[][][][][]
Verſuch
in
Scherzhaften
Liedern.

Nos haec novimus esſe nihil.
Martialis.

Erſter Theil.


BERLJN.

[][]
An..
Mein Engel!

WEnn Anakreon mir nicht vor-
geſungen, und wenn du mir
nicht zugehoͤret haͤtteſt; So
haͤtte ich niemals ſcherzhafte Lieder ange-
ſtimmet. Du hoͤrteſt ſie, du gabſt ihnen
Beifall, du lobteſt den Dichter und ſeine
Lieder. Einen ſo ſchoͤnen Sieg haben nie-
):( 2mals
[] mals Petrarche erhalten! Ich darf dich
nicht loben, aber ich verſichere dir, wenn
ich auch nichts, als dich, kleine Brunette,
damit erobert haͤtte; Wenn ich gleich
das Lob der Schoͤnen und der Kunſtrich-
ter nicht damit erwerben kann; So
werde ich doch niemals bereuen, daß ich
mich unterſtanden habe, die Uberreſte
des artigſten Geiſtes unter den Alten
vor nachahmbar zu halten.


Du magſt indeſſen meine Verwegen-
heit rechtfertigen, wenn ſie von Kennern
verachtet oder bewundert wird. Ich
duͤrfte dis nicht von dir verlangen, wenn
du nicht ſo bitter boͤſe geworden waͤreſt,
als ich ſagte: Die Urteile einer Geliebten
muͤſſen keinen Verfaſſer dreiſt machen.
Ich konte deinen Kuß nicht miſſen, ſonſt
haͤtte ich damals noch eine halbe Stunde
laͤnger hieruͤber mit dir gezankt. Glaubſt
du nun, mein Engel, daß mich deine Ur-
teile
[] teile dreiſt gemacht haben? Sage nein,
wenn du willſt, daß dir nicht eines von
den Liedern an Doris allein bekannt
ſeyn ſoll. Ich habe ietzo nur dieienigen
drukken laſſen, die du nicht vor heilig
haͤlt’ſt. Deine Schweſtern moͤgen von
der Sittenlehre derſelben auf das Herz
des Verfaſſers ſchlieſſen, wenn ſie keinen
Scherz verſtehen; weiß ich doch, daß du
ihn verſtehſt. Sage mir nur, wie ich die
Scherze die du noch nicht beurteilet haſt,
nach deinem Geſchmakke verbeſſern ſoll.
Die Scherzrichter werden alsdann erſt
damit zufrieden ſeyn.


Wie aber? Wenn ſie ſich unterſtehen
ſolten, dein geheimes Lob, welches die
Anzal der Lieder ſo groß gemacht hat,
nicht zu beſtaͤtigen? Du magſt dich ver-
theidigen, wenn du ein Mittel weißt. Mir
wird kein Tadel zuwider ſeyn, er wird
mich nur behutſamer machen. Du wirſt
):(meine
[] meine Wiederſpenſtigkeit, die du bisher
eigenſinnig genennt haſt, bald anders
nennen. Drei Urteile werden dich
uͤberzeugen, daß es nicht aus bloſſem Ei-
genſinn geſchehen ſei, als ich vor einem
Jahre den Drukk, den du veranſtaltet
hatteſt, verhinderte, ohngeachtet ich vor-
her wuſte, daß dis Unternehmen dir
zwei unzufriedene Minen und mir zwei
verdrießliche Blikke, ein Lied, und hun-
dert gute Worte koſten wuͤrde.


Wie viel Minuten, die ich nicht ver-
gnuͤgt zugebracht habe, haſt du ſchon
auf deinem Gewiſſen? Du kamſt geſtern
wieder eine halbe Stunde zu ſpaͤte in die
Geſellſchaft. Die Frau von G … hatte
mich ſchon zweimal gefragt: Warum ich
ſo oft nach der Uhr ſaͤhe: und das ver-
zweifelte kleine ſchwarze Maͤdchen ſahe es
mir an den Augen an, daß du mir fehl-
teſt. Es war mir lieb, daß v. Z. zu ſpaͤt
kam.
[] kam. Er haͤtte in der That noch ein-
mal zu mir geſagt: Du ſiehſt ia aus
wie ein verliebter Seufzer.


Weißt du was mein Engel? Ich
muß es dir nur geſtehen: Die Lieder
an Doris, oder die, worinn Doris was
zu thun hat, gefallen mir nun da ſie ge-
drukkt ſind. Haͤtt’ ich doch die uͤbrigen
nur mit drukken laſſen. Ach! wie boͤſe
wuͤrdeſt du kleines Ding nicht gewor-
den ſeyn. Nein, ich werde es nicht eher
thun, bis du wirſt zu Stande gebracht
haben, was ich dir vorſchlagen werde.


Als die Frau Dacier die Scherze
des ſcherzhafteſten Griechen, den Damen
angenehm machen wollte, muſte ſie ihn
in ihrer Mutterſprache unterrichten.
Wenn deine Schweſtern die Lieder auf
dich ſingen ſollen, ſo muſt du ſie in Rei-
):( 4me
[] me uͤberſetzen, wie ich die Wahl (pag. 25.)
uͤberſetzt habe. Bringe morgen einen
Verſuch mit in die Oper, ich will dir
Noten mitbringen, nach welchen du das
uͤberſetzte Lied ſingen und ſpielen kannſt.
Lebe wohl, kleine Brunette. Ich wer-
de dieſe Nacht von dir, von einem Kuſſe,
und von einer Sommerlaube traͤumen.


[1]

Anakreon.


Anakreon, mein Lehrer,

Singt nur von Wein und Liebe;

Er ſalbt den Bart mit Salben,

Und ſingt von Wein und Liebe;

Er kroͤnt ſein Haupt mit Roſen,

Und ſingt von Wein und Liebe;

Er paaret ſich im Garten,

Und ſingt von Wein und Liebe;

Er wird beim Trunk ein Koͤnig,

Und ſingt von Wein und Liebe;

Er ſpielt mit ſeinen Goͤttern,

Er lacht mit ſeinen Freunden,

Vertreibt ſich Gram und Sorgen,

Verſchmaͤht den reichen Poͤbel,

Verwirft das Lob der Helden,

Und ſingt von Wein und Liebe;

Soll denn ſein treuer Schuͤler

Von Haß und Waſſer ſingen?



[2]

Der Rechenſchuͤler.


Mein Vater lehrt mich rechnen,

Er zaͤlet Pfund und Taler;

Ich aber zaͤle Maͤdchens.

Er ſagt: Es ſollen zwanzig,

Sich in zwei tauſend teilen,

Gib iedem ſeine Winſpel;

Ich aber teile Maͤdchens,

Und gebe iedem hundert.

Ein Centner gilt zwey Gulden,

Er fraͤgt: Was gelten zwanzig?

Und meinet immer Centner;

Ich aber meine Maͤdchens.

Er fraͤgt mich: Wenn du zwanzig

Mit zwanzigen vermehreſt,

Wie viel betraͤgt die Summe?

Und wenn er mich ſo fraͤget,

So denk ich ans Vermehren

Der Schweſtern und der Bruͤder,

Und lache, wenn ich rechne.


[3]

An Herrn von Kleiſt,


Wie lieblich ſprudelt dieſe Quelle!

Wie ſanft kuͤßt mich der Weſt im Gaukeln!

Wie reitzend ſchwebt das Laub im Schatten!

Wie fruchtbar bluͤht die Lind am Ufer!

Wie munter ſteht das Thal voll Blumen!

Hier, Freund! Hier iſt das Land des Friedens,

Hier iſt es gut, hier laß uns wohnen,

Hier laß uns, fern von Stolz und Zeptern,

Die kurze Lebenszeit verlaͤngern;

Hier ſoll ſie, frei von niedern Sorgen,

So ſanft, wie dieſer Bach, verflieſſen.

Hier darf kein Gold vor Narren glaͤnzen,

Hier hoͤrt man keinen Muffel ſeufzen,

Hier laͤuft kein Kramer mit Gewichten,

Hier raſt kein Menzel mit Huſaren,

Hier wafnet ſich kein Held zum Morden,

Hier ſoll uns kein erzuͤrnter Prieſter

Kein Freigeiſt und kein Quaker aͤrgern.

Hier ſind wir einſam, fromm und ſtille,

A 2Hier
[4]
Hier ſchwaͤrmen keine ſchwarze Sorgen,

Hier hoͤrt man kein Geſchrei der Laſter,

Hier brennt kein Schwefel in der Hoͤlle,

Hier bruͤllt kein Teufel, wie ein Loͤwe.

Hier wollen wir uns Huͤtten bauen,

Damit die Tugend ſicher wohne;

Hier ſei mein Herz ihr froher Tempel,

Hier wiß es nichts von Furcht und Sorgen,

Hier wollen wir der Freundſchaft opfern,

Hier wollen wir den Himmel loben,

Ihn loben, aber ihn nichts bitten.

Hier wollen wir uns kennen lernen,

Hier wollen wir am Ufer trinken,

Und trinkend ſcherzen, und uns kuͤſſen.

Was fehlt der Fuͤlle ſolcher Wonne?

Ach Freund, es fehlt uns noch die Liebe.

Geh! hole du dein blondes Maͤdchen,

Ich will die braune Doris holen.


[5]

Todesgedanken.


Ich bin noch nicht geſtorben,

Und wenn ich einmal ſterbe,

Dann will man mich begraben,

Und dann ſoll ich vermodern,

Und nicht noch einmal tanzen.

Jetzt, da ich noch nicht modre,

Muß ich noch Roſen pfluͤkken,

Weil ich den Duft noch rieche;

Jetzt, da ich noch nicht modre,

Muß ich noch Maͤdchen kuͤſſen,

Weil ich den Kuß noch fuͤhle;

Jetzt, da ich noch nicht modre,

Muß ich den Wein verbrauchen.

Werd ich im Grab auch durſten?



[6]

Der Vermittler.


In dem Garten, den ich liebe,

Wolt ich, mitten unter Roſen,

Mit der artigſten Brunette

Frohe Gartenſpiele ſpielen.

Schatten, Weſt und Nachtigallen

Pries ich ihr als Spielgefellen;

Aber die vergnuͤgte Schoͤne

Ließ ſich nicht zum Spiele reitzen;

Ob ſie gleich die Luſt zum ſpielen

Roͤthend auf den Wangen zeigte.

Neue Gruͤnde, neue Bitten

Schaften endlich Ja und Willen,

Daß ich mir mit Roſenknoſpen

Ihren Kuß erwerben ſolte,

Wenn ich ſie damit, von weiten,

In der Laube treffen koͤnnte.

Niemals hab ich mehr gezielet,

Als ich mit den Knoſpen zielte;

Niemals traf mein Bogen beſſer.

Aber Doris, die Geliebte

Wei-
[7]
Weigerte den Preis der Wette

Dem Gewinner abznliefern,

Und verſprach bei iedem Treffer

Alle Schulden auszuloͤſchen,

Wenn noch eine Knoſpe traͤfe.

Als nun eine unter dreien

Treffen oder fehlen ſolte,

Traf ſie ploͤtzlich an den Buſen

Eine ſchwere Roſenknoſpe.

Augenblikks, indem ſies fuͤhlte,

Oefnete die Roſenknoſpe

Das Behaͤltniß der Geruͤche,

Und, ihr Schoͤnen, welch ein Wunder!

Amor kam heraus geſprungen.

Kleine Anmuts volle Lokken

Fielen von der zarten Scheitel,

Von den Kuͤſſenswerten Lippen

Treufelten die Kuͤſſe ſichtbar,

Und ein Trupp verliebter Geiſter

Und ein Schwarm vergnuͤgter Silfen

A 4War
[8]
War geſchaͤftig, ſie zu ſammlen.

Mit vergnuͤgten Wolluſtminen

Laͤchelte der Goͤtterknabe.

Schwebend flog er, wie ein Engel,

Zwiſchen mir und meiner Schoͤne,

Welche voller Furcht und Schrekken

Hurtig aus der Laube flohe.

Aber Amor rief ſie freundlich:

Kleines Naͤrrchen, biſt du bloͤde?

Bleib nur hier, ſonſt ſchießt mein Bogen,

Und du wirſt ihm nicht entrinnen.

A[ls] er eben ſchieſſen wolte,

Kam ſie wieder nach der Laube,

Wo ſich Amor ihren Augen,

Ohne Kleid und Hemde zeigte.

Hurtig wandte ſie die Augen

Nach der Gaͤrtnerin im Garten;

Wie ſie ſchamhaft kluge Schoͤnen,

In Geſellſchaft wehrter Freunde,

Von geſchnitzten Liebesgoͤttern

Lieber
[9]
Lieber nach Citheren wenden.

Aber Amor flog ihr naͤher,

Und befahl mir, daß ſies hoͤrte:

Liebling, pfluͤkke Roſenknoſpen,

Ich will ſehn, ob deine Knoſpen

So, wie meine Pfeile, treffen.

Ich gehorchte dem Befehle;

Als ich aber unterwegens

Die gepfluͤkten Roſenknoſpen

In die Taſche ſtekken wollte:

Fand ich, Freunde glaubt dem Finder!

Beßre Knoſpen in der Taſche.

Dieſe nahm ich, ſtatt der andern,

Und indem mich Amor winkte,

Und indem ſie Amor kuͤßte,

Ließ ich ſchnell die Knoſpe fliegen.

Kaum war ſie der Hand entflogen,

Als mich ſchon der Wurf gereute;

Denn ſie ſank in Amors Arme,

Und ich dachte, meine Knoſpe

A 5Haͤtte
[10]
Haͤtte ſie ſo ſtark getroffen,

Daß ſie hurtig ſterben wuͤrde.

Denn ſie ſeufzte: Welche Wunde!

Seht nur her! ich bin verwundet!

Aber Amor lachte froͤlich,

Und beſichtigte die Wunde,

Und wies mit dem kleinen Finger

Knoſp und Pfeil und Wund am Buſen.

Siehſt du, ſprach er, deine Knoſpe

Muſte dieſen Pfeil verwahren,

Denn du ſolteſt dieſe Loſe,

Die mich oft, wie dich, verſpottet,

Fuͤr die Spoͤtterei beſtrafen.

Laß ſie noch ein bisgen quaͤlen,

Und dann nimm den Liebesbalſam,

Das Geſchenk von meiner Mutter,

Und beſtreich damit die Wunde.

Kuͤſſe ſie, nun wird ſie kuͤſſen;

Laß dir den Gewinſt bezalen,

Und bezale du ſie wieder,

Wenn
[11]
Wenn ſie dich in Zukunft mahnet;

Denn, mein Freund, ſo und nicht anders

Hab ich dich und ſie vermittelt.

O wie oft, wie ſanft, wie zaͤrtlich

Kuͤßte mich die liebe Schoͤne,

Als ſie Amors Vorwurf hoͤrte!

Reuerfuͤllte Freudentraͤnen

Floſſen von den ſchoͤnen Wangen.

Amor ließ ſie von den Silfen,

Die wie Sonnenſtaͤubchen ſchwaͤrmten,

In ihr Kußgefaͤſſe ſammlen,

Wo ſie, wie mir Amor ſagte,

Seine Kuͤſſe feuchten ſolten,

Daß ſie friſch und reitzend blieben,

Bis er zu der ſchoͤnen Mutter

Wieder in den Himmel kaͤme.

Wie vertraut, wie froh, wie freundlich

Sprach mit uns der Gott der Liebe!

Koͤnt ihn doch mein Pinſel malen,

Daß ihn alle Schoͤnen ſaͤhen,

Daß
[12]
Das die Anmut ſeiner Glieder,

Ob ſie gleich nicht maͤnnlich ſtehen,

Dennoch ſie zum Kuſſe reitzte!

Koͤnt ich doch die kleinen Geiſter,

Die auf Pfeil und Bogen lachten,

Die um Kinn und Wangen ſchwaͤrmten,

Mit der Goͤtterſprache malen!

Koͤnt ich doch den bloͤden Schoͤnen

Die Erſcheinung ſichtbar machen!

Doch ſie werden dem Erzaͤlen

Meiner lieben Doris glauben,

Denn man weiß, ſie kan nicht luͤgen.

Ja, ſie werden alles glauben,

Wenn ſie kuͤnftig ſehen werden,

Daß die Roſen nie verwelken,

Die auf ihrem Buſen bluͤhen.

Doris ſoll zwar viel erzaͤlen,

Aber das, was ich verſchweige,

Soll ſie ebenfalls verſchweigen.

Welche ſeltne Heimlichkeiten

Hat
[13]
Hat uns Amor nicht entdekket,

Eh er ſchnell, vor unſern Augen,

Wieder in die Knoſpe flohe,

Oder in den Goͤtterhimmel.

Drei Minuten nach dem Wunder

Bluͤhten beide Wunderroſen,

In der ſchoͤnſten Roſenbluͤte,

Auf dem Buſen meiner Doris.

Bruͤder, wollt ihr es nicht glauben?

Geht nur hin, und ſeht die Roſen.


[14]

Pflicht zu verliebten Geſpraͤchen,
an
Herrn Amtmann Fromm.


In den lauten Nachtigallen,

Lokkt und ſchlaͤgt und iauchzt die Liebe;

In der Lerche unterm Himmel

Lobt und tirelirt die Liebe;

In dem Enter auf dem Waſſer,

Schwimmt und ſchnattert nichts als Liebe;

In den Schwalben unterm Dache,

Zwitſchert, baut und ſpricht die Liebe;

In den Spatzen vor dem Fenſter

Lauſcht und ruft und huͤpft die Liebe;

In dem Taͤuber, in der Taube

Girrt und lokkt und lacht die Liebe;

In den Toͤnen meiner Laute,

Klingt und lobt und ſcherzt die Liebe;

In dem Kind auf meinem Schoſſe

Huͤpft und ſcherzt und ſingt die Liebe;

Alles Wild im freien Felde,

Alle
[15]
Alle Voͤgel unterm Himmel

Haben Stimmen zu der Liebe;

Alles ſcherzt und ſpricht vom Lieben;

Soll ich denn davon nicht ſprechen?

Geſchaͤfte.


Mir deucht, ſo oft ich ſchlafe,

Schlaf ich bei lauter Maͤdchen;

Und immer, wenn ich traͤume,

Traͤum ich von nichts als Maͤdchen;

Und wenn ich wieder wache,

Denk ich an nichts als Maͤdchen;

Im Schlaf, im Traum, im Wachen

Spiel ich mit lauter Maͤdchen.


[16]

Anlaß zum Schlafe.


Von Zefirs ſanftem Saͤuſeln

Bin ich oft eingeſchlafen;

Vom Saft gepreßter Trauben

Bin ich oft eingeſchlafen;

Im Schatten iunger Baͤume,

Vom Schwarm der muntern Bienen,

Beim Sprudeln kleiner Quellen

Bin ich oft eingeſchlafen;

Doch, ſoll ich ietzo ſchlafen:

So muͤſſen Kuͤſſe rauſchen.


[17]

Das Moͤpschen.


Du liebes kleines Moͤpschen,

Wie haſt du mich gefunden?

Kom her! auf meinem Schoſſe

Will ich dich ſanfte ſtreicheln,

Und du ſolt mir erzaͤlen,

Warum du mich beſucheſt.

Mein Herr hat mir dis Zimmer

Und dieſes Haus gewieſen,

Und ſchikkt mich her zum Waͤchter.

Was ſolt du denn bewachen?

Euch ſelber, ſchoͤne Nimfe,

Ihr ſolt mit keinem andern

Als mit Filemon ſprechen,

Mit keinem andern ſcherzen,

Mit keinem andern ſpielen;

Und wenn ihrs etwa thaͤtet:

BSo
[18]
So ſoll ich um mich beiſſen.

Ich bin ein treuer Diener,

Drum huͤtet euch fuͤr Biſſe.

Ich leide keinen Fremden

Der euch die Bakken ſtreichelt,

Der ſich mit ſeinen Lippen

Auf eure Lippen druͤkket,

Und dann zuruͤkke ziehet

Und eure Haͤnde druͤkket.

Wenn aber eine Freundin

In einem langen Kleide

Mein Schlafgemach beſuchet,

Wirſt du es auch nicht leiden,

Wenn ich ihr was verſtatte?

Davon hat mich Filemon

Nicht voͤllig unterrichtet.

Geſchwinde laßt mich laufen,

Ich will ihn drum befragen.


[19]

Bitte um ein laͤngeres Leben.


Lieber Tod! du wirſt dich irren;

Suchſt du etwa meinen Nachbar

Mit dem alten krummen Ruͤkken?

Geh nur hin! er wohnt zur Rechten;

Geh nur hin! du wirſt ihn finden,

Und er hat dich ſchon gerufen.

Lieber Tod! du wirſt dich irren;

Lieber Tod! geh doch nur weiter.

Da! hier iſt die ganze Taſche!

Alle dieſe Schwanzdukaten

Hab ich einſt fuͤr dich gewechſelt.

Nimm ſie hin, und geh nur weiter.

Hoͤrſt du nicht den Nachbar rufen?

Hol ihn nur, er wird dirs danken.

Tod! du irrſt dich; ſoll ich ſchweren?

Nein, wir wollen uns nicht zanken.

Sieh! hier ſind noch mehr Dukaten.

Sei ſo gut, wie unſre Richter.

B 2Laß
[20]
Laß dich doch nicht laͤnger bitten!

Nimm das Gold, und laß mich leben.

Wilſt du nicht, ſo laß es bleiben;

Laß mich nur noch einmal kuͤſſen.

An Doris


Koͤnt ich Holz, wie Menſchen ſchnitzen,

Lauter Nimfen wolt ich ſchnitzen;

Koͤnt ich Marmorſeulen hauen,

Lauter Nimfen wolt ich hauen;

Koͤnt ich nur Tapeten wirken,

O! ſo wirkt ich lauter Nimfen;

Lauter zaͤrtliche Blondinen,

Lauter willige Brunetten,

Und die zukkerſuͤſſe Schoͤne,

Die mich itzt ſo zaͤrtlich kuͤßte,

Solte mir zum Muſter dienen.


[21]

Amor im Garten.


Die Sonne ſank nach Weſten,

Und machte noch im Sinken

Die letzte Abendroͤte;

Als mich ein kuͤhler Zefir

Aus meinem Zimmer lokkte.

Ich folgt ihm in das Gruͤne,

Wo tauſend Roſen bluͤhten,

Um die er gauklend ſcherzte.

Der Buͤſche kleine Saͤnger

Ergoͤtzten mich im Stillen,

Und meine Augenlieder

Befiel ein ſuͤſſer Schlummer.

Ich traͤumte von der Liebe,

Ich traͤumte von Dorinden,

Von vielen andern Schoͤnen,

Und von der lieben Venus.

Ich kuͤßte ſie im Traume,

Ich ſaß auf ihrem Schoſſe,

Und ſagt ihr von Dorinden.

Sie hielt mich in den Armen,

Und ſprach: Sie ſoll dich lieben.

B 3Schnell
[22]
Schnell ward ich wieder munter.

Ich ſah mich um, und lauſchte;

Denn unter friſchen Roſen

Fand ich mich ganz begraben.

Ich ſprang von meinem Lager,

Den loſen Gaſt zu ſuchen,

Der mich ſo ſchoͤn bedekket;

Allein im ſchnellen Springen

Empfand ich ploͤtzlich Schmerzen.

Ein kleines Kind mit Fluͤgeln,

Das ich noch nie geſehen,

Saß laͤchelnd hinterm Buſche,

Und ſprach: Dis kan mein Bogen,

Und wies mir mit dem Bogen

Dorinden in der Laube.

Ich weiß nicht, welche Wunde!

Sie ſchmerzt, und that doch ſanfte,

Und, als ich nur die Schoͤne

Drauf in der Laub’ erblikkte,

Verſchwanden alle Schmerzen;

Denn ſie war gar zu freundlich.


[23]

Die Schule.


Kinder! habt nur Luſt zu lernen;

Seht! es fehlt euch nicht an Lehrern.

Feuer, Waſſer, Luft und Erde,

Was ihr ſeht, und hoͤrt, und fuͤhlet,

Alles kan euch unterrichten.

Halt nur erſt den ſchoͤnen Willen

Allem etwas abzulernen.

Lernet dann, und werdet kluͤger,

Lernt vom Loͤwen tapfer ſtreiten;

Lernt vom Adler mutig fliegen;

Lernt vom Nautul kuͤnſtlich ſchiffen;

Lernt vom Biber ſicher bauen;

Lernt von Bienen Suͤßigkeiten,

Und von Spinnen feine Faden.

Lernt auch etwas vom Kaninchen!

Aber eh ihr etwas lernet,

Lernt von mir und meiner Schoͤne

Gut zu ſpielen, gut zu kuͤſſen:

Seht nur her! wir halten Schule.



[24]

Die Wahl.


Koͤnt ich malen, wie Apelles,

Lauter Maͤdchen wolt ich malen;

Koͤnt ich nur wie Orpheus ſpielen,

Lauter Maͤdchen ſolten tanzen;

Koͤnt ich Todte lebend machen,

Lauter Maͤdchen ſolten leben;

Aber koͤnt ich, wie ich wolte

Viele wieder ſterben laſſen,

Viele ſolten wieder ſterben,

Viele wolt ich uͤberſtreichen,

Daß ſie ungemalet blieben,

Und, vom erſten Tanz ermuͤdet,

Solten viele nicht mehr tanzen.


[25]

Die Wahl.


Koͤnt ich nur wie Orpheus ſpielen,

Alle Knaben ſoltens fuͤhlen,

Und wenn ich ein Stuͤkk geſpielet,

Und wenn ſie den Reitz gefuͤhlet,

Solten ſie, bei Spiel und Singen,

Alle tanzen, alle ſpringen;

Koͤnt ich wie Apelles ſchildern,

O ſo ſolt es meinen Bildern

Nicht an Reitz und Schoͤnheit fehlen,

Lauter Knaben wolt ich waͤhlen;

Koͤnt ich kuͤnſtlich, wie Propheten,

Menſchen wekken, Menſchen toͤdten,

O ſo wolt ich Geiſt und Leben

Allen Knaben wieder geben.

Aber koͤnt ich meinen Willen

Durch ein maͤchtig Wort erfuͤllen,

Einer ſolte nach dem andern

Wieder zu den Todten wandern;

B 5Vieler
[26]
Vieler Knaben Schildereien

Solten brennend mich erfreuen;

Viele ſolten, unzufrieden,

Gleich vom erſten Tanz ermuͤden,

Stille ſitzen, ſtille ſtehen,

Und die andern tanzen ſehen.

Das Geluͤbde.


Wo ich morgen oder heute

Meine Doris wieder finde;

Wo ich etwa dort am Ufer

Ihre Spur und Sie entdekke;

Wo ich ſie vieleicht im Schatten

Unter Roſen ſchlummern ſehe;

Wo ich morgen oder heute

Ihren zweiten Kuß empfinde;

Da will ich zum erſten male

Da will ich, vernimms o Liebe!

Da will ich, du ſolt es ſehen!

Dreiſt nach ihrem Buſen ſchielen.


[27]

An das Frauenzimmer.


Sagt mir doch, geliebte Schoͤnen,

Iſt euch Amor denn nicht ſichtbar?

Oder ſagt ihrs niemand wieder,

Weil er allzu oft erſcheinet?

O! ihr duͤrſt es nicht verbergen,

Wenn er euch gleich oft erſcheinet.

Kan ein Gott euch Schande bringen?

Wenn er euch des Nachts belauſchet,

Wenn er euch des Tages lokket:

O! ſo ſagt es, euch zur Ehre,

Freunden oder Goͤnnern wieder.

Dann wird euch ein ieder loben.

Oder wolt ihrs mir entdekken:

So will ich, ihr ſolt es ſchen,

Euch einmal den Amor fangen.

Dann koͤnt ihr mit goldnen Strikken,

Ihn an euer Bette binden,

Daß er Wunſch und Klagen hoͤre.

Dann
[28]
Dann koͤnt ihr ihm alles klagen,

Und ihn eher nicht befreien,

Bis er ſich mit euch verſoͤhnet,

Bis er alle Kammerſorgen

Mit der Kammerluſt verwechſelt;

Bis er ſich in allen Stuͤkken

Guͤtig, wie ein Gott, erwieſen.

O! wie werdet ihr die Guͤte

Des gefangnen Gottes preiſen.

Ruft mich nur, wenn er erſcheinet,

Denn ich weiß ihn gut zu fangen.


[29]

An die Eltern.


Vaͤter! noͤtigt eure Kinder

Nie zum Lernen ſolcher Kuͤnſte,

Die ſie nicht erlernen wollen.

Laßt ſie ſelber was erwaͤhlen,

Lobt und billigt ihre Neigung;

Sonſt erlebt ihr, wie mein Vater,

Ungluͤkk an den beſten Kindern.

Fragt ihn nur, itzt wird er ſagen:

Vaͤter zwinget keine Kinder.

Ich, ſein Sohn, ward auch gezwungen,

Aber hat es was gefruchtet?

Erſt ſolt ich im ſchwarzen Kleide,

Sorgen fuͤr die Geiſter lernen,

Weil es meine Mutter wolte;

Doch, es rettete mein Vater

Mich von ſolchen ſchweren Sorgen;

Und da ſolt ich, wieder Willen,

Sorgen fuͤr die Koͤrper lernen,

Aber
[30]
Aber es erfuhr mein Vater,

Daß ich lieber gar nichts lernte.

Endlich nahm er mich beim Arme,

Fuͤhrte mich zum Advokaten,

Und ermahnt ihn, daß ichs hoͤrte:

Vetter, lehre dieſen rechten,

Halt ihn ſcharf, und gieb ihm Arbeit.

Hurtig gab ſie mir der Vetter.

Koͤpfen, Hangen, Peitſchen, Raͤdern

Solt ich aus den Blaͤttern lernen.

O! wie haßt ich dieſes Handwerk.

O! wie wuͤnſcht ich oft aus Unmut,

Meinen Lehrer an den Galgen,

Wenn er mich mit Schriften quaͤlte,

Welche Blut und Todt verlangten.

Aber gab er mir Prozeſſe

Von verlohrnen Liebesbriefen,

Von wilkommnen Nachtgeſpenſtern,

Von ertappten Anverwandten;

Oder ſolt ich, ſtatt der Schoͤnen,

Uber
[31]
Uber bloͤde Maͤnner klagen:

Gleich war Kopf und Feder fleißig;

Und mein Lehrer kont es merken,

Daß ich nichts erlernen wuͤrde,

Als die Haͤndel der Verliebten;

Drum verſchaft er mir vom Richter

Lauter Haͤndel der Verliebten.

Itzo weiß ich ſie zu ſchlichten.

Drum empfehl ich mich den Schoͤnen,

Die mich etwa brauchen moͤchten.


[32]

Die Flucht.


Bruͤder! ſeht doch durch die Glaͤſer.

Seht doch, welche Menſchenkoͤpfe!

Stehn doch Koͤpfe von den Thieren

Auf den Haͤlſen dieſer Maͤnner!

Jener da, weiſt uns die Zaͤhne.

Welcher Hund kan wol ſo bellen?

Welcher Hund iſt ihm wol aͤhnlich?

Dort im Winkel grunzt ſein Bruder.

Hoͤrt! nun faͤngt er an zu laͤſtern;

Denn er laͤſtert auch im Beten.

Welche ſchwarze Laͤſterworte

Fliegen von den frommen Lippen!

Bruͤder ſeht! die frommen Lippen

Sind ſo ſchwarz, wie Prieſterroͤkke.

Bruͤder komt, wir wollen laufen;

Denn ſie ſpeien Haß und Geifer,

Und er trift ſchon ihre Bruͤder.

Komt, und laßt die Narren laͤſtern,

Komt, wir wollen hier nicht trinken.


[33]

Wuͤnſche
an
Herrn Uz in Anſpach.


Koͤnnt ich wider Willen lachen,

Koͤnnt ich, was ich wolte, machen,

Koͤnnt ich iedem, und vor allen,

Allen Schoͤnen wolgefallen,

Koͤnnt ich niemals beim Erwehlen,

In der Wahl des Beſten fehlen,

Koͤnnt ich allen braven Schoͤnen,

Meine Sitten angewoͤhnen,

Koͤnnt ich ſtets, in iedem Leben,

Kuͤſſe nehmen, Kuͤſſe geben,

Koͤnnt ich mich in Scherz und Lieben,

Stets, wie dieſen Abend, uͤben,

Koͤnnt ich mitten im Vergnuͤgen

Dich, mein Uz, zu kuͤſſen kriegen;

Koͤnnt ich denn bei ſolchen Freuden

Meines Fuͤrſten Gluͤkk beneiden?



[34]

An den Winter.


Winter mit dem grauen Barte,

Mit den angefrornen Lokken,

Wilſt du denn nicht einmal lachen?

Sind die Lippen zugefroren?

Komm herein, was ſtehſt du drauſſen?

Komm herein, du ſolſt ſchon thauen.

Sich! wie ſtoͤrriſch ſind die Minen.

Biſt du denn ein Feind der Freude?

Wilſt du meine Luſt verdammen?

Gut! ſo will ich dich nicht bitten.

Aber ſei nur immer ſtoͤrriſch,

Mache Felder, mache Fluren,

Mache Berg und Thaͤler traurig,

Mich ſolſt du nicht traurig machen.

Toͤdte dieſe friſche Lilgen,

Toͤdte dieſe iunge Roſen,

Auf den iugendlichen Wangen,

Toͤdte ſie einmal zum Scherze;

Aber
[35]
Aber laß mir nur die Roſen,

Auf den Wangen, auf dem Buſen

Meiner braunen Doris bluͤhend:

Dann ſo ſoll ſie dich beſchaͤmen,

Dann ſoll ſie mit einem Kuſſe

Meinen halberſtorbnen Wangen,

Alle Roſen wieder geben;

Dann ſoll ſie mit ihren Lippen

Meine Lippen ſchoͤner faͤrben.

Alter! wilſt du’s ſelbſt verſuchen?

Komm! ſie ſoll dich einmal kuͤſſen;

Dann ſolſt du, wir wollen wetten,

Bald dein Pelzwerk von dir werfen.

Dann ſolſt du fuͤr Hitze durſten.

Komm! hier iſt ſchon was zu trinken.



[36]

Lokkſpeiſe.


Meinem Vater in der Grube

Dank ich noch fuͤr ſeine Liebe.

Er hat einſt durch ſeine Lehren

Dis mein iunges Herz gebildet;

Er gab mir, durch ſeine Lehren,

Liebe zu den ſchoͤnen Kuͤnſten,

Und ein Herz voll Lehrbegierde,

Laßt uns doch die Vaͤter loben,

Die uns nicht mit harten Worten,

Die uns mit Vernunft und Schmeicheln

Klug und Lehrbegierig machen.

Laßt uns kuͤnftig unſern Kindern

Luſt und Liebe groͤſſer machen.

Laßt uns unſre lieben Vaͤter

In der Lehrart uͤbertreffen!

Ja! ich will ſchon meine Kinder

Staͤrker zu den Kuͤnſten reitzen,

Als mich einſt mein Vater reitzte.

Knabe
[37]
Knabe, ſprach er: Lerne ſchreiben,

Denn ſonſt kannſt du bei dem Fuͤrſten

Kuͤnftig keine Schaͤtze ſammlen.

Hurtig lernt ich alles ſchreiben.

Denn ich liebte Kutſch und Schaͤtze.

Aber, warlich, meine Knabeu

Sollens doch noch ſchneller lernen;

Denn ich will ſie beſſer reitzen.

Liebſte, ja! ſo will ich ſagen,

Liebſte Knaben, lernt doch ſchreiben,

Denn ſonſt koͤnnt ihr einſt im Alter

Keine Liebesbriefe wechſeln.

O! wie werden ſie dann lernen.

Lerne tanzen, ſprach mein Vater,

Denn es macht geſchikkte Glieder,

Und ich lernte hurtig tanzen;

Aber haͤtt er nur geſprochen:

Lieber Sohn! man kann beim Tanzen

Manche ſchoͤne Haͤnde druͤkken,

Die ſich ſonſt nicht druͤkken laſſen,

C 3Und
[38]
Und man kann im ſanften Druͤkken,

Klugen Schoͤnen alles ſagen,

Was wir ſonſt nicht ſagen duͤrfen;

Drum ſo rath ich, lerne tantzen:

O! ſo wuͤrd ich itzt im Tanzen

Dich, o Lani! uͤbertreffen.

O! wie will ich meine Kinder

Zu den Wiſſenſchaften reitzen!

O! was vor gelehrte Knaben

Werden meine Lehren ziehen.


[39]

Lebenspflichten.


Soll ich mich mit Sorgen quaͤlen?

Nein, ſo glich ich meiner Mutter;

Soll ich reichen Narren ſchmeicheln?

Nein, ſo wuͤrd ich ſelbſt zum Narren;

Soll ich meine Bruͤder ſtrafen?

Nein, ſie wiſſen meine Fehler;

Soll ich mir viel Freunde ſuchen?

Nein, ich werde ſie nicht finden;

Soll ich mir den Himmel wuͤnſchen?

Nein, dann wuͤnſcht ich ia zu ſterben.

Soll ich an der Welt was tadeln?

Nein, ſie wird nicht beſſer werden;

Soll ich trinken? Soll ich lieben?

Soll ich tanzen? Soll ich lachen?

Soll ich mich mit Roſen kroͤnen?

Soll ich ſchmauſen? Soll ich kuͤſſen?

Soll ich ſpielen? Soll ich ſcherzen?

Soll ich mich um nichts bekuͤmmern?

C 4Soll
[40]
Soll ich mit den Schoͤnen taͤndeln?

Ja, dis ſoll ich, und mein Vater

Lehrt es mich bei grauen Haaren,

Und er nennt es: Lebenspflichten.

An den Tod.


Tod, kanſt du dich auch verlieben?

Warum holſt du denn mein Maͤdchen?

Kanſt du nicht die Mutter holen?

Denn die ſieht dir doch noch aͤhnlich.

Friſche roſenrote Wangen,

Die mein Wunſch ſo ſchoͤn gefaͤrbet,

Bluͤhen nicht fuͤr blaſſe Knochen,

Bluͤhen nicht fuͤr deine Lippen.

Tod! was wilſt du mit dem Maͤdchen?

Mit den Zaͤhnen ohne Lippen

Kanſt du es ia doch nicht kuͤſſen.


[41]

Der Gelehrte.


Soll ich von den Zeitungsſchreibern

Meinen Namen ſchreiben lernen?

Soll ich in dem Sterngewoͤlbe

Neue Welten ſichtbar machen?

Soll ich Wolfen oder Knutzen

Zweifelsknoten loͤſen helfen?

Soll ich Stoff und Sittenlehren

Fuͤr die Blaͤtterſchreiber ſtehlen?

Soll ich von den Buͤcherrichtern

Schimpfen oder tadeln lernen?

Soll ich in der Weltgeſchichte

Proben tapfrer Narren ſuchen?

Soll ich meinen Geiſt befragen:

Was er ſei, und wo er wohne?

Soll ich mit den Oberprieſtern

Heucheln, oder Ketzer machen?

Soll ich fuͤr den Kupferſtecher

Mein gelehrtes Bildniß mahlen?

C 5Soll
[42]
Soll ich Blei zu Golde ſchmelzen?

Soll ich Raͤthe rathen lehren?

Soll ich Miltons Teufel ſchelten?

Soll ich Wunderwerke dichten?

Oder ſoll ich ſie erklaͤren?

Nein, dis ſoll mein Anverwandter.

Er, der Prinz beruͤhmter Narren,

Er, der grundgelehrte Wiſſer,

Er, der Pruͤfer der Beweiſe.

Soll ſich noch zu Tode gruͤbeln;

Er, der Erbfeind meiner Freude

Soll ſich blaß und elend leſen.

Und dann will ich ihn befragen:

Macht mich auch mein Maͤdchen elend?


[43]

An die Liebe.


Liebe! allerliebſte Liebe!

Seegne mich mit deinem Triebe.

Laß mir deinen Reitz empfinden,

Laß mich deine Glut entzuͤnden,

Laß mich deinen Zukker ſchmekken,

Laß mich durch ein Lied erwekken,

Wenn ich Zeit und Luſt verſaͤume

Muͤßig wach’, und muͤßig traͤume.

Laß mir huͤbſch durch dein Genieſſen

Zeit und Stunden ſchueller flieſſen.

Laß mirs an der Muͤh zu waͤhlen,

Aber nie an Schoͤnen fehlen,

Und damit auch viel Beſchwerden,

Durch ein Mittel minder werden,

Laß mir kuͤnftig nur von allen

Eine ſchoͤn ſeyn und gefallen.

Lehr ihr denn, ſich gut zu ſchikken,

Gut zu ſpielen, gut zu blikken,

Lehr
[44]
Lehr ihr meine Neigung kennen,

Klug zu frieren, klug zu brennen,

Lehr ihr witzig abzuſchlagen,

Lehr ihr reitzend Ja zu ſagen.

Aus den Worten, aus den Werken

Laß ihr Wunſch und Willen merken?

Aber lehr ihr Wunſch und Willen

Nicht zur Unzeit zu erfuͤllen,

Daß ſie ſich erſt artig ſchaͤme

Und ſich nicht zu bald bequeme.

Lehr ihr alle frohe Minen

Die der Luſt zum Vorteil dienen,

Lehr ihr alle Froͤlichkeiten

Lehr ihr auch, was ſie bedeuten,

Daß ſie ſtets in Unſchuld prange,

Daß ſie nie zuviel verlange,

Daß ſie mirs vernuͤnftig klage,

Wenn ich ihr zuviel verſage.

Lehr ihr, wie man nie veralte

Wie man Reitz und Wert behalte,

Wenn
[45]
Wenn auch einſt auf Bruſt und Wangen

Aller Roſen Schmukk vergangen.

Lehr ihr, wenn wir uns vereinen,

Treu zu ſeyn, und treu zu ſcheinen,

Daß ſie mich mit nichts betruͤbe

Und mich immer ſtaͤrker liebe.

Lehr auch mich, durch deine Lehren,

Solchen Engel zu verehren,

Daß er, wenn ich ihn vergnuͤge,

Keine Luſt zum Wechſel kriege.


[46]

An Herrn Gleim.


Nimm mich mit, geliebter Damon,

Nimm mich mit auf deine Fluren.

Laß mich dort den iungen Fruͤling,

Und den Glanz der Morgenroͤte,

Und die Thaͤler voll Violen,

Und den Thau auf muͤden Blumen

Und die fruͤhe Venus ſehen.

Schweig! es liſpelt ſchon ein Zefir

Ein vergnuͤgter Freund des Lenzen.

Sieh! er waͤlzt ſich auf dem Graſe,

Und im Waͤlzen kuͤßt er Blumen,

Und die wankende Narziſſe,

Wird verliebt und kuͤßt ihn wieder.

Komm, wir wollen ihn erhaſchen,

Und es ſoll ſein ſanftes Saͤuſeln,

Uns bis in den Buſch begleiten,

Wo wir ſeinen Freund, den Fruͤling,

Unter Linden ſuchen wollen.

Komm
[47]
Komm, ſo bald wir ihn gefunden,

Wollen wir, in ſeinen Armen,

An dem weichſten Ufer ſchlummern;

Bis uns ein vergnuͤgtes Maͤdchen,

Welches unſer Schlummer aͤrgert,

Durch ein Schaͤferlied erwekket.

An die Helden.


Helden! dingt mich nicht zum Dichter.

Meine Laute will nicht ſchallen,

Wenn ich euch ein Loblied ſinge.

Immer iſt ſie widerſpenſtig,

Immer gibt ſie falſche Toͤne,

Wenn ich euch ein Loblied ſinge.

Wenn ich von der Liebe ſinge,

Wenn ich Amors Waffen preiſe

Oder wenn ich trinkend lalle:

Dann trift ſie die ſchoͤnſten Toͤne,

Dann ſo geht ſie immer richtig.


[48]

An Herrn Rittmeiſter Adler.


Mein Wein vertreibt die Grillen,

Mein Schwerdt die bloͤden Helden,

Mein Lob die lauten Schmeichler,

Mein Tanz die Winternaͤchte,

Mein Spott den Schwarm der Narren,

Mein taubes Ohr die Praler,

Mein Schimpf die falſchen Freunde,

Mein Glaub und meine Lieder

Vertreiben tauſend Teufel.

Nur den verſchmitzten Amor,

Den Schmeichler, den Tirannen,

Kann kein Gebet, kein Degen,

Kein Spott, kein Schimpf, kein Lachen,

Und auch kein Wein veriagen.

Freund! mit dem krummen Schwerdte,

Weißt du ihn zu vertreiben?

Kannſt du es mit Huſaren?


[49]

Der Sternſeher.
An
Herrn
‒‒ ‒‒ ‒‒ ‒‒


Der Kenner aller Welten,

Der in dem Sterngewoͤlbe

Kometen und Trabanten

Und neue Sonnen ſuchet,

Und ohne Scherz und Liebe

Durch alle Naͤchte wachet,

Bewog mich iuͤngſt am Abend

Zu frieren und zu wachen.

Den holen Raum des Himmels

Erhell’ten tauſend Sterne,

Wie tauſend helle Lampen

Den weiſſen Saal erhellen. *

Sie brannten in dem Blauen,

Und warfen kleine Stralen,

Wie Lichter Stralen werfen;

DUnd
[50]
Und oft ſah ich, verwundernd,

Wie ſie ſich ſelber putzten.

Sie brannten ſtill und ſicher,

Bis Lun[en]s ſtolzer Schimmer

Den Abgrund heller machte;

Schnell waren von der Menge

Die kleinſten ausgeloͤſchet.

Ich rief dem Mond entgegen:

So dulde doch, Tiranne,

Bei deinem groſſen Schimmer,

Die kleinen Himmelslichter!

Allein der Sternbeſeher

Beſeufzte meine Dumheit,

Und rief beim letzten Seufzer:

Du Dummer, ſteh doch ſtille!

Ich ſtand; er rief: Steh veſte!

Und legt auf meine Schulter

Ein Rohr, als wollt er ſchieſſen.

Ich bat ihn um mein Leben,

Allein ich muß ietzt lachen,

Es
[51]
Es ſchlt ihm Rohr und Pulver,

Denn die vermeinte Flinte,

Das Rohr auf meiner Schulter,

War nur ein langes Auge,

Womit er durch die Luͤfte

Den Mond herunter holte.

Er holt’ ihn auch herunter,

Und ſah ihn in der Naͤhe,

Und ſprach: Ich will im Monde,

Die Thaͤler voller Tannen,

Und alle Waͤlder zaͤlen;

Ich will die Berge meſſen,

Und alle Fluͤſſe zaͤlen.

Er zaͤlte ſchon bis zwanzig;

Allein, indem er zaͤlte,

Erhub er ſchnell die Stimme,

Und rief, wie Waͤchter rufen:

Im Monde wohnen Maͤdchens!

Er, der noch nie gelaͤchelt,

Fing ploͤtzlich an zu lachen,

D 2Und
[52]
Und ſahe nach dem Monde,

Und lachte ploͤtzlich wieder,

Und ſprach, noch halb im Lachen:

Ich ſehe kleine Maͤdchens;

Sie tanzen unter Knaben,

Sie tanzen nach Figuren,

Nach Winkeln und Quadraten,

Nach Zirkeln und Ovalen,

Und ſpielen mit dem Zirkel,

Und ſtehn auf hohen Gipfeln,

Und ſehn mit laͤngern Augen,

Als Neuton und Copernik.

Ich habe nie mit Maͤdchens

Getanzet noch geſpielet;

O! koͤnnt ich doch im Monde

Mit dieſen Maͤdchens ſpielen.

Ach lieber Sternbeſeher!

So ſprach ich, bloͤd’ und furchtſam,

Ach laß mir doch die Maͤdchen

Mit
[53]
Mit meinem Auge ſehen.

Gleich grif er an mein Auge,

Und ſprach, wie Zaub’rer ſprechen:

Dis Auge werde laͤnger.

Indem er dieſes ſagte,

Ließ ein vergnuͤgtes Maͤdchen,

Das mich und ihn beſchaute,

Das mich und ihn verlachte,

Die ſchwarzen Augen funkeln.

Schnell rief ich: Weg vom Auge!

Mein Auge ſoll nicht wachſen.

Beſieh du deine Maͤdchens.

Ich will mit dieſem ſpielen.



[54]

Amor, ein Werber.


Amor wirbt, ich ſeh ihn werben.

Wie geſchaͤftig, und wie freundlich

Dringt er ſich in alle Haufen.

Doch! er iſt nicht iedem ſichtbar.

Seht! ietzt geht er mit ſpatziren,

Seht! ietzt fuͤhrt er die Geworb’nen

An den Haͤnden treuer Freunde,

Unter Weiden oder Linden;

Und, geſichert fuͤr Verraͤtern,

Schweren ſie zu ſeiner Fahne.

Seht ihn bei den Uberlaͤufern,

Seht doch! er bedekkt mit Larven

Wangen, welche leicht erroͤten,

Und entfuͤhret ſie den Waͤchtern,

Und verbirgt ſie fuͤr Verraͤtern,

Und begleitet ſie zum Tanze,

Und entdekkt ſie nur dem Taͤnzer,

Dem er ſie zum Tanze bringet.

Graun
[55]
Graun und Cato * hilft ihm werben.

Er beſtellt in weiſſen Saͤlen

Spieler zu den Spielerinnen,

Taͤnzerinnen zu den Taͤnzern,

Und Verliebte zu Verliebten;

Und dann wirbt er ſich die Beſten.

Wenn es ihm an Volke fehlet-

Darf er keine Trommel ruͤhren.

Alle Straſſen voller Schlitten,

Alle Saͤle voller Larven,

Alle Boͤden voller Taͤnze,

Alle Stuͤhle voller Andacht,

Alle Baͤnke voller Weiſen,

Alle Gaͤrten voller Roſen,

Alle Ufer klarer Baͤche,

Alle Logen und Parterren

Dienen ihm zu Werbeplaͤtzen.

Seht! dort fuͤhrt er die Geworb’nen

Durch die Thuͤr des Operhauſes;

Sagt mir, konnten einſt die Preuſſen

Ihre Rieſen beſſer werben?



[56]

Der Atheiſt.


Allerliebſter GOtt der Liebe,

Die dich lieben, liebſt du wieder.

Ach! wilſt du mich denn nicht lieben?

Doris iſt noch immer ſproͤde.

Spanne doch den Bogen ſtrenger,

Nimm den aͤrgſten deiner Pfeile,

Denn ihr Herz iſt hart, wie Marmor.

Mit der Kunſt bered’ter Lippen,

Mit der Macht vertrauter Schwuͤre,

Mit der Staatsliſt deiner Lehrer,

Mit der Wuͤrkung meiner Waffen

Werd’ ich es nicht leicht erobern;

Denn ſie iſt zu ſtark bewafnet.

Sie verſteht die Kunſt zu ſiegen,

Trotz dem beſten deiner Krieger.

Wirſt du ſie denn uͤberwinden?

Liebesgott! nur drei Minuten

Glaub’ ich noch an deine Pfeile;

Haſt
[57]
Haſt du mir nach drei Minuten

Dieſe Sproͤde nicht gebaͤndigt:

O! ſo will ich in der vierten

Dich und deine Mutter laͤugnen.

Urſachen zum Lieben.


Da, wo die Adler fliegen,

Iſt alles voll von Liebe;

Da, wo die Karpen ſchwimmen,

Iſt alles voll von Liebe;

Im Garten, auf den Fluren,

In Thaͤlern, auf den Bergen,

In Stuben und in Kammern,

Auf Kanzeln und auf Thronen,

Im Himmel und auf Erden,

Iſt alles voll von Liebe;

Soll denn mein Herz nicht voll ſeyn?



[58]

An die Sonne.


Sonne! alle Menſchenzungen

Loben deine goldne Stralen.

Baͤche, wo ſich Nimſen baden,

Wo ſie ſich am Ufer troknen;

Thaͤler, wo ſich Hirt’ und Heerde

Deiner Glut entgegen lagert;

Berge, wo von dir erwaͤrmet

Eiß und Schnee in Thaͤler rinnet;

Klippen, wo an kalten Eichen

Ziegen hangen, Gemſen klettern;

Fluren, wo Narziſſen bluͤhen

Wo dein Stral Violen waͤrmet,

Danken dir fuͤr deine Stralen:

Aber ich kann dir nicht danken;

Denn du ſtralteſt gar zu helle,

Als mich in der Sommerlaube

Keine Mutter ſchen ſollte.


[59]

Mittel die Franzoſen zu ſchlagen.


Neulich ſagt ich meiner Laute:

Carl beſiegt die Franzen tapfer,

Willſt du ihn denn nicht beſingen?

Er verdient’s, ich will dirs ſagen,

Er beſiegt, dis mußt du wiſſen,

Deutſche Laute, deine Feinde.

Wilſt du ſie nicht auch beſiegen?

Lokke ſie doch in ein Treffen;

Ich will ſingen, du ſollt ſtreiten;

Aber nicht mit ſtarken Waffen,

Nicht mit toͤdlichem Geſchoſſe,

Nein, mit ſanften Liebestoͤnen.

Laß ſie denn ſo zaͤrtlich klingen,

Laß dich ſo bezaubernd hoͤren,

Daß das ganze Heer der Franzen

Sich den Augenblikk verliebe.

Dann ſoll Carl dazwiſchen kommen,

Und zum Vorteil ſeiner Helden

Ihnen
[60]
Ihnen alle Maͤdchens rauben,

Und wenn er das beſte kuͤſſet,

Soll er ſie noch ſpoͤttiſch fragen:

Wie gefaͤllt euch unſre Beute?

Amor auf der Jagd.


Amor winkt mir, ſoll ich folgen?

Seht! wie ſchalkhaft kann er laͤcheln.

Seht ihn doch! den kleinen Jaͤger.

Dort im Buſche ſieht er Maͤdchens;

Seht! er zeigt ſie mit dem Bogen.

Seht! nun ſchleicht er an der Seite;

Seht ihr nicht? er winkt ſchon wieder.

Bruͤder laßt uns nicht mehr trinken,

Wollt ihr mit? ich muß ihm folgen.

Kommt, er ſoll die Nimfen ſchieſſen.

Seht! er ſchießt ſchon. Laßt mich laufen.


[61]

Die geheime Sprache.


Wenn ich mich und meine Schoͤne

Mit der gelben Nelke kroͤne,

Wenn ich ihr mit Efen winke,

Und ihr zeige, wie ich trinke,

Wenn ich luſtig guter Dinge

Ihr vergnuͤgt entgegen ſpringe,

Wenn ich, da ich ihr begegne

Ihren vollen Buſen ſeegne,

Wenn ich ruf’: ich will im Garten

Bei der Sonnenblume warten,

Wenn ich ſie ins Thal begleite,

Weiß ſie ſchon was es bedeute;

Und weil wir uns fuͤrchten muͤſſen

Muß ſie’s nur alleine wiſſen.


[62]

Trinklied.


Seht den iungen Bacchus an!

Seht doch! wie er trinken kann;

Seht die Augen, die Geberden

Sollen unſre Muſter werden!

Wenn die Glaͤſer, voll von Wein

Aug’ und Herz und Geiſt erfreun.


Treue Bruͤder, laßt euch rathen,

Thut doch, was die Alten thaten,

Gebt Verdienſten ihren Lohn,

Kroͤnet dieſen Bacchusſohn;

Daß die Tugend auf der Erde,

Lieblich und erkennet werde.


Den die Weisheit ſichtbar ſchmuͤkkt,

Der ſich doch zum Bacchus ſchikkt,

Den man ſieht ſein Amt verwalten,

Und des Abends Piknik halten,

Der

[63] Der noch nie beſtrafet iſt,

Weil man ihn dabei vermißt;


Der noch keinen Trunk vermieden,

Der ſich ſelbſt darzu beſchieden,

Den kein voller Roͤmer ſchrekkt,

Dem der Wein am beſten ſchmekkt;

Der verdient zum rechten Lohne

Von den Bruͤdern eine Krone.


Bruͤder! ſeht den Bruder an,

Wie der Bruder trinken kann!

Unter allen Bacchusſoͤhnen

Muß man ihn zum Koͤnig kroͤnen,

Bruͤder, ia, er muß es ſeyn,

Seht! er ſchenkt ſchon wieder ein.


[64]

Der Sternſeher.


Des Abends funkeln Sterne;

Und iſt der Himmel helle:

So ſeh’ ich gern ihr Funkeln.

Doch ſeh’ ich meines Maͤdchens

Recht feuervolle Augen,

Zugleich im Fenſter funkeln:

So lenk ich ſchnell mein Auge

Vom Himmel nach dem Fenſter.

Da ſeh ich beßre Sterne;

Da ſchimmert meinen Augen,

Die allerſchoͤnſte Venus;

Da ſeh’ ich, in der Naͤhe,

Den Glanz der rechten Henne,

Und einen beſſern Wagen.


[65]

Auf den Tod einer Nachtigall
an
Herrn Naumann.


Singe! Meiſter ſtarker Lieder,

Singe! Preiß der Nachtigallen,

Singe! Liebling meines Freundes,

Die gewohnten Abendlieder.

Siehſt du nicht? die Spree wird dunkel,

Und es dient ihr helles Ufer

Keiner Schoͤnen mehr zum Spiegel;

Dennoch kommen ſie gepaaret,

Aus Verlangen dich zu hoͤren,

Oder doch aus Luſt zum Schatten.

Siehſt du nicht, du Freund des Schattens,

Siehſt du nicht die Sonne weichen?

Singe doch! ſie geht zur Ruhe;

Singe doch den Stern zu Grabe.

Vogel! nein, bei todten Graͤbern

Kannſt du deine Lieder ſparen.

Nein, du biſt kein Leichenſaͤnger.

Du beſchaͤm’ſt mit frohen Toͤnen

Tauſend Operſaͤngerinnen;

EDu
[66]
Du beſingſt nur Scherz und Liebe

Und das Volk im ſtillen Schatten,

Das fuͤr neue Leichen ſorget.

Soll ich meine Doris holen?

Oder ſoll mein Freund im Schatten

Eine Schaͤferinn verſoͤnen?

Nachtigall! dann wirſt du ſingen.

Aber wie? du biſt ſo ſtille.

Schlaͤfſt du? oder biſt du traurig?

Denn es regt ſich ia kein Fluͤgel.

Freund! du biſt noch nicht geſtorben,

Huͤpfe doch ſo frei, wie geſtern.

Sieh! dort geht dein Herr gepaaret,

Sieh doch! welchen Schatz er fuͤhret.

Wilſt du denn kein Brautlied ſingen?

Nachtigall! bald werd’ ich ſchelten.

Hoͤrſt du keine Kuͤſſe rauſchen?

Siehſt du keine Zaͤrtlichkeiten?

Keine Boten ſuͤſſer Freuden?

Keine Zeichen der Verliebten?

Stoͤre ſie mit lauten Toͤnen

In der Reihe des Vergnuͤgens.

Sage, wilſt du ſie nicht ſtoͤren?

Schweigſt du noch? hoͤr auf zu ſchweigen.

Schlage
[67]
Schlage, daß ſie ſich erſchrekken,

Staͤrker, wie die Abendglokke.

Hilft kein Bitten? Wilſt du trotzen?

Vogel! ſoll ich zornig werden?

Bald wird mich dein Schweigen aͤrgern.

Warte nur! man ſoll dich ſtrafen;

Denn dein Herrr ſoll auf mein Bitten

Dich von deiner Gattin trennen.

Hoͤre doch ihr zaͤrtlichs Girren.

Du, der ſtets die Liebe hoͤrte,

Wilſt du ſie denn ietzt nicht hoͤren?

Doris! komm nur mit der Kerze,

Daß die Daͤmm’rung ſich entferne;

Denn ich muß den Vogel ſehen,

Und du ſolſt ihn zu dir nehmen,

Und ihn meinem Freunde bringen,

Daß er ſeinen Trotz beſtrafe.

Vogel! wilſt du noch nicht ſingen?

Warte nur! dort kommt die Kerze,

Nette dich noch von der Strafe.

Siehſt du? Doris ſoll dich nehmen.

Nimm den trotzigen Gefang’nen,

Nimm ihn, Doris! bei den Fluͤgeln,

Und begleit ihn ſelbſt zur Strafe;

E 2Laß
[68]
Laß ihn ‒‒ Doris! welch ein Schrekken!

Siehſt du wol den armen Vogel?

Siehſt du wol? er iſt geſtorben.

Die betruͤbte Todtenfarbe

Dekkt den Schnabel und die Augen.

Muſt er denn ſo ſchnell erblaſſen?

Geſtern ſang er noch ſo munter.

Zwoͤlf gelehrte Stimmenkenner

Prieſen geſtern ſeine Stimme.

Unter ſeinen hellen Toͤnen

Klang kein Ton, wie Trauertoͤne.

Warum ſang er denn nicht traurig?

Wollt’ er etwa, wie ein Weiſer,

Seinem Tod entgegen ſcherzen?

Ja, er wollt’ es, dir zu gleichen,

Denn er war ein weiſer Vogel,

Und es iſt die Art der Weiſen,

Daß ſie leben, wenn ſie koͤnnen,

Daß ſie lachen, wenn ſie ſterben.

Warum ſah’ ich ihn nicht ſterben?

Seine letzten frohen Toͤne

Haͤtt’ ich, ſo wie ſie erſchallten,

Schnell auf Noten ſetzen wollen,

Daß du einſt mit ſeinem Liede,

Gleich,
[69]
Gleichfals meine Todesſtunde

Adeln und beſingen koͤnteſt;

Daß ich oft auf meiner Floͤte,

Nach den Kuͤſſen deines Mundes,

Mit den Toͤnen des Verſtorb’nen,

Tod und Gruft verlachen koͤnte.

Tod! als du den Vogel holteſt,

Sprich! ſcherzt er dir nicht entgegen?

Ja, er war gewohnt zu ſcherzen.

Er empfand Verdruß und Klagen,

Aber mitten unter Traͤnen,

Wenn verwaiſ’te Augen trau’rten,

Scherzten dennoch ſeine Toͤne,

Wie ſie, wenn die Freude lachte,

Froͤlich mit darunter ſcherzten.

O! wie bald, wie ſehr, wie ſehnend

Wird mein Freund den Vogel miſſen,

Wenn ſich keine frohe Lieder

Unter ſeine Scherze miſchen.

O! wie wird mein Freund ſich graͤmen,

O! wie wird er ſich erſchrekken,

Wenn er dieſe Leiche ſiehet.

Doris! ſieh’ ſie doch, die Leiche,

Kan ſie nicht dein Kuß erwekken?

E 3Kuͤß
[70]
Kuͤß ihn doch, den kleinen Todten,

Gib ihn her, ich will ihn kuͤſſen,

Und dann will ich ihn verbergen,

Daß mein Freund, im Klee, am Ufer,

Mitten unter Scherz und Kuͤſſen,

Keinen Todesfall erfahre.

O! wie wird mein Freund ſich graͤmen!

Waͤr ich doch kein Trauerbote!

O! wie wird in ienem Bauer

Die betruͤbte Gattin trauren!

Doris! komm, ich will ſie troͤſten.

Aber nein! ſie mag nur trauren,

Denn ich moͤgte bei dem Troͤſten

Auch an unſre Trennung denken;

Und wer wuͤrde mich denn troͤſten?

Engel! werde nur nicht traurig.

Schweig! ſonſt machen deine Traͤnen

Den Verluſt des Vogels groͤſſer.

Schweig! ſonſt ſchaͤtzen deine Traͤnen

Den Verluſt des beſten Saͤngers.

Doris! warlich dieſer Vogel

War der Preis der Nachtigallen,

War ihr beſter Virtuoſe.

Tauſend Operſaͤngerinnen,

Tauſend
[71]
Tauſend Haͤlſe halber Maͤnner

Solten ihn zu Grabe ſingen;

Denn er ſang ſo ſchoͤn, wie tauſend.

Macht Catull den Sperling ewig?

O! es muß ein beßrer Dichter

Dieſen Vogel ewig machen.

O! es muß ein beßrer Troͤſter

Meines Freundes Trauer tilgen.

Broks, der Herold ſeiner Bruͤder,

Broks ſoll ihm ein Grablied ſingen.


[72]

Der Regenbogen.


Bloͤder Schoͤnen blaſſe Wangen

Werden ſchnell vor Scham erroͤthet,

Wenn ſich bei der lieben Mutter

Ein erwuͤnſchter Braͤut’gam meldet;

Wenn ſie, auf Befehl der Mutter,

Seinen erſten Kuß empfinden,

Wird das holde Roth erhoͤhet,

Und dann gleicht es iungen Roſen.

Aber wenn ſie, ohne Mutter,

Kuͤſſen und ſich kuͤſſen laſſen,

Dann beſchaͤmt das Roth der Wangen

Alle Roſen, allen Purpur.

Laßt mir tauſend ſolche Wangen

Um den halben Himmel ſetzen;

Setzt ſie mir in runder Ordnung

Unter dieſen Regenbogen:

Ploͤtzlich ſoll er ſich verliehren,

Denn er ſoll dem Wangenbogen,

Wie der Mond der Sonnen weichen.


[73]

An Doris.


Kuͤnſtlerinn! wir kuͤnſteln beide,

Du kannſt ſtikken, ich kann malen.

Aber ſtikkſt du denn nur Blumen?

Kanſt du nicht mit goldnen Faden

Knaben oder Maͤdchen ſtikken?

Wag’ es nur, du wirſt es koͤnnen.

Aber erſtlich ſtikke Knaben.

Stikke ſolche, wie ich male,

Ohne Perlen, ohne Purpur,

Wie ſie ſich im Gruͤnen iagen,

Oder wie ſie ſich das Hemde

Vor den Augen bloͤder Nimfen

Vorwerts auf die Knie halten.

Sieh’ ſie ſelbſt, hier ſind im Buche

Zwanzig Knaben abgeſchildert,

Waͤhle dir den beſten Knaben,

Nimm den Loſen, der ſo laͤchelt,

Oder ienen, mit dem Bogen,

Der dich mit dem Pfeile drohet,

Nimm ſie nicht, hier ſind noch andre,

Sieh ſie an, und waͤhle ſelber,

Ich
[74]
Ich will ſehn, wie gut du waͤhleſt.

Dieſen Knaben wilſt du ſtikken?

Dieſen, der nach Kuͤſſen ſchmachtet?

Der halbnakkend ſich nicht ſchaͤmet?

Doris! dieſes bin ich ſelber.

Hat mein Pinſel mich getroffen?

Kennſt du mich an dieſen Zuͤgen?

Gut! du ſolſt mich ſelber ſtikken.

Aber erſt muſt du mich ſchildern.

Hoͤre nur, wir wollen tauſchen.

Ich will ſtikken, du ſolſt malen.

Hurtig gib mir Gold und Nadel,

Dieſe Roſe will ich enden;

Denn ſie wird in blauer Seide

Einſt auf deinem Buſen bluͤhen.

Unterdeß kanſt du mich malen,

Und ſobald du mich gemalet,

Solſt du das Gemaͤlde ſtikken.

Da! hier haſt du meine Farben!


[75]

Das Fehlbare.
An
Herrn ‒‒ ‒‒ ‒‒ ‒‒


Dir, Weisheit, bin ich gar nicht gut,

Du laͤßt mirs oft an Freuden fehlen;

Denn das, was man am liebſten thut,

Wilſt du ſo gleich zum Boͤſen zaͤlen.


Dich, Froͤmmigkeit, dich lieb ich zwar,

Doch! laß mich auch zuweilen fehlen;

Ich will mir ia durchs ganze Jahr

Den Fruͤhling nur dazu erwehlen.


Dich, liebes Gluͤkke, bet’ ich an,

Laß mirs an keinem Guten fehlen!

Nur laß mich, wenn ichs haben kan,

Mehr Neider, als Dukaten zaͤlen.


Wenn du mir, Liebe, guͤnſtig biſt,

So laß mir nicht Brunetten fehlen;

Wenn ich Brunetten gnug gekuͤßt,

So will ich denn Blondinen waͤhlen.

Es
[76]
Es fehlet mir des Ehſtands Quaal,

Ach moͤchte ſie nur immer fehlen;

So koͤnt ich einſt zur frohen Zahl

Der Tage auch die Naͤchte zaͤlen.


Ach ſeeliger Anakreon,

Ach daß uns deine Zeiten fehlen!

Den Vorteil wuͤnſcht ich mir davon,

Du ſolteſt mir ein Maͤdchen waͤhlen.


Doch! wenn gleich dieſer Kenner fehlt,

So ſoll mir doch die Wahl nicht fehlen.

Mein Freund, der iuͤngſt fuͤr ſich gewaͤhlt,

Soll auch fuͤr mich ein Maͤdchen waͤhlen.

Der Komet.


Freunde! ſeht den Schrekkpropheten.

Unter Millionen Sternen,

Die mir zum Vergnuͤgen funkeln,

Funkelt dieſer mir zum Schrekken;

Denn mir graut fuͤr ſeinem Schwanze.

Glaubt es nur, wie ich es glaube,

Glaubt
[77]
Glaubt es den Kometenkennern:

Dieſer Stern war einſt ein Koͤrper,

Welchen Engel oder Menſchen,

Fuͤr Tirannen oder Prieſter,

Schoͤn und fruchtbar machen muſten.

Jetzt verwuͤſtet ihn ſein Schoͤpfer

Aus Erbarmung oder Rache,

Jetzt verzehrt ihn Dampf und Feuer,

Und ſein Schwanz iſt voll Gewaͤſſer,

Und er weiß ihn zu eroͤfnen,

Und dann koͤnnen ſeine Fluten

Ganze Welten untertauchen,

Oder, wenn er uns beruͤhret,

Kann er mich und euch verbrennen,

Und dann koͤnnen wir im Brennen

Keine Bruͤderſchaften ſtiften.

Freunde! laßt uns Bruͤder werden,

Daß wir uns wie Bruͤder troͤſten,

Daß wir Bruder! ruffen koͤnnen,

Wenn wir brennen oder ſchwimmen.


[78]

Auf eine ſchwarze Lerche.


Lerche! mit dem ſchwarzen Kopfe,

Mit dem glaͤnzend ſchwarzen Schnabel,

Sage! biſt du nicht ein Haͤhnchen?

Deine freie Vogelmine

Iſt ſo maͤnnlich, wie die meine,

Und deshalb lobt dich mein Maͤdchen.

Sage! haſt du denn kein Weibgen?

Sind dir keine Kinder aͤhnlich?

Oder, haſt du keine Schweſtern?

Wo ſind deine Anverwandten?

Gleicht dein Vater dir an Farbe?

Oder, was hat ihn bewogen,

Daß er dich ſo ſchwarz gefaͤrbet?

Denn es gleicht dir ia kein Bruder.

Vogel! ſchaffe mir geſchwinde

Junge Lerchen, die dir gleichen;

Ja! du muſt dich gleich verlieben.

Sich! hier iſt fuͤr dich ein Weibgen.

Sieh!
[79]
Sieh! mein Maͤdchen ſoll dirs geben,

Nimms und ſchaffe mir Brunetten.

Ich will ſehn, ob deine Bruͤder

Ebenfals Brunetten lieben.

Maͤdchen, ſieh! er wird ſich paaren,

Maͤdchen, ſieh! er iſt kein Haͤhnchen.

Sieh! wie artig kan man irren!

Iſt dein Weibgen doch ein Haͤhnchen.

Gleicht dir doch mein Fruͤlingsbote,

An Geſchlecht, und Luſt, und Farbe

Wie er mir an Freiheit gleichet.

Da! ich ſchenk ihn dir den Vogel,

Unvergleichliche Brunette!

Lieb’ ihn, denn er iſt dir aͤhnlich.

Doris! ia, du kanſt ia malen,

Hurtig male mir den Vogel,

Mal’ ihn zwiſchen andre Lerchen,

Daß man ſieht, wie er ſich paaret.


[80]

Kaffee und Thee.


Es fragten mich einſt Maͤdchen

Mit braunen Augenbraunen:

Freund, warum trinkſt du Kaffee?

Da ſprach ich zu dem Maͤdchen:

Zur Ehre der Brunetten!

Dis ruͤhmten ſich die Braunen

Heut in der Kaffeeſtunde,

Als ſie den blonden Maͤdchen

Den Vorzug ſtreitig machten.

Sie zankten ſich beim Kaffee,

Und riefen mich zum Schlichten.

Komm! ſprach ein loſes Maͤdchen,

Und winkte mit dem Faͤcher,

Du haſt ja einſt geſungen,

Du koͤnteſt Haͤndel ſchlichten;

Nun ſchlicht auch unſre Haͤndel.

Doch, erſt muß ich dich fragen:

Warum trinkſt du den Kaffee?

Verraͤtriſche Brunette,

Es hoͤren mein Bekentniß

Die

[81] Die artigſten Blondinen,

Es hoͤrts die blonde Doris,

Allein ich darf nicht ſchweigen.

Ich ſprach, ſo bald ſie fragte:

Zur Ehre der Brunetten!

Und that den ſtillen Seufzer:

Minerva gib mir Weisheit.

Noch da ich alſo ſeufzte,

Bewegten ſich die Braunen

An allen Kaffeetiſchen,

Und klatſchten in die Haͤnde,

Und wieſen auf die Blonden,

Und machten ſtolzre Minen

Als Juno, da ſie herſchte.

Schnell trat ich zu den Blonden,

Und frug die blonde Doris:

Was iauchzen denn die Schoͤnen?

Da ſprach die Blonde ſpoͤttiſch:

„Du trinkeſt ia den Kaffee

„Zur Ehre der Brunetten.

Hier ſagt ich langſam wieder,

Was mir die weiſe Goͤttin

Unſichtbar heimlich ſagte:

FDen

[82] „Den braunen Trank der Tuͤrken

„Trink ich des Nachmittages

„Zur Ehre der Brunetten;

„Den weiſſen Trank der Seren,

„Den Thee, trink ich des Morgens

„Zur Ehre der Blondinen.

Schnell iauchzten alle Blonden,

Und klatſchten in die Haͤnde,

Und wieſen auf die Braunen,

Und ſpotteten der Minen

Des Vorzugs und des Stolzes.

Ich aber gab Minerven

Den Dank fuͤr ihre Weisheit,

Und ſchlich mich aus dem Zimmer,

Und ließ die Schoͤnen zanken.


[83]

Die Aerzte.


Durch den Anblikk holder Nimfen,

Durch die Wuͤrkung ſanfter Haͤnde,

Friſcher Wangen, ſchwarzer Augen

Senken ſich in Geiſt und Glieder

Neue Kraͤfte, neues Leben.

Wenn ich, voll von Schlafſucht, liege,

Darf mich nur Dorinde kuͤtzeln,

Ploͤtzlich hoͤr’ ich auf zu ſchlafen.

Wenn mir Kopf und Waugen ſchmerzen,

Darf ſie ſie nur einmal ſtreicheln,

Ploͤtzlich weichen alle Schmerzen.

Neulich raubte mir ein Fieber

Kraft und Luſt aus allen Nerven,

Und ich fieng ſchon an zu ſterben;

Aber Doris, meine Taube,

Strich, mit ſanften Liebeshaͤnden,

Alle halberſtorb’ne Glieder,

Und, indem ich ſterben wolte,

F 2Kuͤßte
[84]
Kuͤßte ſie zum Abſchiedsſeegen

Noch einmal die blaſſen Lippen,

Ploͤtzlich hoͤrt’ ich auf zu ſterben.

Ploͤtzlich flohen Brand und Fieber,

Ploͤtzlich ward ich froh und munter.

Zwanzig Stunden nach dem Kuſſe

Fuͤhlt’ ich ſchon in allen Gliedern

Neue Kraͤfte, neues Leben;

Und nach zwanzig andern Stunden

Hatt’ ich mir, mit neuen Kraͤften,

Schon die Lippen roth gekuͤſſet.

Doris! dein Geneſungsmittel

Hat den Beifall aller Aerzte;

Aber lehr es keinen Aerzten,

Spar es nur fuͤr meine Fieber,

Und verſchreib es keinen andern.

Deine Schweſtern kanſt du’s lehren.


[85]

Die Jugendluſt.


Laßt den alten Ehrenmann

Unſre Jugend ſchelten!

Weil er es nicht laſſen kann

Soll ers nicht entgelten.

Weiß er doch, worauf er ſchilt,

Was ihm ietzt ſo wenig gilt,

That er ſonſt nicht ſelten.


Iſt es denn nicht Zeit genung

Zu den bittern Klagen?

Alter! warum waͤr ich iung?

Etwa mich zu plagen?

Sprich nur, ob dein Herz nicht ſpricht:

Thu’ es erſt, wenn Muth gebricht,

In den alten Tagen.


Alter, ſchweig! ich weiß, ich bin

Auf dem rechten Wege.

Bruder, ſieh! mein froher Sinn

Iſt nicht faul noch traͤge.

Sieh! es macht kein Kummerſchweiß,

Nein, ein iugendlicher Fleiß

Dieſe Herzensſchlaͤge.

F 3Muͤtter
[86]
Muͤtter! hoͤrt dem Vater zu,

Hoͤret ſeine Lehren.

Bruder ‒ ‒ ‒ ‒ ich und du

Duͤrfen ſie nicht hoͤren.

Nimm das Glas, das Doris haͤlt.

Waͤre dis die beſte Welt,

Wenn wir muͤßig waͤren?


Bruder! ia, dich lehrt der Wein

Deine Weisheitsſpruͤche.

Koͤnt ich wohl dein Bruder ſeyn,

Wenn ich dir nicht gliche?

Nein, wir waͤren nicht geſcheut

Wenn ein Tropfen Lebenszeit

Ohne Luſt verſtriche.


Bruͤder! ruft die Warheit aus

Auf den Bacchusfeſten.

Und die bittet auf den Schmaus,

Waͤhlet die zu Gaͤſten,

Welche laͤngſt, wie wir, gewuſt,

Welten voller Jugendluſt

Sind die allerbeſten.


[87]

Die Bruͤderſchaft.


Laßt mich lachen, laßt mich ſcherzen,

Denn was hilft mir Gram und Sorge.

Weg, verdammter Schwarm der Grillen!

Weg, und ſchwaͤrme ſchnell und ſicher

Nach den Feinden meiner Freude.

Komm! du Stifter des Vergnuͤgens,

Komm! du Freund von Luſt und Bruͤdern,

Komm! es ſoll der Saft im Glaſe,

Den du aus den Trauben druͤkkeſt,

Grillen, Gram und Haß ertraͤnken.

Trinke mit, vergnuͤgter Vater,

Bringe mir don vollen Roͤmer,

Ich will ihn dem Nachbar bringen,

Und der Nachbar ſoll ihn nehmen

Und ihn andern Nachbarn bringen,

Bis ihn dir der letzte Nachbar

Voll und perlend wieder bringet.

Dann ſollt du von forne trinken,

Und dann werd ich wieder durſten,

Und ihn freudig wieder leeren,

Und, durch deinen Kuß berechtigt,

Werd’ ich mich zum Bruder trinken.

F 4Bruder
[88]
Bruder Weingott! ia, ich merke,

Ja, ich bin bereits dein Bruder.

Kuͤſſe mich, ich will dich kuͤſſen,

Daß ſich Treu und Bruderliebe

Durch den Bruderkuß verſtaͤrke.

Bruder, gnug! ſie iſt geſtaͤrket,

Laß mich nun die Bruͤder kuͤſſen.

Bruͤder! habt ihr keine Schweſtern?

Nun ſind ſie mir auch verſchwiſtert.

Holt ſie mir, ich will ſie kuͤſſen.


[[89]][[90]]
Notes
*
Auf dem Koͤniglichen Schloſſe in Berlin.
*
Eine Oper, von Herrn Graun componirt.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Holder of rights
Kolimo+

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TextGrid Repository (2025). Collection 3. Versuch in Scherzhaften Liedern. Versuch in Scherzhaften Liedern. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bp1v.0