Lumpacivagabundus,
Das liederliche Kleeblatt.
Zauberpoſſe
mit Geſang in drei Aufzügen,
Gedruckt und im Verlage bei J. B. Wallishauſſer.
[[2]][[3]]
Perſonen:
- Stellaris, Feenkönig.
- Fortuna, Beherrſcherin des Glückes, eine mächtige Fee.
- Brilliantine, ihre Tochter.
- Amoroſa, eine mächtige Fee, Beſchützerin der wahren
Liebe. - Myſtifax, ein alter Zauberer.
- Hilaris, ſein Sohn.
- Fludribus, Sohn eines Magiers.
- Lumpacivagabundus, ein böſer Geiſt.
- Leim, ein Tiſchlergeſell,
- Zwirn, ein Schneidergeſell,
- Knieriem, ein Schuſtergeſell,
- Pantſch, Wirth und Herbergsvater in Ulm.
- Faſſel, Oberknecht in einem Brauhauſe.
- Nannette, Tochter des Wirths.
- Sepherl,
- Hannerl,
- Ein Hauſirer.
- Ein Schuſtermeiſter.
- Ein Tiſchlergeſell.
- Erſter
- Zweiter
- Dritter
- Strudl, Gaſtwirth zum goldenen Nockerl in Wien.
- Hobelmann, Tiſchlermeiſter in Wien.
- Peppi, ſeine Tochter.
- Anaſtaſia Hobelmann, ſeine Nichte.
- Ein Fremder.
- Gertraud, Haushälterin in Hobelmanns Hauſe.
- Reſerl, Magd daſelbſt.
- Hackauf, Fleiſchermeiſter in Prag.
- Ein Maler.
- Erſter
- Zweiter
- Erſter
- Zweiter
- Herr von Windwachel.
- Herr von Lüftig.
- Herr von Papillon.
- Signora Palpiti.
- Camilla,
- Laura,
- Wirth
- Wirthin
- Ein Reiſender. (Stellaris.)
- Zauberer. Magier und ihre Söhne. Nymphen.
- Genien. Gäſte. Volk. Bauern.
- Handwerksleute verſchiedener Zünfte ꝛc. ꝛc.
vazirende
Handwerksburſchen.
Kellnerinnen.
Zunftmeiſter.
1 *
[[4]]
Bedienter
Geſelle
bei Zwirn.
ihre Töchter.
in einer Dorfſchenke unweit Wien.
und theils in Wien.
[[5]]
Erſter Aufzug.
Erſter Auftritt.
ſtifax, treten auf und ſtellen ſich im Halbkreis, jeder
führt einen erwachſenen Sohn an der Hand, dar-
unter Hilaris und Fludribus. — Stellaris
ſitzt auf dem Throne.)
Wir werden Euch ſchon Mores lehren,
Ihr liederlichen Burſche Ihr!
Was nun geſcheh’n wird, ſollt Ihr hören,
Der Feenkönig richtet hier.
Ihr kehrt im nächſten Augenblick
Zur Ordnung wiederum zurück.
Was verſammelt Euch ſo zahlreich an meines
Wohnſitzes gold’ner Pforte? Was verlangt Ihr
von mir?
Mächtiger Beherrſcher! wir flehen um Deine
[6] Hülfe. Es treibt ſich ein böſer Geiſt im Zauberlande
herum.
Wie heißt er?
Lumpacivagabundus.
Was that Euch dieſer böſe Geiſt?
Er hat ſich der Herzen unſerer Söhne bemäch-
tigt, und ſie vom Pfade der Ordnung gelockt. Sie
verabſcheuen jetzt jede Beſchäftigung, ſie ſpielen,
trinken, ſtürzen ſich in tolle Liebesabenteuer — mit
einem Wort, ſie ſind verloren, wenn Du den böſen
Geiſt nicht bannſt.
Lumpacivagabundus erſcheine!
grunde aus der Verſenkung.)
Zweiter Auftritt.
Da bin ich! Was ſteht zu Befehl?
[7]
Du biſt Lumpacivagabundus?
Der bin ich, und zugleich Beherrſcher des luſti-
gen Elends, Beſchützer der Spieler, Protektor der
Trinker ꝛc. ꝛc.; kurzum, ich bin ein Geiſt auſ’n F.
Verwegener! der Du’s wagteſt, in das Feen-
reich zu dringen, ich verbanne Dich von dieſem Au-
genblick auf ewige Zeit.
Ha, ha, ha, ha, ha!
Halt!
Haben mir Eu’r Herrlichkeit noch was zu ſagen?
Du haſt meinen Urtheilsſpruch mit Hohngeläch-
ter erwiedert?
Natürlich, weil er nichts nutzt. Ob ich da bin
oder nicht, dieſe jungen Herren bleiben auf alle Fäll’
meine getreuen Anhänger; denn meine Grundſätze
leben in ihnen fort.
[8]
Wie? Ihr ſeid nicht ernſtlich entſchloſſen, zur
Ordnung zurückzukehren?
Ich nehme im Namen meiner Kameraden das
Wort. Wir haben den größten Theil unſers Vermö-
gens durchgebracht, ob wir das Reſtel haben oder
nicht, das iſt uns gleichviel; darum wollen wir das
auch noch verjuxen.
Ja, wir wollen es verjuxen.
Entſetzlich!
Und wenn Ihr nichts mehr habt, was dann?
Dann machen wir Schulden.
Wir machen Schulden!
Und wenn Ihr nicht bezahlen könnt, was
dann?
Dann laſſen wir uns einſperren.
Ja, ja, wir laſſen uns einſperren.
[9]
Da gibt ſich hernach die Ordnung von ſelbſt.
Das ſind meine Grundſätze.
Was ſagen Euer Herrlichkeit nun dazu?
Wenn Ihr aber wieder bekämet, was Ihr lie-
derlicher Weiſe verpraßt habt, würdet Ihr dann or-
dentlich mit dem Eurigen haushalten?
Der macht uns wieder reich.
Ja, wenn wir wieder reich würden, würden
wir auch wieder brav.
Ja, dann würden wir brav.
Nun denn, Fortuna, nahe dich!
zuletzt Fortuna, ihr folgt ihre Tochter Brilliantine.)
Fortuna, dieſe jungen Männer haben ihr Ver-
[10] mögen vergeudet; gib ihnen den verlornen Reich-
thum wieder.
Beherrſcher des Feenreichs! befehlen laſſe ich
mir nichts, auch nicht von Dir: doch weil ich gerade
guter Laune bin
und Dir,
Elender, zum Trotze, mag es ſeyn.
Ich ſchütte mein Füllhorn über Euch.
Tauſend Dank!
Ha, ha, ha! das iſt zum Todtlachen! Durch
die Fortuna will Der mir meine Anhänger ent-
reißen! Da werden g’rad noch ärgere Lumpen d’raus.
Ich will aufrichtig ſeyn; Reichthum wird mich
nie beſſern.
Wie? Was? Mein Sohn, Du wärſt der In-
curabelſte von Allen?
Nur ein Mittel gibt’s, das mich feſthalten
wird auf dem Pfad der Tugend: es iſt Brillianti-
nens Hand.
Was?
[11]
Wir lieben uns.
Tochter!
Verzeihung, Mutter!
Den geb’ ich auf; die Andern alle aber ſind und
bleiben in meiner Macht.
Warum, Unhold?
Weil die Fee Fortuna nicht im Stand iſt, mir
einen Anhänger abwendig zu machen; aber Der,
de[r] ſteht unter dem Schutz mei-
ner größten Feindin, die mich einzig und allein
überall vertreibt.
Wer iſt die Fee, die mächtiger iſt als ich?
Amoroſa iſt’s, die Beſchützerin der wahren
Liebe.
Amoroſa!
mit zwei Genien hernieder.)
[12]
Sie naht ſchon, die Mächtige, die mir oft
meine fidelſten Brüderln entreißt. — Jetzt empfehl’
ich mich! Aber noch einmal, Madam Fortuna, Sie
fürcht’ ich nicht; denn was meine wahren Anhänger
ſind, die machen ſich nicht ſo viel aus Ihnen.
Kommt’s Glück einmal, ſo werfen ſie’s beim Fenſter
hinaus, und kommt’s zum zweitenmal, und will ſich
ihnen aufdringen auf eine dauerhafte Art, ſo treten
ſie’s mit Füßen. — So behandeln meine echten
Brüderln das Glück. — Gehorſamer Diener allerſeits.
Dritter Auftritt.
und ſich Fortunen nähernd).
Fortuna! ich vereine meine Bitte mit dem Fle-
hen dieſer Beiden, beſelige durch günſtigen Aus-
ſpruch zwei Herzen, die ſich der wahren Liebe geweiht.
Wie, Thörichte! Du hoffſt, ich werde mich Dei-
nem Wunſche fügen, in einem Augenblick, wo eben
ein frecher Unhold zu Deinen Gunſten mich erniedrig-
te, und Du mit ſtolzem Blick auf mich hernieder
[13] ſiehſt? Ich zerreiße das Band, das Du um dieſe
Herzen geſchlungen.
Weh’ uns!
Halt ein! Bedenk’ erſt, was Du ſprichſt. Des
Feenreiches unumſtößliche Geſetze erlauben Dir nicht,
Hilaris Antrag unbedingt zu verwerfen; nur eine
ſchwere Bedingung feſtzuſetzen, deren Erfüllung die
Liebenden trennt, deren Nichterfüllung aber ſie auf
immer vereint, nur dieß iſt Dir geſtattet.
Nun denn, ſo ſei’s. Ich will eine Bedingung
ſetzen, die zugleich jenen Frechen, der meine Macht
verſpottet, und glaubt, nur Du
ſeiſt
ihm gefährlich, das Gegentheil beweiſen ſoll. — Ich
wähle unter den Sterblichen drei ſeiner Anhänger,
lockere Geſellen, jedoch nur ſolche, welche ſchon der
Armuth drückend Los gefühlt. Dieſe will ich mit
Reichthum überſchütten; werfen ſie, wie er geſagt,
das Glück zum Fenſter hinaus, ſo dringe ich es ihnen
zum zweiten Male wieder auf; treten ſie es dann mit
Füßen, ſo erkenne ich mich als beſiegt, und Hilaris
werde meiner Tochter Gemahl; doch, wenn ſie, wie
kaum zu zweifeln iſt, das Glück mit Dank empfan-
gen, und aus Furcht vor neuer Dürftigkeit, mit
weiſer Mäßigung, es ſich für’s ganze Leben bewahren,
[14] und ich ſie ſo dem Lumpacivagabundus entreiße, dann
bin ich Siegerin, und Hilaris werde auf immer von
meiner Tochter getrennt.
Wohlan! Nur eines habe ich noch hinzu zu
ſetzen, es gilt für beide Theile gleich. — Gelingt es
Dir, dem Lumpacivagabundus von den drei lockeren
Geſellen auch nur Zweie zu entreißen, ſo haſt Du
ſchon gewonnen; treten hingegen auch nur Zwei von
ihnen das Glück mit Füßen, ſo haſt Du verloren.
Dieß beſchwöre hier vor meinem Thron.
zum Schwur).
Ich ſchwöre!
Dein Schwur iſt angenommen.
Und für die andern verlornen Söhne hier, iſt
keine Rettung aus den Krallen des Lumpacivagabun-
dus zu hoffen?
Nicht eher, als bis wahre Liebe in ihrem Her-
zen Eingang gefunden.
So leb’ denn wohl auf ewig! Unmöglich
[15] kann die Bedingung zu unſerm Beſten ſich er-
füllen.
Verzweifelt nicht, baut auf die Beſchützerin
wahrer Liebe.
So iſt in dunkler Zukunft Schoß
Verborgen unſ’rer Söhne Los.
hölzerne Bank unter einem Meilenzeiger.)
Vierter Auftritt.
lung auf).
Da wär’ ich beim Thor. Es iſt aber, ſo viel ich
merk’, eine ungefällige Stadt; denn wenn ſie gefäl-
lig wär’, ſo wär’ ſie mir auf halbem Weg entgegen
gekommen. Im Grund betracht, iſt’s a Schand, ich
bin ein ausgelernter Tiſchler, und es geh’n mir or-
dentlich d’Füß aus’n Leim. Iſt’s denn aber anders
möglich? Die Wirth auf der Straßen haben ja Her-
zen, ſo hart als ein Aſt in ein buchsbaumenen Pfo-
[16] ſten. Woher kommt das aber? Weil die Leut keine
Bildung haben auf’n Land. Und warum haben’s
auf’n Land keine Bildung? Weil’s lauter eichene
Möbeln haben, d’rum kennt das Volk keine Politur;
und wer keine Politur kennt iſt ein Socius. — Jetzt
will ich halt a biſſel ausraſten da, und nachher um
d’Herberg frag’n.
riem, ein Ränzchen auf dem Rücken, tritt auf.)
Es kommen d’Stern, es wird ſchon ſpat,
Zeit is, daß’s einmal da is d’Stadt,
Ich brauch’ ein Guld’n jetzt zum verhau’n,
Da muß i gleich zum Fechten ſchau’n.
Und wie i ein Guld’n z’ſammbettelt hab’,
Da laßt’s mir drei Maß Bier hinab,
A drei Maß Bier laßt’s mir hinab.
Mein Rauſch hab i Jahr aus Jahr ein,
Es wird doch heut kein Ausnahm ſeyn.
Seite ein, er iſt abgeſchaben, aber dennoch ſo viel
wie möglich geputzt, und trägt ebenfalls den Wan-
derbündel auf dem Rücken.
D’Stadt iſt in der Näh’,
D’rum ſchrei’ ich Juheh!
Juheh! Juheh! Juheh!
[17] Wer d’Madeln gern hat,
Find’t g’nug in der Stadt,
Juheh! find’t g’nug in der Stadt.
Blauer Montag is alle Tag,
Darum laß ich nicht nach,
Bis die Sonn’ morgen ſcheint,
Grad’ ſo lang’ tanz i heunt;
Ich tanz mir doch nit gnu,
Darum gib ich kein Ruh’,
Spring wie a Gas in d’Höh,
Und ſchrei Juheh!
Was ſitzen denn da für ein paar Maner?
Ich bin ein Tiſchler.
Und i bin a Schuſter.
Seid’s ös ſchon ſo weit gangen heut, daß’s ſo
müd ſeid’s.
Das juſt nit, aber mit’n Eſſen hat’s ſchlecht
ausg’ſchaut. Ich hab’ nit mehr als zwei Meilen
g’macht.
Und ich hab’ mir eine halbe Stund von hier
ein Rauſch ausg’ſchlafen, das war aber ſchon ein
Millionhaarbeutel das — und was hab’ i trunken?
[18] Neun halbe Bier; aber ſeit dem letzten Kometen
greift mich Alles ſo an.
Pfui Teuxel! Schamt’s Euch nit? Auf ſo ein
Trümmerl Weg raſten’s aus! Ich geh’ heut’ ſchon
meine drei Stationen, und kann den Augenblick nit
erwarten, wo ich zum Tanzen komm.
Hör auf, Brüderl, Du ſchneid’ſt auf. Ich bin
g’wiß nit ſchlecht auf die Füß; aber drei Stationen
geh’n, und noch tanzen woll’n, das is g’log’n.
Jetzt ſchaun wir halt, daß wir g’ſchwind auf d’Her-
berg kommen.
Ich hab einen enormen Durſt.
Zuerſt geh’n wir fechten.
Euer Gnaden, ein armer reiſender Handwerksburſch
bitt gar ſchön um a biſſel was auf a Muſik; nachher
wird’s ein Leben werden heut Nacht.
Fidel muß’s zugeh’n.
Ich dudl mir heut ein’ an, wie ich ſeit’n letzten
Kometen kein g’habt hab’.
Alſo friſch in die Stadt marſchirt.
[19]
Wir wollen in die Stadt marſchiren,
Und d [...]innen unſer Glück probiren.
Der Weg wird uns zur Herberg führen,
In der Herberg nacher da gehts an.
Was uns ’s Fechten g’winnt,
Durch die Gurgel rinnt,
Und is All’s verthan,
Liegt uns a nix dran;
Darum nicht lange ſpekuliren,
In der Herberg zeigt ſich was man kann.
Fünfter Auftritt.
werksburſchen von verſchiedenen Profeſſionen.
Pantſch. Nannett. Sepherl. Hannerl. —
Dann Zwirn, Leim und Knieriem.
zen ſie mit Hannerl und Sepherl, Faſſel tanzt mit Nan-
netten.)
Vivat! der Herr Beſtgeber ſoll leben!
[20]
Ein Glas her!
Tanz eine Flaſche.)
Die ganze Geſellſchaft Vivat!
Erde, und tanzt weiter.)
Halloh! da hab’ ich a Muſik g’hört!
Herr Vater! a Halbe, G’miſchts.
Mir eine Halbe, und eine Portion Niernd’ln.
Wie ſchaffen Sie’s denn?
Mit Semmelbröſeln oder mit Sagſchaten, das
iſt ein hungerigen Tiſchler alles eins.
Da ſeyn acht Groſchen, jetzt machts mir einen
ſaubern Walzer auf.
Das iſt ein fideler Kerl.
Sie erlauben ſchon eine Tour. Nannette auffor-
[21] dernd.) Mein Fräulein, darf ich ſo frei ſeyn?
geheure Fußtriller.)
Ah wart, Schneider, du ſollſt mich nicht
ſpotten.
und tanzt mit ihr ein paarmal herum, endlich ſieht er ei-
nen Handwerksburſchen ſehr ärmlich und traurig da ſitzen
— er hört zu tanzen auf, und ſagt zu ihm)
Ich glaube
gar, das iſt ein Tiſchler?
Ja leider!
Wo fehlt’s denn?
Ueberall.
Mir auch; aber wer wird denn deßwegen trau-
rig ſeyn? — Heda! Eing’ſchenkt da für den eine
Halbe Wein auf meine Rechnung.
Nix, das laß ich nit angehn, heut geht Alles
aus mein Sack. Ich hab’ tauſend Thaler g’wonnen
in der Lotterie, heut traktir ich ganz allein.
Tauſend Thaler? — A Halbe G’miſcht’s!
[22]
Ah ſchön! da werd’n wir ſchon ſo frei ſeyn,
und werden’s uns ſchmecken laſſen.
Das wird ſchon ein ſchön’s Glück ſeyn; wenn
ich das hätt, ich ſetzet mich gar nicht mehr nieder,
da gings alleweil a ſo.
Ah verdammt!
ich hab’ mir den rechten Wadel überſtaucht — ich
muß mich ſchon niederſetzen.
Warum ſetzt’s Euch denn nicht zu unſerm Tiſch,
Kameraden?
Mit Verlaub.
Noch ein G’miſcht’s!
leere Zimment, und ſetzt ſich ebenfalls an dieſen Tiſch.)
Ein ſchlechter Zeitpunkt war’s halt doch, jetzt was
z’gwinnen.
Warum?
Weil man’s nicht mehr anbringen kann. Auf’s
Jahr kommt der neue Komet, der die Welt z’Grund
richt, nacher iſt der Herr Pfutſch mit ſammt ſein
Treffer.
[23]
Red nit ſo dumm, gar nichts g’ſchieht, mir
hat’s ein Profeſſor g’ſagt.
Ich werd’s doch beſſer verſteh’n als ein Pro-
feſſor? Ich hab die Aſtronomie aus’n Büchel g’lernt,
und mach’ alleweil meine Beobachtungen, wenn ich
ham geh in der Nacht.
Ja, wenn Du beſoffen biſt.
Mit’n Tanzen iſt’s heut ſchon Feierabend bei mir.
So ſingen wir eins, weil wir ſo in carita-
tibus beiſammen ſitzen.
Gut is! Ich hab’ ein ſuperbes Lied g’macht.
Heraus damit!
[Des] müßt’s aber Alle mitſingen. Der Text iſt
von mir nach einer Rittergeſchichte frei bearbeitet.
Das is recht. O ich hab’ die romantiſchen Sa-
chen ſo gern.
[24]
Schaut’s mir auf’s Maul, und ſingts Alle mit
mir zugleich.
Eduard und Kunigunde,
Kunigunde und Eduard,
Eduard und Kunigunde
Kunigunde und Eduard.
Eduard und Kunigunde,
Kunigunde und Eduard.
Das iſt wirklich einzig.
Ordentlich rührend.
Ein G’miſcht’s! — Alſo jetzt ſingen wir die
zweite Strophe, die is noch ſchöner.
Eduard und Kunigunde,
Kunigunde und Eduard,
Eduard und Ku —
Hörts auf! Das is ja allweil ’s Nämliche.
Ihr wißt nicht, was ſchön iſt.
[25]
Halt! Ich weiß was ſchön iſt. Wir ziehen Alle
da in’s Kaffeehaus hinüber, und ich zahl dort ein
Jeden ein Glaſel Punſch. Wer mitgehn will, geht
mit. He, Muſikanten! Aufgrebellt!
Siebenter Auftritt.
Kellnerinnen.
Dem ſähet man’s auch nicht an, daß er tauſend
Thaler gewonnen hat.
Warum? er ſchaut dumm genug aus.
Wer iſt er denn?
Der Oberknecht in der Bräuerei da darneben.
Da haben wir’s, ſo ungebildetes Volk hat ein
Glück. Ein Schneider gewinnt in ſeinem Leben nichts.
Ich bin ihm d’rum gar nicht neidig, ich dank
2
[26] Gott, daß ich die tauſend Thaler nicht g’won-
nen hab’.
Iſt der Herr verruckt?
Könnt’s nit ſagen. Morgen Vormittag iſt die
Hauptziehung, da gewinnt man hunderttauſend
Thaler, und das wär’ ſo meine Paſſion.
Na, die Paſſion wär’ freilich nicht ſchlecht.
Ich g’winn’s auch; denn meiner Frau Ahnl hat
ja ’s Nummero traumt.
Ah, nachher iſt’s ſchon g’wiß. — Weil aber der
Herr heut noch kein Kapitaliſt iſt, ſo macht’s uns
ein Stroh herein, daß wir uns niederlegen; es wird
ſo bald Tag.
Recht gern. O mich macht’s Glück nicht ſtolz.
He! laßt’s Stroh bringen.
Das iſt ein recht ein rarer Mann der Wirth,
er iſt gar nicht ſtolz auf den Treffer, der noch gar
nicht gezogen iſt.
[27]
Hunderttauſend Thaler! das gibt über eine
Million Maß G’miſcht’s — die kann der Menſch
nicht verſaufen, mit’n beſten Willen nicht. —
Schuſter, Du biſt ein gemeiner Kerl.
Du Schneider, trau mir nicht!
Seid’s ruhig — ſchamt’s Euch. — Schaut’s,
wenn ich mir’s recht überleg, glücklich — ſo was
man ſagt, recht glücklich, machet mich halt doch
das viele Geld nicht, wenn nicht noch etwas dabei
wär’ —
ein Etwas —
Da biſt Du ein Nimmerſatt.
Aber merkſt denn nicht, er iſt ja verliebt.
Schwachheit.
Ja wohl Schwachheit, in meiner Gegenwart
von Madeln und Verliebtſeyn ſprechen. Da müßt’s
mich erzählen laſſen, ich könnt Euch meine Amouren
Bataillonweis aufmarſchiren laſſen.
2 *
[28]
Ich war nur in ein Einzige verliebt.
In eine Einzige? Brüderl, das iſt ja gar nicht
der Müh’ werth, daß man davon redt. Wie ich in
der Lehr war, war ich ſchon in Zehne verliebt. Mein
erſter Meiſter, zu dem ich als G’ſell kommen bin,
hat ein ſchön’s jung’s Weiberl g’habt, das Weiberl
hat mir g’fallen, und ich ihr auch, denn ich war da-
mals ein ſehr ein liebenswürdiger Jüngling. —
Einmal gibt mir das Weiberl ein Buſſel, da kommt
der Meiſter dazu, und der Eſel halt ſich drüber auf,
daß mir ſein Weib ein Buſſel geb’n hat, und jagt
mich auf der Stell davon. — Mein zweiter Meiſter
hat fünf Töchter g’habt — das waren Zwilling — da
war ich Dir aber in alle fünfe zugleich verliebt. —
Einmal haben wir Pfänder g’ſpielt — no Du weißt,
das geht auch mit’n Buſſelgeben aus —
Allemal.
Wie wir die Pfänder ausg’löst haben, kommt
der Meiſter dazu — der geht her, gibt mir für eine
jede Tochter zwei Watſchen, und jagt mich fort.
Zwei Watſchen? Das iſt zu viel.
[29]
Nicht wahr? Ich wär’ ja hinlänglich zufrieden
geweſen, wenn er mir für eine jede Tochter eine
Watſchen gegeben hätte, aber zwei Watſchen, das
iſt ja ein offenbarer Luxus. — Mein dritter Mei-
ſter, der hat ein G’ſchwiſterkind g’habt von 21 Jah-
ren — aber hörſt, Schuſter, ſo ein ſchönes G’ſchwi-
ſterkind hab’ ich in meinem ganzen Leben nit g’ſehn.
Da hab’ ich aber hernach eine ſaubere Köchin kennen
g’lernt, mit der bin ich durchgangen, und ’s G’ſchwi-
ſterkind hab’ ich ſitzen laſſen.
Meine G’ſchicht iſt nicht ſo lang, aber äußerſt
tragiſch. Erſtens iſt mir meine Profeſſion z’wider,
ich hab’ nur Sinn für die Aſtronomie — und
dann hab’ ich nichts als unverſchuldete Unglücksfälle
g’habt. — In Budweis hab’ ich mein Meiſter
g’haut.
Warum denn?
Weil ich ein Rauſch g’habt hab’, alſo kann ich
nix davor. In Altbrünn hätt’ ich bald ein Lehrbu-
ben zerriſſen.
So was iſt aber auch abſcheulich.
Aber was ſoll denn ein zerriſſener Lehrbub an-
[30] fangen? Und gar ein Schuſterlehrbub — kann es
denn etwas Zarteres geben als einen Schuſterbuben?
Ich hab’ damals einen unſinnigen Haarbeutel
g’habt, alſo kann ich nix davor. Ich ſag’ Euch, ich
hab ſchon ſo viel Malheur g’habt, und allzeit durch
meine Räuſch. Wann ich mir meinen Verdruß nit
verſaufet, ich müßt mich g’rad aus Verzweiflung
dem Trunk ergeben.
die Schlafſtellen.)
Sie, machens mir mein Bett etwas in Ent-
fernung von den Andern, denn ich ſchlag furchtbar
herum bei der Nacht.
Warum denn?
Das iſt alles mein Herzenskummer. Ihr wer-
det mir’s nicht glauben — ich ſeh’ einem luſtigen
Kerl gleich, aber das is Alles nur auswendig, inn-
wendig ſchaut’s famos aus bei mir. Wie ich trink,
glaub’ ich, ein jeder Tropfen iſt Gift — wie ich
iß, ſo ißt der Tod mit mir — wenn ich ſpring
und tanz, ſo iſt mir inwendig, als wenn ich mit
meiner Leich’ ging — wie ich ein Kameraden ſeh’,
der nix hat, ſo gib ich ihm gleich Alles, obwohl ich
[31] ſelbſt nix hab’, und das bloß, weil ich in Gedanken
alleweil mein Teſtament mach’.
Ja, Brüderl, wer iſt denn Deine Geliebte,
daß ſie Dich gar ſo enderiſch macht?
Sie iſt eine Tiſchlermeiſteriſche.
Hat’s Laſchi?
Was? —
Knöpf.
Wie? —
Nein, nein — er fragt, ob ſie Batzen hat.
Geld? — Freilich hat’s Geld. Sie iſt die Toch-
ter vom reichen Meiſter Hobelmann in Wien.
Von dem? — Schuſter, den reichen Tiſchler-
meiſter Hobelmann mußt ja kennen.
Ich bin ein Schuſter, was geht mich ein Tiſch-
ler an. Beleidigt’s mich nicht!
[32]
Wart, ich werd’ Dir gleich d’raufhelfen. Der
reiche Tiſchler Hobelmann logirt in — — in Wien
logirt er. — Du kennſt den reichen Tiſchler Hobel-
mann nicht?
Nein.
Ich kenn’ ihn auch nicht.
Da weiß ich Dir ein Rath, ſchau daß Du’s
kriegſt.
Das hätt’ ich ſelber g’wußt; aber da iſt’s zu
mit’n kriegen, ich glaub’ es hat’s ſchon ein Anderer.
So nimm Du Dir auch eine Andere.
Das bring’ ich nicht über’s Herz. O meine
Peppi!
Ja, mag ſie Dich, oder mag ſie Dich nicht?
Das iſt’s eben was ich nicht weiß. Ich hab’ drei
Jahr bei ihrem Vater gearbeitet —
Und weißt nicht, ob Dich ’s Madel mag? —
Tiſchler, Du haſt ja Hobelſchatten im Kopf?
[33]
Der Vater iſt reich, er lebt in Pracht und
Herrlichkeit, er war zwar ſelbſt immer beim Geſchäft,
aber die Tochter haben wir Geſellen kaum alle Mo-
nat einmal zu ſehen kriegt. Einmal bringt meine
himmliſche Peppi ihrem Vater eine Schale Kaffee in
die Werkſtatt — ich ſchau ſie zärtlich an, ſie laßt
ihre Blicke auf mich, und die Schalen auf die Erd
fallen — der Vater, der gähzornigſte Patron von
der Welt, wirft’s Stemmeiſen auf ſie — ich erſeh’
das, halt mich vor, und das Stemmeiſen fahrt mir
zolltief in die Achſel hinein.
Ah Spectakel!
Haſt’n nit g’haut den Alten? — Wann mir
das g’ſchehn wär!
Warum nicht gar! Ich bin umg’fallen, und
wie ich wieder zu mir kommen bin, war der Alte und
die Peppi bei meinem Bett. Der Alte hat g’ſagt,
ich möcht’ das nicht übel nehmen, es war nicht ſo
bös gemeint.
Bedank mich.
Es wird Sein Schaden nicht ſeyn, hat er g’ſagt,
[34] Er hat meiner Tochter das Leben gerettet; bis Er wie-
der geſund iſt, wollen wir weiter reden über Sein
künftiges Glück.
zerriſſenen Tüchel den Kopf eingebunden, ſich auf das
Stroh gelegt.)
Ein paar Wochen darauf, wie ich
ſchon wieder hergeſtellt war, hör’ ich auf einmal,
der dicke reiche Strudl, der Wirth vom goldenen
Nockerl, heirath — ich frag’ wem? ſo heißt’s: die
Hobelmanniſche. — Das hat mir den Gnadenſtoß
geben; denn der Meiſter Hobelmann hat keine an-
dere Tochter g’habt, als meine Peppi.
Na, da wirſt aber doch aus Verzweiflung
g’redt hab’n?
Nein — es war g’rad Samſtag, der Meiſter
hat uns auszahlt — da bin ich den andern Tag in
der Fruh aufg’ſtanden, hab’ auf ein Zettel g’ſchrie-
ben: »Adieu Peppi, aus Bosheit heirath ich jetzt
auch« — und dann bin ich fort über Berg und
Thal, ohne b’hüt dich Gott und ohne Allem; und
ſo flankir ich jetzt ſchon über zwei Jahr in der
Welt herum.
Ich hätt’ den Alten und den Wirth g’haut,
und ’s Mädel hätt’ ich g’heirath.
[35]
Mit mir iſt’s aus, ich hab’ nichts mehr zu
hoffen. Ich lauf halt ſo mit, ſo lang’s ſeyn muß.
Und ich ſauf halt ſo mit, ſo lang’s geht.
den Rock aus.)
Ich hätt’ jetzt ein Guſto zu aſtrono-
miſchen Beobachtungen; denn mich hat’s G’miſchte
ein wenig duslich g’macht.
Ich hab’ ſchon ſeit ein paar Jahren kein Schlaf
mehr.
Werd’s nit bald ſtill ſeyn?
Peppi — Pep — pi —
Noch — ein — G’miſchtes — denn der Komet —
Nach einer Weile theilen ſich die Wolken, Fortuna
wird ſichtbar mit einem Füllhorn, daraus kommt die
transparente Zahl 7359. — Der Schlaf der drei Geſel-
len wird unruhig. Die Wolken erheben ſich wieder.)
[36]
Ah — ah —
Das war ein kurioſer
Traum — 7359. — Wenn ich’s nur nicht vergiß. —
Ah, ich merk’ mir’s ſchon bis morgen.
ſchlafen.)
Es laßt mir keine Ruh’, ich muß — He,
Schneider! Schneider! — Der ſchlaft feſt. —
Landsmann!
Was iſt’s denn?
Haſt keine Kreiden?
Ich glaub’ nit. — Zu was denn?
Mir hat ein Nummero traumt.
Ein Nummero hat Dir traumt?
Ja. Nro. 7359.
Und mir hat auch ein Nummero traumt —
es war Nro. 7359.
Was? das nämliche Nummero? — Bruder,
[37] das hat was zu bedeuten. Nur g’ſchwind aufg’ſchrie-
ben.
Heda! Aufg’macht! Aufg’macht!
Achter Auftritt.
Maurer, Zimmerleute, Marktweiber ꝛc.
Ich komm ſchon!
Gar keine Ruh’ hat man!
Kellnerin! bring Sie mir ein Spiegel und
ein Köllnerwaſſer.
Vor drei Uhr kommt man in kein Bett, und
um halber Sechſe ſoll man ſchon wieder auf’n Füßen
ſeyn.
Unglückliche! was haſt Du gethan?
[38]
Was ſeyn denn das für Dummheiten?
tzen ſich an die Tiſche.)
Schneider, da ſchau her, ’s Nummero hat ſie
ausg’wiſcht.
Wär nicht übel! —
Sie iſt ei-
ne unüberlegte Perſon, ein von der Natur vernach-
läſſigtes Geſchöpf.
Weißt Du das Nummero noch?
Freilich weiß ich’s. Schreib auf das Nummero.
Es war 87 Tauſend —
Das war’s nicht.
Aber hör’ der Herr, ſchlaft man denn bis Mit-
tag? Sieht Er den nicht, daß ſchon wieder Gäſt
da ſeyn?
Sieben tauſend — drei hundert — neun und
fufzig.
[39]
Brüderl was haſt g’ſagt?
Mir war im Traum, als wenn in einem gan-
zen Nebel von G’miſchten — iſt auf einmal erſchie-
nen — Nr. 7359.
Nein, das geht nicht natürlich zu, alle Drei
den nämlichen Traum!
Auf d’Letzt iſt uns gar das Glück beſtimmt.
Wie können wir denn was g’winnen, wenn
wir kein Los haben?
Wenn’s Glück will, braucht man kein Los.
Neunter Auftritt.
ſind, eintretend).
Guten Morgen allerſeits. Kaufen die Herren
Hoſenträger, Brieftaſchen, Pfeifenröhr’ln, Tabaks-
[40] beuteln — auch noch einige Lotterieloſe hab’ ich —
die Ziehung geht ſchon in einer Stunde vor ſich.
Kaufen Sie, vielleicht gewinnen Sie heut das gro-
ße Los, probiren Sie Ihr Glück.
Laß anſchau’n, was ſeyn’s denn für Nummern?
Nr. 439.
Das kann ich nicht brauchen.
Nr. 8521.
Das iſt ein alt’s Nummero.
Nr. 7359.
Der hat unſer Nummero!
Frag ihn, was’s koſt’t.
Was koſt’t das Los?
Sechs Gulden Silber.
[41]
Sechs Gulden Silber hat er g’ſagt.
Das bringen wir nit z’ſamm. — Wißt’s was
wir thun? — Schlag’n wir’n todt.
Ah, wer wird denn ſo grob ſeyn? Ein Men-
ſchen, den wir ’s erſtemal ſeh’n — wir wurden aus-
g’richt.
Ja, hing’richt wurden wir. — Ich hab da in
mein Bruſtfleck ein Thaler eing’naht.
Ich hab’ auch ſechs neue Zwanziger.
Da ſeyn fünf Zwanziger — und zwei Zehnerln.
Na, wie iſt’s? kaufens die Herren?
Da iſt ein Thaler vom Schuſter — und da
ſeyn ſechs neue Zwanziger von mir.
Der Thaler iſt von mir, daß keine Irrung
g’ſchieht.
[42]
Der Thaler iſt vom Schuſter — und die ſechs
Zwanziger ſeyn vom Tiſchler.
Ja, wo iſt denn der Thaler?
Der Thaler iſt von mir.
Da hab’ ich ihn hergelegt.
Er iſt aber nicht da.
Du haſt g’ſehn, daß ich den Thaler da her
g’legt hab.
Ja — ja — der Thaler iſt eh’nder da g’leg’n.
Aber wo iſt er denn jetzt?
Wo er jetzt iſt, wollen’s wiſſen? — Eh’nder
iſt er da g’leg’n
Wo er aber jetzt iſt?
[43]
Eh’nder iſt er da g’leg’n, und jetzt —
den Thaler aus der Taſche)
iſt er da.
Aber Schneider!
Wenn wir ’s Geld allein hätten, ſo därfet er
gar nit mit ſetzen.
Nur nit kindiſch — ich hab den Thaler nur
wechſeln woll’n.
Ja, Du biſt der, der ’s Geld wechſelt.
Alſo, da iſt der Thaler vom Schuſter — da
da ſeyn die ſechs Zwanziger von mir — und da
ſeyn fünf Zwanziger und zwei Zehnerln vom Schnei-
der. — Jetzt her mit’n Los.
Da haben Sie’s. Ich wünſch, daß Sie damit
gewinnen. Schaffens ein Andermal.
[44]
Zehnter Auftritt.
Das iſt ſtark, wie ich’s Geld ſo hinauswerfen
könnt!
Das wird ſich kurios rentiren.
Aber Sie reden ja ſchon wieder d’rein?
Um wie viel Uhr iſt denn die Ziehung?
Gleich nach ſechs Uhr fangt’s an, grad da drü-
ben, und dauert den ganzen Tag.
Was trommelns denn?
Die Ziehung geht ſchon los.
Weiß man nicht, wer’s g’winnt?
Gewiß wieder Einer der’s nicht braucht.
[45]
Das könnt’ man von uns nicht ſagen, wenn
wir’s gewinneten.
Was machſt denn Du wieder für trübſelige Fa-
xen? Das ärgert mich von Dir.
Meine Peppi iſt mir eing’fallen.
Aber es macht nur ein Bremsler, ’s iſt gleich vorbei.
Eilfter Auftritt.
Das iſt entſetzlich!
Was iſt’s denn?
Das iſt unbegreiflich! Ich hab den Haupttref-
fer nicht.
Iſt er ſchon da?
[46]
Auf’n erſten Zug war er heraus. Nr. 7359.
Mich trifft der Schlag!
Was iſt denn das? Zu Hülf!
Den Treffer haben wir! Den Treffer haben
wir! Juheh!
Was? Nicht möglich!
Da iſt’s Los, was wir grad kauft haben. —
Wir wollen uns luſtig machen. Alle Tiſchler von
der ganzen Stadt ſind eingeladen.
Herr Wirth! alle Schuſter vom ganzen Land.
Alle Schneider von der ganzen Welt!
Juheh! Juheh! Juheh!
[47]
Jetzt ſagt’s mir aber, Kameraden, was fangen
wir mit unſerm Reichthum an? Ich hab’ meinen
Plan.
O ich auch. Aber nur nobel!
Ich hab’ ganz eine eigene Idee.
Ich reiſ’ nach Wien morgen in aller Früh;
find’ ich meine Peppi noch ledig, ſo bin ich der
glücklichſte Menſch auf der Welt; iſt ſie verheirathet,
dann nutzt mich mein ganzer Reichthum nichts —
da geh’ ich dann nach Haus, bau ein Spital für
unglückliche Tiſchlergeſellen, und da leg’ ich zuerſt
mich ſelber hinein, und ſtirb auch d’rin.
Nein, dieſer Plan iſt mir zu traurig. Ich
werde von nun an mehr Don Juan, als Schnei-
der ſeyn.
Und ich hab’ keine Leidenſchaft, als die Aſtro-
nomie, d’rum g’wöhn’ ich mir’s Bierſaufen ab, und
verleg mich von heut an bloß auf’n Wein. Auf’s
Jahr geht ſo die Welt zu Grund, da zieh’ ich halt
[48] heuer noch von einen Weinkeller in den andern her-
um, und führ’ ſo ein zufried’nes, häusliches Leben.
Mir iſt leid, daß wir auf die Art nicht bei-
ſammen bleiben können.
Wir haben Jeder unſre apparte Paſſion.
Auseinander müſſen wir.
Aber, wie Einer vom Andern hört, daß er im
Unglück iſt —
Von Unglück iſt gar keine Red’ nicht, wenn
der Menſch einen Treffer macht.
Wenn’s halt aber doch der Fall iſt, ſo wollen
wir Einer dem Andern beiſteh’n.
Die Hand d’rauf!
Gilt allemal.
Und heut über’s Jahr, am heutigen Tag, an
dem Gedächtnißtag unſers Glücks, kommen wir alle
Drei in W’ien zuſammen beim Meiſter Hobelmann,
[49] dort bin ich entweder glücklich, oder Ihr erfahrt
wo ich in meinem Unglück zu finden bin.
Gilt detto.
Wir gratuliren!
Danke, danke! — Herr Wirth!
Euer Gnaden!
Wir geben eine Tafel bei Ihm.
Euer Excellenz —
Heute iſt bei mir balparée.
Euer Durchlaucht — mein Saal in der Vor-
ſtadt hab’ ich auf’s Prächtigſte neu arrangiren laſ-
ſen, es kann alle Stund der Ball anfangen.
Und jetzt aufgrebellt, Muſikanten! Jetzt mar-
ſchiren wir im Zug zu der Ausſpielung, um unſer
Geld z’holen, und nachdem geht’s gleich ans Eſſen,
Trinken und Tanzen bis morgen Fruh.
3
[50]
[51]
Zweiter Aufzug.
in Wien vor. Mittel- und Seitenthüren.)
Erſter Auftritt.
Hat wirklich eine ſchöne Werkſtätte, der Mei-
ſter Hobelmann.
Dialect).
Euer Gnaden, ich hab’s dem Meiſter Hobel-
mann ſchon geſagt, er wird gleich da ſeyn. Da kommt
er ſchon.
Zweiter Auftritt.
Unterthänigſter Diener, Euer Gnaden. Mit was
kann ich zu Dienſten ſteh’n?
3 *
[52]
Ich etablire mich hier, und habe ein großes
Möbelgeſchäft mit Ihm abzumachen, lieber Meiſter.
Iſt mir eine Ehr’. Aber dürft’ ich nicht bitten,
wenn’s möglich wär’ die Sach’ auf morgen zu ver-
ſchieben? Heut kann ich nicht, und wenn ich tau-
ſend Gulden profitiret; denn ich hab’ heut eine Hoch-
zeit im Haus.
Nach Gefallen, ich bin nicht preſſirt.
Dann hab’ ich aber noch eine Bitt. Der Hoch-
zeitſchmaus iſt zwar ſchon zu End’, aber ein Schal-
lerl Kaffee, wenn Euer Gnaden bei uns zu ſich neh-
men wollten — die Ehr’ müſſen Euer Gnaden der
Braut anthun.
Mit Vergnügen, lieber Meiſter.
Peppi! richt den porzellanenen Weidling zum
Kaffee für den gnädigen Herrn.
[53]
Dritter Auftritt.
den Rücken, tritt ein).
Ich weiß nicht was das iſt, kein Menſch fragt
mich, zu wem ich will. In der Kuchel hab’ ich eine
Menge Dienſtboten g’ſeh’n, die jubeln, was’s Zeug
halt, und einer ſitzt vor der Thür, dem muß übel
ſeyn.
Da wär’ ich halt wieder in mei-
ner lieben Werkſtatt. — Das ſind Erinnerungen für
mich! Auf den Platz hab’ ich einen Tiſch g’macht,
und hab’ d’Füß’ vergeſſen; denn meine Gedanken
waren bei der Peppi — an dem Platz hab’ ich ein
Kaſtenb’ſchläg an ein Spucktrüherl g’nagelt; denn
meine Gedanken waren nicht bei der Arbeit. — O
ich war ein Stockfiſch, daß ich nie g’redt hab’, und
mir g’ſchähet recht, wenn ſie ſchon längſt den Wirth
gehei —
Wie kommt denn Er da herein?
Nu, wie jeder andere Menſch, bei der Thür.
Wann Er Arbeit ſuche thut, ſo komm Er mor-
ge, heut iſt’s nix, heut hanne wir Hochzeit.
[54]
Wer hat g’heirath?
Der Herr Strudel, der Wirth im goldenen
Nockerle hat g’heirath — Vormittag war die Ko-
pulation.
Wem hat er g’heirath?
Die Mamſell Hobelmann.
Schwabin! ich bring Dich um.
Zu Hülfe! zu Hülfe! er will mich verſchlage.
Vierter Auftritt.
He, he! was gibt’s denn da?
Meiſter Hobelmann —
[55]
Was ſeh’ ich! Leim, Er iſt wieder da? Na
das freut mich!
Peppi! Peppi
g’ſchwind komm, der Leim iſt da!
Um Alles in der Welt, nein! Ich will ſie nicht
ſehen — ich kann ſie nicht ſehen.
Fünfter Auftritt.
ganz weiß gekleidet).
Ach Vater — wo — wo iſt er? — Ha! end-
lich kommt er wieder zurück. Iſt das auch recht,
daß Er ſo lange auf ſich warten ließ?
Zurück, junge Frau!
Vater, was iſt ihm denn?
Das wird ſich geben.
[56]
Ach Gott, Johann, ich bin ſo froh, daß Er
wieder da iſt, ſo froh. Das muß ich gleich dem
Strudl erzählen.
Sechster Auftritt.
O Strudl! — Der Strudl liegt mir im Ma-
gen, wie ein Knödel.
Er ſchaut etwas abg’ſchaben aus, mein lieber
Leim, Er hat nicht viel aufg’ſteckt in der Fremd.
Sei Er froh, daß Er wieder bei mir iſt, ich hab’
mit Ihm einen Plan.
O jetzt geht der Leim aus’n Leim, für mich
plant ſich nichts mehr. — Meine Peppi!
Ah, iſt es das? Sieht Er, mein lieber Johann,
wie Er mir damals ſo unverhofft davongegangen iſt,
hat Er ja geſchrieben, Er wird aus Bosheit heirathen.
Das hab’ ich nur aus Bosheit g’ſchrieben; aber
ich bin ſo ledig, als nur was ſeyn kann.
[57]
Ich hätt[’] vor zwei Jahren durch einen gähzor-
nigen Wurf meine Tochter umbracht, wenn Er nicht
geweſen wär, für dieſe That hat Er ſich’s Madel
verdient; aber Er hat ja nix g’redt — oder hat Er
glaubt, daß ich ihn um Gotteswillen bitten ſoll,
daß er’s Madel heirath?
O ich war ein Eſel! ſo was kommt nur alle
Jahrtauſend einmal auf d’Welt.
Siebenter Auftritt.
Der Fremde.
Da, meine Freunde, ſeht’s, da iſt er!
Willkommen! Willkommen!
Das war nicht ſchön von Ihm, daß Er uns
ſo abg’fahren iſt.
Der Dickwammſt foppt mich noch? Das iſt zu
[58] viel!
Sie haben’s nöthig, daß’s
mich aufzieh’n wollen. Pfui Teufel! ich ſchamet mich,
heirathen mit dem Bauch. Sie ſollten ſich lieber
zwiſchen Ihre Weinfäſſer ſetzen, von denen kein’s
ſo dick iſt, als Sie, und ſo lang trinken, bis Sie
liegen bleiben im Keller unten, das wär’ g’ſcheidter,
als auf der Welt heroben einem ehrlichen Kerl ſei-
ne Lieb abfiſchen.
Was?
Leim, jetzt ſei Er ſtill! Wie kann Er einen
ehrenfeſten Mann in meinem Hauſe ſo traktiren?
Ja ehrenfeſter Mann —
Da geh’ Er her, ich muß Ihn ja erſt bekannt
machen mit der ganzen Geſellſchaft.
O, ich kenn’ Alle.
Das iſt mein Freund Strudl, der Bräutigam,
jetzt eigentlich ſchon Ehmann — das
gend)
iſt meine Tochter Peppi, die Kranzeljungfer. —
Kranzel — Jungfer?
[59]
Das iſt Anaſtaſia Hobelmann, die Tochter von
meinem verſtorbenen Bruder, gegenwärtig ehrenfeſte
Strudl.
Alſo die Peppi iſt nicht ſeine Frau? ſie iſt
noch frei?
Du biſt alſo noch
mein, Peppi? — biſt keine Strudl? —
die Hand küſſend.)
O meine Gnädige! erlauben Sie, daß
ich Ihnen die Hand küſſe.
Und Sie,
mein beſter, liebſter, ſchönſter, goldener Herr von
Strudl, jetzt hab’ ich Ihnen ſo lieb, weil Sie nur
die Peppi nicht g’heirath haben. Verzeihen Sie, ich
war ein Flegel — ich begreif gar nicht, wie ich
hab’ ſchimpfen können über Ihre reſpektable Weſte-
gegend —
cken.)
Sie ſind ſo ſchön, ſo proportionirt — gar
kein Bauch — laſſen Sie ſich umarmen.
— Und Sie, Herr Schwiegerpapa —
mann wendend.)
Was? Schwiegerpapa? Er hat ja noch nicht
einmal mit’n Madel Richtigkeit g’macht, ſein Wort
angebracht, bei mir gar nicht angehalten um ſie.
O Peppi! himmliſche Peppi!
[60]
Ich ſollt’ bös ſeyn, Johann.
Ja, ich verdien’s.
Du haſt mir viel Kummer verurſacht.
Und das blos durch meine Dummheit, weil ich
nix g’redt hab’
Du haſt mir das Leben gerettet, ich bin Dein.
Halt! da hab’ ich auch ein Wort d’rein zu re-
den. Dem erſten beſten Haſenfuß, der nix iſt und
nix hat, kann ich meine Tochter nicht geben. In-
deſſen, das iſt mit Ihm anders geworden, Er iſt
ein Mann, der ſeine Batzen hat.
Was? Wie weiß denn der Meiſter das?
Nu, wenn ich’s nicht wüßt, wer ſollt’s denn
hernach wiſſen. — Ich hab’ für Ihn damals, wie
Er den Wurf aufg’fangt hat, der meine Tochter
getroffen hätt, 500 Dukaten angelegt, die g’hören
ſammt Intereſſen Sein. Jetzt fang Er halt Sein
[61] Meiſterſtuck an, in drei Wochen iſt Er Meiſter,
und dann ſoll Er’s Madel haben.
Wir gratuliren!
Beſter, großmüthigſter Herr Schwiegerpapa!
ich nehm’s an; aber jetzt müſſen auch Sie und die
Peppi erlauben, daß ich das auch dazu leg’, was
ich hab.
Hat Er ſich auch was erſpart?
Was man ſich halt ſo erfecht auf der Straßen.
Ich werd gleich die Kiſten hereintragen laſſen.
zur Thüre.)
Heda, Leut’! nur herein!
Was iſt das?
Das gehört Alles meiner Braut.
Lauter Geldſäck? — Was Tauſend!
Nix tauſend — über dreißigtauſend Thaler ſind
da drin. Ich hab’s in der Lotterie gewonnen, ich bin
jetzt ein Mandel mit Kren.
[62]
Ah! Ah!
Der alte zerriſſene Rock da, war nur Verſtel-
lung, ich hab’ Dich nur prüfen wollen, ob Du
mich noch liebſt.
Johann! Mein Johann! ich verlang mir nichts,
als Dein Herz.
Das Geld gehört alſo alles Sein? — Jetzt muß
er’s Madel nehmen!
Heut
vier Wochen iſt Hochzeit, da ſoll die ganze Stadt
reden davon.
Das Geld g’hört mein — die Peppi g’hört auch
mein, jetzt nimm ich mein ganze Bagage zuſamm,
und zieh aus.
tragen ſie ab, er geht neben bei, alle Andern folgen.)
tenthüren. Im Vorgrunde rechts und links Tiſche und Stühle).
[63]
Achter Auftritt.
Jetzt bin ich ſchon über ein Vierteljahr hier
in Prag etablirt — iſt das ein Leben in dem
Prag, wenn der Menſch ein Geld hat. Ich betreib
zwar mein Handwerk auf eine noble Manier, aber
es bleibt halt doch Schneiderei, und mich hat die
Natur zu etwas Höherem beſtimmt, Alles zeigt,
daß ich nicht zum Schneider geboren bin.
Neunter Auftritt.
(einer nach dem andern).
Eu’r Gnaden, es iſt eine Kundſchaft da.
Ich bin heut’ nicht mehr zu ſprechen.
Sehr wohl, Eu’r Gnaden.
Die Leut glauben grad’, ein Schneider iſt nur
wegen ihnen auf der Welt.
[64]
Herr von Zwirn!
Was gibt’s?
Der Herr von Fidibus hat ſeinen Konto be-
zahlt.
Das geht den Buchhalter an.
Herr Meiſter! —
Grobian! Weiß Er meinen Titel nicht?
Herr von Zwirn mußt ſagen.
Noch einmal das Wort Meiſter, und Du haſt
ausgerungen.
Herr von Zwirn, der Konto da iſt nix nutz
g’ſchrieben.
[65]
Man trage ihn ſchleunigſt noch einmal in die
Copiatur, und melde dem Kanzleixerſonale meinen
Zorn.
Euer Gnaden, es iſt Samſtag, die Geſellen
wollen ihr Geld.
Sie ſollen zu meinem Kaſſier gehen, ich beküm-
mere mich nicht um ſolche Gemeinheiten.
Das hab’ ich ihnen auch g’ſagt, aber ſie ſagen,
ſie ſeyn noch überall vom Meiſter auszahlt worden.
Zum Kaſſier hab’ ich g’ſagt. Hinaus, Filou!
Euer Gnaden, der Maler iſt da.
Herein mit’n Maler.
Sehr wohl.
[66]
Zehnter Auftritt.
Wenn es gefällig wäre, mir nur noch gütigſt
auf ein Viertelſtündchen die Anſicht Ihrer höchſt in-
tereſſanten Phiſiognomie zu verſtatten.
Apparat auf den Tiſch.)
Na, ein Viertelſtündchen hab’ ich grade noch
Zeit.
Aber Sie dalken lang herum mit
mein Porträt.
Heut wird der Dalk fertig.
Was? — Wie meinem Sie das?
Ich meine meine eig’ne Wenigkeit — ich werde
heute fertig mit Hochdero Porträt.
Ah ſo!
Dieſelben hätten ſich aber doch ſollen gefälligſt
in Oel malen laſſen.
[67]
Wegen meiner, wenn wir wo ein gutes Oel
kriegen. — Schaun’s nur, daß’s mich gut treffen,
es wär’ Schad’ um ein jeden Zug, der daneben geht.
Ihre Naſe iſt ſehr ſchwer zu treffen.
Meine Naſen? Gar nicht. Schaun’s, mir hat
vorigen Jahr im Bierhaus Einer ein Halbglas in’s
G’ſicht g’haut, der hat meine Naſen ſehr gut getrof-
fen, ſag’ ich Ihnen.
Eilfter Auftritt.
Ale Gagramente, was wär’ denn das? Sie
ſeyns nit auf zu Haus, und ſitzens da und laſſens
Ihne paladatſchete G’fries mal’n?
Hinaus!
Ah, da muß ich bitten! Ich bin ich Kundſchaft,
die zahlte gleich. Gleich af der Stell meßt’ Er mir ein
Rock an.
[68]
Hinaus!
Was? Ich ſoll ich hinaus geh’n? —
Zwirn, und drängt ihn auf den Seſſel, worauf der Ma-
ler das Bild gelegt, — Bediente treten ein, und drän-
gen Hackauf zur Mittelthüre hinaus.)
Wo iſt denn mein Porträt?
Das hat gewiß der Fleiſchhacker mitgenommen.
Schlafrock.)
An Ihrem Schlafrock klebt’s.
Ah verflucht, jetzt hab’ ich mich auf mein Mi-
niaturg’ſichtl g’ſetzt.
Das iſt hin; doch es macht nichts, Sie zahlen
um 50 Dukaten mehr, und ich mach’ es Ihnen von
Neuem.
Aber heut kann ich nicht mehr ſitzen, ich bin zu
alterirt.
[69]
So werd’ ich morgen die unterthänigſte Ehre
haben.
Zwölfter Auftritt.
Den Fleiſchhacker klag’ ich — ich muß Satis-
faction haben. Ich arbeit’ einmal für keine Kund-
ſchaft, die mir meinen Reſpekt nicht gibt, und
wenn’s mich zehnfach bezahlt.
Dreizehnter Auftritt.
Theurer Freund! hier hab’ ich das Vergnügen,
Dir einen Dutzbruder von mir vorzuſtellen. Herr
von Lüftig.
Herr von Zwirn, ich hatte ſchon lange den
Wunſch, den berühmten Mann kennen zu lernen —
[70]
Ich bitte, die Ehre iſt meinerſeits.
Mein Freund will ſich Verſchiedenes bei Dir
machen laſſen.
O ich bitte, mein ganzes Magazin ſteht zu Be-
fehl. Belieben Sie ſich nur nach Guſto auszuſuchen.
Ich brauche aber ziemlich viel.
Je mehr, deſto beſſer.
Bin aber für den Augenblick nicht bei Kaſſa,
um gleich bezahlen zu können.
Thut nichts, ich hab’ Geld genug; übrigens
kennt Sie mein Freund Windwachel, und das iſt ge-
nug. — Spazieren Sie nur in mein Magazin.
Ihr unterthänigſter Diener, Herr von Zwirn.
Der Schneider kriegt
keinen Kreuzer von mir.
Jetzt ſag’ mir, Freund, kommt die Frau von
Palpiti?
[71]
Ich war heute Vormittag bei ihr, ſie nahm
Deine Einladung ſammt ihren beiden Töchtern mit
Vergnügen an.
Du haſt doch nichts merken laſſen, daß ich ein
Schneider bin?
Keine Sylbe.
Haſt g’ſagt, daß ich ein Kapitaliſt bin aus —
aus — aus Particulier?
Freilich. — Nun hätt’ ich aber eine Bitte an
Dich. In Deinem Magazin iſt nicht ein Stück, was
mir paßt; Du mußt ſchon die Güte haben, und mir
ſelbſt das Maß nehmen.
Ja, Freund! mit Dir mach’ ich eine Ausnahm.
Johann, geh’ Er
hinüber, und hol’ er mir eine Schneidermaß.
Du wirſt finden, daß ich ſeit einiger Zeit et-
was ſchlanker geworden bin.
[72]
Es iſt wahr, Du biſt bedeutend mägerer gewor-
den, Du brauchſt auf ein Frack jetzt nicht mehr, als
anderthalb Achtel Kaſimir.
Maß gebracht.)
Was willſt denn haben?
Einen modernen Kaput.
Was nehmen wir den für eine Farb?
Ich denke, kaſtanienbraun.
Die Hand halt ſo, daß wir die Armlänge krie-
gen. —
Was nehmen wir denn für einen Kragen?
Schwarzblauen Sammt.
G’fallt mir nicht — ich glaubet Pomeran-
zengelb.
Ah, was fallt Dir ein!
[73]
Vierzehnter Auftritt.
milla (treten, von Beiden unbemerkt, ein).
Wir haben die Ehre —
So, jetzt die Mitte.
Wir haben die Ehre —
Mich trifft der Schlag!
Wir haben geſtört —
O nein — es war — ich hab’ nur —
Ein Scherz, weiter nichts.
Ja, nur ein Geſpaß — wir wollten ſehen, wer
dicker iſt um die Mitte. — Ich bin noch ganz im
Negligée, Sie erlauben ſchon — ich werd’ gleich
4
[74] mein Sonntagskleid anleg’n. Windwachel, unter-
halte die Damen indeß.
Fünfzehnter Auftritt.
Ah, das iſt ein kurioſer Menſch.
Was iſt denn das?
Sie haben uns geſagt, daß der Herr vom Haus
ein gebildeter Weltmann iſt. Weh’ Ihnen, wenn
Sie meine Töchter durch eine ignoble Bekanntſchaft
blamiren.
Ich hab’ ſchon geglaubt, Sie haben uns in eine
Schneiderwerkſtatt geführt.
Was fällt Ihnen ein? Der Herr vom Haus iſt
ein Menſch, der von ſeinem Geld lebt und viel Geld
hat; iſt Ihnen das nicht genug?
Freilich, wenn ich an die brilliantenen Ohrrin-
ge denke —
[75]
Dann finden Sie, daß er eine ſcharmante Bil-
dung hat.
Wir ſind Ihnen verbunden für die Connaissan-
ce, zu der Sie uns verholfen haben.
O, nicht ihm habt Ihr das zu danken, ſondern
nur mir; denn erſt ſeitdem Ihr nach meiner Idee
Euch für Italienerinnen ausgegeben, habt Ihr eini-
gen Anwerth.
Es liegt doch nur in unſerm intereſſanten Be-
nehmen, daß man es uns glaubt.
Meine wälliſche Ausſprach hat ſchon Manchen
irre geführt, bei Dir aber wird er ſich bald ausken-
nen, daß Du nur eine Burkersdorferin biſt.
Das könnte wohl bei Dir der Fall ſeyn.
Nur keinen Streit, meine Damen — da kommt
der Herr vom Haus.
Jetzt will ich gleich Eindruck auf ſein Gemüth
machen.
4 *
[76]
Sechszehnter Auftritt.
karrikirt gekleidet).
O ich Unglückliche! Freund, weinen Sie mit
mir.
Was iſt denn geſchehn?
Ich habe meinen Mopperl verloren.
Ha, ha, ha! Iſt nicht ſchad’ um ſo ein
Viecherl.
O ich bin untröſtlich! Jetzt erſt hab’ ich den
Verluſt bemerkt.
Er kann ja noch nicht weit ſeyn.
Das Hunderl iſt ſicher nach Italien geloffen.
Laſſen wir’n anſchlagen. Ich zahl zwanzig Du-
katen, wer ihn bringt. — Windwachel! — Wind-
wachel! hörſt denn nicht, wenn ich Dich ruf?
[77]
Was willſt denn?
Schreib eine Annonce!
Schreib ſie ſelbſt.
Ich kann nicht ſchreiben.
Ah ſo!
Verlorner Hund —
Halt! das geht nicht; die Annonce muß ita-
lieniſch ſeyn, ſonſt verſteht’s dort Niemand.
Jetzt kocht’s.
Kannſt Du
Wälliſch?
Kein Wort.
Italieniſch auch nicht?
Eben ſo wenig.
[78]
Ich hab’ vier Wochen in Trieſt gearbeitet, da
iſt ſo Manches hängen geblieben. Probir’n wir’s.
Schreib italieniſch.
Cane
perdutto — Non avete veduto — cane perdut-
to. —
War der Mopperl ein Mandel
oder ein Weibel?
Er war männlichen Geſchlechts.
Questo Mopperl — un Signore.
Was für einen Charakter hat er gehabt?
Je nun, wie alle Mopperln.
Aha! —
carattere — calfacteri-
stico.
Wie alt?
Drei Jahr.
Drei Jahr — wie heißt denn das —
tre cento anni vecchio. —
Hatte
er keine beſonderen Kennzeichen?
Er trug ein ſchwarzes Halsband.
[79]
Portate un nero cravattel.
Hatte
er abgeſchnittene Ohren?
Natürlich, er war ja ein Mopperl.
Geſtutzte orrecchi.
War er klein
oder groß?
Ein ganz kleines Hunderl.
Piccolo Viech mit quatro Haxen. — Recom-
penza zwanzig Zechini in buona moneta.
He, Bediente!
Eu’r Gnaden!
Das kommt in die Buchdruckerei.
Blatt.)
Wo wird’s denn ang’ſchlagen?
In ganz Italien.
Mein Herr iſt ein Narr.
[80]
Ich dank’ Ihnen vielmals.
O Sie ſchöne Signora, es iſt gern geſchehen.
Haben Sie vielleicht auch
Etwas verloren?
Und wenn ich mein Herz verloren hätte?
Die geht ſcharf d’rein, ganz das italieniſche
Feuer.
Die Geſellſchaft kommt.
Siebenzehnter Auftritt.
men, unter ihnen Lüftig (im neuen Frack).
Geladen haben Sie uns, Herr von Zwirn,
Wir thun von Ihrer Güte profitir’n
Wer Ihre Gaſtfreiheit und Freundſchaft kennt,
Macht Ihnen auch ein tiefes Compliment.
Das iſt wahr, die ganze ſchöne Welt von Prag
hab’ ich da verſammelt.
[81]
Herr von Zwirn, eine ſchönere Wohnung als
Sie, kann man nicht mehr haben, hier fehlt nur
Eins zur vollſtändigen Eleganz.
Wie? bei mir fehlte noch was?
Sie müſſen die Gasbeleuchtung einführen.
Gasbeleuchtung? — Ich kann beleuchten mit
was ich will, das geht Ihnen gar nichts an.
Ich meinte nur —
Trau’n Sie mir nicht — wenn ich meine Scher
erwiſch —
will ich ſagen, meinen.
Degen wenn ich erwiſch —
Sie ſind ein Narr!
Marſchiren Sie, ſonſt wirf ich Ihnen ein Bö-
geleiſen nach!
Adieu, Sie Herr Zwirn Sie.
[82]
Sie haben Verdruß gehabt.
Das eben nicht, aber —
Kann theilnehmende Freundſchaft Sie wieder
erheitern?
Freundſchaft? — Nein, die Liebe könnte das
viel beſſer.
Die Liebe, glauben Sie?
Je nun —
O Ihr ſeid Beide ein paar liebenswürdige
Schnecken!
Wie mich der Mann betrachtet,
Ach, das iſt ſtark, auf Ehr.
Auf mich allein er ſchmachtet,
Es iſt kein Zweifel mehr.
[83]
Allen Zwei’n möcht’ ich zugleich ein Buſſel geben,
Ich weiß nicht wie mir g’ſchieht,
Ich fühl’ mein Herz hier erbeben.
Ich möcht’ ein kleines Hüttchen nur
Wo hab’n auf einer ſtillen Flur,
Bei dieſem Hüttchen fließt ein Bach,
Und dieſem Bach fließt Liebe nach.
Der Geſang, zart und ſtill,
Weckt Liebesqual;
Daß ich für einen Mann was fühl’,
Iſt’s erſtemal.
O fließt ihr Thränen,
Ertönt ihr Klagen,
Vergeblich Sehnen
Nach ſel’gen Tagen,
Des Herzens Bangen
Kennt kein Verlangen,
Als nur den Tod allein.
Welch’ ein Reiz in ihren Tönen,
Thränen ſelbſt ſie noch verſchönen,
Neu entflammt der Liebe Glut.
[84]
Wo die Donau brav rauſcht,
Und kein Stadtherr nit plauſcht,
Viel Meil’n weit von hier,
Möcht’ ich ſchmachten mit Dir.
Wenn mir Dein Auge ſtrahlet,
Iſt mir ſo leicht, ſo gut.
Und meine Wangen malet
Noch nie gefühlte Glut.
O weile!
Laß mich!
Weile!
Laß mich;
Dort hinten bei der Linden
Sitzt ein unbekanntes Reh,
Das ſchaut kerzengrad in d’Höh.
Auf der G’ſtetten war’s a Metten,
Auf der Gſtetten ſitzt a Mann,
Der hat ein Pudel und ein Hahn;
Und weil’s dort gar ſo zieht,
Hat der Pudel d’Strauchen kriegt,
[85] Da wird deſparat der Mann,
Frißt g’ſchwind ſeinen Hahn.
Willſt Du kalt mir widerſtreben,
Ach, dann end’ auch mein Leben.
Kannſt Du mir nicht Liebe geben,
Ja, dann weih’ ich mich dem Grab.
Ei! —
Nun, Schweſter! was ſagſt Du denn?
Er kann nicht länger widerſteh’n,
Er find’t mich einmal gar zu ſchön.
Du glaubſt, es ſeyn alle Leut
In Dich verliebt, na, da hat’s Zeit.
Verſteht ſich, da hat’s Zeit,
Halt!
In dieſen heil’gen Hallen,
Kennt man die Rache nicht,
Und iſt a Menſch hier gefallen,
Das wär’ a verfluchte G’ſchicht.
O caro, caro mio!
Con te felice son io.
[86]
Nehmt’s mir’s nit krumm
Ich bin nit ſo dumm,
Die wälliſche Sprach
Bringt mi a no nit um.
Cara ade a tendi mi,
Prove soave palpiti,
Ch’ esprimere non sò non sò
Non sò non sò non sò.
Es iſt doch ein Glück
Ein Berliner zu ſeyn.
Ja, ja, ein Berliner zu ſeyn.
Wir ſind mit den Männern
Stets pfiffig und fein.
Ja, wir ſind pfiffig und fein.
Es geht ihm die Arbeit
So flink wie das Maul,
Auch iſt er beim Eſſen
Und Trinken nicht faul.
[87]
Laſſet jeden Streit uns enden.
Wie die Schweſtern ſich verſöhnen ꝛc.
Mag er ſich zu Einer wenden,
Räumt die And’re dann gern das Feld,
Viel tauſend Männer gibt’s auf der Welt.
Ja, es wird mir doch gelingen,
Ihn gewiß in’s Netz zu bringen.
Einen reichen Mann zu fangen,
Darnach gehet mein Verlangen.
Ja, es wird mir ſchon gelingen ꝛc.
Täuſchet nur nicht leerer Schein,
Welche Freude wird das ſeyn.
[88]
Dritter Aufzug.
Hobelmanns und Meiſter Leims Hauſe in Wien vor, mit
Mittel- und Seitenthüren, und zwei praktikablen Fen-
ſtern im Hintergrunde; durch welche man auf die Stra-
ße ſieht.)
Erſter Auftritt.
Alſo heut iſt der g’wiſſe Jahrestag, wo’s zu-
ſammenkommen ſollen alle drei Brüderln.
Ich hör’ einen Wagen, mir ſcheint, es kommt
ſchon Einer ang’fahren.
Ja, mir ſcheint auch.
ſchauen rechts in die Scene.)
Nein, das iſt der gnädige Herr, der da dane-
ben wohnt im erſten Stock.
[89]
Zweiter Auftritt.
(kommt ärmlich und abgeriſſen, aber wohlgemuth zur
Mittelthüre herein).
Schön guten Abend wünſch ich. Logirt da nicht
der Meiſter Hobelmann?
Ja. Und was will Er?
Sagens nur, der Zwirn iſt da, wegen dem
Jahrestag.
Wie? Was?
Ja, ſo ſchaut ein Zwirn aus, dem der Zwirn
ausgangen iſt.
Sie machen ein Spaß — ſo ein reicher Herr,
der ſo viel g’wonnen hat, in der Maskerade.
O nix Maskerade, das iſt mein ſchönſter, mein
einziger Anzug, denn ich hab’ gar kein andern.
Hörens auf!
[90]
Auf Ehr, wenn ich auf einen Baum ſteig, ſo
hab’ ich nix zu ſuchen herunt auf der Erd.
O du blau’s Herrgottle, das iſt kaum zum
glauben.
Unter andern, war noch kein Schuſter da?
Fixſtern, Kometen! Wenn ich nicht bald ein
Schnaps krieg, ſo —
Ach, da kommt er ſchon.
Dritter Auftritt.
Iſt das die Boutique, wo der Herr Hobelmann
logirt?
Brüderl, kennſt mich nicht?
Halloh! der Zwirn!
[91]
Armer Menſch, wie ſiehſt Du aus!
Du haſt’s Urſach, daß Dich wunderſt, wie ein
Anderer ausſchaut.
Kamerad, mir ſcheint, wir ſeyn alle Zwei mit
unſern Kapitalien in Ordnung. — Du, mir iſt’s
noch ſchlecht gangen.
Mir iſt’s auf die Letzt gar nicht mehr gangen;
denn ich bin g’ſeſſen, zwei Monat in Arreſt.
Aber nobel hab’ ich das Meinige durchgebracht,
das braucht einmal nix.
Ich hab a Reiſ’ am Rhein g’macht — da ſind
gar kurioſe Weinkeller — ſo oft ich zu viel trunken
hab, allemal war meine Brieftaſchen weg. Unbegreif-
lich! Dann hab’ ich im Rauſch immer Händel an-
g’fangt, Straf zahlen müſſen, wie ich nix mehr
g’habt hab, habens mich eing’ſperrt — mit einem
Wort, nichts als unverſchuldete Unglücksfälle!
Wir ſeyn halt jetzt alle Zwei betteltutti.
[92]
Bei uns heißt’s: gleiche Brüder, gleiche Kappen.
Aber dabei immer Allegro und fidel.
Allemal!
Vierter Auftritt.
No brav, da hör’ ich ja recht auferbauliche
Sachen.
Hab’ ich die Ehr’, den Herrn von Hobelmann
zu ſprechen?
Seyn Sie der, der ſeiner Tochter einmal ’s
Stemmeiſen nachg’worfen hat?
Der bin ich. — Ihr habt es aber weit ge-
bracht mit Eurem Geld.
Grad ſo weit, als das Geld g’lengt hat.
[93]
Ihr habt Euer Glück zum Fenſter hinaus-
g’worfen.
Deßwegen wird aber doch der Jahrstag celebrirt.
Gebens nur ein Schnaps her.
Vor allem Andern, was macht denn der Bru-
der Leim?
Da müßt’s mich nicht drum fragen.
Iſt er nicht Ihr Schwiegerſohn?
Laſſen wir das. Mit einem Wort, er iſt nach
und nach um Alles kommen —
Ich kann nicht begreifen, wie der Menſch ſo
liederlich ſeyn kann.
Und wie’s Geld weg war, bis auf zweihun-
dert Thaler, da hat er hundert Thaler bei mir zu-
rückg’laſſen, und mit die andern hundert iſt er auf’s
Gerathewohl fort in die weite Welt. Heut hab’ ich
glaubt, er wird ſich wieder einfinden, aber ſtatt ſei-
ner iſt der Brief da kommen, an Euch Zwei adreſſirt.
[94]
An uns Zwei? Ah da bin ich neugierig.
den Brief und öffnet ihn.)
Du, Schuſter, biſt Du
auch neugierig?
Freilich bin ich neugierig.
No da haſt, lies!
Weißt — ich leſ’ nicht gern.
Ich leſet wieder für mein Leben gern, aber ich
kann nit leſen.
Bei mir iſt das der nämliche Fall.
Mir fallt was ein, ich probirs!
belmann.)
Herr Hobelmann, Sie ſcheinen ein ver-
nünftiger Mann zu ſeyn — obwohl der Schein
manchmal trügt.
Nein, nein! diesmal trügt er nicht.
Sie werden wiſſen, ein Unterſchied der Stän-
de muß ſeyn. — Sie ſind Meiſter, wir zwei Ge-
ſellen —
leſen Sie!
[95]
Recht gern will ich Euch den Gefallen thun.
»Liebe Freunde und Brüder! Wie gern wär’
»ich heut bei Euch, aber —
Ehre dem Ehre gebührt.
No ja, ich leſ’ ja recht gern, ich fühl mich auch
geehrt.
»Wie gern wär’ ich heute bei Euch«—
Das werden Sie gar nie erleben, daß ich in
Ihrer Gegenwart leſen werd’.
Wann Er’s ſo fortmacht, ſo wird auch Er nicht
erleben, daß ich in Seiner Gegenwart leſen werd’. —
Alſo —
»Wie gerne wäre ich heute bei Euch,
aber —
Was murmelt Er denn da?
Jetzt, Schuſter, ſei einmal ſtill.
Ich hab’ kein Wort g’redt.
Der Schuſter red’t ja gar nichts.
[96]
O, Sie kennen ihn nicht ſo, wie ich ihn
kenn.
Aber er hat ja gar nichts g’redt.
Aber er hätt’ was reden können. — Das kommt
grad’ ſo heraus, als wenn Sie unſer Narr wären.
Jetzt ſei Er einmal ſtill, ſonſt leg’ ich den
Brief nieder, nachher kann Er leſen.
Nachher kann ich leſen, wenn Sie den Brief
niederlegen?
Ich mein’, daß Er hernach gar nicht erfahret,
was in dem Brief ſteht, weil Er ſelber nicht leſen
kann. — Kann Er denn nicht zwei Minuten ſtill
ſeyn?
O, auch noch länger.
Alſo ſchweig er.
»Wie gern wär’ ich
heute bei Euch, aber —
Herr von Hobelmann, ich werd’ Ihnen einen
Vorſchlag machen. Damit Sie im Leſen nicht mehr
[97] können unterbrochen werden, ſo leſen Sie uns den
Brief g’ſchwind vor, und wir Zwei gehen derweil
hinaus.
Aber wie dalket! Wie kann Er denn hör’n, was
ich da herin leſ’ wenn er draußt iſt?
Dableib’n müſſen wir.
Richtig — das hab’ ich nicht überlegt.
Jetzt ſei Er einmal ruhig.
»Wie gern
wär’ ich heute bei Euch, aber meine traurige Lage
macht es unmöglich. Ich bin krank —
Da ſollten’s doch mit ein Doktor reden.
Warum denn?
Sie ſagen ja, Sie ſeyn krank.
Das ſchreibt ja der Leim, der iſt krank.
Ja, von wem iſt denn der Brief?
Von Leim.
5
[98]
Von Leim.
Ah ſo — von Leim.
»Ich bin kränk und liege in Nürnberg im Spi-
tal« —
Herr Hobelmann, foppen müſſens mich nicht!
ich kann auch grob ſeyn. Wie können’s denn ſagen,
Sie liegen in Nürnberg im Spital, und ſtehen da
neben meiner?
Aber den Brief ſchreibt ja der Leim.
Der Leim.
Ah ſo — der Leim.
»Ich habe vor vier Monaten, wie ich von Wien
fort bin, Herrn Hobelmann hundert Thaler zurück-
laſſen —
Wer?
No, der Leim.
[99]
Der Leim.
Aha, der Leim.
»Herrn Hobelmann hundert Thaler zurücklaſ-
ſen —
Alſo zweihundert Thaler.
Nein, nur einhundert Thaler.
Verzeihen Sie, Sie haben vorhin geleſen: ich
habe Herrn Hobelmann hundert Thaler zurücklaſſen —
dann haben Sie wieder geleſen: ich habe Herrn Ho-
belmann hundert Thaler zurücklaſſen — ſeyn alſo zwei
hundert.
Wie ich das erſte Hundert geleſen hab, hat Er
mich unterbrochen, dann hab’ ich’s repetirt, und ſo
iſt das zweite Hundert herauskommen.
Das müſſen Sie ſich abgewöhnen.
So muß Er mich nicht immer unterbrechen.
»Herrn Hobelman hundert Thaler zurückgelaſſen —
5 *
[100]
Jetzt ſeyn’s drei.
Es gilt nur einhundert Thaler, ich halte mich
an das, was in dem Brief ſteht.
Nein, nein, es gilt nur hundert Thaler.
So müſſen Sie alſo nicht mehr herausleſen, als
drin ſteht, Sie ſtürzen ſich ſonſt in eine Schuldenlaſt.
Jetzt laß Er mich einmal zum Schluß kom-
men.
„zurück laſſen, für den Fall, daß
Ihr ebenfalls Nichts mehr haben ſolltet, und ein
Reiſegeld braucht. Ich hoff’ Euch daher vor meinem
Ende noch zu ſehen.“ — Euer Bruder
Johann Leim.
Herr Hobelmann, jetzt gebens nur g’ſchwind die
hundert Thaler her.
Da könnt’s Euch einen frohen Tag d’rum an-
thun.
Ja, das wollen wir auch.
[101]
Aber auf eine andere Art, als der Herr Hobel-
mann glaubt. Wir bringen ihm das Geld in’s Spi-
tal, und nichts wird davon verſoffen.
Wir wollen unter Wegs Erdäpfel eſſen, daß
uns der Staub bei die Ohren heraus fahrt.
Fünfter Auftritt.
unter der Thüre, und ſtürzt auf ſie zu).
Brüderln! laßt’s Euch umarmen!
Ihr ſeyd’s Lumpen, aber treue Seelen, wahre Gold-
kerls.
Wa — was iſt denn das?
Iſt da drin Dein Spital?
Der ganze Brief iſt erlogen. Ich bin geſund,
glücklich, und mein Reichthum hat ſich noch um Vie-
les vermehrt in dem Jahr. Den Brief hab’ ich nur
geſchrieben, um zu ſehen, ob bei Euch’s Herz auf’n
[102] rechten Fleck ſitzt, und davon hab’ ich mich jetzt voll-
kommen überzeugt. Daß ſich bei Euch das Geld nicht
halten wird, das hab’ ich im Voraus g’wußt; aber
es freut mich, daß ich jetzt in der Lag bin, Euch
dauerhaft glücklich zu machen.
ſerl, die nach Leim herausgetreten ſind.)
Geht’s und holt’s
Wein und Braten.
Ich trink keinen Wein mehr, ich trink jetzt nur
Schnapps. — Apropos! wie iſt’s mit der Peppi?
Haſt Du’s.
Freilich hab’ ich’s.
Führ’ ſie uns auf.
Peppi! Peppi!
Sechster Auftritt.
Da ſchau her, das ſeyn meine Kameraden, die
das große Loos mit mir g’wonnen haben — reiche
Kerls, man ſieht’s ihnen an.
[103]
Es freut mich herzlich, die alten Freunde mei-
nes Mannes kennen zu lernen.
Erlauben Sie mir Ihre ſchöne Hand zu küſ-
ſen — und daß die andere Hand nicht böſe wird —
und daß das liebe Goſcherl da nicht böſe wird. —
He, Schneider!
Zwirn! was treibſt denn?
Sei nicht kindiſch, Bruder, wir ſeyn ja Ka-
meraden.
Du, Zwirn, mit Dir hab’ ich aparte eine
Menge zu reden.
che mittlerweile Braten und Wein gebracht haben.)
Bringt’s uns die Sachen in mein Zimmer. — Komm
Zwirn, komm mit mir.
in die Seitenthüre links abgeht).
O Du lieber Schneck Du!
men zurück, und gehen rechts ab.)
[104]
Mach’ ihn nur gleich vorläufig mit unſern Plan
bekannt.
Schon recht, Vater.
Siebenter Auftritt.
(Peppi ſchenkt ihm Roſoglio in ein Gläschen und reicht
es ihm.)
Ich bitt, haben’s kein anders Glas.
Warum denn? das gehört ja zum Roſoli.
Ah nein — da ſeh’ ich ein Stutzen.
ein großes Glas vom Tiſch.)
Bei die klein Gläſer
plagt man ſich mit’n Einſchenken z’viel.
ein und trinkt.)
Nun, mein lieber Freund! ich hoffe, daß Er
von nun an ein beſtändiger Freund unſers Hauſes
ſeyn wird. Er muß ſich hier anſäßig machen, muß
Meiſter werden.
[105]
Meiſter ſoll ich werden?
Freilich. — Wie ſchmeckt der Liqeur?
Gut, recht gut. Aber eine Bitt’ hätt[’] ich halt.
Was denn?
Wenn Sie mir einen Zwanziger ſchenken möch-
ten, daß ich in’s Branntweinhaus geh’n könnt.
Wozu denn das? Er bekommt ja bei uns Alles
viel beſſer.
Madam, das verſteh’n Sie nicht. Im Haus
ſchmeckt einem der beſte Trunk nicht; im Wirthshaus
muß man ſeyn, das iſt der Genuß, da iſt das ſchlech-
teſte G’ſäuf ein haut goût.
Nun, da hat Er. Ich muß Ihm aber ſagen,
daß mich das recht verdrießt von Ihm.
Ich küß die Hand.
[106]
Er muß ſolid werden, Er muß ſich beſſern.
Nein, das thu’ ich nicht. — Es iſt nicht der
Müh’ werth wegen der kurzen Zeit. In ein Jahr
kommt der Komet, nachher geht eh’ die Welt
z’Grund.
Hör’ Er auf mit ſolchen Albernheiten. — Ich
weiß ſchon ein Mittel, Ihn auf andere Gedanken
zu bringen: Er muß heirathen. Da iſt z. B. die
Witwe Leiſt, eine recht hübſche Frau, mit der be-
kommt Er gleich das G’werb.
Ich brauch’ kein Weib und kein G’werb. Zu
was ſoll ich mich noch plag’n im letzten Jahr? Es
rentirt ſich nicht mehr.
Mit Ihm iſt nichts anzufangen, Er iſt und
bleibt ein Bruder Liederlich.
Madam, denken Sie an den Kometen —
Hör’ Er auf mit ſein dalketen Kometen.
Abgehen für ſich.)
Ueber den muß ich meinen Vater
ſchicken, der bringt ihn doch noch zur Raiſon.
[107]
Madam, der Komet —
Achter Auftritt.
Die glaubt nicht an den Kometen, die wird
Augen machen. — Ich hab’ die Sach’ ſchon lang’
heraus. Das Aſtralfeuer des Sonnenzirkels iſt in
der goldnen Zahl des Urions von dem Sternbild
des Planetenſyſtems in das Univerſum der Paralaxe,
mittelſt des Fixſtern-Quadranten, in die Elipse
der Ecliptik gerathen; folglich muß durch die Dia-
gonale der Approximation der perpendikulären
Zirkeln, der nächſte Komet die Welt zuſammſtoßen.
Dieſe Berechnung iſt ſo klar wie Schuhwix. Frei-
lich hat nicht Jeder die Wiſſenſchaft ſo im klein
Finger als wie ich; aber auch der minder Gebildete
kann alle Tag Sachen genug bemerken, welche
deutlich beweiſen, daß die Welt nicht lang mehr
ſteht. Kurzum, oben und unten ſieht man, es geht
rein auf’n Untergang los.
[108]
[109]
[110]
Neunter Auftritt.
Der Leim gibt mir nichts als lauter gute Leh-
ren — gute Lehren hab’ ich in der Schul ſchon
kriegt, wenn ich’s hätt befolgen wollen.
Gleich den Augenblick. —
Das iſt
doch ein beſtändiges Befehlen in dem Haus.
Da geblieben, liebenswürdiger Dienſtbot!
Ah gehens, Ihnen iſt auch nicht zu trau’n.
Was fallt Dir ein! Die Treu von ein Schnei-
der halt feſter als eine doppelte Naht.
[111]
Ja, wenn ich mich d’rauf verlaſſen könnt!
Ein Mann ein Wort — ſchlag ein!
Hand hin.)
Na, meinetwegen.
Jetzt ſeyn wir in Ordnung bis auf’s Durch-
gehn. — Ich muß Dir aufrichtig ſagen, mich hätt’s
ohnehin nicht lang gelitten in dem Haus.
Nicht wahr, das is ein fades Leben da?
Da thun’s nix als arbeiten, eſſen, trinken
und ſchlafen — is das eine Ordnung? — Da wird
nicht angeig’nt, nicht aufg’haut, nicht Zitter g’ſchlag’n.
O ich kenn das — ich war ja ſelbſt einige Jahr
Kellnerin.
Kellnerin warſt Du? — Jetzt hab’ ich Dich
nochmal ſo lieb, jetzt ſeyn unſ’re Herzen zuſamm-
g’naht, kein Teufel trennt ſie mehr auf. — Morgen
fruh, wenn Du’s Obers holſt, paſchen wir ab mit-
einander.
[112]
Warum denn abpaſchen? Sie können’s ja Ih-
ren Freund den Herrn Leim ſagen, daß Sie mich
mitnehmen.
Das mag ich nicht. Laß mir dieſe Grille, ich
will Dich entführen.
Hörens auf, Sie ſeyn doch ein rechter Voka-
tivus.
Jetzt geh ich gleich hinein zum Leim, und ſag
ihm, daß ich nicht da bleib — Ah, da iſt er ſelbſt.
Zehnter Auftritt.
Du biſt ein Lump in Folio, Du trittſt Dein
Glück mit Füßen. Wegen meiner, wenn Du die
guten Tag nicht ertragen kannſt, ſo geh hin wo
der Pfeffer wachſt.
Bruder Leim, Du mußt nicht bös ſeyn. Schau,
ich blieb gern bei Dir, aber ich halt’s nicht aus.
[113] Ich hab’ eine Herzensangſt in mir, eine Bangig-
keit — mit einem Wort, Bruder, ich halt’s nicht
aus.
Schau, damit Du ſiehſt, daß ich Dein wah-
rer Freund bin, ſo leg ich für Dich hundert Duka-
ten an; die kriegſt aber nicht eher, als bis Du
Dich feſt und ordentlich wo anſäßig machſt. Außer-
dem haſt Du keinen Groſchen von mir zu erwarten.
Wann krieg ich die hundert Dukaten?
Wenn Du ordentlich und fleißig geworden biſt.
Da krieg ich mein Leben keinen Kreuzer.
Ich will Dir einen Vorſchlag machen: gib Du
mir jetzt 4 oder 5 Dukaten, das iſt mir lieber,
als wenn Du mir nachher 1000 gibſt.
Keinen Kreuzer eher, als bis Du brav und
ordentlich geworden biſt.
Na ſo b hüth Dich Gott.
Jetzt weiß
ich nicht ſoll ich ihm was ſagen davon, daß ich ihm
ſeinen Dienſtboten entwend’? — Nein — zu was
braucht er das zu wiſſen. —
Bruder Leim,
[114] der Abſchied von Dir fallt mir ſchwer — aber —
ich halt’s nicht aus.
Da kriegſt Alles, wenn Du fleißig, brav und
arbeitſam geworden biſt.
Das halt’ ich nicht aus.
Eilfter Auftritt.
Er halt’s nicht aus, ſagt er. Hätt’ der Kerl
Alles bei mir, was ſein Herz verlangt, er kann’s
aber nicht erwarten, bis er wieder draußen im
Elend iſt.
Bruder — mach die Thür auf.
Da iſt die Thür. — Nu, der hat ſchön auf-
geladen, ſieht der ’s Fenſter für die Thür an.
Kamerad — laß Dich umarmen.
Du haſt ſchwer g’laden.
[115]
Bruder, gib mir die Hand?
Na da — da iſt meine Hand.
Einen Kuß — Bruder, meinſt du’s auch ehr-
lich mit mir? — Bru —
Du bleibſt bei mir ſo lang Du lebſt, was
willſt denn mehr?
Du mußt es aber auch aufrichtig mit mir mei-
nen, ſonſt geh’ ich fort.
Wo willſt denn hin?
In’s Wirthshaus. Einen Brannt — wein muß
ich haben.
Da bleibſt — da drin haſt ein Schaffel
Waſſer, das kannſt trinken.
So — jetzt geh in’s Wirthshaus, wenn Du kannſt.
Er hat mich eing’ſperrt.
[116]
Aſtronom, ſchau daß bei Dir einmal ein trocke-
nes Viertel eingeht.
Zwölfter Auftritt.
Was iſt das? — er hat — hat — mich einge-
ſperrt? — Das hat er nicht nöthig — ich war
ſchon eingeſperrt — wie er noch Lehrbub war, war
ich ſchon eingeſperrt. Bruder, das iſt ſchä — ſchänd-
lich von dir.
Ich weiß, was
ich thu — ich ſteig beim Fenſter hinaus.
das Fenſter ein.)
Ich muß ein Branntwein haben.
gänzlich vom Fenſter verſchwunden iſt.)
Dreizehnter Auftritt.
Ich hab’ leider kein anderes Zimmer, als das
[117] da daneben, und da wird’s halt unruhig ſeyn,
denn die Bauern kommen vom heutigen Wettren-
nen zurück, ſie werden bald kommen, und da gibt’s
Lärm.
Das macht nichts.
Dieſe Geſtalt
hab’ ich gewählt, um mich von dem Treiben der drei
lockeren Geſellen zu überzeugen. Faſt fürchte ich,
Fortuna möchte Siegerin in dieſem Kampfe bleiben.
rechts ab.)
Vierzehnter Auftritt.
Ein armer reiſender Handwerksburſch thät bit-
ten um eine kleine Unterſtützung.
Da hat Er ein paar Kreuzer.
Er ſieht ja elend aus.
Ich küß die Hand — ich werd’ fleißig d’rum be-
ten. Frau Wirthin, ein Schnapps!
Da hat Er auch eine Weſte und ein Hemd
von mir.
[118]
O ich küß’s Kleid, das iſt Alles zu viel.
bald darauf, die Handwerksburſche beobachtend, aus der
Thüre.)
Fünfzehnter Auftritt.
Bauern, Muſikanten und Zwirn.
Aha, da kommen die Bauern ſchon.
Juhe! das Wettrennen iſt heut prächtig aus-
g’fallen.
Ah, Muſik, jetzt wird’s erſt fidel da.
Was Teuxel, Brüderl, was machſt denn Du da?
Juhe, der Zwirn! Du, ich geh’ jetzt betteln.
Ich auch. — Aber Du, im Gmeinhaus drüben
geht’s fidel zu.
[119]
Gehen wir hinüber.
Wenn ich da zahl, kann ich drüben nicht zahln.
Da zahl ich.
Wir haben kein
Geld bei uns, da nehmens die Weſte, das iſt für
uns Zwei mit einander.
Das werden Doch ein paar ſchöne Lumpen ſeyn.
Ein Tanz möcht’ ich haben!
Aufg’haut, Muſikanten! da iſt bezahlt.
zwiſchen ihnen und den Bauern im Hintergrunde fällt
eine Wolken-Decoration vor.)
Sechszehnter Auftritt.
Halt!
[120]
Was iſt das?
Unglaublich ſchien mir der Grad der Liederlich-
keit, den Ihr Beide erreicht habt — verfallen ſeid
Ihr ganz dem böſen Geiſt Lumpacivagabundus —
nun denn, ſo verbann’ ich Euch zur Strafe Eures
Wandels in den Abgrund, wo der ganze Troß der
böſen Geiſter hauſt.
öffnen ſich, auf jeder Seite kommen 2 Furien herauf.)
Gnade! Barmherzigkeit!
Ich werd’ mich beſſern.
Ich bin ſchon gebeſſert.
Es iſt zu ſpät. — Fort mit Beiden!
und verſinken zu beiden Seiten mit ihnen.)
[121]
Siebenzehnter Auftritt.
Brilliantine.
Ich bin beſiegt. Amoroſa, ich erkenne Deine
Macht für höher, als die meine; Du biſt die Sie-
gerin. Hilaris werde meiner Tochter Gemahl.
Ich bin überglücklich!
Mächtiger Herrſcher! Auch die verirrten Söhne
des Feenreichs habe ich auf den rechten Pfad zurück-
geführt, und ſo iſt Lumpacivagabundus gebannt
auf immerdar.
Nimm meinen Dank!
Hab’ ich ihn verdient, ſo überlaſſe mir die
beiden lockern Geſellen, die Du zu ſtreng beſtraft.
Es ſey!
Wohlan, ſo folget mir, ich will ſie Euch durch
meine Macht nun gebeſſert und glücklich zeigen.
6
[122]
in einer ſich öffnenden etwas tieferen Wolkengruppe das
Haus, welches Leim, Zwirn und Knieriem be-
wohnen. Zu ebener Erde iſt die Tiſchler-Werkſtatt,
in welcher Leim mit den Geſellen ihre Arbeit beendigen.
Leim zur Seite ſteht Peppi. Im erſten Stockwert
ſieht man durch ein offenes Fenſter Knieriem auf dem
Dreifuß arbeiten, indem er dabei immer zärtlich nach
einem ihm zur Seite ſtehenden jungen Weibe, in bür-
gerlicher Hauskleidung, blickt. — Bei dem andern Fen-
ſter des erſten Stockwerkes ſieht man Zwirn, wie er mit
großem Fleiße biegelt, und dazwiſchen immer ein ne-
ben ihm nähendes junges Weib umarmt. In beiden
Zimmern ſieht man mehrere Kinder.)
Iſt das ein Glück, Weib! der Komet is aus-
blieb’n, d’Welt ſteht alleweil noch, und wir ſtehn
mitten drauf mit unſerer unſinnigen Familie.
Du, Knieriem, wir ſeyn eing’laden beim Bru-
der Leim; biſt bald fertig?
Den Augenblick; die Tiſchler machen eh gleich
Feierabend unt.
Ich muß nur noch mit der Meinigen die
klein Kinder einſchlafern.
[123]
Feierabend! Feierabend!
Kommts herunter, Kameraden! Nach vollbrach-
tem Tagwerk ſchmeckt eim der Feierabend, die Luſt-
barkeit geht los.
Juheh!
Knieriem und Zwirn, mit ihren Weibern und Kindern,
kommen herab).
Jeder hat nun ſeine Arbeit gethan,
Jetzt bricht ein fröhlicher Fei’rabend an;
Häuslich und arbeitſam — ſo nur allein
Kann man des Lebens ſich dauernd erfreu’n.
ſchem Feuer, fällt der Vorhang.)
[][][][]
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- Kolimo+
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- TextGrid Repository (2025). Collection 2. Der böse Geist Lumpacivagabundus, oder: Das liederliche Kleeblatt. Der böse Geist Lumpacivagabundus, oder: Das liederliche Kleeblatt. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bn6v.0