[][][][][][][[1]]
Gedichte
eines
Lebendigen.
[[2]]

Druck von Zürcher \& Furrer.

[[3]]
Gedichte
eines
Lebendigen.
Mit einer
Dedikation an den Verſtorbenen.

Zürich und Winterthur:
Verlag des literariſchen Comptoirs.
1841.
[[4]][[5]]

An den Verstorbenen.

[[6]][[7]]
O Ritter, toter Ritter,

Leg' Deine Lanze ein!

Sie ſoll in tauſend Splitter

Von mir zertrümmert ſein.

Heran auf Deinem Rappen,

Du biſt ein arger Schalk,

Trotz Knappen und Trotz Wappen,

Trotz Falk und Katafalk!
[8]
Ich ſteh' nicht bei dem Troſſe,

Der räuchernd vor Dir ſchweigt,

Weil Du ein Herz für Roſſe

Und für's Kameel gezeigt;

Baſchkire oder Mandſchu —

Was ſchiert mich Deine Welt?

Ich ſchleudre meinen Handſchuh

Dir in Dein ödes Zelt.
Dem Reich der Mameluken

Weiſſagſt Du Auferſtehn,

Und ſäheſt ohne Zucken

Dein Vaterland vergehn;

Doch wiegteſt unter Palmen

Du Dein Profetenhaubt,

Wenn nicht aus unſern Halmen

Du erſt Dein Gold geraubt?
[9]
Du ſteuerſt nun ſo lange

Im Weltmeer aus und ein,

Und ward es nie Dir bange,

Daß Du ſo klein, ſo klein?

Iſt er Dir nie erſchienen,

Der Fürſt von Ithaka,

Wenn Deine Sündermienen

In ſeinem Reich er ſah?
Und ſprach er nie mit Grollen:?

„Fort aus dem freien Meer!

„Wirf nicht in ſeinen Schollen

„Dein Lügenkorn umher!

„Zieh' heim an Deine Pleiſſe,

„Zieh' heim an Deine Spree;

„Nicht jede Fürſtenreiſe

„Iſt eine Odyſſee.“
[10]
Wohl iſt er unerreichbar

Der göttliche Uliß,

Doch Du biſt ihm vergleichbar

Am wenigſten gewiß.

Im Saus nicht und im Brauſe

Hat er die Zeit verdehnt,

Er hat ſich ſtets nach Hauſe

Zu Weib und Volk geſehnt.
Für Deines Volkes Rechte,

Wie fochteſt Du ſo ſchlecht!

Du ſtandeſt im Gefechte —

Ja, für das Türkenrecht;

Du ſtirbſt auch auf dem Schilde,

Ja, auf dem Wappenſchild;

Klag' nicht, daß Deine Gilde

Fortan bei uns Nichts gilt!
[11]
Den Marmor bringt Carrara

Noch nicht für den hervor,

An den der Niagara

Den Donner ſelbſt verlor,

Der nur in alle Fernen

Zu ſeiner Schmach gereist,

Und noch vor Gottes Sternen

Auf ſeine Sternchen weiſt.
O Ritter, ſchlechter Ritter,

Leg' Deine Lanze ein!

Sie ſoll in tauſend Splitter

Von mir zertrümmert ſein.

Laſſ' ab, laſſ' ab und ſpähe

Nicht nach der Wüſte Sand!

Ich ſetze in der Nähe

Dich in Dein Vaterland.
Georg Herwegh.
[[12]][[13]]

An
Frau Carolina S. in Zürich.

Nur zagend laſſ' ich meinen Worten

Vor andern Menſchen ihren Lauf;

Dir ſchließen ſich die letzten Pforten

Von meinem Herzen klingend auf;

Mir iſt, Dir dürf' ich Alles ſagen,

Die tiefſte Seele wird mir flott;

Wie ich mag in die Saiten ſchlagen,

Um Deine Lippen blitzt kein Spott.
[14]
Die Welt will, daß man ſie betrüge

Durch ein erheuchelt fromm Gefühl,

Mit Anſtand einen Frieden lüge,

Wenn's in der Bruſt uns dumpf und ſchwül;

Du höreſt, ſeltenſte der Frauen,

Den kecken Schwärmer ohne Groll,

Du weißt, man muß ihn ſelber bauen,

Den Himmel, dran man glauben ſoll. —
Gleichwie am ſtillen Abend ſchmettert

Durch heitre Luft Trompetenklang,

Gleichwie 's um Roſenbüſche wettert

Ein blühendes Geſtad entlang,

Gleichwie zum Sturme ruft die Glocke,

Indeß noch Beter am Altar,

Wie neben eines Kindes Locke

Ein graues, ernſtes Greiſenhaar, — —
[15]
So tönt zu meinem ſtillen Volke

Mein zürnend, freiheitheiſchend Lied;

Ich bin die ſchwere, ſchwarze Wolke,

Der Gott den Donner nur beſchied;

Ich bin kein froher, freud'ger Buhle,

Deß Wappen Roſe und Pokal,

Ich ſitz' als Geiſt auf Banko's Stuhle

Bei jedem frechen Königsmal.
O könnt' im finſtern Rath der Alten

Mein Lied ein zündend Feuer ſein!

Doch ach! die Nüchternen, die Kalten

Verlangen abgelegnen Wein.

Im Zorn oft drück' ich auf die Flaſche

Den Kork — es öffnet ſich Dein Haus,

Auf Deinem Herde ſchlägt die Aſche

Zu neuen kühnen Flammen aus.
[16]
Ich trug mein Lied, wie jener Meros

Den Dolch, tief unter meinem Hemd;

Es klang, wo man dem Liede Nero's,

Des neugekrönten, lauſcht, ſo fremd.

Wohl waren manche Perlen fertig,

Doch noch der ächten Taucherhand,

Noch Deiner lieben Hand gewärtig;

Nimm ſie — und wirf ſie in den Sand!
[[17]]

Leicht Gepäck.

Ich bin ein freier Mann und ſinge

Mich wohl in keine Fürſtengruft,

Und Alles, was ich mir erringe,

Iſt Gottes liebe Himmelsluft;

Ich habe keine ſtolze Veſte,

Von der man Länder überſieht,

Ich wohn' ein Vogel nur im Neſte,

Mein ganzer Reichthum iſt mein Lied.
2[18]
Ich durfte nur, wie Andre, wollen,

Und wär' nicht leer davongeeilt,

Wenn jährlich man im Staat die Rollen

Den treuen Knechten ausgetheilt;

Allein ich hab' nie zugegriffen,

So oft man mich herbei beſchied,

Ich habe fort und fort gepfiffen,

Mein ganzer Reichthum iſt mein Lied.
Der Lord zapft Gold aus ſeiner Tonne,

Und ich aus meiner höchſtens Wein;

Mein einzig Gold die Morgenſonne,

Mein Silber all der Mondenſchein!

Färbt ſich mein Leben herbſtlich gelber,

Kein Erbe, der zum Tod mir rieth;

Denn meine Münzen prägt' ich ſelber;

Mein ganzer Reichthum iſt mein Lied.
[19]
Gern ſing' ich Abends zu dem Reigen,

Vor Thronen ſpiel' ich niemals auf;

Ich lernte Berge wohl erſteigen,

Paläſte komm' ich nicht hinauf;

Indeß aus Moder, Sturz und Wettern

Sein golden Loos ſich Mancher zieht,

Spiel' ich mit leichten Roſenblättern;

Mein ganzer Reichthum iſt mein Lied.
Nach Dir, nach Dir ſteht mein Verlangen,

O ſchönes Kind, o wärſt Du mein!

Doch Du willſt Bänder, Du willſt Spangen,

Und ich ſoll dienen gehen? Nein!

Ich will die Freiheit nicht verkaufen,

Und wie ich die Paläſte mied,

Laß ich getroſt die Liebe laufen;

Mein ganzer Reichthum ſei mein Lied.
[[20]]

Wer iſt frei?

Der iſt allein ein freier Mann,

Und ſeiner ſei gedacht,

Der ſie ſich ſelbſt verdienen kann,

Die Freiheit in der Schlacht,

Der mit der eignen Klinge

Sie holt herbei,

Der Mann iſt's, den ich ſinge,

Der Mann iſt frei!
[21]
O wehe, wer dem Franken traut

Und ihn zu froh begrüßt;

Er bringt uns immer unſre Braut,

Wenn Er ſie ſatt geküßt.

Noch gibt's in unſren Reihen

Pulver und Blei —

Drum laßt uns ſelber freien,

So ſind wir frei!
Die Freiheit wohnt am Don und Belt,

Sie trinkt aus unſrem Rhein,

Die Freiheit ſchläft im Wüſtenzelt

Und glänzt im Sternenſchein;

Doch muß man um ſie werben,

Wo 's immer ſei,

Doch muß man für ſie ſterben,

Dann wird man frei!
[22]
Noch hat der Deutſche eine Hand

Und eine ſtarke Wehr,

Gibt keinen Schritt vom Vaterland

Selbſt für die Freiheit her;

Und die mit uns erheben

Solch Feldgeſchrei,

Die ſollen alle leben,

Denn ſie ſind frei!
Viel tauſend Funken, Eine Glut,

Viel Herzen und Ein Schlag,

So harren wir gar wohlgemut

Bis an den jüngſten Tag;

Die Einheit muß verſchlingen

Die böſe Zwei,

Dann ſoll es donnernd klingen:

Deutſchland iſt frei!
[[23]]

Arndt's Wiedereinſetzung.

O Jubelbotſchaft, die zu uns gekommen!

O ſelten, ſelten Glück!

Ihr hattet einen ſtarken Mann genommen,

Und gebt uns einen Greis zurück!
Als einſt gehemmet ihr des Schwertes Blitze

Bei dieſem Sohne Teut's,

Da in das Land ſtieß fluchend er die Spitze,

Und kniete vor dem ſtumpfen Kreuz.
[24]
Deß Lied man ſich erfreut in Süd und Norden,

Im Feld, am ſtillen Herd,

Durch Eure Ruthen iſt verwandelt worden

Sein Pegaſus zum Steckenpferd.
Und nun, da 's Zeit, daß man ſie wieder zücke,

Die Flammberg' allzumal,

Nun ſchickt Ihr uns den Alten mit der Krücke,

Alt — nicht blos durch der Jahre Zahl.
Wohl möcht' er ſtehn, wie wir noch, und nicht wanken

Im heiſſen Pulverdampf,

Doch rufen andre Fahnen und Gedanken

Und andre Götter uns zum Kampf
Die Kugel blieb dieſelbe allerwegen

Vom alten guten Blei,

Doch trägt man ihr ein ander Haubt entgegen,

Sie reißt ein ſtolzer Herz entzwei.
[25]
Vor Einem Altar, dem der Freiheit, reichen

Sich Völker nun die Hand,

Und weiter, als die Lorbern und die Eichen,

Dehnt ſich des Deutſchen Vaterland.
Die Sterne blaſſen, wenn die Sonnen funkeln,

Und Sonne iſt er nicht;

Er iſt ein ſchöner Stern, laßt ihn im Dunkeln!

Was reißt Ihr ihn an's Morgenlicht?
Er iſt ein Abendrot und mag noch feuchten

Manch Auge, kummerſchwer,

All[e]in verzeiht, ihr hohen Herrn, erleuchten

[...]nn er die junge Welt nicht mehr.
Es zieht durch ſie ein friſcher ſchaffend Wehen

In ungehemmtem Lauf,

Und mit des Frühlings neuen Blumen gehen

Auch neue große Herzen auf!
[[26]]

Gebet.

Brauſe, Gott, mit Sturmesodem durch die fürchterliche Stille,

Gib ein Trauerſpiel der Freiheit für der Sklaverei Idylle;

Laß das Herz doch wieder ſchlagen in der Bruſt der kalten Welt,

Und erweck' ihr einen Rächer, und erweck' ihr einen Held!
Wenn ſie in der eignen Heimat frei zu leben uns nicht gönnen,

Schaff' uns eine grüne Inſel, wo wir frei noch ſterben können,

Sterben können froh und freudig in der friſchen freien Luft

Und uns ſelbſt die Roſen träufeln aus den Wunden auf die Gruft!
[27]
Aus dem Nachtmalkelch der Freiheit laß uns wieder einmal ſchlürfen,

Baue wieder einen Altar, drauf wir uns dir opfern dürfen,

Breite vor uns einen Wahlplatz, einen Platz der Völkerwahl,

Aus dem Kerker, aus der Scheide ſehnt ſich wieder unſer Stahl!
Ach! um jenes Sturms Verheiſſung hat der Frieden uns betrogen,

Und das goldne Schiff der Hoffnung, das als Wiege in die Wogen

Unter Klang und Sang geſteuert und ſo reiche Schätze barg,

Ruht geſcheitert, ſchwarzbewimpelt in dem Hafen jetzt, ein Sarg.
Will mein Volk nun ewig klagend dieſes morſche Wrack umſtehen?

Soll in thatenloſen Seufzern ſeine beſte Kraft verwehen?

Donnert nie durch ſeinen Himmel der Entſcheidung ſcharfer Ton?

Wahrlich ein Deſpote zaudert nicht ſo lang am Rubikon!
Glaubet ihr, der Frieden werd' euch für des Hauſes Freude bürgen?

Nur vernichten kann der Krieg uns, ſolch ein Frieden wird uns würgen!

In dem wilden Kampfgewühle mag es wohl ihr werden heiß,

Aber ſtraucheln muß die Freiheit auf des Ruſſen ſtarrem Eis!
[28]
So ihr nicht begießt die Pflanze, wird ſie allgemach verkümmern,

So ihr nicht gebraucht den Degen, wird ihn ſchnell der Roſt zertrümmern;

Eine Ader ſich zu öffnen für die Freiheit, wäre gut,

Sonſten zweifeln die Tyrannen an der Völker reinem Blut.
Aber wollen mich die Männer nicht verſtehn, die ſchwerverirrten,

O ſo höret Ihr mich, Frauen! Traget Ihr ein Schwert in Myrten!

Traget Ihr ein Schwert in Myrten; denn mich dünket, Frau und Frei,

Nicht ſo fremd einander klingen dieſe Worte, dieſe Zwei!
[[29]]

Der letzte Krieg.

Wer ſeine Hände falten kann,

Bet' um ein gutes Schwert,

Um einen Helden, einen Mann,

Den Gottes Zorn bewehrt!

Ein Kampf muß uns noch werden,

Und drin der ſchönſte Sieg,

Der letzte Kampf auf Erden,

Der letzte heilige Krieg!
[30]
Herbei, herbei, ihr Völker all,

Um euer Schlachtpanier!

Die Freiheit iſt jetzt Feldmarſchall,

Und Vorwärts heiſſen wir.

Der Zeiger weiſt die Stunde,

O flieg', mein Polen, flieg',

Mit jedem Stern im Bunde,

Voran zum heiligen Krieg!
Ja! vorwärts, bis der Morgen blinkt,

Ja! vorwärts, friſch und froh!

Vorwärts, bis hinter uns verſinkt

Die Brut des Pharao!

Er wird auch für uns ſprechen,

Der Herr, der für uns ſchwieg,

Und unſre Ketten brechen

Im letzten heiligen Krieg.
[31]
O walle hin, du Opferbrand,

Hin über Land und Meer,

Und ſchling' ein einig Feuerband

Um alle Völker her;

So wird er uns beſchieden,

Der große, große Sieg,

Der ewige Völker-Frieden, —

Friſch auf, zum heiligen Krieg!
[[32]]

Der ſterbende Trompeter.

Der Teufel, daß ich daniederſank!

Wie werden die polniſchen Lanzen,

Wie werden die Schwerter bei anderem Klang

Den Schlachtenreigen nun tanzen!
Wohl ſtand ich ſo oft, wohl ſtand ich ſo oft,

Umbraust von grimmigen Wettern,

Und habe gehofft, und habe gehofft,

In befreiete Lüfte zu ſchmettern;
Ich habe gehofft, wenn der blutige Tod

Auf ſauſenden Kugeln geflogen,

Gehofft, wenn er donnernd um mich gedroht,

Gehofft, und hab' mich betrogen.
[33]
Daß die Seele leichter von hinnen zieht,

Kameraden, ſeid jetzo beſchworen!

Nehmt meine Trompete und blast mir das Lied:

„Noch iſt Polen nicht verloren!“
Und blast mir das Lied, ſonſt Nichts, ſonſt Nichts,

Und laßt es mich ſterbend noch hauchen!

Dann gebt ſie mir wieder; am Tag des Gerichts

Werd' ich die Trompete brauchen.
Denn wenn Gott den Toten auf Erden ruft,

Wenn er will aus den Gräbern ſie ſchrecken,

Da muß er zuerſt aus ihrer Gruft

Doch die Trompeter erwecken.
Das wird ein Tag der Freude, juchhei!

Wie ſpreng' ich den drückenden Raſen,

Um allen Völkern der Erde herbei

Dann gegen die Ruſſen zu blaſen!
3
[[34]]

Reiterlied.

Die bange Nacht iſt nun herum,

Wir reiten ſtill, wir reiten ſtumm,

Und reiten in's Verderben.

Wie weht ſo ſcharf der Morgenwind!

Frau Wirthin, noch ein Glas geſchwind

Vorm Sterben, vorm Sterben.
Du junges Gras, was ſtehſt ſo grün?

Mußt bald wie lauter Röslein blüh'n,

Mein Blut ja ſoll Dich färben.

Den erſten Schluck, an's Schwert die Hand,

Den trink' ich, für das Vaterland

Zu ſterben, zu ſterben.
[35]
Und ſchnell den zweiten hinterdrein,

Und der ſoll für die Freiheit ſein,

Der zweite Schluck vom Herben!

Diß Reſtchen — nun, wem bring' ich's gleich?

Diß Reſtchen Dir, o römiſch Reich,

Zum Sterben, zum Sterben!
Dem Liebchen — doch das Glas iſt leer,

Die Kugel ſaust, es blitzt der Speer;

Bringt meinem Kind die Scherben!

Auf! in den Feind wie Wetterſchlag!

O Reiterluſt, am frühen Tag

Zu ſterben, zu ſterben!
[[36]]

Rheinweinlied.

(Okt. 1840.)


Wo ſolch ein Feuer noch gedeiht

Und ſolch ein Wein noch Flammen ſpeit,

Da laſſen wir in Ewigkeit

Uns nimmermehr vertreiben.

Stoßt an! Stoßt an! der Rhein,

Und wär's nur um den Wein,

Der Rhein ſoll deutſch verbleiben.
Herab die Büchſen von der Wand,

Die alten Schläger in die Hand,

Sobald der Feind dem welſchen Land

Den Rhein will einverleiben!

Haut, Brüder, mutig drein!

Der alte Vater Rhein,

Der Rhein ſoll deutſch verbleiben.
[37]
Das Recht und Link, das Link und Recht,

Wie klingt es falſch, wie klingt es ſchlecht!

Kein Tropfen ſoll, ein feiger Knecht,

Des Franzmanns Mühlen treiben.

Stoßt an! Stoßt an! der Rhein,

Und wär's nur um den Wein,

Der Rhein ſoll deutſch verbleiben.
Der iſt ſein Rebenblut nicht wert,

Das deutſche Weib, den deutſchen Herd,

Der nicht auch freudig ſchwingt ſein Schwert,

Die Feinde aufzureiben.

Friſch in die Schlacht hinein!

Hinein für unſern Rhein!

Der Rhein ſoll deutſch verbleiben.
O edler Saft, o lauter Gold,

Du biſt kein ekler Sklavenſold!

Und wenn ihr Franken kommen wollt,

So laßt euch vorher ſchreiben.

Hurrah! Hurrah! Der Rhein,

Und wär's nur um den Wein,

Der Rhein ſoll deutſch verbleiben.
[[38]]

Das freie Wort.

Sie ſollen Alle ſingen

Nach ihres Herzens Luſt;

Doch mir ſoll fürder klingen

Ein Lied nur aus der Bruſt:

Ein Lied, um Dich zu preiſen,

Du Nibelungenhort,

Du Brot und Stein der Weiſen,

Du freies Wort!
[39]
Habt Ihr es nicht geleſen:

Das Wort war vor dem Rhein?

Im Anfang iſt's geweſen,

Und ſoll drum ewig ſein.

Und eh' Ihr Einen Schläger

Erhebt zum Völkermord,

Sucht unſern Pannerträger,

Das freie Wort!
Ihr habet zugeſchworen

So treu dem Vaterland,

Doch ſeid Ihr All' verloren

Und haltet nimmer Stand,

So lang in Weſt und Oſten,

So lang in Süd und Nord

Das beſte Schwert muß roſten,

Das freie Wort!
[40]
Ach! es will finſter werden,

Wohl finſter überall,

Doch iſt die Nacht auf Erden

Ja für die Nachtigall.

Heraus denn aus der Wolke,

Die, Sänger, Euch umflort;

Erſt predigt Eurem Volke

Das freie Wort!
Laßt Eure Adler fliegen,

Ihr Fürſten, in die Welt,

Und ſie nicht müſſig liegen

Auf Eurem Wappenfeld!

O jagt einmal die Raben

Aus unſern Landen fort,

Und ſprecht: Ihr ſollt es haben,

Das freie Wort!
[[41]]

Der beſte Berg.

Es iſt ein Berg auf Erden,

Der Gutenberg genannt,

Der ſoll beſungen werden

Wohl auf und ab im Land.
Er heget keine Veſte,

Er pfleget keinen Wein,

Und wird doch ſtets der beſte

Von allen Bergen ſein.
Es iſt ein Berg auf Erden,

Der ſteht zu Mainz am Rhein,

Mit trutzigen Geberden

Schaut er in's Land hinein.
[42]
Da ſchaut er, was wir treiben

Vom Rheine bis an's Meer,

Da lieſt er, was wir ſchreiben

Im weiten Land umher. —
Zu lang war dem Kyffhäuſer

Des Rothbarts Todesnacht,

Da iſt für ſeinen Kaiſer

Der gute Berg erwacht.
Zu Schanden heißt er werden

Der Raben ſchwarzes Werk,

Der beſte Berg auf Erden,

Das iſt der Gutenberg.
[[43]]

Drei Gutenbergslieder.

(Juni 1840.)


I.

Die Sonne, der wir lang geharrt,

Iſt endlich aufgegangen;

Wir ſchauen ihre Himmelfahrt

Voll Sehnen und Verlangen.

Wo iſt ein Herz, das ruhig ſchlägt,

Wenn ſolch ein Tag die Schwingen regt?

Ihr Völker wachet auf!
Die Ketten brach der Lenz entzwei

Mit ſeinen Roſendüften,

Und unſre Seelen rauſchen frei,

Wie Adler, in den Lüften.

Die Toten drückt der Tod heut' nicht;

Horcht! unſer Meiſter lebt und ſpricht:

Ihr Völker, wachet auf!
[44]
Ihr Völker, wachet auf und ſeht

Den Himmel ſelbſt in Flammen!

Ihr Völker, wachet auf und ſteht

Ein einig Heer zuſammen!

Voran, voran, im Sturm voran!

Der Gutenberg trägt uns die Fahn'.

Ihr Völker, wachet auf!
Verheiſſend ſchaut ſein ſelig Haubt

Aus Wolken zu der Erden;

Ob man die Blüten uns geraubt,

Die Frucht ſoll uns doch werden;

Was ſolch ein guter Geiſt erſann,

Das thut kein Teufel in den Bann.

Ihr Völker, wachet auf!
[[45]]

II.

Seht ihr den Geiſt der Freiheit ſchreiten

Auf Blumenſohlen durch das Land?

Zum ſtillen Segen liebend breiten

Die ſchwertgewohnte Götterhand?
Auf hohem Berg, im tiefſten Thale,

So freudig rauſcht's, ſo wunderſam;

Die Freiheit weint zum vierten Male,

Zum vierten Male nicht aus Gram.
Denn Völker knieen am Altare,

Den ihrem Sohn man auferbaut,

Das Opfer ſind vierhundert Jahre,

Die Ewigkeit iſt ſeine Braut.
[46]
Vierhundert Jahre ſind erſchlagen,

Vierhundert Feinde liegen tot,

Bald wird er frei die Waffen tragen,

Die ihm die freie Mutter bot.
Bald wird er ſchleudern frei die Blitze

In des Verbrechens düſtres Haus,

Und dann auf ihrem Lotterſitze

Des Volkes Feinde ſpähen aus.
[47]

III.

Aus Hütten einzig kommt das Heil der Welt,

Im härnen Mantel predigt der Prophete —

So ward auch Blei, und nicht das Gold, beſtellt,

Daß tauſendzüngig jede Wahrheit rede.

Ein böſer Geiſt der Tiefe hauſt im Gold,

Es iſt ein Knecht und gibt ſich gern in Sold;

Wie Porzia, faßt das Beſte man in Blei,

Und reimt man drauf, ſo reimt man immer: Frei!

Das ſchwere Blei wird in des Meiſters Hand

Der Elfengeiſter luftiges Gewand;

Er läßt es nicht als Todeskugel fliegen,

Er führet es als Wort von Sieg zu Siegen,

Und wo die beſte Waffe fehlt von Erz,

Da trifft ein Wort des rechten Mannes Herz;

Es zittert nicht vor des Tyrannen Miene —

Was will die Flocke gegen die Lawine?

Kein Cenſor fällt der Wahrheit in die Zügel,

Er hat nur Federn, doch die Wahrheit Flügel.
[[48]]

Die Jungen und die Alten.

„Du biſt jung, Du ſollſt nicht ſprechen!

Du biſt jung, wir ſind die Alten!

Laß die Wogen erſt ſich brechen

Und die Gluten erſt erkalten!
Du biſt jung, Dein Thun iſt eitel!

Du biſt jung und unerfahren!

Du biſt jung, kränz' Deinen Scheitel

Erſt mit unſern weiſſen Haaren!
Lern', mein Lieber, erſt entſagen,

Laß die Flammen erſt verrauchen,

Laß Dich erſt in Ketten ſchlagen,

Dann vielleicht kann man Dich brauchen!“
[49]
Kluge Herren! Die Gefangnen

Möchten ihres Gleichen ſchauen;

Doch, ihr Hüter des Vergangnen,

Wer ſoll denn die Zukunft bauen?
Sprecht, was ſind euch denn verblieben,

Außer uns, für wackre Stützen?

Wer ſoll eure Töchter lieben?

Wer ſoll eure Häuſer ſchützen?
Schmäht mir nicht die blonden Locken,

Nicht die ſtürmiſche Geberde!

Schön ſind eure Silberflocken,

Doch dem Gold gehört die Erde.
Schmähet, ſchmäht mir nicht die Jugend,

Wie ſie auch ſich laut verkündigt!

O wie oft hat eure Tugend

An der Menſchheit ſtill geſündigt!
4
[[50]]

Proteſt.

So lang ich noch ein Proteſtant,

Will ich auch proteſtiren,

Und jeder deutſche Muſikant

Soll's weiter muſiziren!

Singt alle Welt: Der freie Rhein!

So ſing' doch ich: Ihr Herren, nein!

Der Rhein, der Rhein könnt' freier ſein —

So will ich proteſtiren.
[51]
Kaum war die Taufe abgethan,

Ich kroch noch auf den Vieren,

Da fing ich ſchon voll Glaubens an,

Mit Macht zu proteſtiren,

Und proteſtire fort und fort,

O Wort, o Wind, o Wind, o Wort,

O ſelig ſind, die hier und dort,

Die ewig proteſtiren.
Nur Eins iſt Not, dran halt' ich feſt

Und will es nit verlieren,

Das iſt mein chriſtlicher Proteſt,

Mein chriſtlich Proteſtiren.

Was geht mich all das Waſſer an

Vom Rheine bis zum Ocean?

Sind keine freien Männer dran,

So will ich proteſtiren.
[52]
Von nun an bis in Ewigkeit

Soll euch der Name zieren:

So lang ihr Proteſtanten ſeid,

Müßt ihr auch proteſtiren.

Und ſingt die Welt: Der freie Rhein!

So ſinget: Ach! ihr Herren, nein!

Der Rhein, der Rhein könnt' freier ſein,

Wir müſſen proteſtiren.
[[53]]

Aufruf.

Reißt die Kreuze aus der Erden!

Alle ſollen Schwerter werden,

Gott im Himmel wird's verzeih'n.

Laßt, o laßt das Verſeſchweißen!

Auf den Ambos legt das Eiſen!

Heiland ſoll das Eiſen ſein.
Eure Tannen, eure Eichen —

Habt die grünen Fragezeichen

Deutſcher Freiheit ihr gewahrt?

Nein, ſie ſoll nicht untergehen!

Doch ihr fröhlich Auferſtehen

Koſtet eine Höllenfahrt.
[54]
Deutſche, glaubet euren Sehern,

Unſre Tage werden ehern,

Unſre Zukunft klirrt in Erz;

Schwarzer Tod iſt unſer Sold nur,

Unſer Gold ein Abendgold nur,

Unſer Rot ein blutend Herz!
Reißt die Kreuze aus der Erden!

Alle ſollen Schwerter werden,

Gott im Himmel wird's verzeihn.

Hört er unſre Feuer brauſen

Und ſein heilig Eiſen ſauſen,

Spricht er wohl den Segen drein.
Vor der Freiheit ſei kein Frieden,

Sei dem Mann kein Weib beſchieden

Und kein golden Korn dem Feld;

Vor der Freiheit, vor dem Siege

Seh' kein Säugling aus der Wiege

Frohen Blickes in die Welt!
[55]
In den Städten ſei nur Trauern,

Bis die Freiheit von den Mauern

Schwingt die Fahnen in das Land;

Bis du, Rhein, durch freie Bogen

Donnerſt, laß die letzten Wogen

Fluchend knirſchen in den Sand.
Reißt die Kreuze aus der Erden!

Alle ſollen Schwerter werden,

Gott im Himmel wird's verzeih'n.

Gen Tyrannen und Philiſter!

Auch das Schwert hat ſeine Prieſter,

Und wir wollen Prieſter ſein!
[[56]]

Neujahr.

(1841.)


Herr, o Herr, ſoll größer noch

Deine Kette werden?

Reicht ſie von dem Himmel doch

Längſt herab zur Erden!

Wieder, weil ein Jahr verging,

Sprudelt man Sonette,

Singt von einem neuen Ring

An der alten Kette.
[57]
Kette, o du klirrend Bild,

Schreckwort aller Zungen,

Welch ein Gott hat grauſam wild

Dich ums All geſchlungen?

Daß er ſeine Sterne wohl

Vor dem Falle rette,

Muß der Ewigkeit Symbol

Bleiben eine Kette?
Kann der Jahre Trauerſchar,

Herr, Dir nicht genügen?

Wirſt Du immer, immerdar

Ring zum Ringe fügen?

Endigt nie der Menſchheit Qual?

Hebt ſie nie ihr Bette?

Wächſt ſie nie, der Freien Zahl?

Wächſt nur Deine Kette?
[58]
Fragend ſchaut' ich manche Nacht

Auf zu Deinen Hallen;

Endlich, hab' ich oft gedacht,

Muß die Kette fallen.

Ach! mein Hoffen trieb im Sturm

Auf dem letzten Brette,

Und ward, ein getretner Wurm,

Auch ein Ring der Kette.
Herr, o ſpare Deinen Grimm

Fürder den Tyrannen,

Einmal mit dem Jahre nimm

Einen Ring von dannen!

Gib uns, was wir heiß geſucht,

Trüg's auch Dorn und Klette,

Mindre nur die ſchwere Wucht

Deiner goldnen Kette!
[59]
Nimm, die ſie ſo lang umfing,

Nimm ſie von der Erden;

Laß der Kette letzten Ring

Freiheitsbrautring werden!

Höre unſer banges Schrein:

Herr, o Herr errette,

Und den Teufel laß allein

Ewig an der Kette!
Ja! Du wirſt. Schon ſeh' ich, traun!

Neue Sterne ziehen,

Neue Tempel ſeh' ich bau'n,

Neue Völker knien;

Donnerklang und Harfenton

Rufen in die Mette —

Still! die Engel opfern ſchon

Einen Ring der Kette.
[[60]]

Frühlingslied.

(1841.)


Noch ein Lied dem deutſchen Bürger,

Noch ein ächtes Maienlied!

Frühling ſei es keinem Würger,

Der ſein Volk zum Staube zieht;

Frühling Jedem bis zum Tod,

Frühling nie für den Deſpot!

Selbſt der Himmel, warm und rein,

Der des Freien Bruſt erweitert,

Eine Klippe, dran er ſcheitert,

Mög' er jedem Wütrich ſein.
[61]
Alle Blumen ſollen flüſtern:

„Seht ihr, ſeht ihr den Tyrann?

„Bleib' in Deinem Reich, dem düſtern,

„In der Hölle, finſtrer Mann!

„Willſt Du noch des Weihrauchs mehr?

„Unſer Kelch iſt für Dich leer.

„Fort, Du taugſt nicht an das Licht!

„Weiche ferne, Du Verräther,

„Du verſtehſt den freien Aether

„Und die Frühlingsfreiheit nicht!“
Jede Biene dünk' Tarantel,

Jeder Roſe Purpurkleid

Ihm ein Carbonarimantel,

Drin ein Dolch für ihn bereit!

Jeglich Säuſeln, das er hört,

Ihm ſein Volk, das ſich empört;

Keine Freude und kein Scherz,

Keine Wonne ſoll ihm blühen,

Und von keiner Sonne glühen

Je ihm ſein ſibiriſch Herz!
[62]
Nächtlich mit Entſetzen dreh' er

Sich im ſternenloſen Nichts,

Und von allen Engeln ſeh' er

Nur den Engel des Gerichts;

Jeder Schlag der Nachtigall

Kling' ihm wie Poſaunenſchall,

Der ihn vor den Ew'gen ruft;

Und der Lerche jubelnd Schmettern,

Wie der Blitz von tauſend Wettern

Treff' es ihn aus blauer Luft.
Jeder Blütenbaum am Wege

Streu' auf's Haubt ihm Silberſchnee,

Einen eiſ'gen Panzer lege

Um ſein Schiff ihm jeder See;

Wo er immer landen mag,

Flieh' erſchreckt der goldne Tag;

In der öden kahlen Flur

Soll ſich ſeine Seele ſpiegeln,

Ihm ein Buch mit tauſend Siegeln

Sei im Lenze die Natur.
[63]
Ja, o Lenz, ſei für die Dichter,

Für die Völker Lenz allein!

Für Tyrannen ſollſt Du Richter,

Für Tyrannen Rächer ſein.

Schreib' auf jedes grüne Blatt:

Ich bin eurer herzlich ſatt,

Eurer ſchnöden Tyrannei!

Frei ſind meiner Blumen Düfte,

Meine Wolken, meine Lüfte,

Auch die Menſchen ſeien frei!
[[64]]

Der Freiheit eine Gaſſe!

Vorm Feinde ſtand in Reih' und Glied

Das Volk um ſeine Fahnen,

Da rief Herr Struthahn Winkelried:

„Ich will den Weg Euch bahnen!

„Dir, Gott, befehl' ich Weib und Kind,

Die ich auf Erden laſſe — “

Und alſo ſprengt' er pfeilgeſchwind

Der Freiheit eine Gaſſe.
[65]
Das war ein Ritter noch mit Fug,

Der wie ein heiß Gewitter

Die Knechte vor ſich niederſchlug —

O wär' ich ſolch ein Ritter,

Auf ſtolzem Roß von ſchnellem Huf,

In ſchimmerndem Küraſſe,

Zu ſterben mit dem Donnerruf:

Der Freiheit eine Gaſſe!
Doch zittert nicht! ich bin allein,

Allein mit meinem Grimme;

Wie könnt' ich Euch gefährlich ſein

Mit meiner ſchwachen Stimme?

Dem Herrſcher bildet ſein Spalier,

Wie ſonſt, des Volkes Maſſe,

Und Niemand, Niemand ruft mit mir:

Der Freiheit eine Gaſſe!
5[66]
Ihr Deutſchen ebnet Berg und Thal

Für Eure Feuerwagen,

Man ſieht auf Straſſen ohne Zahl

Euch durch die Länder jagen;

Auch dieſer Dampf iſt Opferdampf —

Glaubt nicht, daß ich ihn haſſe —

Doch bahnet erſt in Streit und Kampf

Der Freiheit eine Gaſſe!
Wenn alle Welt den Mut verlor,

Die Fehde zu beginnen,

Tritt Du, mein Volk, den Völkern vor,

Laß Du Dein Herzblut rinnen!

Gib uns den Mann, der das Panier

Der neuen Zeit erfaſſe,

Und durch Europa brechen wir

Der Freiheit eine Gaſſe!
[[67]]

Vive le Roi!

(Frei nach Hégésippe Moreau.)


Vive le roi! .... Wie haben Trugprofeten

Mit dieſem Lügenwunſch ihn doch berauſcht!

Wie gierig haben ſtets bei ſeinen Fèten

Furcht, Intereſſe, Eitelkeit gelauſcht!

Ich mag den Herren ihre Kreuze gönnen,

Wenn ich ſie ſo zu Hofe traben ſeh',

Und ſteh' bei Seit', um rufen noch zu können:

Vive la liberté!
[68]
Vive le roi! .... So hatten Höflingsweiſe

Dem Hochmut eines Erdengotts gefröhnt;

Wie ward ihr lauter Jubel doch ſo leiſe,

Als drauf der Leoniden Ruf ertönt!

O heil'ger Ruf, der noch in unſern Tagen

So prächtig klingt, wie bei Thermopilä;

Auch unſre Fahne ſoll als Wahlſpruch tragen:

Vive la liberté!
Vive le roi! .... Wie oft mußt' das erſchallen

Von unſern Burgen, wenn am eignen Herd

In ihres Fürſten Namen die Vaſallen

Erwürgte unſrer gnäd'gen Herren Schwert!

Noch heben nächtlich ſie bei Mondenſchimmer

Die blut'gen Klingen fluchend in die Höh',

Doch lächelnd ſchreibt der Wandrer auf die Trümmer:

Vive la liberté!
[69]
Vive le roi! ... Ha! ſo erſtickt der Sklave

Der Rache Ruf im eitelen Refrain;

Daß ja das ew'ge Kind recht ruhig ſchlafe,

Seht ihr, ſo wiegt man einen Fürſten ein!

Doch bricht das Wetter aus, ſo lang beſchworen,

Iſt er verlaſſen, ohne Schmeichler — Weh!

Dann donnert ihm vernichtend in die Ohren:

Vive la liberté!
[[70]]

Vive la République.

(Beim Alpenglühen gedichtet.)


Berg an Berg und Brand an Brand

Lodern hier zuſammen;

Welch ein Glühen! — ha! ſo ſtand

Ilion einſt in Flammen.

Ein verſinkend Königshaus

Raucht vor meinem Blicke,

Und ich ruf' ins Land hinaus:

Vive la république!
[71]
Heil'ge Gluten, reiner Schnee,

Golden Freiheitkiſſen,

Abendglanzumſtralter See,

Schluchten, wild zerriſſen —

Daß im Schweizerlandrevier

Sich kein Nacken bücke!

Kaiſer iſt der Bürger hier;

Vive la république!
Eine Phalanx ſtehet feſt,

Feſt und ohne Wanken,

Und an Euren Alpen meßt

Euere Gedanken!

Eurer Berge Kette nur

Ward Euch vom Geſchicke;

Auf die Kette ſchrieb Natur:

Vive la république!
[72]
Blumen um die Schläfe her

Steigen Eure Höhen,

Friſch, wie Venus aus dem Meer,

Auf aus Euren Seeen;

Daß aus Deinem Jungfernkranz

Man kein Röſchen knicke,

Schweizerin, hüt' ihn wohl beim Tanz!

Vive la république!
Auf die Felſen wollte Gott

Seine Kirche bauen;

Vor den Felſen ſoll dem Spott

Seiner Feinde grauen!

Zwiſchen hier und zwiſchen dort

Gibt's nur Eine Brücke:

Freiheit, o du Felſenwort!

Vive la république!
[[73]]

DemdeutſchenVolk.

Deutſchland, o zerriſſen Herz,

Das zu Ende bald geſchlagen,

Nur um Dich noch will ich klagen

Und in einer Bruſt von Erz

Schweigend meinen kleinen Schmerz,

Meinen kleinen Jammer tragen,

Vaterland, um Dich nur klagen.
[74]
Luſtig grünt Dein Nadelholz,

Luſtig rauſchen Deine Eichen;

In den ſechs und dreißig Reichen

Fehlt ein einzig Körnchen Golds:

Freier Bürger hoher Stolz

Fehlt im Lande ſonder Gleichen,

In den ſechs und dreißig Reichen.
Wenn ein Sänger für Dich focht,

Wenn ein Mann ein Schwert geſchwungen,

Haſt Du ſcheu nur mitgeſungen,

Haſt Du ſchüchtern mitgepocht;

Und man hat Dich unterjocht,

Hat Dich in den Staub gezwungen,

Weil Du gar ſo ſtill geſungen.
Ihr beweinet's und bereut's —

Und das nennt ihr deutſche Treue?

Laßt die Thränen, laßt die Reue,

Soll nicht einſt der Enkel Teut's

Sterben an der Zwietracht Kreuz,

Kämpf' und handle, Volk, auf's Neue,

Denn der Teufel iſt die Reue!
[75]
Tritt in Deiner Fürſten Reihn!

Sprich: die ſechs und dreißig Lappen

Sollen wieder beſſer klappen

Und Ein Heldenpurpur ſein;

Ein Reich, wie Ein Sonnenſchein!

Ein Herz, Ein Volk und Ein Wappen!

Helf' uns Gott — ſo ſoll es klappen.
[[76]]

Das Lied vom Haſſe.

Wohlauf, wohlauf, über Berg und Fluß

Dem Morgenrot entgegen!

Dem treuen Weib den letzten Kuß,

Und dann zum treuen Degen!

Bis unſre Hand in Aſche ſtiebt,

Soll ſie vom Schwert nicht laſſen;

Wir haben lang genug geliebt,

Und wollen endlich haſſen!
[77]
Die Liebe kann uns helfen nicht,

Die Liebe nicht erretten;

Halt Du, o Haß, Dein jüngſt Gericht,

Brich Du, o Haß, die Ketten!

Und wo es noch Tyrannen gibt,

Die laßt uns keck erfaſſen;

Wir haben lang genug geliebt,

Und wollen endlich haſſen!
Wer noch ein Herz beſitzt, dem ſoll's

Im Haſſe nur ſich rühren;

Allüberall iſt dürres Holz,

Um unſre Glut zu ſchüren.

Die ihr der Freiheit noch verbliebt,

Singt durch die deutſchen Straſſen:

„Ihr habet lang genug geliebt,

O lernet endlich haſſen!“
[78]
Bekämpfet ſie ohn' Unterlaß,

Die Tyrannei, auf Erden,

Und heiliger wird unſer Haß,

Als unſre Liebe, werden.

Bis unſre Hand in Aſche ſtiebt,

Soll ſie vom Schwert nicht laſſen;

Wir haben lang genug geliebt,

Und wollen endlich haſſen!
[[79]]

Geſang der Jungen bei der Amneſtirung der Alten.

Wie Wogendonner vom fernen Meer,

Wie Wetter und Sturm im Lenze,

So brauſet der Tag, der junge, daher,

Und die alten Kerker, ſie werden leer —

Kredenze, mein Liebchen, kredenze! —

Doch weiß ich noch manch einen wackeren Mann,

Der drein mit Ehren kommen kann.

Gott ſchütze Dich, Liebchen!
[80]
Ihr habt die Erlöſung ſo nahe gedacht,

Ihr Brüder, ihr luſtigen Zecher;

Ihr glaubtet zu fallen in blutiger Schlacht;

In den Kerkern wird uns Quartier gemacht —

Den Becher, mein Liebchen, den Becher! —

Die Alten heraus und die Jungen hinein!

Wie ſollte der Weltlauf anders ſein?

Gott ſchütze Dich, Liebchen!
Es gehet auf Erden wieder um

Der Teufel mit wildem Gebrülle;

Die deutſche Lippe bleibet nicht ſtumm,

Der Deutſche ſchützet ſein Heiligthum —

O fülle, mein Liebchen, o fülle! —

Der Himmel will's und das Herz gebeut's:

Wir ſprechen wie Männer und tragen das Kreuz.

Gott ſchütze Dich, Liebchen!
[81]
Vom hohen Thurme ſchauet ein Aar —

Denk' mein, Feinliebchen, o denke! —

Dort ruhet mein Arm, dort bleichet mein Haar;

Doch über drei Tage und über ein Jahr —

Schenk' ein, mein Liebchen, o ſchenke —

Da läuten die Völker zum heiligen Sturm,

Wir leeren die Gläſer, und ſteigen vom Thurm!

Gott grüße Dich, Liebchen!
6
[[82]]

An die deutſchen Dichter.

Seid ſtolz! es klingt kein Gold der Welt,

Wie Eurer Saiten Gold;

Es iſt kein Fürſt ſo hoch geſtellt,

Daß Ihr ihm dienen ſollt!

Trotz Erz und Marmor ſtürb' er doch,

Wenn Ihr ihn ſterben ließet;

Der ſchönſte Purpur iſt annoch

Das Blut, das Ihr als Lied vergießet!
[83]
Der Ruhm der Herrſcher wird verweht —

Lobpreiſ' ihn, wer da will!

Man jagt und ſpornt ihn, doch er ſteht

Mit ihrem Herzen ſtill.

O laßt ſie donnern fort und fort!

An ihrem Grab verhallt es.

Ihr Dichter, ſprecht Ein grollend Wort,

Und zu dem ew'gen Gotte ſchallt es!
Es hat dem Vogel in dem Neſt

Der Himmel nie gewankt;

Den Mächtigen dünkt er nur feſt,

So lang' der Thron nicht ſchwankt!

Palaſt und Purpur hin und her,

Ob Glanz ſie überſchütte —

Seid ſtolz, ſeid ſtolz, Ihr ſeid ja mehr;

Seid Ihr nicht Könige der Hütte?
[84]
Blitzt ewig nicht der Thau im Feld,

Gleich wie der Diamant?

Iſt nicht ob dieſer ganzen Welt

Ein Baldachin geſpannt?

Wiegt nicht die Rebe, die hinauf

An einem Strohdach gleitet,

Den unfruchtbaren Epheu auf,

Der ſich um Zwingherrnburgen breitet?
Hoch, Sänger, ſchlage Euer Herz,

Wie Lerchen in der Luft!

Es ruht ſich beſſer allerwärts,

Als in der Fürſtengruft.

Ein Liebchen, das die Treue bricht,

Iſt überall zu finden;

Verſchmähet mir die Ringe nicht,

Doch laßt Euch nie an Ketten binden!
[85]
Dem Volke nur ſeid zugethan,

Jauchzt ihm voran zur Schlacht,

Und liegt's verwundet auf dem Plan,

So pfleget ſein und wacht!

Und ſo man ihm den letzten Reſt

Der Freiheit will verkümmern,

So haltet nur am Schwerte feſt,

Und laßt die Harfen uns zertrümmern!
[[86]]

Anaſtaſius Grün.

(Wien, 13. Februar 1840. Anaſtaſius Grün befindet ſich ſeit einigen
Tagen hier, um ſich um den Kammerherrnſchlüſſel zu bewerben,
da ſeine Frau, geborne Gräfin Attems, Sternkreuzordensdame
wurde und doch nicht allein zu Hofe gehen kann. Der Graf ſoll
dem Poeten völlig entſagt haben. Leipz. Allg. Z.)


Ein heiß Gebet, befremdend wohl und neu,

Sei, Todesengel, heut' an Dich gerichtet:

Tritt in die Hütte, an die harte Streu,

In den Palaſt, und horch, wo Einer dichtet!

So lang er ſich und ſeinem Schmerze treu,

Bei ſeinem ſchönſten Lied werd' er vernichtet!

Für tauſend Tote will ich Thränen haben;

Doch Lebende lernt' ich noch nicht begraben!
[87]
Ein Fähndrich warf das Banner hin und floh,

Und hat ſein Heer, halb ſiegreich ſchon, verlaſſen.

Ich aber frage angſterfüllet: Wo,

Wo darf ich ferner lieben oder haſſen?

Ein Lied, begeiſtert, traurig oder froh —

Am Ende wird's ein Spottlied auf den Gaſſen!

Das wie ein Held gepanzert vorwärts drang,

Dein Lied, auch Deines, wär' der Lüge Klang?
O, ſage: Nein! O, ſage jenen Flachen,

Daß ewig Deiner Seele ſie nicht wert!

Die Freiheit träumte jüngſt noch vom Erwachen,

Als Du ein „neues Oſtern“ uns beſcheert —

Behalt' das Ruder! ſteure fort den Nachen,

Blitz' durch die Finſterniß mit Deinem Schwert!

Du wollteſt in dem Rath der Spötter ſtehen?

Ich will Dich lieber auf dem Munkatſch ſehen!
[88]
Was gibt es wohl, das unverdorben bliebe,

Wo jene ſchwere Luft des Dünkels weht?

Zum Haſſe wird im Herzen dort die Liebe,

Vergiftet auf der Lippe das Gebet!

Kein Stern ſo ſchön, daß er nicht bald zerſtiebe,

Wenn er am Ordensſternenhimmel geht!

Und Alles um ein Weib? Soll ich es glauben?

Ein Weib darf Dich Dir ſelbſt — doch uns nicht rauben!
Darf man den Tempel um ein Weib entweih'n?

Mit einem Weib um goldne Götzen tanzen?

Du willſt nicht mehr ſo frei ſein, frei zu ſein?

Dein Schwert als Kreuzlein auf die Bruſt Dir pflanzen?

Ich ſuch' den Dichter nur in unſern Reihn —

Leb' wohl! Leb' wohl! Ich laß Dich Deinen Schranzen!

Schon hör' ich Dich: „Herz, Herz — nicht mehr ſo warm!

Wir geh'n zu Hofe — Gräfin — Ihren Arm!“
[[89]]

Béranger.

Frühling! Frühling! Die Feder wird zur Schwinge,

Und jedes Elend eine Seligkeit!

Frühling! Frühling! Der Griffel wird zur Klinge,

Die mutig die verjüngte Welt befreit!

Ein Lied mein Morgen- und mein Abendſegen,

Ein Lied für jeden Jubel, jedes Weh', —

Doch meiner Kränze ſchönſten laßt mich legen

Ums Silberhaar heut' meinem Béranger!
[90]
Er küßte jede Freiheit in der Wiege,

Er weinte jeder in die Grube nach;

Er war der zweite Held bei jedem Siege,

Er rief den Donner für Tyrannen wach;

Es wurde zur erſchütternden Lawine

Des holden Haubtes leichter Flockenſchnee;

Der Freiheit ewig unerſchöpfte Mine,

Es iſt das Herz von meinem Béranger.
Die von der Heimat Boden ſich verbannten,

Wo freier Seelen Opfer Nichts mehr nützt,

Und Ihr, des Czaren reinſte Diamanten,

Die er vor Dieben in Sibirien ſchützt,

Auf Deinen Bergen, kühner Suliote,

Du, Türk', in Deiner luftigen Moſchee,

Theilt heute zwiſchen Ihm und Eurem Gotte,

Theilt zwiſchen Gott und meinem Béranger!
[91]
Wer lag am Boden, den Er nicht erhoben?

Und weſſen Herz iſt ſeinem Lied zu klein?

Wo iſt die Hütte, drum er nicht gewoben

Hätt' einen Paradieſes-Heil'genſchein?

Du „Alter Vagabund“, den ich dem Grabe

So grollend dort entgegenſchleichen ſeh', —

Heil, dreifach Heil dem morſchen Bettelſtabe,

Dem Aaronsſtab von meinem Béranger!
Frühling! die Gärten wollen Roſen tragen,

Die erſten flugs hier meinem Mann ums Haubt!

Die Nachtigall, die für Freiheit hat geſchlagen,

Hat an die Liebe glühend auch geglaubt.

Doch wollt' er einzig von der Liebe ſingen,

Daß auch die Liebe bei der Freiheit ſteh', —

Ein Schwert mit Roſen wollen wir ihm bringen,

Ein Schwert mit Roſen meinem Béranger!
[[92]]

Der Gang um Mitternacht.

Ich ſchreite mit dem Geiſt der Mitternacht

Die weiten ſtillen Straßen auf und nieder —

Wie haſtig ward geweint hier und gelacht

Vor einer Stunde noch! ... Nun träumt man wieder.

Die Luſt iſt, einer Blume gleich, verdorrt,

Die tollſten Becher hörten auf zu ſchäumen,

Es zog der Kummer mit der Sonne fort,

Die Welt iſt müde — laßt ſie, laßt ſie träumen!
[93]
Wie all mein Haß und Groll in Scherben bricht,

Wenn ausgerungen eines Tages Wetter,

Der Mond ergießet ſein verſöhnend Licht,

Und wär's auch über welke Roſenblätter!

Leicht wie ein Ton, unhörbar wie ein Stern,

Fliegt meine Seele um in dieſen Räumen;

Wie in ſich ſelbſt, verſenkte ſie ſich gern

In aller Menſchen tiefgeheimſtes Träumen!
Mein Schatten ſchleicht mir nach wie ein Spion,

Ich ſtehe ſtill vor eines Kerkers Gitter.

O Vaterland, dein zu getreuer Sohn,

Er büßte ſeine Liebe bitter, bitter!

Er ſchläft, — und fühlt er, was man ihm geraubt?

Träumt er vielleicht von ſeinen Eichenbäumen?

Träumt er ſich einen Siegerkranz um's Haubt? —

O Gott der Freiheit, laß ihn weiter träumen!
[94]
Gigantiſch thürmt ſich vor mir ein Palaſt,

Ich ſchaue durch die purpurnen Gardinen,

Wie man im Schlaf nach einem Schwerte faßt,

Mit ſündigen, mit angſtverwirrten Mienen.

Gelb, wie die Krone, iſt ſein Angeſicht,

Er läßt zur Flucht ſich tauſend Roſſe zäumen,

Er ſtürzt zur Erde, und die Erde bricht —

O Gott der Rache, laß ihn weiter träumen!
Das Häuschen dort am Bach — ein ſchmaler Raum!

Unſchuld und Hunger theilen drin Ein Bette.

Doch gab der Herr dem Landmann ſeinen Traum,

Daß ihn der Traum aus wachen Aengſten rette;

Mit jedem Korn, das Morpheus Hand entfällt,

Sieht er ein Saatenland ſich golden ſäumen,

Die enge Hütte weitet ſich zur Welt —

O Gott der Armut, laß die Armen träumen!
[95]
Beim letzten Hauſe, auf der Bank von Stein,

Will ſegenflehend ich noch kurz verweilen;

Treu lieb' ich dich, mein Kind, doch nicht allein,

Du wirſt mich ewig mit der Freiheit theilen.

Dich wiegt in goldner Luft ein Taubenpaar,

Ich ſehe wilde Roſſe nur ſich bäumen;

Du träumſt von Schmetterlingen, ich vom Aar —

O Gott der Liebe, laß mein Mädchen träumen!
Du Stern, der, wie das Glück, aus Wolken bricht!

Du Nacht, mit deinem tiefen ſtillen Blauen,

Laßt der erwachten Welt zu frühe nicht

Mich in das gramentſtellte Antlitz ſchauen!

Auf Thränen fällt der erſte Sonnenſtrahl,

Die Freiheit muß das Feld dem Tage räumen,

Die Tyrannei ſchleift wieder dann den Stahl —

O Gott der Träume, laß uns Alle träumen!
[[96]]

Schlechter Troſt.

Du wirſt ein ſchöner Leben ſchauen,

Und ewig, ewig bleibt es Dein;

Man wird Dir goldne Schlöſſer bauen,

Nur — mußt Du erſt geſtorben ſein!
Du wirſt bis zu den Sternen dringen,

Und ſtellen Dich in ihre Reihn,

Von Welten Dich zu Welten ſchwingen,

Nur — mußt Du erſt geſtorben ſein.
[97]
Du wirſt, ein freier Brutus, wallen

Mit Brutuſſen noch im Verein,

All' Deine Ketten werden fallen,

Nur — mußt Du erſt geſtorben ſein.
Wenn Sünder in der Hölle braten,

So geheſt Du zum Himmel ein;

Du wirſt geküßt und nicht verrathen,

Nur — mußt Du erſt geſtorben ſein. — —
Ob ihm der Oſt die Segel blähe,

Was hilft's dem morſchen, lecken Kahn?

Was hilft dem Vogel die Sonnennähe,

Den tot ein Adler trägt hinan?
7
[[98]]

Strophen aus der Fremde.

I.
Auf dem Berge.

Da wären ſie, der Erde höchſte Spitzen!

Doch wo iſt der, der einſt an ſie geglaubt?

Das Auge ſieht die Sonne näher blitzen,

Doch arm und ſonnenlos iſt dieſes Haubt.
Ich ſehe die granitnen Säulen ragen,

Und endlos wölbt das Blau ſich drüber hin;

Doch will das Herz mir tief beklommen ſchlagen,

Wie unter einem Königsbaldachin.
[99]
Hier wollte ich als frommer Parſe beten,

Hier ſingen nach der Sterne reinem Takt,

Hier mit der Donnerſtimme des Profeten

Gotttrunken jauchzen in den Katarakt.
Ich wollte — ja, ich habe mich vermeſſen —

In dieſen Bergen ſuchen mir mein Glück;

Ich wollte, ach! und konnte nicht vergeſſen

Die Welt, die ich im Thale ließ zurück.
O wie verlangt mich nach dem Staub der Straſſen,

Dem Druck, der Not da unten allzumal!

Wie nach den Feinden ſelbſt, die ich verlaſſen,

Und nach der Menſchheit vollſter, tiefſter Qual!
Ihr glänzt umſonſt, ihr Purpurwolkenſtreifen,

Und ladet mich gleich ſel'gen Engeln ein;

Ich kann den Himmel hier mit Händen greifen,

Und möcht' doch lieber auf der Erde ſein.
[100]

II.

Ich möchte hingehn wie das Abendrot

Und wie der Tag mit ſeinen letzten Gluten —

O leichter, ſanfter, ungefühlter Tod! —

Mich in den Schoos des Ewigen verbluten.
Ich möchte hingehn wie der heitre Stern,

Im vollſten Glanz, in ungeſchwächtem Blinken;

So ſtille und ſo ſchmerzlos möchte gern

Ich in des Himmels blaue Tiefen ſinken.
Ich möchte hingehn wie der Blume Duft,

Der freudig ſich dem ſchönen Kelch entringet

Und auf dem Fittig blütenſchwangrer Luft

Als Weihrauch auf des Herren Altar ſchwinget.
[101]
Ich möchte hingehn wie der Thau im Thal,

Wenn durſtig ihm des Morgens Feuer winken;

O wollte Gott, wie ihn der Sonnenſtrahl,

Auch meine lebensmüde Seele trinken!
Ich möchte hingehn wie der bange Ton,

Der aus den Saiten einer Harfe dringet,

Und, kaum dem irdiſchen Metall entflohn,

Ein Wohllaut in des Schöpfers Bruſt verklinget.
Du wirſt nicht hingehn wie das Abendrot,

Du wirſt nicht ſtille wie der Stern verſinken,

Du ſtirbſt nicht einer Blume leichten Tod,

Kein Morgenſtrahl wird Deine Seele trinken.
Wohl wirſt Du hingehn, hingehn ohne Spur,

Doch wird das Elend Deine Kraft erſt ſchwächen,

Sanft ſtirbt es einzig ſich in der Natur,

Das arme Menſchenherz muß ſtückweis brechen.
[[102]]

Ufnau und St. Helena.

I.

Laut mit dem Schwall der Wogen ringend,

Durchzieht den See der ſtolze Dämpfer,

Und braust, das Schweizerbanner ſchwingend,

Dahin, ein zornentbrannter Kämpfer.
„Wenn wir an Ulrich Huttens Grabe,

Dort bei des Seees größter Breitung,

Dann rufe mich, mein Schifferknabe!“

Und weiter träumt' ich in der Zeitung.
[103]
Die Zeit, wie ſich gebührt, in Ehren,

Kann mich die Zeitung nie erfreuen;

Doch mag der Teufel ſie entbehren,

Der Menſch will nun einmal vom Neuen!
Frankreich! Ha — was wird dort verhandelt?

Gift? Dolch? Emeuten? Carbonaris?

Die Scene wiederum verwandelt?

Das Stück heißt Helena und Paris!
Sie haben ihren Unvergeßnen

Geraubt dem Schoos kryſtallner Wogen,

Den Helden aus dem Unermeßnen

In ihres Babels Koth gezogen.
Sie kamen über ihn im Schlafe,

Wie über Simſon die Philiſter;

Es triumphirt der große Sklave,

Und pfiffig lächelt ſein Miniſter.
[104]
Was Albion heilig, wird man leſen,

Das hat der Franken Volk vernichtet;

England ließ ruhig Ihn verweſen,

Wo Ihn der Weltgeiſt hingedichtet;
Wo Ihn des Meeres Flut umſchäumte,

Wo mit dem All Er im Vereine

Wohl oft von jenem Gothen träumte,

Deß Grab doch ſichrer, als das ſeine.
O Spott! es ſchleppt in ihre Mauern

Ein Hänfling dieſes Adlers Leiche;

Nicht Jubelſchall, nur banges Trauern

Sollt' herrſchen in der Franken Reiche.
Das eigne Volk ſaß zu Gerichte,

Des Kaiſers Zauber iſt geſchieden;

Es ſchläft die fränkiſche Geſchichte

Mit Ihm im Dom der Invaliden!
[105]

II.

Ufnau! Hier modert unſer Heiland,

Für's deutſche Volk an's Kreuz geſchlagen;

Ein deutſches Mekka wär' diß Eiland,

Hätt' Ihn kein deutſches Weib getragen.
Der Hutten iſt's, und Ihn erkür' ich

Zu meines Herzens erſtem Helden;

Mein Weltmeer ſei Dein See, o Zürich!

Von ſeinen Mähren laßt mich melden.
Der Hutten iſt's, ob den Deſpoten

Verachtet Ihr des Volkes Veſten;

Ihr buhlet täglich mit den Toten,

Ach! und vergeſſet Eure Beſten.
[106]
Ihr weintet jener Hieroglife

Im Ocean manch verlorne Thräne,

Und ahntet nicht die Wundertiefe

Der reinen deutſchen Hippokrene.
Der Hutten iſt's, ihr Männer tretet

Heran zum Hügel des Verbannten!

Der Hutten iſt's, ihr Männer betet,

Und lernt ihn kennen, den Verbannten!
Die Freiheit ſchwanket zwiſchen Klippen

Umher auf ſteuerloſem Boote,

Schon nahn ſich ihr mit ekeln Lippen

Zum Kuſſe die Iſchariote.
Wir brauchen einen großen Schatten,

Deß Geiſt um unſre Waffen ſchwebe,

Der, wenn im Kampfe wir ermatten,

Uns Blut von ſeinem Blute gebe.
[107]
O glaubet nicht, daß ihr ihn fändet

Auf jenem Fels im fernen Meere;

Hier iſt ein Grab, noch ungeſchändet,

Hier iſt der Stein der deutſchen Ehre!
Wie zitterte manch ſtolzer Gibel,

Als donnernd einſt in böſer Stunde,

Gleich Schwerterklang zu Luthers Bibel,

Das Wort erſcholl aus Huttens Munde!
Das Wort, das, als die Welt geknechtet,

Als finſtrer Wahn ſie unterjochte,

So kühn für alle Welt gerechtet,

So einſam an den Himmel pochte.
Ließ er ſich von den Kutten meucheln,

Und hat er darum ſterben müſſen,

Daß nun die Enkel ſonder Heucheln

Den Mantel von Marengo küſſen?
[108]
Wie lang mit Lorbern überſchütten

Wollt ihr die corſiſche Standarte?

Wann hängt einmal in deutſchen Hütten

Der Hutten ſtatt des Bonaparte?
[[109]]

Jacta alea est.

Wiewohl mein fromme Mutter weint,

Da ich die Sach' hätt gfangen an:

Gott woll ſie tröſten, es muß gahn,

Und ſollt es brechen auch vor'm End,

Wills Gott, ſo mag's nit werden g'wend't,

Darum will brauchen Füß und Händ.

Ich hab's gewagt.
U. Hutten.
Ich hab's gewagt! und meine Fehde,

Sie währe fort;

Ich hab's gewagt! ſo ſteh' ich Rede

Für Manneswort.

Und vor des Thrones Stufen,

Wenn ihr nach meinem Rechte fragt,

Will ich mit Hutten rufen:

Ich hab's gewagt!
[110]
Von geſtern iſt mein Brief und Siegel,

Mein Pergament;

Ich weiß, daß außer meinem Spiegel

Mich Niemand kennt.

Ihr laßt die Dämmrung gelten,

Bevor der helle Morgen tagt —

Wohlan — wer will mich ſchelten?

Ich hab's gewagt!
Ja, gibt der greiſe Knecht die Zölle

Dem Laſter frei,

Dann ſei der Jugend Glut die Hölle

Der Tyrannei.

Schaut her, die Ihr am Alten

Euch Euer Leben müde tragt,

Werft Euer Haubt in Falten:

Ich hab's gewagt!
[111]
Ich ſah in manch gepriesnem Tempel

Die Unnatur,

Auf manch erlauchter Stirn den Stempel

Des Kain nur;

Und ich ward ungeduldig,

Daß Alles zagt und Niemand klagt,

Ich donnerte ein: „Schuldig!“

Ich hab's gewagt!
Ich ſah viel feige Rieſen ſtrecken

Zu Boden ſich,

Manch übermütig Zwerglein recken

Sich fürchterlich;

Ich lacht' und ſprach: O Zwerge,

Ob ihr auch aus dem Kothe ragt,

Ihr ſeid drum keine Berge!

Ich hab's gewagt!
[112]
Ich ſah im Hoheprieſterkleide

Die Unvernunft,

Gleich Rohr zerbrechen ihre Eide

Die Henkerzunft;

Ich ſah von ſchnöden Hunden

Der Freiheit Edelwild gejagt,

Und wuſch ihm ſtill die Wunden:

Ich hab's gewagt!
Dürft' ich an einer Marmorſäule

Ein Simſon ſtehn,

In meiner Fauſt Heraklis Keule

Zum Schwunge drehn,

Wenn die Paläſte brechen —

O Gott, was haſt du mir's verſagt? —

Zu den Deſpoten ſprechen:

Ich hab's gewagt!
[[113]]

An die Zahmen.

Die ihr im Abendſäuſeln ſchon

Des Herren Spur gewahrt,

Und denen er im Kräuſeln ſchon

Der See ſich offenbart —

O freut euch eurer Looſe,

Und dankt und laßt mich gehn!

Im wilden Sturmgetoſe,

Im Feuer nur, wie Moſe,

Mag ich den Herren ſehn!
8[114]
So Einer glücklich, ſonn' er ſich

In Frieden vor dem Haus;

Ich lobe mir den Donner, ich,

Des Sinai Gebraus.

Ich fühl's durch alle Nerven,

Durch alle Adern ſprühn:

Ich möchte Speere werfen,

Ich möchte Klingen ſchärfen,

Und thatlos nicht verglühn.
Nicht mehr an Blumenhügeln möcht'

Ich liegen auf der Wacht,

In eines Streithengſts Bügeln möcht'

Ich wiegen mich zur Schlacht,

Nicht mehr im Mondſchein wandeln,

Nicht länger ſchreiben mehr,

Ich möcht' nun einmal ſandeln,

Ich möcht' nun einmal handeln —

Auf! bringt mir Fahnen her!
[115]
Laßt endlich das Geleier ſein

Und rührt die Trommel nur!

Der Deutſche muß erſt freier ſein,

Dann ſei er Troubadour.

Im Freiheitsfeuertranke

Werd' unſer Reich erfriſcht,

Ihr ewiger Gedanke

Führ' unſer Schwert, das blanke,

Wenn's in die Feinde ziſcht!
[[116]]

Gegen Rom.

Noch einen Fluch ſchlepp' ich herbei:

Fluch über Dich, o Petri Sohn!

Fluch über Deine Cleriſei!

Fluch über Deinen Sündenthron!

Nur Gift und Galle war, o Pabſt,

Was Du vom Pol bis zu den Tropen

Der Welt mit Deinem Scepter gabſt,

Mit Deinem Scepter von Yſopen.
[117]
Weh Dir, Europa's Canaan,

Das einen Brutus einſt gezeugt,

Und jetzt ſich vor dem Vatikan

Mit feigem Sklavengruße beugt;

Im Fleiſch der Menſchheit ward zum Pfahl

Die Wiege des Rienzi Cola,

Seit Luthern traf des Bannes Strahl

Und ſeit loyal dort nur Loyola.
Der Boden, der von Honig trof,

Nur Thränen bringt er noch hervor,

Seit Heinrich in des Pfaffen Hof,

Ein Knecht im Büßerhemde, fror;

Sein Weihrauch iſt ein Grabgeruch,

Das Eden wurde zur Sahara,

Und zu Italiens Leichentuch

Die farbenglühende Tiara.
[118]
Doch ſpreiz' Dich nicht, Du ſtolzes Rom,

Dir iſt ein baldig Ziel geſetzt;

Du biſt ein längſt verſiegter Strom,

Der keines Kindes Mund mehr letzt;

Du biſt ein tiefgefallen Land,

Du biſt das auferſtandne Babel,

Der Trug iſt Deine rechte Hand,

Dein Schwert das Mährchen und die Fabel.
Und ob Du Diener Dir erkürſt

In aller Welt, Du mußt vergehn;

Es kann wohl ohne Kirchenfürſt

Der Geiſt, der heilige, beſtehn.

Du Autokrat im Höllenpfuhl,

Empfange noch mein letztes Zeter:

Du Herrſcher auf St. Petri Stuhl,

Fürwahr! Du gleicheſt jenem Peter —
[119]
Dem keine Glut ins Antlitz flammt,

Wenn man ob Göttern hält Gericht,

Der, wenn man ſie zum Kreuz verdammt,

Noch ruft: „Ich kenn' die Menſchen nicht!“

Der, wenn die Erde ſelbſt ſich härmt

Und tief in ſich zuſammenſchaudert,

Am Feuer ſeine Hände wärmt

Und mit des Richters Mägden plaudert.
Du biſt kein Fels, wie Petrus war,

Du biſt nur feig und ſchwach, wie er;

Ein Morgenhauch bringt Dir Gefahr

Und ſtreut Dein Reich wie Sand umher!

Du wirſt erliegen, Lügenhirt,

Empören werden ſich die Denker,

Das Brauſen des Jahrhunderts wird

Zertrümmern ſeine letzten Henker!
[[120]]

An den König von Preußen.

Einſt hat ein beſſrer Mann gewagt,

Mit ſeinem Lied vor Dich zu treten;

Du kennſt Ihn, der ſo unverzagt

Die Tyrannei bei Dir verklagt

Und Dich um Deinen Schutz gebeten,

Um Schutz für jenes arme Land,

Das blutend vor dem Himmel ſtand

Und keine, keine Hülfe fand,

Als die Verzweiflung der Poeten.
[121]
O lebt' Er noch, er würde heut

Dich aus dem ſüßen Schlummer ſtören;

Ob alle Welt Dir Weihrauch ſtreut

Und jeden Siegerkranz Dir beut,

Sein ſtolzes Herz würd' ſich empören.

Er ſpräch' dem falſchen Jubel Hohn

Und nahte zornig Deinem Thron;

Tot iſt der Vater, und der Sohn,

Der Mächtige, müßt' Ihn hören.
Doch Platen ſchläft am fernen Meer,

Und Polen iſt durch uns verloren;

In Ehrfurcht tret' Ich zu Dir her,

Wirf nach dem Dichter nicht den Speer,

Weil eine Hütte ihn geboren,

Weil er vor Dir, dem Fürſt, den Mut,

Zu flehen für Dein eigen Gut,

Zu flehen für Dein eigen Blut,

Für's deutſche Volk, dem Du geſchworen!
[122]
Sieh, wie die Jugend ſich verzehrt

In Gluten eines Meleager,

Wie ſie nach Kampf und That begehrt —

O drück' in ihre Hand ein Schwert,

Führ' aus den Städten ſie ins Lager!

Und frage nicht, wo Feinde ſind;

Die Feinde kommen mit dem Wind:

Behüt' uns vor dem Frankenkind

Und vor dem Czaren, Deinem Schwager!
Die Sehnſucht Deutſchlands ſteht nach Dir,

Feſt, wie nach Norden blickt die Nadel;

O Fürſt, entfalte Dein Panier;

Noch iſt es Zeit, noch folgen wir,

Noch ſoll verſtummen jeder Tadel!

Fürwahr, fürwahr, Du thuſt nicht Recht,

Wenn Du ein moderndes Geſchlecht,

Wenn Du zu Würden hebſt den Knecht;

Nur wer ein Adler, ſei von Adel!
[123]
Laſſ', was den Würmern längſt verfiel,

In Frieden bei den Würmern liegen;

Dir ward ein weiter, höher Ziel,

Dir ward ein ſchöner Ritterſpiel,

Als krumme Lanzen grad' zu biegen.

Sei in des Herren Hand ein Blitz,

Schlag' in der Feinde ſchnöden Witz,

Schon tagt ein neues Auſterlitz,

Mögſt Du in ſeiner Sonne ſiegen!
Das rathlos auseinanderirrt,

Mein Volk ſoll Dir entgegenflammen;

Steh' auf und ſprich: „Ich bin der Hirt,

Der Eine Hirt, der Eine Wirt,

Und Herz und Haubt, ſie ſind beiſammen!“

Das Weſt und Oſt, das Nord und Süd —

Wir ſind der vielen Worte müd;

Du weißt, wonach der Deutſche glüt, —

Wirſt Du auch lächeln und verdammen?
[124]
Der Fiſcher Petrus breitet aus

Auf's Neue ſeine falſchen Netze;

Wohlan, beginn' mit ihm den Strauß,

Damit nicht einſt im deutſchen Haus

Noch gelten römiſche Geſetze!

Bei jenem großen Friedrich! nein,

Das ſoll doch nun und nimmer ſein.

Dem Pfaffen bleibe nicht der Stein,

An dem er ſeine Dolche wetze.
Noch iſt es Zeit, noch kannſt Du ſtehn

Dem hohen Ahnen an der Seite,

Noch kannſt Du treue Herzen ſehn,

Die gern mit Dir zum Tode gehn,

Zum Tod im heiligen Streite.

Du biſt der Stern, auf den man ſchaut,

Der letzte Fürſt, auf den man baut;

O eil' Dich! eh' der Morgen graut,

Sind ſchon die Freunde in der Weite.
[125]
Nun ſchweig', du ehernes Gedicht!

Des Fürſten Mund wird bitter ſchmollen.

Ich weiß, man hört die Sänger nicht,

Man ſtellt die Freien vor Gericht

Und wirft ſie in die Schar der Tollen.

Gleichviel — wie er auch immer ſchmollt,

Ich hab' gethan, was ich geſollt;

Und wer, wie ich, mit Gott gegrollt,

Darf auch mit einem König grollen.
[[126]]

Zuruf.

Schaut der Sonne Auferſtehn!

Strahlend blickt ſie in die Runde,

Strahlend, wie zur erſten Stunde,

Und hat vieler Jahre Leid geſehn.
Wie's auch ſtürme, haltet Stand,

Junge Herzen, unverdroſſen!

Der ihn einſtens ausgegoſſen,

Hat den Geiſt uns abermals geſandt.
[127]
Bald erſchallt in Oſt und Weſt

Jubel, millionentönig;

Freiheit heißt der letzte König,

Und ſein Reich bleibt ewig felſenfeſt.
Nimmer ſchwingt in unſrem Haus

Der Koſake ſeine Knute,

Unſre deutſche Zauberruthe

Schlägt noch manchen goldnen Frühling aus.
Junge Herzen, unverzagt!

Bald erſcheint der neue Täufer,

Der Meſſias, der die Käufer

Und Verkäufer aus den Tempeln jagt.
Und die Götter nicht allein,

Schon der Menſch wird heilig leben,

Prieſter nur wird's fürder geben,

Und kein Laie mehr auf Erden ſein.
[128]
Doch wie Donner iſt ſein Gang,

Und er naht nicht unter Pſalmen,

Und man ſtreut ihm keine Palmen,

Der Meſſias kommt mit Schwerterklang.
Darum legt die Harfen ab!

Laßt darin die Windsbraut ſpielen!

Unſer warten Thermopilen,

Perſer — und im Schatten manch ein Grab.
[[129]]

Sonette.

Aus einer größern Sammlung „Diſſonanzen.“


9[[130]][131]

I.

Was ſchmerzlich oft die Seele mir durchwühlte

Und drin in ſtillen Nächten ſich bewegte,

Wie meine Mutter mich, die Zeit, erregte,

Was ich für ſie, was ihr zum Trotz ich fühlte —
Hier iſt es, wie ich's aus der Bruſt mir ſpülte,

Wie ich's in ſcharfgeſchliff'ne Formen legte,

Vor roher Hand mit einem Zaun umhegte,

Beglückt, daß ich das Herz mir endlich kühlte.
Doch ſchaudert mich, ſo wild ſind meine Muſen,

Ein toll Geſchlecht, gleich jener Rotte Kora,

Abſcheuliche, verſteinernde Meduſen —
Allein nur zu — periculum in mora

Fort mit den Ungeheuern aus dem Buſen,

Und aufgethan die Büchſe der Pandora!
[132]

II.

Ja, ich bekenn's, die Stimme Gottes iſt

Des Volkes Stimme! und wer ihr vertraut,

Der hat ſein Haus auf Felſen ſich gebaut,

Indeß der Zorn des Herrn die Frevler frißt.
Dem Sänger Heil, der ihrer nie vergißt,

Dem nur des Volkes Schmerz vom Auge thaut,

Der nicht im eignen Jammer ſich beſchaut

Und ſelbſtgefällig ſeine Silben mißt!
Doch ſollt' er drum nur Waffenträger ſein,

Der dienend hinter ſeinem Heere ſteht

Und, wenn es Not thut, reicht ein Schwert hinein?
Der nicht voran, ein Feuerzeichen, geht,

Und Seher iſt wie ſonſt? Ich rufe: Nein!

Und dreimal: Nein! und ſtimme für Profet!
[133]

III.

Der Gott des Friedens will uns nimmer ſegnen,

Den Oelzweig weinend auf die Seite legen;

Vom Nil zum Tajo höret man ſchon regen

Die Kriegsdämonen ſich, die wildverwegnen.
Und mancher ſieht im Geiſt nur Helden regnen,

Die ſollen auf den Spitzen ihrer Degen

Der Völker künftige Geſchichte wägen,

Und ſo dem Sturme ſtürmiſch auch begegnen.
Der Dichter aber denkt man nicht, der ſtillen,

Wenn blutig weithin ſich die Felder röten

Und Unheil alle finſtern Mächte brauen.
Und doch — nur ſie verſtehn der Gottheit Willen;

Jetzt, eben jetzt ſind Seher uns vonnöten,

Den Flug der Adler wieder zu beſchauen!
[134]

IV.

AnA. A. L.Follenin Zürich,
als er nach Deutſchland überſiedeln wollte.


Manch böſer Geiſt haust in Helvetiens Schlünden,

Manch ſchlimmer Pfaffe keucht den Berg hinan,

Der Teufel bricht ſich mit dem Kreuze Bahn,

Der Teufel in den frommen Thalesgründen.
Doch lieb' ich ſie mit allen ihren Sünden.

Ha! klebt nicht Winkelriedens Blut daran?

Hier iſt die Wüſte und das Canaan,

Um ein Profet der Welt das Heil zu künden.
Hier fliegen noch die Adler, mein Follen

Hier rauſchen ſie noch über Deinem Haubte —

Was willſt Du tot ſie und gefangen ſehn?
O laß den Traum, an den der Jüngling glaubte,

Vergiß, wo friſche Alpenroſen ſtehn,

Der deutſchen Freiheit Roſe, die beſtaubte!
[135]

V.

Wer Etwas auf dem Herzen hat, der eile,

Es noch bei Zeiten vor ſein Volk zu bringen;

Schon rührt der Hader ſeine ſchwarzen Schwingen,

Schon liegt das Haubt des Friedens unterm Beile.
Der Henker harrt, daß er's vom Rumpfe theile,

Bald wird der Blutſtrahl in die Lüfte dringen,

Verharſchte Wunden werden wieder ſpringen,

Und fehlen wird der Arzt dann, der ſie heile.
Schon hör' ich ferne die Kanonen brummen,

Die Säbel klirren und die Trommeln ſchallen,

Kein Vogel will im Wald ſein Lied mehr ſummen.
Noch eine Nacht — die Würfel müſſen fallen;

Dann gibt's ein trübes, trauriges Verſtummen,

Des Hahnen Ruf verſcheucht die Nachtigallen.
[136]

VI.

Ich zähle gerne mit bei guten Chriſten

Und ſtreite ritterlich und ohne Wanken,

Wenn ſie uns wollen das Gemüt abdanken,

Die unausſtehlich pfiffigen Sophiſten.
Doch haſſ' ich das Gemüt der Pietiſten,

Das, frech getreten aus des Anſtands Schranken,

Uns möcht' die reinſten himmliſchen Gedanken

Mit ſeinen Nebelworten überliſten.
Auch mir hat ſich das Aug' ſchon oft genetzt,

Sah ich das Herz mißhandelt und zerſchlagen

Und von den Rüden des Verſtands gehetzt.
Es darf das Herz wohl auch ein Wörtchen ſagen;

Doch ward es weislich in die Bruſt geſetzt,

Daß man's ſo hoch nicht wie den Kopf ſoll tragen.
[137]

VII.

Nie wurden noch der Sylben mehr gemeſſen,

Und glaubt man unſerm kritiſchen Gelichter,

So wäre ſchier der dritte Mann ein Dichter

Von Thule bis zum Lande der Tſcherkeſſen.
Und Alle nur auf eitel Ruhm verſeſſen,

Ein jeglicher Poet begehret, ſpricht er

Zwei Verſe nur, gleich Publikum und Richter,

Und würd' ſein Pfeifen anders bald vergeſſen.
Doch mir däucht nur ein Dichter, der noch ſänge,

Der ſeinen Wohllaut noch verſtrömen müßte,

Wo keines Menſchen Stimme zu ihm dränge:
Im ſtillen Meer an unwirtbarer Küſte —

Zuhörer nur die wilden Felſenhänge —

Und in Arabiens grauenvoller Wüſte.
[138]

VIII.

Von Büchern liegt vor mir ein Perſerheer,

Doch keins kann mir den Unmut ganz verwiſchen;

Der will den Geiſt auf Reiſen ſich erfriſchen,

Der holt ſich ſeinen Helden über Meer.
Unwillig ſchwingt der Kritiker den Speer:

Warum die fremde Koſt auf unſern Tiſchen?

Warum nach Gold in fremden Flüſſen fiſchen?

Iſt unſre Heimat, unſer Herz ſo leer?
Geh' wieder in dein Kämmerlein und dichte!

Brauchſt keinen Turban, keine welſchen Blouſen;

Zünd' deinen Zunder an am eignen Lichte!
Greif', Sänger, wieder in den eignen Buſen,

In deines eignen theuern Volks Geſchichte!

Da, oder nirgends wohnen deine Muſen.
[139]

IX.

Den Naturdichtern.

Titan und Zwerg, das Große, wie das Kleine,

Iſt Poeſie, und Poeſie im Halme,

Wie in des Orientes ſtolzer Palme,

Und Poeſie noch in der Weiſen Steine;
Und Poeſie die Mück' im Sonnenſcheine,

Und Poeſie in eines Dampfſchiffs Qualme,

Und Poeſie auf einer Schweizeralme,

Und Poeſie vor Allem auch im Weine.
Wo Euch des Himmels heil'ge Luft umweht,

Da rauſcht die Poeſie mit ihren Schwingen;

Sie fehlet nie, oft fehlt nur der Poet.
Wie Gott, iſt ſie zuletzt in allen Dingen:

Doch wenn einmal ein Löwe vor Euch ſteht,

Sollt Ihr nicht das Inſekt auf ihm beſingen.
[140]

X.

Ein Glück, ihr Götter, oder nur ein Leiden,

Ein himmliſch würdig Leiden Eurem Sohne!

Im Grunde iſt es doch die Dornenkrone,

Um die wir Eure Lieblinge beneiden.
Ich kann das Glück mit ſtummem Lächeln meiden —

Naht' ich mich je, ein Sklave, ſeinem Throne? —

Nur Eines wünſch' ich, daß ich einſt nicht ohne

Des Unglücks Weihe mög' von hinnen ſcheiden.
Ich bin entſagend gern zurückgeblieben,

Wenn blühendrot das Volk ſich auf den Straßen,

Mit ſeinen Dirnen ſchäckernd, umgetrieben;
Doch manch ein ſtilles Antlitz von den blaſſen,

War's auch nur um ein unglückſelig Lieben,

Es mußte ſich von mir beneiden laſſen.
[141]

XI.

Shelley.

Um ſeinen Gott ſich doppelt ſchmerzlich mühend,

War er ihm, ſelbſterrungen, doppelt theuer,

Dem Ewigen war keine Seele treuer,

Kein Glaube je ſo ungeſchwächt und blühend.
Mit allen Pulſen für die Menſchheit glühend,

Saß immer mit der Hoffnung er am Steuer,

Wenn er auch zürnte, ſeines Zornes Feuer

Nur gegen Sklaven und Tyrannen ſprühend.
Ein Elfengeiſt in einem Menſchenleibe,

Von der Natur Altar ein reiner Funken,

Und drum für Englands Pöbelſinn die Scheibe;
Ein Herz, vom ſüßen Duft des Himmels trunken,

Verflucht vom Vater und geliebt vom Weibe,

Zuletzt ein Stern im wilden Meer verſunken.
[142]

XII.

Die Ihr voll Mut zu ſchleudern euch nicht ſcheutet

Ein blitzend Wort in unſres Lebens Schwüle,

O Glück, wenn ihr euch auf dem Sterbepfühle

Vom Neid zerſtückter Kränze noch erfreutet!
Wie haben Ruhm in Scheffeln ſich erbeutet,

Die ruhig trabten ihren Weg zur Mühle

Und immer hübſch die trunkenſten Gefühle

Gleich tauben Blüten aus dem Korn gereutet!
Brauch' deine Hand, die iſt der Welt genug,

Und Kopf und Herz ſind beide überflüſſig;

Man will den Flaum vom Vogel, nicht den Flug.
Kannſt du nur dichten, gehe lieber müſſig;

Die Welt, die ſtets das Ungereimte trug,

Iſt des Gereimten ſchnell ſehr überdrüſſig.
[143]

XIII.

O lobt Euch nur des Weſtes Schmeichelwehen,

Wenn kräuſelnd er ob blauen Flächen zittert

Und kaum dem Schilf ein welkes Blatt zerknittert —

Ihr ſtillen Seelen, mög's Euch wohl ergehen!
Ich aber muß das Meer im Sturme ſehen,

Wenn Segel reißen, wenn der Maſt zerſplittert,

Wenn's in mir, um mich, über mir gewittert,

Wenn Luft und Waſſer hell im Brande ſtehen.
Ihr mögt ein ungleich größer Glück erfahren,

Daß Eure Gluten lange ſchon verlodert,

Eh' Euer Leib im Schoos der Erde modert.
Ich werd' nun einmal wilder mit den Jahren,

Die Leidenſchaft iſt mein Eliaswagen,

Und Feuer nur kann mich zum Himmel tragen.
[144]

XIV.

Auch ich wär' nach der ſüßen Ruhe lüſtern,

Auch ich möcht' unter Blütenbäumen liegen,

Ein treues Liebchen in den Armen wiegen,

Statt alſo mir das Leben zu verdüſtern!
Ließ' nur, wie ſonſt, der Lorber ſich erflüſtern,

Ließ' nur, wie ſonſt, die Palme ſich erſiegen,

Das Muſenpferd muß jetzt zum Ziele fliegen

Mit wildrem Hufſchlag, flammenſprühnden Nüſtern.
Die große Zeit zertrümmerte die Flöte,

Sie braucht Poſaunen und den tiefſten Baſſo,

Und ſchwarze Nacht ſtatt milder Abendröte.
Die Loſung iſt nun Dante, und nicht Taſſo.

Was ſollen uns noch Schiller oder Göthe?

Was ſoll uns gar der Paſcha Semilaſſo?
[145]

XV.

Wie blinkend ſie von eurem Ruder triefe,

Die Perle ſtammt doch oft aus dunkler Quelle,

Klar ſcheint in flacher Hand ſo manche Welle,

Die doch geſchöpft aus grauenvoller Tiefe.
Schließt, wie's auch einer Welt zuwiderliefe,

Auf's Heiligthum nie von der blanken Schwelle,

Das Einzelwort mag faßlich ſein und helle,

Der ganze Geiſt bleibt eine Hieroglife.
O denket immer bei des Dichters Pracht,

Bei allen ſeinen funkelnden Geſteinen,

Daß ihre Mutter iſt die heil'ge Nacht!
Sein Rauſchen mögt ihr zu verſtehen meinen;

Er ſelbſt birgt ſich ein See im Felſenſchacht,

Der ewig ſieht des Himmels Sterne ſcheinen.
10[146]

XVI.

Ich kann oft ſtundenlang am Strome ſtehen,

Wenn ich entflohen aus der Menſchen Bann;

Er plaudert hier, wie ein erfahrner Mann,

Der in der Welt ſich tüchtig umgeſehen.
Da ſchildert er mir ſeiner Jugend Wehen,

Wie er den Weg durch Klippen erſt gewann,

Ermattet drauf im Sande ſchier verrann,

Und jedes Wort fühl' ich zum Herzen gehen.
Wie wallt er doch ſo ſicher ſeine Bahn!

Bei allem Plänkeln, Hin- und Wiederſtreifen

Vergißt er nie: „Ich muß zum Ocean!“
Du, Seele, nur willſt in der Irre ſchweifen?

O tritt, ein Kind, doch zur Natur heran,

Und lern' die Weisheit aus den Waſſern greifen!
[147]

XVII.

Die uns als wilde, rohe Zweifler haſſen,

Und drob manch derben Fluch uns ſchon geſpendet,

Die frommen Leute — wie ſind ſie verblendet;

Der Glauben iſt's, von dem wir nimmer laſſen.
Zieht erſt der Frühling jubelnd durch die Straßen,

Wie wird des Herzens eitler Trotz gewendet,

Daß ſich's mit jedem Strauch nach oben wendet

Ein Stück des ſchönen Himmels zu erfaſſen!
Ja, naht des Jahres Fürſt mit ſeinem Hof,

Und jauchzt der Lenz auf Bergen und in Klüften,

Wo klagend kaum der Nebel niedertrof —
Schlief' auch ſein Glaube dann in Todesgrüften,

Der ew'ge Fauſt, der ſtolze Philoſoph,

Er haſcht ihn wieder aus den blauen Lüften.
[148]

XVIII.

Der Tod, ihr Freunde, ja, der Tod ſoll leben!

Ich hab' ein glühend Lied in tiefſter Nacht

Dem treuſten Freund der Erde angefacht;

Die Toten will ich und den Tod erheben!
Wir ſind nur Kinder, die mit Widerſtreben,

Gleich Tropfen von dem Meer, ſich losgemacht,

Und die vom Tode werden heimgebracht

Und liebend an das All zurückgegeben.
Vernichtung dünkt Euch eine herbe Pille?

Doch — heiſcht' das Element nicht dieſen Zoll,

Das Sterben würde unſer eigner Wille.
Das Sterben macht das Leben ganz und voll;

Erſt ſei das Herz in unſrem Buſen ſtille,

Wenn's in der Bruſt der Menſchheit ſchlagen ſoll.
[149]

XIX.

Von Hermelin den Mantel umgeſchlagen,

Das trunkne Haubt weit über mir im Blauen,

Die Alpen — wie ſo ſtolz darein ſie ſchauen,

Als wüßten ſie, daß ſie den Himmel tragen!
Gleich leichtbeſchwingten Liebesboten jagen

Die Silberſtröme hin durch Nacht und Grauen,

Dem Oceane von den hohen Frauen

Manch einen ſehnſuchtsvollen Gruß zu ſagen.
Die Herden läuten und die Adler fliegen,

Das iſt ein ewig Rauſchen, ewig Rinnen,

Als könnt' das Leben nimmer hier verſiegen.
Läßt ſich ein ſchöner, ſchöner Bild erſinnen?

Und doch hab' ich das Schönſte noch verſchwiegen:

Den frommen, ſtillen Friedhof mitten drinnen!
[150]

XX.

Der Freiheit Prieſter, der Vaſall des Schönen,

So wird der Dichter in die Welt geſandt;

Ein Troubadour zieh' er von Land zu Land,

Das Herrlichſte mit ſeinem Lied zu krönen.
Die Heldenthat gewinn' in ſeinen Tönen

Für alle Zeiten ſicheren Beſtand,

Den eignen Kummer ſchreib' er in den Sand,

Des eignen Herzens mög' er ſich entwöhnen.
Ein Gärtner, dem der Garten nur gegeben,

Für fremde Buſen Blumen draus zu pflücken,

Ein Winzer, der für Fremde baut die Reben —
Sei all ſein Troſt, nur And're zu beglücken;

Dem armen Taucher gleich, wag' er das Leben,

Mit ſeltnen Perlen ſeine Zeit zu ſchmücken.
[151]

XXI.

O Freiheit, Freiheit! Nicht wo Hymnen ſchallen,

In reichgeſchmückten fürſtlichen Arkaden —

Freiheit! Du wohnſt an einſamen Geſtaden,

Und liebſt die Stille, wie die Nachtigallen.
Du flieheſt das Geräuſch der Marmorhallen,

Wo trunkne Schlemmer ſich im Weine baden,

Du läßt in Hütten dich zu Gaſte laden,

Wo Thränen in die leeren Becher fallen.
Ein Engel nahſt Du bei verſchloßnen Thüren,

Stellſt lächelnd Dich an Deiner Treuen Bette,

Und horchſt der himmliſchen Muſik der Kette.
Nicht ſtolze Tempel wollen Dir gebühren,

Drin wir als Opfer unſern Stolz Dir bieten —

Wärſt Du die Freiheit, wenn wir vor Dir knieten?
[152]

XXII.

Die Geſchäftigen.

Nicht Einen Hauch vergeuden ſie, nicht Einen,

Nein, Alles wird gleich für den Markt geboren,

Kein Herzensſchlag geht ohne Zins verloren,

Die Herren machen Brod aus ihren Steinen.
Sie machen Brod aus Lachen und aus Weinen —

Ich hab' mir die Beſchaulichkeit erkoren,

Und niemals ſtreng gerechnet mit den Horen,

Ich denke fromm: „Gott gibt's im Schlaf den Seinen!“
Ich kann des Lebens banggeſchäftig Rauſchen,

Dieß laute Thun und Treiben nicht verſtehn,

Und möcht' mein einſam Glück nicht drum vertauſchen.
Laßt mich die ſtillen Pfade weiter gehn,

Der Wolken und der Sterne Zug belauſchen,

Und ſchönen Kindern in die Augen ſehn!
[153]

XXIII.

Sei mir geſegnet, frommes Volk der Alten,

Dem unglückſelig ſein hieß: ſelig ſein,

Das jedes Haus, in das der Blitz ſchlug ein,

Für ein dem Zeus geweihetes gehalten!
Du fühlteſt wohl, des Himmels heimlich Walten

Enthüll' ſich den Geſchlagenen allein,

Und da leucht' erſt der Wahrheit voller Schein,

Wo ſich das Herz, der Wolke gleich, geſpalten.
O ſprecht, war's nicht zumeiſt des Unglücks Stunde,

Die Euch hinan zum Ewigen gehoben,

Der Himmelsoffenbarung klang vom Munde?
Der Frieden nicht, der Sturm trägt uns nach Oben,

Die höchſten Freuden ſind auf dunklem Grunde,

Gleichwie des Aethers Sterne, eingewoben.
[154]

XXIV.

Nimm nicht als Himmel an die Wolkenſchichte,

Erprobe ſelbſt Dein jugendlich Gefieder,

Wirf mutig in die ſchwanken Schalen nieder

Des Zweifels Deine eigenen Gewichte!
Erwärm' den Geiſt am ſelbſtgeſchaffnen Lichte,

Und forſche heut und forſche morgen wieder,

Senk' nie zufrieden Deine Augenlider,

Ruf' Deinen Glauben täglich zu Gerichte!
Doch was Du immer wageſt, o beſchönig's

Nie vor den Menſchen durch ein zaghaft Schweigen,

Bekenn' es mit dem Freimut eines Königs!
Ob ſie Dir flammend auch den Holzſtoß zeigen;

Mit Flammen tauft der Ewige den Phönix,

Der ſtolz ſoll über ihre Waſſer ſteigen.
[155]

XXV.

Am ſchönſten Tag um einen Wunſch betrogen,

Und eine Niete jede, jede Karte,

An meinem Schwerte Scharte nur an Scharte,

Wenn einmal aus der Scheide ich's gezogen.
Doch halt' ich mutig über allen Wogen

Die Poeſie, die leuchtende Standarte,

Durch ſie verſöhn' ich mein Geſchick, das harte,

Den rauhſten Sturm mit ihrem Regenbogen.
Nie tönte meine Leier Tod und Fluch,

Nie ſchnitt ich aus des Hyperioniden

Purpur ein traurig-düſtres Leichentuch;
Der Herr hat mir ein frommes Herz beſchieden,

Die Welt iſt mir ein heilig, heilig Buch,

Drin alle Blätter flüſtern: Frieden! Frieden!
[156]

XXVI.

Wir haben, was auch eine Sage ſchreibe,

Den Funken des Prometheus nicht gepachtet;

So tief wir unter uns das Weib geachtet,

Die reinſte Flamme wohnt in ſeinem Leibe.
Und wer dem ſelbſtiſch froſtigen Getreibe,

Das ihm des Herzens liebſte Kinder ſchlachtet,

Wer dieſer Kälte zu entrinnen trachtet,

Wo flöh' er hin, als zu dem treuen Weibe?
Ein Felſen iſt der Mann, der nur erglüt,

Wenn trotzig er gen Himmel ſich erhoben,

Zurück ihm ſchleudernd ſeiner Sonne Strahlen;
Ein ſtiller See des Weibes weich Gemüt,

Das fromm in ſich empfängt das Licht von Oben,

Drin ſich die Himmel himmliſcher noch malen.
[157]

XXVII.

Tot iſt die Freundſchaft! wer mag ſie noch ſingen?

Mit manchen Göttern ward in unſern Tagen

Auch dieſe Göttin von dem Volk erſchlagen,

Und Niemand will ihr mehr ein Opfer bringen.
Allein mußt Du entfalten deine Schwingen,

Allein nach Deinen Idealen jagen,

Allein Dich auf die See des Lebens wagen,

Allein, allein nach Deinem Himmel ringen.
Der Alten denkt man wohl in manchen Stunden,

Und auch ihr Geiſt, ſo gern man ſich's verhehlte,

Iſt aus der Jugend noch nicht ganz verſchwunden;
Doch hin das Herrlichſte, was ſie beſeelte;

Würd' ein Ariſtogiton heut' gefunden,

Ich glaube, daß ihm der Harmodius fehlte.
[158]

XXVIII.

Einer Schriftſtellerin.

Du willſt den Lorber auf die Locken drücken,

Nicht einſam mehr in ſtillen Nächten beten,

Hin auf den Markt mit Deinen Thränen treten,

Ein müſſig Volk mit Deinem Schmerz beglücken?
Nur Roſen ſollten Deine Stirne ſchmücken,

Und nicht die Martyrkrone des Poeten,

Das iſt fürwahr der Mund nicht zum Profeten,

Und würd' mit Küſſen leichter uns entzücken.
Daß meine Nachtigall im Dunkeln bliebe!

Schwer wird die Höh', nach der Du ſtrebſt, erklommen,

Wär's auch, daß Dich ein ſtarker Genius triebe.
Nur Hekatomben werden angenommen

Auf dem Altar des Ruhms, auf dem der Liebe —

— O liebe! — iſt ein Schärflein auch willkommen.
[159]

XXIX.

Tief, tief im Meere ſprach einſt eine Welle:

Wie glücklich müſſen meine Schweſtern leben,

Die droben ſtrahlend auf und nieder ſchweben;

O dürft' ich einmal an des Tages Helle!
Wie ſie gebeten, ſo geſchah ihr ſchnelle,

Sie durfte aus dem dunkeln Schoos ſich heben;

Doch kaum war ihr Ein Sonnenſtrahl gegeben,

Lag ſie ſchon ſterbend an des Ufers Schwelle.
O mögen Alle doch ihr Schickſal loben,

Die ſtill geheim des Lebens Kreis beſchreiben

Und nie die Wut der offnen See erproben.
O mögen ſie in tiefer Nacht verbleiben,

Und ihrer Keiner ſtreben je nach oben,

Um mit den Winden auf den Sand zu treiben.
[160]

XXX.

Freiligrath.

Der Himmel fing von Neuem an zu blauen,

Der Winter ſich zum Abmarſch anzuſchicken,

Die Erde ſich mit jungem Grün zu ſticken, —

Ich nahm Dein Buch, recht tief darein zu ſchauen.
Und mich erfaßt ein heimlich lüſtern Grauen;

Ich ſeh' die alten Straußenfedern nicken,

Und glaub' in Tauſend Eine Nacht zu blicken —

Hier, denk' ich, wären ſo für mich die Frauen!
Da bringt mein Mädchen mir die erſten Veilchen,

Im blauen Shawl, im leichten Roſakleide,

Die weiche Hand das Einzige von Seide.
Dein Orient ruht wieder auf ein Weilchen;

Mein Herz, kaum nach der Fremde ſo begehrlich,

Bleibt gern im Lande nun und nährt ſich ehrlich.
[161]

XXXI.

Unſern Künſtlern.

Das Leben hat am Ende doch gewonnen,

Und all die überhimmliſchen Geſtalten,

Verklärten Leiber und verklärten Falten,

Die ſchattenhaft durchſichtigen Madonnen,
Aus Aetherduft und Veilchenblau geſponnen,

Die nur auf Roſen und auf Lilien wallten, —

Sie konnten ſich nicht mehr zuſammenhalten,

Und ſind in Andacht gottvollſt nun zerronnen.
Doch, liebe Künſtler, drum kein Klaggeſtöhn!

Die Erde mag noch viel des Guten treiben,

Verlaſſet nur die ſchroffen, kühlen Höh'n;
Sucht wieder Gott der Welt einzuverleiben!

Das Heilige gelingt ſo ſelten ſchön,

Das Schöne nur wird ewig heilig bleiben.
11[162]

XXXII.

Wie Jakob hab' ich oft mit Gott gerungen,

Oft fühlt' ich meinen Glauben zweifelnd ſtocken,

Und oftmals haben Eure Kirchenglocken,

Ich läugn' es nicht, verdrießlich mir geklungen.
Ich habe gern mein eigen Lied geſungen,

Geſponnen gern von meinem eignen Rocken,

Bin nie nach eines Prieſters ſchmalen Brocken,

Ein hungeriger Zionsheld, geſprungen.
Doch ſcheint auch Ihr mir nicht vom beſten Stempel,

Und ſo verſchmerz' ich Euer pfäffiſch Schnauben

Und Euere für mich verſchloßnen Tempel.
Wär' ich wie Schlangen klug und fromm wie Tauben,

Würd' ich ein Heiliger gar zum Exempel —

Ihr ſteinigtet mich wohl um meinen Glauben!
[163]

XXXIII.

Ruſſophobie.

Die Einen:


Wie gehet Ihr nur ſo verkehrte Bahnen!

Ihr hättet beſſer ewig ſie gemieden,

Euch gänzlich von der Politik geſchieden,

Ihr Geiſterſeher, ihr Baſchkiromanen!
Ihr möchtet gern Europa's Zukunft ahnen?

Ich ſag' Euch, unſre Freiheit wird hienieden

Kein Czar an ſeinen Kaukaſus je ſchmieden,

Ihr Geiſterſeher, ihr Baſchkiromanen!

Die Andern:


Ihr werdet ſie zu frühe nur verlieren,

Und Euer Spott wird in ſich ſelbſt zu nichte,

Denn Alles, Alles deutet auf Baſchkiren.
Reißt man ſich nicht um ruſſiſche Gedichte?

Wird Raupach wohl umſonſt dramatiſiren

Schon jetzt die ganze ruſſiſche Geſchichte?
[164]

XXXIV.

Pferdeausfuhrverbot.

Wir müſſen uns bei Zeiten tüchtig rühren,

Und können drum, trotz manchem ſchönen Gulden,

Getreue Unterthanen, nimmer dulden,

Daß Franken Eure Pferde uns entführen.
Wir wollen nicht zu früh das Feuer ſchüren,

Wir thun nur, was wir unſern Liebden ſchulden,

Beſchloſſen demgemäß in allen Hulden,

Alſo zu ſteuern ſolchen Ungebühren:
Habt uns ein Aug' auf jede Mäklerſchar,

Daß ſie uns keinen Huf contrebandiren,

Vom Karrengaule bis zum Bairaktar!
Doch naht ſich eins von unſern Flügelthieren,

Die ſind zum Kriegsdienſt völlig unbrauchbar —

Laßt ſie die Grenzen immerhin paſſiren!
[165]

XXXV.

Franz Dingelſtedt's Jordanslied.

Die Nachtigall hat für den Aar geſungen,

Der, fortgeflogen aus dem Alpenlande,

Verſchmachtend lag in unſrem deutſchen Sande,

Weil er ſich hatt' zu hoch hinangeſchwungen.
Wem wäre nicht ihr Lied ans Herz gedrungen,

Ihr grollend, rührend Lied von unſrer Schande?

Doch ſprecht, wann ſind bei uns des Freien Bande

Von eines Sängers Liede je geſprungen?
Du ſankeſt, ſchier ein Knecht, am Throne nieder,

Damit der Freie bälder auferſtände;

Geh' hin, mein Freund, und frag' nach Jahren wieder!
Statt ſeiner Alpen bleiben ihm vier Wände;

Die Macht, ſie lächelt über Deine Lieder,

Und wäſcht noch, ein Pilatus, ſich die Hände.
[166]

XXXVI.

Ludwig Uhland.

Nur ſelten noch, faſt graut's mir, es zu ſagen,

Nehm' ich der Freiheit Evangelium,

Den Schatz von Minne und von Ritterthum

Zur Hand in unſern hartbedrängten Tagen.
Wie hab' ich einſt ſo heiß dafür geſchlagen!

Wie haſtig dreht' ich Blatt um Blatt herum!

Ich kann nicht mehr — ich kann nicht — ſei es drum!

Es ſoll doch Niemand mich zu ſchelten wagen.
Ein ander Haſſen und ein ander Lieben

Iſt in die Welt gekommen, und von allen

Sind wenig Herzen nur ſich gleich geblieben.
So ſind auch Deine Lieder mir entfallen;

Ein einziges ſteht feſt in mir geſchrieben;

Kennſt Du das Lied: „Weh Euch, Ihr ſtolzen Hallen!“
[167]

XXXVII.

Deutſche und franzöſiſche Dichter.

Gemälde, Spiegel, Uhren und Tapeten,

Und rings, wie bei dem türkiſchen Sultane,

Von Sammt und Seide ſtrotzende Divane,

Auch Kruzifixe, nie davor zu beten.
So lieben's überm Rheine die Poeten;

Ums Haubt gewunden farbige Turbane,

Durch Wolken Weihrauchs rauſchend im Kaftane —

Sind das noch Dichter, noch Anachoreten?
Hoch über meinem Volk, in der Manſarde,

Umduftet von des Gartens blühndem Flieder,

Am Hut von Roſen eine Feſtkokarde,
Indeß die jungen Spatzen auf und nieder

Vorm Fenſter ſchildern, eine Ehrengarde —

So ſchreib' Ich für mein deutſches Mädchen Lieder.
[168]

XXXVIII.

O hätten ſie mir doch ihr Ohr geliehen

In jenen erſten unglückſel'gen Stunden,

Da ich die Spur der Herrlichen gefunden,

Und ſprach: Ihr Freunde, laßt mich weiter ziehen!
Sie lachten aber meiner nur und ſchrieen:

Pah! ein Paar kleine, leichte Liebeswunden?

Der Vogel iſt nun einmal feſtgebunden,

Und ſoll ſo bald nicht wieder uns entfliehen.
Jetzt wollen Alle die Gefahr erkennen;

Sie führen mir den Engel aus dem Haus,

Da mir die Kraft verſagt, um mich zu trennen.
Lauft darauf alle Weisheit denn hinaus?

Ihr laßt den Schmetterling getroſt verbrennen,

Und löſcht voll Mitleid dann die Kerzen aus!
[169]

XXXIX.

O heiſſ' mich nicht von Deinem Antlitz fliehn,

Auf dem der Liebe heilige Gedanken

Gleich goldnen Sternen auf und nieder ſchwanken,

Die ſtill und furchenlos am Himmel ziehn!
Hier iſt mein Tempel und hier will ich knien,

Um dieſen Altar meine Arme ranken,

In dieſen Armen meinen Göttern danken,

Daß ſie mir ihre Seligkeit verliehn!
Biſt Du, mein Herz, ſelbſt wider dich im Bunde?

Was ſoll der volle ſchäumende Pokal,

Was die Unendlichkeit dem Mann der Stunde?
Begehre nicht die Herrlichkeit zumal!

Bitt' um Ein Wort nur aus dem lieben Munde,

Ein halbes Lächeln, Einen Sonnenſtrahl!
[170]

XL.

Ob die Locken eine Glorie quellen

Um Dein Antlitz und Du himmliſchmild

Auf mich blickſt, ein ſtumm Marienbild,

Das zwei blaue Sterne fromm erhellen,
Ob Dein Haar in ungebundnen Wellen

Um den Nacken flutet, ſtolz und wild,

Und Dein Aug' ein harter Demantſchild,

Dran die kühnſten Wünſche jach zerſchellen;
Ob ich ſehe mit dem Heil'genſcheine

Dich, ob mit des Unmut's düſtrer Falte,

Ewig, ewig fleh' ich nur das Eine:
Daß Dein ſchöner Mund doch nie erkalte,

Daß Dein ſchönes Auge niemals weine,

Und mir Gott Dein ſchönes Herz erhalte.
[171]

XLI.

„Eins — zwei — drei — vier — nun, eine hübſche Schar!

Mein guter Freund, Ihr treibt das Ding ins Große;

Heut' iſt es dieſe, Morgen jene Roſe:

Mit Eurem Herzen ſteht es ſonderbar.“
Der Dichter iſt der Sultan Scheriar,

Und liebt, wie dieſer Herr, das Grandioſe;

Der ruht' auch zweimal nie im ſelben Schooſe,

Bis er Scheherezaden ward gewahr.
Ich ſah wohl manch ein ſchönes Angeſicht,

Das ich beſungen und belobt; nur ſchade,

Das, was ich ſuchte, war es immer nicht.
Und Alles, Alles mord' ich ohne Gnade,

Was meinem Ideale widerſpricht:

Wann kommſt Du endlich, o Scheherezade?
[172]

XLII.

Ich thue Jedermänniglich zu wiſſen,

Daß ich den finſtern Unmut ſehr bereue

Und mich von Herzen meines Lebens freue,

Daß ich erlöſt von allen Kümmerniſſen.
Mein liebes Fiſchchen hat nun angebiſſen

Und ſchwört mir über alle Maßen Treue,

Es herzt und herzt und herzt mich ſtets aufs Neue,

Und drückt mich ſchmeichelnd in die Sophakiſſen.
Ich lad' Euch, meine Freunde, ſämmtlich ein,

Mir eine frohe Stunde 'mal zu ſchenken;

Doch laßt mir dann die tolle Frage ſein:
Wann wir uns wohl zu ehlichen gedenken?

So lange noch der ganze Himmel mein,

Will ich mich nicht auf Haus und Hof beſchränken.
[173]

XLIII.

Ich ſtand auf einem Berg, da hört' ich ſingen

Zur Linken plötzlich ernſte, trübe Lieder;

Ein Opfer war es für die Erde wieder,

Ich kannte wohl der Glocken dumpfes Klingen.
Zur Rechten ſah ich einen Säugling bringen;

Wie eines Schmetterlinges bunt Gefieder,

Viel luſt'ge Bänder wehten auf und nieder,

Ein Glöckchen wollt' vor Freude ſchier zerſpringen.
Die Andacht wagt' kein Weſen rings zu ſtören:

Die Herden hielten ſtill auf ihren Weiden,

Wie fromme Beter flüſterten die Föhren.
Als ob die Glocken ſich umarmt, die Beiden,

Konnt' ich bald Einen ſüſſen Klang nur hören

Und Tod und Leben nicht mehr unterſcheiden.
[174]

XLIV.

Erreichbar nur dem Sturm und Sonnenbrand,

Von keines Wandrers Fuße umgebogen,

In ſcheuen Kreiſen nur vom Aar umflogen,

Wie ein Johannes in der Wüſte, ſtand
Ein Blümchen einſt auf kahler Alpenwand;

Der Himmel hatte, doppelt ihm gewogen,

Es ſeinem Herzen näher auferzogen,

Doch nur mit Klagen ſchaut' es in das Land.
„Warum, o Gott, in eines Felſen Schoos?

Warum, o Gott, mir ſolch ein einſam Loos?

Was ſterb' ich nicht in holder Schweſtern Mitten?”
Still, meine Blume, ſtill! Was klagſt Du noch?

Wohl biſt Du einſam, aber ſicher doch

Vor Menſchenhänden und vor Menſchentritten.
[175]

XLV.

Der Gefangene.

Der uns die Freiheit einſt ſo kühn gelehret,

Hört ihr ihn hinter jenem Gitter wohl,

Dran ſpottend noch des Glaubens rauh Symbol,

Manch eiſern Kreuz, das ihm die Flucht verwehret?
Das alſo iſt der Lohn, der ihm beſcheeret

Ward von dem angebeteten Idol?

Die Wangen blaß, die Augen trüb und hohl,

Die Augen, die er — nicht zum Himmel kehret.
Seit Jahren ſah er keine Wolke ſchweben,

Seit Jahren kein Geſtirn in blauer Ferne

Die goldne, thaubeglänzte Schwinge heben.
Die Erde — ach! er ließ' ſie Euch ſo gerne;

Doch ſprecht, ihr Herrn, wer hat Euch Macht gegeben,

Die Hand zu legen auf des Himmels Sterne?
[176]

XLVI.

Einem Schauſpieler.

Ja, ich will Kugeln gießen aus den Lettern,

Hör' ich die Stunde der Erlöſung ſchlagen,

Und Du auch wirſt in ſolchen großen Tagen

Die Welt nicht ſuchen mehr auf Deinen Brettern.
Gilt es, der Erde Götzen zu zerſchmettern,

Ich kenne Dich, Du wirſt Dein Leben wagen.

Wer unſers Friedens drückend Joch getragen,

Dem graut auch wahrlich nicht vor Sturm und Wettern.
Bis dahin aber opfere dem Schönen

So treu, wie jetzt, und heiſſe nicht deſpotiſch

Dein Herz zu früh deſſelben ſich entwöhnen.
So Manche macht die Freiheit jetzt zelotiſch,

Daß ſie, Barbaren gleich, die Kunſt verhöhnen;

Sei lieber göthiſch, theurer Freund, als gothiſch!
[177]

XLVII.

Nach langem Ringen iſt der Tag gewichen;

Ein reizend Weib im leichten Silberflor,

Tritt Luna hinter dem Gebirge vor,

Der Oſtwind iſt ihr neckend nachgeſtrichen.
Und eine bunte Schar von wunderlichen

Geſtalten taucht vor meinem Blick empor,

Sie kommen zaghaft, wie ein Mädchenchor,

Und wie auf Zehen zu mir angeſchlichen.
Ein Rauſchen naht von tauſend, tauſend Schwingen,

Ich fühl', wie Geiſter meine Stirne küſſen

Und mir die Hände legen auf das Haubt.
Ich hör' die Sterne aus den Lüften ſingen:

„Wohl dem, den wir noch wachen Augs begrüſſen,

Der an die Nacht, die heilige, noch glaubt!“
12[178]

XLVIII.

Hölderlin.

Den Klugen leiten ſicher ſtets die Horen,

Nur mit dem Genius ſpielen oft die Winde;

Daß er, ſo Glück, wie Unglück, früher finde,

Wird er mit Schwingen in die Welt geboren.
Doch bleibt ihm treu die Gottheit zugeſchworen;

Sie legt am böſen Tag dem armen Kinde

Mit weicher Hand ums Aug' des Wahnſinns Binde,

Daß es nie ſehe, was das Herz verloren.
Die Götter haben freundlich Dein gedacht,

Die Du ſo fromm gehalten einſt in Ehren,

Und lebend ſchon Dich aus der Welt gebracht.
Nichts Irdiſches kann fürder Dich verſehren,

Und reiner, denn ein Stern zum Schooß der Nacht,

Wirſt Du zurück zur großen Mutter kehren.
[179]

XLIX.

Trüg' ich ein Schwert als Krieger um die Lenden,

Ging' ich als Landmann hinter einem Pfluge,

Dann ſäß' ich Abends froh bei meinem Kruge,

Um mit dem Tag mein Tagewerk zu enden.
So aber, wenn ſie ſich zur Ruhe wenden,

Schweift mein Geiſt noch auf irrem Wanderzuge,

Und meine Seele kreist in ſtetem Fluge,

Ihr will kein Abend ſeinen Frieden ſpenden.
Dem Himmliſchen erbaun wir keine Schranken,

Es folgt uns nach ins laute Weltgetriebe

Und wird im Schlummer auch nicht von uns wanken.
Kein Ort — daß ich vor ihnen ſicher bliebe!

Gleich Blitzen zücken um mich die Gedanken

Und treffen mich ſelbſt in dem Arm der Liebe.
[180]

L.

So redet nur! Ihr ſollt mich nicht bekehren.

Er iſt in Eurer Hütte nie geſtanden,

War Euch nie weihend, ſegnend nie zu Handen,

Mein Genius — er gab Euch niemals Lehren.
Was man nicht kennt, das mag man leicht entbehren.

Doch mir geht ohne ihn mein Werk zu Schanden,

Indeß die Nüchternen in allen Landen,

Die Gottentfremdeten, die Schätze mehren.
Behagt Euch wohl im friedlichen Genuß,

Das Bischen Witz, es bleib' Euch unbenommen,

Das auf die Frohne wie ein Sklave muß.
Mir aber mag nur Zeus, der Donnrer, frommen,

Zu meinem Werke muß ein Himmelsgruß,

Ein heil'ger Sturm mein Herz erſt überkommen.
[181]

LI.

Byron's Sonett an Chillon.

(Bekanntlich haßte B. das Sonett.)


Dein himmliſch Lied — es hat ſchon manche Labe

In ſchwarzen düſtern Stunden mir bereitet,

Und wie den Jüngling treulich Du begleitet,

So freute Dein ſich ſchon der wilde Knabe.
Die Beſten haben über Deinem Grabe

Wetteifernd Lorberkränze hingebreitet,

Ach! wo ein Lob das andre niederſtreitet,

Wie wenig iſt's, was ich zu bieten habe!
Wenn ich mich zu Sonettendichtern wende,

Die auch die Reime ſträubend nur verſchlungen,

Seh' ich vor Allem Göthe's kleine Spende;
Doch hat er nicht, wie Du, den Groll bezwungen,

Der ſeines Liebens Anfang noch und Ende,

Der noch die Freiheit im Sonett beſungen.
[182]

LII.

Grabſchrift.

Sein oder Nichtſein iſt hier keine Frage;

Ich bin geweſen, was ich konnte ſein.

Kein Schelm und Schuft, bei Gott! ein Narr allein,

Der auch ſein Lämpchen brannt' am hellen Tage.
Kein Turner, aber doch von deutſchem Schlage;

Und wär' mein Vers wie meine Hände, rein,

So ruhete diß dichterlich Gebein

Dereinſt in einem ſtolzen Sarkophage.
Ich nahm das Leben für ein Würfelſpiel,

Das Keinem ſeine ſtete Gunſt geſchworen,

Doch oft hatt' ich der Augen noch zu viel;
Ich trieb's, ein Thor, wie tauſend andre Thoren,

Und, glücklicher als weiland Freund Schlemihl,

Hab' niemals meinen Schatten ich verloren.
[[183]]

Zum Andenken
an
Georg Büchner
den Verfaſſer von Danton's Tod.

Zürich, im Februar 1841.


Die Guten ſterben jung,

Und deren Herzen trocken, wie der Staub

Des Sommers, brennen bis zum letzten Stumpf.
[[184]][[185]]

I.

So hat ein Purpur wieder fallen müſſen!

Haſt eine Krone wiederum geraubt!

Du ſchonſt die Schlangen zwiſchen Deinen Füßen

Und trittſt den jungen Adlern auf das Haubt!

Du läßt die Sterne von dem Himmel ſinken

Und Flittergold an Deinem Mantel blinken!

Sprich, Schickſal, ſprich, was haſt Du dieſen Tempel

So früh in Schutt und Aſche hingelegt?

So rein und friſch war dieſer Münze Stempel —

Was haſt Du heute ſchon ſie umgeprägt?

O theurer, als im goldenen Pokale

Einſt jene Perle der Kleopatra,

Lag eine Perle in dem Haubte da;

Der Mörder Tod ſchlich nächtlich ſich in's Haus,

Der rohe Knecht zerbrach die zarte Schale

Und goß den hellen Geiſt als Opfer aus. —
Mein Büchner tot! Ihr habt mein Herz begraben!

Mein Büchner tot, als ſeine Hand ſchon offen,

Und als ein Volk ſchon harrete der Gaben,

[186]
Da wird der Fürſt von jähem Schlag getroffen;

Der Jugend fehlt ein Führer in die Schlacht,

Um einen Frühling iſt die Welt gebracht;

Die Glocke, die im Sturm ſo rein geklungen,

Iſt, da ſie Frieden lauten wollt', zerſprungen.
Wer weint mit mir? Nein, — Ihr begreift es nicht,

Wie zehnfach ſtets das Herz des Dichters bricht,

Wie blutend, gleich der Sonne, nur ſich reißt

Von dieſer Erde — ſtets ein Dichtergeiſt,

Wie immer, wo er von dem Leib ſich löſte;

Sein eigner Schmerz beim Scheiden war der größte.

Ein Scepter kann man ruhig fallen ſehn,

Wenn einmal nur mit ihm die Hand geſpielt,

Von einem Weibe kann man lächelnd gehn,

Wenn man's nur einmal in den Armen hielt;

Der Todesſtunde Qual ſind jene Schemen,

Die wir mit uns in unſre Grube nehmen,

Die Geiſter, die am Sterbebette ſtehn,

Und uns um Leben und Geſtaltung flehn,

Die ſchon die junge Morgenröte wittern

Und ihrem Werden bang entgegen zittern,

[187]
Des Dichters Qual die ungeborne Welt,

Der Keim, der mit der reifen Garbe fällt.
Ich will Euch an ein Dichterlager bringen.

Seht mit dem Tod ihn um die Zukunft ringen,

Seht ſeines Auges letzten Fieberſtrahl,

Wie es ſo trunken in die Leere ſchaut

Und drein noch ſterbend Paradieſe baut!

Die Hand zuckt nach der Stirne noch einmal,

Das Herz pocht wilder an die ſchwachen Rippen,

Das Zauberwort ſchwebt auf den blaſſen Lippen —

Noch Ein Geheimniß möcht' er uns entdecken,

Den letzten, größten Traum in's Daſein wecken. —

O Herr des Himmels, ſei ihm jetzt nicht taub!

Noch eine Stunde gönn' ihm, o Geſchick!

Verlöſche uns nicht des Profeten Blick!

Umſonſt — es bricht die müde Bruſt in Staub,

Und mit ihr wieder eine Freiheitsſtütze,

Auf's ſtille Herz fällt die gelähmte Hand,

Daß ſie im Tod noch vor der Welt es ſchütze;

Und die ſo reich vor ſeinem Geiſte ſtand,

Er darf die Zukunft nicht zur Blüte treiben,

[188]
Und ſeine Träume müſſen Träume bleiben;

Ein unvollendet Lied ſinkt er in's Grab,

Der Verſe ſchönſten nimmt er mit hinab.
Du flammſt nun wieder nach durchbrochner Schranke

In Gottes Haubt ein leuchtender Gedanke;

Am kalten Herde ſitzen wir allein,

Und weinen in die Aſche ſtill hinein.

O, mein Jahrhundert, ſammle ſie geſchwind, —

Er war ein Held, und mehr: Er war Dein Kind!

An Deiner Bruſt haſt Du ihn aufgeſäugt,

Dein Banner einzig hat er ja geſchwenkt;

Vor Dir allein hat er ſein Knie gebeugt,

Vor Dir, vor Dir allein ſein Schwert geſenkt;

Für Dich und mit Dir hat er kühn geſtritten,

Für Dich und mit Dir hat er treu gelitten;

Um Deinetwillen ſtieß ſein Vaterland

Ihn aus, gleich wie der Mutterborn die Welle,

Daß ſie am fremden, freudenloſen Strand

Mit allen Himmeln in der Bruſt zerſchelle.

An fremdem, freudenloſem Strande, ja!

Denn weſſen Herz ſtand hier dem ſeinen nah?
[189]
Wo ſcheu der Menſch den Fuß vom Boden hebt,

Und Fels und Stein allein nach oben ſtrebt?

Wo doppelt, doppelt ſchön der Aether blaut

Und doppelt tief der Menſch zu Erde ſchaut,

Wo ſtolze Adler ihre Heimat haben,

Und wo am Ruder ſitzen doch die Raben.

Der Alpen Kind, wie iſt Dein Ruf verhallt!

Einſt groß, wie ſie, und jetzt, wie ſie, nur kalt!

_ _ _ _ _ _ _ _

_ _ _ _ _ _ _ _

_ _ _ _ _ _ _ _

_ _ _ _ _ _ _ _

II.

Gleich Roſenhauch auf einer Jungfrau Wangen

Seh' ich den Abend im Gebirge prangen,

Im zarten Dufte glühen ſie vor mir

Die Gletſcher, denen treu die Sonne hier

Ihr erſtes und ihr letztes Lächeln zeigt,

Und aus den Flammen wie ein Phönix ſteigt

Der Mond mit ſilberſtrahlendem Gefieder,

In jede Woge taucht ſein Bildniß nieder,

[190]
Ob ſtumm ſie ruht, ob leuchtend ſie ſich bricht,

Sie wird verklärt und er vergißt ſie nicht;

So mag der Geiſt der Welt in unſer Denken,

In jede Blüte, jede Bruſt ſich ſenken.

Dem Mond ſtreut ſtill mit ſchmeichelnder Geberde

Goldwölkchen auf die Bahn des Abends Wehn

Gleich Blumen, doch nicht Blumen dieſer Erde,

Die welken müſſen, ehe ſie vergehn;

Dort in den Nachen wirft mit kalter Hand

Sein letztes Gold, das herbſtlich gelbe Land,

Und meine Seele ſieht in ſüßer Ruh

Der Perlen Träufeln von den Rudern zu,

Wie ſie von Ringen hin zu Ringen tönen,

Ein fliegendes Symbol der Ewigkeit,

Und endlich ſich, von jeder Form befreit,

Geſtaltlos mit dem Element verſöhnen.

O Geiſt, der über dieſen Waſſern lebt,

Der hier aus dieſen kühlen Gründen thaut,

Der aus der Tiefe Himmel wiederblaut,

Du Geiſt des Friedens, der mich jetzt umſchwebt,

Der ſich den Aether maßlos läßt entfalten,

Der Erde ſtillen Drang zum Lenz geſtalten —

[191]
So liebend beut die Luft des Vogels Schwingen,

Der Harfe Ton, um d'rin ſich auszuklingen —

Was haſt Du uns um dieſen Stern betrogen,

Und, eh' es tagen wollte, uns entzogen

Den Genius, der Dir ſo rein verwandt,

Sich in Dein All, wie Hauch in Hauch empfand,

D'rein wie in einer Blume Kelch ſich ſenkte,

Und d'raus ein Herz, ſo gottesdurſtig, tränkte?

Du haſt ein Auge der Natur genommen,

Das ihr in ihre tiefſte Seele ſah,

Um einen Beter biſt Du ſelbſt gekommen —

Um einen Beter? ei, ſo ſtaunet, ja!

Um keinen Beter, ruhig, ſicher, ſtill, —

Die Flamme bebt, wenn ſie nach oben will!

Um keinen Beter — nein, um keinen Wurm —

Es tobt das Meer und lobt den Herrn im Sturm!

Der Blumen ſchönſte brauchet einen Dorn,

Ein edles Herz zu Schutz und Trutz den Zorn;

Manch heiß Gebet hüllt ſich in einen Fluch,

Wie unſre Hoffnung in das Leichentuch.
[192]

III.

Was er geſchaffen, iſt ein Edelſtein,

D'rin blitzen Strahlen für die Ewigkeit;

Doch hätt' er uns ein Leitſtern ſollen ſein

In dieſer halben, irrgeword'nen Zeit,

In dieſer Zeit, ſo wetterſchwül und bang,

Die noch im Ohr der Kindheit Glockenklang,

Und mit der Hand ſchon nach dem Schwerte zittert,

Zur Hälfte tot, zur Hälfte neugeboren,

Gleich einer Pflanze, die den Frühling wittert

Und ihre alten Blätter nicht verloren.

Er hätte — aber gönnt ihm ſeine Ruh!

Die Augen fielen einem Müden zu;

Doch hat er, funkelnd in Begeiſterung,

Vom Himmelslichte trunken, ſie geſchloſſen,

Der Dichtung Quelle hat ſich voll und jung

Noch in den ſtillen Ocean ergoſſen.

Und eine Braut nahm ihn der andern ab;

Vor der verhaucht er friedlich ſanft ſein Leben,

Die Freiheit trug den Jünger in das Grab,

Und legt ſich bis zum jüngſten Tag daneben.

Auch nicht allein iſt er dahingegangen,

[193]
Zwei Pfeiler unſrer Kirche ſtürzten ein;

Erſt als den freiſten Mann die Gruft empfangen,

Senkt man auch Büchner in den Totenſchrein.

Büchner und Börne! — Deutſche Dioskuren,

Weh', daß der Lorber nicht auf deutſchen Fluren

Für ſolch geweihte Häubter wachſen darf!

Der Wind im Norden weht noch rauh und ſcharf,

Der Lorber will im Treibhaus nur gedeihen,

Ein freier Mann holt ſich ihn aus dem Freien!
O bleibe, Freund, bei deinem Danton liegen!

's iſt beſſer, als mit unſern Adlern fliegen. —

Der Frühling kommt, da will ich Blumen brechen

Auf Deinem Grab und zu den Deutſchen ſprechen:

„Kein Held noch, noch kein Ziska oder Tell?

Und Eure Trommel noch das alte Fell?“
13
[[194]]

Schlußlied.

Was ſoll der Becher,

Ihr tobenden Zecher,

Was ſoll die funkelnde Flaſche

In Eurer Hand?

Es trauert in Sack und Aſche

Das Vaterland.
Was ſoll, ihr Bräute,

Das Jubelgeläute?

O heißt die Roſen erblaſſen

Am deutſchen Strand?

Vom Bräutigam iſt verlaſſen

Das Vaterland.
[195]
Was ſoll, ihr Fürſten,

Nach Kronen das Dürſten?

Zerreißt die goldenen Schnüre,

Das Prunkgewand!

Es frieret vor Eurer Thüre

Das Vaterland.
Was macht, ihr Pfaffen,

Euch alſo zu ſchaffen?

Was ſoll uns jetzo das Beten?

O eitler Tand,

So lang in den Staub getreten

Das Vaterland!
Weh Euch, ihr Reichen,

Die nicht zu erweichen!

Ihr zählt die Rubel, die runden,

Im Sonnenbrand

Der Lazarus ſeine Wunden,

Das Vaterland.
[196]
Weh Euch, ihr Armen!

Was heiſcht Ihr Erbarmen?

Es liegen viel Edelſteine

Vor Euch im Sand,

Auch meine Thränen, auch meine,

Ums Vaterland.
Doch Du, o Dichter,

Biſt nimmer der Richter!

Gebeut der fertigen Zungen,

Gebeut ihr Stand!

Dein Schwanenlied iſt geſungen

Dem Vaterland.
[[197]]

Appendix A Inhaltsverzeichniß.


Seite.
An den Verſtorbenen. 1841.7
An Frau Carolina S. in Zürich. 1841.13
Leicht Gepäck. 1840.17
Wer iſt frei? 1841.20
Arndt's Wiedereinſetzung. 1841.23
Gebet. 1841.26
Der letzte Krieg. 1841.29
Der ſterbende Trompeter. 1840.32
Reiterlied. 1841.34
Rheinweinlied. (Okt. 1841.)36
Das freie Wort. 1841.38
Der beſte Berg. 1841.41
Seite.
Drei Gutenbergslieder. (Juni 1840.)43
Die Jungen und die Alten. 1840.48
Proteſt. 1841.50
Aufruf. 1841.53
Neujahr. 1841.56
Frühlingslied. 1841.60
Der Freiheit eine Gaſſe! 1841.64
Vive le Roi! 1840.67
Vive la République.1840.70
Dem deutſchen Volk. 1841.73
Das Lied vom Haſſe. 1841.76
Geſang der Jungen bei Amneſtirung der Alten. 1841.79
An die deutſchen Dichter. 1840.82
Anaſtaſius Grün. 1840.86
Béranger. 1840.89
Der Gang um Mitternacht. 1840.92
Schlechter Troſt. 1840.96
Strophen aus der Fremde. I. II. 1839.98
Ufnau und Helena. 1841.102
Seite.
Jacta alea est. 1841.109
An die Zahmen. 1841.113
Gegen Rom. 1841.116
An den König von Preußen. 1841.120
Zuruf. 1841.126
Sonette. (Aus einer größern Sammlung „Diſſonanzen.“) I. bis LII.
(Herbſt. 1840.)
131
Zum Andenken an Georg Büchner. 1841.183
Schlußlied. 1841.194
[200]

Appendix B Avis in Betreff etwaiger Druckfehler.



Voll von Fehlern iſt diß Buch;
Freiheit ſteht auf jeder Seite;


Gleichviel — gebt ihm Euern Fluch
Oder Segen zum Geleite!
Für das Sündenregiſter
Sorge der deutſche Philiſter.

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Dieses Werk ist gemeinfrei.


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Kolimo+

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TextGrid Repository (2025). Collection 2. Gedichte eines Lebendigen. Gedichte eines Lebendigen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bmx9.0