwickelt und dieſe daher
ſelbſt an alten Bäumen ſehr wenig riſſig. Gewöhnlich iſt ſie ſehr ſtark
mit ſogenannten Kruſtenflechten beſetzt, was bei der Fichte ſehr wenig
der Fall iſt.


[330]

Die Krone der Tanne erleidet während des ganzen Lebensverlaufs
des Baumes die erheblichſten Veränderungen. In den erſten 15 bis 20
Jahren gleicht ſie hierin der Fichte vollkommen, nur daß die Quirl-
triebe in einem größeren Winkel abſtehen. Von da an nimmt bis
zu immer höherem Alter die Krone, wie man ſich ausdrückt, eine ſtufige
Beſchaffenheit an, d. h. einzelne Aeſte entwickeln ſich vorwaltend, ſo daß
der regelmäßige pyramidale Wuchs, den die Fichte hat, immer mehr ſchwindet
und die Krone alter Tannen ſehr lückig und aus einzelnen Abtheilungen
zuſammengeſetzt ausſieht. Im haubaren Alter iſt in der Kronengeſtalt
zwiſchen Fichte und Tanne ſo wenig Aehnlichkeit, ſo daß man ſie ſelbſt
aus großer Ferne ſehr leicht unterſcheiden kann. Selbſt die älteſte Fichte
behält ihren ſpitz ausgezogenen pyramidalen Wipfel, an welchem nur die
Zweige der letzten Jahresquirle aufrecht ſtehen, von wo an abwärts die
übrigen immer mehr durch die horizontale in die hängende Zweigrichtung
übergehen. An einer alten Tanne hingegen ſieht man niemals eine eigentliche
Wipfelſpitze, ſondern die Krone endet in einem breit ſchirmförmigen Wipfel,
welcher dadurch entſteht, daß in dem oberen Theile der Krone ſich die Zweige
in einem großen Winkel ſteif aufwärts richten und ununterbrochen in ihren
Spitzen verlängern. Man hat daher nicht unpaſſend geſagt, daß von
Weitem eine alte Tanne ſo ausſieht, als trage ſie einen koloſſalen Adler-
horſt auf ihrem Wipfel. Der Hauptbaum auf unſerem Kupferſtiche giebt
davon ein anſchauliches Bild wie überhaupt von der feineren, faſt moos-
artigen Benadelung der Tanne, welche davon herrührt, daß ſie ganz außer-
ordentlich reich an kurzbleibenden Trieben iſt. Der Winkel, den die Aeſte
aufwärts mit dem Stamme bilden iſt im Stangenholzalter bei der Tanne
größer als bei der Fichte. In Beziehung auf die Verzweigung ſteht die
Tanne gewiſſermaßen zwiſchen der Fichte und der Kiefer in der Mitte,
indem ſich an ihr ſehr häufig ein oder einige Aeſte zu ſehr bedeutender
Dicke und Länge entwickeln und ſelbſt zu Nebenwipfeln erheben, wenn der
Hauptwipfel abgebrochen iſt *).


[]
[figure]
[][331]

Der Wurzelſtock der Tanne hat eine ziemlich tiefgehende Pfahlwurzel
und ſich in der Oberfläche des Bodens verbreitende zahlreiche Seitenwurzeln.
Die Tanne ſteht alſo feſter als die Fichte. Das Tannenholz iſt ſehr
weiß ohne Unterſchied von Kern und Splint, ſehr gradſpaltig und (mit
dem Taxusholze) von den übrigen ächten Nadelholzarten dadurch ſehr be-
ſtimmt zu unterſcheiden, daß es durchaus keine Harzporen hat.


Abarten von der Tanne giebt es nicht, indem ſelbſt nach der Stand-
ortsverſchiedenheit individuelle Abänderungen kaum vorkommen, die wir
bei der Fichte und bei der Kiefer kennen gelernt haben. Wohl aber zeigt
die Tanne ſehr häufig krüppelhafte Geſtalten, namentlich ſind die frei-
ſtehenden alten Bäume einander ſelten ſehr ähnlich und überhaupt zeigt
die Tanne viel mehr als die Fichte das Bedürfniß der Individualiſirung.
Unterdrücktſtehende jungſcheinende, in der That aber oft ſchon ziemlich
alte Tannen zeigen die merkwürdige Erſcheinung, daß an den jährlich
einander folgenden Quirlen immer bloß ein Trieb, dies aber auch um
deſtomehr ſich zu einem Zweige verlängert und daß dieſe entwickelungsfähigen
Triebe der dicht übereinander ſtehenden Quirle in der Weiſe abwechſeln,
daß eine Schraubenlinie fertig wird.


Vergleichen wir in äſthetiſcher Auffaſſung eine alte Fichte und eine
alte Tanne, dieſe in unbegreiflicher Weiſe ſo oft verkannten und verwechſelten
Bäume, ſo kann man jene das Bild der feierlichen Würde, dieſe das
der trotzigen Kraft nennen.


Was den natürlichen Standort der Tanne betrifft, ſo ſcheint ſie
nicht ſehr an beſtimmte Geſteinsbeſchaffenheit des Bodens gebunden zu
ſein, doch beſonders einen friſchen Lehmboden zu lieben. Ihre Ver-
breitung
iſt viel beſchränkter als die der Kiefer und Fichte und die Linie
*)
[332] des Thüringer Waldes und Sächſiſch-Böhmiſchen Erzgebirges ſcheint die
nördliche Grenze ihres Verbreitungsgebietes als herrſchenden Waldbaumes
zu bezeichnen, da ſie ſchon im Harz durchaus nicht vorkommen und auch
nie vorgekommen ſein ſoll. Am verbreitetſten iſt ſie in Deutſchland im
Schwarzwalde, und im ſüdöſtlichen Viertel Mitteleuropas namentlich im
Bereich der Karpathen. Nicht leicht geht ſie über 2000 Fuß Seehöhe.
Reine Tannenbeſtände von großer Ausdehnung kommen nicht häufig vor
und ſelbſt manche von den wenigen die ſich finden, ſcheinen dadurch ent-
ſtanden zu ſein, daß ſie urſprünglich gemiſchte waren, aus welchen die
mit der Tanne vermiſchten Holzarten herausgehauen worden ſind. Jetzt
dürften nur noch ſelten und in beſchränkter Ausdehnung reine Tannenbe-
ſtände erzogen werden.


Das Leben der Tanne hat mit dem der Fichte allerdings das Meiſte
gemein, jedoch auch manche Eigenthümlichkeit. Sie iſt noch mehr als
letztere eine Schattenpflanze und während in der Unterdrückung erwachſene
junge Fichten nach der ihnen gewährten Freiſtellung ſich nicht leicht zu
einem gedeihlichen Wachsthum aufraffen, ſo können aus den krüppelhafteſten
jungen Tannen noch ſchöne Bäume werden nachdem ſie freigeſtellt worden
ſind. In der Jugend wächſt die Tanne viel langſamer als die Fichte,
weshalb die Krone des jüngeren Stangenholzes buſchiger iſt und nicht die
ſchlanken, langausgezogenen Wipfel hat wie die Fichte. Vom 25. bis
30. Lebensjahre an beginnt die Tanne ein förderſames Wachsthum und
hält darin länger aus als irgend ein anderer Baum mit Ausnahme der
Eiche. Daher wird die Tanne immer auf hohe Umtriebszeiten geſtellt,
da ſie bis zu einem Alter von 140 Jahren noch immer einen erheblichen
Zuwachs und ſtarke Jahresringe macht. Deshalb erwächſt die Tanne
auch zu viel ſtärkeren und höheren Stämmen und nicht ſelten ſieht man
hier und da in gleichalterigen Fichtenbeſtänden die Tannenwipfel hoch über
die Fichten hervorragen und ſich leicht durch ihre oben beſchriebene Geſtalt
von letzteren unterſcheiden. Tannen von einem Maſſengehalt von 20 Klaftern
Holz ſind zwar nicht häufig, aber doch auch nicht zu vereinzelte Erſcheinungen.
Wegen ihrer tiefer eindringenden und daher feſter ſtehenden Wurzeln,
ſowie wegen ihrer geringeren und mehr unterbrochenen Belaubung, leiden
die Tannen weniger als die Fichten durch die Gewalt des Sturmes, wie
ſie auch überhaupt weder durch beſondere Krankheiten noch durch Inſekten
[333] bedeutend heimgeſucht werden, obgleich von letzteren nicht wenige Arten und
unter dieſen auch einige Borkenkäfer auf ihnen Wohnung und Nahrung finden.
Deshalb gelangt die Tanne unter günſtigen Umſtänden auch zu einem noch
höheren Alter als dem bei der Fichte angegebenen und auf manchen Revieren
findet man einzelne alte Tannen von ſehr hohem Alter, welche man über-
hält und ihrer abenteuerlichen Schönheit wegen gewiſſermaßen als Wahr-
zeichen des Reviers betrachtet und bewahrt *).


Schon von frühem Alter an reinigt ſich die Tanne bis hoch hinauf
von den Aeſten, welche glatt am Stamme abbrechen, ſo daß die Wunden
vollſtändig überwachſen und ſo die Tanne mehr als ein anderes Nadelholz
ein reines, aſtfreies Holz liefert. Daher zeigen freiſtehende Tannen ge-
wöhnlich einen aſtloſen Schaft, wie z. B. auf Olbernhauer Reviere im
Königreich Sachſen eine Tanne ſteht mit einem 90 bis 95 Fuß hoch aſt-
freiem Schafte.


Was die Bedeutung und forſtliche Behandlung der Tanne
betrifft, ſo iſt die erſtere trotz mancher Vorzüge ihres Holzes dennoch ge-
ringer als die der Fichte und in der Behandlung iſt inſofern ein Unter-
ſchied, daß die Tanne noch weniger als die Fichte in reinen Beſtänden
erzogen wird, ſondern immer in der Vermiſchung mit „Schutzholz“,
welches ſpäter, wenn die Tanne zu ihrem vollkommenen Wuchſe gekommen
iſt, herausgehauen und ſo zuletzt doch ein reiner Tannenbeſtand hergeſtellt
wird. Die Tanne zu erziehen gilt aus demſelben Grunde wie bei der
Buche als die ſchwierigſte Aufgabe des Waldbaues, weil aus dem ſchon
oben angegebenen Grunde die Saatpflänzchen mehr als die anderer Bäume
durch Trockne und Sonnenbrand leiden. Man muß daher die aufge-
gangenen jungen Tannen zum Schutz dagegen mit Laub, Nadeln und
Moos umſtreuen. Die Verpflanzung in Saatkämpen erzogener Tannen-
pflanzen gilt für ſchwierig und muß mit beſonderer Sorgfalt bewerkſtelligt
[334] werden. Die Herbſtſaat wird an vielen Orten der Frühlingsſaat vorge-
zogen, letztere muß wenigſtens ſobald als möglich bewerkſtelligt werden.


Die Benutzung der Tanne bietet manche Eigenthümlichkeiten dar,
indem ihr Holz wegen ſeiner großen Gleichmäßigkeit und Spaltbarkeit zu
gewiſſen Verwendungen jedem anderen vorgezogen wird. Es iſt beſonders
hervorzuheben, daß das Tannenholz zur Herſtellung der Reſonanzböden
muſikaliſcher Inſtrumente und auch der Geigen allein verwendet wird.
Dabei herrſcht der Glaube, an deſſen Begründung freilich ſehr zu zweifeln
iſt, daß das Tannenholz ſehr viel von ſeiner Reſonanzkraft verliere, wenn
der Stamm beim Fällen hart auf den Boden gefallen iſt und man ſagt,
daß deshalb die Tannen, aus deren Holz die berühmten Cremoneſer Geigen
gemacht werden, beim Fällen langſam an Seilen niedergelaſſen werden.


7. Die Lärche, Larix europaea Decandolle (Abies Larix Lamarck,
Pinus Larix L.
).


Obgleich die Lärche*) als Art zu der alten Linné’ſchen Gattung
Pinus gehört und mit den vorhergehenden Nadelholzarten nahe verwandt
iſt, ſo zeigt ſie doch in mehreren Punkten ſo auffallende Verſchiedenheit,
daß man ſie als eine ſelbſtſtändige Gattung unterſcheiden darf.


Die männlichen Kätzchen und die weiblichen Blüthenzäpfchen,
welche Ende April und Anfang Mai aufbrechen, ſtehen nicht ſo wie bei
den vorhergehenden Nadelhölzern getrennt auf verſchiedenen Zweigen oder
wenigſtens an verſchiedenen Trieben derſelben Zweige, ſondern ſie finden
ſich, wie Figur XLIX. 2. zeigt, an denſelben Trieben bunt durcheinander
gemiſcht. Die männlichen Blüthenkätzchen ſind klein, eiförmig und ſtehen
auf einer verkürzten Triebbaſis (2. ♂). Sie beſtehen aus nicht ſehr zahl-
reichen, an der Spitze geſchnäbelten, zweifächerigen Staubbeuteln (4. 5. 6.),
welche zur Ausſtreuung des Blüthenſtaubes an ihrer unteren Hälfte in
zwei Riſſe aufſpringen (6.).


[335]
Figure 50. XLIX.

Die Lärche, Larix europaea Decandolle.
1. Ein Zweig mit einem Lang- und mehreren Kurztrieben, und mit einer Durch-
wachſung eines Zapfens a; — 2. ein Zweig mit männlichen (♂) und weiblichen
Blüthen (♀); — 3. ein männliches Blüthenkätzchen, 3 mal vergr.; — 4. 5. 6. Staub-
gefäße, noch geſchloſſen (4. 5.) und aufgeſprungen (6.); — 7. 8. eine Deckſchuppe von
außen und von innen; — 9. eine Blüthenſchuppe; — 10. ein reifer Zapfen; —
11. 12. 13. eine Zapfenſchuppe von außen und innen (mit den Samen und (13.) ohne
dieſe); — 14. Same mit und ohne Flügel und letzterer allein (rechts); — 15. Längs-
durchſchnitt eines Kurztriebes, vergr.; — 16. eine Nadel und deren Querſchnitt.


[336]

Die weiblichen Blüthenzäpfchen ſind mehr als doppelt ſo groß,
an den hängenden Zweigen immer aufwärts gerichtet und haben meiſt eine
ſchöne carminrothe Farbe (2. ♀♀♀). Auch ſie ſtehen auf einem Kurztriebe
und geben überhaupt deutlicher als bei einem anderen Nadelholze die Ab-
ſtammung der Blüthen- und Fruchtzapfen von einem umgewandelten Triebe
zu erkennen; nicht nur dadurch, daß die Deckſchuppen (7. 8.) in der
Mitte gewiſſermaaßen von der Nadel, aus deren Umwandlung ſie entſtanden,
der Länge nach durchzogen ſind, ſondern auch dadurch, daß man an der
Baſis des Blüthenzäpfchens deutlich Uebergangsformen aus Nadeln in
Schuppen und zu unterſt noch einige Schuppen bemerkt, die faſt noch
wirkliche Nadeln ſind. Die Samenſchuppe iſt ſehr klein und trägt wie
gewöhnlich an ihrer Innenſeite zwei Samenknospen (8. u. 9.).


Nach erfolgter Beſtäubung fallen die männlichen Blüthen bald ab,
das weibliche Blüthenkätzchen behält ſeine aufrechte Krümmung bei und
verwandelt ſich in den eiförmigen, ſelten über anderthalb Zoll langen,
hellkaffebraunen Zapfen, an dem man unten die Spitzen der zurückbleibenden
Deckſchuppen meiſt noch etwas hervortreten ſieht (10.).


Die Unterbringung der Samen im Zapfen iſt dieſelbe wie bei allen
ächten Nadelhölzern. Der Same iſt ähnlich wie bei der Fichte in einer Ver-
tiefung des ſehr breiten Flügels eingedrückt; beide ſind kaffebraun gefärbt
(11. 12. 13. 14.). Er reift zu Ende Oktobers, fliegt aber erſt im nächſten
Frühjahre ab und es bleiben dann die leeren Zapfen meiſt noch mehrere
Jahre an den Zweigen.


Die Geſtalt der Nadeln (17.) ſchwankt gewiſſermaaßen zwiſchen denen
der Fichte und der Tanne, ſie ſind aber von beiden durch eine zarte, kraut-
artige Beſchaffenheit und ein helleres Grün verſchieden. Ein größerer
Unterſchied zwiſchen der Lärche und den übrigen Nadelhölzern hinſichtlich
der Nadeln beſteht aber darin, daß die letzteren ſommergrün ſind,
d. h. ſich alljährlich erneuern und im Herbſte abfallen; daher nennt Plinius
die Lärche einen im Winter trauernden Baum, arbor hieme tristis. Die
gewöhnliche Bezeichnungsweiſe, daß die Nadeln der Lärche an den Mai-
trieben einzeln und an den älteren Trieben büſchelweiſe ſtehen, iſt nicht
ſo einfach richtig, ſondern näher zu unterſuchen. Wir haben ſchon früher
(S. 74) erfahren, daß bei der Lärche die Kurztriebe eine beſondere
Rolle ſpielen; es hat damit folgende Bewandtniß. Bei keiner anderen
[337] Baumart ſind Langtriebe und Kurztriebe ſo beſtimmt unterſchieden wie
bei der Lärche. Wir ſehen an Fig. 1. oben nach links einen Langtrieb
mit einzelnen, aber weitläufiger als an der Fichte und Tanne ſtehenden
Nadeln und unter dieſem 8 ſogenannte Nadelbüſchel, richtiger alſo
Kurztriebe. Nur wenige einzeln ſtehende Nadeln der Langtriebe bilden
in ihren Blattachſeln Knospen, aus welchen meiſt ſolche merkwürdige
büſchelförmige Kurztriebe hervorgehen, welche alljährlich an ihrer ſtumpfen
Spitze eben ſo viel Nadeln hervortreiben, als an einem anſehnlichen
Langtriebe Platz finden würden, und dieſe kurzen Poſtamente für die
alljährlich wachſenden Nadelbüſchel, welche eigentlich mehr dichte Nadel-
kränze ſind, verlängern ſich gerade nur um ſo viel als zur Anheftung
der ganz dicht ſtehenden Nadeln erforderlich iſt. Das Alter ſolcher
Kurztriebe kann man leicht aus den Kreiſen der Blattſtielnarben an
demſelben erſehen. Wie bei den Laubhölzern, ſo kann auch bei der
Lärche ein Kurztrieb ſich gewiſſermaaßen zu einem Langtriebe ermannen,
wie das der oberſte linke Trieb an Fig. 1. deutlich zeigt, der ſogar
gewiſſermaaßen Kurztrieb und Langtrieb in einer und derſelben Vege-
tationsperiode zu gleicher Zeit iſt, denn wir ſehen an demſelben unten
einen Nadelbüſchel, aus deſſen Mitte ſich der Langtrieb erhebt. Die
eigenthümliche, ſehr geringe Höhen- und Dickenzunahme eines ſolchen
Lärchenkurztriebes zeigt uns Fig. 15., die Achſe und linke Seite eines
ſolchen längs durchſchnitten. Dieſer Kurztrieb ergiebt ſich als fünf Jahre
alt; von einigen der abgeſchnittenen diesjährigen Nadeln ſehen wir die
ſtehengebliebenen Stummel und unter dieſen die nächſtjährige Knospe,
gebildet aus den übereinandergewölbten jungen Nadeln. Die eiförmigen
Grübchen an der linken Seite ſind Harzdrüſen.


Die abgefallenen Nadeln hinterlaſſen kleine Höcker auf der leder-
gelben Rinde, von denen vertiefte Linien jederſeits abwärts laufen.


Noch müſſen wir den mit a bezeichneten Trieb an Fig. 1. betrachten.
Es iſt eine Durchwachſung eines nicht vollſtändig zur Ausbildung
gekommenen Fruchtzapfens, welche darin beſteht, daß die eben wegen
der nicht vollendeten Zapfenbildung nicht zum Abſchluß gekommene Zapfen-
achſe an der Spitze weiter gewachſen iſt und ſogar einen vollſtändigen
Langtrieb gebildet hat, wodurch wir wiederholt beſtätigt finden, daß die
Nadelholzzapfen als umgewandelte Triebe zu betrachten ſind.


Roßmäßler, der Wald. 22
[338]

Die Keimpflanze der Lärche iſt ſehr zart und klein und hat
3—4 Keimnadeln. Ihr Stämmchen hat unter der Knospe meiſt eine
rothe Farbe.


Der Stamm der Lärche iſt zwar wie bei der Fichte und Tanne
ein ſenkrechter einfacher Schaft, aber an ſeinem untern Ende macht er
von der Wurzel aus oft eine Biegung und ſteigt erſt dann ſenkrecht
empor. Dieſer ſäbelförmige und außerdem auch oft noch knickige Wuchs
beeinträchtigt einigermaaßen den Bauholzwerth des Lärchenſtammes. Alle
freiſtehende Lärchen haben einen nach oben hin ſehr abholzigen ſich ſtark
zuſpitzenden Stamm, während in dichtem Schluß ſtehende im Gegentheil
einen ſehr wenig abfallenden Stamm haben weil der Bildungsſaft der
dann ſehr kleinen Krone vorzugsweiſe zur Holzbildung des oberen Stamm-
theils verbraucht zu werden ſcheint. Die Rinde iſt rauh und riſſig und
ſo weit ſie nicht, was meiſt der Fall iſt, von Flechten verhüllt wird,
braungrau.


Die Krone der Lärche iſt in allen Altersklaſſen pyramidal mit
dünnen weit ausgreifenden meiſt faſt horizontalen wenig gebogenen
Aeſten, an welchen die feineren Verzweigungen abwärts hängen. Die
lockere Vertheilung der nadelbüſcheligen Kurztriebe und die ſpärliche Be-
nadelung der Langtriebe erhält die Lärchenkrone immer locker und durch-
ſichtig und die eigenthümliche Nadelſtellung im Verein mit dem Nieder-
hängen der Triebe und dem helleren Grün prägt der Lärche einen von
den übrigen Nadelhölzern ſehr abweichenden Charakter auf.


Die Wurzel hat zwar eine deutliche Pfahlwurzel aber auch zahl-
reiche Seitenäſte, welche ziemlich tief in den Boden eindringen und ſo
dem Baume einen feſten Stand geben, ſo daß er von den Herbſt- und
Winterſtürmen um ſo weniger geworfen wird, da dann die laubloſe
Krone wenig Fläche darbietet.


Das Holz iſt je nach dem Standorte von ſehr verſchiedener Be-
ſchaffenheit. Auf dem zuſagenden Standorte erwachſen iſt es dunkel,
faſt braunroth und außerordentlich feſt und dauerhaft, während das in
der Ebene erwachſene hell braungelblich und von geringer Güte iſt. Der
Winterholzring iſt wenig ausgeſprochen und die Holzzellen ſind etwas
weiter als bei Fichte, Tanne und Kiefer. Die Harzporen des Holzes
ſind nicht ſehr zahlreich.


[]
[figure]
[][339]

Standort und Verbreitung ſind bei der Lärche enger begrenzt
als bei den anderen eben genannten Nadelholzarten. Sie liebt einen
ſteinigen, friſchen — jedoch nicht naſſen — tiefgründigen Boden und der
kalkige Felsboden ſcheint ihr am meiſten zuzuſagen. Die Lärche iſt
recht eigentlich ein Gebirgsbaum und iſt erſt in neuerer Zeit in die
Ebene herab verpflanzt worden, wo ſie den von ihr gehegten Erwartungen
nicht genügen konnte. Ihre eigentliche Heimath iſt die Alpenwelt in
einer Höhenlage zwiſchen 2500 und 4500 bis 5000 Fuß Seehöhe. Am
liebſten kommt ſie hier an ſchattigen Stellen vor und ſteigt nicht ſelten
über die Knieholzregion hinaus. Die anſehnlichſten Lärchenbeſtände
finden ſich in ſolchen Lagen in Graubünden und in den noch mehr
öſtlich liegenden Alpen, wo die Lärche mit der Arve und Fichte die
gefeieten „Bannwälder“ zum Schutze vor den Lauinen bildet. Namentlich
in Graubünden findet man an beſonders geſchützten Stellen hoch über
der Baumregion einzeln ſtehende Rieſenlärchen oder kleine Horſte ſolcher,
die den erſtaunten Reiſenden darüber ungewiß laſſen, ob ſie Ueberreſte
ehemaliger zuſammenhängender Beſtände oder ob ſie hier ſo vereinzelt
erwachſen ſeien. Wo wir die Lärche jetzt unter 2000 Fuß Seehöhe
finden, da iſt ſie, wenn auch bereits in alten Beſtänden, immer erſt
angebaut worden. Bekannt iſt es, daß die Lärche ſelbſt in dem frucht-
baren Tieflande Deutſchlands, namentlich als Zierde der Baumgärten,
ſehr verbreitet iſt. Aber hier erreicht ſie ſelten ein hohes Alter.


Die zart ausſehende feinbenadelte Lärche zeigt ſich in ihrem Leben
gleichwohl als hart und widerſtandskräftig; denn ſie fordert geradehin
eine rauhe Lage um ihre vollendete Schönheit und Majeſtät zu entfalten
und verfällt in dem warmen Klima der Ebene einem frühen Tode. Ihr
Wuchs iſt außerordentlich auf die Längenausdehnung des Stammes und
der Aeſte gerichtet, was ſich daraus erklärt, daß die meiſten Triebe
Kurztriebe ſind und ſich die wenigen Längstriebe um ſo ſtärker entwickeln
können. Die Quirlſtellung der Triebe, der Lärche als echtem Nadelbaume
auch eigen, iſt doch nie ſo ſcharf hervortretend als bei den übrigen Nadel-
hölzern. Der Gipfeltrieb iſt oft außerordentlich lang und hängt, da er
meiſt auch ſehr dünn iſt, oben meiſt etwas über. Im Schluſſe, den die
Lärche als Lichtbaum übrigens nicht dicht verträgt, reinigt ſie ſich bis
hoch hinauf von den Aeſten und hat in dieſem Stande unter allen Bäumen
22*
[340] die kleinſte Krone. Unſer Bild zeigt an einem freiſtehenden Baume —
er ſteht in Renthendorf, dem Wohnorte des berühmten Ornithologen
Dr. L. Brehm — das Gegentheil, indem die weitausgreifenden bis tief
am Stamme herabgehenden Aeſte einen weiten Raum beſchirmen.


Schon vom Keimalter an entwickelt die Lärche einen ſchnellen Wuchs,
indem ſich Anfangs das Stämmchen auf Koſten der Aeſte ſehr verlängert,
was bei räumlicher Stellung im höheren Alter umgekehrt iſt, wie auch
unſer Bild zeigt. Zeitiger als irgend ein anderes Nadelholz reinigen
ſich die jungen Lärchenſtämmchen, welche übrigens oft älter ausſehen, als
ſie ſind, denn ſie durchlaufen in der Ebene die Lebensabſchnitte des
Baumes ſchneller als in ihrer Alpenheimath. Die Lärche blüht nicht nur
häufiger als eine andere Nadelholzart, indem ſie in manchen Lagen jedes
Jahr wenigſtens einige Blüthen und Früchte trägt, ſondern ſie thut dies,
wenigſtens in der Ebene, ſchon in großer Jugend, da man nicht ſelten
6—8jährige kaum mannshohe Stämmchen mit den prächtigen weiblichen
Blüthenzäpfchen geziert findet, neben denen aber dann die männlichen
Blüthen oft beinahe ganz fehlen. Die Zapfen ſolcher frühreifen Pflanzen
enthalten aber faſt nur tauben Samen.


Mehr als Fichte, Tanne und Kiefer beſitzt die Lärche das Ver-
mögen, Adventivknospen zu treiben, ſo daß man nicht ſelten an dicken
Stämmen junge Triebe hervortreten ſieht. Vom Vieh oder Wild ver-
biſſene junge Stämmchen nehmen durch ſolche Ausſchläge oft die Geſtalt
dichter Büſche an. Den verlorenen Wipfel vermag die Lärche wenigſtens
bis in das Stangenholzalter leicht durch einen ſich aufrichtenden Seiten-
trieb zu erſetzen.


Von beſonderen Krankheiten und von Inſekten leidet die Lärche nicht
ſehr, außer einem ſehr kleinen ſilbergrauen Schmetterling, der Lärchen-
Minirmotte, Tinea laricinella,
welche in neuerer Zeit mit der
Zunahme des Lärchenanbaus ſich in bedrohlicher Weiſe vermehrt hat. Das
fadendünne kaum 2 Linien lange Räupchen iſt ein ſogenannter Sackträger
wie die Kleidermotte, d. h. es ſteckt fortwährend in einem kleinen vorn
offenen Geſpinnſt und ſchleppt dieſes, indem es zum Laufen nur den
Vordertheil des Leibes ausſtreckt, überall mit ſich herum. Das Räupchen
bohrt ſich durch die Oberhaut etwas unter der Mitte der Nadel in dieſe
hinein um das Fleiſch derſelben zu freſſen. Die eine Zeit lang rein
[341] weiß bleibenden leeren Oberhäute der Nadeln geben ſtark befallenen
Lärchen das Ausſehen eines mit kleinen weißen Blüthchen bedeckten
Baumes oder Strauches. Da die Kurztriebe wieder neue Nadeln treiben,
ſo beſchränkt ſich der Schaden des Inſekts meiſt auf ein Zurückſetzen des
Zuwachſes. Thun läßt ſich gegen das kleine zu Tauſenden auf die
Nadelbüſchel vertheilten Inſekts faſt nichts. Es erſcheint im Mai bald
nach dem Ausbruch der Nadeln.


Das Alter und die Größe, welche die Lärche erreichen kann, ſind nach
den Standorten ſehr verſchieden. Weſſely, der ſie in den öſterreichiſchen
Alpen genau ſtudirt hat, ſagt, daß ſie mit der Fichte wetteifert und
400jährige Stämme von 150 Fuß Länge und 4 Fuß Stärke keine Seltenheit,
und daß ſchon 600jährige noch bedeutend größere Stämme gefällt worden ſeien.
In tieferen Regionen läßt ſie jedoch mit 30—50 Jahren im Wuchs ſchon
nach und iſt mit 60—80 Jahren als mäßiger Stamm zum Abhiebe reif.


Obgleich die Lärche alljährlich ihre Nadeln abwirft, ſo trägt ſie da-
durch dennoch zur Bodenverbeſſerung faſt nichts bei, weil die Nadeln
nur ſehr wenig Humus geben. Daher ſtellt ſich in Lärchenbeſtänden ge-
wöhnlich ſehr bald ein üppiger Gras- und Kräuterwuchs ein.


Die forſtliche Bedeutung der Lärche iſt in früher Zeit von der
deutſchen Forſtwelt ſehr überſchätzt worden, als man ſie ihrer Schnellwüchſig-
keit wegen für ein wichtiges Mittel gegen den Holzmangel anſah. Allein
man lernte, daß ſie in der Ebene und ſelbſt in unſeren Vorbergen zwar
faſt überall gedeiht, aber nur ſchwaches und nicht ſehr dauerhaftes Holz
giebt. Dennoch verdient ſie es, daß ſie in Gebirgsforſten in Vermiſchung
namentlich mit der Birke und ſelbſt mit der Fichte, nicht leicht in reinen
Beſtänden, angebaut wird. In Parkanlagen iſt die Lärche mit Recht
allgemein beliebt. An ihrem natürlichen Standorte hat ſie eine ſehr große
Bedeutung, obgleich daſelbſt von einer geregelten Forſtwirthſchaft größten-
theils kaum noch die Rede ſein kann.


In der forſtlichen Behandlung kommt die Lärche in den meiſten
Punkten mit der Fichte überein. In den Alpenforſten wird ſie vorzüglich
durch natürliche Beſamung der Schläge verjüngt, was um ſo leichter ge-
ſchieht, da der etwas muſchelförmig gebogene Samenflügel das Forttreiben
durch den Wind zu begünſtigen ſcheint, dieſer auch in den lockeren luftigen
Kronen eine größere Gewalt auf die abfliegenden Samen ausüben kann.
[342] Die lange Pfahlwurzel macht die Verpflanzung älterer als 2—3jähriger
Pflanzen ſchwierig. Da die Lärche nur einen ſchwachen Schatten wirft
und durch ihre lockere Krone wenig verdämmend wirkt, ſo empfiehlt ſie
ſich zur Vermiſchung mit ſolchen Bäumen, welche Jenes nicht vertragen,
und für den Mittelwaldbetrieb.


Die Benutzung bietet außer den gewöhnlichen Anwendungen der
Holzpflanzen auch noch manche Beſonderheiten dar. Alpenlärchholz ſoll
eine außerordentliche Dauer haben, namentlich zu Bauten unter Waſſer,
wozu ihm Weſſely eine unbegrenzte Dauer nachrühmt. Auch in der
Tragkraft ſoll es alle andere Nadelhölzer übertreffen. Beſondere Be-
deutung hat die Lärche als Harzbaum, indem ſie es iſt, welche den
feinſten, den venetianiſchen Terpentin liefert. Dieſer ſammelt ſich vor-
zugsweiſe in innern Riſſen des Holzes und wird dadurch gewonnen, daß
man im Frühjahr mit einem zollſtarken Löffelbohrer über dem Stocke hori-
zontale Röhren bis ungefähr an das Mark bohrt und dieſelben dann mit
einem Pfropfen verſchließt. Bis zum Herbſt füllen ſich dann dieſe Röhren
mit Harz, welches mit einem vorn löffelförmigen Eiſen herausgeſchöpft
und worauf dann das Loch wieder zugepfropft wird. Eine ſolche Röhre
giebt bis gegen 30 Jahre hintereinander Harz und eine Lärche giebt
jährlich ¼ bis ¾ Seidel davon. Weſſely ſagt, daß dieſes Harzen,
ſobald man die Löcher immer verſchloſſen hält, den Bäumen nicht ſchade.


Der Lärche und der Tanne, der Fichte und der Seekiefer iſt die
auf S. 203 kurz erwähnte Ueberwallung eigen, die lange Zeit die
Deutungskunſt der Naturforſcher und Forſtmänner herausgefordert hat,
und welche darin beſteht, daß ungerodet gebliebene Stöcke der genannten
Nadelhölzer auf der Abhiebsfläche zuweilen eine ringförmige oder ſelbſt
kuppelförmige gewölbte Holzüberwallung zeigen. Der Erſcheinung nach
iſt dies daſſelbe, was wir im Kleinen auf S. 191 an einem Stamm-
ſtück einer jungen im Safte gefällten Silberpappel kennen lernten.


Dieſe Ueberwallung erinnert an die auf S. 195 (oben) erläuterte
Adventivknospenbildung der Laubholzſtöcke aus einer dort erwähnten
„Ueberwallungswulſt“, nur mit dem doppelten Unterſchiede, daß dort aus
dieſer Wulſt Adventivknospen entſpringen und daß dieſe Wulſt ohne
fremdes Zuthun von dem Stocke ſelbſt gebildet wird.


[343]

Letzteres iſt nämlich bei den Nadelholzſtöcken nicht der Fall, da einige
hiergegen geltend gemachte Fälle zu vereinzelt, vielleicht nicht einmal ganz
ſichergeſtellt ſind. Wenn man ſolche überwallte Stöcke unterſucht, ſo
findet man, daß im Boden eine oder einige ihrer Wurzeln mit denen
eines daneben ſtehenden lebendigen Baumes derſelben Art verwachſen ſind.


Da von Natur den genannten Nadelhölzern das Vermögen des
Stockausſchlages fehlt, ſo ſtirbt der im Boden bleibende Stock nachdem
er ſeines Stammes beraubt iſt, in kurzer Zeit vollſtändig ab, die Fläche
des Abhiebes vertrocknet und die zwiſchen Holz und Rinde eintretende
Saftzerſetzung veranlaßt, daß ſich die Rinde bald abſchält.


Die beiſtehenden Figuren, L., veranſchaulichen uns den intereſſanten
Vorgang der Stocküberwallung. Figur 1. ſtellt einen Lärchenſtock dar,
der oben am Abhiebe, namentlich ſtark entwickelt auf der linken Seite (*)
einen Ueberwallungsring zeigt, der an der Grenzlinie zwiſchen Rinde
und Holz hervortritt. Unten iſt mit einer ſeiner Wurzeln, bb, eine
Wurzel a a verwachſen, welche einer an der rechten Seite des Stockes
ſtehenden Lärche angehört. Auf der Durchſchnittsfläche der verwachſenen
Wurzeln a a b b ſehen wir bei a b die Grenzlinie beider. Man ſieht
die beiden Jahresringſyſteme beider Wurzeln zuletzt von gemeinſamen
Jahresringen umſchloſſen. Dies kann nicht anders geſchehen ſein, als
durch ein Reſorptionsvermögen, welches den Pflanzen eigen iſt. Beide
Wurzeln, die Anfangs weit von einander getrennt nebeneinander im
Boden lagen, mußten ſich indem ſie dicker wurden einander immer mehr
nähern, bis ſie endlich aneinanderſtießen. Nun trat eine ziemlich lange
Zeit ein, während welcher ſich beide Wurzeln an der Berührungsſtelle
in der Holzbildung hinderten, ſo daß ſie beide an dieſer Stelle ſich ab-
platteten. Die jetzt ſichtbare Verſchmelzung beider Holzkörper wäre un-
möglich, wenn die Rinde an der Berührungsſtelle nicht beſeitigt worden
wäre. An einer Stelle ſehen wir allerdings die Rinde noch nicht beſeitigt
und an dieſer Stelle hat auch die Verſchmelzung nicht ſtattgefunden.
Weiter unten links aber iſt die alte Rinde durch Verflüſſigung (Reſorption)
vollſtändig beſeitigt und beide in Eins verſchmolzene Wurzeln umgiebt
nun an dieſer Stelle eine gemeinſame Rinde.


Durch dieſe Verſchmelzung iſt der verwaiſte, dem Tode geweihte
Stock ein Glied des lebendigen neben ihm ſtehenden Baumes und die
[344] Verſchmelzungsſtelle eine Brücke geblieben, durch welche dieſer einen
Theil ſeines Bildungsſaftes jenem hinübergeſchickt hat. Natürlich fand
die Wurzelverwachſung ſtatt, als noch beide Bäume lebendig waren.


Der ſo wie von einer Amme genährte Stock verwerthete die Nahrung
nach ſeiner Weiſe, d. h. nach der Weiſe der Nadelhölzer, welche es nicht

Figure 51. L.

Stocküberwallung.
1. Ein Lärchenſtock, der auf der linken Seite oben, *, am Abhieb einen theilweiſen
Ueberwallungsring zeigt; unten iſt die Wurzel a a eines andern nahe ſtehenden Baumes
mit einer Wurzel b b des Stockes verwachſen; — 2. ein Stück von dem Abhieb eines
ſolchen Stocks; — 3. ſenkrechter Durchſchnitt des Kopfes eines ganz überwallten Stockes.


[345] weiter als bis zu dieſer Ueberwallung bringen kann, welcher natürlich
rings um den ganzen Stock unter der Rinde eine alljährliche Neubildung
von Holzlagen entſpricht. Ein Laubholzſtock würde daraus Adventiv-
knospen und aus dieſen große Stocklohden gebildet haben, was die neue
Arkadiſche Tanne auch vermögen ſoll (S. 330).


Der Stock, von deſſen Kopfe uns Fig. 2. ein Bild giebt, iſt 11 Jahre
lang von einem neben ihm ſtehenden Baume ernährt worden, denn man
kann an dem Längsdurchſchnitt deutlich 11 Jahreslagen des Ueberwallungs-
holzes zählen, welches ſich oben über die Abhiebsfläche, mit junger Rinde
überzogen, ergoſſen hat.


Aehnlich wie an Fig. XXVII. (S. 176) iſt der Verlauf der Holz-
zellen in dieſem Ueberwallungsholze ein höchſt unregelmäßiger, keineswegs
der normale ſenkrechte und gerade des geſunden Stammholzes. Wir
ſehen an Fig. 2. unten, durch ein Sternchen bezeichnet, einen Holzſplitter
ſich von dem Ueberwallungsholze ablöſen, der einen horizontalen, alſo
gerade entgegengeſetzten, Faſerverlauf andeutet.


Fig. 3. iſt der Kopf eines ganz überwallten Stockes. a iſt der
Holzkörper deſſelben in der Stärke, die er bei der Fällung des Stammes
hatte, b iſt das zwiſchen dieſem und der alten und der hinzugewachſenen
neuen Rinde nachgewachſene Ueberwallungsholz.


Es kommt zuweilen vor, daß ein ſolcher Stock noch lange mit der
Ueberwallung fortfährt, während ſein eigenes Holz bereits in Fäulniß
übergegangen iſt. Uebrigens verſteht ſich von ſelbſt, daß oben an der
horizontalen Abhiebsfläche keine organiſche Verbindung zwiſchen dieſer
und dem darüber ausgebreiteten Ueberwallungsholze beſteht, denn jene
war längſt abgeſtorben, als letzteres ſich darauf ablagerte.


In dieſer Weiſe kann ein ſtehender Baum die Amme von mehreren
Stöcken zugleich ſein; ja es kommt vor, daß ein Baum einen Stock
unmittelbar, und auch noch einen zweiten, der in den Wurzeln mit dem
erſten verwachſen iſt, mittelbar ernährt.


[346]

8. Der Taxus oder Eibenbaum, Taxus baccata Linné.


In die ſo vieles Eigenthümliche zeigende Abtheilung der Gymno-
ſpermen,
der nacktſamigen Blüthen-Pflanzen, gehört mit den echten
Nadelhölzern auch der Taxus; ja in einer weiteren Auffaſſung der Familie
der Nadelhölzer oder Zapfenbäume werden auch der Taxus und einige
andere verwandte Pflanzen mit zu dieſer Familie ſelbſt gezogen.


Der Taxus iſt zweihäuſig, diöciſch, d. h. der eine Baum trägt blos
männliche, ein anderer blos weibliche Blüthen. Beide ſind auf das be-
ſcheidenſte Maaß der Ausbildung beſchränkt. Auf der Unterſeite der ge-
fiedert beblätterten Triebe ſitzen in den Blattachſeln die kleinen männ-
lichen Blüthen
(LI. 1.), welche von ziemlich regelmäßig geſtellten
Knospenſchuppen umgeben (3.) lediglich aus 4 bis 6 auf einem gemein-
ſchaftlichen Träger verbundenen Staubbeuteln beſtehen (4.). Womöglich
noch einfacher iſt die weibliche Blüthe. Sie ſteht ebenfalls in den
Blattwinkeln und iſt, von ähnlichen Knospenſchuppen eingehüllt, ohne
alle Spur von Blüthendecken eine nackte Samenknospe, welche wir
ſonſt bei den Blüthenpflanzen von einem Fruchtknoten eingeſchloſſen und
dieſen dann meiſt wieder von Kelch- und Blumenblättern umhüllt finden.
Wir ſehen dies an der ſchwach vergrößerten Abbildung einer ſenkrecht
durchſchnittenen weiblichen Taxusblüthe (7.). In dieſer höchſt einfachen
Organiſation der weiblichen Blüthe liegt der Charakter der nacktſamigen
Blüthenpflanzen oder Gymnoſpermen, da das Heiligthum der Samen-
bildung, die Samenknospe — die wir in dem wohlverwahrten Innern
noch ganz kleiner Gürkchen als Bläschen ſehen, aus welchen die Gurken-
kerne werden — hier ganz frei liegt. Ein ſtärker vergrößerter Durch-
ſchnitt einer andern weiblichen Blüthe wird uns dieſe einfache Bildung
noch anſchaulicher machen (8.). Wir ſehen oben den Keimmund,
Mikropyle, der Samenknospe, (8. *) d. i. eine Oeffnung in der einfachen
Knospenhülle (l s), welche zu dem Innern der Samenknospe, zu
dem ſogenannten Knospenkern, Nucleus (n c) führt, in welchem der
Keimſack liegt, eine beſonders große Zelle, in welcher ſich der Keim
(10. e) entwickelt.


Unter dem kugeligen Körper, welcher die Samenknospe des Taxus
bildet, bemerken wir an Fig. 8 noch drei längsdurchſchnittene Schuppen-
[347] Paare, von denen das obere mit a bezeichnet iſt. Dies iſt der Samen-
mantel,
Arillus, der erſt nach der Befruchtung anfängt ſich weiter zu
entwickeln und zuletzt zu der fleiſchigen ſcharlachrothen Hülle wird, welche
den tief ſchwarzen Samenkern umgiebt, dieſen aber oben durch eine
kraterartige Vertiefung ſichtbar ſein läßt (Fig. 2.). Dieſe beerenartige
Frucht iſt eine falſche Frucht, weil ſie nicht aus einem Fruchtknoten,
der eben fehlt, hervorgegangen iſt. An einer erſt halb fertigen Frucht
ſehen wir den in der Entwickelung vorausgeeilten Samen von dem
langſamer wachſenden Samenmantel erſt an ſeiner untern Hälfte um-
geben (9. a.)*).


Die männlichen und die weiblichen Taxusbäume blühen ſehr zeitig
im Frühjahr, oft ſchon zu Anfang des April. Die Früchte reifen im
September, ſie ſind von der Größe der Heidelbeeren und das prächtig
ſcharlachrothe ſaftreiche und zuckerſüße Fleiſch des Samenmantels zeigt
oben in einer Vertiefung die Spitze des tiefſchwarzen Samenkernes (2.).


Die Blätter ſind den Tannennadeln ähnlich und eben ſo zweizeilig
wie dieſe gerichtet und oben dunkelgrün, aber leicht durch ihre einfache
ziemlich lang ausgezogene Spitze und die gelbgrüne (nicht weißgrüne)
Unterſeite zu unterſcheiden. An den Seiten und an der Oberſeite der
Triebe ſind wie ebenfalls bei der Tanne die kurzen Nadelſtiele ſo gedreht,
daß die Oberſeite aller Nadeln nach oben gekehrt wird. Der Quer-
ſchnitt der Nadeln (11) zeigt, daß die Mittelrippe auf der Oberſeite ſtärker
als auf der untern hervortritt.


Die jungen und die vorjährigen Triebe haben eine grüne Rinde mit
von den Nadeln ausgehenden Kanten. An den älteren Trieben wird die
[348]

Figure 52. LI.

Taxus oder Eibenbaum, Taxus baccata L.
1. Zweig mit männlichen Blüthen; — 2. Trieb mit 2 reifen Früchten; — 3. eine noch
geſchloſſene männliche Blüthenknospe; — 4. eine ſolche aufgeblüht, mit noch geſchloſſenen
und (rechts) mit entlerten Staubbeuteln; — 5. der Staubgefäßkörper derſelben, ebenſo; —
6. weibliche Blüthe; — 7. dieſe längs durchſchnitten; — 8. dieſelbe fünfmal vergr. daran:
die Samenknospe oben mit dem Keimmunde * der nur einen Samendecke (l s), die ſpäter
holzig werdende Samenſchale x, der Knospenkern n c mit dem Keimſack, aus welchem ſich
bereits das Sameneiweiß, e d p, gebildet hat und in deſſen oberer Hälfte man die Keim-
körperchen, c p, ſieht; von den 3 Hüllen unten iſt a der Samenmantel und b Knospen-
ſchuppen; — 9. eine halbvollendete Frucht mit dem noch unausgewachſenen Samenmantel,
a, über welchem die von der Samendecke, i s, bedeckte Frucht emporragt; — 10. eine
längs durchſchnittene reife Frucht, a der fleiſchig gewordene Samenmantel, e der Keim,
Embryo; — 11. Nadel und deren Querſchnitt vom Taxus, 12. daſſelbe von der Tanne,
und 13. von der Fichte. (Fig. 6.—10. nach Schacht. Nur Fig. 1. u. 2. natürl. Größe).


[349] Rinde rothbraun, wobei jedoch unter jeder Nadel ein Fleck noch eine
Zeit lang grün bleibt. Die Nadeln ſtehen in ſteilen Schraubenlinien.
Die Triebſtellung iſt undeutlich quirlförmig, was jedoch durch zahlreiche
unregelmäßig ſtehende Seitentriebe noch mehr als bei der Tanne und
Fichte verhüllt wird.


Der Stamm des Taxus wächſt ſelten baumartig ſondern theilt ſich
oft ſchon kurz über dem Stocke in mehrere Aeſte, die dann gleichmäßig
wachſen und ſo oft einen ſehr dichten breiten Buſch bilden, der außer-
ordentlich reich verzweigt iſt. Die Rinde des Stammes und der ſtärkeren
Zweige iſt der Länge nach blättrig aufgeriſſen und dunkel rothbraun.
Das Taxusholz iſt ſehr feſt und dicht, ohne Harzporen, im Kern
ſchön braunroth, der ſchmale Splint gelblich weiß. Die ſehr engen Holz-
zellen ſind zwar auch Tüpfelzellen wie die der übrigen Nadelhölzer,
jedoch kommen zu den Tüpfeln an der innern Zellenwand noch unregel-
mäßige Spiralfaſern (Siehe S. 246 XXXVI. namentlich Fig. 4.). Die
Jahrringe ſind meiſt ſehr ſchmal. Ein Stück Taxusholz, welches ich der
Güte des Herrn Revierförſters Sladeck in Zella bei Dermbach im
Eiſenachiſchen verdanke, deutet auf einen Stamm von nur 19 p. Zoll
Durchmeſſer bei einem Alter von 210 Jahren. Es zeigte ſich noch voll-
kommen geſund und friſch, obgleich der Stamm 9 Jahre lang gefällt
unter freiem Himmel im Walde gelegen hatte.


Die Krone vereinigt durch die Nadelform der Blätter und den
buſchigen aſtreichen Wuchs den Nadel- und den Laubholzcharakter. Die
wenigen Taxusbäume, die man im Walde ſieht, haben meiſt ein ſehr
ungleiches Anſehen, faſt ohne einen feſtgehaltenen Kronenhabitus, da ſich
meiſt ein Aſt oder einige überwiegend geltend machen und ſo wohl
ein auffallendes aber keineswegs ein ſchönes Baumbild hervorbringen.
Die große Ausſchlagsfähigkeit des Taxus hat ihn bekanntlich lange Zeit
das Schlachtopfer des Zopfſtyls der altfranzöſiſchen Gartenkunſt ſein laſſen,
ein Jammer des guten Geſchmacks, welcher hoffentlich nicht wiederkehren
wird, wenigſtens nicht in den Gärten und Parkanlagen, da er in der
Ausſchmückung vornehmer Gemächer leider bereits wieder da iſt.


Der Eibenbaum treibt aus den Wurzelknoten mehrere ziemlich tief
eindringende mächtige dicke gewundene Wurzeln, deren Holz von großer
Feſtigkeit iſt.


[350]

Der Standort muß für die Eibe ſteinig und ſandreich aber friſch
und feucht ſein, jedoch beweiſen die zahlreichen Exemplare, welche ſich in
unſeren Gärten zerſtreut finden, und ſelbſt Waldvorkommniſſe, daß ſie
mit allerlei, ſelbſt mit trockenem Muſchelkalkboden fürlieb nimmt, ja der
Muſchelkalk ſcheint am liebſten von der Eibe bewohnt zu werden. Die
weſtliche ſchattigere und feuchtere Lage iſt ihr beſonders zuträglich. Dabei
verträgt der Taxus den Druck des Oberholzes nicht nur ſehr gut, ſondern
ſcheint ihn geradezu zu fordern. Die Verbreitung iſt zwar eine
ziemlich umfangreiche, aber nirgends kommt der Taxus anders als ein-
geſprengt unter anderen, namentlich Laubhölzern vor, beſonders im
Mittelwalde. In den Karpathen und in den Voralpenwäldern der
öſterreichiſchen Gebirgslande, der Schweiz und Süddeutſchlands findet
ſich der Taxus am häufigſten, doch nirgends als beſtandbildender Baum.
Ein bevorzugter Ort ſcheint das genannte Drombacher Revier zu ſein,
wo neben vielen anderen kleineren nach Herrn Sladecks Mittheilung
311 Exemplare von einem Stammdurchmeſſer von 1 Fuß und darüber
vorkommen. Man darf die jetzt noch hier und da in Deutſchland vor-
kommenden Taxusbäume als Ueberreſte der ehemaligen dichten Bewaldung
Deutſchlands anſehen und im Allgemeinen erſcheint der Taxus als eine
im Ausſterben begriffene Pflanze.


Das Leben des Taxus iſt durch Schattenbedürfniß und äußerſt
langſamen Wuchs am meiſten charakteriſirt. Das Verpflanzen junger
Stämmchen an freie Orte mißlingt daher faſt immer. „Mehrere Schocke
auf nacktem Felſen (aber im Schatten) erwachſener bis 2 F. großer
Pflänzchen gingen nach der Verpflanzung ſämmtlich ein, obgleich ſie mit
der größten Sorgfalt ausgehoben worden waren“ (Sladeck). Das Holz
iſt im Innern des Stammes meiſt kernſchälig, was vielleicht daher rührt,
daß bei dem langſamen Wuchs der Taxus im Niederwalde mehre Um-
triebsperioden überdauert und nach der jedesmaligen Freiſtellung einige
Jahre ſehr ſtarke Jahresringe anlegt, die dann von den vorausgegangenen
ſchmalen ſich loslöſen, welches ebenſo und aus demſelben Grunde bei
vielen Bäumen vorkommt. In einer Alterseintheilung der Bäume ſtellt
Pfeil den Taxus mit Eiche und Winterlinde in die höchſte, 300 Jahr
überdauernde Klaſſe. Man kennt und hegt auch einige Taxusbäume von
ſehr hohem Alter. Nach einer Durchſchnittsberechnung der Dicke der
[351] Jahresringe ſchätzt man einen Taxusbaum auf dem Kirchhof von Braburn
in Kent auf 3000 Jahre.


Ueber die forſtliche Bedeutung und Behandlung des Taxus
läßt ſich kaum etwas ſagen, da er erſtere kaum hat und letzterer darum
kaum unterzogen wird. Man benutzt ihn, wo man ihn findet, wenn
man ihn nicht lieber als Denkmal deutſcher Vorzeit ſchont; eine Nachzucht
als Forſtbaum findet wahrſcheinlich nirgends ſtatt.


Was die Benutzung betrifft, ſo kann dieſe begreiflicherweiſe auch
nur ſehr unbedeutend ſein. Das faſt immer kernſchälige Holz alter
Stämme läßt ſich zu Fourniren, wozu es ſeiner ſchönen geflammten Farbe
wegen ſich ſehr empfehlen würde, nicht verwenden, ſoll auch ſeines „Fett-
gehaltes“ wegen nicht auf dem Blindholze haften (Sladeck). Als Hecken-
baum und für Parkanlagen iſt der Taxus immer noch mit Recht ge-
ſchätzt, wobei man ihn zu Ehren des guten Geſchmacks nicht mehr zu
Mißgeſtalten ſtutzt. Mit Unrecht gelten die ſüßen Beeren des Taxus
für giftig, was ſie nach den wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen von Schroff
entſchieden nicht ſind; dagegen ſind dies die Blätter. Weſſely ſagt,
daß in den öſterreichiſchen Alpenländern das Taxuslaub als ſehr milch-
erzeugendes Futter dem Rindvieh gefüttert werde, während es den
Pferden tödtliches Gift ſei.


Der Taxus hat in den verſchiedenen Theilen Deutſchlands ver-
ſchiedene Namen als: Taxbaum, Ibenbaum, Taxboom, Ibenholz, Eien-
baum, Eie, Eben, Ebe, Eife, Hagein, Ifenbaum, Ive, If, Iſten, Eve,
Eiſenbaum, Gyenbaum, Eſenbaum.


9. Wachholder, Juniperus communis L.


Wie die echten Nadelhölzer und der Taxus zweihäuſig. Die männ-
lichen
Blüthen (2. 7.) ſind kleine achſelſtändige Kätzchen, aus ſchild-
förmigen Schuppen gebildet, deren jede auf der Untenſeite 4—7, meiſt
jedoch 6, Staubbeutel trägt (8. 9.). Die weiblichen, auf kleinen
Kurztrieben endſtändig, von einer fleiſchigen dreiſpaltigen aus drei zu-
ſammengewachſenen Schuppen gebildeten Hülle umgeben, frei, auf-
recht (3. 4.). Die kleinen Nüßchen von der vergrößerten fleiſchigen
[352]

Figure 53. LII.

Gemeiner Wachholder, Juniperus communis L.
1. Weiblicher Zweig mit diesjährigen unreifen und vorjährigen reifen Beeren; —
2. Trieb mit männlichen und 3. Trieb mit weiblichen Blüthen; — 4. vergr. Kurztrieb
mit einer endſtändigen weiblichen Blüthe, daneben derſelbe geſpalten; — 5. 6. vergr.
Beere geöffnet und darüber ein Same; — 7. vergr. männliches Kätzchen; — 8. drei
wirtelig ſtehende Staubbeutelträger deſſelben von unten; 9. dieſelben von oben, ſtark
vergr.; — 10. vergr. Nadel und deren Querſchnitt.


[353] eine ſogenannte falſche Beere (Wachholderbeere) darſtellende Hülle um-
ſchloſſen (5. 6.). Die Beere iſt Anfangs grün, reif aber blauſchwarz,
hechtblau bereift. Sie reift erſt im zweiten Jahre.


Die Blätter ſind faſt rechtwinklich abſtehend quirlförmig zu drei
an den Trieben geordnet: ſie ſind lanzettlich-pfriemenförmig, ſehr ſpitz,
oberſeits ſeichtrinnig, unten blaugrün, etwas gekielt, mit einer feinen
den Kiel durchziehenden Linie (10.). Aus ihren Achſeln entſpringen
die nackten, d. h. ſchuppenloſen Knospen.


Der Stamm iſt ſelten viel über einige Zoll dick und erhebt ſich
nur ſelten zu einem regellos mit unzähligen ſchwachen Zweigen beſetzten
eiförmig-pyramidalen Bäumchen von 15—20 F. Höhe; meiſt bleibt der
Wachholder ein niedrer aufrechtſtehender Buſch mit einer eirunden fein
verzweigten Krone.


Das Holz iſt ſehr fein, dicht und ſchwer, mit rothgelbem Kern und
weißlichem Splint und meiſt von rothgelben Adern durchzogen. Es
hat den bekannten Geruch der Beeren und iſt ſehr dauerhaft. Am
untern Theile des Stämmchen zeigt es meiſt beträchtliche Maſerknoten.
Namentlich das im Mai gehauene ſoll hellroth und knochenhart werden.


Hinſichtlich ſeines Standorts gehört der Wachholder zu den genüg-
ſamſten Holzpflanzen, da er am häufigſten auf leichtem Sand und ſelbſt
auf verangerten öden Plätzen gefunden wird. In Mitteleuropa hat er
eine weite Verbreitung und kommt namentlich in den nördlichen Haiden
ſehr häufig vor.


Sein Leben möchte man das eines forſtlichen Proletariers nennen,
um den ſich niemand kümmert. Der Wachholder wächſt ſehr langſam
und da er nur in gutem Schluß auf etwas beſſerem Boden unter künſt-
licher Nachhülfe zu der angegebenen höchſten Länge und dann zu 6 bis
10 Z. Durchmeſſer erwächſt, ſo hat er auch keine eigentliche forſtliche
Bedeutung
und Behandlung. Man benutzt ihn wo und wie man
ihn eben findet.


Zu feinen Drechslerwaaren und knorrigen Spazierſtöcken benutzt
man die Stämmchen, und die allbekannten Wachholderbeeren, welche dem
Fleiſche des Krammetsvogels (Wachholderdroſſel) Turdus pilaris, ſeinen
Wohlgeſchmack verleihen, werden namentlich zu Räucherungen und zur
Bereitung des Wachholder-Branntweins, Genever, benutzt. Nach
Roßmäßler, der Wald. 23
[354]Metzger wird in Thüringen und Würtemberg, wo der Wachholder
häufig vorkommt, mit den Beeren ein bedeutender Handel nach Oſt-
indien getrieben, wobei jedoch bei der Verpackung zur Vorſicht die Beeren
mit Nadeln und Trieben vermiſcht werden, da ſie ſich ſonſt leicht ent-
zünden ſollen.


Da dieſer Buſch mehr im Munde des Volks — namentlich als
Hausmittel — als in der Forſtwirthſchaft lebt, ſo fehlt es ihm auch
nicht an einer Menge von Volksbenennungen: Knirk oder Knirkbuſch,
Steckholder, Weckholder, Kranatbaum, Kranwet-, Cronwit-, Kronawett-
baum, Kaddiz-, Feuerbaum und viele andere.


Auf Hochgebirgen, zum Theil an der Schneegrenze, doch auch zu-
weilen auf niedrigeren Stufen kommt der Zwergwachholder,J. nana W.,
als ein buſchiger niederliegender Strauch mit viel größeren aber weniger
aromatiſchen Beeren vor.


Nur um einem weit verbreiteten Irrthum entgegen zu treten ſei
hier noch der aus Nordamerika ſtammende virginiſche Wachholder,
J. virginiana L., erwähnt, der in unſeren Gärten als „Ceder“ ſehr
verbreitet iſt und deſſen wohlriechendes braunviolettes „Cedernholz“ all-
gemein zur Verfertigung der Bleiſtifte verwendet wird.


[[355]]

9.
Die Laubbäume.


Aus tauſend Blättern, die am Eichbaum hängen,

Und die das Licht der Sonne widerſtrahlen,

Erklingt uns Kunde, wie von Bardenſängen

Bei unſrer Ahnen heil’gen Opfermahlen.

Und wenn der Sturm die deutſche Eiche ſchüttelt,

Daß ſie ſich feſter in den Boden klammert —

Wer fühlt ſich da nicht mächtig aufgerüttelt,

Wer hat ſein Deutſchland da noch nicht bejammert?

Aus der ſinnigen Betrachtung der Nadelhölzer fühlten wir eine
erdgeſchichtliche Kunde uns entgegenwehen; wir ſahen in ihnen die zu
Schutz und Trutz feſt zuſammenhaltenden überlebenden Reſte eines vor-
mals mächtigen Geſchlechts. Der deutſche Laubwald, den wir uns unter
dem Zauber herkömmlichen Anſchauens zunächſt als Eichenwald denken,
führt uns blos zurück in die Vorgeſchichte unſeres Volks. Die Eiche,
die in vollſter Anerkennung ſtehende Vertreterin des deutſchen Waldes,
können wir uns anders als Deutſch gar nicht denken. Sie iſt unſer
Symbolbaum, wie kaum ein anderes Volk einen hat. Darum zieht eben
ein alter Laubwald unwiderſtehlich unſer Sinnen zurück in graue deutſche
Vorzeit; nicht weiter. Und faſt möchte man ſich zur Satyre aufgeſtachelt
fühlen, wenn man bei genauerem Anſehen unſeres deutſchen Laubwaldes
findet, wie er ſogar bunt und manchfaltig aus den verſchiedenſten Baum-
arten zuſammengeſetzt iſt. Demnach iſt er auch nur ein forſtmänniſcher
Begriff, während der Nadelwald ein feſter ſyſtematiſcher Begriff iſt;
jener nur zufällig Verbundenes, dieſer verwandtſchaftlich Zuſammen-
gehöriges.


Unſere zuſammenfaſſende Betrachtung der Laubbäume kann darum
und muß kürzer ſein als bei den Nadelbäumen, weil ſie nur über weniges
Gemeinſame zu berichten hat.


23*
[356]

Es iſt ſchwer die Zahl der Laubholzarten unſeres deutſchen Waldes
anzugeben, nicht ſowohl deshalb, weil wir ihn nach Süden, namentlich
nach Südoſt politiſch nicht einmal genau abzugrenzen wiſſen, als vielmehr
deshalb, weil es ſchwer zu entſcheiden iſt, welche ſtrauchartigen Gewächſe
wir noch als Holzpflanzen, mit der Bedeutung für den Waldbeſtand,
anſehen ſollen, welche nicht. Begreifen wir dabei alle diejenigen im
Walde heimiſchen Pflanzen, welche einen ausdauernden holzigen Stengel
haben, ſo ſind nicht blos die kleinen Heide- und Heidelbeerbüſchchen,
ſondern noch einige andere viel kleinere mit zu zählen. Forſtlich auf-
gefaßt giebt die gewöhnliche Bezeichnung Forſtkulturpflanzen aller-
dings einen beſtimmteren Anhalt, indem man unter ſolchen die abſichtlich
angebaueten oder wenn aus Selbſtbeſamung hervorgegangen gepflegten
Holzgewächſe verſteht. Dies ſchließt aber eine Menge ſelbſt als Bäume
wachſender Holzpflanzen aus, um die ſich der Forſtmann nicht weiter
kümmert, als daß er ſie, wenn er ſie bei einem auszuführenden Holz-
ſchlage vorfindet, mit umhaut und benutzt.


Unſer „Wald“ iſt nicht forſtlich allein verſtanden, er iſt uns
„Wald und Forſt“ zugleich (ſiehe S. 1); wie dürfen viele Holzpflanzen
darum nicht unerwähnt laſſen, weil ſie uns das Waldbild vervollſtändigen
helfen, gewiſſermaaßen zu deſſen Füllung beitragen; während ſie dem
Forſtmann vielleicht ganz gleichgiltig, ja ſogar läſtig ſind.


Uebrigens iſt ſelbſt der Begriff der Forſtkulturpflanzen — von
welchem bei den Nadelhölzern blos der Wachholder und kaum der Taxus
ausgeſchloſſen ſind — bei den Laubhölzern doch keineswegs nach unten
hin ſcharf begrenzt. Beſonders geeignete Standortsverhältniſſe laſſen
manchmal eine Holzart als Kulturpflanze ſich geltend machen, die ſonſt
gar keine Beachtung findet; Strauch- oder Buſcharten können dadurch
Baumcharakter annehmen. So können ſolche ſelbſt einen nennenswerthen
Nutzungsertrag geben.


Sieht man in dieſer Richtung die forſtlichen Lehrbücher durch, ſo
findet man nur eine kleine Zahl von Laubholzarten als Forſtkulturpflanzen
aufgeführt. Theodor Hartig zählt in der 10. Aufl. von ſeines Vaters,
G. L. Hartig, Lehrbuch für Förſter, nur folgende „wichtigere Forſtkultur-
pflanzen“ aus der Abtheilung der Laubhölzer auf: 3 Eichenarten, die
Buche, 4 Birkenarten (von welchen eigentlich 2 wegzulaſſen waren),
[357] 3 Erlen (von denen ebenfalls eine wegbleiben mußte), die zahme Kaſtanie
(kein deutſcher Baum), 2 Hornbäume, 2 Haſeln, 4 Pappeln (von denen
die italieniſche wegzulaſſen war), Weiden (ohne eine beſtimmt zu bevor-
zugen), die Eſche, 3 Rüſtern, Weißdorn, Mispel, den wilden Apfel- und
Birnbaum, 2 Ebereſchen, Elsbeerbirne, 4 Steinfruchtpflanzen (Kirſche etc.),
Schotendorn oder Akazie (kein deutſcher Baum), 4 Ahorne (von denen
der vierte wegfällt), Roßkaſtanie (kein deutſcher Baum), Linde. Alle
übrigen Sträucher bezeichnet er als „ſich nur zufällig im Walde findend.“


Wenn wir alſo die angedeuteten Abzüge machen und uns die Haſeln
und einige andere, von denen ſeine letzte Bemerkung ebenfalls gilt, ge-
fallen laſſen, ſo blieben nur 34 deutſche Laubholzarten, welche den Namen
Forſtkulturpflanzen verdienten, zu denen wir als 35. wohl noch eine
zweite Lindenart hinzufügen können. Eine ominöſe Uebereinſtimmung
mit der ſtaatlichen Gliederung des Landes der deutſchen Eiche.


Ueberblicken wir die genannten Laubholzarten vom Geſichtspunkte
der botaniſchen Syſtematik, ſo erkennt auch der Nichtbotaniker ihre ſehr
verſchiedene Geltung auf der Stufenleiter des Syſtems. Auf ihr ſtehen
Eichen und Buchen, Weiden und Birken ſehr tief, während die Linde zu
den vollkommenſten Gewächſen gehört; denn nicht die Kraft und ſtolze
Größe gilt hier als Maaßſtab, ſondern die Vollkommenheit in der Aus-
prägung der Blüthentheile. Dieſe werden wir bei der Eiche ſehr unvoll-
kommen finden, während Jedermann weiß, daß bei der Linde alle vier
Blüthenkreiſe — Kelch, Blumenkrone, Staubgefäße und Stempel —
vollkommen und unabhängig von einander ausgebildet ſind.


Daß hinſichtlich der Architektur und Ornamentik (S. 217 f.) die
Laubhölzer als äſthetiſche Gruppe ſich von den Nadelhölzern unterſcheiden,
weiß Jedermann, ebenſo wie hier auch nochmals an den Unterſchied
des den Nadelhölzern faſt abgehenden Ausſchlagsvermögens erinnert
werden ſoll.


Durch den Vortheil des Ausſchlagsvermögens, welches übrigens
den Laubhölzern nicht in gleichem Maaße eigen iſt, gewähren dieſe dem
Forſtmanne eine größere Manchfaltigkeit in der Walderziehung. Während
jene, wenigſtens als reine Beſtände, ſich nur als Hoch- oder Baum-
wald
erziehen laſſen, kommt zu dieſem bei den Laubhölzern noch der
Mittel- und der Niederwaldbetrieb (S. 193).


[358]

Abgeſehen von der freieren Bauart der Laub-Kronen, welche eine
größere Manchfaltigkeit der Waldbilder hervorbringt, wird dieſe noch
weſentlich unterſtützt durch die große Abwechslung der Geſtalten, welche
zwiſchen einem Buſch des Niederwaldes und einem majeſtätiſchen Baume
des Hochwaldes, als ihren beiden Endpunkten, liegt.


Keine Laubholzart verträgt einen ſo dichten Schluß wie die Nadel-
hölzer, keine, vielleicht allein die Buche ausgenommen, unterdrückt den
Unterwuchs an Kräutern und Geſträuchen ſo vollkommen, wie dies die
Nadelbäume, namentlich die Fichte und in geringerem Grade auch Tanne
und Kiefer thun. Dies übt einen mächtigen Einfluß aus auf das Bild
von dem Innern eines alten Laubholz-Hochwaldes. In dieſem ſtehen
die Bäume immer ſehr räumlich und laſſen einer großen Zahl niederen
Volkes Raum, wozu nicht blos Gräſer und Kräuter, ſondern auch vielerlei
Sträuche, zum Theil ſogar Ausſchlag der eigenen Art gehören.


Wenn wir mit Decandolle (ſ. das Motto auf S. 12) und mit
Agard (S. 205) eine innerlich bedingte Setzung des Lebensendes eines
Baumes kaum annehmen konnten, ſo erlaubt es das Ausſchlagsvermögen
der Laubholzbäume, dem Walde eine bedingte Unſterblichkeit zuzuſprechen.
Ein Niederwaldbeſtand, den wir meiſt als „Buſchholz“ bezeichnen hören,
kann in regelmäßigem, etwa 20 jährigem Umtriebe immer wieder abgeholzt
werden, und immer wieder ſchlagen die Stöcke von neuem aus. Gleich
nach erfolgtem Abhiebe der Stocklohden kann man ſich leicht überzeugen,
wie uralt die oft ſehr umfänglichen Stöcke ſein mögen, in denen „die
ſchaffende Gewalt“ ſich immer aufs Neue bewährt.


Ja man möchte es faſt ein Spiel nennen, welches ſich der Forſt-
mann mit dem Leben der Laubhölzer, wenigſtens der meiſten Arten,
erlauben kann, wenn er einen Hochwald in einen Mittel- oder Nieder-
wald degradirt, oder einen Niederwald zu einem Mittelwalde ja ſogar zu
einem Hochwalde erhebt.


Ein Waldbeſtand uralter Eichen wird ſofort zum Niederwalde, wenn
man die Eichen fällt und von den Stöcken, die man ungerodet im Boden
läßt, Stockausſchlag erwartet, was bei der Eiche nicht leicht vergeblich
iſt. Läßt dann der Forſtmann nach 20 Jahren und ſpäter wieder nach
20 Jahren und ſofort bei dem Abtriebe hier und da vorzüglich wüchſige
Stocklohden ſtehen, die zuletzt ſich gewiſſermaaßen von ihrer Stockabkunft
[359] emancipiren und zum Theil auf Koſten des Stockes, ihrer Nährmutter,
ſelbſtſtändige Bäume werden, ſo entſteht ein Mittelwald, das heißt
eine Vermiſchung von ſehr weitläufig ſtehenden Bäumen und Buſchholz
(Stockausſchlag).


Während die Nadelhölzer, vor allen die Fichte, ſich ſehr zur Er-
ziehung reiner, d. h. nur aus Einer Nadelholzart allein beſtehender
Beſtände von großem Umfange eignen, ſo ſind dieſe bei den Laubhölzern
eine Seltenheit. Am meiſten ſcheinen noch die Buche und Eiche Unver-
miſchtheit zu vertragen, obgleich es jetzt wohl ſelbſt bei dieſen, wenigſtens bei
der Eiche, nur noch ſelten vorkommt, ſie in reinen Beſtänden zu erziehen,
nachdem man die mancherlei Vortheile erkannt hat, welche gemiſchte Be-
ſtände vor reinen voraus haben. Aber die größere Anzahl der Laub-
hölzer und die daher auch größere Manchfaltigkeit ihres Verhaltens zu
der Bodenbeſchaffenheit bringt es mit ſich, daß einige Laubholzarten in
auffallender Weiſe die Begleiter oder vielmehr Bewohner einer gewiſſen
Bodenbeſchaffenheit ſind, woraus ſich ſehr häufig kleine ja ſogar zuweilen
ausgedehntere reine Beſtände eines oder des andern Laubholzes ergeben,
die dann freilich meiſt nicht in den eigentlichen Bereich des Waldes
fallen. Wer weiß nicht, daß die Erle der Baum des quelligen Bruch-
bodens iſt, daß der Weiden zahlloſes Heer der Flußniederung große
Strecken abgewinnt? Auch die genügſame Birke liebt es, ſich in Ge-
meinſchaft allein anzuſiedeln und nur die Kiefer iſt anſpruchslos genug,
um das kärgliche Bodenmahl mit ihr zu theilen.


Beide, Birke und Kiefer, lernten wir auch bereits als die oberſten
Bergvorpoſten des Baumlebens kennen. Der Mehrzahl nach ſind die
Laubhölzer aber mehr Bewohner der Ebene und manche Arten machen
ſelbſt hier noch ganz ungewöhnliche Anſprüche an die Behaglichkeit des
Lebens. Gewiſſe Laubhölzer aus der Familie der Kernobſtbäume ſind
faſt nur das Vorrecht der Waldungen der Ebenen und Vorberge Süd-
deutſchlands und gehen nur ſehr vereinzelt über die trennende Schwelle
des Deutſchland ungefähr in der Mitte von Oſt nach Weſt durchziehenden
Gebirgsrückens hinaus.


Manche Laubhölzer zeigen aber auch recht erſichtlich, daß eine gewiſſe
Seehöhe ihnen erſetzt werden kann durch ein größeres Vorrücken nach
Norden oder vielleicht ſelbſt durch die Meeresnähe. Dies iſt ganz be-
[360] ſonders mit der Buche der Fall, welche eben ſo in einem gewiſſen
Höhengürtel wie an den Küſten der Oſtſee ihre prachtvollſten Wälder
aufbaut.


Wenn man edle und unedle Holzarten unterſcheidet, ſo hat man die
erſteren nur unter den Laubbäumen zu ſuchen und die Buche iſt allgemein
als die edelſte von allen anerkannt. Da wir ſchon an einer früheren
Stelle dieſen Rangunterſchied nicht oder höchſtens nur ſehr bedingt gelten
laſſen konnten, ſo iſt auch darüber hier noch nachzutragen, daß, wenn
man dabei unſere einheimiſchen Waldbäume allein berückſichtigt, obendrein
gewöhnlich ein ſehr unedler Maaßſtab zum Grunde gelegt wird, nämlich
der Brennwerth. Unter den Laubhölzern finden wir auch allein die ſo-
genannten „harten“ Hölzer, welchen gegenüber ſehr willkürlich und
durchaus nicht bei allen zutreffend das Nadelholz als „weiches“ Holz
bezeichnet wird.


Wenn wir noch einen Augenblick das Holz der Laubbäume im Auge
behalten wollen, ſo iſt dieſem noch der Unterſchied von dem Holze der
Nadelbäume eigen, daß bei ihm das Herbſtholz weniger oder wenigſtens
in anderer Weiſe als bei dieſem vom Frühjahrsholze unterſchieden iſt.
Bei dem gefäßloſen Nadelholze zeichnete ſich das Herbſtholz vor dem
Frühjahrsholze durch engere, plattere und beſonders dickwandigere Holz-
zellen aus, während bei den Laubhölzern der Unterſchied faſt nur darin
beruht, wenn er überhaupt ſehr bemerklich iſt, daß das Frühjahrsholz
gefäßreicher iſt (S. 101 Fig. XIII. und S. 106).


Daß und weshalb die Laubholzwaldungen weniger durch Inſekten,
Sturm und andere Widerwärtigkeiten leiden als die Nadelhölzer haben
wir bei dieſen ſchon erfahren; obgleich ſie keineswegs ſicher davor ſind
und in anderer Richtung dem Forſtmanne die Bewirthſchaftung eines
Laubholzrevieres beſonders erſchwert wird.


Der überaus regelmäßige Wuchs der Nadelbäume, der es bei den
meiſten zu keiner eigentlichen Kronenabwölbung kommen läßt, läßt es
ſelbſt einem alten Baume aus der Länge ſeiner Triebe leicht anſehen,
ob er noch in gutem Zuwachs ſtehe oder nicht, was bei einem Laubbaume
nicht ſo leicht iſt.


Eine Kronenabwölbung finden wir unter unſeren deutſchen Nadel-
hölzern in ausgeſprochenem Grade nur bei der gemeinen Kiefer (S. 261);
[361] dieſe Ausprägung gehört daher vorzugsweiſe den Laubhölzern an. Was
wir unter Kronenabwölbung zu verſtehen haben, können wir am beſten
aus einigen Baumbeiſpielen lernen, wozu ſich die Eſche und Ahornarten
am beſten empfehlen. Dieſe Bäume haben eine regelmäßige kreuzweis
gegenſtändige Knospenſtellung mit vollkommen ausgeprägten Endknospen
der Triebe (S. 60 Fig. III. 2. 4. und S. 63 Fig. IV. 1.). Dieſe
Stellung und namentlich die vorherrſchende Vollkommenheit der End-
knospe muß ähnlich wie bei den Nadelbäumen eine pyramidale Kronen-
bildung begünſtigen, ja müßte dieſe eigentlich zur nothwendigen Folge
haben, wenn nicht hemmende Umſtände in den Weg träten, die uns
ſchon bekannt ſind (S. 217, 218). Nur bis zu einem gewiſſen Alter
macht ſich dieſer Einfluß der Knospenſtellung in der Kronenbildung
geltend; es iſt aber dieſes Alter oder vielleicht richtiger dieſe Periode
einigermaaßen von den äußeren Verhältniſſen abhängig. Auf einem in
jeder Hinſicht günſtigen Standorte können namentlich Eſchen bis zu
einem Alter von 50 Jahren noch vollkommen deutlich den der Knospen-
ſtellung entſprechenden pyramidalen Wuchs erkennen laſſen.


Wenn dieſer Einfluß der Knospenſtellung auf die Kronengeſtalt auf-
hört, dann fängt die ſogenannte Kronenabwölbung an, und wie groß der
Unterſchied eines Baumes vor und nach der Kronenabwölbung ſein könne,
das zeigt unſer Kiefernbild. Dieſer Unterſchied iſt aber nicht bei allen
Arten, die eine deutliche Periode der Kronenabwölbung haben, an die
kreuzweiſe gegenſtändige Knospenſtellung gebunden. Bei Erle und Birke
ſtehen die Knospen anſcheinend ganz unregelmäßig und dennoch haben
beide Bäume eine ſehr beſtimmt ausgeſprochene Kronenabwölbung. Beide
ſind, ſelbſt aus Samen erwachſen — als Stockausſchlag bekanntlich
in noch höherem Grade — bis zu einer anſehnlichen Größe entſchieden
pyramidal gebaut und wölben erſt ſpäter ihre Krone ab.


Es giebt aber auch Bäume, welche dieſen Unterſchied niemals zeigen.
Ein ſolcher iſt z. B. die Linde, welche gleich von Anfang an ihrer Krone
die ſchöne Kuppelgeſtalt giebt, die wir an alten Linden kennen und ſo
ſehr lieben.


Fragen wir nun, was eigentlich der von dem Forſtmanne erfundene
Ausdruck Kronenabwölbung ſagen wolle, ſo müſſen wir, um ihn richtig
und im Sinne des Forſtmannes zu verſtehen, uns noch weiter von
[362] dieſem hinzufügen laſſen, daß mit der vollendeten Kronenabwölbung der
Längenwuchs des Stammes meiſt beendet ſei. Demnach iſt ihm die Kronen-
abwölbung nicht allein eine Geſtaltbezeichnung, ſondern die Bezeichnung
für einen Abſchnitt des Baumlebens. Wenn dieſe Auffaſſung, wie uns
die Linde zeigte, auch nicht unbedingt ſtichhaltig iſt, ſo iſt ſie doch jeden-
falls in hohem Grade beachtenswerth und eine dankenswerthe Bereicherung
der Biologie des Baumes aus der Hand der Forſtpraxis.


Eſche und Ahorn ſind inſofern jetzt nicht weiter paſſende Beiſpiele
für das noch zu Erörternde, als es gewiſſermaaßen für ſie keine Kunſt
iſt, das Längenwachsthum vermittelnde Langtriebe zu machen, weil ſie die
in der Entwicklungsfähigkeit ſo zu ſagen bevorzugten echten Endknospen
haben. Wir wählen daher hierzu die Buche und die Rüſtern. Beſonders
die Buche, obgleich bei ihr die an der Spitze der Triebe ſtehende
Knospe keineswegs eine ſolche bevorzugte eigentliche Endknospe iſt (S. 60
Fig. III. 9.), iſt bis in ein ſehr hohes Alter befliſſen, aus dieſer, wenigſtens
an vielen Zweigen, Langtriebe hervorzutreiben. Dadurch treten aus dem
Kronenumriſſe einer Buche, wenn ſie unter gedeihlichen Verhältniſſen
ſteht bis in ziemlich hohes Alter, eine Menge Spitzen hervor, die Er-
gebniſſe der ihr noch ungeſchwächt inwohnenden Kraft, Langtriebe zu
machen. So lange dies der Fall iſt, ſteht der Baum noch in gutem
Höhenzuwachs und er hat ſein Haubarkeitsalter noch nicht erreicht.
Allmälig aber erlahmt dieſe Kraft; die Bevorzugung einzelner Zweige
Langtriebe zu machen, fällt weg, es tritt gewiſſermaaßen eine Gleichheit
der Entwicklungskraft des Knospenlebens ein, ja es ſcheint ſogar die
Kraft der Endknospen jener aus dem Kronenumriſſe hervortretenden
Spitzen unter das Maaß der übrigen Knospen herabzuſinken, denn dieſe
holen jene geradezu ein, die Lücken in dem Kronenumriſſe werden all-
mälig ausgefüllt — die Kronenabwölbung iſt vollendet, es werden in
der Hauptſache nur noch Kurztriebe gemacht: die Krone bekommt die der
Buche eigene am beſten mit einer Haufwolke zu vergleichende Geſtalt.
Dann hört der Höhenzuwachs auf und nur noch in der Dicke des
Stammes und der Aeſte findet Zuwachs ſtatt.


Dies iſt, wie ſich von ſelbſt verſteht, nicht buchſtäblich zu nehmen,
denn ſelbſt die kürzeſten Kurztriebe fügen dem Umfange der Krone doch
noch etwas hinzu. Wie wenig dies freilich ſei, ſehen wir auf S. 63
[363] an Fig. IV. 9. 8. und 7., wo die Sternchen uns das außerordentlich
geringe Maaß der Kurztriebe veranſchaulichen.


Dieſe wiſſenſchaftliche Bewandtniß hat es mit der Kronenabwölbung,
die bei den verſchiedenen Laubholzarten eine große Manchfaltigkeit ihrer
Erſcheinungen zeigt.


Wenn nun auch der Standort und die Verſchiedenheit des Schluſſes,
bis zur völligen Freiſtellung, einen bedeutenden Einfluß auf dieſelbe
ausübt, ſo zeigen dennoch faſt alle unſere Laubhölzer darin charakteriſtiſche
Eigenheiten, die es dem Geübten möglich machen, ſchon aus der Ferne
aus der Kronenabwölbung eine Baumart zu erkennen; wenn ſchon nicht
behauptet werden ſoll, daß man dabei niemals irren ſollte. Hier kommt
nun aber das noch hinzu, was wir in dem Abſchnitt über die Architektur
der Bäume kennen gelernt haben (S. 210).


Wollen wir hier die Frage aufwerfen, ob den Laub- oder ob den
Nadelbäumen ein höheres Alter zu erreichen vergönnt ſei, ſo iſt hier
zunächſt hervorzuheben, daß man mit einiger Sicherheit keinen Laub-
holzbaum nachweiſen kann, der das Alter des Braburnſchen Taxus
(S. 351) hätte. Aber dennoch ſcheint dies nur eine Ausnahme, und im
Ganzen die Lebensdauer der Laubhölzer eine längere zu ſein. Meiſt
aber wird das Alter der Laubbäume von Unkundigen überſchätzt. Eine
alte majeſtätiſche Eiche macht einen ſo gewaltigen Eindruck auf den
empfindſamen Beſchauer, daß er gleich an ein Jahrtauſend denkt, „was
über ihren Scheitel dahin gezogen iſt“. Die weit und breit berühmte
„Königseiche“ auf dem Ehrenberger Stadtrevier bei Leipzig iſt bei
4 Ellen Stammdurchmeſſer ſchwerlich über 400 Jahre alt, denn ſie iſt
auf fruchtbarem Auenboden erwachſen. Die „ſchöne Buche“ auf Lange-
brücker Revier bei Dresden, 3 Ellen im Durchmeſſer, bei der Buche
ſchon eine außerordentliche Stärke, wird nur auf 150 Jahre geſchätzt.
Wie ganz anders müſſen die Wachsthumsverhältniſſe eines Buchsbaumes
ſein, von dem mir eine Stammſcheibe von nur 9 par. Zoll Durchmeſſer
vorliegt, die aber nicht weniger als 333 Jahrringe zählt! Das höchſte
Alter unter unſeren deutſchen Laubbäumen ſcheint die Linde erreichen zu
können wie aus mehreren geſchichtlich denkwürdigen Linden hervorgeht,
deren es übrigens viel mehr als berühmter Eichen giebt, was jedenfalls
[364] dafür ſpricht, daß die Linde in früherer Zeit viel mehr als die Eiche
mit dem Volksgeiſte verwachſen geweſen ſein mag.


Immergrüne Waldbäume, deren der Süden Europas eine ziemliche
Anzahl hat, fehlen uns dennoch nicht ganz; denn die ſogenannte Stech-
palme oder Hülſe, Ilex aquifolium, die z. B. im Schwarzwalde bis
12 und 16 Fuß hohe Bäumchen bildet, iſt bekanntlich immergrün.
Uebrigens entbehren wir durch den Mangel immergrüner Waldbäume
nach meinem Geſchmack nichts. Von den in Spanien von mir an-
getroffenen ſind im Winter nur der Johannisbrodbaum, Ceratonia siliqua,
die Orangen — keine Waldbäume — und der, nicht eigentlich zu einem
Baume erwachſende, Buchsbaum wirklich grün zu nennen, während die
vielen immergrünen Eichen und der Oelbaum eine unſchöne grüngraue
Winterfärbung haben, die nichts weiter leiſtet, als die gründliche Ver-
ſchiedenheit von Winter und Sommer, welche unſerer deutſchen Natur
ihren Reiz verleiht, zu verwiſchen, ſo daß man dort nicht recht weiß,
was man aus dem ſogenannten Winter machen ſoll.


Hinſichtlich ihrer Lebensenergie, wenn dieſer Ausdruck erlaubt iſt,
kann man die Laubhölzer in ſchnellwachſende und in langſamwachſende,
in ſolche, welche ſehr ausſchlagsfähig und in ſolche, welche dies weniger
ſind, eintheilen. Dieſe Verſchiedenheit übt natürlich einen Einfluß auf
ihre forſtliche Behandlung aus. Die wenig ausſchlagsfähige Buche wird
viel weniger im Niederwalde erzogen als Eiche und Hornbaum.


In den nachfolgenden Beſchreibungen der einzelnen Laubbäume
laſſen wir uns bei deren Aufzählung von der ſyſtematiſchen Stufenfolge
und von der forſtlichen Bedeutung zugleich leiten, jene einigermaaßen
durch letztere in der innern Gliederung abändernd.


[365]

A.
Die Familie der Kätzchenbäume, Amentaceae.


Von allen Familien, welche zu den Bäumen des Laubwaldes ihr
Kontingent ſtellen, iſt die der Kätzchenbäume oder Kätzchenblüthler die
wichtigſte, denn zu ihr gehören die meiſten und wichtigſten Laubbäume,
wie ſie denn überhaupt nur aus Bäumen und Sträuchern beſteht und
kein einziges krautartiges Gewächs enthält.


Den Namen trägt die Familie nach der bekannten Blüthenform,
welchen nicht die Wiſſenſchaft, ſondern das Volk gegeben hat, für Kätzchen
auch oft Schäfchen ſagend, beſonders wenn es die mit ſilberglänzenden
Haaren bedeckten, ſich eben entwickelnden Blüthen der Weiden zu be-
zeichnen gilt. Entweder ſind weibliche ſowohl wie männliche Blüthen —
denn alle Kätzchenbäume ſind getrennten Geſchlechts — Kätzchen, oder
blos die männlichen, welche es immer ſind. Die Trennung der Ge-
ſchlechter iſt entweder einhäuſig (monöciſch) wie bei den Eichen, Buchen
und Birken, oder zweihäuſig (diöciſch): nur die Pappeln und Weiden.


Bei einigen Kätzchenbäumen ſind die männlichen und bei den Erlen
auch die weiblichen Kätzchen unverhüllt und ſchon im Herbſt vorgebildet
den ganzen Winter über deutlich ſichtbar, Birke und Haſel, oder ſie
entwickeln ſich wenigſtens ſehr zeitig im Frühjahre und meiſt vor dem
Laube. Dann ſtehen ſie natürlich an dem „alten Holze“, d. h. an dem
vorjährigen Triebe, womit es bei manchen in auffallendem Kontraſt ſteht,
daß die weiblichen Kätzchen am „jungen Holze“, d. i. am diesjährigen
Triebe ſtehen, was bei den Eichen und Birken der Fall iſt. Nur bei der
Buche und Steineiche ſtehen männliche und weibliche Kätzchen beiſammen
am jungen Holze. Die Weidenarten, deren es in Deutſchland eine große
Zahl giebt, haben die Kätzchen theils am alten theils am jungen Holze,
blühen alſo vor oder mit dem Laube.


Die Erinnerung an die allbekannten Kätzchen der Weiden ſagt uns,
daß die Blüthen der Kätzchenbäume unvollſtändig ſind, d. h. es iſt in
ihnen der Gegenſatz von Kelch, Krone, Staubgefäß und Stempel noch
nicht zu vollkommener Ausbildung gelangt, noch weniger finden ſich dieſe
[366] 4 Organenkreiſe in einer Blüthe beiſammen, wie es bei den höheren
Gewächſen der Fall iſt. Neben den Staubgefäßen und Stempeln, den
fruchtbildenden Haupttheilen einer Blüthe, ſind Krone und Kelch meiſt
nur auf einfache Schuppen beſchränkt. Dadurch ermangeln die Kätzchen-
bäume, wenn wir die leuchtend gelben männlichen Blüthenkätzchen der
Weiden abrechnen, alles in die Augen fallenden Blüthenſchmuckes.


An den Früchten zeigen ſich ſehr erhebliche Verſchiedenheiten und
geben Veranlaſſung zu einer Gliederung der Familie in Unterabtheilungen
von denen drei für uns maßgebend ſind: 1) die Weidenartigen, Sa-
licineen: Weiden und Pappeln; 2) die Birkenartigen, Betulineen:
Birken und Erlen, und 3) die Eichelfrüchtigen, Cupuliferen: Buche,
Eichen, Hornbaum, Haſel. Wir werden ſpäter finden, daß die Früchte
dieſer Unterfamilien, von denen die Eicheln, Haſelnüſſe und Bucheckern
allgemein bekannt ſind, in hohem Grade von einander abweichen, indem
z. B. die der Weiden und Pappeln auch zu den winzigſten gehören,
die es giebt.


Der Laubcharakter der Kätzchenbäume charakteriſirt ſich am ver-
ſchiedenſten durch das Weiden-, Pappel-, Buchen-, Birken- und Eichen-
blatt; die übrigen Blattformen ſchließen ſich näher oder entfernter dem
Buchenblatte an. Bei allen aber iſt das Blatt einfach und nur bei den
Eichen tief gelappt. Neben dem Blattſtiele ſtehen immer zwei After- oder
Nebenblättchen, welche aber meiſt hinfällig ſind und alſo nur kurz nach
der Entfaltung des Laubes vorhanden ſind. Viele Weiden haben aber
bleibende und ſehr anſehnliche Nebenblättchen.


Die Verzweigung und der Kronenbau zeigt große Verſchieden-
heiten. Weiden und Birken haben große Neigung zur Langtrieb-Bildung,
was bei den übrigen meiſt nur im jugendlichen Alter der Fall iſt. Mit
Ausnahme der Eichen zeigen die Kätzchenbäume auffallend dünne Triebe,
am meiſten Birke und Hornbaum.


In landſchaftlicher Hinſicht ſind es vorzüglich die Kätzchenbäume, welche
den Charakter unſeres Laubwaldes bilden, woran von den übrigen Laub-
bäumen in dieſem Grade nur noch die Rüſtern Theil nehmen. Die
Ahornarten und die Eſche prägen dem Walde einen ganz abweichenden
Laubcharakter auf, worin die erſteren den Eichen ſehr nahe kommen würden,
wenn ſie den mächtigen Aſtbau hätten.


[367]

Ueber die Verbreitung der Kätzchenbäume iſt nicht viel Beſonderes
zu ſagen, da ſie an alle Bodenarten und Höhenlagen vertheilt ſind,
wenn auch einzelne Arten, von denen in dieſer Hinſicht das Nöthige
anzugeben ſein wird, hierin Beſonderheiten zeigen.


Die Namen der oben aufgeführten bekannten Bäume ſagen ſelbſt,
welch große forſtliche Bedeutung viele Kätzchenbäume haben. Buche
und Eichen ſind ja in jeder Auffaſſung zu unſeren wichtigſten Bäumen
zu rechnen. Wenn auch nicht eben viele von ihnen in großer Verbreitung
beſtandbildende Bäume ſind, ſo treten von den übrigen die meiſten doch
hier und da als ſolche auf und es iſt dann wohl anzunehmen, daß da
wo dieſes geſchieht die eigentliche Heimath derſelben ſei.


Wir haben oben den Nadelbäumen einen größeren Antheil an dem
deutſchen Waldbeſtande zugeſchrieben und wenn dies, was ſchwer genau
zu ſagen iſt, richtig ſein ſollte, ſo würde hinſichtlich des Maſſenerzeug-
niſſes den Nadelbäumen um ſo mehr der Vorrang zukommen, als die-
ſelben, wie wir ebenfalls bereits hörten, mehr und mehr Flächenraum
den Laubhölzern abgewinnen.


Hinlänglich bekannt iſt es, daß die gewerbliche Benutzung des Holzes
der Laubbäume eine viel manchfaltigere iſt als die des Nadelholzes, weil
die Beſchaffenheit der verſchiedenen Laubholzarten eine viel größere Manch-
faltigkeit zeigt hinſichtlich aller Eigenſchaften, welche ein Holz haben
kann. Daß die ſogenannten harten Holzarten nur von Laubbäumen
kommen, iſt bekannt, obgleich auch die weichſten Holzarten von Laub-
bäumen kommen, z. B. Pappel-, Weiden-, Espenholz.


Eine genaue Unterſcheidung der Laubholzarten von einander erfordert
die Berückſichtigung von weit mehren Merkmalen als bei den Nadel-
hölzern. Ich erinnere an die Knospen mit den Blattſtielnarben (S. 58 f.)
und an die Verſchiedenheit der Blätter je nachdem es Stammblätter oder
Stockausſchlagblätter ſind (S. 129).


1. Die Buche, Fagus silvatica L.

Die einhäuſigen Blüthen erſcheinen mit dem Laube an den jungen
Trieben, und zwar die weiblichen an den Spitzen derſelben, die männ-
lichen aus den Blattwinkeln. Die männlichen Blüthen haben einen
[368] ziemlich gleichförmigen fünf- bis ſechsſpaltigen außen behaarten Kelch
und 10—15 Staubgefäße mit ziemlich langen ſehr dünnen Staubfäden
(2.). Sie bilden ungefähr zu 8—10 dicht zuſammengedrängt ein faſt
kugeliges langgeſtieltes Kätzchen (1.). Die weibliche Blüthe beſteht aus
einem dreikantigen Fruchtknoten, welcher von einer behaarten viertheiligen
Hülle (Perigon) gekrönt iſt, zwiſchen welcher 3 behaarte fadenförmige ge-
krümmte Narben ſtehen (5.). Fruchtknoten dreifächerig, in jedem Fach
mit 2 Samenknospen (7.). Solcher höchſt einfach ausgebildeten Blüthen
ſtehen ſtets je 2 in einer mit behaarten, Anfangs weichen Stachelborſten
bedeckten viertheiligen gemeinſamen, äußerlich von mehreren ſchmal lanzett-
lichen Deckblättchen umſtandenen Hülle (4.), welche bei der Fruchtreife
dick und hart wird und in 4 Klappen aufſpringt (8.).


Die Frucht iſt demnach eine falſche vierklappige Klapſel, in der bei
dem Aufſpringen die 2 kaffebraunen, ſcharf dreikantigen Samen, die
„Bucheckern“ oder „Bucheln“ ſichtbar werden (8.), welche mit einer
flachen dreieckigen Grundfläche, dem Nabel, im Grunde der Hülle feſt
ſitzen, ſich nach erfolgter Reife ablöſen und abfallen, meiſt zugleich mit
der weit aufklaffenden, mit einem dicken rauh behaarten Stiele verſehenen
Hülle. Auf dem Querſchnitt des Samens ſieht man die großen regel-
mäßig in einander gewundenen Samenlappen (10.); der Keim liegt in
der Spitze des Samens.


Das Blatt der Buche iſt breit eiförmig mit wenig ausgezogener
Spitze, am Rande ſehr unbeſtimmt, meiſt den Enden der Seitenrippen
entſprechend, ſeicht und unregelmäßig gezähnt, jedoch nur an der oberen
Hälfte, und im Bereiche der Zähnelung etwas welligkraus. Es iſt in
der Hauptſache auf beiden Seiten kahl, nur der Rand iſt fein und ſeiden-
artig gewimpert und die Mittel- ſo wie die Seitenrippen mit anliegenden
Härchen bedeckt. Die Seitenrippen, durchſchnittlich 6—9 auf jeder
Seite, ſtehen deutlich abwechſelnd und treten nach dem Blattrande hin
etwas auseinander, laufen alſo nicht parallel. Die Blattmaſſe iſt derb
und lederartig, die Farbe unten merklich heller als oben. Der 3 bis
4 Linien lange Blattſtiel iſt behaart und an ihm tritt die eine Seite des
Blattes ſtets etwas tiefer herab als auf der andern, das Blatt iſt alſo
etwas ungleichſeitig. Neben dem noch jungen Blatte ſtehen 2 lange
zungenförmige röthliche Nebenblättchen, welche aber bald abfallen.


[369]
Figure 54. LIII.

Die Buche, Fagus silvatica. L.
1. Maitrieb, oben mit einem weiblichen und mit männlichen Kätzchen; — 2. einzelne männliche Blüthe; —
3. Staubbeutel von oben und unten und † im Querſchnitt; — 4. weibliche Blüthe nat. Größe; — 5. ziemlich
ausgewachſener Fruchtknoten; — 6. derſelbe, vorn ein Stück ſenkrecht weggeſchnitten, innen * die Samen-
knospen; — 7. derſelbe quer durchſchnitten mit den 3 Fächern; — 8. reife aufgeſprungene Kapſel mit 2 Buch-
eckern; — 9. dieſelbe geſchloſſen; — 10. Querſchnitt des Samens mit den beiden gewundenen Samenlappen; —
11. Triebſpitze mit 2 Knospen. — (Mit Ausnahme von 1. 4. 8. 9. 11. mehr oder weniger vergrößert.)


Roßmäßler, der Wald. 24
[370]

Der Trieb iſt Anfangs mit anliegenden ſeidenartigen Haaren bedeckt,
die aber bis zum Hochſommer allmälig abfallen, er iſt nur an jungen
Bäumen und Buſchholz ſtark, ſonſt meiſt auffallend dünn und von Knospe
zu Knospe deutlich knieartig hin- und hergebogen.


Die Knospen (11.) ſind ſpindelförmig, ſtraff, ſpitz und an wüchſigen
Trieben auffallend groß, die Tragknospen von derſelben Geſtalt aber
dicker und größer, die Schuppen ſtehen dachziegelartig, ſind kaffebraun
und gegen die Spitze hin mit einem feinen ſilbergrauen Filz bedeckt.
Die Knospen ſtehen weit von dem Triebe ab und nicht ſenkrecht ſondern
ſchief über der kleinen ſtumpf dreieckigen Blattſtielnarbe*) mit drei
kleinen Gefäßbündelſpuren, von welcher zwei feine Narbenlinien, die
Spuren der erwähnten Nebenblättchen, ausgehen.


Der Stamm der im Schluſſe zu einem hohen Alter erwachſenen
Buche kommt unter allen deutſchen Laubbäumen der Walzenform am
nächſten und reinigt ſich unter den angegebenen Verhältniſſen bis hoch
hinauf von allen Aeſten, wodurch ein alter Buchenbeſtand am meiſten an
eine Säulenhalle erinnert. Die ſtärkeren Aeſte der Krone ſind dann nicht
zahlreich und ſtreben mehr aufwärts als ſeitwärts. Die Rinde iſt an ganz
geſunden Bäumen ſehr rein und glatt, hellſilbergrau und nicht ſelten mit
feinen Hautfalten ähnlichen Querwülſten verſehen. Sie iſt ſelbſt an den
älteſten Stämmen nicht leicht über ¼ Zoll dick und mit zahlreichen
Rindenmarkſtrahlen durchwebt, welche auf der Innenſeite etwas ange-
faulter Rinde wie kleine ſcharfe Schröpfmeſſerchen hervorſtehen.


Das Holz der Buche hat im Mittelpunkte ein ſehr dünnes, der
Kernſchicht (S. 87 VIII. m′.) entbehrendes Mark, welches aus außer-
ordentlich kleinen Kreisſchichtzellen beſteht. Das Holzgewebe beſteht aus
ziemlich dickwandigen und nicht ſehr langen Holzzellen, zwiſchen denen
die Gefäße ſehr gleichmäßig und in großer Zahl vertheilt und von über-
einſtimmender mittler Weite ſind (S. 104). Markſtrahlen ſehr fein
bis ziemlich dick und auf dem Spaltſchnitt bis 3 Linien breit und glänzend;
[371] auf dem Querſchnitt ſind die Linien der Markſtrahlen da wo ſie aus
einem Jahrringe in den andern übertreten immer etwas verdickt, weil
ſie hier ſchwalbenſchwanzartig enden und im folgenden Jahresring die
Fortſetzung keilförmig in den etwas geſpreizten Schwalbenſchwanz ſich
einkeilt. Die Farbe des Buchenholzes iſt hell braunröthlich und blos
ſehr alte Stämme haben einen, gegen den Splint geringen Umfang ein-
nehmenden dunkler rothbraunen Kern, ſo daß an jüngeren Stämmen eine
Scheidung in Kern und Splint nicht beſteht. Die röthliche Farbe des
Holzes hat der Buche zum Unterſchied von dem Hornbaum (ſiehe dieſen),
den man ſeines weißen Holzes wegen an vielen Orten Weißbuche
nennt, den Namen Rothbuche gegeben. Die Jahresgrenzen ſind durch
Gefäßloſigkeit eines ſchmalen äußerſten Streifens des Herbſtholzes deutlich
ausgeprägt. Im Ganzen iſt das Buchenholz ziemlich fein und feſt, und
trotz der ſehr ungleichen Markſtrahlen und der ziemlich kurzen Zellen
und Gefäße ſehr ſpaltbar und wegen der ziemlich engen Zellen und
Gefäßröhren im ausgetrockneten Zuſtande nicht ſehr lufthaltig und des-
halb ziemlich ſchwer*). Feſtigkeit und Elaſtizität ſind mittelmäßig. Das
Buchenholz brennt lebhaft und ruhig und hat eine ziemlich hohe Heiz-
kraft. Im Waſſer iſt es ſehr dauerhaft, weniger im Freien und unter
Dach. Die Farbe und die breiten Markſtrahlen, in welchen es nur
dem Eichenholze nachſteht, machen es zu einem der am leichteſten er-
kennbaren.


24*
[372]

Das Holz der jüngeren Zweige hat eine grünweißliche Farbe
und erſt mit einer etwa zölligen Stärke derſelben bekommt es ſeine
normale Farbe.


Die Buchenkrone vollendet erſt ſehr ſpät ihre Abwölbung (S. 360);
ſelbſt bei fußdicken Stämmen treten aus der Krone ſpießige Aeſte heraus,
wodurch die Krone zerriſſen und lückig erſcheint. Nach erfolgter Ab-
wölbung zeigen alte in lichtem Schluſſe ſtehende Buchen eine deſto
ſchönere wolkenähnlich geſtaltete Krone, welche wegen der Anſehnlichkeit
der Knospen, beſonders wenn ſie im April zu ſchwellen anfangen, ſelbſt
im unbelaubten Zuſtande ſich von einander abheben. Die Belaubung
der Buchenkrone iſt dicht und ſchattend, da auch in ihrem Innern eine
Menge beblätterte Kurztriebe lebendig bleiben.


Die an jungen Pflanzen einen wenig verzweigten Strang bildende
Wurzel bildet gleichwohl keine tiefgehende Pfahlwurzel ſondern mehr
und mehr zunehmende weit ausſtreichende nicht ſehr ſtarke Seiten-
wurzeln, weshalb ſie auch gleich der Fichte ſehr dem Windbruche unter-
worfen iſt.


Kein deutſches Laubholz hat ſo viele und abweichende Abarten
als die Buche. Drei der wichtigſten ſind auf Fig. LIV. abgebildet.
Am abenteuerlichſten erſcheint die krauſe oder Hahnenkammbuche,
F. silvatica var. cristata (1.), die faſt mehr in das Gebiet der Miß-
bildungen als in das der Abarten gehört. Sie macht, ſelbſt an den
Endigungen der Zweige, faſt nur Kurztriebe und an dieſen ſtehen ſo
viele Blätter, daß ſie gar nicht zur freien Entfaltung kommen können,
ſondern ſich kraus und gebogen zuſammendrängen, dabei auch meiſt am
Rande tief und unregelmäßig eingeſchnitten ſind. Dadurch erſcheint die
ſehr ärmliche Krone aus ſehr dunkelgrünen, klumpenförmigen Laubballen
zuſammengeſetzt und es gehört eine ganz genaue Kenntniß dazu, um in
dieſer abenteuerlichen Abart die Buche zu erkennen.


Die eichenblättrige Buche F. s. var. quercifolia, (2.) Deren
Blatt iſt ziemlich tief eingeſchnitten und erinnert dadurch an das Eichen-
blatt, obgleich die Zipfel viel weniger breit und ſtumpf ſind als an dieſem.
Der allgemeine Blatt-Umriß dieſer Abart iſt faſt unverändert und nur in
den tiefen Einſchnitten des Randes beruht das Kennzeichen der Abart,
[373]

Figure 55. LIV.

Blattſpielarten der Buche.


[374] welches übrigens allen Blättern einer ſolchen Buche ohne Ausnahme
zukommt.


Wenn ſchon eine eichenblättrige Buche, die man in den Parkanlagen
nur ſelten findet, einen von der normalen Form ſehr verſchiedenen
Eindruck macht, ſo iſt dies in noch viel höherem Grade bei der farren-
blättrigen Buche
, F. s. var. asplenifolia, (3.) der Fall. Die
oberſten Blätter der Triebe ſind einfach-lanzettlich oder unten mit einem
oder einigen ſpitzen Zipfeln verſehen, wodurch ſie den Wedeln mancher
Farrenkräuter (Asplenium) ähnlich werden. Die tiefer am Triebe
ſtehenden haben weniger tiefe Einſchnitte und ſind der Normalform zu-
weilen noch ziemlich nahe. Dieſe Abart entfernt ſich am weiteſten von
der Stammform und man kann ſagen, daß bei ihr hinſichtlich der Blatt-
geſtaltung eine vollkommene Anarchie herrſcht. Im Tharandter Forſtgarten
ſteht ein etwa 20 Fuß hohes, buſchiges Exemplar dieſer ſonderbaren
Abart, welche Niemand für eine Buche hält. Die langen ſchmalen
Blätter der Triebſpitzen geben ihrer Krone ein durchſichtiges, dürftiges,
an keinen andern deutſchen Baum erinnerndes Anſehen.


Endlich kommt wie bei vielen anderen Laubbäumen, ſogar bei der
Eiche, eine Abart mit trauerweidenartig hängenden Zweigen vor, die
Hänge- oder Trauerbuche, F. s. var. pendula, und eine mit roſt-
braunen Blättern, F. s. var. ferruginea, die roſtbraune oder Blut-
Buche
, vor. Jene hat wie dieſe normal geſtaltete Blätter, nur daß bei
jenen an den außerordentlich langen hängenden Langtrieben die oberen
Blätter meiſt etwas länger und ſchmaler ſind.


Mit Ausnahme der Blutbuche, welche wenigſtens zum Theil aus dem
Samen wiederkehrt, werden bisher alle dieſe Varietäten nur durch
Pfropfen vermehrt. Wo ſie zuerſt gefunden worden ſeien, mag wohl
Einzelnen bekannt ſein, iſt aber wenigſtens nicht zur Kunde der Garten-
und Forſtbotanik gekommen. Höchſt wahrſcheinlich war es der Zufall,
der im Walde oder einem Forſtgarten das erſte Exemplar fand, nachdem
es durch eine, uns völlig unbekannte Störung des geſunden Lebensvor-
gangs hervorgerufen worden war. Die Garteninduſtrie beutete den
glücklichen Fund durch Verkauf von Pfropfreiſern aus, denn die Garten-
kunſt ſucht und liebt ja das Ungewöhnliche und Seltene, und am meiſten,
je bizarrer es iſt. Für den Wald hat keine dieſer Abarten Bedeutung.


[375]

Ihren Standort ſucht ſich die Buche am liebſten auf einem kräftigen
nicht zu feuchten aber auch nicht trocknen Gebirgsboden, der zwiſchen den
Steinen reich mit Lauberde, zu deren Herbeiſchaffung ſie durch ihren
reichlichen Laubfall ſelbſt viel beiträgt, vermiſcht iſt. Hier vermeidet ſie
blos zu ſonnige Lagen. Jedoch finden ſich auch mächtige Buchenbeſtände
auf dem friſchen humoſen Sandboden der nordoſtdeutſchen Ebene, wo ſie
ſelbſt noch an der Meeresküſte vortrefflich gedeiht. Auf dem Gebirge
erhebt ſie ſich bis zu 4000 Fuß, auf den bayerſchen Alpen ſogar bis
4800 Fuß, vorausgeſetzt, daß dies nicht der Gipfel des Gebirges iſt,
ſondern dieſes noch zu bedeutenderer Höhe anſteigt. Daher kommt ſie
auf dem unter 4000 Fuß zurückbleibenden Erzgebirgsplateau nicht mehr vor.
Entſchieden meidet die Buche das Ueberſchwemmungsbereich der Ströme in
der Ebene. Auf Höhen, wo die Buche nicht mehr in reinen Beſtänden
gedeiht, da findet ſie ſich in Vermiſchung, namentlich mit der Fichte,
oft noch in gutem Wuchſe.


Die Verbreitung der Buche iſt eine ſehr umfangreiche, da ſie ſich
vom Südoſten des Kaukaſus (bis zum 42.0) und Sicilien bis nach
Spanien und ganz Frankreich und öſtlich bis Südrußland erſtreckt. Das
eigentliche Vaterland für ſie ſcheint aber Deutſchland zu ſein, von wo ſie
ſich bis auf die däniſchen Inſeln, wo ſie die ehemals herrſchenden Bäume
verdrängt hat, mit einem ausgezeichneten Wuchſe verbreitet. Nach Norden
geht ſie in Norwegen bis zum 59.0 wo ſie ausnahmsweiſe in der Graf-
ſchaft Laurwig vorkommt. Eine mittle Jahreswärme von 5,500 R. ſoll
die Nordgrenze für die Buche bezeichnen.


Im Leben der Buche iſt es ein hervorſtechender Zug, daß ſie unter
unſeren wichtigern Waldbäumen der einzige Laubbaum iſt, der eine ent-
ſchiedene Neigung zur Geſelligkeit hat und daher auch in reinen Beſtänden
gut wächſt. Die Keimpflanze (S. 137 Fig. XX.) iſt viel größer und
kräftiger als die der meiſten übrigen Bäume und wenn wir die Größe
einer Buchecker mit den Samenlappen vergleichen (a. a. O. c c.), ſo
ergiebt ſich, daß die letzteren nach dem Keimen noch bedeutend wachſen
und ſich blattähnlich ausbilden. Das Stämmchen unterhalb der Samen-
lappen bis zur Wurzel iſt ſaftig und daher ſehr empfindlich gegen den
Sonnenbrand. Im erſten Lebensjahr bildet die junge Buche noch keine
Zweige, welche erſt vom zweiten an in großer Zahl hinzukommen und
[376] bis etwa zu 10—12 Fuß Höhe der Buche ein buſchiges Anſehen ver-
leihen. Dann fängt das Stämmchen an ſich ſeiner unteren Aeſte zu
entledigen. Wächſt alsdann das Bäumchen im ganz freien oder wenigſtens
ſehr räumlichen Stande zum alten Baume heran, ſo bleibt der Stamm
niedrig, indem er ſich nicht hoch hinauf reinigt und eine ſehr bedeutende
reichäſtige weitausgreifende Krone bekommt. Solche Buchen erreichen
ſelten eine Höhe von mehr als 50—60 Fuß. In angemeſſenem
Schluſſe wird die Buche aber viel höher und bekommt einen langen aſt-
reinen Schaft.


Bei dem Ausſchlagen des Laubes, was in Deutſchland in der erſten
Woche des Mai ſtattfindet, zeigt ſich eine auffallende unerklärliche Un-
gleichheit, indem immer der eine oder andere Baum, und zwar alljährlich
entweder einige Tage früher oder ſpäter ſeine Blätter hervortreibt. Dies
geſchieht in der Weiſe, daß die Blätter eines Triebes eine kurze Zeit
lang einen zierlichen Trichter bilden (S. 165, XXII.). In auffallend
kurzer Zeit ſchiebt ſich der Trieb in ſeiner ganzen Länge mit allen ſeinen
Blättern faſt möchte man ſagen in übereilter Haſt hervor, ſo daß er,
was bei keinem andern Laubholzbaume der Fall iſt, ſchlaff und wie ver-
welkt überhängt. Aber nach wenig Tagen wird der Trieb ſtraff und
gerade oder vielmehr nimmt die oben beſchriebenen knieartigen Biegungen
von Blatt zu Blatt an. Dabei zeigt ſich bei der Buche neben anderen
Baumarten eine ſchon (S. 80 und 169) kurz berührte Wachsthums-Er-
ſcheinung am meiſten in das Auge fallend, welche noch einige nähere
Hervorhebung verdient. Wir ſind von den Weiden und andern Bäumen
her gewöhnt, wenigſtens die meiſten ihrer Triebe das ganze Jahr hin-
durch an der Spitze fortwachſen und neue Blätter treiben zu ſehen.
Dieſes Triebwachsthum vollendet die Buche in wenigen, ſelten in mehr
als 8—10 Tagen. Alle in der Knospe an dem Triebkeime anſitzenden
Blättchen ſind von nahezu gleicher Entwicklung und kommen auch in
der angegebenen kurzen Zeit alle zugleich zur vollendeten Ausbildung.
Das unterſte Blatt des längſten Buchentriebes iſt kaum um einige Tage
älter als das oberſte. In dieſem ſo früh fertigen Zuſtande der Trieb-
und Laubvollendung bleibt die Buche bis zu der Zeit des ſogenannten
Auguſt- oder zweiten Triebes. Dann ſcheint ſich in einzelnen Trieben,
namentlich Langtrieben und vorzugsweiſe in der Endknospe, ein neues
[377] Leben zu regen, indem einzelne der eben erſt fertig gewordenen und dem
regelmäßigen Verlauf nach für das nächſte Jahr beſtimmten Knospen ſich
zu einem meiſt kurz bleibenden gewöhnlich auffallend dicken Triebe ent-
falten, deſſen wenige Blätter aber immer eine gewiſſe oft ſehr bedeutende
Abweichung von den Maiblättern zeigen und, da ſie auffallend gelbgrün
ſind, dem ernſten Buchengrün das ſchon früher geſchilderte hellgeſprenkelte
Anſehen verleihen bis ſie ſelbſt die dunkle Farbe angenommen haben.
Dies ſoll nach Schacht, der es wenigſtens bei der Eiche ſo erklärt,
von einem überſchüſſigen Bildungsſafte herrühren und eben deshalb in
Samenjahren, wo aller Saft zur Samenreife verwendet werde, nicht
ſtattfinden. Die Herbſtfarbe des Laubes iſt lebhaft dottergelb.


Die Buche erreicht erſt ſpät die Fähigkeit zu blühen und keimfähigen
Samen zu tragen, gewöhnlich erſt mit 60—70 Jahren, nur in ſeltnen
beſonders dafür günſtigen warmen und trocknen Lagen — die deshalb
aber nicht eben ſo günſtig für das Wachsthum des Baumes ſind — kann
dies mit 40 bis 50 Jahren eintreten. Beſonders reichlich und früh
tragen aus Stockausſchlag erwachſene Buchen. Ueberhaupt gehört die
Buche zu den ſelten blühenden und Samen tragenden Bäumen und es iſt
ſchwer eine Durchſchnittszahl des Eintretens der Samenjahre aufzuſtellen.
In guten Lagen kann man von 5 zu 5, in rauhen kaum von 15 zu
15 Jahren auf eine „volle Maſt“, d. h. auf ein reichliches Samen-
tragen der Buche rechnen. Daß das Gewicht der anſehnlichen Buchen-
kapſeln in Samenjahren dem Baume ſogar ein fremdartiges Anſehen
aufprägen, haben wir ſchon S. 229 erfahren. Die Samen keimen im
nächſten Frühjahre nach der Reife, verlieren aber ſehr bald ihre Keim-
kraft bei längerer Aufbewahrung, die wie bei allen ölhaltigen Samen
große Schwierigkeit hat.


Hinſichtlich des Stockausſchlags ſteht die Buche faſt allen Laub-
hölzern nach, und Stöcke von mehr als 40 Jahr alten Bäumen ſchlagen
meiſt gar nicht mehr aus. Der Ausſchlag erfolgt theils am Abhiebe
zwiſchen Splint und Rinde theils an der Seite des Stockes durch die
Rinde. Mit 120—150 Jahren vollendet die Buche ihr Wachsthum
und kann dann über 100 Fuß hoch ſein und 3—4 Fuß Stammdurch-
meſſer haben.


[378]

Von Krankheiten und Gefahren mancherlei Art wird die Buche
nicht ſelten und wie ſchon erwähnt bereits im Keimpflanzenalter durch
den Sonnenbrand heimgeſucht, der auch an älteren Bäumen, die plötzlich
durch Anhauen des Beſtandes der Mittagsſeite preisgegeben werden, ſich
ſchädlich zeigt. Beſonders nachtheilig ſind den eben aufgegangenen Keim-
pflanzen und dem jungen Laube die Spätfröſte des Mai, welche beide
unausbleiblich tödten. Die berüchtigten Heiligen Servatius und Pancratius
ſind den Buchen und ebenſo den Eichen ſehr unheilvoll. Die Bäume
treiben dann zwar wieder neues Laub, aber es ſetzt ſie doch im Zuwachſe
zurück. Vor erfolgtem Schluß leiden Pflanzungen und Saaten zuweilen
durch den Graswuchs, den ſie aber nachher durch ihren ſo ſehr reichlichen
Laubfall meiſt unterdrücken. Von großen Stammwunden aus, die durch
Abbrechen der Aeſte entſtehen, entwickelt ſich zuweilen Weiß- und Roth-
fäule; welche letztere zu dem „Knips“, dem beliebten Zunder des Forſt-
mannes Veranlaſſung giebt. Eichhörnchen und Mäuſe ſtellen, erſtere den
ausgefallenen oder ausgeſäeten Buchnüſſen und letztere ſo wie Engerlinge
den Saatpflanzen nach, deren Wurzeln ſie abnagen. An alten Buchen-
ſtämmen ſieht man oft viele Ellen lange Narbenwülſte, welche von Froſt-
riſſen herrühren. Die Erkrankung alter Stämme ſpricht ſich wie auch an
anderen Bäumen durch Moos und Flechten aus, die ſich auf der Rinde
anſiedeln.


Da wie ſchon geſagt wurde die Buche ſich zu reinen Beſtänden von
allen Laubhölzern am meiſten eignet, ſo wird ſie auch meiſt zu ſolchen
erzogen und zwar entweder durch Stellung eines Samenſchlags vermittelſt
der freien Beſamung des geräumten und etwas wundgemachten Bodens
oder durch Saat und Pflanzung, wobei natürlich eine Menge von ver-
ſchiedenen Verfahrungsarten befolgt werden. Von vielen Forſtmännern
wird die Pflanzung von 3—4 Fuß hohen Pflanzen als am räthlichſten be-
zeichnet, welche letztere vorher in Saat- und Pflanzgärten erzogen worden
ſind. Die Vermiſchung mit andern Bäumen, namentlich mit der Fichte,
die ſie zu langſchaftigem Wuchs nöthigt, verträgt die Buche ſehr gut.


Da die Buche ganz beſonders eigenſinnig in dem rechten Maaße
des ihr nöthigen Lichtes iſt, ſo iſt die Behandlung der jungen Buchen-
orte von dem Durchforſtungsalter an mit beſonderer Umſicht zu leiten.


[379]

Außer dem am gewöhnlichſten angewendeten Hochwaldbetrieb wird
die Buche auch im Mittel- und Niederwald erzogen. Im Mittelwalde
gilt ſie für das beſte Oberholz; doch müſſen dann die Buchen ſehr weit-
läufig ſtehen, weil ſie mehr als ein anderer Mittelwaldbaum durch ihre
dichte Krone auf das Unterholz verdämmend wirken. Wegen des ge-
ringen Ausſchlagsvermögens hat ſie für den Niederwaldbetrieb keinen
großen Werth.


Die forſtliche Bedeutung der Buche iſt ſehr groß, und vielleicht
ſelbſt noch größer als die der Eiche, da ſich dieſe nicht ſo leicht in reinen
Hochwaldsbeſtänden erziehen läßt wie die Buche. Wenn dieſe auch in
dem erſten, etwa 50 Jahre umfaſſenden, Lebensabſchnitte nur langſam
wächſt — und daher im Niederwald den geringſten Ertrag giebt, da ſelbſt
die Stocklohden langſam wachſen — ſo wächſt ſie nachher eine lange
Zeit ſehr förderſam und iſt im Haubarkeitsalter von allen edeln Laub-
holzarten diejenige, welche den größten Maſſenertrag im Hochwalds-
betriebe giebt.


Neben Fichten-, Kiefern-, Tannen-Wäldern giebt es in Deutſchland
eigentlich nur noch Buchen- und Eichenwälder, d. h. nur noch Eichen und
Buchen ſind wie jene Nadelholzarten in Deutſchland ohne Vermiſchung
mit andern jede für ſich in großem Maaßſtabe beſtandbildende Bäume.
Alle übrigen Laubholzarten kommen entweder nur in Vermiſchungen oder
rein nur in kleinen Beſtänden hier und da vor, oder bilden, wenn ſie
größere Flächen allein bedecken, dann wenigſtens keine eigentlichen Wälder,
wie es z. B. auf Bruchboden mit der Erle der Fall iſt, oder in Fluß-
niederungen mit den Weiden.


Die forſtliche Bedeutung der Buche iſt auch darin eine größere als
die der Eiche, daß ſie nicht im Abnehmen, ſondern eher im Zunehmen,
mindeſtens im Beharren iſt; während die Eiche offenbar jetzt nicht mehr
in dem behaglichen und herrſchenden Verhältniſſe ſich zu fühlen ſcheint
wie vor Jahrhunderten. Dem hierüber oben von der Buche auf den
däniſchen Inſeln Geſagten iſt noch hinzuzufügen, daß ſie in den nieder-
öſterreichiſchen Alpenwäldern im ſiegreichen Eroberungskampfe mit der
Schwarzföhre liegen ſoll. Ueberhaupt ſcheint hier wie in den Alpen-
wäldern der illyriſchen Provinzen Oeſterreichs die Buche eine ganz her-
vorragende Bedeutung zu haben und Weſſely beſchreibt aus den küſten-
[380] ländiſchen Hochgebirgen eine Buchenform, welche das Laubholzſeitenſtück
zu der Legföhre (S. 293) iſt. Der Schaft ſinkt auf eine Höhe von
4—6 Fuß bei 8—14 Zoll Stärke, alſo auf einen wahren Baumkegel
herab, deſſen zahlreiche lange Aeſte faſt kriechend ſich nach der vom Sturme
abgewendeten Seite verbreiten. Aehnlich und ſogar ganz ohne eigent-
lichen Schaft, mithin der Legföhre noch ähnlicher ſoll die Buche auf den
tyroler Alpen vorkommen.


Die Benutzung des Buchenholzes iſt eine höchſt manchfaltige vom
Heizgebrauch an bis zu der Verfertigung von Induſtrieerzeugniſſen. Als
Beiſpiel für den hierdurch bedingten außerordentlich verſchiedenen Ver-
brauchswerth ſei hier erwähnt, daß vor etwa 25 Jahren im ſächſiſchen
Erzgebirge ſehr brauchbare Frauenkämme aus Buchenholz verfertigt wurden,
wodurch der Kubikfuß auf das Vierzigfache des gewöhnlichen Preiſes ſich
verwerthete. Das Buchenholz iſt ein ſehr brauchbares Schirr- und Werk-
holz für den Wagenbauer und Stellmacher, und iſt von den einheimiſchen
Holzarten das brauchbarſte zu der Stuhlmacherei. In den armen Ge-
birgsdörfern erſetzt es auf kunſtvolle Weiſe in dünne zollbreite Latten
zerſchliſſen die zu theure Oellampe und trägt durch die reichlich entwickelte
Verbrennungs-Kohlenſäure jedenfalls ſehr viel zur Verſchlechterung der
Luft in den niedrigen Stuben bei. Der Brennwerth des Buchenholzes
iſt ſehr bedeutend und dient bei der Schätzung deſſelben bei andern
Hölzern meiſt als Maaßſtab. Die Meilerkohle aus Buchenholz gehört
zu den beſten, die unſer deutſcher Wald liefert. Die Buchen-Aſche giebt
die beſte Pottaſche und Lauge zum Waſchen und Bleichen und wird auch
bei der Aſchendüngung am liebſten verwendet.


Die Buche iſt im Gebirge auch eine gute Heckenpflanze, ſteht jedoch
hierin dem Hornbaume nach, welcher ſich durch das Beſchneiden mehr
verdichtet.


Die Bucheckern geben bekanntlich ein gutes und ſchmackhaftes ſich
lange haltendes Oel. Nach R. Wagner geben ſie bei 100° C. getrocknet
18 bis höchſtens 25 Procent davon.


Auch von der Buche werden einige beſonders bemerkenswerthe durch
Alter und Stärke ausgezeichnete Beiſpiele aufgeführt und gehegt. Der
Durchmeſſer erreicht jedoch nie den der Eiche und ein Umfang von
15—18 Fuß gehört ſchon zu den größten Seltenheiten. Dagegen hat
[381] die Buche vor der Eiche den hohen ſchlanken aſtreinen Schaft voraus,
welcher durch die glatte ſilbergraue Rinde nicht wenig dazu beiträgt, die
Buche entſchieden zu unſerem ſchönſten deutſchen Baume zu machen, einen
Vorzug, den ihr die Eiche bei ihrem ernſten Charakter nicht ſtreitig machen
kann. Man wird gegen beide gerecht, wenn man die Buche das Sinn-
bild der weiblichen und die Eiche das der männlichen Schönheit nennt.


Was die landesüblichen Benennungen der Buche betrifft, ſo findet
darin beinahe keine Verſchiedenheit ſtatt; überall heißt ſie Buche und nur
durch vorgeſetzte Beiwörter machen ſich provinzielle Verſchiedenheiten
geltend, wodurch aber zum Theil beſondere Spielarten, die ſich meiſt in
der Beſchaffenheit des Holzes ausſprechen, bezeichnet werden ſollen. So
nennt man z. B. Steinbuche eine Spielart mit beſonders hartem und
dunkeln Holze.


Zum Schluſſe muß unſerem der Buche gewidmeten Kupferſtiche noch
ein begleitendes Wort beigegeben werden. Die vielen Hunderte, welche
in dem reizenden Tharand von 1811 bis 1844 unter Heinrich Cotta,
oder ſeit deſſen Tode am 30. October 1844 ihre forſtliche Bildung ſpäter
daſelbſt genoſſen haben; die vielen Tauſende, welche alljährlich dieſes
liebliche Winkelchen deutſcher Erde beſuchen, ſie alle werden in unſerem
Bilde eine Partie aus dem linken Thalgehänge des Badethales von
Tharand erkennen, welche durch das bekannte Gedicht von Richard Roos
als „Tharands heilige Hallen“ berühmt geworden iſt. Um den-
jenigen meiner Leſer, namentlich den Forſtmännern unter ihnen, welche
zu jenen vielen Tauſenden gehören, dieſen Erinnerungsgruß bieten zu
können, opferte ich die bei den übrigen dargeſtellten Bäumen feſtgehaltene
Portrait-Auffaſſung und wählte die Buche zum Motiv für das Titelbild,
welches jedoch nicht weniger Portrait iſt und nicht weniger den Charakter
eines Buchen-Gebirgswaldes trägt, wenn auch darauf keine einzelne Buche
in ihrer ganzen Geſtalt ſich geltend macht.


Solche Einſattelungen in den Thalgehängen ſchmaler Gebirgsthäler
ſind ſo recht eigentlich die Lieblingsplätzchen des ſchönen Baumes, die er
uns zu wahren Tempelhallen der Natur zaubert, in denen ganz von
ſelbſt ein heiliger Schauer über uns kommt. Hoch oben blickt der blaue
[382] Himmel durch das ſonndurchleuchtete Grün des flüſternden Laubes und
unſer Schauen gleitet an den Säulen andächtig hinauf in den irdiſchen
Himmel und begegnet der helläugigen Spechtmeiſe und dem kleinen Baum-
läufer, welche unhörbar an den glatten Stämmen auf und abgleiten wie
die Gedanken des in ſolcher Schönheit Verſunkenen.


2. Die Stiel- oder Sommereiche, Quercus pendunculata L.

Die einhäuſigen Blüthen erſcheinen im Mai mit dem Ausbruch des
Laubes, die weiblichen an der Spitze des jungen Triebes, die männlichen
aus ausſchließlichen Blüthenknospen am vorjährigen Triebe.


Die männlichen Blüthen bilden lange hängende lückige Kätzchen
mit fadenförmiger Axe, woran die ungeſtielten Blüthen unregelmäßig
zerſtreut ſitzen. Sie beſtehen blos aus einem fünftheiligen flachausge-
breiteten Kelche und 5—10 Staubgefäßen mit kurzen Staubfäden (3.
4. 5.). Die weiblichen Blüthen ſtehen zu 1—3 am Ende eines
ziemlich langen Stieles (1.) und beſtehen aus einem mit 3 kurzen Narben
gekrönten Stempel, welcher von einem dachziegelartig ſchuppigen verwachſenen
Kelche umſchloſſen iſt; außen ſtehen 2 lanzettliche Deckſchuppen (6. 7.).


Faſt immer kommen alle auf dem gemeinſamen Stiele ſtehenden
Blüthen zur Fruchtentwicklung. Aus dem dachziegelartig ſchuppigen
Kelche wird das Schüſſelchen der Eichelfrucht, in welcher die eirund
walzenförmige kurzſtachelſpitzige Eichel mit einem breiten kreisrunden Nabel
feſtſitzt, ſich jedoch nach erfolgter Reife ablöſt und aus dem Schüſſelchen
auslöſt, welche ſpäter mit dem Stiele ebenfalls abfällt. Die Eichel beſteht
ganz ähnlich der Mandel aus zwei großen Samenlappen, welche nur an
der Spitze der Eichel, wo der Keim liegt, zuſammenhängen. Die pergament-
artige Samenſchale der reifen Eichel hat eine kaffeebraune Farbe.


Das Blatt der Eiche iſt das bekannteſte von allen unſeren Laub-
hölzern und die nicht minder bekannten kleinen Verſchiedenheiten deſſelben
tragen wahrſcheinlich nicht wenig dazu bei, der Eichenbelaubung das
moosartig Krauſe zu geben. Der nach dem Stiele hin verſchmälerte,
verkehrt eiförmige Umriß des Blattes iſt durch tiefe Einbuchtungen, die
meiſt bis über die Mitte der Blatthälfte hinein reichen, in unregelmäßige
[383]

Figure 56. LV.

Die Stiel-Eiche, Quercus pendunculata.
1. Blühender Maitrieb; — 2. Triebſpitze mit den geſtielten Früchten; — 3. Stück
eines männlichen Kätzchens; — 4. Staubbeutel von oben und von unten; — 5. Quer-
ſchnitt deſſelben; — 6. weibliche Blüthe; — 7. dieſelbe längsdurchſchnitten (von 3. bis
7. vergrößert); — 8. laubloſer Trieb mit den Knospen.


[384] abgerundete Lappen zerfällt, deren jederſeits nicht leicht mehr als 5 vor-
handen ſind. Der Blattſtiel iſt ſehr kurz und an ihm zieht ſich beider-
ſeits die Blattſubſtanz etwas in einen gerundeten kleinen Lappen abwärts,
ſo daß die verſchmälerte Blattbaſis etwas herzförmig und dadurch der
Blattſtiel faſt verhüllt wird und das Blatt faſt ein ſitzendes (d. h. un-
geſtieltes) zu ſein ſcheint. Dieſe an ſich ſchon unregelmäßige Form des
Eichenblattes zeigt noch eine große Menge von Verſchiedenheiten, die
namentlich an friſchen Stockausſchlägen bis zu den abenteuerlichſten Ge-
ſtalten geht. Die Farbe des Stiel-Eichenblattes iſt auf der Oberſeite
ein ſehr tiefes Grün und wird hierin wohl allein von dem auf der Ober-
ſeite noch dunklerem Blatt der Silberpappel übertroffen. Die Unterſeite
iſt merklich heller gefärbt. Das junge noch nicht ausgewachſene zarte
Laub zeigt eine hellbräunlichgrüne Farbe und wird beim Trocknen dunkel
ſchwarzbraun, während das reife Laub dann mehr ergraut und ſich kräuſelt.


Die Eiche iſt eine von den wenigen Pflanzen, welche beim Keimen
die Samenlappen im Boden läßt und blos den Stammkeim emportreibt,
während der Wurzelkeim eine tief eindringende Pfahlwurzel bildet, der
ſich aber bald Adventivwurzeln anſetzen. Das Stämmchen der Keim-
pflanze
iſt mit einigen Niederblättern beſetzt und entwickelt erſt wenn
es etwa 3—4 Zoll lang iſt an ſeiner Spitze einen ebenen Strauß von
4—5 Blättern, welche den alten Stammblättern an Größe kaum nachſtehen.


Der Stamm der Eiche iſt im höheren Alter mit einer mächtigen,
tiefriſſigen Borkenſchicht bekleidet, während er in der erſten Periode, etwa
bis 50 Jahr, ſich lange glatt und ſelbſt glänzend erhält und eine grüngraue
Farbe hat, auf der ſich faſt immer je nach dem Feuchtigkeitsgehalte der
Luft ſeines Standortes die faſt blos wie gemalten Landkarten der Rinden-
flechten, namentlich Graphis-Arten, zeigen. Je nach der Beſchaffenheit
ſeiner Wurzel zeigt der Eichenſtamm eine reine kreisrunde Baſis oder er
ſteht wie auf einem Fuße von ſtarken Strebepfeilern, den Abzweigungen
der Hauptſeitenwurzeln vom Stocke, zwiſchen denen nicht ſelten lehnſtuhl-
artige lauſchige Plätzchen ſich einbuchten. Letztere Erſcheinung deutet
darauf, daß die Pfahlwurzel todt iſt und dafür deſto mehr die Seiten-
wurzeln ſich entwickelten. In den meiſten Fällen mag dann der Stamm
kernfaul ſein. Es kommt ſehr auf den Standort und den Schluß an,
in welchem der Stamm erwuchs, ob er ſehr gerad- und hochſchaftig und
[]

[figure]

[][385]

Figure 57. LVI.

Keimpflanze der Stieleiche.
s. die Samenlappen.


weit hinauf rein von Aeſten iſt, oder nicht. Gewöhnlich giebt die Sommer-
eiche, mehr aber noch die folgende, mit dem zweiten oder dritten Haupt-
aſte die Durchführung des Stammes auf und dieſer löſt ſich nach oben in
ein impoſantes Gewirr von ſtarken borkebedeckten Aeſten auf. Die über-
haupt ſchwierige Unterſcheidung von Aſt und Zweig iſt es um ſo mehr
bei der Eiche, bei welcher die Verzweigungen meiſt ſehr ſchnell ſchwächer
werden und lange Zweige der Eiche geradehin fehlen. Vielmehr ſind die
Verzweigungen im Verhältniß zu den oft ſehr weit ausgreifenden ſtarken
Aeſten auffallend kurz, was unſer Winterbild zeigt.


Roßmäßler, der Wald. 25
[386]

Die Krone unſrer beiden Eichen, denn die folgende iſt hierin der
Sommereiche gleich, zeichnet ſich namentlich im laubloſen Zuſtande durch
eine vielfach wurmartig gekrümmte und geknickte Aſt- und Zweigführung
aus, wodurch die Eiche der Liebling unſerer das Bizarre liebenden Land-
ſchaftsmaler wird. Woher dieſer eigenthümliche kräftig-wilde Charakter
der Eiche komme, iſt ſchon bei der Beſprechung der Ornamentik der
Bäume angedeutet worden. Sehen wir einen Trieb im Winter an (LV. 8.),
ſo finden wir an der Spitze deſſelben um eine kräftige Endknospe mehrere
faſt nicht minder kräftige Seitenknospen zuſammengedrängt und mit den
Spitzen auswärts gerichtet. Dieſe Richtung der Knospen ſchreibt natürlich
dem daraus hervorgehenden Triebe die ſeinige vor und da im Verlauf
der Jahre zuletzt nur einer oder zwei von dieſen ſich weiter entwickeln,
ſo muß der allmälig ſich aufbauende Aſt die gewundene Form erhalten.


Da ſich an unſerer Abbildung die Knospen nach der Triebſpitze hin
immer dichter genähert und immer vollkommner ausgebildet finden, was
eine Regel iſt, ſo deutet dies auf den gleichen Blattſtand und wir wiſſen
auch ſchon, daß jeder Trieb an einer alten Eiche — an den Stockaus-
ſchlägen und jungen Bäumchen ſind dies meiſt anders angeordnete Lang-
triebe — ein Blätterſträußchen iſt, wodurch die Eichenbelaubung das
krauſe moosähnliche Anſehen erhält. Die Belaubung ſitzt meiſt nur auf
den äußeren Schichten der Krone und dringt nicht tief in deren Inneres
ein, weil die Eiche als lichtbedürftiger Baum, im ſchattigen Innern der
Krone keine kurzen Zweige lebendig erhalten kann. Daher kommt es,
daß man am Stamm einer alten Eiche ſtehend beim Aufwärtsblicken das
ganze mächtige Sparrwerk überſchaut. Die Geſammtmaſſe der Krone
iſt bei ſolchen Eichen, welche mit andern Bäumen beiſammenſtehen, immer
aus einzelnen Abtheilungen oder Aſtgruppen zuſammengeſetzt und hat alſo
immer einen buchtigen Umriß. Dies würde eine Beſtätigung der Be-
hauptung Derer ſein, welche ſagen, daß die Kronengeſtalt eines Baumes
immer die Blattgeſtalt wiedergebe, woran wenigſtens ſo viel Wahres iſt,
daß es ein willkommenes Spiel für eine ſchöpferiſche Einbildungs-
kraft bietet.


Den Winterhabitus der Stieleiche macht unſer zweites Eichenbild
ganz anſchaulich. Es iſt eine treue Abbildung einer bei Leipzig ſtehenden
Eiche, an welcher nichts übertrieben iſt und zu welcher auch keineswegs
[]

[figure]

[][387] der Baum dazu beſonders ausgewählt wurde, um den knickigen Habitus
der Aeſte darzuſtellen, durch den die Eiche eben ſo maleriſch wird. Nur
ſelten iſt dieſe bogige Aſtführung ſo wenig hervortretend, daß man ohne
nähere Unterſuchung der feineren Wintermerkmale die Eiche von weitem
verkennen und etwa für eine Rüſter halten könnte. Sicher aber iſt die
Sommereiche wie jede andere Eichenart im laubloſen Zuſtande an dem
fünfſtrahligen Markquerſchnitt eines Triebes zu erkennen, und außerdem
an den kurzkegelförmigen, ſtumpfſpitzigen, ziegeldachähnlich vielſchuppigen
Knospen. Namentlich die große Endknospe der Kurztriebe zeigt äußerlich
an ihrem Umfange undeutlich ausgeſprochen 5 ſtumpfe Kanten, entſprechend
dem fünfſtrahligen Mark- und Holzkörper des Vegetationskegels in der
Knospe (S. 67), den man an einem Knospenquerſchnitte leicht auffindet.
Die Blattſtielnarbe iſt namentlich unter den größeren Knospen der Trieb-
ſpitze ſehr anſehnlich, halbkreisförmig mit Neigung zur ſtumpfen Dreieck-
form. An den Langtrieben, in denen aber immer durch das Mark ſofort
die Eiche zu erkennen iſt, ſind die Knospen oft ziemlich armſchuppig, aber
dann iſt der Trieb von einem Pappeltrieb, welcher bei allen Arten eben-
falls ein leicht fünfſtrahliges Mark hat (S. 63, Fig. IV. 3.), leicht da-
durch zu unterſcheiden, daß alle Pappelknospen lang und ſehr ſpitzig ſind
(a. a. O. Fig. 3. 5. 7.).


Die Wurzel der Eiche iſt von allen Laubhölzern die am meiſten
tiefgehende. Sie hat eine ſehr entwickelte, bis 8 Fuß tief eindringende
Pfahlwurzel und auch zahlreiche kräftige Seitenwurzeln, ſo daß der Baum-
koloß dennoch feſter ſteht und beſſer den Stürmen trotzen kann als mancher
andere, der Gewalt des Sturmes keine ſo große Fläche darbietende Baum.
Dieſer Wurzelbau weiſt die Eiche, wenn ſie bis zu ihrem höchſten Alter
gut gedeihen ſoll, mit Nothwendigkeit auf einen tiefgründigen oder wenig-
ſtens bis in bedeutende Tiefe durchdringbaren Boden.


Das Holz der Eiche zeichnet ſich vor allen übrigen durch die dickſten
und breiteſten Markſtrahlen und durch die weiteſten Gefäße aus. Jene
haben, wenn ſie bei einem radialen Spalten des Holzes getroffen und
blos gelegt worden ſind, einen ſeidenartigen Glanz, was ihnen den Namen
Spiegel, oder ſelbſt Spiegelfaſern (jenes mehr von Seiten der Holz-
arbeiter, dieſes von Seiten des Forſtmanns) verſchafft hat. Auf dem
Querſchnitt erſcheinen die Markſtrahlen als hellere bis ½ Millimeter
25*
[388] dicke Linien, an denen ſich die bei dem Buchenholze beſchriebene ſchwalben-
ſchwanzähnliche Aneinanderfügung der Jahresverlängerungen derſelben
zeigt. Da wir auf S. 103 das Eichenholz als erläuterndes Beiſpiel des
Holzes der Laubbäume beſchrieben haben, ſo verweiſe ich jetzt darauf und
auf den dazu gehörigen Holzſchnitt XIII. 6. auf S. 101, und füge nur
noch Folgendes hinzu. Den dort beſchriebenen anatomiſchen Bau zeigt
das Eichenholz nur an ſtarken und breiten Jahresringen. An dem Um-
fange ſehr alter Bäume, welche nur noch ſehr ſchmale, oft kaum 1 Milli-
meter breite Jahresringe anlegen, beſtehen dieſe oft nur aus wenigen
Holzzellen und an der innern Grenze aus einer Reihe der dem Eichen-
holze nie fehlenden weiten Gefäße. An den ſehr breiten Jahresringen
wüchſiger Eichen bemerkt man im Herbſtholze mit den Jahresgrenzen
gleichlaufende etwas geſchlängelte feine helle Linien, welche von dünn-
wandigen Holzparenchymzellen (S. 161) herrühren, während die übrige
Grundmaſſe des Holzes aus ſehr dickwandigen Holzzellen beſteht. In
dieſer Grundmaſſe zeigen ſich, freilich auch nur auf einer mit haar-
ſcharfen Meſſern geglätteten Schnittfläche, neben jenen Linien radial-
geſtellte etwas flammenförmige helle Flecke, ebenfalls aus Holzparenchym
mit eingeſtreuten engen Gefäßen beſtehend. Das Eichenholz hat immer
einen an Farbe ſehr deutlich unterſchiedenen Splint. Das Kernholz hat
die bekannte bald hellere bald dunklere röthlich graubraune Farbe, die
unter gewiſſen Standortsbedingungen ſich faſt bis zu braunſchwarz ſteigern
kann, wogegen das bis hellgelblich auftretende, gewöhnlich 8—13 Jahre
umfaſſende, Splintholz auffallend abſticht.


Die Härte des Eichenholzes iſt nur mittelmäßig und ſeine Dichtigkeit
wegen der vielen großen Gefäße ziemlich gering. Sehr groß aber iſt
ſeine Dauerhaftigkeit ſowohl unter Waſſer wie im Boden und im Trocknen
unter Dach. Der Splint jedoch wird vom Moder und im Freien von
Inſekten leicht zerſtört. Das Wurzelholz unterſcheidet ſich wie ge-
wöhnlich durch Undeutlichkeit der Jahresgrenzen, durch einen großen Ge-
fäßreichthum und durch zahlreiche breite Markſtrahlen. Es iſt ſchwammig,
weicher und viel weniger brauchbar als das Stammholz.


Daß das Mark der Eiche einen fünfſtrahligen Querſchnitt hat,
haben wir ſchon erfahren (S. 85).


[389]

Unter der vorhin hervorgehobenen dicken Borkenſchicht der Rinde
findet ſich eine ziemlich ſtarke Baſtſchicht, welche von Rindenmarkſtrahlen
durchzogen iſt.


Außer den durch die vorſtehend angegebene Holzbeſchaffenheit be-
dingten Abarten ſind noch einige andere zu nennen, welche ſich durch
den Habitus ausſprechen. Die eine iſt die Pyramiden-Eiche, welche
einen pappelartigen Pyramidenwuchs hat; die andere iſt die Trauer-
eiche
oder Hängeeiche mit dünnen und langen niederhängenden Zweigen.
Letztere iſt ſehr ſelten. Die bekannteſte Hängeeiche ſteht oberhalb Wies-
baden links am Wege nach der Platte. Durch Blattkennzeichen unter-
ſchieden iſt die Spielart mit geſchäckten Blättern (foliis variegatis)
und die zerſchlitztblättrige Eiche, deren Blätter tiefer und feiner
getheilt ſind. Alle dieſe Spiel- oder Abarten ſind nur ſeltne individuelle
Vorkommniſſe und können nur durch Pfropfen vermehrt werden.


Der Standort der Stieleiche iſt hauptſächlich der fruchtbare, lockere,
tiefgründige Auenboden der Ebene; ſie wächſt aber auch noch im lehmigen
Sandboden gut, ſobald derſelbe friſch iſt. In höheren Lagen macht ſie
gewöhnlich der folgenden Platz.


Hinſichtlich der Verbreitung der Sommereiche, ſo iſt zunächſt zu
erwähnen, daß Deutſchland ihre eigentliche Heimath iſt. Von da aus
verbreitet ſie ſich bis in die ſüdlichen ebneren Provinzen Schwedens,
durch Polen nach Rußland. Im Süden bilden die Alpen ihre Grenze
und wie weit ſie nach Südoſten vordringe iſt ſchwer zu ſagen, da es
noch nicht hinlänglich feſt ſteht, ob die dort vorkommenden ſehr ſchönen
Eichenwaldungen mehr dieſer oder mehr der folgenden Art angehören.
In Deutſchland kommen die ſchönſten, aber niemals ganz reinen Stiel-
eichenwälder in der mitteldeutſchen fruchtbaren Ebene und am Niederrhein
vor. In früherer Zeit ſcheinen beide Eichenarten, in der Ebene und auf
den niedrigen Gebirgen, herrſchender geweſen zu ſein als jetzt.


Vom Leben der Eiche iſt zunächſt hervorzuheben, daß ſie ein Licht-
baum iſt und durchaus keine Verdämmung zu dichten Standes vertragen
kann. Die Eicheln, welche nur in dem Jahre nach der Reife keimfähig
bleiben, gehen bei der Frühjahrsſaat ſchon nach wenigen Wochen auf.
Im erſten Jahre bildet das junge Pflänzchen faſt nur die lange ſtrang-
förmige Pfahlwurzel und ein unverzweigtes 6—8 Zoll langes Stämmchen
[390] aus. Man hat vorgeſchlagen und auch verſucht, der Eiche die der Kultur
läſtige lange Pfahlwurzel gewiſſermaaßen abzugewöhnen, indem man die
Eicheln vor der Ausſaat keimen ließ und dann den Wurzelkeim abknipp.
So erzogene Eichen bekamen nun zwar keine Pfahlwurzel, ſondern nur
einen dichten Büſchel von Seitenwurzeln, allein ſie zeigten einen buſchigen
Wuchs. Beſſer iſt es daher, zweijährigen jungen Eichen beim Verpflanzen
in die Kulturen die Pfahlwurzel etwas zu kürzen. Ueberhaupt beſteht bei
der Eiche ein auffallendes Gegenſeitigkeitsverhältniß zwiſchen Wurzel und
Krone, namentlich zwiſchen der Pfahlwurzel und dem Stamme.


Gemäß der Knospenſtellung iſt ſchon in den erſten 4—6 Jahren
der Wuchs der jungen Eichen ſehr ungerade und knickig und erſt bei
15—20 Jahren beginnt der Stamm ſich zu ſtrecken, wobei man durch vor-
ſichtiges Ausäſten etwas nachhelfen kann. Bis etwa zum 8. Jahre iſt die
Rinde grün, dann wird ſie ſilbergrau. So lange ſie noch keine Andeutung
von Borkenbildung hat, heißt ſie Spiegelrinde, wegen ihres Glanzes,
und iſt dann von den Gerbern am meiſten geſchätzt. An 8—10 jährigen
Eichen iſt der Sommertrieb ſehr vorherrſchend und oft länger und blatt-
reicher als der Maitrieb. In ihrem mitteln Lebensalter hat die Eiche
den ſtärkſten Zuwachs, weshalb jüngere etwa fußſtarke Eichen, die wie
verbuttet ausſehen es dennoch oft nicht ſind und ſpäter, namentlich wenn
ſie etwas freier geſtellt werden, noch ein freudiges Wachsthum annehmen.
Im hohen Alter ſetzen ſie nur noch ſehr dünne Jahresringe an und der
Forſtmann hat namentlich dann nicht zu lange mit ihrer Benutzung zu
zögern, wenn die oben beſchriebene Anſchwellung der Seitenwurzelanſätze
zunimmt, was auf ein Abſterben der Pfahlwurzel und meiſt auch auf
Kernfäule des Stammes deutet.


Ein mit einer bedeutenden Habitusveränderung verbundener Zeit-
raum der Kronenabwölbung tritt bei der Eiche deshalb nicht ein,
weil dieſelbe ſchon von früher Jugend an die Krone in derjenigen Form
gewiſſermaaßen anlegt, welche ſie im Alter, nur vollendeter, zeigt.


Fruchtbar wird die Eiche ziemlich früh, da man nicht ſelten ſchon kaum
fußdicke Stämmchen Eicheln tragen ſieht. Beſonders am Stockausſchlage
erſcheinen keimfähige Früchte zuweilen ſchon an zehnjährigen Lohden, wie
ich es z. B. an einer friſchen Stelle des übrigens Flugſandboden habenden
Lenneberges bei Mainz geſehen habe. Die Wiederkehr von Samenjahren
[391] tritt bei der Eiche etwas häufiger als bei der Buche ein, ja ganz ſamenloſe
Jahre ſind ſogar ſelten.


Das Ausſchlagsvermögen der Eiche iſt ſehr groß und ſelbſt die
Stöcke von ſehr alten Eichen ſchlagen oft noch gut aus. Der Stock-
ausſchlag erſcheint aus den Furchen der Borke. Auch am Stamme treibt
die Eiche ſehr oft Ausſchlag hervor, weshalb ſie namentlich in kleinen
Bauerhölzern oft geſchneidelt wird, d. h. man haut ihr, ſobald der
Stamm etwa 1 Fuß dick geworden iſt, bis auf die verſchonte kleine
Krone alle Seitenzweige in regelmäßiger Wiederkehr von 3—6 Jahren
ab. Die hierdurch entſtehenden maſerartigen Wülſte des Stammes, an
welchen die Triebe immer wieder hervorkommen und von denen aus die
Stämme leicht kernfaul werden, kann man einigermaaßen durch ſtummeln
vermeiden, welches darin beſteht, daß man die 3—6 Jahre alten Triebe
nicht glatt am Stamme abhaut, ſondern 6—8 Zoll lange Stummel ſtehen
läßt. Nimmt man beim Schneideln oder Stummeln auch die Krone mit
weg, ſo nennt man dies Kopfholzwirthſchaft, welche die Eiche auch
ſehr gut verträgt und die daher auch oft angewendet wird.


Beſondere Eigenthümlichkeiten zeigt die Eiche bei dem Laubfall.
Sie iſt einer von denjenigen Bäumen, welche kein buntes Herbſtkleid
anlegen, indem die Eichen-Herbſtfärbung ein ſchmutziges Braungelb und
beim Laubfall ſelbſt düſter graubraun iſt. Der Laubfall zögert oft ſehr
lange und andere Bäume ſind ſchon wochenlang entblättert während die
Eichen das verfärbte Herbſtlaub noch tragen. Einzelne Eichen behalten
dabei ihr Laub länger als andere, manche den ganzen Winter hindurch
und namentlich junge Bäumchen und der Stockausſchlag zeigen dieſe noch
unerklärte Erſcheinung. Dieſes ſo feſt am Triebe haftende Laub weicht
dann in der Regel auch nicht früher als im nächſten Frühjahr kurz vor
dem Ausſchlagen der Knospen, und da dies etwas ſpäter als bei den
meiſten Waldbäumen geſchieht, ſo ſieht man dann oft die Eichen mit dem
todten Herbſtlaube mitten unter friſch belaubten Bäumen ſtehen. Dieſer
ſpäte Laubfall deutet beinahe auf eine Betheiligung des Frühjahrsſaft-
ſtromes oder wenigſtens auf den plötzlichen Eintritt irgend einer inneren
Lebensregung; denn man kann ſich leicht überzeugen, daß bis den Tag
vor dem plötzlichen Abfall die todten Blätter noch ſo feſt ſitzen, daß ſie
nur mit Gewalt abzulöſen ſind.


[392]

Das durchſchnittlich erreichbare Lebensalter der Eiche wird oft über-
ſchätzt und es iſt um ſo ſchwieriger durch Uebung eine Eiche nach dem
äußeren Anſehen ſchätzen zu lernen, da ſelten zwei neben einander er-
wachſene gleich alte Eichen gleiche Stärke zeigen. Auf fruchtbarem Auen-
boden, z. B. in der Niederung, die ſich von Leipzig bis Merſeburg er-
ſtreckt, ſtehen oft impoſante Eichen, welche wahrſcheinlich kaum mehr als
400 Jahre alt ſind, da die Bäume in der außerordentlich zuſagenden
Lage ohne Zweifel ein ſehr förderſames Wachsthum hatten. Da in
hohem Alter die Eichen leicht kernfaul werden, ſo iſt es wahrſcheinlich
nur der günſtige Zufall eines geſchützten Standortes, wodurch ſolche alte
Denkmäler vom Sturme nicht umgebrochen werden, während in der Regel
ſolchen alten innen ausgefaulten Veteranen, wenn ſie nicht in frühern
Jahrhunderten gefällt worden ſind, durch den Sturm ihr Lebensende
geſetzt werden mag. Es iſt übrigens an ſtark ausgefaulten Stämmen
nicht mehr ſicher die Zahl der Jahresringe zu ermitteln, und man muß
ſich dann, unter Berückſichtigung des verſchiedenen Zuwachsbetrages in den
verſchiedenen Lebensperioden, damit begnügen, die Zahl der Jahresringe
des herausgefaulten Kernes zu ſchätzen.


Es ſei hier hinſichtlich der Alterſchätzung ſtehender Bäume auf Grund
des Stammdurchmeſſers ausdrücklich darauf aufmerkſam gemacht, daß man
dabei leicht ſehr irren kann, wenn man nicht genau die Bedingungen in
Anſchlag bringt, unter denen ein zu ſchätzender Baum erwachſen iſt. Bei
einem Durchmeſſer von 3 Ellen, alſo einem Halbmeſſer, vom Mark bis
zur Rinde, von 1½ Elle, macht es für die zu ſchätzende Zahl der Jahres-
ringe einen gar ſehr großen Unterſchied, ob dieſe 2 oder 3 oder 4 Milli-
meter breit ſind; und welche von dieſen Breiten ſie haben, das hängt eben
gar ſehr von dem Standorte ab.


Von den zahlreichen Beiſpielen beſonders ſtarker Eichen, welche auf-
gezählt werden, iſt das ungewöhnlichſte eine Eiche bei Saintes im De-
partement Charente inferieure am Wege nach Cozes. Sie hat bei einer
Höhe von 60 par. Fuß einen unteren Durchmeſſer von 27 par. Fuß
8 Zoll, fünf Fuß höher 21½ Fuß und am erſten Aſte noch 6 Fuß.
Im dem Stamme befindet ſich ein hohler Raum von 10—12 Fuß Weite
und 9 Fuß Höhe mit einer halbrunden in das lebendige Holz einge-
ſchnittenen Bank. Das Alter der Eiche wird auf 2000 Jahre geſchätzt.
[393] In dem ſchon früher erwähnten Artikel im Tharander Jahrbuche (ſ. oben
S. 333 Anm.) werden auch mehrere alte Eichen aufgeführt, doch keine
über 400 — 500 Jahre geſchätzt.


Von Krankheiten und Feinden wird die Eiche vielfältig heim-
geſucht, und namentlich dient kein Baum ſo vielen Inſekten als Wohnung
und Nahrung wie die Eiche, obgleich nur wenige derſelben ihr merklich
ſchädlich werden.


Daß die Spätfröſte das junge Laub unfehlbar tödten und daher
auch den Saatpflanzen ſehr verderblich ſind haben wir ſchon erfahren,
ebenſo daß zu große Beſchattung der Eiche ſehr nachtheilig iſt. Zu ſtarke
Lichteinwirkung kann jedoch auch ſchädlich werden, indem der Sonnen-
brand
die Rinde ſchwächerer Bäume verdorren macht.


Die hauptſächlichſte Krankheit iſt die Stockfäule, welche meiſt mit
der Kernfäule (des Stammes) verbunden iſt und welche beide in den
meiſten Fällen die Folge des Abſterbens der Pfahlwurzel ſind. Die
Wipfeldürre oder Zopftrockniß, die ſich durch Abſterben der oberſten
Kronenäſte ausſpricht, tritt oft nach plötzlicher Freiſtellung ſchon älterer
Eichen ein, die alsdann in dem austrocknenden Boden nicht mehr die
gehörige Nahrung erhalten. Oft aber und vielleicht am häufigſten iſt die
Wipfeldürre eine Folge davon, daß die Pfahlwurzel in ihrem Abwärts-
dringen auf eine undurchlaſſende unfruchtbare Bodenſchicht, Kies oder
Felſen, trifft. Dieſe Erſcheinung giebt den deutlichſten Beweis von dem
oben erwähnten Gegenſeitigkeitsverhältniß zwiſchen Wurzel und Krone
der Eiche. Aus unbekannten Gründen ſterben bei der Eiche oft mitten
im Stamme einzelne Jahresringe oder ganze Lagen derſelben ab und
werden zuletzt rothfaul, was man nach dem Augenſchein das rothſtreifige
Holz
nennt. Natürlich thut dieſe Krankheit der Güte des Holzes großen
Eintrag. Ein Zeichen von unheilbarer Krankheit, welche unbedingt tödtlich
wird, iſt der Krebs oder Saftfluß, das Herabträufeln einer dunkeln
Jauche aus einer Stammwunde.


Die große Ausſchlagsfähigkeit der Eiche verurſucht ſehr häufig, nament-
lich an geſchneidelten Eichen, große Maſerknoten. Nicht ſelten ſind ge-
ſchneidelte Eichen ganz und gar vermaſert und erhalten dadurch zuweilen
einen großen Werth, welcher aber in der Regel mehr dem Fournierſchneide-
[394] müller als dem Verkäufer zu Gute kommt, da man erſt beim Schneiden
die Güte des Maſers erkennt.


Von Inſekten vermag keines einer alten Eiche tödtlichen Schaden
zuzufügen, da ſie ein ſo großes Ausſchlagsvermögen hat und die ihr ſchäd-
lichen Inſekten ſämmtlich nur laubfreſſende ſind. Am bemerkenswertheſten
ſind der Maikäfer,Melolontha vulgaris L., der Proceſſionsſpinner,
Gastropacha processionea L., und der grüne Eichenblattwickler,
Tortrix virdana L. Nur wiederholte Entlaubung junger Pflanzen in
mehreren Jahren hintereinander vermag dieſe zu tödten.


Eine bemerkenswerthe Erſcheinung bleibt es, daß eine der intereſſan-
teſten Inſektenfamilien ſich gerade die Eichen auserkoren hat, um darauf
ihr Weſen zu treiben: die Gallwespen oder Cynipiden. Nur wenige
Arten leben auf anderen Pflanzen, z. B. auf wilden Roſen, auf denen
eine Gallwespe, Rhodites Rosae L., die bekannten moosartigen Auswüchſe
(Schlafäpfel oder Badeguare) hervorbringt. Faſt 50 kaum fliegengroße
Gallwespenarten, Cynips, theilen ſich in die Eiche, um ihr durch ihren
Stich den Befehl und die Fähigkeit zugleich zu ertheilen, nach jeder Art
Belieben eine ſo oder ſo geformte und beſchaffene Galle zu bereiten.
Die eine Gallwespenart legt ihr faſt unſichtbar kleines Ei in eine winzig
kleine Wunde der Oberſeite des Blattes, eine andere an die Unterſeite,
eine dritte an den Blattſtiel, eine vierte an den Kelch, wieder andere an
die Knospe, den noch jungen Trieb oder ſonſt eine beſtimmte Stelle der
Eiche und immer erwächſt an der angeſtochenen Stelle eine je nach der
Art der Gallwespe eigenthümliche Galle, ſo daß der Kundige aus der
Galle einen ſichern Schluß auf die Art der Gallwespe machen kann.


Dieſe Werke der echten Gallwespen ſind noch weit wunderbarer als
die der Fichtenblattſauger (S. 324); denn die zapfenähnlichen Gallen,
welche dieſe an der Fichte verurſachen, ſind doch im Grunde nichts Anderes
als die mißgeſtalteten Nadeln, alſo keine Neubildungen. Die Gallen der
echten Gallwespen ſind aber vollſtändige Neubildungen, welche an ſich der
ſie hervortreibenden Pflanze, in den meiſten Fällen eben die verſchiedenen
Arten der Eiche, ganz fremd ſind. Wir können die Entſtehung dieſer
Gallen uns kaum anders als ſo bedingt denken, daß das Thier in die
Wunde des Pflanzentheiles mit dem Ei zugleich ein allerdings kaum
meßbar kleines Wenig eines Stoffes einbringt, welches als chemiſches.
[395] Agens die Gallenbildung einleitet. Die Geſtalt- und Stoffverhältniſſe
der Gallen ſind außerordentlich manchfaltig. Zur Seite der bekannten
kleinen apfelförmigen Gallen auf den Blättern ſtehen ganz abſonderliche
Gebilde; einerſeits eine ſo ſtark mit langen Haarzellen bedeckte Galle, daß
ſie einem Bäuſchchen Baumwolle täuſchend ähnlich ſieht; andererſeits kleine
flache Gallen, welche man leicht für ſeideüberſponnene Hemdenknöpfchen
halten könnte.


Bekannt iſt, daß einige dieſer Eichengallen ganz beſonders reich an
Gerbſtoff, Gallusſäure, ſind, welcher mit Eiſenvitriol (ſchwefelſaurem Eiſen-
oxydul) zum Schwarzfärben und zur Tintebereitung oder zum Gerben
benutzt wird. Die vorzugsweiſe ſogenannten Galläpfel kommen von der
Färber-Gallwespe,Cynips tinctoria L., welche in Kleinaſien auf der
Gallen-Eiche,Quercus infectoria, lebt. Die Knoppern ſind die
zackigknolligen Gallen auf den Schüſſelchen der gemeinen Eichen und der
Zerreiche,Quercus Cerris L., in Ungarn und werden durch den Stich
der Knoppern-Gallwespe,Cynips calicis L., hervorgebracht. Ich fand
in Ungarn eine auf einem kleinen Hügel im Walde freiſtehende Steineiche,
unter welcher der Boden dicht mit abgefallenen Knoppern bedeckt war.


Neben dieſem Nutzen üben die Gallwespen einen ſchädlichen Einfluß
auf die Eichen nicht aus.


Noch iſt ein ſchädliches Inſekt, der Eichen-Werftkäfer,Lymexylon
navale L.,
zu nennen, welcher nicht an ſtehenden Eichen, ſondern an
Eichenholz, namentlich auf den Schiffswerften zuweilen großen Schaden
anrichtet, in welchem er als Larve Gänge frißt und es dadurch unbrauchbar
zum Schiffsbau macht.


Ueber die Größe der forſtlichen Bedeutung kann kein Zweifel
ſein, da das Eichenholz zu ſehr vielen Benutzungen durch kein anderes
Holz erſetzt werden kann. Es wird daher auf die forſtliche Behand-
lung
überall, wo ſie erzogen wird, eine ganz beſondere Sorgfalt verwendet.


Aus dem uns bekannten Leben und Bedürfniſſen der Sommereiche
geht hervor, daß der forſtlichen Behandlung derſelben mancherlei Schwierig-
keiten dadurch bereitet werden müſſen; und wenn gleich uns beinahe auf
jeder Bodenart Eichen begegnen, ſo kann man doch nicht überall Eichen-
waldungen erziehen und iſt dabei immer mehr auf Friſche, Humusgehalt
und Tiefgründigkeit, als auf einen gewiſſen mineraliſchen Beſtandtheil des
[396] Bodens zu ſehen. Schon bei der Erziehung der Pflanzen im Saatgarten
muß darauf Bedacht genommen werden, daß dieſer nicht zu tiefgründigen
Boden habe und dadurch eine zu lange Pfahlwurzel veranlaſſe, welche nach-
her die Verpflanzung erſchwert. In den Kulturen muß nachher für volles
Licht geſorgt werden, weil die Eichenpflanzen durch Beſchattung verdämmt
werden und verkommen. Daß alsdann ganz beſonders die Eiche ſich für
alle drei Betriebsarten eignet verſteht ſich einerſeits nach ihrem großen
Ausſchlagsvermögen und andererſeits nach ihrer Fähigkeit, zum mächtigen
Baume zu erwachſen, ganz von ſelbſt. Mehr als es bis jetzt geſchieht
ſollte die Eiche als Niederwald, auf einen kurzen Umtrieb geſtellt, er-
zogen werden zur Gewinnung der ſo ſehr geſuchten Spiegelrinde für die
Gerberei. Es giebt in Deutſchland außerordentlich viele Oertlichkeiten,
ich meine namentlich die Einhänge von Fluß- und Bachthälern, wo
Eichenſchälwaldungen“ mit Leichtigkeit einzurichten wären, ja welche
gewiſſermaaßen von ſelbſt dazu auffordern, da ſolche Hänge meiſt ohnehin
mit Buſchholz bewachſen ſind, in welchem die Eichen, dieſe und die folgende
Art, ſelten fehlen. Eichenſchälwaldungen gelten ſo ziemlich für die gewinn-
bringendſte Form des Forſtbetriebes. Die meiſt nicht über 1 — 2 Zoll
dicken Schoſſe werden dann zur Zeit des Safteintritts der größeren Be-
quemlichkeit wegen noch auf dem Stocke geſchält und erſt ſpäter abge-
hauen, was einem ſolchen Schälwalde ein abenteuerliches Anſehen von
Nacktheit giebt, da ſolche geſchälte Schoſſe vollkommen fleiſchfarbig ausſehen.


Im Mittelwalde iſt die Eiche ein ſehr beliebter Oberbaum und er-
wächſt darin auch zu einem ziemlich guten Stamm obgleich nicht ſo gut
wie in einem angemeſſen geſchloſſenen Hochwalde. In dieſem gedeiht die
Eiche, wie bereits erwähnt wurde, entſchieden beſſer in Vermiſchung mit
andern Laubhölzern als in reinem Beſtande. Es iſt dabei darauf Rückſicht
zu nehmen, daß man nicht ſolche Baumarten zur Vermiſchung mit der
Eiche wählt, welche einen ſchnelleren Wuchs haben, weil dieſe die Eiche
„übergipfeln“ und allmälig unterdrücken würden. Beſonders iſt die Buche,
mehr allerdings für die folgende Eichenart, ein geeigneter Vermiſchungs-
baum, für die Stieleiche nur an ſolchen Orten, welche keinen Ueber-
ſchwemmungen ausgeſetzt ſind, welche die Stieleiche ſehr gut aber die Buche
durchaus nicht verträgt. Beſonders auch mit Ulme und Hornbaum kann
[397] die Eiche in dichtem Verband ſtehen, was die herrlichen Auenwälder der
Leipziger Niederung beweiſen.


Was die Umtriebszeiten betrifft, ſo wird die Eiche im Hochwalde
gewöhnlich auf einen 150 jähr. Umtrieb geſtellt. Im Mittelwalde hängt
dies davon ab, wie lange man die zu Oberbäumen ausgehaltenen Eichen
wachſen laſſen will, da hier der Beſchattung wegen, welche die Eiche nicht
verträgt, ſie als Unterholz nicht gut gewählt werden kann. Im Nieder-
walde — wo alſo die Beſchattung von oben nicht ſtattfindet und deshalb
die Eiche ein vortreffliches Schlagholz abgiebt — iſt ein 15 — 20 jähriger
Umtrieb gebräuchlich und zwar auch bei dem Schälwaldbetriebe.


Da der Ausſchlag unmittelbar über dem Erdboden aus dem Stocke
kommt, ſo müſſen die Stöcke ſehr tief gehauen werden. Am reichlichſten
erfolgt der Ausſchlag aus Stöcken 20—40 Jahre alt gewordener Eichen.


Daß die Benutzung der Eiche eine höchſt vielſeitige iſt, geht zum
Theil ſchon aus dem Vorhergehenden hervor. Das Eichenholz gehört zu
den geſchätzteſten und unerſetzbarſten Bau-, Nutz- und Werkhölzern. Für
den Schiffs- und Waſſerbau iſt das Eichenholz in Deutſchland das wich-
tigſte von allen, nicht minder hat es als Böttcher-, Wagner- und Schreiner-
holz einen hohen Werth. Fäſſer für Flüſſigkeiten werden bekanntlich faſt
nur aus Eichenholz gefertigt und neuerdings ſoll ein Franzoſe von Sieben-
bürgen, Serbien und Bulgarien aus, bis wohin ſich aus dem Schwemm-
lande der Moldau und Wallachei Streifen der ſchönſten Eichenwälder
erſtrecken, Frankreich mit Faßdauben verſehen wollen. Als Brennholz und
Kohlholz ſteht es dem Buchenholze etwas nach und brennt namentlich
weniger ruhig als dieſes. Die Bedeutung der Eiche für Gerberei und
Färberei, iſt uns ſchon bekannt. Im Jahre 1848 bildete ſich in Nord-
deutſchland ein Verein von Lohgerbern, welcher es ſich zur Aufgabe machte,
die Anlegung von Schälwaldungen immer mehr anzuregen. Es iſt keine
Frage, daß durch ſolche noch manche Dorfgemeinde einen großen Gewinn
aus jetzt faſt ertragloſen Bodenflächen ziehen könnte. Es bleibt nur noch
zu ſagen übrig, daß das Eichenlaub auch ein geſchätztes Futter für
Schaafe und Ziegen iſt. Man erzieht dazu ſogenannte „Laubeichen“ zum
Schneideln und ſchlägt alle 3 Jahre die Zweige ab, bindet ſie zu Bündeln,
die man um den Stamm herum aufſtellt und trocken werden läßt. Die
Thiere nagen nachher während des Minters das trockene Laub mit großem
[398] Behagen ab. Ueber dieſe Bedeutung des Baumlaubes als Futter, jedoch
wohl nur für Schaafe und Ziegen, ſei hier überhaupt bemerkt, daß dieſe
der großen Mehrzahl der Laubhölzer zukommt. Bei der Verſammlung
der deutſchen Land- und Forſtwirthe in Altenburg (1843) wurde die Frage
erörtert, welches das beſte Futterlaub ſei. Das Ergebniß der ſehr ein-
gehenden Debatte war inſofern ein überraſchendes, als dabei faſt für
jeden Baum ein Lobredner auftrat und ſich dabei auf Erfahrung ſtützte.


3. Die Steineiche, Wintereiche, Quercus robur L.

Was den botaniſchen Charakter dieſer zweiten deutſchen Eichenart
betrifft, ſo iſt das davon vorzubringende am beſten mit vergleichenden
Blicken auf die Stieleiche zu erledigen, denn beide ſind zwar durch feſte
und unſchwer aufzufindende aber nicht eben ſehr in die Augen fallende
Merkmale nur wenig verſchieden.


Zunächſt lehrt uns ein Blick auf unſere Abbildung, daß die Eicheln
der Steineiche auf ganz kurzen Fruchtſtielen ſitzen, während die Stiel-
eiche gerade wegen ihrer ſtets langen Fruchtſtiele dieſen Namen führt.
Im Einklange damit ſtehen die weiblichen Blüthen faſt ſtiellos in den
Blattwinkeln der oberſten Blätter (1.). Für den faſt ganz mangelnden
Fruchtſtiel iſt der Steineiche ein deſto deutlicher entwickelter ziemlich
langer Blattſtiel
eigen. Die Eichel iſt viel kürzer, mehr eiförmig
und wird oft zum größeren Theil von dem Schüſſelchen umſchloſſen. Oft
ſtehen deren eine große Zahl beiſammen; ich fand in Ungarn an etwa
15 jährigem Stockausſchlage bis 20 Eicheln knäuelartig und dicht gedrängt
beiſammen ſtehen. Dieſe Eiche wird darum auch Traubeneiche genannt,
und ſelbſt der Name Klebeiche hängt vielleicht damit zuſammen, daß
die Eicheln wie angeklebt ausſehen.


Die männlichen Blüthen zeigen keinen erheblichen Unterſchied
außer daß ſie oft mit am jungen Triebe ſtehen was mit den 3 oberſten
Blüthenkätzchen an Fig. 1. der Fall iſt, während zwei andere am alten
(vorjährigen) Holze ohne an einem Triebe zu ſtehen, unmittelbar aus
einer blos männlichen Blüthenknospe hervorkommen.


[399]

Außer den langen Stielen zeigen die Blätter auch noch den Unter-
ſchied, daß ſie regelmäßigere und zahlreichere (jederſeits 6—8, ſehr ſelten
blos 5) Einbuchtungen haben, welche auch in der Regel nicht ſo tief ſind;

Figure 58. LVII.

Die Steineiche, Wintereiche, Quercus robur.
1. Blühender Trieb, in den oberſten Blattwinkeln die kleinen ſitzenden weiblichen
Blüthchen; — 2. Triebſpitze mit ausgebildeten Blättern und Früchten; — 3. weibliche
Blüthe, vergr.; — 4. Theil eines männlichen Blüthenkätzchens, ebenſo.


[400] die Blattzipfel ſind demzufolge ſchmäler und auch etwas zugeſpitzter als
bei der Sommereiche. Im Ganzen iſt dadurch das Steineichenblatt zier-
licher und regelmäßiger und es, nicht das der andern Art, hat den viel-
fältigen Eichenkränzen und Trieben auf Münzen, Fahnen und — am
Kragen des Forſtmanns als Vorbild gedient. Am unteren Ende geht
die Blattfläche beiderſeits verſchmächtigt in den Blattſtiel über, während
bei der Stieleiche ſich hier jederſeits ein Blattläppchen herabbiegt.


Zufolge dieſer Verhältniſſe der auch noch dazu etwas kleineren Blätter
iſt namentlich am Buſchholze die Belaubung der Steineiche etwas zierlicher,
dabei aber etwas gleichmäßiger, indem die Blätter nicht ganz ſo büſchel-
förmig an den Spitzen der Triebe ſtehen, was übrigens auch bei der
Stieleiche nur an den Kurztrieben der Fall iſt.


Als Baum unterſcheidet ſich die Steineiche einigermaaßen dadurch,
daß ſie in der Regel einen niedrigeren gedrungeneren Wuchs hat.


Hinſichtlich des Standorts verlangt die Steineiche mehr eine Berg-
als eine Ebenenlage und kann hier ſelbſt auf einem felſigen Boden gut
gedeihen, jedoch wahrſcheinlich eben auf Koſten ihres Höhenwuchſes. Schon
die geringe Höhe von einigen hundert Fußen über die Ebene reicht hin,
um an Stelle der Stieleiche, oder Anfangs in Geſellſchaft mit ihr, die
Steineiche auftreten zu laſſen.


Die Verbreitung iſt wohl der der Stieleiche ziemlich gleich, jedoch
eben mit dem Unterſchiede, daß da wo in der Ebene die Stieleiche wächſt,
auf den Höhen die Steineiche vorkommt.


In allen den übrigen Beziehungen, nach welchen wir die vorige Art
betrachtet haben, finden ſich bei der gegenwärtigen kaum nennenswerthe
Verſchiedenheiten. Im Leben iſt die letztere dadurch etwas abweichend,
daß ſie ſtets um etwa 14 Tage ſpäter ausſchlägt als die andere und
wahrſcheinlich auch kein ſo hohes Alter bei vollkommner Geſundheit des
Stammes erreicht, weil ihr faſt immer felſiger Standort wegen Beein-
trächtigung der Wurzel zur Stock- und Kernfäule disponirt. Die Steineiche
ſcheint auch etwas weniger Bodenfriſche zu bedürfen. Aus dem Breisgau
wird eine Spielart mit fiederſpaltigen Blättern angeführt. Ob die im
Banat vorkommende Q. lanuginosa Thuillier mit unten ſammtartig wolligen
Blättern und etwas höckerigen Früchten nicht vielleicht auch hierher oder
wohl auch zu der folgenden Art gehöre, vermag ich nicht zu entſcheiden.


[401]

Im Süden von Deutſchland finden ſich noch drei weitere Eichenarten,
von denen jedoch die eine von manchen Pflanzenkundigen blos für eine
Abart der Steineiche und die beiden andern blos als zwei zuſammenge-
hörige Abarten Einer Art gehalten werden. Die erſtere iſt:


4. Die flaumhaarige Eiche, Quercus pubescens Willdenow.

Man darf bei ihrer Beſchreibung ſehr kurz ſein, indem ſich dieſelbe
auf eine Vergleichung mit der ihr ſehr ähnlichen Steineiche beſchränken kann.


Das Blatt (Fig. LVIII. 1.) iſt tiefer und ſtets bis über die Mitte
der Blattſeite gebuchtet, faſt fiederſpaltig, ſo daß die Lappen länger, faſt
parallelſeitig und die längeren oft gegen ihre Spitze hin, noch einmal ein-
gebuchtet ſind. An dem meiſt ein wenig kürzeren Blattſtiel ſind ſie ent-
weder wie bei der Steineiche verſchmälert, oder etwas herzförmig — ein
Hauptkennzeichen des Stieleichenblattes — was jedoch, wiewohl ſelten,
auch bei der Steineiche vorkommt. Die Oberſeite des Blattes iſt ziemlich
dünn die Unterſeite dagegen dicht und faſt ſammtartig mit kurzen Stern-
haaren (d. h. zu mehreren aus einem gemeinſamen Punkte der Oberhaut
ausgehend) bedeckt, welche gegen das Licht gehalten dem Blattrande einen
fein gewimperten Saum geben. Dadurch iſt das Blatt, namentlich auf
der Unterſeite ſammet- oder flaumartig weich anzufühlen. Beſonders dicht
ſind die Hauptadern der Unterſeite und die jungen Triebe behaart. Ueber
Blüthen und Früchte kann ich nach Metzger nur ſagen, daß an dem
Schüſſelchen der Letzteren die Schuppen angedrückt ſind*).


Der einzige mir ſeit 30 Jahren bekannte Baum gleicht ſehr einer
gleich alten Steineiche, nur daß die Belaubung wegen der tiefer einge-
ſchnittenen Blätter noch zierlicher und wegen der Behaarung glanzlos iſt.
Stamm, Rinde und Holz ſollen denen der Steineiche faſt gleich kommen.


Der Standort dieſer Eiche iſt der der vorigen Art. Ueber ihre
Verbreitung ſagt Metzger daß ſie am Kaiſerſtuhl auf doolmitiſchen und
Roßmäßler, der Wald. 26
[402] baſaltiſchen Boden vorkommt; L. Reichenbach giebt ſie in Oeſterreich,
Ungarn und Böhmen, in der Schweiz und überhaupt im ſüdlichen Gebiete
in Bergwäldern an.


Figure 59. LVIII.

1. Blatt der flaumblättrigen Eiche, Qu. pubescens Willd.
2. Blatt der Zerreiche, Qu. cerris L.


[403]

Die forſtliche Bedeutung der flaumhaarigen Eiche iſt ſehr unter-
geordnet und daß ſie irgendwo in Süddeutſchland als Waldbaum gezogen
und gepflegt werde finde ich nirgends erwähnt, da ſie im Gegentheil von den
meiſten Forſtbotaniſchen Schriftſtellern mit Stillſchweigen übergangen wird.


5. Die Zerreiche, Quercus cerris L.

Die männlichen und weiblichen Blüthen haben wenig Abweichendes,
nur daß die männlichen Kätzchen ſehr lang und lockerblüthig ſind und
man an den weiblichen Blüthen bei einer feinen Zergliederung die Anlage
zu dem hervorſtechenden Charakter des Fruchtſchüſſelchens auffinden kann.
Die Frucht iſt lang, ei-walzenförmig und ihr Schüſſelchen von borſten-
förmig verlängerten Schuppen igelartig rauh. Beſonders bemerkenswerth
iſt, daß die Früchte erſt im zweiten Jahre reifen und auch dann erſt abfallen.


Das Blatt (Fig. LVIII. 2.) macht die Zerreiche ſehr kenntlich; es
iſt meiſt ſehr groß im allgemeinen Umriſſe verkehrt eiförmig, tief, buchtig-
fiederſpaltig, jeder Lappen, von denen die größten meiſt wieder 2 bis 3
Zipfel haben, in eine deutliche kurze Spitze endend; es iſt in den deutlich
entwickelten Blattſtiel verſchmächtigt; Oberſeite dünn Unterſeite dichter
mit Sternhaaren bekleidet, ähnlich wie bei voriger Art, nur etwas rauher
anzufühlen. Die vorſtehend beſchriebene Blattform unterliegt zahlloſen
Abänderungen, unter denen die bemerkenswertheſte die iſt, bei welcher
von einem Blattlappen zum andern eine gerade alſo mit der Mittelrippe
parallele Linie läuft. Ueberhaupt ſind die Buchten meiſt ſpitzer als bei
den vorigen drei Arten. Dieſe Blattformen begründen aber kaum Spiel-
arten, weil oft die verſchiedenſten nebeneinander an einem Triebe ſitzen.


Neben jedem Blatte ſitzen wie bei allen Eichen zwei ſchmal lanzett-
liche, lange, behaarte Nebenblättchen, welche aber bleibend ſind, ja oft
noch neben der Blattſtielnarbe an vorjährigen Trieben, alſo länger als
das Blatt ſelbſt, ſtehen, während ſie bei den vorigen Eichen ſogleich nach
der Blattausbildung abfallen.


Die Knospen weichen von denen der vorigen Arten dadurch bedeu-
tend ab, daß ſie ſehr klein, kurz und wenigſchuppig ſind und von einigen
Nebenblättchen, denen des Blattes ganz ähnlich, umſtanden ſind. An den
Kurztrieben ſtehen die Blätter auf einem ſtark hervortretenden Blattkiſſen.


26*
[404]

Im Bau des Stammes und der Krone iſt die Zerreiche der
Sommereiche am ähnlichſten, nur daß ſie niemals zu ſehr bedeutenden
Stämmen zu erwachſen ſcheint. Auch den Standort hat ſie mit der
Sommereiche gemein, verlangt alſo einen fruchtbaren friſchen Boden. Ihre

Figure 60. LIX.

Blatt der öſterreichiſchen Eiche, Qu. austriaca Willd.


Verbreitung, ſoweit ſie Deutſchland berührt, ſcheint ſich auf Oeſterreich
und Kärnthen zu beſchränken, wo ſie meiſt nur in Vermiſchung mit andern
Bäumen vorkommt, aber forſtlich nicht ohne Bedeutung iſt, da man ihr
Holz ſogar anderem Eichenholze vorzieht, und ſie eine große Ausſchlags-
fähigkeit hat. Außerdem kommt ſie in Ungarn und anderen ſüdöſtlichen
Gebieten Europas vor.


In nördlicher gelegenen Theilen Deutſchlands findet ſich die Zerreiche
ihrer abſonderlichen Blätterformen wegen in Luſtgehölzen häufig angepflanzt
und würde ſelbſt die Einführung in den Wald rechtfertigen.


[405]
6. Die öſterreichiſche Eiche, Quercus austriaca Willdenow.

Sie iſt der Zerreiche ſo ähnlich, daß ſie Manche einfach für gleich-
bedeutend mit ihr, alſo nicht einmal für eine Spielart derſelben halten.
Namentlich die Frucht, die Nebenblättchen, die Blattbehaarung und vieles
Andere iſt ganz gleich. Die beide Arten unterſcheiden ſtützen ſich dabei
faſt einzig auf die in Fig. LIX. dargeſtellte ſchmale und lange Blattform,
die ſich durch ſehr ſeichte ſpitze Einſchnitte allerdings ſehr unterſcheidet.


Ihr Vaterland ſoll namentlich das ſüdliche Litorale ſein.


Ueberblicken wir nochmals hinſichtlich der Form des „Eichenblattes“
die fünf beſprochenen Eichenarten, ſo wird es uns klar, daß die Blattform
wohl in keiner andern Laubholzgattung eine ſo große Rolle ſpielt, als bei
den Eichen. Wenn man darauf ausgeht, ſo kann man ſelbſt bei der Stiel-
eiche, mehr noch als bei der Steineiche, in kurzer Zeit die verſchiedenſten
Blattgeſtalten zuſammentragen, denen doch immer der Grundcharakter eigen
ſein wird. Das was wir Deutſche uns unter der Form des Eichenblattes
denken, und was an allen fünf aufgeführten Eichen mehr oder weniger
rein ausgeprägt iſt, paßt übrigens keineswegs auf alle Eichenarten, deren
es, namentlich in Kleinaſien und dem ſüdlichen Nordamerika, ſehr viele
Arten giebt; denn es giebt Eichen mit einem vollkommenen ganzrandigen
Weidenblatt, z. B. Quercus salicifolia und imbricaria. Von den ameri-
kaniſchen Eichen ſind ſehr viele (ſämmtlich ſommergrün, während die klein-
aſiatiſchen immergrün ſind) in Deutſchland eingeführt worden und gedeihen
in den meiſten Lagen ſehr gut. Am bekannteſten von dieſen ſind Quercus
rubra
und Qu. coccinea, beide deshalb ſo genannt und darum in Luſtge-
hölzen gern angepflanzt, weil ihr Laub eine karminrothe Herbſtfärbung annimmt.
Sie ſo wie einige andere ausländiſche Eichenarten hat man, eine weſentliche
Bereicherung davon erwartend, nicht blos zur Aufnahme in Parkanlagen,
ſondern geradezu in den Wald empfohlen. Allein die gemachten Verſuche
ergaben, daß ſie im günſtigſten Falle unſeren deutſchen Eichen gleich ſein
könnten und daher eine Verdrängung oder auch nur Beeinträchtigung dieſer
durch die Fremdlinge nicht gerechtfertigt ſein würde. Es iſt ein lobens-
werther Naturpatriotismus, daß wir ausländiſche Pflanzen zwar als Gäſte
[406] in unſeren Gärten und Gewächshäuſern lieben und verehren, aber es
nicht gern ſehen, wenn ſie ſich draußen im Walde anſiedeln wollen und
das deutſche Gepräge deſſelben ſtören.


7. Der Hornbaum, Carpinus Betulus L.

Der Hornbaum gehört in diejenige Abtheilung der Kätzchenbäume,
welche Betulineen, Birken-Kätzchenbäume genannt wird. Dieſer nächſte
Syſtemnachbar, beinahe Ebenbild und Nebenbuhler der Buche, welcher er
den Namen geraubt hat, iſt ebenfalls einhäuſig, alſo männliche und weib-
liche Blüthen nebeneinander auf Einem Stamme tragend; es ſtehen jedoch
nur die weiblichen Blüthenkätzchen am jungen Triebe, die männlichen
dagegen am alten Holze, d. h. vorjährigem Triebe. Die hängenden männ-
lichen Kätzchen
tragen an einer fadendünnen Spindel die zahlreichen
Blüthchen, welche höchſt einfach aus einer muſchel- oder löffelförmigen,
am hängenden Kätzchen mit der concaven Seite abwärts gerichteten Schuppe
beſtehen, unter welcher eine unbeſtimmte Zahl, meiſt 8—14 Staubgefäße
ſtehen (3. 4.), deren zwei Staubbeutelfächer ſo vollſtändig geſondert ſind,
daß jedes Staubgefäß ein doppeltes zu ſein ſcheint (5.). Das ſehr lockere
weibliche Kätzchen iſt ſehr unanſehnlich und will mit aufmerkſamen
Blick unterſucht ſein. Je 2 Blüthchen ſtehen beiſammen, von einem breit
lanzettförmigen Deckblatt (Braktee) umfaßt (6.); jedes Blüthchen beſteht
aus einem in 2 lange fädliche Narben ausgehenden, von einem gezähnten
Kelche bekleideten Fruchtknoten, welcher von einer am Grunde undeutlich
dreilappigen Schuppe umhüllt iſt (7.). Die Blüthezeit fällt je nach der
dauernd eintretenden Frühjahrswärme zwiſchen Anfang und Ende des April.
Nach der Befruchtung wächſt der Fruchtknoten zu einer von den Kelch-
zähnen gekrönten längsgerippten ſehr hartſchaligen platten einſamigen Nuß
aus (10. 11.), welche von der zu einer dreilappigen Hülle erwachſenen
Blüthenſchuppe — mit langem Mittel- und kürzeren Seitenlappen — halb
umfaßt wird (9.).


Das Blatt iſt kurz geſtielt, regelmäßiger elliptiſch und etwas mehr
verlängert als das Buchenblatt, dünner, glatter, faſt ohne Behaarung und
nur an den Rippen ſparſam mit anliegenden ſehr feinen Haaren beſetzt;
[407]

Figure 61. LIX.

Der Hornbaum, Carpinus Betulus L.
1. Zweigſpitze mit 2 männl. u. 1 weibl. Kätzchen u. noch zuſammengefalteten Blättern; — 2. Ein Fruchtkätzchen
an der Spitze eines Triebes; — 3. 4. Männliche Blüthe von vorn, unten u. von der Seite; — 5. Einzelnes
Staubgefäß; — 6. Deckblatt mit 2 umhüllten weiblichen Blüthen; — 7. Ein Blüthenpaar mit den Hüll-
ſchuppen; — 8. Einzelnes Blüthchen ohne dieſe; — 9. Reife Frucht mit der großen dreilappigen Hüllſchuppe; —
10. Dieſelbe ohne Hüllſchuppe, u. 11. Querdurchſchnitt derſ.; — 12. Die beiden auseinandergelegten Samen-
lappen; — 13. Triebſpitze oben mit Laubknospen u. unten (♂) mit männlichen Blüthenknospen; — 14. Keimpflanze.


[408]am Rande ſcharf doppelt ſägezähnig und nicht gewimpert. Die
Seitenrippen verlaufen faſt vollkommen parallel und ſtehen dichter an-
einander, ſind daher an einem gleichlangen Blatte zahlreicher (durchſchnittlich
jederſeits 10—12) als bei der Buche, und auffallend geradlinig. Hieraus
ergiebt ſich, daß das Blatt allein ſchon ausreicht, um einer Verwechſelung
des Hornbaums mit der Buche vorzubeugen. Der ſcharf gezähnte
Rand
iſt das hervorſtechendſte Unterſcheidungsmerkmal. Bei einer ober-
flächlichen Vergleichung wäre eher eine Verwechſelung mit dem Rüſterblatte
möglich; aber abgeſehen davon, daß letzteres am Grunde ungleichſeitig
(ſchief) iſt, ſo unterſcheidet es ſich auch leicht durch ſeine mit ſehr kleinen
Stachelhärchen bedeckte Ober- und Unterſeite, ſo daß das Rüſterblatt ſich
beim Aufühlen rauh und ſcharf zeigt. Die Blätter ſind erſt vollkommen
ausgebildet wenn die männlichen Kätzchen längſt abgefallen ſind.


Bei der Knospenentfaltung ſtehen neben jedem Blattſtiele, wie bei
der Buche, zwei ſehr bald abfallende zungenförmige, am Rande gewimperte
After- oder Nebenblättchen, und die jungen Blättchen ſind, wie eben-
falls bei der Buche, von beiden Seiten nach der Mittelrippe hin fächer-
artig zuſammengefaltet (1.) und ſtark behaart, weil die auswärts gekehrten
dicht an einander liegenden Seitenrippen ihre Behaarung dann am meiſten
geltend machen. Jedoch fällt dann am meiſten der Mangel der Wimpern
am Blattrande auf, welcher dagegen deſto mehr bei dem noch zuſammen-
gefalteten Buchenblättchen ſichtbar iſt. (F. XXII. S. 165.)


Der junge Trieb iſt wie bei der Buche mit anliegenden ſeidenartigen
Haaren ſparſam beſetzt, welche aber im 2. bis 3. Jahre abfallen. Er iſt
ſehr dünn, und wenn es ein Langtrieb iſt, ſo vollendet er ſein Wachsthum
viel langſamer als bei der Buche. Die Kurztriebe ſind an den meiſt
etwas hängenden Verzweigungen alter Bäume auffallend dünn und durch
die Blattkiſſen (S. 59) knotig.


Die Knospen (13.) ſind denen der Buche ähnlich, aber etwas kürzer,
ſparſam behaart und etwas gekrümmt an den Trieb angedrückt, ſie ſind
ſpiral geordnet und zwar etwas deutlicher als bei den vorhergehenden
Laubholzarten; ſie ſtehen ſenkrecht — nicht ſchräg, wie bei der Buche —
über der kleinen auf einem deutlichen Blattkiſſen ruhenden Blatt-
ſtielnarbe.
Die zahlreichen Knospenſchuppen ſtehen ſpiral ziegeldach-
artig und ſind kaffeebraun gefärbt. Die männlichen Blüthenknospen (die
[409] 3 untern Knospen der Fig. 13.) fallen leicht durch bedeutendere Größe
und durch die zahlreichen Schuppen — die Deckſchuppen der Blüthchen —
auf, und eben ſo ſind die gemiſchten Knospen, welche die weiblichen Kätzchen
einſchließen, und welche ſtets Endknospen ſind, durch etwas bedeutendere
Größe zu erkennen. Die Keimpflanze des Hornbaumes (14.) hat dunkel-
grüne fleiſchige ziemlich dicke herzförmig gerundete Samenlappen.


Der Stamm des Hornbaumes iſt von dem der Buche ſehr ver-
ſchieden, indem er unter allen deutſchen Bäumen am meiſten von der
Walzenform abweicht. Er zeigt immer mehr oder weniger deutlich aus-
geprägte Längswülſte, welche immer etwas ſpiral den Stamm umziehen,
ſo daß dieſer meiſt ſeilartig gewunden erſcheint, was der Forſtmann „ſpann-
rückig“ oder „kluftig“ nennt. Der Stammquerſchnitt iſt daher nur äußerſt
ſelten kreisrund, ſondern zeigt die verſchiedenſten ſtumpfeckigen Geſtalten.
Der Hornbaumſtamm erhebt ſich ſelbſt im Schluſſe niemals zu einer be-
deutenden aſtfreien Länge, ſondern zertheilt ſich ſchon bei geringer Höhe,
die ſelten über 20 Fuß beträgt, in eine große Zahl ſchwacher, meiſt ſehr
langer, dicht über einander gedrängter, aufwärts gerichteter Aeſte mit ſehr
feiner ruthenartiger Verzweigung. Dadurch bekommt die Krone des Horn-
baumes im laubloſen Zuſtande ein beſenartiges Anſehen.


Die Rinde iſt von hellſilbergrauer Farbe — was allein dem Stamme
einige Aehnlichkeit mit dem Buchenſtamme giebt — meiſt ſehr glatt, aber
viel mehr als bei der Buche zur Beherbergung von Kruſtenflechten und
Mooſen geneigt. Sie iſt auch an den älteſten Stämmen ſehr dünn und
zeigt auf einem Stammquerſchnitte die auffallende Eigenthümlichkeit, daß
ſie in der Dicke ſehr wechſelt, ſo daß die Außen- und Innenſeiten der
Rinde niemals parallel ſind.


Das Holz hat einige ſehr beſtimmte Merkmale. Es iſt durch ſeine
helle faſt weiße Farbe ausgezeichnet. Die vielfach ausgebogten Jahr-
ringe
meiſt durch das porenarme Herbſtholz deutlich bezeichnet. Die
Markſtrahlen ſind zum Theil ſehr breit, dabei aber äußerſt fein und
neben zahlreichen vereinzelt ſtehenden gruppenweiſe in Menge dicht zuſammen-
gedrängt, was dem Querſchnitt, beſonders dünner Zweige, ein ſtrahliges
und dem nicht vollkommen ſenkrechten Spaltſchnitt ein gewäſſertes Anſehen
giebt. Der Hornbaum hat ſeinen Namen ohne Zweifel von dem außer-
ordentlich dichten, feſten und ſchweren Holze, welches ſehr ſchwerſpaltig
[410] und, wenigſtens im Trocknen, ſehr dauerhaft iſt. Das Mark beſteht wie
bei der Buche nur aus Kreisſchichtzellen (S. 87), iſt ſehr dünn und auf
dem Querſchnitt eckig. Splint und Kern ſind am Hornbaumſtamme nicht
zu unterſcheiden und der Hornbaum iſt daher nach Nördlingers Be-
zeichnung ein „Splintbaum.“


Die Krone des Hornbaums wölbt ſich nie ſo vollkommen wolken-
oder domartig ab wie die der Buche. Im Schluſſe nimmt ſie eine eirunde
Geſtalt an und behält faſt immer einen erkennbar bleibenden Wipfel bei.
Freiſtehend zeigt ſich die Krone ſehr in die Breite gezogen, zerriſſen und
durchſichtig locker. Keiner unſerer Laubbäume zeigt überhaupt eine ſo
große Manchfaltigkeit und in der Aſtbildung und Stellung ſo abenteuerliche
Verhältniſſe als der Hornbaum.


Die Wurzel verläuft wie bei der Fichte flach im Boden, bildet
keine Pfahlwurzel ſondern nur ſchwache ziemlich weitreichende Aeſte, deren
Anſatz am Stocke oft knorrige Buckel bildet.


Vergleicht man den Hornbaum mit der Buche in äſthetiſcher, gewiſſer-
maßen in einer Auffaſſung ſeiner als Perſon, ſo unterſcheidet er ſich von
der munteren eleganten Buche mit ihrem ſchönen glatten walzenrunden
Stamme durch eine gewiſſe Trockenheit, etwas dürr Knochiges, man möchte
ſagen Abgemagertes, was hauptſächlich durch ſeinen ſpannrückigen Stamm-
wuchs hervorgebracht wird. Selbſt das Blatt unterſcheidet ſich von den
Buchenblatte durch ſeine dünne, trockne, faſt ſaftloſe Beſchaffenheit. Dieſer
Charakter des Hornbaumes iſt auf unſerem Kupferſtiche ſehr gut wieder-
gegeben.


Fig. LXI. 3. zeigt uns das am Rande tiefer eingeſchnittene Blatt einer
Spielart, welche wohl nur durch künſtliche Veredlung fortzupflanzen ſein
wird. Im Leipziger botaniſchen Garten ſteht ein alter Hornbaum an
welchem nur einige Aeſte ſolche Blätter tragen. Fig. 1. und 2. ſtellen das
Buchen- und das Hornbaumblatt zu genauerer Vergleichung nebeneinander.


Den Standort verlangt der Hornbaum ungefähr eben ſo wie die
Buche, mit welcher er ſich daher auch in den Vorbergen ſehr häufig in
Vermiſchung findet. Er iſt jedoch etwas genügſamer und nimmt auch mit
trockenem Boden fürlieb.


Die Verbreitung des Hornbaums beſchränkt ſich in der Hauptſache
auf Deutſchland und deſſen weſtliche und öſtliche Nachbargebiete und iſt
[]

[figure]

[][411] mehr eine vereinzelte als eine Maſſenverbreitung. Eine Seltenheit iſt ein
672 pr. Morgen großer Waldbeſtand im Labiauer Kreiſe (Oſtpreußen),
welcher weſentlich vom Hornbaum gebildet wird. Jenſeits der Alpen
kommt er nicht mehr vor und ſchon in der Schweiz ſelbſt iſt er ſelten.


Figure 62. LXI.

1. Buchenblatt; — 2. Hornbaumblatt; — 3. Blatt der geſchlitztblättrigen Spielart des
Hornbaumes.


Das Leben des Hornbaums zeichnet ſich beſonders durch eine große
Zähigkeit und Wiedererzeugungskraft aus. In der Jugend wächſt er lange
Zeit buſchig mit einer pyramidalen ſpitzen Krone und ſchwachen langen
unteren Aeſten von denen ſich der heranwachſende Baum nur ſehr allmälig
und nicht hoch hinauf reinigt. Um ſo mehr muß man, um möglichſt hohe
Bäume zu erziehen, auf einen dichten Schluß halten, wo dann die Bäumchen
dünn und gertenartig aufſchießen und eine bedeutende Höhe erreichen.
Der Umſtand, daß im Längenwachsthum ſich eine Baumart oft von einer
anderen, mit der ſie vermiſcht iſt, in ihrem Wachsthum beſtimmen läßt,
veranlaßt den Hornbaum in Vermiſchung mit der ſchlanken Buche einen
höheren und aſtreineren Schaft zu bilden, während er in den Leipziger
[412] Auenwäldern in Geſellſchaft der langſam wachſenden Eiche einen kurz-
ſchaftigen weitäſtigen Wuchs zeigt.


Der Hornbaum trägt ſehr frühzeitig und reichlich Samen, namentlich
an ſolchen Stämmen, welche aus Stockausſchlägen erwachſen ſind. In
reichen Samenjahren geben die zahlreichen bis 2 Zoll langen männlichen
Blüthenkätzchen dem Baum wegen ihrer gelbbraunen Schuppenfarbe ein
eigenthümliches Kolorit. Ebenſo verleihen ſpäter die zahlloſen Frucht-
trauben der Krone ein krauſes Anſehen, indem die Blätter davon faſt
verdeckt werden. Der Same reift erſt Ende Oktober und die wegen der
langen dreilappigen Deckſchuppen ſehr ins Auge fallenden Fruchttrauben
löſen ſich meiſt erſt ſehr ſpät ab. Der Same geht, wenn er gleich nach
der Reife geſäet wird, zwar oft im folgenden Frühjahr auf, meiſt aber
„liegt er über“, d. h. keimt erſt im zweiten Frühjahr, daher die ſofortige
Herbſtſaat vorzuziehen iſt. Spätfröſte ſcheinen den jungen Trieben kaum
etwas anzuhaben, wie auch der Hornbaum überhaupt von Krankheiten und
Feinden kaum zu leiden hat. Auf felſigem Boden findet man zuweilen
ganz ausgefaulte äußerlich ganz geſund ſcheinende Stämme. Das verfaulte
Holz iſt aber aus ſolchen ſo vollſtändig beſeitigt, daß ſie hohle inwendig
geſchwärzte Röhren von oft kaum 2 Zoll Wandungsdicke ſind. Beſonders
ausgezeichnet iſt der Hornbaum durch ſein unverwüſtliches Ausſchlags-
vermögen, ſowohl aus dem Stocke wie aus dem Stamme. Da aus der
Rinde leicht Adventivwurzeln (S. 120) hervortreten, ſo läßt ſich der
Hornbaum auch leicht durch Senker vermehren. In Niederwald bilden
ſich durch niederliegende Stockausſchläge, die mit verfaulendem Laub über-
deckt werden, leicht natürliche Senker. An jüngeren noch buſchigen ge-
deihlich ſtehenden Bäumen findet man im Sommer ſehr häufig die auf
S. 81 beſprochene Anticipation der Knospen. Sein Lebensalter kann
der Hornbaum unter günſtigen Verhältniſſen wohl auf 300—400 Jahre
bringen, während er auf trocknen und heißen Standorten bei 80 bis
100 Jahren zurückgeht und abſtirbt.


Der Frühjahrsſaft-Strom (S. 106) iſt im Hornbaum ganz beſonders
heftig und reichlich, ſo daß man zur Zeit der lebhafteſten Bewegung des-
ſelben aus noch nicht abgeſtorbenen Aſtſtummeln einen bis federkieldicken
ununterbrochen rinnenden Quell austräufeln ſieht und ſchon von weitem
fallen hört.


[413]

Das ſchon früher erwähnte lang andauernde Feſtſitzen des dürren
Laubes zeigt ſich ganz beſonders auch am Hornbaum, namentlich am Stock-
ausſchlag und an Hecken.


Die forſtliche Bedeutung des Hornbaumes iſt faſt nur für den
Mittel- und Niederwald erheblich, da er kaum als beſtandbildender Baum
vorkommt; wogegen ihn ſein großes Ausſchlagsvermögen für die beiden
genannten Betriebsarten ſehr empfiehlt. Da aber auch der Stock- und
Stammausſchlag ſehr langſam wächſt, ſo wird er gewöhnlich auf den
25—30 jährigen, den längſten, Umtrieb geſtellt.


Wegen der Leichtigkeit, mit welcher der Hornbaum im jüngeren Alter
den Verluſt des Wipfels erträgt, und ſich durch Ausſchläge verdichtet,
eignet er ſich ganz vorzüglich zu Hecken. Dieſe werden nicht nur ſehr
dicht ſondern wegen des zähen Holzes der ſich vielfach feſt verſchränkenden
Zweige auch eine faſt undurchdringliche Mauer für Thiere und Menſchen.


Das weiße, dichte und ſehr zähe Holz findet vor allen anderen deutſchen
Holzarten zu vielerlei Zwecken faſt ausſchließende Verwendung, namentlich
zu Trieben und Schrauben, Walzen, Radkämmen, Stielen für Hacken
und andere Werkzeuge.


Der Hornbaum iſt weniger unter dieſem als unter vielen andern
Namen bekannt, von denen namentlich diejenigen zu verwerfen aber leider
nicht auszurotten ſind, welche mit Buche zuſammengeſetzt ſind: Hainbuche,
Hage-, Weißbuche und welche zu dem Irrthum verleiten, daß Rothbuche
und Weißbuche etwa eben ſo gattungsverwandt ſeien wie Weißerle und
Schwarzerle (vergl. S. 371). Wo die Buche fehlt, alſo der Grund
zu einem unterſcheidenden Beiſatz wegfällt, wird ſehr oft, wie z. B. in
der Leipziger Ebene, der Hornbaum kurzweg Buche genannt.


8. Die Hopfenbuche, Ostrya carpinifolia Scopoli.
(Carpinus Ostrya L.)

Dieſer dem vorigen ſehr ähnliche und auch ſehr nahe verwandte
Baum wurde daher von Linné zu derſelben Gattung gerechnet, jedoch
ſchon von Scopoli zur eigenen Gattung erhoben.


Das Blatt der Hopfenbuche iſt durchſchnittlich etwas kleiner als
das des Hornbaums und in eine längere und ſchlankere Spitze ausgezogen;
[414] am Grunde iſt es ein wenig entſchiedener herzförmig und die Sägezähne
des Randes etwas tiefer eingeſchnitten. Während das Hornbaumblatt
ganz kahl iſt und nur auf der Unterſeite an den Blattrippen feine an-
liegende Härchen trägt, iſt das Blatt der Hopfenbuche auf beiden Blatt-
flächen anliegend und an den Rippen der Unterſeite ſowie die kurzen
Blattſtiele zottig behaart.


In der weiblichen Blüthe und in der Frucht beſteht ein um ſo
größerer Unterſchied zwiſchen beiden Bäumen. An der Stzitze des neuen
Triebes ſtehen die etwa 10—18-blüthigen Kätzchen, deren Blüthchen von
höchſt einfachem Bau ſind. Je zwei und zwei nebeneinander ſtehende
weibliche Blüthchen ſind von einer höchſt hinfälligen ſpitz eiförmigen Deck-
ſchuppe geſtützt. Das Blüthchen beſteht aus einem platten ſpitz eiförmigen
Schlauche, welcher namentlich an der untern Hälfte mit ſteifen Seiden-
borſtchen beſetzt iſt. In dieſem ringsum geſchloſſenen Schlauche ſteckt der
viel kleinere und kürzere mit zwei langen fadenförmigen Narben verſehene
Stempel. Der geſchloſſene Schlauch, der an der reifen Frucht die Größe
eines kleinen Kürbiskerns erreicht, vertritt das dreilappige Blattgebilde,
welches bei dem Hornbaum die harte dreikielige Frucht nur an der einen
Seite umſchließt. Wenn die Frucht ausgewachſen iſt, ſo ſieht das ganze
Fruchtkätzchen dem reifen Hopfenzäpfchen gar nicht unähnlich und dies hat
dem Baume den nicht unpaſſenden Namen gegeben. Zur Zeit der Frucht-
reife gewährt eine recht reichlich tragende Hopfenbuche wegen dieſer Aehnlich-
keit einen überraſchenden Anblick und verdient deshalb ſehr, in unſern
Parkanlagen aufgenommen zu werden, wo ſie auch ſehr gut fortkommt.


Wie im ganzen Bau und in der feinen Verzweigung der Krone, ſo
hat auch das Holz hinſichtlich ſeiner Zähigkeit mit dem „hahnebüchenen“ —
dieſer Kraftausdruck kommt vielleicht von dem feſten Holze der Hagebuche
her — große Aehnlichkeit, nur daß jenes ſehr weiß, dieſes aber bräunlich iſt.


Die Heimath der Hopfenbuche iſt der Südoſten Mitteleuropas,
Illyrien, Südtirol, die italieniſche Schweiz und die öſterreichiſchen Küſten-
lande. Sie verlangt einen tiefgründigen friſchen Boden und gedeiht in
der Ebene wie in dem niederen Gebirge.


Eine forſtliche Bedeutung iſt dem nicht leicht über 30—40 F. hohen,
einen gedrängten Bau zeigenden Baum kaum zuzuſchreiben, da er nicht
beſtandbildend auftritt und in jeder Beziehung dem Hornbaum nachſteht.


[415]
9. Die Schwarz-Erle, Alnus glutinosa Gärtner.
(Betula Alnus L.)

Dieſe treue Begleiterin der Bäche und Flüſſe der deutſchen Ebene,
die auch faſt jeden Weiher und Teich beſchattend umſäumt, tritt aus dem
Walde gern hervor mehr in die Nähe der Menſchen und iſt nur in be-
ſchränktem Sinne ein Waldbaum zu nennen.


Trotz der nahen Verwandtſchaft mit der Birke, durch welche ſich
Linné täuſchen ließ, iſt es doch leicht beide von einander zu unterſcheiden,
ſchneller freilich durch das Geſammtbild beider, als durch die botaniſchen
Kennzeichen, in welchen ſie ſich ſehr nahe ſtehen.


Unſere Tafel LXII. zeigt uns, daß auch die Erlen einhäuſig ſind.
Schon zeitig im Herbſte, wenn die Blätter noch friſch ſind, finden wir die
männlichen und die weiblichen Blüthenkätzchen [faſt] vollkommen ausgebildet,
nur noch beträchtlich kleiner als zur Blüthezeit und geſchloſſen. Man
könnte daher glauben, daß dieſe Kätzchen noch im Spätherbſt zum Blühen
kommen könnten. Die männlichen ſtehen je 4—5 an einem veräſtelten
Blüthenſtand und ſind walzenförmig, die weiblichen ſtehen eben ſo, ſind
aber viel kleiner und eiförmig (1.). Beide haben einſchließlich der Stiele
den Winter über eine chocolatbraune Farbe.


Schon im März bis Mitte April, je nach dem Eintreten der Früh-
jahrswärme von 7—8 Grad ſtrecken und lockern ſich die männlichen
Kätzchen
(2.) um mehr als das Doppelte und es zeigen ſich in regel-
mäßigen Spiralen geſtellt an der fadenförmigen Spindel auf kurzen
Stielchen je drei vierblättrige 4 Staubgefäße enthaltende Blüthchen
(6.—8.) unter einer von fünf ſchuppenförmigen Blättchen gebildeten Hülle
(3. 13.). Die weiblichen Blüthchen, aus denen das kleine Blüthen-
kätzchen (9.) zuſammengeſetzt iſt, beſtehen aus einer rundlichen Schuppe,
die auf ihrer Innenſeite 2 Fruchtknoten mit je 2 dünnen Griffeln trägt.
Je 2 dieſer Blüthchen werden von einer fünftheiligen Blüthenſchuppe
getragen. Dieſes Blüthenkätzchen wächſt bei der Reife zu einem eirunden
Zäpfchen aus (17.), in welchem die Blüthenſchuppen ähnlich wie bei
den Nadelbaum-Zapfen zu holzigen, einigermaßen fächerförmig fünftheiligen
(13.) Schuppen geworden ſind, deren jede (12.) zwei einſamige, platte
[416]

Figure 63. LXII.

Die Schwarz-Erle, Alnus glutinosa Gärtn.
1. Triebſpitze mit den nächſtjährigen vorgebildeten männlichen und weiblichen Kätzchen; — 2. Männliches
Blüthenkätzchen; — 3. — 6. Eine dreiblüthige Kätzchenſchuppe, von vorn, von der Seite (an einem Stück der
Spindel anſitzend), von vorn und von hinten geſehen; — 7. 8. Eine vierzipfelige einzelne Blüthe von der
Seite und von oben, mit 4 Staubbeuteln; — 9. Weibliches Blüthenkätzchen; — 10. Weibl. Blüthenſchuppe
mit den 2 zweitheiligen Blüthchen; — 11. Letztere allein; 12. — 14. Zapfenſchuppe von innen (mit den zwei
Früchten), von außen und von vorn geſ.; — 15. Eine Frucht; — 16. Dieſe querdurchſchnitten; — 17. Die
reifen Fruchtzäpfchen; — 18. Ein entleertes Fruchtzäpfchen; — 19. Eine Triebſpitze mit 3 Knospen; — 20. Quer-
durchſchnitt des Zweiges. (Nur 1. 2. 17. 18. 19. 20. ſind in natürl. Gr. gezeichnet.)


[417] am Rande etwas geflügelte, von den ſtehen gebliebenen Narbenüberreſten
(15.) gekrönte Früchte (Samen) (15. 16.) deckt.


Der Same reift im Oktober, fällt aber erſt den Winter über bis
zum nächſten Frühjahr aus und wird in dieſer Zeit auf den Gewäſſern
in großer Menge ſchwimmend gefunden, an deren Ufern Erlen wachſen.
Bis zur Reife iſt das Erlenzäpfchen mit einem goldgelben harzähnlichen
Gummi verklebt, welches auch an den jungen Trieben und Blättchen
reichlich vorhanden iſt und der Art den lateiniſchen Namen gegeben hat.
Die entleerten Zäpfchen bleiben dann noch bis zum April oder Mai neben
den neuen Blüthen hängen und fallen dann erſt, nicht einzeln, ſondern
die ganze Gruppe (17.) auf einmal ab.


Das Blatt der Schwarzerle iſt verkehrt eiförmig bis faſt kreisrund,
an der Spitze abgeſtutzt bis eingedrückt und unten in den ziemlich langen
Blattſtiel keilförmig verſchmälert. Es iſt namentlich jung klebrig und
ſchwach behaart, ſpäter kahl und in den Achſeln der Seitenrippen auf der
kaum heller gefärbten Unterſeite mit bräunlichen Haarbüſcheln verſehen.
Der Blattrand iſt unregelmäßig und nicht tief doppelt ſägezähnig. Die
Blätter ſtehen an den Langtrieben ziemlich weitläufig und undeutlich ſpiral-
förmig geordnet auf einem hervortretenden Blattkiſſen.


Die Knospen ſind ſtreng genommen nackte, d. h. ſchuppenloſe
(S. 59.), denn die 2—3 äußerlich ſichtbaren ſcheinbaren Knospenſchuppen
(19.) ſind wahre Nebenblättchen, deren wie immer je 2 zu jedem Blatte
gehören. Bei der Knospenentfaltung krümmen ſich dieſe Schuppenſtelle
vertretenden Nebenblättchen nach außen und ſterben ſehr bald ab. Ein
Haupt-Winterkennzeichen der Erlen liegt in der geſtielten Knospe (19.).
Die Blattſtielnarbe iſt faſt dreieckig und liegt auf einem ſtark hervor-
tretenden Blattkiſſen. Ein weiteres Kennzeichen, welches namentlich an
dünnen Zweigen die Erlen im Winter erkennen läßt, iſt das auf dem
Querſchnitt dreieckige Mark (20.), durch deſſen Einfluß üppige Triebe
an Stockausſchlägen deutlich dreiſeitig werden.


Die Keimpflanze geht mit faſt kreisrunden etwas fleiſchigen Samen-
lappen und ſehr kleinen einfachgezähnten Herzblättern auf.


Der Stamm hat in jedem Alter eine große Neigung, ſich gerade zu
ſtrecken und deshalb iſt die Schwarzerle auch derjenige unſerer Laubbäume,
der am meiſten ſeinen Stamm bis zum Wipfel gerade fortſetzt ohne ihn
Roßmäßler, der Wald. 27
[418] in der Krone in Aeſte aufzulöſen (S. das Bild). Daher hat eine Erle
auch immer nur ſchwache und kurze faſt horizontal abſtehende Aeſte, die
ſich ſehr fein verzweigen, und eine der Pyramidenform oft nahe kommende
Krone. Die Rinde der jungen Triebe iſt dunkel chocolatbraun und die
der ſtarken Aeſte und des Stammes mit einer tafelförmig, ohne großes
Vorherrſchen ſenkrechter Furchen, zerberſtenden dunkeln Borke bedeckt.


Das Holz der Schwarzerle erſcheint auf dem Querſchnitt ſehr gefäß-
reich und hat nächſt der Linde die weiteſten Holzzellen, ſo daß ſie mit
einer ſcharfen Lupe zum Theil unterſchieden werden können. Die Gefäße
(Poren) ſind eng, zahlreich, oft perlſchnurartig in radialer Richtung bis
zu 6 und 8 aneinander gereiht, an der Frühjahrsgrenze etwas zahlreicher
als in dem gefäßärmern Herbſtholze und daher die Jahresringe ziemlich
deutlich bezeichnet. Neben zahlreichen einzeln ſtehenden äußerſt feinen
Markſtrahlen drängen ſich andere gruppenweiſe wie bei dem Hornbaum-
holze zu breiten und faſt handhohen Streifen zuſammen. Das Erlenholz
iſt faſt immer ſehr reich an roſtbraun gefärbten Markwiederholungen
(S. 107. Markfleckchen Nördlingers), was ihm auf dem Querſchnitt ein
geflecktes, auf dem Längsſchnitt ein ſtreifiges Anſehen giebt. Splint
und Kern ſind nicht unterſchieden; die Farbe des im Saft gefällten Erlen-
holzes iſt faſt rein pommeranzengelb, das trockene hell roſtroth. Daher
leuchten die Abhiebe der Stöcke und die umherliegenden Späne auf Erlen-
ſchlägen lange Zeit ſchon von weitem entgegen. Das Erlenholz iſt ziemlich
grob, im Waſſer ſehr, im Trocknen wenig dauerhaft, brennt, ebenſo wie
ſeine Kohle, gut nur bei gutem Luftzuge.


Die Wurzel dringt mit zahlreichen Aeſten tief in den Boden ein,
ſtreicht jedoch auf ſehr naſſem Boden auch mit zahlreichen Aeſten flach
und in weitem Umfange ſeicht in der Oberfläche; treibt an Ufern auch
gern feine Wurzeläſte in das Waſſer, wo ſie alsdann eigenthümliche roſt-
rothe traubige Auswüchſe bildet, welche jedoch der Erlenwurzel eigenthümlich
zu ſein ſcheinen, da ſie auch im Boden ſchon an jungen Erlenpflanzen
vorkommen.


Unter mehreren Spielarten der Erle ſind namentlich 2 in den
Gartenanlagen durch Veredeln verbreitete zu erwähnen: die zerſchlitzt-
dornblättrige,
A. gl. incisa, und die weißblättrige,A. gl. laciniata.


[419]

Nur auf Koſten ihres Gedeihens verläßt die Schwarzerle den ihr
am meiſten zuſagenden naſſen (jedoch nicht ſauren), humusreichen Stand-
ort
und verkrüppelt zuletzt auf trockenem feſten Boden zu einem klein-
bleibenden knickig wachſenden Baume. Daher finden wir auch in Deutſch-
land und weit über deſſen Grenzen hinaus die Schwarzerle überall da,
wo quelliger bruchiger Boden eben ſo ſehr ſie begünſtigt als faſt alle
übrigen Waldbäume ausſchließt. Auf dieſe Weiſe entſtehen die „Erlen-
brüche“, deren namentlich im Nordoſten von Deutſchland ſehr viele und
von großer Ausdehnung vorkommen. Hier wechſelt ſie in der Boden-
benutzung an vielen Orten mit ihrem Gegenſatz, der genügſamen Kiefer,
ab, welche die ſandigen trockenen Bodenanſchwellungen zwiſchen den naſſen
erlenbewachſenen Einſattelungen einnimmt. Eine ſolcher ausgedehnter Erlen-
bruch iſt zum Theil nur bei ſtrengem Froſt zugänglich und ſeine forſtliche
Benutzung auf die kurze Zeit des harten Winters beſchränkt.


Im Leben der Schwarzerle bildet außer ihrem großen Feuchtigkeitsbe-
dürfniß eine lang anhaltende große Ausſchlagsfähigkeit einen hervorſtechenden
Zug, namentlich am Wurzelſtocke, weniger am geſchneidelten und geköpften
Stamm (S. 391.), während ihr der Wurzelausſchlag faſt gänzlich abgeht.
Trotz ihres Feuchtigkeitsbedürfniſſes ſucht ſich die Erle in Brüchen doch
immer die kleinen nicht geradezu tropfbares Waſſer enthaltenden Stellen
aus, weshalb ein Erlenbruch immer licht und weitläufig beſtanden zu ſein
pflegt und man muß darin oft über ſumpfige Stellen von einem kleinen
Bauminſelchen zum andern ſpringen. Auf dem ſchwimmenden Sumpf-
boden bleibt die Schwarzerle klein und buſchig. Auf hinlänglich feſtem
Boden beginnt ſchon mit dem erſten Lebensjahre die Neigung zur geraden
Stammbildung ſich zu zeigen und beginnt auch ſchon ſehr zeitig ihren
Stamm hoch hinauf zu reinigen. Ihre Kronenabwölbung beginnt mit
20—30 Jahren und ſchon in dieſem Alter beginnt ſie zu blühen, was
meiſt alle Jahre reichlich und zwar ſehr lange vor dem Laubausbruche
ſtattfindet. Dieſer erfolgt bei den verſchiedenen Bäumen ſehr ungleich-
zeitig und unter unſern Laubhölzern mit am ſpäteſten. Sie verliert aber
auch ſehr ſpät im Herbſt das Laub und zwar faſt ganz ohne vorgängige
Verfärbung, meiſt in Folge des erſten Froſtes. Der abfallende Same
fliegt oft erſt auf den bereits liegenden Schnee oder auf das Eis der
Gewäſſer und iſt dann dem Zeiſig, der daher den wiſſenſchaftlich all-
27*
[420] gemein angenommenen Namen Erlenzeiſig führt, ſeine Hauptnahrung. Von
der Oberfläche fließender Gewäſſer kann man den Erlenſamen durch vor-
gelegte Reiſigbündel leicht in großer Menge auffangen. Schnell ausgeſäet
iſt dieſer gefiſchte Same ebenſo keimfähig als gepflückter und ausgeklengter
(S. 284). Als Lichtbaum verkümmert die Schwarzerle im Schatten ſehr
bald, und ſucht daher beſonders gern die ſtarkbeleuchteten freien Bachufer
in Gebirgsthälern, wo ſie ihren kräftigſten Wuchs erreicht. Der raſche
Wuchs der Jugendperiode läßt bald nach und dann zeigt die Erle nur
einen langſamen Zuwachs, jedoch hat ſie auf gutem Standort einen
80—100 Jahr aushaltenden Wuchs und hat dann einen runden vollholzigen
Stamm von 2—3 Fuß Durchmeſſer und bis 80 Fuß Höhe.


Von Krankheiten leidet die Schwarzerle beinahe gar nicht, wohl
aber im harten Winter wegen ihres ſpröden Holzes und in der froſtfreien
Jahreszeit wegen ihres lockern, zuweilen faſt ſchwimmenden Standes
durch Windbruch.


In der Inſektenwelt hat die Schwarzerle ebenſo wie die Weißerle
einen böſen Feind in einem ſchwarz und ſilbergrau gezeichneten 3 bis
4 Linien langen Käfer, dem Erlen-Rüſſelkäfer,Curculio (Crypto-
rhynchus) Lapathi L.
In mäßigen 3—6 Zoll ſtarken Stämmen des
Stockausſchlages wühlt deſſen Larve Gänge im Holze, ſowohl im Innern
wie unter der Rinde. Man erkennt das Vorhandenſein der Larven leicht
an dem ſägeſpänartigen Wurmmehl, welches in den Ausgangslöchern
hängt. Die durchwühlten Stämmchen werden dann von dem Winde leicht
umgebrochen. Seltener wird dieſer Käfer nebſt dem dunkelſtahlblauen
Erlen-Blattkäfer,Galeruca (Agelastica) Alni Fabr. den Saaten
ſchädlich, indem er den Pflänzchen die Rinde, die Larve des zweiten die
Blätter benagt. Außerdem iſt ſehr vielen anderen Inſekten, namentlich
Käfern, die Erle als Wohnungs- und Nahrungsbaum tributpflichtig, ohne
jedoch weſentlich darunter zu leiden.


Die an ſich untergeordnete forſtliche Bedeutung der Schwarzerle iſt
dazu noch ſehr von den gegebenen Bodenbedingungen abhängig. In
zuſammenhängenden ausgedehnten Forſten iſt ſie daher mehr blos ein
Lückenbüßer, wenn auch der Natur des Ortes nach oft von nicht unbe-
deutender Erheblichkeit. Dagegen hat ſie für den kleineren Waldbeſitz,
namentlich für Bauernhölzer in Flußniederungen, beſonders als Schlag-
[]

[figure]

[][421] holz einen beträchtlichen Werth. Sie ſpielt daher auf dem ländlichen
Grundbeſitz namentlich als Uferbaum oder Buſch die Dorfbäche entlang
eine wichtige Rolle.


Die forſtliche Behandlung widmet der Schwarzerle, wo man
etwas für ihre Erziehung thut, den künſtlichen Anbau, durch Erziehen in
Saatgärten und Auspflanzen der zwei- bis dreijährigen Pflänzchen an
paſſende Standorte, da man ſie durch Saatkultur, noch weniger durch
Samenbäume, nicht erziehen kann, weil ſie ſonſt, was nicht geſchieht, aus
den faſt überall von ſelbſt anfliegenden Samen freiwillig aufgehen würde,
wenn ihr dieſe Verjüngung zuſagte. Stöcke von 30—40 Jahre alten Bäumen
geben aus der Rinde einen ſo reichlichen Stockausſchlag, aus dem ſich ſo
anſehnliche Stämme entwickeln, daß die Niederwaldwirthſchaft mit der Erle
den größten Holzertrag giebt bei einem mindeſtens 15- und höchſtens
40jährigen Umtrieb. Solche Erlenſtöcke können (S. 202.) ein außer-
ordentlich hohes Alter erreichen, wobei ſie, indem ſie vom Mittelpunkte
aus ausfaulen, an Umfange immerfort zunehmen, weil ſie von ihren
Lohden ernährt werden.


Was die Benutzung der Schwarzerle betrifft, ſo iſt zunächſt ihr
Holz ſowohl als Brenn- wie als Nutzholz noch immer zu den beſſeren
zu rechnen. Die zahlreichen dunkleren Markflecken und die helleren großen
zuſammengeſetzten Markſtrahlen ſo wie eine Neigung zu wimmerigem und
maſerigen Wuchs geben demſelben bei ſeiner anſehnlichen Feſtigkeit ſelbſt
für den Tiſchler noch immerhin einen bedeuteuden Werth, während dieſer
zu Waſſerbauten und zu Brunnenröhren und Waſſerleitungen ſogar ſehr
groß iſt. Der Erlenmaſer ſteht denen der Birke und Rüſter wenig nach.
Auch die Rinde wird zuweilen zum Gerben und Färben benutzt.


Wie die meiſten allgemein verbreiteten und praktiſch beachteten Pflanzen
ſo hat auch die Erle eine Menge ortsübliche Namen: Eller, Elſe, Aller,
Arle, Urle, Elder, Older, Orlenbaum, Olker, Olten, Etter, Elſt, Elten,
Elfern und, der Holzfarbe wegen, Rotherle, während Schwarzerle mehr
auf die Rinde deutet.


Erlkönig, der durch Goethe unſterblich gewordene, ſteht vielleicht zur
Erle in Beziehung. Gewiſſer iſt, daß dieſer des Lebenselementes des
Waſſers ſo ſehr bedürftige Baum in der nordiſchen Götterlehre eine große
Rolle ſpielte; denn wie aus der Eſche, Askr, der Mann, ſo ging nach
[422] ihr aus der Erle, Embla, die Frau hervor. Jedoch bezieht ſich dies viel-
leicht mehr auf die folgende Art.


10. Die nordiſche oder Weißerle, Alnus incana Decandolle.

In Blüthe und Frucht der vorigen Art zum Verwechſeln gleich, iſt
die Weißerle hinſichtlich des Laubes und der Rinde von ihr himmelweit
verſchieden.


Figure 64. LXIII.

1. Nordiſche oder Weißerle,Alnus incana Dec. — 2. Strauch- oder Alpen-
erle,
A. viridis Dec.


Um beide Arten in der Blüthezeit, wo die Blätter noch lange nicht
vorhanden ſind, zu unterſcheiden, wobei eben die faſt gleichen Blüthen
nicht dienen können, hat man, nachdem man aus den Blüthen die Gattung
mit Leichtigkeit erkannt hat, einfach die Rinde des Stammes und der
Aeſte zu befragen, welche bei der Weiß-Erle glatt und ſilbergrau iſt und
dieſer auch ohne Zweifel den farbeunterſcheidenden Namen gegeben hat.


Vergleichen wir das Blatt der Weißerle (LXIII. 1.) mit dem der
vorigen, ſo tritt uns ſchon in der beiderſeits ſpitz eiförmigen Geſtalt und
[423] dem regelmäßiger und ſchärfer doppeltſägezähnigen Rande ein ſehr augen-
fälliger Unterſchied, gegenüber dem mehr gerundeten und abgeſtumpften
Schwarzerlen-Blatte, entgegen; außerdem iſt jenes oberſeits dünn, unter-
ſeits aber ſo dicht mit feinen wolligen Härchen bedeckt, daß es unten faſt
ſilbergrau ausſieht, während bei der Schwarzerle die Behaarung ſich auf
die beſchriebenen Haarbüſchelchen beſchränkt. Der ſtets kürzere Blattſtiel
der Weißerle iſt behaart. Einige andere feinere Unterſchiede übergehend,
haben wir noch an äußeren Unterſcheidungsmerkmalen hervorzuheben, daß
die Weißerle mehr zu einer breiteren Kronenbildung hinneigt und auch im
Verhältniß zu dem Stamme etwas ſtärkere und etwas mehr aufwärts
gerichtete Aeſte zeigt. An der Stelle, wo ein Hauptaſt vom Stamme ab-
geht, bemerkt man wie auch bei einigen anderen Laubhölzern, aber niemals
an der Schwarzerle, beiderſeits eine aus kleinen Querrunzeln zuſammen-
geſetzte etwa 6—8 Zoll lange Narbe am Stamme ſchräg herabtreten, was
einigermaßen an einen Schnurrbart erinnert. Der Stamm zeigt ſich oft
etwas ſpannrückig oder kluftig (ſiehe hierüber b. d. Hornbaum) jedoch kaum
weniger als der der Schwarzerle zur Geradſchaftigkeit geneigt. Das Holz
iſt heller als bei dieſer, etwas feiner und dichter, feinzelliger, mit engeren
und auch etwas weniger zahlreichen Gefäßen. Markwiederholungen ſeltner
und dünner, daher das Holz weniger fleckig. Friſch gefällt riecht das
Holz nach Möhren. Uebrigens ſteht es dem Schwarzerlen-Holze in jeder
Hinſicht ſehr nahe.


Die Wurzel geht weniger tief und verbreitet ſich mit weitaus-
ſtreichenden Aeſten in der Oberſchicht des Bodens.


Die Weißerle iſt ein Gebirgsbaum und als ſolcher über das mittlere
und ſüdliche Deutſchland und die Alpenlande verbreitet, vorzugsweiſe
jedoch im Norden, wo ſie ſchon in Nordoſtdeutſchland in die Ebene
herabſteigt. Sie findet ſich jedoch ſeit längerer Zeit im übrigen Deutſch-
land auch in der Ebene oder wenigſtens auf geringen Höhen angepflanzt
und verlangt unter allen Umſtänden einen weniger naſſen Standort
als die andere Art, obgleich auch ihr eine gewiſſe Bodenfriſche und
Humusreichthum nothwendig iſt.


Hinſichtlich des Lebens iſt die Weißerle der anderen in den Haupt-
ſtücken gleich, nur darin ſehr auffallend verſchieden, daß ſie ſelbſt im
dichten Stande, den ſie etwas mehr verträgt, zahlreiche Wurzelbrut treibt,
[424] ohne welche man einzeln ſtehende Bäume nicht leicht findet. Im Aus-
ſchlagsvermögen iſt ſie der Schwarzerle mindeſtens gleich. Da die Wurzel-
brut ſchon an ſchwachen Bäumen hervorbricht, ſo bildet dadurch die
Weißerle namentlich auf nicht ganz angemeſſenem Boden einen buſchigen
Wuchs, während ſie auf höheren Berglagen einen ſtattlichen Baum bildet.
Die Feinde hat ſie mit der vorigen gemein.


Wegen ihrer großen Maſſenerzeugung hat die Weißerle eine nicht
geringere Bedeutung, namentlich in Gebirgsgegenden für die Niederwald-
wirthſchaft. Die forſtliche Behandlung iſt in der Hauptſache dieſelbe
wie bei voriger, ſo weit nicht ihr anderes Bodenbedürfniß andere Rück-
ſichten, namentlich hinſichtlich des ihr zu gebenden Standortes gebietet.
Auch in der Benutzung findet kein erheblicher Unterſchied ſtatt.


Die Weißerle hat durch ihren ſchönen ſilbergrauen Stamm und die
aus Graugrün und einem ſaftigen Dunkelgrün, nach den beiden Seiten
der Blätter, gemiſchten Farbe den Vorzug eines freundlicheren Anſehens,
vor der düſterfarbigen und auch etwas ärmlicher belaubten Schwarzerle.
Sie empfiehlt ſich daher auch ganz beſonders für Baumgärten, wo bei
bewegter Luft die zur Erſcheinung kommende Rückſeite der Blätter eine
angenehme Unterbrechung des gleichmäßigen Grün der Baumgruppe hervor-
bringt, wodurch ſich die Weißerle einigermaßen der Silberpappel nähert.


11. Die Strauch- oder Alpen-Erle, A. viridis Decandolle.

Dieſe, mehr Strauch als Baum, gehört kaum noch zu den Beſtand-
theilen des deutſchen Waldes, da ſie nur auf den höchſten Gebirgskämmen,
ſoweit ſie noch Baumwuchs haben, heimiſch iſt und hier gewiſſermaßen ein
Laubholz-Seitenſtück zu der Krummholzkiefer bildet, welche von der Strauch-
erle zuweilen noch überholt wird.


Indem wir ihrer hier aber kurze Erwähnung thun und ſie als letzte
der drei deutſchen Erlenarten an die Grenze gegen die nun folgenden
Birken ſtellen, ſo ſpricht ſich hierdurch zugleich ihre ſyſtematiſche Stellung
aus. Hiernach iſt die Straucherle ſo ſehr ein Mittelding zwiſchen den
Gattungen Alnus und Betula, daß man ſogar aus ihr eine Zwiſchen-
gattung: Falſchbirke,Betulaster, zwiſchen dieſen beiden hat machen
wollen, ſie auch Betula Alnobetula genannt hat.


[425]

Dieſe Mittelſtellung ſpricht ſich theils in der Vereinigung einzelner
Merkmale der Birken und Erlen in ihr, theils darin aus, daß manche
ihrer Kennzeichen zwiſchen den entſprechenden der beiden anderen ſchwanken.
Das Mark, die Knospen und die Blüthezeit und Blüthenentwickelung hat
die Straucherle mit den Birken, die Blattform (LXIII. 2. S. 422) da-
gegen mehr mit den Erlen gemein, obgleich es außerhalb Deutſchland auch
Birkenarten giebt, welche nichts weniger als die uns bekannte Birken-
blattgeſtalt haben (Betula papyracea, carpinifolia u. a. m.). Der
ganze Habitus iſt entſchieden der einer Erle, während wohlerwogen die
Einzelheiten der Blüthen entſchieden mehr zu den Birken hinneigen, und
es iſt vielleicht eine zu große Berückſichtigung des allgemeinen Habitus,
daß man dieſen merkwürdigen Strauch Alnus viridis und nicht vielmehr
Betula viridis nennt. Noch naturgemäßer aber dürfte es ſein, in ihr als
Betulaster eine eigene Gattung anzuerkennen.


Aus folgender Beſchreibung wird der eigenthümlich ſchwankende
Charakter dieſer Pflanze hervorgehen, wobei die eingeklammerten Buch-
ſtaben E. und B. andeuten, ob dieſelbe in dem betreffenden Kennzeichen
mehr an die Erle oder mehr an die Birke erinnert, oder zwiſchen beiden
ſchwankt (E. × B.).


Blüthezeit mit dem Laubausbruch (B.), männliche Kätzchen den
Winter über vorgebildet (B. u. E.), an der Spitze der Langtriebe (B.);
weibliche Kätzchen nicht vorgebildet, ſondern aus gemiſchten Knospen
im April und Mai hervorgehend (B.), zu 3—5 in einem lockeren Büſchel
vereinigt (E.), ei-walzenförmig (E. × B.), Narben lang (B.); Blatt
eiförmig (E.) fein und ſcharf ſägezähnig; Same an den Seiten geflügelt
(B.); Triebe ſteif, aufrecht (E.) von Blatt zu Blatt mit einer ſtark vor-
tretend verlaufenden Kante; Mark auf dem Querſchnitt undeutlich ſchmal
dreieckig (B.), oft faſt ſtrichförmig breit gedrückt; Knospen ſpitz von
echten Schuppen umſchloſſen, ungeſtielt (B.).


Dieſe intereſſanten Verhältniſſe machen dieſe Pflanze zu einer lehr-
reichen Aufgabe für den aufmerkſam Unterſcheidenden, wie ſie ſich auch
ganz beſonders für Felsgruppen in Baumgärten empfiehlt.


[426]
12. Die gemeine Birke, Betula verrucosa Ehrhard.
(B. alba auctorum*)).

Schon die untenſtehende Anmerkung läßt errathen, daß der aller Welt
bekannte weißſtämmige Baum der Wiſſenſchaft kritiſche Bedenken verurſacht.
Gerade die Birke iſt ein Jedermann in jedem Alterszuſtande vollſtändig
bekanntes Gewächs und doch zugleich für die Wiſſenſchaft ein Gegenſtand des
Zweifels und der Unſicherheit. Unter dem geringſten Maaß botaniſchen
Wiſſens des Anfängers hatte bisher Betula alba ſein unangefochtenes
Plätzchen und jetzt beginnt dieſer alte ehrwürdige Linné’ſche Name aus
den Büchern zu verſchwinden, weil man immer mehr erkennen zu müſſen
glaubt, daß Linné unter dieſem Namen nicht eine ſondern mehrere hin-
länglich von einander unterſcheidbare Birkenarten zuſammenwarf und man
nicht weiß, welcher dieſer Arten der Linné’ſche Namen ausſchließend zu-
zutheilen ſei.


Die Birken ſind durch zahlreiche Arten in der kälteren gemäßigten
Zone vertreten, von denen nach der neueren Auffaſſung höchſtens fünf auf
Deutſchland kommen, von denen 2 niedere Sträucher ſind.


Um die ſcharfe Unterſcheidung unſerer Birkenarten zu erſchweren
kommt noch hinzu, daß wenigſtens die baumartigen Birken außerordentlich
veränderlich ſind, ſowohl nach den einzelnen Individiuen wie nach den
verſchiedenen Zuſtänden ihrer Entwicklung und forſtlichen Behandlung.
Bei der Buche, den Eichen, dem Hornbaum, Hopfenbuche und den Erlen-
arten war dies anders; ſie bleiben ſich immer gleich und ſind daher leicht
erkannt worden.


In Folgendem halten wir B. verrucosa Ehrh., die gemeine Birke
als herrſchende deutſche Birkenart feſt.


[427]

Die gemeine Birke iſt wie die ganze Gattung zweihäuſig. Die
männlichen Kätzchen ſtehen für das nächſte Jahr vorgebildet ſchon vom
Sommer an meiſt zu je 2 an den Spitzen der Langtriebe (2. 14.). Sie
öffnen ſich, um das Doppelte ſich vergrößernd, mit dem Ausbruch des
Laubes (1. ♂), und beſtehen, ſpiral um eine fadenförmige Spindel geordnet,
ſehr ähnlich den Theilen des Erlenkätzchens aus kurzgeſtielten mehr-
ſchuppigen rothbraunen Blüthenhüllen (3. 4. 5. 6.), welche eine Gruppe
von 10—12 Staubgefäßen überdachen, deren kurze Staubfäden ſo wie die
Staubbeutel ſich ſpalten (*6.); die geſtielten weiblichen Kätzchen treten
erſt im Frühjahr bei dem Laubausbruch einzeln aus Seitenknospen mit je
2 Blättern hervor (1. ♀) und krümmen ſich an den hängenden Trieben
meiſt aufwärts. Das weibl. Kätzchen beſteht aus ſpiral angeordneten Deck-
ſchuppen (7.), welche dreilappig (mit längerem Mittellappen, 10.) ſind und
je 3 zweinarbige Fruchtknoten decken (8. 9.). An dem reifen Frucht-
kätzchen (2.) zeigen ſich die Deckſchuppen mit mehr vorwaltenden Seiten-
lappen (11. 12.) und der Fruchtknoten iſt zu einer kleinen breit und zart-
häutig geflügelten leicht für ein Samenkorn zu haltenden Flügelfrucht ge-
worden (13.), in welcher von den urſprünglich 4 Samenknospen gewöhn-
lich nur eine ſich zu einem winzigkleinen Samen entwickelt zeigt. Bei
der Samenreife im Spätſommer fallen die Schuppen zugleich mit den
kleinen Flügelfrüchten ab und es bleibt die fadendünne ſteife Spindel noch
eine Zeit lang am Triebe ſitzen *).


Ein Same iſt immer blos aus einer Samenknospe, auch Ei’chen
genannt, entſtanden. Solcher Samenknospen finden ſich beiden verſchiedenen
Pflanzenarten entweder blos eine oder einige oder ſelbſt ſehr viele in dem
Fruchtknoten eines Stempels. Eine weibliche Gurkenblüthe diene uns als
[428]

Figure 65. LXIIII.

Die gemeine Birke, Betula verrucosa Ehr.
1. Triebſpitze mit männlichen (♂) und mit weiblichen Kätzchen (♀); — 2. Belaubter Trieb mit einem Frucht-
kätzchen u. an d. Spitze den männlichen Blüthenknospen; — 3. — 6. Männl. Blüthenhülle von vorn, von d.
Seite, oben u. unten; — 6. Staubgefäß; — 7. Stück eines weiblichen Kätzchens; — 8. 9. Weibliche Blüthen-
hülle mit 3 zweinarbigen Blüthchen; — 10. Dieſe Hülle allein; — 11. 12. Die aus ihr erwachſene Schuppe
eines Fruchtkätzchens von oben u. unten; — 13. Geflügelte Frucht; — 14. Triebſpitze mit Laub- u. männl.
Blüthenknospen; — 15. Querſchnitt eines 3jähr. Triebes. (1. 2. 14. natürl. Größe.)


[429] Beiſpiel. Wir wiſſen, daß dieſe an der Spitze des Fruchtknotens ſitzt, in
welchem wir alle die künftige Gurke kennen. Schneiden wir dieſen Frucht-
knoten quer durch, ſo finden wir in ihm drei Fächer und in jedem der-
ſelben zahlreiche kugelige Körperchen. Dies ſind die Ei’chen oder Samen-
knospen, welche ſich mit dem Größerwerden, mit dem Erwachſen des
Fruchtknotens zur Gurke allmälig in die Gurkenkerne, in die Samen, um-
bilden. Daſſelbe Verhältniß iſt es mit dem Fruchtknoten der Birke, nur

Figure 66. LXV.

Ein bis zur Flügelbildung entwickelter Fruchtknoten der Birke.
1. f f die Flügel; n n die 2 Narben; m m das ernährende centrale Zellgewebe; t der
Fruchtträger; s s die 2 Samenknospen daran; — 2. Querſchnitt des Fruchtknotens in der
Richtung der Linie **a; f f die Flügel; t der fruchtbare Samenträger mit den 2 Samen-
knospen; u der unfruchtbare Samenträger.


daß ihr die Blüthe gebricht. Wie wir in LXIV. 9. die drei noch unver-
änderten Fruchtknoten einer Blüthenhülle ſehen, ſo ſehen wir in LXV. 1.
einen bereits bis zur Flügelausbildung fortgeſchrittenen und zwar nachdem
durch einen ſenkrechten Schnitt die vordere Wand hinweggenommen iſt.
Wir ſehen nun im Innern des Fruchtknotens einen durch den Samen-
träger
, t, getheilten von Zellgewebe erfüllten Raum, m m, und jederſeits
an dem Samenträger, in dem Zellgewebe m m eingebettet und von ihm
[430] ernährt, eine Samenknospe, s s, aus welcher 2 Samen werden können,
von denen jedoch die eine fehlſchlägt, ſo daß die Frucht blos einſamig
wird. Aus Fig. 2. u. ſehen wir aber, daß noch ein zweiter Samenträger
in dem Fruchtknoten vorhanden iſt, der aber keine Samenknospen trägt
und alſo unfruchtbar iſt. Es iſt uns nun klar, daß der kleine doppelflüglige
Körper kein Same, ſondern in demſelben Sinne wie die Gurke eine Frucht
und zwar eine durch Fehlſchlagen einſamige Frucht iſt.


Das ziemlich langgeſtielte Blatt der gemeinen Birke iſt wie das
der übrigen, mit dieſer meiſt zuſammengeworfenen, Arten äußerſt veränder-
lich, je nachdem es ein Stammblatt oder ein Stockausſchlagblatt oder das
einer jungen Pflanze iſt. Die an dem Triebe LXIV. 2. abgebildete Form
iſt die Grundform, welche zuweilen durch Verkürzung der Spitze ſich noch
entſchiedener der Rautenform nähert. Stammblätter ſind in der Regel
ganz kahl und meiſt mehr oder weniger mit kleinen Harzpünktchen bedeckt;
Der Rand iſt ſtets doppeltſägezähnig mit etwas einwärts gekrümmten
Hauptzähnen. Stockausſchlagblätter ſind, namentlich an den Lohden des
erſten Jahres, wie gewöhnlich viel größer, beiderſeits oft dicht und faſt
wollig behaart und tiefer, faſt eingeſchnitten, gezähnt, während der Blatt-
ſtiel verkürzt erſcheint. Ein Ungeübter erkennt kaum in ſolchen jungen
Stockausſchlägen die Birke, bis nach mehreren Jahren die größer werdenden
Stocklohden allmälig zu der Grundform der Stammblätter zurückkehren.
Fig. LXVI. 1. 2. 3. ſind ſolche Stockausſchlagblätter, von denen kaum zu
ſagen iſt, welcher der drei neuerdings gewöhnlich unterſchiedenen Arten ſie
angehören. Das junge erſt halb entfaltete Stammblatt zeigt ſich immer
von einem wohlriechenden glänzenden und klebrigen Gummiharz überzogen,
welches auch die wenigſchuppigen Knospen überzieht.


Die Keimpflanze iſt ſehr zart und klein mit kleinen runden glän-
zenden Samenlappen und gerundeten Herzblättern. Sie ſind ſehr dauerhaft.


Der Stamm der gemeinen Birke, und der der beiden anderen wird
dann kaum verſchieden ſein, erhält ſeine kreideweiße und auch wie Kreide
abfärbende Rinde erſt mit einem gewiſſen Alter. In der Jugend und an
den ſchwächeren Aeſten und Zweigen alter Bäume iſt ſie gelbroth bis roth-
braun und zeigt viele quergeſtellte durch alle zahlreichen Blätterlagen der
äußeren ſich von ſelbſt abblätternden Rindenhaut hindurchgehende ſtrich-
förmige Rindenhöckerchen (S. 114.). Am Stockende alter Bäume und
[431]

Figure 67. LXVI.

Birkenblätter.
1. 2. 3. Stockausſchlagblätter; — 4. Blatt, Zapfenſchuppe und Frucht von B. gluti-
nosa;
— 5. Daſſelbe von B. pubescens Ehrh.


[432] ſtellenweiſe bis zu den erſten Aeſten reißt die aus ſehr zahlreichen dünnen
Blätterlagen beſtehende weiße Rindenhaut (S. 110.) auf und aus den
Riſſen entwickeln ſich mächtige Korkwucherungen. In dieſer knochenharten
dicken Rindenmaſſe findet ſich alsdann in der äußeren Hälfte eine
räthſelhafte Wechſellagerung von vielfach verbogenen und zerriſſenen
weißen Rindenhautſchichten und braunrothem Zellgewebe, in welchem ſenf-
korngroße fettartig halbdurchſcheinende dicht aneinandergedrängte elfenbein-
harte Knollen liegen, deren Zellen äußerſt dickwandig ſind, ſo daß ſie gar
keinen inneren Zellenraum mehr haben. Der Birkenſtamm fällt nach oben
zu, außer wenn er in dichtem Schluß ſteht, meiſt ſehr ſtark ab (iſt abholzig)
und kommt ſelten ſenkrecht, ſondern meiſt etwas ſchräg aus der Wurzel
hervor. Die Aeſte zeigen an ihrer Einfügungsſtelle die bei der Weißerle
beſchriebenen bartähnlichen dunkeln Runzellinien. Die Verzweigung geht
aus den ſtärkeren Aeſten ſehr ſchnell in eine ſehr feine Theilung über
wobei der Gegenſatz zwiſchen Lang- und Kurztrieben faſt immer ſehr grell
hervortritt. (S. 63. IV. 8.)


Die Krone der Birken zeigt bekanntlich ſehr große Verſchiedenheit.
Junge Birken haben eine lockere eirund-pyramidale, in einen ſpitzen
Wipfel ausgehende Krone mit aufwärts gerichteten ſchlanken Aeſten, während
an alten Bäumen die Krone ſich allmälig vollſtändig abwölbt und durch
ſtarke Langtriebbildung den bekannten Thränenweiden-Charakter annimmt.
Dabei hat die Krone alter Birken unter allen unſern Laubhölzern die
wenigſten ſtarken Aeſte und giebt daher von 60jährigen Bäumen auch nur
3—4 Proc. über 3 Zoll ſtarkes Aſtholz. Das thränenweidenartige An-
ſehen nehmen Birken, die im dichten Schluß ſtehen und die dann auch
eine ſehr kleine Krone haben nicht an, während man anderſeits auch frei-
ſtehende alte Birken ohne dieſen Charakter findet. Ob alle alte Birken,
wo dieſer Charakter fehlt, Ruchbirken ſind, wie es allerdings meiſt der
Fall iſt, und alle hinlänglich frei erwachſende gemeine Birken im Alter
Hängebirken (B. alba v. pendula) werden, iſt wohl noch unentſchieden.


Die weiße Rinde und die ſo charakteriſtiſche Kronengeſtalt giebt der
Birke einen großen landſchaftlichen Werth und hat ſie zu einem Lieblings-
baum Aller gemacht. Obgleich ſie nie ſehr groß wird, ſo macht ſie ſich
dennoch in der Landſchaft immer ſehr geltend und iſt daher für die Land-
ſchaftsgärtnerei von größter Bedeutung.


[]
[figure]
[][433]

Die Wurzel der gemeinen Birke macht nur wenige ſchwächliche Aeſte
ohne eine Pfahlwurzel, ja die Birke hat von allen unſeren Waldbäumen
die kleinſte Wurzelverbreitung. Wenn nicht auf jeder ſo ſcheint doch auf
manchen Bodenarten die Birkenwurzel den eigenthümlichen Einfluß auf
ihren Standort auszuüben, daß ſie den Boden, in welchem der Wurzelſtock
ſteht, auffallend ſchwarz färbt. Man hat dies zum Theil als einen be-
weiſenden Fall von Wurzelausſcheidung der Pflanzen angeführt.


Das Holz der Birke gehört ſeinem Brennwerthe nach zu den beſten
und ſteht dem buchenen nicht viel nach; es iſt hell, gelblich oder röthlich
weiß, ohne Kernunterſchied (Splintbaum), ziemlich weich aber feſt, ſchwer-
ſpaltig; die Holzzellen ſehr fein und ziemlich dickwandig, Gefäße (Poren)
zahlreich und fein, verſchieden weit, meiſt zu 2—4 oder 5 aneinander-
gereiht; Markſtrahlen ſehr fein, ſchmal und zahlreich; Jahresringe durch feine
porenloſe Herbſtholzlinien bezeichnet; nach dem Mittelpunkte des Stammes
hin meiſt mit zahlreichen gelbbraunen Markfleckchen; Mark ſehr klein, auf
dem Querſchnitt undeutlich länglich dreieckig. Wegen der Undurchdringlich-
keit der Rinde verſtockt das Holz auch im Winter gefällter Stämme ſehr
ſchnell, daher dieſelben ſtets ſofort wenigſtens theilweiſe entrindet werden
müſſen. Am Stock, und zuweilen auch am Stamme wo die Aeſte aus-
gehen, zeigt die Birke oft einen ſchönen Maſer.


Daß man mehrere Abarten der gemeinen Birke findet, geht ſchon
aus dem Geſagten hervor, obgleich der ſo auffallend charakteriſtiſche Habitus
ſie meiſt überſehen läßt.


Hinſichtlich des Standortes kennen wir die Birke bereits als eine
es der Kiefer faſt gleichthuende genügſame Holzart (S. 244) und können
ſie wie dieſe beinahe eine bodenvage *), d. h. auf allen Bodenarten ge-
deihende Pflanze nennen; Jedoch verträgt ſie weder einen zu trocknen noch
einen zu feuchten, namentlich keinen den regelmäßigen Ueberſchwemmungen
ausgeſetzten Auenboden der Ebene. Am beſten wächſt die Birke in einem
friſchen nicht zu bindigen Lehm- und feuchten humusreichen Sandboden.
Wie allen Baumarten, ſo ſieht man es namentlich der Birke aus ihrem
Roßmäßler, der Wald. 28
[434] Wuchs und Gedeihen an, ob ſie auf ihr zuſagendem Boden ſtehe. Auf
zu trocknen und zu naſſen, namentlich torfigen Boden verkrüppelt ſie zum
niederen Buſche.


Ihre Verbreitung reicht von Deutſchland aus nach Weſt und nach
Süd nicht weit, wogegen ſie weit nach Oſt und Nordoſt vordringt
und auf den ſcandinaviſchen Hochmooren ſind verkrüppelte Birken der
Grenzpoſten der Baumwelt. In Deutſchland ſelbſt kommt ſie am häufigſten
auf der 1000 bis 1500 F. nicht überſteigenden Gebirgsſchicht vor, iſt aber
ſeit etwa hundert Jahren durch forſtlichen Anbau ſehr verbreitet worden,
als man in ihr, der ſchnellwachſenden, ein Erſatzmittel für die von dem
Borkenkäfer mit der Vernichtung bedrohten Fichte zu finden glaubte.


In ihrem ganzen Leben hat die Birke mit ihrer Standortsgenoſſin,
der Kiefer, ſehr Vieles gemeinſam; ſie iſt wie dieſer ein Lichtbaum
(S. 268), verträgt darum zu dichten Stand nicht und bildet in licht
geſchloſſenem Beſtande wie die Kiefer nur eine kleine Krone auf ſchlankem,
aſtreinen Stamme. Der ſchon von 20jährigen Bäumen und noch jüngern
Stocklohden reichlich und faſt alljährlich erzeugte Same wird wegen ſeiner
von den Flügeln unterſtützten Leichtigkeit weithin getragen und keimt auf
jeder wunden Bodenſtelle ſehr leicht, wenn auch die flachbewurzelten Pflänzchen
durch Trockenheit oder durch Verdämmung der Waldunkräuter leicht wieder
getödtet werden. In der Jugend wächſt die Birke ſehr raſch, erreicht aber
ihre nie bedeutende Höhe von höchſtens 80—100 F. und eine Stamm-
ſtärke von ſelten viel mehr als 1 Fuß erſt ſpät und ſehr langſam und
erreicht je nach der Gedeihlichkeit ihres Standortes ihr Lebensziel mit
40 bis 140 Jahren. Ausſchlagsfähig ſind nur Stöcke von jüngeren
Bäumen und auch dieſe nicht eben ſehr lange Zeit. Dabei kommen die
Ausſchlagsknospen aus den unterſten Theilen des Stockes und aus den
dickeren bloßliegenden Wurzelhälſen hervor, weshalb die Birken ſehr tief
gehauen werden müſſen, wenn man Stockausſchlag erzielen will. Am
ſtehenden Stamme treibt die Birke ſelten Adventivknospen, während im
Safte gefällte, am Boden liegen bleibende ihrer großen Saftfülle wegen ſich
oft ſehr reich mit ſolchen bedecken, welche aus den borkigen Riſſen der
Rinde hervortreten. Von allen unſeren Waldbäumen kommt am häufigſten
bei der Birke — nächſt ihr wie es ſcheint bei der Tanne — eine von
einer Häufung von Adventivknospen an einem dünnen Zweige herrührende
[435] krankhafte Bildung vor, welche unter dem Namen Donnerbeſen,
Donnerbuſch
oder Hexenbuſch allgemein bekannt iſt. Sie beſteht in
einer klumpenförmigen Zuſammendrängung meiſt nur wenige Zoll langer
zahlreicher Kurztriebe, welche namentlich bei der Birke im laubloſen Zu-
ſtande faſt wie große aus Reiſern erbaute Vogelneſter in das Auge fallen.
Die veranlaſſende nächſte Urſache dieſer Donnerbeſen iſt wohl noch weniger
mit Beſtimmtheit nachzuweiſen als bei der Maſerbildung, mit welcher jene
im Weſentlichen des Bedingtſeins zuſammenfallen. Sonſt leidet die Birke
von Krankheiten wenig außer den durch die Ungunſt des Standorts
bedingten. Als Feinde, aber ohne beträchtlichen Einfluß, wären viele
Inſekten, namentlich Käfer zu nennen, von denen wir aber nur einen
Schmetterling, die Nonne, Liparis monacha L., hervorheben wollen,
deſſen Raupe zuweilen die Birke ganz entblättert. Dieſe von den ver-
ſchiedenſten, Laub- wie Nadelhölzern lebende Raupe hat dabei die ver-
ſchwenderiſche Gewohnheit, daß ſie von den Nadeln wie von den Blättern
die obere Hälfte abbeißt und fallen läßt und nur die untere Hälfte, von
den Laubbäumen faſt nur den Blattſtiel frißt.


Vor dem bei trocknem Wetter oft ſehr zeitigen Laubfall färbt ſich die
Birke in ein ſehr reines Citronengelb und macht ſich dadurch auf dem
dunkeln Hintergrunde der Nadelhölzer landſchaftlich ſehr geltend.


Die forſtliche Bedeutung der Birke iſt für minder fruchtbaren,
namentlich für Sandboden, der freilich nicht zu trocken ſein darf, ſehr
erheblich, obgleich weniger als beſtandbildender ſondern mehr als Vermiſchungs-
baum. Für den Mittelwald iſt ſie als ſchnellwüchſiger und wegen ihrer
dünnen durchſichtigen Belaubung wenig verdämmender Oberbaum von
großem Werth. Im Hochwaldbetrieb wird ſie namentlich mit Kiefer und
Fichte untermiſcht, muß dieſen aber zuletzt im höheren Beſtandsalter, bis
zu welchem ſie ihnen als Schutzbaum diente, weichen. Da die Birke
wenig Laubſtreu giebt, und ihren Boden nur wenig beſchattet, ſo bewirkt
ſie eher eine Verſchlechterung als Bereicherung des Bodens. Unter weniger
günſtigen Bodenverhältniſſen und wenn es ſich um ſchnelle Erzeugung von
Brennholz, wenn dieſes auch nur Knüppel- und Reißholz iſt, handelt, iſt
die Birke im Niederwaldbetriebe außerordentlich werthvoll.


Aus den angegebenen Verhältniſſen ergiebt ſich nun die forſtliche
Behandlung
der Birke faſt von ſelbſt. Sie wird weniger durch Saat,
28*
[436] ſelbſt wenig durch natürlichen Aufſchlag, der meiſt vertrocknet und ver-
dämmt wird, ſondern am allgemeinſten durch Pflanzung 2—5 jähriger
Pflänzlinge erzogen, welche gewöhnlich nicht in Saatgärten erzogen, ſondern
aus den Schlägen genommen werden, wo ſie aus Anflug von ſelbſt
erwuchſen.


Die Benutzung der Birke, vom Beſen und der züchtigenden Ruthe
bis zum Kleiderſchrank und zur Schlittenkufe, iſt eine ſehr manchfache und
es iſt an ihr Alles nutzbar. Namentlich das dichte, feine und ſehr zähe
Holz findet die verſchiedenſte Verwendung: zu Leiterbäumen, Felgen und
Deichſeln der Wirthſchaftswagen, zu Radzähnen, Drillingen und Getrieben
in Mühlen, zu Mulden u. ſ. w. Als Möbelholz iſt namentlich das
wimmerig gewachſene Birkenholz und zu Gewehrſchäften, Pfeifenköpfen
und anderen kleinen Gegenſtänden der Birkenmaſer ſehr geſucht. Sowohl
das Holz wie die Kohle giebt eine helle, ſtarke und wenig dampfende
Flamme. Die Rinde, namentlich die dicke aufgeriſſene des Stammendes,
dient als faſt unverweslich an ſteinarmen Orten als Unterlage für Schwellen
im Feuchten. Allein oder mit Porſt, Ledum palustre, deſtillirt giebt die
alte Birkenrinde das Rußöl oder den Birkentheer (Dagget), welcher zur
Juchtenbereitung dient.


Aus der Rindenhaut werden in Rußland Tabaksdoſen und ſelbſt große
Schachteln und Hohlmaaße gemacht; jedoch ſcheint es nicht die gemeine
Birke zu ſein, welche hierzu die auch nicht kreideartig weiße und abfärbende
lederartige Rinde liefert.


Aus der Birke fließt im Mai ein zuckerhaltiges Waſſer, wenn man
an der Südſeite des Stammes 1—2 Zoll tiefe Löcher bohrt und eine
Federkiel oder ein ähnliches Röhrchen hineinſteckt. Aus dieſem Saft wird
durch verſchiedene Behandlung und Zuſätze ein honig- oder meth-artiges
oder weiniges Getränk bereitet. Nach Beendigung dieſes Saftfluſſes muß
man die ganzen Löcher mit Baumwachs wieder zuſtreichen.


Was die beiden anderen deutſchen Birkenarten — außer zwei nachher
noch zu erwähnenden weiteren ſtrauchartigen — die flaumhaarige
oder Ruchbirke, Betula pubescens Ehrh. (B. odorata Bechst.) oder die
klebrige B., B. glutinosa Wallroth betrifft, ſo ſind die Meinungen über
ihre Artgültigkeit noch ſehr getheilt, weil ſie gegenüber der gemeinen Birke
auf ſehr unſicheren und geringfügigen Unterſcheidungskennzeichen beruhen.
[437] Von dem Blatte, der Deckſchuppe des Fruchtzäpfchens und der Frucht
beider geben uns Fig. 4. und 5. LXVI. ein Bild, nach Exemplaren des
Tharander forſtbotaniſchen Herbariums. Man ſieht, daß ſich die Blatt-
form der Ruchbirke — wegen der dunkeln Rinde der jungen Triebe auch
Schwarzbirke genannt — am weiteſten von der der gemeinen Birke
entfernt. Th. Hartig, einer der gründlichſten Kenner der Waldbäume,
ſagt von ihr: ſie unterſcheidet ſich von der gemeinen Birke „ferner durch
mehr horizontale Verbreitung der ſtarken Aeſte alter Bäume und durch
ein grobfaſeriges Holz, zeigt ſonſt dieſelbe Stammbildung und Stamm-
höhe, wie die weiße Birke, mit der ſie an feuchten Stellen faſt überall in
Deutſchland in einzelnen Exemplaren gemengt gefunden wird. Sie verträgt
größere Bodennäſſe und findet ſich daher nicht ſelten in Untermengung
mit der Erle, wo jene zurückbleibt; dahingegen nimmt ſie nicht mit ſo
trockenem Standorte verlieb. Alles Uebrige hat ſie mit der Weißbirke
gemein.“


Ueberlaſſen wir es der berufsmäßigen Forſchung, in das Dunkel der
deutſchen Birkenarten entſcheidendes Licht zu bringen; für uns verſchmelzen
ſie in den ſchönen Begriff des eleganten weißſchaftigen Baumes, den wir
überall wo wir ihm begegnen, mit Wohlgefallen ſehen. Wie zur Weih-
nachtszeit die Fichte oder einer der beiden anderen unſerer drei verbreitetſten
Nadelbäume der Gegenſtand eines ſinnigen Baumkultus iſt, ſo hat „Pfingſten,
das liebliche Feſt“ ſich die Birke, von ihm allgemein, aber auch nur von
ihm „Maie“ genannt, erkoren, um den feſtlich geſäuberten Wohnräumen
durch ſie den duftenden Schmuck der nun voll und ganz wiedererwachten
Natur zu verleihen, oder, zu beiden Seiten der Hausthür aufgeſtellt, den
Zugang zu den Penaten zu einem einzigen kurzen Schritte aus den Hallen
des Waldes zu machen und ſo die engere Wohnung an die allgemeine und
gemeinſame Heimath, die Natur, anzuknüpfen.


Wir haben jedoch noch 2 nichtſtreitige deutſche Birken wenigſtens
kurz zu erwähnen, welche aber niemals zu Bäumen erwachſen, ſondern
niedere Sträucher ſind.


[438]
13. Die Strauchbirke, B. fruticosa Pallas.

Sie verhält ſich zu der vorigen ähnlich wie die Straucherle zu den
zwei baumartigen Erlen, denn ſie wird nur ſelten als ein buſchiges
Stämmchen 4—5 Fuß hoch. Wir begegnen ihr meiſt nur im Norden
unſeres Vaterlandes auf den ausgedehnten Moorländereien, wo ſie, jedoch
meiſt ziemlich vereinzelt, einen Beſtandtheil jener eigenthümlichen reizenden
Pflanzenwelt bildet, welche großentheils unnahbar die ſchwarze unheimliche
Tiefe des Meerſchlammes als eine trügeriſche Decke überſpannt; doch wird
ſie auch auf den kalten Hochmooren Baierns als heimiſch angegeben.
Von Mecklenburg an verbreitet ſich die Strauchbirke hoch nach Nordoſten
hinan und iſt namentlich auch in Sibirien häufig.


Ihre Blüthen ſind denen der gemeinen Birke ähnlich, die weiblichen
kürzer und die männlichen immer einzeln an den Spitzen der Triebe. Die
Blätter ſind eiförmig gerundet, faſt gleich und ziemlich grob gezähnt, glatt
und kurzgeſtielt. Die reifen Kätzchen ſind klein und eiförmig; die Flügel-
haut der Frucht ſchmaler als bei voriger.


14. Die Zwergbirke, Betula nana L.

Unter den äußerſten Vorpoſten der Baumvegetation, oder vielmehr
der übrigens baumartigen Pflanzengattungen, findet ſich wie im hohen
Norden ſo auf den äußerſten Höhen unſerer Gebirge auf geeignetem d. h.
naſſen moorigen Boden dieſe niedliche faſt am Boden kriechende Birke,
deren ſelten über fingerdick werdende Stämmchen und faſt fadendünne
Zweige ſich kaum 1 Fuß über den Boden erheben. Die überaus zier-
lichen kleinen Blätter ſind kreisrund, glatt, kurzgeſtielt, am Rande regel-
mäßig kerbzähnig und auf der Rückſeite ſcharf und fein geadert; ſie haben
eine ſattgrüne Farbe und ſind oberſeits glänzend.


In Deutſchland findet ſich die Zwergbirke nur auf den höchſten
Mooren des Rieſengebirges, — wo ſie nach Ratzeburg mit dem Zwerg-
wachholder
, Juniperus nana, als verdämmendes Unkraut auftritt, —
des Harzes und der ſüddeutſchen Vorberge der Alpenkette. Weder ſie noch
die Strauchbirke haben eine forſtliche Bedeutung und ſind hier eben nur
erwähnt, um zu beweiſen, daß in ihnen auch der deutſche Wald gleich
[439] anderen Pflanzenvölkern ſeine Vertreter bis hinauf zu den höchſten Höhen
ſendet, wo den übrigen Waldbäumen das Leben unmöglich fällt.


Indem wir von den Birken-Kätzchenbäumen zu einer anderen Ab-
theilung der großen Familie übergehen, dürfen wir ein kleines Büſchchen
nicht ganz mit Stillſchweigen übergehen, welches für ſich allein eben ſo
eine ähnliche Unterfamilie, die Gagel-Kätzchenblüthler, Myriceen, bildet,
wie es auf den Moorbrüchen und Haiden des nördlichen Gebietes aus-
gedehnte niedliche Miniaturwaldbeſtände darſtellt. Der Gagelſtrauch,
Myrica Gale L. wird kaum über 2 Fuß hoch und iſt ein ſtraff aufrecht-
ſtehendes, reich verzweigtes zweihäuſiges Büſchchen mit kleinen lanzett-
förmigen Blättern und faſt ährenartig an den Spitzen der Triebe an-
einander gedrängten kleinen Kätzchen.


15. Die Espe oder Zitterpappel, Populus tremula L.

Es bleibt uns nur noch die letzte Unterabtheilung der großen Familie
der Kätzchenbäume übrig, die weidenartigen, Salicineen, denen alſo nicht
die Pappelarten, großentheils mächtige Bäume, ſondern die meiſt buſchige
Weide den Namen giebt. Die weidenartigen Kätzchenblüthler, nur aus
den beiden genannten Gattungen beſtehend, ſind zweihäuſig und ſind wegen
der großen Einfachheit ihrer Blüthen eigentlich an die unterſte Stelle der
Kätzchenblüthler zu ſtellen, wogegen wir uns von der hohen forſtlichen
Bedeutung der Buche verleiten ließen, ſie zuerſt zu erledigen, während
wir eigentlich ihr, vom Unvollkommnen zu dem Höchſten fortſchreitend, den
höchſten Platz anzuweiſen hatten, d. h. hier am Schluſſe unſerer Betrachtung
dieſer wichtigen Baumfamilie. Es ſei demnach auch hier ausdrücklich
hervorgehoben, daß eine rein botaniſche Schilderung des Waldes ſich an
den Faden der ſyſtematiſchen Nacheinanderfolge — und dieſe muß eine
aufſteigende, keine abſteigende ſein, zu halten gehabt hätte. Die Aufgabe
dieſes Buches iſt ja aber eine botaniſche, forſtliche und — Herzensſache
zugleich.


Die Espe blüht wie alle Pappelarten lange vor dem Ausbruche des
Laubes und ſowohl auf den männlichen wie auf den weiblichen Bäumen
ſtehen die Kätzchen vorzugsweiſe in dem Wipfel der Krone. Die Kätzchen
[440] ſind den Winter über in großen faſt kugeligen ſpitzen, glänzend gelbbraunen
Knospen eingeſchloſſen (S. 63. IV. 5.). Die männlichen Kätzchen ſind
3—4 Zoll lang und wegen der fadendünnen weichen Spindel ſehr beweglich
und biegſam. Die Blüthchen beſtehen aus einer trichterförmigen Blüthen-
hülle und aus einer handförmig zerſchlitzten, am Rande lang gewimperten
Deckſchuppe (2. 3.) und im Grunde der Blüthenhülle 8—10 feſtſitzenden
ſcharlachrothen Staubbeuteln. Die weiblichen Kätzchen gleichen den
männlichen mit der Ausnahme, daß an Stelle der Staubgefäße ein
Stempel ſteht, welcher an ſeiner Spitze 2 tiefgeſpaltene Narben trägt (5.
6.). Die Frucht (7.) iſt eine zweiklappig aufſpringende Kapſel (9.), welche
zahlreiche ſehr kleine von einem ſilberweißen Haarſchopf umhüllte Samen
einſchließt (10.). Dadurch ſehen die reifen ihren Samen ausſchüttenden
Kätzchen wegen der Alles verhüllenden ſeidenartigen Haarſchöpfe ganz weiß
und wollig aus (8.).


Die Blätter der Espe haben je nach dem Alter der Pflanze, ja
ſogar nach ihrer Stellung am Zweige eine ſehr verſchiedene Geſtalt. An
erwachſenen Bäumen und am Grunde der Langtriebe jüngerer Bäumchen
und Sträucher ſind ſie faſt rund (11.) mit kurz zugeſpitzter oder quer
abgeſtutzter Spitze; Rand unregelmäßig gezahnt, faſt wie buchtig ausgenagt,
unten heller grau-grün als oben, mit beiderſeits nur wenig, gegen die
ſonſtige Regel oben faſt noch mehr als unten, hervortretendem Blattgeäder
und ganz kahl. Der Blattſtiel lang, oft noch länger als das Blatt und
breit gedrückt; er hat oben am Eintritt in die Blattfläche wie die meiſten
Pappelarten oft 2 Drüſen. Dieſe Eigenſchaft des Blattſtieles verurſacht bei
dem gelindeſten Lufthauch das flimmernde Erzittern der Espenbelaubung
und hat das Espenlaub zum Sprichwort gemacht. An dem obern Theile
der Langtriebe junger Pflanzen und Büſche und noch mehr an jungen
Wurzelausſchlägen ſind die Blätter herzförmig, dem Lindenblatt ähnlich,
(S. 446 LXVIII. 1. oft an der Baſis noch tiefer herzförmig) und zu-
weilen, namentlich an letzteren ſehr groß und in die Länge gezogen und
behaart. Die jungen Blättchen entfalten ſich durch von der Mittelrippe
aus beiderſeitige Aufwicklung (ſiehe S. 60. III. 7.) und ſind Anfangs
behaart und davon grüngrau, doch die Behaarung ſchnell verlierend und
dann bis zur völligen Ausbildung bronzeartig braungrün. Die Blätter
ſtehen undeutlich ſpiral geordnet und ziemlich weitläufig.


[441]
Figure 68. LXVII.

Die Espe oder Zitterpappel, Populus tremula L.
1. Kurztrieb mit 2 Laubknospen und einem blühenden männlichen Kätzchen; — 2. 3. Männliche Blüthe von
unten und von der Seite; — 4. Weibliches Kätzchen; — 5. 6. Weibliche Blüthe von unten und von der
Seite; — 7. Reife noch geſchloſſene Frucht; — 8. Ein Stück eines Fruchtkätzchens; — 9. Aufgeſprungene
Frucht; — 10. Einzelner von einem Haarſchopf umhüllter Samen; — 11. Beblätterter Trieb.


[442]

Die Laubknospen ſind kegelförmig, ſehr hart und ſpitz, braun, kahl,
armſchuppig, ſenkrecht über der großen, ſchiefen Blattſtielnarbe ſtehend und
an den Trieb angedrückt; Endknospe immer merklich größer. Das Mark
der Triebe iſt, ähnlich dem der Eichen, mehr oder weniger deutlich fünf-
eckig. Keimpflänzchen ſehr klein, mit kleinen runden Samenlappen,
gegen die Kälte ſehr dauerhaft aber im Schatten leicht vergehend.


Der Stamm der Espe iſt gerade, faſt walzenrund bis hochhinauf
ſich von allen Aeſten reinigend, und ſich dann, meiſt mit deutlicher Bei-
behaltung der Stammrichtung wenige ſchwache und ſehr lange Aeſte
treibend. Er iſt, da die Espe meiſt im Schluſſe mit anderen Baumarten
erwächſt, zu ſeiner Höhe meiſt verhältnißmäßig ſchwach. Rinde lange
Zeit ganz glatt, grüngrau und erſt in höherem Alter im unteren Drittel
der Stammhöhe in kleine faſt rautenförmige unten dicht zuſammengedrängte,
nach oben hin mehr einzeln ſtehende und kleinere wulſtige Borkenriſſe auf-
ſpringend, welche am unteren Stammtheile in feine Längsfurchen mit
breiteren flachen Zwiſchenſätteln zuſammenfließen. Die Krone iſt ſelbſt
an ausgewachſenen Bäumen klein, eirund und ſehr locker, nur an frei-
ſtehenden Bäumen iſt ſie etwas dichter und größer, und alsdann gerundet.
Die Triebe ziemlich ſtark und an alten Bäumen vorwaltend Kurztriebe,
mit gelblich aſchgrauer Rinde. Die Wurzel treibt nur wenig Aeſte tief
in den Boden, die meiſten breiten ſich flach und weit in der Oberfläche
aus. Das Holz haben wir (S. 371) ſchon als das leichteſte (neben dem
der übrigen Pappelarten, der Linden und der Weiden) kennen gelernt;
Holzzellen ſehr fein, dünnwandig, Gefäße (Poren) klein, ſehr zahlreich,
als ein dichtes unregelmäßiges Maſchennetz in dem Zellgewebe vertheilt,
im Herbſtholze ſehr ſparſam und dadurch die meiſt ziemlich breiten Jahr-
ringe deutlich bezeichnend. Holzfarbe gleichmäßig gelbweiß ohne Kernholz-
färbung; Markſtrahlen ſehr fein und ſehr zahlreich. Das Espenholz iſt
ſehr weich, ſpaltet ſehr gerade, iſt wenig biegſam, im Trocknen ſehr dauer-
haft und brennt bei gutem Luftzug ſehr lebhaft. Nördlinger theilt mit,
daß man in Rußland mit Espenholz die Züge der Oefen ausbrennt, da
es den Ruß verzehren ſoll.


Abarten ſind von der Espe nicht bekannt.


Hinſichtlich des Standortes iſt keine Holzart weniger wähleriſch
als die Espe, da ſie vom höchſten Norden bis Mitteleuropa in der Höhe
[443] und in der Ebene faſt auf jeder Bodenart — nur nicht im Sumpfe und
zu großer Näſſe — gedeiht. Am beſten gedeiht ſie in Vermiſchung mit
Unterholz auf einem humusreichen friſchen Boden in geſchützten abhängigen
Lagen. Daß ihre Verbreitung ſehr groß iſt, geht ſchon aus dem Ge-
ſagten hervor und iſt dafür durch den über weite Strecken fliegenden be-
fiederten Samen trefflich geſorgt. Pfeil mag wohl Recht haben, wenn er
von allen in Deutſchland vorkommenden Pappelarten nur die Espe
für eine bei uns urſprünglich einheimiſche hält, die in Süddeutſchland
ihre äußerſte Südgränze erreicht und von da an ſüdlich von der Silber-
pappel erſetzt wird.


Im Leben der Espe zeigt ſich manches Eigenthümliche. Unter dem
Einfluß beſtimmter Luftſtrömungen während ihrer Reifezeit wird ſie manch-
mal in ihrem leichten Samen plötzlich an weit entlegne Orte übergeführt,
wo ſie bisher nicht vorkam und nun plötzlich als ein wahres Unkraut auf-
keimt. Zur Zeit der Samenreife, Ende Mai und Anfang Juni, ſieht
man nicht ſelten große ſchneeweiße lockere Flocken in der Luft treiben,
welche aus an einander haftenden Espenſamen beſtehen, woran ſich jedoch
auch die Silber- und Schwarzpappel und die Weiden betheiligen. Die auf
friſchen Schlägen und Blößen erſcheinenden Espenpflanzen ſind aber
eben ſo oft wenn nicht öfter Wurzelſchößlinge von in der Nähe ſtehenden
alten Bäumen und Stöcken wie Samenpflanzen, da die Espe ein aus-
gezeichnetes Ausſchlagsvermögen in den flach und weithin im Boden
kriechenden Wurzeln beſitzt. Daher wird ſie auch an Holzrändern und an
Wegen läſtig durch die Uebergriffe ihrer Wurzelausläufer in die benach-
barten Felder und Wieſen. Die flache Bewurzelung läßt die Espe ſehr
dem Windbruch unterliegen, wenn ſie frei ſteht. Selbſt nachdem ein alter
Baum geſchlagen und ſein Stock gerodet worden iſt, ſcheinen ſich die
zurückbleibenden flach im Boden liegend hinkriechenden Wurzeln lange
ausſchlagsfähig zu erhalten; denn man ſieht oft auf geräumten Schlägen,
auf denen gar keine Espen ſtanden, eine Menge Wurzelausſchlag erſcheinen.
Die bereits im März und Anfang April blühende Espe läßt die männlichen
Kätzchen ſehr bald nach der Beſtäubung herabfallen, welche dann als
grauwollige Raupen auf dem Boden liegend ins Auge fallen. Die
bemerkenswertheſte Eigenthümlichkeit der Espe iſt die Veränderlichkeit der
Blattform, die ſich oft noch viel weiter von der Normalform (LXVII. 13.)
[444] entfernt als das auf LXIII. 1. abgebildete Blatt. Auf fettem Lehmboden
treiben die Wurzelſchößlinge zuweilen Blätter, die in der Länge und
Breite einer Seite unſeres Buches gleichkommen und ſammtartig behaart
ſind. Aus dem Stocke ſchlägt die Espe ziemlich gut, aus dem Stamme
faſt gar nicht aus und ſteht hierin den beiden folgenden Pappeln nach.
Die jungen einen kegelförmigen Buſch bildenden Espen gehen ſchnell in
die beſchriebene Kronenabwölbung über. Vor dem Laubfall nimmt ſie
wie die meiſten Pappeln eine fahlgelbe Herbſtfärbung an, ſtimmt auch
darin mit den andern Pappeln überein, daß ſie an den meiſten Langtrieben
bis zum Spätſommer fortwährend neue Blätter treibt, was jedoch andere
noch mehr als ſie thun.


Die Lebensdauer der Espe überſteigt bei uns nicht leicht 60 bis
80 Jahre und ſie wird dabei höchſtens 18—24 Zoll ſtark bei einer Höhe
von 60—70 F. Ihre häufigſten Krankheiten ſind die Wipfeldürre, die
man außerordentlich oft ſieht, und die Kern- und Stockfäule. Das Wild
verbeißt ſie im Winter ſehr ſtark, weil daſſelbe die Knospen und Triebe
ganz beſonders liebt. Zwei ſchöne Blatt-Käfer mit ſchwarzeni Bruſt-
ſchild und lebhaft ziegelrothen Flügeldecken, Chrysomela Populi und tre-
mulae,
ſkelettiren als Larven die Blätter des jungen Aufſchlags und der
Wurzelſchößlinge, wodurch dieſe zuweilen ſehr leiden. Die Larve eines
Bockkäfers, Saperda populnea L., frißt das Mark der Espentriebe,
welche dadurch an der betreffenden Stelle anſchwellen und brüchig werden.


Die forſtliche Bedeutung der Espe iſt ſehr untergeordnet, ja man
findet ſie in vielen forſtlichen Werken geradezu ein Unkraut genannt, als
welches ſie allerdings auf ſolchen Saatkulturen nicht ſelten erſcheint, auf
welchen man eine beſſere Holzart erziehen will. Gleichwohl iſt ſie ihres
zu vielen Dingen ſehr brauchbaren Holzes wegen und wegen ihres ſchnellen
Wuchſes nicht nur an ſich, ſondern auch insbeſondere überall da von
Werth, wo es gilt wenigſtens Reisholz zum Brennen zu erziehen und wo
beſſere Holzarten nicht gedeihen oder zu langſam Abhülfe gewähren würden.
Beſtandbildend kommt die Espe in Deutſchland nirgends vor, höchſtens
tritt ſie horſtweiſe auf; am gewöhnlichſten aber untermiſcht, ſowohl im
Nadel- wie im Laubholzwalde.


Für die Landſchaftsgärtnerei iſt ſie von hohem Werthe, da ihr ſchöner
gerader heller Schaft ſich ſehr geltend macht und ihre immer bebende Be-
[]

[figure]

[][445] laubung Bewegung in die Laubmaſſen bringt. Die forſtliche Behand-
lung
der Espe beſchränkt ſich in der Hauptſache auf ihre Benutzung wo
ſie ſich darbietet und dann meiſt ohne forſtliches Zuthun gekommen iſt.
Will man Espen erziehen, ſo muß man in Saatgärten gezogene Pflanzen
oder ausgeſtochene Wurzelſchößlinge verpflanzen. Im Mittelwald iſt ſie
ihrer durchſichtigen nicht verdämmenden Krone wegen ein guter Oberbaum
und wegen ihres ſtarken Ausſchlagsvermögens ein gutes Schlagholz im
Niederwalde.


Als grobes Schnitzholz zu Schaufeln, Mulden, Tellern, Kochlöffeln,
Holzſchuhen findet das Espenholz vielfache Benutzung. Seiner Leichtig-
keit wegen eignet es ſich auch als Bret zu Kiſten und dergl. und zu Dach-
bauten, da es im Trocknen dauerhaft iſt.


Als von jeher vom Volke des zitternden Laubes wegen beachteter
Baum — der fromme Aberglaube läßt die Espe zittern, weil das Kreuz
Chriſti aus Espenholz gemacht geweſen ſei — hat er auch eine Menge
volksthümlicher Benennungen: Aspe, Fuhleſch, Bebereſch, Flatteraspe,
Ispen, Flitter-, Flatter-, Klapper-, Pappel-, Pattel-, Rattel-, Faulbaber-,
Beber-, Loff-, Lauf- und Lohespe, Ratteler, Heſſe, Rauſchen, Kakfieſten etc.


Die Espe hat ſtärker vom Winde bewegt nicht blos durch das blitzende
Flattern der Blätter für das Auge eine angenehme Wirkung, ſondern
macht ſich auch dem Ohr in eigenthümlich anderer Weiſe bemerkbar als
andere Laubhölzer, bei welchen wir das Geräuſch, was ihr bewegtes Laub
hervorbringt, Rauſchen nennen. Dies Wort paßt für die Zitterpappel
nicht; im Gegentheil bezeichnet unter den oben angeführten Volksbenennungen
Ratteler das Getön der windbewegten Espenkrone ganz ausgezeichnet. Der
harte Klang wird bedingt durch die faſt ſaftloſe Trockenheit und Derbheit
des Espenblattes und die harten knorpeligen Zähne ſeines Randes, welche
auf die benachbarten Blätter wie auf ein Trommelfell aufſchlagen.


16. Die Silberpappel, Populus alba L.

Sie gehört mit der Espe und der Graupappel (P. canescens Smith)
in diejenige Abtheilung der Pappelgattung, welche ſich durch nur 8 bis
12 Staubgefäße in den Blüthchen und dadurch unterſcheidet, daß die
jungen Triebe mehr oder minder behaart ſind, während bei den übrigen
[446] Pappeln ſich 12—30 Staubgefäße finden und die jungen Triebe unbehaart
und von einem kräftig wohlriechenden Gummiharz überzogen ſind; auch
ſind bei den letzteren die hinfälligen Kätzchenſchuppen zwar ebenfalls hand-
förmig zerſchlitzt, aber nicht gewimpert.


Die Blüthenkätzchen beiderlei Geſchlechts ſind viel kürzer und auch
dünner als bei der vorigen, auch hängen ſie nicht ſo ſchlaff abwärts,
ſondern tragen ſich wegen ihrer etwas dicken Spindel etwas ſtraffer. Die
Staubbeutel ſind gelb und die, bei jener rothen Narben bei ihr gelbgrün
gefärbt. Uebrigens trägt die Silberpappel in den Blüthen die Kennzeichen
aller Pappeln.


Figure 69. LXVIII.

Die Blattſtiele ſind kürzer, ſelten — bei der Espe faſt immer
länger — ebenſo lang, nie länger als das Blatt ſelbſt, ſeilich zuſammen-
gedrückt. Dieſes iſt in ſeinem Umriß etwas dreieckig eiförmig und meiſt
[447] deutlich aber ſeicht, drei oder fünflappig und außerdem mit unregelmäßig
buchtig eingeſchnittenen groben, ſtumpfen Zähnen, oben kahl und dunkel-
grün, unten eben ſo wie die jungen Triebe und die kleinen breitkegel-
förmigen Knospen (LXVIII. 4.) mehr oder weniger dicht weißfilzig (2. 3.).
Die Blätter jüngerer und beſonders üppig wachſender Bäume ſind wie
gewöhnlich größer und meiſt noch tiefer gelappt.


Der Stamm alter Bäume iſt immer kurzſchaftig und theilt ſich in
geringer Höhe in ſehr ſtarke und lange meiſt ziemlich geſtreckte und weit-
ausgreifende Aeſte, welche mit ſehr zahlreichen kleinen Zweigen, meiſt nur
an der Spitze belaubten Kurztrieben, beſetzt ſind. Die Rinde jüngerer
Stämme iſt ziemlich glatt, hell grünlichgrau, an alten Stämmen nur
an den unterſten 8—12 Fuß und am untern Ende der ſtarken Aeſte
borkig aber nicht tief aufgeriſſen, nach oben hin glatt bleibend und im
Umkreis geſtellt ſchwarzfleckig. Die Krone iſt breit, wegen einzelner be-
ſonders weit ausgreifender und an freiſtehenden Bäumen in ihrer Richtung
dem herrſchenden Luftſtrom folgender Aeſte faſt immer von ſehr unregel-
mäßigem Umriß. Die Wurzel treibt wenige ziemlich tief eindringende
Hauptäſte und zahlreichere dünne flache im Boden ſtreichende Nebenäſte.


Das Holz der Silberpappel iſt ſehr weich und hat einen braun-
gelben Kern und weißlichen Splint, während das nur ſcheinbar ſich als
ſolches unterſcheidende Kernholz mehr beginnende Kernfäule zu ſein ſcheint.
Die Jahresringe durch eine feine dunklere Herbſtlinie deutlich unterſchieden.
Mark wie bei allen Pappeln auf dem Querſchnitt fünfeckig.


Eigentliche Abarten der Silberpappel laſſen ſich kaum unterſcheiden,
wohl aber je nach dem Standorte und vielleicht auch durch individuelle
Eigenthümlichkeiten bedingt mehrere Blätterſpielarten. Oft ſcheint, nament-
lich in Parkanlagen die Grau-Pappel für die echte Silberpappel genommen
zu werden, was freilich auch umgekehrt der Fall iſt.


Als Standort liebt die Silberpappel einen feuchten Boden, der
dann aber auch ſandig, nur nicht ſauer ſein darf; ſie ſteht darum gern
in Flußniederungen. Obgleich ihre Verbreitung auch in Deutſchland
eine ſehr umfaſſende iſt, ſo iſt die Silberpappel — wenn auch jetzt voll-
kommen eingebürgert — doch wohl urſprünglich kein deutſcher Baum
ſondern mehr im Süden zu Hauſe. In Spanien, namentlich im Valen-
[448] cianiſchen iſt ſie ein ausgezeichnet ſchöner Baum mit viel glattrer, beinahe
fleckenloſer, bis zu bedeutenderer Stärke faſt grüner Rinde.


Im Leben hat die Silberpappel das Meiſte mit der Espe und den
übrigen Pappeln gemein, namentlich den reichen Stock- und Wurzelaus-
ſchlag. Die jungen Blättchen ſind Anfangs auf beiden Seiten weißfilzig,
und werden erſt allmälig auf der Oberſeite kahl und glänzend dunkelgrün,
während auf der Unterſeite der Filz und damit die weiße Farbe bis gegen
den Herbſt faſt noch zuzunehmen ſcheint; wenigſtens tritt der Gegenſatz der
beiden Farben des Blattes an windbewegten Kronen anfänglich nicht ſo
grell hervor wie im Spätſommer. Vielleicht hat dies ſeinen Grund aber
nur darin, daß die Oberſeite erſt vom Juni an ihr tiefes Dunkelgrün
annimmt, durch welches ſich die Silberpappel von ihren Gattungsver-
wandten ſehr unterſcheidet. Unſern Winter verträgt ſie vollkommen gut
und läßt ſich, was von der Espe weniger gilt, leicht durch große Steck-
reiſer vermehren.


Die forſtliche Bedeutung iſt noch geringer als bei der vorigen,
weil ſie als ſperrig wachſender und dichter belaubter Baum viel Raum
in Anſpruch nimmt und als Oberbaum im Mittelwalde mehr verdämmt
als jene. Deſto größer iſt ihre Bedeutung für den Waldfreund und für
den Landſchaftsgärtner durch den von jedem Luftzuge hervorgerufenen Farben-
kontraſt ihres kaum weniger als bei der Espe zitternden Laubwerks.
Schon aus weiter Ferne verräth ſich die vom Winde bewegte Silber-
pappel durch das Aufblitzen der ſchneeweißen Laubrückſeite, während bei
der Graupappel dies viel unbedeutender iſt.


Die Benutzung des Holzes iſt dieſelbe wie bei der Espe.


Von den zahlreichen Volksbenennungen der Silberpappel ſind an-
zuführen: Abelen, Abelebaum, Wißalberbaum, Wiß- und Bollbaum,
weißer Saarbaum, Weißbelle, Lawele, Heiligen- oder Götzenholz, Belle,
Albernbaum.


Vor der Schwarzpappel iſt hier die ſchon genannte Graupappel,
P. canescens Smith, wenigſtens kurz zu erwähnen, deren Vorkommen in
Deutſchland zwar zweifellos aber hinſichtlich der einzelnen Fundorte noch
nicht hinlänglich feſtgeſtellt iſt, da wahrſcheinlich von Manchen Blätter-
ſpielarten der Silberpappel für die echte Graupappel, welche namentlich
[449] in Ungarn und Siebenbürgen zu Hauſe iſt, gehalten werden, wie es zuerſt
gewiſſermaßen officiell von Willdenow geſchehen iſt, weshalb P. canes-
cens Willd.
gleichbedeutend mit P. alba varietas iſt. Die echte Grau-
pappel unterſcheidet ſich von der Silberpappel hinſichtlich der vorzugsweiſe
maßgebenden Blüthenmerkmale dadurch, daß bei ihr die beiden Narben
nicht blos zweitheilig wie bei der Espe und Silberpappel, ſondern drei-
bis viertheilig geſpalten ſind. Die Blätter ſind unten nicht ſo entſchieden
weißfilzig, ſondern nur leicht mit einem graulichen Haarfilz bedeckt. Sie
ſind von einem im Allgemeinen eirunden Umriß und am Rande buchtig
oder eckig gezähnt und weniger eigentlich gelappt, als es die Blätter der
Silberpappel ſind. Die Rinde des Stammes iſt glatter.


Ohne Zweifel wird zuweilen die Silberpappel mit der Graupappel
verwechſelt, da die erſtere bis Ende Mai ganz die Blätter der letzteren
und erſt von da an drei- bis fünflappige unten weißfilzige Blätter treibt.


17. Die Schwarzpappel, Populus nigra L.

Um die Ehre ein Baum erſter Größe zu ſein ſtreitet mit der Silber-
pappel die Schwarzpappel nicht ohne Erfolg und hat vor jener noch den
Charakter einer ſchlichten Großartigkeit voraus.


Wenn ſie wie alle Pappeln lange vor dem Ausbruch des Laubes
blüht, ſo hat der männliche Baum in dem leuchtenden Roth der noch ge-
ſchloſſenen Staubbeutel ſeiner bis 3 Zoll langen Kätzchen einen von den
kleinen, wie bei den vorigen ſtrahlig zerſchliſſenen, Deckſchuppen nicht
beeinträchtigten Schmuck, welcher ſich beſonders in den oberſten Verzwei-
gungen der Krone vertheilt findet. Die männlichen Blüthchen der Schwarz-
pappel, die man zur Blüthezeit in Menge, durch ihre Farbe in das Auge
fallend, unter dem Baume liegen ſieht, ſind durch ihre Größe am beſten
geeignet, den Bau der Pappelblüthe kennen zu lernen. Auf der Fläche
eines faſt pilz- oder ſchirmartig geſtalteten Trägers ſtehen die zahlreichen,
bis 20 und mehr, Staubbeutel gleichmäßig vertheilt auf ziemlich langen
und haarfeinen Staubfäden. Die weiblichen Kätzchen haben eine grüne
Farbe und laſſen bei der Reife aus den leierförmig aufſpringenden Kapſeln
eine reiche Fülle blendend weißer Samenwolle hervorquellen, welche mit
den kleinen Samen, denen ſie anhaftet, großentheils noch eingeſchloſſen in
Roßmäßler, der Wald. 29
[450] den Samenkapſeln mit den Kätzchen abfällt. Die trichterförmige Blüthen-
hülle des weiblichen Blüthchens und die vierſpaltigen Narben ſind eben-
falls beſonders groß und deutlich ausgeprägt.


Figure 70. LXIX.

Blatt der Schwarzpappel, Populus nigra L.


Das Blatt der Schwarzpappel (LXIX.) iſt von allen deutſchen
Arten das größte, beiderſeits vollkommen kahl, glatt und mattglänzend,
und ähnelt ſehr dem der italieniſchen Allee-Pappel. Es iſt aber mehr
dreieckig, während das der italieniſchen Pappeln mehr rautenförmig iſt.
Die Baſis bildet die faſt ganz geſtreckte, ſelten nach dem Blattſtiele in
einen ſchwach angedeuteten Winkel gebrochene Grundlinie des Blattdrei-
ecks; ja an üppigen Trieben iſt ſie hier ſogar etwas herzförmig einge-
drückt. Die Spitze iſt faſt immer ziemlich lang und ſchlank ausgezogen.
Der Blattrand iſt ziemlich regelmäßig bogig und ſtumpf gezähnt. Der
Blattſtiel nach oben hin ſtark zuſammengedrückt, an den Trieben älterer
Bäume von der Länge des Blattes, an üppigen Stockausſchlägen kürzer.
Die beiden Drüſen an der Stelle, wo er in die Blattfläche eintritt, ſind
bald vorhanden bald fehlend. Da die Schwarzpappel nur wenige Kurz-
triebe bildet, dagegen faſt immer aus der Endknospe einen anſehnlichen
Langtrieb entwickelt, neben welcher die Seitenknospen großentheils ver-
[451] kümmern, ſo erſcheinen die langen ruthenförmigen Zweige faſt nur an den
Enden beblättert. Die entwicklungsfähigen großen Laub-Knospen ſtehen
meiſt nur an der oberen Hälfte der Triebe; ſie ſind mit einem goldgelben
wohlriechenden Gummiharz überzogen, ſind ſpitzkegelförmig und von den
Schuppen derſelben ſind die äußerſten ſehr kurz. Die Blattſtielnarbe iſt
mehr oder weniger deutlich dreilappig mit 3 Gefäßbündelſpuren. Von den
drei Ecken derſelben — beſonders deutlich an Stocklohden — laufen
3 Kanten am Triebe herab (S. 63. F. IV. 3.). Die Triebe haben
ein ſehr deutlich fünfeckiges Mark und eine ſchmutzigockergelbe Rinde.


Der Stamm iſt anfänglich ziemlich glatt und grau berindet, bekommt
jedoch an alten Bäumen eine ſehr ſtarke tief- und grobriſſige Borkenrinde,
welche der alten Eiche ſehr nahe kommt, aber etwas heller ausſieht. Der
nicht ſelten bis 3 Fuß und darüber ſtarke Stamm ſchickt, und oft erſt in
bedeutender Höhe, meiſt nur wenige mächtige, nur wenig gebogene, oft
ſogar ſehr gerade Aeſte aus, welche weit ausgreifen und eine große Fläche
beſchirmen. Dieſe Hauptäſte zertheilen ſich meiſt nur an ihrer oberen
Hälfte in zahlreichere, ebenfalls wenig gekrümmte Zweige, welche ſich ebenſo
in nur leicht gebogenes Gezweig von langen ſchlanken Trieben auflöſen.
Die Schwarzpappel iſt überhaupt derjenige deutſche Laubholzbaum, welcher
die lockerſte, weitſchweifigſte und durchſichtigſte Krone hat; letztere Eigen-
ſchaft wenigſtens inſofern, als man unten am Stamm ſtehend die innere
Gliederung der Krone klar überſchaut. Hierin übertrifft ſie ſogar die
Eiche, von der auf S. 386 dieſe Eigenſchaft hervorgehoben wurde. Da-
durch, daß die Laubknospen ſich vorzugsweiſe an den Spitzen der Triebe
zuſammendrängen gewinnt die feine Veräſtelung etwas Abgeſtuftes, Quirl-
oder Straußförmiges, wodurch es den Krähen außerordentlich leicht gemacht
wird, ihr großes aus Reiſig ziemlich locker zuſammengefügtes Neſt da-
zwiſchen anzubringen. In einem Theile der ſchönen Promenaden Leipzigs
ſtehen koloſſale Schwarz- und Silberpappeln in Mehrzahl beiſammen,
aber ausſchließend auf jenen niſten hunderte von Saatkrähen und beläſtigen
mit ihrem ohrenzerreißenden Gekrächz die Bewohner der dicht dabei
liegenden Häuſer.


Trotz dieſer lockeren Verzweigung iſt die Krone der Schwarzpappel
nicht arm, ſondern wenigſtens in ihrer oberen Hälfte dicht und ſchattig,
wozu die an den Spitzen der Triebe dicht zuſammengedrängten großen
29*
[452] breiten Blätter beitragen. Dadurch, daß die unteren älteren, ſelbſt die
ausgreifendſten Aeſte, an ihren Enden in ſchönem Bogen aufwärts ſtrebend,
ununterbrochen mit Endlangtrieben fortwachſen, während bei andern Baum-
arten dieſe ſich mehr ſeitlich ausdehnen, gewinnt im hohen Alter die
Schwarzpappel eine breite, oben faſt ebene, gewiſſermaaßen viereckige
Kronengeſtalt.


Die Wurzel ſchickt einen Theil der Aeſte tief in den Boden und
läßt die übrigen ganz ſeicht im Boden weithin ſtreichen.


Das Holz iſt dem der vorhergehenden Arten ſehr ähnlich, doch etwas
zäher, wenn auch großporiger und daher weniger dicht. Auf gutem Boden
macht die Schwarzpappel in der erſten Hälfte ihres Lebens ſehr ſtarke,
zuweilen ½ Zoll breite Jahreslagen.


Abarten ſind von der Schwarzpappel nicht bekannt. Man kann
aber in ihr zuweilen irre werden, wenn es ſich um jüngere etwa fußdicke,
geſchneidelte und geköpfte Bäume handelt, welche von ebenſo behandelten
italieniſchen Pappeln ſchwer zu unterſcheiden ſind.


Das Leben der Schwarzpappel hat alle Hauptzüge mit der Espe
gemein: Blüthe- und Reifzeit, Schnellwüchſigkeit in der Jugend, ſpäte
Kronenabwölbung und große Ausſchlagsfähigkeit. Letztere iſt an der Wurzel
etwas geringer als bei der Espe, aber viel größer am Stock, Stamme
und in der Krone, daher ſie ſich ganz vorzüglich zu Kopfholz- und
Schneidelwirthſchaft eignet (S. 391.). Eine als Kopfholz behandelte
Schwarzpappel zeigt namentlich im unbelaubten Zuſtande eine große
Aehnlichkeit mit einer Kopfweide, und dies hat ihr ohne Zweifel den
Namen „Pappelweide“ verſchafft, der im Volke ſehr gebräuchlich iſt.
Selbſt alte Bäume treiben aus dem Stocke auf hinlänglich lockerem
Boden eine Menge Schößlinge, welche kräftig wachſen und dem Baume
ein ſchönes grünes Fußgeſtell geben. Ihre weitausgreifenden mächtigen
Aeſte machen ihr viel Bodenraum nöthig, weshalb ſie immer ſehr räumlich
ſteht. Das Leben der Schwarzpappel ſcheint eine ſehr große Dauer zu
haben. Mit 40 bis 50 Jahren iſt ſie ſchon ein großer Baum, wird aber
viel älter und erreicht nicht ſelten im Freien aber gedeihlichen Stande
eine Höhe von 80 und mehr Fuß. Wie die Kopfweiden ſo werden auch
die geköpften und regelmäßig geſchneidelten Schwarzpappeln zuletzt hohl,
[]

[figure]

[][453] was aber nicht hindert, daß ſie ſehr alt und ſtark werden. Sonſt hat ſie
von Krankheiten und Feinden faſt nicht zu leiden.


Der Standort muß für die Schwarzpappel, wenn ſie gut wachſen
ſoll, fruchtbar und friſch und von warmer Lage ſein. Als Heimath der
Schwarzpappel wird zwar allgemein und ganz unbedenklich Deutſchland
angegeben und dies mag wohl auch zuletzt richtig ſein; allein die Art
ihrer Verbreitung und ihres Vorkommens läßt doch einiges Bedenken
dagegen aufkommen. Man findet ſie nämlich entſchieden am häufigſten
in der Nähe der menſchlichen Wohnungen und des umgeſtaltenden Einfluſſes
des Menſchen auf die Pflanzenwelt, und wenn ſie hier und da in Feld-
hölzern oder ſelbſt in Waldungen vorkommt, ſo würde das bei einem ſo gut
gedeihenden Baume mit den befiederten ſo leicht überall hin verbreiteten Samen
noch keineswegs mit Nothwendigkeit für die urſprüngliche Eingeborenheit
ſprechen. Sie folgt dem Menſchen überall hin, dient ihm als Einfriedigung
und Befeſtigerin der Flußläufe und befindet ſich ſelbſt auf Triften und
Weiden wohl, am beſten vielleicht auf zeitweilig überſchwemmten Niederungen.


In gewiſſem Sinne iſt die forſtliche Bedeutung der Schwarz-
pappel vielleicht größer als die der Espe und ſie kann wenigſtens nicht
wie dieſe ein forſtliches „Unkraut“ geſcholten werden. Wo offenbarer
Holzmangel iſt, da vermag ſie als Kopf- und Schneidelbaum bei ihrem
reichen Ausſchlag und ſchnellem Wachsthum entſchieden am beſten Abhülfe
zu ſchaffen. Zu dieſen beiden Bewirthſchaftungsarten und zum Niederwald-
betriebe, ohne Vermiſchungen, da ſie alles Andere überwächſt, iſt ſie daher
unter dieſer Vorausſetzung ſogar ſehr werthvoll. Niemals aber im Hoch-
walde, weil ſie ſich zu licht ſtellt und daher zu viel Bodenfläche in An-
ſpruch nimmt. Die forſtliche Behandlung muß ſich hiernach ganz ſo
wie bei der Espe und Silberpappel geſtalten. Während von Seiten der
eigentlichen Forſtverwaltung kaum etwas zur Anzucht der Schwarzpappel
geſchieht, iſt dies von Seiten der landwirthſchaftlichen Holzzucht vielfach
geſchehen und läßt ſich dabei dieſelbe leicht durch Setzſtangen von einigen
Fuß Länge vermehren, wozu ſelbſt Wurzelſchößlinge benutzt werden können.


Die Benutzung des Pappelholzes iſt wie bei den vorigen Arten,
und die der Blätter als Futterlaub für Schafe und Ziegen vielfach
empfohlen (ſiehe S. 398.). Zum Schluß iſt noch auf einen habituellen
Charakter der Schwarzpappel aufmerkſam zu machen, der ſie vor allen
[454] übrigen Laubbäumen auszeichnet, wenn nicht, was mir wieder zweifelhaft
geworden iſt, die Silberpappel ihn mit ihr theilt. Wahrſcheinlich gleicht
jedoch die canadiſche Pappel, P. canadensis, die auch ſonſt der Schwarz-
pappel ſehr nahe verwandt iſt, dieſer in dieſem Charakter. Ich habe in meinen
„Reiſe-Erinnerungen aus Spanien“ (II. S. 70.) mich hierüber folgender-
maßen ausgeſprochen. „Ich möchte die genannten Pappelarten Sympathie-
bäume nennen. Ueberall, wo ſie jede für ſich truppweiſe zuſammenge-
pflanzt ſind, verſchmelzen ſie ihre Kronen derart zu einem einzigen Ganzen,
daß man ſelbſt aus der Ferne die Umriſſe der einzelnen nicht unterſcheiden
kann.“ — „Jene Pappelgruppen leben gewiſſermaßen ein gemeinſames
Leben, von welchem die größte Kraft im Mittelpunkte der Gruppe lebt;
während bei anderen Bäumen meiſt die Randbäume die weitäſtigſten ſind.“


Außer der bereits angeführten Benennung Pappelweide trägt die
Schwarzpappel noch die landesüblichen Namen Bell und Böll, Holzbaum,
Sarbuche, Sare, Sarbaum, Saarweide, Madenbaum, Wollenbaum, Feld-
baum, Rheinweide und andere.


18. Die Sahlweide, Salix caprea L.

Aus der Weiden großer Artenzahl und ärgerlich großer Anzahl von
Ab- und Spielarten gehören nur wenige für unſere Betrachtung des
Waldes, weil nur wenige im Walde heimiſch und dieſe wenigen von
keiner forſtlichen Bedeutung ſind. Inſofern aber Sümpfe und Teiche,
ſumpfige und moorige Waldwieſen, Bäche und Flüſſe innerhalb der
Gränzen zuſammenhängender Waldungen fallen, gehören allerdings ſehr
viele, ja faſt alle Weidenarten in das Bereich des Waldes, denn an allen
dieſen Standorten kommen Weiden, ja eigentlich an ihnen allein vor.


Die Gattung Salix iſt die artenreichſte deutſche Holzgattung, denn
z. B. Reichenbach, indem er die zwergenhaften Alpenweiden mitrechnet,
zählt in ſeiner Flora excursoria nicht weniger als 54 in Deutſchland
oder vielmehr in Mitteleuropa wachſende Weiden auf. Von dieſen ſind
namentlich 2 Arten vorherrſchende Waldbewohnerinnen, ſowohl in der
Ebene als und zwar noch mehr im Gebirgswalde. Bevor wir die erſte
in der Ueberſchrift genannte näher unterſuchen iſt der wichtigen und all-
[455] gemein bekannten Pflanzengattung eine kurze allgemeine Betrachtung
zu widmen.


Wir kennen die Gattung Weide ſchon als die Namengeberin einer
Unterfamilie der Kätzchenbäume, oder richtiger einer von den ſelbſtſtändigen
Familien, in welche man die Kätzchenbäume zerfällen muß, und ſie iſt als
ſolche die nächſte Verwandte der Gattung Populus, ja ſie bildet mit dieſer
ganz allein die Familie der Salicineen. Namentlich ſpricht ſich die nahe
Verwandtſchaft beider in der Frucht und im Samen aus (ſiehe d. Figuren).


Die Weiden ſind als Ebenenpflanzen faſt ausſchließend Bewohne-
rinnen der nördlichen gemäßigten Zone, und nur wenige kommen unter
dem entſprechenden Wärmemaaß auf den höchſten Bergen der warmen und
der heißen Zone vor. Nur eine Art, S. Humboldtiana W. wächſt auf
der ſüdlichen Halbkugel.


Alle Weiden ſind zweihäuſig, männliche wie weibliche Blüthen, von
höchſter Einfachheit, ſtehen in Kätzchen, welche mit einem kurzen mehr oder
weniger deutlich beblättertem Stiele verſehen ſind, zuſammen, welche ent-
weder vor, mit oder nach dem Laube ſich entfalten. An Blüthenhüllen
findet ſich nichts als ein lanzettliches behaartes zungenförmiges Deckblätt-
chen, welches am Grunde innen eine Drüſe trägt (LXX. 3.). Hinter
dieſen ſtehen je nach dem Artcharakter 1, 2, 3 oder 5 Staubgefäße in der
männlichen (2.) und 1 Piſtill mit 2 Narben in der weiblichen Blüthe
(5. 6.). Danach kann man die Weiden in 1-, 2-, 3- und 5- männige
eintheilen. Aus dem Piſtill erwächſt eine zweiklappige einfächerige Kapſel,
welche eben ſo wie die beſchopften Samen denen der Pappeln ſehr ähnlich
ſind (7. 8. 9.). Die bald kahlen bald behaarten Blätter der Weidenarten
ſchwanken zwiſchen den beiden Extremen der ſchmalen, faſt linealen Lanzett-
form und der eirunden Geſtalt, ja eine Alpenweide (S. reticulata L.) hat
ſogar ein kleines Erlenblatt. Merkwürdig ſchwankend iſt das Auftreten
der Nebenblättchen, indem es Arten ganz ohne ſolche und andere mit
bleibenden Nebenblättchen giebt (12 ***).


Bei den Weiden allein von allen unſeren Laubhölzern finden ſich
einſchuppige Knospen (10. 11.); bei der Entfaltung der ſich dehnenden
Knospen wird die nach innen zu liegende Naht der kapuzenförmigen Schuppe
auseinandergedrängt, was namentlich bei den Blüthenknospen deutlich zu
ſehen iſt (11.).


[456]
Figure 71. LXX.

Die Sahlweide, Salix caprea L.
1. Triebſpitze mit männlichen Kätzchen; — 2. Männliche Blüthe; — 3. Unterer Theil deſſelben um das Deck-
blättchen und die Schuppe zu zeigen; — 4. Triebſpitze mit einem weibl. Kätzchen; — 5. Weibliche Blüthe; —
6. Narbe; — 7. Noch geſchloſſene Frucht; — 8. Aufgeſprungene Frucht; — 9. Same; 10. 11. Geſchloſſene
und im Entfalten begriffene Blüthenknospen; — 12. Beblätterter Trieb, *** Nebenblättchen. (2. 3. 5. 6.
7. 8. 9. vergrößert.)


[457]

Was den geſtaltlichen Umfang der Weidenarten betrifft, ſo ſchwankt
dieſer zwiſchen zwei weit auseinanderliegenden Extremen. Während einige
Arten zu anſehnlichen bis 50 Fuß hohen ſtarken Bäumen erwachſen,
kommen im hohen Norden und auf den Alpen Weidenarten vor, welche
kaum über 1 Zoll hohe Stämmchen treibend dicht zuſammengedrängt einen
dichten Raſen bilden, der kaum höher als die Grasnarbe unſerer Schaf-
triften iſt.


Indem wir an die hunderterlei groben und feinen Korbflechtereien,
an die Faßreifen und an die Faſchinen zu ſchützender Flußufer, an das
Anbinden junger Bäume denken, fällt uns die Wichtigkeit der Weiden von
ſelbſt ein. Die Zähigkeit des Holzes ihrer dünnen und langen Triebe,
deshalb beſonders Weiden-Ruthen genannt, macht dieſe zu einem durch
nichts zu erſetzenden vielfach verwendbaren Stoff, während das Stamm-
holz der baumartigen Weiden nur einen ſehr geringen Werth hat.


Indem wir nun die Hauptvertreterin der Weiden im Walde, die
Sahlweide, betrachten, ſo iſt dieſe gleichwohl nicht diejenige Art, welche
am meiſten einer baumartigen Entwicklung fähig iſt. Dies iſt weit mehr
der Fall bei einigen Weiden, die mehr fern vom Walde an Bachufern
und auf Wieſen wachſen, z. B. S. fragilis, alba, triandra und andere.


Die männlichen Kätzchen ſind eirund (1.) und die Blüthchen
tragen 2 Staubgefäße mit ſehr langen Staubfäden (2.). Die Kätzchen,
was auch von den weiblichen gilt, erſcheinen wie bei allen vor dem Laube
blühenden Arten in einen ſilberweißen Pelz gehüllt (11.), gebildet von den
Haaren der Deckblättchen (2. 3.).


Die weiblichen Blüthenkätzchen ſind mehr walzenförmig (4.);
die Narbe des anliegend behaarten Stempels (6.) iſt zweitheilig. Die
Frucht iſt der wenig veränderte und vergrößerte Stempel; ſie ſpringt in
2 ſchmal lanzettliche Klappen auf und läßt die vom Grunde aus fein und
ſilberweiß beſchopften Samen frei. Das Blatt iſt länglicheirund, mit
deutlich ausgezogener meiſt etwas zurückgekrümmter Spitze und ſtark runzelig
ausgeprägtem Adernetz, unten faſt filzig behaart, daher graulich und ſammet-
artig weich, oben faſt kahl und lebhaft grün, am Rande wellig kerbzähnig.
Die Nebenblättchen (12 ***) ſind an langen Trieben, namentlich an Stock-
ſchößlingen, oft nur an den oberen Blättern ausgebildet und fehlen den
unteren oft gänzlich.


[458]

Die Triebe der Sahlweide haben eine grüngraue mit kurzen weichen
Flaumhaaren beſetzte Rinde und ein großes weißes Mark. Sie ſind unter
allen baumartig wachſenden Weidenarten am häufigſten Kurztriebe, weniger
ruthenförmige Langtriebe.


Auch der Stamm iſt weniger ſchlank als bei andern Weiden, ſondern
meiſt etwas knickig, mit einer, namentlich im Winter bis zu bedeutender
Aſtſtärke und auch noch an etwa 10 Zoll ſtarken Stämmen, grüngrauen
bis graugrünen ziemlich glatten Rinde bekleidet, welche nur ganz unten
borkenriſſig wird. Wegen der nur wenigen und verſchieden langen Haupt-
äſte iſt die Krone locker und unregelmäßig. Die Wurzel hat wenige
aber ziemlich tief eindringende Aeſte. Das Holz iſt weiß mit ſehr zahl-
reichen, nur manchmal paarweiſe, ſeltner zu 3 bis 5 verſchmolznen kleinen
Poren; Markſtrahlen ſehr zahlreich und fein; Jahresringe meiſt ziemlich
breit, durch porenarmes Herbſtholz bezeichnet. Das Holz hat ziemlich
häufig braungelbe Markfleckchen. Obgleich das Sahlweidenholz ſehr leicht
und weich iſt, ſo iſt es doch zähe und ziemlich dauerhaft, iſt leicht ſpaltig
und brennt praſſelnd mit träger Flamme.


Der Standort der Sahlweide iſt ein friſcher lockerer nicht zu felſiger
oder, wenn dieſes, wenigſtens ſehr klüftiger und humusreicher Boden des
Mittelgebirges, während ſie weder in der Ebene gern wächſt, noch ſehr
weit in bedeutendere Höhen geht, wo ſie ſogar noch gegen die Buche
zurückbleibt. Auf ſolchen Standorten iſt ſie in Deutſchland ſehr ver-
breitet
. Dagegen gedeiht ſie in dem Ueberſchwemmungsgebiet der Niede-
rungen ebenſo wenig wie in zu trocknen ſonnigen Lagen.


Ihr Leben iſt von dem der meiſten übrigen, eben dadurch allgemein
ſich auszeichnenden Weiden in vielen Punkten verſchieden. Wenn ſie auch
auf den Stock geſtellt, viel weniger aus der Wurzel, ein ſtarkes Aus-
ſchlagsvermögen beſitzt, ſo wächſt ſie doch, wie bereits angedeutet, als
Baum viel weniger raſch und auch viel weniger hoch, als manche andere
Weiden und eignet ſich auch nicht zum Kopfholzbaum. Unter günſtigen
Verhältniſſen kann ſie in einem Sommer bis 6 Fuß lange und 1 Zoll ſtarke
Stocklohden mit rieſigen Blättern treiben. Durch Stecklinge läßt ſie ſich
leicht vermehren. Von Feinden und Krankheiten der Sahlweide iſt
um ſo weniger bekannt, als ſie kaum ein Gegenſtand forſtmänniſcher Be-
handlung
iſt. Daher iſt ſie auch ohne eigentliche forſtliche Bedeutung,
[459] obgleich ſie, mit andern Holzarten gemiſcht, im 8—10 jährigen Niederwald-
betrieb in der Holzproduktion für holzarme Gegenden von wenigen Holz-
arten übertroffen werden dürfte.


Die Benutzung des Sahlweidenholzes außer zur Heizung, iſt zwar
ſehr manchfaltig aber auf Dinge geringerer Maaße beſchränkt, weil die
Sahlweide keine bedeutende Stamm-Stärke und Langſchaftigkeit zeigt.
Zu groben Korbgeflechten und zu Reifen ſind die Stocklohden brauchbar.


19. Die Ohrweide, Salix aurita L.

Ein ſeltner mehr als 4—5 F. hoher feinäſtiger ſperriger Buſch,
welcher ebenfalls vor den Blättern blüht und weſentlich kleinere ſchmal
eiförmige Kätzchen hat, von denen die männlichen ſich durch ſehr lange
Staubfäden auszeichnen. Die Blätter ſind ziemlich klein, verkehrt ei-
förmig, zugeſpitzt, am Grunde meiſt deutlich keilförmig verſchmälert, mit
undeutlich gezähneltem Rande und blaugrüner Rückſeite. Die Nebenblätter
ſind ſehr entwickelt, nierenförmig und faſt ganzrandig; (ſie haben der Art
den Namen gegeben und laſſen ſie leicht von andern Arten unterſcheiden).
(LXXI. auf folg. S.)


Faſt ohne alle forſtliche Bedeutung iſt die Ohrweide hier nur
deshalb aufgenommen, weil ſie namentlich in den Waldungen der Vor-
berge außerordentlich verbreitet vorkommt, wo ſie ſich in jungen Be-
ſtänden und etwas erwachſenen Kulturen aller Holzgattungen leicht ein-
niſtet und wegen ihres ausſchlagskräftigen reichbewurzelten Stockes ſchwer
ausrotten läßt. Sie thut jedoch kaum Schaden, da ſie nicht verdämmt
und nützlicheres Holz nie überwächſt. Sie liebt denſelben Standort
wie die vorige, am meiſten ſtrengen Lehmboden, kommt aber auch auf
anderen Bodenarten vor, ſelbſt auf Moorboden, wo ſie kleinblättrig wird.
Wegen der Blattähnlichkeit führt die Ohrweide auch den ſehr bezeichnenden
Namen Salbei-Weide.


Uns mit dieſen 2 Weidenarten für unſere genauere Betrachtung be-
gnügend, brauche ich kaum zu wiederholen, daß zahlreiche andere Weiden-
arten in dem Bereich des Waldes auftreten, ſobald in ihm Weiher und
Sümpfe, Flußläufe und größere Bäche liegen. Da begegnen wir an den
Flußufern ſelbſt den Korbweiden deren nützliche Ruthen an manchen
[460] Orten Wieden genannt werden (Salix viminalis L., S. rubra L.,
S. purpurea L.
u. ſ. w.); um Walddörfer ſtehen die baumartigen
Weiden
(S. alba L., S. triandra L., S. fragilis, S. vitellina und andere),
die entweder als Kopfholz benutzt, oder da die Walddörfer keinen Holz-
mangel leiden, als ſtattliche Bäume von 50—60 Fuß Höhe emporwachſen
und allein von allen unſeren Laubbäumen die zarte faſt haarartige Be-
laubung der Krone zeigen und dadurch faſt einen fremdländiſchen Zug in
unſere Baumwelt bringen. Unter dieſen Baumweiden findet ſich auch ein
Seitenſtück der Silberpappel, denn das unterſeits von dicht anliegenden
ſeidenartigen Haaren faſt ſilberweiße Blatt der Weißweide, S. alba L.,
zeigt eben ſo wie jene das blitzende Wechſelſpiel des Farbenkontraſtes.
Die Bruchweide, S. fragilis L. überraſcht uns durch die namengebende
Eigenſchaft, daß man mit der leiſeſten Gewalt ihre Triebe und Zweige

Figure 72. LXXI.

Blättertrieb der Ohrweide.


von ihrer Anheftungsſtelle leicht abbrechen kann. Es iſt als wären dieſe
hier eingelenkt und dieſe Weide ſtimmt hierin mit den Pappeln überein,
von denen einige Arten, z. B. die Espe, was hier nachgeholt wird, an
der Anheftungsſtelle der Triebe eine Art Gelenkwulſt haben. Manche
[461] dieſer Weidenarten, namentlich die zuletzt genannten, gehören ſicher zu
den ſchönſten Arten, denn die ſchlanken, goldgelben männlichen Kätzchen
neben den gleichzeitig ſich entfaltenden ſchöngrünen glänzenden Blättern
erſetzen uns in unſerer freien Natur die zarten neuholländiſchen Acazien
unſerer Gewächshäuſer, da ſie dieſen außerordentlich ähnlich ſehen. Nicht
minder erinnert die ebenfalls genannte S. triandra L. an einen Fremd-
ling, an die Platane. Sie heißt deshalb Krebsweide, weil ſie im Früh-
jahr platanenartig große dünne Borkentafeln abwirft und die neue Haut
krebsroth ausſieht. Auch die vorhin erwähnten Zwergweiden der Alpen
finden auf unſeren Moorwieſen faſt ihres Gleichen in der niedlichen kaum
über 1 Fuß hoch werdenden Wieſen- oder Kriechweide, S. repens L.,
die unſer Fuß niedertritt, ohne daß wir merken, daß wir über die Wipfel
von Zwergbäumchen hinwegſchreiten.


Was auf S. 203 von der italieniſchen Pappel erzählt wurde, daß
ſie, ſo viele wir deren haben, doch alle zuſammen nur Theilganze eines
einzigen großen uralten Geſammtganzen ſind, das gilt wahrſcheinlich auch
von der bekannten Thränen- oder Trauerweide, S. babylonica L.,
wenn das wahr iſt, was man ſich über ihre Einführung in Deutſchland
erzählt. Die Mönche des Sinai ſchickten, ſo ſagt man, dem Kaiſer Joſeph
Südfrüchte in einem niedlichen, aus ſehr feinen und gleichmäßigen Weiden-
ruthen geflochtenen Körbchen. Da die Ruthen noch ſehr friſch ſchienen,
ſo pflanzte man ſie als Stecklinge, die auch gut anſchlugen. Davon ſollen
alle unſere Thränenweiden abſtammen. Thatſache iſt, daß wir nur weib-
liche Exemplare haben, wie wir nur männliche Allee-Pappeln haben.


Noch ſei erwähnt, daß die Weiden, namentlich die üppigen Triebe
der Weidenheger in großen Flüſſen, außerordentlich häufig die S. 81
beſchriebene Prolepſis zeigen.


Das an ſich ſchon ſchwierige Studium der Weiden wird dadurch noch
weſentlich erſchwert, daß man nicht nur zuweilen Mühe hat, zu einer
gefundenen männlichen Weide ein weibliches Exemplar zu finden, ſondern
daß man bei den vor dem Laube blühenden Arten ſich den Buſch genau
merken muß, von dem man die Blüthen nahm, um dann einen Monat
ſpäter die inzwiſchen ausgebildeten Blätter von demſelben Buſche zu holen.
Es gehören alſo ſtets drei oder (bei den mit dem Laube blühenden Arten)
mindeſtens zwei Exemplare von jeder Weide in das Herbarium: ein männ-
[462] licher und ein weiblicher Blüthenzweig und — bei vorblühenden Arten —
noch ein männlicher oder weiblicher Blätterzweig, am beſten jedoch beide,
um ſicher zu ſein, daß die Blüthenzweige zuſammengehören, worüber in
den meiſten Fällen die Blätter entſcheiden.


20. Die Feld-Rüſter oder Feld-Ulme, Ulmus campestris L.

Wie wir uns von der Buche bis zu den Weiden überzeugen mußten,
daß die alte Familie der Kätzchenbäume, Amentaceen, zu einer größeren
Abtheilung erhoben und in mehrere eigentliche, ſchärfer umgrenzte Familien
zerfällt werden mußte, ſo iſt es auch mit der ehemaligen Familie der
Neſſelgewächſe, Urticaceen, zu der die Ulmen gehören. Auch ſie
iſt zerfällt worden in 7 Familien, von denen die eine als Ulmengewächſe,
Ulmeen, die Rüſtern weſentlich ausmachen. Schon der urtheilende Blick
des Laien ſträubt ſich die Rüſter, Brennneſſel, Hopfen, Hanf, Maulbeer-
und Feigenbaum, wie es der Fall war, in Einer Familie zu verbinden.


Wir begegnen zufolge der beobachteten Reihenfolge unſerer Baum-
betrachtung in den Ulmen oder Rüſtern zum erſtenmale Bäumen mit
Zwitterblüthen, während wir es bisher immer nur mit getrenntgeſchlechtigen —
entweder ein- oder zweihäuſigen zu thun hatten.


Der deutſche Wald birgt mehrere Ulmenarten; wie viel — darüber
iſt faſt eine noch größere Meinungsverſchiedenheit unter den Pflanzen-
forſchern als wir ſie wegen der Birken fanden. Wir haben, ehe wir es
verſuchen wenigſtens drei Arten zu unterſcheiden, den allen gemeinſamen
Gattungscharakter feſtzuſtellen.


Die lange Zeit vor dem Ausbruch der Blätter erſcheinenden Blüth-
chen
(LXXII. 3.) ſind zwitterig, an der Stelle der fehlenden gegenſätzlich
ausgeprägten Kelch- und Kronenblätter findet ſich nur eine glockige fünf-
(oder vier-) ſpaltige Blüthenhülle (Perigon), welche verwelkend ſtehen
bleibt; Staubgefäße 5 oder 4 oder zahlreicher bis 12 mit bald abfallenden
braunrothen Staubbeuteln auf ziemlich langen haarfeinen Staubfäden; der
nur eine platt gedrückte Fruchtknoten (4.) hat 2 bebartete auswärts ge-
krümmte Narben und bekommt dadurch eine leierförmige Geſtalt. Am
Stiele jedes Blüthchens ſteht ein kleines Deckblättchen (3.). Die Blüthen
entſpringen aus beſonderen größeren, kugeligen Knospen (9.) und ſtehen
[463] ſtets in kleinen Knäueln in Mehrzahl zuſammengedrängt (1.). Aus dem
Stempel wird eine verkehrt herzförmige Flügelfrucht, deren den Samen
ringsumgebender dünnhäutiger Flügel oben bis zum Samen geſpalten und
von einem vielmaſchigen Adernetz durchzogen iſt (5.). Der Same iſt
platt und mandelförmig, etwa 1 Linie groß. An der kegelförmigen Laub-
Knospe
ſtehen die Schuppen wechſelſtändig zweizeilig, und die Knospen
ſelbſt ſchräg, abwechſelnd nach links und nach rechts gebogen, über der
ziemlich großen Blattſtielnarbe (S. 60. Fig. III. 1.). Die Blätter
ſtehen ſehr deutlich wechſelſtändig zweireihig, und es iſt daher ein reich
beblätterter Langtrieb einer Feder oder einem gefiederten Palmenblatte zu
vergleichen. (Siehe den kleinen Buſch im Vordergrunde des Bildes.)


In dieſen Kennzeichen ſtimmen alle Rüſternarten überein und wir
haben nachher weitere, die einzelnen Arten von einander unterſcheidende
Merkmale aufzuſuchen.


Von anderen jedoch wahrſcheinlich weniger ſtichhaltigen Gattungs-
merkmalen, welche bei den ziemlich zahlreichen Arten vielleicht nicht immer
alle vorhanden ſind, iſt noch zu erwähnen, daß die kurzgeſtielten, meiſt
ſehr rauhen Blätter ſchief ſind, d. h. an der einen Seite tiefer am Blatt-
ſtiele herablaufen als an der anderen (ſiehe namentlich ſpäter Fig. LXXIV.)
und daß das Holz ungleich große Gefäße hat (S. 104), nämlich im
Frühjahrsholze eine Schicht große und im Herbſtholze zahlreiche kleine,
welche in wurmförmige querſtehende, d. h. mit den Jahrringen gleich-
laufende Gruppen geordnet ſind.


Die Rüſtern gehören zu unſeren Bäumen erſter Größe, welche in
der Architektur den Eichen am nächſten kommen, jedoch ſchwächere und
weniger hin- und hergekrümmte Aeſte und eine ſehr riſſige Borkenrinde
haben.


Was nun zunächſt die verbreitetſte Feldrüſter,Ulmus campestris L.,
betrifft, ſo hat ſie fünfmännige*) ſehr kurzgeſtielte, in dichten
Knäueln zuſammengedrängte Blüthen (1.), und eine von der kreis-
runden wenig abweichende Form der Früchte. Der Rand der Flügel-
haut iſt kahl (vergl. die Flatterrüſter). Die Blätter ſind bald mehr
[464] bald weniger ſchief, beiderſeits, namentlich oben, von kleinen ſteifen, auf
einer runden Baſis ſtehenden Borſtchen bald mehr bald weniger rauh
und ſcharf anzufühlen und auf der Rückſeite in den Winkeln der zahl-
reichen faſt geraden Seitenrippen mit kleinen weißlichen Bärtchen ver-
ſehen. Die allgemeine Blattgeſtalt iſt breit elliptiſch eiförmig, mit ſchlank

Figure 73. LXXII.

Die Feldrüſter, Ulmus campestris L.
1. Eine blühende Triebſpitze; — 2. Eine vorjährige Triebſpitze mit Fruchtbüſchel und
anſitzendem jungen Laubtrieb; — 3. Eine einzelne Blüthe; — 4. Stempel; —
5. Frucht; — 6. Same mit der Samenſchale; — 7. Same ohne dieſe; — 8. Same
längsdurchſchnitten; — 9. Trieb mit 2 Blüthen- und drei Laubknospen. (3. 4. 6—7. vergr.)


ausgezogener Spitze und ſchief herzförmiger Baſis. Der Rand iſt doppelt
ſägezähnig, die größeren Zähne etwas aber nicht ſtark einwärts gekrümmt,
nicht ſehr tief eingeſchnitten und oft ziemlich abgeſtumpft (vergl. die
Flatterrüſter), der Blattſtiel kurz und ziemlich ſtark; die unterſten Blätter
[465] der Triebe ſind meiſt um vieles kleiner als die oberen und haben einen
meiſt nur einfach und zwar ſehr regelmäßig ſägezähnigen Rand. Die
neben dem Blattſtiel ſtehenden lineal zungenförmigen Nebenblätter fallen
ſehr bald ab. Die jungen Triebe mit einzelnen bald verſchwindenden ſteifen
Härchen beſetzt. Die Knospen ſind dunkel chokolatbraun anliegend
aſchgrau ſeidenglänzend behaart. Die kleinen Samenpflanzen haben
verkehrt eiförmige Samenlappen und nicht ungleiche einfach gezähnte
Herzblätter.


Der Stamm alter in gutem Schluſſe erwachſene Feldrüſtern iſt
ziemlich geradſchaftig und theilt ſich — freiſtehende tiefer — erſt in ziem-
licher Höhe in wenig ausgebreitete, ſondern ſchräg aufſteigende wenig hin
und hergebogene, ſelten eine bedeutende Stärke und eine ſehr ungleiche
Höhe erreichende Aeſte, wobei jedoch meiſt einer als der den Stamm fort-
führende zu erkennen iſt. Die Verzweigung der Aeſte in Seitenäſte und
immer dünnere Zweige und letzte Triebe findet unter einem großen Winkel
ſtatt, wie dies auch die abſtehenden Laubknospen andeuten (9.), wie es
aber auch bei den übrigen Arten der Fall iſt. Freiſtehende alte Feld-
rüſtern haben eine ſehr eichenähnliche Verzweigung aber ſelten ſo ſtarke
Hauptäſte wie die Eiche. Die Rinde ſtarker Stämme und der Hauptäſte
iſt ſehr aufgeriſſen und gefurcht, eichenähnlich aber mit einer weicheren
Korkſchicht; die der dünnen Zweige ziemlich glatt. Die Rüſternrinde hat
eine ziemlich ſtarke leicht in Schichten ablösbare Baſtſchicht. Die Rinde
zweijähriger Triebe zeigt ſchon eine Hinneigung zum Aufreißen durch feine
etwas geſchlängelte Furchen, und kleine braungelbe runde Rindenhöckerchen.


Die Feldrüſter wölbt ihre Krone erſt in einem Alter von 50 bis
60 Jahren ab und behält lange einen ſperrigen Wuchs mit oft ſehr merk-
lichem Vorherrſchen einzelner aus der Krone hervorſchießender ſpitzer
Aeſte. Je nachdem der Baum im Schluſſe oder frei erwachſen iſt zeigt
ſich die Krone mehr lang oder mehr breit angelegt; im erſteren Falle
meiſt regelmäßig nach oben abgeſtuft und in einen ziemlich breit und quer
abgeſtutzten Wipfel endend; im letzteren Falle iſt ſie aus einzelnen ungleich
hohen Partien zuſammengeſetzt, die jede für ſich meiſt ebenfalls deutlich
flach oder etwas gewölbt abgeſtutzt ſind. Selbſt an ſehr alten Rüſtern
treten aus dem Umfang der Krone zahlreiche großblättrige Langtriebe
hervor, was der Silhouette des Baumes etwas Lockeres und Krauſes giebt.
Roßmäßler, der Wald. 30
[466] An jüngeren Bäumen und ſtarken Stockausſchlägen macht ſich die oben be-
ſchriebene palmenblatt- oder federähnliche Triebſtellung als den Habitus
bedingend ſehr geltend, und namentlich an langen kräftigen zweijährigen
Stocklohden ſieht man oft zahlreiche überaus regelmäßige beiderſeits ab-
wechſelnd kammförmig geſtellte Seitentriebe, welche von unten nach oben
am Haupttriebe länger ſind. Dieſe Triebſtellung hat ganz das Anſehen
der Rippung eines recht ſpitzausgezogenen Rüſterblattes.


Die Wurzel macht ſowohl ziemlich tief gehende als ſeichter im
Boden ſtreichende Seitenwurzeln.


Das Holz hat einen mehr oder weniger dunkel leber- oder chokolat-
braunen Kern und einen ziemlich breiten gelbweißen Splint, iſt grob jedoch
ziemlich glänzend, nicht ſehr ſpaltbar. Die großen Poren gehen allmälig
in die kleinen über, letztere bilden oft zu mehreren Dutzenden aneinander
gefügt wellige der Stammperipherie mehr oder weniger gleichlaufende
oft ſehr lange geſchlängelte Linien; Markſtrahlen nicht ſehr zahlreich, von
feiner oder mittler Dicke, ½ Linie breit, ziemlich gleichmäßig. Die Holzzellen
ſind im Bereiche der großen Gefäße ziemlich dünn und ſchwammig, die
übrigen dickwandig und feſt. Jahresringe durch die großen Poren des
Frühjahrsholzes ſehr ſtark bezeichnet. Das Holz brennt gut und iſt in
allen Verhältniſſen ſehr dauerhaft.


Von den Abarten der Feldrüſter läßt ſich ſehr viel oder ſehr wenig
ſagen, jenachdem man gewiſſe Formen blos für Abarten von ihr hält oder
als ſelbſtſtändige Arten anſieht, wie es Manche thun. Es herrſcht darum
in der Gattung Ulmus noch ſehr viel Unklarheit und Meinungsverſchieden-
heit über die Feſtſtellung der Arten. Manche deutſche Floriſten führen
blos zwei Rüſternarten auf — dieſe und die Flatterrüſter — andere drei,
noch andere bis zu neun. In Baumgärten findet man eine krausblättrige
und eine geflecktblättrige Spielart. Von Vielen wird die Korkrüſter für
eine Abart der Feldrüſter angeſehen.


Als Standort verlangt die Rüſter am liebſten einen fruchtbaren
Auenboden und ſteigt auf die niederen Stufen des Gebirges bis zu
2500 F. nur wenn ſie einen friſchen humusreichen und geſchützten Stand
findet, wo ſie dann allerdings ihre ſtarken Wurzeln zuweilen tief in die
Felsſpalten eintreibt. In der Leipziger Ebene iſt ſie allgemein verbreitet;
jedoch iſt ſie keinesweges ein eigentlicher Feldbaum wie ihr Name andeutet,
[467] da ſie im Gegentheil durch trocknen ſonnigen Stand leidet. Doch trifft
man gleich den Linden auf Kirchhöfen und andern öffentlichen Plätzen
häufig ſehr alte und große Feldrüſtern, die zum Theil örtliche Wahrzeichen
geworden ſind. Bei der Ungewißheit, ob nicht dennoch mehrere ihr ſehr
naheſtehende Arten unterſchieden werden müſſen, iſt es mißlich ihr Ver-
breitungsgebiet
genau anzugeben. In Deutſchland kommen Rüſtern
mit Ausnahme entſchiedener Heidegegenden und des Gebirgs-Nadelwaldes,
wenigſtens einzeln wahrſcheinlich überall vor und in den meiſten Fällen
werden dies Feldrüſtern ſein; beſtandbildend aber wohl nirgend. In Eng-
land, Frankreich und Italien kommt ſie vor; war ja doch die Ulme den
alten Römern bekannt als tragender Freund für die Schlingen des Wein-
ſtocks, ſo daß römiſche Dichter ſie ulmus vidua nannten, wenn ihr kein
Weinſtock „vermählt“ war.


Wie ſchon bei der Verbreitung ſo iſt es auch bei der Betrachtung
des Lebens kaum möglich, die drei Arten, welche wir nach äußerlichen
Merkmalen unterſcheiden wollen, auseinander zu halten; es dürfte auch
an hinlänglich genauen unterſcheidenden Beobachtungen über die Lebens-
erſcheinungen dieſer drei Arten mangeln, und das Beobachtete ſich mehr auf
Rüſtern überhaupt beziehen. Auch in folgenden Bemerkungen ſollen vor-
läufig die im Leben ohnehin ſehr übereinſtimmenden Rüſtern zuſammen-
gefaßt werden.


Neben Erlen und Haſeln gehören die Rüſtern zu den zuerſtblühenden
Bäumen, da die kleinen, nur bei der Flatterrüſter (LXXIII. 1.) deutlicher
ins Auge fallenden, Blüthenſträußchen ſich ſchon im März zu öffnen
pflegen. Noch ehe die Blätter nachkommen entwickeln ſich die Früchte
und dieſe ſind gewöhnlich ſchon ganz ausgewachſen, wenn ſich die Laub-
knospen erſt öffnen, und fallen, Ende Mai oder Anfang Juni, reif ab,
wenn die Blätter eben ihr Wachsthum vollendet haben. Der dünne
Hautſaum klebt die Frucht feſt auf den Boden auf und erleichtert auch
ohne Bedeckung das Keimen des Samens. Dies erfolgt unmittelbar nach
dem Anfliegen bei hinlänglich feuchtem Boden ſchon nach 3 — 4 Wochen,
während vorher getrockneter und ausgeſäeter doppelt ſo lange liegt. Die
Pflänzchen erreichen noch eine Höhe von 4 — 6 Zoll und entwickeln vom
2. Jahre an lange Zeit ein förderſames Wachsthum in der vorher be-
ſchriebenen Aufeinanderfolge der Zuſtände von Anfangs lockeren und ſperrig
30*
[468] äſtigen Bäumchen bis zu dem mächtigen Baume, wobei zuletzt der Zu-
wachs nur ein langſamer und ſehr unbedeutender wird. Unter günſtigen
Bedingungen fängt die Rüſter ſchon mit 25 — 30 Jahren an zu blühen,
und in der kräftigſten Altersklaſſe blüht ſie mehr oder weniger reichlich
jedes Jahr. In beſonders reichen Samenjahren (wie das gegenwärtige
1862) vermögen die dicht zuſammengedrängten Fruchtknäuel den Rüſtern
ein höchſt abenteuerliches Anſehen zu geben, indem ſie es mindeſtens
8—10 Tage lang ganz allein ſind, was den Baum begrünt, da die Blätter
erſt ſpäter nachkommen. Iſt dies alsdann geſchehen und ſind inzwiſchen
die Früchte abgefallen, ſo erſcheint in Samenjahren die Belaubung ſehr
dürftig, weil eine Anzahl Triebe, an denen die Früchte ſaßen, nun kahl
erſcheinen. Der Unkundige muß dann glauben, daß Inſekten den Baum
großentheils entlaubt haben.


Kein Baum hat eine größere Triebkraft in ſeinem Innern als die
Rüſter. Der älteſte Baum hört nicht auf, am Umfange ſeiner Krone eine
Menge Langtriebe zu machen, die an ihrer Spitze den ganzen Sommer
hindurch Blätter treiben, die meiſt viel größer als die unteren ſind. Das
Ausſchlagsvermögen iſt über alle Theile des Baumes verbreitet; er treibt
reichliche Wurzelſchößlinge, und einen ſtehenden Stamm, namentlich wenn
er etwas verdämmt ſteht, ſieht man ſelten ohne zahlreiche Stammaus-
ſchläge. Auf den Stock geſtellt, geſchneidelt und geköpft treibt die Rüſter
mit unverſiechbarer Kraft üppige Sproſſe hervor. Namentlich die jüngeren
Stöcke bilden dann wahre Rieſenblätter, an denen neben der Spitze noch
1 oder 2 Seitenſpitzen heraustreten. Ueberhaupt iſt das Rüſterblatt ein
wahrer Proteus an Form und Größe und nicht blos an einem Baum,
ſondern auch an einem Triebe findet man Blätter von der verſchiedenſten
Geſtalt und Größe und Ausbildung der Randzähne *).


[469]

Beſonders im dichten Baumwalde ſtehende Rüſtern zeigen an ihren
bis ganz tief am Stamme herabſtehenden beſchatteten Ausſchlägen vollſtändig
abweichende Blätter von kaum einen Sechſtel Größe der Stammblätter.


Die Rüſter kann ein hohes Alter erreichen, obgleich ihre Stamm-
ſtärke wohl oft auf ein höheres Alter deutet, als es wirklich iſt, da die
Jahrringe ſelbſt im hohen Alter noch ziemlich breit ſind. Es giebt Bäume
von mehr als 100 Fuß Höhe, die dann wohl 200 — 250 Jahr alt ſein
können. Einige leider meiſt wipfeldürre ſehr große Rüſtern ſtehen unweit
Leipzig bei dem Kuhthurm, von denen die ſtärkſte reichlich 14par. Fuß
Umfang, alſo über 2 Ellen Durchmeſſer hat. Die ſtärkſte bekannte Rüſter
iſt wohl die von Hampſtead in der Grafſchaft Middleſex, welche über der
Wurzel 28 F. Umfang hat. Von derjenigen, welche 1796 bei dem Bene-
dictinerkloſter St. Pons im Languedoc noch ſtand ſagte eine Urkunde, daß
1583 unter ihr dem Grafen von Savoyen Amadeus dem Grünen das
Gebiet von Nizza geſchenkt wurde. Die Urkunde fängt an: sub Ulmo
Sancti Pontii etc.
Dies deutet auf ein Alter von wenigſtens 500 Jahren,
da ſie doch 1583 ſchon ein bemerkenswerther Baum geweſen ſein muß.


Von Krankheiten und Feinden leiden die Rüſtern wenig. Unſer
ſtrengſter Winter und ſtarke Spätfröſte haben höchſtens alten freigeſtellten
Bäumen etwas an. Große Hitze und Trockenheit ſind ihnen, da ihre
tiefgehenden Wurzeln ihre Nahrung aus der Tiefe holen, kaum merklich
nachtheilig. Ganz alte Bäume werden zuletzt wipfeldürr. Am läſtigſten,
aber doch auch ihrem Leben und Gedeihen nicht eigentlich dauernd nach-
theilig, werden namentlich ſonnig ſtehenden Rüſtern mehrere Blattſauger:
Schizoneura lanuginosa Hartig und Tetraneura Ulmi Hartig und andere,
welche auf der Oberſeite der Blätter die bekannten bis wallnußgroßen
Blaſen hervorbringen.


Die forſtliche Bedeutung der Rüſter iſt bei der Vorzüglichkeit
des Holzes und bei ihrem kräftigen Wuchs und Ausſchlagsvermögen ſehr
groß, namentlich für den gemiſchten Laubholz-Hochwald. Aber nicht blos
für dieſen, ſondern auch für den Mittel- und Niederwald nimmt die
forſtliche Behandlung auf ſie Rückſicht wiewohl nicht überall nach
Verdienſt, ſo daß z. B. Pfeil in ſeiner hinterlaſſenen Schrift ſagt, daß
erſt ſeit neueſter Zeit zur Erzielung von Laffettenholz auf die Erziehung
der Rüſtern, namentlich der Korkrüſter mehr Bedacht genommen werden ſoll.


[470]

Der unmittelbar nach der Reife geſammelte Same — wobei leicht
ein Sturmwind zuvorkommt — auf wundgemachten aber nicht aufgelockerten
Boden der Saatgärten geſäet, leicht bedeckt und durch Begießen befeſtigt
keimt leicht; die 5 — 6jährigen Pflanzen werden dann ausgepflanzt.
Nach drei Jahren werden die jungen Bäumchen vorſichtig ausgeäſtet, was
aber, wenn es zu ſtark geſchieht, leicht Stammausſchlag hervorlockt. Die
Wurzelſchößlinge geben ausgepflanzt keine ſchönen, auch leicht kernfaul
werdende Stämme, eignen ſich aber für den Mittel- und Niederwald zum
Unterholze. Im 20—40jährigen Umtrieb giebt die Rüſter im Niederwalde
ſelbſt ſchon Nutzholz. Als Oberholz im Mittelwald iſt die Rüſter zu-
läſſig, weil ihre ziemlich lockere Belaubung wenig verdämmend wirkt. Im
Hochwalde muß man ſie, um den höchſten Nutzholzertrag zu erzielen
100 — 120 Jahre alt werden laſſen. Rein wird ſie niemals erzogen,
ſondern immer in Vermiſchung mit andern Laubholzarten, wie z. B. in
den ſchönen Auenwäldern der Leipziger Niederung mit Eiche und Hornbaum.


Die Benutzung des Rüſterholzes iſt eine ſehr manchfaltige und
ausgedehnte; zum Schiffsbau, Wagen- und Maſchinenbauerei, in der
Tiſchlerei, Büchſenſchäfterei, namentlich der berühmte Ulmenmaſer (auch
zu „Ulmer Pfeifenköpfen“) iſt es gleich geſchätzt; als Brennholz iſt es
der Buche wenig nach, der Eiche gleich geſtellt. Der Rüſterbaſt iſt feiner
und gefügiger als Lindenbaſt.


Künſtleriſch aufgefaßt gehört die Rüſter zu den ſchönſten und am
meiſten maleriſchen Bäumen des deutſchen Waldes, ſowohl in der Ver-
geſellſchaftung mit andern Bäumen, über deren Wipfel ſie die ihrigen in
charakteriſtiſchen Umriſſen oft noch hinaushebt, wie einzeln oder in kleinen
Gruppen ſtehend, wo ihr ſtarkäſtiger Stamm in kühnen Formen der Eiche
oft nicht viel nachſteht und zugleich die ſchwerbelaſteten großblättrigen
Endtriebe der Zweige lindenartig niederhängt. Dieſes der Rüſter ſehr oft
eigene Niederhängen der Zweige iſt dadurch bedingt, daß ſie zu den Bäumen
gehört, welche an der Spitze der Langtriebe den ganzen Sommer hindurch
beinahe ohne Unterbrechung Blätter treiben. Die durch den Johannistrieb
hervorgetriebenen ſind faſt immer viel größer und daher ſchwerer als die
vorhergehenden; und da ſie auch anfangs viel heller ſind, ſo hat um dieſe
Zeit die Rüſter ein hellgeſprenkeltes Anſehen. Von beſonders eigenthümlicher
Wirkung iſt die Rüſter als buſchiges Unterholz, indem ſie oft ſchnurgerade
[]

[figure]

[][471] ihre kräftigen Sproſſen mit den regelmäßig angefügten Trieben und
Blättern emporſtreckt, was namentlich an den Waldrändern hervortritt,
wo man dann, wenn man dieſe Trieb- und Blattſtellung kennt, die Rüſter
nicht verkennen kann.


Wie viele weitverbreitete Baumarten haben auch die Rüſtern, wobei
nur der Holzarbeiter zwiſchen den verſchiedenen Arten Namenunterſchiede
macht, zahlreiche Volksbenennungen. Zunächſt ſei hier bemerkt, daß ich
den Namen Rüſter als echt deutſchen dem Namen Ulme vorgezogen
habe, weil letzterer doch nur eine Germaniſirung des lateiniſchen ulmus
iſt. Von Volksbenennungen ſind anzuführen: Reuſter, Röſter, Ulm, Ilm
oder Ilme, Effe, Rüſchen, Ruäſchen, Effenbaum, Eſſern, Ypern, Epenholz,
Leinbaum, Ruſtholz, Fliegenbaum (vielleicht wegen des häufigen Vor-
kommens der auch geflügelten Blattläuſe), Lindbaſt.


21. Korkrüſter, Ulmus suberosa Ehrhard.

Obgleich manche Botaniker das Artenrecht der Korkrüſter entſchieden
verfechten, ſo wird es doch von anderen beſtritten und ſie nur als Abart
von der Feldrüſter gelten gelaſſen; ja einige übergehen ſie ganz mit Still-
ſchweigen und verbinden ſie daher ohne weiteres mit voriger.


Als Hauptkennzeichen heben ihre Vertheidiger hervor, daß die
Blüthen, die übrigens denen der Feldrüſter ſehr gleichen, blos 4 Staub-
gefäße und übereinſtimmend damit nur 4 Zipfel der Blüthenhülle haben,
und daß ihre Blätter viel weniger ſchief ſein ſollen (ſ. unten Fig.
LXXIV. 2.); ja Pfeil macht für ſie ſogar den techniſchen Unterſchied geltend,
daß nur das Korkrüſterholz als das feſteſte und zäheſte zu Laffetten brauch-
bar ſein ſoll; Willkomm nennt ihre Knospen faſt kahl und kleiner als
bei voriger, mit breiten Deckſchuppen, und Th. Hartig hebt hervor, daß
bei U. s. die Narben der Nebenblättchen an der Rückſeite mit ſteifen
ſilberweißen Borſtenhaaren beſetzt ſind. Alle dieſe Kennzeichen finde ich
nicht ſo beſtändig, um ſie als ſichere Unterſcheidungskennzeichen gelten
laſſen zu können: ſelbſt die Staubgefäßzahl iſt in einem und demſelben
Blüthenknäuel in einzelnen Blüthen fünf. Das namengebende Kennzeichen,
welches ſich übrigens weniger auf die Stamm- als auf die Zweigrinde,
namentlich von Stamm- und Stockausſchlägen, beziehen ſoll, iſt ebenfalls
[472] nicht ſtichhaltig, da ſich ſowohl neben ſonſt für U. suberosa ſprechenden
Merkmalen keine Korkwülſte (S. 115. XV. a. a.), auch gewöhnlich Kork-
flügel genannt, dagegen umgekehrt dergleichen zuweilen an ſolchen Rüſtern
finden, welche den übrigen Merkmalen nach U. suberosa nicht ſein können.
Entſchieden viermännige Rüſtern (demnach alſo U. suberosa) habe ich
zuweilen mit vollkommen ſchiefen Blättern gefunden. Darauf, daß ſolche
zugleich kleinere und kaum erheblich roth gefärbte Blüthenknäuel haben
iſt wenig Gewicht zu legen, weil Farbe und Größe in der ſyſtematiſchen
Botanik überhaupt kaum als Artkennzeichen gelten. Die, der U. effusa
ſtets fehlenden, Bärtchen in den Winkeln der Blattſeitenrippen haben die
für U. suberosa zu haltenden Rüſtern mit U. campestris gemein, ſind
aber ebenfalls zuweilen faſt ganz fehlend und gewiſſermaßen in eine all-
gemeine Behaarung der Mittelrippe aufgelöſt.


An den Früchteu kann ich namentlich den von Reum angegebenen
Unterſchied nicht finden, daß der Spalt in dem Fruchtflügel bei U. suberosa
auseinanderklaffen, dagegen bei U. campestris durch Uebereinanderlegen
der beiden Flügelzipfel verdeckt ſein ſoll.


Dieſes in den ulmenreichen Waldungen der Leipziger Ebene ge-
wonnene Urtheil ſchließt nicht aus, daß — immer mit Weglaſſung der
auch ohne Blüthen und Früchte gut zu unterſcheidenden Flatterrüſter —
Rüſternformen vorkommen, welche man kaum mit der Feldrüſter zuſammen-
werfen kann ohne jedoch dabei zu vergeſſen, daß dieſe Art ein wahrer
Proteus iſt.


Namentlich die Verſchiedenheit der Blätter in Form und Größe,
ſelbſt an den Kurztrieben großer Bäume, ganz beſonders aber an den
beſchatteten Stammausſchlägen ſolcher, iſt außerordentlich groß; man findet
oft das unterſte von 4—6 Blättern eines Triebes dem Flächenraum nach
kaum den 10—15. Theil ſo groß und ganz anders geſtaltet als das oberſte
oder vorletzte. Trügeriſch iſt es, nach den Blättern die Art der Wurzel-
ausſchläge zu beſtimmen, da dieſe beſonders abweichende Blattformen zu
machen ſcheinen.


In hohen gemiſchten Laubholzbeſtänden findet ſich — wahrſcheinlich
Wurzelausſchlag — zuweilen eine buſchige Form, mit dünnen zarten und
ſperrig gewachſenen Zweigen und ſehr kleinen faſt ganz regelmäßig gleich-
ſeitigen Blättern.


[473]

Während ich dieſe, für den nach „feſten Formen“ Verlangenden
wenig tröſtliche, Schilderung der Rüſtern ſchreibe, ſteht gerade die Rüſtern-
belaubung nach Eintritt des Johannistriebes in der höchſten Vollkommen-
heit und zahlreiche Ausflüge, blos zum Zwecke der Enträthfelung der zahl-
reichen Rüſternformen gemacht, führten mich in dem Formenlabyrinthe
auch zu einem mittlen Baum, an deſſen unterſtem Aſte fußlange Adventiv-
ſproſſen aus dem alten Holze mit noch hellgrünen Blättern auffielen. Die
übrigen älteren Blätter waren ſehr ſchief und auf der Oberſeite faſt ganz
kahl, während die neuen Blätter kaum eine Spur von Schiefheit, viel
tiefer eingeſchnitten gezähnten Rand und eine ſehr rauhborſtliche Ober-
ſeite zeigten.


Verurſacht es nun auch allerdings ein gewiſſes Mißbehagen, ſolche
Wandelformen nicht ſicher unter einen Artbegriff bringen zu können, ſo
iſt doch am Ende weniger Dieſes als vielmehr Das die Aufgabe der
Naturforſchung, die Formen des Lebens an ſich kennen zu lernen; die
Natur iſt nicht verpflichtet, nur lauter „gute Arten“ zu machen, damit
wir es hübſch leicht haben. Die Schwierigkeit der Artbeſtimmung wird
bei den Rüſtern noch dadurch weſentlich vermehrt, daß man jeden Baum
zu verſchiedenen Zeiten dreimal beſuchen muß: im Blüthen-, im Frucht-
und in dem Zuſtande der vollkommen ausgebildeten Belaubung, was eine
genaue Bezeichnung der Bäume zum Zwecke des Wiederfindens erfordert.
Bei nicht blühendem Stockausſchlag iſt man noch ſchlimmer daran, weil
man mit ihm auf das ſo außerordentlich vielgeſtaltige Blatt beſchränkt iſt.
Ueber die Art der Wurzelſchößlinge kann nur eine, leider beinahe unaus-
führbare, Nachweiſung des Wurzelzuſammenhangs mit dem Mutterbaume
aus der Noth helfen.


Dies Alles kann und darf meine Leſer nicht abſchrecken; es ſoll und
wird ihnen vielmehr Luſt machen, in dieſem ſchönen Formenlabyrinthe
den leitenden Faden aufzuſuchen. Ob an dieſem Faden U. glabra Miller,
U. montana Smith, U. tortuosa Host, U. tiliaefolia Host, U. coryli-
folia Host, U. major Smith
wirklich feſte Art-Stationen bezeichnen oder
nicht, laſſen wir dahingeſtellt und betrachten nur noch die Flatterrüſter
als eine in allen Zuſtänden leicht zu unterſcheidende Art.


[474]
22. Die Flatterrüſter, Ulmus ciliata Ehrhard.
(U. effusa Willdenow.)

Ein Blick auf unſeren Holzſchnitt LXXIII. zeigt uns eben ſo die
Gattungszuſammengehörigkeit der Flatterrüſter mit den vorigen, wie die
unterſcheidenden Artkennzeichen, welche vorzüglich in den achtmännigen
langgeſtielten Blüthen und der am Umkreis gewimperten Flügelhaut der
Frucht liegen, in welcher der Spalt an der Spitze deutlich hervortritt. Das
Blatt zeichnet ſich meiſt durch eine beſonders ſchlank ausgezogene Spitze
und durch dichte faſt wollige daher ſammetartig anzufühlende graugrüne
Unterſeite aus; die Randzähne ſind beſonders ſcharf ausgebildet und die
Spitzen der Hauptzähne etwas hakenförmig einwärts gekrümmt. Auch
die unterſten nicht minder vielmal kleineren Blätter der Triebe als die
oberen ſind am Rande deutlich doppeltſägezähnig, während ſie bei den
vorigen meiſt einfach gezähnt ſind. Die Oberſeite der Blätter iſt meiſt
ziemlich glatt und kahl, doch auch zuweilen, namentlich am Stockausſchlag,
von kleinen Borſtenhärchen ſcharf und rauh. Der kurze Blattſtiel iſt
dicht und meiſt zugleich ziemlich lang behaart, eben ſo die jüngſten Triebe.
Die Blüthenknospen ſind kleiner und ſpitzer als bei der Feldrüſter und
die Laubknospen ſchmaler, ſpitzer, ganz kahl und hell zimmetbraun.


Im Bau des Stammes und der Aeſte und der Verzweigung findet
eine große Aehnlichkeit mit der Feldrüſter ſtatt; wie aber hierin beide und
die Korkrüſter von einander abweichen, darüber finden ſich in den Büchern
äußerſt wenige Mittheilungen. Die große Veränderlichkeit der Kennzeichen
der Rüſtern ſcheint ſich auch in der Architektur des ganzen Baumes bis
zu der feinſten Verzweigung — obgleich letztere im Grunde doch immer
die abwechſelnd zweizeilige Triebſtellung bleibt — auszuſprechen; es bedarf
daher einer vielfachen und lange fortgeſetzten Beobachtung zahlreicher
Bäume, um hier Artverſchiedenheiten feſtzuſtellen. Dies wird aber ſelbſt
hinſichtlich der leicht erkennbaren Flatterrüſter, deren lockere Blüthen-
ſträußchen ſich ſelbſt im hohen Wipfel von den kleinen kugelrunden Blüthen-
knäueln der anderen von einem ſcharfen Auge leicht unterſcheiden laſſen,
dadurch ſehr erſchwert, daß man die Aufſchluß gebenden Blätter an hoch-
ſtämmigen Bäumen oft nicht erreichen kann. Es ſcheint, als ſei die
Flatterrüſter mehr als die anderen geneigt, ihre Zweigſpitzen niederhängen
[475] zu laſſen, was dem Baume, wenn er auf gutem Boden und in freier
Lage ſteht, einigermaßen ein trauerweidenähnliches Anſehen giebt. Auch
darin finde ich dieſe Art vor den anderen etwas ausgezeichnet, daß die

Figure 74. LXXIII.

Die Flatterrüſter, U. ciliata Ehrh.
1. Blühende Triebſpitze; — 2. Belaubter Kurztrieb, auf der Spitze des vorjährigen
Triebes mit einem Fruchtbüſchel; — 3. Einzelne Blüthe; — 4. Stempel; — 5. 6. 7.
Das nach oben ſpitze Samenfach mit dem ſeitlich angehefteten Samen darin und der
entſchälte Same; — 8. Triebſpitze mit 2 Blüthen- und 2 Laubknospen. (3—7. vergr.)


[476] Flächen der Blätter an den Trieben alter Bäume nicht ſo ſtreng in einer
Ebene liegen, ſondern gegen einander etwas ſeitlich verwendet ſtehen und
eine Neigung haben, ſich etwas muſchelartig zu krümmen. Die Wurzel-
bildung
und das Holz zeigen auch keine erhebliche Artverſchiedenheit.
Nördlinger findet die Frühjahrsſchicht etwas viel- und grobporiger.


Eigentliche Abarten ſind wohl kaum zu unterſcheiden, wenigſtens
bin ich, ſelbſt ohne die Blüthen und Früchte, nie über eine Flatterrüſter
in Zweifel geweſen, da die Zähnelung des Blattrandes immer entſcheidet.
Die Schiefheit des Blattes ſcheint bei der Flatterrüſter am weiteſten zu
gehen, indem Blätter vorkommen, an denen die eine Seite um 4 Seiten-
rippen tiefer an der Mittelrippe herabreicht als die andere. Zuweilen
kommen Bäume vor, deren Blätter ſehr breit verkehrt eiförmig ſind (d. h.
das breite Ende des Ei’s oben haben) und die etwas hakenförmig ſeitwärts
gekrümmte Spitze faſt unvermittelt aufgeſetzt tragen. Selbſt an Stockaus-
ſchlägen iſt die Art im Blatte leicht zu erkennen, ja meiſt noch ſicherer,
weil die großen einwärts gekrümmten Hakenzähne an ihnen beſonders groß
und tief geſpalten ſind. Zuweilen findet ſich die ſammetweiche Behaarung
der Blattrückſeite ſehr vermindert.


Standort und Verbreitung theilt die Flatterrüſter in der Haupt-
ſache mit der Feldrüſter, ſcheint aber fruchtbaren Niederungsboden noch
mehr als dieſe vorzuziehen.


Auch in dem ganzen Leben weicht ſie nicht weſentlich ab, Blüthe-
zeit, Laubausbruch und Fruchtreife ſind dieſelben; eigenthümlich iſt ihr,
daß bei dem Fruchtfall die langen Stiele noch einige Zeit ſtraußweiſe
am Baume hängen bleiben. Krankheiten und Feinde ſind dieſelben,
obgleich die Flatterrüſter viel weniger von den Blattläuſen zu leiden
ſcheint. Auch in den anderen Beziehungen, nach welchen wir bisher die
Bäume betrachtet haben, ſtimmt ſie mit den andern Rüſtern überein.


Von volksthümlichen Benennungen iſt Rauhrüſter, rothe und Waſſer-
rüſter zu erwähnen.


In Fig. LXXIV. 1. 2. 3. ſind von allen drei Rüſter-Arten muſter-
gültige Blätter zur Vergleichung zuſammengeſtellt, wobei ausdrücklich zu-
geſtanden wird, daß man viele Blattformen finden wird, die zu keinem
dieſer drei Blätter vollkommen ſtimmen.


[477]
Figure 75. LXXIV.

1. Feldrüſter, a. die Stachelhärchen der Oberſeite; — 2. Korkrüſter; — 3. Flatterrüſter,
a. die weichen Wollhärchen der Unterſeite.


[478]
23. Der Zürgelbaum, Celtis australis L.

Wer unſer Buch in den ſüdlichſten, kaum noch deutſch zu nennenden
Gebieten unſeres Vaterlandes ſeinen Waldſtudien zum Grunde legt, der
darf darin einen kleinen Baum nicht ganz vergeblich ſuchen, der mit den
Rüſtern in dieſelbe große Abtheilung der Neſſelgewächſe gehört. Der
Zürgelbaum kommt auf fruchtbarem aber trockenen Boden in den Waldungen
des öſterreichiſchen Litorals, Südtirol, Iſtrien, der Lombardei und der
Südſchweiz als ein höchſtens 40—50 Fuß hoher Baum vor. Die kleinen
kurzgeſtielten, theils blos 5 — 6 Staubgefäße, theils auch ein Piſtill ent-
haltenden, alſo männliche und Zwitter-Blüthen, ſtehen im Mai meiſt zu
2 oder 3 in den Achſeln der eben ausbrechenden Blätter, ſo daß ge-
wöhnlich eine männliche und eine Zwitterblüthe beiſammen ſtehen. Die
Frucht iſt erbſengroß, ſchwarz mit großem harten Stein. Die Blätter
ſind länglich lanzett-eiförmig, lang zugeſpitzt, oben ſcharf anzufühlen, unten
weichhaarig, mit ſcharf ſägezähnigem Rande und ſchiefer Baſis; ſie ſtehen
wie bei der Rüſter abwechſelnd zweizeilig.


Die Krone des Zürgelbaums iſt ziemlich weitſchweifig mit ſehr feiner
Verzweigung; der mäßige Stamm hat eine ziemlich riſſige Rinde.
Blätter und Triebe ſtehen in großen, beinahe rechten Winkeln ab.


Da der Zürgelbaum, wenn er auch ſehr langſam wächſt, doch in
unſeren wärmeren Lagen ſehr gut fortkommt, ſo wäre er des Anbaues um
ſo würdiger, als ſein außerordentlich zähes Holz die beſten Peitſchenſtiele
(Geißelſtecken in Süddeutſchland) giebt und bei weitem die meiſten Peitſchen,
welche wir in der Hand der Frachtfuhrleute ſehen, von dieſem Baume und
zwar aus Tirol ſtammen. In unſeren Parkanlagen ſehen wir weniger
dieſe als eine andere breitblättrige aus Nordamerika eingeführte Art,
C. occidentatis L.


24. Der ſchwarze Hollunder, Sambucus nigra L.
und
25. Der Traubenhollunder, S. racemosa L.

Beide ſind zwar von keiner forſtlichen Bedeutung, aber, der letztere
noch mehr als der erſtere, Zierden unſeres Waldes, namentlich in den
untern Gebirgsſtufen.


[479]

Der ſchwarze Hollunder, eben ſo häufig auch Flieder genannt,
iſt allgemein bekannt, denn er überſchirmt faſt jeden Backofen und ſteht
hinter jeder Scheune in allen deutſchen Dörfern, wo er viel heimiſcher iſt
als draußen im Walde.


Zur Familie der Karden-Gewächſe, Dipſaceen, in nahe Nachbarſchaft
des Baldrians gehörig ſteht die Gattung Sambucus bei Linné in dem
bunten Sammelſurium ſeiner fünften Klaſſe, Pentandria, blos weil die
kleinen fünflappigen Sternblumen 5 Staubgefäße zählen, was die Gattung
in die doch wahrhaftig unverwandte Nachbarſchaft von Vergißmeinnicht,
Winde, Bilſenkraut, Tabak, Kartoffel, Königskerze, Veilchen, Primel,
Kümmel, Schierling, Weinſtock, Lein, Tollkirſche, und zu anderen tollen
Allianzen bringt. Die blauſchwarzen ſaftigen Beeren, die wie die Blüth-
chen in einer faſt ebenflächigen Trugdolde zahlreich beiſammen ſtehen und
die ungleichzählig gefiederten kreuzweis gegenüberſtehenden Blätter ſind
uns bekannt, eben ſo daß die Triebe ein dickes ſchneeweißes Mark beſitzen.
Auch von der vielfachen Verwendung der Blüthe und Frucht in Küche
und Krankenſtube braucht nicht die Rede zu ſein. Der bis 20 und 30 Fuß
hoch aber nur ſelten bis fußdick werdende baumartige Buſch wächſt nur
langſam und weniger in der Höhe als zu einem breiten Schirmdach aus
und feſtigt ſein gelbweißes, in der Frühjahrsſchicht großporiges, Holz zu
bedeutender Härte und macht es dadurch zu einer geſuchten Waare für
diejenigen Gewerbe, welche dichtes feſtes Holz zu kleineren Gegenſtänden
bedürfen.


Wo er im Walde, wenn wir den ſchwarzen Flieder dort antreffen
wirklich „wild“, d. h. an ſeiner urſprünglichen Heimathsſtätte erwachſen
oder nicht vielmehr der lebendige Ueberreſt einer verſchwundenen menſch-
lichen Anſiedelung ſei, wo alſo ſeine eigentliche Heimath ſei und welche
Ausdehnung dieſelbe habe, darüber iſt wohl ſchwer eine ſichere Auskunft
zu geben, zumal er leicht durch Vögel, die ſeine Beeren gern freſſen, viel-
fach verſchleppt und ſeines Nutzens wegen vielfach gehegt wird; wahr-
ſcheinlich ohne aus Samen erzogen zu werden, da er auf ſchuttigem Boden,
den er beſonders liebt, leicht von ſelbſt aus verbreitetem Samen aufgeht,
auch durch Stecklinge und Ableger ſich leicht vermehren läßt und ein
großes Ausſchlagsvermögen hat. Der Ruf des Hollunders als Haus-
[480] mittel ſcheint ſehr alt zu ſein, denn ſchon Linné ſagt, man ſolle überall,
wo man ihn ſehe, den Hut vor ihm abnehmen.


In den Gärten begegnet man verſchiedenen Ab- und Spielarten des
ſchwarzen Hollunders, namentlich einer ſolchen mit vielfach zerſchlitzten
Blättern, ſo wie einer mit weißen und einer andern mit auch reif grünen
Beeren.


Die andere Art, der Traubenhollunder unterſcheidet ſich leicht
durch eine gedrängte eirunde Blüthentraube mit grüngelblichen Blüthen
und prachtvoll ſcharlachrothen Beeren, welche ſaftig aber von fadem Ge-
ſchmack ſind. Sein Blatt iſt dem des vorigen weſentlich gleich, hat jedoch
etwas kleinere und ſchmälere Fiederblätter und ſanft gerieben ähnlich
dem dadurch bekannten Cestrum Parqui einen auffallenden Geruch nach
Schweinebraten. Sein nicht minder ſtarkes Mark iſt gelbraun.


Der Traubenhollunder überſteigt ſelten eine Höhe von 10—12 Fuß
und eine Stärke von einigen Zollen; ſeine Stocklohden ſind nicht ſo ſteif
und pfeifenrohrartig gerade wie bei dem vorigen, ſondern gebogen. Da er
keinen verwerthbaren Nutzen bringt ſo iſt er in ſeiner Waldheimath ge-
blieben, wo er den ſteinigen Abhängen und Waldblößen des unteren Ge-
birges im Sommer durch ſeine leuchtend rothen Beeren eine wahre Zierde
iſt. Als ſolche wird er mit Recht in neuerer Zeit vielfach in Luſtgebüſchen
angepflanzt, wo er mit jedem Boden fürlieb nimmt.


An volksthümlichen Namen iſt namentlich die erſtere der beiden
Hollunderarten überreich, was bei einer ſo ſehr vom Volke beachteten
Pflanze ganz natürlich iſt. Nach Metzger nenne ich: Fleerboom, Schib-
biken, Holler, Holder, Hohler, Stech- und Rechholder, Fleern, Schwarz-
beeren (ſo heißt auch die Heidelbeere, Vaccinium Myrtillus), Zitſcheln,
Zibken, Schibchen, Schottſken, Schetſchken, Quebecken, Resken, Alhern,
Alhorn, Elhorn etc.


26. Der Kornel-Hartriegel, Cornus mascula L.
27. Der gemeine oder rothe Hartriegel, C. sanguinea L.

Wie auch nur der zweite Hollunder ein echter Waldbewohner iſt, ſo
iſt es auch nur der zweite Hartriegel, indem wir den Kornelhartriegel
wie den ſchwarzen Hollunder viel ſeltner im Walde als in der Nachbar-
[481] ſchaft der menſchlichen Wohnungen antreffen. Auch darin ſtimmen von
beiden Gattungen die beiden erſtgenannten Arten überein, daß ſie eine
Menge Volksnamen beſitzen, von denen ich für Cornus mascula denjenigen
ausgewählt habe, der eine Verſchmelzung aus Kornel- oder Kornelius-
Kirſche und dem allgemeinen deutſchen Gattungsnamen Hartriegel iſt.


Der ſperrig äſtige Buſch, des Kornel-Hartriegels, der ſelten eine
kleine Baumkrone auf einem einfachen Stämmchen bildet, blüht kurze Zeit
nach der Haſel, alſo mit unter den Erſten des Frühjahrs. Die kleinen
goldgelben mit 4 ſternförmig geſtellten Blumenblättern, 4 Staubgefäßen
und 1 Griffel, Alles von einem kleinen vierzähnigen Kelche geſtützt, ver-
ſehenen Blüthchen erſcheinen in kleinen Sträußchen lange vor dem Aus-
bruch der Blätter, welche regelmäßig elliptiſch eirund, ſpitz und ganzrandig
ſind, kreuzweiſe gegenſtändig und beiderſeits mit anliegenden ſich leicht ab-
löſenden ſteifen Borſtchen verſehen ſind, ſo daß ſie an den Fingern leicht
ein etwas brennendes Jucken hervorbringen. Die bekannten länglich eirunden
Anfangs korallrothen ſpäter dunkelrothen Früchte [umſchließen] einen faſt
walzigen Stein und verlieren erſt bei der vollſtändigſten Reife ihren herben
kratzenden Geſchmack und werden ſäuerlich ſüß.


Das Holz iſt außerordentlich hart, dicht und ſchwer, und wird in
dieſer Hinſicht von keiner unſerer Holzarten übertroffen und hat nur den
einen Fehler, daß es nur in ſchwachen etwa höchſtens 4—5 Zoll dicken
und einige Fuß langen Stücken zu haben iſt. Es iſt im Kern dunkel
braunroth, Splint röthlich oder gelblich weiß. Ob die weiland ſo renom-
mirten „Ziegenhainer“ der Studenten nach Metzger von dieſer oder
nicht vielmehr von der folgenden viel häufigeren und eben ſo feſtes Holz
habenden Art ſtammen iſt zu entſcheiden. In jedem Falle dienen dazu
nur die geraden ſtraffen Stocklohden.


Wildwachſend kommt dieſe Art mehr im Süden Deutſchlands in
trocknen ſonnigen Gebirgslagen vor.


Zum Theil poſſirlich klingende Volksnamen ſind: Karnütchen, Herlitze,
Herlitzchen, Körnel, Hornske, Judenkirſche, Korneliuskirſche, Dierlitzen,
Derlitzen, Kornelle und viele andere.


Der gemeine oder rothe Hartriegel gleicht nur in dem etwas
größeren Blatte der vorigen Art, und weicht in anderen Merkmalen ſehr
von ihr ab. Er blüht erſt im Mai nachdem das Laub vollkommen aus-
Roßmäßler, der Wald. 31
[482] gebildet iſt, in anſehnlichen gewölbten Trugdolden von größeren weißen
Blüthen. Die Früchte ſind denen des Flieders ähnliche, doch etwas
größere ſchwarze Beeren. Vor dem Abfallen wird das Laub blutroth,
welche Farbe während des Winters auch den ein- und zweijährigen Trieben
zukommt. Nach der Ausbildung des Laubes verſchwindet dieſe Farbe bis
zum Herbſt wieder und macht einem ſchmutzigen Grün Platz. Dieſer von
den Jahreszeiten abhängende Wechſel junger Rinde kommt auch bei vielen
Weiden, beſonders deutlich an den Ruthen mancher Kopfweiden kurz vor
der Oeffnung der Knospen vor, am entſchiedenſten aber bei einer aus
Amerika in unſeren Gärten eingeführten buſchigen Hartriegelart mit weißen
Früchten, Cornus alba, deren Rinde ſelbſt an 5—6jährigen Zweigen
während des Winters rein purpurroth wird, im Sommer aber ebenfalls
grün iſt.


Der gemeine Hartriegel zeigt beſonders deutlich die kreuzweiſe gegen-
ſtändige Stellung ſeiner dünnen weit abſtehenden Triebe. Vollkommen
ausgewachſen bildet er einen nicht ſehr dichten 10—12 Ellen hohen Buſch
mit höchſtens einigen Zoll ſtarken Stämmchen, deren Holz dem des vorigen
an Härte wenig nachſteht, einen fleiſchrothen Kern und grünlichgelben
Splint hat.


Der gemeine Hartriegel iſt in allerlei Bodenarten in der Ebene wie
auf niederen Höhen in Deutſchland ſehr verbreitet, liebt aber beſonders
einen friſchen fruchtbaren Auenboden, wo er in den gemiſchten Laubwäldern
oft einen ziemlich großen Theil des Unterholzes ausmacht und im Nieder-
walde wegen ſeiner bedeutenden Ausſchlagsfähigkeit willkommen iſt.


28. Der Waſſerholder oder gemeine Schneeball, Viburnum Opulus L.
und
29. Der Schlingſtrauch, Viburnum Lantana L.

Zwei von einander ſehr verſchiedene Arten, die beſonders in den
gemiſchten Laubwäldern der Ebenen erſterer faſt in ganz Deutſchland,
letzterer mehr in Süddeutſchland vorkommen.


Von dem Waſſerholder iſt uns die Gartenſpielart, „der Schneeball“,
bekannter als die im Walde wachſende Stammform. Sie beruht darin,
[483] daß alle Blüthchen der blüthenreichen Trugdolde geſchlechtslos ſind, was
bei letzterer blos bei den am Umfange des Blüthenſtandes der Fall iſt.
In der Mitte von dieſem ſtehen bei der Stammform kleine fünfblättrige
gelbweiße Blüthen mit 5 Staubfäden und 3 ſitzenden Narben. Die am
Umfange ſtehenden Blüthchen haben weder Staubfäden noch Narben,
ſondern nur die fünf ſehr vergrößerten, ſchneeweißen in der Mitte in einen
Punkt zuſammenſtoßenden Blumenblätter. Es entwickeln ſich daher auch
nur aus den innern Blüthen Früchte (der Gartenſchneeball entwickelt
natürlich gar keine), welche erbſengroß, eirund und bei der ſehr ſpät erſt
ſtattfindenden Reife brennend ſcharlachroth, weich und ſaftig ſind und
einen herzförmigen zuſammengedrückten Samen einſchließen. Die Blätter
ſtehen kreuzweiſe gegenſtändig auf etwa ¾ Zoll langen Stielen, ſie ſind
ziemlich groß, ausgerundeter oder ſeicht herzförmiger Baſis, dreilappig mit
zugeſpitzten und am Rande grobgezähnten Lappen, Unterſeite weichhaarig,
Oberſeite kahl und dunkler grün. Die Knospen von 2 Schuppen dicht
umſchloſſen.


Im Walde erſcheint der Waſſerholder meiſt nur als ein 10—15 F.
hoher ziemlich lockerer Strauch, während die Gartenſpielart oft als kleines
Bäumchen mit abgewölbter Krone erzogen wird. Das Holz iſt ziemlich
fein und feſt mit gelbbraunem widerlich riechenden Kern und weißem oder
röthlichen Splint. Bedeutung hat dieſer Strauch nur durch ſein großes
Ausſchlagsvermögen für den Niederwald.


Die andere Art, der Schlingſtrauch, Vib. Lantana L., ſeinem
deutſchen Namen wie es ſcheint nicht im mindeſten entſprechend, iſt durch
ſeine größeren regelmäßig eirunden ſcharf ſägezähnigen, unterſeits faſt
graufilzigen Blätter und durch den Mangel der unfruchtbaren Blüthen
am Umfange des Blüthenſtandes ſofort zu unterſcheiden. Noch auffallender
aber iſt der gänzliche Mangel der Schuppen an den im Gegentheil völlig
nackten Knospen an denen die vorgebildeten Blättchen aneinandergedrückt
ganz frei ſtehen. (S. 60. Fig. 8.) Die jungen Triebe und Blättchen
ſind ganz mit grauen Sternhaaren bekleidet.


Der Schlingſtrauch findet ſich wild von Thüringen an in Süddeutſch-
land namentlich auf Kalkboden ziemlich verbreitet, anderwärts aber ſehr
häufig in Parkanlagen als Zierſtrauch.


31*
[484]
30. Die gemeine Eſche, Fraxinus excelsior L.

Wir kommen in der Eſche wieder zu einem Baum erſter Größe,
welcher bei uns die Familie der Oelbäume, Oleaceen vertritt, und von
allen deutſchen Waldbäumen erſten Ranges der einzige mit gefiederten
Blättern iſt.


Die Eſche blüht im April vor dem Ausbrechen der Laubknospen; die
kleinen unvollſtändigen Blüthen erſcheinen zu äſtigen Trauben zahlreich
vereinigt aus Seitenknospen des vorjährigen Triebes, der ſtets ein Kurz-
trieb iſt (LXXV. 1.), ohne alle Blätter. Die verſchieden beſchaffenen
Blüthen ermangeln des Kelches und der Blumenkrone und beſtehen blos
aus einem herzförmigen plattgedrückten Stempel mit einem Griffel, der
eine gabelig geſpaltene Narbe trägt (7.) und 2 Staubgefäßen. Dieſe
Theile ſind aber nicht immer gleichmäßig vorhanden und ausgebildet. Es
kommen Bäume vor mit vollkommen ſolchen wie beſchriebenen alſo eigent-
lichen Zwitterblüthen (1. 3.); andere haben Zwitterblüthen mit verkümmerten
Staubbeuteln (2. 5.), noch andere haben blos die beiden Staubbeutel ohne
Spur des Stempels (6.); die Bäume der letztern Art tragen alſo keine
Früchte, und ihre ſehr gedrängten faſt kugeligen Blüthentrauben gleichen
wegen der dunkel chocolatbraunen Farbe der Staubbeutel einigermaßen
kleinen recht krauſen Morcheln. Aus dem Stempel der erſten beiden
Baumarten entwickeln ſich in einen langen zungenförmigen Flügel endende
Früchte, welche in der etwas angeſchwollenen unteren Hälfte, an einem
langen Samenfaden aufgehängt, den platten länglichen Samen einſchließen.
(10. 11.). Die Blätter ſind kreuzweiſe gegenſtändig, unpaarig gefiedert,
mit 3—6 Fiederpaaren und einem unpaarigen Spitzfiederblatt; die Fiedern
ſind elliptiſch, ſpitz, ſcharfſägezähnig, gegenſtändig, kahl, nur unterſeits am
Grunde der Hauptrippen fein behaart; der Blattſtiel iſt oberſeits durch von
einem Fiederpaar zum andern daran herablaufende Blattſubſtanz etwas rinnig
(LXXVI. 2. 3.). Die kurzkegelförmigen oder auch faſt halbkugeligen
Knospen, ſind wie natürlich auch die Blätter und die Triebe, kreuzweiſe
gegenſtändig mit eben ſo geſtellten ſchwarzen, kurzfilzigen Schuppen; die End-
knospe den Trieb ſchließend und größer; ſie ſtehen auf einem Blattkiſſen über
einer großen halbmond- bis halbkreisförmigen Blattſtielnarbe mit in Form
[485]

Figure 76. LXXV.

Die gemeine Eſche, Fraxinus excelsior L.
1. Ein blühender Kurztrieb mit Zwitterblüthen; — 2. Ein weiblicher Blüthenſtrauß; — 3. 4. 5. Zwitter-
blüthe von verſchiedenen Seiten geſehen; — 6. Männliches Blüthchen, blos aus 2 Staubgefäßen beſtehend; —
7. Stempel; — 8. Fruchtknoten mit weggeſchnittener Vorderwand um die am Samenträger hängenden Samen-
knospen zu zeigen; — 9. Derſ. querdurchſchnitten; — 10. Zweigſpitze im Winter mit anhängenden Früchten; —
11. Geöffnete Frucht mit an dem Samenfaden aufgehängtem Samen; darunter b der querdurchſchnittene
Same; — 12. Auseinandergelegte Samenlappen, rechts mit dem Keimling; — 13. Keimpflanze.


[486] eines Halbkreiſes geordneten Gefäßbündelſpuren (LXXV. 2, und S. 59.
60. III. 4.).


Die Keimpflanze (13.) iſt ſehr groß, und trägt die 2 zu zungen-
förmigen Blättchen auswachſenden Samenlappen, das erſte Blattpaar iſt
einfach, das zweite gedreit, und erſt die folgenden werden gefiedert.


Der Stamm ſtarker Eſchen iſt walzenrund, bis zum erſten Aſte
gerad- und zuweilen ziemlich langſchaftig, Rinde hell, rauh und mit dichten
Borkenriſſen bedeckt, an jüngeren Bäumen nicht riſſig, ſondern blos etwas
rauh. Die ſtärkſten Aeſte ſtehen ziemlich weit ab, an jüngeren Bäumen
ſtreben ſie mehr leicht gekrümmt aufwärts, was bei den ſchwächeren
Zweigen immer deutlicher der Fall iſt. Die Kronenabwölbung findet
erſt ziemlich ſpät ſtatt, indem die Krone lange Zeit eiförmig-kegelartig iſt und
den ſpitzen Wipfel lange bewahrt. An ſehr alten Bäumen ſtreben die
Spitzen der herabhängenden Aeſte in Bogen aufwärts und tragen nur an
dem jüngſten Kurztriebe einen Blätterbüſchel. Sehr junge Bäume haben
anſehnliche weitläufig beblätterte Langtriebe. Die Rinde junger Triebe
und Zweige iſt glatt und aſchgrau, und jene ſind, worin ihnen das ſtarke
ſchneeweiße Mark folgt, blos in der Mitte zwiſchen zwei Blätterpaaren
rund, an der Anheftungsſtelle dieſer aber plattgedrückt. (S. 60. III. 3.)


Die Wurzel iſt ziemlich ſchwachäſtig, mit nicht tief eindringenden
aber weit ausſtreichenden Aeſten. Das Holz hinſichtlich des Gefüges dem
Rüſternholz am verwandteſten aber durch eine gelbweiße, nur an ſtarken
Stämmen im Kerne braune Farbe und dadurch verſchieden, daß die im
Frühjahrsholz zuſammengedrängten großen Poren noch etwas weiter ſind
und die kleinen des Herbſtholzes mehr einzeln oder höchſtens zu 2—3
radial aneinander liegen (vergl. d. Rüſter); Markſtrahlen ſehr zahlreich,
ſchmal und fein und ſich kurz auskeilend. Holzzellen ſehr dickwandig, daher
das Holz feſt und ſchwer. Jahrringe ſehr deutlich bezeichnet. Brennt
ſehr gut und hell mit wenig Rauch und faſt ohne Ruß.


Abarten werden von der gemeinen Eſche mehrere unterſchieden.
Die bekannteſte iſt die beliebte Trauer- oder Hänge-EſcheFrax. exc.
pendula,
mit oft lothrecht herabhängenden ruthenförmigen Zweigen. Die
Gold-EſcheF. e. aurea hat lebhaft gelbe Triebe, an denen die ſchwarzen
Knospen beſonders ſtark hervortreten; die krauſe Eſche, F. e. crispa
hat knäuelförmig zuſammengekräuſelte Blätterbüſchel, was aber zuweilen
[487]

Figure 77. LXXVI.

1. Blatt der gemeinen Eſche, etwas verkleinert; — 2. Einzelnes Fiederblättchen mit
einem Stück des gemeinſamen Blattſtiels, natürliche Größe; — 3. Blatt der einfach-
blättrigen Abart der gem. Eſche, Frax. simplicifolia Willd.


[488] nur an einzelnen Trieben auftritt, wahrſcheinlich in Folge von Blattläuſen;
die einfachblättrige Eſche, F. e. monophylla, welche von Willde-
now
als eigene Art Fr. simplicifolia genannt wird. Dies iſt eine wohl
noch überraſchendere Varietät als die auf S. 373. LIV. 3. abgebildete
Buchenvarietät, denn ſie hat anſtatt gefiederte vielmehr einfache Blätter
(LXXVI. 3.), ſo daß dies dem Baume auch ein völlig verändertes An-
ſehen der Belaubung giebt. Wenn wir die Keimpflanze anſehen (13.), ſo
erſcheint uns dieſe ſonderbare Abart als eine Eſche, welche auf dem Stadium
der erſten Blattbildung ſtehen geblieben iſt. Trotz des gewaltigen Kon-
traſtes zwiſchen einem zuweilen faſt ellenlangen aus 11—13 Fiedern zu-
ſammengeſetzten und einem viel kleineren ungetheilten Blatte darf man
doch aus dieſer Varietät keine beſondere Art machen wollen, denn aus
ihrem Samen geht nicht ſelten die Stammform wieder hervor und man
findet nicht ſelten Bäume, welche gewiſſermaßen ein Schwanken zwiſchen
den beiden Blattextremen zeigen, d. h. welche ganz einfache, tief einge-
ſchnittene, unvollſtändig und vollſtändig dreizählige Blätter zugleich tragen.
In allen übrigen Verhältniſſen weicht dieſe Abart von der Stammart
nicht im geringſten ab.


Die Eſche verlangt einen friſchen und fruchtbaren Standort, meidet
daher alle zu trocknen und heißen Lagen. In dem Ueberſchwemmungs-
gebiete der Niederungen, am Ufer des Unterlaufs der Gebirgsbäche, in
den gemiſchten Auenwäldern der Ebene wächſt ſie beſonders gern und iſt
an ſolchen Standorten in ganz Deutſchland verbreitet, über deſſen Grenzen
ſie weit hinausgeht, weiter jedoch nach Nord und Oſt als nach Süd
und Weſt.


Das Leben der Eſche zeichnet ſich beſonders durch ein ſchnelles und
üppiges Jugendwachsthum aus, wie auch ſchon gleich die Keimpflanze eine
ungewöhnliche Größe und Kräftigkeit zeigt. Der ſchnell nach der Reife —
die man an der veränderten bleichen Farbe der trocken werdenden Samen
erkennt — geſäete Same geht zwar zum Theil im folgenden Frühjahr
auf, liegt aber doch auch zum Theil über, welches letztere bei den Früh-
jahrsſorten Regel iſt. Die einjährigen Pflänzchen werden im Pflanzgarten
noch einmal verpflanzt, wo ſie bei gutem Boden dann zuweilen ein außer-
ordentliches Wachsthum und im zweiten Jahre nach der Verpflanzung nicht
ſelten 3—4 Fuß hohe fingerdicke Triebe entwickeln. Aus Samen erwachſene
[]

[figure]

[][489] Bäume tragen oft erſt vom 40. Jahre an Samen, während dies Stock-
lohden oft ſchon mit dem zwanzigſten thun. Weshalb manche alte geſunde
Bäume niemals Samen tragen und doch blühen, haben wir vorher bei
der Betrachtung der Blüthe erfahren. Die reifen Samen bleiben meiſt
den ganzen Winter über hängen. Unter gedeihlichen Wachsthumsver-
hältniſſen kann die Eſche eine bedeutendere Höhe als unſere meiſten übrigen
Waldbäume bei einem Stammdurchmeſſer von 3—4 Fuß und ein ſehr
hohes Alter erreichen. In England ſoll es einige Eſchen von 32 und 58
engliſchen Fuß Umfang geben. Solche Eſchen mögen natürlich in ihrem
Kronenbau keine Andeutung davon mehr behalten haben, daß die überaus

Figure 78. LXXVII.

Knospenentfaltung der Eſche.


regelmäßige Knospenſtellung der Eſche eigentlich alle Anwartſchaft auf
regelmäßige Kronenbildung giebt (vergl. S. 217). Solche, ſelbſt ſchon
2 Fuß ſtarke Eſchen haben eine überaus maleriſche Krone, welcher das
gefiederte Blatt einen von allen anderen Waldbäumen gleichen Ranges
abweichenden faſt fremdländiſchen Charakter giebt. Es iſt ohne Zweifel
eine Folge des überaus üppigen Längenwuchſes junger Eſchen, daß die
zu einem Paar gehörenden beiden Blätter beſonders üppiger Langtriebe
nicht ſelten um einen Zoll und mehr auseinander rücken, ſo daß das eine
[490] um ſo viel höher ſteht, als das andere. Natürlich wird dadurch das all-
mälige Aufgeben der regelmäßigen Zweigſtellung ſchon von Jugend auf
angebahnt. Schon die ſich entfaltenden Eſchenknospen, die für die großen
Blätter unverhältnißmäßig klein zu nennen ſind, zeigen, wie wir aus den
umſtehenden Abbildungen (LXXVII.) ſehen, eine ſehr bedeutende Maſſen-
zunahme an den jungen Blättchen. Wir ſehen dieſe fächerartig zuſammen-
gefaltet und die linke Figur zeigt den Blattſtiel des einen Blättchens
breit geflügelt, und dadurch einer Knospenſchuppe verähnlicht. — Die Eſche
hat eine ſehr große Ausſchlagsfähigkeit und vermag von allen Laubholz-
arten Verwundungen am leichteſten auszuheilen, wie ſie überhaupt das
Beſchneiden an Wurzeln und Aeſten und andere mit dem Verpflanzen
verbundene Mißhandlungen am beſten verträgt. Von Krankheiten
leidet die Eſche wenig, ſelten befällt ſie unten am Stamme die Kernfäule;
doch leiden junge Pflänzchen und die treibenden Knospen durch Spätfröſte.
Feinde ſind ihr Wild und Weidvieh, welche ſie gern benagen; die ſpaniſche
Fliege, Lytta vesicatoria L. (bekanntlich keine Fliege, ſondern ein ſchöner
metalliſch glänzender goldgrüner Käfer) frißt am liebſten Eſchenlaub, ohne
ihr dadurch ſehr ſchädlich werden zu können.


Daß die forſtliche Bedeutung der Eſche groß iſt, ergiebt ſich von
ſelbſt aus ihrer Holzgüte bei leichtem Anbau. Als beſtandbildender Baum
kommt die Eſche jedoch wohl nirgends vor, ſondern nur in Vermiſchung
mit andern Laubhölzern und ſelbſt hier und da mit der Fichte und Tanne;
nur zuweilen findet ſie ſich in umfänglicheren Horſten. Die forſtliche
Behandlung
kann nicht auf Selbſtbeſamung rechnen, ſondern muß aus
Samen gezogene Pflanzen auspflanzen, die obendrein große „Heiſter“
ſein müſſen, um dem Maule des nach Laub und Knospen lüſternen Weide-
viehes entrückt zu ſein. Bei ihrer Kultur in der Vermiſchung mit anderen
Baumarten im Hochwalde muß darauf Rückſicht genommen werden, daß
ſie nicht viel Beſchattung verträgt, aber auch ihrerſeits wegen ihrer lockeren
Belaubung nicht viel Schatten wirft, daher als Oberholz im Mittelwalde
zuläſſig iſt. Vor dem Safteintritt abgeholzt zeigt ſie für Nieder- und
Mittelwald einen reichlichen Stockausſchlag, welcher ſie auch für Kopfholz-
und Schneidelwirthſchaft vorzüglich geeignet macht. Beſonders iſt die Eſche
der ländlichen Baumzucht zur Anpflanzung an Bachufern und Wieſen-
rändern zu empfehlen.


[491]

Die Benutzung des Eſchenholzes als Nutz- und Werkholz ſpricht
ihr einen großen Werth zu und auch als Brenn- und Bauholz gehört es
zu den vorzüglichſten, iſt nur dafür zu theuer. Seine große Zähigkeit
macht es für manche Verwendung vor allen anderen Holzarten tauglich,
namentlich zu Wagnerarbeit, zu Gerätheſtielen und iſt z. B. zu Reckſtangen
und Barren der Turnplätze allein brauchbar. Die ſtarken Stocklohden
geben das dauerhafteſte Holz zu großen Faßreifen. Das Laub iſt ein aus-
gezeichnetes Schaaffutter und werden dazu in Steiermark und Kärnthen
die Eſchen regelmäßig geſchneidelt.


Ihr Name wird an manchen Orten Aeſche geſchrieben; andere orts-
übliche Benennungen ſind Zäh-Espe, Lang-Espe, Gaisbaum, Mund-
baum, Gerſchen.


31. Die Blumen-Eſche, Ornus europaea Persoon.
(Fraxinus Ornus L.)

Wie ſchon der Name andeutet iſt bei der Blumen-Eſche die, meiſt
entſchieden zwitterliche, Blüthe vollſtändiger, d. h. mit 4 kleinen zungen-
förmigen weißen Blumenblättern und auch ſonſt entwickelten Blüthentheilen
verſehen. Die Blüthen bilden eine anſehnliche Traube. Die gezähnten,
unten leicht behaarten Fiederblättchen ſind entſchiedener geſtielt und
der gemeinſame Blattſtiel nicht ſo ſteif als bei der gemeinen Eſche, ſondern
zwiſchen den Fiederpaaren etwas bogig; Früchte denen der gemeinen Eſche
ſehr ähnlich; Knospen graufilzig. Der Stamm iſt grau, ziemlich glatt,
Aeſte ſchwach.


Die Blumen-Eſche bildet ein buſchiges locker verzweigtes 20—30 Fuß
hohes Bäumchen, welches nur im ſüdlichſten Deutſchland, Krain, Kärnthen,
Südtirol u. ſ. w. heimiſch iſt und zuweilen in Parkanlagen im mittlen
und nördlichen Deutſchland angepflanzt iſt, wo ſie faſt überall gut gedeiht.


32. Der Liguſter, Ligustrum vulgare L.

Dieſer nicht leicht über 10 Fuß hoch werdende Buſch gehört in die
nächſte Familiennachbarſchaft des Oelbaumes, dem er auch in jeder Hinſicht
ſehr ähnlich ſieht, denn er hat wie dieſer einen kleinen vierzähnigen Kelch,
vierſpaltige Krone, 2 Staubgefäße, geſpaltene Narbe und ganzrandige
[492] ſtumpfſpitzige Weidenblätter; auch ſtehen die kleinen weißen Blüthen in
einer endſtändigen äſtigen Traube wie bei dem Oelbaume und haben einen
widerlich bitteren Geruch. Die Frucht iſt aber eine ſaftige blauſchwarze
erbſengroße Beere.


Der Liguſter blüht im Juni und ſeine erſt im Oktober reifenden
Beeren bleiben meiſt den Winter über hängen, da ſie ſelbſt von den
Vögeln verſchmäht zu werden ſcheinen. Er wächſt faſt auf jedem nicht
zu trocknen und ſandigen Boden, namentlich an Waldrändern, mehr jedoch
wie es ſcheint in der ſüdlichen Hälfte Deutſchlands als im Norden, ja
es mag bei ihm wie bei dem ſchwarzen Hollunder die wirkliche urſprüng-
liche Heimathsangehörigkeit von der Einwanderung vieler Orten ſchwer zu
unterſcheiden ſein, da der Liguſter — früher entſchieden viel mehr als
gegenwärtig — theils in Luſtgehölzen theils zu Hecken, welche zweimal
im Jahre beſchnitten und dadurch ſehr dicht werden, vielfältig angepflanzt
worden iſt, was durch Erziehung aus Samen oder durch Wurzelbrut und
Stecklinge ſehr leicht geſchieht. Die Benutzung der Beeren mit ver-
[ſchiedenen] Zuſätzen zu mancherlei Farben iſt wohl nie im Großen betrieben
worden und auch die Anwendung der feinen zähen Ruthen zu Flechtwerk
und als Bindwieden, wozu dieſe den Weidenruthen vorzuziehen ſind, mag
nur ſehr beſchränkt ſtattgefunden haben. Die immer nur höchſtens einige
Zoll ſtarken Stämmchen können durch ihr feines, weißes, außerordentlich
dichtes und hartes Holz doch die forſtliche Beachtung auf den Nieder-
waldſchlägen ausgehaltener Liguſterbüſche lohnen, da man daraus die beſten
Holzſtifte macht.


Dieſer in den Parkanlagen doch zu wenig beachtete Strauch hat vor
allen einheimiſchen Laub-Holzarten — die folgende ausgenommen — den
Vorzug, daß man ſie in beſchränktem Sinne immergrün nennen kann, da
immer eine Menge kaum in der Farbe etwas veränderte Blätter ganz
friſch an den Trieben den Winter über ſitzen bleiben.


So wenig der Forſtmann den Liguſterſtrauch beachtet, ſo ſehr ſcheint
es von jeher das Volk gethan zu haben, denn er hat eine große Zahl örtlicher
Benennungen, von denen viele auf der Weidenähnlichkeit ſeiner Blätter
beruhen: Rain- oder Rheinweide, Thunriegel, Zaunriegel, ſelbſt dem
unter 27. beſprochenen Concurrenz machend: Hartriegel, wilde Weide,
Hartröhrle, Dintenbeer, ſpaniſche, wilde, Zaun-, Mund- und Schulweide
[493] (hat vielleicht wie bei der Birke einen pädagogiſchen Grund!), Bein-,
Zeck-, Kohl-, Greis-, Kahl-, Mund-, Wein- und Weißknieholz, Eiſenbeer-
ſtrauch, Hartender, Kiengerten, Grünbaum und viele andere.


33. Die Stechpalme oder Hülſe, Ilex Aquifolium L.

Unſer einziger wenn auch nur kleiner wirklich immer grüner Laub-
holzbaum, der vielleicht auch blos aus dieſem Grunde den ſtolzen Namen
trägt, da er ſonſt mit den Palmen durchaus nichts gemein hat. Wenn
Bernardin St. Pierre (nicht Humboldt, wie man gewöhnlich glaubt, denn
dieſer führt für dieſe Bezeichnung jenen ausdrücklich als Urheber an) die
hochaufragenden Palmen „einen Wald über dem Walde“ nennt, ſo kann
man die Stechpalme einen Wald unter dem Walde nennen, denn die
kleinen immergrünen ſchattenliebenden Bäumchen bilden, in Deutſchland
wenigſtens in einigen Theilen des Schwarzwaldes, zu den Füßen der
ragenden Nadelbäume einen Wald im Kleinen.


Die Stechpalme bildet mit einigen andern Gattungen ihre eigene
kleine Familie, welche die Einen Ilicineen, Andere Aquifoliaceen nennen,
und ſchon ziemlich hoch in der Rangordnung des Gewächsreiches ſteht.


Die Blüthe hat einen 4—5zähnigen Kelch und eine 4—5theilige
zuletzt ziemlich radförmig flach ausgebreitete ſchneeweiße Blumenkrone,
während ſie als Knospe roſenroth gefärbt und kugelig, von der Größe
einer kleinen Erbſe iſt; 4 Staubgefäße und 4—5 ſitzende Narben. Die
im Oktober reifende Frucht iſt eine ſcharlachrothe erbſengroße 4—5 ſteinige
kurzgeſtielte Beere, welche von den Turteltauben ſehr geliebt wird. Die
Blätter ſind im ganzen von einem eirunden Umriß aber tief einge-
ſchnitten, die Einſchnitte wellenförmig abwechſelnd ab- und aufwärts gebogen
und gehen in einen harten knorpeligen ſpitzen Stachel aus, wie überhaupt
die ganzen Blätter ſtarr und hart und von einer lebhaften ſattgrünen unten
helleren Farbe und wie lackirt glänzend ſind. Sie ſtehen undeutlich ſpiral
an den ſteifen ziemlich dicken, lebhaft grün berindeten Trieben; die dickeren
Aeſte werden allmälig rothbraun und geſtreift und der walzenrunde Stamm
iſt grau und feinriſſig. Die Krone iſt dicht belaubt, meiſt von eiförmigen
Umriß mit ſpitzem Gipfel. Die Wurzel geht ziemlich tief. Das Holz
iſt von allen deutſchen Holzarten das feſteſte und dichteſte und daher
[494] ſchwerſte; es hat zahlreiche ſehr feine meiſt in Gruppen beiſammenſtehende
Gefäße, zahlreiche ſchmale aber ziemlich dicke Markſtrahlen, im Kern eine
graue oder braune, im Splint eine weiße Farbe. Jahrringe deutlich be-
zeichnet, kreisrund und daher das Mark meiſt im wahren Mittelpunkte
des Stammquerſchnittes.


In unſeren Gärten, wo man die ſchöne Stechpalme vielfältig aus
dem nach 1½—2 Jahren aufgehenden Samen erzieht, haben ſich mehrere
Spielarten gebildet. Am abweichendſten iſt eine Spielart mit ebenen
ganzrandigen dornenloſen Blättern neben ſolchen von gewöhnlicher Geſtalt.
Aber es finden ſich faſt an allen ſehr alten Exemplaren ſolche abweichende
Blätter. Neben einigen anderen Spielarten ſei nur noch erwähnt die
vielſtachelige, ferox, mit auch auf der ganzen Oberſeite beſtachelten
und die geſchäckte, variegata, mit gelblich- oder weißgefleckten Blättern.


Als Standort der Stechpalme wird von Metzger ein ſteiniger
ſchwerer Boden und ein geſchloſſener Stand in Buſchwaldungen angegeben,
während Reum von einem mit Lehm gemiſchten guten und lockeren Sand-
boden ſpricht. Nach angepflanzten gut wachſenden Gartenexemplaren zu
urtheilen iſt die Stechpalme mehr auf ſchattigen Stand als auf eine eng
begrenzte Bodenbeſchaffenheit angewieſen. Die Verbreitung iſt eine ſehr
umfaſſende, obgleich großen Gebieten Deutſchlands die Stechpalme gänzlich
fehlt. Im Norden geht ſie bis in die Ebene hart an den Seeſtrand,
während ſie im Süden mehr in den Gebirgswaldungen wächſt. Ganz
vorzüglich ſagt ihr das milde Seeklima Englands zu. In ſüdlicheren Ge-
bieten ſoll die Stechpalme zu einem anſehnlichen Baume erwachſen.


Das Leben dieſes reizenden in Deutſchland einzig daſtehenden immer-
grünen Bäumchens zeigt die ſchon S. 186 erwähnte Eigenthümlichkeit
der Winterverfärbung. Der erſt im Oktober reifende Same geht an
einen ſchattigen friſchen Orte noch im Herbſt geſäet erſt nach 1½ bis
2 Jahren auf. Der Wuchs iſt außerordentlich langſam, ſo daß erſt mit
80 Jahren ein auch dann noch nur mäßiger Baum ausgewachſen iſt. Da
die Stechpalme den Schnitt ſehr gut verträgt und ein gutes Ausſchlags-
vermögen hat, ſo kann ſie in ihr zuſagenden Lagen mit beſtem Erfolg als
Heckenpflanze angewendet werden.


Hinſichtlich der forſtlichen Bedeutung und Behandlung iſt
kaum etwas zu bemerken, da die Stechpalme für keine der drei forſtlichen
[495] Betriebsarten geeignet iſt, weil ſie viel zu langſam wächſt und daher
keinen nennenswerthen Ertrag giebt. Wäre letzteres nur einigermaßen
der Fall, ſo würde ſie wegen ihres von Kunſttiſchlern und Drechslern
hochgeſchätzten Holzes ſich ſehr zur Anzucht empfehlen. So aber bleibt
ſie, abgeſehen von den ſich in den Waldungen von ſelbſt darbietenden nie
ſehr zahlreichen Stämmchen, ein Gegenſtand der Landſchaftsgärtnerei und
allenfalls des Erziehers lebendiger Hecken, die ſie dichter und ihrer Be-
wehrung wegen undurchdringlicher bildet, als irgend eine andere Hecken-
pflanze.


Wo die Stechpalme, namentlich wie an vielen Orten im Schwarz-
walde, als Unterholz der Fichten- und Tannen-Hochwaldbeſtände auftritt,
da überraſcht ſie den mit ihr noch nicht Bekannten in hohem Grade durch
ihr fremdartiges, faſt diſtelartiges Anſehen und die ſtarre glänzende ſaftig
grüne Belaubung.


Von Volksnamen iſt anzuführen: Walddiſtel, Palmdiſtel, Stecheiche,
Palme ſchlechthin (im Elſaß und Breisgau), Hülſcheholz, Hülſe, Zwieſel-
dorn, Chriſtdorn.


34. Der glatte Wegedorn, Rhamnus Frangula L.,
und
35. Der Kreuzdorn, Rhamnus cathartica L.

Wir faſſen dieſe beiden Sträucher zuſammen, obgleich man darüber
in neuerer Zeit ziemlich einig iſt, beide generiſch zu trennen und erſtere
als ſelbſtſtändige Gattung Frangula vulgaris zu nennen. Sie geben der
kleinen Familie der Wegedornartigen Pflanzen, Rhamnaceen den Namen,
welche aus kleinen Sträuchern beſteht, und namentlich in ſüdlicheren
Ländern ſehr vertreten iſt.


In Blüthe und Frucht waltet allerdings zwiſchen beiden Arten
eine große Aehnlichkeit ob. Die erſteren ſind klein und unſcheinbar und
ſtehen auf kurzen Stielchen. Bei dem Wegedorn ſind ſie zwitterig und
haben einen kleinen krugförmigen fünfſpaltigen Kelch, fünf kleine röthlich
weiße Blumenblätter, welche die vor ihnen ſtehenden 5 Staubgefäße ein-
hüllen. Die Narbe des blos einen Stempels iſt kopfförmig. Die Frucht
iſt eine erbſengroße ſchwarze Beere mit 1—3 bleigrauen Nüßchen. Der
[496]Kreuzdorn dagegen hat zweihäuſige oder polygamiſche grünliche Blüthen,
4 frei herausragende Staubgefäße, und bis 4 Nüßchen in der Frucht.
Blüthen und Früchte ſtehen bei beiden in den Blattwinkeln, und zwar
bei dem Kreuzdorn zahlreich in kleinen Büſcheln zuſammen; bei dem andern
ſelten mehr als 1—4.


Hat man ſchon durch die allgemeine Geſtalt der Blüthen und Früchte
die Gattung, in der wir ſie hier noch beide zuſammenfaſſen, ſo unter-
ſcheidet man beide ſchon durch ein einziges Merkmal zu allen Jahreszeiten
leicht von einander; dies liegt darin, daß alle Triebe bei dem Kreuzdorn
anſtatt mit einer Endknospe in einen ſteifen kurzen Dorn endigen, wie
der Schleh- oder Schwarzdorn, welcher nichts anderes iſt, als das Ende
des Triebes ſelbſt (S. 63. IV. Fig. 4.). Aus folgender Beſchreibung
werden aber auch noch viele andere Unterſcheidungsmerkmale hervorgehen.


Der Wegedorn, Rhamnus Frangula L., hat ziemlich regelmäßig
eirunde vollkommen ganzrandige, d. h. keine Zähnelung am Rande zeigende
Blätter, mit zahlreichen, durchſchnittlich 9—10 faſt geraden Seitenrippen,
(hierin ähnlich dem Buchenblatte); die Knospen ſind nackt (S. 59 unten).


Der Wegedorn bildet einen 10—15 Fuß hohen lockeren Buſch,
deſſen Stämmchen ſehr ſchlank ſind, ſelten über 2—3 Zoll dick werden
und ſehr dünne ziemlich lange Zweige haben. Die Rinde iſt dunkel
braungrau von weißen Rindenhöckerchen punktirt. Das Holz iſt im Kern
ziemlich lebhaft gelbroth, im Splint gelblich weiß, dicht aber leicht.


Er liebt einen friſchen nahrhaften Boden und findet ſich namentlich
an Waldrändern in ſchattiger Lage verbreitet durch ganz Deutſchland.
Obgleich die Stämmchen immer ſehr ſchwach bleiben, ſo hat der Wege-
dorn doch eine forſtliche Bedeutung, weil ſein Holz die beſte Kohle
zur Bereitung des Schießpulvers giebt; daher er nicht blos da wo
er im Nieder- und Mittelwalde ſich von ſelbſt eingefunden hat, in 10 bis
12jähr. Umtrieb darauf benutzt, ſondern in neuerer Zeit hier und da auch
beſonders erzogen wird, was ſehr leicht iſt, da die Samen ſehr gut
aufgehen.


Außer dem Namen Pulverholz und Schießbeere heißt der Wegedorn
auch Faulbaum, Faulholz, Zweckenholz, Fühlboom, Zapfenholz, Sperber-,
Sprötzer-, Grind-, Gelb- und Zinholz, Reckbaum, Luckberſte, Purgirbaum,
Hühneraugenbaum, Hohl-, Aſtkirſche, Spill- und Spargelbeere.


[497]
Der Kreuzdorn, Rh. cathartica L.

hat ein ähnliches aber etwas längeres, ſchlanker zugeſpitztes und am Rande
fein kerbzähniges Blatt, mit jederſeits höchſtens 3—4 gebogen aufwärts
ſtrebenden Seitenrippen; an den Kurztrieben ſtehen die Blätter deutlich
kreuzweiſe gegenüber, an den Langtrieben mehr unregelmäßig zerſtreut,
welches letztere bei dem Wegedorn ſtets der Fall iſt. Die an den Trieb
angedrückten Knospen ſind vollkommen, mit chocolatbraunen ſilaergrau
umrandeten Schuppen.


Im Gegenſatz zu dem vorigen hat der Kreuzdorn etwas Knorriges
und Geſpreiztes im Bau ſeiner auch viel ſtärker, ſelbſt etwas baumartig
werdenden Stämmchen. Die Rinde der Triebe iſt ſilbergrau, die der
Stämmchen ſchwärzlichbraun, und aufgeriſſen mit einer ganz abſonderlichen
Baſtlage, weil in ihr die mit Kryſtallen überzogenen Baſtbündel regel-
mäßig in Quinkunx geſchichtet ſind. Von beſonderer von allen anderen
deutſchen Holzarten abweichenden Art iſt das Holz, indem darin die feinen
Gefäße (Poren) und die Holzzellen in größere etwas flammige Gruppen
von einander geſondert ſind, wodurch das Holz etwas ſchräg gegen den
Spaltſchnitt gehobelt ein ſchönes geflammtes gewäſſertes Anſehen erhält.
Das Kernholz iſt gelbroth, der Splint hell grüngelblich. Es iſt ſehr hart
und dauerhaft und iſt eigentlich unſer ſchönſtes Holz für feine Kunſt-
tiſchlerarbeiten.


Als Standort verlangt der Kreuzdorn einen guten Boden an Wald-
rändern und an Wieſen um ſeine größte Höhe von 20 bis 25 Fuß als
8—10 Zoll ſtarkes Bäumchen zu erlangen; er findet ſich aber krüppel-
haft wachſend auch auf ärmeren ſelbſt klippigen Bodenarten durch ganz
Deutſchland.


Forſtlich wird er nicht beſonders beachtet und daher auch nicht
kulturmäßig behandelt, um ſo weniger als er ſehr langſam wächſt.


Außer ſeinem Holze, welches vielleicht hier oder dort eine ohne be-
ſondere Umſtände ſich ausführbar machende Pflege räthlich machen könnte,
werden ſeine Beeren, Kreuzbeeren, zum Grünfärben benutzt.


Roßmäßler, der Wald. 32
[498]

Wir kommen nun zu einer Gruppe von 13 zum Theil ſelbſt baum-
artigen Laubhölzern, welche den Wald an unſere Obſtgärten anknüpfen,
indem ſie nach unſerer gärtneriſchen Eintheilungsweiſe mehr oder weniger
den Namen Obſtbäume verdienen, und als ſolche aus dem Walde zum
Theil in unſere Gärten eingewandert ſind, oder auch umgekehrt.


Die Mehrzahl dieſer Holzarten gehört der natürlichen Familie der
Roſengewächſe, Roſaceen, die Minderzahl der der Mandelgewächſe,
Amygdalaceen
, an, welche beide im natürlichen Syſtem nahe bei
einander ſtehen und auch in der Blüthenbildung ſehr verwandt mit einander
ſind. Die Blüthen einer wilden Roſe, einer Erdbeere, eines Apfelbaums,
eines Pflaumen- oder Kirſchbaums geben uns ein Bild von der Blüthen-
bildung, wie ſie in dieſen beiden Pflanzenfamilien herrſchend iſt. Linné
verband in ſeinem Syſtem beide Familien in einer Claſſe, welche er
Zwanzigmännige, Jcoſandria, nannte, und von der vorhergehenden Claſſe:
Vielmännige, Polyandria, blos dadurch unterſchied, daß die große Anzahl
von Staubgefäßen, welche bei den Zwanzigmännigen jedoch oft viel mehr
als zwanzig ſind, auf dem Kelche aufgewachſen ſind, während dieſelben
bei den Vielmännigen auf dem Fruchtboden ſtehen. Wenn wir von einer
wilden Roſe die fünf Blumenblätter hinwegnehmen, ſo ſehen wir deutlich,
daß die Staubgefäße in Form eines Kreiſes auf dem ungebogenen Rande
des fünfſpaltigen Kelches ſtehen, was derſelbe Fall bei der Apfel-, Birnen-,
Quitten- und Weißdornblüthe iſt, ja es iſt ganz daſſelbe bei den Blüthen
des Kirſchbaums oder Pflaumenbaums. Neben dieſer Uebereinſtimmung
der genannten beiden Pflanzenfamilien iſt es ſehr leicht, abgeſehen von
anderen namentlich in der Frucht liegenden Unterſcheidungsmerkmalen
dieſelben von einander zu unterſcheiden, nämlich durch das Verhalten des
Kelches nach dem Verblühen. Wir wiſſen daß die Hagebutte, bekannt-
lich die Frucht der wilden Roſe, an ihrem oberen Ende die fünf Zipfel
des ſtehenbleibenden Kelches trägt; ganz daſſelbe iſt es bei Birne und
Apfel, wo man im gewöhnlichen Leben den ſtehengebliebenen Kelch unrichtig
die Blüthe zu nennen pflegt, da er doch vielmehr nur ein Theil derſelben
iſt. An jeder reifen Frucht einer Roſacee ſehen wir alſo an der Spitze
mehr oder weniger deutlich den ſtehengebliebenen Kelch. Das iſt bei den
Mandelgewächſen nicht der Fall. Wenn ſich die junge Pflaume oder
Kirſche zu entwickeln beginnt, ſo ſtreift ſie den trocken gewordenen Kelch
[499] mit den aufſitzenden Staubgefäßen ab, und wir ſehen dann an der reifen
Frucht keinen ſtehengebliebenen Ueberreſt der Blüthe.


Die Familie der Roſengewächſe zerfällt wieder in Unterfamilien —
ähnlich wie es bei den Kätzchenbäumen war — und in die dritte derſelben
die der Apfelfrüchtler, Pomaceen, gehören die ſämmtlichen hier ein-
ſchlagenden Holzgewächſe. Die Blüthenbildung derſelben iſt ſehr überein-
ſtimmend gebildet und wir ſchildern dieſelbe hier im Allgemeinen um uns
ſpätere Wiederholungen zu erſparen, indem wir uns dabei an die allgemein
bekannten Apfelblüthen erinnern. Der Blüthenſtiel erweitert ſich in den
zuweilen kugeligen oder krugförmigen oben offenen Kelch, an welchem in-
wendig die Stempel und auf deſſen oberem Saume die fünf Blumenblätter
und die Staubgefäße eingefügt ſind. Die Zahl der Stempel beträgt nach
den Gattungen 1—5. Die Blumenblätter ſind rund oder zungenförmig
meiſt weiß bis roſenroth und ſind mit einem ganz kurzen Nagel angeheftet.
Wir werden ſehen daß die Blüthen der Pomaceen entweder einzeln oder zu
verſchiedenartigen Blüthenſtänden vereinigt ſtehen. Sämmtliche Gattungen
haben bleibende Nebenblättchen. Mit wenigen Ausnahmen verlangen die
Apfelfrüchtler ein mildes Klima und einen nahrhaften Boden und viele
von ihnen ſind, wie bereits angedeutet, die Stammformen, aus welchen
unſere Gartenkunſt die edelſten Obſtſorten gezogen hat.


Wir haben zunächſt vier Arten der Gattung Sorbus kennen zu lernen,
für welche der deutſche Name Ebereſche nicht allgemeine Gültigkeit hat.
Die Blüthen bilden eine reich- oder armblüthige Traube oder Trugdolde.
Sie haben eine ſaftige und fleiſchige Apfelfrucht, welche ein bis fünf
kleine harte Samenkörner enthält. Dabei iſt zu bemerken, daß manche
Arten bald zu dieſer bald zu der Gattung Pyrus geſtellt werden, da
zwiſchen beiden eine große Aehnlichkeit ſtattfindet. Die Größe und Geſtalt
der Früchte und die Art des Blüthen- und Fruchtſtandes muß faſt allein
entſcheiden. Die kleinfrüchtigen Arten, deren einzelne Blüthen- und Frucht-
ſtielchen kürzer ſind als die gemeinſamen Zweige des doldenartigen Blüthen-
ſtandes rechnen wir mit Hartig zu Sorbus.


32*
[500]
36. Die Ebereſche, Sorbus aucuparia L.

Die Blüthen haben meiſt 3 Stempel und ſtehen in einer reich-
blüthigen gewölbten Trugdolde und haben kleine gelblich weiße Blumen-
blätter. Die Früchte ſind erbſengroß kugelförmig und ſcharlachroth, lange
hängen bleibend. Die Blätter ſind unpaarig gefiedert, in der Jugend
graufilzig, ſpäter oben kahl. Der gemeinſame Blattſtiel iſt oben durch
zwei herablaufende Linien von Blattſubſtanz rinnenartig. Die länglich-
lanzettlichen 11—15 Fiedern ſägezähnig. Die unregelmäßig geſtalteten
Knospen ſind filzig und ſtehen über der glänzend ſchwarzbraunen bleibenden
Blattſtielbaſis. Der Stamm iſt meiſt regelmäßig walzig, bis zur Krone
geradſchaftig mit ſilbergrauer ziemlich glatter Rinde, Zweige mit brauner
Rinde. Die Krone wölbt ſich frühzeitig ab, iſt bald mehr bald weniger
eirund oder mehr breit, immer etwas unterbrochen und ziemlich locker
belaubt. Wurzel tief eindringend mit weitausſtreichenden Seitenwurzeln.
Das Holz iſt ziemlich fein und zähe mit zahlreichen engen, gleichmäßig
vertheilten Poren und feinen zahlreichen Markſtrahlen. Die Jahresringe
ſind durch eine feine braune Linie ſehr deutlich bezeichnet; Kernholz hell
rothbraun, Splint düſter röthlich weiß.


Der Standort der Ebereſche iſt vorzüglich in dem friſchen humus-
reichen zerklüfteten Felſenboden der Gebirgswaldungen, wo ſie in allerlei
Beſtandsarten ſich einmengt und in ganz Deutſchland und weiter nach
Norden überall verbreitet und bei uns auf den für Waldkultur noch ge-
eigneten höchſten Gebirgsebenen der aushaltendſte Laubholzbaum iſt.


Das Leben dieſes ſchönen allgemein bekannten und beliebten Baumes
iſt ein vagabundirendes zu nennen, denn ſein leicht aufgehender Same
wird durch die beerenfreſſenden Vögel weit verbreitet, ſo daß wir jungen
vom 2. oder 3. Jahre einen freudigen Wuchs entwickelnden Ebereſchen
überall begegnen. Sie trägt ſchon frühzeitig, oft ſchon vom 10. bis 12.
Lebensjahre an und dann faſt alle Jahre reichlich Blüthe und Frucht, und
hat einen guten Stockausſchlag. An ihrem Stamme findet man am
häufigſten die S. 199. erwähnten Kugelſproſſe, welche, nachdem ſie ab-
geſtoßen ſind, eine ringförmige Narbe auf der Rinde hinterlaſſen. An
Stocklohden und ſelbſt an Stammausſchlägen ſind wie gewöhnlich die
[501] Blätter mehr oder weniger verändert, an jenen viel größer und an dieſen
namentlich die Fiederblättchen reicher, tiefer und ſchärfer gezahnt.


Die forſtliche Bedeutung und Behandlung beſchränkt ſich auf
die Benutzung der ſich von ſelbſt einfindenden Bäume, entweder als
Baum- oder als Schlagholz. Zu ihrem künſtlichen Anbau wird kaum
etwas gethan, was auch kaum nöthig iſt, es ſei denn, um ſie zur An-
pflanzung an Landſtraßen zu erziehen, wozu ſie ſich ganz beſonders empfiehlt,
da ſie beſchattet ohne doch das Abtrocknen der Wege zu ſehr zu ver-
hindern. Unleugbar iſt die Ebereſche durch ihre namentlich im ſonnigen
Hochgebirge ſich leuchtend ſcharlachroth färbenden Fruchtbüſchel der ſchönſte
Waldſchmuck, der die düſtern Ränder der Fichtenbeſtände freundlich unter-
bricht. Die ſelbſt nach einem tüchtigen Froſt immer nur erſt herbe ſüß-
ſauer werdenden Früchte ſind zuletzt das einzige Obſt des Obergebirges.


Das durch die braunen Jahreslinien einigermaßen dem Nadelholz
ähnelnde Holz der Ebereſche iſt zu allerlei Wagen- und Tiſchler-, namentlich
aber für Drechslerarbeiten ſehr geſchätzt, ſo daß in manchen Gegenden des
Gebirges der Förſter Noth hat, die Bäume vor den ihren Holzbedarf nicht
gern theuer kaufenden armen Drehern von Spielwaaren zu beſchützen.
Dem Jäger ſind die „Vogelbeeren“ die unentbehrliche Lockſpeiſe für
ſeine Dohnen.


Von ortsüblichen Namen ſind zu nennen: Vogelbeeren, Ebſche, Quit-
ſchern, Quickenbeere, Eberaſche, Quitzen, Vogeleſche, Eiſchbeere, Erſchen-
baum, Schneiſen-, Dohnen-, Zippen-, Droſſel- oder Meiſchbeere,
Areſſel u. ſ. w.


37. Die zahme Ebereſche, Sorbus domestica L.

Von den auch dieſem Baume zukommenden zahlreichen Volksbenennungen
wähle ich den von den Forſtbotanikern am häufigſten angewendeten, ſo
unnatürlich es erſcheint, auf eine Pflanze das Wort „zahm“ anzuwenden.
Dieſe Art iſt der vorigen in allen Stücken ſehr ähnlich, obgleich durch
folgende Kennzeichen leicht zu unterſcheiden.


Die Blüthenbüſchel ſind viel kleiner aber Blüthen und Früchte
größer; die Blättchen ſind mehr abgeſtumpft, ſchärfer gezähnt, nicht ſo
flach ausgeebnet, ſondern meiſt etwas aufwärts gewölbt und auf der Rück-
[502] ſeite ſtärker behaart; der gemeinſame Blattſtiel ſchlaffer, zottig behaart
(bei voriger kahl), wodurch die auch viel geringere rinnenartige Linie auf
der oberen Seite faſt ganz verdeckt wird. Knospen kahl und glänzend. —
Im Uebrigen gleicht die zahme der gemeinen Ebereſche, erreicht aber in
ihrer eigentlichen Heimath eine viel bedeutendere Größe als dieſe in
der ihrigen.


Man unterſcheidet zwei Abarten, eine mit birnförmiger und eine
mit apfelförmiger Frucht, von denen einige Unterſpielarten angegeben
und in Frankreich erzogen werden.


Auf ähnlichen Standorten wie vorige, namentlich in Gebirgs-
waldungen, iſt die zahme Ebereſche in Mitteleuropa von Kärnthen und
Krain an ziemlich verbreitet; bei uns kommt ſie nur einzeln kultivirt und
verwildert vor, da ihr Vorkommen in Thüringen und am Harz wahr-
ſcheinlich auch nur auf Verwilderung beruht.


Für die Forſtwirthſchaft hat ſie dieſelbe und inſofern wohl noch eine
höhere Bedeutung als die gemeine Ebereſche, als ihr bräunliches Holz als
beſonders dicht und feſt noch höher geſchätzt iſt. Die Früchte ſind nach-
dem ſie ein Froſt getroffen hat eßbar und im Geſchmack den Mispeln
ähnlich.


Weitere Namen der zahmen Ebereſche ſind: Speierling oder
Spierling, Sperberbaum, Matzmaſen, Eſcheichen, Eſcherrösle, Sperbel,
Schmerbirm, Spierapfel, Sporapfel, Adeleſche, Aſcheritzen, Zarfen u. ſ. w.


Als ſeltnerer deutſcher Baum ſoll hier die halbgefiederte Eber-
eſche
, S. hybrida L., nur kurz erwähnt werden, welche durch ihre Blatt-
bildung gewiſſermaßen einen Uebergang zu der Mehlbirne, S. Aria, macht.
Die Blätter ſind nämlich nur an der untern Hälfte gefiedert und gehen
nach oben durch unvollſtändigere Ausbildung der Fiedern allmälig in die
nur eingeſchnittene und zuletzt ungetheilte Blattform über. Blüthen und
Früchte ſind denen der zahmen Ebereſche ſehr ähnlich.


38. Die Mehlbirne, Sorbus Aria Crantz.

Blüthenſtand eine lockere flachäſtige Doldentraube, Blumenblätter ab-
ſtehend. Die Früchte, deren immer nur wenige in einem Blüthenſtande
zur Entwicklung kommen, ſind bei der Reife im Oktober ſchönroth und
[503] ihr Fleiſch iſt etwas mehlig, eßbar. Das ſofort über die Art entſcheidende
Kennzeichen liegt in den großen Blättern, welche ungetheilt, länglich
eirund, doppelt ſägezähnig, oben glatt, glänzend und dunkelgrün, unten
aber mit einem ſilbergrauen Filz bedeckt ſind. Die Blätter haben zahl-
reiche faſt ganz gerade Seitenrippen, etwa 10—12 auf jeder Seite.


Auf dürrem felſigen Boden bleibt die Mehlbirne ein Strauch mit
aufrechten ſtraffen Aeſten; auf beſſerem Boden erwächſt ſie jedoch zu einem
bis 40 Fuß hohen Baume mit einer regelmäßigen kegelförmigen Krone.
Rinde glatt, graubraun, weißgefleckt. Verbreitet iſt ſie im mittlen und
ſüdlichen Deutſchland namentlich in Gebirgswaldungen.


Dieſer ſtattliche durch ſeine immer pappelartig aufwärtsſtrebenden
Zweige ausgezeichnete Strauch oder Baum iſt die Silberpappel unter den
Apfelfrüchtlern, obgleich der Filz der Blattrückſeite doch niemals ſo rein
weiß wie bei dieſer iſt.


Das Blatt iſt bald vorwiegend breit eirund, ſtumpfſpitzig (mit nur
6—8 Seitenrippen jederſeits), bald mehr länglich elliptiſch, zugeſpitzt, und
am Rande außer der doppelten Zähnelung namentlich an der oberen
Hälfte auch noch tiefer eingeſchnitten.


Die forſtliche Bedeutung iſt geringer als bei der gemeinen Eber-
eſche, obgleich das röthlichweiße, ſehr harte und dauerhafte Holz der Mehl-
beere ſehr geſchätzt iſt Deſto mehr Beachtung findet ſie aus gleichem
Grunde wie die Silberpappel für Parkanlagen und Luſtgehölze.


Volksbenennungen ſind: Mehlbeere, Adlersbeere, Arbutenbeere, Spier-
ling, Mehlboom, Silberlaub, Silberbaum, Elzbeere, Adelsbeere, Oxal-
baum, Arolsbeere, Frauenbirnle, Fliederbaum.


Als nahe verwandte Art unterſcheidet man von der Mehlbeere noch
S. latifolia Ehrh., welche tiefer und regelmäßiger eingeſchnittene Blätter
hat, die auf der Unterſeite mehr wollig filzig, bei jener mehr glatt an-
liegend filzig ſind. Dieſer vielleicht nur als Abart von S. Aria anzu-
ſehende Baum kommt in Deutſchland nur ſehr ſelten vor. Er vermittelt
vollends den Uebergang zu S. hybrida.


[504]
39. Die Elsbeere, Sorbus torminalis Crantz.

Der traubige Blüthenſtand wenigblüthig, Früchte bei der Reife
im Oktober länglichrund, etwa haſelnußgroß, feſt, braungelb, weiß punktirt,
herbe, vom Froſt getroffen aber teigig und wohlſchmeckend ſäuerlich ſüß.
Blatt groß, langſtielig, unterſeits locker weichhaarig, tief eingeſchnitten
gelappt, Lappen unregelmäßig doppeltſägezähnig, die beiden unterſten weit
abſtehend, die oberen bis zur Spitze allmälig kleiner werdend. Der
Stamm von unregelmäßigem Umfang, meiſt bis 15—20 Fuß aſtrein,
dann ſich in wenige ſtarke auseinanderſtehende Aeſte theilend, welche eine
lockere, wenig ſchattige Krone tragen. Das Holz iſt im anatomiſchen
Gefüge dem der vorhergehenden Gattungsverwandten ſehr ähnlich, doch
meiſt ohne deutlichen Unterſchied von Kern und Splint, gelbweiß und nach
innen zu mit häufigen Markfleckchen.


Die Elsbeere verlangt einen ziemlich nahrhaften Boden, erwächſt
aber in einem ſolchen wenn auch ſehr langſam zu einem 50—60 Fuß
hohen ſtattlichen Baume. Ihre Verbreitung erſtreckt ſich von Mittel-
deutſchland an ſüdöſtlich bis in den Kaukaſus. Auch ſie iſt in Deutſch-
land ein Gebirgsbaum und miſcht ſich einzeln in andere Beſtände. Das
Holz der bis an 2 Fuß ſtark werdenden Stämme iſt zu allen Gegen-
ſtänden, welche dichtes, zähes Holz erfordern und ſelbſt zu Möbeln ſehr
geſucht, da es von alten Stämmen ſchön geflammt iſt.


Die Elsbeere heißt noch Elrize, Zürbelbaum, Eiſen- oder Arlsbeere,
Adelskirſche, Hüttelbeer- oder Erlivkenbeerboom, Alzbeer, Arlebaum, Elge,
Elſchbirle, Arlsbaum, Serſch, Darmbeere.


40. Der Weißdorn, Crataegus oxyacantha L.

Die anſehnlichen langgeſtielten Blüthen mit ſchneeweißen muſchel-
förmigen Blumenblättern, violetten Staubbeuteln und zwei Stempeln ſtehen
in kleinen Doldenbüſcheln und erſcheinen im Mai nach den Blättern an
der Spitze von Kurztrieben; die Frucht iſt ein etwas über erbſengroßes
ſcharlachrothes ſaftloſes mehliges Aepfelchen. Blatt im allgemeinen von
verkehrt breit eiförmigem Umriſſe, unten in den Blattſtiel verſchmälert
(LXXVII. 1.) nach oben hin mehr oder weniger tief in 3, 5 oder ſelbſt
[505] undeutlich in 7 Lappen eingeſchnitten, welche unregelmäßig doppeltſäge-
zähnig ſind. Neben dem Blattſtiel ſtehen zwei kleine gebogene lanzettliche
ſpitzgezähnte Nebenblättchen. Außerdem ſteht in der Achſel vieler
Blätter noch ein faſt rechtwinklig abſtehender, ſteifer, ſehr feſter Dorn,

Figure 79. LXXVII.

1. 2. Blätter des Weißdorns, Crataegus oxyacantha L.; — 3. Blatt von einer Dorn-
hecke; — 4. Blatt des Schwarzdorns, Prunus spinosa L.


[506] den wir nicht für gleichbedeutend mit den Stacheln*) einer Roſe zu
halten haben, welche blos Oberhautgebilde und daher ſowohl leicht abzu-
ſtoßen ſind als auch in kurzer Zeit meiſt von ſelbſt abfallen, während ein
Dorn ein bleibendes Axengebilde ſind. Phyſiologiſch genommen iſt ein
Dorn ein vollkommner Kurztrieb, der anſtatt wie es dieſen ſonſt eigen iſt,
an ſeiner Spitze eine ſehr entwicklungsfähige Knospe zu haben, eben ſich
in eine jeder weiteren Längenentwicklung unfähige Spitze abſchließt. Dazu
iſt dieſer zum Dorn gewordene Kurztrieb auch ein Vorgriff, eine Pro-
lepſis (S. 81.), denn er tritt ſtets aus der Achſel des noch ſtehenden
Blattes und mit dieſem gleichzeitig hervor. An einem ſolchen Dorn finden
wir deutlich unterſchieden Mark, Holz und Rinde.


Die Dornen finden ſich in der Regel nur an den kräftigen Lang-
trieben und zwar meiſt in dem mittleren Theile derſelben und auch an
dieſem nicht in jeder Blattachſel. Es kann uns auch nicht wundern, in
dem Auftreten dieſer Dornen keine feſte Regel zu finden, da dies ja bei
den übrigen Kurztrieben auch nicht der Fall iſt.


Die Knospe des Weißdorns iſt ſehr klein, kugelig, meiſt braun-
roth gefärbt.


Wild erwächſt der Weißdorn zu einem knickigen weitſchweifigen Buſche
mit höchſtens einige Zoll ſtarken braungrau berindeten Stämmchen; die
ſchwächeren Zweige haben eine aſchgraue Rinde. Gut gewachſene aſtreiche
Büſche haben eine ſchöne tief herabreichende glänzend grün belaubte
Krone, welcher zur Blüthenzeit die an bogenförmig ſich herausbiegenden
Zweigen oft zu 6—8 nebeneinanderſtehenden blühenden Kurztriebe einen
großen Schmuck verleihen.


Wenn man die folgende Art als eine wirklich zu unterſcheidende Art
gelten läßt, ſo giebt es vom gemeinen Weißdorn keine eigentlichen Ab-
arten, wohl aber unzählige Wandelformen der Blätter und Nebenblättchen,
die ſich aber oft an einem und demſelben ruhig erwachſenen Buſche, noch
vielmehr aber an den in der Hecke oft beſchnittenen finden. Fig. LXXVII.
1. und 2. geben die normale Blattform des frei erwachſenen Buſches,
[507] 1. von einem Kurztriebe, 2. von einem üppigen Langtriebe. Fig. 3. iſt
von einer beſchnittenen Hecke, welche blos aus dieſer Art zu beſtehen
ſchien, obgleich das tief bis auf die Mittelrippe eingeſchnittene Blatt mehr
auf die folgende Art deutet. Um Johannis, wo die Weißdornhecken be-
ſchnitten werden hat man die beſte Gelegenheit ſich von der großen
Wandelbarkeit der Blatt- und Nebenblattgeſtalt zu überzeugen. Ueppige
Langtriebe, welche nicht ſelten 30—40. Blätter zählen, werden von den
rieſig entwickelten Nebenblättchen wie von Manſchetten umfaßt.


Der angemeſſenſte Standort für den Weißdorn iſt eigentlich ein
ſchwerer Lehmboden, er gedeiht aber auch in anderen jedoch am wenigſten
wie es ſcheint im Auenboden des Ueberſchwemmungsbereichs der Flüſſe.
Seine Verbreitung iſt eine ſehr ausgedehnte, namentlich an Bergab-
hängen, an Wegen und in Vorhölzern.


Der Weißdorn wächſt außerordentlich langſam und hat ein großes
Ausſchlagsvermögen, indem auch an der Baſis der Dornen die faſt immer
daran deutlich vorgebildeten 1 bis 2 kleinen Knospen zur Entwicklung
kommen, und zwar an beſchnittenen Hecken ſelbſt im Vorgriff. Obgleich
das Holz durch ſeine große Feſtigkeit und Zähigkeit zu kleinen Gegen-
ſtänden ſehr geſchätzt iſt, ſo liegt doch der Hauptwerth des Buſches in
ſeiner Eigenſchaft als beſte deutſche Heckenpflanze.


Sehr nahe mit dieſer Art verwandt und von Manchen nur für eine
Abart davon gehalten iſt der einſamige Weißdorn, Cr. monogyna L.,
aber durch die roſenröthlichen, nur 1 Stempel enthaltenden Blüthen und
die ſchmal und tief geſchlitzten, nur an der Spitze der Zipfel gezähnten
tiefdunkelgrünen und kleineren Blätter gut unterſchieden. Er wird nament-
lich in Süddeutſchland viel größer und nicht ſelten ein 30 Fuß hoher und
1 Fuß ſtarker Baum. Von dieſer Art kommen mehrere Gartenſpielarten
mit ſchönrothen Blüthen vor.


41. Die gemeine Mispel, Mespilus germanica L.

Dieſer allgemein bekannte bis 15 Fuß hoch werdende Strauch kommt
in der wilden Stammform nur in den Wäldern des ſüdlichſten Deutſch-
land als urſprünglich heimiſch vor. Von da hat er ſich, durch die Garten-
kunſt in ſeiner Frucht ſehr veredelt, über ganz Deutſchland und weiter
[508] verbreitet und iſt, die Gärten verlaſſend, in der ganzen Südhälfte Deuſch-
lands verwildert und jetzt daſelbſt in den Wäldern und Gebüſchen heimiſch
geworden.


Die Blüthe der Mispel hat große ſchneeweiße Blumenblätter und
iſt einer Apfelblüthe ſehr ähnlich. Die bei der Reife immer noch ſehr
harte und ungenießbar herbe Frucht wird bekanntlich erſt durch längeres
Liegen, wobei ſie in Gährung übergeht, genießbar. Die außerordentlich
harten Steinſamen liegen bis zum Keimen 2 Jahr im Boden. Die
Blätter gleichen einigermaßen recht großen Blättern der Sahlweide und
ſind unten ſchwach behaart.


Wo die Mispel wild wächſt findet ſie ſich in ſchattiger Lage auf
einem friſchen nahrhaften Boden und theilt im Holze ihrer ſchwachen
Stämmchen die weſentlichen Eigenſchaften und Vorzüge mit den meiſten
ihrer Familienverwandten.


Das kleine höchſtens 4—5 Fuß hohe Büſchchen der Zwergmispel,
Cotoneaster vulgaris Lindlay, (Mesp. Cotoneaster L.) ſei hier nur
kurz erwähnt. Es hat kleine polygamiſche Blüthen, erbſengroße leuchtend
purpurrothe Früchte und eirunde von einer kleinen Spitze gekrönte oben
ſattgrüne unten graufilzige Blätter. Die Zwergmispel gehört eigentlich
nicht hierher, da ſie im Waldgebirge ſich am liebſten auf den dürren von
Wald entblößten Klippen anſiedelt.


42. Der wilde Apfelbaum, Pyrus Malus L.
und
43. Der wilde Birnbaum, P. communis L.

Dieſe beiden Stammväter unſerer zahlloſen Aepfel- und Birnen-
Sorten betrachten wir vergleichend neben einander, wie ſie ſowohl im
Garten als draußen in den Waldungen ſich zu einander geſellen. Neben
den ſchon früher angegebenen von den Blüthenſtielen hergeleiteten Unter-
ſcheidungskennzeichen der Pyrus-Arten iſt hier beſonders noch das hinzu-
zufügen, daß das meiſt fünffächerige Kernhaus in jedem Fache nicht mit
einer harten holzigen, ſondern mit der bekannten pergamentartigen Wand
ausgekleidet und daß jedes Fach zweiſamig iſt.


[509]

Die Blüthen des Apfelbaums ſtehen auf kurzen Stielen in arm-
blüthigen Sträußen oder ſelbſt einzeln, ſind größer, die Blumenblätter
faſt kreisrund, mehr hohl muſchelförmig und äußerlich meiſt roſenroth
überlaufen, während die des Birnbaumes auf langen Stielen in mehr-
blüthigen Sträußen zuſammenſtehen und ſchneeweiße, flachere, mehr läng-
liche Blumenblätter haben. Das Blatt iſt bei dem Apfelbaum
eiförmig, am Rande ziemlich grobſägezähnig, unten eben ſo wie die jungen
Triebe und die abgeſtumpften rundlichen Knospen graufilzig; Blattſtiele
halb ſo lang als das Blatt. Bei der Birne iſt es mehr gerundet,
beiderſeits eben ſo wie die jungen Triebe und die ſpitz kegelförmigen
dunkelbraunen Knospen kahl, am Rande ſehr fein ſägezähnig; Blattſtiel
von Länge des Blattes.


Der Unterſchied in der Fruchtform iſt allgemein bekannt, namentlich
halten die beiden wilden Arten die Birn- und Apfelgeſtalt ſtreng feſt, nur
daß bei ihnen der Unterſchied in der Länge des Frucht- (und Blüthen-)
Stiels weniger groß iſt, als bei den meiſten Kulturvarietäten, unter denen
es jedoch bekanntlich auch ganz kurzſtielige Birnenſorten giebt.


Wie die veredelten Birnbäume höher und ſtärker werden als die
Apfelbäume, ſo iſt es auch mit den wilden Stammformen des Waldes
und es iſt ein alter hundertjähriger wilder Birnbaum faſt ein Baum
erſter Größe mit hochgewölbter Krone, während ein wilder Apfelbaum
niedriger bleibt und eine mehr ſchirmförmige breite Krone zeigt. Beide
haben an den Trieben neben den Blättern ſteife abſtehende Dornen, die
ſich an alten Bäumen eben ſo wie an ſämmtlichen veredelten Spielarten
verlieren. Die Aſtführung iſt bei dem wilden Afpelbaum knickiger und
ſperriger als bei dem Birnbaum, deſſen Aeſte etwas mehr aufwärts ſtreben.


Die Stämme beider ſind mit einer rauhen in Borkentafeln auf-
ſpringenden Rinde bekleidet, meiſt nicht hochſchaftig, und oft ſehr ſpann-
rückig. Auch in der Wurzelbildung ſind ſie einander ſehr ähnlich, ſie
iſt reichverzweigt und zeigt eine tiefgehende Pfahlwurzel. Das Holz beider
iſt im Kern düſter roth- oder leberbraun mit braungelblichem Splint. Es
iſt ſehr fein und dicht mit zahlreichen aber feinen Poren und dichtſtehenden
ſehr feinen Markſtrahlen; jedoch ſind im Birnenholz die Poren etwas
feiner und weniger zahlreich, daher es dem Apfelholz vorgezogen wird,
welches meiſt auch etwas dunkler und viel weniger dauerhaft iſt. Jahres-
[510] ringe nicht ſehr ſtark bezeichnet. Beide Holzarten ſind ſchwerſpaltig und
ſpalten oder zerſpringen vielmehr meiſt ſplittrig-muſchlig ohne dem Ver-
laufe der Holzzellen zu folgen.


Vom wilden Apfelbaum unterſcheidet man als Art, Andere nur als
Abart Pyrus acerba, mit ſchmäleren zugeſpitzten Blättern und kahlen
Kelchen.


Der Standort des wilden Apfel- und Birnbaums iſt ein tief-
gründiger aber nicht nothwendig ſehr nahrungsreicher Boden, mehr in
Laub- oder gemiſchten als in Nadelwaldungen der Vorberge, wo ſie durch
ganz Deutſchland verbreitet ſind, aber immer mehr einzeln eingeſprengt
als horſtweiſe vorkommen.


Langſamer Wuchs und guter Wurzelausſchlag charakteriſiren das
Leben beider, das letztere mehr den Birnbaum, während dieſer einen
etwas ſchnelleren Wuchs hat. Schon im Walde leiden ſie — was dann
allerdings für unſer Intereſſe gleichgültiger iſt — von verſchiedenen
Inſekten wie in unſeren Obſtgärten.


Da das Birn- und Apfelbaumholz ſehr geſchätzt iſt, ſo können beide
Bäume, wo ſie ſich im Walde häufig finden, forſtliche Bedeutung
haben, namentlich im Mittelwalde, und die wüchſigen Stämme als Ober-
bäume zu Nutzholz ausgehalten werden.


Das Holz beider, namentlich das Birnbaumholz wird zu vielerlei
Dingen, welche dichtes feſtes und zähes Holz erfordern, verwendet,
namentlich zu Radkämmen und anderen Maſchinentheilen, als Geſchirrholz
und namentlich zu Druckformen für die Zeugdruckereien, früher ſelbſt zum
Holzſchnitt, der jetzt nur zu gröberen Arbeiten Birnbaumholz, übrigens
aber allgemein das Buchsbaumholz verwendet und zwar ſtets auf der
Hirnfläche (auf dem Querſchnitt, S. 88. F. IX. Q.). Junge aus Samen
erzogene Stämmchen von beiden ſind als Wildlinge zur Veredlung den
aus dem Samen edler Sorten erzogenen vorzuziehen, weil ſie einen dauer-
hafteren Stamm liefern.


[511]
44. Die gemeine Quitte, Cydonia vulgaris Persoon. (Pyrus
Cydonia L.)

Die Quitte iſt durch den eben zuletzt von dem wilden Birn- und
Apfelbaum gerühmten Nutzen beſonders wichtig, indem zahlloſe Stämmchen
davon aus Samen oder aus Stecklingen und Wurzelſchößlingen erzogen
werden, um darauf edle Birnenſorten zu Zwergbäumen zu veredeln.


Blüthe und Frucht ſind faſt ganz die des Apfels, ſie ſtehen einzeln
und an der Blüthe iſt es namentlich der in 5 große blattartige Zipfel
getheilte Kelchſaum, welcher nachher die Frucht bleibend krönt, und die
vielſamigen Kernhausfächer der äußerlich filzigen Früchte, was die Quitte
als Gattung von den Aepfeln ſcheidet. Die Blätter ſind ſpitz eirund
mit gerundeter, nicht herzförmiger, Baſis, ungezähntem Rande und weich-
filziger Unterſeite. Sie ſtehen wie bei den Rüſtern an den Trieben
deutlich zweiſeitig gerichtet. Man unterſcheidet nach der Fruchtform zwei
Spielarten: die Birnquitte und die Apfelquitte.


Die Quitte bildet einen nicht leicht über 12 F. hohen Strauch mit
ſchwarzbrauner warziger Rinde und ſehr feſtem Holze. Ihre Heimath
ſind die Wälder des ſüdlichſten Deutſchland, von wo ſie ſich nördlich als
Kulturpflanze weit verbreitet hat und nun an vielen Orten mit geeig-
neten Standortsverhältniſſen verwildert iſt. Dieſe bedingen einen tief-
gründigen fruchtbaren Boden.


Sie kommt beinahe in ganz Deutſchland überall zu ſelten vor, als
daß ſie eine forſtliche Bedeutung haben könnte.


Nachdem wir ſchon vorhin (S. 498) die unterſcheidenden Kennzeichen
der Familie der Mandelgewächſe, den Roſengewächſen und insbeſondere
den Pomaceen gegenüber kennen gelernt haben, können wir uns nun bei
der Artunterſcheidung der dem deutſchen Walde angehörigen Mandelge-
wächſe auf wenige am meiſten in die Augen fallende Kennzeichen be-
ſchränken. Dieſe gehören alle der einen Gattung Prunus an, für welche
wir kaum einen Mißverſtändniß ausſchließenden deutſchen Gattungsnamen
angeben können, da dieſer entweder Kirſche oder Pflaume lauten müßte,
womit doch das Leben ſehr verſchiedene Artbegriffe verbindet. Der
[512] Charakter dieſer Gattung liegt in der ſaftigen nicht aufſpringenden Stein-
frucht, welche bald eine glatte, bald eine wellig gefurchte, holzige ſehr harte
Schale hat.


45. Die Vogelkirſche, Prunus avium L.

Die Blüthen erſcheinen im Mai mit dem Ausbruch des Laubes,
ſie ſtehen zu 2—5 in ungeſtielten Dolden auf ſehr langen Blüthenſtielen.
Die Früchte ſind klein, faſt kugelrund und entweder roth oder „ſchwarz“
(was bekanntlich nicht buchſtäblich zu nehmen iſt). Die elliptiſchen zu-
geſpitzten Blätter ſind ſägezähnig und haben an den dem mäßig langen
Blattſtiele nächſten Zähnen Drüſen, und namentlich deren 2 am Eintritt
des Blattſtiels in das Blatt. Neben dem Blattſtiele ſtehen 2 lanzettliche
drüſiggezahnte Nebenblättchen. Die Knospen ſind eirund, ſtumpfſpitzig
und ſtehen namentlich an den Spitzen der Triebe dichter zuſammengedrängt.
Tragknospen und Laubknospen kaum verſchieden.


Der Stamm walzenrund, ſehr geradſchaftig mit einer anfangs
glänzenden aſchgrauröthlichen glatten, an alten Stämmen aufſpringenden
und kreisförmig in ſich zurückrollende Periderma-Lappen abſchälenden
Rinde, welche viel Gummi (nicht Harz!) enthält. Aeſte ziemlich geſtreckt
in etwa ½ rechten Winkel aufwärts ſtrebend; die Zweigſtellung daran
iſt unregelmäßig aber doch auffallend quirlförmig, weil gewöhnlich nur an
den Spitzen der Triebe Laubknospen ſtehen und nur aus dieſen ſich
weitere Triebe entwickeln. Der Stamm löſt ſich in der Krone gewöhnlich
nicht völlig in Aeſte auf, ſondern wird bis in ein ziemlich hohes Alter in
der Axe der Krone fortgeführt, daher dieſe lange Zeit faſt regelmäßig
ei-kegelförmig iſt und erſt an ſehr alten Bäumen unregelmäßig weitäſtig
und breit werdend ſich abwölbt. Der Wurzelſtock hat eine ſtarke tief-
gehende Herzwurzel und weitſtreichende Seitenwurzeln.


Das Holz zeichnet ſich vor allen durch ſein verſchiedenartiges Anſehen
aus, indem die Jahresringe partienweiſe bald heller bald dunkler, bald
reiner, bald mit einem grünlichen Ton braungelb ſind, was dem Bret ein
buntſtreifiges Anſehen giebt. Holzzellen ziemlich dickwandig, Gefäße eng,
ziemlich gleichmäßig und zwar meiſt in längliche den zahlreichen ziemlich
dicken Markſtrahlen folgende Partien geordnet; jedoch beginnt jeder
[513] Jahresring mit einer deutlich ſich auszeichnenden Schicht, welche faſt
lediglich aus Gefäßen, nicht größer als die übrigen, beſteht. Jahresringe
ſehr breit; an wüchſigen Bäumen nicht ſelten ¼ Zoll breit. Das Holz
iſt in ſeinem Gefüge feinfaſerig, zähe, leichtſpaltig, hart.


Die Vogelkirſche unſerer Waldungen iſt die durch Verwilderung wieder
erſchienene Stammform unſerer zahlreichen ſüßen Kirſchenſorten, deren Ein-
führung bekanntlich dem römiſchen Feldherrn Lukullus aus dem König-
reich Pontus am ſchwarzen Meer um 680 nach Roms Erbauung zu-
geſchrieben wird, wie Plinius berichtet. Schon nach 120 Jahren kam die
Kirſche durch die Römer nach England und von da nach Deutſchland
und Frankreich.


Neben den aus ihr entſtandenen Gartenſpielarten (Mai-, Herz-,
Glas-, Knorpel- und anderen Kirſchen) unterſcheidet man nach den Früchten
ſelbſt mehrere wilde oder richtiger wieder verwilderte Spielarten: die
rothe und die ſchwarze Waldkirſche, mit kleiner und wenig Fleiſch
habender Frucht und eine dritte mit größerer fleiſchigerer Frucht.


Der wilde Kirſchbaum hat ſich allmälig über ganz Deutſchland und
über andere angrenzende Theile Europa’s verbreitet und ſich daſelbſt
in den Wäldern und Gehölzen einheimiſch gemacht. Er ſteigt dabei bis
auf ziemlich bedeutende Höhen, in den deutſchen Gebirgen (Rieſengebirge,
Thüringerwald, Erzgebirge, Harz u. ſ. w.) bis in die obere Fichtenregion,
während er in der Schweiz hier und da, z. B. in Grindelwald, noch ober-
halb des Gletſcherfußes gut gedeiht und ſeine Früchte reift. Er bedarf
für ſeine tiefgehende Wurzel einen tiefgründigen Boden, dem es an Friſche
nicht fehlen darf.


Obgleich der Forſtmann in ſeinen Mittelwaldbeſtänden den Vogel-
kirſchbaum ſeines ſchönen ſehr geſuchten Holzes wegen gern ſieht, ſo ge-
ſchieht doch wenig mehr als nichts für ſeine Vermehrung, da ſich der
Baum ſehr leicht ſelbſt anſäet, wozu die Vögel vieles beitragen. Letzterer
Umſtand macht, daß wir faſt überall und in allen Beſtandsarten einzelnen
Kirſchbäumen begegnen.


Das Leben der Vogelkirſche zeichnet ſich durch einen förderſamen
Wuchs und eine unverkennbare Kräftigkeit ihres ganzen Weſens aus, ob-
gleich bekanntlich Spätfröſte ihre Blüthe, oder ſtreng genommen nur den
Stempel darin tödten. Von ihrer nahen Gattungsverwandtin, der Sauer-
Roßmäßler, der Wald. 33
[514] kirſche, Prunus Cerasus L., unterſcheidet ſie ſich durch den Mangel des
dieſer ſehr eigenthümlichen Wurzelausſchlags. Vor dem Laubfall färben
ſich die Blätter dunkel purpurroth. Von Krankheiten der wilden wie
der zahmen Kirſche iſt namentlich der Brand des Stammes und der un-
richtig ſo genannte Harzfluß zu nennen. Um letzteren nicht hervorzurufen
dürfen die Kirſchbäume auch nur ſehr wenig und ſehr vorſichtig ausgeäſtet
und beſchnitten werden.


Die vielfache Verwendung des Kirſchbaumholzes iſt bekannt und
ebenſo daß deſſen aus Samen erzogene Stämmchen zur Veredelung dienen.
Um kräftige Wildlinge ſicher zu erziehen muß man die Vogelkirſchen un-
mittelbar nachdem ſie vollkommen reif ſind mit dem Fleiſche ſäen und nur
ſehr wenig bedecken. Das berühmte ſchweizer und ſchwarzwälder Kirſch-
waſſer („Kirſchengeiſt“) wird nur aus den kleinen Vogelkirſchen, und zwar
auf dem Schwarzwalde nur aus der rothfrüchtigen Spielart, bereitet.


46. Die Felſenkirſche, Prunus Mahaleb L.

Die kleinen angenehm duftenden weißen Blüthen ſtehen in lockeren
eirunden Doldenſträußen zuſammen an den Seiten der Langtriebe; die
Anfang Auguſt reifenden, kaum erbſengroßen, eirunden, blauſchwarzen
Früchte haben einen länglichen Stein und nur wenig Fleiſch von bitter-
ſüßem Geſchmack, welcher gewiſſermaßen die concentrirte Wirkung des
Geruches iſt, welchen das Gewächs in allen Theilen, namentlich in der
Rinde verbreitet; denn nach dem Genuß behält man lange Zeit den dieſem
Geruch gleichkommenden Hauchgeſchmack — wie man wohl ganz richtig
ſagen darf — im Munde. Dieſer Geruch iſt der bekannte Geruch der
noch immer beliebten „Weichſelrohre“ welche von der Felſenkirſche kommen.
Die Blätter, viel kleiner als die Kirſchblätter, eirund, kurzzugeſpitzt, am
Rande fein und ſtumpfſägezähnig, mit 2 Drüſen am Blattſtiele.


Die Felſenkirſche bleibt ein mehrſtämmiger Buſch, der allerdings eine
Höhe von 20—30 Fuß erreichen kann und einen geſpreizten ſperrigen
Wuchs mit lockerer durchſichtiger Krone und langen ſehr feinen und daher
meiſt etwas niederhängenden Trieben hat. Die Rinde der ziemlich ſtark
werdenden Stämmchen iſt meiſt von häutigen Peridermfetzen rauh, die der
Zweige gelbbraun mit aſchgrauem Schimmer, quergeſtreift und mit zahlreichen
[515] quergeſtellten länglichen Rindenhöckerchen. Das Holz iſt feinporig, dicht
und feſt, mit braunem Kern und hellem Splint, wohlriechend, ſehr ſchwer-
ſpaltig.


Der Standort der Mahalebkirſche iſt auf zerklüfteten trockenen
Felſenklippen und alſo nicht eigentlich unmittelbar im Walde ſelbſt; ſie
findet ihre Verbreitung vorzüglich im Süden Deutſchlands, in Ungarn
und noch weiter ſüdöſtlich, kommt jedoch an geeigneten nicht zu rauhen
Lagen auch in Mitteldeutſchland vor.


Die Felſenkirſche hat ein großes Ausſchlagsvermögen, beſonders am
Stocke und liefert in ihren Stocklohden die ſchon genannten Weichſelrohre
zu den Tabakpfeifen, welche ihren bekannten angenehmen Geruch ſehr lange
behalten. Dieſer Geruch beruht auf dem Cumarin (Tonka-Campher),
einer in den verſchiedenſten Pflanzen vorkommenden organiſchen Verbindung.
Außer den Tonkabohnen (dem Samen von Dipterix odorata Willd., einem
guyaniſchen Baum mit Schmetterlingsblüthen) findet ſich das Cumarin
noch im Waldmeiſter (Asperula odorata), in vielen Steinkleearten, im
Ruchgraſe (Anthoxanthum odoratum) und andern Gräſern — daher
der ganz dem Weichſelgeruch ähnliche Heugeruch. Das Cumarin giebt
dem beliebten Maiwein den würzigen Geſchmack und dieſer kann daher
nicht blos mit dem dadurch berühmten Waldmeiſter allein bereitet werden.
Eine große Bedeutung hat die Felſenkirſche dadurch, daß man von ihr
in großer Menge Wildlinge zu Veredlung der Süß- und Sauerkirſchen
erzieht.


Die Felſen- oder Mahalebkirſche heißt auch noch Steinkirſche, Stein-
weichſel, wohlriechende Kirſche, Ahlkirſche, türkiſche oder ungariſche Weichſel,
Mahaleb- oder Parfümeriekirſche.


47. Die Traubenkirſche, Prunus Padus L.

Die den Kirſchblüthen ähnlichen doch kleineren und ſchmalbättrigen
Blüthen bilden eine bis 4 Zoll lange hängende, Anfang Mai zugleich
mit den Blättern ſich entfaltende, traubenförmige vielblumige Aehre, welche
bald unbeblättert, bald an ihrem Grunde mit einigen Blättern verſehen iſt.
Die Früchte, deren meiſt nur wenige zur Ausbildung kommen, ſind
33*
[516] erbſengroß und bei der Ende Juli erfolgenden Reife ſchwarz, wenig fleiſchig
und von widerlich bitterlichem Geſchmack. Blätter elliptiſch, dem Kirſchblatt
ſehr ähnlich, aber ſehr fein und zwar undeutlich doppelt ſägezähnig, kahl;
am Blattſtiele mit 2 Drüſen. Die Knospe iſt ſehr anſehnlich, kegel-
förmig zugeſpitzt, düſter rauchbraun mit ſilbergrauen Schuppenrändern.


Der Stamm der Traubenkirſche iſt mit einer graubraunen wenig
aufgeriſſenen aber warzig rauhen Rinde bekleidet und ſendet, bis hochhinauf
ſich fortſetzend, eine große Menge ſchwache etwas hängende Aeſte aus und
bildet ſo eine tief am Stamme herabgehende gewölbte Krone, die im freien
Stande, wo der Stamm oft weitausgreifende Aeſte bildet, zuweilen ein
breites Schirmdach bildet. Die Wurzel hat eine große Verbreitung und
tiefgehende Aeſte. Das Holz hat zahlreiche in unregelmäßige Gruppen
geordnete kleine Poren, gerade verlaufende zahlreiche mittle Markſtrahlen.
Die Jahrringe ſind durch einen einfachen Kreis nicht größerer Poren be-
zeichnet. Kernholz braungelb, der breite Splint gelblich weiß. Es wird
ſeiner Dichtigkeit und Feinheit wegen zu allerlei Drechsler- und Tiſchler-
arbeiten geſchätzt, behält aber lange Zeit ſeinen, beſonders friſch ſehr auf-
fallenden, widerlich bitteren Geruch.


In den Gärten kommen 4 Spielarten vor: mit weißen und mit
rothen Beeren, eine mit ſehr kleinen Blüthen und eine vierte mit ſehr
langen Deckblättchen neben den einzelnen Blüthenſtielen.


Die Traubenkirſche liebt einen friſchen Boden und kommt daher auch
an Bachufern ſehr gut fort, zu deren Befeſtigung ſie dient, nimmt jedoch
angepflanzt auch mit mageren Standorten fürlieb. Ihre Verbreitung
in Deutſchland und in den angrenzenden Ländern iſt ſehr groß, doch geht
ſie nicht in das Gebirge hinauf, ſondern iſt eine Ebenenpflanze.


Das Leben der Traubenkirſche zeigt ſich in jeder Hinſicht beſonders
energiſch, denn ſie beſitzt nicht nur ein großes Ausſchlagsvermögen, und
ein kräftiges Wachsthum, ſondern ſie entfaltet auch unter allen größeren
Baumpflanzen — ſie kann zu einem bis 50 Fuß hohen Baum erwachſen —
am früheſten ihre Blätter mit den großen weißlichen jedoch bald abfallenden
Afterblättchen. Der reiche Stockausſchlag treibt in fruchtbaren Lagen rieſige
bis 12 Zoll lange Blätter, neben denen die Afterblättchen zuweilen ſich
zu großen bleibenden Blättern umbilden. Die mit dem Fleiſch im Herbſte
geſäeten Kerne keimen wie die Kirſchen im nächſten Frühjahr ſehr leicht
[517] und geben kräftig und ſchnell ſich entwickelnde Pflanzen; dieſe erzieht man
jedoch auch durch Ableger und ſelbſt durch Wurzelbrut.


Forſtliche Bedeutung hat die Traubenkirſche ihres ſtarken Stock-
ausſchlags wegen nur für den Niederwald der Ebenen, wo ſie ſich oft von
ſelbſt einfindet. Wichtiger iſt ſie als Zierbaum für Parkanlagen, denen
der reichblühende Baum oder Strauch ſchon zeitig im Frühjahr einen
großen Schmuck verleiht. Daſelbſt findet man auch die mehr ſtrauchartig
bleibende ihr ſehr ähnliche virginiſche Traubenkirſche, Pr. virginiana
Duroi,
welche ſich durch weniger runzelige nur einfachgeſägte, faſt leder-
artige Blätter und ſtraffere Blüthenähren unterſcheidet.


Metzger nennt als Provinzialnamen: Ahlkirſche, Elzbeer, Stinkweide,
Stinkbom, Faulbaum, Ahle, Vogeltraubenkirſche, Alp-, Traubel-, Büſchel-,
Elſter- und Ollkirſche, Hühneraugen-, Dirlein-, Mai- und Drachenbaum,
Aelex-, Elp-, Eſten-, Elzen-, Kreudelweide, Hexenholz, Druthenblüthe und
Twieſel.


48. Schlehdorn oder Schwarzdorn, Prunus spinosa L.

Wer kennt ihn nicht, den mit ſeinem Blüthenſchnee auf blätterloſen,
ſchwarzbraunen Zweiggewirr den Waldrändern den erſten Blüthenſchmuck
verleihenden Strauch? Die denen des Pflaumenbaumes ſehr ähnlichen
Blüthen ſtehen einzeln oder zu 2 bis 3 an den Seiten der Triebe neben
den erſt viel ſpäter ſich öffnenden kleinen Laubknospen, denn nur bei einer
zuweilen vorkommenden Abart, dem ſpätblühenden Schlehdorn
Pr. spinosa var. serotina, erſcheinen ſie erſt mit den Blättern, deren
Geſtalt wir auf S. 505 Fig. 4. ſehen. Die Blätter ſind denen der
Pflaume, Pr. domestica L., ſehr ähnlich, wie denn überhaupt beide
einander ſehr nahe verwandt ſind.


Nur ſelten überſteigt der meiſt vielſtämmige, ſperrige Buſch die Höhe
von 10 Fuß und zeichnet ſich durch die zahlreichen, faſt rechtwinklig ab-
ſtehenden, in einen ſpitzen Dorn endenden kurzen Seitentriebe aus. Das
Holz der meiſt nur wenige Zoll dick werdenden Stämmchen iſt außerordentlich
dicht und feſt und von feinem Gefüge; es hat einen ſchwarzbraunen Kern
und röthlichen Splint.


[518]

Der Schwarzdorn wächſt auf allerlei Boden, ſelbſt auf ſehr ſteinigem,
durch ganz Deutſchland, namentlich an Waldrändern, vor deren Inneres
er ſich faſt wie ein Verhau legt. Da er keinen ſchnellen Zuwachs hat,
ſo hat er ſelbſt als Schlagholz keine Bedeutung und findet ſeine Benutzung
faſt nur als Schutzwehr junger Bäume gegen das Verbeißen durch Wild
und Weidevieh und zu feſten Hecken, beſonders aber zu Herſtellung der
Dornwände der Gradirhäuſer in Salinen. Die ſchwarzblaubereifte kugel-
runde Frucht, die bekannte Schlehe, verliert ihren außerordentlich
herben zuſammenziehenden Geſchmack nur erſt, wenn ſie einige tüchtige
Nachtfröſte ausgehalten hat, wo ſie dann weich und ſaftig und von ſäuerlich
ſüßem Geſchmack iſt.


Nach den angegebenen Merkmalen iſt der Unterſchied zwiſchen dem
Schwarzdorn und dem Weißdorn (S. 504) groß genug; es kommt noch
hinzu, daß erſterem die Dornen neben den Blättern fehlen und nur die
Spitzen der Kurztriebe in einen Dorn enden.


49. Die Kriechen-Pflaume, Prunus insititia L.

Als fremder Einwanderer hat uns dieſer kleine, 15—20 Fuß hoch
werdende Baum einige allgemein geſchätzte (Mirabelle, Reineclaude,
Herrenpflaume) neben vielen werthloſeren Obſtſorten geliefert, welche
man in Süddeutſchland als Pflaumen von den Zwetſchen (Pr. do-
mestica
) unterſcheidet, ein Unterſchied, der in Norddeutſchland weniger
gemacht wird, wo man meiſt Alles Pflaume nennt, was dieſen beiden
Arten angehört.


Die Kriechenpflaume iſt der gemeinen Pflaume oder Zwetſche in
allen Stücken ſehr ähnlich. Ihr Stamm iſt, nach Metzger, meiſt mehr
rauh; die Aeſte mehr abſtehend; Krone ausgebreitet und locker; Holz
weicher und heller; Triebe dicker, haarig, violett und ſelten glatt und
grün; Blüthe größer; Früchte meiſt kugelig, doch auch eiförmig, gelb,
roth, blau oder grün (bei den veredelten Abarten). Das Fleiſch löſt ſich
meiſt nicht vom Kern und iſt unmittelbar unter der Schale bei den meiſten
Spielarten ſauer. Der Kern weniger zuſammengedrückt und kürzer.


Die urſprüngliche Heimath der Kriechenpflaume iſt das ſüdliche Aſien
und Syrien, von wo ſie über Italien und Frankreich ſeit langer Zeit
[519] ſchon in Deutſchland eingewandert iſt; ſie verlangt einen guten nahrhaften
Boden und ſonnigen Standort, wenn die Früchte der veredelten Sorten
ihre Vollkommenheit erreichen ſollen. Wie die Vogelkirſche ſo iſt auch ſie
aus unſeren Gärten wieder hinaus in die Vorhölzer und gemiſchten
Waldungen entwichen, wo ſie namentlich in Süddeutſchland häufig ſo voll-
ſtändig verwildert vorkommt, daß ſie längſt als ein Glied der deutſchen
Flora aufgenommen iſt. Daſſelbe gilt beiläufig geſagt auch von der ge-
meinen Pflaume oder Zwetſche, Pr. domestica L., welche im 17. Jahrh.
aus dem ſüdlichen Griechenland in den Neckargegenden eingeführt worden
ſein ſoll.


Da die Kriechenpflaume in einigen ihrer Spielarten namentlich in
den Gärten des Landmanns heimiſch geworden iſt, ſo fehlt es ihr natür-
lich auch nicht an den verſchiedenſten ortsüblichen Benennungen, die jedoch
für unſere Betrachtung des „Waldes“ keine Bedeutung haben.


Ueberhaupt bilden die zuletzt betrachteten 14 Holzpflanzen den ſchon
auf S. 498 angedeuteten fremdartigen Zug in dem ernſten Charakter
unſeres deutſchen Waldes, wodurch dieſer faſt allein einigen Blüthenſchmuck
gewinnt, der ihm ſonſt beinahe abgehen würde. Hierdurch macht ſich ganz
beſonders der wilde Apfelbaum, mehr noch als die Vogelkirſche, geltend,
der mit ſeinen roſenroth und weiß gefärbten Blüthenſträußchen von der
Ebene bis in die Vorberge den Waldbeſtänden oft einen ſo überraſchenden
Schmuck verleiht. Iſt auch jeder Baum ein „Fruchtbaum“ ſo denken wir
bei Nennung dieſes, nützliches Schaffen verſinnbildlichenden, Wortes doch
immer nur an den Obſtbaum und es gewinnt die eben beendete Abtheilung
der Waldbäume für unſere Betrachtung des Waldes noch eine beſondere
perſönliche Bedeutung, perſönliche, weil ſie in Beziehung tritt zu demjenigen
deutſchen Forſtmanne, welcher, wenn nicht der größte ſeiner Zeit, doch ſicher
derjenige war, welcher den größten Einfluß auf die wiſſenſchaftliche Be-
gründung der deutſchen und ſomit der geſammten Forſtwirthſchaft gehabt
hat und deſſen Gedächtniſſe unſer Buch gewidmet iſt. In der „kleinen
Zillbach“, einer kleinen weimariſchen Enklave nahe dem meiningiſchen
Waſungen, wo Heinrich Cotta am 30. Okt. 1763 geboren wurde (er
ſtarb am 25. Okt. 1844, alſo faſt 81 Jahre alt in Tharand) iſt von der
Geburtsſtätte des großen Forſtmannes, einer einſam im Walde gelegenen
Förſterei, nichts weiter übrig geblieben, als ein alter Apfelbaum, der von
[520] dem fruchtbringenden Schaffen Heinrich Cotta’s Zeugniß ablegt. Die
bereits ergrauten Leſer meines Buches, welche der Forſtwelt angehören
und ſomit zum großen Theil unmittelbar, alle aber mittelbar Cotta’s
Schüler ſind, mögen daher ihres Meiſters gedenken, wenn ihnen im Mai
auf ihren Reviergängen mitten unter Buchen oder Eichen ein blühender
Apfelbaum als ewig ſich verjüngendes Denkmal deſſelben begegnet.


50. Der Sauerdorn, Berberis vulgaris L.

Obgleich dieſer allgemein bekannte Strauch, welcher einer kleinen
natürlichen Pflanzenfamilie ſeinen Namen giebt, namentlich in der ſüd-
lichen Hälfte Deutſchlands in Vorhölzern mit lockerem ſandigen Boden
häufig anſcheinend wild angetroffen wird, ſo iſt er doch vielleicht keine
eigentlich deutſche ſondern ſeit alter Zeit aus Südeuropa eingeführte
Pflanze, die in unſeren Parkanlagen wegen ihrer goldgelben Blüthenträubchen
und der rothen eſſigſauren Früchte häufig angepflanzt wird. Im Nord-
oſten Europa’s haben jedoch einige nahe verwandte Arten ihre urſprüng-
liche Heimath.


Die Blüthe hat 6 Kelchblätter, 6 Blumenblätter, welche gegen die
ſonſtige Regel nicht mit einander abwechſeln, ſondern vor einander geſtellt
ſind, und ebenfalls 6 Staubgefäße und 1 Stempel, aus welchem eine
zweiſamige länglich eiförmige Beere wird. Die Staubgefäße, welche im
gewöhnlichen Zuſtande gekrümmt ausgebreitet liegen, zeigen ein bemerkens-
werthes Beiſpiel der ſogenannten nichtperiodiſchen Bewegungserſcheinungen
des Pflanzenlebens, indem ſie leiſe berührt ſich mit einem plötzlichen Ruck
aufrichten.


Die verkehrt eiförmig-ſpatelförmigen, am Rande borſtlich gezähnten
Blätter ſtehen büſchelförmig und haben an ihrer Einfügungsſtelle einen
meiſt dreitheiligen Dorn, welcher nichts anderes als ein umgewandeltes
Blatt iſt. Das feine kleinporige Holz iſt im Kern bläulichroth im Splint
citronengelb.


Bei Gutenſtein im Wiener Walde ſoll nach L. Reichenbach eine
Spielart mit ſüßen Früchten vorkommen.


Die forſtliche Bedeutung beſchränkt ſich auf die Benutzung bei der
Schlagführung des Mittel- und Niederwaldes, während die reine, ſehr
[521] ſtarke aber angenehme Säure der Früchte hie und da eine hauswirth-
ſchaftliche Verwendung findet. Seinen Hauptwerth hat der Sauerdorn
wohl als Zierſtrauch, wozu er ſich auch durch ſeinen eleganten in den
Aeſten bogenförmig geſchweiften Bau beſonders empfiehlt. Ein bei den
Landwirthen ſehr verbreiteter Glaube behauptet von ihm, daß am Rande
von Feldern ſtehend er den Roggen in ſeiner Umgebung unfruchtbar mache.


51. Der gemeine oder Berg-Ahorn, Acer Pseudoplatanus L.

Die Gattung Acer bildet mit der erſt ſpäter von ihr abgetrennten
Gattung Negundo (Acer negundo L.) die kleine natürliche Familie der
Ahornbäume, Acerineen, welche in Deutſchland durch vier Arten vertreten
iſt und deren Hauptmerkmal darin beſteht, daß die Frucht eine Flügel-
frucht (samara) iſt und die Blätter keine Nebenblättchen neben ſich haben.


Die Blüthen der Ahornarten ſind polygamiſch, d. h. auf einem und
demſelben Baume ſind ſie fruchtbare oder unfruchtbare Zwitter- und getrennt-
geſchlechtige, nämlich männliche Blüthen. Die Blüthe iſt eine vollſtändige
(LXXVIII. Fig. 2.), d. h. ſie hat 5 Kelchzipfel, 5 Kronenblätter und, zum
Theil, beiderlei Befruchtungsorgane, nämlich 5 bis 10 Staubgefäße und
1 Stempel mit einem zweifächerigen Fruchtknoten (5. 6.) und einem in
2 zurückgebogenen Narben geſpaltenen Griffel (2. 3.). Den Mittelpunkt der
Blüthe bildet ein kreisrunder etwas ausgekerbter ſchwieliger Fruchtboden,
der namentlich an den blos männlichen Blüthen (4.) ſehr ausgebildet iſt.
Aus jeder Hälfte des Fruchtknotens wird eine Flügelfrucht, welche den
großen zungenförmigen Flügel blos an dem auswärts gekehrten Umfange
trägt, während, indem eine Doppelflügelfrucht entſteht, beide Hälften mit
der entgegengeſetzten Seite mittels eines Fadens mit einander verbunden
ſind (7.) und ſich erſt bei der Samenreife trennen. Jede der beiden
Früchte enthält durch Fehlſchlagen der übrigen Samenknospen (6.) nur
1 Samen (8.), aus welchem ſich beim Keimen ſehr große zungenförmige
oberirdiſche Samenlappen entwickeln. Die Ahornblätter ſind kreuzweiſe
gegenſtändig. Ebenſo ſtehen natürlich am Triebe die Knospen und an
dieſen die Schuppen. Das Holz aller Ahornarten iſt feſt und dicht und
daher ſehr geſchätzt. Zwei unſerer einheimiſchen Arten ſind Bäume erſten
oder wenigſtens zweiten Ranges.


[522]

Indem wir zu dem Bergahorn übergehen ſo finden wir an ihm
die zahlreichen Blüthen in langen hängenden Trauben vereinigt (1.),
an denen wie bei den übrigen Arten immer alle drei Blüthenarten unter-
einander gemiſcht ſind. Alle Blüthentheile haben eine hellgelbgrüne Farbe, nur
die 10 Staubbeutel ſind gelb. Der Fruchtknoten iſt fein behaart und hat
etwas herzförmig aufſteigende Flügel (5.). Die beiden Flügel der hängenden
Flügelfrucht ſind in einem ſpitzen Winkel zuſammengeneigt (7.) und
das Samenfach dick angeſchwollen, innen mit anliegenden Seidenhaaren
ausgekleidet (8.). Same ſchräg kegelförmig, wenig zuſammengedrückt,
dunkel (8. x). Der Keim iſt ſehr groß und im Samen ſind deſſen
Samenlappen mehrfach gefaltet (10. x y). Das Blatt iſt lang geſtielt,
drei- oder undeutlich fünflappig, d. h. mit drei tief geſpaltenen und zwei
unteren nur ſeicht geſpaltenen und kurz zugeſpitzten Lappen, außerdem ſtumpf-
lich ſägezähnig; die 3 einſpringenden Haupt-Winkel der Blattlappen ſind
ſpitz; Oberſeite des Blattes ſattgrün, Unterſeite graugrün und in der
Jugend fein behaart; Blattrippen unten ſehr ſtark hervortretend und in
den Winkeln braun gebartet. Knospe eirund, ſpitz, hellgelbgrün mit
ſchwarzbraunen Schuppenrändern, in einem halben rechten Winkel vom
Triebe abſtehend; Blattſtielnarbe ſpitz bogenförmig, ſchmal aber ſehr
lang um den Trieb herumgezogen, ſo daß das gegenüberliegende Paar faſt
zuſammenſtößt, mit 3 deutlichen Gefäßbündelſpuren.


Keimpflanze mit mehrere Zoll langem Stämmchen, großen zungen-
förmigen Samenlappen und zwei einfachgezähnten, ungelappten, herzförmig
breit lanzettlichen Herzblättchen (12.).


Der Stamm des Bergahorns iſt oft nicht walzenrund, ſondern von
irgend einer Seite etwas gedrückt, aber meiſt hochſchaftig und gerade, da
er ſich bis hoch hinauf von Aeſten reinigt. Die Krone iſt nicht dicht, meiſt
ſchön gewölbt, mit büſcheliger Gliederung der Belaubung, ſie zeigt zahl-
reiche aber in der Regel nicht ſehr ſtarke unregelmäßig vertheilte Haupt-
äſte, welche meiſt ziemlich knickig ſind, denn trotz der höchſt regelmäßigen
Anlage durch die kreuzweiſe gegenſtändige Triebſtellung giebt die Krone
durch Fehlſchlagen vieler Knospen dieſe Regelmäßigkeit doch vollſtändig
auf. Ich verweiſe hier auf das, was in dem Abſchnitt „Architektur der
Waldbäume“ namentlich auf S. 211 und 225 geſagt iſt. Die braun-
[523]

Figure 80. LXXVIII.

Der Berg- oder gemeine Ahorn, Acer pseudoplatanus L.
1. Blühender Trieb; — 2. Fruchtbare Zwitterblüthe; — 3. Dieſelbe nach Hinwegnahme der Kelch- und
Kronenblätter; — 4. Männliche Blüthe, ebenſo; — 5. Der Fruchtknoten, links mit geöffnetem linken Samen-
fach; — 6. Derſelbe querdurchſchnitten; — 7. Doppelflügelfrucht; — 8. Einzelne Flügelfrucht mit geſpaltenem
Samenfach, auf der nach rechts herausgeſchlagenen Fruchtwand liegt der Same x. y.: — 9. Querdurchſchnittener
Same, in der Richtung a b von Fig. 10.; — 10. Der herausgeſchälte Keimling; — 11. Triebſpitze mit
Knospen, von denen ſich eine wahre Endknospe durch Größe auszeichnet; — 12. Keimpflanze.


[524] graue Rinde bleibt bis zu einer anſehnlichen Stammdicke glatt, reißt aber
dann in breite flache Borkentafeln durch kaum ½ Zoll tiefe Furchen auf.


Die Wurzel hat zahlreiche weit ausſtreichende Seitenäſte und eine
kurze Pfahlwurzel.


Das Holz ziemlich fein, glänzend, hellgelblich oder röthlich weiß;
Gefäße mittelmäßig weit, einzeln, ſelten zu 2 verbunden und weitläufig
in der Maſſe der nicht ſehr dickwandigen Zellen zerſtreut; Markſtrahlen
zahlreich, etwa 1 Millim. hoch, ziemlich fein, kurz, d. h. ſelten durch mehr
als 1—2 Jahrringe hindurchreichend, mit ſehr feinen Enden; Jahrringe
ſchön gerundet durch eine feine helle Linie bezeichnet. Splint und Kern
durch die Farbe nicht unterſchieden. Gerade aber ſchwer und etwas ſchuppig
ſpaltig. Das Holz brennt ſehr gut, lebhaft und ſtill; ſeine Kohle glüht
im Freien fort. Es iſt im Trocknen ſehr dauerhaft, weniger wenn es der
Witterung und der Feuchtigkeit ausgeſetzt iſt.


Es giebt eine Spielart mit geſchäckten Blättern, Ac. pseud. fol.
variegatis.
Außerdem iſt zu erwähnen, daß die Blattform in der ange-
deuteten Weiſe ſehr abändert, indem dieſelbe zuweilen beſtimmt blos drei
tief geſpaltene daher ſchmal erſcheinende, aber eben ſo oft auch entſchieden
5 Lappen zeigt. An jüngeren Pflanzen und am Stockausſchlag ſind die
Blattſtiele meiſt länger als an alten Bäumen.


Als Standort verlangt der Bergahorn einen friſchen an minera-
liſchen Nahrungsſtoffen reichen, nicht zu feſten Boden, mehr im Gebirge in
ſchattigen weſtlichen Lagen als in der Ebene und ſteigt dort noch als
ſtarker Baum ſelbſt bis in die Region des Nadelholzes empor. Seine
Verbreitung iſt ſehr groß, denn ſie erſtreckt ſich vom 35.—60. Grade.
In Deutſchland kommt er faſt überall vor, mehr jedoch im Süden als im
Norden, vorzüglich in der Schweiz, wo er in der Bergregion nach Tſchudi’s
Urtheil mit der Buche „ein wahres Kleinod“ iſt. In Deutſchland kommt
er nirgends, was nach Tſchudi in der Schweiz der Fall iſt, als beſtand-
bildender Baum ſondern immer nur eingeſprengt in Nadel- und Laubholz-
beſtänden verſchiedener Art vor.


Wie auch die folgende Art zeigt der Bergahorn in ſeiner Entwicklung
ein ſehr kräftiges Leben und das Streben, zu einem mächtigen Baume
zu erwachſen. Eine ſich entfaltende Endknospe des Bergahorns iſt das
leibhaftige Bild ſtrotzender Lebensfülle (Fig. XXIII. S. 165.). Als ein
[]

[figure]

[][525] Baum mit ſehr regelmäßig kreuzweiſe gegenſtändigen Knospen und echten
Endknospen zeigt der Ahorn in ſeiner Jugend einen regelmäßigen pyrami-
dalen Wuchs, den er aber allmälig verläßt. In fruchtbaren Jahren macht
er in der Jugend ſehr lange Triebe, was namentlich am Stockausſchlage,
den er in reicher Fülle treibt, geſchieht. Da bei ihm wie bei allen Ahorn-
arten die Blüthen ſtets nur aus der Endknospe hervorkommen, ſo ſchließt die
Blüthentraube ſtets den Trieb und es kommen an ihrer Baſis 2 gabel-
artig weit auseinander tretende Triebe hervor, was der Hauptgrund des
Buſchigwerdens der Krone iſt. Aus Samen erwachſene Bäume blühen
meiſt erſt bei ungefähr 40jährigem Alter, Stocklohden oft ſchon nach
10 Jahren. Im Gebirge tritt reichliches Blühen alle 2—3 Jahre ein,
mehr in der Ebene faſt alljährlich. Die Blüthe erſcheint im Mai nach
vollendeter Ausbildung der Blätter; der Same reift im September. Der
Bergahorn kann ein hohes Alter und eine bedeutende Stärke und Höhe
erreichen.


Im Melchthale am Juchlipaß ſteht ein Baum von 28½ Fuß
Umfang und bei Truns ſteht nach Tſchudi noch der alte Ahorn, unter
welchem 1424 der graue Bund beſchworen wurde, was ein Alter von
etwa 500 Jahren vermuthen läßt. Sein Höhenwachsthum vollendet er aber
ſchon in 80—100 Jahren. Gegen die Unbilden unſeres Klimas voll-
kommen abgehärtet — nur in zugigen feuchten Lagen kann ihm, namentlich
den jungen Pflanzen, der Froſt ſchaden — leidet er auch wenig von
Krankheiten. Wipfeldürre, Kern- und Stockfäule oder Sonnenbrand
können ihn nur auf ſehr ungünſtigem Standorte befallen. Vom Spät-
ſommer an findet man namentlich an unterdrückten Exemplaren die Blätter
auf der Oberſeite von der Mitte aus mit weißen Flecken bedeckt. Auch
von Feinden hat er wenig zu leiden, etwa nur von denjenigen Inſekten,
welche faſt keine Laubhölzer verſchonen, und von den Rehen, welche die
ſaftigen Triebe und Knospen gern verbeißen.


Die forſtliche Bedeutung des Bergahorns ſollte ſeines vortreff-
lichen Holzes und kräftigen Wuchſes wegen höher gehalten werden, als es
gewöhnlich der Fall iſt. Am meiſten noch wird er als Oberbaum im
Mittelwalde geſchätzt. Da aber der Mittelwald in Staatsforſten mehr
und mehr dem Hochwaldbetrieb Platz macht, ſo verdient der Bergahorn
bei Erziehung gemiſchter Laubholzbeſtände die höchſte Beachtung. Die
[526]forſtliche Behandlung ſtößt auf keinerlei Schwierigkeiten. Der Same
des Bergahorns keimt, im Herbſt oder im nächſten Frühjahr geſäet, leicht
und ſchnell und die ausgepflanzten 2- oder 3 jährigen Pflänzlinge ſind blos
vor zu ſtarkem Graswuchs, zu feſtem Boden und Dürre zu ſchützen. Mit
Eiche und Buche vermiſcht erreicht er mit dieſen dieſelbe Höhe, wenn auch
nicht die Stärke der letzteren.


Die Benutzung des Ahornholzes iſt eine ſehr ausgedehnte, was
man namentlich in der Schweiz ſehen kann. Da es ſich wenig wirft und
nicht reißt, ſo iſt es ein vortreffliches Schreinerholz, beſonders wenn es
maſerig oder wimmerig erwachſen iſt. In neuerer Zeit wird es viel zu
feineren Holzarbeiten, zu Drehereien und Schnitzarbeiten benutzt. Um
das Verſtocken und den Wurm zu vermeiden muß der Baum vor dem ſehr
zeitig eintretenden Saft bis Ende Januar gehauen und ſchnell in Breter
geſchnitten werden.


Der Bergahorn gehört entſchieden zu unſeren ſchönſten Bäumen, da
er ſeiner vollen ſaftigen Belaubung wegen auch in der Landſchaftsgärtnerei
ſehr verwendbar iſt.


Von Provinzialnamen ſind anzuführen: Arl, Ulmenbaum, Ahurn,
Fladerbaum, weißer Ahorn, Amhorn, Sycomore, Aole, Ehne, Ohnen, Arle.


52. Der Spitzahorn, Acer platanoides L.

Bei der Beſchreibung dieſer zweiten deutſchen Ahornart können wir
am beſten vergleichend mit der vorigen verfahren, da bei aller Verwandt-
ſchaft zwiſchen beiden doch ſehr in die Augen fallende Unterſcheidungsmerk-
male vorliegen.


Die Blüthe erſcheint etwas zeitiger noch ehe die Blätter vollſtändig
entfaltet und erſtarkt ſind; ſie bilden eine verkürzte, faſt eben ausgebreitete
Traube von gründelber Färbung. Stets ſtehen beim Erblühen die Knospen-
ſchuppen noch, welche bei dem Bergahorn längſt abgefallen ſind wenn die
Blüthen vollkommen aufgeblüht ſind; der Fruchtknoten iſt nicht behaart,
ſondern kahl und die viel breiteren Frucht flügel ſtehen weiter auseinander
geſpreizt, (5.) oft ſogar faſt eine gerade Linie zuſammen bildend oder ſelbſt
rückwärts gebogen; der Same iſt platt (7.) und daher die Stelle der
Frucht, wo er liegt, platt zuſammengedrückt (5.), das Samenfach inwendig
[527]

Figure 81. LXXIX.

Der Spitz-Ahorn, Acer platanoides L.
1. Blühender Trieb; — 2. Fruchtbare Zwitterblüthe nach Hinwegnahme der Kelch- und
Kronenblätter; — 3. Männliche Blüthe ebenſo; — 4. Stempel; — 5. Doppelflügel-
frucht; — 6. wie 8. bei vor. Art; — 7. Same; — 8. derſ. querdurchſchnitten; —
9. Blatt; — 10. Triebſpitze mit Knospen; — 11. Keimpflanze.


[528] nicht mit Seidenhaaren ausgekleidet ſondern kahl; wie bei vorigen ſind
die Staubfäden der fruchtbaren Zwitterblüthen viel kürzer als die der unfrucht-
baren (2. und 3.); das Blatt iſt entſchiedener fünflappig, am Rande nicht
ſägezähnig, ſondern außer den Lappenſpitzen nur noch in wenige Zipfel ein-
geſchnitten, welche wie jene in lange und feine Spitzen ausgezogen ſind;
die einſpringenden Winkel der Lappen ſind abgerundete Buchten, nicht ſpitze
Einſchnitte wie bei dem Bergahorn; beide Blattſeiten ziemlich gleichfarbig,
und das Geäder der Rückſeiten weniger ſtark hervortretend; das Blatt
enthält einen weißen Milchſaft, der aus dem durchſchnittenen Blattſtiel
ſofort reichlich hervortritt; wo dieſer in das Blatt eintritt verbreitet er
ſich erſt in eine ſchwielige Anſchwellung, aus welcher die Hauptrippen
hervortreten, welche in ihren Winkeln kleine bräunliche Bärtchen haben,
ſonſt aber unbehaart ſind. Das Blatt des Spitzahorns iſt etwas trockner
und ſaftloſer und gewiſſermaßen pergamentartig, auch iſt es im ganzen
meiſt etwas mehr in die Breite gezogen und am Grunde oft viel weniger
herzförmig ausgeſchnitten als das abgebildete Exemplar. Die Knospen
ſind viel kürzer und kleiner, faſt immer deutlich ſchmutzig karminroth,
Seitenknospen an den Trieb angedrückt (10.); das Blattſtielnarben-
paar
mit den Enden zuſammenſtoßend. An den Herzblättern der Keim-
pflanze
treten ſchon zwei ſpitze Seitenzipfel hervor. Man hat in den
Gärten eine Spielart mit krauſen, tiefer und vielfacher eingeſchnittenen
Blättern, A. plat. fol. laciniatis.


Hinſichtlich der Architektur iſt der Spitzahorn von dem Bergahorn
nicht weſentlich verſchieden, nur iſt ſeine Stammrinde ſchon zeitig in
zahlreiche feine und dichtſtehende Borkenfurchen gleichmäßig aufgeriſſen.
Das Holz iſt gröber und hat längere durch mehr Jahresringe ſich er-
ſtreckende Markſtrahlen. Auch im Leben und der Verbreitung kommt
er jenem gleich, nur liebt er mehr die Ebene und kann einen feuchteren
Standort vertragen. Seine Stocklohden treibt er oft außerordentlich
lang. Bei der Herbſtfärbung nimmt das Laub dieſes wie des vorigen eine
hellockergelbe Farbe an und im Spätſommer bemerkt man auf vielen noch
grün abfallenden Blättern pfenniggroße ſchwarze gelbeingefaßte Flecke: einen
auf dem Spitzahorn förmlich einheimiſchen Blattpilz Rhytisma acerinum.


Die forſtliche Bedeutung des Spitzahorns iſt geringer, zumal er
auch nicht ein ſo hohes Lebensalter wie voriger erreicht. Als Zierbaum
[529] macht er ſich durch andere Laubfärbung und größeren Glanz der Blätter
neben dem vorigen trotz ſeiner Aehnlichkeit mit ihm ſehr geltend und iſt
für Parkanlagen ein zeitiger Frühjahrsſchmuck, da er faſt alle Jahre reich-
lich blüht. Wie der Bergahorn empfiehlt er ſich zur Einfaſſung der
Landſtraßen anſtatt der gebräuchlichen Pappeln, welche ein werthloſes Holz
haben und wahre Erziehungsanſtalten für allerlei ſchädliche Inſekten ſind.


Der Spitzahorn heißt auch noch Lenne, Lähn, Leinbaum, Urle, Milch-
baum, Lömme, Leinahr.


Die Aehnlichkeit des Blattes hat bei dieſer und der vorigen Art den
lateiniſchen Artnamen veranlaßt, doch iſt das Blatt der Platanen, Platanus
occidentalis L.
und Pl. orientalis L., aus Nordamerika bei uns ein-
geführt, an der Baſis keilförmig in den Blattſtiel verſchmälert (nie herz-
förmig ausgeſchnitten wie bei den Ahornen), und außerdem erkennt man
die Platanen leicht an dem im Spätherbſt ſtattfindenden Abwerfen großer
Borkentafeln, unter denen die neue Rinde grüngelb erſcheint.


53. Der Feld-Ahorn oder Maßholder, Acer campestre L.

Auch dieſe dritte deutſche Ahornart iſt durch die tief gelappten Blätter
leicht als ein Glied der Gattung der Ahorne zu erkennen, da außer
ihr von unſeren Waldbäumen und Sträuchern nur noch der Schnee-
ball (S. 482) und die Elsbeere (S. 504) und allenfalls die Silberpappel
(S. 446) ähnliche Blätter haben. Von dieſen ſtehen die Blätter nur
bei dem Schneeball ebenfalls kreuzweiſe gegenſtändig, ſind aber ſtets nur
dreilappig.


Die Blüthen des Maßholders — der gebräuchlichſte Name dieſer
Ahornart — ſtehen in ähnlichen aufwärts gerichteten Blüthenſtänden wie
bei dem Spitzahorn und ſind auch ſonſt ganz ähnlich beſchaffen; ſie ſind
aber in allen Theilen deutlich grün gefärbt und wie die Blüthenſtiele behaart
und die Flügel des Fruchtknotens breit auseinander geſpreizt (LXXX. 5.).
Sie erreichen ihre vollkommne Entfaltung zugleich mit den Blättern,
kommen aber auch aus Seitenknospen hervor, was bei den vorigen nicht
der Fall iſt. Das Blatt iſt kleiner, langgeſtielt, in 3 ſtumpfe Haupt-
lappen tief eingeſchnitten und außerdem unten noch mit 2 kleinen ſtumpfen
Nebenlappen; jene faſt parallelſeitig und an der Spitze wiederum ſeicht
Roßmäßler, der Wald. 34
[530] dreilappig, auf der Oberſeite nur an den Blattadern, auf der Unterſeite
auch auf der übrigen Fläche behaart und in den Achſeln der Blattrippen
mit weißlichen Bärtchen; beiderſeits gleichfarbig. Die Frucht der des
Spitzahorn ähnlich, beide Flügel in gerader Linie ausgeſpreizt und die

Figure 82. LXXX.

Der Feld-Ahorn, Acer campestre L.
1. Blühender Trieb; — 2. Männliche Blüthe; — 3. Stempel und Staubgefäße auf
dem ſchwieligen Fruchtboden; — 4. Stempel; — 5. Doppelflügelfrucht; — 6. Trieb-
ſpitze mit Knospen.


Samenſtelle an der oberen Kante gewölbt (5. LXXX.). Die Knospen
ſind ſehr klein, rothbraun, die Schuppen, namentlich die inneren mit
ſilbergrauen anliegenden Härchen bedeckt; eben ſo ſind die jungen Triebe
kurz weichhaarig.


[531]

Hinſichtlich des Stammes, der Aeſte und der Rinde iſt der Maß-
holder dem Spitzahorn ſehr ähnlich; nur beginnt die Borkenbildung, vor-
zugsweiſe an buſchig erwachſenen älteren Stockausſchlägen, ſchon an kaum
fingerdicken Zweigen und es kommt hierin der Maßholder der Korkrüſter
ſehr nahe. Die Korkflügel (S. 115 F. XV. a a a a a.) ſind aber weniger
hoch hervortretend und ſchmaler, daher an gleich dicken Zweigen zahlreicher.
Es kommen übrigens Maßholderbüſche ohne eine eigentliche Korkwucherung
mit nur ſehr geringen Korklinien vor, ja man findet zuweilen an dem-
ſelben Buſche und ſelbſt an demſelben Aſte Jahresglieder mit dicken Kork-
flügeln neben anderen ohne ſolche. Baumartig erwachſen bildet der
Maßholder einen mäßigen Baum von 30 — 40 F. Höhe und 1 — 2 F.
Stammdurchmeſſer mit breit abgerundeter dicht belaubter Krone von
krauſem moosartigen Baumſchlag. Der Stamm iſt meiſt nicht ganz
gerade erwachſen im dichten Schluß aber bis hoch hinauf aſtrein*); die
ſtärkeren Aeſte ſind ſehr knickig und geben dem Baum ein eichenähnliches
Anſehen. Das Mark, welches wie bei allen Ahornarten weſentlich aus
Kernſchicht beſteht und nur eine ſehr ſchmale Kreisſchicht hat (S. 87
Fig. VIII. m. und m′.) iſt auf dem Querſchnitt etwas eckig. Die Wurzel
dringt tief in den Boden ein und iſt ſehr reich veräſtelt.


Das Holz iſt dem des Spitzahorns ſehr ähnlich doch etwas dunkler
und bedeutend feſter und dichter, ſchwerſpaltig; es iſt als Brennholz aus-
gezeichnet und im Trocknen von großer Dauerhaftigkeit.


Als Abarten ſind zu nennen eine mit geſchäckten Blättern, Ac. camp.
foliis variegatis
und eine mit ſehr großen tiefer gelappten Blättern,
die jedoch beide nur in Parkanlagen vorkommen.


Der Standort des Maßholders iſt ſehr manchfaltig, indem er
ebenſowohl auf humusarmem Felsboden wie auf fruchtbarem Auenboden
vorkommt. Er iſt in Deutſchland weit verbreitet, geht jedoch im Ge-
birge nicht hoch ſondern iſt mehr ein Baum der Ebene. Nach Norden
hin bleibt er hinter den beiden anderen zurück. Am häufigſten findet man
ihn in den Vorhölzern und als Heckenpflanze in der mitteldeutſchen Ebene.


34*
[532]

Das Leben zeigt zwar im Allgemeinen mit dem der vorigen Arten
viel Gemeinſames, doch wächſt er viel langſamer und trägt ſeltener Früchte,
ſelbſt in blüthenreichen Jahren, weil die meiſten Blüthen unfruchtbare
(männliche) ſind. Der Maßholder hat ein großes Ausſchlagsvermögen,
ſowohl am Stocke als am Stamme und iſt deshalb ſehr zur Maſerbildung
geneigt. Von Krankheiten und Feinden hat er nicht zu leiden.


Die forſtliche Bedeutung würde größer ſein als ſie iſt, wenn ſein
langſam und nicht ſehr hoch wachſender Stamm ihn nicht vom Hochwald-
betrieb ausſchlöſſe und ſeine dichte verdämmende Krone ihn ſelbſt für den
Mittelwald wenig empfehlenswerth machte; nur für den Niederwald iſt
er ganz geeignet, obgleich er auch hier noch zu wenig wenn auch als
Brennreiſig ſehr werthvolles Holz abwirft. Daher iſt er auch wenig
Gegenſtand forſtlicher Behandlung, die inſofern ſehr leicht iſt, weil
man die ſich gut bewurzelnden Saatpflanzen nach 4 — 5 Jahren gleich in’s
Freie auspflanzen kann.


Das Holz wird zu allen den Verwendungen benutzt, welche ein
dichtes und feſtes Holz erheiſchen, aber auch zu feinen Drechsler- und
Schreinerarbeiten, beſonders ſein ſehr feiner Maſer, der ſich nament-
lich in alten Maßholderhecken oft von ausgezeichneter Güte findet, die ſich
ſeiner großen Ausſchlagsfähigkeit wegen aus ihm ſehr dicht und dauerhaft
herſtellen laſſen. Die ſchlanken 4 — 5 jährigen ſehr feſten Stocklohden
lieferten die ehemals beliebten korkrindigen Pfeifenrohre.


Der Feldahorn heißt auch noch: Maßern, Maßeller, Maßholler,
Angeldurn, Epellern, Metle, Amerle, Rappelthän, Weißepern, Appeldören.


Neben dieſen 3 allgemein verbreiteten deutſchen Ahornarten iſt als
vierte der nur am Dannersberge und an einigen Stellen der Moſel und
des linken Mittelrheinufers vorkommende dreilappige Ahorn A. mon-
spessulanum
L. kurz zu erwähnen, welcher epheuähnliche dreilappige
Blätter hat und nur ſelten zu einem 20 — 30 F. hohen Baum erwächſt.


[533]
54. Der gemeine Spindelbaum, Evonymus europaeus L.
und
55. Der breitblättrige Spindelbaum, E. latifolius L.

Die kleine, großentheils außereuropäiſche, nur Bäume und Sträucher
enthaltende Familie der Celaſtrineen iſt bei uns allein durch die genannte
Gattung vertreten, welche wegen der abenteuerlichen Fruchtform den Volks-
namen Pfaffenhütchen erhalten hat.


Die unſcheinbaren, in den Blattwinkeln langgeſtielte Dolden bil-
denden Blüthen der Spindelbaumarten haben 4 oder 5 Kelchzipfel und
auf einem runden ſchwieligen Fruchtboden ebenſo viele Blumenblätter und
Staubgefäße und 1 Stempel, aus welchem die bekannte 3 — 5 fächerige
und 3 — 5 kantige, bei der Reife purpurrothe Frucht wird, welche in jedem
Fache einen oder mehrere große von einem pomeranzenrothen ſaftigen
Mantel umhüllte Samen enthalten; die elliptiſch-eirunden ſpitzen neben-
blattloſen Blätter ſtehen kreuzweiſe gegenſtändig.


Der gemeine Spindelbaum unterſcheidet ſich von dem breit-
blättrigen
durch Blüthen mit nur 4 Staubgefäßen und weißgrünlichen
Blumenblättern und durch kürzer geſtielte, meiſt vierfächerige, Früchte, deren
Fächerkanten ziemlich ſcharf ausgeprägt ſind aber nicht flügelartig hervor-
ſpringen; die Blätter ſind kleiner, weniger ſchlank an der Spitze aus-
gezogen, ſie haben zahlreichere Seitenrippen und eine zartere Mittelrippe
und die feine Zähnelung des Randes iſt etwas unregelmäßiger; die älteren
Triebe haben eine lebhaft grüne Rinde mit 4 linienförmigen Korkleiſten
und ſind daher äußerlich deutlich vierſeitig; das Mark iſt auf dem Quer-
ſchnitt ſchmal elliptiſch und der Holzkörper nur ſehr ſchwach vierſeitig,
meiſt faſt vollkommen kreisförmig. Die Knospen ſtehen auf hervor-
ſpringenden Blattkiſſen, ſie ſind grün, eirund, ſpitz mit bauchig gekielten
Schuppen und ſtehen vom Triebe ab. Das Holz des gemeinen Spindel-
baums iſt gelb und hat ſehr zahlreiche aber ſehr enge Poren und iſt daher
dennoch ſehr dicht, fein und feſt. Jahrringe deutlich durch feine poren-
arme Herbſtholzlinien von einander abgegrenzt.


Der gemeine Spindelbaum kommt durch ganz Deutſchland in Vor-
hölzern und Feldhecken ſehr verbreitet vor und bildet meiſt nur einen
[534] breiten, 10 — 12 F. hohen Strauch, ſelten ein bis 20 F. hohes Bäumchen
mit brauner unten weißgrauer und riſſiger Rinde.


Das ſchöne dichte Holz wird zu allerlei kleinen Gegenſtänden, zu
Zahnſtochern und namentlich von den Schuhmachern zu Schuhſtiften ſehr
geſucht.


Der breitblätterige Spindelbaum hat fünfmännige Blüthen
mit hellrothen Blumenblättern, die gemeinſamen Blüthen- und Fruchtſtiele
ſind außerordentlich lang und die Blätter viel größer als bei dem andern.
Die fünf Frucht abtheilungen verſchmälern ſich in deutliche Flügel.
Knospen ſehr lang, faſt lanzettlich, ſpitz, an dem Trieb angedrückt, End-
knospen ſehr groß. Holz und Mark der Triebe auf dem Querſchnitt deutlich
vierſeitig, aber durch die Rinde dennoch äußerlich vollkommen abgerundet.


Dieſe Art iſt viel ſeltner als die vorige; ſie kommt nur in Süd-
deutſchland und hie und da in Böhmen und Schleſien vor, als Strauch
oder Bäumchen von ähnlichem Umfange wie die vorige.


Schon die großen, denen der Traubenkirſche ſehr ähnlichen Blätter
unterſcheiden dieſe Art leicht von der vorigen.


Im Walde wie in den Parkanlagen ſind beide Arten eine große
Zierde, wenn die pfaffenmützenähnlichen purpurrothen Früchte aufſpringen
und aus ihren Fächern die von der pommeranzengelben Haut umhüllten
Samen hervortreten laſſen. Wahrſcheinlich ſtellt man auch jetzt der ge-
meinen Art nicht mehr ſo ſehr nach, ſeit die Schuhſtifte fabrikmäßig aus
anderem Holze gemacht werden und billig zu haben ſind.


An einigen Orten Deutſchlands, z. B. mehrfach in Oſtpreußen,
kommt in rauhen Berggegenden noch eine dritte Art vor, welche leicht
durch ſchwarze Wärzchen an den Zweigen zu erkennen iſt und deshalb
der warzige Spindelbaum, E. verrucosus L., heißt. Er bildet ein
zartes höchſtens 5 — 6 Fuß hohes Büſchchen.


56. Die kleinblättrige oder Winterlinde,
Tilia parvifolia Ehrhard.

Wenn auch die verſchiedenen Verſuche, das Pflanzenreich in eine
verwandſchaftlich zuſammenhängende, vom Unvollkommneren zum Voll-
[535] kommneren aufſteigende Reihenfolge zuſammenzuſtellen — denn mehr ſind
unſere „natürlichen Syſteme des Pflanzenreichs“ nicht — nicht blos in
der inneren Aufeinanderfolge der Familien, ſondern auch in der Wahl der
Schluß- alſo vollkommenſten Familie von einander abweichen, ſo ſtimmen
ſie doch darin überein, derjenigen Familie, welche nach der Linde ihren
Namen trägt, eine ſehr hohe Rangordnung anzuweiſen; ja nach L. Reichen-
bachs
Syſtem, von welchem wir uns die Reihenfolge unſerer Baum-
ſchilderung vorſchreiben ließen, iſt die Familie der Lindengewächſe, Tiliaceen,
unter denjenigen die am höchſten ſtehende, die vollkommenſte, welche in
Deutſchland durch Waldbäume vertreten ſind. Es geſchieht daher aus
dieſem Grunde, daß wir der Linde zuletzt unſere Betrachtung widmen,
und nicht deshalb, weil ſie von allen unſeren Waldbäumen am meiſten
mit dem Gemüthsleben unſeres Volkes verwachſen und daher am meiſten
dazu geeignet iſt, unſeren Baumbetrachtungen die Krone aufzuſetzen. Auch
dem räumlichen Umfange und der langen Lebensdauer nach wäre die
Linde würdig, dieſen Abſchluß zu bilden, obgleich wir ſchon früher uns
daran erinnern mußten „daß nicht die Kraft und ſtolze Größe hier als
Maaßſtab gilt, ſondern die Vollkommenheit in der Ausprägung der Blüthen-
theile“ (S. 357). Und hinſichtlich dieſer Ausprägung gehört die Familie
der Lindengewächſe zu denjenigen, bei welchen ſie am vollendetſten iſt.
Ein Blick auf eine Lindenblüthe genügt, um uns zu zeigen, daß es dabei
nicht auf Glanz der Farbe und Größe und Schönheit der Form ankommen
kann. Es kommt vielmehr darauf an, daß an einer Pflanze, welcher wir
einen Platz in der höchſten Rangordnung anweiſen ſollen, die 4 einzelnen
Blüthenkreiſe — Kelch, Krone, Staubgefäße und Stempel — in ihren
einzelnen Theilen unabhängig von einander und in klarem Gegenſatz zu
einander ausgebildet und zur Bildung der Blüthe ſo vereinigt ſind, daß
bei dem Verblühen die äußeren drei Kreiſe unabhängig von einander ver-
welkt abfallen und zuletzt der befreiete Stempel allein und unverhüllt ſtehen
bleibt und ſich zur Frucht ausbildet. Mit Berückſichtigung dieſer Auf-
faſſung müſſen wir manche Blüthen und ſomit deren Beſitzer tiefer ſtellen,
welche ſonſt unſerer äſthetiſchen Auffaſſung ſehr hoch zu ſtehen ſcheinen.
An der Roſe ſind nur die Blumenblätter frei, Kelch, Staubgefäße und
Stempel ſind ſo aneinander gebunden, ſo von einander abhängig, daß ſie
zu dem unklaren Gebilde der Hagebutte verſchmelzen.


[536]
Figure 83. LXXXI.

Die Winterlinde, Tilia parvifolia L.
1. Blühender Sproß; — 2. 3. Blüthe ſeitwärts von oben und von unten; — 4. 5. Frucht-
knoten längs und querdurchſchnitten; — 6. Stempel; — 7. Frucht; — 8. Dieſelbe längs-
durſchnitten; — 9. Samen ebenſo; — 10. Triebſpitze mit Knospen; — 11. Keimpflanze.


[537]

Das Lindennüßchen (LXXXI. 7.) iſt ganz allein der freigewordene
Stempel, der Lebensmittelpunkt der Blüthe, der umſtanden war von den
mitwirkenden drei freien Genoſſenkreiſen, welche nach Erfüllung ihrer
Aufgabe von dem Schauplatze gemeinſamen Wirkens abgetreten ſind. Wir
ſehen dieſe LXXXI. 2. und 3.: 5 freie, d. h. unter ſich und mit den
weiter innenſtehenden Blüthentheilen unverbundene Kelchblätter, dieſen
folgen 5 ebenfalls freie Kronenblätter und unmittelbar um das Piſtill
drängen ſich die zahlreichen ebenfalls freien Staubgefäße.


Alle dieſe Blüthentheile ſtehen dicht zuſammengedrängt auf dem kleinen
knopfförmigen Endpunkte des Blüthenſtiels (7.), einem Fruchtboden
(Thalamus) von der kleinſten Ausdehnung, und auf welchem zuletzt nur
die Frucht ſtehen bleibt, ihm nun erſt die volle Berechtigung ſeines Namens
gebend. L. Reichenbach nennt daher die Familien der höchſten Rang-
ordnung, ſie als Klaſſe zuſammenfaſſend, Thalamanthen, Fruchtboden-
blüthige.


Alle Lindenarten, deren namentlich in Nordamerika einige weitere
Arten zu unſeren deutſchen hinzukommen, ſtimmen in folgendem Gattungs-
charakter überein.


Der Kelch beſteht aus kahnförmigen ſchmalen und die Krone aus
5 faſt gleichgeſtalteten Blättern, welche an ihrem Grunde eine kleine
Schuppe tragen oder ohne dieſe ſind; die Staubgefäße ſind von einer
unbeſtimmten anſehnlichen Zahl am Grunde des 1 Stempels eingefügt,
welcher einen kugeligen fünffächerigen Fruchtknoten hat, in deſſen Fächern
ſtets je 2 Samenknospen liegen (4. 5.), aus denen allen aber in der
Regel nur 1 oder 2 Samen ſich bilden, indem die anderen Fächer mit
ihren Samenknospen fehlſchlagen und beſeitigt werden, ſo daß das reife
Lindennüßchen meiſt blos 1 Samen enthält; die Narbe iſt kurz fünfſtrahlig
(6.). Die Samenlappen der Keimpflanze (bei keinem andern unſerer
Bäume vorkommend!) handförmig zerſchlitzt (11.).


Fügen wir dieſen zur ſyſtematiſchen Unterſcheidung der Gattung aus-
reichenden Merkmalen noch einige andere von den Blattgebilden und
Knospen entlehnte hinzu, ſo iſt das zungenförmige Deckblatt (Bractee)
zu erwähnen, welches an ſeiner unteren Hälfte von dem gemeinſamen
Blüthenſtiele durchzogen iſt (1.); daß die Knospe äußerlich immer nur
2 Schuppen ſichtbar werden läßt (S. 167 und daſ. Fig. XXV.) und daß
[538] in ihr die Blättchen in der Mittelrippe aufwärts wie ein Buch zuſammen-
geſchlagen liegen.


Faſt noch unſicherer als bei den Birken iſt die Artunterſcheidung bei
den Linden, und während viele Botaniker neben der genannten nur noch
eine zweite deutſche Art gelten laſſen, wollen andere deren ſehr viele
unterſcheiden, ja der verſtorbene Wiener Botaniker Hoſt hat neben den
bereits bekannten nicht weniger als 9 neue deutſche Lindenarten aufgeſtellt.


Ehe wir der Winterlinde und nachher der Sommerlinde eine ein-
gehende Betrachtung widmen, müſſen wir das Jedermann auffallende
zungenförmige grüngelbliche Blattgebilde deuten, deſſen Mittelrippe in der
unteren Hälfte der gemeinſame Blüthenſtiel bildet, während dieſer ſich
dann frei aus dieſem Blattgebilde, einem Deckblatte, abhebt.


Gegen die Regel finden wir zur Zeit der Lindenblüthe in den Blatt-
winkeln nicht nur den Blüthenſtand eingefügt, ſondern daneben auch ſtets
noch eine Knospe, alſo eine (zum Blüthenſproß) entwickelte und eine
unentwickelte Knospe (LXXXI. 1.); beiderſeits neben dem Blattſtiele be-
merken wir noch am Triebe die 2 kleinen Narben, welche die abgefallenen
Nebenblättchen (S. 167. Fig. XXV.) hinterlaſſen haben. Dieſe unge-
wöhnliche aber bei den Linden zur Regel gewordene Erſcheinung wird ſo
gedeutet, daß der Blüthenſtand ein um 2 Jahr zu früh ſich zum Sproß
entwickelnder Theil der übrigens ruhend bleibenden Achſelknospe und daß
das zungenförmige Blatt an dem die Blüthen tragenden Hauptſtiele die
ausgewachſene Schuppe dieſes Achſelknospentheils ſei. Demnach iſt der
gemeinſame Stiel, an dem das zungenförmige Blatt ſitzt, mehr als ein
ſolcher; er iſt vielmehr ein Zweig (ein Achſelſproß), welcher an ſeiner
Spitze die einzelnen Blüthen trägt. Die Richtigkeit der Deutung dahin-
geſtellt laſſend müſſen wir es jedenfalls ganz gegen die ſonſtige Regel finden,
daß in den Blattwinkeln einer Pflanze gleichzeitig ein entwickelter blühender
Sproß und eine unentwickelte Knospe ſteht. Wir nennen dem hergebrachten
Gebrauch nach das zungenförmige Blattgebilde ein Deckblatt, welches bei
der Winterlinde ſich gegen das untere Ende des Blüthenſtieles verſchmälert,
aber dieſes in der Regel nicht erreicht.


Was nun die Kennzeichen betrifft, durch welche ſich die Winterlinde
von der Sommerlinde unterſcheidet, ſo ſind zunächſt die etwas kleineren
Blüthen in größerer Zahl (bis 12) in den trugdoldenförmigen Blüthen-
[]

[figure]

[][539] ſtänden gehäuft; die fünf Lappen der Narbe ſind zuletzt flach ausgebreitet
(6.); die Blätter ſind kleiner, oft ſehr klein, beiderſeits kahl, oben
dunkelgrün, unten entſchieden heller und blaugrün und in den Winkeln der
Hauptadern mit braunen Bärtchen verſehen. Das Blatt iſt ſchief (d. h.
am Grunde ungleichſeitig) herzförmig, zuweilen jedoch faſt ganz gleichſeitig;
oben in eine ſchlanke Spitze ausgezogen; Rand ſcharf ſägezähnig (auch bei
der folgenden); das Blattgeäder auf der Rückſeite weniger ſtark hervor-
tretend; das Blatt zeigt ſich im ganzen etwas trockner und ſtarrer als
das der Sommerlinde. Früchte und Knospen nur etwas kleiner als
bei der folgenden. (Reum ſagt, daß der Same bei der Reife im Oktober
roſtbraun, der der Sommerlinde ſchwarzblau ſei.) Die Triebe ſind meiſt
etwas feiner, die Krone dichter, die Ausſchlagszeit etwas ſpäter und die
Geneigtheit zum Blühen größer als bei folgender.


Der Stamm der Winterlinde wächſt anfangs faſt immer vollkommen
walzenrund, nicht ſehr hochſchaftig ſondern ſchon in geringer Höhe Aeſte aus-
ſchickend; Rinde anfangs ziemlich glatt und glänzend, düſter rothbraun, ſpäter
borkig, ziemlich tief in Borkentafeln aufgeriſſen, in hohem Alter tief furchen-
riſſig. Die Aeſte haben eine Neigung zur flachen ſchirmförmigen Ausbreitung,
wozu die faſt zweireihige abwechſelnde Stellung der abſtehenden Knospen
an dem von Knospe zu Knospe meiſt etwas hin- und hergebogenen Triebe
Veranlaſſung giebt. Daher macht ſich auch der Wipfel nicht ſehr geltend,
obgleich er nicht aufgegeben wird, ſondern man meiſt ſelbſt an ſehr alten
Linden den Hauptſtamm bis in den Wipfel verfolgen kann. Dieſe Zweig-
ſtellung bringt es mit ſich, daß die Krone ſich frühzeitig abwölbt und mit
dem Alter nur immer dichter und umfangreicher wird. An Bäumen von
mittlerem Alter zeigen ſich die dünneren Enden der Aeſte deutlich bogen-
förmig abwärts gerichtet, was namentlich im laubloſen Zuſtande die Linde
charakteriſirt. Die Rinde haben wir ihrem inneren Bau nach ſchon
S. 97 und 111 kennen gelernt. Das Mark hat deutlich unterſchiedene
Kreis- und Kernſchicht und iſt etwas ſchwächer als bei der Sommerlinde.
Die tief eindringende und ſich weit verzweigende Wurzel befähigt die
Linde den ſtärkſten Stürmen zu trotzen.


Das Holz der Linde gehört zu den weichſten und lockerſten (ſiehe
die Tabelle auf S. 371.), denn es hat unter allen Hölzern die weiteſten
und dazu dünnwandige Zellen, die ſchon mit einfacher Lupe zu unterſcheiden
[540] ſind; die Gefäße ſind klein, zwiſchen den ſehr zahlreichen meiſt ſehr feinen
Markſtrahlen einzeln oder paarweiſe oder in Längsgruppen vertheilt. Jahr-
ringe ziemlich breit und durch einen porenarmen und etwas kleinzelligeren
hellen Herbſtholzring deutlich bezeichnet. Die Farbe iſt hell weißgelblich
ohne Unterſchied zwiſchen Kern und Splint; leicht und den Jahrringen
folgend rinnenförmig ſpaltend; brennt lebhaft mit ruhiger Flamme; im
Waſſer nicht, aber trocken im Freien dauerhaft.


Der Standort der Winterlinde iſt der mehr friſche als trockne
Waldboden der niederen Vorberge und der Ebenen. Sie iſt über ganz
Deutſchland bis weit nach Nordoſten verbreitet.


Das Leben der Winterlinde hat als Grundzug eine große Wider-
ſtandskraft gegen allerlei Unbilden ihres Standorts und zeigt auch von
Jugend an ein freudiges Wachsthum, was bis in ein höheres Alter als
bei irgend einem andern Laubholze aushält. Die Krone verdichtet ſich
dabei immer mehr und bildet, was unſer Baumbild ſehr gut wiedergiebt,
breitgezogene wolkenähnliche Laubmaſſen, welche aus der Ferne das Geäſt
meiſt ganz verhüllen. Sowohl am Stamm als am Stock hat die Linde
ein großes Ausſchlagsvermögen und bildet daher am Stamm und am
Stocke oft große Maſerknoten. Ohne Zweifel iſt die große ſüßduftende
Blüthenfülle, welche die Linde faſt jedes Jahr ſpendet, der Grund, daß
ihre Aſtſpitzen niedergezogen werden und ſo der vorhin angegebene archi-
tektoniſche Charakter bleibend wird. Das Ausäſten und Beſchneiden erträgt
die Linde ſehr gut und die zuweilen außerordentlich langen und üppigen
Stocklohden treiben oft ſehr abenteuerlich geſtaltete, zuweilen manchen
Rebenſorten ſehr ähnliche dreilappige Blätter.


Unter allen unſeren deutſchen Bäumen kann die Linde das höchſte
Alter erreichen. Wir werden weiter unten einige Beiſpiele kennen lernen.


Von Krankheiten und Feinden leidet die Linde kaum, außer daß
Wild und Weidevieh ihre pflanzenſchleimreichen Triebe gern abnagt.
Sehr alte Bäume ſind allerdings meiſt kernfaul, obgleich man auch ganz
geſunde kennt, die ein Alter von 400 — 500 Jahren haben mögen.


Der von aller Welt hochgeſchätzte Baum hat für den deutſchen Forſt-
mann dennoch nur eine untergeordnete Bedeutung und iſt daher bei uns
kaum der Gegenſtand einer forſtwirthſchaftlichen Behandlung.
Beſtandbildend kommt die Linde in Deutſchland wohl nirgends vor, ob-
[541] gleich ſich Linden, namentlich Winterlinden, überall, ſelbſt bis in den
Gebirgswald, bald mehr bald weniger häufig einmiſchen. Da die Linden
ſehr reichlich Samen tragen und ſelbſt aus ſchlecht gewachſenen jungen
Wildlingen, bei ihrem kräftigen Jugendleben und bei der Leichtigkeit, mit
der ſich die Linde verpflanzen läßt, ſich noch gerade Stämme erziehen
laſſen, ſo geſchieht zu ihrem kunſtmäßigen Anbau nur wenig. Doch werden
die freiwillig aufkeimenden Samenpflänzchen, welche an ihren handförmig
zerſchlitzten Samenlappen ſtets ſofort zu erkennen ſind, meiſt durch Gras-
wuchs verdämmt. Wo man das wenig werthvolle Lindenholz dennoch gut
verwerthen kann und ſie im gemiſchten Laubhochwalde mit erziehen will,
hat man mit ihrer jugendlichen Schnellwüchſigkeit und ihrer dichten, daher
ſtark beſchattenden Laubkrone zu kämpfen, wodurch andere Baumarten leicht
übergipfelt und unterdrückt werden. Dieſelbe Bewandtniß hat es mit ihr
im Mittelwalde als Oberbaum und ſelbſt auch als Unterholz, da ſie
ihrerſeits keine ſtarke Beſchattung verträgt.


Die Benutzung des Lindenholzes iſt ſeiner Weichheit gemäß auf
ſolche Dinge beſchränkt, welche eben Leichtigkeit und Weichheit des Stoffes
erfordern, weshalb es vorzugsweiſe zu Blindholz für die Tiſchlerei, zu
leichten Kiſten, Backtrögen, Schuhleiſten, Küchengeräthen und zu vielerlei
Schnitzereien verwendet wird. Der Lindenbaſt iſt mit dem Rüſterbaſt der
gewöhnlich verwendete; zu den in Unmaſſe angewendeten Cigarrenbändern
nur von der Linde, beſonders auch aus Amerika eingeführt. Wenn man
ein friſch von der äußeren Borkenſchicht befreites zu einer regelmäßigen
Tafel geſchnittenes Stück friſcher Birkenrinde eine Zeit lang im Waſſer
faulen läßt, ſo kann man dann die Baſtlagen leicht von einander abſchälen
und den auf S. 112 geſchilderten Bau leicht kennen lernen. Wenn man
dann die ſich leicht von einander ablöſen laſſenden Baſtlagen der Folge
nach neben einander legt, ſo ſieht man ſehr hübſch das Aufeinanderpaſſen
derſelben. Der „Lindenblüthenthee“ braucht nur genannt zu werden,
und das Geſumme der honigſuchenden Bienen in der blüthenbeladenen
Lindenkrone hat auch ſchon Jeder gehört.


Die Winterlinde heißt auch noch Spätlinde, Wald-, Sand- oder
glattblättrige Linde.


[542]
57. Die großblättrige oder Sommerlinde,
Tilia grandifolia Ehrh.

Die unterſcheidenden Merkmale ergeben ſich faſt von ſelbſt aus der
Beſchreibung der vorigen. Sie beruhen hauptſächlich auf den noch ſchiefer,
oft faſt nur halbſeitig herzförmigen, unterſeits gleichfarbigen fein behaarten
und außerdem ebenfalls aber nicht braun, ſondern weißlich bebarteten und
größeren Blättern, den meiſt blos 2 — 3blüthigen Blüthenſträußen und
den aufrechtſtehenden Lappen der Narbe. Das Nüßchen iſt meiſt etwas
größer und meiſt deutlich fünfkantig. Die Triebe ſind meiſt etwas dicker,
die Knospen voller und der Stamm ſchlanker mit etwas glatterer Rinde,
auch die Krone etwas lockerer. Die Sommerlinde blüht etwas früher,
obgleich immer erſt 3 — 4 Wochen nach der völligen Ausbildung des
Laubes. Das Holz iſt noch weicher und lockerer als das der vorigen Art.


Im Uebrigen ſtimmt die Sommerlinde mit der Winterlinde überein
und in der Hauptſache gilt auch von ihr alles das, was über das Leben
und ſonſt von der vorigen geſagt wurde. Die Sommerlinde iſt jedoch
mehr im Süden als im Norden Deutſchlands zu Hauſe.


Zu dieſen zwei verbreitetſten Lindenarten kommen, theils zwiſchen
beide ſich ſtellend, theils dieſſeits der einen von beiden ſtehend, außer den
ſchon erwähnten Hoſt’ſchen Arten noch andere, namentlich von Alexander
Braun
unterſchieden, über welche wegen ihrer Artgültigkeit unter den
Botanikern große Meinungsverſchiedenheit obwaltet. Wir laſſen ſie jetzt
auf ſich beruhen, werden aber an den in Promenaden und anderwärts
angepflanzten Linden vielfältig Gelegenheit haben, uns zu überzeugen, daß
unſere angegebenen Unterſcheidungsmerkmale auf viele Lindenbäume nicht
paſſen. Namentlich in der Geſtalt und Randzähnelung des Blattes, in der
Farbe und Behaarung der Blattrückſeite, in der Länge des Deckblattes
im Vergleich zu dem Blüthenſtiel, und in der Geſtalt und den mehr oder
weniger ausgeprägten oder auch ganz fehlenden Rippen der Frucht werden
wir mancherlei Verſchiedenheiten auffinden. Der von Manchen behauptete
Unterſchied im Geruch iſt wenigſtens ſehr fraglich. Ich kann mich wenig-
ſtens nicht beſinnen, je eine blühende Linde ohne den eigenthümlichen
lieblichen Geruch gefunden zu haben, was von einem berühmten Botaniker
ſogar der Winterlinde Schuld gegeben wird.


[543]

Wir können die Linde und mit ihr die botaniſche Betrachtung der
Waldbäume überhaupt nicht verlaſſen, ohne Einiges über beſonders be-
merkenswerthe Lindenbäume hinzuzufügen, an welchen Deutſchland ſo reich
iſt, daß vielleicht die Mehrzahl der Dorfgemeinden deren eine oder mehrere
aufzuweiſen hat.


Figure 84. LXXXII.

Die Sommerlinde, Tilia grandifolia Ehrh.
1. Blühende Triebſpitze; — 2. 3. wie 4. 5. auf Fig. LXXXI.; 4. 5. wie 7. 8. daſ.


[544]

Ohne auf die undankbare, in doppelter Hinſicht undankbare Erörte-
rung der Frage eingehen zu wollen, welcher unſerer Waldbäume (von
den Nadelhölzern abſehend), von welchen dabei neben der Linde wohl nur
noch Eiche, Buche, Rüſter und Eſche als Mitbewerber um unſere Gunſt
auftreten könnten, der ſchönſte ſei, da von allen dieſen, ja ſelbſt auch noch
vom Hornbaum und dem Bergahorn, Muſterbäume vorkommen: ſo müſſen
wir der Linde doch wohl unbedenklich vor allen anderen den Vorzug ein-
räumen, daß ſie ſeit uralter Zeit vor allen Bäumen der Liebling des
deutſchen Volkes — aber auch anderer benachbarter Volksſtämme — ge-
weſen iſt. Mag immerhin die Eiche der Symbolbaum deutſcher Kraft
ſein, die Linde iſt das Bild, der Ausdruck der deutſchen Innigkeit.


„Unter der „Kirchhofslinde“ wurde ſo manchem Dahingeſchiedenen
der thränenreiche Abſchiedsgruß dargebracht; unter der breitäſtigen „Dorf-
linde“ tanzte ſo manches heranwachſende Geſchlecht. Der gewaltige Baum
überdauert das Schickſal vieler Geſchlechter, ſo daß das letzte von jenem
nichts mehr weiß, welches vor vielen Jahrhunderten, vielleicht bei einer
feierlichen Gelegenheit, das junge Bäumchen „zum ewigen Gedächtniß“
ſetzte. Ja, was der Menſch, was namentlich die in behaglichem Stillleben
zufriedene Dorfgemeinde ein ewiges Gedächtniß nennt, das vermag der
Lindenbaum mit ſeinem Leben zu umſpannen, wie er Jahrhunderte lang
die ganze verſammelte Gemeinde mit ſeinem Schattendach überſchirmen
konnte. Iſt es doch, als ob die vielen tauſend Herzen, die unter dem
Lindenſchatten vor Freude hüpften oder in bitterem Trennungsſchmerz
ſchier brechen wollten — iſt es doch, als ob ſie alle in dem ſchönen herz-
förmigen Lindenblatt alljährlich ein Auferſtehungsfeſt feierten. Es hat ja
kein zweiter deutſcher Baum dieſe Geſtalt ſeines Blattes.“


„Das Leben der Linde iſt auch dazu angethan, ſie zum Liebling und
Hausfreund der Menſchen, zum lebendigen Zeugen für ſpätere Geſchlechter
zu machen. Ihre Jugend iſt ein freudiges förderſames Gedeihen; ihr
Mannesalter ein raſtlos wirkendes urkräftiges Verjüngen, und ſelbſt im
höchſten Alter ſucht man meiſt vergeblich nach den Zeichen des Verfalls.
An paſſenden Standort gepflanzt und vor Beſchädigungen geſchützt ſieht
der Pflanzer ſeinen Pflegling fröhlich gedeihen und zum ſtattlichen Baume
erwachſen. Der walzenrunde Schaft mit geſunder nur leicht gefurchter
Rinde, der leicht und vollſtändig die Narben abgeſtoßener Aeſte verwiſcht,
[545] giebt ſelbſt dem fünfzigjährigen und noch älteren Baum ein noch jugend-
liches Anſehen, und iſt ein um ſo beſſerer Maaßſtab, daran das hohe
Alter jener Rieſenbäume zu ſchätzen, welche ſich namentlich im ſüdlichen
Deutſchland in den Dörfern und Weilern finden, und daſelbſt ſchon für
viele Geſchlechter ein Stück Heimath geworden ſind, welches unantaſtbar
und gefeiet ſteht unter dem Schutz der Ueberlieferung und der jedem reinen
Gemüthe eigenen Ehrfurcht vor dem Begriff des Baumes, welche jedes
dieſem angethane Unrecht mit dem harten Worte Frevel bezeichnet.“


„So kommt es denn, daß bei weitem die meiſten unſerer geſchicht-
lichen, wenn auch nur gemeindegeſchichtlichen Bäume Linden ſind, und es
wäre ein kleiner aber intereſſanter Theil der noch zu ſchreibenden vater-
ländiſchen naturgeſchichtlichen Statiſtik, alle irgendwie denkwürdigen Linden
Deutſchlands zu verzeichnen und kurz zu beſchreiben.“


„Wenn wir den Bäumen nachrühmen, daß ſie uns Schirmer und
Schützer ſind, ſo müſſen wir die ihre ſtarken knorrigen Aeſte emporreckende
Eiche den ſchützenden Vater und die Linde in ihrer oben beſchriebenen
Haltung die hütende Mutter nennen. Wem die günſtige Gelegenheit ge-
boten iſt, von Eiche und Linde einen Muſterbaum in Vergleichung unter-
ſtützender Nähe bei einander zu haben, der wird ſicher mit mir finden,
daß in jener ſich die männliche trotzige Thatkraft ausſpricht, in dieſer mehr
die weiche weibliche Innigkeit. Giebt es einen entzückenderen Anblick, als
eine mit ſüßduftenden Blüthen beladene Linde, ſo daß ihre eigene Per-
ſönlichkeit, das belaubte Gezweig, faſt verſchwindend zurücktritt? Auch
darin liegt eben ein ſie vor allen unſeren übrigen Bäumen bevorzugender
Charakter, daß ſie erſt blüht nachdem ſie mindeſtens einen Monat lang,
gewiſſermaaßen ihr eigenes Selbſt geltend machend, blos Blätter zeigte,
und erſt nachher den ſorglich vorbereiteten Segen ihrer Blüthenfülle ſpendet.“


In Nr. 24. 1862. meines naturwiſſenſchaftlichen Volksblatts „Aus
der Heimath“, woraus dieſe Stelle entlehnt iſt, hatte ich zu Mittheilungen
über berühmte Linden aufgefordert, worauf mir auch ziemlich zahlreiche
Mittheilungen geworden ſind, von denen ich neben einigen anderen älteren
Beiſpielen, Einiges mittheile.*)


Roßmäßler, der Wald. 35
[546]

Es geht aus allen, ſich von begeiſterter Uebertreibung frei haltenden
und auf wirklicher Meſſung beruhenden Angaben hervor, daß ſehr ſtarke
Linden meiſt ein geringeres Alter haben, als man anzunehmen geneigt iſt,
und daß es oft Linden von kaum 100 Jahre überſteigendem Alter ſind,
welche den überwältigendſten Eindruck machen, ohne Zweifel durch die
ihnen noch eigenen Kennzeichen faſt jugendlich zu nennender üppiger Kraft-
fülle und unmangelhafter Geſundheit neben impoſanter Höhe der Krone,
während der Stamm vielleicht kaum einen Durchmeſſer von 4—5 Fuß
hat. Sehr alte verſtümmelte Linden machen vielleicht darum mehr als
eben ſolche Eichen einen ſchmerzlichen Eindruck, weil man ſich erſtere als
Blüthenbaum zu denken pflegt, die Eiche aber nicht.


Von alten Bäumen wird am häufigſten die Linde zur Trägerin von
Gallerien, zuweilen mehrfach übereinander, benutzt, zu denen Treppen empor-
führen, und die ſchweren oft ſehr flach ausgebreiteten Aeſte ſehen wir oft
durch Pfeiler geſtützt.


Die Sage von umgekehrt in den Erdboden gepflanzten und dann ſo
fortgewachſenen Bäumen, daß ſich die Wurzel zu einer reichäſtigen Krone
umwandelte, kommt ebenfalls am häufigſten bei den Linden vor. Aller-
dings kennt man mehrere muthmaßlich an ihren Standort mit Abſicht
gepflanzte Bäume, deren Stamm- und Aſtbildung dieſe Deutung ſehr
unterſtützen, und Schacht ſcheint ein ſolches umgekehrtes Pflanzen eines
Baumes nicht für unmöglich zu halten. Wenn wir nun auch bereits
wiſſen, daß die Wurzel Stammknospen und aus dieſen Stammſproſſe
treiben kann (S. 196), ſo iſt es doch erſt durch Verſuche zu beweiſen,
daß ſie dieſes in dem freien Luftraume könne.


Eine der intereſſanteſten derartigen Linden iſt die mir aus eigenem
Anſchauen (im Jahre 1825) bekannte Linde auf dem Friedhofe von Anna-
*)
[547] berg im ſächſ. Erzgebirge, worüber mir Herr Rülke daſelbſt unter Bei-
fügung einer ſehr guten Zeichnung Folgendes ſchreibt:


„Der Stamm unſerer Linde beſteht aus 6 knorrigen, bemooſten
Hauptäſten, welche ſich in einer Höhe von 3 bis 5 Ellen horizontal fort-
ſtrecken und die ſämmtlich keinen Zweifel darüber zulaſſen, daß man es
hier nicht mit einem gewöhnlichen Baum, und nicht mit Aeſten, wohl aber
mit einem umgekehrten Wurzelſtock, mit einem verkehrt eingeſetzten Baum
zu thun hat. Die Pfahlwurzel, die mit den andern ſchon erwähnten
dicht verwachſen iſt, ſteigt von der Erde aus gerade empor, trennt ſich
vom Wurzelſtock in einer Höhe von ca. 4 Ellen, und ragt nun ſelbſtändig
bis zu einer Höhe von 50 Ellen empor. Kurz über deren Austritt aus
dem Wurzelſtamme, ohngefähr 4½ Ellen über der Erde, beträgt deren
Umfang 7¾ Ellen. Etwa 6 Ellen höher theilt ſich der Hauptſtamm in
2 Theile. Die wieder von dieſen ausgehenden Nebenäſte, haben alle mehr
den Charakter von Wurzeln als von Aeſten. Aus den 6 horizontel ſich
hinſtreckenden Hauptwurzeläſten erhebt ſich hin und wieder ein nach der Höhe
aufſtrebender glatter Stamm. Einer deren, der ſtärkſte, die der Stamm
beſitzt, bildet mit der ſchon beſchriebenen Pfahlwurzel die Krone des Baumes.
Der Hauptſtamm hat einen Umfang von 13 Ellen. Das Blätterdach be-
deckt eine Fläche von 34 Ellen im Durchmeſſer. — Am Wurzelſtock ſind einige
Aeſte ausgeſägt und die Schnittflächen mit Lehm verſtrichen; im übrigen
iſt der Baum ganz geſund. Vom Stamm-Ende in den Boden eintretende
Wurzelanfänge ſind ganz unbedeutend, was bei der Stärke des Stammes
auch für den umgekehrten Stand des Baumes ſpricht.


Darüber daß die Linde ein Alter von über 300 Jahren hat, ſind
alle Sachverſtändigen einig. Eine Schätzung des kubiſchen Inhalts konute
ich mir nicht verſchaffen.


Die Linde ruht gegenwärtig auf Geſtänge, welches von 23 Säulen
getragen wird, die in Entfernungen von ca. 7 Ellen auseinander ſtehen.“


In dieſer Beſchreibung iſt etwas hervorzuheben vergeſſen worden,
was ich aus der mir noch lebhaft vorſchwebenden Erinnerung und nach
der ſehr genauen Zeichnung hinzufüge und was allerdings der Linde das
täuſchende Anſehen eines umgekehrten Baumes giebt: daß nämlich die
Hauptäſte (alſo die muthmaßlichen einſtigen Wurzeln) mit einer ſenkrecht
breit gedrückten Baſis von dem unförmlich kurzen und dicken Stamm ab-
35*
[548] gehen, ganz ſo wie an alten Linden die Wurzelanfänge als platte Strebe-
pfeiler vom Stamme ab und in den Boden einzutreten pflegen.


Natürlich knüpft ſich an dieſe Linde, welche den Glauben an ihre
Umkehrung faſt gebieteriſch in Anſpruch nimmt, eine fromme Sage. Dieſe
berichtet, daß ein Prediger Einem, der nicht an eine Auferſtehung glauben
konnte, dieſe damit bewieſen habe, daß er ein auf dem Friedhof ſtehendes
Bäumchen aus dem Boden riß und indem er es umgekehrt mit der Krone
wieder in den Boden pflanzte ausrief: ſo wahr dieſe Linde wachſen wird, ſo
wahr iſt eine Unſterblichkeit! Wahrer als dieſe Sage iſt, daß die Linde —
an der ich eine Stunde vorher vorübergegangen war — am 28. Sep-
tember 1826 eine furchtbare Feuersgefahr glücklich überſtanden hat, denn da
brannte die auf dem Friedhofe ſtehende Hospitalkirche ab, deren Mauern
die Linde faſt berührt.


An viele unſerer denkwürdigen Linden mögen ſich ähnliche Sagen
anknüpfen; andere ſtehen zu einem hervorragenden geſchichtlichen Ereigniß
in Beziehung und in ſolchen Fällen iſt man wahrſcheinlich manchmal ge-
neigt, auf ein außerordentlich hohes Alter der Bäume zu ſchließen, weil
man vielleicht zu vorſchnell eine bereits ſehr alte ehrwürdige Linde ab-
ſichtlich gewählt ſein läßt, um durch ſie das Ereigniß gewiſſermaßen
zu weihen, nach welchem ſie ſpäter genannt wurde, während in dieſen
Fällen vielleicht die Linde zur Bezeichnung des Ereigniſſes erſt gepflanzt
worden war. Viele alte Linden ſtehen auch zu Gerichtsverhandlungen
(z. B. die „Fehmlinde“ auf dem Bahnhofe in Dortmund), zu Gemeinde-
verſammlungen, zu Volksfeſten, religiöſen Feierlichkeiten ſeit alter Zeit in
Beziehung, wovon, wenn auch in veränderter Geſtalt, ſich Manches bis
auf die Gegenwart vererbt hat; und ſicher iſt keine andere unſerer deutſchen
Baumarten hierzu ſo häufig benutzt worden wie die Linde.


Die berühmteſte und vielleicht älteſte Linde Deutſchlands iſt wohl die
zu Donndorf bei Bayreuth, von welcher, da ſie am 10. Juli 1849 den
letzten ihrer Hauptäſte verlor, nur noch der hohle Stamm als Ruine
übrig iſt. Schon in einer Urkunde von 1369 iſt ihrer als einer ſehr
alten Linde gedacht und 1390 ſoll ſie ſchon 24 Ellen Umfang gehabt
haben. Sie wird von Walſer (a. a. O.) auf etwa 1235 Jahre geſchätzt,
wäre alſo noch älter als die bisher als die älteſte geltende von Chaillé
bei Melles in Frankreich, deren Alter 1196 Jahre betragen ſoll.


[549]

Linden von 300—500 Jahren ſcheinen in Deutſchland nicht eben
ſelten zu ſein, obgleich, wie ſchon bemerkt, große Linden, wie überhaupt
auch andere große Bäume im Alter meiſt überſchätzt werden.


Die ungewöhnliche Geſtalt mancher Lindenbäume mag ihnen — was
jedoch jetzt nicht auf die Annaberger bezogen werden ſoll — von Jugend
auf künſtlich gegeben worden ſein. Dies gilt vielleicht von einer 17½ Fuß
Stammumfang zeigenden Winterlinde bei Oldenburg, welche in einer
Stammhöhe von 10 Fuß eine ganz horizontal ſcheibenförmige Krone und
darüber eine zweite, bis etwa 65 F. hoch reichende mit ſtarken aufwärts ge-
richteten Aeſten hat. Die Aeſte der unteren Krone werden von 16 hölzernen
Säulen getragen.


Indem wir mit den Linden die Reihe unſerer deutſchen Holzpflanzen —
um einen umfaſſenden Begriff zu wählen — beſchließen, darf nicht ver-
ſchwiegen werden, daß nicht nur eben dieſe Faſſung des Begriffs uns
eigentlich veranlaſſen müßte, noch andere „Holzpflanzen“ aufzuführen,
und daß, was ſchon im 4. Abſchnitt (S. 25) hervorgehoben wurde, der
„Waldboden“ noch für eine große Menge anderer Gewächſe Raum hat,
welche nicht unweſentlich dazu beitragen, uns den Begriff des Waldes ab-
zurunden, ihm gewiſſermaßen als Baſis zu dienen. Wir haben in jenem
Abſchnitte gelernt, daß ein geſundes Gedeihen des Waldes ohne dieſe
„Waldkräuter“ — nach der botaniſchen Faſſung freilich nur zum Theil
Kräuter im engeren Sinne — kaum denkbar iſt, und ihre zuſammenfaſſende
Bezeichnung „Bodendecke“ hat nicht blos eine örtliche, ſondern eine wichtige
Lebensbedeutung. Indem Mooſe und Flechten, Gräſer und Kräuter mit
den Bäumen aus Einer Quelle ihre Nahrung ſchöpfen, ſind ſie die
Schwächeren zugleich die Beſchützer der Starken und zahlen dieſen reich-
lich ihre Schuld für die Beſchirmung heim, deren ſie bedürftig ſind.


Wir verlaſſen den pflanzenbeſchreibenden Theil unſerer Waldſtudien,
denn es würde ein bedeutender Theil der deutſchen Pflanzenwelt nun noch
geſchildert werden müſſen, wollten wir alle Pflanzenſchätze des Waldes,
auch nur von wenigen kennzeichnenden Worten begleitet, aufzählen. Nur
[550] Eins ſei noch hinzugefügt: achte man bei ſeinen Waldgängen darauf, daß
die Pflanzen, welche zwiſchen den Bäumen und Büſchen den Waldboden
bedecken, zum größten Theil ganz andere ſind, als welche draußen auf
Wieſen und Feldern unter dem unmittelbar auffallenden Sonnenſtrahl ge-
deihen. Es gewinnt dadurch unſere Auffaſſung des Waldbegriffs an
Klarheit und Schärfe; wir erkennen in ihm ein tauſendfach zuſammenge-
ſetztes Ganzes, an welchem jedes Glied ſeine beſtimmte Stelle einnimmt.
Wir freuen uns dann, wenn wir in beſtimmten Waldbeſtandsarten immer
und überall denſelben Waldkräutern begegnen.


[[551]]

Drittes Buch.
Die Waldwirthſchaft.


[[552]][[553]]

10.
Die Formen des Waldes.


Die Gunſt des Schickſals und der eignen Kräfte

Iſt uns fürwahr ſehr ungleich zugefallen;

Der Eine ſtirbt in niederem Geſchäfte,

Indeß die Andern zu dem Höchſten wallen.

Dem Niederwald iſt Jener zu vergleichen,

Der unabläſſig doch nur Kleines leiſtet;

Dem Hochwald Dieſe, deſſen ſtolze Eichen

Bewußtſein höchſten Werths durchgeiſtet.

Das forſtlich ungeübte Auge bemerkt es oft nicht, daß der Wald
neben den unterſcheidenden Merkmalen, welche ihm die verſchiedenen Baum-
gattungen aufprägen, hinſichtlich ſeines Geſammtausdrucks ſich ſehr ver-
ſchieden darſtellt; die Gründe dazu ſind ſehr manchfaltig. Seit wir in
Deutſchland nur noch geringe Ueberreſte von Urwald haben — wir lernten
einen ſolchen nach Weſſelys Schilderung kennen (S. 205) — ſind faſt
unſere ſämmtlichen Waldungen entweder von Menſchenhand erzogen oder
wenigſtens inſofern nicht mehr urſprüngliche, als der in ihnen freiſchaffenden
Natur der Forſtmann lichtend, gliedernd, nachbeſſernd gegenüber getreten
iſt. Es mag vielleicht in den Gebirgswäldern noch manche Strecken geben,
welche niemals einem Kahlhiebe unterworfen geweſen und dann wieder
neu in Beſtand gebracht worden ſind, wie in den ſüddeutſchen und ſchweize-
riſchen Alpenwäldern noch ganze Gebiete wegen ihrer Unzugänglichkeit
oder wenigſtens wegen der faſt zur Unmöglichkeit werdenden Schwierigkeit
der Holzabfuhre von der „Forſteinrichtung“ noch nicht in ihr Bereich
gezogen worden ſind, wo mit einem Worte der Wald noch Wald geblieben,
noch nicht Forſt geworden iſt.


Wenn wir jetzt die verſchiedenen Formen des Waldes kennen lernen
wollen, ſo haben wir dabei zu unterſcheiden, ob dieſe Verſchiedenheit von
Natur bedingt oder durch menſchliches Dazuthun hervorgerufen ſei.


[554]

Von Natur kann eine ſolche Verſchiedenheit bedingt ſein durch die
Bodenbeſchaffenheit, durch klimatiſche Einflüſſe und, was damit zuſammen-
hängt, durch die Seehöhe, Himmelsrichtung und geographiſche Lage. Hierzu
kommen noch die Lebensgeſetze der Baumgattungen ſelbſt, welche auf das
Anſehen des von dieſen gebildeten Waldes einen beſtimmenden Einfluß
ausüben können.


Wenn man bei Hoch-, Mittel- und Niederwald auch mehr nur
an die forſtwirthſchaftlich erſtrebten drei Hauptformen des Waldes zu
denken pflegt, ſo iſt es doch denkbar und auch thatſächlich wahr, daß die
Natur auch freiwillig dieſe drei Formen ſchafft, wenn ſchon nicht ganz in
derſelben wirthſchaftlichen Bedeutung und ſcharfen Gegenſätzlichkeit. Die
uns bekannte Natur der Nadelhölzer, in dichtem Schluß und in inniger
Vergeſellſchaftung unter ſich zu erwachſen, bringt es mit ſich, daß es von
ihnen freiwillig erwachſene Hochwälder giebt, welche künſtlich erzogenen
an Reinheit und Gleichmäßigkeit des Beſtandes nicht nachſtehen. Nicht
minder kann es wenigſtens dem Anſehen nach natürliche Mittel- und Nieder-
wälder geben. Jene würden ſolche ſein, wo einem dichten buſchigen Unter-
holze — aus Holzpflanzen beſtehend, welche ſtets niedrig bleiben — in
weitläufiger Vertheilung hohe Bäume beigemengt ſind. Fehlten ſolche
Bäume, ſo würde das niedere Buſchholz allein einen natürlichen Nieder-
wald bilden. Wir werden bald ſehen, daß dieſe natürlichen Mittel- und
Niederwälder von den künſtlich hergeſtellten dennoch in einem nicht un-
weſentlichen Punkte verſchieden ſind.


Wir wiſſen, daß der Forſtmann keinen Nadelholzniederwald haben
kann (S. 357), und doch kann die Seehöhe mit der Krummholzkiefer das
Bild eines ſolchen auf den Alpen hervorbringen.


Aber die freien Walderſcheinungen dürfen wir nicht in dieſe drei forſt-
mäßigen Formen bannen. Tritt ja doch die Natur in ihren organiſchen
Schöpfungen nirgends freier und zugleich gewaltiger auf, als im Walde.


Wie die Natur, wenn ſie von menſchlicher Einmiſchung unbehelligt
bleibt, ihre Wälder bilde iſt freilich in dem gegenwärtigen Deutſchland
kaum noch zu ſehen und wir müſſen, von den drei genannten Formen an
ſich abſehend, bei einer natürlichen Unterſcheidung der Waldungen ſowohl
von der forſtmänniſchen Rückſicht als von den äußeren Eigenthümlichkeiten
der Baumgattungen als Kriterien abſehen. Wenn wir dies thun, ſo
[555] kommen wir zu phyſiſchen und zu phyſiologiſchen Geſichtspunkten und können
danach Auenwald, Heide, Bruchwald, Gebirgswald und Alpen-
wald
unterſcheiden, neben und über welchen ſelbſtverſtändlich der ſouveräne
Unterſchied von Nadel- und Laubwald beſteht.


In der Tiefebene bilden Auenwald und Heide zwei Gegenſätze, welche
gleichwohl ziemlich nahe nebeneinander beſtehen können. Die Bodenbe-
ſchaffenheit iſt es beinahe allein, welche dieſen Gegenſatz bedingt und damit
zeigt, wie groß ihr Einfluß ſich auf den Charakter der Vegetation erweiſt.


Unter Auenwald verſtehe ich hier die Bewaldung der ebenen, frucht-
baren Bewäſſerungsgebiete kleinerer und größerer Flüſſe, welche ſich nur
ſtellenweiſe und in geringem Maaße über die Anſchwellungshöhe dieſer
Gewäſſer erheben, übrigens aber unter dieſer liegen. Die Auenwälder
gehören zu unſern ſchönſten Laubwäldern und ſind immer gemiſchte, mit
Vorherrſchen der Stieleiche, des Hornbaums, der Rüſtern, der Eſche
und ſparſamer auch der Ahorne und Linden. Buchen gehen ihnen meiſt
ganz ab, da dieſe einen überſchwemmten Boden nicht vertragen. Den genüg-
ſamen Nadelhölzern iſt es hier zu üppig, oder ſie ziehen ſich wenigſtens
auf die höheren Stellen zurück. Die große Fruchtbarkeit des Schwemm-
landes, welches die Auenwälder trägt, macht aus ihnen gewöhnlich ein
Mittelding zwiſchen Hochwald und Mittelwald, indem zwiſchen den ſelbſt
nicht ſehr räumlich ſtehenden Bäumen ein oft ſehr üppiger Unterwuchs von
Buſchholz aufſprießt, welcher bei gleichem Baumſtande auf höheren Lagen
nicht aufkommen würde. Wo in ſolchen Auenwaldungen die Eiche vor-
herrſcht, die ſich immer ſelbſt im ausgeſprochenſten Hochwalde licht ſtellt,
da iſt eine Mittelwaldwirthſchaft geradezu geboten. Man kann ſolche
Wälder faſt mit demſelben Rechte als Mittelwald wie als Hochwald an-
ſprechen; denn die Bäume ſtehen ſo dicht und haben einen ſo ſtarken
Höhenwuchs, als es ihnen überhaupt im Hochwalde zukommt, und doch
ſteht zwiſchen ihnen noch Buſchholz, welches eine regelmäßige und aus-
giebige Schlagführung zuläßt*).


[556]

Die Auenwälder bergen in ihrem Schooße gewöhnlich alle landſchaft-
lichen Reize, die man nur wünſchen mag: Abwechſelung zwiſchen Laub-
maſſen und ſaftigen Wieſengründen, ſchilfumfangene Weiher und Bäche
und in Mitten dieſer ſonnigen Umrahmung freundliche Dörfer, in denen
ein Haus mit dem Geweih am Giebel ſich als die Wohnung des Förſters
auszeichnet, deſſen reicher Rehſtand mit den rothen Rindern ſeines Nachbars
an demſelben Waldrande, wenn auch zu anderer Tageszeit, weidet. Wo
an den grünen Rand des ausgedehnten Auenwaldes eine fruchtbare Feld-
fläche ſich anſchmiegt und dicht auf der Grenze ſich eine ländliche An-
ſiedelung gebettet hat, da iſt für den jungen Städter recht eigentlich der
Platz, eine Dorf-Idylle zu leben, da iſt ein reizendes Ineinanderfließen
der Wald- und Feldwirthſchaft, der Freude am Landleben und des
Träumens im ſchattigen Waldesdunkel. Die Nähe eines gepflegten Auen-
waldes ſchützt die große Stadt der Tiefebene vor dem Hereinbrechen der
Langweiligkeit, welche dem vordringenden Feldbau auf dem Fuße folgt.
Und in ſolche glücklicher Lage befindet ſich Leipzig, welches aus ſeinem
weſtlichen Thore unmittelbar in einen der ſchönſten Auenwälder Deutſch-
lands tritt.


Das Unterholz der Auenwälder beſteht meiſt aus den verſchiedenſten
Strauch-Arten, zum Theil auch aus Wurzelbrut der Oberbäume, namentlich
der Rüſtern und der Espe, welche zu ſtarken Büſchen, ja ſelbſt zu anſehn-
lichen Stämmen erwachſen kann. Daher ſind fruchtbare Auenwälder
beſonders in den erſten drei bis vier Jahren nach dem Abhiebe des
Unterholzes, die dichteſten und undurchſichtigſten, was durch den üppigen
Kräuterwuchs, der ſich gewöhnlich einfindet, noch vermehrt wird. In den
tiefften Stellen überlaſſen die übrigen Bäume meiſt der Schwarzerle allein
das Terrain; nur die Eſche liebt es noch, ihre Wurzeln in dauernd naſſen
Boden zu treiben, während die übrigen Holzarten des Auenwaldes wohl
oft wiederkehrende und ſelbſt länger anhaltende Ueberfluthungen, aber nicht
eigentlich waſſerhaltigen Standort vertragen. Gerade dieſe große Ver-
ſchiedenheit des Feuchtigkeitsgehaltes der Auenwälder, bedingt durch die
Niveauverhältniſſe des Bodens, verleiht ihnen die große Abwechſelung,
welche ſelbſt Kiefernhorſte nicht ausſchließt, die ſich auf den höchſten und
demnach trockenſten Punkten der Aue nicht ſelten finden.


[557]

Es wurde oben ſchon angedeutet, daß der Auenwald auch die blüthen-
reichſte Form des Waldes iſt. Da ſich die Laubwälder im Allgemeinen
lichter ſtellen als die Nadelwälder, mithin keine ſo dunkle Beſchattung
des Bodens ſtattfindet, ſo bleibt kein Fuß breit Boden von dem niederen
Völkchen der Kräuter und Gräſer unbenutzt. Darunter iſt manches
ſtattliche Gewächs, ſei es durch bunten Blüthenſchmuck, ſei es durch
ſaftige Blätterfülle aus dem undurchdringlichen Kräuterdickicht hervortretend.


Der Auenwald iſt daher auch der Lieblingsaufenthalt für die tief am
Boden niſtenden Singvögel, voran die Nachtigall, welche in ihrer kurzen
Liederzeit ihren Geſang aus dem dichten Gezweig des Unterholzes, oder
von einem niedern Baumaſte herab erſchallen läßt.


Ganz andere Gefühle und Gedanken weckt die Heide in uns.
Wir ſchleppen uns in Gedanken im tiefen Sande des Fahrwegs oder
ſchreiten über den ſonndurchglühten, von niederen Sandpflanzen kaum
verhüllten Heideboden, deſſen verkrüppelte Kiefern und Birken uns die
unerquickliche Ausſicht kaum beeinträchtigen. Ganz ſo ſchlimm iſt es aber
nicht immer. Wenn wir die mit dieſem Namen officiell benannten Heiden,
die Lüneburger, die Dübener, die Görlitzer, die Dresdener und andere
mit einander vergleichen, ſo finden wir nicht nur eine ſehr große Ver-
ſchiedenheit in der Wüchſigkeit ihrer Waldbeſtände, ſondern wir finden
auch, daß ſie hinſichtlich ihrer Bodenverhältniſſe auf zwei ganz ver-
ſchiedenen, einander entgegengeſetzten Bedingungen beruhen: auf Sand
und auf Moor. Zwei ſo verſchiedene Urſachen rufen dieſelbe Wirkung
hervor, wenn auch das Zuſammenwerfen der Sandheiden und der Moor-
heiden in mehr als einer Hinſicht nicht gerechtfertigt iſt, da ſie nicht nur
verſchiedene landſchaftliche Bilder geben, ſondern auch forſtlich ſich ſehr
verſchieden von einander verhalten.


So grell der Unterſchied zwiſchen Heide und Auenwald auch erſcheint,
ſo iſt doch die erſtere, wenn ſie Moorheide iſt, dem letzteren phyſiſch
nahe verwandt, denn ſie iſt wie dieſer durch Waſſerreichthum des Bodens
bedingt und findet ſich eben ſo vorzugsweiſe in der Ebene, jedoch eben
ſowohl auf der Hoch- wie in der Tief-Ebene. Der Unterſchied zwiſchen
beiden beruht in dem tiefen Untergrunde, welcher bei der Moorheide das
überſchüſſige Waſſer nicht in die Tiefen des Grundes hinabtreten läßt,
ſondern durch eine Thon- oder eine andere undurchdringliche Schicht in
[558] der Oberfläche des Bodens zu bleiben zwingt; während in dem Auenwalde
theils die Niveauverhältniſſe, theils der durchläſſige, meiſt aus Diluvial-
ſand beſtehende Untergrund das Ueberfluthungswaſſer theils abfließen,
theils in die Tiefe verſickern läßt.


Das Kapitel der Verſumpfung, welches uns jetzt in der Moor-
heide praktiſch entgegentritt, iſt in der Forſtwirthſchaft eines der am
meiſten Sorge und Arbeit auferlegenden. Wir haben hier die drei Arten
der Verſumpfung durch Tagewaſſer, durch Quell- oder durch Stauwaſſer
nicht zu erörtern, eben ſo wenig eine Anleitung zur Entwäſſerung durch
Gräben oder unterirdiſche Abzüge (Drainage), oder durch Senklöcher
(Fontanelle) zu geben — wir haben uns blos daran zu erinnern, daß
der verhinderte Abzug überflüſſigen Waſſers immer der Grund zur Ver-
ſumpfung iſt. Das verſchiedene Lebensbedürfniß der Gewächſe erheiſcht
für eine ganze Gruppe derſelben, deshalb Moor- und Torfpflanzen ge-
nannt, ſolches ſtockendes Waſſer; dieſe Pflanzen ſind daher die nie fehlenden
Beſtandtheile der Pflanzendecke (S. 30) des Moorheidebodens. Sie geben
den Moorheiden, abgeſehen von den Bäumen, ihren eigenthümlichen ein-
tönigen Charakter, denn die Moorpflanzen ſind faſt ohne Ausnahme
niedrige klein- und feinblättrige Gewächſe. In der dicht aus Mooſen
gewebten oder mehr noch verfilzten Grundmaſſe wurzeln echte und Halb-
gräſer und unſere zierlichſten Vertreter der Familie der Heidepflanzen
(Ericaceen); zwiſchen den Kiefern, dem weſentlichen Beſtandbildner der
Moorheiden, drängen ſich die dichten Schaaren der Heidebüſchchen (Erica
vulgaris)
und der Heidelbeeren, letztere hier und da vertreten von der
Preiſel- und der Rauſchbeere, während eine vierte Art der alten Linné’ſchen
Gattung, Vaccinium, die Moosbeere, ihre fadendünnen Stämmchen weit hin
über die Moospolſter ſpinnt. Faſt die einzige höher wachſende Pflanze iſt der
ſich nicht leicht vermiſſen laſſende Adlerfarrn, deſſen wunderbare Reichsadler-
geſtaltung im Gewebe des Wedelſtieles wir auf S. 37 geſehen haben.


Die Beſtände der Moorheide, meiſt Kiefern mit eingeſprengten Birken
und Schwarzerlen, denen ſich aber oft auch, jedoch erſichtlich als ſchlecht
bewirthete und ſich deshalb unbehaglich fühlende Gäſte Eichen und Eſchen,
ſelbſt Buchen beigeſellen, verrathen faſt immer ein gewiſſes Beſchränktſein
ihres Gedeihens durch eine Schranke, über welche ſie nicht hinaus können.
Das giebt ſolchen Heiden ein eigenthümliches Anſehen von Eintönigkeit
[559] und Mittelmäßigkeit, über welche ſich ſelten einzelne Bäume oder kleine
Beſtände, bevorzugt durch günſtigere Bodenverhältniſſe, emporarbeiten.
Buſchige Weidenarten, von denen die kriechende Weide mit ihren kleinen
Lanzettblättern ſich kaum einen Fuß über Moorwieſenplätze erhebt, bilden
hier und dort truppweiſe das Unterholz, beſonders die Ohrweide und
die krüppelhaft bleibende Sahlweide (S. 460 und 456).


Die Moorheiden ſchließen gewöhnlich weite Wieſenflächen ein oder
ſind von ihnen umgürtet und unter dieſen ruht gewöhnlich ein Torflager,
deſſen Ausbeutung meiſt einen beſſern Ertrag liefert, als das ſaure Gras
darüber.


Den Moorheiden Nordoſtdeutſchlands, die aber meiſt baumloſe Moor-
brüche ſind, verdanken wir die läſtige Gabe des Höhenrauchs, auch
Haarrauch, Heerrauch, am richtigſten aber Moorrauch genannt, weil
er durch das Abbrennen großer Moorflächen entſteht, was in der trockenſten
Jahreszeit, Juli und Auguſt, namentlich in Oſtfriesland, vorgenommen
wird, um durch die Aſche den Boden zu düngen. Es iſt unbegreiflich,
wie man dieſe durch den Geruch ſchon zu deutende Erſcheinung in den
ſüdöſtlich gelegenen Breiten Deutſchlands lange Zeit falſch deuten und
für meteoriſchen Urſprungs halten konnte.


Wie auch ſonſt oft die äußerſten Gegenſätze nahe bei einander liegen,
ſo gränzt oft dicht an die Moorheide die Sandheide*), wo der Wald
nur ſeine beiden anſpruchloſeſten Kinder, Kiefer und Birke, zu erhalten
vermag, freilich zu einem kümmerlichen Daſein. Während wir eben auf
der Moorheide eine einförmige Mittelmäßigkeit des Baumwuchſes fanden,
der doch innerhalb der gezogenen Schranken eine gewiſſe geſchloſſene Ge-
deihlichkeit zeigt, ſo iſt die Heide des Sandbodens ein Ringen um ein
armſeliges Sein, welches Leben kaum genannt werden kann, weil ihm die
Frucht des Lebens, Wachſen und Gedeihen, kaum anzuſehen iſt. Oft
findet auch ein Schluß der Bäume zu einem eigentlichen Beſtande nicht
ſtatt, ſondern es ſcheint als ob jeder Baum eine um ſo größere Fläche
bedürfte, je ärmer der Boden iſt; und wenn die Mühe des Forſtmanns
dennoch einigen Schluß herzuſtellen vermocht hat, ſo bleibt dieſer doch
[560] nur in dem Jugendalter der Kulturen, und die Stangenhölzer ſtellen ſich
licht und locker, wenn nicht ein verborgener Schatz an Bodenfeuchtigkeit
ſpäter von den tiefer dringenden Wurzeln gehoben wird.


Die Sandheide bietet übrigens eine lange Stufenleiter von ziemlich
wüchſiger Bewaldung bis zu den magerſten Flächen abwärts, auf welchen
Birken und Kiefern niedere Büſche bleiben, denen man an dem knickigen
Wuchs und an der Rinde anſieht, daß ſie viel älter ſind, als ihre Höhe
anzeigt. Die Birke zeigt ihre weiße Rindenfarbe ſchon an ganz ſchwachen,
aber eben unerwartet alten Stämmchen, und die Rinde der kleinen Kiefern
iſt rauh und riſſig und entbehrt der ſchönen rothgelben Farbe an den
Aeſten der Krone. Auch bleiben die Nadeln der Kiefer kleiner, die Triebe
kürzer, namentlich der Herztrieb, während ſich dagegen die Seitentriebe
beſſer entwickeln, wodurch auf recht mageren Sandſtellen eine kurze aber
breitkegelförmige Strauchgeſtalt hervorgerufen wird. Während ſo Kiefer
und Birke auf dem Heideboden nur kümmerlich gedeihen, fühlt ſich der
kleine buſchige Wachholder behaglich und überwächſt zuweilen ſogar jene
beiden. Was an andern Baumarten zuweilen noch auf der Sandheide
vorkommt, z. B. Fichte, Erle, Eiche, trägt mehr oder weniger den Stempel
des Verkommens.


Wo aber der Baumwuchs auf das niederſte Maaß herabgedrückt iſt,
und die verkümmerten Strauchbäumchen wie Verirrte auf der Sandebene
zerſtreut ſind, da ſtellt ſich deſto reichlicher ein ganzes Heer von Sand-
pflanzen ein, welche ſich hier in ihrer richtigen Heimath befinden und
nicht leicht auf nahrhafterem Boden gefunden werden. Daher ſind viele
davon untrügliche Wahrzeichen des echten Heidecharakters eines Bodens,
deren Vorherrſchen im Stande iſt, den Förſter, der hier gern einen Beſtand
in die Höhe bringen möchte, muthlos zu machen. Schon die Namen, die
deutſchen ſowohl wie die wiſſenſchaftlichen, ſolcher Pflanzen und auch vieler
Thiere deuten auf Heide und Sand und erkennen dadurch an, daß Heide
und Sand dem Thier- und Pflanzenleben nicht immer nur feindlich ſind,
ſondern ſich eigene Formen deſſelben erſchaffen haben, welchen Heide und
Sand eben ſo nothwendige Lebensbedingungen ſind, wie anderen Sumpf
und Waſſer, oder die dünne Erdkrume in den Felſenriſſen der Alpen,
anderen die unerſchöpfliche Dammerdeſchicht unter der tropiſchen Sonne.
Das Goetheſche „Eines ſchickt ſich nicht für Alle“ vermag gleichwohl den
[561] Forſtmann nicht, verzichtleiſtend den Sand- und Haideboden den Sand-
und Haidepflanzen zu überlaſſen; er müht ſich, ihn für ſeine Bäume zu
erobern, eine Aufgabe, deren Schwierigkeit wir ſchon auf unſern erſten
Seiten dadurch weſentlich vermehrt fanden, daß ſehr oft Derjenige die
Erfolge nicht erlebt, der die Arbeit gemacht hat, mithin die Zweckmäßig-
keit ſeiner Arbeit nicht prüfen konnte.


Vielleicht iſt es hier zum erſtenmale in unſerem Buche nicht blos zu-
läſſig, ſondern geboten, dem deutſchen Walde ein fremdes Element bei-
zumengen. Sind uns auch Kiefer und Birke ſattſam als die zwei genüg-
ſamſten Bäume bekannt, ſo können wir gleichwohl an hundert Orten
Deutſchlands ſehen, daß auf dürrem Sandboden ihre geduldige Genügſam-
keit doch zu Ende geht. Ein nordamerikaniſcher und ein chineſiſcher Baum
ſind „vielleicht, ja ich möchte ſagen wahrſcheinlich berufen, die norddeutſchen
Sandwüſten in Laubwälder umzuwandeln.“*) Es ſind dieſe die ſeit dem
Jahre 1600 in Europa aus Canada von Jean Robin eingeführte Akazie
oder beſſer Robinie, Robinia pseudoacacia L. und der Götterbaum,
Ailanthus glandulosa Desfont., aus China, zwei Bäume, welche die
äußerſte Genügſamkeit mit den Vorzügen vortrefflichen Holzes und förder-
ſamer Bodenverbeſſerung durch reichen Laubfall verbinden.


Der Rath, mit dieſen beiden ſchönen Bäumen Verſuche anzuſtellen,
die Sandflächen nutzbar zu machen, iſt übrigens ſchon ſehr alt, wenigſtens
hinſichtlich der Robinie, und man hat alle Urſache zu fragen, weshalb die
Forſtwirthſchaft nicht mit dieſer beharrliche, aber eben beharrliche Verſuche
angeſtellt habe. Es iſt wahrhaftig an der Zeit, ſich mit aller Kraft der
Verminderung des Waldes entgegenzuſtemmen. Dies muß in der Weiſe
verſucht werden, daß bisher unbenutzte oder für ertragsunfähig gehaltene
Flächen für den Wald gewonnen werden, da von den Privat- und
Gemeindewaldungen jährlich nicht unbedeutende Strecken der Forſtwirth-
ſchaft für immer entzogen und dem reichlicher wenigſtens ſchneller ver-
zinſenden Feldbau zugewieſen werden.


Wir gehen zu einer anderen Form des Waldes über, für welche ich
nirgends eine allgemein geltende Bezeichnung finde, vielleicht deshalb,
Roßmäßler, der Wald. 36
[562] weil von ihr in Deutſchland nur einige wenige Beiſpiele vorkommen, die
jedoch ihrer abſonderlichen Erſcheinung wegen eine beſondere Benennung
verdient. Wenn ich als ſolche Bruchwald vorſchlage, ſo weiß ich recht
wohl, daß ich darin der gewöhnlichen Auffaſſung eines Bruches nicht
ganz entſpreche, worunter man ſich eine faſt baumloſe, moorige, von
Waſſerſpiegeln durchzogene Fläche denkt. Durch eine Schilderung des
Spreewaldes, welcher mir die Veranlaſſung zu der Hervorhebung dieſer
beſonderen Waldform giebt, wird der Begriff derſelben am beſten hervor-
gehen. Der Spreewald iſt ein mehrere Geviertmeilen großes Gebiet
zwiſchen Kottbus und Lübben in der preuß. Provinz Brandenburg, in
welchem ſich die Spree in ein Netz zahlloſer Arme und Waſſeradern
zerſpaltet. Auf der langen Strecke von neun Meilen zeigt ſich der träge
rinnende Fluß in erſichtlicher Verlegenheit über den einzuſchlagenden Weg,
indem er bald hier- bald dorthin einen Zweig abſchickt. Die dadurch ent-
ſtehenden Inſeln von zum Theil faſt vollkommener Ebene ſind großen-
theils reich bewaldet und außerdem mit Wieſen und Feldfluren bedeckt.
Der Spreewald iſt daher eine Fläche, auf welcher der Gebrauch des
Wagens eben ſo unnöthig, wie unmöglich iſt; er bildet ein vielfach ſich
verzweigendes Kanalſyſtem, deſſen Arme einem Blattadernetz gleich hundert-
fältig in einander einmünden. Es iſt ein Venedig des Waldes. Der
Jäger beſchleicht das Wild im Nachen, den er mit lautloſen Ruderſchlägen
lenkt, wie das Vieh im Nachen zur Weide und das Heu in die Speicher
geführt wird. Nur wenn der Winter die flüſſigen Wege gefeſtigt hat, iſt
die Holzabfuhre auf dem Eiſe möglich. Auf dem Nachen fahren die Kinder,
geborne Matroſen, zur Schule, die Alten zur Kirche. Alle unſere deutſchen
Laubbäume ſind hier in Prachtexemplaren heimiſch; auf etwas trockenen
Stellen findet ſich ſogar Nadelholz ein. Auf kleinen natürlichen Er-
höhungen liegen im Schatten mächtiger Bäume die ländlichen Güter wie
kleine Burgen von einem Wallgraben umfloſſen.


Wer denkt bei dieſer Waldform nicht an die Schilderungen Humboldts
und Schomburgks von den Reiſen durch die Urwälder des nördlichen Süd-
amerika, wo die zahlreichen Waſſeradern auch die einzigen Straßen bilden.


Aehnliche Waldverhältniſſe, wenn auch nur in geringem Umfange,
kommen in der nordoſtdeutſchen Ebene mehrfältig vor. Sie ſind wahr-
ſcheinlich überall, wie es von dem Spreewald nachweisbar iſt, die Ueber-
[563] reſte ehemaliger flacher Seebecken deren lettiger Untergrund ein völliges
Verſiechen dieſes Waſſernetzes verhütet, da im Spreewald der Zuſtrom
des Spreewaſſers allein dies wahrſcheinlich nicht würde verhindern können.


Indem wir von der Ebene in die Gebirge hinaufſteigen und dort die
Formen des Waldes betrachten wollen, muß uns der merkwürdigſte, weil
nur in wenigen Fußen ſich ausſprechende Unterſchied zwiſchen Ebene und
Höhe einfallen: Marſch und Geeſt. Das nördliche Deutſchland, namentlich
an der Küſte der Nordſee und weit hinauf in die Mündungen der Elbe und
Weſer, iſt der Schauplatz eines ewigen Kampfes der Menſchen mit dem Meere,
um dieſem neues Land abzugewinnen und das gewonnene vor dem zurück-
fordernden Andrängen der Fluthen zu vertheidigen oder älteren Landbeſitz
vor dem Anheimfallen an das bewegliche Element durch Deiche zu ſchützen.
An die tiſchgleiche Marſch ſtößt die oft nur um einige Fuß höhere Geeſt;
jene bekanntlich ein Muſter von üppiger Fruchtbarkeit, dieſe meiſt ſandig
und kieſig und daher unfruchtbar. Doch kommen namentlich auf der
Oſtſeite Schleswig-Holſteins auf der Geeſt die herrlichſten Waldungen,
namentlich Buchwaldungen vor, welche auch ein Schmuck vieler däniſchen
Inſeln ſind, die ſich wenig über den Meeresſpiegel erheben.


Eine Höhenſtufe anzugeben wo der Gebirgswald anfängt iſt
kaum möglich; es muß ſogar die untere Grenze des Gebirgswaldes ſehr
tief gezogen werden, indem noch unter 500 Fuß Seehöhe der Wald
wenigſtens den Baum- und Pflanzencharakter des Gebirgswaldes annimmt,
ohne noch den ausgeſprochenen Bergcharakter zu beſitzen. Der Fuß des
ſächſiſchen Erzgebirges, der bei Tharand nur einige Hundert Fuß über
dem Elbſpiegel bei Dresden liegt, hat in ſeinen Wäldern vollkommen den
Charakter des Gebirgswaldes. Eben ſo ſchwierig iſt es, die Höhengränze
gegen den Alpenwald zu beſtimmen.


Hier wie dort kommt es nicht allein auf die Höhenausdehnung des
Gebietes an, ſondern gar ſehr auch auf die Horizontalausdehnung. Es
iſt ähnlich wie mit der Schneegränze, welche in umfangreichen Hoch-
gebirgen tiefer herabreicht, als auf einzeln auf der Ebene ſtehenden Bergen
von gleicher Höhe. Letztere ſtehen in ihren klimatiſchen Verhältniſſen ſehr
unter dem Einfluſſe der wärmeſtrahlenden Ebene, während ausgedehnte
Hochgebirge unabhängig hiervon ſich gewiſſermaßen ihr Klima ſelbſtſtändig
bilden, deſto rauher je umfänglicher ſie ſind; was jedoch nicht ausſchließt,
36*
[564] daß in ihrem Schooße Thäler und kleine Keſſel-Ebenen von hoher Er-
wärmungsfähigkeit liegen.


Die Bezeichnung Gebirgswald wäre willkürlich und phyſiſch unbe-
rechtigt, wenn wir einen ſolchen nur aus der Hochlage erkennen könnten.
Auch wenn wir nicht daran denken, daß wir uns hoch genug befinden,
um einen uns umgebenden Wald einen Gebirgswald nennen zu dürfen,
müſſen uns dies die Merkmale ſeiner Pflanzenwelt ſagen, nicht nur ſeine
Bäume und Sträucher, ſondern auch die Pflanzendecke ſeines Bodens und
die Beſchaffenheit der Waldwieſen.


Dies ſetzt allerdings auf unſrer Seite eine gewiſſe Vertrautheit mit
der deutſchen Pflanzenwelt voraus, um zu wiſſen, welche Pflanzenarten
im Tieflande, welche auf den Höhen wachſen. Dieſe Gränzlinie iſt
übrigens keineswegs ſo ſcharf gezogen, daß wir nicht Hochwaldsmerkmale
auch zuweilen im Ebnenwalde fänden, und umgekehrt; es gilt hier alſo
mehr einen Mittelwerth dieſer Merkmale herauszufinden.


Wenn wir das über Standort und Vorkommen der einzelnen Wald-
bäume Geſagte überblicken, ſo finden wir in dem Knieholz und der
Schwarzkiefer entſchiedene Charakterzüge des Gebirgswaldes, ja ſogar
Gränzbäume zwiſchen dieſem und dem Alpenwalde; daſſelbe gilt unter den
Nadelhölzern faſt in gleichem Umfange auch von der Lärche, und einiger-
maßen auch von dem Taxus. Schwieriger laſſen ſich unter den Laub-
hölzern, wenn wir nicht unbedeutende Sträucher zu Hülfe nehmen wollen,
entſchiedene Gebirgswaldbäume feſtſtellen. Vielleicht iſt die Steineiche ein
ſolcher zu nennen, auch Buche und Weiß-Erle kommen als beſtandbildende
Bäume entſchieden mehr dem Gebirgswalde als der Ebene zu, obgleich in
dieſer, je höher wir nach dem deutſchen Nordoſten vorſchreiten, prachtvolle
Buchenbeſtände ſogar dicht an der Meeresküſte vorkommen. Alle übrigen
beſtandbildenden Nadel- und Laubholzbäume gehören mehr oder weniger
vorherrſchend der Ebene wie dem Gebirge an, da ſie weniger von klima-
tiſchen als von Bodenbedingungen abhängig ſind, und daher von dem
Forſtmann mit Berückſichtigung ihrer Eigenheiten meiſt ebenſowohl auf
jener wie in dieſem angebaut werden können.


Ein erheblicher Charakterzug des Gebirgswaldes, der dem Unter-
richteten faſt immer maßgebend iſt, liegt in der Beſchaffenheit der Boden-
decke, deren verſchiedenartige Zuſammenſetzung und Benennung wir im
[565] 4. Abſchnitt kennen gelernt haben. Die im Auenwalde, mit welchem
mancher fruchtbare Gebirgswald eine bedeutende Aehnlichkeit haben kann,
faſt immer auf das geringſte Maaß beſchränkten Flechten, Mooſe und
Farrenkräuter ſpielen am Boden des Gebirgswaldes eine ſo hervorragende
Rolle, daß man ſich nur ſelten irren wird, an dieſem Vorherrſchen den
Gebirgswald zu erkennen. Dabei iſt allerdings nicht zu überſehen, daß
die Beſchaffenheit der Pflanzenſtreu und überhaupt der Bodendecke zum
Theil mit abhängig iſt von der den Beſtand bildenden Baumart zuſammen
mit der übrigen Bodenbeſchaffenheit. So kann es vorkommen, daß auf
beſonders für einen Fichtenhochwald geeignetem Boden der Ebene ſich die-
ſelbe ſammtene Moosdecke oder dieſelbe fahle, faſt allen Pflanzenwuchſes
baare Nadelſtreu wie im Gebirgswalde findet.


Zuverläſſiger ſind daher einige Waldkräuter und Waldſträucher für
die Charakteriſtik des Gebirgswaldes, wie es andererſeits dergleichen auch
für den Auenwald giebt und wir auch für die Haide einige genannt haben.


Hier wäre vielleicht der paſſende Ort, die botaniſche Beſchreibung
des Waldes durch Hinzufügung der wichtigſten Waldbodenpflanzen zu
ergänzen, wenn dies ohne Abbildungen oder in Ermangelung dieſer ohne
eine eingehende Beſchreibung ausführbar wäre. Unſer Buch will aber
den Wald nicht bis auf deſſen letzte Einzelnheiten ausbeuten und ſich den
Leſern gewiſſermaßen blos zur Kontrole, ob auch Alles richtig drin ſtehe,
überlaſſen; ähnlich wie gewiſſe geiſtloſe „Touriſten“ mit dem Reiſebuche
in der Hand blos ſoweit auf die Natur blicken, als nöthig iſt, um die
Richtigkeit oder die Fehler jenes zu konſtatiren. Unſer Buch will ſeinen
Leſern und Leſerinnen noch etwas übrig laſſen; und wenn es ſeinen Zweck
erreicht, jene zu einem fleißigen und achtſam Umſchau haltenden Beſuch
der deutſchen Waldungen zu veranlaſſen, ſo wird eine Vergleichung der
Waldblumen der Ebene und des Gebirges dieſen Beſuchen einen weſent-
lichen Schmuck verleihen.


Der herrſchende Baum unſerer deutſchen Gebirgswaldungen iſt wohl
ohne Zweifel die Fichte, überhaupt das Nadelholz; unter den Laubhölzern
iſt es die Buche, welche unter jener etwas zurückbleibt. Beide kommen
aber im Gebirgswalde in großer Ausdehnung neben, ſogar untereinander
gemiſcht vor. Jedoch iſt der Gebirgswald nie ein ſo bunt gemiſchter wie
es der Auenwald faſt immer iſt. Daher hat jener auch mehr einen ernſten,
[566] oft ſogar einen melancholiſch eintönigen Charakter, beſonders wenn er
aus reinen Fichtenbeſtänden gebildet iſt; das Melancholiſche nimmt einen
impoſanten Anſtrich im Tannenwalde an, und der reine Buchenhochwald,
der gut geſchloſſen ſich meiſt rein von Unterwuchs hält, iſt unſtreitig das
erhabenſte zur Andacht ſtimmende Waldbild deutſchen Bodens.


Wenn wir im Walde den Grundzug des deutſchen Heimathbodens
erkennen müſſen, was derjenige am tiefſten empfindet, der den Waldmangel
in ſüdeuropäiſchen Ländern geſehen hat, ſo iſt in dieſem Grundzuge wiederum
der Gebirgswald der hervorragende Mittelpunkt. Dies zu würdigen, muß
man ſich auf einen herrſchenden Höhenpunkt des Harzes oder des Thüringer-
waldes, des Erzgebirges, Böhmerwaldes, Schwarzwaldes ſtellen und
ringsum auf die Rücken und Flanken der überragten Wald-Höhen die
Blicke ſchweifen laſſen.


Auf ſolchem Standpunkte überkommt wohl auch dem Achtloſen das
Verſtändniß des Waldes, das Verſtändniß, was ich ſo ſehnlich als das
Ergebniß meiner Waldarbeit hervorgehen ſehen möchte. Und in dieſem
Verſtändniß möchte ich ſo gern von meinem Vaterlande, in deſſen Dienſten
dieſes Buch geſchrieben iſt, den überſchwenglich vergeltenden Ehrenſold für
die auf daſſelbe verwendete Mühe hinnehmen.


Auf eine ſolche Höhe eines deutſchen Gebirgswaldes möchte ich den
„internationalen Congreß der Zukunft“ berufen, deſſen drittmalige An-
regung *) ich abſichtlich für dieſen Abſchnitt vorbehalten habe, denn dieſer
ſammelt uns aus der Zerſtreuung der vorhergehenden Abſchnitte, um den
Wald als Ganzes anzuſchauen, als Ganzes, was in ſo verſchiedenen
Formen ſich darbietet, am herrlichſten, am erhabenſten, zukunftſchwanger
im Gebirgswalde.


Könnte ich ſie doch alle um mich verſammeln, die Herren vom grünen
Tiſche in den grünen Wald. Ich würde in Gedanken mit ihnen der
Reihe nach die deutſchen Waldgebirge umkreiſen, um ihnen zu zeigen, wie
tauſend und aber tauſend Quellen und Bäche unter den Rändern des
grünen Mantels hervorrinnen und ſich unten in der Ebene zu immer
[567] größer werdenden Flüſſen verbinden. Dann würde ich mit ihnen den
muntern Quellen aufwärts nachgehen, bis wir oben die kühlen Geburts-
ſtätten derſelben fänden, bald auf einer mooſigen Wieſe, bald am Fuße
eines klüftigen Felſens. Dann würde ich den Jupiter Pluvius erſuchen,
einen Tag lang die ganze Fülle ſeiner Urne über uns auszuſchütten, und
dann würde ich die Herren darauf aufmerkſam machen, daß ſich der ganze
Waldboden über und übervoll geſogen hat von dem ſtrömenden Regen,
daß unten die Flüſſe aber nur den Ueberſchuß bekommen haben, der am
Gebirgsrande reichlich wohl, aber nicht mit zerſtörender Haſt hervortrat.
Dann aber ſchnell hinüber mit den Herren nach den trocknen quellen- und
waldloſen Höhen der ſüdöſtlichen Provinzen Frankreichs, wo derſelbe Regen
furchtbare Verheerungen angerichtet hat. Von den nackten, felſenſtarrenden
Flanken der Berge ſchoß das Regenwaſſer in ungehemmter Wuth thal-
abwärts, den von früheren Regengüſſen noch verſchonten Erdboden und
gewaltige Schutt- und Steinmaſſen mit ſich fortreißend, um unten
blühende Fluren darunter zu begraben.


Ich vertraue zu dem Verſtande der Herren, welche ſonſt, wahrlich
nicht im Intereſſe der Völker, mit einander in Hader und Notenſtreit
liegen, daß ſie einſehen würden, wie der deutſche Wald, ja wie für Deutſch-
land der Wald ganz Mitteleuropas von internationaler Bedeutung
iſt, denn bis zu den Mündungen des Rheins, der Donau, der Weſer, der
Elbe, Oder ſind alle Anwohner dabei betheiligt, ob die Quellwaldungen
dieſer Ströme, die faſt ſämmtlich auf Gebirgen liegen, pfleglich bewirth-
ſchaftet werden, oder ob man ſie ſchonungslos verwüſten läßt. Ich ver-
traue, daß ſie begreifen würden, daß nöthiger als ein allgemeines deutſches
Wechſelrecht ein allgemeines deutſches Forſtkulturgeſetz iſt.
Und wenn dies begriffen ſein würde, dann wäre mein „internationaler
Congreß der Zukunft“ gewiß bald kein zukünftiger mehr.


Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Waldfläche Deutſchlands oder
beſſer Mitteleuropas, wenn nicht bereits unter, ſo doch gewiß gerade auf dem
Maaße ſteht, welches ſtändig erhalten werden muß, wenn nicht die klima-
tiſchen und Bewäſſerungsverhältniſſe des bezeichneten Gebietes über lang
oder kurz gefährlich geſtört werden ſollen. Für dieſen beſorglichen oder
wenigſtens fürſorglichen Gedanken kann nichts uns mehr empfänglich
machen, als der Beſuch eines regelrecht beſtandenen und bewirthſchafteten
[568] Gebirgswaldes. Ich habe es freilich ſchon erlebt, daß man im Anſchauen
der ragenden Beſtände in den behaglichen Ruf ausbrach: „da iſt kein
Holzmangel zu befürchten!“


Als ob im Holze der Schwerpunkt vom Werthe des Waldes ruhete! Die
Zeit wird ſicher in nicht mehr zu ferner Zukunft kommen, wo dieſer Werth
abnehmen wird, weil das befreiete Waſſerſtoffgas das Brennholz, und
Eiſen und Stein noch mehr als ſchon jetzt das Bauholz erſetzen werden.


Bis dieſe Zukunft zur Gegenwart geworden ſein wird, muß Jeder,
dem auch die kommenden Geſchlechter am Herzen liegen, dazu mitwirken,
daß der Grundgedanke dieſes Buches „den Wald unter den Schutz
des Wiſſens Aller zu ſtellen
“ eine Wahrheit werde. Dabei aber
iſt es von höchſter Wichtigkeit, die internationale Bedeutung des Waldes
im Volke zum Bewußtſein gebracht zu haben, welche zwar jetzt ſchon im
Sinne des Holzaustauſches beſteht, aber noch viel ſchwerer wiegt im Sinne
der Bewäſſerung eines Landes, ſo daß die rechts und links liegenden
Rheinuferſtaaten bis hinunter nach Holland auf Tod und Leben, oder
wenigſtens auf Gedeihen oder Verkommen ihres Ackerbaues und ihres
Verkehrs dabei betheiligt ſind wie die Quellwaldungen des Rheines und
ſeiner Zuflüſſe behandelt werden. Der Holländer muß zuletzt durch zu-
nehmende Verſandung des Rheines dafür büßen, wenn oben die Schweizer
und Badener ſchlechte Waldwirthſchaft treiben.


„Ein Eingriff in das Gebahren mit dem Eigenthum iſt hinſichtlich
der Privat- und Gemeindewaldungen mehr als erlaubt, iſt geboten;
ja der Waldbeſitz des Einzelſtaates wird in demſelben Sinne verpflichteter
Privatbeſitz gegenüber der angedeuteten klimatiſchen Union, ja Solidarität
Mitteleuropa’s.“


„Wohl möglich, daß manche, daß viele meiner Leſer über „unzeitigen
Eifer“ gelächelt haben werden. „Man merkt ja noch nichts!““


„Wenn man es merken wird, nicht nur die Verarmung der Flüſſe,
denn die merkt man bereits, ſondern auch die Veränderung des
Klimas, dann wird es zu einem Einſchreiten wahrſcheinlich zu ſpät ſein.
Es wird leichter ſein, den großen Waldbeſitzer zu zwingen, ſeine Waldungen
zu erhalten, als die einſtigen kleinen Beſitzer ſeines urbar gemachten par-
cellirten Bodens zu bewegen, ihre Parcellen herzugeben oder wieder in
Wald umzuſchaffen.“


[569]

„Man wird es nicht dahin kommen laſſen. Mein „internationaler
Congreß der Zukunft“ ſteht vielleicht nahe bevor. Es wird eine
ſchöne Aufgabe ſein, an der Hand der Wiſſenſchaft für das
Wohl der kommenden Geſchlechter zu ſorgen.
*)


Kehren wir noch einmal zu ruhiger Betrachtung in den Gebirgswald
zurück. Wie ich ihn ſchon vorhin nannte: wie ein grüner Mantel breitet er
ſich über das weite Gebirge aus, ſich innig deſſen Faltungen anſchmiegend.
Ja er iſt recht eigentlich ein dicker wolliger Mantel, und ich ſcheue eine
gewiſſe Trivialität des Vergleiches nicht, indem ich hinzufüge, wie auch
ein ſolcher erſtaunliche Maſſen Regenwaſſers aufſaugt und nur tropfen-
weiſe an ſeinem Rande wieder abgiebt, etwas reichlicher, wo er ſich in
eine ſcharfe Falte bricht. Genau ſo macht es der Gebirgswald. Er fängt
in ſeiner bis tief hinab aufſaugungsfähigen Bodendecke unermeßliche
Mengen von Regenwaſſer und von ſchmelzendem Schneewaſſer auf, um es
in die Adern ſeines felſigen Innern zu leiten und nur ſparſam als Quell-
waſſer wieder herzugeben.


Es iſt eine der bedeutſamſten, eine durch zahlreiche Beobachtungen
feſtgeſtellte Wahrheit der phyſiſchen Geographie, daß die Quellen durchaus
nicht aus einem urſprünglichen Waſſervorrath in der Erdtiefe ſtammen,
ſondern daß ſie immer und überall nur das zurückgegebene Waſſer ſind,
welches die Erdoberfläche als Schnee und Regen von der Atmoſphäre
bekommen hatte. Man kann an dieſer Stelle dieſe Wahrheit nicht ein-
dringlich genug betonen, weil es eben von den allermeiſten Menſchen
nicht ſo angeſehen wird, welche im Gegentheil glauben, unterirdiſche
Waſſerbehälter, die von Anfang an da ſeien, ſpeiſten die Quellen.


Die Rückkehr von dieſem Irrthum, von dieſem in Beziehung auf
den Wald verhängnißvollem Irrthum, iſt daher zugleich die Gewinnung
des richtigen Verſtändniſſes für den Gebirgswald. Er iſt die ſparſame
Hand, welche der Ebene das Waſſer nach Bedürfniß zumißt und ebenſo
Mangel wie ſchädlichen Ueberfluß von ihr abwendet.


In allen Erdtheilen hat man Beobachtungen geſammelt, aus denen un-
zweifelhaft hervorgeht, daß der Reichthum der beſtändigen Quellen
unmittelbar von der Bewaldung der Höhen abhängig iſt.

[570] Man ſah in zahlreichen Fällen nach dem Abtreiben der Waldung die
Quellen ausbleiben, ja in einigen Fällen ſah man nach erfolgter Wieder-
bewaldung die Quellen aufs neue fließen.


Ich habe mich an dieſer Stelle, dem punctum saliens meiner Arbeit,
vor einer Unterſtellung zu ſichern, vor der nämlich, als ſehe ich überall
nur ſchlechte Waldwirthſchaft, und dadurch ſicher über Deutſchland herein-
brechende Nachtheile.


So ſteht es zum Glück nicht. Es iſt dankbar anzuerkennen, daß
in den meiſten deutſchen Staaten, voran das Königreich Sachſen, eine
muſterhafte Bewirthſchaftung der Staatsforſten betrieben wird, und daß
daher ſeit einem Menſchenalter der Zuſtand vieler derſelben eher beſſer
als ſchlechter geworden iſt, wodurch jedoch das Wort H. Cotta’s, was
ich zum Motto des 1. Abſchnitts gewählt habe, nicht widerlegt wird.


Aber etwa die Hälfte des deutſchen Waldgrundes iſt in Privat- und
Gemeindebeſitz, der ſich nicht gern in ſeinem Gebahren beſchränken läßt.
In Oeſterreich finden ſich über 35 Millionen niederöſterreichiſche Joch
Waldboden, von welchen blos 6,465,700 Joch Reichsforſten ſind. Selbſt
im Königreich Sachſen, wo man ſehr bedacht iſt, das Staatswaldgebiet
durch neue Erwerbungen zu vergrößern, iſt das Areal der Privat- und
Gemeindewaldungen doppelt ſo groß als jenes.


Die in fortdauernder Steigerung begriffenen Holzpreiſe deuten auf
die in gleichem Maaße ſtattfindende Zunahme des Holzbedarfs. Das
reizt ſehr natürlich den Privatbeſitzer zum Abtreiben ganzer Beſtände, von
deren hoher Verwerthung bei halbwegs guter Abfuhre er im voraus über-
zeugt ſein kann. Um ſich hier ein billiges Urtheil über dieſes ſchonungs-
loſe Gebahren abzugewinnen, muß man ſich der ungewöhnlichen Werth-
und Nutzungsverhältniſſe des Waldbodens gegenüber dem Ackerboden
erinnern. Anſtatt vieler nur ein Beiſpiel. Nach Pfeils Berechnung
beläuft ſich der jährliche Ertrag eines Morgens Staatsforſt in Preußen
auf — 16 Sgr., natürlich bei nachhaltiger und pfleglicher Bewirthſchaftung
der Waldungen, welche aus dem Walde jährlich nicht mehr an Holzmaſſe
hinwegnimmt, als jährlich am ſtehen bleibenden Holze zuwächſt. Es liegt
auf der Hand, daß ein nach dieſem Maaßſtabe bewirthſchafteter Privatwald
von einigen hundert Morgen ſeinem Beſitzer wenig abwirft, während
dieſer durch den kahlen Abtrieb mit einemmale ein großes Kapital und
[571] einen vielleicht ſehr guten Feldboden dazu gewinnt, der ihm eine viel
höhere Rente bringt.


Es iſt ein gar ſonderbares Ding um den Geldeswerth des Waldes!


Hier ſoll nicht auf die ſchwierigen Gebiete der Waldwerthberechnung
und Forſttaxation eingetreten werden, erinnern müſſen wir uns aber mit
aller möglichen Klarheit des Bewußtſeins, daß wir uns eben inmitten
eines Leben und Gedeihen ſpendenden Gebirgswaldes an einem Platze
befinden, wo die verſchiedenſten Intereſſen mit einander im Widerſtreit
liegen: Gewinnſucht ſelbſt der erlaubteſten Art und verzichtleiſtende Sorge
für die kommenden Geſchlechter, Freiheit des Eigenthums und geſetzliche
Beſchränkung im Intereſſe des öffentlichen Wohles, gebieteriſches Begehren
des Holzbedürfniſſes und Verſagen des gleichwohl thatſächlich vorhandenen
Befriedigungsmittels.


Im Durcheinander ſo argen Zuſammenſtoßes — was kann da Klarheit
über Recht und Unrecht, über Thun und Laſſen, was Ruhe und Frieden
ſchaffen? Was anders als Belehrung und daraus fließendes Wiſſen?
Und es iſt ein großer Vortheil, daß zu dem Schutze, der dem Walde aus
dem „Wiſſen Aller“ hervorgehen ſoll, der Schutz der Liebe ſich geſellt,
die Alle für den ſchönen Wald fühlen.


Indem wir noch einige Augenblicke uns im Gebirgswalde umſehen,
muß uns aus dem auf den letzten Seiten Erwogenen hervorgehen, daß
er zu dem Auenwalde in dem Verhältniſſe des Ernährers ſteht. Der
Auenwald iſt mit jenem verglichen ein ſorglos Genießender. Um ſeine
Füße ſpielen die Wellen des Fluſſes, der aus dem Schooße des Gebirgs-
waldes herunterkommt. Dadurch ſcheint ſich gewiſſermaßen ein Unterſchied
in der Bedeutung beider darlegen zu wollen. Die Bedeutung des Gebirgs-
waldes iſt mehr eine vermittelnde, wie ein Naturgeſetz ſtetig wirkende und
darum Verſtändniß und Anbequemung von uns erheiſchende; die Bedeu-
tung des Auenwaldes, des faſt immer mit Leichtigkeit wiederherzuſtellenden,
iſt eine unmittelbar durch ſeine Vorräthe nützende. Daraus ergiebt ſich,
daß das ſchreckliche Wort Wald-Devaſtation gegenüber dem Auenwalde
einen geringeren Vorwurf ausdrückt, als in Beziehung auf den Gebirgs-
wald, der, wenn in größerer Ausdehnung devaſtirt, ſchon nach wenigen
Jahren des Unterlaſſens der Wiederbepflanzung oft nicht mehr herzuſtellen
iſt, weil der Waldboden, wenn er unbebaut liegen bleibt, oft in überraſchend
[572] kurzer Zeit nahezu unfähig wird, wieder in einen gedeihlichen Beſtand
gebracht zu werden, wenn er namentlich hinlängliche Neigung ſeiner Ab-
hänge zeigte, um dem auffallenden Regen und dem Schmelzwaſſer des
Schnees einen ſchnellen abſchwemmenden Ablauf zu geſtatten.


Was hier im Vergleich zu dem Gebirgswalde von dem Auenwalde
geſagt wurde, gilt natürlich auch von der Waldform, die wir mit dem
Namen Bruchwald bezeichneten, und von anderen in der fruchtbaren Ebene,
wenn auch nicht gerade im Inundationsgebiete eines Fluſſes liegenden
Waldungen. Die Heide jedoch, namentlich die Sandheide, ſteht hierbei
dem Gebirgswald näher, denn die Wiederaufforſtung iſt bei der Heide,
wenn ſie in zu großem Umfang abgetrieben wurde, oft mit unbeſiegbaren
Schwierigkeiten verbunden.


Es iſt darum der am 5. Januar 1860 ausgeſprochene Befehl des
Kaiſers Louis Napoleon, „die kahlen Berge wieder zu bewalden“,
ſehr leicht ausgeſprochen aber — ausgeführt? Die daran geknüpfte zweite
Halbſchied, „dagegen die Ebenenwaldungen auszuroden“, möge
ja nicht früher ausgeführt werden, als bis Jenes erfolgt ſein wird! Wenn
man ſich dies vornimmt — und wir möchten das Schickſal Frankreichs
flehendlich darum bitten — ſo werden ſicher viele Ebenenwaldungen un-
ausgerodet bleiben! Der Forſtmann ſoll noch geboren werden, der die
kahlen Höhen ganzer Departements, der Provence, der Dauphinée, der
Niederalpen wieder bewaldet. Es würde noch ſchwerer ſein, als die
blühenden Gemeinden wie Herkulanum wieder aufzugraben, welche zum
Theil unter berghohem Schutt begraben wurden, als die Regenſtröme
niederſchoſſen von den während der erſten Revolutionskriege entwaldeten
Höhen der Provence, worüber Blanqui, Profeſſor der Staatswiſſenſchaft
in Paris, in einer Denkſchrift 1843 ſagte: „endlich zieht ſich der Menſch
aus dieſen ſchauerlichen Einöden zurück und ich habe in dieſem Jahre
nicht ein einziges lebendes Weſen mehr in Ortſchaften angetroffen, wo
ich vor dreißig Jahren Gaſtfreundſchaft genoſſen zu haben mich noch recht
gut erinnere.“


Wenn ſo furchtbare Strafen auf die gedankenloſe Entwaldung ein-
treten, die ſich durch plötzliches Anſchwellen und Ueberfluthen der Gebirgs-
flüſſe bis in weitentlegene Gegenden erſtrecken, iſt da die Staatsgewalt
nicht mehr als berechtigt, iſt ſie nicht verpflichtet, das Gebahren des
[573] Privatwaldbeſitzers im Intereſſe des öffentlichen Wohles zu beſchränken? —
iſt es da nicht rathſam, da dieſe Strafen ſich auch an keine Landesgrenze
binden und auch den ſchuldloſen Grenznachbar treffen, daß ſich die
Regierungen Mitteleuropas über ein allgemeines Forſtkulturgeſetz berathen
und einigen?


Und kommt uns nun das Waldgebirge nicht doppelt ehrwürdig vor,
als vorhin? Der ſtille Tannenbeſtand, in deſſen ſäulengetragenen Wipfeln
wir unten das Flüſtern der Abendluft kaum hören, der leuchtende Buchen-
wald mit ſeinen weißen Schäften, der ſchwermüthige Fichtenbeſtand, der
die kerzengeraden Stämme bis zum Boden hinab verhüllt — ſie alle ſind
die Hochwächter des Lebens und Gedeihens der Ebene.


Wir ſteigen nun noch höher hinauf und wir haben ſehr aufzumerken,
um die Grenze wahrzunehmen, die uns aus dem Gebirgswalde in den
Alpenwald leitet. Jener iſt in ſeinem Reiche ein ruhiger Gebieter, der
ſeine Macht befeſtigt und ſein Hausweſen wohl geordnet hat; der Alpen-
wald iſt ein raſtlos Ringender, dem man es an tauſend Wunden anſieht,
daß er mit einem ſtarken Gegner im ſtetem Kampfe liegt.


Hier oben herrſchen die Naturgewalten, Lauinen und Erdrutſche,
Hochgewitter und Runſen, und der Winde zügelloſes Heer. Und gegen alle
dieſe Feinde hat der Wald kaum Fläche genug, um feſten Fuß zu faſſen.
Mühſam bohrt er ſeine Wurzelanker in die Felſenklüfte und ſtreckt ſeine
zerzauſten Häupter über gähnende Abgründe oder duckt ſich in lauſchigen
Thalkeſſelchen, wo der grüne Alpſee ſein Bild abſpiegelt.


Liegt auch dieſer wunderreiche Kampfplatz, wo das Leben mit Zer-
ſtörung und Vernichtung ringt, großentheils auf ſchweizeriſchem Boden,
ſo fällt doch ein gutes Theil auf das deutſche Gebiet; und brauchen wir
denn, ja dürfen wir die von Menſchen gemachten Grenzen anerkennen,
wo es ſich um Zuſammengehöriges nach dem Geſetz der Natur handelt?
Haben wir ja doch nach der uns klar gewordenen Bedeutung des Waldes
ein Eigenthumsrecht an dem Walde der Schweizer, und die Bündner
ſündigen auch an uns, wenn ſie ihre Alpenwaldungen verwüſten, denn ſie
berauben Rhein und Donau, und geben ihnen Steine für Waſſer.


Alle einſichtsvollen ſchweizer Schriftſteller, voran Eſcher von der
Linth, Tſchudi
und der Berner Cantonsforſtmeiſter Marſchand führen
ſchwere Anklage gegen die Wirthſchaft in den Alpenwäldern. Marſchand
[574] führt eine Stelle von Lorentz an, welchen die franzöſiſche Regierung in die
ſüdlichen Departements abgeſchickt hatte, von wo er ein ähnliches ſchreckliches
Bild von dem Zuſtande des Landes am Fuße der Alpen und Pyrenäen
entwirft, wie es auf unſerer S. 581 angedeutet iſt, indem dieſer hinzu-
fügt: „es kann über die einzige Urſache der alljährlichen Unfälle und
Kataſtrophen kein Zweifel obwalten: ſie beſteht in der Entblößung
der Höhen.
Kann dieſe mißbräuchliche Benutzung, die ſo unglückſelige,
ſich 40 bis 50 Stunden weit in die Ebene erſtreckende Folgen nach ſich
zieht, geduldet werden?“ — und Marſchand fügt dann hinzu: „dieſelbe
Frage läßt ſich mit eben ſo viel Fug und Recht an mehr als die Hälfte
der ſchweizeriſchen Regierungen ſtellen.“


Der Alpenwald iſt das vorgeſchobene Corps, das bis dicht an das
Lager des Feindes herantretend ihn bändigt und vom Hereinbrechen in
das dieſſeitige Gebiet abhält. Er thut es im heißen Kampfe, in welchem
Tauſende fallen, während es der Gebirgswald durch ruhige Okkupation
thut und kaum einen Mann dabei verliert.


Hierin iſt der äußere Unterſchied zwiſchen beiden angedeutet. Wie
einem aus dem Gefecht kommenden Heerhaufen ſieht man es faſt jedem
Baum des Alpenwaldes an, daß er immer im Gefecht ſteht. Abgewettert
und zerzauſt, ihrer Gliedmaßen beraubt und mit zerfetztem Rindenkleide
trotzt die vorderſte Reihe dem Andrange der donnernden Felsgeſchoſſe, bis
dieſe zuletzt über Leichen ſich auf die dahinterſtehenden ſtürzen, aber die
tapfern Kolonnen nicht durchbrechen können.


Wenn jeder Alpenwald eine Vorhut gegen die mancherlei Gewalt-
thätigkeiten der ſchneegekrönten Häupter iſt, und zwar im allgemeinen
Dienſt, ſo iſt der Bannwald eine Leibgarde im beſonderen Dienſt eines
unter ihm liegenden Alpengeländes, von dem er den Lauinenſturz abzu-
halten hat. Es iſt dies der unmittelbarſte, handgreiflichſte, gewiſſermaßen
ein perſönlicher Dienſt, den Bäume den Menſchen leiſten, neben welchen
ſich ein anderer, eben ſo unmittelbarer und weniger handgreiflicher ſtellt,
nämlich ein geſundheitspolizeilicher, indem viele Fälle bekannt ſind, wo
Waldungen das Eindringen von Sumpfmiasma in benachbarte Gebiete
verhindern. Die Furcht vor Lauinenſturz überwindet die gemeine Habſucht,
die ſchon unermeßliche Holzmaſſen den Alpenwäldern entfremdet hat, und
die Bannwälder ſtehen ſicherer unter dem Schutz von Furcht und Schrecken,
[575] als unter dem Schutze des weiſen Geſetzes, welches die Bannwälder für
unantaſtbar erklärt.


Wie überhaupt der Alpenwald, ſo trägt namentlich der Bannwald
das Gepräge des Urzuſtandes und des freien Naturwaltens, welches jedes
Plätzchen mit Werken des Lebens ſchmückt. Dazu tragen die unaufhörlich
wiederkehrenden Angriffe der Alpentrümmer, welche die dort oben beſonders
geſchäftige Verwitterung von den Felſenzinnen ablöſt, dadurch ſehr viel
bei, daß umgeſtürzte und zerſchellte Bäume wenigſtens an der Anprall-
ſeite ein wildes Chaos bilden. Der zerfallende Baumleib dient unzähligen
Alpenpflanzen aller Klaſſen und Ordnungen als Entwickelungsſtätte; das
Feld der Zerſtörung verwandelt ſich in ein Feld aufkeimenden Lebens.


Der Thier- und Pflanzenſammler hält ſeine reichſten Ernten in jenen
abgewetterten Alpenwäldern; der Maler findet in ihnen die reichſte Be-
friedigung für ſeine oft krankhafte Sucht nach bizarren Baumgeſtalten;
der ſinnige Reiſende empfindet in ihnen am mächtigſten die Schauer der
Natureinſamkeit — aber der Forſtmann, wenn ihm nicht ſchon die von
uns gepredigte Rückſicht die Hände bindet, iſt hier oft am wenigſten in
ſeinem Reviere, denn die Unzugänglichkeit der reichen Holzvorräthe ent-
rückt ſie oft für immer ſeiner Begehrlichkeit. Nur die wohlgerüſtete
Spekulation übernimmt zuweilen die halsbrechende Arbeit, jene oft kaum
zum zehnten Theile des Werthes bezahlten Schätze zu heben. Tſchudi
erzählt, daß 1853 eine bündneriſche Gemeinde an fremde Spekulanten
einen Wald für 30,000 Franken verkaufte, den Sachverſtändige nachher
auf mehr als 750,000 Fr. ſchätzten. Um mehr Weideboden zu gewinnen,
wollte die engaddiner Gemeinde Zernez einen großen Theil ihrer unge-
heuren Alpenwälder mit der Bedingung, ſie im Laufe einer beſtimmten
Zeit abzutreiben, verſchenken, fand aber keine Liebhaber.


Die wichtigſten Bäume der Alpenwälder ſind namentlich die Arve,
die Fichte, die gemeine, die öſterreichiſche und die Krummholzkiefer, die
Lärche und bis zu einer gewiſſen Höhe die Buche und der Bergahorn,
denen ſich Alpenſträucher und als einzelne Begleiter noch einige andere
Baumarten zugeſellen.


Neben den mancherlei bereits erwähnten Verunſtaltungen, welche die
rauhe Alpennatur an dieſen Bäumen bewirkt, ſind beſonders noch die
S. 310 beſchriebenen Wettertannen, nach Tſchudi im Waadtlande
[576]„Gogants“ genannt, hervorzuheben. Fichte und Arve, auch zuweilen die
Kiefer nehmen dieſe abenteuerliche vielgipfelige Geſtalt an. Es iſt ſchwer
zu ermitteln, wodurch dieſe von dem normalen Habitus ſo ſehr abweichende
Vielgipfligkeit bedingt ſei, da dieſe keineswegs ein mehrfacher Erſatz für
den verlorenen Gipfel ſein ſoll, denn es kommen an der Spitze ganz un-
verſehrte Wettertannen vor.


Würden wir nun in Deutſchland und wo ſonſt noch meine Leſer
wohnen mögen, herumwandern und die Wälder nach dieſen 5 Hauptformen
zu klaſſificiren ſuchen, ſo könnte es wohl ſein, daß mancher ſich unter
keine derſelben bringen ließe. Es ſind eben nur Hauptformen, zwiſchen
denen ſich eine Menge Zwiſchenformen einſchalten, genau ſo wie es bei
den himmliſchen Genoſſinnen des Waldes, den Wolken iſt, die ebenfalls die
drei Howard’ſchen Grundgeſtalten hundertfältig abändern.


Indem nun der Forſtmann ſich des Waldes annimmt und aus ihm
den Forſt macht, und zwar weſentlich unter den uns ſchon bekannten drei
Formen des Hoch-, Mittel- und Niederwaldes, ſo haben wir vorhin
geſehen, daß er hierbei nicht willkührlich verfährt, ſondern den Geſetzen
der Natur folgt, welche den Bäumen vorſchreiben, in welchen Formen ſie
ſich dem Belieben des Forſtmanns fügen ſollen. Wer nur zehn alte
Fichten nebeneinander ſtehen ſieht, der muß ſofort begreifen, daß für ſie
der Hoch- oder Baumwald die gebotene Betriebsart iſt. Und ſo eignet
ſich jede Baumart bald mehr bald weniger ausſchließlich für die eine oder
die andere, manche auch für zwei oder ſelbſt für alle drei Bewirthſchaftungs-
arten. Bei der Schilderung der einzelnen Baumarten iſt ſchon mit an-
gegeben worden, zu welcher dieſer drei Bewirthſchaftungsmethoden ſie
ſich eignen.


Wir haben uns hier wiederholt daran zu erinnern, daß die Wirth-
ſchaftsmaßregeln des Forſtmanns ſehr weitausſehender Art ſind, daß für
ihn zwiſchen Saat und Ernte eine lange Zeit, ſelten weniger als zwei,
ja oft meiſt mehr als drei Menſchenalter liegen, und daß es daher eine
außerordentliche Umſicht und eine Erwägung der manchfaltigſten voraus-
ſichtlichen Ereigniſſe erfordert, um nach Kräften große Verluſte an Mühe,
Koſten und an Zeit zu verhüten, welche aus der Wahl einer falſchen Be-
wirthſchaftungsart hervorgehen können.


[577]

Wenn wir im Waldgebirge ganze weite Flächen von hohen dicht
geſchloſſenen Fichtenbeſtänden ſehen, ſo ſagen wir uns leicht ſelbſt, daß
wir einen Hochwald vor uns haben, deſſen andere ältere Benennung
Baumwald wir eben ſo ſchnell als eine gegenſätzliche zu den anderen
beiden Beſtandsarten erkennen, in welchen die Strauch- oder Buſchform
vorherrſcht. Nicht minder ſind wir darüber außer Zweifel, daß ein manns-
hohes Dickicht junger Fichten ein angehender Hochwald ſei. Eben ſo iſt
es bei allen übrigen Nadelhölzern, welche ſich unvermiſcht blos für die
Hochwaldswirthſchaft eignen, weil ihnen die Ausſchlagsfähigkeit nahezu ganz
abgeht, auf welcher Mittel- und Niederwaldwirthſchaft beruhen.


Bei den Laubhölzern zeigt ſich die Erſcheinung des Hochwaldes nicht
immer ſo klar und unzweifelhaft. Dadurch, daß ſich die weitäſtigeren
Laubhölzer — denen hierin nur die Kiefer und auch dieſe nur in den
höchſten Altersklaſſen gleichkommt — viel räumlicher ſtellen, nimmt der
Auenhochwald in ſehr fruchtbarem Stande, wie dies ſchon oben bemerk-
lich gemacht wurde, durch einen üppigen Unterwuchs oft das Anſehen
eines Mittelwaldes an, und am leichteſten kann ſich der Unkundige täuſchen,
indem er eine etwa mannshohe Eichen- oder Buchenkultur ihres buſchigen
Anſehens wegen für einen Niederwaldbeſtand hält, oder gar für einen
Mittelwald, wenn die Schutz- und Samenbäume noch darin ſtehen. Im
erſteren Falle belehrt ihn der Mangel der ausſchlagenden Stöcke, indem
er findet, daß die ſcheinbaren Büſche nicht Stockausſchlag ſind ſondern
junge Bäumchen, deren noch buſchiges Ausſehen ihn täuſchte.


Die räumliche Stellung der Laubhölzer und der Umſtand, daß
manche, z. B. die Eiche, ein großes Lichtbedürfniß haben, und daher
leicht unterdrückt werden, bringen es mit ſich, daß ein Laubholzhochwald
oft einen zu geringen Schluß zeigt, und daher auf der gegebenen Boden-
fläche zu wenig Holzmaſſe trägt.


Außer den Nadelhölzern eignen ſich für den Hochwaldbetrieb am beſten
Buchen, Eichen, Erlen, Hornbäume, Espen, Silberpappeln, Ahorne,
Rüſtern, Eſchen, Linden und allenfalls noch Birken.


Dem Hochwalde wird vom Sprachgebrauche der Name Wald vor-
zugsweiſe, ja beinahe ausſchließlich zuertheilt, während dem Mittelwalde
und noch mehr dem Niederwalde die Benennung Buſch, Gehölz, Holz
gegeben wird, es ſei denn, daß dieſe durch weite Ausdehnung das erſetzen,
Roßmäßler, der Wald. 37
[578] was ihnen an Höhe abgeht, um ihnen einen waldmäßigen Ausdruck
zu verleihen.


Der Mittelwald trägt ſeinen Namen wegen der Zuſammenſetzung
aus Bäumen und Sträuchern, wobei erſtere ſehr weitläufig ſtehen müſſen,
um letzteren das geſunde Wachsthum möglich zu machen. Deshalb dürfen
die Bäume nicht ſolchen Arten angehören, welche eine zu dichte und
umfangreiche alſo ſtark beſchattende Krone haben. Der Forſtmann nennt
die Bäume des Mittelwaldes Oberholz, Oberbäume oder kurzweg
Bäume. Die zuläſſigſten ſind Eichen, Buchen, Eſchen, Rüſtern, Ahorne.
Bei ihnen ſo wie auch bei der ſtärker ſchattenden Linde und dem Horn-
baume iſt der Grad ihrer Beſchattung maßgebend, wie dicht oder wie
weitläufig ſie ſtehen dürfen. Die Büſche, das Unterholz, müſſen in
einem guten Mittelwalde ſolche ſein, welche ein ſtarkes Ausſchlagsvermögen
haben: Eiche, Eſche, Rüſter, Ahorn, Hornbaum, nordiſche Erle, Birke.


Ohne dadurch jetzt ſchon einer kurzen Beſprechung der Arbeiten und Maß-
regeln des Forſtmannes vorzugreifen, ſei doch hier bemerkt, daß bei der Ein-
richtung eines Niederwaldes, was zugleich auch von dem Mittelwalde faſt in
gleichem Maaße gilt, der Boden, das Klima, die Holzart, die in der Gegend
ſich geltend machenden Bedürfniſſe und was damit zuſammenhängt die Speku-
lation, die Servitute und die Größe des Waldes in Erwägung zu ziehen ſind.


Weil er ſich mehr oder weniger landwirthſchaftlich geltend macht ſei
hier noch der Plänterwald als eine Waldform erwähnt, welche eben
ſo ſehr durch forſtmänniſches Gebahren wie durch Naturereigniſſe hervor-
gerufen werden kann.


Ein Plänterwald fällt auch dem Unkundigen, ſobald er ſich einmal
daran gewöhnt hat, in den regelrecht bewirthſchafteten Beſtänden eine
gewiſſe Gleichmäßigkeit zu ſehen, dadurch leicht auf, daß er eben dieſer
Gleichmäßigkeit ſeiner Zuſammenſetzung entbehrt, im Gegentheil, auch
wenn er ein ungemiſchter iſt, ein zerriſſenes Durcheinander von Bäumen
aller Altersklaſſen und in den verſchiedenſten Abſtufungen des Schluſſes
iſt. Dieſe Beſchaffenheit erhält der Plänterwald *) dadurch, daß nicht
[579] nach einer gewiſſen Flächenreihenfolge (Schlagwirthſchaft) ſondern nach
Bedürfniß bald hier bald dort Bäume herausgeſchlagen werden, was
man pläntern nennt. Der Plänterwald kommt als Waldbild natürlich
dem Mittelwalde am nächſten und wenn, was meiſt der Fall, er ein
Nadelwald iſt, ſo drückt er wegen der nachgepflanzten jungen Stämmchen
gewiſſermaßen dem Nadelwalde die Form des dieſem an ſich fremden
Mittelwaldes auf.


So unerfreulich dem Auge des an regelmäßige Schlagwirthſchaft
gewöhnten Forſtmannes der Anblick eines Plänterwaldes iſt, ſo hat er
für den Waldfreund vor dem düſtern Hochwald den Vorzug des Male-
riſchen und der Abwechſelung voraus.


Zuletzt müſſen noch als beſondere Waldformen der reine und der
gemiſchte Beſtand um ſo mehr hervorgehoben werden, als ſie dem
nach Wohlgefallen urtheilenden Auge zwei ganz verſchiedene Bilder malen,
jener ein gleichmäßiges, oft eintöniges und düſteres, dieſer ein heiteres
und abwechſelungsvolles.


Es iſt die Frage, ob ſelbſt der Nadelwald des Mittelgebirges im
Urzuſtande immer ein reiner, etwa nur aus Fichten oder Tannen oder
Kiefern beſtandener geweſen ſei, was bei den Laubwaldungen, beſonders
denen der Ebene noch viel fraglicher iſt. Und wenn es auch hinſichtlich
der Nadelhölzer der Fall geweſen iſt, deren ausſchließenden Geſelligkeitsdrang
wir ſchon kennen gelernt haben, ſo darf dies noch keineswegs berechtigen,
auch heute noch auf dem im allgemeinen ſehr herabgekommenen Wald-
boden ganz reine Beſtände erziehen zu wollen.


Viele Erfahrungen beweiſen, daß namentlich trockener Boden ſich
ſchwerer oder nur zu einem mangelhaften Anbau reiner Beſtände herbei-
läßt, daß dagegen gemiſchte viel beſſer auf ihm gedeihen; und vielleicht
darf man der Forſtwirthſchaft vorwerfen, daß ſie hierin dem Leiſtungs-
vermögen des Waldbodens zuweilen zu viel zumuthet; wie es denn, um
es hier noch einmal beiläufig zu wiederholen, eine der ſchwierigſten und
folgenreichſten Aufgaben des Forſtmannes iſt, für jede Bodenart immer
die richtige Holzart auszuwählen.


37*
[[580]]

11.
Die Arbeit des Forſtmannes.


Es iſt nicht ſchwer und nicht verdienſtlich eben.

Wenn ſicher uns der Lohn und das Gelingen

Bereit zu ſein zu nützlichem Beſtreben; —

Verdienſt iſt nur das unbelohnte Ringen.

Solch Ringen iſt des grünen Mann’s Gewerbe;

Was er geſät, was er gepflegt in Liebe:

Des Lohns dafür iſt meiſt ein Andrer Erbe.

Was blieb ihm, wenn die Waldluſt ihm nicht bliebe?

Haben wir ſchon oftmals den Wald in ſeiner Bedeutung als Forſt
aufgefaßt, wozu er durch die pflegliche Behandlung des Förſters wird, ſo
ſoll dieſer Abſchnitt ganz den Arbeiten dieſer Behandlung gewidmet ſein.
Indem wir den Wald ſo auffaſſen, ſo kann und ſoll dabei nicht verſchwiegen
werden, daß ein frei auf friſchem Boden aufgeſchoſſener Wald ſchöner iſt,
als ein auf demſelben Boden von der jene Arbeit ausführenden Hand des
Forſtmannes erzogener Forſt; aber wir wollen doch ja nicht vergeſſen,
daß dieſelbe Hand es iſt, welche, geleitet von der für die Zukunft ſorgenden
Staatsverwaltung, den Wald vor den nimmerſatten Griffen der Induſtrie
behütet.


Ueberhaupt, und hiermit wende ich mich nur an die Freunde des
Waldes
, dieſer Abſchnitt ſoll denſelben ein Bild von der Arbeit der
Pfleger des Waldes
geben und damit verſuchen, eine Lücke in dem
volkswirthſchaftlichen Wiſſen auszufüllen, welche inſofern bedauernswerth
genannt werden muß, als es entſchieden ein Unrecht iſt, wenn großartiges
dem gemeinen Wohl gewidmetes Wirken nicht gekannt, alſo auch nicht
anerkannt, nicht verdankt wird.


Es bildet in dem vielfach lückenhaften Volkswiſſen eine der nach-
theiligſten Lücken, daß die Schule ſo wenig befliſſen iſt, uns wenigſtens
mit den wichtigſten Triebrädern der Staatsmaſchine bekannt zu machen,
[581] durch welche dieſe im Gange erhalten wird. Indem wir dieſe nicht kennen
und verſtehen, treten wir ihrem Wirken entweder täppiſch und ſelbſt hindernd
in den Weg, werden wohl gar zu unſerem eigenen Schaden von ihnen
erfaßt, unter allen Verhältniſſen aber ſind wir dadurch unfähig, fördernd
in das Getriebe einzugreifen.


Glücklicherweiſe iſt es denen, welche dieſer Vorwurf trifft, kein Vor-
wurf; denn was können ſie dafür, daß unſere Volksbildung von oben
herab noch nicht auf ein klares ſich betheiligt wiſſendes Erkennen des
Staatsorganismus gerichtet wird, in welchem die Forſtverwaltung eine ſo
hervorragende Stelle einnimmt?


In den ebenen, waldarmen Gebieten Deutſchlands, ja beinahe auch
ohne dieſe Beſchränkung in allen größeren Städten leben ſehr Viele, von
denen ich auf S. 4 ſagen durfte „leider iſt ja Vielen der Förſter mehr
blos ein Holzverwalter als ein Walderzieher.“


Alle Bemühungen, eine pfleglichere Behandlung der Privat- und
Gemeindewaldungen herbeiführen zu helfen, werden ſo lange nahezu ver-
geblich ſein, als nicht im Volke ein klares Verſtändniß der Forſtverwaltung
neben dem der phyſiſchen Waldbedeutung lebendig geworden ſein wird.
Den gewöhnlichen Anſchauungen des bürgerlichen Lebens liegt, wie ſich
dieſe eben gebildet haben, ein Verſtändniß des forſtlichen Berufes ſo fern,
daß man ſich meiſt mit der trivialen Auffaſſung begnügt, der Förſter
nehme das Holz da weg wo es iſt und pflanze da wieder Holz hin wo es
fehlt; wenn man nicht gar der Meinung iſt, der Wald wachſe von ſelbſt.
Man hat meiſt keine Ahnung von dem innen waltenden Geiſt der Forſt-
wirthſchaft, welcher keinen geringern Namen hat als: Vorausſicht. In
keinem einzigen Zweige der Verwaltung materieller Intereſſen iſt Voraus-
ſicht ſo unerläßlich erforderlich als hier.


Ja es könnte geſchehen, daß jene mehr als oberflächliche Auffaſſung
der Forſtverwaltung in die voreiligſte Kritik umſchlüge, ſobald man an
ihre Stelle eine detaillirte Einſicht ſetzt: der anderwärts verſchuldete und
verdiente Vorwurf der kleinlichen Büreaukratie könnte dann auch der Forſt-
verwaltung gemacht werden wollen *).


[582]

Es mag abſurd klingen, iſt aber dennoch wahr, daß es leichter ſei, in
jedem anderen Verwaltungszweig einen klaren Einblick zu gewinnen als in
das viele Jahrzehende überſpannende Netz des Wirthſchaftsplanes eines Forſt-
reviers, der obendrein wie kein anderer durch mancherlei Zwiſchenfälle —
Windbruch, Inſektenſchäden, Waldbrand — durchkreuzt werden kann und
doch im großen Ganzen aufrecht erhalten werden muß.


Wiſſenſchaftliche Vorbildung iſt darum einer gedeihlichen Forſtwirth-
ſchaft nicht nur in demſelben ſondern in einem noch höheren Grade nöthig
als der Landwirthſchaft. Bei letzterer kann der aufmerkſame Routinier dem
wiſſenſchaftlich Gebildeten in ſeinen Erfolgen ſehr nahe kommen, ohne auf
dem Wege zu dieſem Ziele allzugroße Verluſte zu wagen, weil Uebelſtände
und Fehler ſich oft ſchon im nächſten Jahre wieder gut machen laſſen.
Wir wiſſen, daß ſich es in der Forſtverwaltung bei verkehrter Oberleitung
um ein gut Stück Zukunft eines Volkes handeln kann.


Der Mann, deſſen Gedächtniſſe dieſes Buch gewidmet iſt, ſteht der
großen Mehrheit ſeines Volkes, welche ihn nicht kennt, ſehr fern und doch
ſtand er ſein langes Leben hindurch dem Wohle dieſes Volkes treu zur
Seite; und wenn auch die Forſtwirthſchaft, die ſich namentlich an ſeinen
Namen und die Namen Pfeil und Hartig knüpft, der neueren Ge-
ſtaltung dieſer Wiſſenſchaft nicht überall mehr genügt, ſo ſind Die, welche
zu dieſem Fortſchritte führen, von den Schultern Jener ausgegangen und
es beweiſt gerade dieſer Fortſchritt aus ſich ſelbſt ſchon ſeine innere Be-
rechtigung und Nothwendigkeit. Dieſes Ausſichſelbſtbeweiſen hat ſeinen
Grund darin, daß dieſer Fortſchritt nicht das Ergebniß eines eiteln ruhm-
ſüchtigen Experimentirens und eines Prahlens mit günſtigen — vielleicht
den Geheimniſſen des Zufalls geſchuldeten — Erfolgen iſt; denn wer
hierauf ausgeht, der findet in der nur langſam ihren Willen kundgebenden
Waldnatur wenig Reiz und wenig Lohn. Der forſtwirthſchaftliche Fort-
ſchritt iſt das Ergebniß geduldvollſter, verzichtleiſtender Erwägung und
Berechnung einer dem Unkundigen undenkbaren Menge von Eventualitäten,
angeſtellt im Intereſſe nicht des eigenen Wohls, nicht des Wohls der
Mitlebenden, ſondern der Nachlebenden, die alſo nicht dankbar ſein können,
von denen kein Ruhm zu ernten iſt. Und eben hierin beruht die reine
und erhabene Selbſtverſtändlichkeit der Berechtigung des forſtlichen Vorwärts.


[583]

Forſtliche Berufsbildung auf breiter wiſſenſchaftlicher Grundlage iſt
mehr als je eine Forderung unſerer Zeit, und neben der ganz natürlichen
und darum auch nicht zu tadelnden Neigung der Menge, dem goldenen
Baume der Praxis vor der grauen Theorie den Vorrang einzuräumen,
ſchien es mir der drohenden Zukunft gegenüber nicht unverdienſtlich, meinem
Volke wenigſtens einiges Verſtändniß von der forſtlichen Wiſſenſchaft und
Wirthſchaft verſchaffen zu helfen.


Wenn nicht die Verminderung des Hochwildes an ſich ſchon von
dieſem Gedanken abbringen müßte, ſo würde noch mehr als es dennoch der
Fall auch gegenwärtig iſt, im Forſtmann von Vielen mehr der Waidmann
geſehen werden. Folge man dem nicht mit der Büchſe, ſondern mit dem
Zollſtocke ſein Revier begehenden Förſter und man wird oft wahr finden,
was ich ſchon im erſten Anfang unſeres geiſtigen Waldganges von ihm
ſagte: „begegnet man dem grünen Manne in ſeinen weiten, vom Morgen-
geſang der Vögel durchſchmetterten Revieren, ſo hat man wohl keine
Ahnung davon, daß unter dem grünen Rocke vielleicht ein um ſeinen
Pflegling bekümmertes Herz ſchlägt.“


Ich hielt es nicht blos für meine Pflicht gegen die wichtige grüne
Arbeiterklaſſe im Dienſte des Staatslebens, dieſe ernſten Bemerkungen
vorauszuſchicken, ſondern es ſchien mir dies nothwendig, weil ich meine
Leſer und ja auch meine Leſerinnen nicht ohne eine gewiſſe Weihe an die
Betrachtung der „Arbeit des Forſtmannes“ herantreten laſſen wollte.


Da wir die Arbeit des Forſtmannes nicht ſo auffaſſen wollen, wie
ſie der planlos wirthſchaftende oder gar der ſeinen heruntergekommenen
Finanzen aufhelfen wollende Privatwaldbeſitzer betreibt oder ſeinen gallo-
nirten Förſter betreiben läßt, ſondern wie ſie in gut eingerichteten Staats-
forſten betrieben wird, ſo will ich es verſuchen, an einem ſolchen Beiſpiele
meinen Leſern ein Bild von der Forſtverwaltung, vom Graben des Pflanz-
lochs bis zum Miniſterialerlaß, zu entwerfen. Wir werden dabei die
angehängten beiden Forſtkarten oft anſehen müſſen, welche möglichſt treue
Nachbildungen von zwei Originalkarten der königl. ſächſ. Forſtvermeſſung
ſind *).


[584]

Werfen wir jetzt ſchon einen erſten Blick auf ſie und erkennen wir
in der „Beſtandskarte“ ein Bild der Wirklichkeit, in dem „Hauungs-
plane“ ein Bild des Ideals. Jenes iſt nur einen kurzen Moment eine
Wahrheit geweſen und dieſes wird nie eine Wahrheit werden. Dieſe
Ungereimtheit werden wir im Verfolg reimen lernen. Reimen helfen wird
uns Mancherlei, z. B. der ſchlechte Finanzminiſter Graf Boſtrichus und
der Herr Holzhändler Sturm.


Wir denken uns den Fall, daß der Staatsverwaltung ein umfäng-
licher Gemeindewald zum Kauf angetragen wird, jene ihn ankauft und
ihn nun zum Staatswald erhebt, alſo damit und darin alle bleibenden
und wiederkehrenden Maßregeln vornimmt und vornehmen läßt, wie es
in der Staatsforſtverwaltung im umfaſſendſten Sinne geſchieht.


Wenn auch als ſelbſtverſtändlich anzunehmen iſt, daß der Handel auf
Grund einer Taxation und Vermeſſung abgeſchloſſen wurde, ſo iſt doch,
nachdem das Revier Staatseigenthum und entſchieden worden iſt, daß
daſſelbe als ſelbſtſtändiges Staatsrevier von einem eigenen Forſtbeamten
verwaltet werden ſoll, der nächſte Schritt, daſſelbe zu taxiren, zu vermeſſen
und eine Beſtandskarte davon aufnehmen zu laſſen.


Möglicherweiſe iſt das Revier ſehr heruntergebracht und darin herum-
gepläntert worden (S. 579), ſo daß es ſich nun ſehr ungleich und un-
regelmäßig beſtanden zeigt. Altes haubares Holz iſt nur hie und dort in
kleinen unregelmäßig geſtalteten Beſtänden vorhanden; andere eben ſolche
Flächen ſind mit Holz der 2. oder 3. oder 4. oder 5. Altersklaſſe beſtanden,
viele namentlich mit ganz jungen Hölzern. Dazwiſchen liegen Blößen
d. h. Flächen von Holzboden, auf denen gar kein Holz ſteht oder Räumden
*)
[585] mit weniger als dem Drittel von dem was darauf ſtehen könnte. Außer-
dem finden ſich auf dem Reviere Waldwieſen, Säuren (verſumpfte Stellen),
Teiche, Felſenpartien, Verkehrswege, Steinbrüche, Sand- oder Lehmgruben,
ſelbſt fremde Grundſtücke oder ganze Dörfer etc. Das Revier liegt in
keiner Ebene, ſondern auf den Einhängen eines Thales oder auf einem
Bergrücken. Dies Alles ſammt der Umgrenzung kommt bei der Ein-
richtung des Revieres zur regelrechten Bewirthſchaftung in Betracht und
muß auf der aufzunehmenden Karte zu ſehen ſein.


Auf dieſer muß außerdem aber noch als ein Hauptmoment eine ſofort
vorzunehmende Gliederung des Reviers in kleinere Abtheilungen angegeben
ſein, denn daſſelbe kann nicht als ein einiges großes Ganzes bewirth-
ſchaftet — davon abgeſchlagen und wieder neu kultivirt — werden. Dies
würde zu große Schläge und zu große Kulturflächen geben, was das Ge-
deihen des Reviers weſentlich beeinträchtigen und mancherlei andere Uebel-
ſtände mit ſich führen würde. Wie wir ſelbſt einen nicht großen Garten
durch breite Wege in Quartiere und durch ſchmale Wege dieſe wieder in
Beete eintheilen, ſo theilt man bei der Forſteinrichtung einen Wald durch
breite, ſogenannte Wirthſchaftsſtreifen in Revier- oder Wirth-
ſchaftsbezirke
und dieſe wieder durch ſchmale Schneißen in Ab-
theilungen
, von welchen auf der Karte die erſteren durch große Buch-
ſtaben, die letzteren durch Ziffern bezeichnet werden. Auf unſeren Karten
ſehen wir dieſe Eintheilung des Revieres am deutlichſten auf dem Hauungs-
plane, wo die Wirthſchaftsſtreifen grün und die Schneißen weiß mit
ſchwarzen Punkten dargeſtellt ſind.


Da der Fall ſelten vorkommt, daß auf bisherigem Feld- oder auch
vorher noch gar nie angebaut geweſenem Boden ein Wald erſt ganz neu
angelegt wird, ſo wird dieſe Waldeintheilung natürlich in dem bereits
beſtehenden Walde vorgenommen, während der Gärtner umgekehrt erſt die
Eintheilung macht und dann ſeinen Gartenbau nach den Abtheilungen
beginnt. Dies Verhältniß erſchwert dem Waldvermeſſer ſein Amt natürlich
bedeutend, denn er muß regelmäßige oder wenigſtens vorausbedachte von
geraden und zwar meiſt gleichlaufenden Linien eingeſchloſſene Figuren in
den Wald hauen, in welchem er vor Bäumen meiſt nicht hundert Schritt
vor ſich ſehen kann. Die Schwierigkeit dieſer Aufgabe wird noch ver-
mehrt, wenn die zu hauende Schneiße ein vielleicht ſehr abhängiges und
[586] felſiges Terrain zu durchſchneiden hat. Mit dem Ende der vielleicht eine
Viertelſtunde langen Schneiße an dem richtigen Punkte herauszukommen iſt
keine ſo leichte Aufgabe, welche übrigens nicht das Amt des Revierver-
walters ſondern des Forſtvermeſſers, Forſtgeometers, iſt; in allen deutſchen
Staaten eine beſondere Beamten-Klaſſe.


Es liegt auf der Hand, daß in einem ſehr ungleich beſtandenen und
aus zum Theil ſehr kleinen und unregelmäßig geſtalteten Beſtänden zu-
ſammengeſetzen Reviere bei Anlegung des Schneißennetzes auf dieſe
Beſtandsverſchiedenheit geringe oder keine Rückſicht genommen werden kann.
Die zu nehmenden Rückſichten ſind meiſt anderer Art, theils aus dem
gegenwärtigen Zuſtande des Reviers, theils aus demjenigen im Voraus
entnommen, den das Revier in Zukunft erhalten ſoll, was wir ſchon
errathen, wenn wir unſere beiden Karten mit einander vergleichen. Gegen-
wärtig ſieht das Revier ſo aus, wie es unſere erſte Karte zeigt, wie es
werden ſoll zeigt die zweite.


Nächſte Berückſichtigung erheiſchen die Terrain- und Bodenverhältniſſe
und die herrſchende Windrichtung. Durch das Krottendorfer Revier fließt
in einem ziemlich tief eingeſchnittenen Thale von Süd nach Nord *) ein
Bach, die große Mittweide, und theilt das ganze Revier in eine weſtliche
und eine öſtliche Hälfte. Wir ſehen, daß die Anordnung der Wirthſchaftsbezirke
auf dieſen theilenden Bach bezogen iſt. Die Schneißen ſind zunächſt an der
weſtlichen Grenze und dann in der ganzen öſtlichen Hälfte ſo geführt, daß
der herrſchende Weſtwind nicht in ſie hinein kann; auf dem Abhange nach
dem Bache hin fallen die Schneißen der Wirthſchaftsbezirke L, J, F, E, B
ohne Rückſicht hierauf gegen den Bach ein, weil hier die nach Oſt ein-
hängende Lage vor dem Winde ſchützt. Die Felſenklippen ſind auf beiden
Hängen angegeben, roth auf der Beſtandskarte, weiß auf dem Hauungs-
plane. Die Wirthſchaftsſtreifen und die Schneißen, erſtere in Sachſen
jetzt zwei Ruthen (à 7 Ellen 14 Zoll) breit, die letzteren viel ſchmaler,
ſind von allem Holze befreit und können daher, wenn das Terrain es er-
laubt, auch als Wege zur Holzabfuhre und anderen Waldgeſchäften dienen.


[587]

Wir ſehen nun, daß auf dem Reviere bei der Anlegung der Wirth-
ſchaftsbezirke und der Abtheilungen nicht die mindeſte Rückſicht auf die
außerordentlich große Beſtandsverſchiedenheit genommen werden konnte,
denn die Linien jener durchſchneiden die Beſtände wie ſie eben liegen.


Da das Krottendorfer (2941 ſächſ. Acker große) Revier bis auf den
kleinen im Süden liegenden alten Buchenbeſtand ein reines Nadelholzrevier
iſt und es in Zukunft auch bleiben ſoll, ſelbſt mit einſtmaliger Hinzuziehung
des Buchenbeſtandes, und da wir wiſſen, daß Nadelholz ſich nur für
Hochwaldwirthſchaft eignet, ſo iſt die Bewirthſchaftung des Reviers eine
ſehr gleichmäßige, aber, wie wir nun zu lernen haben, an vielen Orten
des Reviers zugleich arbeitende.


Nachdem wir oben erfuhren, daß bei der Anlegung und weiteren
inneren Gliederung der Wirthſchaftsbezirke Terrain- und Bodenverhältniſſe
und herrſchende Windrichtung berückſichtigt werden, ſo kommen nun zu
dieſen noch andere Rückſichten hinzu, die mit jenen zum Theil nahe zu-
ſammenhängen. Die Bodenbeſchaffenheit kann z. B. (wir ſehen jetzt von
unſerem Beiſpiele ab) zur Bildung eines Wirthſchaftsbezirkes für Nieder-
wald auffordern, oder eines ſolchen für Kiefernaufforſtung wegen ſandiger
Bodenbeſchaffenheit, während übrigens das Revier Fichtenboden hat. In
dem einem Bezirke erlaubt die Bodenbeſchaffenheit ein höheres Umtriebsalter
für die vorhandene Holzart als die übrigen für dieſelbe Holzart, was
natürlich ebenfalls eine geſonderte Bewirthſchaftung erheiſcht. Abgeſehen
von allen dieſen verſchiedenen Rückſichten müſſen auch ſchon deshalb
mehrere Wirthſchaftsbezirke gebildet werden, um an allen Theilen des
Revieres mit Berückſichtigung der anliegenden Ortſchaften für die Holzab-
fuhre bequem gelegene Schläge zu haben.


Aus alledem geht hervor, daß ein Revier eigentlich aus vielen kleinen
Revieren, den Wirthſchaftsbezirken, zuſammengeſetzt iſt. Wenn nun auch
in jedem dieſer kleinen Reviere, deren das Krottendorfer alſo 17 hat, eine
ſelbſtſtändige Bewirthſchaftung ſtattfindet, ſo müſſen doch alle mit der
Bewirthſchaftungs-Aufgabe des Geſammtreviers unter einen Hut gebracht
werden. Es beſteht zwiſchen ihnen den letztern gegenüber eine gewiſſe
Solidarität, wie es auch der Fall iſt zwiſchen den Staatsrevieren eines
Landes. Was die eine Abtheilung nicht leiſten kann, muß eine andere
leiſten; was die eine zu viel leiſtet, wird einer anderen erlaſſen.


[588]

Zur Löſung dieſer Aufgabe iſt es vor allen Dingen nothwendig, daß
der Revierverwalter auf ſeinem Reviere nicht allein vollſtändig zu Hauſe,
ſondern auch im Beſitze der Mittel ſei, gegen ſeine vorgeſetzte Behörde
und mit wem ſonſt er deshalb zu verkehren hat, jeden wirthſchaftlich zu
unterſcheidenden Punkt jeden Augenblick genau bezeichnen zu können, auch
wenn er dabei nicht auf dem Reviere iſt. Dies Mittel iſt die Beſtands-
karte, die ihm daſſelbe, ja noch mehr iſt, als dem Feldherrn die Terrain-
karte ſeines Schlachtfeldes.


Suchen wir jetzt einmal den Wirthſchaftsbezirk H, welcher oben unter
dem Worte „Mittweider“ (Revier) liegt, um uns hiervon zu überzeugen.


Als das Revier vermeſſen, eingerichtet und kartirt wurde, fiel auf
dieſen Bezirk gar kein Beſtand I. Claſſe, weshalb wir auf ihm die ſchwarze
Farbe vermiſſen, das älteſte Holz gehört der II. Claſſe an und liegt ſehr
paſſend zum Schutz des Inneren gegen die Weſtwinde am Weſtrande. Wir
finden weiter einen großen ſehr unregelmäßig geſtalteten Beſtand III. Claſſe,
dann 4 Beſtände IV. Claſſe, von denen der eine unten links ſich im Bezirk
J fortſetzt, was auch mit den 3 Beſtänden V. Claſſe der Fall iſt, die
auch vertreten iſt, und zwar nach K, J, L und T; endlich finden wir
oben in der rechten Ecke eine kleine Säure, die an die kleine Mittweide
ihr Waſſer abgiebt und alſo leicht zu entwäſſern war. Wir finden nun
weiter, an dieſe Altersclaſſenverſchiedenheit der Beſtände ſich nicht bindend,
die ganze Fläche des Wirthſchaftsbezirkes in die 6 Abtheilungen I. II. III.
IV. II.
und III. getheilt, die durch Schneißen gegen einander abgegrenzt
ſind. Weshalb kommt nun hier II. und III. zweimal vor? Die beiden
überzähligen II. und III. ſind die beiden Dreiecke unten links und rechts.


In Sachſen, auf welches Land wir uns jetzt beziehen, iſt die Fichte
auf einen 80jährigen Umtrieb (Turnus) geſtellt, d. h. man nimmt als
Durchſchnittsregel an, daß 80 Jahr dasjenige Alter der Fichte iſt, wo
ſie die größte und angemeſſenſte Menge Holz giebt und keinen weiteren
erheblichen Zuwachs hoffen läßt. Würde man nun den ganzen Wirth-
ſchaftsbezirk auf einmal abtreiben und neu kultiviren, ſo würde das nicht
nur den Uebelſtand ungeheurer Schläge und Kulturflächen haben, ſondern
das dabei verfügbar werdende Holz wäre auf Einen Punkt des Revieres
zuſammengedrängt, da man doch nicht zugleich in allen Bezirken ſo ver-
fahren kann. Dies nöthigt zu der Zerfällung der Wirthſchaftsbezirke in
[589] die Abtheilungen. Deren erhält jeder Wirthſchaftsbezirk der Regel nach
in Fichtenrevieren 4, indem man die wirthſchaftliche Lebensdauer der Fichte
in 4 gleiche, 20 Jahre umfaſſende Perioden zerlegt. Die Führung der
Schneißen wiſſen wir bereits namentlich von der Lage gegen die Wind-
ſtrömungen vorgeſchrieben, die Wirthſchaftsſtreifen (S. 586.) in unſerem
Falle von dem Terrain. Die möglichſte Gleichmäßigkeit im Ertrage und
in der Bewirthſchaftung verlangt, daß die Abtheilungen einen möglichſt
gleichen Flächenraum haben. Es würden aber die Abtheilungen III. und IV.
zu groß geworden ſein, wenn jene beiden anliegenden Bezirke, mit zu ihnen
gezogen worden wären. Deshalb ſind dieſe lieber zu ſelbſtſtändigen Ab-
theilungen erhoben worden, welche zugleich — ſiehe den Hauungsplan —
ſchützend gegen die Kreuzungen der Wirthſchaftsſtreifen vorſpringen.


In dieſen 4, hier 6, Wirthſchaftsabtheilungen wird nun in der
Reihenfolge ihrer Bezifferung gewirthſchaftet; 20 Jahre lang in Ab-
theilung I., dann 20 Jahre lang in Abtheilung II. und ſo fort. Es
vergehen alſo über der allmäligen Abnutzung und Wiederbebauung einer
jeden Abtheilung 20 Jahre. So oft alſo die gleiche Abtheilungsnummer
im Reviere vorkommt, ſo viele Orte hat in der Regel der Revierverwalter,
um daſelbſt gleichzeitig zu hauen und zu kultiviren. Dies geſchieht ſtets in
der Richtung von Morgen nach Abend aus dem uns ſchon bekannten Grunde,
oder von Mitternacht nach Mittag, um für die jungen Kulturen den be-
ſchattenden Schutz des ſtehenden Holzes gegen den Sonnenbrandzu haben.


Da in unſerem als Beiſpiel gewählten Bezirk H Abtheilung I. zuerſt
zum Hieb und zur Kultur kommt, ſo muß nach 80 Jahren dieſe Abtheilung
auf dem ganzen Bezirke das älteſte Holz haben und wir ſehen ſie daher
auf dem Hauungsplane ſchwarz als I.Periode; die ſchräg darunter
liegende Abtheilung IV. wird erſt nach 60 Jahren in Angriff genommen
und hat alſo nach 80 Jahren erſt Holz von 1—20jährigem Alter, er-
ſcheint alſo auf dem Hauungsplan als IV.Periode am hellſten. Auf
dem ganzen Bezirke H wie auch auf allen übrigen des Hauungsplanes
ſehen wir noch (in der I. Periode ſind ſie natürlich nur durch weiße
Linien ſichtbar zu machen) die Linien der alten Beſtandsgrenzen, wie dieſe
bei der Bewirthſchaftungs-Einrichtung beſchaffen waren. Der dereinſtige
Nachfolger des erſten Verwalters des neu „eingerichteten“ Revieres er-
ſieht daraus, wie vor achtzig Jahre ſein Revier ausſah.


[590]

Es braucht wohl kaum erſt darauf aufmerkſam gemacht zu werden,
daß die I. Periode, d. h. alle ganz ſchwarzen Flächen des Hauungsplanes,
80 Jahre nach 1830, als im Jahre 1910, nicht blos 80jähriges ſondern
60 — 80jähriges Holz tragen wird, weil ja zu ihrer Herſtellung 20 Jahre
erforderlich waren. Die Alles haarſcharf verlangenden meiner Leſer hätten
alſo einen Grund zu verlangen, daß der Kartenzeichner ſtreng genommen
die I. Periode nicht gleichmäßig ſchwarz, ſondern aus dem Ton der
II. Periode in Schwarz ſich allmälig ſteigernd hätte malen ſollen
und ſo entſprechend die übrigen. Auch dürfen wir uns durch den Namen
Hauungsplan für unſere zweite Karte nicht irre machen laſſen. Allerdings
ſcheint er nicht recht angemeſſen, denn die Karte ſtellt ja keinen Plan,
der erſt ausgeführt werden ſoll, dar, ſondern ſie ſtellt den bereits aus-
geführt gedachten
Plan dar. Der eigentliche Hauungsplan iſt richtiger
die Beſtandskarte, auf welcher über die thatſächlich vorliegenden Beſtands-
verhältniſſe das Schneißennetz gezeichnet iſt, und dieſes ſchreibt den
Hauungs- oder richtiger Bewirthſchaftungsplan vor.


Ueberblicken wir nun den Hauungsplan, ſo finden wir einen normalen
Zuſtand des Revieres hergeſtellt; alle Perioden (Altersclaſſen) ſind über
das ganze Revier gleichmäßig vertheilt, ſo daß daſſelbe äußeren Einflüſſen
gegenüber als ein möglichſt geſchloſſenes Ganzes daſteht und zur Holz-
abgabe überall alle Holzſortimente zur Verfügung ſtehen.


Dies ſind aber nur die Grundzüge der Revierverwaltung, wie ſie ſich
auf einer Karte ausdrücken laſſen, und ſo einfach iſt die Verwaltung keines-
wegs, wie man hiernach meinen könnte. Auch muß man nicht glauben,
daß auch wirklich nur ſchlagbare Hölzer geſchlagen werden, daß man alſo
in Fichtenrevieren alle Bäume mindeſtens 80 Jahre alt werden läßt.
Hier iſt vielmehr dem umſichtigen Forſtmanne die Aufgabe geſtellt, Wirth-
ſchaftsplan, Holzbedürfniß und eine Menge äußerer Zufälligkeiten ſo weit
in Einklang zu bringen, daß einerſeits die Ertragsfähigkeit des Revieres
nicht nur erhalten, ſondern auch verbeſſert und das ideale Ziel — wie es
unſer Hauungsplan in Ausſicht nimmt — immer angeſtrebt werde, und
wir werden das vorhin ungereimt Erſcheinende jetzt begreifen: daß dies
Ideal niemals erreicht, niemals vollſtändig eine Wahrheit ſein werde.


Bei dieſem faſt unausgeſetzten Ringen mit in verſchiedenſter Weiſe
widerſtrebenden Verhältniſſen bei der Verfolgung des Ideals, zunächſt bei
[591] der je 20 Jahre umfaſſenden Bewirthſchaftung der einzelnen Abtheilungen
(daher auch Periodenflächen genannt), würde die Einheit und Klarheit
der geſammten Revierbewirthſchaftung eines Landes bald geſtört und vielleicht
ganz aus dem Auge verloren werden, wenn nicht von Zeit zu Zeit von
einer über der Revierverwaltung ſtehenden Behörde nachgeſehen und darüber
gewacht würde, daß jene in dem geregelten Gange bleibe, und für Aus-
gleichung unvorhergeſehener Störungen dieſes Ganges Sorge trüge.


Das was wir bei der Beſchreibung der einzelnen Holzarten über
Leben und Krankheiten derſelben kennen gelernt haben, macht es ſelbſt-
verſtändlich, daß eine genaue Kenntniß hiervon das erſte Erforderniß einer
zweckmäßigen Revierbewirthſchaftung iſt, woran ſich unmittelbar Kenntniß
des Bodens (in der Landwirthſchaft Agronomie genannt) anſchließt.
Wenn wir hier dieſe umfaſſende Aufgabe zergliedern könnten, ſo würden
wir ſehen, daß der Forſtmann mehr noch als der Landwirth bei der Aus-
führung ſeiner Maßregeln die manchfaltigſten und umſichtigſten Erwägungen
zu machen hat. Was eine Holzart in dieſer Lage und auf dieſem Boden
ihren Lebensbedingungen nach zuläßt, läßt ſie anderwärts nicht zu, er-
heiſcht vielmehr Veränderung und Anbequemung der Maßnahmen an die
gegebenen Verhältniſſe. Wenn eine Holzart auf einem Boden und in
einer Lage mit Sicherheit und ſchon von der erſten Jugend an unvermiſcht
zu reinen Beſtänden erzogen werden kann, verlangt ſie in ihrer Jugend
anderwärts die Vermiſchung mit einer ſchützenden Holzart, welche ſpäter,
wenn der Schutz nicht mehr nöthig iſt, wieder herausgenommen wird. Und
ſo erleiden die nach den Lebensbedürfniſſen der Baumarten abzuleitenden
Regeln der forſtlichen Behandlung hunderterlei Ausnahmen durch äußere
Bedingungen.


Wenn wir die Löſung der ſchwierigen Aufgabe, einen klaren Ueber-
blick über die Verwaltung eines Revieres zu gewinnen, wenigſtens ver-
ſuchen müſſen, ſo kann unſere Betrachtung einen verſchiedenen Gang ver-
folgen. Wir können dabei entweder die vorkommenden Arbeiten nach der
Reihe, wie ſie im Verlauf eines Wirthſchaftsjahres auf einander folgen,
betrachten oder wir befolgen dabei die Ordnung, welche uns der Lebens-
verlauf des Baumes und eines von ihm gebildeten Beſtandes vorſchreibt;
oder auch wir betrachten die Reviergeſchäfte blos nach ihrem Weſen ohne
Berückſichtigung ihrer Beziehung zu einander. Letzteres Verfahren hat für
[592] uns den Vortheil des ungeſtörteren Verſtändniſſes des Einzelnen und wir
können alsdann leicht eine Geſchäftsüberſicht gewinnen.


Wir ſind, wenigſtens in der Staatsforſtverwaltung, längſt ſo weit,
daß der Unterſchied zwiſchen Forſtwiſſenſchaft und Forſtwirthſchaft
theoretiſch zwar beſteht, aber in der Praxis, Dank unſeren forſtlichen
Bildungsanſtalten, von einer bereits ſehr großen Anzahl echt wiſſenſchaft-
lich verfahrender Revierverwalter nach Kräften ausgeglichen iſt. Es wird
daher angemeſſen ſein, die Betrachtung der „Waldwirthſchaft“ ihren einzelnen
Geſchäften nach an den Faden einer Gliederung der Forſtwiſſenſchaft im
engeren Sinne — alſo die Grundwiſſenſchaften Mathematik und Natur-
geſchichte unbeachtet laſſend — anzureihen. Folgen wir in dieſer Gliede-
rung, wenn auch in etwas veränderter Reihenfolge Cotta’s „Grundriß der
Forſtwiſſenſchaft“, 5. Auflage.


Berückſichtigen wir dabei theils die Zeitfolge, theils die Höhe der
Rangordnung, ſo zerfällt die Forſtwiſſenſchaft im engeren Sinne in


  • 1) Waldbau.
  • 2) Forſtſchutz.
  • 3) Forſteinrichtung.
  • 4) Waldwerthberechnung.
  • 5) Forſtverfaſſung.
  • 6) Forſtbenutzung und Forſttechnologie.

Der Waldbau


hat es mit der Erziehung und Ernte des Holzes zu thun*), und
alle praktiſchen Geſchäfte des Waldbaues fallen zwiſchen die beiden End-
punkte der Bodenbearbeitung und der Fällung der Bäume.


Voraus geht noch die Wahl der dem zu bebauenden Boden ange-
meſſenſten Holzart, denn auf dieſe kommt es größtentheils an, ob eine
vorgängige Bodenbearbeitung nothwendig, nützlich oder ſelbſt zuläſſig ſei.
Wenn es neben den unzähligen Ackerwerkzeugen des Landwirths allerdings
auch einen Waldpflug giebt, ſo wird dieſer doch nur in wenigen Fällen
angewendet und der meiſt von ſtarken Wurzeln durchflochtene, ſteinige
[593] oder ſogar felſige Waldboden erlaubt meiſt nur der Hacke und dem Spaten
den Zugang. Es iſt daher eine große Erleichterung des Waldbaues, daß
eine ackerähnliche Bearbeitung des Waldbodens überhaupt faſt nie noth-
wendig iſt, man im Gegentheil mit der Auflockerung deſſelben ſehr vor-
ſichtig ſein muß, um die meiſt lange Zeit zum Keimen brauchenden Wald-
ſämereien nicht durch Austrocknung oder Graswuchs — die gewöhnlichen
Folgen zu ſtarker Bodenlockerung und die ärgſten Feinde der Forſtkulturen —
leiden zu laſſen.


Die außerordentlich große Verſchiedenheit des Waldbodens hinſichtlich
ſeiner Geſteinsabſtammung (ob Granit-, Baſalt-, Kalk-Boden etc.), der
Menge und Größe der in ihm ſich findenden Steine, der Erwärmungs-
fähigkeit, des Feuchtigkeitsgehaltes, der Bedeckung (mit Nadeln, Laub oder
Waldkräutern und Gräſern), der Lage und Neigung: dies alles iſt bei der
Bodenbearbeitung in Betracht zu ziehen. Die Wichtigkeit und Verfänglich-
keit der Bodenbearbeitungsfrage ergiebt ſich leicht, wenn man ſich erinnert,
daß z. B. der Boden eines Fichtenſchlages vielleicht ein halbes Jahrhundert
oder länger ruhig und in völliger Beſchattung eines alten Beſtandes ge-
legen hat und nach der Schlagräumung plötzlich allen Einwirkungen von
Luft und Licht ausgeſetzt wird, daß alſo eine Auflockerung Proceſſe in
ihm hervorrufen muß, welche ihrer Beſchaffenheit nach in den meiſten
Fällen nicht mit Sicherheit voraus zu beſtimmen ſind. Am reiflichſten
zu bedenken iſt die Bearbeitung des Sandbodens, um ihn dadurch nicht
noch ärmer werden zu laſſen*). Auf ſumpfigem Boden gehört oft Ent-
wäſſerung zu den nothwendigen Maßregeln der Vorbereitung zur Kultur.
Wir wiſſen ſchon, daß die Bearbeitung des Waldbodens ſich entweder auf
einzelne etwa 1 — 4 Quadratſchuh große „Plätze“ oder 1 — 2 Schuh breite
„Streifen“ oder „Riefen“ beſchränkt oder ſich auf die ganze Kulturfläche
erſtreckt, was man „Kurzhacken“ nennt und wobei keine Mengung und
große Veränderung in der Lage der Bodenbeſtandtheile ſtattfinden darf.
Wenn dieſe Bearbeitung zur Saatkultur vorgenommen wird, ſo wird zur
Roßmäßler, der Wald. 38
[594]Pflanzkultur der Boden entweder mit „Pflanzlöchern“ oder mit „Pflanz-
furchen“ oder „Gräben“ zur einzelnen oder reihenweiſen Aufnahme der
Pflanzen verſehen.


Zu dieſen Bodenarbeiten genügt in den meiſten Fällen die Hacke,
der Spaten und der Rechen, zum Ausheben ſchon größerer Pflanzen der
Pflanzbohrer.


Die Zeit der Bodenbearbeitung — in den meiſten Fällen das zeitige
Frühjahr und der Herbſt — hängt natürlich ſehr von der Bodenbeſchaffen-
heit und dem Klima, zum Theil auch von der zu kultivirenden Holzart ab.


Iſt nun der Waldboden zur Kultur vorbereitet, über die Wahl der
Holzart und ob Saat oder Pflanzung ſtattfinden ſoll entſchieden, ſo iſt —
wenn wir zunächſt bei der Saat verweilen wollen — die Verfügbarkeit
einer erforderlichen Menge guten keimfähigen Samens vorausgeſetzt. Dieſen
herbeizuſchaffen und bis zur Saatzeit in keimfähigem Zuſtande zu erhalten
hat oft ſeine großen Schwierigkeiten. Oft vergeht eine ziemliche Reihe
von Jahren, in denen nur wenig Samen wächſt und wenn endlich ein
reiches Samenjahr eintritt, dem alsdann wieder unfruchtbare Jahre folgen,
ſo kommt erſteres den letzteren nicht oder wenig zu Gute, weil die meiſten
Waldſämereien ihre Keimkraft nur kurze Zeit behalten, alſo Samenvorrath
kaum aufzuſpeichern iſt. Beſonders ſind Bucheckern und Eicheln kaum
länger als ein Jahr aufzubewahren, ohne die Keimkraft zu verlieren. Nicht
minder erfordert es eine ſorgſame Berückſichtigung der Bodenbeſchaffenheit,
der Samengüte, der herrſchenden Witterung, um die nach Verhältniß der
Saatfläche zu verwendende Samenmenge zu beurtheilen. Manche Nadel-
hölzer werden zuweilen in ſogenannten Fruchtſaaten zugleich mit Ge-
treide geſäet, ſo daß die jungen Pflänzchen von der Getreideſaat geſchützt
ſtehen und auch nachher durch die Stoppeln noch einigen Schutz genießen.


Wir wiſſen aber bereits, daß der Forſtmann die Beſtockung einer
Kulturfläche in vielen Fällen auch der Natur anvertrauen kann, indem er
es den Bäumen überläßt, ihren Samen darüber auszuſtreuen. Er ſtellt
zu dem Ende einen Samenſchlag oder Beſamungsſchlag her, wozu
freilich mancherlei günſtige Umſtände zuſammentreffen müſſen: 1) ein be-
vorſtehendes Samenjahr, 2) daß die Fläche an der Reihe des Abtriebes
iſt und 3) eine dem Aufgehen der Pflänzchen günſtige Bodenbeſchaffenheit.


[595]

Das aufmerkſame Auge des Waldbauers erkennt ſchon im Spätherbſt
an den Knospen der meiſten Baumarten, ob ſie im nächſten Jahre reich-
lich Samen tragen werden; unter den beſtandbildenden Bäumen iſt dies
nur bei den Eichen ohne Zergliederung der Knospen nicht möglich. Iſt
man eines bevorſtehenden Samenjahres ſicher, ſo wird der Beſtand bis
auf gleichmäßig und in angemeſſener Entfernung von einander vertheilte
Samenbäume geſchlagen und ſogleich geräumt, wodurch meiſt von ſelbſt
ſchon eine angemeſſene Wundmachung des Bodens zur Samenaufnahme ſtatt-
findet. Es verſteht ſich von ſelbſt daß z. B. die reichlich tragenden ihren
geflügelten Samen weit hin verſtreuenden Fichten in einem Samenſchlage
weitläuftiger ſtehen dürfen als die Buchen, deren ſchwerere Samen bei nicht
ſtark bewegter Luft meiſt ſenkrecht niederfallen.


Mit ſorgfältiger Berückſichtigung des Licht- oder Schutzbedürfniſſes
der aufgegangenen Pflänzchen werden in den folgenden Jahren die Samen-
bäume mit möglichſter Schonung der Pflänzchen allmälig herausgeſchlagen
und je nach dem Erfolg der Beſamung bei ungleichmäßigem Aufſchlag
zu lichte Stellen mit aus zu dichten herausgenommenen Pflänzchen aus-
gebeſſert, oder wenn die Beſamung ganz mißlang durch Saat oder
Pflanzung aufs Neue kultivirt, was bei vorwaltend taubem Samen oder
aus anderen Gründen auch vorkommen kann.


Indem wir uns auf dieſe wenigen Andeutungen über die Saat, natür-
liche und künſtliche, beſchränken müſſen, haben wir nun die Pflanzung
ebenfalls nach ihren Hauptregeln kennen zu lernen, wobei wir nur an-
deuten, daß es je nach den verſchiedenen Verhältniſſen der Kulturfläche
und den mancherlei Eigenthümlichkeiten der zu kultivirenden Holzart dem
Revierverwalter vielſeitige Erwägungen auferlegt, ehe er ſich über Saat
oder Pflanzung entſcheiden kann.


Die zu letzterer erforderlichen Pflänzlinge können auf verſchiedene
Weiſe beſchafft werden. Oft können ſie aus zu dick ſtehenden Beſamungs-
ſchlägen oder Saatkulturen oder ſelbſt an den verſchiedenſten Stellen des
Revieres, wo ſie zufällig aufgegangen ſind, entnommen werden; meiſt je-
doch werden ſie in Saatkämpen und Pflanzgärten künſtlich aus
Samen erzogen.


Die Saatkämpe ſind auf oder in der Nähe der zu kultivirenden Fläche
blos für die Kulturzeit angelegte umzäunte Saatplätze, wo die Pflänz-
38*
[596] chen erzogen und von da in dem erforderlichen Alter auf die zu kultivirende
Fläche verpflanzt werden. Die Saatkämpe bieten den Vortheil des er-
leichterten Transports der Pflänzchen und außerdem noch den, daß ſie in
derſelben Bodenart aus dem Samen erwachſen ſind in welche ſie nachher
ausgepflanzt werden ſollen.


Ein Pflanz- oder Forſtgarten, deren große Reviere oft mehrere
haben, iſt ein größerer ſtändiger, mit einem dichten Zaun umfriedigter eigent-
licher Garten, in welchem nicht nur kleine Pflanzen aus Samen erzielt,
ſondern dieſe — namentlich Laubhölzer — durch ein- oder mehrmaliges Ver-
ſetzen bis zu einer bedeutenderen Größe erzogen werden, ehe ſie hinaus auf
das Revier gepflanzt werden. Iſt auch ſelbſtverſtändlich der Boden eines
Pflanzgartens mehr bearbeitet und daher beſſer als ein Saatkamp, ſo darf
dies doch nicht in ſo hohem Grade ſtatthaben, daß dadurch ein zu großer
Unterſchied zwiſchen ihm und dem Boden des ganzen Revieres hervorgeht,
weil ſonſt die in gutem Boden erwachſenen Pflanzen auf dem magerern
des Revieres kümmern würden.


Das Geſchäft des Pflanzens, welches ſich in die drei Stufen des
Aushebens, des Transportes und des Einſetzens der Pflanzen theilt und
welchem die Bodenzubereitung voraufgegangen iſt, iſt auf großen Revieren
ein viel Hände und viel Zeit in Anſpruch nehmendes und erfordert, da
man ſich dabei oft ungeübter Handarbeiter bedienen muß, die ganze Um-
ſicht und Thätigkeit des Revierverwalters. Die gewöhnliche Kulturzeit —
das Frühjahr — reicht daher oft nicht aus und man muß vorſorglich oft
ſchon im vorhergehenden Herbſt beginnen oder im Frühjahr von ungünſtigem
Wetter unterbrochene Kulturen im folgenden Herbſt vollenden. Der jähr-
liche „Kultur-Etat“ des Erottendorfer Revieres beträgt 40 Acker, eine
Fläche, welche zuſammenhängend ein anſehnliches Landgut repräſentiren
würde, die aber wie wir wiſſen in vielen Wirthſchaftsbezirken zerſtückelt
liegt. Es iſt hier vielleicht nicht überflüſſig zu bemerken, daß nicht blos
im erſten ſondern oft auch noch im zweiten Jahre nach gemachter Kultur —
Saat oder Pflanzung — das ungeübte Auge des Laien ſelbſt eine gut
gerathene Kultur leicht für eine Blöße anſieht. Am leichteſten fallen auf
Fichten-Riefenſaaten ſchon im zweiten Jahre die fingerlangen oft dicht
aneinander gedrängten noch unverzweigten Fichtchen als grüne Streifen
ins Auge. Eine natürliche Fichtenbeſamung, auch wenn ſie mit Millionen
[597] aufgegangener Pflänzchen beſetzt iſt, muß der Nichtforſtmann ſcharf anſehen,
um die Fläche nicht für ein nutzloſes verunkrautetes Feld zu halten. Die
Freude über eine gelungene Kultur — ſicherlich die Hauptfreude des pflicht-
treuen Forſtmannes — kommt dem Laien manchmal höchſt ſonderbar vor,
denn er ſieht ja nichts, worüber ſich zu freuen wäre. Aber es kommt auch
der umgekehrte Fall vor. Der aus ſeinen Mauern hinauskommende Städter
bewundert eine vielleicht vier Jahre alte Fichtenpflanzung, in der die Pflanzen
in Reihe und Glied aufmarſchirt ſtehen. Er ſieht nicht, was ſein Begleiter
ſieht, daß die Pflanzen nicht wachſen wollen, daß die Kultur mißrathen iſt.
Gerade was Jenem gefällt, das Gedrungene, Buſchige, die Fülle dichtbei-
ſammenſtehender Triebe, das beweiſt Letzterem das „Butten“ der Pflanzen;
er verlangt, daß der Herztrieb mindeſtens handlang emporgeſchoſſen ſein ſoll.


Die Ausführung der Pflanzkultur iſt ſeit die Forſtwirthſchaft wiſſen-
ſchaftlichen Regeln folgt ein Feld des vielfältigſten Experimentirens ge-
worden, ſo daß jetzt je nach Umſtänden die verſchiedenſten Verfahrungs-
arten befolgt werden. Ueber allen dieſen, von denen keine den unbedingten
Vorzug vor allen übrigen für ſich allein in Anſpruch nehmen kann, ſteht
als allgemeine Regel, daß man bei dem Ausheben die Wurzel möglichſt
wenig verletzt, dieſe während des Transports auf die Kulturfläche nicht
vertrockne und daß an der neuen Pflanzſtätte die Wurzel in eine gedeihliche
Lage komme. Wahrlich, bei den vielen Tauſenden von Pflanzen keine
leichte Aufgabe!


Wie groß und tief die Pflanzlöcher, wie weit von einander und in
welcher Anordnung oder wie dafür geſagt wird: in welchem „Verband“
(ob in Dreieck-, Rechteck- oder Reihenverband) ſie gemacht ſein müſſen,
wie groß und alt die Pflanzen ſein und ob ſie an Wurzeln und Zweigen be-
ſchnitten werden dürfen, ob ſie höher oder tiefer in den Pflanzlöchern zu
ſtehen kommen müſſen — dies und noch manches Andere iſt vor der
Ausführung der Kultur je nach den vorliegenden Verhältniſſen zu er-
wägen, wobei man zu bedenken hat, daß es in vielen Fällen nicht mög-
lich iſt, die eingeſetzten Bäumchen anzugießen ſondern dieſe dem Belieben
des Himmels anheim gegeben werden müſſen.


Von den verſchiedenen Pflanzmethoden ſind folgende die wichtigſten,
neben welchen als die ſchlichte Regel die zu neunen iſt, daß die ſorgfältig
aber ohne anhaftende Erde ausgehobenen (nicht ausgezogenen) Pflanzen
[598] ohne weitere beſondere Umſtände einzeln an den neuen Standort gepflanzt
werden. Bei der Ballenpflanzung wird mit dem Spaten oder mit
dem ſogenannten Pflanzenbohrer die Pflanze mit einem Ballen am Wurzel-
ſtock haftender Erde ausgehoben und mit dieſem in das Pflanzloch einge-
ſetzt. Büſchelpflanzung iſt diejenige Verfahrungsart, wobei aus
den Pflanzreihen des Saatkampes oder des Pflanzgartens nicht einzeln
ſondern in Büſcheln von 4—5 die Pflanzen, welche natürlich dazu noch
klein und höchſtens 3—4 Jahre alt ſein müſſen, genommen und in ſolchen
Büſcheln verpflanzt werden. Die Büſchelpflanzung iſt beſonders bei den
Nadelhölzern in Anwendung. Man rechnet dabei darauf, daß bald eine
der Pflanzen eines Büſchels ſich am kräftigſten entwickelt und die übrigen
bald unterdrückt. Die Hügelpflanzung, faſt nur bei der flachwurzeligen
Fichte angewendet, iſt bei dieſer beſchrieben worden (S. 322). Dieſe
Pflanzmethode iſt namentlich auf naſſem Boden vortheilhaft. Nach den Er-
findern nennt man die Biermanns’ſche und die v. Buttlar’ſche
Pflanzmethode, von denen jene ſich durch Einbringen von Aſche in
die Pflanzlöcher, dieſe hingegen dadurch auszeichnet, daß ſie ganz kleine
1- oder 2jährige Pflanzen in kleine mit Hilfe eines Pflanzeiſens ge-
ſtochene Löcher pflanzt.


Neben der Saat- und Pflanzkultur hat die Anwendung von Steck-
lingen
und Setzſtangen nur eine ſehr untergeordnete Bedeutung, in-
dem ſich nur wenige Baumarten zu dieſer Vervielfältigungsweiſe eignen
(Weiden, Pappeln) und noch ſeltner angewendet iſt das Abſenken, wobei
man Zweige eines buſchigen Stockes ohne ſie von dieſem zu trennen bis
zum Erdboden niederbiegt und hier durch einen Haken und etwas auf-
geſchüttete Erde ſowohl feſthält als zum Wurzelſchlagen veranlaßt.


Bis zu dem andern Endpunkte des Geſchäftsbereiches des Waldbaues,
der Holzernte, hat der Forſtmann zwar eine unausgeſetzte Aufmerkſamkeit
auf das Gedeihen ſeiner Kulturen zu wenden, kann aber zu deſſen
Förderung nur wenig thun, und dieſes Wenige beſteht mehr in Abwehr
und Vorbauung als in unmittelbarer Unterſtützung des Gedeihens. Wie
das Leben eines Baumes vom Aufkeimen an bis zum Haubarkeitsalter eine
ununterbrochene Kette iſt, in der man keine ſcharf ausgeſprochenen Abſchnitte
bemerkt, ſo gehen auch die Arbeiten der Saat, Erziehung und Ernte, die
Arbeit des Waldbaues in die des Forſtſchutzes allmälig über. Lange bevor
[599] eine Kultur zur Ernte reif iſt, beginnt in den Durchforſtungen eine
Thätigkeit, welche eben ſo ſehr ein Ernten wie ein Beſchützen iſt. Nicht
allein bei gut gerathenen natürlichen Beſamungen und Vollſaaten — bei
denen dies ſelbſtverſtändlich iſt — ſtehen viel mehr Pflänzchen auf der
Fläche als ſie einſt haubare Bäume wird tragen können, ſondern auch
auf den viel weitläufigeren, „räumlicheren“, Pflanzkulturen iſt dies der
Fall. Wir haben ſchon früher die dadurch gebotene Maaßregel der Durch-
forſtungen kennen gelernt (S. 155), wodurch eben ſo ſehr die ſtehen bleiben-
den Bäumchen in ihrem Gedeihen befördert (beſchützt) werden, als das
Holz der herausgehauenen eine Holzernte giebt, welche bis zu einem gewiſſen
Alter der durchforſteten, allmälig zum Beſtande gewordenen Kultur an Holz-
Ertrag immer ergiebiger werden muß.


Wir haben ſchon an der angeführten Stelle (S. 156) erfahren, daß
die Durchforſtungen zu denjenigen Obliegenheiten der Forſtbewirthſchaftung
gehören, welche die meiſte Umſicht erheiſchen und über die ſich am wenigſten
feſte Regeln aufſtellen laſſen.


Meine Leſer werden ſich leicht denken können, daß der Fall eintreten
kann, daß von der Kultur an bis zum Abhieb des hauhar gewordenen
Beſtandes — bei der Fichte z. B. 80 — 100 Jahre umfaſſend — die
Durchforſtung nie ruht, wenn es ſich z. B. darum handelt ſehr ſtarkes
Holz zu erziehen, welches zuletzt ſehr räumlich ſtehen muß.


So ergiebt ſich der Begriff der Zwiſchennutzungen, welche bei
der Feſtſtellung und Vorausberechnung der Holzerträge der einzelnen Revier-
abtheilungen entweder gar nicht oder nur annähernd beſtimmt werden
können. Hinſichtlich der Durchforſtungserträge läßt ſich dies ermöglichen,
nicht aber bei denjenigen Zwiſchennutzungen, welche durch Schneedruck,
Windbruch oder Inſektenverheerungen etc. völlig unvorhergeſehen verfügbar,
gewiſſermaſſen aufgenöthigt werden.


Bei der Ernte des Holzes — abſehend von den Zwiſchennutzungen,
welche in dem Zeitraume zwiſchen Kultur und Abtrieb des Beſtandes zu-
ſammengenommen vielleicht einen ſehr großen ja größeren Ertrag gegeben
haben können als der zuletzt erfolgende Abtrieb — kommt namentlich das
angemeſſenſte Alter, das Hauungsalter, des Holzes und die zweck-
mäßigſte Jahreszeit der Fällung in Betracht.


[600]

Die erſtere Erwägung, welche, wie wir ſchon wiſſen, die Umtriebs-
zeit
, den Turnus, beſtimmt, gründet ſich auf mancherlei Umſtände,
beſonders auf die Bodenbeſchaffenheit, auf die Natur der Holzart, auf die
Bedürfniſſe der verſchiedenen Holzbenutzungsarten. Hieraus ergiebt ſich
von ſelbſt, daß allgemein gültige Regeln ſich hierüber nicht feſtſtellen laſſen,
und daß die Beſtimmung des auf einem Reviere geltenden Turnus eben-
ſowenig oder nur in ſeltenen Fällen eine für das ganze Revier in allen
ſeinen Theilen gleichgeltende ſein kann, als dieſe Beſtimmung zu den
ſchwierigſten Aufgaben der Revierbewirthſchaftung gehört.


Die Ausführung der im großen Ganzen für jedes Revier und für
jedes Jahr ihrem Ertrage nach vorausbeſtimmten Holzernte hat ſich über
die einzelnen Abtheilungen des Revieres, wie wir dieſe auf Grund der
Beſtandskarte kennen gelern haben, zu vertheilen.


Wenn nun z. B. auf dem Crottendorfer Revier alljährlich 3872 Nor-
malklaftern à 100 Kubikfuß geſchlagen werden ſollen, ſo hat der
Revierverwalter dieſe Holzentnahme nicht nur auf die Wirthſchaftsbezirke
und in dieſen auf die einzelnen Wirthſchaftsabtheilungen zu ertheilen,
ſondern er hat dabei auch auf die Beſchaffenheit Rückſicht zu nehmen, in
welcher er den Holzbetrag zu liefern hat. Jene 3872 Normalklaftern
ſollen beſtehen: aus 3762 N.-K. Nadelholz und 110 N.-K. Laubholz, und
dieſe wieder ſollen ſich ergeben als 4000 landesübliche Klaftern,
à 80 Kubikfuß, Derbholz (und zwar 3880 Nadelholz, 120 Laub-
holz), als 2400 Schock Reißig, à 28 K.-F., (und zwar 2350 Schock
Nadel- und 50 Schock Laubholzreißig). Außerdem rechnet man neben
dieſem Ertrage noch auf jährlich 2000 Klaftern Stockholzà 40 K.-F.


Um dieſen Vorſchriften zu genügen hat der Revierverwalter die viel
Umſicht erheiſchende Aufgabe der Auswahl der Schläge zu löſen, wo-
bei die verſchiedenartigſten Rückſichten zu nehmen ſind, indem z. B. dabei
ſelbſt nicht immer das relativ älteſte Holz zu entnehmen iſt, ſondern dieſem
jüngeres deshalb vorangehen kann, weil dieſes in ſchlechtem Zuwachs ſteht.
Daß dabei auch die Bequemlichkeit der Abfuhre und die Bedürfniſſe der
umliegenden Ortſchaften Berückſichtigung erheiſchen, haben wir oben ge-
legentlich ſchon geſehen. Unter allen Verhältniſſen muß bei der Wahl der
Schläge auf die möglichſte Begünſtigung des Wiederwuchſes des Holzes
alle Rückſicht genommen werden, was je nach den verſchiedenen Holzarten
[601] und Betriebsarten ſehr verſchieden ſein kann. Es erinnern uns hieran
die großen Verſchiedenheiten der Bewirthſchaftung, welche Laub- und Nadel-
hölzer erheiſchen, welche durch Hoch-, Mittel- und Niederwald-Betrieb
bedingt ſind.


Indem es hier viel zu tief in das Sachliche der Forſtverwaltung
führen würde, wenn wir in dieſe Verſchiedenheiten eingehen wollten, ſo
beſchränken wir uns auf einige allgemeine Regeln der Hochwald-Schlag-
führung bei den Nadelhölzern (namentlich Fichten und Kiefern), für welche
ſich dieſe leichter als für den Laubwald geben laſſen.


Hier werden hauptſächlich viererlei Schläge unterſchieden. 1) Die
Samenſchläge haben wir ihrem Weſen nach ſchon S. 594 kennen ge-
lernt. 2) Die Springſchläge oder Couliſſenhauungen beſtehen
darin, daß man in der zur Hauung ſtehenden Abtheilung oder Beſtande
10 — 15 Ruthen breite Streifen abtreibt und zwiſchen je zwei ſolchen
immer einen etwas ſchmäleren Streifen ſtehen läßt. Der Vortheil der
leichten Beſamung wird durch die Gefahr leichten Windbruches in dieſen
ſchmalen Waldſtreifen aufgehoben. 3) Die Keſſelhauungen haben
denſelben Nachtheil; ſie beſtehen darin daß man mitten in den haubaren
Beſtänden gerundete Schläge (Keſſel) abtreibt und dieſe in den folgenden
Jahren an Umfange allmälig erweitert. 4) Die Kahlſchläge beſtehen
in dem reinen Abtriebe der Schlagflächen ohne Berückſichtigung der natür-
lichen Beſamung. Sie ſind nur da unbedingt zu empfehlen, wo man
nicht nöthig hat, auf die Arbeits- und Koſtenverminderung durch die letztere
zu rechnen.


Wenn wir ſchon vorhin die Bedeutung der Durchforſtungen kennen
gelernt haben (S. 599) ſo ſind im weiteren Sinne zu ihnen auch noch die
Läuterungshiebe zu rechnen, welche darin beſtehen, daß man in einem
abſichtlich oder von Natur nicht reinem Beſtande diejenige Holzart heraus-
nimmt, welche den künftigen Beſtand nicht bilden ſoll, bisher aber vielleicht
als Schutzholz herangezogen worden war, z. B. Kiefern oder Lärchen in
Fichtenbeſtänden.


Bei der Holzernte liefert das Stockroden, d. h. das Ausgraben
des Wurzelſtockes und der dickſten Wurzeläſte oft einen nicht unbedeutenden
Maſſenertrag, der gleichwohl der bedeutenden Rodelöhne wegen meiſt nur
einen unbedeutenden Nettoertrag giebt. Mancherlei Umſtände, z. B. die
[602] Bodenbeſchaffenheit, können jedoch daß Stockroden auch ganz verbieten.
In ſolchen Fällen müſſen die Bäume dicht am Boden abgehauen werden
um nicht zu viel Holz zu verlieren.


Die Erwägung, daß ein Baum während ſeines langen Lebens nur
einen kleinen Theil des Bodens, den er einnimmt, eigentlich bedurft hat,
führte ſchon ſeit länger als 300 Jahren zu einer landwirthſchaftlichen
Mitbenutzung des den Bäumen ſelbſt unnöthigen Antheils der Bodenfläche.
Dies geſchah und geſchieht zum Theil noch in den ſogenannten Hack-
waldungen
oder Haubergen, welche im Siegen’ſchen ſo behandelt
werden, daß man in Mittel- und Niederwaldungen, welche in 15- bis
20jährigem Umtriebe ſtehen, nach erfolgtem Abtriebe und Abfuhr des
ſtärkeren Holzes das ſchwache Reiſig und den Raſen anbrennt und auf
dem aſchegedüngten Boden zwei Jahre lang Getreide baut. Die Röder-
waldungwirthſchaft
unterſcheidet ſich hiervon dadurch, daß der Ge-
treidebau zwei bis drei Jahre lang ſtattfindet nachdem jedoch der Schlag
vollſtändig geräumt und auch ganz rein von allen Stöcken und Wurzeln
gerodet worden war. Der ſcheinbare Vortheil letzterer Bewirthſchaftung,
den die leichte Wiederbewaldung anfangs gewährt, wird dadurch wieder
aufgehoben, daß dieſem anfänglichen Gedeihen nach einigen Jahren ein
längeres Kümmern der Kulturen folgt, welche ſich erſt dann allmälig
wieder erholen, wenn der Boden durch neuen Laubfall ſich wieder ge-
kräftigt hat.


Dieſe ſehr beſchränkte Verbindung des Waldbaues mit dem Feldbau
dehnte H. Cotta ſchon 1819 weiter auch auf den Hochwaldbetrieb aus,
indem er ſeine berühmt gewordene und vielbekämpfte Lehre von der
„Baumfeldwirthſchaft“ vortrug.


Der Forſtſchutz.


Gegen welche hauptſächlichſten Gefahren und Feinde der Forſtmann
ſeine Beſtände zu ſchützen hat, haben wir ſchon früher erfahren, als wir
die Nadelbäume in ihrem Geſammtcharakter betrachteten, und dabei ſahen,
daß ſie dieſen Gefahren und Feinden meiſt mehr unterworfen ſeien als die
Laubhölzer (S. 247). Es kommen jedoch zu den dort genannten noch
manche andere hinzu, ſo daß in der Forſtpraxis ſowohl wie in der Forſt-
[603] wiſſenſchaft der Forſtſchutz ein beſonderes Kapitel bildet und ſeine be-
ſonderen Beamten fordert, die gleichwohl nicht im Stande ſind, jeden
Schaden von dem Walde abzuwehren.


Wenn wir die Aufgabe des Forſtſchutzes nach unterſchiedenen Geſichts-
punkten gliedern wollen, ſo iſt der Wald vor ſolchen Angriffen und Ge-
fahren zu ſchützen, welche ihm von den Menſchen, von den Thieren,
von Naturereigniſſen drohen, welchen man ſogar noch, an die eigent-
lichen beläſtigenden Unkräuter denkend, die Pflanzen hinzufügen kann.


Es iſt hier nicht der Ort, ſelbſt nur einen Abriß der Forſtpolizei-
lehre
einzuſchalten und dabei von den verſchiedenen Waldfreveln, Fahr-
läſſigkeiten und Entwendungen zu ſprechen, welche verhütet werden müſſen.
Erwähnt ſoll nur nochmals der Hauptfrevel werden, den der Menſch am
Walde begeht, und den wir ſchon auf S. 42 nach einer Betrachtung des
Waldbodens mit den Worten bezeichneten: „wir begreifen, daß es eine
ſchwere Sünde am Walde begehen heißt, wenn man ihm ſeine Bodendecke
nimmt.“ Der Kampf gegen das Streurechen iſt eben ſo geboten wie
der gegen den Borkenkäfer, und es iſt mindeſtens eine hartherzige Gedanken-
loſigkeit, die arme Holzleſerin aus einem Wald zu verbannen, in welchem
man das Streurechen duldet oder vielleicht gar ſelbſt ausübt.


Im Gefolge des ſtreubedürftigen Landwirths, der durch dieſes Be-
dürfniß wenigſtens in ſehr vielen Fällen beweiſt, daß er ein ſchlechter
Landwirth iſt, bedroht ſein Weidevieh den knospenden Wald und giebt den
waldgeborenen Hirſchen und Rehen eine Indemnitätsbill, wenn es nicht
Vergeltung für die Sünden dieſer auf den Aeckern ſeines Herrn übt. Das
Weidevieh gehört nicht in den Wald, das Wild gehört nicht auf das Feld.
Es iſt faſt ein Hohn, wenn der gewiſſenloſe Beamte ſich herbeiläßt, den
geringſten Wildſchaden des aus einem Staatsrevier auf die Felder heraus-
getretenen Wildes willfährig zu conſtatiren und ſo hoch zu ſchätzen, daß —
der Fall kommt vor! — Wildſchadenvergütung zu einem ſtehenden Poſten
des Einnahme-Budgets eines Gutes wird, während deſſen Beſitzer ſein
Vieh im Staatswald weiden läßt, wozu er ein ſogenanntes hiſtoriſches
Recht hat, welches das Wild, was in der „guten alten Zeit“ dieſes Recht
auch hatte, in unſerer geſetzlicheren Zeit auf dem Felde der Bauern ver-
loren hat.


[604]

Ablöſung aller Streuſervitute iſt in unſerer Zeit, welche
ſich neben anderer beſſerer Erkenntniß auch des tieferen Verſtändniſſes des
Waldes rühmen ſollte, eine allgemein gebotene Aufgabe. Dieſes Ver-
ſtändniß, wenn es ein allgemeineres geworden ſein wird, muß alsdann
der Staatsverwaltung die Berechtigung auf Zwangsabtretung gewähren,
in Gebirgswaldungen, wo die Streuſervitute am häufigſten und am nach-
theiligſten ſind, durch Ueberweiſung eines Aequivalentes an Schneidel-
ſtreu
(S. 322).


Die Beſchützung des Waldes vor ſchädlichen Thieren hat
der Forſtwiſſenſchaft als einen wichtigen und nothwendigen Beſtandtheil die
Thierkunde, vor allen die Inſektenkunde hinzugefügt, weil weder Vor-
bauungs- noch Vertilgungsmaßregeln ohne Kenntniß vom Leben forſtſchäd-
licher Thiere mit Erfolg angewendet werden können.


Die aus uns bekannten Gründen durch Inſektenfraß mehr als die
Laubhölzer leidenden Nadelhölzer haben ihre Feinde faſt lediglich in den
drei Ordnungen der Käfer, Falter und Hautflügler oder Immen und bei
Kiefer und Fichte haben wir erfahren, welch ungeheure Verwüſtungen dieſe
kleinen Thiere in den Waldungen anzurichten im Stande ſind (S. 276).
Manche von ihnen halten namentlich unter gewiſſen Zuſtandsbedingungen
der Beſtände den Forſtmann fortwährend in Wachſamkeit und gegen ſie
iſt nach und nach eine ganze kleine ſtrategiſche Literatur entſtanden.


Außer den Inſekten ſind es Hirſche und Rehe, Haſen und Kaninchen,
Eichhörnchen, das Schwarzwild und vor allen die Mäuſe, welche in ver-
ſchiedenſter Weiſe bald die Knospen, Zweige, die junge Rinde und die letzten
namentlich den noch nicht aufgegangenen Samen oft ſehr ſtark beſchädigen.
Von den Vögeln geſellen ſich beſonders wilde Tauben zu den ſaatvereitelnden
Mäuſen. Die Vögel, welche den reifen Samen auf den Bäumen freſſen
ſind unſchädlich zu nennen, denn in Samenjahren, von denen man allein
eine Samenernte oder Selbſtbeſamung erwartet, vermögen ſie die Samen-
fülle wenig zu verringern und in ſamenarmen Jahren erwartet der Forſt-
mann ohnehin nichts für ſeine Samenvorräthe oder ſeine Samenſchläge.


Die nahe Verwandtſchaft des Forſtſchutzes mit dem Waldbau lernten
wir ſchon oben bei den Durchforſtungen kennen (S. 598), wie denn über-
haupt Alles was das geſunde und kräftige Gedeihen des Waldes befördert
gewiſſermaſſen zwiſchen beiden Berufsthätigkeiten des Forſtmannes ſich
[605] theilt: Alles was dieſes Gedeihen unmittelbar unterſtützt dem Waldbau,
das aber dem Forſtſchutz anheimfällt, was in der Beſeitigung und Abwehr
des dieſem Gedeihen Hinderlichen beruht.


Beides zuſammen giebt dem aufmerkſamen Revierverwalter ſattſam
zu denken und zu ſchaffen.


Der Forſtſchutz gegen Naturereigniſſe, die ſich nur zum
Theil vorausſehen laſſen iſt theils eben deshalb, theils weil ſie ſich wenn
vorausgeſehen faſt nie abwenden laſſen auf ein kleines Thätigkeitsbereich ein-
geſchränkt; ja faſt das meiſte, was ſtreng genommen Schutzmaßregeln ſind
und der Lehre von dem Forſtſchutz zugeſellt werden ſollte, wird zu anderen
Theilen der Forſtwiſſenſchaft und zwar ebenfalls zumeiſt zum Waldbau
gezogen. Die zweckmäßige Schlagführung um dem Windbruche und dem
Sonnenbrande vorzubeugen haben wir als zu dem Bereich des Wald-
baues gehörend kennen gelernt und iſt doch recht eigentlich eine Schutz-
maßregel. Es iſt eben die Forſtwiſſenſchaft ein organiſch zuſammen-
hängendes Ganzes, was ſich nicht haarſcharf zertheilen läßt. Von Natur-
ereigniſſen und klimatiſchen Einflüſſen ſind es namentlich die Nachtheile
der Hitze und des Froſtes, Beſchädigungen durch den Wind, Duft, Rohr-
reif oder Glatteis, durch Ueberfluthungen, wovor die Waldbeſtände zu
beſchützen ſind, wozu man auch noch ungünſtige Standortsbeſchaffenheiten,
z. B. Verſumpfung, denen abgeholfen werden muß, und Waldbrände zu
rechnen hat.


Forſteinrichtung.


Hierüber ſagt H. Cotta in ſeinem oben erwähnten „Grundriß der
Forſtwiſſenſchaft“: „Unter Forſteinrichtung werden die Maßregeln ver-
ſtanden, welche man anwendet, um die Behandlung und den Ertrag
eines Waldes zu regeln, das Ertragsvermögen deſſelben zu ermitteln und
ſich deſſen, ſowie überhaupt des Zuſtandes eines Forſtes bewußt zu werden
und zu bleiben. Forſteinrichtung, Forſttaxation, Forſtbetriebsregulirung,
Forſtſchätzung, Forſtertragsermittelung werden gewöhnlich als gleichbe-
deutend betrachtet.“


Jeder Gang durch ein großes Waldrevier zeigt, daß die Löſung dieſer
Aufgabe in der Art, daß Einheit der Bewirthſchaftung und Sicherſtellung
des Ertrags darin erreicht werde, als eine ſelbſt dem urtheilsfähigſten und
[606] umſichtigſten Laien ſehr ſchwierige erſcheinen muß. Noch iſt vieler Orten
eine geregelte Forſtbewirthſchaftung ſo jung, daß die Waldungen mehr unſerer
erſten als der zweiten Karte ähnlich ſind und wenn auch in der Behandlung
ſolcher Waldungen dieſe bereits in der Bedeutung des Forſtes aufgefaßt
ſind, ſo haben ſie doch noch nicht die äußere Form eines ſolchen, — welche
vielmehr die ſein wird, welche unſere zweite Karte zeigt, — ſondern mehr
die eines Waldes, welchen der Alltagsbegriff frei und regellos will.


Man kann in der Forſtbewirthſchaftung zwei weſentlich verſchiedene
Methoden unterſcheiden: Die Fachwerksmethode und die rationelle
oder wiſſenſchaftliche. Die erſtere, welche ſichtbar von unſerer erſten
Karte dargeſtellt iſt, beruht darauf, daß man das Revier nach der Wirth-
ſchaftsbeſtimmung
, d. h. nach der Art und der Zeitfolge der Bewirth-
ſchaftung in Flächen eintheilt und dabei die Ermittelung des Ertrages als
untergeordnet betrachtet. Die andere Methode wirthſchaftet weniger nach
einer Flächeneintheilung, ſondern auf Grund der Ermittelung des Vor-
rathes und des Zuwachſes.


Wenn allerdings auch nicht zu leugnen iſt, daß die erſtere Methode
etwas Schablonenmäßiges hat und dagegen die letztere mit Recht als die
rationellere und wiſſenſchaftliche den Vorrang einnimmt, ſo hat jene doch
darin einen Vorzug, daß ſie weniger als die letztere von Seiten des
Revierverwalters eine Alles erwägende, in jeder Hinſicht geiſtig und prak-
tiſch ſelbſtſtändige Umſicht erfordert und daher mehr vor Mißgriffen in der
Bewirthſchaftung ſicher ſtellt, welche aus mangelhafter Befähigung des
Revierverwalters hervorgehen können. Folgerichtig müßte die rationelle
Methode zu der Plänterwirthſchaft (S. 578) führen, indem man, un-
berückſichtigt laſſend, wo dies geſchähe, ſich bei den Hauungen nur von
der Erwägung aller zu beobachtenden Rückſichten beſtimmen ließe.


In dem Kapitel der Forſteinrichtung ruht der Schwerpunkt aller
Forſtverwaltung, denn es iſt klar, daß ſie im Weſen auf Vorausbe-
ſtimmungen
beruht, welche nur zu oft von unvorherzuſehenden Zufällig-
keiten durchkreuzt werden und auf denen doch die nachhaltige Sicherheit
des Ertrags gegründet werden muß. Die Aufgabe der Forſteinrichtung
haben wir nach der von uns gewählten Folge der Betrachtung zum Theil
ſchon kennen gelernt. Mit kurzen Worten ausgedrückt beſteht ſie 1) in der
Vermeſſung und Kartirung des Revieres, 2) in der Eintheilung deſſelben
[607] in Wirthſchaftsbezirke und Wirthſchaftsabtheilungen (Periodenflächen,
Schlagpartien), 3) in der Einrichtung des Hauungsplanes, 4) in der
Ermittelung der Beſtandsverhältniſſe, 5) in der Ermittelung des Holz-
ertrages, 6) in der allgemeinen Beſchreibung, welche gewiſſermaßen die
geſchichtliche Grundlage der ganzen künftigen Bewirthſchaftung bildet und
welche die Größe, Lage, Umgrenzung, das Klima, die Terrainverhältniſſe,
den Boden, die Rechtsverhältniſſe (z. B. Servitute), die bisherige Be-
handlung, den Zuſtand und den Ertrag, die Waldnebennutzungen (z. B.
Gerberrinden, Torfſtiche etc.), das Jagdweſen und mehreres Andere vom
Reviere zu enthalten hat. Ferner fallen auf das Gebiet der Forſtein-
richtung 7) die Maßregeln zur Aufrechterhaltung der in vorſtehenden
Punkten aufgezählten Obliegenheiten und Geſchäfte der Forſteinrichtung.
Dieſe zerfallen einestheils in die von dem Revierverwalter zu führenden
Wirthſchaftsbücher und anderntheils in die Taxations-Reviſionen, welche
von Zeit zu Zeit ſtattzufinden und zu ermitteln haben ob die Taxation
befolgt und ob ſie ſich bewährt habe.


Die Waldwerthberechnung.


Wenn wir hier von dem Werthe des Waldes ſprechen und von
einer Berechnung deſſelben, ſo können wir dabei nicht an den Werth
denken, wegen welches es ſich unſer Buch zur Aufgabe gemacht hatte, den
Wald unter den Schutz des Wiſſens Aller zu ſtellen. Hier haben wir es
nur mit dem Geldwerthe des Waldes zu thun; und daß die Berechnung
deſſelben zuweilen große Schwierigkeiten habe und je nach der beabſichtigten
Benutzungsweiſe des zu ſchätzenden Waldes zu ganz verſchiedenen Ergeb-
niſſen führen könne, ja führen müſſe, das haben wir gelegentlich ſchon
früher einmal ahnen gelernt (S. 570). Sehr ausführlich in das Verfahren
und die Grundſätze der Waldwerthberechnung einzugehen würde den Grund-
gedanken unſerer Waldbetrachtung ſehr fern liegen; wir beſchränken uns
daher auf einige Mittheilungen, welche ausreichen, um uns auch nach
dieſer Seite hin eine Würdigung der „Arbeit des Forſtmannes“ zu er-
möglichen.


Die beiden von einander verſchiedenſten Geſichtspunkte bei der Werth-
ſchätzung eines Waldes iſt die Frage, ob der zu ſchätzende Wald Wald
bleiben und daher jährlich aus ihm nur ſo viel Holzmaſſe geſchlagen werden
[608] ſolle, als der jährliche Zuwachs beträgt, oder ob dieſe pflegliche Erhaltung
des Waldbeſtandes nicht beabſichtigt werde, es im Gegentheil die Abſicht
iſt, den Wald als eine Geldeinnahmequelle zu betrachten ſo lange als ſie
eben fließen will, wobei es wieder die Frage ſein kann, ob der ganze
Wald mit einemmale in Geld verwandelt werden ſoll durch Schlagen und
Verkauf ſeines ſämmtlichen Holzbeſtandes und des alsdann leer zurück-
bleibenden Waldbodens, oder ob zu irgend einem Zwecke dieſe völlige Ab-
nutzung auf eine gewiſſe Reihe von Jahren vertheilt werden ſoll.


Soll der Ankauf, beziehendlich die Waldwerthſchätzung, mit Feſthaltung
des erſteren dieſer beiden Geſichtspunkte ſtattfinden, ſo müſſen eine Menge
von Rückſichten in Rechnung gezogen werden, welche auf die Werthbe-
ſtimmung von Einfluß ſind. Von der in Geld umgerechneten Holzrente,
welche das Waldkapital durch den jährlichen Zuwachs abwirft, und nach
welcher ſich doch faſt allein der Kaufwerth eines Waldes, der pfleglich
bewirthſchaftet werden ſoll, beſtimmt, iſt diejenige Summe in Abzug zu
bringen, welche die jährlichen Verwaltungs- und Waldarbeits-Koſten be-
tragen. Dieſer Abzug fällt bei der ſofortigen Umſetzung des ganzen
Waldkapitals in Geld weg und dieſes Geld kann dann wohl in den meiſten
Fällen zu einem viel höheren Zinsfuß angelegt werden, als es in der
Geſtalt eines pfleglich bewirthſchafteten Waldes angelegt iſt.


Hieraus geht hervor, daß der Staat als Waldkäufer gegen den Holz-
ſpekulanten ſehr im Nachtheil iſt. Er iſt verpflichtet, den zu kaufenden
Wald, um deſſen Fläche er das Staatswaldgebiet vergrößern will, pfleg-
lich zu bewirthſchaften, alſo eine kleine Rente daraus zu ziehen; während
der Spekulant Holz und Waldboden, günſtige Konjunkturen benutzend, zu
den höchſten Preiſen verkauft.


Das auf S. 570 nach Pfeil angeführte Beiſpiel des Ertrags von
16 Sgr. eines Morgens Staatswald, überhebt uns hier jeder weiteren
Ausführung. Wer den ganzen Morgen Wald wiederverkauft, erſt das
Holz und dann den Waldboden, gewinnt jedenfalls einen höheren Preis
als der nach jenem genannten Zinsfuß kapitaliſirte Werth des Morgens
beträgt, und er konnte daher auch für den Morgen einen höheren Kauf-
preis zahlen, als der Staat.


Freilich kommt zu jenen 16 Sgr. noch diejenige Summe hinzu,
welche an Beamtengehalt und Arbeiterlöhnen durch dieſen Morgen ver-
[609] dient wird. Aber dies kommt bei der Beſtimmung des Ankaufswerthes
zunächſt nicht in Betracht.


Wenn wir hieraus ſchon die Schwierigkeit der Waldwerthberechnung
ſehen, ſo iſt dieſe noch durch andere Rückſichten vermehrt, welche einer
ſolchen Berechnungen zum Grunde liegen können.


Bei Zwangsenteignungen (Expropriationen), wenn ſie Waldungen
betreffen, kann nicht nur das des öffentlichen Nutzens wegen expropriirte
Waldſtück und deſſen Werth in Frage kommen, ſondern gar ſehr auch der
dem Beſitzer verbleibende Reſt des Waldes, welcher durch die Abtrennung
nicht nur um den abgetrennten Theil verkleinert iſt, ſondern auf ver-
ſchiedene Weiſe (z. B. dadurch ſich ergebende Erſchwerung der Bewirth-
ſchaftung und Benutzung, Offenlegung gegen ſchädliche klimatiſche Ein-
flüſſe etc.) verſchlechtert werden kann.


Beſondere Berückſichtigung erheiſcht ferner die Waldwerthberechnung
bei Zuſammenlegungen und Vertauſchungen, behufs der Ver-
pfändung
und der Beſteuerung.


Das Verfahren der Waldwerthberechnung und die dabei in’s Auge
zu faſſenden Werthobjekte, welche natürlich nicht blos in dem Holzvor-
rathe beſtehen, können hier eine eingehende Schilderung nicht finden, weil
uns dies zu tief in dieſe ſehr ausgebildete beſondere Seite der Forſtwiſſen-
ſchaft führen würde. Es genügt die Andeutung, daß dabei Manches von
beſtimmendem Einfluß iſt, was nicht in Geld verwandelt werden wohl aber
weſentlich dazu beitragen kann, den Geldeswerth des Waldes zu erhöhen,
z. B. die Güte des Bodens, die Lage an Land- oder Waſſerſtraßen
und die Nähe großer Städte.


Die Forſtverfaſſung.


Sobald wir den Blick über die engen Schranken eines einzelnen
Privatwaldes und deſſen Pflege erheben und den Begriff Staatsforſt als
den anderen Endpunkt der langen Größenreihe von Waldbeſitzthümern faſſen,
ſo entwickelt ſich in derſelben Stufenfolge immer höher der Begriff der
Forſtverfaſſung. Hierdurch werden wir zum erſtenmale an die bei der
Forſtverwaltung betheiligten Arbeiter — dieſes Wort in der weiteſten
Faſſung genommen — erinnert, deren Arbeitsleiſtungen in einer inein-
Roßmäßler, der Wald. 39
[610] andergreifenden Ordnung ſtehen müſſen, worin das Weſen der Forſtver-
faſſung in der Hauptſache beſteht.


Von dem Waldarbeiter, welcher die Saatreihen hackt oder die Bäume
fällt, bis zu dem Departementschef im Miniſterium beſteht eine lange
Reihe von Beamten, deren ſegensreiches Wirken im grünen Walde anhebt
und am grünen Tiſche endet, wobei leider nicht ſelten unerfreuliche
Meinungsverſchiedenheiten dieſer beiden Wirkungskreiſe hervortreten, da
natürlich am wenigſten, wo die oberſte Forſtbehörde auf ihren hohen
Standpunkt auf dem langen Wege der verſchiedenen Stufen der praktiſchen
Forſtverwaltung gelangt iſt; da am meiſten, wo andere bequemere und
kürzere, mit allerlei Vorrechten geebnete Wege an die Spitze der Forſt-
verwaltung eines Staates geführt haben.


Sehen wir jetzt von der Bewirthſchaftung eines Privatwaldes ab, der
gerade nur einen einzigen Revierförſter bedarf, und faſſen wir vielmehr
die Verwaltung der Forſten eines größeren Landes ins Auge, ſo muß ſich
natürlich die Lehre von der Forſtverfaſſung als ein ſo zuſammengeſetztes,
vielgliederiges Ganzes ergeben, daß wir uns hier mit einer kurzen
Ueberſicht deſſelben begnügen müſſen.


Die große Manchfaltigkeit der Geſchäfte, welche die Forſtverwaltung
eines ganzen Landes umfaßt, bedingt von ſelbſt ſchon eine Gliederung der
Forſtverfaſſung in die Forſtverwaltung im engeren Sinne und in die
Forſtdirektion. Jene hat es mit der praktiſchen Ausführung aller Forſt-
geſchäfte zu thun, während es die Obliegenheit der Forſtdirection iſt, jene
Geſchäfte in den leitenden Grundſätzen anzuordnen und deren richtige
Ausführung zu überwachen.


Wie der Wald ſelbſt ein organiſches Ganzes iſt, deſſen einzelne
Glieder und Beziehungen untrennbar zuſammenhängen, ſo iſt auch jene
Eintheilung der Forſtverfaſſung keine ſcharf trennende, indem der Forſt-
verwaltung, als der niederen Halbſchied der Forſtverfaſſung, gewiſſermaßen
in einer unteren Inſtanz ebenfalls direktorielle Geſchäfte und ſomit
Aemter zufallen. Ueberblicken wir einmal in aufſteigender Reihe alle die
zahlreichen Geſchäfte der Forſtverwaltung im weiteren Sinne und die
Aemter oder Stellen, denen ſie überwieſen ſind.


Wir beginnen mit den inſofern frei zu nennenden Waldarbeitern,
als ſie nur im Tagelohn und nicht in einem feſten Amte ſtehen. Sie be-
[611] ſorgen die Handarbeiten, welche mit der Bewirthſchaftung eines Revieres
verbunden ſind: Bodenbearbeitung, Saat, Pflanzung, Fällung, Aufbe-
reitung, Stockroden, Wegebau, Entwäſſerung etc. In dieſe Klaſſe ge-
hören auch die Köhler, Holzflößer, Theerſchweler, Pechſieder. Wenn auch
alle dieſe Waldarbeiter, namentlich die erſteren, welche die allgemein er-
forderlichen Arbeiten verrichten, freie Arbeiter ſind, ſo liegt es doch im
Intereſſe der Verwaltung, dieſelben an ihren Erwerb zu feſſeln, wie denn
der Natur der Sache nach die letzteren, z. B. die Köhler, ſo ziemlich feſte
Gewerbtreibende ſind. Ueber den Waldarbeitern ſtehen Arbeitsaufſeher,
welche in Sachſen Zeichenſchläger heißen und eine feſte Dienſtſtelle
bekleiden.


Wenn alle dieſe Leute in ihrer Arbeit es nur mit dem Walde, nicht
mit dem Forſte in der uns geläufigen Auffaſſung zu thun haben, ſo er-
ſcheint nun ganz folgerichtig in der Benennung der nun folgenden Arbeiter
das Wort Forſt benutzt: Unterförſter, Revierförſter, Oberförſter, Forſt-
meiſter. Sie alle haben die Charakteriſtik ihrer Amtsobliegenheiten in der
Auffaſſung des Waldes als eines regelrecht bewirthſchafteten Forſtes, was
bei jenen weniger der Fall iſt, da Waldarbeiten auch in dem nicht ſo
aufgefaßtem Walde vorkommen.


Man kann dieſe Geſchäftsſtufen wieder in drei Abtheilungen bringen:
in Schutzbeamte, in ausführende Verwaltungsbeamte, und in
leitende Direktorialbeamte.


Die Schutzbeamten ſchließen ſich unmittelbar an die vorhin ge-
nannten Zeichenſchläger an, indem ſie nicht nur den Forſtſchutz auszuüben,
ſondern auch die Ausführung der Waldgeſchäfte zum Theil zu leiten hier
und da ſogar als Hülfsbeamte ſelbſtſtändig auszuführen haben. Sie
haben in den verſchiedenen deutſchen Ländern verſchiedene Titel.


Die eigentlich ausführenden Verwalter, je einem Reviere vor-
ſtehend — gewiſſermaßen die Einheit in dem Forſtverwaltungsperſonal —
heißen gewöhnlich Förſter oder Revierförſter. Oberförſter führen
meiſt neben der Verwaltung eines Revieres noch die Aufſicht über
eine kleinere Zahl zuſammenliegender Reviere, verbinden alſo Verwaltung
und Direction. In Sachſen werden ſie in neuer Zeit Forſtinſpectoren ge-
nannt, indem der Name Oberförſter an die Revierförſter vergeben worden iſt.


Dieſe drei Klaſſen der Beamten der Forſtverwaltung, von denen die
39*
[612] erſte, die Waldarbeiter, noch gar keine Beamten ſind, haben nun alle
Geſchäfte der Forſtverwaltung auszuführen, welche ſich in der Hauptſache
in die Geſchäfte der Holzzucht und der Holzernte eintheilen laſſen: Führung
der Holzſchläge, Verkauf der Hölzer (wobei die Geldeinnahme getrennt
und den Beamten anderer Staatskaſſen überwieſen iſt), das Kulturweſen,
Beaufſichtigung des Forſtſchutzes, die Waldnebennutzungen (Benutzung und
Verkauf der Rinde, Theerſchwelerei, Waldſtreuabgabe etc.), das Holztrans-
portweſen, und als Nebengeſchäft die Jagd. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß
der Forſtverwalter auch verſchiedene Wirthſchaftsbücher zu führen hat.


Die Direktorialbeamten, für deren größere oder kleinere Bezirke
umfaſſende Amtsſtufen in den verſchiedenen Ländern verſchiedene Titel be-
ſtehen: Forſtinſpector, Forſtmeiſter, Oberforſtmeiſter, ſind
in der Hauptſache Büraubeamte, welche die Ueberſicht der geſammten
Staatsforſtverwaltung für die höchſte Stelle, die Forſtdirektion, vorbe-
reiten, durch Zuſammenſtellung der Ergebniſſe der einzelnen Revierver-
waltungen ihres Bezirkes und indem ſie an dieſe wieder die Anordnungen
der Forſtdirektion herabgeben, zum Theil ſelbſt anordnen.


Zwiſchen dieſer reichgegliederten Forſtverwaltung, die in ihren oberen
Zweigen bereits ſelbſt ſchon eine Unterleitung der einzelnen Forſtsbezirks-
verwaltungen ausübt, und der oberſten Leitung, welche im Miniſterium
(„der Forſten und Domänen“ oder der Finanzen) ruht, ſtehen Reviſions-
beamte
, welche zum Theil beſondere Forſtvermeſſer, zum Theil Beamte
der Verwaltung und der Direktion ſind.


Wir haben, dieſe Reviſionen andeutend, ſchon früher bemerkt, daß
bei dem faſt unausgeſetzen Ringen mit in verſchiedenſter Weiſe widerſtreben-
den Verhältniſſen bei der Forſtverwaltung eines Landes Einheit und Klar-
heit bald geſtört und vielleicht ganz aus dem Auge verloren werden
würden, wenn nicht von Zeit zu Zeit nachgeſehen und darüber gewacht
würde, daß die Revierverwaltung in dem geregelten Gange bleibe
(S. 590). Dieſe Reviſionen, die in den verſchiedenen Ländern in ver-
ſchiedenen feſtgeſetzten Zeiträumen ſtattfinden, ſollen zugleich über den in-
zwiſchen eingetretenen Zuſtand der einzelnen Forſtreviere Kunde geben,
was z. B. in Sachſen durch zehnjährige Nachträge auf den Revierkarten
geſchieht. Dieſe Nachtragskarten entfernen ſich daher immer mehr von
dem urſprünglichen Anſehen des Revieres bei deſſen erſtmaliger Vermeſſung
[613] (ſiehe unſere Beſtandskarte) und nähern ſich immer mehr dem Hauungs-
plane (ſiehe dieſen).


Was nun endlich das oberſte Glied der Forſtverwaltung, die Forſt-
direktion
, betrifft, ſo liegt dieſe entweder in der Hand eines forſtlich ge-
bildeten Departementschefs oder eines Oberforſtkollegiums. Von ihr aus
erfolgt die Oberleitung der ganzen Staatsforſtverwaltung, begreife dieſe nun
das Waldgebiet eines großen Staates oder den Waldkomplex einer großen
Herrſchaft, in welcher letzteren, wenn das Waldareal umfänglich genug
iſt, natürlich nicht minder eine Oberleitung der Forſtverwaltung erforder-
lich iſt, als in jenem.


So ſehen wir denn, daß die Staatsforſtverwaltung ein umfängliches
Gebäude iſt, in deſſen einzelnen Gemächern ein ſehr wichtiger Theil des
Staatswohles überwacht wird.


Forſtbenutzung und Forſttechnologie.


Auch wenn wir jetzt nicht an die klimatiſche Bedeutung des Waldes
denken wollen, ſo können wir nicht überſehen, daß vom Walde nicht das
Holz allein benutzt wird; und wir können daher zwiſchen Forſt-Haupt-
nutzungen
und Forſt-Nebennutzungen unterſcheiden.


Jene beſtehen in dem Holze in deſſen verſchiedenen Arten und Formen
der Gewinnung, welchen letztere zu der Benennung der Holzſortimente
geführt haben. Der Holzmarkt des Waldes muß ebenſo wie der Laden
des Ausſchnitters oder Cigarrenhändlers „aſſortirt“ zu ſein trachten.


Es iſt eigentlich eine ſonderbare Auffaſſung, daß man das nicht als
Brennholz dienende Holz als Nutzholz unterſcheidet, was doch jenes
natürlich nicht minder iſt. Das Brennholz zerfällt in Scheitholz,
Stockholz, Aſtholz
(bei Nadelhölzern) oder Zackenholz (bei Laub-
hölzern), Reißholz, und außerdem bezeichnet man noch das kranke Holz
von faulen Stämmen oder Stammtheilen als wandelbar.


Das Nutzholz wird in der Regel im Walde als Stämme oder
Stangen, als Klötzer (Stammſtücke), als Nutzklaftern (beſonders
glattes und geradſpaltiges ſtarkes Scheitholz z. B. für Stellmacher und
Böttger) und als Nutzreißig (zu Reifen und Flechtwerk etc.) abgegeben,
ſofern es nicht zum Theil zu beſonderen Gebrauchszwecken vorher auch
noch oberflächlich zugerichtet wird.


[614]

Zu den Hauptnutzungen gehört auch die Köhlerei, wobei das
Holz entweder in ſtehenden oder in liegenden Meilern oder in Gruben
verkohlt d. h. bei ſehr beſchränktem Luftzutritt ohne Flamme in Kohle
verwandelt wird.


Die Forſt-Nebennutzungen begreifen die Benutzung der Rinde
und des Saftes (Theer, Pech), der Blüthen, Früchte, Blätter,
Nadeln
und Zweige (Schneidelſtreu) der Bäume und Sträucher,
der Waldſtreu, denn es kommen Fälle vor, wo dieſe ohne Nachtheil
für den Wald abgegeben werden kann, der Waldhut und Waldgräſerei,
der Waldbeeren, Schwämme, Flechten, Mooſe und Kräuter,
des Torfes, der Kalk- und Steinbrüche, der Thon-, Lehm-,
Mergel
- und Sandgruben, wozu ſtreng genommen auch das unent-
geltlich armen Leuten überlaſſene Leſeholz und der früher erwähnte im
Walde betriebene Getreidebau gehört.


An dieſe Forſtbenutzung, welche zum Theil ſchon nicht mehr dem
eigentlichen Forſtperſonal zufällt (Köhlerei, Torfſtecherei, Steinbrecherei etc.)
ſchließt ſich nun eine, in aufſteigender Rangordnung ſich emancipirende,
Gewerbthätigkeit, welche man gewiſſermaßen Waldinduſtrie nennen
kann: Schneidemühlen, Korbflechterei, Schachtel- und Sieb-
macherei
etc. und welche ſich gewöhnlich in der Nähe der Waldungen
oder in dieſem ſelbſt anſiedelt.


An die zahlloſen Verwendungsweiſen des Holzes erinnern wir uns
hier unwillkürlich auch ohne Hinweis.


[615]

Wir ſtehen am Ende unſeres langen Waldganges. Ich darf es
ſagen — denn es iſt ja nicht mein Verdienſt, der Wald ſelbſt ſprach zu
uns — daß es ein genußreicher, daß es ein lehrreicher war.


Indem wir uns zur Heimkehr anſchicken werfen wir noch einen recht
eindringenden, einen recht feſthaftenden Abſchiedsblick auf den ſchönen
deutſchen Wald. Noch umfaßt er uns mit ſeinen ſtarken Armen, noch
ſchirmt er ſein Laubdach über unſere Häupter und es wird uns ſchwer,
aus ſeinem kühlen Schatten hinaus auf die ſonndurchglühte Ebene der
Felder und Wieſen treten zu ſollen.


Wir ſind ganz Dank und Freude und wie es beim Scheiden immer
iſt: von Dem wir ſcheiden, er macht mehr als ſonſt, zuſammengedrängt
in den weihevollen Augenblick des Abſchieds alle ſeine Vorzüge geltend,
und unſer Inneres iſt jetzt für nichts Anderes empfänglich. Die Stellung,
das Kleid, das letzte Wort des Freundes von dem wir ſcheiden bleiben
uns in unverlöſchlichem Gedächtniß. Sollte es bei meinen Leſern und
Leſerinnen mit dem Walde, von dem wir jetzt ſcheiden, nicht vielleicht
ähnlich ſein? O daß es wäre! Möchte ihnen allen das Bild, in dem
uns der Wald zuletzt erſchien, unverlöſchlich ſein! Das Bild, welches
uns den Wald als den Schauplatz raſtloſer Thätigkeit, arbeitend für das
Wohl lebender und kommender Geſchlechter, gezeigt hat. Dann darf ich
Euch auch — und ich thue es — Euren alten Freund von früher, den
liederreichen Wald, das Revier des ſtolzen Hirſches zurückgeben. Be-
völkert ihn mit Euren Lieblingen, rufet Eure Dichter und kehret dann ſo
oft Ihr wollt mit ihnen zu heiterem Spiel wieder in den von der Wiſſen-
ſchaft geweiheten Wald zurück.

[[616]]

Appendix A Sachregiſter.


  • Abflügeln der Samen 284.
  • Abhieb, Ausſchlag am, 194. 196.
  • Abholzig 309.
  • Abies ſ. Tanne. A. excelsa ſ. Fichte. A. pec-
    tinata De C.
    ſ. Tanne. A. Larix Lamarck
    ſ. Lärche. A. Reginae Amaliae330.
  • Abietineen, Artenzahl 253.
  • Abſprünge, Fichte 312.
  • Abtheilung 585.
  • Acer ſ. Ahorn 521. A. campestre L. ſ.
    Feldahorn. A. monspessulanum532.
    A. platanoides ſ. Spitzahorn. A. pseudo-
    platanus
    ſ. Bergahorn.
  • Acerineen 521.
  • Achſelknospen 62, 190, die der Nadel-
    hölzer 199.
  • Aderflügler 270 f. 281. ſ. Schlupfwespen,
    Blattwespen, Gallwespen.
  • Adlerfarrn 36.
  • Adventivknospen 190, 434, Bau 193, am
    Abhieb 195 f., aus Wurzeln 195, 197,
    120, am Stamm 195, aus dem Stock 195,
    bei Maſer 198, Urſprung des Kugel-
    ſproſſes 200, Birke 434, Lärche 340,
    Nadelhölzer 199, Linde 193.
  • Adventivtrieb 129.
  • Adventivwurzel 119, 193. — Fichte 311.
  • Aeſche ſ. Eſche.
  • Afterblätter ſ. Nebenblätter.
  • Ahorn ſ. Bergahorn 521. gemeiner 129.
    Architektur 217. Blatt 226. Knospen-
    faltung 67. Blüthe 183, 229. Blüthe-
    zeit 125. Holz 104, 371. Knospe 60 ff.
    Krone 222, 361. Mark 86. Markſtrahlen
    105. Spielart 129. Stocklohden 197.
  • Ailanthus glandulosa561.
  • Aira flexuosa28.
  • Alburnum108.
  • Alnus ſ. Erle. A. glutinosa Gärtn. ſ. Schwarz-
    erle. A. incana De C. ſ. Weißerle. A. viridis
    De C.
    ſ. Straucherle.
  • Alpenceder 302.
  • Alpenerle ſ. Straucherle.
  • Alpenwald 554.
  • Alpenweide 473.
  • Alte Bäume 203. Rüſter 460. Linde 546.
  • Alter der Bäume 90, 202. Erkennung 69, 392.
  • Altersklaſſen der Bäume 156.
  • Amentaceae ſ. Kätzchenbäume.
  • Amygdalaceen 498.
  • Anomalon circumflexum276.
  • Anthoxantum515.
  • Anticipation ſ. Prolepſis.
  • Apfelbaum 508. Holz 371.
  • Apfelfrüchtler 499. Blüthe derſ.
  • Apfelquitte 511.
  • Aquifoliaceen 493.
  • Architektur der Bäume 210. Laubhölzer
    212, 217.
  • Arillus 347.
  • Arve ſ. Zirbelkiefer.
  • Aſchenbeſtandtheile der Pflanze 151.
  • Asperula odorata515.
  • Aspidium36.
  • Asplenium39.
  • Aſt 78, 107, 385 (u. Zweig).
  • Aſtlöcher 84.
  • Aſtmoos 35, 36, 311.
  • Aſtwinkel, Wimmer im 199.
  • Athmungsorgane der Pflanze 170.
  • Atropa belladonna39.
  • Auenwald 554.
  • Augen ſ. Kuospen.
  • Auguſttrieb ſ. Sommertrieb.
  • Ausäſten ſ. reinigen.
  • Aushaltender Stamm 312.
  • Ausklengen der Samen 284.
  • Ausſchlagblätter 197.
  • Ausſchlagsſtellen 193.
  • Ausſchlagsvermögen 190, 196.
  • Ausſchlagszeit der Bäume 159.
  • Axillarknospen ſ. Achſelknospen.

  • Baeomyces roseus33.
  • Bärlapppflanzen 240 f., 38.
  • Ballenpflanzung (Fichte) 322, 598.
  • Bannwälder 339, 574.
  • Baſalt 49.
  • Baſtſchicht 85, 97, 110. Buche 113. Linde 111.
  • Baſtzellen 112. Saftleitung 111. im Blatt
    128.
  • Baum. Architektur 210 ff. Begriff 14, 18.
    Kein Individ. 12 f., 18. Bau 49. Baum
    und Strauch 217. Getrenntgeſchlechtige,
    monöciſche, diöciſche 183. Leben 130, im
    Winter 189, 159. Frühlingserwachen 159.
    Altersklaſſen 156. Entſteh. aus Samen-
    korn 132. Hohle Bäume 16. Alter von
    Einfluß auf Krone 223, auf Triebe 224 f.
    Langtriebe geköpfter 78 f. Durch Alter u.
    Umfang berühmte 203, 546. Lebensende
    200. Immergrüne 364.
  • Baumkrone ſ. Krone.
  • Baumblüthe ſ. Blüthe.
  • Baumfeldwirthſchaft 602.
  • Baumkultur 24.
  • Baumreihen, Entſtehung natürlicher 207.
  • Baumwalds - Beſtand 157, 577.
  • Baumweißling (Raupenneſter) 188.
  • Bedeguar ſ. Schlafapfel.
  • Befruchtung monöciſcher Bäume 183.
  • Belaubung 214.
  • Berberis vulgaris L.520, 230.
  • Berberitze ſ. Sauerdorn.
  • Bergahorn 521. Alter 204.
  • Bergkiefer ſ. Krummholzkiefer.
  • Beſamungsſchlag 594.
  • Beſenpfrieme 230.
  • Beſtand, reiner u. gemiſchter 231, 359, 246.
    579.
  • Beſtandsverderber 269, 281.
  • Betula ſ. Birke. B. alba Auct.426. B. Alno-
    betula
    ſ. Straucherle. B. Alnus L. ſ. Erle.
    B. fruticosa Pallas ſ. Strauchbirke. B.
    glutinosa Wallr.
    436. B. nana L. ſ. Zwerg-
    birke. B. odorata Bechst., B. pubescens
    Ehrh.
    ſ. Ruchbirke. B. verrucosa Ehrh. ſ.
    gemeine Birke.
  • Betulaster424.
  • Betulineen (366) 406 ff.
  • Bewegung der Staubgefäße 520.
  • Bildungsgewebe ſ. Cambium.
  • Bildungsſaft 15, 169, 170.
  • Binſen 39.
  • Birke 426.
  • Birkenartige Kätzchenbäume 366, 406 ff.
  • Birnbaum 508, 498, 229, 123.
  • Birnquitte 511.
  • Blatt. Anatomie 126. Bedeutung u. Leben
    16, 169, 182. Einheit der Blattgebilde
    130, 167. Unterſchied von den Stengel-
    gebilden 14. Entfaltung 164. Farbe
    169, 226 ff., im Herbſt 185, 228, 377,
    435, 444, 482. Geſchäckte Bl. 129, 389,
    494, 524, 531. Geſtalt 125 ff., 129, 226,
    einfache u. zuſammenges. Bl. 125, ge-
    fiederte 227, 484, an Stocklohden 78,
    197, 540 [ſ. auch Blattſpielarten]. Blatt
    als Individuum 20, 182. Blatt in der
    Knospe 66, 164 [ſ. Knospe]. Reproduction
    181. Sommergrüne Bl. 125. Wachs-
    thum 169, 181.
  • Blattachfel 58. Knospen 160, 193, 62.
  • Blattfall 186, 30, 181, 391.
  • Blattfleiſch 127.
  • Blattfläche 125.
  • Blattgeäder 128.
  • Blattgelb 186.
  • Blattgrün 128, 186.
  • Blattkäfer (Erle) 420. (Espe) 444.
  • Blattkiſſen 60.
  • Blattläuſe 488.
  • Blattnetz 128.
  • Blattrippen 128.
  • Blattroth 186.
  • Blattſauger. Rüſter 469. Fichte 125, 324,
    394.
  • Blattſtellung 164, 225.
  • Blattſtiel 125 f., 128.
  • Blattſtielnarbe 58 ff., 187. Bergahorn 522.
    Buche 370. Eiche 387. Eſche 484, Horn-
    baum 408. Nadelhölzer 188. Roßkaſtanie
    59. Schwarzpappel 451. Tanne 329.
  • Blattwespen 273. 281. 324.
  • Blattwinkel 58.
  • Blitzſpuren, vernarbte 159.
  • Blöße 584.
  • Blüthe, als Individuum 20. Baumblüthe
    123. Männlich u. Weiblich 183. Zwitter-
    bl. 183. Blattgebilde derſ. 168. Gefüllte
    Bl. 168. Erſte Bl. des Baumes 153.
    Vor, mit u. nach den Blättern 182, 228.
    Stellung am Baume 184. Unterdrücken
    des Blühens bei Kräutern 205. Voll-
    kommne 535.
  • Blüthenknospen 64 ff., 132, 77.
  • Blüthenloſe Pflanzen 38. Kryptogamen 143.
  • Blüthenkreiſe 123.
  • Blüthenpflanzen im Walde 38, 39. Bl.-
    Phanerogamen 143.
  • Blüthenſtaub 183. ſ. Schwefelregen.
  • Blumenblätter, Umwandlung in 168.
  • Blumeneſche 491.
  • Blumenkrone 123.
  • Blutbuche 374.
  • Bockkäfer auf Espe 444.
  • Boden (ſ. Waldboden). Auffaugungsver-
    mögen für Sauerſtoff 47. Austrocknungs-
    fähigkeit 47. Eigenſchaften, Einfluß der
    phyſikal. u. chemiſchen 45. Erwärmungs-
    fähigkeit 48. Farbe 48. Hygroſcopicität
    47. Wahl zur Baumzucht 122. Waſſer-
    haltigkeit 46. Waſſeraufſaugungskraft 47.
    Wärmeleitvermögen 47. Zuſammenhangs-
    kraft 46. Zuſammenſetzung (nothwendige)
    46. Zuſammenziehung (Sprünge) 47.
    Einfluß auf Triebe 224. Samenbildung
    184. Nadelfall 189.
  • Bodenbearbeitung 593.
  • Bodendecke des Waldbodens 341, 154.
  • Bodenfeuchtigkeit als Keimbedingung 138.
  • Bodenhold 433.
  • Bodennahrung der Pflanze 44, 153, 149.
  • Bodenſtet 433.
  • Bodenvag 433.
  • Bodenverbeſſerung 47.
  • Bodenvorbereitung (41) 245.
  • Bohnenkeim 135.
  • Bombyx Monacha273. B. Pini273.
  • Borke 113. Bildung 117.
  • Borkenkäfer 201, 313.
  • Boſtrichus314.
  • Brombeerſtrauch 230.
  • Bruchwald 554, 562.
  • Bruchweide 460.
  • Buchdruckerborkenkäfer 314.
  • Buche 367. Abarten 372.
  • Buchenwälder 360, 3, 379, 221, 370.
  • Buchsbaum 363, 364. Holz 104.
  • Büſchelpflanzung 313, 598.
  • Buſchholz 358.

  • Calamagroſten 39.
  • Cambium 174, 201, 85, 88, 98.
  • Carpinus Betulus L. ſ. Hornbaum. C. Ostrya L.
    ſ. Hopfeubuche.
  • Ceder 354.
  • Celaſtrineen 533.
  • Celosia cristata318.
  • Celtis ſ. Zürgelbaum.
  • Cerasus avium ſ. Vogelkirſche.
  • Ceratodon purpureus35.
  • Ceratonia siliqua364.
  • Cetraria islandica33.
  • Chermes ſ. Fichtenblattſauger.
  • Chlorophyll ſ. Blattgrün.
  • Chrysomela444.
  • Cladonia32, 34.
  • Cohäſion des Bodens 46.
  • Congreß, internationaler der Zukunft 566.
  • Coniferen 254. ſ. Nadelhölzer.
  • Conus254.
  • Cornus ſ. Hartriegel.
  • Cotoneaster vulgaris508.
  • Couliſſenhauungen 601.
  • Crataegus oxycantha ſ. Weißdorn. C. mono-
    gyna L.
    507.
  • Cryptorhynchus Lapathi L.420.
  • Cumarin 515.
  • Cupuliferen 366.
  • Curculio Lapathi L.420. C. notatus273.
    C. Pini273, 316 (ſ. Fichtenrüſſelkäfer).
  • Cydonia vulgaris Persoon511.
  • Cynipiden ſ. Gallwespen.
  • Cynips394. tinctoria L.395. calycis L.395.
  • Cypreffen, Familie 254.

  • Dammerde 28.
  • Deckblätter 130, 168. Lindenblüthe 535.
  • Dickenzunahme des Baumes 15.
  • Dickicht 155.
  • Dicranum311.
  • Diffunſion 151.
  • Dikotyledonen 137, 143.
  • Diöcie 183. Diöciſche Kätzchenbäume 365.
  • Dipſaceen 479.
  • Donnerbeſen 435.
  • Donnerbuſch 435.
  • Dorn 64, 496, 505.
  • Drehwüchſigkeit 287.
  • Duftanhang (Fichten) 313.
  • Duftdruck 248.
  • Duramen108.
  • Durchforſtung 156.
  • Durchwachſung (Lärchenzapfen) 337.

  • Ebenholz 108.
  • Ebenmaß 21. beim Thiere 22.
  • Ebereſche 500. Blatt (125) 127. Blüthe 229.
    Holz 371. Kugelſproß 199.
  • Edeltanne ſ. Tanne.
  • Edle Holzarten 245.
  • Eiben, Familie der 254.
  • Eibenbaum ſ. Taxus.
  • Eichen 382.
  • Eichelfrucht 382.
  • Eichelfrüchtige Kätzchenbäume 366 ff.
  • Ei’chen ſ. Samenknospen.
  • Eichenblattwickler 394.
  • Eichenholz 101.
  • Eichenſchälwaldungen 396.
  • Eichenwald 3, 221, 379, 389.
  • Eichen-Werftkäfer 395.
  • Einhäuſige Kätzchenbäume 365.
  • Einſamenlappige Pflanzen 137, 143.
  • Eisanhang 248.
  • Elektricität als Keimbedingung 138.
  • Elemente, chemiſche in der Pflanze 151.
  • Elsbeere 504.
  • Elzbeeren ſ. Mehlbirne.
  • Embryo 132.
  • Endknospe 51, 62 ff., (unechte 63 f.), 190.
    fehlſchlagende 77, der Nadelhölzer 199,
    vorwiegende Entwickelung 76.
  • Endosmoſe 151, 160.
  • Engerling 281.
  • Entlaubung, Folgen der 202. Wiedererſatz
    181.
  • Entrindung, Folgen 118. Folgen ring-
    förmiger 172.
  • Entwäſſerung (41).
  • Entwaldung, Folgen 8.
  • Epheu, Verfärbung der Blätter 186.
  • Epidermis der Rinde 114, des Blattes 186.
  • Epilobium angustifolium28, 40.
  • Equisetum36.
  • Erdbeere 39.
  • Erle. Arten (Nordiſche ſ. Weißerle 422,
    Schwarzerle 415, Straucherle 424).
  • Erlenblattkäfer 420.
  • Erlenbrüche 419.
  • Erlenrüſſelkäfer 420.
  • Ernährung der Pflanze 44, 150, durch die
    Samenlappen 149, Vergleich mit Thier
    179.
  • Erwärmungsfähigkeit des Bodens 48.
  • Erythrophyll 186.
  • Eſche 484.
  • Espe 439.
  • Eule 273, 281.
  • Evonymus ſ. Spindelbaum,
  • E. verrucosus L.534.
  • Exosmoſe 151, 153

  • Fachwerksmethode 606.
  • Färbergallwespe 395.
  • Fagus silvatica ſ. Buche 317. var. cristata,
    var. quercifolia
    372, var. asplenifolia,
    var. pendula, var. ferruginea
    374.
  • Falſchbirke 424.
  • Farbenwechſel des Laubes 186, 228.
  • Farbſtoffe 100, grüner 128.
  • Farrnkräuter 36 f., 240. Keimkraft der
    Sporen 143. Wiederbelebungsfähigkeit
    144.
  • Fasciatio ſ. Verbänderungen.
  • Faulbaum ſ. Traubenkirſche u. Wegedorn.
  • Federchen 134.
  • Fehmelwald 578.
  • Fehmlinde 548.
  • Feldahorn 529.
  • Feldrüſter 462.
  • Feldulme ſ. Feldrüſter 462.
  • Felsart 43.
  • Felſenkirſche 514.
  • Fettes Holz 266.
  • Feuerbaum ſ. Wachholder.
  • Fichte 304.
  • Fiedern 126.
  • Flatterrüſter 474 ff.
  • Flechten 31, 33 f., isländiſche 33.
  • Flieder ſ. Hollunder.
  • Fliege, ſpaniſche 490.
  • Fliegenzuſtand 270.
  • Flügelfrucht 427.
  • Flügelſamen 427.
  • Foliation 67.
  • Forche 289.
  • Forle 289.
  • Forſt 1, 4, Forſtwirthſchaft 5, Forſtwiſſen-
    ſchaft 4 f.
  • Forſtbenutzung 613.
  • Forſtdirection 610.
  • Forſteinrichtung 605.
  • Forſtgarten 596.
  • Forſt-Hauptnutzungen 613.
  • Forſtkulturgeſetz, allgemeines deutſches 567.
  • Forſt-Nebennutzungen 613.
  • Forſtſchutz 602.
  • Forſttechnologie 613.
  • Forſtverfaſſung 609.
  • Forſtverwaltung 610.
  • Fortpflanzung durch Samen 19.
  • Frangula vulgaris495.
  • Fraxinus excelsior L.484 ſ. Eſche, excelsior
    var. simplicifolia
    129, 481. Fraxinus
    Ornus L.
    491.
  • Froſtriſſe 159, 189.
  • Froſtſchaden 189.
  • Frucht, erſte eines Baumes 154. Nothw.
    der Bl. zur Reifung 182. Einfluß auf
    Ornamentik 229.
  • Fruchtbarkeitsalter des Baumes 183.
  • Fruchtboden 537.
  • Fruchtſaat 594.
  • Frühjahrsholz 101, 105, 121, 360.
  • Frühjahrsſaft 15, 160. Verbreitung 161,
    163. Ende des Stroms 164, 412. Um-
    wandl. des Safts in den Blättern 169.
  • Frühlingserwachen des Baumes 158, 159.
  • Füllung der Blüthen 168.
  • Futterlaub 397.

  • Gabelzahn 311.
  • Gagelftrauch 439.
  • Galeopsis versicolor39.
  • Galeruca Alni Fabr.420.
  • Galium silvaticum31.
  • Galläpfel 395.
  • Gallen. Bildung 394 f., des Fichtenblatt-
    ſaugers 324, Galleneiche 395.
  • Gallwespen 394.
  • Gasaustauſch durch die Blätter 170.
  • Gastropacha Pini ſ. Kiefernraupe 202, G.
    processiona L.
    394.
  • Gebirgsart 43.
  • Gebirgswald 31, 33 ff., 554, 230, 232, 563.
  • Geeſt 563.
  • Gefäße 99 f., 262, im Blatt 128, 105,
    Unterſcheid. der Hölzer nach ihnen 163,
    Verlauf 178, [Saftleitung]163, in der
    Wurzel 108.
  • Gefäßbündel der Farrn 37.
  • Gefäßbündelſpuren der Blattſtielnarbe 59,
    187.
  • Gefäßporen, große, mittle, kleine 104.
  • Geisblatt 230.
  • Geometra piniaria273.
  • Gerbſtoff 118. Gerberlohe 323.
  • Geſelligkeit 1.
  • Geſteinsart 43.
  • Ginſter 230.
  • Götterbaum 561.
  • Gogants 596.
  • Goldafter (Raupenneſter) 188.
  • Goldeſche 486.
  • Goldregen ſ. Bohnenbaum.
  • Graupappel 445, 447, 448.
  • Gröbaer Wald, Bodenverbeſſerung 43.
  • Grünſchicht 97, 110.
  • Grunderde des Ackerbodens 26.
  • Gymnospermen 346 f.

  • Haarfarrn 241.
  • Haarrauch 559.
  • Haarzahnmoos 559.
  • Habichtskraut 29.
  • Hackwald 602.
  • Hängebirke 432.
  • Hängebuche 374.
  • Hängeeiche 389.
  • Hängeeſche 486.
  • Hagebuche ſ. Hornbaum.
  • Hagebutte 498.
  • Hahnenkamm 318.
  • Hahnenkammbuche 372.
  • Hainbuche ſ. Hornbaum.
  • Hartriegel 230, 480. Knospe 62.
  • Harz 255, 287, 342, 297, 292, 329. „Harz“
    der Vogelkirſche 512.
  • Harzfluß, Kirſchb. 514.
  • Harzgänge 103, 266, 255.
  • Harzgallen 266, 269, der Tannenrinde 329.
  • Harzporen Lärche 338.
  • Harzſcharren 308, 323.
  • Harzung der Schwarzkiefer 292.
  • Haubarkeitsalter 157, 184.
  • Hauberge 602.
  • Hauptwurzel 119.
  • Hecken, Beſchneiden der 81.
  • Heerrauch 559.
  • Heide 231, 554, 557.
  • Heidekraut 29, 31.
  • Heidelbeeren 39, 230.
  • Heiſter 490.
  • Herbſtfarbe des Laubes 185, 228.
  • Herbſtholz 105, 121, 360.
  • Herrenpflaume 518.
  • Herzblatt 137, 147.
  • Hexenbuſch 435.
  • Hieracium29.
  • Himmelsgegend v. Einfluß auf den Wald-
    boden 26.
  • Hirnholz 88.
  • Hochblätter 168.
  • Hochwald 554, 31, 157, 577. Laubholz
    358, 221, 379.
  • Höhenrauch 559.
  • Höhenzuwachs, Beendigung 362.
  • Hohlzahn 39.
  • Hollunder 478.
  • Holz. Bau 98, 161 (ſ. Holzzelle), Haupt-
    ſchnitte 87, Gewicht 371, Waſſergehalt
    151, 158, Holzgehalt großer Bäume 204,
    206, Grob- und feinjährig 90, 94, hart
    u. weich 360, 367, edel u. unedel 360,
    Unterſcheid. der Arten 103, Maſer und
    Wimmer 198 f., Kugelſproß 200, ge-
    drehtes Holz 288.
  • Holzanbau 283, Schwierigkeiten 6.
  • Holzauswuchs, zapfenf. 175.
  • Holzbildung, neue 170.
  • Holzbündel 99, 175.
  • Holzerde 28.
  • Holzkörper, untergeordn. Bedeut. 16, als
    Boden f. Blätter u. Blüthen 20, Saft-
    leitung 16, 163.
  • Holzkohle 380.
  • Holzparenchym 161.
  • Holzring 85, 88, Einfluß auf Belaubung
    170, H. des Blattſtiels 128.
  • Holzſortimente 613.
  • Holzſtoff 100.
  • Holzzellen 161, Entſtehung 175, Weg des
    Saftes 15, H. der Wurzel 108.
  • Holzzucht, natürl. und künſtl. 283.
  • Holzzuwachs 96.
  • Hopfenbuche 413.
  • Hornbaum 406.
  • Hügelpflanzung (Fichte) 322.
  • Hülſe ſ. Stechpalme
  • Humus 28, 46, Eigenſchaften 46 ff.
  • Hutpilze 31.
  • Hylesinus piniperda ſ. Waldgärtner.
  • Hypnum35, 311.
  • Hypokotyles Glied 148.

  • Jahre 90.
  • Jahresgrenze 90.
  • Jahresringe 88, 90, 106, gleichmäßige 93,
    Bildung 15, 170, ſcheinbare 106, bei
    Drehwuchs 288, im Wurzelholz 108.
  • Jahresſchichten 90.
  • Jahresſproß ſ. Jahrestrieb.
  • Jahrestrieb 68, Grenze zwiſchen zweien 76.
  • Jahreswachsthum, Maaß deſſelben 75.
  • Ichneumoniden ſ. Schlupfwespe.
  • Ilex Aquifolium ſ. Stechpalme.
  • Ilicineen 493.
  • Immergrüne Bäume 189.
  • Impatiens Nolimetangere39.
  • Individuum 13, 18, 20, 96, 181.
  • Inſecten, ſchädliche 41, 247, 249. Ein-
    theilung 269. [Vermehrung]272. Orna-
    mentik d. Bäume beeinflußend 216. I. auf
    Birke 435, Eiche 393, 394, Erle 420,
    Espe 444, Fichte 125, 201, 313, 324, 394,
    Kiefer 268, 281, 273, Lärche 340, Rüſter
    469 ſ. Aderflügler, Blattſauger, Falter,
    Käfer, Werle. Tanne 333.
  • Intercellularſtoff 102.
  • Johannisbrodbaum 364.
  • Johannistrieb ſ. Sommertrieb.
  • Juniperus communis L. ſ. Wachholder 214,
    351. J. nana W.354, 328. J. virginiana
    L.
    354.

  • Käfer, ſchädliche. Eiche 394 f., Erle 420,
    Espe 444, Fichte 313, 316, Kiefer 770,
    279, 273.
  • Kälte, Einfluß derſ. auf d. Bäume 158.
  • Kätzchen 365.
  • Kätzchenbäume, Bedeutung 367, Familie
    der 365 ff. Laubcharakter 366, Verzweig.
    u. Krone 366, Eichelfrüchtige 367, Birken-
    artige 406 ff., Weidenartige 439.
  • Kätzchenblüthler ſ. Kätzchenbaum.
  • Kahlſchläge 601.
  • Kalkkryſtalle in der Rinde 111.
  • Kalkſtein 43, 44.
  • Kaſtanienholz, Gewicht 371.
  • Keim 132, 346. Bedingungen zur Keimung
    137, Dauer 138, ſ. Keimpflanze, Eiche
    384, Nadelhölzer 254.
  • Keimfähigkeit des Samens 134, 139, 242.
  • Keimkraft 133, 140, Buchenſamen 377,
    Fichtenſamen 322.
  • Keimlappen f. Samenlappen.
  • Keimmund 346.
  • Keimnadeln der Fichte 306, Kiefer 266,
    Lärche 338, Schwarzkiefer 291, Tanne
    329, Zirbelkiefer 300.
  • Keimpflanze 135, erſte Nahrung 136, 149.
  • Keimſack 340, Keim im 346.
  • Kelch 123, 498.
  • Kelchblätter, Umwandlung der 168.
  • Kernfäule 17, 109.
  • Kern ſ. Kernholz.
  • Kernſchäligkeit 90, d. Kiefer 269, des Taxus
    350.
  • Kernſchicht (des Markes) 100. 87.
  • Keſſelhauungen 601.
  • Kiefer, gemeine 257.
  • Kiefernblattwespe 273, 281.
  • Kieferneule 273, 281.
  • Kiefernkultur 268.
  • Kiefernkulturverderber 281.
  • Kiefernmarkkäfer ſ. Waldgärtner.
  • Kiefernraupe 202, 274.
  • Kiefernrüſſelkäfer 273, 281.
  • Kiefernſpauner 273, 281.
  • Kiefernſpinner 271, 273 f., Ei 275, 278.
  • Kirſchbaum 495 ſ. Vogelkirſche.
  • Klima, Bedeut. des Waldes für daſſ. 5.
  • Kluftig 220.
  • Knieholzkiefer ſ. Krummholzkiefer.
  • Knips 378.
  • Knoppern 395.
  • Knopperngallwespe 393.
  • Knospe 58; Entfaltung 15, 81, 131, 164,
    169, 489; Schlafende 190, 193; der
    Kiefern 199; Sitzengebliebene 75, 78;
    Stellung in Bez. auf Krone 211, 217, 361.
  • Knospenachſe 67, 163.
  • Knospenfaltung 66.
  • Knospenhülle der Samenknospe 346.
  • Knospenkern der Samenknospe 346.
  • Knospenlage 67.
  • Knospennarbe 76.
  • Knospenſchuppen 59, 61 f., 65, 166, 168,
    130, 309.
  • Knospenſchuppenſpur 76.
  • Knotenſchwammflechte 33.
  • Königseiche 363.
  • Kohlenſäure durch den Humus gebildet 47,
    in der Bodenflüſſigkeit 161.
  • Kohlenſtoff in der Pflanze 151.
  • Kopfholzwirthſchaft 193, 194, 391.
  • Kopfweiden 78, 460, 193.
  • Korallenflechte 33, 34. (Korallen „moos“.)
  • Korbweiden 459.
  • Kork 114, an Wurzeln 122.
  • Korkeiche 116.
  • Korkflügel 472, Rüſter; Maßholder 531.
  • Korkrüſter 466, 469, 471; Rinde 113.
  • Korkzellen 114, bei der Borkenbildung 117,
    beim Blattfall 187.
  • Kornelkirſche ſ. Hartriegel.
  • Kotyledonen ſ. Samenlappen.
  • Kräuter, Lebensdauer der 205.
  • Krebs (der Eiche) 393.
  • Krebsweide 461.
  • Kreisſchicht (Mark) 87.
  • Kreuzbeeren 497.
  • Kreuzdorn 63, 64, 495, Holz 105.
  • Kriechenpflaume 518.
  • Kriechweide 461.
  • Krone 210, 221. Einfluß der Früchte 229.
    Verhältniß zur Wurzel 390, 393. Zu-
    wachs 69.
  • Kronenabwölbung der Laubhölzer 360, 362.
  • Krummholzkiefer 289.
  • Krummholzöl 297.
  • Kruſtenflechten an Tannen 329.
  • Kryptogamen 38, 143.
  • Kryſtalle in der Rinde.
  • Kugel - Akazien 195.
  • Kugelſproß 199.
  • Kuhweizen 39.
  • Kultur 154.
  • Kulturverderber 269, 281.
  • Kurztriebe 74, 77, 78, 224, 225. Blüthen
    an 184. K. der Birke 432, 435, der
    Kiefer 259, 299, Lärche 336.
  • Kurzzweige 78.

  • Labkräuter 59.
  • Lärche 256, 334.
  • Lärchenminirmotte 340.
  • Landſchaftsmalerei 52, 232.
  • Langtriebe 74, 77 f., 224, 366, 197.
  • Larix europaea De C. ſ. Lärche.
  • Larvengänge 315.
  • Larvenzuſtand 270.
  • Latſche ſ. Krummholzkiefer.
  • Laubblätter 168 ſ. Blatt. Verfärbung 185.
    Charakter der Kätzchenbäume 366.
  • Laubdecke des Waldbodens 30.
  • Laubeichen 397.
  • Laubfall ſ. Blattfall.
  • Laubhölzer 353. Alter 363. Architektur 212,
    217. Ausſchlagsvermögen 357, 364.
    Aeſte 83. Beſtandsverderber 269. Holz
    104, 106, 107, 360, 369. Jahreszuwachs
    73. Immergrüne 364. Krone 221. Kro-
    nenabwölbung 360. Kulturverderber 269.
    Stamm 83, 219. Wachsthum 304.
    Wurzelholz 121.
  • Laubknospen 59, 64 ſ. Knospen.
  • Laubſtreu 31.
  • Laubwald 31, 231. Charakter 355 f.. Zahl
    d. Baumarten 356. Hochwald 358. Reine
    Beſtände 359.
  • Läuterungshiebe 601.
  • Leben, Begriff 140, des Baumes 131, des
    ruhenden Samens 140, 142, der Pflanze
    im Vergl. zum Thiere 179.
  • Lebensbaum, Verfärbung der Blätter 186.
  • Lebensdauer des Baumes 202, 204, 206,
    der Kräuter 205.
  • Lebensende des Baumes 200.
  • Lebenskraft 140, 143.
  • Legkiefer ſ. Krummholzkiefer.
  • Legumin in den Samenlappen 138.
  • Lemna ſ. Meerlinſe.
  • Lenticellen 114.
  • Licht als Keimbedingung 138.
  • Lichtbäume 268.
  • Lichten eines Dickichts 155.
  • Liguſter 491, 230.
  • Ligustrum vulgare L.491.
  • Linde. Arten 542, 538. Alter 204, 363, 546.
  • Lindengewächſe, Familie 535.
  • Liparis chrysorrhoea ſ. Goldafter 188. L.
    monacha L.
    ſ. Nonne.
  • Lohden 196.
  • Loranthus14.
  • Luft, als Keimbedingung 138.
  • Luftlücken 128.
  • Lycopodium ſ. Bärlapp.
  • Lyda pratensis273.
  • Lymexylon navale L.395.
  • Lytta vesicatoria490.

  • Maikäfer 273, 281, 394.
  • Maitrieb 80.
  • Mandelgewächſe, Familie der 498.
  • Mark 85, 88, 107. Bedeut. 86. Centrales
    und excentriſches 91, 220. Kernſchicht u.
    Kreisſchicht 87, 88. M. d. Blattſtiels 128,
    der Knospenaxe 163, Bezieh. z. Knospe
    82, der Maſerknospen 198. M. alter
    Bäume 84.
  • Markfleckchen 107. Birke 433. Schwarz-
    erle 418. Weißerle 423. Sahlweide 458.
  • Markſcheide 87.
  • Markſtrahlen 88, 98, 101. Bedeut. 161.
    Stärkemehl in 15. Unterſchied d. Hölzer
    nach ihnen 105. Wirkung auf Umgeb.,
    Adventivknospenbildung 192. Metamor-
    phoſirte 191, 193 f., 196. M. d. Wurzel
    107, 121.
  • Markſtrahlenzellen 161, 162.
  • Markwiederholungen 107 ſ. Markfleckchen.
  • Marſch 563.
  • Maſerbildung 198, Birke 433. Eiche 198,
    323. Erle 421. Maßholder 532, Ulme 470.
  • Maſerknollen 198.
  • Maſerknospen 198.
  • Maſerknoten 193, 198.
  • Maßholder ſ. Feldahorn.
  • Maſſenzunahme des Baumes 170.
  • Maulwurfsgrille 273, 281.
  • Meereshöhe v. Einfluß auf Waldboden 26.
  • Meerlinſen, Wurzeln der 147.
  • Mehlbeerbaum 502. Blatt 227.
  • Melampyrum nemorosum39.
  • Melolontha vulgaris L. ſ. Maikäfer.
  • Mespilus Cotoneaſter L.508. M. germa-
    nica L.
    507.
  • Microgaster278.
  • Mikrogaſterlarven 277.
  • Mikropyle 346.
  • Milchſaft, Spitzahorn 528.
  • Milzfarrn 39.
  • Minirmotte der Lärche 340.
  • Mirabelle 518.
  • Mispel 230, 507.
  • Miſtel 14, 18.
  • Miſteldroſſel 18.
  • Mittelwald 554, 31, 193. (der Laubhölzer)
    357, 358.
  • Modererode 28.
  • Monöciſche Bäume 183, 365.
  • Monokotyledonen 137, 143.
  • Moorheide 557.
  • Moorpflanzen 558.
  • Moorrauch 559.
  • Moos 35, 207, 208, 311. Isländiſches 32.
  • Mooskiefer ſ. Krummholzkiefer.
  • Muttergang 314.
  • Myosotis silvatica31.
  • Myrica Gale L. ſ. Gagelſtrauch.

  • Nabel (des Samens) 135.
  • Nadel 125. Dauer 256. Verfärbung 189,
    202. Krankheiten 256. Nadelverluſt der
    Kiefer 268. Uebergang in Deckſchuppen
    336.
  • Nadelbüſchel der Lärche 337.
  • Nadeldecke des Waldbodens 30.
  • Nadeldecke 188.
  • Nadelhölzer 239. Adventivknospen 199.
    Architektur 212. Arten 253. Ausgeſtor-
    bene 38. Blätter 128 ſ. Nadel. Blüthe
    123, 215, 347. Familien 254. Holz 102,
    255 ff., 206. Knospe 199, 65. Orna-
    mentik 214, 215. Samenlappen 137.
    Schonung u. Dickicht 155. Stamm u.
    Aeſte 83. Temperatureinfl. 189. Ueber-
    wallung 342. Verzweigung 22. Wurzel
    120. Zuwachs 70.
  • Nadelholzbeſtandsverderber 269.
  • Nadelholzkulturverderber 269.
  • Nadelſtreu 311.
  • Nadelwald 31, 231, 239. Färbung im
    Winter 186. Flechten im N. 34. Ge-
    fahren 247. Einfluß auf d. Menſchen 250.
  • Nahrung, erſte der Pflanze 136.
  • Nahrungsſaft, Aufnahme durch d. Wurzel
    151. Vorbereitung des rohen 161, ſeine
    Umwandl. (Aſſimil.) in den Blättern 169.
  • Nebenblätter 130, 168, in der Knospe 164.
  • Nebenknospen ſ. Adventivknospen.
  • Nebenwipfel ſ. Seitenwipfel.
  • Nebenwurzel 119.
  • Neſſelgewächſe 462.
  • Neuwald 205.
  • Niederblätter 168.
  • Niederwald 554, 31, 193, 196. der Laub-
    hölzer 357, 358 (Eiche) 396.
  • Noctua piniperda273.
  • Nonne 271, 273, 281, 316, 435.
  • Nucleus der Samenknospe 346.
  • Nußbaum, Holz 106.

  • Oberbaum 578.
  • Oberhaut des Blattes 127, der Rinde 114.
  • Oberhautzellen 126.
  • Oberholz 578.
  • Obſtbäume 498. Veredelung 17. Ring-
    ſchnitt 172.
  • Oel, ätheriſches 100, in Tannenſamen 326,
    fettes 100.
  • Oelbaum 364.
  • Ohrweide 130.
  • Oleaceen 484.
  • Ornamentik 225, 230. Fichte 262.
  • Ornus europaea Pers.471.
  • Orotava, Drachenbaum von 204.
  • Oſtrya carpinifolia Scop. ſ. Hopfenbuche.

  • Pappel 439, 445. Ausſchlagsvermögen 193.
    Blatt, Blüthe 439, 228 (123). Zeit 125,
    182, 127. (Knospenentfalt 67.) Knospe
    61, 63, 64. Holz 367, 371. Same 150.
    Stecklinge 121. Stock- u. Wurzelaus-
    ſchlag 120, 448. Canadiſche 454. Ita-
    lieniſche 19, 203, 450. ſ. Espe 439,
    Silberpappel 145, Schwarzpappel 449,
    Graupappel 348.
  • Pappelweide 452.
  • Periderm 110, 116.
  • Periode 589.
  • Pfaffenhütchen ſ. Spindelbaum.
  • Pfahlwurzel 119. Eiche 384, 387, 390.
    Lärche 342. Taune 331. Verhältniß
    zum Stamm 390.
  • Pflanze. Beſtandtheile 151. Geſellige 1.
    Unterſchied vom Thiere 13, 179. Tod 200.
  • Pflanzendecke des Waldbodens 30.
  • Pflanzengrün d. Flechten 34, ſ. Blattgrün.
  • Pflanzenſtreu 31.
  • Pflanzgarten 595.
  • Pflanzkulturen 155, 596.
  • Pflanzung 283.
  • Pflaumenbaum 498, 517 ff. Wurzelaus-
    ſchlag 120. Frühjahrsholz 116. Gewicht
    des Holzes 671.
  • Phanerogamen 38, 143.
  • Picea excelsa Lamarck ſ. Fichte.
  • Pilze 31.
  • Pinus ſ. Kiefer. P. abies L. ſ. Fichte. P.
    abies du Roi
    ſ. Tanne. P. austriaca Höss
    ſ. Schwarzkiefer. P. Cembra L. ſ. Zirbel-
    kiefer. P. Laricio Poiret ſ. Schwarzkiefer.
    P. Larix L. ſ. Lärche. P. Mughus Scop.
    ſ. Krumholzkiefer. P. nigricans Host. ſ.
    Schwarzkiefer. P. picea L. ſ. Tanne.
    P. picea du Roi ſ. Fichte. P. pumilio
    Haenke
    ſ. Krummholzkiefer. P. silveſtris
    ſ. gem. Kiefer. P. Strobus ſ. Weymouths-
    kiefer.
  • Plänterwald 578.
  • Platanenborke 117, 529.
  • Platzſaat 154, 283.
  • Pollen ſ. Blüthenſtaub.
  • Polyandria 498.
  • Polykotyledonen 137, 254.
  • Polytrichum35, 311.
  • Pomaceen 499. Blüthe.
  • Pontia Crataegi ſ. Baumweißling 188.
  • Populus alba L. ſ. Silberpappel. P. cana-
    densis
    454. P. canescens Smith ſ. Grau-
    pappel. P. dilatata Ait. (faſtigiata Poir.)
    ſ. ital. Pappel. P. nigra L. ſ. Schwarz-
    pappel. P. tremula ſ. Espe.
  • Poren 101.
  • Porphyr 43.
  • Preißelsbeeren 230.
  • Primordialblätter 147.
  • Proceſſionsſpinner 394.
  • Prolepſis 81.
  • Prosenchymzellen 161.
  • Proteïnſtoffe, in der Knospenachſe 163.
  • Prunus511. Padus L. ſ. Traubenkirſche.
    P. avium L.512. P. cerasus L.514.
    P. domestica L.519. P. insititia L.518.
    P. Mahaleb L.514. P. ſpinosa L. ſ.
    Schwarzdorn. P. virginiana Duroi517.
  • Pteris aquilina ſ. Adlerfarrn.
  • Pteromalus xanthopus279.
  • Puppenzuſtand 270.
  • Pyramideneiche 389.
  • Pyrus acerba Merat, P. malus L.508, P.
    communis L.
    508. P. Cydonia L.511.

  • Quarz 44.
  • Quarzſand. Waſſerhaltigkeit 46. Wärme-
    leitungsvermögen 48.
  • Quercus austriaca Willd.405. Q. cerris L.
    ſ. Zerreiche. Q. coccinea405. Q. imbri-
    caria
    405. Q. infectoria395. Q. lanugi-
    nosa Thuillier
    400. Q. pedunculata L.
    ſ. Stieleiche. Q. pubescens Willd.401.
    Q. robur L. ſ. Steineiche. Q. rubra405.
    Q. ſalicifolia405. Q. ſuber ſ. Korkeiche.
  • Querſchnitt des Stammes 87, 91 ff., 219.
  • Quirlknospen der Nadelhölzer 199.
  • Quirltrieb der Nadelhölzer 70.
  • Quitte 511.

  • Radischen, Waſſergehalt 151.
  • Raupenneſter 188.
  • Raupenzwinger zur Vermehr. d. Schlupf-
    wespen 282.
  • Räumde 584.
  • Reidel 196.
  • Reife des Samens 139.
  • Reineclaude 518.
  • Reinigen des Baums 156, 220.
  • Rennthierflechte 33, 34.
  • Reproduktion 181.
  • Reſervenahrung ſ. Stärkemehl. Verflüſſi-
    gung 161.
  • Reviſion 612.
  • Rhamnus Frangula L. ſ. Wegedorn. R.
    cathartica L.
    ſ. Kreuzdorn.
  • Rhodites Rosae L.394.
  • Rhytisma acerinum828.
  • Riefenſaat 283.
  • Riemenblume 14.
  • Rieſenbäume 254.
  • Rinde 85, 109 (Bedeutung) 118, die des
    Blattſtiels 128, der Maſerknollen 198,
    der Wurzel 121, Verfärbung 482, Ver-
    wendung 323. [ſ. Baſt, Borke, Kork.]
  • Rindenflechten 35.
  • Rindengewebe 97, Saftleitung im 171 ſ.
    Baſt.
  • Rindenhaut 85, 97, 112, 370.
  • Rindenhöckerchen 114.
  • Rindenmarkſtrahlen 88, 97, 112, 370.
  • Rindenzellen 175.
  • Rindenzuwachs 97.
  • Ringſchnitt d. Obſtbäume 172.
  • Robinie 561. Herzblatt der 148.
  • Röderwaldwirthſchaft 602.
  • Roſaceen 498.
  • Roſe 230. (394).
  • Roſengewächſe, Familie der 498.
  • Roßkaſtanie, Blattſtielnarbe 59, Knospe 65,
    Holz (Gewicht) 371.
  • Rothfäule (Fichte) 313, 378.
  • Rothbuche ſ. Buche 371.
  • Rothtanne ſ. Fichte.
  • Ruchbirke 436, 431.
  • Ruchgras 515.
  • Rühremichnichtan 39.
  • Rüſſelkäfer, der Erle 420, der Kiefer 273,
    281, der Fichte 316.
  • Rüſter 462. Abarten 466. Alter 204, 469.
    Arten 473. Feld-R. 462. Kork-R. 471.
    Kork-R. 474.

  • Saat 283.
  • Saatkamp 595.
  • Saatkultur 593.
  • Sackträger ſ. Minirmotte.
  • Säfteaustauſch zwiſchen den Zellen 100.
  • Säulenflechte 32, 34
  • Saftfluß der Eiche 393.
  • Saftſtrom 15, 102, 159. Beginn, Gewalt 160.
    Abſteigender 170. Organe der Leitung
    161, 163, 170. Stauchung 177.
  • Sahlweide 454.
  • Salbeiweide 459.
  • Salicineen 366, 439.
  • Salix454. S. alba L.460. S. aurita L.
    130, 459. S. babylonica L.461. S.
    caprea L.
    ſ. Sahlweide 454. S. fragilis L.
    460. S. purpurea L.460. S. repens L.
    461. S. reticulata L.455. S. rubra L.
    460. S. triandra L.460, 461. S. vi-
    minalis L.
    460. S. vitellina L.460.
  • Samara521.
  • Sambucus478. S. racemosa ſ. Trauben-
    holder oder S. nigra ſ. Hollunder.
  • Same, im Vergleich zum Steckreis 19.
    Keimkraft 40, 137.
  • Samenanflug 38.
  • Samenbäume 38, 221 (Krone derſ.) 595.
  • Samendarren 284.
  • Samenhaut 132.
  • Samenjahre 184. Fichte 312. Kiefer 283.
    Eiche 390. Buche 377.
  • Samenknospe 427, nackte 346.
  • Samenkorn, Bau 132.
  • Samenlappen 133. Bedeutung 136, 139,
    149. (Nahrungsſtoffe in denſ. 138).
  • Samenmantel (Taxus) 347.
  • Samenpflanzen — Phanerogamen 143.
  • Samenreife 139, 183, 182.
  • Samenſchlag 283, 594.
  • Samenſchlagſtellung 283.
  • Samenträger 429.
  • Sand. Waſſerhaltigkeit 46, Austrocknungs-
    fähigkeit 47.
  • Sandheide 559.
  • Saperda populnea444.
  • Sauerdorn 520.
  • Sauerkirſche 515.
  • Sauerſtoff in der Pflanze 151, durch Blätter
    ausgehaucht 170, Auffaugungsvermögen
    des Bodens für denſelben 47.
  • Saugwurzeln 147, 151, (122).
  • Schachtelhalm 36, 240.
  • Schäfchen ſ. Kätzchen.
  • Schaft 218.
  • Schattenbäume 268.
  • Schießbeere ſ. Wegedorn 496.
  • Schildfarrn 36, 241.
  • Schizoneura lanuginosa Hartig469.
  • Schlafäpfel 394.
  • Schlagpflanzen 40.
  • Schlagräumung 40.
  • Schlehdorn ſ. Schwarzdorn.
  • Schlingſtrauch 482.
  • Schlupfwespen 271, 277, 282.
  • Schluß, Bäume im dichten 155.
  • Schmarotzer 14, 18.
  • Schmetterlinge, forſtſchädliche, ſ. Falter.
  • Schneeball 482, 230. Knospe 59, 60.
  • Schneedruck 248, 313.
  • Schneideln der Eiche 319.
  • Schneidelſtreu 322.
  • Schneidelwirthſchaft 193, 194.
  • Schneiße 585.
  • Schneißennetz 586.
  • Schonung 155, 283.
  • Schraubenſtellung der Blätter 164.
  • Schraubenwindung der Stämme 219, 287.
  • Schütten der Kiefer 268, 282.
  • Schutzbeamte 611.
  • Schwammraupen 188.
  • Schwarzbirke 437.
  • Schwarzdorn 505, 517, 40, 60, 64, 182,
    230, 125, 182, 228.
  • Schwarzerle 415.
  • Schwarzföhre ſ. Schwarzkiefer.
  • Schwarzkiefer 289.
  • Schwarzpappel 449.
  • Schwefelregen 215, 258.
  • Seekiefer, Ueberwallung 342.
  • Seidelbaſt 230.
  • Seitenknospen 62, 190, 310.
  • Seitentriebe der Nadelhölzer 71.
  • Seitenwipfel 301, 202, 311, 330.
  • Sekantenſchnitt des Holzes 88.
  • Senecio ſilvaticus28, 40.
  • Sequoia254.
  • Setzreiſer, Baumerziehung durch 193.
  • Silberpappel 445, Adventivknospen 191.
  • Silbertanne ſ. Tanne (329).
  • Sommereiche ſ. Stieleiche.
  • Sommerlinde 542.
  • Sommertrieb 80, der Eiche 390, Buche 376.
  • Sonnenlicht als Keimbedingung 138.
  • Sorbus499. S. aucuparia L. ſ. Ebereſche.
    S. Aria Crantz502. S. domestica L.501.
    S. hybrida L.502. S. latifolia Ehrh.503.
    S. torminalis Crantz504.
  • Spaltöffnungen 127, 170.
  • Spaltſchnitt des Holzes 88.
  • Spanner (Kiefer) 273, 281.
  • Spannrückigkeit 220, 409, 423
  • Spargel, Waſſergehalt 151.
  • Speierling 502.
  • Sphagnum35.
  • Spiegel, Spiegelfaſer 105, 387.
  • Spiegelrinde 390, 396.
  • Spierſtauden 230.
  • Spindelbaum 583. Rinde 113. Holz 104 f.
  • Spinner 183, 188, 270, 271 ff., 273, 281,
    316, 340, 394, 435.
  • Spiralfaſerzellen 100.
  • Spiralgefäße 102, im Blatt 120.
  • Spitzahorn 526.
  • Splint 92, 108. Saftleitung im 161.
  • Splintbaum 410.
  • Spore, Keimkraft 143.
  • Sporenpflanzen (Kryptogamen) 143.
  • Spreewald 562.
  • Springeſchläge 601.
  • Spreite 125.
  • Sproß 68 ſ. Trieb.
  • Stachel 506.
  • Stachys ſilvatica31.
  • Stärkemehl 100, in den Samenlappen 138,
    in den Markſtrahlen 15, Reſervenahrung
    161.
  • Stamm. Alter und junger 82. Alters-
    ſchätzung 392. Architektur 212. Aus-
    ſchlag 169. Innerer Bau 84, 91, 98.
    Durchmeſſer 392. Flechten am 35. Ge-
    ſtalt 219. Länge 218. Querſchnitt 219.
    Saftleitung 161, 163. Verhältniß zur
    Pfahlwurzel 390. Wimmer am 199.
    Windung 219. Wunden 378.
  • Stangenholz 156, 285.
  • Staubbeutel, Tanne u. Fichte 324. Lärche
    334.
  • Staubgefäße 123, 168, 406. 520.
  • Stauchling 74, ſ. Kurztrieb.
  • Stauchung bei Maſer 198, u. Wimmer 199.
  • Stechpalme 493, 73, 186, 364.
  • Steckholder ſ. Wachholder.
  • Stecklinge 16, 19, 121, 152, 193.
  • Steinart 43.
  • Steinbuche 381.
  • Steineiche 398.
  • Steinfrucht 512.
  • Steinkirſche 515.
  • Steinkohlenpflanzen 38.
  • Steinkohlenwälder 239.
  • Stempel 123, 168.
  • Stengelgebilde (Unterſchied von den Blatt-
    gebilden) 14.
  • Stengelglied, hypokotyles 147.
  • Sternhaare 401, 483.
  • Stickſtoffhaltige Verbindungen ſ. Proteïn-
    ſtoffe 163.
  • Stickſtoffhaltige und Stickſtofffreie Sub-
    ſtanzen in den Samenlappen 138.
  • Stieleiche 382.
  • Stock 307.
  • Stockausſchlag 169, 190, 195, 197, 448,
    Blätter am 384, 430, 500.
  • Stockfäule bei Eichen 393. Espe 444.
  • Stocklohden 78, 79, 129, 196, 345.
  • Stockroden 40.
  • Stocküberwallungen 307, 342.
  • Stoffwechſel 141, 179.
  • Stoma 126.
  • Strauch 217, 230.
  • Strauchbirke 438.
  • Straucherle 422. 424.
  • Streifenſaat 154.
  • Streurechen 42, 322.
  • Strobilaceen 254.
  • Strobilus254.
  • Stürme 247, 250.
  • Stummeln der Eiche 391.
  • Sumpfkiefer ſ. Krummholzkiefer.
  • Sumpfmooſe 35.
  • Syenit 44.

  • Tangentialſchicht des Holzes 88.
  • Tanne 256, 324. Alter 204, 206, 343.
    Architektur 213. Arkadiſche 345.
  • Taxus 346. Alter 21, 204, 350. Archi-
    tektur 214.
  • Teleas laeviusculus277.
  • Teneriffa, Drachenbaum auf 204.
  • Tenthredo Pini273.
  • Terminalknospe ſ. Endknospe.
  • Terpentin, venetianiſcher 342.
  • Tetraneura Ulmi Hartig469.
  • Thalamanthen 537.
  • Thalamus 539.
  • Tharand’s heilige Hallen 381.
  • Thauwurzeln 147.
  • Theilblätter 126.
  • Thonerde im Waldboden 46.
  • Thonſchiefer 43.
  • Thränen der Weinrebe 160.
  • Thränenweide 461.
  • Thuja ſ. Lebensbaum.
  • Tiefgründigkeit des Bodens 46.
  • Tilia grandifolia Ehrh. ſ. Sommerlinde 542.
    T. parvifolia Ehrh. ſ. Winterlinde 534.
  • Tiliaceen 535.
  • Tinea laricinella340.
  • Tod der Pflanze 189, 200.
  • Tollkirſche 39.
  • Torfpflanzen 558.
  • Tortrix buoliana281. T. viridana394.
  • Tragbarkeitsalter, durchſchnittliches 184.
  • Tragknospe 64, der Buche 370.
  • Traubeneiche ſ. Steineiche.
  • Traubenhollunder 39, 61, 230, 478, 408.
  • Traubenkirſche 515. Knospe 63, 67.
  • Trauerbuche 374.
  • Trauereiche 389.
  • Trauereſche 486.
  • Trauerweide 461.
  • Trieb 78. Anordnung 224. Entfaltung
    165 ff., 169. Gliederung 76, 81. Vollen-
    dung 179.
  • Triebknospen 64, 65.
  • Triebwachsthum der Buche 376.
  • Tüpfel 162. 266.
  • Turdus viscivorus18. T. pilaris353.
  • Turnus 588, 600.

  • Ueberhalten einzelner Bäume 286.
  • Ueberwallung 182, 191, 203, 267, 307,
    342, 92.
  • Ulme ſ. Rüſter.
  • Ulmeen 462.
  • Ulmenmaſer 470.
  • Ulmus ſ. Rüſter. U. ciliata Ehrh. und U.
    effusa Willd.
    ſ. Flatterrüſter. U. ſuberosa
    Ehrh.
    ſ. Korkrüſter. U. campestris L.
    ſ. Feldrüſter.
  • Umtrieb 588.
  • Umtriebszeit 157, bei Stockausſchlägen 196,
    600.
  • Unkraut 3, 41.
  • Untergrund des Ackerbodens 26, des Wald-
    bodens 29.
  • Unterholz 578.
  • Urticaceen 462.
  • Urwald 4. Deutſcher 6, 205.

  • Vegetationsblätter 168.
  • Vegetationskegel der Maſerknospen 198.
  • Vegetationsperiode, Dauer der 160.
  • Verbänderung 316 ff.
  • Verdämmen durch Unkraut 39.
  • Verdauungsorgane der Pflanzen 170.
  • Veredelung der Obſtbäume 17.
  • Verfärbung des Laubes 185.
  • Verjüngung 142.
  • Verkienung (Kiefer) 266.
  • Vermehrung durch Stecklinge 19.
  • Vernarbung 174.
  • Vernation 66.
  • Verſumpfung 558.
  • Verwaltungsbeamte 611.
  • Verwitterung 44, 46.
  • Viburnum Opulus L.482. ſ. Schneeball.
    V. Lantana59, 60, 482 ſ. Schlingſtrauch.
  • Vielſamenlappige Pflanzen 137, 254.
  • Viscum14, 18.
  • Vogelbeeren 501.
  • Vogelkirſche 512.
  • Vollholzig 309.
  • Vollſaat 154, 283.
  • Vorzeitigkeit der Knospenentfaltung 81.

  • Wachholder 214, 351, 353, 438. Virgi-
    niſcher 354.
  • Wachholderdroſſel 353.
  • Wärme. Als Bedingung des Keimens 138.
    Leitungsvermögen des Bodens 47.
  • Wald. Unterſchied von Forſt 1. Woraus
    beſteht er? 9. Forſtl. Bedeut. 4. Gaſt-
    freundſchaft 3. Laub- u. Nadelwald 231,
    339. Herbſtlicher Wald 185. Formen 553.
  • Waldarbeiter 610.
  • Waldbau 592. Schwierigkeiten 7.
  • Waldboden 3, 25, 35. Verſchiedenh. nach
    Lage 26. Unterſchied vom Ackerboden 26.
    Zuſammenſetzung 27. Nothw. Zuſammen-
    ſetzung 46. Beurtheilung 46. Mineral.
    Beſtandth. 43. Felſiger 36. Flechten 34.
    Farrn 36. Abgetriebener 40. Boden-
    decke 30. Verbeſſerung 43, ſ. Boden.
  • Waldbrände 248.
  • Walderde 28.
  • Waldgärtner 373, 279 ff., 281.
  • Waldgräſer 39.
  • Waldkirſche 513.
  • Waldkräuter 28, 31, 39, 549.
  • Waldkreuzkraut 28, 40.
  • Waldlabkraut 31.
  • Waldmeiſter 515.
  • Waldornamentik 230.
  • Waldpflug 592.
  • Waldreben 230.
  • Waldſchachtelhalm 37, 241.
  • Waldſchäden 247.
  • Waldſchlag, Blumenreichthum 39.
  • Waldſchmiele 28.
  • Waldſträucher 230.
  • Waldſtreu 36, 38, 41.
  • Waldunkräuter 38, 154, 284.
  • Waldverderber 273, ſ. Inſekten.
  • Waldvergißmeinnicht 31.
  • Waldveränderung 243.
  • Waldverwüſtung 42.
  • Waldwerthberechnung 607.
  • Waldwirthſchaft 551.
  • Waldzieſt 31.
  • Wallnußholz, Gewicht 371.
  • Washingtonia254.
  • Waſſer, ſeine chemiſche Einwirkung 44.
  • Waſſergas, von Blättern aufgeſaugt 170.
  • Waſſergehalt der Pflanze 151.
  • Waſſerhaltigkeit des Bodens 46.
  • Waſſerholder 482.
  • Waſſerſtoff in der Pflanze 151.
  • Weckholder ſ. Wachholder.
  • Wedel der Farrn 37.
  • Wegedorn 59, 495.
  • Weide 454. Arten 126, 454. Benutzung
    457. Blatt 67. 455. Blüthe 455, 182.
    (123, 125). Holz 367, deſſen Gewicht 371.
    Hohle W. 17. Kätzchen 228. Knospe
    60, 62, 66, 455. Langtriebe 366. Neben-
    blätter 130, 366. Prolepſis 461. Ruthen
    77. Rinde 482. Same 150. Stecklinge
    121. ſ. Sahlweide 454. Ohrweide 459.
  • Weidenartige Kätzchenbäume 366.
  • Weidenröschen 28, 39, 40.
  • Weißbirke 437, ſ. Birke.
  • Weißbuche 371, ſ. Hornbaum.
  • Weißdorn 504, 64, 230. Blatt 129. Neben-
    blätter 130. Umfärbung 169.
  • Weißerle 422. Feinde 420.
  • Weißfäule 378.
  • Weißtanne ſ. Tanne 329.
  • Weißweide 460.
  • Weinrebe, Thränen 160.
  • Wellingtonia254.
  • Werle ſ. Maulwurfsgrille.
  • Wettertanne 214, 310.
  • Weymouthskiefer 304.
  • Wickler 281, 394.
  • Wieden 460.
  • Wiedererzeugung 181.
  • Wieſe 2.
  • Wieſenweide 461.
  • Widerthon 35, 311.
  • Wildſchaden 41, 284.
  • Wimmer 198.
  • Windbruch 119, 247, 249, 307.
  • Wintereiche ſ. Steineiche.
  • Winterkälte, Schaden der 189.
  • Winterlinde 534.
  • Winterruhe der Bäume 158, 160, 189.
  • Wipfelbruch in Samenjahren (Fichte) 212.
  • Wipfeldürre, Urſache 45.
  • Wirthſchaftsbezirk 585.
  • Wirthſchaftsſtreifen 585.
  • Wüchfig 69.
  • Würzelchen 134.
  • Wundenausheilung 182.
  • Wurmtrockniß 201, 316.
  • Wurzel 119. Bau 121. Berbreitung, Be-
    reich 29. Verhältniß zur Krone 390, 393.
    Thätigkeit 44, 122, 152, 159, 161, 163.
    Stellen auf die W. 196.
  • Wurzelausſcheidung 153, 433.
  • Wurzelausſchlag 120, 129, 193, 194, 444,
    448, 542.
  • Wurzelauswüchſe (Erle) 418.
  • Waſſer, ſeine chemiſche Einwirkung 44.
  • Waſſergas, von Blättern aufgeſaugt 170.
  • Waſſergehalt der Pflanze 151.
  • Waſſerhaltigkeit des Bodens 46.
  • Waſſerholder 482.
  • Waſſerſtoff in der Pflanze 151.
  • Weckholder ſ. Wachholder.
  • Wedel der Farrn 37.
  • Wegedorn 59, 495.
  • Weide 454. Arten 126, 454. Benutzung
    457. Blatt 67. 455. Blüthe 455, 182.
    (123, 125). Holz 367, deſſen Gewicht 371.
    Hohle W. 17. Kätzchen 228. Knospe
    60, 62, 66, 455. Langtriebe 366. Neben-
    blätter 130, 366. Prolepſis 461. Ruthen
    77. Rinde 482. Same 150. Stecklinge
    121. ſ. Sahlweide 454. Ohrweide 459.
  • Weidenartige Kätzchenbäume 366.
  • Weidenröschen 28, 39, 40.
  • Weißbirke 437, ſ. Birke.
  • Weißbuche 371, ſ. Hornbaum.
  • Weißdorn 504, 64, 230. Blatt 129. Neben-
    blätter 130. Umfärbung 169.
  • Weißerle 422. Feinde 420.
  • Weißfäule 378.
  • Weißtanne ſ. Tanne 329.
  • Weißweide 460.
  • Weinrebe, Thränen 160.
  • Wellingtonia254.
  • Werle ſ. Maulwurfsgrille.
  • Wettertanne 214, 310.
  • Weymouthskiefer 304.
  • Wickler 281, 394.
  • Wieden 460.
  • Wiedererzeugung 181.
  • Wieſe 2.
  • Wieſenweide 461.
  • Widerthon 35, 311.
  • Wildſchaden 41, 284.
  • Wimmer 198.
  • Windbruch 119, 247, 249, 307.
  • Wintereiche ſ. Steineiche.
  • Winterkälte, Schaden der 189.
  • Winterlinde 534.
  • Winterruhe der Bäume 158, 160, 189.
  • Wipfelbruch in Samenjahren (Fichte) 212.
  • Wipfeldürre, Urſache 45.
  • Wirthſchaftsbezirk 585.
  • Wirthſchaftsſtreifen 585.
  • Wüchfig 69.
  • Würzelchen 134.
  • Wundenausheilung 182.
  • Wurmtrockniß 201, 316.
  • Wurzel 119. Bau 121. Berbreitung, Be-
    reich 29. Verhältniß zur Krone 390, 393.
    Thätigkeit 44, 122, 152, 159, 161, 163.
    Stellen auf die W. 196.
  • Wurzelausſcheidung 153, 433.
  • Wurzelausſchlag 120, 129, 193, 194, 444,
    448, 542.
  • Wurzelauswüchſe (Erle) 418.
  • Waſſer, ſeine chemiſche Einwirkung 44.
  • Waſſergas, von Blättern aufgeſaugt 170.
  • Waſſergehalt der Pflanze 151.
  • Waſſerhaltigkeit des Bodens 46.
  • Waſſerholder 482.
  • Waſſerſtoff in der Pflanze 151.
  • Weckholder ſ. Wachholder.
  • Wedel der Farrn 37.
  • Wegedorn 59, 495.
  • Weide 454. Arten 126, 454. Benutzung
    457. Blatt 67. 455. Blüthe 455, 182.
    (123, 125). Holz 367, deſſen Gewicht 371.
    Hohle W. 17. Kätzchen 228. Knospe
    60, 62, 66, 455. Langtriebe 366. Neben-
    blätter 130, 366. Prolepſis 461. Ruthen
    77. Rinde 482. Same 150. Stecklinge
    121. ſ. Sahlweide 454. Ohrweide 459.
  • Weidenartige Kätzchenbäume 366.
  • Weidenröschen 28, 39, 40.
  • Weißbirke 437, ſ. Birke.
  • Weißbuche 371, ſ. Hornbaum.
  • Weißdorn 504, 64, 230. Blatt 129. Neben-
    blätter 130. Umfärbung 169.
  • Weißerle 422. Feinde 420.
  • Weißfäule 378.
  • Weißtanne ſ. Tanne 329.
  • Weißweide 460.
  • Weinrebe, Thränen 160.
  • Wellingtonia254.
  • Werle ſ. Maulwurfsgrille.
  • Wettertanne 214, 310.
  • Weymouthskiefer 304.
  • Wickler 281, 394.
  • Wieden 460.
  • Wiedererzeugung 181.
  • Wieſe 2.
  • Wieſenweide 461.
  • Widerthon 35, 311.
  • Wildſchaden 41, 284.
  • Wimmer 198.
  • Windbruch 119, 247, 249, 307.
  • Wintereiche ſ. Steineiche.
  • Winterkälte, Schaden der 189.
  • Winterlinde 534.
  • Winterruhe der Bäume 158, 160, 189.
  • Wipfelbruch in Samenjahren (Fichte) 212.
  • Wipfeldürre, Urſache 45.
  • Wirthſchaftsbezirk 585.
  • Wirthſchaftsſtreifen 585.
  • Wüchfig 69.
  • Würzelchen 134.
  • Wundenausheilung 182.
  • Wurmtrockniß 201, 316.
  • Wurzel 119. Bau 121. Berbreitung, Be-
    reich 29. Verhältniß zur Krone 390, 393.
    Thätigkeit 44, 122, 152, 159, 161, 163.
    Stellen auf die W. 196.
  • Wurzelausſcheidung 153, 433.
  • Wurzelausſchlag 120, 129, 193, 194, 444,
    448, 542.
  • Wurzelauswüchſe (Erle) 418.
  • Wurzelbrut 197.
  • Wurzelfaſern 147.
  • Wurzelhaare 147.
  • Wurzelhaube 146.
  • Wurzelholz 107, 121, 349, 388.
  • Wurzelknospen 120.
  • Wurzelſchößlinge 120, 196.
  • Wurzelſpitze 146.
  • Wurzelſtock, Ausſchlag am 193, 195. Wim-
    mer am 199.

  • Xanthophyll 186.

  • Zähigkeit des Bodens 46.
  • Zapfen 216.
  • Zapfenbäume, Familie der 254.
  • Zapfenſaat 284.
  • Zauberring 172.
  • Zeichenſchläger 611.
  • Zelle 99.
  • Zellenbildung 170.
  • Zellſaft, gefrorner 189.
  • Zerreiche 395, 402, 403.
  • Zirbelkiefer 298.
  • Zitterpappel ſ. Espe.
  • Zopftrockniß bei Eichen 393.
  • Zucker in den Samenlappen 138, im Früh-
    jahrsſafte 161.
  • Zürgelbaum 478. Blüthe 228. Holz 104.
  • Zuſammenhangskraft des Bodens 46.
  • Zuwachs 69. (Berechnung.)
  • Zweig 78, 385. Saftleitung 161, 163.
  • Zweihäuſige Kätzchenbäume 365.
  • Zweiſamenlappige Pflanzen 137, 143.
  • Zwergbäumchen 139.
  • Zwergbirke 244, 438.
  • Zwergkiefer ſ. Krummholzkiefer.
  • Zwergmispel 508.
  • Zwergwachholder 354, 438.
  • Zwergweiden 461.
  • Zwetſche 218 f.
  • Zwiſchennutzungen 599.
  • Zwitterblüthen 183.

Appendix B

Gedruckt bei E. Polz in Leipzig.


[]

Appendix C

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[]
[figure]
[]
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[][][]
[figure]
[]
[figure]
[][]
Notes
*)
Carl Bötticher, Der Baumkultus der Hellenen. S. 16.
*)
Geſteinsart und Steinart muß man wohl unterſcheiden. Unter einer Ge-
ſteinsart, auch Felsart oder Gebirgsart genannt, verſtehen wir ſolche Steinmaſſen,
welche einen weſentlichen Antheil an der Zuſammenſetzung der feſten Erdrinde nehmen,
ſo daß ihr Begriff nicht ſowohl durch die mineralogiſche Beſchaffenheit, ſondern durch
ihre maſſenhafte Verbreitung bedingt iſt. Granit, Porphyr, Baſalt, Thonſchiefer, Kalk-
ſtein ſind Geſteinsarten. Steinarten dagegen ſind durch ihre chemiſche Zuſammenſetzung
*)
und ihre geſtaltliche Beſchaffenheit und andere an der Farbe, Härte, Glanz etc. ſich aus-
ſprechende Merkmale charakteriſirte Steine, z. B. Feldſpath, Glimmer, Quarz, Zinn,
Diamant. Die drei erſtgenannten Steinarten bilden durch ihre Verbindung die Ge-
ſteinsart
Granit, welcher alſo eine zuſammengeſetzte Geſteinsart oder Gebirgsart iſt.
Der Kalkſtein iſt beides zugleich: Steinart, weil er eine durch obige Merkmale für ſich
beſtehende beſondere Art iſt, Geſteinsart, weil er felſenbildend vorkommt.
*)
Oben ein ſchönes Weib, häßlich endend in einen ſchwarzen Fiſch.
*)
Aus dem naturwiſſenſchaftlichen Volksblatte des Verfaſſers „Aus der Heimath“.
Jahrg. 1859. Nr. 22.
*)
Es mag hier eingeſchaltet werden, daß man zum Zerſchneiden von Knospen und
anderen Pflanzentheilen eines dünnen ſehr ſcharfen Meſſers, einer Lanzette, benöthigt
iſt, als welches ein Federmeſſer in der Regel nicht ausreicht. Man mache dabei während
des Schneidens eine ziehende Bewegung, denn das Durchdrücken des Meſſers preßt die
Theile zu ſehr zuſammen. Man ſtemme den Pflanzentheil dabei gegen die Tiſchkante, oder
lege ihn dabei gegen einen Kork.
*)
Wir brauchen hier den allgemeiner angewendeten Ausdruck Trieb, während na-
mentlich in neuerer Zeit die Wiſſenſchaft lieber Sproß ſagt. Beide Wörter ſind hier
vollkommen gleichbedeutend.
*)
Th. Hartig, welcher zuerſt auf dieſen Unterſchied aufmerkſam machte, nennt
letztere meines Wiſſens Stauchlinge.
*)
Dieſe Figur, wie deren noch mehre kommen werden, iſt ſo aufgefaßt, als läge
ein ganz feines, vergrößertes Schnittchen auf einer ſchwarzen Unterlage, etwa wie ein
Stückchen feine Spitze. Mithin iſt das Weiße Zellenmaſſe und das Schwarze die leeren
Räume, die Poren, im Zellengewebe.
*)
Jahrringe, Jahresringe, Jahreslagen, Jahresſchichten, auch wohl
kurzweg Jahre, ſind gleichbedeutende Bezeichnungen. Erfunden ſind ſie alle gleicherweiſe
nach einem Anblick eines Stammquerſchnittes, wo ſie als einander umſchließende, concen-
triſche, Kreiſe mit einem gemeinſamen Mittelpunkte, dem Marke, ſichtbar ſind. Zwiſchen
ihnen einerſeits und Jahres grenze andererſeits iſt wohl zu unterſcheiden; erſtere ſind die
alljährliche zugewachſene, den ganzen Baum unter der Rinde überziehende neue Holz-
ſchicht, die, weil ſie, auf einem Querſchnitte, ringförmig erſcheint, wohl angemeſſener
Jahresring als Jahreslage zu nennen iſt. Jahresgrenze iſt nun ſelbſtverſtändlich die
Grenzlinie zwiſchen zwei Jahresringen. Je deutlicher die Jahresgrenze, deſto leichter
laſſen ſich die Jahresringe zählen. Bei unſeren deutſchen Holzarten, welche unter all-
jährlichen vollſtändigen Wachsthumsunterbrechungen erwachſen, ſind die Jahresgrenzen
faſt immer ſehr deutlich bezeichnet.
*)
Profeſſor Dr.Nördlinger, fünfzig Querſchnitte der in Deutſchland wachſenden
hauptſächlichſten Bau-, Werk- und Brennhölzer; für Forſtleute, Techniker und Holzarbeiter.
Stuttgart und Augsburg. J. G. Cotta’ſcher Verlag. 2 Thlr. 15 Ngr. — Es ſind dies außer-
ordentlich dünne, etwa 2 Quadratzoll große Holzblättchen, ſo dünn und ſo rein im Schnitt,
*)
daß man mit einer guten Lupe, wenn man die Blättchen, die über einem ovalen Loche
in kleinen Papierbogen angeklebt ſind, gegen das Licht hält, das Holzgewebe ſehr deutlich
ſieht. Die kleine wunderſchöne Sammlung, in Form eines Duodez-Bändchens, das man
bequem in die Taſche ſtecken kann, erhielt mit Fug und Recht 1851 in London eine Preis-
medaille. Herr N. hat noch 3 andere ganz gleich beſchaffene Sammlungen von je 100
weiteren Holzarten und zu je 4 Thlr. 20 Sgr. herausgegeben.
*)
E. A. Roßmäßler, Verſuch einer anatomiſchen Charakteriſtik des Holzkörpers
der wichtigeren deutſchen Bäume und Sträucher. Eine Ergänzung zu Reum’s Forſt-
botanik und andern forſtbotaniſchen Werken. Dresden und Leipzig, in der Arnoldiſchen
Buchhandlung. 1847.
*)
Nördlinger ſagt in ſeinem neueſten Werke „Die techniſchen Eigenſchaften der
Hölzer, für Forſt- und Baubeamte, Technologen und Gewerbtreibende. Stuttgart,
J. G. Cotta’ſcher Verlag, 1860,“ S. 41 hierüber Folgendes: „Die Markfleckchen fehlen
im Wurzelholz und müſſen hier fehlen, weil ſie, wie Roßmäßler ſie ſehr bezeichnend
nennt, gleichſam Wiederholungen der Markröhre ſind, eine ſolche aber im Wurzelholze
nicht vorhanden iſt.“ Warum hat er alſo den ſo bezeichnenden Namen nicht beibehalten?
Es ſchien dies um ſo gerathener, als dieſe Markwiederholungen nur auf dem Quer-
ſchnitt
den Namen „Fleckchen“ rechtfertigen.
*)
Wir finden daher, beiläufig bemerkt, nicht blos an der Rinde Korkbildung, ſondern
an vielen andern Pflanzentheilen, wenn es einen Abſchluß, ein Abſperren gegen Verdunſtung
*)
gilt. Dies iſt namentlich ſehr oft bei kleinen Verwundungen der Fall, die durch Kork-
bildung geſchloſſen werden. Bei dem Laubfall werden wir der Korkbildung wieder
begegnen.
*)
Phyſiol. Unterſuchungen über die Keimung der Schminkbohne (Phaseolus mul-
tiflorus
). Sitzungsberichte der mathem.-phyſik. Klaſſe der k. Akademie der Wiſſenſchaften
in Wien. 1859. Bd. XXXVII. S. 57. Dieſe Abhandlung giebt eine vollſtändige und
ſehr genaue Darſtellung des Keimungsvorganges und iſt allen Denen zu empfehlen, welche
ihn gründlich kennen lernen wollen.
*)
Dieſe Darlegung iſt mit geringen Beränderungen ein Artikel über die Keim-
fähigkeit der Samen aus dem naturwiſſenſchaftlichen Volksblatte „Aus der Heimath“ von
dem Verfaſſer, Jahrgang 1859, Nr. 13.
**)
Bei dieſer eingehenden Betrachtung des Samens und der Spore mag es an-
gemeſſen ſein, von deren Bedeutung für die Klaſſifikation des Pflanzenreichs etwas vor-
zubringen. Nach dem alten Linné’ſchen Syſtem werden die Pflanzen zunächſt in ſichtbar
blühende, Phanerogamen, und in verborgen blühende, Kryptogamen, oder was daſſelbe
kürzer ſagt: in Blüthen-Pflanzen und in blüthenloſe Pflanzen eingetheilt; jene haben
echte Samen, dieſe nur Sporen, darum auch die Benennungen: Samenpflanzen und
Sporenpflanzen. Je nachdem nun die Samen jener zwei oder blos einen
Samenlappen haben, nennt man ſie Zwei- oder Einſamenlappige Pflanzen,
Dikotyledonen
und Monokotyledonen.
*)
Die organiſche Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Phyſiologie.
Braunſchweig 1840.
*)
Während des Druckes dieſes Bogens verbreitet ſich die Neuigkeit, daß Bunſen
in der neuerbohrten Dürkheimer Soolquelle zwei neue Elemente entdeckt hat, welche dem
Kalium zunächſt ſtehen und welche er Cäſium und Rubidium genannt hat.
*)
Entlehnt aus des Verfaſſers naturwiſſeuſchaftlichem Volksblatte „Aus der Hei-
math.“ 1861. Nr. 2.
*)
Von den Adventivknospen wird ſpäter die Rede ſein.
*)
Die öſterreichiſchen Alpenländer und ihre Forſte. Geſchildert von Joſeph Weſſely.
Wien 1853 bei W. Braumüller.
*)
L. iſt die allgebräuchliche Abkürzung von Linné und bedeutet, daß Linné der
gemeinen Kiefer den Namen Pinus silvestris gegeben hat. Wie nothwendig dieſe Bei-
ſetzung des „Autors“ der Art ſei, werden wir bei Fichte und Tanne in Erfahrung bringen.
*)
Kiefer und Föhre, auch Forle oder Forche, iſt für die Pinus-Arten im
engeren Sinne gleichbedeutend. Außerdem werden in manchen Gegenden Deutſchlands,
namentlich im Nordoſten, die Kiefern auch Fichten genannt, ſo daß man ohne Hinzu-
fügung des wiſſenſchaftlichen Namens zuweilen nicht weiß, von welcher Nadelholzart die
Rede iſt. Außer unſern angeführten Namen haben die Nadel- wie die Laubhölzer eine
Menge verſchiedene landesübliche, oft auf kleine Landſtriche beſchränkte, Namen, wie z. B.
Metzger von der Kiefer außer den genannten noch 24 weitere anführt. Wir können und
müſſen uns hier auf die verbreitetſten beſchränken.
*)
Durch das Aufſpringen der Zapfen, beſonders nachdem ſie abgefallen ſind, wird
deren urſprüngliche Geſtalt vollkommen unkenntlich. Legt man aber ſolche Zapfen einige
Zeit in Waſſer, ſo ſaugen ſie ſich voll und ſchließen ſich vollkommen wieder. Will man ſie
in dieſem geſchloſſenen Zuſtande erhalten, ſo lege man ſie anſtatt in Waſſer in eine
mäßig dicke warme Leimlöſung. Dadurch werden ſie durch das Abtrocknen innerlich feſt
verklebt und ſpringen dann nicht wieder auf. Zu Unterſcheidung der Knieholzzapfen iſt
die Geſtalt des geſchloſſenen Zapfens unerläßlich nothwendig.
*)
Es iſt für manche meiner fern vom Walde wohnenden Leſer doch vielleicht nicht
überflüſſig, hier einzuſchalten, daß Stock die Wurzel eines Baumes mit dem beim Fällen
daran bleibenden längeren oder kürzeren Stammende iſt.
*)
Dieſe letztere Eigenſchaft kommt in auffallend hohem Grade einer neuen Tannenart
zu, welche im vorigen Jahre von meinen ehemaligen Tharandter Zuhörern, den griechiſchen
Forſtbeamten Balſamakis und Origonis in Arkadien entdeckt worden und der
Königin von Griechenland zu Ehren von Herrn von Heldreich in Athen Abies
Reginae Amaliae
benannt worden iſt. Man fand an vielen dieſer Tannen, welche durch
*)
Wipfelbruch oder ſonſt verſtümmelt worden waren, bis 60 ſolcher Nebenwipfel, welche
jedoch nicht durch Aufſtreben der Aeſte ſondern dadurch hervorgebracht waren, daß auf
den horizontal ſich ausſtreckenden Aeſten ſich einzelne Triebe zu förmlichen ſelbſtſtändigen
Bäumen entwickeln. Beſonders bemerkenswerth iſt es, daß dieſe Tanne ein außer-
ordentliches Ausſchlagsvermögen hat, welches, wie wir wiſſen, den Nadelhölzern ſonſt
beinahe gänzlich abgeht. Da dieſe Tanne in Arkadien nie unter 2000 F. Seehöhe
wächſt, ſo iſt zu vermuthen, daß ſie in unſerem Klima gut gedeihen werde. Die griechiſche
Regierung hat im vorigen Jahre (1861) dieſer Tanne wegen eine beſondere Expedition
in die arkadiſchen Gebirge geſchickt und dieſer auch einen Photographen beigegeben,
welcher hoffentlich auch uns mit den abenteuerlichen Geſtalten dieſes Baumes bekannt
machen wird.
*)
Es verdient dankbare Anerkennung und muß allen öffentlichen und privaten
Waldbeſitzern zur Nachahnung empfohlen werden, daß ſeit 1847 die königlich ſächſiſche
Staatsregierung angeordnet hat, daß auf den Staatsrevieren einzelne beſonders ſchöne
Bäume erhalten werden. Unter dieſen ſind nach dem Jahrbuche der Tharandter
Akademie auch ſieben Tannen, von denen eine auf ein Alter von 450—500 Jahren
geſchätzt wird.
*)
Wir ſchließen uns dieſer Schreibart zur Unterſcheidung von der Lerche an,
obgleich man, wohl ohne Grund, behauptet hat, daß die Lärche eben deshalb ihren Namen
trage, daß ſich die Lerche gern auf ihr niederlaſſe.
*)
Dieſer Charakter der Gymnoſpermen findet ſich, wie oben bereits angedeutet
wurde, auch bei den übrigen Nadelhölzern. Dem ſcheint allerdings zu widerſprechen,
daß bei dieſen die Samenknospen nicht ſo frei wie hier an Fig. 6. ſondern im Innern
des weibl. Blüthenzäpfchens eingeſchloſſen ſind. Wir dürfen aber nicht vergeſſen, daß
z. B. das weibliche Zäpfchen der Tanne (S. 325 Fig. 2.) keine einzelne Blüthe, in dem
Sinne wie eine Nelke, ſondern ein Blüthenſtand iſt, aus zahlreichen höchſt einfachen
gymnoſpermen Blüthchen zuſammengeſetzt. Jede Samenſchuppe mit den 2 daraufſitzenden
Samenknospen (a. a. O. Fig. 4.), iſt eine weibliche Tannenblüthe. Daß dieſe an
einem Blüthenzäpfchen dicht zuſammengedrängt und ſo die einzelnen Samenknospenpaare
nicht frei, ſondern geſchützt liegen, dies ändert in ihrem Gymnoſpermen-Charakter nichts.
Dieſer beruht in dem Fehlen des umhüllenden Fruchtknotens und wird durch
die zufällige Zuſammendrängung und Umhüllung nicht aufgehoben.
*)
Zur Unterſuchung der feinen und doch ſo charakteriſtiſchen Knospenmerkmale
wähle man immer laubloſe Winterreiſer oder im Sommer vorjährige Triebe, an welchen
die Blattſtielnarben noch wenig verändert ſind. Durch Abbrechen eines noch geſunden
Blattes erhält man nie die reine Blattſtielnarbe und die Knospen des künftigen Jahres
ſind nicht leicht früher als etwa 1 Monat vor dem Laubfall vollkommen ausgebildet.
*)
Ich ſchalte hier für alle wichtigeren Holzarten die Gewichtsſtufenleiter von Th.
Hartig
ein, in welcher das Apfelbaumholz als das ſchwerſte, und Pappel-, Linden-
und Weidenholz als die leichteſten auftreten:
Apfelbaum.........9
Pflaumenbaum........8
Kirſchbaum.........8
Akazie...........8
Eiche...........7
Buche............7
Hornbaum.........7
Eſche...........7
Kaſtanie..........6
Ahorn...........6
Rüſter...........6
Wallnuß..........6
Haſel...........5
Birke...........5
Ebereſche..........5
Lärche...........5
Kiefer...........4
Erle............4
Fichte...........3
Tanne...........2
Roſtkaſtanie.........2
Linde...........1
Pappel...........1
Weide...........1
*)
Die Beſchreibung iſt nach einem etwa 50 jährigen Baum in dem botan. Garten
der Forſtakademie zu Tharand, welchen mein Vorgänger, Prof. Reum, als die echte
Qu. pubescens betrachtete.
*)
Dies „auctorum“ bedeutet, daß die gemeine Birke ſeit langer Zeit unter dem
Namen B. alba unkritiſch mit anderen Arten zuſammen vermengt worden iſt und zwar
von den verſchiedenſten Verfaſſern (auctores) botaniſcher Schriften. Eigentlich hat Linné
den Namen B. alba gegeben, aber ebenfalls Verſchiedenartiges darunter zuſammenfaſſend,
was erſt Ehrhard davon ausſchied und ſo eine reine B. alba herſtellte. Ehrhard hat alſo
den Linné’ſchen Begriff B. alba verbeſſert (emendirt) und daher pflegt man in ſolchen
Fällen richtiger zu citiren: ex emendatione mit Beibehaltung des Namens des erſten
Namengebers; alſo hier: B. alba Linné ex emend. Ehrhardi.
*)
Dies Alles erinnert ſehr an den Zapfen der Nadelhölzer, beſonders der Tanne,
und man könnte geneigt ſein — wie ſchon angedeutet — wie die Schuppen der Birke
(11. 12.) den Schuppen des Tannenzapfens (XLVIII. 3. 4. S. 327.) ſo auch die ge-
flügelten Früchte der Birke den geflügelten Samen der Tanne (a. a. O. 5.) für
gleichbedeutend zu nehmen. Indem wir dieſem Irrthum vorbeugen erinnern wir uns
noch einmal des gymnoſpermen Charakters der Nadelhölzer (S. 347.) und werden uns
darüber klar, warum der Flügelſame der Tanne (und der übrigen Abintineen und
Nadelhölzer überhaupt) keine Frucht, und die Flügelfrucht der Birken kein Same
iſt und ſein kann.
*)
Nach Unger theilt man die Pflanzen in bodenvage, bodenholde und
bodenſtete, je nachdem ſie gar nicht oder vorzugsweiſe oder ausſchließend an eine
gewiſſe Bodenbeſchaffenheit gebunden ſind. Dieſe Klaſſifikation hat aber viel Trügeriſches.
*)
Die geſperrt gedruckten Merkmale ſind die am weſentlichſten von andern Arten
unterſcheidenden.
*)
Gleichwohl kann bei nur einiger Achtſamkeit keine Verwechſelung mit dem Blatt
eines andern Baumes ſtattfinden. Das niemals auffallend ſchiefe und viel feiner ge-
zähnelte, regelmäßig elliptiſche Hornbaumblatt unterſcheidet ſich immer durch ſeine ſich
ſtets ganz glatt anfühlenden beiden Blattſeiten, während bei dem Rüſterblatt wenigſtens
die eine ſich rauh und ſcharf (namentlich beim Rückwärtsſtreichen) oder weichwollig an-
fühlt. Das Haſelblatt iſt zwar beiderſeits behaart, aber niemals ſcharf anzufühlen, iſt an
ſeiner Baſis immer regelmäßig (nicht ſchief) herzförmig und oben am breiteſten und dann
plötzlich in eine Spitze auslaufend, auch feiner und unregelmäßiger gezähnelt. Mit
einem dritten Baume iſt eine Blattverwechſelung nicht möglich.
*)
Die Volksſprache verſtößt gegen die wiſſenſchaftliche Auffaſſung, wenn ſie den
Roſen Dornen zuſchreibt.
*)
Es kommen namentlich in den Auenwäldern um Leipzig anſehnliche hochſchaftige
Maßholder vor.
*)
Ueber folgende denkwürdige Linden liegen mir ausführliche Beſchreibungen und
zum Theil Abbildungen vor, wofür mich die dabei genannten Herren zu Dank verpflichtet
*)
haben. I.Winterlinden. 1. Stargard in Mecklenburg (Hr. W. Klemp). 2. Kittlitz
bei Löbau (Hr. Neumann in Löbau.). 3. Oldenburg (Hr. Lübſen daſ.). 4. Annaberg (Hr.
Rülke daſ.). 5. Leutkirch (Hr. Walſer daſ. in Würtemb. naturw. Jahresh. 1861. 1.) —
II.Sommerlinden: 6. Ronnebeck Kreis Ruppin (Hr. Fehſe in Dierberg). 7. See-
beck Kr. Ruppin (Hr. Unruh). 8. Kittlitz (Hr. Neumann). 9. Pölsfeld (Hr. Vogel).
10. Leutkirch (Hr. Walſer a. a. O.). — Außer dieſen noch viele andere, deren Art nicht
angegeben iſt, namentlich in Reinhardtsbrunn (Hr. Röſe).
*)
Ein wahres Muſter eines ſolchen Auenwaldes erſtreckt ſich in einem ziemlich
breiten Bande von Leipzig aus mehrere Meilen lang weſtlich bis gegen Merſeburg in
dem Flußgebiete der Elſter. Die oben genannten Baumarten finden ſich hier in muſter-
gültigen Exemplaren in Menge.
*)
Eine ausführliche Schilderung beider Heideformen habe ich in meinen „die vier
Jahreszeiten“ (Breslau bei Leuckart) verſucht, (S. 186—218).
*)
Der Götterbaum; ein Artikel mit Abbildungen in Nr. 1. des Jahrg. 1862 von
meiner bei der Linde (S. 545.) erwähnten Zeitſchrift „Aus der Heimath“.
*)
„Ein internationaler Congreß der Zukunft“, Gartenlaube 1859. Nr. 15., und
in des Verf. naturwiſſenſchaftlichem Volksblatte: Aus der Heimath 1859. Nr. 26. Siehe
auch in letzterer Zeitſchrift „Neue Gefahren für den Wald“ 1859. Nr. 36. und „Der
Wald und Louis Napoleon“ 1860. Nr. 6.
*)
A. a. O. S. 406.
*)
An manchen Orten iſt dafür die Benennung Fehmelwald, Fehmelwirthſchaft,
gebräuchlich. Sollte dies vielleicht mit dem Femeln des Hanfes in Zuſammenhang
ſtehen? So nennt man bekanntlich das Herausziehen der männlichen Hanfpflanzen aus
einem Hanffelde.
*)
Ich rede jetzt nicht zu den Revierverwaltern!!
*)
Die Nachbildung hatte die Schwierigkeit, daß ſich die Altersklaſſen, die auf der
Originalkarte durch immer dunklere Töne mit chineſiſcher Tuſche gemalt ſind, durch die
*)
Lithographie in der dabei nicht gut zu umgehenden Strichmanier nicht ſo klar in ihrer
Stufenfolge wiedergeben ließen. Allerdings ſcheint die Crayonmanier ſehr nahe zu liegen;
aber wir hätten dann entweder anſtatt 5 Altersklaſſen vielleicht ein wahres Chaos von
einander abweichender Töne erhalten, oder es wäre eine Rieſenarbeit geweſen, z. B. die
auf der Beſtandskarte vielfach wiederkehrende Klaſſe 4 in ſo vollkommen gleichem Tone
auszuführen, daß Verwechſelungen mit Klaſſe 3 oder 5 nicht zu befürchten geweſen
wären. Es iſt mir zu ſpät bekannt geworden, daß in Bayern ſämmtliche Karten der
Staatsreviere lithographirt werden, ich weiß alſo nicht, wie die Klaſſenunterſchiede darauf
dargeſtellt werden, oder ob ſich die Lithographien nicht auf ſogenannte Netzkarten be-
ſchränken, auf denen blos das Schneißennetz dargeſtellt iſt, in welches dann die Flächen-
eintheilung mit der Hand eingetragen wird.
*)
Wir haben hierbei die oben in der linken Ecke der Karten angebrachte Orientirung
zu berückſichtigen, und zum Verſtändniß des Nachfolgenden die Karten ſo zu legen, daß
„Hammerwerk Obermittweida“ oben liegt.
*)
Einiges von den Arbeiten und Regeln des Waldbaues haben wir bei verſchiedenen
Gelegenheiten ſchon früher kennen gelernt — z. B. S. 282. und folg. — muß aber
hier des überſichtlichen Zuſammenhanges wegen noch einmal kurz wiederholt werden.
*)
Eine geniale Bodenverbeſſerung mageren über Kies liegenden Sandbodens hat
man auf Gröbaer Revier, in der preuß. Niederlauſitz, dadurch bewirkt, daß man auf
die dürftige Heide- und Nadelſtreu deſſelben einige Hände hoch Sand auffuhr. Die da-
durch bedeckte Bodenſtreu kam zur Verweſung und dieſe verbeſſerte den Boden und das
Wachsthum ſehr erheblich (ſ. S. 43).

Dieses Werk ist gemeinfrei.


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TextGrid Repository (2025). Collection 3. Der Wald. Der Wald. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bp2b.0