und
die Prophylaxis
des
Kindbettfiebers.
C. A. Hartleben’s Verlags-Expedition.
1861.
[[II]]
Druck und Papier von Leopold Sommer
[[III]]
Vorwort.
Nach zweimal beendetem Curse der praktischen
Geburtshilfe an der ersten Gebärklinik zu Wien mel-
dete ich mich unterm 1. Juli 1844 beim Vorstande dieser
Klinik, weiland Professor Dr. Klein, als Aspiranten
für die einstens zu besetzende Stelle eines Assistenzarz-
tes besagter Klinik, und wurde als solcher mittelst De-
cret ddo. 27. Februar 1846 provisorisch angestellt. Am
1. Juli 1846 übernahm ich die Stelle eines Assistenten
der ersten Gebärklinik definitiv, musste aber selbe am
20. October desselben Jahres wieder an meinen Vorgän-
ger Dr. Breit abtreten, da Dr. Breit inzwischen eine
zweijährige Dienstesverlängerung erhielt. Wir wollen
im Verlaufe dieser Schrift diese vier Monate, nämlich:
den Juli, August, September, October des Jahres
1846, zum besseren Verständnisse, meine erste Dienst-
zeit nennen.
[IV]
Die Dienstzeit eines Assistenten, bei welch’ immer
Lehrkanzel, war in Wien auf zwei Jahre fixirt, bei
allen übrigen Lehrkanzeln war es aber Sitte, nach
Ablauf von zwei Jahren die Dienstzeit desselben Assi-
stenten abermals für zwei Jahre zu verlängern, nur bei
den geburtshilflichen Lehrkanzeln war diese Sitte nicht
im Gebrauche, und die Assistenten wechselten regel-
mässig alle zwei Jahre. Dr. Breit war der erste, dem
eine solche Begünstigung zu Theil wurde.
Inzwischen wurde Dr. Breit zum Professor der
Geburtshilfe an der Hochschule zu Tübingen ernannt,
und ich übernahm zum zweiten Male definitiv die Stelle
eines Assistenten den 20. März 1847, und fungirte als
solcher durch zwei Jahre, nämlich bis zum 20. März 1849.
Diese zwei Jahre wollen wir meine zweite Dienstzeit
nennen.
Die Aufgabe dieser Schrift ist: dem Lehrer ge-
schichtlich die Beobachtungen vorzuführen, welche ich
an dieser Klinik in diesem Zeitraume gemacht, ihm
zu zeigen, wie ich zum Zweifler an der bisherigen Lehre
über die Entstehung und den Begriff des Kindbettfie-
bers geworden, wie sich mir meine gegenwärtige Ueber-
zeugung unwiderstehlich aufgedrungen, damit auch er
zum Heile der Menschheit dieselbe Ueberzeugung daraus
schöpfe.
[V]
Vermöge meines Naturels jeder Polemik abgeneigt,
Beweis dessen ich auf so zahlreiche Angriffe nicht ge-
antwortet, glaubte ich es der Zeit überlassen zu können,
der Wahrheit eine Bahn zu brechen, allein meine Er-
wartung ging in einem Zeitraume von 13 Jahren nicht
in dem Grade in Erfüllung, wie es für das Wohl der
Menschheit nöthig ist.
Das Unglück wollte noch, dass in den Schuljahren
1856/7 und 1857/8 auf meiner eigenen geburtshilflichen
Klinik zu Pest die Wöchnerinnen in solcher Anzahl
starben, dass meine Gegner diese Sterblichkeit als Be-
weis gegen mich benützen könnten: es drängt zu
zeigen, dass diese zwei Unglücksjahre gerade so viele
traurige, unabsichtliche, directe Beweise für mich seien.
Zu dieser Abneigung gegen jede Polemik kömmt
noch hinzu eine mir angeborne Abneigung gegen alles,
was schreiben heisst.
Das Schicksal hat mich zum Vertreter der Wahr-
heiten, welche in dieser Schrift niedergelegt sind, er-
koren. Es ist meine unabweisbare Pflicht für dieselben
einzustehen. Die Hoffnung, dass die Wichtigkeit und
die Wahrheit der Sache jeden Kampf unnöthig mache,
habe ich aufgegeben. Es kommen nicht mehr meine
Neigungen, sondern das Leben derjenigen in Betracht,
welche an dem Streite, ob ich oder meine Gegner Recht
[VI] haben, keinen Antheil nehmen. Ich muss meinen Nei-
gungen Zwang anthun, und nochmals vor die Oeffent-
lichkeit treten, nachdem sich das Schweigen so schlecht
bewährt, ungewarnt durch die vielen bitteren Stunden,
die ich desshalb schon erduldet, die überstandenen habe
ich verschmerzt, für die mir noch bevorstehenden finde
ich Trost in dem Bewusstsein, nur in meiner Ueberzeu-
gung Gegründetes aufgestellt zu haben.
Pest, den 30. August 1860.
Der Verfasser.
Die Geburtshilfe ist derjenige Zweig der Medicin, welcher
die höchste Aufgabe derselben, nämlich Rettung des bedroh-
ten menschlichen Lebens, in zahlreichen Fällen am augen-
scheinlichsten löst. Unter vielen Fällen wollen wir nur die
Querlage des reifen Kindes anführen. Mutter und Kind sind
einem sicheren Tode verfallen, wenn die Geburt der Natur
überlassen bleibt, während die rechtzeitig hilfeleistende Hand
des Geburtshelfers durch beinahe schmerzlose, kaum einige
Minuten in Anspruch nehmende Handgriffe beide rettet.
Diesen Vorzug der Geburtshilfe, mit welchem ich schon
in den theoretischen Vorlesungen dieses Faches bekannt ge-
macht wurde, fand ich zwar allerdings vollkommen bestätiget,
als ich Gelegenheit hatte, im grossen Wiener Gebärhause die
Geburtshilfe auch von ihrer praktischen Seite kennen zu ler-
nen. Aber leider sah ich, dass die Anzahl von Fällen, in wel-
chen der Geburtshelfer so segensreich wirken kann, ver-
schwindend klein sei im Vergleiche mit der grossen Anzahl
von Opfern, denen er nur eine erfolglose Hilfe bringen kann.
Diese Schattenseite der Geburtshilfe ist das Kindbettfieber.
Zehn, fünfzehn Wendungen sah ich im Jahre mit Rettung der
Mutter und des Kindes vollführen, aber viele hundert von
Wöchnerinnen sah ich erfolglos am Kindbettfieber behandeln,
Semmelweis, Kindbettfieber. 1
[2] Aber nicht allein die Therapie fand ich erfolglos, auch die
Aetiologie zeigte sich mir mangelhaft, indem ich das aetiolo-
gische Moment für das Kindbettfieber, an welchem ich so viele
hundert Wöchnerinnen erfolglos behandeln sah, in der bisher
giltigen Aetiologie des Kindbettfiebers nicht finden konnte.
Das grosse Wiener Gratis-Gebärhaus ist in zwei Abthei-
lungen getrennt, wovon die eine die erste heisst, die andere
heisst die zweite. Durch eine allerhöchste Entschliessung vom
10. October 1840, Studien-Hofcommissionsdecret vom 17. Oc-
tober 1840, Z. 65666, Regierungsverordnung vom 27. Octo-
ber 1840, Z. 61015, wurden sämmtliche Schüler der ersten
Abtheilung und sämmtliche Schülerinnen der zweiten Abthei-
lung behufs des geburtshilflichen Unterrichtes zugewiesen.
Vor dieser Zeit wurden Geburtshelfer und Hebammen an beiden
Abtheilungen in gleicher Anzahl unterrichtet. Die Aufnahme
der ankommenden Schwangern, Kreissenden und Wöchnerin-
nen ist folgender Weise geregelt: Montag Nachmittags vier
Uhr beginnt die Aufnahme auf der ersten Abtheilung und
dauert bis Dinstag Nachmittags vier Uhr; Dinstag Nach-
mittags vier Uhr beginnt die Aufnahme auf der zweiten Ab-
theilung und dauert bis Mittwoch Nachmittags vier Uhr.
Mittwoch Nachmittags vier Uhr geht die Aufnahme wieder
auf die erste Abtheilung über und dauert bis Donnerstag
Nachmittags vier Uhr. Donnerstag Nachmittags vier Uhr
übernimmt wieder die zweite Abtheilung die Aufnahme und
behält sie bis Freitag Nachmittags vier Uhr. Freitag Nach-
mittags vier Uhr übergeht sie wieder an die erste Abtheilung
und bleibt durch 48 Stunden bis Sonntag Nachmittags vier
Uhr. Sonntag Nachmittags vier Uhr übergeht die Aufnahme
auf die zweite Abtheilung und bleibt an derselben bis Mon-
tag Nachmittags vier Uhr; es wechselt mithin die Aufnahme
zwischen beiden Abtheilungen von 24 zu 24 Stunden; nur ein-
mal in der Woche dauert die Aufnahme auf der ersten ge-
burtshilflichen Klinik durch 48 Stunden, es hat mithin die
erste Abtheilung wöchentlich vier Aufnahmstage, die zweite
[3] Abtheilung wöchentlich drei Aufnahmstage, mithin hat die
erste Abtheilung jährlich 52 Aufnahmstage mehr.
Die Sterblichkeit war an der ersten Abtheilung, seit selbe
ausschliesslich dem Unterrichte für Geburtshelfer bestimmt
ist, bis Juni 1847 constant, im Jahre 1846 sogar um das
Fünffache grösser, und innerhalb sechs Jahren durchschnitt-
lich dreimal so gross als an der zweiten Abtheilung, an wel-
cher nur Hebammen gebildet werden, wie nachfolgende Ta-
belle zeigt.
Tabelle Nr. I.
Der Unterschied der Sterblichkeit an beiden Abtheilun-
gen, so gross ihn auch diese Tabelle zeigt, war in der Wirk-
lichkeit noch weit grösser, weil zuweilen aus Ursachen, die
wir später erörtern werden, bei überhandnehmender Sterb-
lichkeit sämmtliche erkrankte Wöchnerinnen aus der ersten
Abtheilung in das allgemeine Krankenhaus transferirt wur-
den, daselbst starben, und dann in die Ausweise des Kran-
kenhauses, nicht aber in jene des Gebärhauses als verstorben
eingetragen wurden. Die Rapporte der ersten Gebärabthei-
lung zeigten daher dann, wann Transferirungen vorgenommen
wurden, geringe Mortalitätspercente, weil nur diejenigen,
welche wegen zu raschem Verlauf der Krankheit nicht transfe-
1 *
[4] rirt werden konnten, daselbst starben, während in Wirklich-
keit eine grosse Anzahl von Wöchnerinnen unterlag. An der
zweiten Abtheilung wurden Transferirungen in solcher Aus-
dehnung nie vorgenommen, es wurden nur einzelne Wöchne-
rinnen, welche sich wegen ihres Zustandes für die Uebrigen
als zu gefährlich erwiesen, transferirt.
Dieses Plus der Sterblichkeit an der ersten Abtheilung
im Vergleiche zur zweiten sind die vielen hundert Wöchne-
rinnen, welche ich zum Theile selbst an Puerperal-Processen
sterben sah, ohne für dieselben das aetiologische Moment in
der bisher giltigen Aetiologie finden zu können.
Um dem Leser ebenfalls die Ueberzeugung beizubringen,
dass dieses Plus der Sterblichkeit aus der bisher giltigen
Aetiologie nicht erklärt werden könne, wollen wir nun die
bisher giltigen aetiologischen Momente des Kindbettfiebers in
ihrer Anwendung zur Erklärung dieses Plus der Sterblichkeit
einer näheren Prüfung unterziehen.
Man zweifelte nicht und sprach es tausendmal aus, dass
die furchtbaren Verheerungen, welche das Kindbettfieber an
der ersten geburtshilflichen Abtheilung anrichtet, epidemi-
schen Einflüssen zuzuschreiben seien. Man versteht unter
epidemischen Einflüssen bisher noch nicht genau zu defini-
rende atmosphärische, cosmische, tellurische Veränderungen,
welche sich manchmal über ganze Länderstrecken ausbreiten,
und bei durch das Puerperium dazu disponirten Individuen das
Kindbettfieber hervorbringen. Wenn nun die atmosphärisch-
cosmisch-tellurischen Verhältnisse der Stadt Wien derart be-
schaffen sind, dass sie bei durch das Puerperium disponirten
Individuen das Puerperalfieber hervorzubringen im Stande
sind, wie kommt es denn, dass diese atmosphärisch-cosmisch-
tellurischen Einflüsse durch eine so lange Reihe von Jahren
vorzüglich die durch das Puerperium disponirten, auf der er-
sten geburtshilflichen Klinik befindlichen Individuen dahin-
raffte, während es die ebenfalls in Wien, im selben Hause eben-
falls durch das Puerperium disponirten, auf der zweiten Abthei-
[5] lung befindlichen Individuen so auffallend verschonte. Mir
scheint es keinem Zweifel zu unterliegen, dass, wenn die Ver-
heerungen des Kindbettfiebers an der ersten geburtshilflichen
Abtheilung epidemischen Einflüssen zuzuschreiben seien, sich
dieselben an der zweiten geburtshilflichen Abtheilung mit ge-
ringeren Schwankungen wiederholen müssten, widrigenfalls
wird man zu der ungereimten Annahme gedrängt, dass die
epidemischen Einflüsse 24stündige Remissionen und Exacer-
bationen ihrer verderblichen Thätigkeit erleiden, und dass ge-
rade die Remissionen durch eine Reihe von Jahren mit der
Aufnahmszeit auf der zweiten geburtshilflichen Klinik zusam-
menfallen, während die Exacerbationen durch eine Reihe von
Jahren gerade zur Zeit als die Aufnahme auf der ersten Ab-
theilung stattfindet, eintreten. Aber selbst dann, wenn man so
etwas Ungereimtes gelten lassen würde, wäre der Unterschied
der Sterblichkeit an beiden Abtheilungen durch epidemische
Einflüsse nicht erklärt. Die epidemischen Einflüsse wirken
während der Exacerbation auf die Individuen entweder vor
ihrer Aufnahme ins Gebärhaus, oder sie wirken auf die Indi-
viduen während ihres Aufenthaltes im Gebärhause. Wirken
sie ausserhalb des Gebärhauses auf die Individuen, so sind
gewiss sowohl diejenigen, welche auf der ersten geburtshilf-
lichen Klinik aufgenommen werden, als diejenigen, welche
sich auf der zweiten Klinik zur Aufnahme melden, der ver-
derblichen Wirkung der epidemischen Einflüsse ausserhalb
des Gebärhauses während der Exacerbation ausgesetzt gewe-
sen, und dann könnte keine so grosse Verschiedenheit in den
Mortalitätsverhältnissen zweier Abtheilungen sich vorfinden,
welche beide schon von epidemischen Einflüssen betroffene In-
dividuen aufnehmen; wirken aber die epidemischen Einflüsse
auf die Individuen während des Aufenthaltes im Gebärhause,
so könnte wieder kein Unterschied in der Grösse der Sterb-
lichkeit sein, weil zwei Abtheilungen, welche so nahe an ein-
ander liegen, dass sie ein gemeinschaftliches Vorzimmer ha-
ben, nothwendiger Weise denselben atmosphärisch-cosmisch-
[6] tellurischen Einflüssen unterworfen sein müssen. Diese Be-
trachtungen allein waren es, welche mir die unerschütter-
liche Ueberzeugung aufdrängten, dass es keine epidemischen
Einflüsse seien, welche die schreckenerregenden Verheerungen
unter den Wöchnerinnen der ersten Gebärklinik hervorrufen.
Nachdem einmal diese unerschütterliche antiepidemische
Ueberzeugung sich meiner bemächtiget hatte, fanden sich bald
manche Gründe, welche mich in meiner Ueberzeugung immer
mehr und mehr bestärkten. Wir wollen sie in Folgendem an-
führen:
Wenn die atmosphärischen Einflüsse der Stadt Wien eine
Kindbettfieber-Epidemie im Gebärhause hervorrufen, so müsste
ja nothwendiger Weise — da die Bevölkerung der Stadt Wien
denselben Einflüssen unterworfen ist — auch in der Stadt das
Kindbettfieber unter den Wöchnerinnen epidemisch herrschen,
in der Wirklichkeit aber beobachtete man während des stärk-
sten Wüthens der Puerperalkrankheit im Gebärhause weder
in Wien, noch auf dem Lande ein häufiges Erkranken der
Wöchnerinnen.
Wenn die Cholera epidemisch herrscht, erkrankt ja be-
kanntermassen nicht nur die Bevölkerung eines Spitals, son-
dern auch die Bevölkerung selbst.
Eine sehr häufig, und zwar mit Erfolg geübte Massregel,
um einer herrschenden Kindbettfieber-Epidemie Einhalt zu
thun, ist das Schliessen der Gebärhäuser. Man schliesst die
Gebärhäuser nicht in der Absicht, dass die Wöchnerinnen
nicht im Gebärhause, sondern wo anders sterben sollen, son-
dern man schliesst selbe in der Ueberzeugung: dass, wenn sie
im Gebärhause gebären würden, würden sie den epidemischen
Einflüssen unterliegen, wenn sie aber ausserhalb des Gebär-
hauses entbinden, werden sie gesund bleiben. Dadurch ist
aber der Beweis gegeben, dass man es mit keiner Epidemie
zu thun hatte, d. h. mit keiner Krankheit, welche durch at-
mosphärische Einflüsse bedingt ist, weil die atmosphärischen
Einflüsse über die Grenzen des Gebärhauses hinaus, in wel-
[7] chem Winkel immer der Stadt die Kreissenden und Wöchne-
rinnen treffen würden: dadurch ist der Beweis geliefert, dass
das Endemien sind, d. h. Erkrankungen in Folge von Ursa-
chen, welche in die Grenzen des Gebärhauses eingeengt sind.
Was würden die Vertheidiger der Epidemien sagen, wenn
Jemand den Vorschlag machen würde, um der Cholera-Epi-
demie Herr zu werden, sei es das Beste, die Choleraspitäler
zu schliessen?
Das Puerperalfieber, welches in Folge einer traumatischen
Einwirkung entsteht, z. B. nach forcirten Zangenoperationen,
ist ganz in seinem Verlaufe und anatomischen Befunde das-
selbe, wie es sich bei sogenannten Epidemien vorfindet. Kann
auch eine andere epidemische Krankheit auf traumatischem
Wege erzeugt werden?
Die Epidemien machen jahrelange Intermissionen, das
Kindbettfieber herrschte aber an der ersten geburtshilflichen
Klinik durch eine lange Reihe von Jahren mit geringen In-
termissionen ununterbrochen fort. Herrscht die Cholera all-
jährlich epidemisch?
Wenn die sogenannten Kindbettfieber-Epidemien wirklich
durch atmosphärische Einflüsse bedingt wären, so könnten sie
nicht in den entgegengesetzten Jahreszeiten und Klimaten
vorkommen; in der Wirklichkeit aber werden zu allen Jah-
reszeiten, in den verschiedensten Klimaten, unter allen Arten
der Witterungsverhältnisse Kindbettfieber-Epidemien beob-
achtet.
Wir wollen, um dem Leser durch Zahlen zu beweisen,
dass die Jahreszeiten wirklich keinen Einfluss auf die Her-
vorbringung des Kindbettfiebers haben, den durch die Ta-
belle Nr. 1 repräsentirten Zeitraum abermals benützen, mit
Hinzugabe der ersten fünf Monate des Jahres 1847. Es wird
dadurch mittelst Zahlen bewiesen, dass jeder Monat im Jahre
einen günstigen und jeder Monat im Jahre einen ungünstigen
Gesundheitszustand der Wöchnerinnen an der ersten Klinik
dargeboten hat. Nur der Monat December des Jahres 1841
[8] konnte nicht benützt werden, weil mir die Notiz, wie viele
Geburten sich in diesem Monate ereigneten, und wie viele
Wöchnerinnen gestorben seien, verloren ging. Dieser Monat
dürfte aber zu denjenigen gehören, in welchen viele Wöchne-
rinnen gestorben sind, weil er sich zwischen zwei Monaten
befindet, in welchen der Gesundheitszustand der Wöchnerin-
nen ein schlechter war. November 1841 starben 53 Wöchne-
rinnen von 235 Wöchnerinnen, also 22.55 %. Im Jänner 1842
starben 64 Wöchnerinnen von 307 Wöchnerinnen, mit-
hin 20.84 %.
[9]
Tabelle Nr. II.
Der Leser sieht, dass die epidemischen Einflüsse so mäch-
tig sind, dass ihre verderbliche Thätigkeit durch keine Jah-
reszeit gebändiget werden kann, sie wüthen in der strengen
Kälte des Winters und in der drückenden Hitze des Sommers
mit gleicher Heftigkeit; aber die epidemischen Einflüsse sind
parteiisch, indem sie nicht über alle Gebärhäuser gleichmäs-
sig ihre Geissel schwingen, sondern einzelne verschonen, um
dafür in anderen um so erbarmungsloser zu wüthen, ja sie ge-
hen in ihrer Parteilichkeit so weit, dass sie selbst verschiedene
Abtheilungen einer und derselben Anstalt in verschiedenem
Grade mit ihrer nicht ersehnten Thätigkeit heimsuchen.
Es ist Thatsache, dass Gebärhäuser, welche keine Un-
terrichtsanstalten sind, oder welche blos dem Unterrichte für
Hebammen gewidmet sind, mit wenigen Ausnahmen ein gün-
stigeres Verhältniss im Vergleiche zu den Bildungsanstalten
für den Geburtshelfer darbieten.
Tabelle I zeigt, wie verschieden sich die Mortalitätsver-
hältnisse zweier Abtheilungen einer und derselben Anstalt
verhielten; ein Gleiches fand in Strassburg auf zwei Abthei-
lungen ein und derselben Anstalt statt.
Wir werden auf diese Umstände später noch ausführli-
cher zu sprechen kommen.
Diese Gründe haben mich, wie schon gesagt, in meiner
Ueberzeugung immer mehr und mehr bestärkt, dass die grosse
Sterblichkeit an der ersten geburtshilflichen Klinik nicht
durch epidemische Einflüsse bedingt sei, sondern dass es en-
demische Schädlichkeiten seien, d. h. solche Schädlichkeiten,
welche ihre Thätigkeit nur innerhalb der Grenzen der ersten
Gebärklinik auf eine so entsetzliche Weise äussern.
Wenn wir aber die bisher giltigen endemischen Ursa-
chen in ihrer Anwendung auf die Mortalitätsverhältnisse der
beiden grossen Wiener-Gratis-Abtheilungen prüfen, so wird
sich zeigen, dass entweder kein Unterschied in der Grösse
der Sterblichkeit hätte sein können, oder wenn ja ein Unter-
schied möglich war, hätte eine grössere Sterblichkeit an der
[11] zweiten geburtshilflichen Klinik herrschen müssen, wo doch
in der Wirklichkeit eine geringere Sterblichkeit herrschte.
Wenn die Ueberfüllung die Ursache der Sterblichkeit an
der ersten geburtshilflichen Klinik gewesen wäre, so hätte die
Sterblichkeit an der zweiten geburtshilflichen Klinik noch
grösser sein müssen, weil die zweite geburtshilfliche Klinik
mehr überfüllt war als die erste. Der üble Ruf der ersten ge-
burtshilflichen Klinik hat es gemacht, dass sich Alles zur Auf-
nahme auf die zweite geburtshilfliche Abtheilung drängte, und
dadurch ist es oft geschehen, dass die zweite geburtshilfliche
Abtheilung die Aufnahme, wenn die gesetzliche Zeit heran-
rückte, nicht übernehmen konnte, weil sie keine neuange-
kommenen Individuen unterzubringen vermochte, oder wenn
sie auch die Aufnahme übernahm, so musste sie selbe nach
Verlauf von wenigen Stunden, vor Ablauf der gesetzlichen Zeit,
wieder an die erste geburtshilfliche Abtheilung zurückgeben,
weil am Gange eine so grosse Anzahl Individuen den Zeit-
punkt der Uebergabe der Aufnahme von der ersten geburts-
hilflichen Klinik an die zweite erwartete, dass nach Verlauf
kurzer Zeit sämmtliche disponible Plätze besetzt waren. In-
nerhalb fünf Jahren, welche ich an der ersten geburtshilfli-
chen Klinik zugebracht habe, ist es aber auch nicht einmal
geschehen, dass man gezwungen gewesen wäre, wegen Ueber-
füllung die Aufnahme vor der gesetzlichen Zeit an die zweite
geburtshilfliche Klinik abzugeben, obwohl an der ersten ge-
burtshilflichen Klinik wöchentlich einmal durch 48 Stunden
die Aufnahme ununterbrochen dauerte; und trotz dieser Ueber-
füllung war die Sterblichkeit der zweiten geburtshilflichen
Klinik auffallend geringer.
Die erste geburtshilfliche Klinik weist zwar alljährlich
mehrere hundert Geburten mehr aus, als die zweite Abthei-
lung, es war ihr aber, da sie wöchentlich einen Aufnahmstag
mehr hatte, ein grösseres Locale zugewiesen, als der zweiten
geburtshilflichen Klinik. Die zweite geburtshilfliche Klinik
war demnach trotz der geringeren Anzahl der Geburten im
[12] Verhältnisse zu ihrer Fassungsfähigkeit mehr überfüllt. Be-
weis dessen: konnte sie öfters die Aufnahme entweder gar
nicht übernehmen, oder musste sie dieselbe vor der Zeit abge-
ben, was sich an der ersten geburtshilflichen Klinik, wie schon
gesagt, durch fünf Jahre, obwohl wöchentlich einmal durch 48
Stunden die Aufnahme ununterbrochen fortdauerte, nicht er-
eignete; hätte die zweite Abtheilung die nöthigen Localitäten
gehabt, um alle, die dort Aufnahme suchten, auch aufnehmen
zu können, so hätte sie trotz dem, dass sie um 52 Aufnahms-
tage jährlich gesetzlich weniger hatte, eine bei weitem grös-
sere Anzahl Geburten ausgewiesen als die erste geburtshilf-
liche Abtheilung.
Wenn wir aber von einem Vergleiche der ersten Abthei-
lung zur zweiten in Bezug auf Ueberfüllung gänzlich abse-
hen, und nur die verschiedenen Grade der Ueberfüllung, wie
sie an der ersten Gebärklinik vorgekommen sind, je nachdem
eine grössere oder geringere Anzahl von Wöchnerinnen in den
verschiedenen Monaten verpflegt wurde, berücksichtigen, so
zeigt sich, dass der günstigere oder ungünstigere Gesund-
heitszustand der Wöchnerinnen nicht von einer grösseren oder
geringeren Ueberfüllung der ersten Abtheilung abhing. Wir
wollen wieder den durch die Tabelle I. repräsentirten Zeit-
raum benützen, mit Hinzugabe der ersten fünf Monate des
Jahres 1847, jedoch mit Ausschluss des Decembers vom Jahre
1841, weil uns über diesen Monat die Notate verloren
gingen.
Innerhalb dieser 76 Monate verhielt sich die Anzahl der
Verstorbenen zu der der Entbundenen wie folgt:
[13]
Tabelle Nr. III.
Innerhalb dieser 76 Monate war die grösste Anzahl der
verpflegten Wöchnerinnen während eines Monates 336, also
die grösste Ueberfüllung im Jänner 1846, davon sind gestor-
ben 45, mithin 13.39 %. In 13 Monaten innerhalb dieser 76
Monate war die absolute Sterblichkeit bei einer geringeren
Anzahl Geburten, also bei einer geringeren Ueberfüllung eine
grössere, wie Tabelle IV. zeigt.
Tabelle Nr. IV.
Wenn wir aber die relative Sterblichkeit berücksichti-
gen, so war mit Herzuziehung der Tabelle IV. die relative
Sterblichkeit bei einer geringeren Anzahl Geburten, also bei
einer geringeren Ueberfüllung innerhalb 24 Monaten grösser,
als bei der grössten Anzahl Geburten, also bei der grössten
Ueberfüllung im Monate Jänner 1846, wie die Tabellen IV.
und V. zeigen.
[15]
Tabelle Nr. V.
Die grösste Ueberfüllung war im Jänner 1846 mit 336 Geburten, wo-
von 45 starben, mithin 13.39 %.
Wenn wir aber nicht blos die absolute Sterblichkeit, son-
dern gleichzeitig die Jahreszeit berücksichtigen, so zeigt sich,
dass nur in den Monaten März und April bei der grössten Anzahl
Wöchnerinnen, also bei der grössten Ueberfüllung auch die
grösste absolute Sterblichkeit sich ereignete, wie Tabelle
Nr. VI. zeigt:
Tabelle Nr. VI.
- Jänner.
- 1846 Geburt. 336, Todte 45, Prct-.Anth. 13.39, Geburt. weniger — Todte mehr —
- 1842 » 307, » 64, » » 30.61, » » 29 » » 19
- 1843 » 272, » 52, » » 19.11, » » 64 » » 7
- Februar.
- 1847 Geburt. 312, Todte 6, Prct.-Anth. 1.92, Geburt. weniger — Todte mehr —
- 1842 » 311, » 38, » » 12.21, » » 1 » » 32
- 1846 » 293, » 53, » » 18.08, » » 19 » » 47
- 1845 » 274, » 13, » » 5.11, » » 38 » » 7
- 1843 » 263, » 42, » » 15.96, » » 49 » » 36
- 1844 » 257, » 29, » » 11.28, » » 55 » » 23
- 1841 » 239, » 18, » » 7.53, » » 73 » » 12
- März.
- 1846 Geburt. 311, Todte 48, Prct.-Anth. 15.43, Geburt. weniger — Todte mehr —
[16]
- April*),
- 1847 Geburt. 312, Todte 57, Prct.-Anth. 18.27, Geburt. weniger — Todte mehr —
- Mai.
- 1842 Geburt. 310, Todte 10, Prct.-Anth. 3.22, Geburt. weniger — Todte mehr —
- 1846 » 305, » 41, » » 13.44, » » 5 » » 31
- 1845 » 296, » 13, » » 4.30, » » 14 » » 3
- 1847 » 294, » 36, » » 12.24, » » 16 » » 26
- 1843 » 246, » 15, » » 6.10, » » 64 » » 5
- 1844 » 240, » 14, » » 5.83, » » 70 » » 4
- Juni.
- 1845 Geburt. 280, Todte 20, Prct.-Anth. 7.14, Geburt. weniger — Todte mehr —
- 1846 » 266, » 27, » » 10.15, » » 14 » » 7
- Juli.
- 1846 Geburt. 252, Todte 33, Prct.-Anth. 13.10, Geburt weniger — Todte mehr —
- 1842 » 231, » 48, » » 20.79, » » 21 » » 15
- August.
- 1844 Geburt. 269, Todte 17, Prct.-Anth. 6.02, Geburt. weniger — Todte mehr —
- 1842 » 216, » 55, » » 25.46, » » 53 » » 38
- 1846 » 216, » 39, » » 18.05, » » 53 » » 22
- September.
- 1846 Geburt. 271, Todte 39, Prct.-Anth. 14.39, Geburt. weniger — Todte mehr —
- 1842 » 223, » 41, » » 18.38, » » 48 » » 2
- October.
- 1845 Geburt. 283, Todte 42, Prct.-Anth. 14.84, Geburt. weniger — Todte mehr —
- 1843 » 250, » 44, » » 17.60, » » 33 » » 2
- 1842 » 242, » 71, » » 29.33, » » 41 » » 29
- November.
- 1846 Geburt. 297, Todte 32, Prct.-Anth. 10.77, Geburt. weniger — Todte mehr —
- 1841 » 235, » 53, » » 22.55, » » 62 » » 21
- 1842 » 209, » 48, » » 22.96, » » 88 » » 16
- December.
- 1846 Geburt. 298, Todte 16, Prct.-Anth., 5.37, Geburt. weniger — Todte mehr —
- 1845 » 267, » 28. » » 10.48, » » 31 » » 12
- 1844 » 256, » 27, » » 10.55, » » 42 » » 11
- 1842 » 239, » 75, » » 31.38, » » 59 » » 59
- 1843 » 236, » 19, » » 8.50, » » 62 » » 3
[17]
Wenn wir aber die relative Sterblichkeit und die Jahres-
zeit berücksichtigen, so zeigt sich, dass bei der grössten An-
zahl Wöchnerinnen, d. h. bei der grössten Ueberfüllung, nie
gleichzeitig die grösste relative Sterblichkeit stattfand, wie
Tabelle VII zeigt:
Tabelle Nr. VII.
- Jänner.
- 1846 Geburten 336, Todte 45, Percent-Antheil 13.39, Geburten weniger —
- 1842 » 307, » 64, » » 20.84, » » 29
- 1843 » 272, » 52, » » 19.11, » » 64
- 1841 » 254, » 37, » » 14.56, » » 82
- 1844 » 244, » 37, » » 15.39, » » 92
- Februar.
- 1847 Geburten 312, Todte 6, Percent-Antheil 1.92, Geburten weniger —
- 1842 » 311, » 38, » » 12.21, » » 1
- 1846 » 293. » 53, » » 18.08, » » 19
- 1845 » 274, » 13, » » 5.11, » » 38
- 1843 » 263, » 42, » » 15.96. » » 49
- 1844 » 257, » 29, » » 11.28, » » 55
- 1841 » 239, » 18, » » 7.53, » » 73
- März.
- 1846 Geburten 311, Todte 48, Percent-Antheil 15.43, Geburten weniger —
- 1844 » 276, » 47, » » 17.03, » » 35
- April.
- 1847 Geburten 312, Todte 57, Percent-Antheil 18.27, Geburten weniger —
- 1846 » 253, » 48, » » 18.97, » » 59
- Mai.
- 1842 Geburten 310, Todte 10, Percent-Antheil 3.22, Geburten weniger —
- 1846 » 305, » 41, » » 13.44, » » 5
- 1845 » 296, » 13, » » 4.39, » » 14
- 1847 » 294, » 36, » » 12.24, » » 16
- 1843 » 246, » 15, » » 6.10, » » 64
- 1844 » 240, » 14, » » 5.83, » » 70
- Juni.
- 1845 Geburten 280, Todte 20, Percent-Antheil 7.14, Geburten weniger —
- 1846 » 266, » 27, » » 10.15, » » 14
Semmelweis, Kindbettfieber. 2
[18]
- Juli.
- 1846 Geburten 252, Todte 33, Percent-Antheil 13.10, Geburten weniger —
- 1842 » 231, » 48, » » 20.79, » » 21
- August.
- 1844 Geburten 269, Todte 17, Percent-Antheil 6.32, Geburten weniger —
- 1846 » 216, » 39, » » 18.05, » » 53
- 1842 » 216, » 55, » » 25.19, » » 53
- September.
- 1846 Geburten 271, Todte 39, Percent-Antheil 14.39, Geburten weniger —
- 1842 » 223, » 41, » » 18.38, » » 48
- October.
- 1845 Geburten 283, Todte 42, Percent-Antheil 14.84, Geburten weniger —
- 1846 » 254, » 38, » » 14.98, » » 29
- 1843 » 250, » 44, » » 17.60, » » 33
- 1842 » 242, » 71, » » 29.33, » » 41
- November.
- 1846 Geburten 297, Todte 32, Percent-Antheil 10.77, Geburten weniger —
- 1845 » 265, » 29, » » 10.94, » » 32
- 1844 » 245, » 27, » » 11.00, » » 52
- 1841 » 235, » 53, » » 22.55, » » 62
- 1842 » 209, » 48, » » 22.96, » » 88
- December.
- 1846 Geburten 298, Todte 16, Percent-Antheil 5.37, Geburten weniger —
- 1845 » 267, » 28, » » 10.48, » » 31
- 1844 » 256, » 27, » » 10.55, » » 42
- 1842 » 239, » 75, » » 31.38, » » 59
- 1843 » 236, » 19, » » 8.05, » » 62
Wenn wir aber die einzelnen Monate nach der Anzahl
der in derselben vorkommenden Geburten, d. h. nach den
Graden der vorhandenen Ueberfüllung, aneinanderreihen, so
zeigt sich bei der allmäligen Abnahme der Geburten, d. h. der
allmäligen Abnahme der Ueberfüllung, keine entsprechende
Abnahme in der Sterblichkeit, wie Tabelle Nr. VIII. zeigt:
[19]
Tabelle Nr. VIII.
- Jänner.
- 1846 Geburten 336, Todte 45, Percent-Antheil 13.39
- 1847 » 311, » 10, » » 3.21
- 1842 » 307, » 64, » » 20.84
- 1845 » 303, » 23, » » 7.59
- 1843 » 272, » 52, » » 19.11
- 1841 » 254, » 37, » » 14.56
- 1844 » 244, » 37, » » 15.16
- Februar.
- 1847 Geburten 312, Todte 6, Percent-Antheil 1.92
- 1842 » 311. » 38, » » 12.21
- 1846 » 293, » 53, » » 18.08
- 1845 » 274, » 13, » » 5.11
- 1843 » 273, » 42, » » 15.96
- 1844 » 257, » 29, » » 11.28
- 1841 » 239, » 18, » » 7.53
- März.
- 1846 Geburten 311, Todte 48, Percent-Antheil 15.43
- 1847 » 305, » 11, » » 3.60
- 1845 » 292, » 13, » » 4.45
- 1841 » 277, » 12, » » 4.33
- 1844 » 276, » 47, » » 17.03
- 1843 » 266, » 33, » » 12.40
- 1842 » 264, » 27, » » 10.23
- April.
- 1847 Geburten 312, Todte 57, Percent-Antheil 18.27
- 1843 » 285, » 34, » » 11.93
- 1845 » 260, » 11, » » 4.23
- 1841 » 255, » 4, » » 1.57
- 1846 » 253, » 48, » » 18.97
- 1842 » 242, » 26, » » 10.74
- 1844 » 208, » 36, » » 17.30
- Mai.
- 1842 Geburten 310, Todte 10, Percent-Antheil 3.22
- 1846 » 305, » 41, » » 13.44
- 1845 » 296, » 13, » » 4.39
2 *
[20]
- 1847 Geburten 294, Todte 36, Percent-Antheil 12.24
- 1841 » 255, » 2, » » 0.78
- 1843 » 246, » 15, » » 6.10
- 1844 » 240. » 14, » » 5.83
- Juni.
- 1845 Geburten 280, Todte 20, Percent-Antheil 7.14
- 1842 » 273, » 18, » » 6.60
- 1846 » 266, » 27, » » 10.15
- 1844 » 224, » 6, » » 2.67
- 1841 » 200, » 10, » » 5.00
- 1843 » 196, » 8, » » 4.08
- Juli.
- 1846 Geburten 252, Todte 33, Percent-Antheil 13.10
- 1845 » 245, » 15. » » 6.12
- 1842 » 231, » 48, » » 20.79
- 1844 » 206, » 9, » » 4.37
- 1843 » 191, » 1, » » 0.52
- 1841 » 190, » 16, » » 8.42
- August.
- 1844 Geburten 269, Todte 17, Percent-Antheil 6.32
- 1845 » 251, » 9, » » 3.58
- 1841 » 222, » 3, » » 1.35
- 1842 » 216, » 55, » » 25.46
- 1846 » 216, » 39, » » 18.05
- 1843 » 193, » 3, » » 1.55
- September.
- 1846 Geburten 271, Todte 39, Percent-Antheil 14.39
- 1844 » 245, » 3, » » 1.22
- 1845 » 237, » 25, » » 10.55
- 1842 » 223, » 41, » » 18.38
- 1843 » 221, » 5, » » 2.26
- 1841 » 213, » 4, » » 1.87
- October.
- 1445 Geburten 283, Todte 42, Percent-Antheil 14.84
- 1846 » 554, » 38, » » 14.98
- 1843 » 250, » 44, » » 17.60
- 1844 » 248, » 8, » » 3.22
- 1842 » 242, » 71, » » 29.33
- 1841 » 236, » 26, » » 11.00
[21]
- November.
- 1846 Geburten 297, Todte 32, Percent-Antheil 10.77
- 1845 » 265, » 29, » » 10.94
- 1843 » 252, » 18, » » 7.14
- 1844 » 245, » 27, » » 11.00
- 1841 » 235, » 53, » » 22.55
- 1842 » 209, » 48, » » 22.96
- December.
- 1846 Geburten 298, Todte 16, Percent-Antheil 5.37
- 1845 » 267, » 28, » » 10.48
- 1844 » 256, » 27, » » 10.55
- 1842 » 239, » 75, » » 31.38
- 1843 » 236, » 19, » » 8.05
Wenn wir aber die einzelnen Monate nach der absolu-
ten Sterblichkeit aneinanderreihen, so zeigt sich keine dem
entsprechende allmälige Abnahme der Geburten, also Ab-
nahme der Ueberfüllung, wie Tabelle Nr. IX zeigt:
Tabelle Nr. IX.
- Jänner.
- 1842 Todte 64, Percent-Antheil 20.84, Geburten 307
- 1843 » 52, » » 19.11, » 272
- 1846 » 45, » » 13.39, » 336
- 1841 » 37, » » 14.56, » 254
- 1844 » 37, » » 15.16, » 244
- 1845 » 23, » » 7.59, » 303
- 1847 » 10, » » 3.21, » 311
- Februar.
- 1846 Todte 53, Percent-Antheil 18.08, Geburten 293
- 1843 » 42, » » 15.96, » 263
- 1842 » 38, » » 12.21, » 311
- 1844 » 29, » » 11.28, » 257
- 1841 » 18, » » 7.53, » 239
- 1845 » 13, » » 5.11, » 274
- 1847 » 6, » » 1.92, » 312
- März.
- 1846 Todte 48, Percent-Antheil 15.43, Geburten 311
- 1844 » 47, » » 17.03, » 276
- 1843 » 33, » » 12.40, » 266
[22]
- 1842 Todte 27, Percent-Antheil 10.23, Geburten 264
- 1845 » 13, » » 4.45, » 292
- 1841 » 12, » » 4.33, » 277
- 1847 » 11, » » 3.60, » 305
- April.
- 1847 Todte 57, Percent-Antheil 18.27, Geburten 312
- 1846 » 48, » » 18.97, » 253
- 1844 » 36, » » 17.30, » 208
- 1843 » 34, » » 11.93, » 285
- 1842 » 26, » » 10.74, » 242
- 1845 » 11, » » 4.23, » 260
- 1841 » 4, » » 1.57, » 255
- Mai.
- 1846 Todte 41, Percent-Antheil 13.44, Geburten 305
- 1847 » 36, » » 12.24, » 294
- 1843 » 15, » » 6.10, » 246
- 1844 » 14, » » 5.83, » 240
- 1845 » 13, » » 4.39, » 296
- 1842 » 10, » » 3.22, » 310
- 1841 » 2, » » 0.78, » 255
- Juni.
- 1846 Todte 27, Percent-Antheil 10.15, Geburten 266
- 1845 » 20, » » 7.14, » 280
- 1842 » 18, » » 6.60, » 273
- 1841 » 10, » » 5.08, » 200
- 1843 » 8, » » 4.08, » 196
- 1844 » 6, » » 2.67, » 224
- Juli.
- 1842 Todte 48, Percent-Antheil 20.79, Geburten 231
- 1846 » 33, » » 13.10, » 252
- 1841 » 16, » » 8.42, » 190
- 1845 » 15, » » 6.12, » 245
- 1844 » 9, » » 4.37, » 206
- 1843 » 1, » » 0.52, » 191
- August.
- 1842 Todte 55, Percent-Antheil 25.46, Geburten 216
- 1846 » 39, » » 18.05, » 216
[23]
- 1844 Todte 17, Percent-Antheil 6.32, Geburten 269
- 1845 » 9, » » 3.58, » 251
- 1841 » 3, » » 1.35, » 222
- 1843 » 3, » » 1.55, » 193
- September.
- 1842 Todte 41, Percent-Antheil 18.38, Geburten 223
- 1846 » 39, » » 14.39, » 271
- 1845 » 25, » » 10.55, » 237
- 1843 » 5, » » 2.26, » 221
- 1841 » 4, » » 1.87, » 213
- 1844 » 3, » » 1.22, » 245
- October.
- 1842 Todte 71, Percent-Antheil 29.33, Geburten 242
- 1843 » 44, » » 17.60, » 250
- 1845 » 42, » » 14.84, » 283
- 1846 » 38, » » 14.98, » 254
- 1841 » 26, » » 11.00, » 236
- 1844 » 8, » » 3.22, » 248
- November.
- 1841 Todte 53, Percent-Antheil 22.55, Geburten 235
- 1842 » 48, » » 22.96, » 209
- 1846 » 32, » » 10.77, » 297
- 1845 » 29, » » 10.94, » 265
- 1844 » 27, » » 11.00, » 245
- 1843 » 18, » » 7.14, » 252
- December.
- 1842 Todte 75, Percent-Antheil 31.38, Geburten 239
- 1845 » 28, » » 10.48, » 267
- 1844 » 27, » » 10.55, » 256
- 1843 » 19, » » 8.05, » 236
- 1846 » 16, » » 5.37, » 298
Wenn wir aber die einzelnen Monate nach der relativen
Sterblichkeit aneinanderreihen, so zeigt sich der allmäligen
Abnahme der relativen Sterblichkeit keine allmälig entspre-
chende Abnahme in der Anzahl der vorgekommenen Gebur-
ten, oder keine allmälige Abnahme der Ueberfüllung, wie
Tabelle X zeigt:
[24]
Tabelle Nr. X.
- Jänner.
- 1842 Percent-Antheil 20.84, Todte 64, Geburten 307
- 1843 » » 19.11, » 52, » 272
- 1844 » » 15.16, » 37, » 244
- 1841 » » 14.56, » 37, » 254
- 1846 » » 13.39, » 45, » 336
- 1845 » » 7.59, » 23, » 303
- 1847 » » 3.21, » 10, » 311
- Februar.
- 1846 Percent-Antheil 18.08, Todte 53, Geburten 293
- 1843 » » 15.96, » 42, » 263
- 1842 » » 12.21, » 38, » 311
- 1844 » » 11.28, » 29, » 257
- 1841 » » 7.53, » 18, » 239
- 1845 » » 5.11, » 13, » 274
- 1847 » » 1.92, » 6, » 312
- März.
- 1844 Percent-Antheil 17.03, Todte 47, Geburten 276
- 1846 » » 15.43, » 48, » 311
- 1843 » » 12.40, » 33, » 266
- 1842 » » 10.23, » 27, » 264
- 1845 » » 4.45, » 13. » 292
- 1841 » » 4.33, » 12, » 277
- 1847 » » 3.60, » 11, » 305
- April.
- 1846 Percent-Antheil 18.97, Todte 48, Geburten 253
- 1847 » » 18.27, » 57, » 312
- 1844 » » 17.30, » 36, » 208
- 1843 » » 11.93, » 34, » 285
- 1842 » » 10.74, » 26, » 242
- 1845 » » 4.23, » 11, » 260
- 1841 » » 1.57, » 4, » 255
- Mai.
- 1846 Percent-Antheil 13.44, Todte 41, Geburten 305
- 1847 » » 12.24, » 36, » 294
- 1843 » » 6.10, » 15, » 246
[25]
- 1844 Percent-Antheil 5.83, Todte 14, Geburten 240
- 1845 » » 4.39, » 13, » 296
- 1842 » » 3.22, » 10, » 310
- 1841 » » 0.78, » 2, » 255
- Juni.
- 1846 Percent-Antheil 10.15, Todte 27, Geburten 266
- 1845 » » 7.14, » 20, » 280
- 1842 » » 6.60, » 18, » 273
- 1841 » » 5.00, » 10, » 200
- 1843 » » 4.08, » 8, » 196
- 1844 » » 2.67, » 6, » 224
- Juli.
- 1842 Percent-Antheil 20.79, Todte 48, Geburten 231
- 1846 » » 13.10, » 33, » 252
- 1841 » » 8.42, » 16, » 190
- 1845 » » 6.12, » 15, » 245
- 1844 » » 4.37, » 9, » 206
- 1843 » » 0.52, » 1, » 191
- August.
- 1842 Percent-Antheil 25.46, Todte 55, Geburten 216
- 1846 » » 18.05, » 39, » 216
- 1844 » » 6.32, » 17, » 269
- 1845 » » 3.58, » 9, » 251
- 1843 » » 1.55, » 3, » 193
- 1841 » » 1.35, » 3, » 222
- September.
- 1842 Percent-Antheil 18.38, Todte 41, Geburten 223
- 1846 » » 14.39, » 39, » 271
- 1845 » » 10.55, » 25, » 237
- 1843 » » 2.26, » 5, » 221
- 1841 » » 1.87, » 4, » 213
- 1844 » » 1.22, » 3, » 245
- October.
- 1842 Percent-Antheil 29.33, Todte 71, Geburten 242
- 1843 » » 17.60, » 44, » 250
- 1846 » » 14.98, » 42, » 254
- 1845 » » 14.84, » 38, » 283
- 1841 » » 11.00, » 26, » 236
- 1844 » » 3.22, » 8, » 248
[26]
- November.
- 1842 Percent-Antheil 22.96, Todte 48, Geburten 209
- 1841 » » 22.55, » 53, » 235
- 1844 » » 11.00, » 27, » 245
- 1845 » » 10.94, » 29, » 265
- 1846 » » 10.77, » 32, » 297
- 1843 » » 7.14, » 18, » 252
- December.
- 1842 Percent-Antheil 31.38, Todte 75, Geburten 239
- 1844 » » 10.55, » 27, » 256
- 1845 » » 10.48, » 28, » 267
- 1843 » » 8.05, » 19, » 236
- 1846 » » 5.37, » 16, » 298
Wenn wir aber alle 76 Monate nach der Anzahl der in
denselben vorgekommenen Geburten, also nach dem Grade
der Ueberfüllung aneinanderreihen, so zeigt sich dem ent-
sprechend keine allmälige Abnahme der Sterblichkeit, wie
Tabelle XI. zeigt:
Tabelle Nr. XI.
- Jänner.............1846 Geburten 336, Todte 45, Percent-Antheil 13.39
- April..............1847 » 312, » 57, » » 18.27
- Februar...........1847 » 312, » 6, » » 1.92
- März..............1846 » 311, » 48, » » 15.43
- Jänner............1847 » 311, » 10, » » 3.21
- Februar...........1842 » 311, » 38, » » 12.21
- Mai.............1842 » 310, » 10, » » 3.22
- Jänner............1842 » 307, » 64, » » 20.84
- Mai.............1846 » 305, » 41, » » 13.44
- März..............1847 » 305, » 11, » » 3.60
- Jänner............1845 » 303, » 23, » » 7.59
- December..........1846 » 298, » 16, » » 5.37
- November.........1846 » 297, » 32, » » 10.77
- Mai...............1845 » 296, » 13, » » 4.39
- Mai...............1847 » 294, » 36, » » 12.24
- Februar...........1846 » 293, » 53, » » 18.08
- März.............1845 » 292, » 13, » » 4.45
- April.............1843 » 285, » 34, » » 11.93
[27]
- October............1845 Geburten 283, Todte 42, Percent-Antheil 14.84
- Juni..............1845 » 280, » 20, » » 7.14
- März..............1841 » 277, » 12, » » 4.33
- März.............1844 » 276, » 47, » » 17.03
- Februar...........1845 » 274, » 13, » » 5.11
- Juni..............1842 » 273, » 18, » » 6.60
- Jänner............1843 » 272, » 52, » » 19.11
- September.........1846 » 271, » 39, » » 14.39
- August............1844 » 269, » 17, » » 6.32
- December..........1845 » 267, » 28, » » 10.48
- März.............1843 » 266, » 33, » » 12.40
- Juni..............1846 » 266, » 27, » » 10.15
- November..........1845 » 265, » 29, » » 10.14
- März..............1842 » 264, » 27, » » 10.23
- Februar...........1843 » 263, » 42, » » 15.96
- April..............1845 » 260, » 11, » » 4.23
- Februar...........1844 » 257, » 29, » » 11.28
- December..........1844 » 256, » 27, » » 10.55
- April.............1841 » 255, » 4, » » 1.57
- Mai...............1841 » 255, » 2, » » 0.78
- Jänner............1841 » 254, » 37, » » 14.46
- October............1846 » 254, » 38, » » 14.98
- April.............1846 » 253, » 48, » » 18.97
- November..........1843 » 252, » 18, » » 7.14
- Juli...............1846 » 252, » 33, » » 13.10
- August............1845 » 251, » 9, » » 3.58
- October...........1843 » 250, » 44, » » 17.60
- October...........1844 » 248, » 8, » » 3.22
- Mai..............1843 » 246, » 15, » » 6.10
- September.........1844 » 245, » 3, » » 1.22
- Juli...............1845 » 245, » 15, » » 6.12
- November..........1844 » 245, » 27, » » 11.00
- Jänner............1844 » 244, » 37, » » 15.16
- April.............1842 » 242, » 26, » » 10.74
- October...........1842 » 242, » 71, » » 29.33
- Mai..............1844 » 240, » 14, » » 5.83
- Februar...........1841 » 239, » 18, » » 7.53
- December..........1842 » 239, » 75, » » 31.38
- September.........1845 » 237, » 25, » » 10.55
- October...........1841 » 236, » 26, » » 11.00
- December..........1843 » 236, » 19, » » 8.05
- November.........1841 » 235, » 53, » » 22.55
[28]
- Juli...............1842 Geburten 231, Todte 48, Percent-Antheil 20.79
- Juni..............1844 » 224, » 6, » » 2.67
- September.........1842 » 223, » 41, » » 18.38
- August............1841 » 222, » 3, » » 1.35
- September.........1843 » 221, » 5, » » 2.26
- August............1846 » 216, » 39, » » 18.05
- August............1842 » 216, » 55, » » 25.46
- September.........1841 » 213, » 4, » » 1.87
- November.........1842 » 209, » 48, » » 22.96
- April.............1844 » 208, » 36, » » 17.30
- Juli..............1844 » 206, » 9, » » 4.37
- Juni..............1841 » 200, » 10, » » 5.00
- Juni..............1843 » 196, » 8, » » 4.08
- August............1843 » 193, » 3, » » 1.55
- Juli...............1843 » 191, » 1, » » 0.52
- Juli..............1841 » 190, » 16, » » 8.42
Wenn wir aber die einzelnen Monate nach der absoluten
Sterblichkeit aneinanderreihen, so zeigt sich keine Verhält-
nissmässige Abnahme in der Anzahl der Geburten, oder mit
andern Worten keine entsprechende Abnahme im Grade der
Ueberfüllung, wie Tabelle XII. zeigt:
Tabelle Nr. XII.
- December..........1842 Todte 75, Percent-Antheil 31.38, Geburten 239
- October............1842 » 71, » » 29.33, » 242
- Jänner............1842 » 64, » » 20.84, » 307
- April.............1847 » 57, » » 18.27, » 302
- August............1842 » 55, » » 25.46, » 216
- November..........1841 » 53, » » 22.55, » 235
- Februar...........1846 » 53, » » 18.08, » 293
- Jänner............1843 » 52, » » 19.11, » 272
- November..........1842 » 48, » » 22.96, » 209
- Juli...............1842 » 48, » » 20.79, » 231
- April.............1846 » 48, » » 18.97, » 253
- März.............1846 » 48, » » 15.43, » 311
- März.............1844 » 47, » » 17.03, » 276
- Jänner............1846 » 45, » » 13.39, » 336
- October...........1843 » 44, » » 17.60, » 250
- Februar...........1843 » 42, » » 15.96, » 263
- October...........1845 » 42, » » 14.84, » 238
[29]
- September.........1842 Todte 41, Percent-Antheil 18.38, Geburten 223
- Mai...............1846 » 41, » » 13.44, » 305
- August............1846 » 39, » » 18.05, » 216
- September.........1846 » 39, » » 14.39, » 271
- October............1846 » 38, » » 14.38, » 254
- Februar...........1842 » 38, » » 12.21, » 311
- Jänner............1844 » 37, » » 15.16, » 244
- Jänner............1841 » 37, » » 14.54, » 254
- April.............1844 » 36, » » 17.30, » 208
- Mai..............1847 » 36, » » 12.24, » 294
- Jänner............1841 » 35, » » 14.56, » 254
- April.............1843 » 34, » » 11.98, » 285
- Juli...............1846 » 33, » » 13.10, » 252
- März.............1843 » 33, » » 12.40, » 266
- November.........1846 » 32, » » 10.77, » 297
- Februar...........1844 » 29, » » 11.28, » 257
- November..........1845 » 29, » » 10.44, » 265
- December..........1845 » 28, » » 10.48, » 267
- December..........1844 » 27, » » 10.55, » 256
- November..........1844 » 27, » » 11.00, » 245
- März.............1842 » 27, » » 10.23, » 264
- Juni..............1846 » 27, » » 10.15, » 266
- October............1841 » 26, » » 11.00, » 236
- April.............1842 » 26, » » 10.74, » 242
- September.........1845 » 25, » » 10.55, » 337
- Jänner............1845 » 23, » » 7.59, » 303
- Juni..............1845 » 20, » » 7.14, » 280
- December..........1843 » 19, » » 8.05, » 196
- Februar...........1841 » 18, » » 7.59, » 239
- November..........1843 » 18, » » 7.14, » 252
- Juni..............1842 » 18, » » 6.60, » 272
- August............1844 » 17, » » 6.32, » 269
- Juli...............1841 » 16, » » 8.42, » 190
- December..........1846 » 16, » » 5.57, » 298
- Juli...............1845 » 15, » » 6.12, » 245
- Mai..............1843 » 15, » » 6.10, » 246
- Mai..............1844 » 14, » » 5.83, » 240
- Februar...........1845 » 13, » » 5.17, » 274
- März.............1847 » 13, » » 4.45, » 292
- Mai...............1845 » 13, » » 4.39, » 296
- März.............1841 » 12, » » 4.33, » 260
- März..............1847 » 11, » » 3.60, » 305
[30]
- Juni...............1841 Todte 10, Percent-Antheil 5.00, Geburten 200
- Mai..............1842 » 10, » » 3.22, » 310
- Jänner.............1847 » 10, » » 3.21, » 311
- Juli...............1844 » 9, » » 4.37, » 206
- August............1845 » 9, » » 3.68, » 251
- Juni..............1843 » 8, » » 4.03, » 296
- October...........1844 » 8, » » 3.22, » 248
- Juni..............1844 » 6, » » 2.67, » 224
- Februar...........1847 » 6, » » 2.92, » 312
- September.........1843 » 5, » » 2.26, » 221
- September.........1841 » 4, » » 1.87, » 213
- April..............1841 » 4, » » 1.57, » 255
- August............1843 » 3, » » 1.55, » 193
- August............1841 » 3, » » 1.35, » 122
- September.........1844 » 3, » » 1.22, » 245
- September.........1841 » 2, » » 0.78, » 255
- Juli...............1843 » 1, » » 0.52, » 191
Wenn wir die einzelnen Monate nach der relativen Sterb-
lichkeit aneinanderreihen, so zeigt sich dem entsprechend
keine geringere Anzahl Geburten, oder mit anderen Worten
keine geringere Ueberfüllung, wie Tabelle XIII. zeigt:
Tabelle Nr. XIII.
- December.....1842 Sterblichkeits-Percent 31.38, Todte 75, Geburten 239
- October.......1842 » » 29.33, » 71, » 242
- August.......1842 » » 25.46, » 55, » 216
- November.....1842 » » 22.96, » 48, » 209
- November.....1841 » » 22.55, » 53, » 235
- Jänner.......1842 » » 20.84, » 64, » 307
- Juli..........1842 » » 20.79, » 48, » 231
- Jänner.......1843 » » 19.11, » 52, » 272
- April........1846 » » 18.97, » 48, » 253
- September....1842 » » 18.38, » 41, » 223
- April........1847 » » 18.27, » 57, » 312
- Februar......1846 » » 18.08, » 53, » 293
- August.......1846 » » 18.05, » 39, » 216
- October.......1843 » » 17.60, » 44, » 250
- April.........1844 » » 17.30, » 36, » 208
- März.........1844 » » 17.03, » 47, » 276
- Februar......1843 » » 15.96, » 42, » 263
[31]
- März.........1846 Sterblichkeits-Percent 15.43, Todte 48, Geburten 311
- Jänner.......1844 » » 15.16, » 37, » 244
- October.......1846 » » 14.98, » 38, » 254
- October.......1845 » » 14.84, » 42, » 238
- Jänner.......1841 » » 14.56, » 37, » 254
- September....1846 » » 14.39, » 39, » 271
- Mai.........1846 » » 13.44, » 41, » 305
- Jänner.......1846 » » 13.39, » 45, » 336
- Juli..........1846 » » 13.10, » 33, » 252
- März.........1843 » » 12.40, » 33, » 266
- Mai..........1847 » » 12.24, » 36, » 299
- Februar......1842 » » 12.21, » 38, » 311
- April........1843 » » 11.93, » 34, » 285
- Februar......1844 » » 11.28, » 29, » 257
- November.....1844 » » 11.00, » 27, » 245
- October......1841 » » 11.00, » 26, » 236
- November....1845 » » 10.94, » 29, » 265
- November....1846 » » 10.77, » 32, » 297
- April........1842 » » 10.74, » 26, » 242
- September....1845 » » 10.55, » 25, » 237
- December.....1844 » » 10.55, » 27, » 256
- December.....1845 » » 10.48, » 28, » 267
- März.........1842 » » 10.23, » 27, » 264
- Juni.........1846 » » 10.15, » 27, » 266
- Juli..........1841 » » 8.42, » 16, » 190
- December.....1843 » » 8.05, » 19, » 296
- Jänner.......1845 » » 7.59, » 23, » 303
- Februar......1841 » » 7.53, » 18, » 239
- Juni.........1845 » » 7.14, » 20, » 280
- November.....1843 » » 7.14, » 18, » 252
- Juni.........1842 » » 6.60, » 18, » 273
- August......1844 » » 6.32, » 17, » 269
- Juli.........1845 » » 6.12, » 15, » 245
- Mai.........1843 » » 6.10, » 15, » 246
- Mai.........1844 » » 5.33, » 14, » 240
- December.....1846 » » 5.37, » 16, » 298
- Februar......1845 » » 5.11, » 13, » 274
- Juni.........1841 » » 5.00, » 10, » 200
- März........1845 » » 4.45, » 13, » 292
- Mai.........1845 » » 4.39, » 13, » 296
- Juni.........1844 » » 4.37, » 9, » 206
- April........1845 » » 4.23, » 11, » 260
[32]
- März.........1841 Sterblichkeits-Percent 4.33, Todte 12, Geburten 277
- Juni.........1843 » » 4.08, » 8, » 296
- März.........1847 » » 3.60, » 11, » 305
- August.......1845 » » 3.58, » 9, » 251
- Mai..........1842 » » 3.22, » 10, » 310
- October.......1844 » » 3.22, » 8, » 248
- Jänner.......1847 » » 3.21, » 10, » 311
- Juni.........1844 » » 2.67, » 6, » 224
- September....1843 » » 2.26, » 5, » 221
- Februar......1847 » » 1.92, » 6, » 312
- September....1841 » » 1.87, » 4, » 213
- April.........1841 » » 1.57, » 4, » 255
- August.......1843 » » 1.55, » 3, » 193
- August.......1841 » » 1.35, » 3, » 122
- September....1844 » » 1.22, » 3, » 245
- September....1841 » » 0.78, » 2, » 255
- Juli..........1843 » » 0.52, » 1, » 191
Man glaubte, dass ein Local, in welchem so viele tau-
send Individuen schon geboren, das Wochenbett durchge-
macht, vom Kindbettfieber befallen und gestorben sind, müsse
nothwendiger Weise schon so verpestet sein, dass es nicht zu
wundern ist, wenn in diesen Localitäten das Kindbettfieber
überhandnehme. Wenn das der Fall wäre, so müsste wieder
die grössere Sterblichkeit an der zweiten geburtshilflichen
Klinik herrschen, weil in dem Locale der zweiten geburtshilf
lichen Klinik schon zu Boer’s Zeiten heftige Puerperalfieber-
Epidemien wütheten; zu einer Zeit, wo das Gebäude der ge-
genwärtigen ersten geburtshilflichen Abtheilung nicht einmal
noch gebaut war.
Man glaubte, dass der üble Ruf der Anstalt es mache,
dass die Neuaufgenommenen nur mit Schrecken die Anstalt
betreten, weil es ihnen bekannt sei, welch grosses Contingent
an Todten die Anstalt jährlich liefere, und das mache, dass
sie erkranken und sterben. Dass sie sich wirklich vor der er-
sten Abtheilung fürchteten, davon konnte man sich leicht
uberzeugen, da man manchmal herzzerreissende Scenen mit-
ansehen musste, wenn Individuen knieend und die Hände rin-
[33] gend um ihre Wiederentlassung baten, welche auf die zweite
Abtheilung zur Aufnahme gehen wollten, und wegen Un-
kenntniss des Locals auf die erste Abtheilung geriethen, wel-
ches ihnen die Anwesenheit vieler Männer klar machte. Wöch-
nerinnen mit unzählbaren Pulsschlägen, meteoristisch aufge-
triebenem Bauche, trockener Zunge, d. h. am Puerperalfieber
schwer erkrankte, betheuerten wenige Stunden vor dem Tode,
vollkommen gesund zu sein, um nur nicht ärztlich behandelt
zu werden, weil sie wussten, dass ärztliche Behandlung der
Vorläufer des Todes sei. Trotz dem konnte ich mich nicht
überzeugen, dass die Furcht die Ursache der grösseren Sterb-
lichkeit an der ersten Abtheilung sei, weil ich als Arzt nicht
einsah, wie die Furcht, ein psychischer Zustand, solch mate-
rielle Veränderungen hervorbringen könne, wie das Kindbett-
fieber ist. Nebst dem musste ja nothwendiger Weise eine län-
gere Zeit, eine grössere Sterblichkeit vorausgegangen sein,
bevor es unter Leuten, denen die Gebärhausrapporte nicht
zur Disposition stehen, bekannt wurde, dass an einer Abthei-
lung mehr als an der andern sterben. Durch die Furcht wird
der Beginn der Sterblichkeit nicht erklärt.
Selbst die religiösen Gebräuche sind einer Beschuldigung
nicht entgangen. Die Capelle des Krankenhauses hatte eine
derartige Lage, dass der von dort kommende, die Sterbesa-
cramente spendende Priester in das Krankenzimmer der zwei-
ten geburtshilflichen Klinik gelangen konnte, ohne die übri-
gen Wöchnerinnenzimmer zu berühren, während er an der
ersten geburtshilflichen Klinik fünf Zimmer passiren musste,
weil das Krankenzimmer der ersten Abtheilung in der Rich-
tung zur Capelle das sechste war. Die Priester pflegten im
Ornate unter Glockengeläute eines vorausgehenden Kirchen-
dieners, wie der katholische Ritus es mit sich bringt, sich zu
den Kranken zu begeben, um sie mit den heiligen Sterbe-
sacramenten zu versehen. Man trachtete zwar, dass diess
durch 24 Stunden nur einmal geschehe, aber 24 Stunden sind
für das Kindbettfieber eine sehr lange Zeit, und manche, die
Semmelweis, Kindbettfieber. 3
[34] während der Anwesenheit des Priesters noch ziemlich wohl
war, und desshalb mit den heiligen Sterbesacramenten nicht
versehen wurde, war nach Verlauf von einigen Stunden schon
so übel, dass der Priester neuerdings geholt werden musste.
Man kann sich denken, welchen Eindruck das öfters im Tage
hörbare verhängnissvolle Glöckchen des Priesters auf die an-
wesenden Wöchnerinnen hervorbrachte. Mir selbst war es
unheimlich zu Muthe, wenn ich das Glöckchen an meiner
Thüre vorübereilen hörte; ein Seufzer entwand sich meiner
Brust für das Opfer, welches schon wieder einer unbekannten
Ursache fällt. Dieses Glöckchen war eine peinliche Mahnung,
dieser unbekannten Ursache nach allen Kräften nachzuspüren.
Auch in diesem Unterschiede der Verhältnisse der beiden Ab-
theilungen fand man die Erklärung der Mortalitätsverschie-
denheit.
Ich appellirte während meiner ersten Dienstzeit an das
Humanitätsgefühl der Diener Gottes und erreichte es ohne
Anstand, dass die Priester künftighin auf einem Umwege, ohne
Glockengeläute, ohne ein anderes Zimmer zu berühren, sich
unmittelbar in das Krankenzimmer begaben, so dass ausser
den Anwesenden des Krankenzimmers Niemand die Gegen-
wart des Priesters inne wurde. Die Verhältnisse der beiden
Abtheilungen waren dadurch in diesem Punkte zwar gleich
gemacht, aber die Mortalitätsdifferenz blieb.
Man glaubte den Grund der grossen Sterblichkeit darin
zu finden, dass es lauter ledige, der trostlosesten Bevölke-
rung entnommene Mädchen seien, welche während ihrer
Schwangerschaft durch schwere Arbeit ihr Brot verdienen,
dem Elende und Noth preisgegeben und unter dem Einflusse
deprimirender Gemüthsaffecte leben, vielleicht Abortivmittel
gebraucht haben, etc. etc. Wenn das die Ursache wäre, so
müsste die Sterblichkeit an der zweiten Abtheilung eben so
gross sein, indem dort gleichartige Individuen aufgenommen
werden.
Man hat den Unterschied der grösseren Sterblichkeit an
[35] der ersten geburtshilflichen Klinik darin gefunden, dass die
Geburtshelfer roher untersuchen, als die Hebammenschüle-
rinnen.
Gesetzt, es wäre dem wirklich so, wenn die Einführung,
und zwar die noch so rohe Einführung des Zeigefingers in die
durch die Schwangerschaft erweiterte und verlängerte Scheide,
wenn die noch so rohe Berührung des durch die Scheide zu-
gängigen Uterus-Abschnittes schon eine solche Schädlichkeit
wäre, dass sie einen so furchtbaren Process als der Puerpe-
ralprocess ist, hervorzurufen im Stande wäre, da müsste ja
der Durchtritt des Kindeskörpers durch die Genitalien eine
solche Schädlichkeit sein, dass es nicht zu begreifen wäre,
warum nicht jede Geburt tödtlich ende.
Man hat in dem verletzten Schamgefühle der Individuen,
welche auf der ersten geburtshilflichen Klinik in Gegenwart
der Männer entbinden, die Ursache der grösseren Sterblich-
keit gefunden. Derjenige, welcher mit den Verhältnissen des
Wiener Gebärhauses vertraut ist, wird nicht zweifeln, dass die
Individuen auf der ersten geburtshilflichen Abtheilung zwar
von Furcht, aber nicht vom verletzten Schamgefühle geplagt
sind; übrigens ist nicht einzusehen, wie das verletzte Scham-
gefühl Exsudationsprozesse hervorzubringen im Stande ist.
Dass die medicinische Behandlung nicht Schuld daran
war, dass an der ersten geburtshilflichen Klinik mehr Indivi-
duen starben, geht daraus hervor, dass die medicinische Be-
handlung an beiden Abtheilungen gleich war, und man hat ver-
suchsweise von Zeit zu Zeit sämmtliche kranke Wöchnerinnen
ins allgemeine Krankenhaus transferirt, wo sie aber dennoch
den verschiedensten Behandlungen erlagen. Es war auch das
Verhältniss auf den beiden Abtheilungen nicht derart, dass
auf beiden Abtheilungen gleich viele erkrankten, und dann
auf der ersten wenig genasen und viele starben, an der
zweiten aber viele genasen und wenig starben: sondern es
erkrankten auf der ersten Abtheilung mehr Wöchnerinnen
und auf der zweiten weniger Wöchnerinnen. Die Genesungs-
3 *
[36] fälle unter den wirklich erkrankten Wöchnerinnen waren auf
beiden Abtheilungen nicht verschieden.
Dass aber die geburtshilfliche Behandlung, vieles und
rohes Operiren etc., nicht die Ursache der zahlreichen Er-
krankungen an der ersten Abtheilung waren, ging daraus her-
vor, dass bei der überwiegend grossen Anzahl der Erkrank-
ten gar keine geburtshilfliche Operation vorgenommen wurde,
an beiden Abtheilungen wird nach Boer’s Grundsätzen ge-
handelt.
Es herrschte an der ersten geburtshilflichen Klinik die
Sitte, dass die Neuentbundenen drei Stunden nach überstan-
dener Geburt vom Geburtsbette aufstehen, und sich zu Fuss
über einen zwar mit Glas geschlossenen, im Winter geheizten
Gang auf das ihnen bestimmte Wochenbett begeben mussten,
welches eine ziemliche Strecke betrug, wenn sie sich gerade
in die vom Kreissezimmer entfernteren Wochenzimmer zu be-
geben hatten; nur schwächliche oder kranke oder solche, bei
welchen eine Operation gemacht wurde, wurden getragen.
Dass aber dieser Uebelstand nicht die grössere Sterblich-
keit hervorgebracht, geht daraus hervor, dass dieser Uebel-
stand auch an der zweiten geburtshilflichen Klinik geübt
wurde, und zwar auf eine noch nachtheiligere Weise, weil die
zweite geburtshilfliche Abtheilung durch das gemeinschaft-
liche Vorzimmer, welches nie geheizt wurde, in zwei Theile
getheilt wird, und daher alle Wöchnerinnen, welche jenseits
des Vorzimmers ihr Wochenbett angewiesen erhielten, das-
selbe passiren mussten.
An der ersten geburtshilflichen Klinik befand sich ein
grosses Wochenzimmer im zweiten Stockwerke des Gebäudes;
da man aber den Neuentbundenen nicht zumuthen konnte,
auch dorthin zu Fuss zu gehen, so mussten die sieben- und
achttägigen gesunden Wöchnerinnen, welcher übrigens ohne-
dies der Tag des Verlassens des Bettes war, über eine mit
einer Glaswand geschützte Treppe sich dorthin begeben.
Dass dieses zweite Umlegen die grosse Sterblichkeit an der
[37] ersten geburtshilflichen Klinik nicht hervorgebracht hat, geht
daraus hervor, dass überhaupt die Wöchnerinnen nach sieben
und acht Tagen sehr selten erkrankten, wie auch daraus, dass
sich die Sache auf der zweiten Abtheilung eben so verhielt.
Die schlechte Ventilation an der ersten geburtshilflichen
Klinik, welche grösstentheils auch im Winter durch das
Oeffnen der Fenster bewerkstelligt wurde, wurde auch zur
Erklärung der grossen Sterblichkeit an der ersten geburtshilf-
lichen Klinik zu Hilfe genommen, ohne zu bedenken, dass an
der zweiten geburtshilflichen Klinik gerade so gelüftet wird.
Man beschuldigte die Wäsche deshalb, weil sie in der
Waschanstalt des Pächters mit der Wäsche des Krankenhau-
ses vermengt wurde, und übersah dabei, dass die zweite Kli-
nik ebenfalls vermengte Wäsche benützte.
Die unvortheilhafte Lage, nämlich die Verbindung mit
einem so grossen Krankenhause, wie das Wiener k. k. allge-
meine Krankenhaus es ist, hatten ebenfalls beide Abtheilun-
gen gemeinschaftlich, sie liegen ja so nahe an einander, dass
sie ein gemeinschaftliches Vorzimmer haben, die Bauart ist
ebenfalls auf beiden Abtheilungen gleich.
Die Nachtheile des ununterbrochenen Unterrichtes, des
Communicirens des Krankenzimmers mit den Zimmern der
Wöchnerinnen, der freie Verkehr der Wärterinnen der Kran-
ken mit denen der Gesunden hatten beide Abtheilungen ge-
meinschaftlich.
Weder die Verkühlung noch Diätfehler konnten zur Er-
klärung des Unterschiedes der Sterblichkeit an beiden Ab-
theilungen benützt werden, weil die Möglichkeit oder Unmög-
lichkeit sich zu verkühlen an beiden Abtheilungen gleich war.
Die Speisen wurden für beide Abtheilungen von einem und
demselben Traiteur geliefert, die Diätnorm war an beiden
Abtheilungen gleich.
Das sind die endemischen Ursachen, denen man die
grössere Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen im Gebärhause
im Vergleich zu den Wöchnerinnen ausserhalb des Gebärhau-
[38] ses zuschreibt, und damit bin ich, die nöthigen Ausnahmen,
von welchen wir später sprechen werden, abgerechnet, ein-
verstanden: sie sind aber nicht geeignet, die grössere Sterb-
lichkeit an der ersten geburtshilflichen Klinik im Vergleich
zur zweiten zu erklären. Wir haben ja gezeigt, dass diese
endemischen Schädlichkeiten auf beiden Abtheilungen entwe-
der in gleichem Masse vorhanden waren, folglich hätte an bei-
den Abtheilungen eine gleiche Sterblichkeit statthaben müs-
sen, oder wenn diese endemischen Schädlichkeiten ungleich
waren, so waren sie in höherem Masse an der zweiten Abthei-
lung vorhanden, und in geringerem Masse auf der ersten Ab-
theilung. Es hätte daher in Folge dieser Schädlichkeiten die
grössere Sterblichkeit an der zweiten geburtshilflichen Kli-
nik und die geringere an der ersten geburtshilflichen Klinik
herrschen müssen; in der Wirklichkeit ereignete sich aber
gerade das Entgegengesetzte, indem, wie Tabelle 1. annähe-
rungsweise zeigt, die Sterblichkeit an der ersten geburtshilf-
lichen Klinik, seit selbe ausschliesslich dem Unterrichte für
Geburtshelfer gewidmet ist, constant bedeutend grösser war,
als an der zweiten.
Nachdem weder die epidemischen noch die bisher gilti-
gen endemischen Einflüsse das Plus der Sterblichkeit an der
ersten geburtshilflichen Klinik erklären, wollen wir versu-
chen, die übrigen Ursachen, wie sie als Kindbettfieber erzeu-
gend angeführt werden, einer Prüfung zu unterziehen.
Neuere Forscher haben als die entfernteste Veranlassung
zu den Puerperal-Processen schon die Conception beschuldigt,
indem die Einwirkung des Sperma virile eine Reihe von Me-
tamorphosen bedinge, und vielfache, noch zum Theile un-
bekannte Veränderungen des Blutes hervorrufe. Ich glaube
in keiner Täuschung befangen zu sein, wenn ich die Behaup-
tung aufstelle, dass bei denjenigen, welche auf der zweiten
geburtshilflichen Klinik geboren haben, auch eine Conception
vorausging. Woher also die Differenz der Sterblichkeit an
beiden Abtheilungen?
[39]
Die Hyperinose, die Hydrämie, die Plethora, die durch
den schwangeren Uterus veranlassten Störungen, Stauun-
gen und Stockungen der Circulation, die Inopexie, der
Geburtsact selbst, der durch die Entleerung des Uterus
aufgehobene Druck, die lange Dauer der Geburt, die Ver-
wundung der inneren Fläche des Uterus durch den Ge-
burtsact, die mangelhaften Contractionen und die fehler-
hafte Involution des Uterus im Wochenbette, die mangel-
hafte und aufgehobene Se- und Excretion der Lochien, die
Unterdrückung der Milchsecretion, todte Früchte, die In-
dividualität der Wöchnerinnen sind Ursachen, so viel oder so
wenig Einfluss man ihnen auch auf die Hervorbringung des
Kindbettfiebers zuschreiben mag, müssen auf beiden Abthei-
lungen entweder gleich schädlich oder unschädlich sein, und
können nicht zur Erklärung einer so auffallenden Differenz
in den Mortalitätsverhältnissen zweier Abtheilungen benützt
werden.
Nebst dem, dass ich für das Plus der Sterblichkeit an der
ersten geburtshilflichen Klinik keine Erklärung finden konnte,
trugen sich an der ersten geburtshilflichen Klinik noch an-
dere Dinge zu, für welche die Erklärung fehlte.
Alle Kreissenden, bei welchen die Eröffnungsperiode so
zögernd verlief, dass sie 24, 48 Stunden und darüber dauerte,
erkrankten beinahe ohne Ausnahme sämmtlich entweder schon
während der Dauer der Geburt, oder in den ersten 24 und 36
Stunden nach der Geburt und starben am rasch verlaufenden
Kindbettfieber. Ein eben so zögernder Verlauf der Eröffnungs-
periode an der zweiten Klinik war ungefährlich.
Da ein so zögernder Verlauf der Eröffnungsperiode in der
Regel nur bei Erstgebärenden vorkommt, so waren es in der
Regel Erstgebärende, welche auf diese Weise zu Grunde gin-
gen. Ich habe meine Schüler oft und oft aufmerksam gemacht,
dass dieses blühende, junge, vor Gesundheit strotzende Mäd-
chen, weil die Eröffnungsperiode bei ihr zögere, werde ent-
weder schon während der Geburt, oder kurz nach der Geburt
[40] erkranken und am rasch verlaufenden Puerperalfieber sterben.
Meine Prognose ging in Erfüllung; ich wusste zwar nicht,
warum das geschieht, aber ich sah es oft geschehen; die Sache
war um so unerklärlicher, weil sie sich, wie schon gesagt,
unter ähnlichen Verhältnissen auf der zweiten Abtheilung
nicht wiederholte.
Wir sprechen hier, nochmals sei es gesagt, von der Er-
öffnungsperiode und nicht von der zögernd verlaufenden Aus-
treibungsperiode, es kann daher das traumatische Moment
nicht in Betracht kommen. Aber nicht allein diese Mütter,
sondern auch deren Neugeborne sind sämmtlich am Puerperal-
fieber, und zwar ohne Unterschied ob Knabe oder Mädchen,
gestorben. Ich bin nicht der Einzige, welcher vom Puerperal-
fieber bei Neugebornen spricht. Der anatomische Befund in
den Leichen solcher Neugebornen war mit Ausschluss der
Genitalsphäre identisch mit dem Befunde in den Leichen von
an Puerperalfieber verstorbenen Wöchnerinnen. Die Producte
in den Leichen der Wöchnerinnen als Producte des Puer-
peralfiebers anzuerkennen, und die identischen Producte in
den Leichen der Neugebornen nicht für das Product derselben
Krankheit gelten zu lassen, hiesse die pathologische Anatomie
umstossen.
Wenn es eine und dieselbe Krankheit ist, an welcher die
Wöchnerinnen und deren Neugeborne starben, so muss für
die Neugebornen dieselbe Aetiologie gelten, welche man für
deren Mütter als giltig anerkennt. Da nun dieselbe Mortali-
tätsverschiedenheit, welche wir unter den Wöchnerinnen der
beiden Kliniken beobachteten, bei den Neugebornen sich wie-
derholte, nämlich es starben an der ersten geburtshilflichen
Abtheilung auch die Neugebornen in viel grösserer Anzahl
als an der zweiten Abtheilung: so zeigt sich die bisher giltige
Aetiologie des Kindbettfiebers in der Erklärung der Mortali-
tätsdifferenz der Neugebornen am Kindbettfieber eben so man-
gelhaft, als sie sich zur Erklärung der Mortalitätsdifferenz
bei den Wöchnerinnen mangelhaft gezeigt hat. Die beifol-
[41] gende Tabelle zeigt die Differenz der Sterblichkeit unter den
Neugebornen der beiden Abtheilungen.
Tabelle Nr. XIV.
Von den Neugebornen wurde eine grosse Anzahl wegen
Tod oder Stillungsunvermögen der Mutter ins Findelhaus ge-
sendet, vom Schicksale derselben werden wir später sprechen.
Das Erkranken der Neugebornen am Kindbettfieber kann
man sich auf zweierlei Weise denken: entweder das Kind-
bettfieber erzeugende Moment wirkt während des intra-uteri-
nen Lebens der Frucht auf die Mutter, und durch die Mutter
wird das Kindbettfieber dem Kinde mitgetheilt; oder das
Kindbettfieber erzeugende Moment wirkt auf das Kind selbst
nach der Geburt, und dabei kann die Mutter mitgetroffen oder
verschont werden. Das Kind stirbt daher nicht an einem mit-
getheilten Kindbettfieber, wie im ersten Falle, sondern an
einem in ihm selbst entstandenen Kindbettfieber. Wird dem
Kinde das Kindbettfieber von der Mutter während des intra-
uterinen Lebens mitgetheilt, so ist die Mortalitätsdifferenz un-
ter den Neugebornen der beiden Abtheilungen durch die bisher
giltige Aetiologie des Kindbettfiebers nicht erklärt, weil sie zur
Erklärung der Erkrankung der Mütter ungenügend ist. Wirkt
aber das Kindbettfieber erzeugende Moment unabhängig von
der Mutter nach der Geburt unmittelbar auf das Kind, so
bleibt die Unmöglichkeit der Erklärung der Mortalitätsdiffe-
renz unter den Neugebornen der beiden Abtheilungen aus der
bisher giltigen Aetiologie des Kindbettfiebers dieselbe; weil
die Schädlichkeiten an beiden Abtheilungen entweder gleich
sind, folglich eine gleiche Sterblichkeit unter den Neugebor-
[42] nen der beiden Abtheilungen hätte herrschen müssen, oder
wenn die Schädlichkeiten ungleich sind, so sind selbe in
grösserem Masse an der zweiten geburtshilflichen Klinik vor-
handen; es müsste daher die grössere Sterblichkeit an der
zweiten geburtshilflichen Klinik herrschen, in der Wirklich-
keit herrschte aber auch unter den Neugebornen die grössere
Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik.
Abgesehen davon, dass viele aetiologische Momente,
welche bei der Mutter als Kindbettfieber erzeugend angeführt
werden, bei den Neugebornen unmöglich Geltung haben
können. Die Neugebornen haben sich wahrscheinlich vor der
ersten geburtshilflichen Klinik nicht gefürchtet, weil ihnen
der üble Ruf derselben unbekannt war, auch das verletzte
Schamgefühl, dass sie in Gegenwart der Männer geboren
wurden, dürfte bei den Neugebornen weniger geschadet ha-
ben, etc. etc.
Man definirte das Kindbettfieber als eine den Wöchnerin-
nen eigenthümlich und ausschliesslich zukommende Krank-
heit, zu deren Entstehung zwei Dinge erfordert werden, näm-
lich das Puerperium und ein Kindbettfieber erzeugendes Mo-
ment, so zwar dass dieselbe Ursache auf im Wochenbette be-
findliche Individuen einwirkend, das Kindbettfieber hervor-
rufe, dieselbe Ursache aber andere, nicht im Puerperalzustande
befindliche Individuen treffend, kein Puerperalfieber, sondern
eine andere Krankheit erzeuge. Wir wollen durch Beispiele
die Sache klarer machen. Man glaubte, dass die Wöchnerin-
nen an der ersten geburtshilflichen Klinik, weil sie wussten,
welch zahlreiches Contingent an Todten die Anstalt alljährlich
liefere, aus Todesfurcht das Kindbettfieber bekommen, das
disponirende Moment bei ihnen war das Wochenbett, und das
Kindbettfieber erzeugende Moment war die Todesfurcht. Es
ist anzunehmen, dass schon mancher Soldat in einer mörderi-
schen Schlacht von Todesfurcht gequält wurde, allein Solda-
ten bekommen aus Todesfurcht kein Kindbettfieber, sondern
[43] andere Zustände, weil bei ihnen das disponirende Moment,
nämlich das Wochenbett, fehlt.
Das weibliche Schamgefühl wird nicht nur dadurch ver-
letzt, dass sich die Individuen dem öffentlichen Unterrichte
für Männer preisgeben müssen, wodurch selbe, weil sie durch
das Puerperium dazu disponirt sind, das Kindbettfieber bekom-
men. Das weibliche Schamgefühl wird noch auf andere viel-
fältige Weise verletzt, wenn aber die so verletzten Jungfrauen
überhaupt nicht im Puerperium befindliche Individuen sind,
so bekommen selbe nicht das Kindbettfieber, weil das dispo-
nirende Moment fehlt, sondern mannigfaltige andere Zu-
stände, z. B. Ohnmachten, etc. etc. Verkühlung bringt bei
einer Wöchnerin das Kindbettfieber hervor, bei einer Nicht-
wöchnerin ein rheumatisches Fieber. Diätfehler bringen bei
einer Wöchnerin das Kindbettfieber hervor, bei einer Nicht-
wöchnerin aber ein gastrisches Fieber.
Da man sich aber überzeugte, dass das Kindbettfieber
nicht blos im Puerperio, sondern schon während der Geburt,
ja sogar während der Schwangerschaft beginne, so liess man
das Puerperium fallen, und begnügte sich mit der eigenthüm-
lichen Blutmischung der Schwangeren; wenn wir aber diese
Definition auf das Kindbettfieber der Neugebornen anwenden,
wo finden wir das disponirende Moment zu den Puerperalpro-
zessen bei den Neugebornen? In dem Puerperalzustande ihrer
Genitalien? Oder haben sie eine den Schwangern eigenthüm-
liche Blutmischung? und zwar ohne Unterschied ob es Mäd-
chen oder Knaben sind. Selbst der Begriff des Puerperalfie-
bers zeigte sich durch das Factum, dass das Kindbettfieber
auch bei Neugebornen vorkomme, als ein irriger.
Bei der grossen Ausbreitung der Stadt Wien ereignete
es sich sehr oft, dass Kreissende auf dem Wege ins Gebär-
haus, bevor sie das Gebärhaus erreichten, auf der Gasse, auf
dem Glacis, unter den Thoren der Häuser, wo sie der Zufall
eben hinbrachte, entbanden, und dann nach der Geburt mit
[44] dem Säugling in der Schürze oft bei der ungünstigsten Wit-
terung ins Gebärhaus gehen mussten. Diese Geburten werden
Gassengeburten genannt. Die Aufnahme in das Gebärhaus
und die Uebernahme des Neugebornen im Findelhause ge-
schieht gratis unter der Bedingung, dass sich die Kreissenden
dem öffentlichen Unterrichte preisgeben, und die welche taug-
lich sind, müssen im Findelhause Ammendienst thun. Nicht
im Gebärhause geborene Kinder werden im Findelhause gra-
tis nicht aufgenommen, weil deren Mütter dem Unterrichte
nicht gedient haben. Damit aber diejenigen, welche in der
Absicht, im Gebärhause zu entbinden, sich dorthin begeben,
und auf dem Wege dahin dasselbe vor der Geburt nicht mehr
erreichen können, nicht unschuldiger Weise dieser Vortheile
verlustig werden, so lässt man die Gassengeburten als solche
gelten, welche im Gebärhause vorsichgehen. Das hat aber
zu dem Missbrauche geführt, dass die etwas wohlhabenderen
Mädchen, um der Unannehmlichkeit des öffentlichen Unter-
richtes zu entgehen, und um dennoch der Wohlthat der un-
entgeltlichen Uebergabe des Kindes in das Findelhaus theil-
haftig zu werden, in der Stadt bei den Hebammen entbinden,
und sich dann mittelst Kutschen in das Gebärhaus bringen
lassen, mit der Angabe, sie seien auf dem Wege von der Ge-
burt überrascht worden. Wenn das Kind nicht getauft, und
der Nabelschnurrest ganz frisch ist, so wird eine solche Ge-
burt als Gassengeburt betrachtet und die Mutter wird aller
Wohlthaten theilhaftig, deren sich alle diejenigen erfreuen,
welche im Gebärhause geboren. Die Zahl der letzteren ist die
höhere, und übersteigt monatlich an beiden Kliniken nicht
selten die Zahl von 100.
Ich habe bemerkt, dass nun gerade die Wöchnerinnen,
welche eine Gassengeburt überstanden hatten, auffallend sel-
tener erkrankten als diejenigen, welche im Gebärhause gebo-
ren hatten, obwohl bei den Gassengeburten die Geburt offen-
bar unter ungünstigeren Verhältnissen vorsichging, als bei
denjenigen, welche bei uns auf dem Kreissebette geboren.
[45] Man wende nicht ein, dass ja die meisten unter Beistand einer
Hebamme ebenfalls im Bette geboren haben, und dass unsere
Wöchnerinnen drei Stunden nach der Geburt zu Fuss ihr Wo-
chenbett aufsuchen mussten, denn das Zufussgehen über einen
mit Glas geschützten, im Winter geheizten Gang ist gewiss
weniger schädlich, als bei einer Hebamme entbinden, dort
ebenfalls bald nach der Geburt aufstehen zu müssen, Gott
weiss vom wie vielten Stockwerke sich zu Wagen bege-
ben, unter allen Witterungsverhältnissen, über zum Theile
schlechtes Pflaster ins Gebärhaus zu fahren, um dort wieder
den ersten Stock zu ersteigen. Von denjenigen, die wirklich
auf der Gasse geboren, gilt diess noch in einem höheren Grade.
Es schien mir logisch, dass die Wöchnerinnen, die eine
sogenannte Gassengeburt überstanden hatten, wenn nicht häu-
figer, doch wenigstens so häufig hätten erkranken müssen, als
diejenigen, welche bei uns geboren. Wir haben früher unsere
unerschütterliche Ueberzeugung dahin ausgesprochen, dass
die Sterblichkeit an der ersten geburtshilflichen Klinik nicht
durch epidemische Einflüsse bedingt sei, sondern dass es en-
demische, jedoch noch unbekannte Schädlichkeiten seien, d. h.
solche Schädlichkeiten, welche nur innerhalb der Grenzen der
ersten Klinik ihre verderblichen Wirkungen äussern. Was
hat nun die ausserhalb des Gebärhauses Entbundenen vor den
verderblichen Wirkungen der an der ersten Klinik thätigen
unbekannten endemischen Einflüsse geschützt?
Auf der zweiten geburtshilflichen Abtheilung war der Ge-
sundheitszustand der Wöchnerinnen, welche eine Gassenge-
burt überstanden hatten, eben so günstig wie auf der ersten
Abtheilung, dort war es jedoch nicht auffallend, weil dort der
Gesundheitszustand der Wöchnerinnen im Allgemeinen ein
viel günstigerer war.
Hier wäre der Ort, durch eine Tabelle die geringeren
Sterblichkeitspercente unter den Gassengeburten im Ver-
gleiche zu den Geburten, welche auf der ersten Gebärklinik
vorsichgingen, zu zeigen.
[46]
So lange mir die Protokolle der ersten Gebärklinik zu
Gebote standen, fühlte ich das Bedürfniss einer solchen Ta-
belle nicht, weil dieses Factum von Niemanden geläugnet
wurde, ich versäumte es, eine solche Tabelle anzufertigen.
Später, als ich nicht mehr Assistent war, läugnete man dieses
Factum, wie man auch einen bedeutenden Unterschied in der
Sterblichkeit an der ersten und zweiten Gebärklinik läugnete,
welcher Unterschied aber durch die Tabelle Nr. I. ein unläug-
bares Factum wird. Professor Skoda stellte im Jahre 1848
im Professorencollegium der Wiener medicinischen Facultät
den Antrag, das Professorencollegium möge eine Commission
ernennen, welche unter andern Aufgaben auch die hätte, eine
solche Tabelle anzufertigen.
Der Antrag wurde mit grosser Majorität angenommen,
die Commission sogleich ernannt, allein in Folge eines Pro-
testes des Professors der Geburtshilfe durfte auf höheren Be-
fehl die Commission ihre Thätigkeit nicht beginnen.
Nebst den Wöchnerinnen, welche eine Gassengeburt
überstanden, erkrankten auch die Wöchnerinnen, welche eine
vorzeitige Geburt durchgemacht, auffallend seltener als dieje-
nigen, welche rechtzeitig geboren. Die Wöchnerinnen, welche
vorzeitig geboren, waren nicht nur denselben endemischen
Schädlichkeiten der ersten Gebärklinik ausgesetzt, wie die
Wöchnerinnen, welche rechtzeitig geboren, sondern einer
Schädlichkeit mehr, nämlich derjenigen, welche die Geburt
vorzeitig eingeleitet. Wie ist trotz dem ihr besserer Gesund-
heitszustand zu erklären? Die Erklärung, dass, je vorzeitiger
die Geburt eintrete, desto unentwickelter der Puerperalzu-
stand sei, in Folge dessen die Disposition zu einer Puerperal-
erkrankung geringer, ist durch die Beobachtung widerlegt,
dass der Puerperalzustand zur Entstehung des Puerperalfie-
bers gar nicht nöthig ist, da ja das Puerperalfieber schon
während der Geburt, ja sogar während der Schwangerschaft
beginnen, ja sogar tödten kann.
Der bessere Gesundheitszustand der Wöchnerinnen nach
[47] vorzeitigen Geburten an der zweiten Gebärklinik war im Ein-
klange mit dem besseren Gesundheitszustande der Wöchne-
rinnen nach rechtzeitigen Geburten an dieser Klinik.
Es erkrankten zwar die Wöchnerinnen auch zerstreut,
d. h. eine Wöchnerin erkrankte, und mehrere ihrer Nachba-
rinnen nach links und rechts blieben gesund, aber es ereig-
nete sich sehr oft, dass ganze Reihen wie sie eben nebenein-
ander im Wochenbett lagen, erkrankten, ohne dass auch nur
eine zwischen ihnen gesund geblieben wäre. Die Betten sind
in den Wochenzimmern an der Längenwand mit den entspre-
chenden Zwischenräumen an einandergereiht. Die Zimmer
haben je nach ihrer Lage eine nördliche und südliche oder öst-
liche und westliche Längenwand. Wenn die Wöchnerinnen,
welche sich in den Betten an der nördlichen Längenwand des
Zimmers befanden, erkrankten, waren wir schon geneigt, der
Verkühlung eine grosse Rolle bei Erkrankung dieser Wöch-
nerinnen zuzuschreiben, aber siehe da, beim nächsten Belegt-
werden des Zimmers mit Wöchnerinnen erkrankte die nach
Süden gelegene Hälfte der Wöchnerinnen, eben so erkrankten
manchmal die, welche an der östlichen, und manchmal die,
welche an der westlichen Längenwand lagen, oft breiteten sich
die Erkrankungen von einer Seite auf die andere aus, so dass
keine Himmelsgegend ein besonderes Lob oder einen beson-
deren Tadel verdiente.
Wie war diese Erscheinung zu erklären, nachdem sie
sich auf der zweiten geburtshilflichen Klinik nicht wieder-
holte, indem sie dort nur zerstreut erkrankten?
Dass das Kindbettfieber keine contagiöse Krankheit sei,
und dass die Erkrankung nicht durch Contagium von Bett zu
Bett fortgepflanzt wurde, wollen wir hier als unsere Ueber-
zeugung aussprechen, die Beweise dafür werden wir später
beibringen. Vorläufig genügt die Bemerkung, dass die zer-
streut vorgekommenen Erkrankungen der Wöchnerinnen an
der zweiten Gebärklinik, falls das Kindbettfieber eine conta-
giöse Krankheit gewesen wäre, hingereicht haben würden,
[48] aus dem zerstreuten Erkranken der Wöchnerinnen ein reihen-
weises Erkranken durch Fortpflanzung des Contagiums von
Bett zu Bett zu machen.
Die Staatsgewalt ist dieser beunruhigenden Erscheinung
der grossen Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik in Ver-
gleich zur zweiten gegenüber nicht gleichgiltig geblieben, sie
hat wiederholt commissionelle Untersuchungen und Verhand-
lungen eingeleitet, um die Ursache dieser Mortalitätsverschie-
denheiten zu ermitteln, und um sich zu überzeugen, ob die
wirklich erkrankten Wöchnerinnen nicht in grösserer Anzahl
rettbar seien, als es an der ersten Gebärklinik der Fall war.
Um das Letztere zu erreichen, wurden von Zeit zu Zeit
sämmtliche erkrankte Wöchnerinnen in das allgemeine Kran-
kenhaus transferirt, wo sie aber dennoch mit wenigen Aus-
nahmen ebenfalls starben, obwohl sie von einem andern Arzte
einer andern Behandlung unterworfen wurden, und sich selbe
in einem anderen Zimmer, nicht blos unter Puerperalkran-
ken etc. etc. befanden.
Von den exmittirten Commissionen wurde als Ursache der
grösseren Sterblichkeit bald eine oder die andere oder mehrere
der oben angeführten endemischen Ursachen beschuldigt, dem
entsprechend wurden die nöthigen Massregeln getroffen, ohne
dass es jedoch gelungen wäre, die Sterblichkeit in die Gren-
zen einzuengen, innerhalb welcher die Sterblichkeit auch an
der zweiten Gebärklinik vorgekommen ist.
Durch die Erfolglosigkeit der Massregeln wurde der Be-
weis geliefert, dass die beschuldigten Ursachen der grossen
Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik nicht die Ursachen
waren, welche in Wirklichkeit die grössere Sterblichkeit her-
vorgebracht haben.
Gegen Ende des Jahres 1846 gewann bei einer commis-
sionellen Verhandlung die Ansicht die Oberhand, dass die Er-
krankungen der Wöchnerinnen durch Beleidigung der Ge-
burtstheile, bei den zum Behufe des Unterrichts stattfinden-
den Untersuchungen bedingt sind, weil aber solche Untersu-
[49] chungen beim Unterrichte der Hebammen gleichfalls vorge-
nommen werden, so nahm man, um die häufigen Erkrankun-
gen auf der Abtheilung der Aerzte begreiflich zu machen, kei-
nen Anstand, die Studirenden und namentlich die Ausländer
zu beschuldigen, dass sie bei den Untersuchungen roher zu
Werke gehen als die Hebammen.
Auf diese Voraussetzung hin wurde die Zahl der Schüler
von 42 auf 20 vermindert. Die Ausländer wurden fast ganz
ausgeschlossen und die Untersuchung selbst auf das Minimum
reducirt.
Die Sterblichkeit verminderte sich hierauf in den Mona-
ten December 1846, Jänner, Februar, März 1847 auffallend,
allein im April starben trotz der erwähnten Massregel 57, im
Mai 36 Wöchnerinnen, daraus konnte die Grundlosigkeit der
obigen Beschuldigung Jedermann einleuchten.
Wir wollen hier des besseren Verständnisses wegen die
Rapporte des Jahres 1846 und die ersten fünf Monate des
Jahres 1847 der ersten Abtheilung veröffentlichen.
Tabelle Nr. XV.
[50]
Wir werden auf diese im Monat December 1846, Jän-
ner, Februar und März 1847 verminderte, April und Mai
wieder gesteigerte Sterblichkeit später nochmals zurück-
kommen.
Die Berichte der zur Ermittlung der Ursache der grossen
Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik exmittirten Commis-
sionen litten sämmtlich an dem unbegreiflichen Widerspruche,
dass sie die grosse Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik
eine Epidemie nannten, aber nicht, dem Begriffe einer Epi-
demie entsprechend, die Unmöglichkeit einer Abhilfe erklär-
ten, da es ja nicht in der Macht einer Commission liegt, die
atmosphärischen, cosmischen, tellurischen Verhältnisse der
Stadt Wien zu ändern. Was thut man denn, um die Dauer
der Cholera-Epidemie abzukürzen und um ihre Wiederkehr
zu verhindern? Sie beschuldigten eine oder mehrere der oben
angeführten endemischen Ursachen, und nannten es dann
nicht, wie es hätte geschehen sollen, eine Endemie, sondern
eine Epidemie. Ueberhaupt die unglückliche Verwechslung
des Begriffes einer Epidemie und einer Endemie ist die
Schuld, dass man so lange die wahre Ursache des Kindbett-
fiebers nicht gefunden.
Bei Aufstellung des Begriffes einer Puerperal-Epidemie
und Endemie muss von der Zahl der erkrankten und verstor-
benen Wöchnerinnen gänzlich abgesehen werden. Die Ur-
sache, in Folge welcher die Erkrankungs- und Todesfälle ein-
treten, bedingt den Begriff einer Epidemie oder Endemie.
Ein epidemisches Puerperalfieber ist dasjenige, welches durch
[51] atmosphärische, cosmische, tellurische Einflüsse hervorge-
bracht wird, und es gehört nicht zum Begriffe der Epidemie,
ob eines oder hunderte von Individuen erkranken. Wird das
Puerperalfieber durch eine endemische Ursache hervorge-
bracht, d. h. durch eine Ursache hervorgebracht, deren Wirk-
samkeit sich auf ein bestimmtes Locale beschränkt, so ist das
ein endemisches Puerperalfieber, und es ist wieder gleichgil-
tig, ob ein oder hunderte von Individuen erkranken. Das ist
der Begriff einer Epidemie und Endemie. Die Commissionen
berücksichtigen aber bei Benennung der Sterblichkeit nicht
die Ursachen, welche das Puerperalfieber angeblich hervorge-
bracht haben, sondern nur die Zahl, und weil viele Wöch-
nerinnen erkrankten und starben, nannte man es eine Epi-
demie.
Ueberzeugt, dass die grössere Sterblichkeit an der er-
sten Gebärklinik durch eine endemische, aber noch unbe-
kannte, von mir vergebens gesuchte Ursache herrühre, an
dem Begriffe des Kindbettfiebers durch das Erkranken der
Neugebornen am Kindbettefiber, ohne Unterschied ob Mäd-
chen oder Knabe, irre geworden, durch das Beobachten von
Erscheinungen, für welche ich keine Erklärung finden konnte,
als da sind: das beinahe ausnahmslose Sterben in Folge ver-
zögerter Eröffnungsperiode, das Nichterkranken der Gassen-
und vorzeitigen Geburten im Widerspruche mit meiner Ueber-
zeugung, dass die Verheerungen an der ersten Gebärklinik
endemischen Ursachen zuzuschreiben seien, das reihenweise
Erkranken der Wöchnerinnen an der ersten Gebärklinik, der
günstige Gesundheitszustand an der zweiten Gebärklinik im
Vergleich zur ersten, ohne dass ich die Ueberzeugung hätte
hegen können, dass die an der zweiten Gebärklinik Bedien-
steten geschickter oder sorgfältiger in Erfüllung ihrer Pflich-
ten seien als wir; die Missachtung, welcher die an der ersten
Gebärklinik Bediensteten deshalb bei den Hausleuten begeg-
neten, brachte in mir eine jener unglücklichen Gemüthsstim-
mungen hervor, welche das Leben nicht beneidenswerth ma-
4 *
[52] chen. Alles war in Frage gestellt, Alles war unerklärt, Alles
war zweifelhaft, nur die grosse Anzahl der Todten war eine
unzweifelhafte Wirklichkeit.
Der Leser kann sich einen Begriff von meiner Rathlosig-
keit während meiner ersten Dienstzeit machen, wenn ich ihm
erzähle, dass ich einem Ertrinkenden gleich, welcher sich an
einem Strohhalme anklammert, die Rücklage, welche bei Ent-
bindungen an der ersten Gebärklinik üblich war, abschaffte,
und dafür die Seitenlage einführte, aus keinem anderen Grunde,
als weil sie auf der zweiten Abtheilung üblich war; ich glaubte
zwar nicht, dass die Rückenlage im Vergleiche zur Seitenlage
so nachtheilig sei, dass man ihr das Plus der Sterblichkeit an
der ersten Abtheilung zuschreiben müsse, allein an der zwei-
ten Gebärklinik entbanden sie in der Seitenlage und der Ge-
sundheitszustand der Wöchnerinnen war ein besserer, folglich
sollen sie auch an der ersten Abtheilung in der Seitenlage ent-
binden, damit ja nur Alles so geschehe wie auf der zweiten
Abtheilung.
Den Winter 1846/7 benützte ich zur Erlernung der eng-
lischen Sprache, um die Zeit, welche ich noch wegen Wie-
derübernahme der Stelle eines Assistensarztes durch meinen
Vorfahren, Dr. Breit, warten musste, grösstentheils im
grossen Dubliner Gebärhause zubringen zu können; allein
Dr. Breit wurde Ende Februar 1847 zum Professor der Ge-
burtshilfe an der Hochschule zu Tübingen ernannt, ich unter-
nahm daher, meinen Reiseplan ändernd, in Gesellschaft zweier
Freunde am 2. März 1847 eine Reise nach Venedig, um an
den Kunstschätzen Venedigs meinen Geist und mein Gemüth
zu erheitern, welche durch die Erlebnisse im Gebärhause so
übel afficirt wurden.
Am 20. März desselben Jahres wenige Stunden nach mei-
ner Rückkehr nach Wien übernahm ich mit verjüngten Kräf-
ten die Stelle eines Assistensarztes an der ersten Gebärklinik,
aber bald überraschte mich die traurige Nachricht, dass Pro-
[53] fessor Kolletschka, von mir hochverehrt, inzwischen gestor-
ben sei.
Die Krankheitsgeschichte ist folgende: Kolletschka,
Professor der gerichtlichen Medicin, nahm häufig in gericht-
licher Beziehung mit seinen Schülern Sectionsübungen vor;
bei einer derartigen Uebung wurde er von einem Schüler mit
dem Messer, welches zur Section benützt wurde, in einen
Finger gestochen, in welchen? ist mir nicht mehr erinnerlich.
Professor Kolletschka bekam hierauf Lymphangoitis, Phle-
bitis an der entsprechenden oberen Extremität, und starb
während meines Aufenthaltes in Venedig an beiderseitiger
Pleuritis, Pericarditis, Peritonitis, Meningitis, und es bil-
dete sich noch einige Tage vor dem Tode eine Metastase in
einem Auge. Noch begeistert durch die Kunstschätze Vene-
digs, durch die Nachricht des Todes Kolletschka’s noch
mehr erregt, drängte sich in diesem aufgeregten Zustande
meinem Geiste mit unwiderstehlicher Klarheit die Identität
der Krankheit, an welcher Kolletschka gestorben, mit der-
jenigen, an welcher ich so viele hundert Wöchnerinnen ster-
ben sah, auf. Die Wöchnerinnen starben ja auch an Phlebi-
tis, Lymphangoitis, Peritonitis, Pleuritis, Pericarditis, Me-
ningitis, und es bilden sich auch bei Wöchnerinnen Me-
tastasen.
Tag und Nacht verfolgte mich das Bild von Kol-
letschka’s Krankheit, und mit immer grösserer Entschie-
denheit musste ich die Identität der Krankheit, an welcher
Kolletschka gestorben, mit derjenigen Krankheit, an wel-
cher ich so viele Wöchnerinnen sterben sah, anerkennen.
Aus der Identität des Leichenbefundes in den Leichen
der Neugebornen mit dem Leichenbefunde der am Kindbett-
fieber verstorbenen Wöchnerinnen haben wir früher, und wie
wir glauben, mit Recht geschlossen, dass auch die Neugebor-
nen am Kindbettfieber, oder mit andern Worten, dass die Neu-
gebornen an derselben Krankheit wie die Wöchnerinnen ge-
storben seien. Da wir aber dieselben identischen Producte in
[54] dem Leichenbefunde bei Kolletschka antrafen wie bei den
Wöchnerinnen, so ist der Schluss, dass Kolletschka an der-
selben Krankheit gestorben, an welcher ich so viele hundert
Wöchnerinnen sterben sah, ebenfalls ein berechtigter. Die
veranlassende Ursache der Krankheit bei Professor Kol-
letschka war bekannt, nämlich es wurde die Wunde, welche
ihm mit dem Sectionsmesser beigebracht wurde, gleichzeitig
mit Cadavertheilen verunreiniget. Nicht die Wunde, sondern
das Verunreinigtwerden der Wunde durch Cadavertheile hat
den Tod herbeigeführt. Kolletschka ist ja nicht der Erste,
der auf diese Weise gestorben. Ich musste anerkennen: wenn
die Voraussetzung, dass die Krankheit Kolletschka’s und die
Krankheit, an welcher ich so viele Wöchnerinnen sterben sah,
identisch seien, so müsse sie bei den Wöchnerinnen durch die-
selbe erzeugende Ursache, durch welche erzeugende Ursache
sie bei Kolletschka hervorgebracht wurde, erzeugt werden.
Bei Kolletschka waren die erzeugende Ursache Cadaver-
theile, welche ihm in’s Gefässsystem gebracht wurden. Ich
musste mir die Frage aufwerfen: Werden denn den Indivi-
duen, welche ich an einer identischen Krankheit sterben sah,
auch Cadavertheile in das Gefässsystem eingebracht? Auf
diese Frage musste ich mit Ja antworten.
Bei der anatomischen Richtung der Wiener medicini-
schen Schule haben die Professoren, Assistenten und Schüler
häufig Gelegenheit, mit Leichen in Berührung zu kommen.
Dass nach der gewöhnlichen Art des Waschens der Hände
mit Seife die an der Hand klebenden Cadavertheile nicht
sämmtlich entfernt werden, beweist der cadaveröse Geruch,
welchen die Hand für längere oder kürzere Zeit behält. Bei
der Untersuchung der Schwangeren, Kreissenden und Wöch-
nerinnen wird die mit Cadavertheilen verunreinigte Hand mit
den Genitalien dieser Individuen in Berührung gebracht, da-
durch werden die Genitalien dieser Individuen mit Cadaver-
theilen in Berührung gebracht, dadurch die Möglichkeit der Re-
sorption, und mittelst Resorption Einbringung von Cadaver-
[55] theilen in das Gefässsystem der Individuen bedingt und da-
durch bei den Wöchnerinnen dieselbe Krankheit hervorgeru-
fen, welche wir bei Kolletschka gesehen.
Wenn die Voraussetzung, dass die an der Hand kleben-
den Cadavertheile bei den Wöchnerinnen dieselbe Krankheit
hervorbringen, welche die am Messer klebenden Cadaver-
theile bei Kolletschka hervorgebracht haben, richtig ist, so
muss, wenn durch eine chemische Einwirkung die Cadaver-
theile an der Hand vollkommen zerstört werden, und daher
bei Untersuchungen von Schwangeren, Kreissenden und Wöch-
nerinnen, deren Genitalien blos mit den Fingern und nicht
gleichzeitig mit Cadavertheilen in Berührung gebracht wer-
den, diese Krankheit verhindert werden können, in dem
Masse, als sie durch Einwirkung von Cadavertheilen mittelst
des untersuchenden Fingers bedingt war. Mir schien dies im
Vorhinein um so wahrscheinlicher, als mir das Factum, dass
zersetzte organische Stoffe mit lebenden Organismen in Be-
rührung gebracht, in denselben einen Zersetzungsprocess her-
vorrufen, bekannt war.
Um die an der Hand klebenden Cadavertheile zu zerstö-
ren, benützte ich, ohne mich jedoch des Tages zu erinnern,
beiläufig von Mitte Mai 1847 angefangen, die Chlorina li-
quida, mit welcher ich und jeder Schüler vor der Untersu-
chung seine Hände waschen musste. Nach einiger Zeit ver-
liess ich die Chlorina liquida wegen ihres hohen Preises und
ging zu dem bedeutend billigeren Chlorkalk über. Im Monate
Mai 1847, in dessen zweiter Hälfte erst die Chlorwaschungen
eingeführt wurden, starben noch 36 oder 12.24 Percent von
294 Wöchnerinnen; in den übrigen sieben Monaten des Jah-
res 1847 verhielt sich das Mortalitätsverhältniss unter den an
der ersten Gebärklinik verpflegten Wöchnerinnen wie folgt:
[56]
Es starben mithin von den innerhalb sieben Monaten ver-
pflegten 1841 Wöchnerinnen 56, 3.04. Im Jahre 1846, in
welchem die Chlorwaschungen noch nicht im Gebrauche wa-
ren, starben von 4010 an der ersten Gebärklinik verpflegten
Wöchnerinnen 459, d. i. 11.4 Percent. An der zweiten Ab-
theilung starben im Jahre 1846 von 3754 Wöchnerinnen 105,
d. i. 2.7 Percent. Im Jahre 1847, wo gegen Mitte Mai die
Chlorwaschungen eingeführt wurden, starben an der ersten
Abtheilung von 3490 verpflegten Wöchnerinnen 176, d. i. 5.0
Percent. An der zweiten Abtheilung starben von 3306 Ent-
bundenen 32, d. i. 0.9 Percent. Im Jahre 1848, wo das ganze
Jahr hindurch die Chlorwaschungen emsig geübt wurden, star-
ben von 3556 Wöchnerinnen 45, 1.27 Percent. An der zweiten
Abtheilung starben im Jahre 1848 von 3219 Entbundenen 43,
d. i. 1.33 Percent.
Die einzelnen Monate des Jahres 1848 verhielten sich an
der ersten Abtheilung wie folgende Tabelle zeigt:
[57]
Tabelle Nr. XVI.
Im Jahre 1848 kommen also zwei Monate vor, nämlich
März und August, in welchen nicht eine einzige Wöchnerin
gestorben.
Im Jahre 1849 ereigneten sich im Monat Jänner 403 Ge-
burten, wovon 9 starben, d. i. 2.23 Percent. Im Monat Fe-
bruar fanden 389 Geburten statt, davon starben 12, d. i. 3.08
Percent. Im Monat März ereigneten sich 406 Geburten, da-
von starben 20, 4.9 Percent.
Vom 20. d. M. angefangen fungirte mein Nachfolger, Dr.
Carl Braun, als Assistent.
Wir haben oben erwähnt, dass die zur Ermittlung der
Ursache der grösseren Sterblichkeit an der ersten Gebärkli-
nik im Vergleich zur zweiten exmittirten Commissionen bald
eine oder die andere oder mehrere der oben angeführten ende-
mischen Ursachen als diejenigen beschuldigten, welche die an
der ersten Gebärklinik herrschende grössere Sterblichkeit her-
vorbringen. Dem entsprechend wurden die geeigneten Mass-
regeln ergriffen, ohne dass es dadurch gelungen wäre, die
Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik in die Grenzen einzu-
engen, innerhalb welcher sie auch an der zweiten Gebärklinik
[58] vorgekommen ist. Aus dieser Erfolglosigkeit wurde der be-
rechtigte Schluss gezogen, dass die von den Commissionen
beschuldigten Ursachen nicht die Ursachen waren, welche in
Wirklichkeit die grössere Sterblichkeit an der ersten Gebär-
klinik hervorgebracht haben.
Ich habe vorausgesetzt, dass die an der untersuchenden
Hand des Geburtshelfers klebenden Cadavertheile die Ursache
der grösseren Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik sei; ich
habe diese Ursache durch die Einführung der Chlorwaschun-
gen entfernt. Der Erfolg war, dass die Sterblichkeit an der
ersten Gebärklinik in die Grenzen eingeengt wurde, inner-
halb welcher sie auch an der zweiten vorgekommen ist, wie
die oben angeführten Zahlen zeigen. Es ist also der Schluss,
dass die an der Hand klebenden Cadavertheile in Wirklich-
keit das Plus der Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik her-
vorgebracht haben, auch ein berechtigter.
Seit die Chlorwaschungen mit so auffallend günstigem
Erfolge in Gebrauch gezogen wurden, wurde nicht die ge-
ringste Veränderung in den Verhältnissen der ersten Gebär-
klinik vorgenommen, welcher man einen Antheil an der Ver-
minderung der Sterblichkeit zuschreiben könnte.
Das Unterrichtssystem bei den Hebammen ist so beschaf-
fen, dass weder die Lehrenden noch die Lernenden so häufig
Veranlassung haben, sich die Hände mit Cadavertheilen zu
verunreinigen, als es bei dem Unterrichte der Aerzte der Fall
ist, und daher die geringere Sterblichkeit an der zweiten Ge-
bärklinik.
Die unbekannte endemische Ursache, welche an der er-
sten Gebärklinik so entsetzliche Verheerungen anrichtete, war
demnach in den an der Hand klebenden Cadavertheilen der
Untersuchenden an der ersten Gebärklinik gefunden.
Um die an der Hand klebenden Cadavertheile zu zerstö-
ren, musste jeder Untersuchende bei seinem Eintritte in das
Kreissezimmer seine Hände in der Chlorkalklösung waschen,
[59] und da die Schüler auf dem Kreissezimmer keine Gelegenheit
hatten, sich die Hände neuerdings mit Cadavertheilen zu ver-
unreinigen, so hielt ich es für genügend, wenn sich die Schü-
ler ihre Hände einmal in einer Chlorkalklösung wuschen. We-
gen der grossen Anzahl der in einem Jahre an der ersten Ge-
burtsklinik sich ereigneten Geburten trifft es sich sehr selten,
dass nur eine Kreissende auf dem Kreissezimmer ist, es sind
in der Regel mehrere gleichzeitig anwesend. Zum Behufe des
Unterrichtes wurden alle Kreissenden der Reihe nach, wie sie
eben nebeneinanderlagen, untersucht, und ich hielt es für ge-
nügend, nach jeder Untersuchung die Hand mit Seifenwasser
waschen zu lassen, bevor die nächste untersucht wurde; ich
hielt das Waschen mit Chlorwasser zwischen je zwei Unter-
suchungen für überflüssig, weil man ja auf dem Kreissezim-
mer, nachdem die Hand einmal von den an derselben kleben-
den Cadavertheilen gereinigt war, dieselbe nicht mehr mit
Cadavertheilen verunreinigen kann.
Im Monat October 1847 wurde eine an verjauchendem
Medullarkrebs des Uterus leidende Kreissende aufgenommen;
es wurde ihr das Bett Nr. 1, bei welchem die Visite immer
begonnen wurde, als Kreissebett angewiesen.
Nach der Untersuchung dieser Kreissenden haben wir
Untersuchende uns unsere Hände blos mit Seife gewaschen;
die Folge davon war, dass von 12 gleichzeitig mit ihr Entbun-
denen 11 starben. Die Jauche des verjauchenden Medullar-
krebses wurde durch das Seifenwasser nicht zerstört, durch
die Untersuchungen wurde die Jauche auf die übrigen Kreis-
senden übertragen, und so das Kindbettfieber vervielfältigt.
Also nicht blos die an der Hand klebenden Cadaver-
theile, sondern Jauche, von lebenden Organismen herrührend,
erzeugen das Kindbettfieber; es müssen daher die Hände des
Untersuchenden nicht blos nach Beschäftigung mit Cadavern,
sondern nach Untersuchungen von Individuen, bei welchen die
Hand mit Jauche verunreinigt werden kann, ebenfalls in
[60] Chlorwasser gewaschen werden, bevor zur Untersuchung eines
zweiten Individuums geschritten wird.
Diese, dieser traurigen Erfahrung entnommene Regel
beobachteten wir in der Folge, und es wurde nicht mehr durch
Uebertragung der Jauche von einem Individuum auf das an-
dere mittelst des untersuchenden Fingers das Kindbettfieber
verbreitet.
Der Träger der Cadaver- und Jauchetheile, durch welche
das Kindbettfieber an der ersten geburtshilflichen Klinik her-
vorgebracht wurde, war der untersuchende Finger.
Eine neue traurige Erfahrung überzeugte uns, dass der
Träger der zersetzten organischen Stoffe, welche das Kind-
bettfieber hervorbringen, auch die atmosphärische Luft sein
könne; im Monate November desselben Jahres wurde ein In-
dividuum mit verjauchender Caries des linken Kniegelenkes
aufgenommen; in ihren Genitalien war dieses Individuum voll-
kommen gesund; so dass der Finger, welcher sie untersuchte,
für die übrigen Individuen ungefährlich blieb. Aber die jau-
chigen Exhalationen des cariösen Kniegelenkes waren so be-
deutend, dass die Luft des Wochenzimmers, in welchem die-
ses Individuum das Wochenbett zugebracht, in hohem Grade
von denselben geschwängert war, und dadurch wurde bei
ihren Mitwöchnerinnen in dem Grade das Kindbettfieber her-
vorgerufen, dass beinahe sämmtliche in den Zimmern befind-
liche Wöchnerinnen starben. Die Rapporte der ersten Gebär-
klinik weisen im Monate November 11 und im Monate De-
cember 8 Todte aus, welche grösstentheils durch die jauchi-
gen Exhalationen obbenannten Individuums hervorgebracht
wurden.
Die mit Jauchetheilen geschwängerte atmosphärische Luft
des Wochenzimmers drang durch die nach der Geburt klaf-
fenden Genitalien in die Gebärmutterhöhle, dort wurden die
Jauchetheile resorbirt, und dadurch das Kindbettfieber her-
vorgerufen. In Zukunft wurde durch Absonderung solcher In-
dividuen ein ähnliches Unglück verhütet.
[61]
Das Gebärhaus zu Wien wurde eröffnet am 16. August
1784. Im vorigen Jahrhunderte und in den ersten Decennien
des gegenwärtigen Jahrhunderts, wo die Medicin, sich in theo-
retischer Speculation gefallend, der anatomischen Grundlage
entbehrte, starben im Jahre 1822 von 3066 Aufgenommenen
26 Wöchnerinnen, d. i. 0.84 Percent-Antheile. Im Jahre 1841,
wo die anatomische Richtung das Wesen der Wiener medici-
nischen Schule bildete, starben von 3036 Aufgenommenen
237 Wöchnerinnen, d. i. 7.7 Percent-Antheile. Im Jahre 1843
starben von 3060 Aufgenommenen 274 Wöchnerinnen, d. i.
8.9 Percent-Antheile. Im Jahre 1827 starben von 3294 Auf-
genommenen 55 Wöchnerinnen, d. i. 1.66 Percent-Antheile.
Im Jahre 1842 starben von 3287 Aufgenommenen 518 Wöch-
nerinnen, d. i. 15.8 Percent-Antheile.
Vom Jahre 1784 bis zum Jahre 1823 kommen 25 Jahre
vor, in welchen auch nicht 1 Percent-Antheil von den im Ge-
bärhause verpflegten Wöchnerinnen gestorben ist, wie Ta-
belle Nr. XVII. zeigt.
[62]
Tabelle Nr. XVII.
Standesausweis der k. k. Gebäranstalt vom 16. August 1784
angefangen.
Diese Tabelle ist ein unumstösslicher Beweis für meine
Ansicht, dass das Kindbettfieber durch Uebertragung zersetz-
ter thierisch-organischer Stoffe entstehe.
Zur Zeit als die Gelegenheit zur Uebertragung vermöge
des Unterrichtssystems eine beschränkte war, war der Ge-
sundheitszustand der im Gebärhause verpflegten Wöchnerin-
nen ein günstiger.
Mit der Zeit als die Wiener medicinische Schule die ana-
tomische Richtung annahm, begann der ungünstige Gesund-
heitszustand der im Gebärhause verpflegten Wöchnerinnen.
Als die Anzahl der Geburten und der Schüler und Schülerin-
nen eine solche Höhe erreichte, dass es für einen Professor zu
viel war, diese grosse Anzahl von Geburten zu übersehen und
diese grosse Anzahl von Schülern und Schülerinnen zu unter-
richten, wurde das Gebärhaus in zwei Abtheilungen getrennt,
und einer jeden Abtheilung eine gleiche Anzahl Schüler und
eine gleiche Anzahl Schülerinnen zugewiesen. Durch eine
allerhöchste Entschliessung vom 10. October 1840 wurden
sämmtliche Schüler behufs des geburtshilflichen Unterrichtes
einer Abtheilung, welche man die erste nennt, zugewiesen,
sämmtliche Schülerinnen wurden der anderen Abtheilung zu-
getheilt, welche die zweite heisst.
In welchem Jahre die Trennung des Gebärhauses in zwei
Abtheilungen geschah, bin ich nicht in der Lage angeben zu kön-
nen. Die Tradition erzählt, und Collegen, welche an der zwei-
ten Gebärklinik den geburtshilflichen Unterricht erhielten,
zur Zeit als an der zweiten Gebärklinik noch Schüler aufge-
nommen wurden, behaupten, dass zu der Zeit die Grösse der
Sterblichkeit zwischen beiden Abtheilungen schwankte; der
constant ungünstigere Gesundheitszustand der Wöchnerinnen
der ersten Abtheilung datirt erst vom Jahre 1840, in welchem
Jahre sämmtliche Schüler der ersten und sämmtliche Schüle-
rinnen der zweiten Abtheilung zugewiesen wurden.
Nach dem Vorausgeschickten ist es überflüssig, eine Er-
klärung dieser Erscheinung zu geben.
[64]
Die Tabelle Nr. I. zeigt den Unterschied der Sterblich-
keit unter den Wöchnerinnen der beiden Abtheilungen, seit
die erste ausschliesslich dem Unterrichte für Geburtshelfer,
und die zweite ausschliesslich dem Unterrichte für Hebammen
gewidmet ist.
Hier wäre der Ort, eine ähnliche Tabelle zu veröffent-
lichen über die Jahre, während welchen Schüler und Schüle-
rinnen an beiden Abtheilungen in gleicher Anzahl vertheilt
waren, um zu zeigen, dass während dieser Zeit die Sterb-
lichkeit nicht constant grösser an der ersten Abtheilung war.
Aber mir stehen die dazu nöthigen Daten nicht zu Gebote.
Die Rapporte der beiden Gebärabtheilungen wurden in
drei Exemplaren angefertigt; ein Exemplar blieb in der An-
stalt, ein Exemplar wurde der Spitaldirection zugesendet und
ein Exemplar der Regierung. Diejenigen, welche diese Rap-
porte in Verwahrung haben, würden sich ein Verdienst um
die Wissenschaft erwerben, wenn sie selbe veröffentlichen
würden.
Nur vom Jahre 1840, in welchem die Trennung der Schü-
ler und Schülerinnen angeordnet wurde, und vom vorherge-
henden Jahre besitze ich die Rapporte der beiden Abthei-
lungen.
I. Abtheilung.
II. Abtheilung.
Die Schwankungen der Sterblichkeit, wie solche an jeder
der beiden Abtheilungen vorgekommen sind, können auf die
[65] Beschäftigungen der an diesen Abtheilungen in Verwendung
gewesenen Aerzte zurückgeführt werden.
An der Veröffentlichung dieser Daten bin ich dadurch ge-
hindert, dass man zur Zeit, als ich diese Daten ermittelte, das
für eine Denuntiation erklärte.
Professor Skoda hat der schon oben erwähnten Commis-
sion des Wiener medicinischen Professorencollegiums unter
anderen auch folgende Aufgabe gestellt: Es war eine Tabelle,
auf der, soweit die Daten reichen, die Zahl der Entbundenen
und Gestorbenen von Monat zu Monat anzugeben war, und
ein Verzeichniss der Assistenten und Studirenden in der Rei-
henfolge, in welcher dieselben an der Gebäranstalt gedient
und practicirt haben, anzufertigen.
Indem Professor Rokitansky seit 1828 an der patholo-
gisch-anatomischen Anstalt fungirt, so konnten theils aus sei-
ner Erinnerung, theils aus den Sectionsprotokollen, so wie
durch Einvernehmen anderer Aerzte, diejenigen Assistenten
und Studirenden hervorgesucht werden, die sich mit Leichen-
untersuchungen befasst haben, und es hätte sich ergeben, ob
die Zahl der Erkrankungen in der Gebäranstalt mit der Ver-
wendung der Assistenten und Studirenden in der Sectionskam-
mer in Zusammenhang stand. Die Commission durfte, wie
schon früher erwähnt, auf höheren Befehl ihre Aufgabe nicht
lösen.
Consequent meiner Ueberzeugung muss ich hier das Be-
kenntniss ablegen, dass nur Gott die Anzahl derjenigen kennt,
welche wegen mir frühzeitig ins Grab gestiegen. Ich habe mich
in einer Ausdehnung mit Leichen beschäftigt, wie nur wenige
Geburtshelfer. Wenn ich dasselbe von einem andern Arzte
sage, so beabsichtige ich blos eine Wahrheit zum Bewusst-
sein zu bringen, welche, zum namenlosen Unglücke für das
Menschengeschlecht, durch so viele Jahrhunderte nicht er-
kannt wurde. So schmerzlich und erdrückend auch eine solche
Erkenntniss ist, so liegt die Abhilfe doch nicht in der Ver-
heimlichung, und soll dies Unglück nicht permanent bleiben,
Semmelweis, Kindbettfieber. 5
[66] so muss diese Wahrheit zum Bewusstsein sämmtlicher Bethei-
ligten gebracht werden.
Nachdem es sich gezeigt, dass das Plus der Sterblichkeit
an der ersten Gebärklinik im Vergleich zur zweiten in den
Cadaver- und Jauchetheilen zu suchen sei, mit welchen die
Hände der Untersuchenden verunreinigt sind, konnte man
sich die bisher unerklärlichen, an der ersten Gebärklinik vor-
kommenden Erscheinungen ganz ungezwungen erklären. In
den Morgenstunden hält täglich der Professor mit den Schü-
lern, in den Nachmittagsstunden der Assistent mit den Schü-
lern eine allgemeine Visite, bei welcher sämmtliche anwesen-
den Kreissenden und Schwangeren zum Behufe des Unferrich-
tes von den Schülern untersucht werden. Der Assistent muss
vor der Morgenvisite des Professors sämmtliche Kreissenden
untersuchen, um dem Professor Rapport abstatten zu können.
In der Zwischenzeit unternimmt der Assistent, je nach Zeit
und Bedürfniss, mit den Schülern die Untersuchungen; wenn
daher eine Kreissende wegen zögerndem Verlauf der Eröff-
nungsperiode ein oder mehrere Tage am Kreissezimmer zu-
brachte, so wurde sie gewiss wiederholt mit von Cadaver- und
Jauchetheilen verunreinigten Händen untersucht, und auf diese
Weise bei ihr das Kindbettfieber hervorgebracht, und darum
starben, wie wir oben schon erwähnten, diese Individuen bei-
nahe ausnahmslos sämmtlich.
Nachdem in Folge der Chlorwaschungen nur mit reinen
Händen untersucht wurde, hörte die Sterblichkeit bei jenen,
welche eine zögernde Eröffnungsperiode darboten, auf, und
der zögernde Verlauf der Eröffnungsperiode wurde so unge-
fährlich, wie er es schon früher auf der zweiten Abthei-
lung war.
Um das, was wir nun sagen wollen, verständlich zu ma-
chen, wollen wir hier den Begriff des Kindbettfiebers, wie
wir ihn uns construiren, theilweise anticipiren.
Das Erste ist die Resorption eines faulen, thierisch-orga-
nischen Körpers; in Folge dieser Resorption tritt eine Blut-
[67] entmischung ein; für unseren gegenwärtigen Zweck ist mit
diesem genug gesagt. Wir haben uns oben dahin ausgespro-
chen, dass diejenigen, bei welchen die Eröffnungsperiode zö-
gernd verlief, entweder schon während der Geburt oder un-
mittelbar nach der Geburt an rasch verlaufendem Kindbettfie-
ber erkrankten, d. h. mit andern Worten: die Resorption des
thierisch-organisch faulen Körpers, die dadurch bedingte
Blutentmischung bei der Mutter, tritt zu einer Zeit ein, wäh-
rend welcher das Blut des Kindes mit dem Blute der Mutter
durch die Placenta im organischen Verkehre ist; dadurch wird
die Blutentmischung, an welcher die Mutter leidet, dem Kinde
mitgetheilt. Als Folge davon sehen wir die Neugebornen, und
zwar ohne Unterschied ob Knabe oder Mädchen, an der er-
sten Gebärklinik an einer identischen Krankheit mit der Mut-
ter, und zwar eben so zahlreich wie die Mutter, auf der ersten
Gebärklinik und zahlreicher als die Neugebornen an der zwei-
ten Gebärklinik sterben. Bei den Müttern entsteht das Kind-
bettfieber, wie schon gesagt, dadurch, dass ein thierisch-orga-
nisch fauler Stoff resorbirt wird, dadurch wird die Blut-
entmischung bedingt; bei Neugebornen verhält sich die Sache
etwas anders. Wenn das Kind noch ungeboren innerhalb der
Genitalien von einem mit Cadavertheilen verunreinigten Fin-
ger während der Untersuchung berührt wird, so resorbirt
der berührte Theil des Kindes diesen thierisch-organisch
faulen Stoff nicht, das Kindbettfieber entsteht demnach bei
Neugebornen nicht dadurch, dass das Kind einen thierisch-
organischen, faulen Stoff resorbirt, sondern das Kindbett-
fieber bei Neugebornen entsteht dadurch, dass sein Blut mit
dem in Folge von Resorption eines thierisch-organisch fau-
len Stoffes schon zersetzten Blute der Mutter mittelst der
Placenta in organischen Verkehr kommt.
Daher ist es zu erklären, dass es nie vorgekommen, dass
das Kind am Kindbettfieber gestorben, und die Mutter gesund
geblieben wäre, weil das Kindbettfieber im Neugebornen nie
selbstständig durch Resorption entsteht. Das Neugeborne
5 *
[68] erkrankt immer nur am durch das Blut der Mutter ihm mit-
getheilten Kindbettfieber; sie erkranken Beide, wenn das Kind
mit der Mutter mittelst der Placenta noch im organischen Ver-
kehre ist, und das Blut der Mutter schon in Folge der Re-
sorption eines thierisch-organisch faulen Stoffes eine Zer-
setzung erlitten hat. Die Mutter kann allein erkranken am
Kindbettfieber, das Kind kann gesund bleiben, unter der Vor-
aussetzung, wenn der organische Verkehr zwischen Mutter
und Kind zu einer Zeit durch die Geburt unterbrochen wird,
wo die Zersetzung des mütterlichen Blutes in Folge der Re-
sorption eines thierisch-organisch faulen Stoffes noch nicht
eingetreten ist.
In Folge der Chlorwaschungen wurde, wie gesagt, der
an den Händen der Untersuchenden klebende Cadavertheil
zerstört, und dadurch die Erkrankungen unter den Wöchne-
rinnen in die Grenzen eingeengt, innerhalb welcher dieselben
auch an der zweiten Gebärklinik vorgekommen. Dasselbe Ver-
hältniss sahen wir durch die Chlorwaschungen bei den Neu-
gebornen eintreten, indem sich auch die Sterblichkeit unter
den Neugebornen verminderte. Die gesunden Mütter konnten
den Neugebornen kein Kindbettfieber mittheilen.
Ohne Chlorwaschungen starben im Jahre 1846 an der er-
sten Gebärklinik: 235 Kinder, 6 Percent von 3533 Kindern.
An der zweiten Klinik starben 86 Kinder, 2.5 Percent
von 3398 Kindern.
Im Jahre 1847, wo die letzten sieben Monate Chlorwa-
schungen geübt wurden, starben an der ersten Gebärklinik
167 Kinder, 5.02 Percent von 3322 Kindern.
An der zweiten Gebärklinik starben 90 Kinder, 2.8 Per-
cent von 3139 Kindern.
Im Jahre 1848, wo das ganze Jahr Chlorwaschungen an-
gewendet wurden, starben 147 Kinder an der ersten Gebär-
klinik, 4.2 Percent von 3496 Kindern.
An der zweiten Klinik starben 100 Kinder, 3.2 Percent
von 3089 Kindern.
[69]
Diese Todesfälle unter den Neugebornen waren nicht
durch Puerperalfieber bedingt.
Wenn die Mutter früher starb als das Kind, oder wenn
die Mutter aus welcher Ursache immer ihr Kind nicht stillen
konnte, wurde selbes in’s Findelhaus gesendet, und es ereig-
neten sich zahlreiche Todesfälle unter den Säuglingen des
Findelhauses am Kindbettfieber.
Nach Einführung der Chlorwaschungen hörte auch die
Sterblichkeit der Säuglinge am Kindbettfieber im Findelhause
auf. Doctor Bednar, damals prov. Primararzt des k. k. Fin-
delhauses zu Wien, sagt in seinem Werke: »Die Krankhei-
ten der Neugebornen und Säuglinge vom klinischen und pa-
thologisch-anatomischen Standpunkte bearbeitet.« Wien 1850.
Gerold. Seite 198: »Die Sepsis des Blutes bei Neugebornen
ist jetzt eine grosse Seltenheit geworden, welches wir der fol-
gereichen und der grössten Beachtung würdigen Entdeckung
des Doctor Semmelweis, emeritirten Assistenten der ersten
Wiener Gebärklinik, zu verdanken haben, welcher die Ur-
sache und die Verhütung des früher mörderisch wüthenden
Puerperalfiebers glücklich erforscht hatte.«
Das was wir Kindbettfieber bei Neugebornen nennen,
um noch bis jetzt den gewöhnlichen Sprachgebrauch beizube-
halten, nennt Dr. Bednar mit mehr Recht Sepsis des Blutes.
Nachdem wir das aetiologische Moment, des Plus der
Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik, im Verhältniss zur
zweiten in den an den Händen der Untersuchenden klebenden
Cadavertheilen gefunden haben, war die Erklärung, dass die
Gassengeburten so auffallend selten erkrankten in Vergleich
zu Individuen, welche bei uns geboren, leicht gegeben. Die
Gassengeburten wurden eben deshalb, weil das Kind schon
geboren war, in der Regel auch die Nachgeburt schon ausge-
schieden, als kein Gegenstand des Unterrichtes, nicht mehr
untersucht, es wurde ihnen ein Wochenbett angewiesen, wel-
ches sie in der Regel gesund verliessen; es wurden daher ihre
Genitalien mit keinem durch Cadavertheile verunreinigten
[70] Finger in Berührung gebracht, und daher entstand bei ihnen
kein Kindbettfieber.
Auch die Wöchnerinnen, welche eine vorzeitige Geburt
überstanden, erkrankten deshalb seltener, weil sie nicht un-
tersucht wurden.
Die erste Indigation bei einer vorzeitigen Geburt ist, die
Geburt wo möglich aufzuhalten. In Folge dieser Indigation
wurden derartige Individuen nicht zum öffentlichen Unter-
richte benützt, und daher auch deren Genitalien nicht mit zer-
setzten organischen Stoffen in Berührung gebracht.
Auch das reihenweise Erkranken findet nun leichte Er-
klärung. Vermöge der grossen Anzahl von Geburten, welche
an der ersten Gebärklinik vor sich gingen, traf es sich sehr
oft, dass viele Individuen gleichzeitig als Kreissende auf dem
Kreissezimmer sich befanden, zweimal täglich, wenigstens
während der Visite des Professors Morgens und während der
Visite des Assistenten Nachmittags, wurden sämmtlich auf dem
Kreissezimmer anwesende Kreissende der Reihe nach, wie sie
eben neben einander in den Kreissebetten lagen, behufs des
Unterrichts untersucht, wenn daher mit von Cadavertheilen
verunreinigte Hände untersuchten, wurden die Genitalien vie-
ler Individuen gleichzeitig mit Cadavertheilen in Berührung
gebracht, dadurch wurde gleichzeitig bei vielen Individuen
durch Resorption der Cadavertheile der Keim für das im Wo-
chenbette entstehende Kindbettfieber gelegt. Die Wöchnerin-
nen wurden in den Wochenzimmern der Reihe nach, wie sie
auf dem Kreissezimmer geboren, placirt; es traf sich daher,
da die gleichzeitig am Kreissezimmer Anwesenden so ziem-
lich gleichzeitig entbanden, dass sie in derselben Reihenfolge
in den Wochenbetten lagen, in welcher Reihenfolge sie auf
dem Kreissebette lagen; auf dem Kreissebette wurde der
Reihe nach durch die Untersuchung von mit Cadavertheilen
verunreinigten Händen der Keim zum künftigen Puerperal-
fieber gelegt, es musste daher das Kindbettfieber im Wochen-
bette reihenweise ausbrechen.
[71]
Nach der Einführung der Chlorwaschungen kam ein rei-
henweises Erkranken der Wöchnerinnen nicht mehr vor.
Wir haben oben angeführt, dass gegen Ende des Jahres
1846 wegen Ueberhandnehmen des Kindbettfiebers an der er-
sten Gebärklinik eine, ich weiss nicht die wie vielte, commis-
sionelle Untersuchung eingeleitet wurde, um die Ursache die-
ser Sterblichkeit zu ermitteln. Wir haben berichtet, dass die
Commission die Ursache der Erkrankungen an der ersten Ge-
bärklinik in den Beleidigungen der Genitalien fand, den
dieselben ausgesetzt sind durch die Untersuchungen, welche
behufs des Unterrichts vorgenommen werden. Da aber derar-
tige Untersuchungen auch bei dem Unterrichte der Hebam-
men stattfinden, so hat die Commission keinen Anstand ge-
nommen zu erklären, dass die Schüler, vorzüglich die Aus-
länder, bei den Untersuchungen roher zu Werke gehen. Auf
diese Voraussetzung hin hat man die Zahl der Schüler von
42 auf 20 reducirt, die Ausländer fast ganz ausgeschlossen,
indem unter den Schülern nur zwei Ausländer sein durften,
und die Untersuchungen selbst auf das Minimum reducirt.
Die oben angeführte Tabelle Nr. XV. zeigt, wie gross
die Sterblichkeit vor dieser Massregel war, wie sie sich in
Folge dieser Massregel verminderte, wie aber die Sterblich-
keit trotz dieser Massregel im Monate April und Mai wieder
bedeutend zunahm.
Hier ist der Ort, für diese Erscheinungen eine Erklä-
rung zu geben; bevor wir aber zur Erklärung übergehen, ist
es nöthig, Einiges vorauszuschicken.
Vermöge meiner Verhältnisse als Aspirant für die Assi-
stentenstelle an der ersten Gebärklinik, später als provisori-
seher und endlich als wirklicher Assistent dieser Klinik war
es mir nicht möglich, die für einen Geburtshelfer so nöthige
Gynaecologie an der gynaecologischen Abtheilung des k. k.
allgemeinen Krankenhauses zu studiren. Als Ersatz dafür
pflegte ich vom Tage, als ich den Entschluss fasste, mein Le-
ben vorzüglich der Geburtshilfe zu widmen, also vom Jahre 1844
[72] bis zu meiner Uebersiedlung nach Pest 1850, vor der Morgen-
visite des Professors im Gebärhause fast täglich sämmtliche
weibliche Leichen in der Todtenkammer des k. k. allgemeinen
Krankenhauses zum Behufe gynaecologischer Studien zu un-
tersuchen. Die Güte des Professors Rokitansky, dessen
Freundschaft ich mich rühmen konnte, und gegen welchen ich
hier abermals meine Dankbarkeit erkläre, ertheilte mir die
Erlaubniss, sämmtliche weibliche Leichen, welche nicht ohne-
dem schon zur Section bestimmt waren, zu seciren, damit
ich das Erlebniss meiner Untersuchung durch den Sections-
befund controlliren könne.
Aus Gründen, die nicht hieher gehören, hat der Assi-
stent der ersten Gebärklinik in den Monaten December 1846,
Jänner, Februar, März 1847 die Todtenkammer nur sehr sel-
ten besucht. Die einheimischen Studirenden, deren Zahl auf
18 beschränkt war, haben seinem Beispiele gefolgt, dadurch
war die Gelegenheit zur Verunreinigung der Hände mit Ca-
davertheilen bedeutend verringert. Durch das Reduciren der
Untersuchungen auf das Minimum war die Gelegenheit, mit
Cadavertheilen verunreinigte Hände mit den Genitalien der
Individuen in Berührung zu bringen, ebenfalls verringert,
dadurch ist die in den obgenannten Monaten eingetretene Ver-
minderung der Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik zu er-
klären.
Am 20. März 1847 übernahm ich zum zweiten Male die
Stelle eines wirklichen Assistenten der ersten Gebärklinik,
machte früh Morgens meine gynaecologischen Studien in der
Todtenkammer, ging dann auf das Kreissezimmer, um sämmt-
liche auf dem Kreissezimmer befindliche Kreissende, wie es
meine und meiner Vorfahren Pflicht war, zu untersuchen, da-
mit ich dann dem die Morgenvisite haltenden Professor über
jede einzelne Kreissende einen Bericht erstatten konnte. Da-
durch habe ich meinen mit Cadavertheilen verunreinigten Fin-
ger mit den Genitalien so vieler Kreissenden in Berührung
gebracht, und die Folge war, dass im April von 312 Entbun-
[73] denen 57, also 18.26 Percent, gestorben. Im Mai sind von 294
Entbundenen 36 gestorben, also 12.24 Percent. Mitte Mai bei-
läufig war es, ohne mich jedoch des Tages zu entsinnen, wo
ich die Chlorwaschungen einführte. Es waren mithin nicht die
Beleidigungen der Genitalien durch das rohere Untersuchen
der Studirenden, eine an und für sich schon irrige Voraus-
setzung, welche die grössere Sterblichkeit an der ersten Ge-
bärklinik hervorgebracht, sondern das in Berührungbringen
der Genitalien mit Cadavertheilen mittelst des untersuchenden
Fingers war es, was die grössere Sterblichkeit an der ersten
Gebärklinik hervorbrachte. Während der Monate April und
Mai, wo wieder so viele gestorben waren, blieben die Verhält-
nisse der ersten Gebärklinik dieselben wie im December 1846,
Jännner, Februar, März 1847, und doch war die Sterblich-
keit eine bedeutend grössere, weil mein mit Cadavertheilen
verunreinigter Finger dazwischen kam.
Nachdem die Chlorwaschungen durch längere Zeit ein so
glückliches Resultat geliefert, wurde die Anzahl der Schüler
wieder auf 42 vermehrt, man nahm bei der Aufnahme keine
Rücksicht mehr, ob In- oder Ausländer. Die Untersuchungen
wurden wieder in der Ausdehnung vorgenommen, wie es eben
der Unterricht erforderte, und trotzdem hatte die erste Ge-
bärklinik den traurigen Vorzug der grösseren Sterblichkeit in
Vergleich zur zweiten Abtheilung verloren. Man wende nicht
ein, dass ich ja auch im December 1846, Jänner, Februar,
März 1847 als provisorischer Assistent fungirt, und die gy-
naecologischen Studien in der Todtenkammer gemacht habe,
und trotzdem ist die Sterblichkeit eine bedeutend geringere
gewesen; die Erklärung liegt darin, dass ich als provisori-
scher Assistent zwar das Recht hatte, alle Kreissenden zu
untersuchen, aber nicht die Pflicht. Nach einem dreijähri-
gen Aufenthalte in so einem grossen Gebärhause war es für
mich natürlich nicht belehrend, eine jede Kreissende zu un-
tersuchen; ich untersuchte nur die ungewöhnlichen Geburts-
fälle, d. h. sehr selten. Sobald ich wirklicher Assistent wurde,
[74] musste ich vor der Morgenvisite jede untersuchen, um dem
Professor berichten zu können; im Verlaufe der übrigen Zeit
musste ich beinahe die sämmtlichen Kreissenden untersuchen,
behufs des Unterrichtes der Schüler, und daher die grosse
Sterblichkeit im Monat April und Mai im Jahre 1847.
Unter Inländern versteht man diejenigen Schüler, welche
ihre Studien an einer österreichischen Hochschule gemacht,
und unter Ausländern versteht man diejenigen, welche an einer
nicht österreichischen Hochschule ihre Studien zurückgelegt
haben, und zu ihrer ferneren Ausbildung die grossartigen An-
stalten der Wiener Hochschule für längere oder kürzere Zeit
besuchten. In Wien konnte man Aerzte aus allen Ländern der
civilisirten Welt treffen. Der praktische geburtshilfliche Curs
dauerte zwei Monate; der Andrang der Schüler in dieses
grösste Gebärhaus der Welt war so gross, dass man unmög-
lich alle sich Meldenden gleich aufnehmen konnte, ohne die
Kreissenden zu sehr zu belästigen. Die sich Meldenden be-
kamen eine Nummer und die Austretenden wurden nach der
Reihenfolge der Meldungsnummer, ohne Rücksicht ob In-
oder Ausländer, ersetzt. Jedem Schüler stand es frei, den ge-
burtshilflichen praktischen Curs so oft mitzumachen, als er es
für seine geburtshilfliche Ausbildung für nöthig hielt; damit
aber durch das ununterbrochene Bleiben mehrerer Schüler
während mehrerer Curse die Uebrigen an der Aufnahme nicht
gehindert werden, mussten zwischen je zwei Cursen drei Mo-
nate verstreichen. Die Commission beschuldigte die Auslän-
der, dass sie gefährlicher seien, als die Inländer, weil sie
roher untersuchen, und in Folge dieser Voraussetzung durften
nur zwei Ausländer gleichzeitig den praktisch-geburtshilfli-
chen Curs besuchen. Dass die Commission dadurch eine jeden
Grundes entbehrende Beschuldigung gegen die Ausländer aus-
sprach, wird Jedermann auch ohne meine Betheurung glau-
ben, allein ich selbst hielt die Ausländer für gefährlicher als
die Inländer, aber nicht deshalb, weil sie roher untersuchen.
[75] Der Grund der grösseren Gefährlichkeit der Ausländer in Ver-
gleich zu den Inländern liegt in folgenden Verhältnissen.
Die Ausländer kommen nach Wien, um sich in ihrer
schon an einer andern Hochschule erlangten medicinischen
Ausbildung zu vervollkommnen. Sie besuchen die pathologi-
schen und gerichtlichen Sectionen im allgemeinen Kranken-
hause, sie nehmen Curse über pathologische Anatomie, über
chirurgische, geburtshilfliche, oculistische Operationslehre
am Cadaver, sie besuchen die medicinisch-chirurgischen Kran-
kenabtheilungen etc., mit einem Worte, sie benutzen ihre Zeit
so nützlich und lehrreich wie möglich, haben aber dadurch
vielfältig Gelegenheit, sich ihre Hände mit faulen, thierisch-
organischen Stoffen zu verunreinigen, und es ist daher nicht
zu wundern, wenn die Ausländer, gleichzeitig im Gebärhause
beschäftigt, für die dort befindlichen Individuen gefährlich
werden. Die Inländer pflegen den praktisch-geburtshilflichen
Curs nach abgelegten zwei strengen Prüfungen zur Erlangung
des Grades eines Medicinae-Doctors zu besuchen. Das Gesetz
gestattet als kürzesten Termin zur Vorbereitung für diese
Prüfungen sechs Monate, die Inländer haben sich daher vor
ihrer Aufnahme in’s Gebärhaus schon viel geplagt, sie be-
trachten die Zeit des geburtshilflichen Curses mehr als Ruhe-
zeit, sie beschäftigen sicht nicht, während sie auf dem prak-
tischen Curse im Gebärhause sind, in dieser Ausdehnung mit
andern Gegenständen, durch welche sie Gelegenheit hätten,
sich die Hände zu verunreinigen, wie die Ausländer, und zwar
beschäftigen sie sich während ihres Aufenthaltes im Gebär-
hause um so weniger mit anderen Fächern der Medicin, als
ihnen ja nach beendetem praktischen Curse der Geburtshilfe
Gelegenheit geboten ist, sich in der Medicin so vollkommen
auszubilden, wie es eben die Anstalten der Wiener Hoch-
schule ermöglichen. Die Ausländer sind gezwungen, da ihr
Aufenthalt in Wien in der Regel nur mehrere Monate dauert,
sich gleichzeitig mit mehreren Fächern der Medicin zu be-
schäftigen. Daraus kann man aber den Ausländern eben so
[76] wenig einen Vorwurf machen, als mir und allen denjenigen,
welche die Gefährlichkeit der Untersuchung mit von Cadaver-
theilen riechenden Händen nicht kennend, dadurch so zahl-
reiche Todesfälle veranlassten.
Um meine Ansicht einer directen Prüfung zu unterzie-
hen, hielt ich Versuche an Thieren nöthig, welche ich mit
meinem Freunde Dr. Lautner, Assistenten bei Professor
Rokitansky, mit Kaninchen anstellte.
Erster Versuch: Am 22. März d. J. wurde einem Weib-
chen ¼ Stunde nachdem es geworfen hatte, ein mit missfär-
bigem Exsudate nach Endometritis befeuchteter Pinsel in die
Scheide und Uterushöhle eingeführt.
Das Thier befand sich darauf bis zum 24. April schein-
bar ganz wohl. Am 24. April wurde es todt gefunden.
Section: Die gefaltete Schleimhaut der Hörner des Ute-
rus mit flüssigem, schmutzig-grauröthlichen Exsudate überzo-
gen, in der linken Brusthöhle etwas Flüssigkeit, der untere
Lungenlappen mit einer membranös geronnenen, blassgelbli-
chen Exsudatsschichte überzogen, sein Parenchym, so wie je-
nes der hintern untern Dritttheile des obern Lungenlappens
grau hepatisirt, der übrige Antheil dieser Lunge so wie die
rechte Lunge lufthältig zinnoberroth. Das Herz in eine blass-
gelbliche, zart villöse Exsudatschichte eingehüllt, und von
einigen Tropfen flüssigen Exsudates umspült.
Zweiter Versuch: Am 12. April wurde ein Weibchen
etwa 12 Stunden nach dem Wurfe von fünf Jungen wie im
ersten Versuche behandelt. Weil das Thier des ersten Ver-
suches sich noch ganz wohl zu befinden schien, so glaubte man
beim zweiten Versuche den Pinsel mehrere Tage nach einan-
der einführen zu sollen. Am 14. April äusserte das Thier beim
Einführen des Pinsels Schmerz, der Uterus zog sich heftig
zusammen und presste gelblichweisses, dickflüssiges Exsudat
aus. Am 17. April zeigte sich das Thier bedeutend krank, am
22. trat Diarrhöe ein, und am 23. April fand man das Thier
[77] todt. Die Einführung des Pinsels geschah täglich einmal bis
zum Tode.
Section: In der Bauchhöhle etwas membranös geronne-
nes, einzelne Darmwindungen unter einander verklebendes
Exsudat; auf der Vaginal- und Uterinalschleimhaut und in
deren Gewebe ein gelbes, starres Exsudat, die Uterushörner
mässig ausgedehnt, mit schmutzig-grauröthlichem Exsudate
gefüllt, im Dickdarme mehrere Gruppen vereiternder Follikel,
die Schleimhaut an linsengrossen Stellen theils vereitert, theils
mit gelbem Exsudate infiltrirt, und jede dieser Stellen mit
einem injicirten Gefässhofe umgeben. Die Lungen hellzinno-
berroth; im linken oberen Lappen eine bohnengrosse, blutig
infiltrirte, dichte Stelle mit einem Eiterpunkte in der Mitte.
Dritter Versuch: Am 15. April wurde einem Weib-
chen etwa 10 Stunden nach dem Wurfe von vier Jungen der
Pinsel zum ersten Male, und dann täglich einmal bis zum
Tode, der am 21. April erfolgte, eingeführt. Am 17. äusserte
das Thier beim Einführen des Pinsels Schmerz und presste
eiteriges Exsudat aus dem Uterus. Am 20. kam Diarrhöe.
Section: In der Bauchhöhle eine mässige Menge flüssi-
gen und membranartig geronnenen, einzelne Darmwindungen
verklebenden Exsudats. Die Schleimhaut der Scheide und des
Uterus mit einem gelben, innighaftenden Exsudate überklei-
det und infiltrirt. Die Uterinalhörner im hohen Grade ausge-
dehnt, mit grauröthlichem, schmutzigen Exsudate gefüllt. In
der Leber mehrere, bis linsengrosse, mit eitrigem Exsudate
infiltrirte Stellen, auf der Schleimhaut des Dickdarms, nahe
dem Endstücke des Processus vermiformis, eine mehr als lin-
sengrosse, von einem injicirten Gefässhofe umgebene, ulce-
rirte, mit blassgelblichem Exsudate überkleidete Stelle.
Vierter Versuch: Am 24. Mai wurde einem starken
Weibchen etwa eine Stunde nach dem Wurfe von fünf Jun-
gen der Pinsel, welchen man diesmal in mit Wasser verdünn-
tes Blut aus der Leiche eines vor 36 Stunden an Marasmus
verstorbenen Mannes tauchte, eingeführt. Am 25. wurde der
[78] Pinsel vor der Einführung mit pleuritischem Exsudate benetzt;
am 26. mit dem Peritonaeal-Exsudate eines Tuberculosen;
ebenso am 27. Von da an wurde der Pinsel nicht mehr einge-
führt. Das Thier blieb anscheinend völlig gesund, und warf
am 24. Juni zum zweiten Male.
Fünfter Versuch: Am 2. Juni wurde einem Weibchen
etwa 12 Stunden nach dem Wurfe der mit Peritonaeal-Exsu-
dat, das schon beim vierten Versuche verwendet wurde, be-
feuchtete Pinsel eingeführt. Am 3., 4., 5. Juni wurde die Ein-
führung wiederholt, und von da an das Thier unberührt ge-
lassen. Es blieb scheinbar gesund und warf am 28. Juni wie-
der. Am 29. Juni wurde der Pinsel mit einem pleuritischen
Exsudate befeuchtet, neuerdings eingeführt, eben so am 30.
Das Thier blieb gesund und wurde am 17. Juli behufs eines
andern Experimentes getödtet. Die Section zeigte keine auf
Pyaemie hinweisende Veränderung.
Sechster Versuch: Am 10. Juni wurde einem Weib-
chen einige Stunden nach dem Wurfe der mit eitrigem, pleu-
ritischem Exsudate aus einer männlichen Leiche benetzte Pin-
sel eingeführt.
Vom 11. bis 30. Juni wurde zur Befeuchtung des Pinsels
das Peritonaeal-Exsudat eines am Typhus verstorbenen Man-
nes verwendet. Das Thier blieb gesund und warf am 13. Juli
zum zweiten Male.
An diesem Tage wurde der Pinsel neuerdings eingeführt,
und von da an täglich bis zum 24. Juli. Das Thier magerte
ab, bekam Diarrhöe und wurde am 30. Juli todt gefunden.
Section: Im Herzbeutel einige Tropfen flockigen Se-
rums. In die Tricuspidalklappe eine erbsengrosse, in den Co-
nus arteriosus hineingedrängte, und eine hanfkorngrosse, auf
dem freien Rande des Klappenzipfels aufsitzende, mit dem
Endocardium des Papillarmuskels innig zusammenhängende,
schmutzig weisse, uneben höckerige Vegetation eingefilzt;
die innere Fläche des rechten Ventrikels mit einzelnen, gelb-
lichweissen, knötchenförmigen Gerinnungen besetzt. In der
[79] Bauchhöhle membranartig geronnenes und flüssiges Exsudat.
In der Peripherie der Leber, und zwar nahe der unteren
Fläche, eine erbsengrosse, mit starrem, gelblichem Exsudate
infiltrirte Stelle. Der Uterus wie in Nr. 4 beschaffen, nur ist
die Infiltration und Necrose noch beträchtlicher. Mehrere Ve-
nen von beträchtlicher Dicke zwischen dem Uteruskörper und
dem rechten Horn mit starrem, gelbem Exsudate vollgepfropft.
Siebenter Versuch: Am 16. Juni, einige Stunden
nach dem Wurfe. Der Pinsel wurde mit dem Eiter aus einem
Abscesse zwischen den Rippen, der sich in der Leiche eines
an Cholera verstorbenen Irren vorfand, benetzt.
Die Einpinselung wurde bis zum 3. Juli täglich vorge-
nommen. Das Thier blieb gesund und warf am 18. Juli zum
zweiten Male.
Das Experiment wird nun in der Art modificirt, dass
man sich nicht mehr eines Pinsels bedient, um eine mecha-
nische Verletzung zu vermeiden. Die Flüssigkeit wird mittelst
einer Tripperspritze mit einem drei Zoll langen Rohre in die
Geschlechtstheile gebracht. Gleich nach dem Einspritzen presst
das Thier die Flüssigkeit wieder aus. Die Einspritzung wird
täglich einmal bis zum 24. Juli vorgenommen. Das Thier ma-
gerte ab, und wurde am 29. Juli todt gefunden.
Section: In beiden Brusthöhlen etwas gelbes, dickflüs-
siges Exsudat, in der Bauchhöhle an zwei Unzen zum Theile
membranös geronnenes Exsudat, der Uterus normal, blass,
kein Exsudat auf seiner Schleimhaut.
Achter Versuch: Am 24. Juni dasselbe Thier, wel-
ches zum vierten Versuche benützt wurde. Die Einpinselung
geschah täglich vom 24. Juni bis 8. Juli. Das Thier ma-
gerte sehr stark ab, bekam Diarrhöe und wurde am 25. Juli
todt gefunden.
Section: In der Bauchhöhle etwas gelbliches Exsudat;
auf der hinteren Uteruswand eine dünne Schichte schmutzig-
gelben, innig haftenden Exsudates, in den Hörnern desselben
etwas flüssiges, schmutzig-grauröthliches Exsudat, an der
[80] Grenze zwischen Scheide und Uterus, der Einmündung der
Urethra entsprechend, eine bohnengrosse, mit eitrigem Exsu-
date infiltrirte, oberflächlich nekrosirte Stelle, das dadurch
gebildete Geschwür mit zackigen, unterminirten Rändern, die
Basis mit einer Schichte Exsudates überkleidet und die Sub-
stanz der Vagina in der Länge eines Zolles liniendick mit Ex-
sudat infiltrirt.
Neunter Versuch: Am 8. August, einige Stunden
nach dem Wurfe wird Peritonaeal-Exsudat von einem Manne
eingespritzt. Das Thier stosst das Eingespritzte gleich wieder
aus. Die Einspritzung wird bis 15. täglich gemacht. Das Thier
sieht am 13. krank aus und magert ab. Am 20. wird es todt
gefunden.
Section: Etwas flockiges Exsudat in der Bauchhöhle;
in der Peripherie der Leber zahlreiche, meist hanfgrosse,
gelbe Entzündungsherde. Die Uterusschleimhaut an der hin-
tern Wand im Umfange einer Linie excoriirt; die Substanz
mit gelbem Exsudate bis an’s Peritonaeum infiltrirt, die Exco-
riation liegt um 1 Zoll höher als bei Nr. 6 und 8. Das rechte
Uterinalhorn in so hohem Grade mit Exsudat infiltrirt, dass
es das doppelte Volumen erreichte, auf seiner Schleimhaut
freies Exsudat, die Venen in beiden ligamentis latis mit Ex-
sudat vollgepfropft.
Es ist kaum nöthig zu erwähnen, dass die in den Leichen
der Kaninchen vorgefundenen Veränderungen dieselben sind,
wie sie sich in menschlichen Leichen in Folge von Puerperal-
krankheiten und im Allgemeinen in Folge von Pyaemie ein-
stellen.
Nachdem das Ende meiner zweijährigen Dienstzeit her-
annahte, bat ich, auch mir, wie meinem Vorfahrer Dr. Breit,
meine Dienstzeit um zwei Jahre zu verlängern, und zwar
glaubte ich darum um so mehr bitten zu müssen, als ich da-
durch Gelegenheit gehabt hätte, meine Ansicht über die Ent-
stehung des Kindbettfiebers, welche so zahlreichen Wider-
spruch erregt, durch einen um zwei Jahre längeren Erfolg
[81] bekräftigen zu können, allein meiner Bitte wurde keine Folge
gegeben zu einer Zeit, wo eben meinem an der zweiten Ab-
theilung bediensteten Collegen diese Begünstigung zu Theil
wurde.
Auch mein Nachfolger erhielt eine zweijährige Dienstes-
verlängerung.
Nach meinem Austritte am 20. März 1849 aus der Stelle
eines Assistenten petitionirte ich um eine Privat-Docentur
über Geburtshilfe. Mein Gesuch blieb erfolglos.
Nachdem ich das zweitemal petitionirte, wurde ich nach
achtmonatlichem Harren unterm 10. October 1850 zum Pri-
vat-Docenten über theoretische Geburtshilfe mit Beschrän-
kung der diesfälligen Demonstrationen und Uebungen auf’s
Phantom, ernannt.
Eine so beschränkte Docentur konnte ich nicht benützen,
weil das Gesetz zur Giltigkeit der Zeugnisse des Docenten
einen eben so umfangreichen Unterricht von Seite des Pri-
vat-Docenten fordert, als derjenige des Professors ist, dem
Professor war es aber unbenommen, auch Demonstrationen
und Uebungen am Cadaver vorzunehmen.
Ich übersiedelte daher noch im Monate October 1850 in
meine Vaterstadt Pest.
Einen der ersten Abende in Pest brachte ich in Gesell-
schaft einer grossen Anzahl Aerzte zu. Wegen meiner Anwe-
senheit kam das Gespräch auf das Kindbettfieber, und es
wurde der Einwurf gegen meine Ansicht über die Entstehung
des Kindbettfiebers geltend gemacht, dass in der Gebärab-
theilung des St. Rochus-Spitals zu Pest eben jetzt so wie all-
jährig eine heftige Puerperalfieber-Epidemie herrsche, obwohl
dort keine Schüler untersuchen, deren Hände mit zersetzten
thierisch-organischen Stoffen verunreinigt wären, weil die
Gebärabtheilung im St. Rochus Spitale keine Unterrichtsan-
stalt sei.
Am folgenden Morgen verfügte ich mich, um mich
selbst zu überzeugen, in dieses Gebärhaus und fand eine
Semmelweis, Kindbettfieber. 6
[82] eben am Puerperalfieber verstorbene, noch nicht entfernte
Wöchnerin, eine agonisirend und vier andere Wöchnerinnen
waren schwer am Puerperalfieber erkrankt, die übrigen an-
wesenden Individuen waren keine Wöchnerinnen, sondern
an andern Krankheiten Leidende. Dadurch war zwar das
Factum eines ungünstigen Gesundheitszustandes der Wöch-
nerinnen constatirt, aber nicht im Widerspruche, sondern im
bestätigenden Einklange mit meiner Ansicht über die Entste-
hung des Kindbettfiebers, indem nähere Erkundigungen erga-
ben, dass die geburtshilfliche Abtheilung keine selbstständige
Abtheilung sei, sondern eine einer chirurgischen Abtheilung
zugetheilte, der geburtshilfliche Primarius war daher zu-
gleich chirurgischer Primarius und Gerichts-Anatom. Dazu
kommt noch, dass wegen Mangel eines Prosectors die Sec-
tionen von den betreffenden Abtheilungsärzten vorgenommen
werden mussten.
Der Primarius pflegte zuerst auf der chirurgischen und
dann auf der geburtshilflichen Abtheilung die Visite zu hal-
ten; wenn daher an der geburtshilflichen Abtheilung des
St. Rochus-Spitals keine Schüler untersuchten, deren Hände
mit zersetzten thierisch-organischen Stoffen verunreinigt wa-
ren, so untersuchten doch der Primarius und die ihm zuge-
theilten Aerzte, nachdem sie sich früher während der Visite
auf der chirurgischen Abtheilung die Hände mit zersetzten
organischen Stoffen verunreinigt hatten.
Wir haben oben gezeigt, dass die grössere Sterblichkeit
an der ersten geburtshilflichen Klinik im Vergleiche zur zwei-
ten bedingt war durch die Cadavertheile, welche an den
Händen der Untersuchenden klebten. Wir haben gezeigt, dass
im Monate October 1847 Jauchetheile eines verjauchenden
Medullarkrebses der Gebärmutter das Kindbettfieber hervor-
gebracht haben. Wir haben gezeigt, dass im Monate Novem-
ber 1847 ein Jauchetheile exhalirendes cariöses Knie das
Kindbettfieber hervorgebracht habe.
An der Gebärabtheilung des St. Rochus-Spitales war das
[83] erzeugende Moment des Kindbettfiebers die verschiedenen
zersetzten thierisch-organischen Stoffe, welche sich so reich-
lich an einer chirurgischen Abtheilung vorfinden. Es dürfte
nöthig sein, einige Worte über die Verhältnisse des Gebär-
hauses im St. Rochus-Spital zu erwähnen.
Das St. Rochus-Spital ist ein der Commune Pest gehö-
riges Krankenhaus mit einem Belegraume für 600 Kranke.
Angestellt sind: drei medicinische und zwei chirurgische Pri-
marien. Die geburtshilfliche Abtheilung war, wie schon ge-
sagt, einem chirurgischen Primarius zugetheilt. So lange die
geburtshilfliche Klinik der Pester medicinischen Facultät
geöffnet ist, dürfen an der geburtshilflichen Abtheilung des
St. Rochus-Spitals keine Kreissenden aufgenommen werden,
um der Klinik nicht das Lehrmaterial zu entziehen, nur wäh-
rend der grossen Ferien im Monate August und September,
während welcher die geburtshilfliche Klinik der Pester me-
dieinischen Facultät geschlossen ist, werden Kreissende im
St. Rochus-Spitale aufgenommen, die übrigen zehn Monate
des Jahres wurden die Localitäten des Gebärhauses als chi-
rurgische Abtheilung benützt.
Während des Schuljahres wurden nur solche Individuen
an der geburtshilflichen Abtheilung entbunden. welche im
St. Rochus-Spitale, an den verschiedensten Krankheiten lei-
dend, während der Behandlung von der Geburt überrascht
wurden. Die Localitäten der geburtshilflichen Abtheilung be-
finden sich im zweiten Stockwerke des Gebäudes, und beste-
hen aus einem Kreisse- und zwei Wochenzimmern, deren
sechs Fenster sämmtlich in den Leichenhof münden. Längst
den ebenerdigen Gebäuden des Leichenhofes zieht sich eine
breite Strasse hin, welche das Entweichen der schädlichen
Exhalationen des Leichenhofes erleichtert.
Am 20. Mai 1851 übernahm ich die geburtshilfliche Ab-
theilung des St. Rochus-Spitals als unbesoldeter Honorar-Pri-
mararzt und fungirte als solcher durch sechs Jahre, bis Juni
1857, dadurch wurde der Verband mit der chirurgischen Ab-
6 *
[84] theilung gelöst und während des Schuljahres wurden die Lo-
calitäten des Gebärhauses nicht mehr als chirurgische, son-
dern als gynäcologische Abtheilung benützt. Dadurch wurde
aber das aetiologische Moment des früher an dieser Abthei-
lung herrschenden Kindbettfiebers entfernt, nämlich die zer-
setzten thierisch-organischen Stoffe der chirurgischen Abthei-
lung; in Folge dessen kam das Kindbettfieber nicht mehr in
grösserer Ausdehnung vor.
Die Chlorwaschungen hatten wir für gewöhnlich nicht in
Gebrauch gezogen, weil wir unsere Hände nicht von zersetz-
ten thierisch-organischen Stoffen zu reinigen hatten.
Nur nach den wenigen Sectionen, welche wir zu machen
hatten, benützten wir den Chlorkalk, um unsere Hände zu
reinigen.
In den Ferialmonaten des Schuljahres 1850/1 ereigneten
sich an der geburtshilflichen Abtheilung des St. Rochus-Spi-
tals 121 Geburten.
- Im Schuljahre 1851/2, 189 Geburten,
- » » 1852/3, 142 »
- » » 1853/4, 156 »
- » » 1854/5, 199 »
- » » 1855/6, 126 »
es ereigneten sich mithin während dieses Zeitraumes 933 Ge-
burten, davon sind gestorben 24, und zwar 8 am Kindbettfie-
ber, also 0.85 Percent-Antheile, die übrigen 16 Wöchnerinnen
starben an den verschiedensten Krankheiten, an welchen sie
während der Schwangerschaft im St. Rochus-Spitale behan-
delt, und bei eintretender Geburt in die Gebärabtheilung
transferirt wurden.
Bei einer von den acht am Kindbettfieber verstorbenen
Wöchnerinnen war das Kindbettfieber dadurch erzeugt, dass
sie wegen Steisslage des Kindes von einem chirurgischen Se-
cundarius untersucht wurde, nachdem er eben die Section
eines an gangrenösen Unterschenkels verstorbenen Mannes ge-
macht hatte. Es starben mithin in der Gebärabtheilung des
[85] St. Rochus-Spitales nicht 1 Percent Wöchnerinnen am Kind-
bettfieber innerhalb sechs Jahre, in welcher Abtheilung frü-
her das Kindbettfieber alljährig so zahlreiche Opfer forderte.
Unterm 18. Juli 1855 wurde ich zum Professor der theo-
retischen und praktischen Geburtshilfe an der Hochschule zu
Pest ernannt, und begann als solcher meine Thätigkeit an der
geburtshilflichen Klinik im October desselben Jahres. Die
geburtshilfliche Klinik befindet sich im zweiten Stocke des
Facultätsgebäudes und besteht aus einem Kreisse- und vier
Wochenzimmern.
Um den Leser mit den Verhältnissen dieser Klinik be-
kannt zu machen, wird es zweckentsprechend sein, theilweise
das Gesuch mitzutheilen, welches ich an die competenten Be-
hörden richtete, um die Erlaubniss zu erlangen, diese höchst
sanitätswidrigen und ungenügenden Localitäten verlassen zu
dürfen.
In diesem Gesuche heisst es unter andern: »Dass die Lo-
calitäten der geburtshilflichen Klinik höchst sanitätswidrig
seien, geht aus folgenden Betrachtungen hervor.
»Laut den Allerhöchsten Verordnungen in Betreff der
Organisirung der Krankenanstalten in Bezug auf Flächenin-
halt des Belegraumes werden vier Quadratklafter für ein Wo-
chenbett vorgeschrieben. Da die geburtshilfliche Klinik 26
Betten besitzt, so erfordert das, um den allerhöchsten Anfor-
derungen zu entsprechen, 104 Quadratklafter, die geburts-
hilfliche Klinik besitzt aber nur 41 Quadratklafter; dann
fehlt noch der Raum, welcher für eine so grosse Anzahl von
Schülern und Schülerinnen erfordert wird. Drei Zimmer sind
so klein, dass sie kaum die Hälfte der Schüler und Schülerin-
nen fassen können, dass aber auch in den zwei Zimmern,
welche gerade so gross sind, dass sie sämmtliche Lernende
fassen können, ohne gerade unbeweglich aneinander gedrängt
zu sein, die Luft in denselben auf eine für die anwesenden
Wöchnerinnen höchst nachtheilige Weise verdorben wird,
leuchtet jedem Unbefangenen ein.
[86]
»In den Fensterpfeilern zweier Zimmer befinden sich drei
Schornsteine des chemischen Laboratoriums, wodurch die
Temperatur dieser Zimmer, wenn an den entsprechenden Her-
den gefeuert wird, sich zur unerträglichen Höhe steigert.
»Die Localitäten der geburtshilflichen Klinik sind so be-
schränkt, dass kein Zimmer als Krankenzimmer reservirt
werden kann; dadurch bleiben die Kranken zerstreut unter
den Gesunden liegen, dadurch wird das Kindbettfieber, wel-
ches zwar keine contagiöse Krankheit, jedoch unter gewissen
Bedingungen eine, von einem Individuum auf das andere über-
tragbare Krankheit ist, verbreitet.
»Die Umgebung der Localitäten der geburtshilflichen
Klinik ist folgende: Zwei Fenster der Klinik münden in
den nördlichen Lichthof und sechs Fenster in den west-
lichen; der nördliche Lichthof ist zwei Klafter fünf Schuh
breit, und von einer bis zur gleichen Höhe der Fenster des
Gebärhauses reichenden Feuermauer des Nachbarhauses ein-
geschlossen; in diesem Lichthofe befinden sich zu ebener Erde,
im ersten und zweiten Stocke die Aborte des Gebäudes.
»Zu ebener Erde reiht sich an die Aborte die Kehricht-
grube des Gebäudes. Diese verfaulende Masse verbreitet einen
penetrirenden Gestank. Das Erdgeschoss des Gebäudes ist ein-
genommen von den Localitäten der elementaren und patholo-
gischen Anatomie; gerade unter den Fenstern des Gebärhau-
ses befindet sich der Ausguss, wo alle flüssigen Abfälle der
elementaren und pathologischen Anatomie ausgegossen werden.
Das erste Stockwerk ist eingenommen von den Localitäten der
Chemie; in dem Winkel, wo sich der nördliche und westliche
Lichthof berühren, liegt die Todtenkammer der Kliniken; der
westliche Lichthof ist eine Klafter breit, und von einer drei
Klafter hohen Mauer eingeschlossen, jenseits welcher sich ein
unbebauter Grund befindet. In diesem Hofe befindet sich zum
Theile die Todtenkammer, ebenerdig wieder die Localitäten
der elementaren und pathologischen Anatomie, im ersten
Stocke die Localitäten der Chemie.
[87]
»Es ist hier nicht der Ort, die Ansicht des ergebenst Ge-
fertigten über die Entstehung des Kindbettfiebers zu ent-
wickeln, es genügt zu bemerken, dass er die Ueberzeugung
hegt, dass, keinen einzigen Fall von Kindbettfieber ausgenom-
men, alle Fälle dieser Krankheit durch die Aufnahme eines
zersetzten thierisch-organischen Stoffes entstehen.
»Ein löbliches Professorencollegium kann sich die bemit-
leidenswerthe Lage des Professors der Geburtshilfe denken,
wenn er mit einer solchen Ueberzeugung nur die Wahl hat,
entweder die Fenster hermetisch zu schliessen, und so seine
Wöchnerinnen in einer in einem ungenügenden Locale durch
eine grosse Anzahl von Schülern und Schülerinnen verdorbe-
nen Luft verkommen zu lassen, oder durch Oeffnen der Fenster
der mit zersetzten organischen Stoffen geschwängerten Luft
der beiden Lichthöfe den Zutritt zu den Wöchnerinnen zu ge-
statten.
»So düster auch die Gegenwart der geburtshilflichen Kli-
nik ist, so droht ihr, falls sie in denselben Localitäten ver-
bleiben sollte, eine noch düsterere Zukunft.
»Auf dem jenseits des westlichen Lichthofes befindlichen
leeren Grunde soll ein zwei Stock hohes Gebäude gebaut wer-
den; dadurch wird nicht nur dem Lichte der Zutritt zu sechs
Fenstern der geburtshilflichen Klinik vollkommen abgesperrt,
sondern die Kindbettfieber bringenden Ausdünstungen des nur
eine Klafter breiten Lichthofes würden, da ihnen das Entwei-
chen über den leeren Grund unmöglich gemacht würde, in
höchst gefährlicher Condensation durch das zwei Stock hohe
Gebäude den Fenstern der geburtshilflichen Klinik zugeleitet
werden.
»Ob aber die Wöchnerinnen an der Klinik des Gefertig-
ten sich eines gesunden Zustandes erfreuen, oder ob sie vom
Kindbettfieber dahingerafft werden, ist nicht blos wichtig für
die in dieser Klinik Verpflegten: die Ergebnisse der Bemü-
hungen des Gefertigten in Bezug auf den Gesundheitszustand
[88] der von ihm behandelten Wöchnerinnen haben Bedeutung für
das ganze Menschengeschlecht.
»Die Thatsache, dass das Kindbettfieber im Gebärhause
auffallend zahlreichere Todesfälle veranlasse, als ausserhalb
des Gebärhauses, ist nicht allein den Aerzten bekannt, son-
dern auch den Laien, und in officiellen Documenten werden
die Gebärhäuser nicht allein von Aerzten, sondern auch von
Verwaltungsbeamten »Mördergruben« genannt. Auf die That-
sache, dass das Kindbettfieber im Gebärhause verderblicher
wüthe, gestützt, ist die Frage wiederholt in Berathung gezo-
gen worden, ob es für das menschliche Geschlecht nicht wohl-
thätiger wäre, sämmtliche Gebärhäuser zu cassiren.
»Nur ein entsetzliches Dilemma rettete die Gebärhäuser
vor Vernichtung.
»Wenn die Individuen im Gebärhause entbinden, so rich-
tet das Kindbettfieber unter ihnen schreckenerregende Verhee-
rungen an, und eine bedeutende Anzahl steigt frühzeitig in
der Blüthe des Lebens ins Grab.
»Würden in Folge der Aufhebung sämmtlier Gebärhäuser
die Geburten ausserhalb des Gebärhauses vorsichgehen, so
würden die Entbundenen in grösserer Anzahl wohl gesund
bleiben, aber nun beginnen die Sorgen um die eigene und die
Verpflegung des Kindes, und nun entstehen in Folge der Noth
die Verbrechen der Kindabtreibung, der Kindaussetzung und
des Kindesmordes.
»Man hat daher die Gebärhäuser nur darum bestehen lassen,
weil man der Ansicht war, dass es besser sei, die Kreissenden
in Gebärhäusern den Gefahren des Kindbettfiebers auszusetzen,
als ausserhalb des Gebärhauses den Gefahren der Noth, wo-
durch eine so grosse Anzahlderselben den Gefängnissen verfällt.
»Der ergebenst Gefertigte hat die Ursache dieses verhee-
renden Kindbettfiebers gefunden, und lehrt ihre Wirksamkeit
unschädlich zu machen. Die Aufmerksamkeit aller Anhänger
und Gegner dieser Lehre ist auf den Gesundheitszustand der
von dem Gefertigten behandelten Wöchnerinnen gerichtet; die
[89] Anhänger müssen schwankend werden und die Gegner müs-
sen sich in ihren Zweifeln bestärkt fühlen, wenn der Gesund-
heitszustand der in der Klinik verpflegten Wöchnerinnen ein
so ungünstiger ist, dadurch wird die Verbreitung der Lehre
des Gefertigten verhindert und dadurch wird das Menschen-
geschlecht durch längere Zeit noch von einer Seuche geplagt,
als es der Fall wäre, wenn er den Erfolg auch an der geburts-
hilflichen Klinik zu Pest für sich anführen könnte.
»Mit dieser Ansicht von der Sanitätswidrigkeit der Loca-
litäten der geburtshilflichen Klinik steht Gefertigter nicht
allein, das Professorencollegium theilte dieselbe Ansicht zu
einer Zeit, als ich noch nicht die Ehre hatte, Mitglied dessel-
ben zu sein, indem es sagte: In Folge Erlasses der hohen k. k.
Statthaltereiabtheilung zu Ofen vom 10. September 1854,
Z. 19,458, wurde Seitens des medicinischen Professorencolle-
giums unterm 17. März 1855 der Antrag zur Abhilfe der Ge-
brechen gestellt, welche dem gedeihlichen Emporkommen der
Institute der medicinischen Facultät am meisten hemmend in
den Weg treten.
»In diesem Vortrage heisst es unter andern: Der durch die
Ueberfüllung der Krankensäle mit Patienten bedingten Luft-
verderbniss wird noch in höchst bedauerlicher Weise dadurch
Vorschub geleistet, dass die klinischen Anstalten sich in
der unmittelbaren Nachbarschaft solcher Institute befinden,
durch welche der Luftverderbniss geradezu Thür und Thor
geöffnet wird. So z. B. befindet sich die geburtshilfliche Kli-
nik im zweiten Stocke gerade über dem im ersten Stocke be-
stehenden chemischen und im Erdgeschosse befindlichen ana-
tomischen Institute, demnach müssen die in den beiden letzt-
genannten Anstalten entwickelten schädlichen Luftarten in
ihrem Entweichen nach oben die Fenster der Gebäranstalt be-
streichen, wodurch geschieht, dass bei dem Oeffnen der Fen-
ster und Thüren in obiger Anstalt statt der guten Luft die in
den Instituten der beiden untern Stockwerke entwickelten un-
gesunden Gasarten in die Räume der Gebäranstalt eingelassen
[90] werden. Hierin ist wohl die wichtigste Veranlassung des Aus-
bruches des Puerperalfiebers zu suchen, wegen welchen die
hiesige geburtshilfliche Klinik schon zu wiederholten Malen
während des Schuljahres für einige Zeit gesperrt werden
musste. Dass die etwaige Benützung der unter dieser Klinik
befindlichen Räumlichkeiten zu Zwecken des zu creirenden
Operateur-Institutes dem obigen Uebel nur noch ein um so
grösserer Vorschub geleistet würde, bedarf wohl kaum einer
weiteren Erörterung etc. etc. (Ist trotzdem geschehen.)
»Aber nicht blos der Gefertigte und das Professorencolle-
gium theilt die Ansicht von der Sanitätswidrigkeit der Loca-
litäten der geburtshilflichen Klinik, auch die allgemeine Mei-
nung spricht sich im gleichen Sinne aus. Die allgemeine Mei-
nung hat in einem Artikel der »Wiener medicinischen Wo-
chenschrift« vom 18. Juli 1857 ihren Ausdruck gefunden. In
diesem Artikel, welcher die Aufschrift führt: »Die medicini-
sche Lehranstalt zu Pest Nro. V.« heisst es:
‚Memento nasci.
‚X.Y.Z. Grande misère nennt man im Boston-Spiele jene
Partie, wo der Spieler trachten muss, durch rechtzeitiges
Wegwerfen der guten Blätter und namentlich der Trümpfe
sich so zu entblössen, dass es dem Gegner unmöglich wird,
ihn zu einem Stiche zu zwingen. Ein solcher Sieg ist keines-
wegs leicht. An diese Partie wurde ich bei einem Besuche der
hiesigen geburtshilflichen Klinik gemahnt, wo es auch darauf
abgesehen scheint, nicht mit der winzigsten guten Eigenschaft
den Eindruck zu verwischen, den alle die zahlreichen Un-
zweckmässigkeiten und Mängel des Institutes auf den unbe-
fangenen Gast hervorrufen; grande misère auch darum, weil
es wirklich nicht leicht wäre, ein zweites Exemplar dieser An-
häufung von Uebelständen herzustellen. Ich mache mit der
Besprechung dieser Klinik übrigens hauptsächlich aus dem
Grunde den Anfang, weil ihrer bereits mehrmals in diesen
Blättern erwähnt worden ist, was in dem Leser vielleicht den
Gedanken geweckt hat, dass es mit dieser Klinik ein eigenes
[91] Bewandtniss haben müsse. Nun dieses Bewandtniss ist so
eben ausgesprochen worden. Die Klinik befindet sich im zwei-
ten Stockwerke, und zwar in dessen hinterst gelegenem Theile,
so dass die Armen, von Wehen Ergriffenen nicht nur etwa
einen weiten Weg aus dem oder jenem Stadttheile zurückle-
gen müssen, sondern auch genöthigt sind, sich mühsam zwei
Treppen und einen langen Corridor fortzuschleppen, woher es
dann auch kommt, dass Treppengeburten nicht zu den Selten-
heiten gehören. Diese unzweckmässige Entfernung der Klinik
vom Eingangsthore des Hauses ist um so nachtheiliger bei
einer Gebäranstalt, in welcher wegen Raumbeschränkung
nur solche Frauen aufgenommen werden, bei welchen der Ge-
burtsact bereits begonnen hat oder imminent ist, nicht aber
wie in Wien in den letzten beiden Schwangerschaftsmonaten.
Damit aber die Lage der Klinik im oben angedeuteten Sinne
nichts zu wünschen übrig lasse, gehen die Fenster auf der
einen Seite auf den Leichenhof hinaus, indess die anderen sich
gerade über dem Secirsaal befinden. Auch damit nicht zufrie-
den, hat man durch eine Wand des eigentlichen Krankenzim-
mers drei, sage drei, gut ziehende Schornsteine des unter-
halb der Klinik im ersten Stockwerke befindlichen chemischen
Laboratoriums geführt, welche die Wand mitten im Sommer
zu einem förmlichen grossen Ofen umgestalten. Wer’s nicht
glaubt, halte die Hand hin; ich weiss gewiss, er thut’s nicht
ein zweites Mal, und glaubt mir lieber in Zukunft auf’s Wort.
‚Die Klinik besteht aus fünf Zimmern; davon drei mit
einem Fenster, eines mit zwei, und endlich ein Eckzim-
mer mit drei Fenstern. Von dem einfenstrigen ist eines so
klein, dass es nur das Bett der Wärterin enthalten kann. Es
bleiben somit eigentlich nur vier Räumchen für die Wöchne-
rinnen. Das Kreissezimmer hat, wie bereits in einem früheren
Briefe erwähnt, nur ein Fenster und drei Betten, daran stosst
ein zweites mit einem Fenster. Man denke sich nun ein fleissig
besuchtes Klinikum, besucht in diesem Semester von 93 Heb-
ammen und 27 Medicinern oder Chirurgen, man denke sich
[92] ein Thermometer von 26° R. im Schatten — und wer eine ge-
nug lebendige Phantasie hat, denke sich endlich unter solchen
Umständen die Mühen des operirenden Professors, oder die
zehnfache Qual der Operirten. Auch hier, wie bei der Camin-
wand, war kürzlich jedem Optimisten reiche Gelegenheit zu
einem eindringlichen Argumentum ad hominem geboten. Es
lag wirklich ein bedauernswürdiges Geschöpf auf dem Quer-
bette; Lehrer, Assistent und ein dichter Knäuel von Hebam-
men und Studirenden umstanden dasselbe; bis in das dritte
Zimmer hinein war Kopf an Kopf dicht gedrängt, und doch
eigentlich nur um schreien zu hören, da vom Sehen keine Rede
war, eine Hitze, die eher geeignet ist, Jemanden aus der Welt,
als in dieselbe zu locken; dem Professor perlte der Schweiss
von der Stirne, als die Wendung vollendet war, und eben im
Begriffe, das erste Zangenblatt einzuführen, kommt er einer
förmlichen Ohnmacht so nahe, dass er genöthigt ist, das sei-
ner Hand entsinkende Instrument dem Assistenten zu überge-
ben und sich schleunigst aus der irrespirabeln Luft der Kli-
nik zu flüchten. Es ist wirklich zum Verwundern und spricht
auf alle Fälle rühmend für die rationelle und sorgfältige Be-
handlung der Wöchnerinnen, dass puerperale Erkrankungen in
den letzten Jahren trotz alledem und alledem eher ab- als zu-
genommen haben. Wo wollte man aber auch mit den Kran-
ken hin, wenn dem nicht so wäre, denn da ausser den drei
Kreissebetten im Ganzen nur noch 23 Betten vorhanden sind,
nämlich im einfenstrigen drei, im zweifenstrigen mit dem
künstlichen Tropenklima acht und im Eckzimmer zwölf. Wer
sich etwa wieder einfallen liesse, nicht zu glauben, dass der
Verlauf des Wochenbettes in Afrika ein günstigerer ist, den
können wir auf gelindere Weise, nämlich mit einem einfachen
Rechenexempel, davon überzeugen. Es werden nämlich im
Zeitraume eines Schuljahres an 600 Geburten beobachtet, was
nur dadurch möglich wird, dass die Wöchnerin mit dem Kinde
am neunten Tage die Anstalt in der Regel verlässt; herrschte
der Puerperalprocess hier in ähnlicher Art wie im Wiener
[93] Gebärhause, so könnte kaum die Zahl von 100 Geburten er-
reicht werden.
‚Dies wäre, wird man sagen, denn doch eine schöne
Eigenschaft der Gebärklinik, und wir sind die Letzten, es zu
läugnen; aber Grande misère bezieht sich immer nur auf die
Unterrichtsmittel, und die liegen, wie man einsieht, im Ar-
gen; denn was helfen 600 Geburten, wenn man kaum ein Du-
tzend davon zu sehen bekommt! Bekanntlich geschehen diese
zu guten zwei Drittheilen während der Nacht, gehen aber
für den Unterricht in so fern verloren, als gar keine Räume
zur Behausung der Studirenden oder Hebammen für die
Nachtzeit vorhanden sind. Es haben somit nur die beiden In-
spection haltenden Schüler Gelegenheit zum Lernen, und auch
diese nur auf Kosten ihrer Gesundheit, wenn sie die Nacht-
zeit im überfüllten Krankenzimmer zubringen wollen; bei
Tage aber muss man, wie oben gezeigt wurde, schon ein paar
Püffe aushalten können, wenn man sich in dem kleinen Raume
durchdrängen will. Nichts aber ist gefährlicher für den Stu-
direnden als die Idee, dass seine Mühe vergebens ist; hat sich
diese einmal eingenistet im Kopfe, so tritt Gleichgiltigkeit,
oder gar Widerwillen an die Stelle des anfänglichen Eifers,
und selbst die geringe Gelegenheit wird missachtet, die sich
dem Lernbegierigen hie und da darbieten mag.
‚Nicht besser steht es um das Capitel der Vorlesungen.
Da kein eigener Hörsaal für diese Klinik existirt, so gastirt
der Professor der Geburtshilfe, wann und wo er eben Einlass
findet, im Winter zu ebener Erde im acologischen Hörsaale,
im Sommer im chirurgischen. Dass das Auditorium im Winter
um sieben Uhr Früh, also meist bei Kerzenbeleuchtung nicht
unmässig belebt ist, wäre eben kein grosses Unglück, da ja
überhaupt die sogenannte theoretische Geburtshilfe im dritten
Jahrgange der Medicin bekanntlich nichts taugt, und bald
ganz einem vernünftigeren Lehrplane wird weichen müssen;
dass aber die so wichtige praktische Geburtshilfe mit Demon-
strationen am Phantome aus Mangel an dem obigen Wann und
[94] Wo auf dem Corridor zwischen Fenstern und Thüren, Trep-
pen und Waschküchen, und zwar vor einem Zuhörerkreise
von 120 Herren und Damen vorgetragen werden soll — das
ist ein so schreiender Missbrauch, wie man ihn nur in einer
ganz exceptionellen Anstalt gewahr werden kann. Ich frage
kühn: hat man ein Recht gehabt, jenen Landchirurgen vor
Kurzem zu verurtheilen, der eine Uterusruptur nicht erkannt,
und ein Stück Darm ganz naiv abgebunden hat? Ist es ihm
beim besten Willen während der Studienzeit möglich gewe-
sen, genügende Kenntnisse dieses schwierigsten aller prakti-
schen Fächer sich eigen zu machen? Oder ist es nicht viel-
mehr zu verwundern, dass dergleichen traurige Quiproquo
so selten vorkommen, dass nämlich trotz des Unterrichtes in
der Geburtshilfe so viele Kinder lebendig geboren werden.
‚Operationscurse sind ein unentbehrliches Hilfsmittel beim
Unterrichte der Geburtshilfe, bringen den Anfänger in der
Regel viel weiter an Muth und Uebung als ähnliche Curse in
der Chirurgie; aber wie sieht es mit diesem Theile des Unter-
richts in einer Lehranstalt aus, wo überhaupt Mangel an Lei-
chen vorzukommen pflegt?
‚Endlich fehlt jede kleinste Gelegenheit, gynaecologische
Studien zu machen, ein Uebelstand, der wohl auch ander-
wärts an geburtshilflichen Kliniken herrscht, wofür aber
durch eigene gynaecologische Abtheilungen in demselben
Hause Ersatz zu finden ist. Bis vor Kurzem, und zwar durch
sechs volle Jahre hat der Professor der Geburtshilfe im Ro-
chus-Spitale eine kleine Abtheilung für Frauenkrankheiten,
und zwar unentgeltlich versehen; es war ihm dadurch Gele-
genheit gegeben, einen und den andern fleissigen Studirenden
in dieser wichtigen Materie einzuführen, und unberechenbar
viel Gutes für Tausende damit zu stiften; — dieses hat nun
gegen seinen Willen auch ein Ende. So tragische Fehler, wie
das in die Taschestecken eines Stückes Darm, geschehen nicht
alle Tage, aber alle Tage wird auf Vollblütigkeit eurirt, an-
statt einen Polypen zu unterbinden; und alle Tage wird Rheum
[95] mit Aloe verschrieben, anstatt dass man von den vorhandenen
Excoriationen Notiz nehme; und in der That wird der junge
Arzt mit einer Unkenntniss der Frauenkrankheiten in die
Praxis entlassen, die einem wahrhaft bange machen kann, für
Erhaltung der schöneren Hälfte der Menschheit, die noch
obendrein die grössere ist.‘
In diesen Localitäten werden innerhalb zehn Monate bei
500 Wöchnerinnen verpflegt, und gleichzeitig 60 bis 70 Ge-
burtshelfer und 180 bis 190 Hebammenschülerinnen unter-
richtet. Der praktische geburtshilfliche Curs dauert für einen
Geburtshelfer zwei Monate, für eine Hebammenschülerin fünf
Monate, es ist mithin der Lehrer beständig mindestens von
100 Lernenden umgeben.
Im Schuljahre 1855/6 wurden 514 Wöchnerinnen ver-
pflegt, davon sind gestorben 5, und zwar 2 am Kindbettfie-
ber und 3 an andern Krankheiten, es starben mithin am Kind-
bettfieber 0.19 Percent-Antheile.
Im Schuljahre 1856/7 wurden verpflegt: 558 Individuen,
darunter waren 551 Wöchnerinnen und 7 gynaecologische
Fälle; von den 558 Verpflegten sind gestorben 31, darunter
16 an Kindbettfieber und 15 an andern Krankheiten, es star-
ben mithin am Kindbettfieber 2.90 Percent-Antheile.
Im Schuljahre 1857/8 wurden verpflegt 457 Individuen,
darunter waren 449 Wöchnerinnen und 8 gynaecologische
Fälle, davon sind gestorben 23, und zwar 18 am Kindbettfie-
ber und 5 an anderen Krankheiten, es starben mithin am
Kindbettfieber 4.05 Percent-Antheile.
Die im Schuljahre 1856/7 vorgekommene Sterblichkeit
von 2.90 und im Schuljahre 1857/8 von 4.05 Percent-Antheile
unter den Wöchnerinnen am Kindbettfieber veranlasste eine
officielle Correspondenz, welche wir hier theilweise mitthei-
len wollen, damit der Leser mit der veranlassenden Ursache
dieser Sterblichkeit bekannt werde. Es heisst unter andern:
»Es sind hieher im vertraulichen Wege Mittheilungen ge-
macht worden, welche mehrfache Unzukömmlichkeiten und
[96] Uebelstände der geburtshilflichen Klinik der k. k. Universi-
tät betreffen, dass z. B. durch die Sorglosigkeit der Oberheb-
amme N. N. nicht nur das Bettzeug der Wöchnerinnen selten
gewechselt, sondern sogar noch mit Blut besudeltes Bettzeug
verstorbener Wöchnerinnen den neuzugekommenen unterbrei-
tet wurde, in Folge dessen soll die Sterblichkeit zu Anfang
des heurigen Jahres einen so hohen Grad erreicht haben, dass
an einem Tage bis zu zehn Wöchnerinnen gestorben sind.
»Dieses Factum muss um so mehr auffallen, als im vori-
gen Jahre bei einer weit geringeren Sterblichkeit dieser Um-
stand sogleich vom Herrn Professor hieher zur Sprache ge-
bracht, und um eine reichere Dotirung mit Bettwäsche ange-
sucht wurde, welche auch sogleich in dem Masse bewilliget
worden ist, dass ein Vorrath von mehreren hundert Leintü-
chern über den Bedarf stets zur Verfügung steht. Auch wur-
den die Nachschaffungen an Bettfournituren und Leibwäsche
im ganzen Umfange, wie solche beantragt worden sind, wäh-
rend der Ferien passirt, so zwar, dass die Höhe der Anschaf-
fungskosten selbst dem hohen Ministerium für Cultus und Un-
terricht nicht entging.
»Der Herr k. k. Professor scheinen daher auch die Ueber-
zeugung mit den übrigen Personen, denen die Klinik zugän-
gig, zu theilen, dass es nicht mehr an dem Mangel an Wä-
sche, eben so wenig an der regelmässigen Ablieferung von
Seite der Wäscherin fehlte, sondern dass die unaufmerksame
und ungeregelte Handhabung des Wäschewechselns an den
vermehrten Krankheiten und Todesfällen die Schuld trage.«
Hierauf erwiederte ich Folgendes: »Es ist allerdings
auch meine Ueberzeugung, so wie die der übrigen Personen,
denen die Klinik zugängig ist, dass die im Beginne des Schul-
jahres 1857/8 zu beobachtende grössere Sterblichkeit an der
hiesigen geburtshilflichen Klinik nicht mehr den Mangel an
Wäsche, noch der unregelmässigen Ablieferung derselben von
Seite der Wäscherin zuzuschreiben sei, sondern dass die un-
aufmerksame und ungeregelte Handhabung des Wäschewech-
[97] selns an den vermehrten Krankheiten und Todesfällen die
Schuld trage.
»Diese unaufmerksame und ungeregelte Handhabung des
Wäschewechselns hat aber nicht die Oberhebamme, son-
dern die Wärterin N. N. verschuldet, welche auch deshalb
entlassen wurde.
»Im Schuljahre 1856/7 sind 31 Wöchnerinnen gestorben,
darunter 16 am Kindbettfieber, wegen Mangel an Wäsche
und unregelmässiger Ablieferung derselben von Seite der Wä-
scherin.
»Im Schuljahre 1857/8 sind 24 Wöchnerinnen gestorben,
darunter 18 am Kindbettfieber, wegen unaufmerksamen und
ungeregelten Wäschewechsels.
»Es starben nie mehr als zwei Individuen an einem Tage;
wenn es daher heisst, dass im Schuljahre 1856/7 eine weit
geringere Sterblichkeit herrschte, und dass die Sterblichkeit
zu Anfang des Schuljahres 1857/8 einen so hohen Grad er-
reicht habe, dass an einem Tage bis zu zehn Wöchnerinnen
gestorben seien, so stimmt dies nicht mit der Wahrheit.
»Mit Blut besudeltes Bettzeug verstorbener Wöchnerinnen
wurde nie neuhinzugekommenen unterbreitet, es müssten denn
darunter diejenigen Leintücher gemeint sein, die wir im Schul-
jahre 1856/57 mit Blut und Lochialfluss besudelt vom Wäscher
als reingewaschen zurückerhielten, und welche ich die Ehre
hatte persönlich vorzuzeigen, mit der Anzeige, dass diese
Leintücher an meiner Klinik das Kindbettfieber hervorgerufen
haben.
»Vom ersten medicinischen Schriftsteller, von Hippo-
krates, angefangen, bis auf die neueste Zeit war es die unan-
gefochtene Ueberzeugung der Aerzte aller Zeiten, dass die
furchtbaren Verheerungen, welche das Kindbettfieber unter
den Wöchnerinnen anrichtete, epidemischen, d. h. atmosphä-
rischen Einflüssen zuzuschreiben sei, d. h. Einflüssen, welche
jeder Wirksamkeit des Arztes entzogen, ihre verheerenden
Wirkungen ganz unbeirrt und unaufhaltsam äussern. Mir ist
Semmelweis, Kindbettfieber. 7
[98] es im Jahre 1847 im grossen Wiener Gebärhause gelungen,
nachzuweisen, dass diese Ansicht eine falsche sei, und dass
jeder einzelne Fall von Kindbettfieber durch Infection ent-
stehe. In Folge der Massnahmen, welche ich meiner Ansicht
entsprechend getroffen, habe ich in Wien durch 21 Monate,
im St. Rochus-Spitale durch sechs Jahre, an der Klinik zu
Pest durch ein Jahr keine Epidemie gehabt, an drei Anstal-
ten, welche sonst regelmässig von furchtbaren Epidemien
heimgesucht waren.
»Die zwei Unglücksjahre, welche nun folgten, habe ich
als unabsichtliche directe, obwohl traurige Beweise für die
Richtigkeit meiner Ansicht über die Entdeckung des Kind-
bettfiebers im »Orvosi Hétilap« veröffentlicht.
»Man hat meine Ansicht über die Entstehung des Kind-
bettfiebers in Hinsicht ihrer wohlthätigen Folgen der Jen-
ner’schen Kuhpocken-Impfung gleichgestellt. Ich fühle es
lebhaft, wie unbescheiden es ist, dass ich so etwas von mir
selbst sage, allein der Umstand, dass gerade meiner Klinik
der Vorwurf grosser Sterblichkeit gemacht wird, zwingt mich
dazu. Es dürfte daher die nach neunjährigem glänzenden Er-
folge ohne mein Verschulden auftretende Sterblichkeit an der
geburtshilflichen Klinik zu Pest in einem günstigeren Lichte
erscheinen.«
Aus dieser officiellen Correspondenz ersieht der Leser,
dass die Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen in diesen zwei
Jahren dadurch veranlasst war, dass zu den sonstigen sani-
tätswidrigen Verhältnissen der Klinik noch unreine Bettwä-
sche dazukam.
Die Wäschereinigung ist einem Pächter übergeben, wel-
cher verpflichtet ist, wöchentlich nur einmal die unreine Wä-
sche gegen reine auszutauschen; die Summe, welche für die
Wäschereinigung bezahlt wurde, schien den entscheidenden
Behörden zu hoch, und es wurde deshalb für das Schuljahr
1856/7 eine Minuendo-Licitation ausgeschrieben.
Man versteht unter einer Minuendo-Licitation diejenige,
[99] bei welcher nicht derjenige Pächter die Wäschereinigung er-
hält, welcher Garantie bietet, dass er sie am besten, sondern
derjenige, welcher sie am billigsten wäscht.
Dadurch wurde der Preis in dem Grade herabgedrückt,
dass es unmöglich war, besonders im Winter, reine Wäsche
zu liefern, durch Benützung solch schlecht gereinigter Bett-
wäsche wurde das Kindbettfieber hervorgebracht. Nach er-
statteter Anzeige wurde dem früheren Pächter um den frü-
heren Preis wieder die Wäschereinigung zugetheilt, und in
Folge dieser Massregel den häufigen Erkrankungen Einhalt
gethan.
Im Schuljahre 1857/8 war es wieder unreine Bettwäsche,
welche die grössere Sterblichkeit hervorbrachte, aber die un-
reine Wäsche wurde nicht vom Pächter unrein geliefert, son-
dern die Wärterin verabsäumte das regelmässige Wechseln
der Bettwäsche, wodurch das Blut und der Lochialfluss eine
solche Zersetzung einging, dass sie das Kindbettfieber her-
vorbrachten.
Durch gründliche Reinigung der Bettgeräthe und Ent-
lassung der Wärterin wurde der Sterblichkeit Einhalt gethan.
Wir haben oben gezeigt, dass die grössere Sterblichkeit
an der ersten geburtshilflichen Klinik zu Wien im Vergleiche
zur zweiten bedingt war durch die Cadavertheile, welche an
den Händen der Untersuchenden klebten.
Wir haben oben gezeigt, dass im Monat October 1847
Jauchetheile eines verjauchenden Medullarkrebses der Gebär-
mutter das Kindbettfieber hervorgebracht haben; wir haben
gezeigt, dass im Monate November 1847 ein Jauchetheile
exhalirendes cariöses Knie das Kindbettfieber hervorgebracht
habe; wir haben gezeigt, dass in der Gebärabtheilung des
St. Rochus-Spitals die verschiedenen zersetzten, thierisch-
organischen Stoffe, welche sich so reichlich an einer chirur-
gischen Abtheilung vorfinden, das Kindbettfieber hervorge-
bracht haben.
Innerhalb zweier Jahre wurde das Kindbettfieber an der
7 *
[100] geburtshilflichen Klinik zu Pest hervorgebracht durch zer-
setztes Blut und zersetzten Wochenfluss, mittelst welchem die
Leintücher verunreinigt waren.
Der Träger der Cadavertheile, der Jauchetheile, des ver-
jauchenden Medullarkrebses der Gebärmutter, der zersetzten
organischen Stoffe der chirurgischen Abtheilung war der un-
tersuchende Finger, der Träger der exhalirten Jauchetheile
des cariösen Kniegelenkes war die atmosphärische Luft, der
Träger des zersetzten Blutes und des zersetzten Lochialflus-
ses, welche im Schuljahre 1856/7 und 1857/8 das Kindbett-
fieber an der geburtshilflichen Klinik zu Pest hervorgebracht
haben, waren die Leintücher und die atmosphärische Luft,
weil die Wöchnerinnen, auf solchen Leintüchern liegend, ihre
durch die Geburt verletzten Genitalien mit diesen zersetzten
Stoffen in Berührung brachten, und weil die Exhalationen die-
ser Leintücher mit der atmosphärischen Luft in die Genita-
lien der Wöchnerinnen eindrangen.
Die Chlorwaschungen wurden innerhalb der drei Jahre,
während welcher ich als Vorstand der geburtshilflichen Kli-
nik fungire, sehr emsig gemacht, die trotzdem vorgekommene
Sterblichkeit von 2.90 Percent-Antheile im Schuljahre 1856/7
und von 4.05 Percent-Antheile im Schuljahre 1857/8 spricht
nicht gegen die Erspriesslichkeit der Chlorwaschungen, weil
Chlorwaschungen nur die Hand als Träger der zersetzten
thierisch-organischen Stoffe von denselben befreien können, auf
den andern Träger der zersetzten thierisch-organischen Stoffe,
nämlich auf die Leintücher, konnten die Chlorwaschungen der
Hände keinen Einfluss üben.
Der Umstand, dass die Kinder der am Kindbettfieber er-
krankten Mütter nicht gleichzeitig am Kindbettfieber erkrank-
ten, diente als Beweis, dass die Infection nicht während der
Geburt geschah, sondern im Wochenbette. Ich musste daher
die Schüler von jeder Schuld freisprechen, und meine Unter-
suchung einzig auf die Utensilien des Wochenbettes ausdehnen,
[101] und da fanden sich nun die obenerwähnten, mit zersetztem
Blut und Lochialfluss verunreinigten Leintücher.
Wenn meine Ueberzeugung dahin geht, dass das Kind-
bettfieber in der grossen Mehrzahl der Fälle durch Auf-
nahme eines zersetzten thierisch-organischen Stoffes von aus-
sen entstehe, und wenn den Wöchnerinnen mittelst Leintücher
zersetzte Stoffe von aussen eingebracht werden, und in Folge
dessen das Kindbettfieber wirklich entsteht, so sind diese Er-
krankungsfälle directe Beweise für die Richtigkeit meiner
Ansicht über die Entstehung des Kindbettfiebers.
Im Schuljahre 1857/8 wurden die äusseren Genitalien
zweier am Kindbettfieber erkrankter Individuen gangränös.
Da selbe wegen Raummangel unter den übrigen Wöchnerin-
nen liegen bleiben mussten, so wurden ihnen, um sie so viel
als möglich zu isoliren, von zwölf zu zwölf Stunden zwei Heb-
ammen-Schülerinnen zur Pflege zugetheilt, mit dem Befehle,
kein anderes Individuum zu berühren, trotzdem wurde eine
so Zugetheilte ertappt, als sie sich eben anschickte, eine neu-
angekommene Kreissende zu untersuchen.
[[102]]
Begriff des Kindbettfiebers.
Gestützt auf Erfahrungen, welche ich innerhalb 15 Jah-
ren an drei verschiedenen Anstalten, welche sämmtlich vom
Kindbettfieber in hohem Grade heimgesucht waren, gesam-
melt habe, halte ich das Kindbettfieber, keinen einzigen Fall
ausgenommen, für ein Resorbtionsfieber, bedingt durch die
Resorbtion eines zersetzten thierisch-organischen Stoffes, die
erste Folge der Resorbtion ist die Blutentmischung, Folgen
der Blutentmischung sind die Exsudationen.
Der zersetzte thierisch-organische Stoff, welcher, resor-
birt, das Kindbettfieber hervorruft, wird in der überwiegend
grössten Mehrzahl der Fälle den Individuen von aussen beige-
bracht, und das ist die Infection von aussen; das sind die
Fälle, welche die Kindbettfieber-Epidemien darstellen, das
sind die Fälle, welche verhütet werden können.
In seltenen Fällen wird der zersetzte thierisch-organische
Stoff, welcher resorbirt das Kindbettfieber hervorruft, inner-
halb der Grenzen des ergriffenen Organismus erzeugt, und
das sind die Fälle von Selbstinfection, und diese Fälle können
nicht alle verhütet werden.
Die Quelle, woher der zersetzte thierisch-organische
Stoff genommen wird, welcher, von aussen den Individuen bei-
gebracht, das Kindbettfieber erzeugt, ist die Leiche jeden
Alters, jeden Geschlechtes, ohne Rücksicht auf die vorausge-
gangene Krankheit, ohne Rücksicht ob es die Leiche einer
Wöchnerin oder einer Nichtwöchnerin ist, nur der Grad
der Fäulniss kommt bei der Leiche in Betracht.
[103]
Es waren die heterogensten Leichen, mit welchen sich
die an der ersten Gebärklinik Untersuchenden beschäftigten.
Die Quelle, woher der zersetzte thierisch-organische
Stoff genommen wird, welcher, von aussen den Individuen bei-
gebracht, das Kindbettfieber erzeugt, sind alle Kranken je-
den Alters, jeden Geschlechtes, deren Krankheiten mit Er-
zeugung eines zersetzten thierisch-organischen Stoffes einher-
schreiten, ohne Rücksicht, ob das kranke Individuum am Kind-
bettfieber leide oder nicht; nur der zersetzte thierisch-orga-
nische Stoff als Product der Krankheit kommt in Betracht.
An der ersten Gebärklinik zu Wien wurde im October
1847 durch einen verjauchenden Medullarkrebs der Gebärmut-
ter das Kindbettfieber hervorgebracht, im November 1847
durch die Exhalationen eines cariösen Kniegelenkes. In der
Gebärabtheilung des St. Rochus-Spitals zu Pest waren es die
heterogensten chirurgischen Krankheiten, deren jauchige Pro-
ducte das Kindbettfieber hervorgebracht haben.
Die Quelle, woher der zersetzte thierisch-organische
Stoff genommen wird, welcher von aussen den Individuen bei-
gebracht, das Kindbettfieber erzeugt, sind alle physiologi-
schen thierisch-organischen Gebilde, welche den vitalen Ge-
setzen entzogen, einen gewissen Zersetzungsgrad eingegan-
gen sind; nicht das was selbe darstellen, sondern der Grad
der Fäulniss kommt in Betracht.
Im Schuljahre 1856/7 und 1857/8 war an der geburts-
hilflichen Klinik der Pester medicinischen Facultät physiolo-
gisches Blut und normaler Wochenfluss das aetiologische Mo-
ment des Kindbettfiebers dadurch, dass selbe, längere Zeit an
den Leintüchern klebend, eine Zersetzung eingingen.
Der Träger der zersetzten thierisch-organischen Stoffe
ist der untersuchende Finger, die operirende Hand, Instru-
mente, Bettwäsche, die atmosphärische Luft, Schwämme, die
Hände der Hebammen und Wärterinnen, welche mit den de-
comprimirten Excrementen schwer erkrankter Wöchnerinnen
oder anderer Kranken und hierauf wieder mit Kreissenden
[104] und Neuentbundenen in Berührung kommen, Leibschüsseln,
mit einem Worte Träger des zersetzten thierisch-organischen
Stoffes ist alles das, was mit einem zersetzten thierisch-orga-
nischen Stoffe verunreinigt ist, und mit den Genitalien der
Individuen in Berührung kommt.
Die Stelle, wo der zersetzte thierisch-organische Stoff
resorbirt wird, ist die innere Fläche des Uterus vom inneren
Muttermunde angefangen nach aufwärts. Die innere Fläche
des Uterus vom inneren Muttermunde angefangen nach auf-
wärts ist in Folge der Schwangerschaft der Schleimhaut be-
raubt und stellt so eine ungemein resorbtionsfähige Fläche dar.
Die übrigen Partien der Genitalien, welche von Schleim-
haut ausgekleidet sind, resorbiren im unverletzten Zustande
wegen der dicken Schichte des Epithelium nicht, durch
Wundwerden kann jede Stelle der Genitalien zur Resorbtions-
stelle werden.
Was die Zeit der Infection anbelangt, so geschieht selbe
während der Schwangerschaft wegen dem Geschlossensein des
inneren Muttermundes und wegen der dadurch bedingten Un-
zugänglichkeit der resorbirenden innern Fläche des Uterus
selten.
In Fällen, wo der innere Muttermund schon während der
Schwangerschaft geöffnet ist, in Folge dessen die innere resor-
birende Fläche des Uterus zugängig wird, kann die Infection
von aussen schon während der Schwangerschaft entstehen; in
der Schwangerschaft geschieht die Infection von aussen auch
deshalb selten, weil trotz des offenen innern Muttermundes die
Aufforderung mit dem untersuchenden Finger bis dorthin vor-
zudringen eine seltenere ist. Ich habe es zwar verabsäumt,
Notate zu sammeln, wie oft im Jahre an der ersten Gebär-
klinik zu Wien das Kindbettfieber während der Schwanger-
schaft entstand, ich glaube aber der Wahrheit nahe zu sein,
wenn ich die Zahl 20 annehme. Durch das Kindbettfieber
wurde die Schwangerschaft immer unterbrochen, eine Einzige
[105] starb während der Schwangerschaft am Kindbettfieber, sie
wurde von mir mittelst des Kaiserschnittes post mortum zur
Rettung des Kindes entbunden.
Die Zeit, innerhalb welcher am häufigsten die Infection
geschieht, ist die Eröffnungsperiode, weil da nicht blos die
innere Fläche des Uterus zugängig ist, sondern auch die Auf-
forderung, mit dem untersuchenden Finger bis dahin vorzu-
dringen, behufs der Ermittlung der Kindeslage, der Stellung
des Kindes, die häufigste ist.
Beweis dessen sind in der Zeit vor den Chlorwaschungen
diejenigen, bei welchen die Eröffnungsperiode zögernd verlief,
beinahe ausnahmslos sämmtlich am Kindbettfieber gestorben.
In der Austreibungsperiode wird durch den vorrücken-
den Kindestheil die innere Fläche des Uterus unzugängig ge-
macht, in der Austreibungsperiode dürfte daher die Infection
am seltensten geschehen.
In der Nachgeburtsperiode und im Wochenbette wird die
innere Fläche des Uterus wieder zugängig, und in diesen Zeit-
räumen ist es vorzüglich die in die Genitalien eindringende
atmosphärische Luft, welche die Infection ermittelt, wenn
selbe mit zersetzten thierisch-organischen Stoffen geschwän-
gert ist.
Im November 1847 war die Luft eines Wochenzimmers
der ersten Gebärklinik zu Wien mit den Exhalationen eines
cariösen Kniegelenkes geschwängert, die so geschwängerte
atmosphärische Luft drang in die klaffenden Genitalien der
Wöchnerinnen und erzeugte das Kindbettfieber.
In der Nachgeburtsperiode und im Wochenbette kann die
Infection auch dadurch vermittelt werden, dass die Wundflä-
chen der durch den Durchtritt des Kindes verletzten Genita-
lien mit Bettgeräthen in Berührung kommen, welche mit zer-
setzten thierisch-organischen Stoffen verunreinigt sind.
Auf diese Weise ist in dem Schuljahre 1856/7 und 1857/8
an der geburtshilflichen Klinik zu Pest durch unreine Leintü-
cher das Kindbettfieber entstanden.
[106]
Der zersetzte thierisch-organische Stoff, welcher resor-
birt das Kindbettfieber hervorbringt, wird in seltenen Fällen
den Individuen nicht von aussen beigebracht, sondern er ent-
steht innerhalb der Grenzen des betroffenen Individuums da-
durch, dass organische Theile, welche im Wochenbette aus-
geschieden werden sollen, vor ihrer Ausscheidung eine Zer-
setzung eingehen, und dann, wenn resorbirt, das Kindbett-
fieber durch Selbstinfection hervorrufen. Diese organischen
Theile sind der Wochenfluss selbst, Decidua-Reste, Blutcoa-
gula, welche in der Gebärmutterhöhle zurückgehalten wer-
den etc. etc. Oder der zersetzte thierisch-organische Stoff ist
Product eines pathologischen Processes, z. B. in Folge einer
forcirten Zangenoperation werden in Folge der Quetschung
Partien der Geschlechtstheile gangränös, die gangränösen
Theile aber, wenn resorbirt, erzeugen das Kindbettfieber
durch Selbstinfection.
Wenn wir das Kindbettfieber für ein Resorbtionsfieber
erklären, welches bedingt ist durch die Aufnahme eines zer-
setzten thierisch-organischen Stoffes, wo in Folge der Re-
sorbtion eine Blutentmischung eintritt, und in Folge der Blut-
entmischung die Exsudationen, so ist das Kindbettfieber keine
der Wöchnerin eigenthümlich und ausschliesslich zukommende
Krankheit, weil in Folge der Resorbtion eines zersetzten thie-
risch-organischen Stoffes diese Krankheit in der Schwanger-
schaft, während der Geburt entstehen kann; wir haben diese
Krankheit als mitgetheilte bei den Neugebornen, und zwar
ohne Unterschied ob Knabe oder Mädchen, gefunden. Diese
Krankheit haben wir bei Kolletschka angetroffen, wir fin-
den selbe in Folge von Resorbtion eines zersetzten thierisch-
organischen Stoffes bei Anatomen, Chirurgen, bei Operirten
an chirurgischen Abtheilungen etc.
Das Kindbettfieber ist demnach keine Krankheitsspecies,
das Kindbettfieber ist eine Varietät der Pyaemie.
Mit dem Ausdrucke Pyaemie werden verschiedene Be-
griffe verbunden, es ist deshalb nöthig zu erklären, was ich
[107] unter Pyaemie verstehe. Ich verstehe unter Pyaemie das durch
den zersetzten thierisch-organischen Stoff entmischte Blut.
Eine Varietät der Pyaemie nenne ich das Kindbettfieber
deshalb, weil bei der Pyaemie der Schwangern, Kreissenden
und Wöchnerinnen Formen in der Genitalsphäre vorkommen,
welche bei Nichtschwangeren, Nichtkreissenden, Nichtwöch-
nerinnen nicht vorkommen; der Anatom, der Chirurg, wel-
cher an Pyaemie stirbt, kann keine Endometritis bekom-
men etc. etc.
Das Kindbettfieber ist keine contagiöse Krankheit. Un-
ter einer contagiösen Krankheit versteht man diejenige, die
das Contagium, durch welches es fortgepflanzt wird, selbst er-
zeugt, und dieses Contagium bringt in einem anderen Indivi-
duum nur wieder dieselbe Krankheit hervor. Blattern sind
eine contagiöse Krankheit, weil Blattern das Contagium er-
zeugen, durch welches in einem anderen Individuum wieder
Blattern erzeugt werden. Blattern bringen bei einem anderen
Individuum nur wieder Blattern und keine andere Krankheit
hervor. Scharlach kann man z. B. von einem Blatternkranken
nicht bekommen; so wie umgekehrt eine andere Krankheit nie
Blattern hervorbringen kann; z. B. ein Scharlachkranker kann
bei anderen Individuen keine Blattern hervorbringen.
Nicht so verhält sich die Sache beim Kindbettfieber; die-
ses Fieber kann bei einer gesunden Wöchnerin hervorge-
rufen werden durch Krankheiten, welche nicht Kindbettfieber
sind; so sahen wir dieses Fieber an der ersten Gebärkli-
nik zu Wien entstehen durch einen verjauchenden Medullar-
krebs der Gebärmutter, eben so durch die Exhalationen eines
cadaverösen Kniegelenkes; wir sahen das Kindbettfieber an
der ersten Gebärklinik entstehen durch Cadavertheile, welche
von den heterogensten Leichen herrührten. Wir sahen das
Kindbettfieber in der Gebärabtheilung des St. Rochus-Spitals
entstehen durch zersetzte Stoffe, welche von einer chirurgi-
schen Abtheilung herrührten etc. etc.
Das Kindbettfieber kann aber von einer am Kindbettfie-
[108] ber erkrankten Wöchnerin auf eine gesunde nicht übertragen
werden, wenn nicht ein zersetzter thierisch-organischer Stoff
übertragen wird. Z. B.: Eine Wöchnerin ist an heftigem
Puerperalfieber erkrankt; wenn das Puerperalfieber unter For-
men verläuft, welche nicht mit Erzeugung eines zersetzten
Stoffes nach aussen einherschreitet, so ist dieses Kindbettfie-
ber auf eine gesunde Wöchnerin nicht übertragbar; wenn aber
das Kindbettfieber unter Formen verläuft, welche mit Erzeu-
gung eines zersetzten Stoffes nach aussen einherschreitet, so
ist dieses Kindbettfieber auf eine gesunde Wöchnerin über-
tragbar; z. B. eine Wöchnerin ist am Puerperalfieber erkrankt,
es ist septische Endometritis, es sind verjauchende Metasta-
sen vorhanden, von dieser Wöchnerin ist das Kindbettfieber
auf gesunde übertragbar.
Daraus ist es zu erklären, warum der Streit, ob das Kind-
bettfieber contagiös sei oder nicht, nie zur endgiltigen Ent-
scheidung gebracht werden konnte, weil die Contagionisten
Fälle anführen konnten, wo die Verpflanzung des Kindbettfie-
bers von einer kranken Wöchnerin auf eine gesunde nicht
geläugnet werden konnte. Und die Gegner der Contagiosität
konnten eben so Fälle anführen, in denen die Verpflanzung des
Kindbettfiebers unter Umständen nicht geschehen ist, wo es
doch hätte geschehen müssen, falls das Kindbettfieber eine
contagiöse Krankheit gewesen wäre.
Das Kindbettfieber ist keine contagiöse Krankheit, aber
das Kindbettfieber ist eine von einer kranken Wöchnerin auf
eine gesunde Wöchnerin übertragbare Krankheit durch Ver-
mittlung eines zersetzten thierisch-organischen Stoffes.
Nach dem Tode ist jede Leiche einer Puerpera eine Quelle
des zersetzten Stoffes, welcher das Kindbettfieber hervorruft,
es kommt bei der Leiche einer Puerpera wie bei allen übrigen
Leichen nur der Fäulnissgrad in Betracht.
Wenn wir die Behauptung aufstellen, dass in der über-
wiegend grössten Mehrzahl der Fälle das Kindbettfieber
durch eine Infection von aussen entstehe, und dass diese Fälle
[109] verhütet werden können, und dass nur in der Minderzahl der
Fälle das Kindbettfieber durch unverhütbare Selbstinfection
entstehe, so entsteht nun die Frage, wenn alle Todesfälle ab-
gerechnet werden, welche im Wochenbette sich ereignen, aber
nicht durch das Kindbettfieber bedingt waren, und wenn in
Folge getroffener Massregeln alle Fälle von Infection von aus-
sen verhütet werden, wie viele Wöchnerinnen werden dann
noch immer in Folge von Selbstinfection sterben?
Auf diese Frage kann ich bis jetzt mit Zahlen deshalb
nicht antworten, weil die drei Anstalten, in welchen ich meine
Beobachtungen gemacht, nicht den Anforderungen entspre-
chen, welche wir in der Prophylaxis des Kindbettfiebers an
ein Gebärhaus stellen werden, soll es gelingen, sämmtliche
Fälle von Infection von aussen zu verhüten. Oder mit andern
Worten: die drei Gebärhäuser, in welchen ich meine Beob-
achtungen gemacht, sind derart beschaffen, dass es nicht mög-
lich war, immer alle Fälle von Infection von aussen zu ver-
hüten.
Das Gesuch, welches ich früher theilweise mitgetheilt,
hat den Zweck, mir zu einem neuen Gebärhause zu verhelfen,
welches der Anforderung entspricht, die ich später in der
Prophylaxis des Kindbettfiebers an ein Gebärhaus stellen
werde, wenn es gelingen soll, sämmtliche Fälle von Infection
von aussen zu verhüten.
Falls meinem Gesuche Folge gegeben wird, und ich
durch eine längere Reihe von Jahren in einem derart beschaf-
fenen Gebärhause werde Beobachtungen angestellt haben,
wird es mir möglich sein, die Zahl der Fälle von unverhütba-
rer Selbstinfection zu bestimmen. Sollte aber meinem Ge-
suche keine Folge gegeben werden, und sollte ich in meinen
gegenwärtigen Localitäten, welche jeder Sanitätsvorschrift
Hohn sprechen, verbleiben müssen, so muss ich auf die Er-
mittlung dieser Zahl verzichten, und es einem Collegen über-
lassen, der, glücklicher als ich, ein Gebärhaus leitet, wel-
[110] ches den Anforderungen der Prophylaxis des Kindbettfiebers
entspricht.
Für jetzt glaube ich als Massstab für die Zahl der vor-
kommenden Fälle von unverhütbarer Selbstinfection die Rap-
porte des Wiener Gebärhauses gelten zu lassen aus jener Zeit,
in welcher die Medicin in Wien noch der anatomischen Grund-
lage entbehrte.
Im vorigen Jahrhundert und in den ersten Decennien des
gegenwärtigen Jahrhunderts kommen 25 Jahre vor, in wel-
chen auch nicht eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb.
Siehe
Tabelle Nr. XVIII.
- 1786 wurden verpflegt 1151 Individuen, davon starben 5, also nicht 1 von 200
- 1787 » » 1407 » » » 5, » 1 von 300
- 1788 » » 1425 » » » 5, » 1 von 300
- 1789 » » 1246 » » » 7, » 1 von 200
- 1790 » » 1326 » » » 10, » beinahe 1 von 100
- 1791 » » 1395 » » » 8, » etwas mehr als 1
von 200 - 1792 » » 1574 » » » 14, » nicht 1 von 100
- 1794 » » 1768 » » » 7, » nicht 1 von 200
- 1797 » » 2012 » » » 5, » 1 von 400
- 1798 » » 2046 » » » 5, » 1 von 400
- 1799 » » 2067 » » » 20, » beinahe 1 von 100
- 1801 » » 2106 » » » 17, » nicht 1 von 100
- 1802 » » 2346 » » » 9, » nicht 1 von 200
- 1803 » » 2215 » » » 16, » nicht 1 von 100
- 1804 » » 2022 » » » 8, » nicht 1 von 200
- 1805 » » 2112 » » » 9, » nicht 1 von 200
- 1806 » » 1875 » » » 13, » nicht 1 von 100
- 1807 » » 925 » » » 6, » nicht 1 von 100
- 1808 » » 855 » » » 7, » nicht 1 von 100
- 1810 » » 744 » » » 6, » nicht 1 von 100
- 1812 » » 1419 » » » 9, » nicht 1 von 100
- 1815 » » 2591 » » » 19, » nicht 1 von 100
- 1816 » » 2410 » » » 12, » nicht 1 von 200
- 1817 » » 2735 » » » 25, » nicht 1 von 100
- 1822 » » 3066 » » » 26, » nicht 1 von 100
[111]
Aus diesen Rapporten ersieht der Leser, dass zur Zeit,
als die Medicin in Wien noch der anatomischen Grundlage
entbehrte, innerhalb zwei Jahren eine Wöchnerin von 400
Wöchnerinnen starb. Innerhalb zwei Jahren starb eine Wöch-
nerin von 300 Wöchnerinnen. Innerhalb acht Jahren starb eine
Wöchnerin von 200 Wöchnerinnen und innerhalb 13 Jahren
starb nicht eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen.
Gestützt auf diese Rapporte können wir daher die Frage,
wie viele Wöchnerinnen werden immer in Folge unverhütba-
rer Selbstinfection sterben? dahin beantworten, dass in Folge
unverhütbarer Selbstinfection nicht eine Wöchnerin von 100
Wöchnerinnen stirbt.
Diese so geringe Sterblichkeit, welche die Rapporte des
Wiener Gebärhauses ausweisen, ist vielleicht noch nicht die
möglichst kleinste, weil möglicherweise von den verstorbenen
Wöchnerinnen einzelne nicht am Kindbettfieber, sondern an
einer andern Krankheit starben, und es konnten ja auch da-
mals Fälle von Infection von aussen dadurch entstehen, dass
durch das Personal des Gebärhauses die Jauche von einer
kranken Wöchnerin auf gesunde übertragen wurde. Dass das
wirklich geschehen ist, beweisen ebenfalls die Rapporte des
Wiener Gebärhauses aus der Zeit, wo die Medicin in Wien
noch der anatomischen Grundlage entbehrte, weil auch da-
mals die Sterblichkeit bis auf vier von 100 stieg.
Das Wiener Gebärhaus wurde eröffnet 1784 innerhalb
39 Jahre, nämlich bis zum Jahre 1823, kommen 25 Jahre vor,
innerhalb welchen auch nicht eine Wöchnerin von hundert ge-
storben ist. Innerhalb sieben Jahren ist eine Wöchnerin von
hundert gestorben, innerhalb fünf Jahren sind zwei von hun-
dert gestorben, innerhalb eines Jahres, nämlich 1814, sind
drei von hundert gestorben, und innerhalb eines Jahres, näm-
lich 1819, sind vier von hundert gestorben.
Wenn wir die 25 Jahre, innerhalb welchen auch nicht
eine Wöchnerin von hundert im Wiener Gebärhause gestor-
ben ist, als Massstab für die Zahl der Fälle von Selbstinfec-
[112] tion annehmen, eingedenk der beiden oben angeführten Be-
denken, dass auch diese Zahl möglicherweise noch Fälle von
Infection von aussen in sich schliesse, und wenn wir diesen
Massstab an die Resultate anlegen, welche wir durch unsere
Massregeln zur Verhütung des Puerperalfiebers an drei ver-
schiedenen Anstalten, welche sämmtlich vom Puerperalfieber
in hohem Grade heimgesucht waren, erzielten; so zeigt sich,
dass es nicht immer gelungen ist, die Zahl der Erkrankungen
auf die Fälle von unverhütbarer Selbstinfection zu beschrän-
ken, sondern dass zeitweise Fälle von Infection von aussen
vorkommen.
In den letzten sieben Monaten des Jahres 1847 starben
trotz der Chlorwaschungen von 1841 Wöchnerinnen 56, also
3.04 Percent-Antheile.
Im Jahre 1848, wo das ganze Jahr hindurch die Chlor-
waschungen geübt wurden, starben von 3780 Wöchnerinnen
45, also 1.19 Percent-Antheile.
Im Jänner und Februar 1849 starben von 801 Wöchne-
rinnen 21, also 2.62 Percent-Antheile.
Wenn wir aber die einzelnen Monate berücksichtigen, so
ist es nur während sieben Monaten des Jahres 1848 gelungen,
die Todesfälle auf die Fälle von Selbstinfection zu beschrän-
ken, indem im März 1848 von 276 und im August 1848 von
261 Wöchnerinnen keine einzige starb, während fünf Mona-
ten starb nicht eine Wöchnerin von hundert.
- Februar: Wöchnerinnen 291, Todte 2 = 0.68
- April: » 305, » 2 = 0.65
- Mai: » 313, » 3 = 0.99
- Juli: » 269, » 1 = 0.37
- September: » 312, » 3 = 0.96
Die Ursache, dass es nicht immer gelungen ist, an der
ersten Gebärklinik zu Wien die Todesfälle auf die Fälle von
Selbstinfection zu beschränken, liegt darin, dass die erste Ge-
bärklinik durchaus nicht so beschaffen ist, wie wir es in der
Prophylaxis des Kindbettfiebers von einem Gebärhause ver-
[113] langen werden, soll es gelingen, die Todesfälle auf die unver-
hütbaren Fälle von Selbstinfection zu beschränken. Nebstdem
waren wir selbst in der ersten Zeit unserer neuen Ueberzeu-
gungen noch so unbewandert, dass wir uns im Monate Octo-
ber 1847 nach der Untersuchung eines verjauchenden Medul-
larkrebses der Gebärmutter nicht in einer Chlorkalklösung
wuschen. Wir waren in der ersten Zeit unserer neuen Ueber-
zeugungen noch so unbewandert, dass wir im Monate Novem-
ber 1847 die Wöchnerin mit einem verjauchenden cariösen
Knie nicht von den übrigen Wöchnerinnen absonderten, da-
durch haben wir zahlreiche Fälle von Infection von aussen
veranlasst, wie wir dies am entsprechenden Orte erzählt.
Im St. Rochus-Spitale zu Pest haben wir innerhalb sechs
Jahren von 933 Wöchnerinnen acht Wöchnerinnen am Kind-
bettfieber verloren. Diese acht Todesfälle sind nicht blos Fälle
von Selbstinfection; von einem Falle ist es constatirt, dass ihn
ein chirurgischer Secundarius nach der Section eines verstor-
benen Mannes veranlasste, und dass unter den sieben übrigen
vielleicht auch noch ein oder der andere Fall von Infection
von aussen sein könne, wird der Leser glaubwürdig finden,
wenn ich ihm nochmals erinnere, dass sämmtliche sechs Fen-
ster des Gebärhauses in den Leichenhof münden, und durch
Luftströmungen in der Richtung zu den Fenstern des Gebär-
hauses leicht in die Zimmer des Gebärhauses zersetzte Stoffe
des Leichenhofes gelangen konnten, welche, in die Genitalien
der Wöchnerinnen dringend, das Kindbettfieber hervorbrin-
gen konnten.
An der geburtshilflichen Klinik zu Pest verlor ich im er-
sten Jahre meiner Wirksamkeit von 514 Wöchnerinnen zwei
am Kindbettfieber. Im zweiten Jahre von 551 Wöchnerinnen
16 am Kindbettfieber. Im dritten Jahre von 449 Wöchnerinnen
18 am Kindbettfieber. Die grössere Sterblichkeit der beiden
Jahre waren Infectionsfälle von aussen, bedingt durch un-
reine Leintücher.
Semmelweis, Kindbettfieber. 8
[[114]]
Aetiologie.
Wir haben bei Bestimmung des Begriffes des Kindbett-
fiebers unsere Ueberzeugung dahin ausgesprochen, dass jedes
Kindbettfieber, keinen einzigen Fall von Kindbettfieber aus-
genommen, durch die Resorbtion eines zersetzten thierisch-
organischen Stoffes entstehe. Wir haben behauptet, dass die-
ser zersetzte thierisch-organische Stoff, welcher resorbirt das
Kindbettfieber hervorbringt, in der Mehrzahl der Fälle den
Individuen von aussen beigebracht werde, und dass nur in der
Minderzahl der Fälle der zersetzte thierisch-organische Stoff.
welcher resorbirt das Kindbettfieber hervorbringt, innerhalb
der Grenzen des ergriffenen Individuums entstehe.
Für uns ist daher nur dasjenige ein aetiologisches Mo-
ment des Kindbettfiebers, welches einen zersetzten thierisch-
organischen Stoff den Individuen von aussen beibringt; für
uns ist daher nur dasjenige ein aetiologisches Moment des
Kindbettfiebers, welches einen zersetzten thierisch-organi-
schen Stoff in den Individuen entstehen macht.
Wir haben früher die bisher giltige Aetiologie des Kind-
bettfiebers in ihrer Anwendung zur Erklärung des Plus der
Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik zu Wien im Ver-
gleiche zur zweiten einer Prüfung unterzogen.
Hier ist der Ort, die bisher giltige Aetiologie des Kind-
bettfiebers einer Prüfung zu unterziehen, in wie ferne selbe
den Individuen einen zersetzten thierisch-organischen Stoff
von aussen beibringt; hier ist der Ort, die bisher giltige Aetio-
[115] logie des Kindbettfiebers einer Prüfung zu unterziehen, in wie
ferne selbe in den Individuen einen zersetzten thierisch-orga-
nischen Stoff entstehen macht.
Wir werden von der bisher giltigen Aetiologie des Kind-
bettfiebers nur dasjenige als aetiologisches Moment des Kind-
bettfiebers gelten lassen, was den Individuen einen zersetzten
thierisch-organischen Stoff von aussen beibringt; wir werden
von der bisher giltigen Aetiologie des Kindbettfiebers nur das-
jenige als aetiologisches Moment des Kindbettfiebers gelten
lassen, welches in den Individuen ein zersetzter thierisch-
organischer Stoff entstehen macht.
Alles dasjenige der bisher giltigen Aetiologie des Kind-
bettfiebers, was weder den Individuen von aussen einen zer-
setzten thierisch-organischen Stoff beibringt, noch einen zer-
setzten thierisch-organischen Stoff in den Individuen erzeugt,
alles dasjenige der bisher giltigen Aetiologie des Kindbettfie-
bers werden wir nicht als aetiologisches Moment des Kind-
bettfiebers anerkennen.
Es ist heute die verbreitetste Ueberzeugung der Aerzte,
dass das Kindbettfieber in einer Blutentmischung bestehe, und
dass die anatomischen Producte des Kindbettfiebers nur Aus-
scheidungen des entmischten Blutes seien. Diese Ueberzeu-
gung theile auch ich.
Als Ursachen, welche diese Blutentmischung veranlas-
sen, werden epidemische, endemische Einflüsse, Gemüths-
affecte, Diätfehler, Erkältung etc. etc. beschuldigt.
Meine Ueberzeugung ist, dass die Blutentmischung, kei-
nen einzigen Fall ausgenommen, bedingt wird durch die Re-
sorbtion eines zersetzten thierisch-organischen Stoffes, wel-
cher den Individuen entweder von aussen beigebracht wird,
Infectionsfälle von aussen, oder welcher in dem ergriffenen In-
dividuum entstanden ist, Fälle von Selbstinfection. Mit dieser
Ueberzeugung ausgerüstet, wollen wir nun zur Beurtheilung
der bisher giltigen Aetiologie des Kindbettfiebers schreiten.
Wir werden nur das als aetiologisches Moment des Kind-
8 *
[116] bettfiebers gelten lassen, was den Individuen entweder einen
zersetzten thierisch-organischen Stoff von aussen beibringt,
oder was in dem Individuum einen zersetzten thierisch-orga-
nischen Stoff entstehen macht, welcher, wenn resorbirt, die
Blutentmischung bei den Individuen hervorruft.
Wir wollen mit den epidemischen Einflüssen beginnen,
und sprechen unsere unerschütterliche Ueberzeugung dahin
aus, dass es keine epidemischen Einflüsse gibt, welche das
Kindbettfieber hervorzubringen im Stande wären, und dass es
nie epidemische Ursachen des Kindbettfiebers gegeben hat,
und dass die endlose Reihe der Epidemien, wie solche in der
medicinischen Literatur aufgezählt werden, sämmtlich ver-
hütbare Infectionsfälle von aussen waren, d. h. sämmtliche Er-
krankungen dadurch entstanden, dass den Individuen ein zer-
setzter thierisch-organischer Stoff von aussen eingebracht
wurde.
Die Gründe, welche mir den Muth geben, einer so viele
Jahrhunderte alten Ueberzeugung zu widersprechen, sind
folgende:
Allen Gründen voran steht als unerschütterlicher Fels,
auf welchem ich das Gebäude meiner Lehre über das Kind-
bettfieber aufgebaut, das Factum, dass es mir durch meine
Massregeln gelungen ist, vom Mai 1847 angefangen bis zum
heutigen Tage, den 19. April 1859, also durch zwölf Jahre,
an drei verschiedenen Anstalten, welche früher alljährlich von
furchtbaren sogenannten Kindbettfieber-Epidemien heimge-
sucht waren, das Kindbettfieber in dem Grade auf einzelne
Fälle zu beschränken, dass selbst der hartnäckigste Verthei-
diger des epidemischen Kindbettfiebers dies keine Epidemie
nennen kann. Und wenn ja manchmal die Zahl der Todesfälle
sich mehrte, so konnte nachgewiesen werden, dass die zahl-
reicheren Todesfälle nicht durch epidemische, d. h. atmosphä-
rische, cosmische, tellurische Einflüsse bedingt waren, son-
dern immer war es ein zersetzter thierisch-organischer Stoff,
[117] welcher trotz meinen Massregeln den Individuen beigebracht
wurde.
Ein durch atmosphärische, cosmisch-tellurische Einflüsse
bedingtes Puerperalfieber ist unverhütbar, hinter diese Unver-
hütbarkeit verschanzen sich die Epidemiker, um jeder Ver-
antwortung wegen den Verheerungen des Kindbettfiebers
überhoben zu sein. Und ich selbst bekenne meine Ohnmacht
atmosphärisch-cosmisch-tellurischen Einflüssen gegenüber, ich
weiss nicht, was zu thun, um die verderblichen Wirkungen
der atmosphärisch-cosmisch-tellurischen Einflüsse von den
Wöchnerinnen fern zu halten.
Wenn es mir dennoch gelungen ist, die für unverhütbar
gehaltene Krankheit zu verhüten, so ist der Beweis geliefert,
dass diese Krankheit nicht durch unverhütbare atmosphärisch-
cosmisch-tellurische Einflüsse bedingt war, dadurch ist der
Beweis geliefert, dass die Krankheit durch eine entfernbare
Ursache bedingt war, und diese entfernbare Ursache ist ein
zersetzter thierisch-organischer Stoff.
Für mich ist die grosse Sterblichkeit, auf welche die Epi-
demiker deuten, um die Existenz der epidemischen Einflüsse
zu beweisen, kein Beweis, dass es epidemische Einflüsse gibt,
weil ich sage, nicht epidemische Einflüsse haben diese Sterb-
lichkeit veranlasst, sondern zersetzte thierisch-organische
Stoffe waren es, die ihr nicht von den Individuen fern hieltet,
welche diese Sterblichkeit veranlassten; aber die kleine Sterb-
lichkeit an den Anstalten, an welchen ich wirke, muss ein
Beweis für die Epidemiker sein, dass es keine epidemischen
Einflüsse gibt, weil ich den Epidemikern hier nochmals er-
kläre, dass ich das Geheimniss nicht enträthselt habe, wie die
epidemischen Einflüsse unschädlich zu machen seien, und dass
ich die geringe Sterblichkeit, wie ich selbe eben durch zwölf
Jahre an drei verschiedenen Anstalten, welche früher alljähr-
lich von sogenannten Kindbettfieber-Epidemien heimgesucht
waren, eben nur dadurch erzielte, dass mein Streben da-
hin ging, zersetzte thierisch-organische Stoffe von den mei-
[118] ner Pflege anvertrauten Individuen fern zu halten, und nicht
dadurch, dass es mir gelungen wäre, die epidemischen Ein-
flüsse unschädlich zu machen.
Ich habe schon früher darauf hingedeutet, dass das Er-
kranken und Sterben vieler Individuen, an derselben Krank-
heit, in einer bestimmten Zeit nicht den Begriff der Epide-
mie gibt; denn sonst wäre eine jede Schlacht eine Epidemie,
in einer jeden Schlacht erkranken und sterben ja auch viele
Individuen, an derselben Krankheit, in einer bestimmten Zeit.
Den Begriff der Epidemie geben die Ursachen, welche, unab-
hängig von der Zahl, das Kindbettfieber hervorgebracht ha-
ben, und nur dasjenige Kindbettfieber wäre ein epidemisches,
welches durch atmosphärisch-cosmisch-tellurische Einflüsse
bedingt wird.
Nach Vorausschickung dieses wichtigsten aller Gründe,
wollen wir nun den früher gewählten Massstab an die epide-
mischen Einflüsse anlegen.
Dass durch epidemische Einflüsse der Individuen kein zer-
setzter thierisch-organischer Stoff von aussen eingebracht
wird, ist an und für sich klar und benöthigt keines Beweises.
Aber es ist denkbar, dass es atmosphärisch-cosmisch-
tellurische Einflüsse gebe, welche machen, dass in einer be-
stimmten Zeit in vielen Individuen ein zersetzter thierisch-
organischer Stoff entstehe, welcher dann resorbirt durch Selbst-
infection das Kindbettfieber hervorbringe und ein derart ent-
standenes Kindbettfieber wäre allerdings ein epidemisches.
Dass dieses, was wir für denkbar halten, in der Wirk-
lichkeit sich aber nicht zutrage, dafür sprechen folgende
Gründe:
Wenn das Kindbettfieber durch epidemische Einflüsse
erzeugt werden könnte, so müsse selbes, wie wir dies auch
bei anderen epidemischen Krankeiten sahen, an eine be-
stimmte Jahreszeit gebunden sein, weil es nicht denkbar ist,
dass entgegengesetzte atmosphärische Einflüsse dieselbe Wir-
kung haben sollten.
[119]
Mit Tabelle Nr. II. (Seite 9) haben wir aber bewiesen, dass
das Kindbettfieber an keine Jahreszeit gebunden ist, indem
das Kindbettfieber in jedem Monate des Jahres in grosser und
eben so in jedem Monate des Jahres in geringer Anzahl vor-
kommt.
Wenn wir aber zu dem Zeitraume, welchen die Ta-
belle Nr. II. repräsentirt, noch die 21 Monate hinzufügen,
während welchen unter meiner Beaufsichtigung die Chlorwa-
schungen an der ersten Gebärklinik zu Wien geübt wurden,
nämlich vom Juni 1847 angefangen bis inclusive Februar 1849,
so zeigen sich noch deutlicher die enormen Schwankungen in
der Grösse der Sterblichkeit in jedem einzelnen Monate des
Jahres, oder mit andern Worten: es zeigt sich noch deutlicher,
dass die Sterblichkeit unabhängig war von den Jahreszeiten,
wie Tabelle Nr. XIX. zeigt.
[120]
Tabelle Nr. XIX.
Es ist die vorherrschende Ansicht, dass der Winter die-
jenige Jahreszeit sei, welche vorzüglich den Ausbruch des
Kindbettfiebers begünstige, und in der That, wenn wir die
Tabellen Nr. IX. und X. (Seite 21 und 24) betrachten, so
zeigt sich, dass in den Wintermonaten wirklich häufiger
ein ungünstiger Gesundheitszustand unter den Wöchnerinnen
herrschte und seltener ein günstiger, während in den Som-
mermonaten häufiger ein günstiger und seltener ein ungünsti-
ger Gesundheitszustand der Wöchnerinnen zu beobachten war.
Aber diese Erscheinung ist nicht durch atmosphärische
Einflüsse des Winters zu erklären, denn sonst könnte ja das
Kindbettfieber im Sommer nie in grösserer Ausdehnung vor-
kommen.
Diese Erscheinung ist zu erklären durch die verschiedene
Art der Beschäftigungen derjenigen, die das Gebärhaus be-
suchen, welche Beschäftigungen durch die Jahreszeit be-
dingt sind.
Nach den grossen Ferien in den Monaten August und
September gehen die Schüler mit frischem Eifer an ihre Stu-
dien, folglich auch an das Studium der Geburtshilfe, und in
den Wintermonaten ist der Andrang der Schüler in das Ge-
bärhaus so gross, dass der Einzelne oft Wochen ja Monate
lang warten muss, bis die Reihe der Aufnahme ihn trifft, wäh-
rend in den Sommermonaten oft die Hälfte, ja in den Ferial-
monaten oft zwei Dritttheile der Plätze unbesetzt sind; in
den Wintermonaten werden die pathologischen und gerichtli-
chen Sectionen; die medicinischen und chirurgischen Abthei-
lungen des k. k. allgemeinen Krankenhauses auch von den im
Gebärhause Beschäftigten sehr fleissig besucht. Im Sommer
lässt der Fleiss bedeutend nach; die reizenden Umgebungen
Wiens üben eine grössere Anziehungskraft aus, als die stin-
kende Todtenkammer oder die schwülen Räume des Kranken-
hauses. Im Winter hält der Assistent der Geburtshilfe die
praktischen Operationsübungen am Cadaver vor der um vier
Uhr zu haltenden Nachmittagsvisite, weil Vormittag die Schü-
[122] ler anderweitig beschäftigt sind, und nach der Nachmittags-
visite um fünf Uhr es schon zu finster ist. Im Sommer ist die
Hitze vor der Nachmittagsvisite noch zu drückend, im Sommer
werden die Operationsübungen am Cadaver in den Abend-
stunden nach der Nachmittagsvisite gemacht. Ist es für die zu
Untersuchenden gleichgiltig, ob die Schüler sich nach der Vi-
site mit Cadavern beschäftigen oder ob selbe vom Cadaver her
zur Visite kommen?
Das sind zum Theile die Einflüsse, welche durch die Jah-
reszeit bedingt sind, nur in diesen Verhältnissen liegt die Ur-
sache, warum im Winter häufiger ein ungünstiger und im
Sommer häufiger ein günstiger Gesundheitszustand unter den
Wöchnerinnen der ersten Gebärabtheilung zu beobachten
war. Wenn es wirklich die atmosphärischen Einflüsse des
Winters gewesen wären, welche den häufigen ungünstigen
Gesundheitszustand der Wöchnerinnen im Winter hervorge-
bracht haben, so erlaube ich mir die Frage, ob denn Wien
durch 25 Jahre keinen Winter gehabt hat? indem im Wiener
Gebärhause durch 25 Jahre keine Epidemie war, weil im
Wiener Gebärhause durch 25 Jahre nicht eine Wöchnerin von
hundert gestorben ist. Siehe Tabelle Nr. XVII. (Seite 62).
Haben sich die atmosphärischen Einflüsse der beiden
Winter in Wien der Jahre 1847/8 und 1848/9 in Folge der
Chlorwaschungen geändert? Weil wir in Folge der Chlorwa-
schungen in diesen beiden Wintern keine Epidemie hatten.
Haben sich die atmosphärischen Einflüsse der vier Win-
ter zu Pest geändert, in Folge der Chlorwaschungen, welche
ich durch vier Winter an der Pester medicinischen Facultät
beaufsichtige? Weil wir durch vier Winter kein epidemisches
Kindbettfieber hatten. Die grössere Sterblichkeit zweier Win-
ter war bedingt durch Leintücher, welche mit zersetztem Blute
und zersetztem Lochialflusse verunreiniget waren.
Das Gebärhaus des St. Rochus-Spitals war nie im Win-
ter Gebärhaus, sondern nur durch zwei Monate im Jahre, näm-
lich in den Monaten August und September, und doch war es
[123] alljährlich in hohem Grade vom Kindbettfieber heimgesucht,
so lange es ein Anhängsel einer chirurgischen Abtheilung war.
So wie das Kindbettfieber an eine gewisse Jahreszeit ge-
bunden sein müsste, wenn es durch atmosphärische Einflüsse
bedingt wäre, eben so könnte das Kindbettfieber nur in, diesen
Jahreszeiten entsprechenden Klimaten vorkommen. In der
Wirklichkeit kommt aber in allen Klimaten das Kindbettfie-
ber in grosser Anzahl vor. Es gibt aber in allen Klimaten Ge-
bärhäuser, in welchen das Kindbettfieber in grosser Ausdeh-
nung nicht vorkommt. Dieses Vorkommen und Nichtvorkom-
men des Kindbettfiebers in grosser Anzahl in den verschiede-
nen, in allen Klimaten zerstreut liegenden Gebärhäusern kann
demnach nicht durch atmosphärische Einflüsse erklärt werden,
sondern nur durch den zersetzten thierisch-organischen Stoff.
In jenen Gebärhäusern, welche in allen Klimaten zer-
streut liegen, in welchen den Individuen von aussen ein zer-
setzter thierisch-organischer Stoff beigebracht wird, in jenen
Gebärhäusern kommt das Kindbettfieber in grosser Anzahl
vor, was dann fälschlich eine Epidemie genannt wird.
In jenen, in allen Klimaten zerstreut liegenden Gebärhäu-
sern, in welchen den Individuen von aussen kein zersetzter
thierisch-organischer Stoff beigebracht wird, in jenen kommt
das Kindbettfieber in grosser Anzahl nicht vor, diese Gebär-
häuser sind von Epidemien verschont.
Den günstigsten Gesundheitszustand der Wöchnerinnen
weisen demnach diejenigen Gebärhäuser aus, welche, ohne
Rücksicht des Klimas, in dem sich selbe befinden, keine Un-
terrichtsanstalten sind; der Grund warum, ist einleuchtend.
Eine Ausnahme machen diejenigen Gebärhäuser, welche
keine Unterrichtsanstalten sind, aber in welchen dennoch den
Individuen von aussen zersetzte thierisch-organische Stoffe
beigebracht werden.
Hierher gehört das St. Rochus-Spital zu Pest, dessen
Primarius zugleich chirurgischer Primarius war und Gerichts-
anatom, nebstdem mangelte damals noch ein Prosector. Die
[124] Sectionen mussten von den betreffenden Abtheilungsärzten ge-
macht werden.
Hieher gehört das Zahlgebärhaus oder die Abtheilung
für Geheimgebärende zu Wien. Dieses Gebärhaus ist nicht
nur keine Unterrichtsanstalt, ja es ist, um seinem Zwecke zu
entsprechen, für alle nicht da angestellten Aerzte hermetisch
geschlossen. Man könnte daher glauben, in diesem Gebär-
hause können keine Infectionsfälle von aussen vorkommen, in
diesem Gebärhause dürften nur Selbstinfectionsfälle sich er-
eignen, in diesem Gebärhause dürfte daher nicht eine Wöch-
nerin von hundert sterben. Aber ein Blick auf die Mortalitäts-
verhältnisse dieses Gebärhauses belehrt uns eines Andern, wie
Tabelle Nr. XX. zeigt.
Tabelle Nr. XX.
Uebersicht der Mortalitätsverhältnisse der Zahlabtheilung des
Wiener Gebärhauses.
Diese Tabelle zeigt die Sterblichkeit kleiner, als selbe in
Wirklichkeit war, weil es häufig geschieht, dass Wöchnerin-
nen wenige Stunden oder Tage nach der Entbindung im ge-
sunden und zuweilen auch im kranken Zustande austreten, um
in ihren Privatwohnungen oder im Krankenhause aufgenom-
men zu werden. Diese Tabelle zeigt den Gesundheitszustand
der Wöchnerinnen der Zahlabtheilung ungünstiger, als selbst
[125] an der früher mit Recht so verrufenen ersten Gebärklinik,
während der Zeit, als ich die Chlorwaschungen leitete.
Dieses Räthsel wird für den Leser kein Räthsel mehr
sein, wenn ich ihn mit den Verhältnissen werde bekannt ge-
macht haben.
Vorstände dieser Abtheilung waren Mikschik und
Chiari. Der Leser, welcher mit der medicinischen Literatur
vertraut ist, wird wissen, was diese beiden Aerzte geleistet.
Das konnten sie aber nur dadurch leisten, dass sie sich mit
Gegenständen beschäftigten, durch welche sie sich ihre Hände
mit zersetzten Stoffen verunreinigen mussten; beide Aerzte
waren zugleich Vorstände der gynaecologischen Abtheilung
des allgemeinen Krankenhauses; wie gefährlich aber eine gy-
naecologische Abtheilung für ein Gebärhaus werden kann, das
hat der verjauchende Medullarkrebs des Uterus bewiesen,
welcher im Monate October 1847 an der ersten Gebärklinik
Verwüstungen angerichtet.
Im allgemeinen Krankenhause zu Wien werden alljähr-
lich 600 bis 800 gerichtliche Sectionen vorgenommen, denen
der Sitte gemäss abwechselnd wöchentlich einer der beiden
jüngsten Primarien als legaler Zeuge beiwohnen muss. Als
Mikschik zum Primarius ernannt wurde, war er natürlich
der jüngste, und nach Mikschik’s Abgang war wieder
Chiari der jüngste, beide mussten daher jede zweite Woche
den gerichtlichen Sectionen beiwohnen.
Ist der ungünstige Gesundheitszustand der Wöchnerin-
nen der Zahlabtheilung noch ein Räthsel?
Gebärhäuser, welche zugleich Unterrichtsanstalten sind,
zeigen einen ungünstigeren Gesundheitszustand der in densel-
ben verpflegten Wöchnerinnen in Vergleich zu Gebärhäusern,
welche keine Unterrichtsanstalten sind.
Und unter den Unterrichtsanstalten zeigen wieder dieje-
nigen, welche ausschliesslich zum Unterrichte für Hebammen
bestimmt sind, günstigere Mortalitätsverhältnisse als diejeni-
[126] gen Unterrichtsanstalten, welche ausschliesslich dem Unter-
richte für Aerzte bestimmt sind.
Der Grund dieser Mortalitätsverschiedenheit der Unter-
richtsanstalten liegt darin, dass das Unterrichtssystem für
Hebammen derart beschaffen ist, dass die Hebammen nicht in
dieser Ausdehnung sich mit Dingen beschäftigen müssen,
welche ihnen die Hände mit zersetzten Stoffen verunreinigen
würden, während das Unterrichtssystem für Aerzte derart be-
schaffen ist, dass sie viel häufiger sich ihre Hände mit zersetz-
ten Stoffen verunreinigen.
Eine Ausnahme macht die Maternité in Paris, welche
zwar ausschliesslich dem Unterrichte für Hebammen bestimmt
ist, und dennoch eine so grosse Sterblichkeit hat, wie Dubois’
Klinik zu Paris, welche dem Unterrichte für Aerzte bestimmt
ist, und von deren Lage Dr. Arneth sagt: »Zu bedauern ist
die grosse Nähe der Sectionskammer des Spitals.« Dass die
Sterblichkeit in der Maternité eben so gross ist, wie in Du-
bois’ Klinik, zeigt Tabelle Nr. XXI.
[127]
Tabelle Nr. XXI.
Maternité in Paris.
Dubois’ Klinik.
Aber in der Maternité ist das Unterrichtssystem so be-
schaffen, dass sich Hebammen dort so häufig wie anderswo
nur die Aerzte ihre Hände mit zersetzten Stoffen verun-
reinigen.
Mein Gewährsmann für diese Behauptung ist Johann
Friedr. Osiander.
In einem Werke, welches den Titel führt: »Bemerkungen
über die französische Geburtshilfe, nebst einer ausführli-
chen Beschreibung der Maternité in Paris. Hannover, bei den
Brüdern Hahn. 1813« sagt Osiander in der Vorrede, dass
er vom Mai 1809 bis dahin 1810 in Paris war, dass er so
glücklich war, Baudelocque’s Freundschaft zu geniessen,
und dass er durch dessen Verwendung Zutritt zur Maternité
erhielt.
Vom Unterrichtssysteme, welches in der Maternité
herrscht, gibt er folgende Beschreibung:
Seite 33 sagt Osiander Folgendes: »Den täglichen Vi-
siten, die der Arzt in der Infirmerie der Wöchnerinnen macht,
wohnt die Hebamme des Hauses und ein Theil der Hebam-
men-Schülerinnen bei. Jede Schülerin bekommt eine Kranke
zur besonderen Beobachtung, und sie wird angehalten, eine
kurze Krankengeschichte, den Hergang der Geburt und die
Verordnungen des Arztes aufzusetzen. Diese Krankenge-
schichten werden »Bulletins cliniques« genannt, und Herr
Professor Chaussier gibt sich viel Mühe, die Schülerinnen
im Aufsetzen derselben zu unterrichten. Bei jeder Kranken
geht er das Bulletin genau durch, indem er demselben ein Zu-
trauen schenkt, dessen ich es selten würdig gefunden habe.
Unter den Schülerinnen sind nämlich nur einzelne, welche
Talent und Ernsthaftigkeit genug besitzen, um Krankheiten
zu beobachten und Krankengeschichten aufzusetzen. Diese
wenigen geben allen andern die Muster zu ihren Berichten,
und ich habe daher oft gefunden, dass in mehreren Bulletins
bei den verschiedensten Krankheiten dieselben Symptome mit
denselben Worten angegeben waren. Ueberhaupt ist es auf-
[129] fallend genug, junge Mädchen zu sehen, die mit wichtiger
Miene den Puls fühlen und Krankenbeobachtungen auf-
schreiben. Sie ahmen aber darin ihre Lehrerin, die erste
Hebamme nach, deren Ansehen, welches sie sich am Kran-
kenbette zu geben weiss, noch dadurch erhöht wird, dass der
Arzt immer ihrer Meinung ist.«
Seite 46 sagt Osiander: »Den Leichenöffnungen, die in
einem von dem Gebärhause etwas entfernten Gartenhause vor-
genommen werden, wohnen die Schülerinnen gewöhnlich bei.
Ich habe da oft mit Erstaunen gesehen, welchen lebhaften
Antheil einige junge Mädchen an dem Zerfleischen der Lei-
chen nahmen, wie sie mit entblössten und blutigen Armen,
grosse Messer in der Hand haltend, unter Zank und Gelächter,
sich Becken herausschnitten, nachdem sie von dem Arzte die
Erlaubniss erhalten hatten, dieselben für sich zu präpariren.«
Seite 51 sagt Osiander: »Unter den Beobachtungen bei
den Leichenuntersuchungen, an die Baudelocque seine Zu-
hörer erinnerte, ist besonders die Zerreissung eines Psoas-
muskels in der Anstrengung zur Geburt wichtig.
»Folgende Tabelle wurde von den vorgefallenen Gebur-
ten gegeben: Seit dem 9. December 1797 bis zum 31. Mai
1809 sind 17,308 Frauen entbunden, diese haben gegeben
17,499 Kinder, 189 Frauen gebaren Zwillinge, also 1 von 91;
nur zwei hatten Drillinge. 2000 Entbundene, zum wenigsten,
sind schwer erkrankt, und 700 gestorben und secirt!«
Seite 242 sagt Osiander: »Die Unterleibsentzündung
der Wöchnerinnen, das Uebel, welches gewöhnlich mit dem
Namen Puerperalfieber bezeichnet wird, und welches in allen
grossen und überfüllten Gebärhäusern einheimisch zu sein
pflegt, kommt auch in dem Gebärhause zu Paris häufig vor.
»Die Krankheit wird besonders in den Wintermonaten
häufig beobachtet, und ob sie gleich eigentlich immerfort
herrscht, so erinnert man sich doch mit Schrecken an die bei-
den Jahre (zwischen 1803 und 1808), wo sie endemisch wü-
thete, und eine Menge von Wöchnerinnen dahinraffte. Ich
Semmelweis, Kindbettfieber. 9
[130] habe zwar nirgends mit Bestimmtheit die Mortalität unter den
Wöchnerinnen während dieser beiden Jahre erfahren können,
und die vorsichtigen Verfasser der Abhandlung über die Ma-
ternité (Mémoire sur l’hospice de la Maternité. Paris 1808.
Die drei Verfasser dieser Schrift sind sämmtlich bei den Bu-
reaux des Hospitals angestellt, und werden von der Admini-
stration wegen bewiesener Vorsicht in den Angaben gelobt.)
sprechen nicht mit Bestimmtheit davon, es erhellt aber aus
Allem, dass sie sehr gross gewesen sein muss; namentlich dar-
aus, dass in den fünf angeführten Jahren (wegen der zwei Jahre,
in welchen die Unterleibsentzündung herrschte) die Mortalität
wie 1 zu 23 sich verhielt, da sie zu anderen Zeiten nur wie 1
zu 23 sich verhalten soll. Es starben in diesen fünf Jahren von
9645 Frauen 414 grösstentheils an Unterleibsentzündung.«
Seite 259 sagt Osiander: »Der Brand an den Geburts-
theilen kam, so lange ich die Maternité besuchte, verschie-
dene Male unter den Wöchnerinnen vor, gerade zu derselben
Zeit, wo Unterleibsentzündungen besonders häufig waren. Für
mich war diese Krankheit in der furchtbaren Gestalt, unter
der sie sich äusserte, ganz neu; in der Maternité erregte sie
aber kein besonderes Aufsehen, indem sie hier nicht zu den
Seltenheiten gehört.«
Der Leser kann aus diesen Citaten die Ausdehnung ent-
nehmen, in welcher die Hebammen in der Maternité sich ihre
Hände mit zersetzten Stoffen verunreinigen.
So wie es nicht geschehen könnte, dass von mehreren in
demselben Klima befindlichen Gebärhäusern einige vom soge-
nannten epidemischen Kindbettfieber heimgesucht, und wieder
andere von demselben verschont bleiben könnten, wenn das
Kindbettfieber durch atmosphärisch-cosmisch-tellurische Ein-
flüsse erzeugt werden könnte; noch viel weniger könnte es ge-
schehen, dass sich atmosphärisch-cosmisch-tellurische Ein-
flüsse an zwei Abtheilungen einer und derselben Anstalt durch
eine lange Reihe von Jahren durch ihre Verheerungen in ver-
schiedenem Grade kund geben sollten.
[131]
Tabelle Nr. I. zeigt, dass die Wöchnerinnen der ersten
Gebärklinik zu Wien durch sechs Jahre constant in dreimal
grösserer Anzahl gestorben sind, als die Wöchnerinnen der
zweiten Gebärklinik derselben Anstalt.
Diese Beobachtung war es, welche in mir die ersten
Zweifel gegen die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber
erregte.
Dieselbe Ungleichheit der Sterblichkeit zweier Abthei-
lungen einer und derselben Anstalt finden wir auch in Strass-
burg. Dr. F. H. Arneth sagt in seinem Werke „Ueber die
Geburtshilfe und Gynaekologie in Frankreich, Grossbritan-
nien und Irland,« Wien 1853, vom Strassburger-Gebärhause
Folgendes: »Das Gebärhaus besteht aus zwei Abtheilungen;
der Klinik für Aerzte (la Clinique) und der Abtheilung, auf
welcher Hebammen gebildet werden (le service). Bis Ende
1845 bestanden die genannten beiden Abtheilungen unter zwei
Vorständen neben einander, nur durch eine dünne Wand ge-
trennt, wobei die Aufnahme so geregelt war, dass regelmäs-
sig eine Schwangere in den Service, die andere in die Clini-
que gebracht wurde, während zur Ferienzeit alle auf die Cli-
nique kamen. Nun versieht nach Ehrmann’s Abgang Stoltz
beide Anstalten.
»Es war nicht möglich ganz Genaues über die Sterblich-
keit herauszubringen, doch kamen beide Professoren darin
überein, dass auf der Klinik für Schüler constant mehr Ster-
befälle vorgekommen seien.«
Um nähere Aufschlüsse über diese Stelle in Arneth’s
Buch zu erhalten, wendete ich mich brieflich an Dr. Wieger
und Professor Stoltz in Strassburg, und erhielt durch deren
Bereitwilligkeit folgende Antworten. Dr. Wieger schreibt:
»Ihr werther Brief vom 15. vorigen Monates wäre weit
früher beantwortet worden, hätte ich mir eher eine Disserta-
tion von Gustav Levy »Relation de l’Épidémie de Fièvre Puer-
pérale observé aux Cliniques d’accouchement de Strassbourg,
pendant le I. Semester de l’année scolaire 1856 — 1857.
9 *
[132]Strassbourg 1857« verschaffen können, worin gerade diese
Verhältnisse abgehandelt sind, über welche Sie Aufklärung
wünschen. Ich schicke Ihnen mein Exemplar, weil ich kein
anderes auftreiben kann. Dasselbe soll Ihnen via Buchhandel
zukommen. Sie werden darin ersehen, dass, seit die zwei
Abtheilungen in ihrem neuen Locale sind, die Krankheit sie
beide heimgesucht hat.
»Was Arneth Ihnen mittheilte, ist richtig.
»Als die Hebammenschule unter Professor Ehrmann’s
Leitung stand, war dort das Puerperalfieber so ziemlich un-
bekannt. Seit Professor Stoltz beide Schulen übernommen
(deren Säle für Schwangere und Kindbetterinnen im früheren
Locale, im zweiten Stocke des grossen Krankenhauses, nur
durch einen Saal, wo die Betten für die im Hause wohnenden
Schülerinnen standen, getrennt waren), hauste die Krankheit
in beiden Abtheilungen wie jetzt auch, wo sie in einem schö-
nen, neugebauten Pavillon vereiniget sind.
»Strassburg, 19. Mai 1858.«
Professor Stoltz schreibt:
»Erlauben Sie, dass ich Ihnen in französischer Sprache
auf Ihren Brief vom l. v. M. antworte, worin Sie von mir Auf-
klärung über eine Stelle in Dr. Arneth’s Buch verlangen, in
welcher er behauptet, dass an der zum Unterrichte der Heb-
ammen dienenden Abtheilung der Strassburger Maternité die
Epidemien des Puerperalfiebers selten sind, und die Sterb-
lichkeit immer geringer als an der Klinik der medicinischen
Facultät.
»Die Thatsache ist wahr (le fait est exact), aber ich
schrieb den Unterschied in der Sterblichkeit immer dem Un-
terschiede in den Salubritätsverhältnissen der beiden Abthei-
lungen zu. Denn in der That sind die Säle der Gebärklinik
an der medicinischen Facultät nieder, wenig geräumig und
stets überladen, während die der Hebammen gut gelüftet und
gut gelegen sind, und im Verhältnisse zu ihrer Grösse immer
eine geringere Zahl von Betten besitzen. Sie werden denn auch
[133] reinlicher gehalten, und beherbergen im Verlaufe des Jahres
weniger Schwangere und Kranke. Andererseits werden die
schwierigsten Fälle immer der Facultätsklinik zugewiesen.
»Bis zum Jahre 1856 befanden sich beide Abtheilungen
im allgemeinen Krankenhause. Voriges Jahr übersiedelten sie
in ein eigenes, unter einem rechten Winkel aufgeführtes Ge-
bäude mit der Front gegen Süden und Westen, und versehen
mit Höfen und einem Garten. Die beiden Kliniken, diejenige
der Facultät und die der Hebammen, sind von einander durch
die Hörsäle und die Zimmer für die Instrumente getrennt.
Die Schwangern nehmen die ebenerdigen Localitäten ein;
endlich ist die Abtheilung für Hebammen wieder günstiger
eingetheilt, als die der Facultät. Nichtsdestoweniger herrschte
im Winter 1856 und 1857 hier so wie in München eine gleich-
mässig tödtliche Epidemie an beiden Abtheilungen, und unge-
achtet dass man an der Facultätsklinik die Desinfection der
Hände durch Chlor anwendete.
»Sie sehen hieraus, verehrter Collega, dass unsere Beob-
achtungen Ihrer Theorie über die Aetiologie des Puerperal-
fiebers nicht günstig sind.
»Ich werde dem ohngeachtet Ihr Werk über diesen Ge-
genstand mit dem grössten Interesse lesen und alle Ihre Ver-
ordnungen mit der möglichsten Sorgfalt befolgen lassen.
»Es freut mich, mit Ihnen in einen wissenschaftlichen
Verkehr getreten zu sein, und ich wäre glücklich, wenn es
nicht bei diesem einmal bliebe.
»Strassburg, den 26. März 1858.«
Aus Arneth’s Buch und diesen beiden Briefen geht her-
vor, dass in Strassburg eine Gebäranstalt in zwei Abtheilun-
gen getrennt war, wovon die eine, so lange selbe ausschliess-
lich dem Unterrichte für Hebammen bestimmt war, vom so-
genannten epidemischen Kindbettfieber verschont blieb, ob-
wohl selbe von der andern Abtheilung, welche dem Unter-
richte für Aerzte bestimmt war, und welche vom sogenannten
epidemischen Puerperalfieber heimgesucht wurde, nur durch
[134] ein Zimmer getrennt war. Nachdem aber beide Abtheilungen
im Jahre 1845 unter einem Vorstande vereinigt wurden, zog
das sogenannte epidemische Puerperalfieber auch in die frü-
her verschonten Räume. Im Jahre 1856 übersiedelte das Ge-
bärhaus in ein neues Gebäude, und auch im neuen Gebäude
wurden beide Abtheilungen vom Kindbettfieber heimgesucht.
Widerspricht es nicht der gesunden Vernunft, das Kind-
bettfieber der Abtheilung der Aerzte vor der Vereinigung bei-
der Abtheilungen für ein epidemisches, d. h. ein durch atmos-
phärisch-cosmisch-tellurische Einflüsse bedingtes zu halten?
Professor Stoltz selbst sucht die Ursache des Kindbett-
fiebers an der Abtheilung für Aerzte, nicht in atmosphärischen
Einflüssen, sondern in endemischen Schädlichkeiten, und zwar
in dem Unterschiede der Salubritätsverhältnisse der beiden
Abtheilungen, sowohl im alten, als nun wieder im neuen Ge-
bärhause.
Dass aber diese günstigeren Verhältnisse es nicht waren,
welche die Abtheilung für Hebammen vom Kindbettfieber be-
schutzten, so lange diese Abtheilung ausschliesslich Hebam-
menabtheilung war, geht daraus hervor, dass dieselben gün-
stigen Verhältnisse nicht mehr im Stande waren, diese Räume
vor dem Kindbettfieber zu bewahren, sobald selbe aufhörten,
ausschliesslich Hebammenabtheilung zu sein.
Auch im neuen Gebäude hat die günstigere Eintheilung
der Abtheilung für Hebammen selbe vor dem Kindbettfieber
nicht schützen können.
Auch ich halte das Kindbettfieber, welches in Strassburg
vor und nach der Vereinigung der beiden Abtheilungen zu
beobachten war, für kein epidemisches, d. h. nicht durch at-
mosphärische Einflüsse bedingtes, sondern für ein endemi-
sches; aber die endemische Ursache waren die zersetzten
Stoffe, welche an den Händen der Strassburger Schüler kleb-
ten, welche vor der Verunreinigung der beiden Abtheilungen
nur auf einer, nach der Vereinigung aber an beiden Abtheilun-
[135] gen ihre verderblichen Wirkungen im alten sowohl wie jetzt
auch im neuen Gebäude äussern konnten.
Was die Erfolglosigkeit der Chlorwaschungen anbelangt,
so wird deren Beurtheilung an einer andern Stelle dieser
Schrift stattfinden.
Die Strassburger Hebammenschulen aus der Zeit vor der
Vereinigung mit der Abtheilung für Aerzte und die Wiener
zweite Gebärabtheilung aus der Zeit, seit selbe ausschliess-
lich dem Unterrichte für Hebammen gewidmet ist, bis zur
Einführung der Chlorwaschungen an der ersten Abtheilung
im Mai 1847, sind Belege dafür, dass der Gesundheitszustand
der Wöchnerinnen in solchen Unterrichtsanstalten, welche
ausschliesslich dem Unterrichte für Hebammen gewidmet sind,
günstiger ist, als der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen
in Unterrichtsanstalten für Aerzte. Siehe Tabelle Nr. I.
Dass die grosse Sterblichkeit in den Gebärhäusern nicht
durch atmosphärische Einflüsse bedingt sei, sondern dass selbe
durch einen zersetzten thierisch-organischen Stoff hervorge-
bracht werde, geht auch daraus hervor, dass in den einzelnen
Gebärhäusern nachgewiesen werden kann, dass das sogenannte
epidemische Kindbettfieber erst dann in den einzelnen Gebär-
häusern einheimisch wurde, als sich die Verhältnisse derselben
derartig änderten, dass den Individuen, welche in den einzel-
nen Gebärhäusern verpflegt wurden, mit einer gewissen Re-
gelmässigkeit zersetzte Stoffe eingebracht wurden.
Osiander erzählt, dass man in der Maternité zu Paris
mit Schrecken an zwei Jahre zwischen 1803 und 1808 denkt,
wegen der ungeheuren Verheerungen, welche das Kindbett-
fieber unter den Wöchnerinnen anrichtete, wir finden im Un-
terrichtssysteme in der Maternité eine hinreichende Aetiologie
dieses Kindbettfiebers.
In denselben Jahren von 1803 bis 1808 starb in Wien
nicht eine Wöchnerin von hundert. In Wien wurde das so-
genannte epidemische Kindbettfieber erst mit dem Jahre 1823
[136] einheimisch, das ist aber die Zeit, wo die Medicin in Wien
die anatomische Richtung anzunehmen begann.
Professor Rokitansky fungirt seit 1828 an der patholo-
gisch-anatomischen Anstalt. Von 1823 angefangen bis 1847,
dem Jahre der Einführung der Chlorwaschungen, also durch
24 Jahre, war, ein Jahr ausgenommen, die Sterblichkeit im-
mer über 2 Percent und stieg bis zu 12 Percent im Jahre,
während von 1784 bis 1822, also innerhalb 39 Jahren die
Sterblichkeit nur bis 4 Percent stieg, und innerhalb 25 Jah-
ren nicht eine Wöchnerin von hundert starb. Siehe Ta-
belle Nr. XVII.
Vom Kieler Gebärhause sagt weiland Michaelis in einem
Briefe, welchen wir an einer andern Stelle ausführlich mit-
theilen werden: »Sie wissen, dass das Puerperalfieber bei
uns erst seit 1834 eingezogen ist. Dies ist aber auch ungefähr
die Zeit, seitdem ich mich des Unterrichtes thätiger angenom-
men habe, und namentlich das Douchiren der Candidaten re-
gelmässiger eingeführt ist. Auch diese Sache lässt sich also
in Zusammenhang bringen.«
In die Räumlichkeiten der Strassburger Hebammenschule
zog das epidemische Kindbettfieber erst 1845 ein, in welchem
Jahre die Vereinigung mit der Abtheilung der Aerzte erfolgte.
Während der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen des
St. Rochus-Spitals zu Pest seit dem Bestehen der geburtshilf-
lichen Abtheilung stets ein ungünstiger war, weil die Gebär-
abtheilung immer ein Anhängsel einer chirurgischen Abthei-
lung war, war der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen der
medicinischen Facultät zu Pest bis in die vierziger Jahre stets
ein günstiger, weil in Pest die Medicin erst in den vierziger
Jahren die anatomische Richtung annahm.
Mein Vorfahrer, Hofrath Birly, einstens Boer’s
Assistent, glaubte, der bessere Gesundheitszustand seiner
Wöchnerinnen zu Pest, im Vergleiche mit dem schlechte-
ren Gesundheitszustande der Wöchnerinnen zu Wien, rühre
daher, dass er, Birly nämlich, einen ausgedehnteren Ge-
[137] brauch von Purganzen mache, denn das Kindbettfieber
werde erzeugt durch die Unreinlichkeiten der ersten Wege;
bei Eröffnung seiner Klinik nach den grossen Ferien im Oc-
tober hielt er regelmässig alljährlich eine geharnischte Phi-
lippika gegen Wien und behauptete, die grosse Sterblichkeit
im Gebärhause zu Wien sei nur der Vernachlässigung der
Purganzen zuzuschreiben.
Sobald aber die Medicin auch in Pest die anatomische
Richtung annahm, hatten die Purganzen die prophylactische
Macht verloren, und das Pester medicinische Professorencol-
legium hat zu einer Zeit, wo ich noch nicht die Ehre hatte,
ein Mitglied desselben zu sein, es officiell ausgesprochen, dass
die geburtshilfliche Klinik zu Pest wegen Ueberhandnahme
des Kindbettfiebers selbst während des Schuljahres wiederholt
gesperrt werden musste.
Zahlen kann ich für diese Angaben nicht geben, weil die
Protocolle während der Revolution verloren gingen. Der Um-
stand, dass ich in der Stadt lebe, über welche ich das be-
richte, ist Bürge genug für deren Richtigkeit.
Dass die grosse Sterblichkeit in den Gebärhäusern nicht
durch atmosphärische Einflüsse bedingt ist, sondern durch
einen zersetzten Stoff, welcher den Individuen von aussen re-
gelmässig eingebracht wird, geht daraus hervor, dass, wenn
sich die Verhältnisse eines Gebärhauses derart ändern, dass
dieses Einbringen eines zersetzten Stoffes von aussen nicht
mehr in dieser Ausdehnung geschehen kann, sich auch die
Sterblichkeit mindert. Hieher gehört die zweite Gebärklinik,
welche zur Zeit, als selbe Aerzten und Hebammen zum Un-
terrichte diente, eine grössere Sterblichkeit hatte, als seit der
Zeit ihrer ausschliesslichen Verwendung zum Unterrichte für
Hebammen.
Wenn aber durch die veränderten Verhältnisse das Ein-
bringen des zersetzten Stoffes von aussen gänzlich aufhörte,
hörte auch das epidemische Kindbettfieber auf wiederzukeh-
ren; hierher gehört das Gebärhaus zu St. Rochus in Pest,
[138] welches von der chirurgischen Abtheilung getrennt, meiner
Leitung anvertraut wurde. Durch sechs Jahre hatte ich keine
Epidemie ohne Chlorwaschungen.
Dass die grosse Sterblichkeit in den Gebärhäusern nicht
durch atmosphärische Einflüsse bedingt ist, geht daraus her-
vor, dass, wenn Massregeln getroffen werden, welche geeig-
net sind, diese zersetzten Stoffe zu zerstören, dass in diesen
Gebärhäusern das sogenannte epidemische Kindbettfieber nicht
mehr vorkommt, wenn selbe auch früher durch eine lange
Reihe von Jahren alljährlich davon heimgesucht waren. Hie-
her gehören die erste Gebärklinik zu Wien und die geburts-
hilfliche Klinik zu Pest. Von fremden hiehergehörigen Er-
fahrungen werden wir später sprechen.
Das was wir über das Erscheinen und Verschwinden des
sogenannten epidemischen Kindbettfiebers sagten, wollen wir
hier, in so weit es sich auf das Wiener Gebärhaus bezieht,
durch Zahlen beweisen.
Das Wiener Gebärhaus wurde, wie schon angegeben, am
16. August 1784 eröffnet. Siehe Tabelle Nr. XVII. Seite 62.
Als die Medicin in Wien noch der anatomischen Grund-
lage entbehrte, ereigneten sich innerhalb 39 Jahren, also bis
zum Jahre 1823, 71,395 Geburten, davon starben 897, also
1.25 Percent. Als die Medicin in Wien vom Jahre 1823 ange-
fangen die anatomische Grundlage annahm, ereigneten sich
bis zum Jahre 1833, in welchem Jahre die Trennung des Ge-
bärhauses in zwei Abtheilungen stattfand, also innerhalb zehn
Jahren, 28,429 Geburten, davon starben 1509, also 5.30 Per-
cent. Siehe Tabelle Nr. XVII. Seite 62.
Im Jahre 1833 fand die Trennung des Gebärhauses in
zwei Abtheilungen statt, und es wurden Schüler und Schüle-
rinnen beiden Abtheilungen in gleicher Anzahl behufs des ge-
burtshilflichen Unterrichtes zugewiesen. Am 10. October 1840
wurden durch eine allerhöchste Entschliessung sämmtliche
Schüler der ersten Abtheilung und sämmtliche Schülerinnen
[139] der zweiten Abtheilung behufs des geburtshilflichen Unter-
richtes zugetheilt.
Während der acht Jahre, nämlich vom Jahre 1833 bis
zum Jahre 1841, während welchen Schüler und Schülerinnen
an beiden Abtheilungen in gleicher Anzahl vertheilt waren,
schwankte die Grösse der Sterblichkeit zwischen beiden Ab-
theilungen, wie Tabelle Nr. XXII. zeigt.
Tabelle Nr. XXII.
Ich bedaure, dass ich so spät zur Kenntniss dieser Ta-
belle gelangt bin, dass ich selbe nicht benützen konnte an der
Stelle, wo ich derselben das erstemal bedurfte. Der Leser
wolle daher von Zeile 11 angefangen die Seiten 63 und 64 noch-
mals lesen.
Durch Zuweisung sämmtlicher Schüler der ersten Ab-
theilung und sämmtlicher Schülerinnen der zweiten Abthei-
lung steigerte sich die Sterblichkeit an der ersten Abtheilung
und verminderte sich an der zweiten Abtheilung in dem Grade,
dass bis zur Einführung der Chlorwaschungen, Mitte Mai
1847, die Sterblichkeit innerhalb dieser sechs Jahre an der
ersten Abtheilung im Durchschnitte dreimal so gross war, als
an der zweiten Abtheilung, wie Tabelle Nr. I. Seite 3 zeigt.
Nach Einführung der Chlorwaschungen Mitte Mai 1847
verhielten sich die Mortalitätsverhältnisse der beiden Abthei-
[140] lungen bis 1. Jänner 1859, also durch zwölf Jahre, wie Ta-
belle Nr. XXIII. zeigt.
Tabelle Nr. XXIII.
Diese Tabelle zeigt, dass die Sterblichkeit nach Einfüh-
rung der Chlorwaschungen, Mitte Mai 1847, an der ersten Ab-
theilung um 6.35 Percent und an der zweiten Abtheilung um
0.32 Percent zwar gesunken sei. Aber die Sterblichkeit ist an
der ersten Abtheilung um 2.30 Percent und an der zweiten Ab-
theilung um 1.79 Percent grösser als im Jahre 1848, wo die
Chlorwaschungen durch mich beaufsichtiget wurden; obwohl
auch ich die kleinste mögliche Sterblichkeit nicht erzielt habe,
aus Gründen, die ich an betreffender Stelle geschildert.
Die Beurtheilung dieser gesteigerten Sterblichkeit wird
an der Stelle dieser Schrift folgen, an welcher wir uns über-
haupt über die Erfolglosigkeit der Chlorwaschungen ausspre-
[141] chen werden, wie solche von anderen Geburtshelfern beob-
achtet wurden.
Für den unparteiischen Leser genüge an dieser Stelle die
Bemerkung, dass sämmtliche officiell an den beiden Abthei-
lungen in diesem Zeitraume fungirenden Aerzte Gegner mei-
ner Ansicht über die Entstehung des Kindbettfiebers waren
und sind.
Mein Nachfolger in der Assistenz, Carl Braun, hat ge-
gen meine Ansicht geschrieben. Carl Braun’s Nachfolger,
sein Bruder Gustav, hat bewiesen, welche Ansicht über die
Entstehung des Kindbettfiebers er hat, durch die 400 Todten
im Jahre 1854. Eine Sterblichkeit, welche im Wiener Gebär-
hause innerhalb 75 Jahren, die Sterblichkeit selbst beider
Abtheilungen summirt, nur dreimal übertroffen wurde, näm-
lich im Jahre 1842 mit 730, im Jahre 1843 mit 457 und im
Jahre 1846 mit 567 Todten.
Wenn wir aber zu den 400 Todten der ersten Abthei-
lung die 210 Todten der zweiten Abtheilung desselben Jah-
res hinzufügen, so wird die Sterblichkeit des Jahres 1854
beider Abtheilungen mit 610 Todten innerhalb 75 Jahren im
Wiener Gebärhause nur einmal übertroffen, und zwar im
Jahre 1842, ohne Chlorwaschungen, mit 730 Todten.
Wenn wir aber die Sterblichkeit beider Abtheilungen
sondern, so wird die Sterblichkeit der ersten Abtheilung mit
400 Todten im Jahre 1854 innerhalb 75 Jahren nur zweimal
übertroffen, im Jahre 1842 mit 518 Todten und im Jahre
1846 mit 459 Todten.
Der deutlicheren Uebersicht des Gesundheitszustandes
der im Wiener Gebärhause verpflegten Wöchnerinnen wegen
wollen wir die Hauptzahlen nach den für das Wiener Gebär-
haus wichtigsten Zeitabschnitten hier in einer Uebersichts-
tabelle zusammenstellen.
[142]
Tabelle Nr. XXIV.
Medicin in Wien ohne anatomische Grundlage.
Geburten 71,395, Todte 897, Mortalitäts-Percent 1.25
Medicin in Wien mit anatomischer Grundlage.
Geburten 28,429, Todte 1509, Mortalitäts-Percent 5.30.
Trennung des Gebärhauses in zwei Abtheilungen.
Vor Einführung der Chlorwaschungen.
Nach Einführung der Chlorwaschungen.
Summe der I. und II. Abtheilung.
Summe aller 75 Jahre.
Geburten 262,523, Todte 10,282, Mortalitäts-Percent 3.91
[143]
39 Jahre Medicin in Wien ohne anatomische
Grundlage.
Die Sterblichkeit war:
- 25 Jahre 0 Percent, Wöchnerinnen 44838, Todte 273 = 0.60 Percent
- 7 » 1 » » 12074, » 185 = 1.52 »
- 5 » 2 » » 9332, » 219 = 2.34 »
- 1 » 3 » » 2062, » 66 = 3.20 »
- 1 » 4 » » 3089, » 154 = 4.98 »
- 39 Jahre Wöchnerinnen 71395, Todte 897 = 1.25 Percent
10 Jahre Medicin mit anatomischer Grundlage.
Die Sterblichkeit war:
- 1 Jahre 2 Percent, Wöchnerinnen 2367, Todte 51 = 2.15 Percent
- 3 » 2 » » 8961, » 317 = 3.53 »
- 2 » 4 » » 5923, » 284 = 4.79 »
- 1 » 6 » » 3353, » 222 = 6.62 »
- 1 » 7 » » 2872, » 214 = 7.45 »
- 2 » 8 » » 4953, » 421 = 8 49 »
- 10 Jahre Wöchnerinnen 28429, Todte 1509 = 5.30 Percent
Acht Jahre Trennung des Gebärhauses in zwei Abtheilun-
gen, an beiden Abtheilungen Schüler und Schülerinnen in
gleicher Anzahl vertheilt.
I. Abtheilung.
- 1 Jahr 3 Percent, Wöchnerinnen 2987, Todte 91 = 3.04 Percent
- 3 » 5 » » 9084, » 491 = 5.40 »
- 2 » 7 » » 5334, » 405 = 7.59 »
- 2 » 9 » » 5654, » 518 = 9.16 »
- 8 Jahre Wöchnerinnen 23059, Todte 1505 = 6.56 Percent
II. Abtheilung.
- 2 Jahre 2 Percent, Wöchnerinnen 2426, Todte 63 = 2.59 Percent
- 3 » 4 » » 5473, » 263 = 4.80 »
- 1 » 6 » » 1784, » 124 = 6.99 »
- 1 » 7 » » 1670, » 131 = 7.84 »
- 1 » 8 » » 1744, » 150 = 8.60 »
- 8 Jahre Wöchnerinnen 13097, Todte 731 = 5.58 »
[144]
Sechs Jahre.
I. Abtheilung.
(Klinik für Aerzte.)
- 1 Jahr 6 Percent, Wöchnerinnen 3492, Todte 241 = 6.8 Percent
- 1 » 7 » » 3036, » 237 = 7.7 »
- 2 » 8 » » 6217, » 534 = 8.5 »
- 1 » 11 » » 4010, » 459 = 11.4 »
- 1 » 15 » » 3287, » 518 = 15.8 »
- 6 Jahre Wöchnerinnen 20042, Todte 1989 = 9.92 Percent
II. Abtheilung.
(Klinik für Hebammen.)
- 3 Jahre 2 Percent, Wöchnerinnen 9951, Todte 239 = 2.40 Percent
- 1 » 3 » » 2442, » 86 = 3.05 »
- 1 » 5 » » 2739, » 164 = 5.09 »
- 1 » 7 » » 2659, » 202 = 7.05 »
- 6 Jahre Wöchnerinnen 17791, Todte 691 = 3.38 Percent
Zwölf Jahre nach Einführung der Chlorwaschungen.
Klinik für Aerzte.
Die Sterblichkeit war:
- 3 Jahre 1 Percent, Wöchnerinnen 11495, Todte 194 = 1.68 Percent
- 4 » 2 » » 16505, » 407 = 2.46 »
- 1 » 3 » » 3925, » 156 = 3.97 »
- 1 » 4 » » 4471, » 181 = 4.00 »
- 2 » 5 » » 7149, » 374 = 5.23 »
- 1 » 9 » » 4393, » 400 = 9.10 »
- 12 Jahre, Wöchnerinnen 47938, Todte 1712 = 3.57 Percent
Klinik für Hebammen.
Die Sterblichkeit war:
- 1 Jahr 0 Percent, Wöchnerinnen 3306, Todte 32 = 0.09 Percent
- 4 » 1 » » 14139, » 224 = 1.58 »
- 2 » 2 » » 7166, » 170 = 2.28 »
- 1 » 3 » » 3395, » 121 = 3.05 »
- 1 » 4 » » 3070, » 125 = 4.07 »
- 1 » 5 » » 6298, » 366 = 5.81 »
- 2 » 6 » » 3396, » 210 = 6.18 »
- 12 Jahr Wöchnerinnen 40770, Todte 1248 = 3.06 Percent
[145]
Diese Tabelle muss jedem Unbefangenen die Ueberzeu-
gung beibringen, dass die Sterblichkeit unter den Wöchne-
rinnen des Wiener Gebärhauses innerhalb 75 Jahren nicht
durch atmosphärische Einflüsse bedingt war, sondern dass es
ein zersetzter thierisch-organischer Stoff war, welcher, je
nachdem er häufiger oder seltener den Individuen von aussen
eingebracht wurde, die Sterblichkeitsschwankungen hervor-
brachte, wie selbe eben gegenwärtige Tabelle anschaulich
macht. Und da die Gesetze der Natur in der ganzen Welt
gleich sind, so thue ich, gestützt auf diese Tabelle, den Aus-
spruch, dass es nie atmosphärisch-cosmisch-tellurische Ein-
flüsse gegeben hat, welche im Stande gewesen wären, das
Kindbettfieber hervorzubringen, und dass die endlose Reihe
der Epidemien, wie solche in der medicinischen Literatur auf-
gezählt wird, lauter verhütbare Infectionsfälle von aussen wa-
ren, d. h. sämmtlich Erkrankungen dadurch entstanden, dass
den Individuen ein zersetzter thierisch-organischer Stoff von
aussen eingebracht wurde.
Dass die sogenannten Epidemien in den Gebärhäusern
nicht durch atmosphärische Einflüsse, sondern durch einen
zersetzten thierisch-organischen Stoff, welcher den Individuen
von aussen beigebracht wurde, bedingt seien, beweiset der
günstigere Gesundheitszustand der in englischen Gebärhäu-
sern verpflegten Wöchnerinnen, und der günstigere Gesund-
heitszustand der Wöchnerinnen in den Gebärhäusern derjeni-
gen Länder, in welchen englische Ansichten vorherrschen,
wie in Irland und Schottland, in Vergleich mit dem schlech-
teren Gesundheitszustande der Wöchnerinnen in deutschen
und französischen Gebärhäusern.
Es ist kein Grund vorhanden zu der Annahme, dass die
atmosphärischen Einflüsse, welche in deutschen und französi-
schen Gebärhäusern die Wöchnerinnen in so grosser Anzahl
dahinraffen, nicht auch in England, Schottland und Irland
sollten statthaben können.
Semmelweis, Kindbettfieber. 10
[146]
In dem Unterschiede der atmosphärischen Einflüsse ge-
nannter Länder kann demnach der Unterschied in dem Ge-
sundheitszustande der Wöchnerinnen nicht liegen. Aber die
Ansichten englischer Aerzte über die Entstehung des Kind-
bettfiebers sind wesentlich verschieden von der Ansicht, welche
französische und deutsche Aerzte über denselben Gegenstand
haben.
Die englischen Aerzte halten das Kindbettfieber für con-
tagiös; in Frankreich und Deutschland war immer die An-
sicht vorherrschend, dass das Kindbettfieber nicht contagiös
sei. Dass das Kindbettfieber nicht contagiös sei, ist auch
meine Ueberzeugung; ich habe meine Gründe schon ange-
führt, und werde in dieser Schrift noch einmal Gelegenheit
haben, auf denselben Gegenstand zurückzukommen.
Aber das Kindbettfieber ist von einer kranken Schwan-
geren, Kreissenden oder Wöchnerin auf gesunde Schwan-
gere, Kreissende und Wöchnerinnen durch Vermittlung eines
zersetzten Stoffes, welchen die kranke Schwangere, Kreissende
und Wöchnerin erzeugt, übertragbar; das Kindbettfieber ist
demnach nicht von einer jeden kranken Schwangeren, Kreis-
senden oder Wöchnerin auf gesunde übertragbar während des
Lebens, sondern nur von denjenigen Kranken, welche einen
zersetzten Stoff erzeugen. Nach dem Tode ist von einer jeden
Puerpera-Leiche das Kindbettfieber übertragbar auf gesunde,
wenn die Leiche den nöthigen Fäulnissgrad erreicht hat.
Die Engländer, von der Ansicht ausgehend, dass das
Kindbettfieber contagiös sei, besuchen eine gesunde Schwan-
gere, Kreissende oder Wöchnerin nicht, wenn sie früher eine
kranke Schwangere, Kreissende oder Wöchnerin besucht hat-
ten, ohne sich früher die Hände mit Chlor zu waschen, ohne
die Kleider gewechselt zu haben, und wenn die Zahl der Er-
krankungen zunimmt, unternehmen selbe Reisen oder geben
für einige Zeit die Praxis ganz auf. Die englischen Aerzte
gehen nach der Section einer Puerpera-Leiche zu keiner ge-
sunden Schwangeren, Kreissenden oder Wöchnerin, ohne sich
[147] früher in Chlor gewaschen, ohne früher die Kleider gewech-
selt zu haben.
Die englischen Aerzte thun in allen jenen Fällen, in wel-
chen die kranke Schwangere, Kreissende oder Wöchnerin kei-
nen zersetzten Stoff erzeugt, etwas Ueberflüssiges, aber in
allen Fällen, in welchen die kranke Schwangere, Kreissende
oder Wöchnerin einen zersetzten Stoff erzeugt, zerstören die
englischen Aerzte in der Absicht, ein Contagium zu zerstören,
den zersetzten Stoff, welcher, wenn er auf eine gesunde
Schwangere, Kreissende oder Wöchnerin übertragen worden
wäre, das Kindbettfieber hervorgebracht haben würde.
Nach der Section einer Puerpera-Leiche zerstören eng-
lische Aerzte durch Chlorwaschungen, in der Absicht ein Con-
tagium zu zerstören, den zersetzten Stoff, mit welchem die
Puerpera-Leiche deren Hände verunreiniget hat.
Deutsche und französische Aerzte, in der Ueberzeugung,
dass das Kindbettfieber nicht contagiös sei, und die Ueber-
tragbarkeit mittelst zersetzter Stoffe nicht kennend, besuchen
nach Sectionen von Puerperalleichen und nach Besuchen kran-
ker Schwangerer, Kreissender und Wöchnerinnen, selbst
wenn selbe einen zersetzten Stoff erzeugen, ohne sich früher
mit Chlor gewaschen zu haben, gesunde Schwangere, Kreis-
sende und Wöchnerinnen, und übertragen auf diese Weise den
zersetzten Stoff auf gesunde Schwangere, Kreissende und
Wöchnerinnen, welcher zersetzte Stoff, wenn resorbirt, das
Kindbettfieber hervorbringt.
In englischen Gebärhäusern fallen daher alle Erkrankun-
gen, welche in deutschen und französischen Gebärhäusern von
Puerperalleichen oder von kranken Schwangeren, Gebärenden
und Wöchnerinnen herrühren, weg, und daher der günstigere
Gesundheitszustand der Wöchnerinnen in Gebärhäusern, in
welchen man das Kindbettfieber für contagiös hält. Dass aber
aus diesen Quellen der zersetzte Stoff für zahlreiche Erkran-
kungen kommen kann, dafür lieferte Chiari einen belehren-
den Aufsatz im Wochenblatte der »Zeitschrift der k. k. Gesell-
10 *
[148] schaft der Aerzte zu Wien«, erster Jahrgang, 19. Februar 1855,
Nr. 8:
Winke zur Vorbeugung der Puerperal-Epidemie.
Von weiland Professor Chiari.
»Ich erlaube mir hier die Aufmerksamkeit auf einen Ge-
genstand zu lenken, der, wenn auch vielfach besprochen, den-
noch vieler Aufklärungen bedarf. Es ist dies die Entstehung
und Vorbeugung der sogenannten Puerperal-Epidemien, ich
sage sogenannten, da es constatirt ist, dass derlei Erkrankun-
gen nicht etwa zahlreicher gleichzeitig über einen grossen Di-
strict verbreitet vorkommen, sondern bekanntermassen meist
nur an Entbindungsanstalten, und auch da nicht gleichmässig
an den verschiedenen Abtheilungen derselben auftreten.
»Ich will hier nicht auf die verschiedenen Ansichten über
die Entstehungsursache dieser wirklich furchtbaren Krankheit
zurückkommen, erlaube mir aber nur einige Beobachtungen
über die Veranlassung zu zahlreichen Erkrankungen von
Wöchnerinnen zu geben, die ich während meiner Amtswirk-
samkeit in Prag machte.
»Vom 23. bis 27. Jänner 1853 wurde bei einer Erstgebä-
renden eine den eben bestimmten Zeitraum anhaltende Ver-
zögerung der Geburt durch Verdickung des Muttermundes
und nachträgliche Gangränescenz noch während der Geburt
beobachtet. Nachdem vergebens Bäder, Einspritzungen, An-
tiphlogose, Incisionen des knorpelharten und fingerdick gewul-
steten Muttermundes angewendet worden waren, schritt man
zur Verkleinerung des bereits durch den längeren Geburtsact
abgestorbenen Kindes, um die Geburt nach viertägiger Dauer
zu vollenden. Die Absonderung aus der Scheide war in den
zwei letzten Tagen bräunlich, missfärbig, höchst übelriechend.
Die Wöchnerin erkrankte an heftiger Endometritis septica
und erlag den 1. Februar dieser Krankheit. Von dem Tage
an, wo diese Gebärende auf dem Geburtszimmer war, er-
krankten neun andere Gebärende, die mit ihr zugleich auf
[149] dem Gebärzimmer lagen, und mit Ausnahme einer einzigen
starben sie alle. Von den letzten Tagen Jänners schleppten
sich die häufigen Erkrankungen bis in den Monat Mai hin,
worauf wieder bis October der günstigste Gesundheitszustand
unter den Wöchnerinnen herrschte.
»Hieraus glaubte ich mit Bestimmtheit zu entnehmen,
dass in diesem concreten falle die Ursache der häufigeren Er-
krankungen von Uebertragung der gangränösen Stoffe von
den kranken Gebärenden auf die gesunden Individuen her-
rührte. Natürlich ist es, dass hierbei die möglichste Vorsicht
beobachtet wurde, um nicht durch die Untersuchung die dele-
teren Stoffe zu übertragen; trotzdem aber ist beim gleichzei-
tigen Aufenthalte einer solchen kranken und mehrerer gesun-
den Gebärenden in einer und derselben nicht zu geräumigen
Localität durch allerlei Medien eine Uebertragung der delete-
ren Stoffe anzunehmen. Sind aber mehrere Erkrankungen ein-
getreten, so ist es begreiflich, dass auf dieselbe Weise an
einer Anstalt, wo die Localitäten für die grosse Frequenz der
Geburten kaum ausreichen, auch die Fortdauer dieser Krank-
heit bedingt wird.
»Durch das bisher Gesagte will ich nicht etwa die Mei-
nung aussprechen, als ob alle sogenannten Puerperal-Epide-
mien auf diese Weise entstehen müssten, jedoch glaube ich
dadurch auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der oft
an grösseren Entbindungsanstalten eintreten kann und wird.
»Als bestärkenden Beweis dieser meiner Ansicht hatte
ich leider Gelegenheit eine zweite traurige Erfahrung zu ma-
chen. Im October 1853 wurde wenige Tage vor meiner Rück-
kehr nach Prag nach einer mehrwöchentlichen Ferialreise bei
einer durch mehrere Tage kreissenden Frau wegen Becken-
enge die Perforation nöthig. Diese Wöchnerin starb an Endo-
metritis septica mit Verjauchung der Synchondrose. Von die-
ser Zeit waren wieder zahlreiche bösartige Erkrankungsfälle
eingetreten, die erst Mitte November wieder aufhörten. Von
da an bis zu Ende meiner Amtsführung in Prag, nämlich bis
[150] Ende August des abgelaufenen Jahres, war ich so glücklich,
an der dortigen Klinik nicht mehr diese fürchterliche Krank-
heit zahlreicher zu beobachten.
»Durch diese zwei Beobachtungen wollte ich weiter nichts
dargethan haben, als dass man bei grösserer Aufmerksamkeit
im Stande ist, die Entstehungsweise der zahlreichen Erkran-
kungen an den Gebäranstalten hin und wieder nachzuweisen.
»Uebrigens wurde auf diese Entstehungsweise schon von
Semmelweis hingedeutet, und auch an der hiesigen Klinik
für Hebammen wurde in diesem Herbste eine ähnliche Beob-
achtung gemacht, wie mir mein Freund, Dr. Späth, vertrau-
lich mittheilte.
»Ich halte es für eine Gewissenssache, diese Beobachtun-
gen zu veröffentlichen, denn wenn ich auch nicht damit gesagt
haben will, dass darin die einzige Entstehungsweise dieser
Seuchen liegt, so kann doch die Beobachtung der dadurch
entstandenen Rücksichten für die Eintheilung und Einrichtung
der Gebäranstalten grosser praktischer Vortheil erlangt wer-
den. In dieser Beziehung halte ich es für eine dringende Noth-
wendigkeit, in grösseren Gebäranstalten mehrere Geburts-
zimmer in Bereitschaft zu halten, um im oben eintretenden
Falle die verzögerten Geburten von den gewöhnlichen zu iso-
liren. Dass diese Isolirung auch bei Ertheilung des Unterrichts
beobachtet werden muss, versteht sich von selbst.
»Von der oben ausgesprochenen Ansicht ausgehend, dass
nämlich von der Uebertragung der faulenden deleteren Stoffe
die Ausbreitung der Wochenkrankheiten an grösseren Gebär-
anstalten abhängt, suchte ich auch nach Möglichkeit diese Ur-
sache zu beseitigen, und traf deshalb an der unter meiner Lei-
tung stehenden Anstalt folgende Vorkehrungsmassregeln:
»1. Ich theilte den Unterricht derartig ein, dass die ein-
zelnen Gebärenden niemals von mehr als fünf Schülern unter-
sucht wurden, nachdem es einem jeden Zuhörer auferlegt wor-
den war, mit Chlorkalklösung die Hände zu waschen.
[151]
»2. Damit die Candidaten nicht leicht von anatomischen
Arbeiten zur Klinik kommen konnten, bestimmte ich für den
Sommer und für den Winter die Morgenstunden von 7 bis 9
für die Abhaltung der Klinik.
»3. Richtete ich mein Augenmerk auf sorgfältige Reini-
gung der Wäsche, wobei auch bei der zweiten Epidemie die
Einrichtung getroffen wurde, dass die vor die Genitalien zu
legenden Compressen selbst ausser dem Hause gewaschen
wurden.
»4. Sehr leicht denkbar erschien es mir ferner, dass beim
Waschen der Wöchnerinnen an den Geburtstheilen mit dem
Schwamme, wenn z. B. die eine an Puerperalgeschwüren litt,
dieser Zustand auch auf die anderen Wöchnerinnen übertra-
gen werden kann. Deswegen traf ich die Einrichtung, zur
Reinigung der Geburtstheile bei den Wöchnerinnen keine
Schwämme mehr, sondern nur Spritzen zu gebrauchen, denn
während erstere mit den Geburtstheilen leicht in Contact kom-
men, ist dieses bei den letzteren nicht leicht möglich.
»5. Suchte ich die schwerer Erkrankten aus der Gebär-
anstalt zu entfernen, indem ich selbe ins Krankenhaus trans-
ferirte. Diese Massregel war jedoch auch andererseits durch
Mangel an Raum geboten. Dass es jedenfalls zweckmässig
ist, in physischer und moralischer Beziehung die Anhäufung
solcher Kranken in den Gebäranstalten zu verhindern, muss
Jedermann einleuchten.
»6. Aus der oben ausgesprochenen Ansicht geht nun fer-
ner hervor, dass bei Eintritt zahlreicherer Erkrankungen an
einer Gebäranstalt ein Wechsel der Localitäten, so wie der
ganzen Fournitur eines Spitals ein vorzügliches Mittel ge-
nannt werden muss, um die Ausbreitung der Krankheit zu
hemmen.
»Daher schien es mir zweckmässig, bei Errichtung neuer
derartiger Anstalten die Baulichkeit so einzurichten, dass
z. B. hier in loco eine jede geburtshilfliche Klinik ein eige-
[152] nes Gebäude hätte, welches auch in Beziehung auf Wäsche
von der andern Klinik gänzlich getrennt werden könnte.
»Indem ich bei Anwendung dieser Massregeln, so weit
deren Ausführung in meiner Macht lag, Gelegenheit hatte zu
beobachten, dass die häufigeren Puerperalkrankheiten nach
ein bis zwei Monaten wieder aufhörten, so glaube ich selbe
dringend anempfehlen zu können.«
Aus diesen Beobachtungen Chiari’s ersieht der Leser,
wie zahlreiche Erkrankungen der zersetzte Stoff, welcher von
einer kranken Gebärenden und Wöchnerin herrührt, erzeugen
kann. Dass aber der zersetzte Stoff, welchen kranke Gebä-
rende und Wöchnerinnen erzeugen, nicht die einzige Quelle
der sogenannten Puerperal-Epidemie sei, geht aus dem her-
vor, was wir Seite 102 und 103 von den Quellen sagten, aus
welchen der zersetzte Stoff genommen wird, welcher alle bis-
her beobachteten und vielleicht noch zu beobachtenden soge-
nannten Puerperal-Epidemien hervorgebracht hat, oder viel-
leicht noch hervorbringen wird.
Dass in den Gebärhäusern, in welchen man das Kind-
bettfieber für contagiös hält, und in der Absicht, ein Conta-
gium zu zerstören, durch Chlorwaschungen den zersetzten
Stoff zerstört, welcher von kranken Schwangeren, Gebären-
den, Wöchnerinnen oder Puerperalleichen genommen, sonst
zahlreiche Erkrankungen hervorgerufen hätte, wirklich ein
besserer Gesundheitszustand der Wöchnerinnen zu beobachten
sei, geht aus einem Berichte hervor, welchen Prof. Dr. Levy
aus Kopenhagen über die Gebärhäuser und den praktischen
Unterricht in der Geburtshilfe in London und Dublin in der
»Bibliothek for Laeger« veröffentlicht. Prof. G. A. Machae-
lis in Kiel hat eine deutsche Uebersetzung dieses Berichtes
in der »Neuen Zeitschrift für Geburtskunde«, Bd. 27, Hft. 3,
Seite 392, veröffentlicht.
Ich kann mich nicht enthalten, die Vorrede des Ueber-
setzers zu diesem Berichte wörtlich hier abdrucken zu lassen:
[153]
»Bei einer Reise, die ich vor Kurzem vollendete, hatte
ich Gelegenheit, mich von der Treue der Darstellung des vor-
liegenden Berichtes zu überzeugen; eine Ueberzeugung, die
auch jedem Leser schon aus dem Fleisse und der Gründlich-
keit der Darstellung sich aufdrängen muss.
»Der Hauptgesichtspunkt bei der Untersuchung des Ver-
fassers war die Erforschung der Verhältnisse, unter welchen
das Puerperalfieber erscheint, und die Angabe der Mittel,
welche man zu dessen Besiegung glücklich angewendet hat.
Die englischen Anstalten bieten in diesem Punkte vor allen
die wichtigsten Resultate dar, denn sie sind meistens von die-
ser Pest der Gebärhäuser zeitweise arg heimgesucht worden,
haben es aber in den letzten Decennien durch Gesundheits-
massregeln glücklich dahin gebracht, dass die Sterblichkeit
der Wöchnerinnen in allen Londoner und Dubliner Anstalten
nur ein Percent eben übersteigt.
»Auf dem Continente sind wir von so glücklichen Resul-
taten leider noch weit entfernt. Mit Ausnahme einiger kleine-
rer bisher verschonter Anstalten wüthet die Krankheit, wie
es scheint, mit dem Alter der Anstalten immer häufiger und
verderblicher. Sie bedroht schon die Existenz der für das Ge-
deihen der Wissenschaft und den praktischen Unterricht so
nothwendigen Gebärhäuser. Leider ist dieser Fall bei der un-
ter meiner Leitung stehenden Anstalt eingetreten, und es
scheint, den Umständen nach, in Kopenhagen das Gleiche der
Fall zu sein. An beiden Orten wird man zu einem Neubau
seine Zuflucht nehmen müssen; und wenn die Regierung auch
zu einem solchen dieses Mal noch die nöthigen Mittel be-
willigt, so wird ein abermaliges Misslingen fast nothwendig
die Aufhebung des Gebärhauses nach sich ziehen.
»Diese drohende Gefahr aber schwebt nicht allein über
uns, sie wird seiner Zeit alle ähnlichen Anstalten erreichen,
in denen die Herstellung eines besseren Gesundheitszustandes
nicht gelingt.
»Mit fortschreitender Bildung und Humanität wird auch
[154] an Orten, wo bisher die öffentliche Stimme sich gleichgiltig
gegen die furchtbare Aufopferung von Menschenleben ver-
hielt, sich dieselbe einst mächtig erheben, und ist dann ihres
Sieges völlig gewiss: man wird die Anstalten aufheben oder
gesund machen müssen. Zum Heile und Ehre der Wissen-
schaft aber ist es zu wünschen, dass man es zu diesem Zwange
nicht kommen lasse; dass man früher Hand an’s Werk lege,
ehe die Volkswuth alles zerstörend über den Haufen wirft.
»Dass von einer therapeutischen Behandlung der einzel-
nen Krankheitsfälle die Tilgung dieser Pest nicht zu erwarten
ist, brauche ich dem in der Sache Erfahrenen nicht zu bewei-
sen. Vielmehr ist dieses nur durch durchgreifende, streng be-
folgte Massregeln der Reinigung und Ventilation u. s. w. zu
erlangen, scheint aber nach den Erfahrungen der Engländer
auf diesem Wege auch sicher erreichbar zu sein.
»Wir müssen uns unseren Collegen in England für dieses
Beispiel fruchtgekrönter Bemühungen, für diese uns gewährte
Hoffnung einer besseren Zukunft zum Danke verpflichtet füh-
len; wir können nichts Besseres thun, als uns auch durch den
Augenschein über ihre trefflichen Einrichtungen zu belehren.
»Mit der grössten Zuvorkommenheit wurden mir die An-
stalten gezeigt, und mit einem solchen Führer, wie Professor
Levy’s Schrift, wird man es möglich finden, selbst in sehr
kurzer Zeit durch den Augenschein zur vollständigen Kennt-
niss der englischen Einrichtung zu gelangen.
»Im vorigen Jahre hat man in Wien die glückliche Ent-
deckung gemacht, dass durch eine Reinigung der Hände mit
Chlor vor dem Untersuchen die Krankheit in der Abtheilung
des Gebärhauses, wo sie bisher fürchterlich wüthete, in auf-
fallender Weise beschränkt wurde. In der Zeit der Anwen-
dung dieses Mittels sank die Zahl der Todten auf fast 1/10 der
sonst gewöhnlichen herab; ein äusserst glänzendes Resultat.
»Ohne Zweifel wird Dr. Semmelweis, dem wir diese
Entdeckung verdanken, das Nähere hierüber nächstens ver-
öffentlichen; und täuscht nicht Alles, so eröffnet sich durch
[155] Anwendung dieses Mittels neben den allgemeinen Desinfec-
tionsmitteln eine glücklichere Zeit für unsere Gebärhäuser.
Ich verdanke die Kenntniss der Wiener Erfahrungen der gü-
tigen Mittheilung des Dr. Hermann Schwartz aus Holstein,
dem ich hiefür meinen Dank öffentlich abzustatten nicht unter-
lassen kann.
»Kiel, den 17. April 1848.«
Die Zahlenrapporte der Gebärhäuser in London sind nach
Professor Dr. Levy’s Angaben folgende:
Tabelle Nr. XXV.
Tabelle über die Gebärenden und Verstorbenen in British-Lying
in-Hospital in London von Errichtung des Hospitals im November
1749 bis zum 31. December 1846.
- In 12 Jahren starb keine von 2862 Wöchnerinnen,
- » 39 » » 0 % » 16692 » 84 Todte = 0.49 Percent
- » 21 » » 1 » » 8956 » 137 » = 1.52 »
- » 10 » » 2 » » 3029 » 76 » = 2.50 »
- » 12 » » 3 » » 3626 » 125 » = 3.44 »
- » 1 » » 4 » » 156 » 7 » = 4.48 »
- » 2 » » 5 » » 589 » 35 » = 5.94 »
- » 1 » » 6 » » 427 » 26 » = 6.08 »
- In 98 Jahren 36337 Wöchnerinnen, 490 Todte = 1.34 Percent
Tabelle Nr. XXVI.
Queen-Charlottes Lying-in-hospital.
- In 1 Jahr starb keine von 130 Wöchnerinnen,
- » 4 » » 0 % » 858 » 7 Todte = 0.81 Percent
- » 7 » » 1 » » 1394 » 24 » = 1.72 »
- » 2 » » 2 » » 423 » 11 » = 2.60 »
- » 1 » » 3 » » 265 » 10 » = 3.77 »
- In 15 Jahren 3070 Wöchnerinnen 52 Todte = 1.69 Percent
[159]
Tabelle Nr. XXVII.
III. The city of London Lying-in-hospital.
- In 3 Jahren starben keine von 1006 Wöchnerinnen,
- » 8 » » 0 % » 3678 » 22 Todte = 0.59 Percent
- » 9 » » 1 » » 4353 » 63 » = 1.44 »
- » 1 » » 2 » » 600 » 13 » = 2.16 »
- » 1 » » 3 » » 448 » 14 » = 3.14 »
- » 1 » » 4 » » 547 » 27 » = 4.93 »
- » 1 » » 6 » » 236 » 25 » = 6.35 »
- In 24 Jahren 10868 Wöchnerinnen, 154 Todte = 1.43 »
Die letzten vier Jahre sind dem Werke Arneth’s*) ent-
nommen. Vom Jahre 1848 sagt Arneth: »Ich bedaure, nicht
[160] im Stande zu sein, angeben zu können, wie die Sterblichkeit
im Jahre 1848, das in diesem Gebärhause viele Opfer for-
derte, in den anderen Anstalten Londons sich verhielt.«
Nebenbei sei jedoch bemerkt, dass Mrs. Widgen, die
eben so kluge als erfahrene Hebamme der zu besprechenden
Anstalt, eine im Hause gemachte Section als Ausgangspunkt
der Seuche bezeichnete, ohne dass ich ihr eine solche Meinung
in den Mund gelegt hätte.
Tabelle Nr. XXVIII.
IV. The general Lying-in-hospital.
- In 3 Jahren starb keine von 560 Wöchnerinnen,
- » 4 » » 1 % » 714 » 9 Todte = 1.26 Percent
- » 1 » » 2 » » 196 » 4 » = 2.04 »
- » 3 » » 3 » » 564 » 19 » = 3.36 »
- » 2 » » 4 » » 382 » 16 » = 4.28 »
- » 3 » » 7 » » 548 » 40 » = 7.29 »
- » 1 » » 12 » » 117 » 15 » = 12.82 »
- » 1 » » 26 » » 71 » 19 » = 26.76 »
- In 18 Jahren 3152 Wöchnerinnen, 122 Todte = 3.88 Percent
[161]
Vom Gesundheitszustande der Wöchnerinnen dieses Ge-
bärhauses sagt Professor Dr. Levy Folgendes:
»Die hieraus hervorgehende Veränderung im Gesund-
heitszustande des Hospitals in den letzten 3½ Jahren ist zu
merkwürdig, dass es nicht interessiren sollte, etwas näher die
Anstrengungen und Versuche kennen zu lernen, die man vor-
her zu diesem Zwecke gemacht hat, worüber in dem bekann-
ten »Health of town’s commission’s first report,« Vol. 1,
pag. 117—21, eine autentische Aufklärung enthalten ist. Man
sieht hieraus, dass man bis 1838 sich mit den gewöhnlichen
Palliativmitteln gegen Hospitalsepidemien (Endemie. Anm.
d. Verf.) begnügte. Indem man nun aber den Blick über das
Hospitalsgebäude erweiterte, gewahrte man, dass in unmit-
telbarer Nähe des Gebäudes, kaum 30 Fuss von der Mauer,
sich offene Gräben von mehr als 1500 Fuss Ausdehnung vor-
fanden, die den Ablauf des angrenzenden Armen- und stark
bebauten Stadtquartiers aufnahmen. Der Inhalt der Gräben
war stagnirend, und in Folge von anhaltender Gasentwicke-
lung in beständiger Ebullition.
»Nach manchen Schwierigkeiten und Debatten mit der
Wasserleitungscommission glückte es endlich dem Hospitals-
vorstande im October 1838, gegen Beisteuer zu den bedeu-
tenden Kosten eine 644 Fuss lange Strecke der Gräben ge-
reiniget und überbaut zu erhalten, bei welcher Gelegenheit
aber der Missgriff begangen wurde, dass man die ungeheure
Menge des schwarzen stinkenden Schlammes, statt ihn fort-
zuschaffen, über den anliegenden Grund ausbreitete, wodurch
die Ausdünstungsfläche natürlich in der ersten Zeit sehr ver-
grössert wurde. Als eine wahrscheinlich unmittelbare Wir-
kung hiervon glaubt Dr. Rigby anführen zu können, dass
innerhalb der ersten 24 Stunden nach dieser unverantwort-
lichen Massregel sich zwei Fälle von Puerperalfieber im Ho-
spitale zeigten, das in der letzten Zeit zuvor ganz frei von der
Krankheit gewesen war. Diese Arbeit blieb indess ohne merk-
bare Einwirkung auf den späteren Gesundheitszustand des
Semmelweis, Kindbettfieber. 11
[162] Hospitals, weshalb man, da die Hospitalsärzte bisher durch-
weg über die mangelhafte Ventilation der Zimmer geklagt
hatten, im Anfange des Jahres 1842 dem Dr. Reid seinen
Wärme- und Ventilationsapparat anlegen liess.
»Wie früher schon erwähnt ist, zeigte sich die Wirkung
desselben nicht sogleich, da das Kindbettfieber noch in den
letzten Monaten 1842 und im Anfange 1843 mehrere Opfer
forderte. Der Grund hiervon ist nach Dr. Rigby’s Ueber-
zeugung allein in der übelwollenden Opposition zu suchen,
welcher das neue Ventilationssystem bei dem ganzen weibli-
chen Dienstpersonale der Anstalt begegnete, das nur mit der
grössten Schwierigkeit und nicht immer davon abzuhalten
war, durch unzeitiges Schliessen oder Oeffnen der Klappen
alle Ventilation in den Zimmern zu hindern, weshalb er auch
annimmt, dass erst nach Wechslung eines Theiles dieses Per-
sonals und Annahme von einigen zuverlässigen Candidaten
zur Ueberwachung aller Vorschriften, die in Hinsicht der
Ventilation gegeben waren, die Wirkung des Apparates er-
kannt werden konnte, und zwar in solchem Grade, dass er
der verbesserten Ventilation allein die merkwürdige Verände-
rung in dem Gesundheitszustande des Hospitals zuschreibt,
die im Frühjahre 1843 eintrat.
»Unglücklicher Weise bleibt indess bei dieser Sache ein
Zweifel übrig, da in derselben Zeit sich etwas ereignete, dem
man von anderer Seite einen grossen Einfluss zuschrieb. Im
Anfange von 1843 war nämlich Dr. Reid darauf aufmerksam
geworden, dass hin und wieder sich eine übelriechende Flüs-
sigkeit von dem Grunde des Kellergewölbes erhob, wo der
Feuerherd der Zugschornsteine angebracht war; und nach
Untersuchung des Wassers kam man zu der Ueberzeugung,
dass es von der nahen Abzugsrinne kommen musste. Des-
halb wurden alle Ablaufsrinnen des Hauses nachgesehen. Man
fand nun eine Hauptrinne mit einigen Stücken Holz so fest
verstopft, dass noch ein starker Verdacht herrscht, dass eher
Bosheit als Zufall Schuld daran sein mag; auch den ganz
[163] naheliegenden Theil des Kellergrundes fand man von allerlei
riechenden Unreinigkeiten überspült und getränkt, ohne dass
es begreiflicher Weise möglich war zu bestimmen, wie lange
dieser Zustand schon gedauert habe.
»Da die Entdeckung und Beseitigung dieser miasmati-
schen Quelle der Zeit nach zusammenfällt mit der strengeren
Anwendung des neuen Ventilationsapparates, so ist es natür-
lich, dass die Meinungen abweichend und die Entscheidung
zweifelhaft ist, welchem dieser Momente man den wesentlich-
sten Antheil an dem später so günstigen Gesundheitszu-
stande des Hospitals zuschreiben soll. Dr. Rigby hält, wie
gesagt, auf die Ventilation, und sieht den andern Umstand
als weniger bedeutend an, indem er jede Spur einer Keller-
feuchtigkeit ausser der an der Seite des Gebäudes liegenden
Wölbung abläugnet, wo die Entdeckung geschah, und dazu
die Beschreibung des betreffenden Zustandes des Kellergrun-
des für sehr übertrieben hält. Andere dagegen, welche die
persönliche Behinderung des Ventilationssystemes in der er-
sten Zeit nicht beachten, legen besonderes Gewicht auf dieses
Argument gegen die Ventilation, dass dieselbe fast ein Jahr
in Gebrauch gewesen wäre, ohne das epidemische (endemische,
Anm. d. Verf.) Auftreten des Fiebers zu verhindern. Hierzu
lässt sich noch hinzufügen, dass die andern früher genannten
wohlgelegenen Londoner Anstalten, ohne ein künstliches Ven-
tilationssystem und selbst bei minder günstigem Raumverhält-
nisse im Laufe des Jahres einen im Ganzen sehr guten Ge-
sundheitszustand bewahrt haben; aber übersehen darf es von
anderer Seite nicht werden, dass, selbst wenn die nächste und
schlimmste Krankheitsquelle gestopft ist, sich doch noch
mehrere gleicher Art in der niedrigen und sumpfigen Umge-
bung des Hospitals nachweisen lassen, wie die noch übrigen
nicht fernliegenden übelriechenden Gräben, und dass demnach
der Gesundheitszustand so sehr verändert wurde. Legte man
doch den letztgenannten ungünstigen Verhältnissen für die
Katastrophe von 1842 eine solche Bedeutung bei, dass der
11 *
[164] eben genannte Dr. Fergusson 1839 in seiner bekannten
Schrift über Kindbettfieber (Pag. 104) sagt: »Hinsichtlich
des General-Lying-in-Hospital ist dessen Ungesundheit sei-
ner Lage fast unter der Fluthöhe zuzuschreiben, umgeben von
einem Netze von offenen Gräben von 1500 Fuss Ausdehnung,
die alle Unreinlichkeit vom Lambeth-District aufnehmen, und
von denen einige nicht 30 Fuss von der Mauer des Gebäudes
abliegen.«
Ob der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen in diesem
Gebärhause sich deshalb besserte, dass durch eine zweckmäs-
sig angebrachte Ventilation die deleteren Stoffe, welche sich
früher bei schlechter Ventilation entwickelten, sich nicht mehr
entwickelten; oder ob sich der Gesundheitszustand deshalb
besserte, weil durch Reinigung und Ueberbauung der Gräben
keine deleteren Stoffe mehr dem Gebärhause zugeführt wur-
den, ist für unseren gegenwärtigen Zweck ziemlich gleich-
giltig; für uns ist es in beiden Fällen ein Beweis, dass die
grössere Sterblichkeit auch in diesem Gebärhause nicht durch
atmosphärisch - cosmisch - tellurische Einflüsse bedingt war,
sondern dass die grössere Sterblichkeit bedingt war durch
Einbringung deleterer Stoffe.
[165]
Tabelle Nr. XXIX.
Gebärhäuser in Irland.
I. Dublin (Rotunda) Lying-in-Hospital.
- In 46 Jahren starb 0 % von 84985 Wöchnerinnen, 590 Todte = 0.69 Percent
- » 35 » » 1 » » 52409 » 790 » = 1.50 »
- » 10 » » 2 » » 19234 » 484 » = 2.52 »
- » 2 » » 3 » » 3121 » 102 » = 3.26 »
- In 93 Jahren 159749 Wöchnerinnen, 1966 Todte = 1.23 Percent
Tabelle Nr. XXX.
Coomte Lying-in-hospital.
- In 8 Jahren starb 0 % von 3443 Wöchnerinnen, 23 Todte = 0.66 Percent
- » 4 » » 1 » » 1707 » 25 » = 1.46 »
- » 2 » » 2 » » 807 » 23 » = 2.85 »
- In 14 Jahren 5957 Wöchnerinnen 71 Todte = 1.19 Percent
Western Lying-in-hospital.
Von diesem Gebärhause sagt Professor Dr. Levy Fol-
gendes: »Nach einem viel kleineren Masse und vorzüglich für
den praktischen Unterricht berechnet, wurde vor ungefähr
12 Jahren das seither sogenannte Western Lying-in-hospital
errichtet in einem kleinen Privathause auf Arrau-Quai. Die
Anstalt, der Dr. Churchill vorsteht, wird allein durch
Wohlthätigkeit unterhalten, während die Studirenden für den
Unterricht zahlen und theils (5—6) im Hause wohnen, theils
(jetzt 7—8) ausser demselben. Die vier kleinen, ärmlich aus-
[168] gestatteten Räume, jeder zu vier Betten, nimmt die Anstalt
jährlich ungefähr 120 Gebärende auf, aber verpflegt ausser-
dem noch jährlich mit Hilfe der Studirenden ungefähr 600
Gebärende in ihren Wohnungen. Der Unterricht ist in ganz
ähnlicher Weise organisirt wie im Coombe-Hospital, und die
Gesundheitsresultate scheinen sehr günstig zu sein, da nach
Churchill’s Berechnung von 3211 Gebärenden, die bis 1843
in und ausser der Anstalt von der Stiftung an verpflegt wur-
den, nur 15 gestorben waren, also im Verhältnisse eine von
214 Wöchnerinnen oder 0.46 Percent; über das verschiedene
Verhältniss in und ausser der Anstalt hatte man keine ge-
trennte Angabe.
Die noch kleineren Anglesea- und Victoria-Stiftungen
sind zu unbedeutend, um Anspruch auf weitere Aufmerksam-
keit zu haben.«
Gebärhaus in Edinburg.
Von 1823 bis 1837 ereigneten sich in diesem Gebärhause
2890 Geburten, davon sind am Kindbettfieber gestorben 36,
d. i. 1.24 Percent.
Wir haben dem Leser acht in drei Ländern zerstreute
Gebärhäuser vorgeführt; in sieben davon übersteigt die Sterb-
lichkeit eben nur 1 Percent, im achten war sie 3 Percent.
Für diese grössere Sterblichkeit finden wir das aetiologische
Moment nicht in atmosphärischen Einflüssen, sondern in den
deleteren Stoffen der Abzugscanäle, welche dieses Gebärhaus
umgaben.
Worin liegt der Grund, dass die atmosphärischen Ein-
flüsse die Wöchnerinnen in den vereinigten drei Königreichen
so auffallend verschonen, welche in deutschen und französi-
schen Gebärhäusern die Wöchnerinnen in so grosser Anzahl
dahinraffen?
Der Grund liegt darin, dass es keine atmosphärischen
Einflüsse sind, denen die Wöchnerinnen in deutschen und
französischen Gebärhäusern in so grosser Menge zum Opfer
[169] fallen; sondern dass es ein zersetzter thierisch-organischer
Stoff ist, welcher den Individuen von aussen eingebracht
wird, und die Sterblichkeit in den Gebärhäusern der drei
Königreiche und in deutschen und französischen Gebärhäusern
hervorbringt; nur wird, vermöge der Verhältnisse der deut-
schen und französischen Gebärhäuser, den Individuen in den-
selben viel häufiger ein zersetzter Stoff von aussen einge-
bracht, und daher die grössere Sterblichkeit. In den drei Kö-
nigreichen wird den Individuen von aussen viel seltener ein
zersetzter Stoff eingebracht, und daher ist die Sterblichkeit
viel geringer.
Die Engländer halten das Kindbettfieber für contagiös,
gebrauchen Chlorwaschungen und zerstören dadurch den zer-
setzten Stoff, welcher von kranken Schwangeren, Kreissen-
den, Wöchnerinnen und Puerperalleichen hergenommen wird,
und welcher in deutschen und französischen Gebärhäusern,
wo er nicht zerstört wird, so zahlreiche Erkrankungen ver-
anlasst, wie uns Chiari gezeigt.
In deutschen und französischen Gebärhäusern wird der
zersetzte Stoff sehr häufig von Kranken und Leichen genom-
men, welche dem Kindbettfieber fremd sind; deshalb, weil die
deutschen und französischen Gebärhäuser in der Regel in Ver-
bindung stehen mit grossen Krankenhäusern, daher die Schü-
ler bald in der Todtenkammer, bald im Gebärhause, bald auf
einer chirurgischen, bald auf einer medicinischen Abtheilung
sich beschäftigen, und dadurch zum Träger der zersetzten
Stoffe werden, welche im Gebärhause so viel Unglück stiften.
Die Gebärhäuser in den drei Königreichen sind sämmt-
lich selbstständige Institute, und schon wegen der Entfernung
von Krankenhäusern ist der Schüler gezwungen, sich nur mit
Geburtshilfe zu beschäftigen.
Wenn man den günstigeren Gesundheitszustand der Lon-
doner Gebärhäuser dem Umstande zuschreiben wollte, dass
dort nie mehr als zwei Schüler unterrichtet werden, so erlaube
ich mir die Bemerkung, dass ein Schüler denn doch kein
[170] atmosphärischer Einfluss ist, und dass das Kindbettfieber,
welches die mit zersetztem Stoffe verunreinigten Hände der
Schüler hervorbringen, demnach kein epidemisches Kindbett-
fieber ist.
Dass es nicht gleichgiltig ist, ob viele oder wenige Schü-
ler mit durch zersetzte Stoffe verunreinigten Händen unter-
suchen, ist einleuchtend; aber es ist vollkommen gleichgiltig,
ob viele oder wenige Schüler mit reinen Händen untersuchen.
Dass es nicht auf die Zahl, sondern auf die Reinheit der unter-
suchenden Hände ankomme, das beweiset das Dubliner Ge-
bärhaus, von welchem Levy sagt: » ... sondern man hat
eine practische Schule unterhalten, wo im Laufe der Zeit
mehrere tausende junge Aerzte aus allen Theilen Englands
practische Ausbildung in der Geburtshilfe gesucht haben;
und man hat endlich der Welt den vollständigen Beweis ge-
geben, dass es ein Aberglaube der Muthlosigkeit ist, wenn
man mit Nichtachtung des Bedürfnisses des Unterrichtes und
der Wissenschaft sagt: dass eine abschreckende Tödtlichkeit
mit zu den unvermeidlichen Attributen grösserer Gebäranstal-
ten gehört.«
Dass es nicht auf die Zahl, sondern auf die Reinheit der
untersuchenden Hände ankomme, beweist die erste Gebär-
klinik zu Wien, wo im Monate April 1847 ohne Chlorwa-
schungen bei 20 Schülern von 312 Wöchnerinnen 57, d. i.
18.27 Percent, starben, während im Jahre 1848 mit Chlor-
waschungen bei 42 Schülern von 3556 Wöchnerinnen 45, d. i.
1.27 Percent, starben.
Um dem Leser recht deutlich den Unterschied in den
Mortalitätsverhältnissen zwischen Gebärhäusern, in welchen
den Individuen selten, und jenen, in welchen denselben
häufig ein zersetzter Stoff von aussen eingebracht wird, vor
Augen zu führen, wollen wir die Zahlenrapporte von 66 Jah-
ren des Dubliner und des Wiener Gebärhauses zusammenstel-
len, weil wir von mehr gleichen Jahren die Rapporte nicht be-
sitzen. Beide sind Unterrichtsanstalten für Aerzte.
[171]
Tabelle Nr. XXXI.
Im Wiener Gebärhause war die Sterblichkeit:
- 25 Jahr 0 Percent, Wöchnerinnen 44843, Todte 273 = 0.60 Percent
- 8 » 1 » » 15630, » 230 = 1.48 »
- 7 » 2 » » 15557, » 373 = 2.39 »
- 5 » 3 » » 14010, » 484 = 3.45 »
- 3 » 4 » » 9012, » 438 = 4.86 »
- 4 » 5 » » 12581, » 667 = 5.30 »
- 2 » 6 » » 6845, » 463 = 6.77 »
- 4 » 7 » » 11242, » 856 = 7.61 »
- 4 » 8 » » 11170, » 955 = 8.54 »
- 2 » 9 » » 5654, » 518 = 9.12 »
- 1 » 11 » » 4010, » 459 = 11.04 »
- 1 » 15 » » 3287, » 518 = 15.08 »
- In 66 Jahren Wöchnerinnen 153841, Todte 6224 = 4.04 Percent
Im Dubliner Gebärhause war die Sterblichkeit:
- In 35 Jahren 0 Percent, Wöchnerinnen 76427, Todte 540 = 0.70 Percent
- 22 » 1 » » 45045, » 681 = 1.51 »
- 8 » 2 » » 17991, » 456 = 2.53 »
- 1 » 3 » » 2440, » 81 = 3.33 »
- In 66 Jahren Wöchnerinnen 141903, Todte 1758 = 1.21 Percent
Dieselbe Mortalitätsdifferenz treffen wir bei einem Ver-
gleiche des Dubliner Gebärhauses mit der Maternité in Paris,
wie Tabelle Nr. XXXII. zeigt.
[174]
Tabelle Nr. XXXII.
In der Maternité zu Paris war die Sterblichkeit:
- In 1 Jahr 1 Percent, Wöchnerinnen 2829, Todte 45 = 1.59 Percent
- 4 » 2 » » 12941, » 342 = 2.64 »
- 5 » 3 » » 15935, » 558 = 3.50 »
- 5 » 4 » » 15472, » 681 = 4.40 »
- 2 » 5 » » 5502, » 309 = 5.61 »
- 1 » 8 » » 2907, » 254 = 8.73 »
- 1 » 9 » » 2788, » 252 = 9.03 »
- 19 Jahre Wöchnerinnen 58374, Todte 2441 = 4.18 Percent
Im Dubliner Gebärhause war die Sterblichkeit:
- 6 Jahre 0 Percent, Wöchnerinnen 13157, Todte 79 = 0.60 Percent
- 10 » 1 » » 19857, » 314 = 1.58 »
- 3 » 2 » » 5240, » 127 = 2.42 »
- 19 Jahre Wöchnerinnen 38254, Todte 520 = 1.35 Percent
[175]
Dass die Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen der Ma-
ternité lange vor der Zeit, welche diese Tabelle repräsen-
tirt, eine bedeutende war, geht aus Osiander’s früher
citirtem Werke hervor. Seite 51 sagt er: »Seit dem 9. De-
cember 1797 bis zum 31. Mai 1809 sind 17,308 Frauen ent-
bunden. 2000 Entbundene zum wenigsten sind schwer er-
krankt und 700 gestorben und secirt; es starben mithin 4.04
Percent-Antheile.«
Seite 242 sagt Osiander: »Die Unterleibsentzündung
der Wöchnerinnen, das Uebel, welches gewöhnlich mit dem
Namen Puerperalfieber bezeichnet wird, und welches in allen
grossen und überfüllten Gebärhäusern einheimisch zu sein
pflegt, kommt auch in dem Gebärhause von Paris häufig vor.
Die Krankheit wird besonders in den Wintermonaten häufig
beobachtet, und ob sie gleich eigentlich immerfort herrscht.
so erinnert man sich doch mit Schrecken an die beiden Jahre
(zwischen 1803 und 1808), wo sie endemisch wüthete und
eine Menge von Wöchnerinnen dahinraffte.«
Ich habe zwar nirgends mit Bestimmtheit die Mortalität
unter den Wöchnerinnen während dieser beiden Jahre erfah-
ren können, und die vorsichtigen Verfasser der Abhandlung
über die Maternité*) sprechen nicht mit Bestimmtheit davon, es
erhellt aber aus Allem, dass sie sehr gross gewesen sein muss,
namentlich daraus, dass in den fünf angeführten Jahren (we-
gen der zwei Jahre, in welchen die Unterleibsentzündung
herrschte) die Mortalität wie 1 zu 23 sich verhielt, da sie zu
anderen Zeiten nur wie 1 zu 32 sich verhalten soll. Es star-
ben in diesen fünf Jahren von 9645 Frauen 414 grösstentheils
an Unterleibsentzündung; also 4.29 Percent-Antheile.
[176]
Dieselbe Verschiedenheit in der Sterblichkeit finden wir
bei einem Vergleiche des Dubliner Gebärhauses mit Dubois’
Klinik, wie Tabelle Nr. XXXIII. zeigt.
Tabelle Nr. XXXIII.
In Dubois’ Klinik war die Sterblichkeit:
- 2 Jahre 2 Percent, Wöchnerinnen 2028, Todte 55 = 2.71 Percent
- 1 » 3 » » 596, » 22 = 3.69 »
- 6 » 4 » » 4616, » 212 = 4.59 »
- 2 » 5 » » 1169, » 63 = 5.38 »
- 1 »7 » » 242, » 17 = 7.02 »
- 2 » 8 » » 622, » 53 = 8.52 »
- In 14 Jahren Wöchnerinnen 9273, Todte 422 = 4.55 Percent
Im Dubliner Gebärhause war die Sterblichkeit:
- 4 Jahre 0 Percent, Wöchnerinnen 8694, Todte 74 = 0.85 Percent
- 7 » 1 » » 12836, » 203 = 1.58 »
- 3 » 2 » » 5240, » 127 = 2.42 »
- 14 Jahre Wöchnerinnen 26770, Todte 404 = 1.50 Percent
Wenn wir die Rapporte von den vier Londoner und den
zwei Dubliner Gebärhäusern, von welchen wir selbe nach
Jahren gesondert besitzen, summiren, so gibt das folgende
[177] höchst wichtige Tabelle. In 262 Jahren wurden in diesen
sechs Gebärhäusern verpflegt: 219,133 Wöchnerinnen, davon
sind gestorben 2855, also 1.30 Percent. Die Sterblichkeit ver-
hielt sich wie Tabelle Nr. XXXIV. zeigt.
Tabelle Nr. XXXIV.
- In 19 Jahren ist keine Wöchnerin gestorben von 4558
- » 105 » war die Sterblichkeit 0 Prct., Wöchn. 109656, Todte 726= 0.67 %
- » 80 » » » » 1 » » 69533, » 1048= 1.50 »
- » 26 » » » » 2 » » 24289, » 611= 2.51 »
- » 19 » » » » 3 » » 8024, » 270= 3.36 »
- » 4 » » » » 4 » » 1085, » 50= 4.60 »
- » 2 » » » » 5 » » 589, » 35= 5.94 »
- » 2 » » » » 6 » » 663, » 41= 6.18 »
- » 3 » » » » 7 » » 548, » 40= 7.29 »
- » 1 » » » » 12 » » 117, » 15=12.82 »
- » 1 » » » » 26 » » 71, » 19=26.76 »
- 262 Jahre Wöchnerinnen 219133, Todte 2855, 1.30 %
Dass die grosse Sterblichkeit in den Gebärhäusern nicht
durch atmosphärische Einflüsse bedingt sei, beweiset auch der
Umstand, dass in Städten, in welchen mehrere Gebärhäuser
sich befinden, nicht in allen gleichzeitig sich ein ungünstiger
Gesundheitszustand der Wöchnerinnen zeigt; was doch der
Fall sein müsste, da mehrere Gebärhäuser einer und dersel-
ben Stadt nicht gleichzeitig verschiedenen atmosphärischen
Einflüssen unterworfen sein können.
Um dies dem Leser klar zu machen, wollen wir die fünf
ungünstigsten Jahre der vier Londoner Gebärhäuser zusam-
menstellen.
Tabelle Nr. XXXV.
1838.
- The general Lying-in-Hospital Wöchnerinnen 71, Todte 19, Prct. 26.76
- British-Lying-in-hospital » 142, » 5, » 3.80
- Queen-Charlottes Lying-in-hospital » 202, » 5, » 2.47
- The city of London Lying-in-hospital » 600, » 13, » 2.16
Semmelweis, Kindbettfieber. 12
[178]
1841.
- The general Lying-in-hospital Wöchnerinnen 117, Todte 12, Prct. 12.82
- British-Lying-in-hospital » 125, » 3, » 2.49
- Queen-Charlottes Lying-in-hospital » 218, » 3, » 1.37
- The city of London Lying-in-hospital » 635, » 6, » 0.94
1835.
- The general Lying-in-hospital Wöchnerinnen 185, Todte 14, Prct. 7.67
- British-Lying-in-hospital » 108, » 3, » 2.77
- The city of London Lying-in-hospital » 473, » 7, » 1.48
- Queen-Charlottes Lying-in-hospital » 214, » 1, » 0.47
1840.
- The general Lying-in-Hospital Wöchnerinnen 210, Todte 15, Prct. 7.1
- Queen-Charlottes Lying-in-hospital » 199, » 3, » 1.50
- The city of London Lying-in-hospital » 590, » 6, » 1.01
- British-Lying-in-hospital » 113, » 1, » 0.8[8]
1842.
- The general Lying-in-hospital Wöchnerinnen 153, Todte 11, Prct. 7.18
- Queen-Charlottts Lying-in-hospital » 212, » 2, » 0.94
- The city of London Lying-in-hospital » 567, » 1, » 0.17
- British-Lying-in-hospital » 106, » 0, » 0.00
Von Dubois’ Klinik und der Maternité zu Paris sagt
Arneth, dass während seines Aufenthaltes zu Paris im Jahre
1850 die Klinik der vielen Erkrankungen wegen auf kurze
Zeit geschlossen wurde, während in der sonst als ungesund
übel berüchtigten Maternité keine Kranke zu finden war.
Dass selbst verschiedene Abtheilungen eines und dessel-
ben Gebärhauses constant verschiedene Mortalitätsverhältnisse
darbieten können, haben wir in Wien und Strassburg ge-
sehen.
Dass die grosse Sterblichkeit in den Gebärhäusern nicht
durch atmosphärische Einflüsse bedingt sei, beweiset der Um-
stand, dass nicht gleichzeitig die Wöchnerinnen der Ortsbe-
völkerung, in welchem sich das vom Kindbettfieber heimge-
suchte Gebärhaus befindet, vom Kindbettfieber in ungewöhn-
[179] licher Anzahl befallen werden, obwohl nothwendigerweise
das Gebärhaus und der Ort, in welchem sich das Gebärhaus
befindet, gleichzeitig nur denselben und nicht verschiedenen
atmosphärischen Einflüssen unterworfen sein können.
Dass aber wirklich zur Zeit, wo die Wöchnerinnen im
Gebärhause vom Kindbettfieber decimirt werden, sich die
Wöchnerinnen des betreffenden Ortes eines guten Gesund-
heitszustandes erfreuen, beweiset ja die Massregel des Schlies-
sens der Gebärhäuser. Nachdem das Gebärhaus geschlossen,
hören ja die Geburten nicht auf, sie gehen nur nicht im Ge-
bärhause, sondern zerstreut im betreffenden Orte vor sich;
und doch bleiben die zerstreut im Orte Entbundenen gesund,
welche dem atmosphärischen Einflusse im Gebärhause dessel-
ben Ortes erlegen wären.
Allerdings sterben auch manchmal ausserhalb der Ge-
bärhäuser die Wöchnerinnen in grösserer Anzahl, aber diese
grössere Sterblichkeit ist nicht atmosphärischen Einflüssen
zuzuschreiben, weil die grössere Sterblichkeit ausserhalb der
Gebärhäuser nicht immer gleichzeitig mit einer grösseren
Sterblichkeit in den Gebärhäusern stattfindet, und weil die
Sterblichkeit in den Gebärhäusern oft eine Höhe erreicht, wie
solche ausserhalb der Gebärhäuser nicht vorkommt, endlich
weil eine Sterblichkeit ausserhalb der Gebärhäuser seltener
beobachtet wird, als innerhalb derselben.
Das Kindbettfieber, welches ausserhalb der Gebärhäuser
vorkommt, ist so wie dasjenige, welches in den Gebärhäu-
sern wüthet, in allen Fällen, keinen einzigen Fall ausgenom-
men, ein Resorbtionsfieber, bedingt durch die Resorbtion
eines zersetzten thierisch-organischen Stoffes. Dieser zersetzte
thierisch-organische Stoff entsteht in und ausserhalb der Ge-
bärhäuser in seltenen Fällen in dem ergriffenen Individuum,
und erzeugt das Kindbettfieber durch Selbstinfection. In der
überwiegend grössten Mehrzahl der Fälle wird aber in und
ausserhalb der Gebärhäuser der zersetzte thierisch-organische
Stoff, welcher resorbirt das Kindbettfieber hervorbringt, den
12 *
[180] Individuen von aussen beigebracht, und das Kindbettfieber
entsteht demnach in und ausserhalb der Gebärhäuser durch
Selbstinfection von aussen.
Die Quelle des zersetzten Stoffes, welcher das Kindbett-
fieber hervorbringt, ist die Leiche; in und ausserhalb der Ge-
bärhäuser werden Sectionen gemacht von Aerzten, welche
sich mit Geburtshilfe beschäftigen. Die Quelle des zersetzten
Stoffes, welcher das Kindbettfieber hervorbringt, sind Kranke,
deren Krankheiten einen zersetzten Stoff erzeugen; in und
ausserhalb der Gebärhäuser werden Kranke, welche einen zer-
setzten Stoff erzeugen, von Aerzten behandelt, welche sich
mit Geburtshilfe beschäftigen. Innerhalb und ausserhalb der
Gebärhäuser zersetzen sich bei nicht gehörig beobachteter
Reinlichkeit die physiologisch-thierisch-organischen Producte,
und werden so in und ausserhalb des Gebärhauses zu Quellen
des zersetzten Stoffes, welcher das Kindbettfieber erzeugt.
Der Träger des zersetzten Stoffes, welcher aus diesen
drei Quellen genommen wird, ist in und ausserhalb des Ge-
bärhauses der untersuchende Finger, die operirende Hand.
Spitalsärzte, welche sich im Spitale mit Leichen oder mit zer-
setzten Producten der verschiedensten Krankheiten ihre Hände
verunreiniget haben, untersuchen und operiren auch ausser-
halb des Spitales. Privatärzte, welche sich durch Sectionen
oder mit zersetzten Producten der verschiedenen Krankhei-
ten ihre Hände verunreiniget haben, beschäftigen sich auch
mit Geburtshilfe.
Hebammen werden sehr häufig bei Kranken, deren Krank-
heiten zersetzte Stoffe erzeugen, zum Zwecke der Reinigung
verwendet, z. B. bei verjauchendem Krebse der Gebärmutter
zu Einspritzungen, und dadurch werden sie zu Trägern des
zersetzten Stoffes, welcher ausserhalb des Gebärhauses das
Kindbettfieber hervorbringt.
Die Träger des zersetzten Stoffes können in und ausser-
halb des Gebärhauses sein: die Instrumente, Bettwäsche,
die atmosphärische Luft u. s. w.; mit einem Worte: Träger
[181] des zersetzten Stoffes kann in und ausserhalb des Gebärhau-
ses alles dasjenige sein, welches mit einem zersetzten Stoffe
verunreiniget ist, und mit den Genitalien der Individuen in
Berührung kommt.
Weil aber nicht immer gleichzeitig in und ausserhalb der
Gebärhäuser eine grosse Anzahl Individuen inficirt wird,
darum ist nicht immer gleichzeitig in und ausserhalb der Ge-
bärhäuser eine grosse Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen.
Weil Privatärzte seltener als Spitalsärzte Gelegenheit
haben, sich ihre Hände mit zersetzten Stoffen zu verunreini-
gen, deshalb kommt das Kindbettfieber ausserhalb des Ge-
bärhauses seltener in grosser Anzahl vor. Und endlich, weil
ein Privatarzt nie Gelegenheit hat, so viele Individuen in kur-
zer Zeit zu untersuchen, wie der Arzt in einem grossen Ge-
bärhause, deshalb kommt das Kindbettfieber ausserhalb des
Gebärhauses nie in so abschreckender Anzahl vor, als in Ge-
bärhäusern.
Der beschäftigtste Arzt dürfte nur einige geburtshilfliche
Fälle täglich zu besorgen haben, während wir im Wiener
Gebärhause oft 30 bis 40 Geburten innerhalb 24 Stunden
beobachteten, es ist daher begreiflich, dass der mit zersetzten
Stoffen verunreinigte Finger des Privatarztes das Kindbettfie-
ber nicht in dieser Anzahl hervorbringen kann, als der Fin-
ger des Arztes, welcher in einem grossen Gebärhause beschäf-
tiget ist. Dazu kommt noch, dass ausserhalb des Gebärhau-
ses die Individuen in der Regel nur von einem Arzte unter-
sucht werden, während im Gebärhause die Individuen von
mehreren, viele sogar von vielen untersucht werden, und ob-
wohl ein verunreinigter Finger hinreicht, eine grosse Anzahl
Erkrankungen hervorzubringen, so ist doch unter vielen un-
tersuchenden Fingern leichter einer oder der andere unrein,
als wenn blos ein Finger untersucht.
Eine höchst lehrreiche Zusammenstellung englischer Er-
fahrungen über die Erzeugung des Kindbettfiebers ausserhalb
[182] des Gebärhauses durch Uebertragung zersetzter Stoffe hat
Arneth in seinem Werke *) Seite 334 veröffentlicht.
»Das Puerperalfieber ist eine so furchtbare Krankheit,
dass es uns im höchsten Grade interessiren muss, was die eng-
lischen Aerzte über dasselbe im Allgemeinen, und besonders
über den in gewisser Hinsicht räthselhaften Umstand dessel-
ben — seine Aetiologie — denken, und wie sie ihre Kranken
behandeln.
»Der vielerfahrene Roberton theilt die Frauen hinsicht-
lich der Häufigkeit, in der sie zur Zeit, wo keine Epidemie
vorhanden ist, von Puerperalkrankheiten befallen werden, in
solche, die ihren Haushalt einzig und allein besorgen, und in
jene, die bedient werden. Seinen Erfahrungen zufolge werden
die ersteren viel seltener von Wochenbettkrankheiten heimge-
sucht. In der gewerbefleissigen Stadt Hulme von beiläufig 40,000
Einwohnern ist die Zahl jener Personen, welche Diener hal-
ten, ungemein klein, das Arbeiterweib, welches die bei wei-
tem überwiegende Ziffer der weiblichen Bevölkerung aus-
macht, ist gewohnt, um fünf Uhr Morgens aufzustehen, die
älteren Kinder zur Arbeit zu schicken, und sollte sie ihren
Gatten nicht selbst in die Fabrik begleiten, die Geschäfte
ihres Haushaltes und die Pflege ihrer Kinder zu besorgen, die
sie vom frühen Morgen bis tief in die Nacht keinen Augen-
blick ruhen lassen. Treffen die Kinder Krankheiten, so ist
begreiflicherweise ihre Mühe um so grösser: die ganze Zeit
der Schwangerschaft hindurch, ja wenn die ersten Perioden
der Geburt sich hinausziehen, auch während derselben, steht
sie denselben Geschäften so lange vor, bis die heftiger wer-
denden Geburtsschmerzen sie zum Einhalten zwingen. Und
trotz dieser Entbehrungen zählt man in Hulme nach den ämt-
lichen Erhebungen des Decenniums von 1839—1849 nur 1
von 196½ Todesfällen auf Rechnung des Kindbettfiebers. Vier
[183] andere kleine Städte der Nachbarschaft, deren Bewohner einer
viel wohlhabenderen Classe angehören, hatten auf 84 Todes-
fälle einen, der durch das Wochenbett bedingt war.
»Anders gestalten sich nun freilich die Verhältnisse zur
Zeit einer Epidemie, wo die in kleinen Räumen mit zahlrei-
chen anderen Bewohnern zusammengedrängte arme Wöchne-
rin häufig erliegt, während die Wohlhabende, die ein weites
Gemach bewohnt, auf Reinlichkeit und sorgsame Pflege rech-
nen kann, viel grössere Hoffnung zur Genesung hat. Die un-
günstigeren Verhältnisse von beiden früher genannten Classen
der Gesellschaft vereinigen nach Roberton’s Meinung wahr-
scheinlich die Weiber der Krämer und kleinen Handelsleute,
welche auf der einen Seite in übelgebauten Wohnungen ihre
Tage zubringen, und auf der anderen Seite trotz besserer Er-
ziehung, Verweichlichung und Liebhabereien der höheren
Classe nicht die Vortheile geniessen, die jenen ihre Wohlha-
benheit gewährt.
»Eine grosse Reihe von Erfahrungen, die man in Eng-
land gemacht hat, und von denen wir die bedeutendsten ken-
nen lernen wollen, spricht dafür, dass nach Uebertragung von
gangraenescirenden faulen Stoffen im Allgemeinen und von
Leichentheilen insbesondere auf die Gebärende Puerperalfie-
ber entstand. Grösstentheils hat man aber die Fälle, wie wir
später hören werden, anders gedeutet.
»Unter den über den Gegenstand erschienenen Schriften
und Aufsätzen machte in England nichts mehr Aufsehen, als ein
Journalartikel von Robert Storrs, der auch in dem von mir
schon wiederholt benützten Jahresberichte des Reichsregistra-
tors abgedruckt ist. Storrs befragte schriftlich mehrere Col-
legen seiner Umgebung um ihre Erfahrungen und Ansichten,
und das Resultat dieser Umfrage war ungefähr Folgendes:
Reedal in Sheffield behandelte einen jungen Mann, der an
einer offenen Leistengeschwulst und einer bösartigen, rosen-
artigen Entzündung des Hodensackes und der Hinterbacken
litt, die täglich verbunden werden mussten und endlich einen
[184] tödtlichen Ausgang nahmen. Die Schwester des jungen Man-
nes, die ihn pflegte, bekam gleichfalls Rothlauf im Gesichte
und am Kopfe, zu dem sich Fieber mit typhösem Charakter
gesellte, und die Arme binnen zwei Tagen wegraffte. Wäh-
rend Reedal nun den Patienten behandelte, bekamen fünf
Frauen, bei deren Entbindung er vom 26. October bis 3. No-
vember 1843 zugegen war, das Puerperalfieber und starben.
Zu den genannten Unglücklichen war er fast unmittelbar nach
der Reinigung jener Wunden gegangen, während zwei Frauen,
die gleichfalls während des Geburtsgeschäftes seine Hilfe in
Anspruch genommen hatten, zu denen er aber erst einige
Stunden nach jenem gefahrbringenden Krankenbesuche ge-
gangen war, ohne bedeutendere Erkrankungen davonkamen.
Nach dem Tode jener Frauen gab Reedal seine Besuche bei
dem jungen Manne auf, weil er sich für den Verbreiter der
Krankheit ansehen musste. Seitdem hatte er eben so wenig
mehr einen Fall von Puerperalfieber in seiner Praxis, als ihm
dergleichen vor der Behandlung jenes Erysipelas vorgekom-
men waren.
»Herr Sleight in Hull berichtet, dass er einen Kranken
am (gangraenescirenden?) Erysipelas behandelte, und wäh-
rend seines Besuches bei demselben zu einem Geburtsfalle
gerufen wurde, der sehr leicht und regelmässig verlief. Nichts-
destoweniger wurde die Frau 20 Stunden darnach vom Puer-
peralfieber ergriffen, und starb, nachdem die Krankheit nur
18 Stunden gedauert hatte.
»Hardey, gleichfalls in Hull wohnend, behandelte einen
grossen Abscess in der Lendengegend, und beiläufig um die-
selbe Zeit einen erysipelatösen Abscess einer Brust. Zur sel-
ben Zeit starben viele Schafe, Tauben und Kühe nach der
Geburt. Hardey behandelte in Monatsfrist 20 Geburtsfälle,
sieben Frauen starben; alle diese Geburten hatten einen regel-
mässigen Verlauf gehabt, auch war sonst keine Ursache des
unglücklichen Ausganges aufzufinden; Niemand aus der Um-
gebung der Unglücklichen wurde übrigens von einer ähn-
[185] lichen Krankheit befallen. Häufige Chlorinwaschungen und
ein ganz neuer Anzug hoben endlich die Weiterverpflanzung
der Krankheit auf. Einige jener Frauen, deren Wochenbett
glücklich endete, wurden übrigens nur wenige Stunden nach
solchen von ihm übernommen, die tödtlichen Ausgang nach
sich zogen.
»Drei Aerzte von Hull trafen bei der Section eines Man-
nes zusammen, der an Gangraen nach einer Operation von
Hernia incarcerata gestorben war. Alle berührten die Lei-
chentheile. Einer von ihnen wurde von dem Leichname weg
zu einer Geburt gerufen. Diese und noch einige rasch auf ein-
ander von ihm entbundene Frauen starben am Puerperalfie-
ber. Nicht viel besser erging es seinen beiden Collegen, die
in kürzester Frist nach jener Leichenbesichtigung Fälle von
Kindbettfieber in ihrer Praxis beobachteten. — Der Zufall
führte sie nach einiger Zeit wieder zusammen, sie klagten sich
gegenseitig ihre Unglücksfälle, gaben ihre geburtshilfliche
Praxis für einige Zeit auf, und hatten nach dem Wieder-
antritte derselben keine Krankheitsfälle mehr zu beklagen.
»S. Allen in York verlor eine Reihe Patientinnen am
Kindbettfieber — doch nur im ersten dieser Fälle war er im
Stande, irgend eine Verbindung mit Erysipelas herauszufin-
den. — Zwei Monate hindurch war in seiner Praxis kein Fall
von Puerperalfieber mehr vorgekommen, als plötzlich wieder
eine von seinem Assistenten gepflegte Frau von dieser Krank-
heit befallen wurde; derselbe war damals mit einer Jacke be-
kleidet gewesen, die er zuletzt zur Zeit der Nachtwache bei
einer im Kindbettfieber weit vorgerückten Frau getragen hatte.
Der Mann der obenerwähnten Frau wurde gleichfalls von
Bauchfellentzündung befallen, die alle Merkmale des Puer-
peralfiebers an sich trug und tödtlich endete. Uebrigens war
dies, so viel Allen weiss, der einzige Fall von Uebertragung
der Krankheit auf die Umgebung der Kranken, der sich in
seiner Praxis ereignete.
[186]
»So weit reichen die schriftlichen Antworten jener Colle-
gen, die Storrs befragt hatte.
»Storrs führt nun in Folgen dem seine eigenen Erfahrun-
gen an, die nach seiner Meinung durchgehends beweisen,
dass die Krankheit contagiös sei, die nach ihrer überwiegen-
den Mehrheit zeigen, dass ihr Ursprung in einem ammali-
schen Gifte zu suchen sei, die nicht selten bösartige Krank-
heiten bei Anderen hervorbrachten, und die alle die Frucht-
losigkeit der ärztlichen Behandlung, und gerade deshalb die
äusserste Nothwendigkeit von Vorbauungsmitteln nachweisen.
- »I. Am 8. Jänner 1841 leistete er Frau D. bei einer Geburt
Beistand. Am selben Tage war er auch bei Frau Ri-
chardson beschäftigt, die an gangraenescirendem Roth-
lauf litt; beide Frauen bedienten sich derselben Wärte-
rin. Frau D. starb am Puerperalfieber, und ihre Schwe-
ster bekam Typhus, nachdem sie selbe gepflegt hatte. - »II. Am 13. Jänner war Storrs bei der Geburt der Frau B.
anwesend, auch sie starb. Einige Tage hierauf bekam
ihre Schwiegermutter Typhus, an dem auch sie starb.
Die Wärterin, die beide gepflegt hatte, bekam, wie ihr
Sohn, gleichfalls den Typhus, von dem sie sich jedoch
erholte. - »III. Gleichfalls am 13. Jänner war unser Berichterstatter be
dem Geburtsgeschäfte der Frau Par. zugegen, die gleich-
falls starb. Ihr Gatte war zur selben Zeit am Erysipel
mit typhösem Fieber erkrankt, von dem er sich jedoch
erholte. Eine Freundin und Nachbarin der Verstorbenen
hatte Erysipelas, Pleuritis und Abscess, doch genas sie;
nicht so glücklich war ihre Wärterin, die am Typhus
starb. - »Eine IV. und V. Kranke erholten sich und verursachten
auch bei Niemand andere Krankheiten. - »VI. Am 12. Februar eröffnete Storrs an der obengenannten
Frau Richardson einen Abscess und ward hierauf bei
der drei (engl.) Meilen entfernt wohnenden Frau Pol.
[187] beschäftigt, die ebenfalls starb. Ihre Schwester hatte
Herpes, Erysipelas mit typhösen Erscheinungen, worauf
ein ungeheurer Abscess in der Brust folgte. - »VII. Frau P. wurde nicht von Storrs entbunden, sondern
nur von ihm besucht; Frau P. hatte das Kind der Frau
Bt. auf der Bahre gebettet, das einige Tage früher an
Gangraen des Nabels gestorben war. Storrs hatte der
Frau Bt. in der Zwischenzeit zwischen den drei zuerst
geschilderten Krankheitsfällen und in dem so eben Be-
schriebenen Beistand geleistet, Frau P. starb und es
folgte ihr bald ihr Kind, das am Brande des Nabels und
der Geschlechtstheile zu Grunde ging. - »VIII. Frau W., die unter Storrs’ Leitung entbunden wurde,
nachdem er am vorhergehenden Morgen bei Frau Ri-
chardson einen Abscess eröffnet hatte, starb. - »Storrs machte nun eine 14-tägige Reise, und hoffte sich
auf diese Art gänzlich zu reinigen. - »IX. Am 21. März Nachts war er bei der Geburt der Frau
W. thätig, nachdem er Morgens bei Frau Richardson
abermals einen Abscess geöffnet hatte; Frau W. starb. - »X. Ein gleiches Schicksal hatte Frau Dk., die am 22. ge-
boren hatte.
»Einige Monate darauf, als das Gift schon etwas er-
schöpft war, legte Storrs’ Assistent an das Bein der
Frau Richardson eine Binde an und entband am Tage
darauf eine junge Frau, sie wurde von heftiger Bauch-
fellentzündung befallen, man liess ihr zweimal zur Ader,
— sie erholte sich. Bei ihr hatte die Krankheit einen
mehr stenischen Charakter.
»Storrs hofft durch seinen Aufsatz, aus dem wir darum
so reichliche Auszüge geliefert haben, weil er den an den
englischen Ansichten über die Weiterverbreitung des Puer-
peralfiebers Zweifelnden überall entgegengehalten wird, be-
wiesen zu haben:
[188]
- 1. Dass das Puerperalfieber durch Berührung mittheil-
bar sei. - 2. Dass dasselbe von einem thierischen Gifte, und zwar be-
sonders dem Rothlaufe *) und seinen Folgen, aber auch
zuweilen vom Typhus herstamme. - 3. Dass das Kindbettfieber ohne Unterschied an der Umge-
bung der Erkrankten, Rothlauf, Typhus, und beim männ-
lichen Geschlechte ein Fieber, das bisweilen ungemein
dem Puerperalfieber gleicht, hervorbringe. - 4. Dass im Ganzen die schnellste, sorgfältigste und vernünf-
tigste Behandlung ohne Erfolg bleibt.
»Besonders im Gefühle dieser letzten traurigen Erfahrung
geht Storrs’ Bericht dahin, ähnliches Missgeschick zu ver-
hüten, zu welchem Endzwecke er vorschlägt, dass Geburts-
helfer nie in demselben Kleide Kreissende besuchen sollen,
dessen sie sich bei ihren übrigen Patienten bedienen; diese
Vorsicht bezieht sich zunächst auf das Oberkleid, das noth-
wendiger Weise nach Storrs’ Ansicht am meisten zur Ueber-
tragung der krankheitserzeugenden Stoffe beitragen muss.
Sobald aber Rothlauf oder Typhus herrschen, so wäre dieselbe
Vorsicht auch im Wochenbette zu befolgen.
»Nach was immer für einer Leichenöffnung, oder nach
[189] einer Operation an einem an Erysipel oder am Typhus er-
krankten Individuum soll der Chirurg so sorgfältig als nur
möglich seine Hände waschen und seinen Anzug gänzlich än-
dern, bevor er zu irgend einer Geburt geht; hiebei muss man
ja die Handschuhe nicht ausser Acht lassen, da ja Hände und
Arme die das Gift zunächst übertragenden Theile des Kör-
pers sind.
»Sobald aber unglücklicherweise die Krankheit in eines
Arztes Praxis sich festgesetzt hat, so sollte er sich 2—3
Wochen gänzlich von seinem Wohnorte entfernen, vollends
seine Kleidung ändern, die sorgfältigsten Waschungen vor-
nehmen und jedweden Krankheitsfall vermeiden, der die Quelle
thierischen Giftes sein könnte.
»Eine ähnliche Mittheilung, die Roberton macht, erregte
ungemeines Aufsehen in England. Eine Hebamme, die im
Kreise der von der Wohlthätigkeitsgesellschaft verpflegten
Gebärenden und Wöchnerinnen eine sehr ausgebreitete Praxis
hatte, hatte das Unglück, eine von ihr entbundene Frau am
Puerperalfieber sterben zu sehen. In dem darauffolgenden
Monate (December 1830) war sie in weit auseinander gelege-
nen Stadttheilen bei 30 Geburten thätig, 16 von diesen Wöch-
nerinnen wurden vom Puerperalfieber befallen und starben.
Dieser Umstand war um so auffallender, als beiläufig 380 Ge-
burtsfälle vorfielen, die von derselben Gesellschaft nur durch
Hebammen besorgt wurden, und die, mit alleiniger Aus-
nahme der früher erwähnten, ohne alle Störungen im Wo-
chenbette vorübergingen. Die Aerzte der Anstalt drangen
darauf, dass die Hebamme sich auf’s Land begebe, und ihre
Praxis für einige Zeit aussetze; kurze Zeit nach diesem Be-
schlusse zeigte sich das Puerperalfieber an vielen Punkten der
Stadt und in der Praxis von anderen Hebammen und Aerzten.
Bis Juni wüthete es in einer Ausdehnung und mit einer Hef-
tigkeit, die in Manchester kaum je vorgekommen war.
»Roberton nimmt es nicht auf sich, zu erklären, auf
welche Art die Uebertragung der Krankheit in dem Falle der
[190] Hebamme stattgefunden habe, will aber hierbei noch zweier
Fälle erwähnen, die nach seiner Ansicht beweisen, dass die
Krankheit unmittelbar von einer Kranken auf die andere
übertragen wurde. Ein Arzt führte bei einem armen, am
Puerperalfieber leidenden Weibe den Catheter ein, und wurde
noch in derselben Nacht zu einer Frau gerufen, um ihr Bei-
stand bei ihrer Geburt zu leisten. »Am Morgen des zweiten
Tages darauf bekam die Frau Schüttelfrost und die übrigen
Zeichen der beginnenden Krankheit.« — Ein anderer Arzt
wurde während einer Leichenöffnung an einer am Kindbett-
fieber Verstorbenen zu einer Geburt geholt — 48 Stunden
darauf ergriff dieselbe Krankheit auch diese Frau.
»Churchill*) berichtet uns, dass Campbell in Edinburg
anfangs nicht an die Contagiösität der Krankheit geglaubt,
später aber seine Ansicht geändert, und in einem Briefe an
L. Lee die nachfolgenden Beispiele erzählt habe.
»Er secirte im October 1821 eine nach Abortus am Puer-
peralfieber verstorbene Frau; er steckte hierauf die Ge-
schlechtstheile in den Sack und nahm sie zu einer Vorlesung
mit. An demselben Abende war er in denselben Kleidern bei
der Geburt einer Frau zugegen, die bald darauf starb.
»Am nächsten Morgen hatte Churchill eine Zangenope-
ration vorzunehmen, ohne dass er seine Kleidung geändert
hätte. Ueberdies erkrankten in den nächsten Wochen noch
viele der von ihm gepflegten Wöchnerinnen, drei derselben
starben. — Im Juni 1823 half er mehreren seiner Schüler bei
der Section einer Frau, die am Puerperalfieber gestorben
war. In der von Allem entblössten ärmlichen Wohnung konnte
er seine Hände nicht mit der nöthigen Sorgfalt waschen, und
ging nach Hause. Daselbst angelangt, fand er die Nachricht,
dass zwei Gebärende seine Hilfe begehrten; ohne weitere Wa-
schungen vorzunehmen und ohne die Kleider zu wechseln,
eilte er diese Frauen aufzusuchen, beide wurden von der
[191] Krankheit ergriffen und starben. Dergleichen Fälle liessen
sich noch in viel bedeutenderer Anzahl anhäufen.
»Es wird aber schon aus dem Angeführten und nament-
lich aus dem der Praxis des Dr. Campbell Entnommenen klar
hervorgehen, dass die Engländer diese Uebertragungen nicht
in dem Sinne nehmen, wie Semmelweis und Skoda sie ver-
standen wissen wollen, nämlich nicht durch eine Uebertra-
gung von putriden Stoffen auf die Geschlechtstheile der Frau,
sondern durch die Uebertragung der Krankheit qua talis von
einer Frau auf die andere.
»Dass dies die Auslegung sei, geht schon aus den ge-
machten Mittheilungen hervor, wird aber besonders durch
folgenden Ausspruch Churchill’s klar dargethan: ‚Nach
aufmerksamer Prüfung der Thatsachen kann ich nicht zwei-
feln, dass die Krankheit durch Ansteckung und Berührung
weiter verbreitet wird, d. h. dass sie von einer am Puerperal-
fieber Leidenden einer andern Person mitgetheilt werden kann,
die mit derselben in Berührung ist, oder in enger Nachbar-
schaft sich befindet.‘
»Die Entscheidung der Frage, welche von beiden Ausle-
gungen als die richtige sich herausstellt, ist begreiflicherweise
von grosser praktischer Bedeutung; denn wenn die in Eng-
land gewöhnliche Ansicht der Dinge Geltung erlangt, so folgt
daraus keineswegs das Verbot, sich mit Leichen von Personen
zu beschäftigen, die an anderen als Puerperalkrankheiten ge-
storben sind, während wir hinwieder keinen Anstand nehmen,
von einer kranken Wöchnerin zur andern zu gehen, ohne
Kleider gewechselt zu haben, wie man dies in England zu
thun vorschreibt, weil man die Lehre von der Uebertragbar-
keit der Krankheit so weit ausdehnt, dass man annimmt, ein
gesunder Mensch (also auch der Arzt), der von einer am Wo-
chenbette Erkrankten herkomme, könne dieselbe Krankheit,
ohne dass Berührung stattgefunden habe, auf eine bis dahin
gesunde Wöchnerin übertragen. Diese Fähigkeit der Uebertra-
gung scheint nach der dort üblichen Annahme für längere Zeit
[192] möglich gedacht zu werden, weil nach den häufig von engli-
schen Schriftstellern aufgestellten Anordnungen ein Arzt, der
so unglücklich ist, in seiner Praxis mehrere puerperalkranke
Frauen zu haben, längere Zeit hindurch aufhören soll, bei Ge-
burten Beistand zu leisten, und ihm Wechsel seiner sämmtlichen
Kleidungsstücke zur Pflicht gemacht wird. Als Beweis dafür
wird besonders angeführt, dass so häufig einzelne Geburtshel-
fer oder Hebammen viele Fälle von Puerperalfieber unter
ihren Pflegebefohlenen zählen, während die übrigen Aerzte
nichts von dergleichen Vorkommnissen zu erzählen haben.
Man wird aber wohl zugeben müssen, dass dieser letztge-
nannte Umstand sich viel ungezwungener erklären lässt, wenn
man annimmt (was sich in den meisten der oben mitgetheilten
Fälle nachweisen liess), dass diese Praktiker sich entweder
mit Leichenöffnungen, oder was gleichviel gilt, mit anderen
putrescirenden Stoffen, Eröffnung von Abscessen, Reinigen
und Verbinden von Wunden, Reinigen oder Untersuchungen
von Wöchnerinnen, Untersuchungen von Placenten u. dgl.
beschäftigt haben *). — Mehrere der obengenannten Aerzte
haben durch die in England gang und gäbe gewordenen An-
sichten ihre geburtshilfliche Praxis für einige Zeit aufgege-
ben, nachdem sie das Unglück hatten, mehrere Frauen durch
das Puerperalfieber zu verlieren. Der Umstand, dass sie so-
gleich beim Wiederaufnehmen derselben nicht glücklicher
waren, scheint — nach einer mehrere Wochen betragenden
Frist — ausser Zweifel zu setzen, dass die von ihnen beschul-
[193] digte Ursache nicht mehr im Spiele sein konnte, und rüttelt
stark an der Ueberzeugung, dass sie es früher war.)
(Es ist auch meine Ueberzeugung, dass die oben ange-
führten Beschäftigungen der Aerzte das ursächliche Moment
des nach diesen Beschäftigungen beobachteten Puerperalfie-
bers gewesen sind; ich habe ja deshalb diese Daten hier an-
geführt, um dem Leser zu zeigen, dass man sich auch ausser-
halb des Gebärhauses mit Dingen beschäftiget, in deren Folge
das Puerperalfieber auch ausserhalb des Gebärhauses ent-
steht.
Aber ich ziehe aus diesen Daten andere Schlüsse, als die
englischen Aerzte.
Ich halte das Kindbettfieber für keine contagiöse Krank-
heit, weil dasselbe nicht von einem jeden am Kindbettfieber
erkrankten Individuum auf ein gesundes übertragen werden
kann, und weil ein gesundes Individuum das Kindbettfieber
von Kranken her bekommen kann, welche selbst nicht am
Kindbettfieber leiden.
Ein jeder Blatternkranke ist geeignet, bei einem gesun-
den Individuum Blattern hervorzubringen, und ein gesundes
Individuum kann Blattern nur von einem Blatternkranken be-
kommen, von einem Gebärmutterkrebs her hat noch Niemand
Blattern bekommen.
Nicht so verhält sich die Sache beim Kindbettfieber;
wenn das Kindbettfieber unter Formen verlauft, welche keine
zersetzten Stoffe erzeugen, so ist das Kindbettfieber von die-
sen Individuen auf ein gesundes nicht übertragbar. Erzeugt
aber das Kindbettfieber zersetzte Stoffe, wie z. B. bei Endo-
metritis septica, so ist das Kindbettfieber auf gesunde aller-
dings übertragbar. Nach dem Tode ist von jeder Puerperal-
leiche das Kindbettfieber auf Gesunde übertragbar, bei der
Leiche kommt nur der Fäulnissgrad in Betracht. Aber das
Kindbettfieber kommt von Krankheiten, welche selbst nicht
Kindbettfieber sind, gangraenöses Erysipel, Carcinoma uteri etc.
bringen Kindbettfieber hervor.
Semmelweis, Kindbettfieber. 13
[194]
Eine jede Leiche, mag welche immer Krankheit den Tod
veranlasst haben, ist geeignet, das Kindbettfieber hervorzu-
bringen, wenn die Leiche den nöthigen Fäulnissgrad er-
reicht hat.
Eine contagiöse Krankheit wird durch einen Stoff fort-
gepflanzt, welchen nur die betreffende Krankheit erzeugt. Ca-
ries hat noch nie ein Blatterncontagium hervorgebracht. Das
Puerperalfieber wird durch einen Stoff fortgepflanzt, welcher
das Product nicht des Kindbettfiebers allein, sondern auch
das Product der heterogensten Krankheiten bildet.
Jede Leiche, mag welch immer Krankheit den Tod ver-
anlasst haben, erzeugt den Stoff, welcher das Kindbettfieber
hervorbringt.
Daraus folgt das Verbot des Beschäftigens mit Leichen
und mit Kranken, deren Krankheiten einen zersetzten Stoff
erzeugen, ohne Rücksicht auf den Puerperalzustand.
Für mich ist es eine unumstössliche Wahrheit, dass der
Thierarzt, welcher zugleich Geburtshelfer wäre, durch die
von kranken oder gefallenen Thieren hergenommenen zersetz-
ten Stoffe bei einer Wöchnerin das Kindbettfieber hervorbrin-
gen würde.
Das Kindbettfieber ist demnach keine contagiöse Krank-
heit, aber es ist eine auf ein gesundes Individuum über-
tragbare Krankheit vermittelst eines zersetzten Stoffes. Das
Kindbettfieber steht zum Rothlauf und seinen Folgen in kei-
ner andern Beziehung, wie zu jeder andern Krankheit, welche
einen zersetzten Stoff erzeugt, das Kindbettfieber steht zum
Rothlauf und seinen Folgen in derselben Beziehung, wie zu
jeder faulen Leiche. Wenn die englischen Aerzte ausser dem
Puerperalfieber selbst nur noch den Rothlauf und seine Fol-
gen als Quellen des zersetzten Stoffes, welcher das Kindbett-
fieber hervorbringt, anerkennen, so ziehen sie die Grenzen
viel zu enge, wie ja schon die oben angeführten Daten be-
weisen; es war ja nicht alles Rothlauf, woher der Stoff ge-
[195] nommen wurde für die oben aufgezählten Fälle von Kindbett-
fieber.
Das Kindbettfieber ist demnach dieselbe Krankheit, wel-
che bei Chirurgen, bei Anatomen, welche nach chirurgischen
Operazionen entsteht, das Kindbettfieber ist demnach die-
selbe Krankheit, wenn männlichen oder weiblichen Indivi-
duen ein zersetzter Stoff in den Kreislauf gebracht wird.
Durch die Epidermis oder durch eine dicke Schichte des
Epitheliums hindurch ist dieser zersetzte Stoff nicht resorbir-
bar, bei Chirurgen, bei Anatomen muss eine Verletzung vor-
ausgehen.
Kolletschka hat als tüchtiger pathologischer Anatom
unzählige Male seine Hände mit zersetzten Stoffen verunrei-
niget gehabt und blieb gesund, durch den Stich wurde die
Resorbtion ermöglicht, wir wissen welche Krankheit die
Folge davon war.
Die Resorbtionsstelle kann jeder Punkt des Körpers sein,
welcher von Epidermis, von Epithelium entblösst wird.
Bei Schwangeren, Kreissenden, Wöchnerinnen haben
wir eine Stelle des Körpers, welche keine Epidermis, welche
kein Epithelium besitzt, und das ist die innere Fläche des
Uterus; vom innern Muttermunde angefangen nach aufwärts,
das ist die Resorbtionsstelle für den zersetzten Stoff, welcher
das Kindbettfieber hervorbringt. Wurden durch die Geburt
Verletzungen bedingt, so kann jede Stelle der Genitalien, ja
jede Stelle des ganzen Körpers, welche wund ist, zur Re-
sorbtionsstelle werden.
Wir haben früher erwähnt, dass die äusseren Genitalien
zweier Wöchnerinnen im Schuljahre 1857/8 an der geburts-
hilflichen Klinik zu Pest gangraenös wurden; eine dieser
Wöchnerin zur Pflege zugetheilte Schülerin hatte eine kleine
Hautabschürfung auf einem Finger, in Folge einer Verletzung
mit einer Nadel, sie bekam Lymphangoitis mit Vereiterung
der Oxilardrüsen und machte eine mehrere Monate dauernde
schwere Krankheit durch.
13 *
[196]
Da nun die Individuen in den Gebärhäusern in der Re-
gel ausserhalb der Genitalsphäre keine zur Resorbtion geeig-
nete Stelle darbieten, so muss nothwendiger Weise der zer-
setzte Stoff, welcher die Eigenschaft besitzt, das Kindbettfie-
ber hervorzubringen, den Individuen in die Genitalien einge-
bracht werden; da nun aber die Kleider des Geburtshelfers
nicht in die Genitalien der Individuen eingebracht werden, so
ist die Sitte der Engländer, die Kleider zu wechseln, um das
Kindbettfieber nicht durch die Kleider zu verschleppen, eine
zwar unschädliche, aber überflüssige Vorsicht. Ich und die
Schüler haben im Jahre 1848 zu Wien unsere Kleider nach
Beschäftigungen mit solchen Dingen, welche die Eigenschaft
besitzen, das Kindbettfieber hervorzubringen, nicht gewech-
selt, wir haben nur unsere Hände der Einwirkung des Chlors
ausgesetzt, und haben im Jahre 1848 von 3556 Wöchnerinnen
nur 45, d. i. l.27 Percent am Kindbettfieber verloren.
In den oben angeführten Fällen, wo der Geburtshelfer,
ohne die Kleider gewechselt zu haben, gesunde Kreissende
besuchte, welche dann am Kindbettfieber gestorben sind, wa-
ren gewiss nicht die Kleider, sondern seine Hände die Träger
des zersetzten Stoffes, welche, weil sie nicht gewechselt wer-
den konnten, desinficirt hätten werden sollen. Wenn durch
die angeführten Beschäftigungen die Kleider mit zersetzten
Stoffen verunreiniget wurden, so wurden es die Hände ge-
wiss noch mehr, und mit diesen Händen wurde innerlich un-
tersucht.
Damit das Kindbettfieber entstehe, ist es Conditio sine
qua non, dass der zersetzte Stoff in die Genitalien einge-
bracht werde, und mit von zersetzten Stoffen verunreinigten
Händen können die Individuen in- und ausserhalb der Gebär-
häuser allen möglichen medicinischen Untersuchungen, mit
Ausnahme der Exploratio obstetricia interna unterworfen
werden, ohne dadurch auch nur der geringsten Gefahr ausge-
setzt zu sein.
Dass die Epidermis die Resorbtion des zersetzten Stoffes
[197] verhindere, beweist ja der Umstand, dass der Geburtshelfer,
unbeschadet seiner Gesundheit, den zersetzten Stoff Stunden
und Tage lang an seiner Hand herumträgt, welcher Stoff
durch die innere Untersuchung mit der inneren Fläche des
Uterus für Augenblicke in Berührung gebracht, resorbirt
wird, und dadurch das Kindbettfieber hervorbringt.
Die Hände der Anatomen sind ja oft stundenlang in Be-
rührung mit faulen Leichen und bleiben gesund, wird aber
die Epidermis durch Verletzung entfernt, so entsteht die
Krankheit, welche wir bei Kolletschka, welche wir bei der
Schülerin gesehen.
Vermöge der Lage der Zimmer der ersten Gebärklinik
wurde die allgemeine Visite zweimal täglich in folgender Ord-
nung gehalten: zuerst war Visite auf dem Kreissezimmer,
dann wurde die Hälfte der gesunden Wöchnerinnen besucht,
dann wurde Visite in den Krankenzimmern gemacht, und nun
wurde die Visite mit der Besichtigung der zweiten Hälfte der
gesunden Wöchnerinnen geschlossen.
Wenn wir uns auch auf dem Krankenzimmer die Hände
von Seite der kranken Wöchnerinnen verunreinigten, so fühl-
ten wir den gesunden Wöchnerinnen der zweiten Hälfte, ohne
uns früher in Chlor gewaschen zu haben, den Puls, wir be-
fühlten äusserlich den Bauch, mit einem Worte, wir machten
alle nöthigen medicinischen Untersuchungen, mit Ausnahme
der Exploratio obstetricia interna, und wir haben dadurch
das Kindbettfieber nicht vervielfältigt, denn wir verloren im
Jahre 1848 von 3556 Wöchnerinnen nur 45, d. i. l.27 Percent.
Das Kindbettfieber kann daher durch die äussere unver-
letzte Oberfläche des Körpers nicht aufgenommen werden,
es wird demnach nicht nach Art der Blattern dadurch fortge-
pflanzt, dass die äussere Oberfläche eines gesunden Indivi-
duums in den Dunstkreis eines kranken Individuums kömmt.
Wenn aber die Exhalationen kranker Individuen mit der
atmosphärischen Luft in die Uterushöhle eindringen, dann
entsteht allerdings das Kindbettfieber.
[198]
Wir haben uns früher dahin ausgesprochen, dass der Ge-
brauch der Engländer, nach dem Besuche einer kranken
Wöchnerin die Kleider vor dem Besuche einer gesunden
Wöchnerin zu wechseln, eine zwar unschädliche, aber über-
flüssige Vorsicht sei, weil die Kleider, welche mit einem zer-
setzten Stoffe verunreiniget sind, nicht dorthin kommen, wo
die Resorbtion im normalen Zustande geschieht, nämlich in die
Uterushöhle, die Kleider könnten nur dadurch das Kindbett-
fieber hervorbringen, dass deren Exhalationen mit der atmo-
sphärischen Luft in die Gebärmutterhöhle dringen; in dem
Grade dürften aber die Kleider nicht leicht verunreinigt sein,
um das besorgen zu müssen; wir haben in Wien nie die Klei-
der gewechselt, und ich thue es auch jetzt nicht. Die Kleider
könnten auch dadurch zur Entstehung des Kindbettfiebers
Veranlassung geben, dass z. B. der Aermel des Rockes, wenn
er mit zersetzten Stoffen verunreiniget ist, bei der inneren
Untersuchung einer Wöchnerin mit den durch die Geburt ver-
letzten Genitalien in Berührung kommt; ein Ereigniss, wel-
ches gewiss nicht täglich geschieht.
In diesem Sinne können allerdings auch die Kleider
schädlich werden, aber gewiss nicht in dem Sinne der Eng-
länder, welche glauben, das Puerperal-Contagium könne, so
wie das Blattern-Contagium, mit den Kleidern zu einer ge-
sunden Wöchnerin getragen werden, welche es dann, wie das
Blattern-Contagium, durch die äussere Oberfläche ihres Kör-
pers in sich aufnimmt, und dadurch ebenfalls vom Kindbett-
fieber befallen werden.
Im normalen Zustande ist nur die innere Fläche des Ute-
rus das Atrium für das Puerperalfieber, durch Wundwerden
kann jede Stelle des Körpers zum Atrium werden.
Wenn englische Aerzte das Unglück haben, mehrere
Wöchnerinnen am Kindbettfieber zu verlieren, so begnügen
sich selbe mit den Chlorwaschungen nicht, sondern sie setzen
ihre geburtshilfliche Praxis für einige Wochen aus, oder un-
[199] ternehmen eine mehrwöchentliche Reise, um vom Puerperal-
Contagium gänzlich gereinigt zu werden. Wir zerstören den
zersetzten Stoff durch Chlorwaschungen und halten diese Des-
infection für hinreichend.
Wir hatten in Wien im Monat April 1847 57 Wöch-
nerinnen von 312, also 18.27 Percent am Kindbettfieber ver-
loren, im Mai 1847 36 Wöchnerinnen von 294, also 12.24 Per-
cent; wir haben Mitte Mai die Chlorwaschungen eingeführt,
mit welchem Erfolge ist dem Leser bekannt, ohne unsere oder
der Schüler Verwendung im Gebärhause unterbrochen zu
haben.
Ich glaube hiemit den Unterschied zwischen meiner An-
sicht vom Kindbettfieber und der Ansicht englischer Aerzte,
und über die Weiterverbreitung der Krankheit hinreichend
deutlich gegeben zu haben.
Um Wiederholungen zu vermeiden, habe ich zur Erörte-
rung dieser Gegenstände diese Stelle der Schrift gewählt, ob-
wohl hier von andern Dingen die Rede ist.
Wenn es früher räthselhaft war, wie eine epidemische
Krankheit auch auf traumatischem Wege hervorgebracht wer-
den könne, so ist es jetzt, nachdem wir wissen, dass das
Puerperalfieber durch Resorbtion eines zersetzten Stoffes ent-
stehe, kein Räthsel mehr.
In Folge einer schweren Zangenoperation werden durch
Quetschung Stellen der Genitalien necrotisch, diese necroti-
schen Theile, wenn resorbirt, erzeugen das Kindbettfieber
durch Selbstinfection.
Dass die grosse Sterblichkeit der Wöchnerinnen am
Kindbettfieber nicht durch atmosphärische Einflüsse, sondern
durch Einbringung eines zersetzten Stoffes von aussen bedingt
sei, beweiset die geographische Verbreitung des Kindbettfie-
bers. Litzmann*) sagte Seite 129 von der geographischen
[200] Verbreitung des Kindbettfiebers Folgendes: »Die meisten der
uns bekannten Epidemien sind auf das mittlere Europa be-
schränkt. Die Notizen über aussereuropäische Epidemien sind
sehr dürftig; es gehören dahin die Bemerkungen über das
Kindbettfieber in Philadelphia von Hodge, und in Jerusalem
von Scholz. Im Allgemeinen scheinen die kälteren und feuch-
teren Länder vorzugsweise heimgesucht, z. B. England, das
noch mehr als Frankreich dieser Plage unterworfen ist, eben
so die Städte, die an den Ufern grosser Flüsse liegen, z. B.
Wien. Dagegen erkranken z. B. in Sicilien, nach Brydone’s
Berichten, die Frauen sehr selten nach der Entbindung; Sa-
vary sagt in seinen Briefen über Egypten, die Milchkrank-
heiten seien dort gänzlich unbekannt, und Dr. Salles ver-
sichert, während seines dreijährigen Aufenthaltes in Südame-
rika daselbst kein Puerperalfieber gesehen zu haben. Doch
sind diese Angaben zu unvollständig, um Schlüsse darauf zu
bauen. Wahrscheinlich ist das Kindbettfieber über die ganze
Erde verbreitet, und sein mehr oder minder häufiges Vorkom-
men weniger von dem Klima, als von dem Vorhandensein oder
Fehlen grösserer Städte, und namentlich grösserer Entbin-
dungsanstalten abhängig.«
Durchdrungen von der Ueberzeugung, dass das Kind-
bettfieber durch die Resorbtion eines zersetzten Stoffes ent-
stehe, interpretire ich diese Aeusserungen Litzmann’s über
die geographische Verbreitung des Kindbettfiebers folgender-
weise: »Gewiss kömmt das Kindbettfieber über die ganze
Erde verbreitet in seltenen Fällen in Folge von Selbstinfection
vor. Gewiss kömmt das Kindbettfieber in einzelnen Fällen
über die ganze Erde verbreitet in Folge von Infection von
aussen dadurch vor, dass es über die ganze Erde verbreitet
Kranke gibt, deren Krankheiten einen zersetzten Stoff erzeu-
gen, und weil es über die ganze Erde verbreitet Medicinal-
Individuen männlichen und weiblichen Geschlechtes gibt,
welche sich mit solchen Kranken und mit Schwangern, Kreis-
senden und Wöchnerinnen beschäftigen.
[201]
Gewiss würde das Kindbettfieber in grosser Anzahl über
die ganze Erde verbreitet vorkommen, wenn über die ganze
Erde verbreitet den Individuen in grosser Anzahl ein zersetz-
ter Stoff von aussen eingebracht würde. Das geschieht aber
nur im mittleren Europa. Im mittleren Europa ist Veranlas-
sung zur Beschäftigung mit zersetzten Stoffen, im mittleren
Europa ist Gelegenheit in den Gebärhäusern vielen Individuen
gleichzeitig den zersetzten Stoff einzubringen. Das Kindbett-
fieber ist vorzüglich an grössere Städte deshalb gebunden, weil
die grossen Gebärhäuser sich in grossen Städten befinden,
dass die Städte selbst es nicht sind, welche das Kindbettfieber
hervorbriugen, beweiset ja der Umstand, dass man das Kind-
bettfieber in den Gebärhäusern dadurch unterdrücken kann,
dass man nach Schliessung der Gebärhäuser die Individuen
in der Stadt entbinden lässt.
Dass die Puerperal-Epidemien in Wien nicht deshalb ent-
standen sind, weil Wien an den Ufern eines grossen Flusses
liegt, geht daraus hervor, dass den furchtbaren Wiener Puer-
peral-Epidemien 25 Jahre vorausgegangen sind, in welchen
nicht eine Wöchnerin von hundert im Gebärhause starb; ob-
wohl während dieser 25 Jahre Wien an den Ufern desselben
grossen Flusses lag; durch die Einführung der Chlorwaschun-
gen ist die Donau nicht ausgetrocknet worden; aber die Epi-
demien haben aufgehört. Wenn die Donau die Epidemien in
Wien hervorgebracht hätte, wo liegt denn der Grund, dass
die Donau das nur in Wien thut und nicht in allen Orten, die
an seinen Ufern liegen vom Ursprunge bis zur Mündung?
Wenn in Sicilien, in Egypten, in Südamerika das Kind-
bettfieber nicht vorkommt, so kommt es gewiss nicht deshalb
nicht vor, weil in Sicilien, in Egypten, in Südamerika Was-
sermangel herrscht, sondern deshalb, weil in Sicilien, in
Egypten, in Südamerika die Anatomie in ihren Zweigen, und
die anatomische Richtung der Medicin noch nicht die Triumphe
gefeiert, welche den Stolz der Wiener Schule und das Un-
glück des Wiener Gebärhauses bilden.
[202]
Die veröffentlichten Rapporte der englischen Gebärhäu-
ser weisen eine durchschnittliche Sterblichkeit von 1 Percent
aus; die französischen eine von 4 Percent; es ist mithin un-
richtig, wenn Litzmann sagt, dass England mehr als Frank-
reich der Plage des Kindbettfiebers unterworfen sei.
Dass das Kindbettfieber nicht durch atmosphärische Ein-
flüsse, sondern durch die Aufnahme eines zersetzten Stoffes
entstehe, beweist die Geschichte des Kindbettfiebers. Litz-
mann sagt in seiner Geschichte des Kindbettfiebers, in wel-
cher alle Puerperal-Epidemien bis zum Jahre 1841 aufgezählt
werden, Folgendes: »Soweit die vorliegenden historischen
Documente ein Urtheil gestatten, ist das Kindbettfieber erst
eine Krankheit der neueren Zeit. Die von Hippocrates mitge-
theilten Krankheitsfälle, die man gewöhnlich als solche in
Anspruch nimmt, gehören nicht dahin. Es sind nur Beispiele
der damals herrschenden biliösen Fieber, die sich bei den
Wöchnerinnen nicht anders verhielten, als bei Nichtwöchne-
rinnen und Männern, und von Hippocrates selbst nirgends
als besondere und eigenthümliche Krankheiten bezeichnet wer-
den. Schmerzen im rechten Hypochondrium, galliger Durch-
fall und galliges Erbrechen, Kopfschmerz mit Delirium oder
Sopor, Fieber mit mehr oder minder häufigen unregelmässi-
gen Frostanfällen bilden bei Allen die hervorstehenden Symp-
tome; kaum dass bei den Wöchnerinnen die Störung in den
Wochensecretionen einen Unterschied begründet; denn nur
bei dreien finden wir eine Unterdrückung der Lochien, und
bei zweien derselben Schmerzen in der Uteringegend erwähnt.
Die wiederholten Fröste, von denen einige der Kranken be-
fallen wurden, haben in der neuesten Zeit Helm bestimmt,
in der geschilderten Krankheit eine Metrophlebitis zu er-
blicken.
(Allein es ist mindestens zweifelhaft, ob man aus diesem
einzelnen Symptome mit solcher Sicherheit auf Phlebitis schlies-
sen darf, wenn die Diagnose nicht durch andere Zeichen un-
terstützt wird, und namentlich der Bestätigung durch die
[203] Section ermangelt. Auf Metrophlebitis kann es hier um so
weniger bezogen werden, als es, abgesehen von den ganz feh-
lenden, oder höchst unbedeutenden Erscheinungen eines Ute-
rinleidens, auch bei Männern beobachtet wurde. (Epid.
lib. III. sect. II. aeger nr. 5, sect. III. aeger nr. 3.) Sollen
die Fröste daher von einer Venenentzündung abhängig ge-
macht werden, so könnten wir nach den vorhandenen Er-
scheinungen den Sitz derselben hier nirgends anders, als im
Gefässsysteme der Leber suchen. (Hippocrates, Epidem. lib. I.
sect. III. aegra nr. 4, 5, 11, lib. III. sect. II. aegra nr. 10,
11, 12, sect. III. aegra nr. 2, 14.)
(Den ersten, wiewohl noch undeutlichen Spuren des Kind-
bettfiebers begegnen wir in der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts im Hôtel-Dieu zu Paris. Peu erzählt, dass in dem
gedachten Hospitale die Sterblichkeit unter den Neuentbun-
denen sehr gross gewesen sei, und zwar zu gewissen Zeiten
und in gewissen Jahresabschnitten mehr, als in andern. Be-
sonders verheerend zeigte sich das Jahr 1664. Vesou, der
Arzt des Hospitals, schrieb den Grund dieser auffallenden
Sterblichkeit dem Umstande zu, dass die Wochenzimmer ge-
rade über dem Saale der Verwundeten lagen. Die Sterblich-
keit der Wöchnerinnen stand im geraden Verhältnisse mit der
Zahl der Verwundeten. Durch feuchte, warme sowohl als
kalte Witterung wurde sie gesteigert, bei trockener änderte
sie sich. Mit der Verlegung der Wöchnerinnen in den unteren
Stock erlosch die Krankheit. Die Beschreibung derselben ist
höchst mangelhaft, es wird nur gesagt, dass die Kranken bis
zu ihrem Ende an Blutungen gelitten hätten, und dass man
bei der Section die Leichen voller Abscesse gefunden habe.«
Noch genauere Aufschlüsse über das Hôtel-Dieu und die
Ursache des daselbst herrschenden Kindbettfiebers gibt uns
Osiander in seiner oben citirten Schrift. Seite 243 sagt er:
»In dem merkwürdigen Berichte, welchen Tenon im Jahre
1788 von den Hospitälern in Paris der Regierung abstat-
[204] tete*), liest man Seite 241 u. f., dass die Unterleibsentzün-
dung, »la fièvre puerperale«, wie der Verfasser die Krankheit
immer nennt, seit dem Jahre 1774 alle Winter unter den
Wöchnerinnen des Hôtel-Dieu gewüthet habe, und dass zu
manchen Zeiten von 12 Wöchnerinnen 7 von dieser furchtba-
ren Krankheit befallen worden seien. Um dies nicht auffal-
lend zu finden, muss man wissen, in welchem bedauerungs-
würdigen Zustande die Wöchnerinnen und die Schwangeren
sich damals im Hôtel-Dieu befanden. In niedrigen und schma-
len Sälen der oberen Etage, die mit Betten überfüllt waren,
eingeschlossen, traf es sich nicht selten, dass drei Wöchne-
rinnen in einem vier Fuss breiten Bette neben einander zu lie-
gen kamen, denn im Jahre 1786 lagen in 67 nicht übermäs-
sig breiten Betten 175 Schwangere und Neuentbundene und
16 Aufwärterinnen. Ueberdies befanden sich die Säle der
Wöchnerinnen über anderen Krankensälen des Hôtel-Dieu,
und wenn auch die Verwundeten damals schon nicht mehr wie
ehemals**) unter den Sälen der Wöchnerinnen lagen, so darf
man doch annehmen, dass schon die Nähe der grossen Kran-
kensäle zur Verderbniss der Luft und zur Erzeugung gefähr-
licher Miasmen in den Sälen der Wöchnerinnen beigetragen
habe etc. etc.«
Also die erste Kindbettfieber - Epidemie, die man als
solche anerkennt, ist nicht durch atmosphärische Einflüsse,
sondern so wie ich es lehre, entstanden, und wenn sich auch
kein Historiograph gefunden, der uns die Geheimnisse der
übrigen unzähligen Puerperalepidemien enthüllt, so liefert
doch die Geschichte des Kindbettfiebers, wenige Epidemien
[205] ausgenommen, die Sectionsbefunde der betreffenden Epide-
mien, und dadurch die Quelle, aus welcher die Epidemien ihre
Existenz gefristet. Ich habe nachgewiesen, aus welchen Ver-
hältnissen die Epidemien des Wiener Gebärhauses, das Ge-
bärhauses zu St. Rochus und der geburtshilflichen Klinik in
Pest entsprungen sind. Durch diese Schrift aufmerksam ge-
macht, dürften die Geheimnisse der Epidemien so mancher
Gebärhäuser enthüllt werden.
Die Geschichte der Puerperalfieber-Epidemien des Wie-
ner Gebärhauses liefert den Beweis, dass die Häufigkeit und
Bösartigkeit der Epidemien im geraden Verhältnisse stand
mit der Entwicklung und Ausbildung der anatomischen Rich-
tung der Medicin.
Boer trat im Jahre 1789 sein Lehramt an, und erhielt im
Jahre 1822 einen Nachfolger in Prof. Klein, nachdem Boer,
der Reformator der Geburtshilfe, der Verfasser der natürli-
chen Geburtshilfe, entmuthigt durch die damals für enorm ge-
haltene Sterblichkeit, sein Lehramt frühzeitig verlassen; und
doch hatte Boer 21 Jahre nicht eine Wöchnerin von 100 ver-
loren. 6 Jahre war die Sterblichkeit 1 von 100, 4 Jahre 2 von
100, 1 Jahr 3 und 1 Jahr 4 von 100.
In welch schreckenerregender Weise hat sich nach dieser
Zeit selbst während der 12 Jahre nach Einführung der Chlor-
waschungen in Folge der anatomischen Richtung der Medicin
die Sterblichkeit gesteigert! Von 1822 angefangen bis inclu-
sive 1858 war die Sterblichkeit 1 Jahr 0 Percent, 3 Jahre
1 Percent, 6 Jahre 2 Percent, 4 Jahre 3 Percent, 6 Jahre
4 Percent, 4 Jahre 5 Percent, 3 Jahre 6 Percent, 4 Jahre
7 Percent, 5 Jahre 8 Percent, 1 Jahr 12 Percent.
Die Geschichte der Puerperal-Epidemien zeigt, dass die
Epidemien vorzüglich an Gebärhäuser gebunden sind; wenn
demnach in Gebärhäusern, welche sich in grosser Entfernung
von einander befinden, gleichzeitig das Kindbettfieber herrscht,
z. B. in Paris und Wien, so ist das nicht dadurch zu erklä-
ren, dass die atmosphärisch-cosmisch-tellurischen Einflüsse
[206] von Paris bis Wien reichen, sondern dadurch, dass die Indi-
viduen im Pariser und Wiener Gebärhause gleichzeitig inficirt
werden. Wenn es wirklich atmosphärische Einflüsse wären,
welche von Paris bis Wien reichen, so würden ja nicht blos
die Wöchnerinnen des Pariser und Wiener Gebärhauses er-
kranken, sondern die Wöchnerinnen der zwischen Paris und
Wien wohnenden Bevölkerung müssten das gleiche Schicksal
theilen; dem widerspricht aber die Erfahrung, welche lehrt,
dass selbst die Wöchnerinnen der Stadt sich eines guten Ge-
sundheitszustandes erfreuen, in dessen Gebärhaus die Wöch-
nerinnen dem Kindbettfieber in grosser Anzahl zum Opfer
fallen.
Für unsern Zweck ist es vollkommen gleichgiltig, ob die
bei Hippocrates angeführten Fälle Kindbettfieber waren oder
nicht. Bei Hippocrates handelt es sich um wenige Fälle, und
diese wenigen Fälle konnten durch Selbstinfection entstanden
sein; oder wenn es Fälle von Infection von aussen waren, so
hat es ja auch zu Hippocrates’ Zeiten Kranke gegeben, deren
Krankheiten einen zersetzten Stoff erzeugten, und es hat
auch zu Hippocrates’ Zeiten Medicinal-Individuen männli-
chen und weiblichen Geschlechtes gegeben, welche sich mit
derartigen Kranken und gleichzeitig mit Schwangeren, Kreis-
senden und Wöchnerinnen beschäftigten, wodurch die Infec-
tion von aussen geschehen konnte. Uebrigens sagt Boer*) im
zweiten Bande Seite 3 von Hippocrates Folgendes: »Man be-
wundert mit einer Art von Erstaunen und Verehrung, wenn
man Puerperalfieber behandelt, die daran Verstorbenen öffnet,
und den Gang der Krankheiten und das im Cadaver Aufgefun-
dene mit dem zusammenhält, was Hippocrates vor mehr als
2000 Jahren so treulich und treffend davon angeführt hat.
»Wäre jedem Jahrhunderte anstatt so vieler Systemge-
[207] lehrten nur ein solcher beobachtender Arzt geworden, wie
viel würde die Menschheit und die Animalität überhaupt da-
bei gewonnen haben.
»Das »Buch von den Krankheiten der Weiber« enthält
vom 60. bis fast zum Paragraph 90 eine historische Beschrei-
bung nach allen jenen Formen, unter welchen meistens Puer-
peralfieber in sporadischen Fällen vorzukommen pflegt; und
im »Buche von herrschenden Volkskrankheiten« sind einige
Beobachtungen darüber, wie es epidemisch vorkömmt, so ge-
nau und meisterhaft aufgezeichnet, wie sie es nicht richtiger
sein könnten, wären sie erst gestern am Krankenbette und
Oeffnungstische aufgenommen worden etc. etc.«
Meine aus dem Erfolge der Chlorwaschungen geschöpfte
Ueberzeugung, dass es nie ein durch atmosphärische Einflüsse
bedingtes Kindbettfieber gegeben, dass folgerecht die endlose
Reihe der Puerperal-Epidemien, wie solche in der medici-
nischen Literatur aufgezählt wird, lauter verhütbare Infec-
tionsfälle von aussen waren, wurde durch die Lectüre der Ge-
schichte des Kindbettfiebers vollkommen bestätiget.
Wir wollen nun alle Gründe in Kürze recapituliren,
welche mir die Ueberzeugung aufgedrungen haben, dass es
keine atmosphärisch-cosmisch-tellurischen Einflüsse gebe,
welche geeignet wären, das Kindbettfieber hervorzubringen,
und dass es deren nie gegeben. Wir wollen in Kürze die
Gründe recapituliren, welche mir die Ueberzeugung aufge-
drungen haben, dass die grosse Sterblichkeit, welche man
epidemischen Einflüssen zuschrieb, bedingt sei und war durch
die Aufnahme eines zersetzten Stoffes in den Kreislauf der
Individuen, und dass, die Fälle von Selbstinfection ausgenom-
men, dieser zersetzte Stoff den Individuen von aussen einge-
bracht werde. Dass demnach die endlose Reihe der sogenann-
ten Epidemien, wie solche in der medicinischen Literatur an-
geführt werden, lauter verhütbare Infectionsfälle von aussen
waren.
Der wichtigste Grund ist, dass es mir an drei Anstalten
[208] gelungen ist, durch Zerstörung des beschuldigten zersetzten
Stoffes das Kindbettfieber auf eine im Vergleiche mit früher
geringe Zahl zu beschränken, welches offenbar nicht gelun-
gen wäre, würde das Kindbettfieber durch atmosphärische
Einflüsse bedingt gewesen sein.
Wenn es mit dem Begriffe des atmosphärischen Kind-
bettfiebers nicht recht im Einklange war, dass das Kind-
bettfieber in grosser Anzahl zu jeder Jahreszeit vorgekom-
men ist, und auch zu jeder Jahreszeit wieder nicht; dass
es in grosser Anzahl in jedem Klima vorgekommen und nicht
vorgekommen; so ist, sobald man weiss, dass das Kind-
bettfieber durch Infection von aussen entstehe, die Sache sehr
klar.
In jeder Jahreszeit, in jedem Klima können die Indivi-
duen von aussen inficirt werden und auch nicht.
Wenn es durch atmosphärische Einflüsse nicht zu erklä-
ren ist, warum Gebärhäuser durch eine lange Reihe von Jah-
ren vom sogenannten epidemischen Kindbettfieber verschont
sind, während sie später durch eine lange Reihe von Jahren
alljährlich vom sogenannten epidemischen Kindbettfieber heim-
gesucht werden: so ist die Erklärung nicht schwierig, sobald
man weiss, dass zur Zeit des günstigen Gesundheitszustandes
den Bewohnern des Gebärhauses selten zersetzte Stoffe von
aussen eingebracht wurden, während sich später die Verhält-
nisse derart änderten, dass die Einbringung des zersetzten
Stoffes ungewöhnlich häufig geschehen. Wenn es durch atmo-
sphärische Einflüsse nicht zu erklären ist, wie es denn komme,
dass ein Gebärhaus, welches durch lange Jahre alljährlich
regelmässig vom sogenannten epidemischen Kindbettfieber
heimgesucht war, nun wieder jahrelang von demselben ver-
schont bleibt, so ist die Sache sehr klar, nachdem man weiss,
dass sich die Verhältnisse des Gebärhauses derart ändern kön-
nen, dass den Individuen nur selten, während früher häufig
ein zersetzter Stoff eingebracht wurde; diese Verhältnisse kön-
nen sich dadurch ändern, dass seltener die Hände der Unter-
[209] suchenden verunreiniget werden, oder dass die untersuchen-
den Hände gereiniget werden.
Wenn durch atmosphärische Einflüsse der differente Ge-
sundheitszustand zweier Abtheilungen einer und derselben
Anstalt nicht erklärt werden kann, so ist der differente Ge-
sundheitszustand sehr begreiflich, wenn man weiss, dass an
einer Abtheilung selten, während auf der andern häufig den
Individuen ein zersetzter Stoff von aussen eingebracht wird.
Wenn es durch atmosphärische Einflüsse nicht erklärt
werden kann, wie es denn komme, dass die Wöchnerinnen in
der Stadt gesund sind, während die Wöchnerinnen im Ge-
bärhause derselben Stadt vom epidemischen Kindbettfieber
dahingerafft werden, und wie es denn komme, dass man die
zu Entbindenden dadurch rettet, dass man durch Schliessen
des Gebärhauses sie zwingt, in der Stadt zu entbinden, des-
sen Gebärhaus in Folge atmosphärischer Einflüsse einen
schlechten Gesundheitszustand darbot; so ist alles wohl er-
klärt, wenn man weiss, dass vermöge der Verhältnisse in der
Stadt seltener, in den Gebärhäusern viel häufiger den Indivi-
duen ein zersetzter Stoff von aussen beigebracht wird. Wenn
es durch atmosphärische Einflüsse nicht erklärt werden kann,
wie es denn komme, dass mehrere Gebärhäuser einer und
derselben Stadt einen differenten Gesundheitszustand gleich-
zeitig haben können, so ist die Sache sehr klar, da man nun
weiss, dass das Kindbettfieber durch Einbringung zersetzter
Stoffe entstehe; in den verschiedenen Gebärhäusern einer und
derselben Stadt wird den Individuen in verschiedener Aus-
dehnung der zersetzte Stoff von aussen eingebracht.
Wir haben gesehen, dass an der ersten Gebärklinik zu
Wien die Sterblichkeit durch sechs Jahre dreimal so gross
war, als an der zweiten Gebärklinik, obwohl beide Abthei-
lungen nur durch ein gemeinschaftliches Vorzimmer getrennt
waren. In Strassburg waren zwei Abtheilungen durch ein
Zimmer getrennt, welches die Betten der Hebammen-Schüle-
Semmelweis, Kindbettfieber. 14
[210] rinnen enthielt, und beide hatten ebenfalls eine auffallende
differente Sterblichkeit.
In der Maternité wüthete das Kindbettfieber schon Ende
des vorigen Jahrhundertes, in Wien begann es erst mit dem
Jahre 1823, in Dublin war innerhalb 98 Jahren nur in zwei
Jahren die Sterblichkeit drei Percent; in sieben Gebärhäu-
sern in England, Irland und Schottland war die Sterblichkeit
durchschnittlich nur ein Percent.
Wie kann die Lehre des epidemischen Kindbettfiebers,
in welcher es heisst, dass die atmosphärischen Einflüsse,
welche das Kindbettfieber hervorbringen, sich über ganze
Länderstrecken verbreiten, ja über den ganzen Continent, so
zwar, dass, über den ganzen Continent verbreitet, in Folge
atmosphärischer Einflüsse gleichzeitig das Kindbettfieber
herrsche, wie kann diese Lehre mit den angeführten Daten
über das Vorkommen des Kindbettfiebers in Einklang ge-
bracht werden?
Was hat die atmosphärischen Einflüsse, welche schon
Ende des verflossenen Jahrhunderts in Paris unter den Wöch-
nerinnen der Maternité wütheten, bis zum Jahre 1823 verhin-
dert, sich bis nach Wien zu erstrecken, welches Hinderniss
wurde mit dem Jahre 1823 von den atmosphärischen Einflüs-
sen überwunden, da selbes sich von da ab noch fürchterlicher
in Wien zeigte als in Paris? Wie kommt es, dass die atmo-
sphärischen Einflüsse, welche endlich sich bis Wien erstrecken
konnten, dass diese atmosphärischen Einflüsse England, Schott-
land und Irland schon so abgeschwächt erreichten, dass es
ihnen nicht möglich war, dort ihre volle Energie wie zu Paris
und Wien zu entwickeln?
Welches Bewandtniss hat es mit dem gemeinschaftlichen
Vorzimmer der beiden Wiener Kliniken, welches die zweite
Abtheilung vor Einflüssen, die sich über Länderstrecken aus-
breiten, mit solchem Erfolge beschützte?
Worin liegt der Grund, dass das Zimmer zu Strassburg,
welches die Betten der Schülerinnen enthielt, dasselbe leistete?
[211]
Wie kann man Individuen vor Einflüssen, die sich über
ganze Länderstrecken ausbreiten, durch Schliessen der Ge-
bärhäuser schützen?
Sobald man weiss, dass das Kindbettfieber durch Ein-
bringung eines zersetzten Stoffes von aussen entstehe, ist die
Erklärung leicht gegeben. In der Maternité zu Paris wurden
schon Ende des vorigen Jahrhunderts vermöge des Unter-
richtssystems der Individuen zersetzte Stoffe eingeführt, in
Wien begann es mit dem Jahre 1823, von da ab wurden gleich-
zeitig in Wien und Paris den Individuen zersetzte Stoffe ein-
gebracht, in England, Schottland und Irland geschah dies
aus Gründen, welche wir oben sehr weitläufig auseinanderge-
setzt haben, nie in dieser Ausdehnung und daher der bessere
Gesundheitszustand. Die für eine Abtheilung schützende Kraft
des Wiener Vorzimmers und des Strassburger Zimmers mit
den Betten der Schülerinnen bestand darin, dass an einer
Seite dieser Zimmer den Individuen häufig, an der andern
aber seltener ein zersetzter Stoff von aussen eingebracht wurde.
Durch das Schliessen der Gebärhäuser werden die Individuen
dadurch gerettet, dass ihnen, wenn selbe ausserhalb des Ge-
bärhauses entbinden, seltener zersetzte Stoffe eingebracht
werden, als es der Fall gewesen wäre, falls sie im Gebärhause
geboren hätten.
Nicht atmosphärische Einflüsse sind es, welche, über
ganze Länderstrecken verbreitet, das Kindbettfieber hervor-
bringen, sondern über ganze Länderstrecken verbreitet wer-
den den Individuen von aussen zersetzte Stoffe eingebracht,
und deshalb kommt über ganze Länderstrecken verbreitet das
Kindbettfieber vor.
Zur Ehre der Geburtshelfer will ich glauben, dass noch
nie einer diese weltbekannten Daten mit der Lehre vom epi-
demischen Kindbettfieber in Einklang zu bringen versuchte,
denn ich kann nicht glauben, dass Jemand, dem es mit der
Wahrheit ernst ist, länger an die Lehre des epidemischen
Kindbettfiebers glauben kann, als bis zu dem Augenblicke, in
14 *
[212] welchem ihm die Disharmonie der Lehre mit den Daten, klar
wird. Derjenige, der trotz dieser Daten noch an das epidemi-
sche Kindbettfieber zu glauben vorgibt, der hat nicht den
Muth, die Wahrheit zu gestehen, weil er fühlt, dass mit der
Anerkennung dieser Wahrheit das Bekenntniss einer grossen
Schuld abgelegt wird. Nachdem nun einmal der Thatbestand
nicht geändert werden kann, so wird durch Verläugnung der
Wahrheit die Schuld noch vergrössert. Derjenige, welcher trotz
dieser Daten noch an das epidemische Kindbettfieber wirklich
glaubt, der hat keine Ueberzeugung, der hat keine Begriffe,
der trägt nur eingelernte Worte in seinem Gedächtnisse herum.
Die Lehre des epidemischen Kindbettfiebers erklärt das
Unbekannte wieder mit etwas Unbekanntem. Es starben Viele,
man wusste nicht warum, man erklärte es wieder mit unbe-
kannten atmosphärischen Einflüssen, man konnte keine be-
stimmten atmosphärischen Einflüsse angeben, weil das Kind-
bettfieber zu jeder Jahreszeit und in jedem Klima vorkommt
und nicht vorkommt.
Das sind meine Gründe, ich wünsche es im Interesse
der Menschheit, dass alle Betheiligten aus denselben die Ueber-
zeugung schöpfen mögen, welche ich daraus geschöpft.
Die Gründe, welche von meinen Gegnern zur Begrün-
dung der atmosphärischen Einflüsse angeführt wurden, und
welche hiermit ihre Widerlegung noch nicht gefunden, werden,
um Wiederholungen zu vermeiden, ihre Würdigung finden
bei Beurtheilung dieser Gegner.
[[213]]
Endemische Ursachen des Kindbettfiebers.
Die Ueberfüllung der Gebärhäuser ist nur bedingungs-
weise ein endemisches Moment des Kindbettfiebers, indem
in einem überfüllten Gebärhause es schwieriger ist, den
nöthigen Grad von Reinlichkeit zu erhalten; indem in einem
überfüllten Gebärhause es schwieriger ist, diejenigen In-
dividuen, welche für andere gefährlich sind, vollkommen zu
isoliren; dadurch kann die Ueberfüllung Veranlassung geben
zur Erzeugung eines zersetzten Stoffes, dadurch kann die
Ueberfüllung Veranlassung werden zur Uebertragung des zer-
setzten Stoffes auf andere Individuen. Aber wenn trotz der
Ueberfüllung der nöthige Grad der Reinlichkeit beobachtet
wird, so dass sich kein zersetzter Stoff erzeugen kann, wenn
trotz der Ueberfüllung die gefährlichen Individuen von den
übrigen hinreichend isolirt werden, oder wenn gerade zur
Zeit der Ueberfüllung keine gefährlichen Individuen sich im
überfüllten Gebärhause befinden, und dadurch die Uebertra-
gung zersetzter Stoffe auf gesunde Individuen verhütet wird;
unter solchen Voraussetzungen ist es für die im Gebärhause
Verpflegten vollkommen gleichgiltig, ob das Gebärhaus über-
füllt ist oder nicht.
Wir haben schon früher mittelst zehn Tabellen (4—13)
bewiesen, dass der günstigere oder ungünstigere Gesund-
heitszustand der an der ersten Gebärklinik zu Wien verpfleg-
ten Wöchnerinnen nicht im geraden Verhältnisse zur Ueber-
füllung der Klinik stand, wenn wir nun zu dem Zeitraume,
welchen wir bei diesen zehn Tabellen benützten, noch die
[214] 21 Monate, während welcher die Chlorwaschungen unter mei-
ner Leitung daselbst gemacht wurden, hinzufügen, so zeigt
es sich noch entschiedener, dass der günstigere oder ungün-
stigere Gesundheitszustand der Wöchnerinnen der ersten Ge-
bärklinik nicht vom Grade der Ueberfüllung abhing, indem
bei überfülltem Gebärhause der Gesundheitszustand der Wöch-
nerinnen ein günstiger und ein ungünstiger war, und indem
bei nicht überfülltem Gebärhause der Gesundheitszustand der
Wöchnerinnen ebenfalls ein günstiger und ein ungünstiger war.
Bei überfülltem Gebärhause kann mit reinen Händen un-
tersucht werden, und der Gesundheitszustand der Wöchnerin-
nen wird trotz der Ueberfüllung ein günstiger sein. Bei über-
fülltem Gebärhause kann mit verunreinigten Händen unter-
sucht werden, und was unreine Hände verschuldet, glaubt
man der Ueberfüllung zuschreiben zu müssen. Bei nicht über-
fülltem Gebärhause kann mit reinen Händen untersucht wer-
den, und der Gesundheitszustand wird ein günstiger sein, und
der Nichtüberfüllung schreibt man ein Verdienst zu, welches
ihr nicht gebührt; und bei nichtüberfülltem Gebärhause kann
mit unreinen Händen untersucht werden, und der Gesund-
heitszustand wird bei nichtüberfülltem Gebärhause ein schlech-
ter sein.
In der nun folgenden Tabelle werden wir die Monate vom
1. Jänner 1841 angefangen bis exclusive 1. März 1849, also
97 Monate, benützen, da der December des Jahres 1841 fehlt.
Im Jahre 1848 starb im Monate März von 276 und im
Monate August von 261 Wöchnerinnen keine.
Die fünf ungünstigsten Monate innerhalb dieser 97 wa-
ren solche, in welchen weniger Wöchnerinnen verpflegt wur-
den, als in den zwei günstigsten innerhalb dieser 97 Monate.
[215]
Tabelle Nr. XXXVI.
- März ... 1848 Prct.-Anthl. — Todte — Geburt. 276, Geburt. weniger
- August .. 1848 » » — » — » 261, » » —
- December 1842 » » 31.38, » 75, » 239, » » 37
- October .. 1842 » » 29.33, » 71, » 242, » » 34
- August .. 1842 » » 25.46, » 55, » 216, » » 60
- November 1842 » » 22.96, » 48, » 209, » » 67
- November 1841 » » 22.5 [...], » 53, » 235, » » 41
Innerhalb dieser 97 Monate war ein Monat die Anzahl
der Wöchnerinnen dieselbe und 62 Monate eine geringere.
Die Sterblichkeit verhielt sich bei geringerer Ueberfüllung
wie Tabelle Nr. XXXVII. zeigt.
Tabelle Nr. XXXVII.
- März .... 1848 Wöchnerin. 276, Todte keine, Prct.-Anthl. 0.00,
- August .. 1848 » 261, » — » » 0.00,
- März .... 1844 » 276, » 47, » » 17.03, Geb. gleichviele
- Februar . 1845 » 274, » 13, » » 5.11, » weniger 2
- Juni .... 1842 » 273, » 18, » » 6.60, » » 3
- December 1847 » 273, » 8, » » 2.93, » » 3
- Jänner .. 1843 » 272, » 52, » » 19.11, » » 4
- September 1846 » 271, » 39, » » 14.39, » » 5
- August .. 1844 » 269, » 17, » » 6.32, » » 7
- Juli ..... 1848 » 269, » 1, » » 0.37, » » 7
- Juni .... 1847 » 268, » 6, » » 2.38, » » 8
- December 1845 » 267, » 28, » » 10.48, » » 9
- März .... 1843 » 266, » 33, » » 12.40, » » 10
- Juni .... 1846 » 266, » 27, » » 10.15, » » 10
- November 1845 » 265, » 29, » » 10.14, » » 11
- März .... 1842 » 264, » 27, » » 10.23, » » 12
- August .. 1847 » 264, » 5, » » 1.89, » » 12
- Juni .... 1848 » 264, » 3, » » 1.13, » » 12
- Februar . 1843 » 263, » 42, » » 15.96, » » 13
- September 1847 » 262, » 12, » » 5.23, » » 14
- April .... 1845 » 260, » 11, » » 4.23, » » 16
- Februar .. 1844 » 257, » 29, » » 11.28, » » 19
- December 1844 » 256, » 27, » » 10.55, » » 20
- April ... 1841 » 255, » 4, » » 1.57, » » 21
- Mai ..... 1841 » 255, » 2, » » 0.78, » » 12
[216]
- Jänner .. 1841 Wöchnerin. 254, Todte 37, Prct.-Anthl. 14.46, Geb. weniger 22
- October .. 1846 » 254, » 38, » » 14.98, » » 22
- April .... 1846 » 253, » 48, » » 18.97, » » 23
- November 1843 » 252, » 18, » » 7.14, » » 24
- Juli ..... 1846 » 252, » 33, » » 13.10, » » 24
- August .. 1845 » 251, » 9, » » 3.58, » » 25
- October .. 1843 » 250, » 44, » » 17.60, » » 26
- Juli ..... 1847 » 250, » 3, » » 1.20, » » 26
- October .. 1844 » 248, » 8, » » 3.22, » » 28
- Mai ..... 1843 » 246, » 15, » » 6.10, » » 30
- November 1847 » 246, » 11, » » 4.47, » » 30
- September 1844 » 245, » 3, » » 1.22, » » 31
- Juli ..... 1845 » 245, » 15, » » 6.12, » » 31
- November 1845 » 245, » 27, » » 11.00, » » 31
- Jänner .. 1844 » 244, » 37, » » 15.16, » » 32
- April .... 1842 » 242, » 26, » » 10.74, » » 34
- October .. 1842 » 242, » 71, » » 29.33, » » 34
- Mai ..... 1844 » 240, » 14, » » 5.83, » » 36
- Februar .. 1841 » 239, » 18, » » 7.53, » » 37
- December 1842 » 239, » 75, » » 31.38, » » 37
- September 1845 » 237, » 25, » » 10.55, » » 39
- October .. 1841 » 236, » 26, » » 11.00, » » 40
- December 1843 » 236, » 19, » » 8.05, » » 40
- November 1841 » 235, » 53, » » 22.55, » » 41
- Juli ..... 1842 » 231, » 48, » » 20.79, » » 45
- Juni .... 1844 » 224, » 6, » » 267, » » 52
- September 1842 » 223, » 41, » » 18.38, » » 53
- August .. 1841 » 222, » 3, » » 1.35, » » 54
- September 1843 » 221, » 5, » » 2.26, » » 55
- August .. 1846 » 216, » 39, » » 18.05, » » 60
- August .. 1842 » 216, » 55, » » 25.46, » » 60
- September 1841 » 213, » 4, » » 1.87, » » 63
- November 1842 » 209, » 48, » » 22.96, » » 67
- April .... 1844 » 208, » 36, » » 17.80, » » 68
- Juli ..... 1844 » 206, » 9, » » 4.37, » » 70
- Juni .... 1841 » 200, » 10, » » 5.00, » » 76
- Juni .... 1843 » 196, » 8, » » 4.08, » » 80
- August .. 1843 » 193, » 3, » » 1.55, » » 83
- Juli ..... 1843 » 191, » 1, » » 0.52, » » 85
- Juli ..... 1841 » 190, » 16, » » 8.42, » » 86
[217]
Wenn wir aber nicht blos den Grad der Ueberfüllung,
sondern gleichzeitig die Jahreszeit berücksichtigen, so zeigt
sich, dass auch in derselben Jahreszeit, bei gleicher oder ge-
ringerer Ueberfüllung, eine auffallend grössere Sterblichkeit
vorgekommen sei, wie Tabelle Nr. XXXVIII. zeigt.
Tabelle Nr. XXXVIII.
- März.
- 1848 Wöchnerinnen 276, Todte keine,
- 1844 » 276, » 47, Perct.-Anthl., 17.03, Geburt. gleichviele
- 1843 » 266, » 33, » » 12.40, » weniger 10
- 1842 » 264, » 27, » » 10.23, » » 12
- August.
- 1848 Wöchnerinnen 261, Todte keine,
- 1845 » 251, » 9, Perct.-Anthl. 3.58, Geburt. weniger 10
- 1841 » 222, » 3, » » 1.35, » » 39
- 1842 » 216, » 55, » » 25.46, » » 45
- 1846 » 216, » 39, » » 18.05, » » 45
- 1843 » 193, » 3, » » 1 55, » » 68
Die grösste Ueberfüllung innerhalb dieser 97 Monate
war im Jänner 1849 mit 403 Wöchnerinnen, davon sind ge-
storben 9 Wöchnerinnen, also 2.23 Percent.
In 67 Monaten innerhalb der 97, war die absolute Sterb-
lichkeit grösser bei einer geringeren Anzahl von Wöchnerin-
nen, also bei einer gringeren Ueberfüllung, als bei der
grössten Anzahl von Wöchnerinnen, also bei der grössten
Ueberfüllung im Jänner 1849, wie Tabelle Nr. XXXIX.
zeigt.
Tabelle Nr. XXXIX.
Wenn wir aber die relative Sterblichkeit berücksichti-
gen, so war, mit Herzuziehung der früheren Tabelle, die rela-
tive Sterblichkeit in 77 Monaten innerhalb 97 bei einer gerin-
geren Anzahl von Wöchnerinnen, also bei einer geringeren
Ueberfüllung grösser, als bei der grössten Anzahl Wöchne-
rinnen, also bei der grössten Ueberfüllung im Monate Jänner
1849, wie Tabelle Nr. XL. zeigt.
Tabelle Nr. XL.
Während ohne Chlorwaschungen innerhalb 76 Monaten
die relative Sterblichkeit in 24 Monaten bei einer geringeren
Ueberfüllung grösser war, als bei der grössten Ueberfüllung
im Monat Jänner 1846 (Tabelle Nr. IV. und V. Seite 14) und
in 51 Monaten bei einer geringeren Ueberfüllung auch eine
geringere Sterblichkeit herrschte, wurde durch Einführung
der Chlorwaschungen die Ueberfüllung zu einer noch unbe-
deutenderen Rolle herabgedrückt, indem innerhalb 97 Mona-
ten in 77 davon die relative Sterblichkeit bei einer geringeren
Ueberfüllung grösser war, als bei der grössten Ueberfüllung
im Jänner 1849, und nur in 19 Monaten bei einer geringeren
Ueberfüllung auch eine geringere relative Sterblichkeit zu
beobachten war.
Die 19 Monate, in welchen eine geringere relative Sterb-
lichkeit bei einer geringeren Ueberfüllung zu beobachten war,
sind folgende. Siehe Tabelle Nr. XLI.
Tabelle Nr. XLI.
Wenn wir aber nicht blos den Grad der Ueberfüllung,
sondern zugleich die Jahreszeit berücksichtigen, so zeigt sich,
dass mit Ausnahme der beiden Monate März und April, in
den übrigen zehn Monaten des Jahres die grösste absolute
Sterblichkeit nicht gleichzeitig mit der grössten Ueberfüllung
stattfand, wie Tabelle Nr. XLII. zeigt.
Tabelle Nr. XLII.
- Jänner.
- 1849 Geburt. 403, Todte 9, Perct.-Anthl. 2.23, Geburt. wenig. — Todte mehr —
- 1846 » 336, » 45, » » 13.39, » » 67, » » 36
- 1847 » 311, » 10, » » 3.21, » » 92, » » 1
- 1842 » 307, » 64, » » 20.84, » » 96, » » 55
- 1845 » 303, » 23, » » 7.59, » » 100, » » 14
- 1848 » 283, » 10, » » 3.53, » » 120, » » 1
- 1843 » 272, » 52, » » 19.11, » » 131, » » 43
- 1841 » 254, » 37, » » 14.46, » » 149, » » 28
- 1844 » 244, » 37, » » 15.16, » » 159, » » 28
- Februar.
- 1849 Geburt. 389, Todte 12, Perct.-Anthl. 3.08, Geburt. wenig. — Todte mehr —
- 1842 » 311, » 38, » » 12.21, » » 78, » » 26
- 1846 » 293, » 53, » » 18.08, » » 96, » » 41
- 1845 » 274, » 13, » » 5.11, » » 115, » » 1
- 1843 » 263, » 42, » » 15.96, » » 126, » » 30
- 1844 » 257, » 29, » » 11.28, » » 132, » » 17
- 1841 » 239, » 18, » » 7.53, » » 150, » » 6
- März.
- 1846 Geburten 311, Todte 48, Percent-Antheil 15.43.
[222]
- April.
- 1847 Geburten 312, Todte 57, Percent-Antheil 18.27
- Mai.
- 1848 Geburt. 313, Todte 3, Prct.-Anthl. 0.99,
- 1842 » 310, » 10, » » 3.22, Geburt. wenig. 3, Todte mehr 7
- 1846 » 305, » 41, » » 13.44, » » 8, » » 38
- 1845 » 296, » 13, » » 4.39, » » 17, » » 10
- 1847 » 294, » 36, » » 12.24, » » 19, » » 33
- 1843 » 246, » 15, » » 6.10, » » 67, » » 12
- 1844 » 240, » 14, » » 5.83, » » 73, » » 11
- Juni.
- 1845 Geburt. 280, Todte 20, Perct.-Anthl. 7.14
- 1846 » 266, » 27, » » 10.15, Geburt. wenig. 14, Todte mehr 7
- Juli.
- 1848 Geburt. 269, Todte 1, Perct.-Anthl. 0.37
- 1846 » 252, » 33, » » 13.10, Geburt. wenig. 17, Todte mehr 32
- 1847 » 250, » 3, » » 1.20, » » 19, » » 2
- 1845 » 245, » 15, » » 6.12, » » 24, » » 14
- 1842 » 231, » 48, » » 20.79, » » 38, » » 47
- 1844 » 206, » 9, » » 4.37, » » 63, » » 8
- 1841 » 190, » 16, » » 8.42, » » 79, » » 15
- August.
- 1844 Geburt. 269, Todte 17, Perct.-Anthl. 6.32
- 1846 » 216, » 39, » » 18.05, Geburt. wenig. 53, Todte mehr 22
- 1842 » 216, » 55, » » 25.46, » » 53, » » 38
- September.
- 1848 Geburt. 312, Todte 3, Perct.-Anthl. 0.96
- 1846 » 271, » 39, » » 14.39, Geburt. wenig. 41, Todte mehr 36
- 1847 » 262, » 12, » » 5.23, » » 50, » » 9
- 1845 » 237, » 25, » » 10.55, » » 75, » » 22
- 1842 » 223, » 41, » » 18.38, » » 89, » » 38
- 1843 » 221, » 5, » » 2.26, » » 91, » » 2
- 1841 » 213, » 4, » » 1.87, » » 99, » » 1
[223]
- October.
- 1848 Geburt. 299, Todte 7, Perct.-Anthl. 2.34
- 1845 » 283, » 42, » » 14.84, Geburt. wenig. 16, Todte mehr 35
- 1847 » 278, » 11, » » 3.95, » » 21, » » 4
- 1846 » 254, » 38, » » 14.98, » » 45, » » 31
- 1843 » 250, » 44, » » 17.60, » » 49, » » 37
- 1844 » 248, » 8, » » 3.22, » » 51, » » 1
- 1842 » 242, » 71, » » 29.33, » » 57, » » 64
- 1841 » 236, » 26, » » 11.00, » » 63, » » 19
- November.
- 1848 Geburt. 310, Todte 9, Perct.-Anthl. 2.90
- 1846 » 297, » 32, » » 10.77, Geburt. wenig. 13, Todte mehr 23
- 1845 » 265, » 29, » » 10.94, » » 45, » » 20
- 1843 » 252, » 18, » » 7.14, » » 58, » » 9
- 1847 » 246, » 11, » » 4.47, » » 64, » » 2
- 1844 » 245, » 27, » » 11.00, » » 65, » » 18
- 1841 » 235, » 53, » » 22.55, » » 75, » » 44
- 1842 » 209, » 48, » » 22.96, » » 101, » » 39
- December.
- 1848 Geburt. 273, Todte 5, Perct.-Anthl. 1.34
- 1846 » 298, » 16, » » 5.37, Geburt. wenig. 75, Todte mehr 11
- 1847 » 273, » 8, » » 2.93, » » 100, » » 3
- 1845 » 267, » 28, » » 10.48, » » 106, » » 23
- 1844 » 256, » 27, » » 10.55, » » 117, » » 22
- 1842 » 239, » 75, » » 31.38, » » 134, » » 70
- 1843 » 236, » 19, » » 8.05, » » 137, » » 14
Wenn wir aber die Ueberfüllung und die Jahreszeit be-
rücksichtigen, so zeigt sich, dass die grösste relative Sterb-
lichkeit sich nie ereignete zur Zeit der grössten Ueberfüllung;
es zeigt sich, dass in sechs Monaten die kleinste relative
Sterblichkeit sich gerade zur Zeit der grössten Ueberfüllung
zutrug, wie Tabelle Nr. XLII. zeigt.
[224]
Tabelle Nr. XLIII.
- Jänner.
- 1849 Geburten 403, Todte 9, Percent-Antheil 2.23
- 1846 » 336, » 45, » » 13.39, Geburten weniger 67
- 1847 » 311, » 10, » » 3.21, » » 92
- 1842 » 307, » 64, » » 20.84, » » 96
- 1845 » 303, » 23, » » 7.59, » » 100
- 1848 » 283, » 10, » » 3.53, » » 120
- 1843 » 272, » 52, » » 19.11, » » 131
- 1841 » 254, » 37, » » 14.46, » » 149
- 1844 » 244, » 37, » » 15.16, » » 159
- Februar.
- 1849 Geburten 389, Todte 12, Percent-Antheil 3.08
- 1842 » 311, » 38, » » 12.21, Geburten weniger 78
- 1846 » 293, » 53, » » 18.08, » » 96
- 1845 » 274, » 13, » » 5.11, » » 115
- 1843 » 263, » 42, » » 15.96, » » 126
- 1844 » 257, » 29, » » 11.28, » » 132
- 1841 » 239, » 18, » » 7.53, » » 150
- März.
- 1846 Geburten 311, Todte 48, Percent-Antheil 15.43
- 1844 » 276, » 47, » » 17.03, Geburten weniger 35
- April
- 1847 Geburten 312, Todte 57, Percent-Antheil 18.27,
- 1846 » 253, » 48, » » 18.97, Geburten weniger 59
- Mai.
- 1848 Geburten 313, Todte 3, Percent-Antheil 0.99,
- 1842 » 310, » 10, » » 3.22, Geburten weniger 3
- 1846 » 305, » 41, » » 13.44, » » 8
- 1845 » 296, » 13, » » 4.39, » » 17
- 1847 » 294, » 36, » » 12.24, » » 19
- 1843 » 246, » 15, » » 6.10, » » 67
- 1844 » 240, » 14, » » 5.83, » » 73
- Juni.
- 1845 Geburten 280, Todte 20, Percent-Antheil 7.14,
- 1846 » 266, » 27, » » 10.15, Geburten weniger 14
[225]
- Juli.
- 1848 Geburten 269, Todte 1, Percent-Antheil 0.37
- 1846 » 252, » 33, » » 13.10, Geburten weniger 17
- 1847 » 250, » 3, » » 1.20, » » 19
- 1845 » 245, » 15, » » 6.12, » » 24
- 1842 » 231, » 48, » » 20.79, » » 38
- 1844 » 206, » 9, » » 4.37, » » 63
- 1843 » 191, » 1, » » 0.52, » » 78
- 1841 » 190, » 16, » » 8.42, » » 79
- August.
- 1844 Geburten 269, Todte 17, Percent-Antheil 6.32
- 1846 » 216, » 39, » » 18.05, Geburten weniger 53
- 1842 » 216, » 55, » » 25.46, » » 53
- September.
- 1848 Geburten 312, Todte 3, Percent-Antheil 0.96
- 1846 » 271, » 39, » » 14.39, Geburten weniger 41
- 1847 » 262, » 12, » » 5.23, » » 50
- 1844 » 245, » 3, » » 1.22, » » 67
- 1845 » 237, » 25, » » 10.55, » » 75
- 1842 » 223, » 41, » » 18.38, » » 89
- 1843 » 221, » 5, » » 2.26, » » 91
- 1841 » 213, » 4, » » 1.87, » » 99
- October.
- 1848 Geburten 299, Todte 7, Percent-Antheil 2.34,
- 1845 » 283, » 42, » » 14.84, Geburten weniger 16
- 1847 » 278, » 11, » » 3.95, » » 21
- 1846 » 254, » 38, » » 14.98, » » 45
- 1843 » 250, » 44, » » 17.60, » » 49
- 1844 » 248, » 8, » » 3.22, » » 51
- 1842 » 242, » 71, » » 29.33, » » 57
- 1841 » 236, » 26, » » 11.00, » » 63
- November.
- 1848 Geburten 310, Todte 9, Percent-Antheil 2.90,
- 1846 » 297, » 32, » » 10.77, Geburten weniger 13
- 1845 » 265, » 29, » » 10.94, » » 45
- 1843 » 252, » 18, » » 7.14, » » 58
- 1847 » 246, » 11, » » 4.47, » » 64
- 1844 » 245, » 27, » » 11.00, » » 65
- 1841 » 235, » 53, » » 22.55, » » 75
- 1842 » 209, » 48, » » 22.96, » » 101
Semmelweis, Kindbettfieber. 15
[226]
- December.
- 1848 Geburten 373, Todte 5, Percent-Antheil 1.34,
- 1846 » 298, » 16, » » 5.37, Geburten weniger 75
- 1847 » 273, » 8, » » 2.93, » » 100
- 1845 » 267, » 28, » » 10.48, » » 106
- 1844 » 256, » 27, » » 10.55, » » 117
- 1842 » 239, » 75, » » 31.38, » » 134
- 1843 » 236, » 19, » » 8.05, » » 137
Wenn wir die gleichnamigen Monate nach dem Grade
der vorgekommenen Ueberfüllung an einander reihen, so zeigt
sich, der allmäligen Abnahme der Ueberfüllung entsprechend,
keine allmälige Abnahme in der Sterblichkeit, wie Tabelle
Nr. XLIII. zeigt.
Tabelle Nr. XLIII.
- Jänner.
- 1849 Geburten 403, Todte 9, Percent-Antheil 2.23
- 1846 » 336, » 45, » » 13.39, Geburten weniger 67
- 1847 » 311, » 10, » » 3.21, » » 92
- 1842 » 307, » 64, » » 20.84, » » 96
- 1845 » 303, » 23, » » 7.59, » » 100
- 1848 » 283, » 10, » » 3.53, » » 120
- 1843 » 272, » 52, » » 19.11, » » 131
- 1841 » 254, » 37, » » 14.46, » » 149
- 1844 » 244, » 37, » » 15.16, » » 159
- Februar.
- 1849 Geburten 389, Todte 12, Percent-Antheil 3.08
- 1847 » 312, » 6, » » 1.92, Geburten weniger 77
- 1842 » 311, » 38, » » 12.21, » » 78
- 1846 » 293, » 53, » » 18.08, » » 96
- 1848 » 291, » 2, » » 0.63, » » 98
- 1845 » 274, » 13, » » 5.11, » » 115
- 1843 » 263, » 42, » » 15.96, » » 126
- 1844 » 257, » 29, » » 11.28, » » 132
- 1841 » 239, » 18, » » 7.53, » » 150
- März.
- 1846 Geburten 311, Todte 48, Percent-Antheil 15.43,
- 1847 » 305, » 11, » » 3.60, Geburten weniger 6
- 1845 » 292, » 13, » » 4.45, » » 19
- 1841 » 277, » 12, » » 4.33, » » 34
[227]
- 1844 Geburten 276, Todte 47, Percent-Antheil 17.03, Geburten weniger 35
- 1848 » 276, » 0, » » 0.00, » » 35
- 1843 » 266, » 33, » » 12.40, » » 45
- 1842 » 264, » 27, » » 10.23, » » 47
- April.
- 1847 Geburten 312, Todte 57, Percent-Antheil 18.27,
- 1848 » 305, » 2, » » 0.65, Geburten weniger 7
- 1843 » 285, » 34, » » 11.93, » » 27
- 1845 » 260, » 11, » » 4.23, » » 52
- 1841 » 255, » 4, » » 1.57, » » 57
- 1846 » 253, » 48, » » 18.97, » » 59
- 1842 » 242, » 26, » » 10.74, » » 70
- 1844 » 208, » 36, » » 17.30, » » 104
- Mai.
- 1848 Geburten 313, Todte 3, Percent-Antheil 0.99,
- 1842 » 310, » 10, » » 3.22, Geburten weniger 3
- 1846 » 305, » 41, » » 13.44, » » 8
- 1845 » 296, » 13, » » 4.39, » » 17
- 1847 » 294, » 36, » » 12.24, » » 19
- 1841 » 255, » 2, » » 0.78, » » 58
- 1843 » 246, » 15, » » 6.10, » » 67
- 1844 » 240, » 14, » » 5.83, » » 73
- Juni.
- 1845 Geburten 280, Todte 20, Percent-Antheil 7.14,
- 1842 » 273, » 18, » » 6.60, Geburten weniger 7
- 1847 » 268, » 6, » » 2.38, » » 12
- 1846 » 266, » 27, » » 10.15, » » 14
- 1848 » 264, » 3, » » 1.13, » » 16
- 1844 » 224, » 6, » » 2.67, » » 56
- 1841 » 200, » 10, » » 5.00, » » 80
- 1843 » 196, » 8, » » 4.08, » » 84
- Juli.
- 1848 Geburten 269, Todte 1, Percent-Antheil 0.37,
- 1846 » 252, » 33, » » 13.10, Geburten weniger 17
- 1847 » 250, » 3, » » 1.20, » » 19
- 1845 » 245, » 15, » » 6.12, » » 24
- 1842 » 231, » 48, » » 20.79, » » 38
- 1844 » 206, » 9, » » 4.37, » » 63
- 1843 » 191, » 1, » » 0.52, » » 78
- 1841 » 190, » 16, » » 8.42, » » 79
15 *
[228]
- August.
- 1844 Geburten 269, Todte 17, Percent-Antheil 6.32,
- 1847 » 264, » 5, » » 1.89, Geburten weniger 5
- 1848 » 261, » 0, » » 0.00, » » 8
- 1845 » 251, » 9, » » 3.58, » » 18
- 1841 » 222, » 3, » » 1.35, » » 47
- 1846 » 216, » 39, » » 18.05, » » 53
- 1842 » 216, » 55, » » 25.46, » » 53
- 1843 » 193, » 3, » » 1.55, » » 76
- September.
- 1848 Geburten 312, Todte 3, Percent-Antheil 0.96,
- 1846 » 271, » 39, » » 14.39, Geburten weniger 41
- 1847 » 262, » 12, » » 5.23, » » 50
- 1844 » 245, » 3, » » 1.22, » » 67
- 1845 » 237, » 25, » » 10.55, » » 75
- 1842 » 223, » 41, » » 18.38, » » 89
- 1843 » 221, » 5, » » 2.26, » » 91
- 1841 » 213, » 4, » » 1.87, » » 99
- October.
- 1848 Geburten 299, Todte 7, Percent-Antheil 2.34,
- 1845 » 283, » 42, » » 14.84, Geburten weniger 16
- 1847 » 278, » 11, » » 3.95, » » 21
- 1846 » 254, » 38, » » 14.98, » » 45
- 1843 » 250, » 44, » » 17.60, » » 49
- 1844 » 248, » 8, » » 2.22, » » 51
- 1842 » 242, » 71, » » 29.33, » » 57
- 1841 » 236, » 26, » » 11.00, » » 63
- November.
- 1848 Geburten 310, Todte 9, Percent-Antheil 2.90,
- 1846 » 297, » 32, » » 10.77, Geburten weniger 13
- 1845 » 265, » 29, » » 10.94, » » 45
- 1843 » 252, » 18, » » 7.14, » » 58
- 1847 » 246, » 11, » » 4.47, » » 64
- 1844 » 245, » 27, » » 11.00, » » 65
- 1841 » 235, » 53, » » 22.55, » » 75
- 1842 » 209, » 48, » » 22.96, » » 101
[229]
- December.
- 1848 Geburten 373, Todte 5, Percent-Antheil 1.34,
- 1846 » 298, » 16, » » 5.37, Geburten weniger 75
- 1847 » 273, » 8, » » 2.93, » » 100
- 1845 » 267, » 28, » » 10.48, » » 106
- 1844 » 256, » 27, » » 10.55, » » 117
- 1842 » 239, » 75, » » 31.38, » » 134
- 1843 » 236, » 19, » » 8.05, » » 137
Wenn wir nach der absoluten Sterblichkeit die gleich-
namigen Monate aneinanderreihen, so zeigt sich, der allmäli-
gen Abnahme der absoluten Sterblichkeit entsprechend, keine
entsprechende allmälige Abnahme in dem Grade der Ueber-
füllung, wie Tabelle Nr. XLIV. zeigt.
Tabelle Nr. XLIV.
- Jänner.
- 1842 Todte 64, Percent-Antheil 20.84, Geburten 307
- 1843 » 52, » » 19.11, » 272
- 1846 » 45, » » 13.39, » 336
- 1844 » 37, » » 15.16, » 244
- 1841 » 37, » » 14.56, » 254
- 1845 » 23, » » 7.59, » 303
- 1847 » 10, » » 3.21, » 311
- 1848 » 10, » » 3.53, » 283
- 1849 » 9, » » 2.23, » 403
- Februar.
- 1846 Todte 53, Percent-Antheil 18.08, Geburten 293
- 1843 » 42, » » 15.96, » 263
- 1842 » 38, » » 12.21, » 311
- 1844 » 29, » » 11.28, » 257
- 1841 » 18, » » 7.59, » 239
- 1845 » 13, » » 5.17, » 274
- 1849 » 12, » » 3.08, » 389
- 1847 » 6, » » 1.92, » 312
- 1848 » 2, » » 0.68, » 291
[230]
- März.
- 1846 Todte 48, Percent-Antheil 15.43, Geburten 311
- 1844 » 47, » » 17.03, » 276
- 1843 » 33, » » 12.40, » 266
- 1842 » 27, » » 10.23, » 264
- 1845 » 13, » » 4.45, » 292
- 1841 » 12, » » 4.33, » 260
- 1847 » 11, » » 3.60, » 305
- 1848 » 0, » » 0.00, » 276
- April.
- 1847 Todte 57, Percent-Antheil 18.27, Geburten 312
- 1846 » 48, » » 18.97, » 253
- 1844 » 36, » » 17.30, » 208
- 1843 » 34, » » 11.90, » 285
- 1842 » 26, » » 10.74, » 242
- 1845 » 11, » » 4.23, » 260
- 1841 » 4, » » 1.57, » 255
- 1848 » 2, » » 0.65, » 305
- Mai.
- 1846 Todte 41, Percent-Antheil 13.44, Geburten 305
- 1847 » 36, » » 12.24, » 294
- 1843 » 15, » » 6.10, » 246
- 1844 » 14, » » 5.83, » 240
- 1845 » 13, » » 4.39, » 296
- 1842 » 10, » » 3.22, » 310
- 1848 » 3, » » 0.99, » 313
- 1841 » 2, » » 0.78, » 255
- Juni.
- 1846 Todte 27, Percent-Antheil 10.15, Geburten 266
- 1845 » 20, » » 7.14, » 280
- 1842 » 18. » » 6.60, » 272
- 1841 » 10, » » 5.00, » 200
- 1843 » 8, » » 3.03, » 296
- 1844 » 6, » » 2.57, » 224
- 1847 » 6, » » 2.38, » 268
- 1848 » 3, » » 0.99, » 313
[231]
- Juli.
- 1842 Todte 48, Percent-Antheil 20.79, Geburten 231
- 1846 » 33, » » 13.16, » 252
- 1841 » 16, » » 8.42, » 190
- 1845 » 15, » » 6.12, » 245
- 1844 » 9, » » 4.37, » 206
- 1847 » 3, » » 1.20, » 250
- 1843 » 1, » » 0.52, » 191
- 1848 » 1, » » 0.37, » 269
- August.
- 1842 Todte 55, Percent-Antheil 25.46, Geburten 216
- 1846 » 39, » » 18.05, » 216
- 1844 » 17, » » 6.32, » 269
- 1845 » 9, » » 3.68, » 251
- 1847 » 5, » » 1.89, » 264
- 1843 » 3, » » 1.55, » 193
- 1841 » 3, » » 1.35, » 222
- 1848 » 0, » » 0.00, » 261
- September.
- 1842 Todte 41, Percent-Antheil 18.38, Geburten 223
- 1846 » 39, » » 14.39, » 271
- 1845 » 25, » » 10.55, » 237
- 1847 » 12, » » 5.23, » 262
- 1843 » 5, » » 2.26, » 221
- 1841 » 4, » » 1.87, » 213
- 1844 » 3, » » 1.22, » 245
- 1848 » 3, » » 0.96, » 312
- October.
- 1842 Todte 71, Percent-Antheil 29.33, Geburten 242
- 1843 » 44, » » 17.60, » 250
- 1845 » 42, » » 14.84, » 238
- 1846 » 38, » » 14.38, » 254
- 1841 » 26, » » 11.00, » 236
- 1847 » 11, » » 3.95, » 278
- 1844 » 8, » » 3.22, » 248
- 1848 » 7, » » 2.34, » 299
[232]
- November.
- 1841 Todte 53, Percent-Antheil 22.55, Geburten 235
- 1842 » 48, » » 22.96, » 209
- 1846 » 32, » » 10.77, » 297
- 1845 » 29, » » 10.44, » 265
- 1844 » 27, » » 11.00, » 245
- 1843 » 18, » » 7.14, » 252
- 1847 » 11, » » 4.47, » 246
- 1848 » 9, » » 2.90, » 310
- December.
- 1842 Todte 75, Percent-Antheil 31.38, Geburten 239
- 1845 » 28, » » 10.48, » 267
- 1844 » 27, » » 10.55, » 256
- 1843 » 19, » » 8.05, » 236
- 1846 » 16, » » 5.57, » 298
- 1847 » 8, » » 2.93, » 273
- 1848 » 5, » » 1.34, » 273
Wenn wir die einzelnen Monate derselben Jahreszeit
nach der vorgekommenen relativen Sterblichkeit aneinander-
reihen, so zeigt sich, der allmäligen Abnahme der relativen
Sterblichkeit entsprechend, keine entsprechende Abnahme im
Grade der Ueberfüllung, wie Tabelle Nr. XLV. zeigt.
Tabelle Nr. XLV.
- Jänner.
- 1842 Percent-Antheil 20.84, Todte 64, Geburten 307
- 1843 » » 19.11, » 52, » 272
- 1844 » » 15.16, » 37, » 244
- 1841 » » 14.56, » 37, » 254
- 1846 » » 13.39, » 45, » 336
- 1845 » » 7.59, » 23, » 303
- 1848 » » 3.53, » 10, » 283
- 1847 » » 3.21, » 10, » 311
- 1849 » » 2.23, » 9, » 403
- Februar.
- 1846 Percent-Antheil 18.08, Todte 53, Geburten 293
- 1843 » » 15.96, » 42, » 263
- 1842 » » 12.21, » 38, » 311
[233]
- 1844 Percent-Antheil 11.28, Todte 29, Geburten 257
- 1841 » » 7.53, » 18, » 239
- 1845 » » 5.11, » 13, » 274
- 1849 » » 3.08, » 12, » 389
- 1847 » » 1.92, » 6, » 312
- 1848 » » 0.68, » 2, » 291
- März.
- 1844 Percent-Antheil 17.03, Todte 47, Geburten 276
- 1846 » » 15.43, » 48, » 311
- 1843 » » 12.49, » 33, » 266
- 1842 » » 10.33, » 27, » 264
- 1845 » » 4.45, » 13, » 292
- 1841 » » 4.33, » 12, » 277
- 1847 » » 3.60, » 11, » 305
- 1848 » » 0.00, » 0, » 276
- April.
- 1846 Percent-Antheil 18.97, Todte 48, Geburten 253
- 1847 » » 18.27, » 57, » 312
- 1844 » » 17.30, » 36, » 208
- 1843 » » 11.93, » 34, » 285
- 1842 » » 10.74, » 26, » 242
- 1845 » » 4.23, » 11, » 260
- 1841 » » 1.57, » 4, » 255
- 1848 » » 0.65, » 2, » 305
- Mai.
- 1846 Percent-Antheil 13.44, Todte 41, Geburten 305
- 1847 » » 12.24, » 36, » 294
- 1843 » » 6.10, » 15, » 246
- 1844 » » 5.83, » 14, » 240
- 1845 » » 4.39, » 13, » 296
- 1842 » » 3.22, » 10, » 310
- 1848 » » 0.99, » 3, » 313
- 1841 » » 0.78, » 2, » 255
- Juni.
- 1846 Percent-Antheil 10.15, Todte 27, Heburten 266
- 1845 » » 7.14, » 20, » 280
- 1842 » » 6.60, » 18, » 273
- 1841 » » 5.00, » 10, » 200
[234]
- 1843 Percent-Antheil 4.08, Todte 8, Geburten 196
- 1844 » » 2.67, » 6, » 224
- 1847 » » 2.38, » 6, » 268
- 1848 » » 1.13, » 3, » 264
- Juli.
- 1842 Percent-Antheil 20.79, Todte 48, Geburten 231
- 1846 » » 13.10, » 33, » 252
- 1841 » » 8.42, » 16, » 190
- 1845 » » 6.12, » 15, » 245
- 1844 » » 4.37, » 9, » 206
- 1847 » » 1.20, » 3, » 250
- 1843 » » 0.52, » 1, » 191
- 1848 » » 0.37, » 1, » 269
- August.
- 1842 Percent-Antheil 25.46, Todte 55. Geburten 216
- 1846 » » 18.05, » 39, » 216
- 1844 » » 6.32, » 17, » 269
- 1845 » » 3.58, » 9, » 251
- 1847 » » 1.89, » 5, » 264
- 1843 » » 1.55, » 3, » 193
- 1841 » » 1.35, » 3, » 223
- 1848 » » 0.00, » 0, » 261
- September.
- 1842 Percent-Antheil 18.38, Todte 41, Geburten 223
- 1846 » » 14.39, » 39, » 271
- 1845 » » 10.55, » 25, » 237
- 1847 » » 5.23, » 12, » 262
- 1843 » » 2.26, » 5, » 221
- 1841 » » 1.87, » 4, » 213
- 1844 » » 1.22, » 3, » 245
- 1848 » » 0.96, » 3, » 312
- October.
- 1842 Percent-Antheil 29.33, Todte 71, Geburten 242
- 1843 » » 17.60, » 44, » 250
- 1846 » » 14.98, » 38, » 254
- 1845 » » 14.84, » 42, » 283
- 1841 » » 11.00, » 20, » 236
- 1847 » » 3.95, » 11, » 278
- 1844 » » 3.22, » 8, » 248
- 1848 » » 2.34, » 7, » 299
[235]
- November.
- 1842 Percent-Antheil 22.96, Todte 48, Geburten 209
- 1841 » » 22.55, » 53, » 235
- 1844 » » 11.00, » 27, » 245
- 1845 » » 10.94, » 29, » 265
- 1846 » » 10.77, » 32, » 297
- 1843 » » 7.14, » 18, » 252
- 1847 » » 4.47, » 11, » 246
- 1848 » » 2.90, » 9, » 310
- December.
- 1842 Percent-Antheil 31.38, Todte 75, Geburten 239
- 1844 » » 10.55, » 27, » 256
- 1845 » » 10.48, » 28, » 267
- 1843 » » 8.05, » 19, » 296
- 1846 » » 5.37, » 16, » 298
- 1847 » » 2.93, » 8, » 273
- 1848 » » 1.34, » 5, » 373
Wenn wir alle 97 Monate nach der Anzahl der vorge-
kommenen Geburten, also nach dem Grade der Ueberfüllung,
aneinanderreihen, so zeigt sich, der allmäligen Abnahme der
Ueberfüllung entsprechend, keine allmälige Abnahme der
Sterblichkeit, wie Tabelle Nr. XLVI. zeigt.
Tabelle Nr. XLVI.
- Jänner ... 1849 Geburten 403, Todte 9, Perct.-Anthl. 2 23
- Februar .. 1849 » 389, » 12, » » 3.08, Geburt. wenig. 14
- December . 1848 » 373, » 5, » » 1.34, » » 30
- Jänner ... 1846 » 336, » 45, » » 13.39, » » 67
- Mai ..... 1848 » 313, » 3, » » 0.99, » » 90
- April .... 1847 » 312, » 57, » » 18.27, » » 91
- Februar .. 1847 » 312, » 6, » » 1.92, » » 91
- September 1848 » 312, » 3, » » 0.96, » » 91
- März .... 1846 » 311, » 48, » » 15.43, » » 92
- Jänner ... 1847 » 311, » 10, » » 3.21, » » 92
- Februar .. 1842 » 311, » 38, » » 12.21, » » 92
- Mai ..... 1842 » 310, » 10, » » 3.22, » » 93
- November 1848 » 310, » 9, » » 2.90, » » 93
- Jänner .. 1842 » 307, » 64, » » 20.84, » » 96
- Mai ..... 1846 » 305, » 41, » » 13.44, » » 98
[236]
- März .... 1847 Geburten 305, Todte 11, Perct.-Anthl. 3.60, Geburt. wenig. 98
- April .... 1848 » 305, » 2, » » 0.65, » » 98
- Jänner .. 1845 » 303, » 23, » » 7.59, » » 100
- October . 1848 » 299, » 7, » » 2.34, » » 104
- December 1846 » 298, » 16, » » 5.37, » » 105
- November 1846 » 297, » 32, » » 10.77, » » 106
- Mai ..... 1845 » 296, » 13, » » 4.39, » » 107
- Mai ..... 1847 » 294, » 36, » » 12.24, » » 109
- Februar . 1846 » 293, » 53, » » 18.08, » » 110
- März .... 1845 » 292, » 13, » » 4.45, » » 111
- Februar . 1848 » 291, » 2, » » 0.68, » » 112
- April .... 1843 » 285, » 34, » » 11.93, » » 118
- October . 1845 » 283, » 42, » » 14.84, » » 120
- Jänner .. 1848 » 283, » 10, » » 3.53, » » 120
- Juni .... 1845 » 280, » 20, » » 7.14, » » 123
- October . 1847 » 278, » 11, » » 3.95, » » 125
- März ... 1841 » 277, » 12, » » 4.33, » » 126
- März ... 1844 » 276, » 47, » » 17.03, » » 127
- März ... 1848 » 276, » keine, » » 0.00, » » 127
- Februar . 1845 » 274, » 13, » » 5.11, » » 129
- Juni .... 1842 » 273, » 18, » » 6.60, » » 130
- December 1847 » 273, » 8, » » 2.93, » » 130
- Jänner .. 1843 » 272, » 52, » » 19.11, » » 131
- September 1846 » 271, » 39, » » 14.39, » » 132
- August .. 1844 » 269, » 17, » » 6.32, » » 134
- Juli ..... 1848 » 269, » 1, » » 0.37, » » 134
- Juni .... 1847 » 268, » 6, » » 2.38, » » 135
- December 1845 » 267, » 28, » » 10.48, » » 136
- März ... 1843 » 266, » 33, » » 12.40, » » 137
- Juni .... 1846 » 266, » 27, » » 10.15, » » 137
- November 1845 » 265, » 29, » » 10.94, » » 138
- März .... 1842 » 264, » 27, » » 10.23, » » 139
- August .. 1847 » 264, » 5, » » 1.89, » » 139
- Juni .... 1848 » 264, » 3, » » 1.13, » » 139
- Februar . 1843 » 263, » 42, » » 15.96, » » 140
- September 1847 » 262, » 12, » » 5.23, » » 141
- August .. 1848 » 261, » keine, » » 0.00, » » 142
- April ... 1845 » 260, » 11, » » 4.23, » » 143
- Februar .. 1844 » 257, » 29, » » 11.28, » » 146
- December 1844 » 256, » 27, » » 10.55, » » 147
- April .... 1841 » 255, » 4, » » 1.57, » » 148
[237]
- Mai ..... 1841 Wöchnerin. 255. Todte 2. Prct.-Anthl. 0.78, Geb. wenig. 148
- Jänner .. 1841 » 254, » 37, » » 14.46, » » 149
- October . 1846 » 254, » 38, » » 14.98, » » 149
- April .... 1846 » 253, » 48, » » 18.97, » » 150
- November 1843 » 252, » 18, » » 7.14, » » 151
- Juli ..... 1846 » 252, » 33, » » 13.10, » » 151
- August .. 1845 » 251, » 9, » » 3.58, » » 152
- October .. 1843 » 250, » 44, » » 17.60 » » 153
- Juli ..... 1847 » 250, » 3, » » 1.20, » » 153
- October .. 1844 » 248, » 8, » » 3.22, » » 155
- Mai ..... 1843 » 246, » 15, » » 6.10, » » 157
- November 1847 » 246, » 11, » » 4.47, » » 157
- Juli ..... 1845 » 245, » 15, » » 6.12, » » 158
- November 1844 » 245, » 27, » » 11.00, » » 158
- September 1844 » 245, » 3, » » 1.22, » » 158
- Jänner .. 1844 » 244, » 37, » » 15.16, » » 159
- April .... 1842 » 242, » 26, » » 10.74, » » 161
- October .. 1842 » 242, » 71, » » 29.33, » » 161
- Mai ..... 1844 » 240, » 14, » » 5.83, » » 163
- Februar .. 1841 » 239, » 18, » » 7.53, » » 164
- December 1842 » 239, » 75, » » 31.38, » » 164
- September 1845 » 237, » 25, » » 10.55, » » 166
- October .. 1841 » 236, » 26, » » 11.00, » » 167
- December 1843 » 236, » 19, » » 8.05, » » 167
- November 1841 » 235, » 53, » » 22.55, » » 168
- Juli ..... 1842 » 231, » 48, » » 20.79, » » 172
- Juni .... 1844 » 224, » 6, » » 2.67, » » 179
- September 1842 » 223, » 41, » » 18.38, » » 180
- August .. 1841 » 222, » 3, » » 1.35, » » 181
- September 1843 » 221, » 5, » » 2.26, » » 182
- August .. 1846 » 216, » 39, » » 18.05, » » 187
- August .. 1842 » 216, » 55, » » 25.46, » » 187
- September 1841 » 213, » 4, » » 1.87, » » 190
- November 1842 » 209, » 48, » » 22.96, » » 194
- April .... 1844 » 208, » 36, » » 17.30, » » 195
- Juli ..... 1844 » 206, » 9, » » 4.37, » » 197
- Juni .... 1841 » 200, » 10, » » 5.00, » » 203
- Juni .... 1843 » 196, » 8, » » 4.08, » » 207
- August .. 1843 » 193, » 3, » » 1.55, » » 210
- Juli ..... 1843 » 191, » 1, » » 0.52, » » 212
- uli ..... 1841 » 190, » 16, » » 8.42, » » 213
[238]
Wenn wir alle 97 Monate nach der absoluten Sterblich-
keit aneinanderreihen, so zeigt sich, der allmäligen Abnahme
der absoluten Sterblichkeit entsprechend, keine allmälige Ab-
nahme in der Anzahl der Geburten, oder mit andern Worten,
es zeigt sich keine entsprechende allmälige Abnahme in dem
Grade der Ueberfüllung, wie Tabelle Nr. XLVII. zeigt.
Tabelle Nr. XLVII.
- December ......... 1842 Todte 75, Percent-Antheil 31.38, Geburten 239
- October .......... 1842 » 71, » » 29.33, » 242
- Jänner ........... 1842 » 64, » » 20.84, » 307
- April ............ 1847 » 57, » » 18.27, » 312
- August .......... 1842 » 55, » » 25.46, » 216
- November ........ 1841 » 53, » » 22.55, » 235
- Februar ........... 1846 » 53, » » 18.08, » 293
- Jänner ........... 1843 » 52, » » 19.11, » 272
- November ......... 1842 » 48, » » 22.96, » 209
- Juli ............. 1442 » 48, » » 20.79, » 231
- April ............ 1846 » 48, » » 18.97, » 253
- März ............ 1846 » 48, » » 15.43, » 311
- März ............ 1844 » 47, » » 17.03, » 276
- Jänner ........... 1846 » 45, » » 13.39, » 336
- October .......... 1843 » 44, » » 17.60, » 250
- Februar .......... 1843 » 42, » » 15.96, » 263
- October .......... 1845 » 42, » » 14.84, » 283
- September ........ 1842 » 41, » » 18.38, » 223
- Mai ............. 1846 » 41, » » 13.44, » 305
- August ........... 1846 » 39, » » 18.05, » 216
- September ........ 1846 » 39, » » 14.39, » 271
- October .......... 1846 » 38, » » 14.38, » 254
- Februar .......... 1842 » 38, » » 12.21, » 311
- Jänner ........... 1844 » 37, » » 15.16, » 244
- Jänner ........... 1841 » 37, » » 14.56, » 254
- April ............ 1844 » 36, » » 17.30, » 208
- Mai ............. 1847 » 36, » » 12.24, » 294
- April ............ 1843 » 34, » » 11.90, » 285
- Juli ............. 1846 » 33, » » 13.16, » 252
- März ............ 1843 » 33, » » 12.40, » 266
- November ........ 1846 » 32, » » 10.77, » 297
[239]
- Februar .......... 1844 Todte 29, Percent-Antheil 11.28, Geburten 257
- November ........ 1845 » 29, » » 10.44, » 265
- December ......... 1845 » 28, » » 10.48, » 267
- December ......... 1844 » 27, » » 10.55, » 256
- November ........ 1844 » 27, » » 11.00, » 245
- März ............ 1842 » 27, » » 10.23, » 264
- Juni ............. 1846 » 27, » » 10.15, » 266
- October .......... 1841 » 26, » » 11.00, » 236
- April ............ 1842 » 26, » » 10.74, » 242
- September ........ 1845 » 25, » » 10.55, » 237
- Jänner ........... 1845 » 23, » » 7.59, » 303
- Juni ............. 1845 » 20, » » 7.14, » 280
- December ......... 1843 » 19, » » 8.05, » 236
- Februar .......... 1841 » 18, » » 7.59, » 239
- November ........ 1843 » 18, » » 7.14, » 252
- Juni ............. 1842 » 18, » » 6.60, » 272
- August ........... 1844 » 17, » » 6.32, » 269
- Juli ............. 1841 » 16, » » 8.42, » 190
- December ......... 1846 » 16, » » 5.57, » 298
- Juli ............. 1845 » 15, » » 6.12, » 245
- Mai ............. 1843 » 15, » » 6.10, » 246
- Mai ............. 1844 » 14, » » 5.83, » 240
- Februar .......... 1845 » 13, » » 5.17, » 274
- März ............ 1847 » 13, » » 4.45, » 292
- Mai ............. 1845 » 13, » » 4.39, » 296
- März ............ 1841 » 12, » » 4.33, » 260
- September ........ 1847 » 12, » » 5.23, » 262
- Februar .......... 1849 » 12, » » 3.08, » 389
- März ............ 1847 » 11, » » 3.60, » 305
- October .......... 1847 » 11, » » 3.95, » 278
- April ............ 1845 » 11, » » 4.23, » 260
- November ........ 1847 » 11, » » 4.47, » 246
- Juni ............. 1841 » 10, » » 5.00, » 200
- Mai ............. 1842 » 10, » » 3.22, » 310
- Jänner ........... 1847 » 10, » » 3.21, » 311
- Jänner ........... 1848 » 10, » » 3.53, » 283
- Juli ............. 1844 » 9, » » 4.37, » 206
- August .......... 1845 » 9, » » 3.68, » 251
- November ........ 1848 » 9, » » 2.90, » 310
- Jänner ........... 1849 » 9, » » 2.23, » 403
- Juni ............. 1843 » 8, » » 3.03, » 296
[240]
- October .......... 1844 Todte 8, Percent-Antheil 3.22, Geburten 248
- December ......... 1847 » 8, » » 2.93, » 273
- October .......... 1848 » 7, » » 2.34, » 299
- Juni ............. 1844 » 6, » » 2.67, » 224
- Februar .......... 1847 » 6, » » 1.92, » 312
- Juni ............. 1847 » 6, » » 2.38, » 268
- September ........ 1843 » 5, » » 2.26, » 221
- August ........... 1847 » 5, » » 1.89, » 264
- December ......... 1848 » 5, » » 1.34, » 373
- September ........ 1841 » 4, » » 1.87, » 213
- April ............ 1841 » 4, » » 1.57, » 255
- August ........... 1843 » 3, » » 1.55, » 193
- August ........... 1841 » 3, » » 1.35, » 222
- September ........ 1844 » 3, » » 1.22, » 245
- Juli ............. 1847 » 3, » » 1.20, » 250
- Mai ............. 1848 » 3, » » 0.99, » 313
- Juni ............. 1848 » 3, » » 1.13, » 264
- September ........ 1848 » 3, » » 0.96, » 312
- Mai ............. 1841 » 2, » » 0.78, » 255
- Februar .......... 1848 » 2, » » 0.68, » 291
- April ............ 1848 » 2, » » 0.65, » 305
- Juli ............. 1843 » 1, » » 0.52, » 191
- Juli ............. 1848 » 1, » » 0.37, » 269
- März ............ 1848 » —, » » 0.00, » 276
- August .......... 1848 » —, » » 0.00, » 261
Wenn wir die 97 Monate nach der relativen Sterblich-
keit aneinanderreihen, so zeigt sich, der Abnahme der relati-
ven Sterblichkeit entsprechend, keine entsprechende Abnahme
in der Anzahl der Geburten oder keine entsprechende Ab-
nahme im Grade der Ueberfüllung, wie Tabelle Nr. XLVIII.
zeigt.
Tabelle Nr. XLVIII.
- December ......... 1842 Percent-Antheil 31.38, Todte 75, Geburten 239
- October .......... 1842 » » 29.33, » 71, » 242
- August ........... 1842 » » 25.46, » 55, » 216
- November ........ 1842 » » 22.96, » 48, » 209
- November ........ 1841 » » 22.55, » 53, » 235
- Jänner ........... 1842 » » 20.84, » 64, » 307
- Juli ............. 1842 » » 20.79, » 48, » 231
[241]
- Jänner ........... 1843 Percent-Antheil 19.11, Todte 52, Geburten 272
- April ............ 1846 » » 18.97, » 48, » 253
- September ........ 1842 » » 18.38, » 41, » 223
- April ............ 1847 » » 18.27, » 57, » 312
- Februar .......... 1846 » » 18.08, » 53, » 293
- August ........... 1846 » » 18.05, » 39, » 216
- October .......... 1843 » » 17.60, » 44, » 250
- April ............ 1844 » » 17.30, » 36, » 208
- März ............ 1844 » » 17.03, » 47, » 276
- Februar .......... 1843 » » 15.96, » 42, » 263
- März ............ 1846 » » 15.43, » 48, » 311
- Jänner ........... 1844 » » 15.16, » 37, » 244
- October .......... 1846 » » 14.98, » 38, » 254
- October .......... 1845 » » 14.84, » 42, » 283
- Jänner ........... 1841 » » 14.56, » 37, » 254
- September ........ 1846 » » 14.19, » 39, » 271
- Mai ............. 1846 » » 13.44, » 41, » 305
- Jänner ........... 1846 » » 13.39, » 45, » 336
- Juli ............. 1846 » » 13.10, » 33, » 252
- März ............ 1843 » » 12.49, » 33, » 266
- Mai ............. 1847 » » 12.24, » 36, » 294
- Februar .......... 1842 » » 12.21, » 38, » 311
- April ............ 1843 » » 11.93, » 34, » 285
- Februar .......... 1844 » » 11.28, » 29, » 257
- November ........ 1844 » » 11.00, » 27, » 245
- October .......... 1841 » » 11.00, » 26, » 236
- November ........ 1845 » » 10.94, » 29, » 265
- November ........ 1846 » » 10.77, » 32, » 297
- April ............ 1842 » » 10.74, » 26, » 242
- September ........ 1845 » » 10.55, » 25, » 237
- December ......... 1844 » » 10.55, » 27, » 256
- December ......... 1845 » » 10.48, » 28, » 267
- März ............ 1842 » » 10.23, » 27, » 264
- Juni ............. 1846 » » 10.15, » 27, » 266
- Juli ............. 1841 » » 8.42, » 16, » 190
- December ......... 1843 » » 8.05, » 19, » 296
- Jänner ........... 1845 » » 7.59, » 23, » 303
- Februar .......... 1841 » » 7.53, » 18, » 239
- Juni ............. 1845 » » 7.14, » 20, » 280
- November ........ 1843 » » 7.14, » 18, » 252
- Juni ............. 1842 » » 6.60, » 18, » 273
Semmelweis, Kindbettfieber. 16
[242]
- August ........... 1844 Percent-Antheil 6.32, Todte 17, Geburten 269
- Juli ............. 1845 » » 6.12, » 15, » 245
- Mai ............. 1843 » » 6.10, » 15, » 246
- Mai ............. 1844 » » 5.83, » 14, » 240
- December ......... 1846 » » 5.37, » 16, » 298
- September ........ 1847 » » 5.23, » 12, » 262
- Februar .......... 1845 » » 5.11, » 13, » 274
- Juni ............. 1841 » » 5.00, » 10, » 200
- März ............ 1845 » » 4.45, » 13, » 292
- November ........ 1847 » » 4.47, » 11, » 246
- Mai ............. 1845 » » 4.39, » 13, » 296
- Juli ............. 1844 » » 4.37, » 9, » 206
- April ............ 1845 » » 4.23, » 11, » 260
- März ............ 1841 » » 4.33, » 12, » 277
- Juni ............. 1843 » » 4.08, » 8, » 296
- October .......... 1847 » » 3.95, » 11, » 278
- März ............ 1847 » » 3.60, » 11, » 305
- August .......... 1845 » » 3.58, » 9, » 251
- Jänner ........... 1848 » » 3.53, » 10, » 283
- Mai .............. 1842 » » 3.22, » 10, » 310
- October .......... 1844 » » 3.22, » 8, » 248
- Jänner ........... 1847 » » 3.21, » 10, » 311
- Februar .......... 1849 » » 3.08, » 12, » 389
- December ........ 1847 » » 2.93, » 8, » 273
- November ........ 1848 » » 2.90, » 9, » 310
- Juni ............. 1844 » » 2.67, » 6, » 224
- Juni ............. 1847 » » 2.38, » 6, » 268
- October .......... 1848 » » 2.34, » 7, » 299
- September ........ 1843 » » 2.26, » 5, » 221
- Jänner ........... 1849 » » 2.23, » 9, » 403
- Februar .......... 1847 » » 1.92, » 6, » 312
- August ........... 1847 » » 1.89, » 5, » 264
- September ........ 1841 » » 1.87, » 4, » 213
- April ............ 1841 » » 1.57, » 4, » 255
- August ........... 1843 » » 1.55, » 3, » 193
- August ........... 1841 » » 1.35, » 3, » 223
- December ......... 1848 » » 1.34, » 5, » 373
- September ........ 1844 » » 1.22, » 3, » 245
- Juli ............. 1847 » » 1.20, » 3, » 250
- Juni ............. 1848 » » 1.13, » 3, » 264
- Mai ............. 1848 » » 0.99, » 3, » 313
[243]
- September ........ 1848 Percent-Antheil 0.96, Todte 3, Geburten 312
- Mai ............. 1841 » » 0.78, » 2, » 255
- Februar .......... 1848 » » 0.68, » 2, » 291
- April ............ 1848 » » 0.65, » 2, » 305
- Juli ............. 1843 » » 0.52, » 1, » 191
- Juli ............. 1848 » » 0.37, » 1, » 269
- März ............ 1848 » » 0.00, » 0, » 276
- August .......... 1848 » » 0.00, » 0, » 261
Wenn wir die Jahresrapporte der 26 Jahre des Beste-
hens der ersten Gebärklinik, nämlich vom Jahre 1833 bis
inclusive 1858, in Bezug auf Ueberfüllung prüfen, so zeigt
sich, dass in 13 Jahren die absolute Sterblichkeit bei einer
geringeren Ueberfüllung grösser war, als bei der grössten
Ueberfüllung im Jahre 1852 mit 4471 Geburten. wie Tabelle
Nr. XLIX. zeigt.
Tabelle Nr. XLIX.
Wenn wir aber die relative Sterblichkeit berücksichti-
gen, so war dieselbe innerhalb 16 Jahren grösser bei einer
geringeren Ueberfüllung, als bei der grössten Ueberfüllung
im Jahre 1852, wie Tabelle Nr. XLIX. und L. zeigt.
16 *
[244]
Tabelle Nr. L.
- 1852 Geburten 4471, Todte 181, Perct.-Anthl. 4.04,
- 1847 » 3490, » 176, » » 5.04, Geburten weniger 981
- 1839 » 2781, » 151, » » 5.42, » » 1690
- 1835 » 2573, » 143, » » 5.55, » » 1898
In neun Jahren war bei einer geringeren Ueberfüllung
auch eine geringere Sterblichkeit, aber das Jahr 1838 aus-
genommen, fallen die übrigen acht Jahre in die Zeit nach
Einführung der Chlorwaschungen, wie Tabelle Nr. LI. zeigt.
Tabelle Nr. LI.
Wenn wir die einzelnen Jahre je nach dem Grade der
vorgekommenen Ueberfüllung aneinanderreihen, so zeigt sich,
der Abnahme der Ueberfüllung entsprechend, keine allmälige
Abnahme der Sterblichkeit, wie Tabelle Nr. LII. zeigt.
Tabelle Nr. LII.
- 1852 Geburten 4471, Todte 181, Percent-Antheil 4.04,
- 1854 » 4393, » 400, » » 9.10, Geburt. weniger 78
- 1853 » 4221, » 94, » » 2.12, » » 250
- 1857 » 4220, » 124, » » 2.96, » » 251
- 1858 » 4203, » 86, » » 2.04, » » 268
- 1851 » 4194, » 75, » » 1.78, » » 277
- 1846 » 4010, » 459, » » 11.44, » » 461
- 1856 » 3925, » 156, » » 3.97, » » 546
[245]
- 1849 Geburten 3858, Todte 103, Percent-Antheil 2.66, Geburt. weniger 613
- 1850 » 3745, » 74, » » 1.97, » » 726
- 1833 » 3737, » 197, » » 5.29, » » 734
- 1855 » 3659, » 198, » » 5.41, » » 812
- 1848 » 3556, » 45, » » 1.27, » » 915
- 1845 » 3492, » 241, » » 6.90, » » 979
- 1847 » 3490, » 176, » » 5.04, » » 981
- 1842 » 3287, » 518, » » 15.75, » » 1184
- 1844 » 3157, » 260, » » 8.23, » » 1314
- 1843 » 3060, » 274, » » 8.95, » » 1411
- 1841 » 3036, » 237, » » 7.80, » » 1435
- 1838 » 2987, » 91, » » 3.04, » » 1484
- 1840 » 2889, » 267, » » 9.24, » » 1582
- 1839 » 2781, » 151, » » 5.42, » » 1690
- 1837 » 2765, » 251, » » 9.09, » » 1706
- 1836 » 2677, » 200, » » 7.47, » » 1794
- 1834 » 2657, » 20,5 » » 7.71, » » 1814
- 1835 » 2573, » 143, » » 5.55, » » 1898
Wenn wir die einzelnen Jahre nach der absoluten Sterb-
lichkeit aneinanderreihen, so zeigt sich, der Abnahme der
absoluten Sterblichkeit entsprechend, keine Abnahme im
Grade der Ueberfüllung, wie Tabelle Nr. LIII. zeigt.
Tabelle Nr. LIII.
- 1842 Todte 518, Percent-Antheil 15.75, Geburten 3287
- 1846 » 459, » » 11.44, » 4010
- 1854 » 400, » » 9.10, » 4393
- 1843 » 274, » » 8.95, » 3060
- 1840 » 267, » » 9.24, » 2889
- 1844 » 260, » » 8.23, » 3157
- 1837 » 251, » » 9.09, » 2765
- 1845 » 241, » » 6.90, » 3492
- 1841 » 237, » » 7.80, » 3036
- 1834 » 205, » » 7.71, » 2657
- 1836 » 200, » » 7.47, » 2677
- 1855 » 198, » » 5.41, » 3659
- 1833 » 197, » » 5.29, » 3737
- 1852 » 181, » » 4.04, » 4471
- 1847 » 176, » » 5.04, » 3490
- 1856 » 156, » » 3.97, » 3925
- 1839 » 151, » » 5.42, » 2781
[246]
- 1835 Todte 143, Percent-Antheil 5.55, Geburten 2573
- 1857 » 124, » » 2.96, » 4220
- 1849 » 103, » » 2.66, » 3858
- 1853 » 94, » » 2.13, » 4221
- 1838 » 91, » » 3.04, » 2987
- 1858 » 86, » » 2.04, » 4203
- 1851 » 75, » » 1.78, » 4194
- 1850 » 74, » » 1.97, » 3745
- 1848 » 45, » » 1.27, » 3556
Wenn wir die einzelnen Jahre nach der relativen Sterb-
lichkeit aneinanderreihen, so zeigt sich keine der Abnahme
der relativen Sterblichkeit entsprechende Abnahme der Ueber-
füllung, wie Tabelle Nr. LIV. zeigt.
Tabelle Nr. LIV.
- 1842 Percent Antheil 15.75, Todte 518, Geburten 3287
- 1846 » » 11.44, » 459, » 4010
- 1840 » » 9.24, » 267, » 2889
- 1854 » » 9.10, » 400, » 4393
- 1837 » » 9.09, » 251, » 2765
- 1843 » » 8.95, » 274, » 3060
- 1844 » » 8.23, » 260, » 3157
- 1841 » » 7.80, » 237, » 3036
- 1834 » » 7.71, » 205, » 2657
- 1836 » » 7.47, » 200, » 2677
- 1845 » » 6.90, » 241, » 3492
- 1835 » » 5.55, » 143, » 2573
- 1839 » » 5.42, » 151, » 2781
- 1855 » » 5.41, » 198, » 3659
- 1833 » » 5.29, » 197, » 3737
- 1847 » » 5.04, » 176, » 3490
- 1852 » » 4.04, » 181, » 4471
- 1856 » » 3.97, » 156, » 3925
- 1838 » » 3.04, » 91, » 2987
- 1857 » » 2.96, » 124, » 4220
- 1849 » » 2.66, » 103, » 3858
- 1853 » » 2.13, » 94, » 4221
- 1858 » » 2.04, » 86, » 4203
- 1850 » » 1.97, » 74, » 3745
- 1851 » » 1.78, » 75, » 4194
- 1848 » » 1.27, » 45, » 3556
[247]
An der zweiten Gebärklinik ereignete sich die grösste
Ueberfüllung während der 26 Jahre ihres Bestehens im Jahre
1858. Es wurden in diesem Jahre verpflegt 4179 Wöchnerin-
nen, davon starben 60, also 1.43 Percent, in 20 Jahren war
die absolute Sterblichkeit grösser bei einer geringeren Ueber-
füllung, wie Tabelle Nr. LV. zeigt.
Tabelle Nr. LV.
Wenn wir aber die relative Sterblichkeit berücksichti-
gen, so war dieselbe in 23 Jahren bei einer geringeren Ueber-
füllung grösser als bei der grössten Ueberfüllung im Jahre
1858, wie Tabelle Nr. LV. und LVI. zeigt.
Tabelle Nr. LVI.
- 1858 Geburten 4179, Todte 60, Percent-Antheil 1.43,
- 1850 » 3261, » 54, » » 1.65, Geburt. weniger 918
- 1840 » 2073, » 55, » » 2.65, » » 2106
- 1833 » 353, » 8, » » 2.26, » » 3826
[248]
Nur in zwei Jahren war bei einer geringeren Ueberfül-
lung auch eine geringere Sterblichkeit, als bei der grössten
Ueberfüllung im Jahre 1858, und zwar:
- 1858 Geburten 4179, Todte 60, Percent-Antheil 1.43,
- 1847 » 3306, » 32, » » 0.96, Geburten weniger 873
- 1848 » 3219, » 43, » » 1.33, » » 960
Wenn wir die einzelnen Jahre je nach dem vorgekom-
menen Grade der Ueberfüllung der zweiten Gebärklinik an-
einanderreihen, so zeigt sich keine der Abnahme der Ueber-
füllung entsprechende Abnahme der Sterblichkeit, wie Ta-
belle Nr. LVII. zeigt.
Tabelle Nr. LVII.
- 1858 Geburten 4179, Todte 60, Percent-Antheil 1.43
- 1857 » 3795, » 83, » » 2.18, Geburten weniger 384
- 1846 » 3754, » 105, » » 2.79, » » 425
- 1853 » 3480, » 67, » » 1.92, » » 699
- 1854 » 3396, » 210, » » 6.18, » » 783
- 1851 » 3395, » 121, » » 3.56, » » 784
- 1849 » 3371, » 87, » » 2.58, » » 808
- 1852 » 3360, » 192, » » 5.71, » » 819
- 1847 » 3306, » 32, » » 0.96, » » 873
- 1850 » 3261, » 54, » » 1.65, » » 918
- 1845 » 3241, » 66, » » 2.03, » » 938
- 1848 » 3219, » 43, » » 1.33, » » 960
- 1856 » 3070, » 125, » » 4.07, » » 1109
- 1844 » 2956, » 68, » » 2.30, » » 1223
- 1855 » 2938, » 174, » » 5.92, » » 1241
- 1843 » 2739, » 164, » » 5.98, » » 1440
- 1842 » 2659, » 202, » » 7.59, » » 1520
- 1841 » 2442, » 86, » » 3.52, » » 1737
- 1840 » 2073, » 55, » » 2.65, » » 2106
- 1839 » 2010, » 91, » » 4.52, » » 2169
- 1837 » 1784, » 124, » » 6.99, » » 2395
- 1838 » 1779, » 88, » » 4.94, » » 2400
- 1834 » 1744, » 150, » » 8.60, » » 2435
- 1835 » 1682, » 84, » » 4.99, » » 2497
- 1836 » 1670, » 131, » » 7.84, » » 2509
- 1833 » 353, » 8, » » 2.26, » » 3826
[249]
Wenn wir die einzelnen Jahre der zweiten Gebärklinik
nach der absoluten Sterblichkeit aneinanderreihen, so zeigt
sich keine der Abnahme der absoluten Sterblichkeit entspre-
chende Abnahme im Grade der Ueberfüllung, wie Tabelle
Nr. LVIII. zeigt.
Tabelle Nr. LVIII.
- 1854 Todte 210, Percent-Antheil 6.18, Geburten 3396
- 1842 » 202, » » 7.59, » 2659
- 1852 » 192, » » 5.71, » 3360
- 1855 » 174, » » 5.92, » 2938
- 1843 » 164, » » 5.98, » 2739
- 1834 » 150, » » 8.60, » 1744
- 1836 » 131, » » 7.84, » 1670
- 1856 » 125, » » 4.07, » 3070
- 1837 » 124, » » 6.99, » 1784
- 1851 » 121, » » 3.56, » 3395
- 1846 » 105, » » 2.79, » 3754
- 1839 » 91, » » 4.52, » 2010
- 1838 » 88, » » 4.94, » 1779
- 1849 » 87, » » 2.58, » 3371
- 1841 » 86, » » 3.52, » 2442
- 1835 » 84, » » 4.99, » 1682
- 1857 » 83, » » 2.18, » 3795
- 1844 » 68, » » 2.30, » 2956
- 1853 » 67, » » 1.92, » 3480
- 1845 » 66, » » 2.13, » 3241
- 1858 » 60, » » 1.43, » 4179
- 1840 » 55, » » 2.65, » 2073
- 1850 » 54, » » 1.65, » 3261
- 1848 » 43, » » 1.33, » 3219
- 1847 » 32, » » 0.96, » 3306
- 1833 » 8, » » 2.26, » 353
Auch der allmälig abnehmenden relativen Sterblichkeit
entspricht keine allmälige Abnahme in der Ueberfüllung, wie
Tabelle Nr. LIX. zeigt.
[250]
Tabelle Nr. LIX.
- 1834 Percent-Antheil 8.60, Todte 150, Geburten 1744
- 1836 » » 7.84, » 131, » 1670
- 1842 » » 7.59, » 202, » 2659
- 1837 » » 6.99, » 124, » 1784
- 1854 » » 6.18, » 210, » 3396
- 1843 » » 5.98, » 164, » 2739
- 1855 » » 5.92, » 174, » 2938
- 1853 » » 5.71, » 192, » 3360
- 1835 » » 4.99, » 84, » 1682
- 1838 » » 4.94, » 88, » 1779
- 1839 » » 4.52, » 91, » 2010
- 1856 » » 4.07, » 125, » 3070
- 1851 » » 3.56, » 121, » 3395
- 1841 » » 3.52, » 86, » 2442
- 1846 » » 2.79, » 105, » 3754
- 1840 » » 2.65, » 55, » 2073
- 1849 » » 2.58, » 87, » 3371
- 1844 » » 2.30, » 68, » 2956
- 1833 » » 2.26, » 8, » 353
- 1857 » » 2.18, » 83, » 3795
- 1845 » » 2.03, » 66, » 3241
- 1853 » » 1.92, » 67, » 3480
- 1850 » » 1.65, » 54, » 3261
- 1858 » » 1.43, » 60, » 4179
- 1848 » » 1.33, » 43, » 3219
- 1847 » » 0.96, » 32, » 3306
Die grösste Ueberfüllung des Wiener Gebärhauses, als
Ganzes genommen, ereignete sich innerhalb der 75 Jahre
ihres Bestehens im Jahre 1858. Verpflegt wurden in diesem
Jahre 8382 Wöchnerinnen, davon sind gestorben 146=1.74 Per-
cent, also in 28 Jahren war die absolute Sterblichkeit bei
einer geringeren Ueberfüllung eine grössere, wie Tabelle
Nr. LX. zeigt.
Tabelle Nr. LX.
Wenn wir aber die relative Sterblichkeit berücksichti-
gen, so war dieselbe in 43 Jahren bei einer geringeren Ueber-
füllung grösser als bei der grössten Ueberfüllung im Jahre
1858, wie Tabelle Nr. LX. und LXI. zeigt.
Tabelle Nr. LXI.
- 1858 Geburten 8382, Todte 146, Percent-Antheil 1.74,
- 1850 » 7006, » 128, » » 1.82, Geburten weniger 1376
- 1832 » 3331, » 105, » » 3.15, » » 5051
- 1829 » 3012, » 140, » » 4.64, » » 5370
- 1820 » 2998, » 75, » » 2.50, » » 5384
- 1824 » 2911, » 144, » » 4.94, » » 5471
- 1828 » 2833, » 101, » » 3.56, » » 5546
[252]
- 1830 Geburten 2797, Todte 111, Percent-Antheil 3.97, Geburten weniger 5585
- 1818 » 2568, » 56, » » 2.18, » » 5814
- 1827 » 2367, » 51, » » 2.15, » » 6015
- 1800 » 2070, » 41, » » 1.98, » » 6312
- 1814 » 2062, » 66, » » 3.20, » » 6320
- 1795 » 1798, » 38, » » 2.11, » » 6614
- 1793 » 1684, » 44, » » 2.61, » » 6698
- 1811 » 1050, » 20, » » 1.90, » » 7332
- 1784 » 284, » 6, » » 2.11, » » 8098
Wenn wir die 75 Jahre des Bestehens des Wiener Ge-
bärhauses ungetrennt in zwei Abtheilungen nach dem Grade
der Ueberfüllung aneinanderreihen, so zeigt sich keine Ueber-
einstimmung zwischen Ueberfüllung und Sterblichkeit, wie
Tabelle Nr. LXII. zeigt.
Tabelle Nr. LXII.
- 1858 Geburten 8382, Todte 146, Percent-Antheil 1.34,
- 1857 » 8015, » 207, » » 2.58, Geburten weniger 367
- 1852 » 7831, » 373, » » 4.76, » » 551
- 1854 » 7789, » 610, » » 7.83, » » 593
- 1853 » 7701, » 161, » » 2.09, » » 681
- 1851 » 7589, » 196, » » 2.58, » » 793
- 1849 » 7229, » 190, » » 2.62, » » 1153
- 1848 » 7095, » 91, » » 1.28, » » 1287
- 1847 » 7039, » 210, » » 2.98, » » 1343
- 1846 » 7027, » 567, » » 8.06, » » 1355
- 1850 » 7006, » 128, » » 1.82, » » 1376
- 1856 » 6995, » 281, » » 4.01, » » 1387
- 1845 » 6756, » 313, » » 4.63, » » 1626
- 1855 » 6597, » 372, » » 5.63, » » 1785
- 1844 » 6244, » 336, » » 5.38, » » 2138
- 1842 » 6024, » 730, » » 12.11, » » 2358
- 1843 » 5914, » 457, » » 7.72, » » 2468
- 1841 » 5454, » 330, » » 6.05, » » 2928
- 1840 » 5166, » 328, » » 6.44, » » 3216
- 1839 » 4992, » 248, » » 4.96, » » 3390
- 1838 » 4560, » 179, » » 3.92, » » 3822
- 1837 » 4363, » 375, » » 8.59, » » 4019
- 1834 » 4218, » 355, » » 8.41, » » 4164
- 1836 » 4144, » 331, » » 7.98, » » 4238
[253]
- 1835 Geburten 4040, Todte 227, Percent-Antheil 5.61, Geburten weniger 4342
- 1833 » 3907, » 205, » » 5.25, » » 4475
- 1831 » 3353, » 222, » » 6.62, » » 5029
- 1832 » 3331, » 105, » » 3.15, » » 5051
- 1821 » 3294, » 55, » » 1.66, » » 5088
- 1819 » 3089, » 154, » » 4.98, » » 5293
- 1822 » 3066, » 26, » » 0.84, » » 5316
- 1829 » 3012, » 140, » » 4.64, » » 5370
- 1820 » 2998, » 75, » » 2.50, » » 5384
- 1824 » 2911, » 144, » » 4.94, » » 5471
- 1823 » 2872, » 214, » » 7.45, » » 5510
- 1828 » 2833, » 101, » » 3.56, » » 5549
- 1830 » 2797, » 111, » » 3.97, » » 5585
- 1817 » 2735, » 25, » » 0.91, » » 5647
- 1825 » 2594, » 229, » » 8.82, » » 5788
- 1815 » 2591, » 19, » » 0.73, » » 5791
- 1818 » 2568, » 56, » » 2.18, » » 5814
- 1816 » 2410, » 12, » » 0.49, » » 5972
- 1827 » 2367, » 51, » » 2.15, » » 6015
- 1826 » 2359, » 192, » » 8.12, » » 6023
- 1802 » 2346, » 9, » » 0.38, » » 6036
- 1803 » 2215, » 16, » » 0.72, » » 6167
- 1805 » 2112, » 9, » » 0.40, » » 6270
- 1801 » 2106, » 17, » » 0.80, » » 6276
- 1800 » 2070, » 41, » » 1.98, » » 6312
- 1799 » 2067, » 20, » » 0.96, » » 6315
- 1814 » 2062, » 66, » » 3.20, » » 6320
- 1798 » 2046, » 5, » » 0.24, » » 6336
- 1804 » 2022, » 8, » » 0.39, » » 6360
- 1797 » 2012, » 5, » » 0.24, » » 6370
- 1813 » 1945, » 21, » » 1.08, » » 6437
- 1796 » 1904, » 22, » » 1.16, » » 6478
- 1806 » 1875, » 13, » » 0.73, » » 6507
- 1795 » 1798, » 38, » » 2.11, » » 6614
- 1794 » 1768, » 7, » » 0.39, » » 6644
- 1793 » 1684, » 44, » » 2.61, » » 6698
- 1792 » 1574, » 14, » » 0.89, » » 6808
- 1788 » 1425, » 5, » » 0.35, » » 6957
- 1812 » 1419, » 9, » » 0.63, » » 6963
- 1787 » 1407, » 5, » » 0.35, » » 6975
- 1791 » 1395, » 8, » » 0.57, » » 6987
- 1790 » 1326, » 10, » » 0.75, » » 7056
[254]
- 1789 Geburten 1246, Todte 7, Percent-Antheil 0.56, Geburten weniger 7136
- 1786 » 1151, » 5, » » 0.43, » » 7231
- 1811 » 1050, » 20, » » 1.90, » » 7332
- 1807 » 925, » 6, » » 0.64, » » 7457
- 1809 » 912, » 13, » » 1.42, » » 7470
- 1785 » 899, » 13, » » 1.44, » » 7483
- 1808 » 855, » 7, » » 0.81, » » 7527
- 1810 » 744, » 6, » » 0.80, » » 7638
- 1784 » 284, » 6, » » 2.11, » » 8098
Wenn wir die 75 Jahre des Wiener Gebärhauses nach
der absoluten Sterblichkeit aneinanderreihen, so zeigt sich
kein Zusammenhang zwischen Ueberfüllung und absoluter
Sterblichkeit, wie Tabelle Nr. LXIII. zeigt.
Tabelle Nr. LXIII.
- 1842 Todte 730, Percent-Antheil 12.11, Geburten 6024
- 1854 » 610, » » 7.83, » 7789
- 1846 » 567, » » 8.06, » 7027
- 1843 » 457, » » 7.72, » 5914
- 1837 » 375, » » 8.59, » 4363
- 1852 » 373, » » 4.76, » 7831
- 1855 » 372, » » 5.63, » 6597
- 1834 » 355, » » 8.41, » 4218
- 1844 » 336, » » 5.38, » 6244
- 1836 » 331, » » 7.98, » 4144
- 1841 » 330, » » 6.05, » 5454
- 1840 » 328, » » 6.44, » 5166
- 1845 » 313, » » 4.63, » 6756
- 1856 » 281, » » 4.01, » 6995
- 1839 » 248, » » 4.96, » 4992
- 1825 » 229, » » 8.82, » 2594
- 1835 » 227, » » 5.61, » 4040
- 1831 » 222, » » 6.62, » 3353
- 1823 » 214, » » 7.45, » 2872
- 1847 » 210, » » 2.98, » 7039
- 1857 » 207, » » 2.58, » 8015
- 1833 » 205, » » 5.25, » 3907
- 1851 » 196, » » 2.58, » 7589
- 1826 » 192, » » 8.12, » 2359
- 1849 » 190, » » 2.62, » 7229
- 1838 » 179, » » 3.92, » 4560
[255]
- 1853 Todte 161, Percent-Antheil 2.09, Geburten 7701
- 1819 » 154, » » 4.98, » 3089
- 1858 » 146, » » 1.74, » 8382
- 1824 » 144, » » 4.94, » 2911
- 1829 » 140, » » 4.64, » 3012
- 1850 » 128, » » 1.82, » 7006
- 1830 » 111, » » 3.97, » 2797
- 1832 » 105, » » 3.15, » 3331
- 1828 » 101, » » 3.56, » 2833
- 1848 » 91, » » 1.28, » 7095
- 1820 » 75, » » 2.50, » 2998
- 1814 » 66, » » 3.20, » 2062
- 1818 » 56, » » 2.18, » 2568
- 1821 » 55, » » 1.66, » 3294
- 1827 » 51, » » 2.15, » 2367
- 1793 » 44, » » 2.61, » 1684
- 1800 » 41, » » 1.98, » 2070
- 1795 » 38, » » 2.11, » 1798
- 1822 » 26, » » 0.84, » 3066
- 1817 » 25, » » 0.91, » 2735
- 1796 » 22, » » 1.16, » 1904
- 1813 » 21, » » 1.08, » 1945
- 1811 » 20, » » 1.90, » 1050
- 1799 » 20, » » 0.96, » 2067
- 1815 » 19, » » 0.73, » 2591
- 1801 » 17, » » 0.80, » 2106
- 1803 » 16, » » 0.72, » 2215
- 1792 » 14, » » 0.89, » 1574
- 1809 » 13, » » 1.42, » 912
- 1785 » 13, » » 1.44, » 899
- 1806 » 13, » » 0.73, » 1875
- 1816 » 12, » » 0.49, » 2410
- 1790 » 10, » » 0.75, » 1326
- 1812 » 9, » » 0.63, » 1419
- 1805 » 9, » » 0.40, » 2112
- 1802 » 9, » » 0.38, » 2346
- 1804 » 8, » » 0.39, » 2022
- 1791 » 8, » » 0.57, » 1395
- 1794 » 7, » » 0.39, » 1768
- 1789 » 7, » » 0.56, » 1246
- 1808 » 7, » » 0.81, » 855
- 1807 » 6, » » 0.64, » 925
[256]
- 1810 Todte 6, Percent-Antheil 0.80, Geburten 744
- 1784 » 6, » » 2.11, » 284
- 1797 » 5, » » 0.24, » 2012
- 1788 » 5, » » 0.35, » 1425
- 1787 » 5, » » 0.35, » 1407
- 1786 » 5, » » 0.43, » 1151
- 1798 » 5, » » 0.24, » 2046
Wenn wir die einzelnen Jahre nach der relativen Sterb-
lichkeit aneinanderreihen, so zeigt sich keine Uebereinstim-
mung zwischen Ueberfüllung und relativer Sterblichkeit, wie
Tabelle Nr. LXIV. zeigt.
Tabelle Nr. LXIV.
- 1842 Percent-Antheil 12.11, Todte 730, Geburten 6024
- 1825 » » 8.82, » 229, » 2594
- 1837 » » 8.59, » 375, » 4363
- 1834 » » 8.41, » 355, » 4218
- 1826 » » 8.12, » 192, » 2359
- 1846 » » 8.06, » 567, » 7027
- 1836 » » 7.98, » 331, » 4144
- 1854 » » 7.83, » 610, » 7789
- 1843 » » 7.72, » 457, » 5914
- 1823 » » 7.45, » 214, » 2872
- 1831 » » 6.62, » 222, » 3353
- 1840 » » 6.44, » 328, » 5166
- 1841 » » 6.05, » 330, » 5454
- 1855 » » 5.63, » 372, » 6597
- 1835 » » 5.61, » 227, » 4040
- 1844 » » 5.38, » 336, » 6244
- 1833 » » 5.25, » 205, » 3907
- 1819 » » 4.98, » 154, » 3089
- 1839 » » 4.96, » 248, » 4992
- 1824 » » 4.94, » 144, » 2911
- 1852 » » 4.76, » 373, » 7831
- 1829 » » 4.64, » 140, » 3012
- 1845 » » 4.63, » 313, » 6756
- 1856 » » 4.01, » 281, » 6995
- 1830 » » 3.97, » 111, » 2797
- 1838 » » 3.92, » 179, » 4560
- 1828 » » 3.56, » 101, » 2833
[257]
- 1814 Percent-Antheil 3.20, Todte 66, Geburten 2062
- 1832 » » 3.15, » 105, » 3331
- 1847 » » 2.98, » 210, » 7039
- 1849 » » 2.62, » 190, » 7229
- 1793 » » 2.61, » 44, » 1684
- 1857 » » 2.58, » 207, » 8015
- 1851 » » 2.58, » 196, » 7589
- 1820 » » 2.50, » 75, » 2998
- 1818 » » 2.18, » 56, » 2568
- 1827 » » 2.15, » 51, » 2367
- 1795 » » 2.11, » 38, » 1798
- 1784 » » 2.11, » 6, » 284
- 1853 » » 2.09, » 161, » 7701
- 1800 » » 1.98, » 41, » 2070
- 1811 » » 1.90, » 20, » 1050
- 1850 » » 1.82, » 128, » 7006
- 1858 » » 1.74, » 146, » 8382
- 1821 » » 1.66, » 55, » 3294
- 1785 » » 1.44, » 13, » 899
- 1809 » » 1.42, » 13, » 912
- 1848 » » 1.28, » 91, » 7095
- 1796 » » 1.16, » 22, » 1904
- 1813 » » 1.08, » 21, » 1945
- 1799 » » 0.96, » 20, » 2067
- 1817 » » 0.91, » 25, » 2735
- 1792 » » 0.89, » 14, » 1574
- 1822 » » 0.84, » 26, » 3066
- 1808 » » 0.81, » 7, » 855
- 1801 » » 0.80, » 17, » 2106
- 1810 » » 0.80, » 6, » 744
- 1790 » » 0.75, » 10, » 1326
- 1815 » » 0.73, » 19, » 2591
- 1806 » » 0.73, » 13, » 1875
- 1803 » » 0.72, » 16, » 2215
- 1807 » » 0.64, » 6, » 925
- 1812 » » 0.63, » 9, » 1419
- 1791 » » 0.57, » 8, » 1395
- 1789 » » 0.56, » 7, » 1246
- 1816 » » 0.49, » 12, » 2410
- 1786 » » 0.43, » 5, » 1151
- 1805 » » 0.40, » 9, » 2112
- 1804 » » 0.39, » 8, » 2022
Semmelweis, Kindbettfieber. 17
[258]
- 1794 Percent-Antheil 0.39, Todte 7, Geburten 1768
- 1802 » » 0.38, » 9, » 2346
- 1788 » » 0.35, » 5, » 1425
- 1787 » » 0.35, » 5, » 1407
- 1797 » » 0.24, » 5, » 2012
- 1798 » » 0.24, » 5, » 2046
Als wir die bisher giltige Aetiologie des Kindbettfiebers
in ihrer Anwendung zur Erklärung des Plus der Sterblichkeit
an der ersten Gebärklinik im Vergleiche zur zweiten einer
Prüfung unterzogen, haben wir das Puerperal-Miasma nicht
erwähnt, weil an der ersten Gebärklinik nie das Puerperal-
Miasma zur Erklärung der Sterblichkeit zu Hilfe genommen
wurde. Hier, wo ich mir die Aufgabe gestellt, die bisher gil-
tige Aetiologie ohne Rücksicht auf die erste Gebärklinik einer
Beurtheilung zu unterwerfen, ist es nöthig, meine Ansicht
über das Puerperal-Miasma auszusprechen.
Wenn in einem Zimmer mehrere oder viele gesunde
Wöchnerinnen mit ihren Säuglingen sich befinden, so wird
die atmosphärische Luft des Wochenzimmers mit den Exha-
lationen der vermehrten Hautthätigkeit, der Milchsecretion,
des Lochialflusses etc. etc. vermengt, und wenn diese Exhala-
tionen nicht durch Ventilation rechtzeitig aus dem Wochen-
zimmer entfernt werden, gehen selbe einen Zersetzungspro-
cess ein; die nun so eine Zersetzung eingegangenen Exhala-
tionen bringen, wenn selbe mit der atmosphärischen Luft des
Wochenzimmers in die Genitalien der Wöchnerinnen eindrin-
gen, das Kindbettfieber hervor.
Wenn in einem Zimmer eine oder mehrere kranke Wöch-
nerinnen unter gesunden Wöchnerinnen sich befinden, und
wenn die Krankheiten, ob Puerperalfieber oder eine andere
Krankheit, zersetzte Stoffe exhaliren, so werden diese exhalir-
ten zersetzten Stoffe, wenn selbe mit der atmosphärischen
Luft des Wochenzimmers in die Genitalien der gesunden
Wöchnerinnen eindringen, bei denselben das Kindbettfieber
erzeugen.
[259]
Wenn man das unter Puerperal-Miasma versteht, so bin
ich damit einverstanden. Alles darüber hinaus unter Puerperal-
Miasma Verstandene existirt nicht.
Um die Zersetzung der oben angeführten physiologischen
Exhalationen zu verhüten, genügt die Ventilation durch Oeffnen
der Fenster.
Um die Erkrankung der gesunden Wöchnerinnen durch
die Exhalationen zersetzter Stoffe kranker Wöchnerinnen zu
verhüten, müssen die kranken von den gesunden Wöchnerin-
nen gesondert werden.
Wir haben zahlreiche Tabellen construirt zum Beweise,
dass der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen unabhängig
sei vom Grade der Ueberfüllung eines Gebärhauses, diese
Tabellen sind ebenso viele Beweise gegen die Ansicht über
die Entstehung des Puerperal-Miasmas, welche glaubt, dass
die Entstehung des Puerperal-Miasmas in einem nothwendigen
ursächlichen Zusammenhange mit der Anzahl der vorhandenen
Wöchnerinnen stehe.
Als Beweis, dass es kein Puerperal-Miasma gebe, welches
sich nothwendigerweise beim Vorhandensein einer gewissen An-
zahl von Wöchnerinnen entwickeln müsse, diene noch der
Umstand, dass es mir gelungen ist, die Sterblichkeit an der
ersten Gebärklinik auffallend zu beschränken, ohne dass Vor-
kehrungen getroffen worden wären, geeignet das Puerperal-
Miasma der Wochenzimmer zu zerstören. Die Prophylaxis des
Kindbettfiebers waren Chlorwaschungen der Hände, welche
im Kreissezimmer geübt wurden.
Da das Puerperalfieber kein Contagium, und ein Miasma
nur im oben angedeuteten Sinne erzeugt, und da das Puerperal-
fieber durch die äussere unverletzte Oberfläche nicht aufge-
nommen werden kann; so folgt daraus, dass das Puerperal-
fieber nicht geeignet ist, die Localitäten eines Gebärhauses so
zu inficiren, dass den gesund aufgenommenen Individuen schon
durch die Localitäten das Kindbettfieber eingeimpft werden
würde.
17 *
[260]
Es dürfte wenige Räume geben, in welchen mehr
Wöchnerinnen gestorben sind, als im Krankenzimmer der
ersten Gebärklinik, und doch wurde dieses Zimmer, nachdem
in Folge der Chlorwaschungen von Zeit zu Zeit das Kranken-
zimmer überflüssig wurde, als Wochenzimmer benützt, ohne
dass der Stubenboden wäre aufgerissen worden, ohne dass die
Wände wären abgekratzt worden, nur die Betten wurden ge-
wechselt, und doch blieben die in diesem Zimmer Verpflegten
gesund.
Eine Localität könnte nur dann das Kindbettfieber her-
vorbringen, wenn selbe in dem Grade mit zersetzten Stoffen
verunreinigt wäre, dass die Exhalationen der zersetzten Stoffe
mit der atmosphärischen Luft vermengt in die Genitalien der
Individuen dringen würden; ein in dem Grade verunreinigtes
Gebärhauslocal dürfte aber nicht vorkommen. Zu solchen
Localitäten gehören die Sectionssäle.
Die Furcht ist kein ätiologischer Moment des Kindbett-
fiebers, weil die Furcht den Individuen weder von aussen einen
zersetzten Stoff einbringt, noch in Folge der Furcht ein zer-
setzter Stoff in den Individuen entsteht. Wir haben schon frü-
her erwähnt, dass die Furcht den Beginn der Sterblichkeit an
der ersten Gebärklinik nicht erklärt, weil ja die Furcht die
Folge der schon herrschenden Sterblichkeit war; ebenso wenig
waren wir in der Lage den Individuen vor ihrer Aufnahme die
Furcht zu benehmen, zur Zeit, als der Gesundheitszustand
der ersten Gebärklinik sich besserte. Sie kamen mit dersel-
ben Furcht, und doch kam das Kindbettfieber nicht so zahl-
reich vor. Wenn die Furcht ein ätiologischer Moment des
Kindbettfiebers wäre, so müsste ja das Kindbettfieber ausser-
halb der Gebärhäuser ebenso zahlreich vorkommen, wie in-
nerhalb der Gebärhäuser; denn von Furcht sind ja nicht blos
diejenigen, welche im Gebärhause gebären, sondern auch die-
jenigen, welche ausserhalb des Gebärhauses entbinden, geplagt.
Jeder beschäftigte Geburtshelfer macht täglich die Er-
fahrung, dass nicht blos Erst-, sondern auch Oftgeschwängerte
[261] die ganze Schwangerschaft hindurch von dem Gedanken ge-
quält werden, dass sie diesmal die Geburt nicht überstehen
werden, dass sie diesmal die Geburt mit ihrem Leben bezah-
len werden. In beinahe allen Lehrbüchern der Geburtshilfe ist
zu lesen, dass die Todesfurcht vorzüglich gegen Ende der
Schwangerschaft den Schwangeren das Leben verbittert, und
doch haben viele Gelegenheit sich zehn-, zwölfmal vor dem
Tode zu fürchten, weil die zehn-, zwölfmalige Todesfurcht bei
ihnen kein tödtliches Puerperalfieber hervorgebracht hat.
Dadurch, dass die im Gebärhause Gebärenden lauter
ledige, der trostlosesten Bevölkerung entnommene Mädchen
seien, welche während der Schwangerschaft durch schwere
Arbeit ihr Brot verdienen, dem Elende und der Noth preisgege-
ben, unter dem Einflusse deprimirender Gemüthsaffecte, über-
haupt ein liederliches, unmoralisches Leben führen, wird den
Individuen weder ein zersetzter Stoff von Aussen eingebracht,
noch entsteht in Folge dessen ein zersetzter Stoff innerhalb
dieser Individuen, diese Umstände sind demnach keine ätiolo-
gischen Momente des Kindbettfiebers.
Abgesehen davon, dass diese Schilderung gewiss nicht auf
Alle, welche in Gebärhäusern entbinden, seine Anwendung
findet, müsste ja, wenn diese Umstände das Kindbettfieber
hervorbringen würden, die Sterblichkeit ausserhalb des Ge-
bärhauses ebenso gross sein, als innerhalb der Gebärhäuser,
da ja nicht alle, welche ausserhalb des Gebärhauses entbinden,
züchtige glückliche Frauen sind, welche im Wohlleben ihre
Tage hinbringen.
Das verletzte Schamgefühl der Individuen, welche im Ge-
bärhause in Gegenwart der Männer entbinden, ist kein ätiolo-
gischer Moment des Kindbettfiebers, weil durch das verletzte
Schamgefühl weder von Aussen den Individuen ein zersetzter
Stoff eingebracht wird, noch entsteht in Folge des verletzten
Schamgefühls ein zersetzter Stoff in den Individuen.
Wahrlich, es zeugt von der Gedankenlosigkeit, mit wel-
cher die Aetiologie des Kindbettfiebers behandelt wurde,
[262] wenn man den Individuen, welche früher als so verworfen ge-
schildert wurden, nun wieder eine Zartheit des Schamgefühls
zugesprochen findet, wie es in den hohen und höchsten Kreisen
nicht vorkömmt, die Geburten gehen in den hohen und höch-
sten Kreisen in Gegenwart von Aerzten vor sich, und doch
sterben die Entbundenen dieser Kreise nicht in dieser Anzahl
an Kindbettfieber in Folge des verletzten Schamgefühls, wie
die so verworfen geschilderte Bevölkerung der Gebärhäuser.
Die überwiegend grösste Mehrzahl der Geburten geht unter
dem Beistande, den eine Hebamme vermöge des gegenwärtigen
Unterrichtssystems leisten kann, glücklich für Mutter und
Kind vorüber, nur in seltenen Fällen ist eine Hilfe nöthig,
welche nur der Geburtshelfer leisten kann.
Es ist in vielen Ländern Sitte, den Geburtshelfer nur zu
diesen seltenen Fällen zu rufen. Da aber die Hilfe, welche nur
der Geburtshelfer leisten kann, in der Regel innerhalb kurzer
Zeit geleistet werden muss, soll der Erfolg ein glücklicher sein,
sogeschiehtes häufig, dass der Geburtshelfer, wenn er erst dann
gerufen wird, wenn die Gefahr schon vorhanden ist, zu spät
kömmt und desshalb nicht mehr das leisten kann, was er geleistet
hätte, wäre er rechtzeitig bei der Gebärenden an wesend gewesen.
Auf diese Erfahrung stützt sich das Bestreben der Geburts-
helfer, das hilfsbedürftige Publicum dahin aufzuklären, zu
jeder Geburt den Geburtshelfer rufen zu lassen, damit er, falls
eine Gefahr eintrete, rechtzeitig die Hilfe leisten könne.
Wenn aber das verletzte Schamgefühl ein ätiologisches
Moment des Kindbettfiebers wäre, so hiesse das nichts anders,
als, um Einzelne vor Gefahren zu schützen, Alle den Gefahren
des Kindbettfiebers auszusetzen.
Die männliche Geburtshilfe müsste verboten werden,
wenn das verletzte Schamgefühl ein ätiologischer Moment
des Kindbettfiebers wäre.
Die Conception, die Schwangerschaft, die Hyperinose, die
Hydroämie, die Plethora, die Individualität, Diätfehler, Erkäl-
[263] tung sind keine ätiologischen Momente des Kindbettfiebers,
weil durch alle diese Umstände weder den Individuen von
Aussen ein zersetzter Stoff eingebracht wird, noch entsteht in
Folge dieser Umstände ein zersetzter Stoff in den Individuen.
Wenn diese Umstände ätiologische Momente des Kind-
bettfiebers wären, so könnte die geographische Verbreitung
des Kindbettfiebers nicht auf das mittlere Europa beschränkt
sein, und die Geschichte des Kindbettfiebers könnte nicht das
Kindbettfieber als eine Krankheit der neueren Zeit docu-
mentiren.
Aetiologische Momente des Kindbettfiebers sind alle jene
Momente, welche den Individuen entweder einen zersetzten
thierisch-organischen Stoff von Aussen einbringen, oder welche
in den Individuen einen solchen Stoff entstehen machen.
Die Momente, welche den Individuen von Aussen einen
zersetzten Stoff beibringen, und das Kindbettfieber daher
durch Infection von Aussen erzeugen, sind folgende:
Dass die Vorstände der Gebärhäuser und deren Hilfsärzte
zur eigenen und zur Belehrung ihrer Schüler sich mit Dingen
beachäftigen, welche ihre Hände mit zersetzten Stoffen verun-
reinigen; wenn der Vorstand einer chirurgischen Abtheilung
zugleich einer geburtshilflichen Abtheilung vorsteht; wenn
eine gynaecolgische und geburtshilfliche Abtheilung unter
einem Vorstande vereinigt sind; dass die Schüler der prak-
tischen Geburtshilfe den pathologischen und gerichtlichen
Sectionen so wie den Sectionen der im Gebärhause Verstor-
benen beiwohnen; dass sie chirurgische und medicinische
Abtheilungen besuchen; dass sie Operationscurse an der Leiche
aus der Chirurgie, Oculistik nehmen; dass sie mikroskopische
Curse mitmachen, in welchen verschiedene zersetzte Stoffe
untersucht werden; dass sie den Cursen über pathologische
Anatomie beiwohnen; dass ihnen der fungirende Assistent Un-
terricht ertheilt in geburtshilflichen Operationen am Cadaver;
dass Assistenten und Schüler Sectionen machen; dass Vorstände
der Gebärhäuser und deren Hilfsärzte Kranke behandeln, deren
[264] Krankheiten zersetzte Stoffe erzeugen; dass kranke Kreissende
mit den gesunden in einem gemeinschaftlichen Kreisszimmer
entbinden; dass kranke Wöchnerinnen mit gesunden in einem
gemeinschaftlichen Wochenzimmer verpflegt werden; dass von
denselben Individuen, z. B. den Instituts-Madamen bei kranken
Wöchnerinnen Einspritzungen gemacht werden, von welchen
auch eine grosse Anzahl gesunder untersucht wird; dass viele
Gegenstände, als da sind: Schwämme, Instrumente, Leib-
schüsseln etc. bei Gesunden und Kranken verwendet werden;
dass die Wäsche und Bettgeräthe nicht immer den nöthigen
Grad der Reinlichkeit darbieten; dass die Luft in Räumlich-
keiten des Gebärhauses mit zersetzten Stoffen geschwängert
sein kann, entweder dadurch, dass die Exhalationen der Wöch-
nerinnen nicht durch Ventilation abgeführt werden, oder dass
den Räumlichkeiten des Gebärhauses zersetzte Stoffe zuge-
führt werden aus dem Krankenhause, aus der naheliegenden
Todtenkammer, aus den Abzugscanälen; ausserhalb des Ge-
bärhauses wird durch dieselben Momente das Kindbettfieber
hervorgebracht, indem auch ausserhalb der Gebärhäuser die
Medicinal-Individuen männlichen und weiblichen Geschlechtes
sich mitzersetzten Stoffen ihre Hände verunreinigen; auch ausser-
halb der Gebärhäuser wird nicht immer die nöthige Reinlichkeit
derjenigen Gegenstände beobachtet, welche dem Gebrauche der
Individuen dienen etc. etc. Das sind die ätiologischen Momente,
denen wir noch viele hinzufügen könnten, wenn es nicht über-
flüssig wäre, da ja aus dem Gesagten es sich von selbst ergibt,
dass hieher Alles gehöre, was den Individuen einen zersetzten
Stoff von Aussen einbringt; welche die Verheerungen unter
den Wöchnerinnen hervorrufen, welche Verheerungen fälschlich
atmosphärischen Einflüssen zugeschrieben wurden.
Was die ätiologischen Momente des Kindbettfiebers an-
belangt, welche in den Individuen einen zersetzten Stoff ent-
stehen machen, und daher das Kindbettfieber durch Selbst-
infection erzeugen, so sind es folgende:
Zersetzung des normalen Lochialflusses in Folge längerer,
[265] durch welche Ursache immer bedingte Zurückhaltung, Zurück-
bleiben der Placenta, oder Placenta und Eihautreste, Zurück-
bleibung von Blutgerinnungen in der Gebärmutterhöhle nach
Blutungen, Quetschungen der Genitalien in Folge verzögerter
Austreibungsperiode, oder in Folge von Operationen necrosi-
rende Mittelfleischrisse.
Ob es ausser diesen Ursachen der Selbstinfection noch
mehrere andere gebe, das muss erst eine länger fortgesetzte
Beobachtung lehren, bis jetzt waren meine Beobachtungen in
dieser Hinsicht dadurch getrübt, dass die drei Abtheilungen,
an welchen ich meine Beobachtungen gemacht, solche waren,
an welchen es nicht möglich war, alle Infectionsfälle von Aussen
zu verhüten. Die Zahl der Ursachen der Selbstinfectionen
dürfte jedenfalls gering sein, da in Wien im Jahre 1797 von
2012 und im Jahre 1798 von 2046 Wöchnerinnen nur jährlich
je 5 Wöchnerinnen, also 1 von 400 starben.
[[266]]
Prophylaxis des Kindbettfiebers.
Da die alleinige Ursache des Kindbettfiebers, nämlich ein
zersetzter thierisch-organischer Stoff, den Individuen entweder
von Aussen eingebracht wird, oder da dieser Stoff auch in den
Individuen entstehen kann, so besteht die Aufgabe der Prophy-
laxis des Kindbettfiebers darin, die Einbringung zersetzter
Stoffe von Aussen zu verhüten, die Entstehung zersetzter
Stoffe in den Individuen hintanzuhalten, und endlich die
wirklich entstandenen zersetzten Stoffe so schnell wie möglich
aus dem Organismus zu entfernen, um wo möglich deren
Resorption, und dadurch den Ausbruch des Kindbettfiebers zu
verhüten.
Der Träger, mittelst welchem am häufigsten ein zersetzter
Stoff den Individuen von Aussen eingebracht wird, ist der
untersuchende Finger.
Da es bei einer grossen Anzahl von Schülern sicherer ist,
den Finger nicht zu verunreinigen, als den verunreinigten
wieder zu reinigen, so wende ich mich an sämmtliche Regie-
rungen mit der Bitte um die Erlassung eines Gesetzes, welches
jedem im Gebärhause Beschäftigten für die Dauer seiner
Beschäftigung im Gebärhause verbietet, sich mit Dingen zu
beschäftigen, welche geeignet sind, seine Hände mit zersetzten
Stoffen zu verunreinigen.
Die unabweisbare Nothwendigkeit eines solchen Gesetzes
machte mir die Erfahrung klar, dass es mir trotz aller Energie
nicht gelungen ist, an der I. Gebärklinik zu Wien die
Fälle von Kindbettfieber auf die Fälle von Selbstinfection zu
beschränken.
[267]
Wenn man bedenkt. dass der Semester für praktische
Geburtshilfe nicht für alle Schüler am selben Tage beginnt,
wo dann alle gleichzeitig mit ihren Pflichten bekannt gemacht
werden können, sondern dass in die praktische Geburtshilfe
täglich Schüler ein- und austreten, und da man nicht täglich
dasselbe sagen kann, es leicht vorkommen mag, dass mancher
erst nach vielen Tagen gewarnt wird; wenn man bedenkt,
dass die 42 Schüler der I. Gebärklinik den grössten Theil des
Tages in der Todtenkammer bei den pathologischen und
gerichtlichen Sectionen, auf den Abtheilungen des Kranken-
hauses, in den verschiedensten Operations- und andern Cursen
verbringen, wodurch die Hand nicht nur mit zersetzten Stoffen
verunreinigt, sondern förmlich getränkt wird, und wenn es
nicht unwahrscheinlich ist, dass manche dieser so mit zer-
setzten Stoffen getränkte Hände nicht lange genug der Wir-
kung des Chlorkalkes ausgesetzt werden, um völlig desinficirt
zu werden; wenn man alle diese Umstände bedenkt, so muss
es begreiflich sein, dass an der I. Gebärklinik immer noch
Fälle von Infection von Aussen vorgekommen sind.
Diesem Uebelstande kann nur das oben angedeutete
Gesetz abhelfen. Aber dieses Gesetz hätte noch andere heil-
same Folgen. Ich werde später Gelegenheit haben, sehr zahl-
reiche Professoren der Geburtshilfe anzuführen, welche gegen
meine Lehre geschrieben, folglich auch ihren Schülern gegen-
über gegen meine Lehre gesprochen haben. Ein Thor, der nun
glaubt, dass die so irrebelehrten Schüler sich so gewissenhaft
desinficiren werden, als es nöthig ist. Und wenn dann der Tod
reiche Beute hält, so wird die Erfolglosigkeit der Chlor-
waschungen als Beweis des epidemischen Ursprunges des
Kindbettfiebers benützt.
Diesem verderblichen Gebahren, wodurch nicht nur in
den Gebärhäusern so viele Menschenleben frühzeitig zerstört
werden, sondern wodurch noch Generationen irregeleiteter
Aerzte ins praktische Leben hinausgeschickt werden, deren
Infectionsfälle dann wieder als Beweise des epidemischen
[268] Kindbettfiebers auch ausserhalb der Gebärhäuser benützt
werden; diesem verderblichen Gebahren kann nur durch ein
solches Gesetz ein Ende gemacht werden, auf welches wir
früher hingedeutet haben. Wenn in Folge dieses Gesetzes die
Schüler in den Gebärhäusern reine Hände haben werden,
dann wird auch der feurigste Vortrag für die epidemischen
Einflüsse keine Epidemie hervorzubringen im Stande sein;
während ohne dieses Gesetz bei mit zersetzten Stoffen verun-
reinigten Händen, durch solche Vorträge die Vorsicht des
Schülers eingeschläfert, und dadurch das Kindbettfieber ver-
vielfältigt wird. Wir beschwören daher sämmtliche Regierungen
um die Erlassung eines solchen Gesetzes, damit nicht ferner-
hin das gebärende Geschlecht mehr als decimirt werde, damit
nicht fernerhin schon der noch ungebornen Frucht der Todes-
keim eingeimpft werde, und zwar gerade von denjenigen,
welche zu deren Erhaltung berufen sind.
Ein solches Gesetz ist der anderweitigen medicinischen
Ausbildung nicht hinderlich, weil der praktischen Geburts-
hilfe nur eine verhältnissmässig kurze Zeit gewidmet wird.
Ein solches Gesetz würde aber den praktisch-geburtshilflichen
Unterricht dadurch wesentlich fördern, da es dann nicht mehr
so wie jetzt geschehen würde, dass die belehrendsten Fälle
sich ereignen, während die Schüler anderweitig beschäftigt sind.
Es ist überall Sitte, dem praktisch-geburtshilflichen Un-
terrichte einen theoretischen vorauszuschicken. Mit diesem
theoretischen Unterrichte müssten die Operationsübungen an
Leichen verbunden sein, den Sectionen der im Gebärhause
Verstorbenen müssten die Schulen der theoretischen Vorle-
sungen beigezogen werden, damit die Schüler schon vor ihrer
Aufnahme in das Gebärhaus mit der pathologischen Anatomie
des Kindbettfiebers, mit den geburtshilflichen Operationen
an der Leiche vertraut werden, um solche Beschäftigungen
während ihres Aufenthaltes im Gebärhause entbehren zu können.
Durch ein solches Gesetz wird zwar die ergiebigste, aber
es werden nicht alle Quellen gestopft, aus welchen der die
[269] Hand verunreinigende zersetzte Stoff genommen wird, weil ja
im Gebärhause selbst durch Selbstinfection das Kindbettfieber
entstehen kann, welches unter der Form einer Endometritis
septica verlaufend, den die Hand verunreinigenden Stoff liefert,
es werden ja auch Kreissende aufgenommen, welche an, einen
zersetzten Stoff erzeugenden Krankheiten leiden.
Die Nothwendigkeit, die Hand zu desinficiren, wird daher
immer bleiben, und um dieses Ziel vollkommen zu erreichen,
ist es nöthig, die Hand, bevor ein zersetzter Stoff berührt
wird, gut zu beöhlen, damit der zersetzte Stoff nicht in die
Poren der Hand eindringen könne; nach einer solchen Beschäf-
tigung muss die Hand mit Seife gewaschen, und dann der
Einwirkung eines chemischen Agens ausgesetzt werden, welches
geeignet ist, den nicht entfernten zersetzten Stoff zu zerstören;
wir bedienen uns des Chlorkalkes, und waschen uns so lange,
bis die Hand schlüpfrig wird.
Eine so behandelte Hand ist vollkommen desinficirt.
Träger der zersetzten Stoffe ist übrigens nicht blos der unter-
suchende Finger, sondern alle Gegenstände, welche mit zer-
setzten Stoffen verunreinigt sind, und mit den Genitalien der
Individuen in Berührung kommen; diese Gegenstände müssen
daher vor ihrer Inberührungbringung mit den Genitalien
desinficirt, oder ausser Verwendung gesetzt werden, hieher
gehören Instrumente, Bettwäsche, Schwämme, Leibschüs-
seln etc. etc.
Da der Träger der zersetzten Stoffe auch die atmos-
phärische Luft sein kann, so sind die Gebärhäuser an Orten
zu erbauen, wo ihnen von Aussen durch die atmosphärische
Luft keine zersetzten Stoffe zugeführt werden können. Gebär-
häuser sollen daher nicht Bestandtheile grosser Kranken-
häuser sein, und damit die atmosphärische Luft in den Räumen
des Gebärhauses nicht zum Träger des zersetzten Stoffes
werde, müssen die Exhalationen der Individuen vor ihrer
Zersetzung aus den Räumen des Gebärhauses durch Ventilation
entfernt werden. Nebstdem ist es ein Erforderniss der Pro-
[270] phylaxis des Kindbettfiebers, dass jedes Gebärhaus mehrere
abgesonderte Räume besitze, um in denselben diejenigen
Individuen, welche zersetzte Stoffe exhaliren, oder deren Krank-
heiten zersetzte Stoffe erzeugen, vollkommen von den gesunden
gesondert verpflegen zu können. Unter der Voraussetzung der
Absonderung kranker Individuen ist das Zellensystem kein
Erforderniss der Prophylaxis des Kindbettfiebers, und es ist
vollkommen gleichgiltig, wie viele gesunde Wöchnerinnen in
einem Zimmer verpflegt werden, wenn die Zahl der Wöchne-
rinnen nur im richtigen Verhältnisse zur Grösse des Zimmers
steht. Wir haben an der I. Geburtsklinik 32 Wöchnerinnen
gleichzeitig in einem Zimmer verpflegt.
Eben so ist es kein Erforderniss der Prophylaxis des
Kindbettfiebers, mehrere kleine statt eines grossen Gebärhauses
zu errichten. Es ist allerdings wahr, dass die absolute Sterb-
lichkeit in einem kleinen Gebärhause nicht so gross sein kann
als in einem grossen Gebärhause, z. B. Kiwisch berichtet,
dass an der geburtshilflichen Klinik zu Würzburg von 102 in
einem Jahre verpflegten Wöchnerinnen 27 gestorben seien.
Das ungünstigste Jahr für das Wiener Gebärhaus war wäh-
rend der 75 Jahre seines Bestehens das Jahr 1842; es starben
nämlich, das Gebärhaus als Ganzes genommen, von 6024
Wöchnerinnen 730, oder wenn wir blos die I. Abtheilung
berücksichtigen, so starben an der I. Abtheilung im Jahre 1824
von 3287 Wöchnerinnen 518 Wöchnerinnen. Welch ein unge-
heurer Unterschied in der absoluten Sterblichkeit zwischen
dem kleinen Würzburger und dem grossen Wiener Gebär-
hause! und doch war die relative Sterblichkeit im kleinen
Würzburger Gebärhause bedeutend grösser, als im grössten
Gebärhause der Welt während seines ungünstigsten Jahres,
denn in Würzburg starben 26.47, in Wien aber, das Gebär-
haus als Ganzes genommen, 12.11; die I. Abtheilung aber allein
genommen 15.75 Percent-Antheile Wöchnerinnen, und es ist
die Erklärung, warum in kleinen Gebärhäusern die relative
Sterblichkeit grösser ist als in grossen Gebärhäusern, leicht
[271] gegeben. In kleinen Gebärhäusern ist das Lehrmaterial karg
zugemessen, es wird daher ein jeder Fall benützt, und wenn
nun mit unreinen Händen untersucht wird, werden von weni-
gen verpflegten Individuen viele inficirt; in Wien ist das
Lehrmaterial in solchem Ueberfluss vorhanden, dass hunderte
und hunderte von Individuen nicht zum Unterrichte verwendet,
also nicht inficirt werden, und diese nicht zum Unterrichte
verwendeten Individuen verbessern die relative Sterblichkeit.
Was die Prophylaxis der Selbstinfectionsfälle anbelangt,
so muss, damit kein zersetzter Stoff in den Individuen ent-
stehe, die Austreibungsperiode, wenn selbe so zögernd ver-
läuft, dass Quetschungen der Genitalien zu besorgen stehen,
rechtzeitig mittelst der entsprechenden Operation beendet
werden; die Operation selbst muss so schonend wie möglich
gemacht werden, damit in Folge der Operation nicht das
entstehe, was man mit der Operation verhüten wollte; aus
diesem Grunde sind z. B. bei Zangenoperationen, die Rotatio-
nen und die Pendelbewegungen verwerflich, wegen der
Quetschungen, welche nothwendigerweise durch diese Bewe-
gungen den Genifalien zugefügt werden.
Die Placenta, Placenta- und Eihautreste müssen vor ihrem
Uebergange in Fäulniss aus dem Organismus entfernt werden,
mehrere Stunden nach gestillten Gebärmutterblutungen müssen
Injectionen gemacht werden, um die etwa zurückgebliebenen
Blutcoagula zu entfernen, denn zurückgehalten gehen selbe in
Fäulniss über, und liefern dadurch den Stoff für die Selbst-
infection; man verhüte Mittelfleischrisse, weil dadurch nicht nur
eine resorbirende Fläche, sondern zugleich der zu resorbirende
Stoff geschaffen wird. Ist aber wirklich ein zersetzter Stoff in
den Individuen entstanden, so muss derselbe durch Reinlich-
keit und Injectionen aus den Individuen entfernt werden, um
wo möglich dessen Resorption zu verhüten.
In wie weit dieselben Verhältnisse auch ausserhalb der
Gebärhäuser vorkommen, muss natürlich auch ausserhalb der
Gebärhäuser dieselbe Prophylaxis beobachtet werden, und
[272] damit die Prophylaxis des Kindbettfiebers auch ausserhalb der
Gebärhäuser beobachtet werde, muss in den Eid, in die Amts-
instruction der Medicinal-Individuen männlichen und weib-
lichen Geschlechtes bei Gelegenheit ihrer Diplomirung auch
das aufgenommen werden, dass sie schwören, alles das auf das
gewissenhafteste zu befolgen, was die Prophylaxis des Kind-
bettfiebers vorschreibt.
Wer diese Prophylaxis beobachtet, wird die Freude
erleben, nicht von Zeit zu Zeit eine jede dritte oder eine jede
vierte Wöchnerin am Kindbettfieber zu verlieren, sondern
vielleicht erst eine von vierhundert, gewiss aber nicht eine
von hundert.
[[273]]
Correspondenzen und Stimmen in der Literatur
für und gegen meine Lehre.
Wenn wir mit gegenwärtiger Schrift keinen anderen
Zweck verfolgen würden, als den, unsere Lehre unerschütter-
lich zu begründen, und den traurigen Irrthum der Lehre vom
epidemischen Kindbettfieber recht klar zu machen, wenn wir
nur diesen Zweck verfolgen würden, so könnten wir füglich
diese Schrift hier schliessen, denn wir haben nichts mehr
unserer Lehre hinzuzufügen, um selbe unerschütterlicher zu
machen, so wie wir nichts mehr zu sagen haben, um die Un-
haltbarkeit der Lehre vom epidemischen Kindbettfieber noch
klarer zu machen.
Das allein kann aber der Zweck der gegenwärtigen Schrift
nicht sein, denn meine Lehre ist nicht dazu da, fest begründet
in Bibliotheken unter Staub zu vermodern, sondern seine
Mission ist: im praktischen Leben segensreich zu wirken.
Meine Lehre ist dazu da, um von den Lehrern der Medicin
verbreitet zu werden, damit das Medicinal-Personale bis hinab
zum letzten Dorfchirurgen, bis zur letzten Dorfhebamme dar-
nach handle, meine Lehre ist dazu da, um den Schrecken aus
den Gebärhäusern zu verbannen, und um dem Gatten die
Gattin, dem Kinde die Mutter zu erhalten.
Der Geburtstag meiner Lehre fällt in die zweite Hälfte
Mai des Jahres 1847. Wenn wir uns nun nach zwölf Jahren
die Frage stellen, hat diese Lehre seine Mission erfüllt, so
lautet die Antwort sehr betrübend. Es ist zwar wahr, dass
meine Lehre so weitläufig wie dieses Mal noch nicht erörtert
wurde, aber das Wesen der Lehre ist veröffentlicht worden,
Semmelweis, Kindbettfieber. 18
[274] nämlich: es ist eine bekannte Thatsache, dass Verletzungen
bei Sectionen Pyaemie nach sich ziehen können, und da der
Leichenbefund bei an Pyaemie Verstorbenen identisch ist mit
dem Leichenbefunde von am Kindbettfieber Verstorbenen, so
ist das Kindbettfieber dieselbe Krankheit; wenn es dieselbe
Krankheit ist, so muss sie dieselbe Ursache haben, dieselbe
Ursache ist unzweifelheft am häufigsten an den Händen der
Aerzte vorfindig; wenn nun noch durch die Entfernung dieser
Ursache die Wirkung auch verschwindet, so ist die Sache
keinem Zweifel mehr unterworfen.
So weit war die Sache von Anbeginn veröffentlicht, und
man sollte im Vorhinein glauben, dass für Männer der Wissen-
schaft, deren Lebenszweck Rettung von Menschenleben ist,
solche Andeutungen genügen werden, um zu ernstem Nach-
denken aufzufordern, besonders wo es sich um eine Krankheit
handelt, von welcher Alle einstimmig nur mit Entsetzen
sprechen; man sollte glauben, dass bei der Klarheit der Sache
selbe einstimmig für wahr erklärt, und darnach gehandelt
werde.
Die Erfahrung hat uns anders gelehrt; die überaus
grösste Anzahl von medicinischen Hörsälen wiederhallt noch
immer von Vorträgen über epidemisches Kindbettfieber, und
von Philippiken gegen meine Lehre, dadurch werden fort und
fort Generationen neuer Infectoren ins praktische Leben
gesendet, und es ist nicht abzusehen, wann der letzte Dorf-
chirurg und die letzte Dorfhebamme das letzte Mal inficiren
werden.
Die medicinische Literatur der letzten zwölf Jahre
strotzt noch immer von Berichten über beobachtete Puerperal-
Epidemien, und in Wien, an der Geburtsstätte meiner Lehre,
sind im Jahre 1854 wieder 400 Wöchnerinnen dem Kindbett-
fieber erlegen; in den erschienenen medicinischen Werken
wird entweder meine Lehre ignorirt oder angegriffen, die
medicinische Facultät zu Würzburg hat eine im Jahre 1859
erschienene Monographie über die Pathologie des Kindbett-
[275] fiebers, in welcher meine Lehre verworfen wird, mit einem
Preise gekrönt, und wir werden Gelegenheit haben, Vorstände
von Gebärhäusern anzuführen, welche meine Lehre mit Erfolg
beobachten, und dieselbe dennoch bekämpfen, den Erfolg
anderen Umständen zuschreibend. Die Indignation über die
Grösse dieses Scandals hat in meine widerstrebende Hand die
Feder gedrückt. Ich würde glauben ein Verbrechen zu bege-
hen, wenn ich noch länger schweigend der Zeit und der un-
befangenen Prüfung die praktische Verbreitung meiner Lehre
überlassen würde.
Wenn wir uns um die Ursachen umsehen, welche es machen,
dass Männer der Wissenschaft sich so hartnäckig der Wahr-
heit widersetzen, dass Männer, deren Lebenszweck ist,
Menschenleben zu retten, so hartnäckig einer Lehre anhängen,
welche ihre Pflegebefohlenen zum Tode verurtheilt, und dieje-
nige, welche selbe zu retten lehrt, angreifen, so werden wir
deren sehr viele finden; wir wollen alle jene Ursachen, welche
das von uns erbetene Gesetz in ihren Wirkungen paralysirt
nicht einmal erwähnen, weil deren Aufzählung ohne dieses
Gesetz gewiss keine Besserung erzielen, im Gegentheil nur
Leidenschaften erregen würde, mit diesem Gesetze werden
die Folgen dieser Ursachen schwinden, auch ohne selbe auf-
gezählt zu haben.
Zwei Ursachen sind aber, welche der praktischen Ver-
breitung meiner Lehre hinderlich sind, die wir nennen
wollen, weil wir in der Lage sind, dagegen etwas zu thun.
Die eine ist die für reine Wahrheitsliebe zeugende Ge-
wohnheit meiner Gegner, in ihren Angriffen sich immer nur
wieder auf Gegner zu berufen, ja Carl Braun geht in der
Verläugnung der Wahrheit so weit, dass er in seinem Lehr-
buche der Geburtshilfe, Seite 921, sagt: »In Deutschland,
Frankreich und England wurde diese Hypothese der cadave-
rösen Infection bis auf die neueste Zeit fast einstimmig ver-
worfen!«
Nicht alle sind mit der Literatur in ihrem ganzen Umfange
18 *
[276] vertraut; wird ein weniger mit der Literatur Vertrauter durch
solche Aeusserungen aufgefordert, über die Sache nachzu-
denken, und dieselbe zu befolgen? Gewiss nicht.
Wir wollen daher, obwohl uns das Sprichwort »propria
laus sordet« wohl bekannt ist, dennoch hier alles zusammen-
stellen, was zu Gunsten meiner Lehre gesagt wurde, um die
Folgen der Verschwiegenheit meiner Gegner zu paralysiren.
Wir lassen uns den Vorwurf des Eigenlobes gerne gefallen,
überzeugt, dass wir dadurch viele zum ernsten unparteiischen
Nachdenken anregen und bekehren werden. Die zweite
Ursache, welche der praktischen Anwendung meiner Lehre
hinderlich ist, sind die vielen Einwendungen, die man dagegen
erhoben hat, und ich gestehe, dass es mir begreiflich ist, dass
vielen diese Einwendungen imponiren, und es gehört wirklich
die Begeisterung für die Sache dazu, wie ich sie besitze, und
das Vertrautsein mit der Sache, wie ich es bin, um immer zu
merken, wo der Irrthum steckt, der sich als Wahrheit reprä-
sentirt; sowie wir alles das, was zu unseren Gunsten gesagt
wurde, hier zusammenstellen werden, mit noch grösserer Ge-
wissenhaftigkeit werden wir alles anführen, was gegen uns
gesagt wurde, wir werden aber die Antwort nicht schuldig
bleiben, obwohl wir wissen, dass wir dadurch das Odium so
zahlreicher Fachgenossen auf uns laden. Wir werden uns
trösten mit dem Bewusstsein, dass unsere Erwiederung nicht
Zweck, sondern nur ein nicht zu umgehendes Mittel ist, um
Gott weiss wie viele Aerzte der Wahrheit zuzuführen, welche
zum Nachtheile der Menschheit durch die Sirenenklänge
meiner Gegner im Irrthum erhalten werden.
Wir wollen nun das Lob, welches wir geerntet, und den
Tadel, den wir davongetragen, so weit thunlich in chronolo-
gischer Ordnung aufzählen.
Die erste Veröffentlichung unternahm die Redaction der
Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien, *)
[277] Redacteur Dr. Ferdinand Hebra, mit folgenden zwei Auf-
sätzen:
Höchst wichtige Erfahrungen über die Aetiologie der in
Gebäranstalten epidemischen Kindbettfieber.
Die Redaction dieser Zeitschrift fühlt sich verpflichtet,
die folgenden, von Hrn. Dr. Semmelweis, Assistenten an der
ersten geburtshilflichen Klinik des hiesigen k. k. allgemeinen
Krankenhauses, gemachten Beobachtungen in Hinsicht der,
beinahe in allen Gebäranstalten herrschenden Puerperalfieber
hiermit dem ärztlichen Publicum mitzutheilen.
Herr Dr. Semmelweis, der sich bereits über fünf Jahre
im hiesigen k. k. Krankenhause befindet, sowohl am Secir-
tische als auch am Krankenbette in den verschiedenen Zweigen
der Heilkunde sich gründlich unterrichtete, und endlich wäh-
rend der letzten zwei Jahre seine specielle Thätigkeit dem
Fache der Geburtshilfe zuwendete, machte es sich zur Auf-
gabe, nach der Ursache zu forschen, welche dem so verhee-
renden, epidemisch verlaufenden Puerperalprocesse zu Grunde
liege. Auf diesem Gebiete wurde nun nichts ungeprüft gelassen,
und Alles, was nur irgend einen schädlichen Einfluss hätte
ausüben können, wurde sorgfältig entfernt.
Durch den täglichen Besuch der hiesigen pathologisch-
anatomischen Anstalt hatte nun Dr. Semmelweis den schäd-
lichen Einfluss kennen gelernt, welcher durch jauchige und
faulige Flüssigkeiten auf selbst unverletzte Körpertheile der
mit Leichensectionen sich beschäftigenden Individuen aus-
geübt wird. Diese Beobachtung erweckte in ihm den Gedan-
ken, dass vielleicht in Gebäranstalten von den Geburtshelfern
selbst den Schwangeren und Kreissenden der furchtbare
Puerperalprocess eingeimpft werde, und dass er in den meisten
Fällen nichts anderes, als eine Leicheninfection sei.
Um diese Ansicht zu erproben, wurde auf dem Kreiss-
zimmer der ersten geburtshilflichen Klinik die Anordnung
getroffen, dass Jeder, der eine Schwangere untersuchen wollte,
zuvor seine Hände in einer wässerigen Chlorkalk-Lösung
[278] (Chloratis calcis unc. 1, Aqua fontana lib. duas) waschen
musste. Der Erfolg war ein überraschend günstiger; denn
während in den Monaten April und Mai, wo diese Massregel
noch nicht gehandhabt wurde, auf 100 Geburten noch über
18 Todte kamen, verhielt sich in den folgenden Monateu bis
inclusive 26. November die Anzahl der Todten zu den Ge-
burten wie 47 zu 1547, d. h. es starben von 100 2.45.
Durch diese Thatsache wäre vielleicht auch das Problem
gelöst, warum in Hebammen-Schulen ein so günstiges Morta-
litäts-Verhältniss im Vergleiche zu den Bildungsanstalten für
Geburtshelfer herrscht, mit Ausnahme der Maternité in Paris,
wo — wie bekannt — die Sectionen von Hebammen vorge-
nommen werden.
Drei besondere Erfahrungen dürften vielleicht diese so
eben ausgesprochene Ueberzeugung noch weiter bestätigen,
ja sogar den Umfang derselben noch erweitern. Dr. Semmel-
weis glaubt nämlich nachweisen zu können, dass:
- 1. durch vernachlässigtes Waschen einiger mit Anatomie sich
beschäftigender Schüler im Monate September mehrere
Opfer gefallen sind; dass - 2. im Monate October durch häufige Untersuchung einer,
an verjauchendem Medullarsarcom des Uterus leidenden
Kreissenden, wonach die Waschungen nicht beobachtet
wurden; sowie endlich - 3. durch ein am Unterschenkel einer Wöchnerin vorhandenes,
ein jauchiges Secret lieferndes Geschwür mehrere von
dem mit dieser gleichzeitig Entbundenen inficirt wurden.
Also auch die Uebertragung jauchiger Exsudate aus
lebenden Organismen kann die veranlassende Ursache zum
Puerperalprocesse abgeben.
Indem wir diese Erfahrungen der Oeffentlichkeit über-
geben, stellen wir an die Vorsteher sämmtlicher Gebäran-
stalten, von denen schon einige durch Herrn Dr. Semmelweis
selbst mit diesen höchst wichtigen Beobachtungen bekannt
[279] gemacht wurden, das Ansuchen, das Ihrige zur Bestätigung
oder Widerlegung derselben beizutragen!«
Der zweite Aufsatz lautet:
Fortsetzung der Erfahrungen über die Aetiologie der in
Gebäranstalten epidemischen Puerperalfieber.
»Im Decemberhefte 1847 dieses Journals wurde von
Seite der Redaction desselben die höchst wichtige Erfahrung
veröffentlicht, die Herr Dr. Semmelweis, Assistent an der
ersten geburtshilflichen Klinik, in Hinsicht auf die Aetiologie
des in Gebärhäusern vorkommenden epidemischen Puerperal-
fiebers gemacht hat.
Diese Erfahrung besteht nämlich (wie es den Lesern
unserer Zeitschrift noch erinnerlich sein wird) darin, dass
Wöchnerinnen hauptsächlich dann erkranken, wenn sie von
Aerzten, die ihre Hände durch Untersuchungen an Leichen
verunreinigt, und selbe nur auf gewöhnliche Weise gewaschen
hatten, untersucht (touchirt) wurden; während entweder keine
oder nur geringe Erkrankungsfälle stattfanden, wenn der
Untersuchende seine Hände früher in einer wässerigen Chlor-
kalk-Lösung gewaschen hatte.
Diese so höchst wichtige, der Jenner’schen Kuhpocken-
impfung würdig an die Seite zu stellende Entdeckung, hat
nicht nur seither im hiesigen Gebärhause ihre vollständige
Bestätigung erhalten, *) sondern es haben sich auch aus dem
fernen Auslande beifällige Stimmen erhoben, welche die
Richtigkeit der Semmelweis’schen Theorie beglaubigen. Ein-
gelangte Briefe, und zwar aus Kiel von Michaelis, und aus
[280] Amsterdam von Tilanus sind es, welchen ich diese bestäti-
genden Mittheilungen entnehme.
Um jedoch dieser Entdeckung ihre volle Giltigkeit zu
gewinnen, werden hiermit alle Vorsteher geburtshilflicher
Anstalten freundlichst ersucht, Versuche anzustellen, und die
bestätigenden oder widerlegenden Resultate an die Redaction
dieser Zeitschrift einzusenden!«
Dr. Carl Haller, damals Primararzt und provisorischer
Directions-Adjunct, sagt in seinem »Aerztlichen Bericht über
das k. k. allgemeine Krankenhaus in Wien und die damit
verbundenen Anstalten: die k. k. Gebär-, Irren- und Findel-
anstalt im Solarjahr 1848«, *) nachdem er die Rapporte der
beiden Abtheilungen gegeben, Folgendes: »Das Sterblichkeits-
verhältniss auf den beiden grossen Gratisabtheilungen der
Gebäranstalt ist fast ein gleiches, und muss in jeder Beziehung
ein befriedigendes genannt werden.
Seit Jahren bestand jedoch eine bedenkliche Verschie-
denheit. Die unter Leitung des Professors Klein befindliche
I. Gebärklinik, welcher ausschliesslich alle männlichen Schüler
zugewiesen sind, hatte eine auffallend grosse Sterblichkeit
gegen Professors Bartsch Schule, an der sämmtliche Hebam-
men den Unterricht erhalten.
Die Gründe dieser höchst beunruhigenden Erscheinung
konnten nie mit Sicherheit ermittelt werden. Das grosse Ver-
dienst ihrer Entdeckung gebührt dem emeritirten Assistenten
der I. Gebärklinik, Dr. Semmelweis. Von der Vermuthung
geleitet, dass die zahlreichen Erkrankungen und Todesfälle
unter den Wöchnerinnen der I. Gebärklinik vielleicht zum
grossen Theile in einer Einbringung von Leichengift durch
das Touchiren der gleichzeitig in der Sectionskammer beschäf-
tigten Studierenden und Geburtsärzte bedingt sein könnte,
[281] und dieses durch die bisher übliche Reinigung mit Seifen-
wasser nicht mit vollkommener Sicherheit hintangehalten
wurde, liess er im Mai d. J. 1847 mit Zustimmung Professor
Klein’s jeden die Gebäranstalt betretenden Arzt und Schüler
vor jeder ersten Untersuchung einer Gebärenden oder Wöch-
nerin die Hände sorgfältig mit Chlorkalk-Lösung reinigen,
und diese Reinigung nach jeder Untersuchung einer nur im
geringsten Grade kranken Wöchnerin wiederholen. Die con-
sequente Durchführung dieser Massregel hatte schon in den
ersten Monaten überraschende Erfolge.
Die Zahl der Todesfälle verminderte sich bereits im
Jahre 1847 bei fast gleicher Anzahl der Geburten um 283,
und sank von 11.4 % auf 5.04 %; im Verlauf vom Jahre 1848
aber, wo diese Reinigung durch alle Monate beharrlich und
methodisch fortgesetzt wurde, stellte sich das Sterblichkeits-
Verhältniss dem auf der II. Gebärklinik gleich, ja zufällig
noch um 0.1 % günstiger.
Seit der verminderten Erkrankung und Sterblichkeit der
Mütter ist auch für die Lebenserhaltung der Neugebornen
entsprechender gesorgt worden, und auch hier nahm die
Sterblichkeit in merkbarem Grade ab *).
Die überzeugenden Beweise für die Richtigkeit dieser
Schlussfolge kann der Leser aus einem vergleichenden Blicke
der nachfolgenden Tabelle schöpfen, in welcher die Geburts-
und Todesfälle der drei Abtheilungen des Gebärhauses in den
letzten zehn Jahren neben einander gestellt sind, und über-
dies bemerkt werden muss, dass die Sterblichkeit nur eine
approximativ richtige ist, indem bei überhandnehmenden
Puerperal-Epidemien an der I. Gebärklinik aus Sanitäts- und
Humanitäts-Rücksichten eine nicht unbedeutende Anzahl
erkrankter Wöchnerinnen aus dem Gebärhause auf einzelne
[282] Abtheilungen des Krankenhauses transferirt wurden, und als
dort verstorben aus der Rechnung entfielen.«
Nun folgt die Tabelle, welche in dieser Schrift unter
Nr. 1, Seite 3 sich befindet. Haller sagt ferner: »Und was
dem unbefangenen Prüfer dieser Zahlen unabweisbar sich
aufdrängt, das haben directe Versuche an Thieren (Einspri-
tzungen von Eiter und Jauche in die Scheide von eben ent-
bundenen Kaninchen), welche von den Doctoren Semmelweis
und Lautner vor Kurzem angestellt wurden, und nach vollem
Abschlusse veröffentlicht werden sollen, ausser allem Zweifel
gestellt.
Die Bedeutung dieser Erfahrung für die Gebäranstalten,
für die Spitäler überhaupt, insbesondere die chirurgischen
Krankensäle, ist eine so unermessliche, dass sie der ernstesten
Beachtung aller Männer der Wissenschaft würdig erscheint,
und der gerechten Anerkennung der hohen Staatsverwaltung
gewiss sein darf!«
Obwohl die Redaction der Zeitschrift der Gesellschaft
der Aerzte am Schlusse beider Artikel eine Aufforderung an
die Vorstände der Gebärhäuser richtete, das Ihrige zur Be-
stätigung oder Widerlegung beizutragen, so hielt ich es
doch nicht für überflüssig, die Vorstände vieler Gebärhäuser
auch brieflich zu verständigen, und habe daher entweder
selbst, oder durch Freunde vielen Vorständen von Gebärhäusern
geschrieben oder schreiben lassen. Mehrere dieser Briefe sind
nicht beantwortet worden, die erste Antwort kam, und zwar
unglaublich schnell, wie man sagt, mit umgehender Post aus
Edinburg von Simpson. Dr. Arneth, mein Freund und College
an der II. Abtheilung, hat, der englischen Sprache mehr
mächtig als ich, Simpson geschrieben, und ich bedaure, diesen
Brief hier nicht mittheilen zu können, weil er nach Arneth’s
mündlicher Versicherung, im Verlaufe der vielen Jahre, die
seither verflossen sind, verloren gegangen ist. Dieser Brief
war mit Schmähungen angefüllt; Simpson sagte, dass er auch
[283] ohne den Brief gewusst hat, in welch beklagenswerthem Zu-
stande die Geburtshilfe sich in Deutschland und namentlich
in Wien befinde; er wisse gewiss, dass die Ursache der
grossen Sterblichkeit nur in der grenzenlosen Verwahrlosung
liege, der die Wöchnerinnen ausgesetzt seien; so werden z. B.
gesunde Wöchnerinnen in Betten gelegt, wo eben eine andere
gestorben, ohne dass auch nur das Bettzeug gewechselt
würde.
Unser Brief beweist auch, dass uns die englische geburts-
hilfliche Literatur ganz unbekannt sei, denn wenn wir die
englische Literatur kennen würden, würden wir wissen, dass
die Engländer das Kindbettfieber längst für eine contagiose
Krankheit halten, und zu deren Verhütung Chlorwaschungen
anwenden.
Durch diesen Brief fühlten wir uns nicht veranlasst, die
Correspondenz mit Prof. Simpson fortzusetzen; unsere Leser
verweisen wir aber auf Seite 193 dieser Schrift, wo wir weit-
läufig die wesentlichen Unterschiede zwischen der Ansicht
englischer Aerzte und meiner, auseinandersetzten.
Dass Simpson nur in Folge einer Uebereilung meine
Ansicht über die Entstehung des Kindbettfiebers mit der
Ansicht englischer Aerzte für identisch halten konnte, geht
aus einer Correspondenz hervor, welche ich mit Med. Doctor
F. H. C. Routh in London führte.
Dr. Routh besuchte als Schüler die I. Gebärklinik zu
Wien während meiner Assistenz, und das was er gesehen,
überzeugte ihn von der Richtigkeit meiner Lehre. Er reiste
mit dem Vorsatze in sein Vaterland zurück, meine Lehre dort
zu verbreiten, und ich erhielt den ersten Brief dd. 23. Jän-
ner 1849 London, folgenden Inhaltes:
»Comitiis in ultimis septimanis Novembris (1848) convo-
catis, illic discursus, in quo tuam inventionem enunciavi,
reddens tibi, ut voluit justitia, maximam gloriam, praelectus
fuit. Enim vero possum dicere, totum discursum optime ex-
ceptum fuisse, et multi inter socios doctissimos attestaverunt
[284] argumentum convincens fuisse. Inter hos praecipue Webster,
Copeland et Murphy, viri et doctores clarissimi, optime locuti
sunt. In Lancetto Novembris 1848 possis omnia de hac con-
troversia contingentia legere.
Credisne novos casus, qui in hospitio ex tempore mei
abitus admissi sunt, opinionem tuam confirmant?
Febris ne puerperalis rarior est quam antea? Si morbus
sic periculosus in cubilibus obstetriciis non adsit ut ante, certe
effectus magni momenti denuo firmatus. In Praga quoque, ubi
febris puerperalis tum frequenter obvenire solebat, eisdem
causis consecuta fuit ingenerari! *)
Dorset-Square, London, 21. Mai 1849.
»Meas annotationes de tua inventione in libellulo pu-
blicavi.« **)
[285]
Dorset-Square, London, 3. December 1849.
»Jam inventionis tuae fama ac veritas in existimatione
publica accrescit, et inter omnes medicorum societates quam
res est maxime utilis, percipiunt et agnoscunt, nec vero etiam
temere, nam magna est veritas, et praevalebit.« *)
Murphy, Professor der Geburtshilfe früher zu Dublin,
jetzt zu London, hat »In the Dublin Quarterly Journal of
Medical Science« August 1857, einen längeren Artikel ver-
öffentlicht, in welchem er den oben erwähnten Vortrag Routh’s
bespricht, und sich den in diesem Vortrage ausgesprochenen
Ansichten anschliesst. **)
Selbst Simpson ***) hat die Ansicht, dass das Kindbett-
fieber eine contagiose Krankheit sei, aufgegeben.
Er hält jetzt das Kindbettfieber identisch mit dem chirur-
gischen Fieber, und sagt: »Beim Kindbettfieber und beim
chirurgischen Fieber ist das Fieber nicht die Ursache der
begleitenden Entzündungen, noch sind die Entzündungen die
Ursache des begleitenden Fiebers, sondern das Fieber sowohl
als die Entzündungen sind die Folgen einer gemeinschaftlichen
Ursache, nämlich des ursprünglichen Blutverderbnisses. Was
aber das Blut verderbe, dies genügend zu beantworten, bleibt
der späteren Zeit einer mehr ausgebildeten pathologischen
Anatomie, Histologie und Chemie vorbehalten.«
Nun, diese Aufgabe ist schon gelöst, denn das was die
Blutverderbniss als gemeinschaftliche Ursache des begleitenden
Fiebers und der begleitenden Entzündungen beim Kindbett-
[286] fieber und beim chirurgischen Fieber hervorbringt, das ist ein
resorbirter zersetzter thierisch-organischer Stoff.
Die zweite Antwort kam vom Professor Michaelis
aus Kiel.
Dr. Schwarz, Michaelis Schüler, war Ende d. J. 1847
auf dem praktisch-geburtshilflichen Curse an der I. Gebär-
klinik, und schrieb an Michaelis die in Wien gemachten
Beobachtungen, worauf als Antwort folgender Brief einlief:
Herrn Dr. Herm. Schwarz in Wien.
»Ihr Brief vom 21. December 1847 hat mein höchstes
Interesse erregt. Ich war wieder in der grössten Noth. Unsere
Anstalt war in Folge des Puerperalfiebers vom 1. Juli bis
1. November geschlossen. Die drei zuerst wieder Aufgenom-
menen erkrankten, eine starb und zwei wurden nur eben
gerettet. Wir wollten also die Anstalt schon wieder schliessen.
Indessen besserte sich der Gesundheitszustand wieder; zwei
neu Erkrankte wurden leicht geheilt, nur eine starb noch im
Februar. Seitdem sind alle gesund. Ihre Mittheilungen gaben
mir zuerst wieder einigen Muth; der Beweis der Wirksam-
keit der Chlorwaschungen, so weit er in Wien geführt ist, ist
schon aus der grossen Anzahl von Bedeutung. Ich führte sie
sogleich in der Anstalt ein, und Niemand, Candidaten noch
Hebammen, dürfen seitdem untersuchen, ohne dass sie sich
mit Chlor gewaschen haben. Auch gebraucht es schon eine
Hebamme in der Stadt, die mehrere Frauen entband, die
später am Puerperalfieber litten.
Nach Kopenhagen habe ich Abschrift Ihres Briefes ge-
schickt. Aus eigener Erfahrung, die so gering ist, dem grossen
Wiener Experiment gegenüber sprechen zu wollen, würde
anmassend sein.
Dennoch kann ich nicht unterlassen, Ihnen einiges mit-
zutheilen, dessen Zusammenhang man in kleinerer Weise
gerade leichter übersehen kann.
[287]
Seit vorigen Sommer, wo meine Cousine am Puerperal-
fieber starb, die ich nach der Geburt untersuchte, zu einer
Zeit, wo ich Puerperalkranke (nun folgt ein nicht zu lesendes
langes Wort) secirt hatte, war ich überzeugt von der Ueber-
tragung. Es fiel mir dann noch ein, dass schon einige Monate
früher eine Frau in der Stadt, zu der mich Dr. Freund ge-
rufen, ebenfalls am Puerperalfieber gestorben war. Ich verwei-
gerte daher meinen Beistand bei der Geburt vier Wochen lang.
Eine Gebärende, der ich helfen sollte, musste deshalb einen
andern Arzt rufen; es war Prolapsus funiculi umbilicalis; er
reponirte; der Arzt secirte viel, anatomisirte täglich; die Ent-
bundene erkrankte am Puerperalfieber, wurde gerettet, aber hat
eine Exudatmassa am Uterus. Die Hebamme, welche hier Bei-
stand leistete, hat wenigstens noch zwei, vielleicht drei Fälle
von Puerperalfieber in der Stadt gehabt. So viel von der
Fortpflanzung des Fiebers.
Was die Sicherung durch Chlorwaschungen, die ich als
sehr kräftig empfehlen kann, da die Hände den Geruch tage-
lang, ungeachtet wiederholten Waschens, bewahren, was bei
Chlorwasser nicht der Fall ist. Seit Einführung dieser Wa-
schungen ist mir bei keiner von mir oder meinen Eleven
Entbundenen auch der gelindeste Grad des Fiebers wieder
vorgekommen, jenen einen Fall im Februar ausgenommen,
bei dem indess, wie ich vermuthe, ein schlecht gereinigter
Catheder gebraucht wurde, und der isolirt blieb. Nach dem
schlimmen Anfange aber im November erwartete ich die bösar-
tigste Epidemie. Uebrigens beschränkt sich meine Erfahrung
auf etwa 30 Fälle, da wir nur wenig Schwangere aufnehmen.
Ich danke Ihnen für Ihre Mittheilung deshalb vom ganzen
Herzen; sie hat vielleicht schon unsere Anstalt vom Unter-
gange gerettet; und ein neues Hospital zu erwerben in diesen
Zeiten, wäre vielleicht unmöglich gewesen. Ich bitte Sie, mich
dem Dr. Semmelweis zu empfehlen, und auch in diesem Sinne
zu danken, er hat vielleicht einen grossen Fund gethan.
Sie wissen, dass das Puerperalfieber bei uns eigentlich
[288] erst seit 1834 eingezogen ist. Dies ist aber auch ungefähr die
Zeit, seitdem ich mich des Unterrichtes thätiger angenommen
habe, und namentlich das Touchiren der Candidaten regel-
mässiger eingeführt ist. Auch diese Sache lässt sich also in
Zusammenhang bringen.«
Kiel, den 18. März 1848.
Im Kieler Gebärhause hat sich also unsere Ansicht über
die Entstehung des Kindbettfiebers glänzend bewährt; man
mache nicht die Kleinheit der Anstalt geltend, denn wenn das
Kieler Gebärhaus gross genug war, um wegen Puerperal-
Epidemie gesperrt werden zu müssen, so ist es auch gross
genug, um beim Ausbleiben der Epidemie als Beweis gelten
zu können.
Als später wieder ein Schüler Michaelis nach Wien kam,
und wir uns bei selbem um Michaelis erkundigten, erfuhren
wir zu unserem Entsetzen, dass Michaelis zu den Todten
zähle. Die Erfahrungen, die er gemacht, bestätigten ihn immer
mehr in der Ueberzeugung, dass er den Tod seiner Cousine,
von welcher er in seinem Briefe spricht, verschuldet, deshalb
in tiefe Melancholie versunken, liess er sich bei Hamburg von
einem dahinbrausenden Train zermalmen. Ich habe hier
deshalb das unglückliche Ende Michaelis erzählt, um seiner
Gewissenhaftigkeit hier ein Monument zu setzen. Wir werden
leider Gelegenheit haben, dem Leser Geburtshelfer vorzu-
führen, denen man etwas von der Gewissenhaftigkeit wünschen
möchte, was Michaelis davon zu viel hatte.
Friede seiner Asche!
Nachdem ich den Entschluss gefasst, nochmals vor die
Oeffentlichkeit zu treten, hielt ich es für zweckmässig, mich
brieflich bei Michaelis Nachfolger, bei Prof. Litzmann anzu-
fragen, was er an der Anstalt beobachtet, an welcher Michaelis
bestätigende Erfahrungen gemacht. Als Antwort erhielt ich
folgendes Schreiben:
[289]
Kiel, den 25. September 1858.
Von einer Reise zurückgekehrt, finde ich Ihren Brief
vor, und beeile mich, denselben noch in der Kürze zu beant-
worten. Während der zehn Jahre, dass ich Vorsteher der hie-
sigen Gebäranstalt bin, habe ich nach Kräften jede Gelegen-
heit zu einer Infection der Wöchnerinnen durch Leichengift
zu vermeiden gesucht, mich nebst meinem Assistenten von
jeder unmittelbaren Betheiligung bei Sectionen fern gehalten,
und die Studierenden die bekannten Vorsichtsmassregeln
beobachten lassen. Ich bin in der That bezüglich des Pueperal-
fiebers glücklicher gewesen als mein Vorgänger und habe
wenige Opfer zu beklagen gehabt.
Den Hauptgrund dieses günstigen Verhältnisses suche
ich jedoch in der Vorsicht, mit der ich jede Ueberfüllung der
Anstalt mit Wöchnerinnen zu verhüten bemüht gewesen bin.
Die Anstalt zählt acht oder eigentlich nur sieben Einzel-
zimmer für Wöchnerinnen. Der Regel nach hat jede Wöch-
nerin die ersten 5—7 Tage ihr Zimmer für sich, welches ihr
auch als Geburtszimmer gedient hat, erst in der zweiten Woche
des Puerperismus werden zwei Wöchnerinnen in ein Zimmer
gelegt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass, wenn die Zahl der
Wöchnerinnen eine Zeit lang sich über zehn erhob, so dass
schon in den ersten Tagen des Wochenbettes zwei Wöchne-
rinnen zusammengelegt werden mussten, und die benützten
Zimmer ohne ausreichende Lüftung sofort wieder belegt
wurden, sofort das Kindbettfieber sich zeigte. Ich habe daher
die Aufnahme so weit zu beschränken gesucht, dass nament-
lich in den Wintermonaten die Zahl der Wöchnerinnen nicht
auf längere Zeit über zehn stieg, habe im Nothfalle die
Gebärenden in Privatlocalitäten, die ich in der Nähe der
Anstalt gemiethet hatte, verlegt, und dort ihr Wochenbett
abhalten lassen, und bin zu letzterer Massregel immer dann
geschritten, wenn Fälle von Kindbettfieber in der Anstalt
auftraten. Diese Vorsicht hatte Michaelis nicht beobachtet,
die Zahl der jährlich vorkommenden Geburten betrug unter
Semmelweis, Kindbettfieber. 19
[290] seiner Direction 160—190, während ich sie nie über 150
habe steigen lassen. Freilich bin ich ungeachtet aller Vorsicht
nicht von kleineren Epi- oder Endemien verschont geblieben,
und habe auch zweimal zu einer zeitweisen Schliessung der
Anstalt flüchten müssen. Die zur Zeit solcher Endemien in
Privatlocalitäten verlegten Gebärenden blieben mit Ausnahme
eines Falles, der durch Kindbettfieber tödtlich endete, während
des Wochenbettes sämmtlich gesund, oder erkrankten höch-
stens in einem leichteren Grade. Bemerken will ich übrigens
noch, dass bisweilen das Kindbettfieber sich zuerst in der
Stadt oder Umgegend zeigte, und erst darnach in der Anstalt
auftrat, oder dass selbst diese ganz verschont blieb.«
Prof. Litzmann constatirt in diesem Briefe die Beobach-
tung von Massregeln gegen die Infection. Er constatirt einen
günstigen Gesundheitszustand der Wöchnerinnen, glaubt aber
das dem Umstande zuschreiben zu müssen, dass er Vorsorge
gegen die Ueberfüllung des Gebärhauses getroffen. Wir theilen
diese Ansicht nicht, indem wir dafür halten, dass ohne die
Massregeln gegen die Infection die Verhütung der Ueber-
füllung erfolglos geblieben wäre. Als Michaelis, nachdem das
Gebärhaus durch vier Monate geschlossen war, es wieder
eröffnete, erkrankten die drei Angekommenen, obwohl das
Gebärhaus gewiss gelüftet und mit drei Individuen gewiss
nicht überfüllt war. Litzmann legt dem Umstande grosses
Gewicht bei, dass er nur 150 Wöchnerinnen in einem
Jahre vespflegte, während Michaelis deren 160—190 ver-
pflegte; Kiwisch verpflegte in einem Jahre 102 Wöchnerinnen
und davon starben 26.47 %, in Wien wurden 1822 3066 Wöch-
nerinnen verpflegt, davon starben 0.84 %. Litzmann will nur
eine Wöchnerin in einem Zimmer verpflegen, an der I. Gebär-
klinik wurden 32 Wöchnerinnen in einem Zimmer verpflegt,
und während der Beaufsichtigung der Chlorwaschungen durch
mich hatten wir zwei Monate gar keine Todte, während die
fünf ungünstigsten Monate vor den Chlorwaschungen solche
waren, wo die Anzahl der verpflegten Wöchnerinnen eine
[291] geringe war, also das Gebärhaus geringer überfüllt war als in
den zwei Monaten, wo wir gar keine Todte hatten. Welche
Bedeutung die Ueberfüllung hat, haben wir durch zahlreiche
Tabellen gezeigt.
Wir glauben daher mit Recht die Behauptung aufstellen
zu können, dass der zehnjährige günstige Gesundheitszustand
der Wöchnerinnen des Kieler Gebärhauses den Massregeln
gegen die Infection zuzuschreiben sei.
Michaelis theilte in seinem Briefe mit, dass er eine Ab-
schrift des Briefes von Dr. Schwarz nach Kopenhagen gesen-
det; ich wendete mich daher brieflich an Prof. Lewy mit der
Bitte, mir mitzutheilen, was er innerhalb der zehn Jahre,
die seitdem verflossen, für Beobachtungen gemacht habe; und
erhielt folgende Antwort:
Kopenhagen, 31. Mai 1858.
»Ihren werthen Brief, worin Sie mich freundlichst dazu
auffordern, meine Erfahrungen über Ihre Ansichten von der
Entstehung und Verhütung des Puerperalfiebers, als Antwort
auf ein vor zehn Jahren mir durch den verstorbenen Professor
Michaelis in Kiel mitgetheiltes Schreiben Ihnen zuzustellen,
habe ich die Ehre gehabt, richtig zu empfangen, und rechne
ich auf gütige Nachsicht, wenn einige Wochen vergangen
sind, bevor die Beantwortung derselben hat stattfinden können.
Bevor ich aber auf die mir vorgelegte Frage eingehe, sei
es mir erlaubt, Ihre Vorstellung von meiner bisherigen Schweig-
samkeit in dieser Beziehung zu berichtigen. Kurz nachdem
ich nämlich durch Professor Michaelis Ihr interessantes
Schreiben vom 21. December 1847 erhalten hatte, veröffent-
lichte ich es in dänischer Uebersetzung in unseren damaligen
»Hospitals-Mittheilungen«, eine Zeitschrift, woran ich selbst
als Mitredacteur thätigen Antheil nahm, unter Hinzufügung
einiger kritischer Betrachtungen, auf welche, als auf meine
Antwort, ich den Prof. Michaelis gelegentlich hinwies. Sicher
hatte er die Absicht, Ihnen eine Uebersetzung meiner Bemer-
19 *
[292] kungen mitzutheilen, und ich gestehe, dass ich in dem Glau-
ben bisher gelebt habe, dass es vor seinem Tode geschehen
wäre. Da ich aber jetzt das Gegentheil erfahre, erlaube ich
mir zur eigenen Rechtfertigung als Beilage dieser Zeilen eine
Uebersetzung meiner damaligen Bemerkungen zuzustellen,
woraus meine Zweifel und Bedenklichkeiten, wie sie sich mir
gleich aufdrängten, und noch zum Theil fortbestehen, offen
hervorgehen werden.
Meine eigenen Erfahrungen haben den hiesigen Verhält-
nissen nach nur beschränkter Art sein können. Die Schüler,
die den halbjährigen clinischen Cursus in unserer Anstalt
durchzumachen verpflichtet sind, sind nicht länger Studenten,
aber schon examinirte Aerzte, die im Laufe des ersten Jahres
nach absolvirten Amtsexamen zur Clinik der Anstalt admittirt
werden. Diese haben folglich mit anatomischen Secirübungen
nichts mehr zu thun, und diejenigen unter ihnen, die zur
selben Zeit den Candidatendienst in den andern Hospitälern
besorgen, sind dazu angehalten, während des Accouchements-
cursus an den Leichenöffnungen in den Spitälern keinen
thätigen Antheil zu nehmen. In der Gebäranstalt selbst werden,
wie in meinen Bemerkungen hervorgehoben wird, schon seit
mehr als zehn Jahren in der Regel keine Puerperalleichen von
den Aerzten oder Clinisten der Anstalt secirt, wogegen wir uns
fremder Hilfe dazu bedienen. Nur in den wenigen Ausnahms-
fällen, wo die Todesursache nicht puerperaler Natur ist, obdu-
ciren wir selbst, mit der Vorsicht doch, dass der Obducent
nicht gerne am selben Tage die Exploration der Gebärenden
vornimmt. In einer anderen Richtung aber haben wir reich-
liche Gelegenheit gehabt, Erfahrungen zu sammeln, indem
alle Kinderleichen sowohl der Gebär- als der Pflegeanstalt
hier obducirt werden.
Derlei Sectionen kommen daher 3—4mal wöchentlich
vor, und werden fast alle vom Reservearzt der Anstalt gemacht,
ohne dass andere Präcautionen als die gewöhnlichen Rein-
lichkeitsrücksichten dabei beobachtet werden. Obgleich der-
[293] selbe an der Exploration der Gebärenden, und den operativen
Geburten häufig bethätigt ist, haben wir doch nie zur Ver-
dächtigung dieser Sectionen den geringsten Anlass gefunden.
Chlorwaschungen sind hier im Laufe der Jahre nur in äusserst
seltenen Ausnahmsfällen, wo man es mit sehr fauligen und
übelriechenden Präparaten zu thun hatte, angewendet worden.
Indem ich Ihnen, mein verehrtester Herr College, nach-
stehende Blätter zuschicke, werden Sie es nicht vergessen,
dass der Inhalt ein vor zehn Jahren geschriebener Journal-
artikel ist, der also nur die wissenschaftliche Frage, in keiner
Beziehung aber die Persönlichkeit vor Augen gehabt hat. Sie
werden es ferner gütigst bedenken, dass der Autor Däne ist,
und daher auf schonende Beurtheilung und mögliche Berich-
tigung des Styles wohl rechnen darf, wenn diese Blätter ver-
öffentlicht werden sollten, was ich Ihnen gerne gestatte, wenn nur
meine Bemerkungen, meine Erfahrungen vorangeschickt wer-
den, insoferne sie der Veröffentlichung überhaupt werth sind.
Königl. Gebäranstalt in Kopenhagen, 31/5 1858.
»— Zu diesem Briefe habe ich Folgendes hinzuzufügen: Chlor-
waschungen sind allerdings überflüssig, wenn man die Hände
rein erhält. Sectionen von Kindesleichen sind desshalb minder
gefährlich, weil selbe nach eingetretenem Tode früher gemacht
werden als bei Erwachsenen, es hat sich daher bei Kindes-
leichen noch nicht der gehörige Grad der Fäulniss eingestellt.
Hospitals-Mittheilungen, 1. Band 1848, pag. 204—211.
»I. Mit aller Achtung und Anerkennung des verdienstlichen
Strebens, das sich in den Untersuchungen des Dr. Semmelweis
kundgibt, glaube ich die durch dieselben bei mir hervorge-
rufenen Betrachtungen und Zweifel um so weniger zurück-
halten zu dürfen, als ich mich durch den mir zugestellten
Brief zur Mittheilung desselben aufgefordert fühle.
Vor allem mag es zu bedauern sein, dass weder die
Beobachtungen selbst, noch die darauf gegründete Ansicht mit
der Klarheit und Präcision hervortreten, die in einer so wich-
tigen ätiologischen Angelegenheit zu wünschen wäre. Denn
[294] ungeachtet es sowohl aus den apriorischen Voraussetzungen
als aus den angeführten Thatsachen selbst hervorzugehen
scheint, dass die präsumirte Leicheninfection, der Annahme
nach, stattfinden kann, und stattgefunden hat, ohne Berück-
sichtigung, ob der Infectionsstoff aus Puerperal- oder anderen
Leichen herrühre, so würde doch eine strenge Untersuchung
absolut fordern, dass diese Verschiedenheit der Infections-
quellen nicht allein beachtet, sonderu auch eine Sonderung der
angestellten Beobachtungen zu Grunde gelegt wäre. In wissen-
schaftlicher Beziehung, und namentlich für die Contagiositäts-
frage des Puerperalfiebers müsste es nämlich von grosser
Bedeutung sein zu wissen, ob die präsumirte Leicheninfection
nur cadaverischen Puerperalstoffen oder allen cadaverischen
Effluvien überhaupt anzurechnen sei, und allenfalls ob die
durch Leicheninfection hervorgerufenen Puerperalkrankheiten
sich unter identischen oder verschiedenen Formen manife-
stirten, je nach der Verschiedenheit der cadaverischen Infec-
tionsquelle. Es wird nämlich einleuchtend sein, dass, so lange
nur von Puerperalleichen die Rede ist, sich die Frage noch
auf dem Gebiete, ob auch an der äussersten Grenze, der Con-
tagiosität beschränkt, da es sich doch um das Product oder
Residuum einer bestimmten Krankheit handelt, das durch
Ueberführung auf eine dazu besonders disponirte Person die-
selbe Krankheit veranlassen zu können angenommen wird,
wogegen in den Fällen, wo der Infectionsstoff von allen andern
Leichen herrühren mag, jeder Gedanke von specifischem Con-
tagium aufgegeben werden muss, und statt dessen die Infection
der Blutmasse, insoferne eine solche stattfindet, mit der von
vielen Experimentatoren an Thieren durch directe Einführung
putrider animalischer Stoffe in dem Organismus hervorgeru-
fenen Blutinfection zusammengestellt werden muss. Dass
hierdurch ein Zustand hervorgebracht werden kann, der mit
der puerperalen Pyaemie viele Aehnlichkeit hat, ist unzwei-
felhaft; aber nicht weniger fest steht die Erfahrung, dass das
Puerperalfieber unter mehreren anderen Formen sich manife-
[295] stirt, und eben deshalb wäre es wünschenswerth gewesen,
dass die Untersuchung mit weniger Indifferentismus über die
Frage um die verschiedene Quelle, Natur und Wirkung der
cadaverischen Infectionsstoffe hinweggegangen wäre.“
Auf diesen ersten Punkt können wir Folgendes antworten:
Wir haben den Brief weder selbst geschrieben, noch vor seiner
Absendung gelesen, glauben aber, dass er so gar undeutlich
nicht gewesen sein mag, weil Michaelis sich vollkommen
orientirt.
Jede Leiche ohne Rücksicht auf die Krankheit, welche den
Tod veranlasst, ist geeignet, das Kindbettfieber hervorzurufen;
es ist mithin das Kindbettfieber keine contagiöse Krankheit,
sondern das Kindbettfieber ist eine Pyaemie, wie selbe Expe-
rimentatoren an Thieren auch hervorbringen, und obwohl es
gewiss ist, dass das Puerperalfieber auch unter mehreren an-
dern Formen sich manifestirt, so ist es doch gewiss, dass diese
Fälle auf dieselbe Art entstehen, wie die Fälle von Pyaemie.
Die Puerperalfieber-Formen, welche maninsbesondere Pyaemie
nennt, sind seltener, als die Fälle von Puerperalfiebern, die
unter anderen Formen verlaufen; an der 1. Gebärklinik
schwankte die Sterblichkeit (siehe Tab. Nr. I., Seite 3), inner-
halb sechs Jahren zwischen 237 und 518 Todten, durch die
Chlorwaschungen wurde im Jahre 1848 die Sterblichkeit auf
45 Todte herabgedrückt, die 192 und 473 Todesfälle mehr
waren gewiss nicht alle durch diese Form bedingt, welche man
Pyaemie nennt, sondern durch manche andere Formen, und
doch wurden selbe durch die Chlorwaschungen auch verhütet,
als Beweis, dass sie dieselbe Ursache hatten; warum aber der
zersetzte, resorbirte Stoff einmal die Form, welche insbesondere
Pyaemie genannt wird, ein anderesmal aber eine andere Form
erzeugt, das wissen wir nicht.
Vielleicht liegt der Grund in den verschiedenen Fäulniss-
graden des zersetzten Stoffes, vielleicht in der verschiedenen
Reactionsfähigkeit des Organismus.
Wenn Prof. Lewy ferners sagt, da das Puerperalfieber
[296] manchmal unter der Form auftritt, die man Pyaemie nennt,
und manchmal unter anderen Formen, so wäre es wünschens-
werth gewesen, dass die Untersuchung mit weniger Indifferen-
tismus über die Frage um die verschiedene Quelle, Natur und
Wirkung der cadaverisirten Infectionsstoffe hinweggegangen
wäre: so heisst das nichts anderes als verlangen, es mögen
directe Versuche an Menschen gemacht werden, um auf alle
diese Fragen antworten zu können. Wir wollen lieber weniger
wissen, aber unsere Wöchnerinnen gesund erhalten.
Und wenn Jemanden der Vorwurf des Indifferentismus
gemacht werden soll, so bin ich nicht derjenige, der ihn ver-
dient, sondern meine Herren Collegen, denn gewiss ein Jeder hat
ein oder mehrere Facta beobachtet, die mit der Lehre vom
epidemischen Kindbettfieber nicht in Einklang zu bringen
sind, und aus Indifferentismus sind sie trotzdem bei der Lehre
vom epidemischen Kindbettfieber geblieben, anstatt nachzu-
denken, um den Widerspruch zu lösen.«
»II. Die quantitative Begränzung der specifischen Contagien
ist unberechenbar; es ist möglich, dass schon ein einzelnes
Atom unter günstigen Bedingungen zur Fortpflanzung des
Krankheitsprocesses, wodurch es producirt worden, genügt;
ja in Contagiositatsfragen lässt sich a priori kaum irgend einer
Möglichkeit ein gewisser Grad von Berechtigung absprechen.
Hätte daher Dr. Semmelweis vom Standpunkte der Conta-
giosität seine Ansicht von der Leicheninfection auf Puerperal-
leichen allein beschränkt, würde ich um so weniger zur Ver-
neinung geneigt sein, als ich selbst, ohne übrigens Contagionist
zu sein, aber allein aus scrupulöser Berücksichtigung der con-
tagionistischen Möglichkeiten schon in mehreren Jahren darauf
geachtet haben, dass keiner der Aerzte der hiesigen Anstalt
am selben Tage, da er an der Obduction einer Puerperalleiche
thätigen Antheil genommen hat, mit irgend einer Gebärenden
in Berührung gekommen ist Wozu sich doch gleich die Be-
merkung anschliessen mag, dass ich dabei weniger die Ueber-
führung eines palpablen Ansteckungsstoffes durch die Explo-
[297] ration, als die mögliche Einwirkung des den Händen, Haaren
und Kleidern anhängenden Leichendunstes vor Augen gehabt
habe. — Aber, wie schon bemerkt, das specifische Contagium
scheint dem Dr. Semmelweis von geringer Bedeutung zu sein,
ja es wird seinerseits so wenig beachtet, dass in seinem Auf-
satze von der directen Ueberführung der Krankheit von Kran-
ken auf naheliegende gesunde Wöchnerinnen gar nicht die
Rede ist. Ihm ist es nur zu thun, in der allgemeinen Leichen-
infection ohne Rücksicht auf die dem Tode vorausgegangene
Krankheit. Und in solcher Auffassung, gestehe ich, scheint
seine Ansicht mir nicht die Probabilität für sich zu gewinnen.
Denn abgesehen von der ohne Zweifel etwas übertriebenen
Vorstellung von der Absorptionsfähigkeit des gesunden Mutter-
mundes, die in den Wirkungen der auf denselben angebrachten
Arzneistoffe kaum ihre Bestätigung findet, scheinen doch alle
mit Ueberführung putrider Stoffe in den Organismus ange-
stellten Versuche darzuthun, dass die dadurch hervorgebrachten
Wirkungen sowohl in Schnelligkeit als Intensität von quan-
titativen Verhältnissen abhängig sind, und dass namentlich die
schnell tödtende putride Infection, selbst durch directe Einbrin-
gung der putriden Stoffe in die Blutmasse, doch mehr als ho-
moeopatische Dosen der Giftstoffe erforderlich macht. Und viel
höher wird man doch, aus Achtung für den Reinlichkeitssinn
der Wiener Studirenden, den in einen Nagelwinkel verbor-
genen Ansteckungsstoff, oder die Ausdünstung der bald nach
anatomischen Arbeiten zur Exploration an Gebärenden ver-
wandten Finger nicht anschlagen können.«
Auf diesen zweiten Punkt haben wir zu erwiedern, dass
wir das Kindbettfieber für keine contagiöse Krankheit halten,
dass wir allerdings eine allgemeine Infection mittelst eines zer-
setzten Stoffes nachgewiesen haben, und dieser zersetzte Stoff
kann nun auch von Leichen genommen werden.
Der Leser, welcher diese Schrift aufmerksam gelesen hat,
wird sich selbst antworten können; ich will hier nur bemerken,
dass, wenn das Kindbettfieber eine contagiöse Krankheit wäre.
[298] so müssten die Massregeln gegen die Verbreitung des Kind-
bettfiebers vorzüglich in den Wochenzimmern getroffen werden,
weil die Individuen auf dem Kreissezimmer in der Regel noch
gesund sind, und erst in dem Wochenzimmer erkranken; wir
haben aber unsere Massregeln vorzüglich auf dem Kreisse-
zimmer getroffen, mit welchem Erfolge ist bekannt, obwohl
wir auf dem Kreissezimmer das Contagium unmöglich zerstören
konnten, was die später im Wochenzimmer Erkrankten erst
erzeugt haben.
Dass der gesunde Muttermund nicht resorbirt, behaupten
wir auch; wir finden im normalen Zustande die Stelle, wo die
Resorption geschieht, in der, in Folge der Schwangerschaft
von Schleimhaut entblössten inneren Fläche der Gebärmutter.
Um das materielle Quantum des zersetzten Stoffes zu
bestimmen, welches nöthig ist, um das Kindbettfieber hervor-
zurufen, müssten directe Versuche gemacht werden; wir ziehen
es vor, in diesem Punkte in Unwissenheit zu bleiben, und be-
gnügen uns mit der Kenntniss, dass so viel, als nach der ge-
wöhnlichen Art des Waschens an den Händen kleben bleibt,
wenn auch vielleicht nur in Gestalt einer putriden Luft, hin-
reicht das Kindbettfieber hervorzurufen, und dass das wirklich
so ist, können wir dadurch [beweisen], dass wir nichts anderes
gethan, als eben nur den an der Hand nach der gewöhnlichen
Art des Waschens restirend bleibenden zersetzten Stoff zerstört
haben, und haben dadurch die Sterblichkeit der 1. Abthei-
lung, welche innerhalb 6 Jahren zwischen 237 und 518 Todten
schwankte, im Jahre 1848 auf 45 Todte beschränkt.«
»III. Um seine einmal gefasste Ansicht zu prüfen, verord-
nete Dr. Semmelweis die Chlorwaschungen natürlicherweise
in der Absicht, jede Spur von cadaverischen Residuen an
den Fingern zu vertilgen. Würde aber das Experiment nicht
viel einfacher und sicherer gewesen sein, wenn man sich dar-
über geeinigt hätte, wenigstens für die Zeitdauer des Ver-
suches, sich von allen anatomischen oder anatom-pathologi-
schen Arbeiten fern zu halten, wozu man sogar die Studirenden
[299] für den 2—3 monatlichen Cursus im Gebärhause billigerweise
verpflichten könnte. Im hiesigen Gebärhause sind wir, ohne
irgend etwas Experimentelles damit zu bezwecken, allein aus
Scrupulositätsrücksichten auf contagionistische Möglichkeiten
schon vor mehr als einem Jahre soweit gegangen, dass vor-
schriftsweise keiner der Aerzte, Hebammen oder Wärterinnen
der Anstalt mit einer obducirten Puerperalleiche in nähere
Berührung kömmt; und ohne zu wissen, welchen Antheil dieses
Präcautionsmittel unter mehreren anderen an dem verbesserten
Gesundheitszustand der Anstalt gehabt haben mag, bin ich der
Meinung, dass es fortgesetzt werden mag, so dass wir in Ob-
ductionsfällen auf den wohlwollenden Beistand auswärtiger
Collegen rechnen müssen.«
Hierauf haben wir zu erwiedern, dass es uns auch zweck-
mässiger scheint, die Hände nicht zu verunreinigen, als die
verunreinigten wieder zu reinigen. Auf dieser Ueberzeugung
beruht ja die Bitte um das früher erwähnte Gesetz, welches
wir an sämmtliche Regierungen gerichtet. Aber in der unter-
geordneten Stellung eines Assistenten, in der ich damals war,
konnte ich wohl nicht als Gesetzgeber auftreten, und dass eine
Appellation damals an diejenigen, die es hätten bringen können,
erfolglos geblieben wäre, kann der Leser daraus entnehmen,
dass ja selbst die Commission des Wiener Professoren-Col-
legium, welche in dieser Angelegenheit ernannt war, ihre Thätig-
keit nicht beginnen durfte. Und wenn Prof. Lewy sagt, dass er
nicht weiss, welchen Antheil an dem verbesserten Gesundheits-
zustand dieses Präcautionsmittel unter mehreren anderen
hatte, so können wir ihm als Massstab zur Beurtheilung den
Antheilan führen, den dieses Praecautionsmittel für sich allein
auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes des Wiener
Gebärhauses hatte, die Sterblichkeit wurde durch dieses Prä-
cautionsmittel allein auf 45 Todte unter 3556 Wöchnerinnen
im Jahre 1848 herabgedrückt, während ohne dieses Präcau-
tionsmittel die Sterblichkeit binnen 6 Jahren bei einer nicht
differenten Anzahl von Wöchnerinnen zwischen 237 und 518
[300] schwankte, und doch hatten wir dieses Präcautionsmittel in
einer unvollkommeneren Form angewendet als Professor Lewy,
indem derselbe die Hände nicht verunreinigen liess, wir das
aber nicht verhindern konnten, und uns daher auf das Desin-
ficiren so vieler Schüler verlassen mussten, und wir haben an
einer Stelle dieses Buches schon weitläufig nachgewiesen,
dass darin die Schuld liegt, dass wir nicht noch weniger Todte
hatten.
»IV. Jedoch — wird man sagen — scheinen die Resultate
des Versuches, trotz aller Bedenklichkeiten dagegen, die
Ansicht des Dr. Semmelweis zu bestätigen. »Scheinen«, bleibt
die Antwort, aber wenigstens auch nicht mehr; jeder nämlich,
der durch eine längere Reihe von Jahren dazu Gelegenheit
gehabt hat, das periodische Steigen und Fallen der Kränk-
lichkeit in Gebäranstalten zu beobachten, wird ohne Zweifel
eingestehen müssen, dass uns zur Würdigung der gewonnenen
Resultate wesentlich darüber Aufschluss mangelt, ob nicht
auch in früheren Jahren die Anstalt ebenso günstige Perioden
gehabt hat, als in den letzten sieben Monaten, wozu eine
genaue statistische Mittheilung über die monatlichen Krank-
heits- und Todesfälle erforderlich wäre. Dieser Mangel bleibt
um so fühlbarer, wenn man sich erinnert, dass vor ungefähr
drei Jahren der Professor Klein in den medicinischen Jahr-
büchern der k. k. österreichischen Staaten, Jänner 1845,
einen officiellen Bericht über die Wirksamkeit der Gebärklinik
in den sieben Jahren (1836—1843) geliefert hat, wonach das
Sterbeverhältniss 1 : 15, wenn auch traurig genug, doch über
100 % besser sich stellt, als das Sterbeverhältniss, womit die
Resultate der Chlorwaschungsperiode am nächsten verglichen
worden sind. Möglich, ja sogar wahrscheinlich ist es, dass
dieser Unterschied weniger von einem constant bessern Ge-
sundheitszustand, als von einzelnen besonders günstigen Perio-
den herrührt, aber eben deshalb wäre es, beim Mangel genauer
statistischer Mittheilungen, denkbar, dass auch die Resultate
der letzten sieben Monate, zum Theil wenigstens, von perio-
[301] dischen Zufälligkeiten abhängen könnten, zum Theil vielleicht
von der eben durch das Experiment hervorgerufenen strengern
Berücksichtigung der Reinlichkeit im Allgemeinen.«
Diesen Punkt hat die Zeit widerlegt, es handelt sich jetzt
nicht mehr um sieben Monate, sondern um mehr als zwölf
Jahre. Professor Lewy stellt an den Brief eines Schülers Anfor-
derungen, wie sie nur an ein vollständiges Werk gestellt
werden können.
Ich glaube, der aufmerksame Leser dieser Schrift wird
die Lösung aller Zweifel finden, die Professor Lewy angeregt,
insbesondere wird er sich nicht zu beklagen haben über
Mangel an genaueren statistischen Mittheilungen. Wir können
Professor Lewy versichern, dass die Reinlichkeit im allgemei-
nen an der 1. Gebärklinik vor den Chlorwaschungen in dem
Grade geübt wurde, wie es nach Einführung der Chlorwa-
schungen im höhern nicht mehr möglich war, wir haben durch
Einführung der Chlorwaschungen nur speciell die Reinigung
der Hände bezweckt, und wenn Professor Lewy glaubt, dass
durch Reinlichkeit Puerperalfieber verhindert wird, so sagt
er ja das, was wir durch diese Schrift zur Anerkennung brin-
gen wollen; wir wollen ja mit dieser Schrift die Ueberzeugung
allgemein verbreiten, dass der Gegensatz von Reinlichkeit das
erzeugt bei Wöchnerinnen, was man bisher epidemischen
Einflüssen zugeschrieben hat.
»V. Wenn die Resultate des Experimentes für eine Zeit,
wie im September und October, weniger den Erwartungen
entsprochen haben, meint Dr. Semmelweis die Ursache davon
nachweisen zu können, theils in Vernachlässigung der Chlor-
waschungen seitens der Studirenden, theils in Infection der
Gebärenden durch ichoröse Geschwürsecrete aus noch leben-
den Organismen, in einem Falle nämlich von einer mit Mark-
schwamm der Gebärmutter, in einem anderen Falle von einer
mit unreinem Geschwüre des Schienbeins beladenen Wöch-
nerin; so dass hiedurch seine ursprüngliche Ansicht nicht
blos eine Bestätigung, sondern einen unendlich weitern Ge-
[302] sichtskreis gewonnen hat, indem allerlei ichoröse Secrete
noch lebender Organismen darunter einzurechnen sein werden.
Läugnen lässt sich’s aber nicht, dass die in dieser Hinsicht
citirten Erfahrungen allzu flüchtig skizzirt sind, als dass die
Kritik einen Schluss aus ihnen gestatten möchte. Namentlich
müsste es von Wichtigkeit sein zu wissen, ob die Wöchne-
rinnen mit Markschwamm der Gebärmutter, den ichorösen
Geschwüren des Schienbeins zur selben Zeit vielleicht am
Puerperalfieber erkrankt waren, da in solchem Falle die Puer-
peral-Contagionisten das specifische Contagium der präsu-
mirten ichorösen Infection entgegen stellen würden. Im entge-
gengesetzten Falle würde die erstgenannte Patientin der
Infectionsansicht offenbar sehr zuwider sein, während es
die zweite betreffend unerklärlich bleibt, in welchem näheren
Verhältnisse die ichorösen Geschwüre mit der Vaginalexplo-
ration der andern Gebärenden als mit der Exploration der Pa-
tientin selbst gestanden haben möchte.
Hinzufügen kann ich, dass wir im hiesigen Gebärhause
so häufig genug chronisch ichoröse Fussgeschwüre bei Gebä-
renden angetroffen haben, ohne irgend eine inficirende Wir-
kung davon bemerkt zu haben, weder auf die Patientinnen
selbst, noch auf andere Wöchnerinnen. Und wenn Dr. Sem-
melweis grosses Gewicht auf den seiner Meinung nach viel
günstigeren Gesundheitszustand der Gebäranstalten legt, die
ausschliesslich für den Hebammenunterricht, als derjenigen,
die für den ärztlichen Unterricht bestimmt sind, so möchte er
doch bedenken, dass ichoröse Secrete lebender Organismen
in gleichem Masse in beiderlei Anstalten vorkommen, und
dass, wenn die Infection so leicht geschähe, wie er es anzu-
nehmen scheint, sich in einer so grossen Anstalt wie die
Hebammenabtheilung in Wien, sehr oft, ob nicht zu jeder Zeit,
eine oder andere Kranke finden würde, die als Infections-
quelle hinreichen würde, um den übrigens sehr merklichen
Unterschied der sanitären Verhältnisse beider Abtheilungen
der Wiener Anstalt zu verringern oder ganz auszugleichen.«
[303]
Die beiden kranken Kreissenden litten nicht am Kind-
bettfieber, die mit dem verjauchenden Medullarkrebse der
Gebärmutter starb an den Folgen des Krebses, die mit dem
cariösen Geschwüre wurde nach überstandenem Wochenbette
entlassen.
Zur Lösung der übrigen Zweifel in Bezug auf diese beiden
Fälle wolle der Leser Seite 58, 59 und 60 dieser Schrift nach-
lesen, Seite 58, Zeile 32 beginnend.
Der Leser erinnert sich, dass wir drei Quellen angenom-
men haben, aus welchen der zersetzte Stoff kommt, welcher
das Puerperalfieber erzeugt. Nämlich jede Leiche, jeder
Kranke, welcher einen zersetzten Stoff erzeugt, und alle
thierisch-organischen physiologischen Gebilde, wenn selbe in
Fäulniss übergegangen sind.
In Gebärhäusern, welche dem Unterrichte für Aerzte
bestimmt sind, wird der zersetzte Stoff von den Leichen her-
genommen, von den Kranken, welche sich im Gebärhause
befinden, und wenn die Reinlichkeit nicht beobachtet wird,
können sich physiologische Producte, wie Blut, in den Lein-
tüchern zersetzen, und dadurch das Puerperalfieber hervor-
rufen.
In Gebärhäusern, welche dem Unterrichte für Hebammen
bestimmt sind, fällt die erste Infectionsquelle weg, und das ist
die Ursache des günstigeren Gesundheitszustandes in Hebam-
men-Abtheilungen, denn wenn auch in Hebammenschulen
ichoröse Secrete vorkommen, so können doch die ichorösen
Secrete der Hebammen-Abtheilung nicht so viele Individuen
inficiren, wie auf der Aerzte-Abtheilung die ichorösen Secrete
unter Beihilfe der zersetzten Stoffe, hergenommen von den
Leichen, und wenn daher an der Hebammenschule zu Wien
vielleicht zu jeder Zeit eine Kranke zu finden war, welche als
Infectionsquelle diente, so war diese Quelle doch nicht geeignet,
den merklichen Unterschied der sanitären Verhältnisse beider
Abtheilungen zu verringern, oder ganz auszugleichen, weil ja
solche Individuen sich auch auf der Aerzte-Abtheilung befan-
[304] den, und dazu noch die zersetzten Stoffe, hergenommen von
den Leichen.
Doch Zahlen werden jeden Zweifel beheben. Wir wollen
die Jahresrapporte beider Abtheilungen seit ihrem Bestehen
bis zur Einführung der Chlorwaschungen als Beleg anführen.
Tabelle Nr. LXV.
Schüler und Schülerinnen an beiden Abtheilungen in
gleicher Anzahl vertheilt.
I. Abtheilung.
- 1833 Geburten 3737, Todte 197, Percent-Antheil 5.29
- 1834 » 2657, » 205, » » 7.76
- 1835 » 2573, » 143, » » 5.55
- 1836 » 2677, » 200, » » 7.47
- 1837 » 2765, » 251, » » 9.09
- 1838 » 2987, » 91, » » 3.04
- 1839 » 2781, » 151, » » 5.42
- 1840 » 2889, » 267, » » 9.24
- » 23066, » 1505, » » 6.56
II. Abtheilung.
- 1833 Geburten 353, Todte 8, Percent-Antheil 2.26
- 1834 » 1744, » 150, » » 8.60
- 1835 » 1682, » 84, » » 4.99
- 1836 » 1670, » 131, » » 7.84
- 1837 » 1784, » 124, » » 6.99
- 1838 » 1779, » 88, » » 4.94
- 1839 » 2010, » 91, » » 4.52
- 1840 » 2073, » 55, » » 2.65
- » 13095, » 731, » » 5.58
Durch eine allerhöchste Entschliessung vom 10. Octo-
ber 1840 wurden sämmtliche Schüler der I., und sämmtliche
Schülerinnen der 2. Abtheilung zugewiesen.
[305]
I. Abtheilung.
Klinik für Aerzte.
- 1841 Geburten 3036, Todte 237, Percent-Antheil 7.80
- 1842 » 3287, » 518, » » 15.75
- 1843 » 3060, » 274, » » 8.95
- 1844 » 3157, » 260, » » 8.23
- 1845 » 3492, » 241, » » 6.90
- 1846 » 4010, » 459, » » 11.44
- » 20042, » 1989, » » 9.92
II. Abtheilung.
Klinik für Hebammen.
- 1841 Geburten 2442, Todte 86, Percent-Antheil 3.52
- 1842 » 2659, » 202, » » 7.59
- 1843 » 2739, » 164, » » 5.98
- 1844 » 2956, » 68, » » 2.30
- 1845 » 3241, » 66, » » 2.03
- 1846 » 3754, » 105, » » 2.79
- » 27791, » 691, » » 3.38
Aus dieser Tabelle ersieht der Leser, dass die Sterblich-
keit an beiden Abtheilungen gleich war, so lange Schüler und
Schülerinnen an beiden Abtheilungen in gleicher Anzahl ver-
theilt waren, das heisst, an beiden Abtheilungen wurde aus
drei Quellen inficirt, der bedeutende Unterschied zwischen
beiden Abtheilungen beginnt erst mit der Zuweisung sämmt-
licher Schüler der I. Abtheilung, und sämmtlicher Schülerinnen
der II. Abtheilung, oder mit anderen Worten, bei den Hebam-
men wurde die eine Quelle gestopft, nämlich die vom Cadaver,
während selbe an der I. Abtheilung noch reichlicher floss.
Damit ist aber nicht gesagt, dass der Gesundheitszustand
der Hebammen-Abtheilungen im allgemeinen ein günstiger
ist. Der Leser erinnert sich, dass wir als gelindesten Mass-
stab an ein Gebärhaus, die Anforderung stellen, dass nicht
eine von 100 Wöchnerinnen sterbe; wie weit nun die Hebam-
men-Abtheilung in Wien davon entfernt ist, zeigt eben die
angeführte Tabelle.«
Semmelweis, Kindbettfieber. 20
[306]
Schliesslich sagt Professor Levy: »Dieses sind die Be-
trachtungen, die sich mir beim Nachdenken über Dr. Sem-
melweis’ Versuche aufgedrängt haben, und die ich bis Weiteres
nur als Motive meines vorläufigen Urtheils aufgefasst wünsche,
welches darauf ausgeht, dass seine Ansichten nicht klar genug,
seine Erfahrungen nicht sicher genug scheinen, um aus ihnen
wissenschaftlich begründete Resultate abzuleiten.«
Es bleibt uns nichts anderes übrig, als Herrn Prof. Levy
das fleissige Studium dieser Schrift zu empfehlen, und wir
zweifeln nicht, dass auch er zur Ueberzeugung gelangen wird,
dass ich an Stelle des kolossalen Unsinns, welchen man bisher
über die Entstehung des Kindbettfiebers gelehrt, ein auf
sichere Erfahrungen gestütztes, klares, wissenschaftliches
Gebäude aufgeführt habe, dem nichts mehr als eine allgemeine
Verbreitung fehlt, um die segensvolle Vocation, zu der selbe
gerufen ist, auch zu erfüllen.
Bevor wir in der Correspondenz mit Professor Levy fort-
fahren, wird es zweckmässig sein, einen Brief von Professor
Dietl in Krakau zu veröffentlichen; in einer Angelegenheit,
welche wir später berühren werden, wendeten wir uns an
Professor Dietl, um die nöthigen Aufschlüsse zu erlangen;
Professor Dietl hat, nachdem er die erbetenen Aufschlüsse
ertheilt, noch manches andere geschrieben, und das wollen
wir hier eben veröffentlichen. Prof. Dietl schreibt:
»Allenthalben auf meinen Reisen machte ich die Bemer-
kung, dass man Ihre Ansichten über die Genese des Puerpe-
ralfiebers in der Einrichtung der Gebäranstalten würdigte,
und sowohl Kranke als Aerzte sorgfältig sonderte, namentlich
letzteren keine Gemeinschaft mit Leichen gestattete, wie in
Kopenhagen. Mit welchem Erfolge kann ich freilich jetzt
nicht berichten.
Unmittelbare Anfragen an die ärztlichen Vorstände dieser
Anstalten dürften Ihnen wohl manche erwünschte Aufschlüsse
verschaffen.
[307]
Im Ganzen hört man jetzt wohl weniger von diesen ver-
heerenden Puerperal-Epidemien.
Vielleicht liegt die Ursache in Beobachtung jener Ein-
richtungen, die sich auf Ihre Erfahrungen basiren, ohne dass
man es sich selbst und der Oeffentlichkeit gegenüber einge-
stehen will.
Eine Reise um die Welt wäre die Erforschung des Wah-
ren wohl werth.«
Krakau, 28 / 4. 1858.
Kehren wir nun wieder zu Professor Levy zurück.
Ich antwortete Frofessor Levy, indem ich trachtete, die
Zweifel, welche er erhoben, aufzuklären, bemerkte aber
schliesslich, dass es mir wichtiger sei zu wissen, was er jetzt
nach zehnjährigen Beobachtungen für wahr halte, als zu
wissen, was er vor zehn Jahren für Zweifel gehegt.
Und da ich nach geraumer Zeit keine Antwort erhielt,
schrieb ich nochmals.
In diesem Briefe sagte ich, dass es mir bekannt sei,
dass das Kopenhagener Gebärhaus früher in dem Grade vom
Kindbettfieber heimgesucht war, dass dessen Existenz bedroht
war. (Siehe Seite 153, Zeile 17.) Ich schrieb Levy, was Pro-
fessor Dietl über das Kopenhagener Gebärhaus mir schrieb.
Ich schrieb ferners, was Professor Braun über das Kopen-
hagener Gebärhaus sagt.
Professor Braun sagt nämlich: »Da dieses das treff-
lichste und merkwürdigste neu erbaute Gebärhaus ist, in
welchem Alles aufgeboten wurde, um den Puerperalfieber-
Epidemien Einhalt zu thun, so erlauben wir uns, eine kurze
Skizze zu entwerfen, mit der Bemerkung, dass in diesem
neuen Gebäude noch keine Puerperalfieber-Epidemie unter
Levy’s Leitung aufgetreten sein soll, und knüpfte daran die
Bemerkung, ob er glaube, dass der verbesserte Gesundheits-
zustand dem Umstande zugeschrieben werden könne, dass
meine Ansicht über die Entstehung des Kindbettfiebers bei
20 *
[308] der Massnahme zur Verhütung des Kindbettfiebers massge-
bend war.
Darauf erhielt ich folgende Antwort:
Kopenhagen, 21. September 1858.
»Vorgestern erhielt ich Ihr werthes Schreiben vom
16. d. M., und Ihre dringliche Zumuthung macht es mir zur
Pflicht, die Beantwortung schon heute folgen zu lassen.
Erstens muss ich aber referiren, dass ich kein Schreiben
von Ihnen als Antwort auf mein Schreiben vom Mai d. J.
erhalten habe, so dass ich erst durch Ihren vorgestrigen Brief
erfahre, dass mein Schreiben richtig empfangen worden ist.
Mit diesem Bewusstsein muss ich aber gestehen, dass es mir
nicht recht klar ist, wie Sie die Frage mir jetzt stellen können,
»ob in Folge Ihrer Ansicht über die Genese des Puerperal-
fiebers die Veränderungen im Gebärhause zu Kopenhagen
getroffen worden sind, und mit welchem Erfolge.« Ihre An-
sicht über die Genese des Puerperalfiebers hauptsächlich durch
Leicheninfection würde, selbst wenn sie uns damals bekannt
gewesen wäre, auf den Umbau und die hygienische Reorgani-
sation unserer Gebäranstalt keinen Einfluss gehabt haben
können, wie ich überhaupt nicht einsehe, welchen Einfluss sie
auf die Einrichtung irgend einer Anstalt haben könnte.
Als Vorsichtsmassregel mag es in die Geschäftsord-
nung der Anstalt angenommen sein, dass man sich vor Ueber-
tragung cadaverischer Stoffe auf Gebärende durch die Explo-
ration recht hüte; aber auf weitere Einrichtungen der Anstalt
kann ich keinen Einfluss davon fassen.
Wie ich selbst Ihre Ansicht aufgefasst habe, glaube ich
deutlich genug ausgesprochen zu haben. Und haben Sie mei-
nem Schreiben Aufmerksamkeit genug geschenkt, werden
Sie sich erinnern, dass wir aus Achtung vor contagionistischen
Scrupulositäten schon lange, bevor Ihre Ansichten zum Vor-
schein kamen, uns vor Puerperal-Leicheninfection zu schützen
gesucht haben.
Dass wir später aus Achtung vor Ihrer Ansicht auch in
[309] Beziehung auf nichtpuerperale Sectionen vorsichtiger als
früher geworden sind, mag sein, diese werden dennoch aber
von uns selbst vorgenommen, während wir zu Sectionen von
am Puerperalfieber Verstorbenen uns fremder Hilfe bedienen.
Welchen Antheil solche Vorsichtsmassregeln an dem
verbesserten Gesundheitszustande der Anstalt gehabt haben
mögen, lässt sich ja gar nicht berechaen, wenn zur selben Zeit
höchst wichtige Veränderungen in baulicher und administra-
tiver Richtung vorgenommen worden sind.
Welcher Unparteiische erinnert sich nicht bei Lesung
dieses Briefes an Prof. Dietl, welcher sagt: »Im Ganzen hört
man jetzt wohl weniger von diesen verheerenden Puerperal-
epidemien, vielleicht liegt die Ursache in Beobachtung jener
Einrichtungen, die sich auf Ihre Erfahrungen basiren, ohne
dass man es sich selbst und der Oeffentlichkeit gegenüber
eingestehen will.«
Wenn Professor Levy sagt, dass es sich gar nicht berech-
nen lasse, welchen Antheil an dem verbesserten Gesundheits-
zustande diese Vorsichtsmassregeln gehabt haben, weil gleich-
zeitig höchst wichtige bauliche und administrative Verände-
rungen vorgenommen wurden, so ist doch gewiss, dass durch
bauliche und administrative Veränderungen des Kopenhagener
Gebärhauses die atmosphärisch-cosmisch-tellurischen Verhält-
nisse der Stadt Kopenhagen nicht geändert wurden, dass
daher die frühere grosse Sterblichkeit der Wöchnerinnen im
Kopenhagener Gebärhause nicht durch atmosphärische Ein-
flüsse bedingt war, das heisst, dass es keine Epidemie war.
Und wenn in Folge von Massregeln, welche bezwecken,
den Individuen von Aussen keine zersetzten Stoffe einzubringen,
der Gesundheitszustand eines Gebärhauses sich bessert, so ist
das ein Beweis für die Richtigkeit meiner Lehre über die
Entstehung und Verhütung des Kindbettfiebers.
[310]
C. B. Tilanus’, in Amsterdam, Brief lautet folgender-
massen:
»Ich rechne es mir zur Pflicht, im Interesse der Wissen-
schaft Ihnen meine Ansichten, auf Erfahrung gegründet, über
die Ursachen des epidemischen Verhaltens der Puerperalfieber
in Gebäranstalten nicht vorzuenthalten, während ich Ihre,
durch Dr. Stendrichs an mich gerichtete Frage beantworte.
Ich habe zwanzig Jahre lang, welche ich Vorstand von
der hiesigen Anstalt war, diese Sache aufs genaueste geprüft,
und keinen Anlass gefunden, von der Meinung abzuweichen,
welche hier schon lange vor mir gehegt wurde, dass die Ver-
breitung und Andauer dieser Krankheit unter den Wöchne-
rinnen, wenn solche einmal aus epidemischen atmosphärischen
Verhältnissen, wozu vorzüglich die Constitutio annua im Winter
und Frühjahre bei häufig abwechselnder Witterung gehört,
hat angefangen, auf Rechnung der entschiedenen Contagiosität
zu stellen ist.
Einestheils ist meine Ueberzeugung gegründet auf den
öfters deutlich nachweisbaren Ursprung der Krankheit von
einem schon während der Geburt kranken Individuum, bis-
weilen schon krank in der Anstalt aufgenommen, das in
kurzem unterlag, und ihre Uebertragung auf gesunde, welche
zugleich oder bald nachher entbunden waren, und sich in der
Atmosphäre der ersten Kranken befunden hatten, noch ehe die
ominöse Krankheit diagnosticirt war. Anderntheils zeigte
öfters das baldige Ende der Epidemie, wenn die Geburten
einige Tage an Anzahl abnahmen oder gänzlich ausblieben,
und die Kranken konnten isolirt werden, so dass ihre Pflege
Personen überlassen wurde, welche sich von folgenden Ge-
burten und von neuen Wöchnerinnen aufs genaueste enthielten.
Es versteht sich, dass für solche Erfahrungen eine relativ
kleine Anstalt (in der unseren kommen im Durchschnitte
400 Geburten im Jahre vor) allem geeignet ist, und das erklärt
auch, wenn ich nicht irre, warum die entgegengesetzte Ansicht
sich so lange in grossen Anstalten aufrecht erhalten hat, ob-
[311] gleich die Erklärung durch Mittheilung eines Contagiums
weder in Theorie noch in Analogie etwas gegen sich hat.
Am auffallendsten ist doch die Analogie mit dem Eiterungs-
fieber und der Eiteratmosphäre, welche in mit chirurgischen
Kranken belegten Sälen die frisch Verwundeten bedroht.
Und eine Neuentbundene ist doch gewiss, selbst in physiolo-
gischem Zustande, eine frisch Verwundete.
Was Ihre Meinung vom Leichencontagium als Ursache
der Krankheit anbelangt, so stimme ich dieser aus meiner
innersten Ueberzeugung bei. In früheren Jahren habe ich in
einzelnen Fällen diesen Ursprung so nachgewiesen, dass ich
seitdem die rigorosesten Massregeln getroffen habe, um diesem
Unglücke vorzubeugen.
Der Assistent und die Studierenden, welche Touchir-
übungen machen und Geburten beiwohnen, müssen sich
gänzlich von anatomischen Geschäften enthalten. Die Sectio-
nen von am Puerperalfieber Gestorbenen werden von Individuen
der medicinischen oder chirurgischen Abtheilung, oder von
anderen Studierenden gemacht, höchstens ist es solchen, die
in den ersten Tagen nicht an der Reihe sind, erlaubt diesen
beizuwohnen und die Resultate zu sehen, aber streng verboten,
die Hände hiebei zu verunreinigen. Es ist meine Ueberzeu-
gung, dass wir die uns anvertraute Menschheit nicht an die
Wissbegierde, welche auch seiner Zeit früher oder später kann
befriedigt werden, opfern dürfen.
Dass die Nachtheile durch sorgfältige Reinigung mit
Chlorkalklösung gemindert werden können, will ich zuge-
ben (wir wenden immer diese an, sowohl in der Anstalt für
die Wärterinnen der Kranken, als am Secirtisch), aber gänz-
lich zu heben durch diese Vorsorge sind sie nicht.
Wir kennen die Natur des Leichengiftes nicht, und können
nicht wissen, ob es destruirt wird durch unsere Desinfections-
mittel. Für diess spricht jedenfalls die Erfahrung nicht, wenn
wir beachten, dass weder Puerperalfieber noch Eiterungs-
fieber oder Spitalbrand-Effluvien durch Reinigung von Zim-
[312] mern und Beräucherung mit Chlordämpfen getilgt werden,
wenn nicht sogleich die inficirten Räume während langer Zeit
verlassen und einem ununterbrochenen Luftstrome ausgesetzt
werden.
Es freut mich, zum Schlusse hiebei mitzutheilen, dass in
diesem Winter, nachdem ich das Schreiben vom Herrn Dr.
Stendrichs erhalten habe, die Gesundheit der Wöchnerinnen
in unserer Anstalt im Ganzen günstig war, so dass wir blos
einzelne Fälle von sporadischem Fieber erlebt haben. Auf
133 Geburten von November bis Februar sind zwei gestorben.
Im Decembermonat drohte die Krankheit beim Anfange der
Winterkälte epidemisch aufzutreten, da fünf Neuentbundene
innerhalb drei Tagen heftig angegriffen wurden, aber alle
wurden durch eine energische antiphlogistische Behandlung
glücklich gerettet. Seitdem ist die Witterung hier sechs
Wochen lang beständig kalt geblieben, und hat sich später
kein Frost wieder eingestellt. Eine solche nicht oft abwech-
selnde Beschaffenheit der Witterung ist in unserer Gegend
eine Ausnahme, besonders im Frühjahre. Im vorigen Jahre
kamen von Jänner bis April zwölf Sterbefälle vor, von Mai
bis September kein einziger und im October zwei.
Die Geburten waren in den letzten Monaten ziemlich
gleichmässig vertheilt, so dass keine Ueberfüllung stattge-
funden hat, und der Wechsel der Locale, welche in den
letzten Jahren auf meine dringende Instanz so ausgebreitet
sind, dass sie in gewöhnlichen Zeiten nur zur Hälfte belegt
sind, regelmässig stattgefunden hat.
Ich schliesse mit dem Wunsche, dass Ihre Bemühungen
im Interesse der Menschheit einen kräftigen Stoss mögen
geben an dem verderblichen Unglauben an Contagiosität
dieser Krankheit und Schädlichkeit des Leichengiftes, das
noch vor kurzem seinen Vertreter gefunden hat in dem sonst
so tüchtigen Kiwisch von Rotterau, dessen Versicherung, dass
er gleich nach Sectionen sowohl Kreissende als Entbundene
häufig besorgte, gewiss schauderhaft klingt, gleichzeitig
[313] Unerfahrene zur verwegenen Nachlässigkeit treibend. Leider
bleiben noch eine Menge schädlicher Einflüsse, welche bei der
allgemeinen Disposition der Wöchnerinnen die Krankheit her-
vorrufen können, ausser unserem Bereich, und wird also kei-
ner dem Glauben Grund geben, als wäre bei unseren Ansich-
ten die Ausrottung derselben eine leichte Sache.
Amsterdam 9. März 1848.
Professor Skoda hielt in der Academie der Wissenschaf-
ten zu Wien einen Vortrag »Ueber die von Dr. Semmelweis
entdeckte wahre Ursache der in der Wiener Gebäranstalt un-
gewöhnlich häufig vorkommenden Erkrankungen der Wöch-
nerinnen und des Mittels zur Verminderung dieser Erkran-
kungen bis auf die gewöhnliche Zahl.« Die kaiserliche Aca-
demie der Wissenschaften liess diesen Vortrag in ihre Sitzungs-
berichte aufnehmen, und aus dem Octoberhefte des Jahrgan-
ges 1849 der Sitzungsberichte noch einen besonderen Abdruck
anfertigen. Gleichzeitig wurden mir und Professor Brücke,
wirklichem Academiemitgliede, je eine Anweisung auf 100 fl.
CM. zugestellt zur Fortsetzung der Versuche an Thieren.
Professor Brücke berichtet in der Sitzung der mathema-
tisch-naturwissenschaftlichen Classe, gehalten am 31. October
1850, Folgendes: *)
Im vorigen Herbste hat mich die geehrte Classe, über An-
trag des W. M. Herrn Skoda, aufgefordert, mit Herrn Dr. Ig-
natz Semmelweis, in Rücksicht auf die von demselben aufge-
stellte Ansicht über die Entstehung der Puerperalfieber Ver-
suche an Thieren anzustellen, und zu dem Ende jedem von
uns eine Anweisung von 100 fl. CM. übermittelt. Herr Dr.
Semmelweis hat sich nun im Frühling und Sommer diesen Ver-
suchen mit grossem Eifer und grosser Gewissenhaftigkeit un-
terzogen, und die Obduction der Thiere gemeinschaftlich mit
[314] mir vorgenommen. Dieselben haben aber bis jetzt nur zwei-
deutige Resultate geliefert, und es hat sich für mich die Ueber-
zeugung herausgestellt, dass Versuche an Thieren nicht das
geeignete Mittel sind, um die Zweifel über diesen hochwich-
tigen und für Jeden, in dessen Augen das Menschenleben
noch einigen Werth hat, so höchstinteressanten Gegenstand
zu heben, sondern dass dies nur geschehen kann durch Samm-
lung von ähnlichen Erfahrungen, wie sie Herr Dr. Semmel-
weis an hiesiger Gebäranstalt in einer für jeden Menschen-
freund so erfreulichen Weise machte.
In Anbetracht dessen gebe ich, nach Uebereinkunft mit
Herrn Dr. Semmelweis, der in diesen Tagen Wien verlassen
hat, um seinen Wohnsitz in Pesth aufzuschlagen, der kaiser-
lichen Academie der Wissenschaften hiermit die mir unterm
31. October 1849 zugestellte Anweisung auf 100 fl. CM.
zurück.
Ich habe ähnliche Erfahrungen wie im Wiener Gebär-
hause seitdem an zwei anderen Anstalten gemacht, ich habe
in dieser Schrift ähnliche Erfahrungen Anderer zusammenge-
stellt, und glaube in Folge der vollgiltigen Beweiskraft dieser
Erfahrungen heute Versuche an Thieren für überflüssig erklä-
ren zu können.
Professor Skoda sagte in seinem Vortrage: »Eine gegrün-
dete Aussicht, die Sache recht bald ins Klare zu bringen, lag
in dem Umstande, dass in der Prager Gebäranstalt die Er-
krankungen von Zeit zu Zeit gleichfalls sehr zahlreich waren,
und allem Anschein nach dieselbe Ursache hatten als in Wien.
Ich forderte also zur Einführung der Chlorwaschungen in der
Prager Gebäranstalt auf.
Bei den in Folge dieser Aufforderung an der Prager Lehr-
anstalt gepflogenen Verhandlungen behielt jedoch die Ansicht,
dass die Puerperalerkrankungen durch epidemische Einflüsse
bedingt sind, die Oberhand, und man scheint die Chlor-
waschungen bisher entweder gar nicht, oder nicht mit Ernst
in Anwendung gebracht zu haben!!
[315]
Scanzoni und Seyfert haben sich in Folge dieser Aeusse-
rung Skoda’s veranlasst gefühlt, eine Rechtfertigung zu ver-
öffentlichen. *)
Nachdem die Erfolge der Chlorwaschungen uns nicht mehr
zweifeln liessen. welches die Ursache des Kindbettfiebers sei,
fassten wir in unserem Streben, das Menschengeschlecht so
schnell wie möglich und einen so grossen Theil desselben als
nur immer möglich dieser Wohlthat theilhaftig zu machen, den
Entschluss uns auch brieflich nach Prag zu wenden, obwohl
die Redaction der Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte
die Sache schon veröffentlicht hatte, weil wir wussten, dass
das Prager Gebärhaus, wie das Wiener, vom Kindbettfieber
stark heimgesucht sei, und konnte denn die Sache anders sein?
ist doch die medicinische Schule in Prag so gut eine anato-
mische wie die Wiener. Und hat sich die Sache in Prag, wie
zu erwarten war, auch bewährt, so konnte es nicht mehr lange
dauern, und das Menschengeschlecht ist einer Geissel los ge-
worden, welche es nur zu lange schon gequält.
Da aber mit der Anerkennung dieser Wahrheit zugleich
das Bekenntniss einer früher unbewusst begangenen Schuld
verbunden ist, so glaubten wir die Sache einem anerkannten
Namen anvertrauen zu müssen, welcher sich wieder nicht an
die unmittelbar Betheiligten zu wenden habe. Daher hat Skoda
an Nadherny, an einen Mann geschrieben, dessen Verdienste
um die Hebung der medicinischen Facultät zu Prag uns Bürge
waren, dass er sich der Sache annehmen werde.
Nadherny hat Skoda’s Brief, nachdem er ihn in Prag er-
folglos mitgetheilt, an seinen Schwiegersohn, den Professor
Hofrath Kiwisch, nach Würzburg gesendet, und Kiwisch ist
in Folge dieses Briefes, wie er selbst öffentlich in einem Auf-
satze, den wir später beurtheilen werden, erzählt, zweimal
nach Wien gekommen, um sich mit mir in dieser Angele-
genheit zu besprechen.
[316]
Doch hören wir was Scanzoni sagt. Scanzoni sagt: »Professor
Skoda entwickelt in dem gedachten Vortrage zuerst die That-
sachen und Schlüsse, aus deren Combination die Entdeckung
des Dr. Semmelweis hervorgegangen ist. Dieser Theil des
Vortrages bietet übrigens zu wenig Neues, als dass wir es für
nöthig hielten, ihn hier weiter auseinanderzusetzen, denn
dem grössten Theile des ärztlichen Publicums dürfte es be-
kannt sein, dass die Erkrankungen und Sterbefälle der allge-
meinen Annahme zu Folge in Gebärhäusern viel häufiger sind,
als ausserhalb derselben.«
Die Thatsachen sind allerdings nicht neu, nur die Schlüsse,
die ich aus alten Thatsachen ziehe, sind neu; nachdem es
Thatsache ist, dass in Gebärhäusern die Erkrankungen und
Sterbefälle viel häufiger sind, als ausserhalb derselben, so ziehe
ich aus dieser alten Thatsache den neuen Schluss, dass die
zahlreicheren Erkrankungen und Sterbefälle im Gebärhause
nicht durch atmosphärische Einflüsse bedingt sein können,
weil die Wöchnerinnen im Gebärhause und die Wöchne-
rinnen ausserhalb des Gebärhauses denselben atmosphärischen
Einflüssen ausgesetzt sind, folglich in gleicher Anzahl erkran-
ken und sterben müssten. Und wenn Scanzoni und die Legion
der Epidemiker trotz dieser Thatsachen das Kindbettfieber
durch atmosphärische Einflüsse entstehen lassen, so beweist
das nur, dass ihnen der Widerspruch zwischen der Lehre
und den Thatsachen wegen Mangel an Nachdenken noch nicht
zum klaren Bewusstsein gekommen ist, oder wenn selbe ja den
Widerspruch erkannt haben, sind selbe dennoch bei dem ac-
creditirten Irrthume des epidemischen Puerperalfiebers geblie-
ben, weil selbe nichts Besseres an deren Stelle zu setzen ver-
mochten.
Scanzoni sagt: Skoda macht ferner auf das Erkrankungs-
und Mortalitätsverhältniss der beiden Gebärkliniken des Wie-
ner Krankenhauses aufmerksam, woraus man entnimmt, dass
die Zahl der Todesfälle auf der für die Aerzte bestimmten Kli-
nik bis Juni 1847 constant, im Jahre 1846 sogar um das Fünf-
[317] fache grösser und innerhalb sechs Jahren durchschnittlich
dreimal so gross war, als auf der zum Unterricht für Hebam-
men bestimmten Abtheilung.
Der Leser erinnert sich, welche neue Schlüsse ich aus
dieser alten Thatsache gezogen; diese alte Thatsache lieferte
mir sämmtliche Hilfsmittel für meinen Feldzug gegen die bis-
her giltige Aetiologie des Kindbettfiebers, diese alte Thatsache
zeigt, dass, wenn in dem durch die Tabelle I repräsentirten
Zeitraume drei Wöchnerinnen an der I. Gebärklinik starben, die
transferirten gar nicht gerechnet, man wohl für die eine, aber
nicht für die beiden andern das ätiologische Moment für das
Kindbettfieber in der bisher giltigen Aetiologie finden konnte.
Diese alte Thatsache überzeugte mich, dass es ausser der
bisher giltigen Aetiologie des Kindbettfiebers noch eine an-
dere geben müsse, ich habe die noch unbekannte Aetiologie
gesucht und habe selbe gefunden.
Scanzoni sagt ferner: Dr. Semmelweis kam nun bei der
Kenntniss der Thatsache, dass durch die Einwirkung faulender
thierischer Substanzen auf das Blut Pyämie hervorgerufen
werde, auf den Gedanken, dass den häufigen Erkrankungen der
Wöchnerinnen in Gebärhäusern die Uebertragung von der-
artigen Substanzen auf die Geburtstheile zu Grunde liegen
könne, und hielt eine solche Infection dadurch ermöglicht, dass
seinen und den Händen der Schüler derartige deletäre Stoffe
von den häufig kurz zuvor gemachten Leichenuntersuchungen
ankleben und bei der Exploration auf die Genitalien der In-
dividuen übertragen werden. Zu Gunsten dieser Ansicht sprach
das bedeutend günstigere Erkrankungsverhältniss auf der Ab-
theilung für Hebammen, welche sich nie mit Leichenunter-
suchungen beschäftigen, und der Umstand, dass die Erkran-
kungen zunahmen, wenn der Assistent und die Schüler die
Sectionslocalitäten häufiger besuchten.
Um die Richtigkeit seiner Ansicht zu erproben, traf Dr.
Semmelweis gegen Ende Mai 1847 die Verfügung, dass Jeder-
mann vor jeder Untersuchung einer Schwangern, Gebärenden
[318] oder Wöchnerin die Hände mit Chlorwasser waschen musste.
Auf diese Anordnung erkrankten die Wöchnerinnen auf der
für die Studirenden bestimmten Abtheilung plötzlich nicht
zahlreicher, als auf der Abtheilung für Hebammen. Und gewiss,
wenn durch eine Massregel, welche nichts Anderes leisten
kann, als den an den Händen klebenden zersetzten Stoff zu
zerstören, an einer Abtheilung die Sterblichkeit auf 45 Todte
unter 9780 Wöchnerinnen herabgedrückt werden kann, an
welcher früher durch sechs Jahre die Sterblichkeit bei einer
geringeren Zahl von Wöchnerinnen, ein Jahr ausgenommen,
zwischen 237 und 518 Todten schwankt (siehe Tabelle VI,
Seite 3), so ist unzweifelhaft bewiesen, dass der zersetzte Stoff
die Ursache der grossen Sterblichkeit war. Im Jahre 1841
starben 192, im Jahre 1845 starben 196, im Jahre 1844 star-
ben 215, im Jahre 1843 starben 229, im Jahre 1846 starben
414, im Jahre 1842 starben 463 Wöchnerinnen mehr als im
Jahre 1848, wo das ganze Jahr hindurch die Chlorwaschungen
durch mich beaufsichtiget wurden.
Scanzoni sagt: Nach dieser historischen Entwicklung und
Darstellung der von Dr. Semmelweis gemachten Entdeckung
geht Prof. Skoda zu den Massnahmen über, welche nöthig
scheinen, die Entdeckung des Dr. Semmelweis ausser Zweifel
zu setzen. Zu diesen Massnahmen gehört auch der Brief, den
Skoda an Nadherny gerichtet.
Scanzoni sagt: Prof. Skoda behauptet, zur Einführung der
Chlorwaschungen in der Prager Gebäranstalt aufgefordert zu
haben, doch geschah dies, so viel uns bekannt ist, weder von
seiner noch von Seite des Dr. Semmelweis auf eine der Wich-
tigkeit des Gegenstandes entsprechende Weise, wenigstens
erhielten wir die Nachricht über die von Dr. Semmelweis em-
pfohlene Massregel immer nur auf indirectem Wege durch
Aerzte, welche ihr Weg zufällig von Wien nach Prag führte.
Eine directe briefliche Aufforderung von Seite der genannten
beiden Aerzte ist, so viel uns bekannt wurde, an die Vorsteher
der Prager Gebäranstalt nie ergangen.
[319]
Der Leser wird wissen, was er von dieser Darstellung
Scanzoni’s halten soll. wenn er selbe mit dem zusammenhält,
was wir über diesen Gegenstand gesagt.
Dem Ausspruche Skoda’s: »Man scheint die Chlorwaschun-
gen bisher entweder gar nicht, oder nicht mit Ernst in An-
wendung gebracht zu haben«, stellt Scanzoni die Behauptung
gegenüber, dass kurz nach dem Bekanntwerden der in der
Wiener Gebäranstalt gemachten Erfahrungen auch in Prag die
Chlorwaschungen eingeführt und ihre sorgfältige Vornahme von
Seite der Schüler auf das eifrigste überwacht wurde, was jene
bestätigen können, welche zu jener Zeit die Prager Klinik
besucht.
Und um das Gerücht zu widerlegen, welches sich nach
Scanzoni’s Angabe in Wien verbreitete, dass gerade während
der Zeit seiner Assistenz das Mortalitätsverhältniss ein auf-
fallend ungünstiges war, welches ungünstige Mortalitätsver-
hältniss besagtes Gerücht dem Umstand zuschrieb, dass Scan-
zoni die von Dr. Semmelweis empfohlenen Chlorwaschungen
unterlasse.
Um dieses Gerücht zu widerlegen, veröffentlicht Scanzoni
die Monat-Rapporte des Prager Gebärhauses vom 1. Mai 1847
bis 31. August 1848, also die Rapporte von 15 Monaten, inner-
halb welcher nur während vier und einem halben Monate die
Chlorwaschungen geübt wurden.
Aus diesen Rapporten geht hervor, dass innerhalb dieser
15 Monate 2721 Wöchnerinnen verpflegt wurden, wovon 45
gestorben sind, also 1, 6 %, während sich auf der Wiener I.
geburtshilflichen Klinik in den Monaten Juni 1847 bis April
1848, während welchen Monaten die Chlorwaschungen unter
meiner Beaufsichtigung ununterbrochen geübt wurden, ein
Mortalitätsverhältniss von 2, 5 % herausstellte, es ist daher
das Sterblichkeitsverhältniss der im Prager Gebärhause be-
handelten Wöchnerinnen um 0, 9 % günstiger, obwohl
während zehn und einem halben Monate keine Chlorwaschun-
gen gemacht wurden, als auf der Wiener geburtshilflichen
[320] Klinik, wo ununterbrochen die Chlorwaschungen durch mich
beaufsichtigt wurden.
Scanzoni erzählt ferners, dass von den ins Krankenhaus
transferirten Wöchnerinnen noch 41 gestorben seien, gibt man
nun diese 41 zu den im Gebärhause verstorbenen 45 hinzu, so
ergibt sich ein Sterblichkeitsverhältniss von 86 Todten unter
2721 Wöchnerinnen, d. i. 3, 1 %.
Damit nun, fährt Scanzoni fort, auch hier ein Vergleich
zwischen den Resultaten der Wiener und Prager Gebäranstalt
durchgeführt werden könne, so wäre es sehr wünschenswerth,
wenn von Seite der ersteren Anstalt auch veröffentlicht würde,
ob und wie viele Wöchnerinnen auf die übrigen Abtheilungen
des Krankenhauses transferirt wurden. Aber selbst in dem
Falle, dass in Wien gar keine Transferirungen stattgefunden
hätten, was nicht angenommen werden kann, da Prof. Skoda
selbst erwähnt, dass die erkrankten Wöchnerinnen zuweilen
von der Gebäranstalt in das Krankenhaus übertragen wurden,
so bleibt unser Mortalitätsverhältniss nur um 0, 6 % ungün-
stiger als jenes der Wiener Klinik, ein Unterschied, welcher
gewiss in den Augen eines jeden Unbefangenen viel zu unbe-
deutend erscheinen wird, als dass er zu Vorwürfen für unsere
Anstalt, zu Verdächtigungen und Beschuldigungen der daselbst
angestellten Aerzte berechtigen könnte.
Hierauf können wir Scanzoni versichern, dass die Trans-
ferirungen, von welchen Skoda erzählt, in die Zeit vor Einfüh-
rung der Chlorwaschungen fallen, Skoda führt ja diese Trans-
ferirungen als Beweis, dass die Sterblichkeit an der I. Gebär-
klinik vor Einführung der Chlorwaschungen noch bedeutender
war, als die Rapporte zeigen, weil von Zeit zu Zeit massen-
hafte Transferirungen vorgenommen wurden, wodurch das
Sterblichkeitsverhältniss nach dem Rapporte günstiger ist, als
es in der Wirklichkeit war; nach Einführung der Chlorwa-
schungen wurden nur einzelne wenige Individuen, welche
wegen ihres Zustandes für die übrigen zu gefährlich waren,
transferirt, und Scanzoni kann überzeugt sein, dass ich bald
[321] entlarvt worden wäre, falls ich zur Verminderung der Todes-
fälle an der I. Gebärklinik die kranken Wöchnerinnen fort-
geschickt hätte, und wenn ich dann die verminderten Todes-
fälle den Chlorwaschungen zugeschrieben hätte.
Um den Leser einen Massstab an die Hand zu geben, zur
Beurtheilung der von Scanzoni veröffentlichten Rapporte,
wollen wir einiges Hiehergehörige recapituliren.
Der Leser erinnert sich, dass wir die Frage, wenn durch
getroffene Massregeln alle Fälle von Infection von aussen ver-
hütet werden, wie viele Wöchnerinnen werden immer noch
in Folge von unverhütbarer Selbstinfection sterben? dahin be-
antworteten, dass uns in diesem Punkte unsere eigenen Erfah-
rungen keinen sicheren Ausspruch gestatten, dass wir aber
glauben, die Rapporte des Wiener Gebärhauses aus der Zeit,
wo die Medicin in Wien noch der anatomischen Grundlage
entbehrte, seien geeignet, über diesen Punkt Aufschluss zu
ertheilen. In diesen 39 Jahren kommen 25 Jahre vor, während
welchen nicht eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb.
(Siehe Tabelle Nr. XVII, S. 62 u. Tabelle Nr. XXIV, S. 142.)
Es starb nämlich während 2 Jahren eine von 400 Wöch-
nerinnen, während 2 Jahren starb eine von 300 Wöchnerinnen,
während 8 Jahren starb eine von 200 Wöchnerinnen und wäh-
rend 13 Jahren starb nicht eine von 100 Wöchnerinnen.
Wir stellen daher keine strenge Anforderung an ein Ge-
bärhaus, wenn wir von selbem fordern, dass von den in dem-
selben verpflegten Wöchnerinnen nicht eine von 100 sterbe.
Wenn nun aus den durch Scanzoni veröffentlichten Rap-
porten hervorgeht, dass im Prager Gebärhause während der
angeführten 15 Monate 3, 1 % Wöchnerinnen am Kindbett-
fieber starben, so ist dadurch bewiesen, dass im Prager Gebär-
hause Infectionsfälle von aussen vorgekommen sind, und wenn
Scanzoni sagt, dass zur selben Zeit in Wien trotz den Chlor-
waschungen eine ähnliche Sterblichkeit vorkam, so müssen
wir den Leser daran erinnern, dass wir damals allerdings trotz
Semmelweis, Kindbettfieber. 21
[322] den Chlorwaschungen zahlreiche Infectionsfälle von aussen
hatten, weil wir damals noch so unbewandert waren, dass wir
uns nach der Untersuchung eines Medullarkrebses der Gebär-
mutter nicht die Hände in Chlor wuschen, wir sonderten nicht
die Kranken mit dem cariösen Knie, und damals hatten wir
uns auch über Schüler zu beklagen, welche die Chlorwaschun-
gen nicht strenge genug beobachteten. Im Wiener Gebärhause,
in welchem, während die Medicin der anatomischen Grundlage
entbehrte, innerhalb 39 Jahren 25 Jahre nicht eine Wöchnerin
von 100 starb, 7 Jahre 1 Wöchnerin von 100, 5 Jahre 2 Wöch-
nerinnen von 100, 1 Jahr 3 und 1 Jahr 4 Wöchnerinnen von 100
starben, steigerte sich die Sterblichkeit in Folge der anato-
mischen Richtung der Medicin in dem Grade, dass die Sterb-
lichkeit des Gebärhauses als Ganzes genommen im Jahre die
Höhe von 12 % erreichte, die I. Gebärklinik für sich genom-
men, die Höhe von 15 % und die Monate der I. Gebärklinik
genommen bis zur Höhe von 31 %.
Die medicinische Schule zu Prag ist wie die Wiener eine
anatomische; wenn in Wien die anatomische Richtung der
Medicin so viel Unglück über das Wiener Gebärhaus brachte,
so muss dasselbe in Prag, da die Gesetze der Natur in Wien
und in Prag dieselben sind, auch geschehen sein, der natür-
liche Schluss ist daher, dass das Prager Gebärhaus traurigere
Zeiten gesehen haben muss, als während der 15 Monate, von
welchen uns Scanzoni die Rapporte mittheilt. Das Prager
Gebärhaus ist, sowie das Wiener, in eine Klinik für Aerzte
und in eine Klinik für Hebammen eingetheilt, und gewiss
würden wir in Prag dasselbe Factum zur Beobachtung bekom-
men haben, welches wir in Wien und Strassburg beobachteten,
nämlich dass in zwei Abtheilungen einer und derselben An-
stalt ein auffallend differenter Gesundheitszustand, und zwar
zu Ungunsten der Klinik für Aerzte herrsche, wenn nicht durch
regelmässig vorgenommene Transferirungen der Unterschied
ausgeglichen worden wäre.
Für unsere Behauptung, dass das Prager Gebärhaus trau-
[323] rigere Zeiten gesehen haben müsse, als die 15 Monate waren,
von welchen uns Scanzoni die Rapporte mittheilt, benöthigen
wir keinen anderen Beweis, als den, dass es im Wiener Gebär-
hause auch so war.
Zum Ueberfluss erzählt uns Scanzoni in seinem Lehr-
buche der Geburtshilfe, was für grossartige Erfahrungen er
im Prager Gebärhause in Bezug auf die Zahl der beobachteten
Kindbettfieberfälle gemacht, Erfahrungen, welche nur gemacht
werden können in einem Gebärhause, welches, sowie das Wie-
ner, unbarmherzig vom Kindbettfieber heimgesucht wird.
Doch bevor wir zu Scanzoni’s grossartigen Erfahrungen
übergehen, ist es nöthig, seine Eintheilung der Entzündungen,
wie solche nach der Meinung Scanzoni’s im Wochenbette vor-
kommen, einer Beurtheilung zu unterwerfen.
Scanzoni theilt die puerperalen Entzündungen ein in
solche, welche ohne Blutentmischung verlaufen, und diese
Entzündungen verdienen den Namen Puerperalfieber nach
Scanzoni nicht, können aber, wenn im Verlaufe der Krankheit
eine Resorption der Entzündungsproducte stattfindet, zum
Puerperalfieber dadurch werden, dass in Folge der resorbirten
Entzündungsproducte eine Blutentmischung eintritt. Hieher
gehört Endometritis, die Metritis, die Metrophlebitis puer-
peralis, die Metrolymphangoitis, die Peritonitis puerperalis,
die peritonäale Oophoritis, die parenchymatöse Oophoritis, die
puerperale Entzündung der Puben, die Colpitis puerperalis
und in solche Entzündungen, welchen eine Blutentmischung
vorausgeht. Diese Fälle sind das eigentliche Puerperalfieber,
hieher gehört die Hyperinose, die Pyaemie und die Blutdis-
solution der Wöchnerinnen.
Und obgleich sowohl am Krankenbette, als auch am Sec-
tionstische Fälle beobachtet werden, welche zwar unter die Hy-
perinosis, andere, die man unter die Pyaemie, und andere, die
man unter die Blutdissolution, und wieder andere, die man
unter keine der drei genannten Formen subsumiren kann,
21 *
[324] beobachtet, welche dann nach Scanzoni unter die Entzündun-
gen zu zählen sind, die nicht Puerperalfieber sind, so ist
es doch gewiss, dass alle diese Formen Resorptions- oder nach
dem gewöhnlichen Sprachgebrauche Puerperalfieber sind, weil
alle diese Formen in Folge der Resorption eines zersetzten
Stoffes entstehen; warum aber der resorbirte zersetzte Stoff
einmal die Form, welche man Hyperinose, ein andermal die,
welche man Pyaemie, einmal die, welche man Blutdissolution,
und einmal wieder Formen, welche unter die genannten nicht
subsumirt werden können, erzeuget, das wissen wir, wie wir
schon einmal erklärten, als wir Prof. Lewy’s Zweifel auf-
klärten, nicht. Vielleicht hängt das von grösseren oder gerin-
geren Fäulnissgraden des resorbirten Stoffes, vielleicht von der
Reactionsfähigkeit des Organismus, vielleicht von anderen Um-
ständen ab. Wir wissen nur gewiss, dass in allen diesen Fällen
ein zersetzter Stoff resorbirt wird, welcher das Blut manchmal
augenscheinlich, manchmal auf eine für unsere Sinne nicht er-
kennbare Weise entmischt, und dass in Folge der Blutentmi-
schung die Entzündungen eintreten. Und dass auch in jenen
Fällen, wo eine augenscheinliche Blutentmischung fehlt, und
welche deshalb von Scanzoni nicht als Puerperalfieber aner-
kannt werden, wirklich ein zersetzter Stoff resorbirt wird, ist
dadurch bewiesen, dass auch diese Fälle durch Chlorwaschun-
gen verhütet werden können.
Im Jahre 1841 starben 192, im Jahre 1845 starben 196,
im Jahre 1844 starben 215, im Jahre 1843 starben 229, im
Jahre 1846 starben 414, im Jahre 1842 starben 463 Wöch-
nerinnen mehr als im Jahre 1848, wo die Chlorwaschungen
geübt wurden, und doch waren gewiss diese 1709 mehr todte
Wöchnerinnen in 6 Jahren nicht lauter Fälle von Hyperinose,
von Pyaemie, von Blutdissolution, sondern es waren gewiss die
grössere Zahl der Fälle solche, wo eine augenscheinliche Blut-
entmischung nicht beobachtet werden konnte, und doch sind
selbe durch die Chlorwaschungen verhütet worden, als Beweis,
dass auch diese Fälle in Folge der Resorption eines zersetzten
[325] Stoffes entstanden sind, dass selbe folglich Resorptions- oder
Puerperalfieberfälle waren.
Der Leser wolle nicht ungeduldig werden, weil ich immer
und immer wieder auf den verbesserten Gesundheitszustand
der I. Gebärklinik zurückkomme, der Erfolg der Chlorwa-
schungen ist aber eben der Fels, an dem meine Gegner zer-
schellen.
Nachdem wir durch den Erfolg der Chlorwaschungen be-
wiesen haben, dass die Entzündungen im Wochenbette, welche
Scanzoni nicht als Puerperalfieber anerkennen will, den Wo-
chen nach identisch seien mit jenen, welche Scanzoni als Puer-
peralfieber anerkennt, wollen wir zu den grossartigen Erfah-
rungen, welche Scanzoni in Prag in Bezug auf die Zahl der
beobachteten Puerperalfieberfälle gemacht, zurückkehren.
Scanzoni spricht in einem Gesuche, welches er unterm
29. März 1849 an das böhmische Landesgubernium gerichtet,
von seiner mehr als fünfjährigen Dienstleistung in den Kran-
kenanstalten Prags. November 1850 begann seine Wirksam-
keit als Lehrer in Würzburg, folglich hat Scanzoni sieben Jahre
in den Krankenanstalten Prags gedient. Wie viele Geburten
sich in Prag während diesen sieben Jahren ereigneten, weiss
ich wohl nicht, wenn wir aber zwölf von den fünfzehn durch
Scanzoni veröffentlichten Monaten als Basis annehmen, so ist,
da vom 1. Juni 1847 bis letzten Mai 1848 sich 2210 Geburten
ereigneten, anzunehmen, dass sich in diesen 7 Jahren 15,470
Geburten zutrugen.
Wenn wir nun die Forderung, dass nicht eine Wöchne-
rin von 100 Wöchnerinnen am Kindbettfieber sterbe, auch an
das Prager Gebärhaus richten, so gibt das während 7 Jahren
beiläufig 150 Todte. Und dass diese Forderung berechtiget ist,
können wir dadurch beweisen, dass wir diese Forderung trotz
ungünstiger Verhältnisse während 7 Monate im Jahre 1848
an der ersten Gebärklinik zu Wien, während 6 Jahren im St.
Rochusspital zu Pest und während eines Jahres an der ge-
burtshilflichen Klinik zu Pest erfüllten. In Wien starben zur
[326] Zeit als die Medicin noch der anatomischen Grundlage ent-
behrte, innerhalb 25 Jahren von 44,838 Wöchnerinnen 273, al-
so nicht eine von 100 (siehe Tabelle Nr. XXV, Seite 142) und
innerhalb der 262 Jahre, von welchen wir die Rapporte von 4
Londoner und 2 Dubliner Gebärhäusern besitzen, kommen 19
Jahre, in welchen von 4558 Wöchnerinnen keine einzige starb,
und während 105 Jahren starben von 109,656 Wöchnerinnen
726, also ebenfalls nicht eine von 100 (siehe Seite 176, Zeile 3
von unten).
Wenn nun Scanzoni an einer Anstalt, an welcher inner-
halb 7 Jahren nur 150 Todesfälle in Folge von Puerperalfieber
entstanden, durch Selbstinfection vorkommen konnten, falls
alle Infectionsfälle von aussen verhütet worden wären, so
grossartige Erfahrungen machen konnte in Bezug auf die
Zahl der beobachteten Puerperalfieberfälle, dass Scanzoni, *)
obwohl er die Entzündungen im Wochenbette in viele Formen
zersplittert, dennoch von einer einzigen, nämlich von der En-
dometritis sagen kann, er habe in der Prager Gebäranstalt
Gelegenheit gehabt, hunderte von an Endometritis leidenden
Wöchnerinnen zu behandeln, und zwar erfolglos, denn Scan-
zoni sagt, er habe sich überzeugt, dass die Aufgabe des Arz-
tes bei der Behandlung des fraglichen Leidens nur in der Be-
kämpfung der quälendsten und gefahrdrohendsten Symptome
besteht (siehe I. Auflage, Band III., Seite 380, II. Auflage,
Band II., Seite 948) —
Wenn Scanzoni bei der Metritis sagen konnte, er habe
hunderten von Sectionen verstorbener Wöchnerinnen beige-
wohnt (siehe I. Auflage, Band III., Seite 382, II. Auflage, Band
II., Seite 950) —
Wenn Scanzoni es an einer anderen Stelle nochmals wie-
derholt, dass er hunderten von Sectionen am Puerperalfieber
Verstorbener beiwohnte (siehe I. Auflage, Band III., Seite 464
und II. Auflage, Band II., Seite 1010) —
[327]
Wenn Scanzoni uns erzählen kann, »dass im Verlaufe
einer Epidemie einzelne stürmische, kaltfeuchte Tage einen
das häufigere und intensivere Auftreten von Krankheiten un-
verkennbar begünstigenden Einfluss ausüben, so dass nicht
selten alle in einer Gebäranstalt an einem bestimmten Tage
Entbundenen puerperal erkranken, wie wir dies im Monat
October 1846 in der Prager Gebäranstalt beobachteten, wo
wir an einem Tage 13 Erkrankungen zählten« (I. Auflage,
Band III., Seite 462, II. Auflage, Band II., Seite 1009) —
Wenn Scanzoni so grossartige Erfahrungen machen konnte,
so entnimmt daraus der trauernde Menschenfreund, welch eine
entsetzliche Verschwendung an Menschenleben auch im Prager
Gebärhause stattgefunden, und das sind nur die Mütter, und
wo ist erst die Legion der Kinder, die durch ihre Mütter in-
ficirt, kaum geboren, an derselben Blutentmischung sterben
mussten.
Einen geringen Trost findet der Menschenfreund in dem
Umstande, dass, obwohl die kleinst mögliche Sterblichkeit
nicht erreicht wurde, es doch in den 15 Monaten, deren Rapporte
uns Scanzoni mittheilt, besser ging, als vor dieser Zeit, denn
selbst bei einer Sterblichkeit, wie sie Scanzoni während die-
ser 15 Monate ausweiset, sind so grossartige Erfahrungen
nicht zu machen, abgesehen davon, dass Scanzoni während der
7 Jahre seiner Dienstleistung in den Prager Krankenanstalten
immer nur einen Theil der vorgenommenen Puerperalfieber-
fälle beobachten konnte; so lange er Assistent war, sind seiner
Beobachtung alle jene Fälle entgangen, welche er auf andere
Abtheilungen transferirt, und während er Vorstand der gynae-
cologischen Abtheilung war, konnte er nur die Fälle beobach-
ten, welche auf diese Abtheilung transferirt wurden.
Und wie denn nicht, es führte ja zufällig viele Aerzte ihr
Weg von Wien nach Prag, welche dort die von Dr. Semmel-
weis empfohlenen Massregeln zur Verhütung des Puerperal-
fiebers erzählten, und dadurch die das Prager Gebärhaus Be-
suchenden vorsichtiger machten.
[328]
Und wer erinnert sich nicht bei dieser Veranlassung an
Dietl’s Ausspruch.
Im Ganzen hört man jetzt wohl weniger von diesen ver-
heerenden Puerperalepidemien, vielleicht liegt die Ursache in
Beobachtung jener Einrichtungen, die sich auf ihre Erfahrun-
gen basiren — — ohne dass man es sich selbst und der Oef-
fentlichkeit gegenüber eingestehen will.
Scanzoni sagt: »Was nun den in der Prager Gebäranstalt
beobachteten Erfolg der Chlorwaschungen anbelangt, so ist zu
erwähnen, dass dieselben im Monate März 1848, wo das Puer-
peralfieber häufiger und bösartiger auftrat, zum ersten Male
angeordnet und beharrlich während der zweiten Hälfte des
Monates März, sowie auch in dem ganzen nachfolgenden Mo-
nate April durchgeführt wurden.
Da sich aber, ohngeachtet wir auch in dieser Periode die
Sectionslocalitäten nur äusserst selten besuchten, die Zahl der
Erkrankungen durchaus nicht minderte, so wurden die Chlor-
waschungen des Experimentes wegen auf einige Zeit ausgesetzt,
und was diese mit der grössten Sorgfalt vorgenommenen und
überwachten Waschungen nicht vermochten, das vollbrachte
ein günstiger Genius epidemicus: die Erkrankungen minder-
ten sich plötzlich, so dass wir im Monate Mai auf 205 Wöch-
nerinnen nur einen Todesfall zählten, während in den Monaten
März und April, wo mit Chlorkalk gewaschen wurde, auf 406
Entbundene zufällig 31 Todte kamen.
Nachdem wir uns nun die Ueberzeugung verschafft hat-
ten, dass diese Massregel nicht im Stande sei, den einmal
ausgebrochenen häufigen Erkrankungen der Wöchnerinnen
Einhalt zu thun, lag es uns ob, zu erforschen, ob sie vielleicht
zureiche, das Auftreten solcher Puerperalepidemien im Gebär-
hause hintanzuhalten. Die Waschungen wurden daher Anfangs
Juni neuerdings eingeleitet, und ohne dass irgend eine Ursache
nachweisbar gewesen wäre, erkrankten im Juni 21, im Juli 9,
im August 26; von den ersten starben 9, von den zweiten 2,
von den dritten 8. Wie sich diese auffallende Schwankung in
[329] der Zahl der Erkrankungen erklären liesse, wenn den Chlor-
waschungen wirklich ein so grosser Einfluss zukäme, und die
Häufigkeit der Erkrankungen nur durch die bei der Unter-
suchung stattfindende Leicheninfection bedingt wäre, vermö-
gen wir, jedes Anhaltspunktes entbehrend, nicht anzugeben.«
Obwohl wir unsere Bewunderung dem durchdringenden
Scharfsinne Scanzoni’s, welcher ihm wegen des Experimentes
die Chlorwaschungen aussetzen liess, nicht versagen können,
denn ein alltagsgesunder Menschenverstand hätte sich mit der
Zeit vom Tage des Eröffnens des Prager Gebärhauses bis zum
Tage der Einführung der Chlorwaschungen daselbst begnügt,
als derjenigen Zeit, in welcher im Prager Gebärhause Expe-
rimente ohne Chlorwaschungen gemacht wurden, in welcher
Hinsicht wir Scanzoni in Bezug auf das Wiener Gebärhaus
das fleissige Studium unserer 24. auf Seite 142 abgedruckten
Tabelle empfehlen. So können wir uns doch nicht verhehlen,
dass seine Gewissenhaftigkeit durch dieses Experiment in
einem weniger günstigen Licht erscheint; denn Scanzoni war
ja damals, als er dies scharfsinnige Experiment machte, noch
nicht vollkommen überzeugt, dass die Chlorwaschungen nicht
geeignet seien, das Kindbettfieber zu verhüten, diese Ueber-
zeugung befestigte sich bei ihm ja erst dadurch, dass trotz des
Aussetzens der Chlorwaschungen die Sterblichkeit sich min-
derte, und dass trotz den neuerdings vorgenommenen Chlor-
waschungen sich die Sterblichkeit wieder steigerte.
Wie aber, wenn sich möglicherweise meine Ansicht doch
bestätiget hätte, und wenn in Folge der Aussetzung der Chlor-
waschungen eine grössere Sterblichkeit eingetreten wäre? Ist
es gewissenhaft, solche Experimente zu machen?
Der Leser erinnert sich, dass wir im April 1847 57, im
Mai 36 Todte an der I. Gebärklinik zu Wien hatten.
Mitte Mai beiläufig führten wir die Chlorwaschungen ein,
und darauf verminderte sich die Sterblichkeit auf 6 Todte im
Juni, auf 3 im Juli, auf 5 im August, aber im September stei-
gerte sich die Sterblichkeit wieder auf 12, im October auf 11,
[330] im November auf 11 und im December auf 8 Todte. Aus
dieser, trotz den Chlorwaschungen gesteigerten Sterblichkeit
zogen wir nicht den Schluss, dass die Chlorwaschungen erfolg-
los seien, sondern die gesteigerte Sterblichkeit erregte in uns
den Verdacht, dass vielleicht trotz den Chlorwaschungen den
Individuen zersetzte Stoffe eingebracht werden, und eine des-
halb angestellte Untersuchung zeigte, dass einige Schüler die
Chlorwaschungen vernachlässigten, wir erkannten, dass wir
nach der Untersuchung einer mit Krebs der Gebärmutter be-
hafteten Kreissenden die Hände nicht in Chlorkalk wuschen,
so wie wir das Individuum mit dem cariösen Knie nicht von
den übrigen sonderten, was ja dem Leser schon bekannte Dinge
sind, wir haben die Chlorwaschungen deshalb nicht nur auf-
gegeben, im Gegentheil, wir haben selbe noch strenger geübt,
und haben dadurch im Jahre 1848 das glückliche Resultat er-
zielt, dass wir während 7 Monaten nicht eine Wöchnerin von
100 verloren, und wir wären vielleicht im Jahre 1849 und 1850
noch glücklicher gewesen, wenn man uns nicht trotz unseren
Bitten die Gelegenheit entzogen hätte, auch während dieser
zwei Jahre die Chlorwaschungen an der I. Gebärklinik zu
leiten.
Auf die Erfahrungen, die ich in Pest gemacht, und auf
die Erfahrungen Anderer, die anzuführen ich schon Gelegen-
heit hatte, wollen wir hier nur hindeuten.
Scanzoni hat daher stark gefehlt, dass er nach nicht ganz
sechsmonatlichem unglücklichen Experimentiren den voreiligen
Schluss zog, den Chlorwaschungen komme kein so grosser
Einfluss zu, und die Häufigkeit der Erkrankungen sei nicht
bedingt durch die bei der Untersuchung stattfindende Leichen-
infection.
Der Leser liest ja eben die gewichtigen Gründe, welche
Scanzoni gegen mich anführt, er hat gewiss diese gewichtigen
Gründe seinen Schülern nicht verheimlicht, und bei dem Um-
stande hätte Scanzoni auf den Gedanken kommen können,
nachdem es ihm nicht gelungen ist, die Sterblichkeit so plötz-
[331] lich wie in Wien zu vermindern, und nachdem trotz neuerdings
angewandter Chlorwaschungen die Sterblichkeit sich wieder
steigerte, dass vielleicht gerade diese gewichtigen Gründe die
Schüler verhindern sich so gewissenhaft zu waschen als es
nöthig ist, was ja um so wahrscheinlicher ist, da sich ja sogar
unter meinen Schülern solche fanden, obwohl ich so eindring-
lich die Chlorwaschungen ihnen empfahl.
Es wäre daher viel gewissenhafter gewesen des Experi-
mentes wegen, nicht die Chlorwaschungen, sondern das Auf-
zählen so unwiderleglicher Gründe gegen die Chlorwaschungen
auszusetzen.
Scanzoni hat noch in andern Hinsichten gefehlt, wofür er
aber nicht verantwortlich gemacht werden kann, weil die Ent-
schuldigung des Nichtwissens ihm zur Seite steht.
Scanzoni nämlich kennt von den drei Quellen, aus welchen
der das Kindbettfieber erzeugende zersetzte Stoff genommen
wird, nur die eine, nämlich die Leiche, und dies bezüglich sagt
Scanzoni: Wir, worunter er wahrscheinlich auch seine Schüler
versteht, haben in dieser Periode die Sectionslocalitäten nur
äusserst selten besucht. Die grosse Quelle des zersetzten
Stoffes, nämlich alle Kranken, deren Krankheiten einen zer-
setzten Stoff erzeugen, war ihm wenigstens damals unbekannt,
und es ist möglicherweise im Prager Gebärhause das geschehen,
was uns im Wiener Gebärhause durch den Krebs der Gebär-
mutter, durch das cariöse Knie geschah, als auch wir noch
nicht wussten, dass der zersetzte Stoff auch von Kranken
kommen könne, und wenn Scanzoni damals glaubte, dass der
zersetzte Stoff nur von der Leiche komme, so hat er gewiss die
Instituts-Oberhebamme sammt dem übrigen Wartpersonale,
da selbe mit Leichen nichts zu thun haben, nicht angehalten,
die Chlorwaschungen zu üben, er hat vielleicht nicht strenge
genug die Utensilien, welche bei Kranken benützt wurden, von
den Gesunden fern gehalten, und dadurch die Erfolge der
Chlorwaschungen beeinträchtigt.
Endlich konnte ja der zersetzte Stoff auch aus der dritten
[332] Quelle genommen werden, ich habe ja dem Leser an betreffen-
der Stelle erzählt, dass trotz meiner Wachsamkeit es während
zweier Jahre an der Pester geburtshilflichen Klinik geschehen
ist, dass wir Infectionsfälle von aussen hatten, in Folge unreiner
Bettwäsche und Wäscher und Wärterinnen, die ihre Schuldig-
keit nicht thun, kann es ja auch in Prag geben.
Wenn ich nun an Scanzoni’s Stelle wäre, und er an meiner,
könnte ich ihm nicht mit voller Wahrheit sagen, dass ich die
Chlorwaschungen mit Ernst in Gebrauch gezogen habe, des-
halb wäre doch der Schluss, dass das Kindbettfieber nicht durch
Resorption eines zersetzten Stoffes entstehe, ein falscher.
Und wenn Scanzoni sagt, dass er keine Anhaltspunkte
habe, um diese auffallende Schwankung in der Zahl der Er-
krankungen zu erklären, wenn den Chlorwaschungen wirklich
ein so grosser Einfluss zukäme, und die Häufigkeit der Erkran-
kungen nur durch die bei der Untersuchung stattfindende
Leicheninfection bedingt wäre, wenn Scanzoni das fragt, so
können wir ihm ohne Zaudern das ernste Studium dieser
Schrift empfehlen, zur Gewinnung solcher Anhaltspunkte; ich
glaube aber, Scanzoni wäre in grösserer Verlegenheit, wenn
wir die Bitte an ihn richten würden, uns als Gegendienst zu
sagen, wo man denn eine Belehrung über eine Aetiologie des
Kindbettfiebers findet, welche lehrt, dass im Monate März und
April von 406 Wöchnerinnen 31 zufällig gestorben sind, und
dass dieses zufällige Sterben im Monat Mai durch einen gün-
stigeren Genius epidemicus auf Einen Todesfall reducirt wurde,
und dass, ohne dass irgend eine Ursache nachweisbar gewesen
wäre, im Juni wieder 9, im Juli 2 und im August 8 starben.
Wenn Scanzoni, während er sich gegen Skoda’s Vorwurf,
die Chlorwaschungen nicht mit Ernst vorgenommen zu haben,
vertheidiget, uns ein so sinnloses Geschwätz über die Aetiolo-
gie des Kindbettfiebers auftischt, so muss der Leser gleich mir
zur Ueberzeugung gelangen, dass Skoda zu milde geurtheilt.
Wenn das Prager Gebärhaus eingestürzt und diese In-
dividuen erschlagen worden wären, so hätte Scanzoni die Ur-
[333] sache dieser Todesfälle ermitteln können, aber ob der zersetzte
Stoff auf eine oder die andere Weise den Individuen in grösse-
rer oder geringerer Ausdehnung eingebracht werde, wodurch
nicht nur die Erkrankungen, sondern auch ob viele oder wenige,
das heisst die Schwankungen der Erkrankungen abhängig sind,
das ist eine für Scanzoni nicht nachweisbare Ursache, sowie er
keine Anhaltspunkte hat, um diese Schwankungen zu erklären.
Scanzoni sagt ferner: »Nicht unerwähnt können wir es
übrigens lassen, dass auf die Prager Gebäranstalt die von Dr.
Semmelweis aufgestellte, von Prof. Skoda verfochtene Hypo-
these schon deshalb keine Anwendung finden könne, weil da-
selbst einestheils nur äusserst wenige Mütter nach der Ent-
bindung, während welcher die zur Aufnahme deletaerer Stoffe
disponirenden Verletzungen der Genitalien entstehen, unter-
sucht werden, anderentheils die im Gebärhaus prakticirenden
Schüler nur ausnahmsweise, oft im Verlaufe von mehreren
Tagen gar nicht mit Leichen in Berührung kommen, was ge-
wiss jeder mit den Verhältnissen unserer Anstalt Vertraute
bestätigen wird.«
Der Leser hat gesehen, dass bisher Scanzoni immer von
einer Entdeckung gesprochen, und dass er den Thatsachen und
Schlüssen, auf welche diese Entdeckung basirt, keinen andern
Vorwurf machte, als den, dass selbe nicht neu seien; dass die
Thatsachen nicht wahr, oder dass die Schlüsse irrig seien,
hat Scanzoni nirgends nachgewiesen. Nur das letzte Resultat
dieser Thatsachen und Schlüsse, nämlich dass das Kindbett-
fieber durch die Resorption eines zersetzten Stoffes entstehe,
hat Scanzoni durch die Experimente, die er in Prag gemacht,
nicht bestätiget gefunden; seine Experimente haben dargethan,
dass im Monate März und April 1848 im Prager Gebärhause
31 Wöchnerinnen zufällig gestorben seien, dass dieses zufällige
Sterben im Mai durch einen günstigeren Genius epidemicus
auf Eine Todte beschränkt wurde, und dass im Juni, Juli und
August 19 Wöchnerinnen ohne irgend eine nachweisbare
Ursache verschieden seien.
[334]
Deshalb nennt er nun meine Entdeckung eine Hypothese.
Wir bleiben dabei, dass wir eine Entdeckung gemacht, und
glauben den Grund, warum unsere in Wien gemachte Ent-
deckung in Prag zur Hypothese degradirt wurde, darin zu
finden, dass Scanzoni über die wesentlichsten Punkte dieser
Entdeckung nicht aufgeklärt ist, wir haben schon nachgewiesen,
dass Scanzoni von den drei Quellen des zersetzten Stoffes nur
eine kennt; und selbst mit dieser scheint er nicht ganz im
Reinen zu sein, denn er sagt, dass seine Schüler oft im Ver-
laufe von mehreren Tagen nicht mit Leichen in Berührung
kommen. Ein jeder Schüler bleibt 2 Monate auf dem praktisch-
geburtshilflichen Curse; in Wien sind 42 Schüler, wie viele in
Prag seien, wissen wir nicht, nehmen aber willkürlich an, es
seien deren 20; wenn diese 20 Schüler nur wöchentlich einmal
mit einer Leiche in Berührung kommen, so gibt das 160 Be-
rührungen für 2 Monate und 960 für 1 Jahr, hinreichend, um
die grossartigen Erfahrungen Scanzoni’s in Bezug auf die An-
zahl der beobachteten Puerperalfieberfälle im Prager Gebär-
hause zu erklären, und hinreichend, um 31 Wöchnerinnen zu-
fällig und 19 ohne nachweisbare Ursache sterben zu lassen,
bei schlecht beaufsichtigten Chlorwaschungen.
Und wenn Scanzoni sagt, dass diese Hypothese auf das
Prager Gebärhaus auch deshalb keine Anwendung finden
könne, weil daselbst nur äusserst wenige Mütter nach der Ent-
bindung, während welcher die zur Aufnahme deletaerer Stoffe
disponirenden Verletzungen der Genitalien entstehen, so kön-
nen wir Scanzoni versichern, dass auch in Wien äusserst
wenige Mütter nach der Entbindung untersucht werden, aber
durch diesen Ausspruch hat Scanzoni bewiesen, dass er im
Irrthum ist über die Stelle, wo der zersetzte Stoff resorbirt
wird, und über die Zeit, wann der zersetzte Stoff resorbirt wird.
Die Stelle, wo der zersetzte Stoff resorbirt wird, ist die
innere Fläche des Uterus vom inneren Muttermunde nach auf-
wärts, wo der Uterus in Folge der Schwangerschaft die
Schleimhaut verloren; durch Verletzungen kann allerdings eine
[335] jede Stelle des Körpers, folglich auch eine jede Stelle der
Genitalien zur Resorptionsstelle werden; die Zeit der Resorp-
tion ist die Schwangerschaft, wenn die innere Fläche des
Uterus zugängig ist, während der Geburt wird durch die Un-
tersuchung am häufigsten in der Eröffnungsperiode inficirt,
in der Austreibungsperiode kann keine Infection stattfinden,
weil durch den vorrückenden Kindestheil die resorbirende
innere Fläche des Uterus unzugängig gemacht wird, in der
Nachgeburtsperiode und im Wochenbette kann die Infection
an der inneren Fläche des Uterus oder an den durch die Ge-
burt verletzten Punkten der Genitalien geschehen, in der
Nachgeburtsperiode und im Wochenbette geschieht aber die
Infection seltener durch die Untersuchung, weil in diesen Pe-
rioden seltener untersucht wird, in der Nachgeburtsperiode
und im Wochenbette geschieht die Infection öfters dadurch,
dass die Wundstellen der verletzten Genitalien mit Gegen-
ständen in Berührung kommen, welche mit zersetzten Stoffen
verunreiniget sind; hierher gehören: unreine Bettwäsche,
Schwämme, Leibschüsseln etc. etc., oder die Infection ge-
schieht in diesen Perioden dadurch, dass die mit zersetzten
Stoffen geschwängerte atmosphärische Luft in die Genitalien
der Individuen eindringt.
Scanzoni sagt: »Professor Skoda hielt es für seine Pflicht,
das Wiener medicinische Professoren-Collegium auf die Wich-
tigkeit der von Dr. Semmelweis gemachten Entdeckung auf-
merksam zu machen und dasselbe aufzufordern, eine Commis-
sion zu ernennen, welche folgende Aufgaben zu lösen hätte:
a) Es wäre eine Tabelle anzufertigen, auf welcher, so weit
die Daten reichen, die Zahl der Entbundenen und Gestorbenen
von Monat zu Monat anzugeben wäre, und ein Verzeichniss
der Assistenten und Studirenden in der Reihenfolge, in wel-
cher dieselben an der Gebäranstalt gedient und prakticirt hat-
ten. Es sollten diejenigen Assistenten und Studirenden her-
vorgesucht werden, welche sich mit Leichenuntersuchungen
befasst haben, — und aus diesem Verzeichnisse wollte Skoda
[336] ersehen, ob die Zahl der Erkrankungen in der Gebäranstalt
mit der Verwendung der Assistenten und Studirenden in der
Sectionskammer im Zusammenhange stehe.
b) Es wären die sogenannten Gassengeburten auszuhe-
ben, weil, wenn die Ansicht des Dr. Semmelweis richtig ist,
die auf der Gasse Entbundenen, welche, wenn sie in die Ge-
bäranstalt gelangen, nur in dringenden Fällen untersucht wer-
den, weniger Erkrankungen darbieten müssen.
c) Es wäre durch eingeholte Berichte zu constatiren, ob
an allen Anstalten, worin Infection durch Leichengift nicht
angenommen werden kann, die Sterblichkeit geringer ist.
d) Endlich wären Versuche an Thieren vorzunehmen.
Der Antrag wurde vom Professoren-Collegium mit sehr
grosser Majorität angenommen, und sogleich die Commission
ernannt; allein das Ministerium entschied über einen Protest
des Professors der Geburtshilfe, dass die commissionelle Ver-
handlung nicht stattfinden dürfe. In Folge dieser Entschei-
dung forderte Professor Skoda den Dr. Semmelweis auf, die
Versuche an Thieren selbst vorzunehmen.
Aus dem Umstande, dass in Folge einer Entscheidung
des Ministeriums über einen Protest des Professors der Ge-
burtshilfe die commissionelle Verhandlung nicht stattfinden
durfte, in Verbindung mit der mir verweigerten zweijährigen
Dienstesverlängerung, ersieht der Leser, mit welchen Schwie-
rigkeiten ich zu kämpfen hatte bei meinem Streben, die Wahr-
heit meiner Ansicht zur Geltung zu bringen, um dadurch das
Menschengeschlecht von einer so entsetzlichen Geissel, wie es
das Kindbettfieber ist, zu befreien Warum insbesondere der
Professor der Geburtshilfe Protest eingelegt, ist nicht recht
einzusehen; die ganze Welt hatte nicht üble Lust, ihm die
Schuld der grossen Sterblichkeit zuzuschieben, durch diese
Erhebungen hätte sich aber unter anderen auch da gezeigt,
dass, so wie er die Schuld der grossen Sterblichkeit nicht
trage, dass es eben so wenig ein Verdienst für die an der
[337] II. Abtheilung Bediensteten war, dass an dieser Abtheilung
weniger starben.
So wie früher Scanzoni den Daten, welche ich gegen die
Lehre des epidemischen Kindbettfiebers anführte, keinen an-
deren Vorwurf machen konnte, als den, dass selbe nicht neu
seien, so weiss er auch nichts einzuwenden gegen die Daten,
welche das Wiener medicinische Professorencollegium erhe-
ben sollte zur Bestätigung meiner Ansicht; nur die Experi-
mente an Thieren erklärt er für werthlos.
Wir haben daher keinen Grund für die Beweiskraft die-
ser Daten hier abermals einzustehen, da wir an den betreffen-
den Stellen dieser Schrift deren Werth hinreichend würdigten.
ad a) Siehe Tabelle Nr. XVII, Seite 62 und Tabelle Nr.
XXIV, Seite 142, und wenn auch in diesen Tabellen die Na-
men der fungirenden Aerzte fehlen, so ist doch die Richtung
bekannt, in welcher in den einzelnen Zeiträumen gewirkt
wurde, und die diesen Richtungen entsprechende Sterblich-
keit ersichtlich.
ad b) Siehe Seite 43, Zeile 30 und Seite 69, Zeile 24.
ad c) Siehe Seite 123, Zeile 3.
Wir haben die Experimente an Thieren an einer anderen
Stelle dieser Schrift heute bei der vollgiltigen Beweiskraft
zahlreicher anderer Gründe für überflüssig erklärt, glauben
uns aber dadurch nicht der Pflicht entbunden, selbe gegen die
Vorwürfe, welche ihnen Scanzoni macht, zu vertheidigen.
Scanzoni sagt, Professor Skoda veröffentlicht 9 von die-
sen Versuchen, aus welchen er jedoch keinen anderen Schluss
ziehen könne, als dass faulende thierische Stoffe, wenn sie in
die Genitalien eines Thieres, welches kurz zuvor geworfen
hat, in verhältnissmässig grosser Quantität zu wiederholten
Malen und im flüssigen Zustande eingebracht werden, eine
tödtliche Pyämie hervorzurufen vermögen.
Scanzoni leuchte aber nicht ein, wie dieses Resultat der
Versuche als Beweis dienen könnte, dass die häufigen Er-
Semmelweis, Kindbettfieber. 22
[338] krankungen der Wöchnerinnen der I. Gebärklinik durch Lei-
cheninfection bedingt seien.
Wir haben gesehen, dass bei Kolletschka, wie bei vielen
Anderen, eine Lymphangoitis, Phlebitis, Peritonitis, Pleuritis
etc. etc. dadurch entstand, dass ihm Cadavertheile in den
Kreislauf gebracht wurden, und da der anatomische Befund
bei Kolletschka und bei an Puerperalfieber Verstorbenen der-
selbe ist, so vermutheten wir beim Puerperalfieber dieselbe
erzeugende Ursache, das Vorhandensein dieser Ursache war
nicht schwer an den Händen der Untersuchenden nachzuwei-
sen; wenn nun in Folge getroffener Massregeln, welche be-
zwecken, die das Kindbettfieber erzeugenden Stoffe zu zer-
stören, die Sterblichkeit, welche früher innerhalb 6 Jahren
zwischen 237 und 518 schwankte, auf 45 herabgedrückt wird
und wenn, da man nicht wieder mit verunreinigten Händen
untersuchen kann, um den Beweis der dadurch gesteigerten
Sterblichkeit zu liefern, sondern, wenn dasselbe durch Ex-
perimente an Thieren geschieht, und da 45 bedeutend weni-
ger ist, als 237 oder gar 518, so ist dadurch bewiesen, dass
der an der Hand klebende zersetzte Stoff, welcher in Wien,
weil die Schüler sich am häufigsten mit Leichen beschäftigen,
am häufigsten von der Leiche herrührte, das häufige Erkran-
ken der Wöchnerinnen der I. Gebärklinik veranlasste, und
wenn das Scanzoni nicht einleuchtet, so liegt die Ursache die-
ses Nichteinleuchtens wo anders, als in der Unklarheit der
Sache. Und wenn Scanzoni gar die Existenz des zersetzten
Stoffes an dem untersuchenden Finger bezweifelt, so müssen
wir ihm wieder den Erfolg der Chlorwaschungen, als den Fels,
an dem meine Gegner zerschellen, entgegenhalten; wir haben
nämlich an der I. Gebärklinik zu Wien von unseren übrigen,
und den Erfahrungen Anderer gar nicht zu sprechen, weiter
gar keine andere Massregel getroffen, als den durch den Ge-
ruchssinn an der Hand anwesend constatirten zersetzten Stoff
mittelst Chlorwaschungen zerstört, und haben dadurch die
Sterblichkeit, welche früher innerhalb 6 Jahren zwischen 237
[339] und 518 Todten schwankte, im Jahre 1848 auf 45 Todte her-
abgedrückt, als Beweis, dass der zersetzte Stoff nicht nur an
der Hand anwesend, sondern auch die Ursache des Puerperal-
fiebers gewesen sei. Denn wäre die Sterblichkeit innerhalb
dieser sechs Jahre durch epidemische Einflüsse bedingt ge-
wesen, so hätten wir den an der Hand klebenden zersetzten
Stoff wohl durch Chlorwaschungen zerstören, aber dadurch
die Sterblichkeit nicht vermindern können.
In seiner Opposition gegen die Versuche an Thieren sagt
Scanzoni: Die deletaeren Stoffe, wenn sie ja an den Fingern
der Untersuchenden haften, werden nie in so grosser Menge
eingeführt, als es bei den Experimenten geschah; das ist wohl
wahr, aber auf die Menge kommt es gewiss nicht an; wenn
auch viel eingebracht wird, so wird von dem Vieleingebrach-
ten gewiss nur wenig resorbirt, und die Thiere pflegten, wenn
selbe nach gemachter Einspritzung wieder freigelassen wur-
den, das eingespritzte wieder auszupressen, so dass gewiss
nur einzelne Atome zurückblieben; uns ist keine Methode
bekannt, durch welche es gelingen würde, eine so geringe
Menge deletaerer Stoffe, welche gar nicht sichtbar, sondern
nur durch den Geruchssinn erkennbar ist, so kleinen Thieren,
wie Kaninchen, beizubringen.
Wenn Scanzoni sagt, dass deletaere Stoffe den Individuen
nicht so oft eingebracht werden, als es bei den Experimenten
geschah, so ist das ein Irrthum.
Der Leser erinnert sich, dass wir uns das Factum, dass
Kreissende mit verzögerter Eröffnungsperiode beinahe aus-
nahmslos sämmtlich an Puerperalfieber starben, nicht erklä-
ren konnten, so lange wir nicht die wahre Ursache des Puer-
peralfiebers kannten. Dass aber die Erklärung dieses Factums
keinen Schwierigkeiten unterlag, sobald wir wussten, dass
das Puerperalfieber auch durch die Resorption des zersetzten
Stoffes entstehe, welcher an den Händen der Untersuchen-
den klebt.
22 *
[340]
Wenn eine Kreissende wegen verzögerter Eröffnungspe-
riode z. B. drei Tage auf dem Kreissezimmer zubrachte, da
machte selbe sechs allgemeine Visiten mit, während jeder Vi-
site wurde selbe mindestens von 5 Schülern untersucht, das
gibt 30 Untersuchungen, ungerechnet die vielen Untersuchun-
gen, denen selbe in der Zwischenzeit unterworfen wurde.
Wie viele von den 30 untersuchenden Fingern waren mit zer-
setzten Stoffen verunreinigt? gewiss mehr als einer. Dazu
kommt noch, dass vermöge des anotomischen Baues der weib-
lichen Geschlechtstheile beim Menschen und bei Thieren die
Infection beim menschlichen Weibe leichter geschieht, als bei
Thieren, weil beim menschlichen Weibe die Stelle, wo im
normalen Zustande die Resorption geschieht, nämlich die in-
nere Fläche des Uterus, welche in Folge der Schwangerschaft
der Schleimhaut verlustig ging, leicht erreichbar ist, während
bei Thieren die Schwangerschaft in den Uterushörnern vor
sich geht, die Uterushörner aber münden unter einem geraden
Winkel mittelst einer warzenförmigen Hervorragung in die
Gebärmutterhöhle, wodurch die totale Unmöglichkeit bedingt
ist, den zersetzten Stoff an die Stelle zu bringen, wo die Be-
dingungen für die Resorption am günstigsten sind. Die ein-
gespritzte Masse gelangt bei so kleinen Thieren, bei Kanin-
chen in die Scheide, vielleicht zufällig in die Gebärmutter-
höhle, gewiss aber nicht in die Uterushörner, wo die Resorp-
tion am leichtesten gelingen würde. Daraus ist es zu erklä-
ren, warum bei Thieren wiederholt zersetzte Stoffe einge-
bracht werden müssen, bis die Infection gelingt, während beim
menschlichen Weibe wohl auch oft wiederholt zersetzte Stoffe
eingebracht werden, dass aber beim menschlichen Weibe bei
gehöriger Disposition vielleicht schon ein einmaliges Einbrin-
gen zersetzter Stoffe hinreichen mag, eine Infection hervor-
zubringen.
Scanzoni sagt: »Geschehen die Untersuchungen der
Kreissenden in der Regel nur vor der Entbindung, folglich
zu einer Zeit, wo die beschuldigten Verletzungen der Genita-
[341] lien noch nicht Platz gegriffen hatten, und Dr. Semmelweis
hat es gänzlich unterlassen, die zu den Experimenten gebrauch-
ten deletaeren Stoffe schon vor dem Wurfe in die Genitalien
der von ihm benützten Kaninchen einzubringen, was jeden-
falls hätte geschehen sollen, um eine Analogie mit dem Vor-
gange in den Gebäranstalten zu erzielen“. Scanzoni beweist
mit diesem seinem Einwurf nur wieder, dass er im Irrthum
ist über die Stelle, wo der zersetzte Stoff resorbirt wird, und
über die Zeit, wann der zersetzte Stoff resorbirt wird. Wenn
wir es gänzlich unterlassen haben, die deletaeren Stoffe
den Kaninchen schon vor dem Wurfe einzubringen, so ge-
schah es, weil man mit 9 Versuchen nicht Alles erschöpfen
kann, und es handelte sich nur um die Thatsache, ob einge-
brachte deletaere Stoffe bei Thieren denselben Process hervor-
rufen, den man bei Wöchnerinnen beobachtet, und es ist ge-
wiss mehr Analogie zwischen einem Kaninchen, welchesjüngst
geworfen, dem man deletaere Stoffe einbringt, und zwischen einer
Kreissenden, welche im Gebärhause inficirt wird, als zwi-
schen derselben Kreissenden und einem Anatomen, der sich
bei der Section, oder einem Chirurgen, der sich bei einer
Operation verletzt, und doch trotz dieser geringeren Analogie
hege ich die unerschütterliche Ueberzeugung, dass der Ana-
tom, der Chirurg und die Kreissende in Folge derselben Ur-
sache an derselben Krankheit erkranken und sterben.
Scanzoni sagt: »Eben so können wir uns mit Professor Skoda
durchaus nicht einverstanden erklären, wenn er das Puerperal-
fieber als identisch mit Pyaemie betrachtet. Diese seine An-
sicht soll in nächster Zeit von anderer Seite ihre Widerle-
gung finden, weshalb wir es nicht für nöthig halten, hier
weiter in diesen Gegenstand einzugehen, um so mehr, als
Professor Skoda unterlassen hat, numerisch nachzuweisen,
dass sich das Puerperalfieber in der Mehrzahl der Fälle wirk-
lich als Pyaemie charakterisirt. So lange dies aber nicht ge-
schehen ist, so lange ist auch in Beziehung auf die Ermitt-
lung der Ursache der häufigen Erkrankungen der Wöchnerin-
[342] nen die Erfahrung ohne Werth, dass die Injection deletaerer
Stoffe in die Vagina Pyaemie hervorzurufen vermöge, eine
Erfahrung, welche, nebenbei gesagt, zu ihrer Constatirung
nicht erst der vom Professor Skoda so hoch angeschlagenen
Versuche des Dr. Semmelweis bedurft hätte.«
Jeder Fall von Kindbettfieber, keinen einzigen Fall aus-
genommen, ist eine Pyaemie in dem Sinne, dass in jedem
Kindbettfieberfall ein zersetzter Stoff resorbirt wird, der re-
sorbirte zersetzte Stoff entmischt das Blut, und in seltenen
Fällen wird die Pyaemie schon in diesem Stadium tödtlich,
in der Mehrzahl der Fälle aber bilden sich aus dem entmisch-
ten Blute Exsudationen. Der Leser erinnert sich, dass wir
dadurch die wahre Ursache des Puerperalfiebers entdeckt,
dass wir gefunden haben, dass der Leichenbefund bei Kol-
letschka identisch war mit dem Leichenbefunde der Wöchne-
rinnen. Die Ursache der Krankheit bei Kolletschka war ein
zersetzter Stoff, denselben zersetzten Stoff fanden wir an den
Händen der Untersuchenden, Kolletschka wurde er mit
dem Messer, den Individuen im Gebärhause wird er in der
Mehrzahl der Fälle mit dem untersuchenden Finger einge-
bracht, durch Zerstörung des zersetzten Stoffes wurde die
Krankheit seltener. Uns war das Puerperalfieber in Folge
dieser Erfahrungen keine Krankheit, welche nur Wöchnerin-
nen zukomme, uns war das Puerperalfieber dieselbe Krank-
heit, welche überall dort vorkommt, wo ein zersetzter Stoff
resorbirt wird.
Und wenn auch das Puerperalfieber noch nicht allgemein
als Pyaemie in dem Sinne, wie wir gezeigt, anerkannt wird,
so bricht sich doch bei Pyaemien, die ausserhalb des Puerpe-
rismus vorkommen, die Ansicht Bahn, dass unter Pyae-
mie ein resorbirt-zersetzter Stoff zu verstehen sei, welcher
resorbirte zersetzte Stoff das Blut entmischt, und das ent-
mischte Blut macht wieder die Exudationen. Die Zeit, von
welcher Scanzoni erwartete, dass sie Skoda’s Ansicht wider-
legen werde, hat daher seinen Erwartungen nicht entsprochen.
[343]
Freilich in dem Sinne, in welchem Scanzoni die Pyaemie
der Wöchnerinnen in seinem Lehrbuche der Geburtshilfe
meint, in diesem Sinne sind nur die Minderzahl der Puerpe-
ralfieberfälle Pyaemien, wir haben aber schon gezeigt, dass
Scanzoni deshalb eine so fehlerhafte, durch und durch werth-
lose Eintheilung der Entzündungen im Wochenbette gegeben,
weil ihm das Wesen des Kindbettfiebers eine terra incog-
nita ist.
Wir können Scanzoni numerisch nachweisen, dass nicht
nur in der Mehrzahl der Fälle, sondern in allen Fällen das
Puerperalfieber eine Pyaemie sei in unserem Sinne.
An der I. Gebärklinik zu Wien starben im Jahre 1841
192, im Jahre 1845 starben 196, im Jahre 1844 star-
ben 215, im Jahre 1843 starben 229, im Jahre 1846 starben
414, im Jahre 1842 starben 463 Wöchnerinnen mehr als im
Jahre 1848 und diese 1709 mehr todte Wöchnerinnen waren
lauter Fälle von Pyaemien, in dem Sinne, dass bei denselben
die Resorption eines zersetzten Stoffes geschah mit den dar-
aus resultirenden Folgen, und selbst die 45 Todesfälle vom
Jahre 1848 waren Fälle von Pyaemien, indem wir schon ge-
zeigt, dass es uns nicht gelungen ist, alle Fälle von Infection
von Aussen zu verhüten, und in den Fällen, wo kein zersetz-
ter Stoff von aussen eingebracht wurde, entstand er im ergriffe-
nen Individuum selbst, wurde resorbirt, und brachte eine Pyae-
mie in unserem Sinne hervor.
Nachdem wir nun numerisch nachgewiesen, dass nicht
nur die Mehrzahl, sondern alle Fälle von Kindbettfieber, Fälle
von Pyaemie in unserem Sinne seien, so wiederholen wir mit
Recht unsere Behauptung, dass in Beziehung auf die Er-
mittlung der Ursache der häufigen Erkrankungen der Wöch-
nerinnen die Erfahrung von hohem Werth ist, dass die In-
jection deletaerer Stoffe in die Vagina Pyaemie hervorzurufen
vermöge.
Scanzoni sagt: »Gibt es übrigens einen Punkt, rücksicht-
lich dessen wir ganz Professor Skoda’s Ansicht theilen, so ist
[344] es der, dass noch weiter und vielfältig abgeänderte Versuche
an Thieren vorgenommen werden müssen. Dass dies unsere
vollste Ueberzeugung ist, dafür möge der Umstand sprechen,
dass wir im März des verflossenen Jahres, also zur Zeit, in
welcher Dr. Semmelweis seine Experimente begann, die drin-
gende Bitte an ein hohes böhmisches Landesgubernium stellten,
es möge dafür Sorge tragen, dass durch vielfache und mit der
nöthigen Umsicht angestellte Versuche an Thieren das über
die Entstehungsweise der im Gebärhause zeitweilig auftreten-
den Puerperalfieber-Endemien schwebende Dunkel einigermas-
sen aufgehellt werde, und damit sich jeder überzeuge, wie
sehr uns dieser Gegenstand am Herzen liegt, lassen wir unser
diesfälliges Gesuch hiemit wörtlich folgen.«
Der Leser erinnert sich, dass Scanzoni die Gründe, welche
Skoda gegen die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber an-
geführt, und die Gründe, welche Skoda für meine Ansicht
über die Entstehung des Kindbettfiebers aufgezählt, unange-
fochten gelassen hat, nur den Versuchen an Thieren hat er die
Beweiskraft abgesprochen; jetzt auf einmal zu unserem Er-
staunen sagt er, dass er nur in einem Punkte mit Skoda über-
einstimmt, nämlich darin, dass die so werthlosen Versuche an
Thieren fortgesetzt werden müssen, und dass er selbst vielfache
mit der nöthigen Umsicht angestellte Versuche an Thieren
machen wird Ein solches Gebahren ist nur denjenigen eigen,
deren Rechthaberei höher als die Wahrheit steht.
Und wenn Scanzoni noch von dem Dunkel spricht, welches
die zeitweilig auftretenden Puerperalfieber-Endemien in Gebär-
häusern umgibt, so liefert er dadurch den Beweis, dass es ihm
an jedem Verständnisse für die von Skoda angeführten Gründe
fehlt, von denen er zwar nachträglich sagt, dass er mit selben
nicht übereinstimme, ohne uns jedoch die Gründe anzugeben,
warum er nicht übereinstimme.
Nachdem Scanzoni es verschmäht, von uns zu lernen,
wollen wir nun die Art und Weise, wie er das Dunkel der
Puer peralen demien auf zuklären strebt, einer Beurtheilung unter-
[345] ziehen. Dazu wird es nöthig sein, ein Gesuch Scanzoni’s an
das böhmische Landesgubernium mitzutheilen.
Bei dem häufigen und
bösartigen Auftreten des Kindbettfiebers in der Prager k. k.
Gebäranstalt erscheint die Beantwortung der Frage, wie dem
heftigeren Ausbruch dieser Krankheit vorgebeugt werden
könnte, als ein Desiderat jedes menschenfreundlichen Arztes
und die Humanität hat ein gegründetes Recht, von einer hohen
Landesregierung zu fordern, dass alle, zur Lösung dieser für
das Wohl der Menschheit so hochwichtigen Frage geeignet
scheinenden Wege eingeschlagen, und kein Mittel unbenutzt
gelassen werde, das Wesen dieser furchtbaren und dabei noch
immer so räthselhaften Krankheit zu erforschen.
»Der ehrfurchtsvoll Gefertigte hat aber während seiner
mehr als 5jährigen Dienstleistung in den Krankenanstalten
Prags die Ueberzeugung gewonnen, dass alle in dieser Periode
und auch schon früher angeordneten Massregeln, das Wesen
der besagten Krankheit näher zu ergründen, den angestrebten
Zweck gänzlich verfehlten, weshalb er, mit dem objectiven
Auftreten dieser Krankheit innig vertraut, als Mitglied der am
28. l. M im k. k. Gebärhause abgehaltenen Untersuchungs-
commission es wagt, einem hohen k. k. Landesgubernium die
ihm zur Feststellung der Natur der Krankheit am geeignet-
sten scheinenden Massregeln zur hohen Genehmigung ergebenst
zu unterbreiten.
»Die praktische Durchführung derselben erscheint um so
dringlicher, als den Prager k. k. Krankenanstalten, und somit
mittelbar auch einem hohen k. k. Landesgubernium bereits
hierorts wie auch anderwärts der Vorwurf gemacht wurde,
dass sich dieselben bei den so zahlreich erfolgenden Erkran-
kungen und Sterbefällen im Gebärhause gänzlich indolent ver-
halten, und keine durchgreifenderen Versuche anstellen, ein
helleres Licht über die Wesenheit und Entstehungsweise dieser
so bösartigen Krankheit zu verbreiten.
»Da es sich aber zunächst darum handelt, mit Bestimmtheit
[346] zu ergründen, ob dem so häufig in- und extensiv heftigen Auf-
treten des Puerperalfiebers in der Gebäranstalt ein blos epide-
mischer, in kosmischen und tellurischen Verhältnissen begrün-
deter oder ein miasmatischer Einfluss zu Grunde liegt, welcher
durch die Zusammenhäufung mehrerer Schwangern, Kreissen-
den und Wöchnerinnen bedingt ist, oder ob sich endlich die
Krankheit durch ein eigenes Contagium, durch eine Infection
weiter fortpflanze, so scheint dem ehrfurchtsvoll Gefertigten
zur Lösung dieser Frage folgender Weg als der passendste.
»1. Möge vor Allem eine Commission von Aerzten nieder-
gesetzt werden, welche wenigstens durch ein ganzes Jahr nach
einem zuvor entworfenen Plane die Entstehungsanlässe des
Puerperalfiebers in- und ausserhalb der Gebäranstalt strenge
prüft. Wünschenswerth wäre es hiebei, wenn die Mitglieder
dieser Commission durch freie Wahl aus der Mitte Einer löbl.
medicinischen Facultät zu Prag hervorgingen, wodurch das
Resultat ihrer Untersuchungen als der Ausspruch der von einer
gelehrten Körperschaft gewählten Vertrauensmänner betrachtet
werden könnte, und so an Glaubwürdigkeit und überzeugender
Kraft gegenüber dem ärztlichen und nichtärztlichen Publicum
gewinnen müsste.
»2. Wäre das Erkrankungs- und Mortalitätsverhältniss der
während derselben Zeit in der Stadt, ausserhalb des Gebär-
hauses entbundenen Frauen zu erforschen, weshalb sämmt-
liche angestellte und Privatärzte Prag’s anzuweisen wären,
gleichwie bei andern epidemisch auftretenden Krankheiten
dem Bezirksvorstande die entsprechende Meldung zu thun,
und diesem Rapporte eine kurze Kranken- und Geburtsge-
schichte mit besonderer Rücksicht auf die Causalmomente der
Erkrankung beizufügen.
»3. Zur Beantwortung der Frage, ob der Fortpflanzung
und Weiterverbreitung der Krankheit eine Infection zu Grunde
liegt, wären Versuche an weiblichen neu entbundenen Thieren
(Kaninchen, Hunden, Katzen, Kühen) anzustellen, von welchen
man einzelne theils in den mit Puerperalkranken belegten
[347] Sälen, ja sogar in deren Betten unterbringen, theils durch In-
jectionen verschiedener, von Puerperen gelieferten Secrete
(Lochien, Blut, Eiter) in die Genitalien, oder durch Einimpfung
derselben der Wirkung des deletären Stoffes aussetzen könnte.
Nach der Ansicht des ehrfurchtsvoll Gefertigten haben nur
solche vorurtheilsfrei und öffentlich vorgenommene Experi-
mente beweisende Kraft, und sonderbar erscheint es, dass
dieser so nahe liegende Gegenstand bis jetzt noch von keiner
Seite angeregt wurde.
»Da die Durchführung dieser Vorschläge keinen beson-
deren Schwierigkeiten unterliegt, und sich gewiss jeder Arzt
mit Vergnügen zur Lösung dieser so wichtigen und interessan-
ten Streitfrage bereit zeigen dürfte, so sieht sich Gefertigter,
wenn vom theoretischen Standpunkte kein Einwurf gegen die
von ihm empfohlenen Massregeln erhoben werden kann, ge-
nöthiget, auf die praktische Durchführung derselben um so
mehr zu dringen, als wenn die besagte Krankheit wirklich
contagiös wäre, sämmtliche Gebärhäuser als wahre, vom Staate
unterhaltene Mörderhöhlen betrachtet werden müssen. Stellt
sich aber das Puerperalfieber als nicht contagiös dar, wie es
dem ehrfurchtsvoll Gefertigten mehr als wahrscheinlich ist,
wird vielmehr der Einfluss kosmischer und tellurischer Ver-
hältnisse als Causalmoment sicher gestellt, so entledigt sich
eine hohe k. k. Landesregierung aller jener Vorwürfe, welche
mittelbar auch ihr wegen der Aufrechthaltung der Gebäran-
stalten von so manchen Seiten gemacht werden, fest überzeugt
ist aber Gefertigter, möge das Untersuchungsresultat wie
immer ausfallen, dass sich ein hohes k. k. Landesgubernium
und die von ihm niedergesetzte ärztliche Commission durch
Lösung einer so hochwichtigen Frage ein unsterbliches Ver-
dienst um die Menschheit und um die Wissenschaft erwerben
werde.
Prag, am 29. März 1849.
[348]
Aus diesem Gesuche ersehen wir, dass ich die Wahrheit
behauptet, als ich sagte, das Prager Gebärhaus müsse traurige
Zeiten gesehen haben, als die 15 Monate waren, von welchen uns
Scanzoni die Rapporte mittheilte, denn eine Sterblichkeit, welche
nicht ein Percent grösser ist, als diejenige war, welche wir
zur selben Zeit in Wien durch Chlorwaschungen erzielten, ist
keine solche, von welcher man so spricht, wie es Scanzoni thut.
Aus diesem Gesuche ersehen wir, dass Scanzoni’s Pro-
gramm unvollständig ist. Scanzoni will nämlich ermitteln, ob
das Puerperalfieber epidemisch ist, ob miasmatisch, ob conta-
gios oder ob es durch Infection entstehe. Scanzoni hat uns ja
durch mehr scharfsinnige als gewissenhafte Experimente be-
wiesen, dass im Monate März und April 1848 31 Wöchnerin-
nen zufällig am Puerperalfieber gestorben seien, und dass in
den Monaten Juni, Juli und August 1848 19 Wöchnerinnen
ohne nachweisbare Ursache am Puerperalfieber starben; und
ich glaube, dass ätiologische Momente des Kindbeftfiebers, an
welchen innerhalb 2 Monaten 31 und innerhalb 3 Monaten
19 Wöchnerinnen starben, seien wichtig genug, um in ein
Programm aufgenommen zu werden, welches sich die Aufgabe
stellt, die veranlassende Ursache des Kindbettfiebers zu er-
forschen; es hätte daher im Programme noch heissen müssen:
Endlich ist zu erforschen, wann das Puerperalfieber zufällig
tödtet, und unter welchen Verhältnissen die Ursache des töd-
tenden Kindbettfiebers gar nicht nachweisbar ist.
Dieses Gesuch beweiset, dass ich die Wahrheit gesagt,
als ich behauptete, Scanzoni sei es weniger um die Wahrheit
als um Rechthaberei zu thun; denn anstatt unserer Entdeckung,
dass das Kindbettfieber in jedem Falle durch Infection ent-
stehe, dass daher jedes Kindbettfieber ein Resorptionsfieber
sei, zu acceptiren, will er selbst die Geheimnisse des Kindbett-
fiebers erforschen, und um das zu erreichen, schlägt er die-
selben Wege, nur etwas unzweckmässiger ein, welche wir ge-
wandelt, von welchen er aber nachträglich gesagt, dass er nicht
einverstanden ist.
[349]
Skoda hat vom Wiener medicinischen Professoren-Col-
legium nicht verlangt, dass es die Entstehungsanlässe des
Puerperalfiebers in- und ausserhalb der Gebäranstalt strenge
prüfe, Skoda hat dem Wiener Professoren-Collegium nur die
Aufgabe gestellt, Daten zu sammeln, und wenn die Commission,
welche durch freie Wahl aus der Mitte des Prager medicini-
schen Professoren-Collegiums hervorgegangen wäre, bei
strenger Prüfung der Entstehungsanlässe des Kindbettfiebers
gesagt hätte:
Das Kindbettfieber entsteht dadurch, dass in einzelnen Fäl-
len ein zersetzter Stoff in den erkrankten Individuen entsteht,
in der überwiegend grössten Mehrzahl der Fälle entsteht aber
das Kindbettfieber dadurch, dass den Individuen mittelst des
untersuchenden Fingers, mittelst der operirenden Hand, mit-
telst unreiner Utensilien, als da sind Schwämme, Leintücher etc.
etc, etc., zersetzte Stoffe eingebracht werden, so hätte die Com-
mission nur das gesagt, was ich früher schon bewiesen, hätte
selbe aber etwas anderes gesagt, so hätte es nicht das Wahre
gesagt; und wenn Scanzoni glaubt, der Ausspruch einer solchen
Commission hätte überzeugende Kraft gehabt, so muss ich
mich bei aller Achtung für die Glieder des Prager medicini-
schen Professoren-Collegiums gegen eine solche Zumuthung
verwahren; überzeugende Kraft hatnur die Wahrheit, und eine
medicinische Facultät hat nur überzeugende Kraft, wenn selbe
die Wahrheit lehrt und alle medicinischen Facultäten der Welt
zusammengenommen haben für mich keine überzeugende Kraft,
insoferne selbe Irrthümer lehren, was ich ja mit dieser Schrift
beweise, denn ich sage allen medicinischen Facultäten der
Welt, ihr lehrt Irrthum, wenn ihr etwas anderes lehrt, als dass
das Puerperalfieber in allen Fällen ein Resorptionsfieber sei.
Was speciell die Prager medicinische Facultät anbelangt, so
theilt, so viel ich weiss, nur ein Mitglied desselben meine
Ueberzeugung, und das ist Prof. Jaksch, das frühere Mitglied
dieser Facultät Hammernjk hat gegen mich geschrieben, Prof.
Seyfert, gegenwärtig Professor der Geburtshilfe für Aerzte,
[350] hat schon als Assistent gegen mich geschrieben, Prof. Streng,
gegenwärtig Professor der Geburtshilfe für Hebammen, hat
sich in seinem Bericht über die Ergebnisse seiner Klinik als
Epidemiker der Welt vorgeführt. Wir werden es nicht ver-
säumen, die Ansichten dieser Gegner zu betrachten.
Scanzoni glaubt seine Aufgabe, nämlich Erforschung der
wahren Ursache des Puerperalfiebers, auch dadurch zu lösen,
dass er sämmtlichen angestellten und Privatärzten Prag’s den
Auftrag ertheilt, die Ursache des von ihnen in ihrer Privat-
Praxis behandelten Puerperalfiebers den Bezirksvorständen
zu melden; Scanzoni setzt also voraus, dass die angestellten
und die Privatärzte Prag’s mehr wissen über die Aetiologie
des Kindbettfiebers als er selbst, denn wenn man gerade nicht
scherzen will, frägt man in der Regel nur solche um Rath, bei
denen man ein besseres Wissen voraussetzt. Ich muss gestehen,
dass ich diese Ansicht Scanzoni’s nicht theile, ich glaube viel-
mehr, dass die angestellten und Privatärzte Prag’s das berich-
tet hätten, was selbe in der Schule gelernt. Sie hätten nämlich
berichtet, so und so viele sind in Folge des Genius epidemicus
erkrankt und gestorben, die Frau N. N. ist am Puerperalfieber
erkrankt, weil sie zu frühe das Bett verlassen, Frau N. N. ist
erkrankt, weil sie einen Diaetfehler begangen, Frau N. N. ist
erkrankt, weil sie zu viele Visiten empfangen etc. etc. Von
Dingen, die beim Puerperalfieber keine Rücksicht verdienen,
haben selbe in der Schule natürlich nichts gehört, weil in der
Schule die Zeit mit heilsameren Dingen zugebracht wird.
Die angestellten und Privatärzte Prag’s hätten es daher
in ihre Berichte nicht aufgenommen, dass die Hebamme der
Frau, welche zu viele Visiten empfangen, zur selben gerufen
wurde, als sie eben nach Hause kam von einer kranken Wöch-
nerin, der sie wegen Endometritis septica Injectionen gemacht;
bei der Frau, welche einen Diaetfehler begangen, hätte man
als überflüssig nicht erwähnt, dass der gerufene Geburtshelfer
eine halbe Stunde früher bei einer andern Frau durch Unter-
suchung einen verjauchenden Medullarkrebs der Gebärmutter
[351] diagnosticirte; bei der Frau, welche zu früh das Bett verlassen,
hätte man als überflüssig nicht erwähnt, dass ihr Geburtshelfer
täglich bei einem seiner übrigen Kranken einen gangrenösen
Bubo reiniget etc. etc. etc. etc.
Ich glaube daher mit Recht bezweifelt zu haben, dass es
Scanzoni nicht gelingen wird, aus dem Berichte der angestell-
ten und der Privatärzte Prag’s die wahre Ursache des Kind-
bettfiebers zu entnehmen, ist es ja Scanzoni nicht einmal ge-
lungen, aus dem Vortrage Skoda’s, der doch die nicht zum
Puerperalfieber gehörigen Dinge erwähnt, die wahre Ursache
des Puerperalfiebers herauszulesen.
Der Leser erinnert sich, dass Scanzoni unseren Versuchen
an Thieren auch den Vorwurf machte, dass wir es gänzlich
unterlassen, die deletären Stoffe den Kaninchen schon vor dem
Wurfe in die Genitalien zu bringen, und er stellt uns nun Ver-
suche an weiblichen neu entbundenen Thieren in Aussicht,
welche übrigens nie gemacht wurden, was ich aufrichtig be-
dauere, denn ich hätte gewiss erfahren, wie Scanzoni eine so
geringe Menge von deletären Stoffen, in welcher dieselben
an der Hand vorkommen, an welcher selbe, wie bekannt, nicht
gesehen, sondern nur durch den Geruchssinn erkannt werden,
wie Scanzoni eine so geringe Menge den Thieren eingespritzt
hätte, mehr hätte er gewiss nicht genommen, denn dass wir
mehr eingespritzt, macht er uns ja zum Vorwurfe. Den wieder-
holten Einspritzungen einer nicht sichtbaren Menge von dele-
tären Stoffen widersetzen wir uns nicht, weil wir nachgewiesen,
dass den Individuen auch wiederholt nicht sichtbare Mengen
deletaerer Stoffe eingebracht werden.
Aber wenn auch in Folge dieser Einspritzungen bei Thie-
ren Pyaemie entsteht, so hat doch diese Erfahrung in Beziehung
auf die Ermittlung der Ursache der häufigen Erkrankungen
der Wöchnerinnen keinen Werth, weil Skoda nicht nachge-
wiesen, dass sich das Puerperalfieber in der Mehrzahl der Fälle
wirklich als Pyaemie charakterisirt. Und wenn Scanzoni diese
deletären Stoffe nur von Puerperen nehmen will (Lochien,
[352] Blut, Eiter), so werden die Contagionisten sagen, Scanzoni’s
Versuche sind überflüssig, denn dass das Puerperalfieber con-
tagiös sei, wissen wir schon lange.
Scanzoni will von den Thieren (Kaninchen, Hunden, Ka-
tzen, Kühen) einzelne in den mit Puerperalkranken belegten
Sälen, ja sogar in deren Betten unterbringen; da man in Sälen
und Betten Puerperalkranker nur dadurch das Puerperalfieber
bekommen kann, dass entweder die atmosphärische mit zer-
setzten Stoffen geschwängerte Luft in die Gebärmutterhöhle
eindringt, oder dass die durch die Geburt verletzten äusseren
Genitalien mit zersetzten Stoffen des puerperalen Bettes in
Berührung kommen: so würden die zu diesen Versuchen ver-
wendeten Thiere, da die äussern Genitalien durch den Wurf
nicht verletzt werden, und da die atmosphärische Luft nicht
bis ins Uterushorn dringen kann, wenn ihnen nichts anderes
zustossen würde, wahrscheinlich den Experimentator überleben.
Und wenn Scanzoni sagt, dass die Erfahrung, dass die
Injection deletärer Stoffe Pyaemie erzeuge, zu ihrer Consta-
tirung nicht erst der von Prof. Skoda so hoch angeschlagenen
Versuche des Dr. Semmelweis benöthigte, und wenn er von
seinen Versuchen sagt, dass nur solche vorurtheilsfrei und
öffentlich vorgenommene Experimente beweisende Kraft be-
sässen, und dass es sonderbar scheine, dass dieser so nahe
liegende Gegenstand bis jetzt noch von keiner Seite angeregt
wurde, so beweiset er schlagender, als es selbst seinem bitter-
sten Feinde gelungen wäre, dass er Rechthaberei der Wahrheit
vorzieht.
Scanzoni sagt, wenn es sich bei Durchführung der von
ihm vorgeschlagenen Massregeln herausstellen sollte, dass das
Puerperalfieber contagiös sei, so sind sämmtliche vom Staate
unterhaltene Gebärhäuser wahre Mörderhöhlen; Scanzoni hat
hiermit ein zwar wahres, aber entsetzliches Wort ausgesprochen.
Scanzoni sagt zwar schon vor Durchführung der von ihm
vorgeschlagenen Massregeln, dass es ihm mehr als wahr-
scheinlich scheine, dass das Puerperalfieber nicht contagiös
[353] sei, dass es vielmehr durch cosmisch-tellurische Einflüsse
bedingt sei, dass mithin die Verheerungen des Puerperalfie-
bers ein unverhütbares Unglück seien, für welches Niemand
verantwortlich gemacht werden könne, aber Scanzoni hat hie-
bei ganz vergessen, dass er in seinem Programme auch die
Fragen gestellt: Ist das Kindbettfieber miasmatischen Ur-
sprungs? oder entsteht das Kindbettfieber auch durch Infection?
Das Kindbettfieber ist nicht miasmatischen Ursprungs,
aber das Kindbettfieber entsteht durch Infection, folglich ist
das Kindbettfieber eine verhütbare Krankheit, und für die
Verheerungen des Kindbettfiebers ist derjenige verantwort-
lich, der diese Verheerungen nicht verhütet. Dass das Kind-
bettfieber eine verhütbare Krankheit sei, habe ich durch Ver-
minderung des Kindbettfiebers an der I. Gebärklinik zu Wien
schon im Jahre 1847 bewiesen; um diese Ueberzeugung zur
allgemeinen zu machen, veröffentliche ich ja gegenwärtige
Schrift, und wenn Scanzoni noch im Jahre 1849 meiner Lehre,
dass das Kindbettfieber eine verhütbare Krankheit sei, oppo-
nirt, so stellt er sich in die Reihe jener Strafbaren, welche
verhindern, dass die Gebärhäuser endlich aufhören mögen
wahre Mörderhöhlen zu sein.
Eine geringe Entschuldigung, dass Scanzoni unbewusst
über sich selbst ein so fatales Urtheil gesprochen, liegt in sei-
ner freilich selbstverschuldeten Unwissenheit über die Ent-
stehung des Kindbettfiebers, und ich, der ich von dem Mo-
mente, als ich erkannt, dass das Puerperalfieber eine verhüt-
bare Krankheit sei, alles gethan, was in meiner Fähigkeit lag,
um die Zahl der Kindbettfieberfälle zu vermindern, ich habe
es nicht gewagt, die Gebärhäuser bei ihrem grässlichen wah-
ren Namen zu nennen, ich habe nur gesagt, dass die endlose
Reihe der Puerperalepidemien, wie solche in der medicini-
schen Literatur angeführt werden, lauter verhütbare Infections-
fälle von aussen waren, und Scanzoni, welcher das Seinige
gethan, um es zu verhindern, dass die Gebärhäuser aufhören
mögen wahre Mörderhöhlen zu sein, spricht im unwissenden
Semmelweis, Kindbettfieber. 23
[354] Leichtsinn ein so grässliches Wort aus, welches ihn selbst in
so hohem Grade anklagt. Und wenn Scanzoni sagt, dass sich
ein hohes k. k. Landesgubernium und die von ihm niederge-
setzte ärztliche Commission durch die Lösung einer so hoch-
wichtigen Frage ein unsterbliches Verdienst um die Mensch-
heit und um die Wissenschaft erwerben werde, so nehmen
wir, da die durch ein k. k. Landesgubernium niedergesetzte
ärztliche Commission diese hochwichtige Frage nicht gelöst
hat, dieses Verdienst, jede Bescheidenheit, warum, haben wir
schon motivirt, bei Seite setzend, für uns in Anspruch, weil
wir diese hochwichtige Frage gelöst haben, wie gegenwärtige
Schrift beweist, und überlassen es der Mit- und Nachwelt
zu bestimmen, was sich Scanzoni durch seine Opposition ge-
gen meine Lehre erworben.
Endlich sagt Scanzoni, dass unterm 20. Juli 1849 die
Erlaubniss zur Vornahme der Versuche an Thieren von Seite
des k. k. Landesguberniums anlangte, und dass er gleich die
Versuche in Angriff genommen hätte, aber Professor Jung-
mann sprach die Ansicht aus, der sich auch die Krankenhaus-
direction anschloss, dass die Versuche an Thieren zur Zeit
einer Epidemie im Gebärhause vorgenommen werden sollen,
und dadurch wurde diesen Versuchen schon im vorhinein jeder
Werth den hartnäckigen Epidemikern gegenüber genommen.
Carl Braun z. B. würde über solche Versuche mitleidig lä-
cheln und sagen: Ihr habt gut den Thieren zersetzte Stoffe
einzuspritzen, nicht diese zersetzten Stoffe, sondern die epi-
demischen Einflüsse, welche im Gebärhause wüthen, tödten
auch die Thiere. Wir haben unsere Versuche zu einer Zeit
gemacht, wo im Wiener Gebärhause keine Epidemie herrschte.
Scanzoni erhielt daher erst am 4. Februar 1850, wahr-
scheinlich weil damals eine Epidemie im Prager Gebärhause
herrschte, den Auftrag und die Bevollmächtigung, die Ver-
suche an Thieren vornehmen zu dürfen, aber seine Hoffnung,
dass er bald in den Stand gesetzt sein werde, die Resultate
dieser Versuche zu veröffentlichen, ging nicht in Erfüllung,
[355] denn wir leben im Jahre 1859 und die Resultate dieser Ver-
suche sind noch nicht veröffentlicht worden.
Das Resumé der Scanzonischen Oposition gegen meine
Lehre ist daher, dass er die Gründe, welche wir gegen die
Lehre des epidemischen Kindbettfiebers, und die Gründe, welche
wir für unsere Lehre angeführt, unangefochten gelassen, er
zählt selbe auf, um selbe dann zu ignoriren. Meine Gründe
gegen die Lehre des epidemischen Kindbettfiebers und die
Lehre des epidemischen Kindbettfiebers können aber unmög-
lich beide gleichzeitig wahr sein, wir halten unsere Gründe
für wahr und halten die Lehre vom epidemischen Kindbett-
fieber für einen gefährlichen Irrthum, und da Scanzoni es un-
terlassen hat, das Gegentheil zu beweisen, so bleiben wir bei
unserer Ueberzeugung.
Scanzoni hat eben so wenig bewiesen, dass unsere Gründe
für unsere Lehre falsch seien, folglich bleiben wir auch bei der
Lehre, welche wir auf diese Gründe aufgebaut haben.
Nur das Argument, welches wir den Versuchen an Thie-
ren entnommen, hat er angefochten, Scanzoni hat sich aber
gleich selbst dadurch widerlegt, dass er selbst zwar solche
Versuche nicht vorgenommen, aber wenigstens vorzunehmen
versprochen hat und zwar auf eine Weise, deren Mängel wir
nachgewiesen.
Selbst das hochwichtige Factum der Verminderung des
Kindbettfiebers an der I. Gebärklinik zu Wien bezweifelt
er nicht, glaubt aber nicht denselben Erfolg an der Prager
Klinik beobachtet zu haben, wir haben aber nachgewiesen,
dass das Kindbettfieber auch in Prag seltener als früher ge-
worden, und wenn Scanzoni nicht einen vollkommenen Erfolg
erzielte, so haben wir gezeigt, dass Scanzoni viel zu wenig
Kenntnisse über die wichtigsten Punkte unserer Lehre hatte,
um alle Missgriffe vermeiden zu können, welche die Errei-
chung eines vollkommenen Erfolges vereitelten.
Und wenn Scanzoni die Prager Commission einen ande-
ren Weg betreten liess, um zur Wahrheit zu gelangen, als
23 *
[356] den, der der Wiener Commission vorgezeichnet wurde, so
sind unsere Zweifel über die Zweckmässigkeit dieses Weges
dadurch gerechtfertiget, dass die Prager Commission auf die-
sem Wege noch im Jahre 1859 die Wahrheit nicht gefunden
hat, für welche wir mit dieser Schrift einstehen.
Wir glauben daher nur die Wahrheit zu sagen, wenn
wir behaupten, dass Scanzoni’s Opposition unsere Lehre un-
erschüttert gelassen.
Wir wollen nun die Gegenprobe machen und wollen se-
hen, ob der überlieferte Unsinn, den man bisher Aetiologie
des Kindbettfiebers nannte, und welchen Scanzoni in beiden
Auflagen seines Lehrbuches der Geburtshilfe ruminirt, ob der
unseren Angriffen widerstehen wird, oder aber einem Kar-
tenhause ähnlich zusammenstürzen wird.
Zuerst stossen wir auf die fehlerhafte Eintheilung der
Entzündungen im Wochenbette, welche Scanzoni deshalb
von früheren Schriftstellern abgeschrieben, weil auch ihm das
Wesen des Puerperalfiebers unbekannt ist. Wir haben durch
den Erfolg der Chlorwaschungen bewiesen, dass auch die Ent-
zündungen im Wochenbette, welche Scanzoni nicht als Puer-
peralfieber anerkennen will, in Folge der Resorption eines
zersetzten Stoffes entstehen, folglich genuines Puerperalfieber
sind, weil wir auch diese Fälle durch Chlorwaschungen ver-
hütet. Mit demselben Factum können wir die ganze Aetiolo-
gie der Entzündungen im Wochenbette, welche nicht Puer-
peralfieber sind, über den Haufen werfen, denn würden diese
Entzündungen in jenen aetiologischen Momenten begründet
sein, welche Scanzoni für dieselben in Anspruch nimmt, so
könnten diese Entzündungen durch Chlorwaschungen nicht
verhütet werden, denn durch Chlorwaschungen kann zwar
dasjenige Kindbettfieber verhütet werden, welches in Eolge
der Resorption eines zersetzten Stoffes entsteht, aber die
Wirksamkeit derjenigen aetiologischen Momente, denen Scan-
zoni diese Entzündungen zuschreibt, kann durch Chlorwa-
schungen nicht eingeschränkt werden. Unter anderen aetio-
[357] logischen Momenten dieser Entzündungen glaubt Scanzoni
vorzüglich das Trauma der Geburt beschuldigen zu müssen,
so zwar, dass er diese Entzündungen auch traumatische nennt.
Wie kann das Trauma der Geburt durch Chlorwaschungen
der Hände unschädlich gemacht werden?
Um aber zu keinem Missverständnisse Veranlassung zu
geben, ist es nöthig, Einiges zu recapituliren, was wir von
den aetiologischen Momenten für das Kindbettfieber sagten,
welches durch Selbstinfection entsteht.
Wir haben gesagt, wird den Individuen ein Trauma bei-
gebracht, entweder durch die verzögerte Austreibungsperiode,
oder durch eine Operation, so können Theile der Genitalien
in Folge der Quetschung necrosiren, hiemit ist ein deletaerer
Stoff gegeben, welcher, wenn er resorbirt wird, das Puerpe-
ralfieber durch Selbstinfection hervorbringt; wir haben gesagt,
es können Decidua-Placentareste, Blutcoagula in der Gebär-
mutterhöhle zurückbleiben, welche durch ihren Uebergang
in Fäulniss den deletaeren Stoff liefern, welcher, wenn resor-
birt, das Kindbettfieber durch Selbstinfection hervorbringt;
das erste ist die Resorption des zersetzten Stoffes, das zweite
ist die Blutentmischung und das dritte sind die Exsudationen,
das aber geschieht, wie wir schon gezeigt, wenn es oft ge-
schieht, nicht einmal bei hundert Wöchnerinnen; und diese
Lehre ist eine ganz andere, als die Lehre Scanzoni’s, welcher
glaubt, dass das Trauma, die faulen Decidua-Placentareste,
die faulen Blutcoagula eine örtliche Entzündung erzeugen,
welche dann allerdings in eigentliches Puerperalfieber über-
gehen könne dadurch, dass die Producte der örtlichen Ent-
zündung resorbirt werden, bei Scanzoni ist daher das erste
die örtliche Entzündung, und bei dieser kann es auch bleiben,
oder als zweites wird das Product örtlicher Entzündung re-
sorbirt, das resorbirte Product der örtlichen Entzündung er-
zeugt eine Blutentmischung, und nun folgen aus dem ent-
mischten Blute neue Exsudationen, und solche Fälle habe er
[358] im Prager Gebärhaus blos von der Endometritis hunderte
beobachtet.
Da wir aber bewiesen, dass man diese hunderte von ört-
lichen Entzündungen verhüten kann, so ist damit zugleich be-
wiesen, dass diese hunderte von Entzündungen auch durch
Resorption eines zersetzten Stoffes entstehen.
Nun wollen wir zur Aetiologie des eigentlichen Puerpe-
ralfiebers Scanzoni’s übergehen. Scanzoni sagt: »Wenn sich
Kiwisch dahin ausspricht, dass der puerperale Zustand des
Weibes als die erste nothwendige Bedingung für die Entste-
hung des Puerperalfiebers zu betrachten sei, so wird ihm ge-
wiss Niemand beistimmen, der Gelegenheit gehabt hat, aus-
gedehntere Erfahrungen und Beobachtungen über diesen Ge-
genstand zu sammeln.«
Der Leser weiss, dass wir im Jahre 1847 bewiesen, dass
das Kindbettfieber eine verhütbare Krankheit sei, dass daher
derjenige für die Verheerungen des Kindbettfiebers verant-
wortlich ist, welcher diese Verheerungen nach dem Jahre 1847
nicht verhütete.
Scanzoni brüstet sich noch im Jahre 1853 mit ausge-
dehnteren Erfahrungen über das Kindbettfieber, als sie selbst
Kiwisch gemacht. Er hat also alles das, was bis zum Jahre
1853 zu Gunsten meiner Lehre über die Entstehung des Kind-
bettfiebers erschien, mit so wenig Verständniss gelesen, dass
er nicht einmal ahnt, welch ein Urtheil er über sich selbst
fällt, wenn er sich noch im Jahre 1853 mit ausgedehnteren
Erfahrungen brüstet.
Wir stimmen mit Scanzoni überein, wenn er gegen Ki-
wisch behauptet, dass der puerperale Zustand des Weibes
nicht die erste nothwendige Bedingung für die Entstehung des
Puerperalfiebers sei, wir theilen aber seine Ansicht nicht,
wenn er behauptet, die eigentliche prädisponirende Ursache
des Puerperalfiebers sei die eigenthümliche Blutmischung der
Schwangeren.
[359]
Dass der puerperale Zustand des Weibes nicht die erste
nothwendige Bedingung für die Entstehung des Kindbettfie-
bers sei, geht nicht nur daraus hervor, wie Scanzoni richtig
bemerkt, dass das Puerperalfieber schon während der Geburt,
ja schon während der Schwangerschaft nicht nur beginnt,
sondern sogar tödten kann. Den ersten Kaiserschnitt in mor-
tua habe ich an einem in der Schwangerschaft an Puerperal-
fieber verstorbenen Individuum gemacht, sondern auch dar-
aus, dass wir die Krankheit, welche wir Puerperalfieber nen-
nen, nämlich die Krankheit, welche in Folge der Resorption
eines deletaeren Stoffes entsteht, auch bei Individuen entste-
hen sehen, welche mit dem puerperalen Zustande des Weibes
nicht die geringste Aehnlichkeit habe; der Anatom, der Chi-
rurg, die an chirurgischen Abtheilungen operirten männlichen
und weiblichen Individuen befinden sich nicht im puerperalen
Zustande, und doch erkranken selbe, wenn bei ihnen ein de-
letaerer Stoff resorbirt wird, an derselben Krankheit.
Dass aber Scanzoni auch nicht das Wahre sagt, wenn er
die eigenthümliche Blutmischung der Schwangeren als die
eigentliche prädisponirende Ursache des Kindbettfiebers an-
gibt, können wir unter vielen Gründen mit zwei hinreichend
beweisen, nämlich, wenn dem so wäre, so könnte das Puer-
peralfieber durch Chlorwaschungen der Hände nicht vermin-
dert werden, denn es ist nicht einzusehen, wie Chlorwaschun-
gen der Hände die eigenthümliche Blutmischung der Schwan-
geren ändern sollten; nicht die eigenthümliche Blutmischung,
wie selbe den Schwangeren im physiologischen Zustande zu-
kommt, wird durch Chlorwaschungen verändert, sondern
durch Zerstörung der deletaeren Stoffe mittelst Chlorwaschun-
gen wird die Blutentmischung verhütet, welche entstanden
wäre, falls zersetzte Stoffe resorbirt worden wären. Und eben
so wenig, als sich der Anatom, der Chirurg, die chirurgi-
schen Operirten im Puerperalzustande befinden, eben so
wenig haben selbe eine den Schwangeren ähnliche Blutmi-
schung.
[360]
Die eigentliche prädisponirende Ursache des Kindbettfie-
bers ist alles das, was eine resorbirende Fläche für den zu re-
sorbirenden deletaeren Stoff schafft.
Sicher gehört die Schwangerschaft, aber nicht wegen der
eigenthümlichen Blutmischung der Schwangeren, sondern
deshalb, weil durch die Schwangerschaft die innere Fläche
der Gebärmutter der Schleimhaut verlustig wird, und dadurch
eine resorbirende Fläche für den zu resorbirenden deletaeren
Stoff geschaffen wird; hieher gehört das schlechte Unterstü-
tzen des Mittelfleisches, wodurch in Folge des Mittelfleisch-
risses eine resorbirende Fläche geschaffen wird, hieher gehört
der Stich bei Anatomen und Chirurgen, hieher gehört die
durch eine Operation gebildete Wundfläche etc. etc. etc.
Scanzoni geht nun zur Aetiologie des Kindbettfiebers
über und sagt, vor allem Andern komme das epidemische
Auftreten des Kindbettfiebers in Betracht, und um zu bewei-
sen, dass das Puerperalfieber auch epidemischen Ursprungs
sein könne, beruft er sich auf die Geschichte des Puerperal-
fiebers, welche lehre, dass das Puerperalfieber zu gewissen
Zeiten in grösserer oder geringerer geographischer Ausbrei-
tung vorkomme. Wenn Scanzoni sich auf die Geschichte des
Puerperalfiebers beruft, um zu beweisen, dass das Puerperal-
fieber epidemischen Ursprungs sei, so entnehmen wir daraus,
dass Scanzoni entweder nie eine Geschichte des Puerperalfie-
bers gelesen, oder wenn er eine gelesen, so hat er selbe mit
demselben Verständnisse gelesen, mit welchem er alles das,
was zu Gunsten unserer Lehre bis zum Jahre 1853 erschien,
gelesen oder nicht gelesen hat.
Die Geschichte des Puerperalfiebers stellt im Gegen-
theile fest, dass das Puerperalfieber vorzüglich an Gebärhäu-
ser gebunden sei, und dass es nie in solcher Ausdehnung
ausserhalb der Gebärhäuser vorkomme, wie innerhalb der Ge-
bärhäuser; das Puerperalfieber kommt ausserhalb des Gebär-
hauses wohl nicht in dieser Ausdehnung vor, wie innerhalb
der Gebärhäuser, aber das Kindbettfieber kommt auch aus-
[361] serhalb der Gebärhäuser von Zeit zu Zeit in grösserer Aus-
dehnung vor, als es gewöhnlich ausserhalb des Gebärhauses
vorzukommen pflegt, aber die Aerzte und Hebammen, welche
in geographischer Verbreitung ihre Thätigkeit entfalten, sind
bis zum Jahre 1847 in Unwissenheit über die Entstehung des
Kindbettfiebers von den geburtshilflichen Lehranstalten ins
praktische Leben gesendet worden, und ist es da zu wundern,
dass selbe in ihrer Unwissenheit Verheerungen unter den
Wöchnerinnen in geographischer Verbreitung anrichteten?
Wäre die grössere Sterblichkeit der Wöchnerinnen an
Puerperalfieber innerhalb und ausserhalb der Gebärhäuser
durch epidemische Einflüsse bedingt, so müsste die grössere
Sterblichkeit innerhalb und ausserhalb der Gebärhäuser im-
mer gleichzeitig und immer in gleicher Ausdehnung vorkom-
men, weil die Wöchnerinnen innerhalb der Gebärhäuser und
ausserhalb der Gebärhäuser nur denselben und nicht verschie-
denen cosmisch-tellurischen Einflüssen unterworfen sein kön-
nen. Aber innerhalb und ausserhalb der Gebärhäuser wird
nicht immer gleichzeitig inficirt, und daher geschieht es, dass
ausserhalb der Gebärhäuser, wo gerade damals nicht inficirt
wird, die Wöchnerinnen sich eines guten Gesundheitszustan-
des erfreuen, während die Wöchnerinnen des Gebärhauses,
wo inficirt wird, vom Kindbettfieber decimirt werden, wird
aber im Gebärhause nicht inficirt, zur Zeit, als ausserhalb der
Gebärhäuser inficirt wird, so geschieht das Umgekehrte, näm-
lich die Wöchnerinnen des Gebärhauses sind gesund, wäh-
rend die Wöchnerinnen ausserhalb des Gebärhauses dem Kind-
bettfieber erliegen Wird gleichzeitig in und ausserhalb der
Gebärhäuser inficirt, so sterben innerhalb und ausserhalb der
Gebärhäuser die Wöchnerinnen gleichzeitig am Kindbettfie-
ber in grösserer Anzahl, da aber innerhalb der Gebärhäuser
häufiger Gelegenheit geboten ist, die Gegenstände, welche
mit den Genitalien der Individuen in Berührung kommen, zu
verunreinigen, so erklärt das, warum in den Gebärhäusern
häufiger ein ungünstiger Gesundheitszustand unter den Wöch-
[362] nerinnen herrsche, als ausserhalb der Gebärhäuser, und ist
einmal ein Gegenstand, welcher innerhalb und ausserhalb der
Gebärhäuser mit den Genitalien der Individuen in Berührung
gebracht wird, mit deletaeren Stoffen verunreinigt, so kann
dieser mit zersetzten Stoffen verunreinigte Gegenstand ausser-
halb der Gebärhäuser weniger Individuen inficiren, als der-
selbe Gegenstand im Gebärhause inficirt haben würde, weil
ausserhalb der Gebärhäuser nie Gelegenheit ist, dem verun-
reinigten Gegenstand mit den Genitalien so vieler Individuen
in Berührung zu bringen, als dazu im Gebärhause Gelegen-
heit geboten ist, und daraus ist zu erklären, warum ausser-
halb der Gebärhäuser das Puerperalfieber nie in dieser Aus-
dehnung vorkommt, als es in den Gebärhäusern vorzukom-
men pflegt. Wir haben es zwar schon gesagt, aber wir finden
es nicht überflüssig, es nochmals zu wiederholen, dass, wenn
in zwei Gebärhäusern, welche in grosser Entfernung von ein-
ander liegen, die Wöchnerinnen gleichzeitig an Puerperalfie-
ber in grosser Anzahl sterben, selbe deshalb sterben, weil
selbe gleichzeitig inficirt werden, dass es kein atmosphärisch-
cosmisch-tellurischer Einfluss ist, welcher in solcher geogra-
phischer Verbreitung vorhanden ist; dass er zwei in grosser Ent-
fernung liegende Gebärhäuser gleichzeitig trifft, geht daraus her-
vor, dass die Wöchnerinnen der dazwischenliegenden Bevölke-
rung sich eines guten Gesundheitszustandes erfreuen, ja nicht die
Wöchnerinnen der dazwischenliegenden Bevölkerung allein
erfreuen sich eines guten Gesundheitszustandes, sondern selbst
die Wöchnerinnen der Stadt, in welcher sich das vom Kind-
bettfieber heimgesuchte Gebärhaus befindet, denn man kann
bekanntlich das Kindbettfieber im Gebarhause dadurch unter-
drücken, dass man das Gebärhaus schliesst, und die Indivi-
duen zerstreut in der Stadt entbinden lässt, also der atmo-
sphärische Einfluss, welcher gleichzeitig zwei entfernt liegende
Gebärhäuser erreicht, reicht nicht bis zu den Umgebungen
des Gebärhauses; diese Massregel nützt dadurch, dass der
Unterricht in Folge dieser Massregel aufhört, folglich das
[363] Untersuchen der Schüler aufhört, welche sich behufs ihrer
anderweitigen medicinischen Ausbildung sehr häufig ihre Hände
mit zersetzten Stoffen verunreinigen.
Wenn die grosse Sterblichkeit in- und ausserhalb der
Gebärhäuser durch atmosphärische Einflüsse bedingt wäre,
so wäre das Kindbettfieber eine unverhütbare Krankheit, dass
aber das Puerperalfieber verhütbar sei, habe ich schon im
Jahre 1847 bewiesen, und um diese Ueberzeugung zur all-
gemeinen zu machen, veröffentliche ich ja gegenwärtige Schrift.
Leider, sagt Scanzoni, haben aber die Untersuchungen,
diese atmosphärischen, tellurischen und cosmischen Verhält-
nisse näher kennen zu lernen, bis jetzt zu keinem positiven
Resultat geführt; natürlich, was nicht existirt, kann man
nicht kennen lernen, denn in allen Jahreszeiten, in den ver-
schiedensten Klimaten, unter allen Arten von Witterungsver-
hältnissen wurden Puerperalepidemien beobachtet, und wie
denn nicht, denn in allen Jahreszeiten, in den verschiedensten
Klimaten und unter allen Arten Witterungsverhältnissen kann
inficirt und dadurch eine sogenannte Puerperalepidemie her-
vorgerufen werden, und wenn Scanzoni sagt, unser ganzes
Wissen über diesen Gegenstand beschränkt sich darauf, dass
derartige Epidemien häufiger und bösartiger in den Winter-
als in den Sommermonaten auftreten, dass eine während des
Winters herrschende Epidemie mit dem Eintreten der wär-
meren Jahreszeit nicht selten plötzlich aufhöre, so ist die
Beobachtung dieser Facta sehr richtig, und die Erklärung die-
ser Facta liegt in dem Umstande, dass der Winter die Zeit
des Fleisses für die Schüler ist, während mit beginnender
warmer Jahreszeit die Landpartien beginnen, und dem ent-
sprechend der Fleiss der Schüler nachlässt, und demjenigen,
der nicht glauben will, dass nur die Art der Beschäftigungen
der das Gebärhaus Besuchenden, wie solche durch die Jah-
reszeit bedingt wird, die Ursache dieser Facta sei, der also
glaubt, dass der Winter als solcher die grosse Sterblichkeit
veranlasse, dann tragen wir, wie es denn komme, dass an der
[364] I. Gebärklinik zu Wien im October 2, im November 2, im
December 1, im Jänner 2, im Februar 0 Percent, und im
März gar keine Wöchnerin gestorben ist? Während im April
18, im Mai 13, im Juni 10, im Juli 20, im August 25, im
September 18 Percent Wöchnerinnen starben (siehe Tabelle
XIX, Seite 120); dann bitten wir um die Erklärung, wie denn
der schädliche Einfluss des Winters durch Chlorwaschungen
der Hände gemildert werden könne, da wir in Folge der
Chlorwaschungen durch mehrere Winter keine epidemischen
Puerperalfieber hatten.
Wir fragen ihn: Hat es in Wien durch 25 Jahre, in Lon-
don und Dublin durch 124 Jahre keinen Winter gegeben, weil
in Wien durch 25 Jahre nicht eine Wöchnerin von 100
Wöchnerinnen starb, weil in den sechs zu London und Dub-
lin befindlichen Gebärhäusern während 19 keine Wöchnerin
starb, und während 105 Jahren nicht eine Wöchnerin von
100 Wöchnerinnen starb.
Wenn Scanzoni glaubt, dass stürmische, kaltfeuchte
Tage das häufigere und intensivere Auftreten des Kindbettfie-
bers begünstigen, und wenn er als Beweis hiefür das Factum
anführt, dass nicht selten alle in einer Gebäranstalt an einem
bestimmten Tage Entbundenen puerperal erkranken, so glau-
ben wir an den schädlichen Einfluss stürmischer, kaltfeuch-
ter Tage nicht, sind vielmehr der Ueberzeugung, dass alle
an einem bestimmten Tage Entbundenen, welche puerperal er-
kranken, inficirt wurden, und dass dem so sei, ist dadurch
bewiesen, dass man durch Chlorwaschungen das Erkranken
aller an einem Tage Entbundenen verhindern kann, trotz stür-
mischer, kaltfeuchter Tage, und es wird wohl Niemand glau-
ben, dass es in Wien durch 25 Jahre und in London und
Dublin durch 124 Jahre keine stürmischen, kaltfeuchten Tage
gegeben habe, weil während dieser Zeit in diesen Gebärhäu-
sern die Sterblichkeit so klein war, dass die Erkrankungen
gewiss nur sehr vereinzelt vorkommen konnten. Wenn Scan-
zoni aufmerksamer beobachtet hätte, so hätte er gewiss ge-
[365] gefunden, dass dasselbe Factum sich auch an Tagen wieder-
holt hat, wo man über stürmische, kaltfeuchte Witterung sich
nicht zu beklagen hatte.
Wir haben dieses Factum unter der Benennung des rei-
henweisen Erkrankens abgehandelt, der Leser wolle dies be-
züglich Seite 47, Zeile 4 und Seite 70, Zeile 11 nachlesen.
Scanzoni sagt: Der epidemische Einfluss gebe sich nicht
nur in der Zahl der Erkrankungen, sondern auch in der Art
der Erkrankungen kund, so zwar, dass in manchen Epide-
mien alle Fälle den Charakter der Hyperinose, in andern die
Charaktere der Pyaemie und in andern die Charaktere der
Blutdissolution tragen, ja selbst in den Localisationen zeige
sich der epidemische Einfluss, indem zu gewisser Zeit die
Lymphangoitis, zu einer anderen die Phlebitis etc. etc. den
constanten Sectionsbefund abgeben; alle diese angeführten
Umstände lassen nach Scanzoni keinen Zweifel übrig, dass
gewisse, uns freilich ihrer Wesenheit nach nicht bekannte at-
mosphärische Einflüsse eines der beachtenswerthesten Cau-
salmomente des Puerperalfiebers darstellen.
Was Scanzoni über die Formen des Puerperalfiebers
hier sagt, kann man zwar in vielen Lehrbüchern der Geburts-
hilfe lesen, aber in der Natur nicht beobachten, wir haben
leider vor dem Jahre 1847 auch Gelegenheit gehabt, zahlrei-
chen Sectionen von Puerperen beizuwohnen, wir sind speciell
auf die Formen, unter welchen sich das Puerperalfieber am
Sectionstische darstellt, auch deshalb aufmerksam gewesen,
weil sich damals an der pathologisch-anatomischen Anstalt ein
sonst ausgezeichneter Assistent befand, welcher aus der Be-
schaffenheit der in Puerperal-Leichen vorgefundenen Krank-
heitsproducte die Prognose stellen wollte, ob die Epidemie
sich im Beginne befinde, ob in der Acme oder im Stadium
des Nachlassens, ob die Epidemie Recidiven machen werde
etc. etc. etc. Seine Prognosen gingen natürlich nie in Erfül-
lung, und wir hatten auch deshalb jeden Glauben für diese
Prognosen vollkommen verloren, weil wir, um uns zu über-
[366] zeugen, ob denn wirklich je nach dem Stadium der Epidemie
nur gewisse Formen vorkommen, wie besagter Assistent
meinte, durch längere Zeit alle verstorbenen Wöchnerinnen
secirt, und da hat es sich gezeigt, dass an Tagen, an welchen
leider Gelegenheit war, mehrere, ja viele Puerperalleichen
zu seciren, sich die Formen vorfanden, welche den Beginn
der Epidemie. welche der Acme, welche dem Nachlassstadium
zukommen, und es hat auch nicht an Formen gefehlt, welche
eine Recidive der Epidemie anzeigen sollten; eine constant
während einer Epidemie vorherrschend vorkommende Form
haben wir nie beobachtet, und nachdem wir endlich erforscht,
welches die wahre Ursache des Kindbettfiebers sei, fanden
wir es ganz begreiflich, dass es nicht gelungen ist, von Fol-
gen auf eine Ursache einen Schluss zu ziehen, welche Ursa-
chen diese Folgen nicht hervorgerufen.
Und wenn Scanzoni noch im Jahre 1853 in den verschie-
denen Formen, unter welchen das Puerperalfieber vorkommt,
die keinem Zweifel unterliegende Wirkung atmosphärischer
Einflüsse erkennt, so können wir durch eine einfache Bemer-
kung beweisen, dass Scanzoni in einem strafbaren, gefährli-
chen Irrthume befangen ist, denn unter den 1709 innerhalb
sechs Jahre mehr als im Jahre 1848 an der I. Gebärklinik ver-
storbenen Wöchnerinnen befanden sich gewiss zahlreiche
solche Formen, in denen Scanzoni die Wirkung atmosphäri-
scher Einflüsse nicht verkennen kann, und doch haben wir
selbe verhütet, und Scanzoni hat fünf Jahre Zeit gehabt, über
dieses Resultat nachzudenken.
Wenn Scanzoni dadurch beweisen will, dass die atmo-
sphärischen Einflüsse nicht immer erst im Puerperio ihre Wir-
kung entfalten, da das Puerperalfieber schon in der Schwan-
gerschaft entstehe, da während einer Epidemie häufig äus-
serst träge und schwache oder krampfhaft aussergewöhnlich
schmerzhafte Wehen beobachtet werden mit daraus resulti-
rendem langsamen Geburtsverlaufe. Da während einer Epide-
mie, während und nach der Geburt häufiger Metrorrhagien
[367] auftreten, da die Kinder jener Mütter, welche später am Puer-
peralfieber erkranken, oft unter den Erscheinungen einer rasch
verlaufenden Bluterkrankung ebenfalls zu Grunde gehen; so
sind die Thatsachen allerdings ganz richtig beobachtet, aber
die Erklärung, dass dieses Unheil durch atmosphärische Ein-
flüsse bedingt sei, ist irrig.
Nicht atmosphärische Einflüsse sind es, welche dieses
Unheil anstiften, sondern der resorbirte zersetzte Stoff ver-
schuldet das alles. Der zersetzte Stoff kann schon in der
Schwangerschaft resorbirt werden, und erzeugt dann in der
Schwangerschaft schon das Puerperalfieber.
Wird der zersetzte Stoff schon in der Schwangerschaft
resorbirt, oder verzögert sich die Geburt, nachdem während
der Geburt der zersetzte Stoff resorbirt wurde, ist mithin die
Geburt noch nicht vollendet zur Zeit als bei der Kreissenden
die Blutentmischung in Folge der Resorption des zersetzten
Stoffes eintritt, so wirkt das so entmischte Blut paralysirend
auf den Uterus, und dadurch ist die Bedingung zu äussers t
trägen und schwachen, oder krampfhaften und aussergewöhn-
lich schmerzhaften Wehen mit daraus resultirendem langsa-
men Geburtsverlaufe, zu Blutungen gegeben. Ist das Kind zur
Zeit als bei der Mutter die Blutentmischung in Folge der Re-
sorption des zersetzten Stoffes eintritt, mittelst der Placenta
noch in Verbindung, so wird dem Kinde die Blutentmischung
von Seite der Mutter mitgetheilt, und es sterben beide an
derselben Krankheit. Dass sich die Sache so verhalte, wie
wir es sagen, ist dadurch bewiesen, dass all das Urtheil
durch Chlorwaschungen verhütet werden kann. In Bezug auf
die Blutentmischung der Kinder wolle der Leser Seite 40
Zeile 10 und Seite 66, Zeile 2 von unten bis Seite 69 nach-
lesen.
Wenn Scanzoni auch die faul-todtgebornen Kinder hie-
her zählt, so ist das abermals ein Irrthum, es sind allerdings
alle Mütter ohne Ausnahme, deren Kinder an einer Blutent-
mischung erkrankten, auch am Puerperalfieber erkrankt, und
[368] wie denn nicht, wurde ja die Blutentmischung nie selbststän-
dig im Kinde erzeugt, die Blutentmischung wird ja immer
dem Kinde durch die schon kranke Mutter mitgetheilt, die
tägliche Erfahrung lehrt aber, dass faul-todte Kinder von den
gesündesten Kreissenden geboren werden, welche auch im
Wochenbette gesund bleiben, als Beweis, dass der Tod die-
ser Kinder nicht durch das mittelst des zersetzten Stoffes ent-
mischte Blut der Mutter bedingt war, sondern in Folge an-
derer Ursachen eintrat. Gewiss, wenn in der Schwangerschaft
schon die Resorption eines zersetzten Stoffes geschieht, und
sich in Folge dessen das Blut der Mutter entmischt, welches
entmischte Blut das Kind in der Schwangerschaft tödtet, so
kann die Schwangerschaft unmöglich so lange noch bestehen,
bis das Kind in Fäulniss übergeht, denn entweder wird die
Schwangere als Schwangere sterben, bevor das Kind in Fäul-
niss übergegangen ist, oder die Schwangerschaft wird durch die
Geburt unterbrochen, was das Gewöhnliche ist, bevor das
Kind in Fäulniss übergegangen ist. So wie es nicht begreif-
lich wäre, dass eine Mutter, welche ihr Kind durch Blutent-
mischung schon vor so langer Zeit getödtet hat, vollkommen
gesund die Geburt und das Wochenbett überstehen könne.
Damit ist aber nicht gesagt, dass eine solche Mutter nicht
auch in Folge einer Infection erkranken könne.
Und dass faul-todtgeborene Kinder und an Blutdisso-
lution sterbende Kinder nicht an derselben Krankheit sterben,
ist auch dadurch bewiesen, dass die Zahl der Todesfälle an
Blutdissolution durch Chlorwaschungen vermindert werden
könne, während auf die Verminderung der Zahl faul-todt-
geborner Kinder die Chlorwaschungen keinen Einfluss üben.
Nachdem wir gezeigt, dass alles das, was Scanzoni als
Beweis für die Existenz der epidemischen Einflüsse vorge-
bracht, einzelne Facta ausgenommen, alles Uebrige Irrthum
und Täuschung ist, wollen wir zur Beurtheilung der übrigen
aetiologischen Momente des Kindbettfiebers schreiten, wie
solche Scanzoni als Kindbettfieber erzeugend anführt.
[369]
Von der Individualität sagt Scanzoni Folgendes: „Während
des Herrschens einer Epidemie komme die durch die Indivi-
dualität bedingte Krankheitsanlage weniger in Betracht, wäh-
rend einer Epidemie schütze kein Alter, keine Körperconsti-
tution, keine Art von Lebensverhältnissen, und sehr häufig
erkranken gerade die gesündesten, jüngsten, kräftigsten und
blühendsten Frauen an dieser bösartigen, heimtückischen und
mörderischen Krankheit.“
Der aufmerksame Leser dieser Schrift weiss, dass das
Wesen einer Puerperalfieber-Epidemie darin bestehe, dass vie-
len Individuen ein zersetzter Stoff auf eine oder die andere
Weise von aussen eingebracht werde, und ein zersetzter Stoff
ist ein so furchtbares Gift, dass davor allerdings keine Indi-
vidualität Schutz gewähren kann.
Ausser einer Epidemie aber, meint Scanzoni, erkranken
leichter an Puerperalfieber schwächliche, schlecht genährte,
während der Schwangerschaft dem Elende und der Noth aus-
gesetzte und unter dem Einflusse deprimirender Gemüthsaffecte
lebende Frauen; wir sind der Ueberzeugung, dass durch
alle diese Umstände den Individuen weder von Aussen ein
zersetzter Stoff eingebracht wird, noch entsteht in Folge die-
ser Umstände ein zersetzter Stoff in den Individuen, diese
Umstände sind daher keine aetiologischen Momente des Kind-
bettfiebers. Auf wie viele von den im Jahre 1848 an der
I. Gebärklinik verpflegten 3556 Wöchnerinnen passte diese
Beschreibung Scanzoni’s, und doch haben wir nur 45 Wöch-
nerinnen am Puerperalfieber verloren.
Im Wiener Gebärhause wurden während der 25 Jahre, wo
nicht Eine von 100 Wöchnerinnen starb, 44.838 Individuen
verpflegt, davon starben 273, in den vier Londoner und den
zwei Dubliner Gebärhäusern starb während 19 Jahre von
4558 Wöchnerinnen keine, und während 105 Jahre starben
von 109.656 verpflegten Individuen 726. Wie ungeheuer mag
die Zahl derjenigen unter diesen 159.052 Individuen gewesen
sein, auf welche die Beschreibung Scanzoni’s passt, und
Semmelweis, Kindbettfieber. 24
[370] könnte die Sterblichkeit auf 999 Todte beschränkt geblie-
ben sein, wenn diese Umstände aetiologische Momente des
Kindbettfiebers wären.
Leichter erkranken am Puerperalfieber nach Scanzoni
auch solche Individuen, welche schon während der Schwan-
gerschaft an einer Krankheit leiden, welche mit einer den ver-
schiedenen Puerperalfieberformen analogen Blutmischung ein-
herschreiten; hieher gehören Frauen, welche mit Pneumonien,
Pleuritiden, mit Entzündungen des Pericardiums, mit acutem
Rheumatismus ins Puerperium kommen.
Wenn Scanzoni glaubt, dass bei den genannten Entzün-
dungen eine analoge Blutmischung wie beim Puerperalfieber
sich vorfinde, so beweiset das nur wieder, dass er noch im
Jahre 1853 nicht weiss, worin das Wesen des Puerperalfiebers
bestehe; bei Anatomen, bei Chirurgen, bei Operirten an chi-
rurgischen Abtheilungen, bei Neugebornen, die an Pyaemie
sterben, findet sich eine identische Blutmischung wie beim
Puerperalfieber, aber nicht bei den von Scanzoni genannten
Entzündungen. Im Gegentheil, diese Entzündungen schützen
die Individuen vor dem Puerperalfieber dadurch, dass selbe aus
Humanitätsrücksichten nicht zum Unterrichte benützt, folg-
lich nicht inficirt werden. Und wenn Scanzoni beobachtet hat,
dass eine weiter vorgeschrittene Lungentuberculose Schutz
gewähre gegen das Puerperalfieber, weil er hunderten von
Sectionen von an Puerperalfieber Verstorbenen beigewohnt,
ohne darunter ein einziges Mal eine weiter fortgeschrittene
Lungentuberculose zu treffen, so liegt der Grund einfach dar-
in, dass diese Individuen nicht zum Unterrichte benützt, folg-
lich nicht inficirt werden. Wenn Scanzoni sagt, das Puerperal-
fieber trete bei Anaemischen, Hydropischen, an einem acuten
Exanther (Blattern-, Masern-, Scharlach-) Leidenden, bei Ty-
phösen oder Scorbutischen seltener auf, so liegt der Grund
wieder nur darin, dass derartige Individuen nicht zum Un-
terrichte benützt, folglich nicht inficirt werden, und wenn
Scanzoni dasselbe nicht auch bei den von ihm genannten Ent-
[371] zündungen beobachtet hat, so hat er eben schlecht beobachtet,
was uns nicht überrascht, Scanzoni hat ja so viele Wöchnerin-
nen sterben sehen, hat vom Jahre 1847 bis zum Jahre 1853
Zeit zum Nachdenken und Gelegenheit gehabt, vieles zu Gun-
sten meiner Lehre Erschienenes zu lesen, und das Alles war
nicht hinreichend, ihn die Beobachtung machen zu lassen,
dass das Puerperalfieber nicht epidemischen Ursprungs sei.
Die von Scanzoni genannten Krankheiten, mit einem
Worte alle schweren Krankheiten, schützen die Individuen vor
Puerperalfieber dadurch, wodurch die Gassengeburten und
die vorzeitigen Geburten die Individuen an der I. Gebärklinik
vor Puerperalfieber schützten, nämlich die Gassengeburten
wurden zum Unterrichte nicht verwendet, weil an ihnen nichts
mehr zu lernen war, und die vorzeitigen Geburten durften
zum Unterrichte nicht verwendet werden, um wo möglich die
vorzeitige Geburt noch aufzuhalten, die Gassengeburten und
die vorzeitigen Geburten wurden daher nicht inficirt (siehe
Seite 45, Zeile 13 und Seite 69, Zeile 24).
Schwere Krankheiten schützen daher vor Puerperalfieber
dadurch, dass die Humanität verbietet, solche Individuen
zum Unterrichte zu benützen, sie werden daher nicht inficirt,
damit ist aber nicht gesagt, dass selbe das Puerperalfieber
nicht bekommen könnten, falls selbe einer Infection ausge-
setzt würden.
Eine Ausnahme macht nur die Eclampsie, weil Eclamp-
tische wiederholt untersucht werden, um den Zeitpunkt zur
Beschleinigung der Geburt rechtzeitig zu erspähen, und an
der I. Gebärklinik starben vor Einführung der Chlorwaschun-
gen beinahe alle Eclamptischen, bei welchen die Anfälle auf-
hörten, im Wochenbette am Puerperalfieber, nach Einführung
der Chlorwaschungen war das Puerperalfieber nach Eclamp-
sien eine Seltenheit.
Wir stimmen mit Scanzoni überein, wenn er die lange
Dauer der Geburt für einen aetiologischen Moment des Kind-
24 *
[372] bettfiebers hält, wir stimmen aber nicht überein mit der An-
sicht, wie er das Puerperalfieber bei verzögerten Geburten
entstehen lässt.
Vor allem muss unterschieden werden, ob sich die Er-
öffnungs- oder ob sich die Austreibungsperiode verzögert.
Verzögert sich die Eröffnungsperiode, so bleibt der Ver-
zögerung entsprechend die innere resorbirende Fläche der
Gebärmutter längere Zeit zugängig, und es ist begreiflich,
dass ein solches Individuum der Gefahr einer Infection von
aussen mehr ausgesetzt ist, als ein anderes, dessen resorbi-
rende innere Fläche des Uterus wegen raschem Verlauf der
Eröffnungsperiode nur kurze Zeit zugängig ist.
Verzögert sich die Geburt nach geschehener Infection
noch so lange, dass die secundäre Blutentmischung früher
eintritt, als die Trennung des Kindes von der Mutter durch
die Geburt, so participirt das Kind von der Infection (siehe
Seite 39—43, Zeile 22 und Seite 66—69, Zeile 3).
Verzögert sich aber die Austreibungsperiode, so kann
zwar keine Infection von aussen geschehen, weil der vorlie-
gende Kindestheil die innere resorbirende Fläche des Uterus
unzugängig macht, aber die verzögerte Austreibungsperiode
kann zur Entstehung des Kindbettfiebers durch Selbstinfec-
tion dadurch Veranlassung geben, dass durch den längere
Zeit dauernden Druck theilweises Necrosiren der zerquetsch-
ten Weichtheile eintritt, und hiemit ist der zersetzte Stoff
gegeben, welcher, wenn resorbirt, das Puerperalfieber her-
vorbringt.
Eine auf diese Weise erkrankte Mutter kann ihr Kind
nicht inficiren, weil das Kind durch die Geburt früher von
der Mutter getrennt wird, als bei der Mutter die secundäre
Blutentmischung eintritt.
Die Erzeugung des zersetzten Stoffes kann unter solchen
Verhältnissen auch dadurch unterstützt werden, dass bei sol-
chen Fällen noch eine oder die andere operative Hilfeleistung
nothwendig wird.
[373]
Was die Gefährlichkeit anbelangt, so ist die verzögerte
Eröffnungsperiode ungemein gefährlicher, weil bei gegebener
Gelegenheit Alle, bei welchen eine verzögerte Eröffnungspe-
riode stattfindet, inficirt werden können.
Die verzögerte Austreibungsperiode, und die dadurch be-
dingten Operationen sind minder gefährlich, der Leser weiss
ja, dass wir die verzögerte Austreibungsperiode und die da-
durch bedingten Operationen unter die aetiologischen Mo-
mente des Kindbettfiebers, entstanden durch Selbstinfection,
aufgenommen, und der Leser weiss auch, dass alle aetiologi-
schen Momente der Selbstinfection zusammengenommen nicht
eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen tödten.
Wenn daher Scanzoni eine Tabelle Simpson’s veröffent-
licht, aus welcher hervorgeht, dass die Sterblichkeit der Müt-
ter im geraden Verhältnisse mit der Dauer der Geburtsarbeit
zunimmt, so hat diese Tabelle den Werth nicht, den selbe
haben würde, wenn darauf Rücksicht genommen worden
wäre, welche Geburtsperiode sich verzögert. Und wenn Scan-
zoni glaubt, dass die Ursache der Gefährlichkeit verzögerter
Geburten in dem freilich unbekannten Einflusse des Gebärac-
tes auf das Nervensystem und mittelbar auf das Blut liege,
so können wir beweisen, dass nicht das Nervensystem, son-
dern ein zersetzter Stoff auf das Blut wirke, weil unter den
3556 an der I. Gebärklinik im Jahre 1848 vorgekommenen
Geburten Gott weiss wie viele zögernd verliefen, und wir
haben nur 45 Wöchnerinnen am Puerperalfieber verloren, weil
bei der Häufigkeit des Vorkommens verzögerter Geburten es
nicht hätte geschehen können, wenn das Nervensystem und
nicht der zersetzte Stoff auf das Blut wirken würde, dass von
den schon oft erwähnten 159.052 Wöchnerinnen nur 999 ge-
storben wären, d. 1. 0,62 Perc. Antheil oder von 159.211/999
erst Eine.
Bei der Häufigkeit, in welcher verzögerte Geburten in
der ganzen Welt vorkommen, hätte es nicht geschehen kön-
nen, wenn das Nervensystem und nicht der zersetzte Stoff auf
[374] das Blut wirken würde, dass das Puerperalfieber auf das mitt-
lere Europa beschränkt geblieben wäre, endlich hätte bei der
Häufigkeit des Vorkommens verzögerter Geburten zu allen
Zeiten die Geschichte des Puerperalfiebers nicht nachweisen
können, wenn das Nervensystem und nicht der zersetzte Stoff
auf das Blut wirken würde, dass das Puerperalfieber in der
Häufigkeit, wie wir selbes gegenwärtig beobachten, erst seit
dem siebenzehnten Jahrhundert vorkomme.
Aller Orten und zu allen Zeiten ist das Kindbettfieber
in seltenen Fällen durch Selbstinfection in Folge verzögerter
Austreibungsperiode entstanden; aber in unbeschränkter An-
zahl werden die Individuen in Folge verzögerter Eröffnungs-
periode nur im mittleren Europa und erst seit dem siebenzehn-
ten Jahrhunderte von aussen inficirt.
Wenn Scanzoni die traumatische Reizung in Anschlag
bringt, welche mit einer verzögerten Austreibungsperiode
und mit operativen Hilfeleistungen verbunden ist, so stimmen
wir mit ihm überein, glauben aber nicht, dass diese Um-
stände zuerst eine örtliche Entzündung hervorrufen, und dass
dann das Puerperalfieber dadurch entstehe, dass die Producte
der örtlichen Entzündung durch Resorption das Blut entmi-
schen. Diese Umstände erzeugen das Puerperalfieber dadurch,
dass in ihrem Gefolge ein zersetzter Stoff entsteht, welcher
resorbirt wird, das Blut entmischt, und als drittes entstehen
erst die Entzündungsproducte.
Auch darin stimmen wir mit Scanzoni überein, dass der
verzögerte Geburtsverlauf auch manchmal Folge des schon
vorhandenen Puerperalfiebers sein könne, denn geschieht die
Blutentmischung in Folge des resorbirten zersetzten Stoffes
schon von der Ausschliessung des Kindes, so wirkt das so
entmischte Blut paralysirend auf den Uterus, und dem entspre-
chend muss sich die Geburt verzögern.
Durch Gemüthsaffecte wird den Individuen weder ein
zersetzter Stoff von aussen eingebracht, noch entsteht in
Folge von Gemüthsaffecten ein zersetzter Stoff in den Indivi-
[375] duen, Gemüthsaffecte sind demnach keine aetiologischen Mo-
mente des Kindbettfiebers. Scanzoni sagt: »Jedem beschäftig-
ten Arzte werden aus seiner Praxis Beobachtungen zu Gebote
stehen, aus welchen er die Ueberzeugung schöpfen muss, dass
der Gesundheitszustand einer Wöchnerin nicht leicht durch
eine andere auf sie einwirkende Schädlichkeit mehr bedroht
wird, als durch einen heftigen, aufregenden oder deprimirenden
Gemüthsaffect.«
Ich bin auch ein beschäftigter Arzt, ich beobachte auch,
dass nicht nur Erst-, sondern auch wiederholt Gebärende von
deprimirenden Gemüthsaffecten, vorzüglich von Todesfurcht
gegen Ende der Schwangerschaft geplagt werden, aber das
Puerperalfieber beobachte ich bei den meiner ärztlichen Vor-
sorge anvertrauten Individuen so selten im Vergleich zur
Häufigkeit der Gemüthsaffecte, dass ich vernünftiger Weise
keinen Zusammenhang annehmen kann zwischen dem seltenen
Puerperalfieber und den häufigen Gemüthsaffecten.
Wenn Scanzoni durch fleissiges Studium dieser Schrift
endlich erkennen wird, was die wahre Ursache des Puerpe-
ralfiebers ist, so wird er gewiss selbst erschrecken über die
Grösse der Gefahr, welcher er die der Pflege seiner Schüler
und Schülerinnen anvertrauten Individuen dadurch aussetzte,
dass er seine Schüler und Schülerinnen als so crasse Ignoran-
ten über die Entstehung des Kindbettfiebers ins praktische
Leben gesendet, und das geschah ja bis zum Jahre 1847 an
allen geburtshilflichen Lehranstalten.
Ist es bei solchen Verhältnissen zu wundern, dass auch
solche inficirt werden, bei welchen ein Gemüthsaffect stattge-
funden?
Scanzoni sagt ferner: »Wir für unseren Theil fürchten
gestützt auf wiederholte Erfahrungen in dieser Beziehung
nichts so sehr, als wenn eine Wöchnerin plötzlich einem hefti-
gen Schrecken, Aerger oder Kummer ausgesetzt wird, denn
es gibt vielleicht keine Lebensphase, in welcher derartige
Affecte nachtheiliger wirken, als das Puerperium.
[376]
Wir könnten eine ansehnliche Zahl genau beobachteter
Fälle namhaft machen, in welchen es keinem Zweifel unter-
liegt, dass eine solche Gemüthsaufregung die wesentliche Ur-
sache der puerperalen Erkrankung darstellt, und zwar ge-
schieht das gewöhnlich in der Weise, dass gleich nach der
Einwirkung jener Schädlichkeit ein heftiger Schüttelfrost ein-
tritt, die Physiognomie sich eigenthümlich entstellt, unter ra-
schem Collapsus der Kräfte alle Erscheinungen einer rapid-
verlaufenden Blutdissolution auftreten. Besonders zu fürchten
sind aber die genannten Gemüthsbewegungen dann, wenn sie
eine bereits erkrankte Wöchnerin befallen, denn hier ist mehr
als unter allen anderen Umständen der Eintritt einer lethalen
Blutentmischung zu gewärtigen.«
Scanzoni hat sich uns schon zu oft als schlechter Beob-
achter gezeigt, als dass wir seine Beobachtung über den ur-
sächlichen Zusammenhang zwischen Gemüthsaffection und
Puerperalfieber für wahr halten könnten, wir sind vielmehr
der Ueberzeugung, dass in der ansehnlichen Zahl von Fällen
eine Infection entweder von ihm selbst, oder von jemanden
Anderen gemacht wurde, und dass in der Zwischenzeit zwi-
schen der Infection und dem Ausbruche des Kindbettfiebers
noch eine Gemüthsaffection hinzutrat, wo aber das Puerperal-
fieber auch ausgebrochen wäre, wenn kein Gemüthsaffect hin-
zugetreten wäre, und da der Gemüthsaffect in Bezug auf die
Zeit dem Resorptions- oder dem Ausbruchstadium näher lie-
gen kann, so geschieht es auch, dass gleich nach stattgehabtem
Gemüthsaffect ein Schüttelfrost etc. etc. eintritt. Wenn Scan-
zoni nicht ein gar so schlechter Beobachter wäre, so könnte
er ja nicht glauben, dass eine Wöchnerin am Puerperalfieber
erkranken könne ohne Blutentmischung, und dass erst durch
Hinzutritt eines Gemüthsaffectes der Eintritt einer lethalen
Blutentmischung zu gewärtigen sei.
Wir klagen den zersetzten Stoff als diejenige Ursache an,
welche das Puerperalfieber hervorbringt, und dieser Stoff
bringt ja bei Männern, bei Frauen, welche nicht Schwangere,
[377] nicht Kreissende, nicht Wöchnerinnen sind, dieselbe Krank-
heit hervor. Wenn Gemüthsaffecte so eine furchtbare Schäd-
lichkeit sind, wie Scanzoni glaubt, so fragen wir, warum brin-
gen denn Gemüthsaffecte bei Männern, bei Frauen, welche
nicht Schwangere, nicht Kreissende, nicht Wöchnerinnen sind,
nicht auch dieselbe Krankheit hervor; nachdem es aber Factum
ist, dass Gemüthsaffecte bei Männern und bei Frauen, welche
nicht im Puerperio sind, keine Pyaemie hervorrufen, so wolle
uns Scanzoni erklären, in welchen Verhältnissen es liege, dass
im Puerperio der schädliche Einfluss von Gemüthsaffecten der-
art modificirt werde, dass er bei Wöchnerinnen Pyaemie her-
vorzubringen im Stande ist.
Aufs Puerperium oder auf die den Schwangeren eigen-
thümliche Blutmischung kann Scanzoni sich nicht berufen,
denn wir haben schon bewiesen, dass in diesem Verhältnisse
die praedisponirende Ursache des Puerperalfiebers nicht liege,
wir haben bewiesen, dass die praedisponirende Ursache des
Puerperalfiebers eine resorbirende Fläche sei; wie verhalten
sich nun Gemüthsaffecte zur resorbirenden Fläche?
Mittelst Zahlen können wir zwar nicht beweisen, dass
das Puerperalfieber ausserhalb der Gebärhäuser nicht durch
Gemüthsaffecte hervorgerufen werde, weil uns über das ausser-
halb der Gebärhäuser vorkommende Puerperalfieber keine
Zahlen zur Disposition stehen. Aber Scanzoni hält, wie es die
Consequenz mit sich bringt, Gemüthsaffecte auch für einen aetio-
logischen Moment des Kindbettfiebers, welches in Gebärhäu-
sern vorkommt, er glaubt in Gemüthsaffecten eine der Ursa-
chen gefunden zu haben, welche es machen, dass die Sterb-
lichkeit an der I. Gebärklinik zu Wien grösser ist, als an der
II. Gebärklinik.
Nun dass dem nicht so sei, dass Gemüthsaffecte an der
I. Gebärklinik kein Puerperalfieber hervorgebracht haben,
das können wir durch Zahlen beweisen, und von der I. Ge-
bärklinik wird dann der Schluss auf die übrigen Gebärhäuser, so
[378] wie auf das Puerperalfieber, welches ausserhalb der Gebär-
häuser vorkommt, erlaubt sein.
Vor allem ist es daher nothwendig, die Jahresrapporte
der beiden Wiener Kliniken seit ihrem Bestehen hier mitzu-
theilen.
Das Wiener Gebärhaus wurde im Jahre 1833 in zwei
Abtheilungen getrennt und Schüler und Schülerinnen wurden
beiden Abtheilungen in gleicher Anzahl behufs des geburts-
hilflichen Unterrichtes zugewiesen. Die Sterblichkeit verhielt
sich auf beiden Abtheilungen wie nachfolgende Tabelle zeigt.
I. Abtheilung.
- Im Jahre 1833 Geburten 3737, Todte 197, M. P. 5,29
- » » 1834 » 2657, » 205, » 7,71
- » » 1835 » 2573, » 143, » 5,55
- » » 1836 » 2677, » 200, » 7,47
- » » 1837 » 2765, » 251, » 9,09
- » » 1838 » 2987, » 91, » 3,04
- » » 1839 » 2787, » 151, » 5,42
- » » 1840 » 2889, » 267, » 9,24
- Summa » 23066, » 1505, » 6,56
II. Abtheilung.
- Im Jahre 1833 Geburten 353, Todte 8, M. P. 2,26
- » » 1834 » 1744, » 150, » 8,60
- » » 1835 » 1682, » 84, » 4,99
- » » 1836 » 1670, » 131, » 7,84
- » » 1837 » 1784, » 124, » 6,99
- » » 1838 » 1779, » 88, » 4,94
- » » 1839 » 2010, » 91, » 4,52
- » » 1840 » 2073, » 55, » 2,65
- Summa » 13095, » 731, » 5,58
Durch eine allerhöchste Entschliessung vom 10. Octo-
ber 1840 wurden sämmtliche Schüler der I. und sämmtliche
Schülerinnen der II. Abtheilung zugewiesen. Die Sterblichkeit
verhielt sich wie folgt:
[379]
I. Abtheilung.
Klinik für Aerzte.
- Im Jahre 1841 Geburten 3036, Todte 237, M. P. 7,80
- » » 1842 » 3287, » 518, » 15,75
- » » 1843 » 3060, » 274, » 8,95
- » » 1844 » 3157, » 260, » 8,23
- » » 1845 » 3492, » 241, » 6,90
- » » 1846 » 4010, » 459, » 11,44
- » 20042, » 1989, » 9,92
II. Abtheilung.
Klinik für Hebammen.
- Im Jahre 1841 Geburten 2442, Todte 86, M. P. 3,52
- » » 1842 » 2659, » 202, » 7,59
- » » 1843 » 2739, » 164, » 5,98
- » » 1844 » 2956, » 68, » 2,30
- » » 1845 » 3241, » 66, » 2,03
- » » 1846 » 3754, » 105, » 2,79
- » 17791, » 691, » 3,38
Mitte Mai 1847 wurden die Chlorwaschungen auf der
Klinik für Aerzte eingeführt. Die Sterblichkeit verhielt sich
folgender Weise:
I. Abtheilung.
Klinik für Aerzte.
- Im Jahre 1847 Geburten 3490, Todte 176, M. P. 5,04
- » » 1848 » 3556, » 45, » 1,27
- » » 1849 » 3858, » 103, » 2,66
- » » 1850 » 3745, » 74, » 1,97
- » » 1851 » 4194, » 75, » 1,78
- » » 1852 » 4471, » 181, » 4,04
- » » 1853 » 4221, » 94, » 2,13
- » » 1854 » 4393, » 400, » 9,10
- » » 1855 » 3659, » 198, » 5,41
- » » 1856 » 3925, » 156, » 3,97
- » » 1857 » 4220, » 124, » 2,96
- » » 1858 » 4203, » 86, » 2,04
- Summa » 47938, » 1712, » 3,57
Summa aller 26 Jahre:
Geburten 91.046, Todte 5206, M. P. 571
[380]
II. Abtheilung.
Klinik für Hebammen.
- Im Jahre 1847 Geburten 3306, Todte 32, M. P. 0,96
- » » 1848 » 3219, » 43, » 1,33
- » » 1849 » 3371, » 87, » 2,58
- » » 1850 » 3261, » 54, » 1,65
- » » 1851 » 3395, » 121, » 3,56
- » » 1852 » 3360, » 192, » 5,71
- » » 1853 » 3480, » 67, » 1,92
- » » 1854 » 3396, » 210, » 6.18
- » » 1855 » 2938, » 174, » 5,92
- » » 1856 » 3070, » 125, » 4.07
- » » 1857 » 3795, » 83, » 2,18
- » » 1858 » 4179, » 60, » 1,43
- Summa » 40760, » 1248, » 3,06
Summa aller 26 Jahre:
Geburten 71646, Todte 2660, M. P. 3,71
Der Leser weiss, dass es unsere Ueberzeugung ist, dass
alle Fälle von Kindbettfieber, keinen einzigen Fall ausgenom-
men, dadurch entstehen, dass ein zersetzter Stoff resorbirt
wird; um diese Ueberzeugung zur allgemeinen zu machen,
veröffentlichen wir diese Schrift.
Der zersetzte Stoff, welcher das Kindbettfieber hervor-
bringt, entstehtaber entweder im erkrankten Individuum selbst,
und diese Fälle nennen wir die Selbstinfection, und diese Fälle
können nicht immer verhütet werden, und diese Fälle von
Selbstinfection werden vorkommen, so lange das menschliche
Weib gebären wird.
Aber diese Fälle sind so selten, dass in Folge von Selbst-
infection nicht eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen stirbt.
Oder der zersetzte Stoff wird den Individuen von aussen
eingebracht, und von aussen her können die Individuen in un-
beschränkter Zahl inficirt werden, die Infection von aussen
kann aber durch entsprechende Massregeln verhütet werden.
Wenn wir nun mit dieser unserer Ueberzeugung die
Rapporte der beiden Kliniken während der 26 Jahre ihres
Bestehens prüfen, so zeigt sich, dass nur im Jahre 1847 an der
[381] Hebammenschule blos Selbstinfectionsfälle vorgekommen sind,
weil blos im Jahre 1847 nicht eine Wöchnerin von 100 Wöch-
nerinnen an der Hebammenschule starb. Während in den
übrigen Jahren an beiden Abtheilungen Infectionsfälle von
aussen in grösserer oder geringerer Ausdehnung vorgekom-
men sind. So z. B. wurden während der acht Jahre, wo Schü-
ler und Schülerinnen an beiden Abtheilungen in gleicher An-
zahl vertheilt waren, an der I. Abtheilung 23.066 Wöchnerin-
nen verpflegt, davon sind gestorben 1505, und obwohl wir an
der Ueberzeugung, dass in Folge von Selbstinfection nicht
Eine von 100 Wöchnerinnen starb, festhalten, so nehmen wir
blos der leichteren Berechnung wegen an, dass in Folge von
Selbstinfection Eine von 100 Wöchnerinnen stirbt. Es sind
demnach, diese Basis angenommen, von den 23.066 verpfleg-
ten Wöchnerinnen 230 in Folge von Selbstinfection und 1275
in Folge von Infection von aussen gestorben. In demselben
Zeitraum wurden an der II. [Abtheilung] 13.095 Wöchnerinnen
verpflegt; von 731 verstorbenen Wöchnerinnen starben 130
in Folge von Selbstinfection und 601 in Folge von Infection
von aussen. Während der sechs Jahre, wo die I. Abtheilung
Klinik für Aerzte war, und keine Chlorwaschungen geübt
wurden, wurden daselbst verpflegt 20.042 Wöchnerinnen; von
den 1989 verstorbenen Wöchnerinnen starben 200 in Folge
von Selbstinfection, und 1789 in Folge von Infection von aus-
sen. Während desselben Zeitraumes starben an der Hebam-
menabtheilung von 17.791 Wöchnerinnen 691, und zwar 177
in Folge von Selbstinfection und 514 in Folge von Infection
von aussen. In den zwölf Jahren nach Einführung der Chlor-
waschungen starben an der Klinik für Aerzte von 47.938
Wöchnerinnen 1712, und zwar 479 in Folge von Selbstinfec-
tion und 1233 in Folge von Infection von aussen. In demsel-
ben Zeitraume starben an der Klinik für Hebammen von
40.760 Wöchnerinnen 1248, und zwar 407 in Folge von
Selbstinfection und 841 in Folge von Infection von aussen.
Es starben mithin von den an der I. Abtheilung während der
[382] 26 Jahre ihres Bestehens 91.046 verpflegten Wöchnerinnen
5206, und zwar 910 in Folge von Selbstinfection und 4296
in Folge von Infection von aussen. In demselben Zeitraum
starben von den an der II. Abtheilung 71.646 verpflegten
Wöchnerinnen 2660, und zwar 716 in Folge von Selbstinfec-
tion und 1944 in Folge von Infection von aussen.
Es wurden mithin an beiden Abtheilungen während der
26 Jahre ihres Bestehens 162.692 Wöchnerinnen verpflegt,
davon sind gestorben 7866, und zwar 1626 in Folge von
Selbstinfection und 6240 in Folge von Infection von aussen.
Und in dieser Zahl fehlen die Transferirten, und wie gross
mag die Zahl der Kinder gewesen sein, welche durch ihre
Mütter inficirt, ebenfalls an Blutdissolution starben?
Wahrlich, meiner Hand würde die Feder entgleiten bei
Constatirung eines so immensen Unglückes, welches in dem
kurzen Zeitraume von 26 Jahren in einem einzigen Gebär-
hause sich zugetragen, wenn mir nicht die Ueberzeugung
Kraft geben würde, dass in Folge dieser Schrift früher oder
später dieses Unglück aufhören wird.
Der Leser kann der eben gegebenen Tabelle entnehmen,
dass die Sterblichkeit an beiden Abtheilungen während der
8 Jahre, in welchen an beiden Abtheilungen Schüler und
Schülerinnen in gleicher Zahl unterrichtet wurden, nicht we-
sentlich verschieden war, auf der I. Abtheilung starben näm-
lich 6,56 P.-Antheil und an der II. Abtheilung 5,58 P.-Antheil,
es ist daher die Sterblichkeit an der I. Abtheilung nur um
0,98 P.-Antheil grösser gewesen, während der Jahre 1834,
1836 und 1838 war aber die relative Sterblichkeit auf der
II. Abtheilung sogar grösser als in denselben Jahren an der
I. Abtheilung.
Während der sechs Jahre, während welcher die I. Ab-
theilung Klinik für Aerzte war, ohne Chlorwaschungen, war
die Sterblichkeit an dieser Abtheilung 9,92 P.-Antheil, wäh-
rend auf der Hebammenabtheilung in demselben Zeitraume
die Sterblichkeit 3,38 P.-Antheil betrug. Es war mithin in die-
[383] sem Zeitraume die Sterblichkeit an der Klinik für Aerzte, die
Transferirten ungerechnet, um 6,54 P.-Antheil grösser, als auf
der Hebammenabtheilung. In den zwölf Jahren nach Einfüh-
rung der Chlorwaschungen war die Sterblichkeit an der Kli-
nik für Aerzte 3,57 P.-Antheil, und in demselben Zeitraume
war die Sterblichkeit an der Abtheilung für Hebammen 3,06
P.-Antheil. Es war mithin in diesen zwölf Jahren die Sterb-
lichkeit an der Klinik für Aerzte nur um 0,51 P.-Antheil grös-
ser, als an der Abtheilung für Hebammen, aber im Jahre 1851
und 1852 war die absolute Sterblichkeit an der Klinik für
Hebammen grösser, als in denselben Jahren an der Klinik für
Aerzte; und in den Jahren 1848, 1851, 1852, 1855 und 1856
war die relative Sterblichkeit an der Hebammenabtheilung
grösser als in denselben Jahren an der Klinik für Aerzte.
Die Erklärung, warum in den acht Jahren, während wel-
cher Schüler und Schülerinnen an beiden Abtheilungen ver-
theilt waren, die Sterblichkeit an beiden Abtheilungen nicht
wesentlich verschieden war, ja die relative Sterblichkeit zwi-
schen beiden Abtheilungen sogar schwankte; die Erklärung,
warum in den sechs Jahren, in welchen die Schüler nach dem
Geschlechte ohne Chlorwaschungen getrennt waren, an der
Klinik für Aerzte die Sterblichkeit constant im Jahre 1846
sogar mehr als fünf Mal und innerhalb der sechs Jahre durch-
schnittlich mehr als dreimal so gross war, als in der Hebam-
menabtheilung; die Erklärung, warum in den zwölf Jahren
nach Einführung der Chlorwaschungen die Sterblichkeit wie-
der an beiden Abtheilungen nicht wesentlich verschieden war,
ja sogar die absolute und relative Sterblichkeit zwischen bei-
den Abtheilungen schwankte. Diese Erklärung ist sehr leicht
gegeben: der Leser weiss, dass es drei Quellen gibt, aus wel-
chen der zersetzte Stoff genommen wird, welcher den Indivi-
duen von aussen eingebracht, das Kindbettfieber hervorbringt.
So lange Schüler und Schülerinnen an beiden Abtheilungen
vertheilt waren, wurden an beiden Abtheilungen aus allen drei
Quellen inficirt.
[384]
Es konnte daher kein wesentlicher Unterschied in der
Grösse der Sterblichkeit der beiden Abtheilungen sein, und
je nachdem an einer Abtheilung mehr oder weniger infi-
cirt wurden, schwankte die relative Sterblichkeit zwischen
beiden Abtheilungen.
Der Grund, warum in diesem Zeitraume nicht auch die
absolute Sterblichkeit zwischen beiden Abtheilungen schwankte,
liegt darin, dass in diesem Zeitraume jährlich im Durch-
schnitte 1246 Wöchnerinnen an der I. Abtheilung mehr ver-
pflegt wurden; es wurden mithin an der I. Abtheilung jährlich
beinahe zweimal so viele Wöchnerinnen als an der II. Abthei-
lung verpflegt, und bei gleicher Infectionsmöglichkeit muss
nothwendig die absolute Sterblichkeit an derjenigen Abthei-
lung grösser sein, an welcher für die Infection eine grössere
Anzahl von Individuen zur Disposition steht.
Durch Zuweisung sämmtlicher Schüler der I. Abtheilung
floss der zersetzte Stoff, welcher seine Quelle in der Leiche
hat, an der Klinik für Aerzte reichlicher als früher, während
er an der Klinik für Hebammen zum Theile versiegte, und da-
her die verminderte Sterblichkeit an der Klinik für Hebam-
men um 2,20 P.-Antheil, und die Steigung der Sterblichkeit
an der Klinik für Aerzte um 3,36 P.-Antheil; die Durch-
schnittszahl der alljährlich mehr an der Klinik für Aerzte ver-
pflegten Wöchnerinnen beträgt in diesem Zeitraume 375.
In den zwölf Jahren nach Einführung der Chlorwaschun-
gen minderte sich die Sterblichkeit an der Klinik für Aerzte
um 6,35 P.-Antheil und an der Klinik für Hebammen um
0,32 P.-Antheil, und je nachdem an der einen oder der ande-
ren Abtheilung die Infectionsfälle von aussen strenger oder
minder streng verhütet wurden, schwankte in diesem Zeit-
raume die absolute und relative Sterblichkeit zwischen beiden
Abtheilungen, die Durchschnittszahl der mehr an der Klinik
für Aerzte in diesem Zeitraume jährlich verpflegten Wöchne-
rinnen beträgt 598. Der Leser sieht, dass die glückliche
Zeit des Wiener Gebärhauses, wo innerhalb 25 Jahren nicht
[385] eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb, durch die Ein-
führung der Chlorwaschungen nicht wiedergekehrt ist. Und
diese glückliche Zeit wird im Wiener Gebärhause und in allen
Gebärhäusern, wo ähnliche Verhältnisse herrschen, in so lange
nicht wiederkehren, bis nicht das von mir erbetene Gesetz
durch die Regierungen in Kraft tritt, dass es jedem ein Ge-
bärhaus Besuchenden bei Strafe der Ausschliessung geradezu
verboten wird, sich während der Zeit seines Studiums im
Gebärhause mit Dingen zu beschäftigen, welche geeignet sind,
eine Infection hervorzurufen.
Mir wird der Leser gewiss glauben, dass ich gethan,
was nur immer möglich war, um alle Fälle von Infection von
aussen zu verhüten, und es ist mir nicht gelungen, denn ich
verlor im Jahre 1848, wo das ganze Jahr hindurch von
mir die Chlorwaschungen so streng wie nur möglich beauf-
sichtiget wurden, von 3556 Wöchnerinnen 45, folglich sind
selbst die nicht wahre Basis angenommen, dass eine Wöch-
nerin von 100 Wöchnerinnen in Folge von unverhütbarer
Selbstinfection stirbt, noch immer 10 Fälle in Folge verhüt-
barer Infection von aussen vorgekommen. Im Jahre 1847, wo
Mitte Mai die Chlorwaschungen eingeführt wurden, starben
von den 3490 an der Klinik für Aerzte verpflegten Wöchne-
rinnen 176, und zwar 34 in Folge von Selbstinfection und
142 in Folge von Infection von aussen.
Und dass nach mir, obwohl die Sterblichkeit sich um 6.35
P.-Antheil minderte, doch sehr zahlreiche verhütbare Infec-
tionsfälle von aussen vorgekommen sind, findet seine Erklä-
rung darin, dass alle an beiden Abtheilungen officiell fungi-
renden Aerzte Gegner meiner Ueberzeugung waren, und sind.
Mein Nachfolger in der Assistenz, Carl Braun, hat gegen
mich geschrieben, während seiner fünfjährigen Assistenz in
den Jahren 1849—1853 wurden an der Klinik für Aerzte
20,489 Wöchnerinnen verpflegt, davon sind gestorben 527,
also 204 in Folge unverhütbarer Selbstinfection und 323 in
Folge verhütbarer Infection von aussen.
Semmelweis, Kindbettfieber. 25
[386]
Im Jahre 1858, in welchem Carl Braun als Professor an
der Klinik für Aerzte zu fungiren begann, wurden 4203
Wöchnerinnen verpflegt, davon starben 86, also 42 in Folge
von Selbstinfection und 44 in Folge von verhütbarer Infection
von aussen.
Gustav Braun, Carl Braun’s Bruder und Nachfolger in
der Assistenz, hat zwar seine Stimme öffentlich noch nicht er-
hoben, aber die 400 Todten im Jahre 1854 verkünden lauter
als eine Stentorstimme, welch ein tüchtiger Epidemiker er
ist. O Michaelis! O Michaelis!!!
In den vier Jahren 1854—1857, in welchen Gustav Braun
an der Klinik für Aerzte als Assistent und als supplirender
Professor fungirte, wurden 16,197 Wöchnerinnen verpflegt,
davon sind gestorben 878, und zwar 161 in Folge von Selbst-
infection und 717 in Folge von verhütbarer Infection von
aussen.
Was die Hebammenklinik anbelangt, so wurden die
Chlorwaschungen, so lange ich als Assistent fungirte, dort
nicht eingeführt; aus einer Stelle in Carl Braun’s Oppositions-
schrift gegen mich geht hervor, dass nach mir die Chlorwa-
schungen auch dort eingeführt wurden, mit welcher Gewis-
senhaftigkeit aber die Chlorwaschungen an der Hebammen-
schule in Anwendung gezogen wurden, geht daraus hervor,
dass sich die Sterblichkeit in den letzten zwölf Jahren nur um
0,32 P.-Antheil minderte.
Und zwar ganz natürlich, die Aerzte der Hebammen-
schule konnten unmöglich von den Aerzten der I. Klinik ler-
nen, wie man das Puerperalfieber verhindern kann, denn die
Aerzte der Hebammenschule haben ja durch sechs Jahre be-
wiesen, dass sie das Puerperalfieber zu verhüten besser ver-
stehen, als die Aerzte der I. Klinik, denn sie haben durch
sechs Jahre eine dreimal kleinere Sterblichkeit gehabt.
Die eben gegebene Tabelle zeigt, dass an den beiden Ab-
theilungen während der 26 Jahre ihres Nebeneinanderbe-
stehens durch 20 Jahre die Sterblichkeit an beiden Abthei-
[387] lungen gleich war, und zwar war die Sterblichkeit an bei-
den Abtheilungen durch acht Jahre gleich gross und durch
zwölf Jahre gleich klein, und nur durch sechs Jahre war ein
greller Unterschied in der Sterblichkeit zu Ungunsten der
I. Klinik. Wir haben gezeigt, dass dieser Unterschied dadurch
bedingt war, dass der zersetzte Stoff, der aus der Quelle,
welche der Cadaver darstellt, fliesst, in diesen sechs Jahren
an der I. Klinik durch Zuweisung sämmtlicher Schüler reich-
licher geflossen ist, als an der II. Klinik, dass demnach das
Plus der Sterblichkeit an der I. Klinik im Vergleich zur
II. Klinik in diesen sechs Jahren in den Cadavertheilen zu
suchen ist, mit welchem die Hände der an der I. Abtheilung
Untersuchenden verunreiniget waren.
Nachdem ich den Leser mit der Thatsache bekannt ge-
macht habe, dass das Plus der Sterblichkeit an der I. Klinik
während sechs Jahren im Vergleiche zur II. in den Cadaver-
theilen begründet war, mit welchen die Hände der an der
I. Klinik Untersuchenden verunreiniget werden, wollen wir
wieder zu Scanzoni zurückkehren. Scanzoni sagt: »Nicht um-
hin können wir hier darauf aufmerksam machen, dass ein
Grund der so häufigen und bösartigen Erkrankungen der in
grösseren Gebäranstalten verpflegten Wöchnerinnen wohl auch
in der Angst und Besorgniss zu suchen ist, mit welcher sie
ein Haus betreten, von dem es ihnen bekannt ist, dass es all-
jährlich ein grosses Contingent an Todten stellt.
So wurde uns mehrseitig versichert, dass im Wiener Ge-
bärhause, wo die Aufnahme in den beiden Abtheilungen von
24 zu 24 Stunden wechselt, die Schwangeren und Kreissenden,
wo es nur halbwegs anging, sich nicht früher zur Aufnahme
meldeten, als bis die Stunde für die Aufnahme in die zweite,
zum Unterrichte für die Hebammen bestimmte Abtheilung
schlug, zum Theile vielleicht deshalb, um sich dem auf der
I. Abtheilung den Studirenden ertheilten Unterrichte zu unter-
ziehen, mehr aber wohl aus dem Grunde, weil es allgemein
bekannt ist, dass der Gesundheitszustand der in dieser letzt-
25 *
[388] genannten Abtheilung verpflegten Wöchnerinnen im Allgemei-
nen ein ungleich ungünstigerer ist. Erlauben es aber die Um-
stände nicht, die ersehnte Stunde abzuwarten, so kann man
sich denken, mit welchen Gefühlen, mit welcher Angst die
Kreissende die Anstalt betritt, und berücksichtigt man noch,
dass sie kaum angelangt, sich zum Untersuchungs- und Beob-
achtungsobjecte einer grösseren, nicht immer mit dem gröss-
ten Zartgefühle vorgehenden Anzahl männlicher Individuen
hergeben muss, so wird man uns wohl keine Ungereimtheit
vorwerfen, wenn wir in diesem Umstande eine der Ursachen
gefunden zu haben glauben, welche die nicht zu läugnende
Differenz in den Mortalitätsverhältnissen der angeführten zwei
Gratisabtheilungen bedingt!! Scanzoni hat allerdings eine Un-
gereimtheit behauptet, wenn er in der Furcht der Individuen
eine der Ursachen fand, welche das Plus der Sterblichkeit an
der I. Gebärklinik im Vergleich zur II. hervorgebracht haben,
die eben gegebene Tabelle hat etwas Anderes gelehrt, die Indi-
viduen haben sich allerdings vor der I. Klinik gefürchtet,
wie wir dies selbst in dieser Schrift Seite 32, Zeile 30 erzähl-
ten. Aber in Folge der Furcht ist kein einziges Individuum
am Puerperalfieber gestorben. Die Jeremiade, die Scanzoni
über die I. Klinik in Wien anstimmt, passt Wort für Wort
auch auf die Klinik für Aerzte in Prag, und wenn das Prager
Gebärhaus keine solche Tabelle aufzuweisen hat, wie wir un-
ter Tabelle Nr. I, Seite 3, von dem Wiener Gebärhaus ver-
öffentlichten, so liegt der Grund nicht darin, dass an der Kli-
nik für Aerzte zu Prag nicht bedeutend zahlreichere Todes-
fälle vorgekommen wären, als an der Klinik für Hebammen,
und zwar bedingt dadurch, dass an der Klinik für Aerzte zu
Prag aus der Quelle, welche der Cadaver darstellt, häufigere
Infectionen geübt wurden, als aus derselben Quelle an der
Klinik der Hebammen, sondern der Grund liegt, wie wir
schon einmal nachgewiesen, in den an der Klinik für Aerzte
zu Prag regelmässig vorgenommenen Transferirungen erkrank-
ter Wöchnerinnen, wodurch der differente Gesundheitszustand
[389] der beiden Kliniken, und zwar zu Ungunsten der Klinik für
Aerzte nicht in die Erscheinung treten konnte.
Wer wagt es zu läugnen, dass dieselben Ursachen in
Wien, in Strassburg und Prag nicht dieselben Folgen hat-
ten in Prag, welche Folgen selbe in Wien und Strassburg
hatten?
In der Aufzählung der aetiologischen Momente des Kind-
bettfiebers fortfahrend sagt Scanzoni: „Von vielen Seiten wer-
den Diätfehler, wie z. B. Erkältungen, der Genuss schwer-
verdaulicher Speisen, erhitzender Getränke u. s. w., als her-
vorragende Ursachen der puerperalen Erkrankungen angese-
hen. Wir wollen die Möglichkeit einer derartigen Entstehungs-
weise des Puerperalfiebers keineswegs in Abrede stellen; doch
ist der Einfluss der genannten Schädlichkeiten gewiss nur ein
untergeordneter.“
Wir läugnen auch die Möglichkeit, dass Puerperalfieber
in Folge dieser Schädlichkeiten entstehen könne, weil durch
diese Schädlichkeiten den Individuen weder ein zersetzter Stoff
von aussen eingebracht wird, noch entsteht in Folge dieser
Schädlichkeiten ein zersetzter Stoff in den Individuen.
Schliesslich, sagt Scanzoni, »wollen wir noch die Ansichten
beleuchten, welche über die Ursache des so unverhältnissmäs-
sig häufigen und bösartigen Auftretens der Puerperalfieber in
Gebäranstalten herrschen.«
Bevor wir jedoch zu diesen Ansichten übergehen, dürfte
es zweckmässig sein, hier meine Ansicht über diesen Gegen-
stand auszusprechen, und zu diesem Zwecke bitte ich den Le-
ser, sich recht deutlich zu vergegenwärtigen, was im Wiener
Gebärhause vor Einführung der Chlorwaschungen geschah;
dort befanden sich 42 Schüler, welche sich vermöge des Sy-
stems, nachdem sie zu Aerzten erzogen wurden, die Hände
sehr häufig mit zersetzten Stoffen verunreinigen mussten, und
weil sie von Niemanden gewarnt wurden, so untersuchten sie
auch mit von zersetzten Stoffen riechenden Händen die 10 bis
30 Individuen, welche ihnen täglich im Gebärhause als Beleh-
[390] rungsobjecte zur Disposition standen, und da ausserhalb der
Gebärhäuser nie Gelegenheit ist, sich so regelmässig die
Hände mit zersetzten Stoffen zu verunreinigen, und wenn die
Hand ausserhalb der Gebärhäuser mit zersetzten Stoffen ver-
unreiniget wird, so hat doch diese Hand ausserhalb des Ge-
bärhauses keine Gelegenheit, nacheinander 10 bis 30 Individuen
zu untersuchen, und wenn nun der Leser vom Wiener Gebär-
hause einen Schluss auf die übrigen Gebärhäuser, in welchen
ähnliche Verhältnisse herrschen, macht, so hat der Leser die
Ursache des so unverhältnissmässig häufigen und bösartigen
Auftretens des Puerperalfiebers in Gebäranstalten.
Scanzoni glaubt, die Ursache des so unverhältnissmässig
häufigen und bösartigen Auftretens des Puerperalfiebers in
Gebäranstalten sei im Puerperalmiasma begründet. Wir haben
an der betreffenden Stelle dieser Schrift erklärt, dass aller-
dings ein zersetzter Stoff in der atmosphärischen Luft des
Wochenzimmers schweben kann, und dass dadurch das Puer-
peralfieber entstehen könne, wenn die so verunreinigte Luft
in die Gebärmutterhöhle eindringt, haben aber zugleich be-
hauptet, dass es ein Puerperalmiasma in dem Sinne, wie es
bisher genommen wurde, nicht existire, und haben als über-
zeugenden Beweis den Erfolg der Chlorwaschungen angeführt,
denn Chlorwaschungen der Hände im Kreissezimmer geübt,
hätten erfolglos bleiben müssen, wenn das Puerperalfieber durch
ein Miasma bedingt gewesen wäre, welches sich in dem Wo-
chenzimmer entwickelt. Wir haben sehr zahlreiche Tabellen
construirt, um zu beweisen, dass die Ueberfüllung eines Ge-
bärhauses nicht im ursächlichen Zusammenhange stehe mit
den sich in demselben Gebärhause ereigneten Todesfällen, und
glauben mit Recht, dass dieselben Tabellen zugleich beweisen,
dass die Ansicht falsch ist, welche glaubt, dass sich ein Puer-
peralmiasma beim Vorhandensein einer gewissen Anzahl von
Wöchnerinnen entwickeln müsse. Und um nicht Wasser in
die Donau zu tragen, wollen wir nur auf das eine Factum hin-
deuten, dass die fünf ungünstigen Monate innerhalb 97 Mo-
[391] naten an der I. Gebärklinik solche waren, wo weniger Wöch-
nerinnen verpflegt wurden, als in den zwei günstigsten Mo-
naten innerhalb dieser 97 Monate, wo an der I. Gebärklinik
gar keine Wöchnerin starb (siehe Tabelle XXXVI, Seite 215).
Dieses Factum gibt der Gefährlichkeit der Ueberfüllung und
der Existenz des Puerperalmiasmas den Todesstoss.
Zum Ueberfluss wollen wir die Gründe, welche Scanzoni
für die Existenz des Puerperalmiasmas aufzählt, widerlegen.
Für die Existenz des Puerperalmiasmas spricht noch Scanzoni
der Umstand, »dass in einer Gebäranstalt ungewöhnlich häu-
fige Erkrankungen vorkommen, während die in derselben
Stadt und der Umgebung entbundenen Frauen sich eines gu-
ten Gesundheitszustandes erfreuen.« Der Leser weiss, dass die
Ursache dieser Erscheinung darin liegt, dass in- und ausser-
halb der Gebarhäuser nicht immer gleichzeitig inficirt wird,
»dass die abnorme Häufigkeit der Erkrankungen sehr oft
mit einer allzugrossen Ueberfüllung der Wochenzimmer zu-
sammenfällt.« Auch bei überfülltem Gebärhause wird inficirt.
»Dass sie vorzüglich in den Wintermonaten beobachtet wird,
wo die Erneuerung der Luft in den Krankensälen auf grössere
Schwierigkeiten stösst.« Weil im Winter die Schüler sich mehr
mit Dingen beschäftigen, welche ihre Hände mit zersetzten
Stoffen verunreinigen, als im Sommer, und es würde sich der
Mühe lohnen, die Schwierigkeiten, welche der Erneuerung
der Luft in den Krankensälen entgegenstehen, zu überwin-
den, wenn das die Ursache so zahlreicher Erkrankungen ist.
»Dass gerade nur die in gewissen Zimmern befindlichen Wöch-
nerinnen erkranken.« Wenn 15 oder 20 Individuen nacheinan-
der auf dem Kreissezimmer inficirt werden, so füllen diese
Individuen schon ein Wochenzimmer aus, in welchem selbe
dann erkranken. Und wenn Scanzoni endlich sagt, dass an
mehreren Orten durch das Beziehen eines neuen, geräumigen,
zweckmässig eingerichteten Hauses, durch eine sorgfältige
Ueberwachung der Pflege der Wöchnerinnen, und der Rein-
haltung des Zimmers und der verschiedenen Utensilien ein günsti-
[392] gerer Gesundheitszustand erzielt wurde, so sind wir mit ihm
sehr einverstanden, vorausgesetzt, dass Scanzoni zu den rein
zu haltenden Utensilien auch den untersuchenden Finger zählt,
wo nicht, so glauben wir, dass in dem neuen Gebäude das
Puerperalfieber fortwüthen wird, wie uns das vom Strassbur-
ger Gebärhaus bekannt ist.
Wenn Scanzoni sagt, dass der Hospitalbrand, der Ty-
phus, die Dysenterie durch Miasma entstehen, folglich auch
das Puerperalfieber, weil eine verhältnissmässig grosse An-
zahl, meist der armen Classe angehöriger, die Reinhaltung
ihres Körpers in der Regel vernachlässigender Frauen im Wo-
chenzimmer untergebracht sind, in welchem die Luft durch
die ununterbrochene Secretion der Lochien, durch die daselbst
stattfindenden Excretionen der Mütter und Kinder verunrei-
niget wird, so lassen wir uns in keine Erörterung über die
Entstehung des Hospitalbrandes, des Typhus und der Dy-
senterie ein, glauben aber, dass diese Umstände kein Puer-
peralmiasma erzeugen, weil alle diese Umstände an der I. Ge-
bärklinik zu Wien im Jahre 1848 vorhanden waren, und sich
doch kein Puerperalmiasma entwickelt hat, denn wir verloren
nur 45 Wöchnerinnen.
Wenn Scanzoni aber sagt, dass sich in dem Zimmer eine
oder mehrere bereits erkrankte Wöchnerinnen befinden kön-
nen, welche durch den oft ununterbrochenen Ausfluss jauchiger,
übelriechender Secrete aus den Genitalien die Luft verunrei-
nigen, so sind wir mit ihm vollkommen einverstanden, wenn
er glaubt, dass dadurch bei den Gesunden das Puerperalfieber
erzeugt werden könne, nur glauben wir nicht, dass ein so
entstandenes Puerperalfieber miasmatischen Ursprungs sei.
Natürlich, sagt Scanzoni, steigern sich diese Nachtheile
mit der Menge der in einem Zimmer untergebrachten Kran-
ken, und wir kennen kein widersinnigeres, ja strafwürdigeres
Gebahren, als wenn Vorstände von Gebäranstalten eigene Ge-
mächer zur Aufnahme der erkrankten Wöchnerinnen bestim-
[393] men, wo sie an einander gehäuft, den Einwirkungen einer
wahrhaft verpesteten Luft ausgesetzt sind.
Wir kennen Vorstände von Gebäranstalten, welche ein
widersinnigeres, ja strafwürdigeres Gebahren beobachten,
und das sind jene Vorstände von Gebäranstalten, zu welchen
auch Scanzoni zählt, die durch ihre widersinnige, zu strafwür-
dige Opposition gegen meine Lehre sich in die Nothwendig-
keit setzen, viele kranke Wöchnerinnen unterbringen zu müs-
sen, während bei Beobachtung meiner Lehre die Räume zur
Unterbringung kranker Wöchnerinnen bestimmt, sehr wenig
bevölkert sein würden.
Scanzoni sagt am Schlusse seiner Abhandlung über die
Aetiologie des Kindbettfiebers: »Aus dem Gesagten geht her-
vor, dass wir den miasmatischen Einfluss für denjenigen hal-
ten, welcher in Gebäranstalten seine mörderische Kraft so
häufig entfaltet, wobei wir jedoch besonders hervorheben müs-
sen, dass auch hier atmosphärische oder anders ausgedrückt
epidemische Einwirkungen nicht geläugnet werden können,
wofür wir nur in Kürze anführen wollen, dass die häufigen
Erkrankungen in Gebärhäusern nicht selten mit ausserhalb
derselben herrschenden Puerperalepidemien zusammenfallen,
den letzteren entsprechend zu- und abnehmen, und wie wir
dies wiederholt beobachteten, nicht selten mit dem Eintritte
eines plötzlichen Witterungswechsels oder sonstiger atmosphä-
rischen Veränderungen bei sonst gleichgebliebenen localen
Verhältnissen ebenso plötzlich aufhören!! Die mörderische
Kraft in Gebäranstalten finden wir nicht wie Scanzoni im
Puerperalmiasma, sondern im zersetzten Stoff, und dass dem
so ist, können wir dadurch beweisen, dass wir selbst, von den
Erfahrungen Anderer gar nicht zu sprechen, an drei Anstalten
diese mörderische Kraft getroffen haben, nicht durch Mass-
regeln, gerichtet gegen das Puerperalmiasma, sondern durch
Massregeln, gerichtet gegen den zersetzten Stoff. Wenn Scan-
zoni die mörderische Kraft in den Gebäranstalten im Puerpe-
ralmiasma begründet findet, so stempelt er sich selbst und
[394] alle Vorstände, in deren Gebäranstalten das Puerperalmiasma
seine mörderische Kraft entfaltet, zu Verbrechern, denn es
wäre ihre heiligste Pflicht gewesen, die Entwicklung des
Puerperalmiasma’s zu verhindern, oder das trotzdem ent-
wickelte Miasma wieder zu zerstören. Die Gebärhäuser sind
wahre vom Staate unterhaltene Mörderhöhlen nicht nur dann,
wenn das Puerperalfieber contagiös ist, die Gebärhäuser sind
wahre vom Staate unterhaltene Mörderhöhlen auch dann, wenn
das Puerperalfieber miasmatischen Ursprunges ist, wenn das
Puerperalfieber durch Infection entsteht. Wir sind der Ueber-
zeugung, dass das Puerperalfieber nie anders. als durch Infec-
tion entsteht, dieser Ueberzeugung entsprechend, thun wir seit
1847 alles was in unsern Fähigkeiten liegt, um die Gebärhäuser
aufhören zu machen, wahre Mörderhöhlen zu sein. Und wenn
Scanzoni im Puerperalmiasma die mörderische Kraft in den
Gebärhäusern begründet findet, und trotzdem mit keiner Silbe
erwähnt, wie man die Entwicklung des Puerperalmiasmas ver-
hindern, oder wie man das entwickelte Puerperalmiasma
zerstören soll, so zeigt das nur von der Gedankenlosigkeit, mit
welcher Scanzoni über Dinge schreibt, die er nicht versteht.
Wenn Scanzoni dadurch, dass den häufigen Erkrankun-
gen in Gebärhäusern manchmal eine Epidemie ausserhalb der
Gebärhäuser entspricht, den Beweis führen will, dass nebst
dem Puerperalmiasma auch etwas Epidemisches unterläuft, so
theilen wir diese Ansicht nicht, und erklären vielmehr die
zahlreichen Erkrankungen in- und ausserhalb der Gebärhäuser
dadurch, dass die Individuen in- und ausserhalb der Gebär-
häuser gleichzeitig inficirt werden.
Wenn Scanzoni sogar wiederholt beobachtet haben will,
dass die Epidemien in- und ausserhalb des Gebärhauses ent-
sprechend ab- und zunehmen, so begreifen wir nicht, wie eine
solche Beobachtung möglich ist, da doch gewiss Niemand
Scanzoni Zahlen-Rapporte über das ausserhalb des Gebär-
hauses vorkommende Kindbettfieber eingesendet hat, und
endlich glaubt Scanzoni auch das als Beweis anführen zu können,
[395] dass nebst dem Miasma auch etwas Epidemisches bei Puerperal-
Epidemien im Spiele sei, das bei Eintritt eines plötzlichen
Witterungswechsels oder sonstiger atmosphärischer Verän-
derungen, das heisst, wenn der kalte Winter aufhört und mit
dem Frühjahre die Landpartien der Studenten beginnen, dass
bei sonst gleichgebliebenen localen Verhältnissen die Epidemie
aufhört, dass wegen geänderter Jahreszeit die mit zersetzten
Stoffen verunreinigten Hände seltener werden, ist natürlich
ein keiner Beachtung werther Gegenstand.
Die Frage, ob das Puerperalfieber eine contagiöse Krank-
heit sei oder nicht, beantwortet Scanzoni mit Nein, und mit
diesem Nein sind wir einverstanden. Scanzoni sagt: »Alle die
Gründe, welche die Vertheidiger der Contagiosität des Puer-
peralfiebers zu Gunsten ihrer Ansicht vorbrachten, sind ent-
weder nicht nachgewiesen, oder sie sprechen nur für die
Existenz einer miasmatischen oder epidemischen Entstehungs-
weise dieser Krankheit, oder lassen endlich auch noch die
Annahme zu, dass ein deletaerer Stoff: Eiter, Jauche, u. s. w.
von einer kranken Wöchnerin in den Organismus einer gesun-
den eingebracht wurde, und so eine allgemeine Bluterkrankung
hervorrief, wo jedoch gewiss Niemand von einem eigentlichen
Contagium wird sprechen können.«
Wir haben nachgewiesen, dass das Puerperalfieber weder
miasmatischen noch epidemischen Ursprunges sei, sondern
dass es in allen Fällen durch die Resorption eines deletaeren
Stoffes entstehe, und zu den Quellen, woher der deletaere Stoff
genommen wird, gehören allerdings auch Wöchnerinnen.
welche einen deletaeren Stoff erzeugen.
Scanzoni sagt: »Was die letztgenannte Art der Entste-
hungsweise des Puerperalfiebers, nämlich die eiterige oder
jauchige Infection des Blutes durch in den Organismus einge-
brachte deletaere Stoffe, anbelangt, so haben in neuester Zeit
Semmelweis und Skoda die Aufmerksamkeit des ärztlichen
Publicums auf diesen Gegenstand gelenkt, indem sie behaup-
teten, dass das so ungünstige Sterblichkeitsverhältniss auf der
[396] ersten geburtshilflichen Klinik zu Wien nur durch den Umstand
bedingt sei, dass die daselbst prakticirenden Aerzte sich kurz
vor den Untersuchungen der Schwangeren und Kreissenden
in der Leichenkammer aufhalten, und so zur Uebertragung
verschiedener, ihren Händen anklebender deletaerer Stoffe in
die Genitalien der Untersuchten Veranlassung geben. Wir
waren der Erste, der die Richtigkeit dieser Behauptung in
Zweifel zog, uns schlossen sich später, wenigstens in den
wesentlichsten Punkten, Seyfert, Kiwisch, Lumpe und Zipfl
an, und auch in Paris fand die von Arneth in der Akademie
publicirte Entdeckung von Semmelweis keinen Beifall. Es
würde uns zu weit führen, hier alle Gründe geltend zu machen,
welche der Ansicht des letztgenannten Arztes entgegentreten,
und wir begnügen uns daher, mit [Hinweisung] auf die betref-
fende Literatur blos zu bemerken, dass wir die Möglichkeit
einer derartigen Infection für einzelne Fälle nicht in Abrede
stellen wollen, dass man aber jedenfalls zu weit gegangen ist,
wenn man die Häufigkeit und Bösartigkeit der puerperalen
Erkrankungen in Gebäranstalten einzig und allein auf diesem
Wege erklären zu können glaubte.«
Wahrlich, es erregt mein ganzes Mitleid, wenn ich sehe,
wie Scanzoni in seiner selbstverschuldeten Unwissenheit sich
ganz naiv noch im Jahre 1853 auf eine Schrift beruft, in welcher
er gegen meine Lehre über die Entstehung und Verhütung des
Kindbettfiebers ankämpft, in der er aber die Gebärhäuser
nur deshalb von dem Vorwurfe, dass sämmtliche Gebärhäuser
wahre, vom Staate unterhaltene Mörderhöhlen seien, freispricht,
weil es ihm mehr als wahrscheinlich ist, dass die Sterblichkeit
durch kosmische und tellurische Verhältnisse bedingt wird.
Wir haben aber schon im Jahre 1847 bewiesen, dass alle Fälle
von Puerperalfieber durch Infection entstehen, dass demnach
das Puerperalfieber eine verhütbare Krankheit sei. Um diese
Wahrheit zur allgemeinen zu machen, veröffentlichen wir
gegenwärtige Schrift, und wenn Scanzoni dieser Lehre noch
im Jahre 1853 Opposition macht, so stellt er sich selbst in die
[397] Reihe jener schwer Belasteten, welche es durch ihre Oppo-
sition dahin gebracht haben, dass nach Verlauf von dreizehn
Jahren erst so wenige Gebärhäuser aufgehört haben, wahre
Mörderhöhlen zu sein.
Und wie eifersüchtig Scanzoni auf das Verdienst ist, der
Erste gewesen zu sein, der sich meiner Lehre über die Ver-
hütung des Puerperalfiebers widersetzt, geht daraus hervor,
dass er selbst Seyfert unter denjenigen anführt, welche sich
ihm später angeschlossen, obwohl Scanzoni und Seyfert in
einer gemeinschaftlichen Publication mir entgegengetreten sind,
wie dies im 26. Bande der Prager Vierteljahrschrift zu lesen.
Gewiss, es wird eine Zeit kommen, wo Scanzoni, gelinde
gesprochen, es wenigstens bedauern wird, dass es ihm nicht
möglich ist, das Factum aus dem Gedächtnisse der Menschen
zu verwischen, dass er der Erste war, welcher sich meiner
Lehre über die Verhütung des Puerperalfiebers widersetzt.
Gewiss, Scanzoni wird nie und nimmermehr einen Ehren-
platz in der Geschichte des Puerperalfiebers einnehmen, und
zwar nicht deshalb, weil er mir opponirt, sondern deshalb,
weil er mir so opponirt, wie er eben opponirt hat. Wir haben
schon einigemale Gelegenheit gehabt, den Leser darauf auf-
merksam zu machen, dass Scanzoni mit seiner Opposition nicht
die Wahrheit gesucht, sondern dass der Zweck seiner Oppo-
sition der war, immer selbst Recht zu haben, und dass es ihm
nicht darauf ankam, die Wahrheit zu verläugnen, um diesen
Zweck zu erreichen; eine solche Wahrheitsverläugnung hat
er sich eben zu Schulden kommen lassen.
Scanzoni sagt, Lumpe und Zipfl haben sich seiner Ansicht
angeschlossen. Die Sache verhält sich so: Ich habe in der k. k.
Gesellschaft der Aerzte zu Wien in der allgemeinen Versamm-
lung, gehalten am 15. Mai 1850, einen Vortrag über meine
Ansicht über die Entstehung und Verhütung des Kindbett-
fiebers gehalten, worüber sich eine Discussion entspann, welche
in der allgemeinen Versammlung vom 18. Juni fortgesetzt und
in der allgemeinen Sitzung vom 15. Juli 1850 geendet wurde.
[398] Bei dieser Discussion sprachen sich allerdings Lumpe und
Zipfl gegen mich aus, aber Chiari, Arneth, Helm und Hayne
bekannten sich zu meiner Ueberzeugung, und Dr. Herzfelder,
erster Secretär dieser Gesellschaft, sagt in seinem Berichte
über die Leistungen der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien
während des Jahres 1850 Folgendes:
»Angelangt bei der allgemeinen Pathologie, begegnen wir
hier vor Allem der, wie es scheint, auch praktisch gelungenen
Lösung einer der grössten Aufgaben in der Medicin, es ist
dies die Entstehungsursache der bisher so verheerend gewe-
senen Puerperal-Epidemien durch Dr. Semmelweis; seiner
Ansicht nach wird das Wochenbettfieber nur durch die Auf-
saugung fauler organischer Stoffe in das Blut der Mutter
erzeugt, und diese Stoffe, ohne deren Selbstentwicklung im
eigenen Körper von Placenta-Resten und anderen Bedingungen
her völlig zu läugnen, von aussen, und zwar zum grössten
Theile von in Zersetzung begriffenen Leichen her, in den
mütterlichen Organismus durch die Geburtshelfer selbst ein-
geführt, weswegen Dr. Semmelweis den Letzteren die fleissige
Waschung vor jeder Entbindung mit Chlorkalklösungen an-
geordnet hat, und hiedurch so glücklich war, die weitere
Entwicklung stärkerer Epidemien bisher hintanzuhalten. Gegen
die so gegebene Entstehungsweise der Krankheit fanden sich
kräftige und ehrenwerthe Gegner in den Doctoren Zipfl und
Lumpe, welche aus statistischen Daten mehr den miasmatischen
Ursprung des Uebels vindicirt wissen wollten, in den Aufklä-
rungen jedoch des Dr. Semmelweis ebenso wie die Doctoren
Scanzoni und Seyfert zu Prag eine hinreichende Widerlegung
fanden, so dass die in bezeichneter Weise aufgefasste Krank-
heitsidee, welche auch an den Doctoren Arneth, Chiari und
dem provis. Director Helm, sowie vom thierärztlichen Stand-
punkte aus in Prof. Hayne ihre wärmsten Vertheidiger fand,
als wahrer Triumph medicinischer Forschung angesehen wer-
den kann.«
Wenn Scanzoni diesen Verhandlungen weiter nichts ent-
[399] nommen, als dass sich Lumpe und Zipfl ihm angeschlossen,
so hat er wieder einmal die Wahrheit verläugnet, weil sie
geeignet war, ihm Unrecht zu geben, und Scanzoni gefährdet
durch solche Verläugnung der Wahrheit das Leben zahlreicher
an diesem Streite nicht Betheiligter. Denn wie viele Aerzte
mag es geben, welche nur bei Scanzoni Belehrung über das
Kindbettfieber suchen; wahrlich, der Menschenfreund muss
zittern für das Leben derjenigen, welches den Händen so
Getäuschter anvertraut wird. Eine solche Opposition wird
gewiss in der Geschichte des Puerperalfiebers verzeichnet
werden. Wir werden auf Seyfert, Lumpe, Zipfl und die Aka-
demie in Paris später zurückkommen. Ueber die Verhandlung
in der Gesellschaft der Aerzte wolle der Leser den 2. Band
des 6. Jahrganges, und beide Bände des 7. Jahrganges der
Zeitschrift dieser Gesellschaft nachlesen.
Wir bleiben trotz Scanzoni bei unserer Ueberzeugung,
dass alle Fälle von Puerperalfieber, keinen einzigen Fall aus-
genommen, welche entstanden sind seit das menschliche Weib
gebärt, dadurch entstanden sind, dass in seltenen Fällen in den
Individuen ein zersetzter Stoff entstanden ist, und dass in der
überwiegend grössten Zahl von Puerperalfieber-Fällen den
Individuen ein zersetzter Stoff von aussen eingebracht worden.
Wir bleiben bei unserer Ueberzeugung, dass in seltenen Fällen
das Puerperalfieber durch Entstehung eines zersetzten Stoffes
in den Individuen entstehen wird, so lange das menschliche
Weib gebären wird.
Ob aber das Puerperalfieber, welches durch Einbringung
eines zersetzten Stoffes von aussen entsteht, aufhören wird,
oder in welcher Ausdehnung das so entstandene Puerperalfieber
vorkommen wird, das hängt davon ab, ob meine Lehre über
die Verhütung des Puerperalfiebers eine allgemeine praktische
Anwendung finden wird, oder ob selbe nur in grösserer oder
geringerer Ausdehnung Beobachtung finden wird.
Als Beweis für die Ewigkeit dieser Wahrheit führen wir
unsere gegenwärtige Schrift an.
[400]
Wenn Scanzoni sagt, dass er die Möglichkeit einer derar-
tigen Infection für einzelne Fälle nicht in Abrede stellen wolle,
so ist er wieder in einem Irrthume befangen, welcher uns
schon nicht mehr überrascht, denn die Irrthümer drängen sich
bei Scanzoni zu sehr, als dass uns ein neuer noch überraschen
könnte, und um Scanzoni diesen seinen neuen Irrthum selbst
einsehen zu lernen, wollen wir ihn nur auf ein einziges Factum
aufmerksam machen. Im Jahre 1841 starben an der 1. Klinik
zu Wien 237 Wöchnerinnen am Kindbettfieber, im Jahre 1845
starben 241, im Jahre 1844 starben 260, im Jahre 1843 star-
ben 274, im Jahre 1846 starben 459, im Jahre 1842 starben
518 Wöchnerinnen am Kindbettfieber. Im Jahre 1848 haben
wir den zersetzten Stoff, welcher die Infection bedingt, durch
Chlorwaschungen zerstört, und dadurch haben wir die Infec-
tionsfälle auf 45 beschränkt. Ist das Kindbettfieber durch
Infection entstanden, an der I. Klinik zu Wien nur in einzel-
nen Fällen vorgekommen? Ist aus dem, was an der I. Klinik
zu Wien geschehen, nicht erlaubt zu schliessen auf das, was
in der Vergangenheit geschehen ist, und auf das, was in der
Zukunft geschehen wird?
Uebrigens für Scanzoni ist es immerhin ein Fortschritt,
dass er die Möglichkeit einer derartigen Infection für einzelne
Fälle nicht in Abrede stellen will. Hiermit sind wir am Ende
der Scanzonischen Aetiologie des Kindbettfiebers angelangt,
und der Leser hat gesehen, wie schlecht die Scanzonische
Aetiologie unsere Kritik vertragen, es hat sich herausgestellt,
dass ausgenommen einige Facta, die übrigens schon vor
Scanzoni beobachtet wurden, und ausgenommen die einzelnen
Fälle, wo Scanzoni eine Infection nicht in Abrede stellen will,
das Uebrige alles Irrthum und Täuschung ist, und es wäre ein
Glück für das gebärende Geschlecht, wenn es ausser der
Scanzonischen nicht noch eine andere Aetiologie des Kindbett-
fiebers geben würde. Denn gewiss in Folge epidemischer Ein-
flüsse ist noch nie eine Wöchnerin am Kindbettfieber gestorben,
in Folge der Individualität ist noch nie eine Wöclmerin am
[401] Kindbettfieber gestorben, in Folge der langen Geburtsdauer
sind zwar viele Mütter und Kinder schon am Kindbettfieber
gestorben, aber im Sinne Scanzoni’s ist noch nie eine Mutter
oder ein Kind am Kindbettfieber gestorben, weil noch nie das
Nervensystem in Folge langer Geburtsdauer auf das Blut
entmischend eingewirkt hat, in Folge von Gemüthsaffecten ist
noch nie eine Wöchnerin am Kindbettfieber gestorben, in
Folge Diätfehler ist noch nie eine Wöchnerin am Kindbett-
fieber gestorben, in Folge von Puerperalmiasma ist noch nie
eine Wöchnerin am Puerperalfieber gestorben, weil das Puer-
peralmiasma im Sinne Scanzoni’s nicht existirt.
Sagen Sie uns doch endlich um Gotteswillen, Herr Hof-
rath, was war denn das aetiologische Moment des Kindbett-
fiebers, an dem so viele hundert Wöchnerinnen im Prager
Gebärhause gestorben sind, deren Sectionen beizuwohnen Sie
daselbst Gelegenheit hatten? Der Leser erinnert sich, dass
Scanzoni durch seine eben so genialen als gewissenhaften
Experimente, welche er im Prager Gebärhause mit den Chlor-
waschungen anstellte, zwei wichtige aetiologische Momente
des Kindbettfiebers entdeckte, nämlich den Zufall, im Monate
März und April 1848 wurde ermittelt, dass 31 Wöchnerinnen
zufällig starben, und im Juni, Juli und August 1848 wurde
ermittelt, dass 19 Wöchnerinnen ohne irgend eine nachweis-
bare Ursache starben; wenn daher diese vielen hundert
Wöchnerinnen, deren Sectionen Scanzoni beizuwohnen Gele-
genheit hatte, zum Theil zufällig, zum Theile aber ohne irgend
eine nachweisbare Ursache gestorben sind, und wenn dadurch
der Vorwurf, den ich der Scanzonischen Aetíologie mache,
dass in Folge seiner Aetiologie die Wöchnerinnen nicht mas-
senhaft am Puerperalfieber sterben können, widerlegt ist, so
trägt an diesem meinen Irrthume nur die Geheimnissthuerei
Scanzoni’s Schuld, welche ihn verhinderte, mir und der übri-
gen Welt in seiner Aetiologie über diese beiden von ihm
entdeckten so hochwichtigen aetiologischen Momente des
Kindbettfiebers nähere Belehrung zukommen zu lassen.
Semmelweis, Kindbettfieber. 26
[402]
Im Jahre 1847 habe ich die Entdeckung gemacht, dass
das Puerperalfieber durch Infection entstehe. Im Jahre 1850
erklärte Scanzoni im 26. Bande der Prager Vierteljahrschrift
meine Entdeckung für eine Hypothese. Im Jahre 1852 sagt
Scanzoni in der I. Auflage seines Lehrbuches der Geburts-
hilfe, dass er die Möglichkeit einer derartigen Infection für
einzelne Fälle nicht in Abrede stellen wolle. In der II. Auflage
seines Lehrbuches der Geburtshilfe, welche 1853 erschien,
bleibt er dabei, die Möglichkeit einer derartigen Infection für
einzelne Fälle nicht zu läugnen.
Im Jahre 1854 erschienen Kiwisch’s klinische Vorträge
über specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des
weiblichen Geschlechtes, in vierter Auflage, besorgt und durch
Zusätze vermehrt von Scanzoni. Bei der Prophylaxis des Kind-
bettfiebers sagt Kiwisch unter Anderem auch Folgendes:
»Zudem ist in jenen Anstalten, wo die Möglichkeit irgend
einer Infection der Gebärenden und Wöchnerinnen durch zer-
setzte animalische Stoffe (Leichengift, Wundsecrete, zersetzte
Wochenbetteffluvien) geboten ist, deren Einfluss mit aller
Sorgfalt hintanzuhalten, und es dürften sich zu diesem Zwecke
die von den Engländern und Dr. Semmelweis in Gebrauch
gezogenen Chlorwaschungen und Räucherungen empfehlen.«
Obwohl dieser Ausspruch Kiwisch’s nur auf die Infec-
tionsfälle von aussen, welche in Gebärhäusern vorkommen,
Rücksicht nimmt, während die Selbstinfectionsfälle in den
Gebärhäusern und das Puerperalfieber ausserhalb der Gebär-
häuser nicht inbegriffen ist in diesem Ausspruche Kiwisch’s,
und obwohl alle Infectionsfälle von aussen in Gebärhäusern
blos durch Chlorwaschungen und Räucherungen nicht verhütet
werden können, so überholt dieser Ausspruch Kiwisch’s doch
Scanzoni’s Ansicht, welcher eine solche Infection nur für ein-
zelne Fälle nicht in Abrede stellen will, um ein Bedeutendes,
und nachdem Scanzoni dennoch diesem Ausspruche Kiwisch’s
sich in einer Zusatzanmerkung nicht widersetzt, wie er es bei
andern Gegenständen, über welche er eine von Kiwisch diffe-
[403] rente Ansicht hatte, that, so zogen wir aus dieser unterlassenen
Opposition den für uns erfreulichen Schluss, dass Scanzoni sich
zu unserer Ansicht bekehrt, und da wir voraussetzten, dass
Scanzoni sich gewiss nur in Folge überzeugender Beobachtungen
zu unserer Ansicht, welche er so lange bekämpft, bekehrt
haben konnte, so warteten wir mit Sehnsucht auf das Er-
scheinen einer Brochüre, oder wenigstens eines Artikels, allen-
falls in den »Beiträgen zur Geburtskunde und Gynaekologie«,
in welcher er der medicinischen Welt seine geänderte Ueber-
zeugung mit den überzeugenden Beobachtungen mittheilt;
aber nachdem ein Jahr verflossen, und das zweite, und das
dritte, und das vierte, und Scanzoni sich noch immer nicht
dem medicinischen Publicum als medicinischen Rousseau
darstellte, so schwanden mit jedem Jahre natürlich unsere
Hoffnungen immer mehr, und das fünfte Jahr war bestimmt,
uns Gewissheit zu bringen, welch Illusionen wir uns hingegeben.
Gegen Ende des Jahres 1859 erschien eine Schrift unter
dem Titel: »Historisch-kritische Darstellung der Pathologie
des Kindbettfiebers, von den ältesten Zeiten bis auf die unsere.«
Von Dr. H. Silberschmidt. Und diese Schrift wurde von der
med. Facultät zu Würzburg mit einem Preise gekrönt. Der Autor
dieser Schrift spricht sich gegen meine Ansicht über die Ent-
stehung des Kindbettfiebers aus, und da diese Schrift dennoch
von einer Corporation, deren Mitglied Scanzoni ist, welchem
gewiss in dieser Angelegenheit ein entscheidender Einfluss
gegönnt war, mit einem Preise gekrönt wurde, so ist es mehr
als gewiss, dass es unsererseits Illusion war, wenn wir hofften,
dass Scanzoni sich zu unserer Ueberzeugung bekehrt, weil
er die für uns günstige Aeusserung Kiwisch’s nicht angegriffen.
Ja, diese Schrift erwähnt nicht einmal die einzelnen
Fälle, in welchen selbst Scanzoni eine derartige Infection nicht
in Abrede stellen will.
Doch hören wir, was Dr. Silberschmidt sagt. Er sagt:
»Skoda und Semmelweis glaubten, die nächste Ursache des
Puerperalfiebers sei Leichengift.« Also schon der erste Satz
26 *
[404] beweist, dass Dr. Silberschmidt sich ein Urtheil über meine
Ansicht anmasst, die er gar nicht aufgefasst, die nächste
Ursache des Puerperalfiebers ist ein zersetzter thierisch-orga-
nischer Stoff, und eine von den drei Quellen, aus welchen
dieser Stoff genommen wird, ist allerdings die Leiche, und da
vermöge der Verhältnisse der zersetzte Stoff an der I. Gebär-
klinik zu Wien häufiger aus der Leiche als aus den zwei
anderen Quellen genommen wurde, so war an der I. Geburts-
klinik zu Wien vorzüglich das Leichengift die Ursache der
grossen Sterblichkeit, und speciell in den sechs Jahren, wo
die I. Klinik blos für Aerzte bestimmt war ohne Chlorwa-
schungen, war das Plus der Sterblichkeit der I. Klinik im
Vergleiche zur II. Klinik ausschliesslich durch Leichengift
bedingt. Im Gebärhause des St. Rochusspitals in Pest war die
grosse Sterblichkeit der Wöchnerinnen durch zersetzte Stoffe
der chirurgischen Abtheilung dadurch bedingt, dass ein chi-
rurgischer Primarius zugleich geburtshilflicher Primarius war,
die Sterblichkeit dieses Gebärhauses war demnach durch den
zersetzten Stoff bedingt, der aus der Quelle fliesst, welche
die Kranken, deren Krankheiten zersetzte Stoffe erzeugen,
darstellen. Die grössere Sterblichkeit der beiden Jahre an
der Pester geburtshilflichen Klinik war bedingt durch den
zersetzten Stoff, welcher aus der dritten Quelle fliesst. Der
zersetzte Stoff für zwei Epidemien im Prager Gebärhaus unter
Chiari kam von zwei Kreissenden, deren Genitalien während
der Geburt wegen Missverhältniss gangraenös wurden. Und der
zersetzte Stoff für die erste Epidemie, welche die Geschichte des
Puerperalfiebers als solches anerkennt, kam von Verwundeten.
Und dass dem so sei, das glaube weder ich noch Professor
Skoda, sondern das wissen wir, das ist meine und Skoda’s
Ueberzeugung, und wenn Herr Dr. Silberschmidt einer Ueber-
zeugungsfähig ist, wenn er nicht blos schriftstellert auf Bestellung,
wenn sich gerade Jemand lobhudeln lassen will, so empfehlen
wir ihm das gründliche Studium dieser Schrift, und ich bin
überzeugt, dass er zur selben Ueberzeugung gelangen wird.
[405]
Dr. Silberschmidt sagt: »Skoda und Semmelweis glau-
ben, dass das Leichengift von den Aerzten, die kurze Zeit
vorher Sectionen gemacht hatten, bei der Untersuchung in den
Organismus der Gebärenden eingeführt werde.« Herr Silber-
schmidt hat nicht bewiesen, dass dem nicht so sei.
Dr. Silberschmidt sagt: »Zu dieser Meinung brachte sie
die Beobachtung, dass auf der zur Untersuchung für die Stu-
dierenden bestimmten Abtheilung das Kindbettfieber viel mör-
derischer auftrat, als auf der für die Hebammen eingerichteten.«
Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass die Sterblichkeit
an der Aerzteabtheilung nicht grösser war, als an der Hebam-
menabtheilung, Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass
durch Zerstörung des zersetzten Stoffes, welcher an der
Hebammenschule nicht, wohl aber an der Schule für Aerzte
anwesend war, die Sterblichkeit sich an der Schule für Aerzte
nicht minderte.
Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass deletaere
thierische Stoffe in Wunden gebracht, keine Pyaemie verur-
sachen.
Dr. Silberschmidt hat nicht bewiesen, dass Chlorwa-
schungen zur Verhütung der uns beschäftigenden Affection
ungeeignet seien; und wenn Dr. Silberschmidt den Erfolg,
mit welchem ich die Chlorwaschungen an der I. Gebärklinik
leitete, verschweigt, und dafür die Erfolglosigkeit der Chlor-
waschungen, wie selbe Scanzoni in Prag beobachtet, anführt,
so thut er das, was so mancher andere meiner Gegner auch
thut, er verschweigt einfach die Wahrheit, damit selbe ihm
nicht Unrecht geben könne.
Was die Erfolglosigkeit der Chlorwaschungen anbelangt,
wie solche Scanzoni beobachtete, so haben wir schon im Ver-
laufe dieser Beurtheilung Scanzoni’s nachzuweisen, dass nach
Einführung der Chlorwaschungen in Wien sich die Sterblich-
keit auch in Prag minderte, dadurch, dass die das Prager
Gebärhaus Besuchenden durch Aerzte, deren Weg selbe von
Wien zufällig nach Prag führte, erfahren, was Dr. Semmel-
[406] weis für Massregeln empfehle, um das Puerperalfieber zu ver-
mindern, wodurch auch die Prager vorsichtiger wurden. Wenn
es aber Scanzoni nicht gelungen ist, die Infectionsfälle auf die
Fälle von Selbstinfection zu beschränken, so haben wir die
Ursache davon in dem Umstande gefunden, dass Scanzoni
über die wichtigsten Lehrsätze meiner Lehre in Unwissenheit
befangen ist, wodurch natürlich der Erfolg ein unvollkomme-
ner sein musste, und den sechs Monaten, in welchen Scanzoni
wegen Mangel der nöthigen Vorkenntnisse unglücklich expe-
rimentirt, stelle ich die zwölf Jahre der I. Gebärklinik nach
Einführung der Chlorwaschungen gegenüber, in welchen sich
die Sterblichkeit um 6,35 P.-Antheil minderte, trotz dem, dass
immer Gegner meiner Lehre dort fungirten, die sechs Jahre
das Rochusspital, wo die Sterblichkeit nicht 1 P.-Antheil be-
trug, die Erfahrungen des Primarius Dr. Bednar im Findel-
hause zu Wien, der in Folge der Chlorwaschungen die Sepsis
des Blutes der Neugebornen seltener werden sah, die vier
Jahre der Pester geburtshilflichen Klinik, die Gebärhäuser
zu Kiel, zu Kopenhagen. Und wenn ich nun nach zwölf Jah-
ren noch immer nicht sagen kann, das Puerperalfieber ist in
Folge meiner Lehre über die Entstehung und Verhütung die-
ser Krankheit aus sämmtlichen Gebärhäusern und aus der
Privatpraxis bis auf die Fälle von Selbstinfection verschwun-
den, so liegt der Grund nicht darin, dass das durch die Beob-
achtung meiner Lehre über die Verhütung des Kindbettfiebers
nicht zu erreichen ist, sondern darin, dass die Professoren der
Geburtshilfe, einzelne ausgenommen, noch immer Irrthümer
über die Aetiologie des Kindbettfiebers lehren, und dadurch
verschulden, dass die so irrebelehrten Schüler und Schülerin-
nen inn- und ausserhalb der Gebärhäuser noch immer so zahl-
reiche Infectionsfälle hervorrufen. Ein Grund liegt auch in
der Unredlichkeit der Schriftsteller, welche gegen mich ge-
schrieben, und welche nicht so, wie wir es in dieser Schrift
thun, alles anführen, was für uns, was gegen uns geschrieben
wurde, sondern welche den löblichen Usus beobachten, alles
[407] zu ignoriren, was für uns geschrieben wurde, und nur das
anführen, was gegen uns geschrieben wurde, wodurch der
Leser, welcher mit der Literatur weniger vertraut ist, irre-
geführt werden muss. Hieher gehört auch Dr. Silberschmidt,
welcher die ganze Literatur über Puerperalfieber durchstöbert
und nichts gefunden hat, was für meine Lehre spricht, und
wir doch so manches aus der Literatur uns günstiges in dieser
Schrift zusammenstellen konnten.
Was die beiden Gegner Kiwisch und Seyfert anbelangt,
die Silberschmidt anführt, so werden wir an einer anderen
Stelle dieser Schrift Gelegenheit haben, ihre Zweifel zu wi-
derlegen, nur wollen wir bemerken, dass Silberschmidt diese
Schrift nicht als denkender Forscher, sondern als Schreibma-
schine zusammengetragen hat, denn hätte er als denkender
Forscher Seite 6, Zeile 10 Folgendes niedergeschrieben: »Es
ist aber dessen ungeachtet sehr wahrscheinlich, dass das Puer-
peralfieber zu jener Zeit und selbst im Mittelalter nicht so
häufig vorkomme, als in der neueren und neuesten Zeit, wor-
an vielleicht die Errichtung von Entbindungsanstalten keine
kleine Schuld trägt.«
Hätte, wie gesagt, Dr. Silberschmidt dies als denkender
Forscher niedergeschrieben, so hätte er sich nicht Seite 118
auf Kiwisch’s Autorität hin auf Puerperalepidemien berufen,
welche sich über ganze Länderstrecken ausbreiten.
Schliesslich proclamirt Dr. Silberschmidt als befriedigen-
des Resultat der Bemühungen so vieler Jahrhunderte die Pa-
thologie des Puerperalfiebers zu erforschen, Scanzoni’s Hype-
rinose der Wöchnerinen, die Pyaemie der Wöchnerinnen und
die Blutdissolution der Wöchnerinnen. Der Leser erinnert
sich, dass wir im Verlaufe unserer Beurtheilung Scanzoni’s
nummerisch nachgewiesen haben, dass die Entzündungen im
Wochenbette, welche Scanzoni nicht zum Puerperalfieber
zählt, dass diese Entzündungen mit eben dem Rechte Puer-
peralfieber sind, wie die Hyperinose, die Pyaemie und die
Blutdissolution, weil die Entzündungen im Wochenbette, wel-
[408] che Scanzoni nicht zum Puerperalfieber zählt, gerade so wie
die Hyperinose, die Pyaemie und die Blutdissolution durch
die Resorption eines zersetzten Stoffes entstehen. Scanzoni
zersplittert die Entzündungen, welche nicht Puerperalfieber
sind, in zahlreiche Formen, und eine einzige Form, nament-
lich die Endometritis, will er in hunderten von Fällen beob-
achtet haben. Wenn daher hunderte von Puerperalfieberfällen
nicht in die Scanzonische Pathologie des Puerperalfiebers ge-
hören, so hat der Leser einen Begriff von der Vollkommen-
heit der Scanzonischen Pathologie des Puerperalfiebers, und
um den Unsinn complet zu machen, sagt Scanzoni in seinem
Lehrbuche der Geburtshilfe, I. Auflage, Band 3, Seite 470,
und II. Auflage, Band 2, Seite 1014, was die Symptomatolo-
gie der örtlichen Affectionen des Puerperalfiebers, die Compli-
cationen, den Einfluss der verschiedenen Blutanomalien auf die
localen Processe, die Prognose und die Therapie des Puer-
peralfiebers anbelangt, so wolle sich über diese Gegenstände
der Leser dort Belehrung suchen, wo er von Dingen gespro-
chen, welche nicht Puerperalfieber sind, nämlich bei den Ent-
zündungen im Wochenbette, welche nicht Puerperalfieber sind.
Die medicinische Facultät zu Würzburg hat sich demnach
blamirt, dass sie der Schrift des Dr. Silberschmidt einen
Preiszugesprochen, welche als das non plus ultra der Pathologie
des Puerperalfiebers die Scanzonische Pathologie proclamirt,
von der die überwiegend grössere Mehrzahl der Puerpe-
ralfieberfälle ausgeschlossen ist, und welche dem wahren
Schlusssteine aller Forschungen über die Pathologie des Puer-
peralfiebers, nämlich meiner Pathologie des Puerperalfiebers,
feindlich entgegengetreten ist.
Es wird Ihnen, Herr Hofrath, noch frisch im Gedächtniss
sein, dass ich bei Beurtheilung der Tabellen, mittelst welcher
ich bewiesen habe, dass im Wiener Gebärhause nicht eine
einzige Wöchnerin an Gemüthsaffecten gestorben sei, gleich-
zeitig zur Kenntniss der traurigen Thatsachen gelangt bin,
dass ungerechnet der Transferirten, ungerechnet der Kinder,
[409] und der leichteren Berechnung wegen eine zu grosse Zahl
der Selbstinfection annehmend, noch immer 6240 Wöchne-
rinnen innerhalb 26 Jahren an den beiden Abtheilungen des
Wiener Gebärhauses in Folge von Infection von aussen ge-
storben sind, oder mit anderen Worten, diese 6240 Wöchne-
rinnen sind am Puerperalfieber gestorben, welches hätte ver-
hütet werden können. Und ich bin überzeugt, dass, wenn man
die innerhalb 26 Jahren an beiden Abtheilungen durch sämmt-
liche geburtshilfliche Hilfeleistungen Geretteten durch eine
Zahl ausdrücken könne, dass sich diese Zahl der Zahl von
6240 gegenüber recht bescheiden ausnehmen würde. Sie wis-
sen ja, Herr Hofrath, dass ich mir vorgenommen, mich selbst
zu loben, weil es meine Gegner nicht thun; in meinem Selbst-
lobe gehe ich so weit, zu behaupten, dass, die Kuhpockenim-
pfung Jenner’s ausgenommen, es in der gesammten Medicin
nichts Drittes gibt, welches geeignet wäre, durch Verhütung
einer Krankheit so zahlreiche Menschenleben zu retten, als
meine Lehre über die Verhütung des Kindbettfiebers. Und der
lange Zeitraum vom Jahre 1847 bis zum Jahre 1860 hat nicht
hingereicht, Sie, Herr Hofrath, der Sie für den ersten Geburts-
helfer Deutschlands gelten, ob mit Recht oder nicht, will ich
nicht untersuchen, es genügt zu wissen, dass das geglaubt
wird, zur Erkennung und Anerkennung dieser ewigen Wahr-
heit zu bringen.
Denn eine Corporation, in welcher Sie, Herr Hofrath, in
dieser Angelegenheit gewiss entscheidenden Einfluss geübt,
hat Ende des Jahres 1859 eine Schrift mit einem Preise ge-
krönt, welche in stupider Weise gegen die von mir entdeckte
ewige Wahrheit ankämpft.
Um vielleicht der beleidigten Menschheit zu nützen, will
ich Ihnen, Herr Hofrath, einen Spiegel vorhalten, in welchem
Sie sich beschauen können, vielleicht erschrecken Sie vor sich
selbst, wenn Sie sich in Ihrer wahren Gestalt schauen und
bessern sich.
[410]
Joseph Steiner, ein Candidat der Chirurgie und mein
Schüler in den theoretischen Vorträgen der Geburtshilfe,
schrieb mir unter ddo. Pest, den 30. März 1858 folgenden Brief:
»Durchdrungen von der Wahrheit Ihrer Vorträge über
Puerperalfieber, welche ich zu besuchen im Laufe des Win-
tersemesters das Glück hatte, fühle ich mich veranlasst, Muth-
massungen hier anzuführen, in wieferne es möglich ist, dass
auch an der Gratzer Gebäranstalt Infectionen aller Art statt-
finden konnten.
»Als ich in Gratz das erste Jahr Chirurgie hörte, war im
allgemeinen Krankenhause ein Gasthaus, welches die Verpfle-
gung der Kranken versah, und auch der Sammelplatz aller
Studirenden war; später aber ging die Leitung der Küche in
die der barmherzigen Schwestern über, und das Gasthaus
wurde entfernt. Die Studirenden mussten daher den Sections-
saal als den Ort ihrer Zusammenkunft wählen, der Sections-
saal war somit jener Ort, wo sich Collegen trafen, und wo
sie gemeinschaftlich die Zeit abwarteten, um zu den verschie-
denen Vorlesungen zu gehen. Nachmittags müssen die Studi-
renden des I. Jahrganges seciren, für welche das Seciren
obligat ist, die Studirenden der anderen Jahrgänge hingegen
und die Rigorosanten sollten der Verordnung gemäss auch
praepariren, doch kommen diese nur, um den Anfängern zu
zeigen, wie sie zu praepariren haben, die Rigorosanten sind
daher fleissige Besucher des Sectionssaales, und unterlassen
es auch nicht, die Anfänger in allen Zweigen der Anatomie
zu unterweisen, bis sie von der Zeit abberufen, die einen sich
für das Rigorosum vorbereiten, die andern aber ihre Inspec-
tion im Gebärhause fortsetzen. Was die letzteren betrifft, so
waren diese stets die fleissigsten Besucher des Sectionssaales,
indem das Gebärhaus nur durch eine Strasse vom Kranken-
haus getrennt ist, es ist den Inspectionirenden daher nicht zu
verargen, wenn sie anstatt 24 Stunden nacheinander im Ge-
[411] bärhause zu bleiben, in den Sectionssaal kommen, um hier
eine Zerstreuung zu finden, oder (und was sehr oft geschah)
ein armer Rigorosant Inspection hatte, wo er sich auf lange
Zeit vom Gebärhause nicht entfernen durfte, daher in den Sec-
tionssaal kam, um sich hier Geld aufzutreiben, um dann ein
Nachtmahl u. s. w. zu haben, worauf er sich dann entfernte,
um seine Inspection fortzusetzen. Doch musste er sich um das
erhaltene Geld früher verdient machen, und zwar dadurch,
dass er irgend einem Studirenden sein Praeparat verfertigen
half. Sehr oft geschah es, dass mein Bruder, welcher damals
practische Geburtshilfe studirte, zu mir in den Sectionssaal
kam, um mit mir Anatomie an der Leiche zu studiren, oder
er half mir das Praeparat, welches ich zur bestimmten Zeit
abgeben musste, verfertigen, worauf er sich entfernte, um
seine Inspection fortzusetzen. Ich erinnere mich mit meinem
Bruder einmal in’s Gebärhaus gegangen zu sein, er legte Hut
und Stock weg, und untersuchte eine Kreissende; ich fragte
ihn, warum er sich früher die Hand mit Fett eingeschmiert
habe? Damit die Hand schlüpfrig werde, gab er mir zur Ant-
wort. Ich bin überzeugt, dass, würde ich gesehen haben, dass
mein Bruder sich mit einer Flüssigkeit seine Hand gewaschen
hätte (was nichts anders gewesen wäre, als eine Chlorkalklö-
sung), ich eben so neugierig gewesen wäre, zu wissen, was
das für eine Flüssigkeit sei; da ich aber das nicht bemerkte,
so bedurfte es auch keiner Frage meinerseits, es müsste nur
eine Nachlässigkeit von meinem Bruder gewesen sein, welche
Nachlässigkeit aber die Folge einer völligen Unwissenheit
über die Entstehung des Puerperalfiebers ist, welche Nach-
lässigkeit aber allen Gratzer Rigorosanten zugemuthet werden
darf, die wieder in einer anderweitigen Ursache zu suchen
wäre. Es ist somit ein solcher Rigorosant oder besser gesagt
ein solch’ fleissiger Besucher des Sectionssaales ein höchst
gefährliches Individuum für die Wöchnerinnen, denn sie be-
werkstelligen jene Communication zwischen Gebärhaus und
Sectionssaal, ja ich möchte sagen zwischen letzterem und in-
[412] neren Geschlechtstheilen der Wöchnerinnen derart, als sie nur
zwischen zwei Zimmern sein kann, die eine gemeinschaftliche
Thüre haben, und wahrhaftig die Wöchnerinnen würden im
Secirsaale keiner solchen Gefahr ausgesetzt sein, als sie es
im Gebärhause selbst sind, denn der Untersuchende würde
sich gewiss scheuen eine Gebärende mit jener Hand zu unter-
suchen, welche früher nasse, blutige Muskelschichten geord-
net hat, er würde sich daher gewiss die Hände früher reini-
gen; da aber die Wöchnerinnen unglücklicher Weise im Ge-
bärhause sein müssen, und nicht im Sectionssaale, daher ein
solcher Rigorosant sich vom Sectionssaal entfernen muss, um
seine Inspection fortzusetzen, so trocknet die Hand an der Luft,
oder sie wird dadurch trocken, dass er sie einige Mal in die
Tasche gesteckt hat, bis er in’s Gebärhaus kommt, und unter-
sucht dann ebenfalls mit jener Nachlässigkeit, wie mein Bru-
der. Daher es mir auch jetzt nicht mehr räthselhaft ist, warum
bei einer stattgehabten Untersuchung der Herr Stadtphysicus
von Gratz ausrief: Die Gebärhäuser sind wahre Mordanstal-
ten. Ich fragte hierauf den Schuldiener, was das zu bedeuten
habe. Er antwortete mir, als handelte es sich um die geringste
Sache von der Welt: »No jo, es liegen halt wieder a paar
Wöchnerinnen auf der Pritschen drin, wie die Löwen.« Es
sind zwar nur Muthmassungen, die ich hier angeführt, aus
welchen aber hervorgeht, dass man vollkommen berechtiget
ist zu sagen, das Puerperalfieber ist die Folge einer Re-
sorption.
»Und nun erlauben Sie mir, Euer Hochwohlgeboren Herr
Professor, die Bitte hinzufügen zu dürfen, es zu entschuldi-
gen, dass ich so frei war, Sie mit diesem meinem Schreiben
belästiget zu haben, aber die Wahrheit Ihrer Vorträge weck-
ten diese Muthmassungen in mir, und ich konnte nicht umhin,
Sie, werthester Herr Professor, davon zu benachrichtigen.
»Ich verbleibe mit Achtung Ihr stets dankbarer Schüler.«
Sie sehen, Herr Hofrath, dass einige Wochen dauernde
theoretische Vorträge über die Entstehung und Verhütung des
[413] Kindbettfiebers hingereicht haben, diesen Candidaten der Chi-
rurgie in dem Grade aufzuklären, dass er gleich eine vollkom-
men gelungene Anwendung des eben Gelernten machen konnte,
und für Sie, Herr Hofrath, der Sie für den ersten Geburtshel-
fer Deutschlands gelten, waren beinahe 13 Jahre nicht hin-
reichend, Sie von den einmal einstudirten Irrthümern zu
befreien.
Freilich ist der gewaltige Unterschied, welcher zwischen
Ihnen, Herr Hofrath, und zwischen diesem Candidaten der Chi-
rurgie besteht, nicht zu übersehen, dieser Candidat der Chi-
rurgie kommt in die Schule mit dem Bewusstsein, dass er
über die Aetiologie und die Prophylaxis des Kindbettfiebers
nichts weiss, Ihnen, Herr Hofrath, fehlt wie natürlich dieses
Bewusstsein, und deshalb sind Sie so schwer zu belehren.
Und wenn ich mir in meiner Phantasie vergegenwärtige,
was denn geschehen wäre, wenn das Schicksal diesen Candi-
daten der Chirurgie in Ihre Stellung, Herr Hofrath, gebracht
hätte, so glaube ich, dass die Gauen Deutschlands weniger
wiederhallen würden vom Stöhnen der an Kindbettfieber ster-
benden Wöchnerinnen, erzeugt durch Ihre Schüler und Schü-
lerinnen, die Sie aus der Prager und Würzburger geburtshilf-
lichen Lehranstalt als so kolossale Ignoranten über die Ent-
stehung und Verhütung des Kindbettfiebers in’s praktische
Leben gesendet haben. Als Schriftsteller würde er den über-
lieferten Unsinn, den man bisher die Aetiologie des Puerpe-
ralfiebers nannte, nicht so gläubig nachgeschrieben haben, er
würde daher Aerzte, welche in seinen Schriften Belehrung
über Puerperalfieber suchen, nicht in ihrem gefährlichen Irr-
thume zum Verderben ihrer Pflegebefohlenen bestärkt haben,
er würde als Schriftsteller so hartnäckig an meiner Seite ge-
kämpft haben, als Sie es gegen mich thun, als Mitglied der
medicinischen Facultät zu Würzburg hätte er die Krönung
der Dr. Silberschmidt’schen Schrift verhindert, und was Sie,
Herr Hofrath, als praktischer Arzt an der Menschheit gefre-
velt, darüber kann ich nichts berichten, denn das schweigt
[414] in der Stille des Grabes. Ihre lebensrettende Thätigkeit als
Kliniker zu Prag hat der trauernde Menschenfreund erkannt
in den hunderten von verstorbenen Wöchnerinnen, deren Sectio-
nen Sie im Prager Gebärhause beizuwohnen Gelegenheit hatten.
Und je länger ich über Ihre Wirksamkeit als Kliniker
zu Würzburg*) nachdenke, desto möglicher scheint es mir,
dass Ihre Opposition gegen mich nicht so sehr aus Ihrer Un-
wissenheit über die Entstehung und Verhütung des Kindbett-
fiebers, als vielmehr aus bösem Willen entspringt, denn Sie
haben, Herr Hofrath, von den in der Würzburger Klinik inner-
halb sechs Jahren 1639 verpflegten Wöchnerinnen nur 20 am
Kindbettfieber verloren, also sind innerhalb sechs Jahren, die-
selbe Basis für die Selbstinfectionsfälle angenommen wie im
Wiener Gebärhause, nur vier Infectionsfälle von aussen vor-
gekommen, ein Resultat, welches meiner gelungensten Lei-
stung nahe kommt, denn ich habe innerhalb sechs Jahren im
Gebärhause des St. Rochusspitales zu Pest von 933 Wöchne-
rinnen acht am Kindbettfieber verloren, und darunter war
ein Fall eine Infection von aussen.
Kiwisch hat an der Würzburger Klinik in einem Jahre,
in welchem sagt er nicht, von 102 Wöchnerinnen 27 am Puer-
peralfieber verloren, es steht daher Ihre Sterblichkeit zur
Sterblichkeit Kiwisch’s wie 20 Todte zu 432 Todten.
Und als Kliniker zu Prag haben Sie innerhalb der 15
Monate, von welchen Sie uns die Rapporte mittheilen, noch
59 Fälle von Infection von aussen gehabt.
Herr Hofrath sind der Welt Rechenschaft schuldig, wie
so es kommt, dass Sie durch sechs Jahre einen so günstigen
Gesundheitszustand der Wöchnerinnen hatten, an derselben
Anstalt, an welcher Kiwisch eine grössere Sterblichkeit hatte,
als selbe je an der I. Gebärklinik zu Wien vorgekommen. Ki-
wisch hatte 26 Percent Sterblichkeit. An der I. Gebärklinik
war die Sterblichkeit in Jahren nie über 15 Percent.
[415]
Ich habe der Welt mitgetheilt, dass ich die 15 Percent
Sterblichkeit der I. Gebärklinik auf ein Percent durch Zer-
störung des beschuldigten faulen Stoffes herabgedrückt habe.
Was haben Sie gethan, Herr Hofrath?
Haben die 1639 in sechs Jahren in Würzburg verpfleg-
ten Wöchnerinnen nicht die den Schwangeren eigenthümliche
Blutmischung gehabt, welche selbe zum Puerperalfieber dis-
ponirt hätte?
Hat der günstige Genius epidemicus, welcher im Prager
Gebärhause nach Aussetzung der Chlorwaschungen nur ein
Monat dauerte, in Würzburg durch sechs Jahre geherrscht?
Hat es durch sechs Jahre in Würzburg keinen Winter,
keine stürmischen, kaltfeuchten Tage gegeben?
Hat es unter den 1639 in Würzburg verpflegten Wöch-
nerinnen keine Individualitäten gegeben, welche zum Puerpe-
ralfieber disponirten?
Waren unter den 1639 Individuen keine schwächlichen,
schlecht genährten, während der Schwangerschaft dem Elende
und der Noth ausgesetzten, unter dem Einflusse deprimiren-
der Gemüthsaffecte lebende Frauen?
Gab es in diesen sechs Jahren keine verzögerten Ge-
burten?
Waren nur vier Individuen unter diesen 1639 heftigen,
aufregenden oder deprimirenden Gemüthsaffecten ausgesetzt?
Waren diese 1639 Individuen jeden Schamgefühles baar?
oder dienten selbe nicht zum Untersuchungs- oder Beobach-
tungsobjecte? Untersuchen die Würzburger männliche Indi-
viduen mit grösserem Zartgefühle?
Haben diese Wöchnerinnen keine Diätfehler begangen?
Was haben Herr Hofrath gethan, dass das Puerperalmiasma
seine mörderische Kraft im Würzburger Gebärhause nicht
entfalten konnte?
Wie haben Herr Hofrath die zwei von Ihnen entdeckten
aetiologischen Momente des Kindbettfiebers unschädlich ge-
macht? Warum ist keine Wöchnerin zufällig? warum ist keine
[416] Wöchnerin ohne irgend einer nachweisbaren Ursache ge-
storben?
Oder mit anderen Worten, fehlte im Würzburger Gebär-
hause Ihre Aetiologie des Kindbettfiebers, welche Ihnen im
Prager Gebärhause Gelegenheit verschaffte, hunderten von
Sectionen verstorbener Wöchnerinnen beizuwohnen?
Oder sind Herr Hofrath seit der Zeit, als Sie eine solche
Infection in einzelnen Fällen nicht mehr in Abrede stellen
wollen, privative ein so glücklicher Beobachter meiner Lehren
und nur öffentlich mein Gegner?
Chlorwaschungen haben Herr Hofrath wahrscheinlich
nicht machen lassen, sagen Sie uns doch, Herr Hofrath, unter
welcher Maske haben Sie denn meine Lehren in das Würz-
burger Gebärhaus eingeschmuggelt, damit es Ihre Aetiologie,
welche Ihnen im Prager Gebärhause Gelegenheit verschaffte,
hunderten von Sectionen verstorbener Wöchnerinnen beizu-
wohnen, unschädlich mache? Haben Sie, Herr Hofrath, einen
solchen Abscheu vor der Wahrheit, dass Sie die Dr. Silber-
schmidt’sche Schrift mit einem Preise krönten, obwohl Dr.
Silberschmidt Ihren, die Wahrheit meiner Lehre beweisenden
sechsjährigen günstigen Erfolg in Würzburg verschwieg, und
sich lieber auf Ihre Experimente in Prag berief, welche das
Unwahre meiner Lehre beweisen sollten?
Oder leben Herr Hofrath in der Ueberzeugung, dass Sie
nur glänzen, wenn es rings um Sie finster ist? und haben
Sie deshalb als schwarzen Nebel, welcher die Strahlen der er-
hellenden Sonne nicht durchlässt, die Dr. Silberschmidt’sche
Schrift in die Welt gesendet? Bauen Sie Ihre Grösse. Herr
Hofrath, auf die Verdummung derer, die bei Ihnen Belehrung
suchen, dann bauen Sie Ihre Grösse auf die Leichen jener un-
glücklichen Wöchnerinnen, welche von denen, die Sie ver-
dummt haben, in den Tod gestossen werden.
Sollte auch die menschliche Gerechtigkeit einem solchen
unheilschwangeren Gebahren gegenüber sich indolent verhal-
[417] ten, der göttlichen Gerechtigkeit werden Sie Herr Hofrath
nicht entgehen.
Ein anderes Mitglied der medicinischen Facultät zu
Würzburg ist Heinrich Bamberger, Professor der medicini-
schen Klinik daselbst.*) Der Leser weiss, dass wir das Puer-
peralfieber für ein Resorptionsfieber halten; das erste ist die
Resorption eines zersetzten Stoffes, das zweite ist die Blut-
entmischung, und das dritte sind erst die Exsudationen.
Heinrich Bamberger glaubt, dass wir folgende Ansicht
über die Entstehung des Kindbettfiebers haben: das erste ist
eine Endometritis, das zweite ist die Resorption der Producte
der Endometritis, das dritte ist die Blutentmischung, und das
vierte sind neue Exsudationen; so dachten wir uns nie die
Entstehung des Kindbettfiebers, und wir unterschreiben alle
Gründe, welche Bamberger gegen ein so entstandenes Puer-
peralfieber anführt.
Wir haben ja numerisch nachgewiesen, dass Scanzoni
im Irrthume ist, wenn er glaubt, dass es Entzündungen im
Wochenbette gibt, welche nicht Puerperalfieber sind, und
dass diese Entzündungen erst später zum Puerperalfieber wer-
den, wenn die resorbirten Producte der Entzündungen eine
Blutentmischung hervorrufen.
Wollen wir wieder nach Prag zurückkehren, und zwar
zuerst zu Josef Hamernik,**) als einem Mitgliede jener Com-
mission, welcher Scanzoni im Jahre 1849 die Aufgabe ge-
stellt hat, diese räthselhafte Krankheit zu erforschen, und wie
gründlich diese Commission forscht, entnimmt der Leser dar-
aus, dass diese Commission im Jahre 1860 die Lösung dieses
Räthsels der Welt noch immer nicht mitgetheilt hat; was nur
darin begründet sein kann, dass die Forschungen noch nicht
beendet sind.
Semmelweis, Kindbettfieber. 27
[418]
Nachdem Hamernik es beklagt, dass unser Wissen über
Aetiologie so mangelhaft sei, sagt er Seite 247 Folgendes:
»Soll irgend eine sogenannte Veranlassung als Ursache einer
vorhandenen Krankheit betrachtet werden können, so müssen
jedesmal die folgenden Fragen bejahend beantwortet werden:
Hat diese Veranlassung immer dieselben Folgen? kann man auf
dem Wege des Versuches die genannte Krankheit auf diese
Weise jedesmal hervorrufen? können in denjenigen Fällen,
wo auf diese Veranlassung die genannte Krankheit nicht her-
vorgerufen wird, die jedesmaligen Ursachen des misslungenen
Versuches angegeben werden?«
Wollen wir nun sehen, ob unsere Aetiologie des Kind-
bettfiebers den Anforderungen Hamernik’s entspricht. Die
erste Forderung ist unbegründet, der Leser weiss, dass wir
Kaninchen zersetzte Stoffe eingespritzt, und dass einige in
Folge dessen an Pyaemie zu Grunde gegangen sind, und
einige nicht.
War der zersetzte Stoff nicht die Ursache der Pyaemie
bei den zu Grunde gegangenen Kaninchen, weil er nicht bei
allen Kaninchen Pyaemie hervorgerufen hat?
Die zweite Forderung haben wir erfüllt, wir haben auf
dem Wege des Experimentes bei Kaninchen das Puerperal-
fieber hervorgebracht.
Die dritte Forderung haben wir nicht erfüllt, denn wir
können nicht die Ursachen angeben, warum bei einigen Ka-
ninchen keine Pyaemie eingetreten ist, dafür haben wir aber
eine Forderung erfüllt, welche Hamernik gar nicht gestellt,
welche aber meine Aetiologie des Kindbettfiebers zur be-
glückenden, ewig wahren Aetiologie macht, nämlich wir ha-
ben durch Unschädlichmachung der von uns beschuldigten
Veranlassung diese Krankheit vermindert. Und obwohl unsere
Aetiologie mehr geleistet, als Hamernik von einer Aetiologie
fordert, um selbe für wahr halten zu können, sagt er den-
noch Seite 265 Folgendes: »Die Angabe, dass das Wochen-
bettfieber durch Uebertragung von Leichentheilen auf Wöch-
[419] nerinnen bei den Untersuchungen derselben erzeugt werde,
ist durchaus irrthümlich, sie ist durchaus willkürlich.«
»Denn die Wochenbettfieber-Epidemien sind in der ärzt-
lichen Erfahrung viel älter, als die Leichenöffnungen.«
Welch crasse Ignoranz spricht in dieser Angelegenheit
mit! Die Geschichte des Kindbettfiebers lehrt, dass das Puer-
peralfieber erst seit der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahr-
hunderts in grösserer Zahl vorkomme.
Seite 268 sagt Er: »Das Absperren von Ländereien, von
Bezirken, die Cordone, die Contumazanstalten und ähnliche
Einrichtungen, stammen aus Zeiten, in welchen die Aerzte
nicht einmal so weit waren, um zur Zeit einer herrschenden
Epidemie die epidemischen Erkrankungen von anderen gleich-
zeitig vorkommenden zu unterscheiden; sie waren der An-
sicht, dass zur Zeit einer Epidemie so ziemlich alle Erkran-
kungen der Epidemie angehören. Ja man kann sogar noch
zweifeln, ob unter den damaligen Verhältnissen jemals eine
Epidemie vorhanden war, so oft eine solche als vorhanden an-
gegeben wurde; auch zur Feststellung der Thatsache einer
vorhandenen Epidemie sind nicht selten solche Kenntnisse
nothwendig, wie sie vor noch nicht gar langer Zeit nicht zu
den gewöhnlichen gehörten!«
Gegenwärtige Schrift hat den Zweck zu beweisen, dass
es keine Puerperalepidemie gibt, wenn daher die Mehrzahl
der Aerzte heute noch von Puerperalepidemien sprechen, so
ist damit bewiesen, dass selbst heute noch die Mehrzahl der
Aerzte nicht die Kenntnisse haben, welche nothwendig sind,
um das Nichtvorhandensein einer Puerperalepidemie zu er-
kennen; welchen Werth können daher die Beobachtungen
über Puerperalepidemien haben, welche, wie Hamernik meint,
gemacht wurden zu Zeiten, die älter sind, als die Sectionen.
»Sie waren von jeher der Schrecken der Mütter, auch zu
Zeiten und in Ländern, wo man an Leichenöffnungen noch
gar nicht gedacht hat.« Es ist wirklich zu bedauern, dass
Hamernik, welcher so viel Talent für die Geschichte der Me-
27 *
[420] dicin verräth, sich noch nicht die Aufgabe gestellt hat, diesem
Zweige speciell seine Talente zuzuwenden.
Vorläufig bleiben wir dabei, dass zu Zeiten und in Län-
dern, wo die von uns beschuldigte Aetiologie nicht thätig ist,
das Kindbettfieber, einzelne Fälle ausgenommen, nicht vor-
kommt.
»Wir wollen nur anführen, dass die Furcht vor dem
Wochenbettfieber nirgends so gross ist, wie in England und
Russland, was an und für sich auf grosse und mörderische
Epidemie hinweiset, welche die Bevölkerung und Aerzte so
entsetzen. In England und Russland wurden jedoch durch
lange Zeiträume keine Leichenöffnungen vorgenommen, und
insbesondere wird in England keine Leiche einer Puerpera
geöffnet.«
Dass es ein Irrthum ist, wenn man glaubt, dass England
vorzugsweise vom Kindbettfieber heimgesucht sei, haben die
von uns veröffentlichten Rapporte englischer Gebärhäuser be-
wiesen; wir haben auch die Erklärung gegeben, warum die
Sterblichkeit am Kindbettfieber in England eine so geringe
sei, und wenn sich trotz der geringeren Sterblichkeit englische
Aerzte mehr vor Kindbettfieber fürchten, als die Aerzte an-
derswo, so ist das nur ein Beweis, dass die englischen Aerzte
gewissenhafter sind, als die Aerzte anderswo.
Und dass sich die Bevölkerung auch anderswo über das
Kindbettfieber entsetzt, das hat ja Scanzoni speciell von Wien
so ergreifend geschildert.
Wie sich das Kindbettfieber in Russland verhält, weiss
ich nicht, Hamernik würde mir daher einen grossen Dienst
erweisen, wenn er die Quellen angeben wollte, aus welchen
er seine Kenntnisse über das Vorkommen des Kindbettfiebers
in Russland geschöpft.
Dass er speciell über das Kindbettfieber in England sehr
genau unterrichtet ist, beweiset ja die Bemerkung, dass in
England keine Leiche einer Wöchnerin geöffnet wird.
[421]
»Ueberdies beweisen die Umstände, dass die Wöchne-
rinnen nach der Entbindung in der Regel nicht untersucht
werden.« Die Infection kann schon während der Schwan-
gerschaft geschehen, und geschieht am häufigsten während der
Geburt.
»Dass Wöchnerinnen, welche weder im Verlaufe ihrer
Gravidität noch vor oder während, oder nach der Entbindung
untersucht worden sind (wie dies bei den meisten Gassenge-
burten der Fall ist), eben so gut am Wochenbettfieber erkran-
ken, wie Andere.«
Wir haben bewiesen, dass die Individuen, welche nicht
untersucht werden, wohin die Gassengeburten, die vorzeitigen
Geburten und alle schwer erkrankten Kreissenden gehören,
gerade dadurch, dass selbe nicht untersucht werden, vor dem
Puerperalfieber geschützt sind.
»Dass das Wochenbettfieber epidemisch vorkömmt (die
sporadischen seltenen Erkrankungen können hier nicht be-
sprochen werden) d. i. nur durch eine gewisse Zeit beobach-
tet wird, während in Wien und Prag die Leichenöffnungen
täglich vorgenommen werden.« Aber die Schüler des Gebär-
hauses wohnen nur durch eine gewisse Zeit und nicht täglich
den Leichenöffnungen bei.
»Dass das Wochenbettfieber auf dem Lande und in an-
deren Städten, wo keine Leichenöffnungen gemacht werden,
gleichfalls zu bestimmten Zeiten vorkömmt, ist mehr als hinrei-
chend: dass die Wochenbettfieber-Epidemien auf keine Weise
von einer Uebertragung von Leichentheilen (Semmelweis,
Skoda) abgeleitet werden können.«
Das Wochenbettfieber kömmt allerdings auch auf dem
Lande und in Städten vor, in welchen keine Sectionen ge-
macht werden, aber überall kommen Kranke vor, deren Krank-
heiten einen zersetzten Stoff erzeugen, und überall gibt es
Medicinalpersonen männlichen und weiblichen Geschlechts,
welche sich mit Geburtshilfe und mit derartigen Kranken be-
schäftigen, und welche aus Unwissenheit Infectionen hervorrufen.
[422]
Joseph Hamernik war Mitglied der Commission, von
welcher Scanzoni Folgendes sagte: »Wünschenswerth wäre es
hiebei, wenn die Mitglieder dieser Commission durch freie
Wahl aus der Mitte einer löblichen medicinischen Facultät
zu Prag hervorgingen, wodurch das Resultat ihrer Untersu-
chungen als der Ausspruch der von einer gelehrten Körper-
schaft gewählter Vertrauensmänner betrachtet werden könnte,
und so an Glaubwürdigkeit und überzeugender Kraft gegen-
über dem ärztlichen und nicht ärztlichen Publicum gewinnen
müsste.« Ich protestire feierlichst.
Bevor wir zu Bernard Seyfert übergehen, wollen wir
einiges vom Freiherrn Gustav Liebig mittheilen, weil wir sei-
ner Autorität Seyfert gegenüber benöthigen.
Liebig sagt im achtzehnten Briefe seiner chemischen
Briefe Seite 312 Folgendes: »Es ist Thatsache, dass Leichen
auf anatomischen Theatern häufig in einen Zustand der Zer-
setzung übergehen, der sich dem Blute im lebenden Körper
mittheilt. Die kleinste Verwundung mit Messern, die zur Sec-
tion gedient haben, bringt einen oft lebensgefährlichen Zu-
stand hervor (Fälle, in denen Personen dieser furchtbaren Ver-
giftung zum Opfer fallen, sind nicht selten, so noch vor kur-
zem Dr. Kolletschka in Wien, Dr. Bender in Frankfurt a. M.)
Der von Magendie beobachteten Thatsache, dass in Fäul-
niss begriffenes Blut, Gehirnsubstanz, Galle, faulender Eiter
etc., auf frische Wunden gelegt, Erbrechen, Mattigkeit und
nach längerer oder kürzerer Zeit den Tod bewirken, ist bis
jetzt nicht widersprochen worden.« Im dritten Anhange zu
dieser Stelle sagt Liebig, nachdem er einen kurzen Auszug
aus Skoda’s Vortrag in der kaiserlichen Academie zu Wien
gegeben, Seite 714, Folgendes: »Aus diesem Vortrage ergibt
sich nebenbei, wie gering die Anerkennung gewesen ist, welche
diese grosse, praktisch-wichtige Entdeckung ausserhalb der
Academie gefunden hat. Gewiss werden sich noch mehrere
Ursachen des Kindbettfiebers namhaft machen lassen, dass
[423] aber die von Dr. Semmelweis mit allem Scharfsinn eines vor-
urtheilfreien Forschers in der Gebäranstalt zu Wien ermittelte
Ursache eine derselben ist, daran kann wohl kein Unbefan-
gener zweifeln.« Die alleinige Ursache des Kindbettfiebers ist
ein zersetzter Stoff, der Quellen des zersetzten Stoffes gibt
es drei. eine derselben ist die Leiche.
Nachdem Liebig diese mir günstige Bemerkung in der
zweiten Auflage seiner chemischen Briefe wegliess, erlaubte
ich mir deshalb, mich brieflich anzufragen, und benützte zu-
gleich die Gelegenheit, obwohl nicht ohne Furcht, eine Ant-
wort voll Verwunderung über die Naivität meiner Frage zu
erhalten, Liebig’s Ansicht über die Desinfectionskraft des
Chlorkalkes zu erfahren. Hierauf verpflichtete mich Liebig
mit folgender Antwort:
Beehre ich mich auf Ihr Schreiben zu erwiedern, dass
die Hinweglassung Ihrer Beobachtung über das Kindbett-
fieber aus der neuen Auflage meiner chemischen Briefe nicht
den Grund hat, dass ich die Wichtigkeit Ihrer Erfahrung
nicht wie früher anerkenne, sondern weil sie jetzt so be-
kannt und verbreitet ist, dass ihre Beibehaltung in meinem
Buche zwecklos erscheint, in einem eigentlichen Zusammen-
hange damit steht sie nicht. Es ist dies mit anderen Nachträ-
gen ebenfalls geschehen.
Der Chlorkalk besitzt unzweifelhaft eine desinficirende
Eigenschaft.
Ergebenst hochachtungsvoll der Ihrige
Gustav Liebig.
Bernard Seyfert
hat ergänzende Bemerkungen zu dem früher beurtheilten Auf-
satze Scanzoni’s geliefert.
Der Leser erinnert sich, dass Scanzoni die Absicht hatte,
während einer herrschenden Puerperalepidemie im Gebärhause
Versuche an Thieren zu machen, der Leser erinnert sich, dass
wir die Ansicht ausgesprochen, dass Versuche an Thieren
[424] während einer Epidemie den hartnäckigen Epidemikern ge-
genüber ihren Werth verlieren, weil Selbe sagen werden,
nicht die Injectionen, sondern die epidemischen Einflüsse ha-
ben die Thiere und die Wöchnerinnen getödtet.
Seyfert macht es gerade umgekehrt. Er sagt: »Im Mo-
nate October 1849 erkrankte und starb von 186 Entbundenen
gar keine, uns schien dies der günstigste Augenblick zu sein,
den Werth der Chlorwaschungen an’s volle Licht zu stellen.«
Seyfert hat sich durch diesen Ausspruch entweder ein so
vollgiltiges Testimonium Paupertatis mentis, oder ein so voll-
giltiges Zeugniss seines bösen Willens selbst ausgestellt, dass
wir ihn füglich mit Stillschweigen zu übergehen berechtiget
wären. Aber Seyfert ist gegenwärtig Professor der Geburts-
hilfe an der Klinik für Aerzte zu Prag, es überläuft mich eis-
kalt bei der Erinnerung an die grossartigen Erfahrungen über
die Menge der an dieser Klinik von Scanzoni beobachteten
Puerperalfieberfälle; Seyfert ist der Mann, dieselben Erfah-
rungen zu machen.
Im Angesicht einer solchen entsetzlichen Möglichkeit
wollen wir uns keine Pflichtvergessenheit zu Schulden kom-
men lassen, wir fühlen die Verantwortlichkeit, welche uns
treffen würde, falls wir die Aufgabe, die uns das Schicksal
gestellt, nicht zu erfüllen trachten würden.
Gegen den bösen Willen Seyfert’s können wir wohl nicht
ankämpfen, wir können uns nur bemühen, ihn zu belehren.
Seyfert theilt die Rapporte von 15 Monaten mit, in wel-
chem Zeitraume 3056 Geburten und 105 Todesfälle sich er-
eigneten, und fragt dann, ob diese 105 Todesfälle ausser dem
Bereiche der Leicheninfection liegen, und wenn dem so sei,
so müsse für diese 105 Fälle noch eine andere Potenz erfun-
den werden.
Der Leser weiss, dass für alle Fälle von Puerperalfieber
die Potenz erfunden ist, nämlich: die Potenz für alle Puerpe-
ralfieberfälle ist ein zersetzter Stoff. Dieser zersetzte Stoff
entsteht, der leichteren Berechnung wegen angenommen, ein-
[425] mal in hundert Wöchnerinnen, von den 3056 verpflegten
Wöchnerinnen sind dennoch 30 Wöchnerinnen deshalb ge-
storben, weil sich in ihnen ein zersetzter Stoff entwickelt hat.
75 Wöchnerinnen sind aber deshalb gestorben, weil ihnen der
zersetzte Stoff von aussen eingebracht wurde, und eine der
drei Quellen, aus welchen der zersetzte Stoff genommen wird,
welcher den Individuen von aussen beigebracht, das Puerpe-
ralfieber hervorbringt, ist allerdings der Cadaver.
Der Leser sieht, dass 75 Wöchnerinnen gestorben sind,
welche hätten gerettet werden können, und diese Zahl ist ge-
wiss in der Wirklichkeit übertroffen worden, da Seyfert die
Transferirten dieser 15 Monate verschweigt, und wie viele
Kinder mögen in dieser Periode von ihren Müttern inficirt
worden sein.
Angesichts dieser Thatsache sagt Seyfert: »Wir haben
auch so viel Verstand und Herz, als dass wir einen Gegen-
stand von so hoher Wichtigkeit hartnäckig von uns gewiesen
hätten, einen Gegenstand, von dem wir wussten, dass auf den-
selben in Wien ein so grosses Gewicht gelegt wurde, und we-
gen dessen wir, wenn er sich bewährt hätte, mit Recht hätten
zur Verantwortung gezogen werden müssen!!
Seyfert sagt, dass im Monate Februar 1849 in der Stadt
Prag eine bedeutende Puerperalepidemie geherrscht habe,
während der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen des Ge-
bärhauses in diesem Monate ein günstiger war. Das Factum,
dass im Februar die Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen der
Stadt Prag eine grosse war, will ich als wahr gelten lassen,
ich kann es aber nicht gelten lassen, wenn Seyfert das eine
Epidemie nennt.
Die im Prager Gebärhause im Monate Februar Entbun-
denen sind ja gewiss zum grossen Theil erst unmittelbar vor
der Geburt aus der Stadt in’s Gebärhaus gegangen, warum
sind denn selbe gesund geblieben, wenn selbe vor ihrer Auf-
nahme den epidemischen Einflüssen der Stadt ausgesetzt ge-
wesen waren? Wenn aber im Monate Februar nur solche In-
[426] dividuen geboren haben, welche schon im Jänner als Schwan-
gere aufgenommen wurden, so ist ihr besserer Gesundheits-
zustand wieder nicht begreiflich, da ja das Prager Gebärhaus
und die Stadt Prag denselben epidemischen Einflüssen unter-
worfen sein müssen.
Aber die Erklärung liegt darin, dass im Monate Februar
in der Stadt mehr inficirt wurde, als im Prager Gebärhause,
und wie denn nicht, sind doch die Aerzte und die Hebammen,
welche in Prag die geburtshilfliche Praxis ausüben, in dieselbe
Schule gegangen, in die Scanzoni und Seyfert gingen, und
wenn Scanzoni und Seyfert, die doch so ausgezeichnete Schü-
ler waren, dass sie Professoren der Geburtshilfe wurden, in
dieser Schule, wie wir gesehen, nicht gelernt haben, wie das
Puerperalfieber entsteht und wie es verhütet werden kann;
wie kann man solche Kenntnisse bei praktischen Aerzten oder
gar bei Hebammen voraussetzen?
Seyfert sagt: er habe von der Art und Weise, wie durch
Leichengift (zersetzte Stoffe) das Puerperalfieber eingeimpft
werde, keine Vorstellung, denn I. gehöre dazu eine wunde
Stelle, diese Wunde existire aber in der Scheide nicht, »die
resorbirende Fläche ist im Normalzustande die innere Fläche
des Uterus,« II. der zu übertragende Stoff. Seyfert hält es
aber für übertrieben, anzunehmen, dass durch Waschen mit
Wasser und Seife der faule Stoff nicht gänzlich entfernt werde.
»Diese Aeusserung zeigt für grosses Beobachtungstalent.«
»Nebstdem spricht Seyfert dem Chlorkalke jede desinficirende
Eigenschaft ab.« Es kömmt mir mehr als lächerlich vor, mich
Seyfert gegenüber auf Liebig’s Autorität in Bezug auf die
desinficirende Eigenschaft des Chlorkalkes berufen zu sollen.
Ich habe die desinficirende Eigenschaft des Chlorkalkes nicht
entdeckt, ich habe aus dieser Eigenschaft nur Nutzen gezogen,
und glaube, wenn der Chlorkalk nie etwas anderes geleistet
hätte, als das, was er an der I. Gebärklinik zu Wien leistete,
so wäre dadurch allein seine desinficirende Eigenschaft hin-
reichend bewiesen.«
[427]
III. Dieser eingebrachte Stoff muss eine locale Entzün-
dung, von da durch Eiterbildung in den Lymphgefässen
und Venen-Pyaemie hervorbringen. Nie haben wir bei einer
Section einen solchen Process im Bereiche derjenigen Theile
der Genitalien gesehen, welche vor der Geburt mit dem
Finger erreichbar sind. »Wir haben schon zu oft gesagt, wie
das Puerperalfieber entsteht, als dass es nöthig wäre, es noch-
mals zu sagen.«
Endlich sagt Seyfert, wenn dem so wäre, so müsste ja
auf der Frauenabtheilung Pyaemie viel häufiger sein, als im
Gebärhaus, denn auf Frauenabtheilungen kommen wunde
Stellen in der Scheide und am Muttermunde viel häufiger vor,
ihm sei aber kein einziger Fall bekannt, wo auf diese Art
Pyaemie auf der Frauenabtheilung eingeimpft worden wäre.
»Was die Pyaemien auf Frauenabtheilungen anbelangt, so
habe ich darüber keine Erfahrungen. Ich habe, wie ich schon
einmal erzählt, nie eine gynaecologische Abtheilung besucht,
ich habe meine gynaecologischen Studien in der Todtenkam-
mer gemacht, ich habe durch 6 Jahre selbst eine gynaecolo-
gische Abtheilung geleitet, jedoch zu einer Zeit, wo ich schon
wusste, was zu thun, um keine Veranlassung zu Infectionen
zu geben, bin aber überzeugt, dass die innere Fläche der Ge-
bärmutter, und die Gebärmutter während der Schwangerschaft.
während der Geburt, während des Wochenbettes geeigneter
ist zur Resorption, als die wunden Stellen, und der Uterus im
nicht puerperalen Zustande, dass demnach die Infection im
Gebärhause leichter gelingt, als auf einer Frauenabtheilung;
wenn Seyfert sagt, er habe nie eine Infection auf der Frauen-
abtheilung beobachtet, so beweiset ja das nur, dass er ein
schlechter Beobachter ist, er sagt ja dasselbe vom Gebärhause,
und wir haben ihm ja doch 75 Infectionsfälle von Aussen inner-
halb 15 Monaten nachgewiesen.
Dadurch, dass ein Blinder die Farben nicht sieht, ist ja
die Nichtexistenz der Farben nicht bewiesen.
[428]
Als ich Schüler der praktischen Geburtshilfe an der
I. Klinik zu Wien war, war Chiari Assistent; in seinen Vor-
trägen über Puerperalfieber sagte er, dass die epidemischen
Einflüsse manchmal so bösartig seien, dass selbst nicht im
Puerperalzustande befindliche Individuen vom Puerperalfieber
ergriffen würden. Als Beweis führte er eine Kranke an, welche
an fibrösen Gebärmutterpolypen leidend, in die Gebärklinik
aufgenommen wurde, und vor der Operation starb, die Section
wies die pathologisch-anatomischen Befunde des Kindbett-
fiebers nach. Nachdem die Erfolge der Chlorwaschungen ge-
zeigt, wie das Puerperalfieber entsteht, machte Chiari selbst
mich nochmals auf diesen Fall aufmerksam, mit der Bemerkung,
jetzt wisse er, dass dieses Individuum so gut wie die Wöch-
nerinnen durch einen zersetzten Stoff inficirt wurde.
Und wie beklagenswerth auch die in gynaecologischen
Abtheilungen verpflegten Individuen sind, das verkünden die
Berichte über die Leistungen der gynaecologischen Abthei-
lungen, und um beim Gebärmutterpolypen zu bleiben, wie oft
sterben solche Individuen an Pyaemie vor der Operation, wie
oft sterben solche Individuen an Pyaemie selbst nach Exci-
sionen; ich habe durch sechs Jahre eine gynaecologische Ab-
theilung geleitet, ich nehme während der fünf Jahre, seit ich
Professor bin, alle mit Gebärmutterpolypen sich meldenden
Kranken auf, ich habe in der Privatpraxis oft Gelegenheit,
Gebärmutterpolypen zu operiren, ich habe diese namhafte Zahl
Polypen, einen einzigen ausgenommen, alle durch die Excision
entfernt, ich habe nicht nur keinen einzigen Todesfall zu be-
klagen, ich habe selbst nicht eine einzige bedeutendere Er-
krankung nach der Excision gesehen, obwohl darunter auch
Polypen waren mit handtellerbreitem Stiele, und diesen gün-
stigen Erfolg schreibe ich nur dem Umstande zu, dass ich mit
reinen Händen operire.
Nachdem wir so Seyfert belehrt, und nachdem ihm diese
Schrift als Beweis gelten muss, dass sich meine Ansicht über
die Entstehung und Verhütung des Kindbettfiebers bewährt
[429] hat, so hoffen wir, dass Seyfert so viel Verstand und Herz
haben wird, um einen Gegenstand von so hoher Wichtigkeit
nicht hartnäckig von sich zu weisen, weil er mit Recht für die
Verheerungen, welche dadurch unter den, seiner Pflege anver-
trauten Wöchnerinnen entstehen würden, verantwortlich ge-
macht werden müsste.
De mortuis nihil, nisi bene; kann sich nur auf die mora-
lischen Eigenschaften des Verstorbenen beziehen.
Die wissenschaftliche Thätigkeit des Verstorbenen ist
dem Urtheile der folgenden Generationen so gut unterworfen,
als selbe dem Urtheile der Zeitgenossen unterworfen war. Es
würde traurig mit der Wahrheit stehen, wenn der Irrthum
durch den Tod desjenigen, welcher den Irrthum gelehrt, zur
Wahrheit gestempelt würde.
Dies vorausgeschickt, wollen wir zur Beurtheilung
Kiwisch’s übergehen.
Kiwisch v. Rotterau*) bespricht Skoda’s Vortrag in der
Academie der Wissenschaften zu Wien über meine Ansicht
über die Entstehung und Verhütung des Kindbettfiebers, und
erklärt, mit Skoda’s Anschauungsweise nicht einverstanden zu
sein, welcher von einer neuen Entdeckung spreche; die Be-
hauptung, dass das Puerperalfieber aus Infection zersetzter,
animalischer Stoffe, und namentlich auch durch Leichengift
hervorgerufen werde, ist eine seit vielen Jahren und von vielen
Seiten aufgestellte und lebhaft vertheidigte, und es wäre diese
Ansicht schon lange durchgedrungen, wenn es den betreffenden
Aerzten gelungen wäre, für dieselbe schlagendere Beweise zu
liefern. Für Dr. Semmelweis erübrigte demnach nur die Auf-
gabe für die Wiener Gebaranstalt den Beweis zu liefern, dass
in derselben die Veranlassung zur Heftigkeit der Krankheit
zunächst aus der Uebertragung von deletaeren, animalen
Stoffen auf die gebärenden Wöchnerinnen hervorgehe. Dass
[430] er sich diesfalls mit so grosser Ausdauer, und wie es scheint,
mit so viel Erfolg bemühte, kann ihm als grosses Verdienst
von Niemand streitig gemacht werden.
Es ist allerdings richtig, dass englische Aerzte vor mir
die Beobachtung gemacht haben, dass zersetzte, animalische
Stoffe das Puerperalfieber hervorzubringen geeignet seien.
Aber in wie beschränkter Weise englische Aerzte dies gelten
liessen, und welch wesentlicher Unterschied zwischen meiner
und der Ansicht englischer Aerzte über die Entstehung des
Kindbettfiebers herrsche, das haben wir von Seite 181 bis
Seite 199 weitläufig erörtert.
Dass aber Kiwisch selbst in der beschränkten Weise der
Engländer diese Wahrheit nicht erkannt, das hat er schlagend
bewiesen.
Kiwisch hat in seinen Referaten für die Canstattischen
Jahresberichte der Jahre 1842, 1843, 1844, 1845 dieselben
Beobachtungen englischer Aerzte mitgetheilt, welche auch wir
nach Arneth mitgetheilt haben.
Das Referat des Jahres 1842 schliesst Kiwisch ohne jede
Bemerkung. Wäre sich Kiwisch bewusst gewesen, welch’
segensreiche Wahrheit in diesen Erfahrungen enthalten ist,
hätte er nicht unwillkürlich Freudenäusserungen gethan, dass
es endlich gelungen, das gebärende Geschlecht von ihrer gröss-
ten Geisel zu befreien.
Das Referat vom Jahre 1843 schliesst Kiwisch mit fol-
gender Bemerkung: »Nach des Ref. Ansicht bedürfen die
Behauptungen des Verf. wohl noch einer genaueren Nach-
weisung und mehrseitiger Berichtigung.«
Das Referat vom Jahre 1844 schliesst Kiwisch mit fol-
gender Bemerkung: »Ref. erlaubt sich bezüglich dieser Mit-
theilungen von Elkington keine Bemerkungen, da ihm nicht
bekannt ist, in wie weit sie vollkommen verlässlich sind.«
Zum Referate für das Jahr 1845 macht er folgende Be-
merkung: »(Ref.) Es muss jedenfalls auffallen, dass derartige
Beobachtungen, die von englischen Aerzten so häufig mitge-
[431] theilt werden, auf dem Continente im Verhältniss sehr selten
und von einzelnen sehr erfahrenen Aerzten gar nicht gemacht
werden. So muss Ref. anführen, dass es ihm, ohngeachtet er
seit mehreren Jahren dieser Untersuchung viel Sorgfalt zu-
gewendet hat, bei gebotener reichlicher Gelegenheit nie mög-
lich wurde, Erfahrungen, die für jene Behauptungen nur halb-
wegs entscheidend gewesen wären, zu sammeln. So häufig
derselbe nach vorgenommenen Sectionen von an septischem
Puerperalfieber Verstorbenen sich ohne angewandte besondere
Vorsicht zu Entbindungen und zu Wöchnerinnen begeben musste,
so konnte er doch in keinem einzigen Falle wahrnehmen, dass
dies für die Wöchnerinnen von irgend einem bemerkbaren
Nachtheile gewesen wäre. Nie konnte er den Ursprung des
Puerperalfiebers durch Infection von einem gangraenösen Ery-
sipel entdecken, und ebensowenig in den Gebäranstalten, in
welchen er functionirte, jemals eine Erkrankung einer Nicht-
wöchnerin wahrnehmen, die man nur mit Wahrscheinlichkeit
durch ein Puerperalfieber veranlast hätte ansehen können.
Die nähere Deutung dieser abweichenden Erfahrungen
und Ansichten dürfte vielleicht die Zukunft bieten.«
Die Deutung dieser abweichenden Erfahrungen und An-
sichten dürfte folgende Anekdote geben.
Es wollte einmal ein Engländer, ein Franzose und ein
Deutscher sich die Idee des Löwen verschaffen.
Was thut der Engländer? er unternimmt eine Reise nach
Afrika und holt sich dort die Idee des Löwen, der Franzose geht
in den Pflanzengarten, um sich dort die Idee des Löwen zu
holen, was thut der Deutsche? der Deutsche sperrt sich in seine
Studierstube ein, setzt sich an den Schreibtisch, und construirt
aus sich heraus die Idee des Löwen. Hirngespinnste verfinstern
in dem Grade den Blick, dass die Wirklichkeit nicht gesehen
wird. Die höchste Sterblichkeit an der I. Gebärklinik zu Wien
war im Jahre 15 %. Kiwisch rechnet mir es als grosses Ver-
dienst an, dass ich diese durch Infection bedingte Sterblichkeit
reducirt habe; er hatte in Würzburg eine Sterblichkeit von
[432] 26 % und sagt dennoch, dass er häufig nach Sectionen von an
septischem Puerperalfieber Verstorbenen zu Entbindungen
ging, ohne in einem einzigen Falle einen Nachtheil beobachtet
zu haben. An Nachtheilen hat es nicht gefehlt, wie die 26 %
Sterblichkeit beweiset, aber an der Fähigkeit den Nachtheil
zu erkennen, hat es gefehlt. Und dass Kiwisch keine Ahnung
hatte von der heilbringenden Wahrheit, welche in den Beob-
achtungen englischer Aerzte liegt, die er in den Canstatti-
schen Jahresberichten von 1842—45 veröffentlichte, geht un-
zweifelhaft auch daraus hervor, dass noch in der 1854 durch
Scanzoni unverändert besorgten Ausgabe seiner klinischen
Vorträge die Thatsache, dass das Puerperalfieber auf die Praxis
eines Arztes oder einer Hebamme beschränkt bleibt, dadurch
erklärt wird, dass das eben die beschäftigsten Aerzte und
Hebammen sind, als ob es möglich wäre, in der Privatpraxis
so viele Wöchnerinnen gleichzeitig zu behandeln, dass selbst
mehrere Todesfälle nur Fälle von Selbstinfection sein könnten.
Wenn ein Arzt oder eine Hebamme z. B. in kurzer Zeit nur
4 Wöchnerinnen am Kindbettfieber verlieren, war es ihnen
möglich, in dieser Zeit 400 Wöchnerinnen in der Privatpraxis
zu behandeln?
In demselben Aufsatze, in welchem er es mir als grosses
Verdienst anrechnet, dass ich durch Verhütung der Infection
die Sterblichkeit auf der I. Gebärklinik verminderte, in dem-
selben Aufsatze sagt er, dass er keine Rücksicht nimmt, ob
seine Schüler aus der naheliegenden Todtenkammer kommen
oder nicht. Wenn Kiwisch es auch nicht gesagt hätte, dass er
auf diesen Umstand keine Rücksicht nimmt, so würden wir
es doch wissen, dass dem so sei, denn eine 26 % Sterblichkeit
kann sich nur in einem solchen Gebärhause ereignen, in wel-
chem keine Rücksicht genommen wird, ob die Untersuchenden
aus der Todtenkammer kommen oder nicht.
Wie spurlos die Beobachtungen englischer Aerzte an
Kiwisch vorübergegangen, geht auch daraus hervor, dass in
seinen 1854 erschienenen klinischen Vorträgen das Kindbett-
[433] fieber als eine Krankheit miasmatischen Ursprungs definirt
wird; und dass er sich seiner eigenen Lehre nicht klar bewusst
war, geht daraus hervor, dass er vergessen hat zu lehren, wie
die Entwicklung des Miasmas zu verhindern sei, und wie das
schon entwickelte Miasma zu zerstören sei. Kiwisch war sich
nicht bewusst, dass eine miasmatische Krankheit eine verhüt-
bare Krankheit sei.
Was Kiwisch zu Gunsten der früher giltigen Aetiologie,
und zu Ungunsten meiner Aetiologie gesagt hat, das zu wider-
legen ist überflüssig, weil wir nur Wiederholungen geben
könnten dessen, was wir schon gesagt, und wer diese Schrift
aufmerksam gelesen, wird sich selbst zurechtfinden. Nur zwei
Punkte sind es, die wir nochmals beleuchten wollen, weil
Dr. Silberschmidt sich darauf beruft. Dr. Silberschmidt sagt:
„Ebensowenig liessen sich, wie Kiwisch bemerkt, die über
ganze Länderstrecken ausgebreiteten Epidemien durch das
Einbringen von Leichengift erklären. Der genannte Autor
beobachtete selbst viele Puerperalfieberkranke auf dem Lande
und in der Stadt, wo die Geburt ganz normal, und nie eine
derartige Einwirkung vorangegangen war.“
Kiwisch war zweimal blos deshalb in Wien, um sich mit
mir in dieser Angelegenheit zu besprechen, und dennoch spricht
er immer nur von der Leiche, über ganze Länderstrecken gibt
es verbreitet Kranke, deren Krankheiten einen zersetzten
Stoff erzeugen, und über ganze Länderstrecken verbreitet gibt
es Aerzte und Hebammen, welche sich mit solchen Kranken,
und mit Schwangern, Kreissenden und Wöchnerinnen beschäf-
tigen, und die über ganze Länderstrecken verbreiteten Aerzte
und Hebammen haben in der Schule nicht gelernt, wie das
Puerperalfieber entsteht, und wie es verhütet werden kann,
und deshalb kommt das Puerperalfieber über ganze Länder-
strecken verbreitet vor.
Dr. Silberschmidt beruft sich auf die Behauptung Kiwisch’s,
welcher sagt: »dass er keine Rücksicht nehme, ob die Studi-
renden von der naheliegenden Todtenkammer kommen oder
Semmelweis, Kindbettfieber. 28
[434] nicht, und trotzdem war der Gesundheitszustand der Wöch-
nerinnen in den letzten 2½ Jahren ein sehr befriedigender,
wogegen am Schlusse des Jahres 1846, wo zufällig wegen
seiner Abwesenheit kein klinischer Besuch stattgefunden, und
von Seite des anwesenden Assistenten keine Sectionen gemacht
wurden, das Puerperalfieber plötzlich auf die fürchterlichste
Weise auftauchte, und ungeachtet aller Vorsichtsmassregelu
im folgenden Jahre erst dann vollkommen erlosch, als die
warme Jahreszeit weiter vorgeschritten war, wo doch die
klinischen Untersuchungen von mir in gewöhnlicher Weise
fortgesetzt wurden.«
Ich habe bewiesen, dass in Wien das Puerperalfieber in
der grössten Mehrzahl der Fälle durch Einbringung eines zer-
setzten Stoffes von Aussen entstanden ist. Nachdem die Ge-
setze der Natur in der ganzen Welt dieselben sind, so wird
wohl das Puerperalfieber in Würzburg ebenso entstehen wie
in Wien, und dass in Würzburg wirklich das Puerperalfieber
nicht durch unverhütbare atmosphärische Einflüsse entstanden
ist, das hat ja Scanzoni bewiesen, denn Scanzoni hat in 6 Jah-
ren von 1639 Wöchnerinnen nur 20 am Kindbettfieber ver-
loren. Die Sterblichkeit Scanzoni’s steht daher zur Sterblich-
keit Kiwisch’s, wie wir schon früher nachgewiesen, wie 20 Todte
zu 432 Todten.
Schliesslich erlauben wir uns noch folgende Betrachtun-
gen über Dr. Silberschmidt’s Opposition gegen meine Lehre
über die Entstehung des Kindbettfiebers. Um die Unrichtig-
keit meiner Ansicht zu beweisen, beruft sich Dr. Silberschmidt
auf die Erfolglosigkeit der Chlorwaschungen, wie solche Scan-
zoni in Prag beobachtete, diese Beobachtungen umfassen fünf
und einen halben Monat.
Dr. Silberschmidt ignorirt den sechsjährigen Erfolg, den
Scanzoni in Würzburg wahrscheinlich nicht durch Chlor-
waschungen, jedenfalls aber mittelst meiner, ich weiss nicht
unter welcher Form beobachteten Lehre erzielte.
[435]
Das was für Scanzoni als Verdienst gelten könnte, das
ignorirt Dr. Silberschmidt, den Fehler aber, den Scanzoni be-
gangen, den entreisst er der Vergessenheit; ist es nicht ein
Fehler, wo nicht mehr, wenn Scanzoni, indem es sich han-
delt, zu bestimmen, ob das Puerperalfieber durch atmosphä-
rische Einflüsse oder durch Resorption eines zersetzten Stoffes
entstehe, durch Experimente mit Chlorwaschungen heraus-
bringt, dass die Wöchnerinnen zufällig und ohne nachweis-
bare Ursache am Puerperalfieber sterben.
Dr. Silberschmidt beruft sich auf gegentheilige Beobach-
tungen, die Kiwisch an der Würzburger Klinik gemacht; ob-
wohl Kiwisch’s Beobachtungen durch den sechsjährigen Er-
folg Scanzoni’s widerlegt sind.
Obwohl Dr. Silberschmidt Scanzoni’s Verdienste ver-
schweigt, und dafür seine Fehler der Welt wieder in’s Ge-
dächtniss ruft, wurde doch die Schrift Silberschmidt’s mit
einem Preise von einer Körperschaft gekrönt, deren Mitglied
Scanzoni ist. Die Erklärung dieser Erscheinung ist sehr leicht.
Silberschmidt musste ja zeigen, dass meine Ansicht über
die Entstehung des Kindbettfiebers eine irrige sei.
Denn ist meine Ansicht über die Entstehung des Kind-
bettfiebers wahr, so ist die Scanzonische Pathologie des Kind-
bettfiebers ein colossaler Unsinn, wie wir das an der betreffen-
den Stelle bewiesen.
Diese Pathologie musste aber der Welt als die Blüthe
der Bemühungen der Jahrhunderte dargeboten werden, und
was diesem Vorhaben im Wege steht, findet keine Gnade,
selbst die Wahrheit nicht. Dass eine solche Opposition nur
aus einer gewissenlosen Unredlichkeit entspringen kann, wird
dem unbefangenen Leser einleuchten; Du lieber Gott, wann
wird das Puerperalfieber aufhören über ganze Länderstrecken
verbreitet vorzukommen, wenn durch solch eine gewissenlose
unredliche Opposition die über Länderstrecken verbreiteten
Medicinal-Individuen verdummt werden?
28 *
[436]
Die medicinische Facultät zu Würzburg kann sich bei
Scanzoni bedanken, dass er sie so auf’s Eis geführt.
Dr. Hermann Lebert, Professor in Breslau.
Wir würden Lebert nicht anführen, da er zu unbedeu-
tend als Opponent ist, als dass es sich der Mühe lohnen würde,
ihn zu berücksichtigen; aber Lebert ist ein Beleg dafür, dass
Kiwisch nicht das Recht hat, zu behaupten, er habe schon
1842 gewusst, dass das Puerperalfieber so entstehe, wie ich
es erst 1847 lehre, denn Lebert sein Schüler weiss noch 1859
nicht, wie das Puerperalfieber entsteht. Lebert definirt das
Kindbettfieber noch 1859 folgender Weise: »Das Puerperal-
fieber ist eine fieberhafte, den Wöchnerinnen eigenthümliche
Krankheit, welche miasmatischen Ursprungs, zuletzt ein Blut-
leiden setzt, das nach seiner verschiedenen Eigenthümlichkeit
mannigfache örtliche (meist entzündliche) Erscheinungen her-
vorruft, welcher jedoch das gemeinschaftliche Merkmal zu-
kommt, dass sie sich im Krankheitsbeginne vorzugsweise im
Gebärorgane localisiren, und selten gleichzeitig, meist erst
später, in jenen Gebilden des übrigen Organismus auftreten,
welche mit der zunächst ergriffenen Parthie der Gebärmutter
organisch verbunden oder anatomisch-analog sind.« Und über
das, was Kiwisch schon im Jahre 1842 gewusst haben will,
über meine Lehre nämlich, spricht sich Lebert folgenderweise
aus: »Ob directe Inoculation durch Leichengift der an diesem
Uebel Verstorbenen stattfinden könne, wie dies Semmelweis
förmlich zu einem System erhoben hat, ist zweifelhaft; jeden-
falls wäre auch dieses nur eine der vielen Möglichkeiten der
Uebertragung.« Wenn Lebert in die Sache nicht gehörig ein-
geweiht ist, so wäre es besser gewesen, zu schweigen, als
sich ein Urtheil anzumassen; oder wusste Lebert, dass die Sterb-
lichkeit der I. Klinik, welche bis 518 Todte im Jahre stieg,
durch Verhütung der directen Inoculation bis auf 45 Todte im
Jahre 1848 herabgedrückt wurde, und hält es dennoch für
zweifelhaft, ob das Puerperalfieber durch directe Inoculation
[437] entstehe, so hat er seinem Scharfsinn kein glänzendes Zeug-
niss ausgestellt.
Als Schüler Kiwisch’s bekennt sich Lebert durch folgen-
den Ausspruch: »Nach dem Beispiel Kiwisch’s, welchem wir
weitaus die reichhaltigsten, besten und gründlichsten Arbeiten
über diesen Gegenstand verdanken, werden wir zuerst das
Puerperalfieber, welches man vielleicht besser als puerperale
Intoxication bezeichnen würde, beschreiben, und dann seine
wichtigsten Localisationen nacheinander durchnehmen.
Mehrfach werden wir uns hiebei auch auf die im vorigen
Jahre (1858) vor der Pariser medicinischen Academie statt-
gehabte Discussion über diesen Gegenstand stützen, bemer-
ken aber hier im Allgemeinen, dass dieselbe eigentlich wenig
Neues zu Tage gefördert hat, dass die jetzt bereits über 12
Jahre alte Beschreibung von Kiwisch in seinen klinischen
Vorträgen noch immer weit über Allem dem steht, was in dem
Schlussberichte über diese Discussion von Guérard mitge-
theilt worden ist, und das wir namentlich in jener Discusion
eigentlich sowohl neue Gesichtspunkte, als neue Beobachtun-
gen, so wie auch chemische und experimental-pathologische
Versuchsreihen ganz vermissen. Wir fügen hinzu, dass der
Ausspruch. in Bezug auf das Allgemeinleiden von Seiten der
Academie, am Ende doch nur eine von besseren Pathologen
längst angenommene Thatsache bestätigt, und dass der Vor-
schlag, alle grösseren Gebäranstalten zu schliessen, offenbar
eine jener voreiligen und leichtfertigen Inspirationen des Au-
genblickes zu sein scheint, welche lebhaft an das banale
Sprichwort »das Kind mit dem Bade ausschütten« erinnert.
Mit einem Worte, es war dies wieder ein Mal ein Tournier
schöner Improvisationen, aber wohl kaum eine Quelle wahrer
Belehrung.«
Ich hoffe, dass meine Schüler, wenn selbe über Puerpe-
ralfieber schreiben, eine andere Definition dieser Krank-
heit geben werden, als Lebert gegeben, ich hoffe, dass selbe
Kiwisch’s Arbeiten über diese Krankheit nicht mehr für
[438] die weitaus reichhaltigsten, besten und gründlichsten halten
werden, so wie es zu erwarten steht, dass selbe mit Lebert’s
Urtheil über die Discussion dieser Krankheit in der Academie
der Medicin in Paris einverstanden sein werden.
In der allgemeinen Versammlung der k. k. Gesellschaft
der Aerzte, gehalten den 15. Mai 1850, hielt ich einen Vor-
trag über meine Ansicht über die Entstehung des Kindbett-
fiebers, über welchen Vortrag sich eine Discussion entspann,
welche in den allgemeinen Versammlungen vom 18. Juni und
15. Juli 1850 fortgesetzt wurde. An dieser Discussion be-
theiligte sich zuerst Dr. Zipfl als Gegner meiner Ansicht.
Dr. Zipfl war Assistent in den Jahren 1842 und 1843 an
der Klinik für Hebammen, in dieser Zeit war ich Aspirant für
die Assistenz an der Klinik für Aerzte und machte Morgens
meine gynaecologischen Studien an den weiblichen Leichen
in der Todtenkammer, Dr. Zipfl sah ich ungemein häufig zur
selben Zeit die Sectionen der an der Hebammenklinik verstor-
benen Wöchnerinnen machen.
Als ich später einmal mit Dr. Zipfl zusammentraf, zu
einer Zeit, wo die Erfolge der Chlorwaschungen schon be-
kannt waren, gratulirte er mir und versicherte mir, dass auch
ihm die Sache dunkel vorgeschwebt sei; dass er die Sache
nicht klar erfasst, liege nur darin, dass die Facta auf der Heb-
ammenklinik nicht so schlagend seien, als an der Klinik für
Aerzte; wäre er an der Klinik für Aerzte Assistent gewesen,
wo die Facta so überzeugend seien, er würde gewiss dieselbe
Ueberzeugung ausgesprochen haben.
Durch solche Aeusserungen ermuthigt, erlaubte ich mir
die Bemerkung, dass ich überzeugt sei, dass die Sectionen,
welche ich ihn machen sah, die Ursache seien, dass während
seiner Assistenz die Sterblichkeit an der Hebammenklinik die
*)
[439] grösste war (siehe Tabelle VI, Seite 3). Gleichzeitig appellirte
ich an seine Wahrheitsliebe, mit der Bitte, mir zu gestatten,
dieses Factum im Zusammenhange mit seinem Namen be-
nützen zu dürfen, was Dr. Zipfl bereitwilligst zugestand, mit
der Bemerkung, dass es keine Schande sei, ein Verehrer der
pathologischen Anatomie zu sein.
Ich war nicht wenig überrascht, als Dr. Zipfl, nachdem
ich von seiner Erlaubniss in meinem Vortrage Gebrauch ge-
macht hatte, sich mir als Gegner gegenüber stellte, und sich
auch deshalb beschwerte, dass ich seinen Namen mit einer
so grossen Sterblichkeit in ursächlichen Zusammenhang bringe.
Um zu beweisen, dass die von ihm gemachten Sectionen
nicht die Ursache des an der Hebammenklinik beobachteten
Puerperalfiebers waren, hat Dr. Zipfl alle im Jahre 18 2 unter
seinem Namen protocollirten Sectionen ausgehoben, es sind
deren 41, diese Sectionen mit den Geburtsprotocollen verglichen,
und dadurch gefunden, dass eine grosse Zahl Verstorbener
nicht an den Tagen geboren, wo er Sectionen gemacht, dass
von jenen Entbundenen, welche kurze Zeit nach gemachten
protocollirten Sectionen geboren, gerade die wenigsten er-
krankten, während die am spätesten nach den protocollirten
Sectionen (24 bis 36 Stunden) Entbundenen am häufigsten
starben.
Ich habe Dr. Zipfl so häufig Sectionen machen sehen,
dass ich überzeugt bin, dass von den 202 im Jahre 1842
an der Hebammenklinik verstorbenen Wöchnerinnen nur sehr
wenige unsecirt geblieben sind. Wenn nur 41 Sectionen pro-
tocollirt sind, so ist das darin gelegen, dass die grösste An-
zahl der Sectionen von Puerperalleichen wegen dem gleich-
bleibenden Sectionsbefunde nicht protocollirt werden.
Die Wöchnerinnen, welche an Tagen geboren, wo keine
Section protocollirt ist, sind von unprotocollirten Sectionen
her inficirt worden, und wenn Dr. Zipfl sagt, dass gerade jene
Individuen, welche unmittelbar nach protocollirten Sectionen
geboren, gesund blieben, und jene, welche später geboren,
[440] erkrankten und starben, so sagt er etwas, was meine Lehre
bestätiget, die, welche unmittelbar nach protocollirten Sec-
tionen geboren, waren bei der Untersuchung nach gemachter
Section schon in der Austreibungsperiode, und konnten des-
halb wegen der Unzugängigkeit der resorbirenden inneren
Fläche der Gebärmutter nicht mehr inficirt werden, während
jene Individuen, welche später geboren, bei der Untersuchung
nach der protocollirten Section in der Eröffnungsperiode sich
befanden, und daher wegen Zugängigkeit der resorbirenden
inneren Fläche des Uterus inficirt wurden.
Obwohl Dr. Zipfl die Wahrheit meiner Ansicht angreift,
nimmt er doch die Priorität für sich und für Fergusson in
Anspruch; derselbe Dr. Zipfl, welcher so viele Sectionen ge-
macht, sich nicht desinficirt, und deshalb von den innerhalb
zwei Jahren 5398 Wöchnerinnen 366 Wöchnerinnen, also 313
oder beinahe jeden zweiten Tag eine Wöchnerin in Folge ver-
hütbarer Infection von Aussen verloren hat, die Kinder nicht
gerechnet.
Welch’ eine Strafe ist gross genug für solch’ ein Ver-
brechen?
Doch ich will jede Strafe von Dr. Zipfl dadurch abwen-
den, dass ich beweise, dass er zur Zeit, als er beinahe jeden
zweiten Tag eine Wöchnerin, die hätte gerettet werden kön-
nen, verlor, ungerechnet die geopferten Kinder, in tiefster
Unwissenheit über die Entstehung des Kindbettfiebers lebte.
Fergusson sagt, Gaspard und Cruvelhier haben zersetzte
Stoffe Thieren in das Gefässsystem gespritzt, dadurch sind bei
Thieren dieselben Entzündungen entstanden, welche wir bei
Wöchnerinnen finden. Beide Experimentatoren haben das Ge-
fässsystem der Thiere mechanisch verletzt durch Einbringung
von Holzstückchen in das Gefässsystem, es entstand derselbe
Process. Beide diese Schädlichkeiten, sagt Fergusson, finden
wir bei den Wöchnerinnen, und deshalb entsteht bei den-
selben dieselbe Krankheit.
Durch Trennung der Placenta werden viele Gefässe zer-
[441] rissen, während der Heilung der Wunde, welche die Placenta-
stelle des Uterus darstellt, kann das Wundsecret eine jauchige
Beschaffenheit annehmen, und dadurch das Puerperalfieber
hervorrufen; nach Fergusson sind demnach alle Fälle von
Puerperalfieber Selbstinfectionsfälle, nach mir entsteht das
Puerperalfieber in der überwiegend grössten Mehrzahl der
Fälle durch Infection von Aussen. Im Jahre 1846 sind an
der Klinik für Aerzte zu Wien 518 Wöchnerinnen gestorben,
im Jahre 1848 starben 45; sind im Jahre 1848 die zersetzten
Stoffe zerstört worden, welche von aussen eingebracht wur-
den? oder die zersetzten Stoffe, welche sich an der Placenta-
stelle bildeten?
Wenn daher Dr. Zipfel Fergusson’s und meine Lehre für
identisch hält, so weiss er ebensowenig was Fergusson, noch
was ich lehre.
Prof. Hayne *) spricht seine Verwunderung aus, dass so-
gar über die Priorität ein Streit entstehen kann, indem die
nun für die Genesis des Wochenbettfiebers beim Menschen als
neu aufgestellte Erklärungsweise von ihm bereits im J. 1830
in seinen thierärztlichen Schriften für das dem Wesen nach
gleiche Fieber der Rinder veröffentlicht worden sei.
Prof. Hayne sagt Seite 618 Folgendes: »Da allenthalben
Local-Affectionen nur in Folge mechanisch-chemisch und dy-
namisch verletzend wirkender Einflüsse stattfinden, so wird
dieses auch bei dem Wurffieber der Fall sein, daher kann denn
auch ein schweres lang dauerndes, bei sehr angestrengter
Natur, insbesondere aber roher, voreiliger und umfassender
Kunsthilfe vorsichgehendes Werfen, die dabei vorkommenden
zufälligen oder absichtlichen Verletzungen, die übermässigen
Anhäufungen des Futters in den Mägen und Gedärmen, des
Harns in der Blase, der Genuss reizender verdorbener Nah-
[442] rung oder der Gebrauch erhitzender, mitunter spezifisch auf
die Geschlechts- und Harnwerkzeuge wirkender, scharfer,
balsamischer, heftig reizender Mittel, vor allem aber die unter-
drückte Hautausdünstung in Folge der Verkühlungen einer
nasskalten Witterung, Fütterung, Localität u. s. w.
— — — — — — — — — — — — —
Ungeachtet meistens irgend einer der obigen widrigen
Einflüsse an der Entstehung des Leidens die Schuld trägt, so
kann doch auch der Fall eintreten, dass keine Schädlichkeit,
welcher entschieden das Erkranken zugeschrieben werden
könnte, gefunden wird, daher denn auch so ein Ergebniss zur
Annahme entweder eines Miasma oder Contagium berechtigen
dürfte, in welchem Falle auch das Leiden seuchenartig um so
eher vorkommen kann, als gemeinschaftlich zu gleicher Zeit
das Werfen erfolgt, die betreffenden Thiere gleichförmig dis-
ponirt, und denselben Anfeindungen ausgesetzt sind. Indessen
muss jedoch auch bemerkt werden, dass solche Ergebnisse,
welche für die Ansteckung sprechen würden, bei den Thieren,
sowie bei den Kindbetterinnen in den Entbindungsanstalten
der Fall ist, vielleicht darum nicht vorkommen, als nirgends
so wie in diesen das Gebären unausgesetzt stattfindet, auch im
Falle sich ein Contagium entwickelt, durch das übliche häufige
Untersuchen der Geburtstheile (was bei den Thieren nicht
geschieht) vielleicht eine Uebertragung von einem Kranken
auf den anderen zwar gesunden, aber äusserst empfindlichen
und leichter verletzbaren Uterus erfolgen dürfte.«
Seite 621 sagt Prof. Hayne, »dass das Follen-, Kälber-
u. s. f. Fieber gleich dem Puerperalfieber ist, darf wohl kaum
erinnert werden; man hat jedoch, wie bereits erwähnt wurde,
noch keine Erfahrung gemacht, welche für eine Contagiosität
sprechen würde, somit auch in veterinär-polizeilicher Hinsicht
nichts anzuführen und nur hinzuzufügen ist, dass dort, wo das
Leiden seuchenartig erscheinen sollte, jeder Art Verkühlung
und Ueberfütterung ausgewichen werden muss, eine Vorsicht,
die um so unverlässlicher ist, als jene sowohl bei Menschen,
[443] als auch bei den Thieren als das, meistens das Leiden Veran-
lassende, im Rufe steht, obwohl mitunter auch etwas miasma-
tisch Wirkendes in der Luft zu sein scheint, das zu entfernen
und unschädlich zu machen, meist ausser dem Bereiche der
menschlichen Kräfte liegt.“
Der Leser wird selbst beurtheilen, ob Prof. Hayne schon
im Jahr 1830 das Puerperalfieber bei Thieren so entstehen liess,
wie ich es im Jahre 1847 beim Menschen entstehen lehrte.
Als zweiter Gegner betheiligte sich Dr. Lumpe.
Dr. Lumpe *) sagt: „Wenn man bedenkt, wie seit dem
ersten Auftreten von Puerperalfieber-Epidemien die Beobachter
aller Zeiten sich die Köpfe zerbrochen, um die Ursache der-
selben aufzufinden, und ihre Entstehung zu verhüten, so muss
uns die Semmelweis’sche Theorie geradezu wie das Ei des
Columbus erscheinen. Ich gestehe, dass ich selbst anfangs
hocherfreut war, als ich von den glücklichen Resultaten der
Chlorwaschungen hörte, und es ist es mit mir gewiss Jeder
gewesen, der das Unglück hatte, Zeuge zu sein, wie so viele
in jugendlicher Frische erblühende, kräftige Individuen der
verheerenden Seuche eben so schnell zum Opfer fielen, als
manche entnervte, gebrechliche Jammergestalt. Allein da ich
während meiner zweijährigen Assistentenzeit an der I. Gebär-
klinik so ungeheure Schwankungen der Erkrankungs- und
Sterbefälle beobachtet habe, musste wohl mancher gerechte
Zweifel gegen die beliebte Entstehungs- und Verhütungsart
in mir erwachen. Je schärfer ich diese Zweifel ins Auge fasste,
desto deutlicher standen sie als logische Widersprüche vor mir,
gegen welche die pia desideria der Humanität auf dem Felde
der exacten Wissenschaften nicht Stand zu halten vermögen.“
Ich bin ganz mit Dr. Lumpe einverstanden, wenn er sagt,
dass meine Theorie ihm das Ei des Columbus zu sein scheine.
Ich selbst habe oft und oft meine Verwunderung nicht darüber
ausgesprochen, dass der grelle Widerspruch zwischen den
[444] täglichen Beobachtungen und der Lehre mir meine gegenwär-
tige Ueberzeugung aufgedrungen hat, sondern darüber, dass
dieses nicht schon lange vor mir geschehen sei.
Wenn aber Lumpe sagt, dass die pia desideria der Hu-
manität vor der Logik und der exacten Wissenschaft nicht
Stand halten, so bin ich anderer Meinung.
Während der zweijährigen Dienstzeit des Dr. Lumpe vom
September 1840 bis September 1842 ereigneten sich an der
I. Klinik 5653 Geburten, in welcher Zahl die Geburten vom
December 1841 nicht inbegriffen sind, weil mir die Rapporte
dieses Monates verloren gingen. Davon starben 662 Wöch-
nerinnen, es starben mithin 606 Wöchnerinnen in Folge ver-
hütbarer Infection von aussen oder mit anderen Worten, in
diesen 23 Monaten starb, ungerechnet der Transferirten, un-
gerechnet der durch die Mütter inficirten Kinder, beinahe täg-
lich eine Wöchnerin, die hätte gerettet werden können; es ist
ein Desiderium der Humanität, dass eine solche, grauener-
regende Verschwendung von Menschenleben aufhöre. Wir
erfüllen mit dieser Schrift dieses Desiderium der Humanität,
wir haben in dieser Schrift eine logische, exacte Wissenschaft
über die Entstehung und Verhütung des Kindbettfiebers auf-
gebaut; was Lumpe Logik nennt, ist keine Logik, und was
Lumpe exacte Wissenschaft nennt, ist ein Conglomerat von
Irrthümern.
Lumpe sagt, er war hoch erfreut, als er von den glück-
lichen Resultaten der Chlorwaschungen hörte, aber er habe
einige Zweifel, und anstatt durch Studien diese Zweifel zu
lösen, hält er seine Zweifel für wahr, und das unzweifelhafte
Factum des Erfolges der Chlorwaschungen für falsch, den
Erfolg dem Zufalle zuschreibend. Das ist Logik, das ist
exacte Wissenschaft nach Lumpe, und dieser Logik, dieser
exacten Wissenschaft müssen die pia desideria der Humanität
weichen, und in alle Ewigkeit muss an einer einzigen geburts-
hilflichen Lehranstalt dieser Logik und dieser exacten Wissen-
schaft beinahe täglich eine Wöchnerin zum Opfer fallen.
[445]
Die Monatsrapporte von Dr. Lumpe’s Dienstzeit in den
Jahren 1841 und 1842 findet der Leser Seite 13, Tabelle
Nr. III, die Rapporte aus dem Jahre 1840 folgen hier.
- Im Monat September, Geburten 270, Todte 38, M. P. 11,11
- » » October » 215, » 63, » 29,30
- » » November » 216, » 42, » 14,81
- » » December » 222, » 48, » 21,62
Dr. Lumpe sagt: »Wenn das Leichengift die Ursache einer
Krankheit ist, so muss nothwendig die Wirkung desselben (da
man logischer Weise keine spezifische Disposition dafür an-
nehmen kann) in einem directen Verhältnisse zu dieser Ur-
sache stehen, also je häufiger das Leichengift durch den unter-
suchenden Finger etc. auf Wöchnerinnen übertragen wird,
desto häufiger müssen die Erkrankungen und Sterbefälle sein
und umgekehrt.«
Ich bin mit Lumpe einverstanden, wenn er sagt, dass, je
häufiger das Leichengift eingebracht wird, desto häufiger die
Erkrankungen und umgekehrt. Aber die Behauptung, dass es
keine spezifische Disposition für das Leichengift gebe, ist wie-
der eine exacte Lumpe’sche Wissenschaft. Die tägliche Er-
fahrung lehrt, dass nicht immer nach Verletzungen bei Sectionen
Pyaemie folgt, sowie nicht alle Kaninchen, denen wir zersetzte
Stoffe einspritzten, an Pyaemie zu Grunde gingen.
Dr. Lumpe sagt: »Sehen wir nun, wie sich die Thatsachen
mit dieser Forderung der unerbittlichen Logik vertragen.
Lumpe sagt, während seiner Dienstzeit sei ein solcher Unter-
schied zwischen dem Maximo und Minimo der Sterblichkeit
vorgekommen, dass man dabei an alles andere, als an eine
gemeinsame sich gleichbleibende Ursache denken könne.«
Die gemeinsame Ursache aller Puerperalfieberfälle, welche
je waren, und welche noch entstehen werden, ist allerdings ein
zersetzter thierisch-organischer Stoff, wenn aber Dr. Lumpe
behauptet, dass der zersetzte Stoff eine gleichbleibende Ursache
sei, das heisst, dass die im Gebärhause Beschäftigten immer
im gleichen Grade mit zersetzten Stoffen verunreiniget sind,
[446] dass demzufolge die Sterblichkeit keine Schwankungen er-
leiden, sondern immer eine gleiche sein müsste, so ist das eine
Behauptung, die alle Merkmale der Lumpe’schen exacten
Wissenschaft an sich trägt.
Dass das Puerperalfieber wirklich nur im Verhältnisse
zur Einbringung zersetzter Stoffe von Aussen entstehe, haben
wir weitläufig genug durch beinahe sieben Druckbögen hin-
durch in dieser Schrift, nämlich von Seite 114 bis Seite 213,
bewiesen.
Dr. Lumpe sagt: »Stellen wir nun damit das Maximum
der Sterblichkeit beim Gebrauch der Chlorwaschungen zu-
sammen — es starben im März 1849 20 Wöchnerinnen *) —
so können wir, wenn Semmelweis’s Theorie wahr ist, nur die
über dieses Maximum hinausgehenden, nach logischen Ge-
setzen als Vergiftungsfälle gelten lassen, und wir werden in
consequenter Schlussfolge zu der Behauptung gedrängt, dass
ein Gift, welches so intensiv ist, dass die geringste materielle,
kaum nachweisbare Menge die gesundeste Wöchnerin zu tödten
vermag, sich durch lange Zeit mild, wie Mandelmilch verhält,
dann wieder wie verheerender Pesthauch durch die Wochen-
zimmer streift. Denn vom Februar 1841 bis inclusive Sep-
tember 1841, also durch volle acht Monate, dann vom Mai bis
inclusive Juli 1842 blieb die Zahl der Sterbefälle immer und
— mit Ausnahme zweier Monate — sogar sehr weit unter 20.«
Es zeugt von exacter Wissenschaft, wenn Lumpe nur die
absolute Sterblichkeit berücksichtigt. Kiwisch hatte 27 Todte,
im Wiener Gebärhause starben 730 Wöchnerinnen; folglich
zweifelt Dr. Lumpe nicht, dass Kiwisch einen günstigeren
Gesundheitszustand hatte, als das Wiener Gebärhaus.
[447]
Grundfalsch. Kiwisch verpflegte 102 Wöchnerinnen, folg-
lich hatte er 26 % Sterblichkeit, im Wiener Gebärhause wur-
den im Jahre 1842 verpflegt 6024 Wöchnerinnen, folglich
starben 12 % Wöchnerinnen, die Sterblichkeit war daher im
Wiener Gebärhause bei 730 Todten um 14 % günstiger als bei
Kiwisch mit 27 Todten.
Im März 1849 wurden verpflegt 406 Wöchnerinnen, da-
von starben 20, d. i. 4,92 %. Die wahre exacte Wissenschaft
fordert, dass nicht 1 Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen am Kind-
bettfieber sterbe, wenn daher von 406 Wöchnerinnen 20 am
Kindbettfieber gestorben sind, so sind wenigstens 17 Wöch-
nerinnen gestorben, welche hätten gerettet werden können.
Wenn wir diese Forderung der wahren Wissenschaft über die
Entstehung des Kindbettfiebers an die Leistungen Lumpe’s
stellen, so zeigt sich, dass nur einmal, im Mai 1841, nicht eine
Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb, dass in den übrigen
Monaten mehr weniger in dem Grade inficirt wurde, dass
durchschnittlich beinahe täglich eine Wöchnerin starb, welche
hätte gerettet werden können. Der Leser weiss, dass an der
I. Gebärklinik von Zeit zu Zeit massenhafte Transferirungen
erkrankter Wöchnerinnen vorgenommen wurden.
Die Einsichtsnahme der Acten über diese Transferirungen
wurde verweigert; wenn es mir gestattet gewesen wäre, von
diesen Acten Kenntniss zu nehmen, so könnte ich vielleicht
der unerbittlichen Lumpe’schen Logik und der Lumpe’schen
exacten Wissenschaft sagen, gerade in den Monaten, wo sich das
Leichengift so milde wie Mandelmilch verhalten, wurden so
und so viele hundert erkrankte Wöchnerinnen ins Kranken-
haus transferirt. Dass während Lumpe’s Dienstzeit massen-
hafte Transferirungen vorgenommen wurden, ist Thatsache;
eine Sterblichkeit, wo beinahe eine Wöchnerin täglich stirbt,
die hätte gerettet werden können, ist zu entsetzlich, als dass
selbe nicht zu Massregeln hätte Veranlassung geben sollen,
nur weiss ich nicht die Monate, in welchen die Transferirungen
geschahen; die Acten exsistiren noch, und der Leser kann
[448] überzeugt sein, dass, falls die Acten gegen mich sprechen
sollten, deren Veröffentlichung nicht auf sich warten lassen
wird, unterbleibt die Veröffentlichung, so kann der Leser sicher
sein, dass selbe für mich zeugen.
Dr. Lumpe sagt: »Suchen wir noch die weiteren Con-
sequenzen, die sich aus dem Anpassen der angeregten Erklä-
rungsart auf festgestellte, unläugbare und — ich brauche wohl
nicht hinzuzufügen — mit gewissenhafter Treue zum Beweise
benützte Thatsachen ergeben.«
Dr. Lumpe gibt nun eine Tabelle, aus welcher hervorgeht,
dass, je seltener die Gelegenheit war, die Hände zu verunrei-
nigen, desto grösser war die Sterblichkeit, und je häufiger die
Gelegenheit war, die Hände zu verunreinigen, desto geringer
war die Sterblichkeit; und sagt: »Wir wären somit in der Be-
weisführung ad absurdum gekommen.«
Die festgestellte, unläugbare, mit gewissenhafter Treue
zum Beweise benützte Thatsache, welche bei dieser Tabelle
als Basis dient, ist die Annahme, dass die Schüler nur bei den
geburtshilflichen Cursen mit Uebungen an Leichen Gelegenheit
haben, sich die Hände zu verunreinigen; wie gänzlich falsch
diese Annahme sei, ist ja selbst Lumpe bekannt, denn er sagt
in demselben Aufsatze, dass die Candidaten zur Morgenvisite
directe aus der Leichenkammer von den Sectionen kommen.
Lumpe’s Curse bestanden in sechswöchentlichen theoretischen
Vorträgen, welche durch je einstündige Uebungen am Ca-
daver in den letzten 3 Tagen geschlossen wurden.
Lumpe sagt, die grösste Sterblichkeit war im October
1840, es starben von 215 Wöchnerinnen 63, und er habe in
diesem Monate keinen Curs mit Uebungen an Leichen gehabt,
während der acht Monate aber, binnen welchen nicht 20 Wöch-
nerinnen starben, habe er ein bis zwei Uebungen am Cadaver
gehabt, ja im Mai 1842 habe er 4 Curse gehabt und doch nur
10 Wöchnerinnen verloren, während im Jänner 1842 in einem
Curse 64 Wöchnerinnen starben.
Wenn Lumpe auch im October 1840 keinen Curs mit
[449] Uebungen an Leichen hatte, so kamen doch die Schüler von
den Ferien mit frischem Eifer, besuchten die Sectionen, gingen
direct, wie Lumpe selbst sagt, aus der Leichenkammer von den
Sectionen zur Visite ins Gebärhaus, das dauert so lange, bis
in Folge der wärmeren Jahreszeit der Aufenthalt sowohl in
der Todtenkammer als im Gebärhause unangenehm wird, da
lässt der Fleiss bedeutend nach, und nur Folge des Fleisses
der Schüler in der kälteren Jahreszeit ist die grosse Sterblich-
keit in der kälteren Jahreszeit, und Folge des verminderten
Fleisses ist die geringere Sterblichkeit während der wärmeren
Jahreszeit. Die geburtshilflichen Curse mit Uebungen an
Leichen in der wärmeren Jahreszeit — in welche die Curse
bei gleichzeitiger geringer Sterblichkeit fallen — werden nach
der Nachmittagsvisite gehalten, und sind deshalb minder ge-
fährlich, weil die Schüler nach vollendeter Tagesarbeit sich
zerstreuen, und erst kommenden Tags wieder das Gebärhaus
besuchen.
Lumpe sagt, der grössten Gefahr einer Infection sind be-
sonders die künstlichen Geburten ausgesetzt, wegen der häu-
figen Untersuchungen, denen selbe unterworfen sind, und doch
war in den 8 Monaten die Zahl der Todesfälle viel kleiner, als
die Zahl der künstlichen Geburten. Natürlich, weil diese
8 Monate in die warme Jahreszeit fallen, wo mit reineren
Händen untersucht wird. Hätte Lumpe die künstlichen Ge-
burten der Wintermonate excerpirt, so hätte es sich gezeigt,
dass die Sterblichkeit nach künstllichen Geburten eine sehr
grosse sei.
Dr. Lumpe sagt: »Wenn die Folgen eines Giftes bei der
nachgewiesenen Wirklichkeit der Uebertragung durch volle
8 Monate nicht zur Aeusserung kommen, so existirt kein ver-
nünftiger Grund gegen die Annahme, dass dies auch mehrere
Jahre hindurch der Fall sein kann. Die Chlorwaschungen
werden seit 3 Jahren gemacht.«
Wir haben nachgewiesen, dass nur im Mai 1841 das
Leichengift nach den Gebärhausrapporten sich nicht geäussert
Semmelweis, Kindbettfieber. 29
[450] hat, wir halten es aber für möglich, dass vielleicht gerade im
Mai 1841 60 bis 80 erkrankte Wöchnerinnen ins Krankenhaus
transferirt wurden. Wir leben jetzt im Jahre 1860, folglich
sind es nicht mehr blos 3, sondern 13 Jahre, und das zufällige
Aufhören der Sterblichkeit hat sich an mehreren Orten
wiederholt.
»Mit der Theorie des Puerperalfiebers geht es wie mit
allen Theorien, sagt Lumpe; z. B. die Physiker erklärten die
Erscheinungen des Lichtes früher mit der Emanationstheorie,
und jetzt mit der Vibrationstheorie, wer bürgt dafür, dass auch
diese die richtige ist?« Das Licht thut, was es thun soll, un-
bekümmert um die Erklärungen der Physiker, aber das Puer-
peralfieber ist von der Erklärung der Aerzte sehr abhängig.
Dr. Lumpe erklärte sich die Entstehung des Puerperal-
fiebers durch epidemische Einflüsse und schickte beinahe täg-
lich eine todte Wöchnerin in die Leichenkammer; ich erklärte
mir die Entstehung des Puerperalfiebers durch die Einbrin-
gung zersetzter Stoffe von aussen, und habe im Jahre 1848
45 todte Wöchnerinnen in die Leichenkammer geschickt, und
unter diesen 45 Wöchnerinnen beklage ich wenigstens 10, die
noch hätten gerettet werden können, wenn ich nicht mit un-
günstigen Verhältnissen hätte kämpfen müssen.
Wenn es sich bei gleichbleibender Sterblichkeit blos um
eine andere Erklärung handeln würde, dann würde ich meine
Zeit besser zu verwenden wissen, als mich mit den Irrthümern
und dem bösen Willen meiner Gegner herumzubalgen.
Dr. Lumpe sagt: »Einen schlagenden Beweisgrund für
seine Ansicht glaubt Semmelweis in dem Umstande zu sehen,
dass auf der I. Klinik die Sterblichkeit auffallend grösser ist
als auf der II., obwohl die Verhältnisse auf beiden gleich sind.
Semmelweis ignorirt hier offenbar einen Umstand, der mir von
hoher Wichtigkeit scheint. Es ist folgender: Da auf der
I. Klinik durch 4 Tage der Woche, und zwar zweimal aufein-
anderfolgend, auf der II. nur durch 3 Tage die Aufnahme statt-
findet, so ist eine vollkommene Lüftung der Wochenzimmer
[451] auf der I. Klinik höchst selten im Jahre möglich, während sie
auf der II. regelmässig durchgeführt wird.«
Ich habe diesen Umstand nicht erwähnt, weil er in Bezug
auf die Sterblichkeit der I. Klinik vollkommen gleichgiltig ist,
nur eine so exacte Wissenschaft, wie sie Lumpe eigen ist, kann
diesem Umstande eine hohe Wichtigkeit beilegen, und wenn
Lumpe wirklich überzeugt ist, dass er dieses Umstandes wegen
beinahe täglich eine todte Wöchnerin in die Leichenkammer
gesendet, ungerechnet der Transferirten, ungerechnet der durch
die Mütter inficirten Kinder, so frage ich ihn, wie wird er das
Verbrechen verantworten, welches er dadurch begangen, dass
er die so leichte Hilfe, die Abschaffung dieses Umstandes näm-
lich, nicht einmal in Vorschlag gebracht hat?
Doch der Leser wolle sich beruhigen, bei Lumpe kann
von keinem Verbrechen, es kann nur immer von seiner exacten
Wissenschaft die Rede sein, denn die Lumpe’sche Assistenz
fällt in die Zeit vor dem entdeckten puerperalen Golumbus-Ei.
Die exacte Wissenschaft Lumpe’s hält: Aufnahme haben,
und: nicht lüften können, für gleichbedeutend, deshalb wird
auch in Gebärhäusern, welche nicht vier Tage die Woche, son-
dern täglich Aufnahme haben, nie gelüftet; doch bleiben wir
bei den Wiener Abtheilungen. Ich frage, welche Abtheilung
hat mehr lüften können, die II., welche wöchentlich 3 Auf-
nahmstage hatte, und doch sehr oft die Aufnahme wegen Ueber-
füllung nicht übernehmen konnte, oder selbe wieder vor der
gesetzlichen Zeit abgeben musste? oder die I., welche, obwohl
selbe 4 Tage Aufnahme hatte, immer noch Raum genug hatte,
die Aufnahme zu behalten, oder wieder zu übermessen, wenn
selbe auf der II. Abtheilung hätte statthaben sollen?
Die Wöchnerinnen der I. Abtheilung erhielten den 7. oder
8. Tag ein anderes Zimmer; ich war 5 Jahre an der I. Klinik,
und in 5 Jahren ist es auch nicht einmal geschehen, dass die
Wochenzimmer mit neuen Wöchnerinnen belegt worden wären,
ohne dass nicht wenigstens einen Tag gelüftet worden wäre,
29 *
[452] nicht zu erwähnen die Beobachtung der übrigen Reinlichkeits-
rücksichten.
Die beiden Abtheilungen des Wiener Gebärhauses be-
stehen seit 1833 nebeneinander, bis zum Jahre 1859 bestanden
selbe demnach durch 26 Jahre nebeneinander, durch alle 26
Jahre hatte die I. 4 und die II. 3 Tage wöchentlich Aufnahme,
während der ersten 8 Jahre war die durchschnittliche Sterb-
lichkeit der I. 6,56 %, die der II. 5,58, jährlich wurden durch-
schnittlich an der I. 1246 Wöchnerinnen mehr verpflegt. Die
folgenden 6 Jahre war die Sterblichkeit der I. 9,92, der II. 3,38.
das plus der verpflegten Wöchnerinnen an der I. betrug 375.
Die letzten 12 Jahre war die Sterblichkeit der I. 3,57 %, der
II. 3,06 %, das plus der verpflegten Wöchnerinnen der I. be-
trug 598.
Kann wohl die unerbittliche Lumpe’sche Logik und die
exacte Lumpe’sche Wissenschaft den Grund angeben, warum
der vierte Aufnahmstag mit nur 375 plus Wöchnerinnen in
sechs Jahren eine dreimal so grosse Sterblichkeit an der
I. Klinik hervorgebracht hat, nachdem derselbe vierte Tag
durch 20 Jahre bei 1246 und 598 plus Wöchnerinnen keinen
Unterschied in der Sterblichkeit der beiden Abtheilungen her-
vorgebracht? Die wahre Logik und die wahre exacte Wissen-
schaft über die Entstehung und Verhütung des Kindbettfiebers
ist in der Lage diesen Grund anzugeben.
Während der ersten 8 Jahre waren an beiden Abtheilun-
gen Schüler und Schülerinnen in gleicher Anzahl vertheilt,
daher wurde an beiden Abtheilungen aus allen Quellen inficirt,
daher eine gleiche Sterblichkeit. In den folgenden 6 Jahren
hörten die Infectionen vom Cadaver her auf der II. Abtheilung
zum grossen Theile auf, auf der I. floss diese Quelle reichlicher
durch Zuweisung aller Schüler der I. und aller Schülerinnen
der II. Abtheilung, und daher die Differenz in der Sterblichkeit;
den folgenden zwölf Jahren wurde durch Chlorwaschung der
Unterschied der Sterblichkeit aufgehoben.
Dr. Lumpe sagt: »Schliesslich muss ich nur noch gegen
[453] die Behauptung, dass das Puerperalfieber ausser dem Gebär-
hause nicht epidemisch vorkommt, einige ernste Einwendungen
machen. Ich kann aus meiner Praxis eine hinreichende Anzahl
von Fällen aufzählen (und gewiss können es Viele mit mir), wo
die Erkrankung sowohl als der rapide Verlauf und die unauf-
haltsame Tödtlichkeit die grösste Aehnlichkeit, ja volle Identität
mit jenen Fällen darbieten, die während einer verheerenden
Spitalendemie vorkommen.« Ich glaube es Lumpe auf’s Wort,
dass er eine hinreichende Anzahl von Puerperalfieberfällen in
seiner Privatpraxis hatte, wir haben ja gesehen, dass Lumpe
als Assistent beinahe täglich eine Todte geliefert und im Jahre
1850, nachdem im Jahre 1847 das puerperale Columbus-Ei
entdeckt wurde, findet er, dass die pia desideria der Humanität
der unerbittlichen Logik und der exacten Wissenschaft gegen-
über nicht Stand halten, ein Geburtshelfer mit solcher exacten
Wissenschaft muss einer hinreichenden Zahl Wöchnerinnen
anstatt Rettung Verderben bringen.
Falls Lumpe verbesserlich ist, wird eine Zeit kommen,
wo er, wenn auch nicht der Welt, doch sich selbst wird ge-
stehen müssen, Semmel weis hat Recht, wie selten im Vergleiche
mit früher beobachte ich jetzt das Puerperalfieber.
Nachdem Dr. Lumpe gesagt, dass das Leichengift durch
8 Monate kein Gift war, und dass es dann wieder eines war,
wofür es in der ganzen Natur keine Analogie gebe, nachdem
er nachgewiesen, dass die Sterblichkeit desto grösser war, je
geringer die Gelegenheit zur Verunreinigung der Hände war,
und dass die Sterblichkeit desto kleiner war, je grösser die
Möglichkeit zur Verunreinigung der Hände. Nachdem er nach-
gewiesen, dass gerade die am häufigst Untersuchten am sel-
tensten sterben, zieht er den Schluss, dass er meine Lehre ad
absurdum gebracht, und dass er in alle Ewigkeit behaupten
wird, dass der mit Leichengift imprägnirte untersuchende
Finger nicht der eigentliche Faden sei, an dem die Infections-
krystalle anschiessen. Nachdem Lumpe das alles klar bewiesen,
sagt er Folgendes: »Wenn ich durch alles bisher Gesagte die
[454] Infection durch Leichengift, als einzigen und wahren Erzeuger
des Puerperalfiebers, widerlegte, so kann ich doch die Chlor-
waschungen nicht für überflüssig erklären; denn wenn unter
den vielen zur Erzeugung der Puerperalfieber concurrirenden
Factoren nur der kleinste dadurch für immer vertilgt wird, so
bleibt das Verdienst der ersten Einführung noch gross genug.
Ob dies aber wirklich der Fall ist, darüber muss erst eine
spätere Zukunft entscheiden.
Bis dahin, glaube ich, sollen wir — warten und waschen.«
Der Leser sieht die unerbittliche Lumpe’sche Logik in
ihrer Blüthe, es ist ein grosses Verdienst, etwas Absurdes be-
hauptet zu haben, Lumpe wird in alle Ewigkeit behaupten,
dass der untersuchende Finger nicht das Puerperalfieber er-
zeugt, aber darüber wird die Zukunft entscheiden, die Zukunft
nach der Ewigkeit? Und wie klein der, das Kindbettfieber er-
zeugende Factor ist, welcher durch Chlorwaschungen zerstört
wird, ersicht der Leser daraus, dass den übrigen vielen zur Er-
zeugung des Puerperalfiebers concurrirenden Lumpe’schen
Factoren es nicht einmal gelingt, eine Wöchnerin von 100
Wöchnerinnen zu tödten.
Dr. Lumpe setzte seinem Aufsatze das Motto: „Der Wahr-
heit eine Gasse“ vor; das Motto wäre mehr im Einklange mit
dem Aufsatze, wenn es hiesse:
„Der Doppelzüngigkeit eine Gasse.“
Als Anhänger meiner Ansicht betheiligten sich an der
Discussion Dr. Chiari, Dr. Helm, Dr. Arneth, Prof. Rokitansky.
Dr. Chiari, emeritirter Assistent der I. Klinik, sagt: Die
Sterblichkeit der I. Klinik ist von den Verhältnissen abhängig,
wie solche von Dr. Semmelweis näher bezeichnet worden sind.
Der prov. Director des allgemeinen Krankenhauses, Dr.
Prof. Helm, ebenfalls emeritirter Assistent der I. Klinik, tritt
zuerst jenen gegenüber, welche mir die Priorität streitig ma-
chen wollen, und jenen, welche meine Ansicht für ganz un-
gegründet halten, legt er die Frage zur Beantwortung vor, wo-
her es denn komme, dass seit 3 Jahren, seit Einführung der
[455] Chlorwaschungen, die sonst ungewöhnliche Häufigkeit der
Puerperalfieber, die sogenannten Epidemien aufgehört haben.
Zu Ende erklärt Dr. Helm jeden einzelnen Arzt, sowie
jede ärztliche Corporation dem Dr. Semmelweis für seine Ent-
deckung zu grossem Danke verpflichtet.
Dr. Arneth, Assistent der II. Klinik, findet den Unter-
schied in der Sterblichkeit der beiden Abtheilungen begründet
in dem Leichengift, welches an der I. Klinik mehr als an der
II. Klinik vorhanden sei.
Als directen Beweis für die Richtigkeit meiner Ansicht,
den Einige von mir verlangen, der aber nicht gegeben werden
kann und darf, glaubt Dr. Arneth den Fall von Carcinoma
uteri aufführen zu müssen (siehe Seite 58, Zeile 3 von unten).
Zum Schlusse erklärt sich Dr. Arneth gleichfalls dahin,
dass man dem Dr. Semmelweis allein Dank schulden könne,
da er nicht nur eine neue Idee zu Tage, sondern eben so die-
selbe, was die Hauptsache ist, zur folgenreichen Anwendung
und Geltung gebracht habe.
Präses Professor Rokitansky fasst nun die Hauptmomente
der Discussion zusammen, und weist auf den unbestreitbaren
Nutzen der Chlorkalkwaschungen hin, der selbst von dem Geg-
ner der Semmelweis’schen Ansichten zugegeben wird.
Dr. Arneth hielt in der Academie der Medicin zu Paris
einen Vortrag über meine Ansichten von der Entstehung und
Verhütung des Kindbettfiebers; in Folge dieses Vortrages
wurde eine Prüfungscommission ernannt, welche es aber, wie
mir Dr. Arneth mündlich mittheilte, unterlassen hat, ihn von
dem Resultate der Prüfung zu verständigen, und als Dr. Ar-
neth sich brieflich an den Präsidenten der Prüfungscommission
wendete, wurde sein Schreiben unbeantwortet gelassen.
Der Name des Präsidenten der Prüfungscommission ist
mir entfallen, weder mir noch Dr. Arneth ist ein Urtheil die-
ser Commission zu Gesichte gekommen. Scanzoni sagt in sei-
nem Lehrbuche: »und auch in Paris fand die von Arneth in der
[456] Academie publicirte Entdeckung von Semmelweis keinen Bei-
fall,« ohne die Quelle zu nennen.
Carl Braun sagt: »Die Academie der Medicin in Paris*)
sprach unter Orfila’s Vorsitz im Jahre 1851 sich mit grösster
Entschiedenheit gegen die Theorie der cadaverösen Infection
aus. und machte darauf aufmerksam, dass in der Maternité
und in der Klinik der Facultät bei den Wöchnerinnen in Paris
genau dieselben Verhältnisse sich finden wie in den beiden
Geburtskliniken in Wien, dass in beiden sehr heftige Puer-
peralfieber-Epidemien vorkommen, und dass dem Chlorkalk
alle Eigenschaften abzusprechen seien, die cadaverösen Mole-
cüle zu zerstören.«
Ob sich dieses Urtheil der Academie auf Arneth’s Vor-
trag bezieht, oder ob auch ohne Arneth’s Anregung meine An-
sicht beurtheilt wurde, weiss ich nicht, da es mir selbst im
Wege des Buchhandels nicht gelang, mir die betreffende Quelle
zu verschaffen; nur das weiss ich gewiss, dass Arneth mir nicht
Orfila als Präsidenten der Prüfungscommission nannte.
Der Leser erinnert sich, dass wir Seite 128 etc. bewiesen,
dass das Unterrichtssystem für die Hebammen der Maternité
zu Paris so beschaffen sei, dass sich dort die Hebammen die
Hände so häufig mit zersetzten Stoffen verunreinigen, wie an-
derswo nur die Aerzte, und dass dem entsprechend die Sterb-
lichkeit der Maternité eben so gross sei, wie in Dubois’ Klinik,
wo Aerzte gebildet werden. In Wien haben die Hebammen-
schülerinnen nicht nur mit Leichen nichts zu thun, sie kom-
men nicht einmal mit den kranken Wöchnerinnen in Berüh-
rung, denn der Visitte im Krankenzimmer der Hebammenab-
theilung zu Wien dürfen die Schülerinnen nicht beiwohnen,
der Visite des Professors bei den Kranken wohnt nur der As-
sistent und die Institutsmadame bei, und diesem Umstande ist
der bessere Gesundheitszustand der Wöchnerinnen der Hebam-
menabtheilung im Vergleich zu den schlechtern Gesundheits-
[457] zustande der Wöchnerinnen der I. Gebärklinik während des
durch Tabelle Nr. I repräsentirten Zeitraumes zuzuschreiben
gewesen. Die Academie der Medicin zu Paris ist daher im
Irrthum, wenn sie glaubt, dass die Verhältnisse der Pariser
und der Wiener Hebammenschule dieselben seien. In Bezug
auf das Puerperalfieber sind die Verhältnisse beider Schulen
wesentlich verschieden, und daher der wesentlich verschiedene
Gesundheitszustand beider Schulen.
In Dubois’ Klinik und an der I. Klinik in Wien sind die
Verhältnisse in Bezug auf das Puerperalfieber identisch, und
deshalb eine identische Sterblichkeit.
Dass der Chlorkalk die cadaverösen Molecüle nicht zu zer-
stören im Stande ist, darüber haben wir leider im Jahre 1847
und 1848 an der I. Gebärklinik zu Wien die ersten traurigen
Erfahrungen gemacht.
Die Academie der Medicin zu Paris*) hat im Jahre 1858
in ihren Sitzungen vom 23. Februar bis 6. Juli das Puerperal-
fieber abermals zum Gegenstande einer Discussion gemacht,
aber das dürre Stroh, was dabei zu Tage gefördert wurde,
wollen wir ungedroschen lassen, Körner sind nicht herauszu-
klopfen; wir begnügen uns einen Ausspruch Dubois’ anzufüh-
ren, wollen aber früher Dubois’ wissenschaftliche Stellung er-
wähnen, wie selbe uns von Arneth, Seite 67, geschildert wird.
»In der Geburtshilfe stellen Frankreichs Gelehrte eigentlich
keine Republik dar, ein Einziger scheint zu herrschen. Ihm
senken sich alle Fahnen. Seine Ansicht wünscht man bei allen
neu auftauchenden Erscheinungen zu wissen. Männer, die
selbst so viel geleistet, verkünden, ihre Arbeiten seien die
Frucht seiner Lehren, und stellen seinen Namen hin, wo
sie meinen eine besonders kühne, gegen das französische
Herkommen verstossende Ansicht geäussert zu haben. Selbst
in der Academie lauscht man athemlos seiner Worte; durch
ihn gewinnen dem Auslande entlehnte, seinen Landsleuten
[458] bisher widerstrebende Lehren in der Geburtshilfe das fran-
zösische Bürgerrecht.«
Hören wir nun, wie Dubois, das summum forum obste-
tricium in Frankreich, meine Ansicht beurtheilt. Er sagt:
»Auch die in Deutschland und England so lebhaft aufgenom-
mene Theorie von Semmelweis, dass die Uebertragung durch
Blut, Ausflüsse der Kranken, ja durch jeden in Verwesung
begriffenen Stoff geschehen könne, hat sich nicht als richtig
bewährt, und ist wahrscheinlich schon an derselben Schule
vergessen, von wo sie ausging. Damit soll nun freilich durch-
aus nicht gesagt sein, dass man deshalb die sorgfältigen Vor-
sichtsmassregeln nicht nöthig habe, sondern nur, dass die con-
tagiöse Eigenschaft weder so constant, noch so thätig, noch
so beharrlich ist, als es nach den zahlreichen Berichten ge-
glaubt werden müsste. Wäre sie wirklich so, so müsste das
ganze Personal der Gebärhäuser um jeden Preis in strengster
Quarantaine gehalten werden, das Publicum wäre sonst fort-
während in der grössten Gefahr. Man sei es deshalb dem Pu-
blicum gegenüber schuldig, die übertriebenen Annahmen auf
ihre wahre Bedeutung zurückzuführen. Bei einer grossen Zahl
von Frauen bestehen schon vor der Entbindung Zustände,
welche für die Entwickelung des Puerperalfiebers günstig sind,
wie man dies häufig in der Privatpraxis und in Gebärhäusern
erkennen kann. Im Letzteren kommen oft schwangere oder ge-
bärende Frauen mit deutlich ausgesprochenen Zeichen des
Puerperalfiebers, welche sich dann meist sehr heftig aus-
bilden.«
Das sagt Dubois im Jahre 1858. Arneth sagt von Dubois
im Jahre 1853, Seite 52: »Dubois erlebte einen Fall, wo ein
ihm befreundeter Arzt, der ein kleines Gebärhaus in der Pro-
vinz leitete, nach einer vorgenommenen Section, wie ihm aus-
ser allen Zweifel gesetzt schien, zwei Frauen ansteckte und
sterben sah. Seitdem lässt Dubois zum Behufe der Touchir-
übungen (in seiner Klinik) gegen Entgeld Weiber aus der
[459] Stadt kommen, um zu verhindern, dass die baldigst zur Ge-
burt Gehenden untersucht werden.«
Und von diesem gewissenlosen Menschen wird die franzö-
sische Geburtshilfe beherrscht.
Arme Menschheit, wem vertraust du dein Leben an?
Meine Lehre ist an der Schule, von wo sie ausging, noch
nicht vergessen, und damit selbe auch in Zukunft nicht ver-
gessen werde, dafür wird gegenwärtige Schrift sorgen. Meine
Lehre wird an der Schule, von wo sie ausging, nur verleumdet,
aber meine Lehre rächt sich wie alles Edle an ihren Verleum-
dern dadurch, dass sie die Sterblichkeit dieser Schule, die
früher trotz massenhaften Transferirungen 9,92 % betrug,
durch zwölf Jahre ohne massenhafte Transferirungen auf 3,71 %
herabdrückte, folglich um 6,21 % minderte, dass meine Lehre
nicht noch mehr geleistet, das haben eben ihre Verleumder zu
verantworten. Und diese Rache gibt mir die Waffe in die Hand,
dass ich meinen Gegnern an der Schule, von wo sie ausging,
zurufen kann: eure eigene verminderte Sterblichkeit ist eure
schlagendste Widerlegung.
Joseph Hermann Schmidt, Prof. der Geburtshilfe zu
Berlin, sagt in einem Aufsatze:*) „Die geburtshilflich-klinischen
Institute der königlichen Charité« Seite 498 Folgendes: »So
kann doch nicht bestritten werden, dass eine regelmässige Ge-
burt, zumal bei einer Erstgebärenden, oft ein recht langwei-
liger Process ist, und dass es ein übermenschliches Ansinnen
an junge Männer sein würde, wenn jeder zu einer solchen
Geburt gehörige von der ersten lösenden Eihautswehe bis zur
vollendeten Ausschliessung der Nachgeburt im Kreissezimmer
verweilen sollte. Sehr bequem zu statten kommt daher in
dieser Beziehung der Umstand, dass die Gebäranstalt mit meh-
reren anderen klinischen Instituten unter einem Dache liegt.
[460] Die Studirenden der Geburtshilfe gehen daher abwechselnd in
eine medicinische oder chirurgische, oder in eine der Special-
kliniken, und kehren in den Zwischenpausen derselben zurück,
um sich von etwaigen Fortschritten zu überzeugen, oder auch
sie gehen ins Leichenhaus, um sich schnell rufen zu lassen,
wenn wesentliche Veränderungen eintreten.
»Sie gehen ins Leichenhaus.«
Dieses Alterniren zwischen beiden Polen des Lebens,
zwischen der Wiege und der Bahre, führt mich zu einer Epi-
sode; ich meine die in öffentlichen Blättern vielfach besprochene
Semmelweis’sche Wahrnehmung und Vermuthung.
Von meinem lieben Freunde und Collegen, Hrn. Professor
Brücke in Wien, erhalte ich in dieser Angelegenheit folgenden
Brief, den ich um so mehr wörtlich mittheile, als Herr Brücke,
wie die ganze Welt weiss, kein leichtgläubiger Mensch, son-
dern ein gründlicher exacter Forscher ist, und sein Interesse
für die Sache eine neue Aufforderung bilden muss, diese wich-
tige Angelegenheit nicht mit Hume’schem Scepticismus zurück-
zuweisen.
»In der hiesigen Gebäranstalt (Wien) sind durch eine
Reihe von Jahren sehr viele Wöchnerinnen am Puerperalfieber
zu Grunde gegangen, und zwar nur auf der Abtheilung, welche
von den Studirenden besucht wurde, während die Sterblichkeit
auf der Lehrabtheilung der Hebammen gering war. Dieser
grossen Sterblichkeit hat der Dr. Semmelweis dadurch Ein-
halt gethan, dass er keinen Studirenden während und nach der
Geburt zum Touchiren zuliess, ehe er sich mit einer Lösung
von unterchlorichtsaurem Natron gewaschen hatte. Er glaubt
deshalb, dass viele Puerperalfieber dadurch erzeugt worden
sind, dass die Studirenden, nachdem sie Leichenöffnungen vor-
genommen hatten, mit nicht sorgfältig gereinigten Händen
touchirten.
In der That ist es auffallend, dass sich die grosse Sterb-
lichkeit erst eingefunden hat, seitdem hier mit Eifer patholo-
gische Anatomie getrieben wird, und dass sie auf der zweiten
[461] Abtheilung des Gebärhauses aufgehört hat, seitdem diese aus-
schliesslich für den Unterricht von Hebammen, die keine
Leichenöffnungen vornehmen, bestimmt ist. Es hat mir nun
die Academie der Wissenschaften aufgetragen, mich näher um
diesen Gegenstand zu kümmern, und ich erlaube mir deshalb,
im Interesse der Wissenschaft und der Humanität an Sie die
Frage zu stellen, ob sich in Ihrer Anstalt oder in der vom
Herrn Geh. Rath Prof. Busch irgend welche Erscheinungen
gezeigt haben, welche geeignet sind, die Ansicht des Dr. Sem-
melweis zu unterstützen.“
Zu meinem Bedauren habe ich Herrn Brücke nicht viel
mehr bringen können, als meinen Glauben an die Möglichkeit.
Die einzige directe Thatsache, die ich nach hiesigen Er-
fahrungen*) bringen konnte, war jene oben bemerkte auffal-
lende Antithese bei meinen früheren und jetzigen geburtshilf-
lichen Operationen und jenen Erfolgen**).
[462]
Man könnte auf den ersten Blick sagen, jene westphäli-
schen Landfrauen der Privatpraxis haben vor den Berlinerin-
**)
[463] nen des Hospitals den Vorzug gehabt, dass niemals Leichen-
miasma in ihre lebendige Vagina gekommen sei, während hier
die Zeigefinger der touchirenden Studiosen solches aus dem
Leichenhause mitgebracht haben. Aber näher betrachtet stellt
sich dieser Hypothese die einfache Frage gegenüber, warum
denn die vielen normal Entbundenen verhältnissmässig so sel-
ten von Metritis septica u. dgl. befallen werden, da sie doch
eben so häufig von Studirenden untersucht sind? Dieserhalb
glaube ich doch, dass die Nosocomial-Atmosphäre der Wochen-
zimmer und nicht die Cadaver des Leichenhauses auf unseren
Vorwürfen hängen bleiben wird, wenn nach auffallend leichten
Wendungen anderen Tages Metritis oder Peritonitis sich ein-
stellt. Der relative Gegensatz der Hebammen und Geburts-
helfer hat zwar auch hier stets bestanden, aber bis zum Jahre
1846 nicht in bestimmter räumlicher Scheidung; auf einen
Unterschied in den Sterblichkeitsverhältnissen beider Abthei-
lungen ist wohl überdies nicht so genau geachtet, weil man
erst durch Semmelweis auf diese Fährte gekommen ist. Dieser
hat die Probe an Kaninchen gemacht, an Menschen wird man
sie nicht machen dürfen, und eben deshalb sind nachträgliche
directe Erfahrungen unmöglich, zumal Semmelweis selbst mit
der hypothetischen Aetiologie und zugleich die ziemlich sichere
Prophylaxis im unterchlorichtsauren Natron gebracht hat.
Jeder kann, wird und muss sich durch dieses desinficiren, wenn
er in den Eingeweiden der Leichen gearbeitet hat, bevor er
seine Hand in die Eingeweide der Lebendigen führt. Diese bil-
lige Forderung wird forthin jede geburtshilfliche Klinik an
ihre Zöglinge machen, und ihnen die Gelegenheit dazu in den
eigenen Waschtischen erleichtern.
Wie gesagt, ich glaube an die Möglichkeit, und die Wiener
Erfahrungen sind für mich vollkommen genügend, Vorsicht zu
empfehlen; die eigenen verlange ich nicht.
Es mag dieser Weg immerhin einer von den vielen sein,
welcher zum Wochenbettfieber führt, der alleinige ist es ge-
wiss nicht.«
[464]
Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern: Wenn Prof.
Schmidt deshalb nicht glauben will, dass das Leichenmiasma
des Zeigefingers des touchirenden Studiosus der Berlinerin das
Puerperalfieber bringt, weil derselbe Finger den normal Ent-
bundenen nicht auch das Kindbettfieber bringt, so können wir
unser Staunen über solch eine Behauptung nicht unterdrücken.
Prof. Schmidt sagt Seite 491: »Seit mir die ärztliche Leitung
der Gebäranstalt vom September 1844 anvertraut wurde, bis
inclusive Mai 1850, sind von 2631 Wöchnerinnen überhaupt
442 auf andere Stationen verlegt, 7 sind in den ersten 5 Tagen
nach der Geburt, 6 sind nach längerer Zeit in der Gebäran-
stalt selbst gestorben. Und eben in dem Umstande, dass jede
Wöchnerin verlegt wird, sobald sie verdächtig zu werden an-
fängt, scheint mir ein Grund zu liegen, weshalb dieser grosse
Würgengelder Gebäranstalten in der Charité selten vorkommt.«
Prof. Schmidt schickt von 2631 Wöchnerinnen 442 auf
andere Stationen, und trotz dem Unglücke so vieler hundert
Wöchnerinnen macht Prof. Schmidt nicht einmal die Erfah-
rung, dass auch normal Entbundene häufig am Puerperalfieber
erkranken.
Der Leser weiss, dass in Folge unverhütbarer Selbstin-
fection nicht eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen stirbt,
folglich konnten von 2631 Wöchnerinnen höchstens 25 in Folge
von Selbstinfection sterben.
In der Gebäranstalt selbst sind 13 Wöchnerinnen gestor-
ben, wie viele mögen von den 442 an anderen Stationen ge-
storben sein?
Der Tod so vieler Wöchnerinnen war nicht geeignet,
Prof. Schmidt die Erfahrung machen zu lassen, dass der Würg-
engel der Gebäranstalten auch in der Charité nur zu reichliche
Beute hält.
Unser Staunen steigert sich noch durch die Behauptung
Prof. Schmidt’s, dass die Nosocomial-Atmosphäre der Wochen-
zimmer, und nicht die Cadaver des Leichenhauses auf unseren
Vorwürfen hängen bleiben, wenn nach auffallend leichten
[465] Wendungen anderen Tags Metritis oder Peritonitis sich einstellt;
als ob die normal Entbundenen, die doch nach Schmidt’s An-
nahme so selten an Puerperalfieber erkranken, nicht auch den
Einflüssen der Nosocomial-Atmosphäre ausgesetzt wären?
Nach solchen Prämissen ist es begreiflich, dass man erst
durch mich in Berlin erfahren hat, dass an der Aerzte-Abthei-
lung mehr als an der Hebammen-Abtheilung sterben.
Prof. Schmidt sagt nämlich: »Der relative Gegensatz der
Hebammen und Geburtshelfer hat zwar auch hier stets be-
standen, aber bis zum Jahre 1846 nicht in bestimmter räum-
licher Scheidung; auf einen Unterschied in den Sterblichkeits-
verhältnissen beider Abtheilungen ist wohl überdies nicht so
genau geachtet worden, weil man erst durch Semmelweis auf
diese Fährte gekommen ist.«
Wenn daher Prof. Schmidt Prof. Brücke keine eigenen,
meine Ansicht bestätigenden Erfahrungen bringen konnte, so
lag das nicht darin, dass Schmidt keine Gelegenheit hatte, Er-
fahrungen zu machen, sondern darin, dass Schmidt nicht die
Fähigkeit besitzt, Erfahrungen zu machen.
Prof. Schmidt schreibt im Jahre 1850: »Jeder kann, wird
und muss sich durch dieses (Chlorkalk) desinficiren, wenn er
in den Eingeweiden der Leichen gearbeitet hat, bevor er seine
Hand in die Eingeweide der Lebendigen führt. Diese billige
Forderung wird forthin jede geburtshilfliche Klinik an ihre
Zöglinge machen, und ihnen die Gelegenheit dazu in den eige-
nen Waschtischen erleichtern, wie gesagt, ich glaube an die
Möglichkeit, und die Wiener Erfahrungen sind für mich voll-
kommen genügend, Vorsicht zu empfehlen, die eigenen ver-
lange ich nicht.« Wie vorsichtig Prof. Schmidt wurde, und
wie er wirklich eigene Erfahrungen, die er nicht verlangt, auch
nicht gemacht, geht aus einer Sitzung der Gesellschaft für Ge-
burtshilfe, in Berlin gehalten am 9. Mai 1858, hervor*), es
Semmelweis, Kindbettfieber 30
[466] heisst nämlich: »Herr Virchow theilte der Gesellschaft die
Resultate seiner Studien über die in der Charité vorgekom-
menen Puerperalerkrankungen mit. Die Beobachtungen um-
fassen den Zeitraum vom Herbste 1856 an bis jetzt. In diesen
18 Monaten kamen 83 Todesfälle im Puerperium vor, von
denen jedoch ein nicht geringer Theil der Section entzogen
wurde. Wenn es auch nicht schwer ist, ein gruppenweises
Auftreten der Erkrankungen festzustellen, so kann man doch
nicht von begränzten Epidemien sprechen, da leider die Charité
im Verlaufe der genannten Zeit fast beständig einzelne Fälle
von Puerperalfieber aufzuweisen hatte, und jeder Monat sein
Contingent an Todesfällen lieferte. Indess zeichnen sich die
beiden Wintersemester durch grössere Zahlen von Todten
aus, und unter diesen namentlich der Winter 1857—1858,
wo der November mit 20 Todesfällen als der gefährlichste
Monat der Höhe der Epidemie zu entsprechen scheint.«
20 Todte entsprechen einer Anzahl von 2000 Geburten,
wie viele Geburten im November 1857 sich in der Charité er-
eigneten, weiss ich wohl nicht, ich weiss nur, dass die Grösse
der Sterblichkeit in demselben Verhältnisse sich steigert, in
welchem sich die wirklich stattgehabten Geburten im Monate
November von der Zahl 2000 entfernen. Eine solche entsetz-
liche Verschwendung an Menschenleben ereignet sich in Berlin.
nachdem schon zehn Jahre früher in Wien gelehrt wurde, wie
das Puerperalfieber zu beschränken sei. Und Prof. Schmidt
hat keine Erfahrungen gemacht, und verlangt keine eigenen
Erfahrungen zu machen.
Seite 523 sagt Prof. Schmidt: »Ehe ich sterbe, hoffe ich
noch ein Langes und Breites über meine geburtshilflichen
Fehler zu schreiben; an glücklichen Geburtsgeschichten ist
kein Mangel.« Ich hoffe, Prof. Schmidt wird sich nicht blos
auf seine geburtshilflichen Fehler in Bezug auf die Geburt be-
schränken, ich erwarte, dass er auch seine folgenschwangern
Fehler in Bezug auf das Puerperalfieber der Welt preisgeben
wird, um durch sein gutes Beispiel, welches er dadurch an-
[467] deren Geburtshelfern geben wird, an der Menschheit wieder
gut zu machen, was er an derselben gesündiget.
Ich habe mich brieflich an Dr. Everken gewendet mit der
Anfrage, ob er, seit er solche Unmittelbarkeit vermieden, auch
die unterchlorichtsaure Natronlösung nicht vergessen habe, ob
er seit dieser Zeit das Puerperalfieber seltener beobachtet, und
erhielt folgende Antwort:
Die durch den Geh. Med. Rath Dr. Schmidt an angege-
bener Stelle damals veröffentlichte Aeusserung über den Aus-
bruch des Puerperalfiebers in dem meiner Leitung übergebe-
nen Gebärhause beruht auf Thatsachen, deren ursächliches
Verhältniss wenn auch nicht die Gewissheit, wenigstens doch
mehr als die Möglichkeit zum Grunde hat.
Wiederholt kamen einzelne Fälle von Puerperalfieber
vor, als eine Verbreitung desselben über mehrere Wöchnerin-
nen stattfand; ich muss gestehen, dass mit dem Ausbrechen
der Krankheit ein Umstand sich vereinigt hatte, der durch
Ihre Mittheilung als ursächlicher Moment dargestellt wurde.
Von Zeit zu Zeit hatte ich in dem Leichenhause des Hospitals
und in dem des Gebärhauses adhaeriste Leichen secirt. Es konnte
mir nicht einfallen, diesen Umstand als alleinige Ursache auf-
zustellen, aber es musste mich veranlassen, nach Leichenunter-
suchungen keine Verrichtungen an Schwangeren, Gebärenden
und Wöchnerinnen vorzunehmen. Es kamen keine Puerperal-
fieber ferner vor, ich muss aber hinzufügen, dass kurze Zeit
darauf, als ein Umsichgreifen der Krankheit stattgefunden
hatte, das Gebärhaus von dem Krankenhause getrennt wurde,
nicht dass seit dieser Zeit ein sporadisches Vorkommen selbst
nicht beobachtet wurde. —
Sie werden mir zugeben, verehrtester Herr Collega, dass
die Entscheidung schwer ist, dass vielleicht nirgends der
Schluss mehr täuscht: post hoc, ergo propter hoc, als in der
Medicin.
30 *
[468]
Ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie von den
vorstehenden Mittheilungen jeglichen Gebrauch machen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebensterPaderborn den 17./2. 1858.
D. Everken,
Director des königl. Hebammeninstitutes.
Ich stehe nicht an das Paderborner königl. Hebammenin-
stitut zu jenen Gebärhäusern zu zählen, in welchen sich meine
Lehre bewährt hat, und bin meinem verehrtesten Collegen
sehr dankbar für den guten Rath, den er mir schliesslich er-
theilt, nur kann ich für diesmal keinen Gebrauch davon ma-
chen, denn ich bleibe dabei, post Beschäftigungen mit zersetz-
ten Stoffen, ergo propter Beschäftigungen mit zersetzten Stof-
fen viele Puerperalfieber, post Einführung der Chlorwaschun-
gen wenig Puerperalfieber, ergo propter Einführung der Chlor-
waschungen wenig Puerperalfieber.
Aber in der Zukunft wird dieser Rath meines verehrte-
sten Collegen immer die Richtschnur meiner Schlüsse sein, um
gegen Täuschungen geschützt zu sein.
Rudolf Virchow sagt in seinen »gesammelten Abhandlun-
gen zur wissenschaftlichen Medicin,« Frankfurt a. M. 1856,
Seite 737, Folgendes: »Die Naturforschung kennt keinerlei
Schreckbilder, als den Kerl, der speculirt.« Boer hat dieselbe
Wahrheit folgenderweise formulirt: »Wäre jedem Jahrhun-
dert anstatt so vieler Systemgelehrter nur ein solcher beob-
achtender Arzt (Hippokrates) geworden, wie viel würde die
Menschheit und die Animalität überhaupt gewonnen haben.«
Boer, der Verfasser der sieben Bücher über natürliche
Geburtshilfe, hatte ein Recht so zu sprechen.
Aber Virchow, der wegen seiner vielen Speculationen
selbst ein Schreckenbild für die Naturforschung ist, Virchow,
der ein so schlechter Beobachter ist, dass er als pathologischer
Anatom selbst im Jahre 1858 noch immer nicht die Symp-
tome eines Resorbtionsfiebers in dem Leichenbefunde der am
[469] Kindbettfieber verstorbenen Wöchnerinnen erkennt, Virchow
hat kein Recht so zu sprechen, ausgenommen, Virchow hat
seinem Humor entsprechend in einem Augenblicke jovialer
Aufrichtigkeit sich selbst characterisiren wollen.
In dieser Schrift müssen wir uns natürlich nur auf die
Speculationen beschränken, welcher sich Virchow in Bezug auf
das Puerperalfieber schuldig machte.
Der Ausspruch Virchow’s, die Naturforschung kennt kei-
nerlei Schreckbilder, als »den Kerl, der speculirt!« steht mit-
ten unter Speculationen; er steht nämlich in einer Einleitung
zu einer längeren Reihe von Mittheilungen über Puerperaler-
krankungen, welche Virchow liefern wollte, aber nicht gelie-
fert hat; in welcher Einleitung von der Menstruation, Concep-
tion, von der Schwangerschaft, als von Dingen gesprochen
wird, welche in einem ursächlichen Zusammenhange mit dem
Puerperalfieber stehen.
Der Anatom, der Chirurg, der chirurgisch Operirte, der
neugeborne Säugling, ob Knabe oder Mädchen, welcher an
Puerperalfieber oder Pyaemie in meinem Sinne stirbt, hat nie
menstruirt, hat nie concipirt, noch war er schwanger, und
stirbt doch an derselben Krankheit, an welcher die Wöchnerin-
nen sterben, und meine Lehre, welche das Puerperalfieber auf
nicht eine todte Wöchnerin unter 100 Wöchnerinnen zu be-
schränken lehrt, basirt nicht auf der Kunst, die Menstruation,
die Conception und die Schwangerschaft aufhören zu machen.
Die Schwangerschaft liefert für das Puerperalfieber nichts
als die resorbirende Fläche, aber beim Anatomen, beim Chi-
rurgen, beim chirurgisch Operirten, beim neugebornen Knaben
oder Mädchen hat die Schwangerschaft keine resorbirende
Fläche gebildet, und das Puerperalfieber entsteht dennoch; bei
Wöchnerinnen bringt die resorbirende Fläche kein Puerperal-
fieber hervor, wenn diese Fläche nicht mit einem zersetzten
Stoff verunreinigt wird, und wie unwesentlich die innere resor-
birende Fläche des Uterus für die Entstehung des Kindbett-
fiebers sei, geht daraus hervor, dass die geringste Verletzung
[470] an welch immer Stelle des männlichen und weiblichen Kör-
pers dasselbe leistet.
Virchow sagt: »Für das Vorkommen von Puerperalfieber-
Epidemien sind wesentlich zwei Umstände von Interesse: die
Witterungszustände und die gleichzeitigen Erkrankungen.
In ersterer Beziehung scheint es, dass die grösste Menge der
Epidemien in den Wintermonaten vorgekommen ist.
Zu den gleichzeitigen Erkrankungen gehören nebst acu-
ten Exathemen hauptsächlich ausgedehnte erysipelatöse, crou-
pöse, jauchige und eiterige Entzündungen.«
Es ist ganz richtig, dass die grösste Menge der Epide-
mien in den Wintermonaten vorgekommen ist, aber nicht
wegen der Witterungszustände des Winters, sondern weil
der Winter vorzüglich die Zeit für die Beschäftigungen mit
zersetzten Stoffen ist. Als Beweis dass die Witterungszustände
keinen Einfluss auf die Hervorbringung des Kindbettfiebers
üben, dienen Tabelle Nr. II, Seite 9 und Tabelle Nr. XIX,
Seite 120 dieser Schrift.
Es ist eben so richtig, dass mit acuten Exanthemen, mit
ausgedehnten erysipelatösen, croupösen, jauchigen, eitrigen
Entzündungen gleichzeitig Puerperalfieber vorkommt, und die
Ursache dieses gleichzeitigen Vorkommens ist, dass derartige
Kranke von Aerzten und Hebammen behandelt und gepflegt
werden, welche Aerzte und Hebammen auch Schwangere,
Kreissende und Wöchnerinnen behandeln und pflegen.
Sollten die zwei citirten Tabellen Virchow nicht über-
zeugen, so ertheilen wir ihm den Rath, er möge sich bei sei-
nem Minister des Unterrichtes dahin verwenden, dass der
geburtshilfliche Unterricht für so viele Winter unterdrückt
werden möge, als nöthig sind, um Virchow durch das Gesund-
bleiben der Wöchnerinnen im Winter zu überzeugen, dass die
Witterungszustände des Winters nicht dasjenige ist, welches
die Kindbettfieber-Epidemien hervorbringt; den Einwurf, dass
der geburtshilfliche Unterricht nicht unterdrückt werden dürfe,
kann ich nicht gelten lassen, denn ein geburtshilflicher Un-
[471] terricht, welcher so beschaffen ist, dass Virchow die Beobach-
tung machen könnte, obwohl wir ihn beim Puerperalfieber
als schlechten Beobachter kennen lernten, dass die grösste
Menge der Epidemien in den Wintermonaten vorkomme, dass
mit erysipelatösen, eroupösen, jauchigen und eitrigen Entzün-
dungen gleichzeitig Puerperalfieber-Epidemien vorkommen;
ein geburtshilflicher Unterricht, welcher so beschaffen ist, das
Virchow im Jahre 1858 einen Vortrag halten konnte in der Ge-
sellschaft für Geburtshilfe in Berlin über Puerperalfieber-Epi-
demien, ohne dass sich auch nur eine einzige Stimme dagegen
erhoben hätte, ein solcher geburtshilflicher Unterricht ist so
grundschlecht, dass er unterdrückt werden muss, wenn er da-
durch geläutert werden kann.
Wie soll denn der geburtshilfliche Unterricht nicht
schlecht sein in Berlin, wenn Professor Schmidt an Nosoco-
mialluft glaubt?
Professor Credé*) ist Epidemiker, und zur Bestätigung
seiner Lehre schickte er im Wintersemester 1854—55 von 336
Wöchnerinnen 58 in andere Stationen, um dort zu sterben;
seine Uebersiedelung nach Leipzig hat in seinen Ansichten
nichts geändert, in Leipzig starben in drei Jahren von 594
Wöchnerinnen 20.
Busch’s Nachfolger, Professor E. Martin,**) hat mir durch
seinen Vortrag, gehalten am 9. November 1858 in der Ge-
sellschaft für Geburtshilfe in Berlin »über Mutterröhrenent-
zündung und Erguss des eiterigen Secretes in die Bauchhöhle
als eine Ursache der Bauchfellentzündung bei Wöchnerinnen«,
die Ueberzeugung verschafft, dass die puerperale Sonne,
welche in Wien im Jahre 1847 aufgegangen, seinen Geist noch
nicht erleuchtet hat.
Die puerperalen Thrombosen (Seite 597).
Die puerperale Thrombose existirt im physiologischen Zu-
stande nur in den Speculationen Virchow’s, aber nicht im
[472] Uterus der Wöchnerinnen; im pathologischen Zustande exi-
stirt allerdings die Puerperalthrombose als Product des durch
den resorbirten zersetzten Stoff entmischten Blutes, im patho-
logischen Zustande ist die puerperale Thrombose eine Locali-
sation des durch den resorbirten zersetzten Stoff entmischten
Blutes, wie alle übrigen Localisationen, als da sind die Peri-
tonitis, die Endometritis etc. etc. etc.
Virchow glaubt, dass die Contractionen des Uterus nach
gelöster Placenta nicht hinreichend seien, eine Blutung zu ver-
hindern, und dass eine physiologische puerperale Thrombose
den vollständigen Verschluss der Gefässe bewirkt. Die Con-
tractionen des Uterus nach gelöster Placenta sind für sich al-
lein vollkommen genügend, jede Blutung dadurch zu verhin-
dern, dass durch die Contractionen des Uterus nicht nur das
Rohr der Gefässe verengert wird, sondern zugleich wird durch
Verkürzung der Längenachse des Uterus die Strecke verkürzt,
welche die Gefässe durchlaufen, dadurch wird der Verlauf der
Gefässe ein mehr geschlängelter, dadurch ist eine Einstülpung
der Gefässwand in das Gefässrohr bedingt, und die so ent-
standenen Klappen bewirken den vollständigen Verschluss der
Gefässe. Das geschieht im Momente der Contraction; bis zur
Gerinnung des Blutes von so hoher Temperatur, in einer so
hohen Temperatur würden sich die Wöchnerinnen alle ver-
bluten.
Dass die puerperale Thrombose im physiologischen Zu-
stande nicht existirt, das beweisen die Sectionen, obwohl Vir-
chow, um das Gegentheil zu beweisen, sich auch auf Sectionen
beruft; es wird sich ja zeigen, wer schlecht gesehen. Stirbt
eine Wöchnerin nicht in Folge von Puerperalfieber, so findet man
nie eine Thrombose im Uterus, stirbt eine Wöchnerin an Puer-
peralfieber, so kann sich im Uterus eine Thrombose als Pro-
duct des durch den resorbirten zersetzten Stoff entmischten
Blutes vorfinden, oder auch nicht, und findet sich wirklich
eine Thrombose vor, so sind doch so viele Gefässe throm-
[473] benfrei, dass aus diesen thrombenfreien Gefässen eine Verblu-
tung hätte eintreten müssen.
Da die puerperale Thrombose im physiologischen Zu-
stande nicht existirt, so kann auch die physiologisch-puerperale
Thrombose nicht Veranlassung zum Puerperalfieber dadurch
werden, dass die physiologische Thrombose unter gewissen
Bedingungen zu Eiter zerfällt, und dadurch das Puerperalfie-
ber hervorruft.
Dass auf diese Weise das Puerperalfieber nicht entsteht,
ist dadurch bewiesen, dass meine Lehre, welche das Puerpe-
ralfieber auf nicht eine todte Wöchnerin unter 100 Wöch-
nerinnen beschränken lehrt, nicht auf Massregeln basirt ist,
welche geeignet sind, die Bildung der physiologischen Throm-
bose oder das Zerfallen der physiologischen Thrombose zu Eiter
zu verhindern.
Um zu beweisen, dass die physiologische Thrombose zum
Puerperalfieber führt, sagt Virchow: »Je besser der Uterus
contrahirt ist, desto günstiger sind die Verhältnisse für die
Uteringefässe und umgekehrt; die Gefahr ist immer etwas
grösser, wenn die Contraction unvollständig ist. Die besten
Beobachter sind darüber einig, dass bei Uterinphlebitis der
Uterus gewöhnlich in einem vergrösserten Zustande verharrt.«
Es ist allerdings richtig, dass bei Uterinphlebitis der
Uterus in einem vergrösserten Zustande verharrt, aber das
Verharren in einem vergrösserten Zustande ist nicht die
Ursache der Uterinphlebitis, sondern umgekehrt, die Ute-
rinphlebitis ist Ursache, dass der Uterus in einem vergrösserten
Zustande verharrt, so wie die Wöchnerin nicht deshalb eine Pe-
ritonitis hat, weil sie einen Meteorismus hat, sondern die Wöch-
nerin hat einen Meteorismus, weil sie eine Peritonitis hat.
Dass die schlechte Contraction des Uterus nicht zur phy-
siologischen Thrombose, und diese wieder zum Puerperalfieber
führe, sondern dass die schlechte Contraction des Uterus Folge
der vorhandenen Uterinphlebitis sei, und diese wieder die Lo-
calisation des durch den resorbirten zersetzten Stoff entmisch-
[474] ten Blutes sei, ist dadurch bewiesen, dass diese Uterinphlebi-
tis durch Chlorwaschungen der Hände verhütet werden kann,
durch Chlorwaschungen der Hände kann der zersetzte Stoff
zerstört werden, welcher in die Genitalien gebracht das Puer-
peralfieber hervorgebracht hätte; wie wird durch Chlorwa-
schungen der Hände die Bildung der physiologischen Throm-
bose verhindert? wie wird durch Chlorwaschungen der Hände
die Metamorphose des physiologischen Thrombus verhindert,
welche zum Puerperalfieber führt?
Welch hochkomische Dinge zu Tage gefördert werden,
wenn Mehrere über einen Gegenstand, den sie nicht verstehen,
ein Urtheil fällen; dazu habe ich eben Gelegenheit, ein Bei-
spiel anzuführen.
Der Leser weiss, dass Virchow der Ansicht ist, je schlech-
ter die Contraction des Uterus und der Gefässe, welche den
Uterus umgeben, desto grösser die Gefahr der Bildung einer
physiologischen Thrombose und des Ueberganges der Throm-
bose in Puerperalfieber und umgekehrt. Um nun eine gute
Contraction hervorzurufen, dazu gehört, wie Virchow sagt:
»aller Wahrscheinlichkeit nach ein besonderer Nerveneinfluss,
und es dürfte insbesondere das Eintreten einer rechtzeitigen
Lactation, zumal das Milchfieber, in dieser Beziehung einen
grossen Einfluss haben, während alle paralysirenden und
schwächenden Einflüsse, wie sie schon für die Contraction des
Uterus selbst sehr nachtheilig wirken, auch die Gefässveren-
gerung beeinträchtigen. Sollte es sich nicht auf diese Weise
erklären, dass gerade bei heimlich Gebärenden, bei denen eine
so grosse Aufregung des Nervenapparates stattfindet, so selten
gefährliche Zufälle eintreten, während wir sie bei schwäch-
lichen Frauen trotz der besten Pflege und noch mehr in über-
füllten Gebäranstalten unter miasmatischen Einflüssen so oft
erfolgen sehen.«
Virchow glaubt also, dass die Lactation und eine grosse
Aufregung des Nervenapparates das Puerperalfieber verhüte.
[475]
Kiwisch sagt: »In Bezug auf die Milchsecretion machte
ich die Erfahrung, dass nichtsäugende Wöchnerinnen während
der Epidemie weniger zahlreich ergriffen wurden, als die Säu-
genden. So war in der Prager Gebäranstalt die Anzahl der
Erkrankten auf der Abtheilung für Zahlende, wo keine Ent-
bundene nährt, im Verhältnisse zu jener auf der Abtheilung
für Säugende immer eine geringere.«
Scanzoni findet gerade in der Nervenaufregung die Ur-
sache der grösseren Sterblichkeit an Bildungsanstalten für
Geburtshelfer im Vergleiche zu Bildungsanstalten für Hebam-
men. Und Prof. Brown ist mit Scanzoni einer Ueberzeugung.
Die heimlich Gebärenden und die Zahlenden zu Prag sind
seltener erkrankt, weil selbe nicht dem Unterrichte gewidmet,
folglich nicht inficirt wurden; an Bildungsanstalten für Ge-
burtshelfer wird häufiger inficirt als an Bildungsanstalten der
Hebammen, und deshalb der ungünstigere Gesundheitszustand
der ersteren.
Die nach dem Jahre 1847 erschienenen Schriften über
Puerperalfieber haben mich je nachdem glücklich gemacht,
wenn ich erfuhr, dass dort und dort sich meine Ansicht be-
währt, mein Glück wurde getrübt, wenn ich wahrnahm, dass
trotz des Erfolges die Sache doch angezweifelt wurde, es er-
regte meine Indignation, wenn ich sah, wie sich Unfähigkeit,
Unredlichkeit, Gewissenlosigkeit breit machte, lange Todten-
listen erpressten mir tiefe Seufzer; aber diese Schriften hatten
das Angenehme, dass selbe auch mitunter meine Lachmuskeln
mehr in Thätigkeit setzten, als selbst eine Nestroy’sche Posse.
Virchow schickt nicht blos auf eigene Faust Irrthümer in
die Welt; Virchow leiht auch die Autorität seines Namens
fremden Irrthümern. Virchow hat die Irrthümer, in welchen
Prof. Veit in Rostok in Bezug auf das Puerperalfieber lebt,
dadurch zu den seinigen gemacht, dass er eine Abhandlung
desselben über Puerperalfieber in sein Handbuch der speciellen
Pathologie und Theorie aufgenommen hat, in welcher Abhand-
lung für die epidemische und gegen meine Lehre über die Ent-
[476] stehung des Puerperalfiebers gekämpft wird. Ich kann hier nicht
abermals die Lehre vom epidemischen Kindbettfieber wider-
legen, so wie ich hier nicht abermals meine Lehre begründen
kann, denn ich müsste gegenwärtige Schrift hier nochmals ab-
schreiben; wir begnügen uns daher mit einer einfachen Appel-
lation an diese Schrift, dass die Wahrheit auf meiner und der
Irrthum auf Virchow Veit’s Seite stehe.
Nur den Ausspruch Veit’s: „dass die Mortalitätscurse des
Wiener Gebärhauses ein erschreckendes Beispiel liefern,“
weise ich mit der ganzen Indignation, deren ich fähig bin, zu-
rück. Die Sterblichkeit des Wiener Gebärhauses war nicht
erschreckender als an allen anderen Anstalten, in welchen
ähnliche Verhältnisse herrschten, und [für] ein Unglück, welches
aus allgemeiner Unwissenheit entspringt, kann Niemand ver-
antwortlich gemacht werden. Aber die erschreckende Sterb-
lichkeit des Wiener Gebärhauses hat zur Entdeckung der Lehre
geführt, wie das Puerperalfieber auf nicht eine todte Wöch-
nerin unter 100 Wöchnerinnen zu beschränken sei, während
eine ebenso erschreckende Sterblichkeit andererorts keine an-
dere Folge hatte, als die Füllung des Leichenhauses. Mit wel-
chem Rechte spricht Veit von der erschreckenden Sterblichkeit
des Wiener Gebärhauses, derselbe Veit, welcher der Lehre,
wie diese erschreckende Sterblichkeit abzuschaffen sei, noch
im Jahre 1855 Opposition macht? Derselbe Veit, welcher diese
erschreckende Sterblichkeit atmosphärischen, unserer Einwir-
kung entzogenen Einflüssen zuschreibt, und dadurch die Wöch-
nerinnen für alle Ewigkeit zu dieser erschreckenden Sterblich-
keit verurtheilt?
Mit welchem Rechte leiht Virchow diesem Ausspruche die
Autorität seines Namens, derselbe Virchow, welcher zwar
meine Lehre noch nicht angegriffen, weil er selbe in seiner
Ueberhebung vornehm ignorirt, und deshalb in solcher Unwis-
senheit über die Entstehung, den Begriff und die Verhütung
des Kindbettfiebers steckt, dass er im Jahre 1858 in der Ge-
sellschaft für Geburtshilfe in Berlin einen Vortrag über Puer-
[477] peralerkrankungen in der Charité halten konnte, in welchem
er die Epidemie im Monate November mit 20 Todten die
höchste Höhe erreichen lässt, ohne auch nur zu ahnen, welch
erschreckende und zugleich welch verbrecherische Sterblich-
keit dies sei, nachdem diese Sterblichkeit sich ereignete eilf
Jahre später, als man in Wien die Sterblichkeit in Folge des
Puerperalfiebers auf nicht eine Todte unter 100 Wöchnerinnen
zu beschränken lehrte.
Seit 1847 gibt es für mich nichts Erschreckenderes, als
den trostlosen Zustand, in welchem sich noch immer der ge-
burtshilfliche Unterricht in Betreff des Kindbettfiebers an der
überwiegend grössten Anzahl der geburtshilflichen Lehran-
stalten befindet.
In welch erschreckendem Zustande sich der geburtshilf-
liche Unterricht in Bezug auf das Puerperalfieber in Berlin
befindet, hatten wir eben Gelegenheit zu schildern.
Von meinen Schülern, von den Medicinern und den Chirur-
gen gar nicht zu sprechen, über bis jetzt 823 Schülerinnen
von mir als Hebammen die geburtshilfliche Praxis in Ungarn
aus, welche besser wissen als Virchow, warum die grösste An-
zahl der Puerperalepidemien im Winter vorkommen, welche
besser wissen als Virchow, was zu thun, um nicht gleichzeitig
Puerperalfieber zu haben, wenn Kranke mit erysipelatösen,
eroupösen, jauchigen und eitrigen Entzündungen ihrer Pflege
anvertraut werden; und welche aufgeklärter, als die Mitglieder
der Gesellschaft für Geburtshilfe in Berlin, Virchow auslachen
würden, wenn er ihnen einen Vortrag über epidemisches Puer-
peralfieber halten würde.
[478]
Zur Erforschung der Ursachen des epidemischen Puerperalfiebers.
Mitgetheilt von
Prof. Dr. Anselm Martin*), königl. Director der Gebär-
anstalt Münchens.
Eine bedauernswerthe Schattenseite für die kurz vorher
in allen Theilen neu bestellte Gebäranstalt Münchens bildete
im Jahre 1857 die Erscheinung des epidemischen Puerperal-
fiebers, das mit kurzen Unterbrechungen von Mitte December
1856 bis Ende Juni 1857 zu bekämpfen war. Ihre Statistik
ist folgende:
Vom 1. October bis Ende Juli wurden in der Gebäranstalt
1090 Pfleglinge behandelt. Von diesen sind am Puerperalfieber
und verwandten pathologischen Erscheinungen (Metritis, Phleg-
masia alba dolens, Phlebitis brachialis u. s. w.) erkrankt, ge-
nesen oder gestorben.
- In der Gebäranstalt erkrankt 43, genesen 30, gestorben 13
- Ins Krankenhaus transferirt » 401), » 14, » 22
- Nach der Entlassung aus der Gebär-
anstalt ins Krankenhaus gekommen » 5, » 3, » 2 - » 88, » 47, » 37
Es ist diese Thatsache einer Erinnerung wohl auch dess-
halb werth, weil man gewöhnlich die Ungunst der Localitäten
der Gebäranstalten, ihre Ueberfüllung, Unreinlichkeit u. s. w.
als eine der vorzüglicheren Ursachen benennt; nun aber das
Leiden in einem ganz vom Grunde aus neugebauten Hause
aufgetaucht ist, das wenige Monate vorher erst bezogen, allent-
halben trocken, reinlich und von Sanitäts- wie von den Bau-
Behörden bewohnbar erklärt worden war.
Dem Lichte und der Luft allenthalben zugänglich, geräu-
mig und jeder Anforderung entsprechend, war das ganze Haus
mit durchaus neuen Geräthschaften, überhaupt in allen Theilen
seiner inneren Einrichtung ganz neu bestellt. Die sehr geräu-
[479] migen, einzeln getrennten Wochensäle enthalten nur 6 Betten,
mit diesen Sälen und ihren Betten wird beständig gewechselt,
selbst ganze Flügel des grossen Gebäudes werden oft längere
Zeit freigelassen, abgesperrt, sowie denn der ganze Flügel. alle
Betten u. s. w. vollständig gereiniget und einer allgemeinen
Lüftung unterzogen werden.
Ueberhaupt ist nicht nur mit der äussersten Sorgfalt und
Wachsamkeit, sondern selbst mit der mühevollsten Aengstlich-
keit jede nur immer mögliche Erzeugungsursache der Krank-
heit in den baulichen und inneren Organisationen des Hauses
ebenso, wie bei dem Dienste des Personals, dann auch bei jeder
einzelnen Verpflegten, Tag und Nacht aufgesucht, überwacht
und angekämpft worden. Auch sind fast alle Kranken jeder
Art alsbald in das Krankenhaus gebracht worden, nur jene
wenigen, die nicht mehr überschickt werden konnten, hat man
im Hause behandelt.
Leichen wurden schon nach wenigen Stunden aus der An-
stalt entfernt. Die Leidenden sind in den bestbestellten sepa-
rirten Krankenzimmern unter besonderer Pflege behandelt
worden. Das Dienstpersonal der Kranken war nur für diese
bestimmt, und durfte kein Local der Gesunden betreten, mit
dem übrigen Hauspersonale nicht zusammen leben. Die Kran-
kenwäsche ist gesondert, gereiniget und für Kranke erst nach
sorgfältiger Reinigung und Lüftung gebraucht worden. Klystir-
spritzen, Katheter u. s. w. sind nur für die Krankenzimmer
und in diesen benützt, stets sorgfältig gereinigt und gesondert
aufbewahrt worden. Auch die eine Kranke besuchenden Aerzte
hatten sich bei dem Austritte aus dem Krankenzimmer stets
mit Chlorwasser die Hände zu reinigen, sowie in Lebensord-
nung, Reinlichkeit und Diät u. s. w. alle Pfleglinge des ganzen
Hauses einer emsigen Aufsicht Tag und Nacht unterzogen, und
in dieser stündig überwacht worden sind.
Aerzte des In- und Auslandes, die während der Dauer der
Epidemie die Anstalt besucht, und alle diese Einrichtungen,
Ordnungen und Ueberwachungen erfahren, wollten es kaum
[480] glauben, dass bei dem bestehenden Vereine so selten zu finden-
der glücklicher Verhältnisse eines Gebärhauses, wie sie nach
den gemeinsamen Aussagen nicht besser bestellt sein könnten,
dennoch eine Epidemie des Puerperalfiebers auftauchen, über-
haupt eine solche in dieser Anstalt je möglich geworden sein
soll. Die Erscheinungen, der Verlauf u. s. w. der Krankheit
waren die allbekannten mit vorherrschend adynamischem
Character, die typhöse Form in der Mehrheit.
Das epidemische Puerperalfieber ist bereits in grösster
Vollständigkeit in der Literatur ausgestattet worden. Es liegt
daher nicht in Absicht, hier in Variationen nochmals zu brin-
gen, was längst bekannt ist. So hohen Werth diese Literatur
auch besitzen mag, so ist uns die Krankheit doch dabei nicht
seltener, ihre Statistik nicht erfreulicher, die Therapie nicht
eine glücklichere geworden.
Es dürfte daher vollste Pflicht grösserer Gebäranstalten
sein, von Zeit zu Zeit, und mehr als bisher, jene Thatsachen
zu berichten, die bei Aufsuchung möglicher ursächlicher Mo-
mente der Forschung sich ergeben haben. Die Erfahrungen
sind hierin noch mangelhaft. Nicht viele Gebäranstalten bieten
hierzu ein gleiches Material, nicht zu allen Zeiten sind klare
Beobachtungen möglich und glücklicher Locale u. s. w. er-
freuen sich die wenigsten Gebärhäuser. Eben in diesen Ver-
hältnissen glauben wir nun die Berechtigung zu finden, aus
der neubestellten Gebäranstalt Münchens vorläufig einige Bei-
träge für weitere Forschungen aetiologischer Momente mit dem
Wunsche geben zu sollen, dass sie dort, wo Gleiches möglich
ist, geprüft und verwerthet werden möchten.
Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern: »Die Zeit für
weitere Forschungen nach aetiologischen Momenten des Kind-
bettfiebers ist vorüber, da das alleinige aetiologische Moment
für alle Fälle von Kindbettfieber, keinen einzigen Fall von
Kindbettfieber ausgenommen, in den zersetzten thierisch or-
ganischen Stoffen entdeckt wurde. Jetzt ist die Zeit gekom-
men, für die Anstrengungen dieses alleinige aetiologische
[481] Moment des Kindbettfiebers unschädlich zu machen, damit in
der ganzen Welt in- und ausserhalb der Gebärhäuser die
Krankheit seltener werde, damit ihre Statistik erfreulicher
werde, und damit ihre Therapie in dem Sinne glücklicher
werde, dass man der Therapie die Gelegenheit entzieht, oft
unglücklich zu werden.
An welchen Orten schon jetzt in der That in Folge der
Anstrengungen gegen den zersetzten thierisch-organischen
Stoff die Krankheit seltener, ihre Statistik erfreulicher und
ihre Therapie in dem Sinne glücklicher geworden ist, dass
man der Therapie die Gelegenheit entzogen hat, oft unglück-
lich zu werden, das haben wir in dieser Schrift an betreffen-
der Stelle mitgetheilt.
Nachdem wir in dem zersetzten thierisch-organischen
Stoffe die alleinige Ursache des Kindbettfiebers anerkennen,
wollen wir die übrigen aetiologischen Momente des Kindbett-
fiebers, wie solche von Prof. Martin angeführt werden, als nicht
aetiologische Momente des Kindbettfiebers ignoriren, und nur
das anführen, was er von der cadaverösen Infection sagt.
»Es ist bekannt, dass sie als Ursache der Puerperalfieber
besonders in Gebäranstalten benannt und von einigen als solche
angenommen worden ist. Die an den Händen der Aerzte und
Studirenden (nach Untersuchungen oder Uebungen an Leichen)
klebenden Leichentheile, oder der selbst nach Waschungen
mit Seifenwasser noch an denselben haften bleibende cada-
veröse Geruch soll, als putride Luft eingeimpft, die Eigenschaft
haben, Puerperalprocesse zu erzeugen. Selbst der Leichen-
geruch, an Kleidungen, Wäsche u. s. w. soll die Infection ver-
anlasst haben.
»Wenn auch von vielen Bewährten der Wissenschaft diese
erzeugende Ursache nicht will angenommen werden, so glauben
wir doch, und ohne uns jetzt schon dabei auf eine oder die
andere Seite neigen zu wollen, folgende Thatsache hier er-
wähnen zu müssen.
Semmelweis, Kindbettfieber. 31
[482]
»Nachdem im Monate Januar und Februar längere Zeit
keine erheblichen Erkrankungen mehr unter den Wöchnerin-
nen der Gebäranstalt aufgetaucht, erkrankten plötzlich wieder
an einem und demselben Tage zwei Wöchnerinnen unter den
Erscheinungen des epidemischen Puerperalfiebers.
»Beide hatten an einem und demselben Tage und fast zur
selben Stunde normal geboren; bei Beiden war eben so wenig
wie im ganzen Hause irgend eine für die Erkrankung bekannte
Ursache zu gewinnen.
»Bei dieser so auffallenden Erscheinung gelang es endlich
durch fortgesetzte Nachforschung zu erfahren, dass ein Assi-
stent ohne Wissen des Vorstandes der Anstalt die Oeffnung
einer Kindesleiche, zwar im entfernten Leichenzimmer des
Hauses, vorgenommen, auch sich hierauf nach Aussage, sorg-
fältig und mit Chlorwasser gewaschen, unmittelbar nachher
aber nur diese zwei Gebärenden allein explorirt habe.
»Da die beiden Erkrankungen ungewöhnlich schnell nach
der Geburt, und von allen Wöchnerinnen des Hauses nur diese
zwei erkrankt sind, gestand der Schuldige die Thatsache, zu-
gleich mit dem Anhange, dass von ihm das Gleiche im Decem-
ber, am Tage des ersten Erscheinens des Puerperalfiebers in
der Gebäranstalt vollzogen worden sei. Auch damals sind nur
die von ihm nach einer Leichenöffnung Explorirten allein zu-
erst erkrankt.
„Den im December und Mitte Februar (durch eadaveröse
Infection?) erzeugten Erkrankungen folgten jedesmal bald
auch mehrere leichtere oder schwerere Puerperalfieberfälle.
Sie verbreiteten sich schnell durch weitere Räume des Hauses.
Es begleitete sie immer ein Kränkeln mehrerer Wöchnerinnen,
und es bedurfte eines Zeitraumes von 16 bis 21 Tagen, bis
endlich wieder glücklichere Verhältnisse zu sehen waren.
»Diesen Erlebnissen dürfte noch anzureihen sein, dass die
geburtshilfliche Universitätsklinik der Gebäranstalt Münchens
täglich Morgens von 10—11 Uhr gehalten wird; dass in diese
eine grosse Anzahl von Practicirenden unmittelbar von den
[483] medicinischen mit Typhuskranken belegten Kliniken des Kran-
kenhauses, manchmal auch von den anatomischen Sälen kom-
men, dass der Gebärsaal dann häufig, ebenso die Wochensäle
der Klinik, die Nachweisung der Luft der Anatomie geben,
auch dass einige Practicirende bei den Leichenöffnungen Lei-
chentheile berühren und dieses Verhältniss zu überwachen und
zu beseitigen unmöglich ist.
»Ferner dürfte hier zu erinnern sein, dass bisher die Ge-
bäranstalt Münchens nur immer während der Dauer der ge-
burtshilflichen Universitätsklinik, und nur seit diese mit ihr
verbunden ist (seit dem Jahre 1824), Aufschreibungen von
epidemischen Puerperalfiebern, die in der Anstalt aufgetaucht
sind, in ihren Registraturen besitzt, und die frühern, sehr ge-
nauen Listen, diese Krankheit kaum erwähnen, ferner dass
Practicirende, die im Hause wohnen, nicht selten pathologische
Anatomie mit mikroskopischen wie chemischen Untersuchun-
gen betreiben, und von diesen oft schnell zu Gebärenden, ih-
ren Explorationen u. s. w. abgerufen werden u. s. w.; auch
eine genaue Ueberwachung vor diesen Untersuchungen, be-
kanntlich dem Bereiche der Unmöglichkeiten zugezählt wer-
den muss. Ebenfalls dürfte zu erwähnen sein, dass alle diese
Verhältnisse auch in den früher bewohnten Localen während
und bei den misslichen Verhältnissen des Hauses ohne Er-
scheinungen epidemischer Puerperalfieber bestanden haben.
»In Folge Befehles der königl. Regierung wurde mit An-
fang April bis 22. Juni die geburtshilfliche Universitätsklinik
geschlossen. Die Erkrankungen haben zwar nicht geendet,
doch sind sie seltener und minderen Grades geworden.
Mit dem Eintritte der besseren Jahreszeit (Anfangs Juni)
haben sie ganz aufgehört.
»Als die Klinik im Juli wieder von Studierenden besucht
wurde, tauchten zwar nochmals einige rasch und tödtlich ver-
laufende Krankheitsfälle auf. Doch haben auch sie wieder ge-
endet, als die Klinik durch den Schluss des Semesters nicht
mehr von Studierenden besucht worden ist. Ein Zusammenhang
31 *
[484] mit einer Infection durch die Studirenden ist bei diesen we-
nigen Erkrankungen nicht anzunehmen. Sie erscheinen als
sporadische Fälle, wie sie oft am Schlusse von Epidemien
sich finden.«
Diese Beobachtungen sprechen so laut für sich selbst,
dass sie eines Commentars nicht benöthigen, ich setze voraus,
dass die Schüler angehalten sind, vor jeder Untersuchung sich
die Hände in Chlorwasser zu waschen, obwohl es ausdrück-
lich nicht gesagt wird.
Das Gebärhaus in München ist ein schlagender Beweis,
dass es trotz der vortrefflichsten Einrichtungen für die Gebär-
häuser in so lange kein vollständiges Heil geben wird, bis
nicht das von mir von sämmtlichen Regierungen erbetene Ge-
setz, nämlich dass es jedem im Gebärhause Beschäftigten
geradezu verboten wird, sich mit zersetzten Stoffen zu be-
schäftigen, in seiner vollsten Strenge gehandhabt werden wird.
Ist es gerechtfertiget, den guten Gesundheitszustand eines
Gebärhauses von dem guten Willen der Schüler abhängig zu
machen? kann nicht bei dem besten Willen Aller der Leicht-
sinn eines Einzigen grosses Unheil stiften?
Carl Braun,
mein Nachfolger in der Assistenz, und gegenwärtig Professor
der Geburtshilfe an der I. Klinik zu Wien, an derselben Kli-
nik, deren schlagende Daten mir das Unwahre der bisher gil-
tigen Aetiologie des Kindbettfiebers erkennen liessen, und an
der ich die ewig wahre Aetiologie des Kindbettfiebers ent-
deckte, ist Gegner dieser von mir entdeckten ewig wahren
Aetiologie des Kindbettfiebers*). Dieser Verhältnisse wegen
dürfte der Leser geneigt sein, seinem Urtheile ein grösseres
Gewicht beizulegen, als dem eines jeden Anderen meiner Geg-
[485] ner, es erwächst hieraus für mich die Verpflichtung, in der
Widerlegung Carl Braun’s noch gründlicher zu Werke zu
gehen, als wir das bei unsern früheren Gegnern gethan, aber
Carl Braun macht uns die Arbeit leicht, Karl Braun sagt in
dem Grade ungereimte Dinge Schlag auf Schlag, dass wir
besorgen, uns dem Verdachte auszusetzen, als würden wir
seine Opposition nicht getreu geben, wenn wir selbe nur dem
Sinne nach geben würden, wie wir es zum grossen Theil bei
den übrigen Gegnern gethan; um uns nun gegen diesen Ver-
dacht zu schützen, bleibt uns nichts anders übrig, als seine
Opposition Wort für Wort abdrucken zu lassen.
Carl Braun’s Opposition gegen die von mir entdeckte
ewig wahre Aetiologie des Kindbettfiebers entspringt nicht
seiner Ueberzeugung, dass meine Aetiologie nicht wahr sei;
seine Opposition ist begründet zum Theil in seiner Unwissen-
heit über die wichtigsten Lehrsätze meiner Aetiologie, zum
Theil in seinem bösen Willen.
Zeigt es nicht von bösem Willen, wenn Carl Braun an
zahlreichen Stellen meine Lehrsätze wiedergibt, und dann
in der Klinik durch 12 und in seinem Lehrbuche durch 4
Druckseiten hindurch denselben Lehrsätzen Opposition macht?
Wir werden bei Beurtheilung Carl Braun’s diese Stellen
berühren, vorläufig genüge als Beispiel eine einzige. Carl
Braun sagt bei der Prophylaxis des Kindbettfiebers (Klinik,
Seite 533, Lehrbuch, Seite 971):
»Da das Puerperalfieber oder Pyaemie durch Einimpfung
von Leichengift erzeugt werden, und durch Uebertragung von
septischen Exsudaten, sowie durch das Zusammenwohnen
mit Andern an einer der verschiedenen zymotischen Krankhei-
ten, wie: Typhus, Cholera, Scharlach, Masern u. s. w. Lei-
denden verbreitet werden könne, so ist es die strenge Pflicht
der Aerzte, auf die Absonderung der gesunden Wöchnerinnen
von zymotisch-erkrankten Individuen, sowohl in Privatwoh-
nungen, als in Gebärhäusern genau zu sehen, und niemals
eine Untersuchung oder eine Operation bei einer Schwange-
[486] ren, Gebärenden, Wöchnerinnen zu gestatten, wenn kurze
Zeit zuvor ein hilfeleistendes Individuum mit Leichentheilen
oder septischen Exsudaten zu thun hatte.« Und in der Klinik
für Geburtshilfe und Gynaekologie setzt Carl Braun in einer
Anmerkung noch hinzu: »Es ist daher die löblichste Vorsicht
eines jeden Klinikers, die klinischen Explorationen in den
frühesten Morgenstunden vornehmen zu lassen, bevor noch
Beschäftigungen an Cadavern vorgenommen werden.« Kann
Carl Braun aus Ueberzeugung, dass meine Lehre falsch sei,
mir opponiren?
Aus der Tabelle, welche sich in gegenwärtiger Schrift,
Seite 142, unter Nr. 24 befindet, ersieht der Leser, dass wäh-
rend der ersten 39 Jahre des Bestehens des Wiener Gebär-
hauses die Sterblichkeit ohne anatomische Grundlage der Me-
dicin 1,25 Percent betrug. Durch Annahme der anatomischen
Grundlage der Medicin stieg die Sterblichkeit in den nächst-
folgenden 10 Jahren auf 5,30 P.-A.
Nun wurde das Gebärhaus in zwei Abtheilungen getrennt
und beiden Abtheilungen wurden Schuler und Schülerinnen
in gleicher Anzahl zugewiesen. Die Sterblichkeit der I. Ab-
theilung steigerte sich in den nächstfolgenden 8 Jahren auf
6,56 P.-A. Durch Zuweisung sämmtlicher Schüler der I. Ab-
theilung steigerte sich in den nächstfolgenden 6 Jahren die
Sterblichkeit auf 9,92 P.-A. Durch Einführung der Chlorwa-
schungen beiläufig Mitte Mai 1847 auf der I Klinik vermin-
derte sich die Sterblichkeit auf 5,04 P.-A., und im Jahre 1848,
wo das ganze Jahr hindurch durch mich die Chlorwaschungen
beaufsichtiget wurden, sank die Sterblichkeit auf 1,27 P.-A. In den
folgenden 5 Jahren, in welchen Carl Braun Assistent war,
hinzugenommen das Jahr 1858, in welchem Carl Braun als
Professor an dieser Klinik fungirte, ereigneten sich 24,692
Geburten, davon starben 613, also 2,48 P.-A., es minderte sich
die Sterblichkeit daher im Vergleiche der 6 Jahre, innerhalb
welcher an der Klinik für Aerzte keine Chlorwaschungen ge-
macht wurden, um 7,44 Proc. Antheil oder mit andern Worten,
[487] wären die Chlorwaschungen nicht eingeführt worden, so hätte
sich die Sterblichkeit der Klinik der Aerzte in der Ausdehnung
fortgesetzt, in welcher Ausdehnung die Sterblichkeit sich an
dieser Klinik ereignete während der 6 Jahre ohne Chlorwa-
schungen, es wären mithin 2450 Individuen gestorben; da aber
613 Individuen starben, so wurden in Folge meiner Lehren
über die Entstehung und Verhütung des Kindbettfiebers 837
Individuen in diesen 6 Jahren gerettet. In dieser Zahl fehlen
die Kinder, welche von diesen 837 geretteten Individuen das
Puerperalfieber mitgetheilt bekommen hätten.
Zur besseren Orientirung theile ich dem Leser mit, dass
Carl Braun die Chlorwaschungen längst aufgegeben und dafür
seinen Schülern den Rath ertheilt, nicht zu untersuchen, so
lange die Hände cadaverösen Geruch verbreiten. Ist das nicht
böser Wille, wenn Carl Braun meine Lehre verleumdet, welche
ihm in 6 Jahren 837 Mütter gerettet hat? ungerechnet die ge-
retteten Kinder. Freilich hat meine Lehre innerhalb dieser 6
Jahre nicht das geleistet, was sie zu leisten berufen ist. Oder
mit andern Worten: in diesen 6 Jahren sind nicht blos Fälle
von Kindbettfieber in Folge von Selbstinfection vorgekommen,
sondern es sind, da von 24,692 Wöchnerinnen 613 gestorben sind,
367 Fälle von verhütbarer Infection von aussen vorgekommen,
und wenn wir jährlich 10 Infectionsfälle von aussen den un-
günstigen Verhältnissen der I. Gebärklinik zuschreiben, weil
ja auch wir im Jahre 1848 zehn Infectionsfälle von aussen
nicht verhüten konnten, so bleiben noch immer für 6 Jahre
317 Individuen und die Kinder, welche von diesen 317 Müttern
inficirt wurden, welche dem bösen Willen Carl Braun’s dadurch
zum Opfer fielen, dass er, gegen seine bessere Ueberzeugung,
nicht nur gegen meine Lehre über die Verhütung des Kind-
bettfiebers geschrieben, sondern auch seinen Schülern gegen
diese Lehre Vorträge gehalten hat und dadurch seine Schüler
zu einem gefährlichen Leichtsinn verleitet hat. Und was wer-
den diese so schlecht belehrten Schüler Carl Braun’s für Unheil
stiften in ihrer selbstständigen Thätigkeit. Die Entsetzen er-
[488] regende Thätigkeit eines seiner Schüler sind wir in der trau-
rigen Lage constatiren zu können. Gustav Braun, Carl Braun’s
Schüler, Bruder und Nachfolger in der Assistenz, hat während
seiner vierjährigen Assistenz von 16,197 Wöchnerinnen 878
an Puerperalfieber, und zwar 161 in Folge von Selbstinfection
und 717 in Folge verhütbarer Infection von aussen verloren,
und wie gross mag die Zahl der Kinder sein, welche von diesen
717 Müttern inficirt, gleichfalls an Puerperalfieber gestor-
ben sind.
Doch hören wir, was Carl Braun, und zwar in der Klinik
der Geburtshilfe und Gynaekologie sagt. Nach Carl Braun gibt
es 30 Ursachen des Kindbettfiebers; die achtundzwanzigste
ist die cadaveröse Infection. Von derselben sagt er Fol-
gendes: »Als die vorzüglichste, ja fast als die einzige Ur-
sache der Puerperalfieber-Epidemien suchte Semmelweis im
Jahre 1847 die Theorie der cadaverösen Infection aufzu-
stellen, nach welcher die an den Händen nach Unter-
suchungen oder Uebungen am Cadaver klebenden Leichen-
theile oder der nach Waschungen mit Seifenwasser an
demselben haften bleibende Geruch, als petride Luft, die Ei-
genschaft haben sollen durch die innere Exploration der Gebären-
den Puerperalprocesse einimpfen zu können. Semmelweis fand
hierin in Professor Skoda einen Vertheidiger!!« Der Leser sieht,
wie schlecht Carl Braun die Gelegenheit benützt hat, die ihm
geboten war, etwas zu lernen, da er nur eine Quelle des zer-
setzten Stoffes, nämlich die Leiche, da er nur einen Träger
des zersetzten Stoffes, nämlich den untersuchenden Finger,
kennt, und wie heilig ihm die Wahrheit ist, geht daraus hervor,
dass er in der Literatur nebst der Academie der Medicin in
in Paris noch zehn Gegner angetroffen, aber nur einen einzi-
gen Vertheidiger.
Die einzige Ursache aller Puerperalfieberfälle ist ein ge-
setzter Stoff, aber nicht der gesetzte Stoff allein, welcher vom
Cadaver kommt, der Leser weiss, das es drei Quellen des zer-
setzten Stoffes gibt, und hier wird mehr aus dieser, dort mehr
[489] aus jener Quelle inficirt. In Wien war es unzweifelhaft der
Cadaver, von welchem her am häufigsten inficirt wurde, vor
1823 gab es in Wien auch medicinische und chirurgische Ab-
theilungen, der Leser weiss, in welchem Grade sich nach dieser
Zeit in Folge der anatomischen Richtung der Medicin die
Sterblichkeit des Wiener Gebärhauses steigerte. Im Pester
St.-Rochus Spitale war es der zersetzte Stoff einer chirurgi-
schen Abtheilung, mittelst welchen am häufigsten inficirt wurde,
an der geburtshilflichen Klinik zu Pest waren es zweimal un-
reine Leintücher, woher die Infection kam; von Prag erzählt
Chiari, dass zwei Kreissende, deren Genitalien während der
Geburt Jauche absonderten, zweimal eine Puerperalfieber-Epi-
demie hervorbrachten etc. etc. etc.
Der Träger des zersetzten Stoffes ist nicht blos der un-
tersuchende Finger, sondern jeder Gegenstand, welcher mit
einem zersetzten Stoffe verunreinigt ist und mit den Genita-
lien der Individuen in Berührung kommt.
Zur Begründung seiner Ansicht stellt Semmelweis fol-
gende Sätze auf:
a) Die Sterblichkeit der Wöchnerinnen ist in der Wiener
Schule, in welcher Aerzte, die sich mit pathologisch-anatomi-
schen Untersuchungen beschäftigen, unterrichtet werden, con-
stant viel grösser als in der Hebammenschule.
b) Das Waschen der Hände der Aerzte vor den Untersu-
chungen der Gebärenden mit einer Auflösung von Chlorkalk
zerstöre allen an den Händen zurückbleibenden cadaverösen
Geruch und sei ein Schutzmittel gegen Puerperalprocesse,
wenn nach Beschäftigungen am Cadaver geburtshilfliche Un-
tersuchungen vorgenommen werden müssen.
Auf diese zwei Puncte erwiedert C Braun Folgendes:
Ad a) und b) Während des Winters 1849 herrschte an der
I. Gebärklinik ungeachtet der anbefohlenen Chlorwaschungen
eine Puerperalfieber-Epidemie, welche im Beginne der besseren
Jahreszeit im April ohne eruirbare Ursache aufhörte. Im Som-
mersemester kamen unter 1818 Geburtsfällen blos 29 Sterbe-
[490] fälle, mithin 1,5 %, vor, ungeachtet vom klinischen Vorstande
Professor Klein der Unterricht ununterbrochen ertheilt und
die Operationsübungen an Cadavern mit den Studirenden vom
Assistenten fleissig vorgenommen wurden.
Im Wintersemester 1849/50 trat wie gewöhnlich im
Herbste das Puerperalfieber mit Heftigkeit auf, so dass auf
1888 Geburtsfälle 77 Sterbefälle, somit 2,0 % kamen.
Diese Erscheinungen mussten den Glauben auf die Schutz-
kraft des Chlorkalkes wesentlich erschüttern.
Da nach Semmelweis’ Vorschlag eine Chlorkalklösung in
ein offenes Gefäss (Lavoir) gebracht wurde, in welches alle an-
wesenden Studirenden ihre Hände einzutauchen und mit einer
Nagelbürste zu reinigen hatten, ein sehr schwacher Chlorge
ruch an diesem Desinfectionswasser, aber desto mehr Gyps im
Bodensatze desselben angetroffen wurden, so liess man eine mit
einem Pipette versehene und auch oben verschliessbare Kanne
aus Glas im Geburtszimmer anbringen, in welche vor der Vi-
site eine frische Chlorkalklösung eingebracht wurde, damit
jeder Studirende vor oder nach jeder Untersuchung mit rei-
nem, nach Chlor riechendem Wasser die Hände sich reinige.
Bei der gewissenhaftesten allseitigen Desinfection aller explo-
rirenden Hände steigerte sich die Epidemie vom Jänner bis
März von 3,9 bis 5,0 %.
Mit einbrechendem Sommersemester 1850 hörten die
Puerperalprocesse auf, so dass auf 1725 Geburtsfälle 10 Sterbe-
fälle, d. i. 0,5 %, kamen. Da die Zersetzung der Cadaver im
Sommer viel rascher vor sich geht als im Winter, und an den
Händen nach Operationsübungen der Leichengeruch länger
haftet, so wurde beobachtet, dass derselbe nach oftmaligem Tou-
chiren und Reinigen der Hände mit Chlorwasser, im Sommer
an den Händen (nach Ablegung des Rockes, der bekanntlich
viele Stunden deutliche Spuren des Leichengeruches nach-
weist) nicht zerstört wurde. Es durfte daher der Desinfections-
kraft des Chlorkalkes in der eingeführten Anwendungsweise
nicht mehr blindlings vertraut werden, und es musste jedem
[491] Studirenden auf das Gewissenhafteste anbefohlen werden,
keine Gebärende oder Schwangere zu untersuchen, wenn an
demselben Tage ein Cadaver von ihm berührt wurde.
Ungeachtet der grössten Vorsicht raffte das Puerperalfie-
ber im Jänner und December 1851 3—5 %, im März aber so-
gar 7,2 % dahin.
In den Jahren 1849 bis 1852 wurden, wie gewiss auch in
der früheren Zeit, alle damals bekannten Mittel mit der gröss-
ten Aufmerksamkeit angewandt, und dennoch machten wir an
der Schule für Hebammen, an welcher eine Leicheninfection
nicht leicht möglich ist, an welcher die Chlorwaschungen auf
das strengste auch überwacht wurden, an welcher derselbe
umsichtsvolle Vorstand und derselbe wohlerfahrene Assistent
fungirten, und keine eruirbaren Veränderungen in dem Lo-
cale vorkamen, die traurige Erfahrung, dass im Jänner und
März 1852 von 10 bis 12 % Wöcherinnen an Puerperalfieber
verloren gingen. Diese Thatsachen müssen die Hypothesen der
cadaverösen Infection, die sich meistens auf die Vergangenheit
stützte und daraus sehr kühne Schlüsse zog, vollends erschüt-
tern und uns ermahnen, auch andere aetiologische Momente
zu erwägen. Ueber die verschiedensten Einflüsse, welche auf
den Krankheitszustand eines Gebärhauses in mehreren De-
cennien eingewirkt haben können, kann der Geburtshelfer im
Augenblicke eben so wenig Rechenschaft geben, als der Chi-
rurg über alle Fälle von Pyaemie und Hospitalbrand, die sich
während vieler Jahre unter seinen Operirten ereigneten, einen
genügenden Aufschluss würde geben können, wenn ihm plötz-
lich insinuirt würde, dass diese Leiden stets daher rührten, weil
die Operationszöglinge mit Operationsübungen am Cadaver
inner- oder ausserhalb des klinischen Hörsaales sich beschäf-
tigten!
Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern. Wenn Carl
Braun mir den Satz zur Begründung meiner Ansicht unter-
schiebt: »Die Sterblichkeit der Wöchnerinnen ist in der Wie-
ner Schule, in welcher Aerzte, die sich mit pathologisch-ana-
[492] tomischen Untersuchungen beschäftigen, unterrichtet werden,
constant viel grösser als in der Hebammenschule,« so un-
terschiebt er mir ein Falsum. Der Leser weiss, dass die beiden
geburtshilflichen Schulen in Wien seit dem Jahre 1833 be-
stehen (siehe Tabelle Nr. XXII Seite 139, Tabelle Nr. I
Seite 3, Tabelle Nr. XXIII Seite 140), während der ersten
acht Jahre ihres Bestehens bis zum Jahre 1841 waren Schü-
ler und Schülerinnen an beiden Abtheilungen in gleicher An-
zahl vertheilt, die durchschnittliche Sterblichkeit dieser acht
Jahre war an der I. Abtheilung 6,56 %, die der II. Abtheilung
5,58 %, die absolute Sterblichkeit war an der I. Abtheilung in
diesen acht Jahren immer grösser, die relative Sterblichkeit
war in den Jahren 34, 36, 38 an der II. Abtheilung grösser
als an der I. Abtheilung; die jährliche Durchschnittszahl des
Plus der verpflegten Wöchnerinnen an der I. Abtheilung be-
trug 1246 Wöchnerinnen. Bei gleicher Infectionsmöglichkeit
konnte an den beiden Abtheilungen keine wesentlich diffe-
rente Sterblichkeit vorkommen.
In den nächstfolgenden 6 Jahren bis zum Jahre 1847 war
die I. Abtheilung ausschliesslich Klinik für Aerzte, und die
II. Abtheilung ausschliesslich Klinik für Hebammen ohne
Chlorwaschungen, und bloss in diesen 6 Jahren war die ab-
solute und relative Sterblichkeit an der Klinik für Aerzte con-
stant grösser; die durchschnittliche Sterblichkeit dieser 6
Jahre war an der Klinik für Aerzte 9,92 %, die der Klinik für
Hebammen 3,38 %; das Plus der verpflegten Wöchnerinnen
an der I. Klinik betrug 375. Das Plus der Sterblichkeit die-
ser 6 Jahre war bedingt durch die pathologisch-anatomischen
Untersuchungen der Schüler. In den 12 Jahren nach Einfüh-
rung der Chlorwaschungen bis zum Jahre 1859 war die ab-
solute Sterblichkeit an der Hebammenschule im Jahre 1851
mit 46 und im Jahre 1852 mit 11 Todten grösser, als in dem-
selben Jahre an der Klinik für Aerzte. Im Jahre 1851 wurden
an der Klinik für Aerzte 799, im Jahre 1852 wurden 1111
Wöchnerinnen mehr verpflegt. Die relative Sterblichkeit war
[493] während 5 Jahren an der Klinik für Hebammen grösser als
an der Klinik für Aerzte. Die Durchschnittszahl des Plus der
verpflegten Wöchnerinnen an der Klinik für Aerzte in diesen
12 Jahren betrug 598 jährlich.
Die Chlorwaschungen haben das constante Plus der Sterb-
lichkeit an der Klinik für Aerzte aufgehoben.
Mein Satz: »Die Sterblichkeit der Wöchnerinnen ist in
der Wiener Schule, in welcher Aerzte, die sich mit patholo-
gisch-anatomischen Untersuchungen beschäften, unterrichtet
werden, constant viel grösser, als in der Hebammenschule,«
bezieht sich auf die 6 Jahre, während welchen die I. Klinik
ausschliesslich für Aerzte und die II. Klinik ausschliesslich
für Hebammen bestimmt war, ohne Chlorwaschungen.
Wenn daher C. Braun diese Zeit ignorirt, und mit dem
Winter 1849 beginnt, wo in Folge der Chlorwaschungen kein
Unterschied mehr war in der Grösse der Sterblichkeit der bei-
den Abtheilungen, wo die Grösse der absoluten und relativen
Sterblichkeit zwischen beiden Abtheilungen schwankte, wo
die zwölfjährige durchschnittliche Sterblichkeit an der I. Kli-
nik 3,57 %, an der II. Klinik 3,06 % betrug, so hat C. Braun
durch dieses Manöver nicht die Wahrheit meines Satzes um-
gestossen, er hat einfach ein Falsum begangen.
C. Braun sagt, nach Semmelweis sollen die an der Hand
klebenden Leichentheile die Eigenschaft haben, durch innere
Exploration der Gebärenden, Puerperalfieber hervorzurufen;
und diese meine Ansicht bekämpft er auf 6 Druckblättern, des-
senungeachtet sagt er, als er über die desinficirende Eigen-
schaft des Chlorkalkes zu sprechen kommt, der Chlorkalk
schütze nicht gegen cadaveröse Infection, es müsse daher jedem
Schüler auf das Gewissenhafteste anbefohlen werden, keine
Gebärende oder Schwangere zu untersuchen, wenn er an dem-
selben Tage einen Cadaver berührt hat.
Vor dem Jahre 1847 war mir die Eigenschaft, dass Cada-
vertheile das Puerperalfieber hervorrufen, nicht bekannt, ich
habe daher bei geburtshilflichen Untersuchungen keine Rück-
[494] sicht darauf genommen, ob meine Hände von Cadavern rochen
oder nicht. Die Folgen, welche dieses Nichtwissen hatte,
habe ich an den betreffenden Stellen dieser Schrift mitgetheilt
Ueberzeugt sein ist doch sicherer als nicht Wissen, wenn da-
her C. Braun überzeugt ist, dass der Cadaver nicht inficirt,
warum verliess er sich denn nicht einmal auf die Schutzkraft
des Chlorkalkes, warum befiehlt er denn seinen Schülern auf
das Gewissenhafteste, keine Gebärende zu untersuchen, wenn
an demselben Tage ein Cadaver von ihnen berührt wurde?
Aber etwas läugnen und es dennoch beobachten, heisst ein
Falsum begehen.
Dass der Cadaver inficirt und dass der Chlorkalk desinficirt,
hat selbst C. Braun bewiesen.
Wir haben schon Gelegenheit gehabt zu erzählen, dass
während der fünfjährigen Assistenz und der einjährigen Pro-
fessur C. Braun’s sich 24,692 Geburten ereigneten, davon starben
613, also 2,48 %; es verminderte sich daher die Sterblichkeit
im Vergleiche zu den 6 Jahren der Klinik für Aerzte ohne
Chlorwaschungen, durch Verhütung der cadaverösen Infection
mittelst Chlorwaschungen um 7,44 %; und wenn wir die Sterb-
lichkeit der einzelnen Monate nehmen, so stieg selbe während
der 6 Jahre ohne Chlorwaschungen bis 31 %, während in den
einzelnen Monaten die Sterblichkeit während der vierjährigen
Assistenz C. Braun’s 7 % nicht überstieg. Vom fünften Jahre
und vom ersten Jahre der Professur stehen uns die Monats-
rapporte nicht zu Gebote.
Wir haben gesehen, dass C. Braun die cadaveröse Infec-
tion bekämpft, und dass er dennoch gegen die cadaveröse In-
fection Schutz sucht; denselben Widerspruch finden wir auch
beim Chlorkalk wieder, er spricht dem Chlorkalk jede desin-
ficirende Eigenschaft ab, und lehrt eine vollkommenere Me-
thode der Anwendung des Chlorkalkes, als ich gelehrt.
Ich habe im Jahre 1848 von der desinficirenden Eigen-
schaft des Chlorkalkes nach einer unvollkommenen Methode
Gebrauch gemacht, und habe 10 Fälle von verhütbarer Infec-
[495] tion von aussen gehabt, C. Braun hat nach einer vollkomme-
nen Methode von der desinficirenden Eigenschaft des Chlor-
kalkes Gebrauch gemacht und hatte im Jahre 1849 65, im
Jahre 1850 37, im Jahre 1851 34, im Jahre 1852 137, im
Jahre 1853 52, im Jahre 1858 44 verhütbare Infectionsfälle
von aussen.
Den Grund, warum C. Braun trotz der Anwendung einer
vollkommenen Methode mehr Infectionsfälle von aussen hatte
als ich, finde ich in der Opposition C. Braun’s gegen meine
Lehre, wodurch die Vorsicht der Schüler eingeschläfert wurde.
Und wie competent C. Braun bei der Aetiologie des Kind-
bettfiebers mitspricht, geht daraus hervor, dass er die Puerpe-
ralfieber-Epidemien ohne eruirbare Veränderungen beginnen
und ohne eruirbare Ursachen aufhören lässt; obwohl ihm 30
Ursachen des Kindbettfiebers bekannt sind. Scanzoni lässt
doch wenigstens die Wöchnerinnen nur zum Theil ohne eruir-
bare Ursache am Kindbettfieber sterben, für den andern Theil
hat er ein sicheres aetiologisches Moment für das Kindbettfie-
ber in dem Zufalle.
So lange ich als Assistent fungirte, wurden an der II. Kli-
nik die Chlorwaschungen nicht eingeführt. C. Braun behaup-
tet, dass mit dem Jahre 1849 die Chlorwaschungen auch auf
der zweiten Klinik eingeführt und auf das strengste über-
wacht wurden; wie strenge diese Ueberwachung war, geht
daraus hervor, dass die Sterblichkeit, welche an der I. Klinik
in Folge der Chlorwaschungen von 9,92 % in den 12 Jahren
nach Einführung der Chlorwaschungen auf 3,57 % sank, an der
II. Klinik in demselben Zeitraume von 3,35 % nur auf 3,06 %
sich minderte. Der wohlerfahrene Assistent, welcher die Chlor-
waschungen an der II. Klinik auf das strengste überwachte,
und dennoch eine Sterblichkeit im Jänner 1852 von 10 % und
im März 1852 von 12 % hatte, war Dr. Spaeth, gegenwärtig
Professor der Geburtshilfe an der k. k. Josephs-Akademie in
Wien. Ich nenne hier Dr. Spaeth’s Name nicht desshalb, um
ihn dadurch zu verunglimpfen, dass ich seinen Namen mit
[496] einer grossen Sterblichkeit in Verbindung bringe, sondern
desshalb, weil mir der Leser das, was ich von wohlerfahrenen
Assistenten sagen werde, glauben müsste, während er sich
überzeugen kann von dem, was ich von Dr. Spaeth erzähle.
Wer mit der geburtshilflichen Literatur vertraut ist, wird
wissen, dass Dr. Spaeth Arbeiten gemacht, bei welchen er
sich seine Hände mit zersetzten Stoffen verunreinigen musste;
als Gegner meiner Lehre setzte ich Zweifel in die strenge
Beaufsichtigung und strenge eigene Beobachtung der Chlor-
waschungen, dadurch ist die Möglichkeit von Infectionen ge-
geben, und was wir nur als möglich nachgewiesen, das erzählt
uns Chiari als wirklich geschehen. Nachdem Chiari erzählt,
wie zweimal in der Prager Gebärklinik für Aerzte dadurch
Puerperal-Epidemien ausgebrochen seien, dass die Genitalien
zweier Kreissen der gangraenös wurden, sagt er: »Und auch an
der hiesigen Klinik für Hebammen wurde in diesem Herbste
eine ähnliche Beobachtung gemacht, wie mir mein Freund
Dr. Spaeth vertraulich mittheilte.« (Seite 150, Zeile 9.)
Wenn C. Braun sagt, dass an der Hebammenschule nicht
leicht eine Leicheninfection möglich sei, so hat ihm Dr. Zipfel
schon längst gründlich widerlegt.
C. Braun sagt, diese Thatsachen, nämlich die 7 % der
I. Klinik und die 12 % der II. Klinik trotz Chlorwaschungen,
mussten die Hypothese der cadaverösen Infection vollends er-
schüttern und ihn ermahnen, sich noch nach anderen aetio-
logischen Momenten umzusehen. C. Braun hat sich umgese-
hen und noch 29 aetiologische Momente des Kindbettfiebers
gefunden. Wir werden später Gelegenheit haben nachzuwei-
sen, dass die Mehrzahl dieser Momente gar keine aetiologischen
Momente des Kindbettfiebers sind, und die, welche wirklich
aetiologische Momente des Kindbettfiebers sind, sind es nur
dadurch, dass durch selbe entweder ein zersetzter Stoff im er-
griffenen Individuum entsteht, oder dadurch, dass durch selbe
ein zersetzter Stoff den Individuen von aussen eingebracht
wird.
[497]
Diese Thatsachen haben bei mir die Hypothese der cada-
verösen Infection nicht erschüttert, im Gegentheil, diese That-
sachen haben die Hypothese der cadaverösen Infection bekräf-
tiget, denn es spricht für die Wahrheit der cadaverösen Infec-
tion, wenn Gegner der cadaverösen Infection eine grössere
Sterblichkeit haben, als der Erdichter der cadaverösen Infec-
tion, denn die Gegner beaufsichtigen die Chlorwaschungen nicht
so gewissenhaft, als der Erdichter der cadaverösen Infection.
C. Braun macht es mir zum Vorwurfe, dass ich mich mei-
stens auf die Vergangenheit stütze, und daraus sehr kühne
Schlüsse ziehe. Ich mache es C. Braun zum Vorwurfe, dass er
sich meistens auf die Gegenwart stützt, und daraus sehr falsche
Schlüsse zieht.
In welche Barbarei würde das Menschengeschlecht ver
sinken, wenn die Vergangenheit für folgende Generationen
verloren wäre. Kann eine Generation die Schifffahrt erfinden
und einen Great-Eastern bauen, wie viele Generationen muss-
ten sich abmühen, bis man es zu Locomotiven brachte, welche
den Semmering befahren.
Doch bleiben wir bei dem Puerperalfieber. C. Braun sagt:
»Im Wintersemester 1849/50 trat wie gewöhnlich im Herbste
das Puerperalfieber mit Heftigkeit auf,« und aus dieser Beob-
achtung, die sich auf die Gegenwart stützt, zieht er den fal-
schen Schluss, dass der Winter dasjenige sei, welches das
Puerperalfieber erzeuget, die Vergangenheit lehrt, dass im Wie-
ner Gebärhause während 25 Jahren nicht eine Wöchnerin von
100 Wöchnerinnen starb; die Vergangenheit lehrt, dass in Eng-
land in 19 Jahren keine Wöchnerin und in 105 Jahren nicht
eine von 100 Wöchnerinnen in den dortigen Gebärhäusern
starb; ich stütze mich auf die Vergangenheit und ziehe daraus
den wahren Schluss, dass der Winter nicht das Kindbettfieber
erzeuget. (Siehe Tabelle Nr. XVII., Seite 62 und Tabelle
Nr. XXXIV., Seite 177.)
Und wenn C. Braun desshalb die Vergangenheit nicht gel-
ten lassen will, weil der Geburtshelfer nicht im Stande sei, über
Semmelweis, Kindbettfieber. 32
[498] die Einflüsse Rechenschaft abzulegen, welche auf den Gesund-
heitszustand eines Gebärhauses während mehrerer Decennien
eingewirkt haben mögen; so habe ich diesen Ausspruch Carl
Braun’s dadurch gründlich widerlegt, dass ich in dieser Schrift
oft Gelegenheit hatte anzugeben, welches die Einflüsse waren,
von welchen der Gesundheitszustand des Wiener Gebärhauses
während der 74 Jahre seines Bestehens abhängig war.
C. Braun möge sich nur erinnern, wie viel er in der Ver-
gangenheit sich umgesehen, als er sein Lehrbuch der Ge-
burtshilfe zusammengetragen. Denn gewiss, ich bin der Ueber-
zeugung, wenn man aus diesem Lehrbuche alles das streichen
würde, was Vergangenheit ist, nichts übrig bleiben würde, als
der Einband, als Product der Gegenwart. Denn selbst die
durch C. Braun im erweiterten Umfange eingeführte, das ge-
burtshilfliche Studium und das geburtshilfliche Verständniss
so sehr erleichternde griechische Terminologie wurzelt in der
Vergangenheit.
Meine Sätze: Die Sterblichkeit der Wöchnerinnen ist in
der Wiener Schule, in welcher Aerzte, die sich mit patholo-
gisch-anatomischen Untersuchungen beschäftigen, unterrichtet
werden, in dem durch Tabelle Nr. I. repräsentirten Zeitraume
constant viel grösser als in der Hebammenschule gewesen.
Der Chlorkalk zerstört den zersetzten Stoff, und ist dess-
halb ein Schutzmittel gegen Puerperalprocesse, sind durch
die Angriffe C. Braun’s nicht erschüttert worden.
c) Das Einbringen von Jauche oder Exsudaten aus weib-
lichen oder männlichen Cadavern, die von den verschiedenar-
tigsten Kranken herrührten, mittelst Injection oder Bepinseln
der Innenfläche des Uterus erzeugt bei Kaninchen nach dem
Wurfe oftmals den Tod durch Pyaemie; manchmal wirkt aber
ein wochenlanges Bepinseln der puerperalen Uterusfläche bei
Kaninchen nicht schädlich ein, die Thiere bleiben gesund, em-
pfangen bald nach dem Aufhören des Experimentes und wer-
fen wieder lebende Junge.
[499]
Ad c) antwortet C. Braun: »Die Experimente an Thieren
haben dargethan, dass durch Injectionen von Jauche oder Be-
pinseln des Uterus mit verschiedenen Exsudaten oftmals Kanin-
chen nach dem Wurfe getödtet werden können, manchmal aber
auch nicht, und dass Pyaemie bei den Sectionen derselben oft
nachgewiesen wurde.
Bei diesen Versuchen, die übrigens in der Art und Zeit
der Ausführung von der beschuldigten cadaverösen Infection
der Gebärenden sehr weit verschieden sind, entsteht die Frage,
ob durch eine Misshandlung der Thiere nach dem Wurfe allein
nicht der Tod und dieselben Sectionsresultate herbeigeführt
werden können, da das Einbringen von Eiter manchmal den
Tod nicht herbeiführen konnte, und da erfahrene Thierärzte,
wie Hayne u. a., es bestätigen, dass bei allen Hausthieren Puer-
peralprocesse spontan in manchen Zeiten in grösserer Häufig-
keit vorkommen.«
Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern: Wenn Carl
Braun zugibt, dass die Section bei den Kaninchen Pyaemie
nachgewiesen hat, so hat er das zugegeben, was wir mittelst
dieser Experimente beweisen wollten, nämlich, dass das Kind-
bettfieber dieselbe Krankheit sei, welche überall dort entsteht,
wo ein zersetzter Stoff in den Kreislauf gebracht wird.
Was die Unähnlichkeit dieser Experimente und der ca-
daverösen Infection der Gebärenden anbelangt, darüber haben
wir uns schon bei Scanzoni weitläufig genug ausgesprochen.
Die Frage C. Braun’s, ob denn durch die Misshandlung der
Thiere nach dem Wurfe allein nicht der Tod und dieselben Sec-
tionsresultate hervorgerufen werden konnten, beantworten wir
mit einem entschiedenen Nein; die nicht an Pyaemie zu Grunde
gegangenen Thiere wurden noch mehr misshandelt wegen der
Verzögerung des Experimentes. Der Leser erinnert sich, dass
Professor Hayne in den Verhandlungen der Gesellschaft der
Aerzte zu Wien die Priorität meiner Ansicht in Bezug auf
die Thiere für sich in Anspruch nahm, dass wir aber eine Be-
stätigung dessen in seinen Schriften nicht gefunden. Profes-
32 *
[500] sor Hayne sagt nur, das Kindbettfieber komme bei Thieren
seltener vor als beim Menschen, und findet den Grund des sel-
teneren Vorkommens darin, dass die Thiere nicht so oft unter-
sucht werden als die Individuen in den Gebärhäusern, wo
durch Uebertragung des Contagiums die Krankheit verviel-
fältiget werde. Hayne constatirt also ein selteneres Vorkom-
men dieser Krankheit bei Thieren, Hayne lässt angeblich bei
Thieren diese Krankheit so entstehen, wie ich beim Menschen;
und Carl Braun beruft sich auf denselben Professor Hayne,
um zu beweisen, dass Puerperalprocesse auch beim Thiere
epidemisch vorkommen. Difficile est satyram non scribere.
Auch das Argument, welches wir von den Experimenten
an Thieren hergenommen haben, hat Carl Braun nicht er-
schüttert.
d) Puerperalfieber-Epidemien kommen nur in Gebärhäu-
sern und nicht ausserhalb derselben vor.
Ad d) erwiedert Carl Braun Folgendes: »Zu deutlich
spricht sich die Geschichte des Puerperalfiebers auch über die
Ausbreitung der Puerperalfieber-Epidemien über verschiedene
Länder, Städte, Oerter des flachen Landes und hoher Gebirge
aus, so wie die Erfahrung der Gegenwart jedes beschäftigte-
ren Geburtshelfer diese gefürchtete Krankheit in den ver-
schiedensten Kreisen der Gesellschaft erblicken lässt, als dass
darüber ein Zweifel bestehen könnte.«
Die statistischen Quellen sind aber über die lethalen Puer-
peralprocesse bei Privaten schwerer zu erschliessen, weil die
Todesfälle durch Puerperalprocesse aus verschiedenen Grün-
den unter andern Namen, wie: Nervenfieber, Typhus, Lungen-
lähmung u. s. w., in den durch Zeitungen veröffentlichten
Sterbelisten von den Aerzten ausgewiesen werden, und weil
in manchen Ländern, wie auch in Oesterreich durch eine hu-
mane Gesetzgebung es verboten ist, die durch das Wochenbett
und andere Frauenkrankheiten, wie Carcinom etc., erfolgten
Sterbefälle mit den Namen ihrer Krankheiten öffentlich zu
bezeichnen.«
[501]
Nachdem Carl Braun es früher so entschieden getadelt,
dass ich mich auf die Vergangenheit stütze, und er selbst sich
aber jetzt auf die Geschichte des Puerperalfiebers beruft, so
bin ich in der grössten Verlegenheit, da ich nicht weiss, ob Carl
Braun sich eines Widerspruches schuldig machte, oder ob er
vielleicht der Ueberzeugung ist, dass die Geschichte des Kind-
bettfiebers von der Zukunft des Puerperalfiebers handelt. Doch
wir wollen diesen Zweifel ungelöst lassen, da wir wichtigere
Zweifel zu lösen haben. Ich bin mit Carl Braun vollkommen
einverstanden, dass Puerperalfieber-Epidemien überverschie-
dene Länder, Städte, Dörfer des flachen Landes und hoher Ge-
birge ausgebreitet vorkommen, dass man Puerperalfieber in den
verschiedensten Kreisen der Gesellschaft erblickt, und wie denn
nicht? Carl Braun bildet jährlich 150 bis 200 Geburtshelfer,
und wie gründlich die Schüler C. Braun’s das Puerperalfieber
zu verhüten verstehen, das beweisen die in sechs Jahren vor-
gekommenen 367 verhütbaren Infectionsfälle von aussen.
Das beweisen die 717 verhütbaren Infectionsfälle von aussen,
welche während der vierjährigen Assistenz Gustav Braun’s,
Carl Braun’s Schüler, vorgekommen sind. Dr. Spaeth bildete
an der Hebammenschule jährlich 260 bis 300 Hebammen, und
wie gründlich die Schülerinnen Dr. Spaeth’s das Puerperal-
tieber zu verhüten verstehen, das beweiset die 12 % Sterb-
lichkeit im Monate März 1852. Dr. Spaeth theilt wohl seinem
Freunde Chiari vertraulich mit, wie das Puerperalfieber ent-
steht; aber was man einem Freunde vertraulich mittheilt, das
theilt man doch Schülerinnen nicht mit.
So werden Infectoren gebildet für verschiedene Länder,
Städte, Dörfer des flachen Landes, für hohe Gebirge, für die
verschiedenen Kreise der Gesellschaft.
Ueber die Puerperalfieber-Epidemien, welche ausserhalb
der Gebärhäuser vorkommen, haben wir uns in dieser Schrift
an betreffender Stelle ausgesprochen. (Siehe Seite 178, Zeile
5 von unten.)
Auch das Argument, welches wir für unsere Ansicht aus
[502] der Verschiedenheit der Puerperalfieber-Epidemien in- und
ausserhalb der Gebärhäuser genommen, hat Carl Braun nicht
erschüttert.
e) Die Jahreszeiten üben keinen Einfluss auf die Entste-
hung des Puerperalfiebers.
Ad e) erwiedert Carl Braun Folgendes: »Die Jahreszei-
ten und die damit eintretenden Localverhältnisse üben nicht
den wesentlichsten, aber einen doch nicht unbedeutenden Ein-
fluss auf die Puerperalprocesse aus. In Wien weiset der Win-
tersemester niemals so günstige Resultate wie der Sommer-
semester aus, und an anderen Orten und in fremden Gebär-
häusern macht man häufig dieselbe Beobachtung.«
Dass die Jahreszeiten keinen Einfluss haben auf die Ent-
stehung des Kindbettfiebers, das beweisen Tabelle Nr. II,
Seite 9 und Tabelle Nr. XIX, Seite 120. Aus dieser Tabelle
ersieht der Leser, dass in jedem Monate des Jahres eine kleine,
und in jedem Monate des Jahres eine grosse Sterblichkeit vor-
gekommen sei.
Wenn Carl Braun sagt, dass in Wien der Winterseme-
ster niemals so günstige Resultate wie der Sommersemester
ausweise, so zeugt das von dem ungeheuren Leichtsinn, mit
welchem C. Braun ins Blaue hineinschreibt; eine Einsicht in
die Monatsrapporte des Wiener Gebärhauses würde ihm ge-
zeigt haben, dass allerdings in den Wintermonaten häufiger
ein schlechter Gesundheitszustand der Wöchnerinnen und sel-
tener ein guter, in den Sommermonaten aber häufiger ein
guter und seltener ein schlechter Gesundheitszustand der
Wöchnerinnen zu beobachten war. Aber der Gesundheitszu-
stand der Wöchnerinnen war manchmal in Wintermonaten ein
ausgezeichnet guter, und manchmal in den Sommermona-
ten ein sehr schlechter, wie die Tabellen Nr. XLV, Seite 229,
und Nr. XLV, Seite 232 beweisen.
Warum in den Wintermonaten häufiger ein schlechter
und seltener ein guter, in den Sommermonaten häufiger ein
[503] guter und seltener ein schlechter Gesundheitszustand der
Wöchnerinnen zu beobachten war, darüber wolle der Leser
Seite 121 nachlesen.
Auch das Argument, welches wir zur Begründung unse-
rer Ansicht von den Jahreszeiten genommen, hat Carl Braun
nicht erschüttert.
f) Bei sogenannten Gassengeburten kommt das Puerpe-
ralfieber seltener vor.
Ad f) »Die in Wien sogenannten Gassengeburten er-
kranken nicht häufiger an Puerperalfieber als diejenigen,
welche Monate lang vor der Entbindung im Gebärhause zu-
bringen. Zur Aufklärung darüber dürfte es aber dienen, dass
zu dieser Kategorie Personen gezählt werden, die entweder
wirklich auf der Strasse von Wehen überrascht werden, und
meistens Frühgeburten erleiden, worauf ohnedies auch bei
den im Gebärhaus Verpflegten viel seltener Puerperalprocesse
zu folgen pflegen, oder solche, die unter besseren Vermögens-
umständen sich befinden, in den geheimen Cabineten bei Heb-
ammen ausserhalb des Gebärhauses gebären, hierauf sich
mittelst einer Calesche oder Tragbahre in die Gratisabthei-
lung überbringen lassen, um eine unentgeldliche Aufnahme
und lebenslängliche Verpflegung ihres Kindes im k. k. Fin-
delhause mit Geheimhaltung ihres Zustandes zu veranlassen,
und um der Verwendung zum Unterrichte sich dadurch gleich-
zeitig zu entziehen. Die Zahl der letzteren ist die höhere,
übersteigt monatlich an beiden Kliniken nicht selten die Zahl
von hundert.«
Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern: Der Leser
erinnert sich, dass es uns nicht gestattet wurde, nachträglich
die Protocolle zu excerpiren, um durch Zahlen zu beweisen,
dass die Gassengeburten auffallend seltener erkrankten als
diejenigen, welche bei uns geboren. Carl Braun, welcher
nahezu fünf Jahre Assistent war, hatte Gelegenheit gehabt,
diese Zahlen zu erheben, er hat es nicht gethan und begnügt
[504] sich zu sagen, die Gassengeburten erkrankten nicht häufiger
als diejenigen, welche Monate lang vor der Entbindung im
Gebärhause zubrachten; die Gassengeburten erleiden meistens
Frühgeburten, worauf ohnediess auch bei den im Gebärhause
Verpflegten viel seltener Puerperalprocesse zu folgen pflegen.
Gassengeburten erleiden meistens Frühgeburten ist aequale,
in Wien weiset der Wintersemester niemals so günstige Re-
sultate wie der Sommersemester aus, ausgenommen C. Braun
versteht unter Frühgeburten die wirklichen Gassengeburten,
welche, wenn eine halbe Stunde später eingetreten, im Gebär-
hause vor sich gegangen wären.
Ueber Gassengeburten siehe Seite 43, Zeile 5 von unten
und Seite 69, Zeile 12 von unten.
Ueber Frühgeburten siehe Seite 46, Seite 18 und Seite 70,
Zeile 3.
Auch das Argument, welches wir zur Begründung unse-
rer Lehre den Gassengeburten entnommen, hat Carl Braun
nicht erschüttert.
g) Muthmasslich kommen in allen Gebäranstalten, in wel-
chen Hebammen unterrichtet werden, und wo eine cadaveröse
Infection nicht leicht möglich ist, weniger Sterbefälle vor als
in jenen, in welchen Aerzte unterrichtet werden.
Ad g) erwiedert Carl Braun: »Auch die Frage, ob denn
wirklich die ausgedehnteste Gebäranstalt in der Welt, in wel-
cher 223,868 Wöchnerinnen sammt ihren Kindern bis jetzt
eine ganz unentgeldliche Versorgung vom Staate genossen ha-
ben, an einer ganz ungewöhnlichen Sterblichkeit der Wöch-
nerinnen leide, müssen wir verneinend beantworten.
An der Wiener Gratisabtheilung, welche wegen Puerpe-
ralfieber-Epidemien niemals geschlossen wurde, wie es sonst in
allen angeführten fremden Gebärhäusern durch Monate lang
öfters geschah; beträgt das Mortalitätsprocent im Durch-
schnitte 3,3 (an der Schule für Aerzte 5,9, an der Schule für
Hebammen 3,2), zu Paris in der Maternité, wo keinem Stu-
direnden der Zutritt erlaubt ist, 4,1, in Dubois’ Klinik 5,6, im
[505] Hospital Beaujou, wo gar kein Unterricht ertheilt wird, 16 %.
Die brittischen Gebärhäuser weisen geringere, die deutschen
ein ähnliches, die scandinavischen Gebärhäuser ein höheres
Mortalitätsprocent aus, und zwar ohne Unterschied, ob Aerzte
oder Hebammen unterrichtet werden, wie wir im statistischen
Theile nachzuweisen versuchten.
Bedenkt man ferner, dass die Wiener Klinik für Aerzte
nicht blos die lethalen Puerperalprocesse, sondern auch die
acuten Leiden, wie: Eclampsie, Pneumonie, Meningitis, Apo-
plexie etc., die zum Studium für Männer von Wichtigkeit sind,
ausweiset, dass unbedingt alle Ankömmlinge, auch die aus dem
Krankenhause entlassenen siechen Schwangern aufgenommen
werden müssen, dass die Zahl der Aufnahmstage um 52 bis
70 jährlich hier höher ist als an der Hebammenschule, wäh-
rend alle verunglückten Geburtsfälle der Residenz und Um-
gebung aus der ärmsten Volksclasse den Gratisabtheilungen
zugeschoben werden, dass Transferirungen von Puerperalfie-
berkranken in der Regel nicht stattfinden, dass im Winterse-
mester, der Zeit der Epidemien, die I. Gebärklinik monatlich
oft um 100—200 Geburtsfälle mehr aufnehmen musste als die
II. Klinik, während im Sommer, der Zeit des besseren Ge-
sundheitszustandes, aber beide Kliniken dieselben, die Klinik
der Aerzte ja zuweilen sogar noch geringere Ziffern der Ge-
burtsfälle in den monatlichen Rapporten ausweiset als die Heb-
ammenschule, wie aus Tabelle Nr. XVII. zu ersehen ist, dass
gefährlich verlaufende Geburtsfälle behufs eines erfolgreichen
Unterrichtes für Doctoren auf die I. Gebärklinik nach Mög-
lichkeit gezogen wurden und werden, dass keine spontane
Ventilation beim Oeffnen der Thüren, wegen der Bauverhält-
nisse an der Klinik für Aerzte stattfindet, dass diese Abthei-
lung bis zum Jahre 1849 viel näher an die Krankensäle des
jährlich über 20,000 Patienten verpflegenden Krankenhauses
gränzte, so lässt sich daraus an der Schule für Aerzte ganz
ungezwungen eine um einige Procent höhere Differenzzahl der
Mortalitätslisten erklären, ohne zu der des directen Beweises
[506] entbehrenden, auf Vermuthungen basirten Hypothese der ca-
daverösen Infection flüchten zu müssen.
Wir können daher keine zur Begründung der Hypothese
der cadaverösen Infection vorgebrachte These nach den im
Wiener Gebärhause gemachten Beobachtungen in ihrem gan-
zen Umfange bestätigen, wir können die Beschäftigungen am
Cadaver durchaus nicht als eine vorzügliche Ursache von
Puerperalfieber-Epidemien in Gebärhäusern beschuldigen; wir
würden es aber für die grösste Vermessenheit halten, mit
Händen, die selbst nur nach der emsigsten Reinigung einen
Leichengeruch bemerken lassen, eine Untersuchung oder Ope-
ration bei einer Schwangeren, Gebärenden oder Wöchnerin
zu erlauben oder selbst vorzunehmen.
Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern: Um aus un-
serm Thema: »muthmasslich kommen in allen Gebärhäusern,
in welchen Hebammen unterrichtet werden, und wo eine ca-
daveröse Infection nicht leicht möglich ist, weniger Sterbe-
fälle vor als in jenen, in welchen Aerzte unterrichtet werden.«
die Frage heraus zu lesen: ob denn wirklich die ausgedehn-
teste Gebäranstalt der Welt an einer ganz ungewöhnlichen
Sterblichkeit leide? Dazu gehört ein Scharfsinn, wie er nur
Carl Braun eigen zu sein scheint. Wenn Carl Braun dafür in
die Schranken trat, dass das Wiener Gebärhaus an keiner
ganz ungewöhnlichen Sterblichkeit leide, so hat er an mir
einen Kampfgenossen, wir selbst haben mit Entrüstung die
Virchow-Veit’sche Beschuldigung einer erschreckenden
Sterblichkeit des Wiener Gebärhauses zurückgewiesen; die
Sterblichkeit des Wiener Gebärhauses ist nicht grösser als
in allen Gebärhäusern, in welchen ähnliche Verhältnisse herr-
schen, und wenn in Gebärhäusern, in welchen ähnliche Ver-
hältnisse herrschen, weniger Wöchnerinnen sterben als im
Wiener Gebärhause, so liegt der Grund darin, dass solche
Gebärhäuser wegen grosser Sterblichkeit oft Monate lang ge-
schlossen sind, was in Wien nie geschah, und darin, dass jede
Wöchnerin, sobald sie verdächtig wird, in ein Krankenhaus
[507] transportirt wird, während solche Transferirungen in Wien
immer nur ausnahmsweise geschahen.
Wenn aber Carl Braun Umstände anführt, welche das
Plus der Sterblichkeit an der Klinik für Aerzte zu Wien im
Vergleiche zur Klinik für Hebammen erklären sollen, ohne
zu der jeden directen Beweises entbehrenden, auf Vermuthun-
gen basirten Hypothesen der cadaverösen Infection flüchten zu
müssen, so findet er in uns den entschiedensten Gegner. Der
Leser weiss, dass die beiden Wiener Gebärkliniken seit 1838,
also bis zum Jahre 1859, durch 26 Jahre neben einander be-
stehen, dass in den ersten 8 Jahren ihres Bestehens bis zum
Jahre 1841 die Grösse der relativen Sterblichkeit zwischen
beiden Abtheilungen schwankte, und dass die durchschnitt-
liche Sterblichkeit beider Abtheilungen fast gleich war. In
den nächstfolgenden 6 Jahren bis zum Jahre 1847 war die
absolute und die relative Sterblichkeit an der I. Klinik con-
stant grösser, und die durchschnittliche Sterblichkeit war an
der I. Klinik mehr als dreimal so gross als an der II. Klinik.
In den letzten 12 Jahren von 1847 bis 1859 schwankte die
Grösse der absoluten und relativen Sterblichkeit zwischen bei-
den Kliniken, und die durchschnittliche Sterblichkeit war an
beiden Kliniken beinahe gleich.
Die Dienstzeit Carl Braun’s, während welcher er die un-
günstigen Umstände der I. Klinik kennen lernte, und welchen
er, und nicht der cadaverösen Infection das Plus der Sterblich-
keit an der I. Klinik zuschreibt, fällt in die Jahre 1849, 1850,
1851, 1852 und 1853, also in eine Zeit, wo die absolute und die
relative Sterblichkeit zwischen beiden Abtheilungen schwankte,
wo die durchschnittliche Sterblichkeit der beiden Abtheilun-
gen fast gleich war; wenn daher diese ungünstigen Umstände
während der fünfjährigen Dienstzeit Carl Braun’s nicht nur
keine constant grössere Sterblichkeit an der I. Klinik hervor-
bringen konnten, wenn sogar trotz dieser ungünstigen Um-
stände sogar die absolute Sterblichkeit an der II. Klinik im
Jahre 1851 mit 46, im Jahre 1852 mit 11 Todten grösser sein
[508] konnte als an der I. Klinik, so ist mit mathematischer Ge-
wissheit bewiesen, dass diese ungünstigen Umstände die drei-
mal grössere Sterblichkeit der 6 Jahre, nämlich vom Jahre
1841 bis 1847, auch nicht hervorgebracht haben.
Wir könnten uns daher die Mühe ersparen, in eine Wi-
derlegung dieser ungünstigen Umstände einzugehen; aber wir
würden uns dadurch eine Gelegenheit entgehen lassen, dem
Leser zu zeigen, mit welch’ ungeheuerem Leichtsinne Carl
Braun in der Opposition gegen meine Lehre vorgegangen.
Carl Braun sagt: Die Klinik für Aerzte weiset aus, lethale
Puerperalprocesse, Eclampsie, Pneumonie, Meningitis, Apople-
xie etc., dieselben Krankheiten weiset auch die II. Klinik aus.
Dass unbedingt alle Ankömmlinge, auch die aus dem
Krankenhause entlassenen siechen Schwangeren, auf der I. Kli-
nik aufgenommen werden müssen. Wenn die Aufnahme an der
II. Klinik stattfindet, werden auch auf der II. Klinik unbe-
dingt alle Ankömmlinge, und auch die aus dem Krankenhause
entlassenen siechen Schwangeren aufgenommen. Dass die Zahl
der Aufnahmstage um 52 bis 70 jährlich höher ist an der
I. Klinik als an der II. Klinik.
Die I. Klinik hat gesetzlich wöchentlich einen Aufnahms-
tag, folglich jährlich 52 Aufnahmstage mehr; ich frage: welche
Klinik war mehr überfüllt, die II. Klinik, welche, obwohl selbe
52 Aufnahmstage weniger hatte, dennoch 18mal die Aufnahme
nicht übernehmen konnte? oder die I. Klinik, welche trotz der
52 Aufnahmstage mehr, dennoch 18mal die Aufnahme behal-
ten konnte, weil die II. Klinik wegen Ueberfüllung die Auf-
nahme nicht übernehmen konnte.
Werden alle verunglückten Geburtsfälle der Residenz
und Umgebung den Gratisabtheilungen zugeschoben. Das be-
dingt dann wenigstens keinen Unterschied in der Sterblich-
keit der beiden Gratisabtheilungen. Zur Ehrenrettung der
beiden Gratisabtheilungen als Unterrichtsanstalten, in dieser
Beziehung theile ich dem Leser mit, dass während meines
fünfjährigen Aufenthaltes an der I. Klinik dieser nur ein ver-
[509] unglückter Geburtsfall, nämlich eine vernachlässigte Quer-
lage zugeschoben wurde.
Transferirungen von Puerperalfieberkranken finden in der
Regel an beiden Abtheilungen nicht statt.
Dass im Wintersemester, der Zeit der Epidemien, die
I. Gebärklinik monatlich oft um 100 bis 200 Geburtsfälle
mehr aufnehmen muss als die II. Klinik, während im Sommer,
der Zeit des besseren Gesundheitszustandes, aber beide Kli-
ken dieselben, die Klinik für Aerzte ja zuweilen sogar noch
geringere Ziffern der Geburtsfälle in den monatlichen Rap-
porten ausweiset als die Hebammenschule, wie aus Tabelle
Nr. XVII zu ersehen ist.
Die Tabelle Nr. XVII, auf welche sich Carl Braun be-
ruft, um mittelst Zahlen zu beweisen, dass im Wintersemester,
der Zeit der Epidemien, die I. Klinik monatlich oft um 100—
200 Geburtsfälle mehr aufnehmen muss als die II. Klinik,
während im Sommer, der Zeit des besseren Gesundheitszustan-
des, aber beide Kliniken dieselben, die Klinik für Aerzte ja
zuweilen sogar noch geringere Ziffern der Geburtsfälle in den
monatlichen Rapporten ausweiset, als die Hebammenschule, ent-
hält die Monatsrapporte beider Kliniken aus den Jahren 1849,
1850, 1851 und 1852, also die Rapporte von 48 Monaten.
Innerhalb dieser 48 Monate war während 43 Monaten die
Anzahl der verpflegten Wöchnerinnen grösser an der I. Kli-
nik, und während 5 Monaten war die Anzahl der verpflegten
Wöchnerinnen grösser an der II. Klinik. Während der 43 Mo-
nate, in welchen an der I. Klinik mehr Wöchnerinnen ver-
pflegt wurden, war in 26 Monaten die absolute Sterblichkeit
kleiner als an der II. Klinik, in welcher weniger Wöchnerin-
nen verpflegt wurden.
[510]
In diesen 26 Monaten sind mit Ausnahme des August
alle Monate vertreten, und zwar der Jänner 3, der Februar 3,
März 2, April 2, Mai 2, Juni 2, Juli 2, September 2, Octo-
ber 4, November 1, December 3mal.
Innerhalb dieser 43 Monate, in welchen an der I. Kli-
nik mehr Wöchnerinnen verpflegt wurden als an der II. Kli-
nik, war die relative Sterblichkeit in 29 Monaten an der
I. Klinik kleiner als an der II. Klinik.
In diesen 29 Monaten sind mit Ausnahme des August ver-
treten alle Monate, und zwar Jänner 3, Februar 3, März 2,
April 3, Mai 3, Juni 2, Juli 2, September 3, October 4, No-
vember 1, December 3mal.
Diese 2 Tabellen zeigen uns 16 Monate des Winterseme-
sters der Zeit der Epidemien, wo an der I. Klinik bei bis 138
Plus verpflegten Wöchnerinnen die Sterblichkeit kleiner war
als an der II. Klinik. Diese 2 Tabellen zeigen uns gleichzei-
tig 13 Sommermonate, die Zeit des besseren Gesundheitszu-
standes, wo an der II. Klinik bei bis 154 weniger verpflegten
Wöchnerinnen die Sterblichkeit grösser war als an der I.
Klinik.
Nur in 14 Monaten war an der I. Klinik bei einer grössern
Anzahl verpflegter Wöchnerinnen auch eine grössere Sterb-
lichkeit.
[512]
Mit Ausnahme des Mai und October sind vertreten der
Jänner 1, Februar 1, März 2, April 1, Juni 1, Juli 2, Au-
gust 2, September 1, November 2, December 1.
Diese Tabelle zeigt uns 7 Monate des Wintersemesters,
der Zeit der Epidemie, in welchen bei bis 95 Plus verpfleg-
ten Wöchnerinnen gleichzeitig eine grössere Sterblichkeit
herrschte an der I. Klinik als an der II. Klinik.
Ich erlaube mir die Frage, mit welchem Rechte kann
man die grössere Sterblichkeit an der I. Klinik, während die-
ser 7 Monate des Wintersemesters, der Zeit der Epidemien,
dem Plus 95 verpflegten Wöchnerinnen zuschreiben? wenn in
16 Monaten des Wintersemesters, der Zeit der Epidemien, bei
138 Plus verpflegten Wöchnerinnen die Sterblichkeit an der
I. Klinik kleiner sein konnte als an der II. Klinik.
Diese Tabelle zeigt uns gleichzeitig 7 Sommermonate,
der Zeit des besseren Gesundheitszustandes, wo aber an der
II. Klinik weder gleich viel, noch mehr, sondern bis 94 weni-
ger Wöchnerinnen verpflegt wurden.
In 5 Monaten war die Anzahl der verpflegten Wöchne-
rinnen an der II. Klinik grösser als an der I. Klinik.
Klinik für Aerzte,
Klinik für Hebammen.
Aber, oh Schicksal! die I. Klinik hatte bei weniger Gebur-
ten im Sommer, der Zeit des besseren Gesundheitszustandes,
Semmelweis, Kindbettfieber. 33
[514] zweimal eine grössere und zweimal eine gleiche Sterblichkeit
im Vergleiche zur II. Klinik, und nochmals, oh Schicksal! es
findet sich unter diesen 5 Monaten auch ein Monat des Win-
tersemesters der Zeit der Epidemien, wo die I. Klinik bei 37
weniger verpflegten Wöchnerinnen eine Todte mehr hatte als
die II. Klinik.
»Dass gefährlich verlaufende Geburtsfälle, behufs eines
erfolgreichen Unterrichtes für Doctoren auf der I. Klinik nach
Möglichkeit gezogen wurden und werden.« Ist während der
5 Jahre, als ich an der I. Klinik war, nie geschehen und
wenn es unter Braun geschehen ist, so hat das an der I. Klinik
keine grössere Sterblichkeit bedingt, weil im Jahre 1851 mit
46 und im Jahre 1852 mit 11 Todten die Sterblichkeit an der
II. Klinik grösser war.
»Dass keine spontane Ventilation beim Oeffnen der Thüren
wegen der Bauverhältnisse an der Klinik für Aerzte stattfin-
det. Dass diese Abtheilung bis zum Jahre 1849 viel näher an
die Krankensäle des jährlich über 20,000 Patienten verpfle-
genden Krankenhauses grenzte.«
Im Jahre 1848 starben 45 Wöchnerinnen an der I. Kli-
nik bei Vorhandensein derselben Uebelstände.
Der Leser hat gesehen, dass keiner dieser von C. Braun
angeführten Uebelstände stichhältig sei, und doch sagt er:
»Daraus lässt sich an der Schule für Aerzte ganz ungezwun-
gen eine um einige Procent höhere Differenzzahl der Morta-
litätslisten erklären, ohne zu der des directen Beweises ent-
behrenden, auf Vermuthungen basirten Hypothese der cada-
verösen Infection flüchten zu müssen.«
Ebenso hat der Leser gesehen, dass die Gründe für meine
Ansicht über die Entstehung des Kindbettfiebers durch Carl
Braun’s Angriffe nicht im geringsten erschüttert wurden, und
Carl Braun sagt dennoch: »Wir können daher keine zur Be-
gründung der Hypothese der cadaverösen Infection vorge-
brachte These nach den im Wiener Gebärhause gemachten
Beobachtungen in ihrem ganzen Umfange bestätigen, wir kön-
[515] nen die Beschäftigungen am Cadaver durchaus nicht als eine
vorzügliche Ursache der Puerperalfieber-Epidemien in Gebär-
häusern beschuldigen; wir würden es aber für die grösste
Vermessenheit halten, mit Händen, die selbst nur nach der
emsigsten Reinigung einen Leichengeruch bemerken lassen,
eine Untersuchung oder Operation bei einer Schwangeren, Ge-
bärenden oder Wöchnerin zu erlauben oder selbst vorzu-
nehmen.«
Welch’ monströse Heuchelei!!!
Warum hat man vor dem Jahre 1847 nicht gesagt und
nicht geschrieben: »dass es die grösste Vermessenheit sei, mit
Händen, die selbst nach der emsigsten Reinigung einen Lei-
chengeruch bemerken lassen, eine Untersuchung oder Ope-
ration bei einer Schwangeren, Gebärenden oder Wöchnerin
vorzunehmen?«
Wir müssen nochmals ad g) zurückkehren. Wie wir un-
sere These: »Muthmasslich kommen in allen Gebärhäusern,
in welchen Hebammen unterrichtet werden, und wo eine ca-
daveröse Infection nicht leicht möglich ist, weniger Sterbe-
fälle vor als in jenen, in welchen Aerzte unterrichtet wer-
den,« begründeten, darüber wolle der Leser Zeile 3, Seite 123,
angefangen, nachlesen.
Wir wollen sehen, was Carl Braun gegen unsere These
in dem statistischen Theile seines Aufsatzes einzuwenden hat.
Um zu zeigen, dass in Hebammenschulen ebenso gross
die Sterblichkeit sei, als in Schulen für Aerzte, führt er die
Maternité zu Paris an, in welcher nur Hebammen gebildet
werden, und wo eine Leicheninfection durch Aerzte und Heb-
ammen nicht stattfinden kann, und Dubois’ Klinik, wo sich
die Schüler während des Curses mit Operationsübungen be-
schäftigen, in dessen Nähe sich auch die Sectionskammer be-
findet, und dennoch herrsche in beiden Anstalten eine gleich
grosse Sterblichkeit.
Wir haben nachgewiesen, dass sich die Schülerinnen der
Maternité die Hände in dem Grade mit zersetzten Stoffen ver-
33 *
[516] unreinigen wie die Schüler Dubois’, und daher die gleich grosse
Sterblichkeit.
Um zu zeigen, dass Gebärhäuser, welche keine Unter-
richtsanstalten sind, auch eine grosse Sterblichkeit haben,
führt Carl Braun das Hospital Beaujou in Paris an, in wel-
chem 16 % Wöchnerinnen starben, ungeachtet Niemanden Un-
terricht ertheilt wird. Es werden hier aber auch alle von der
Geburt Ueberraschten aufgenommen.
Der Leser weiss, dass das St. Rochus-Gebärhaus zu Pest
auch keine Unterrichtsanstalt ist, und dass es dennoch eine
grosse Sterblichkeit hatte, weil der Primar-Geburtsarzt
gleichzeitig chirurgischer Primarius und Gerichtsanatom war.
Da ich in der Literatur nirgends einen näheren Auf-
schluss über die Verhältnisse dieser Anstalt finden konnte, so
wendete ich mich brieflich in dieser Angelegenheit an Profes-
sor Dietl in Krakau, und erhielt folgende Antwort: »Mei-
nes Wissens besitzt Beaujou in Paris durchaus keine geburts-
hilfliche Abtheilung. Vermöge einer humanen Bestimmung
besteht dort nur der Usus, dass erkrankte Säugende selbst
mit ihren Säuglingen aufgenommen werden, wenn sie diesel-
ben mit ins Spital nehmen wollen, um eben hiedurch eine
eventuelle Exclusion solcher Kranken zu verhüten. Sie be-
sitzen abgesonderte kleine Säle zu 4 bis 6 Betten, und sind
von anderen Kranken ganz abgesondert, um diese durch die
Kinder nicht zu beunruhigen.
So viel ich mich zu erinnern weiss, ist es ein Medicus
der Abtheilung, dem zugleich diese kleine Abtheilung solcher
Krankenmütter zugewiesen ist.«
Obwohl Carl Braun 30 Ursachen des Kindbettfiebers
aufzählt, hat er doch die 31. vergessen, denn dass das Ueber-
raschtwerden von der Geburt auch ein aetiologisches Moment
des Kindbettfiebers sei, hat er vergessen in seiner Aetiologie
zu erwähnen. Wir glauben freilich in Erinnerung der Gas-
sengeburten zu Wien, dass das Ueberraschtwerden von der Ge-
burt gegen Puerperalfieber Schutz gewährt. Den günstige-
[517] ren Gesundheitszustand der englischen Gebärhäuser im Ver-
gleiche zu französischen und deutschen Gebärhäusern findet
Carl Braun darin begründet, dass in englischen Gebärhäusern
nur verheiratete Frauen aufgenommen werden, während in
französischen und deutschen Gebärhäusern blos Ledige ent-
binden. Worin der günstigere Gesundheitszustand der eng-
lischen Gebärhäuser begründet sei, haben wir weitläufig
nachgewiesen, vorläufig glauben wir nicht, dass unsere Pro-
phylaxis des Kindbettfiebers desshalb mangelhaft sei, weil wir
die Ehe nicht als Schutzmittel gegen Puerperalfieber em-
pfohlen.
Wenn Carl Braun die scandinavischen Gebärhäuser an-
führt, um zu zeigen, dass trotz des ausgedehntesten Gebrau-
ches des Chlors dennoch Puerperalfieber-Epidemien ausbrechen
konnten, so beweiset das nichts gegen meine Lehre, es be-
weiset nur, dass es für die Gebärhäuser insolange kein Ziel
geben wird, insolange die Intoleranz eines einzigen Schülers
die trefflichsten Anordnungen erfolglos machen kann. Wir
deuten wieder auf das von uns erbetene Gesetz.
Von Siebold’s Klinik in Göttingen wird gesagt, dass sich
in drei Jahren, 1850—1852, 349 Geburten ereigneten, davon
starben 6, mithin 2,6 %. Bekanntlich wird hier eine grosse
Anzahl von Studirenden unterrichtet. 349 Geburten auf 3
Jahre vertheilt, gibt jeden dritten Tag eine Geburt, es trifft
sich in Göttingen wahrscheinlich, dass die grosse Anzahl von
Studirenden an Tagen, wo selbe eine Geburt haben, keinen
Cadaver haben, und ungekehrt. Kiwisch hat zwar von 102 Wöch-
nerinnen 27 am Kindbettfieber verloren, aber Kiwisch’s ge-
burtshilfliche Klinik war in Verbindung mit einer gynaekolo-
gischen Abtheilung. 6 Todte von 349 Wöchnerinnen gibt min-
destens 4 verhütbare Infectionsfälle von aussen.
Vom Wiener Gebärhause gibt Carl Braun folgende Be-
schreibung: »Das Gebärhaus liegt im grossen allgemeinen
Krankenhause und zerfällt in 3 Abtheilungen: in die Klinik
[518] für Aerzte, für Hebammen und in die Abtheilung der heim-
lich Gebärenden.
Die Abtheilung zum Unterricht für Aerzte nahm bis zum
Jahre 1850 acht Säle im ersten und zweiten Stockwerke mit
einem Belegraume von ungefähr 200 Betten ein, die der Art
angebracht waren, dass 3 Säle des Krankenhauses, die mit
typhösen und anderen inneren Krankheiten Behafteten belegt
waren, ober den Wochenzimmern sich befanden, und an drei
anderen Orten die Krankensäle von den übrigen Wochenzim-
mern blos durch eine Thür getrennt waren.
Jede Wöchnerin hatte drei Stunden nach einer regelmäs-
sigen Geburt einen 50 bis 100 Schritt weiten Weg durch
ein oder mehrere Wochenzimmer zu Fuss bis zu dem ihr be-
stimmten Bette zu wandern, wobei sie einen zur Haupttreppe
führenden, mit Glas verschlossenen Gang zu passiren hatte,
der im Winter zwar geheizt wird, aber nie die regelmässige
Temperatur der Wochenzimmer erhält. Ein Wochenzimmer
reiht sich (durch eine kleine Küche oder zwei kleine Zimmer-
chen nur getrennt) an das andere an, ohne dass ein Corridor
angebracht ist, daher durch das Oeffnen der Thüre eine zu-
fällige Ventilation nicht eintreten kann.
Die Säle sind geräumig, die Betten stehen in einer ähn-
lichen Entfernung wie in den übrigen Kliniken. Die Behei-
zung geschieht mit den Meissner’schen Mantelöfen, durch
welche die kalte, zwischen Ofen und Mantel einströmende Luft
erwärmt wird, eine Klafter hoch ober dem Fussboden in den
Saal eintritt, während die Zimmerluft durch eine am Fussbo-
den neben dem Ofen einen Quadratfuss weite (auch ver-
schliessbare) Oeffnung entweichen soll.
Diese Ventilation ist im Sommer nicht zu benützen und
im Winter nicht hinreichend, da während einer mehrstündi-
gen Heizung und Ventilirung der Puerperalgeruch nicht ent-
fernt werden kann. Es müssen zu diesem Zwecke noch immer
mehrere Fenster, die erst 6 bis 7 Fuss hoch ober dem Fuss-
boden anfangen, geöffnet werden.
[519]
Die Betten stehen unter den Fenstern. Der weiche Bo-
den ist nicht geölt. Die Wände werden jährlich weiss ge-
tüncht. Die wollenen Ober- und Unterdecken werden (oft alle
8 bis 4 Tage) die Bettleinen täglich gewechselt. Die Aborte
sind offen, mit Eisengittern zur Vermeidung des Kindsmor-
des geschützt, und dürfen von Wöchnerinnen, die von den
Wärterinnen mit Leibschüsseln bedient werden müssen, in
den ersten acht Tagen nicht gebraucht werden.
Die Waschanstalt war bis zum Jahre 1852 einem Päch-
ter überlassen, der die Bettwäsche des Gebärhauses und des
Krankenhauses stets vermengte. Jetzt hat jede Anstalt ihren
eigenen Pächter. Am siebenten bis achten Tage mussten we-
gen Ueberfüllung die meisten Wöchnerinnen zum zweiten
Male überlegt werden, wobei sie in das zweite Stockwerk
über eine mit einer Glaswand geschützte Treppe theils zu
Fuss wanderten oder dahin auch übertragen wurden. Am
neunten Tage musste wegen stetem Andrängen Neuankom-
mender jede gesunde Wöchnerin entlassen werden. Nach je
acht Tagen werden daher alle Wöchnerinnen aus einem Saale
entfernt, dessen Boden gescheuert, die schadhaften, beschmutz-
ten Strohsäcke und Wollendecken, sowie alle Leinenwäsche
darin ausgewechselt, und dann wird das gereinigte Wochen-
zimmer so viele Stunden oder Tage hindurch gelüftet, als die
Zahl der Neuaufgenommenen es eben gestatten. Im Winter
bestehen zwei geheizte Kammern zum wiederholten Trocknen
und Wärmen der Wolldecken und Leintücher seit mehreren
Jahren, weil bei dem grossen Verbrauche der Pächter der
Wäscherei diesem nothwendigen Bedürfnisse nicht nachkom-
men konnte. Im Jahre 1850 wurde eine andere Anordnung
der Wochenzimmer getroffen; daher sich gegenwärtig fünf
Zimmer im ersten und vier Zimmer im zweiten Stockwerke
befinden. Dadurch wurden die Patienten des Krankenhau-
ses, welche sich ober dem Wochenzimmer befanden, ent-
fernt, und die Nachtheile des zweimaligen Umlegens einiger-
massen auch dadurch vermieden, indem die Wöchnerinnen
[520] gut bedeckt durch zwei Träger mittelst eines Tragbettes aus
dem Gebärzimmer in das zweite Stockwerk und theilweise
auch in die Zimmer des ersten Stockwerkes übertragen wur-
den, wo sie bis zum Entlassungstage verbleiben konnten. Die
Puerperalfieberkranken werden von den Gesunden abgeson-
dert und in einem dazu bestimmten, mit der Anstalt in näch-
ster Verbindung stehenden Zimmer untergebracht. Die Auf-
nahme der Gebärenden geschieht hier wöchentlich während
vier Tagen und an der II. Klinik während zwei Tagen. Der
klinische Unterricht und die Visite in den Wochenzimmern
findet in den Morgenstunden von 8 bis 11 Uhr statt, ausser
dieser Zeit dürfen die Candidaten nur im Beisein des Profes-
sors oder des Assistenten exploriren. Alle Tage wechseln
zwei Candidaten ab, welche das Journal führen und alle Neu-
aufgenommenen exploriren. Zehn angestellte diplomirte Heb-
ammen versehen im Geburtszimmer die Hilfeleistung bei
regelmässigen Geburten.
Dem bisherigen Usus zur Folge werden Puerperalfieber-
kranke in der Regel nicht in das Krankenhaus transferirt.
Ein genauer Ausweis über die geschehenen Transferirungen
auch der mit Syphilis und Blattern Behafteten ist nicht mög-
lich, da alle gesund oder krank Ausgetretenen in eine ge-
meinschaftliche Rubrik »Entlassen« in den früheren Jahren
aufgenommen wurden, und erst seit drei Jahren die Ursache
der Transferirung der Direction im Tagsrapport bekannt ge-
macht werden. In den letzten fünf Jahren wurden jährlich im
Durchschnitt nicht über 15 Puerperalfieberkranke, welche
wegen ausgebreitetem Decubitus den Gesunden besonders ge-
fährlich wurden, in das Krankenhaus übersetzt.
In der Mittagsstunde werden die zahlreichen Studiren-
den in den geburtshilflichen Operationen am kindlichen und
weiblichen Cadaver eingeübt, während die Hebammen zur
selben Zeit Touchirübungen am kindlichen Cadaver und Phan-
tome ausserhalb der Gebäranstalt vornehmen.
Bedenkt man, dass an der Gebärklinik für Aerzte ein
[521] täglicher Stand von 50 bis 120 Schwangeren sich befindet,
und dass für das Geburts- und Krankenzimmer 30 Betten
hinwegfallen, dass beim höchsten Tagesstande alle Schwan-
geren dieser Schule in einem Saale mit 50 Betten untergebracht
werden müssen, und dass mithin auf 120 Betten über 4000
Wöchnerinnen durch acht Tage jährlich verpflegt werden müs-
sen, so ergibt sich der Grad der Ueberfüllung und der daraus
überall entspringenden Folgen.
Die Klinik, welche zum Unterrichte für Hebammen be-
stimmt ist, hat eine der vorerwähnten analoge Einrichtung,
ist aber nach dem Zellensysteme gebaut, und es läuft neben
den Wochenzimmern ein langer Corridor, aus welchen in die
übrigen auch unter sich communicirenden Wochenzimmen ein-
getreten werden kann. Ober den Thüren sind einige Quadrat-
fuss weiter Fenster angebracht, daher durch diese, so wie das
oftmalige Oeffnen der Thüren eine zufällige Ventilation mit-
telst des Corridors zweckmässig eingeleitet wird. Die Wöch-
nerinnen können die Wochenzimmer leichter erreichen, ohne
einen meistens erkalteten Gang passiren zu müssen. Die Kli-
nik grenzt nicht so unmittelbar an die Abtheilungen des Kran-
kenhauses und wird meistens von gartenähnlichen Höfen
umgeben, in welchen sich die Wohnungen der Chefärzte und
Beamten befinden.
Die Bettenzahl ist hier blos um 20 bis 30 ungefähr ge-
ringer als auf der I. Klinik und hat aber meistens auch um
sechs- bis eilfhundert Wöchnerinnen jährlich weniger zu ver-
sorgen. Auch ist der Umstand nicht zu übersehen, dass diese
Klinik jährlich um 52 Aufnahmstage weniger hat, daher vier-
mal wöchentlich Zeit gewinnt, die zur Unterbringung Neu-
angekommener bestimmten Zimmer zu reinigen und durch
längere Zeit lüften zu können, als dies auf der I. Klinik we-
gen zu grosser Ueberfüllung möglich ist. Die Placenten wer-
den auf beiden Kliniken täglich ausser Haus gebracht. Die
Säuglinge befinden sich bei Tag und Nacht in den Betten der
Mütter. Wegen Puerperalfieber-Epidemien wurden die beiden
[522] geburtshilflichen Schulen niemals den Gebärenden, so viel
wir wenigstens in Erfahrung bringen konnten, verschlossen.
Der Unterricht findet seit der Gründung dieses Gebärhauses
ununterbrochen auch während der Ferialzeit statt. In den
letzten Decennien wurden hier jährlich 150 bis 200 Geburts-
helfer und 260 bis 300 Hebammen ausgebildet.«
Mit dieser Schilderung der beiden Kliniken wollte Carl
Braun den Leser wieder mit einigen Uebelständen der I. Kli-
nik bekannt machen, aus welchen an der Schule für Aerzte
ganz ungezwungen eine um einige Procent höhere Differenz-
zahl der Mortalitätslisten erklärt werden kann, ohne zu der des
directen Beweises entbehrenden, auf Vermuthungen basirten
Hypothese der cadaverösen Infection flüchten zu müssen.
Wir haben schon einmal erwähnt, dass Carl Braun mit
den ungünstigen Verhältnissen der I. Klinik in einer Zeit Be-
kanntschaft machte, in welcher diese ungünstigen Verhält-
nisse nicht nur keinen Unterschied in der Grösse der Sterb-
lichkeit an beiden Abtheilungen bedingen konnten, sondern
in welcher Zeit die Sterblichkeit trotz der ungünstigen Ver-
hältnisse der I. Klinik manchmal an der II. Klinik grösser
war. So starben im Jahre 1851 an der II. Klinik bei 799 we-
niger verpflegten Wöchnerinnen 46, im Jahre 1852 starben an
der II. Klinik bei 1111 weniger verpflegten Wöchnerinnen 11
Wöchnerinnen mehr als an der I. Klinik.
Es ist mithin mit mathematischer Gewissheit bewiesen,
dass diese ungünstigen Umstände der I. Klinik die grössere
Sterblichkeit nicht hervorgebracht haben zur Zeit, als an der
I. Klinik in Wirklichkeit eine grössere Sterblichkeit herrschte.
Wir fühlen uns daher der Verpflichtung enthoben, Punct
für Punct nachzuweisen, wie Carl Braun zum Theil diese
Uebelstände entstellt, um selbe an der I. Klinik noch ungün-
stiger, an der II. Klinik günstiger erscheinen zu lassen, als
selbe in Wirklichkeit sind; nur mit zwei Puncten machen wir
eine Ausnahme.
Die I. Klinik hatte zu meiner Zeit 8 Säle, jetzt hat selbe
[523] 9 Säle, die II. Klinik hatte 1 oder 2 Säle weniger als die I.,
wegen einen weniger Aufnahmstag per Woche. An der I. Kli-
nik werden jährlich 4000 Wöchnerinnen verpflegt, an der II.
nach Braun 6 bis 11 Hundert jährlich weniger.
Der Leser sieht, was Carl Braun für einen Begriff vom
Zellensysteme hat, wenn er die II. Klinik, welche, sagen wir,
in 9 Sälen 2900 Wöchnerinnen jährlich verpflegt, nach dem
Zellensysteme gebaut sein lässt.
Wir haben früher gesehen, dass die Tabelle, auf welche
sich Carl Braun beruft und seine Behauptung, »dass im Win-
tersemester, der Zeit der Epidemien, die I. Klinik monatlich
oft um 100 bis 200 Geburtsfälle mehr aufnehmen muss, als
die II., während im Sommer, der Zeit des besseren Gesund-
heitszustandes, aber beide Kliniken dieselben, die Klinik für
Aerzte ja zuweilen sogar noch geringere Ziffern der Geburts-
fälle in den monatlichen Rapporten ausweist, als die Hebam-
menschule« numerisch zu bekräftigen, diese seine Behauptung
auch vollständig bestätigt hat.
Ebenso finden wir bestätigt, was Carl Braun von der an
der I. Klinik herrschenden Ueberfüllung und den daraus über-
all entspringenden Folgen, während an der II. Klinik jährlich
6 bis 11 Hundert Wöchnerinnen weniger verpflegt werden,
sagt, wenn wir die Jahresrapporte beider Kliniken einsehen.
Während der ersten 8 Jahre war die durchschnittliche
Sterblichkeit fast gleich, das Plus der jährlich verpflegten Wöch-
nerinnen betrug an der I. Klinik 1246.
Im Jahre 1834 war bei 913 weniger verpflegten Wöch-
nerinnen die relative Sterblichkeit an der II. Klinik grösser
um 0·89 %.
Im Jahre 1836 war bei 1007 weniger verpflegten Wöch-
nerinnen die relative Sterblichkeit an der II. Klinik um 3·37 %
grösser.
Im Jahre 1838 war bei 1208 weniger verpflegten Wöch-
nerinnen die relative Sterblichkeit an der II. Klinik um 1·90 %
grösser als an der I. Klinik (siehe Tabelle XXII, Seite 139).
[524]
In den 6 Jahren, in welchen die Sterblichkeit an der
I. Klinik dreimal so gross war, als an der II. Klinik, betrug
das Plus der jährlich an der I. Klinik verpflegten Wöchnerin-
nen nur 375 (siehe Tabelle I, Seite 3).
In den 12 nächstfolgenden Jahren war die durchschnitt-
liche Sterblichkeit beider Abtheilungen fast gleich, das Plus
der verpflegten Wöchnerinnen betrug 598. In zwei Jahren
war die absolute, in 5 Jahren die relative Sterblichkeit bei
bis 1111 weniger verpflegten Wöchnerinnen an der II. Klinik
grösser, als an der I. Klinik (siehe Tabelle XXIII, Seite 140).
Carl Braun sagt: »Da seit dem Bekanntwerden der Theo-
rie der cadaverösen Infection über 5 Jahre verstrichen sind,
so wollen wir die in der Literatur bisher hierüber laut gewor-
denen Stimmen einiger Aerzte, die mit den Zuständen von
Gebärhäusern vertraut sind, anführen.« Carl Braun führt nun
die Stimmen an von: Scanzoni, den er speciell einen strengen
Widersacher dieser Theorie nennt, Seyfert, Kiwisch, Lumpe,
Mande, Bamberger, Hammernjk, die Academie der Medicin
in Paris, Retzius, Faye, Chiari, und sagt schliesslich: »Wir
finden in der Literatur nirgends eine Bestätigung über die Zu-
verlässigkeit der Infectionstheorie in ihrer practischen Anwen-
dung, wir treffen sogar die entschiedensten Behauptungen und
Erfahrungssätze angeführt an, welche diese Hypothese ihrer
wichtigsten Stützen berauben.«
Wenn Carl Braun behauptet, dass selbst nach mehr als
5 Jahren die Literatur noch immer keine Bestätigung über
die Zuverlässigkeit der Infectionstheorie in ihrer practischen
Anwendung ausweist, so wird der aufmerksame Leser dieser
Schrift wissen, dass dem nicht so ist. Aber nehmen wir an, es
wäre wirklich wahr, dass nach 5 Jahren sich meine Ansicht
über die Entstehung des Kindbettfiebers noch nirgends prac-
tisch bewährt hätte, so wäre das kein Beweis, dass meine An-
sicht irrig sei, sondern das ist ein Beweis von Unfähigkeit aller
Jener, welche Gelegenheit hatten, meine Ansicht in ihrer prac-
[525] tischen Anwendung zu bestätigen, und selbe dennoch nicht
bestätigen.
Denn dass sich meine Ansicht in ihrer practischen An-
wendung in Wien während meiner Dienstzeit bestätigte, das
ist ein ewig wahres Factum; wäre meine Ansicht irrig, so hätte
sie sich in ihrer practischen Anwendung während meiner
Dienstzeit nicht bestätigen können.
Was in Wien wahr ist, ist in der ganzen Welt wahr, und
wenn die Wahrheit, welche in Wien zur Geltung gebracht
werden konnte, anderswo nicht zur Geltung gebracht werden
kann, so ist dadurch die Wahrheit nicht zur Lüge geworden,
sondern Derjenige, welcher die Wahrheit nicht zur Geltung
bringen konnte, hat seine Unfähigkeit bewiesen.
Hat Auenbrugger oder haben die Zeitgenossen Auenbrug-
ger’s sich als unfähig bewiesen, weil Auenbrugger eine allge-
meine Anwendung der Percussion nicht erlebt?
In der Noth lernt man seine Freunde kennen, und in der
Noth, in welcher ich mich befand, weil sich meine Ansicht
nirgends in ihrer practischen Anwendung bestätigte, fand ich
einen wahren Freund in Carl Braun; denn Carl Braun hat nach
mir die 9.92 % Sterblichkeit der I. Klinik auf 2.48 % herab-
gedrückt, er hat daher zur Bestätigung meiner Ansicht in ih-
rer practischen Anwendung die Sterblichkeit der I. Klinik um
7·44 % vermindert.
Natürlich ist es blos Bescheidenheit, dass Carl Braun
dieses sein Verdienst der Welt nicht preisgibt, aber die ver-
schämte Tugend, wenn sie noch so im Verborgenen steckt,
findet ihren Verehrer, der sie an’s Tageslicht zieht.
Noch von einer anderen Seite, woher ich es am wenigsten
erwartet, ist mir ein Freund geworden. Scanzoni, der strenge
Widersacher dieser Theorie, wie ihn Carl Braun nennt, hat
sich zum geheimen Beobachter dieser Theorie entpuppt. Scan-
zoni hat zur Bestätigung der Infectionstheorie in ihrer practi-
schen Anwendung während 6 Jahren in Würzburg von 1639
Wöchnerinnen nur 20 am Kindbettfieber verloren. Es ist auch
[526] bei Scanzoni nur Bescheidenheit, dass er dies sein Verdienst
in der Silberschmidt’schen Schrift verschweigen liess.
Wenn Carl Braun. Scanzoni, Semmelweis für eine Wahr-
heit kämpfen, so ist der Triumph gewiss, und die befreite
Menschheit wird den Alliirten die Siegespalme nicht versagen.
Was die Stimmen anbelangt, welche Carl Braun aus der
Literatur anführt, so haben wir die Scanzoni’s, Seyfert’s, Ki-
wisch’s, Lumpe’s, Bamberger’s, Hammernjk’s, der Academie
der Medicin in Paris schon beurtheilt.
Mende bezweifelt die Richtigkeit der Theorie der cada-
verösen Infection und glaubt die Ursache der Häufigkeit des
Puerperalfiebers in Wien in der erschwerten Ventilation, der
Anhäufung vieler Wöchnerinnen in den eng zusammenliegen-
den Gebäulichkeiten des allgemeinen Krankenhauses und in
der dadurch begünstigten Erzeugung von Miasmen suchen zu
müssen. Aber Carl Braun weiss so gut wie ich, dass diese
Verhältnisse nicht geändert wurden, und die Sterblichkeit
wurde doch bedeutend gemindert, und zwar von ihm selbst
dadurch gemindert, dass er gegen die cadaveröse Infection an-
kämpfte; warum also eine Stimme anführen, von deren Un-
richtigkeit Carl Braun überzeugt sein musste?
Retzius in Stockholm verlor 3.3 %; Faye in Christiania
verlor 15 % Wöchnerinnen trotz Chlorwaschungen.
Wir haben schon gesagt, dass auch die scandinavischen
Gebärhäuser ein Beleg dafür sind, dass trotz der vortrefflich-
sten Einrichtungen in so lange kein Heil für die Gebärhäuser
zu hoffen ist, bis nicht das von mir erbetene Gesetz in seiner
vollen Strenge in Wirksamkeit getreten sein wird.
Wenn Carl Braun sagt, dass eine so enorme Sterblich-
keit, wie selbe bei Faye vorgekommen, sich in der zwanzig-
mal ausgedehnteren Wiener Klinik für Aerzte nur ein einzi-
gesmal, im Jahre 1842, ohne Chlorwaschungen ereignete, so
ersehen wir daraus, dass er wohl zur Bestätigung der Zuver-
lässigkeit der cadaverösen Infection in ihrer practischen An-
wendung die Sterblichkeit in Folge des Puerperalfiebers zu
[527] mindern versteht, aber dass er mit allen Verhältnissen der ca-
daverösen Infection noch nicht vollkommen vertraut ist; denn
sonst würde Carl Braun wissen, dass an einer zwanzigmal
ausgedehnteren Anstalt viele Hundert und Hundert Individuen
gar nicht dem Unterrichte gewidmet werden, welche dann die
enorme Sterblichkeit der wirklich zum Unterrichte benützten
Individuen weniger enorm erscheinen lassen.
Aber an einer Anstalt, wo 150 bis 200 Geburten vorkom-
men, wird ein jeder Fall zum Unterrichte benützt, und ist trotz
der vortrefflichsten Anordnungen nur ein indolentes Individuum
vorhanden, so zeigt sich eine enorme Sterblichkeit.
Zu meiner schmerzlichsten Ueberraschung finde ich Chiari
meinen Gegnern angereiht, ohne dass Chiari dem wider-
sprochen hätte; der Leser erinnert sich, dass Chiari, nachdem
er mit meiner Ansicht über die Entstehung des Kindbettfiebers
bekannt wurde, sich den Tod der Kranken mit einem fibrösen
Gebärmutter-Polypen nicht mehr durch epidemische Einflüsse,
sondern durch Infection erklärte.
Der Leser erinnert sich, dass Chiari in der Gesellschaft
der Aerzte zu Wien erklärte, die Sterblichkeit der I. Klinik
ist abhängig von Verhältnissen, wie solche von Dr. Semmel-
weis näher bezeichnet worden sind; und Chiari hatte den Auf-
satz, in welchem er mittheilt, dass in Prag zweimal eine Puer-
peralfieber-Epidemie dadurch ausgebrochen ist, dass die Geni-
talien zweier Kreissender Jauche lieferten, schon in seinem
Schreibtische, als er es duldete, unter meinen Gegnern ge-
nannt zu werden (siehe 148).
Damit sich der Leser überzeugen könne, dass Chiari mit
dem Aufsatze, auf welchen sich Carl Braun beruft, um Chiari
als Gegner von mir zu characterisiren, keine Opposition ge-
gen mich beabsichtigte, wollen wir diesen Aufsatz hier wört-
lich geben:
[528]
Protocoll
der Sectionssitzung für Physiologie und Pathologie vom
27. Juni 1851 *).
Docent und supplirender Primararzt Dr. Chiari hält ei-
nen Vortrag über Pyaemie im Puerperio ohne Gebärmutter-
leiden.
Es kommen bei Wöchnerinnen nicht selten Erkrankungs-
fälle mit sogenannten typhösen Erscheinungen vor, wobei we-
gen Abwesenheit eines nachweisbaren Uterusleidens die Dia-
gnose sehr häufig auf Typhus gestellt wird. Der Verlauf die-
ser Krankheitsfälle ist meist folgender:
Nach anscheinend geringer Unpässlichkeit in der ersten
Woche des Wochenbettes tritt mit heftigem Froste sehr star-
kes Fieber auf, das Bauchfell sowohl als der Uterus zeigen
keine Schmerzhaftigkeit; der Lochialfluss weicht nicht von
der Norm ab; die Milz wird grösser; in den Lungen finden
sich häufig die Zeichen eines bedeutenden Katarrhes; der Harn
enthält manchmal Eiter; die Hitze der Haut ist bedeutend,
letztere trocken; Delirien sind meist vorhanden. Unter diesen
Erscheinungen tritt nach sechs- bis achttägiger Dauer der
Krankheit rascher Verfall der Kräfte und meist baldiger Tod ein.
In einzelnen Fällen treten noch in den letzten Tagen
Schüttelfröste und gelbliche Hautfarbe als Zeichen der Pyae-
mie auf.
Bei den Sectionen finden sich in verschiedenen Organen
metastatische Entzündungen, ohne dass man im Uterus Phle-
bitis oder Endometritis als Ausgangspunct der Pyaemie auf-
finden kann. Die Milz ist immer gross, matsch, wenn auch
von Entzündungsherden frei.
Es frägt sich nun, wie die Entstehung der metastatischen
Entzündungen zu erklären sei.
[529]
In einzelnen Fällen müsse man allerdings annehmen, dass
eine Entzündung der Venen des Uterus oder seiner Innenfläche
vorausgegangen und bereits wieder abgelaufen sei, wofür ein-
mal die zurückbleibende Verdickung der Häute der grösseren
Gebärmuttervenen, sodann auch jene Fälle sprechen, wo nach
unzweifelhaft constatirter Metrophlebitis Heilung zu Stande
kommt. Für die anderen Fälle dagegen, in denen sich keine
Spur einer Uterusaffection auffinden lässt, müsse man die Frage
aufwerfen, ob hier die Blutmasse an sich zur eiterigen Zer-
setzung neige?
Wo steckt der Angriff gegen meine Lehre in diesem
Aufsatze?
Meine Lehre sagt: Das Erste bei dem Kindbettfieber ist
die Resorbtion eines zersetzten Stoffes, das Zweite ist die Blut-
entmischung, und in diesem Stadio kann die Krankheit schon
tödtlich werden, und mit diesen zwei Dingen ist das Wesen
des Kindbettfiebers gegeben, die Exsudationen, die Metastasen
können vorhanden sein und können auch fehlen, gewöhnlich
sind bei vorhandenen Metastasen locale Entzündungen als
Quellen der Metastasen nachzuweisen, wenn Metastasen vor-
handen sind, ohne nachweisbare locale Entzündungen, als
Quellen der Metastasen, so spricht das nicht gegen meine An-
sicht; in eine Erklärung dieser Zufälligkeiten wollen wir uns
in dieser Schrift nicht einlassen; diese Schrift ist bestimmt, die
Entstehung, die Verhütung und den Begriff des Kindbettfiebers
zu lehren.
Nachdem wir den zersetzten Stoff, als alleinige Ursache
des Kindbettfiebers, gegen die Angriffe Carl Braun’s, wie wir
glauben, siegreich vertheidigten, wollen wir zur Beurtheilung
der 30 Ursachen des Kindbettfiebers übergehen, wie solche
von Carl Braun aufgezählt werden; es wird sich zeigen, dass
viele dieser Ursachen, welche von Carl Braun aufgezählt wer-
den, gar keine Ursachen des Kindbettfiebers sind, und die Ur-
sachen, welche von Carl Braun aufgezählt werden, und welche
wirklich Ursachen des Kindbettfiebers sind, sind es nur da-
Semmelweis, Kindbettfieber, 34
[530] durch, dass durch selbe entweder ein zersetzter Stoff in den
ergriffenen Individuen entsteht, oder dass in Folge dieser Ur-
sachen den Individuen ein zersetzter Stoff von aussen einge-
bracht wird, dass mithin die Braun’sche Aetiologie zum Theil
Irrthum, zum Theil Wahrheit ist; dass die Braun’sche Aetio-
logie Irrthum ist, wo selbe etwas Anderes lehrt als ich; dass
die Braun’sche Aetiologie zur Wahrheit wird, sobald selbe
dasselbe lehrt, was ich lehre.
Zu den aetiologischen Momenten des Kindbettfiebers,
welche als solche von Carl Braun aufgezählt werden, aber keine
aetiologischen Momente sind, gehört: 1. die Conception und
die Schwangerschaft; 2. die Hyperinose; 3. die Hydraemie;
4. die Uraemie; 5. eine allgemeine Plethore der Schwangeren;
6. eine Disproportion in der Vegetation der Mutter und des
Foetus; 7. die durch die Schwangerschaft veranlassten Blut-
stauungen und Stasen; 8. ob die Inopexie des Blutes Veran-
lassung zu Puerperalprocessen werden könne, bleibt ferneren
Beobachtungen zur Entscheidung vorbehalten; 9. das Schwan-
gerschaftsfieber ist keine Ursache des Puerperalfiebers, son-
dern ein in der Schwangerschaft verlaufendes wahres, genui-
nes Puerperalfieber; 11. die Ausgleichung der Hyperinose;
12. die Inopexie des Wochenbettes. Existirt im physiologischen
Zustande gar nicht, im pathologischen Zustande ist es ein Pro-
duct des schon vorhandenen Puerperalfiebers, und nicht eine
Ursache des Puerperalfiebers.
13. Der durch Verkleinerung des Uterus aufgehobene
Druck auf die Nachbarorgane desselben.
15. Verwundung der Innenfläche des Uterus durch die
Lostrennung der Placenta.
16. Die puerperale Thrombose und Metrorrhagien. Die
puerperale Thrombose existirt, wie wir nachgewiesen, im phy-
siologischen Zustande nicht, im pathologischen Zustande ist
die puerperale Thrombose keine Ursache des Kindbettfiebers,
sondern das Product des schon vorhandenen Kindbettfiebers.
Metrorrhagien sind keine Ursachen des Kindbettfiebers. Vor
[531] Einführung der Chlorwaschungen an der I. Klinik zu Wien
trat, wenige Fälle ausgenommen, im Gefolge von Metrorrha-
gien immer Puerperalfieber auf; nach Einführung der Chlor-
waschungen war Puerperalfieber nach Metrorrhagien sehr
selten zu beobachten.
Vor Einführung der Chlorwaschungen wurde die innere
Untersuchung, welche bei Blutungen nothwendig ist, die Ent-
fernung der Placenta, der Blutcoagula etc. mit unreinen Hän-
den vorgenommen, nach Einführung der Chlorwaschungen mit
reinen Händen; es waren mithin die Metrorrhagien nicht die
Ursache des Kindbettfiebers, die Metrorrhagien waren blos
die Veranlassung zur Einbringung zersetzter Stoffe von aussen
mittelst des untersuchenden Fingers, mittelst der operirenden
Hand.
- 18. Unterdrückung der Milchsecretion.
- 20. Individualität der Wöchnerinnen.
- 22. Gemüthsaffecte.
- 23. Diätfehler. 26. Erkältung. 29. Epidemische Einflüsse.
Zur Begründung der epidemischen Einflüsse weiss Carl
Braun weiter nichts anzuführen, als dass man von Alters her
zur Erklärung der durch das Puerperalfieber veranlassten
Verheerungen seine Zuflucht zu epidemischen Einflüssen ge-
nommen hat; Carl Braun macht es mir zum Vorwurfe, dass
ich mich auf die Vergangenheit stütze und daraus kühne
Schlüsse ziehe; ich mache es ihm nicht zum Vorwurfe, dass er
sich auf die Vergangenheit stützt, sondern ich mache es ihm
zum Vorwurfe, wenn er aus der Vergangenheit falsche Schlüsse
zieht.
Von Alters her wurden epidemische Einflüsse zur Erklä-
rung der Verheerungen des Kindbettfiebers angenommen, folg-
lich existiren epidemische Ursachen des Kindbettfiebers, ist
ein falscher Schluss. Welche Erklärung ist älter? und welche
Erklärung ist wahr? Die, welche sagt: die Erde steht, und die
Sonne bewegt sich um die Erde, oder die, welche das Gegen-
theil behauptet?
34 *
[532]
Nachdem Carl Braun die Existenz der epidemischen Ein-
flüsse so unerschütterlich begründet, liefert er eine Abhand-
lung durch vier Druckblätter über Contagiosität oder Nicht-
contagiosität des Kindbettfiebers, über Contagien, Miasma,
Infection als abschreckendes Beispiel, zu welchen Monstruosi-
täten es führt, wenn man ohne Verständniss compilirt; dieses
Chaos wollen wir unbeurtheilt lassen.
Zu den Ursachen, welche wirklich Ursachen des Kind-
bettfiebers, aber in meinem Sinne sind, gehören 10. der Ge-
burtsact selbst; 14. zu lange Dauer natürlicher Geburten;
21. operative Eingriffe. Der Geburtsact, die lange Dauer der
Austreibungsperiode, operative Eingriffe können Quetschun-
gen der Genitalien, und dadurch die Entstehung des zersetz-
ten Stoffes veranlassen, welcher durch Selbstinfection das Kind-
bettfieber hervorbringt.
17. Aufgehobene Se- und Excretion der Lochien. Aufge-
hobene Secretion der Lochien ist keine Ursache des Kindbett-
fiebers; aufgehobene Excretion der Lochien kann durch Selbst-
infection das Kindbettfieber erzeugen.
19. Der schädliche Einfluss todter Früchte. Faul todte
Früchte sind keine Ursache des Kindbettfiebers; Früchte,
welche während der Geburt absterben und nach dem Blasen-
sprunge unter Zutritt von atmosphärischer Luft im Uterus in
Fäulniss übergehen, erzeugen durch Selbstinfection das Kind-
bettfieber.
24. Andauernder Durst soll nach Carl Braun dadurch
Puerperalfieber hervorrufen, dass durch Durst die Resorbtion,
folglich auch die Resorbtion der in der Gebärmutterhöhle be-
findlichen zersetzten Stoffe lebhafter wird, wodurch Puerpe-
ralfieber durch Selbstinfection erzeugt werden soll.
25. Zu hohe Zimmertemperatur und mangelhafte Venti-
lation erzeugen dadurch Kindbettfieber, dass die puerperalen
Excretionsstoffe rascher eine faulige Zersetzung eingehen.
27. Wie Sumpfluft Puerperalfieber erzeugen könne, ist
einleuchtend.
[533]
28. Cadaveröse Infection.
30. Die verschiedenartigsten, den Gebärhäusern eigen-
thümlichen unzweckmässigen Verhältnisse. Die Lage der Ge-
bärhäuser äussert auf den Gesundheitszustand ihrer Bewohner
den mächtigsten Einfluss.
Diejenigen Gebärhäuser, welche entfernt von angrenzen-
den Gebäuden und umgeben von weitläufigen Gärten sind, er-
geben die geringsten Mortalitätsverhältnisse. Die innige Be-
rührung derselben mit Krankenhäusern verursacht den gröss-
ten Nachtheil, daher auch alle Gebärhäuser, die mit einem
Krankenhause zusammengebaut sind, höhere Mortalitätspro-
cente im Durchschnitte ausweisen. Die Angrenzung an Loca-
litäten, die mit zersetzten thierischen Stoffen erfüllt sind, wie
Leichenkammern, ein Zusammenfluss von grösseren Abzugs-
canälen, unrein gehaltene Aborte, schlechte oder mangelhafte
Canalisirung derselben, und Versenken der Placenten in die-
selben erleichtert die Ausbreitung der Epidemien.
Die fehlerhafte Bauart der meisten Gebärhäuser mit un-
genügender Ventilation äussert sich dann schädlich, wenn die
Wochenzimmer ununterbrochen communiciren und ein diesen
parallel laufender Corridor fehlt; wenn von einem schlecht
ventilirten Gange aus die Zimmer rechts und links angebracht
sind; wenn die Fensterbrüstungen zu hoch, die Fenster einan-
der gegenüber stehen und die Betten an den Seitenwänden
unter den Fenstern angebracht sind; wenn die Wochenzimmer
an die Krankenzimmer grenzen und ober- oder unterhalb der-
selben sich befinden; wenn die Ventilation im Winter durch
Oeffnen der Fenster vollzogen werden muss, die Erneuerung
der Zimmerluft durch Luftheizung ungenügend geschieht; wenn
keine Dunstschlöte an der Decke der Zimmer angebracht sind,
und wenn diese zur Erzeugung einer raschen Luftströmung
nicht als Foyer d’appelle zum Erwärmen eingerichtet sind; wenn
die Puerperalkranken in der Nähe der Wochenzimmer unter-
gebracht, wenn die Wöchnerinnen aus dem Geburtszimmer in
die Wochenzimmer über kalte Gänge oder Stiegenräume ge-
[534] bracht werden müssen, oder wenn die Säle der Wöchnerinnen
sehr gross sind und die Ankommenden in den Wochenzimmern
der Reihe nach gebären.
Die Ausdünstung der faulenden Excremente, so wie die
Lungenausdünstung der mit putriden Fiebern behafteten
Wöchnerinnen, der durch das Zusammenleben vieler Wöchne-
rinnen erzeugte Puerperalgeruch, die Nichtabsonderung der
Kranken von Gesunden, die Unterlassung der Absperrung der
Krankenzimmer, der freie Verkehr der Wärterinnen der
Kranken mit denen der Gesunden, die Hilfeleistung der Heb-
ammen oder der Aerzte bei Gesunden nach Explorationen oder
Injectionen bei kranken Wöchnerinnen, die gemeinschaftliche
Verwendung der Wäsche, der Schwämme, Leibschüsseln, bei
Gesunden und bei Kranken, vieljährig benützte und mangel-
haft gereinigte Wäsche, Vermengung der Wäsche der Gebär-
häuser mit jener der Krankenhäuser, seltener Wechsel der
Matratzen, Strohsäcke und Unterdecken, stete Benützung al-
ler Räume eines Gebärhauses, der ununterbrochene Unterricht
in überfüllten Gebärhäusern, die erschwerte Ueberwachung
einer grösseren Zahl von Schülern und Schülerinnen, die Ue-
berfüllung der Gebärhäuser im Winter, zur Zeit der Epide-
mien, die unbeschränkte Aufnahme aller gesunden und kran-
ken Schwangern und Gebärenden, der Monate lange Aufent-
halt der Schwangern in den Gebärhäusern, die Anfüllung der
Gebärhäuser mit ledigen, der trostlosesten Bevölkerung ent-
nommenen Weibern, das mehrmalige Ueberlegen der Wöch-
nerinnen in den ersten acht Tagen, das zu lange Aufbewahren
der Leichen verstorbener Säuglinge oder der Placenten neben
den Wochenzimmern, die meistens sehr geringe Anzahl der
überwachenden Aerzte, der stete Verkehr der Schwangeren
mit den Patienten der Krankenhäuser in gemeinschaftlichen
Höfen, die Unterbringung der mit zymotischen Krankheiten
behafteten Gebärenden in dem Kreissezimmer der Gesunden,
mangelhafte oder beschwerliche Zufuhr des Wassers in die
obersten Stockwerke, das zu lange oder nächtliche Verweilen
[535] einer grösseren Anzahl von Menschen im Gebärzimmer, die
zu oft wiederholte Exploration verzögerter Geburten, Mangel
eines Locales, um einer Ueberfüllung vorbeugen zu können,
Mangel eines Uebereinkommens zur Zeit der Epidemien und
der Ueberfüllung, Gebärende und Wöchnerinnen in Privat-
wohnungen auf öffentliche Kosten verpflegen zu können, die
unterlassene oder nicht gestattete Entfernung der Puerperal-
kranken aus den Gebärhäusern, während gleichzeitiger häu-
figer Erkrankungen. Alle diese Uebelstände, welche verein-
zelt in den verschiedenen Gebärhäusern vorkommen, erklären
die theils günstigeren oder schlechteren Resultate mancher
Gebärhäuser, veranlassen die grössere Gefahr der Erkrankung
in denselben, als in Privatwohnungen, und stellen uns die That-
sachen vor Augen, dass die Localverhältnisse in manchen Ge-
bärhäusern, die aber oft nur mit grossen Kosten abzuändern
sind, einen mächtigen Einfluss auf das Entstehen, die Gefähr-
lichkeit und Ausbreitung der Puerperalprocesse ausüben.“
Diese von Carl Braun aufgezählten unzweckmässigen
Verhältnisse der Gebärhäuser sind entweder keine Ursachen
des Kindbettfiebers, oder wenn selbe Ursachen des Kindbett-
fiebers sind, so sind es selbe nur dadurch, dass durch diese un-
zweckmässigen Verhältnisse der Gebärhäuser den Individuen
von aussen ein zersetzter Stoff eingebracht wird.
Diese unzweckmässigen Verhältnisse erzeugen daher das
Kindbettfieber durch Infection von aussen.
In eine weitere Beurtheilung des Carl Braun’schen Auf-
satzes „Zur Lehre und Behandlung der Puerperalprocesse und
ihrer Beziehungen zu einigen zymotischen Krankheiten“ wol-
len wir uns nicht einlassen; der Leser wird aus dem, was wir
bisher gesagt, die Ueberzeugung geschöpft haben, dass Carl
Braun immer Irrthum lehrt, wenn er etwas lehrt, was mit
meiner Lehre nicht übereinstimmt, und dass Carl Braun nur
dann Wahrheit lehrt, wenn er meine Lehre wiedergibt. Nur
die Definition des Kindbettfiebers wollen wir geben, weil sie
ein abermaliger Beweis ist, wohin indigeste Compilation führt.
[536] Nach Carl Braun ist das Kindbettfieber eine zymotische Krank-
heit acuten Charakters, welche bei starker Prädisposition ei-
nes Individuums auch durch allgemeine Schädlichkeiten, wie
durch Gemüthserschütterungen, Erkältung u. s. w. hervorge-
rufen, in der Regel aber durch eigenthümliche Einflüsse, durch
Miasmen, Contagien, zersetzte thierische Stoffe erzeugt wer-
den kann, wobei das fremdartige Eigenthümliche als Ferment
wirkt und durch Contact die Blutmasse in Gährung versetzt.
Der Leser wird mit Staunen sehen, dass Carl Braun, der-
selbe Carl Braun, welcher die, jedes directen Beweises ent-
behrende, auf Vermuthungen basirte Hypothese der cadaverö-
sen Infection so glänzend bekämpft, welcher zur Befriedigung
jedes wahren Menschenfreundes den epidemischen Einflüssen
ihre uneingeschränkte Wirksamkeit so siegreich zurückerobert
hat; dass derselbe Carl Braun wohl den zersetzten thierischen
Stoffen, aber nicht den epidemischen Einflüssen in dem Be-
griffe des Puerperalfiebers einen Platz anweiset. Oh Logik!!
Oh Logik!! Wir ertheilen daher unserem Wiener Collegen,
indem wir von ihm Abschied nehmen, den dringenden Rath,
es ja nicht zu verabsäumen, früher wenigstens einige Seme-
ster über Logik mitzumachen, falls er wieder in sich den edlen
Beruf fühlen sollte, für den epidemischen Tod der Wöchnerin-
nen zu kämpfen.
Ende.
[[537]]
Nachwort.
Dass es nicht Zanksucht ist, welche mir diese Polemik
dictirt, dafür kann ich, als auf einen vollgiltigen Beweis, auf
mein vieljähriges Schweigen deuten.
Aber der unbefangene Leser wird aus der Opposition,
welche ich ihm vorzuführen Gelegenheit hatte, nicht nur die
Ueberzeugung geschöpft haben, dass die Zeit des Schweigens
vorüber sei, sondern er wird sich zugleich auch davon über-
zeugt haben, dass es meine Pflicht und mein Recht war, so zu
polemisiren, wie ich eben polemisirt habe.
Wenn ich mit meiner gegenwärtigen Ueberzeugung in
die Vergangenheit zurückblicke, so kann ich die Wehmuth,
die mich befällt, nur durch einen gleichzeitigen Blick in jene
glückliche Zukunft verscheuchen, in welcher in- und ausser-
halb der Gebärhäuser in der ganzen Welt nur Fälle von Selbst-
infection vorkommen werden. Im Vergleiche mit diesen bei-
den ungeheuren Zahlen ist die Zahl derjenigen, welche mir
und denen, welche meine Lehre befolgen, bis jetzt schon zu
retten gelungen ist, verschwindend klein.
Sollte es mir aber, was Gott verhüten möge, nicht gegönnt
sein, diese glückliche Zeit mit eigenen Augen zu schauen, so
wird die Ueberzeugung, dass diese Zeit früher oder später nach
mir unaufhaltsam kommen muss, noch meine Todesstunde
erheitern.
[[538]]
Nachtrag
zur Seite 85, Zeile 4 von oben bis inclusive Seite 101.
Im Schuljahre 1858/9, in welchem sich die Klinik noch
in den von Seite 85 bis Seite 101 als so sanitätswidrig geschil-
derten Localitäten befand, wurden verpflegt 578 Individuen,
darunter waren 577 Wöchnerinnen und ein gynaekologischer
Fall. Von den 577 Wöchnerinnen starben 16. und zwar 11 an
Febris puerperalis, also 1.89 %, 3 an Pneumonie, 1 an Tubercu-
losis pulmonum, 1 mit Typhus abdominalis wurde von der
medicinischen Klinik zu uns transferirt, welche unmittelbar
nach der Geburt starb. Die erste Geburt ereignete sich den
5. October 1858, die letzte den 19. Juli 1859. 53 Geburts-
helfer erhielten einen zweimonatlichen und 189 Hebammen
einen fünfmonatlichen praktisch-geburtshilflichen Unterricht.
Im Schuljahre 1859/60 wurde die Klinik in ein neues
Local verlegt. Verpflegt wurden 524 Individuen; darunter wa-
ren 520 Wöchnerinnen, 2 gynaekologische Fälle und zwei
Schülerinnen, welche wegen Armuth in der Klinik verpflegt
wurden. Sie starben beide, die eine an Tuberculosis pulmo-
num, die andere an Typhus abdominalis.
Von den 520 verpflegten Wöchnerinnen starben 11, und
zwar 5 an Febris puerperalis, also 0.96 %, darunter ein Fall
von Perforation bei einer Conjugate von 3″, wo die Extraction
wegen ungewöhnlicher Grösse des Kindes ungemein schwie-
rig war.
4 Wöchnerinnen starben an Pneumonie, 1 an Tuberculo-
sis, 1 an Eclampsie. Die erste Geburt ereignete sich den 8. Oc-
[539] tober 1859, die letzte den 17. Juli 1860. 58 Geburtshelfern
und 199 Hebammen wurde Unterricht ertheilt.
Obwohl wir im neuen Locale nicht eine Wöchnerin von
100 Wöchnerinnen am Kindbettfieber verloren haben, sind
wir doch nichts weniger als beruhigt darüber, dass diese fünf
Fälle wirklich nur Selbstinfectionsfälle seien, weil das neue
Local nicht allen Sanitätsanforderungen entspricht; die neue
geburtshilfliche Klinik befindet sich im 2. Stocke und hat un-
ter sich im 1. Stocke die chirurgische Klinik, und was noch
nachtheiliger ist: die Räume der Klinik sind wieder so be-
schränkt, dass kein Zimmer als Krankenzimmer reservirt wer-
den kann, und wenn auch ein puerperal erkranktes Individuum
in Bezug auf Wartpersonale und Utensilien vollkommen iso-
lirt werden kann, so kann doch die Atmosphäre des kranken
Individuums von der Atmosphäre der gesunden desselben Zim-
mers nicht isolirt werden, und in welcher Ausdehnung das
Puerperalfieber mittelst der Atmosphäre verbreitet werden
kann, das hat uns das cariöse Knie im Monate November 1847
an der I. Geburtsklinik zu Wien gelehrt.
Diese Uebelstände der neuen Klinik gestatten mir nicht,
entscheidende Beobachtungen zu machen über die Zahl der
unvermeidlichen Selbstinfectionsfälle, über diesen Punkt muss
ich Belehrung erwarten von einem Collegen, welcher glück-
licher als ich, ein Gebärhaus leitet, welches den Anforderun-
gen meiner Lehre über die Verhütung des Kindbettfiebers
entspricht.
[[540]][[541]]
Inhalt.
- Seite
- Einleitung 1
- Die Sterblichkeit war an der I. Gebärklinik zu Wien în dem durch
die Tabelle Nr. I. repräsentirten Zeitraume durchschnittlich drei-
mal so gross als an der II. Gebärklinik 3 - Dieses Plus der Sterblichkeit kann durch die bisher giltige Aetiologie
des Kindbettfiebers nicht erklärt werden 4 - Nicht durch endemische Einflüsse 4
- Gründe gegen epidemische Einflüsse im Allgemeinen 6
- Nicht durch endemische Einflüsse 10
- Nicht durch die übrigen bisher giltigen ätiologischen Momente des
Kindbettfiebers 38 - Nebstdem, dass das Plus der Sterblichkeit aus der bisher giltigen
Aetiologie des Kindbettfiebers nicht erklärt werden konnte, waren
an der I. Gebärklinik Erscheinungen zu beobachten, für welche
die Erklärung fehlte 39 - Diese Erscheinungen waren:
Das Erkranken der Mütter und deren Kinder in Folge verzögerter
Eröffnungsperiode 39 - Das Nichterkranken der Gassengeburten 43
- Das Nichterkranken der Wöchnerinnen nach vorzeitigen Geburten 46
- Das reihenweise Erkranken der Wöchnerinnen 47
- Die nichtandauernde Verminderung der Sterblichkeit in Folge Ver-
minderung der Zahl der Schüler 48 - Entdeckung des ätiologischen Momentes des Plus der Sterblichkeit
der I. Klinik 52 - Beobachtungen, welche unsere Aetiologie des Kindbettfiebers erweiterten 58
Die Rapporte des Wiener Gebärhauses vom Tage der Eröffnung bis
in die neueste Zeit bestätigen die Richtigkeit meiner Aetiologie
des Kindbettfiebers 61 - In der von mir entdeckten Aetiologie des Kindbettfiebers liegt die
Erklärung, warum in Folge verzögerter Eröffnungsperiode Mutter
und Kind am Kindbettfieber erkranten 66 - Seite
- Dr. Bednar 69
- Warum die Gassengeburten seltener erkrankten 69
- Warum die Wöchnerinnen nach vorzeitigen Geburten seltener erkrankten 70
- Warum die Wöchnerinnen reihenweise erkrankten 70
- Warum die Verminderung der Zahl der Schüler die Sterblichkeit
minderte, und warum trotz der Verminderung der Zahl der
Schüler die Sterblichkeit sich wieder steigerte 71 - Versuche an Thieren 76
- Die geburtshilfliche Abtheilung des St. Rochus-Spitals zu Pest 81
- Die geburtshilfliche Klinik der Universität zu Pest 85
- Begriff des Kindbettfiebers 102
- Der zersetzte thierisch-organische Stoff, welcher das Kindbettfieber her-
vorbringt, wird den Individuen entweder von aussen eingebracht,
oder er entsteht in ergriffenen Individuen 102 - Quelle des zersetzten thierisch-organischen Stoffes, welcher die Infec-
tion von aussen bedingt 102 - Träger des zersetzten thierisch-organischen Stoffes 103
- Stelle, wo der zersetzte thierisch-organische Stoff resorbirt wird 104
- Zeit, wann der zersetzte thierisch-organische Stoff resorbirt wird 104
- Quellen für die Selbstinfection 106
- Das Kindbettfieber ist keine den Wöchnerinnen ausschliesslich zukom-
mende Krankheit 106 - Das Kindbettfieber ist eine Varietät der Pyaemie 106
- Das Kindbettfieber ist keine contagiöse Krankheit 107
- Das Kindbettfieber ist eine übertragbare Krankheit 107
- Wie viele Wöchnerinnen werden immer in Folge unverhütbarer Selbst-
infection sterben 108 - Nochmalige Beurtheilung der bisher giltigen Aetiologie des Kindbett-
fiebers, den Massstab des zersetzten thierisch-organischen Stoffes
an selbe angelegt 114 - Die endemischen Einflüsse 116
- Die endemischen Ursachen des Kindbettfiebers 213
- Prophylaxis des Kindbettfiebers 266
- Correspondenzen und Stimmen in der Literatur für und gegen meine
Lehre 273 - Die Redaction der Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte zu
Wien 276 - Haller 280
- Simpson 282
- Routh 283
- Michaelis 286
- Seite
- Litzmann 288
- Levy 291
- Dietl 306
- Tilanus 310
- Skoda 313
- Brücke 313
- Scanzoni 315
- Silberschmidt 403
- Bamberger 417
- Hamernik 417
- Liebig 422
- Seyfert 423
- Kiwisch 429
- Silberschmidt 433
- Lebert 436
- Zipfl 438
- Hayne 441
- Lumpe 443
- Arneth, die Academie der Medicin zu Paris und Dubois 455
- Schmidt 459
- Everken 467
- Virchow 468
- A. Martin 478
- Carl Braun 484
[[544]]
Appendix A Druckfehler.
Seite 43 Zeile 9 von oben statt: Puerperium lies: Puerperio.
„ 70 „ 6 „ „ „ Indigation lies: Indication.
„ 70 „ 7 „ „ „ Indigation lies: Indication.
„ 98 „ 12 „ „ „ Entdeckung lies: Entstehung.
„ 107 „ 7 „ unten „ cadaverösen lies: cariösen.
„ 118 „ 18 „ oben „ der lies: den.
„ 130 „ 13 „ „ „ zu 23 lies: zu 32.
„ 140 „ 4 „ unten „ 20. März 1853 lies: 20. März 1849.
„ 180 „ 3 „ oben „ Selbstinfection lies: Infection.
„ 199 „ 2 „ unten „ necrologischer lies nosologischer.
„ 268 „ 8 „ „ „ Schulen lies: Schüler.
„ 270 „ 12 „ „ „ 1824 lies: 1842.
„ 318 „ 8 „ oben „ 9780 lies: 3556.
„ 330 „ 13 „ „ „ nur aufgegeben lies: nur nicht aufgegeben.
„ 393 „ 6 „ „ „ zu strafwürdige lies: ja strafwürdige.
„ 439 „ 1 „ „ „ Tabelle VI lies: Tabelle I.
„ 430 „ 14 „ „ „ 182 lies: 1842.
„ 441 „ 8 „ unten „ umfassender lies: umpassender.
„ 467 „ 14 „ „ „ und in dem des Gebärhauses adhäriste lies: dem
das Gebärhaus adhärirte.
„ 467 „ 6 „ „ „ nicht das lies: und das.
„ 475 „ 11 „ oben „ Drown lies: Braun.
„ 507 „ 9 „ „ „ 1838 lies: 1833.
„ 517 „ 16 „ „ „ Ziel lies: Heil.
„ 523 „ 10 „ „ „ und seine lies: um seine.
„ 532 „ 5 „ „ „ Monstruositaten: lies: Monstrositäten.
[][][]
Anzahl Geburten eine geringere absolute Sterblichkeit.
December 1857 supplirender Professor.
und Irland. Wien 1853.
fasser dieser Schrift sind sämmtlich bei den Bureaux des Hospitals
angestellt, und werden von der Administration wegen bewiesener
Vorsicht in den Angaben gelobt.
nien und Irland.« Wien 1853, bei Wilhelm Braumüller.
ses and Treatment of Erysipelas,« London 1849), wie aus folgenden
Aeusserungen hervorgehen wird:
Pag. 87. »Ich werde die vorzüglichsten Gründe und Thatsachen,
die man zum Beweise der Identität (identy) des Puerperalfiebers und
des Rothlaufes anführen kann, unter bestimmte Puncte bringen.«
Pag. 89. »Davon wenigstens bin ich überzeugt, dass viele Fra-
gen, die in der Medicin durch allgemeine Uebereinstimmung als ab-
gemacht angesehen werden, keineswegs auf festeren — wenn ja auf
festen — Gründen ruhen, als die sind, die wir so eben zum Be-
weise der Identität des Puerperalfiebers und des Rothlaufes ange-
führt haben.« — Bemerkt muss übrigens werden, dass in der Tod-
tenliste für London vom Jahre 1842 251 Personen als am Rothlauf
verstorben aufgeführt werden.
hatte die Güte, mir mündlich mitzutheilen, dass in den ersten Jah-
ren seiner Wirksamkeit das Puerperalfieber häufige Opfer forderte,
ohne dass es möglich gewesen wäre, in der kleinen, gesund gelege-
nen Anstalt die Veranlassung zu entdecken. Erst nach und nach
wurde er davon benachrichtigt, dass die Hebammen die Placenten in
den in der Anstalt gelegenen Abtritt warfen. Nach Abstellung die-
ses Uebelstandes wurde der Gesundheitszustand der Anstalt ein blei-
bend günstiger.
scher Beziehung von Dr. C. F. Carl Litzmann. Halle 1844.
Lamoiquou, die Häufigkeit und Gefahr des Kindbettfiebers in die-
sem Hospital von der Lage der Wochensäle über denen der Ver-
wundeten her; und Peu und Desault machten die Bemerkung,
dass, seitdem die Verwundeten von da verlegt seien, die Krankheit
weniger häufig vorkomme.
gründung einer neuen, einfachen und naturgemässen Geburtshilfe.«
Wien 1810.
gang, II. Band, Seite 242, und 5. Jahrgang, I. Band, Seite 64.
1848 auf 283 Geburten 10, im Monate Februar auf 291 Geburten
2 Todesfälle kamen, und im Monate März keine Wöchnerin starb,
sowie sich auch gegenwärtig keine einzige Puerperalkranke im
Gebärhause befindet. Während der zehn Monate, wo das Waschen
mit Chlorkalk vor jeder Untersuchung vorgenommen wird, sind
demnach von 2670 Entbundenen blos 67 gestorben, eine Zahl, die
früher öfters in einem Monate überstiegen wurde.
2. Band, Seite 536.
ihren Müttern die Blutentmischung nicht mehr mitgetheilt er-
hielten.
Novembers (1848) stattgefunden haben, habe ich einen Vortrag
gehalten, in welchem ich deine Entdeckung verkündete, Dir, wie
es die Gerechtigkeit verlangt, den grössten Ruhm bereitend. Ich
kann sagen, dass mein Vortrag gut aufgenommen wurde, und dass
viele der gelehrtesten Mitglieder bezeugten, dass die Gründe über-
zeugend seien. Unter diesen vorzüglich Webster, Copeland und Murphy;
diese Männer und berühmten Aerzte haben das Beste gesprochen.
Im Novemberhefte des Lancetto ist alles über diese Verhandlung
zu lesen.
Glaubst Du, dass die Fälle, welche nach meinem Abgange vor-
gekommen sind, auch deine Meinung bestätigen? Ist das Kindbett-
fieber seltener als früher?
Wenn diese gefährliche Krankheit in den geburtshilflichen Zimmern
nicht mehr so ist wie früher, so ist dieser bedeutungsvolle Erfolg
bestätigend. Auch in Prag, wo das Kindbettfieber so häufig vor-
kommt, ist es denselben erzeugenden Ursachen zuzuschreiben.
Büchelchen veröffentlicht: On the causes of the Endemic Puerperal
Fever of Vienna. By C. H. F. Routh M. D. London, 1849. Separat-
Abdruck aus den »Medico-Chirurgical Transactions« Vol. XXXII.
mehr in der allgemeinen Meinung, und alle Gesellschaften der Aerzte
sehen es ein und erkennen es an, wie nützlich dieselbe ist, und das
geschieht nicht unbesonnen, denn gross ist die Wahrheit, und sie
wird überwiegend werden.
to the epidemiologicol Society. London. By Edward William Murphy
A. M. M. D. Dublin, 1857.
gang 1850, II. Band, III. Heft, pag. 291.
der medicinischen Facultät zu Prag. Siebenter Jahrgang 1850, 2. Band.
T. W. von Scanzoni. Würzburg 1858. III. Band.
1. Band, Seite 300.
II. Band, VII. Jahrgang. I. Band.
lehre der sporadischen und seuchenartigen Krankheiten der nutz-
baren Hausthiere von Anton Hayne. Wien, 1844.
Seite 392.
dieser grossen Sterblichkeit die Chlorwaschungen nachlässig gemacht
wurden, ob und wiefern dies richtig sei, darüber muss Dr. Braun,
in dessen Assistenzzeit dieser Monat fällt, zur eigenen Rechtfertigung
genauere Auskunft geben, ich kann auf ein blosses on dit keine
Rücksicht nehmen.
mies).
Berlin, 1850.
mein Paderborner Amtsnachfolger, Herr Dr. Everken, dass in seiner
Gebäranstalt das Wochenbettfieber gerade zu einer Zeit geherrscht
habe, als er im Krankenhause besonders häufige Gelegenheit zu Sec-
tionen gehabt und ohne damals die Semmelweis’sche Erfahrung zu
kennen, keinen Anstand genommen habe, oft unmittelbar nach den-
selben die Touchirübungen der Hebammenschülerinnen an Schwan-
geren und Gebärenden zu leiten. Auch er glaube an die Möglichkeit.
Natürlich habe er später solche Unmittelbarkeit vermieden, auch die
unterchlorichtsaure Natronauflösung nicht vergessen.
jetzigen Wirkungskreis versetzt wurde, bemerkte ich bald einen selt-
samen Gegensatz zwischen der Leichtigkeit geburtshilflicher Operationen
und den Erfolgen dort und hier. Die Mühewaltung eines klinischen
Lehrers der Geburtshilfe lässt sich mit der viel grösseren eines be-
schäftigten Geburtshelfers des platten Landes gar nicht vergleichen.
Wurde ich früher aus meiner Vaterstadt in ein benachbartes Dorf ge-
rufen, so war von einer sogenannten »Zeit der Wahl« zur Wendung
niemals die Rede. Nur die besseren und jüngeren Hebammen erkann-
ten die fehlerhaften Kindeslagen vor dem Blasensprunge, alle älteren
behaupteten, dies sei erst nach dem Blasensprunge möglich, und früh
genug. Mit dem Wasserabflusse war nun der Arm hervorgetrieben;
Nachbarfrauen wussten es besser. Stundenlang wurde jetzt versucht,
was Frauenkräfte vermögen; endlich begreift man, dass das Kind
beim hervorgezogenen Arme nicht zu erlangen war. Nun entschied
sich der »Rath der Alten« für den Geburtshelfer; der Bote hin, der
Geburtshelfer zurück gebrauchte abermals Stunden, und nicht selten
war eine stundenlange Arbeit nöthig, um die Wendung auf die Füsse
in dem eng um das Kind zusammengeschnürten Uterus zu Stande zu
bringen. Das Kind war natürlich todt; der Tod der Mutter wurde
erwartet, Tags darauf erschien der Ehemann, um — das völlige Wohl-
sein der Letzteren zu melden, und wenige Wochen später die Wöch-
nerin selber, um freundlichst zu danken! — Wer sollte da nicht
glauben, dass der Uterus ein maltraitables Organ sei, und noch ferner
fragen »mulierem fortem quis inveniet?« Mit meinen zarten Berli-
nerinnen geht es umgekehrt. Jene seltenen Fälle abgerechnet, welche
im Momente des Gebärens hergefahren kommen, oder bei denen die
Wendung aus Geburtsbeschleunigungsgründen nöthig ist, habe ich bei
allen Wendungen die sogenannte »Zeit der Wahl«, richtiger die Wahl
der Zeit. Die fehlerhafte Kindeslage wird oft schon während der
Schwangerschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit, immer im zweiten
Geburtszeitraum mit Gewissheit diagnosticirt. Der zur Grösse eines
Silbergroschens geöffnete Muttermund lässt durch die erschlafften Ei-
häute im wehenfreien Zeitraume den vorliegenden Ellenbogen, die
vorliegende Schulter u. s. w. wahrnehmen; nun weiss man genug.
Man bleibt zu Hause, geht ab und zu, erwartet geduldig nicht den
Blasensprung, sondern die springfertige Blase, um die Wendung nach
der Deleurye’schen Methode vorzunehmen. Kommt der natürliche
Blasensprung dieser Absicht zuvor, so ist dies auch kein Unglück,
man ist zu Hause und das Wendungslager im Voraus fertig. Die
Wendung selbst ist eine wahre Bagatelle, einige Zuhörer sehen nach
der Uhr, in einer, zwei, bis drei Minuten sind beide Füsse an das
Tageslicht gezogen, die Expulsion des Kindes wird der Natur über-
lassen, auch sie folgt, ohne Beschwerde, die Nachgeburt desgleichen;
die Entbundene dankt und befindet sich vortrefflich. Anderen Tags
hat sie — anhaltende Leibschmerzen, verträgt den Fingerdruck nicht,
sie fängt an zu brechen, bekommt Ammonium carbonicum und 30
Blutegel, wird in die Schälein’sche oder Wolff’sche Klinik verlegt,
und dort an der exquisitesten Metritis, Peritonitis u. s. w. weiter behan-
delt. Hier, wo der Uterus nicht im geringsten maltraitirt ist, glaube ich
an eine »Nosocomial-Atmosphäre.«
XI. Band. 6. Heft.
Erlangen, 1855.
Lehrbuch der Geburtshilfe von Braun, Wien 1857.
Decemberheft 1851. P. CLXI.
- License
-
CC-BY-4.0
Link to license
- Citation Suggestion for this Edition
- TextGrid Repository (2025). Semmelweis, Ignaz Philipp. Die Aetiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bn1j.0