von
Suͤd-Europa
im
ſechszehnten und ſiebzehnten Jahrhundert.
Berichten.
Bei Duncker und Humblot.
[[III]]
ihre Kirche und ihr Staat
im
ſechszehnten und ſiebzehnten Jahrhundert.
Bei Duncker und Humblot.
[[IV]][[V]]
Inhalt.
- Seite
- Fuͤnftes Buch. Gegenreformationen. Erſter Zeit-
raum. 1563—1589 1 - Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563 5
- Streitkraͤfte des Papſtthums 19
- Die erſten Jeſuitenſchulen in Deutſchland 25
- Anfang der Gegenreformationen in Deutſchland 36
- Baiern 37. Baden Baden 44. Trier 47. Mainz
49. Eichsfeld 50. Fulda 51.
Gewaltthaͤtigkeiten in den Niederlanden und in Frankreich 54 - Widerſtand der Proteſtanten in den Niederlanden, Frank-
reich und Deutſchland 68 - Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa 78
- Polen 78. Schweden 80. England 84. Schweiz 89.
Entſcheidung in den Niederlanden 92 - Fortgang der Gegenreformationen in Deutſchland 111
- Coͤln 111. Paderborn 114. Muͤnſter 115. Hildes-
heim 116. Wuͤrzburg 119. Oeſtreich 123. Steier-
mark 127. Salzburg 131. Staͤdte 134. Weitere
Entwuͤrfe 136.
Die Ligue 143 - Savoyen und die Schweiz 155
- Angriff auf England 158
- Ermordung Heinrichs III.168
- Sechſtes Buch. Innere Gegenſaͤtze der Lehre und
der Macht. 1589—1607 175 - Kirchlich politiſche Theorie 179
- Oppoſition der Lehre 190
- Letzte Zeiten Sixtus V.198
- Urban VII. Gregor XIV. Innocenz IX. und ihre Con-
claven 1590, 91. 217 - Wahl und Natur Clemens VIII.226
- Abſolution Heinrichs IV.236
- Ferrara unter Alfonſo II.256
- Eroberung von Ferrara 268
- Jeſuitiſche Bewegungen 280
- Seite
- Politiſche Stellung Clemens VIII.306
- Wahl und erſte Handlungen Pauls V.319
- Venezianiſche Irrungen 324
- Austrag der jeſuitiſchen Sache 353
- Schluß 356
- Siebentes Buch. Gegenreformationen. Zweiter
Zeitraum. 1590—1630. 361 - Erſtes Kapitel. Fortſchritte der kathol. Reſtauration.
Unternehmungen des Katholicismus in Polen und den
angrenzenden Laͤndern 365 - Verſuch auf Schweden 373
- Ausſicht auf Rußland 389
- Innere Bewegungen in Polen 393
- Fortſetzung der Gegenreformation in Deutſchland 399
- Nuntiatur in der Schweiz 421
- Regeneration des Katholicismus in Frankreich 426
- Zweites Kapitel. Allgemeiner Krieg. Siege des
Katholicismus. 1617—1633.
Ausbruch des Krieges 439 - Gregor XV.454
- Allgemeine Ausbreitung des Katholicismus 458
- 1. Boͤhmen, die oͤſtreichiſchen Erblande 458
- 2. Das Reich. Uebertragung der Chur 466
- 3. Frankreich 473
- 4. Vereinigte Niederlande 478
- 5. Verhaͤltniß zu England 479
- 6. Miſſionen 488
- Suͤdamerika 488. Oſtindien 490. Sina 493.
Japan 496. Orientaliſche Chriſten 497. Ha-
beſch 498. Griechiſche Chriſten im tuͤrkiſchen
Reiche 500.
Drittes Kapitel. Gegenſatz politiſcher Verhaͤltniſſe.
Neue Siege des Katholicismus. 1623—1628. 501 - Viertes Kapitel. Mantuaniſch-ſchwediſcher Krieg.
Umſchwung der Dinge526 - Mantuaniſche Erbfolge 528
- Urban VIII.535
- Die Macht Kaiſer Ferdinands II. im Jahre 1629 542
- Unterhandlungen mit Schweden. Churfuͤrſtentag zu Re-
gensburg 551 - Schwediſcher Krieg. Stellung des Papſtes 559
- Herſtellung eines Gleichgewichtes der beiden Bekenntniſſe 566
Fuͤnftes Buch.
Gegenreformationen. Erſter Zeitraum.
1563—1589.
Päpſte* 1
[[2]][[3]]
In der Geſchichte einer Nation, einer Macht iſt es immer
eine der ſchwerſten Aufgaben, den Zuſammenhang ihrer be-
ſondern Verhaͤltniſſe mit den allgemeinen wahrzunehmen.
Wohl entwickelt ſich das beſondere Leben nach einge-
pflanzten Geſetzen aus ſeinem eigenthuͤmlichen geiſtigen
Grunde: ſich ſelber gleich bewegt es ſich durch die Zeital-
ter fort. Unaufhoͤrlich aber ſteht es doch auch unter all-
gemeinen Einfluͤſſen, die auf den Gang ſeiner Entwicke-
lung maͤchtig einwirken.
Wir koͤnnen ſagen: der Charakter des heutigen Europa
beruht auf dieſem Gegenſatz. Die Staaten, die Voͤlker
ſind auf ewig von einander getrennt, aber zugleich ſind ſie
in einer unaufloͤslichen Gemeinſamkeit begriffen. Es giebt
keine Landesgeſchichte, in der nicht die Univerſalhiſtorie
eine große Rolle ſpielte. So nothwendig in ſich ſelbſt, ſo
allumfaſſend iſt die Aufeinanderfolge der Zeitalter, daß auch
der maͤchtigſte Staat oft nur als ein Glied der Geſammt-
heit erſcheint, von ihren Schickſalen umfangen und be-
herrſcht. Wer es einmal verſucht hat, ſich die Geſchichte
eines Volkes im Ganzen, ohne Willkuͤhr und Taͤuſchung
zu denken, ihren Verlauf anzuſchauen, wird die Schwie-
1*
[4]Buch V. Gegenreformationen.
rigkeit empfunden haben, die hieraus entſpringt. In den
einzelnen Momenten eines ſich fortbildenden Lebens neh-
men wir doch die verſchiedenen Stroͤmungen der Weltge-
ſchicke wahr.
Dieſe Schwierigkeit verdoppelt ſich aber noch, wenn
eine Macht, wie es zuweilen geſchieht, eine Weltbewegung
anregt, ein Princip derſelben vorzugsweiſe in ſich darſtellt.
An der Geſammthandlung des Jahrhunderts nimmt ſie dann
einen ſo thaͤtigen Antheil, ſie ſetzt ſich in eine ſo lebendige
Beziehung zu allen Kraͤften der Welt, daß ihre Geſchichte
ſich in gewiſſem Sinne zur Univerſalgeſchichte erweitert.
In einen ſolchen Moment trat das Papſtthum nach
dem tridentiniſchen Concilium ein.
In ſeinem Innern erſchuͤttert, in dem Grunde ſeines
Daſeyns gefaͤhrdet, hatte es ſich zu behaupten und wie-
der zu erneuern gewußt. In den beiden ſuͤdlichen Halb-
inſeln hatte es bereits alle feindſeligen Beſtrebungen von
ſich ausgeſtoßen, und die Elemente des Lebens aufs neue
an ſich gezogen, durchdrungen. Jetzt faßte es den Gedan-
ken, die Abgefallenen in allen andern Theilen der Welt
wieder zu unterwerfen. Rom ward noch einmal eine er-
obernde Macht: es machte Entwuͤrfe, es fing Unterneh-
mungen an, wie ſie von dieſen ſieben Huͤgeln in der al-
ten Zeit, in den mittlern Jahrhunderten ausgegangen
waren.
Wir wuͤrden die Geſchichte des reſtaurirten Papſt-
thums noch wenig kennen, wenn wir uns bloß in ſeinem
Mittelpunkt aufhalten wollten. Erſt in ſeiner Einwirkung
auf die Welt zeigt ſich ſeine weſentliche Bedeutung.
[5]Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
Beginnen wir damit, die Macht und Stellung ſeiner
Gegner ins Auge zu faſſen.
Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
Dieſſeit der Alpen und der Pyrenaͤen waren die pro-
teſtantiſchen Meinungen bis zu den Zeiten der letzten Sitzun-
gen des tridentiniſchen Conciliums unaufhaltſam vorgedrun-
gen: weit und breit, uͤber germaniſche, ſlawiſche und roma-
niſche Nationen erſtreckte ſich ihre Herrſchaft.
In den ſcandinaviſchen Reichen hatten ſie ſich um ſo
unerſchuͤtterlicher feſtgeſetzt, da hier ihre Einfuͤhrung mit
der Gruͤndung neuer Dynaſtien, der Umbildung der geſamm-
ten Staatseinrichtungen zuſammenfiel. Von erſtem An-
fang an wurden ſie mit Freude begruͤßt: gleich als laͤge
in ihnen eine urſpruͤngliche Verwandtſchaft mit der natio-
nalen Sinnesweiſe: der erſte Begruͤnder des Lutherthums
in Daͤnemark, Bugenhagen, kann nicht genug ſagen, mit
welchem Eifer man daſelbſt die Predigt hoͤre, „auch des
Werkeltags,“ wie er ſich ausdruͤckt, „auch vor Tag, Feier-
tags den ganzen Tag uͤber“ 1): bis an die aͤußerſten Grenzen
waren ſie nunmehr verbreitet. Im Jahre 1552 erlagen
die letzten Repraͤſentanten des Katholicismus in Island:
im Jahre 1554 ward ein lutheriſches Bisthum in Wiborg
geſtiftet: den ſchwediſchen Voͤgten zur Seite wanderten evan-
geliſche Prediger nach dem entfernten Lappland. Mit ern-
[6]Buch V. Gegenreformationen.
ſten Worten ſchaͤrfte Guſtav Waſa 1560 ſeinen Erben in
ſeinem Teſtamente ein: bei der evangeliſchen Lehre mit ih-
rer Nachkommenſchaft auszuharren, und keine falſchen Leh-
rer zu dulden. Er machte dieß gleichſam zu einer Bedin-
gung ihrer Thronberechtigung 1).
Auch an den dieſſeitigen Kuͤſten der Oſtſee hatte das
Lutherthum wenigſtens bei den Einwohnern deutſcher Zunge
eine vollkommene Herrſchaft erlangt. Preußen hatte das
erſte Beiſpiel einer großen Saͤculariſation gegeben: als ihm
Liefland im Jahre 1561 endlich nachfolgte, war die erſte
Bedingung ſeiner Unterwerfung unter Polen, daß es bei
der augsburgiſchen Confeſſion bleiben duͤrfe. Schon durch
ihr Verhaͤltniß zu dieſen Laͤndern, deren Unterwerfung auf
dem proteſtantiſchen Princip beruhte, wurden dann die ja-
gelloniſchen Koͤnige verhindert, ſich demſelben zu widerſetzen.
Die großen Staͤdte in Polniſch-Preußen wurden in den
Jahren 1557 und 1558 durch ausdruͤckliche Freibriefe in
der Religionsuͤbung nach lutheriſchem Ritus beſtaͤtigt: und
noch deutlicher lauteten die Privilegien, welche bald darauf
die kleinen Staͤdte erhielten: den Angriffen der maͤchtigen
Biſchoͤfe waren ſie eher ausgeſetzt 2). Da hatten denn
auch im eigentlichen Polen die proteſtantiſchen Meinungen
einen großen Theil des Adels fuͤr ſich gewonnen: ſie be-
friedigten das Gefuͤhl der Unabhaͤngigkeit, das durch die
Natur der Staatsverfaſſung in demſelben genaͤhrt wurde.
[7]Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
„Ein polniſcher Edelmann ſey dem Koͤnig nicht unterworfen:
ſollte er es dem Papſte ſeyn?“ Es kam ſo weit, daß
Proteſtanten in die biſchoͤflichen Stellen drangen, daß ſie
noch unter Siegmund Auguſt die Majoritaͤt in dem Se-
nate bildeten. Dieſer Fuͤrſt war ohne Zweifel katholiſch: er
hoͤrte alle Tage die Meſſe, alle Sonntag die katholiſche Pre-
digt: er ſtimmte ſelbſt mit den Saͤngern ſeines Chors das
Benedictus an: er hielt die Zeiten der Beichte und des
Abendmahls, das er unter Einer Geſtalt empfing; allein,
was man an ſeinem Hofe, in ſeinem Lande glaube, ſchien
ihm wenig zu kuͤmmern: ſich die letzten Jahre ſeines Lebens
mit dem Kampfe gegen eine ſo maͤchtig vordringende Ueber-
zeugung zu verbittern war er nicht geſonnen 1).
Wenigſtens foͤrderte es in den benachbarten ungariſchen
Gebieten die Regierung nicht, daß ſie einen ſolchen Kampf
verſuchte. Niemals vermochte Ferdinand I. den ungariſchen
Reichstag zu Beſchluͤſſen zu bringen, die dem Proteſtantismus
unguͤnſtig geweſen waͤren. Im Jahre 1554 ward ein Lu-
theraner zum Palatin des Reiches gewaͤhlt: ſelbſt dem hel-
vetiſchen Bekenntniß im Erlauer Thal mußten bald darauf
Verguͤnſtigungen zugeſtanden werden. Siebenbuͤrgen trennte
ſich ganz; durch einen foͤrmlichen Landtagsbeſchluß wurden
dort im Jahre 1556 die geiſtlichen Guͤter eingezogen; die
Fuͤrſtin nahm ſogar den groͤßten Theil der Zehnten an ſich.
[8]Buch V. Gegenreformationen.
Und hier kommen wir auf unſer Vaterland, wo die
neue Kirchenform ſich aus dem originalen Geiſte der Na-
tion zuerſt entwickelt, ſich in langen und gefaͤhrlichen Krie-
gen Geltung und geſetzliches Daſeyn im Reich erkaͤmpft
hatte, und nun im Begriff war, die verſchiedenen Landſchaf-
ten vollends einzunehmen. Schon war es damit ſehr weit
gediehen. Nicht allein beherrſchte der Proteſtantismus das
noͤrdliche Deutſchland, wo er entſprungen war, und jene
Gebiete des obern, wo er ſich immer gehalten hat: noch
viel weiter hatte er um ſich gegriffen.
In Franken ſetzten ſich ihm die Bisthuͤmer vergebens
entgegen. In Wuͤrzburg und Bamberg war der bei weitem
groͤßte Theil des Adels und der biſchoͤflichen Beamten, die
Magiſtrate und Buͤrgerſchaften der Staͤdte wenigſtens in
der Mehrzahl, und die Maſſe des Landvolkes uͤbergetreten:
im Bambergiſchen kann man faſt fuͤr jede einzelne Land-
pfarre lutheriſche Prediger nachweiſen 1). In dieſem Sinne
ward die Verwaltung geleitet, die ja hauptſaͤchlich in den
Haͤnden der Staͤnde lag, welche ihr eigenes Gemeinweſen
hatten, Anlage oder Umgeld ſelbſt ausſchrieben: in dieſem
Sinne waren die Gerichte beſetzt, und man wollte bemer-
ken, daß der groͤßte Theil der Urtel dem katholiſchen In-
tereſſe entgegenlaufe 2). Die Biſchoͤfe galten nicht viel:
wer in ihnen ja noch „mit alter deutſcher und fraͤnkiſcher
Treue“ den Fuͤrſten verehrte, konnte doch nicht vertragen,
[9]Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
wenn ſie in ihrem Kirchen-Ornate, mit ihren Infuln ein-
hertraten.
Dieſe Bewegung hatte ſich in Baiern nicht viel min-
der lebhaft fortgeſetzt. Die große Mehrheit des Adels
hatte die proteſtantiſchen Lehren ergriffen: ein guter Theil der
Staͤdte neigte ſich entſchieden dahin: der Herzog mußte
auf ſeinen Landtagen, z. B. im Jahre 1556, Zugeſtaͤnd-
niſſe machen, wie ſie anderwaͤrts zur vollkommenen Ein-
fuͤhrung des augsburgiſchen Bekenntniſſes hingereicht hat-
ten, und die auch hier dieſelbe Folge haben zu muͤſſen
ſchienen. Der Herzog ſelbſt war dieſem Bekenntniß nicht
ſo ganz entgegen, daß er nicht auch zuweilen einer prote-
ſtantiſchen Predigt beigewohnt haͤtte 1).
Noch viel weiter aber war es in Oeſtreich gekommen.
Der Adel ſtudirte in Wittenberg: alle Landescollegien wa-
ren mit Proteſtanten erfuͤllt: man wollte rechnen, daß viel-
leicht nur noch der dreißigſte Theil der Einwohner katho-
liſch geblieben: ſchrittweiſe bildete ſich eine landſtaͤndiſche
Verfaſſung aus, welche auf dem Princip des Proteſtantis-
mus beruhete.
Von Baiern und Oeſtreich eingeſchloſſen, hatten auch
die Erzbiſchoͤfe von Salzburg ihr Land nicht bei der alten
Kirchenlehre behaupten koͤnnen. Zwar ließen ſie noch keine
proteſtantiſchen Prediger zu: aber die Geſinnung der Ein-
wohner ſprach ſich nichts deſto minder entſchieden aus. In
der Hauptſtadt ward die Meſſe nicht mehr beſucht, weder
Faſten noch Feiertag gehalten: wem die Prediger in den
oͤſtreichiſchen Ortſchaften zu entfernt waren, der erbaute ſich
[10]Buch V. Gegenreformationen.
zu Hauſe aus Spangenbergs Poſtille. In dem Gebirge
war man damit noch nicht zufrieden. In der Rauris und
der Gaſtein, in St. Veit, Tamsweg, Radſtadt forderten
die Landleute laut den Kelch im Abendmahl: da er nicht
gewaͤhrt wurde, ſo vermieden ſie die Sacramente ganz: ſie
ſchickten ihre Kinder nicht mehr zur Schule: in der Kirche
geſchah es wohl, daß ein Bauer ſich erhob und dem Pre-
diger zurief: „du luͤgſt“: — die Bauern predigten ſelbſt
unter einander 1). Man darf ſich nicht verwundern, wenn
bei der Verſagung alles Gottesdienſtes, welcher der neuge-
gruͤndeten Ueberzeugung entſprochen haͤtte, ſich in der Ein-
ſamkeit der Alpen Meinungen von phantaſtiſcher und aben-
teuerlicher Natur ausbildeten.
Wie ſehr erſcheint es, hiemit verglichen, als ein Vor-
theil, daß in den Gebieten der geiſtlichen Churfuͤrſten am
Rhein der Adel Selbſtaͤndigkeit genug beſaß, um ſeinen
Hinterſaſſen eine Freiheit zu verſchaffen, die der geiſtliche
Herr nicht wohl gewaͤhren konnte. Der rheiniſche Adel
hatte den Proteſtantismus fruͤh angenommen; in ſeinen
Herrſchaften geſtattete er dem Fuͤrſten keinerlei Eingriffe,
ſelbſt nicht von religioͤſer Art. Schon gab es auch in den
Staͤdten allenthalben eine proteſtantiſche Partei. Haͤufig,
in wiederholten Petitionen, regte ſie ſich in Coͤln: in Trier
war ſie bereits ſo maͤchtig, daß ſie ſich einen Prediger aus
Genf kommen ließ, und ihn dem Churfuͤrſten zum Trotz
behauptete: in Aachen ſtrebte ſie geradezu nach der Ober-
[11]Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
herrſchaft: auch die Mainzer trugen kein Bedenken, ihre
Kinder in die proteſtantiſchen Schulen, z. B. nach Nuͤrnberg,
zu ſchicken. Commendone, welcher im Jahre 1561 in
Deutſchland war, kann nicht Worte genug finden, um die
Abhaͤngigkeit der Praͤlaten von den lutheriſchen Fuͤrſten,
ihre Nachgiebigkeit gegen den Proteſtantismus zu ſchil-
dern 1). In ihren geheimen Raͤthen meint er Proteſtan-
ten von der heftigſten Partei zu bemerken 2). Er iſt erſtaunt,
daß die Zeit dem Katholicismus ſo gar nichts geholfen.
Auch in Weſtphalen ſtand es wie anderwaͤrts. Am
Tage St. Peters war das ganze Landvolk mit der Ernte
beſchaͤftigt: die gebotenen Faſttage wurden uͤberhaupt nicht
mehr gehalten. In Paderborn hielt der Stadtrath mit ei-
ner Art von Eiferſucht uͤber ſeinem proteſtantiſchen Bekennt-
niß; in Muͤnſter waren die meiſten Prieſter foͤrmlich ver-
heirathet; der Herzog Wilhelm von Cleve hielt ſich zwar
im Ganzen katholiſch, aber in ſeiner Hauscapelle nahm
doch auch er das Abendmahl unter beiden Geſtalten: der
groͤßte Theil ſeiner Raͤthe war unverholen proteſtantiſch:
der evangeliſchen Uebung ward kein weſentliches Hinderniß
entgegengeſetzt 3).
Genug in ganz Deutſchland von Weſten nach Oſten,
[12]Buch V. Gegenreformationen.
von Norden nach Suͤden hatte der Proteſtantismus ein
unzweifelhaftes Uebergewicht. Der Adel war ihm von al-
lem Anfang zugethan; der Beamtenſtand, ſchon damals
zahlreich und angeſehen, war in der neuen Lehre erzogen;
das gemeine Volk wollte von gewiſſen Artikeln, z. B. von
dem Fegefeuer, gewiſſen Ceremonien, z. B. den Wallfahr-
ten, nichts mehr hoͤren; kein Kloſter war mehr in Stand
zu halten: Niemand wagte ſich mehr mit Heiligen-Reli-
quien hervor. Ein venezianiſcher Geſandter rechnet im
Jahre 1558, daß in Deutſchland nur noch der zehnte
Theil der Einwohner dem alten Glauben treu geblieben.
Kein Wunder, wenn die Verluſte des Katholicismus
in Beſitz und Macht noch immer fortgingen. In den mei-
ſten Stiftern waren die Domherrn entweder der verbeſſerten
Lehre zugethan, oder lau und gleichguͤltig; was haͤtte ſie
abhalten koͤnnen, wenn es ſonſt vortheilhaft ſchien, bei vor-
kommender Gelegenheit Proteſtanten zu Biſchoͤfen zu poſtu-
liren? Zwar verordnete der Religionsfriede, daß ein geiſt-
licher Fuͤrſt Amt und Einkommen verlieren ſolle, wenn er
den alten Glauben verlaſſe, aber man glaubte, daß dadurch
ein evangeliſch gewordenes Capitel keinesweges gehindert
werde, ſich auch einen evangeliſchen Biſchof zu waͤhlen: —
genug, wenn man die Stifter nur nicht erblich mache. So
geſchah es, daß ein brandenburgiſcher Prinz das Erzſtift
Magdeburg, ein lauenburgiſcher Bremen, ein braunſchwei-
giſcher Halberſtadt empfing. Auch die Bisthuͤmer Luͤbek,
Verden, Minden, die Abtei Quedlinburg geriethen in pro-
teſtantiſche Haͤnde 1).
[13]Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
Und nicht minder ſetzten ſich die Einziehungen geiſtli-
cher Guͤter fort. Welche Verluſte erlitt z. B. binnen we-
nigen Jahren das Bisthum Augsburg. Im Jahre 1557
wurden ihm alle Kloͤſter im Wirtembergiſchen entriſſen:
1558 folgten die Kloͤſter und Pfarren der Grafſchaft Oet-
tingen nach: erſt nach dem Religionsfrieden erhoben ſich
die Proteſtanten in Duͤnkelsbuͤhl und Donauwerth zur Pa-
ritaͤt, in Noͤrdlingen und Memmingen zur Oberherrſchaft:
dann gingen die Kloͤſter in dieſen Staͤdten, unter andern
die reiche Praͤceptorie zum h. Antonius in Memmingen,
die Pfarren unwiederbringlich verloren 1).
Dazu kam nun, daß dem Katholicismus ſelbſt fuͤr
die Zukunft wenig Ausſicht uͤbrig blieb.
Auch in den Lehranſtalten nemlich, auf den Univer-
ſitaͤten hatte die proteſtantiſche Meinung obgeſiegt. Jene
alten Verfechter des Katholicismus, die Luthern Widerpart
gehalten, oder ſich in den Religionsgeſpraͤchen hervorge-
than, waren verſtorben, oder ſtanden in hohem Alter. Junge
Maͤnner, faͤhig ſie zu erſetzen, waren nicht emporgekom-
men. In Wien war es zwanzig Jahre her, daß kein Zoͤg-
ling der Univerſitaͤt die Prieſterweihe genommen hatte.
In Ingolſtadt ſelbſt, das ſo vorzugsweiſe katholiſch war,
fanden ſich fuͤr wichtige Stellen, die bisher immer mit
Geiſtlichen beſetzt worden, keine geeigneten Bewerber mehr
in dieſer Facultaͤt 2). In Coͤln eroͤffnete die Stadt eine
[14]Buch V. Gegenreformationen.
Burſa: als die Einrichtungen getroffen worden, zeigte ſich,
daß der neue Regens ein Proteſtant war 1). Ausdruͤcklich
in der Abſicht den proteſtantiſchen Meinungen Widerſtand
zu leiſten, errichtete der Cardinal Otto Truchſeß eine neue
Univerſitaͤt in ſeiner Stadt Dillingen: einige Jahr bluͤhte
ſie durch ein paar ausgezeichnete ſpaniſche Theologen; ſo-
bald ſich dieſe wieder entfernten, fand ſich in Deutſchland
kein katholiſcher Gelehrter, um ihre Stellen zu beſetzen:
es drangen auch hier Proteſtanten ein. Um dieſe Zeit wa-
ren die Lehrer in Deutſchland faſt ohne Ausnahme Prote-
ſtanten: die geſammte Jugend ſaß zu ihren Fuͤßen und
ſaugte mit dem Beginn der Studien den Haß wider den
Papſt ein.
So ſtand es in dem Norden und Oſten von Europa:
der Katholicismus war an vielen Orten ganz beſeitigt,
allenthalben beſiegt und beraubt. Indem er ſich noch
bemuͤhte ſich zu vertheidigen, waren ihm tiefer im We-
ſten und Suͤden ſogar noch gefaͤhrlichere Feinde hervorge-
treten.
Denn ohne Zweifel in noch entſchiedenerem Gegenſatz
gegen die roͤmiſchen Lehren als das Lutherthum ſtand die
calviniſtiſche Auffaſſungsweiſe: eben in der Epoche, von der
wir handeln, bemaͤchtigte ſie ſich der Geiſter mit unwi-
derſtehlicher Gewalt.
An den Grenzen von Italien, Deutſchland und Frank-
reich war ſie entſprungen: nach allen Seiten hatte ſie ſich
[15]Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
ergoſſen: in Ungarn, Polen und Deutſchland bildete ſie ein
zwar noch untergeordnetes, jedoch ſchon in ſich bedeuten-
des Element der proteſtantiſchen Entwickelung: im weſtli-
chen Europa erhob ſie ſich bereits zu ſelbſtaͤndiger Gewalt.
Wie die ſcandinaviſchen Reiche lutheriſch, ſo waren
die britanniſchen calviniſtiſch geworden: ſogar in entge-
gengeſetzten Formen hatte ſich die neue Kirche hier ausge-
bildet. In Schottland, wo ſie im Kampfe mit der Re-
gierung zur Gewalt gelangt, war ſie arm, populaͤr, demo-
kratiſch: mit deſto unwiderſtehlicherem Feuer erfuͤllte ſie die
Gemuͤther. In England war ſie im Bunde mit der da-
maligen Regierung emporgekommen: hier war ſie reich, mo-
narchiſch, praͤchtig; auch gab ſie ſich ſchon zufrieden, wenn
man ſich ihrem Ritus nur nicht widerſetzte. Natuͤrlich
war die erſte dem Muſter der Genfer Kirche unendlich viel
naͤher, unendlich viel mehr in dem Geiſte Calvins.
Mit aller ihrer natuͤrlichen Lebhaftigkeit hatte die fran-
zoͤſiſche Nation die Lehren dieſes ihres Landsmanns ergrif-
fen. Allen Verfolgungen zum Trotz richteten ſich die fran-
zoͤſiſchen Kirchen nach dem Muſter von Genf proteſtantiſch
ein: bereits im Jahre 1559 hielten ſie eine Synode. Der
venezianiſche Geſandte Micheli findet im Jahre 1561 keine
Provinz vom Proteſtantismus frei, drei Viertheil des Reiches
von demſelben erfuͤllt: — Bretagne und Normandie, Gascogne
und Languedoc, Poitou, Touraine, Provence, Dauphiné.
„An vielen Orten,“ ſagt er, „in dieſen Provinzen werden Ver-
ſammlungen, Predigten gehalten, Lebenseinrichtungen ge-
troffen, ganz nach dem Vorbilde von Genf, ohne alle Ruͤck-
ſicht auf die koͤniglichen Verbote. Jedermann hat dieſe
[16]Buch V. Gegenreformationen.
Meinungen angenommen: was am merkwuͤrdigſten iſt, ſelbſt
der geiſtliche Stand: nicht allein Prieſter, Moͤnche und
Nonnen — es moͤchte wohl wenig Kloͤſter geben, welche
ſich unberuͤhrt gehalten — ſondern die Biſchoͤfe ſelbſt und
viele von den vornehmſten Praͤlaten.“ „Ew. Herrlichkeit,“
ſagt er ſeinem Doge, „ſey uͤberzeugt, daß das gemeine
Volk ausgenommen, welches die Kirchen noch immer eifrig
beſucht, alle Andern abgefallen ſind, beſonders die Adlichen,
die juͤngern Maͤnner unter 40 Jahr faſt ohne Ausnahme.
Denn wiewohl Viele von ihnen noch zur Meſſe gehn, ſo
geſchieht es doch nur zum Schein und aus Furcht: wenn
ſie ſich unbeobachtet wiſſen, fliehen ſie Meſſe und Kirche.“
Als Micheli nach Genf kam, vernahm er, daß unmittel-
bar nach dem Tode Franz II. 50 Prediger von hier nach
verſchiedenen Staͤdten in Frankreich ausgegangen; er er-
ſtaunt, in welchem Anſehen Calvin ſteht, wie viel Geld ihm
zufließt zu Gunſten der Tauſende, die ſich nach Genf zu-
ruͤckgezogen 1). Er findet es unerlaͤßlich, daß den franzoͤ-
ſiſchen Proteſtanten Religionsfreiheit, wenigſtens ein In-
terim
[17]Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
terim, wie er ſich ausdruͤckt, zugeſtanden werde, wenn man
nicht ein allgemeines Blutbad veranlaſſen wolle. Kurz dar-
auf erfolgte in der That das Edict vom Januar 1562,
welches dem Proteſtantismus eine geſetzlich anerkannte
Exiſtenz in Frankreich gewaͤhrte, und die Grundlage der
Berechtigungen iſt, deren er ſich von dem an dort uͤber-
haupt erfreut hat.
Alle dieſe Veraͤnderungen auf allen Seiten, in Deutſch-
land, Frankreich und England, mußten nun nothwendig auch
auf die Niederlande wirken. Zuerſt waren die deutſchen Ein-
fluͤſſe vorherrſchend geweſen. Unter den Motiven, welche
Carl den V. zu dem ſchmalkaldiſchen Kriege bewogen, war
es eines der vornehmſten, daß die Sympathie, welche die
deutſchen Proteſtanten in den Niederlanden erweckten, ihm
die Regierung dieſer Provinz, die ein ſo wichtiges Glied
ſeiner Monarchie bildete, taͤglich mehr erſchwerte. Indem
er die deutſchen Fuͤrſten bezwang, verhuͤtete er zugleich eine
Empoͤrung ſeiner Niederlaͤnder 1). Jedoch alle ſeine Ge-
ſetze, obwohl ſie mit außerordentlicher Strenge gehandhabt
wurden — man hat berechnet, daß bis 1560 an 30000
Proteſtanten hingerichtet worden ſeyen — vermochten nicht
den Fortgang der religioͤſen Meinungen aufzuhalten. Nur
das erfolgte, daß ſich dieſe allmaͤhlig mehr der franzoͤſiſchen,
calviniſtiſchen, als der deutſchen, lutheriſchen Richtung an-
ſchloſſen. Im Jahre 1561 trat bereits auch hier eine foͤrm-
liche Confeſſion hervor: man richtete Kirchen nach dem
Muſter von Genf ein; indem ſich die Proteſtanten mit den
Päpſte* 2
[18]Buch V. Gegenreformationen.
oͤrtlichen Gerechtſamen und deren Verfechtern verbanden, be-
kamen ſie eine politiſche Grundlage, die ihnen eine glaͤn-
zende Zukunft eroͤffnete.
Unter dieſen Umſtaͤnden erwachte auch in den aͤlteren
Oppoſitionen gegen Rom eine neue Kraft. Im Jahre 1562
wurden die maͤhriſchen Bruͤder von Maximilian II. foͤrm-
lich anerkannt, und ſie benutzten dieß Gluͤck, um gleich in
demſelben Jahre in ihren Synoden eine große Anzahl neuer
Geiſtlichen — man zaͤhlt ihrer 188 — zu erwaͤhlen 1).
Im Jahre 1561 ſah ſich der Herzog von Savoyen genoͤ-
thigt, auch den armen Waldenſergemeinden im Gebirge neue
Freiheiten zu bewilligen 2). Bis in die entfernteſten vergeſ-
ſenſten Winkel von Europa erſtreckte die proteſtantiſche Idee
ihre belebende Kraft. Welch ein unermeßliches Gebiet, das
ſie ſich binnen 40 Jahren erobert hatte! Von Island bis
an die Pyrenaͤen, von Finnland bis an die Hoͤhe der ita-
lieniſchen Alpen. Auch uͤber dieſe Gebirge reichten einſt,
wie wir wiſſen, ihre Analogien: ſie umfaßte das ganze
Gebiet der lateiniſchen Kirche. Bei weitem die Mehrzahl
der hoͤheren Claſſen, der an dem oͤffentlichen Leben theilneh-
menden Geiſter hatte ſie ergriffen: ganze Nationen hingen
ihr enthuſiaſtiſch an: ſie hatte die Staaten umgebildet 3).
[19]Lage des Proteſtantismus um das Jahr 1563.
Es iſt dieß um ſo bewundernswuͤrdiger, da ſie keines-
wegs allein Gegenſatz war, etwa nur eine Negation des
Papſtthums, eine Losſagung von demſelben, ſondern in ho-
hem Grade poſitiv, eine Erneuerung der chriſtlichen Ge-
danken und Grundſaͤtze, welche das Leben bis in das tiefſte
Geheimniß der Seele beherrſchen.
Streitkräfte des Papſtthums.
Eine lange Zeit daher hatte ſich Papſtthum und Ka-
tholicismus gegen dieſe Fortſchritte zwar abwehrend, aber
doch leidend verhalten, und ſie ſich im Ganzen gefallen
laſſen muͤſſen.
Jetzt aber nahmen die Dinge eine andere Geſtalt an.
Wir haben die innere Entwickelung betrachtet, durch
welche der Katholicismus ſich wieder herzuſtellen begann.
3)
2*
[20]Buch V. Gegenreformationen.
Im Ganzen koͤnnen wir ſagen, daß er von Neuem eine
lebendige Kraft in ſich erzeugt, das Dogma im Geiſte des
Jahrhunderts regenerirt, eine Reform ins Leben gerufen
hatte, welche den Forderungen der Zeitgenoſſen im Allge-
meinen entſprach. Die religioͤſen Tendenzen, welche in dem
ſuͤdlichen Europa vorhanden waren, ließ er nicht auch zu
Feindſeligkeiten erwachſen: er nahm ſie in ſich auf, und be-
herrſchte ſie: ſo verjuͤngte er ſeine Kraͤfte. Der prote-
ſtantiſche Geiſt hatte bisher allein den Schauplatz der
Welt mit Erfolgen erfuͤllt, die Gemuͤther an ſich geriſ-
ſen: jetzt trat ein anderer, ihm von einem hoͤhern Stand-
punkt aus vielleicht gleichartig zu achtender, aber zunaͤchſt
doch durchaus entgegengeſetzter Geiſt mit ihm in die Schran-
ken, der ſich nun auch ſeinerſeits die Gemuͤther zu eigen
zu machen, ſie zur Thaͤtigkeit zu entflammen verſtand.
Zuerſt bemaͤchtigte ſich das reſtaurirte katholiſche Sy-
ſtem der beiden ſuͤdlichen Halbinſeln. Es vermochte dieß
nicht ohne außerordentliche Strenge: der ſpaniſchen Inqui-
ſition trat die erneuerte roͤmiſche zur Seite: alle Regungen
des Proteſtantismus wurden gewaltſam erdruͤckt. Zugleich
aber waren die Richtungen des innern Lebens, welche der
erneuerte Katholicismus vorzugsweiſe anſprach und feſſelte,
in jenen Laͤndern beſonders maͤchtig. Auch die Fuͤrſten
ſchloſſen ſich dem Intereſſe der Kirche an.
Beſonders war es wichtig, daß ſich der maͤchtigſte
von allen, Philipp II., ſo entſchieden an das Papſtthum
hielt. Mit dem Stolze eines Spaniers, von welchem tadel-
loſer Katholicismus als das Zeichen eines reineren Blutes,
eines edleren Herkommens betrachtet ward, verwarf er alle
[21]Streitkraͤfte des Papſtthums.
entgegengeſetzte Meinungen. Jedoch war es nicht etwa bloß
eine perſoͤnliche Bewegung was ihn zu ſeinem politiſchen
Verhalten vermochte. Die koͤnigliche Wuͤrde trug in Spa-
nien von jeher und beſonders ſeit den Einrichtungen Iſa-
bella’s eine geiſtliche Farbe: in allen Provinzen war die
koͤnigliche Gewalt durch einen Zuſatz geiſtlicher Macht ver-
ſtaͤrkt: ohne die Inquiſition haͤtten ſie nicht mehr regiert
werden koͤnnen: auch in ſeinen amerikaniſchen Beſitzungen
erſchien der Koͤnig vor allem in dem Lichte eines Ausbrei-
ters des chriſtlichen und katholiſchen Glaubens: es war
der Gedanke, der alle ſeine Laͤnder in Gehorſam gegen ihn
vereinigte. Er haͤtte ihn nicht aufgeben duͤrfen, ohne we-
ſentliche Gefahr. Die Ausbreitung der Hugenotten in dem
ſuͤdlichen Frankreich erregte in Spanien die groͤßte Beſorg-
niß; die Inquiſition glaubte ſich zu verdoppelter Wach-
ſamkeit verpflichtet. „Ich verſichere Ew. Herrlichkeit“,
ſchreibt der venezianiſche Geſandte am 25. Auguſt 1562 an
ſeinen Fuͤrſten, „fuͤr dieſes Land waͤre keine große religioͤſe
Bewegung zu wuͤnſchen: es ſind ihrer Viele, die ſich nach
einer Veraͤnderung der Religion ſehnen“ 1). Der paͤpſtliche
Nuntius meinte, der Fortgang des Conciliums, das damals
verſammelt war, ſey eine Sache, an welcher der koͤnigli-
chen Gewalt nicht minder gelegen ſey als der paͤpſtlichen.
„Denn,“ ſagt er, „der Gehorſam, den der Koͤnig fin-
det, ſeine ganze Regierung haͤngt von der Inquiſition ab.
[22]Buch V. Gegenreformationen.
Wuͤrde dieſe ihr Anſehen verlieren, ſo wuͤrden ſogleich Em-
poͤrungen erfolgen.“
Schon dadurch nun bekam das ſuͤdliche Syſtem einen
unmittelbaren Einfluß auf das geſammte Europa, daß die-
ſer Fuͤrſt die Niederlande beherrſchte: aber außerdem war
doch in den uͤbrigen Reichen noch lange nicht alles verlo-
ren. Noch hielten ſich der Kaiſer, die Koͤnige von Frank-
reich und von Polen, die Herzoge von Baiern zu der ka-
tholiſchen Kirche: noch gab es allenthalben geiſtliche Fuͤr-
ſten, deren erkalteter Eifer aufs neue belebt werden konnte:
noch war auch der Proteſtantismus an vielen Orten nicht
in die Maſſe der Bevoͤlkerung eingedrungen. Die Mehr-
zahl des Landvolkes in Frankreich, wohl auch in Ungarn 1)
und Polen hielt ſich noch katholiſch: Paris, welches ſchon
damals einen großen Einfluß auf die andern franzoͤſiſchen
Staͤdte ausuͤbte, war von der Neuerung nicht fortgeriſſen
worden. In England war ein guter Theil des Adels und
der Gemeinen, in Irland die geſammte alt-iriſche Nation
katholiſch geblieben. In die Tyroler, die Schweizer Alpen
hatte der Proteſtantismus keinen Zugang gefunden. Auch
in dem baieriſchen Landvolk mochte er noch nicht viel Fort-
ſchritte gemacht haben. Wenigſtens verglich Caniſius die
Tyroler und Baiern mit den beiden iſraelitiſchen Staͤm-
men, „die dem Herrn allein getreu geblieben.“ Es ver-
diente wohl eine genauere Eroͤrterung, auf welchen in-
[23]Streitkraͤfte des Papſtthums.
nern Momenten dieſe Beharrlichkeit, dieſes unerſchuͤtterliche
Feſthalten des Hergebrachten bei ſo verſchiedenartigen Bevoͤl-
kerungen beruhte. In den Niederlanden wiederholte es ſich
in den walloniſchen Provinzen.
Und jetzt nahm nun das Papſtthum wieder eine Stel-
lung ein, in der es ſich aller dieſer Hinneigungen aufs
neue bemaͤchtigen, ſie unaufloͤslich an ſich knuͤpfen konnte.
Obwohl es ſich auch umgewandelt, ſo kam ihm doch der
unſchaͤtzbare Vortheil zu Gute, die Aeußerlichkeiten der
Vergangenheit, die Gewohnheit des Gehorſams fuͤr ſich zu
haben. Es war den Paͤpſten gelungen, in dem Concilium,
das ſie gluͤcklich beendigt, ihre Autoritaͤt, deren Vermin-
derung beabſichtigt war, ſogar zu vermehren, und ſich ei-
nen verſtaͤrkten Einfluß auf die Landeskirchen zu verſchaf-
fen. Ueberdieß ließen ſie von jener weltlichen Politik ab,
durch die ſie bisher Italien und Europa in Verwirrung
geſetzt: vertrauensvoll und ohne Ruͤckhalt ſchloſſen ſie ſich
an Spanien an, und erwiederten dieſem die Hingebung, die
es der roͤmiſchen Kirche widmete. Das italieniſche Fuͤr-
ſtenthum, der erweiterte Staat diente vor allem zu einer
Befoͤrderung kirchlicher Unternehmungen: der geſammten ka-
tholiſchen Kirche kam eine Zeitlang der Ueberſchuß ſeiner
Verwaltung zu Gute.
Dergeſtalt ſtark in ſich ſelbſt, gewaltig durch maͤch-
tige Anhaͤnger und eine mit ihnen verbuͤndete Idee, gin-
gen die Paͤpſte von der Vertheidigung, mit der ſie ſich bis-
her begnuͤgen muͤſſen, zum Angriff uͤber: einem Angriff,
deſſen Gang und Erfolge zu beobachten der vornehmſte Ge-
genſtand dieſer Arbeit iſt.
[24]Buch V. Gegenreformationen.
Es eroͤffnet ſich uns aber damit ein unermeßlicher
Schauplatz. An vielen Orten zugleich tritt die Unterneh-
mung hervor: nach den verſchiedenſten Seiten der Welt
haben wir unſere Aufmerkſamkeit zu richten.
Die geiſtliche Thaͤtigkeit iſt auf das genaueſte mit po-
litiſchen Antrieben verbunden: es treten weltumfaſſende
Combinationen ein, unter deren Einfluß die Eroberung ge-
lingt oder mißlingt: wir werden die großen Wendungen
der Weltereigniſſe um ſo viel mehr im Auge behalten, da
ſie oft mit den Erfolgen des geiſtlichen Kampfes unmit-
telbar zuſammenfallen.
Doch werden wir nicht bei dem Allgemeinen ſtehn
bleiben duͤrfen. Noch viel weniger als weltliche koͤnnen
geiſtliche Eroberungen vollzogen werden ohne entgegenkom-
mende einheimiſche Sympathien. In die Tiefe der Inter-
eſſen der verſchiedenen Laͤnder muͤſſen wir hinabſteigen, um
die inneren Bewegungen zu faſſen, durch welche die roͤmi-
ſchen Abſichten befoͤrdert werden.
Eine Fuͤlle und Verſchiedenheit von Ereigniſſen und
Lebensaͤußerungen, von der wir faſt zu fuͤrchten haben, daß
ſie ſich kaum unter Einen Blick werde zuſammenfaſſen laſ-
ſen. Es iſt eine Entwickelung, die auf verwandten Grund-
lagen beruht, und zuweilen zu großen Momenten zuſammen-
greift, aber eine unendliche Mannigfaltigkeit der Erſchei-
nungen darbietet.
Beginnen wir mit unſerm Vaterlande, wo ja das
Papſtthum zuerſt ſeine großen Verluſte erlitten, und wo auch
jetzt der Kampf der beiden Principien vorzuͤglich ausge-
fochten wurde.
[25]Streitkraͤfte des Papſtthums.
Vor allem leiſtete hier die zugleich weltkluge und re-
ligionseifrige, mit dem Sinne des modernen Katholicismus
durchdrungene Geſellſchaft der Jeſuiten der roͤmiſchen Kirche
gute Dienſte. Vergegenwaͤrtigen wir zunaͤchſt deren Wirk-
ſamkeit.
Die erſten Jeſuitenſchulen in Deutſchland.
Auf dem Reichstag zu Augsburg im Jahre 1550
hatte Ferdinand I. ſeinen Beichtvater den Biſchof Urban
von Laibach bei ſich. Es war dieß Einer von den weni-
gen Praͤlaten, die ſich in ihrem Glauben nicht hatten er-
ſchuͤttern laſſen. Oft beſtieg er zu Hauſe die Kanzel, um
das Volk in der Landesſprache zu ermahnen bei dem Glau-
ben ſeiner Vaͤter auszuharren, um von dem Einigen Schaf-
ſtall und dem Einigen Hirten zu predigen 1). Damals
nun befand ſich auch der Jeſuit Le Jay in Augsburg,
und erregte durch einige Bekehrungen Aufſehen. Biſchof
Urban lernte ihn kennen, und hoͤrte zuerſt durch ihn von
den Collegien, welche die Jeſuiten an mehreren Univerſi-
taͤten geſtiftet. Da in Deutſchland die katholiſche Theo-
logie in ſo großem Verfall war, ſo gab er ſeinem Herrn
den Rath, in Wien ein aͤhnliches Collegium einzurich-
ten. Lebhaft ging Ferdinand darauf ein: in dem Schrei-
ben, das er hieruͤber an Ignatius Loyola richtete, ſpricht
er die Ueberzeugung aus, das einzige Mittel die fallende
[26]Buch V. Gegenreformationen.
Kirchenlehre in Deutſchland aufrecht zu erhalten beſtehe
darin, daß man dem juͤngern Geſchlechte gelehrte und fromme
Katholiken zu Lehrern gebe 1). Leicht waren die Verabre-
dungen getroffen. Im Jahre 1551 langten 13 Jeſuiten
an, unter ihnen Le Jay ſelbſt, denen Ferdinand zuvoͤrderſt
Behauſung, Capelle und Penſion anwies, bis er ſie kurz
darauf mit der Univerſitaͤt vereinigte, und ihnen ſogar die
Viſitation derſelben uͤbertrug.
Bald darnach kamen ſie in Coͤln empor. Schon be-
fanden ſie ſich ſeit ein paar Jahren hier, aber ohne Gluͤck
zu machen: man hatte ſie ſogar genoͤthigt, getrennt zu leben.
Erſt im Jahre 1556 verſchaffte ihnen jene unter einen pro-
teſtantiſchen Regens gerathene Burſa Gelegenheit, eine fe-
ſtere Stellung zu erwerben. Denn da es eine Partei in
der Stadt gab, welcher alles daran gelegen war, die Uni-
verſitaͤt katholiſch zu erhalten, ſo fanden endlich die Goͤn-
ner der Jeſuiten mit ihrem Rathe, die Anſtalt dieſem Or-
den zu uͤberliefern, Gehoͤr. Es waren der Prior der Kar-
thaͤuſer, der Provincial der Karmeliter, und beſonders
Doctor Johann Gropper, der wohl zuweilen ein Gaſtmahl
veranſtaltete, zu dem er die einflußreichſten Buͤrger einlud,
um bei einem Glaſe Wein, auf gute alte deutſche Weiſe,
das, was ihm am meiſten am Herzen lag, auf die Bahn zu
bringen. Zum Gluͤck fuͤr die Jeſuiten fand ſich unter den
Mitgliedern des Ordens ein geborner Coͤlner, Johann Rhe-
tius, aus patriciſcher Familie, dem die Burſa namentlich
anvertraut werden konnte. Aber nicht ohne ſtrenge Be-
[27]Die erſten Jeſuitenſchulen in Deutſchland.
ſchraͤnkungen geſchah dieß; es ward den Jeſuiten ausdruͤck-
lich verboten, in der Burſa ein kloͤſterliches Leben einzufuͤh-
ren, wie es in ihren Collegien uͤblich war 1).
Eben damals faßten ſie auch in Ingolſtadt feſten Fuß.
Die fruͤheren Verſuche waren an dem Widerſtande vornehm-
lich der juͤngeren Mitglieder der Univerſitaͤt geſcheitert, die
ſich in dem Privatunterricht, den ſie ertheilten, durch keine
privilegirte Schule beſchraͤnken laſſen wollten. In dem
Jahre 1556 aber, als ſich der Herzog, wie geſagt, zu
ſtarken Conceſſionen zu Gunſten der Proteſtanten hatte
verſtehn muͤſſen, ſchien es den katholiſch geſinnten Raͤ-
then deſſelben dringend nothwendig, fuͤr die Aufrechthal-
tung des alten Glaubens etwas Nachhaltiges zu thun. Es
waren beſonders der Kanzler Wiguleus Hund, ein Mann
der mit eben ſo viel Eifer in der Erhaltung wie in der
Erforſchung der alten kirchlichen Zuſtaͤnde zu Werke ging,
und der Geheimſchreiber des Herzogs Heinrich Schwig-
ger. Durch ſie wurden die Jeſuiten wieder zuruͤckberufen.
Den 7. Juli 1556, am Tage St. Wilibald, zogen ihrer
achtzehn in Ingolſtadt ein: ſie hatten dieſen Tag gewaͤhlt,
weil St. Wilibald als der erſte Biſchof jener Dioͤces an-
geſehen wird. Sie fanden noch immer gar viele Schwie-
rigkeiten in Stadt und Univerſitaͤt: dieſelben zu uͤberwin-
den gelang ihnen allmaͤhlig durch die nemliche Gunſt, der
ſie ihre Berufung verdankten.
Von dieſen drei Metropolen nun breiteten ſich die Je-
ſuiten nach allen Seiten hin aus.
[28]Buch V. Gegenreformationen.
Von Wien zunaͤchſt uͤber die oͤſtreichiſchen Laͤnder.
Ferdinand I. brachte ſie bereits im Jahre 1556 nach Prag,
und gruͤndete ihnen daſelbſt ein Paͤdagogium, vorzuͤglich fuͤr
die adliche Jugend. Er ſchickte ſelbſt ſeine Pagen dahin, und
wenigſtens bei dem katholiſch geſinnten Theile des boͤhmi-
ſchen Adels, den Roſenberg und Lobkowitz, fand der Or-
den Wohlwollen und Unterſtuͤtzung. — Einer der bedeu-
tendſten Maͤnner in Ungarn war damals Nicolaus Olahus,
Erzbiſchof von Gran. Sein Name bezeichnet, daß er ein
Wlache von Herkunft iſt. Sein Vater Stoia hatte ihn
in dem Schrecken uͤber die Ermordung eines Woiwoden
aus ſeinem Hauſe der Kirche gewidmet; und auf das gluͤck-
lichſte war er bei dieſer Beſtimmung gediehen. Schon unter
den letzten einheimiſchen Koͤnigen bekleidete er die wichtige
Stelle eines Geheimſchreibers: ſeitdem war er im Dienſte
der oͤſtreichiſchen Partei noch hoͤher geſtiegen. Bei dem all-
gemeinen Verfall des Katholicismus in Ungarn ſah er die
einzige Hoffnung, ihn zu behaupten, in dem gemeinen
Volke, das noch nicht voͤllig abgefallen war. Nur fehlte
es auch hier an katholiſch geſinnten Lehrern. Um dieſe zu
bilden, ſtiftete er im Jahre 1561 ein Collegium der Je-
ſuiten in Tyrnau: er gab ihnen eine Penſion aus ſeinen
Einkuͤnften: Kaiſer Ferdinand ſchenkte eine Abtei dazu. Als
die Jeſuiten ankamen, war eben eine Verſammlung des
Clerus der Dioͤces veranſtaltet; ihre erſte Thaͤtigkeit be-
ſtand in dem Verſuch, dieſe ungariſchen Prieſter und Pfar-
rer von den heterodoxen Lehren zuruͤckzubringen, zu de-
nen ſie ſich hinneigten. — Und ſchon rief man ſie auch
nach Maͤhren. Wilhelm Pruſſinowski, Biſchof von Ol-
[29]Die erſten Jeſuitenſchulen in Deutſchland.
muͤtz, der den Orden waͤhrend ſeiner Studien in Italien
kennen gelernt, lud ſie zu ſich ein: ein Spanier, Hurtado
Perez, war der erſte Rector in Olmuͤtz: bald finden wir
ſie nicht minder in Bruͤnn.
Von Coͤln verbreitete ſich die Geſellſchaft uͤber das
geſammte Rheinland. Auch in Trier hatte, wie beruͤhrt,
der Proteſtantismus Anhaͤnger gefunden und Gaͤhrungen
verurſacht. Der Erzbiſchof, Johann von Stein, beſchloß
gegen die Widerſpenſtigen nur geringe Strafen zu verhaͤn-
gen und den Bewegungen hauptſaͤchlich ein doctrinelles
Gegengewicht zu geben: er beſchied die beiden Oberhaͤupter
der Coͤlner Jeſuitenſchule zu ſich nach Coblenz, und ſtellte
ihnen vor, daß er einige Mitglieder ihres Ordens zu ha-
ben wuͤnſche, „um,“ wie er ſich ausdruͤckte, „die Heerde,
die ihm anvertraut worden, mehr durch Ermahnung und
freundliche Unterweiſung als durch Waffen und Drohun-
gen in Pflicht zu halten.“ Er wandte ſich auch nach Rom,
und gar bald war man einverſtanden. Von Rom wurden
6 Jeſuiten herausgeſchickt, die uͤbrigen kamen von Coͤln.
Am 3. Februar 1561 eroͤffneten ſie ihr Collegium mit gro-
ßer Feierlichkeit: fuͤr die naͤchſten Faſten uͤbernahmen ſie
die Predigten 1).
Da glaubten auch die beiden geheimen Raͤthe des
Churfuͤrſten Daniel von Mainz, Peter Echter und Simon
Bagen, zu erkennen, daß in der Aufnahme der Jeſuiten
das einzige Mittel liege, der verfallenden Mainzer Univerſi-
taͤt wieder aufzuhelfen. Dem Widerſpruch, den ihnen Dom-
[30]Buch V. Gegenreformationen.
herrn und Landſaſſen entgegenſetzten, zum Trotz, ſiifteten ſie
dem Orden ein Collegium in Mainz, und eine Vorberei-
tungsſchule in Aſchaffenburg.
Immer hoͤher gelangte die Geſellſchaft den Rhein hin-
auf. Vorzuͤglich wuͤnſchenswerth ſchien ihr ein Sitz in
Speier: einmal weil dort in den Aſſeſſoren des Kammer-
gerichtes ſo viel ausgezeichnete Maͤnner vereinigt waren,
auf die es außerordentlich wichtig geweſen waͤre Ein-
fluß zu bekommen: ſodann auch um ſich der Heidelberger
Univerſitaͤt, welche fuͤr die proteſtantiſchen Lehrer damals
mit den groͤßten Ruf genoß 1), in der Naͤhe entgegenzu-
ſetzen. Allmaͤhlig drangen ſie ein.
Unverzuͤglich verſuchten ſie ihr Gluͤck auch laͤngs des
Maines. Obwohl Frankfurt ganz proteſtantiſch war, hoff-
ten ſie doch waͤhrend der Meſſen daſelbſt etwas auszurich-
ten. Es konnte dieß aber nicht ohne Gefahr geſchehen:
um ſich nicht finden zu laſſen, mußten ſie alle Nacht die
Herbergen wechſeln. Deſto ſicherer und willkommener wa-
ren ſie in Wuͤrzburg 2). Es iſt doch, als haͤtte die Er-
mahnung, welche Kaiſer Ferdinand bei dem Reichstage von
1559 an [die] Biſchoͤfe richtete, endlich einmal auch ihre
Kraͤfte zur Erhaltung der katholiſchen Kirche anzuſtrengen,
auf dieſen glaͤnzenden Fortgang des Ordens in den Stif-
[31]Die erſten Jeſuitenſchulen in Deutſchland.
tern viel Einfluß gehabt. Von Wuͤrzburg aus durchzogen
ſie Franken.
Mittlerweile war ihnen auf einer andern Seite Tyrol
eroͤffnet worden. Auf den Wunſch der Toͤchter des Kaiſers
ſiedelten ſie ſich zu Insbruck und dann zu Hall in deren
Naͤhe an. In Baiern drangen ſie immer weiter vor. In
Muͤnchen, wohin ſie 1559 gelangten, fanden ſie es ſelbſt
bequemer als in Ingolſtadt: ſie erklaͤrten es fuͤr das deutſche
Rom. Und ſchon erhob ſich unfern von Ingolſtadt eine neue
große Colonie. Um ſeine Univerſitaͤt Dillingen auf ihren ur-
ſpruͤnglichen Zweck zuruͤckzufuͤhren, entſchloß ſich der Cardinal
Truchſeß, alle Lehrer, die noch daſelbſt docirten, zu verabſchie-
den, und die Stiftung voͤllig den Jeſuiten anzuvertrauen.
Zwiſchen deutſchen und italieniſchen Commiſſarien, des Car-
dinals und des Ordens, ward hieruͤber zu Botzen ein foͤrm-
liches Abkommen geſchloſſen. Im Jahre 1563 langten die
Jeſuiten in Dillingen an, und nahmen die Lehrſtuͤhle in
Beſitz. Mit großem Wohlgefallen erzaͤhlen ſie, wie der
Cardinal, der bald darauf von einer Reiſe zuruͤckkommend
einen feierlichen Einzug in Dillingen hielt, ſich unter allen
denen, die ſich zu ſeinem Empfange aufgeſtellt hatten, vor-
zugsweiſe an die Jeſuiten wandte, ihnen die Hand zum
Kuß reichte, ſie als ſeine Bruͤder begruͤßte, ihre Zellen
ſelbſt unterſuchte und mit ihnen ſpeiſte. Er befoͤrderte ſie
nach beſten Kraͤften: bald richtete er ihnen eine Miſſion in
Augsburg ein 1).
Ein ungemeiner Fortgang der Geſellſchaft in ſo kur-
zer Zeit. Im Jahre 1551 hatten ſie noch keine feſte
[32]Buch V. Gegenreformationen.
Staͤtte in Deutſchland: im Jahre 1566 umfaßten ſie Baiern
und Tyrol: Franken und Schwaben: einen großen Theil
der Rheinlande: Oeſtreich: in Ungarn, Boͤhmen und Maͤh-
ren waren ſie vorgedrungen. Schon nahm man ihre Wir-
kung wahr: im Jahre 1561 verſichert der paͤpſtliche Nun-
tius, daß „ſie viele Seelen gewinnen und dem heiligen
Stuhl einen großen Dienſt leiſten.“ Es war der erſte
nachhaltige anti-proteſtantiſche Eindruck, welchen Deutſch-
land empfing.
Vor allem arbeiteten ſie auf den Univerſitaͤten. Sie
hatten den Ehrgeiz mit dem Rufe der proteſtantiſchen zu
wetteifern. Die ganze gelehrte Bildung jener Zeit beruhte
auf dem Studium der alten Sprachen. Sie trieben die-
ſelben mit friſchem Eifer, und in Kurzem glaubte man
wenigſtens hie und da die jeſuitiſchen Lehrer den Reſtaura-
toren dieſer Studien zur Seite ſetzen zu duͤrfen. Auch
andere Wiſſenſchaften cultivirten ſie: Franz Koſter trug zu
Coͤln die Aſtronomie eben ſo angenehm wie belehrend vor.
Die Hauptſache aber, wie ſich verſteht, blieben die theolo-
giſchen Disciplinen. Die Jeſuiten laſen mit dem groͤßten
Fleiße, auch waͤhrend der Ferien: ſie fuͤhrten die Dispu-
tiruͤbungen wieder ein, ohne welche, wie ſie ſagten, aller
Unterricht todt ſey; die Disputationen, welche ſie oͤffent-
lich anſtellten, waren anſtaͤndig, geſittet, inhaltsreich, die
glaͤnzendſten welche man jemals erlebt hatte. Bald uͤber-
redete man ſich in Ingolſtadt dahin zu ſeyn, daß ſich die
Univerſitaͤt wenigſtens im Fache der Theologie mit jeder
andern deutſchen meſſen koͤnne. Ingolſtadt bekam, wie-
wohl
[33]Die erſten Jeſuitenſchulen in Deutſchland.
wohl in entgegengeſetztem Sinne, eine Wirkſamkeit wie
ſie Wittenberg und Genf gehabt.
Nicht minderen Fleiß widmeten die Jeſuiten der Lei-
tung der lateiniſchen Schulen. Es war einer der vornehm-
ſten Geſichtspunkte des Lainez, daß man die untern Gramma-
ticalclaſſen gut beſetzen muͤſſe. Auf den erſten Eindruck, den
der Menſch empfange, komme doch fuͤr ſein geſammtes Le-
ben das Meiſte an. Er ſuchte mit richtiger Einſicht Leute,
welche, wenn ſie dieß beſchraͤnktere Lehramt einmal ergriffen
hatten, ſich demſelben ihr ganzes Leben zu widmen gedach-
ten: denn erſt mit der Zeit lerne ſich ein ſo ſchwieriges Ge-
ſchaͤft und finde ſich die natuͤrliche Autoritaͤt ein. Es ge-
lang den Jeſuiten hiemit zur Verwunderung. Man fand,
daß die Jugend bei ihnen in einem Halbjahr mehr lerne,
als bei Andern binnen zwei Jahren: ſelbſt Proteſtanten rie-
fen ihre Kinder von entfernten Gymnaſien zuruͤck und uͤber-
gaben ſie den Jeſuiten.
Es folgte Armenſchule, Kinderlehre, Katechiſation.
Caniſius verfaßte ſeinen Katechismus, der durch wohlzu-
ſammenhaͤngende Fragen und buͤndige Antworten das Be-
duͤrfniß der Lernenden befriedigte.
Ganz in jenem devot-phantaſtiſchen Sinne nun, der
das Inſtitut der Jeſuiten von Anfang an ſo eigen charak-
teriſirte, ward dieſer Unterricht ertheilt. Der erſte Rector
in Wien war ein Spanier Johann Victoria: ein Mann,
welcher einſt in Rom ſeinen Eintritt in die Geſellſchaft damit
bezeichnete, daß er waͤhrend der Luſtbarkeiten des Carneval
in Sack gekleidet durch den Corſo ging, indem er ſich im-
mer geißelte, ſo lange, bis ihm das Blut auf allen Sei-
Päpſte* 3
[34]Buch V. Gegenreformationen.
ten herunterſtroͤmte. Bald unterſchieden ſich auch in Wien
die Kinder, welche die Schulen der Jeſuiten beſuchten, dadurch,
daß ſie an den Faſttagen die verbotenen Speiſen ſtandhaft
verſchmaͤhten, von denen ihre Eltern ohne Scrupel genoſ-
ſen. In Coͤln ward es wieder eine Ehre, den Roſenkranz
zu tragen. In Trier begann man Reliquien zu verehren,
mit denen ſich ſeit vielen Jahren kein Menſch mehr her-
vorgewagt hatte. Schon im Jahre 1560 pilgerte die in-
golſtaͤdtiſche Jugend aus der jeſuitiſchen Schule paarweiſe
nach Eichſtaͤdt, um bei der Firmelung „mit dem Thau“
geſtaͤrkt zu werden, „der aus dem Grabe der heiligen
Walpurgis traͤufele.“ Eine Geſinnung, die in den Schu-
len gegruͤndet, durch Predigt und Beichte uͤber die ge-
ſammte Bevoͤlkerung ausgebreitet wurde.
Es iſt dieß ein Fall, wie er vielleicht in der Weltge-
ſchichte niemals wieder auf eine aͤhnliche Weiſe vorgekom-
men iſt.
Wenn eine neue geiſtige Bewegung die Menſchen er-
griffen hat, iſt es immer durch großartige Perſoͤnlichkei-
ten, durch die hinreißende Gewalt neuer Ideen geſchehen.
Hier ward die Wirkung vollbracht, ohne große geiſtige Pro-
duction. Die Jeſuiten mochten gelehrt und auf ihre Art
fromm ſeyn: aber Niemand wird ſagen, daß ihre Wiſſen-
ſchaft auf einem freien Schwunge des Geiſtes beruhe, daß
ihre Froͤmmigkeit von der Tiefe und Ingenuitaͤt eines ein-
fachen Gemuͤthes ausgegangen ſey. Sie ſind gelehrt ge-
nug, um Ruf zu haben, Zutrauen zu erwecken, Schuͤler
zu bilden und feſtzuhalten: weiter ſtreben ſie nicht. Ihre
[35]Die erſten Jeſuitenſchulen in Deutſchland.
Froͤmmigkeit haͤlt ſie nicht allein von ſittlichem Tadel frei:
ſie iſt poſitiv auffallend, und um ſo unzweifelhafter: dieß
iſt ihnen genug. In freien, unbeſchraͤnkten, unbetretenen
Bahnen bewegt ſich weder ihre Pietaͤt noch ihre Lehre. Doch
hat ſie etwas, was ſie vorzugsweiſe unterſcheidet: ſtrenge
Methode. Es iſt alles berechnet, denn es hat alles ſeinen
Zweck. Eine ſolche Vereinigung von hinreichender Wiſſenſchaft
und unermuͤdlichem Eifer, von Studien und Ueberredung,
Pomp und Caſteiung, von Ausbreitung uͤber die Welt
und Einheit der leitenden Geſichtspunkte iſt auch weder
fruͤher noch ſpaͤter in der Welt geweſen. Sie waren flei-
ßig und phantaſtiſch: weltklug und voll Enthuſiasmus: an-
ſtaͤndige Leute, denen man ſich gern naͤherte: ohne perſoͤn-
ſoͤnliches Intereſſe: einer vom andern befoͤrdert. Kein
Wunder wenn es ihnen gelang.
Wir Deutſchen muͤſſen daran noch eine beſondere Be-
trachtung knuͤpfen. Wie geſagt, unter uns war die paͤpſt-
liche Theologie ſo gut wie untergegangen. Die Jeſuiten
erſchienen um ſie herzuſtellen. Wer waren die Jeſuiten,
als ſie bei uns anlangten? Es waren Spanier, Ita-
liener, Niederlaͤnder; lange Zeit kannte man den Na-
men ihres Ordens nicht: man nannte ſie ſpaniſche Prieſter.
Sie nahmen die Katheder ein, und fanden Schuͤler, die
ſich ihren Doctrinen anſchloſſen. Von den Deutſchen haben
ſie nichts empfangen: ihre Lehre und Verfaſſung war voll-
endet, ehe ſie bei uns erſchienen. Wir duͤrfen den Fort-
gang ihres Inſtitutes bei uns im Allgemeinen als eine neue
Einwirkung des romaniſchen Europa auf das germaniſche
3*
[36]Buch V. Gegenreformationen.
betrachten. Auf deutſchem Boden, in unſerer Heimath be-
ſiegten ſie uns, und entriſſen uns einen Theil unſeres Va-
terlandes. Ohne Zweifel kam dieß auch daher, daß die deut-
ſchen Theologen ſich weder unter ſich ſelbſt verſtaͤndigt hatten,
noch großgeſinnt genug waren, um die minder weſentlichen
Widerſpruͤche an einander zu dulden. Die Extreme der
Meinungen waren ergriffen worden: man befehdete ſich mit
ruͤckſichtsloſer Wildheit; ſo daß man die noch nicht vollkom-
men Ueberzeugten irre machte und damit dieſen Fremdlin-
gen den Weg bahnte, welche mit einer klug angelegten, bis
in das Einzelnſte ausgebildeten, keinen Zweifel uͤbrig laſſen-
den Doctrin nun auch ihrerſeits die Gemuͤther bezwangen.
Anfang der Gegenreformationen in Deutſchland.
Bei alle dem liegt doch auch am Tage, daß es den
Jeſuiten nicht ſo leicht haͤtte gelingen koͤnnen, ohne die Huͤlfe
des weltlichen Armes, ohne die Gunſt der Fuͤrſten des
Reiches.
Denn wie mit den theologiſchen, ſo war es mit den
politiſchen Fragen gegangen: zu einer Maaßregel, durch
welche die ihrem Weſen nach hierarchiſche Reichsverfaſſung
mit den neuen Verhaͤltniſſen der Religion in Einklang ge-
kommen waͤre, hatte man es nicht gebracht. Die Summe
des Religionsfriedens, wie man ihn gleich anfangs ver-
ſtand und nachher auslegte, war eine neue Erweiterung
der Landeshoheit. Die Landſchaften bekamen auch in Hin-
ſicht der Religion einen hohen Grad von Autonomie. Auf
[37]Anfang derſelben in Deutſchland. Baiern.
die Ueberzeugung des Fuͤrſten, auf das Einverſtaͤndniß deſ-
ſelben mit ſeinen Landſtaͤnden kam es ſeitdem allein an,
welche kirchliche Stellung ein Land einnehmen ſollte.
Es war dieß eine Beſtimmung, welche zum Vortheil
des Proteſtantismus erfunden zu ſeyn ſchien, die aber zu-
letzt dem Katholicismus bei weitem foͤrderlicher wurde.
Jener war ſchon gegruͤndet, als ſie zu Stande kam: dieſer
ſtellte ſich erſt her, indem er ſich darauf ſtuͤtzte.
Zuerſt geſchah dieß in Baiern: und es iſt wegen der
unermeßlichen Wirkung, die daher entſprungen iſt, einer be-
ſondern Bemerkung werth, wie es geſchah.
Auf den baieriſchen Landtagen finden wir ſeit gerau-
mer Zeit Fuͤrſten und Staͤnde in Streitigkeiten. Der Her-
zog iſt in ſteter Geldverlegenheit, von Schulden gedruͤckt,
zu neuen Ausgaben veranlaßt, und immer genoͤthigt die
Beihuͤlfe ſeiner Landſtaͤnde in Anſpruch zu nehmen. Dieſe
fordern dagegen Zugeſtaͤndniſſe hauptſaͤchlich religioͤſer Art.
Es ſchien ſich in Baiern ein aͤhnliches Verhaͤltniß bilden
zu muͤſſen, wie es in Oeſtreich lange Zeit herrſchte: einer
geſetzlichen auf Religion und Privilegien zugleich gegruͤn-
deten Oppoſition der Staͤnde gegen den Landesherrn, wenn
dieſer anders nicht am Ende ſelbſt zum Proteſtantismus
uͤbertrat.
Ohne Zweifel war es dieſe Lage der Dinge, durch
welche, wie beruͤhrt, die Berufung der Jeſuiten hauptſaͤch-
lich veranlaßt wurde. Wohl mag es ſeyn, daß ihre Leh-
ren bei Herzog Albrecht V. perſoͤnlich Eindruck machten:
er hat ſpaͤter einmal erklaͤrt: was er von dem Geſetz Gottes
verſtehe, habe er von Hoffaͤus und Caniſius, beides Jeſui-
[38]Buch V. Gegenreformationen.
ten, erlernt. Es kam aber auch noch eine andere Einwirkung
hinzu. Pius IV. machte den Herzog nicht allein aufmerkſam,
daß ihm jedes religioͤſe Zugeſtaͤndniß den Gehorſam ſeiner
Unterthanen ſchmaͤlern werde 1): was bei der Lage des deut-
ſchen Fuͤrſtenthums nicht wohl zu laͤugnen ſtand; er gab
ſeiner Ermahnung auch durch Gnadenbezeugungen Nach-
druck: er uͤberließ ihm einen Zehnten von den Guͤtern ſei-
ner Geiſtlichkeit. Indem er ihn hiedurch von den Bewil-
ligungen der Staͤnde unabhaͤngiger machte, zeigte er ihm zu-
gleich, welchen Vortheil er von der Verbindung mit der
roͤmiſchen Kirche zu erwarten habe.
Es kam dann hauptſaͤchlich darauf an, ob der Her-
zog die ſchon begruͤndete religioͤſe Oppoſition ſeiner Land-
ſtaͤnde wieder zu beſeitigen vermoͤgen wuͤrde.
Auf einem Landtage zu Ingolſtadt im Jahre 1563
ging er an dieß Werk. Die Praͤlaten waren ſchon an ſich
geneigt: zunaͤchſt bearbeitete er die Staͤdte. Sey es nun,
daß die Lehren des wiederauflebenden Katholicismus, die
Thaͤtigkeit der allenthalben eindringenden Jeſuiten auch auf
die Staͤdte beſonders die leitenden Mitglieder ihrer Ver-
ſammlung Einfluß gewonnen hatten, oder daß andere Ruͤck-
ſichten eintraten: genug die Staͤdte ließen von den Forde-
rungen neuer religioͤſer Zugeſtaͤndniſſe, die ſie bisher im-
mer eifrig betrieben, dieß Mal ab, und ſchritten zu ihren
[39]Anfang derſelben in Deutſchland. Baiern.
Bewilligungen ohne auf neue Freiheiten zu dringen. Hier-
auf war nur noch der Adel uͤbrig. Mißmuthig, ja erbit-
tert verließ er den Landtag: man zeichnete dem Herzog die
drohenden Reden auf, welche ein und der andere Edel-
mann hatte fallen laſſen 1); endlich entſchloß ſich der Vor-
nehmſte von allen, der Graf von Ortenburg, der fuͤr ſeine
Grafſchaft eine ihm ſtreitig gemachte Reichsunmittelbarkeit
in Anſpruch nahm, in dieſem Gebiet ohne Weiteres das
evangeliſche Bekenntniß einzufuͤhren. Aber eben damit be-
kam der Herzog die beſten Waffen in die Haͤnde. Beſon-
ders als er auf einem der Schloͤſſer, die er einnahm, eine
Correſpondenz zwiſchen den baieriſchen Herren fand, die ſtarke
Anzuͤglichkeiten enthielt, in der man ihn als einen verſtock-
ten Pharao, ſeinen Rath als einen Blutrath uͤber die ar-
men Chriſten bezeichnete, und in der noch andere Aus-
druͤcke vorkamen, die man auf eine Verſchwoͤrung deuten
zu koͤnnen glaubte, erhielt er einen Anlaß, alle Mitglieder
des Adels, die ihm entgegen waren, zur Verantwortung zu
ziehen 2). Die Strafe, die er uͤber dieſelben verhing, kann
man nicht ſtreng nennen, aber ſie fuͤhrte ihn zum Zwecke.
Er ſchloß die Betheiligten von den baieriſchen Landtagen
aus. Da ſie hier noch die einzige Oppoſition ausmach-
ten, welche uͤbrig geblieben, ſo ward er dadurch voͤllig
Meiſter uͤber ſeine Staͤnde, bei denen ſeitdem niemals wie-
der von der Religion die Rede geweſen iſt.
Wie wichtig dieß war, zeigte ſich auf der Stelle.
[40]Buch V. Gegenreformationen.
Seit geraumer Zeit hatte Herzog Albrecht bei Papſt und
Concilium mit viel Eifer auf die Erlaubniß des Laienkelches
gedrungen: das ganze Geſchick ſeines Landes ſchien er daran
zu knuͤpfen; endlich im April 1564 erhielt er ſie: wer ſollte
es glauben? jetzt machte er ſie nicht einmal bekannt. Die
Umſtaͤnde waren veraͤndert: eine von dem ſtrengen Katho-
licismus abweichende Verguͤnſtigung ſchien ihm jetzt eher
ſchaͤdlich als nuͤtzlich 1); einige niederbaieriſche Gemeinden,
welche das fruͤhere Verlangen ſtuͤrmiſch wiederholten, ver-
wies er mit Gewalt zur Ruhe.
In Kurzem gab es keinen entſchiedener katholiſchen
Fuͤrſten in Deutſchland, als Herzog Albrecht war. Auf
das ernſtlichſte ging er daran, auch ſein Land wieder voͤl-
lig katholiſch zu machen.
Die Profeſſoren zu Ingolſtadt mußten das Glaubens-
bekenntniß unterſchreiben, welches im Gefolge des triden-
tiniſchen Conciliums bekannt gemacht worden. Alle her-
zoglichen Beamten uͤberhaupt mußten ſich durch einen Eid
zu einer unzweifelhaft katholiſchen Confeſſion verpflichten.
Weigerte ſich Einer, ſo ward er entlaſſen. Auch an den
gemeinen Leuten duldete Herzog Albrecht den Proteſtan-
tismus nicht. Zuerſt in Niederbaiern, wohin er einige
Jeſuiten zur Bekehrung der Einwohner geſendet, mußten
nicht allein die Prediger, ſondern Alle und Jede, die ſich
zu dem evangeliſchen Bekenntniß hielten, ihre Habe verkau-
fen und das Land raͤumen 2). So ward darauf allenthal-
[41]Anfang derſelben in Deutſchland. Baiern.
ben verfahren. Es waͤre keinem Magiſtrat zu rathen gewe-
ſen Proteſtanten zu dulden: er haͤtte ſich ſelbſt dadurch die
haͤrteſte Strafe zugezogen.
Es kamen aber mit dieſer Erneuerung des Katholi-
cismus alle modernen Formen deſſelben aus Italien nach
Deutſchland heruͤber. Man machte einen Index verbotener
Buͤcher: aus den Bibliotheken wurden ſie ausgemerzt,
haufenweiſe verbrannt; dagegen beguͤnſtigte man die ſtreng
katholiſchen: der Herzog ließ es an Aufmunterungen der
Autoren in dieſem Sinne nicht fehlen: die Heiligengeſchichte
des Surius ließ er auf ſeine Koſten ins Deutſche uͤber-
ſetzen und in Druck geben: — die groͤßte Devotion ward
den Reliquien gewidmet: der heilige Benno, von dem man
in einem andern deutſchen Lande, in Meißen, nichts mehr
wiſſen wollte, ward feierlich zum Schutzpatron von Baiern
erklaͤrt: — Baukunſt und Muſik kamen zuerſt in Muͤn-
chen in dem Geſchmack der reſtaurirten Kirche auf: — vor
allem wurden die jeſuitiſchen Inſtitute befoͤrdert, durch
welche die Erziehung des heranwachſenden Geſchlechtes in
dieſem Sinne vollbracht wurde.
Auch konnten die Jeſuiten nicht Worte genug finden,
den Herzog dafuͤr zu ruͤhmen, einen zweiten Joſias, wie
ſie ſagten, einen neuen Theodoſius.
Nur Eine Frage bleibt hiebei uͤbrig.
Je wichtiger die Erweiterung der Landeshoheit iſt, die
den proteſtantiſchen Fuͤrſten durch die Einwirkung auf die
Religion, welche ihnen geſtattet ward, zuwuchs, um ſo mehr
ſcheint in der erneuerten Autoritaͤt der kirchlichen Gewalten
eine Beſchraͤnkung derſelben zu liegen.
[42]Buch. V. Gegenreformationen.
Allein auch dafuͤr war geſorgt. Die Paͤpſte ſahen
wohl, daß es ihnen zunaͤchſt nur durch die Fuͤrſten gelin-
gen koͤnne, ihre verfallende Gewalt zu erhalten, oder die ge-
fallene zu erneuern: ſie machten ſich hieruͤber keine Illu-
ſion: ſie ließen es ihre ganze Politik ſeyn, ſich mit den
Fuͤrſten zu verbinden.
In der Inſtruction, welche Gregor gleich dem erſten
Nuntius, den er nach Baiern ſandte, ertheilt hat, wird
dieß ohne allen Umſchweif geſagt: „der ſehnlichſte Wunſch
S. Heiligkeit ſey es, die verfallene kirchliche Zucht wieder-
herzuſtellen, aber zugleich ſehe er ein, daß er ſich zur Er-
reichung eines ſo wichtigen Zweckes mit den Fuͤrſten ver-
einigen muͤſſe: durch ihre Froͤmmigkeit ſey die Religion
erhalten worden: einzig mit ihrer Huͤlfe laſſe ſich Kirchen-
zucht und Sitte wiederherſtellen“ 1). Und ſo uͤbertraͤgt der
Papſt dem Herzog die Befugniß die ſaͤumigen Biſchoͤfe
anzutreiben: die Beſchluͤſſe einer Synode — ſie war in
Salzburg gehalten worden — in Ausfuͤhrung zu bringen:
den Biſchof zu Regensburg und ſein Capitel zur Errich-
tung eines Seminars anzuhalten: genug eine Art von
geiſtlicher Oberaufſicht uͤbertraͤgt er ihm: er geht mit ihm
zu Rathe, ob es nicht gut ſey, Seminarien von Kloſter-
[43]Anfang derſelben in Deutſchland. Baiern.
geiſtlichen zu errichten, wie es Seminarien von Weltprie-
ſtern gebe. Sehr gern laͤßt ſich der Herzog darauf ein.
Nur fordert er, daß nun auch die Biſchoͤfe den fuͤrſtlichen
Rechten, weder den hergebrachten noch auch den neuertheil-
ten, zu nahe treten, daß der Clerus von ſeinen Obern in
Zucht und Ordnung gehalten werden moͤge. Es finden
ſich Edicte, in denen der Fuͤrſt die Kloͤſter als Kammer-
gut betrachtet und einer weltlichen Verwaltung unterwirft.
Wenn das proteſtantiſche Fuͤrſtenthum im Laufe der
Reformation kirchliche Attribute an ſich gebracht hatte, ſo
gelang nunmehr das Nemliche auch dem katholiſchen. Was
dort in Gegenſatz gegen das Papſtthum, geſchah hier in
Vereinigung mit demſelben. Setzten die proteſtantiſchen
Fuͤrſten ihre nachgeborenen Soͤhne als poſtulirte Admini-
ſtratoren in die benachbarten evangeliſchen Stifter, ſo ge-
langten in den katholiſch gebliebenen die Soͤhne der katho-
liſchen Fuͤrſten unmittelbar zur biſchoͤflichen Wuͤrde. Von
allem Anfang hatte Gregor dem Herzog Albrecht verſpro-
chen, nichts zu verſaͤumen, was zu ſeinem oder ſeiner Soͤhne
Beſten ſeyn duͤrfte: in Kurzem ſehen wir zwei dieſer Soͤhne
im Beſitze der ſtattlichſten Pfruͤnden: der eine von ihnen
ſteigt allmaͤhlig zu den hoͤchſten Wuͤrden des Reiches 1).
[44]Buch V. Gegenreformationen.
Allein auch uͤberdieß bekam Baiern durch die Stel-
lung, die es annahm, an und fuͤr ſich eine hohe Bedeu-
tung. Es verfocht ein großes Princip, das eben zu
neuer Macht emporkam. Die mindermaͤchtigen deutſchen
Fuͤrſten dieſer Geſinnung ſahen in Baiern eine Zeitlang ihr
Oberhaupt.
Denn ſo weit nur die Macht des Herzogs reichte,
beeiferte er ſich die katholiſche Lehre herzuſtellen. Kaum
war ihm die Grafſchaft Haag angefallen, ſo ließ er die
Proteſtanten, welche der letzte Graf daſelbſt geduldet, verja-
gen, und Ritus und Glauben des Katholicismus wieder
einfuͤhren. In der Schlacht bei Moncontour war Markgraf
Philibert von Baden-Baden geblieben. Der Sohn deſſelben
Philipp, erſt zehn Jahr alt, ward in Muͤnchen unter der
Vormundſchaft Albrechts, wie ſich verſteht, im katholiſchen
Glauben erzogen. Doch wartete der Herzog nicht ab, was
der junge Markgraf thun werde, wenn er ſelbſt zur Re-
gierung gekommen ſeyn wuͤrde; auf der Stelle ſchickte er
ſeinen Landhofmeiſter Grafen Schwarzenberg und den Je-
ſuiten Georg Schorich, die ſchon bei den Bekehrungen in
Niederbaiern mit einander gearbeitet hatten, in das baden-
ſche Gebiet, um es durch dieſelben Mittel katholiſch zu
machen. Zwar brachten die proteſtantiſchen Einwohner kai-
ſerliche Befehle hiegegen aus: aber man achtete nicht dar-
auf: die Bevollmaͤchtigten fuhren fort, wie ſich der Ge-
ſchichtſchreiber der Jeſuiten mit Wohlgefallen ausdruͤckt,
„der einfaͤltigen Menge Ohr und Gemuͤth fuͤr die himm-
liſche Lehre frei zu machen.“ Das iſt: ſie entfernten die
proteſtantiſchen Prediger, noͤthigten die Moͤnche, welche
[45]Anfang derſelben in Deutſchland. Baden.
nicht ganz orthodox geblieben, die abweichenden Lehren ab-
zuſchwoͤren, beſetzten hohe und niedere Schulen mit katholi-
ſchen Lehrmeiſtern, und verwieſen die Laien, welche ſich
nicht fuͤgen wollten. Binnen zwei Jahren, 1570, 1571,
war das ganze Land wieder katholiſch gemacht 1).
Waͤhrend dieß in den weltlichen Gebieten geſchah, er-
hob ſich, mit einer noch unvermeidlicheren Nothwendigkeit,
eine aͤhnliche Bewegung auch in den geiſtlichen.
Einmal waren die geiſtlichen deutſchen Fuͤrſten doch
eben vor allem Biſchoͤfe, und die Paͤpſte verſaͤumten keinen
Augenblick, die verſtaͤrkte Gewalt uͤber das Bisthum, die
ihnen aus den tridentiniſchen Anordnungen entſprang, auch
in Deutſchland geltend zu machen.
Zuerſt ward Caniſius mit den Exemplaren der Schluͤſſe
des Conciliums an die verſchiedenen geiſtlichen Hoͤfe ge-
ſandt. Er uͤberbrachte ſie nach Mainz, Trier, Coͤln, Os-
nabruͤck und Wuͤrzburg 2). Die officielle Ehrerbietung,
mit welcher er empfangen wurde, belebte er mit gewandter
Thaͤtigkeit. Dann kam die Sache auf dem Augsburger
Reichstag von 1566 zur Sprache.
Papſt Pius V. hatte gefuͤrchtet, der Proteſtantismus
werde hier neue Forderungen machen, neue Zugeſtaͤndniſſe
[46]Buch V. Gegenreformationen.
erhalten: ſchon hatte er ſeinen Nuntius angewieſen, im
dringenden Falle mit einer Proteſtation hervorzutreten, wel-
che Kaiſer und Fuͤrſten mit einer Beraubung aller ihrer
Rechte bedrohen ſollte, ja er glaubte bereits, der Augenblick
dazu ſey gekommen 1). Der Nuntius, der die Sache in
der Naͤhe ſah, hielt dieß nicht fuͤr gerathen. Er ſah, daß
man nichts mehr zu fuͤrchten brauchte. Die Proteſtanten
waren entzweit: die Katholiken hielten zuſammen. Oft
verſammelten ſie ſich bei dem Nuntius, um uͤber gemein-
ſchaftliche Maaßregeln zu berathſchlagen: Caniſius, unbeſchol-
ten, hoͤchſt rechtglaͤubig und klug, hatte einen großen Ein-
fluß auf die Perſonen: es war an keine Conceſſion zu den-
ken: vielmehr iſt dieſer Reichstag der erſte, in welchem
die katholiſchen Fuͤrſten einen erfolgreichen Widerſtand ent-
wickelten. Die Ermahnungen des Papſtes fanden Ge-
hoͤr: in einer abgeſonderten Verſammlung der geiſtlichen
Fuͤrſten wurden die tridentiniſchen Schluͤſſe vorlaͤufig an-
genommen.
Von dieſem Augenblick beginnt ein neues Leben in
der katholiſchen Kirche in Deutſchland. Nach und nach
wurden dieſe Beſchluͤſſe in Provinzialſynoden publicirt: Se-
minarien wurden bei den biſchoͤflichen Sitzen eingerichtet:
der erſte, der dieſer Anordnung Folge leiſtete, war, ſo viel
ich finde, der Biſchof von Eichſtaͤdt, der das Collegium Wi-
libaldinum gruͤndete 2): die Profeſſio fidei wurde von
Hohen und Niederen unterzeichnet. Hoͤchſt wichtig iſt, daß
[47]Anfang derſelben in Deutſchland. Trier.
dieß auch auf den Univerſitaͤten geſchehen mußte. Es war
eine Anordnung, welche von Lainez vorgeſchlagen, von dem
Papſt gebilligt worden, und die nun in Deutſchland haupt-
ſaͤchlich durch den Eifer des Caniſius ins Werk geſetzt ward.
Nicht allein ſollten keine Anſtellungen, es ſollten ſelbſt keine
Grade, auch nicht in der mediciniſchen Facultaͤt, ohne die
Unterſchrift der Profeſſio ertheilt werden. Die erſte Uni-
verſitaͤt wo man dieß einfuͤhrte, war, ſo viel ich finde, Dil-
lingen: allmaͤhlig folgten die andern. Es begannen die
ſtrengſten Kirchenviſitationen. Die Biſchoͤfe, die bisher ſehr
nachſichtig geweſen, zeigten Eifer und Devotion.
Ohne Zweifel einer der eifrigſten unter ihnen war
Jacob von Eltz, vom Jahre 1567 bis zum Jahre 1581
Churfuͤrſt von Trier. Er war noch in der alten Loͤwener
Disciplin erzogen: von jeher widmete er dem Katholicis-
mus auch literariſche Bemuͤhungen: er ſelbſt hat ein Mar-
tyrologium zuſammengetragen und Gebete fuͤr die Horen
verfaßt: an der Einfuͤhrung der Jeſuiten in Trier nahm
er ſchon unter ſeinem Vorgaͤnger den groͤßten Antheil. Eben
dieſen uͤbertrug er nun, als er ſelbſt zur Regierung ge-
kommen, die Viſitation ſeines Sprengels. Selbſt die Schul-
meiſter mußten die Profeſſio fidei unterſchreiben. Unter
den Geiſtlichen ward nach dem methodiſchen Geiſt der Je-
ſuiten eine ſtrenge Zucht und Unterordnung eingefuͤhrt: je-
den Monat mußte der Pfarrer an den Decan, am Schluß
des Vierteljahrs der Decan an den Erzbiſchof berichten:
die Widerſtrebenden wurden ohne Weiteres entfernt. Ein
Theil der Tridentiner Anordnungen ward fuͤr die Dioͤceſen
gedruckt und zu Jedermanns Nachachtung bekannt gemacht:
[48]Buch V. Gegenreformationen.
um alle Verſchiedenheiten des Ritus zu heben, ward eine
neue Agende publicirt. Das geiſtliche Gericht empfing be-
ſonders durch Barth. Bodeghem von Delft eine neue
ſtrenge Einrichtung. Das vornehmſte Vergnuͤgen des Erz-
biſchofs ſchien es auszumachen, wenn ſich Jemand fin-
den ließ, der von dem Proteſtantismus wieder abtruͤnnig
wurde. Einen ſolchen verfehlte er niemals, ſelber einzu-
ſegnen 1).
Zu dieſer Pflicht des Amtes aber, dem Verhaͤltniß
gegen Rom kamen nun auch Beweggruͤnde anderer Art.
Die geiſtlichen Fuͤrſten hatten die Antriebe der weltlichen
ihre Landſchaften zu ihrer Religion zuruͤckzubringen eben ſo
gut, wie dieſe, ja vielleicht noch in hoͤherm Grade, da eine
zum Proteſtantismus neigende Bevoͤlkerung ihnen um ih-
res prieſterlichen Charakters willen eine um ſo ſtaͤrkere Op-
poſition machen mußte.
Zuerſt begegnet uns dieſer wichtige Moment der deut-
ſchen Geſchichte eben in Trier. Auch die Erzbiſchoͤfe von
Trier waren, wie andere geiſtliche Herrn, mit ihrer Haupt-
ſtadt von jeher in Streitigkeiten. In dem ſechszehnten
Jahrhundert geſellte ſich ein proteſtantiſches Element hinzu:
beſonders dem geiſtlichen Gericht ſetzte man hartnaͤckigen
Widerſtand entgegen. Jacob von Eltz fand ſich endlich ver-
anlaßt, die Stadt foͤrmlich zu belagern. Er blieb Meiſter
mit den Waffen; dann brachte er ein Urtel des Kaiſers aus,
das ihm guͤnſtig war. Hierauf noͤthigte er die Buͤrger zu
weltlichem und geiſtlichem Gehorſam.
[49]Anfang derſelben in Deutſchland. Mainz.
Und noch etwas anderes that er, was eine allgemeine
Wirkung nach ſich zog. Im J. 1572 ſchloß er die Prote-
ſtanten unwiderruflich von ſeinem Hofe aus. Namentlich
fuͤr den Landesadel, der fuͤr ſein Fortkommen auf den Hof
angewieſen war, hatte dieß große Bedeutung. Alle Aus-
ſichten fuͤr die Zukunft wurden ihm abgeſchnitten: und
gar Mancher mag hiedurch zum Ruͤcktritt zu der alten Re-
ligion veranlaßt worden ſeyn.
Auch der Nachbar von Trier, Daniel Brendel, Chur-
fuͤrſt von Mainz, war ſehr gut katholiſch. Wider den allge-
meinen Rath ſeiner Umgebung ſtellte er die Frohnleichnams-
proceſſion wieder her, und fungirte ſelbſt dabei: nie haͤtte
er ſeine Vesper verſaͤumt: — von den Sachen, welche ein-
liefen, ließ er ſich immer zuerſt die geiſtlichen vortragen:
unter ſeinen geheimen Raͤthen zeigte er ſich denen am ge-
wogenſten, die am eifrigſten katholiſch waren: — die Je-
ſuiten preiſen die Gunſt, die ſie von ihm erfahren: auch
nach dem Collegium Germanicum zu Rom ſchickte er ei-
nige Zoͤglinge 1). Aber ſo weit zu gehn, wie Jacob von
Eltz, fuͤhlte er ſich nicht bewogen. Nicht ohne eine ge-
wiſſe Ironie iſt ſein Religionseifer. Als er die Jeſuiten
einfuͤhrte, machten ihm viele von ſeinen Landſaſſen Vor-
ſtellungen dagegen: „wie,“ ſagte er, „ihr duldet mich,
der ich meine Pflicht doch nicht gehoͤrig thue: und wollt
Leute nicht dulden, welche ihre Pflicht ſo gut erfuͤllen?“ 2)
Man hat uns nicht uͤberliefert, was er den Jeſuiten ge-
Päpſte* 4
[50]Buch V. Gegenreformationen.
antwortet haben mag, wenn ſie nun auf die voͤllige Aus-
rottung des Proteſtantismus in dem Lande drangen. We-
nigſtens litt er Lutheraner und Calviniſten fortwaͤhrend in
der Stadt und am Hofe: in einigen Ortſchaften duldete
er ſelbſt den evangeliſchen Ritus 1): wahrſcheinlich je-
doch nur deshalb, weil er ſich nicht ſtark genug fuͤhlte
ihn zu erdruͤcken. In einem entfernteren Theile ſeines Ge-
bietes, wo ihn keine ſo maͤchtigen und kriegsluſtigen Nach-
barn bedrohten, wie die Pfalzgrafen am Rhein, that auch
er entſcheidende Schritte. Die Herſtellung des Katholicis-
mus auf dem Eichsfeld iſt ſein Werk. Durch die Gunſt
des Adels hatte ſich auch hier der Proteſtantismus feſtge-
ſetzt; ſelbſt in Heiligenſtadt unter den Augen des Stiftes,
welches das Patronat aller Kirchen beſaß, war er gleich-
wohl eingedrungen: es gab einen lutheriſchen Prediger da-
ſelbſt: die Communion ward unter beiden Geſtalten aus-
getheilt: einſtmals haben nur noch zwoͤlf angeſehene Buͤrger
zu Oſtern das Abendmahl nach katholiſchem Gebrauch ge-
nommen 2). Eben in dieſer Zeit — im Jahre 1574 —
erſchien der Erzbiſchof perſoͤnlich auf dem Eichsfeld von
zwei Jeſuiten begleitet, um eine Kirchenviſitation zu hal-
ten. Zu aͤußerſten Gewaltthaten ſchritt er nicht: doch
wandte er Mittel an, welche wirkſam waren. In Hei-
ligenſtadt entfernte er den proſtantiſchen Prediger und ſtif-
tete dafuͤr ein Collegium von Jeſuiten. Er verwies Nie-
mand aus dem Rath; aber durch einen kleinen Zuſatz zu
[51]Anfang derſelben in Deutſchland. Eichsfeld.
dem Rathseide, kraft deſſen ſich jeder Rathsherr ver-
pflichtete S. Churfuͤrſtlichen Gnaden in geiſtlichen und
weltlichen Sachen zu gehorſamen, verhinderte er den Ein-
tritt von Proteſtanten fuͤr die Zukunft. Die Hauptſache
war dann, daß er einen entſchieden katholiſchen Oberamt-
mann aufſtellte, Leopold von Stralendorf, der ſich nicht
ſcheute den milderen Maaßregeln des Herrn aus eigener
Macht ſtrenge nachfolgen zu laſſen, und in einer folgerech-
ten Verwaltung von 26 Jahren die katholiſche Lehre in
Stadt und Land wieder zu der herrſchenden machte. Ohne
auf den Widerſpruch des Adels Ruͤckſicht zu nehmen, verjagte
er die proteſtantiſchen Prediger auch auf dem Lande, und
ſetzte die Zoͤglinge der neuen Jeſuitenſchule an ihre Stelle.
Schon hatte in jenen Gegenden ein anderer geiſtlicher
Fuͤrſt das Beiſpiel hiezu gegeben.
In dem Stifte Fulda war die evangeliſche Religions-
uͤbung bereits von ſechs Aebten geduldet worden, und auch
der junge Abt Balthaſar von Dernbach, genannt Gravel,
verſprach bei ſeiner Wahl im Jahre 1570 es dabei zu laſ-
ſen. Allein ſey es daß die Gunſt, die ihm der paͤpſtliche
Hof zu Theil werden ließ, ſeinen Ehrgeiz entflammte: oder
daß er in der Herſtellung des Katholicismus die Mittel
ſah, ſeine allerdings unbedeutende Macht zu vermehren:
oder daß irgend eine tiefere Sinnesaͤnderung in ihm Statt
fand: allmaͤhlig zeigte er ſich dem Proteſtantismus nicht
allein abgeneigt, ſondern feindſelig. Zuerſt berief er die
Jeſuiten. Er kannte keinen: er hatte nie ein Collegium
geſehen: nur der allgemeine Ruf, die Schilderung die ihm
ein paar Schuͤler des Collegiums von Trier machten, und
4*
[52]Buch V. Gegenreformationen.
vielleicht die Empfehlungen Daniel Brendels beſtimmten
ihn. Mit Vergnuͤgen kamen die Ordensmaͤnner; Mainz
und Trier ſtifteten hier eine gemeinſchaftliche Colonie: der
Abt baute ihnen Haus und Schule und wies ihnen eine
Penſion an: er ſelbſt, denn noch war er ſehr unwiſſend,
nahm bei ihnen Unterricht 1).
Zunaͤchſt mit ſeinem Capitel, das in Dingen dieſer Art
ein Wort mitzuſprechen hatte, und dieſe Berufung keines-
weges billigte, gerieth der Abt hiedurch in ein ſchlechtes
Verhaͤltniß: bald aber griff er auch die Stadt an. Er be-
kam dazu die erwuͤnſchteſte Gelegenheit.
Der Pfarrer von Fulda, der bisher die evangeliſche
Lehre gepredigt, trat zu dem Katholicismus zuruͤck, und
fing wieder an, die Taufe lateiniſch zu vollziehen: das
Abendmahl nur unter Einer Geſtalt zu reichen. Die Buͤr-
gerſchaft, des evangeliſchen Ritus laͤngſt gewohnt, wollte
ſich dieß nicht ſo gutwillig gefallen laſſen und forderte
die Entfernung dieſes Pfarrers. Sie fand, wie man den-
ken kann, kein Gehoͤr. Nicht allein ward in der Haupt-
kirche der katholiſche Ritus ſtreng ausgeuͤbt: auch aus den
Nebenkirchen wurden die evangeliſchen Prediger nach und
nach verwieſen, und Jeſuiten eingeſetzt. Schon vertauſchte
der Abt ſeine proteſtantiſchen Raͤthe und Beamte mit ka-
tholiſchen.
Es war vergebens, daß der Adel hiegegen Vorſtel-
[53]Anfang derſelben in Deutſchland. Fulda.
lungen machte: gleichſam verwundert entgegnete Abt Bal-
thaſar: er hoffe, man werde ihm nicht Maaß geben wollen,
wie er die ihm von Gott befohlene Landſchaft zu regieren
habe. Einige maͤchtige Reichsfuͤrſten ordneten eine Geſandt-
ſchaft an ihn ab, um ihn zur Einſtellung ſeiner Neuerun-
gen, zur Entfernung der Jeſuiten zu bewegen: aber er blieb
unerſchuͤtterlich. Vielmehr bedrohte er bereits auch die
Ritterſchaft. Sie nahm eine Art von Reichsunmittelbar-
keit in Anſpruch, welche ſehr beſchraͤnkt worden waͤre,
wenn der geiſtliche Oberherr religioͤſen Gehorſam haͤtte er-
zwingen duͤrfen.
Und ſo erhob ſich der Katholicismus, der bereits be-
ſiegt ſcheinen konnte, mit verjuͤngter Kraft in Deutſchland.
Die mannigfaltigſten Motive trugen dazu bei: der Reli-
gion und der Lehre die wieder um ſich griff, der durch
die Beſchluͤſſe von Trident erneuerten kirchlichen Unterord-
nung, vornehmlich auch Beweggruͤnde der innern Politik:
es lag am Tage, wie viel maͤchtiger ein Fuͤrſt wurde,
wenn die Unterthanen ſeinem Glauben folgten. Zwar hatte
die kirchliche Reſtauration erſt einzelne Punkte eingenommen:
aber ſie boten eine unermeßliche Ausſicht dar. Namentlich
mußte es von der groͤßten Wichtigkeit werden, daß die
geiſtlichen Fuͤrſten keinen allgemeinern Widerſpruch fan-
den. Bei dem Religionsfrieden hatte man die proteſtanti-
ſchen Gemeinden in den geiſtlichen Gebieten durch eine be-
ſondere kaiſerliche Declaration zu ſichern geſucht: die geiſt-
lichen Fuͤrſten laͤugneten jetzt, von dieſer Declaration zu
wiſſen: auf keinen Fall kuͤmmerten ſie ſich darum. Die
kaiſerliche Macht war nicht ſtark, nicht entſchloſſen genug,
um eine durchgreifende Entſcheidung hiegegen zu faſſen, ge-
[54]Buch V. Gegenreformationen.
ſchweige denn geltend zu machen. In den Reichsverſamm-
lungen ſelbſt war nicht Energie noch Einheit genug, um
daruͤber zu halten: — die groͤßten Veraͤnderungen geſcha-
hen ohne alles Geraͤuſch, ohne daß man ſie recht bemerkte,
ohne daß man ſie auch nur in den Geſchichtsbuͤchern auf-
zeichnete, gleich als koͤnnte es nicht anders ſeyn.
Gewaltthätigkeiten in den Niederlanden und in
Frankreich.
Waͤhrend nun die katholiſchen Beſtrebungen in Deutſch-
land ſo maͤchtig vordrangen, erhoben ſie ſich auch in den
Niederlanden und in Frankreich, wiewohl auf eine ſehr
abweichende Art.
Der Grundunterſchied iſt, daß es in dieſen Laͤndern
ſtarke centrale Gewalten gab, welche an jeder Bewegung
ſelbſtthaͤtigen Antheil nahmen, die religioͤſen Unternehmun-
gen leiteten, und von dem Widerſtand unmittelbar beruͤhrt
wurden.
Die Verhaͤltniſſe haben deshalb eine groͤßere Einheit,
die Unternehmungen mehr Zuſammenhang und Nachdruck.
Man weiß, wie mancherlei Maaßregeln Philipp II.
im Anfange ſeiner Regierung in den Niederlanden zur Ein-
fuͤhrung eines vollkommenen Gehorſams ergriff; von ei-
ner nach der andern mußte er abſtehn: nur an denen
hielt er mit unerbittlicher Strenge feſt, die zur Behaup-
tung des Katholicismus, der geiſtlichen Einheit dienen ſollten.
Durch die Errichtung neuer Erzbisthuͤmer und Bis-
thuͤmer veraͤnderte er die geiſtliche Verfaſſung des Landes
[55]Gewaltthaͤtigkeiten in den Niederlanden.
vollkommen: keinen Widerſpruch ließ er ſich darin ſtoͤren,
keine Berufung auf Rechte, die er allerdings dadurch verletzte.
Dieſe Bisthuͤmer bekamen aber eine doppelte Bedeu-
tung, ſeitdem das tridentiniſche Concilium die Kirchendis-
ciplin ſo ausnehmend geſchaͤrft hatte. Nach kurzem Beden-
ken nahm Philipp II. die Decrete des Conciliums an, und
ließ ſie auch in den Niederlanden verkuͤndigen. Das Le-
ben, das bisher Mittel gefunden ſich ohne großen Zwang
zu bewegen, ſollte unter ſcharfe Aufſicht genommen, und
auf das ſtrengſte einer Form unterworfen werden, der es
eben ſich zu entziehen im Begriff ſtand.
Dazu kamen nun die Strafbefehle, deren in den Nie-
derlanden ſchon unter der vorigen Regierung ſo viele ge-
geben worden, der Eifer der Inquiſitoren, den das neue
roͤmiſche Tribunal von Tag zu Tag mehr anſpornte.
Die Niederlaͤnder unterließen nichts, um den Koͤnig
zu einer Milderung ſeiner Strenge zu bewegen, und zu-
weilen ſchien es wohl, als ſey er dazu geneigt: Graf Eg-
mont glaubte bei ſeiner Anweſenheit in Spanien Zuſiche-
rungen davon empfangen zu haben. Jedoch es war ſchon
an ſich ſchwer zu erwarten. Wir beruͤhrten, wie ſehr die
Herrſchaft Philipps II. allenthalben auf einem geiſtlichen
Moment beruhte: haͤtte er den Niederlaͤndern Conceſſionen
gemacht, ſo wuͤrde man deren auch in Spanien gefordert
haben, wo er ſie niemals gewaͤhren konnte. Es lag auch
uͤber ihm — verkennen wir es nicht — eine zwingende
Nothwendigkeit. Aber außerdem waren dieß die Zeiten,
in welchen die Erhebung und die erſten Handlungen Pius V.
in der ganzen katholiſchen Chriſtenheit einen neuen Eifer
[56]Buch V. Gegenreformationen.
hervorbrachten: auch Philipp II. fuͤhlte eine ungewohnte
Hingebung fuͤr dieſen Papſt, und lieh ſeinen Ermahnungen
ein offenes Ohr: eben ſchlug man den Anfall der Tuͤrken
von Malta ab, und die Devoten, die Feinde der Niederlaͤn-
der moͤgen, wie der Prinz von Oranien vermuthet, den Ein-
druck des Sieges benutzt haben, um den Koͤnig zu einem
heftigen Entſchluß zu bringen 1). Genug gegen Ende
1565 erfolgte ein Edict das alle vorhergegangenen an
Strenge uͤbertraf.
Die Strafbefehle, die Schluͤſſe des Conciliums und
der ſeitdem gehaltenen Provinzialſynoden ſollten unverbruͤch-
lich gehandhabt, allein von den Inquiſitoren die Erkennt-
niß uͤber geiſtliche Vergehen ausgeuͤbt werden. Alle Be-
hoͤrden wurden angewieſen, dazu Beiſtand zu leiſten. In
jeder Provinz ſollte ein Commiſſar uͤber die Ausfuͤhrung
dieſer Anordnung wachen, und daruͤber von drei Monat zu
drei Monat Bericht erſtatten 2).
Es liegt am Tage, daß hiedurch eine geiſtliche Regie-
rung eingefuͤhrt werden mußte, wenn nicht ganz wie in
Spanien, doch gewiß wie in Italien.
Hieruͤber geſchah es, daß ſich das Volk bewaffnete,
der Bilderſturm ausbrach, das ganze Land in Feuer und
Flamme gerieth; — es kam ein Augenblick, wo die Staats-
gewalt ſogar zur Nachgiebigkeit genoͤthigt wurde. Aber
wie es zu geſchehen pflegt, die Gewaltſamkeiten zerſtoͤrten
ihren eigenen Zweck: die gemaͤßigten und ruhigen Einwoh-
[57]Gewaltthaͤtigkeiten in den Niederlanden.
ner wurden dadurch erſchreckt und der Regierung Huͤlfe zu
leiſten bewogen: die Oberſtatthalterin behielt den Sieg: nach-
dem ſie die rebelliſchen Ortſchaften eingenommen, durfte ſie
bereits wagen, den Beamten, ja den Lehnsleuten des Koͤ-
nigs uͤberhaupt einen Eid vorzulegen, durch den ſie ſich
zur Erhaltung des katholiſchen Glaubens, zur Bekaͤmpfung
der Ketzer foͤrmlich verpflichteten 1).
Dem Koͤnige aber ſchien dieß noch nicht genug. Es
war der ungluͤckliche Moment, in welchen die Kataſtro-
phe ſeines Sohnes Don Carlos faͤllt: nie war er ſtren-
ger, unbeugſamer. Der Papſt ermahnte ihn noch einmal,
kein Zugeſtaͤndniß zum Nachtheil des Katholicismus zu
machen: der Koͤnig verſicherte S. Heiligkeit, „er werde
nicht dulden, daß die Wurzel einer boͤsartigen Pflanze in
den Niederlanden verbleibe: er wolle die Provinzen entwe-
der verlieren oder die katholiſche Religion darin aufrecht
erhalten“ 2). Um ſeine Abſichten zu vollbringen, ſchickte
er noch, nachdem die Unruhen beigelegt waren, ſeinen be-
ſten Feldherrn, den Herzog von Alba, und ein treffliches
Heer in die Niederlande hinuͤber.
Faſſen wir wenigſtens den Grundgedanken auf, aus
welchem das Verfahren Alba’s hrrvorging.
Alba war uͤberzeugt, daß man in gewaltſamen, revo-
[58]Buch V. Gegenreformationen.
lutionaͤren Bewegungen eines Landes alles ausrichte, wenn
man ſich der Haͤupter entledige. Daß Carl V. nach ſo vielen
und großen Siegen aus dem deutſchen Reiche doch ſo gut
wie verſtoßen worden war, leitete er von der Nachſicht die-
ſes Fuͤrſten her, der die Feinde, welche in ſeine Hand gefal-
len, verſchont habe. Es iſt oft von der Verbindung die
Rede geweſen, welche im Jahre 1565 bei der Zuſammen-
kunft von Bayonne zwiſchen Franzoſen und Spaniern ge-
geſchloſſen worden, von den Verabredungen, die man da
getroffen habe: von allem, was man daruͤber geſagt hat, iſt
nur ſo viel gewiß, daß der Herzog von Alba die Koͤnigin
von Frankreich aufforderte, ſich der Oberhaͤupter der Hu-
genotten, auf welche Weiſe auch immer, zu entledigen. Was
er damals gerathen, trug er kein Bedenken, jetzt ſelbſt aus-
zufuͤhren. Philipp II. hatte ihm einige mit der koͤnigli-
chen Unterſchrift verſehene Blanquets mitgegeben. Der erſte
Gebrauch, den er davon machte, war, daß er Egmont
und Horn gefangen ſetzen ließ, von denen er annahm, daß
ſie an den vorigen Bewegungen Schuld gehabt. „Heilige ka-
tholiſche Majeſtaͤt,“ faͤngt der Brief an, den er an den Koͤnig
hieruͤber ſchrieb, und der doch zu beweiſen ſcheint, daß er dazu
keinen ausdruͤcklichen Befehl hatte, „nachdem ich in Bruͤſ-
ſel angelangt bin, habe ich gehoͤrigen Orts die noͤthigen
Erkundigungen eingezogen, und mich darauf des Grafen
von Egmont verſichert, auch den Grafen von Horn und
einige Andere verhaften laſſen.“ 1) Will man wiſſen,
[59]Gewaltthaͤtigkeiten in den Niederlanden.
weshalb er das Jahr darauf die Gefangenen zur Hinrich-
tung verurtheilte? Es war nicht etwa eine aus dem Pro-
ceß entſprungene Ueberzeugung ihrer Schuld: — es fiel
ihnen mehr zur Laſt, daß ſie die Bewegungen nicht ver-
hindert, als daß ſie dieſelben veranlaßt hatten: auch war es
kein Befehl des Koͤnigs, der es vielmehr dem Herzog uͤberließ,
die Execution zu vollziehen oder auch nicht, je nachdem er
es fuͤr dienlicher halte: — der Grund war folgender. Eine
kleine Schaar Proteſtanten war in dem Lande eingedrun-
gen: zwar hatte ſie nichts von Bedeutung ausgerichtet,
aber bei Heiligerlee hatte ſie doch einen Vortheil erfoch-
ten, und ein koͤniglicher Feldhauptmann von vielem Ruf,
der Herzog von Arenberg, war dabei geblieben. In ſei-
nem Schreiben an den Koͤnig ſagt nun Alba: er habe be-
merkt, daß das Volk durch dieſen Unfall in Gaͤhrung ge-
rathen und trotzig geworden ſey: er habe es fuͤr nothwen-
dig gehalten, den Leuten zu zeigen, daß er ſie nicht fuͤrchte,
in keinerlei Weiſe: auch habe er ihnen die Luſt benehmen
wollen, durch neue Unruhen die Befreiung der Gefange-
nen zu bewerkſtelligen: ſo ſey er zu dem Entſchluß gekom-
men, die Execution ſofort an ihnen vollziehen zu laſſen.
So mußten die edlen Maͤnner ſterben, deren ganzes Ver-
1)
[60]Buch V. Gegenreformationen.
brechen in der Vertheidigung der althergebrachten Freihei-
ten ihres Vaterlandes beſtand, an denen keine todeswuͤrdige
Schuld zu entdecken war: mehr der momentanen Ruͤck-
ſicht einer trotzigen Politik als dem Rechtsprincip zum
Opfer fielen ſie. Eben damals erinnerte ſich Alba an
Carl V., deſſen Fehler er nicht auch begehn wollte 1).
Wir ſehen, Alba war grauſam aus Grundſatz. Wer
haͤtte vor dem furchtbaren Tribunal, das er unter dem Na-
men des Rathes der Unruhen einrichtete, Gnade gefunden?
Mit Verhaftungen und Executionen regierte er die Provin-
zen: die Haͤuſer der Verurtheilten riß er nieder: ihre Guͤter
zog er ein. Mit den kirchlichen verfolgte er zugleich die po-
litiſchen Zwecke: die alte Gewalt der Staͤnde bedeutete nichts
mehr: ſpaniſche Truppen erfuͤllten das Land, und in der
wichtigſten Handelsſtadt ward ihnen eine Citadelle errich-
tet: mit hartnaͤckigem Eigenſinn beſtand Alba auf die Ein-
treibung der verhaßteſten Abgaben: und in Spanien wun-
[61]Gewaltthaͤtigkeiten in Frankreich.
derte man ſich nur — denn auch von dort zog er bedeutende
Summen — was er mit alle dem Gelde mache; aber wahr
iſt es: das Land war gehorſam: kein Mißvergnuͤgter ruͤhrte
ſich: jede Spur des Proteſtantismus verſchwand: die Ver-
jagten in der Nachbarſchaft hielten ſich ſtille.
„Monſignore,“ ſagte waͤhrend dieſer Ereigniſſe ein
geheimer Rath Philipps II. zu dem paͤpſtlichen Nuntius,
„ſeyd ihr nun mit dem Verfahren des Koͤnigs zufrieden?“
Der Nuntius erwiederte laͤchelnd: „ganz zufrieden.“
Alba ſelbſt glaubte ein Meiſterſtuͤck ausgefuͤhrt zu ha-
ben. Nicht ohne Verachtung blickte er auf die franzoͤſiſche
Regierung, welche in ihrem Lande niemals Herr zu wer-
den vermochte.
In Frankreich war nemlich, nach jenem großen Auf-
ſchwunge des Proteſtantismus, im Jahre 1562 vor allem
in der Hauptſtadt eine ſtarke Reaction gegen denſelben her-
vorgetreten.
Was dem Proteſtantismus in Frankreich den groͤßten
Schaden that, war ohne Zweifel, daß er ſich mit den
Factionen des Hofes in ſo enges Verhaͤltniß ſetzte. Eine
Zeitlang ſchien ſich alles zu dem Bekenntniß hinzuneigen;
als aber ſeine Anhaͤnger zu den Waffen griffen und Ge-
waltſamkeiten begingen, wie ſie nun einmal vom Kriege
unzertrennlich ſind, verloren ſie die Gunſt der oͤffentlichen
Meinung. Was iſt das fuͤr eine Religion? fragte man,
wo hat Chriſtus befohlen, den Naͤchſten zu berauben, ſein
Blut zu vergießen? Beſonders als man ſich in Paris ge-
[62]Buch V. Gegenreformationen.
gen die Angriffe Condé’s in Vertheidigungsſtand ſetzte, be-
kamen alle Anſtalten eine antiproteſtantiſche Farbe. Die
waffenfaͤhige Mannſchaft der Stadt ward militaͤriſch or-
ganiſirt: die Capitaͤne denen man ſie unterwarf mußten
vor allen Dingen katholiſch ſeyn. Die Mitglieder der Uni-
verſitaͤt, des Parlamentes, die ſo zahlreiche Claſſe der Ad-
vocaten eingeſchloſſen, mußten eine Glaubensformel von
rein katholiſchem Inhalte unterzeichnen.
Unter dem Einfluß dieſer Stimmung ſetzten ſich die
Jeſuiten in Frankreich feſt. Sie fingen hier ziemlich klein
an: ſie mußten ſich mit Collegien in Billon, Tournon, die
ihnen ein paar geiſtliche Herrn, ihre Verehrer, eroͤffneten,
begnuͤgen, Orten, vom Mittelpunkte des Landes entfernt,
wo ſich niemals etwas Bedeutendes ausrichten ließ. In
den großen Staͤdten, vor allem in Paris, fanden ſie an-
fangs den hartnaͤckigſten Widerſtand. Sorbonne, Parla-
ment, Erzbiſchof, die ſich ſaͤmmtlich durch ihre Privilegien
beeintraͤchtigt glaubten, waren wider ſie. Da ſie aber die
Gunſt der eifrigen Katholiken und beſonders des Hofes er-
warben, der dann nicht muͤde ward ſie zu empfehlen,
„wegen ihres muſterhaften Lebens, ihrer reinen Lehre, ſo
daß viele Abgewichene durch ſie zum Glauben zuruͤckge-
fuͤhrt worden, und Orient und Occident durch ihre Be-
muͤhung das Angeſicht des Herrn erkenne“ 1), da jene
[63]Gewaltthaͤtigkeiten in Frankreich.
Veraͤnderung der Meinung hinzutrat, ſo drangen ſie end-
lich durch, und gelangten in dem Jahre 1564 zu dem
Rechte zu unterrichten. Da hatte ſich ihnen auch ſchon
Lyon eroͤffnet. War es mehr Gluͤck oder mehr Verdienſt:
ſie vermochten ſogleich mit ein paar glaͤnzenden Talenten
aufzutreten. Den hugenottiſchen Predigern ſetzten ſie Ed-
mund Augier entgegen, der in Frankreich geboren, aber
in Rom unter Ignatius erzogen war, von dem die Pro-
teſtanten ſelbſt geſagt haben ſollen, haͤtte er nicht den ka-
tholiſchen Ornat an ſeinem Leibe, ſo wuͤrde es nie einen
groͤßern Redner gegeben haben: — er brachte durch Rede
und Schrift einen ungemeinen Eindruck hervor. Nament-
lich in Lyon wurden die Hugenotten vollkommen beſiegt:
ihre Prediger verjagt, ihre Kirchen zerſtoͤrt, ihre Buͤcher
verbrannt: den Jeſuiten dagegen ward 1567 ein praͤchtiges
Collegium errichtet. Auch einen ausgezeichneten Profeſſor
hatten ſie, Maldonat, deſſen Bibelerklaͤrung die Jugend in
Schaaren herbeizog und feſſelte. Von dieſen Hauptſtaͤdten
nun durchzogen ſie das Reich nach allen Richtungen: in
Toulouſe, in Bourdeaux ſiedelten ſie ſich an: allenthalben,
wo ſie erſchienen, wuchs die Zahl der katholiſchen Com-
municanten. Einen ungemeinen Beifall erwarb ſich der Ka-
techismus des Augier: binnen 8 Jahren ſind allein in Paris
38000 Exemplare deſſelben verkauft worden 1).
[64]Buch V. Gegenreformationen.
Wohl moͤglich, daß dieſe Wiederaufnahme der katho-
liſchen Ideen, zumal da ſie ſich beſonders in der Haupt-
ſtadt vollzog, auch auf den Hof gewirkt hat. Wenigſtens
gewaͤhrte ſie ihm eine Stuͤtze mehr, als er ſich im Jahre
1568 nach langem Schwanken wieder einmal entſchloſſen
katholiſch erklaͤrte.
Es hing das beſonders davon ab, daß Catharina Me-
dici ſeit dem Eintritt der Volljaͤhrigkeit ihres Sohnes ſich
um vieles feſter in der Gewalt fuͤhlte, und die hugenotti-
ſchen Großen nicht mehr zu ſchonen brauchte, wie fruͤher.
Das Beiſpiel Alba’s zeigte, wie viel ſich mit einem ſtand-
haften Willen erreichen laſſe: der Papſt, der den Hof un-
aufhoͤrlich ermahnte die Frechheit der Rebellen nicht noch
mehr wachſen zu laſſen, ihr keinen Augenblick laͤnger zu-
zuſehen, fuͤgte ſeinen Ermahnungen endlich auch die Er-
laubniß zu einer Veraͤußerung von Kirchenguͤtern hinzu, aus
welcher anderthalb Millionen Livres in die Caſſen floſ-
ſen 1). Und ſo legte Catharina Medici, ungefaͤhr wie ein
Jahr fruͤher die Statthalterin in den Niederlanden, dem
franzoͤſiſchen Adel einen Eid vor, kraft deſſen er jeder Ver-
bindung entſagen ſollte, die ohne Vorwiſſen des Koͤnigs
geſchloſſen ſey 2): ſie forderte die Entfernung aller Magi-
ſtrate in den Staͤdten, die ſich neuer Meinungen verdaͤchtig
gemacht: ſie erklaͤrte im September 1563 Philipp II., ſie
werde keine Religion dulden, als die katholiſche.
Ein Entſchluß, der ſich in Frankreich nicht ohne Ge-
walt
[65]Gewaltthaͤtigkeiten in Frankreich.
walt der Waffen durchſetzen ließ. Auf der Stelle brach
der Krieg aus.
Er ward von der katholiſchen Seite mit außerordent-
lichem Eifer unternommen. Der Koͤnig von Spanien
ſchickte den Franzoſen auf Bitten des Papſtes geuͤbte und
wohlangefuͤhrte Truppen zu Huͤlfe. Pius V. ließ Col-
lecten im Kirchenſtaat, Beiſteuern von den italieniſchen
Fuͤrſten einſammeln, ja er ſelbſt der heilige Vater ſchickte
auch ſeinerſeits eine kleine Armee uͤber die Alpen, eben die,
der er jene grauſame Weiſung gab, jeden Hugenotten zu
toͤdten, der in ihre Haͤnde gerathe, keinen Pardon zu er-
theilen.
Auch die Hugenotten nahmen ſich zuſammen: auch ſie
waren voll religioͤſen Eifers; in den paͤpſtlichen Soldaten
ſahen ſie das Heer des Antichriſts, das gegen ſie heran-
ruͤcke: auch ſie gaben keinen Pardon: an auswaͤrtiger Huͤlfe
fehlte es ihnen eben ſo wenig: — jedoch bei Moncontour
wurden ſie voͤllig geſchlagen.
Mit welcher Freude ſtellte Pius V. dann die erober-
ten Standarten die man ihm zugeſandt in St. Peter und
St. Johann Lateran auf! Er faßte die kuͤhnſten Hoffnun-
gen. Eben unter dieſen Umſtaͤnden war es, daß er die
Excommunication der Koͤnigin Eliſabeth ausſprach. Er
ſchmeichelte ſich zuweilen mit dem Gedanken, eine Unter-
nehmung gegen England noch einmal perſoͤnlich anzu-
fuͤhren.
So weit kam es nun freilich nicht.
Wie es ſo oft geſchehen, trat auch jetzt am franzoͤſi-
ſchen Hofe ein Umſchwung der Stimmung ein, der auf
Päpſte* 5
[66]Buch V. Gegenreformationen.
leichtem perſoͤnlichen Verhaͤltniß beruhend, eine große Ver-
aͤnderung in den wichtigſten Angelegenheiten herbeifuͤhrte.
Der Koͤnig mißgoͤnnte ſeinem Bruder, Herzog von
Anjou, der bei Moncontour angefuͤhrt hatte, die Ehre die
Hugenotten zu beſiegen, das Koͤnigreich zu beruhigen. Seine
Umgebung beſtaͤrkte ihn darin: auch ſie war auf die Um-
gebung Anjous eiferſuͤchtig. Mit der Ehre, fuͤrchteten
ſie, wuͤrde die Gewalt Hand in Hand gehn. Nicht al-
lein wurden nun die erfochtenen Vortheile auf das lang-
ſamſte verfolgt: in kurzem trat der ſtreng katholiſchen Par-
tei, die ſich um Anjou ſammelte, an dem Hofe eine an-
dere, gemaͤßigte entgegen, welche eine gerade entgegengeſetzte
Politik einſchlug. Sie ſchloß Frieden mit den Hugenot-
ten, und zog die Haͤupter derſelben an den Hof. Im Jahre
1569 hatten die Franzoſen im Bunde mit Spanien und
dem Papſt die Koͤnigin von England zu ſtuͤrzen geſucht:
im Sommer 1572 ſehen wir ſie im Bunde mit derſelben
Koͤnigin, um den Spaniern die Niederlande zu entreißen.
Indeß war doch dieß eine zu raſche, zu wenig vorberei-
tete Veraͤnderung, als daß ſie ſich haͤtte halten koͤnnen.
Die gewaltſamſte Exploſion erfolgte, unter der zuletzt al-
les wieder in den fruͤheren Gang einbog.
Es iſt wohl nicht anders, als daß die Koͤnigin Ca-
tharina Medici, waͤhrend ſie auf die Politik, die Plaͤne
der herrſchenden Partei, die wenigſtens zum Theil, in ſo-
fern ſie ihren juͤngſten Sohn Alençon auf den Thron von
England befoͤrdern zu muͤſſen ſchienen, auch in ihrem In-
tereſſe lagen, nicht ohne Lebhaftigkeit und Waͤrme einging,
dennoch alles zur Ausfuͤhrung eines entgegengeſetzten Schla-
[67]Gewaltthaͤtigkeiten in Frankreich.
ges vorbereitete. Sie trug, ſo viel ſie konnte, dazu bei,
daß die Hugenotten nach Paris kamen: ſo zahlreich ſie
auch waren, ſo wurden ſie doch hier von einer bei wei-
tem uͤberlegenen, militaͤriſch organiſirten, fanatiſch erregba-
ren Population umgeben und feſtgehalten. Schon in Vor-
aus ließ ſie dem Papſt ziemlich deutlich anzeigen, was ſie
hiemit beabſichtige. Haͤtte ſie aber auch noch gezweifelt,
ſo wuͤrden die Umſtaͤnde ſie haben beſtimmen muͤſſen, wel-
che in dieſem Momente eintraten. Den Koͤnig ſelbſt ge-
wannen die Hugenotten: das Anſehen der Mutter ſchienen ſie
zu uͤberwinden, zu verdraͤngen: in dieſer perſoͤnlichen Gefahr
zoͤgerte ſie nicht laͤnger. Mit der unwiderſtehlichen und ma-
giſchen Gewalt, die ſie uͤber ihre Kinder ausuͤbte, erweckte
ſie in dem Koͤnige den ganzen Fanatismus, der in ihm
ſchlief: es koſtete ihr ein Wort, um das Volk in die Waf-
fen zu bringen: ſie ſprach es aus: von den vornehmſten
Hugenotten ward jeder ſeinem perſoͤnlichen Feinde zugewie-
ſen. Catharina hat geſagt, ſie habe nur ſechs Menſchen um-
zubringen gewuͤnſcht: nur deren Tod nehme ſie auf ihr
Gewiſſen: es ſind bei 50000 umgebracht worden 1).
Und ſo uͤberboten die Franzoſen noch die niederlaͤn-
diſchen Unternehmungen der Spanier. Was Dieſe mit
berechnendem Calcul, unter den geſetzlichen Formen, nach
und nach vollfuͤhrten, ſetzten Jene in der Hitze der Leiden-
ſchaft, ohne alle Form, mit Huͤlfe fanatiſirter Maſſen ins
Werk. Der Erfolg ſchien derſelbe zu ſeyn. Es war kein
5*
[68]Buch V. Gegenreformationen.
Oberhaupt uͤbrig, zu deſſen Namen die zerſtreuten Huge-
notten ſich haͤtten ſammeln koͤnnen: Viele flohen: Unzaͤh-
lige ergaben ſich: von Ort zu Ort ging man wieder in die
Meſſe: die Predigten verſtummten. Mit Vergnuͤgen ſah
ſich Philipp II. nachgeahmt und uͤbertroffen: — er bot
Carl IX., der nun erſt ein Recht auf den Titel eines al-
lerchriſtlichſten Koͤnigs erworben habe, zur Vollendung die-
ſer Unternehmung die Kraft ſeines Armes an. Papſt Gre-
gor XIII. beging den großen Erfolg durch eine feierliche
Proceſſion nach San Luigi. Die Venezianer, die hiebei
kein beſonderes Intereſſe zu haben ſchienen, druͤcken in amt-
lichen Schreiben an ihre Geſandten ihr Wohlgefallen „an
dieſer Gnade Gottes“ aus.
Koͤnnten aber wohl Attentate von ſo blutiger Natur
jemals gelingen? Widerſtreiten ſie nicht dem tiefern Ge-
heimniß der menſchlichen Dinge, den unbegriffenen, in
dem Innern wirkſamen, unverletzlichen Principien der ewi-
gen Weltordnung? Die Menſchen koͤnnen ſich verblenden:
das Geſetz der geiſtigen Weltordnung koͤnnen ſie nicht er-
ſchuͤttern, auf dem ihr Daſeyn beruht. Mit der Nothwen-
digkeit beherrſcht es ſie, die den Gang der Geſtirne regelt.
Widerſtand der Proteſtanten in den Niederlanden,
Frankreich und Deutſchland.
Macchiavell giebt ſeinem Fuͤrſten den Rath, die Grau-
ſamkeiten, die er fuͤr noͤthig halte, raſch hintereinander zu
vollziehen: hierauf aber allmaͤhlig die Gnade eintreten zu
laſſen.
[69]Widerſtand der Proteſt. in den Niederlanden.
Es ſchien faſt, als wollten die Spanier in den Nie-
derlanden dieſe Lehre woͤrtlich befolgen.
Es ſchien, als faͤnden ſie am Ende ſelbſt, daß Guͤter
genug eingezogen, Koͤpfe genug abgeſchlagen worden: daß
die Zeit der Gnade gekommen ſey. Im Jahre 1572 iſt
der venezianiſche Geſandte in Madrid uͤberzeugt, daß Ora-
nien Verzeihung erhalten wuͤrde, wenn er darum bitten
ſollte. Der Koͤnig empfaͤngt die niederlaͤndiſchen Deputir-
ten, welche gekommen ſind, ihn um die Zuruͤcknahme der
Auflage des zehnten Pfennigs zu erſuchen, mit vieler Guͤte,
und dankt ihnen ſogar fuͤr ihre Bemuͤhungen: er hatte be-
ſchloſſen Alba zuruͤckzurufen und einen milderen Statthal-
ter hinuͤberzuſenden.
Jedoch ſchon war es zu ſpaͤt. Noch in Folge jener
franzoͤſiſch-engliſchen Verbindung, welche der Bluthochzeit
vorausging, brach die Empoͤrung aus. Alba hatte geglaubt,
am Ende zu ſeyn: der Kampf fing jedoch nun erſt eigent-
lich an: Alba ſchlug den Feind, ſo oft er ihn im offenen
Felde traf: dagegen an den Staͤdten von Holland und
Seeland, wo die religioͤſe Bewegung am tiefſten gegriffen
und der Proteſtantismus ſich ſogleich zu lebendigen Orga-
niſationen geſtaltet hatte, fand er einen Widerſtand, den er
nicht zu uͤberwinden vermochte.
Als in Harlem alle Lebensmittel ausgegangen, bis auf
das Gras, das zwiſchen den Steinen waͤchſt, beſchloſſen
die Einwohner noch ſich mit Weib und Kind durchzuſchla-
gen: zwar noͤthigte ſie die Zwietracht ihrer Beſatzung zu-
letzt Gnade anzunehmen: aber ſie hatten doch gezeigt, daß
man den Spaniern widerſtehn koͤnne. In Alkmar ſchloß
[70]Buch V. Gegenreformationen.
man ſich erſt in dem Augenblicke an den Prinzen von Ora-
nien, als der Feind ſchon vor den Thoren angekommen;
ſo heldenmuͤthig wie der Entſchluß, war die Vertheidigung:
es waͤre Keiner vom Platz gewichen, er waͤre denn ſchwer
verwundet geweſen: vor dieſen Waͤllen zuerſt ſcheiterten
die Angriffe der Spanier. Das Land ſchoͤpfte Athem: ein
neuer Muth erfuͤllte die Gemuͤther. Die Leidener erklaͤr-
ten, ehe ſie ſich ergaͤben, wuͤrden ſie lieber ihren linken
Arm aufeſſen, um ſich indeß mit dem rechten noch zu ver-
theidigen. Sie faßten den kuͤhnen Anſchlag, die Wogen der
Nordſee wider die Belagerer zu Huͤlfe zu rufen, ihre Daͤmme
zu durchſtechen. Schon hatte ihr Elend den hoͤchſten Grad
erreicht, als ein im rechten Augenblicke eintreffender Nord-
weſt das Meer ein paar Fuß hoch in das Land trieb und
den Feind verjagte.
Da hatten auch die franzoͤſiſchen Proteſtanten ſich wie-
der ermannt. Sobald ſie wahrnahmen, daß ihre Regie-
rung, jenem wilden Anlauf zum Trotz, ſchwanke, zaudere,
widerſprechende Maaßregeln ergreife, ſetzten ſie ſich zur
Wehre, und aufs neue kam es zum Kriege. Wie Leiden
und Alkmar ſo vertheidigten ſich Sancerre und Rochelle.
Die friedfertige Predigt rief zu den Waffen. Die Frauen
ſtritten mit den Maͤnnern in die Wette. Es war die Hel-
denzeit des weſteuropaͤiſchen Proteſtantismus.
Jenen Greuelthaten, wie ſie von den maͤchtigſten Fuͤr-
ſten begangen oder gutgeheißen worden, ſetzte ſich an ein-
zelnen namenloſen Punkten ein Widerſtand entgegen, den
keine Gewalt zu bezwingen vermochte, deſſen geheimnißvol-
ler Urſprung die Tiefe religioͤſer Ueberzeugung ſelber war.
[71]Widerſtand der Proteſtanten in Frankreich.
Und nun kann es hier nicht unſere Abſicht ſeyn, Gang
und Wechſelfaͤlle des Krieges in Frankreich und den Nie-
derlanden zu beobachten: es wuͤrde uns zu weit von dem
Mittelpunkte unſers Gegenſtandes entfernen: auch iſt es
in vielen andern Buͤchern beſchrieben: — genug die Pro-
teſtanten hielten ſich.
In Frankreich mußte ſich die Regierung bereits 1573
und darauf in den folgenden Jahren mehrere Male zu Ver-
traͤgen entſchließen, welche den Hugenotten die alten Zuge-
ſtaͤndniſſe erneuerten.
In den Niederlanden war im Jahre 1576 die Macht
der Regierung voͤllig in ſich zerfallen. Da die ſpaniſchen
Truppen, denen man ihren Sold nicht gezahlt, in offener
Empoͤrung waren, hatten ſich alle Provinzen wider ſie ver-
einigt, die getreu verbliebenen mit den abgefallenen, die noch
zum groͤßern Theil katholiſchen mit den voͤllig proteſtanti-
ſchen. Die Generalſtaaten nahmen die Verwaltung ſelbſt in
ihre Hand: ernannten Generalcapitaͤne, Statthalter, Magi-
ſtrate, beſetzten die feſten Plaͤtze mit ihren, nicht mit des
Koͤnigs Truppen 1). Der Bund zu Gent ward geſchloſ-
ſen, in welchem die Provinzen einander verſprachen, die
Spanier zu vertreiben und entfernt zu halten. Der Koͤ-
nig ſchickte ſeinen Bruder, der fuͤr einen Landsmann, einen
Niederlaͤnder gelten konnte, hinuͤber, um ſie zu regieren,
wie ſie Carl V. regiert hatte. Aber Don Johann ward
nicht einmal anerkannt, ehe er nicht die vornehmſten For-
derungen, die man ihm machte, zu erfuͤllen verſprach: die
[72]Buch V. Gegenreformationen.
Genter Pacification mußte er annehmen, die ſpaniſchen
Truppen entlaſſen; und kaum regte er ſich, von dem ge-
ſpannten Zuſtand gedraͤngt, ſo erhob ſich alles wider ihn:
er ward fuͤr einen Feind des Landes erklaͤrt, und die Ober-
haͤupter der Provinzen beriefen einen andern Prinzen des
Hauſes an ſeine Stelle.
Das Princip der localen Gewalt bekam die Oberhand
uͤber das fuͤrſtliche: das einheimiſche trug den Sieg davon
uͤber das ſpaniſche.
Nothwendigerweiſe waren hiemit noch andere Folgen
verknuͤpft. Einmal erlangten die noͤrdlichen Provinzen,
welche den Krieg gefuͤhrt und dadurch dieſe Lage der Dinge
moͤglich gemacht, ein natuͤrliches Uebergewicht in den Sachen
des Kriegs und der Verwaltung: aber eben hiedurch ge-
ſchah es dann, daß ſich die reformirte Religion uͤber die
geſammten Niederlande ausbreitete. In Mecheln, Bruͤgge,
Ypern drang ſie ein: in Antwerpen theilte man bereits die
Kirchen nach den Bekenntniſſen, und die Katholiſchen mußten
ſich zuweilen mit den Choͤren der Kirchen begnuͤgen, die ſie ſo
eben ganz beſeſſen: in Gent verſchmolz die proteſtantiſche Ten-
denz mit einer buͤrgerlichen Bewegung, und behielt das
Uebergewicht vollkommen. In der Pacification war der
alte Zuſtand der katholiſchen Kirche im Ganzen gewaͤhr-
leiſtet worden; jetzt erließen die Generalſtaaten ein Reli-
gionsedict, welches beiden Bekenntniſſen gleiche Freiheit ge-
ſtattete. — Allenthalben, auch in den Provinzen die am
meiſten katholiſch waren, traten ſeitdem proteſtantiſche Re-
gungen hervor: man konnte erwarten, daß der Proteſtan-
tismus den Sieg uͤberall davon tragen wuͤrde.
[73]Widerſtand der Proteſtanten in Deutſchland.
Welch eine Stellung nahm nun der Prinz von Ora-
nien ein: vor kurzem noch exilirt und der Begnadigung
beduͤrftig: jetzt im Beſitz einer wohlgegruͤndeten Gewalt in
den noͤrdlichen Provinzen, Ruwart in Brabant, allmaͤchtig
in der Verſammlung der Staͤnde: von einer großen kirch-
lich politiſchen Partei, die im Vordringen begriffen war,
als ihr Haupt und Fuͤhrer anerkannt: mit allen Proteſtan-
ten in Europa in engem Bunde: zunaͤchſt mit ſeinen Nach-
barn, den deutſchen.
Denn auch in Deutſchland trat den Angriffen der
Katholiken von proteſtantiſcher Seite ein Widerſtand ent-
gegen, der noch immer große Ausſichten hatte.
Wir finden ihn in den allgemeinen Verhandlungen, bei
den Verſammlungen der Churfuͤrſten, auf den Reichstagen:
doch bringt er es hier der Natur der deutſchen Geſchaͤfte
gemaͤß zu keinem rechten Erfolge: hauptſaͤchlich wirft er
ſich, wie auch der Angriff, in die Territorien, die beſon-
dern Landſchaften.
Da kam es nun jetzt, wie wir ſahen, am meiſten auf
die geiſtlichen Gebiete an. Es gab beinahe keins, wo nicht
der Fuͤrſt einen Verſuch gemacht haͤtte das katholiſche
Princip wieder zur Herrſchaft zu erheben. Der Proteſtan-
tismus, der ſich auch noch fuͤhlte, antwortete mit dem nicht
minder weitausſehenden Beginnen das geiſtliche Fuͤrſten-
thum ſelbſt an ſich zu bringen.
Im Jahre 1577 beſtieg Gebhard Truchſeß den erz-
biſchoͤflichen Stuhl zu Coͤln. Es geſchah hauptſaͤchlich
[74]Buch V. Gegenreformationen.
durch den perſoͤnlichen Einfluß des Grafen Nuenar auf das
Capitel, und ſehr wohl wußte dieſer große Proteſtant, wer
es war, den er empfahl. In der That bedurfte es nicht
erſt, wie man geſagt hat, der Bekanntſchaft Gebhards mit
Agnes von Mansfeld, um ihm eine anti-katholiſche Rich-
tung zu geben. Gleich bei ſeinem feierlichen Einzug in
Coͤln, als ihm die Cleriſey in Proceſſion entgegenkam, ſtieg
er nicht vom Pferde, um, wie es das Herkommen wollte,
das Kreuz zu kuͤſſen: in der Kirche erſchien er im Solda-
tenrock: es gefiel ihm nicht, das Hochamt zu halten. Von
allem Anfang hielt er ſich an den Prinzen von Oranien:
ſeine vornehmſten Raͤthe waren Calviniſten1): und da er
nun kein Bedenken trug Verpfaͤndungen vorzunehmen, um
Truppen zu werben, ſich des Adels zu verſichern ſuchte,
auch unter den Coͤlner Zuͤnften eine Partei beguͤnſtigte, die
ſich den katholiſchen Gebraͤuchen zu widerſetzen anfing, ſo
ließ ſich alles zu der Abſicht an, mit der er ſpaͤter wirk-
lich hervortrat, das geiſtliche Churfuͤrſtenthum in ein welt-
liches zu verwandeln.
Gebhard Truchſeß war zur Zeit wenigſtens noch aͤu-
ßerlich katholiſch. Die benachbarten Stifter in Weſtpha-
len und Niederſachſen dagegen geriethen, wie wir ſchon be-
merkten, unmittelbar in proteſtantiſche Haͤnde. Von be-
ſonderer Bedeutung war das Aufkommen Herzog Hein-
richs von Sachſen-Lauenburg. Noch in ſehr jungen Jah-
ren war er, obwohl ein guter Lutheraner, zu dem Erz-
bisthum Bremen, hierauf zu dem Bisthum Osnabruͤck,
1577 auch zu dem Bisthum Paderborn poſtulirt wor-
[75]Widerſtand der Proteſtanten in Deutſchland.
den1). Schon hatte er ſelbſt in Muͤnſter eine große Par-
tei, alle juͤngern Mitglieder des Capitels fuͤr ſich, und nur
durch einen unmittelbaren Eingriff Gregors XIII., der eine
ſchon geſchehene Abdankung fuͤr unguͤltig erklaͤrte, und durch
den ernſtlichen Widerſtand der Strengkatholiſchen ward ſeine
Erhebung noch verhindert. Aber auch einen andern Bi-
ſchof haͤtte man dort nicht durchſetzen koͤnnen.
Man ſieht leicht, welch einen Aufſchwung bei dieſer Ge-
ſinnung der geiſtlichen Oberhaͤupter die proteſtantiſchen Mei-
nungen in Rheinland-Weſtphalen nehmen mußten, wo ſie
ohnehin ſehr verbreitet waren. Es bedurfte nur einer
gluͤcklichen Combination, eines zum Ziel treffenden Schla-
ges, um ihnen hier das entſchiedene Uebergewicht zu ver-
ſchaffen.
Ja auf ganz Deutſchland haͤtte dieß eine große Ruͤck-
wirkung ausuͤben muͤſſen. In dem obern gab es fuͤr die
Bisthuͤmer noch die nemlichen Moͤglichkeiten wie in dem
niedern: noch war auch innerhalb der Territorien, wo die
Reſtauration angefangen, der Widerſtand lange nicht er-
ſtickt.
Wie ſehr erfuhr ihn jener Abt Balthaſar von Fulda!
Als die Fuͤrſprache der benachbarten Fuͤrſten, die Beſchwerden
beim Reichstag nichts halfen, als der Abt ohne irgend eine
Ruͤckſicht mit ſeiner Reſtauration des Glaubens vorwaͤrts
ſchritt, und von Ort zu Ort ging, um ſie allenthalben
durchzuſetzen, ward er eines Tages, im Sommer 1576,
als er ſich eben in dieſer Abſicht in Hamelburg befand,
von ſeinem Adel mit bewaffneter Hand uͤberfallen, in ſei-
[76]Buch V. Gegenreformationen.
nem Hauſe eingeſchloſſen, und da alles gegen ihn aufge-
bracht war, die Nachbarn es gern ſahen, der Biſchof von
Wuͤrzburg ſelbſt dazu die Hand bot, auf die Regierung
ſeines Landes Verzicht zu leiſten gezwungen1).
Auch in Baiern drang doch Herzog Albrecht nicht ſo-
gleich uͤberall durch. Er klagt dem Papſt, ſein Adel ver-
zichte lieber ganz auf das Sacrament, als daß er es un-
ter Einer Geſtalt nehmen ſollte.
Aber noch viel wichtiger war, daß in den oͤſtreichi-
ſchen Laͤndern der Proteſtantismus immer mehr zu geſetzli-
cher Macht und Anerkennung gedieh. Unter der wohlbe-
dachten Leitung Maximilians II. hatte er ſich in Ober- und
Unteroͤſtreich conſtituirt. Papſt Pius V. faßte deshalb ei-
nen unausſprechlichen Widerwillen gegen den Kaiſer: als
einſt von dem Kriege deſſelben gegen die Tuͤrken die Rede
war, ſagte er geradezu, er wiſſe nicht, welchem Theile er
den Sieg am wenigſten wuͤnſchen ſolle2). Unaufhaltſam
drang aber nunmehr der Proteſtantismus auch in die in-
neroͤſtreichiſchen Landſchaften vor. Im Jahre 1568 zaͤhlte
man in Krain bereits 24 evangeliſche Pfarren, 1571 war
[77]Widerſtand der Proteſtanten in Deutſchland.
in der Hauptſtadt von Steiermark nur noch Ein Katholik
im Rathe. An dem Landesherrn, dem Erzherzog Carl,
fand das Bekenntniß zwar hier keine Stuͤtze: dieſer Fuͤrſt
fuͤhrte vielmehr die Jeſuiten ein, und beguͤnſtigte ſie nach
Kraͤften: aber die Staͤnde waren ihm uͤberlegen1). Auf
den Landtagen, wo die Geſchaͤfte der Verwaltung und der
Vertheidigung des Landes mit den Religionsſachen zuſam-
menfielen, hatten ſie die Oberhand: jede ihrer Bewilli-
gungen ließen ſie ſich durch religioͤſe Conceſſionen verguͤ-
ten. Im Jahre 1578 mußte der Erzherzog auf dem
Landtage zu Bruck an der Muhr die freie Ausuͤbung der
augsburgiſchen Confeſſion nicht allein in den Gebieten des
Adels und der Landherrn, wo er ſie ohnehin nicht zu
verhindern vermochte, ſondern auch in den vier vornehm-
ſten Staͤdten, Graͤtz, Judenburg, Klagenfurt, Laibach, zu-
geſtehn2). Hierauf organiſirte ſich der Proteſtantismus
in dieſen Landſchaften eben ſo, wie in den kaiſerlichen. Es
ward ein proteſtantiſches Kirchenminiſterium eingerichtet:
eine Kirchen- und Schulordnung nach dem Muſter der
wuͤrtembergiſchen beliebt: hie und da, z. B. in St. Veit,
ſchloß man die Katholiſchen von den Rathswahlen aus3):
in den Aemtern der Landſchaft ließ man ſie nicht mehr zu:
Umſtaͤnde, unter deren Beguͤnſtigung die proteſtantiſchen
[78]Buch V. Gegenreformationen.
Meinungen in jenen Gegenden, ſo nah bei Italien, erſt recht
uͤberhand nahmen. Dem Impuls, den die Jeſuiten ga-
ben, hielt man hier ſtandhaft die Widerpart.
In allen oͤſtreichiſchen Provinzen deutſcher, ſlawiſcher
und ungariſcher Zunge, mit alleiniger Ausnahme von Ty-
rol, konnte man den Proteſtantismus im Jahre 1578 noch
immer als vorwaltend betrachten.
Wir ſehen wohl: uͤber ganz Deutſchland hin ſetzte er
ſich dem Fortſchritt des Katholicismus mit gluͤcklichem Wi-
derſtand und eigenem Fortſchritt entgegen.
Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa.
Merkwuͤrdige Epoche, in welcher ſich die beiden gro-
ßen religioͤſen Tendenzen noch einmal mit gleicher Ausſicht,
es zur Herrſchaft zu bringen, gegen einander bewegen.
Schon hat ſich die Lage der Dinge gegen die fruͤhere
weſentlich veraͤndert. Fruͤher ſuchte man ſich mit einander
zu vertragen: eine Verſoͤhnung war in Deutſchland ver-
ſucht, in Frankreich angebahnt, in den Niederlanden ward
ſie gefordert: ſie ſchien noch ausfuͤhrbar. Es gab hie und
da praktiſche Duldung. Jetzt aber traten die Gegenſaͤtze
ſchaͤrfer und feindſeliger einander gegenuͤber. In ganz Eu-
ropa riefen ſie einander ſo zu ſagen gegenſeitig hervor: es
iſt ſehr der Muͤhe werth, die Lage der Dinge zu uͤber-
blicken, wie ſie ſich in den Jahren 1578, 79 gebildet hatte.
Fangen wir im Oſten bei Polen an.
Auch in Polen waren die Jeſuiten eingedrungen: die
[79]Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Polen.
Biſchoͤfe ſuchten ſich durch ſie zu verſtaͤrken. Cardinal Ho-
ſius, Biſchof von Ermeland, ſtiftete ihnen 1569 ein Col-
legium in Braunsberg: in Pultusk, in Poſen ſiedelten ſie
ſich mit Huͤlfe der Biſchoͤfe an: vorzuͤglich angelegen ließ
es ſich der Biſchof Valerian von Wilna ſeyn, den lithaui-
ſchen Lutheranern, die eine Univerſitaͤt in ihrem Sinne gruͤn-
den wollten, mit der Errichtung eines jeſuitiſchen Inſtitu-
tes an ſeinem biſchoͤflichen Sitze zuvorzukommen: er war
ſchon alt und gebrechlich, und wollte ſeine letzten Tage mit
dieſem Verdienſt bezeichnen: im Jahre 1570 kamen die er-
ſten Mitglieder der Geſellſchaft bei ihm an1).
Auch hier folgte aus dieſen Beſtrebungen zunaͤchſt nur,
daß die Proteſtanten Maaßregeln nahmen, um ihre Macht
zu behaupten. Auf dem Convocationsreichstage von 1573
brachten ſie eine Satzung durch, kraft deren Niemand we-
gen ſeiner Religion beleidigt oder verletzt werden ſollte2):
— die Biſchoͤfe mußten ſich fuͤgen: mit dem Beiſpiel der
niederlaͤndiſchen Unruhen bewies man ihnen, welche Ge-
fahr in einer Weigerung liegen wuͤrde: die folgenden Koͤ-
nige mußten ſie beſchwoͤren. Im Jahre 1579 ward die
Zahlung des Zehnten an die Geiſtlichkeit geradehin ſuspen-
dirt, und der Nuntius wollte wiſſen, daß hiedurch allein
1200 Pfarren zu Grunde gegangen ſeyen; eben damals ward
aus Laien und Clerus ein hoͤchſter Gerichtshof zuſammen-
geſetzt, der auch alle geiſtlichen Streitfragen entſchied: man
[80]Buch V. Gegenreformationen.
war in Rom erſtaunt, daß ſich die polniſche Geiſtlichkeit
dieß gefallen laſſe.
Nicht minder als in Polen traten die Gegenſaͤtze in
Schweden hervor, und zwar hier auf die eigenthuͤmlichſte
Weiſe: unmittelbar die Perſon des Fuͤrſten beruͤhrten ſie:
um dieſe ſtritten ſie ſich.
In allen Soͤhnen Guſtav Waſas — „der Brut Koͤ-
nig Guſtavs“, wie die Schweden ſagten, — iſt eine ganz
ungewoͤhnliche Miſchung von Tiefſinn und Eigenwillen,
Religion und Gewaltſamkeit wahrzunehmen.
Der Gelehrteſte von ihnen war der mittlere, Johann.
Da er mit einer katholiſchen Prinzeſſin, Catharina von
Polen verheirathet war, die ſein Gefaͤngniß mit ihm theilte,
in deſſen beſchraͤnkter Einſamkeit er dann oft die Troͤſtun-
gen eines katholiſchen Prieſters vernahm, ſo kamen ihm die
kirchlichen Streitigkeiten beſonders nahe. Er ſtudirte die
Kirchenvaͤter, um ſich eine Vorſtellung von dem urſpruͤng-
lichen Zuſtande der Kirche zu bilden: er liebte die Buͤcher,
die von der Moͤglichkeit einer Religionsvereinigung handel-
ten: mit den dahin einſchlagenden Fragen ging er innerlich
um. Als er Koͤnig geworden, trat er der roͤmiſchen Kirche
in der That einige Schritte naͤher. Er publicirte eine Li-
turgie, die der tridentiniſchen nachgebildet war, — in der
die ſchwediſchen Theologen roͤmiſche Doctrinen zu finden
glaubten1). Da er der Fuͤrſprache des Papſtes ſowohl bei
den
[81]Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Schweden.
den katholiſchen Maͤchten uͤberhaupt in ſeinem ruſſiſchen
Kriege, als beſonders bei Spanien in Sachen der muͤtter-
lichen Erbſchaft ſeiner Gemahlin zu beduͤrfen glaubte, ſo
trug er kein Bedenken einen Großen ſeines Reiches als Ge-
ſandten nach Rom zu ſchicken. Insgeheim geſtattete er ſo-
gar ein paar niederlaͤndiſchen Jeſuiten nach Stockholm zu
kommen, und vertraute ihnen eine wichtige Unterrichtsan-
ſtalt an.
Ein Bezeigen, auf das man in Rom wie natuͤrlich
glaͤnzende Hoffnungen gruͤndete: — Antonio Poſſevin, eins
der geſchickteſten Mitglieder der Geſellſchaft Jeſu, ward aus-
erſehen einen ernſtlichen Bekehrungsverſuch auf Koͤnig Jo-
hann zu machen.
Im Jahr 1578 erſchien Poſſevin in Schweden. Nicht
in allen Stuͤcken war der Koͤnig nachzugeben geneigt. Er
forderte die Erlaubniß der Prieſterehe, des Laienkelchs, der
Meſſe in der Landesſprache, Verzichtleiſtung der Kirche auf
die eingezogenen Guͤter und aͤhnliche Dinge. Poſſevin hatte
keine Vollmacht hierauf einzugehn: er verſprach, es dem
paͤpſtlichen Stuhle mitzutheilen, und eilte zu den dogmati-
ſchen Streitfragen. Hierin war er nun um vieles gluͤck-
licher. Nach ein paar Unterredungen und einiger Bedenk-
zeit erklaͤrte ſich der Koͤnig entſchloſſen, die Profeſſio
fidei nach der Formel des tridentiniſchen Bekenntniſſes ab-
zulegen. In der That legte er ſie ab: er beichtete: noch
einmal fragte ihn Poſſevin, ob er ſich in Hinſicht der Com-
munion unter Einer Geſtalt dem paͤpſtlichen Urtheil unter-
werfe: Johann erklaͤrte, daß er dieß thue: hierauf ertheilte
ihm Poſſevin feierlich [die] Abſolution. Es ſcheint faſt, als
Päpſte* 6
[82]Buch V. Gegenreformationen.
ſey dieſe Abſolution der vornehmſte Gegenſtand des Be-
duͤrfniſſes, der Wuͤnſche des Koͤnigs geweſen. Er hatte ſei-
nen Bruder umbringen laſſen, zwar auf vorausgegangenes
Gutheißen ſeiner Staͤnde, aber doch umbringen laſſen und
dieß auf die gewaltſamſte Weiſe! Die empfangene Abſolu-
tion ſchien ſeine Seele zu beruhigen. Poſſevin rief Gott an,
daß er das Herz dieſes Fuͤrſten nun vollends bekehren moͤge.
Der Koͤnig erhob ſich und warf ſich ſeinem Beichtvater in
die Arme: „wie dich,“ rief er aus, „ſo umfaſſe ich den
roͤmiſchen Glauben auf ewig.“ Er empfing das Abendmahl
nach katholiſchem Ritus.
Nach ſo wohl vollbrachtem Werk eilte Poſſevin zuruͤck;
er theilte ſeine Nachricht dem Papſte, unter dem Siegel der
Verſchwiegenheit auch den maͤchtigſten katholiſchen Fuͤrſten
mit: und es war nur uͤbrig, daß nun auch die Forderun-
gen des Koͤnigs, von denen er die Herſtellung des Katholi-
cismus in ſeinem Reiche uͤberhaupt abhaͤngig machte, in
Erwaͤgung gezogen wuͤrden. Poſſevin war ein ſehr gewand-
ter Menſch, beredt, von viel Talent zur Unterhandlung; aber
er uͤberredete ſich allzu leicht, er ſey am Ziele. Nach ſeiner
Darſtellung hielt es Papſt Gregor nicht fuͤr nothwendig,
etwas nachzugeben, er forderte vielmehr den Koͤnig zu ei-
nem freien und unbedingten Uebertritt auf. Dahin lau-
tende Schreiben und Indulgenz fuͤr Alle welche uͤbertreten
wuͤrden, gab er dem Jeſuiten zu ſeiner zweiten Reiſe mit.
Indeſſen war aber auch die Gegenpartei thaͤtig gewe-
ſen: warnende Briefe proteſtantiſcher Fuͤrſten waren ein-
gegangen — denn auf der Stelle hatte ſich die Nachricht
in ganz Europa verbreitet: — Chytraͤus hatte dem Koͤnig
[83]Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Schweden.
ſein Buch uͤber die augsburgiſche Confeſſion gewidmet, und
damit auf den gelehrten Herrn doch einen gewiſſen Eindruck
gemacht. Die Proteſtanten ließen ihn nicht mehr aus den
Augen.
Jetzt langte Poſſevin an: nicht mehr, wie fruͤher, in
buͤrgerlicher Tracht, ſondern in dem gewoͤhnlichen Kleide
ſeines Ordens: mit einem Haufen katholiſcher Buͤcher.
Schon dieſe ſeine Erſcheinung machte keinen guͤnſtigen Ein-
druck. Er trug ſelbſt einen Augenblick Bedenken, mit der
paͤpſtlichen Antwort hervorzukommen, aber endlich konnte
er es nicht laͤnger aufſchieben: in einer zweiſtuͤndigen Au-
dienz eroͤffnete er ſie dem Koͤnig. Wer will das Geheim-
niß einer in ſich ſelbſt ſchwankenden, unſteten Seele erfor-
ſchen? Das Selbſtgefuͤhl des Fuͤrſten mochte ſich durch
ſo voͤllig abſchlaͤgliche Antworten verletzt fuͤhlen; auch war
er uͤberzeugt, daß ſich in Schweden ohne die vorgeſchla-
genen Zugeſtaͤndniſſe nichts erreichen laſſe: um der Reli-
gion willen ſeine Krone niederzulegen hatte er keine Nei-
gung. Genug jene Audienz war entſcheidend. Von Stund
an bezeigte der Koͤnig dem Abgeſandten des Papſtes Un-
gunſt und Mißfallen. Er forderte ſeine jeſuitiſchen Schul-
maͤnner auf, das Abendmahl unter beiderlei Geſtalt zu neh-
men, die Meſſe in ſchwediſcher Sprache zu halten; als ſie
ihm nicht gehorchten, wie ſie freilich auch nicht konnten,
verſagte er ihnen die bisherige Verpflegung. Wenn ſie
kurz darauf Stockholm verließen, ſo geſchah das ohne Zwei-
fel nicht allein, wie ſie vorgeben moͤchten, um der Peſt
willen. Die proteſtantiſchen Großen, der juͤngere Bru-
der des Koͤnigs, Carl von Suͤdermannland, der ſich zum
6*
[84]Buch V. Gegenreformationen.
Calvinismus neigte, die Geſandten von Luͤbek verſaͤumten
nichts, um dieſe wachſende Abneigung anzufachen. Nur
in der Koͤnigin, und nachdem dieſe geſtorben, in dem Thron-
folger, behielten die Katholiken einen Anhalt, eine Hoff-
nung. Fuͤr die naͤchſte Zeit blieb die Staatsgewalt in
Schweden weſentlich proteſtantiſch1).
In England ward ſie dieß unter Koͤnigin Eliſabeth
von Tage zu Tage mehr. Es gab aber hier Angriffspunkte
anderer Art: das Reich war erfuͤllt mit Katholiken. Nicht
allein hielt die iriſche Bevoͤlkerung an dem alten Glau-
ben und Ritus feſt: in England war vielleicht die Haͤlfte
der Nation, wo nicht gar eine noch groͤßere Anzahl, wie
man behauptet hat, demſelben zugethan. Sonderbar iſt
es immer, daß ſich die engliſchen Katholiken wenigſtens
in den erſten funfzehn Jahren Eliſabeth’s den proteſtanti-
ſchen Geſetzen dieſer Koͤnigin unterwarfen. Sie leiſteten
den Eid, den man von ihnen forderte, obwohl er der paͤpſt-
lichen Autoritaͤt ſchnurſtracks entgegenlief: ſie beſuchten die
proteſtantiſchen Kirchen, und glaubten ſchon genug zu thun,
wenn ſie ſich beim Kommen und Gehn zuſammenhielten
und die Geſellſchaft der Proteſtanten vermieden2).
[85]Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa. England.
Eben auf dieſen Zuſtand baute man zu Rom große
Hoffnungen. Man war uͤberzeugt, daß es nur eines An-
laſſes, eines geringen Vortheils beduͤrfe, um alle Katholiken
im Lande zum Widerſtande zu entflammen. Schon Pius V.
hatte gewuͤnſcht ſein Blut in einer Unternehmung gegen Eng-
land zu verſpruͤtzen. Gregor XIII., der den Gedanken an
eine ſolche niemals fahren ließ, dachte ſich des Kriegsmuthes
und der großartigen Stellung des Don Johann von Oeſtreich
dazu zu bedienen: ausdruͤcklich deshalb ſchickte er ſeinen
Nuntius Sega, der in den Niederlanden bei Don Johann
geſtanden, nach Spanien, um Koͤnig Philipp dafuͤr zu ge-
winnen.
Jedoch bald an der Abneigung des Koͤnigs gegen die
ehrgeizigen Entwuͤrfe ſeines Bruders und neue politiſche
Verwickelungen, bald an andern Hinderniſſen ſcheiterten
dieſe umfaſſenden Entwuͤrfe. Man mußte ſich mit weni-
ger glaͤnzenden Verſuchen begnuͤgen.
Zunaͤchſt auf Irland richtete Papſt Gregor ſein Au-
genmerk. Man ſtellte ihm vor, daß es keine ſtrenger und
unerſchuͤtterlicher katholiſche Nation gebe als die iriſche:
aber von der engliſchen Regierung werde ſie auf das ge-
waltſamſte mißhandelt, beraubt, in Entzweiung und ge-
fliſſentlich in Barbarei gehalten, in ihren religioͤſen Ueber-
zeugungen bedraͤngt: und ſo ſey ſie jeden Augenblick zum
Kriege fertig: man brauche ihr nur mit einer geringen
2)
[86]Buch V. Gegenreformationen.
Mannſchaft zu Huͤlfe zu kommen: mit 5000 Mann koͤnne
man Irland erobern: es ſey keine Feſtung daſelbſt, die ſich
laͤnger als vier Tage halten koͤnne1). Ohne viel Schwie-
rigkeit war Papſt Gregor uͤberredet. Es hielt ſich damals
ein gefluͤchteter Englaͤnder, Thomas Stukley, ein Abenteurer
von Natur, der aber die Kunſt Eingang zu finden, ſich
Vertrauen zu erwerben in hohem Grade beſaß, zu Rom
auf; der Papſt ernannte ihn zu ſeinem Kaͤmmerer, zum
Marquis von Leinſter, und ließ es ſich 40000 Scudi ko-
ſten, um ihn mit Schiff und Mannſchaft auszuruͤſten: an
der franzoͤſiſchen Kuͤſte ſollte er ſich mit einer kleinen Truppe
vereinigen, die ein gefluͤchteter Irlaͤnder, Geraldin, eben
auch mit paͤpſtlicher Unterſtuͤtzung daſelbſt zuſammenbrachte.
Koͤnig Philipp, der keine Neigung hatte einen Krieg an-
zufangen, aber es doch nicht ungern ſah, wenn Eliſabeth
zu Hauſe zu thun bekam, gab einiges Geld dazu2). Un-
erwarteterweiſe aber ließ ſich Stukley uͤberreden, mit der
[87]Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa. England.
Mannſchaft die gegen Irland beſtimmt war, an der Expe-
dition des Koͤnigs Sebaſtian nach Africa Theil zu neh-
men; — wobei er denn ſelbſt umkam. Geraldin mußte
ſein Gluͤck allein verſuchen; er landete im Juni 1579, und
machte wirklich einige Fortſchritte. Er bemaͤchtigte ſich
des Forts, das den Hafen von Smervic beherrſchte, — ſchon
erhob der Graf von Desmond die Waffen gegen die Koͤni-
gin, — eine allgemeine Bewegung ergriff die Inſel. Bald
aber erfolgte ein Ungluͤck nach dem andern; das vornehmſte
war, daß Geraldin ſelbſt in einem Scharmuͤtzel getoͤdtet
wurde. Hierauf konnte ſich auch der Graf von Desmond
nicht halten. Die paͤpſtliche Unterſtuͤtzung war doch nicht
ſtark genug: die Gelder, auf die man rechnete, blieben aus.
Und ſo behaupteten die Englaͤnder den Sieg: mit furcht-
barer Grauſamkeit ſtraften ſie die Empoͤrung: Maͤnner und
Weiber wurden in Scheunen zuſammengetrieben und darin
verbrannt, Kinder erwuͤrgt, ganz Monmouth wuͤſte gelegt:
auf dem veroͤdeten Gebiete drang die engliſche Colonie wei-
ter vor.
Wollte man etwas erreichen, ſo mußte der Verſuch doch
in England ſelbſt gemacht werden: aber nur unter andern
Weltverhaͤltniſſen ſchien dieß moͤglich, und um alsdann die
katholiſche Bevoͤlkerung nicht voͤllig umgewandelt, um ſie
noch katholiſch zu finden, war es noͤthig, ihr auf geiſtli-
chem Wege zu Huͤlfe zu kommen.
Zuerſt faßte Wilhelm Allen den Gedanken die jungen
Englaͤnder katholiſcher Confeſſion, die ſich der Studien hal-
ber auf dem feſten Lande aufhielten, zu vereinigen: beſon-
ders mit der Unterſtuͤtzung Papſt Gregors brachte er ein
[88]Buch V. Gegenreformationen.
Collegium fuͤr ſie in Douay zu Stande. Dem Papſt war
dieß jedoch noch nicht hinreichend. Unter ſeinen Augen
wuͤnſchte er dieſen Fluͤchtlingen eine ſtillere, minder gefaͤhr-
dete Station zu verſchaffen, als Douay dort in den unruh-
vollen Niederlanden war: er ſtiftete ein engliſches Colle-
gium zu Rom, beſchenkte es mit einer reichen Abtei, und
uͤbergab es 1579 den Jeſuiten1).
In dieſes Collegium nun ward Niemand aufgenom-
men, der ſich nicht verpflichtete, nach Vollendung ſeiner Stu-
dien nach England zuruͤckzukehren und den Glauben der roͤ-
miſchen Kirche daſelbſt zu predigen. Dazu allein wurden die
Zoͤglinge vorbereitet. In dem religioͤſen Enthuſiasmus, zu
dem die geiſtlichen Uebungen des Ignatius entflammten, ſtellte
man ihnen die Bekehrer, welche Papſt Gregor der Große
einſt zu den Angelſachſen geſendet, als ihre Muſter vor.
Schon wagten ſich einige Aeltere voran. Im Jahre
1580 gingen zwei engliſche Jeſuiten, Perſon und Campian,
nach ihrem Vaterlande hinuͤber. Immer verfolgt, immer
unter veraͤnderten Namen und in anderer Verkleidung lang-
ten ſie in der Hauptſtadt an, und durchzogen dann, jener
die noͤrdlichen, dieſer die ſuͤdlichen Provinzen. Vornehm-
lich hielten ſie ſich an die Haͤuſer der katholiſchen Lords.
Ihre Ankunft war in voraus angekuͤndigt: doch brauchte man
die Vorſicht, ſie an der Pforte als Fremde begruͤßen zu
laſſen. Schon war indeß in den innerſten Gemaͤchern eine
Hauskapelle eingerichtet: dahin fuͤhrte man ſie: die Mit-
glieder der Familie waren hier verſammelt und empfingen
[89]Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa. England.
ihren Segen. Gewoͤhnlich blieb der Miſſionar nur Eine
Nacht. Am Abend fand Vorbereitung und Beichte Statt:
am andern Morgen ward Meſſe geleſen, das Mahl des
Herrn ausgetheilt: dann folgte die Predigt. Es kamen
Alle die ſich noch zu dem katholiſchen Bekenntniß hielten:
ihrer oft eine große Anzahl. Mit dem Reize des Geheim-
niſſes, der Neuheit ward die Religion wieder verkuͤndigt,
welche ſeit 900 Jahren auf der Inſel geherrſcht hatte. Es
wurden insgeheim Synoden gehalten: erſt in einem Dorfe
bei London, dann in einem einſamen Hauſe in einem na-
hen Gehoͤlze ward eine Druckerei eingerichtet: ploͤtzlich ſah
man wieder katholiſche Schriften erſcheinen, mit alle der
Geſchicklichkeit geſchrieben, welche die ſtete Uebung in der
Controvers zu geben vermag, oft nicht ohne Eleganz: die
dann um ſo groͤßeren Eindruck machten, je unerforſchlicher
ihr Urſprung war. Der naͤchſte Erfolg hievon war nun,
daß die Katholiken aufhoͤrten den proteſtantiſchen Gottes-
dienſt zu beſuchen und die geiſtlichen Geſetze der Koͤnigin
zu beobachten: daß dann auch auf der andern Seite der
Widerſpruch der Lehre lebhafter aufgefaßt, die Verfolgung
ſtaͤrker, nachdruͤcklicher wurde1).
Ueberall, wo das Princip der katholiſchen Reſtaura-
tion nicht Kraft genug beſaß, um ſich zur Herrſchaft zu
erheben, trieb es wenigſtens die Gegenſaͤtze ſchaͤrfer und
unverſoͤhnlicher hervor.
Man konnte dieß auch in der Schweiz bemerken: ob-
wohl hier ſchon laͤngſt jeder Canton religioͤſe Autono-
[90]Buch V. Gegenreformationen.
mie beſaß, und die Zwiſtigkeiten, die uͤber die Verhaͤlt-
niſſe des Bundes ausbrechen konnten, ziemlich beſeitigt
waren.
Aber jetzt drangen die Jeſuiten auch hier ein. Auf
Veranlaſſung eines Oberſten der Schweizergarde in Rom
kamen ſie 1574 nach Lucern und fanden hier beſonders
bei der Familie Pfyffer Theilnahme und Unterſtuͤtzung 1).
Ludwig Pfyffer hat allein vielleicht 30000 Gulden zur
Gruͤndung des Jeſuitencollegiums beigeſteuert; Philipp II.
und die Guiſen ſollen etwas beigetragen haben; Gre-
gor XIII. fehlte auch hier nicht: er gab die Mittel zur
Anſchaffung einer Bibliothek her. Die Lucerner waren
hoͤchlich zufrieden. In einem ausdruͤcklichen Schreiben bit-
ten ſie den General des Ordens, ihnen die Vaͤter der Ge-
ſellſchaft, die bereits angelangt, nicht wieder zu entreißen:
„es liege ihnen alles daran, ihre Jugend in guten Wiſ-
ſenſchaften und beſonders in Froͤmmigkeit und chriſtlichem
Leben wohl angefuͤhrt zu ſehen“: ſie verſprechen ihm da-
fuͤr, keine Muͤhe und Arbeit, weder Gut noch Blut zu ſpa-
ren, um der Geſellſchaft in allem was ſie wuͤnſchen koͤnne
zu dienen 2).
Und ſogleich hatten ſie Gelegenheit ihren erneuten ka-
tholiſchen Eifer in einer nicht unwichtigen Sache zu be-
weiſen.
Die Stadt Genf war in den beſondern Schutz von
Bern getreten, und ſuchte nun auch Solothurn und Frei-
[91]Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Schweiz.
burg, die zwar nicht kirchlich, aber doch politiſch zu Bern
zu halten gewohnt waren, in dieſe Verbindung zu ziehen.
In der That gelang es bei Solothurn. Eine katholiſche
Stadt nahm den Heerd des weſtlichen Proteſtantismus in
ſeinen Schirm. Gregor XIII. erſchrak, und wandte alles
an, um wenigſtens Freiburg zuruͤckzuhalten. Hierin ka-
men ihm nun die Lucerner zu Huͤlfe. Eine Geſandtſchaft
derſelben vereinte ihre Bemuͤhungen mit dem paͤpſtlichen
Nuntius. Freiburg verzichtete nicht allein auf jenes Buͤnd-
niß: es rief ſelbſt die Jeſuiten: mit Huͤlfe des Papſtes
ward auch hier ein Collegium zu Stande gebracht.
Indeſſen begannen die Einwirkungen Carl Borromeo’s.
Er hatte vornehmlich in den Waldcantonen Verbindungen;
Melchior Luſſi, Landammann von Unterwalden, galt als ſein
beſonderer Freund; zuerſt ſchickte Borromeo Capuziner her-
uͤber, die beſonders in dem Gebirge durch ihre ſtrenge
und einfache Lebensart Eindruck machten: dann folgten die
Zoͤglinge des helvetiſchen Collegiums, das er ja allein zu
dieſem Zweck gegruͤndet hatte.
Bald ſpuͤrte man in allen oͤffentlichen Verhaͤltniſ-
ſen dieſen Einfluß. Im Herbſt 1579 ſchloſſen die ka-
tholiſchen Cantone einen Bund mit dem Biſchof zu Baſel,
in welchem ſie nicht allein verſprachen ihn bei ſeiner Re-
ligion zu ſchuͤtzen, ſondern auch von ſeinen Unterthanen
die, welche proteſtantiſch geworden, bei Gelegenheit wieder
„zum wahren katholiſchen Glauben“ zu bringen. Beſtim-
mungen welche den evangeliſchen Theil der Natur der Sache
nach in Bewegung ſetzten. Die Spaltung trat ſtaͤrker her-
vor, als ſeit langer Zeit. Es langte ein paͤpſtlicher Nun-
[92]Buch V. Gegenreformationen.
tius an: in den katholiſchen Cantonen erwies man ihm
die moͤglichſte Ehrerbietung: in den proteſtantiſchen ward
er verhoͤhnt und beſchimpft.
Entſcheidung in den Niederlanden.
So ſtand es nun damals. Der reſtaurirte Katholi-
cismus, in den Formen, die er in Italien und Spanien
angenommen, hatte einen gewaltigen Angriff auf das uͤbrige
Europa gemacht. In Deutſchland waren ihm nicht un-
bedeutende Eroberungen gelungen: auch in ſo vielen an-
dern Laͤndern war er vorgeruͤckt; doch hatte er allenthal-
ben einen maͤchtigen Widerſtand gefunden. In Frankreich
waren die Proteſtanten durch umfaſſende Zugeſtaͤndniſſe und
eine ſtarke politiſch-militaͤriſche Stellung geſichert: in den
Niederlanden hatten ſie das Uebergewicht: in England,
Schottland, dem Norden herrſchten ſie: in Polen hatten
ſie durchgreifende Geſetze zu ihren Gunſten erkaͤmpft und ei-
nen großen Einfluß in den allgemeinen Reichsangelegenhei-
ten: in den ſaͤmmtlichen oͤſtreichiſchen Gebieten ſtanden ſie
der Regierung mit alten provinzialen Standesrechten aus-
geruͤſtet gegenuͤber; in Nieder-Deutſchland ſchien ſich fuͤr
die Stifter eine entſcheidende Umaͤnderung anzubahnen.
In dieſer Lage der Dinge war es nun von unermeß-
licher Bedeutung, welcher Ausſchlag dort erfolgen wuͤrde,
wo man die Waffen immer aufs neue in die Haͤnde nahm,
in den Niederlanden.
Unmoͤglich aber konnte Koͤnig Philipp II. gemeint ſeyn
die ſchon einmal mißlungenen Maaßregeln zu wiederholen:
[93]Entſcheidung in den Niederlanden.
— er waͤre es auch gar nicht mehr im Stande geweſen: —
ſein Gluͤck war, daß er ganz von ſelbſt Freunde fand, daß
der Proteſtantismus in ſeinem neuen Fortgang doch auch auf
einen unerwarteten und unbeſiegbaren Widerſtand ſtieß. Es
iſt wohl der Muͤhe werth, bei dieſem wichtigen Ereigniß
einen Augenblick laͤnger zu verweilen.
Einmal war es in den Provinzen keineswegs Jeder-
mann angenehm, den Prinzen von Oranien ſo maͤchtig wer-
den zu ſehen, am wenigſten dem walloniſchen Adel.
Unter der Regierung des Koͤnigs war dieſer Adel be-
ſonders in den franzoͤſiſchen Kriegen immer zuerſt zu Pferd
geſtiegen: die namhaftern Anfuͤhrer denen das Volk zu fol-
gen gewohnt war, hatten dadurch eine gewiſſe Selbſtaͤndig-
keit und Macht erworben. Unter dem Regiment der Staͤnde
ſah er ſich zuruͤckgeſetzt; der Sold erfolgte nicht regelmaͤ-
ßig; die Armee der Staͤnde beſtand hauptſaͤchlich aus Hol-
laͤndern, Englaͤndern, Deutſchen, die als unzweifelhafte
Proteſtanten das meiſte Vertrauen genoſſen.
Als die Wallonen der Pacification von Gent beitra-
ten, hatten ſie ſich geſchmeichelt auf die allgemeinen Ange-
legenheiten des Landes einen leitenden Einfluß zu erlangen.
Aber vielmehr das Gegentheil erfolgte. Die Macht gelangte
faſt ausſchließend an den Prinzen von Oranien und deſſen
Freunde aus Holland und Seeland.
Mit dem perſoͤnlichen Widerwillen, der ſich hiedurch
entwickelte, traten aber beſonders religioͤſe Momente zuſammen.
Worauf es auch immer beruhen mag, ſo iſt gewiß,
daß die proteſtantiſche Bewegung in den walloniſchen Pro-
vinzen nur wenig Anklang gefunden hatte.
[94]Buch V. Gegenreformationen.
Ruhig waren hier die neuen Biſchoͤfe eingefuͤhrt wor-
den: faſt alles Maͤnner von großer Wirkſamkeit. In Arras
Franz von Richardot, der ſich auf dem Concilium von
Trient mit den reſtaurirenden Principien erfuͤllt hatte, von
dem man dabei nicht genug ruͤhmen kann, wie ſehr er in
ſeinen Predigten Feſtigkeit und Nachdruck mit Feinheit
und Bildung, in ſeinem Leben Eifer und Weltkenntniß ver-
einigt habe 1): in Namur Antoine Havet, ein Domini-
caner, vielleicht minder weltklug, aber auch fruͤher ein Mit-
glied des Conciliums und eben ſo unermuͤdlich die Satzun-
gen deſſelben einzufuͤhren 2): in St. Omer Gerhard von
Hamericourt, einer der reichſten Praͤlaten aller Provin-
zen — zugleich Abt in St. Bertin — der ſich nun dem
Ehrgeiz hingab junge Leute ſtudiren zu laſſen, Schulen
zu ſtiften, und in den Niederlanden zuerſt dem Orden
der Jeſuiten ein Collegium auf feſte Einkuͤnfte gegruͤn-
det hat. Unter dieſen und andern Kirchenhaͤuptern hiel-
ten ſich Artois, Hennegau, Namur, waͤhrend alle andern
Provinzen in Feuer und Flammen ſtanden, von der wilden
Wuth des Bilderſturmes frei 3): ſo daß alsdann auch
die Reactionen des Alba hier nicht ſo gewaltſam eintra-
[95]Entſcheidung in den Niederlanden.
ten 1). Die Schluͤſſe des tridentiniſchen Conciliums wurden
ohne langen Verzug in Provinzial-Concilien und Dioͤce-
ſan-Synoden eroͤrtert und eingefuͤhrt: von St. Omer und
noch mehr von Douay breitete ſich der Einfluß der Je-
ſuiten gewaltig aus. In Douay hatte Philipp II. eine
Univerſitaͤt geſtiftet, um ſeinen Unterthanen franzoͤſiſcher
Zunge die Gelegenheit zu verſchaffen im Lande zu ſtudiren.
Es gehoͤrte dieß mit zu der geſchloſſenen geiſtlichen Ver-
faſſung, die er uͤberhaupt einzufuͤhren beabſichtigte. Un-
fern von Douay liegt die Benedictinerabtei Anchin. In
den Tagen, als in dem groͤßten Theil der uͤbrigen Nieder-
lande der Bilderſturm wuͤthete, vollzog der Abt von An-
chin, Johann Lentailleur, mit ſeinen Moͤnchen die geiſtli-
chen Uebungen des Ignatius. Von dem Eindruck derſel-
ben noch ganz erfuͤllt, beſchloß er aus den Einkuͤnften der
Abtei ein Collegium der Jeſuiten auf der neuen Univerſitaͤt
zu ſtiften, das im Jahre 1568 eroͤffnet wurde, ſogleich
eine gewiſſe Unabhaͤngigkeit von den Behoͤrden der Univer-
ſitaͤt empfing und ſich bald außerordentlich aufnahm. Acht
Jahr nachher wird die Bluͤthe der Univerſitaͤt und zwar
ſelbſt in Hinſicht des Studiums der Literatur vor allem
den Jeſuiten zugeſchrieben. Nicht allein ſey ihr Collegium
erfuͤllt mit einer frommen und fleißigen Jugend: auch die
uͤbrigen Collegien ſeyen durch den Wetteifer mit jenem em-
porgekommen: ſchon ſey aus demſelben die ganze Univerſitaͤt
[96]Buch V. Gegenreformationen.
mit trefflichen Theologen, das geſammte Artois und Henne-
gau mit vielen Seelſorgern verſehen worden 1). Allmaͤhlig
ward dieß Collegium ein Mittelpunkt des modernen Katho-
licismus fuͤr alle umliegenden Gegenden. Im Jahre 1578
galten wenigſtens die walloniſchen Provinzen bei den Zeit-
genoſſen, wie einer von ihnen ſich ausdruͤckt, fuͤr hoͤchſt
katholiſch 2).
Wie aber die politiſchen Anſpruͤche, ſo waren ſo eben
auch dieſe religioͤſen Zuſtaͤnde von dem Uebergewicht des
Proteſtantismus bedroht.
In Gent hatte der Proteſtantismus eine Geſtalt an-
genommen, die wir heut zu Tage als revolutionaͤr bezeich-
nen wuͤrden. Man hatte hier die alten Freiheiten noch
nicht vergeſſen, welche Carl V. 1539 gebrochen: die Miß-
handlungen des Alba hatten hier beſonders boͤſes Blut ge-
macht: der Poͤbel war von gewaltſamer Natur, bilder-
ſtuͤrmeriſch geſinnt und wider die Prieſter in wilder Aufre-
gung. Aller dieſer Regungen bedienten ſich ein paar kuͤhne
Oberhaͤupter: Imbize und Ryhove. Imbize dachte eine
reine Republik einzufuͤhren, und traͤumte davon, daß Gent
ein
[97]Entſcheidung in den Niederlanden.
ein neues Rom werden koͤnne. Sie begannen damit, ihren
Gouverneur, Arſchot, eben als er mit einigen Biſchoͤfen
und katholiſchen Oberhaͤuptern der benachbarten Staͤdte eine
Zuſammenkunft hielt, gefangen zu nehmen: dann ſtellten
ſie die alte Verfaſſung wieder her, wohl verſtanden mit
einigen Veraͤnderungen, die ihnen den Beſitz der Gewalt
ſicherten: hierauf griffen ſie die geiſtlichen Guͤter an: loͤ-
ſten das Bisthum auf, zogen die Abteien ein, aus den
Hoſpitaͤlern und Kloſtergebaͤuden machten ſie Kaſernen: dieſe
ihre Einrichtungen ſuchten ſie endlich mit Gewalt der Waf-
fen bei ihren Nachbarn auszubreiten 1).
Nun gehoͤrten von jenen gefangen genommenen Ober-
haͤuptern einige den walloniſchen Provinzen an: ſchon ſtreif-
ten die Genter Truppen in das walloniſche Gebiet: was es
in demſelben von proteſtantiſcher Geſinnung geben mochte,
fing an ſich zu regen: durch das Beiſpiel von Gent wur-
den die populaͤren Leidenſchaften mit den religioͤſen in ein
unmittelbares Verhaͤltniß gebracht: in Arras brach eine Be-
wegung gegen den Rath aus: in Douay ſelbſt wurden
durch eine Volksbewegung wider den Willen des Rathes
die Jeſuiten vertrieben: zwar nur auf 14 Tage, aber ſchon
dieß war ein großer Erfolg: in St. Omer erhielten ſie ſich
nur durch den beſondern Schutz des Rathes.
Die ſtaͤdtiſchen Magiſtrate, der Adel des Landes, die
Geiſtlichkeit, alle waren auf einmal gefaͤhrdet und bedraͤngt:
ſie fanden ſich mit einer Entwickelung bedroht, wie ſie in
Päpſte* 7
[98]Buch V. Gegenreformationen.
Gent Statt gefunden, von offenbar zerſtoͤrender Natur.
Kein Wunder, wenn ſie in dieſer Gefahr ſich auf alle
Weiſe zu ſchuͤtzen, ſuchten zuerſt ihre Truppen ins Feld
ſchickten, welche dann das gentiſche Gebiet grauſam ver-
wuͤſteten und ſich darauf nach einer andern ſicherndern
Staatsverbindung umſahen, als ihnen ihr Verhaͤltniß zu
den allgemeinen niederlaͤndiſchen Staͤnden gewaͤhrte.
Schon Don Johann von Oeſtreich machte ſich dieſe
ihre Stimmung zu Nutze.
Wenn man das Thun und Laſſen Don Johanns in
den Niederlanden im Allgemeinen betrachtet, ſo ſcheint
es wohl, als habe es keine Wirkung hervorgebracht, als
ſey ſein ganzes Daſeyn eben ſo ſpurlos verſchwunden, wie
es ihm keine perſoͤnliche Befriedigung gewaͤhrte. Ueber-
legt man aber naͤher, wie er ſtand, was er that, und was
aus ſeinen Unternehmungen erfolgte, ſo iſt, wenn irgend
einem Andern, vor allem ihm die Gruͤndung der ſpaniſchen
Niederlande zuzuſchreiben. Er verſuchte eine Zeitlang ſich
nach der Genter Pacification zu halten: aber in der unab-
haͤngigen Stellung welche die Staͤnde genommen, in dem
Verhaͤltniß des Prinzen von Oranien, der bei weitem maͤch-
tiger war als er der Generalſtatthalter, in dem wechſel-
ſeitigen Argwohn beider Theile gegen einander, lag die
Nothwendigkeit eines offenen Bruches. Don Johann ent-
ſchloß ſich den Krieg anzufangen. Ohne Zweifel that er
dieß wider den Willen ſeines Bruders, allein es war un-
vermeidlich. Dadurch allein konnte es ihm gelingen und
gelang es ihm auch, ein Gebiet zu erwerben, welches die
ſpaniſche Herrſchaft wieder anerkannte. Luxemburg behaup-
[99]Entſcheidung in den Niederlanden.
tete er noch: er beſetzte Namur: in Folge der Schlacht von
Gemblours ward er Meiſter von Loͤwen und Limburg.
Wollte der Koͤnig wieder Herr der Niederlande werden, ſo
war das nicht durch eine Abkunft mit den Generalſtaa-
ten zu erreichen, die ſich unmoͤglich zeigte, ſondern nur durch
eine allmaͤhlige Unterwerfung der einzelnen Landſchaften ent-
weder im Wege des Vertrages oder mit Gewalt der Waffen.
Dieſen Weg ſchlug Don Johann ein und eroͤffnete ſich auf
demſelben bereits die groͤßte Ausſicht. Er erweckte die alten
Zuneigungen der walloniſchen Provinzen zu dem burgundiſchen
Geſchlecht. Vornehmlich brachte er zwei maͤchtige Maͤnner,
Pardieu de la Motte, Gouverneur von Graͤvelingen, und
Matthieu Moulart, Biſchof von Arras, auf ſeine Seite 1).
Eben dieſe waren es, die nun nach dem fruͤhen Tode
Don Johanns die Unterhandlungen, auf die es ankam,
mit großem Eifer und gluͤcklicher Geſchicklichkeit leiteten.
De la Motte bediente ſich des erwachenden Haſſes ge-
gen die Proteſtanten. Er bewirkte, daß man die ſtaͤn-
diſchen Beſatzungen, eben deshalb, weil ſie proteſtantiſch
ſeyn koͤnnten, aus vielen feſten Plaͤtzen entfernte, daß der
Adel von Artois bereits im November die Entfernung
aller Reformirten aus dieſem Lande beſchloß und ins Werk
ſetzte. Hierauf ſuchte Matthieu Moulart eine voͤllige Ver-
ſoͤhnung mit dem Koͤnig herbeizufuͤhren. Er begann da-
7*
[100]Buch V. Gegenreformationen.
mit, daß er durch eine foͤrmliche Proceſſion in der Stadt
die Huͤlfe Gottes anrief. Und in der That hatte er es
ſchwer: er mußte zuweilen Maͤnner vereinigen, deren An-
ſpruͤche geradezu gegen einander liefen. Er zeigte ſich un-
verdroſſen, fein und geſchmeidig: gluͤcklich gelang es ihm.
Alexander Farneſe, der Nachfolger Don Johanns,
hatte das große Talent zu uͤberzeugen, zu gewinnen und
ein nachhaltiges Vertrauen einzufloͤßen. Zu ſeiner Seite
ſtanden Franz Richardot, Neffe jenes Biſchofs, „ein Mann,
ſagt Cabrera, von guter Einſicht in mancherlei Materien:
geuͤbt in allen: der jedes Geſchaͤft, von welcher Art auch
immer, einzuleiten verſtand“, und Sarrazin, Abt von St.
Vaaſt, nach der Schilderung deſſelben Cabrera „ein gro-
ßer Politiker unter dem Anſchein der Ruhe, ſehr ehrgeizig
unter dem Schein der Demuth, der ſich bei Jedermann in
Anſehen zu behaupten wußte“ 1).
Sollen wir nun den Gang der Unterhandlungen
ſchildern, bis ſie allmaͤhlig zum Ziel gediehen?
Es iſt genug, zu bemerken, daß von Seiten der Pro-
vinzen das Intereſſe der Selbſterhaltung und der Religion
zu dem Koͤnig hinwies, von Seiten des Koͤnigs nichts un-
verſucht blieb, was prieſterlicher Einfluß und geſchickte Un-
terhandlung im Verein mit der wiederkehrenden Gnade des
Fuͤrſten zu leiſten vermag. Im April 1579 trat Emanuel
von Montigny, den die walloniſche Armee als ihren An-
fuͤhrer anerkannte, in den Sold des Koͤnigs. Hierauf er-
gab ſich auch der Graf von Lalaing: niemals haͤtte Hen-
negau ohne ihn gewonnen werden koͤnnen. Endlich —
[101]Entſcheidung in den Niederlanden.
17. Mai 1579 — in dem Lager zu Maſtricht ward der
Vertrag abgeſchloſſen. Aber zu welchen Bedingungen mußte
ſich der Koͤnig verſtehn! Es war eine Reſtauration ſei-
ner Macht, die aber nur unter den ſtrengſten Beſchraͤnkun-
gen Statt hatte. Er verſprach nicht allein, alle Fremde
aus ſeinem Heere zu entlaſſen und ſich nur niederlaͤndiſcher
Truppen zu bedienen: er beſtaͤtigte auch alle Angeſtellte in
den Aemtern, die ſie waͤhrend der Unruhen bekommen: die
Einwohner verpflichteten ſich ſogar, keine Beſatzung aufzu-
nehmen, von der den Staͤnden des Landes nicht vorher
Nachricht gegeben worden: zwei Drittheil des Staatsraths
ſollten aus Leuten beſtehn, welche in die Unruhen mit ver-
flochten geweſen. In dieſem Sinne ſind auch die uͤbrigen
Artikel 1). Die Provinzen bekamen eine Selbſtaͤndigkeit,
wie ſie nie gehabt.
Es liegt hierin eine Wendung der Dinge von allge-
meiner Bedeutung. In dem ganzen weſtlichen Europa hatte
man bisher den Katholicismus nur durch die Anwendung
offener Gewalt zu erhalten und wiedereinzufuͤhren geſucht:
die fuͤrſtliche Macht hatte unter dieſem Vorwand die pro-
vinzialen Rechte noch vollends zu unterdruͤcken geſtrebt.
Jetzt ſah ſie ſich genoͤthigt, einen andern Weg einzuſchla-
gen. Wollte ſie den Katholicismus wiederherſtellen, und
ſich ſelbſt behaupten, ſo konnte ſie dieß nur im Verein mit
Staͤnden und Privilegien ausrichten.
Wie ſehr aber auch die koͤnigliche Macht beſchraͤnkt
ward, ſo hatte ſie doch unendlich viel gewonnen. Sie be-
[102]Buch V. Gegenreformationen.
ſaß die Landſchaften wieder, auf welche die Groͤße des
burgundiſchen Hauſes gegruͤndet war. Alexander Farneſe
fuͤhrte den Krieg mit den walloniſchen Truppen. Obwohl
es langſam ging, ſo machte er doch immer Fortſchritte.
Er nahm 1580 Courtray, 1581 Tournay, 1582 Oude-
narde.
Entſchieden aber war damit die Sache noch nicht.
Gerade die Vereinigung der katholiſchen Provinzen mit dem
Koͤnig mochte es ſeyn, was die noͤrdlichen, voͤllig prote-
ſtantiſchen antrieb, nicht allein ſofort in einen naͤhern Bund
zu treten, ſondern ſich endlich von dem Koͤnig gaͤnzlich los-
zuſagen.
Wir faſſen hier eine Ausſicht uͤber die geſammte nie-
derlaͤndiſche Geſchichte. Es war in allen Provinzen ein
alter Widerſtreit der provinzialen Rechte und der fuͤrſtli-
chen Macht. Zur Zeit des Alba hatte die fuͤrſtliche Macht
ein Uebergewicht erlangt, wie ſie es fruͤher niemals beſeſ-
ſen. Auch damals aber konnte ſie es nicht behaupten.
Die Genter Pacification bezeichnet, wie ſo ganz die Staͤnde
die Oberhand uͤber die Regierung erkaͤmpften. Die noͤrd-
lichen Provinzen hatten hier vor den ſuͤdlichen keinen Vor-
theil. Waͤren beide in der Religion einig geweſen, ſo wuͤr-
den ſie eine allgemeine niederlaͤndiſche Republik eingerichtet
haben. Allein wie wir ſahen, ſie entzweiten ſich. Es er-
folgte zuerſt, daß die katholiſchen unter den Schutz des
Koͤnigs zuruͤckkehrten, mit dem ſie ſich vor allem eben zur
Behauptung der katholiſchen Religion verbanden: hierauf
erfolgte wieder, daß die proteſtantiſchen, nachdem ſie ſich
ſo lange im Kampfe behauptet, ſich endlich auch des Na-
[103]Entſcheidung in den Niederlanden.
mens der Unterwuͤrfigkeit entſchlugen und ſich vom Koͤnig
voͤllig losſagten. Nennt man nun die einen die unterwor-
fenen Provinzen, bezeichnet man die andern mit dem Namen
einer Republik, ſo darf man doch nicht glauben, daß der
Unterſchied zwiſchen beiden im Innern anfangs ſehr groß
geweſen. Auch die unterworfenen Provinzen behaupteten
alle ihre ſtaͤndiſchen Vorrechte mit dem groͤßten Eifer. Ih-
nen gegenuͤber konnten auch die republikaniſchen doch ein
der koͤniglichen Gewalt analoges Inſtitut, das des Statt-
halters, nicht entbehren. Der vornehmſte Unterſchied lag
in der Religion.
Erſt hiedurch trat der Kampf in ſeine reinen Gegen-
ſaͤtze auseinander, und die Ereigniſſe reiften ihrer Voll-
endung entgegen.
Eben damals hatte Philipp II. Portugal erobert: in-
dem er ſich durch das Gluͤck einer ſo großen Erwerbung
zu neuen Unternehmungen angefeuert fuͤhlte, ließen ſich auch
die walloniſchen Staͤnde endlich geneigt finden, die Ruͤck-
kehr der ſpaniſchen Truppen zu geſtatten.
Lalaing, ſeine Gemahlin, die immer eine große Wi-
derſacherin der Spanier geweſen, der man die Ausſchlie-
ßung derſelben beſonders zuſchrieb, wurden gewonnen: der
ganze walloniſche Adel folgte ihrem Beiſpiel. Man uͤber-
zeugte ſich, daß die Ruͤckkehr albaniſcher Richterſpruͤche und
Gewaltthaten nicht mehr zu beſorgen ſei. Das ſpaniſch-
italieniſche Heer, ſchon einmal entfernt, wieder zuruͤckge-
kehrt und noch einmal weggewieſen, langte aufs neue an.
Mit den niederlaͤndiſchen Mannſchaften allein haͤtte der
Krieg ſich ohne Ende ausdehnen muͤſſen: dieſe krieggewohn-
[104]Buch V. Gegenreformationen.
ten, wohldisciplinirten, uͤberlegenen Truppen fuͤhrten die
Entſcheidung herbei.
Wie in Deutſchland die Colonien der Jeſuiten, aus
Spaniern, Italienern und einigen Niederlaͤndern beſtehend,
den Katholicismus durch das Dogma und den Unterricht
wiederherſtellten: ſo erſchien ein italieniſch-ſpaniſches Heer
in den Niederlanden, um mit den walloniſchen Elementen
vereinigt der katholiſchen Meinung das Uebergewicht der
Waffen zu verſchaffen.
Es iſt an dieſer Stelle unvermeidlich, des Krieges zu
gedenken. Er iſt zugleich der Fortſchritt der Religion.
Im Juli 1583 ward Duͤnkirchen, Hafen und Stadt
binnen ſechs Tagen: hierauf Niewport und die ganze Kuͤſte
bis gegen Oſtende, Dixmuyden, Furnes erobert.
Gleich hier entwickelte dieſer Krieg ſeinen Charak-
ter. In allen politiſchen Dingen zeigten ſich die Spa-
nier glimpflich: unerbittlich aber in den kirchlichen. Es
war nicht daran zu denken, daß den Proteſtanten eine Kir-
che, nur ein privater Gottesdienſt geſtattet worden waͤre:
die Prediger, die man ergriff, wurden erhenkt. Man fuͤhrte
mit vollem Bewußtſeyn einen Religionskrieg. In gewiſ-
ſem Sinne war das fuͤr die Lage, in der man ſich befand,
ſogar das Kluͤgſte. Von den Proteſtanten haͤtte ſich doch
nie eine vollkommene Unterwerfung erlangen laſſen: dage-
gen brachte man durch ein ſo entſchiedenes Verfahren die
Elemente des Katholicismus, welche in dem Lande noch vor-
handen waren, auf ſeine Seite. Ganz von ſelbſt reg-
ten ſie ſich. Der Bailliu Servaes von Steeland uͤberlie-
ferte das Land Waes: Hulſt und Axel ergaben ſich: bald
[105]Entſcheidung in den Niederlanden.
war Alexander Farneſe maͤchtig genug, daß er an einen Angriff
auf die großen Staͤdte denken konnte: — er hatte das Land
und die Kuͤſte inne: — eine nach der andern, zuerſt Ypern
im April, dann Bruͤgge, endlich auch Gent, wo jener Im-
bize ſelbſt jetzt fuͤr die Verſoͤhnung Partei gemacht hatte,
mußten ſich uͤberliefern. Es wurden den Gemeinden als
ſolchen ganz ertraͤgliche Bedingungen zugeſtanden: großentheils
wurden ihnen ihre Privilegien gelaſſen: nur die Proteſtan-
ten wurden ohne Erbarmen verwieſen; die vornehmſte Be-
dingung war immer, daß die katholiſchen Geiſtlichen zu-
ruͤckkehren, die Kirchen wieder an den katholiſchen Ritus
heimfallen ſollten.
Mit alle dem ſchien jedoch nichts Bleibendes erreicht,
keine Sicherheit gewonnen, ſo lange der Prinz von Ora-
nien noch lebte, der dem Widerſtand Haltung und Nach-
druck gab und auch in den Ueberwundenen die Hoffnung
nicht untergehn ließ.
Die Spanier hatten einen Preis von 25000 Sc. auf
ſeinen Kopf geſetzt: in der wilden Aufregung, in der die
Gemuͤther waren, konnte es nicht an ſolchen fehlen, die
ihn ſich zu verdienen dachten. Gewinnſucht und Fanatis-
mus trieben ſie zugleich an. Ich weiß nicht, ob es eine
groͤßere Blasphemie giebt, als die welche die Papiere des
Biscayers Jaureguy enthalten, den man bei einem Atten-
tat auf das Leben des Prinzen ergriff. Als eine Art Amu-
let fuͤhrte er Gebete bei ſich, in denen die gnaͤdige Gott-
heit, die dem Menſchen in Chriſto erſchienen, zur Beguͤn-
ſtigung des Mordes angerufen, in denen ihr nach voll-
brachter That gleichſam ein Theil des Gewinnes zugeſagt
[106]Buch V. Gegenreformationen.
wird, der Mutter Gottes von Bayonne ein Kleid, eine
Lampe, eine Krone, der Mutter Gottes von Aranzoſu eine
Krone, dem Herrn Chriſtus ſelbſt ein reicher Vorhang! 1)
— Gluͤcklicherweiſe ergriff man dieſen Fanatiker: aber in
dem war ſchon ein anderer unterwegs. In dem Augenblick,
daß die Achtserklaͤrung in Maſtricht ausgerufen ward,
hatte ſich ein Burgunder, der ſich dort aufhielt, Baltaſar
Gerard, von dem Gedanken ergriffen gefuͤhlt ſie zu voll-
ſtrecken 2). Die Hoffnungen die er ſich machte, von ir-
diſchem Gluͤck und Anſehen, das ihn erwarte wenn es
ihm gelinge, von dem Ruhm eines Maͤrtyrers, den er
davon tragen werde falls er dabei umkomme, Gedanken in
denen ihn ein Jeſuit von Trier beſtaͤrkte, hatten ihm
ſeitdem keine Ruhe bei Tag und Nacht gelaſſen, bis er
aufbrach, die That zu vollbringen. Er ſtellte ſich dem
Prinzen als ein Fluͤchtling dar: ſo fand er Eingang
[107]Entſcheidung in den Niederlanden.
und den guͤnſtigen Augenblick: im Juli 1584 toͤdtete er
Oranien mit einem Schuß. Er ward ergriffen: aber keine
Marter, die man ihm anthat, entwand ihm einen Seufzer:
er ſagte immer, haͤtte ers nicht gethan, ſo wuͤrde ers noch
thun. Indem er in Delft unter den Verwuͤnſchungen des
Volkes ſeinen Geiſt aufgab, hielten die Domherrn in Her-
zogenbuſch ein feierliches Tedeum fuͤr ſeine That.
Alle Leidenſchaften ſind in wilder Gaͤhrung: der An-
trieb, den ſie den Katholiſchen geben, iſt der ſtaͤrkere: er
vollfuͤhrt ſeine Sache und traͤgt den Sieg davon.
Haͤtte der Prinz gelebt, ſo wuͤrde er, glaubt man,
Mittel gefunden haben, Antwerpen, das bereits belagert
wurde, zu entſetzen, wie er es zugeſagt hatte. Jetzt gab
es Niemand der an ſeine Stelle haͤtte treten koͤnnen.
Die Unternehmung gegen Antwerpen war aber ſo um-
faſſend, daß auch die andern wichtigen brabantiſchen Staͤdte
dadurch unmittelbar angegriffen waren. Der Prinz von
Parma ſchnitt allen zugleich die Zufuhr von Lebensmitteln
ab. Zuerſt ergab ſich Bruͤſſel. Als dieſe des Ueberfluſſes
gewohnte Stadt ſich von Mangel bedroht ſah, brachen
Parteiungen aus, welche zur Ueberlieferung fuͤhrten. Dann
fiel Mecheln: endlich, als der letzte Verſuch die Daͤmme
zu durchſtechen und uͤber das Land her ſich Zufuhr zu
verſchaffen mißlungen war, mußte auch Antwerpen ſich er-
geben.
Es wurden auch dieſen brabantiſchen Staͤdten, ſo wie
den flandriſchen, uͤbrigens die glimpflichſten Bedingungen
gewaͤhrt: Bruͤſſel ward von der Contribution frei geſpro-
chen: Antwerpen erhielt die Zuſage, daß man keine ſpani-
[108]Buch V. Gegenreformationen.
ſche Beſatzung in die Stadt legen, die Citadelle nicht er-
neuern wolle. Eine Verpflichtung war ſtatt aller an-
dern, daß Kirchen und Kapellen wieder hergeſtellt, die ver-
jagten Prieſter und Ordensleute wieder zuruͤckberufen wer-
den ſollten. Der Koͤnig war hierin ganz unerſchuͤtterlich.
Bei jeder Uebereinkunft, ſagte er, muͤſſe dieß die erſte und
die letzte Bedingung ſeyn. Die einzige Gnade, zu der er
ſich verſtand, war, daß den Eingeſeſſenen jedes Ortes zwei
Jahre geſtattet wurden, um ſich entweder zu bekehren oder ihre
Habe zu verkaufen und das ſpaniſche Gebiet zu raͤumen.
Wie ſo ganz hatten ſich nun die Zeiten geaͤndert.
Einſt hatte Philipp II. ſelbſt Bedenken getragen den Je-
ſuiten in den Niederlanden feſte Sitze zu gewaͤhren, und
oft waren ſie ſeitdem gefaͤhrdet, angegriffen, verbannt wor-
den. Im Gefolge der Kriegsereigniſſe kehrten ſie nun und
zwar unter der entſchiedenen Beguͤnſtigung der Staatsge-
walt zuruͤck. Die Farneſen waren ohnehin beſondere Goͤn-
ner dieſer Geſellſchaft: Alexander hatte einen Jeſuiten zu
ſeinem Beichtvater: er ſah in dem Orden das vorzuͤglichſte
Mittel, das halb proteſtantiſche Land, das er erobert, wie-
der voͤllig zum Katholicismus zuruͤckzubringen, den Haupt-
zweck des Krieges erfuͤllen zu helfen 1). Der erſte Ort
[109]Entſcheidung in den Niederlanden.
in welchem ſie wieder auftraten war eben der erſte welcher
erobert worden, Courtray. Der Pfarrer der Stadt, Johann
David, hatte die Jeſuiten in ſeinem Exil zu Douay ken-
nen gelernt: jetzt kehrte er wieder, aber nur um ſofort in
den Orden zu treten, und in ſeiner Abſchiedspredigt die
Einwohner zu ermahnen, der geiſtlichen Huͤlfe dieſer Ge-
ſellſchaft ſich nicht laͤnger berauben zu wollen: leicht ließen
ſie ſich uͤberreden. Jetzt kam der alte Johann Montagna,
der die Geſellſchaft zuerſt in Tournay eingefuͤhrt, und mehr
als einmal fliehen muͤſſen, dahin zuruͤck, um dieſelbe auf
immer zu begruͤnden. So wie Bruͤgge und Ypern uͤberge-
gangen, langten die Jeſuiten daſelbſt an: gern bewilligte
ihnen der Koͤnig einige Kloͤſter, die waͤhrend der Unruhen
veroͤdet. In Gent ward das Haus des großen Demago-
gen, des Imbize, von welchem das Verderben des Katho-
licismus ausgegangen, fuͤr die Geſellſchaft eingerichtet. Bei
ihrer Ueberlieferung wollten ſich die Antwerpner ausbedin-
gen, daß ſie nur diejenigen Orden wieder aufzunehmen haͤt-
ten, welche zur Zeit Carls V. daſelbſt geweſen: aber es
ward ihnen nicht nachgegeben: ſie mußten die Jeſuiten wie-
der einziehen laſſen und denſelben die Gebaͤude zuruͤckſtellen
die ſie fruͤher inne gehabt: mit Vergnuͤgen erzaͤhlt es der
Geſchichtſchreiber des Ordens: er bemerkt es als eine be-
ſondere Gunſt des Himmels, daß man das ſchuldenfrei
wiederbekommen was man verſchuldet hinterlaſſen habe: es
war indeß in zweite und dritte Haͤnde uͤbergegangen, und
wurde ohne Weiteres zuruͤckgeſtellt. Da konnte auch Bruͤſ-
ſel dem allgemeinen Schickſal nicht entgehn: der Rath der
Stadt erklaͤrte ſich bereit: der Prinz von Parma bewilligte
[110]Buch V. Gegenreformationen.
eine Unterſtuͤtzung aus koͤniglichen Caſſen: gar bald waren
die Jeſuiten auch hier auf das beſte eingerichtet. Schon
hatte ihnen der Prinz feierlich das Recht ertheilt liegende
Gruͤnde unter geiſtlicher Jurisdiction zu beſitzen und ſich
auch in dieſen Provinzen der Privilegien des apoſtoliſchen
Stuhles frei zu bedienen.
Und nicht allein die Jeſuiten genoſſen ſeines Schutzes.
Im Jahre 1585 langten einige Capuziner bei ihm an:
durch ein beſonderes Schreiben an den Papſt wußte er
auszuwirken, daß ſie bei ihm bleiben durften; dann kaufte
er ihnen ein Haus in Antwerpen. Sie machten ſogar bei
ihren Ordensverwandten einen großen Eindruck: durch aus-
druͤcklichen paͤpſtlichen Befehl mußten andere Franciscaner
abgehalten werden die Reform der Capuziner anzunehmen.
Alle dieſe Veranſtaltungen hatten aber nach und nach
die groͤßte Wirkung. Sie machten Belgien, das ſchon halb
proteſtantiſch geweſen, zu einem der am meiſten katholi-
ſchen Laͤnder der Welt. Auch iſt wohl unlaͤugbar, daß
ſie wenigſtens in den erſten Zeiten zur Wiederbefeſtigung
der koͤniglichen Gewalt das Ihre beitrugen.
Feſt und feſter ſetzte ſich durch dieſe Erfolge die Mei-
nung, daß in einem Staate nur Eine Religion geduldet
werden duͤrfe. Es iſt einer der Hauptgrundſaͤtze der Politik
des Juſtus Lipſius. In Sachen der Religion, ſagt Lip-
ſius, ſey keine Gnade noch Nachſicht zulaͤßig: die wahre
Gnade ſey ungnaͤdig zu ſeyn: um Viele zu retten muͤſſe
man ſich nicht ſcheuen einen und den andern zu entfernen.
Ein Grundſatz der nirgends groͤßern Eingang fand
als in Deutſchland.
[111]
Fortgang der Gegenreformationen in Deutſchland.
Waren doch die Niederlande noch immer ein Kreis
des deutſchen Reiches! Der Natur der Dinge nach muß-
ten die dortigen Ereigniſſe einen großen Einfluß auf die
deutſchen Angelegenheiten ausuͤben. Unmittelbar in ih-
rem Gefolge ward die Coͤlner Sache entſchieden.
Noch waren die Spanier nicht wiedergekehrt, geſchweige
die großen Vortheile des Katholicismus erfochten, als ſich
der Churfuͤrſt Truchſeß von Coͤln im November 1582 ent-
ſchloß ſich zu der reformirten Lehre zu bekennen, und eine
Frau zu nehmen, ohne doch daruͤber ſein Stift aufgeben
zu wollen. Der groͤßere Theil des Adels war fuͤr ihn:
die Grafen von Nuenar, Solms, Wittgenſtein, Wied, Naſ-
ſau, das ganze Herzogthum Weſtphalen, alle Evangeliſchen:
mit dem Buch in der einen und dem Schwert in der an-
dern Hand zog der Churfuͤrſt in Bonn ein: um die Stadt
Coͤln, das Capitel und das Erzſtift, die ſich ihm wider-
ſetzten, zu bezwingen, erſchien Caſimir von der Pfalz mit
nicht unbedeutender Mannſchaft im Felde.
In allen Haͤndeln jener Zeit finden wir dieſen Caſi-
ſimir von der Pfalz: immer iſt er bereit zu Pferd zu ſitzen,
das Schwert zu ziehen: immer hat er kriegsluſtige Schaa-
ren, proteſtantiſch geſinnte, bei der Hand. Selten aber
bringt er es zu einem rechten Erfolge. Er fuͤhrt den Krieg
weder mit der Hingebung, die eine religioͤſe Sache erfor-
dert — jedesmal hatte er ſeinen beſondern Vortheil im
Auge — noch mit dem Nachdruck oder der Wiſſenſchaft,
[112]Buch V. Gegenreformationen.
die man ihm entgegenſetzt. Auch dießmal verwuͤſtete er
wohl das platte Land ſeiner Gegner: in der Hauptſache
dagegen richtete er ſo viel wie nichts aus 1): Eroberungen
machte er nicht: eine weitere Huͤlfe des proteſtantiſchen
Deutſchlands wußte er ſich nicht zu verſchaffen.
Dagegen nahmen die katholiſchen Maͤchte alle ihre
Kraft zuſammen. Papſt Gregor uͤberließ die Sache nicht
den Verzoͤgerungen eines Proceſſes an der Curie: ein ein-
faches Conſiſtorium der Cardinaͤle hielt er bei der Dring-
lichkeit der Umſtaͤnde fuͤr hinreichend einen ſo wichtigen
Fall zu entſcheiden, einen deutſchen Churfuͤrſten ſeiner erz-
biſchoͤflichen Wuͤrde zu berauben 2). Schon war ſein Nun-
tius Malaſpina nach Coͤln geeilt: hier gelang es demſelben,
beſonders im Bunde mit den gelehrten Mitgliedern des
Stiftes, nicht allein alle Minder-Entſchiedenen von dem
Capitel auszuſchließen, ſondern auch einen Fuͤrſten aus dem
noch allein vollkommen katholiſchen Hauſe, den Herzog
Ernſt von Baiern, Biſchof von Freiſingen, auf den erzbi-
ſchoͤfliſchen Stuhl zu erheben 3). Hierauf erſchien, von
dem Herzog von Baiern und nicht ohne Subſidien des
Papſtes zuſammengebracht, ein deutſch-katholiſches Heer im
Felde. Der Kaiſer verſaͤumte nicht, den Pfalzgrafen Ca-
ſimir mit Acht und Aberacht zu bedrohen, und Abmah-
mahnungsſchreiben an ſeine Truppen zu erlaſſen, die doch
[113]Fortgang derſelben in Deutſchland. Coͤln.
in der That zuletzt die Aufloͤſung des pfaͤlziſchen Heeres
bewirkten. Als es ſo weit war, erſchienen auch die Spa-
nier. Im Sommer 1583 noch hatten ſie Zuͤtphen erobert:
jetzt ruͤckten viertehalbtauſend belgiſche Veteranen in das
Erzſtift ein. So vielen Feinden erlag Gebhard Truchſeß:
ſeine Truppen wollten wider ein kaiſerliches Mandat nicht
dienen: ſeine Hauptfeſte ergab ſich dem baieriſch-ſpaniſchen
Heere: er ſelbſt mußte fluͤchten und bei dem Prinzen von
Oranien, dem er als ein Vorfechter des Proteſtantismus
zur Seite zu ſtehn gehofft hatte, einen Gnadenaufenthalt
ſuchen.
Wie ſich verſteht, hatte dieß nun auf die vollkommene
Befeſtigung des Katholicismus in dem Lande den groͤßten
Einfluß. Gleich im erſten Augenblick der Unruhen hatte
die Geiſtlichkeit des Stiftes die Zwiſtigkeiten, die in ihr
ſelbſt obwalten mochten, fahren laſſen: der Nuntius entfernte
alle verdaͤchtigen Mitglieder: mitten im Getuͤmmel der Waf-
fen richtete man eine Jeſuitenkirche ein: nach erfochtenem
Siege brauchte man dann nur ſo fortzufahren. Auch Truch-
ſeß hatte in Weſtphalen die katholiſchen Geiſtlichen verjagt:
ſie kehrten nun, wie die uͤbrigen Fluͤchtlinge, alle zuruͤck und
wurden in hohen Ehren gehalten 1). Die evangeliſchen
Domherrn blieben von dem Stifte ausgeſchloſſen, und er-
hielten ſogar, was unerhoͤrt war, ihr Einkommen nicht
wieder. Zwar mußten die paͤpſtlichen Nuntien auch mit
den katholiſchen glimpflich verfahren: wohl wußte das Papſt
Päpſte* 8
[114]Buch V. Gegenreformationen.
Sixtus: er befahl unter andern ſeinem Nuntius die Re-
formen, die er fuͤr noͤthig halte, gar nicht zu beginnen, ſo-
bald er nicht wiſſe, daß Alle geneigt ſeyen ſie anzunehmen:
aber eben auf dieſe vorſichtige Weiſe kam man unvermerkt
zum Ziele: die Domherrn begannen, ſo vornehm auch ihre
Herkunft war, endlich wieder ihre kirchlichen Pflichten im
Dom zu erfuͤllen. An dem Coͤlner Rathe, der eine prote-
ſtantiſch geſinnte Gegenpartei in der Stadt hatte, fand die
katholiſche Meinung eine maͤchtige Unterſtuͤtzung.
Schon an ſich mußte dieſer große Umſchwung auch
auf alle andern geiſtlichen Gebiete wirken: — in der Nach-
barſchaft von Coͤln trug dazu noch ein beſonderer Zufall
bei. Jener Heinrich Sachſenlauenburg — welcher das
Beiſpiel Gebhards nachgeahmt haben wuͤrde, wenn es ge-
lungen waͤre, — Biſchof von Paderborn, Osnabruͤck, Erz-
biſchof von Bremen, ritt eines Sonntags im April 1585
von dem Hauſe Voͤhrde nach der Kirche: auf dem Ruͤck-
weg ſtuͤrzte er mit dem Pferde: obwohl er jung und kraͤf-
tig war, auch keine bedeutende Verletzung erlitten hatte,
ſtarb er doch noch in demſelben Monat. Die Wahlen,
die hierauf erfolgten, ſchlugen nun ſehr zum Vortheil des
Katholicismus aus. Der neue Biſchof in Osnabruͤck un-
terſchrieb wenigſtens die Profeſſio fidei 1): ein entſchiedener
katholiſcher Eiferer aber war der neue Biſchof von Pader-
born, Theodor von Fuͤrſtenberg. Schon fruͤher als Dom-
[115]Fortgang derſelben in Deutſchland. Paderborn.
herr hatte er ſeinem Vorfahren Widerſtand geleiſtet, und
bereits im Jahre 1580 das Statut bewirkt, daß kuͤnftig
nur Katholiken in das Capitel aufgenommen werden ſoll-
ten 1): ſchon hatte er auch ein paar Jeſuiten kommen laſ-
ſen, und ihnen die Predigt im Dom, ſo wie die obern
Claſſen des Gymnaſiums anvertraut, obwohl das letztere
nur unter der Bedingung, daß ſie ſich keiner Ordensklei-
dung bedienen ſollten. Wie viel leichter aber ward es
ihm nun, dieſe Richtung durchzuſetzen, nachdem er ſelber
Biſchof geworden war. Jetzt brauchten die Jeſuiten nicht
mehr ihre Anweſenheit zu verheimlichen: das Gymna-
ſium ward ihnen unverholen uͤbergeben: zu der Predigt
kam die Katecheſe. Sie fanden hier vollauf zu thun. Der
Stadtrath war durchaus proteſtantiſch: unter den Buͤr-
gern fand man kaum noch Katholiken. Auf dem Lande
war es nicht anders. Die Jeſuiten verglichen Paderborn
mit einem duͤrren Acker, der ungemeine Muͤhe mache und
doch keine Fruͤchte tragen wolle. Endlich — wir werden
es noch beruͤhren — in dem Anfang des ſiebzehnten Jahr-
hunderts ſind ſie dennoch durchgedrungen.
Auch fuͤr Muͤnſter war jener Todesfall ein wichtiges
Ereigniß. Da die juͤngern Domherrn fuͤr Heinrich, die aͤl-
tern wider ihn waren, ſo hatte bisher keine Wahl zu
8*
[116]Buch V. Gegenreformationen.
Stande kommen koͤnnen. Jetzt ward Herzog Ernſt von
Baiern, Churfuͤrſt von Coͤln, Biſchof von Luͤttich, auch zum
Biſchof von Muͤnſter poſtulirt. Der entſchiedenſte Katho-
lik des Stiftes, der Domdechant Raesfeld, ſetzte das noch
durch: er beſtimmte noch aus ſeinem Vermoͤgen ein Legat
von 12000 Rthlr. fuͤr ein Collegium der Jeſuiten, das zu
Muͤnſter eingerichtet werden ſollte: dann ſtarb er. Im J.
1587 langten die erſten Jeſuiten an. Sie fanden Wider-
ſtand bei den Domherrn, den Predigern, den Buͤrgern:
aber der Rath und der Fuͤrſt unterſtuͤtzten ſie: ihre Schu-
len entwickelten ihr außerordentliches Verdienſt: im dritten
Jahre ſchon ſollen ſie tauſend Schuͤler gezaͤhlt haben: eben
damals, im J. 1590, bekamen ſie durch eine freigebige
Bewilligung geiſtlicher Guͤter von Seiten des Fuͤrſten eine
vollends unabhaͤngige Stellung 1).
Churfuͤrſt Ernſt beſaß auch das Bisthum Hildesheim.
Obwohl hier ſeine Macht um vieles beſchraͤnkter war, ſo
trug er doch auch hier zur Aufnahme der Jeſuiten bei.
Der erſte Jeſuit, der nach Hildesheim kam, war Johann
Hammer, ein geborner Hildesheimer, im lutheriſchen Glau-
ben erzogen — noch lebte ſein Vater — aber mit dem
Eifer eines Neubekehrten erfuͤllt. Er predigte mit vorzuͤg-
licher Deutlichkeit: es gelangen ihm einige glaͤnzende Be-
kehrungen: allmaͤhlig faßte er feſten Fuß: im Jahre 1590
bekamen die Jeſuiten auch in Hildesheim Wohnung und
Penſion.
Wir bemerken, wie wichtig der Katholicismus des
[117]Fortgang in Deutſchl. Muͤnſter. Hildesheim.
Hauſes Baiern nun auch fuͤr Niederdeutſchland wurde. Ein
baieriſcher Prinz erſcheint in ſo vielen Sprengeln zugleich,
als die eigentliche Stuͤtze deſſelben.
Doch duͤrfte man nicht glauben, daß dieſer Fuͤrſt nun
ſelbſt ſehr eifrig, ſehr devot geweſen ſey. Er hatte natuͤr-
liche Kinder, und man war einmal der Meinung, er werde
es zuletzt auch wie Gebhard Truchſeß machen. Es iſt ganz
merkwuͤrdig zu betrachten, mit welcher Behutſamkeit ihn
Papſt Sixtus behandelt. Sorgfaͤltig huͤtet er ſich ihn
merken zu laſſen, daß er von ſeinen Unordnungen wiſſe,
ſo gut er ſie auch kennen mag. Es waͤren dann Ermah-
nungen, Demonſtrationen noͤthig geworden, die den eigen-
ſinnigen Fuͤrſten gar leicht zu einem unerwuͤnſchten Entſchluß
haͤtten treiben koͤnnen 1).
Denn die deutſchen Geſchaͤfte ließen ſich noch lange
nicht behandeln wie die niederlaͤndiſchen behandelt wurden.
Sie forderten die zarteſte perſoͤnliche Ruͤckſicht.
Obwohl Herzog Wilhelm von Cleve ſich aͤußerlich zum
katholiſchen Bekenntniß hielt, ſo war doch ſeine Politik im
Ganzen proteſtantiſch: proteſtantiſchen Fluͤchtlingen gewaͤhrte
er mit Vergnuͤgen Aufnahme und Schutz: ſeinen Sohn Jo-
hann Wilhelm, der ein eifriger Katholik war, hielt er von
allem Antheil an den Geſchaͤften entfernt. Leicht haͤtte man
in Rom verſucht ſeyn koͤnnen Mißfallen und Entruͤſtung
hieruͤber blicken zu laſſen und die Oppoſition dieſes Prin-
zen zu beguͤnſtigen. Allein Sixtus V. war viel zu klug
dazu. Nur als der Prinz ſo lebhaft darauf drang, daß
es ohne Beleidigung nicht mehr haͤtte vermieden werden
[118]Buch V. Gegenreformationen.
koͤnnen, wagte der Nuntius eine Zuſammenkunft in Duͤſ-
ſeldorf mit ihm zu halten: auch dann ermahnte er denſel-
ben vor allem zur Geduld. Der Papſt wollte nicht, daß
er das goldene Vließ bekomme: es koͤnnte Verdacht er-
wecken; auch wandte er ſich nicht direct an den Vater zu
Gunſten des Sohnes: jede Verbindung mit Rom waͤre
mißfaͤllig geweſen: nur durch eine Verwendung des Kai-
ſers, die er auswirkte, ſuchte er dem Prinzen eine ſeiner
Geburt angemeſſenere Stellung zu verſchaffen: den Nuntius
wies er an, uͤber gewiſſe Dinge zu thun als bemerke er
ſie nicht. Eben dieſe ſchonungsvolle Bedachtſamkeit einer
doch immer noch anerkannten Autoritaͤt verfehlte auch hier
ihre Wirkung nicht. Der Nuntius bekam nach und nach
doch Einfluß: als die Proteſtanten auf dem Landtag auf
einige Beguͤnſtigungen antrugen, war er es, der durch
ſeine Vorſtellungen hauptſaͤchlich veranlaßte, daß ſie ab-
ſchlaͤglich beſchieden wurden 1).
Und ſo ward in einem großen Theile von Niederdeutſch-
land der Katholicismus wenn nicht augenblicklich wieder-
hergeſtellt, aber doch in großer Gefahr behauptet, feſtge-
halten und verſtaͤrkt: er erlangte ein Uebergewicht, das ſich
im Laufe der Zeit zur vollkommenen Herrſchaft ausbilden
konnte.
In dem obern Deutſchland trat unmittelbar eine ver-
wandte Entwickelung ein.
Wir beruͤhrten den Zuſtand der fraͤnkiſchen Bisthuͤmer.
Ein entſchloſſener Biſchof haͤtte wohl daran denken koͤnnen,
ihn zur Erwerbung einer erblichen Macht zu benutzen.
[119]Fortgang derſelben in Deutſchland. Wuͤrzburg.
Es iſt vielleicht wirklich an dem, daß Julius Echter
von Mespelbronn — der im Jahre 1573, noch ſehr jung
und unternehmend von Natur, Biſchof von Wuͤrzburg ward
— einen Augenblick geſchwankt hat, welche Politik er er-
greifen ſollte.
Er nahm an der Vertreibung des Abtes von Fulda
thaͤtigen Antheil, und es kann unmoͤglich eine ſehr ausge-
ſprochene katholiſche Geſinnung geweſen ſeyn, was Capitel
und Staͤnde von Fulda mit ihm in Verhaͤltniß brachte.
Eben die Herſtellung des Katholicismus war ja die Haupt-
beſchwerde die ſie gegen ihren Abt erhoben. Auch gerieth
der Biſchof hiedurch in Mißverhaͤltniſſe mit Rom: Gregor
XIII. legte ihm auf, Fulda zuruͤckzugeben. Er that das
gerade damals, als Truchſeß ſeinen Abfall ausſprach.
In der That machte Biſchof Julius hierauf Anſtalt ſich
an Sachſen zu wenden und das Haupt der Lutheraner
gegen den Papſt zu Huͤlfe zu rufen: er ſtand mit Truchſeß
in naͤherer Verbindung, und wenigſtens dieſer faßte die
Hoffnung, der Biſchof von Wuͤrzburg werde ſeinem Beiſpiel
nachfolgen: mit Vergnuͤgen meldet dieß der Abgeordnete jenes
lauenburgiſchen Erzbiſchofs von Bremen ſeinem Herrn 1).
[120]Buch V. Gegenreformationen.
Unter dieſen Umſtaͤnden laͤßt ſich ſchwerlich ſagen, was
Biſchof Julius gethan haben wuͤrde, wenn ſich Truchſeß
in Coͤln behauptet haͤtte. Da dieß aber ſo vollſtaͤndig fehl-
ſchlug, konnte er nicht allein nicht daran denken ihm nach-
zuahmen: er faßte vielmehr einen ganz entgegengeſetzten
Entſchluß.
Waͤre vielleicht die Summe ſeiner Wuͤnſche nur gewe-
ſen Herr in ſeinem Lande zu werden? Oder war er in
in ſeinem Herzen wirklich von ſtreng katholiſcher Ueberzeu-
gung? Er war doch ein Zoͤgling der Jeſuiten, in dem
Collegium Romanum erzogen. Genug, im Jahre 1584
nahm er eine Kirchenviſitation in katholiſchem Sinne vor,
die in Deutſchland ihres Gleichen noch nicht gehabt hatte:
mit der ganzen Staͤrke eines entſchloſſenen Willens, per-
ſoͤnlich ſetzte er ſie ins Werk.
Von einigen Jeſuiten begleitet durchzog er ſein Land.
Er ging zuerſt nach Gmuͤnden: von da nach Arnſtein, Wer-
neck, Haßfurt: ſo fort von Bezirk zu Bezirk. In jeder
Stadt berief er Buͤrgermeiſter und Rath vor ſich, und er-
oͤffnete ihnen ſeinen Entſchluß die proteſtantiſchen Irrthuͤ-
mer auszurotten. Die Prediger wurden entfernt und mit
den Zoͤglingen der Jeſuiten erſetzt. Weigerte ſich ein Be-
amter den katholiſchen Gottesdienſt zu beſuchen, ſo wurde
er ohne Gnade entlaſſen: ſchon warteten Andere, Katholiſch-
geſinnte, auf die erledigten Stellen. Aber auch jeder Privat-
mann ward zu dem katholiſchen Gottesdienſt angehalten:
es blieb ihm nur die Wahl zwiſchen der Meſſe und der
1)
[121]Fortgang derſelben in Deutſchland. Wuͤrzburg.
Auswanderung: wenn die Religion des Fuͤrſten ein Greuel
ſey, der ſolle auch an ſeinem Lande keinen Theil haben 1).
Vergebens verwandten ſich die Nachbarn hiegegen. Biſchof
Julius pflegte zu ſagen: nicht das was er thue, errege ihm
Bedenklichkeiten, ſondern daß er es ſo ſpaͤt thue. Auf das
eifrigſte ſtanden ihm die Jeſuiten bei. Beſonders bemerkte
man den Pater Gerhard Weller, der allein und ohne Ge-
paͤck zu Fuß von Ort zu Ort zog und predigte. In dem
Eiren Jahre 1586 wurden 14 Staͤdte und Maͤrkte, uͤber
200 Doͤrfer, bei 62000 Seelen zum Katholicismus zu-
ruͤckgebracht. Nur die Hauptſtadt des Stiftes war noch
uͤbrig: im Merz 1587 nahm der Biſchof auch dieſe vor.
Er ließ den Stadtrath vor ſich kommen: dann ſetzte er fuͤr
jedes Viertel und jede Pfarre eine Commiſſion nieder, wel-
che die Buͤrger einzeln verhoͤrte. Eben hier fand ſich, daß
die Haͤlfte derſelben proteſtantiſche Meinungen hegte. Man-
che waren nur ſchwach in ihrem Glauben: bald fuͤgten ſie
ſich, und die feierliche Communion, welche der Biſchof zu
Oſtern im Dome veranſtaltete, bei der er ſelbſt das Amt
hielt, war ſchon ſehr zahlreich; Andere hielten ſich laͤnger;
noch Andere zogen es vor, das Ihre zu verkaufen und aus-
zuwandern. Unter dieſen waren vier Rathsherrn.
Ein Beiſpiel durch das ſich vor allem der naͤchſte
geiſtliche Nachbar von Wuͤrzburg der Biſchof von Bam-
[122]Buch V. Gegenreformationen.
berg zur Nachahmung aufgefordert fuͤhlte. Man kennt Goͤs-
weinſtein uͤber dem Muggendorfer Thal, wohin noch heute
auf einſam ſteilen Pfaden durch praͤchtige Waͤlder und
Schluchten aus allen Thaͤlern umher wallfahrtendes Volk
zieht. Es iſt ein altes Heiligthum der Dreifaltigkeit da-
ſelbſt: damals war es unbeſucht, veroͤdet. Als der Bi-
ſchof von Bamberg, Ernſt von Mengersdorf, im Jahr 1587
einmal dahin kam, fiel ihm dieß ſchwer aufs Herz. Von
dem Beiſpiel ſeines Nachbarn entflammt, erklaͤrte auch er,
er wolle ſeine Unterthanen wieder „zur wahren katholiſchen
Religion weiſen: keine Gefahr werde ihn abhalten, dieſe
ſeine Pflicht zu thun.“ Wir werden ſehen, wie ernſtlich ſein
Nachfolger daran ging.
Waͤhrend man ſich aber im Bambergiſchen noch vor-
bereitete, fuhr Biſchof Julius fort das Wuͤrzburgiſche ganz
umzugeſtalten. Alle alten Einrichtungen wurden erneuert.
Die Mutter-Gottes-Andachten, die Wallfahrten, die Bruͤ-
derſchaften zu Mariaͤ Himmelfahrt, zu Mariaͤ Geburt und
wie ſie alle heißen lebten wieder auf, und neue wurden ge-
gruͤndet. Proceſſionen durchzogen die Straßen: der Glok-
kenſchlag mahnte das geſammte Land zur geſetzten Stunde
zum Ave Maria 1). Aufs neue ſammelte man Reliquien
und legte ſie mit großem Pomp an die Orte der Ver-
ehrung nieder. Die Kloͤſter wurden wieder beſetzt: aller
Orten Kirchen gebaut: man zaͤhlt 300 die Biſchof Julius
[123]Fortgang derſelben in Deutſchland. Wuͤrzburg.
gegruͤndet hat: an ihren hohen ſpitzen Thuͤrmen kann ſie
der Reiſende erkennen. Mit Erſtaunen nahm man nach we-
nigen Jahren die Verwandlung wahr. „Was eben erſt,“
ruft ein Lobredner des Biſchofs aus, „fuͤr aberglaͤubiſch, ja
fuͤr ſchimpflich gegolten, das haͤlt man nun fuͤr heilig:
worin man noch eben ein Evangelium ſah, das erklaͤrt man
nun fuͤr Betrug.“
So große Erfolge hatte man ſelbſt in Rom nicht er-
wartet. Das Unternehmen des Biſchofs Julius war ſchon
eine Zeitlang im Gange, ehe Papſt Sixtus etwas davon
erfuhr. Nach den Herbſtferien 1586 erſchien der Jeſuiten-
general Aquaviva vor ihm, um ihm die Kunde von den
neuen Eroberungen ſeines Ordens mitzutheilen. Sixtus
war entzuͤckt. Er eilte dem Biſchof ſeine Anerkennung zu
bezeugen. Er theilte ihm das Recht zu, auch die in den
vorbehaltenen Monaten erledigten Pfruͤnden zu beſetzten: denn
er ſelbſt werde ja am beſten wiſſen, wen er zu belohnen
habe.
Um ſo groͤßer war aber die Freude des Papſtes, da
die Meldung Aquavivas mit aͤhnlichen Nachrichten aus
den oͤſtreichiſchen Provinzen beſonders aus Steiermark zu-
ſammentraf.
In demſelben Jahre noch, in welchem die evangeli-
ſchen Staͤnde in Steiermark durch die Bruckeriſchen Land-
tagsbeſchluͤſſe eine ſo große Unabhaͤngigkeit erlangten, daß
ſie ſich darin wohl mit den Staͤnden von Oeſtreich ver-
[124]Buch V. Gegenreformationen.
gleichen konnten, welche auch ihren Religionsrath, ihre
Superintendenten und Synoden und eine faſt republikani-
ſche Verfaſſung beſaßen, trat auch ſchon die Veraͤnde-
rung ein.
Gleich als Rudolf II. die Erbhuldigung einnahm,
bemerkte man, wie ſo durchaus er von ſeinem Vater ver-
ſchieden ſey: die Acte der Devotion uͤbte er in ihrer gan-
zen Strenge aus: mit Verwunderung ſah man ihn den
Proceſſionen beiwohnen, ſelbſt im harten Winter, ohne
Kopfbedeckung, mit ſeiner Fackel in der Hand.
Dieſe Stimmung des Herrn, die Gunſt, die er den
Jeſuiten angedeihen ließ, erregten ſchon Beſorgniß und nach
dem Charakter der Zeit heftige Gegenbewegungen. In dem
Landhaus zu Wien, denn eine eigentliche Kirche war den
Proteſtanten in der Hauptſtadt nicht verſtattet, predigte der
Flacianer Joſua Opitz mit alle der Heftigkeit, welche ſeiner
Secte eigenthuͤmlich war. Indem er regelmaͤßig wider Je-
ſuiten, Pfaffen und „alle Greuel des Papſtthums donnerte“,
erregte er nicht ſowohl Ueberzeugung als Ingrimm in ſei-
nen Zuhoͤrern: ſo daß ſie wie ein Zeitgenoſſe ſagt 1), wenn
ſie aus ſeiner Kirche kamen, „die Papiſten mit den Haͤnden
haͤtten zerreißen moͤgen.“ Der Erfolg war, daß der Kai-
ſer die Abſicht faßte die Verſammlungen des Landhauſes
abzuſtellen. Indem man dieß bemerkte, das Fuͤr und Wi-
der leidenſchaftlich beſprach, und die Ritterſchaft, der das
Landhaus zugehoͤrte, ſich ſchon mit Drohungen vernehmen
ließ, kam der Tag des Frohnleichnams im Jahre 1578
[125]Fortgang derſelben in Deutſchland. Oeſtreich.
heran. Der Kaiſer war entſchloſſen dieß Feſt auf das
feierlichſte zu begehn. Nachdem er die Meſſe in St. Ste-
phan gehoͤrt, begann die Proceſſion, die erſte die man ſeit
langer Zeit wieder ſah: Prieſter, Ordensbruͤder, Zuͤnfte, in
ihrer Mitte der Kaiſer und die Prinzen: ſo ward das Hoch-
wuͤrdige durch die Straßen begleitet. Ploͤtzlich aber zeigte
ſich, welch eine ungemeine Aufregung in der Stadt herrſchte.
Als man auf den Bauernmarkt kam, mußten einige Bu-
den weggeraͤumt werden, um der Proceſſion Platz zu ma-
chen. Nichts weiter bedurfte es, um eine allgemeine Ver-
wirrung hervorzubringen. Man hoͤrte den Ruf: wir ſind
verrathen: zu den Waffen! Chorknaben und Prieſter ver-
ließen das Hochwuͤrdige: Hallbardierer und Hartſchirer zer-
ſtreuten ſich: der Kaiſer ſah ſich in der Mitte einer toben-
den Menge: er fuͤrchtete einen Angriff auf ſeine Perſon
und legte die Hand an den Degen: die Prinzen traten mit
gezogenem Schwert um ihn her 1). — Man kann erach-
ten, daß dieſer Vorfall den groͤßten Eindruck auf den
ernſthaften Fuͤrſten hervorbringen mußte, der ſpaniſche
Wuͤrde und Majeſtaͤt liebte. Der paͤpſtliche Nuntius
nahm davon Gelegenheit ihm die Gefahr vorzuſtellen in
der er bei dieſem Zuſtand der Dinge ſchwebe: Gott ſelbſt
zeige ihm darin, wie nothwendig es fuͤr ihn ſei Verſprechun-
gen zu erfuͤllen, die er ohnehin dem Papſt gethan. Der
ſpaniſche Geſandte ſtimmte ihm bei. Oftmals hatte der
Jeſuitenprovinzial Magius den Kaiſer zu einer entſcheiden-
den Maaßregel aufgefordert: jetzt fand er Gehoͤr. Am 21.
[126]Buch V. Gegenreformationen.
Juni 1578 erließ der Kaiſer einen Befehl an Opitz, ſammt
ſeinen Gehuͤlfen an Kirche und Schule noch an dem nem-
lichen Tag, „bei ſcheinender Sonne“, die Stadt, und bin-
nen 14 Tagen die geſammten Erblande des Kaiſers zu raͤu-
men. Der Kaiſer fuͤrchtete faſt einen Aufruhr: fuͤr den
Nothfall hielt er eine Anzahl zuverlaͤſſiger Leute in den
Waffen. Allein wie haͤtte man ſich wider den Fuͤrſten er-
heben ſollen, der den Buchſtaben des Rechtes fuͤr ſich hatte?
Man begnuͤgte ſich den Verwieſenen mit ſchmerzlichem Bei-
leid das Geleite zu geben 1).
Von dieſem Tage an nun begann in Oeſtreich eine
katholiſche Reaction, welche von Jahr zu Jahr mehr Kraft
und Wirkſamkeit bekam.
Es ward der Plan gefaßt, den Proteſtantismus zu-
naͤchſt aus den kaiſerlichen Staͤdten zu verdraͤngen. Die
Staͤdte unter der Enns, die ſich 20 Jahre fruͤher von dem
Herrn- und Ritterſtande hatten abſondern laſſen, konnten
in der That keinen Widerſtand entgegenſetzen. Die evan-
geliſchen Geiſtlichen wurden an vielen Orten verwieſen: ka-
tholiſche traten an ihre Stelle, uͤber die Privatleute ward
eine ſtrenge Unterſuchung verhaͤngt. Wir haben eine For-
mel nach der man die Verdaͤchtigen pruͤfte. Glaubſt du,
lautet ein Artikel, daß alles wahr iſt, was die roͤmiſche
Kirche in Lehre und Leben feſtſetzt? Glaubſt du, fuͤgt ein
anderer hinzu, daß der Papſt das Haupt der Einigen apoſto-
[127]Fortgang derſelben in Deutſchland. Oeſtreich.
liſchen Kirche iſt? Keinen Zweifel wollte man uͤbrig laſſen 1).
Die Proteſtanten wurden von den Stadtaͤmtern entfernt:
es ward kein Buͤrger weiter aufgenommnen, den man nicht
katholiſch erfand. Auf der Univerſitaͤt mußte nun auch in
Wien jeder Doctorandus zuerſt die Profeſſio fidei unter-
ſchreiben. Eine neue Schulordnung ſchrieb katholiſche For-
mularien, Faſten, Kirchenbeſuch, den ausſchließlichen Ge-
branch des Katechismus des Caniſius vor. In Wien nahm
man die proteſtantiſchen Buͤcher aus den Buchlaͤden weg:
in großen Haufen fuͤhrte man ſie in den biſchoͤflichen Hof.
An den Waſſermauthen unterſuchte man die ankommenden
Kiſten und confiscirte Buͤcher oder Gemaͤhlde, welche nicht
gut katholiſch waren 2).
Mit alle dem drang man noch nicht durch. In Kur-
zem wurden zwar in Unteroͤſtreich 13 Staͤdte und Maͤrkte
reformirt: auch die Kammerguͤter, die verpfaͤndeten Beſitzthuͤ-
mer hatte man in ſeiner Hand: allein noch hielt der Adel
eine gewaltige Oppoſition: die Staͤdte ob der Enns waren
enge mit ihm verbunden und ließen ſich nicht anfechten 3).
Nichts deſto minder hatten doch, wie man leicht er-
kennt, viele von jenen Maaßregeln eine allgemeine Guͤltig-
keit, der ſich Niemand entziehen konnte: auf Steiermark
aͤußerten ſie eine unmittelbare Ruͤckwirkung.
In dem Momente hatte ſich hier Erzherzog Carl zu
[128]Buch V. Gegenreformationen.
Conceſſionen verſtehn muͤſſen, als ſchon an ſo vielen Or-
ten die katholiſche Reaction im Gange war. Seine Stam-
mesvettern konnten es ihm nicht verzeihen. Sein Schwager
Herzog Albrecht von Baiern ſtellte ihm vor: daß ihn der
Religionsfriede berechtige ſeine Unterthanen zu der Re-
ligion zu noͤthigen, die er ſelber bekenne. Er rieth dem
Erzherzog dreierlei: einmal alle ſeine Aemter vornehmlich
Hof und geheimen Rath nur mit Katholiſchen zu be-
ſetzen: ſodann auf den Landtagen die verſchiedenen Staͤnde
von einander abzuſondern, um mit den Einzelnen deſto
beſſer fertig werden zu koͤnnen: endlich mit dem Papſt in
gutes Vernehmen zu treten, und ſich einen Nuntius
von demſelben auszubitten. Schon von ſelbſt bot Gre-
gor XIII. die Hand hiezu. Da er ſehr wohl wußte, daß
es hauptſaͤchlich das Geldbeduͤrfniß war, was den Erzher-
zog zu ſeinen Zugeſtaͤndniſſen bewogen hatte, ſo ergriff er
das beſte Mittel ihn von ſeinen Landſaſſen unabhaͤngiger
zu machen: er ſchickte ihm ſelber Geld: noch im Jahre
1580 die fuͤr jene Zeit ganz bedeutende Summe von 40000
Sc.: in Venedig legte er ein noch anſehnlicheres Capital
nieder, deſſen ſich der Erzherzog in dem Falle bedienen koͤnne,
daß in Folge ſeiner katholiſchen Beſtrebungen Unruhen in
dem Lande ausbrechen ſollten.
Durch Beiſpiel, Anmahnung und weſentliche Huͤlfe
ermuthigt, nahm Erzherzog Carl ſeit dem Jahre 1580 eine
ganz andere Stellung an.
In dieſem Jahre gab er ſeinen fruͤheren Zugeſtaͤndniſ-
ſen eine Erklaͤrung, welche als ein Widerruf derſelben betrach-
tet werden konnte. Die Staͤnde thaten ihm einen Fußfall,
und
[129]Fortgang derſelben in Deutſchl. Steiermark.
und einen Augenblick mochte eine ſo flehentliche Bitte eine
Wirkung auf ihn ausuͤben 1): aber im Ganzen blieb es
doch bei den angekuͤndigten Maaßregeln: ſchon begann auch
hier die Vertreibung der evangeliſchen Prediger.
Entſcheidend ward das Jahr 1584. Auf dem Land-
tage dieſes Jahres erſchien der paͤpſtliche Nuntius Mala-
ſpina. Schon war es ihm gelungen die Praͤlaten, welche
ſich ſonſt immer zu den weltlichen Staͤnden gehalten, von
denſelben zu trennen: zwiſchen ihnen, den herzoglichen Be-
amten und allen Katholiſchen im Lande ſtiftete der Nun-
tius eine enge Vereinigung, die in ihm ihren Mittelpunkt
fand. Bisher hatte es geſchienen, als ſey das ganze Land
proteſtantiſch: der Nuntius verſtand es, auch um den Fuͤr-
ſten her eine ſtarke Partei zu bilden. Hiedurch ward der
Erzherzog ganz unerſchuͤtterlich. Er blieb feſt dabei, daß er
den Proteſtantismus in ſeinen Staͤdten ausrotten wolle: der
Religionsfriede gebe ihm, ſagte er, noch weit groͤßere
Rechte, auch uͤber den Adel, und durch fernern Widerſtand
werde man ihn noch dahin bringen, ſie geltend zu machen:
dann wolle er doch ſehen, wer ſich als Rebell beweiſen
wolle. So entſchieden nun dieſe Erklaͤrungen lauteten,
ſo kam er doch damit ſo weit, wie fruͤherhin mit ſeinen
Zugeſtaͤndniſſen. Die Staͤnde bewilligten was er verlangte 2).
Päpſte* 9
[130]Buch V. Gegenreformationen.
Seitdem begannen nun die Gegenreformationen auch
in dem geſammten erzherzoglichen Gebiete. Die Pfarren, die
Stadtraͤthe wurden mit Katholiken beſetzt: kein Buͤrger
durfte eine andere als die katholiſche Kirche beſuchen, oder
ſeine Kinder in eine andere als die katholiſche Schule
ſchicken.
Es ging nicht immer ganz ruhig ab. Die katholi-
ſchen Pfarrer, die fuͤrſtlichen Commiſſarien wurden zuwei-
len verunglimpft und weggejagt. Der Erzherzog ſelbſt ge-
rieth einmal auf der Jagd in Gefahr: es hatte ſich in der
Gegend das Geruͤcht verbreitet, ein benachbarter Praͤdicant
ſey gefangen: das Volk lief mit den Waffen zuſammen,
und der arme geplagte Prediger mußte ſelbſt ins Mittel
treten, um den ungnaͤdigen Herrn vor den Bauern zu be-
ſchuͤtzen 1). Trotz alle dem aber hatte die Sache ihren
Fortgang. Die ſtrengſten Mittel wurden angewendet: der
paͤpſtliche Geſchichtſchreiber faßt ſie in wenig Worten zu-
ſammen: Confiscation, ſagt er, Exil, ſchwere Zuͤchtigung
jedes Widerſpenſtigen. Die geiſtlichen Fuͤrſten, die in jenen
Gegenden etwas beſaßen, kamen den weltlichen Behoͤrden zu
Huͤlfe. Der Erzbiſchof von Coͤln, Biſchof von Freiſingen,
aͤnderte den Rath ſeiner Stadt Lack, und belegte die prote-
ſtantiſchen Buͤrger mit Gefaͤngniß oder mit Geldſtrafe; der
Biſchof von Brixen wollte in ſeiner Herrſchaft Veldes gera-
dezu eine neue Ackervertheilung vornehmen. Dieſe Tenden-
zen erſtreckten ſich uͤber alle oͤſtreichiſchen Gebiete. Obwohl
Tyrol katholiſch geblieben, ſo verſaͤumte doch der Erzher-
zog Ferdinand in Inſpruck nicht, ſeine Geiſtlichkeit in ſtrenge
[131]Fortgang derſelben in Deutſchland. Oeſtreich.
Unterordnung zu nehmen, und darauf zu ſehen, daß Je-
dermann das Abendmahl empfing: fuͤr die gemeinen Leute
wurden Sonntagsſchulen eingerichtet: Cardinal Andreas, der
Sohn Ferdinands, ließ Katechismen drucken und vertheilte
ſie der Schuljugend und den ununterrichteten Leuten 1).
In Gegenden aber wo der Proteſtantismus einigermaaßen
eingedrungen war, blieben ſie nicht bei ſo milden Maaßre-
geln ſtehn. In der Markgrafſchaft Burgau, obwohl ſie
erſt vor kurzem erworben, in der Landvogtei Schwaben,
obwohl die Jurisdiction daſelbſt ſtreitig war, verfuhren ſie
ganz wie Erzherzog Carl in Steiermark.
Ueber alle dieſe Dinge konnte Papſt Sixtus des Lo-
bes kein Ende finden. Er ruͤhmte die oͤſtreichiſchen Prin-
zen als die feſteſten Saͤulen des Chriſtenthums. Beſonders
an Erzherzog Carl erließ er die verbindlichſten Breven 2).
Die Erwerbung einer Grafſchaft, welche damals heimfiel,
betrachtete man am Hofe zu Graͤtz als eine Belohnung fuͤr
ſo viel gute dem Chriſtenthum geleiſtete Dienſte.
Wenn die katholiſche Richtung in den Niederlanden
ſich vornehmlich dadurch wieder feſtſetzte, daß ſie ſich den
Privilegien anbequemte, ſo geſchah das nicht auch in Deutſch-
land. Es blieb hier dabei, daß die Landesherrſchaften ihre
Hoheit und Macht um ſo viel erweiterten, als es ihnen
gelang, die kirchliche Reſtauration zu beguͤnſtigen. Wie
9*
[132]Buch V. Gegenreformationen.
enge aber dieſe Vereinigung kirchlicher und politiſcher Macht
war, wie weit man darin ging, davon bietet wohl der Erz-
biſchof von Salzburg Wolf Dietrich von Raittenau das merk-
wuͤrdigſte Beiſpiel dar.
Die alten Erzbiſchoͤfe, welche die Bewegungen der Re-
formationszeit mit erlebt, begnuͤgten ſich, dann und wann
ein Edict wider die Neuerungen zu erlaſſen, eine Strafe
zu verhaͤngen, einen Verſuch zur Bekehrung zu machen,
aber nur, wie Erzbiſchof Jacob ſagt, „durch linde, vaͤter-
liche und getreue Wege“: im Ganzen ließen ſie es gehn 1).
Ganz andere Eindruͤcke, Anſichten und Entwuͤrfe aber
brachte der junge Erzbiſchof Wolf Dietrich von Raittenau
mit, als er im Jahre 1587 den Stuhl von Salzburg be-
ſtieg. Er war in dem Collegium Germanicum zu Rom
erzogen worden, und hatte die Ideen der kirchlichen Reſtau-
ration noch in voller Friſche inne: er hatte hier noch den
glaͤnzenden Anfang der Regierung Sixtus V. geſehen, und ſich
mit Bewunderung fuͤr ihn erfuͤllt: es ſpornte ihn noch be-
ſonders an, daß ſein Oheim Cardinal war, Cardinal Altemps,
in deſſen Hauſe er zu Rom erzogen worden. In dem J.
1588, bei der Zuruͤckkunft von einer Reiſe, die ihn noch
einmal nach Rom gefuͤhrt hatte, ſchritt er zum Werke. Er
forderte alle Buͤrger ſeiner Hauptſtadt auf, ihr katholiſches
Bekenntniß abzulegen. Es blieben viele damit im Ruͤckſtand:
er geſtattete ihnen einige Wochen Bedenkzeit: alsdann, am
3. September 1588, befahl er ihnen binnen eines Monats
[133]Fortgang derſelben in Deutſchland. Salzburg.
Stadt und Stift zu raͤumen. Nur dieſer Monat und end-
lich auf dringende Bitten noch ein zweiter ward ihnen
verſtattet, ihre Guͤter zu verkaufen. Sie mußten dem Erz-
biſchof von denſelben einen Anſchlag uͤberreichen, und durf-
ten ſie auch dann nur an ſolche Perſonen uͤberlaſſen,
die ihm angenehm waren 1). Nur Wenige bequemten
ſich von ihrem Glauben abzufallen: ſie mußten dann oͤf-
fentliche Kirchenbuße thun, mit brennenden Kerzen in der
Hand: bei weitem die Meiſten, eben die wohlhabendſten
Buͤrger der Stadt, wanderten aus. Ihr Verluſt kuͤm-
merte den Fuͤrſten nicht. In andern Maaßregeln glaubte
er das Mittel gefunden zu haben den Glanz des Erzſtif-
tes zu erhalten. Schon hatte er die Abgaben gewaltig er-
hoͤht, Mauthen und Zoͤlle geſteigert, das Halleiner, das Schel-
lenberger Salz mit neuem Aufſchlag belegt, die Tuͤrken-
huͤlfe zu einer ordentlichen Landesſteuer ausgedehnt, Wein-
umgeld, Vermoͤgens- und Erbſteuer eingefuͤhrt. Auf keine
hergebrachte Freiheit nahm er Ruͤckſicht. Der Domdechant
entleibte ſich ſelbſt: man glaubte, in einem Anfalle von Truͤb-
ſinn uͤber die Verluſte der Rechte des Capitels. Die An-
ordnungen des Erzbiſchofs uͤber die Salzausfertigung und
das geſammte Bergweſen hatten den Zweck die Selbſtaͤn-
digkeit der Gewerke herabzubringen und alles ſeiner Kam-
mer einzuverleiben. In Deutſchland giebt es kein aͤhnliches
Beiſpiel einer ausgebildeten Fiscalitaͤt in dieſem Jahrhun-
dert. Der junge Erzbiſchof hatte die Ideen eines italieni-
[134]Buch V. Gegenreformationen.
ſchen Fuͤrſtenthums mit uͤber die Alpen gebracht. Geld
zu haben, ſchien ihm die erſte Aufgabe aller Staatswirth-
ſchaft. Er hatte ſich Sixtus V. zum Muſter genommen:
einen gehorſamen, ganz katholiſchen, tributaͤren Staat wollte
auch er in ſeinen Haͤnden haben. Die Entfernung der Buͤr-
ger von Salzburg, die er als Rebellen anſah, machte ihm
ſogar Vergnuͤgen. Er ließ die leer gewordenen Haͤuſer nie-
derreißen und Pallaͤſte nach roͤmiſchem Styl an ihrer Stelle
aufrichten 1).
Denn vor allem liebte er den Glanz. Keinem Fremden
haͤtte er die Ritterzehrung verſagt: mit einem Gefolge von
400 Mann ſah man ihn einſt den Reichstag beſuchen.
Im Jahre 1588 war er erſt 29 Jahr alt: er war voll
Lebensmuth und Ehrgeiz: ſchon faßte er die hoͤchſten kirch-
lichen Wuͤrden ins Auge.
Wie nun in geiſtlichen und weltlichen Fuͤrſtenthuͤmern,
ſo gieng es, wenn es irgend moͤglich war, auch in den
Staͤdten. Wie bitter beklagen ſich die lutheriſchen Buͤrger
von Gmuͤnden, daß man ſie aus der Matrikel der Buͤrger-
ſtube geſtrichen habe. In Biberach behauptete ſich noch der
Rath, den der Commiſſar Kaiſer Carls V. bei Gelegenheit
des Interims eingeſetzt hatte: die ganze Stadt war prote-
ſtantiſch, der Rath allein katholiſch, und jeden Proteſtanten
[135]Fortgang derſelben in Deutſchland. Staͤdte.
hielt er ſorgſam ausgeſchloſſen 1). Welche Bedruͤckungen
erfuhren die Evangeliſchen in Coͤln und Aachen! Der Rath
von Coͤln erklaͤrte, er habe Kaiſer und Churfuͤrſten verſpro-
chen keine andere Religion zu dulden als die katholiſche:
das Anhoͤren einer proteſtantiſchen Predigt beſtrafte er zu-
weilen mit Thurm und Geldbuße 2). Auch in Augsburg
bekamen die Katholiken die Oberhand: bei der Einfuͤhrung
des neuen Kalenders entſtanden Streitigkeiten: im J. 1586
wurde erſt der evangeliſche Superintendent, dann elf Geiſt-
liche auf einmal, endlich eine Anzahl der hartnaͤckigſten
Buͤrger aus der Stadt getrieben. Um verwandter Gruͤnde
willen erfolgte etwas Aehnliches 1587 in Regensburg. Schon
machten auch die Staͤdte auf das Reformationsrecht An-
ſpruͤche; ja ſelbſt einzelne Grafen und Herrn, einzelne
Reichsritter, die etwa ſo eben von einem Jeſuiten bekehrt
worden, glaubten ſich deſſelben bedienen zu duͤrfen und un-
ternahmen in ihrem kleinen Gebiete die Wiederherſtellung
des Katholicismus.
Es war eine unermeßliche Reaction. Wie der Pro-
teſtantismus vorgedrungen, ſo ward er jetzt zuruͤckgewor-
fen. Predigt und Lehre wirkten auch hiebei, aber noch
bei weitem mehr Anordnung, Befehl und die offne Gewalt.
Wie einſt die italieniſchen Proteſtanten ſich uͤber die
Alpen nach der Schweiz und nach Deutſchland gefluͤchtet,
ſo wandten ſich auch deutſche Fluͤchtlinge, und in noch viel
groͤßern Schaaren, vom weſtlichen und ſuͤdlichen Deutſch-
land verdraͤngt nach dem noͤrdlichen und oͤſtlichen. So wi-
[136]Buch V. Gegenreformationen.
chen auch die belgiſchen nach Holland. Es war ein gro-
ßer katholiſcher Sieg, der ſich von Land zu Land waͤlzte.
Den Fortgang deſſelben zu beguͤnſtigen und auszu-
dehnen, bemuͤhten ſich nun vor allem die Nuntien, welche
damals in Deutſchland regelmaͤßig zu reſidiren anfingen.
Wir haben eine Denkſchrift des Nuntius Minuccio
Minucci vom Jahre 1588 uͤbrig, aus welcher ſich die Ge-
ſichtspunkte ergeben, die man faßte, nach denen man ver-
fuhr 1).
Eine vorzuͤgliche Ruͤckſicht widmete man dem Unter-
richt. Man haͤtte nur gewuͤnſcht, daß die katholiſchen Uni-
verſitaͤten beſſer ausgeſtattet worden waͤren, um ausgezeich-
nete Lehrer anzuziehen: das einzige Ingolſtadt war mit ge-
nuͤgenden Mitteln verſehen. Wie die Sachen ſtanden, kam
noch alles auf die jeſuitiſchen Seminarien an. Minuccio
Minucci wuͤnſchte, daß hier nicht ſowohl darauf geſehen
wuͤrde, große Gelehrte, tiefe Theologen zu bilden, als
gute und tuͤchtige Prediger. Ein Mann von mittelmaͤßi-
gen Kenntniſſen, der ſich beſcheide nicht zu dem Gipfel
der Gelehrſamkeit zu gelangen, und nicht darauf denke
ſich beruͤhmt zu machen, ſey vielleicht der allerbrauch-
barſte und nuͤtzlichſte. Er empfahl dieſe Ruͤckſicht auch fuͤr
die den deutſchen Katholiken beſtimmten Anſtalten in Ita-
lien. In dem Collegium Germanicum ward urſpruͤng-
lich zwiſchen der buͤrgerlichen und der adlichen Jugend ein
Unterſchied in der Behandlung gemacht. Minuccio Mi-
[137]Fortgang in Deutſchland. Weitere Entwuͤrfe.
nucci findet es tadelnswuͤrdig, daß man hievon abgewi-
chen. Nicht allein ſtraͤube ſich nun der Adel, dahin zu
gehn, auch in den Buͤrgerlichen erwache ein Ehrgeiz, dem
hernach nicht genuͤgt werden koͤnne, ein Streben nach ho-
hen Stellen, das der guten Verwaltung der untern nach-
theilig werde. Uebrigens ſuchte man damals noch eine
dritte mittlere Claſſe heranzuziehen: die Soͤhne der hoͤheren
Beamten, die doch nach dem Laufe der Welt einmal wie-
der den groͤßten Antheil an der Verwaltung ihrer vater-
laͤndiſchen Landſchaften bekommen mußten. In Perugia
und Bologna hatte bereits Gregor XIII. Einrichtungen fuͤr
ſie getroffen. Man ſieht wohl: die Standesunterſcheidun-
gen, die noch jetzt die deutſche Welt beherrſchen, waren
ſchon damals ausgeſprochen.
Das Meiſte kam immer auf den Adel an. Ihm vor
allem ſchrieb der Nuntius die Erhaltung des Katholicismus
in Deutſchland zu. Denn da der deutſche Adel ein aus-
ſchließendes Recht auf die Stifter habe, ſo vertheidige er
die Kirche wie ſein Erbgut. Jetzt ſetze er ſich ebendeshalb
der Freiſtellung der Religion in den Stiftern entgegen 1):
er fuͤrchte die große Zahl der proteſtantiſchen Prinzen, wel-
che alsdann alle Pfruͤnden an ſich ziehen wuͤrden. Eben-
darum muͤſſe man auch dieſen Adel ſchuͤtzen und ſchonen.
[138]Buch V. Gegenreformationen.
Man duͤrfe ihn nicht mit dem Geſetz der Singularitaͤt der
Beneficien plagen: ohnehin habe die Abwechſelung der Re-
ſidenzen ihren Nutzen, da vereinige ſich der Adel aus ver-
ſchiedenen Provinzen zum Schutz der Kirche. Auch muͤſſe
man nicht etwa die Stellen an Buͤrgerliche zu bringen ſu-
chen: einige Gelehrte ſeyen in einem Capitel ſehr nuͤtzlich, wie
man in Coͤln bemerkt: aber wollte man hierin weiter gehn,
ſo wuͤrde es den Ruin der deutſchen Kirche verurſachen.
Da entſtand nun die Frage, in wie fern es moͤglich
ſey, die voͤllig zum Proteſtantismus uͤbergetretenen Gebiete
wieder herbeizubringen.
Der Nuntius iſt weit entfernt, zur offenen Gewalt
zu rathen. Bei weitem zu maͤchtig ſcheinen ihm die pro-
teſtantiſchen Fuͤrſten. Aber er giebt einige Mittel an die
Hand, die allmaͤhlig doch auch zum Ziele fuͤhren moͤchten.
Vor allem findet er es nothwendig, das gute Ver-
nehmen zwiſchen den katholiſchen Fuͤrſten beſonders zwi-
ſchen Baiern und Oeſtreich aufrecht zu erhalten. Noch be-
ſtehe der Bund von Landsberg: man muͤſſe ihn erneuern,
erweitern: auch Koͤnig Philipp von Spanien koͤnne man
aufnehmen.
Und ſey es nicht moͤglich, einige proteſtantiſche Fuͤr-
ſten ſelbſt wieder zu gewinnen? — Lange hatte man in
Churfuͤrſt Auguſt von Sachſen eine Hinneigung zum Katho-
licismus wahrzunehmen geglaubt: beſonders durch baieriſche
Vermittelung war wohl dann und wann ein Verſuch auf
ihn gemacht worden: allein nur mit großer Vorſicht hatte
es geſchehen koͤnnen: und da die Gemahlin des Churfuͤrſten,
Anna von Daͤnemark, ſich ſtreng an die Ueberzeugungen
[139]Fortgang in Deutſchland. Weitere Entwuͤrfe.
des Lutherthums hielt, ſo war es immer vergeblich gewe-
ſen. Im Jahre 1585 ſtarb Anna. Es war nicht allein
ein Tag der Erloͤſung fuͤr die bedraͤngten Calviniſten: auch
die Katholiken ſuchten ſich dem Fuͤrſten wieder zu naͤhern.
Es ſcheint doch als habe man in Baiern, wo man
ſich fruͤher immer ſtraͤubte, ſich jetzt bewogen gefuͤhlt ei-
nen Schritt zu thun; ſchon hielt ſich Papſt Sixtus bereit
dem Churfuͤrſten die Abſolution nach Deutſchland zuzuſen-
den 1). Indeſſen ſtarb Churfuͤrſt Auguſt, ehe etwas aus-
[140]Buch V. Gegenreformationen.
gerichtet worden. Aber ſchon faßte man andere Fuͤrſten
ins Auge: Ludwig, Pfalzgrafen von Neuburg, an dem
man Entfernung von allen dem Katholicismus feindſeligen
Intereſſen, auch eine beſondere Schonung katholiſcher Prie-
ſter, die zufaͤllig ſein Gebiet beruͤhrten, bemerken wollte:
— Wilhelm IV. von Heſſen, welcher gelehrt, friedfertig
ſey, und zuweilen die Widmung katholiſcher Schriften an-
genommen. — Auch Maͤnner des hoͤhern norddeutſchen
Adels ließ man nicht aus der Acht, auf Heinrich Ranzau
faßte man Hoffnung.
War nun aber der Erfolg dieſer Verſuche entfernt,
nicht zu berechnen, ſo gab es doch auch andere Entwuͤrfe,
bei deren Ausfuͤhrung es mehr auf den eigenen Entſchluß
und Willen ankam.
Noch immer war die Mehrzahl der Aſſeſſoren des
Kammergerichts, wie wenigſtens der Nuntius verſichert,
proteſtantiſch geſinnt. Es waren noch Maͤnner der fruͤhern
Epoche, wo in den meiſten, auch den katholiſchen Laͤndern
geheime oder offene Proteſtanten in den fuͤrſtlichen Raͤ-
then ſaßen. Der Nuntius findet dieſen Zuſtand geeignet
die Katholiken zur Verzweiflung zu bringen: und dringt
auf eine Abhuͤlfe. Es ſcheint ihm leicht, die Aſſeſſoren
der katholiſchen Laͤnder zur Ablegung des Glaubensbekennt-
niſſes, und alle neu anzuſetzende zu dem Eide zu noͤthi-
gen, daß ſie ihre Religion nicht veraͤndern oder ihre Stelle
aufgeben wollen. Von Rechts wegen gehoͤre den Katholi-
ſchen das Uebergewicht in dieſem Gerichte.
[141]Fortgang in Deutſchland. Weitere Entwuͤrfe.
Noch giebt er ſogar die Hoffnung nicht auf, ohne Ge-
walt, wenn man nur ſeine Befugniſſe mit Nachdruck aus-
uͤbe, wieder in den Beſitz der verloren gegangenen Bisthuͤ-
mer zu gelangen. Noch war nicht alle Verbindung derſelben
mit Rom aufgegeben: noch wies man das alte Recht der
Curie die in den reſervirten Monaten erledigten Pfruͤnden
zu beſetzen nicht geradehin zuruͤck: ſelbſt die proteſtantiſchen
Biſchoͤfe glaubten doch im Grunde noch der paͤpſtlichen
Beſtaͤtigung zu beduͤrfen, und jener Heinrich von Sachſen-
Lauenburg hielt immer einen Agenten zu Rom, um ſie ſich
zu verſchaffen. Wenn der paͤpſtliche Stuhl ſich dieß bis
jetzt noch nicht hatte zu Nutze machen koͤnnen, ſo kam das
daher, weil die Kaiſer dem Mangel der paͤpſtlichen Beſtaͤ-
tigung durch Indulte abhalfen, und die Beſetzungen, die
man fuͤr jene Pfruͤnden von Rom aus vornahm, entweder
zu ſpaͤt eintrafen, oder ſonſt einen Fehler in der Form
hatten, ſo daß das Capitel doch geſetzlich immer freie Hand
behielt. Minucci dringt nun darauf, daß der Kaiſer nie-
mals mehr einen Indult gewaͤhre; was bei der damaligen
Stimmung des Hofes ſich wohl erreichen ließ. Die Be-
ſetzung der Pfruͤnden hatte ſchon der Herzog Wilhelm von
Baiern vorgeſchlagen dem Nuntius oder einem zuverlaͤßi-
gen deutſchen Biſchof anzuvertrauen. Minucci meint, man
muͤſſe zu Rom eine eigene Dataria fuͤr Deutſchland gruͤn-
den: da muͤſſe man ein Verzeichniß von qualificirten adli-
chen Katholiken haben, das ſich ja durch den Nuntius oder
die Vaͤter Jeſuiten leicht in Stand halten laſſe, und nach
deſſen Maaßgabe unverzuͤglich die Ernennungen vollziehen.
Kein Capitel werde es wagen, die geſetzmaͤßig ernannten
[142]Buch V. Gegenreformationen.
roͤmiſchen Candidaten zuruͤckzuweiſen. Und welches Anſehen,
welchen Einfluß muͤſſe dieß der Curie verſchaffen.
Wir ſehen wohl, wie lebhaft man noch auf eine voͤl-
lige Wiederherſtellung der alten Gewalt dachte. Den
Adel zu gewinnen: den hoͤhern Buͤrgerſtand im roͤmiſchen
Intereſſe zu erziehen: die Jugend in dieſem Sinne zu un-
terweiſen: den alten Einfluß auf die Stifter wiederherzu-
ſtellen, obwohl ſie proteſtantiſch geworden: bei dem Kam-
mergerichte das Uebergewicht wieder zu erlangen: maͤchtige
Reichsfuͤrſten zu bekehren: die vorherrſchende katholiſche
Macht in die deutſchen Bundesverhaͤltniſſe zu verflechten:
— ſo viel Entwuͤrfe faßte man auf einmal.
Auch duͤrfen wir nicht glauben, daß dieſe Rathſchlaͤge
vernachlaͤſſigt worden. Als man ſie in Rom vorlegte, war
man in Deutſchland ſchon beſchaͤftigt ſie auszufuͤhren.
Die Thaͤtigkeit und gute Ordnung des Kammergerichts
beruhte vorzuͤglich auf den jaͤhrlichen Viſitationen, die immer
von ſieben Staͤnden des Reichs nach ihrer Reihenfolge am
Reichstage vorgenommen wurden. Oefter war bei dieſen
Viſitationen die Mehrzahl katholiſch geweſen: im Jahre
1588 war ſie einmal proteſtantiſch: der proteſtantiſche Erz-
biſchof von Magdeburg ſollte unter andern daran Theil
nehmen. Katholiſcher Seits entſchloß man ſich dieß nicht
zu geſtatten. Als Churmainz im Begriff war die Staͤnde
zu berufen, befahl ihm der Kaiſer aus eigener Macht, die
Viſitationen fuͤr dieſes Jahr aufzuſchieben. Es war aber
mit Einem Jahre nicht gethan. Die Reihenfolge blieb im-
mer die nemliche: noch lange hatte man einen proteſtanti-
ſchen Erzbiſchof von Magdeburg zu fuͤrchten: man zog es
[143]Ligue.
vor, die Viſitation immer weiter hinauszuſchieben. In der
That erfolgte, daß niemals wieder eine regelmaͤßige Viſita-
tion gehalten worden iſt: was dann dem großartigen In-
ſtitut dieſes hoͤchſten Reichsgerichtes einen unerſetzlichen
Schaden zugefuͤgt hat 1). Bald vernehmen wir die
Klage, daß man dort die ungelehrten Katholiken den ge-
lehrten Proteſtanten vorziehe. Auch hoͤrte der Kaiſer auf
Indulte zu geben. Im J. 1588 rieth Minucci, auf die
Bekehrung proteſtantiſcher Fuͤrſten zu denken: im Jahre
1590 finden wir bereits den erſten uͤbertreten. Es war
Jacob von Baden: er eroͤffnet eine lange Reihe.
Die Ligue.
Indem dieſe große Bewegung Deutſchland und die
Niederlande erfuͤllte, ergriff ſie auch Frankreich mit unwi-
derſtehlicher Gewalt. Die niederlaͤndiſchen Angelegenheiten
hingen von jeher mit den franzoͤſiſchen auf das engſte zu-
ſammen: wie oft waren die franzoͤſiſchen Proteſtanten den
niederlaͤndiſchen, die niederlaͤndiſchen Katholiken den fran-
zoͤſiſchen zu Huͤlfe gekommen; der Ruin des Proteſtantis-
mus in den belgiſchen Provinzen war ein unmittelbarer
Verluſt fuͤr die Hugenotten in Frankreich.
[144]Buch V. Gegenreformationen.
Nun hatte aber auch außerdem die reſtauratoriſche
Tendenz des Katholicismus wie in andern Laͤndern, ſo in
Frankreich immer mehr Fuß gefaßt.
Wir bemerkten bereits den Anfang der Jeſuiten: im-
mer weiter hatten ſie ſich ausgebreitet. Vor allem nahm
ſich ihrer, wie man denken kann, das Haus Lothringen
an. Der Cardinal Guiſe ſtiftete ihnen 1574 eine Akade-
mie zu Pont a Mouſſon, die von den Prinzen des Hau-
ſes beſucht ward. Der Herzog errichtete ein Collegium zu
Eu in der Normandie, welches man zugleich fuͤr die ver-
bannten Englaͤnder beſtimmte.
Aber auch viele andere Goͤnner fanden ſie. Bald war
es ein Cardinal, ein Biſchof, ein Abt, bald ein Fuͤrſt, ein
hochgeſtellter Beamter, der die Koſten einer neuen Stiftung
uͤbernahm. In kurzem ſiedelten ſie ſich in Rouen, Ver-
dun, Dijon, Bourges, Nevers an. In den mannigfaltig-
ſten Richtungen durchziehen ihre Miſſionen das Reich.
Sie fanden aber in Frankreich Gehuͤlfen, deren ſie we-
nigſtens in Deutſchland noch hatten entbehren muͤſſen.
Schon vom Tridentiner Concilium brachte der Cardi-
nal von Lothringen einige Capuziner mit: er gab ihnen in
ſeinem Pallaſt zu Meudon Wohnung; aber nach ſeinem
Tode entfernten ſie ſich wieder. Noch war der Orden durch
ſeine Statuten auf Italien beſchraͤnkt. Im Jahre 1573
ſendete das Generalcapitel ein paar Mitglieder uͤber die
Berge, um zuerſt nur den Boden zu unterſuchen. Als
dieſe gut aufgenommen wurden, ſo daß ſie bei ihrer Ruͤck-
kehr „die reichlichſte Ernte“ verſprachen, trug der Papſt
kein Bedenken jene Beſchraͤnkung aufzuheben. Im J. 1574
be-
[145]Die Ligue.
begab ſich die erſte Colonie der Capuziner unter Fra Pa-
cifico di S. Gervaſo, der ſich ſeine Gefaͤhrten aber ſelbſt
gewaͤhlt, uͤber die Berge.
Es waren alles Italiener. Der Natur der Sache
nach mußten ſie ſich zunaͤchſt an ihre Landsleute halten.
Mit Freuden empfing ſie die Koͤnigin Catharina, und
gruͤndete ihnen ſogleich ein Kloſter in Paris. Schon im
Jahre 1575 finden wir ſie auch in Lyon. Auf die Em-
pfehlung der Koͤnigin bekamen ſie hier die Unterſtuͤtzung ei-
niger italieniſchen Wechsler.
Von hier breiteten ſie ſich nun weiter aus: von Pa-
ris nach Caen, Rouen: von Lyon nach Marſeille, wo ih-
nen Koͤnigin Catharina eine Bauſtelle ankaufte: neue Co-
lonien ſiedelten ſich 1582 in Toulouſe, 1585 in Verdun
an. Gar bald gelangen ihnen die glaͤnzendſten Bekehrun-
gen, wie 1587 von Henry Joyeuſe, einem der erſten Maͤn-
ner des damaligen Frankreichs 1).
In Einem Sinne wenigſtens hatte aber dieſe religioͤſe
Bewegung in Frankreich ſelbſt eine noch groͤßere Wirkung
als in Deutſchland. Sie brachte ſchon freie Nachahmun-
gen in eigenthuͤmlichen Formen hervor. Jean de la Bar-
riere, der die Ciſtercienſer Abtei Feuillans unfern Toulouſe,
nach den beſondern Mißbraͤuchen die in Frankreich einge-
riſſen, ſchon im 19ten Lebensjahre als Commende bekom-
men, ließ ſich im Jahre 1577 als regelmaͤßigen Abt ein-
ſegnen, und nahm Novizen auf, mit denen er die Strenge
des urſpruͤnglichen Inſtitutes von Citeaux nicht allein zu
Päpſte* 10
[146]Buch V. Gegenreformationen.
erneuern, ſondern zu uͤbertreffen ſuchte. Einſamkeit, Still-
ſchweigen, Enthaltſamkeit wurden ſo weit als moͤglich getrie-
ben. Dieſe Moͤnche verließen ihr Kloſter niemals anders,
als um in einem benachbarten Orte zu predigen: innerhalb
deſſelben trugen ſie weder Schuhe noch eine Kopfbedeckung:
ſie verſagten ſich nicht nur Fleiſch und Wein, ſondern auch
Fiſche und Eier: ſie lebten von Brod und Waſſer, hoͤch-
ſtens ein wenig Gemuͤſe 1). Dieſe Strenge verfehlte nicht
Aufſehen zu erregen und Nachfolge zu erwecken: gar bald
ward Dom Jean de la Barriere an den Hof von Vin-
cennes berufen. Er zog mit 62 Gefaͤhrten, ohne von den
Uebungen des Kloſters etwas nachzulaſſen, durch einen großen
Theil von Frankreich: bald darauf ward ſein Inſtitut von
dem Papſt beſtaͤtigt, und breitete ſich uͤber das Land aus.
Es war aber auch, als ſey uͤber die geſammte Welt-
geiſtlichkeit, obwohl die Stellen unverantwortlich vergeben
wurden, ein neuer Eifer gekommen. Die Weltprieſter nah-
men ſich der Seelſorge wieder eifrig an. Die Biſchoͤfe
forderten im Jahre 1570 nicht allein die Annahme des
tridentiniſchen Concils, ſondern ſogar die Abſchaffung des
Concordats, dem ſie doch ſelbſt ihr Daſeyn verdankten; von
Zeit zu Zeit erneuten und ſchaͤrften ſie dieſe Antraͤge 2).
Wer will die Momente genau angeben, durch welche
das geiſtige Leben in dieſe Richtung getrieben wurde: ſo
viel iſt gewiß, daß man bereits um das Jahr 1580 die
[147]Die Ligue.
groͤßte Veraͤnderung wahrnahm. Ein Venezianer verſichert,
die Zahl der Proteſtanten habe um 70 Procent abgenom-
men: das gemeine Volk war wieder ganz katholiſch. Fri-
ſche Anregung, Neuheit und Kraft des Impulſes waren
wieder auf Seiten des Katholicismus 1).
In dieſer Entwickelung bekam er aber eine neue Stel-
lung gegen die koͤnigliche Gewalt.
Schon an ſich lebte der Hof in lauter Widerſpruͤ-
chen. Es ließ ſich nicht zweifeln, daß Heinrich III. gut
katholiſch war: man kam bei ihm nicht fort, wenn man
nicht die Meſſe beſuchte, er wollte keine proteſtantiſchen
Magiſtrate mehr in den Staͤdten: aber trotz alle dem blieb
er doch nach wie vor dabei die geiſtlichen Stellen nach
der Convenienz der Hofgunſt zu beſetzen, ohne alle Ruͤck-
ſicht auf Wuͤrdigkeit und Talent, die geiſtlichen Guͤter an
ſich zu ziehen und zu vergeuden. Er liebte religioͤſe Uebun-
gen, Proceſſionen, erſparte ſich keine Caſteiung: aber dieß
hinderte ihn nicht das anſtoͤßigſte Leben ſelbſt zu fuͤhren
und Andern zu geſtatten. Eine recht verworfene Liederlich-
keit war am Hofe an der Tagesordnung. Die Ausſchwei-
fungen des Carnevals erregten die Entruͤſtungen der Predi-
ger: zuweilen wollte man die Hofleute wegen der Art ih-
res Todes und ihrer letzten Aeußerungen nicht beerdigen:
es waren eben die Lieblinge des Koͤnigs.
10*
[148]Buch V. Gegenreformationen.
Daher geſchah, daß die ſtreng katholiſche Richtung,
obwohl auf mancherlei Weiſe vom Hofe beguͤnſtigt, doch
mit ihm in innere Oppoſition gerieth.
Aber uͤberdieß ließ auch der Koͤnig von der alten Po-
litik, welche ſich hauptſaͤchlich in Feindſeligkeiten gegen
Spanien bewegte, nicht ab. Zu einer andern Zeit haͤtte
dieß nichts zu bedeuten gehabt. Damals aber war das
religioͤſe Element auch in Frankreich ſtaͤrker als das Ge-
fuͤhl der nationalen Intereſſen. Wie die Hugenotten mit
den niederlaͤndiſchen Proteſtanten, ſo fuͤhlten ſich die Ka-
tholiſchen in einem natuͤrlichen Bunde mit Philipp II. und
Farneſe. Die Jeſuiten, welche dieſen in den Niederlanden
ſo große Dienſte leiſteten, konnten nicht ohne Unruhe ſehen,
daß eben die Feinde die ſie dort bekaͤmpften, Gunſt und
Huͤlfe in Frankreich fanden.
Dazu kam nun aber, daß der Herzog von Alençon
im Jahre 1584 ſtarb, und hiedurch, da der Koͤnig weder
Erben hatte noch auch Hoffnung deren zu bekommen, die
naͤchſte Anwartſchaft auf die Krone an Heinrich Koͤnig von
Navarra gelangte.
Vielleicht vermag die Beſorgniß vor der Zukunft uͤber
die Menſchen noch mehr als ein Ungluͤck des Augenblicks.
Dieſe Ausſicht ſetzte alle katholiſchen Franzoſen in die groͤßte
Bewegung 1).
[149]Die Ligue.
Vor allem aber die alten Gegner und Bekaͤmpfer Na-
varras, die Guiſen, welche ſchon den Einfluß, den er als
Thronfolger bekommen mußte, wie viel mehr ſeine ſpaͤtere
Macht fuͤrchteten.
Kein Wunder, wenn ſie einen Ruͤckhalt an Koͤnig
Philipp ſuchten; dieſem Fuͤrſten konnte nichts willkomme-
ner ſeyn: er trug kein Bedenken mit den Unterthanen ei-
nes fremden Reiches ein foͤrmliches Buͤndniß einzugehn.
Es fragte ſich nur, ob man in Rom, wo man ſo
oft von einer Verbindung der Fuͤrſten mit der Kirche ge-
redet, jetzt die Erhebung maͤchtiger Vaſallen gegen ihren
Koͤnig billigen wuͤrde.
Es laͤßt ſich doch nicht leugnen, daß dieß geſchehen
iſt. Unter den Guiſen gab es noch einige uͤber den Schritt,
den man zu thun vor hatte, beunruhigte Gewiſſen. Der
Jeſuit Matthieu begab ſich nach Rom, um eine Erklaͤrung
des Papſtes auszubringen, durch welche ihre Scrupel be-
ſchwichtigt werden koͤnnten. Gregor XIII. erklaͤrte auf die
Vorſtellungen Matthieus: er billige vollkommen die Ab-
ſicht der franzoͤſiſchen Prinzen die Waffen gegen die Ketzer
zu ergreifen: er nehme jeden Scrupel hinweg, den ſie dar-
uͤber hegen koͤnnten: gewiß werde der Koͤnig ſelbſt ihr Vor-
haben billigen: ſollte das aber auch nicht der Fall ſeyn, ſo
wuͤrden ſie doch ihren Plan zu verfolgen haben, um zu
dem vornehmſten Zwecke der Vertilgung der Ketzer zu ge-
langen 1). Schon war der Proceß gegen Heinrich von
[150]Buch V. Gegenreformationen.
Navarra eingeleitet. Als er vollendet war, hatte Sixtus V.
den paͤpſtlichen Stuhl beſtiegen: Sixtus ſprach die Excom-
munication uͤber Navarra und Condé aus. Die Inten-
tionen der Ligue unterſtuͤtzte er hiedurch mehr, als er es durch
irgend eine andere Bewilligung vermocht haͤtte 1).
Schon hatten damals die Guiſen zu den Waffen ge-
griffen. Sie verſuchten ſich ſo vieler Provinzen und Plaͤtze
als nur immer moͤglich unmittelbar zu verſichern.
Bei der erſten Bewegung nahmen ſie ſo wichtige
Staͤdte, wie Verdun und Toul, Lyon, Bourges, Orleans,
Mezieres, ohne Schwertſtreich ein. Der Koͤnig, um ihnen
nicht ſofort zu unterliegen, ergriff das ſchon einmal er-
probte Mittel, ihre Sache fuͤr die ſeine zu erklaͤren. Aber
um von ihnen angenommen zu werden, mußte er ihnen in
einem foͤrmlichen Vertrage ihre Erwerbungen beſtaͤtigen und
erweitern: Bourgogne, Champagne, einen großen Theil der
Picardie und eine Menge Plaͤtze in andern Theilen des
Reiches uͤberließ er ihnen 2).
Hierauf unternahmen ſie gemeinſchaftlich den Krieg ge-
gen die Proteſtanten. Aber welch ein Unterſchied! Alle
Maaßregeln des Koͤnigs waren halb und erfolglos: die Ka-
tholiken glaubten ſelbſt, er wuͤnſche den Succeß der prote-
ſtantiſchen Waffen, um alsdann, von ihrer gefahrdrohenden
Macht ſcheinbar gezwungen, einen fuͤr die Katholiſchen un-
[151]Die Ligue.
vortheilhaften Frieden ſchließen zu koͤnnen. Guiſe dage-
gen ſchwur, wenn ihm Gott Sieg verleihe, ſo wolle er
nicht wieder vom Pferde ſteigen, bis er die katholiſche
Religion in Frankreich auf immer befeſtigt habe. Mit ſei-
nen eigenen, nicht mit den koͤniglichen Truppen uͤberraſchte
er die Deutſchen, welche den Hugenotten zu Huͤlfe kamen,
auf welche dieſe alle ihre Hoffnungen bauten, bei Auneau,
und vernichtete ſie gaͤnzlich.
Der Papſt verglich ihn mit Judas Maccabaͤus. Er
war eine großartige Natur, die das Volk in freiwilliger
Verehrung mit ſich fortriß. Er wurde der Abgott aller
Katholiken.
Der Koͤnig dagegen befand ſich in einer durchaus fal-
ſchen Stellung: er wußte ſelbſt nicht was er thun, nicht
einmal was er wuͤnſchen ſollte. Der paͤpſtliche Geſandte
Moroſini findet, er beſtehe gleichſam aus zwei Perſonen:
er wuͤnſche die Niederlagen der Hugenotten, und fuͤrchte ſie
eben ſo ſehr: er fuͤrchte die Niederlagen der Katholiken, und
wuͤnſche ſie doch auch: durch dieſen innern Zwieſpalt ſey es
dahin gekommen, daß er ſeinen Neigungen nicht mehr folge,
ſeinen eigenen Gedanken nicht mehr glaube 1).
Eine Stimmung, welche nothwendig alles Vertrauen
raubt und gerades Wegs ins Verderben fuͤhrt.
Die Katholiken hielten dafuͤr, daß eben der, der an
ihrer Spitze ſtehe, insgeheim wider ſie ſey: jede fluͤchtige
[152]Buch V. Gegenreformationen.
Veruͤhrung mit den Leuten des Navarra, jede geringfuͤ-
gige Beguͤnſtigung irgend eines Proteſtanten rechneten ſie
ihm an: ſie hielten dafuͤr, daß der allerchriſtlichſte Koͤnig
ſelbſt die voͤllige Wiederherſtellung des Katholicismus hin-
dere: ſeinen Guͤnſtlingen, vor allem Epernon widmeten ſie
einen um ſo groͤßern Haß, da der Koͤnig ihn den Guiſen
entgegenſetzte und ihm die wichtigſten Gouvernements an-
vertraute.
Unter dieſen Umſtaͤnden bildete ſich dem Bunde der
Fuͤrſten zur Seite auch eine Union der Buͤrger im katholi-
ſchen Sinne. In allen Staͤdten ward das Volk durch
Prediger bearbeitet, welche eine wilde Oppoſition gegen die
Regierung mit einem heftigen religioͤſen Eifer vereinigten.
In Paris ging man weiter. Es waren drei Prediger und
ein angeſehener Buͤrger welche zuerſt den Gedanken faßten
eine populaͤre Vereinigung zur Vertheidigung des Katho-
licismus zu ſtiften 1). Sie ſchwuren einander zuvoͤrderſt
ſelbſt ihren letzten Blutstropfen dafuͤr aufzuopfern: jeder
nannte ein paar ſichere Freunde. Ihre erſte Zuſammen-
[153]Die Ligue.
kunft mit dieſen hielten ſie in einer geiſtlichen Zelle in
der Sorbonne. Bald ſahen ſie die Moͤglichkeit die ganze
Stadt zu umfaſſen. Es ward ein engerer Ausſchuß auf-
geſtellt, welcher die Bewegung zu leiten und im Nothfall
ſelbſt Geld einzufordern hatte. In jedem der ſechszehn
Quartiere der Stadt ward Eine Perſon mit der Aufſicht
beauftragt. Auf das raſcheſte und geheimſte ſchritt die An-
werbung fort. Ueber die Neuaufzunehmenden ward in
dem Ausſchuß erſt berathſchlagt: denen die man nicht bil-
ligte, ward nichts weiter mitgetheilt. In den verſchie-
denen Collegien hatte man ſeine Leute: einen fuͤr die Re-
chenkammer, einen fuͤr die Procuratoren des Hofes, einen
fuͤr die Clercs, einen fuͤr die Greffiers: ſo weiter. Bald
war die Stadt, die ohnehin eine katholiſch-militaͤriſche Or-
ganiſation empfangen, von dieſem geheimeren und wirkſa-
meren Bunde umfaßt. Man war mit Paris nicht zufrie-
den: in Orleans, Lyon, Toulouſe, Bourdeaux, Rouen
ſetzte ſich die Verbindung fort: und es erſchienen Abgeord-
nete der Einverſtandenen in Paris. Sie verbanden ſich
alle, keinen Hugenotten in Frankreich zu dulden und die
Mißbraͤuche der Regierung abzuſchaffen.
Es iſt der Bund genannt der Sechszehn. So wie er
ſich einigermaaßen erſtarkt ſah, gab er den Guiſen Nach-
richt. Im tiefſten Geheimniß kam Mayenne, der Bruder
des Herzogs nach Paris. Die Fuͤrſten und die Buͤrger
ſchloſſen ihre Union 1).
[154]Buch V. Gegenreformationen.
Schon fuͤhlte der Koͤnig den Boden unter ſeinen Fuͤ-
ßen beben. Man hinterbrachte ihm von Tag zu Tag die
Bewegungen ſeiner Gegner. Schon war man in der Sor-
bonne ſo kuͤhn die Frage vorzulegen, ob es recht ſey, ei-
nem Fuͤrſten der ſeine Pflicht nicht thue, den Gehorſam
zu entziehen. In einem Rathe von dreißig bis vierzig
Doctoren bejahte man ſie. Der Koͤnig war hoͤchſt entruͤ-
ſtet: er drohte, es wie Papſt Sixtus zu machen und
die widerſpenſtigen Prediger an die Galeere ſchmieden zu
laſſen. Allein er hatte nicht die Thatkraft des Papſtes:
er that nichts weiter, als daß er die Schweizer, die in
ſeinem Dienſt waren, in die Naͤhe der Hauptſtadt vor-
ruͤcken ließ.
Erſchrocken uͤber die Drohung, die hierin lag, ſchick-
ten die Buͤrger an Guiſe, und baten ihn zu kommen und
ſie zu beſchuͤtzen. Der Koͤnig ließ ihn wiſſen, daß er es
nicht gern ſehen werde. Guiſe kam dennoch.
Es war alles reif zu einer großen Exploſion.
Als der Koͤnig die Schweizer einruͤcken ließ, brach ſie
aus. In Einem Moment war die Stadt barricadirt. Die
Schweizer wurden zuruͤckgedraͤngt, der Louvre bedroht: der
Koͤnig mußte ſich zur Flucht entſchließen 1).
Schon hatte Guiſe einen ſo großen Theil von Frank-
reich inne: jetzt ward er auch Herr von Paris. Baſtille,
Arſenal, Hotel de Ville, alle umliegenden Orte fielen in
ſeine Hand. Der Koͤnig war ganz uͤberwaͤltigt In kur-
[155]Die Ligue.
zem mußte er ſich bequemen, zu einem Verbot der prote-
ſtantiſchen Religion zu ſchreiten, und den Guiſen noch mehr
Plaͤtze einzuraͤumen, als ſie ſchon hatten. Der Herzog von
Guiſe konnte als Herr der Haͤlfte von Frankreich angeſe-
hen werden. Ueber die andere gab ihm die Wuͤrde eines
General-Lieutenants des Koͤnigreichs, die ihm Heinrich III.
verlieh, eine geſetzliche Autoritaͤt. Die Staͤnde wurden zu-
ſammenberufen. Es war kein Zweifel, daß die katholiſche
Meinung das Uebergewicht in dieſer Verſammlung haben
wuͤrde. Es waren von ihr die entſcheidendſten Schritte
zum Verderben der Hugenotten, zu Gunſten ber katholiſch-
guiſiſchen Partei zu erwarten.
Savoyen und die Schweiz.
Es verſteht ſich, daß das Uebergewicht des Katholi-
cismus in dieſem maͤchtigen Reiche auch auf die benach-
barten Gebiete eine verwandte Wirkung ausuͤben mußte.
Namentlich ſchloſſen ſich die katholiſchen Cantone der
Schweiz immer enger an das geiſtliche Princip, das ſpa-
niſche Buͤndniß an.
Es iſt auffallend, welch ungemeine Wirkungen die Er-
richtung einer ſtehenden Nuntiatur, wie in Deutſchland, ſo
auch in der Schweiz nach ſich zog.
Unmittelbar nachdem ſie Statt gefunden, im Jahre
1586, vereinigten ſich die katholiſchen Cantone zu dem ſo-
genannten goldenen oder borromaͤiſchen Bunde, in welchem
ſie ſich und auf ewig ihre Nachkommen verbinden, „bei
[156]Buch V. Gegenreformationen.
dem wahren ungezweifelten alten apoſtoliſchen roͤmiſchen ka-
tholiſchen Glauben zu leben und zu ſterben“ 1). Darauf
empfingen ſie die Hoſtie aus der Hand des Nuntius.
Waͤre die Partei, welche ſich 1587 zu Muͤhlhauſen
der Gewalt bemaͤchtigte, wirklich, wie ſie dazu Miene machte,
und zur rechten Zeit zum katholiſchen Glauben uͤbergetre-
treten, ſo wuͤrde ſie von den Katholiken ohne Zweifel un-
terſtuͤtzt worden ſeyn: in dem Hauſe des Nuntius zu Lu-
zern wurden bereits Conferenzen daruͤber gehalten. Aber
die Muͤhlhaͤuſer bedachten ſich zu lange: auf das ra-
ſcheſte fuͤhrten dagegen die Proteſtanten ihren Zug aus,
durch welchen ſie die alte hauptſaͤchlich ihnen zugewandte
Regierung wiederherſtellten 2).
In dieſem Augenblicke aber thaten die drei Waldſtaͤtte
mit Zug, Luzern und Freiburg einen neuen bedeutenden
Schritt. Nach langer Unterhandlung ſchloſſen ſie am 12. Mai
1587 einen Bund mit Spanien, in welchem ſie dem Koͤnig
immerwaͤhrende Freundſchaft zuſagten, ihm Werbungen
in ihrem Gebiete, den Durchzug durch ihre Gebirge ver-
ſtatteten, und Philipp II. ihnen entſprechende Zugeſtaͤndniſſe
machte. Hauptſaͤchlich gelobten ſie einander, im Falle ſie
um der heiligen apoſtoliſchen Religion willen in einen Krieg
verwickelt wuͤrden, wechſelſeitigen Beiſtand aus allen ih-
[157]Savoyen und die Schweiz.
ren Kraͤften 1). Die fuͤnf Orte nahmen bei dieſem Ab-
kommen Niemand aus, ſelbſt nicht ihre Eidgenoſſen. Viel-
mehr war der Bund ohne Zweifel eben dieſen entgegenge-
ſetzt: es gab ſonſt Niemand, mit dem ſie um der Reli-
gion willen haͤtten beſorgen muͤſſen in Krieg zu gerathen.
Wie viel ſtaͤrker war doch auch hier das religioͤſe
Moment als das nationale! Die Gemeinſchaft im Glau-
ben vereinigte jetzt die alten Schwytzer und das Haus
Oeſtreich! Die Eidgenoſſenſchaft ward fuͤr den Augenblick
hintangeſetzt.
Ein Gluͤck war es noch, daß es keinen Anlaß zu au-
genblicklicher Fehde gab. Der Einfluß jener Verbindungen
ward zunaͤchſt nur von Genf empfunden.
Der Herzog von Savoyen, Carl Emanuel, ein Fuͤrſt
ſein Lebelang von unruhigem Ehrgeiz, hatte ſchon oft die
Neigung gezeigt ſich bei guͤnſtiger Gelegenheit der Stadt
Genf wieder zu bemaͤchtigen, als deren rechtmaͤßigen Herrn
er ſich betrachtete: aber immer waren ſeine Abſichten von vorn
herein an dem Widerſtande der Schweizer und der Franzo-
ſen, an dem Schutze, den dieſe Maͤchte den Genfern ange-
deihen ließen, geſcheitert.
Jetzt aber hatten ſich die Verhaͤltniſſe geaͤndert. Im
Sommer 1588, unter dem Einfluß Guiſe’s, verſprach Hein-
rich III. eine Unternehmung gegen Genf nicht mehr ſtoͤ-
ren zu wollen. Wenigſtens die katholiſchen Cantone der
Schweiz hatten jetzt nichts mehr dagegen. So viel ich
[158]Buch V. Gegenreformationen.
finde, forderten ſie nur, daß Genf, wenn es erobert ſey,
nicht als Feſtung beſtehn ſolle.
Hierauf ruͤſtete ſich der Herzog zum Angriff. Die
Genfer verloren den Muth nicht: mit ihren Verbuͤndeten
von Bern vereint drangen ſie ſogar in das herzogliche Gebiet
vor: allein gar bald war der Herzog im Vortheil. Die
Eingedrungenen wurden wieder verjagt. Der Herzog, der
die zunaͤchſt an die Schweiz grenzenden Grafſchaften nur
unter ſehr beſchraͤnkenden Bedingungen beſaß, die ihm
durch fruͤhere Friedensſchluͤſſe mit Bern aufgelegt worden,
ergriff die Gelegenheit ſich zunaͤchſt hier vollkommener zum
Herrn zu machen. Er verjagte die Proteſtanten, die er
bisher dulden muͤſſen: das ganze Land machte er ausſchlie-
ßend katholiſch. Bisher war ihm verboten geweſen auf
dieſem Theil ſeines Gebietes Feſtungen anzulegen. Jetzt
gruͤndete er deren an Stellen, wo ſie ihm nicht allein zur
Vertheidigung, ſondern auch zur Bedraͤngung von Genf
dienen mußten.
Ehe aber dieſe Verhaͤltniſſe ſich weiter entwickelten,
waren andere Unternehmungen in Gang gekommen, welche
noch ungleich wichtigere Erfolge, eine vollſtaͤndige Umwan-
delung der europaͤiſchen Verhaͤltniſſe erwarten ließen.
Angriff auf England.
Die Niederlande waren zum groͤßern Theile bezwun-
gen: und es ward bereits uͤber eine freiwillige Unterwer-
fung der uͤbrigen verhandelt: in Deutſchland hatte ſich die
[159]Angriff auf England.
katholiſche Bewegung ſo vieler Territorien bemeiſtert, und
es war ein Anſchlag gefaßt ſich der noch fehlenden zu be-
maͤchtigen. Durch Siege, Beſetzungen der feſten Plaͤtze,
Anhaͤnglichkeit des Volkes und geſetzliche Autoritaͤt ging der
Vorfechter des franzoͤſiſchen Katholicismus auf einem Wege
daher, der ihn zur Alleinherrſchaft fuͤhren zu muͤſſen ſchien.
Auch die alte Metropole der proteſtantiſchen Doctrin, die
Stadt Genf, ward durch ihre bisherigen Buͤndniſſe nicht
mehr geſchuͤtzt. In dieſem Augenblick ward nun der Plan
gefaßt dem Baume die Axt an die Wurzel zu legen und
England anzugreifen.
Der Mittelpunkt der geſammten proteſtantiſchen Macht
und Politik war ohne Zweifel in England. An Koͤnigin
Eliſabeth hatten die noch unbezwungenen niederlaͤndiſchen
Provinzen, ſo wie die Hugenotten in Frankreich ihren vor-
nehmſten Ruͤckhalt.
Aber auch ſchon in England war, wie wir ſahen,
der innerliche Kampf eroͤffnet. Von einer abſichtlich zu die-
ſem Zwecke genaͤhrten religioͤſen Begeiſterung und der Liebe
zur Heimath zugleich angetrieben, kamen immer neue Zoͤg-
linge der Seminarien, immer mehr Jeſuiten heruͤber. Koͤ-
nigin Eliſabeth begegnete ihnen mit ſcharfen Geſetzen. Im
Jahre 1582 ließ ſie es geradezu fuͤr Hochverrath erklaͤren
einen ihrer Unterthanen von der in dem Reiche eingefuͤhr-
ten Religion zu der roͤmiſchen verleiten zu wollen 1). Im
Jahre 1585 gebot ſie allen Jeſuiten und Prieſtern der Se-
minarien England binnen 40 Tagen zu verlaſſen, bei Strafe
[160]Buch V. Gegenreformationen.
als Landesverraͤther behandelt zu werden: ungefaͤhr eben
ſo wie die proteſtantiſchen Prediger aus ſo vielen Gebieten
katholiſcher Fuͤrſten weichen mußten 1). In dieſem Sinne
ließ ſie damals die hohe Commiſſion in Wirkſamkeit tre-
ten: einen Gerichtshof, ausdruͤcklich dazu beſtimmt den
Uebertretungen der Acten des Supremats und der Unifor-
mitaͤt nachzuforſchen, nicht allein in den gewoͤhnlichen ge-
ſetzlichen Formen, ſondern durch welche Mittel und Wege
es immer rathſam ſcheinen moͤge, auch durch die Ab-
noͤthigung eines koͤrperlichen Eides: eine Art von prote-
ſtantiſcher Inquiſition 2). Bei alle dem wollte Eliſabeth
noch immer das Anſehen vermeiden, als ob ſie die Frei-
heit des Gewiſſens verletze. Sie erklaͤrte, nicht die Her-
ſtellung der Religion liege jenen Jeſuiten am Herzen: ihre
Abſicht ſey nur das Land zum Abfall von der Regierung
zu verleiten und auswaͤrtigen Feinden den Weg zu bahnen.
Die Miſſionarien proteſtirten „vor Gott und den Heiligen“,
wie ſie ſagen, „vor Himmel und Erde“, ihr Zweck ſey
lediglich religioͤſer Art und beruͤhre die koͤnigliche Majeſtaͤt
nicht 3). Allein welcher Verſtand waͤre faͤhig geweſen dieſe
Mo-
[161]Angriff auf England.
Momente zu unterſcheiden. Nicht mit einer einfachen Be-
theuerung ließen ſich die Inquiſitoren der Koͤnigin abwei-
ſen. Sie forderten eine Erklaͤrung, ob der Fluch, welchen
Pius V. uͤber die Koͤnigin ausgeſprochen, rechtmaͤßig ſey
und einen Englaͤnder verpflichte: die Gefangenen ſollten ſa-
gen, wenn der Papſt ſie von dem Eide der Treue entbinde
und England angreife, was ſie dann thun, auf welche
Seite ſie ſich halten wuͤrden. Die armen geaͤngſtigten Leute
wußten nicht, wie ſie ſich herauswinden ſollten. Sie ant-
worteten wohl, ſie wuͤrden dem Kaiſer geben was des Kai-
ſers und Gott was Gottes ſey, aber dieſe Ausflucht ſelbſt
nahmen ihre Richter fuͤr ein Geſtaͤndniß. Und ſo erfuͤll-
ten ſich die Gefaͤngniſſe: Hinrichtung erfolgte auf Hinrich-
tung: auch der Katholicismus bekam ſeine Maͤrtyrer: —
man hat ihre Anzahl unter der Regierung der Eliſabeth
auf ungefaͤhr 200 ſchaͤtzen wollen. Natuͤrlich ward damit
der Eifer der Miſſionarien doch nicht unterdruͤckt: mit der
Strenge der Geſetze wuchs die Anzahl der Widerſpenſtigen,
der Recuſanten, wie man ſie nannte, wuchs auch ihre Er-
bitterung: an den Hof ſelbſt gelangten Flugſchriften, in de-
nen die That der Judith an Holofernes als ein nachah-
mungswuͤrdiges Beiſpiel von Gottesfurcht und Heldenmuth
aufgeſtellt wurde: noch immer wandten ſich die Blicke der
Meiſten nach der gefangenen Koͤnigin von Schottland, die
ja den paͤpſtlichen Ausſpruͤchen zufolge die rechtmaͤßige Fuͤr-
ſtin von England war: ſie hofften noch immer einen allge-
meinen Umſchwung der Dinge von einem Angriff der ka-
tholiſchen Maͤchte. In Italien und Spanien wurden die
herbſten Darſtellungen der Grauſamkeiten verbreitet, denen
Päpſte* 11
[162]Buch V. Gegenreformationen.
die Rechtglaͤubigen in England ausgeſetzt ſeyen: Darſtel-
lungen die jedes katholiſche Herz empoͤren mußten 1).
Vor allem nahm Papſt Sixtus daran Antheil. Es iſt
ganz wahr, daß er fuͤr eine ſo großartige und tapfere Per-
ſoͤnlichkeit, wie ſie Eliſabeth zeigte, eine gewiſſe Hochach-
tung empfand, und er hat wirklich einmal den Antrag an
ſie gebracht, ſie moͤge in den Schooß der katholiſchen
Kirche zuruͤckkehren. Sonderbarer Antrag! Als ob ſie haͤtte
waͤhlen koͤnnen, als ob nicht ihr bisheriges Leben, die Be-
edeutung ihres Daſeyns, ihre Weltſtellung, wenn ja ihre
Ueberzeugung nicht vollkommen geweſen waͤre, ſie an die
proteſtantiſchen Intereſſen gefeſſelt haͤtte! Eliſabeth erwie-
derte kein Wort, aber ſie lachte. Als der Papſt dieß hoͤrte,
ſagte er, er muͤſſe darauf denken, ihr das Koͤnigreich mit
Gewalt zu entreißen.
Vorher hatte er es nur angedeutet. Im Fruͤhjahr
1586 ging er ſchon unverholen heraus. Er ruͤhmte ſich,
den Koͤnig von Spanien zu einer Unternehmung gegen Eng-
land ganz anders unterſtuͤtzen zu wollen, als Carl V. von
fruͤhern Paͤpſten unterſtuͤtzt worden ſey. 2)
Im Januar 1587 klagte er laut uͤber die Saumſe-
[163]Angriff auf England.
ligkeit der Spanier. Er zaͤhlte die Vortheile auf, die ih-
nen ein engliſcher Sieg fuͤr die Wiedereroberung des Re-
ſtes der Niederlande darbiete! 1)
Schon wurde er bitter daruͤber. Als Philipp II. eine
Pragmatica erließ, durch welche die Titulaturen uͤberhaupt,
und mithin auch die beſchraͤnkt wurden, welche die roͤmi-
ſche Curie in Anſpruch nahm, gerieth der Papſt in Feuer
und Flamme. „Wie?“ rief er aus, „gegen uns will Don
Philipp ungeſtuͤm thun, und laͤßt ſich von einem Weibe
mißhandeln?“ 2)
In der That: geſchont wurde der Koͤnig nicht. Eli-
ſabeth nahm ſich der Niederlaͤnder oͤffentlich an: alle ame-
rikaniſchen und europaͤiſchen Kuͤſten machte Drake unſicher.
Was Papſt Sixtus ausſprach, war im Grunde die Mei-
nung aller Katholiken. Sie wurden irre an dem maͤchti-
gen Koͤnig, der ſich ſo viel gefallen laſſe. Die Cortes von
Caſtilien lagen ihn an, ſich zu raͤchen.
Sogar perſoͤnlich war Philipp beleidigt. In Comoͤ-
dien und Maskenzuͤgen ward er verſpottet, und einmal hin-
brachte man ihm das doch. Der bejahrte Herr, nur der
Verehrung gewohnt, ſprang von ſeinem Stuhl auf: nie-
mals hatte man ihn ſo entruͤſtet geſehen.
In dieſer Stimmung waren Papſt und Koͤnig, als die
Nachricht einlief, Eliſabeth habe die gefangene Koͤnigin von
Schottland hinrichten laſſen. Es iſt hier nicht der Ort zu
unterſuchen, welche rechtliche Befugniß ſie dazu gehabt ha-
11*
[164]Buch V. Gegenreformationen.
ben moͤge: hauptſaͤchlich war es doch ein Act politiſcher
Juſtiz. Der erſte Gedanke entſprang, ſo viel ich finde, be-
reits zur Zeit der Bartholomaͤusnacht. In einem ſeiner
Briefe an Lord Burghley druͤckt der damalige Biſchof von
London die Beſorgniß aus, daß ein ſo verraͤtheriſches Be-
ginnen ſich auch uͤber England ausdehnen moͤge; er findet,
der Grund dieſer Gefahr liege hauptſaͤchlich in der ſchot-
tiſchen Koͤnigin: „die Sicherheit des Reiches“, ruft er aus,
„erfordert ihr das Haupt abzuſchlagen“ 1). Um wie viel
maͤchtiger war aber jetzt die katholiſche Partei in Europa
geworden: wie viel mehr war ſie ſelbſt in England in
Gaͤhrung und Bewegung! Mit den Guiſen ihren Vet-
tern, den Mißvergnuͤgten im Lande, mit dem Koͤnig von
Spanien und dem Papſt ſtand Maria Stuart unaufhoͤrlich
in geheimer Verbindung. Das katholiſche Princip, in wie
fern es ſeiner Natur nach der beſtehenden Regierung ent-
gegengeſetzt war, repraͤſentirte ſich in ihr: bei dem erſten
Succeß der katholiſchen Partei wuͤrde ſie unfehlbar zur Koͤ-
nigin ausgerufen worden ſeyn. Dieſe ihre Stellung, aus
der Lage der Dinge entſpringend, der ſie ſich denn aller-
dings nicht entzog, buͤßte ſie mit dem Leben.
Aber dieſe Hinrichtung brachte nun auch die ſpani-
ſchen und paͤpſtlichen Entwuͤrfe endlich zur Reife. So viel
wollte man ſich doch nicht gefallen laſſen. Sixtus erfuͤllte
das Conſiſtorium mit ſeinen Ausrufungen uͤber die engli-
[165]Angriff auf England.
ſche Jezabel, welche ſich an dem geweiheten Haupt einer
Fuͤrſtin vergreife, die Niemand unterthan ſey, als Jeſu
Chriſto und, wie ſie ſelbſt bekannt habe, dem Stellver-
treter deſſelben. Um zu zeigen wie ſo ganz er die Thaͤtig-
keit der katholiſchen Oppoſition in England billige, ernannte
er den erſten Begruͤnder der Seminarien, Wilhelm Allen,
zum Cardinal der Kirche: eine Ernennung, in der man
wenigſtens in Rom ſogleich eine Kriegserklaͤrung gegen
England erblickte. Auch ward nunmehr ein foͤrmlicher
Bund zwiſchen Philipp II. und dem Papſt abgeſchloſſen 1).
Der Papſt verſprach dem Koͤnig eine Beihuͤlfe von einer
Million Scudi zu ſeiner Unternehmung: aber wie er im-
mer auf ſeiner Hut war, beſonders wenn es Geldſachen
anbetraf, ſo verpflichtete er ſich erſt alsdann zu zahlen,
wenn der Koͤnig einen engliſchen Hafen in Beſitz genom-
men habe. „E. Maj. zoͤgere nicht laͤnger“, ſchrieb er an
denſelben, „jede Zoͤgerung wuͤrde die gute Abſicht in eine
ſchlimme Wirkung verwandeln.“ Der Koͤnig ſtrengte alle
Kraͤfte ſeines Reiches an, und ſetzte die Armada in Stand
die man die unuͤberwindliche genannt hat.
Und ſo erhoben ſich die italieniſch ſpaniſchen Kraͤfte,
von denen ſchon ſo gewaltige Wirkungen in aller Welt
ausgegangen, zu einem Angriff auch auf England. Schon
ließ der Koͤnig aus dem Archiv von Simancas die An-
ſpruͤche zuſammenſtellen, die er nach dem Abgang der Stuarts
[166]Buch V. Gegenreformationen.
ſelbſt auf jene Krone habe: glaͤnzende Ausſichten beſon-
ders einer allgemeinen Seeherrſchaft knuͤpfte er an dieſe
Unternehmung.
Es ſchien alles zuſammenzugreifen: die Uebermacht des
Katholicismus in Deutſchland, der erneute Angriff auf die
Hugenotten in Frankreich, der Verſuch gegen Genf, die Un-
ternehmung gegen England. In demſelben Augenblicke
beſtieg, was wir ſpaͤter naͤher betrachten wollen, ein ent-
ſchieden katholiſcher Fuͤrſt, Sigismund III., den polniſchen
Thron, mit dem Rechte dereinſtiger Thronfolge auch in
Schweden.
In Momenten, wo irgend ein Princip, welches es
auch ſey, nach der unbedingten Herrſchaft in Europa trach-
tet, wird ſich ihm aber alle Mal ein ſtarker Widerſtand
entgegenſetzen, der aus den tiefſten Quellen des Lebens her-
vorgeht.
Philipp II. fand jugendlich ſtarke, im Gefuͤhl ihrer
zukuͤnftigen Beſtimmung aufſtrebende Kraͤfte ſich gegen-
uͤber. Die kuͤhnen Corſaren, die alle Meere unſicher ge-
macht, ſammelten ſich um die Kuͤſten ihres Vaterlandes.
Die Proteſtanten ſaͤmmtlich, ſelbſt die Puritaner — obwohl
ſie ſo ſchwere Bedruͤckungen hatten ausſtehn muͤſſen wie die
Katholiken — vereinigten ſich um die Koͤnigin, die jetzt ih-
ren maͤnnlichen Muth, ihr fuͤrſtliches Talent zu gewinnen,
zu leiten, feſtzuhalten bewundernswuͤrdig bewaͤhrte: die
inſulare Lage des Landes, die Elemente ſtanden mit der
Vertheidigung im Bunde: die unuͤberwindliche Armada
war vernichtet, ehe ſie nur noch angegriffen hatte: die
Unternehmung ſcheiterte vollkommen.
[167]Angriff auf England.
Es verſteht ſich jedoch, daß der Plan, die große In-
tention ſelbſt damit nicht ſofort aufgegeben wurde.
Die Katholiken wurden von den Schriftſtellern ihrer
Partei erinnert, auch Julius Caͤſar, auch Heinrich VII.,
der Großvater der Eliſabeth, ſeyen bei ihren erſten An-
griffen auf England ungluͤcklich geweſen, aber zuletzt doch
Herrn im Lande geworden. Oft verzoͤgere Gott den Sieg
ſeiner Getreuen. Die Kinder Iſrael ſeyen im Kriege gegen
den Stamm Benjamin, den ſie auf Gottes ausdruͤckliches
Geheiß unternommen, zweimal mit großem Verluſt geſchla-
gen worden: erſt der dritte Angriff habe ihnen den Sieg
gebracht: „da habe die reißende Flamme die Staͤdte und
Doͤrfer Benjamin verheert, die Schaͤrfe des Schwertes
Menſchen und Vieh getroffen.“ „Daran“, riefen ſie aus,
„moͤgen die Englaͤnder gedenken und uͤber den Verzug der
Strafe nicht uͤbermuͤthig werden.“ 1)
Auch Philipp II. hatte den Muth keinesweges verloren.
Seine Abſicht war, kleinere und leichter bewegliche Fahrzeuge
auszuruͤſten: und mit dieſen dann nicht erſt im Kanal eine
Vereinigung mit der niederlaͤndiſchen Macht, ſondern ſo-
gleich die Landung an der engliſchen Kuͤſte zu verſuchen.
Im Arſenal zu Liſſabon ward auf das lebhafteſte gearbei-
[168]Buch V. Gegenreformationen.
tet. Der Koͤnig war entſchloſſen alles daran zu ſetzen,
und muͤßte er, ſagte er einſt bei Tiſche, die ſilbernen Leuch-
ter, die vor ihm ſtanden, verkaufen 1).
Indem er aber darauf dachte, eroͤffneten ſich ihm noch
andere Ausſichten, ein neuer Schauplatz fuͤr die Thaͤtig-
keit der italieniſch-ſpaniſchen roͤmiſch-katholiſchen Streit-
kraͤfte.
Ermordung Heinrichs III.
Bald nach dem Ungluͤck der Flotte trat in Frankreich
eine Reaction ein, unerwartet, wie ſo oft, gewaltſam,
blutig.
In dem Augenblicke, daß Guiſe, der die Staͤnde von
Blois nach ſeinem Willen lenkte, mit dem Amte eines
Connetable die Leitung der geſammten Reichsgeſchaͤfte in die
Haͤnde bekommen zu muͤſſen ſchien, ließ ihn Heinrich III.
umbringen. Dieſer Koͤnig, der ſich von der katholiſch-ſpani-
ſchen Geſinnung ergriffen und umfangen ſah, riß ſich auf
einmal von ihr los und warf ſich in den Widerſtand.
[169]Ermordung HeinrichsIII.
Aber mit Guiſe war nicht ſeine Partei, war nicht die
Ligue vernichtet. Nun erſt nahm ſie eine unumwunden
feindſelige Stellung an, und ſchloß ſich enger noch als zu-
vor an Spanien.
Papſt Sixtus war ganz auf ihrer Seite.
Schon die Ermordung des Herzogs, den er liebte und
bewunderte, in dem er eine Stuͤtze der Kirche ſah, erfuͤllte
ihn mit Schmerz und Unwillen: 1) unertraͤglich aber
kam es ihm vor, daß dabei auch der Cardinal Guiſe er-
mordet worden, „ein Prieſtercardinal“, rief er in dem
Conſiſtorium aus, „ein edles Glied des heiligen Stuhles,
ohne Proceß noch Urtel, durch die weltliche Gewalt, gleich
als waͤre der Papſt gar nicht auf der Welt, gleich als gaͤbe
es keinen Gott mehr!“ Er macht ſeinem Legaten Moro-
ſini Vorwuͤrfe, daß er den Koͤnig nicht ſogleich excommu-
nicirt habe: er haͤtte es thun muͤſſen, und wenn es ihm
hundert Mal das Leben gekoſtet haͤtte 2).
Der Koͤnig ließ ſich den Zorn des Papſtes wenig an-
fechten. Er war nicht zu bewegen den Cardinal von Bour-
[170]Buch V. Gegenreformationen.
bon oder den Erzbiſchof von Lyon, die er auch gefangen
hielt, herauszugeben. Von Rom aus forderte man immer,
er ſolle Heinrich von Navarra fuͤr unfaͤhig erklaͤren den
Thron zu beſteigen: ſtatt deſſen verband er ſich mit dem-
ſelben.
Hierauf entſchloß ſich auch der Papſt zu dem aͤußer-
ſten Schritte. Den Koͤnig ſelbſt citirte er nach Rom, um
ſich wegen der Ermordung des Cardinals zu rechtfertigen.
Wenn er die Gefangenen nicht in einer beſtimmten Zeit
ausliefere, ſolle er mit dem Banne belegt ſeyn.
So muͤſſe er verfahren, erklaͤrte er: thaͤte er an-
ders, ſo wuͤrde er von Gott zur Rechenſchaft gefordert wer-
den als der unnuͤtzeſte aller Paͤpſte: da er nun damit ſeine
Pflicht erfuͤlle, ſo habe er die ganze Welt nicht zu fuͤrch-
ten, er zweifle nicht, Heinrich III. werde umkommen wie
Koͤnig Saul 1).
Von den Eifrig-Katholiſchen, den Anhaͤngern der Li-
gue ward der Koͤnig ohnehin als ein Verruchter, ein Ver-
worfener verabſcheut: das Bezeigen des Papſtes beſtaͤrkte
ſie in ihrer wilden Oppoſition. Eher als man haͤtte glau-
ben ſollen, traf die Vorherſagung deſſelben ein. Am
23. Juni war das Monitorium in Frankreich publicirt
worden: am 1. Auguſt ward der Koͤnig von Clement er-
mordet.
[171]Ermordung HeinrichsIII.
Der Papſt war ſelbſt erſtaunt. „In der Mitte ſei-
nes Heeres“, ruft er aus, „im Begriff Paris zu erobern,
in ſeinem eigenen Cabinet iſt er von einem armen Moͤnch
mit einem einzigen Stoße umgebracht worden.“ 1) Er
ſchreibt dieß einer unmittelbaren Einwirkung Gottes zu,
der dadurch bezeuge, daß er Frankreich nicht verlaſſen
wolle.
Wie kann doch ein Wahn die Gemuͤther ſo allgemein
feſſeln! Es war dieß eine bei unzaͤhligen Katholiken ver-
breitete Ueberzeugung. „Nur der Hand des Allmaͤchtigen
ſelbſt“, ſchreibt Mendoza an Philipp, „hat man dieß
gluͤckliche Ereigniß zu verdanken.“ 2) Fern in Ingolſtadt
lebte der junge Maximilian von Baiern mit ſeinen Stu-
dien beſchaͤftigt: in einem der erſten Briefe die von ihm
uͤbrig ſind, druͤckt er ſeiner Mutter die Freude aus, mit
der ihn die Nachricht erfuͤllt habe, „daß der Koͤnig von
Frankreich umgebracht worden“ 3).
Jedoch hatte dieß Ereigniß auch eine andere Seite.
Heinrich von Navarra, den der Papſt excommunicirt, die
Guiſen ſo heftig verfolgt hatten, trat nun in ſeine legitimen
Rechte ein. Ein Proteſtant nahm den Titel eines Koͤnigs
von Frankreich an.
Die Ligue, Philipp II., der Papſt waren entſchloſſen
[172]Buch V. Gegenreformationen.
ihn unter keiner Bedingung zum Genuß ſeiner Rechte ge-
langen zu laſſen. An die Stelle Moroſinis, der bei wei-
tem zu lau zu ſeyn ſchien, ſchickte Sixtus V. einen neuen
Legaten, Gaetano, der fuͤr ſpaniſch geſinnt galt, nach
Frankreich, und gab ihm, was er noch nie gethan, eine
Summe Geldes mit, die er zum Beſten der Ligue verwen-
den koͤnne. Vor allem ſollte er dafuͤr ſorgen, daß kein
Anderer als ein Katholik Koͤnig von Frankreich werde.
Allerdings wuͤrde die Krone einem Prinzen von Gebluͤt ge-
hoͤren, aber das ſey nicht das Einzige worauf es an-
komme: auch andere Mal ſey man von der ſtrengen Ord-
nung der Erbfolge abgewichen: niemals aber habe man ei-
nen Ketzer genommen: die Hauptſache bleibe, daß der Koͤ-
nig ein guter Katholik ſey 1).
Bei dieſer Geſinnung fand es der Papſt ſogar lobens-
wuͤrdig, daß der Herzog von Savoyen ſich die Verwir-
rung von Frankreich zu Nutze machte, um Saluzzo, das
damals den Franzoſen gehoͤrte, in Beſitz zu nehmen. Es
ſey beſſer, ſagte Sixtus, daß der Herzog es nehme, als
daß es den Hugenotten in die Haͤnde falle 2).
[173]Ermordung HeinrichsIII.
Und nun kam alles darauf an, der Ligue im Kampfe
gegen Heinrich IV. den Sieg erringen zu helfen.
Hiezu ward ein neuer Vertrag zwiſchen Spanien und
dem Papſt entworfen. Der eifrigſte Inquiſitor, Cardinal
Sanſeverina, ward unter dem Siegel des Beichtgeheim-
niſſes damit beauftragt den Entwurf aufzuſetzen. Der
Papſt verſprach wirklich eine Armee von 15000 Mann zu
Fuß und 800 Pferden nach Frankreich zu ſchicken: er er-
klaͤrte ſich uͤberdieß bereit Subſidien zu zahlen, ſobald
als der Koͤnig mit einem maͤchtigen Heere in Frankreich
eingedrungen ſeyn werde. Die paͤpſtliche Heeresmacht ſollte
von dem Herzog von Urbino, einem Unterthan S. Heilig-
keit und Anhaͤnger S. Majeſtaͤt, befehligt werden 1).
Dergeſtalt ruͤſteten ſich jene italieniſch-ſpaniſchen Kraͤfte,
im Bunde mit ihren Anhaͤngern in Frankreich, ſich dieſer
Krone auf immer zu verſichern.
Eine groͤßere Ausſicht konnte es weder fuͤr Spanien
noch fuͤr den Papſt geben. Spanien waͤre der alten Ne-
benbuhlerſchaft, von der es ſich ſo lange beſchraͤnkt geſe-
hen, auf immer entledigt worden. Die Folge hat gezeigt,
wie ſehr dieß Philipp II. am Herzen lag. Auch fuͤr die
paͤpſtliche Macht aber waͤre es ein unermeßlicher Fortſchritt
geweſen, auf die Einſetzung eines Koͤnigs in Frankreich
einen thaͤtigen Einfluß auszuuͤben. Gleich Gaetano hatte
den Auftrag die Einfuͤhrung der Inquiſition, die Abſchaf-
fung der gallicaniſchen Freiheiten zu fordern. Aber noch
[174]Buch V. Gegenreformationen.
mehr haͤtte es bedeutet, daß ein legitimer Fuͤrſt aus Ruͤck-
ſichten der Religion vom Throne ausgeſchloſſen worden
waͤre. Die kirchlichen Antriebe, die ohnehin die Welt in
allen Richtungen durchdrangen, wuͤrden dadurch eine voll-
kommene Oberherrſchaft erlangt haben.
[[175]]
Sechstes Buch.
Innere Gegenſätze der Lehre und der Macht.
1589—1607.
[[176]][[177]]
Wie hatte die geiſtige Entwickelung der Welt doch ſo
durchaus einen andern Gang genommen, als den man zu
Anfang des Jahrhunderts haͤtte erwarten ſollen.
Damals loͤſten ſich die kirchlichen Bande auf: die Na-
tionen ſuchten ſich von dem gemeinſchaftlichen geiſtlichen
Oberhaupte abzuſondern: das Papſtthum ſelbſt vergaß bei-
nahe ſeine hierarchiſche Bedeutung: in Literatur und Kunſt
walteten profane Beſtrebungen vor: man trug die Grund-
ſaͤtze einer heidniſchen Moral unverholen zur Schau.
Jetzt wie ganz anders! Im Namen der Religion
wurden Kriege angefangen, Eroberungen gemacht, Staaten
umgewaͤlzt! Es hat nie eine Zeit gegeben, in welcher die
Theologen maͤchtiger geweſen waͤren, als das Ende des ſechs-
zehnten Jahrhunderts. Sie ſaßen in den fuͤrſtlichen Raͤ-
then, und verhandelten die politiſchen Materien vor allem
Volk auf den Kanzeln: ſie beherrſchten Schule, Gelehrſam-
keit und im Ganzen die Literatur: der Beichtſtuhl gab ih-
nen Gelegenheit die geheime Zwieſprache der Seele mit ſich
ſelbſt zu belauſchen und in allen Zweifeln des Privatlebens
den Ausſchlag zu geben. Man darf vielleicht behaupten,
Päpſte* 12
[178]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
daß ihr Einfluß gerade dadurch ſo umfaſſend und durchgrei-
fend wurde, weil ſie mit einander in einem ſo heftigen
Widerſpruch lagen, weil ſie ihren Gegenſatz in ſich ſelber
trugen.
War dieß nun auf beiden Seiten der Fall, ſo lag es
doch auf der katholiſchen am meiſten zu Tage. Hier wa-
ren die Ideen und Inſtitute, welche das Gemuͤth unmit-
telbar in Zucht und Leitung nehmen, am zweckmaͤßigſten
ausgebildet: man konnte gar nicht mehr ohne Beichtvater
leben. Hier machten ferner die Geiſtlichen entweder als
Genoſſen eines Ordens, oder doch als Mitglieder der Hie-
rarchie uͤberhaupt eine in ſtrenger Unterordnung zuſammen-
gehaltene Corporation aus, die in Einem Sinne zu Werke
ging. Das Haupt dieſes hierarchiſchen Koͤrpers, der Papſt
zu Rom, bekam wieder einen nicht viel geringeren Ein-
fluß, als er im elften und zwoͤlften Jahrhundert beſeſſen
hatte: durch die Unternehmungen, die er aus dem religioͤ-
ſen Geſichtspunkt unaufhoͤrlich in Anregung brachte, hielt er
die Welt in Athem.
Unter dieſen Umſtaͤnden erwachten die kuͤhnſten An-
ſpruͤche hildebrandiſcher Zeiten, Grundſaͤtze, die bisher in
den Ruͤſthaͤuſern des canoniſchen Rechtes mehr als Anti-
quitaͤten aufbewahrt worden, aufs neue zu voller Wirkſam-
keit und Geltung.
Unſer europaͤiſches Gemeinweſen hat ſich noch niemals
dem Gebote der reinen Gewalt unterworfen: noch iſt es in
jedem Momente mit Ideen erfuͤllt geweſen: es kann kein
wichtiges Unternehmen gelingen, keine Macht zu allgemei-
ner Bedeutung emporſteigen, ohne daß zugleich in den Gei-
[179]Kirchlich politiſche Theorie.
ſtern das Ideal einer hervorzubringenden Weltordnung er-
ſchiene. Auf dieſem Punkte entſpringen die Theorien. Den
geiſtigen Sinn und Inhalt der Thatſache reproduciren ſie
und ſtellen ihn als eine Forderung der Vernunft, oder der
Religion, als ein Ergebniß des Gedankens in dem Lichte
einer allgemein guͤltigen Wahrheit dar. So nehmen ſie
die Vollendung des Ereigniſſes gleichſam in voraus in
Beſitz: zugleich kommen ſie demſelben maͤchtig zu Huͤlfe.
Betrachten wir wie das hier geſchah.
Kirchlich politiſche Theorie.
Nicht ſelten hat man dem katholiſchen Principe eine
beſondere Bedeutung fuͤr die monarchiſche oder ariſtokrati-
ſche Staatsform, eine innere Hinneigung zu denſelben zu-
ſchreiben wollen. Ein Jahrhundert, wie das ſechszehnte,
worin dieß Princip in voller Thatkraft und Selbſtbeſtim-
mung auftrat, kann uns hieruͤber am meiſten belehren. In
der That finden wir, daß es ſich da in Italien und Spa-
nien an die beſtehende Ordnung der Dinge anſchloß, in
Deutſchland dazu diente der fuͤrſtlichen Macht ein neues
Uebergewicht uͤber die Landſtaͤnde zu verſchaffen, in den
Niederlanden die Eroberung befoͤrderte, daß es auch in Ober-
deutſchland, in den walloniſchen Provinzen mit beſonderer
Vorliebe von dem Adel feſt gehalten ward. Fragen wir aber
weiter nach, ſo ſind dieß doch nicht die einzigen Sympathien
die es erweckte. Ward es in Coͤln von den Patriciern, ſo
ward es unfern davon in Trier von der Gemeine ergriffen:
12*
[180]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
in den großen franzoͤſiſchen Staͤdten verbuͤndet es ſich al-
lenthalben mit den Anſpruͤchen, den Beſtrebungen des ge-
meinen Volkes. Es kommt ihm nur darauf an, wo es
ſeine Stuͤtze, ſeinen vornehmſten Ruͤckhalt findet. Sind ihm
die beſtehenden Gewalten entgegengeſetzt, ſo iſt es weit ent-
fernt ſie zu ſchonen, ja nur anzuerkennen. Die iriſche Na-
tion befeſtigt es in ihrer angeborenen Widerſpenſtigkeit ge-
gen die engliſche Regierung: in England ſelbſt untergraͤbt
es, ſo viel es vermag, den Gehorſam, den die Koͤnigin for-
dert, und bricht oft in thaͤtigem Widerſtand hervor: in
Frankreich beſtaͤtigt es endlich ſeine Anhaͤnger in der Em-
poͤrung wider ihren legitimen Fuͤrſten. An und fuͤr ſich
hat das religioͤſe Princip uͤberhaupt keine Vorliebe fuͤr die
eine oder die andere Regierungsform. Waͤhrend der kur-
zen Zeit ſeiner Erneuerung hat der Katholicismus ſchon die
verſchiedenſten Hinneigungen offenbart, zuerſt zu der mo-
narchiſchen Gewalt in Italien und Spanien, zur Befe-
ſtigung der Territorialherrſchaft in Deutſchland: ſodann
in den Niederlanden zur Erhaltung der Gerechtſame ariſto-
kratiſcher Staͤnde: am Ende des Jahrhunderts geſellt er
ſich entſchieden den demokratiſchen Tendenzen zu. Es iſt
dieß um ſo wichtiger, da er jetzt in der hoͤchſten Fuͤlle ſei-
ner Thaͤtigkeit ſteht, und die Bewegungen, an denen er
Theil nimmt, die wichtigſten Weltangelegenheiten ausma-
chen. Gelingt es den Paͤpſten in dieſem Augenblicke, ſo
werden ſie auf immer einen uͤberwiegenden Einfluß uͤber
den Staat erobert haben. Sie treten mit Anſpruͤchen,
ihre Anhaͤnger und Vorfechter mit Meinungen und Grund-
ſaͤtzen hervor, welche Reiche und Staaten zugleich mit
[181]Kirchlich politiſche Theorie.
innern Umwaͤlzungen und mit dem Verluſte ihrer Unab-
haͤngigkeit bedrohen.
Es waren hauptſaͤchlich die Jeſuiten, die auf dem
Kampfplatz erſchienen, um Lehren dieſer Art vorzutragen
und zu verfechten.
Zunaͤchſt nahmen ſie eine unbeſchraͤnkte Oberhoheit der
Kirche uͤber den Staat in Anſpruch.
Mit einer gewiſſen Nothwendigkeit kamen ſie darauf
in England, wo die Koͤnigin durch die Landesgeſetze fuͤr das
Haupt der Kirche erklaͤrt worden war. Eben dieſem Grund-
ſatz begegneten die Haͤupter der katholiſchen Oppoſition mit
den ſchroffſten Anmaßungen von der andern Seite. Wilhelm
Allen erklaͤrt es nicht allein fuͤr das Recht, ſondern fuͤr die
Pflicht einer Nation, beſonders wenn der Befehl des Pap-
ſtes hinzukomme, einem Fuͤrſten, der von der katholiſchen
Kirche abgefallen, den Gehorſam zu verſagen 1). Perſon
findet, es ſey die Grundbedingung aller Macht eines Fuͤr-
ſten, daß er den roͤmiſch-katholiſchen Glauben pflegen und
beſchuͤtzen ſolle: dahin laute ſein Taufgeluͤbde, ſein Kroͤ-
nungseid: es wuͤrde Blindheit ſeyn, ihn auch alsdann noch
fuͤr thronfaͤhig zu halten, wenn er dieſe Bedingung nicht
erfuͤlle; vielmehr ſeyen die Unterthanen verbunden ihn in
einem ſolchen Falle zu verjagen 2). Natuͤrlich! dieſe Au-
[182]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
toren ſetzen Zweck und Pflicht des Lebens uͤberhaupt in die
Uebung der Religion: die roͤmiſch-katholiſche halten ſie fuͤr
die allein wahre: ſie ſchließen, daß es keine rechtmaͤßige
Gewalt geben koͤnne, welche dieſer Religion widerſtrebe:
das Daſeyn einer Regierung, den Gehorſam, den ſie fin-
det, machen ſie von der Anwendung ihrer Macht zu Gun-
ſten der katholiſchen Kirche abhaͤngig.
Es war dieß aber der Sinn der aufkommenden
Doctrin uͤberhaupt. Was in England in der Hitze des
Streites vorgetragen worden, wiederholte Bellarmin von
der Einſamkeit ſeiner Studierſtube her in ausfuͤhrlichen Wer-
ken, in einem zuſammenhaͤngenden wohl uͤberdachten Sy-
ſteme. Er legte die Behauptung zu Grunde, daß der
Papſt der geſammten Kirche als ihr Huͤter und Oberhaupt
unmittelbar von Gott ſelbſt vorgeſetzt ſey 1). Deshalb
komme demſelben einmal die Fuͤlle der geiſtlichen Macht
zu: ihm ſey verliehen, daß er nicht irren koͤnne: er richte
Alle und duͤrfe von Niemand gerichtet werden; ſodann ent-
ſpringe ihm daher auch ein großer Antheil an der weltli-
2)
[183]Kirchlich politiſche Theorie.
chen Autoritaͤt. So weit geht Bellarmin nicht, dem
Papſte eine weltliche Gewalt direct, durch goͤttliches Recht
zuzuſchreiben 1): obwohl Sixtus V. dieſe Meinung hegte,
und es ſogar uͤbel nahm, wenn man ſie fahren ließ: aber
deſto unzweifelhafter mißt er ihm eine ſolche indirect bei.
Die weltliche Gewalt vergleicht er mit dem Leibe, die geiſt-
liche mit der Seele des Menſchen: er ſchreibt der Kirche
die nemliche Herrſchaft uͤber den Staat zu, welche die Seele
uͤber den Leib ausuͤbe. Die geiſtliche Gewalt habe das
Recht und die Pflicht, der weltlichen Zuͤgel anzulegen, ſo-
bald ſie den Zwecken der Religion ſchaͤdlich werde. Man
koͤnne nicht ſagen, daß dem Papſte ein regelmaͤßiger Ein-
fluß auf die Geſetzgebung des Staates zukomme 2); waͤre
aber ein Geſetz zum Heile der Seelen nothwendig, und wei-
gerte ſich der Fuͤrſt es zu erlaſſen, und waͤre ein Geſetz
dem Heile der Seelen nachtheilig und wollte der Fuͤrſt hart-
naͤckig dabei verharren, ſo ſey der Papſt allerdings berech-
tiget das eine anzuordnen, das andere abzuſchaffen. Und
auch ſchon mit dieſem Princip kommt er doch ſehr weit.
[184]BuchVI. Innere Streitigkeiten.
Gebiete nicht die Seele dem Leibe ſelbſt den Tod wenn
es noͤthig ſey? In der Regel koͤnne der Papſt einen Fuͤr-
ſten freilich nicht abſetzen: ſollte es aber zum Heile der
Seelen nothwendig werden, ſo beſitze er das Recht die
Regierung zu veraͤndern, ſie von Einem auf den Andern
zu uͤbertragen 1).
Bei dieſen Behauptungen lag nur die Einwendung
ſehr nahe, daß doch auch die koͤnigliche Gewalt auf goͤtt-
lichem Rechte beruhe.
Oder welcher Urſprung, welche Bedeutung wohnten
ihr ſonſt bei?
Die Jeſuiten trugen kein Bedenken die fuͤrſtliche Macht
vom Volke herzuleiten. Mit ihren Lehren von der paͤpſt-
lichen Allgewalt verſchmolzen ſie die Theorie von der Volks-
ſouveraͤnetaͤt zu Einem Syſteme. Schon bei Allen und
Perſon lag ſie mehr oder minder ausgeſprochen zu Grunde:
Bellarmin ſucht ſie ausfuͤhrlich zu begruͤnden. Er findet,
Gott habe die weltliche Gewalt an Niemand beſonders ver-
liehen: daraus folge, daß er ſie der Menge verliehen habe:
die Gewalt ruhe demnach in dem Volke, das Volk uͤber-
trage ſie bald einem Einzigen, bald Mehreren: es be-
halte ſogar immer das Recht dieſe Formen zu aͤndern, die
[185]Kirchlich politiſche Theorie.
Macht zuruͤckzunehmen, und aufs neue zu uͤbertragen. Man
glaube nicht, daß dieß nur ſeine individuelle Anſicht gewe-
ſen ſey: es iſt in der That die herrſchende Lehre der Je-
ſuitenſchulen dieſer Zeit. In einem Handbuche fuͤr die Beicht-
vaͤter, das ſich durch die ganze katholiſche Welt verbrei-
tete, und von dem Magiſter ſacri palatii revidirt war,
wird die fuͤrſtliche Gewalt nicht allein als dem Papſt un-
terworfen betrachtet in ſo weit es das Heil der Seelen
erfordere: 1) es heißt darin mit duͤrren Worten: ein Koͤ-
nig koͤnne wegen Tyrannei oder Vernachlaͤßigang ſeiner
Pflichten von dem Volke abgeſetzt, und dann von der Mehr-
zahl der Nation ein Anderer an ſeine Stelle gewaͤhlt wer-
den 2). Franciscus Suarez, Profeſſor primarius der Theo-
logie zu Coimbra macht es ſich in ſeiner Vertheidigung
der katholiſchen Kirche gegen die anglicaniſche zum beſon-
dern Geſchaͤft die Lehre des Bellarmin zu erlaͤutern und zu
beſtaͤtigen 3). Mit augenſcheinlicher Vorliebe aber bildet
[186]BuchVI. Innere Streitigkeiten.
Mariana die Idee der Volksſouveraͤnetaͤt aus. Alle Fra-
gen die hiebei vorkommen koͤnnen wirft er auf, und ent-
ſcheidet ſie unbedenklich zu Gunſten des Volks, zum Nach-
theil der koͤniglichen Gewalt. Er bezweifelt nicht, daß ein
Fuͤrſt abgeſetzt, ja getoͤdtet werden duͤrfe, namentlich dann,
wenn er die Religion verletze. Dem Jacob Clement, wel-
cher erſt die Theologen zu Rathe zog und dann ging und
ſeinen Koͤnig umbrachte, widmet er einen Lobſpruch voll
pathetiſcher Emphaſe 1). Er geht biebei wenigſtens ganz
folgerichtig zu Werke. Eben dieſe Lehren hatten ohne Zweifel
den Fanatismus des Moͤrders entflammt.
Denn nirgends wurden ſie wohl mit ſo wilder Hef-
tigkeit verkuͤndigt als in Frankreich. Man kann nichts
Antiroyaliſtiſcheres leſen als die Diatriben, die Jean Bou-
cher von der Kanzel erſchallen ließ. In den Staͤnden fin-
det dieſer Prediger die oͤffentliche Macht und Majeſtaͤt, die
Gewalt zu binden und zu loͤſen, die unveraͤußerliche Sou-
veraͤnetaͤt, das Richteramt uͤber Scepter und Reiche: denn
in ihnen ſey ja auch der Urſprung derſelben: von dem
Volke komme der Fuͤrſt, nicht durch Nothwendigkeit und
Zwang, ſondern durch freie Wahl. Das Verhaͤltniß des
Staates und der Kirche faßt er wie Bellarmin auf: er
wiederholt das Gleichniß von Leib und Seele. Nur Eine
Bedingung, ſagt er, ſchraͤnke den freien Willen des Vol-
kes ein: nur das Eine ſey ihm verboten, einen ketzeri-
[187]Kirchlich politiſche Theorie.
ſchen Koͤnig anzunehmen: es wuͤrde damit den Fluch Got-
tes uͤber ſich herbeiziehen 1).
Seltſame Vereinigung geiſtlicher Anſpruͤche und de-
mokratiſcher Ideen, abſoluter Freiheit und vollſtaͤndiger Un-
terwuͤrfigkeit — widerſprechend in ſich ſelbſt und antina-
tional — die aber die Gemuͤther wie durch unerklaͤrli-
chen Zauber feſſelte.
Die Sorbonne hatte bisher noch immer die koͤnigli-
chen und nationalen Vorrechte gegen die prieſterlichen, ul-
tramontanen Anſpruͤche in Schutz genommen. Als jetzt,
nach der Ermordung der Guiſen, jene Lehren auf allen
Kanzeln gepredigt wurden, als man auf den Straßen aus-
rief, auf Altaͤren, in Proceſſionen ſymboliſch darſtellte, daß
ſich Koͤnig Heinrich III. ſeiner Krone verluſtig gemacht
habe, wandten ſich „die guten Buͤrger und Einwohner der
Stadt“, wie ſie ſich nennen, „in den Scrupeln ihres Ge-
wiſſens“ an die theologiſche Facultaͤt der Univerſitaͤt zu
Paris, um uͤber die Rechtmaͤßigkeit ihres Widerſtandes
gegen ihren Herrn eine ſichere Entſcheidung zu empfangen.
[188]BuchVI. Innere Streitigkeiten.
Hierauf verſammelte ſich die Sorbonne, am 7. Januar
1589. „Nachdem,“ lautet ihr Urtheil, „die reifliche und
freie Berathung aller Magiſtri gehoͤrt, nachdem viele [und]
mancherlei Gruͤnde vernommen worden — aus der heili-
gen Schrift, dem canoniſchen Recht und den paͤpſtlichen
Verordnungen groͤßtentheils woͤrtlich gezogen —, iſt von
dem Decan der Facultaͤt, ohne allen Widerſpruch, da-
hin geſchloſſen worden, zuerſt, daß das Volk dieſes Reiches
von dem Eide der Treue und des Gehorſams, den es dem
Koͤnig Heinrich geleiſtet hat, entbunden ſey: ferner, daß
dieſes Volk ohne Beſchwerde in ſeinem Gewiſſen ſich ver-
einigen, bewaffnen, Geld zuſammenbringen koͤnne zur Be-
hauptung der roͤmiſch-katholiſchen apoſtoliſchen Religion
gegen die verabſcheuungswuͤrdigen Unternehmungen des ge-
nannten Koͤnigs.“ 1) Siebzig Mitglieder der Facultaͤt
waren hiebei zugegen: vornehmlich die juͤngern ſetzten den
Beſchluß mit wilder Begeiſterung durch 2).
Die allgemeine Zuſtimmung, welche dieſe Theorien fan-
den, kam ohne Zweifel hauptſaͤchlich daher, weil ſie wirk-
lich in dieſem Augenblick der Ausdruck der Thatſache, der
hiſtoriſchen Erſcheinung waren. In den franzoͤſiſchen Un-
ruhen waren ja eben volksthuͤmlicher und geiſtlicher Wi-
derſtand von verſchiedenen Seiten her in Bund getreten:
die Pariſer Buͤrgerſchaft ward von einem Legaten des Pap-
[189]Kirchlich politiſche Theorie.
ſtes in der Empoͤrung wider ihren rechtmaͤßigen Fuͤrſten
beſtaͤtigt und feſtgehalten: Bellarmin war ſelbſt eine Zeit-
lang in der Begleitung des Legaten: die Doctrinen, die er in
gelehrter Einſamkeit ausgebildet und mit ſo viel Folgerich-
keit, mit ſo großem Beifall vorgetragen, druͤckten ſich in
dem Ereigniß aus, das er erlebte und mit hervorrief.
Auch haͤngt es wohl hiemit zuſammen, daß die Spa-
nier dieſe Lehren gut hießen, daß ein auf den Beſitz der
Macht ſo eiferſuͤchtiger Fuͤrſt wie Philipp II. ſie duldete.
Das ſpaniſche Koͤnigthum beruhte ja ohnehin auf einem
Zuſatz geiſtlicher Attribute. In ſo vielen Stuͤcken des Lope
de Vega ſieht man, daß es die Nation ſo verſtand: daß
ſie in ihrem Fuͤrſten die religioͤſe Majeſtaͤt liebte und dar-
geſtellt zu ſehen wuͤnſchte. Aber uͤberdieß war der Koͤnig
mit den Beſtrebungen der katholiſchen Reſtauration, nicht
allein mit den Prieſtern, ſondern mit dem empoͤrten Volke
ſelbſt verbuͤndet. Das Volk von Paris widmete ihm ein
bei weitem groͤßeres Vertrauen als den franzoͤſiſchen Fuͤr-
ſten, den Oberhaͤuptern der Ligue. Gleichſam ein neuer
Bundesgenoſſe trat dem Koͤnig in der Lehre der Jeſuiten
auf. Es war nicht abzuſehen, daß er etwas von ihnen
zu fuͤrchten haben ſollte, vielmehr gaben ſie ſeiner Politik
eine rechtlich-religioͤſe Rechtfertigung, die ihm ſelbſt fuͤr
ſein Anſehen in Spanien von vielem Vortheil war, ſeinen
auswaͤrtigen Unternehmungen aber unmittelbar den Weg
bahnte. Mehr an dieſen augenblicklichen Nutzen, als an
die allgemeine Bedeutung der jeſuitiſchen Doctrin hielt ſich
der Koͤnig 1).
[190]BuchVI. Innere Streitigkeiten.
Und hat es nicht in der Regel mit den politiſchen
Lehrmeinungen eine aͤhnliche Bewandtniß? Erwachſen ſie
mehr aus den Thatſachen, oder bringen ſie dieſelben mehr
hervor? Liebt man ſie mehr um ihrer ſelbſt willen, oder
mehr wegen des Nutzens, den man ſich von ihnen ver-
ſpricht?
Jedoch nimmt ihnen dieß nichts an ihrer Kraft. In-
dem die jeſuitiſchen Doctrinen die Beſtrebungen des reſtau-
rirenden Papſtthums, oder vielmehr des weltgeſchichtlichen
Momentes in welchem es ſich befand, ausdruͤckten, gaben
ſie denſelben durch ſyſtematiſche Begruͤndung in dem Sinne
der vorwaltenden theologiſchen Ueberzeugung eine neue Kraft,
ſie befoͤrderten eine Richtung in den Gemuͤthern von wel-
cher der Sieg eben abhing.
Oppoſition der Lehre.
Niemals jedoch iſt in unſerm Europa weder eine Macht
noch auch eine Lehre, am wenigſten eine politiſche, zu voll-
kommener Alleinherrſchaft gediehen.
Auch laͤßt ſich keine denken, die nicht, mit dem Ideale
1)
[191]Oppoſition der Lehre.
und den hoͤchſten Forderungen verglichen, einſeitig und be-
ſchraͤnkend werden muͤßte.
Noch allezeit hat ſich auch den zur ausſchließenden
Herrſchaft anſtrebenden Meinungen ein Widerſpruch entgegen-
geſetzt, der aus dem unerſchoͤflichen Grunde des allgemei-
nen Lebens entſprungen, friſche Kraͤfte hervorgetrieben hat.
Nahmen wir wahr, daß keine Macht emporkommen
wird, die nicht zugleich auf der Grundlage der Idee be-
ruhe, ſo koͤnnen wir hinzufuͤgen, daß ſie auch in der Idee
ihre Beſchraͤnkung findet: die großen Leben erzeugenden
Kaͤmpfe vollziehen ſich immer zugleich in den Regionen der
Ueberzeugung, des Gedankens.
So trat nun auch der Idee der weltbeherrſchenden
prieſterlichen Religion die Unabhaͤngigkeit der Nationalitaͤt,
die eigene Bedeutung des weltlichen Elementes maͤchtig
entgegen.
Das germaniſche Fuͤrſtenthum, ausgebreitet uͤber die
romaniſchen Nationen und tief in ihnen gewurzelt, hat nie-
mals zerſtoͤrt werden koͤnnen, weder durch prieſterliche An-
ſpruͤche noch durch die Fiction der Volksſouveraͤnetaͤt, die
ſich zuletzt immer unhaltbar erwieſen hat.
Der abenteuerlichen Verbindung in welche beide da-
mals mit einander getreten, ſetzte man die Lehre von dem
goͤttlichen Rechte des Fuͤrſtenthums entgegen.
Zunaͤchſt ward ſie von den Proteſtanten, die fruͤher
wohl auch geſchwankt haben mochten, mit dem vollen Ei-
fer eines Feindes ergriffen, der ſeinen Gegner ein ſehr ge-
faͤhrliches Spiel wagen, ſich auf Pfaden bewegen ſieht
welche ihn ins Verderben fuͤhren muͤſſen.
[192]BuchVI. Innere Streitigkeiten.
Gott allein, behaupteten die Proteſtanten, ſetze dem
Menſchengeſchlecht ſeine Fuͤrſten: er habe ſich vorbehalten
zu erhoͤhen und zu erniedrigen, die Gewalt auszutheilen
und zu ermaͤßigen. Wohl ſteige er nicht mehr vom Him-
mel herab, um diejenigen mit dem Finger zu bezeichnen
welchen die Herrſchaft gebuͤhre, aber durch ſeine ewige Vor-
ſehung ſeyen in jedem Reiche Geſetze, beſtimmte Ordnun-
gen eingefuͤhrt, nach denen ein Herrſcher angenommen werde.
Komme ein Fuͤrſt kraft dieſer Ordnungen zur Gewalt, ſo
ſey das eben ſo gut, als ſage Gottes Stimme: das ſoll
euer Koͤnig ſeyn. Wohl habe Gott einſtmals ſeinem Volke
Moſen, die Richter, die erſten Koͤnige perſoͤnlich gewieſen,
aber nachdem einmal eine feſte Ordnung eingefuͤhrt worden,
ſeyen die andern, die nach Jenen zum Throne gelangt, eben
ſo gut die Geſalbten Gottes geweſen 1).
Von dieſen Grundſaͤtzen aus drangen nun die Pro-
teſtanten auf die Nothwendigkeit ſich auch ungerechten und
tadelnswuͤrdigen Fuͤrſten zu unterwerfen. Vollkommen ſey
ohnehin Niemand. Werde das Geſetz nicht unverbruͤchlich ge-
handhabt, ſo wuͤrde man auch von geringern Fehlern An-
laß nehmen ſich eines Fuͤrſten zu entledigen. Selbſt die
Ketzerei befreie nicht von dem Gehorſam uͤberhaupt. Ei-
nem gottloſen Vater duͤrfe der Sohn zwar nicht in dem
gehorchen, was wider Gottes Gebot ſey, aber uͤbrigens
bleibe
[193]Oppoſition der Lehre.
bleibe er ihm doch zur Ehrfurcht und Unterordnung ver-
pflichtet.“
Es wuͤrde ſchon etwas bedeutet haben wenn die Pro-
teſtanten auch nur allein dieſe Meinungen ausgebildet und
feſtgehalten haͤtten. Aber noch viel wichtiger war es, daß
ſie damit bei einem Theile der franzoͤſiſchen Katholiken Ein-
gang fanden; oder vielmehr, daß dieſe ihnen durch eine frei
entwickelte Ueberzeugung beiſtimmten.
Der paͤpſtlichen Excommunication zum Trotz blieb
noch immer ein nicht unbedeutender Kern guter Katholiken
Heinrich dem III. getreu und ging alsdann zu Heinrich dem
IV. uͤber. Die jeſuitiſchen Lehren ſchlugen bei dieſer Partei
nicht an. Es fehlte ihr nicht an Gruͤnden um ihre Stel-
lung zu vertheidigen, auch ohne darum vom Katholicis-
mus abzufallen.
Sie bemuͤhte ſich zunaͤchſt die Gewalt des Clerus,
ſein Verhaͤltniß zur weltlichen Macht nun einmal auch von
der andern Seite her zu beſtimmen. Sie fand, das geiſt-
liche Reich ſey nicht von dieſer Welt, die Gewalt des Cle-
rus beziehe ſich nur auf geiſtliche Dinge: die Excommuni-
cation koͤnne ihrer Natur nach nur die kirchliche Gemein-
ſchaft anbetreffen, von weltlichen Rechten vermoͤge ſie nichts
zu rauben. Aber ein Koͤnig von Frankreich duͤrfe ja nicht
einmal von der Kirchengemeinſchaft ausgeſchloſſen werden:
es gehoͤre dieß mit zu den Vorrechten des Wappens der
Lilie: wie viel weniger ſey der Verſuch erlaubt ihm ſein
Erbrecht zu entreißen. Und wo ſtehe es nun vollends
geſchrieben, daß man gegen ſeinen Koͤnig rebelliren, die Wege
der Gewalt gegen ihn brauchen duͤrfe? Gott habe ihn
Päpſte* 13
[194]BuchVI. Innere Streitigkeiten.
eingeſetzt: wie er ſich denn von Gottes Gnaden nenne: in
dem einzigen Falle duͤrfe man ihm den Gehorſam verſa-
gen, wenn er etwas fordere, was gegen Gottes Gebot
laufe 1). — Aus dieſem goͤttlichen Rechte leiteten ſie dann
ab, daß es ihnen nicht allein erlaubt, ſondern daß es
Pflicht fuͤr ſie ſey, auch einen proteſtantiſchen Koͤnig an-
zuerkennen. Wie Gott den Koͤnig gebe, ſo muͤſſe der
Unterthan ihn annehmen: ihm zu gehorchen ſey Gottes Ge-
bot: einen Grund, um einem Fuͤrſten ſeiner Rechte zu be-
rauben, koͤnne es uͤberhaupt gar nicht geben 2). Sie be-
haupteten ſogar, daß ihr Verfahren fuͤr die katholiſchen
Intereſſen das zutraͤglichſte ſey. Heinrich IV. ſey ver-
ſtaͤndig, gnaͤdig, aufrichtig: nichts als Gutes laſſe ſich von
ihm erwarten: wollte man ſich von ihm losſagen, ſo wuͤr-
den ſich allenthalben kleine Machthaber erheben, in der
allgemeinen Spaltung wuͤrde die proteſtantiſche Partei erſt
vollends das Uebergewicht bekommen 3).
Dergeſtalt trat innerhalb der Grenzen des Katholicis-
mus ſelbſt eine Oppoſition gegen die durch die Reſtaura-
tion entwickelten Beſtrebungen des Papſtthums hervor: und
es war gleich anfangs zweifelhaft, ob dieß vermoͤgen werde
ſie zu unterdruͤcken. Nicht allein war ihre Lehre, wenn
gleich noch minder ausgebildet, aber doch beſſer in den
[195]Oppoſition der Lehre.
Ueberzeugungen der europaͤiſchen Welt gegruͤndet: ihre ganze
Stellung war in ſich ſelbſt gerecht und untadelhaft: ſon-
dern es kam ihr auch vor allem zu Statten, daß die
paͤpſtlichen Doctrinen mit der ſpaniſchen Macht in Bund
ſtanden.
Die Monarchie Philipps II. ſchien der allgemeinen
Freiheit von Tage zu Tage gefaͤhrlicher zu werden: uͤber
ganz Europa hin erweckte ſie jenen eiferſuͤchtigen Haß, der
weniger aus vollbrachten Gewaltthaten entſpringt, als aus
der Furcht davor, der Gefahr der Freiheit, und die Gemuͤ-
ther unbewußt ergreift.
Zwiſchen Rom und Spanien beſtand jetzt eine ſo enge
Verbindung, daß die Widerſacher der geiſtlichen Anſpruͤche
ſich zugleich dem Fortgange der ſpaniſchen Macht entge-
genſtellten. Sie erfuͤllten damit eine europaͤiſche Nothwen-
digkeit, und ſchon deshalb konnte es ihnen nicht an Bei-
ſtimmung und Unterſtuͤtzung fehlen. Eine geheime Sym-
pathie vereinigt die Voͤlker. Jener nationalen Partei fran-
zoͤſiſcher Katholiken traten unaufgefordert, an unerwarteter
Stelle, entſchloſſene Verbuͤndete hervor: und zwar in Ita-
lien ſelbſt, vor den Augen des Papſtes, zuerſt in Venedig.
In Venedig hatte wenige Jahre fruͤher — im Jahre
1582 — eine geraͤuſchloſe, in der Geſchichte der Republik faſt
ganz uͤberſehene, aber nichts deſto weniger ſehr einflußreiche
Veraͤnderung Statt gefunden. Bisher waren die wichtigen
Geſchaͤfte in den Haͤnden weniger alten Patricier aus einem
kleinen Kreiſe von Geſchlechtern geweſen. Damals erkaͤmpfte
ſich eine mißvergnuͤgte Mehrheit in dem Senate, be-
ſonders aus den juͤngern Mitgliedern beſtehend, den Antheil
13*
[196]BuchVI. Innere Streitigkeiten.
an der Verwaltung, der ihnen den Worten der Verfaſſung
nach allerdings zukam.
Nun hatte zwar auch die bisherige Regierung niemals
verſaͤumt ihre Selbſtaͤndigkeit ſorgfaͤltig zu behaupten; aber
ſie hatte ſich doch ſo viel es immer thunlich geweſen, den
Maaßregeln der Spanier und der Kirche angeſchloſſen: die
neue nahm dieſe Ruͤckſichten nicht mehr: ſchon um des Ge-
genſatzes willen hegte ſie die Neigung dieſen Maͤchten Wi-
derpart zu halten.
Den Venezianern lag dieß allerdings ſehr nahe.
Auf der einen Seite bemerkten ſie mit Mißvergnuͤ-
gen, daß die Lehre von der paͤpſtlichen Allmacht, von dem
blinden Gehorſam auch bei ihnen gepredigt wurde: auf der
andern befuͤrchteten ſie den voͤlligen Untergang des europaͤi-
ſchen Gleichgewichtes, wenn es den Spaniern gelingen ſollte
ſich einen vorherrſchenden Einfluß in Frankreich zu ver-
ſchaffen. Auf der Feindſeligkeit der beiden Laͤnder hatte
die Freiheit von Europa bisher zu beruhen geſchienen.
Und ſo folgte man der Entwickelung der franzoͤſiſchen
Angelegenheiten mit doppelt lebendigem Antheil. Mit Be-
gierde griff man nach den Schriften welche die koͤniglichen
Rechte vertheidigten. Beſonders war eine Geſellſchaft von
Staatsmaͤnnern und Gelehrten einflußreich, die ſich bei
Andrea Moroſini verſammelte, an der Leonardo Donato,
Niccolo Contarini, nachher beide Dogen, Domenico Mo-
lino, ſpaͤter ein leitendes Oberhaupt der Republik, Fra
Paolo Sarpi, und einige andere ausgezeichnete Maͤnner
Theil nahmen: alle noch in den Jahren, in denen man
geeignet iſt neue Gedanken nicht allein zu ergreifen, ſon-
[197]Oppoſition der Lehre.
dern auch feſtzuhalten und durchzuſetzen, ſaͤmmtlich erklaͤrte
Widerſacher der kirchlichen Anmaßungen und der Ueber-
macht der Spanier 1). Um eine politiſche Richtung, auch
wenn ſie in den Dingen gegruͤndet iſt, auszubilden und
ihr Nachdruck zu geben, wird es immer ſehr wichtig ſeyn,
wenn ſich talentvolle Maͤnner finden, die ſie in ihrer Per-
ſon darſtellen, und nach verſchiedenen Seiten hin ausbrei-
ten: doppelt wichtig iſt es in einer Republik.
Unter dieſen Umſtaͤnden blieb man nicht allein bei Ge-
ſinnungen und Hinneigungen ſtehn. Von allem Anfang
hatten die Venezianer das Vertrauen auf Heinrich IV,
daß er faͤhig ſeyn werde Frankreich wieder zu erheben,
das verlorene Gleichgewicht herzuſtellen. Obwohl dem
Papſt, der Heinrich IV. excommunicirt hatte, mannigfal-
tig verpflichtet, obwohl von den Spaniern, die ihn zu ver-
derben wuͤnſchten, zu Land und See umfaßt, und an ſich
von keiner weltbedeutenden Macht, hatten ſie doch unter al-
len Katholiken zuerſt das Herz ihn anzuerkennen. Auf die
Notification ihres Botſchafters Mocenigo ermaͤchtigten ſie
denſelben, Heinrich IV. zu begluͤckwuͤnſchen 2). Ihr Bei-
ſpiel verfehlte nicht Andere anzuregen. Wiewohl Großher-
[198]BuchVI. Innere Streitigkeiten.
zog Ferdinand von Toscana zu einer oͤffentlichen Anerken-
nung nicht den Muth hatte, ſo ſetzte er ſich doch perſoͤn-
lich in ein freundſchaftliches Verhaͤltniß zu dem neuen Koͤ-
nige 1). Der proteſtantiſche Fuͤrſt ſah ſich ploͤtzlich von ka-
tholiſchen Verbuͤndeten umgeben, ja von ihnen gegen das
oberſte Haupt ihrer Kirche in Schutz genommen.
In den Zeiten einer wichtigen Entſcheidung wird die
oͤffentliche Meinung von Europa alle Mal eine unzweifelhafte
Hinneigung offenbaren. Gluͤcklich der, auf deſſen Seite ſie
ſich ſchlaͤgt: ſeine Unternehmungen gehn ihm noch einmal ſo
leicht von Statten. Jetzt beguͤnſtigte ſie die Sache Hein-
richs IV. Die Ideen, die ſich an ſeinen Namen anſchloſ-
ſen, waren kaum ausgeſprochen, aber ſchon ſo maͤchtig,
daß ſie einen Verſuch machen konnten das Papſtthum ſelbſt
an ſich zu ziehen.
Letzte Zeiten Sixtus V.
Wir kommen hier noch einmal auf Sixtus V. Nach-
dem wir ſeine innere Verwaltung, ſeinen Antheil an der
kirchlichen Reſtauration beobachtet, muͤſſen wir noch ein
Wort von ſeiner Politik uͤberhaupt ſagen.
Da iſt es nun beſonders auffallend, wie der uner-
bittlichen Juſtiz die er ausuͤbte, dem harten Finanzſyſtem
das er einfuͤhrte, ſeinem genauen Haushalt eine außeror-
dentliche Neigung zu phantaſtiſchen politiſchen Planen zur
Seite ſtand.
[199]Letzte Zeiten SixtusV.
Was ſind ihm nicht alles fuͤr Ideen durch den Kopf
gegangen!
Lange Zeit hat er ſich geſchmeichelt dem tuͤrkiſchen
Reiche ein Ende machen zu koͤnnen. Er knuͤpfte Verſtaͤnd-
niſſe im Orient an: mit Perſien, einigen arabiſchen Haͤupt-
lingen, den Druſen; er ruͤſtete Galeren aus: andere ſollten
ihm Spanien und Toscana liefern: ſo dachte er von der
See her dem Koͤnig Stephan Bathory von Polen zu Huͤlfe
zu kommen, der den Hauptangriff von der Landſeite aus-
zufuͤhren beſtimmt war. Der Papſt hoffte alle Kraͤfte des
Nordoſtens und des Suͤdweſtens zu dieſer Unternehmung
zu vereinigen: er uͤberredete ſich, Rußland werde ſich dem
Koͤnig von Polen nicht allein anſchließen, ſondern unter-
werfen.
Ein ander Mal erging er ſich in dem Gedanken, ent-
weder allein, oder doch nur mit Toscana vereinigt Egyp-
ten zu erobern. Die weitausſehendſten Abſichten faßte er
hiebei in Sinn: die Verbindung des rothen Meeres mit
dem mittellaͤndiſchen 1), die Herſtellung des alten Welthan-
dels, die Eroberung des heiligen Grabes. Geſetzt aber,
das zeige ſich nicht ſogleich ausfuͤhrbar, — koͤnnte man
dann nicht wenigſtens einen Streifzug nach Syrien un-
ternehmen, um das Grab des Heilandes von geſchickten
[200]BuchVI. Innere Streitigkeiten.
Meiſtern aus [dem] Felſen herausheben und wohl umkleidet
nach Italien ſchaffen zu laſſen? Schon gab er der Hoffnung
Raum dieß groͤßte Heiligthum der Welt einmal in Mont-
alto aufſtellen zu koͤnnen: dann werde ſein Vaterland, die
Mark, wo ja auch das h. Haus zu Loreto ſtehe, die Ge-
burtſtaͤtte und die Grabſtaͤtte des Heilandes in ſich ſchließen.
Und noch eine andere Idee, die alle dieſe an Seltſam-
keit uͤberbietet, finde ich ihm zugeſchrieben. Nach der Er-
mordung der Guiſen ſoll Heinrich dem III. der Vorſchlag
gethan worden ſeyn einen Nepoten des Papſtes zum Er-
ben der Krone zu ernennen. Der Legat des Papſtes, ſagt
man, habe mit deſſen Vorwiſſen dieſen Antrag gemacht.
Geſchehe es nur mit den erforderlichen Feierlichkeiten, ſo
ſey S. Heiligkeit uͤberzeugt, der Koͤnig von Spanien werde
dem Ernannten die Infantin zur Frau geben: ein ſolcher
Thronfolger werde von Jedermann anerkannt werden, und
alle Unruhe am Ende ſeyn. Man will wiſſen, Heinrich III.
ſey wirklich einen Augenblick von dieſen Vorſtellungen be-
ſtochen worden, bis man ihm vorgeſtellt habe, welchen
ſchlechten Nachruf von Feigheit und Mangel an Geſin-
nung er ſich dadurch zuziehen wuͤrde 1).
[201]Letzte Zeiten SixtusV.
Entwuͤrfe, oder vielmehr — denn dieß Wort lautet faſt
zu beſtimmt — Einbildungen, Luftſchloͤſſer der außerordent-
lichſten Art. Wie ſehr ſcheinen ſie jener angeſtrengten rea-
len, auf das Ziel dringenden Thaͤtigkeit des Papſtes zu wi-
derſprechen!
Und doch — duͤrfte man nicht behaupten, daß auch
dieſe oft auf uͤberſchwenglichen unausfuͤhrbaren Gedanken
beruhte? Die Erhebung von Rom zu einer regelmaͤßig,
nach Verlauf beſtimmter Jahre, aus allen Laͤndern, ſelbſt
aus Amerika zu beſuchenden Metropole der Chriſtenheit, —
die Verwandlung antiker Monumente in Denkmale der
Ueberwaͤltigung des Heidenthums durch die chriſtliche Re-
ligion, — die Anhaͤufung geliehener verzinsbarer Gelder zu
einem Schatze, auf dem die weltliche Macht des Kirchen-
ſtaates beruhen ſoll: alles Plane die das Maaß des Er-
reichbaren uͤberſteigen, deren Urſprung in dem Feuer re-
ligioͤſer Phantaſie liegt, — und die doch die Lebensthaͤtig-
keit des Papſtes groͤßtentheils beſtimmten.
Von Jugend auf iſt das menſchliche Thun und Laſ-
ſen von Hoffnungen und Wuͤnſchen, die Gegenwart, moͤch-
1)
[202]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ten wir ſagen, von Zukunft umgeben: und die Seele er-
muͤdet nicht ſich der Erwartung eines perſoͤnlichen Gluͤckes
zu uͤberlaſſen. Je weiter man aber kommt, um ſo mehr
knuͤpft ſich Verlangen wie Ausſicht an die allgemeinen In-
tereſſen, an ein großes Ziel der Wiſſenſchaft, des Staates,
des Lebens uͤberhaupt. In unſerm Franciscaner war die-
ſer Reiz und Antrieb perſoͤnlicher Hoffnungen immer um
ſo ſtaͤrker geweſen, da er ſich auf einer Laufbahn befand,
die ihm die erhabenſte Ausſicht eroͤffnete: von Stufe zu
Stufe hatten ſie ihn begleitet, und ſeine Seele in Tagen
der Bedraͤngniß genaͤhrt: jedes vorbedeutende Wort hatte
er lebhaft aufgefaßt, in ſeinem Herzen feſtgehalten, und
fuͤr den Fall des Gelingens hohe Plane einer moͤnchi-
ſchen Begeiſterung daran geknuͤpft; endlich hatte ſich ihm
alles erfuͤllt: von geringem, hoffnungsloſem Anfang war
er zur oberſten Wuͤrde der Chriſtenheit geſtiegen, einer
Wuͤrde von deren Bedeutung er einen uͤberſchwenglichen Be-
griff hegte: er glaubte durch eine unmittelbare Vorſehung
erwaͤhlt zu ſeyn, um die Ideen zu verwirklichen die ihm
vorgeſchwebt.
Auch in dem Beſitze der hoͤchſten Gewalt verließ ihn
dann die Gewohnheit nicht, in den Verwickelungen der
Welthaͤndel die Moͤglichkeit glaͤnzender Unternehmungen wahr-
zunehmen, ſich mit Entwuͤrfen dazu zu tragen. Es iſt in
ihnen immer ein ſehr perſoͤnliches Element: Gewalt und
Nachruhm ſind ihm reizend, uͤber das was ihm nahe
ſteht, ſeine Familie, ſeinen Geburtsort, ſeine Provinz will
er ſeinen Glanz ausbreiten: aber dieſe Antriebe werden doch
allezeit von einem allgemeinen Intereſſe der katholiſchen
[203]Letzte Zeiten SixtusV.
Chriſtenheit getragen: fuͤr großartige Ideen zeigt er ſich im-
mer offen. Nur iſt der Unterſchied, daß er Einiges ſelbſt
auszufuͤhren vermag, Anderes zum groͤßten Theile Andern
zu uͤberlaſſen hat. Jenes greift er mit der unermuͤdlichen
Thaͤtigkeit an, welche Ueberzeugung, Begeiſterung und Ehr-
geiz hervorbringen: in dieſem dagegen, ſey es weil er von
Natur mißtrauiſch iſt, oder weil der vornehmſte Theil der
Ausfuͤhrung und damit auch des Ruhmes, des Vortheils
Andern zu uͤberlaſſen waͤre, finden wir ihn lange nicht ſo
eifrig. Fragen wir, was er zur Ausfuͤhrung z. B. jener
orientaliſchen Ideen wirklich gethan, ſo iſt es doch nur,
daß er Verbindungen angeknuͤpft, Briefe gewechſelt, Ermah-
nungen erlaſſen, Anſtalten vorbereitet hat: daß er ernſt-
liche Maaßregeln ergriffen haͤtte, die zum Ziele fuͤhren konn-
ten, bemerken wir nicht. Er faßt den Plan mit lebendiger
ſchwaͤrmeriſcher Phantaſie: aber da er nicht gleich ſelbſt
Hand anlegen kann, da die Vollfuͤhrung in der Ferne liegt,
iſt ſein Wille nicht recht wirkſam: den Entwurf der ihn
eben ſehr beſchaͤftigte, laͤßt er doch wieder fallen: ein an-
derer tritt an die Stelle deſſelben.
In dem Augenblicke in dem wir uns befinden, er-
fuͤllten den Papſt die großartigen Ausſichten, die ſich an
die Unternehmung gegen Heinrich IV. knuͤpften, Ausſich-
ten eines vollkommenen Sieges des ſtrengen Katholicismus,
einer erneuerten Weltmacht des Papſtthums: er lebte und
webte darin. Auch zweifelte er nicht, daß alle katholiſchen
Staaten einverſtanden ſeyen, daß ſie mit gemeinſchaftlichen
Kraͤften den Proteſtanten bekaͤmpfen wuͤrden, welcher den
Anſpruch machte Koͤnig von Frankreich zu werden.
[204]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
In dieſer Richtung, dieſem Eifer war er, als er ver-
nehmen mußte, eine katholiſche Macht, mit der er beſonders
gut zu ſtehn meinte, Venedig habe eben dieſen Proteſtan-
ten begluͤckwuͤnſcht. Er war davon tief betroffen. Einen
Augenblick ſuchte er noch die Republik von weitern Schrit-
ten zuruͤckzuhalten: er bat ſie zu warten: die Zeit bringe
wunderſame Fruͤchte: er habe ſelbſt von den guten alten
Senatoren gelernt ſie zur Reife kommen zu laſſen 1). Nichts
deſto minder erkannte man in Venedig den bisherigen
franzoͤſiſchen Geſandten, de Maiſſe, nachdem er ſeine neue
Beglaubigung empfangen, als Bevollmaͤchtigten Heinrichs
IV. an. Der Papſt ſchritt hierauf von Ermahnungen zu
Drohungen fort. Er rief aus, er werde wiſſen was er
zu thun habe: er ließ die alten Monitorien, die zu Ju-
lius II. Zeit gegen die Venezianer ergangen, hervorſuchen
und die Formel eines neuen gegen ſie entwerfen.
Jedoch nicht ohne Schmerz und innerliches Widerſtre-
ben that er dieß. Hoͤren wir einen Augenblick an, wie er
ſich gegen den Geſandten vernehmen ließ, den ihm die Ve-
nezianer hieruͤber zuſchickten.
„Mit denen zu zerfallen, die man nicht liebt,“ ſagte
der Papſt, „iſt kein ſo großes Ungluͤck: aber mit denen,
die man liebt, das thut wehe. Ja es wird uns leid thun —
er legte die Hand auf die Bruſt — mit Venedig zu brechen.“
„Aber Venedig hat uns beleidigt. Navarra iſt ein Ketzer,
von dem h. Stuhle excommunicirt: dennoch hat ihn Ve-
nedig, allen unſern Erinnerungen zum Trotz, anerkannt.“
[205]Letzte Zeiten SixtusV.
„Iſt die Signoria etwa der groͤßte Fuͤrſt der Erde,
dem es zuſteht Andern ein Beiſpiel zu geben? Es gibt
noch einen Koͤnig von Spanien, es gibt noch einen Kaiſer.“
„Fuͤrchtet ſich die Republik etwa vor dem Navarra?
Wir wollen ſie vertheidigen, wenn es noͤthig iſt, aus allen
unſern Kraͤften: wir haben den Nerv dazu.“
„Oder denkt die Republik uns etwas anzuhaben?
Gott ſelbſt wuͤrde uns beiſtehn.“
„Die Republik ſollte unſre Freundſchaft hoͤher achten,
als die Freundſchaft Navarras. Wir koͤnnen ſie beſſer un-
terſtuͤtzen.“
„Ich bitte Euch, thut einen Schritt zuruͤck! Vieles
hat der katholiſche Koͤnig zuruͤckgenommen, weil wir es
wuͤnſchten: nicht aus Furcht vor uns, denn unſre Macht
iſt gegen die ſeine wie eine Fliege gegen den Elephanten,
ſondern aus Liebe, weil es der Papſt ſagte, der Stellver-
treter Chriſti, der ihm und allen Andern den Glauben gibt.
So thue auch die Signoria: ſie treffe einen Ausweg: es
wird ihr nicht ſchwer werden: ſie hat bejahrte weiſe Maͤn-
ner genug, von denen Jeder eine Welt zu regieren ver-
moͤchte.“ 1)
[206]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Man ſpricht aber nicht ohne eine Antwort zu verneh-
men. Der außerordentliche Geſandte der Venezianer war
Leonardo Donato, ein Mitglied jener Geſellſchaft des An-
drea Moroſini: ganz in der Geſinnung der kirchlich politi-
ſchen Oppoſition: ein Mann von der groͤßten, wir wuͤr-
den ſagen, diplomatiſchen Geſchicklichkeit, der ſchon manche
ſchwierige Unterhandlung zu Ende gefuͤhrt.
Nicht alle Motive der Venezianer konnte Donato in
Rom auseinanderſetzen: er kehrte diejenigen hervor, die bei
dem Papſt Eingang finden konnten, die er eigentlich mit
Venedig gemein hatte.
Denn war es nicht offenbar, daß das ſpaniſche Ueber-
gewicht in dem ſuͤdlichen Europa ſich von Jahr zu Jahr
immer gewaltiger erhob? Der Papſt fuͤhlte es ſo gut wie
jeder andere italieniſche Fuͤrſt: ohne die Genehmhaltung der
Spanier konnte er ſchon in Italien keinen Schritt thun.
Was ſollte geſchehen wenn ſie erſt Herrn in Frankreich ge-
worden? Dieſe Betrachtung hauptſaͤchlich, die Anſicht
von dem europaͤiſchen Gleichgewichte und die Nothwendig-
keit ſeiner Wiederherſtellung hob Donato hervor. Er ſuchte
zu zeigen, daß die Republik den Papſt nicht zu beleidigen,
daß ſie vielmehr ein großes Intereſſe des roͤmiſchen Stuh-
les ſelbſt zu beguͤnſtigen, zu beſchuͤtzen gedacht habe.
Der Papſt hoͤrte ihn an, doch ſchien er unerſchuͤtter-
lich, nicht zu uͤberzeugen. Donato verzweifelte etwas aus-
zurichten, und bat um ſeine Abſchiedsaudienz. Am 16ten
Dezember 1589 erhielt er ſie, und der Papſt machte Miene
1)
[207]Letzte Zeiten SixtusV.
ihm ſeinen Segen zu verſagen 1). Aber nicht ſo ganz be-
fangen war doch Sixtus V., daß nicht Gegengruͤnde von
weſentlichem Inhalt auf ihn Eindruck gemacht haͤtten. Er
war eigenſinnig, hochfahrend, rechthaberiſch, hartnaͤckig:
aber dabei doch auch innerlich umzuſtimmen, fuͤr eine
fremde Anſicht zu gewinnen, im Grunde gutmuͤthig. In-
dem er noch ſtritt, ſeinen Satz hartnaͤckig verfocht, fuͤhlte
er ſich im Herzen erſchuͤttert, uͤberzeugt. Mitten in je-
ner Audienz ward er auf einmal mild und nachgiebig 2).
„Wer einen Gefaͤhrten hat“, rief er aus, „hat einen Herrn,
ich will mit der Congregation reden, ich will ihr ſagen,
daß ich mit Euch gezuͤrnt habe, aber von Euch beſiegt
worden bin.“ Noch ein paar Tage warteten ſie: dann er-
klaͤrte der Papſt: er koͤnne nicht billigen, was die Repu-
blik gethan, doch wolle er auch die Maaßregeln, die er ge-
gen ſie beabſichtigt, nicht vornehmen. Er gab Donato ſei-
nen Segen und kuͤßte ihn.
Eine kaum bemerkbare Umwandlung perſoͤnlicher Ge-
ſinnung: die aber die groͤßte Bedeutung entwickelte. Der
Papſt ſelbſt ließ von der Strenge nach, mit der er den
proteſtantiſchen Koͤnig verfolgte: die katholiſche Partei, die
ſich in Widerſpruch mit ſeiner bisherigen Politik zu demſel-
ben hielt, wollte er nicht geradezu verdammen. Ein erſter
Schritt iſt darum ſo viel, weil er eine ganze Richtung in
[208]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ſich ſchließt. Auf der andern Seite fuͤhlte man dieß augen-
blicklich. Urſpruͤnglich hatte ſie ſich nur entſchuldigen wol-
len: auf der Stelle machte ſie den Verſuch den Papſt
ſelbſt zu gewinnen, zu erobern.
Im Auftrage der Prinzen von Gebluͤt, der katholi-
ſchen Pairs die ſich an Heinrich IV. angeſchloſſen, erſchien
Mr. de Luxemburg in Italien. Den warnenden Vorſtellun-
gen der Spanier zum Trotz ließ ihn Sixtus V. im Ja-
nuar 1590 nach Rom kommen, und gab ihm Audienz. Der
Abgeordnete ſtellte beſonders die perſoͤnlichen Eigenſchaften
Heinrichs IV., ſeine Tapferkeit, Großmuth, Herzensguͤte
in ein glaͤnzendes Licht. Der Papſt war davon ganz hin-
geriſſen. „Wahrhaftig!“ rief er aus, „es reut mich, daß ich
ihn excommunicirt habe.“ Luxemburg ſagte, dieſer ſein Koͤ-
nig und Herr werde ſich nun auch der Abſolution wuͤrdig
machen und zu den Fuͤßen S. Heiligkeit in den Schooß
der katholiſchen Kirche zuruͤckkehren. „Alsdann“, erwiederte
der Papſt, „will ich ihn umarmen und troͤſten.“
Denn ſchon war ſeine Phantaſie lebendig ergriffen:
auf der Stelle knuͤpften ſich ihm die kuͤhnſten Hoffnun-
gen an dieſe Annaͤherungen. Er gab dem Gedanken Raum,
daß mehr politiſche Abneigung gegen Spanien, als eine
religioͤſe dem roͤmiſchen Stuhle entgegengeſetzte Ueberzeu-
gung die Proteſtanten abhalte zur katholiſchen Kirche zu-
ruͤckzukehren: er glaubte ſie nicht von ſich weiſen zu duͤr-
fen 1). Schon war ein engliſcher Abgeordneter in Rom:
man
[209]Letzte Zeiten SixtusV.
man kuͤndigte einen ſaͤchſiſchen an. Er war ſehr bereit ſie
zu hoͤren: wollte Gott, ſagte er, ſie kaͤmen alle zu un-
ſern Fuͤßen.
Welch eine Veraͤnderung in ihm vorgegangen war, be-
wies unter andern die Behandlung die er ſeinem franzoͤſi-
ſchen Legaten dem Cardinal Moroſini wiederfahren ließ.
Fruͤher hatte man deſſen Nachgiebigkeit gegen Heinrich III.
als ein Verbrechen betrachtet, und mit der paͤpſtlichen
Ungnade beladen kam er nach Italien zuruͤck: jetzt ward
er von Montalto in dem Conſiſtorium eingefuͤhrt, und der
Papſt empfing ihn mit der Erklaͤrung, es freue ihn,
daß ein Cardinal ſeiner Wahl wie er den allgemeinen Bei-
fall erwerbe 1). Donna Camilla zog ihn zur Tafel.
Wie ſehr mußte die ſtreng katholiſche Welt uͤber dieſe
Umwandlung erſtaunen. Der Papſt neigte ſich zu einem
Proteſtanten, den er ſelbſt excommunicirt hatte, der nach
den alten Satzungen der Kirche als ein zum zweiten Mal
Abgefallener gar nicht einmal der Abſolution faͤhig war.
Es liegt in der Natur der Dinge, daß dieß eine Ruͤck-
1)
Päpſte* 14
[210]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
wirkung hervorrief. Die ſtreng katholiſche Geſinnung hing
nicht ſo durchaus von dem Papſt ab, daß ſie ſich ihm
nicht auch haͤtte widerſetzen koͤnnen: die ſpaniſche Macht gab
ihr einen Ruͤckhalt, an den ſie ſich gewaltig anſchloß.
In Frankreich klagten die Liguiſten den Papſt des Gei-
zes an: er wolle nur den Beutel nicht ziehen, das im Ca-
ſtell aufgehaͤufte Geld wolle er fuͤr ſeine Nepoten und Ver-
wandten aufſparen. In Spanien predigte ein Jeſuit uͤber
den beklagenswuͤrdigen Zuſtand, in dem die Kirche ſey.
Nicht allein die Republik Venedig beguͤnſtige die Ketzer:
ſondern — „ſtille ſtille“, ſagte er, indem er den Finger
an den Mund legte, ſondern ſogar der Papſt ſelbſt. In
Italien toͤnte das wieder. Sixtus V. war bereits ſo em-
pfindlich, daß er eine Ermahnung zu allgemeinem Gebet,
die der Capuzinergeneral hatte ergehn laſſen, „um in Sa-
chen der Kirche die Gnade Gottes anzurufen“, fuͤr eine
perſoͤnliche Beleidigung nahm und den General ſuspen-
dirte.
Jedoch bei bloßen Andeutungen, Privatklagen blieb
es nicht. Am 22. Merz 1590 erſchien der ſpaniſche Bot-
ſchafter in den paͤpſtlichen Gemaͤchern, um im Namen ſei-
nes Herrn gegen das Betragen des Papſtes foͤrmlich zu
proteſtiren 1). Es gab eine Meinung, ſehen wir, die noch
[211]Letzte Zeiten SixtusV.
rechtglaͤubiger, katholiſcher war als der Papſt ſelbſt: der ſpa-
niſche Botſchafter erſchien um ihr im Angeſicht des Pap-
ſtes Ausdruck und Worte zu verleihen. Seltſamer Auf-
tritt! Der Botſchafter ließ ſich auf ein Knie nieder, und
bat S. Heiligkeit ihm zu erlauben, daß er die Befehle
ſeines Herrn ausfuͤhre. Der Papſt erſuchte ihn ſich zu
erheben: es ſey eine Ketzerei, ſich gegen den Stellvertreter
Chriſti auf die Weiſe zu betragen wie er es beabſichtige.
Der Botſchafter ließ ſich nicht irre machen. „Seine Hei-
ligkeit“, begann er, „moͤge die Anhaͤnger Navarras ohne Un-
terſchied fuͤr excommunicirt erklaͤren: S. Heiligkeit moͤge aus-
ſprechen, daß Navarra auf jeden Fall, auf alle Zeit unfaͤhig
ſey zur franzoͤſiſchen Krone zu gelangen. Wo nicht, ſo werde
ſich der katholiſche Koͤnig von der Obedienz S. Heiligkeit los-
ſagen: der Koͤnig koͤnne nicht dulden, daß die Sache Chriſti
zu Grunde gerichtet werde“ 1). Kaum ließ ihn der Papſt
ſo weit reden: er rief aus, das ſey nicht das Amt des
Koͤnigs. Der Geſandte ſtand auf, warf ſich aufs neue
nieder, wollte fortfahren. Der Papſt nannte ihn einen
Stein des Anſtoßes und ging hinweg. Aber Olivarez gab
ſich damit nicht zufrieden: er erklaͤrte, er wolle und
muͤſſe ſeine Proteſtation zu Ende bringen und ſollte ihm
1)
14*
[212]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
der Papſt den Kopf abſchlagen laſſen: er wiſſe wohl, der
Koͤnig werde ihn raͤchen und ſeine Treue an ſeinen Kin-
dern belohnen. Sixtus V. dagegen war in Feuer und
Flamme. „Keinem Fuͤrſten der Welt ſtehe es zu, einen
Papſt belehren zu wollen, der doch von Gott zum Meiſter
der Andern geſetzt ſey: ganz ruchlos aber betrage ſich der
Botſchafter: ſeine Inſtruction ermaͤchtige ihn nur dann zu
einer Proteſtation, wenn ſich der Papſt in Sachen der Li-
gue lau bezeigen ſollte. Wie? wolle der Botſchafter die
Schritte S. Heiligkeit richten?“
Der echte Katholicismus ſchien nur Ein Ziel, Eine
ungetheilte Geſinnung zu haben: im Laufe des Sieges
ſchien er begriffen zu ſeyn, nahe dem Ausſchlag des Gelin-
gens: unerwartet haben ſich innerhalb deſſelben zwei Seiten,
zwei Meinungen ausgebildet, politiſch und kirchlich einan-
der entgegengeſetzt, die eine Angriff, die andere Widerſtand.
Sie beginnen ihren Kampf damit, daß ſich jede aus al-
len Kraͤften anſtrengt das Oberhaupt der Kirche fuͤr ſich
zu gewinnen. Die eine hat den Papſt beſeſſen: mit Bit-
terkeit, mit Drohungen, faſt mit Gewalt ſucht ſie ihn feſtzu-
halten. Der andern hat er ſich durch eine innere Bewe-
gung im entſcheidenden Augenblicke zugeneigt: ſie ſucht ihn
ganz an ſich zu reißen: durch Verſprechungen ſucht ſie ihn
zu verfuͤhren: die glaͤnzendſten Ausſichten ſtellt ſie ihm vor.
Fuͤr die Entſcheidung ihres Kampfes iſt es von der hoͤch-
ſten Bedeutung welche Seite er ergreifen wird.
Die Haltung dieſes Papſtes, der wegen ſeiner That-
kraft und Entſchloſſenheit ſo beruͤhmt iſt, erfuͤllt uns mit
Erſtaunen.
[213]Letzte Zeiten SixtusV.
Wenn Briefe Philipps II. ankommen, worin dieſer Koͤ-
nig erklaͤrt, daß er die gerechte Sache vertheidigen, die Li-
gue mit der Kraft ſeiner Staaten, mit ſeinem Blute un-
terſtuͤtzen wolle, ſo iſt auch der Papſt voll Eifers: er werde,
ſagt er, den Schimpf nicht auf ſich laden, daß er ſich ei-
nem Ketzer wie Navarra nicht entgegengeſetzt habe 1).
Nichts deſto minder neigt er ſich auch wieder auf die
andere Seite. Wenn man ihm die Schwierigkeiten vorſtellt,
in die ihn die franzoͤſiſche Sache verwickele, ſo ruft er aus:
waͤre Navarra gegenwaͤrtig, ſo wuͤrde er ihn auf den Knien
bitten katholiſch zu werden.
Sonderbarer ſtand wohl nie ein Fuͤrſt zu ſeinen Be-
vollmaͤchtigten, als Papſt Sixtus zu dem Legaten Gaetano,
den er noch in der Zeit ſeiner engen Verbindung mit den
Spaniern nach Frankreich geſchickt hatte. Jetzt war der
Papſt zwar noch nicht auf die Seite der Franzoſen getre-
ten, aber doch zu einer unentſchloſſenen, neutralen Geſin-
nung gebracht. Ohne die mindeſte Ruͤckſicht hierauf folgte
der Legat ſeinen alten Inſtructionen. Als Heinrich IV. nach
ſeinem Siege von Ivry Paris belagerte, war es der Legat
des Papſtes, der ihm hier den meiſten Widerſtand entge-
genſetzte. In ſeine Haͤnde ſchwuren Oberſten und Magi-
ſtrate, mit Navarra niemals zu capituliren: durch ſein
[214]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
geiſtliches Anſehen und ein eben ſo gewandtes wie ſtand-
haftes Betragen wußte er ſie bei ihren Verſprechungen feſt
zu halten 1).
In der That entwickelte doch am Ende die gewohnte
ſtrenge Geſinnung die meiſte Kraft.
Olivarez noͤthigte den Papſt, Luxemburg zu entlaſ-
ſen, wenn auch nur unter dem Schein einer Wallfahrt nach
Loreto. Der Papſt hatte Monſignor Serafino, der im Rufe
franzoͤſiſcher Geſinnungen ſtand, zu einer Sendung nach
Frankreich beſtimmt: Olivarez beklagte ſich laut, er drohte
nicht wieder zur Audienz kommen zu wollen: der Papſt ent-
gegnete, er moͤge in Gottes Namen abreiſen: zuletzt behielt
Olivarez dennoch den Sieg, die Sendung Serafinos wurde
aufgeſchoben. In einer orthodoxen ohne Wanken feſtgehaltenen
Meinung liegt eine unglaubliche Gewalt, zumal wenn ſie
von einem tuͤchtigen Manne verfochten wird. Olivarez hatte
die Congregation, welche die franzoͤſiſchen Sachen bearbei-
tete, und die auch noch in fruͤhern Zeiten zuſammengeſetzt
worden, auf ſeiner Seite. Im Juli 1590 ward uͤber ei-
nen neuen Bund zwiſchen Spanien und dem Papſt unter-
handelt 2); und der Papſt erklaͤrte, er muͤſſe etwas zu
Gunſten Spaniens thun.
[215]Letzte Zeiten SixtusV.
Aber man glaube nicht, daß er indeſſen die andere
Partei aufgegeben haͤtte. Zu derſelben Zeit hatte er den
Agenten eines Oberhauptes der Hugenotten, des Lesdi-
guieres bei ſich: ein Geſchaͤftstraͤger des Landgrafen, ein
engliſcher Abgeordneter waren zugegen, und ſchon ſuchte
ſich der kaiſerliche Botſchafter gegen die Einfluͤſterungen die
er von dem ſaͤchſiſchen Geſandten fuͤrchtete, der aufs neue
erwartet wurde, ſicher zu ſtellen: die Umtriebe des Kanz-
lers Crell drangen bis nach Rom 1).
So blieb der gewaltige Kirchenfuͤrſt, welcher der Mei-
nung lebte, daß ihm eine directe Gewalt uͤber alle Erde
verliehen ſey, welcher einen Schatz geſammelt, der ihm
wohl die Kraft verliehen haͤtte einen großen Ausſchlag zu
geben, in dem Moment der Entſcheidung unentſchloſſen,
ſchwankend.
Duͤrfte man ihm wohl ein Verbrechen daraus ma-
chen? Ich fuͤrchte, wir wuͤrden ihm Unrecht thun. Er
durchſchaute die Lage der Dinge: er ſah die Gefahren auf
beiden Seiten: entgegengeſetzten Ueberzeugungen gab er
Raum: ein Moment, der ihm eine endliche Entſcheidung
abgenoͤthigt haͤtte, war nicht vorhanden. Bis in ſeine
2)
[216]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Seele bekaͤmpften ſich die Elemente, welche die Welt theil-
ten: hier ward keines des andern Meiſter.
Allerdings aber ſetzte er ſich damit auch ſeinerſeits in
die Unmoͤglichkeit die Welt zu bezwingen, einen großarti-
gen Einfluß auf ſie auszuuͤben. Vielmehr wirkten die Le-
benskraͤfte die in Bewegung waren auf ihn zuruͤck: es ge-
ſchah dieß in der eigenthuͤmlichſten Geſtalt.
Sixtus hatte die Banditen hauptſaͤchlich dadurch be-
zwungen, daß er mit ſeinen Nachbarn in gutes Verneh-
men trat. Jetzt da dieß ſich aufloͤſte, da man in Tos-
cana und Venedig andere Meinungen hegte als in Neapel
und Mailand, und der Papſt ſich weder fuͤr die einen noch
fuͤr die andern entſchied, bald dem einen bald dem andern
ſeiner Nachbarn verdaͤchtig wurde, jetzt regten ſich auch
die Banditen aufs neue.
Im April 1590 erſchienen ſie wieder. In der Ma-
remma Sacripante: in der Romagna Piccolomini: in der
Campagna von Rom Battiſtella. Sie waren reichlich mit
Geld verſehen: man wollte bemerken, daß ſie viel ſpaniſche
Dublonen ausgaben: vorzuͤglich in der guelfiſchen Partei fan-
den ſie Anhang: ſchon zogen ſie wieder in geordneten Schaa-
ren mit fliegenden Fahnen und Trommeln einher: die paͤpſt-
lichen Truppen hatten keine Luſt mit ihnen zu ſchlagen 1).
Unmittelbar wirkte dieß auf alle Verhaͤltniſſe zuruͤck. Die
Bologneſen widerſetzten ſich dem Vorhaben des Papſtes
[217]Letzte Zeiten SixtusV.
die Senatoren der Stadt zu vermehren, mit einer lange
nicht mehr gehoͤrten Kuͤhnheit und Freimuͤthigkeit.
In dieſer Lage, in ſo viel nahem und druͤckendem
Mißbehagen, ohne in der wichtigſten Sache eine Entſchei-
dung, einen Entſchluß auch nur verſucht zu haben, ſtarb
Papſt Sixtus V. (27. Aug. 1590).
Es entlud ſich gerade ein Ungewitter uͤber den Qui-
rinal, als er verſchied. Die alberne Menge uͤberredete ſich,
Fra Felice haben einen Pact mit dem Boͤſen gehabt, durch
deſſen Huͤlfe er von Stufe zu Stufe geſtiegen: nach abge-
laufener Zeit ſey nun ſeine Seele in dem Unwetter hin-
weggefuͤhrt worden. So verſinnbildeten ſie ihr Mißver-
gnuͤgen uͤber ſo viele neu eingefuͤhrte Auflagen und den
Zweifel an ſeiner vollkommenen Rechtglaͤubigkeit, der in
den letzten Zeiten ſo oft rege geworden. In wildem Un-
geſtuͤm riſſen ſie die Bildſaͤule nieder, die ſie ihm einſt er-
richtet hatten: ja auf dem Capitol ward ein Beſchluß ge-
faßt, daß man niemals wieder einem Papſt bei ſeinem
Leben eine Bildſaͤule ſetzen wolle.
Urban VII. Gregor XIV. Innocenz IX. und
ihre Conclaven 1590, 1591.
Doppelt wichtig wurde nun die neue Wahl. Es kam
doch hauptſaͤchlich auf die perſoͤnliche Geſinnung eines Pap-
ſtes an, fuͤr welche von jenen beiden Richtungen, de-
ren Widerſtreit begonnen hatte, er ſich erklaͤren wuͤrde,
und ohne Zweifel konnte ſeine Entſchließung zu weltge-
[218]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ſchichtlichen Wirkungen fuͤhren. Das Gewuͤhl und der
Wahlkampf des Conclaves erhalten deshalb eine beſondere
Bedeutung, und wir muͤſſen hier ein Wort von denſelben
einflechten.
In der erſten Haͤlfte des ſechszehnten Jahrhunderts
beherrſchte das Uebergewicht der kaiſerlichen oder der fran-
zoͤſiſchen Faction in der Regel die Waͤhlenden: die Cardinaͤle
hatten, wie ein Papſt ſagt, keine Freiheit der Stimmen
mehr. Seit der Mitte deſſelben ward dieſe Einwirkung
fremder Maͤchte um vieles unbedeutender: die Curie blieb
bei weitem mehr ſich ſelbſt uͤberlaſſen. Da hatte ſich
denn, in der Bewegung der innern Umtriebe, ſagen wir,
ein Principo der eine Gewohnheit ſehr beſonderer Art aus-
gebildet.
Jeder Papſt pflegte eine Anzahl Cardinaͤle zu ernen-
nen, die dann in dem naͤchſten Conclave ſich um den Ne-
poten des Verſtorbenen ſammelten, eine neue Macht bilde-
ten, und in der Regel Einen aus ihrer Mitte auf den
Thron zu heben verſuchten. Merkwuͤrdig war es, daß es
ihnen hiemit nie gelang, daß die Oppoſition alle Mal ſiegte
und in der Regel einen Gegner des letzten Papſtes befoͤr-
derte.
Ich will nicht verſuchen dieß ausfuͤhrlich zu eroͤr-
tern. Wir haben nicht ganz unglaubwuͤrdige Mittheilun-
gen uͤber dieſe Wahlen: allein es wuͤrde doch unmoͤglich
ſeyn die hiebei wirkſamen perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe zu
rechter Anſchauung zu erheben: es wuͤrden immer Schatten
bleiben.
Genug wenn wir das Princip bemerken. Ohne Aus-
[219]Conclaven. UrbanVII.
nahme trugen in jenem Zeitraume nicht die Anhaͤnger ſon-
dern die Gegner des letzten Papſtes, namentlich die Crea-
turen des vorletzten, den Sieg davon. Paul IV. ward
von den Creaturen Pauls III, Pius IV. durch die Feinde
der Caraffas und Pauls IV. erhoben. Der Neffe Pius des
IV. Borromeo hatte die perſoͤnliche Aufopferung, freiwillig
einen Mann der Gegenpartei, den er aber fuͤr den froͤmm-
ſten hielt, Pius dem V. ſeine Stimme zugeben: aber er that
das nur unter lebhaftem Widerſpruch der Geſchoͤpfe ſeines
Oheims, welche, wie es in dem Berichte heißt, kaum glaubten
zu ſehen was ſie ſahen, zu thun was ſie thaten. Auch
verſaͤumten ſie nicht ſich ihre Nachgiebigkeit im naͤchſten
Falle zu Nutze zu machen Jenes Herkommen ſuchten ſie
zur Anerkennung zu bringen, als Regel aufzuſtellen, und
in der That ſetzten ſie den Nachfolger Pius des V. aus
den Creaturen Pius des IV. So ging es auch bei der
Wahl Sixtus V, aus den Gegnern ſeines Vorgaͤngers
Gregor erhob er ſich.
Kein Wunder iſt es hienach, wenn wir immer entgegen-
geſetzte Charaktere auf dem paͤpſtlichen Stuhle finden. Die
verſchiedenen Factionen treiben einander aus der Stelle.
Vermoͤge dieſes Herkommens hatten nun auch dieß
Mal die Gegner Sixtus V. beſonders der letzten Wen-
dung ſeiner Politik eine große Ausſicht fuͤr ſich. Ueberaus
maͤchtig hatte Sixtus V. ſeinen Neffen gemacht: mit einer
Schaar ergebener Cardinaͤle, ſo zahlreich wie nur je eine
andere geweſen, trat derſelbe in dem Conclave auf. Trotz
alle dem mußte er weichen. Die Creaturen Gregors erho-
ben einen Gegner des vorigen Papſtes, der von dieſem ſo-
[220]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
gar beſonders beleidigt worden, von unzweifelhaft ſpaniſcher
Geſinnung, Johann Baptiſt Caſtagna, Urban VII.1)
Mit dieſer Wahl aber waren ſie ungluͤcklich. Ur-
ban VII. ſtarb, ehe er noch gekroͤnt worden, ehe er noch
einen einzigen Praͤlaten ernannt hatte, am 12ten Tage ſei-
nes Pontificates, und ſogleich eroͤffnete ſich der Wahlkampf
aufs neue.
Er unterſchied ſich dadurch, daß die Spanier wieder
auf das ernſtlichſte Theil nahmen. Sie ſahen wohl, wie
viel fuͤr die franzoͤſiſchen Angelegenheiten darauf ankam.
Der Koͤnig entſchloß ſich zu einem Schritte, der ihm in
Rom als eine gefaͤhrliche Neuerung angerechnet wurde, und
den ſelbſt ſeine Anhaͤnger nur mit den dringenden Umſtaͤn-
den, in denen er ſich befinde, zu entſchuldigen wußten 2):
er nannte ſieben Cardinaͤle, die ihm tauglich zu ſeyn ſchie-
nen: keinen Andern wollte er annehmen. An der Spitze
der Ernannten ſtand der Name Madruzzi, und unverzuͤg-
lich machten die ſpaniſchen Cardinaͤle einen Verſuch, mit
dieſem ihrem Oberhaupt durchzudringen.
Allein ſie fanden hartnaͤckigen Widerſtand. Madruzzi
[221]Conclave GregorsXIV.
wollte man nicht, weil er ein Deutſcher ſey, weil man das
Papſtthum nicht wieder in die Haͤnde der Barbaren kom-
men laſſen duͤrfe 1): auch von den uͤbrigen wollte Mont-
alto Keinen annehmen. Montalto haͤtte zwar vergeblich
verſucht einen ſeiner Anhaͤnger zu erheben: aber wenigſtens
auszuſchließen vermochte er. Das Conclave verzog ſich un-
gebuͤhrlich lange: die Banditen waren Herrn im Lande: taͤg-
lich hoͤrte man von gepluͤnderten Guͤtern, verbrannten Doͤr-
fern: in Rom ſelbſt war eine Bewegung zu fuͤrchten.
Es gab nur Ein Mittel zum Ziele zu kommen: wenn
man von den Vorgeſchlagenen denjenigen hervorhob, der
dem Nepoten Sixtus des V. am wenigſten unangenehm war.
In den florentiniſchen Nachrichten 2) findet ſich, daß der
Großherzog von Toscana, in den roͤmiſchen, daß Car-
dinal Sforza, das Haupt der gregorianiſchen Cardinaͤle,
hiezu beſonders beigetragen habe. In ſeine Zelle zuruͤckge-
zogen, vielleicht auch darum weil man ihm geſagt hatte,
durch Sillſchweigen werde er am beſten befoͤrdert, und
vom Fieber geplagt lebte Cardinal Sfondrato, einer von
den Sieben. Ueber dieſen vereinigten ſich die Parteien, und
gleich in voraus ward eine Familienverbindung zwiſchen
den Haͤuſern Sfondrato und Montalto verabredet. Hierauf
beſuchte Montalto den Cardinal in ſeiner Zelle, er fand ihn
betend vor dem Crucifix, nicht ganz ohne Fieber: er ſagte
ihm, daß er den andern Morgen gewaͤhlt werden ſolle.
[222]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
An dieſem Morgen — 5. Dezember 1590 — fuͤhrte er
ihn mit Sforza in die Capelle, wo die Stimmen gege-
ben wurden. Sfondrato ward gewaͤhlt: er nannte ſich
Gregor. XIV1)
Ein Mann, der alle Wochen zweimal faſtete, alle
Tage ſeine Meſſe las, das Penſum ſeiner Horen immer
auf den Knien betete, und dann eine Stunde ſeinem Lieb-
lingsautor, dem heil. Bernhard, widmete, aus dem er ſich
die Sentenzen die ihm beſonders einleuchteten ſorgfaͤltig auf-
zeichnete: eine jungfraͤuliche unſchuldige Seele. Man be-
merkte aber in halbem Scherz, wie er zu fruͤh — im ſie-
benten Monat — auf die Welt gekommen und nur mit
Muͤhe aufgebracht worden war, ſo habe er uͤberhaupt zu
wenig irdiſche Elemente in ſich. Von der Praxis und den
Umtrieben der Curie hatte er nie etwas begriffen. Die
Sache, welche die Spanier verfochten, hielt er ohne Wei-
teres fuͤr die Sache der Kirche. Er war ein geborner Un-
terthan Philipps II, und ein Mann nach ſeinem Herzen.
Ohne alles Schwanken noch Verziehen erklaͤrte er ſich zu
Gunſten der Ligue 2).
„Ihr“, ſchrieb er an die Pariſer, „die ihr einen ſo
loͤblichen Anfang gemacht habt, harret nun auch aus und
haltet nicht inne bis Ihr an das Ziel Eures Laufes ge-
kommen ſeyd. Von Gott inſpirirt haben wir beſchloſſen
Euch zu Huͤlfe zu kommen. Zuerſt weiſen wir Euch eine
[223]GregorXIV.
Unterſtuͤtzung in Geld an und zwar uͤber unſere Kraͤfte. So-
dann ordnen wir unſern Nuntius — Landriano — nach
Frankreich ab, um alle Abgewichenen in Eure Vereinigung
zuruͤckzubringen. Endlich ſchicken wir, obwohl nicht ohne
große Belaͤſtigung der Kirche, unſern lieben Sohn und Nef-
fen, Hercules Sfondrato, Herzog von Montemarciano, mit
Reiterei und Fußvoͤlkern Euch zu, um die Waffen zu Eurer
Vertheidigung anzuwenden. Solltet Ihr aber noch Meh-
reres beduͤrfen, ſo werden wir Euch auch damit verſehen 1).
In dieſem Briefe liegt die ganze Politik Gregors XIV.
Sie war doch von großer Wirkung. Die Erklaͤrung ſelbſt,
die Wiederholung der Excommunication Heinrichs IV,
die damit verbunden war, und dann die Aufforderung an alle
Cleriker, an den Adel, die Beamten der Juſtiz und den
dritten Stand ſich bei ſchwerer Strafe von Heinrich von
Bourbon zu trennen, womit Landriano in Frankreich
auftrat, brachten einen tiefen Eindruck hervor 2). Es gab ſo
viele Streng-katholiſch-geſinnte auf der Seite Heinrichs IV.
die zuletzt doch durch dieſe entſchiedenen Schritte des Ober-
hauptes ihrer Kirche irre gemacht wurden. Sie erklaͤrten,
nicht allein das Koͤnigthum habe eine Succeſſion, ſondern
auch die Kirche: man muͤſſe die Religion eben ſo wenig
[224]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
aͤndern als die Dynaſtie. Es bildete ſich von dieſer Zeit
an unter den Anhaͤngern des Koͤnigs die ſogenannte dritte
Partei, welche denſelben unaufhoͤrlich zur Wiederannahme
des Katholicismus aufforderte, nur unter dieſer Bedingung
und Ausſicht ihm treu blieb, und um ſo mehr zu bedeu-
ten hatte, da die maͤchtigſten Maͤnner in ſeiner unmittelba-
ren Umgebung ſich zu ihr hielten.
Noch groͤßere Erfolge aber ließen die andern Maaß-
regeln erwarten, die der Papſt in jenem Briefe ankuͤndigte,
und die er nicht zoͤgerte in Erfuͤllung zu bringen. Die
Pariſer unterſtuͤtzte er monatlich mit 15000 Scudi: den
Oberſt Luſi ſchickte er in die Schweiz, um Truppen an-
zuwerben: nachdem er ſeinem Neffen Ercole in S. Maria
Maggiore die Standarte der Kirche als ihrem General feier-
lich uͤberliefert hatte, entließ er ihn nach Mailand, wo
ſeine Mannſchaften ſich ſammeln ſollten. Der Commiſſar
der ihn begleitete, Erzbiſchof Matteucci war reichlich mit
Geld verſehen.
Unter dieſen Auſpicien trug Philipp II. nicht laͤn-
ger Bedenken ſich der franzoͤſiſchen Sache mit Ernſt an-
zunehmen. Seine Truppen ruͤckten in der Bretagne vor,
ſie nahmen Platz in Toulouſe und Montpellier. Auf ei-
nige Provinzen glaubte er beſondere Anſpruͤche zu haben:
in andern war er in der engſten Verbindung mit den lei-
tenden Oberhaͤuptern, Capuziner hatten ſie zuweilen geſtif-
tet oder erhalten: nach andern ward er auf das dringendſte
eingeladen „als der einzige Beſchuͤtzer der Rechtglaͤubigen
gegen die Hugenotten“. Auch die Pariſer luden ihn ein.
Indeſſen griffen die Piemonteſen in der Provence an: das
paͤpſt-
[225]GregorXIV.InnocenzIX.
paͤpſtliche Heer vereinte ſich in Verdun mit den Ligui-
ſten. Es war eine allgemeine Bewegung ſpaniſch-ita-
lieniſcher Kraͤfte, um Frankreich mit Gewalt in die ſtreng
katholiſche Richtung fortzuziehen, die in jenen Laͤndern das
Uebergewicht hatte. Die Schaͤtze, die Papſt Sixtus mit
ſo viel Anſtrengung geſammelt und ſo ſorgfaͤltig geſpart, ka-
men nun doch den Spaniern zu Gute. Nachdem Gre-
gor XIV. die Summen aus dem Caſtell genommen deren
Verwendung an keine Bedingungen gebunden war, griff er
auch die andern auf das ſtrengſte vinculirten an. Er ur-
theilte, nie koͤnne ein dringenderes Beduͤrfniß der Kirche
eintreten.
Bei der Entſchiedenheit mit der man zu Werke ging,
der Klugheit des Koͤnigs, dem Reichthum des Papſtes, und
dem Einfluß den ihr vereinigtes Anſehen auf Frankreich
hatte, laͤßt ſich in der That nicht berechnen, wie weit es
dieſer doppelſeitige, weltlich-geiſtliche Ehrgeiz gebracht haben
wuͤrde: — waͤre nicht Gregor XIV. mitten in der Unter-
nehmung geſtorben. Nur zehn Monat und zehn Tage hatte
er den roͤmiſchen Stuhl beſeſſen und ſo große Veraͤnderun-
gen hervorgebracht: was wuͤrde geſchehen ſein, wenn er
dieſe Gewalt einige Jahre inne gehabt haͤtte. Es war der
groͤßte Verluſt den die liguiſtiſch-ſpaniſche Partei erleiden
konnte.
Noch einmal zwar drangen die Spanier in dem Con-
clave durch. Sie hatten wieder ſieben Candidaten benannt 1),
Päpſte* 15
[226]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
und einer von dieſen, Johann Anton Fachinetto — In-
nocenz IX — wurde gewaͤhlt. Auch er war, ſo viel man
urtheilen kann, ſpaniſch geſinnt: wenigſtens ſchickte er der
Ligue Geld, und wir haben das Schreiben uͤbrig, in dem er
Alexander Farneſe antreibt ſeine Ruͤſtungen zu beſchleuni-
gen, in Frankreich einzudringen und Rouen zu entſetzen,
was dieſer Feldherr dann ſo gluͤcklich und geſchickt aus-
fuͤhrte 1). Aber das Ungluͤck war: auch Innocenz IX.
war ſchon ſehr alt und ſchwach: faſt niemals verließ
er das Bett: da gab er ſelbſt Audienzen: von dem Ster-
bebett eines Greiſes, der ſich nicht mehr ruͤhren konnte,
ergingen Kriegsermunterungen, welche Frankreich, ja Eu-
ropa in Bewegung ſetzten. Kaum hatte Innocenz den
paͤpſtlichen Stuhl 2 Monat inne gehabt, ſo ſtarb auch er.
Und ſo erneuerten ſich die Wahlkaͤmpfe des Conclave
zum vierten Mal. Sie wurden um ſo wichtiger, da ſich
in dem unaufhoͤrlichen Wechſel die Meinung feſtgeſetzt hatte,
daß es vor allem eines kraͤftigen lebensfaͤhigen Mannes be-
duͤrfe. Jetzt mußte es zu einer definitiven Entſcheidung
auf laͤngere Zeit kommen. Das Conclave wurde ein bedeu-
tender Moment fuͤr die allgemeine Geſchichte.
Wahl und Natur Clemens VIII.
Den Spaniern war es in dem gluͤcklichen Fortgange
ihrer Intereſſen zu Rom waͤhrend des letzten Jahres zu-
1)
[227]Wahl ClemensVIII.
letzt auch gelungen Montalto zu gewinnen. Das Haus
dieſes Nepoten hatte ſich in dem Neapolitaniſchen ange-
kauft. Indem Montalto zuſagte ſich dem Willen des Koͤnigs
nicht mehr zu widerſetzen, verſprach ihm dagegen der Koͤ-
nig, nicht alle Creaturen Sixtus V. geradehin auszuſchließen.
So waren ſie verbuͤndet, und die Spanier zoͤgerten nicht
laͤnger, den Mann auf die Wahl zu bringen, von dem ſie
ſich die thaͤtigſte Mitwirkung zu dem franzoͤſiſchen Kriege
verſprechen konnten.
Von allen Cardinaͤlen konnte Santorio, mit dem Ti-
tel Sanſeverina, als der eifrigſte angeſehen werden. Schon
in ſeiner Jugend hatte er zu Neapel manchen Kampf mit
den dortigen Proteſtanten durchgemacht: in ſeiner Autobio-
graphie, welche handſchriftlich uͤbrig iſt, bezeichnet er die
Bluthochzeit als „den beruͤhmten Tag des h. Bartholomaͤus,
hoch erfreulich den Katholiſchen“ 1): immer hatte er ſich
zu den heftigſten Meinungen bekannt; er war das leitende
Mitglied in der Congregation fuͤr die franzoͤſiſchen Ange-
legenheiten, ſeit lange die Seele der Inquiſition: noch ge-
ſund und in ziemlich friſchem Alter.
Dieſen Mann wuͤnſchten die Spanier mit der hoͤch-
ſten geiſtlichen Wuͤrde zu bekleiden: einen ergebenern haͤt-
ten ſie nicht finden koͤnnen. Noch Olivarez hatte alles vor-
bereitet 2): es ſchien kein Zweifel uͤbrig zu bleiben: von 52
1)
15*
[228]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Stimmen hatte man 36 bejahende, eben genug um die
Wahl zu entſcheiden, wozu immer zwei Drittheile der Stim-
men erforderlich ſind. Und ſo ſchritt man gleich den er-
ſten Morgen, nachdem das Conclave geſchloſſen worden, zu
dem Wahlactus. Montalto und Madrucci, die Haͤupter
der vereinten Factionen holten Sanſeverina aus ſeiner Zelle
ab, die, wie es bei der Zelle der Erwaͤhlten Gebrauch iſt, von
den Dienern ſogleich ſpoliirt wurde: 36 Cardinaͤle begaben
ſich mit ihm nach der Capella Paolina: ſchon bat man ihn
um Gnade fuͤr ſeine Gegner: er erklaͤrte, er wolle Allen
vergeben und ſich zum erſten Zeichen ſeiner Geſinnung Cle-
mens nennen: Voͤlker und Reiche wurden ihm empfohlen.
Indeſſen hatte man bei dieſem Vorſchlag Einen Um-
ſtand aus der Acht gelaſſen. Sanſeverina galt fuͤr ſo ſtreng,
daß Jedermann ihn fuͤrchtete.
Dadurch war es ſchon geſchehen, daß Viele nicht hat-
ten gewonnen werden koͤnnen: juͤngere Cardinaͤle, alte per-
ſoͤnliche Gegner: ſie verſammelten ſich in der Capella Si-
ſtina; es waren ihrer zwar, als ſie ſich beiſammen ſahen,
nur ſechszehn, — es fehlte ihnen an einer Stimme um die
Excluſion zu geben, und ſchon machten Mehrere Miene
ſich dem Geſchick zu unterwerfen, und Sanſeverina anzu-
erkennen: jedoch hatte der erfahrene Altemps ſo vielen Ein-
fluß auf ſie, daß ſie noch Stand hielten. Sie trau-
ten ihm zu, daß er die Sachen beſſer uͤberſehe, als ſie
ſelbſt.
Und in der That wirkte die nemliche Abneigung auch
2)
[229]Wahl ClemensVIII.
auf diejenigen, die Sanſeverina’n ihr Wort gegeben; gar
Manche unter ihnen verwarfen ihn im Herzen. Dem Wun-
ſche des Koͤnigs und Montaltos hatten ſie ſich bequemt,
doch erwarteten ſie nur eine Gelegenheit um abtruͤnnig zu
werden. Bei dem Eintritt in die Wahlkapelle zeigte ſich
eine Unruhe, eine Bewegung, die bei einem entſchiedenen
Falle ganz ungewoͤhnlich war. Man machte einen Anfang
die Stimmen zu zaͤhlen: man ſchien damit nicht zu Stande
kommen zu wollen: die eigenen Landsleute Sanſeverinas
legten ihm Hinderniſſe in Weg 1). Es fehlte nur an Je-
mand, der dem Gedanken, den ſo Viele hegten, Bahn braͤ-
che. Endlich faßte ſich Ascanio Colonna das Herz
dieß zu thun. Er gehoͤrte zu den roͤmiſchen Baronen,
welche vor allem die inquiſitoriſche Haͤrte Sanſeverinas
fuͤrchteten. Er rief aus: „ich ſehe, Gott will Sanſeverina
nicht, auch Ascanio Colonna will ihn nicht.“ Er verließ
die Paolina und begab ſich zu den Gegnern in der Siſtina.
Hiemit hatten dieſe gewonnen. Es ward ein gehei-
mes Scrutinium beliebt. Es gab Einige, die es nie ge-
wagt haͤtten oͤffentlich und laut ihre bereits zugeſagte
Stimme zuruͤckzuziehen, die das aber wohl insgeheim tha-
ten, ſobald ſie nur wußten, daß ihre Namen verſchwiegen
bleiben wuͤrden. Als die Zettel eroͤffnet wurden, fanden ſich
nur 30 Stimmen fuͤr den Vorgeſchlagenen.
Seiner Sache gewiß war Sanſeverina gekommen: die
Fuͤlle der geiſtlichen Gewalt, die er ſo hoch anſchlug, die
[230]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
er ſo oft verfochten, glaubte er ſchon in Beſitz zu haben:
zwiſchen der Erfuͤllung ſeiner hoͤchſten Wuͤnſche und der
Zukunft eines immerwaͤhrenden Gefuͤhls von Zuruͤckſetzung,
zwiſchen Herr ſeyn und gehorchen muͤſſen hatte er 7 Stun-
den zugebracht, wie zwiſchen Leben und Tod: endlich war
es entſchieden: ſeiner Hoffnung beraubt ging er in die
ſpoliirte Zelle zuruͤck. „Die naͤchſte Nacht“, ſagt er in
jener Lebensbeſchreibung, „war mir ſchmerzvoller, als je
ein ungluͤcklicher Augenblick, den ich erlebt habe. Die
ſchwere Betruͤbniß meiner Seele und die innerliche Angſt
preßten mir, unglaublich zu ſagen, blutigen Schweiß aus.“
Er kannte die Natur eines Conclaves genugſam, um
ſich weiter keine Hoffnung zu machen. Seine Freunde ha-
ben ihn ſpaͤter noch einmal auf die Wahl gebracht: aber
es war nur ein hoffnungsloſer Verſuch.
Auch die Spanier ſelbſt hatten hiemit verloren. Der
Koͤnig hatte fuͤnf Namen genannt, keiner von allen konnte
durchgeſetzt werden. Man mußte endlich zu dem ſechſten
ſchreiten, der von den Spaniern als uͤberzaͤhlig bezeichnet
worden war.
Mehr ſeinem Verbuͤndeten Montalto zu Gefallen als
aus eigener Bewegung hatte nemlich der Koͤnig auch noch
Cardinal Aldobrandini genannt, eine Creatur Sixtus V,
den er vor dem Jahre ſelbſt ausgeſchloſſen hatte. Auf
dieſen kam man jetzt als den einzig moͤglichen zu-
ruͤck. Er war, wie man denken kann, Montalto’n er-
wuͤnſcht: die Spanier konnten, weil er doch mit genannt
worden, nichts gegen ihn ſagen: auch den Uebrigen war
er nicht unwillkommen, im Allgemeinen beliebt: ſo ward
[231]Wahl ClemensVIII.
er denn ohne vielen Widerſtand gewaͤhlt: 20. Jan. 1592.
Er nannte ſich Clemens VIII.
Es iſt immer ſonderbar, wie es hiebei den Spaniern
ging. Sie hatten Montalto auf ihre Seite gebracht, um
einen von den Jahren durchzuſetzen: eben dieſe Verbindung
machte jedoch, daß ſie ſelbſt dazu helfen mußten, einen
Freund Montaltos, eine Creatur Sixtus V. auf den Thron
zu bringen.
Wir bemerken, daß hiemit in dem Gange der Papſt-
wahlen eine Veraͤnderung eintrat, die wir nicht als unbe-
deutend betrachten duͤrfen. Seit langer Zeit waren einan-
der immer Maͤnner von entgegengeſetzten Factionen nachge-
folgt. Auch jetzt war wohl daſſelbe geſchehen, drei Mal
hatten die Geſchoͤpfe Sixtus V. zuruͤckſtehn muͤſſen: aber
die Gewaͤhlten hatten doch nur eine ſehr voruͤbergehende
Macht genoſſen, und keine neue ſtarke Faction bilden
koͤnnen: Todesfaͤlle, Leichenzuͤge, neue Conclaven waren
auf einander gefolgt. Der Erſte, der den Stuhl wieder
mit voller Lebenskraft beſtieg, war Clemens VIII. Es
folgte eine Regierung der nemlichen Partei, welche zuletzt
laͤnger geherrſcht hatte.
Die allgemeine Aufmerkſamkeit war nun darauf ge-
richtet, wer der neue Gewalthaber ſey, was ſich von ihm
erwarten laſſe.
Clemens VIII. war im Exil geboren. Sein Vater
Salveſtro Aldobrandino, von angeſehenem florentiniſchen
Geſchlecht, aber ein lebhafter und thaͤtiger Gegner der Me-
dici, war bei dem endlichen Siege dieſes Hauſes im Jahre
1531 vertrieben worden und hatte ſein Fortkommen im
[232]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Auslande ſuchen muͤſſen 1). Er war Doctor der Rechte,
und hatte fruͤher einmal zu Piſa Vorleſungen gehalten:
jetzt finden wir ihn bald in Venedig, wo er an der Ver-
beſſerung des venezianiſchen Statuts Antheil hat, oder eine
Ausgabe der Inſtitutionen beſorgt, bald in Ferrara oder
Urbino im Rathe und Gericht der Herzoͤge, am laͤngſten
in Dienſten bald des einen bald des andern Cardinals, und
an deren Stelle mit der Rechtspflege und der Verwaltung in
irgend einer kirchlichen Stadt beauftragt. Am meiſten viel-
leicht zeichnet es ihn aus, daß er bei dieſem unſtaͤten Leben
fuͤnf vortreffliche Soͤhne zu erziehen wußte. Der geiſtreichſte
von ihnen mag der aͤlteſte, Johann, geweſen ſeyn, den man
den Wagenlenker des Hauſes nannte: er brach die Bahn,
und auf dem Wege juridiſcher Wuͤrden ſtieg er im Jahre
1570 zum Cardinalat: waͤre er laͤnger am Leben geblieben,
ſo wuͤrde er, glaubt man, Hoffnung zur Tiare gehabt ha-
ben. Bernardo erwarb ſich im Waffenhandwerk Anſehen;
Tommaſo war ein guter Philolog, die Ueberſetzung die er
von Diogenes Laertius verfaßt hat, iſt oͤfter abgedruckt
worden; Pietro galt fuͤr einen ausgezeichneten praktiſchen
Juriſten. Der juͤngſte, Ippolyto, im Jahre 1536 zu Fano
geboren 2), machte dem Vater anfangs einige Sorgen: er
[233]ClemensVIII.
fuͤrchtete ihm die Erziehung, deren ſein Talent wuͤrdig war,
nicht geben zu koͤnnen. Aber einmal nahm ſich Cardinal
Aleſſandro Farneſe des Knaben an, und bewilligte ihm
eine jaͤhrliche Unterſtuͤtzung aus den Einkuͤnften ſeines Bis-
thums Spoleto: dann befoͤrderte ihn das aufkommende
Gluͤck ſeiner Bruͤder von ſelbſt. Er gelangte bald in die
Praͤlatur, hierauf in die Stelle ſeines aͤlteſten Bruders
in dem Gerichtshof der Rota; Sixtus V. ernannte ihn
zum Cardinal, und uͤbertrug ihm eine Sendung nach Po-
len. Durch dieſe kam er zuerſt mit dem Hauſe Oeſt-
reich in eine gewiſſe Verbindung. Das geſammte Haus
ſah es als einen Dienſt an, daß der Cardinal, der ſich
dabei ſeiner Autoritaͤt mit Ruͤckſicht und zum Ziele fuͤh-
render Klugheit bediente, den Erzherzog Maximilian aus
der Gefangenſchaft befreiete in der ihn die Polen hielten.
Als ſich Philipp II. entſchloß eine Creatur Sixtus V.
als uͤberzaͤhligen Candidaten zu nennen, ſo war dieß der
Grund, um deſſen willen er den Aldobrandino Andern vor-
zog. So gelangte der Sohn eines heimathloſen Fluͤcht-
lings, von dem man einen Augenblick gefuͤrchtet hatte, er
werde ſein Lebelang Schreiberdienſte verrichten muͤſſen, zur
hoͤchſten Wuͤrde der katholiſchen Chriſtenheit.
Nicht ohne Genugthuung wird man in der Kirche della
Minerva zu Rom das Denkmal betrachten, das Salveſtro
Aldobrandino dort der Mutter einer ſo herrlichen Schaar
von Soͤhnen errichtet hat, — „ſeiner theuren Frau Leſa
aus dem Hauſe Deti, mit der er ſieben und dreißig Jahre
eintraͤchtig gelebt.“
[234]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Die ganze Thaͤtigkeit nun, die einem aus mancherlei
Noth emporſtrebenden Geſchlechte eigen iſt, brachte der
neue Papſt in ſein Amt. Fruͤh waren die Sitzungen:
Nachmittags die Audienzen 1): alle Informationen wurden
angenommen und durchgeſehen: alle Ausfertigungen erſt ge-
leſen und beſprochen: Rechtsgruͤnde aufgeſucht, fruͤhere Faͤlle
verglichen: nicht ſelten zeigte ſich der Papſt unterrichteter
als die vortragenden Referendare; er arbeitete eben ſo ange-
ſtrengt wie fruͤher, als er noch Auditor di Rota war: den
Einzelheiten der innern Staatsverwaltung, perſoͤnlichen Ver-
haͤltniſſen widmete er nicht mindern Antheil, als der euro-
paͤiſchen Politik, oder den großen Intereſſen der geiſtlichen
Macht. Man fragte, woran er wohl Gefallen finde:
die Antwort war, an allem oder an nichts 2).
Dabei haͤtte er ſich in ſeinen geiſtlichen Pflichten nicht
die mindeſte Nachlaͤſſigkeit zu Schulden kommen laſſen. Alle
Abend empfing Baronius ſeine Beichte: alle Morgen cele-
brirte er die Meſſe ſelber: Mittags ſpeiſten wenigſtens in
den erſten Jahren immer zwoͤlf Arme in Einem Zimmer mit
ihm und an Freuden der Tafel war nicht zu denken:
[235]ClemensVIII.
Freitag und Sonnabend ward uͤberdieß gefaſtet. Hatte er
dann die ganze Woche gearbeitet, ſo war des Sonntags
ſeine Erholung ſich einige fromme Moͤnche oder die Vaͤ-
ter der Vallicella kommen zu laſſen, um mit ihnen uͤber
tiefere geiſtliche Fragen zu ſprechen. Der Ruf von Tu-
gend, Froͤmmigkeit, exemplariſchem Leben, den er ſchon im-
mer genoſſen, vermehrte ſich ihm bei dieſer Art zu ſeyn
außerordentlich. Er wußte es, und wollte es. Eben dieſer
Ruf erhoͤhte ſein oberhirtliches Anſehn.
Denn in allen Stuͤcken verfuhr dieſer Papſt mit ſelbſt-
bewußter Bedachtſamkeit. Er arbeitete gern, er war eine
von jenen Naturen, denen aus der Arbeit neue Kraft ent-
ſpringt: aber er that es doch nicht ſo leidenſchaftlich, daß
er nicht ſeinen Fleiß mit regelmaͤßiger Bewegung unterbro-
chen haͤtte 1). So konnte er wohl auch auffahren, heftig,
bitter werden, jedoch wenn er ſah, daß der Andere zwar
vor der Majeſtaͤt des Papſtthums ſchwieg, aber vielleicht
in ſeinen Mienen Entgegnung und Mißbehagen ausdruͤckte,
ging er in ſich und ſuchte es wieder gut zu machen. Man
ſollte an ihm nichts wahrnehmen, als was ſich ziemte,
was mit der Idee eines guten, frommen und weiſen Man-
nes uͤbereinkam 2).
[236]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Fruͤhere Paͤpſte hatten wohl aller Geſetze uͤberhoben
zu ſeyn geglaubt, die Verwaltung der hoͤchſten Wuͤrde in
Genuß zu verwandeln geſucht: der Geiſt der damaligen
Zeit ließ das nicht mehr zu. Die Perſoͤnlichkeit mußte ſich
fuͤgen, zuruͤcktreten: das Amt war alles. Ohne ein der
Idee deſſelben entſprechendes Betragen haͤtte man es weder
erlangt noch verwalten koͤnnen.
Es liegt am Tage, daß hiemit die Kraft des Inſti-
tutes ſelber unendlich wuchs. So lange allein ſind menſch-
liche Inſtitutionen uͤberhaupt ſtark, als ihr Geiſt in den
Lebenden wohnt, in den Inhabern der Gewalt, die ſie ſchaf-
fen, ſich zugleich darſtellt.
Abſolution Heinrichs IV.
Und nun fragte es ſich vor allem, wie dieſer Papſt,
ſo voll von Talent, Thaͤtigkeit und Kraft, und uͤbrigens
ohne Tadel, die wichtigſte Frage die es in Europa gab,
die franzoͤſiſche, verſtehn, behandeln wuͤrde.
Sollte er ſich, wie ſeine unmittelbaren Vorgaͤnger un-
bedingt an Spanien anſchließen? Er hatte dazu weder Ver-
pflichtung in ſeinen bisherigen Verhaͤltniſſen noch auch Nei-
gung. Es entging ihm nicht, daß die ſpaniſche Uebermacht
auch das Papſtthum druͤcken, und es beſonders ſeiner poli-
tiſchen Unabhaͤngigkeit berauben werde.
Oder ſollte er die Partei Heinrichs IV. ergreifen?
2)
[237]Abſolution HeinrichsIV.
Es iſt wahr, dieſer Koͤnig machte Miene katholiſch zu wer-
den. Aber ein ſolches Verſprechen war leichter gegeben
als ausgefuͤhrt: noch immer war er Proteſtant: Clemens
VIII. haͤtte gefuͤrchtet betrogen zu werden.
Wir ſahen, wie Sixtus V. unentſchieden zwiſchen die-
ſen Moͤglichkeiten ſchwankte, und wie große Mißverhaͤlt-
niſſe ſich daran knuͤpften. Noch war die zelotiſche Partei
ſo ſtark wie jemals in Rom. Der neue Papſt durfte ſich ih-
rer Abneigung, ihrem Widerſtand nicht ausſetzen.
So umgaben ihn Schwierigkeiten auf allen Seiten.
In ihrer Mitte huͤtete er ſich wohl ſich in Worten bloß
zu geben, die ſchlummernden Feindſeligkeiten zu erwecken.
Nur an ſeinen Thaten, ſeinem Verfahren koͤnnen wir nach
und nach ſeine Geſinnung abnehmrn.
Als er zur Gewalt kam, hatte der paͤpſtliche Stuhl
einen Legaten in Frankreich der fuͤr ſpaniſch geſinnt galt,
ein Heer welches angewieſen war Heinrich IV. zu bekaͤm-
pfen: der Ligue wurden Subſidien gezahlt. Der neue Papſt
konnte daran nichts aͤndern. Haͤtte er ſeine Subſidien ein-
ſtellen, ſein Heer zuruͤckziehen, ſeinen Legaten abberufen wol-
len, ſo wuͤrde er den Ruf ſeiner Rechtglaͤubigkeit gefaͤhr-
det, er wuͤrde ſich herbern Bitterkeiten ausgeſetzt haben, als
Papſt Sixtus erfahren hatte. Allein er war auch weit
entfernt dieſe Anſtrengungen zu vermehren, ihnen einen
neuen Schwung zu geben. Eher hat er nach und nach,
bei guͤnſtiger Gelegenheit, einiges daran ermaͤßigt, einge-
ſchraͤnkt.
Gar bald aber ſah er ſich zu einem Schritte von un-
zweideutigerem Sinne aufgefordert.
[238]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Noch im Jahre 1592 ſchickte Heinrich IV. den Car-
dinal Gondi nach Italien mit dem Auftrage ſich auch
nach Rom zu verfuͤgen. Taͤglich mehr neigte ſich der Koͤ-
nig zu dem Katholicismus: aber ſein Sinn war, wie es
ſcheint, ſich mehr durch eine Art von Vertrag unter der
Vermittelung von Toscana und Venedig mit der katholi-
ſchen Kirche wiederzuvereinigen, als durch Unterwerfung.
— Und war nicht auch dieß fuͤr den Papſt ſehr annehm-
lich? War nicht der Ruͤcktritt des Koͤnigs alle Mal ein
großer Gewinn, auf welche Art er auch geſchehen mochte?
Clemens hielt es deſſenungeachtet fuͤr nothwendig nicht
darauf einzugehn, Gondi nicht anzunehmen. Zu große Un-
annehmlichkeiten uͤberdieß ohne allen Nutzen hatte die An-
weſenheit Luxemburgs fuͤr Sixtus V. zur Folge gehabt.
Er ſchickte einen Moͤnch, Fra Franceschi, nach Florenz,
wo der Cardinal bereits eingetroffen, um demſelben an-
zukuͤndigen, daß er in Rom nicht angenommen werden
koͤnne. Es war dem Papſt ganz recht, daß der Cardinal,
daß ſelbſt der Großherzog ſich beklagte: er wuͤnſchte mit
ſeiner Weigerung Aufſehen, Geraͤuſch zu erregen. Es
iſt dieß jedoch nur die eine Seite der Sache. Den Koͤ-
nig verdrießlich zu machen, eine Annaͤherung zur Verſoͤh-
nung ganz von ſich zu weiſen konnte auch nicht die Mei-
nung des Papſtes ſeyn. In den venezianiſchen Nachrich-
ten findet ſich, Fra Franceschi habe ſeiner officiellen An-
kuͤndigung doch zugleich hinzugefuͤgt: er glaube wohl, pri-
vatim und insgeheim werde der Cardinal angenommen wer-
den 1). Es ſcheint faſt, als ſey Gondi wirklich in Rom
[239]Abſolution HeinrichsIV.
geweſen: der Papſt ſoll ihm geſagt haben, er muͤſſe mehr
als einmal an ſeine Thuͤre klopfen laſſen. Wenigſtens
iſt gewiß, daß ein Agent Gondis ſich nach Rom begab
und nachdem er mehrere Conferenzen gehabt, dem venezia-
niſchen Geſandten erklaͤrte, er habe Gott ſey Dank alle
Urſache Hoffnung zu ſchoͤpfen, zufrieden zu ſeyn 1), mehr
aber duͤrfe er nicht ſagen. Mit einem Worte: der oͤf-
fentlichen Ablehnung ſtand eine geheime Annaͤherung zur
Seite. Clemens VIII. wollte weder die Spanier beleidigen,
noch auch Heinrich IV. abſtoßen. Auf beide Zwecke war
ſein Betragen berechnet.
In dem hatte ſich ſchon eine neue noch bei weitem wich-
tigere Frage herausgeſtellt.
Im Januar 1593 verſammelten ſich die Staͤnde von
Frankreich, in ſo fern ſie zur liguiſtiſchen Partei gehoͤrten,
um zur Wahl eines neuen Koͤnigs zu ſchreiten. Da der
Grund zur Ausſchließung Heinrichs IV. allein in der Re-
ligion lag, ſo hatte der paͤpſtliche Legat eine ungewoͤhnliche
Autoritaͤt. Es war noch Sega, Biſchof von Piacenza, wel-
chen Gregor XIV. erwaͤhlt hatte, ein Mann von der
ſpaniſch-kirchlichen Tendenz jener Regierung. Clemens hielt
es fuͤr noͤthig, ihm eine beſondere Inſtruction zugehn zu
laſſen. In derſelben ermahnt er ihn darauf zu ſehen,
daß weder Gewalt noch Beſtechung Einfluß auf die Stim-
1)
[240]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
men bekomme: er beſchwoͤrt ihn, in einer ſo wichtigen
Sache ſich vor aller Uebereilung zu huͤten 1).
Eine Anmahnung, die fuͤr einen Geſandten, welcher
ſich verpflichtet geglaubt haͤtte die Winke ſeines Fuͤrſten zu
befolgen bedeutend geweſen ſeyn wuͤrde, die ſich aber doch
viel zu ſehr im Allgemeinen hielt, als daß ſie einen geiſtli-
chen Herrn, der ſeine Befoͤrderung mehr von Spanien als
von dem Papſt erwartete, von einer Partei haͤtte abzie-
hen ſollen, der er von jeher zugehoͤrt, die er fuͤr die recht-
glaͤubige hielt. Der Cardinal Sega aͤnderte darum ſein
Verfahren nicht im mindeſten. Noch am 13. Juni 1593
erließ er eine Erklaͤrung, in der er die Staͤnde aufforderte
einen Koͤnig zu waͤhlen, der nicht allein ein wahrhafter Ka-
tholik, ſondern auch entſchloſſen und geeignet ſey die Anſtren-
gungen der Ketzer zu vernichten. Das ſey die Sache, die
S. Heiligkeit in der Welt am meiſten wuͤnſche 2).
Mit jener Inſtruction des Papſtes iſt es nicht an-
ders als mit ſeinen uͤbrigen Schritten. Er haͤlt ſich im
Allgemeinen zu der kirchlich-ſpaniſchen ſtreng orthodoxen
Partei. Er thut das zwar nicht mit jener Leidenſchaft und
Hingebung, welche andern Paͤpſten eigen geweſen: ſind dieſe
Eigenſchaften uͤberhaupt in ihm, ſo ſind ſie doch nur im
Verborgenen wirkſam: es iſt ihm genug ruhig und ohne Ta-
del,
[241]Abſolution HeinrichsIV.
del, wie es die Ordnung des Geſchaͤftes erfordert, auf der
Seite auszuharren, welche einmal ergriffen iſt, und mit der
Idee ſeines Amtes die meiſte Analogie hat. Nur das laͤßt
ſich bemerken, daß er auch die andere Partei nicht ganz von
ſich ſtoͤßt, ſie nicht zu entſchiedener Feindſeligkeit bringen
moͤchte. Mit geheimer Naͤherung, indirecten Aeußerungen
haͤlt er ſie in der Ausſicht einſtiger Verſoͤhnung: er thut
den Spaniern genug, doch duͤrfen die Gegner ſich uͤberre-
den, daß ſeine Handlungen nicht ganz frei, daß ſie eben
hauptſaͤchlich aus Ruͤckſicht auf die Spanier ſo und nicht
anders ſeyen. In Sixtus waren es entgegengeſetzte Ge-
muͤthsbewegungen, was ihn zuletzt an entſchloſſenem Ein-
greifen verhinderte: in Clemens iſt es Ruͤckſicht nach bei-
den Seiten, Klugheit, welterfahrene, Feindſeligkeiten ver-
meidende Circumſpection. Aber allerdings erfolgt, daß auch
er keinen entſcheidenden Einfluß ausuͤbt.
Um ſo mehr ſich ſelbſt uͤberlaſſen, entwickelten ſich
die franzoͤſiſchen Angelegenheiten nach ihren eigenen innern
Trieben.
Das Wichtigſte war, daß ſich die Haͤupter der Ligue
entzweiten. Die Sechszehn ſchloſſen ſich enge an Spanien:
Mayenne verfolgte Zwecke eines perſoͤnlichen Ehrgeizes.
Die Sechszehn wurden um ſo eifriger: ſie ſchritten zu den
grauſamſten Attentaten gegen ihre vermeinten oder wahr-
haften Abtruͤnnigen, z. B. der Ermordung des Praͤſidenten
Briſſon: Mayenne hielt fuͤr gut ſie dafuͤr zu zuͤchtigen
und ihre wildeſten Anfuͤhrer hinrichten zu laſſen. Von
dieſem Zwieſpalt beguͤnſtigt erhob ſich, ſchon ſeit dem An-
fange des Jahres 1592, eine zwar katholiſche, aber den
Päpſte* 16
[242]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
bisherigen Beſtrebungen der Ligue, vor allem den Sechzehn
und den Spaniern entgegengeſetzte, politiſch und kirchlich
gemaͤßigte Geſinnung auch in Paris. Es ward eine Ver-
bindung geſchloſſen, nicht viel anders als die Ligue ſelbſt,
welche ſich zum Ziel ſetzte, vor allem die Aemter der Stadt
in die Haͤnde gemaͤßigter, einverſtandener Maͤnner zu brin-
gen, und dieß im Laufe jenes Jahres ziemlich durchfuͤhrte 1).
Aehnliche Tendenzen zeigten ſich in dem ganzen Reiche. Sie
hatten an dem Ausfalle der Wahlen fuͤr den Reichstag
ſchon einen großen Antheil. Daher kam es, daß die Spa-
nier mit allen ihren Vorſchlaͤgen hier einen ſo nachhaltigen
Widerſtand fanden. Waͤhrend die wilden Prediger noch
Jedermann fuͤr excommunicirt erklaͤrten, der nur von Friede
mit dem Ketzer, auch wenn er zur Meſſe gehe, reden wuͤrde,
erneuerte das Parlement die Erinnerung an die Grundge-
ſetze des Landes, durch welche fremde Prinzen von dem
Throne ausgeſchloſſen ſeyen: es ließ ſich nicht verkennen,
daß dieſe ganze Partei, die man die politiſche nannte, nur
die Bekehrung Heinrichs IV. erwartete, um ſich ihm zu
unterwerfen.
Welcher Unterſchied war dann noch zwiſchen ihnen und
den katholiſchen Royaliſten in dem Lager Heinrichs IV?
Der einzige, daß Jene vor ihrer Unterwerfung einen Schritt
gethan ſehen wollten, den Dieſe abwarten zu koͤnnen ge-
glaubt hatten. Denn darin waren auch die katholiſchen
Royaliſten einmuͤthig, daß der Koͤnig zu ihrer Kirche zu-
ruͤckkehren muͤſſe, obwohl ſie ſein Recht, ſeine Legitimitaͤt
[243]Abſolution HeinrichsIV.
nicht davon abhaͤngig machten. Vielleicht auch aus Wider-
willen gegen die Proteſtanten in der Umgebung des Koͤnigs
drangen ſie immer ernſtlicher darauf: die Prinzen von Ge-
bluͤt, die angeſehenſten Staatsmaͤnner, der groͤßte Theil
des Hofes vereinigten ſich zu jenem Tiers-parti, deſſen
unterſcheidender Charakter in dieſer Forderung lag 1).
Sobald die Sachen dieſe Geſtalt angenommen hatten,
ſah Jedermann, und die Proteſtanten ſelbſt laͤugneten es
nicht, daß Heinrich, wenn er Koͤnig ſeyn wolle, katholiſch
werden muͤſſe. Es iſt nicht noͤthig die Anſpruͤche Derje-
nigen zu unterſuchen, die den letzten Anſtoß dazu gegeben
zu haben behaupten. Das Meiſte that die große Combi-
nation: die Nothwendigkeit der Dinge 2). Indem Hein-
rich jetzt den Act vollzog, durch welchen er zum Katholi-
cismus uͤbertrat, geſellte er ſich jener nationalfranzoͤſiſchen
katholiſchen Geſinnung zu, welche ſich im Tiers-parti und
der politiſchen Partei darſtellte, und welche jetzt die Ausſicht
hatte die Herrſchaft in Frankreich zu behaupten.
Es war dieß aber im Grunde doch nur eben jene
katholiſche Oppoſition, die ſich den kirchlich-ſpaniſchen
Unternehmungen gegenuͤber um die Fahne der Legitimitaͤt
und der nationalen Unabhaͤngigkeit geſammelt hatte. Wie
gewaltig war ſie nun in Macht und Anſehen gewachſen!
In der Meinung bes Landes hatte ſie ohne Zweifel das
Uebergewicht: uͤber ganz Frankreich hin bekannte man ſich,
16*
[244]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
wenn nicht offen, doch insgeheim zu ihr: durch den Ue-
bertritt des Fuͤrſten bekam ſie jetzt eine feſte innere Hal-
tung, eines Fuͤrſten der uͤberdieß ſo kriegeriſch, muthig
und ſiegreich war. So gewachſen erſchien ſie aufs neue
vor dem Papſt und bat ihn um ſeine Anerkennung, ſeinen
Segen. Welch ein Ruhm, welch eine Wirkſamkeit, wenn
er ſich nun wenigſtens unumwunden fuͤr ſie erklaͤrte. Noch
kam ſo viel darauf an. Die Praͤlaten ſelbſt, welche den
Koͤnig in den Schooß der Kirche aufgenommen, hatten dieß
doch nur mit Vorbehalt einer paͤpſtlichen Abſolution ge-
than 1). Auf dieſe provocirten die maͤchtigſten Mitglieder
der Ligue, mit denen der Koͤnig Unterhandlungen eroͤffnete 2).
Obwohl Verſprechungen nicht immer gehalten werden, ſo
laͤßt ſich doch nicht zweifeln, daß die Abſolution des Pap-
ſtes, in dieſem Momente ertheilt, in den Gang der Ange-
legenheiten maͤchtig eingegriffen haben wuͤrde. Heinrich IV.
ſandte einen Großen des Reiches, den Herzog von Nevers,
ihn darum zu erſuchen. Es ward ein Stillſtand geſchloſ-
ſen, um die Antwort abzuwarten.
Der Papſt war mißtrauiſch unb bedenklich. Wie die
Hoffnungen religioͤſen Ehrgeizes Sixtus V. entflammt, ſo
hielt die Beſorgniß betrogen zu werden, Unannehmlichkei-
ten zu erleben Clemens VIII. zuruͤck. Er meinte noch im-
mer, Heinrich IV. werde zuletzt vielleicht wieder zum Pro-
teſtantismus zuruͤckkehren, wie er es ſchon einmal gethan:
[245]Abſolution HeinrichsIV.
er erklaͤrte, er wuͤrde nicht glauben, daß der Koͤnig gut be-
kehrt ſey, wenn nicht ein Engel vom Himmel komme und
es ihm ins Ohr ſage: — er ſah um ſich her, und fand
den groͤßten Theil der Curie noch immer den Franzoſen ab-
geneigt: von Zeit zu Zeit erſchien noch eine Flugſchrift, in
der man die Behauptung wiederholte, Heinrich IV. koͤnne
als ein Haͤreticus relapſus ſelbſt nicht einmal von dem
Papſte losgeſprochen werden: den Spaniern, die an der Spitze
dieſer Meinung ſtanden, fuͤhlte Clemens noch immer kei-
nen Muth entgegenzutreten 1). Und war nicht die Partei,
die ihn um ſeine Gnade erſuchte, doch in der That im
Gegenſatz gegen die Anſpruͤche der roͤmiſchen Kirche begrif-
fen? — „die Ungetreuen der Krone und der Kirche“, wie er
ſich ausdruͤckte, „Baſtarde, Kinder der Magd und nicht
der Hausfrau: waͤhrend die Liguiſten ſich als echte Soͤhne
ausgewieſen“ 2). Gewiß, es haͤtte auch dieſſeit noch immer
ein Entſchluß dazu gehoͤrt ihre Bitte zu gewaͤhren: Cle-
mens konnte ſich noch nicht dazu ermannen 3). Nevers
trat in Rom mit dem doppelten Selbſtgefuͤhl eines hohen
[246]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Ranges und der Bedeutung ſeiner Miſſion auf: er zwei-
felte nicht, daß er mit Freuden werde angenommen werden:
in dieſem Sinne druͤckte er ſich aus: in demſelben Tone war
auch das Schreiben des Koͤnigs abgefaßt, das er mitbrachte.
Der Papſt fand, es laute als ſey der Koͤnig nicht allein
lange katholiſch, ſondern als komme er wie ein zweiter Carl
der Gr. von einem Siege uͤber die Feinde der Kirche zuruͤck.
Nevers erſtaunte ganz, wie kalt er empfangen ward, wie
wenig er mit ſeinen Antraͤgen Gehoͤr fand. Da alles ver-
geblich war, fragte er endlich den Papſt, was der Koͤ-
nig thun ſolle um die Gnade Seiner Heiligkeit zu verdie-
nen. Der Papſt entgegnete: es gebe in Frankreich Theo-
logen genug, um es ihm anzugeben. „Wird aber Eure
Heiligkeit damit zufrieden ſeyn, was die Theologen ſagen?“
Der Papſt weigerte ſich darauf zu antworten. Nicht ein-
mal als Botſchafter Heinrichs wollte er ihn betrachten,
ſondern nur als Louis Gonzaga, Herzog von Nevers: alles
was zwiſchen ihnen geſprochen worden, wollte er nicht als
eine amtliche Unterhandlung, ſondern nur als ein privates
Zwiegeſpraͤch angeſehn wiſſen: er war nicht dazu zu brin-
gen eine ſchriftliche Reſolution von ſich zu geben. „Es
bleibt mir nichts uͤbrig“, ſagte Nevers dem Cardinal To-
ledo, der ihm dieſe Willensmeinung des Papſtes hinter-
brachte, „als das Ungluͤck zu beklagen, das die Wuth der
Soldaten bei wieder ausbrechendem Kriege uͤber Frankreich
bringen wird.“ Der Cardinal ſagte kein Wort: er laͤ-
chelte. Nevers verließ Rom und machte ſeinem Unmuth
in bittern Relationen Luft 1).
[247]Abſolution HeinrichsIV.
Der Menſch hat in der Regel nur Gefuͤhl fuͤr ſeine
perſoͤnliche Stellung. Die roͤmiſche Curie weiß nur was
ihr ſelber frommt: eine wahre Theilnahme an dem Schick-
ſale von Frankreich finden wir nicht bei ihr.
Zwar kennen wir dieſen Papſt genug um zu glauben,
daß er die Anhaͤnger Heinrichs nicht ganz von ſich geſto-
ßen haben wird, jetzt noch viel weniger als fruͤher, da
ſie um ſo vieles maͤchtiger waren. Einem geheimen Agen-
ten gab er vielmehr die Verſicherung, der Koͤnig moͤge ſich
nur erſt vollkommen katholiſch zeigen, dann werde es an
einer Abſolution nicht fehlen. Es bezeichnet ihn, daß er,
der oͤffentlich ſo entſchieden ablehnte an der Ruͤckkehr des
Koͤnigs zum katholiſchen Glauben Antheil zu nehmen, den
Großherzog von Toscana insgeheim wiſſen ließ, bei alle
dem koͤnne er nichts dagegen haben, was der Clerus in
Frankreich thun wolle. Auch jetzt mußte der Großherzog
den Oberhaͤuptern der katholiſchen Royaliſten beguͤtigende
Erklaͤrungen des Papſtes mittheilen 1). Aber mit alle dem
ſorgte er eigentlich nur fuͤr ſeine eigene Zukunft: in Frank-
reich gingen deshalb doch die Dinge wie ſie konnten.
Der Stillſtand war abgelaufen: das Schwert ward
wieder gezogen: es kam nochmals auf das Kriegsgluͤck an.
Jetzt aber entſchied ſich die Ueberlegenheit Heinrichs IV.
1)
[248]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
auf der Stelle. Den Befehlshabern fehlte die Sicherheit
der Ueberzeugung, die ihnen fruͤher eine ſo ſtarke Haltung
gegeben hatte: die Lehren der Politiker, der Uebertritt des
Koͤnigs, der gute Fortgang ſeines Gluͤckes hatte ſie alle
in ihrem Herzen erſchuͤttert. Einer nach dem Andern ging
uͤber, ohne auf den Mangel der paͤpſtlichen Abſolution zu
achten. Der Befehlshaber in Meaux, dem die Spanier
die Beſoldung ſeiner Truppen nicht mehr zahlten, Vitri,
machte den Anfang: in Orleans, Bourges, Rouen folgte
man nach. Noch kam das Meiſte darauf an, was in Pa-
ris geſchehen wuͤrde. Hier hatte die politiſche, national-
franzoͤſiſche Geſinnung, nach manchen Schwankungen, voͤl-
lig das Uebergewicht bekommen, die beſten Familien an
ſich gezogen, und die wichtigſten Stellen aus ihrer Mitte
beſetzt. Die bewaffnete Buͤrgerſchaft ward bereits in ih-
rem Sinne befehligt: ſo ward Hotel de Ville regiert: Pre-
voſt des Marchands und Eſchevins gehoͤrten bis auf ei-
nen Einzigen dieſer Meinung an. Unter dieſen Umſtaͤnden
konnte die Ruͤckkehr des Koͤnigs keine Schwierigkeit mehr
haben. Am 22. Merz 1594 fand ſie Statt. Heinrich IV.
erſtaunte, ſich von dem Volke, das ihm ſo lange Wider-
ſtand entgegengeſetzt, mit ſo vollem freudigem Lebehoch be-
gruͤßt zu ſehen: er glaubte abnehmen zu duͤrfen, daß es
bisher unter tyranniſcher Herrſchaft geſtanden; aber ſo ganz
iſt dieß doch nicht wahr: die Geſinnung der Ligue hatte
wirklich die Gemuͤther beherrſcht: jetzt aber war eine an-
dere an ihre Stelle getreten. Die Ruͤckkehr des Koͤnigs
war hauptſaͤchlich ein Sieg der politiſchen Meinung. Die
Liguiſten erfuhren nun eine Verfolgung, wie ſie ſelber ſo
[249]Abſolution HeinrichsIV.
oft verhaͤngt hatten. Mit den ſpaniſchen Truppen verlie-
ßen ſo einflußreiche Stifter und Oberhaͤupter wie der ge-
walkige Boucher die Stadt: mehr als hundert Andere, die
man fuͤr die Gefaͤhrlichſten hielt, wurden foͤrmlich verwie-
ſen. Alle Gewalten, das geſammte Volk leiſtete den Eid
der Treue: auch die Sorbonne, deren halsſtarrigſte Mit-
glieder, der Rector der Univerſitaͤt ſelbſt, unter den Ver-
wieſenen waren, unterwarf ſich der zur Herrſchaft gelang-
ten Lehre. Wie ſo ganz anders lauteten nun ihre Beſchluͤſſe,
als im Jahre 1589. Jetzt erkannte auch die Sorbonne an,
daß alle Gewalt von Gott ſtamme, nach Roͤmer am 13ten, daß
Jeder, der ſich dem Koͤnig widerſetze, Gott widerſtehe und in
Verdammung falle. Sie verwarf die Meinung, daß man
einem Koͤnig den Gehorſam verſagen koͤnne, weil er von
dem Papſt noch nicht anerkannt ſey, als eine Ausſtreuung
boͤsgeſinnter und uͤbelberathener Leute. Jetzt ſchwuren die
Mitglieder der Univerſitaͤt ſaͤmmtlich, Rector, Decane, Theo-
logen, Decretiſten, Mediciner, Artiſten, Moͤnche und Con-
ventuale, Schuͤler und Beamte, Heinrich IV. Treue und Ge-
horſam und verpflichteten ſich ihr Blut fuͤr ihn zu verſpruͤtzen.
Ja, was mehr iſt, auf den Grund dieſer ihrer neuen
Rechtglaͤubigkeit begann die Univerſitaͤt ſofort einen Feld-
zug gegen die Jeſuiten. Sie machte denſelben ihre auf-
ruͤhreriſchen Grundſaͤtze, die ſie freilich fruͤher ſelbſt getheilt
hatte, und ihre ſpaniſche Geſinnung zum Vorwurfe. Eine
Zeitlang vertheidigten ſich die Jeſuiten nicht ohne Erfolg.
Da aber noch in demſelben Jahre ein Menſch, der ihre
Schulen beſucht, Jean Chaſtel 1), einen Mordverſuch
[250]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
auf den Koͤnig unternahm, und in ſeinem Verhoͤre be-
kannte, von den Jeſuiten oftmals gehoͤrt zu haben, daß
man einen Koͤnig toͤdten duͤrfe der mit der Kirche nicht
verſoͤhnt ſey, ſo konnten ſie dem allgemeinen Succeß der
Partei, die ſie immer bekaͤmpft hatten, nicht laͤnger wider-
ſtehn: kaum ward das Volk abgehalten ihr Collegium zu
ſtuͤrmen: endlich wurden alle Mitglieder des Ordens als
Verfuͤhrer der Jugend, Stoͤrer der oͤffentlichen Ruhe, Feinde
des Koͤnigs und des Staates verurtheilt das Reich bin-
nen 14 Tagen zu raͤumen 1). So nahm die Meinung,
welche ſich als Oppoſition in geringen Anfaͤngen feſtgeſetzt
hatte, Paris und allmaͤhlig das Reich ein und trieb ihre
Gegner von dem Kampfplatz. Allenthalben vollzogen ſich
aͤhnliche Bewegungen. Taͤglich erfolgten neue Unterwerfun-
gen: der Koͤnig war zu Chartres gekroͤnt und geſalbt wor-
den: auf allen Kanzeln ward fuͤr ihn gebetet: die Moͤnchs-
orden erkannten ihn an: er uͤbte die kirchlichen Berechtigun-
gen der Krone, die ſo bedeutend ſind, ohne Widerſpruch
aus. Er zeigte ſich hiebei gut katholiſch: wo der Ritus
dieſer Kirche in den letzten Unruhen abgekommen war, ſuchte
1)
[251]Abſolution HeinrichsIV.
er ihn herzuſtellen: wo ſich derſelbe in ausſchließender Ue-
bung behauptet, beſtaͤtigte er ihm dieſes Recht in feierli-
chen Privilegien. Alles das that er, ohne noch mit dem
Papſt verſoͤhnt zu ſeyn.
Fuͤr dieſen ward es aber nun ſelbſt zu einer dringenden
Nothwendigkeit, auf die Ausſoͤhnung zu denken 1). Haͤtte
er ſich laͤnger geweigert, ſo wuͤrde ein Schisma, eine
factiſch getrennte franzoͤſiſche Kirche haben entſtehn koͤn-
nen.
Zwar ſetzten ſich die Spanier noch immer dagegen.
Sie behaupteten, Heinrich ſey ſchlechterdings nicht wahr-
haft bekehrt: ein Schisma ſey erſt recht zu fuͤrchten, wenn
er die Abſolution empfangen habe 2): ſchon gaben ſie die
Gelegenheiten an, bei denen es ausbrechen muͤſſe. Fuͤr den
Papſt gehoͤrte noch immer Entſchluß dazu, ſich im Wider-
ſpruch mit Denen, deren Macht ihn umgab, die eine große
Partei in der Curie hatten, von einer Meinung zu trennen,
die fuͤr orthodox gegolten, fuͤr welche ſeine Vorfahren ihre
geiſtlichen und weltlichen Waffen ſo oft in Bewegung ge-
ſetzt, die er doch auch ſelbſt mehrere Jahre gebilligt hatte;
allein er ſah ein, daß jeder Aufſchub verderblich werden
muͤſſe, daß er von der andern Seite nichts mehr erwar-
ten duͤrfe: er fuͤhlte, daß die in Frankreich emporgekommene
Gewalt, wenn ſie auch in geiſtlichen Dingen einen gewiſ-
[252]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ſen Gegenſatz gegen die ſtrengen Doctrinen bilde, doch in
den weltlichen eine offenbare Sympathie mit den roͤmiſchen
Intereſſen habe: vielleicht ließ ſich jener noch beſeitigen und
dieſe um ſo beſſer benutzen: genug, jetzt zeigte ſich Clemens
bereitwillig, ſo wie das erſte Wort an ihn gerichtet wurde.
Wir haben die Berichte des franzoͤſiſchen Bevollmaͤchtigten
d’Oſſat uͤber ſeine Unterhandlungen: ſie ſind angenehm,
unterrichtend, leſenswuͤrdig: aber ich finde nicht, daß er
große Schwierigkeiten zu uͤberwinden gehabt haͤtte: es
waͤre unnuͤtz ſeine Schritte im Einzelnen zu begleiten:
die allgemeine Lage der Dinge hatte den Papſt ſchon be-
ſtimmt. Es kam nur darauf an, daß der Koͤnig dagegen
auch dem Papſt einige Forderungen bewilligte. Die Un-
guͤnſtigen haͤtten dieſe gern ſo hoch als moͤglich geſteigert:
denn der groͤßten Sicherheiten beduͤrfe die Kirche in dieſem
Falle: der Papſt blieb bei ertraͤglichern ſtehn. Er forderte
beſonders die Herſtellung des Katholicismus in Bearn:
die Einfuͤhrung des Concils von Trient, ſo weit es mit den
Geſetzen des Landes vereinbar ſey: genaue Beobachtung des
Concordates: die Erziehung des praͤſumtiven Thronerben,
des Prinzen Condé, im katholiſchen Glauben. Auch fuͤr den
Koͤnig blieb es noch allemal ſehr wuͤnſchenswerth ſich mit
dem roͤmiſchen Stuhle zu verſoͤhnen. Seine Macht beruhte
auf ſeinem Uebertritt zum Katholicismus: erſt durch die
Abſolution des Papſtes erhielt dieſer Act vollſtaͤndige Be-
glaubigung: wiewohl bei weitem die Meiſten ſich gefuͤgt,
ſo gab es doch immer noch Einige, die den Mangel der-
ſelben als den Grund ihres fortgeſetzten Widerſtandes gel-
[253]Abſolution HeinrichsIV.
tend machten 1). Heinrich IV. ging ohne viel Schwierig-
keit auf jene Bedingungen ein: — ſchon hatte er ihre Er-
fuͤllung zum Theil von ſelbſt eingeleitet: es lag ihm am
Herzen ſich gut katholiſch zu zeigen: wie viel maͤchtiger
er jetzt auch war als bei der Miſſion des Herzogs von
Nevers, ſo lautete doch das Schreiben, in welchem er nun-
mehr den Papſt um ſeine Abſolution erſuchte, um vieles
demuͤthiger und unterwuͤrfiger als damals. „Der Koͤnig“,
heißt es darin 2), „kehrt zu den Fuͤßen Eurer Heiligkeit zu-
ruͤck, und fleht ſie in aller Demuth bei den Eingeweiden
unſers Herrn Jeſu Chriſti an, ihm ihren heiligen Segen
und ihre hoͤchſte Abſolution verleihen zu wollen.“ Der
Papſt fuͤhlte ſich vollkommen befriedigt 3).
[254]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Es war nur noch uͤbrig, daß auch das Collegium der
Cardinaͤle ſich einverſtanden erklaͤrte. Der Papſt wollte es
doch nicht auf ein regelmaͤßiges Conſiſtorium ankommen
laſſen: leicht haͤtte die Conſequenz bisheriger Beſchluͤſſe ein
unbequemes Reſultat herbeifuͤhren koͤnnen: er lud die Car-
dinaͤle ein, ihm in beſondern Audienzen ihre Meinung
einzeln zu eroͤffnen: eine Auskunft die in aͤhnlichen Faͤllen
ſchon oͤfter beliebt worden war. Als er alle vernommen,
erklaͤrte er, zwei Drittheil der Stimmen ſeyen fuͤr die Ab-
ſolution.
Und ſo ſchritt man am 17. Dez. 1595 zur Vollzie-
hung der Ceremonie. Vor der Peterskirche war der Thron
des Papſtes errichtet: Cardinaͤle und Curie umgaben ehr-
erbietig ihr Oberhaupt. Das Geſuch des Koͤnigs, die Be-
dingungen, zu denen er ſich verſtanden hatte, wurden ver-
leſen. Hierauf warfen ſich die Stellvertreter des allerchriſt-
lichſten Koͤnigs zu den Fuͤßen des Papſtes nieder: mit einem
leichten Ruthenſchlag ertheilte er ihnen ſeine Abſolution. Wie
ſo vollkommen in dem Glanze ſeiner altherkoͤmmlichen Au-
toritaͤt erſchien hier noch einmal der paͤpſtliche Stuhl 1).
Auch ward in der That ein großer Erfolg hiemit be-
zeichnet. Die herrſchende Gewalt in Frankreich, nunmehr
in ſich ſtark und wohlgegruͤndet, war wieder katholiſch; ſie
hatte ein Intereſſe dabei mit dem Papſt gut zu ſtehn. Es
3)
[255]Abſolution HeinrichsIV.
bildete ſich hier ein neuer Mittelpunkt fuͤr die katholiſche
Welt, von dem eine große Wirkung ausgehn mußte.
Naͤher betrachtet ſprangen dann zwei verſchiedene Sei-
ten dieſes Erfolges hervor.
Nicht durch unmittelbare Einwirkung des Papſtes,
nicht durch einen Sieg der ſtrengen Partei war Frankreich
wieder gewonnen: es war vielmehr durch eine Vereinigung
der gemaͤßigten, mittleren Meinungen, durch die Ueberlegen-
heit einer Geſinnung, die ſich als Oppoſition conſtituirt hatte,
geſchehen. Daher kam es, daß die franzoͤſiſche Kirche eine
ganz andere Stellung einnahm, als die italieniſche, als
die niederlaͤndiſche, die neu eingerichtete deutſche. Sie un-
terwarf ſich dem Papſt, aber ſie that es mit einer Frei-
heit und innern Selbſtaͤndigkeit, die ſich auf ihren Ur-
ſprung gruͤndete, deren Gefuͤhl ſich niemals wieder verlor.
In ſo fern konnte der paͤpſtliche Stuhl Frankreich bei weitem
nicht als eine reine Eroberung betrachten.
Um ſo vortheilhafter aber war ihm die andere, die po-
litiſche Seite. Das verlorene Gleichgewicht war hergeſtellt:
— zwei große, auf einander eiferſuͤchtige, in unaufhoͤrli-
chem Wettſtreit begriffene Maͤchte hielten einander wechſel-
ſeitig in Schranken: beide waren katholiſch und konnten
doch zuletzt in Einem Sinne geleitet werden: zwiſchen bei-
den aber nahm der Papſt eine weit unabhaͤngigere Stel-
lung ein, als es ihm und ſeinen Vorgaͤngern lange Zeit
moͤglich geweſen. Von den Banden, mit denen ihn bis-
her das ſpaniſche Uebergewicht umfaßt hatte, ward er um
vieles freier.
Zuerſt tritt in dem Fortgange der Begebenheiten dieſe
[256]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
politiſche Richtung hervor. Bei dem Heimfalle von Fer-
rara an den paͤpſtlichen Stuhl zeigte ſich der franzoͤſiſche
Einfluß zum erſten Mal wieder in italieniſchen Geſchaͤften.
Ein Ereigniß das auch ſonſt fuͤr die Machtentwickelung
des Kirchenſtaates von großem Belange iſt: das hier, wie
ja auch in der Aufmerkſamkeit der Mitlebenden, die Angele-
genheiten der Religion unterbrechen mag. Beginnen wir mit
einem Ruͤckblick auf das Land unter ſeinem letzten Fuͤrſten.
Ferrara unter Alfonſo II.
Man nimmt haͤufig an, Ferrara ſey unter dem letz-
ten Eſte in beſonders bluͤhendem Zuſtande geweſen: doch iſt
dieß wohl eine Taͤuſchung, wie ſo viele andere, die auf der
Abneigung gegen die weltliche Herrſchaft von Rom beruht.
Montaigne beſuchte Ferrara unter Alfonſo II. Er
bewundert die breiten Straßen der Stadt, die ſchoͤnen Pal-
laͤſte: aber ſchon er findet ſie oͤde und menſchenleer, wie
die heutigen Reiſenden 1). Der Wohlſtand der Landſchaft
beruhte auf der Erhaltung der Daͤmme, der Regulirung
der Gewaͤſſer: aber weder die Daͤmme noch die Fluͤſſe und
Canaͤle wurden recht in Ordnung gehalten: nicht ſelten
traten Ueberſchwemmungen ein: Volana und Primaro ver-
ſandeten, ſo daß die Schiffahrt daſelbſt ganz aufhoͤrte 2).
Noch
[257]Ferrara unter AlfonſoII.
Noch ein groͤßerer Irrthum aber waͤre es, die Un-
terthanen dieſes Hauſes fuͤr frei und gluͤcklich zu hal-
ten. Alfonſo II. machte die Rechte ſeiner Kammer auf das
ſtrengſte geltend. Bei jedem Contract, ſelbſt wenn er nur
ein Darlehn betraf, fiel der Zehnte an den Herzog; er nahm
den Zehnten von allem, was in die Stadt einging. Er
hatte das Salzmonopol: er belaſtete das Oel mit einer
neuen Auflage: auf den Rath ſeines Zollverwalters Chri-
ſtofano da Fiume nahm er endlich auch den Handel mit
Mehl und Brot an ſich: nur von den herzoglichen Beam-
ten durfte man dieß erſte aller Lebensbeduͤrfniſſe an ſich
bringen: kein Nachbar haͤtte gewagt dem andern eine Schuͤſ-
ſel Mehl zu borgen 1). Selbſt den Edelleuten war die
Jagd nur auf wenige Tage und nie mit mehr als etwa
drei Hunden geſtattet. Eines Tages ſah man auf dem
Marktplatz ſechs Gehaͤngte: todte Faſanen waren an ihre
Fuͤße gebunden: zum Zeichen, ſagte man, daß ſie bei ei-
nem Diebſtahl in der herzoglichen Faſanerie erſchoſſen
worden.
Wenn man demnach von der Bluͤthe und Regſamkeit
von Ferrara redet, ſo kann man nicht Land und Stadt,
man kann nur den Hof meinen.
Päpſte* 17
[258]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
In jenen Stuͤrmen der erſten Jahrzehende des ſechs-
zehnten Jahrhunderts, in denen ſo viel bluͤhende Haͤuſer, ſo
viel maͤchtige Herrſchaften untergegangen, und ganz Ita-
lien von Grund aus umgewandelt worden, hatte ſich das
Haus Eſte durch geſchickte Politik und herzhafte Verthei-
digung unter allen Gefahren zu behaupten gewußt. Es
vereinigte aber hiemit noch andere Eigenſchaften. Wer hat
nicht von jenem Stamme geleſen, der, wie Bojardo ſich aus-
druͤckt, dazu beſtimmt war, Tapferkeit, Tugend, Courtoiſie,
heiteres Leben in der Welt zu erhalten 1): von ſeinem Wohnſitz,
den er, wie Arioſto ſagt, nicht allein mit koͤniglichen Gebaͤu-
den, ſondern auch mit ſchoͤnen Studien und trefflichen Sit-
ten ausgeſtattet 2). Haben ſich die Eſte ein Verdienſt er-
worben, indem ſie Wiſſenſchaften und Poeſie beguͤnſtigten,
ſo ſind ſie reichlich dafuͤr belohnt worden. Das Andenken
des Glanzes und der Macht, welche raſch voruͤbergehn,
hat ſich mit dem Andenken der Autoren fortgepflanzt, welche
immer leben.
Wie es nun unter den fruͤhern Herzogen geweſen, ſo
ſuchte es Alfonſo II. zu erhalten. Die nemlichen Geſichts-
punkte verfolgte auch er.
Zwar hatte er nicht ſo ſchwere Stuͤrme zu beſtehn
[259]Ferrara unter AlfonſoII.
wie ſeine Vorfahren: indeß, da er mit Florenz in unauf-
hoͤrlichem Mißvernehmen ſtand, und auch des Papſtes, ſei-
nes Lehensherrn, nicht immer ganz ſicher war, ſo hielt
auch er ſich fortwaͤhrend geruͤſtet. Ferrara galt nach Pa-
dua fuͤr die vornehmſte Feſtung von Italien: 27000 Mann
waren in die Milizen eingeſchrieben 1): Alfonſo ſuchte den
militaͤriſchen Geiſt zu erhalten. Um alsdann der Beguͤnſti-
gung welche Toscana an dem paͤpſtlichen Hofe fand, eine
Freundſchaft von nicht minderm Belang entgegenſetzen zu
koͤnnen, hielt er ſich an die deutſchen Kaiſer. Nicht ſelten
ging er mit glaͤnzendem Gefolge uͤber die Alpen: er ver-
maͤhlte ſich mit einer oͤſtreichiſchen Prinzeſſin: er ſprach, wie
man verſichert, deutſch: im Jahre 1566 zog er mit einer
Schaar, die ſich auf viertauſend Mann belaufen konnte,
dem Kaiſer wider die Tuͤrken nach Ungarn zu Huͤlfe.
Ebenſo bildete ſich auch unter ihm das literariſche
Element in Hof und Staat weiter aus. Selten mag ir-
gendwo anders die Verbindung ſo enge geweſen ſeyn. Zwei
Profeſſoren der Univerſitaͤt, Pigna und Montecatino wur-
den nach einander die erſten Miniſter des Landes: ſie ga-
ben darum ihre literariſchen Beſtrebungen nicht auf: we-
nigſtens Pigna hielt, als er die Geſchaͤfte leitete, noch
immer ſeine Vorleſungen, und ließ von Zeit zu Zeit
ein Buch erſcheinen 2). Battiſta Guarini, der Dich-
17*
[260]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ter des Paſtor fido, ward als Geſandter nach Venedig,
nach Polen abgeordnet. Selbſt Franz Patrizi, obwohl er
ſich mit abſtruſen Gegenſtaͤnden beſchaͤftigte, ruͤhmt doch
die Theilnahme, die er bei Hofe gefunden. Es war hier
alles eins. Mit den Wettkaͤmpfen der Wiſſenſchaft wechſel-
ten Disputationen ab, welche Streitfragen der Liebe betra-
fen, wie z. B. Taſſo, der eine Zeitlang auch an der Uni-
verſitaͤt angeſtellt war, einmal eine hielt. Bald gab die
Univerſitaͤt, bald der Hof ein Schauſpiel: das Theater
hatte noch einen literariſchen Reiz, da es noch immer neue
Formen ſuchte, und eben damals die Paſtorale ausbildete,
die Oper begruͤndete. Zuweilen treffen dann fremde Ge-
ſandte, Cardinaͤle, Fuͤrſten ein, wenigſtens die benachbar-
ten, von Mantua, Guaſtalla, Urbino, wohl auch ein Erz-
herzog. Dann erſcheint der Hof in ſeinem vollen Glanze:
man gibt Turniere, bei denen der Adel des Landes die
Koſten nicht ſpart: zuweilen turnieren hundert Ritter auf
dem Schloßhof. Es ſind dieß zugleich Darſtellungen aus
der Fabel, nach irgend einem poetiſchen Werke: wie ſchon
ihre Namen anzeigen: der Tempel der Liebe 1), die ſelige
Inſel: verzauberte Caſtelle werden vertheidigt und erobert.
Die eigenſte Verbindung von Poeſie, Gelehrſamkeit,
2)
[261]Ferrara unter AlfonſoII.
Politik und Ritterſchaft. Die Pracht wird durch ihren
Sinn geadelt, die Geringfuͤgigkeit der Mittel durch den
Geiſt ergaͤnzt.
In den Reimen und dem epiſchen Gedichte des Taſſo
tritt uns dieſer Hof lebendig entgegen. Der Fuͤrſt, „dem
man Hochherzigkeit und Kraft anſieht, von dem man
nicht weiß ob er ein beſſerer Ritter oder Anfuͤhrer iſt“,
ſeine Gemahlinn, vor allem ſeine Schweſtern. Die aͤltere,
Lucrezia, die nur eine kurze Zeit bei ihrem Gemahl in Ur-
bino, uͤbrigens aber immer in Ferrara lebte, und hier auch
Einfluß [auf] die Geſchaͤfte hatte, hauptſaͤchlich aber litera-
riſchen und muſikaliſchen Beſtrebungen Schwung und An-
trieb gab: ſie iſt es die Taſſo an dem Hofe befoͤrdert hat:
die juͤngere, Leonora, in beſchraͤnktern Verhaͤltniſſen, ſtill,
kraͤnklich, zuruͤckgezogen: aber wie ihre Schweſter von ſtar-
ken Zuͤgen des Gemuͤths 1). Waͤhrend eines Erdbebens
weigerten ſie ſich beide das Schloß zu verlaſſen: beſonders
Leonora gefiel ſich in einer ſtoiſchen Gleichmuͤthigkeit: als
ſie endlich nachgaben, war es die hoͤchſte Zeit: unmittel-
bar hinter ihnen ſtuͤrzte die Decke ein. Man hielt Leo-
nora faſt fuͤr eine Heilige: ihren Gebeten ſchrieb man die
Rettung von einer Ueberſchwemmung zu 2). Taſſo widmet
ihnen eine ihrer Gemuͤthsart entſprechende Verehrung: der
juͤngern gemaͤßigt, ſelten, immer als ginge er mit Abſicht
[262]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
nicht weiter heraus: der aͤltern ohne alle Zuruͤckhaltung:
er vergleicht ſie mit der vollen duftenden Roſe, der das
minder friſche Alter ihren Reiz nicht entriſſen, u. ſ. w.
Neben ihnen erſcheinen auch andere Damen: Barbara San-
ſeverina und ihre Tochter Leonora Sanvitale: Taſſo hat die
ruhige Zuverſicht der Mutter, den heitern Reiz jugendlicher
Schoͤnheit in der Tochter unuͤbertrefflich geſchildert: kein
Bildniß koͤnnte ſie beſſer vergegenwaͤrtigen. Es folgen die
Luſtſchloͤſſer die man beſucht, die Jagden und die Spiele
die man anſtellt, das ganze Thun und Treiben in dem man
ſich ergeht; wer kann ſich des Eindrucks erwehren, den
dieſe in vollem reichem Wohllaut daherſtroͤmende Beſchrei-
bung hervorbringt.
Jedoch dieſem Eindruck darf man ſich nicht ganz uͤber-
laſſen. Dieſelbe Gewalt, die das Land in ſo vollkommenem
Gehorſam hielt, machte ſich auch an dem Hofe fuͤhlbar.
Jene Scenen der Poeſie und des Spieles wurden zu-
weilen durch ganz andere unterbrochen. Die Vornehmen
wurden ſo wenig geſchont wie die Gemeinen.
Es war ein Gonzaga ermordet worden. Jedermann
gab dem jungen Ercole Contrario den Mord Schuld und
wenigſtens hatten die Moͤrder auf einem Gute deſſelben Auf-
nahme gefunden. Der Herzog forderte ihre Auslieferung:
der junge Contrario, um nicht durch ſie angeklagt zu
werden, ließ ſie gleich ſelber umbringen, und nur die Leich-
name uͤberlieferte er dem Herzog. Hierauf ward er ei-
nes Tages ſelbſt an Hof beſchieden: am 2. Auguſt 1575
hatte er ſeine Audienz. Die Contrarj waren das reichſte
und aͤlteſte Geſchlecht von Ferrara: Ercole war der letzte
[263]Ferrara unter AlfonſoII.
Sproͤßling: nicht lange nachdem er in den Pallaſt getreten,
ward er todt aus demſelben herausgetragen. Der Herzog
ſagte, der junge Menſch ſey im Geſpraͤch mit ihm ploͤtz-
lich vom Schlage geruͤhrt worden. Allein Niemand glaubte
ihm das, an der Leiche nahm man Spuren von Gewaltthaͤ-
tigkeiten wahr: auch bekannten die Freunde des Herzogs,
der Herr habe ihn toͤdten laſſen, ſie entſchuldigten ihn nur
damit, daß er den beruͤhmten Namen nicht mit einer ſchimpf-
lichern Todesart habe ſchaͤnden wollen 1).
Eine Juſtiz die Jedermann in Schrecken hielt. Das
Schlimmſte iſt, daß die Guͤter des Hauſes nunmehr an den
Herzog fallen mußten.
Aber uͤberhaupt waͤre es Keinem zu rathen geweſen
ſich dem Herrn im Mindeſten entgegenzuſetzen 2). Dieſer
Hof war ein ſehr ſchluͤpfriger Boden. So fein Monteca-
tino auch war, ſo konnte er ſich doch nicht bis zuletzt hal-
ten. Panigarola, damals der beruͤhmteſte Prediger in Ita-
lien, war nicht ohne Muͤhe nach Ferrara gezogen worden:
ploͤtzlich ward er mit Ungeſtuͤm verwieſen: man fragte ſich,
was ſein Verbrechen ſey: man fand nichts, als daß er we-
gen einer Befoͤrderung nach einer andern Seite hin unterhan-
delt habe. Da konnte auch der unbeſtaͤndige, reizbare, me-
[264]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
lancholiſche Taſſo ſich auf die Laͤnge nicht behaupten. Der
Herzog ſchien ihn zu lieben, hoͤrte ihn gern, nahm ihn oft mit
ſich aufs Land, und verſchmaͤhte es ſogar nicht die Schilderun-
gen des Kriegsweſens, die in der Geruſalemme vorkommen,
zu berichtigen. Aber ſeit Taſſo einmal Miene gemacht in
die Dienſte der Medici uͤberzutreten, wurden ſie nie wieder
rechte Freunde: der arme Dichter entfernte ſich: durch einen
unwiderſtehlichen Hang gezogen kehrte er wieder zuruͤck:
dann waren einige Schmaͤhworte, die er in einem Anfall
ſeiner Melancholie ausſtieß, hinreichend um den Herzog
zu beſtimmen, daß er den Ungluͤcklichen ſieben lange Jahre
hindurch gefangen hielt 1).
Es iſt das noch einmal ganz das italieniſche Fuͤrſten-
thum, wie es im funfzehnten Jahrhundert ausgebildet wor-
den: auf wohlberechneten politiſchen Verhaͤltniſſen beruhend,
in dem Innern unbeſchraͤnkt und gewaltſam, mit Glanz
umgeben, mit der Literatur verbuͤndet, eiferſuͤchtig auch auf
den Schein der Gewalt. Sonderbare Geſtalt menſchlicher
Dinge! Die Kraͤfte des Landes bringen den Hof hervor,
der Mittelpunkt des Hofes iſt der Fuͤrſt, das letzte Pro-
duct des geſammten Lebens iſt zuletzt das Selbſtgefuͤhl des
Fuͤrſten. Aus ſeiner Stellung zur Welt, dem Gehorſam
den er findet, der Verehrung die man ihm widmet, ent-
ſpringt ihm das Gefuͤhl ſeines Werthes, ſeiner Bedeutung.
Alfonſo II. nun mußte begegnen, daß er von drei Ge-
mahlinnen keine Nachkommen bekam. Es ſpricht ſeine
ganze Politik aus, wie er ſich unter dieſen Umſtaͤnden be-
trug.
[265]Ferrara unter AlfonſoII.
Sein Abſehen war doppelt: einmal die Unterthanen
nicht glauben zu laſſen, daß ſie von ſeinem Hauſe abkom-
men koͤnnten, ſodann die Ernennung eines Nachfolgers in
ſeiner Hand zu behalten und ſich nicht etwa ſelbſt einen
Nebenbuhler aufzuſtellen.
Im September 1589 gieng er nach Loreto, wo ſich
damals die Schweſter Sixtus V, Donna Camilla, befand; er
ſparte weder Geſchenke noch Verſprechungen um ſie zu ge-
winnen. Sie ſollte ihm, hoffte er, auswirken, daß er denje-
nigen von ſeinen naͤchſten Verwandten zum Nachfolger er-
nennen duͤrfe, den er fuͤr den geeignetſten halte. Kaum
aber waren die Unterhandlungen eigentlich eroͤffnet, ſo ſtarb
Sixtus V.
Durch aͤhnliche Mittel, Geſchenke an die Schwaͤgerin
des Papſtes, Dienſtbefliſſenheit gegen den Neffen wußte
ſich Alfonſo im Jahre 1591 Eingang bei Gregor XIV. zu
verſchaffen. Als er ſah, daß er Hoffnung ſchoͤpfen duͤrfe,
ging er ſelbſt nach Rom um die Unterhandlung zu fuͤhren.
Die erſte Frage war, ob die Bulle Pius V, welche die
Wiederverleihung heimgefallener paͤpſtlicher Lehen verbot, ſich
auch auf Ferrara beziehe. Alfonſo leugnete dieß, weil es
noch niemals heimgefallen geweſen. Jedoch allzu deutlich
waren die Worte: die Congregation entſchied, die Bulle
begreife allerdings auch Ferrara. Dann fragte ſich nur, ob
nicht ein Papſt die Macht habe in einem beſondern Falle
eine beſondere Beſtimmung zu geben. Dieß wagte die Con-
gregation nicht zu verneinen: jedoch ſetzte ſie die Bedin-
gung, daß die Nothwendigkeit dringend, der Nutzen au-
[266]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
genſcheinlich ſey 1). Hiedurch war ein großer Schritt ge-
ſchehen. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß wenn man ge-
eilt und ſogleich eine neue Inveſtitur auf einen beſtimm-
ten Namen ausgefertigt haͤtte, die Sache zu dem erwuͤnſch-
ten Ziele gebracht worden waͤre. Jedoch Alfonſo wollte
ſeinen Erben nicht nennen. Auch war er hieruͤber mit den
Sfondrati nicht ganz einerlei Meinung: ſie haͤtten Mar-
cheſe Filippo von Eſte vorgezogen: ihm war ſein naͤherer
Vetter Ceſare lieber. Hieruͤber verging die Zeit, und auch
Gregor ſtarb, ehe etwas feſtgeſetzt worden 2).
Indeſſen hatte man auch die Unterhandlungen mit dem
kaiſerlichen Hofe eroͤffnet. Ferrara zwar war ein paͤpſtliches,
Modena und Reggio aber waren kaiſerliche Lehen. Hier
nun kam dem Herzog ſeine bisherige Politik zu Statten:
mit dem leitenden Miniſter des Kaiſers, Wolf Rumpf, ſtand
er im beſten Vernehmen. In der That gewaͤhrte ihm Ru-
dolf II. die Erneuerung der Belehnung, und geſtand ihm
ſelbſt eine Friſt zu, innerhalb deren es ihm frei ſtehn ſolle,
wen er ſelbſt wuͤnſche als ſeinen Nachfolger zu ernennen.
Deſto hartnaͤckiger aber zeigte ſich der nunmehrige Papſt
[267]Ferrara unter AlfonſoII.
Clemens VIII. Es ſchien katholiſcher, kirchlicher ein Lehn
einzuziehen, als es wieder zu vergeben: ſo hatte der h.
Papſt Pius V. verordnet. Noch im Jahre 1592 ſchlug
Clemens im geheimen Conſiſtorium die Beſtaͤtigung jener
Bulle, wie ſie urſpruͤnglich lautete, ohne den Zuſatz Gre-
gors XIV, vor: ſo ließ er ſie durchgehn 1).
Und nun war auch die vom Kaiſer geſetzte Friſt ver-
ſtrichen. Der Herzog mußte ſich entſchließen ſeinen Nach-
folger zu bezeichnen. Alfonſo I. hatte ſich noch in ſpaͤtern
Jahren mit Laura Euſtochia vermaͤhlt, nachdem er bereits
einen Sohn von ihr hatte: von dieſem Sohne ſtammte
Don Ceſare d’Eſte: nach langem Zoͤgern ernannte ihn endlich
der Herzog. Aber auch jetzt brauchte er noch die geheim-
nißvollſte Vorſicht. Ohne Jemandes Mitwiſſen, in einem
eigenhaͤndigen Schreiben an den Kaiſer, vollzog er die Er-
nennung: zugleich aber bat er denſelben auf das drin-
gendſte ſie Niemand wiſſen zu laſſen, ſelbſt den ferrari-
ſchen Geſandten nicht, der an dem kaiſerlichen Hofe war,
und ſeine Genehmigung nur dadurch auszuſprechen, daß er
das Schreiben ſelbſt mit dem kaiſerlichen Namenszug ver-
ſehen zuruͤckſende 2).
[268]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Das hoͤchſte Anſehen in dem kleinen Lande wollte
er bis an ſeinen letzten Athemzug ungetheilt beſitzen: er
wollte nicht erleben, daß ſein Hof ſich der aufgehnden
Sonne zu wende. Ceſar ſelbſt erfuhr nichts von der ihm
zu Theil gewordenen Gnade: er ward ſogar noch etwas
ſtrenger gehalten, der Glanz ſeiner Erſcheinung ward noch
etwas eingeſchraͤnkt (nie ſollte er mehr als drei Edelleute
in ſeinem Gefolge haben), und erſt als es mit dem Leben
ganz voruͤber war, als die Aerzte die letzte Hoffnung auf-
gegeben, ließ der Herzog ihn rufen, um ihm ſein Gluͤck zu
verkuͤndigen. In Gegenwart der vornehmſten Einwoh-
ner ward das Teſtament eroͤffnet: dieſe wurden von dem
Miniſter ermahnt, dem Haus Eſte getreu zu ſeyn: Ceſarn
ſagte der Herzog, er hinterlaſſe ihm den ſchoͤnſten Staat
der Welt, befeſtigt durch Waffen, Voͤlker, Verbuͤndete inner-
halb und außerhalb Italiens, von denen er ſich alle Huͤlfe
verſprechen koͤnne. Hierauf, an dem nemlichen Tage noch,
ſtarb Alfonſo II: 27. October 1597.
Eroberung von Ferrara.
Ohne Widerſpruch nahm Ceſar die kaiſerlichen Lehen in
Beſitz: auch die paͤpſtlichen huldigten ihm: in Ferrara ward
er von dem Magiſtrat mit dem herzoglichen Mantel beklei-
det, von dem Volke mit jauchzendem Zuruf als der neue
Fuͤrſt begruͤßt.
Hatte ihm aber ſein Vorfahr von eigener Macht und
fremder Unterſtuͤtzung geſprochen, ſo kam er ſogleich in den
Fall auch dieſe zu erproben.
[269]Eroberung von Ferrara.
Unerſchuͤtterlich blieb Clemens bei ſeinem Entſchluſſe
Ferrara einzuziehen. So viele Paͤpſte hatten es fruͤher ver-
ſucht: er glaubte einen ewigen Nachruhm zu erwerben
wenn er es vollbringe. Auf die Nachricht vom Tode Al-
fonſos erklaͤrte er, es thue ihm leid, daß der Herzog kei-
nen Sohn hinterlaſſe: aber die Kirche muͤſſe das Ihre wie-
derhaben. Die Geſandten Ceſars wollte er nicht hoͤren,
ſeine Beſitzergreifung nannte er Uſurpation: er bedrohte ihn
mit der Strafe des Bannes, wofern er ſie innerhalb 14 Ta-
gen nicht aufgegeben habe: und um ſeinen Worten Nach-
druck zu geben, begann er augenblicklich ſich zu ruͤſten.
Es ward eine neue Anleihe gemacht und ein neuer Monte
gegruͤndet, um das Geld im Caſtell nicht angreifen zu muͤſ-
ſen 1): in kurzem begab ſich der Neffe des Papſtes, Car-
dinal Pietro Aldobrandino, von erfahrenen Kriegshaupt-
leuten umgeben, nach Ancona, um ein Heer zuſammenzu-
bringen: nach allen Seiten ſandte er Werber aus: die Pro-
vinzen wurden zu ſtarken Lieferungen genoͤthigt.
Auch Ceſar zeigte ſich Anfangs muthvoll 2). Er er-
klaͤrte, er wolle ſein gutes Recht bis auf den letzten Bluts-
[270]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
tropfen vertheidigen: es werde ihm an ſeiner Religion und
Seligkeit nichts ſchaden: und ſo befeſtigte er ſeine Plaͤtze
aufs neue: die Landmilizen traten in die Waffen: eine Trup-
penſchaar ruͤckte an die Grenzen des Kirchenſtaates vor, und
wir finden eine Aufforderung an ihn, in der Romagna zu
erſcheinen, wo man mit der paͤpſtlichen Herrſchaft unzu-
frieden ſey nnd ſich nur einen Anlaß wuͤnſche ſie zu ſtuͤr-
zen. Ueberdieß hatte er das Gluͤck, daß auch die benach-
barten italieniſchen Staaten fuͤr ihn Partei nahmen. Sein
Schwager, der Großherzog von Toscana, erklaͤrte er
werde ihn nicht verlaſſen. Die Republik Venedig hinderte
den Papſt in Dalmatien zu werben, und verſagte ihm den
Kriegsbedarf und die Waffen, die er aus Brescia ziehen
wollte. Die Vergroͤßerung des Kirchenſtaates war Allen
von Herzen verhaßt.
Waͤre Italien in einem Zuſtande geweſen wie hun-
dert Jahre fruͤher, ziemlich unabhaͤngig von fremden Ein-
wirkungen und auf ſich ſelber angewieſen, ſo wuͤrde Cle-
mens VIII. wahrſcheinlich nicht mehr ausgerichtet haben
als damals Sixtus IV: aber dieſe Zeiten waren voruͤber:
jetzt kam alles auf die allgemeinen europaͤiſchen Verhaͤltniſſe
und die damaligen großen Maͤchte Frankreich und Spa-
nien an.
Die Neigungen der Spanier waren nun nicht ſehr
zweifelhaft. Ceſar d’Eſte hatte ein ſo großes Vertrauen auf
Philipp II, daß er ihn dem Papſte zum Schiedsrichter vor-
ſchlug: ganz unumwunden erklaͤrte ſich der koͤnigliche Go-
vernator in Mailand fuͤr Ceſar: er bot demſelben ſpaniſche
Garniſonen fuͤr ſeine Plaͤtze an. Nur war doch auch nicht
[271]Eroberung von Ferrara.
zu verkennen, daß der Koͤnig, der ſein Lebenlang alle Be-
wegungen in Italien verhindert hatte, Bedenken trug, in
dem hohen Alter, in dem er war, nicht noch einen Krieg
zu veranlaſſen, und ſich mit außerordentlicher Vorſicht ver-
nehmen ließ. Eine aͤhnliche beobachtete ſein Geſandter in
Rom 1).
Um ſo mehr kam unter dieſen Umſtaͤnden auf die Ent-
ſcheidung Heinrichs IV. an: die Herſtellung eines katho-
liſchen und maͤchtigen Frankreichs entwickelte ſogleich eine
hohe Bedeutung fuͤr Italien. Mit den italieniſchen Fuͤr-
ſten in Einverſtaͤndniß hatte ſich Heinrich IV. wieder
erhoben: ſie zweifelten nicht, daß er nun auch dank-
bar ſeyn und in ihrer Differenz mit dem heiligen Stuhle
ſich auf ihre Seite ſchlagen werde. War doch die Krone
Frankreich ohnehin dem Hauſe Eſte ſehr verpflichtet. Waͤh-
rend der buͤrgerlichen Kriege hatten die Eſte dem koͤnigli-
chen Hauſe uͤber eine Million Scudi vorgeſtreckt, die noch
nicht zuruͤckbezahlt worden, und die jetzt hingereicht haben
wuͤrde, um ein Heer zu werben, dem kein Papſt haͤtte
Widerſtand leiſten koͤnnen.
Dieß waren jedoch nicht die Betrachtungen, welche
Heinrich IV. anſtellte. Trotz ſeines Uebertrittes zum Ka-
tholicismus mußte er noch immer gar Manches thun, was
dem roͤmiſchen Hofe nicht anders als mißfallen konnte:
in der Sache von Ferrara erblickte er nur eine Gelegenheit
[272]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
dieſe Dinge vergeſſen zu machen, die Lilien, wie ſeine Staats-
maͤnner ſich ausdruͤckten, am roͤmiſchen Hofe wieder em-
porzubringen. Ohne alles Zoͤgern noch Schwanken ließ er
dem heiligen Vater die Huͤlfe von Frankreich anbieten.
Nicht allein ſey er bereit, ſobald es der Papſt wuͤnſche,
ein Kriegsheer uͤber die Berge zu ſenden, ſondern auch im
Nothfall mit ſeiner ganzen Macht und perſoͤnlich ihm zu
Huͤlfe zu kommen.
Dieſe Erklaͤrung war es, was die Sache entſchied.
Der roͤmiſche Hof, der ſchon alle die Verlegenheiten fuͤhlte,
in die ihn die Abneigung ſeiner Nachbarn und der offene
Widerſtand von Ferrara ſetzen konnte, ſchoͤpfte Athem.
„Ich kann nicht ausdruͤcken“, ſchreibt Oſſat an den Koͤ-
nig, „wie viel Wohlwollen, Lob, Segen Ew. Majeſtaͤt
fuͤr Ihr Erbieten zu Theil geworden iſt.“ Er verſpricht
ſeinem Herrn, wenn er es ausfuͤhre, die Stellung eines Pip-
pin und Carolus Magnus zu der Kirche. Seinerſeits
machte nun der Papſt unverzuͤglich Anſtalt zu der foͤrmli-
chen Excommunication ſeines Gegners.
Um ſo tiefer betroffen, erſchrocken waren die Fuͤrſten:
ſie redeten von ſchwarzer Undankbarkeit: jetzt verloren ſie
den Muth Ferrara zu unterſtuͤtzen: was ſie ſonſt, offen oder
geheim, ohne Zweifel aus allen Kraͤften gethan haben
wuͤrden.
Unmittelbar wirkte das dann auf Ferrara zuruͤck. Die
ſtrenge Regierung Alfonſos hatte nothwendiger Weiſe viel
Unzufriedene gemacht. Ceſar war neu in der Herrſchaft,
ohne rechte Talente und ganz ohne Uebung: mit den Mit-
gliedern des geheimen Rathes machte er erſt in den Sitzun-
gen
[273]Eroberung von Ferrara.
gen, die er als Fuͤrſt hielt, naͤhere Bekanntſchaft 1): da
er nun ſeine aͤltern Freunde, die ihn kannten, auf die auch
er ſich perſoͤnlich verließ, nach den verſchiedenen Hoͤfen ver-
ſendete, ſo behielt er Niemand um ſich, zu dem er wahres
Vertrauen gehabt, mit dem er ſich gehoͤrig verſtanden haͤtte.
An falſchen Schritten konnte es nicht fehlen. Von oben
her griff eine Unſicherheit um ſich, wie ſie dem Verder-
ben vorher zu gehn pflegt. Schon bedachten die Vorneh-
mern, die einen Antheil an der Macht beſaßen, was ſich
bei einer Veraͤnderung fuͤr ſie gewinnen laſſe: ſie ſuchten
insgeheim ihren Vertrag mit dem Papſte abzuſchließen:
Antonio Montecatino begab ſich nach Rom. Ohne Zwei-
fel aber das Auffallendſte, Ungluͤcklichſte war, daß ſich in
dem Hauſe Eſte ſelbſt ein Zwieſpalt offenbarte. Lucrezia
hatte den Vater Ceſars gehaßt, ſie haßte nicht minder auch
ihn, und wollte nicht ſeine Unterthanin ſeyn: ſie ſelbſt, die
Schweſter des vorigen Herzogs, trug kein Bedenken mit
dem Papſt und dem Cardinal Aldobrandini in Verbindung
zu treten.
Indeſſen hatte der Papſt den Act der Excommunica-
Päpſte* 18
[274]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
tion vollzogen. Am 22. Dezember 1597 begab er ſich in
dem Pomp der Proceſſion nach St. Peter und beſtieg mit
ſeinem naͤhern Gefolge die Loggia dieſer Kirche. Ein Car-
dinal verlas die Bulle. Don Ceſare d’Eſte ward darin fuͤr
einen Feind der roͤmiſchen Kirche erklaͤrt, ſchuldig der be-
leidigten Majeſtaͤt, verfallen in die groͤßern Cenſuren, in
die Sentenz der Verfluchung: ſeine Unterthanen wurden des
Eides der Treue entbunden: ſeine Beamten wurden ermahnt
ſeine Dienſte zu verlaſſen. Nachdem die Bulle verleſen wor-
den, warf der Papſt mit zornvollem Angeſicht eine große
brennende Kerze auf den Platz herab. Trompeten und
Trommeln wirbelten: Kanonen wurden abgefeuert: das Volk
uͤberſchrie ihren Laͤrm.
Die Umſtaͤnde waren ſo beſchaffen, daß dieſe Excom-
munication ihre volle Wirkung hervorbringen mußte. Ein
Ferrareſe ſelbſt brachte ein Exemplar der Bulle, in ſeine
Kleider genaͤht, in die Stadt, und uͤberlieferte es dem
Biſchof 1). Den naͤchſten Morgen, am 31. Dezember 1597,
ſollte ein Domherr begraben werden: die Kirche war ſchwarz
ausgeſchlagen: das Volk verſammelte ſich, um die Leichen-
predigt zu hoͤren. Der Biſchof beſtieg die Kanzel und fing an
vom Tode zu reden. „Noch viel ſchlimmer aber“, lenkte
er ploͤtzlich ein, „als der Tod des Leibes, iſt das Verderben
[275]Eroberung von Ferrara.
der Seele, das uns jetzt alle bedroht.“ Er hielt inne, und
ließ die Bulle verleſen, in der alle, die ſich von Don Ce-
ſare nicht abſondern wuͤrden, bedroht wurden „als ver-
dorrte Zweige von dem Baume des geiſtlichen Lebens abgehauen
zu werden.“ Hierauf ward die Bulle an der Thuͤre ange-
ſchlagen: die Kirche erfuͤllte ſich mit Geſchrei und Seufzen:
die Erſchuͤtterung ſetzte ſich in die Stadt fort.
Don Ceſar war nicht der Mann, einer ſolchen Be-
wegung Einhalt zu thun. Man hatte ihm gerathen Schwei-
zer, Deutſche zu werben: allein er hatte ſich nicht entſchlie-
ßen koͤnnen. Katholiſche wollte er nicht, weil ſie Anhaͤn-
ger des Papſtes, aber noch weniger proteſtantiſche, weil
ſie Ketzer ſeyen: „gleich als komme es ihm zu“, ſagt
Niccolo Contarini, „das Amt eines Inquiſitors zu verwal-
ten.“ Jetzt fragte er ſeinen Beichtvater, was er zu thun
habe: es war ein Jeſuit, Benedetto Palma: der rieth ihm
ſich zu unterwerfen.
So weit war Don Ceſar gebracht, daß er um dieſe
Unterwerfung unter guͤnſtigen Bedingungen zu bewerkſtelli-
gen ſich eben an die wenden mußte, die er als ſeine hef-
tigſte Feindin kannte: der geheimen und in gewiſſem Sinne
verraͤtheriſchen Verbindungen, in welche Lucrezia mit Rom
getreten, war er genoͤthigt ſich zu einem ertraͤglichen Ab-
kommen zu bedienen 1). In ſeinem Auftrag begab ſie ſich,
nicht ohne die gewohnte Pracht, in das feindliche Lager.
18*
[276]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Die Anhaͤnger Ceſars haben immer behauptet, ſie
haͤtte wohl beſſere Bedingungen erlangen koͤnnen, aber
durch das Verſprechen lebenslaͤnglichen Beſitzes von Berti-
noro mit dem Titel eines Herzogthums gewonnen, und von
dem jungen geiſtreichen Cardinal perſoͤnlich eingenommen,
habe ſie alles zugegeben, was man verlangte. Am 12.
Januar 1598 ward der Vertrag entworfen, kraft deſſen
Ceſare auf Ferrara, Comachio, ſeinen Theil der Romagna
Verzicht leiſten und dafuͤr Abſolution von dem Kirchenbanne
erhalten ſollte. Wenigſtens Einiges zu retten hatte er ſich
geſchmeichelt, ſehr hart kam ihm ein ſo vollſtaͤndiger Ver-
luſt vor: noch einmal berief er die vornehmſten Magiſtrats-
perſonen der Stadt, den Giudice de’ Savj, einige Doctoren
und Edelleute um ihren Rath zu vernehmen. Sie gaben
ihm keinen Troſt: ſchon dachte ein Jeder ſich nur ſelbſt
mit der neuen Gewalt, die man erwartete, auf guten Fuß
zu ſetzen: ſchon wetteiferte man allenthalben die Wappen
der Eſte abzureißen, ihre Beamten zu verjagen: dem Fuͤr-
ſten blieb nichts uͤbrig als zu unterſchreiben und das Erbe
ſeiner Vaͤter zu verlaſſen.
So verloren die Eſte Ferrara. Archiv, Muſeum, Bi-
bliothek, ein Theil des Geſchuͤtzes, das Alfonſo I. mit ei-
gener Hand gegoſſen, ward nach Modena gebracht: alles
andere ging verloren. Auf 50 Wagen hatte die Witwe Al-
1)
[277]Eroberung von Ferrara.
fonſos II. ihre Habe weggefuͤhrt: die Schweſter deſſelben,
in Frankreich verheirathet, nahm die Forderungen des Hau-
ſes an dieſe Krone fuͤr ſich in Anſpruch: das Unerwartetſte
aber that Lucrezia. Sie ſelbſt hatte nicht Zeit von ihrem
Herzogthum Beſitz zu ergreifen: gerade einen Monat nach-
dem ſie jenen Vertrag abgeſchloſſen, am 12. Februar, ſtarb
ſie. Als man ihr Teſtament eroͤffnete, fand ſich daß ſie eben
Den, der ihr Haus aus ſeinem alten Beſitze vertrieben, den
Cardinal Aldobrandini, zum Univerſalerben eingeſetzt hatte.
Auch ihre Anſpruͤche hatte ſie ihm vermacht, die nun gegen
Ceſar ſelbſt ausgefochten werden mußten. War es doch als
haͤtte ſie ihrem alten Feind einen Gegner hinterlaſſen wol-
len, der ihm das Leben verbittern koͤnnte. Es iſt etwas
Daͤmoniſches in dieſer Frau, die ihr eigenes Haus mit Ver-
gnuͤgen und Genugthuung ſeinem Verderben zufuͤhrt.
Und ſo trat nun die kirchliche Herrſchaft an die Stelle
der herzoglichen. Am 8. Mai traf der Papſt ſelbſt in Fer-
rara ein. Er wollte zugleich den Anblick der neuen Er-
werbung genießen und ſie mit angemeſſenen Einrichtungen
an die Kirche knuͤpfen.
Er begann mit Milde und Gnade. Eine Anzahl fer-
rareſiſcher Oberhaͤupter wurden mit kirchlichen Wuͤrden aus-
geſtattet 1): Cardinalshuͤte, Bisthuͤmer, Auditorate fielen
[278]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ihnen zu: unter den uͤbrigen ward der junge Bentivoglio, der
Geſchichtſchreiber, geheimer Kaͤmmerer des Papſtes. Die
Gewalt der Herzoge hatte auf dem Beſitz der municipalen
Berechtigungen beruht: der Papſt entſchloß ſich den Buͤr-
gern ihre alten Rechte zuruͤckzugeben. Er bildete ein Con-
ſeglio aus den drei Claſſen, des hoͤhern Adels mit 27,
der geringern Nobilitaͤt und der angeſehenen Buͤrger mit
55, der Zuͤnfte mit 18 Stellen. Ihre Rechte waren
ſorgfaͤltig geſchieden: die erſte Claſſe hatte die bedeutend-
ſten, doch hing dafuͤr die Beſetzung der Stellen am meiſten
von dem Papſte ab. Dieſem Conſeglio uͤberließ nun der
Papſt die Sorge fuͤr die Lebensmittel, die Regulation der
Fluͤſſe, die Ernennung der Richter und Podeſta’s, ſelbſt die
Beſetzung der Stellen an der Univerſitaͤt: alles Rechte die
der Herzog ſich fruͤher eiferſuͤchtig vorbehalten: und wie man
denken kann, begann hiedurch ein ganz neues Leben. Auch
fuͤr die geringere Claſſe ward geſorgt: von den ſtrengen fis-
caliſchen Ordnungen ward vieles nachgelaſſen 1).
Jedoch nicht alles konnte in dieſem Sinne ſeyn. Auch
die kirchliche Herrſchaft war nicht lauter Milde. Gar bald
fiel die Rechtspflege kirchlicher Beamten dem Adel beſchwer-
lich: der erſte Giudice de’ Savj, jener Montecatino, fand
es ungebuͤhrlich, wie man die Rechte ſeiner Wuͤrde ein-
ſchraͤnke, und dankte ab. Allgemeines Mißvergnuͤgen er-
regte es, daß Papſt Clemens fuͤr noͤthig hielt ſich ſeiner
Eroberung durch ein Caſtell zu verſichern. Die Vorſtel-
lungen, welche die Einwohner gegen dieß Vorhaben ein-
reichten, ſo flehentlich ſie auch abgefaßt ſeyn mochten, wa-
[279]Eroberung von Ferrara.
ren vergebens: gerade einer der bewohnteſten Theile der
Stadt ward zum Caſtelle auserſehen 1). Ganze Straßen
wurden niedergeriſſen: Kirchen, Oratorien, Hospitien, die
Luſthaͤuſer des Herzogs und des Hofes, das ſchoͤne Belve-
dere, von ſo vielen Dichtern geprieſen.
Vielleicht hatte man geglaubt mit dieſen Zerſtoͤrungen
noch vollends die Erinnerung an das herzogliche Haus zu
vernichten: jedoch hieruͤber erwachte ſie wieder: die ſchon
uͤbertaͤubte Neigung zu dem angeſtammten Fuͤrſtengeſchlechte
kehrte zuruͤck. Alles was zu dem Hofe gehoͤrt hatte, wandte
ſich nach Modena. Ferrara, ſchon fruͤher nicht ſehr leb-
haft, veroͤdete noch mehr.
Doch konnten nicht alle die es wuͤnſchten dem Hofe
folgen. Von einem alten Diener des herzoglichen Hauſes
iſt eine handſchriftliche Chronik uͤbrig, in der er von dem
Hofe Alfonſos, ſeinen Vergnuͤgungen, ſeinen Concerten und
Predigten mit Behagen Bericht erſtattet. „Jetzt aber“, ſagt
er zum Schluß, „iſt es mit alle dem vorbei. Jetzt gibt
es keinen Herzog mehr in Ferrara und keine Prinzeſſinnen:
kein Concert und keine Concertgeberinnen: ſo vergeht die
Pracht der Welt. Fuͤr Andere wird die Welt durch die
Veraͤnderungen angenehm, nicht fuͤr mich, der ich allein
zuruͤckgeblieben bin, alt, gebrechlich und arm. Jedoch ge-
lobt ſey Gott.“ 2)
[280]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Jeſuitiſche Bewegungen.
Es liegt am Tage, daß Clemens VIII. ſich durch ei-
nen ſo großen Erfolg, den er im Einverſtaͤndniß mit der
franzoͤſiſchen Politik erreicht hatte, enge und enger an dieſe
geknuͤpft fuͤhlen mußte. Jetzt kam es ihm zu Gute, daß
er ſich in Sachen der Ligue ſo gemaͤßigt gehalten, der Ent-
wickelung der Ereigniſſe in Frankreich doch kein Hinderniß
in den Weg gelegt, und ſich wenigſtens noch in dem letz-
ten Moment zur Ertheilung der Abſolution entſchloſſen hatte.
An dem Kriege, der an den niederlaͤndiſch-franzoͤſiſchen Gren-
zen fortging, nahm man zu Rom einen Antheil, als waͤre
es ein eigener: man war entſchieden fuͤr Frankreich. Die
Eroberung von Calais und von Amiens, die den Spa-
niern gelang, brachte an dem roͤmiſchen Hofe ein Miß-
vergnuͤgen hervor „das man nicht ſchildern koͤnnte,“
ſagt Oſſat, „eine aͤußerſte Melancholie, Beſchaͤmung und
Zorn“ 1). Der Papſt und ſeine Nepoten fuͤrchteten, be-
2)
[281]Jeſuitiſche Bewegungen.
merkt Delfino, die Spanier moͤchten den Unwillen, den
ſie uͤber die Abſolution empfunden, an ihnen auslaſſen.
Gluͤcklicherweiſe ſtellte Heinrich IV. ſeine erſchuͤtterte Re-
putation durch die Wiedereroberung von Amiens bald wie-
der her.
Nicht als ob man zu Rom diejenigen zu lieben an-
gefangen haͤtte, die man fruͤher bekaͤmpfte: den Oberhaͤup-
tern der Geiſtlichkeit, die ſich zuerſt an Heinrich IV. an-
geſchloſſen und jene Oppoſition begruͤndet, vergaß man es
doch nie: viel lieber befoͤrderte man die Anhaͤnger der Li-
gue, wenn ſie nur zuletzt freiwillig zuruͤckgetreten, d. i. wenn
ſie ungefaͤhr im Falle der Curie ſelber waren. Aber in Kur-
zem that ſich — wie denn die Meinungen der Menſchen,
wenn auch einander naheſtehend, doch ſogleich verſchiedene
Hinneigungen offenbaren — unter den Anhaͤngern des Koͤ-
nigs ſelbſt eine mit Abſicht ſtrenger katholiſche Partei her-
vor, die vor allen Dingen das gute Vernehmen mit
dem Hofe zu Rom zu erhalten trachtete: an dieſe vor-
nehmlich hielt ſich der Papſt: er hoffte alle Differenzen,
die es zwiſchen den franzoͤſiſchen und roͤmiſchen Intereſſen
noch geben mochte, auszugleichen: hauptſaͤchlich war ſein
Wunſch und ſein Bemuͤhen die Jeſuiten, die aus Frank-
reich, wie wir ſahen, verjagt worden, dahin zuruͤckzufuͤh-
ren, und damit der Entwickelung der Dinge, die in Frank-
reich Statt gehabt, zum Trotz den roͤmiſchen Doctrinen
daſelbſt freiere Bahn zu verſchaffen.
Es kam ihm hiebei eine Bewegung in dem Orden der
Jeſuiten zu Statten, die, obwohl ſie aus dem Innern deſ-
ſelben hervorging, doch mit der Veraͤnderung der allge-
[282]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
meinen Tendenz des roͤmiſchen Hofes eine große Analogie
hatte.
So ſonderbar verwickeln ſich oft die Dinge der Welt,
daß in dem Augenblick, in welchem die Pariſer Univerſi-
taͤt den Jeſuiten nichts ſo ſehr zum Verbrechen machte als
ihre Verbindung mit Spanien, in welchem man in Frank-
reich ſagte und glaubte, ein Jeſuit bete taͤglich fuͤr Koͤnig
Philipp 1), er ſey durch ein fuͤnftes Geluͤbde zur Erge-
benheit gegen Spanien verpflichtet, daß eben damals das
Inſtitut der Geſellſchaft in Spanien von mißvergnuͤgten
Mitgliedern, der Inquiſition, einem andern Orden, end-
lich ſogar von der koͤniglichen Gewalt ſelbſt die heftigſten
Anfechtungen erfuhr.
Eine Wendung der Dinge welche mehr als einen Grund
hatte, zunaͤchſt aber folgendergeſtalt entſprungen war.
Im Anfange waren die aͤltern und bereits ausgebil-
deten Maͤnner, welche in die Geſellſchaft traten, groͤßten-
theils Spanier: aus andern Nationen fanden ſich meiſtens
nur juͤngere Leute hinzu, die ihre Bildung noch zu machen
hatten. Natuͤrlich folgte hieraus, daß die Regierung der
Geſellſchaft in den erſten Jahrzehenten vorzugsweiſe in ſpa-
niſche Haͤnde fiel. Die erſte Generalcongregation beſtand
aus 25 Mitgliedern: 18 von dieſen waren Spanier 2). Die
erſten drei Generale gehoͤrten derſelben Nation an: nach
[283]Jeſuitiſche Bewegungen.
dem Tode des dritten, Borgia, — im Jahre 1573 —
hatte abermals ein Spanier, Polanco, die groͤßte Ausſicht.
Es zeigte ſich aber, daß man in Spanien ſelbſt die
Erhebung deſſelben nicht gern geſehen haben wuͤrde. Es
gab in dieſer Geſellſchaft viele Neubekehrte, Judenchriſten:
auch Polanco gehoͤrte zu dieſer Claſſe: man wuͤnſchte dort
nicht, daß die hoͤchſte Gewalt in einer ſo maͤchtigen und
ſo monarchiſch eingerichteten Geſellſchaft in ſolche Haͤnde
geriethe 1). Papſt Gregor XIII, der hievon einen Wink
bekommen, hielt auch aus andern Gruͤnden eine Abwechſe-
lung fuͤr nuͤtzlich. Als ſich ihm eine Deputation der zur
Wahl verſammelten Congregation vorſtellen ließ, fragte er
ſie, wie viel Stimmen jede Nation habe: es fand ſich,
daß die ſpaniſche deren mehr hatte als alle andern zuſam-
men. Er fragte ferner, aus welcher Nation die Generale
des Ordens bisher genommen worden. Man ſagte ihm,
man habe ihrer drei gehabt, alle drei Spanier. „Es iſt
billig“, entgegnete Gregor, „daß Ihr auch einmal einen aus
einer andern Nation waͤhlt“. Er ſchlug ihnen ſogar ſel-
ber einen Candidaten vor.
Nun ſtraͤubten ſich wohl die Jeſuiten einen Augen-
blick hiewider, weil es ihre Privilegien verletze: aber zu-
letzt ernannten ſie doch eben den, welchen der Papſt vor-
geſchlagen. Es war Eberhard Mercurianus.
Schon hiemit trat eine bedeutende Veraͤnderung ein
Mercurian, ein ſchwacher und unſelbſtaͤndiger Mann, uͤber-
[284]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ließ die Geſchaͤfte anfangs zwar wieder einem Spanier,
aber darauf einem Franzoſen, ſeinem beſtallten Admonitor:
— es bildeten ſich Factionen: eine verdraͤngte die andere
aus den wichtigen Aemtern: die herrſchende fand ſchon zu-
weilen einen gewiſſen Widerſtand in den untern Kreiſen.
Noch viel wichtiger aber wurde es, daß bei der naͤch-
ſten Vacanz im Jahre 1581 Claudius Aquaviva, ein Nea-
politaner aus einem Hauſe das ſich fruͤher zu der fran-
zoͤſiſchen Partei gehalten, ein kraͤftiger Mann, der erſt 38
Jahre zaͤhlte, dieſe Wuͤrde erhielt.
Einmal nemlich glaubten die Spanier einzuſehen, daß
ihre Nation, von der die Geſellſchaft begruͤndet und auf
ihre Bahn geleitet worden, von dem Generalat auf ewig
ausgeſchloſſen ſey: ſie wurden daruͤber mißvergnuͤgt, wider-
ſpenſtig 1), und faßten den Gedanken ſich auf irgend eine
Weiſe, etwa durch die Aufſtellung eines eigenen General-
commiſſars fuͤr die ſpaniſchen Provinzen, von Rom unab-
haͤngiger zu machen. Aquaviva dagegen war nicht gemeint
von der Autoritaͤt, welche ihm der Buchſtabe der Verfaſ-
ſung zuerkannte, das Mindeſte fallen zu laſſen. Um die
Mißvergnuͤgten in Zaum zu halten, ſetzte er ihnen Obere
auf deren perſoͤnliche Ergebenheit er rechnen durfte: juͤn-
gere Maͤnner, die ihm an Alter und Geſinnung naͤher ſtan-
[285]Jeſuitiſche Bewegungen.
den 1): wohl auch Mitglieder von minderm Verdienſt,
Coadjutoren, die nicht alle Berechtigungen genoſſen: die
dann, die einen wie die andern, ihre Stuͤtze in dem Gene-
ral ſahen: endlich Landsleute, Neapolitaner 2).
Die alten, gelehrten, erfahrnen Patres ſahen ſich nicht
allein von der hoͤchſten allgemeinen Wuͤrde, ſondern auch
von den Aemtern in den Provinzen entfernt. Aquaviva
gab vor, ihre Fehler ſeyen daran Schuld: der eine ſey cho-
leriſch, der andere melancholiſch: natuͤrlich, ſagt Mariana,
ausgezeichnete Leute pflegen wohl auch mit einem Mangel
behaftet zu ſeyn: doch war der eigentliche Grund, daß er
ſie fuͤrchtete, und zur Ausfuͤhrung ſeiner Befehle gefuͤgi-
gere Werkzeuge haben wollte. In der Regel bedarf der
Menſch der Genugthuung ſelbſtthaͤtigen Antheil an den oͤf-
fentlichen Dingen zu nehmen, und am wenigſten wird man
ſich ruhig aus ſeinem Beſitze treiben laſſen. Es entſtanden
Reibungen in allen Collegien. Mit ſtummer Animoſitaͤt
wurden die neuen Obern aufgenommen: ſie konnten nichts
weſentliches durchſetzen: ſie waren nur froh wenn ſie ohne
[286]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ohne Bewegung, ohne Unruhen wegkamen. Doch hatten ſie
Macht genug ſich auch wieder zu raͤchen. Auch ſie beſetz-
ten nun die untergeordneten Aemter bloß mit ihren perſoͤn-
lichen Anhaͤngern: denn an Anhaͤngern konnte es ihnen bei
der monarchiſchen Verfaſſung des Ordens und dem Ehr-
geiz der Mitglieder auf die Laͤnge nicht fehlen: ſie ſchickten
ihre hartnaͤckigſten Gegner fort, und zwar gerade dann am
liebſten, wenn eine wichtige Berathung im Werke war:
ſie verſetzten ſie in andere Provinzen. So loͤſte ſich alles
in Druck und Gegendruck von Perſoͤnlichkeiten auf. Je-
des Mitglied hatte nicht allein das Recht, ſondern ſogar
die Pflicht die Fehler anzuzeigen, die es an Andern be-
merke: eine Einrichtung, die bei der Unſchuld einer kleinen
Genoſſenſchaft nicht ohne moraliſchen Zweck ſeyn mochte:
jetzt aber entwickelte ſie ſich zur widerwaͤrtigſten Angebe-
rei: ſie ward ein Mittel des geheimen Ehrgeizes, des un-
ter der Maske der Freundſchaft verborgenen Haſſes: „wollte
man das Archiv zu Rom nachſehen,“ ruft Mariana aus,
„ſo wuͤrde ſich vielleicht kein einziger rechtſchaffener Mann
wenigſtens unter uns Entferntern finden“: es riß ein allge-
meines Mißtrauen ein: Keiner haͤtte ſich ſeinem Bruder
vollkommen eroͤffnet.
Dazu kam nun, daß Aquaviva nicht bewogen wer-
den konnte Rom zu verlaſſen und die Provinzen zu be-
ſuchen, wie doch noch Lainez und Borgia gethan. Man
entſchuldigte dieß damit, daß es auch ſeinen Vortheil habe
die Dinge ſchriftlich in Erfahrung zu bringen, in ununter-
brochenem Fortgang, ohne die Stoͤrung der Zufaͤlligkei-
ten einer Reiſe. Allein zunaͤchſt folgte doch auf jeden
[287]Jeſuitiſche Bewegungen.
Fall hieraus, daß die Provinzialen, in deren Haͤnden die
ganze Correſpondenz lag, eine noch groͤßere Selbſtaͤndig-
keit erhielten. Es war vergebens uͤber ſie zu klagen: ſie
konnten dieß leicht vorherſehen und die Wirkung um ſo eher
in voraus vernichten, da Aquaviva ſie ohnehin beguͤnſtigte:
ſie behielten ihre Stellen ſo gut wie auf Lebenszeit.
Unter dieſen Umſtaͤnden ſahen die alten Jeſuiten in
Spanien, daß ſich eine Lage der Dinge, die ſie als Ty-
rannei fuͤhlten, innerhalb der Grenzen der Geſellſchaft allein
niemals wuͤrde abaͤndern laſſen, ſie beſchloſſen ſich nach
fremder Huͤlfe umzuſehen.
Zuerſt wandten ſie ſich an die nationale geiſtliche Ge-
walt ihres Landes, an die Inquiſition. Die Inquiſition
hatte, wie man weiß, gar manches Vergehn ihrem Rich-
terſpruch vorbehalten. Ein mißvergnuͤgter Jeſuit klagte
— wie er erklaͤrte, durch Gewiſſensſcrupel bewogen —
ſeinen Orden an, daß er Verbrechen dieſer Art, wenn ſie
von ſeinen Mitgliedern begangen worden, verberge und ſelbſt
abmache. Ploͤtzlich ließ die Inquiſition den Provinzial, der
bei einem Falle dieſer Art betheiligt war, und einige ſeiner
thaͤtigſten Genoſſen einziehen 1). Da nach dieſem erſten
Anfang auch andere Anklagen hervortraten, ließ ſich die
Inquiſition die Statuten des Ordens aushaͤndigen, und
ſchritt zu neuen Verhaftungen. Es entſtand eine um ſo
lebhaftere Aufregung in den glaͤubigen Spaniern, da man
[288]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
nicht wußte weshalb: da ſich die Meinung ausbreitete, die
Jeſuiten ſeyen um einer Ketzerei willen eingezogen worden.
Die Inquiſition haͤtte jedoch nur eine Strafe verhaͤn-
gen, keine Aenderung vorſchreiben koͤnnen. Wie es ſo weit
war, wandten ſich die Mißvergnuͤgten auch an den Koͤ-
nig. Mit weitlaͤuftigen Klageſchriften uͤber die Maͤngel in
ihrer Verfaſſung beſtuͤrmten ſie ihn. Philipp dem II. hatte
dieſe Verfaſſung niemals gefallen: er pflegte zu ſagen, alle
andern Orden durchſchaue er, nur den jeſuitiſchen koͤnne er
nicht verſtehn: beſonders ſchien ihm einzuleuchten, was man
ihm von dem Mißbrauch der abſoluten Gewalt und dem
Unweſen der geheimen Anklagen ſagte: in der Mitte des gro-
ßen europaͤiſchen Kampfes, in dem er ſich befand, widmete
er doch auch dieſer Sache ſeine Aufmerkſamkeit: zunaͤchſt
beauftragte er den Biſchof Manrique von Carthagena be-
ſonders mit Hinſicht auf jene Punkte den Orden einer
Viſitation zu unterwerfen.
Ein Angriff der, wie man ſieht, dem Charakter des
Inſtitutes, dem Oberhaupte ſelbſt galt: um ſo bedeuten-
der, da er aus eben dem Lande kam, wo die Geſellſchaft
entſprungen war und zuerſt Fuß gefaßt hatte.
Aquaviva erſchrak nicht davor. Er war ein Mann
der hinter einer großen aͤußern Milde und ſanften Sitten
eine innerliche Unerſchuͤtterlichkeit verbarg, eine Natur, wie
auch Clemens VIII, und wie ſie uͤberhaupt in dieſer Zeit
emporkamen, vor allen Dingen beſonnen, gemaͤßigt, klug,
verſchwiegen. Er haͤtte ſich nie ein abſprechendes Urtheil
erlaubt: er litt nicht daß ein ſolches auch nur in ſeiner Gegen-
wart verlautete, am wenigſten uͤber eine ganze Nation: ſeine
Se-
[289]Jeſuitiſche Bewegungen.
Secretaͤre waren ausdruͤcklich angewieſen jedes verletzende,
jedes bittere Wort zu vermeiden. Er liebte die Froͤmmig-
keit, auch ihren aͤußern Anſchein; in ſeiner Haltung am
Altar druͤckte er einen hingegebenen Genuß an den Wor-
ten des Hochamtes aus: jedoch hielt er alles fern, was
an Schwaͤrmerei erinnerte. Er ließ eine Erklaͤrung des
Hohenliedes nicht zum Druck gelangen, weil er es anſtoͤ-
ßig fand, daß der Ausdruck auf den Grenzen ſinnlicher und
geiſtiger Liebe ſchwankte. Auch wenn er tadelte, wußte er
zu gewinnen: er zeigte die Ueberlegenheit der Ruhe, mit
ſinnreichen Gruͤnden wies er die Irrenden zurecht: mit Be-
geiſterung hing die Jugend an ihm. „Man muß ihn lie-
ben“, ſchreibt Maximilian von Vaiern ſeinem Vater von
Rom, „wenn man ihn nur anſieht.“ Dieſe Eigenſchaften
nun, ſeine unermuͤdliche Thaͤtigkeit, ſeine vornehme Her-
kunft ſelbſt, die ſtets wachſende Bedeutung ſeines Ordens
machten ihm eine große Stellung in Rom. Gelang es ſeinen
Gegnern die nationalen Gewalten in Spanien zu gewinnen,
ſo hatte er den roͤmiſchen Hof fuͤr ſich, den er von Jugend
auf kannte — er war ſchon Kammerherr als er in den Or-
den trat, — den er mit der Meiſterſchaft eines angebornen
und geuͤbten Talentes zu behandeln wußte 1).
Beſonders ward es ihm bei der Natur Sixtus V. leicht
die Antipathien dieſes Papſtes gegen die Beſtrebungen der
Spanier zu erwecken. Papſt Sixtus hatte, wie wir wiſſen,
die Idee Rom noch mehr zur Metropole der Chriſtenheit zu
erheben, als es das ſchon war: Aquaviva ſtellte ihm vor,
Päpſte* 19
[290]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
man ſuche in Spanien nichts anders als ſich von Rom
unabhaͤngiger zu machen. Papſt Sixtus haßte nichts ſo
ſehr als unechte Geburt: Aquaviva hinterbrachte ihm, je-
ner zum Viſitator auserſehene Biſchof Manrique ſey ein
Baſtard. Grund genug fuͤr den Papſt die ſchon ertheilte
Bewilligung der Viſitation wieder zuruͤckzunehmen. Auch
den Proceß des Provincial zog er nach Rom. Unter Gre-
gor XIV. gelang es dem General eine foͤrmliche Beſtaͤti-
gung der Inſtitute des Ordens auszubringen.
Aber auch die Gegner waren hartnaͤckig und verſchla-
gen. Sie ſahen wohl, daß man den General an dem roͤ-
miſchen Hofe ſelbſt angreifen muͤſſe. Einen Augenblick der
Abweſenheit deſſelben — er hatte den Auftrag eine Zwi-
ſtigkeit zwiſchen Mantua und Parma beizulegen — benutz-
ten ſie um Clemens VIII. zu gewinnen. Auf den Antrag
der ſpaniſchen Jeſuiten und Philipps II. ordnete Clemens,
im Sommer 1592, ohne Wiſſen Aquavivas eine General-
congregation an.
Erſtaunt und betroffen eilte Aquaviva zuruͤck. Den
Generalen der Jeſuiten waren allgemeine Congregationen
ſo unbequem, wie eine Kirchenverſammlung dem Papſt.
Suchte ſie ſchon jeder Andere zu vermeiden, wie viel mehr
Aquaviva, gegen den ein ſo lebhafter Haß ſich regte.
Doch ſah er bald, daß die Anordnung unwiderruflich war 1):
[291]Jeſuitiſche Bewegungen.
er faßte ſich und ſagte: „Wir ſind gehorſame Soͤhne: der
Wille des heiligen Vaters geſchehe.“ Dann eilte er ſeine
Maaßregeln zu nehmen.
Schon auf die Wahlen verſchaffte er ſich einen gro-
ßen Einfluß. Es gluͤckte ihm, ſelbſt in Spanien mehrere
von ſeinen gefaͤhrlichſten Widerſachern, z. B. Mariana, zu-
ruͤckgewieſen zu ſehen.
Als nun die Verſammlung beiſammen war, wartete
er nicht ſo lange, bis man ihn angriff. Gleich in der erſten
Sitzung erklaͤrte er: da er das Ungluͤck habe einigen ſeiner
Mitbruͤder zu mißfallen, ſo bitte er vor allen andern Ge-
ſchaͤften um eine Unterſuchung ſeines Betragens. Es ward
eine Commiſſion ernannt: es wurden Beſchwerden namhaft
gemacht; allein wie haͤtte ihm die Ueberſchreitung eines po-
ſitiven Geſetzes nachgewieſen werden ſollen: er war viel zu
klug um ſich eine ſolche zu Schulden kommen zu laſſen:
er ward glaͤnzend gerechtfertigt.
Dergeſtalt perſoͤnlich geſichert, ging er mit der Ver-
ſammlung an die Eroͤrterung der das Inſtitut betreffenden
Vorſchlaͤge.
Koͤnig Philipp hatte einiges gefordert, anderes der Er-
waͤgung empfohlen. Gefordert hatte er zweierlei: Verzicht-
leiſtung auf gewiſſe paͤpſtliche Privilegien, z. B. verbotene
1)
19*
[292]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Buͤcher zu leſen, vom Verbrechen der Ketzerei zu abſolvi-
ren, und ein Geſetz, kraft deſſen ſich jeder Noviz der in
den Orden trete aller Majorate die er beſitze, ſelbſt aller
ſeiner Pfruͤnden begeben ſolle. Es waren Dinge, in de-
nen die Geſellſchaft mit Inquiſition und Staatsverwaltung
zuſammenſtieß. Nach einigem Bedenken wurden dieſe For-
derungen hauptſaͤchlich durch Aquavivas eigenen Einfluß
bewilligt.
Noch um vieles wichtiger aber waren die Punkte, die
der Koͤnig der Erwaͤgung empfohlen. Vor allem: ob nicht
die Gewalt der Oberen auf eine beſtimmte Zeit einzuſchraͤn-
ken, ob nicht eine Wiederholung der Generalcongregationen
in feſtgeſetzten Terminen anzuordnen ſey. Das Weſen des
Inſtituts, die Rechte der abſoluten Herrſchaft kamen hiedurch
in Frage. Da war Aquaviva nicht ſo geneigt. Nach leb-
haften Debatten wies die Congregation dieſe Antraͤge des
Koͤnigs zuruͤck. Allein auch der Papſt war von der Nothwen-
digkeit derſelben uͤberzeugt. Was dem Koͤnig abgeſchlagen
worden, befahl nunmehr der Papſt: aus apoſtoliſcher Macht-
vollkommenheit ſetzte er feſt, daß die Oberen, die Rectoren
alle drei Jahr wechſeln, die Generalcongregationen alle
ſechs Jahr einmal zuſammentreten ſollten 1).
Nun iſt es zwar an dem, daß die Ausfuͤhrung dieſer
Anordnungen doch nicht ſo viel wirkte, als man gehofft
hatte. Die Congregationen konnten gewonnen werden; die
Rectoren wurden freilich gewechſelt, aber in einem engen
[293]Jeſuitiſche Bewegungen.
Kreiſe, und bald kehrten die nemlichen wieder. Aber alle
Mal war es ein bedeutender Schlag fuͤr die Geſellſchaft,
daß es durch innere Empoͤrung und auswaͤrtige Einwir-
kung zu einer Abaͤnderung ihrer Geſetze gekommen war.
Und ſchon erhob ſich in den nemlichen Gegenden noch
ein anderer Sturm.
Die Jeſuiten hatten ſich anfangs an den Lehrbegriff
der Thomiſten gehalten, wie er in den Schulen jener Zeit
uͤberhaupt herrſchte. Ignazio hatte ſeine Schuͤler aus-
druͤcklich auf die Lehre des Doctor Angelicus angewieſen.
Gar bald aber glaubten ſie zu finden, daß ſie mit
dieſen Lehren den Proteſtanten gegenuͤber nicht ganz zum
Ziele gelangen koͤnnten. Sie wollten in den Doctrinen
ſelbſtaͤndig ſeyn wie im Leben. Es war ihnen unbequem
den Dominicanern nachzutreten, zu denen S. Thomas ge-
hoͤrt hatte, und die als die natuͤrlichen Erklaͤrer ſeiner Mei-
nungen angeſehen wurden. Nachdem ſie ſchon fruͤher man-
ches Zeichen dieſer Geſinnung gegeben, ſo daß ſchon zu-
weilen bei der Inquiſition von der freiern Denkart der
Vaͤter Jeſuiten die Rede war 1), ſo trat Aquaviva 1584
in ſeiner Studienordnung offen mit derſelben hervor. Er
meint, S. Thomas ſey zwar der beifallswuͤrdigſte Autor,
doch wuͤrde es ein unertraͤgliches Joch ſeyn, in allen Din-
gen ſeinen Fußtapfen folgen, gar keine freien Meinungen
hegen zu ſollen. Von neuern Theologen ſey manche alte
Lehre beſſer begruͤndet, manche neue vorgetragen worden,
[294]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
die zur Bekaͤmpfung der Ketzer trefflich diene, in alle dem
moͤge man dieſen Doctoren folgen.
Schon dieß veranlaßte in Spanien, wo die theologi-
ſchen Katheder noch groͤßtentheils von Dominicanern ein-
genommen waren, eine gewaltige Aufregung. Man erklaͤrte
die Studienordnung fuͤr das verwegenſte, anmaßendſte, ge-
faͤhrlichſte Buch in ſeiner Art: man ging Koͤnig und Papſt
daruͤber an 1).
Wie viel groͤßer aber mußte die Bewegung werden,
als nun wirklich das thomiſtiſche Syſtem in einem der
wichtigſten Lehrſtuͤcke von den Jeſuiten verlaſſen ward.
In der geſammten Theologie, der katholiſchen wie der
proteſtantiſchen, waren die Streitfragen uͤber Gnade und
Verdienſt, freien Willen und Praͤdeſtination noch immer
die wichtigſten, wirkſamſten: ſie beſchaͤftigten noch immer
Gemuͤth, Gelehrſamkeit und Speculation der Geiſtlichen
wie der Laien. Auf der proteſtantiſchen Seite fanden nun
damals die ſtrengen Lehren Calvins von dem particularen
Rathſchluß Gottes, nach welchem „Einigen die ewige
Seligkeit, Andern die Verdammniß vorherbeſtimmt wor-
den“, den meiſten Beifall: die Lutheraner mit ihren
mildern Begriffen hieruͤber waren im Nachtheil, und erlit-
ten bald hier bald dort Verluſte. Eine entgegengeſetzte
[295]Jeſuitiſche Bewegungen.
Entwickelung fand auf der katholiſchen Seite Statt. Wo
irgend eine Hinneigung zu den Begriffen auch der milde-
ſten Proteſtanten, auch nur eine ſchaͤrfere Auffaſſung der
auguſtiniſchen Vorſtellungsweiſe zum Vorſchein kam, z. B.
bei Bajus in Loͤwen, ward ſie bekaͤmpft und unterdruͤckt.
Beſonders die Jeſuiten zeigten ſich hierin eifrig. Das
in dem tridentiniſchen Concilium aufgeſtellte Lehrſyſtem,
das ja ſelbſt nicht ohne den Einfluß ihrer Mitbruͤder Lai-
nez und Salmeron zu Stande gekommen, vertheidigten ſie
gegen jede Abweichung nach der verworfenen und verlaſſe-
nen Seite hin. Und ſelbſt dieß Syſtem that ihrem pole-
miſchen Eifer nicht immer Genuͤge. Im Jahre 1588 trat
Luis Molina zu Evora mit einem Buche hervor, in wel-
chem er jene Streitfragen neuerdings vornahm und die
noch immer uͤbrig gebliebenen Schwierigkeiten auf eine
neue Weiſe zu beſeitigen verſuchte 1). Seine vornehmſte
Abſicht bei dieſem Unternehmen war, dem freien Willen des
Menſchen noch einen groͤßern Spielraum zu vindiciren, als
der thomiſtiſche oder der tridentiniſche Lehrbegriff annahm.
In Trident hatte man das Werk der Heiligung vorzuͤglich
auf die inhaͤrirende Gerechtigkeit Chriſti begruͤndet, welche
uns eingegoſſen die Liebe hervorrufe, zu allen Tugenden
und guten Werken leite, und endlich die Rechtfertigung her-
vorbringe. Einen bedeutenden Schritt weiter geht Molina.
Er behauptet, der freie Wille koͤnne ohne Huͤlfe der Gnade
[296]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
moraliſch gute Werke hervorbringen: er koͤnne Verſuchun-
gen widerſtehn: er koͤnne ſich ſelbſt zu einem und dem an-
dern Act der Hoffnung, des Glaubens, der Liebe und der
Reue erheben 1). Wenn der Menſch ſo weit ſey, ſo ge-
waͤhre ihm alsdann Gott um des Verdienſtes Chriſti wil-
len die Gnade 2), durch die er die uͤbernatuͤrlichen Wir-
kungen der Heiligung erfahre: allein ganz wie vorher
ſey auch bei dem Empfangen dieſer Gnade, bei ihrem
Wachſen der freie Wille unaufhoͤrlich thaͤtig. Auf dieſen
komme doch alles an; es ſtehe bei uns die Huͤlfe Got-
tes wirkſam oder unwirkſam zu machen. Auf der Verei-
nigung des Willens und der Gnade beruhe die Rechtferti-
gung, ſie ſeyen verbunden wie ein paar Maͤnner die an
Einem Schiffe ziehen; es verſteht ſich nun, daß Molina
hiebei den Begriff von Praͤdeſtination, wie er bei Auguſti-
nus oder Thomas von Aquino vorkommt, nicht annehmen
kann. Er findet ihn zu hart, zu grauſam. Er will von
keiner andern Vorherbeſtimmung wiſſen, als einer ſolchen,
welche eigentlich Vorausſicht ſey. Nun wiſſe aber Gott
aus hoͤchſter Einſicht in die Natur eines jeden Willens vor-
[297]Jeſuitiſche Bewegungen.
aus, was derſelbe in dem gegebenen Falle thun werde, ob-
wohl er auch das Gegentheil haͤtte thun koͤnnen. Allein
nicht darum erfolge etwas, weil es Gott vorherwiſſe:
ſondern Gott ſehe es darum vorher, weil es erfolgen
werde.
Eine Lehre die nun allerdings der calviniſtiſchen ganz
an dem entgegengeſetzten Ende gegenuͤbertritt: zugleich die
erſte die es unternimmt das Geheimniß, ſo zu ſagen, zu
rationaliſiren. Sie iſt verſtaͤndlich, ſcharfſinnig und flach:
eben darum kann ſie einer gewiſſen Wirkung nicht verfeh-
len: man darf ſie wohl mit der Doctrin von der Volks-
ſouveraͤnetaͤt vergleichen, welche die Jeſuiten zu der nemli-
chen Zeit auch ausbildeten 1).
Nothwendig aber mußten ſie damit in ihrer eigenen
Kirche Widerſtand erwecken: ſchon darum, weil ſie ſich von
dem Doctor Angelicus entfernten, deſſen Summa noch im-
mer das vornehmſte Handbuch der katholiſchen Theologen
bildete. Einige Mitglieder des Ordens ſelbſt, Henriquez,
[298]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Mariana, ſprachen oͤffentlich ihren Tadel aus. Bei wei-
tem lebhafter aber nahmen die Dominicaner ihren Patriar-
chen in Schutz. Sie ſchrieben und predigten gegen Molina,
in ihren Vorleſungen griffen ſie ihn an. Endlich veranſtal-
tete man am 4. Merz 1594 in Valladolid eine Disputa-
tion zwiſchen beiden Theilen. Die Dominicaner, die ſich
im Beſitze der Rechtglaͤubigkeit glaubten, wurden heftig.
„Sind denn“, rief ein Jeſuit aus, „die Schluͤſſel der
Weisheit etwa bei Euch?“ Die Dominicaner ſchrien auf:
ſie nahmen dieß fuͤr einen Angriff auf S. Thomas ſelbſt.
Seitdem trennten ſich die beiden Orden voͤllig. Die
Dominicaner wollten nichts mehr mit den Jeſuiten zu thun
haben. Die Jeſuiten nahmen, wo nicht alle, doch bei wei-
tem zum groͤßten Theil fuͤr Molina Partei. Aquaviva
ſelbſt, ſeine Aſſiſtenten waren fuͤr denſelben.
Aber ſchon griff auch hier die Inquiſition ein. Der
Großinquiſitor — es war eben jener Hieronymus Manri-
que, der zum Viſitator des Ordens beſtimmt geweſen —
machte Miene Molina zu verdammen: er ließ ihm bemer-
ken, ſein Buch duͤrfte wohl nicht mit einer einfachen Ver-
werfung wegkommen, ſondern zum Feuer verurtheilt wer-
den. Gegenklagen Molinas wider die Dominicaner wei-
gerte er ſich anzunehmen.
Eine Streitigkeit welche die ganze katholiſche Welt
ſowohl der Lehren als ihrer Verfechter halber in Bewegung
ſetzte, und die jenen Angriff auf das jeſuitiſche Inſtitut,
der ſich in Spanien erhoben, um vieles verſtaͤrkte.
Eben hiedurch trat nun aber die ſonderbare Erſchei-
[299]Jeſuitiſche Bewegungen.
nung ein, daß waͤhrend man die Jeſuiten wegen ihrer
Hinneigungen zu Spanien aus Frankreich verjagte, von Spa-
nien her ſelbſt der gefaͤhrlichſte Angriff gegen ſie unternommen
ward. In beiden Laͤndern waren Momente der Politik und
der Doctrin hiebei thaͤtig. Der politiſche war am Ende
in beiden der nemliche, ein nationaler Gegenſatz gegen die
Vorrechte und Freiheiten dieſes Ordens: in Frankreich war
er gewaltſamer, heftiger: in Spanien aber eigenthuͤmlicher,
beſſer gegruͤndet; in Hinſicht der Doctrin waren es die neuen
Lehren, welche den Jeſuiten Haß und Verfolgung zuzogen.
Ihre Lehre von der Volksſouveraͤnetaͤt und dem Koͤnigs-
mord ward ihnen in Frankreich, ihre Meinungen von dem
freien Willen wurden ihnen in Spanien verderblich.
Ein Augenblick in der Geſchichte dieſer Geſellſchaft
der fuͤr die Wendung die ſie nahm von großer Bedeu-
tung iſt.
Gegen die Angriffe der nationalen Gewalten, des Par-
laments und der Inquiſition, ſuchte Aquaviva Huͤlfe in dem
Mittelpunkte der Kirche, bei dem Papſt.
Er benutzte den guͤnſtigen Augenblick, als jener Groß-
inquiſitor geſtorben und ſeine Stelle noch nicht wieder be-
ſetzt war, um den Papſt zu beſtimmen die Entſcheidung
der Glaubens-Streitigkeit nach Rom zu evociren. Es war
ſchon viel gewonnen, wenn die Entſcheidung nur zunaͤchſt
verſchoben ward. Wie leicht fanden ſich dann in Rom an-
derweite Einfluͤſſe, welche ſich in einem bedenklichen Augen-
blicke geltend machen ließen. Am 9. October 1596 wur-
den die Acten des Proceſſes nach Rom geſendet. Von bei-
[300]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
den Seiten fanden ſich die gelehrteſten Theologen ein um
ihren Streit unter den Augen des Papſtes durchzufechten 1).
In der franzoͤſiſchen Angelegenheit nahm ſich Clemens
der Jeſuiten ohnehin an. Er fand es unverantwortlich,
um eines Einzigen willen, welcher Strafe verdient haben
moͤge, einen ganzen Orden zu verbannen, und zwar den,
der das Meiſte zur Herſtellung des Katholicismus vollbringe,
der eine ſo ſtarke Stuͤtze der Kirche ſey. Litt nicht auch
der Orden in der That fuͤr ſeine Hingebung an den paͤpſt-
lichen Stuhl, fuͤr die Lebhaftigkeit mit der er die An-
ſpruͤche deſſelben an eine hoͤchſte Gewalt auf Erden verfocht?
Dem Papſt mußte alles daran liegen den Gegenſatz vol-
lends zu verloͤſchen, in welchem ſich Frankreich noch gegen
ihn hielt. Je genauer die Verbindung ward, in die er
mit Heinrich IV. trat, je einhelliger die beiderſeitige Po-
litik, deſto wirkſamer wurden ſeine Vorſtellungen: von Mo-
ment zu Moment gab Heinrich nachgiebigere Erklaͤrungen 2).
Hierin unterſtuͤtzte nun das wohlerwogene Betragen
des Ordens den Papſt ungemein.
[301]Jeſuitiſche Bewegungen.
Die Jeſuiten huͤteten ſich wohl dem Koͤnig von
Frankreich Entruͤſtung oder Widerwillen zu zeigen: auch
waren ſie nicht geneigt ſich ferner fuͤr die verlorne Sache
der Ligue in Gefahr zu ſtuͤrzen: ſo wie ſie die Wendung
wahrnahmen, welche die paͤpſtliche Politik genommen, ſchlu-
gen auch ſie eine aͤhnliche ein. Pater Commolet, der noch
nach der Bekehrung Heinrichs IV. auf den Kanzeln aus-
gerufen, man beduͤrfe eines Ehud wider ihn, und bei dem
Siege des Koͤnigs hatte fliehen muͤſſen, war umgeſtimmt
als er nach Rom kam, und erklaͤrte ſich fuͤr die Losſpre-
chung des Koͤnigs. Unter allen Cardinaͤlen trug wohl kein
Anderer durch Nachgiebigkeit, verſoͤhnende Schritte und per-
ſoͤnlichen Einfluß auf den Papſt ſo viel zu dieſer Abſolu-
tion bei wie der Jeſuit Toledo 1). Sie thaten dieß, waͤh-
rend das Parlament noch immer neue Beſchluͤſſe gegen ſie
faßte, Beſchluͤſſe, uͤber die ſich Aquaviva beklagte, ohne ſich
doch dadurch zu Eifer und Heftigkeit fortreißen zu laſſen.
Nicht alle hatten vertrieben werden koͤnnen: die Zuruͤckge-
bliebenen erklaͤrten ſich jetzt fuͤr den Koͤnig, und ermahnten
das Volk ihm ergeben zu ſeyn, ihn zu lieben. Schon
drangen Einige nach den verlaſſenen Orten vor: Aquaviva
billigte dieß nicht, und wies ſie an, die Erlaubniß des Koͤ-
nigs abzuwarten. Man trug Sorge daß Heinrich ſowohl
das Eine als das Andre erfuhr: er war hoͤchlich erfreut
daruͤber: er dankte dem General in beſondern Schreiben.
Auch verſaͤumten die Jeſuiten nicht ihn nach Kraͤften in
[302]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
dieſer Neigung zu befeſtigen. Pater Rocheome, den man
den franzoͤſiſchen Cicero nannte, verfaßte eine populaͤre
Apologie des Ordens, die dem Koͤnig beſonders einleuch-
tete 1).
Zu dieſem doppelten Antriebe, von der Seite des Pap-
ſtes und des Ordens, kamen nun politiſche Betrachtungen
Heinrichs IV. ſelbſt. Er ſah, wie er in einer Depe-
ſche ſagt, daß er durch die Verfolgung eines Ordens, der
ſo viel Mitglieder von Geiſt und Gelehrſamkeit zaͤhle, ſo
viel Macht und Anhang habe, ſich in der eifrig katholi-
ſchen Claſſe, die noch immer ſo zahreich ſey, unverſoͤhnliche
Feinde erhalten, Verſchwoͤrungen veranlaſſen werde. Er ſah,
daß er ſie ſelbſt dort nicht verjagen koͤnne, wo ſie ſich noch
hielten: er haͤtte den Ausbruch einer oͤffentlichen Bewegung
zu fuͤrchten gehabt 2). Ueberdieß hatte Heinrich durch das
Edict von Nantes den Hugenotten ſo ſtarke Zugeſtaͤndniſſe
gemacht, daß er auch dem Katholicismus eine neue Ga-
rantie ſchuldig war. Schon murrte man in Rom: zu-
weilen gab der Papſt doch noch zu erkennen, daß er fuͤrchte
betrogen zu ſeyn 3). Endlich aber ſtand der Koͤnig hoch
genug, um die allgemeine Lage der Dinge beſſer zu uͤber-
ſehen als ſein Parlement, und die Verbindung der Je-
ſuiten mit Spanien nicht zu fuͤrchten. Pater Lorenz
Maggio eilte im Namen des Generals nach Frankreich,
[303]Jeſuitiſche Bewegungen.
um dem Koͤnig mit theuern Eidſchwuͤren die Treue der
Geſellſchaft zuzuſichern. „Ergebe es ſich anders, ſo ſolle
man ihn und ſeine Mitbruͤder fuͤr die ſchwaͤrzeſten Verraͤ-
ther halten“ 1). Dem Koͤnig ſchien es rathſamer ihre
Freundſchaft als ihre Feindſeligkeiten zu erproben. Er ſah
ein, daß er ſich ihrer zu ſeinem eigenen Vortheil gegen Spa-
nien werde bedienen koͤnnen 2).
Durch ſo viel Motive aͤußerer Politik und innerer
Nothwendigkeit bewogen erklaͤrte ſich der Koͤnig ſchon im
Jahre 1600 bei den Unterhandlungen von Lyon bereit den
Orden wieder aufzunehmen. Er ſelbſt waͤhlte ſich den Je-
ſuiten Cotton zu ſeinem Beichtvater. Nachdem manche an-
dere Gunſtbezeugung vorhergegangen, erfolgte im Septem-
ber 1603 das Edict, durch welches die Jeſuiten in Frank-
reich wiederhergeſtellt wurden. Es wurden ihnen einige
Bedingungen gemacht: von denen die wichtigſte iſt, daß
ſo die Vorſteher wie die Mitglieder der Geſellſchaft in Frank-
reich in Zukunft nur Franzoſen ſeyn duͤrften 3). Heinrich
zweifelte nicht, daß er alles auf eine Weiſe angeordnet
habe, die ihn zu vollkommenem Zutrauen berechtige.
Unbedenklich wandte er ihnen ſeine Gunſt zu. In ih-
[304]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ren eigenen Sachen, zunaͤchſt in ihrer dominicaniſchen Strei-
tigkeit kam er ihnen zu Huͤlfe.
Clemens VIII. zeigte in dieſer Sache ein lebhaftes
theologiſches Intereſſe. In ſeiner Gegenwart ſind 65 Ver-
ſammlungen, 37 Disputationen uͤber alle Punkte, welche
hiebei in Frage kommen konnten, gehalten worden: er ſelbſt
hat mehreres daruͤber geſchrieben, und ſo weit wir urthei-
len koͤnnen, neigte er ſich zu dem herkoͤmmlichen Lehr-
begriff, zu einer fuͤr die Dominicaner guͤnſtigen Entſchei-
dung. Selbſt Bellarmin ſagte: er leugne nicht, daß der
Papſt ſich gegen die Jeſuiten zu erklaͤren geneigt ſey, aber
er wiſſe, daß dieß doch nicht geſchehen werde. Zu ge-
faͤhrlich waͤre es geweſen, in einer Zeit, wo die Jeſui-
ten die vornehmſten Apoſtel des Glaubens in aller Welt
waren, mit ihnen uͤber einen Artikel des Glaubens zu
brechen, und wirklich machten ſie ſchon einmal Miene ein
Concilium zu fordern: der Papſt ſoll ausgerufen haben:
„ſie wagen alles, alles.“ 1) Zu entſchieden nahmen auch
die
[305]Jeſuitiſche Bewegungen.
die Franzoſen Partei. Heinrich IV. war fuͤr ſie: ſey es,
daß ihm ihre Vorſtellungsweiſe einleuchtete, was aller-
dings moͤglich waͤre, oder daß er vorzugsweiſe dem Or-
den, der dem Proteſtantismus den Krieg machte, auch
darum beifiel, um ſeine Orthodoxie außer Zweifel zu
ſetzen. Cardinal du Perron nahm an den Congregationen
Theil, und hielt die jeſuitiſche Partei mit geſchicktem Eifer
aufrecht. Er ſagte dem Papſt, die Lehren der Dominica-
ner koͤnne auch ein Proteſtant unterſchreiben, und es mag
wohl ſeyn, daß er damit Eindruck auf denſelben ge-
macht hat.
Der Wettſtreit zwiſchen Spanien und Frankreich, wel-
cher die Welt bewegte, miſchte ſich auch in dieſe Streitig-
keiten ein. Die Dominicaner fanden eben ſo viel Schutz
bei den Spaniern, wie die Jeſuiten bei den Franzoſen 1).
Daher kam es auch, daß Clemens VIII. in der That
zu keiner Entſcheidung ſchritt. Es haͤtte ihn in neue Ver-
legenheiten verwickelt, von ſo maͤchtigen Orden, ſo gewal-
tigen Fuͤrſten den einen oder den andern zu verletzen.
Päpſte* 20
[306]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Politiſche Stellung Clemens VIII.
Ueberhaupt war dieß nun eine der vornehmſten Ruͤck-
ſichten des paͤpſtlichen Stuhles, von den beiden Maͤch-
ten, auf denen das Gleichgewicht der katholiſchen Welt be-
ruhte, weder die eine noch die andere von ſich zu ent-
fremden, ihre Streitigkeiten unter einander beizulegen und
wenigſtens nie zu einem Kriege ausbrechen zu laſſen, ſei-
nen Einfluß auf beide zu behaupten.
Das Papſtthum erſcheint uns hier in ſeinem loͤblich-
ſten Berufe, vermittelnd, friedeſtiftend.
Den Frieden von Vervins — 2. Mai 1598 — verdankte
die Welt hauptſaͤchlich Clemens dem VIII. Er ergriff den
guͤnſtigen Augenblick, als der Koͤnig von Frankreich wegen
ſeiner zerruͤtteten Finanzen, der Koͤnig von Spanien wegen
ſeiner zunehmenden Altersſchwaͤche auf ein Abkommen zu den-
ken genoͤthigt war. Er traf die Einleitungen: von ihm
gingen die erſten Eroͤffnungen aus: der Franciscanergene-
ral, Fra Bonaventura Calatagirona, den er zu dieſem Ge-
ſchaͤfte gluͤcklich auserſehen und nach Frankreich geſendet,
legte die erſten und groͤßten Schwierigkeiten bei. Die Spa-
nier hatten eine Menge Plaͤtze in Frankreich inne: ſie wa-
ren bereit dieſelben zuruͤckzugeben, jedoch Calais nahmen
ſie aus: die Franzoſen beſtanden auf die Ruͤckgabe auch
von Calais: Fra Calatagirona war es, der die Spanier
beſtimmte dieß zuzuſagen. Dann erſt wurden die Unter-
handlungen zu Vervins foͤrmlich eroͤffnet. Ein Legat und
ein Nuntius praͤſidirten denſelben: der Franciscanergene-
[307]Politiſche Stellung ClemensVIII.
ral fuhr fort auf das geſchickteſte zu vermitteln: auch ſein
Secretaͤr Soto erwarb ſich ein nicht geringes Verdienſt
dabei. Die Hauptſache war, daß der Koͤnig von Frank-
reich ſich entſchloß, ſich von ſeinen Verbuͤndeten, England
und Holland, zu trennen. Es ward dieß zugleich als ein
Vortheil fuͤr den Katholicismus betrachtet, indem erſt hie-
durch der Abfall Heinrichs IV. von dem proteſtantiſchen
Syſteme vollendet zu werden ſchien. Nach langen Zoͤge-
rungen verſtand ſich Heinrich dazu. Und hierauf gaben
nun die Spanier alle ihre Eroberungen wirklich zuruͤck:
der Beſitzſtand ward hergeſtellt wie er im Jahre 1559
geweſen war. Der Legat erklaͤrte, Seine Heiligkeit werde
daruͤber ein groͤßeres Vergnuͤgen empfinden als ſelbſt uͤber
die Einnahme von Ferrara: weit mehr als dieſe weltliche
Erwerbung habe ein Friede zu bedeuten, der die geſammte
Chriſtenheit umfaſſe und in Ruhe ſetze 1).
Bei dieſem Frieden war nur Ein Punkt, die Strei-
tigkeit zwiſchen Savoyen und Frankreich, unerledigt geblie-
ben. Der Herzog von Savoyen hatte, wie wir beruͤhrten,
Saluzzo an ſich geriſſen, und wollte ſich nicht bequemen
es wieder herauszugeben: nach viel vergeblicher Unterhand-
lung griff ihn endlich Heinrich IV. mit offenen Waffen an.
Dem Papſt, dem ohnehin in Vervins die Vermittelung in
dieſer Sache ausdruͤcklich uͤbertragen worden war, lag alles
20*
[308]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
daran, den Frieden wiederherzuſtellen: bei jeder Gelegenheit
in jeder Audienz drang er darauf: ſo oft ihn der Koͤnig ſei-
ner Ergebenheit verſichern ließ, forderte er dieſen Frieden als
einen Beweis derſelben, als einen Gefallen den man ihm
thun muͤſſe. Die eigentliche Schwierigkeit lag darin, daß
die Herausgabe von Saluzzo die allgemeinen italieniſchen
Intereſſen zu verletzen ſchien. Man ſah es nicht gern, daß
die Franzoſen eine Landſchaft in Italien beſitzen ſollten.
Zuerſt, ſo viel ich finde, hat jener Minorit Calatagirona
die Auskunft vorgeſchlagen, dem Herzog Saluzzo zu laſſen
und Frankreich durch Breſſe und einige benachbarte ſavoyi-
ſche Landſchaften zu entſchaͤdigen 1). Dieſen Vorſchlag zu
einem wirklichen Abkommen zu erheben war das Verdienſt
das ſich Cardinal Aldobrandino im Jahre 1600 in Lyon
erwarb. Auch die Franzoſen dankten es ihm: Lyon bekam
dadurch eine breitere Umgrenzung, wie es ſich dieſelbe ſchon
lange gewuͤnſcht hatte 2).
Unter ſo gluͤcklichen Umſtaͤnden dachte Papſt Clemens
zuweilen daran, der unter ihm vereinigten katholiſchen
Welt eine gemeinſchaftliche Richtung wider den alten Erb-
feind zu geben. In Ungarn war der Tuͤrkenkrieg wieder
ausgebrochen: ſchon damals glaubte man wahrzunehmen,
daß das osmaniſche Reich von Tage zu Tage ſchwaͤcher
werde: bei der perſoͤnlichen Untauglichkeit der Sultane,
dem Einfluß des Serails, den unaufhoͤrlichen Empoͤrungen
[309]Politiſche Stellung ClemensVIII.
beſonders in Aſien ſchien es moͤglich etwas Rechtes gegen
ſie auszurichten. Der Papſt ließ es wenigſtens an ſich
nicht fehlen. Schon im Jahre 1599 belief ſich die Summe,
die er fuͤr dieſen Krieg aufgewendet hatte, auf anderthalb
Millionen Scudi. Bald darauf finden wir ein paͤpſtliches
Heer von 12000 Mann an der Donau. Aber um wie
viel wichtigere Erfolge ließen ſich erwarten, wenn man
einmal die Kraͤfte des Abendlandes in einiger Ausdehnung
zu einem orientaliſchen Unternehmen vereinigte, wenn ſich be-
ſonders Heinrich IV. entſchloß ſeine Macht der oͤſtreichi-
ſchen zuzugeſellen. Der Papſt unterließ nicht ihn dazu zu
ermuntern. Und in der That ſchrieb Heinrich gleich nach dem
Frieden von Vervins den Venezianern, er hoffe in kurzem
in Venedig zu Schiff zu ſteigen, wie die fruͤhern Franzo-
ſen, zu einem Unternehmen auf Conſtantinopel. Er wieder-
holte ſein Verſprechen bei dem Abſchluß des Friedens mit Sa-
voyen 1). Aber allerdings haͤtte der Ausfuͤhrung ein in-
nigeres Verſtaͤndniß vorausgehn muͤſſen, als ſich nach ſo
ſtarken Erſchuͤtterungen ſobald erreichen ließ.
Vielmehr kam der Gegenſatz und Wetteifer, der zwi-
ſchen den beiden vornehmſten Maͤchten beſtehn blieb, dem
paͤpſtlichen Stuhle in ſeinen eigenen Angelegenheiten noch
mehr als einmal zu Statten. Papſt Clemens hatte ſelbſt
noch einmal Anlaß ſich deſſelben ſogar in Sachen des Kir-
chenſtaates zu bedienen.
Bei ſo viel glaͤnzenden Unternehmungen, ſo viel Fort-
[310]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
gang nach außen uͤbte Clemens auch an ſeinem Hofe,
in ſeinem Staate eine ſtrenge und ſehr monarchiſche Ge-
walt aus.
Die neue Einrichtung, die Sixtus V. dem Cardinal-
collegium gegeben, ſchien demſelben erſt einen recht regel-
maͤßigen Einfluß in die Geſchaͤfte verſchaffen zu muͤſſen.
Jedoch die Formen enthalten nicht das Weſen, und es er-
folgte das gerade Gegentheil. Der proceſſualiſche Geſchaͤfts-
gang, die Unbeweglichkeit, zu der eine deliberirende Ver-
ſammlung hauptſaͤchlich wegen der widerſtreitenden Meinun-
gen die in ihr hervorzutreten pflegen verdammt iſt, machte es
Clemens dem VIII. unmoͤglich, den Congregationen die wich-
tigen Sachen anzuvertrauen. Anfangs befragte er ſie noch:
doch wich er ſchon damals oft von ihren Entſcheidungen
ab; dann theilte er ihnen die Sachen erſt kurz vor ihrem
Abſchluß mit: die Conſiſtorien dienten mehr zur Publi-
cation als zur Berathung; endlich beſchaͤftigte er ſie bloß
mit untergeordneten Angelegenheiten oder den Formalitaͤ-
ten 1).
Ohne Zweifel lag in der neuen Wendung, welche Cle-
mens der Politik des roͤmiſchen Hofes gab, hiezu eine gewiſſe
[311]Politiſche Stellung ClemensVIII.
Noͤthigung. Allein es war auch eine perſoͤnliche Neigung
zur Alleinherrſchaft dabei. Das Land ward in demſelben
Sinne verwaltet: neue Auflagen wurden ausgeſchrieben,
ohne daß man Jemand gefragt haͤtte, die Einkuͤnfte der
Communen unter beſondere Aufſicht genommen, die Barone
der ſtrengſten Rechtspflege unterworfen: man achtete nicht
mehr auf Herkommen und Bevorrechtung.
So lange nun der Papſt perſoͤnlich alle Geſchaͤfte lei-
tete, ging das wohl. Die Cardinaͤle wenigſtens, obwohl
nicht alle ihre Gedanken ihnen auf der Oberflaͤche lagen,
gefielen ſich in Bewunderung und Unterwuͤrfigkeit.
Allmaͤhlig aber, mit den hoͤhern Jahren, kam der Beſitz,
die Ausuͤbung dieſer monarchiſchen Gewalt an den paͤpſt-
lichen Nepoten, Pietro Aldobrandino. Er war ein Sohn
jenes Pietro Aldobrandino, der ſich unter den Bruͤdern durch
juriſtiſche Praxis ausgezeichnet hatte. Beim erſten Anblick
verſprach er wenig. Er war unanſehnlich, pockennarbig,
litt an Aſthma, huſtete immer, und in der Jugend hatte
er es ſelbſt in den Studien nicht weit gebracht. So wie
ihn aber ſein Oheim in die Geſchaͤfte nahm, zeigte er eine
Gewandtheit und Gefuͤgigkeit wie ſie kein Menſch erwartete.
Nicht allein wußte er ſich ſehr gut in die Natur des Pap-
ſtes zu finden, ſie ſo zu ſagen zu ergaͤnzen, ſeine Strenge
zu mildern, die Schwachheiten, die ſich auch in ihm allmaͤh-
lig zeigten, weniger auffallend und unſchaͤdlich zu machen 1):
er erwarb auch das Zutrauen und die Genugthuung der
[312]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
fremden Geſandten, ſo daß ſie ſaͤmmtlich die Geſchaͤfte in
ſeinen Haͤnden zu ſehen wuͤnſchten. Urſpruͤnglich hatte er
dieſelben mit ſeinem Vetter Cinthio theilen ſollen, der auch
nicht ohne Geiſt war, beſonders fuͤr die Literatur, allein
gar bald hatte er dieſen Genoſſen verdraͤngt. Im J. 1603
finden wir Cardinal Pietro allmaͤchtig an dem Hofe. „Die
geſammten Unterhandlungen, ſagt eine Relation von die-
ſem Jahre, alle Gunſt und Gnade haͤngt von ihm ab,
Praͤlatur, Adel, Hofleute, Geſandte erfuͤllen ſein Haus.
Man kann ſagen, durch ſein Ohr wird alles vernommen,
von ſeinem Gutachten haͤngt alles ab, aus ſeinem Munde
kommt die Eroͤffnung, in ſeinen Haͤnden liegt die Ausfuͤh-
rung“ 1).
Eine ſolche Gewalt, ſo unumſchraͤnkt, durchgreifend,
und dabei doch keinesweges geſetzmaͤßig, erweckte, trotz der
Freunde die ſie finden mochte, in den Uebrigen einen gehei-
men, tiefen und allgemeinen Widerſpruch. Bei einem ge-
ringfuͤgigen Anlaß trat das unerwartet hervor.
Ein Menſch, den man um ſeiner Schulden willen feſt-
genommen, wußte im rechten Augenblick ſeine Feſſeln zu
zerreißen und in den Pallaſt Farneſe zu entſpringen, vor
dem man ihn eben vorbeifuͤhrte.
Schon lange hatten die Paͤpſte von dem Rechte der
[313]Politiſche Stellung ClemensVIII.
vornehmen Geſchlechter Verbrechern in ihrem Hauſe eine
Freiſtaͤtte zu gewaͤhren nichts mehr wiſſen wollen. Der
Cardinal Farneſe, obwohl durch die Vermaͤhlung einer Al-
dobrandina in das Haus Farneſe mit dem Papſte verwandt,
machte es wieder geltend. Er ließ die Sbirren, die ihren
Gefangenen in dem Pallaſte ſuchen wollten, mit Gewalt
heraustreiben: dem Governatore, der ſich darauf einſtellte,
entgegnete er, ſein Haus habe nicht die Sitte Angeklagte
auszuliefern: dem Cardinal Aldobrandino, welcher Aufſehen
zu vermeiden wuͤnſchte und in eigener Perſon erſchien um
die Sache in Guͤte beizulegen, gab er wegwerfende Ant-
worten: er ließ ihn merken, nach dem Tode des Papſtes,
der bald zu erwarten ſey, werde ein Farneſe mehr zu be-
deuten haben, als ein Aldobrandino.
Was ihm zu einem ſo trotzigen Betragen den Muth gab,
war vor allem ſeine Verbindung mit den Spaniern. Aus
der Verzichtleiſtung Heinrichs IV. auf Saluzzo, die man
in Rom ein wenig armſelig fand, hatte man geſchloſſen,
daß ſich dieſer Fuͤrſt mit den italieniſchen Geſchaͤften nicht
befaſſen wolle: das Anſehen der Spanier war hierauf wie-
der geſtiegen: da die Aldobrandini eine ſo ſtarke Hinnei-
gung zu Frankreich an den Tag legten, ſo ſchloſſen die Geg-
ner derſelben ſich an Spanien an. Der ſpaniſche Botſchaf-
ter, Viglienna, gab dem Verfahren Farneſes ſeine volle
Billigung 1).
[314]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Der Ruͤckhalt einer auswaͤrtigen Macht, der Schutz
eines großen Geſchlechtes, bedurfte es mehr um die Unzufrie-
denheit des roͤmiſchen Adels zum Ausbruch zu bringen?
Cavalieri und Nobili ſtroͤmten in den Pallaſt Farneſe. Ei-
nige Cardinaͤle ſchlugen ſich offen zu ihnen 1): andere beguͤn-
ſtigten ſie insgeheim. Alles rief, man muͤſſe Papſt und
Kirche von der Gefangenſchaft des Cardinal Aldobrandino
befreien. Da der Papſt Truppen nach Rom berief, ſo
rieth der ſpaniſche Botſchafter den Vereinigten, denen er
ſogar Belohnungen verſprach, einige bewaffnete Banden, die
ſich eben an der neapolitaniſchen Grenze zeigten, ebenfalls
herbeizurufen. Es haͤtte wenig gefehlt, daß nicht eine offene
Fehde, im Sinne vergangener Jahrhunderte, in Rom ſelbſt
ausgebrochen waͤre.
So weit aber wollte es der Cardinal doch nicht kom-
men laſſen. Es war ihm genug, ſeine Unabhaͤngigkeit, ſeine
Macht, die Moͤglichkeit eines Widerſtandes gezeigt zu ha-
ben. Er beſchloß ſich nach Caſtro zuruͤckzuziehen, das ihm
eigenthuͤmlich zugehoͤrte. In großem Style fuͤhrte er es aus.
Er verſicherte ſich eines Thores und ließ es beſetzen: alsdann
im Geleite von 10 Wagen und 300 Pferden verließ er die
Stadt. Und hiedurch hatte er in der That alles gewonnen:
[315]Politiſche Stellung ClemensVIII.
alle dieſe Widerſetzlichkeit ging ihm durch: es ward eine
foͤrmliche Unterhandlung eingeleitet: man nahm die Miene
an, als liege die Sache am Governator, und veranſtaltete
eine Verſoͤhnung deſſelben mit dem Hauſe Farneſe. Dann
kehrte der Cardinal zuruͤck: nicht minder glaͤnzend, als wie
er gegangen war. Alle Straßen, Fenſter, Daͤcher waren
mit Menſchen erfuͤllt. Nie waren die Farneſen zur Zeit
ihrer Herrſchaft ſo glaͤnzend empfangen, oder gar mit ſo
lautem Jubel begruͤßt worden 1).
Wenn aber Cardinal Pietro Aldobrandino dieß geſchehen
ließ, ſo war es nicht allein Schwaͤche, erzwungene Nach-
giebigkeit: die Farneſen waren am Ende nahe Verwandte
des paͤpſtlichen Hauſes: auch haͤtte es nichts geholfen, ſich
unverſoͤhnlich anzuſtellen; vor allem mußte der Urſprung
des Uebels gehoben werden, der in den politiſchen Verhaͤlt-
niſſen lag. Von den Spaniern war keine Aenderung ih-
res Syſtemes, nicht einmal die Abberufung eines ſo un-
bequemen Geſandten zu erlangen: Aldobrandino konnte ſich
nur dadurch helfen, daß er Heinrich IV. zu lebhafter Theil-
nahme an den italieniſchen Angelegenheiten bewog.
Es war ihm erquickend, ſagen ſeine Feinde, „wie an
einem heißen Tage ein kuͤhler ruhiger Wind“, als im De-
zember 1604 drei franzoͤſiſche Cardinaͤle, alles ausgezeichnete
Maͤnner, auf einmal ankamen. Es ward wieder moͤglich
[316]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
zu Rom eine franzoͤſiſche Partei zu bilden. Mit Freuden
wurden ſie empfangen. Die Schweſter des Cardinals, Si-
gnora Olympia, erklaͤrte den Angekommenen tauſend Mal,
ihr Haus werde ſich unbedingt in franzoͤſiſchen Schutz be-
geben. Baronius behauptete, durch ſeine Geſchichte gelernt
zu haben, daß der roͤmiſche Stuhl keiner andern Nation
ſo viel verdanke wie der franzoͤſiſchen: als er ein Bild des
Koͤnigs ſah, brach er in ein Lebehoch aus. Er ſuchte ſich
zu unterrichten, ob nach dem Verluſte von Saluzzo gar kein
Alpen-Paß mehr in den Haͤnden der Franzoſen geblieben
ſey. Dieſer Baronius war aber nicht bloß ein Geſchicht-
ſchreiber, er war der Beichtvater des Papſtes, und ſah ihn
alle Tage. Der Papſt und Aldobrandino nahmen ſich in
Acht und ließen ſich nicht ſo weit heraus. Allein eben ſo
viel ſchien es zu bedeuten, wenn ihre naͤchſten Angehoͤrigen
ſich ſo unverholen ausdruͤckten: nur die Geſinnung der
Herrn ſchienen ſie zu wiederholen. Da ſich nun Hein-
rich IV. entſchloß auch Penſionen zu zahlen, ſo hatte er
bald eine Partei, die der ſpaniſchen ein Gegengewicht gab.
Allein noch viel weiter gingen die Abſichten Aldobran-
dinos. Oft ſtellte er den venezianiſchen Geſandten und
Cardinaͤlen die Nothwendigkeit vor, dem Uebermuthe der Spa-
nier Schranken zu ſetzen. Koͤnne man ertragen, daß ſie in
dem Hauſe eines Andern zum Trotz dieſem gebieten wollten? 1)
Zwar ſey es fuͤr Jemand, der in kurzem in den Privat-
ſtand zuruͤckzutreten habe, gefaͤhrlich, ſich den Unwillen die-
ſer Macht zuzuziehen, doch koͤnne er auch um ſeiner Ehre
willen nicht zugeben, daß das Papſtthum unter ſeinem
[317]Politiſche Stellung ClemensVIII.
Oheim an Reputation verliere. Genug er ſchlug den Ve-
nezianern eine Verbindung der italieniſchen Staaten unter
franzoͤſiſchem Schutze gegen Spanien vor.
Schon war er auch mit den uͤbrigen in Unterhand-
lung getreten. Er liebte Toscana nicht, mit Modena hatte
er fortwaͤhrende Streitigkeiten, Parma war in die Haͤndel
des Cardinals Farneſe verwickelt: aber er ſchien alles zu
vergeſſen, um ſich an Spanien zu raͤchen. Mit Leidenſchaft
widmete er ſich dieſer Abſicht: er ſprach von nichts anderm,
er ſchien an nichts anderes zu denken. Um den Staaten,
mit denen er ſich vereinigen wollte, naͤher zu ſeyn, begab
er ſich im Anfange des Jahres 1605 nach Ancona.
Er hatte noch nichts erreicht, als ſein Oheim ſtarb,
5. Merz 1605, und damit auch ſeine Gewalt ein Ende
nahm.
Indeſſen war auch ſchon die Anregung des Gedan-
kens, dieſe gefliſſentliche Erneuerung des franzoͤſiſchen Ein-
fluſſes in Rom und Italien von vieler Bedeutung. Sie
bezeichnet eine Tendenz der geſammten Politik der Aldo-
brandini.
Wir gehn, denke ich, nicht zu weit, wenn wir uns
dadurch an die urſpruͤngliche Stellung dieſes Geſchlechtes
in Florenz erinnern laſſen. Es hatte immer zur franzoͤſi-
ſchen Partei gehoͤrt: Meſſer Salveſtro hatte den Aufruhr
im Jahr 1527, in dem die Medici verjagt, die Franzo-
ſen berufen wurden, vorzuͤglich mit veranlaßt. Dafuͤr hatte
er denn auch, als ſeine Gegner, Spanier und Medici, den
Platz behielten, buͤßen, ſein Vaterland verlaſſen muͤſſen.
Sollte Papſt Clemens dieß vergeſſen, ſollte er Spanier und
[318]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Medici geliebt haben? Er war von Natur verſchloſſen,
zuruͤckhaltend: nur zuweilen eroͤffnete er ſich gegen ſeine
Vertrauten: dann ließ er wohl den Spruch hoͤren: „Frage
deine Vorfahren, und ſie werden dir deine Straße zei-
gen“ 1). Es iſt gewiß, daß er einmal beabſichtigte den
Staat von Florenz, wie er ſich ausdruͤckte, zu reformiren.
Seine Hinneigung zu Frankreich liegt am Tage: er fand
das Papſtthum im engſten Bunde mit Spanien, er fuͤhrte
es bis nahe an eine Vereinigung mit Frankreich wider Spa-
nien. Wenn die Herſtellung einer nationalen Macht in
Frankreich im Intereſſe der Kirche lag, ſo war ſie doch
zugleich eine Sache der Neigung, eine perſoͤnliche Genug-
thuung. Jedoch war dieſer Papſt beſonnen, vorſichtig, be-
hutſam: er griff nichts an, als was ſich durchfuͤhren ließ.
Statt Florenz zu reformiren, reformirte er, wie ein Vene-
zianer ſagt, ſeine eigenen Gedanken, als er ſah, daß es
nicht ohne allgemeine Gefahr angehn werde 2). Die franzoͤ-
ſiſchen Waffen nach Italien zu rufen war nie ſeine Mei-
nung. Es war ihm genug, das Gleichgewicht herzuſtellen,
ſich von der Uebermacht der Spanier loszumachen, der
kirchlichen Politik eine breitere Grundlage zu geben: auf
[319]PaulV.
friedlichem Wege, nach und nach, ohne Erſchuͤtterung noch
Geraͤuſch: aber deſto ſicherer.
Wahl und erſte Handlungen Pauls V.
Gleich in dem naͤchſten Conclave trat nun auch der
Einfluß der Franzoſen hervor. Aldobrandino verband ſich
mit ihnen. Vereinigt waren ſie unwiderſtehlich: einen Car-
dinal, den der Koͤnig von Spanien namentlich ausgeſchloſ-
ſen, einen Medici, nahen Verwandten der Koͤnigin von
Frankreich, erhoben ſie zur paͤpſtlichen Wuͤrde. Voll Ju-
bel ſind die Briefe, in denen Du Perron dieſen unerwar-
teten Erfolg Heinrich dem IV. meldet: in Frankreich be-
ging man ihn mit oͤffentlichen Feſtlichkeiten 1). Nur war
es ein kurzes Gluͤck. Leo XI, wie dieſer Papſt ſich nannte,
uͤberlebte ſeine Wahl nur 26 Tage. Man behauptet, der
Gedanke ſeiner Wuͤrde, das Gefuͤhl der Schwierigkeit ſei-
nes Amtes habe ſeine alterſchwachen Lebenskraͤfte vollends
erdruͤckt.
Das Gewuͤhl der Wahlkaͤmpfe erneuerte ſich hierauf
um ſo lebhafter, da Aldobrandino nicht mehr ſo enge mit
[320]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
den Franzoſen verbuͤndet war. Montalto trat ihm maͤch-
tig gegenuͤber. Es begann ein Wettſtreit, wie bei den fruͤ-
hern Wahlen, zwiſchen den Creaturen des letzten und ei-
nes fruͤhern Papſtes. Zuweilen fuͤhrte jeder, umgeben von
ſeinen Getreuen, den Mann ſeiner Wahl in die eine oder
in die andere Capelle: ſie ſtellten ſich einander gegenuͤber
auf: bald mit dem einen, bald mit dem andern ward ein
Verſuch gemacht: auch Baronius, obwohl er ſich mit Haͤn-
den und Fuͤßen ſtraͤubte, ward einmal nach der Capella
Paolina gefuͤhrt; allein allemal zeigte ſich die Oppoſition
ſtaͤrker, es konnte Keiner von Allen durchgeſetzt werden.
Bei den Papſtwahlen kam es wie bei andern Befoͤrderun-
gen allmaͤhlig mehr darauf an, wer die wenigſten Feinde,
als wer die meiſten Verdienſte habe.
Endlich warf Aldobrandino ſeine Augen unter den Crea-
turen ſeines Oheims auf einen Mann, der ſich allgemei-
nen Beifall erworben und gefaͤhrliche Feindſchaften zu ver-
meiden gewußt hatte, den Cardinal Borgheſe. Fuͤr dieſen
gelang es ihm die Franzoſen zu gewinnen, die bereits eine
Annaͤherung zwiſchen Montalto und Aldobrandino bewirkt
hatten: auch Montalto ſtimmte ein: Borgheſe ward gewaͤhlt,
ehe nur die Spanier erfahren hatten, daß er vorgeſchlagen
war 1), 16. Mai 1605.
So blieb es denn auch dieß Mal dabei, daß der Ne-
pot
[321]PaulV.
pot des letzten Papſtes den Ausſchlag fuͤr die Wahl des
neuen gab. Die Borgheſen waren auch uͤbrigens von Hauſe
aus in einer aͤhnlichen Stellung wie die Aldobrandini. Wie
dieſe aus Florenz, waren ſie aus Siena weggegangen, um
nicht der mediceiſchen Herrſchaft unterworfen zu ſeyn. Um
ſo mehr ſchien die neue Regierung eine folgerichtige Fort-
ſetzung der vorigen werden zu muͤſſen.
Indeß entwickelte Paul V. auf der Stelle eine eigen-
thuͤmlich ſchroffe Natur.
Von dem Stande eines Advocaten war er durch alle
Grade kirchlicher Wuͤrden emporgeſtiegen 1): Vicelegat in
Bologna, Auditor di Camera, Vicar des Papſtes, Inqui-
ſitor war er geweſen: er hatte ſtillehin in ſeinen Buͤchern,
ſeinen Acten vergraben gelebt, und ſich in keinerlei politiſche
Geſchaͤfte gemiſcht: eben daher war er ohne beſondere Feind-
ſchaften durchgekommen: keine Partei ſah in ihm einen Geg-
ner, weder Aldobrandino noch Montalto, weder die Fran-
zoſen noch die Spanier: und dieß war denn die Eigenſchaft,
die ihm zur Tiare verhalf.
Er jedoch verſtand dieß Ereigniß anders. Daß er
ohne ſein Zuthun, ohne alle kuͤnſtliche Mittel zum Papſt-
thum gelangt war, ſchien ihm eine unmittelbare Wirkung
des heiligen Geiſtes. Er fuͤhlte ſich dadurch uͤber ſich ſelbſt
erhoben: die Veraͤnderung ſeiner Haltung und Bewegung,
ſeiner Mienen und des Tons ſeiner Rede ſetzte ſelbſt dieſen
Päpſte* 21
[322]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Hof in Erſtaunen, der doch an Umwandlungen aller Art
gewoͤhnt war: er fuͤhlte ſich aber auch zugleich gebunden,
verpflichtet. Mit derſelben Unbeugſamkeit, mit der er in
ſeinen bisherigen Aemtern den Buchſtaben des Geſetzes ge-
handhabt, nahm er ſich vor auch die hoͤchſte Wuͤrde zu
verwalten.
Andere Paͤpſte pflegten ihre Thronbeſteigung mit Gna-
den zu bezeichnen. Paul V. begann mit einem Richter-
ſpruch, der noch heute Grauen erregt.
Ein armer Autor, Cremoneſe von Geburt, Piccinardi,
hatte ſich ich weiß nicht aus welchem Verdruß in ſeiner
Einſamkeit damit beſchaͤftigt, eine Lebensbeſchreibung Cle-
mens des VIII. aufzuſetzen, in der er dieſen Papſt mit
dem Kaiſer Tiberius verglich, ſo wenig Aehnlichkeit auch
dieſe Regenten mit einander haben moͤgen. Er hatte dieß ſelt-
ſame Werk nicht allein nicht drucken laſſen, ſondern ganz
fuͤr ſich behalten und ſo gut wie Niemand mitgetheilt:
eine Frau, die er fruͤher im Hauſe gehabt, gab ihn an.
Paul V. aͤußerte ſich hieruͤber anfangs mit viel Ruhe, und
es ſchien um ſo weniger zu beſorgen, da ſich maͤchtige Per-
ſonen ſelbſt Botſchafter fuͤr ihn verwandten. Wie ſehr
erſtaunte man, als Piccinardi eines Tages auf der En-
gelsbruͤcke enthauptet wurde. Was auch zu ſeiner Entſchul-
digung geſagt werden mochte, ſo hatte er doch das Ver-
brechen der beleidigten Majeſtaͤt begangen, fuͤr das die Ge-
ſetze dieſe Strafe beſtimmen. Bei einem Papſt wie Paul,
war keine Gnade: auch die Habſeligkeiten des armen Men-
ſchen wurden eingezogen 1).
[323]Erſte Handlungen PaulsV.
An dem Hofe erneuerte dieſer Papſt unverzuͤglich die
Anordnungen des Tridentinums uͤber die Reſidenz. Er
erklaͤrte es fuͤr eine Todſuͤnde, von ſeinem Bisthum ent-
fernt zu ſeyn und die Einkuͤnfte deſſelben zu genießen. Er
nahm die Cardinaͤle hievon nicht aus: er ließ Stellen in
der Verwaltung nicht als Entſchuldigung gelten. In der
That zogen ſich Viele zuruͤck: Andere baten nur um Auf-
ſchub 1): noch Andere, um Rom nicht verlaſſen zu muͤſſen
und doch auch nicht fuͤr pflichtvergeſſen zu gelten, gaben
ihre Entlaſſung ein.
Allein das Bedenklichſte war, daß er ſich bei ſeinen
canoniſtiſchen Studien mit einem uͤberſchwenglichen Begriffe
vom Papſtthum durchdrungen hatte. Die Lehre, daß der
Papſt der einzige Stellvertreter Jeſu Chriſti, daß die Ge-
walt der Schluͤſſel ſeinem Gutduͤnken anvertraut, daß er von
allen Voͤlkern und Fuͤrſten in Demuth zu verehren ſey,
wollte er in ihrer vollen Bedeutung behaupten 2). Er ſagte,
nicht von Menſchen, ſondern vom goͤttlichen Geiſte ſey er
auf dieſen Stuhl erhoben worden, mit der Pflicht die Im-
munitaͤten der Kirche, die Gerechtſame Gottes wahrzunehmen:
1)
21*
[324]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
in ſeinem Gewiſſen ſey er gehalten alle ſeine Kraͤfte anzu-
ſtrengen, um die Kirche von Uſurpation und Vergewalti-
gung zu befreien. Er wolle lieber ſein Leben dafuͤr wagen,
als einſt wegen einer Vernachlaͤſſigung ſeiner Pflicht zur
Rechenſchaft gezogen werden, wenn er vor Gottes Thron
erſcheinen muͤſſe.
Mit juridiſcher Schaͤrfe faßte er die Anſpruͤche der
Kirche als ihre Rechte: als ſeine Gewiſſenspflicht ſah er
es an, ſie in aller ihrer Strenge zu erneuern und durch-
zuſetzen.
Venezianiſche Irrungen.
Seit die paͤpſtliche Gewalt ſich im Gegenſatze gegen
den Proteſtantismus wiederhergeſtellt, die Ideen, auf de-
nen die Hierarchie uͤberhaupt beruht, erneuert hatte, machte
ſie auch alle ihre canoniſchen Berechtigungen in Be-
zug auf das Innere der katholiſchen Staaten aufs neue
geltend.
Indem ſie ihre Gegner beſiegte, wuchs auch ihre Au-
toritaͤt uͤber ihre Anhaͤnger.
Nachdem die Biſchoͤfe zu ſtrengerm Gehorſam verpflich-
tet, die Moͤnchsorden enge an die Curie geknuͤpft, alle Re-
formationen in dem Sinne vollzogen waren zugleich die
hoͤchſte Macht des Papſtes zu befoͤrdern, ſchlugen al-
lenthalben in den Hauptſtaͤdten von Europa regelmaͤßige
Nuntiaturen ihren Sitz auf, die mit dem Anſehen der Ge-
ſandtſchaft einer einflußreichen Macht jurisdictionnelle Rechte
verbanden, welche ihnen auf die wichtigſten Verhaͤltniſſe des
[325]Venezianiſche Irrungen.
Lebens und des Staates eine weſentliche Einwirkung ver-
ſchafften.
Selbſt da wo die Kirche ſich im Einverſtaͤndniß mit
dem Staate hergeſtellt, wo ſich beide vereinigt dem Empor-
kommen proteſtantiſcher Meinungen entgegengeſetzt hat-
ten, brachte doch dieß Verhaͤltniß gar bald Mißhelligkei-
ten hervor.
Gleich damals, wie noch heute, ließ es ſich der roͤmi-
ſche Hof beſonders angelegen ſeyn ſeine Anſpruͤche in Ita-
lien aufrecht zu erhalten. Unaufhoͤrlich finden wir deshalb die
italieniſchen Staaten in Mißverſtaͤndniſſen mit der kirchlichen
Gewalt. Die alten Streitigkeiten zwiſchen Papſt und Kir-
che waren weder im Allgemeinen durch ein entſcheidendes
Prinzip, noch auch im Beſondern durch Vertrag und Ue-
bereinkunft beſeitigt worden. Die Paͤpſte ſelbſt waren ſich
nicht immer gleich. Auf das hartnaͤckigſte beſtanden Pius
V, Gregor XIII. wenigſtens in der erſten Haͤlfte ſeiner Re-
gierung auf ihren Anſpruͤchen: Sixtus V. war in den ein-
zelnen Faͤllen um vieles nachſichtiger. Die Staaten und
ihre Abgeordneten ſuchen uͤber die ſchwierigen Augenblicke
ohne Nachtheil wegzukommen, die guͤnſtigen zu ihrem Nutzen
zu ergreifen: auch kann das ihnen nicht ganz mißlingen:
die Neigungen der Paͤpſte gehn voruͤber und wechſeln: die
Intereſſen der Staaten bleiben immer. Auf jeden Fall
werden hiedurch die Fragen, die man zu entſcheiden hat,
bei weitem weniger Gegenſtand des Jus canonicum und
der Rechtsfindung, als der Politik, gegenſeitiger Forde-
rung und Nachgiebigkeit.
Papſt Paul V. jedoch verſtand ſeine Anſpruͤche ein-
[326]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
mal wieder voͤllig juridiſch: er hielt die canoniſchen An-
ordnungen der Decretalen fuͤr Geſetze Gottes: er ſchrieb es
nicht einer innern Nothwendigkeit der Sache, ſondern per-
ſoͤnlicher Nachlaͤſſigkeit zu, wenn ſeine Vorfahren etwas
nachgegeben, uͤberſehen hatten, und hielt ſich fuͤr berufen
dieſen Fehler wieder gut zu machen. Bald nach ſeiner
Thronbeſteigung finden wir ihn deshalb mit allen ſeinen
italieniſchen Nachbarn in bittern Streitigkeiten.
In Neapel hatte der Reggente Ponte, Praͤſident des
koͤniglichen Rathes, einen kirchlichen Notar, von dem die
Information uͤber eine Eheſache dem buͤrgerlichen Gericht
verweigert, und einen Buchhaͤndler, von dem einer koͤnig-
lichen Verordnung zuwider das Buch des Baronius gegen
die ſicilianiſche Monarchie verbreitet worden war, zu den
Galeeren verurtheilt: ein Monitorium Clemens VIII. hie-
gegen war ohne Folgen geblieben. Papſt Paul V. zoͤgerte
keinen Augenblick die Excommunication auszuſprechen 1).
Der Herzog von Savoyen hatte einige Pfruͤnden ver-
gabt, deren Verleihung der roͤmiſche Hof in Anſpruch
nahm, Genua Geſellſchaften verboten, die bei den Jeſui-
ten gehalten wurden, weil man da die Wahlen zu den
Aemtern zu beherrſchen verſuche; Lucca hatte ganz im All-
gemeinen die Execution der Decrete paͤpſtlicher Beamten
ohne vorlaͤufige Genehmigung der einheimiſchen Magiſtrate
unterſagt; in Venedig endlich waren ein paar Geiſtliche,
die ſich ſchwerer Verbrechen ſchuldig gemacht, vor die welt-
liche Gerichtsbarkeit gezogen worden. Gerade die Allge-
meinheit dieſes Widerſtandes gegen die kirchliche Gewalt
[327]Venezianiſche Irrungen.
ſetzte den Papſt in Amtseifer und Zorn. Allenthalben
fuhr er mit ſtrengen Befehlen und Drohungen dazwiſchen.
Ja in dieſem Augenblick erweiterte er ſogar noch die bishe-
rigen Anſpruͤche kirchlicher Autoritaͤt. Er ſagte unter andern,
was nie erhoͤrt worden: dem Staate komme es nicht zu,
ſeinen Unterthanen den Verkehr mit den Proteſtanten zu
verbieten, das ſey eine Sache der Kirche und gehoͤre aus-
ſchließend vor die kirchliche Jurisdiction.
Die meiſten italieniſchen Staaten ſahen dieſe Schritte
als Uebertreibungen an, die ſich bei mehr Erfahrung von
ſelbſt verlieren wuͤrden. Keiner wuͤnſchte der Erſte zu ſeyn
der mit dem Papſte braͤche. Der Großherzog von Tos-
cana aͤußerte, er habe Sachen vor der Hand, die den
Papſt außer ſich bringen muͤßten, aber er ſuche ſie hinzu-
halten: Paul V. ſey ein Mann, der die Welt nach einer
Stadt des Kirchenſtaates beurtheile, wo es nach dem Buch-
ſtaben der Geſetze hergehe: bald muͤſſe ſich das aͤndern:
die Spanier wuͤrden ſich fangen, ſie wuͤrden entweder von
freien Stuͤcken losgelaſſen werden, oder das Netz zerrei-
ßen: ein ſolches Beiſpiel muͤſſe man erwarten 1). So
dachten ungefaͤhr auch die Uebrigen, und gaben fuͤrs Erſte
nach. Genua widerrief ſeine Verordnung; der Herzog von
Savoyen ließ die ſtreitigen Pfruͤnden auf einen Nepoten
des Papſtes uͤbergehn; die Spanier ſelbſt geſtatteten, daß
[328]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
jener Reggente vor zahlreichen Zeugen die Abſolution nach-
ſuchte und empfing.
Nur die Venezianer, ſonſt ſo klug und gefuͤgig, ver-
ſchmaͤhten es, dieſe Politik zu beobachten.
In der That war aber auch Venedig mehr als die
Andern gereizt. Es bietet ein rechtes Beiſpiel dar, wie ver-
letzend die Eingriffe des roͤmiſchen Hofes beſonders fuͤr ei-
nen benachbarten Staat werden konnten.
Schon dieſe Nachbarſchaft an ſich erwies ſich hoͤchſt
unbequem, zumal nachdem die Kirche Ferrara erworben
hatte. Die Grenzſtreitigkeiten, welche die Republik mit
den Herzoͤgen gehabt, wurden vom roͤmiſchen Hofe bei wei-
tem lebhafter fortgeſetzt: ſie wurde in der Regulation des
Po, die ſie eben mit großen Koſten ausfuͤhrte, in dem alt-
hergebrachten Beſitze ihrer Fiſchereien geſtoͤrt: ſie konnte
nicht anders fertig werden, als indem ſie jene Arbeiten
durch bewaffnete Fahrzeuge beſchuͤtzen, und fuͤr einige ihrer
Fiſcherbarken, die der Legat von Ferrara aufgebracht, auch
ihrerſeits paͤpſtliche Unterthanen aufgreifen ließ.
Indeſſen nahm Papſt Paul V. auch ihre Hoheits-
rechte uͤber Ceneda, die ſie ſeit Jahrhunderten ruhig aus-
uͤbte, in Anſpruch: er machte einen Verſuch die Appellatio-
nen von dem biſchoͤflichen Gerichte, dem dort die Juris-
diction zuſtand, nach Rom zu ziehen. Man gerieth dar-
uͤber ſehr hart an einander: der paͤpſtliche Nuntius ſchritt
zu Excommunicationen: der venezianiſche Senat ſorgte da-
fuͤr, daß dieſelben keine buͤrgerliche Wirkung nach ſich
zogen 1).
[329]Venezianiſche Irrungen.
Und nicht minder bitter waren die Streitigkeiten uͤber
den Zehnten der Geiſtlichkeit. Die Venezianer behaupteten,
daß ſie ihn fruͤherhin eingezogen ohne den Papſt daruͤber
zu befragen, ſie wollten es nicht anerkennen, daß die Be-
willigung des Papſtes erfordert werde um dieſe Auflage
zu erheben. Aber noch empfindlicher war es ihnen, daß
der roͤmiſche Hof von Tage zu Tage die Exemtionen von
derſelben erweiterte. Die Cardinaͤle, denen ſehr reiche Pfruͤn-
den zugehoͤrten, die Malteſer, die Moͤnchskloͤſter zur Haͤlfte,
die Bettelorden, außerdem alle welche im Dienſte der
Kirche auswaͤrts beſchaͤftigt waren oder unter irgend ei-
nem Titel zur paͤpſtlichen Hofhaltung gezaͤhlt wurden, end-
lich auch die, denen der Hof Penſionen auf venezianiſche
Pfruͤnden angewieſen, waren fuͤr eximirt erklaͤrt. Es er-
folgte, daß die Reichen nichts zu bezahlen brauchten, und
die ganze Laſt auf die Armen fiel, welche nicht zahlen konn-
ten. Das Einkommen des venezianiſchen Clerus ward auf
11 Millionen Ducaten berechnet: der Zehnte warf effectiv
nicht mehr als 12000 Duc. ab 1).
[330]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Dazu kamen nun noch unzaͤhlige, mehr die Privatleute
als gerade den Staat ſelbſt angehende Streitpunkte. Ich
will nur Einen anfuͤhren.
Man weiß, wie ſehr im Anfange des ſechszehnten
Jahrhunderts die venezianiſchen Druckereien bluͤhten: die
Republik war ſtolz auf dieſen ehrenvollen Gewerbzweig:
aber durch die Anordnungen der Curie ging er nach und
nach zu Grunde. Man fand in Rom kein Ende Buͤcher
zu verbieten: erſt die proteſtantiſchen, dann die Schriften
wider die Sitten der Geiſtlichkeit, wider die kirchliche Im-
munitaͤt, alle die vom Dogma im geringſten abwichen,
die geſammten Werke eines Autors, der einmal Tadel er-
fahren. Der Verkehr konnte nur noch in untadelhaft ka-
tholiſchen Sachen Statt finden: kaufmaͤnniſch betrachtet,
erholte er ſich wirklich ein wenig an den kunſtreichen und
praͤchtigen Meſſalen und Breviarien, die bei der Erneuerung
der kirchlichen Geſinnungen guten Abſatz fanden. Jetzt
aber ward auch dieſer Erwerb geſchmaͤlert. Man legte zu
Rom Hand an eine Verbeſſerung dieſer Buͤcher, die in ih-
rer neuen Geſtalt von Rom ſelbſt ausgehn ſollten 1). Die
Venezianer bemerkten mit jenem Ingrimme, den ein zum
Privatvortheil benutzter Gebrauch der oͤffentlichen Gewalt
immer hervorbringt, daß einige bei der Congregation des
Index, welche die Druckſachen beaufſichtigte, angeſtellte
1)
[331]Venezianiſche Irrungen.
Beamte Antheil an dem Geldgewinn der roͤmiſchen Drucke-
reien haͤtten.
Unter dieſen Umſtaͤnden ward das Verhaͤltniß zwiſchen
Rom und Venedig durch und durch gehaͤſſig und geſpannt.
Wie ſehr aber mußte damit jene Geſinnung kirchlich-
weltlicher Oppoſition, die ſchon 1589 Heinrich dem IV. zu
Huͤlfe kam, befoͤrdert werden. Der Sieg Heinrichs, die
ganze Entwickelung der europaͤiſchen Angelegenheiten beſtaͤ-
tigte ſie, brachte ſie empor. Die Irrungen mit dem Papſt
ſelbſt trugen dazu bei, daß die Vertreter dieſer Geſinnung
allmaͤhlig zur Leitung der Geſchaͤfte gelangten. Niemand
ſchien geeigneter die Intereſſen der Republik gegen die geiſt-
liche Gewalt wahrzunehmen. Im Januar 1606 ward Leo-
nardo Donato, das Oberhaupt der Antiroͤmiſchgeſinnten,
zum Doge erhoben. Alle ſeine Freunde, durch deren Theil-
nahme es ihm in dem Kampfe innerer Parteiung gegluͤckt,
zog er zur Theilnahme an den Geſchaͤften heran.
Indem ein Papſt auftrat, welcher die ſtreitigen An-
ſpruͤche ſeiner Gewalt mit ruͤckſichtsloſem Eifer uͤberſpannte,
gerieth die venezianiſche Regierung in die Haͤnde von Maͤn-
nern welche die Oppoſition gegen die roͤmiſche Herrſchaft
zu ihrer perſoͤnlichen Geſinnung ausgebildet, durch ſie em-
porgekommen, und ihr Prinzip nun um ſo nachdruͤcklicher
behaupteten, weil es ihnen zugleich diente ihre Gegner in-
nerhalb der Republik abzuwehren, zu unterdruͤcken.
Es lag in der Natur beider Gewalten, daß die Rei-
bungen zwiſchen ihnen von Tage zu Tage feindſeliger, weit-
ausſehender wurden.
Der Papſt drang nicht allein auf die Auslieferung
[332]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
jener geiſtlichen Verbrecher: er forderte auch [die] Abſchaf-
fung zweier vor kurzem von den Venezianern erneuerten Ge-
ſetze, durch welche die Veraͤußerung liegender Gruͤnde an
die Geiſtlichkeit verboten, und die Errichtung neuer Kir-
chen von der Genehmigung der weltlichen Behoͤrde abhaͤn-
gig gemacht ward. Er erklaͤrte, Verordnungen nicht dul-
den zu wollen, welche in ſo entſchiedenem Widerſpruch mit
den Schluͤſſen der Concilien, den Conſtitutionen ſeiner Vor-
gaͤnger, allen canoniſchen Rechtsſatzungen ſeyen. Die Ve-
nezianer wichen um kein Haarbreit. Sie ſagten, es ſeyen
Grundgeſetze ihres Staates, von ihren Altvordern gegeben,
die ſich um die Chriſtenheit ſo wohl verdient gemacht, fuͤr
die Republik unverletzlich.
Nicht lange aber blieb man bei den unmittelbaren
Gegenſtaͤnden des Streites ſtehn: ſogleich gingen beide
Theile zu weitern Beſchwerden fort. Kirchlicher Seits fand
man ſich durch die Verfaſſung von Venedig uͤberhaupt beein-
traͤchtigt. Dieſe Republik verbiete den Recurs nach Rom,
ſchließe diejenigen welche durch geiſtliche Aemter in Ver-
bindung mit der Curie gekommen, unter dem Titel von
Papaliſten von der Berathung uͤber geiſtliche Angelegenhei-
ten aus, und belaſte ſogar den Clerus mit Auflagen. Die
Venezianer dagegen erklaͤrten dieſe Beſchraͤnkungen fuͤr noch
lange nicht hinreichend. Sie forderten, die kirchlichen Pfruͤn-
den ſollten nur an Eingeborne verliehen, nur dieſen Antheil
an der Inquiſition verſtattet werden, jede Bulle muͤſſe der
Genehmhaltung des Staates unterworfen, jede geiſtliche
Verſammlung durch einen Weltlichen beaufſichtigt, alle Geld-
ſendung nach Rom verboten werden.
[333]Venezianiſche Irrungen.
Allein auch hiebei hielt man nicht inne: von den un-
mittelbaren Fragen des Streites ſtieg man zu den allgemei-
nen Grundſaͤtzen auf.
Die Jeſuiten hatten ſchon laͤngſt aus ihrer Lehre von
der Gewalt des Papſtes die wichtigſten Folgerungen fuͤr
das geiſtliche Recht abgeleitet, und ſaͤumten nicht ſie zu wie-
derholen.
Der Geiſt, ſagt Bellarmin, leite und zuͤgele das Fleiſch:
nicht umgekehrt. Eben ſo wenig duͤrfe die weltliche Ge-
walt ſich uͤber die geiſtliche erheben, ſie leiten, ihr befehlen,
ſie ſtrafen wollen: es wuͤrde dieß eine Rebellion, eine heid-
niſche Tyrannei ſeyn 1). Die Prieſterſchaft habe ihren
Fuͤrſten, der ihr nicht allein in geiſtlichen ſondern auch in
weltlichen Angelegenheiten befehle; unmoͤglich koͤnne ſie
noch einen beſondern weltlichen Obern anerkennen, Nie-
mand koͤnne zweien Herren dienen. Der Prieſter habe uͤber
den Kaiſer zu richten, der Kaiſer nicht uͤber den Prieſter:
es wuͤrde abſurd ſeyn, wenn das Schaf den Hirten richten
wollte 2). Auch duͤrfe der Fuͤrſt keine Auflagen von geiſt-
[334]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
lichen Guͤtern ziehen. Von den Laien moͤge er ſeine Ab-
gaben nehmen: von den Prieſtern werde ihm die bei wei-
tem groͤßere Beihuͤlfe des Gebetes und des Opfers gelei-
ſtet. Von allen ſachlichen und perſoͤnlichen Laſten ſey der
Geiſtliche eximirt: er gehoͤre zur Familie Chriſti. Beruhe
dieſe Exemtion auch nicht auf einem ausdruͤcklichen Gebot
in der heiligen Schrift, ſo gruͤnde ſie ſich doch auf Fol-
gerung aus derſelben und Analogie. Den Geiſtlichen des
neuen Teſtaments komme eben das Recht zu, was den Le-
viten des alten zugeſtanden 1).
Eine Lehre, welche jener geiſtlichen Republik, der ein
ſo großer Einfluß auf den Staat zufallen ſollte, eine nicht
minder vollkommene Unabhaͤngigkeit von den Ruͤckwirkun-
gen deſſelben zuſprach: die man in Rom mit unzaͤhligen
Beweiſen aus Schrift, Concilien, kaiſerlichen und paͤpſtli-
chen Conſtitutionen zu befeſtigen ſuchte, und im Ganzen
fuͤr unwiderlegbar hielt. Wer ſollte es in Venedig wagen
ſich einem Bellarmin, einem Baronius zu widerſetzen?
Die Venezianer beſaßen in ihrem Staatsconſultor,
Paul Sarpi, einen Mann den Natur und Umſtaͤnde zu
einer Geſinnung ausgebildet, in eine Stellung gefuͤhrt hat-
ten, daß er es wagen konnte die Waffen gegen die geiſt-
liche Macht zu ergreifen.
Paul Sarpi war der Sohn eines Kaufmannes, der
2)
[335]Venezianiſche Irrungen.
von St. Veit nach Venedig gewandert, und einer Mutter
aus einem venezianiſchen Geſchlechte das die Privilegien
der Cittadinanza genoß, aus dem Hauſe Morelli. Der Va-
ter war ein kleiner, ſchwarzer, ungeſtuͤmer, haͤndelſuͤchtiger
Mann, der durch falſche Speculationen ungluͤcklich wurde.
Die Mutter war eine von den ſchoͤnen venezianiſchen Blon-
dinen, wie man ihnen dort nicht ſelten begegnet, groß von
Geſtalt, beſcheiden und vernuͤnftig. Der Sohn glich ihr
in den Zuͤgen des Geſichtes 1).
Ein Bruder der Mutter nun, Ambroſio Morelli, ſtand
damals an der Spitze einer Schule, die ſich eines beſon-
dern Rufes erfreute, und vornehmlich zur Erziehung des
jungen Adels diente. Es ergab ſich von ſelbſt, daß auch
der Neffe des Lehrers an dem Unterrichte Theil nahm. Nic-
colo Contarini, Andrea Moroſini waren ſeine Mitſchuͤler,
und wurden ſehr vertraut mit ihm. Gleich an der Schwelle
ſeines Lebens trat er in die wichtigſten Verbindungen.
Jedoch ließ er ſich weder durch die Mutter, noch durch
den Oheim, noch durch dieſe Verbindungen abhalten ſei-
nem Hange zur Einſamkeit zu folgen und bereits in ſeinem
14ten oder 15ten Jahre in ein Servitenkloſter zu treten.
Er ſprach wenig: er war immer ernſthaft. Niemals
aß er Fleiſch: bis zu ſeinem dreißigſten Jahre trank er kei-
nen Wein: er haßte anſtoͤßige Geſpraͤche: „da kommt die
Jungfer,“ ſagten ſeine Cameraden, wenn er erſchien, „re-
den wir von etwas Anderm.“ Alles, was Verlangen, Nei-
[336]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
gung, oder Begierde in ihm ſeyn mochte, galt den Stu-
dien, fuͤr die er eine große Gabe mitbrachte.
Er hatte das unſchaͤtzbare Talent einer raſchen und
ſichern Auffaſſung: wie er denn Jedermann wiederkannte,
den er einmal geſehen: wie er, ſobald er etwa in einen Gar-
ten trat, ihn ſogleich uͤberblickt und Alles bemerkt hatte:
er war geiſtig und leiblich mit einem guten, ſcharfen Auge
ausgeruͤſtet 1). Mit beſonderm Gluͤcke widmete er ſich des-
halb den Naturwiſſenſchaften. Seine Bewunderer ſchreiben
ihm die Entdeckung der Valveln iu den Blutgefaͤßen, die
Wahrnehmung der Expanſion und Contraction der Pupille 2),
die erſte Beobachtung der Neigung der Magnetnadel und
gar mancher andern magnetiſchen Erſcheinungen zu, und es
laͤßt ſich nicht leugnen, daß er an den Arbeiten Aquapen-
dente’s und beſonders Porta’s anregenden, mithervorbringen-
den Antheil nahm 3). Den phyſikaliſchen Studien fuͤgte
er mathematiſchen Calcuͤl und Beobachtung der Phaͤnomene
des Geiſtes zu. In der Servitenbibliothek zu Venedig be-
wahrte man ein Exemplar der Werke des Vieta auf, in
wel-
[337]Venezianiſche Irrungen.
welchem die mancherlei Fehler dieſes Autors von der Hand
des Fra Paolo verbeſſert waren: man hatte daſelbſt einen
kleinen Aufſatz von ihm uͤber den Urſprung und Untergang
der Meinungen in den Menſchen, der, nach den Auszuͤgen
die Foscarini daraus mittheilt zu urtheilen, eine Theorie
des Erkenntnißvermoͤgens enthielt, welche Senſation und
Reflexion zu ihrer Grundlage nahm, und mit der Lockiſchen
viel Aehnlichkeit hatte 1), wenn ſie ihr auch nicht ſo ganz
entſprochen haben ſollte, wie man behauptet hat. — Fra
Paolo ſchrieb nur ſo viel als nothwendig war; Neigung
zur Production hatte er nicht von Natur: er las immer,
eignete ſich an, beobachtete: ſein Geiſt war nuͤchtern und
umfaſſend, methodiſch und kuͤhn: auf den Bahnen freier For-
ſchung ging er einher.
Mit dieſen Kraͤften nun kam er an die theologiſchen und
kirchenrechtlichen Fragen.
Man hat geſagt, er ſey insgeheim Proteſtant gewe-
ſen; doch ſchwerlich ging ſein Proteſtantismus uͤber die
erſten einfachen Saͤtze der augsburgiſchen Confeſſion hinaus:
wenn er ja noch dieſe feſthielt. Wenigſtens hat Fra Paolo
ſein Lebenlang alle Tage Meſſe geleſen. Das Bekenntniß
Päpſte* 22
[338]BuchVIInnere Streitigkeiten.
wird man nicht nennen koͤnnen, zu welchem er ſich inner-
lich gehalten; es war eine Geſinnung, wie ſie ſich beſon-
ders in Maͤnnern, die ſich den Naturwiſſenſchaften gewid-
met, in jenen Zeiten oͤfter zeigt, von keinem der beſtehen-
den Lehrſyſteme feſtgehalten; abweichend, forſchend; jedoch
in ſich ſelbſt weder abgeſchloſſen noch vollkommen ausge-
bildet.
So viel aber iſt gewiß, daß Fra Paolo dem weltli-
chen Einfluß des Papſtthums einen entſchiedenen unverſoͤhn-
lichen Haß widmete. Es iſt vielleicht die einzige Leiden-
ſchaft die er hegte. Man hat ſie daher leiten wollen, weil
ihm ein Bisthum verſagt worden, zu dem er vorgeſchla-
gen war. Und wer moͤchte wohl den Einfluß einer em-
pfindlichen Zuruͤckſetzung, die einem natuͤrlichen Ehrgeize
ſeine Bahn verſchließt, auch auf ein maͤnnliches Gemuͤth
von vorn herein ableugnen wollen? Jedoch lagen die Dinge
hier um vieles tiefer. Es war eine politiſch-religioͤſe Ge-
ſinnung, die mit allen andern Ueberzeugungen zuſammen-
hing, ſich durch Studien und Erfahrung befeſtigt hatte,
von den Freunden, den Altersgenoſſen, jenen Maͤnnern die
ſich einſt bei Moroſini verſammelt hatten und jetzt an das
Ruder des Staates gelangt waren, getheilt wurde. Vor
der Schaͤrfe einer eindringenden Beobachtung verſchwanden
jene chimaͤriſchen Beweiſe, mit denen die Jeſuiten ihre Be-
hauptungen zu erhaͤrten verſuchten: Lehrſaͤtze, deren eigent-
licher Grund doch auch nur in einer aus voruͤbergegange-
nen Lebensmomenten entſprungenen Ergebenheit gegen den
roͤmiſchen Stuhl zu ſuchen war.
Nicht ohne Muͤhe uͤberzeugte Sarpi zuerſt die einhei-
[339]Venezianiſche Irrungen.
miſchen Juriſten. Die einen hielten die Exemtion der Geiſt-
lichen, wie Bellarmin, fuͤr eine Anordnung des goͤttlichen
Rechtes: die andern behaupteten wenigſtens, der Papſt habe
ſie befehlen duͤrfen: ſie beriefen ſich auf die Concilienſchluͤſſe
in denen jene Exemtion ausgeſprochen ſey: was aber ein
Concilium gedurft, wie viel mehr ſtehe dieß dem Papſte zu.
Leicht waren die erſten widerlegt: den andern bewies Fra
Paolo hauptſaͤchlich, daß die Concilien auf die es ankomme,
von den Fuͤrſten berufen, als Reichsverſammlungen anzu-
ſehen ſeyen, von denen auch eine Menge politiſcher Geſetze
ausgegangen 1). Es iſt dieß ein Punkt, auf dem ſich die
Lehre, wie ſie Fra Paolo und ſeine Freunde vortrugen,
hauptſaͤchlich mit begruͤndet.
Sie gingen von dem Grundſatze aus, der in Frank-
reich durchgefochten worden, daß die fuͤrſtliche Gewalt un-
mittelbar von Gott ſtamme und Niemand unterworfen
ſey. Der Papſt habe auch nicht einmal zu unterſuchen, ob
die Handlungen eines Staates ſuͤndlich ſeyen oder nicht.
Denn wohin ſollte dieß fuͤhren? Gebe es denn irgend eine
die nicht wenigſtens ihres Endzweckes halber ſuͤndlich ſeyn
koͤnne? Der Papſt wuͤrde alles zu pruͤfen, in alles ein-
22*
[340]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
zugreifen haben: das weltliche Fuͤrſtenthum wuͤrde dadurch
aufgeloͤſt werden.
Dieſer Gewalt ſeyen nun Geiſtliche ſo gut wie Welt-
liche unterthan. Alle Gewalt, ſage der Apoſtel, komme
von Gott. Von dem Gehorſam gegen die Obrigkeit ſey
Niemand ausgenommen, ſo wenig wie von dem Gehor-
ſam gegen Gott. Der Fuͤrſt gebe die Geſetze: er richte Je-
dermann: er fordere die Abgaben ein: in alle dem ſey ihm
der Clerus den nemlichen Gehorſam ſchuldig wie die Laien 1).
Allerdings ſtehe auch dem Papſt Jurisdiction zu: aber
lediglich eine geiſtliche. Habe denn Chriſtus eine weltli-
che Gerichsbarkeit ausgeuͤbt? Weder dem h. Peter noch
deſſen Nachfolger koͤnne er uͤbertragen haben, was von ihm
ſelbſt nicht in Anſpruch genommen worden ſey.
Nimmermehr ſchreibe ſich demnach die Exemtion der
Geiſtlichkeit von einem urſpruͤnglichen goͤttlichen Rechte her 2):
[341]Venezianiſche Irrungen.
ſie beruhe allein auf den Bewilligungen des Fuͤrſten. Der
Fuͤrſt habe der Kirche Beſitz und Gerichtsbarkeit verliehen,
er ſey ihr Protector, ihr allgemeiner Patron: von ihm hange
billig die Ernennung der Geiſtlichen, die Publication der
Bullen ab.
Der Fuͤrſt koͤnne dieſe Gewalt ſelbſt wenn er wolle
nicht aufgeben, ſie ſey ein ihm anvertrautes Fideicom-
miß: er ſey in ſeinem Gewiſſen verbunden ſie ſeinem Nach-
folger unverſehrt zu uͤberliefern.
So tritt der Anſpruch und die Theorie des Staates dem
Anſpruche und der Theorie der Kirche kuͤhnlich gegenuͤber.
Die Tendenzen kaͤmpfender Gewalten ſprechen ſich in ent-
gegengeſetzten Syſtemen aus. Bei der innigen Verſchmel-
zung geiſtlicher und weltlicher Intereſſen in den europaͤiſchen
Staaten gibt es ein weites Gebiet menſchlicher Handlun-
gen wo ſich beide beruͤhren, vermiſchen. Die Kirche hat
ſchon lange dieſes ganze Gebiet fuͤr ſich in Anſpruch ge-
nommen und thut es jetzt aufs neue. Der Staat hat ſei-
nerſeits auch zuweilen einen aͤhnlichen Anſpruch erhoben:
vielleicht aber bisher noch niemals ſo kuͤhn, ſo ſyſtematiſch,
wie es hier geſchah. Rechtlich ließen ſich dieſe Anſpruͤche
niemals ausgleichen: politiſch war es nur durch wechſel-
ſeitige Nachgiebigkeit moͤglich: ſobald man dieſe nicht mehr
fuͤr einander hatte, kam es zum Kampfe. Jeder Theil
mußte verſuchen, wie weit ſeine Kraft reichen wuͤrde. Strit-
ten ſie uͤber das Recht auf den Gehorſam, ſo mußte es
nun an Tag kommen, wer ſich dieſen zu verſchaffen vermoͤge.
[342]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Am 17ten April 1606 ſprach der Papſt in der ſtren-
gen Form fruͤherer Jahrhunderte, mit ausdruͤcklicher Be-
ziehung auf ſo allgewaltige Vorgaͤnger wie Innocenz III.
einer geweſen war, uͤber Doge, Senat und ſaͤmmtliche
Staatsgewalten von Venedig, ausdruͤcklich auch uͤber die
Conſultoren, die Excommunication aus. Zu etwanigem Wi-
derruf geſtattete er den Verurtheilten nur die kuͤrzeſten Fri-
ſten: drei von acht, eine von drei Tagen. Nach deren
Verlauf ſollten alle Kirchen des venezianiſchen Gebietes,
Kloſterkirchen und Privatcapellen nicht ausgenommen,
dem Verbote des Gottesdienſtes, dem Interdict unterliegen.
Den Geiſtlichen des Landes ward zur Pflicht gemacht dieß
Breve der Verdammung vor den verſammelten Gemeinden
abzukuͤndigen, und es an den Kirchthuͤren anſchlagen zu
laſſen 1). Alleſammt, vom Patriarchen bis zum Pfarrer,
wurden ſie bei ſchweren Strafen, goͤttlichen und menſchli-
chen Gerichtes, dazu angewieſen.
So geſchah der Angriff. Nicht ſo gewaltig nahm ſich
die Vertheidigung aus.
Es war in dem Collegium von Venedig vorgeſchla-
gen worden, eine feierliche Proteſtation einzulegen, wie in
fruͤhern Zeiten geſchehen: doch ward dieß nicht beliebt, aus
dem Grunde, weil das Urtheil des Papſtes an ſich null
und nichtig ſey, und gar nicht einmal einen Schein von Ge-
rechtigkeit habe. In einem kleinen Erlaß, auf einem Quart-
[343]Venezianiſche Irrungen.
blatt, machte Leonardo Donato den Geiſtlichen den Beſchluß
der Republik bekannt, die fuͤrſtliche Autoritaͤt, „die in welt-
lichen Dingen keinen Obern außer Gott erkenne“, aufrecht
zu erhalten: ihre getreue Geiſtlichkeit werde ſchon von ſelbſt
die Nullitaͤt der gegen ſie ergangenen Cenſuren erkennen,
und in ihren Amtsverrichtungen, Seelſorge und Gottes-
dienſt, ununterbrochen fortfahren. Keine Befuͤrchtung, keine
Drohung ward ausgeſprochen: es war nur eine Erklaͤrung
des Vertrauens. Obwohl man denn muͤndlich wohl etwas
Mehreres gethan haben mag 1).
Und hiedurch ward nun aus der Frage des Anſpru-
ches, des Rechtes unmittelbar eine Frage der Macht und
des Beſitzes. Von ihren beiden Oberherrn, dem Papſt und
der Republik, zu entgegengeſetzten Beweiſen des Gehorſams
aufgefordert, mußte die venezianiſche Geiſtlichkeit ſich ent-
ſcheiden, wem ſie dieſelben leiſten wolle.
Sie ſchwankte nicht: ſie gehorchte der Republik. Von
dem paͤpſtlichen Breve ward nicht ein einziges Exemplar
angeſchlagen 2). Die Friſten die der Papſt geſetzt, verſtrichen.
Allenthalben ging der Gottesdienſt auf die gewohnte Weiſe
fort. Wie die Weltgeiſtlichen, thaten auch die Kloͤſter.
Nur die neugegruͤndeten Orden, welche das Prinzip
[344]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
der kirchlichen Reſtauration vorzugsweiſe in ſich darſtellten,
Jeſuiten, Theatiner und Capuziner machten hievon eine
Ausnahme. Die Jeſuiten waren an und fuͤr ſich nicht ſo
ganz entſchloſſen: ſie fragten erſt bei ihrem Provincial in
Ferrara, bei dem General in Rom an, und dieſer wandte
ſich ſelbſt an den Papſt: die Antwort Pauls V. war, ſie
muͤßten entweder das Interdict beobachten, oder den Staub
von ihren Fuͤßen ſchuͤtteln und Venedig verlaſſen. Gewiß,
ein ſchwerer Entſchluß, da man ihnen hier geradehin er-
klaͤrte, ſie wuͤrden niemals wieder zuruͤckkommen duͤrfen:
aber ihr Prinzip ließ ihnen keine Wahl: auf einigen Bar-
ken begaben ſie ſich in das paͤpſtliche Gebiet 1). Ihr Bei-
ſpiel riß die beiden andern Orden mit ſich fort 2). Einen
Mittelweg, den die Theatiner vorgeſchlagen, fanden die Ve-
nezianer nicht rathſam: ſie wollten keine Spaltung inner-
halb ihres Landes: ſie forderten entweder Gehorſam oder
Entfernung. Leicht waren die verlaſſenen Kirchen mit an-
dern Prieſtern beſetzt: es ward dafuͤr geſorgt, daß Niemand
einen Mangel ſpuͤrte. Mit beſonderm Pomp und unge-
woͤhnlich zahlreicher Proceſſion wurde das naͤchſte Frohn-
leichnamsfeſt begangen 3).
Auf jeden Fall aber trat hiemit eine vollſtaͤndige Spal-
tung ein.
[345]Venezianiſche Irrungen.
Der Papſt war erſtaunt: — ſeinen uͤberſpannten Vor-
ſtellungen ſetzte ſich die Realitaͤt der Dinge ſchroff gegen-
uͤber: — gab es ein Mittel ſie zu uͤberwaͤltigen?
Paul V. dachte wohl zuweilen an die Anwendung von
Kriegsgewalt; auch in den Congregationen behielt einmal die
kriegeriſche Stimmung das Uebergewicht: Cardinal Sauli
rief aus, man werde die Venezianer zuͤchtigen: man ord-
nete Legaten ab, und ruͤſtete ein Heer. Im Grunde aber
durfte man es nicht wagen. Man haͤtte fuͤrchten muͤſſen,
daß Venedig ſich proteſtantiſche Huͤlfe geſucht und Italien
ja die katholiſche Welt uͤberhaupt in die gefaͤhrlichſte Be-
wegung geſetzt haͤtte.
Man mußte zuletzt doch wieder wie ſonſt eine Aus-
gleichung der kirchenrechtlichen Fragen durch Politik verſu-
chen: nur daß dieſelbe jetzt nicht zwiſchen den Betheiligten
ſelbſt Statt finden konnte, die ſich zu lebhaft entzweit hatten,
ſondern der Vermittelung der beiden vorwaltenden Maͤchte,
Spanien und Frankreich, anheimfiel. Deren eigene Inte-
reſſen mußten dann aber auch dabei hervortreten.
Es gab wohl in dem einen wie in dem andern Reiche
eine Partei, welche den Ausbruch von Feindſeligkeiten ge-
wuͤnſcht haͤtte. Unter den Spaniern waren es die eifrigen
Katholiken, welche den roͤmiſchen Stuhl aufs neue an die
Monarchie zu ketten hofften: die Governatoren der italie-
niſchen Landſchaften, deren Macht im Kriege wachſen mußte:
auch der Botſchafter Viglienna in Rom hegte dieſen Wunſch,
er dachte dabei ſein Haus zu kirchlichen Wuͤrden zu befoͤr-
dern. In Frankreich dagegen waren es gerade die eifrigen
Proteſtanten. Sully und ſeine Anhaͤnger haͤtten einen ita-
[346]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
lieniſchen Krieg ſchon deshalb gern geſehen, weil dadurch
den Niederlaͤndern, die eben von Spinola bedraͤngt wur-
den, eine Erleichterung zu Theil geworden waͤre. Auch
brachten es dieſe Parteien auf beiden Seiten zu Demonſtra-
tionen. Der Koͤnig von Spanien erließ ein Schreiben an
den Papſt, worin er demſelben wenigſtens in allgemeinen
Ausdruͤcken ſeine Huͤlfe zuſagte. In Frankreich erhielt der
venezianiſche Botſchafter Anerbietungen auch von bedeuten-
den Maͤnnern: er haͤtte, meint er, in einem Monat ein
Heer von 15000 Franzoſen zuſammenbringen koͤnnen. Dieſe
Richtungen behielten jedoch nicht die Oberhand. Die lei-
tenden Miniſter, Lerma in Spanien, Villeroi in Frankreich,
wuͤnſchten in ihrem Herzen, die Ruhe zu erhalten. Der
Erſte ſetzte ſeinen Ruhm uͤberhaupt in die Herſtellung des
Friedens: der Zweite gehoͤrte der ſtrenger katholiſchen Seite
an: nie haͤtte er zugegeben, daß der Papſt von Frankreich
angegriffen worden waͤre 1). Auch die Fuͤrſten ſtimmten
hiemit uͤberein. Heinrich IV. bemerkte mit Recht, wenn
er das Schwert fuͤr die Republik zoͤge, ſo wuͤrde er ſeine
Reputation als guter Katholik aufs Spiel ſetzen. Phi-
lipp III. erließ eine neue Erklaͤrung an den Papſt: er wolle
ihn unterſtuͤtzen, aber einmal nicht ohne Sicherheit des
[347]Venezianiſche Irrungen.
Koſtenerſatzes, und ſodann zum Guten, aber nicht zum
Boͤſen 1).
So zerſchlugen ſich die Moͤglichkeiten des Krieges.
Die beiden Maͤchte wetteiferten nur, welche am meiſten zu
dem Frieden beizutragen, und dabei ihren Einfluß am ſi-
cherſten zu befeſtigen vermoͤchte: dazu kamen aus Spanien
Franz von Caſtro, Neffe Lermas, aus Frankreich der Car-
dinal Joyeuſe nach Venedig.
Ich haͤtte weder die Neigung noch waͤre ich im Stande
den geſammten Gang ihrer Unterhandlungen auseinanderzu-
ſetzen: auch iſt es ſchon hinreichend, nur die wichtigſten Mo-
mente zu faſſen.
Die erſte Schwierigkeit lag darin, daß der Papſt vor
allem die Suspenſion der venezianiſchen Geſetze die ihm ſo
großen Anſtoß erregt hatten forderte, und die Suspenſion
ſeiner kirchlichen Cenſuren davon abhaͤngig machte.
Auch die Venezianer aber pflegten nicht ohne eine ge-
wiſſe republikaniſche Selbſtgefaͤlligkeit ihre Geſetze fuͤr hei-
lig und unverletzlich zu erklaͤren. Als die Sache im Ja-
[348]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
nuar 1607 zuerſt zur Berathung kam, ward ſie zwar im
Collegium nicht geradezu, aber im Senate verworfen 1).
Den Franzoſen, die dem Papſt ihr Wort gegeben, gelang
es, ſie im Merz noch einmal in Vorſchlag zu bringen.
Von den vier Opponenten im Collegium trat dann wenig-
ſtens einer zuruͤck: nachdem die Gruͤnde fuͤr und wider in
dem Senate zum zweiten Mal durchgeſprochen worden, kam
es zwar auch dießmal nicht zu foͤrmlicher und ausdruͤck-
licher Suspenſion: aber man faßte einen Beſchluß, in wel-
chem man ſagte, „die Republik werde ſich mit gewohnter
Froͤmmigkeit betragen.“ So dunkel dieſe Worte auch lau-
teten, ſo meinten doch der Geſandte und der Papſt die Er-
fuͤllung ihres Wunſches darin zu erblicken. Auch der Papſt
ſuspendirte dann ſeine Cenſuren.
Sogleich aber erhob ſich eine andere, ſehr unerwar-
tete Schwierigkeit. Die Venezianer weigerten ſich die Je-
ſuiten, die nach ihrer Entfernung durch ein feierliches De-
cret ausgeſchloſſen worden, wieder aufzunehmen.
[349]Venezianiſche Irrungen.
Sollte aber der Papſt ſeine Getreuen, die kein an-
deres Verbrechen begangen, als daß ſie ihm unverbruͤch-
lich anhingen, in ſo großen Nachtheil ſetzen laſſen?
Er wandte alles an um die Venezianer umzuſtimmen.
Auch hatten die Jeſuiten die Franzoſen fuͤr ſich: durch eine
beſondere Geſandtſchaft hatten ſie ſich der Gunſt des Koͤ-
nigs auch fuͤr dieſen Fall verſichert: Joyeuſe ließ ſich ihre
Sache ſehr angelegen ſeyn. Die Venezianer blieben uner-
ſchuͤtterlich 1).
Da war nur auffallend, daß die Spanier ſich eher
wider den Orden erklaͤrten, als fuͤr ihn. In Spanien
herrſchte das dominicaniſche Intereſſe vor: Lerma liebte die
Jeſuiten nicht, und hielt es uͤberhaupt nicht fuͤr gut, daß
ein Staat genoͤthigt werden ſollte ungehorſame Unterthanen
wieder aufzunehmen: genug Franz von Caſtro vermied es
anfangs von den Jeſuiten zu reden: endlich ſetzte er ſich
den Verwendungen der Franzoſen geradehin entgegen 2).
Eine Erſcheinung, zwar in der Lage der Dinge wohl
begruͤndet, aber doch ſo auffallend, daß der Papſt ſelbſt
daruͤber ſtutzte, und indem er irgend ein tiefer liegendes
[350]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Geheimniß vermuthete, es aufgab, auf die Herſtellung der
Jeſuiten zu dringen 1).
Wie viel aber mußte ihm dieſer Entſchluß koſten. Um
ein paar unbedeutender Geſetze willen hatte er entſchloſſen
geſchienen die Welt in Feuer und Flamme gerathen zu
laſſen: jetzt gab er das immerwaͤhrende Exil ſeiner getreue-
ſten Anhaͤnger aus einer katholiſchen, einer italieniſchen
Landſchaft zu 2).
Dagegen bequemte ſich nun auch die Republik die
beiden Geiſtlichen auszuliefern die ſie feſtgenommen hatte.
Nur machte ſie auch hier den Anſpruch eine Rechts-
verwahrung einzulegen, von der der Papſt ſchlechterdings
nichts wiſſen wollte. Sehr ſonderbar iſt doch die Aus-
kunft zu der man ſich endlich entſchloß 3). Der Secretaͤr
des venezianiſchen Senates fuͤhrte die Gefangenen in den
Pallaſt des franzoͤſiſchen Geſandten, und uͤbergab ſie ihm,
„aus Ruͤckſicht,“ ſagte er, „fuͤr den allerchriſilichſten Koͤ-
nig und mit dem Vorbehalt, daß das Recht der Republik
uͤber ihre Geiſtlichen zu richten damit nicht geſchmaͤlert
[351]Venezianiſche Irrungen.
ſeyn ſolle.“ „So empfange ich ſie“, antwortete der Ge-
ſandte, und fuͤhrte ſie vor den Cardinal, der in einer Log-
gia auf und abging. „Dieß ſind die Gefangenen“, ſagte
er, „die dem Papſt auszuantworten ſind“: des Vorbehal-
tes gedachte er dabei nicht. Der Cardinal ließ ſie dann,
auch ohne ein Wort hinzuzufuͤgen, dem paͤpſtlichen Com-
miſſarius ausliefern, der ſie mit dem Zeichen des Kreuzes
annahm.
Wie weit war man doch entfernt ſich einigermaßen
einzuverſtehn. Man wollte nur eben ein aͤußerliches Ver-
nehmen herſtellen.
Dazu war nun noch die Aufhebung der Cenſur, die
Ertheilung der Abſolution erforderlich.
Aber ſelbſt hiegegen hatten die Venezianer Einwendun-
gen zu machen: ſie blieben dabei, daß die Cenſur in ſich
ſelbſt null und nichtig geweſen und ſie gar nichts angegan-
gen, daß ſie demnach auch keiner Losſprechung beduͤrftig
ſeyen. Joyeuſe erklaͤrte ihnen, er koͤnne die Formen der
Kirche nicht aͤndern. Endlich kam man uͤberein, daß die Ab-
ſolution nicht mit der gewoͤhnlichen Oeffentlichkeit vollzogen
werden ſolle: Joyeuſe erſchien in dem Collegium: gleichſam
privatim ſprach er ſie hier aus. Die Venezianer haben ſich
immer angeſtellt, als ſeyen ſie ganz ohne alle Abſolution
weggekommen 1). Auch war ſie nicht in aller Form ge-
geben: gegeben aber allerdings.
[352]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Ueberhaupt ſieht man wohl, nicht ſo durchaus zum
Vortheil der Venezianer, wie gewoͤhnlich behauptet wird,
waren die ſtreitigen Punkte erledigt worden.
Die Geſetze uͤber die der Papſt ſich beklagte, waren
ſuspendirt: die Geiſtlichen, deren Auslieferung er forderte,
ihm uͤberantwortet: die Abſolution ſelbſt empfangen. Je-
doch war alles nur unter außerordentlichen Einſchraͤn-
kungen geſchehen. Die Venezianer verfuhren wie bei einer
Ehrenſache, mit aͤngſtlicher Beſorgniß fuͤr ihre Reputation:
jede Nachgiebigkeit hatten ſie verclauſulirt, ſo viel als moͤg-
lich verſteckt. Der Papſt dagegen war in dem Nachtheil,
daß er ſich zu einer auffallenden und wenig ehrenvollen
Conceſſion entſchließen muͤſſen, die in der ganzen Welt Auf-
ſehen erregte.
Seitdem kehrten nun die Verhaͤltniſſe zwiſchen Rom
und Venedig wenigſtens aͤußerlich wieder in das alte Ge-
leis zuruͤck. Dem erſten Geſandten der Venezianer rief
Paul entgegen: das Alte ſey beſeitigt, alles werde neu: er
beklagte ſich zuweilen, daß Venedig nicht vergeſſen wolle,
was er doch vergeſſen habe; er zeigte ſich ſo mild und
nachgiebig, wie irgend einer ſeiner Vorfahren 1).
Allein damit wurden doch im Grunde nur neue Feind-
ſeligkeiten vermieden: die innern Gegenſaͤtze blieben: ein ei-
gentliches Vertrauen ſtellte ſich ſobald nicht wieder her.
Aus-
[353]
Austrag der jeſuitiſchen Sache.
Auf eine aͤhnliche Weiſe, d. i. nicht vollkommener,
wurde indeſſen auch die Streitigkeit zwiſchen Jeſuiten und
Dominicanern beſeitigt.
Clemens ſtarb, wie wir ſahen, ehe er ein Urtheil ge-
ſprochen. Paul V, der die Sache mit alle dem Eifer an-
griff, durch den ſich der Anfang ſeiner Verwaltung uͤber-
haupt auszeichnete — vom September 1605 bis Februar
1606 wurden allein ſiebzehn Verſammlungen in ſeiner Ge-
genwart gehalten, — neigte ſich nicht minder zu dem alten
Syſtem, auf die Seite der Dominicaner, als ſein Vor-
gaͤnger. Im October und November 1606 wurden bereits
Verſammlungen gehalten um die Form feſtzuſetzen, in der
die jeſuitiſchen Lehren zu verdammen ſeyen: die Dominica-
ner glaubten den Sieg in Haͤnden zu haben 1).
Ebendamals hatten ſich nun aber auch die veneziani-
ſchen Angelegenheiten auf die Weiſe, die wir betrachte-
ten, entwickelt: die Jeſuiten hatten dem roͤmiſchen Stuhle
einen Beweis von Anhaͤnglichkeit gegeben, durch welchen
ſie alle andern Orden bei weitem uͤbertrafen; und Vene-
dig ließ ſie dafuͤr buͤßen.
Unter dieſen Umſtaͤnden haͤtte es eine Grauſamkeit ge-
ſchienen, wenn der roͤmiſche Stuhl dieſe ſeine getreueſten
Diener mit einem Verdammungsdecret haͤtte heimſuchen
Päpſte* 23
[354]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
wollen. Als alles zu demſelben vorbereitet worden, hielt
der Papſt inne. Eine Weile ließ er die Sache ruhen: end-
lich, am 29ſten Auguſt 1607, trat er mit einer Erklaͤrung
hervor, durch welche Disputatoren und Conſultoren nach
ihrer Heimath entlaſſen wurden: die Entſcheidung werde zu
ſeiner Zeit bekannt gemacht werden, indeß ſey es Sr Hei-
ligkeit ernſtliche Willensmeinung, daß kein Theil den an-
dern verunglimpfe 1).
Dergeſtalt hatten die Jeſuiten von dem Verluſte den
ſie in Venedig erlitten, doch auch wieder einen Vortheil.
Es war ein großer Gewinn fuͤr ſie, daß ihre angefochte-
nen Lehren, wiewohl nicht beſtaͤtigt, doch auch nicht ver-
worfen wurden. Sie ruͤhmten ſich ſogar des Sieges.
Mit dem Vorurtheil der Rechtglaͤubigkeit, das ſie einmal
fuͤr ſich hatten, verfolgten ſie nun die doctrinelle Rich-
tung, die ſie eingeſchlagen, unaufhaltſam weiter.
Es fragte ſich nur noch, ob es ihnen nun auch ge-
lingen wuͤrde ihre eigenen innern Streitigkeiten vollſtaͤndig
beizulegen.
Noch immer gab es lebhafte Gaͤhrungen. Die Ver-
aͤnderungen in der Conſtitution erwieſen ſich unzureichend,
und die ſpaniſche Oppoſition gab es nicht auf, zu ihrem
Ziele zu gelangen Aquaviva zu entfernen. Endlich erklaͤr-
ten ſogar, was noch nie geſchehen, die Procuratoren ſaͤmmt-
licher Provinzen eine allgemeine Congregation fuͤr noth-
[355]Austrag der jeſuitiſchen Sache.
wendig: im J. 1607 kam ſie zuſammen, und es war aufs
neue von durchgreifenden Umwandlungen die Rede.
Wir bemerkten ſchon oͤfter die enge Verbindung in
welche die Jeſuiten mit Frankreich getreten, die Gunſt die
ihnen Heinrich IV. angedeihen ließ. Auch an den innern
Streitigkeiten des Ordens nahm er Antheil: er war ganz
fuͤr Aquaviva. In einem ausdruͤcklichen Schreiben ſicherte
er demſelben nicht allein ſeine Gewogenheit zu: er gab auch
der Congregation den Wunſch zu erkennen, daß in der
Verfaſſung der Geſellſchaft keine Aenderung vorgenommen
werde 1).
Eines ſo maͤchtigen Schutzes wußte ſich nun Aqua-
viva vortrefflich zu bedienen.
Vornehmlich in den Provinzialcongregationen hatte der
Widerſtand, den er erfuhr, ſeinen Sitz. Er brachte jetzt
ein Geſetz durch, kraft deſſen erſtens kein Vorſchlag in
einer Provinzialverſammlung als angenommen betrachtet
werden ſolle, wenn er nicht durch zwei Drittheile aller
Stimmen gebilligt werde, und ferner auch ein auf dieſe
Weiſe beliebter Vorſchlag doch nur alsdann zur Berathung
in der allgemeinen Verſammlung gelangen koͤnne, wenn in
dieſer die Majoritaͤt dazu ihre vorlaͤufige Zuſtimmung gebe.
Anordnungen, durch welche, wie man ſieht, der Einfluß
der Provinzialcongregationen außerordentlich geſchmaͤlert
wurde.
23*
[356]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Aber uͤberdieß ward nun auch ein foͤrmliches Verdam-
mungsurtheil uͤber die Gegner des Generals ausgeſprochen,
und den Obern in den Provinzen die ausdruͤckliche Wei-
ſung ertheilt, gegen die ſogenannten Ruheſtoͤrer zu verfah-
ren. Hierauf kehrte der Friede allmaͤhlig zuruͤck. Die ſpa-
niſchen Mitglieder bequemten ſich, und hoͤrten auf, der
neuen Richtung ihres Ordens zu widerſtreben. Unter dem
herrſchenden Einfluß wuchs allmaͤhlig eine gefuͤgigere Ge-
neration empor. Dagegen ſuchte der General Heinrich dem
IV. die Beguͤnſtigungen die er von ihm erfahren, durch
doppelte Ergebenheit zu erwiedern.
Schluß.
Noch einmal neigten ſich dergeſtalt alle dieſe Streitig-
keiten zur Beruhigung.
Ueberlegen wir aber ihre Entwickelung und ihr Er-
gebniß im Ganzen, ſo war doch damit die groͤßte Veraͤn-
derung im Innern der katholiſchen Kirche eingetreten.
Wir gingen von dem Moment aus, in welchem die
paͤpſtliche Gewalt, in ſiegreichem Kampfe begriffen, zu im-
mer groͤßerer Machtfuͤlle fortſchritt. In engem Bunde
mit der ſpaniſchen Politik faßte ſie die Abſicht alle katho-
liſchen Maͤchte in Einer Richtung fortzureißen, die Abtruͤn-
nigen in Einer großen Action zu uͤberwaͤltigen. Waͤre es
ihr gelungen, ſo wuͤrde ſie die geiſtlichen Motive zu un-
bedingter Herrſchaft erhoben, alle katholiſchen Staaten zu
einer in Idee, Glauben, Leben und Politik zuſammenſchlie-
[357]Schluß.
ßenden Einheit verbunden, und damit auch auf ihr Inne-
res einen vorwaltenden Einfluß erworben haben.
In eben dieſem Momente aber traten die ſtaͤrkſten in-
nern Gegenſaͤtze hervor.
In der franzoͤſiſchen Angelegenheit erhob ſich das Ge-
fuͤhl der Nationalitaͤt gegen die Anſpruͤche der Hierarchie.
Von den geiſtlichen Beweggruͤnden, von der Leitung des
kirchlichen Oberhauptes wollten doch auch die Katholiſch-
glaͤubigen nicht in allen Stuͤcken abhangen: es blieben
Prinzipien uͤbrig, der weltlichen Politik, der nationalen
Selbſtaͤndigkeit, die ſich mit unbeſiegbarer Energie den Abſich-
ten des Papſtthums entgegenſtellten. Wir duͤrfen im Allge-
meinen ſagen: dieſe Prinzipien behielten den Sieg: der
Papſt mußte ſie anerkennen: die franzoͤſiſche Kirche ſelbſt
ſtellte ſich her, indem ſie ſich auf dieſelben gruͤndete.
Hieraus folgte nun aber, daß Frankreich ſich auch
ſofort wieder in Feindſeligkeiten gegen die ſpaniſche Mo-
narchie warf, daß zwei große, von Natur einander wider-
ſtrebende und eigentlich immer zum Kampfe gewiegte Maͤchte
einander in der Mitte der katholiſchen Welt gegenuͤber
traten. So wenig war es moͤglich die Einheit zu be-
haupten. Die Verhaͤltniſſe von Italien bewirkten ſogar,
daß dieſer Gegenſatz, das Gleichgewicht das dadurch hervor-
gebracht ward, dem roͤmiſchen Stuhle Vortheil gewaͤhrte.
In dem brachen auch neue theologiſche Entzweiungen
aus. So ſcharfſinnig und genau die Beſtimmungen des
tridentiniſchen Conciliums ſeyn moͤgen, ſo konnten ſie das
doch nicht verhindern: innerhalb der von ihnen gezogenen
Grenzen gab es noch Raum zu neuen Glaubensſtreitigkei-
[358]BuchVI.Innere Streitigkeiten.
ten. Die beiden maͤchtigſten Orden traten gegen einander
in die Schranken: jene beiden Maͤchte ſelbſt nahmen ge-
wiſſermaßen Partei: in Rom hatte man nicht den Muth
eine Entſcheidung auszuſprechen.
Und hiezu kamen nun die Irrungen uͤber die Gren-
zen der geiſtlichen und der weltlichen Gerichtsbarkeit: Ir-
rungen die einen localen Urſprung hatten, mit einem nicht
eben ſehr maͤchtigen Nachbar, die aber mit einem Geiſt
und Nachdruck gefuͤhrt wurden, durch welche ſie eine all-
gemeine Bedeutung erlangten 1). Billig haͤlt man in allen
katholiſchen Staaten das Andenken Paolo Sarpi’s in ho-
hen Ehren. Er hat die Grundlagen zu den kirchlichen Be-
rechtigungen, deren ſie ſich ſaͤmmtlich erfreuen, durchge-
kaͤmpft. Der Papſt vermochte nicht ihn zu beſeitigen.
Gegenſaͤtze der Ideen und der Lehre, der Verfaſſung
und der Macht, die nun jener kirchlich weltlichen Einheit,
welche das Papſtthum darzuſtellen ſuchte, gewaltig wider-
ſtrebten und ſie zu zerſetzen drohten.
Der Gang der Dinge zeigt jedoch, daß die zuſammen-
haltenden Ideen noch einmal die ſtaͤrkern waren. Den in-
nern Widerſtreit konnte man nicht verſoͤhnen, aber es ge-
lang einen eigentlichen Kampf zu vermeiden. Der Friede
zwiſchen den großen Maͤchten ward hergeſtellt und erhal-
ten: die italieniſchen Intereſſen erhoben ſich noch nicht zu
vollem Bewußtſeyn und einwirkender Thaͤtigkeit; den ſtrei-
[359]Schluß.
tenden Orden ward Stillſchweigen auferlegt. Die Strei-
tigkeiten zwiſchen Kirche und Staat trieb man nicht auf
das Aeußerſte: Venedig nahm die angebotene Vermitte-
lung an.
Die Politik des Papſtthums war, ſo viel wie moͤg-
lich eine Stellung uͤber den Parteien zu nehmen, die Ent-
zweiungen zu vermitteln. Noch beſaß es Autoritaͤt genug
um dieß zu vermoͤgen.
Ohne Zweifel wirkte darauf zuruͤck, wie es hinwie-
derum davon abhing, daß indeſſen die große Action nach
außen, der Fortſchritt in dem man begriffen war, der
Kampf gegen den Proteſtantismus unaufhoͤrlich fortging.
Auf dieſen und ſeine Entwickelung muͤſſen wir nun
zuruͤckkommen.
[[360]][[361]]
Siebentes Buch.
Gegenreformationen. Zweiter Zeitraum.
1590—1630.
[[362]][[363]]
Ich denke nicht mich zu taͤuſchen oder die Schranken der
Hiſtorie zu uͤberſchreiten, wenn ich an dieſer Stelle ein all-
gemeines Geſetz des Lebens wahrzunehmen glaube.
Unzweifelhaft iſt: es ſind immer Kraͤfte des lebendi-
gen Geiſtes welche die Welt ſo von Grund aus bewegen.
Vorbereitet durch die vorangegangenen Jahrhunderte, erhe-
ben ſie ſich zu ihrer Zeit, hervorgerufen durch ſtarke und in-
nerlich maͤchtige Naturen, aus den unerforſchten Tiefen des
menſchlichen Geiſtes. Es iſt ihr Weſen daß ſie die Welt
an ſich zu reißen, zu uͤberwaͤltigen ſuchen. Je mehr es ih-
nen aber damit gelingt, je groͤßer der Kreis wird den ſie um-
faſſen, deſto mehr treffen ſie mit eigenthuͤmlichem unabhaͤn-
gigem Leben zuſammen, das ſie nicht ſo ganz und gar zu
beſiegen, in ſich aufzuloͤſen vermoͤgen. Daher geſchieht es,
denn in unaufhoͤrlichem Werden ſind ſie begriffen, daß ſie
in ſich ſelbſt eine Umwandlung erfahren. Indem ſie das
Fremdartige umfaſſen, nehmen ſie ſchon einen Theil ſeines
Weſens in ſich auf: es entwickeln ſich Richtungen in ihnen,
Momente des Daſeyns, die mit ihrer Idee nicht ſelten in
Widerſpruch ſtehn. Es kann aber nicht anders ſeyn als
[364] daß in dem allgemeinen Fortſchritt auch dieſe wachſen und
gedeihen. Es kommt nur darauf an, daß ſie nicht das
Uebergewicht bekommen: ſie wuͤrden ſonſt die Einheit und
ihr Prinzip geradezu zerſtoͤren.
Nun ſahen wir, wie gewaltig ſich in dem reſtauri-
renden Papſtthum innere Widerſpruͤche, tiefere Gegenſaͤtze
regten: jedoch die Idee behielt den Sieg: die hoͤhere Ein-
heit, wenn gleich nicht mit ihrer ganzen alten zuſammen-
faſſenden Gewalt, behauptete das Uebergewicht, und ſchritt
unablaͤſſig, noch in den Momenten des innern Kampfes,
fuͤr den ſie vielmehr daraus friſche Kraft ſog, zu neuen
Eroberungen fort.
Dieſe Unternehmungen ziehen jetzt unſere Aufmerkſam-
keit auf ſich. Es iſt von hoher Wichtigkeit fuͤr die Welt,
wie weit ſie gelingen, welche Umwandlungen ſie zur Folge
haben, welchen Widerſtand in ſich oder von außen her ſie
finden.
[365]
Erſtes Kapitel.
Fortſchritte der katholiſchen Reſtauration.
1590—1617.
1.
Unternehmungen des Katholicismus in Polen und
den angrenzenden Laͤndern.
Es iſt die Meinung ausgeſprochen worden, die Pro-
teſtanten, die ja, wie wir ſahen, in Polen eine Zeitlang ent-
ſchieden die Oberhand beſaßen, waͤren auch wohl im Stande
geweſen einen Koͤnig ihres Glaubens auf den Thron zu
erheben: aber ihnen ſelbſt ſey am Ende ein Katholik vor-
theilhafter vorgekommen, weil er in dem Papſte doch noch
eine hoͤhere Gewalt, einen Richter uͤber ſich habe.
Waͤre dem ſo, ſo wuͤrden ſie ſich fuͤr eine ſo unpro-
teſtantiſche Geſinnung ſelber eine harte Zuͤchtigung zugezo-
gen haben.
Denn eben durch einen katholiſchen Koͤnig vermochte
der Papſt ihnen den Krieg zu machen.
Hatten doch ſogar die paͤpſtlichen Nuntien von allen
fremden Geſandten in Polen allein das Recht ſich mit dem
Koͤnig ohne Anweſenheit eines Senators zu unterreden. Man
kennt ſie wohl: ſie waren klug und gewandt genug um
[366]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
das vertraulichere Verhaͤltniß, das ihnen hiedurch moͤglich
wurde, zu pflegen und zu benutzen.
Im Anfang der achtziger Jahre des 16ten Jahrhunderts
war Cardinal Bolognetto Nuntius in Polen. Er klagt uͤber
die Beſchwerden des Climas, die fuͤr einen Italiener dop-
pelt empfindliche Kaͤlte, den Dampf der engen geheizten
Stuben, die ganze ungewohnte Lebensweiſe; deſſenungeach-
tet begleitet er Koͤnig Stephan von Warſchau nach Kra-
kau, von Wilna nach Lublin — durch das Reich: zu-
weilen in etwas melancholiſcher Stimmung, aber nichts deſto
minder unermuͤdlich: waͤhrend der Feldzuͤge bleibt er mit
demſelben wenigſtens in Briefwechſel: in ununterbrochener
Verbindung erhaͤlt er die roͤmiſchen Intereſſen mit der koͤ-
niglichen Perſon.
Wir haben eine ausfuͤhrliche Relation uͤber ſeine Amts-
fuͤhrung, aus der wir erſehen, was er unternahm, wie
weit er es brachte 1).
Vor allem forderte er den Koͤnig auf, die Aem-
ter nur mit Katholiſchen zu beſetzen, in den koͤniglichen
Staͤdten nur katholiſchen Gottesdienſt zu geſtatten, die Zehn-
ten herzuſtellen: — Maaßregeln, wie ſie um dieſelbe Zeit
in andern Laͤndern ergriffen wurden und die Erneuerung
des Katholicismus herbeifuͤhrten oder bezeichneten.
Damit drang er nun nicht durch. Koͤnig Stephan
glaubte nicht ſo weit gehn zu koͤnnen: er erklaͤrte, er ſey
nicht maͤchtig genug dazu.
[367]der katholiſchen Reſtauration. Polen.
Allein dabei hatte doch dieſer Fuͤrſt nicht allein katho-
liſche Ueberzeugungen, ſondern einen angebornen Eifer fuͤr
das Kirchenweſen: in vielem Andern gab er den Vorſtel-
lungen des Nuntius nach.
Durch unmittelbare koͤnigliche Unterſtuͤtzung kamen die
Jeſuiten-Collegien in Krakau, Grodno, Pultusk zu Stande:
der neue Calender ward ohne Schwierigkeit eingefuͤhrt, der
groͤßte Theil der Anordnungen des tridentiniſchen Conciliums
zur Vollziehung gebracht. Das Wichtigſte aber war der
Beſchluß des Koͤnigs die Bisthuͤmer in Zukunft nur noch
an Katholiken zu geben 1). Auch in dieſe hoͤchſten geiſtli-
chen Wuͤrden waren Proteſtanten eingedrungen: dem Nun-
tius ward jetzt verſtattet ſie vor ſeinen Richterſtuhl zu ziehen,
ſie abzuſetzen: was um ſo mehr ſagen wollte, da mit dem
biſchoͤflichen Amt zugleich Sitz und Stimme in dem Se-
nat verbunden war. Eben dieſe politiſche Bedeutung des
geiſtlichen Inſtitutes ſuchte der Nuntius uͤberhaupt zu
benutzen. Vor allem forderte er die Biſchoͤfe zu einhel-
ligen Maaßregeln an den Reichstagen auf: er gab ihnen
dieſelben an: mit den maͤchtigſten, dem Erzbiſchof von Gne-
ſen, dem Biſchofe von Kraken hatte er perſoͤnlich ein en-
geres Verhaͤltniß angeknuͤpft, das ihm ausnehmend foͤrder-
lich wurde. Und ſo gelang es ihm, nicht allein die Geiſt-
lichkeit ſelbſt mit verjuͤngtem Eifer zu durchdringen: er be-
kam bereits auf weltliche Angelegenheiten einen großen Ein-
fluß. Die Englaͤnder brachten einen Handelsvertrag mit
Polen in Anregung, der namentlich fuͤr Danzig ſehr nuͤtz-
[368]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
lich zu werden verſprach; der Nuntius war es allein der
ihn ruͤckgaͤngig machte, hauptſaͤchlich weil die Englaͤnder
das ausdruͤckliche Verſprechen verlangten, Handel und Wan-
del in Ruhe treiben zu duͤrfen, ohne um ihrer Religion
willen belaͤſtigt zu werden 1).
Genug ſo gemaͤßigt auch Koͤnig Stephan ſeyn mochte,
ſo nahm ſich doch zuerſt unter ihm der Katholicismus wie-
der weſentlich auf.
Es hatte dieß aber deſto mehr zu bedeuten, da die
maͤchtigſte Partei im Lande, die Faction Zamoisky, der
durch die Gunſt des Koͤnigs uͤberhaupt die wichtigſten Stel-
len zufielen, auch eine katholiſche Farbe annahm 2), und
da dieſe es war, die nach dem Tode Stephans in den
Wahlſtreitigkeiten den Ausſchlag gab. Jenen ſchwediſchen
Prinzen, welchen Catharina Jagellonica im Gefaͤngniß ge-
boren, und der von erſter Jugend an, ſey es durch ur-
ſpruͤng-
[369]der katholiſchen Reſtauration. Polen.
ſpruͤngliche Neigung, oder durch den Einfluß der Mutter, oder
gleich durch die Hoffnung auf die polniſche Krone, oder
durch alles zuſammen, in der Mitte eines proteſtantiſchen
Landes unerſchuͤtterlich bei dem katholiſchen Glauben feſt-
gehalten worden war, brachten die Zamoiskys auf den Thron.
Es iſt Siegmund III, ein Fuͤrſt, deſſen Geſinnung ſich
durchaus nach den katholiſchen Antrieben bildete, die da-
mals Europa in Bewegung ſetzten.
Papſt Clemens VIII. ſagt in einer ſeiner Inſtructio-
nen, er habe — noch als Cardinal und Legat in Polen
— dieſem Fuͤrſten den Rath gegeben, alle Stellen des oͤf-
fentlichen Dienſtes in Zukunft nur an Katholiken zu ver-
theilen. Schon oͤfter war dieſer Rath gegeben worden:
von Paul IV. bereits, vom Cardinal Hoſius 1), auch von
Bolognetto. Jetzt aber erſt fand ſich ein geeigneter Boden, um
ihn aufzunehmen. Was weder von Siegmund Auguſt noch
von Stephan zu erhalten geweſen war, dazu zeigte ſich Sieg-
mund III. ſehr bald entſchloſſen. Er machte es in der That
zu ſeinem Grundſatze, nur noch die Katholiſchen zu befoͤr-
dern, und Papſt Clemens hat ganz Recht, wenn er den
Fortgang des Katholicismus in Polen vor allem dieſer
Maaßregel zuſchreibt.
Das vornehmſte Attribut der koͤniglichen Gewalt in
Polen beſtand in der Verleihung der Wuͤrden. Alle geiſt-
Päpſte* 24
[370]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
lichen und weltlichen Stellen, groͤßere und geringere —
man wollte ihrer bei 20000 rechnen — vergab der Koͤnig.
Welch einen Einfluß mußte es nun haben, daß Siegmund
III. begann, nicht allein die geiſtlichen, ſondern alle Aemter
uͤberhaupt bloß mit Katholiken zu beſetzen: die Wohlthat des
Staates wie einſt die Italiener ſagten, das volle Buͤrgerrecht
in hoͤherm Sinne, bloß ſeinen Glaubensgenoſſen angedei-
hen zu laſſen. Man kam um ſo beſſer fort, je mehr man
ſich die Gunſt der Biſchoͤfe, der Jeſuiten erwarb. Der
Staroſt Ludwig von Mortangen erlangte die pomerelliſche
Woiwodſchaft hauptſaͤchlich dadurch, daß er ſein Haus in
Thorn der Geſellſchaft Jeſu ſchenkte. Wenigſtens in den
polniſch-preußiſchen Landſchaften bildete ſich hierauf eine
Oppoſition zwiſchen den Staͤdten und dem Adel, welche
eine religioͤſe Farbe annahm. Urſpruͤnglich hatten beide den
Proteſtantismus ergriffen: jetzt trat der Adel zuruͤck. Das
Beiſpiel der Koſtka, Dzialinsky, Konopat, welche maͤchtig
wurden weil ſie uͤbertraten, uͤbte einen großen Einfluß
auf die uͤbrigen aus. Die Schulen der Jeſuiten wurden
hauptſaͤchlich von dem jungen Adel beſucht: bald finden wir,
daß ſich die Jeſuitenſchuͤler in den proteſtantiſch verbliebenen
Staͤdten an der buͤrgerlichen Jugend reiben. Aber uͤberhaupt
ergriff die neue Einwirkung beſonders die Edelleute. Das
Collegium zu Pultusk zaͤhlte 400 Zoͤglinge, alle von Adel 1).
Der Impuls der im Allgemeinen im Geiſte der Zeit lag, der
Unterricht der Jeſuiten, der neu erwachte Eifer in der ge-
ſammten Geiſtlichkeit, und die Beguͤnſtigung des Hofes,
[371]der katholiſchen Reſtauration. Polen.
alles kam zuſammen um den polniſchen Adel zum Ruͤcktritt
zum Katholicismus zu ſtimmen.
Es verſteht ſich aber, daß man auch ſogleich weiter
ging, und diejenigen die nun nicht uͤbertraten, die Ungunſt
der Staatsgewalt empfinden ließ.
In Polen kehrte die katholiſche Geiſtlichkeit beſonders
den Anſpruch hervor, daß die kirchlichen Gebaͤude, die ja
von Katholiſch-glaͤubigen, unter der Mitwirkung der Bi-
ſchoͤfe, haͤufig der Paͤpſte, gegruͤndet worden, ein unver-
aͤußerliches Eigenthum ihrer Kirche ſeyen. Allenthalben,
wo der katholiſche Dienſt von den Pfarrkirchen ausgeſchloſ-
ſen worden, erhoben die Biſchoͤfe, geſtuͤtzt auf jenen Grund-
ſatz, gerichtliche Klagen. Die Gerichte waren jetzt mit ei-
frigen Katholiken beſetzt: gegen eine Stadt nach der andern
begannen die nemlichen Proceſſe, erfolgten die nemlichen
Urtel: es half nichts daß man an den Koͤnig appellirte
und ihn an jene Confoͤderation erinnerte, durch welche bei-
den Bekenntniſſen gleicher Schutz verheißen worden: die
Antwort war: der gleiche Schutz beſtehe eben darin, daß
man jedem Theile zu ſeinem Rechte verhelfe: die Confoͤ-
deration ſchließe keine Verſicherung der kirchlichen Gebaͤude
ein 1). In wenigen Jahren ſetzten ſich die Katholiſchen
in den Beſitz aller Pfarrkirchen in den Staͤdten: „in den
Pfarrkirchen“, rief der Pole aus, „wird der alte Gott ver-
ehrt“: in den kleineren preußiſchen Staͤdten durfte der
evangeliſche Gottesdienſt nur noch in einem Zimmer auf
24*
[372]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
dem Rathhauſe ausgeuͤbt werden: von den groͤßern behaup-
tete allein Danzig ſeine Pfarrkirche 1).
In dieſem Augenblick eines gluͤcklichen Fortganges
aber blieb man nicht allein bei der Bekaͤmpfung der Pro-
teſtanten ſtehn, man faßte auch ſchon die Griechen ins
Auge.
Koͤnig und Papſt vereinigten auch hier ihren Einfluß:
beſonders wirkſam war, ſo viel ich finde, die Drohung
die griechiſchen Biſchoͤfe von Sitz und Stimme in dem
Senat auszuſchließen: genug, der Wladika von Wladimir
und einige andere griechiſche Biſchoͤfe entſchloſſen ſich im
Jahre 1595, ſich nach Maaßgabe des florentiniſchen Con-
ciliums mit der roͤmiſchen Kirche zu vereinigen. Ihre Ge-
ſandten gingen nach Rom: roͤmiſche und koͤnigliche Abge-
ordnete erſchienen in der Provinz: die Ceremonie der Ver-
ſoͤhnung ward vollzogen: ein Jeſuit, Beichtvater des Koͤ-
nigs belebte ſie durch eine begeiſterte Predigt; den Katho-
liſchen wurden auch hier einige Kirchen eingeraͤumt.
Ein ungemeiner Aufſchwung binnen wenigen Jah-
ren. Vor kurzem, ſagt ein paͤpſtlicher Nuntius ſchon im
Jahre 1598, konnte es ſcheinen, als wuͤrde die Ketzerei
den Katholicismus in Polen vollends beſeitigen: jetzt traͤgt
der Katholicismus die Ketzerei zu Grabe.
Fragte man wodurch dieß hauptſaͤchlich geſchehen war,
ſo war es doch vor allem die perſoͤnliche Geſinnung des
Koͤnigs.
Eine Geſinnung die bei der eigenthuͤmlichen Stellung
[273]der katholiſchen Reſtauration. Schweden.
dieſes Fuͤrſten ſogleich noch weitere große Ausſichten er-
oͤffnete.
Verſuch auf Schweden.
Durch den Tod ſeines Vaters Johann im Jahre 1592
wurde Siegmund Koͤnig von Schweden.
Zwar war er hier weder an und fuͤr ſich unbeſchraͤnkt,
noch auch ohne perſoͤnliche Verpflichtung. Schon 1587
hatte er eine Verſicherung unterzeichnet, daß er in den Ce-
remonien der Kirche nichts aͤndern, daß er ſelbſt Niemand
befoͤrdern wolle der nicht Proteſtant ſey: und auch jetzt
verpflichtete er ſich aufs neue, die Privilegien der Geiſtli-
chen wie der Laien erhalten, um der Religion willen Nie-
mand haſſen noch lieben, die Landeskirche auf keine Weiſe
beeintraͤchtigen zu wollen. Nichts deſto minder erwachten
auf der Stelle alle Hoffnungen der Katholiſchen, alle Be-
ſorgniſſe der Proteſtanten.
Was die Katholiſchen zu erreichen immer ſo eifrig ge-
wuͤnſcht, einen Koͤnig ihres Glaubens in Schweden zu
haben, war ihnen jetzt gewaͤhrt. Von katholiſcher Beglei-
tung umgeben, bei der ſelbſt ein paͤpſtlicher Nuntius, Ma-
laſpina, nicht fehlte, brach Siegmund im Juli 1593
nach ſeinem Erbreich auf. Schon ſeine Reiſe durch die
preußiſchen Provinzen war mit Befoͤrderungen des Katho-
licismus bezeichnet. In Danzig ereilte ihn ein paͤpſtli-
cher Abgeordneter, Bartholomaͤus Powſinsky, mit einem
Geſchenke von 20000 Scudi, „einem kleinen Beitrag“, wie
[374]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
es in der Inſtruction heißt, „zu den Koſten welche die
Herſtellung des Katholicismus veranlaſſen koͤnnte.“
Sehr merkwuͤrdig iſt dieſe Inſtruction. Sie zeigt uns,
wie unbedingt man in Rom dieſe Herſtellung hoffte und
empfahl 1).
„Powſinsky“, heißt es in derſelben, „ein vertrauter
Diener Sr Heiligkeit und Vaſall Sr Majeſtaͤt, werde ge-
ſendet, um dem Koͤnige die Theilnahme des Papſtes an den
erwuͤnſchten Ereigniſſen, die ihm ſeit kurzem begegnet, zu
bezeigen: an der Niederkunft ſeiner Gemahlin, dem guten
Ausgange des letzten Reichstages, vor allem aber an dem
groͤßten Gluͤck das ihm haͤtte wiederfahren koͤnnen, nem-
lich daß er jetzt Gelegenheit habe den Katholicismus in
ſeinem Vaterlande wiederherzuſtellen.“ Der Papſt ver-
ſaͤumt nicht einige Geſichtspunkte fuͤr dieſes Werk anzu-
geben.
„Ohne Zweifel durch Gottes beſondere Vorſehung“,
ſagt er, „ſeyen gerade mehrere Bisthuͤmer, unter andern
ſelbſt der erzbiſchoͤfliche Stuhl in Upſala erledigt 2). Sollte
der Koͤnig ja einen Augenblick anſtehn die proteſtantiſchen
Biſchoͤfe, die es noch im Lande gebe, zu entfernen, ſo werde
er doch unfehlbar die erledigten Sitze mit Katholiſch-glaͤu-
bigen beſetzen.“ Der Abgeordnete hat ein Verzeichniß von
[375]der katholiſchen Reſtauration. Schweden.
ſchwediſchen Katholiken bei ſich, die dazu geeignet ſcheinen.
Der Papſt iſt uͤberzeugt, daß dieſe Biſchoͤfe dann ſchon
darauf denken werden, katholiſche Pfarrer und Schul-
meiſter zu bekommen. Nur muß man ihnen dazu die
Moͤglichkeit verſchaffen.
„Vielleicht“, meint er, „laſſe ſich ſogleich ein Jeſui-
tencollegium in Stockholm einrichten. Waͤre dieß aber
nicht der Fall, ſo werde der Koͤnig doch gewiß ſo viel
faͤhige junge Schweden als er nur finden koͤnne, nach Po-
len mitnehmen, und ſie an ſeinem Hofe, bei einigen der
eifrigſten Biſchoͤfe oder in den polniſchen Jeſuitencollegien
im katholiſchen Glauben aufziehen laſſen.“
Die erſte Abſicht war hier, wie allenthalben, ſich des
Clerus wieder zu bemeiſtern. Noch eine andere hatte indeß
der Nuntius gefaßt. Er dachte die Katholiken die in
Schweden noch uͤbrig waren zu veranlaſſen, gegen die Pro-
teſtanten Beſchwerde zu fuͤhren. Dann werde der Koͤnig
eine Stellung uͤber beiden Parteien nehmen, jede Neuerung
werde das Anſehen einer rechtlichen Entſcheidung bekommen
koͤnnen 1). Es war ihm nur leid, daß Siegmund nicht
eine ſtaͤrkere bewaffnete Macht mit ſich fuͤhrte, um ſeinen
Entſchluͤſſen Nachdruck zu verſchaffen.
Nun laͤßt ſich wohl nicht beweiſen, daß der Koͤnig
[376]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
die Abſichten des roͤmiſchen Hofes auch ſogleich zu den ſeini-
gen gemacht habe. So viel ſich aus ſeinen eigenen Erklaͤ-
rungen abnehmen laͤßt, mochte zunaͤchſt ſein Sinn dahin gehn,
den Katholiſchen nur erſt einige Freiheiten zu verſchaf-
fen ohne die proteſtantiſche Verfaſſung umzuſtuͤrzen. Aber
ſollte er faͤhig ſeyn dem ſtarken religioͤſen Antriebe Ein-
halt zu thun, der ſeine Umgebung beherrſchte, deſſen Re-
praͤſentanten er mit ſich fuͤhrte? Durfte man glauben,
daß er an jenem Punkte, wenn er ihn erreicht haͤtte, ſtehn
bleiben wuͤrde?
Die Proteſtanten wollten es nicht erwarten. Die
Abſichten die man dieſſeit hegte, riefen jenſeit unmittelbar,
faſt unbewußt, ihr Gegentheil hervor.
Gleich nach dem Tode Johanns vereinigten ſich die
ſchwediſchen Reichsraͤthe — fruͤher und ſpaͤter beruͤhmte
Namen: Gyllenſtern, Bielke, Baner, Sparre, Oxenſtern
— mit dem Bruder des verſtorbenen, dem Oheim des jun-
gen Koͤnigs, noch Einem von den Soͤhnen Guſtav Wa-
ſas, dem eifrig proteſtantiſchen Herzog Carl, „ihn in Abwe-
ſenheit ſeines Neffen als Reichsgubernator anzuerkennen
und ihm in alle dem Gehorſam zu verſprechen, was er zur
Erhaltung der augsburgiſchen Confeſſion in Schweden thun
werde.“ In dieſem Sinne ward im Merz 1593 ein Con-
cilium zu Upſala gehalten. Das augsburgiſche Bekennt-
niß ward hier aufs neue proclamirt, die Liturgie des Koͤ-
nigs Johann verdammt, ſelbſt in dem fruͤhern Ritus alles
das ermaͤßigt, was noch an katholiſche Gebraͤuche zu erin-
nern ſchien, — den Exorcismus behielt man nur in mil-
dern Ausdruͤcken und um ſeiner moraliſchen Bedeutung wil-
[377]der katholiſchen Reſtauration. Schweden.
len bei 1); es ward eine Erklaͤrung abgefaßt, daß man kei-
nerlei Ketzerei, weder papiſtiſche noch calviniſtiſche, im Lande
dulden werde 2). In demſelben Sinne wurden nun auch
die Stellen beſetzt. Viele alte Vertheidiger der Liturgie
ſagten ihr jetzt ab, doch nicht allen half das; einige wur-
den doch entfernt. Die Bisthuͤmer, auf deren Erledigung
man zu Rom ſo große Entwuͤrfe gegruͤndet, wurden Luthe-
ranern gegeben: das Erzbisthum Upſala dem heftigſten Geg-
ner der Liturgie, M. Abraham Angermannus: durch eine
unverhaͤltnißmaͤßige Majoritaͤt — er hatte 243 und ſein
naͤchſter Mitbewerber nur 38 Stimmen — ſtellte die Geiſt-
lichkeit den eifrigſten Lutheraner den ſie finden konnte an
ihre Spitze.
Unter Koͤnig Johann hatte ſich bis zuletzt ein mitt-
lerer, dem Papſtthum nicht ſo ſcharf wie anderwaͤrts ent-
gegengeſetzter Zuſtand erhalten: leicht haͤtte Siegmund
eine Veraͤnderung, wie die Katholiken ſie wuͤnſchten, daran
knuͤpfen koͤnnen: aber jetzt war man ihm von der andern
Seite zuvorgekommen: der Proteſtantismus hatte ſich feſter
in Beſitz geſetzt, als er es jemals geweſen war.
[378]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Auch die koͤniglichen Gerechtſame Siegmunds waren
hiebei nicht geſchont worden. Er ward ſchon nicht eigent-
lich mehr ganz als der Koͤnig, vielmehr als ein Fremder
mit dem Anſpruch an die Krone, als ein Abtruͤnniger, vor
dem man ſich in Acht nehmen muͤſſe, der die Religion be-
drohe, ward er betrachtet. Die große Mehrheit der Na-
tion, einmuͤthig in ihren proteſtantiſchen Ueberzeugungen,
hielt ſich an Herzog Carl.
Wohl fuͤhlte der Koͤnig ſeine vereinſamte Stellung,
als er angekommen. Er konnte nichts thun; er ſuchte nur
die Forderungen die man an ihn machte, von ſich abzu-
lehnen.
Aber indeſſen er ſchwieg und wartete, geriethen die
Gegenſaͤtze in Kampf, die einander hier noch nie ſo unmit-
telbar gegenuͤber geſtanden. Die evangeliſchen Prediger ſchal-
ten wider die Papiſten: die jeſuitiſchen die in der Hofca-
pelle predigten, blieben die Antwort nicht ſchuldig. Die
Katholiken des koͤniglichen Gefolges bemaͤchtigten ſich bei
einer Beerdigung einer evangeliſchen Kirche: die Proteſtanten
hielten hierauf fuͤr noͤthig ſich der Benutzung ihres ent-
weihten Heiligthums eine Zeitlang zu enthalten. Schon
kam es zu Thaͤtlichkeiten. Die Heiducken brauchten Ge-
walt um ſich einer verſchloſſenen Kanzel zu bemaͤchtigen:
dem Nuntius warf man vor, daß er aus ſeinem Hauſe
mit Steinen nach ſingenden Chorknaben habe werfen laſ-
ſen: die Erbitterung ſtieg von Moment zu Moment.
Endlich ging man nach Upſala um die Kroͤnung zu
vollziehen. Die Schweden forderten vor allen Dingen die
Beſtaͤtigung der Schluͤſſe ihres Conciliums. Der Koͤnig
[379]der katholiſchen Reſtauration. Schweden.
ſtraͤubte ſich. Er wuͤnſchte nur Duldung fuͤr den Katho-
licismus: er waͤre zufrieden geweſen, haͤtte man ihm nur
die Ausſicht gelaſſen ſie in Zukunft einmal zu geſtatten.
Aber dieſe ſchwediſchen Proteſtanten waren unerſchuͤtterlich.
Man behauptet, die eigene Schweſter des Koͤnigs 1) habe
ihnen geſagt, die Natur deſſelben ſey, nach langem und
und ſtandhaftem Widerſtande, endlich doch nachzugeben,
und in ſie gedrungen, ihn nur immer aufs neue zu beſtuͤr-
men. Sie forderten ſchlechthin, daß allenthalben in Kir-
chen und Schulen einzig und allein die Lehre der Augsbur-
ger Confeſſion verkuͤndigt werden ſolle 2). An ihrer Spitze
ſtand Herzog Carl. Die Stellung die er einnahm, gab
ihm eine Unabhaͤngigkeit und Macht, wie er ſie ſonſt nie-
mals haͤtte hoffen duͤrfen. Sein perſonliches Verhaͤltniß zu
dem Koͤnige ward immer unangenehmer, bitterer. Der Koͤ-
nig, wie geſagt, war faſt ganz ohne Waffen: der Herzog
ſammelte ein paar tauſend Mann auf ſeinen Guͤtern um
die Stadt her. Endlich erklaͤrten die Staͤnde dem Koͤnig
geradezu, man werde ihm die Huldigung nicht leiſten, wenn
er ſich nicht fuͤge 3).
Der arme Fuͤrſt ſah ſich in ſchmerzlicher Verlegenheit.
[380]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Zuzugeſtehn was man von ihm verlangte beſchwerte ihn
in ſeinem Gewiſſen, es zu verweigern brachte ihn um eine
Krone.
In dieſer Noth fragte er zuerſt bei dem Nuntius an,
ob er nicht nachgeben duͤrfe. Malaſpina war nicht dahin
zu bringen, das gutzuheißen.
Hierauf wandte ſich der Koͤnig an die Jeſuiten in ſeinem
Gefolge. Was der Nuntius nicht gewagt, nahmen ſie auf
ſich. Sie erklaͤrten, in Betracht der Nothwendigkeit und
der unverkennbaren Gefahr, in der ſich der Koͤnig befinde,
koͤnne er den Ketzern ihre Forderung zugeſtehn, ohne Gott
zu beleidigen. Nicht eher gab ſich der Koͤnig zufrieden,
als bis er dieſen Beſcheid ſchriftlich in Haͤnden hatte.
Alsdann erſt fuͤgte er ſich den Forderungen ſeiner
Unterthanen. Er beſtaͤtigte die Schluͤſſe von Upſala, die
ausſchließende Uebung der unveraͤnderten Augsburger Con-
feſſion: ohne daß in Kirche oder Schule eine fremde
Lehre beigemiſcht, ohne daß irgend jemand angeſtellt wer-
den duͤrfe, der nicht zu ihrer Vertheidigung bereit ſey 1).
Er erkannte die Praͤlaten an, die wider ſeinen Willen in
jene Aemter gekommen.
Sollte ſich aber hiebei ſein katholiſches Herz beruhi-
gen? Sollte ſeine roͤmiſch-geſinnte Umgebung ſich mit ei-
nem Reſultat begnuͤgen, das ſie ſo ganz verdammen mußte?
Es waͤre an ſich nicht zu erwarten.
[381]der katholiſchen Reſtauration. Schweden.
In der That ſchritt man endlich zu einer Proteſta-
tion, wie ſie wohl in aͤhnlichen Faͤllen auch ſonſt vor-
gekommen iſt.
„Der Nuntius“, heißt es in dem Berichte, der uͤber
dieſe Sache nach Rom erſtattet wurde, mit deſſen Worten
ich wohl am beſten dieſe Thatſache erlaͤutere, „der Nun-
tius war eifrig bemuͤht der geſchehenen Unregelmaͤßigkeit
abzuhelfen. Er bewirkte, daß der Koͤnig zur Sicherheit
ſeines Gewiſſens ſchriftlich eine Proteſtation abfaßte, in
welcher er erklaͤrte, daß er nicht mit ſeinem Willen, ſon-
dern ganz allein durch Gewalt genoͤthigt, zugeſtanden, was
er zugeſtanden. Ferner bewog der Nuntius S. Maje-
ſtaͤt, auch den Katholiken entſprechende Zugeſtaͤndniſſe zu
machen: um wie in Polen, ſo auch in Schweden beiden
Theilen verpflichtet zu ſeyn: wie dieß auch bei dem deut-
ſchen Kaiſer Statt findet. Der Koͤnig war zufrieden dieß
zu thun“ 1).
[382]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Seltſame Auskunft. An einer Proteſtation iſt es noch
nicht genug. Um einer Verpflichtung, die man durch einen
Eid uͤbernommen, einigermaßen entledigt zu ſeyn, leiſtet
man der andern Partei einen entgegengeſetzten Eid: ſo iſt
man beiden verpflichtet, und in der Nothwendigkeit beiden
die gleiche Gerechtigkeit angedeihen zu laſſen.
Die Schweden waren erſtaunt, daß der Koͤnig nach
ſo feierlichen Verſprechungen doch ſogleich hierauf den Ka-
tholiſchen einen wenig verhehlten Schutz angedeihen ließ. Es
ruͤhrte ohne Zweifel von dieſer geheimen Verpflichtung her.
„Noch vor ſeiner Abreiſe“, faͤhrt unſer Berichterſtatter mit
Zufriedenheit fort, „gab der Koͤnig Aemter und Wuͤrden
an Katholiſchglaͤubige. Vier Statthalter, obwohl ſie Ketzer
waren, ließ er ſchwoͤren die Katholiken und ihre Religion
zu beſchuͤtzen. An vier Orten richtete er die Uebung des
katholiſchen Gottesdienſtes wieder ein.“
Maaßregeln welche vielleicht das unruhige Gewiſſen
eines devoten Fuͤrſten beſchwichtigen, allein auf den Gang
der Dinge keinen andern als einen nachtheiligen Einfluß
ausuͤben konnten.
Denn eben dadurch geſchah es, daß die ſchwediſchen
Staͤnde, in unaufhoͤrlicher Aufregung gehalten, ſich um ſo
entſchiedener in den Widerſtand warfen.
Die Geiſtlichkeit reformirte ihre Schulen in ſtreng lu-
theriſchem Sinne, ſie ordnete ein beſonderes Dankfeſt fuͤr
1)
[383]der katholiſchen Reſtauration. Schweden.
die Behauptung der wahren Religion „gegen die Abſich-
ten und Raͤnke der Jeſuiten“ an; 1595 ward auf dem
Reichstag von Suͤdercoͤping ein Beſchluß gefaßt, daß alle
Uebung des katholiſchen Ritus, wo ihn der Koͤnig etwa
eingerichtet hatte, wieder abgeſchafft werden ſollte. „Ein-
muͤthig heißen wir gut“, ſagen die Staͤnde, „daß alle Sec-
tirer, die der evangeliſchen Religion zuwider ſind und ih-
ren Sitz im Lande aufgeſchlagen haben, binnen 6 Wochen
aus dem ganzen Reiche entfernt werden“ 1): und auf das
ſtrengſte wurden dieſe Beſchluͤſſe ausgefuͤhrt. Das Kloſter
Wadſtena, das ſeit 211 Jahren beſtanden und ſich in der
Mitte ſo vieler Bewegungen noch immer erhalten, ward
nunmehr aufgeloͤſt und zerſtoͤrt. Angermannus hielt eine
Kirchenviſitation die ihres Gleichen nicht gehabt. Wer die
evangeliſche Kirche verſaͤumte, ward mit Ruthen gepeiſcht:
der Erzbiſchof fuͤhrte einige ſtarke Schuͤler mit ſich, welche
die Zuͤchtigung unter ſeiner Aufſicht vollzogen: die Altaͤre
der Heiligen wurden zerſtoͤrt, ihre Reliquien zerſtreut, die
Ceremonien, welche man noch 1593 fuͤr gleichguͤltig er-
klaͤrte, im Jahre 1597 an vielen Orten abgeſchafft.
Das Verhaͤltniß zwiſchen Siegmund und Carl gab
nun dieſer Bewegung eine perſoͤnliche Geſtalt.
Alles, was man that, lief dem wohlbekannten Willen
den Anordnungen des Koͤnigs entgegen: in allem hatte Her-
zog Carl einen uͤberwiegenden Einfluß. Wider den aus-
druͤcklichen Befehl Siegmunds hielt der Herzog die Reichs-
tage: jeden Eingriff deſſelben in die Landesangelegenheiten
ſuchte er zu entfernen, er ließ einen Beſchluß faſſen, kraft
[384]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
deſſen die Reſcripte des Koͤnigs erſt dann guͤltig ſeyn ſoll-
ten, wenn ſie von der ſchwediſchen Regierung beſtaͤtigt wor-
den 1).
Carl war bereits durch die That Fuͤrſt und Herr. Schon
regte ſich in ihm der Gedanke, es auch dem Namen nach
zu werden. Unter andern deutet es ein Traum an, den er
1595 hatte. Es kam ihm vor, als werde ihm auf einem
Gaſtmahle in Finnland eine verdeckte doppelte Schuͤſſel auf-
getragen: er hebt den Deckel auf: in der einen erblickt er
die Inſignien der Krone, in der andern einen Todtenkopf.
Aehnliche Gedanken regen ſich in der Nation. Es geht
eine Sage durchs Land, man habe in Linkoͤping einen ge-
kroͤnten Adler mit einem ungekroͤnten ſtreiten ſehen: der un-
gekroͤnte habe den Platz behalten.
Als es aber ſo weit war, als die proteſtantiſchen
Grundſaͤtze mit ſo vieler Haͤrte geltend gemacht wurden,
ihr Vorfechter einen Anſpruch auf die koͤnigliche Gewalt
zu erheben ſchien, regte ſich doch auch eine Partei fuͤr
den Koͤnig. Einige Große, die an ſeiner Autoritaͤt einen
Ruͤckhalt gegen den Herzog geſucht, wurden verjagt: ihre
Anhaͤnger blieben im Lande: das gemeine Volk war miß-
vergnuͤgt uͤber die Abſchaffung aller Ceremonien, und lei-
tete laͤndliche Unfaͤlle von dieſer Vernachlaͤßigung her: in
Finnland hielt der Statthalter Flemming das Banner des
Koͤnigs aufrecht.
Eine
[385]der katholiſchen Reſtauration. Schweden.
Eine Lage der Dinge, die es fuͤr Koͤnig Siegmund
auf der einen Seite nothwendig, auf der andern rathſam
machte, ſein Gluͤck noch einmal zu verſuchen. Es war
vielleicht der letzte Moment, in welchem es ihm moͤg-
lich war ſeine Gewalt herzuſtellen. Im Sommer 1598
brach er zum zweiten Male auf um ſein Erbreich einzu-
nehmen.
Er war dieß Mal wo moͤglich noch ſtrenger katholiſch
als fruͤher. Der gute Herr glaubte, das mancherlei Un-
gluͤck das ihn ſeit der erſten Reiſe betroffen, unter andern
der Tod ſeiner Gemahlin, ſey deshalb uͤber ihn geſchickt
worden, weil er damals den Ketzern Zugeſtaͤndniſſe gemacht
habe: mit tiefem Herzeleid eroͤffnete er dem Nuntius dieſen
ſeinen peinlichen Gedanken. Er erklaͤrte, er wolle eher ſter-
ben, als aufs neue etwas geſtatten, was die Reinheit ſei-
nes Gewiſſens beflecken koͤnne.
Es verknuͤpfte ſich aber hiemit zugleich ein europaͤiſches
Intereſſe. In ſo großem Fortgange war der Katholicis-
mus, daß er auch ein Unternehmen in einem ſo entfern-
ten Theile von Europa hauptſaͤchlich im Lichte einer allge-
meinen Combination betrachtete.
Schon fruͤher hatten die Spanier in ihrem Kampfe
mit England ihre Augen geworfen, zuweilen auf die ſchwe-
diſchen Kuͤſten; ſie hatten gefunden, der Beſitz eines ſchwc-
diſchen Hafens werde ihnen von dem groͤßten Nutzen ſeyn,
und Unterhandlungen daruͤber eroͤffnet. Jetzt zweifelte man
nicht, daß Siegmund, wenn er nur erſt Herr in ſeinem
Lande ſey, ihnen Elfsborg in Weſtgothland einraͤumen werde.
Päpſte* 25
[386]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Leicht laſſe ſich hier eine Flotte erbauen, in Stand halten,
mit Polen und Schweden bemannen: wie viel anders koͤnne
man von hier, als von Spanien aus, England den Krieg
machen; gar bald werde es vergeſſen Indien anzugreifen.
Auch fuͤr die Autoritaͤt des Koͤnigs in Schweden koͤnne
ein Bund mit dem katholiſchen Koͤnig nicht anders als
vortheilhaft ſeyn 1).
Aber noch mehr. Die Katholiſchen zogen in Betracht,
daß ſie ſich zur Herrſchaft in Finnland und auf der Oſtſee
erheben wuͤrden. Von Finnland aus hofften ſie einen gluͤck-
lichen Angriff auf das ruſſiſche Reich machen, durch den
Beſitz des baltiſchen Meeres das Herzogthum Preußen in
ihre Gewalt bringen zu koͤnnen. Noch hatte das Churhaus
Brandenburg die Belehnung durch keine Unterhandlung zu
erwerben vermocht; der Nuntius verſichert, der Koͤnig ſey
entſchloſſen ſie demſelben nicht zu gewaͤhren, ſondern das
Herzogthum an die Krone zu bringen: er ſucht ihn darin
nach Kraͤften zu beſtaͤrken, hauptſaͤchlich, wie ſich verſteht,
aus religioͤſen Erwaͤgungen: denn niemals werde Branden-
burg die Wiederherſtellung des Katholicismus in Preußen
zugeſtehn 2).
[387]der katholiſchen Reſtauration. Schweden.
Betrachtet man den Umfang der Ausſichten, welche
ſich an einen Erfolg des Koͤnigs knuͤpften, der doch ſo
unwahrſcheinlich nicht war auf der einen, und auf der an-
dern Seite die allgemeine Bedeutung, welche dem ſchwedi-
ſchen Reiche bevorſtand, wenn der Proteſtantismus den
Sieg davon trug, ſo erkennt man hier den Moment einer
weltgeſchichtlichen Entſcheidung.
Zamoisky hatte dem Koͤnig gerathen, an der Spitze
eines ſtarken Heeres aufzubrechen, um Schweden mit den
Waffen zu erobern. Koͤnig Siegmund hielt dafuͤr, daß das
nicht noͤthig ſey; er wollte nicht glauben, daß man ihm in
ſeinem Erbreiche Gewalt entgegenſetzen werde. Er hatte in-
deß ungefaͤhr 5000 Mann bei ſich: ohne Widerſpruch lan-
dete er mit ihnen in Calmar, und ſetzte ſich von da ge-
gen Stockholm in Bewegung; hier war eine andere Ab-
theilung ſeiner Truppen bereits angelangt und aufgenom-
men worden; eine finniſche Schaar ruͤckte gegen Upland vor.
Indeſſen hatte ſich auch Herzog Carl geruͤſtet. Es
war offenbar mit ſeiner Macht ſo wie mit der Alleinherr-
ſchaft des Proteſtantismus aus, wenn der Koͤnig den Sieg
behielt. Waͤhrend ſeine Uplandsbauern die Finnen ab-
wehrten, ſtellte er ſich ſelbſt mit einer regelmaͤßigen Kriegs-
mannſchaft dem Koͤnige auf ſeinem Zuge bei Stegeborg
in den Weg. Er forderte die Entfernung der koͤniglichen
Heere, die Uebertragung der Entſcheidung an einen Reichs-
tag: alsdann wolle er auch ſeine Leute entlaſſen. Der Koͤ-
2)
25*
[388]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
nig ging nicht darauf ein. Die feindlichen Schaaren ruͤck-
ten gegen einander.
Gering an Zahl: unbedeutende Maſſen: jede von ein
paar tauſend Mann. Aber die Entſcheidung erfolgte nicht
minder nachhaltig, als waͤre ſie durch große Heere herbei-
gefuͤhrt worden.
An der Perſon der Fuͤrſten lag doch alles. Carl, ſein
eigener Rathgeber, trotzig, entſchloſſen, ein Mann: und
was die Hauptſache war, weſentlich im Beſitz. Siegmund,
von andern abhaͤngig, weich, gutmuͤthig: kein Kriegsmann:
und jetzt in der ungluͤcklichen Nothwendigkeit das Reich
das ihm gehoͤrte erobern zu muͤſſen: zwar legitim, aber
im Kampfe gegen das Beſtehende.
Zwei Mal ſtießen die Truppen bei Stangebro auf ein-
ander. Zuerſt mehr durch Zufall als mit Abſicht: der
Koͤnig war im Vortheil, und er ſelbſt ſoll der Ermordung
der Schweden Einhalt gethan haben. Das zweite Mal
aber, als die Dalkarlier ſich fuͤr den Herzog erhoben, ſeine
Flotte angekommen war, hatte dieſer die Oberhand: den
Mord der Polen hielt Niemand ein: Siegmund erlitt eine
vollſtaͤndige Niederlage: er mußte alles eingehn was man
von ihm forderte 1).
Ließ er ſich doch ſogar dahin bringen, die einzigen
Getreuen auszuliefern die er gefunden, damit ſie vor ein
ſchwediſches Gericht geſtellt wuͤrden. Er ſelbſt verſprach,
ſich der Entſcheidung des Reichstages zu unterwerfen.
[389]der katholiſchen Reſtauration. Schweden.
Doch war dieß nur eine Auskunft fuͤr die Verlegen-
heiten des Augenblicks. Statt den Reichstag zu beſuchen,
wo ihm nur die traurige Rolle des Beſiegten haͤtte zu
Theil werden koͤnnen, ſchiffte er mit dem erſten guͤnſtigen
Winde nach Danzig zuruͤck.
Er ſchmeichelte ſich wohl mit der Hoffnung, ein an-
der Mal, in einem gluͤcklichern Augenblick, doch noch Herr
in ſeinem Erbreiche zu werden: in der That aber uͤberließ
er es durch dieſe Entfernung ſich ſelber und dem uͤberwie-
genden Einfluſſe ſeines Oheims, der kein Bedenken trug
nach einiger Zeit auch den Koͤnigstitel anzunehmen, und
alsdann den Krieg nicht erſt lange in Schweden erwartete,
ſondern ihn nach dem polniſchen Gebiete ſpielte, wo er un-
ter abwechſelnden Schickſalen gefuͤhrt ward.
Ausſicht auf Rußland.
In kurzem aber ſchien es, als wolle ſich dieſes fehl-
geſchlagene Unternehmen durch einen andern gluͤcklichen Er-
folg verguͤten.
Man weiß, wie ſo manch Mal ſchon ſich die Paͤpſte
Hoffnung gemacht hatten Rußland zu gewinnen — ſchon
Adrian VI, Clemens VII: dann hatte der Jeſuit Poſ-
ſevin bei Iwan Waſiljowitſch ſein Gluͤck verſucht: noch
1594 ſandte Clemens VIII. einen gewiſſen Comuleo nach
Moskau, mit mehr als gewoͤhnlichem Vertrauen, da er
die Sprache kannte: allein es waren alles vergebliche
Beſtrebungen; erklaͤrte doch Boris Godunow geradezu,
[390]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
„Moskwa ſey jetzt das wahre rechtglaͤubige Rom“: er
ließ fuͤr ſich beten „als fuͤr den einzigen chriſtlichen Herr-
ſcher auf Erden.“
Um ſo willkommener war unter dieſen Umſtaͤnden die
Ausſicht, welche das Auftreten des falſchen Demetrius auf
das unerwartetſte darbot.
Faſt noch mehr an die geiſtlichen, als an die politi-
ſchen Intereſſen von Polen ſchloß ſich Demetrius an.
Es war ein katholiſcher Beichtvater, dem er ſich zu-
erſt entdeckte: Vaͤter Jeſuiten wurden geſchickt ihn zu pruͤ-
fen: dann nahm ſich der paͤpſtliche Nuntius Rangone ſei-
ner an. Gleich bei der erſten Zuſammenkunft erklaͤrte ihm
dieſer, er werde nichts zu hoffen haben, wenn er nicht
die ſchismatiſche Religion abſchwoͤre und die katholiſche an-
nehme. Ohne viel Umſtaͤnde zeigte ſich Demetrius hiezu
bereit: er hatte es ſchon vorher verſprochen: den naͤchſten
Sonntag geſchah der Uebertritt 1). Er war entzuͤckt, daß
ihn hierauf Koͤnig Siegmund anerkannte: er ſchrieb es mit
Recht der Verwendung des Nuntius zu, und verſprach die-
ſem zur Ausbreitung und Vertheidigung des roͤmiſchen
Glaubens alles zu thun was in ſeinen Kraͤften ſtehe 2).
Ein Verſprechen das ſofort eine hohe Bedeutung be-
[391]der katholiſchen Reſtauration. Rußland.
kam. In Polen mochte man doch nicht recht an ihn glau-
ben. Wie ſehr erſtaunte man, als der armſelige Fluͤcht-
ling in der That bald darauf in den Pallaſt der Zaaren ein-
zog. Der ploͤtzliche Tod ſeines Vorgaͤngers, in welchem
das Volk ein Gottesurtheil ſah, mag wohl am meiſten
dazu beigetragen haben.
Und hier erneuerte nun Demetrius ſeine Zuſage: den
Neffen jenes Nuntius nahm er mit großer Ehrerbietung
bei ſich auf: da ſeine polniſche Gemahlin in kurzem bei
ihm anlangte, mit einem zahlreichen Hofe, nicht allein von
Rittern und Damen, ſondern vorzuͤglich von Moͤnchen —
Dominicanern, Franciscanern und Jeſuiten 1) — ſo ſchien
er ſein Wort unverzuͤglich halten zu wollen.
Aber eben dieß gereichte ihm am meiſten zum Verder-
ben. Was ihm die Unterſtuͤtzung der Polen verſchafft,
entzog ihm die Neigung der Ruſſen. Sie ſagten, er eſſe
und bade nicht wie ſie: er ehre die Heiligen nicht, er ſey
ein Heide und habe eine ungetaufte heidniſche Gemahlin
auf den Thron von Moskwa gefuͤhrt: unmoͤglich, das ſey
kein Zaarenſohn. 2)
Durch eine unerklaͤrliche Ueberzeugung hatten ſie ihn
anerkannt: durch eine andere, die ſich ihrer mit noch groͤ-
ßerer Staͤrke bemeiſterte, fuͤhlten ſie ſich bewogen ihn wie-
der zu ſtuͤrzen.
Der weſentliche Moment war doch auch hier die Re-
ligion. In Rußland erhob ſich wie in Schweden eine Ge-
[392]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
walt, die ihrem Urſprunge nach den Tendenzen des Katho-
licismus entgegengeſetzt war.
Innere Bewegungen in Polen.
Mißlungene Unternehmungen gegen einen aͤußern Feind
werden in der Regel die Wirkung haben, daß ſie innere
Streitigkeiten erwecken. Jetzt trat in Polen eine Bewe-
gung ein, die es zweifelhaft machte, ob der Koͤnig auf
die angefangene Weiſe werde weiter regieren koͤnnen. Sie
hatte folgende Urſachen.
Nicht immer hielt ſich Koͤnig Siegmund mit denen
in Einverſtaͤndniß, durch deren Bemuͤhung er zur Krone
gelangt war. Im Widerſpruch gegen Oeſtreich hatten ihn
dieſe berufen: er dagegen ſchloß ſich enge an Oeſtreich an.
Zweimal nahm er ſeine Gemahlin aus der Linie von
Graͤtz: er kam einſt in Verdacht, daß er die Krone an
dieß Haus bringen wolle.
Schon daruͤber war der Großkanzler Zamoisky miß-
vergnuͤgt. Noch mehr aber erbitterte ihn, daß der Koͤnig,
um von ſeinem Befoͤrderer ſelbſt unabhaͤngig zu werden,
nicht ſelten Gegner deſſelben zu den wichtigern Stellen er-
hob und in den Senat nahm 1).
[393]der katholiſchen Reſtauration. Polen.
Denn hauptſaͤchlich mit dem Senat ſuchte Siegmund III.
zu regieren. Er erfuͤllte ihn mit perſoͤnlich ergebenen Maͤn-
nern: zugleich machte er ihn ganz katholiſch: die Biſchoͤfe,
unter dem Einfluß des Nuntius von dem Koͤnig ernannt,
bildeten darin eine ſtarke und wohl allmaͤhlig die vorherr-
ſchende Partei.
Eben hieraus aber ergab ſich eine fuͤr die polniſche
Verfaſſung und die religioͤſen Intereſſen uͤberaus wichtige
doppelte Oppoſition.
Dem Senat als politiſchem Koͤrper ſetzten ſich die
Landboten entgegen. Wie jener an den Koͤnig, ſchloſſen
ſie ſich an Zamoisky 1), dem ſie eine unbedingte Vereh-
rung widmeten, und der ihrer Ergebenheit ein dem koͤnig-
lichen beinahe gleiches Anſehen verdankte. Eine Stellung
die fuͤr einen unternehmenden Magnaten einen maͤchtigen Reiz
haben mußte. Nach dem Tode des Großkanzlers bemaͤch-
tigte ſich ihrer der Palatin von Krakau, Zebrzydowski.
An dieſe Partei ſchloſſen ſich nun die Proteſtanten
an. Es waren doch am Ende die Biſchoͤfe, gegen welche
beide klagten, die Einen wegen ihres weltlichen, die An-
dern wegen ihres geiſtlichen Einfluſſes. Die Proteſtanten
beſchwerten ſich, daß man in einem Gemeinweſen wie das
polniſche, das auf freier Uebereinſtimmung beruhe, wohl-
erworbene Rechte unaufhoͤrlich kraͤnke, daß man gemeine
Leute zu hohen Wuͤrden erhebe, und Maͤnner von gutem
[394]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Adel noͤthigen wolle dieſen zu gehorchen. Viele Katho-
liſche ſtimmten ihnen hierin bei 1).
Es iſt wohl keine Frage, daß dieſes religioͤſe Element
der politiſchen Bewegung noch einen beſondern Antrieb
verlieh.
Nachdem die Beſchwerden oͤfter vorgetragen, die Sub-
ſidien verweigert, die Reichstage geſprengt worden — al-
les ohne Frucht, — ſo griffen die Mißvergnuͤgten endlich
zu dem aͤußerſten Mittel, und riefen den geſammten Adel
zum Rokoß. Rokoß war eine geſetzliche Form der Inſurrec-
tion: der verſammelte Adel machte alsdann den Anſpruch
Koͤnig und Senat vor ſein Gericht zu ziehen. In dieſer
Verſammlung waren die Evangeliſchen von um ſo groͤße-
rer Bedeutung, da ſie ſich mit den Griechiſch-glaͤubigen
vereinigten.
Indeſſen auch der Koͤnig hatte ſeine Anhaͤnger. Der
Nuntius hielt die Biſchoͤfe zuſammen 2): die Biſchoͤfe gaben
dem Senat ſeine Richtung: es ward ein Bund zur Ver-
theidigung des Koͤnigs und der Religion geſchloſſen: kluͤglich
ergriff man den guͤnſtigen Zeitpunkt, die alten Irrungen
zwiſchen Weltlichen und Geiſtlichen zu heben. Der Koͤnig
zeigte ſich auch in dem Augenblick der Gefahr unerſchuͤt-
terlich: er habe eine gerechte Sache, er traue auf Gott.
In der That behielt er die Oberhand. Im October
1606 ſprengte er den Rokoß auseinander, als ſich eben
[395]der katholiſchen Reſtauration. Polen.
eine große Anzahl ſeiner Mitglieder entfernt hatte: im
July 1607 kam es zu einem foͤrmlichen Treffen. Unter
dem Geſchrei Jeſu Maria griffen die koͤniglichen Truppen
den Feind an, und brachten ihm eine Niederlage bei. Noch
eine Zeitlang hielt ſich Zebrzydowski im Felde: aber im
Jahre 1608 mußte er ſich doch zur Unterwerfung beque-
men: es ward eine allgemeine Amneſtie verkuͤndigt.
Und hiedurch geſchah es nun, daß die Staatsverwal-
tung die katholiſche Richtung, welche ſie einmal eingeſchla-
gen, weiter verfolgen konnte.
Die Unkatholiſchen blieben von den Aemtern ausge-
ſchloſſen, und in Rom faͤhrt man fort die Wirkung zu prei-
ſen die dieß hervorgebracht habe 1). „Ein proteſtantiſcher
Fuͤrſt, — ein Fuͤrſt, der die Wuͤrden nur beiden Par-
teien zu gleichen Theilen verleihe, wuͤrde das ganze Land
mit Ketzereien anfuͤllen: das Privatintereſſe beherrſche nun
einmal die Menſchen. Da der Koͤnig ſo ſtandhaft ſey, ſo
folge der Adel dem Willen deſſelben.“
Auch in den koniglichen Staͤdten beſchraͤnkte man den
proteſtantiſchen Gottesdienſt: „ohne offenbare Gewalt“,
ſagt eine paͤpſtliche Inſtruction, „noͤthigt man doch die Ein-
wohner ſich zu bekehren“ 2).
[396]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Der Nuntius ſah darauf, daß die hoͤchſten Gerichte
im Sinne der katholiſchen Kirche beſetzt wuͤrden, und „nach
den Worten der heiligen canoniſchen Satzungen“ verfuͤhren.
Beſonders wichtig waren dann die gemiſchten Ehen. Das
hoͤchſte Tribunal wollte keine fuͤr guͤltig erkennen, die nicht
vor dem Pfarrer und einigen Zeugen geſchloſſen worden:
die Pfarrer aber weigerten ſich gemiſchte Ehen einzuſegnen:
kein Wunder, wenn gar Mancher ſchon deshalb ſich dem
katholiſchen Ritus unterwarf, um ſeine Kinder nicht in
Nachtheil zu ſetzen. Andere wurden dadurch bewogen, daß
man den Proteſtanten das Kirchenpatronat ſtreitig machte.
Tauſend Mittel beſitzt ein Staat um eine Meinung zu be-
foͤrdern, die er beguͤnſtigt: ſie wurden hier ſo weit es au-
ßer directem Zwange moͤglich war, alle angewendet; wenig
bemerkt, aber unaufhoͤrlich ging der Uebertritt fort.
Ohne Zweifel hatte hieran auch der Ernſt und
Nachdruck Antheil, mit welchem die Nuntien die geiſtlichen
Geſchaͤfte verwalteten. Sie hielten darauf, daß die Bis-
thuͤmer nur mit wohlgeeigneten Maͤnnern beſetzt wuͤrden:
viſitirten die Kloͤſter, und litten nicht, daß wie man wohl
zu thun angefangen, ungehorſame und ſtoͤrrige Mitglieder,
die man anderwaͤrts los ſeyn wollte, nach Polen geſchickt
wuͤrden: auch den Pfarren wendeten ſie ihre Aufmerkſam-
keit zu: geiſtliche Geſaͤnge, die Kinderlehre ſuchten ſie ein-
2)
[397]der katholiſchen Reſtauration. Polen.
zufuͤhren. Sie drangen auf die Einrichtung der biſchoͤfli-
chen Seminarien.
Unter ihnen arbeiteten nun beſonders die Jeſuiten.
In allen Provinzen finden wir ſie thaͤtig: unter dem ge-
lehrigen Volke der Liefen: in Littauen, wo ſie noch Spu-
ren des alten Schlangendienſtes zu bekaͤmpfen haben: un-
ter den Griechen, wo oft Jeſuiten die einzigen katholiſchen
Prieſter ſind; zuweilen muß die Taufe achtzehnjaͤhrigen
Juͤnglingen ertheilt werden, ſie ſtoßen auf hochbetagte Maͤn-
ner, welche niemals das Abendmahl empfangen: vorzuͤglich
aber in dem eigentlichen Polen, „wo“, wie ein Mitglied
ruͤhmt, „Hunderte von gelehrten, rechtglaͤubigen, gottge-
weihten Maͤnnern aus dem Orden beſchaͤftigt ſind, durch
Schulen und Sodalitaͤten, Wort und Schrift, Irrthuͤmer
auszurotten, die katholiſche Froͤmmigkeit zu pflanzen“ 1).
Auch hier erweckten ſie in ihren Anhaͤngern den ge-
wohnten Enthuſiasmus: auf das ungluͤcklichſte aber verei-
nigte er ſich mit der Inſolenz eines uͤbermuͤthigen jungen
Adels. Der Koͤnig vermied eigentliche Gewaltthaten: die
Jeſuitenſchuͤler hielten ſich fuͤr befugt dazu.
Nicht ſelten feierten ſie den Himmelfahrtstag damit,
daß ſie einen Sturm auf die Evangeliſchen machten, in
ihre Haͤuſer eindrangen, ſie pluͤnderten, verwuͤſteten; wehe
dem der ſich ergreifen, der ſich nur auf der Straße be-
treffen ließ.
Schon 1606 ward die Kirche, 1607 der Kirchhof der
Evangeliſchen in Krakau geſtuͤrmt: die Leichen wurden aus
[398]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
den Graͤbern herausgeworfen: 1611 zerſtoͤrte man die Kirche
der Proteſtanten in Wilna, mißhandelte oder toͤdtete ihre
Prieſter: 1615 erſchien in Poſen ein Buch, daß die Evan-
geliſchen kein Recht haͤtten in dieſer Stadt zu wohnen, im
naͤchſten Jahre zerſtoͤrten die Jeſuitenſchuͤler die boͤhmiſche
Kirche, ſo daß kein Stein auf dem andern blieb: die luthe-
riſche Kirche ward verbrannt. So ging es an vielen andern
Orten: hie und da wurden die Proteſtanten durch die ſteten
Angriffe genoͤthigt ihre Kirchen zu veraͤußern. Bald begnuͤgte
man ſich nicht mehr mit den Staͤdten: die Krakauer Stu-
denten verbrannten die benachbarten Kirchen auf dem Lande.
In Podlachien ging ein alter evangeliſcher Pfarrer, des Na-
mens Barkow, auf ſeinen Stab geſtuͤtzt vor ſeinem Wa-
gen daher: ein polniſcher Edelmann, der von der andern
Seite denſelben Weg kam, befahl ſeinem Kutſcher die
Pferde geradezu auf ihn loszutreiben: ehe der alte Mann
noch ausweichen konnte, war er ſchon uͤberfahren: er ſtarb
an ſeinen Wunden 1).
Mit alle dem konnte aber doch der Proteſtantismus
nicht unterdruͤckt werden. Der Koͤnig war durch ein Ver-
ſprechen gebunden, das er nicht die Macht hatte zuruͤckzu-
nehmen. Fuͤr ſich ſelbſt blieben die Herrn doch ungezwun-
gen, und nicht alle traten ſofort uͤber. Zuweilen wurde
nach vielen unguͤnſtigen auch ein guͤnſtiges Urtheil ausge-
bracht, und eine oder die andere Kirche wiederhergeſtellt.
In den polniſch-preußiſchen Staͤdten bildeten die Proteſtan-
ten immer die Majoritaͤt. Noch viel weniger waren die
[399]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
Griechen bei Seite zu bringen: jene Union von 1595 er-
weckte vielmehr Abſcheu als Nachfolge. Die Partei der
Diſſidenten, aus Proteſtanten und Griechen zuſammengeſetzt,
war immer von großer Bedeutung: die gewerbreichſten Staͤdte,
die ſtreitbarſten Voͤlkerſchaften, wie die Koſaken, gaben ihren
Forderungen einen beſondern Nachdruck. Dieſer Widerſtand
war um ſo maͤchtiger, da er an den Nachbarn, die nicht
hatten uͤberwaͤltigt werden koͤnnen, Rußland und Schwe-
den, von Tage zu Tage einen ſtaͤrkern Ruͤckhalt fand.
2.
Fortſetzung der Gegenreformation in Deutſchland.
Ganz andere Grundſaͤtze hegte man in Deutſchland:
jeder Fuͤrſt hielt es fuͤr ſein gutes Recht, in ſeinen Land-
ſchaften die Religion nach ſeinen perſoͤnlichen Grundſaͤtzen
einzurichten.
Ohne viel Zuthun der Reichsgewalt, ohne beſonderes
Aufſehen wogte dann die angefangene Bewegung weiter.
Beſonders hielten es die geiſtlichen Fuͤrſten fuͤr ihre
Pflicht ihre Territorien zum Katholicismus zuruͤckzufuͤhren.
Schon erſchienen die Schuͤler der Jeſuiten unter ih-
nen. Johann Adam von Bicken, Churfuͤrſt von Mainz
von 1601—1604, war ein Zoͤgling des Collegium Ger-
manicum in Rom. In dem Schloß von Koͤnigſtein hoͤrte
er einſt die Geſaͤnge, mit denen die dortige lutheriſche Ge-
meinde ihren verſtorbenen Pfarrer beſtattete. „Mag ſie
denn,“ rief er aus, „ihre Synagoge ehrlich zu Grabe brin-
[400]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
gen.“ Den naͤchſten Sonntag beſtieg ein Jeſuit die Kan
zel: einen lutheriſchen Prediger hat es daſelbſt niemals wie-
der gegeben. So ging es auch anderwaͤrts 1). Was
Bicken unvollendet gelaſſen, ſetzte ſein Nachfolger, Johann
Schweikard, eifrig fort. Es war ein Mann der die Freu-
den der Tafel liebte, der aber dabei ſelbſt regierte und ein
ungemeines Talent zeigte. Es gelang ihm die Gegenre-
formation in ſeinem ganzen Stifte, ſelbſt auf dem Eichs-
felde, zu vollenden. Er ſendete eine Commiſſion nach Hei-
ligenſtadt, welche binnen 2 Jahren 200 Buͤrger, unter ihnen
Viele die im proteſtantiſchen Glauben ergraut waren, zum
Katholicismus zuruͤckbrachte. Es waren noch einige wenige
uͤbrig: er ermahnte ſie perſoͤnlich „als ihr Vater und
Hirt,“ wie er ſagte, „aus tiefem getreuem Herzen“, und
brachte ſie zum Uebertritt. Mit außerordentlichem Vergnuͤ-
gen ſah er eine Stadt wieder katholiſch, die vor vierzig
Jahren voͤllig proteſtantiſch geweſen war 2).
So verfuhren nun auch Ernſt und Ferdinand von
Coͤln, beides baieriſche Prinzen: der Churfuͤſt Lothar aus
dem Hauſe Metternich von Trier, ein ausgezeichneter Fuͤrſt,
von ſcharfem Verſtand, mit dem Talente die Schwierig-
keiten die ſich ihm darboten zu uͤberwinden, prompt in
ſeiner Juſtiz, wachſam, um den Vortheil ſowohl ſeines
Landes als ſeiner Familie zu befoͤrdern, auch uͤbrigens leut-
ſelig und nicht allzu ſtrenge, nur mußte es nicht die Reli-
gion
[401]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
gion anbetreffen: Proteſtanten duldete er nicht an ſeinem
Hofe 1). So großen Namen geſellte ſich Neithard von Thuͤn-
gen, Biſchof von Bamberg, zu. Als er von ſeiner Hauptſtadt
Beſitz nahm, fand er den ganzen Rath bis auf zwei Mitglie-
der proteſtantiſch. Er hatte ſchon in Wuͤrzburg dem Biſchof
Julius beigeſtanden: er entſchloß ſich die Maaßregeln deſſelben
nunmehr auf Bamberg anzuwenden. Bereits fuͤr Weihnachten
1595 erließ er ſein Reformationsedict: es lautet auf Abend-
mahl nach katholiſchem Ritus oder Auswanderung; und ob-
wohl Domcapitel, Adel und Landſchaft ihm widerſprachen,
von den Nachbarn die dringendſten Vorſtellungen ergingen, ſo
finden wir doch alle die folgenden Jahre hindurch die Re-
formationsbefehle erneuert und im Ganzen ausgefuͤhrt 2).
Mit dem Bamberger wetteiferte in Niederdeutſchland Theo-
dor von Fuͤrſtenberg zu Paderborn. Im Jahre 1596 ſetzte
er alle Prieſter ſeiner Dioͤces gefangen, die das Abendmahl
unter beiderlei Geſtalt austheilten. Natuͤrlich gerieth er
hieruͤber mit ſeinem Adel in Entzweiung, und wir finden
Biſchof und Adel ſich wechſelſeitig ihre Heerden, ihre Stu-
tereien wegtreiben. Auch mit der Stadt gerieth er end-
lich in offene Fehde. Ungluͤcklicherweiſe erhob ſich hier ein
ungeſtuͤmer Volksfuͤhrer, der doch der großen Stellung nicht
gewachſen war, deren er ſich bemaͤchtigt hatte. Im Jahre
1604 ward Paderborn zu neuer Huldigung gezwungen.
Hierauf ward das Jeſuitencollegium auf das praͤchtigſte
ausgeſtattet: in kurzem erging auch hier ein Edict, das
Päpſte* 26
[402]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
nur zwiſchen Meſſe und Auswanderung die Wahl ließ.
Wie ſo ganz katholiſch wurden allmaͤhlig Bamberg und
Paderborn 1).
Hoͤchſt merkwuͤrdig bleibt alle Mal die raſche und da-
bei doch ſo nachhaltige Verwandlung, welche in allen die-
ſen Laͤndern hervorgebracht ward. Soll man annehmen,
daß der Proteſtantismus in der Menge noch nicht recht
Wurzel gefaßt hatte, oder ſoll man es der Methode der Je-
ſuiten zuſchreiben? Wenigſtens ließen ſie es an Eifer und
Klugheit nicht fehlen. Von allen Punkten wo ſie ſich feſtge-
ſetzt, ziehen ſie in weiten Kreiſen umher. Sie wiſſen die
Menge zu feſſeln: ihre Kirchen ſind die beſuchteſten: ſie
gehn immer auf die vornehmſte Schwierigkeit los: iſt ir-
gendwo ein bibelfeſter Lutheraner, auf deſſen Urtheil die
Nachbarn etwas geben, ſo wenden ſie alles an, um ihn zu
gewinnen: was ihnen auch bei ihrer Uebung in der Contro-
vers ſelten fehlſchlaͤgt. Sie zeigen ſich huͤlfreich: ſie hei-
len Kranke: ſie ſuchen Feindſchaften zu verſoͤhnen. Durch
heilige Eide verpflichten ſie alsdann die Ueberwundenen, die
Bekehrten. Nach allen Wallfahrtsorten ſieht man die Glaͤu-
bigen unter ihren Fahnen heranziehen: Menſchen die eben
noch eifrige Proteſtanten geweſen, ſchließen ſich jetzt den Pro-
ceſſionen an.
Und nicht allein geiſtliche, ſondern auch weltliche Fuͤr-
ſten hatten die Jeſuiten erzogen. Noch am Ende des 16ten
Jahrhunderts traten ihre beiden großen Zoͤglinge auf, Fer-
dinand II. und Maximilian I.
Man ſagt, als der junge Erzherzog Ferdinand im
[403]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
Jahre 1596 Oſtern in ſeiner Hauptſtadt Graͤtz feierte, ſey
er der Einzige geweſen der das Abendmahl nach katholi-
ſchem Ritus nahm; in der ganzen Stadt habe es nur noch
drei Katholiken gegeben 1).
In der That waren nach dem Tode des Erzherzogs
Carl unter einer nicht ſehr kraͤftigen vormundſchaftlichen
Regierung die Unternehmungen zu Gunſten des Katholi-
cismus ruͤckgaͤngig geworden. Die Proteſtanten hatten die
ihnen entriſſenen Kirchen wieder eingenommen, ihre Schule
zu Graͤtz durch neue gluͤckliche Berufungen verſtaͤrkt: der
Adel hatte einen Ausſchuß aufgeſtellt, um ſich allem zu wi-
derſetzen, was zum Nachtheil des Proteſtantismus verſucht
werden moͤchte.
Demohnerachtet entſchloß ſich Ferdinand augenblicklich,
zur Ausfuͤhrung und Vollendung der Gegenreformation zu
ſchreiten. Geiſtliche und politiſche Antriebe kamen zuſam-
men. Er ſagte, auch er wolle Herr in ſeinem Lande ſeyn,
ſo gut wie der Churfuͤrſt von Sachſen, der Churfuͤrſt von
der Pfalz. Gab man ihm die Gefahr zu bedenken, die ein
Anfall der Tuͤrken waͤhrend innerer Zwiſtigkeiten herbeifuͤh-
ren koͤnne, ſo entgegnete er, erſt nach vollzogener Bekehrung
duͤrfe man auf die goͤttliche Huͤlfe zaͤhlen. Im J. 1597 begab
ſich Ferdinand uͤber Loreto nach Rom zu den Fuͤßen Papſt
Clemens VIII. Er that das Geluͤbde die katholiſche Re-
ligion in ſeinen Erblanden auch mit Gefahr ſeines Lebens
26*
[404]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
herſtellen zu wollen: der Papſt beſtaͤrkte ihn darin. So
kam er zuruͤck und ſchritt ans Werk. Im September
1598 erging ſein Decret, durch welches er die Entfernung
aller lutheriſchen Praͤdicanten in Graͤtz binnen vierzehn Ta-
gen gebot 1).
Graͤtz war der Mittelpunkt der proteſtantiſchen Lehre
und Gewalt. Man ließ nichts unverſucht, um den Erz-
herzog wankend zu machen: weder Bitte noch Warnung,
noch auch Drohung: aber der junge Fuͤrſt war nach dem
Ausdruck des kraineriſchen Geſchichtſchreibers feſt „wie ein
Marmor“ 2). Im October erging ein aͤhnlicher Erlaß in
Krain, im Dezember in Kaͤrnthen.
Und nun zeigten ſich zwar die Staͤnde aͤußerſt ſchwie-
rig: ſelbſt auf ihren beſondern Landesverſammlungen, denn
eine allgemeine geſtattete Ferdinand nicht mehr: ſie weiger-
ten ſich ihre Subſidien zu zahlen: ſchon wurden die Sol-
daten an den Grenzen unruhig. Aber der Erzherzog er-
klaͤrte, er werde eher alles verlieren, was er von Gottes
Gnaden beſitze, als daß er einen Schritt breit weiche. Die
Gefahr vor den Tuͤrken, die unter dieſen Umſtaͤnden bereits
Caniſcha erobert hatten und taͤglich drohender vorruͤckten,
noͤthigte die Staͤnde doch zuletzt ihre Steuern zu bewilligen,
ohne irgend eine Conceſſion erhalten zu haben.
Hierauf hielt nun den Erzherzog nichts weiter zuruͤck.
[405]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
Im October 1599 ward die proteſtantiſche Kirche in Graͤtz
verſchloſſen und der evangeliſche Gottesdienſt bei Leib- und
Lebensſtrafe verboten. Es ward eine Commiſſion gebildet,
die ſich mit bewaffnetem Gefolge in das Land begab. Zu-
erſt wurde Steiermark, dann Kaͤrnthen, endlich auch Krain
reformirt. Von Ort zu Ort erſcholl der Ruf: „es kommt
die Reformation.“ Die Kirchen wurden niedergeriſſen, die
Prediger verjagt oder gefangen geſetzt, die Einwohner genoͤ-
thigt entweder des katholiſchen Glaubens zu leben oder
das Land zu raͤumen. Es fanden ſich doch Viele, z. B.
in dem kleinen St. Veit funfzig Buͤrger, welche die Aus-
wanderung dem Abfall vorzogen 1). Die Auswanderer muß-
ten den Zehnten Pfennig bezahlen, was fuͤr ſie immer kein
kleiner Verluſt war.
Mit ſo großer Haͤrte verfuhr man. Dafuͤr erlebte
man die Genugthuung, daß man im J. 1603 uͤber 40000
Communicanten mehr zaͤhlte als fruͤher.
Und ſogleich entwickelte das nun eine weitere Wir-
kung auf alle oͤſtreichiſchen Gebiete.
Anfangs hatte Kaiſer Rudolf ſeinem jungen Vetter
ſein Vorhaben widerrathen: da es gelang, ahmte er es ſel-
ber nach. Von 1599 bis 1601 finden wir eine Refor-
mationscommiſſion in Oberoͤſtreich, 1602 und 1603 in
Unteroͤſtreich thaͤtig 2). Von Linz und Steier mußten die
im Dienſt des Evangeliums ergrauten Prediger und Schul-
lehrer weichen; ſchmerzlich empfanden ſie es: „nunmehr,
[406]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
vom Alter gebeugt“, ruft der Rector zu Steier aus,
„werde ich ins Elend verſtoßen!“ 1) „Taͤglich“, ſchreibt
Einer von denen, die noch zuruͤckgeblieben, „bedroht uns
das Verderben: unſere Gegner beobachten uns, ſpotten un-
ſer, duͤrſten nach unſerm Blute“ 2).
In Boͤhmen glaubte man ſich durch die uralten utra-
quiſtiſchen Privilegien, in Ungarn durch die Selbſtaͤndig-
keit und Macht der Staͤnde beſſer geſchuͤtzt. Jetzt aber ſchien
ſich Rudolf weder um die einen noch um die andern kuͤm-
mern zu wollen. Er war uͤberredet worden, daß die alten
Utraquiſten untergegangen, und die Evangeliſchen zum Ge-
nuſſe jener Privilegien nicht berechtigt ſeyen. Im J. 1602
erließ er ein Edict, das zunaͤchſt die Kirchen der maͤhriſchen
Bruͤder zu ſchließen befahl, und ihre Zuſammenkuͤnfte ver-
bot 3). Auch alle anderen fuͤhlten, daß ſie in demſelben
Falle waren: und man ließ ſie nicht in Zweifel uͤber das,
was ſie zu erwarten hatten. Schon begann in Ungarn die
offenbare Gewalt. Baſta und Belgioioſo, welche die kai-
ſerlichen Truppen in dieſem Lande befehligten, nahmen die
Kirchen von Caſchau und Clauſenburg weg: mit ihrer Huͤlfe
ſuchte der Erzbiſchof von Colocſa die 13 Staͤdte in Zips
zum Katholicismus zuruͤckzufuͤhren. Auf die Beſchwerden
der Ungarn gab der Kaiſer die Reſolution: Seine Maje-
[407]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
ſtaͤt, welche den heiligen roͤmiſchen Glauben von Herzen
bekenne, wuͤnſche ihn auch in allen ihren Reichen und
beſonders den ungariſchen auszubreiten: ſie beſtaͤtige hie-
mit und ratificire alle Beſchluͤſſe die ſeit den Zeiten des heil.
Stephan, Apoſtels der Ungarn, zu Gunſten dieſes Glau-
bens erlaſſen worden 1).
Trotz ſeiner hohen Jahre hatte denn auch der behut-
ſame Kaiſer ſeine Maͤßigung abgelegt: die katholiſchen Fuͤr-
ſten insgeſammt befolgten dieſelbe Politik: ſo weit nur ir-
gend ihre Macht reichte, breitete ſich der Strom der katho-
liſchen Meinungen weiter aus: Doctrin und Gewalt trie-
ben ihn vorwaͤrts: in der Reichsverfaſſung gab es kein
Mittel hiegegen. Vielmehr fuͤhlten ſich die katholiſchen Be-
ſtrebungen ſo ſtark, daß ſie in dieſem Momente auch die
Reichsangelegenheiten zu ergreifen, die bisher behaupteten
Rechte des proteſtantiſchen Theiles zu gefaͤhrden anfingen 2).
Schon waren, nicht ohne Einfluß der paͤpſtlichen Nun-
tien, beſonders Card. Madruzzi’s, der zuerſt die Aufmerkſamkeit
dahin lenkte, im Zuſtande der Reichsgerichte Veraͤnderungen
eingetreten, die Anlaß und Mittel dazu an die Hand gaben.
Auch das Kammergericht hatte endlich gegen den An-
[408]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
fang des ſiebzehnten Jahrhunderts eine mehr katholiſche
Faͤrbung bekommen: es waren Urtel ergangen, die der ka-
tholiſchen Auslegung des Religionsfriedens entſprachen. Die
Benachtheiligten hatten dagegen das Rechtsmittel der Re-
viſion ergriffen: allein mit den Viſitationen waren auch
die Reviſionen ins Stocken gekommen: die Sachen haͤuf-
ten ſich an, und blieben alle liegen 1).
Unter dieſen Umſtaͤnden geſchah es, daß der Reichs-
hofrath in Aufnahme kam. Wenigſtens ließ ſich hier ein
Ende abſehen: die unterliegende Partei konnte nicht zu einem
niemals auszufuͤhrenden Rechtsmittel ihre Zuflucht nehmen.
Aber der Reichshofrath war nicht allein noch entſchiedener
katholiſch als das Kammergericht: er hing auch durchaus
vom Hofe ab. „Der Reichshofrath“, ſagt der florentiniſche
Geſchaͤftstraͤger Alidoſi, „erlaͤßt keinen definitiven Urtheils-
ſpruch, ohne ihn vorher dem Kaiſer und dem geheimen
Rathe mitzutheilen, die ihn ſelten ohne Abaͤnderungen zu-
ruͤckſchicken 2).
[409]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
Welche allgemein wirkſame Inſtitute gab es aber
im Reiche, als die richterlichen? Die Einheit der Nation
knuͤpfte ſich an dieſelben. Aber auch ſie waren jetzt unter
den Einfluß der katholiſchen Meinung, der Convenienz des
Hofes gerathen. Schon fing man auf vielen Seiten an,
uͤber die parteiiſchen Urtel, die gewaltſamen Executionen
zu klagen, als bei der Sache von Donauwerth die allge-
meine Gefahr hervortrat, die von dieſem Punkte aus
drohte.
Daß ein katholiſcher Abt in einer proteſtantiſchen Stadt,
der ſeine Proceſſionen oͤffentlicher und feierlicher halten wollte
als herkoͤmmlich 1), hiebei von dem Poͤbel geſtoͤrt und be-
ſchimpft worden, genuͤgte dem Reichshofrath, um die Stadt
ſelbſt mit einem weitausſehenden Proceß, Mandaten, Cita-
tionen, Commiſſariaten, heimzuſuchen und endlich die Acht
uͤber ſie auszuſprechen. Ein benachbarter ſtrengkatholiſcher
Fuͤrſt, Maximilian von Baiern, bekam den Auftrag ſie zu
vollſtrecken. Er begnuͤgte ſich nicht Donauwerth zu beſetzen:
auf der Stelle berief er Jeſuiten herbei, erlaubte nur noch
den katholiſchen Gottesdienſt, und ſchritt in gewohnter Weiſe
zur Gegenreformation.
[410]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Maximilian ſelbſt ſah dieſe Sache in dem Lichte ih-
rer allgemeinen Bedeutung. Er ſchrieb dem Papſt, wie
an einem Pruͤfſtein koͤnne man daran die Abnahme des An-
ſehens der Proteſtanten erkennen.
Allein er taͤuſchte ſich, wenn er glaubte, ſie wuͤrden
es ſich gefallen laſſen. Sie ſahen ſehr wohl, was ſie zu
erwarten hatten, wenn es ſo fortging.
Schon erkuͤhnten ſich die Jeſuiten die Verbindlichkeit
des Religionsfriedens zu leugnen. Er habe im Grunde
gar nicht geſchloſſen werden koͤnnen ohne die Beiſtimmung
des Papſtes: auf keinen Fall ſey er laͤnger als bis zum
tridentiniſchen Concilium guͤltig geweſen: als eine Art In-
terim ſey er anzuſehen.
Und auch die, welche die Guͤltigkeit dieſes Vertrages
anerkannten, meinten doch, daß wenigſtens alle ſeit dem
Abſchluß deſſelben von den Proteſtanten eingezogenen Guͤter
wieder herausgegeben werden muͤßten. Auf die proteſtan-
tiſchen Erklaͤrungen ſeiner Worte nahmen ſie keine Ruͤckſicht.
Wie nun, wenn dieſe Anſichten, wie es ja ſchon zu
geſchehen anfing, von den hoͤchſten Reichsgerichten aner-
kannt, Urtel danach ausgeſprochen und zur Vollſtreckung
gebracht wurden?
Als der Reichstag im Jahre 1608 zu Regensburg
zuſammenkam, wollten die Proteſtanten zu keiner Berathung
ſchreiten, ehe ihnen nicht der Religionsfriede ſchlechthin be-
ſtaͤtigt worden ſey 1). Selbſt Sachſen, das ſich ſonſt im-
[411]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
mer auf die kaiſerliche Seite neigte, forderte jetzt die Ab-
ſchaffung der Hofproceſſe, inſofern ſie dem alten Her-
kommen zuwider ſeyen, die Verbeſſerung des Juſtizweſens,
und nicht allein die Erneuerung des Religionsfriedens, wie
er 1555 geſchloſſen worden, ſondern auch eine pragmatiſche
Sanction, durch welche den Jeſuiten verboten wuͤrde wi-
der denſelben zu ſchreiben.
Auf der andern Seite hielten aber auch die Katholi-
ken eifrig zuſammen: der Biſchof von Regensburg hatte
ſchon vorher ein Rundſchreiben erlaſſen, in dem er ſeine
Glaubensgenoſſen ermahnte, die Geſandten vor allem zu
einhelliger Vertheidigung der katholiſchen Religion anzu-
weiſen, „ſteif und feſt wie eine Mauer zuſammenzuſtehn“:
nur nicht zu temporiſiren: jetzt habe man nichts zu fuͤrch-
ten: an ſtattlichen, hochloͤblichen Fuͤrſtenhaͤuſern beſitze man
grundfeſte eifrige Defenſoren. Zeigten ſich dann die Ka-
tholiken ja noch geneigt den Religionsfrieden zu beſtaͤti-
gen, ſo trugen ſie doch auf die Clauſel an, „daß das,
ſo demſelben zuwidergehandelt, abgeſchafft und reſtituirt
werde“: eine Clauſel, die eben alles enthielt, was die Pro-
teſtanten fuͤrchteten, und vermieden wiſſen wollten.
Bei dieſem Zwieſpalt in der Hauptſache war nicht daran
zu denken, daß in irgend einem Punkte ein einmuͤthiger
Beſchluß gefaßt oder dem Kaiſer die Tuͤrkenhuͤlfe, die er
wuͤnſchte und bedurfte, bewilligt worden waͤre.
[412]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Es ſcheint doch, als habe dieß auf den Kaiſer Ein-
druck gemacht, als ſey man am Hofe einmal entſchloſſen
geweſen dem Begehren der Proteſtanten unumwunden zu
willfahren.
Wenigſtens ergibt ſich das aus einem ſehr merkwuͤr-
digen Berichte, welchen der paͤpſtliche Geſchaͤftstraͤger uͤber
dieſen Reichstag abgeſtattet hat.
Der Kaiſer war nicht ſelbſt dahin gegangen: Erzherzog
Ferdinand verſah ſeine Stelle. So war auch nicht der
Nuntius ſelbſt in Regensburg: er hatte aber einen Au-
guſtiner, Fra Felice Milenſio, Generalvicar ſeines Ordens,
in ſeinem Namen dahin geſchickt, der dann auch mit un-
gemeinem Eifer die Intereſſen des Katholicismus aufrecht
zu erhalten ſuchte.
Dieſer Fra Milenſio nun, von dem unſer Bericht
ſtammt, verſichert, der Kaiſer habe ſich wirklich zu einem Er-
laß entſchloſſen, den Wuͤnſchen der Proteſtanten gemaͤß. Er
leitet ihn von den unmittelbaren Einwirkungen des Satans
her: ohne Zweifel ſey er von den geheimen Kaͤmmerieren
des Kaiſers, von denen der eine ein Jude, der andere ein
Ketzer, ausgegangen 1).
Hoͤren wir von ihm ſelbſt, was er nun weiter be-
[413]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
richtet. „Auf die Nachricht von dem eingelaufenen Er-
laß,“ ſagt er, „die mir und einigen Andern mitgetheilt
worden, begab ich mich zu dem Erzherzog, und fragte, ob
ein ſolches Decret gekommen ſey. Der Erzherzog bejahte
dieß. — „„Und denkt nun auch Ew. Erzherzogl. Durchlaucht
es bekannt zu machen?““ — Der Erzherzog antwortete:
So befiehlt der kaiſerliche Geheime Rath: der ehrwuͤrdige Va-
ter ſieht ſelbſt, in welcher Lage wir ſind. Hierauf entgeg-
nete ich 1): Ew. Erzherzogliche Durchlaucht wird ihre
Froͤmmigkeit nicht verleugnen wollen, die Froͤmmigkeit, in
der ſie aufgezogen iſt, mit der ſie vor kurzem gewagt hat ſo
vielen drohenden Gefahren zum Trotz die Ketzer ohne Ausnahme
aus ihren Landſchaften zu verbannen. Ich kann nicht glau-
ben, daß Ew. Durchlaucht den Verluſt der Kirchenguͤter,
die Beſtaͤtigung der teufliſchen Secte Luthers und der noch
[414]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
ſchlimmern Calvins, die doch nie im Reiche oͤffentliche Dul-
dung genoſſen, durch dieß neue Zugeſtaͤndniß genehmigen
werde. Der fromme Fuͤrſt hoͤrte mich an. Was iſt aber
zu machen? ſprach er. Ich bitte Ew. Durchlaucht, ſagte ich,
dieſe Sache Seiner Heiligkeit dem Papſte vorzulegen, und
keinen Schritt zu thun ehe wir deſſen Antwort haben. So
that der Erzherzog: er achtete mehr auf die Gebote Got-
tes als auf die Beſchluͤſſe der Menſchen.“
Iſt alle dem wirklich ſo, ſo ſieht man wohl, welch
eine wichtige Stelle dieſer namenloſe Auguſtinerbruder in
unſerer Reichsgeſchichte einnimmt. In dem entſcheidenden
Momente hintertrieb er die Bekanntmachung einer Conceſ-
ſion, welche die Proteſtanten wahrſcheinlich befriedigt haben
wuͤrde. An deren Stelle trat Ferdinand mit einer Inter-
poſitionsſchrift hervor, die die Moͤglichkeit jener Clauſel
nach wie vor einſchloß. In einer Verſammlung vom 5ten
April 1608 vereinigten ſich die Proteſtanten, ſich nicht zu
fuͤgen, ſie nicht anzunehmen 1). Da jedoch auch der an-
dere Theil nicht nachgab, von dem Kaiſer oder ſeinem
Stellvertreter nichts zu erlangen war was ihre Furcht
haͤtte beſchwichtigen koͤnnen, ſo griffen ſie zu dem aͤußer-
ſten Mittel: ſie verließen den Reichstag. Zum erſten Male
kam es zu keinem Abſchied, geſchweige denn zu Bewilligun-
[415]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
gen: es war der Augenblick, in welchem die Einheit des
Reiches ſich factiſch aufloͤſte.
Und unmoͤglich konnten ſie hiebei ſtehn bleiben. Die
eingenommene Stellung zu behaupten waͤre Jeder allein
zu ſchwach geweſen: eine Vereinigung, wie ſie ſchon lange
beabſichtigt, berathen und entworfen hatten, fuͤhrten ſie
jetzt im Drange des Momentes aus. Unmittelbar nach dem
Reichstage kamen zwei pfaͤlziſche Fuͤrſten, Churfuͤrſt Frie-
derich und der Pfalzgraf von Neuburg, zwei brandenbur-
giſche, die Markgrafen Joachim und Chriſtian Ernſt, der
Herzog von Wuͤrtemberg und der Markgraf von Baden zu
Ahauſen zuſammen, und ſchloſſen ein Buͤndniß, das unter
dem Namen der Union bekannt iſt. Sie verpflichteten
ſich, einander auf jede andere Weiſe und auch mit den Waf-
fen beizuſtehn, beſonders in Hinſicht der auf dem letzten
Reichstage vorgetragenen Beſchwerden. Sie ſetzten ſich ſo-
gleich in eine Kriegsverfaſſung: jedes Mitglied nahm es
uͤber ſich, einen oder den andern ſeiner Nachbarn in den
Bund zu ziehen. Ihr Sinn war, da die Lage der Dinge,
wie ſie im Reiche beſtand, ihnen keine Sicherheit gewaͤhrte,
ſich dieſe ſelbſt zu verſchaffen, ſich ſelbſt zu helfen.
Eine Neuerung von der umfaſſendſten Bedeutung, um
ſo mehr, da in den kaiſerlichen Erblanden ein Ereigniß ein-
trat, das ihr ſehr wohl entſprach.
Aus mancherlei Gruͤnden nemlich war der Kaiſer mit
ſeinem Bruder Matthias zerfallen: die in ihrer Freiheit und
ihrer Religion bedraͤngten oͤſtreichiſchen Staͤnde ſahen in
dieſem Zwieſpalt eine Gelegenheit beides zu behaupten, und
traten auf die Seite des Erzherzogs.
[416]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Schon im Jahre 1606 ſchloß der Erzherzog im Ein-
verſtaͤndniſſe mit ihnen einen Frieden mit den Ungarn, ohne
den Kaiſer darum gefragt zu haben. Sie entſchuldigten
ſich damit, daß der Kaiſer die Geſchaͤfte vernachlaͤſſige, daß
die Lage der Dinge ſie gezwungen habe. Da nun aber
Rudolph ſich weigerte dieſen Frieden anzuerkennen, ſo er-
hoben ſie ſich und zwar ſogleich in Kraft ihres Vertrages
zur Empoͤrung 1). Zuerſt ſchloſſen die ungariſchen und die
oͤſtreichiſchen Staͤnde einen Bund zu Schutz und Trutz
mit einander. Dann zogen ſie auch die Maͤhren, beſonders
durch den Einfluß eines Lichtenſtein an ſich: ſie vereinten
ſich alle, Gut und Blut fuͤr den Erzherzog zu wagen.
So ruͤckten ſie, in denſelben Tagen in welchen der Re-
gensburger Reichstag ſich aufloͤſte, im Mai 1608, mit
ihrem ſelbſtgewaͤhlten Oberhaupt ins Feld wider den Kai-
ſer. Rudolf mußte ſich bequemen, ſeinem Bruder Ungarn,
Oeſtreich und Maͤhren abzutreten.
Natuͤrlich mußte nun aber Matthias den Staͤnden die
Dienſte, die ſie ihm geleiſtet, mit Conceſſionen erwiedern.
Seit 48 Jahren hatten die Kaiſer vermieden einen Pala-
tinus in Ungarn zu ernennen: jetzt ward ein Proteſtant
zu dieſer Wuͤrde befoͤrdert. Die Freiheit der Religion ward
nicht
[417]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
nicht allein den Magnaten, ſondern auch den Staͤdten, al-
len Staͤnden, ja ſelbſt den Soldaten an den Grenzen auf
das feierlichſte zugeſichert 1). Nicht eher leiſteten die Oeſt-
reicher die Huldigung als bis auch ihnen das Exercitium
Religionis in Schloͤſſern und Doͤrfern, ſo wie in den Pri-
vathaͤuſern der Staͤdte freigegeben worden.
Was den Oeſtreichern und Ungarn der Angriff, ver-
ſchaffte den Boͤhmen die Vertheidigung. Gleich anfangs
hatte ſich Rudolf zu großen Zugeſtaͤndniſſen bequemen muͤſ-
ſen, nur um ſeinem Bruder noch einigermaßen zu wider-
ſtehn: nachdem Ungarn und Oeſtreicher durch dieſen zu ſo
großen Freiheiten gelangt, konnte auch er, was auch im-
mer der paͤpſtliche Nuntius, der ſpaniſche Geſandte dazu
ſagen mochten, den Boͤhmen ihre Forderungen nicht verwei-
gern. Er gewaͤhrte ihnen den Majeſtaͤtsbrief, der nicht
allein die alten Conceſſionen wiederholte, die Maximilian II.
gegeben, ſondern ihnen auch eine eigene Behoͤrde zu deren
Vertheidigung zu gruͤnden geſtattete.
Wie ſo ganz anders ſtanden nun ploͤtzlich die deut-
ſchen, die erblaͤndiſchen Angelegenheiten. Die Union breitete
ſich in Deutſchland aus, und wachte uͤber jeden Angriff
des Katholicismus, den ſie gewaltig zuruͤcktrieb. Ihre al-
ten Anſpruͤche hatten die Staͤnde der oͤſtreichiſchen Pro-
vinzen zu einer wohlgegruͤndeten verfaſſungsmaͤßigen Ge-
walt ausgebildet. Es war dabei ein nicht unbedeutender
Unterſchied. Im Reiche hatte der Katholicismus die Ter-
ritorien der katholiſchen Fuͤrſten wieder erfuͤllt: erſt als er
weiter ging, in die Reichsſachen gewaltiger eingriff, die
Päpſte* 27
[418]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Exiſtenz freier Staͤnde gefaͤhrdete, da fand er Widerſpruch.
In den Erblanden ſtellte ſich ihm dagegen noch innerhalb
der Territorialbefugniſſe die Macht proteſtantiſcher Landſaſ-
ſen unuͤberwindlich entgegen. Im Ganzen war es aber
der nemliche Sinn. In Oeſtreich ſagte man ſehr be-
zeichnend: man muͤſſe ein Schwert mit dem andern in der
Scheide halten.
Denn auch die andere Partei ſetzte ſich ſogleich in
kriegeriſche Verfaſſung. Am 11. Juli 1609 ward ein Bund
zwiſchen Maximilian von Baiern und ſieben geiſtlichen Herrn,
den Biſchoͤfen von Wuͤrzburg, Conſtanz, Augsburg, Paſſau,
Regensburg, dem Probſt von Ellwangen, dem Abt von
Kempten, geſchloſſen, zu gemeinſchaftlicher Vertheidigung,
in dem nach dem Muſter jenes alten Bundes zu Lands-
perg 1) der Herzog von Baiern eine außerordentliche Ge-
walt bekam. Bald geſellten ſich, doch mit einer gewiſ-
ſen Unabhaͤngigkeit, die drei rheiniſchen Churfuͤrſten hinzu.
Erzherzog Ferdinand wuͤnſchte aufgenommen zu werden:
Spanien erklaͤrte ſeinen Beifall: der Papſt verſprach, nichts
zu unterlaſſen, was er fuͤr den Bund leiſten koͤnne. Man
darf nicht zweifeln, daß ſich der Papſt beſonders durch ſpa-
niſchen Einfluß nach und nach immer ſtaͤrker in die Inter-
eſſen dieſer Liga verwickeln ließ 2).
Und ſo ſtellten ſich zwei feindſelige Parteien einander
[419]der katholiſchen Reſtauration. Deutſchland.
gegenuͤber, beide geruͤſtet, jede immer voll Furcht uͤber-
raſcht, angegriffen zu werden, keine vermoͤgend die Sache
zu einer großen Entſcheidung zu bringen.
Es folgt, daß man in Deutſchland keine Schwierig-
keit mehr beſeitigen, keine gemeinſchaftliche Sache abthun
kann.
Im Jahre 1611 ſoll zur Wahl eines roͤmiſchen Koͤ-
nigs geſchritten werden: vergebens verſammeln ſich die Chur-
fuͤrſten: ſie koͤnnen ſie nicht zu Stande bringen.
Im Jahr 1612 kann es doch ſelbſt nach dem Tode
Rudolfs lange zu keiner Wahl kommen. Die drei weltli-
chen Churfuͤrſten fordern die Einfuͤhrung eines paritaͤtiſchen
Reichshofrathes durch die Wahlcapitulation: die drei geiſt-
lichen ſetzen ſich dieſer Forderung entgegen. Nur dadurch
daß Sachſen, das in allen dieſen Dingen eine große Er-
gebenheit gegen das Haus Oeſtreich zeigt, auf die katholi-
ſche Seite tritt, kann die Wahl vollzogen werden.
Was aber im Churfuͤrſtenrathe nicht durchgegangen,
fordert die Union der Fuͤrſten an dem Reichstag von 1613
deſto ungeſtuͤmer: eben ſo entſchieden ſtellen ſich ihr die
Katholiken entgegen: es kommt zu keiner Berathſchlagung
mehr: die Proteſtanten wollen ſich dem Joche der Stim-
menmehrheit nicht mehr unterwerfen.
In Juͤlich und Cleve, wo trotz der wechſelnden Stim-
mungen der ſchwachen Regierung des letzten eingebornen
Fuͤrſten zuletzt doch durch den Einfluß der lothringiſchen
Gemahlin deſſelben ſtarke Maaßregeln fuͤr die Reſtaura-
tion des Katholicismus ergriffen worden, ſchien es jetzt eine
Zeitlang als muͤſſe der Proteſtantismus die Oberhand be-
27*
[420]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
kommen: die naͤchſten Erben waren beide proteſtantiſch.
Allein auch hier war das Prinzip der religioͤſen Spaltung
das ſtaͤrkere. Von den proteſtantiſchen Praͤtendenten tritt
der eine zum Katholicismus uͤber: auch hier ſetzen ſich die
Parteien auseinander. Da ſie keinen hoͤchſten Richter an-
erkennen, ſo ſchreiten ſie 1614 zu Thaͤtlichkeiten. Der eine
greift mit ſpaniſcher, der andere mit niederlaͤndiſcher Huͤlfe
ſo weit um ſich als er vermag, und reformirt ohne Weiteres
den ihm zugefallenen Antheil auf ſeine Weiſe.
Wohl macht man Verſuche der Ausſoͤhnung. Es wird
auf einen Churfuͤrſtentag angetragen: aber Churpfalz will
davon nichts hoͤren, da es ſeinem Collegen von Sachſen nicht
traut: — oder auf einen allgemeinen Compoſitionstag: die
katholiſchen Staͤnde haben unzaͤhlige Gruͤnde ihm zu wider-
ſprechen. Andere blicken auf den Kaiſer: ſie rathen ihm
durch die Aufſtellung einer anſehnlichen Truppenmaſſe ſein
Anſehen herzuſtellen. Aber was waͤre von Matthias zu er-
warten geweſen, der ſchon durch den Urſprung ſeiner Gewalt
beiden Parteien angehoͤrte, aber von den Feſſeln erdruͤckt,
die er ſich angelegt, ſich zu keiner freien Thaͤtigkeit erheben
konnte. Laut beſchwerte ſich der Papſt uͤber ihn: er er-
klaͤrte ihn fuͤr untauglich eine ſo große Wuͤrde in dieſen
Zeiten zu bekleiden, er ließ ihm in den ſtaͤrkſten Ausdruͤcken
Vorſtellungen machen, und wunderte ſich nur daß der Kaiſer
das ſo hinnahm. Spaͤter waren die Katholiken nicht ſo
unzufrieden mit ihm. Selbſt die Eiferer erklaͤrten, er ſey
ihrer Kirche nuͤtzlicher geworden, als man haͤtte glauben
koͤnnen. Aber in Sachen des Reichs vermochte er nichts. Im
Jahre 1617 machte er einen Verſuch die beiden Buͤndniſſe
[421]der katholiſchen Reſtauration. Schweiz.
aufzuloͤſen. Allein unmittelbar hierauf verjuͤngte ſich die
Union, und die Liga ward ſo gut wie neu gegruͤndet.
Nuntiatur in der Schweiz.
Ein Zuſtand des Gleichgewichtes, wie er ſich ſchon
ſeit geraumer Zeit, nur friedlicher, in der Schweiz entwickelt
hatte.
Die Autonomie der Territorien war in der Schweiz
ſchon laͤngſt ausgeſprochen: auf den Tagſatzungen durfte
nicht einmal von Religionsſachen gehandelt werden. Im
Anfange des ſiebzehnten Jahrhunderts hegte man auf der
katholiſchen Seite gar nicht einmal mehr die Hoffnung die
Proteſtanten zu uͤberwaͤltigen: ſie waren nicht allein maͤch-
tiger und reicher, ſie hatten auch geſchicktere, in den Ge-
ſchaͤften geuͤbtere Maͤnner 1).
Die Nuntien, die in Luzern ihren Sitz aufgeſchlagen,
taͤuſchten ſich hieruͤber nicht: ſie ſelbſt ſind es, die dieſen
Zuſtand der Dinge bezeichnen. Jedoch auch bei dieſer Be-
ſchraͤnkung ihres Wirkungskreiſes in der Mitte der Katho-
[422]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
liken, nahmen ſie noch immer eine recht bedeutende Stel-
lung ein.
Ihre vornehmſte Abſicht war, die Biſchoͤfe zu ihrer
Pflicht anzuhalten 1). Die Biſchoͤfe deutſcher Nation be-
trachteten ſich gern als Fuͤrſten: unaufhoͤrlich ſtellten ihnen
die Nuntien vor, daß ſie das doch bloß um ihres geiſtli-
lichen Berufes willen ſeyen, und ſchaͤrften ihnen dieſen ein.
In der That finden wir viel Leben in der ſchweizeriſchen
Kirche. Viſitationen werden ausgefuͤhrt, Synoden veran-
ſtaltet, Kloͤſter reformirt, Seminarien geſtiftet. Die Nun-
tien ſuchen das gute Vernehmen zwiſchen der geiſtlichen
und der weltlichen Gewalt zu erhalten: durch Milde und
Ueberredung kommen ſie darin ziemlich zum Ziele. Es ge-
lingt ihnen, das Eindringen proteſtantiſcher Schriften zu
verhindern, wenn ſie ſich auch beſcheiden muͤſſen, den Leu-
ten ihre Bibeln und ihre deutſchen Gebetbuͤcher zu laſſen.
Mit großem Erfolge arbeiten Jeſuiten und Capuziner. Ma-
rianiſche Sodalitaͤten werden geſtiftet: ſie umfaſſen Alt und
Jung: Predigt und Beichte werden eifrig beſucht: die Wall-
fahrten zu den wunderthaͤtigen Bildern nehmen wieder uͤber-
hand: und man muß zuweilen die Strenge mildern, die
[423]der katholiſchen Reſtauration. Schweiz.
ſich der Eine oder der Andere auflegt 1). Die Nuntien
wiſſen die Dienſte die ihnen beſonders die italieniſchen Ca-
puziner leiſten nicht genug zu ruͤhmen.
Und ſo kommen denn auch Bekehrungen vor. Die
Nuntien nehmen die Convertiten bei ſich auf, unterſtuͤtzen,
empfehlen ſie: ſie ſuchen aus den Beitraͤgen der Glaͤubi-
gen unter der Aufſicht von Praͤlaten Caſſen zu Gunſten
der Neubekehrten zu gruͤnden. Zuweilen gelingt es, verlo-
ren gegebene Jurisdictionen wieder zu gewinnen: dann eilt
man die Meſſe daſelbſt wiederherzuſtellen. Der Biſchof von
Baſel, der Abt zu St. Gallen zeigen ſich hierin beſon-
ders eifrig.
In alle dem kommt es nun den Nuntien ſehr zu
Statten, daß der Koͤnig von Spanien ſich eine Partei in
der katholiſchen Schweiz gemacht hat. Die Anhaͤnger von
Spanien, z. B. die Luſt in Unterwalden, die Amli in
Luzern, die Buͤhler in Schwyz, und wie ſie alle heißen,
ſind in der Regel auch dem roͤmiſchen Stuhl am ergeben-
ſten. Die Nuntien verfehlen nicht, dieſe Neigungen nach
Kraͤften zu pflegen. Sie beobachten jede denkbare Ruͤck-
ſicht. Die laͤngſten und langweiligſten Reden hoͤren ſie ge-
duldig an: ſie ſparen nicht mit Titeln: ſie zeigen ſich als
große Bewunderer der alten Thaten der Nation und der
Weisheit ihrer republikaniſchen Einrichtungen. Beſonders
finden ſie es nothwendig ihre Freunde durch regelmaͤßig
wiederkehrende Geſtgebote zuſammenzuhalten: ſie ſelbſt er-
[424]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
wiedern jede Einladung, jede Ehre, die man ihnen er-
weiſt, mit einem Geſchenk: Geſchenke vor allem ſind hier
wirkſam: wer zum Ritter vom goldenen Sporn ernannt
worden, und dazu eine goldene Kette, eine Medaille er-
halten, fuͤhlt ſich ihnen auf ewig verpflichtet. Nur muͤſ-
ſen ſie ſich huͤten etwas zu verſprechen was ſie nicht ge-
wiß waͤren zu halten: koͤnnen ſie mehr leiſten, als ſie zu-
geſagt, ſo wird ihnen das deſto hoͤher angerechnet. Ihr
Haushalt muß immer wohlgeordnet ſeyn und keinem Ta-
del Raum geben.
So geſchah es nun, daß die katholiſchen Intereſſen
auch in der Schweiz im Allgemeinen in gute Aufnahme
und ruhigen Fortſchritt gelangten.
Es gab nur Einen Punkt, wo der Gegenſatz zwi-
ſchen Proteſtanten und Katholiken innerhalb Eines Gebie-
tes, zuſammentreffend mit ſchwankenden politiſchen Verhaͤlt-
ſen, Gefahr und Kampf veranlaſſen konnte.
In Graubuͤndten war die Regierung weſentlich prote-
ſtantiſch: unter ihren Landſchaften waren dagegen die ita-
lieniſchen, vor allem Valtellina, unerſchuͤtterlich katholiſch.
Daher kam es hier zu unaufhoͤrlichen Reibungen. Die
Regierung litt keine fremden Prieſter im Thal: ſie hatte
verboten, ſelbſt eine auswaͤrtige Jeſuitenſchule zu beſuchen:
ſie geſtattete nicht einmal dem Biſchof von Como, zu deſ-
ſen Dioͤceſe Valtellina gehoͤrte, ſein biſchoͤfliches Amt da-
ſelbſt auszuuͤben. Dagegen ſahen auch die Eingeborenen mit
großem Mißvergnuͤgen Proteſtanten in ihrem Lande, und
zwar als die Herrn und Meiſter deſſelben: ſie hielten ſich
innerlich doch zu den Italienern, zu dem rechtglaͤubigen Mai-
[425]der katholiſchen Reſtauration. Schweiz.
land: aus dem Collegium Helveticum daſelbſt, wo allein
ſechs Stellen fuͤr das Thal beſtimmt waren, gingen im-
mer aufs neue junge Theologen hervor, welche ihren Eifer
entzuͤndeten 1).
Es war das aber darum ſo gefaͤhrlich, weil Frank-
reich, Spanien und Venedig nach Kraͤften wetteiferten
ſich in Graubuͤndten eine Partei zu machen: Parteien, die
ſich nicht ſelten mit offener Gewalt bekaͤmpften, und eine
die andere aus der Stelle trieben. Im Jahre 1607
nahm zuerſt die ſpaniſche, gleich darauf die veneziani-
ſche Faction Chur ein. Jene zerriß die Buͤndniſſe, dieſe
ſtellte dieſelben wieder her. Die ſpaniſche hatte katholiſche,
die venezianiſche proteſtantiſche Sympathien; wonach ſich
dann die ganze Politik des Landes beſtimmte. Hauptſaͤch-
lich kam es darauf an, fuͤr welche Seite Frankreich war.
Die Franzoſen hatten in der ganzen Schweiz, nicht allein
in der katholiſchen, ſondern auch in der proteſtantiſchen, ihre
Penſionaͤre: in Graubuͤndten genoſſen ſie alten Einfluß. Um
das Jahr 1612 waren ſie fuͤr das katholiſche Intereſſe:
dem Nuntius gelang es, ihre Freunde fuͤr Rom zu gewin-
nen: das venezianiſche Buͤndniß ward ſogar foͤrmlich aufge-
kuͤndigt.
Parteienkaͤmpfe die an ſich wenig Aufmerkſamkeit ver-
dienen wuͤrden, die aber dadurch eine hoͤhere Bedeutung
bekamen, daß die Oeffnung oder Schließung der buͤndtne-
[426]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
riſchen Paͤſſe fuͤr die eine oder die andere Macht davon ab-
hing. Wir werden ſehen, daß ſie ein Gewicht in die Waag-
ſchale der allgemeinen Verhaͤltniſſe der Politik und der Re-
ligion warfen.
Regeneration des Katholicismus in Frankreich.
Da iſt nun die vornehmſte Frage, welche Stellung
Frankreich uͤberhaupt in religioͤſer Hinſicht annahm.
Der erſte Blick zeigt, daß ſich die Proteſtanten noch
immer uͤberaus maͤchtig daſelbſt hielten.
Heinrich IV. hatte ihnen das Edict von Nantes ge-
waͤhrt, durch das ihnen nicht allein der Beſitz der Kirchen
die ſie inne hatten, beſtaͤtigt, ſondern Antheil an den oͤf-
fentlichen Lehranſtalten, paritaͤtiſche Kammern in den Par-
lamenten, Sicherheitsplaͤtze in großer Anzahl uͤberlaſſen, und
uͤberhaupt eine Unabhaͤngigkeit eingeraͤumt wurde, von der
man fragen konnte, ob ſie ſich mit der Idee des Staates
vertrage. Um das Jahr 1600 zaͤhlte man 760 Kirchen-
ſprengel der franzoͤſiſchen Proteſtanten: alle wohl geordnet:
4000 Edelleute hielten ſich zu dieſem Bekenntniß: man rech-
nete, daß es ohne Muͤhe 25000 Streiter ins Feld ſtellen
koͤnne: es beſaß bei 200 befeſtigte Plaͤtze. Eine ehrfurchtge-
bietende Macht, die man nicht ungeſtraft beleidigen durfte 1).
Neben ihnen aber, und im Gegenſatz mit ihnen erhob
ſich zugleich eine zweite Macht, die Corporation des ka-
tholiſchen Clerus in Frankreich.
Die großen Beſitzthuͤmer der franzoͤſiſchen Geiſtlichkeit
[427]der katholiſchen Reſtauration. Frankreich.
gaben ihr an und fuͤr ſich eine gewiſſe Unabhaͤngigkeit; da-
durch aber daß ſie zur Theilnahme an den Staatsſchulden
herbeigezogen worden, kam dieß auch zur Darſtellung und
zum Bewußtſeyn 1).
Denn nicht ſo ganz erzwungen war dieſe Theilnahme,
daß die Verpflichtung zu derſelben nicht von Zeit zu Zeit
mit den Formen einer freiwilligen Entſchließung haͤtte wie-
derholt werden muͤſſen.
Unter Heinrich IV. bekamen die Zuſammenkuͤnfte die
zu dem Ende gehalten wurden, eine regelmaͤßigere Geſtalt.
Sie ſollten von zehn Jahr zu zehn Jahr wiederholt wer-
den: alle Mal im Mai, wo die Tage lang ſind und
ſich viel thun laͤßt: niemals zu Paris, um keine Zerſtreuung
zu veranlaſſen: alle zwei Jahre ſollten kleinere Verſamm-
lungen Statt finden um die Rechnungen abzunehmen.
Es laͤßt ſich an ſich nicht erwarten, daß dieſe Ver-
ſammlungen, namentlich die groͤßern, bei ihren finanziellen
Verbindlichkeiten haͤtten ſtehn bleiben ſollen. Schon die
[428]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Erfuͤllung derſelben gab ihnen Muth zu umfaſſendern Be-
ſchluͤſſen. In den Jahren 1595 und 1596 beſchloſſen ſie,
die Provinzialconcilien zu erneuern, ſich den Eingriffen der
weltlichen Gerichtsbarkeit in die geiſtliche Amtsfuͤhrung zu
widerſetzen, keine Simonie zu dulden, und was dem mehr
iſt: der Koͤnig gab nach einigem Schwanken ſeine Zuſtim-
mung hiezu 1). Es war die Regel, daß der Clerus allge-
meine Vorſtellungen in Bezug auf Kirchen und Kirchen-
zucht machte. Der Koͤnig konnte ſich denſelben unmoͤglich
entziehen: es ging nie ohne neue Bewilligungen ab. Bei
der naͤchſten Zuſammenkunft begann dann der Clerus mit
der Unterſuchung, ob ſie auch ausgefuͤhrt worden ſeyen.
Sehr eigenthuͤmlich ward hiedurch die Stellung Hein-
richs IV. zwiſchen zwei Corporationen, die beide eine ge-
wiſſe Selbſtaͤndigkeit hatten, beide ihre Verſammlungen in
den beſtimmten Zeiten hielten, und ihn dann mit entgegen-
geſetzten Vorſtellungen beſtuͤrmten, denen er ſich in der That
weder auf der einen noch auf der andern Seite ſo leicht
entgegenſetzen konnte.
Sein Sinn war im Allgemeinen ohne Zweifel, das
Gleichgewicht zwiſchen ihnen zu erhalten, ſie nicht in
neuen Kampf gerathen zu laſſen: fragen wir aber, welchem
von beiden Theilen er am geneigteſten war und durch die
That den groͤßten Vorſchub leiſtete, ſo iſt das doch offen-
bar der katholiſche, obwohl ſein eignes Emporkommen ſich
von dem proteſtantiſchen herſchrieb.
[429]der katholiſchen Reſtauration. Frankreich.
Dankbar war Heinrich nun einmal eben ſo wenig wie
rachſuͤchtig: es lag ihm mehr daran neue Freunde zu ge-
winnen, als die alten zu belohnen, zu beguͤnſtigen.
Hatten ihn nicht in der That die Proteſtanten ſelbſt
zu jenem Edict bereits zwingen muͤſſen? Er gewaͤhrte es ihnen
nur in einem Augenblick, wo er von den ſpaniſchen Waffen
bedraͤngt war, und ſie zugleich eine ſehr drohende kriegeriſche
Stellung einnahmen 1). In dem Sinne in welchem ſie ihre
Freiheiten erworben, bedienten ſie ſich derſelben nun auch.
Sie bildeten eine Republik, auf die der Koͤnig nur wenig
Einfluß hatte; von Zeit zu Zeit ſprachen ſie ſogar davon,
ſich einen andern auswaͤrtigen Protector zu waͤhlen.
Der Clerus dagegen ſchloß ſich dem Koͤnig an: er for-
derte keine Geldhuͤlfe, er leiſtete deren: ſeine Unabhaͤngig-
keit konnte nicht gefaͤhrlich werden, da ja der Koͤnig die
Beſetzung der Stellen in ſeiner Hand hatte. In ſo fern
die Stellung der Hugenotten, wie am Tage lag, eine Be-
ſchraͤnkung der koͤniglichen Gewalt enthielt, hing deren
Ausdehnung ſogar offenbar mit dem Fortſchritte des Ka-
tholicismus zuſammen 2).
Schon im Jahre 1598 erklaͤrte der Koͤnig dem Cle-
rus, ſeine Abſicht ſey die katholiſche Kirche wieder ſo bluͤ-
[430]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
hend zu machen, wie ſie vor hundert Jahren geweſen: er
bat ihn nur um Geduld und Vertrauen: Paris ſey nicht
an Einem Tage gebaut worden 1).
Ganz auf eine andere Weiſe wurden nun die Rechte
des Concordats ausgeuͤbt als fruͤher: die Pfruͤnden gelang-
ten nicht mehr an Kinder und Frauen: der Koͤnig ſah
bei der Beſetzung geiſtlicher Stellen ſehr ernſtlich auf Ge-
lehrſamkeit, Geſinnung und erbauliches Leben.
„In allen aͤußerlichen Dingen“, ſagt ein Venezianer,
„zeigt er ſich perſoͤnlich der roͤmiſch-katholiſchen Religion
zugethan und der entgegengeſetzten abgeneigt.“
In dieſem Sinne war es, daß er die Jeſuiten zuruͤck-
berief. Er glaubte, daß ihr Eifer zur Herſtellung des Ka-
tholicismus und dadurch auch zur Erweiterung der koͤnig-
lichen Gewalt, wie er ſie jetzt verſtand, beitragen muͤßte 2).
Doch wuͤrde dieß alles wenig geholfen haben, waͤre
nicht die bereits begonnene innere Regeneration der katho-
liſchen Kirche in Frankreich in dieſer Zeit maͤchtig fortge-
ſchritten. In den beiden erſten Decennien dieſes Jahrhun-
derts nahm ſie in der That eine neue Geſtalt an. Werfen
wir noch einen Blick auf dieſe Umwandlung, beſonders auf
die Verjuͤngung der Kloſterzucht, in der ſie ſich darſtellt.
Mit großem Eifer wurden die alten Orden reformirt,
Dominicaner, Franciscaner, Benedictiner.
[431]der katholiſchen Reſtauration. Frankreich.
Die Frauencongregationen wetteiferten mit ihnen. Die
Feuillantines nahmen ſo uͤbertriebene Buͤßungen vor, daß
einſt in Einer Woche vierzehn dadurch umgekommen ſeyn
ſollen: der Papſt ſelbſt mußte ſie zur Milderung ihrer
Strenge ermahnen 1). Im Portroyal ward Gemeinſchaft
der Guͤter, Stillſchweigen, Nachtwachen wieder eingefuͤhrt:
Tag und Nacht ohne Aufhoͤren ward hier das Myſte-
rium der Euchariſtie angebetet 2). Ungemildert beobachte-
ten die Nonnen von der Schaͤdelſtaͤtte die Regel des heil.
Benedict: durch unausgeſetztes Gebet am Fuße des Kreuzes
ſuchten ſie eine Art Buße fuͤr die Beleidigungen zu uͤben,
die dem Baume des Lebens von den Proteſtanten zugefuͤgt
wuͤrden 3).
In einem etwas andern Sinne hatte damals die h.
Tereſa den Orden der Carmeliterinnen in Spanien refor-
mirt. Auch ſie verordnete die ſtrengſte Clauſur: ſelbſt die
Beſuche der Verwandten an dem Sprachgitter ſuchte ſie
zu beſchraͤnken, nicht ohne Aufſicht blieb der Beichtvater.
Jedoch ſah ſie in der Strenge nicht ſchon den Zweck. Sie
ſuchte eine Stimmung der Seele hervorzurufen, welche ſie
dem Goͤttlichen naͤhere. Da fand ſie nun, daß keine Ent-
fernung von der Welt, kein Entſagen, keine Caſteiung
das Gemuͤth in den Schranken halte deren es beduͤrfe,
wenn nicht etwas anders hinzukomme: Arbeit, geradezu
[432]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
haͤusliche Beſchaͤftigung, weibliche Handarbeit, das Salz
das die weibliche Seele vor Verderbung bewahre, durch
welche den unnuͤtzen umherſchweifenden Gedanken die Thuͤr
geſchloſſen werde. Doch ſollte dieſe Arbeit, wie ſie ferner
anordnete, nicht koſtbar, kunſtreich, oder auf eine gewiſſe
Zeit beſtellt ſeyn: ſie ſollte doch das Gemuͤth nicht ſelbſt
beſchaͤftigen. Ihre Abſicht war, die Ruhe einer in Gott
ſich ſelbſtbewußten Seele zu befoͤrdern, einer Seele, wie ſie
ſagt, „die immer lebt als ſtuͤnde ſie vor Gottes Angeſicht:
die keinen Schmerz hat als ſeiner Gegenwart nicht zu ge-
nießen“: ſie wollte hervorbringen, was ſie das Gebet der
Liebe nennt, „wo die Seele ſich ſelbſt vergißt, und die
Stimme des himmliſchen Meiſters vernimmt“ 1). Ein En-
thuſiasmus der wenigſtens von ihr auf eine reine, großar-
tige und naive Weiſe gefaßt ward, und in der ganzen ka-
tholiſchen Welt den groͤßten Eindruck machte. Gar bald
ward man auch in Frankreich inne, daß man noch etwas
anders beduͤrfe als die bloße Bußuͤbung. Es ward ein
eigener Abgeordneter nach Spanien geſchickt, Pierre Be-
rulle, der auch endlich, obwohl nicht ohne Schwierigkeiten
den Orden nach Frankreich uͤberpflanzte, wo er dann ſehr
bald Wurzel faßte und die ſchoͤnſten Fruͤchte trug.
Auch die Stiftungen des Franz von Sales waren in
die-
[433]der katholiſchen Reſtauration. Frankreich.
dieſem mildern Sinne. Franz von Sales pflegte in allen
ſeinen Beſchaͤftigungen mit heiterer Gemuͤthsruhe, ohne An-
ſtrengung noch Eile zu Werke zu gehn. Mit ſeiner Ge-
huͤlfin, Mère Chantal, ſtiftete er den Orden von der Heim-
ſuchung ausdruͤcklich fuͤr ſolche, deren zartere Leibesbe-
ſchaffenheit ſie abhalte in die ſtrengern Vereinigungen einzu-
treten. Er vermied in ſeiner Regel nicht allein die eigentliche
Buͤßung, und dispenſirte von den ſchwereren Pflichten: er
warnte auch vor allen innerlichen Anmuthungen: ohne viel
Nachgruͤbeln muͤſſe man ſich vor Gottes Angeſicht ſtellen,
und nicht verlangen ihn mehr zu genießen als er ſich ſelbſt
gewaͤhre: unter der Geſtalt von Entzuͤckungen verfuͤhre uns
der Hochmuth: nur den gewoͤhnlichen Weg der Tugenden
muͤſſe man wandeln. Deshalb machte er vor allem ſeinen
Nonnen die Krankenpflege zur Pflicht. Immer zwei und
zwei, eine die Oberin, die andere die Beigeſellte, ſollten die
Schweſtern ausgehn, und die beduͤrftigen Kranken in ihren
Haͤuſern aufſuchen. Mit den Werken, durch die Arbeit
muͤſſe man beten, meinte Franz von Sales 1). Ueber ganz
Frankreich breitete ſein Orden eine wohlthaͤtige Wirkſam-
keit aus.
Es iſt in dieſem Gange der Dinge, wie man leicht
ſieht, ein Fortſchritt, von der Strenge zur Maͤßigung, von
der Entzuͤckung zur Ruhe, von abgeſchiedener Bußuͤbung
zur Erfuͤllung einer ſocialen Pflicht.
Päpſte* 28
[434]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Schon waren auch die Urſulerinnen in Frankreich auf-
genommen, deren viertes Geluͤbde es iſt, ſich dem Unter-
richte junger Maͤdchen zu widmen: und die dieß mit be-
wunderswuͤrdigem Eifer erfuͤllten.
Wie es ſich von ſelbſt verſteht, waren nun aͤhnliche
Tendenzen auch in den Congregationen fuͤr Maͤnner lebendig.
Jean Baptiſte Romillon, der bis zu ſeinem 26ſten Jahre
die Waffen wider den Katholicismus getragen, aber ſich
dann zu demſelben bekehrt hatte, ſtiftete mit einem gleichge-
ſinnten Freunde die Vaͤter der chriſtlichen Lehre, welche den
Elementarunterricht in Frankreich neu begruͤndet haben.
Wir gedachten ſchon Berulles, eines der ausgezeichne-
ten Geiſtlichen des damaligen Frankreichs. Von erſter Ju-
gend an hatte er einen recht ernſten Eifer bewieſen ſich zum
Dienſte der Kirche auszubilden: er hatte ſich dazu taͤglich,
wie er ſagt, „den wahrſten und innerlichſten Sinn ſeines
Herzens“ vorgehalten, welcher ſey „nach der groͤßten Voll-
kommenheit zu trachten“. Vielleicht haͤngt es mit den Schwie-
rigkeiten die er hiebei fand zuſammen, daß ihm nichts ſo
nothwendig ſchien, wie ein Inſtitut zur Bildung von Geiſt-
lichen unmittelbar zum Kirchendienſt zu errichten. Er nahm
ſich hiebei Philipp Neri zum Muſter: auch er ſtiftete Prie-
ſter des Oratoriums. Er duldete keine Geluͤbde: er ließ
nur einfache Verpflichtungen zu: er war großgeſinnt genug
um zu wuͤnſchen daß ſich ein Jeder wieder entferne, der
den Geiſt dazu nicht in ſich ſpuͤre. In der That hatte
nun auch ſein Inſtitut ungemeinen Fortgang: durch ſeine
Milde zog es auch vornehmere Zoͤglinge an: bald ſah ſich
Berulle an der Spitze einer glaͤnzenden, kraͤftigen, gelehri-
[435]der katholiſchen Reſtauration. Frankreich.
gen Jugend: biſchoͤfliche Seminarien, gelehrte Schulen wur-
den ihm uͤbertragen: in der Geiſtlichkeit, die aus dem In-
ſtitut hervorging, regte ſich ein neuer, friſcher Geiſt. Eine
ganze Anzahl bedeutender Prediger hat es gebildet: von
dieſer Zeit an ſetzte ſich der Charakter der franzoͤſiſchen Pre-
digt feſt 1).
Und koͤnnten wir an dieſer Stelle der Congregation
von S. Maur vergeſſen? Indem die franzoͤſiſchen Bene-
dictiner ſich der in Lothringen vollzogenen Reformation die-
ſes Ordens anſchloſſen, fuͤgten ſie den uͤbrigen Obliegenhei-
ten die Verpflichtung hinzu ſich der Erziehung des jun-
gen Adels und der Gelehrſamkeit zu widmen. Bald im
Anfang erſchien dann der ruhmwuͤrdige Mann unter ihnen,
Nicolaus Hugo Ménard, der ihren Studien die Richtung
auf die kirchlichen Alterthuͤmer gab, der wir ſo viele groß-
artige Werke verdanken 2).
Schon waren auch die barmherzigen Bruͤder, Stif-
tung jenes unermuͤdlichen Krankenpflegers Johannes a
Deo 3), eines Portugieſen, dem ein ſpaniſcher Biſchof in
einem Augenblick der Bewunderung dieſen Beinamen gege-
ben, durch Maria Medici in Frankreich eingefuͤhrt worden:
ſie nahmen hier eine noch ſtrengere Regel an, aber nur um
ſo mehr Nachfolge fanden ſie: in kurzem ſehen wir 30 Spi-
taͤler von ihnen gegruͤndet.
28*
[436]BuchVII.Kap. 1. Fortſchritte
Welch ein Vorhaben iſt es aber, ein ganzes Reich
religioͤs umzugeſtalten, in Eine Richtung des Glaubens
und der Lehre hinzureißen. In den tiefern Regionen, in
dem Landvolke, bei den Landpfarrern ſelbſt, gingen an vie-
len Orten noch immer die alten Mißbraͤuche in Schwange.
Mitten in der allgemeinen Regung erſchien endlich auch der
große Miſſionar der gemeinen Leute, Vincenz von Paul, der
die Congregation der Miſſion ſtiftete, deren Mitglieder von
Ort zu Ort ziehend, die religioͤſen Anregungen bis in die ent-
fernteſten Winkel des Landes ausbreiten ſollten. Vincentius
war ſelbſt ein Bauernſohn, demuͤthig, voll von Eifer und
praktiſchem Sinne 1). Auch der Orden der barmherzigen
Schweſtern, in welchem ſich das zartere Geſchlecht noch in
dem Alter worin es alle Anſpruͤche auf haͤusliches Gluͤck
oder weltlichen Glanz zu machen haͤtte, dem Dienſte der
Kranken, oft der verworfenen weihet, ohne auch nur die
religioͤſe Geſinnung, von der dieſe ganze Thaͤtigkeit aus-
geht, anders als fluͤchtig aͤußern zu duͤrfen, verdankt ihm
ſeine Entſtehung.
Beſtrebungen, wie ſie in chriſtlichen Laͤndern gluͤckli-
cherweiſe immer aufs neue hervorgetreten ſind: der Erzie-
hung, des Unterrichts, der Predigt, gelehrter Studien,
der Wohlthaͤtigkeit. Nirgends werden ſie ohne Vereinigung
mannigfaltiger Kraͤfte und religioͤſer Begeiſterung gedeihen.
Anderwaͤrts uͤberlaͤßt man ſie dem ſich immer verjuͤngenden
[437]der katholiſchen Reſtauration. Frankreich.
Geſchlechte, dem jedesmaligen Beduͤrfniß. Hier ſucht man
den Vereinigungen eine unerſchuͤtterliche Grundlage, dem re-
ligioͤſen Antriebe eine feſte Form zu geben: um alles dem
unmittelbaren Dienſte der Kirche zu weihen, und die kuͤnf-
tigen Geſchlechter unvermerkt zu demſelben Sinne heran-
zuziehen.
In Frankreich zeigten ſich nun in kurzem die groͤß-
ten Erfolge. Schon unter Heinrich IV. ſahen ſich die
Proteſtanten durch eine ſo tiefgreifende als ausgebreitete
Thaͤtigkeit einer entgegengeſetzten Geſinnung beſchraͤnkt und
gefaͤhrdet, eine Zeit lang hatten ſie keinen Fortgang mehr:
aber gar bald erlitten ſie Verluſte, bereits unter Heinrich IV.
klagen ſie, daß der Abfall in ihren Reihen beginne.
Und doch war Heinrich ſchon durch ſeine Politik ge-
noͤthigt ihnen Beguͤnſtigungen widerfahren zu laſſen und
ſich den Zumuthungen des Papſtes, der ſie z. B. von al-
len oͤffentlichen Stellen ausgeſchloſſen wiſſen wollte, zu
widerſetzen.
Unter Maria Medici aber verließ man die bisherige
Politik: man ſchloß ſich um Vieles enger an Spanien an:
eine entſchieden katholiſche Geſinnung bekam in allen in-
nern und aͤußern Geſchaͤften die Oberhand. Wie am
Hofe, ſo hatte ſie ſelbſt in der Staͤndeverſammlung das
Uebergewicht. Von den beiden erſten Staͤnden ward im
Jahre 1614 nicht allein die Publication des Tridentinums,
ſondern ſogar die Herſtellung der Kirchenguͤter in Bearn
ausdruͤcklich gefordert.
Da war es nun fuͤr die Proteſtanten, in denen doch
auch ein lebendiges kirchliches Leben waltete, um dieß nicht
[438]BuchVII.Kap. 1. Frankreich.
unterdruͤckt zu ſehen ein großes Gluͤck, daß ſie politiſch noch
immer ſo ſtark, daß ſie ſo gut geruͤſtet waren. Wie ſich
die Regierung mit ihren Gegnern vereinigt hatte, ſo fanden
ſie an maͤchtigen Mißvergnuͤgten, an denen es dort nie-
mals gefehlt hat noch fehlen wird, Ruͤckhalt und Huͤlfe.
Es dauerte noch eine Weile ehe man ſie geradezu angrei-
fen konnte.
[439]
Zweites Kapitel.
Allgemeiner Krieg. Siege des Katholicismus.
1617—1623.
Ausbruch des Krieges.
So verſchieden auch die Zuſtaͤnde ſeyn moͤgen, welche
ſich hiedurch entwickelt haben, ſo treffen ſie doch in einem
großen Reſultat zuſammen. Allenthalben iſt der Katholi-
cismus gewaltig vorgedrungen: allenthalben iſt er auch auf
einen maͤchtigen Widerſtand geſtoßen. In Polen vermag
er ſeine Widerſacher ſchon darum nicht zu erdruͤcken, weil
ſie an den benachbarten Reichen einen unuͤberwindlichen
Ruͤckhalt finden. In Deutſchland hat ſich eine eng ge-
ſchloſſene Oppoſition dem vordringenden Dogma, der zu-
ruͤckkehrenden Prieſterſchaft entgegengeworfen. Der Koͤnig
von Spanien hat ſich entſchließen muͤſſen den vereinigten
Niederlanden einen Stillſtand zu gewaͤhren, der nicht viel
weniger als eine foͤrmliche Anerkennung in ſich enthaͤlt.
Die franzoͤſiſchen Hugenotten ſind durch feſte Plaͤtze, kriegs-
bereite Mannſchaften und zweckdienliche finanzielle Einrich-
tungen gegen jeden Angriff geruͤſtet. In der Schweiz iſt
das Gleichgewicht der Parteien ſchon lange ausgebildet, und
[440]BuchVII.Kap. 2. Ausbruch
auch der regenerirte Katholicismus vermag es nicht zu er-
erſchuͤttern.
Europa iſt in zwei Welten geſchieden, die ſich auf je-
den Punkt umfaſſen, beſchraͤnken, ausſtoßen, bekaͤmpfen.
Vergleichen wir ſie im Allgemeinen, ſo ſtellt die ka-
tholiſche Seite zunaͤchſt eine bei weitem groͤßere Einheit dar.
Zwar wiſſen wir wohl, daß es ihr nicht an innern Feind-
ſeligkeiten fehlt, aber dieſe ſind doch fuͤrs Erſte beſchwich-
tigt. Vor allem, zwiſchen Frankreich und Spanien beſteht
ein gutes und ſogar vertrauliches Vernehmen: dann will es
nicht viel ſagen, daß ſich der alte Widerwille von Venedig
oder Savoyen zuweilen regt: ſelbſt ſo gefaͤhrliche Attentate
wie jene Verſchwoͤrung gegen Venedig gehn ohne Erſchuͤt-
terung voruͤber. Papſt Paul V. zeigte ſich, nachdem ihm
ſeine erſten Erfahrungen eine ſo nachdruͤckliche Lehre er-
theilt, ruhig und gemaͤßigt, er verſtand es den Frieden
zwiſchen den katholiſchen Maͤchten aufrecht zu erhalten, und
dann und wann gab er einen Moment der gemeinſchaftli-
chen Politik an. Die Proteſtanten dagegen hatten nicht
allein uͤberhaupt keinen Mittelpunkt: ſeit dem Tode der
engliſchen Eliſabeth und der Thronbeſteigung Jakobs I, der
von Anfang an eine etwas zweideutige Politik beobachtete,
nicht einmal eine vorwaltende Macht. Lutheraner und Re-
formirte ſtanden einander mit einem Widerwillen gegenuͤber,
der nothwendig zu entgegengeſetzten politiſchen Maaßregeln
fuͤhrte. Aber auch die Reformirten ſelbſt waren unter ein-
ander entzweit: Episcopalen und Puritaner, Arminianer
und Gomariſten bekaͤmpften ſich mit wildem Haß: in der
Aſſemblee der Hugenotten zu Saumur von 1611 brach
[441]eines allgemeinen Krieges.
ein Zwieſpalt aus, der niemals wieder gruͤndlich beigelegt
werden konnte.
Gewiß, man duͤrfte dieſen Unterſchied nicht von einer
geringeren Lebendigkeit der religioͤſen Bewegung innerhalb
des Katholicismus herleiten: wir nahmen eben das Gegen-
theil wahr. Eher ließe ſich folgender Grund angeben. In
dem Katholicismus war nicht jene Energie der ausſchlie-
ßenden Dogmatik, die den Proteſtantismus beherrſchte: es
gab wichtige Streitfragen, welche man unausgemacht ließ;
Enthuſtasmus, Myſtik und die tiefere, nicht bis zur Klar-
heit des Gedankens durchzubildende Sinnesweiſe, die ſich
aus religioͤſen Tendenzen von Zeit zu Zeit immer wieder
erheben muß, ward von dem Katholicismus in ſich aufge-
nommen, geregelt, in den Formen kloͤſterlicher Ascetik dienſt-
bar gemacht, von dem Proteſtantismus dagegen zuruͤckge-
wieſen, verdammt und ausgeſtoßen. Eben darum brach
dann unter den Proteſtanten eine ſolche Geſinnung, ſich
ſelbſt uͤberlaſſen, in mancherlei Secten hervor, und ſuchte
ſich einſeitig aber frei ihre eigenen Bahnen.
Dem entſpricht es, daß die Literatur uͤberhaupt auf
der katholiſchen Seite um vieles mehr Geſtalt und Re-
gel gewonnen hatte. Wir koͤnnen ſagen, unter den Auſpi-
cien der Kirche ſetzten ſich in Italien zuerſt die modern-
claſſiſchen Formen durch: in Spanien naͤherte man ſich ih-
nen, ſo weit es der Geiſt der Nation immer zuließ: ſchon
begann eine aͤhnliche Entwickelung in Frankreich, wo ſie
ſich ſpaͤter ſo vollkommen ins Werk geſetzt, ſo glaͤnzende Re-
ſultate hervorgebracht hat. Malherbe trat auf, der ſich
zuerſt der Regel willig unterwarf und alle Licenz ſelbſtbe-
[442]BuchVII.Kap. 2. Ausbruch
wußt fahren ließ 1), und der nun der monarchiſch-katholi-
ſchen Geſinnung die er hegte durch die epigrammatiſche Praͤ-
ciſion, die etwas proſaiſche aber dem Sinne der Franzoſen
entſprechende Popularitaͤt und Eleganz, mit welcher er ſie
ausſprach, einen neuen Nachdruck verlieh. In den germa-
niſchen Nationen konnte dieſe Richtung damals ſelbſt auf
der katholiſchen Seite noch nicht zur Herrſchaft gelangen: ſie
ergriff nur erſt die lateiniſche Poeſie, wo ſie aber doch wirk-
lich zuweilen, ſelbſt bei unſerm Balde, der ſonſt ein ausge-
zeichnetes Talent hat, wie eine Parodie herauskommt; in
der Mutterſprache blieb noch alles der Ausdruck der Na-
tur. Noch viel weniger aber konnte ſich die Nachahmung
der Antike in dieſen Voͤlkern auf der proteſtantiſchen Seite
durchſetzen. Shakeſpeare ſtellte den Inhalt und Geiſt der Ro-
mantik in unvergaͤnglichen frei hervorgebrachten Formen
vor Augen: Alterthum und Hiſtorie mußten ſeinem Sinne
dienen. Aus einer deutſchen Schuhmacherwerkſtatt gingen,
dunkel, formlos und unergruͤndlich, aber mit unwiderſteh-
licher Kraft der Anziehung, Werke deutſchen Tiefſinns und
religioͤſer Weltanſchauung hervor die ihres Gleichen nicht
haben, freie Geburten der Natur.
Jedoch ich will nicht verſuchen den Gegenſatz dieſer
beiden einander gegenuͤberſtehenden geiſtigen Welten darzu-
ſtellen: um ihn ganz zu faſſen, muͤßten wir der proteſtan-
tiſchen Seite eine groͤßere Aufmerkſamkeit gewidmet haben.
[443]eines allgemeinen Krieges.
Nur noch einen fuͤr die Begebenheit ſelbſt unmittelbar wirk-
ſamen Moment ſey mir verſtattet hervorzuheben.
In dem Katholicismus herrſchten jetzt die monarchi-
ſchen Tendenzen vor. Ideen von popularen Berechtigungen,
von geſetzlichem Widerſtande gegen die Fuͤrſten, von Volks-
ſouveraͤnetaͤt und Koͤnigsmord, wie ſie dreißig Jahre fruͤ-
her ſelbſt von den eifrigſten Katholiken verfochten worden,
waren nicht mehr an der Zeit. Es gab jetzt keinen bedeu-
tenden Gegenſatz einer katholiſchen Bevoͤlkerung gegen ei-
nen proteſtantiſchen Fuͤrſten: ſelbſt mit Jacob I. von Eng-
land vertrug man ſich: jene Theorien fanden keine Anwen-
dung mehr. Schon daraus folgte, daß das religioͤſe Prin-
zip ſich dem dynaſtiſchen immer enger anſchloß: es kam,
wenn ich mich nicht irre, hinzu, daß die fuͤrſtlichen Perſoͤn-
lichkeiten auf der katholiſchen Seite ein gewiſſes Uebergewicht
entwickelten. Wenigſtens darf man das von Deutſchland
ſagen. Da lebte noch der alte Biſchof Julius von Wuͤrz-
burg, der bei uns den erſten durchgreifenden Verſuch ei-
ner Gegenreformation gemacht hatte: Churfuͤrſt Schwei-
kard von Mainz verwaltete ſein Erzkanzleramt mit einem
durch warmen innerlichen Antheil erhoͤhten Talente, und
verſchaffte demſelben wieder einmal großen Einfluß 1): die
beiden andern rheiniſchen Churfuͤrſten waren entſchloſſene,
thaͤtige Maͤnner: an ihrer Seite erhoben ſich der maͤnnliche,
ſcharfſinnige, unermuͤdliche Maximilian von Baiern, ein
[444]BuchVII.Kap. 2. Ausbruch
geſchickter Adminiſtrator, von großartigen politiſchen Ent-
wuͤrfen erfuͤllt, und Erzherzog Ferdinand, unerſchuͤtterlich
durch ſeinen Glauben, den er mit der Inbrunſt einer ſtarken
Seele umfaßte: — faſt alles Schuͤler der Jeſuiten, welche
es noch verſtanden in den Gemuͤthern ihrer Zoͤglinge große
Antriebe hervorzurufen: auch ihrerſeits Reformatoren, die
den Zuſtand der Dinge, in welchem man ſich befand, mit
Anſtrengung und geiſtigem Schwunge zu Stande gebracht
hatten.
Die proteſtantiſchen Fuͤrſten dagegen waren mehr Er-
ben, als Stifter: ſie waren bereits die zweite oder die
dritte Generation. Nur in Einem und dem Andern zeig-
ten ſich ich weiß nicht ob Kraft und innerliche Staͤrke,
aber doch Ehrgeiz und Liebe zur Bewegung.
Dagegen traten jetzt unter den Proteſtanten offenbar
Hinneigungen zur Republik, wenigſtens zu einer ariſtokra-
tiſchen Freiheit hervor. An vielen Orten, in Frankreich,
in Polen, in allen oͤſtreichiſchen Gebieten war ein maͤchti-
ger Adel von proteſtantiſcher Ueberzeugung mit der katho-
liſchen Regierungsgewalt in offenem Kampfe. Was ſich
durch einen ſolchen erreichen laſſe, davon gab die Republik
der Niederlande, die ſich taͤglich zu hoͤherer Bluͤthe erhob,
ein glaͤnzendes Beiſpiel. Es iſt allerdings in dieſer Zeit
in Oeſtreich die Rede davon geweſen, daß man ſich von
dem herrſchenden Geſchlechte losſagen und eine Verfaſſung
wie die Schweiz oder wie die Niederlande annehmen muͤſſe.
In dem Gelingen dieſer Beſtrebungen lag fuͤr die deutſchen
Reichsſtaͤdte die einzige Moͤglichkeit wieder zu groͤßerer
Bedeutung zu gelangen, und lebhaft nahmen ſie daran
[445]eines allgemeinen Krieges.
Theil. Die innere Verfaſſung der Hugenotten war ſchon
republikaniſch, und zwar ſelbſt nicht ohne demokratiſche
Elemente. In den engliſchen Puritanern traten dieſe be-
reits einem proteſtantiſchen Koͤnig entgegen. Es exiſtirt
eine kleine Schrift von einem kaiſerlichen Botſchafter in
Paris aus dieſer Zeit, in welcher die europaͤiſchen Fuͤr-
ſten mit vieler Lebhaftigkeit auf die gemeinſchaftliche Ge-
fahr aufmerkſam gemacht werden, die ihnen aus dem Em-
porkommen eines ſolchen Geiſtes entſpringe 1).
Die katholiſche Welt war in dieſem Augenblick ein-
muͤthig, claſſiſch, monarchiſch: die proteſtantiſche entzweit,
romantiſch, republikaniſch.
In dem Jahre 1617 ließ ſich bereits alles zu einem
entſcheidenden Kampfe zwiſchen ihnen an; auf der katholi-
ſchen Seite fuͤhlte man ſich, wie es ſcheint, uͤberlegen: es
iſt nicht zu leugnen, daß ſie ſich zuerſt erhob.
In Frankreich erging am 15ten Juni 1617 ein Edict,
das der katholiſche Clerus ſchon laͤngſt gefordert, aber der
Hof aus Ruͤckſicht auf die Macht und die Oberhaͤupter
der Hugenotten noch immer verweigert hatte, kraft deſſen
die Kirchenguͤter in Bearn wieder herausgegeben werden
ſollten. Dahin ließ ſich Luines bringen, der ſich, obwohl
die Proteſtanten anfangs auf ihn rechneten 2), doch all-
[446]BuchVII.Kap. 2. Ausbruch
maͤhlig der jeſuitiſch-paͤpſtlichen Partei angeſchloſſen: ſchon
erhoben ſich, im Vertrauen auf dieſe Geſinnung der hoͤch-
ſten Gewalt, hie und da, zuweilen unter dem Laͤuten der
Sturmglocke Angriffe des Poͤbels auf die Proteſtanten: die
Parlamente nahmen gegen ſie Partei.
Noch einmal machte der polniſche Prinz Wladislaw
ſich auf, der ſichern Erwartung, daß er jetzt den Thron
von Moskau einnehmen werde. Man hielt dafuͤr, daß hie-
mit Abſichten gegen Schweden verbunden ſeyen, und unver-
zuͤglich ging der Krieg zwiſchen Polen und Schweden wie-
der an 1).
Allein bei weitem das Wichtigſte bereitete ſich in den
Erblanden des Hauſes Oeſtreich vor. Die Erzherzoͤge hat-
ten ſich verſoͤhnt und verſtanden: mit dem großen Sinne
den dieß Haus in gefaͤhrlichen Augenblicken oͤfter bewieſen,
gaben die Uebrigen die Anſpruͤche, die ihnen nach dem Tode
des Kaiſers Matthias, dem es an Nachkommenſchaft ge-
brach, zuwachſen mußten, an Erzherzog Ferdinand auf;
und in kurzem ward derſelbe in der That als Thronfol-
2)
[447]eines allgemeinen Krieges.
ger in Ungarn und Boͤhmen anerkannt. Es war dieß am
Ende nur eine Ausgleichung perſoͤnlicher Anſpruͤche, aber
die eine allgemeine Bedeutung in ſich ſchloß.
Von einem ſo entſchloſſenen Eiferer wie Ferdinand ließ
ſich nichts anderes erwarten, als daß er unverzuͤglich auch
hier ſeinem Glauben die Alleinherrſchaft zu verſchaffen, und
darnach die geſammte Kraft dieſer Laͤnder zur Fortpflan-
zung des Katholicismus zu verwenden ſuchen werde.
Eine gemeinſchaftliche Gefahr fuͤr alle Proteſtanten in
den Erblanden, in Deutſchland und in Europa.
Eben deshalb erhob ſich zunaͤchſt an dieſem Punkte der
Gegenſatz. Die Proteſtanten, die ſich dem Vordringen des
Katholicismus entgegengeworfen, waren nicht allein zur Ge-
genwehr geruͤſtet, ſie hatten Muth genug die Vertheidi-
gung ſogleich in einen Angriff zu verwandeln.
In Churfuͤrſt Friedrich von der Pfalz concentrirten ſich
die Elemente des europaͤiſchen Proteſtantismus. Seine Ge-
mahlin war die Tochter des Koͤnigs von England, die
Nichte des Koͤnigs von Daͤnemark: ſein Oheim Prinz Mo-
ritz von Oranien: nahe mit ihm verwandt das Oberhaupt
der franzoͤſiſchen Hugenotten von der minder friedlichen Par-
tei, der Herzog von Bouillon. Er ſelbſt ſtand an der
Spitze der deutſchen Union. Ein ernſter Fuͤrſt, der Selbſt-
beherrſchung genug beſaß um ſich von den ſchlechten Ge-
wohnheiten frei zu halten, die damals an den deutſchen
Hoͤfen herrſchten, und ſich vielmehr angelegen ſeyn ließ
ſeine landesherrlichen Pflichten zu erfuͤllen, den Sitzungen
ſeines geheimen Rathes fleißig beizuwohnen: — etwas me-
[448]BuchVII.Kap. 2. Ausbruch
lancholiſch, ſtolz, voll hoher Gedanken 1). Zu ſeines Vaters
Zeit ſtanden im Speiſeſaale auch Tiſche fuͤr Raͤthe und Edel-
leute: er ließ ſie alle wegſchaffen: er ſpeiſte nur mit Fuͤr-
ſten und hoͤchſten Perſonen. Man naͤhrte an dieſem Hofe
ein lebhaftes Gefuͤhl einer großen politiſchen Beſtimmung:
gefliſſentlich warf man ſich in tauſend weitausſchende
Verbindungen: da ſo lange nicht ernſtlich geſchlagen wor-
den, hatte man keinen deutlichen Begriff, was ſich errei-
chen laſſe, was die Zukunft bringen koͤnne: den verwegen-
ſten Entwuͤrfen gab man Raum.
In dieſer Stimmung war der Hof zu Heidelberg, als
die Boͤhmen, die beſonders im Gefuͤhle jener religioͤſen Ge-
fahr mit dem Hauſe Oeſtreich in eine immer heftiger auf-
brauſende Entzweiung gerathen waren, ſich entſchloſſen Fer-
dinand zu verwerfen, obwohl er ihr Wort bereits beſaß,
und dem Churfuͤrſten von der Pfalz ihre Krone anzutragen.
Einen Augenblick bedachte ſich Churfuͤrſt Friedrich.
Es war doch unerhoͤrt, daß ein deutſcher Fuͤrſt einem an-
dern eine demſelben rechtmaͤßig zufallende Krone entreißen
wollte! Aber alle ſeine Freunde, Moritz, der den Still-
ſtand mit den Spaniern nie gemocht, der Herzog von
Bouil-
[449]eines allgemeinen Krieges.
Bouillon, Chriſtian von Anhalt, welcher das ganze Ge-
triebe der europaͤiſchen Politik uͤberſah, und ſich uͤberzeugt
hielt, es werde Niemand den Muth und die Macht ha-
ben ſich dem vollzogenen Ereigniß zu widerſetzen, ſeine
vertrauteſten Raͤthe feuerten ihn an: die unermeßliche Aus-
ſicht, Ehrgeiz und Religionseifer zugleich riſſen ihn hin:
er nahm die Krone an (Auguſt 1619). Welch einen Er-
folg mußte es haben, wenn er ſich behauptete! Die Macht
des Hauſes Oeſtreich im oͤſtlichen Europa waͤre gebrochen,
der Fortgang des Katholicismus auf immer gehemmt ge-
weſen.
Und ſchon regten ſich ihm allenthalben maͤchtige Sym-
pathien. In Frankreich erhob ſich eine allgemeine Bewe-
gung unter den Hugenotten: die Bearner widerſetzten ſich
jenem koͤniglichen Befehle: die Aſſemblee zu Loudun nahm
ſich ihrer an: nichts waͤre der Koͤnigin Mutter erwuͤnſch-
ter geweſen als dieſe kriegsbereite Oppoſition fuͤr ſich zu
gewinnen: ſchon war Rohan auf ihrer Seite, und hatte ihr
den Beitritt der Uebrigen verſprochen.
Da war auch in dem unaufhoͤrlich wogenden Grau-
buͤndten die katholiſch-ſpaniſche Partei wieder einmal unter-
druͤckt, die proteſtantiſche zur Herrſchaft emporgeſtiegen: mit
Vergnuͤgen empfing das Gericht zu Davos die Botſchafter
des neuen Koͤnigs von Boͤhmen, und verſprach ihm, die Paͤſſe
des Landes den Spaniern auf ewig verſchloſſen zu halten 1).
Bemerken wir wohl, daß ſich hiemit auch zugleich die
Päpſte* 29
[450]BuchVII.Kap. 2. Allgemeiner Krieg.
republikaniſchen Tendenzen erhoben. Nicht allein behaupteten
die boͤhmiſchen Staͤnde ihrem gewaͤhlten Koͤnig gegenuͤber
eine natuͤrliche Unabhaͤngigkeit: in allen oͤſtreichiſchen Erb-
landen ſuchte man ſie nachzuahmen: die deutſchen Reichs-
ſtaͤdte faßten neue Hoffnungen, und in der That iſt die beſte
Geldhuͤlfe, die Friedrich bei ſeinem Unternehmen empfing,
von dieſer Seite gekommen.
Allein eben darum, aus dem doppelten Geſichtspunkte
der Religion und der Politik, nahmen ſich nun auch die
katholiſchen Fuͤrſten mehr als je zuſammen.
Maximilian von Baiern und Ferdinand, der das Gluͤck
gehabt hatte in dieſem Augenblicke zum Kaiſer ernannt zu
werden, ſchloſſen den engſten Bund: der Koͤnig von Spa-
nien ruͤſtete ſich zu nachdruͤcklicher Huͤlfleiſtung: Papſt
Paul V. ließ ſich zu ſehr anſehnlichen und willkommenen
Subſidienzahlungen bewegen.
Wie die Winde in der ſtuͤrmiſchen Jahreszeit zuwei-
len ploͤtzlich umſchlagen: ſo trat der Strom des Gluͤckes,
des Vollbringens mit einem Mal auf die andere Seite.
Den Katholiſchen gelang es, einen der maͤchtigſten pro-
teſtantiſchen Fuͤrſten, aber einen Lutheraner, dem jene von
dem Calvinismus ausgegangene Bewegung von Herzen ver-
haßt war, den Churfuͤrſten von Sachſen, fuͤr ſich zu ge-
winnen.
Schon hierauf erhoben ſie ſich mit der gewiſſen Hoff-
nung des Sieges. Eine einzige Schlacht, am weißen Berge
8. November 1620, machte der Gewalt des pfaͤlziſchen
Friedrich und allen ſeinen Entwuͤrfen ein Ende.
[451]Siege des Katholicismus.
Denn auch die Union vertheidigte ihr Oberhaupt nicht
mit dem noͤthigen Nachdruck. Es mag wohl ſeyn, daß jenes
republikaniſche Element den vereinten Fuͤrſten ſelbſt gefaͤhr-
lich vorkam: ſie wollten den Hollaͤndern den Rhein nicht
einraͤumen: ſie fuͤrchteten die Analogien welche ihre Ver-
faſſung in Deutſchland erwecken moͤchte. Auf der Stelle
erfochten die Katholiken auch in Oberdeutſchland das Ueber-
gewicht. Die Oberpfalz ward von den Baiern, die Unter-
pfalz von den Spaniern beſetzt: ſchon im April 1621 loͤſte
die Union ſich auf. Alles was ſich zu Gunſten Friedrichs
regte und erhob, ward verjagt oder zerſchmettert. In Ei-
nem Moment, unmittelbar nach der groͤßten Gefahr, war
das katholiſche Prinzip in dem obern Deutſchland und in
den oͤſtreichiſchen Provinzen allmaͤchtig.
In dem erkaͤmpfte es ſich auch in Frankreich eine große
Entſcheidung. Nach einem gluͤcklichen Schlage den die koͤ-
nigliche Gewalt gegen die ihr entgegengeſetzten Factionen
des Hofes, die Partei der Koͤnigin Mutter gefuͤhrt, mit
denen allerdings die Hugenotten in naher Beruͤhrung ge-
ſtanden 1), drang der paͤpſtliche Nuntius darauf, daß man
den guͤnſtigen Augenblick zu einer Unternehmung gegen den
Proteſtantismus uͤberhaupt benutzen muͤſſe: er wollte von
keinem Aufſchub hoͤren: er meinte, was in Frankreich erſt
einmal verſchoben werde, geſchehe dann niemals 2): er riß
Luines und den Koͤnig mit ſich fort. In Bearn beſtan-
29*
[452]BuchVII.Kap. 2. Allgemeiner Krieg
den noch die alten Factionen, Beaumont und Grammont,
die ſich ſeit Jahrhunderten bekaͤmpft: ihr Zwiſt verurſachte,
daß der Koͤnig unaufgehalten in dem Lande einzog, die be-
waffnete Macht, die Verfaſſung deſſelben aufloͤſte, und die
Herrſchaft der katholiſchen Kirche wiederherſtellte. Zwar
trafen die Proteſtanten im eigentlichen Frankreich nunmehr
Anſtalt ſich ihrer Glaubensbruͤder anzunehmen: aber ſie
wurden im Jahre 1621 allenthalben geſchlagen.
Da hatte ſich auch ein veltliniſches Oberhaupt, Jacob
Robuſtelli, mit katholiſchen Verbannten aus dem Lande, einigen
Banditen aus dem Mailaͤndiſchen und Venezianiſchen umgeben,
und den Entſchluß gefaßt die Herrſchaft der Graubuͤndtner, de-
ren proteſtantiſche Tendenz auf dieſen Landestheil ſo beſonders
druͤckte, ein Ende zu machen. Ein Capuzinerpater entflammte
die an ſich blutduͤrſtige Schaar zu religioͤs-fanatiſchem Eifer:
in der Nacht zum 19. Juli 1620 drang ſie in Tirano ein:
in der Morgendaͤmmerung laͤutete ſie die Glocken: indem
die Proteſtanten hieruͤber aus ihren Haͤuſern ſtuͤrzten, wur-
den ſie angefallen, uͤberwaͤltigt und ſaͤmmtlich ermordet.
Wie in Tirano, ſo gleich darauf im ganzen Thal. Verge-
bens kamen die Graubuͤndtner aus dem hohen Gebirg mehr
als einmal herab, um die verlorne Herrſchaft wiederzuer-
obern: ſo oft ſie kamen, wurden ſie auch geſchlagen. Im
Jahre 1621 drangen die Oeſtreicher aus Tyrol, die Spa-
nier aus Mailand ſogar in das eigentliche Graubuͤndten
ein. „Das rauhe Gebirg erfuͤllte ſich mit Mordgeheul:
von den Feuersbruͤnſten der einſamen Haͤuſer ward es furcht-
bar beleuchtet.“ Die Paͤſſe und das ganze Land wurden
in Beſitz genommen.
[453]Siege des Katholicismus.
In dieſem gewaltigen Fortgange wachten alle Hoff-
nungen der Katholiſchen auf.
Der paͤpſtliche Hof ſtellte dem ſpaniſchen vor, die Nie-
derlaͤnder ſeyen entzweit, und jetzt ohne Verbuͤndete, eine
gelegenere Zeit koͤnne es nicht geben um den Krieg gegen
die alten Rebellen zu erneuern: es gelang ihm die Spanier
zu uͤberreden 1). Der Kanzler von Brabant, Peter Peckius
erſchien am 25. Merz 1621 im Haag, und ſtatt auf die
Erneuerung des Stillſtandes, welcher eben ablief, trug er
auf die Anerkennung der rechtmaͤßigen Fuͤrſten an 2). Die
Generalſtaaten erklaͤrten dieſe Anmuthung fuͤr ungerecht, un-
erwartet, ja unmenſchlich: — die Feindſeligkeiten brachen
wieder aus. Auch hier waren die Spanier anfangs im
Vortheil. Sie entriſſen den Niederlaͤndern Juͤlich: was
ihren Unternehmungen am Rhein einen großen Abſchluß
gab. Von Emmerich bis Straßburg hatten ſie das linke
Rheinufer inne.
So viele zuſammentreffende Siege auf einmal, auf ſo
verſchiedenen Seiten, von ſo mannigfaltiger Vorbereitung,
die aber im Lichte der Weltentwickelung uͤberſchaut, doch
in der That einen einzigen bilden. Betrachten wir nun,
was fuͤr uns das Wichtigſte iſt, wie man ſie benutzte.
[454]BuchVII.Kap. 2. Siege
Gregor XV.
Bei der Proceſſion, die man zur Feier der Schlacht
am weißen Berge veranſtaltete, erlitt Paul V. den An-
fall eines Schlages: kurz darauf folgte ein zweiter, an
deſſen Folgen er ſtarb — 28ſten Januar 1621.
Die neue Wahl vollzog ſich im Allgemeinen wie die
fruͤheren. Paul V. hatte ſo lange regiert, daß unter ihm
beinahe das geſammte Collegium erneuert worden war: bei
weitem der groͤßte Theil der Cardinaͤle hing deshalb von
ſeinem Nepoten dem Cardinal Borgheſe ab. Nach eini-
gem Schwanken fand derſelbe den Mann, uͤber den ſich alle
ſeine Anhaͤnger vereinigten, Alexander Ludoviſio von Bo-
logna, der dann auch ſofort gewaͤhlt ward, 9. Februar
1621, und den Namen Gregor XV. annahm.
Ein kleiner, phlegmatiſcher Mann, der ſich in fruͤhern
Zeiten den Ruf erworben geſchickt zu unterhandeln, es zu
verſtehn ohne Aufſehen, im Stillen, zu ſeinem Ziele zu ge-
langen 1): jetzt aber ſchon vom Alter gebeugt, ſchwach
und krank.
Was ſollte man fuͤr den Moment des welthiſtoriſchen
Kampfes in welchem man ſich befand, von einem Papſte
erwarten, dem man ſich oft nicht getraute ſchwierige Ge-
ſchaͤfte mitzutheilen, aus Furcht ſeiner Gebrechlichkeit den
letzten Stoß zu geben 2).
[455]des Katholicismus. GregorXV.
Allein zur Seite dieſes hinſterbenden Greiſes trat ein
junger Mann von 25 Jahren auf, ſein Nepote Ludovico
Ludoviſio, der ſich ſogleich in Beſitz der paͤpſtlichen Allge-
walt ſetzte, und ſo viel Geiſt und Kuͤhnheit zeigte, als die
Lage der Dinge nur immer erforderte.
Ludovico Ludoviſio war praͤchtig, glaͤnzend, verſaͤumte
nicht Reichthuͤmer an ſich zu bringen, vortheilhafte Fami-
lienverbindungen zu ſchließen, ſeine Freunde zu beguͤnſtigen,
zu befoͤrdern: er lebte und ließ leben: aber dabei hatte er
doch auch die großen Intereſſen der Kirche im Auge: ſelbſt
ſeine Feinde geſtehn ihm wahrhaftes Talent fuͤr die Lei-
tung der Geſchaͤfte zu, einen richtig fuͤhlenden Geiſt der
in den ſchwierigſten Verwickelungen eine befriedigende Aus-
kunft entdeckte, und alle den unbeſorgten Muth der dazu
gehoͤrt ein moͤgliches Ergebniß in dem Dunkel der Zukunft
wahrzunehmen und darauf hinzuſteuern 1). Haͤtte ihn nicht
die Schwaͤchlichkeit des Oheims, die ihm keine lange Dauer
ſeiner Gewalt verhieß, in Schranken gehalten, ſo wuͤrde
keine Ruͤckſicht auf der Welt Einfluß auf ihn gehabt haben.
Da iſt nun ſehr wichtig, daß der Nepote wie der
Papſt von der Idee, in der Ausbreitung des Katholicismus
2)
[456]BuchVII.Kap. 2. Siege
das Heil der Welt zu erblicken, erfuͤllt war. Cardinal Lu-
doviſio war von den Jeſuiten erzogen und ihr großer Goͤn-
ner: die Kirche S. Ignatius zu Rom iſt großentheils auf
ſeine Koſten gebaut worden: er gab etwas darauf, daß er
Protector der Capuziner wurde, und meinte, das ſey die wich-
tigſte Protection die er habe: mit Vorliebe und Hingebung
widmete er ſich der devoteſten Abſtufung roͤmiſcher Mei-
nungen 1).
Will man ſich den Geiſt der neuen Verwaltung im
Allgemeinen vergegenwaͤrtigen, ſo braucht man ſich nur zu
erinnern, daß Gregor XV. es iſt, unter dem die Propa-
ganda geſtiftet, und die Begruͤnder der Jeſuiten, Ignatius
und Xaver, heilig geſprochen worden ſind.
Der Urſprung der Propaganda liegt eigentlich ſchon in
einer Anordnung Gregors XIII, durch welche eine Anzahl
Cardinaͤle mit der Leitung der Miſſionen im Orient beauf-
tragt und der Druck von Katechismen in den minder be-
kannten Sprachen angeordnet wurde 2). Jedoch war das
Inſtitut weder feſt begruͤndet, noch mit den noͤthigen Mit-
teln verſehen, noch auch umfaſſend. Nun bluͤhte damals
ein großer Prediger zu Rom, Girolamo da Narni, der ſich
durch ein Leben, das ihm den Ruf eines Heiligen verſchaffte,
die allgemeine Verehrung erwarb, und auf der Kanzel eine
Gedankenfuͤlle, Gediegenheit des Ausdrucks, Majeſtaͤt des
Vortrags entwickelte, welche Jedermann hinriß. Als Bel-
larmin einſt aus einer Predigt deſſelben kam, ſagte er, er
[457]des Katholicismus. GregorXV.
glaube daß ihm ſo eben von den drei Wuͤnſchen des h. Au-
guſtin einer gewaͤhrt worden ſey, nemlich der Wunſch S.
Paulum zu hoͤren. Auch Cardinal Ludoviſio ſtand ihm nahe:
er hat die Koſten zum Druck ſeiner Predigten hergegeben.
Dieſer Capuziner nun zunaͤchſt faßte den Gedanken einer
Erweiterung jenes Inſtitutes 1). Auf ſeinen Rath ward
eine Congregation in aller Form gegruͤndet, um in regel-
maͤßigen Sitzungen die Leitung der Miſſionen in allen Thei-
len der Welt zu beſorgen: wenigſtens jeden Monat einmal
ſollte ſie ſich vor dem Papſte verſammeln. Gregor XV.
wies die erſten Gelder an: der Nepot ſteuerte aus ſeinem
Privatvermoͤgen bei: und da dieß Inſtitut einem in der
That vorhandenen Beduͤrfniſſe entgegenkam, das ſich eben
fuͤhlbar machte, ſo nahm es ſich von Tage zu Tage glaͤn-
zender auf. Wer weiß nicht, was die Propaganda ſchon
fuͤr allgemeine Sprachkunde gethan hat? Sie hat aber
uͤberhaupt, und vielleicht in den erſten Zeiten am erfolg-
reichſten, ihren Beruf auf eine großartige Weiſe zu erfuͤllen
geſucht.
An dieſe Geſichtspunkte ſchloß ſich die Canoniſa-
tion jener beiden Jeſuiten an. „Zu der Zeit“, ſagt die Bulle,
„als man neue Welten gefunden, und als in der alten ſich
Luther zur Bekaͤmpfung der katholiſchen Kirche erhoben habe,
ſey der Geiſt Ignatio Loiolas zur Stiftung einer Geſell-
ſchaft erweckt worden, die ſich vorzugsweiſe der Bekehrung
[458]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
der Heiden und der Herbeibringung der Ketzer widme.
Vor allen andern Mitgliedern derſelben habe ſich aber Franz
Xaver wuͤrdig gemacht, der Apoſtel der neugefundenen Na-
tionen zu heißen. Deshalb ſeyen ſie jetzt beide in das
Verzeichniß der Heiligen aufgenommen: Kirchen und Al-
taͤre, wo man Gott ſein Opfer darbringe, ſollen ihnen ge-
weihet werden“ 1).
Und in dem Geiſte nun, der ſich in dieſen Acten dar-
ſtellt, traf die neue Regierung auch unverweilt Anſtalt, den
Siegen welche die Katholiken erfochten, Bekehrungen fol-
gen zu laſſen, die Eroberungen die ſie gemacht, durch
Wiederherſtellung der Religion zu rechtfertigen und zu be-
feſtigen. „Alle unſere Gedanken“, ſagt eine der erſten In-
ſtructionen Gregors XV, „muͤſſen wir dahin richten, von
dem gluͤcklichen Umſchwung, von der ſieghaften Lage der
Dinge ſo viel Vortheil zu ziehen als moͤglich“. Ein Vor-
haben, das auf das glaͤnzendſte gelang.
Allgemeine Ausbreitung des Katholicismus.
1.
Boͤhmen, die oͤſtreichiſchen Erblande.
Zuerſt fiel das Augenmerk der paͤpſtlichen Gewalt auf
das aufgehende Gluͤck der katholiſchen Meinung in den oͤſt-
reichiſchen Provinzen.
Indem Gregor XV. dem Kaiſer die Subſidien ver-
[459]des Katholicismus. Boͤhmen.
doppelte 1), die ihm bisher gezahlt worden, und ihm zu-
gleich ein nicht unbetraͤchtliches außerordentliches Geſchenk
verſprach — obwohl er, wie er ſagt, kaum ſelbſt zu leben
uͤbrig behalte, — ſchaͤrft er ihm ein, daß er keinen Augen-
blick zoͤgern, ſeinen Sieg auf das raſcheſte verfolgen, und
zugleich die Herſtellung der katholiſchen Religion ins Werk
ſetzen moͤge 2). Nur durch dieſe Herſtellung koͤnne er dem
Gott des Sieges danken. Er geht von dem Grundſatze
aus, durch die Rebellion ſeyen die Lande der Nothwendig-
keit eines ſtrengeren Zwanges verfallen: man muͤſſe ſie mit
Gewalt noͤthigen ihre Gottloſigkeiten fahren zu laſſen.
Der Nuntius, welchen Gregor XV. an den Kaiſer
ſchickte, war der in deutſchen Geſchichten wohlbekannte Carl
Caraffa. Aus den beiden Relationen die von ihm uͤbrig
ſind, die eine gedruckt, die andere handſchriftlich, koͤnnen
wir mit Sicherheit entnehmen, welche Maaßregeln er zur
Erreichung jener Abſichten ergriffen hat.
In Boͤhmen, wo ſeine Thaͤtigkeit begann, war ſeine
erſte Sorge, die proteſtantiſchen Prediger und Schullehrer
zu entfernen, „welche der Beleidigung goͤttlicher und menſch-
licher Majeſtaͤt ſchuldig ſeyen.“
Nicht ſo ganz leicht ward ihm dieß: die Mitglieder
[460]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
der kaiſerlichen Regierung zu Prag fanden es noch zu ge-
faͤhrlich. Erſt als Mansfeld aus der Oberpfalz vertrieben,
alle auswaͤrtige Gefahr entfernt, und ein paar auf das
Verlangen des Nuntius angeworbene Regimenter in Prag
eingeruͤckt waren, am 13ten Dezember 1621, wagte man
dazu zu ſchreiten. Aber auch dann ſchonte man noch die
beiden lutheriſchen Prediger aus Ruͤckſicht auf den Chur-
fuͤrſten von Sachſen. Der Nuntius, Repraͤſentant eines
Prinzipes das keine Ruͤckſicht kennt, wollte davon nichts
hoͤren: er klagte, das ganze Volk haͤnge ſich an die Leute,
ein katholiſcher Prieſter bekomme nichts zu thun, er finde
ſein Auskommen nicht 1). Im October 1622 drang er
endlich durch, und auch die lutheriſchen Prediger wurden
verwieſen. Einen Augenblick ſchien es, als wuͤrden ſich die
Befuͤrchtungen der Regierungsraͤthe bewaͤhren: der Chur-
fuͤrſt von Sachſen erließ ein drohendes Schreiben, und
nahm in den wichtigſten Fragen eine feindſelige Stellung
an: ſelbſt der Kaiſer ſagte dem Nuntius einmal, man habe
wohl allzuviel Eile gehabt, und es waͤre beſſer geweſen
eine gelegenere Zeit zu erwarten 2). Jedoch man kannte
[461]des Katholicismus. Boͤhmen.
die Mittel Ferdinand feſtzuhalten: der alte Biſchof von
Wuͤrzburg ſtellte ihm vor: „vor Gefahren werde ein
glorreicher Kaiſer nicht erſchrecken; es ſtehe ihm auch alle-
mal beſſer an, in die Gewalt der Menſchen zu fallen als
in die Haͤnde des lebendigen Gottes.“ Der Kaiſer gab
nach. Der Nuntius erlebte den Triumph, daß Sachſen
ſich die Entfernung der Prediger zuletzt doch gefallen ließ,
und von ſeiner Oppoſition zuruͤcktrat.
Hiedurch war der Weg geebnet. An die Stelle der
proteſtantiſchen Prediger traten — denn an Weltgeiſtlichen
hatte man noch einen empfindlichen Mangel — Dominicaner,
Auguſtiner, Carmeliter: aus Gneſen langte eine ganze Co-
lonie Franciscaner an: die Jeſuiten ließen es nicht an ſich
fehlen: als ein Schreiben der Propaganda einlief, worin
ſie erſucht wurden die Stellen von Pfarrern zu uͤberneh-
men, hatten ſie das ſchon gethan 1).
Und nun haͤtte nur noch die Frage ſeyn koͤnnen, ob
man nicht wenigſtens zum Theil den nationalen utraqui-
ſtiſchen Ritus nach den Beſtimmungen des Basler Conci-
liums beſtehn laſſen duͤrfe. Die Regierungsraͤthe, der
Gouverneur ſelbſt, Fuͤrſt Lichtenſtein, waren dafuͤr 2): ſie
2)
[462]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
geſtatteten, daß der gruͤne Donnerſtag 1622 noch einmal
mit dem Genuß beider Geſtalten gefeiert wurde; und ſchon
erhob ſich eine Stimme in dem Volke, daß man ſich die-
ſen altherkoͤmmlichen vaterlaͤndiſchen Gebrauch nicht entrei-
ßen laſſen duͤrfe. Aber durch keine Vorſtellung war der
Nuntius dafuͤr zu ſtimmen, unerſchuͤtterlich hielt er die
Geſichtspunkte der Curie feſt: er wußte wohl, daß der Kai-
ſer ſie zuletzt billigen werde; und in der That gelang es
ihm, eine Erklaͤrung deſſelben auszubringen, daß ſich ſeine
weltliche Regierung in die religioͤſen Geſchaͤfte nicht zu mi-
ſchen habe. Hierauf ward die Meſſe allenthalben nur noch
nach roͤmiſchem Ritus gehalten: lateiniſch, mit Ausſpren-
gung von Weihwaſſer und Anrufung der Heiligen: an den
Genuß beider Geſtalten war nicht mehr zu denken, der
keckſte Vertheidiger dieſes Gebrauchs wurde gefangen ge-
ſetzt: endlich ward auch das Symbol des Utraquismus
der große Kelch mit dem Schwert an der Theinkirche, deſ-
ſen Anblick die alten Erinnerungen wach erhalten haͤtte, her-
untergenommen. Den ſechsten Juli, wo man ſonſt das
Andenken an Johann Huß gefeiert, wurden die Kirchen
ſorgfaͤltig verſchloſſen gehalten.
Dieſer ſtrengſten Einwirkung roͤmiſcher Dogmen und
Gebraͤuche kam nun die Regierung mit politiſchen Mitteln
zu Huͤlfe. Die Confiscationen brachten einen betraͤchtlichen
Theil des Landeigenthums in katholiſche Haͤnde; die Er-
werbung liegender Gruͤnde ward den Proteſtanten ſo gut
2)
[463]des Katholicismus. Boͤhmen.
wie unmoͤglich gemacht 1); in allen koͤniglichen Staͤdten
ward der Rath geaͤndert; man haͤtte kein Mitglied darin
geduldet, deſſen Katholicismus verdaͤchtig geweſen waͤre;
die Rebellen wurden begnadigt, ſo bald ſie ſich bekehrten:
den Widerſpenſtigen dagegen, den Unuͤberzeugbaren, die ſich
den geiſtlichen Ermahnungen nicht fuͤgen wollten, wurde
Einquartierung in die Haͤuſer gelegt, „damit“, wie der
Nuntius woͤrtlich ſagt, „ihre Drangſale ihnen Einſicht
verſchaffen moͤchten“ 2).
Die Wirkung, die aus dieſer vereinigten Anwen-
dung von Gewalt und Lehre entſprang, war ſelbſt dem
Nuntius unerwartet. Er war erſtaunt, wie zahlreich die
Kirchen in Prag beſucht wurden, manchen Sonntag Mor-
gen von zwei bis dreitauſend Menſchen, und wie beſchei-
den, andaͤchtig und aͤußerlich katholiſch ſich dieſe betrugen.
Er leitet das daher, daß die katholiſchen Erinnerungen hier
doch niemals ganz verloſchen geweſen: — wie man z. B.
das große Crucifix auf der Bruͤcke ſelbſt von der Gemah-
lin Koͤnig Friedrichs nicht habe wegnehmen laſſen; der
Grund wird ſeyn, daß die proteſtantiſchen Ueberzeugungen
die Maſſen hier in der That noch nicht durchdrungen hat-
ten. Unaufhaltſam ſchritt die Bekehrung vorwaͤrts: im
Jahre 1624 wollen die Jeſuiten allein 16000 Seelen zur
[464]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
katholiſchen Kirche zuruͤckgebracht haben 1). In Tabor, wo
der Proteſtantismus ausſchließend zu herrſchen geſchienen,
traten bereits Oſtern 1622 funfzig, Oſtern 1623 alle an-
dern Familien uͤber. Wie ſo vollkommen iſt Boͤhmen mit
der Zeit katholiſch geworden.
Wie nun in Boͤhmen, ging es auch in Maͤhren, und
hier kam man ſogar noch raſcher zum Ziel, da der Cardinal
Dietrichſtein, zugleich Gouverneur des Landes und Biſchof von
Olmuͤtz, geiſtliche und weltliche Gewalt in dieſem Sinne
vereinigte. Nur fand ſich hier eine beſondere Schwierig-
keit. Der Adel wollte ſich die maͤhriſchen Bruͤder nicht
entreißen laſſen, deren Dienſte in Haus und Feld unſchaͤtz-
bar, deren Ortſchaften die bluͤhendſten im Lande waren 2);
in dem geheimen Rathe des Kaiſers ſelbſt fanden ſie Fuͤr-
ſprache. Jedoch der Nuntius und das Prinzip ſiegten auch
hier. Bei 15000 wurden entfernt.
Un-
[465]des Kathol. Maͤhren. Oeſtreich. Ungarn.
Unter dieſen Umſtaͤnden wurden die ſo oft wiederhol-
ten, ſo oft mißlungenen Verſuche den Katholicismus in
dem eigentlichen Oeſtreich herzuſtellen endlich mit entſchei-
dendem Erfolge erneuert 1). Erſt wurden die der Rebellion
angeklagten, dann alle andern Prediger verjagt; mit einem
Zehrpfennig verſehen, fuhren die armen Leute langſam die
Donau hinauf: man rief ihnen nach: wo iſt nun eure
feſte Burg? Der Kaiſer erklaͤrte den Landſtaͤnden gerade
heraus: „er habe ſich und ſeinen Nachkommen die Dispo-
ſition uͤber die Religion gaͤnzlich und allerdings vorbehal-
ten.“ Im October 1624 erſchien eine Commiſſion, die
den Einwohnern eine Friſt ſetzte, binnen welcher ſie ſich zum
katholiſchen Ritus bekennen oder das Land geraͤumt haben
muͤßten. Nur dem Adel ward noch fuͤr den Augenblick
und perſoͤnlich einige Nachſicht gewaͤhrt.
Nun konnte man in Ungarn, obſchon es auch beſiegt
war, wohl nicht ſo gewaltſam verfahren: doch brachten der
Zug der Dinge, die Gunſt der Regierung und vor allem die
Bemuͤhungen des Erzbiſchofs Pazmany auch hier eine Veraͤn-
derung hervor. Pazmany beſaß ein großes Talent ſeine Mut-
terſprache gut zu ſchreiben. Sein Buch: Kalauz 2), geiſt-
2)
Päpſte* 30
[466]BuchVII.Kap. 1. Ausbreitung des Kathol.
reich und gelehrt, war fuͤr ſeine Landsleute unwiderſtehlich.
Auch die Gabe der Rede war ihm verliehen: er ſoll bei
50 Familien perſoͤnlich zum Uebertritt bewogen haben. Na-
men wie Zrinyi, Forgacz, Erdoͤdy, Balaſſa, Jakuſith, Ho-
monay, Adam Thurzo finden wir darunter. Der Graf
Adam Zrinyi hat allein zwanzig proteſtantiſche Pfarrer
verjagt und katholiſche an ihre Stelle geſetzt. Unter die-
ſen Einfluͤſſen nahmen auch die ungariſchen Reichsangele-
genheiten eine andere Wendung. Auf dem Reichstage von
1625 hatte die katholiſch-oͤſtreichiſche Partei die Majori-
taͤt. Ein Convertit, den der Hof wuͤnſchte, ein Eſterhazy,
ward zum Palatin ernannt.
Bemerken wir aber hier gleich den Unterſchied. In
Ungarn war der Uebertritt bei weitem freiwilliger als in
den uͤbrigen Provinzen: die Magnaten gaben mit demſel-
ben kein einziges ihrer Rechte auf: es koͤnnte eher ſeyn,
daß ſie neue erworben haͤtten. In den oͤſtreichiſch-boͤhmi-
ſchen Landſchaften dagegen hatte ſich die ganze Selbſtaͤn-
digkeit der Staͤnde, ihre Kraft und Macht in die For-
men des Proteſtantismns geworfen: ihr Uebertritt war, wenn
nicht in jedem einzelnen Falle, doch im Ganzen erzwungen:
mit der Wiederherſtellung des Katholicismus trat hier zu-
gleich die vollkommene Gewalt der Regierung ein.
2.
Das Reich. Uebertragung der Chur.
Wir wiſſen, wie ſo viel weiter man in dem deutſchen
Reiche ſchon war als in den Erblanden; demohnerachtet
[467]Das Reich. Pfalz.
hatten die neuen Ereigniſſe auch hier eine unbeſchreib-
liche Wirkung.
Einmal bekam die Gegenreformation wieder friſchen
Antrieb und ein neues Feld.
Nachdem Maximilian die Oberpfalz in Beſitz genom-
men, zoͤgerte er nicht lange die Religion daſelbſt zu aͤn-
dern: — er theilte die Landſchaft in 20 Stationen, in de-
nen 50 Jeſuiten arbeiteten: die Kirchen wurden ihnen mit
Gewalt uͤbergeben, die Uebung des proteſtantiſchen Gottes-
dienſtes uͤberhaupt verboten: je mehr die Wahrſcheinlichkeit
zunahm, daß das Land baieriſch bleiben wuͤrde, um ſo
mehr fuͤgten ſich die Einwohner 1).
Auch die Unterpfalz betrachteten die Eroberer gleich
als ihr Eigenthum. Schenkte doch Maximilian ſogar die
Heidelberger Bibliothek dem Papſte!
Schon vor der Eroberung nemlich — um hievon ein
Wort hinzuzufuͤgen — hatte der Papſt durch den Nuntius
Montorio in Coͤln den Herzog um dieſe Gunſt erſuchen laſ-
ſen: der Herzog hatte ſie mit gewohnter Bereitwilligkeit
verſprochen: bei der erſten Nachricht von der Einnahme
von Heidelberg machte dann Montorio ſein Recht gel-
tend. Man hatte ihm geſagt, daß vornehmlich die Hand-
ſchriften von unſchaͤtzbarem Werthe ſeyen, und er ließ Tilly
nur bitten ſie zunaͤchſt vor der Pluͤnderung zu ſchuͤtzen 2).
Dann ſchickte der Papſt den Doctor Leone Allacci, Scrip-
30*
[468]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
tor der Vaticana, nach Deutſchland, die Buͤcher in Empfang
zu nehmen. Gregor XV. nahm die Sache ſehr hoch auf.
Er erklaͤrte es fuͤr eines der gluͤcklichſten Ereigniſſe ſeines
Pontificates, welches dem h. Stuhle, der Kirche, den Wiſ-
ſenſchaften zu Ehre und Nutzen gereichen werde: auch dem
baieriſchen Namen ſey es ruͤhmlich, daß eine ſo koſtbare
Beute zu ewigem Gedaͤchtniß in der Weltſchaubuͤhne Rom
aufbewahrt werde 1).
Uebrigens zeigte der Herzog auch hier einen unermuͤd-
lichen reformatoriſchen Eifer: er uͤbertraf darin die Spa-
nier, die doch auch gut katholiſch waren 2). Mit Ent-
zuͤcken ſah der Nuntius in Heidelberg, „von wo die Norm
der Calviniſten, der berufene Katechismus ausgegangen
ſey“, die Meſſe celebriren und Bekehrungen geſchehen.
Indeſſen reformirte Churfuͤrſt Schweikard die Berg-
ſtraße, die er in Beſitz genommen, — Markgraf Wilhelm
Oberbaden, das ihm nach langem Proceß zuerkannt wor-
den, obwohl ſein Herkommen kaum ehelich, geſchweige denn
ebenbuͤrtig war: er hatte es dem Nuntius Caraffa ſchon
vorher ausdruͤcklich verſprochen 3). Auch in Landſchaf-
ten welche von den politiſchen Ereigniſſen nicht unmittelbar
beruͤhrt worden, ſetzte man die alten Beſtrebungen mit ver-
[469]des Katholicismus. Das Reich.
juͤngtem Eifer fort: in Bamberg 1), Fulda, auf dem Eichs-
felde: in Paderborn, wo zweimal nach einander katholiſche
Biſchoͤfe in Beſitz gelangten: vorzuͤglich im Muͤnſteriſchen,
wo Meppen, Vechta, Halteren, viele andere Bezirke im
Jahre 1624 katholiſch gemacht wurden: bis nach Halber-
ſtadt und Magdeburg finden wir jeſuitiſche Miſſionarien:
in Altona ſiedeln ſie ſich an, um die Sprache zu lernen
und alsdann nach Daͤnemark und Norwegen vorzudringen.
Mit Gewalt, ſehen wir, ergießen ſich die katholiſchen
Beſtrebungen von dem obern Deutſchland nach dem niede-
ren, von dem Suͤden nach dem Norden. Indeß wird auch
der Verſuch gemacht in den allgemeinen Reichsangelegen-
heiten einen neuen Standpunkt zu erobern.
Unmittelbar bei dem Bundesabſchluß hatte Ferdi-
nand II. dem Herzog Maximilian das Verſprechen gege-
ben, im Falle eines gluͤcklichen Erfolges die pfaͤlziſche
Churwuͤrde auf ihn zu uͤbertragen 2).
Es kann keine Frage ſeyn, welchen Geſichtspunkt man
katholiſcher Seits hiebei vorzuͤglich faßte. Der Stimmen-
mehrheit welche dieſe Partei im Fuͤrſtenrathe beſaß, hatte
ſich bisher die gleiche Stimmenanzahl entgegengeſetzt welche
die proteſtantiſche im churfuͤrſtlichen Collegium behauptete;
geſchah die Uebertragung, ſo war man einer ſolchen Feſſel
auf immer entledigt 3).
[470]BuchVII.Kap. 1. Ausbreitung des Kathol.
Von jeher ſtand der paͤpſtliche Hof mit Baiern in en-
gem Vernehmen: auch Gregor XV. machte dieſe Sache recht
eigentlich zu der ſeinigen.
Gleich durch den erſten Nuntius, den er nach Spanien
ſchickte, ließ er den Koͤnig ermahnen, zur Vernichtung des
Pfalzgrafen, zur Uebertragung der Chur beizutragen, —
was die kaiſerliche Krone auf ewig den Katholiken ſichern
werde 1). Nicht ſo ganz leicht waren die Spanier dazu
zu ſtimmen. Sie ſtanden mit dem Koͤnige von England
in den wichtigſten Unterhandlungen, und trugen Bedenken
ihn in ſeinem Schwiegerſohne, jenem Pfalzgrafen Friedrich,
dem ja die Chur gehoͤrte, zu beleidigen. Um ſo eifriger ward
Papſt Gregor. An dem Nuntius war es ihm nicht genug:
im Jahre 1622 finden wir auch den geſchickten Capuziner
Bruder Hyacinth, der das beſondere Vertrauen Maximi-
lians genoß, im paͤpſtlichen Auftrage an dem ſpaniſchen
Hofe 2). Hoͤchſt ungern ging man dort naͤher heraus.
Nur ſo viel erklaͤrte endlich der Koͤnig, er wolle die Chur
lieber in dem baieriſchen Hauſe ſehen als in ſeinem eigenen.
Dem Bruder Hyacinth genuͤgte dieß. Mit dieſer Erklaͤ-
3)
[471]Uebertragung der Chur.
rung eilte er nach Wien, um dem Kaiſer die Zweifel zu
benehmen die er aus Ruͤckſicht auf Spanien hegen moͤchte.
Hier kam ihm dann der gewohnte Einfluß des Nuntius
Caraffa, der Papſt ſelbſt kam ihm mit einem neuen Schreiben
zu Huͤlfe. „Siehe da“, ruft der Papſt darin dem Kaiſer
zu, „die Pforten des Himmels ſind geoͤffnet: die himmli-
ſchen Heerſcharen treiben dich an, eine ſo große Ehre zu
erwerben: ſie werden in deinem Lager fuͤr dich ſtreiten.“
Eine beſondere Betrachtung wirkte hiebei auf den Kai-
ſer, die ihn recht eigen bezeichnet. Schon lange dachte er
auf die Uebertragung, und hatte dieſe Abſicht in einem Briefe
ausgeſprochen, der den Proteſtanten in die Haͤnde fiel und
von denſelben bekannt gemacht ward. Der Kaiſer fand ſich
hiedurch gleichſam gebunden. Er glaubte, es gehoͤre zur
Behauptung ſeines kaiſerlichen Anſehens, einen einmal ge-
hegten Willen um ſo ſtrenger feſtzuhalten, jemehr man da-
von erfahren habe. Genug er faßte die Reſolution, bei dem
naͤchſten Churfuͤrſtentage zur Uebertragung zu ſchreiten 1).
Es fragte ſich nur, ob das auch die Reichsfuͤrſten bil-
ligen wuͤrden. Das Meiſte kam hiebei auf Schweikard von
Mainz an, und der Nuntius Montorio wenigſtens verſi-
chert, anfangs ſey dieſer bedaͤchtige Fuͤrſt dagegen geweſen:
er habe erklaͤrt, der Krieg werde ſich nur noch furchtba-
rer erneuern, als er ſchon gewuͤthet: uͤbrigens ſtehe, wenn
man ja zu einer Veraͤnderung ſchreiten wolle, dem Pfalz-
grafen von Neuburg das naͤhere Recht zu, man koͤnne ihn
unmoͤglich vorbeigehn. Der Nuntius ſagt nicht, wodurch
er den Fuͤrſten endlich uͤberredete. „In den vier oder fuͤnf
[472]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
Tagen, ſind ſeine Worte die ich mit ihm in Aſchaffenburg
zubrachte, erlangte ich den erwuͤnſchten Beſchluß.“ Nur ſo
viel ſehen wir: auf den Fall, daß es aufs neue zum Krieg
komme, ward die ernſtliche Huͤlfe des Papſtes zugeſagt.
Der Entſchluß des Churfuͤrſten von Mainz war aber
fuͤr die Sache entſcheidend. Seine beiden rheiniſchen Colle-
gen folgten ſeiner Meinung. Obwohl Brandenburg und
Sachſen noch immer widerſprachen — erſt ſpaͤter ward der
ſaͤchſiſche Widerſpruch ebenfalls durch den Erzbiſchof von
Mainz beſeitigt 1) — obwohl auch der ſpaniſche Geſandte ſich
jetzt geradezu dagegen erklaͤrte 2): ſo ſchritt doch der Kaiſer
ſtandhaft vorwaͤrts. Am 25. Febr. 1623 uͤbertrug er die
Chur auf ſeinen ſiegreichen Verbuͤndeten; doch ſollte ſie an-
fangs bloß ein perſoͤnlicher Beſitz ſeyn: den pfaͤlziſchen Er-
ben und Agnaten ſollten ihre Rechte fuͤr die Zukunft vor-
behalten bleiben.
Indeſſen war auch unter dieſer Bedingung unendlich
viel gewonnen, vor allem das Uebergewicht in dem hoͤchſten
Rathe des Reiches, deſſen Veifall nunmehr jedem neuen
Beſchluß zum Vortheil des Katholicismus eine rechtliche
Sanction gab.
Maximilian ſah wohl, wie viel er hiebei Papſt Gre-
gor dem XV. zu verdanken hatte. „Ew. Heiligkeit,“ ſchreibt
er ihm, „hat dieſe Sache nicht allein befoͤrdert, ſondern durch
[473]des Katholicismus. Frankreich.
Ihre Erinnerungen, Ihr Anſehen, Ihre eifrigen Bemuͤhun-
gen geradezu bewirkt. Ganz und gar muß ſie der Gunſt
und Wachſamkeit Ew. Heiligkeit zugeſchrieben werden.“
„Dein Schreiben, o Sohn,“ antwortete Gregor XV,
„hat unſere Bruſt mit einem Strome von Wonne wie mit
himmliſchem Manna erfuͤllt: endlich darf die Tochter Sion
die Aſche der Trauer von ihrem Haupte ſchuͤtteln und ſich
in feſtliche Gewande kleiden.“ 1)
3.
Frankreich.
In dem nemlichen Momente trat nun auch die große
Wendung der Dinge in Frankreich ein.
Fragen wir, woher im Jahr 1621 die Verluſte des
Proteſtantismus hauptſaͤchlich kamen, ſo war es die Ent-
zweiung derſelben, der Abfall des Adels. Es moͤchte wohl
ſeyn, daß dieß mit jenen republikaniſchen Beſtrebungen zu-
ſammenhing, die eine municipale, eine theologiſche Grund-
lage hatten, und dem Einfluß des Adels unguͤnſtig waren.
Die Edelleute mochten es nuͤtzlicher finden ſich an Koͤnig und
Hof anzuſchließen als ſich von Predigern und Buͤrgermei-
[474]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
ſtern regieren zu laſſen. Genug ſchon im Jahre 1621 wur-
den die Sicherheitsplaͤtze von ihren Gouverneurs wetteifernd
uͤberliefert: ein Jeder ſuchte nur ſich ſelbſt eine guͤnſtige
Stellung auszubedingen: im Jahre 1622 wiederholte ſich
dieß: La Force und Chatillon erhielten Marſchallſtaͤbe, als
ſie von ihren Glaubensgenoſſen abfielen: der alte Lesdiguie-
res ward katholiſch 1) und fuͤhrte ſelbſt eine Heeresabtheilung
gegen die Proteſtanten an: ihr Beiſpiel riß viele andere
zum Uebertritt fort 2). Unter dieſen Umſtaͤnden konnte 1622
nur ein hoͤchſt unguͤnſtiger Friede geſchloſſen werden. Ja
man durfte ſich nicht einmal ſchmeicheln, daß er gehalten
werden wuͤrde. Fruͤher, als die Proteſtanten maͤchtig wa-
ren, hatte der Koͤnig die Vertraͤge ſo oft uͤbertreten und
gebrochen: ſollte er ſie beobachten, nachdem dieſe ihre Macht
verloren hatten? Es geſchah alles was der Friede un-
terſagte: das proteſtantiſche Exercitium ward an vielen Or-
ten geradezu verhindert: man verbot den Reformirten auf
der Straße, in den Laͤden ihre Pſalmen zu ſingen: ihre
Rechte auf den Univerſitaͤten wurden beſchraͤnkt 3): Fort
Louys, das man zu ſchleifen verſprochen, ward beibehal-
ten: es folgte ein Verſuch, die Wahl der Magiſtrate
in den proteſtantiſchen Staͤdten in koͤnigliche Haͤnde zu brin-
[475]des Katholicismus. Frankreich.
gen 1): gleich durch ein Edict vom 17. April 1622 ward
ein Commiſſaͤr fuͤr die Verſammlungen der Reformirten auf-
geſtellt; nachdem ſich dieſe einmal einen ſo großen Eingriff
in ihre althergebrachten Freiheiten gefallen laſſen, miſchte
ſich die Regierung in die eigentlich kirchlichen Angelegen-
heiten: die Hugenotten wurden durch die Commiſſaͤre ver-
hindert die Beſchluͤſſe der Dordrechter Synode anzunehmen.
Es war keine Selbſtaͤndigkeit mehr in ihnen: ſie konn-
ten keinen nachhaltigen Widerſtand mehr leiſten. In ih-
rem ganzem Gebiete griffen die Bekehrungen um ſich.
Die Capuziner erfuͤllten Poitou und Languedoc mit
Miſſionen 2): die Jeſuiten, welche in Aix, Lyon, Pau
und vielen andern Orten neue Inſtitute erhielten, mach-
ten in den Staͤdten und auf dem Lande die groͤßten Fort-
ſchritte: ihre marianiſchen Sodalitaͤten wußten durch die
Bemuͤhung, die ſie den im letzten Kriege Verwundeten
widmeten, die allgemeine Aufmerkſamkeit und Billigung zu
erwerben 3).
Auch Franciscaner zeichneten ſich aus, wie jener Pa-
ter Villele von Bourdeaux, von dem man faſt mythiſch
erzaͤhlt, nachdem er die ganze Stadt Foix auf ſeine Seite
gebracht, habe ſich auch ein mehr als hundertjaͤhriger Al-
ter wieder bequemt: eben derſelbe, der einſt aus der Hand
Calvins den erſten proteſtantiſchen Prediger empfangen und
nach Foix gefuͤhrt hatte. Die proteſtantiſche Kirche ward
niedergeriſſen: den verjagten Prediger ließen die triumphi-
[476]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
renden Patres durch einen Trompeter von Stadt zu Stadt
begleiten 1).
Genug die Bekehrung ſchritt maͤchtig fort: Vornehme,
Geringe, ſelbſt Gelehrte traten uͤber: auf dieſe letzten wirkte
beſonders der Beweis, daß ſchon die alte Kirche vor dem
Concilium von Nicaͤa die Heiligen angerufen, fuͤr die Ver-
ſtorbenen gebetet, eine Hierarchie und viele katholiſche Ge-
braͤuche gehabt habe.
Wir haben Relationen einiger Biſchoͤfe uͤbrig, aus
denen ſich das numeriſche Verhaͤltniß der Bekenntniſſe er-
gibt, wie es ſich unter dieſen Umſtaͤnden feſtſetzte. In dem
Sprengel von Poitiers war in einigen Staͤdten die Haͤlfte
der Einwohner proteſtantiſch, z. B. in Luſignan, S. Mai-
xant: in andern, wie Chauvigny, Niort, ein Drittel: ein
Viertel in Loudun: in Poitiers ſelbſt nur der zwanzigſte
Theil: bei weitem eine geringere noch auf dem Lande 2).
Auch zu Behuf der Bekehrung ſtanden die Biſchoͤfe in un-
mittelbarem Verkehr mit dem roͤmiſchen Stuhle: ſie mach-
ten ihm ihre Berichte, und trugen ihm ihre Wuͤnſche
vor; der Nuntius war angewieſen, was ſie ihm ange-
ben wuͤrden, an den Koͤnig zu bringen und zu bevor-
worten. Sie gehn hiebei oft ſehr ins Einzelne. Der Bi-
ſchof von Vienne z. B. findet die Miſſionarien beſonders
von einem Prediger in S. Marcellin gehemmt, der ſich
unuͤberwindlich zeigt: der Nuntius wird beauftragt die
Entfernung deſſelben bei Hofe zu betreiben. Er ſoll den
[477]des Katholicismus. Frankreich.
Biſchof von S. Malo unterſtuͤtzen, der ſich beklagt hat,
daß man in einem Schloſſe ſeiner Dioͤces keinen katholi-
ſchen Gottesdienſt dulde. Dem Biſchof von Xaintes ſoll
er einen geſchickten Bekehrer, der ihm namhaft gemacht
wird, zufertigen. Zuweilen werden die Biſchoͤfe aufgefor-
dert, wenn ſie auf Hinderniſſe ſtoßen, naͤher anzugeben,
was ſich thun laſſe, damit es der Nuntius dem Koͤnig vor-
tragen koͤnne 1).
Es iſt eine enge Vereinigung aller geiſtlichen Gewal-
ten mit der Propaganda, die ſich, wie geſagt, in den erſten
Jahren vielleicht am wirkſamſten zeigte, und dem Papſte:
Eifer, lebendige Thaͤtigkeit im Gefolge einer gluͤcklichen
Entſcheidung der Waffen: Theilnahme des Hofes, der hierin
ein großes politiſches Intereſſe ſieht: — ein Zeitraum des-
halb, in welchem ſich die Verluſte des Proteſtantismus in
Frankreich auf immer [entſcheiden].
[478]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
4.
Vereinigte Niederlande.
Es beſchraͤnkten ſich aber dieſe Fortſchritte nicht auf
Laͤnder wo die Regierung katholiſch war: in dem nemli-
chen Moment zeigten ſie ſich auch unter proteſtantiſchen
Herrſchaften.
Man erſtaunt ſchon, wenn man bei Bentivoglio lieſt,
daß in jenen niederlaͤndiſchen Staͤdten, die dem Koͤnig von
Spanien doch hauptſaͤchlich um der Religion willen ſo hel-
denmuͤthig und ſo lange Widerſtand geleiſtet hatten, viel-
leicht der groͤßere Theil der angeſehenen Haͤuſer ſich zum
Katholicismus bekannt habe 1): allein noch bei weitem
auffallender iſt es, wenn eine ſehr ins Einzelne gehende Re-
lation vom Jahre 1622 ſogar von Zunahme und Fortſchrit-
ten des Katholicismus unter ſo unguͤnſtigen Umſtaͤnden be-
richtet. Die Prieſter wurden verfolgt, verjagt: deſſenun-
geachtet nahm ihre Anzahl zu. Im Jahre 1592 war der
erſte Jeſuit nach den Niederlanden gekommen: im Jahre
1622 zaͤhlte man 22 Mitglieder dieſes Ordens daſelbſt.
Aus den Collegien von Coͤln und Loͤwen gingen immer neue
Arbeiter hervor: im J. 1622 waren 220 Weltprieſter in den
Provinzen beſchaͤftigt, — aber ſie reichten fuͤr das Beduͤrfniß
bei weitem nicht hin. Jener Relation zufolge ſtieg die Anzahl
der Katholiken in der Erzdioͤces Utrecht auf 150000, in
[479]des Katholicismus. Vereinigte Niederlande.
der Dioͤees Harlem, zu welcher Amſterdam gehoͤrte, auf
100000 Seelen: Leuwarden hatte 15000, Groͤningen 20000,
Deventer 60000 Katholiken: — der apoſtoliſche Vicar,
welcher damals vom roͤmiſchen Stuhl nach Deventer ge-
ſchickt ward, hat dort in 3 Staͤdten und einigen Doͤrfern
12000 Perſonen die Firmelung ertheilt. Die Zahlen die-
ſer Relation werden ſehr uͤbertrieben ſeyn: aber man ſieht
doch, daß auch dieß ſo vorzugsweiſe proteſtantiſche Land
noch ungemein ſtarke katholiſche Elemente hatte. Wurden
doch ſelbſt jene Bisthuͤmer, die Philipp II. hier einzu-
fuͤhren geſucht, von den Katholiſchen fortwaͤhrend aner-
kannt 1). Eine Lage der Dinge, die es eben ſeyn mochte,
was in den Spaniern den Muth erweckte ihren Krieg wie-
der zu erneuern.
5.
Verhältniß zu England.
Friedlichere Ausſichten hatten ſich indeß in England
eroͤffnet. Der Sohn der Maria Stuart vereinigte die groß-
britanniſchen Kronen: und entſchloſſener als je naͤherte er
ſich jetzt den katholiſchen Maͤchten.
Schon ehe Jacob I. den engliſchen Thron beſtieg, ließ
ihn Clemens VIII. wiſſen, „er bete fuͤr ihn, als den Sohn
einer ſo tugendreichen Mutter: er wuͤnſche ihm alles welt-
[480]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
liche und geiſtliche Heil: er hoffe noch ihn ſelbſt katholiſch
zu ſehen.“ In Rom beging man dieſe Thronbeſteigung
mit feierlichen Gebeten und Proceſſionen.
Eine Annaͤherung die Jacob auf eine entſprechende
Weiſe zu erwiedern nicht haͤtte wagen duͤrfen, wenn er auch
dazu geneigt geweſen waͤre. Aber er geſtattete doch, daß
ſein Geſandter Parry in Paris mit dem dortigen Nuntius
Bubalis in vertrauliches Vernehmen trat. Der Nuntius
kam mit einem Schreiben des Cardinal-Nepoten Aldobran-
dino hervor, worin dieſer die engliſchen Katholiken er-
mahnte dem Koͤnig Jacob als ihrem Koͤnig und natuͤrli-
chen Herrn zu gehorchen, ja fuͤr ihn zu beten: Parry ant-
wortete mit einer Inſtruction Jacobs I, worin dieſer ver-
ſprach die friedfertigen Katholiken ohne alle Beſchwerde le-
ben zu laſſen 1).
In der That fing man in dem noͤrdlichen England
wieder an die Meſſe oͤffentlich zu halten: die Puritaner be-
klagten ſich, es ſeyen ſeit kurzem 50000 Englaͤnder zum
Katholicismus uͤbergetreten: Jacob ſoll ihnen die Antwort
gegeben haben: „ſie moͤchten ihrerſeits eben ſo viel Spa-
nier und Italiener bekehren.“
Dieſe Erfolge moͤgen die Katholiken veranlaßt haben
ihre Hoffnungen zu hoch zu ſpannen. Als ſich der Koͤnig
dabei doch immer auf der andern Seite hielt, die alten Par-
lamentsacten doch wieder ausgefuͤhrt wurden, neue Verfol-
gungen eintraten, geriethen ſie in eine deſto erbittertere
Auf-
[481]des Katholicismus. Verhaͤltniß zu England.
Aufregung: — in der Pulververſchwoͤrung brach ſie auf
eine furchtbare Weiſe hervor.
Hierauf konnte nun auch der Koͤnig keinerlei Toleranz
weiter Statt finden laſſen. Die ſtrengſten Geſetze wurden
gegeben und gehandhabt: Hausſuchungen, Gefaͤngniß, Geld-
ſtrafen verhaͤngt: die Prieſter, vor allem die Jeſuiten ver-
bannt und verfolgt: mit aͤußerſter Strenge glaubte man ſo
unternehmende Feinde in Zaum halten zu muͤſſen.
Fragte man aber den Koͤnig privatim, ſo waren ſeine
Aeußerungen ſehr gemaͤßigt. Einem lothringiſchen Prin-
zen, der ihn einſt nicht ohne Wiſſen Pauls V. beſuchte,
ſagte er geradezu, zwiſchen den verſchiedenen Bekenntniſſen
ſey doch am Ende nur ein kleiner Unterſchied. Zwar halte
er das ſeine fuͤr das beſte: er nehme es an aus Ueberzeu-
gung, nicht aus Staatsgruͤnden: aber gern hoͤre er auch
Andere: da es allzuſchwer halte ein Concilium zu berufen,
ſo wuͤrde er es gern ſehen, wenn man eine Zuſammenkunft
gelehrter Maͤnner veranſtalten wollte, um eine Ausſoͤhnung
zu verſuchen. Komme ihm der Papſt nur einen Schritt ent-
gegen, ſo werde er von ſeiner Seite deren vier thun. Auch
er erkenne die Autoritaͤt der Vaͤter an: Auguſtin gelte ihm
mehr als Luther, S. Bernhard mehr als Calvin: ja er
ſehe in der roͤmiſchen Kirche, ſelbſt der gegenwaͤrtigen, die
wahre Kirche, die Mutter aller andern: nur habe ſie eine
Reinigung noͤthig: — er geſtehe ein, was er freilich einem
Nuntius nicht ſagen wuͤrde, aber wohl einem Freund und
Vetter anvertrauen koͤnne, der Papſt ſey das Haupt der
Kirche, der oberſte Biſchof 1). Ihm thue man deshalb
Päpſte* 31
[482]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
großes Unrecht, wenn man ihn als Ketzer oder Schisma-
tiker bezeichne: ein Ketzer ſey er nicht, denn er glaube eben
das was der Papſt glaube, nur daß dieſer einiges mehr
annehme: auch kein Schismatiker, denn er halte den Papſt
fuͤr das Oberhaupt der Kirche.
Bei ſolchen Geſinnungen und einer damit zuſammen-
hangenden Abneigung gegen die puritaniſche Seite des Pro-
teſtantismus, waͤre es dem Koͤnig allerdings lieber gewe-
ſen, ſich mit den Katholiken friedlich zu verſtaͤndigen, als
ſie mit Gewalt und unaufhoͤrlicher Gefahr in Zaum zu
halten.
Noch immer waren ſie in England maͤchtig und zahl-
reich. Trotz großer Niederlagen und Verluſte, oder viel-
mehr gerade in Folge derſelben war Irland in unaufhoͤr-
licher Gaͤhrung: es hatte ein großes Intereſſe fuͤr den Koͤ-
nig, ſich dieſes Widerſtandes zu entledigen 1).
Nun muß man wiſſen, daß ſich engliſche und iriſche
Katholiken an Spanien anſchloſſen. Die ſpaniſchen Bot-
ſchafter in London, gewandt, klug, praͤchtig, hatten ſich
einen ungemeinen Anhang verſchafft: ihre Capelle war im-
1)
[483]des Katholicismus. Verhaͤltniß zu England.
mer voll, die heilige Woche ward daſelbſt mit großer Ce-
lebritaͤt gefeiert: auch nahmen ſich die Geſandten ihrer
Glaubensgenoſſen haͤufig an, ſie wurden, wie ein Vene-
zianer ſagt, gleichſam als die Legaten des apoſtoliſchen
Stuhles betrachtet.
Ich fuͤrchte nicht zu irren, wenn ich annehme, daß es
vor allem dieß Verhaͤltniß war, was Koͤnig Jacob auf
den Gedanken brachte ſeinen Erben mit einer ſpaniſchen
Prinzeſſin zu vermaͤhlen. Er hoffte, daß er ſich hiedurch
der Katholiken verſichern, daß er die Gunſt, welche dieſe
dem ſpaniſchen Hauſe widmeten, fuͤr das ſeine gewin-
nen werde. Die auswaͤrtigen Verhaͤltniſſe fuͤgten einen
neuen Beweggrund hinzu. Es ließ ſich erwarten, daß das
Haus Oeſtreich, ſo nahe mit ihm verwandt, ſich ſeinem
Schwiegerſohne von der Pfalz guͤnſtiger zeigen wuͤrde.
Es fragte ſich nur, ob die Sache ausgefuͤhrt werden
koͤnne. In der Verſchiedenheit der Religion lag ein Hin-
derniß, das fuͤr jene Zeit wahrhaft ſchwer zu beſeitigen war.
Immer wird die Welt, die Ordnung der Dinge von
einem phantaſtiſchen Element umgeben ſeyn, das ſich in
Poeſie und romantiſchen Erzaͤhlungen ausſpricht, und dann
in der Jugend leicht auf das Leben zuruͤckwirkt. Indem
die Unterhandlungen, die man angeknuͤpft, ſich von Tage zu
Tage, von Monat zu Monat verzogen, faßte der Prinz
von Wales mit ſeinem vertrauten Freund und Altersgenoſ-
ſen Buckingham den romanhaften Gedanken, ſich ſelbſt
aufzumachen und ſich ſeine Braut zu holen 1). Nicht ganz
31*
[484]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
ohne Antheil an dieſem Unternehmen ſcheint der ſpaniſche
Botſchafter Gondomar geweſen zu ſeyn. Er hatte dem Prin-
zen geſagt, ſeine Gegenwart werde allen Schwierigkeiten
ein Ende machen.
Wie erſtaunte der engliſche Geſandte in Madrid, Lord
Digby, der bis jetzt dieſe Unterhandlungen gefuͤhrt hatte,
als er eines Tages aus ſeinem Zimmer gerufen ward, weil
ein paar Cavaliere ihn zu ſprechen verlangten, und als er
dann in dieſen Cavalieren den Sohn und den Guͤnſtling ſei-
nes Koͤnigs erkannte!
Und allerdings ſchritt man nun auf das ernſtlichſte an
die Beſeitigung jener religioͤſen Schwierigkeit.
Man bedurfte dazu der paͤpſtlichen Beiſtimmung, und
Koͤnig Jacob hatte ſich nicht geſcheut mit Paul V. unmit-
telbare Unterhandlungen daruͤber anzuknuͤpfen. Doch hatte
dieſer Papſt nur unter der Bedingung einwilligen wollen,
daß der Koͤnig den Katholiken ſeines Landes vollkommene
Religionsfreiheit gewaͤhre. Auf Gregor XV. machte dage-
gen die Demonſtration die in der Reiſe des Prinzen lag,
einen ſolchen Eindruck, daß er auch ſchon geringere Zuge-
ſtaͤndniſſe fuͤr annehmlich hielt. In einem Schreiben an
den Prinzen druͤckte er demſelben ſeine Hoffnung aus, „daß
ſich der alte Same chriſtlicher Froͤmmigkeit, wie er ehedem
in engliſchen Koͤnigen Bluͤthen getragen, jetzt in ihm wie-
1)
[485]des Katholicismus. Verhaͤltniß zu England.
der beleben werde: auf keinen Fall koͤnne er, da er ſich
mit einem katholiſchen Fraͤulein zu vermaͤhlen denke, die
katholiſche Kirche unterdruͤcken wollen.“ Der Prinz ant-
wortete, niemals werde er eine Feindſeligkeit gegen die roͤ-
miſche Kirche ausuͤben: er werde es dahin zu bringen ſu-
chen, „ſo wie wir alle“, ſagte er, „Einen dreieinigen Gott
und Einen gekreuzigten Chriſtus bekennen, daß wir uns auch
alle zu Einem Glauben und Einer Kirche vereinigen“ 1).
Man ſieht, wie ſehr man ſich von beiden Seiten einander
naͤherte. Olivarez behauptete, den Papſt auf das drin-
gendſte um die Dispenſation erſucht, ihm erklaͤrt zu haben,
der Koͤnig koͤnne dem Prinzen nichts verſagen was in ſei-
nem Koͤnigreiche ſey 2). Auch die engliſchen Katholiken
drangen in den Papſt: ſie ſtellten vor, daß die Verweige-
rung der Dispenſation eine neue Verfolgung uͤber ſie her-
beiziehen werde.
Hierauf kam man dann uͤber die Punkte uͤberein, welche
der Koͤnig zu verſprechen habe.
Nicht allein ſollte die Infantin mit ihrem Gefolge ihre
Religion in einer Capelle am Hoflager ausuͤben duͤrfen:
auch die erſte Erziehung der Prinzen aus dieſer Ehe ſollte
von ihr abhangen: kein Poͤnalgeſetz ſollte auf dieſelben An-
wendung finden, oder ihr Thronfolgerecht zweifelhaft ma-
[486]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
chen koͤnnen, wenn ſie auch katholiſch blieben: 1) — uͤber-
haupt gelobte der Koͤnig, „die Privatuͤbung der katholiſchen
Religion nicht zu ſtoͤren, die Katholiſchen zu keinem Eide
zu noͤthigen der ihrem Glauben widerſpreche, und dafuͤr zu
ſorgen, daß die Geſetze gegen die Katholiken von dem Par-
lamente abgeſchafft wuͤrden.“
Im Auguſt 1623 beſchwur Koͤnig Jacob dieſe Arti-
kel, und es ſchien kein Zweifel an der Vollziehung der
Vermaͤhlung uͤbrig zu bleiben.
In Spanien ſtellte man Feſtlichkeiten an: der Hof
empfing die Gluͤckwuͤnſche: die Geſandten wurden foͤrmlich
benachrichtigt: die Hofdamen der Infantin und ihr Beicht-
vater wurden angewieſen, ſich kein Wort entfallen zu laſ-
ſen, das dieſer Heirath zuwider laufe.
Koͤnig Jacob erinnerte ſeinen Sohn, in der Freude
dieſer gluͤcklichen Verhaͤltniſſe auch ſeiner Neffen nicht zu
vergeſſen, die ihres Erbtheils beraubt ſeyen, ſeiner Schwe-
ſter, die in Thraͤnen ſchwimme. Eifrig nahm man die
pfaͤlziſche Sache auf. Es ward der Entwurf gemacht
auch die kaiſerliche Linie und das pfaͤlziſche Haus in die
neue Verwandtſchaft zu ziehen: — der Sohn des geaͤchte-
ten Churfuͤrſten ſollte mit einer Tochter des Kaiſers ver-
maͤhlt werden: um Baiern nicht zu beleidigen ward die Er-
richtung einer achten Chur in Vorſchlag gebracht. Der
[487]des Katholicismus. Verhaͤltniß zu England.
Kaiſer eroͤffnete hieruͤber ſogleich die Unterhandlung mit
Maximilian von Baiern, der denn auch nicht dawider
war, und nur die Forderung machte, daß die uͤbertragene
pfaͤlziſche Chur ihm verbleibe und die neu zu errichtende
achte an die Pfalz komme. Fuͤr die katholiſchen Intereſ-
ſen trug dieß nicht viel aus. In der wiederhergeſtellten
Pfalz ſollten die Katholiken Religionsfreiheit genießen: in
dem Churfuͤrſtencollegium wuͤrden ſie doch immer die Stim-
menmehrheit behauptet haben 1).
So trat die Macht, die unter der vorigen Regierung
das Hauptbollwerk des Proteſtantismus gebildet, in die
freundſchaftlichſte Beziehung zu jenen alten Feinden, denen ſie
einen unverſoͤhnlichen Haß geſchworen zu haben ſchien,
dem Papſt und Spanien. Schon fing man in England
an, die Katholiken ganz anders zu behandeln. Die Haus-
ſuchungen und Verfolgungen hoͤrten auf: gewiſſe Eideslei-
ſtungen wurden nicht mehr gefordert: die katholiſche Capelle
erhob ſich, den Proteſtanten zum Verdruß: die puritaniſchen
Eiferer welche die Vermaͤhlung verdammten, wurden be-
ſtraft. Koͤnig Jacob zweifelte nicht, daß er noch vor Win-
ter ſeinen Sohn und deſſen junge Gemahlin, ſo wie ſeinen
Guͤnſtling umarmen werde: alle ſeine Briefe druͤcken ein
herzliches Verlangen danach aus.
Es leuchtet ein, welche Vortheile ſich ſchon aus der
Ausfuͤhrung jener Artikel ergeben mußten: die Verbindung
ſelbſt aber ließ noch ganz andere, unabſehliche Folgen er-
warten. — Was der Gewalt nicht gelungen, einen Ein-
fluß auf die Staatsverwaltung in England zu erwerben,
[488]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
ſchien jetzt auf dem friedlichſten, natuͤrlichſten Wege erreicht
zu ſeyn.
6.
Miſſionen.
An dieſer Stelle, in der Betrachtung dieſes glaͤnzen-
den Fortganges in Europa moͤgen wir wohl auch unſere
Augen nach den entferntern Weltgegenden richten, in wel-
chen der Katholicismus vermoͤge verwandter Antriebe ge-
waltig vorgedrungen war.
Gleich in der erſten Idee, welche die Entdeckungen
und Eroberungen der Spanier und Portugieſen hervorrief,
lag ein religioͤſes Moment; es hatte ſie immer beglei-
tet, belebt; und in den entwickelten Reichen ſowohl im
Oſten als im Weſten trat es maͤchtig hervor.
Im Anfange des 17. Jahrhunderts finden wir das
ſtolze Gebaͤude der katholiſchen Kirche in Suͤdamerika voͤl-
lig aufgerichtet. Es ſind 5 Erzbisthuͤmer, 27 Bisthuͤmer,
400 Kloͤſter, unzaͤhlige Pfarren und Doctrinas daſelbſt 1).
Praͤchtige Kathedralen erheben ſich: die glaͤnzendſte vielleicht
in Los Angeles. Die Jeſuiten lehren Grammatik und freie
Kuͤnſte: mit ihrem Collegium San Ildefonſo zu Mexico iſt
ein theologiſches Seminar verbunden. Auf den Univerſitaͤ-
ten zu Mexico und Lima werden alle theologiſchen Disci-
plinen gelehrt. Man findet, daß die Amerikaner von euro-
paͤiſcher Abſtammung ſich durch beſondern Scharfſinn aus-
zeichnen; ſie ſelbſt bedauern nur von dem Anblick der koͤnig-
[489]des Katholicismus. Suͤdamerika.
lichen Gnade zu weit entfernt zu ſeyn um auch nach Ver-
dienſt belohnt werden zu koͤnnen. In regelmaͤßigem Fortſchritt
haben indeß vorzuͤglich die Bettelorden das Chriſtenthum
uͤber den ſuͤdamerikaniſchen Continent auszubrciten ange-
fangen. Die Eroberung hat ſich in Miſſion verwandelt,
die Miſſion iſt Civiliſation geworden: die Ordensbruͤder
lehren zugleich ſaͤen und ernten, Baͤume pflanzen nnd Haͤu-
ſer bauen, leſen und ſingen. Dafuͤr werden ſie dann auch
mit tiefer Ergebenheit verehrt. Wenn der Pfarrer in ſeine
Gemeine kommt, wird er mit Glockengelaͤute und Muſik
empfangen: Blumen ſind auf den Weg geſtreut: die Frauen
halten ihm ihre Kinder entgegen und bitten um ſeinen Se-
gen. Die Indianer zeigen ein großes Wohlgefallen an den
Aeußerlichkeiten des Gottesdienſtes. Sie werden nicht muͤde
bei der Meſſe zu dienen, die Vesper zu ſingen, das Officium
im Chor abzuwarten. Sie haben muſikaliſches Talent: eine
Kirche auszuſchmuͤcken macht ihnen eine harmloſe Freude.
Denn das Einfache, Unſchuldig-phantaſtiſche ſcheint auf
ſie den groͤßten Eindruck gemacht zu haben 1). In ihren Traͤu-
men ſehen ſie die Freuden des Paradieſes. Den Kranken
erſcheint die Koͤnigin des Himmels in aller ihrer Pracht,
— junge Gefaͤhrtinnen umgeben ſie und bringen den Dar-
[490]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
benden Erquickung. Oder ſie zeigt ſich auch allein: und
lehrt ihren Verehrer ein Lied von ihrem gekreuzigten Sohne,
„deſſen Haupt geſenkt iſt, wie der gelbe Halm ſich neigt.“
Dieſe Momente des Katholicismus ſind es, welche
hier wirken. Die Moͤnche beklagen nur, daß das ſchlechte
Beiſpiel der Spanier und ihre Gewaltſamkeit die Einge-
bornen verderbe, dem Fortgange der Bekehrung in Weg
trete.
In Oſtindien ging es nun, ſo weit die Herrſchaft der
Portugieſen reichte, ungefaͤhr eben ſo. Der Katholicismus
bekam in Goa einen großartigen Mittelpunkt: Jahr bei
Jahr wurden Tauſende bekehrt; ſchon 1565 zaͤhlte man bei
300000 neue Chriſten um Goa, in den Bergen von Cochin
und am Cap Comorin 1). Aber das allgemeine Verhaͤlt-
niß war doch durchaus anders. Den Waffen wie der Lehre
ſtellte ſich hier eine große, eigenthuͤmliche, unbezwungene
Welt entgegen: uralte Religionen, deren Dienſt Sinn und
Gemuͤth feſſelte, mit der Sitte und Denkweiſe der Voͤlker
innig vereinigt.
Es war die natuͤrliche Tendenz des Katholicismus auch
dieſe Welt zu uͤberwinden.
Dem ganzen Thun und Treiben Franz Xavers, der be-
reits 1542 in Oſtindien anlangte, liegt dieſe Idee zu Grunde.
Weit und breit durchzog er Indien. Er betete am Grabe
des Apoſtels Thomas zu Meliapur: er predigte von einem
Baume herab dem Volke von Travancor: auf den Moluk-
ken lehrte er geiſtliche Geſaͤnge, die dann von den Knaben
auf dem Markte, von den Fiſchern auf der See wieder-
[491]des Katholicismus. Oſtindien.
holt wurden: doch war er nicht geboren um zu vollenden:
ſein Wahlſpruch war: Amplius! amplius! ſein Bekehrungs-
eifer war zugleich eine Art Reiſeluſt: ſchon er gelangte nach
Japan: er war im Begriff den Heerd und Urſprung der
Sinnesweiſe die ihm dort entgegengetreten war, in Sina
aufzuſuchen, als er ſtarb 1).
Es liegt in der Natur der Menſchen, daß ſein Bei-
ſpiel, die Schwierigkeit der Unternehmung zur Nachahmung
mehr aufforderte, als davon abſchreckte. Auf die mannig-
faltigſte Weiſe war man in den erſten Decennien des 17ten
Jahrhunderts im Orient beſchaͤftigt.
In Madaura finden wir ſeit 1606 den Pater Nobili.
Er iſt erſtaunt, wie wenig Fortſchritte das Chriſtenthum
in der langen Zeit gemacht, und glaubt ſich dieß nur da-
durch erklaͤren zu koͤnnen, daß die Portugieſen ſich an die
Parias gewandt hatten. Chriſtus ward als ein Gott der
Parias betrachtet. Ganz anders griff er es an: er hielt
dafuͤr, eine wirkſame Bekehrung muͤſſe von den Vorneh-
men anfangen. Er erklaͤrte bei ſeiner Ankunft, daß er vom
beſten Adel ſey — er hatte Zeugniſſe dafuͤr bei ſich —
und ſchloß ſich an die Braminen. Er kleidete ſich und
wohnte wie ſie, unterzog ſich ihren Buͤßungen, lernte San-
ſcrit, und ging auf ihre Ideen ein 2). Sie hegten die Mei-
[492]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
nung, es habe fruͤher in Indien vier Wege der Wahr-
heit gegeben, von denen einer verloren gegangen. Er be-
hauptete, er ſey gekommen ihnen dieſen verlornen, aber ge-
radeſten, geiſtigen Weg zur Unſterblichkeit zu weiſen. Im
Jahre 1609 hatte er ſchon 70 Braminen gewonnen. Er
huͤtete ſich wohl, ihre Vorurtheile zu verletzen: ſelbſt
ihre Unterſcheidungszeichen duldete er und gab denſel-
ben nur eine andere Bedeutung: in den Kirchen ſonderte
er die Staͤnde von einander ab: die Ausdruͤcke mit denen
man fruͤher die chriſtlichen Lehren bezeichnet hatte, ver-
tauſchte er mit eleganteren, literariſch vornehmeren. Er ver-
fuhr in allen Dingen ſo geſchickt, daß er bald Schaaren
von Bekehrten um ſich her ſah. Obwohl ſeine Methode viel
Anſtoß erregte, ſo ſchien ſie doch auch allein geeignet vor-
waͤrts zu bringen. Gregor XV. ſprach im Jahre 1621
ſeine Billigung derſelben aus.
Nicht minder merkwuͤrdig ſind die Verſuche die man
um dieſelbe Zeit am Hofe des Kaiſers Akbar machte.
Man erinnert ſich, daß die alten mongoliſchen Chane,
die Eroberer von Aſien, lange eine eigenthuͤmlich unentſchie-
dene Stellung zwiſchen den verſchiedenen Religionen, welche
die Welt theilten, einnahmen. Es ſcheint faſt, als habe
Kaiſer Akbar eine aͤhnliche Geſinnung gehegt. Indem
er die Jeſuiten zu ſich rief, erklaͤrte er ihnen, „er habe
alle Religionen der Erde kennen zu lernen geſucht: jetzt
wuͤnſche er auch die chriſtliche kennen zu lernen: mit Huͤlfe
der Vaͤter, die er ehre und ſchaͤtze.“ Den erſten feſten Sitz
2)
[493]des Katholicismus. Oſtindien.
nahm Hieronymus Xaver, Neffe des Franz, im Jahre 1595
an ſeinem Hofe: die Empoͤrungen der Mahumedaner tru-
gen dazu bei, den Kaiſer guͤnſtig fuͤr die Chriſten zu ſtim-
men. Im Jahre 1599 ward zu Lahore Weihnachten auf
das feierlichſte begangen: die Krippe war 20 Tage lang
ausgeſtellt: mit Palmen in der Hand zogen zahlreiche Ka-
techumenen in die Kirche: und empfingen die Taufe. Der
Kaiſer las ein Leben Chriſti, das man perſiſch verfaßt, mit
vielem Vergnuͤgen: ein Muttergottesbild, nach dem Muſter
der Madonna del Popolo in Rom entworfen, ließ er ſich
in den Pallaſt bringen, um es auch ſeinen Frauen zu zei-
gen. Die Chriſten ſchloſſen nun wohl hieraus mehr als
zu ſchließen war; aber ſie brachten es doch immer ſehr
weit: nach dem Tode Akbars im Jahre 1610 empfingen
3 Prinzen aus koͤniglichem Gebluͤte feierlich die Taufe. Auf
weißen Elephanten ritten ſie nach der Kirche: mit Trom-
peten- und Paukenſchall empfing ſie Pater Hieronymus 1).
Allmaͤhlig — obwohl auch hier wechſelnde Stimmungen
eintraten, je nachdem man politiſch mit den Portugieſen
mehr oder minder gut ſtand — ſchien es mit dem Chri-
ſtenthume zu einer gewiſſen Feſtigkeit kommen zu wollen.
1621 ward ein Collegium in Agra gegruͤndet, eine Station
in Patna. Noch im Jahre 1624 machte der Kaiſer Dſche-
hangir Hoffnung ſelbſt uͤberzutreten.
Zu derſelben Zeit waren die Jeſuiten auch ſchon in
Sina vorgedrungen. Der kunſtfertigen, wiſſenſchaftlichen,
leſenden [Bevoͤlkerung] dieſes Reiches ſuchten ſie durch die
Erfindungen des Occidents, durch Wiſſenſchaften beizukom-
men. Den erſten Eingang fand Ricci dadurch, daß er Ma-
[494]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
thematik lehrte, daß er ſich geiſtig-bedeutendere Stellen aus
den Schriften des Confucius aneignete und ſie recitirte:
Zutritt in Peking verſchaffte ihm das Geſchenk einer Schlag-
uhr, das er dem Kaiſer machte: in deſſen Gunſt und Gnade
hob ihn dann nichts ſo ſehr, als daß er ihm eine Landkarte
entwarf, durch welche alle Verſuche der Sineſen in dieſem
Fache bei weitem uͤbertroffen wurden. Es bezeichnet Ricci,
daß er, als der Kaiſer zehn ſolcher Tafeln auf Seide zu
mahlen und in ſeinen Zimmern aufzuhaͤngen befahl, die
Gelegenheit ergriff dabei auch etwas fuͤr das Chriſtenthum
zu thun und in den Zwiſchenraͤumen der Karte chriſtliche
Symbole und Spruͤche anbrachte. So war ſein Unterricht
uͤberhaupt: er fing gewoͤhnlich mit Mathematik an und hoͤrte
mit Religion auf: ſeine wiſſenſchaftlichen Talente verſchaff-
ten ſeinen Religionslehren Anſehen. Nicht allein wurden
ſeine unmittelbaren Schuͤler gewonnen, auch viele Manda-
rinen, deren Tracht er angenommen, gingen zu ihm uͤber:
ſchon im Jahre 1605 ward eine marianiſche Societaͤt in
Peking gegruͤndet. Ricci ſtarb ſchon 1610, nicht allein
von uͤberhaͤufter Arbeit, ſondern hauptſaͤchlich von den vie-
len Beſuchen, den langen Mittagseſſen und alle den uͤbri-
gen geſellſchaftlichen Pflichten Sina’s aufgerieben; aber
auch nach ſeinem Tode folgte man dem Rathe den er
gegeben „ohne Aufſehen und Laͤrm zu Werke zu gehn,
ſich bei dieſem ſtuͤrmiſchen Meere nahe an die Kuͤſten zu
halten“ und ſeinem wiſſenſchaftlichen Beiſpiele. Im Jahre
1610 trat eine Mondfinſterniß ein: die Vorangaben der
einheimiſchen Aſtronomen und der Jeſuiten waren um eine
volle Stunde verſchieden; daß die Jeſuiten aufs neue Recht
[495]des Katholicismus. Sina.
hatten, brachte ihnen großes Anſehen zu Wege 1). Sie
wurden nicht allein nebſt einigen Mandarinen, ihren Schuͤ-
lern, mit der Verbeſſerung der aſtronomiſchen Tafeln beauf-
tragt, auch das Chriſtenthum kam vorwaͤrts. 1611 ward
die erſte Kirche in Nanking eingeweiht: 1616 gibt es in
5 Provinzen des Reiches chriſtliche Kirchen: bei dem Wi-
derſtande, den ſie nicht ſelten erfahren, iſt es ihnen dann
vor allem nuͤtzlich, daß ihre Schuͤler Werke geſchrieben
welche die Billigung der Gelehrten genießen: den drohen-
den Stuͤrmen wiſſen ſie auszuweichen: auch ſie ſchließen
ſich ſo enge wie moͤglich an die Gebraͤuche des Landes
an: in dem Jahre 1619 werden ſie in einem oder dem an-
dern Stuͤcke dazu von dem Papſt ermaͤchtigt. Und ſo ver-
geht denn kein Jahr, wo ſie nicht Tauſende bekehren: all-
maͤhlig ſterben ihre Gegner ab: 1624 erſcheint bereits Adam
Schall: die genaue Beſchreibung von zwei Mondfinſter-
niſſen, die in dieſem Jahre eintraten, eine Schrift Lom-
bardo’s uͤber das Erdbeben verjuͤngen ihr Anſehen 2).
[496]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
Einen andern Weg hatten die Jeſuiten in dem krie-
geriſchen, durch unaufhoͤrliche Parteiung entzweiten Japan
eingeſchlagen. Von allem Anfang ergriffen auch ſie Partei.
Im Jahre 1554 hatten ſie das Gluͤck ſich fuͤr Den er-
klaͤrt zu haben, der den Sieg behielt: ſeine Gunſt war ihnen
gewiß, und ſie machten durch dieſelbe ungemeine Fortſchritte.
Schon im Jahre 1579 hat man dort 300000 Chriſten
gezaͤhlt: der Pater Valignano, welcher 1606 ſtarb, ein
Mann deſſen Rath Philipp II. in oſtindiſchen Angelegen-
heiten gern einholte, hat 300 Kirchen, 30 Haͤuſer der Je-
ſuiten in Japan gegruͤndet.
Jedoch eben dieſe Verbindung der Jeſuiten mit Me-
xico und Spanien erregte zuletzt die Eiferſucht der einhei-
miſchen Gewalten: in neuen Buͤrgerkriegen hatten ſie nicht
mehr das fruͤhere Gluͤck: die Partei der ſie ſich angeſchloſ-
ſen, unterlag: ſeit dem Jahre 1612 waren furchtbare Ver-
folgungen uͤber ſie verhaͤngt.
Aber ſie hielten ſehr gut Stand. Ihre Bekehrten for-
derten den Maͤrtyrertod heraus: ſie hatten eine Maͤrtyrer-
ſodalitaͤt geſtiftet, in welcher man ſich gegenſeitig zur Er-
duldung aller Leiden ermuthigte: ſie bezeichnen dieſe Jahre
als die Aera Martyrum: — wie ſehr auch die Verfolgung
zunahm, ſagen ihre Geſchichtſchreiber, ſo gab es doch in
je-
2)
[497]des Katholicismus. Japan.
jedem Jahre Neubekehrte 1). Sie wollen von 1603 bis
1622 genau 239339 Japaneſen zaͤhlen, welche zum Chri-
ſtenthume uͤbergegangen.
In allen dieſen Laͤndern bewaͤhren denn die Jeſuiten
ein eben ſo gefuͤgiges als beharrliches und hartnaͤckiges
Naturell: ſie machen Fortſchritte in einer Ausdehnung wie
man ſie nie haͤtte erwarten ſollen: es iſt ihnen gelungen den
Widerſtand jener gebildeten nationalen Religionen, die den
Orient beherrſchen, wenigſtens zum Theil zu beſiegen.
Dabei haben ſie auch nicht verſaͤumt auf die Vereini-
gung der orientaliſchen Chriſten mit der roͤmiſchen Kirche
zu denken.
In Indien ſelbſt hatte man jene uralte neſtorianiſche
Gemeinde gefunden, die unter dem Namen der Thomaschri-
ſten bekannt iſt; und da ſie nicht den Papſt zu Rom, von
dem ſie nichts wußte, ſondern den Patriarchen von Ba-
bylon (zu Moſul) fuͤr ihr Oberhaupt und den Hirten der
allgemeinen Kirche hielt, hatte man gar bald Anſtalt
gemacht ſie in die Gemeinſchaft der roͤmiſchen Kirche zu
ziehen. Es ward weder Gewalt noch Ueberredung geſpart.
Im Jahre 1601 ſchienen die Vornehmſten gewonnen zu
ſeyn: ein Jeſuit wurde zum Biſchof eingeſetzt. Man
druckte das roͤmiſche Ritual chaldaͤiſch: auf einem Dioͤce-
Päpſte* 32
[498]BuchVII.Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
ſanconcilium wurden die Irrthuͤmer des Neſtorius verflucht:
in Cranganor erhob ſich ein Jeſuitencollegium: die neue
Beſetzung des biſchoͤflichen Stuhles im Jahre 1624 geſchah
mit Einwilligung der Hartnaͤckigſten unter den bisherigen
Gegnern 1).
Es verſteht ſich, daß hiebei das politiſche Uebergewicht
der ſpaniſch-portugieſiſchen Macht das Beſte that. Auch in
Habeſch war es zur nemlichen Zeit von groͤßtem Einfluß.
Die fruͤhern Verſuche waren alle vergeblich geweſen.
Erſt als im Jahre 1603 die Portugieſen von Fremona
den Abyſſiniern in einer Schlacht mit den Kaffern weſent-
liche Dienſte geleiſtet, gelangten ſie und ihre Religion in
groͤßeres Anſehen. Eben traf der Pater Paez ein: ein ge-
ſchickter Jeſuit, der in der Landesſprache predigte, und ſich
an dem Hofe Eingang verſchaffte. Der ſiegreiche Fuͤrſt
wuͤnſchte mit dem Koͤnig von Spanien in ein naͤheres Ver-
haͤltniß zu treten, hauptſaͤchlich um einen Anhalt gegen
ſeine Feinde im Innern zu haben: Paez ſtellte ihm als das
einzige Mittel hiezu vor, daß er von ſeiner ſchismatiſchen
Doctrin ablaſſe und zur roͤmiſchen Kirche uͤbertrete. Er
machte um ſo mehr Eindruck, da die Portugieſen in der
That in den innern Bewegungen des Landes Treue und
Tapferkeit bewieſen. Disputationen wurden angeſtellt: leicht
waren die unwiſſenden Moͤnche zu beſiegen: der tapferſte
Mann des Reiches, Sela-Chriſtos, ein Bruder des Kaiſers
Seltan-Segued (Socinius), ward bekehrt, unzaͤhlige Andere
folgten ſeinem Beiſpiel: und man trat bereits mit Paul V.
und Philipp III. in Verbindung. Natuͤrlich regten ſich
[499]des Katholicismus. Habeſch.
hiewider die Repraͤſentanten der eingefuͤhrten Religion: auch
in Habeſch nahmen, wie in Europa, die buͤrgerlichen Kriege
eine religioͤſe Farbe an: der Abuna und ſeine Moͤnche ſtan-
den immer auf Seite der Rebellen, Sela-Chriſtos, die
Portugieſen und die Bekehrten auf der Seite des Kaiſers.
Jahr fuͤr Jahr wird geſchlagen: Gluͤck und Gefahr wechſeln:
zuletzt behaͤlt der Kaiſer und ſeine Partei den Sieg. Es
iſt ein Sieg zugleich des Katholicismus und der Jeſui-
ten. Im Jahre 1621 entſcheidet Seltan-Segued jene alten
Streitigkeiten uͤber die beiden Naturen in Chriſto nach dem
Sinne der roͤmiſchen Kirche; er verbietet, fuͤr den alexan-
driniſchen Patriarchen zu beten; in ſeinen Staͤdten, ſei-
nen Gaͤrten werden katholiſche Kirchen und Capellen er-
baut 1). Im Jahre 1622 empfaͤngt er, nachdem er bei
Paez gebeichtet, das Abendmahl nach katholiſchem Ri-
tus. Lange ſchon war der roͤmiſche Hof erſucht worden
einen lateiniſchen Patriarchen heruͤberzuſenden: doch trug
man dort Bedenken, ſo lange die Geſinnung oder die
Macht des Kaiſers zweifelhaft waren: jetzt hatte dieſer alle
ſeine Gegner beſiegt, ergebener konnte er ſich nie bezei-
gen: am 19ten Dezember 1622 ernannte Gregor XV.
einen Portugieſen, den Koͤnig Philipp vorgeſchlagen, Doctor
Alfonſo Mendez, von der Geſellſchaft Jeſu, zum Patriar-
chen von Aethiopien 2). Nachdem Mendez endlich ange-
langt, leiſtete der Kaiſer dem roͤmiſchen Papſte ſeine feier-
liche Obedienz.
32*
[500]BuchVII.Kap. 2. Miſſionen.
Indeſſen faßte man auch alle griechiſchen Chriſten im
tuͤrkiſchen Reiche ins Auge: die Paͤpſte ſchickten Miſſion
auf Miſſion aus. Unter den Maroniten war durch einige
Jeſuiten die roͤmiſche Profeſſio fidei eingefuͤhrt worden: ei-
nen neſtorianiſchen Archimandriten finden wir 1614 zu Rom,
der den Lehren des Neſtorius im Namen einer großen Menge
von Anhaͤngern entſagt: in Conſtantinopel iſt eine jeſuiti-
ſche Miſſion eingerichtet, die daſelbſt durch den Einfluß
des franzoͤſiſchen Geſandten eine gewiſſe Feſtigkeit und Hal-
tung bekommt, der es unter andern gelingt den Patriar-
chen Cyrillus Lucaris, der ſich zu proteſtantiſchen Meinun-
gen neigte, im Jahre 1621 wenigſtens auf einige Zeit zu
entfernen.
Eine unermeßliche weltumfaſſende Thaͤtigkeit! — wel-
che zugleich in den Andes und in den Alpen vordringt,
nach Tibet und nach Scandinavien ihre Spaͤher, ihre Vor-
kaͤmpfer ausſendet, in England und in Sina ſich der
Staatsgewalt naͤhert: — auf dieſem unbegrenzten Schau-
platz jedoch allenthalben friſch und ganz und unermuͤdlich:
der Antrieb, der in dem Mittelpunkte thaͤtig iſt, begeiſtert
und zwar vielleicht noch lebhafter und inniger jeden Arbei-
ter an den aͤußerſten Grenzen.
[501]
Drittes Kapitel.
Gegenſatz politiſcher Verhaͤltniſſe. Neue
Siege des Katholicismus.
1623—1628.
Was einer vordringenden Macht Grenzen ſetzt, iſt
nicht immer und wohl niemals allein Widerſtand von au-
ßen: in der Regel wird dieſer durch innere Entzweiungen
wo nicht geradezu hervorgerufen, doch ſehr beguͤnſtigt.
Waͤre der Katholicismus einmuͤthig geblieben, mit ver-
einigten Kraͤften auf ſein Ziel losgegangen, ſo ſieht man
nicht recht, wie das germaniſche noͤrdliche Europa, das
ſchon großentheils in ſeine Intereſſen verflochten, von ſei-
ner Politik umſponnen war, ihm auf die Laͤnge haͤtte wi-
derſtehn wollen.
Sollten aber nicht auch auf dieſer Stufe der Gewalt
in dem Katholicismus die fruͤhern Gegenſaͤtze, die doch nur
auf der Oberflaͤche beſeitigt und im Innern unaufhoͤrlich
wirkſam geblieben, wieder zum Vorſchein kommen?
Das Eigenthuͤmliche in dem Forſchritte der Religion
war in dieſem Zeitraume, daß er allenthalben auf politiſch-
militaͤriſchem Uebergewicht beruhte. In Folge der Kriege
[502]BuchVII.Kap. 3. Gegenſatz
drang die Miſſion vorwaͤrts. Daraus folgte, daß mit dem-
ſelben die groͤßten politiſchen Veraͤnderungen verbunden wa-
ren, die doch auch als ſolche etwas bedeuten und Ruͤck-
wirkungen, die man nicht berechnen konnte, hervorrufen
mußten.
Von allen dieſen Veraͤnderungen nun war ohne Zwei-
fel die wichtigſte, daß die deutſche Linie des Hauſes Oeſt-
reich, die bisher, durch die erblaͤndiſchen Unruhen gefeſſelt,
in die allgemeinen Angelegenheiten weniger eingegriffen, auf
einmal zu der Selbſtaͤndigkeit, Bedeutung und Kraft einer
großen europaͤiſchen Macht gedieh. Durch die Erhebung
des deutſchen Oeſtreich geſchah, daß auch Spanien, wel-
ches ſich ſeit Philipp II. friedlich gehalten, mit neuer Kriegs-
luſt zu ſeinen fruͤhern Hoffnungen und Anſpruͤchen wieder-
erwachte. Schon waren beide in Folge der Graubuͤndtner
Haͤndel unmittelbar in Verbindung getreten: die Alpenpaͤſſe
waren auf der italieniſchen Seite von Spanien, auf der
deutſchen von Oeſtreich in Beſitz genommen: hier in dem
hohen Gebirg ſchienen ſie ſich zu gemeinſchaftlichen Unter-
nehmungen nach allen Seiten der Welt hin die Hand zu
bieten.
Gewiß lag in dieſer Stellung auf der einen Seite
eine große Ausſicht fuͤr den Katholicismus ſelbſt, dem ſich
beide Linien mit unverbruͤchlicher Ergebenheit gewidmet hat-
ten, aber auf der andern doch auch eine große Gefahr
innerer Entzweiung. Wie viel Eiferſucht hatte die ſpa-
niſche Monarchie unter Philipp II. erweckt! Aber bei wei-
tem gewaltiger und kernhafter erhob ſich jetzt die Geſammt-
macht des Hauſes durch den Anwachs ihrer deutſchen
[503]politiſcher Verhaͤltniſſe.
Kraͤfte. Nothwendig mußte ſie die alten Antipathien in
noch hoͤherem Grade erregen.
Zuerſt zeigte ſich das in Italien.
Die kleinen italieniſchen Staaten, an und fuͤr ſich nicht
ſelbſtaͤndig, hatten das Beduͤrfniß und auch das Gefuͤhl
des Gleichgewichtes in jener Zeit am lebhafteſten. Daß
ſie jetzt von zwei Seiten in die Mitte genommen, durch
die Beſetzung der Alpenpaͤſſe von aller fremden Huͤlfe abge-
ſchnitten werden ſollten, empfanden ſie als eine unmittel-
bare Bedrohung. Ohne viel Ruͤckſicht, welcher Vortheil
ihrem Glaubensbekenntniß aus jener Combination erwachſen
koͤnne, wandten ſie ſich an Frankreich, das ihnen ja allein
helfen konnte, um dieſelbe zu zerſtoͤren. Auch Louis XIII.
fuͤrchtete ſeinen Einfluß auf Italien zu verlieren. Unmittelbar
nach dem Frieden von 1622, noch ehe er in ſeine Haupt-
ſtadt zuruͤckgekommen, ſchloß er mit Savoyen und Vene-
dig einen Vertrag ab, kraft deſſen das Haus Oeſtreich mit
gemeinſchaftlichen Kraͤften genoͤthigt werden ſollte jene buͤndt-
neriſchen Paͤſſe und Plaͤtze herauszugeben 1).
Eine Abſicht die freilich nur einen einzelnen Punkt
ins Auge faßte, aber leicht die allgemeine Entwickelung ge-
faͤhrden konnte.
Sehr wohl erkannte das Gregor XV, die Gefahr die
dem Frieden der katholiſchen Welt, dem Fortgange der re-
ligioͤſen Intereſſen und hiedurch auch der Erneuerung des
paͤpſtlichen Anſehens von dieſem Punkte aus drohe: mit
demſelben Eifer, mit welchem er Miſſion und Bekehrung
befoͤrderte, ſuchte er nun auch — denn ihm vor allem ſtellte
[504]BuchVII.Kap. 3. Gegenſatz
ſich der Zuſammenhang dar — den Ausbruch der Feindſe-
ligkeiten zu verhindern.
Noch war das Anſehen des paͤpſtlichen Stuhles, oder
vielmehr das Gefuͤhl der Einheit der katholiſchen Welt ſo
lebendig, daß ſowohl Spanien als Frankreich erklaͤrten, die
Entſcheidung dieſer Sache dem Papſte uͤberlaſſen zu wollen.
Ja ihn ſelbſt ging man an, bis zu voͤlliger Ausgleichung
die feſten Plaͤtze, die ſo viel eiferſuͤchtige Beſorgniß rege
machten, als ein Depoſitum in ſeine Hand zu nehmen und
mit ſeinen Truppen zu beſetzen 1).
Einen Augenblick bedachte ſich Papſt Gregor, ob er
auf dieſe thaͤtige und ohne Zweifel auch koſtſpielige Theil-
nahme an entfernten Haͤndeln eingehn ſolle: da es aber
am Tage lag, wie viel davon fuͤr den Frieden der katho-
liſchen Welt abhing, ſo ließ er endlich ein paar Compa-
gnien werben, und ſchickte ſie unter ſeinem Bruder Herzog
von Fiano nach Graubuͤndten. Die Spanier hatten wenig-
ſtens Riva und Chiavenna zu behalten gewuͤnſcht: auch dieſe
uͤberlieferten ſie jetzt den paͤpſtlichen Truppen 2). Erzher-
zog Leopold von Tyrol ließ ſich endlich auch bereit finden,
ihnen die Landſchaften und Plaͤtze zu uͤbergeben, auf welche
er nicht etwa Anſpruͤche eigenen Beſitzes erhob.
Und hiedurch ſchien nun in der That die Gefahr beſei-
tigt, welche die italieniſchen Staaten zunaͤchſt in Bewegung
geſetzt hatte. Hauptſaͤchlich kam es noch darauf an, bei den
[505]politiſcher Verhaͤltniſſe.
weitern Anordnungen die katholiſchen Intereſſen wahrzu-
nehmen. Man faßte den Plan, Valtellin, wie es den Spa-
niern nicht in die Haͤnde fallen duͤrfe, ſo auch nicht wie-
der unter Graubuͤndten gerathen zu laſſen: wie leicht haͤtte
dann die katholiſche Reſtauration daſelbſt unterbrochen werden
koͤnnen: ſelbſtaͤndig ſollte es den drei alten rhaͤtiſchen Buͤn-
den als ein vierter gleichberechtigter hinzugefuͤgt werden.
Aus derſelben Ruͤckſicht wollte man ſelbſt die Verbindung
der beiden oͤſtreichiſchen Linien, die zum Fortgange des Ka-
tholicismus in [Deutſchland] nothwendig ſchien, nicht voͤllig
unterbrechen. Die Paͤſſe durch Worms und Valtellin ſoll-
ten den Spaniern offen bleiben: wohlverſtanden um Trup-
pen nach Deutſchland gehn, nicht um deren nach Italien
kommen zu laſſen 1).
So weit war es: zwar noch nichts abgeſchloſſen, aber
alles zum Abſchluß reif, als Gregor XV. ſtarb: — 8. Juli
1623. Er hatte noch die Genugthuung dieſe Zwiſtigkei-
ten beſeitigt, den Fortſchritt ſeiner Kirche unaufgehalten zu
ſehen. War doch bei den Unterhandlungen ſogar von ei-
ner neuen Verbindung der Spanier und Franzoſen zu ei-
nem Angriff auf Rochelle und Holland die Rede geweſen.
Es fehlte jedoch viel, daß es nach dem Tode Gre-
gors nun auch dahin gekommen waͤre.
Einmal genoß der neue Papſt Urban VIII. noch nicht
jenes Vertrauen das auf der erprobten Vorausſetzung ei-
ner vollkommenen Unparteilichkeit beruht: ſodann waren
[506]BuchVII.Kap. 3. Gegenſatz
die Italiener durch den Vertrag lange nicht zufrieden ge-
ſtellt: aber was das Wichtigſte iſt, in Frankreich kamen
Maͤnner an das Ruder, welche die Oppoſition gegen Spa-
nien nicht mehr auf fremde Bitten als Huͤlfsmacht, ſon-
dern aus eigenem freien Antrieb als den hauptgeſichts-
punkt der franzoͤſiſchen Politik wieder aufnahmen, Vieu-
ville und Richelieu.
Vielleicht liegt hierin weniger Willkuͤhr, als man an-
zunehmen geneigt iſt. Auch Frankreich war wie Oeſtreich-
Spanien in einer Zunahme aller ſeiner Kraͤfte begriffen:
durch die Siege uͤber die Hugenotten war die koͤnigliche
Macht, die Einheit und das Selbſtgefuͤhl der Nation un-
endlich geſtiegen: und wie nun mit der Kraft auch die An-
ſpruͤche wachſen, ſo trieb alles dahin, eine kuͤhnere Poli-
tik zu ergreifen als die bisher befolgte: dieſe natuͤrliche
Tendenz rief ſich ihre Organe hervor, Maͤnner, welche ſie
durchzuſetzen geneigt und faͤhig waren. Von Anfang an
war Richelieu entſchloſſen der Autoritaͤt welche das Haus
Oeſtreich noch immer behauptet und damals verjuͤngt und
erhoͤht hatte, entgegenzutreten, und den Kampf um das oberſte
Anſehen in Europa mit demſelben einzugehn.
Ein Entſchluß der nun eine noch viel gefaͤhrlichere
Spaltung in die katholiſche Welt brachte, als die fruͤhere
geweſen war. Die beiden Hauptmaͤchte mußten in offenen
Krieg gerathen. An die Ausfuͤhrung jenes roͤmiſchen Trac-
tates war nicht mehr zu denken, und vergeblich bemuͤhte
ſich Urban VIII. die Franzoſen bei ihren Zugeſtaͤndniſſen
feſtzuhalten. Aber eine Verbindung mit der katholiſchen
Oppoſition genuͤgte den Franzoſen noch nicht. Obwohl
[507]politiſcher Verhaͤltniſſe.
Cardinal der roͤmiſchen Kirche, trug Richelieu kein Beden-
ken mit den Proteſtanten ſelbſt unverholen in Bund zu
treten.
Zuerſt naͤherte er ſich den Englaͤndern, um jene ſpa-
niſche Vermaͤhlung zu hintertreiben, die dem Hauſe Oeſt-
reich ſo viel neuen Einfluß haͤtte verſchaffen muͤſſen. Es
kamen ihm hiebei perſoͤnliche Verhaͤltniſſe zu Huͤlfe: die Un-
geduld Jacobs I, der mit der Zaͤrtlichkeit eines alten Man-
nes der ſich dem Tode nahe glaubt, nach der Ruͤckkehr ſeines
Sohnes und ſeines Lieblings verlangte: ein Mißverſtaͤnd-
niß zwiſchen den beiden leitenden Miniſtern Olivarez und
Buckingham: aber das Meiſte that doch auch hier die Sa-
che ſelbſt. Die pfaͤlziſche Angelegenheit entwickelte in der
Unterhandlung mit Oeſtreich, Spanien, Baiern und Pfalz
unuͤberwindliche Schwierigkeiten 1): — eine Verbindung
mit Frankreich dagegen ließ bei der neuen Richtung welche
dieſe Macht nahm, eine baldige Entſcheidung derſelben durch
die Waffen erwarten. Da nun dieſe Verbindung dem Koͤ-
nig von England nicht allein eine eben ſo bedeutende Mit-
gift verſchaffte, ſondern auch die Ausſicht die engliſchen
Katholiken mit dem Throne zu verſoͤhnen, ſo zog er es vor,
ſeinen Sohn mit einer franzoͤſiſchen Prinzeſſin zu vermaͤh-
len: er gewaͤhrte ihr dieſelben religioͤſen Zugeſtaͤndniſſe die
er den Spaniern gemacht.
Und ſogleich ruͤſtete man ſich nun hierauf zu dem An-
griff. Richelieu entwarf einen weltumfaſſenden Plan, wie
[508]BuchVII.Kap. 3. Gegenſatz
ſie vor ihm noch nicht in der europaͤiſchen Politik erſchie-
nen, ihm aber ſo beſonders eigen ſind. Durch einen allge-
meinen Anfall auf allen Seiten dachte er die ſpaniſch-oͤſtrei-
chiſche Macht mit Einem Male zu verderben.
Er ſelbſt wollte im Bunde mit Savoyen und Venedig
in Italien angreifen: ohne alle Ruͤckſicht auf den Papſt
ließ er unerwartet franzoͤſiſche Truppen in Graubuͤndten ein-
ruͤcken und die paͤpſtlichen Garniſonen aus den feſten Plaͤtzen
verjagen 1). — Mit der engliſchen hatte er zugleich die
hollaͤndiſche Allianz erneuert. Die Hollaͤnder ſollten Suͤd-
amerika, die Englaͤnder die Kuͤſten von Spanien angreifen.
Durch Koͤnig Jacobs Vermittelung bewegten ſich die Tuͤr-
ken und drohten einen Einfall in Ungarn. — Der Haupt-
ſchlag aber ſollte in Deutſchland geſchehen. Der Koͤnig
von Daͤnemark, der ſchon lange geruͤſtet, war endlich ent-
ſchloſſen, die Kraͤfte von Daͤnemark und Niederdeutſchland
fuͤr ſeine pfaͤlziſchen Verwandten in Kampf zu fuͤhren. Nicht
allein England verſprach ihm Huͤlfe, Richelieu ſagte einen
Beitrag von einer Million Livres zu den Kriegskoſten zu 2).
[509]politiſcher Verhaͤltniſſe.
Von beiden unterſtuͤtzt ſollte Mansfeld neben dem Koͤnig
auftreten und den Weg in die oͤſtreichiſchen Erblande ſuchen.
Zu einem ſo univerſalen Angriff ruͤſtet ſich demnach
von den beiden vorwaltenden katholiſchen Maͤchten die eine
wider die andere.
Es iſt keine Frage, unmittelbar muß dieß den Fort-
ſchritt der katholiſchen Intereſſen einhalten. Obwohl das
franzoͤſiſche Buͤndniß politiſcher Natur iſt, ſo muß doch,
eben wegen jener engen Verbindung der kirchlichen und po-
litiſchen Verhaͤltniſſe, der Proteſtantismus darin eine große
Foͤrderung ſehen. Aufs neue ſchoͤpft er Athem. Ein neuer
Vorkaͤmpfer, der Koͤnig von Daͤnemark, erſcheint fuͤr ihn
in Deutſchland, mit unverbrauchten friſchen Kraͤften, von
der großen Combination der europaͤiſchen Politik unterſtuͤtzt.
Ein Sieg deſſelben wuͤrde alle Erfolge des Erzhauſes und
der katholiſchen Reſtauration ruͤckgaͤngig gemacht haben.
Jedoch erſt der Verſuch pflegt die Schwierigkeiten zu
entwickeln, die ein Unternehmen in ſich enthaͤlt. So glaͤn-
zend die Talente Richelieus ſeyn mochten, ſo war er doch
zu raſch an das Werk gegangen, dem ſeine Neigungen gal-
ten, das er als ein Ziel des Lebens, ſey es in vollem Be-
wußtſeyn oder in dunklerem Vorgefuͤhl, vor ſich ſah: aus
ſeinem Unternehmen erhoben ſich ihm Gefahren fuͤr ihn
ſelbſt.
Nicht allein die deutſchen Proteſtanten, die Gegner
2)
[510]BuchVII.Kap. 3. Gegenſatz
des Hauſes Oeſtreich, ermannten ſich, ſondern auch die
franzoͤſiſchen, die Gegner Richelieus ſelbſt, faßten unter der
neuen politiſchen Combination wieder Muth. Sie ſelbſt
ſagen, ſie haͤtten gehofft, im ſchlimmſten Falle durch die
jetzigen Verbuͤndeten des Koͤnigs wieder mit ihm ausgeſoͤhnt
zu werden 1). Rohan erhob ſich zu Lande, Soubiſe zur
See. Im Mai 1625 waren die Hugenotten weit und breit
in den Waffen.
Und in demſelben Momente traten dem Cardinal auf
der andern Seite vielleicht noch gefaͤhrlichere Feinde hervor.
Bei aller ſeiner Neigung zu Frankreich beſaß Urban VIII.
doch zu viel Selbſtgefuͤhl, als daß er die Verjagung ſeiner
Garniſonen aus Graubuͤndten ſo leicht haͤtte verſchmerzen ſol-
len 2). Er ließ Truppen werben und nach dem Mailaͤn-
diſchen vorruͤcken, in der ausgeſprochenen Abſicht mit den
Spaniern im Bunde die verlornen Plaͤtze wieder einzuneh-
men. Wohl mag es ſeyn, daß auf dieſe Kriegsbedrohun-
gen wenig zu geben war. Allein um ſo mehr hatte die
kirchliche Einwirkung zu bedeuten, die ſich damit ver-
knuͤpfte. Die Klagen des paͤpſtlichen Nuntius, daß der
allerchriſtlichſte Koͤnig der Gehuͤlfe ketzeriſcher Fuͤrſten ſeyn
wolle, fanden Anklang in Frankreich: die Jeſuiten traten
mit ihren ultramontanen Doctrinen hervor: von den Stren-
[511]politiſcher Verhaͤltniſſe.
ger-kirchlich-geſinnten erfuhr Richelieu lebhafte Angriffe 1).
Zwar fand er dagegen eine Stuͤtze in den gallicaniſchen
Grundſaͤtzen, Vertheidigung bei den Parlamenten: — je-
doch er durfte es nicht wagen den Papſt lange zum Feinde
zu haben. Das katholiſche Prinzip war zu genau mit dem
wiederhergeſtellten Koͤnigthum verbunden: wer konnte dem
Cardinal fuͤr den Eindruck ſtehn, welchen die geiſtlichen
Ermahnungen auf ſeinen Fuͤrſten hervorbringen mochten?
In Frankreich ſelbſt demnach ſah ſich Richelieu ange-
griffen, und zwar durch die beiden entgegengeſetzten Par-
teien zugleich. Was er auch immer gegen Spanien aus-
richten mochte, ſo war dieß doch eine Stellung, die ſich
nicht halten ließ: er mußte eilen aus ihr herauszukommen.
Und wie nun bei dem Angriff das Genie der Welt-
umfaſſung, des kuͤhnen vordringenden Entwurfes, ſo zeigte
er in dieſem Augenblick die treuloſe Gewandtheit Verbuͤn-
dete nur zu ſeinem Werkzeug zu machen und dann zu ver-
laſſen, die ihm ſein Lebelang eigen war.
Er brachte zuerſt ſeine neuen Bundesgenoſſen dahin, ihm
wider Soubiſe beizuſtehn. Er ſelbſt hatte keine Seemacht:
mit proteſtantiſchen Streitkraͤften aus fremden Laͤndern, mit
hollaͤndiſchen und engliſchen Schiffen uͤberwaͤltigte er im
September 1625 ſeine proteſtantiſchen Gegner in der Hei-
math. Er benutzte ihre Vermittelung dazu, die Hugenot-
ten zu einer unvortheilhaften Abkunft zu noͤthigen. Sie
zweifelten nicht, daß er, ſobald er ſich dieſer Feinde entle-
digt habe, den allgemeinen Angriff erneuern werde.
Allein wie erſtaunten ſie, als ſtatt deſſen ploͤtzlich die
[512]BuchVII.Kap. 3. Gegenſatz
Kunde von dem Frieden von Monzon erſcholl, der im
Maͤrz 1626 zwiſchen Spanien und Frankreich abgeſchloſ-
ſen worden. Ein paͤpſtlicher Legat war deshalb an beide
Hoͤfe gereiſt. Zwar ſcheint er keinen weſentlichen Einfluß
auf die Abkunft gehabt zu haben, doch machte er auf je-
den Fall das katholiſche Prinzip rege. Waͤhrend Richelieu
die Proteſtanten unter dem Anſchein des engſten Vertrauens
zu ſeinen Zwecken benutzte, hatte er mit noch groͤßerem Ei-
fer Unterhandlungen zu ihrem Verderben mit Spanien ge-
pflogen. Ueber Valtellin einigte er ſich mit Olivarez da-
hin, daß es zwar unter die Herrſchaft von Graubuͤndten zu-
ruͤckkehren ſolle, aber mit ſelbſtthaͤtigem Antheil an der Be-
ſetzung der Aemter und der ungeſchmaͤlerten Freiheit katho-
liſcher Gottesverehrung 1). Die katholiſchen Maͤchte, wel-
che ſo eben einen Kampf auf Leben und Tod beginnen zu
wollen geſchienen, ſtanden in Einem Moment wieder ver-
einigt da.
Es kam hinzu, daß ſich uͤber die Ausfuͤhrung der in
dem Vermaͤhlungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen
Mißhelligkeiten zwiſchen Franzoſen und Englaͤndern erhoben.
Mit Nothwendigkeit erfolgte dann ein Stillſtand al-
ler jener antiſpaniſchen Unternehmungen.
Die italieniſchen Fuͤrſten mußten ſich, ſo ungern ſie
es auch thaten, in das Unabaͤnderliche fuͤgen: — Savoyen
ſchloß einen Stillſtand mit Genua: Venedig pries ſich
[513]politiſcher Verhaͤltniſſe.
gluͤcklich, daß es nicht bereits in Mailand eingefallen war,
und entließ ſeine Milizen. Wenigſtens hat man behaup-
tet, das ſchwankende Betragen der Franzoſen habe noch im
Jahre 1625 den Entſatz von Breda gehindert, ſo daß ih-
nen der Verluſt dieſer wichtigen Feſtung an die Spanier
zuzuſchreiben ſey. Jedoch das große und entſcheidende Miß-
geſchick trat in Deutſchland ein.
Die Kraͤfte von Niederdeutſchland hatten ſich um den
Koͤnig von Daͤnemark geſammelt, unter dem Schirm, wie
man glaubte, jener allgemeinen Verbindung wider Spa-
nien: Mansfeld ruͤckte gegen die Elbe. Ihnen gegenuͤber
hatte ſich auch der Kaiſer mit doppelter Anſtrengung geruͤ-
ſtet: er wußte wohl, wie viel davon abhing.
Als es zum Schlagen kam, beſtand die Verbindung
ſchon nicht mehr: die franzoͤſiſchen Subſidien wurden nicht
gezahlt, allzu langſam lief die engliſche Unterſtuͤtzung ein:
die kaiſerlichen Truppen waren krieggeuͤbter: es erfolgte,
daß der Koͤnig von Daͤnemark die Schlacht bei Lutter ver-
lor, und auf ſein Land zuruͤckgeworfen, daß auch Mans-
feld als ein Fluͤchtling in die oͤſtreichiſchen Provinzen ge-
trieben ward, die er als Sieger und Wiederherſteller zu
beſchreiten gehofft hatte.
Ein Erfolg der nothwendig eben ſo univerſale Wir-
kungen haben mußte wie ſeine Urſachen waren.
Zunaͤchſt fuͤr die kaiſerlichen Laͤnder. Wir koͤnnen ſie
mit Einem Worte bezeichnen. Die letzte Bewegung welche
hier fuͤr den Proteſtantismus unternommen worden —
in Hoffnung auf jene allgemeine Combination — ward ge-
Päpſte* 33
[514]BuchVII.Kap. 3. Neue Siege
daͤmpft: nunmehr ward auch der Adel, der bisher per-
ſoͤnlich noch unbelaͤſtigt geblieben, zum Uebertritt genoͤ-
thigt. Der Kaiſer erklaͤrte am Ignatiustage 1627, daß
er nach Ablauf von ſechs Monaten Niemand mehr, auch
nicht vom Herrn und Ritterſtande, in ſeinem Erbreich Boͤh-
men dulden werde, der nicht ihm und der apoſtoliſchen
Kirche in dem allein ſeligmachenden katholiſchen Glauben
beiſtimme 1); aͤhnliche Edicte ergingen in Oberoͤſtreich,
im Jahre 1628 in Kaͤrnthen, Krain und Steiermark, nach
einiger Zeit auch in Niederoͤſtreich. Vergebens war es, auch
nur um Aufſchub zu bitten; der Nuntius Caraffa ſtellte
vor, nur von der Hoffnung auf einen allgemeinen Gluͤcks-
wechſel ſchreibe ſich dieſe Bitte her. Seitdem erſt wurden jene
Landſchaften wieder vollkommen katholiſch. Welche Oppo-
ſition hatte 80 Jahre daher der Adel von Oeſtreich dem
Erzhauſe gemacht! Jetzt erhob ſich die landesfuͤrſtliche
Macht, rechtglaͤubig ſiegreich und unumſchraͤnkt, uͤber je-
den Widerſtand.
Und noch weitausſehender waren die Wirkungen des
neuen Sieges in dem uͤbrigen Deutſchland. Niederſachſen
war eingenommen: bis an den Kattegat ſtanden die kaiſerli-
chen Voͤlker: Brandenburg und Pommern hielten ſie beſetzt:
Meklenburg war in den Haͤnden des kaiſerlichen Feldherrn:
[515]des Katholicismus. Deutſchland.
ſo viele Hauptſitze des Proteſtantismus waren von einem
katholiſchen Kriegsheere uͤberwaͤltigt.
Es zeigte ſich ſogleich, wie man dieſe Lage der Dinge
zu benutzen denke. Ein kaiſerlicher Prinz ward zum Bi-
ſchof von Halberſtadt poſtulirt: aus apoſtoliſcher Macht
ernannte dann der Papſt ebendenſelben zum Erzbiſchof von
Magdeburg. Es iſt keine Frage, daß wenn eine katholiſche
erzherzogliche Regierung ſich hier feſtſetzte, ſie mit der Strenge
der uͤbrigen geiſtlichen Fuͤrſten auf die Herſtellung des Ka-
tholicismus in dem geſammten Sprengel dringen mußte.
Indeſſen ſetzten ſich die Antireformationen in Ober-
deutſchland mit neuem Eifer fort. Man muß einmal das
Verzeichniß der Erlaſſe der Reichskanzlei aus dieſen Jahren
bei Caraffa anſehen: wie viele Anmahnungen, Beſchluͤſſe,
Entſcheidungen, Empfehlungen, alle zu Gunſten des Ka-
tholicismus 1). Der junge Graf von Naſſau-Siegen, die
juͤngern Pfalzgrafen von Neuburg, der Deutſchmeiſter un-
ternahmen neue Reformationen: in der Oberpfalz ward nun
auch der Adel zum Katholicismus genoͤthigt.
Jetzt nahmen jene alten Proceſſe geiſtlicher Herrn ge-
gen weltliche Staͤnde uͤber eingezogene Kirchenguͤter einen
andern Gang als fruͤher. Wie ward allein Wuͤrtemberg
geaͤngſtigt! Es drangen alle die alten Klaͤger, die Biſchoͤfe
von Conſtanz und Augsburg, die Aebte von Moͤnchsreit
und Kaiſersheim mit ihren Anſpruͤchen gegen das herzog-
33*
[516]BuchVII.Kap. 3. Neue Siege
liche Haus durch, die Exiſtenz deſſelben ward gefaͤhrdet 1).
Allenthalben bekamen die Biſchoͤfe Recht wider die Staͤdte:
der Biſchof von Eichſtaͤdt wider Nuͤrnberg, das Capitel
von Straßburg wider die Stadt Straßburg: Schwaͤbiſch-
Hall, Memmingen, Ulm, Lindau, viele andere Staͤdte wur-
den genoͤthigt den Katholiſchen die ihnen entriſſenen Kir-
chen zuruͤckzugeben.
Begann man nun hier allenthalben auf den Buchſta-
ben des Religionsfriedens zu dringen, wie nahe lag dann
eine allgemeinere Anwendung der Grundſaͤtze deſſelben wie
man ſie jetzt verſtand 2).
„Nach der Schlacht bei Lutter“, ſagt Caraffa, „ſchien
der Kaiſer wie von einem langen Schlafe zu erwachen:
von einer großen Furcht befreit, die ſeine Vorfahren und
ihn ſelbſt bisher gefeſſelt, faßte er den Gedanken ganz Deutſch-
land zu der Norm des Religionsfriedens zuruͤckzufuͤhren.“
Außer Magdeburg und Halberſtadt waͤren dann auch
Bremen, Verden, Minden, Camin, Havelberg, Schwerin,
faſt alle norddeutſchen Stifter dem Katholicismus zuruͤckge-
geben worden. Es war immer das entfernte Ziel geweſen,
das der Papſt und die Jeſuiten in den glaͤnzendſten Au-
genblicken ihres Gluͤckes ins Auge gefaßt hatten. Eben
darum war doch ſelbſt der Kaiſer bedenklich. Er zweifelte,
ſagt Caraffa, nicht an dem Rechte, ſondern an der Moͤg-
lichkeit der Ausfuͤhrung. Allein der Eifer der Jeſuiten,
[517]des Katholicismus. Deutſchland.
vor allem des Beichtvaters Lamormain, das guͤnſtige Gut-
achten der vier katholiſchen Churfuͤrſten, das unermuͤdliche
Anhalten jenes paͤpſtlichen Nuntius, der ja ſelbſt berichtet,
es habe ihm monatlange Arbeit gekoſtet um durchzudrin-
gen, beſeitigte am Ende alle Bedenklichkeiten. Bereits im
Auguſt 1628 ward das Reſtitutionsedict eben ſo abgefaßt
wie es nachher erſchienen iſt 1). Ehe es erlaſſen wuͤrde,
ſollte es nur noch einmal den katholiſchen Churfuͤrſten in
Erwaͤgung gegeben werden.
Es war aber hiemit noch ein weiterer Plan verknuͤpft:
man gab der Hoffnung Raum die lutheriſchen Fuͤrſten in
Gutem zu gewinnen. Nicht die Theologen, ſondern der
Kaiſer oder einige katholiſche Reichsfuͤrſten ſelbſt ſollten es
verſuchen. Man beabſichtigte davon auszugehn, daß die
Vorſtellung, die man im noͤrdlichen Deutſchland vom
Katholicismus hege, irrig, daß die Abweichung des un-
geaͤnderten augsburgiſchen Bekenntniſſes von der echt-ka-
tholiſchen Lehre nur ſehr gering ſey: den Churfuͤrſten von
Sachſen hoffte man dadurch zu gewinnen, daß man ihm
das Patronat der drei Hochſtifter ſeines Gebietes uͤberlaſſe 2).
[518]BuchVII.Kap. 3. Neue Siege
Man verzweifelte nicht den Haß der Lutheraner gegen den
Calvinismus erwecken und dann zu einer vollkommenen
Herſtellung des Katholicismus benutzen zu koͤnnen.
Ein Gedanke den man in Rom mit Lebhaftigkeit er-
griff und zu einem ausfuͤhrlichen Project ausarbeitete. Kei-
nesweges meinte Urban VIII. ſich mit den Beſtimmungen
des Religionsfriedens zu begnuͤgen, den ja niemals ein
Papſt gutgeheißen hatte 1). Nur eine voͤllige Reſtitution
aller Kirchenguͤter, eine vollkommene Zuruͤckfuͤhrung aller
Proteſtanten konnte ihn befriedigen.
Hatte ſich doch dieſer Papſt in dem gluͤcklichen Au-
genblicke zu einem wo moͤglich noch kuͤhneren Gedanken
erhoben, dem Entwurfe England anzugreifen. Gleichſam
mit einer Art von Naturnothwendigkeit tritt dieſer Plan
von Zeit zu Zeit in den großen katholiſchen Combinationen
wieder hervor. Jetzt hoffte ſich der Papſt des wiederher-
geſtellten Einverſtaͤndniſſes der beiden Kronen dazu zu be-
dienen 2).
Zuerſt dem franzoͤſiſchen Geſandten ſtellte er vor, welche
2)
[519]des Kathol. Abſicht auf England.
Beleidigung fuͤr Frankreich darin liege, daß man ſich in
England an die bei der Vermaͤhlung gemachten Zuſagen ſo
ganz und gar nicht binde. Entweder muͤſſe Ludwig XIII.
die Englaͤnder noͤthigen ihre Verpflichtungen zu erfuͤllen,
oder einem Fuͤrſten die Krone entreißen, der als ein Ketzer
vor Gott und als ein Wortbruͤchiger vor den Menſchen ſie
unwuͤrdig trage 1).
Hierauf wandte er ſich auch an den ſpaniſchen Bot-
ſchafter Oñate. Der Papſt meinte, ſchon als ein guter
Ritter ſey Philipp IV. verpflichtet, der Koͤniginn von Eng-
land, einer ſo nahen Verwandten — ſie war ſeine Schwaͤ-
gerin, — die jetzt um ihres Glaubens willen bedraͤngt
werde, zu Huͤlfe zu kommen.
Als der Papſt ſah, daß er Hoffnung hegen duͤrfe, uͤber-
trug er dem Nuntius Spada zu Paris die Unterhandlung.
Unter den einflußreichen Maͤnnern in Frankreich er-
griff Cardinal Berulle, der die Unterhandlung uͤber die Ver-
maͤhlung geleitet, dieſen Gedanken am lebhafteſten. Er be-
rechnete, wie man ſich der engliſchen Fahrzeuge an den fran-
zoͤſiſchen Kuͤſten bemaͤchtigen, wie man ſogar die Flotte der
Englaͤnder in ihren Haͤfen verbrennen koͤnne. In Spanien
[520]BuchVII.Kap. 3. Neue Siege
ging Olivarez ohne viel Zoͤgern auf dieſen Plan ein. Zwar
haͤtten ihn fruͤhere Treuloſigkeiten bedenklich machen koͤnnen,
und ein anderer hoher Staatsbeamter, Cardinal Bedmar,
ſtimmte deshalb dagegen: aber der Gedanke war zu groß-
artig, zu umfaſſend, als daß Olivarez, der in allen Din-
gen das Glaͤnzende liebte, ihn haͤtte zuruͤckweiſen moͤgen.
Auf das geheimſte ward die Unterhandlung betrieben:
ſelbſt jener franzoͤſiſche Geſandte in Rom, dem die erſten Er-
oͤffnungen geſchehen waren, erfuhr nichts von ihrem Fort-
gange.
Richelieu entwarf die Artikel des Vertrages: — Oli-
varez verbeſſerte ſie: — auch ſo ließ ſie ſich Richelieu ge-
fallen. Am 20. April 1627 wurden ſie ratificirt. Die
Franzoſen verpflichteten ſich ſogleich die Ruͤſtungen zu be-
ginnen und ihre Haͤfen in Stand zu ſetzen. Die Spanier
waren bereit noch im Jahre 1627 zum Angriff zu ſchrei-
ten: im naͤchſten Fruͤhling ſollten ihnen dann die Franzo-
ſen mit ganzer Macht zu Huͤlfe kommen 1).
Es tritt aus unſern Nachrichten nicht deutlich her-
[521]des Kathol. Abſicht auf England.
vor, wie Spanien und Frankreich die Beute zu theilen
gedachten: ſo viel ergibt ſich, daß man dabei auch auf
den Papſt Ruͤckſicht nahm. In tiefſtem Vertrauen eroͤff-
nete Berulle dem Nuntius, wenn es gelinge, ſo ſolle Irland
an den paͤpſtlichen Stuhl fallen: der Papſt moͤge es dann
durch einen Vicekoͤnig regieren laſſen. Mit außerordentli-
cher Genugthuung empfing der Nuntins dieſen Antrag:
nur empfahl er Seiner Heiligkeit nichts davon verlauten
zu laſſen: damit es nicht ſcheine, als habe ſie bei ihren
Anſchlaͤgen weltliche Abſichten.
Auch an Deutſchland und Italien dachte man aber
bei dieſem Plane.
Noch ſchien es moͤglich, das Uebergewicht der engli-
ſchen und der hollaͤndiſchen Seemacht durch eine allgemeine
Vereinigung zu bezwingen. Man faßte den Gedanken eine
bewaffnete Compagnie zu errichten, unter deren Schutze ein
unmittelbarer Verkehr zwiſchen der Oſtſee, Flandern, den fran-
zoͤſiſchen Kuͤſten, Spanien und Italien ohne allen Antheil der
beiden Seemaͤchte eingerichtet werden koͤnne. Schon machte
der Kaiſer den Hanſcſtaͤdten Antraͤge in dieſem Sinne: —
die Infantin zu Bruͤſſel wuͤnſchte, daß den Spaniern ein
Hafen an der Oſtſee eingeraͤumt werden moͤchte 1): — es
ward mit dem Großherzog von Toscana daruͤber unterhan-
delt, der den ſpaniſch-portugieſiſchen Handel hiedurch nach
Livorno ziehen koͤnne 2).
[522]BuchVII.Kap. 3. Neue Siege.
So weit brachte man es nun freilich nicht. Einen
ſehr abweichenden Gang nahm durch die Verflechtung der
Verhaͤltniſſe das Ereigniß, aber doch einen ſolchen, der zu-
letzt zu einem den katholiſchen Tendenzen uͤberaus guͤnſti-
gen Reſultate fuͤhrte.
Indem man ſo umfaſſende Plaͤne zu einem Angriffe
auf England entwarf, begegnete daß man ſelbſt einen An-
griff von England erfuhr.
Im Juli 1627 erſchien Buckingham mit einer ſtatt-
lichen Flotte an der Kuͤſte von Frankreich: er landete auf
der Inſel Rhé, und nahm ſie ein, bis auf die Citadelle
von S. Martin, die er ſofort belagerte: er rief die Huge-
notten zur erneuten Vertheidigung ihrer Freiheiten und ih-
rer religioͤſen Unabhaͤngigkeit auf, die allerdings von Tage
zu Tage mehr gefaͤhrdet war.
Die engliſchen Geſchichtſchreiber pflegen dieß Unter-
nehmen von einer ſeltſamen Leidenſchaft Buckinghams fuͤr
die Koͤnigin Anna von Frankreich herzuleiten. Stehe es
mit dieſer Neigung wie es wolle, ſo liegt doch in dem
großen Gange der Angelegenheiten ein ganz anderer und
gewiß der weſentlichſte Grund deſſelben. Sollte Bucking-
ham den Angriff den man beabſichtigte, in England er-
warten? Es war doch ohne Zweifel beſſer, ihm zuvorzu-
kommen und den Krieg nach Frankreich zu tragen 1). Ei-
2)
[523]des Katholicismus. Rochelle.
nen guͤnſtigeren Zeitpunkt konnte es nicht geben: Louis
XIII. war gefaͤhrlich krank, und Richelieu im Kampfe mit
ſtarken Factionen. Nach einigem Zoͤgern erhoben die Huge-
notten in der That die Waffen aufs neue: ihre kuͤhnen und
kriegskundigen Anfuͤhrer erſchienen noch einmal im Felde.
Nur haͤtte Buckingham nun auch den Krieg nachdruͤck-
licher fuͤhren, und beſſer unterſtuͤtzt werden muͤſſen. Koͤ-
nig Carl I. bekennt in allen ſeinen Briefen, daß dieß nicht
hinreichend geſchehe. Wie man es trieb, war man dem
Cardinal Richelieu, deſſen Genius in ſchwierigen Augenblicken
ſeine Mittel mit doppelter Kraft entwickelte, und der ſich
nie entſchloſſener, ſtandhafter, unermuͤdlicher bewieſen, in
kurzem nicht mehr gewachſen. Buckingham rettete ſich
durch einen Ruͤckzug. Sein Unternehmen, das die fran-
zoͤſiſche Regierung in außerordentliche Gefahr haͤtte bringen
koͤnnen, hatte dann keinen andern Erfolg, als daß ſich die
geſammte Kraft des Landes mit erneuter Gewalt unter
der Leitung des Cardinals uͤber die Hugenotten ergoß.
Der Mittelpunkt der hugenottiſchen Macht war ohne
Zweifel in Rochelle; ſchon in fruͤhern Jahren hatte Riche-
lieu, wenn er ſich in ſeinem Bisthume Luçon dort in der
1)
[524]BuchVII.Kap. 3. Neue Siege
Naͤhe aufhielt, uͤber die Moͤglichkeit dieſen Platz zu erobern
nachgedacht: jetzt ſah er ſich ſelbſt berufen ein ſolches Un-
ternehmen zu leiten: er beſchloß es auszufuͤhren, es koſte
auch was es wolle.
Sonderbarer Weiſe kam ihm hiebei nichts ſo ſehr zu
Statten wie der Fanatismus eines engliſchen Puritaners.
Endlich hatte Buckingham ſich noch einmal geruͤſtet,
um Rochelle zu entſetzen: ſeine Ehre war dafuͤr verpflich-
tet, ſeine Stellung in England und der Welt hing davon
ab; und ohne Zweifel haͤtte er alle ſeine Kraͤfte dazu an-
geſtrengt: dieſen Augenblick waͤhlte jener Fanatiker, von
Rachſucht und mißverſtandenem Religionseifer angetrieben,
um Buckingham zu ermorden.
In großen Entſcheidungen iſt es nothwendig, daß
maͤchtige Maͤnner eine Unternehmung zu ihrer perſoͤnlichen
Angelegenheit machen. Die Belagerung von Rochelle war
wie ein Zweikampf zwiſchen den beiden Miniſtern. Jetzt blieb
Richelieu allein uͤbrig. In England fand ſich Niemand
der Buckinghams Stelle vertreten, ſeine Ehre ſich zu Her-
zen genommen haͤtte: die engliſche Flotte erſchien an der
Rhede, aber ohne etwas Rechtes zu unternehmen. Man
ſagt, Richelieu habe gewußt, daß ſie dieß nicht thun wuͤrde.
Unerſchuͤtterlich hielt er aus. Im October 1628 ergab ſich
ihm Rochelle.
Nachdem die Hauptfeſte gefallen, verzweifelten auch
die benachbarten Plaͤtze ſich zu halten: ihre Sorge war
nur, eine ertraͤgliche Abkunft zu treffen 1).
[525]des Katholicismus. Rochelle.
Und ſo entſprangen aus alle dieſen politiſchen Verwik-
kelungen, die den Proteſtanten anfangs guͤnſtig geſchienen,
am Ende doch wieder dem Katholicismus entſcheidende
Siege, gewaltige Fortſchritte. Das nordoͤſtliche Deutſch-
land, das ſuͤdweſtliche Frankreich, die ſo lange widerſtan-
den, waren beide beſiegt. Es ſchien nur noch darauf
anzukommen, die uͤberwundenen Feinde durch Geſetze und
fortwirkende Einrichtungen auf immer zu unterwerfen.
Die Huͤlfe welche Daͤnemark den Deutſchen, England
den Franzoſen angedeihen ließ, war denſelben eher verderb-
lich geworden: ſie hatte den uͤberlegenen Feind erſt herbeige-
zogen: dieſe Maͤchte waren bereits ſelbſt gefaͤhrdet oder an-
gegriffen. Die kaiſerlichen Truppen drangen nach Juͤtland
vor. Zwiſchen Spanien und Frankreich ward im Jahre
1628 noch auf das lebhafteſte uͤber jenen gemeinſchaftlichen
Angriff auf England unterhandelt.
[526]
Viertes Kapitel.
Mantuaniſch-ſchwediſcher Krieg. Umſchwung
der Dinge.
Auf den erſten Blick bietet der Gang der Weltereig-
niſſe, der Fortſchritt einer angefangenen Entwickelung den
Anſchein des Unabaͤnderlichen dar.
Tritt man aber naͤher heran, ſo zeigt ſich nicht ſel-
ten, daß das Grundverhaͤltniß, auf welchem alles beruht,
leicht und zart iſt, faſt perſoͤnlich, Hinneigung oder Ab-
neigung, nicht ſo ſchwer zu erſchuͤttern.
Fragen wir, was dieſe neuen großen Vortheile der
katholiſchen Reſtauration hauptſaͤchlich hervorbrachte, ſo war
es nicht ſo ſehr die Kriegsmacht des Tilly und des Wal-
lenſtein oder das militaͤriſche Uebergewicht Richelieus uͤber
die Hugenotten, als das erneute Einverſtaͤndniß zwiſchen
Frankreich und Spanien, ohne welches weder Jene noch
auch Dieſer viel ausgerichtet haben wuͤrden.
Der Proteſtantismus leiſtete ſchon 1626 keinen ſelb-
ſtaͤndigen Widerſtand mehr: nur durch eine Entzweiung der
katholiſchen Maͤchte ermannte er ſich dazu: die Verſoͤhnung
derſelben fuͤhrte ſein Verderben herbei.
[527]Mantuaniſch-ſchwediſcher Krieg.
Wer haͤtte ſich aber verbergen koͤnnen, wie leicht ſich
jenes Einverſtaͤndniß erſchuͤttern ließ.
Innerhalb der Grenzen des Katholicismus waren zwei
entgegengeſetzte Antriebe mit gleicher Nothwendigkeit aus-
gebildet, der eine der Religion, der andere der Politik.
Jener forderte Zuſammenhalten, Ausbreitung des Glau-
bens, Hintanſetzung aller andern Ruͤckſichten: dieſer rief
den Wettſtreit der großen Maͤchte um ein vorwaltendes An-
ſehen unablaͤßig hervor.
Man duͤrfte wohl nicht ſagen, durch den Gang der
Ereigniſſe ſey das Gleichgewicht von Europa bereits um-
geſtuͤrzt geweſen. Das Gleichgewicht beruhte in jenen Zei-
ten auf dem Gegenſatze zwiſchen Frankreich und Oeſtreich-
Spanien, und auch Frankreich war im Laufe dieſer Bege-
benheiten unendlich viel ſtaͤrker geworden.
Aber nicht minder von der Vorausſicht der Zukunft
als von einer gegenwaͤrtigen Bedraͤngniß haͤngt die Thaͤ-
tigkeit der Politik ab. Der natuͤrliche Lauf der Dinge
ſchien eine allgemeine Gefahr herbeifuͤhren zu muͤſſen.
Daß die altproteſtantiſchen norddeutſchen Laͤnder von
den wallenſteiniſchen Kriegsvoͤlkern uͤberſchwemmt worden,
eroͤffnete die Moͤglichkeit einer Herſtellung der kaiſerlichen
Hoheit im Reiche, die ſeit Jahrhunderten, einen Moment
im Leben Carls V. etwa ausgenommen, nur noch ein Schat-
ten geweſen, zu wahrhafter Macht und weſentlicher Be-
deutung. Ging es mit der katholiſchen Reſtauration auf
dem eingeſchlagenen Wege fort, ſo war das unvermeidlich.
Einmal hatte nun Frankreich dagegen kein Aequiva-
lent zu erwarten: ſobald es der Hugenotten Herr gewor-
[528]BuchVII.Kap. 4.
den war, ſo blieb ihm nichts weiter zu gewinnen uͤbrig. Aber
hauptſaͤchlich erhoben ſich die Beſorgniſſe der Italiener.
Sie fanden die Erneuerung eines maͤchtigen Kaiſerthums,
das ſo viele Anſpruͤche in Italien hatte, und mit der ver-
haßten Gewalt der Spanier ſo unmittelbar zuſammenſtand,
gefahrvoll, ja unertraͤglich.
Aufs neue war die Frage, ob die katholiſchen Be-
ſtrebungen ohne Ruͤckſicht hierauf fortgeſetzt werden, noch
einmal die Oberhand erkaͤmpfen, oder ob die politiſchen Ge-
ſichtspunkte uͤberwiegen und einen Einhalt derſelben ver-
anlaſſen wuͤrden.
Indem der Strom der katholiſchen Reſtauration ſich
noch mit voller Gewalt uͤber Frankreich und Deutſchland
ergoß, trat in Italien eine Bewegung ein, bei der ſich das
entſcheiden mußte.
Mantuaniſche Erbfolge.
In den letzten Tagen des Jahres 1627 ſtarb Vin-
cenz II Gonzaga, Herzog von Mantua, ohne Leibeserben.
Sein naͤchſter Agnat war Carl Gonzaga, Herzog von
Nevers.
An und fuͤr ſich bot nun dieſe Erbfolge keine Schwie-
rigkeiten dar, an den Rechten des Agnaten konnte kein
Zweifel obwalten. Allein ſie ſchloß eine politiſche Veraͤn-
derung von großer Bedeutung ein.
Carl Nevers war in Frankreich geboren, und mußte als
ein Franzoſe angeſehen werden: man glaubte, die Spanier
wuͤrden es nicht dulden, daß ein Franzoſe in Oberitalien,
wel-
[529]Mantuaniſche Erbfolge.
welches ſie von jeher mit beſonderer Eiferſucht vor allem
franzoͤſiſchen Einfluß ſicher zu ſtellen geſucht, maͤchtig wuͤrde.
Gehn wir nach ſo langer Zeit der Sache auf den
Grund, ſo findet ſich doch, daß man anfangs weder an dem
ſpaniſchen noch an dem oͤſtreichiſchen Hofe ihn auszuſchlie-
ßen gedachte. Er war doch auch mit dem Erzhauſe verwandt:
die Kaiſerin war eine mantuaniſche Prinzeſſin und immer
ſehr fuͤr ihn: „man muthete ihm“, ſagt Khevenhiller, der
in den mantuaniſchen Geſchaͤften gebraucht wurde, „an-
fangs nichts Widriges zu: man berathſchlagte vielmehr,
ihn zu des Erzhauſes Devotion zu bringen“ 1). Auch Oli-
varez hat dieß ausdruͤcklich verſichert: er hat erzaͤhlt, als
man von der ſchweren Krankheit Don Vincenzos gehoͤrt,
ſey beſchloſſen worden, einen Courier an den Herzog von
Nevers abzuſenden, um ihm den Schutz von Spanien zu
einer friedlichen Beſitznahme von Mantua und Montferrat
anzutragen 2). Es iſt wohl moͤglich, daß man ihm Bedin-
gungen geſetzt, Sicherheiten von ihm verlangt haben wuͤrde:
ſein Recht dachte man ihm nicht zu entreißen.
Merkwuͤrdig wie dieſe natuͤrliche Entwickelung verhin-
dert ward.
In Italien traute man den Spaniern ein ſo recht-
Päpſte* 34
[530]BuchVII.Kap. 4.
liches Verfahren nicht zu. Man hatte ihnen nie glauben
wollen, ſo oft ſie auch fruͤher verſicherten daß ſie es beob-
achten, daß ſie ſich der Erbfolge des Nevers nicht wider-
ſetzen wuͤrden 1). Die ſpaniſchen Machthaber in Italien
hatten nun einmal den Verdacht auf ſich geladen, auch auf
eine ungeſetzliche Weiſe nach dem Beſitz einer unumſchraͤnk-
ten Macht zu ſtreben. Man ließ ſich jetzt nicht ausreden,
daß ſie ein ihnen ergebeneres Mitglied des Hauſes Gonzaga
zu dem Herzogthume zu befoͤrdern ſuchen wuͤrden.
Geſtehn wir aber, daß der Wunſch der Italiener
einen mit Frankreich natuͤrlich verbuͤndeten und von Spa-
nien unabhaͤngigen Fuͤrſten in Mantua zu ſehen, an dieſer
Meinung viel Antheil hatte. Sie wollten nicht glauben,
daß Spanien etwas zugeben wuͤrde, was ihnen im anti-
ſpaniſchen Intereſſe ſo erwuͤnſcht kam. Sie uͤberredeten die
berechtigte Linie ſelbſt hievon, und dieſe hielt fuͤr das Beſte,
ſich nur zuerſt auf welche Weiſe auch immer in Beſitz zu
ſetzen.
Man moͤchte ſagen, es war wie in einem animaliſchen
Organismus. Die innere Krankheit ſuchte nur einen An-
laß, einen angegriffenen Punkt, um zum Ausbruch zu
kommen.
In tiefſtem Geheimniß, noch vor dem Ableben Vincen-
[531]Mantuaniſche Erbfolge.
zos, langte der junge Gonzaga Nevers, Herzog von Rethel,
in Mantua an. Ein mantuaniſcher Miniſter, der ſich zur
antiſpaniſchen Partei hielt, des Namens Striggio, hatte hier
alles vorbereitet. Der alte Herzog machte keine Schwierig-
keit die Rechte ſeines Vetters anzuerkennen. Es war noch
ein Fraͤulein aus der einheimiſchen Linie vorhanden —
Urenkelin Philipps II. von Spanien, von ſeiner juͤngern
Tochter, die ſich nach Savoyen verheirathet — und es
ſchien viel darauf anzukommen, daß der junge Herzog ſich
mit ihr vermaͤhle. Zufaͤllige Umſtaͤnde verzoͤgerten die Sache,
und Vincenzo war ſchon todt 1), als man das Fraͤulein
einſt in der Nacht aus dem Kloſter holte wo ſie erzogen
ward, in den Pallaſt brachte, und hier ohne viel Zoͤgern
die Vermaͤhlung ſchloß und vollzog. Dann erſt ward der
Tod des Herzogs bekannt gemacht, Rethel ward als Prinz
von Mantua begruͤßt und empfing die Huldigung. Ein
mailaͤndiſcher Abgeordneter wurde ſo lange entfernt gehal-
ten bis alles vollbracht war, und dann nicht ohne eine
Art von Hohn in Kenntniß geſetzt.
Zugleich mit der Anzeige von dem Tode des Herzogs
trafen dieſe Nachrichten in Wien und Madrid ein.
Man wird bekennen, daß ſie recht geeignet waren um
ſo maͤchtige Fuͤrſten, die ſich in der Haltung einer religioͤ-
ſen Majeſtaͤt gefielen, zu entruͤſten, zu erbittern. Eine ſo
nahe Verwandte ohne ihre Zuſtimmung, ja ohne ihr Wiſ-
ſen mit einer Art von Gewaltſamkeit verheirathet; ein
34*
[532]BuchVII.Kap. 4.
bedeutendes Lehen in Beſitz genommen ohne die mindeſte
Ruͤckſicht auf den Lehensherrn! Jedoch ergriffen nun die
beiden Hoͤfe abweichende Maaßregeln.
Olivarez, ſtolz als ein Spanier, doppelt als Miniſter
eines ſo maͤchtigen Koͤnigs, immer erfuͤllt von hochfliegen-
dem Selbſtgefuͤhl, war jetzt weit entfernt ſich dem Her-
zog zu naͤhern: er beſchloß, wenn nichts weiter, doch we-
nigſtens, wie er ſich ausdruͤckt, ihn zu mortificiren 1). Und
war nicht ſein Bezeigen offenbar feindſelig? Durfte man
ihm nach dieſer Probe ſeiner Geſinnung die wichtigen
Staͤdte von Montferrat anvertrauen, die als eine Vormauer
von Mailand betrachtet wurden? Der Herzog von Gua-
ſtalla machte Anſpruͤche auf Mantua, der Herzog von Sa-
voyen auf Montferrat: jetzt traten die Spanier mit beiden
in Verbindung: man griff zu den Waffen, der Herzog von
Savoyen ruͤckte von der einen, Don Gonzalez de Cordova,
Governator in Mailand, von der andern Seite in Mont-
ferrat ein. Schon hatten Franzoſen in Caſale Zutritt ge-
funden. Don Gonzalez eilte es zu belagern. Er zwei-
felte um ſo weniger daß er es in kurzem erobern werde,
da er auf innere Einverſtaͤndniſſe rechnete.
Nicht ſo raſch ging der Kaiſer zu Werke. Er war
[533]Mantuaniſche Erbfolge.
uͤberzeugt, daß Gott ihn beſchuͤtze, weil er den Weg der Ge-
rechtigkeit wandle. Er mißbilligte das Verfahren der Spa-
nier, und ließ Don Gonzal foͤrmlich abmahnen. Dagegen
wollte er ſeine oberrichterliche Function mit voller Frei-
heit ausuͤben. Er ſprach das Sequeſter uͤber Mantua aus,
bis er entſchieden haben werde, welchem von den ver-
ſchiedenen Praͤtendenten die Erbſchaft zugehoͤre. Da der
neue Herzog von Mantua — er war nun ſelbſt angekom-
men — ſich nicht unterwerfen wollte, ſo ergingen die ſchaͤrf-
ſten Mandate wider ihn 1).
Waren nun aber auch Urſprung und Sinn dieſer
Maaßregeln verſchieden, ſo trafen ſie doch in ihrer Wir-
kung zuſammen. Nevers ſah ſich durch die Rechtsanſpruͤche
der deutſchen Linie des Hauſes Oeſtreich nicht minder be-
droht als durch die Gewaltſamkeit der ſpaniſchen. Indem
[354[534]]BuchVII.Kap. 4.
er der Gefahr zu entgehn dachte, zog er ſie ſich eben uͤber
das Haupt.
Und anfangs hatte er in der That nur ſchlechte Aus-
ſichten. Es iſt wahr, einige italieniſche Staaten ſahen ſeine
Sache fuͤr ſo gut als die ihrige an: ſie unterließen nichts,
ihn bei dem Entſchluſſe des Widerſtandes feſtzuhalten: aber
um an ſich ſelbſt fuͤr ihn etwas auszurichten, fehlte es ih-
nen doch an hinreichenden Kraͤften.
Wohl hatte ihm auch Richelieu zugeſagt ihn nicht fal-
len zu laſſen, wenn er ſich nur halte bis ihm Frankreich zu
Huͤlfe kommen koͤnne. Aber die Frage war, wann dieß ſeyn
duͤrfte.
Die Verhaͤltniſſe von Mantua entwickelten ſich noch
waͤhrend der Belagerung von Rochelle auf einen ſehr ge-
faͤhrlichen Punkt. Ehe es gefallen, konnte Richelieu keinen
Schritt thun. Er durfte es nicht wagen, ſich aufs neue
in Feindſeligkeiten gegen Spanien einzulaſſen, ſo lange da-
durch noch eine gefaͤhrliche Erhebung der Hugenotten ver-
anlaßt werden konnte.
Aber auch noch eine andere Ruͤckſicht zu nehmen noͤ-
thigten ihn ſeine fruͤheren Erfahrungen. Um keinen Preis
durfte er ſich mit der devoten, ernſtlich-katholiſchen Par-
tei in ſeinem Vaterlande entzweien. Er durfte es nicht wa-
gen mit dem Papſte zu brechen, oder nur eine Politik ein-
zuſchlagen, die demſelben mißfaͤllig geweſen waͤre.
Unendlich viel kam noch einmal auf den Papſt an.
Seine Stellung, die Natur ſeines Amtes forderten ihn auf,
alles fuͤr die Erhaltung des Friedens in der katholiſchen
Welt zu thun. Als ein italieniſcher Fuͤrſt hatte er auf ſeine
[535]UrbanVIII.
Nachbarn einen unzweifelhaften Einfluß. Auch fuͤr Frank-
reich mußte ſein Verfahren, wie wir ſahen, maaßgebend wer-
den. Es lag alles daran, ob er den Ausbruch der Ent-
zweiung verhuͤten, oder ob er ſelbſt Partei ergreifen wuͤrde.
In den fruͤhern Verwickelungen hatte Urban VIII. ſeine
Politik eingeleitet ihre Bahn vorgezeichnet gefunden. Hier
tritt ſeine Sinnesweiſe zum erſten Mal vollſtaͤndiger und
zugleich fuͤr die Weltangelegenheiten beſtimmend hervor.
Urban VIII.
Unter andern Fremden die durch den Handel von An-
cona, der ſich im 16ten Jahrhundert in ziemlicher Aufnahme
befand, zu anſehnlichen Reichthuͤmern gelangten, zeichnete
ſich das florentiniſche Haus Barberini durch geſchickte Be-
rechnung der Geſchaͤfte und gluͤcklichen Erfolg aus. Ein
Sproͤßling dieſes Hauſes, Maffeo, im Jahre 1568 zu Flo-
renz geboren, ward nach dem fruͤhen Tode ſeines Vaters
nach Rom gebracht, wo ihm ein Oheim lebte, der ſich an
der Curie eine gewiſſe Stellung gemacht hatte. Auch Maf-
feo ſchlug die Laufbahn an der Curie ein: er ward durch
die Wohlhabenheit ſeines Hauſes befoͤrdert, doch entwickelte
er auch ein ausnehmendes Talent dazu. Auf jeder Stufe
die er betrat, erkannten ſeine Amtsgenoſſen eine gewiſſe Ue-
berlegenheit in ihm an: hauptſaͤchlich durch eine Nuntiatur
in Frankreich, bei welcher er die volle Gewogenheit des
franzoͤſiſchen Hofes erwarb, eroͤffnete er ſich dann ferner
hohe Ausſichten. Nach dem Tode Gregors XV. dachte ihm
die franzoͤſiſche Partei von allem Anfang das Pontificat
[536]BuchVII.Kap. 4.
zu. Die Geſtalt des Conclave war damals von den fruͤ-
heren dadurch unterſchieden, daß der letzte Papſt nur eine
kurze Zeit geſeſſen. Obwohl er eine bedeutende Anzahl Car-
dinaͤle ernannt hatte, ſo waren doch die Creaturen ſeines
Vorgaͤngers noch immer eben ſo zahlreich: in dem Con-
clave ſtanden einander der vorletzte und der letzte Nepot
mit ziemlich gleichen Kraͤften gegenuͤber. Maffeo Barberino
ſoll jedem von ihnen zn verſtehn gegeben haben, er ſey
ein Gegner des andern: man behauptet, daß er hierauf von
beiden und zwar von jedem aus Haß wider den andern
unterſtuͤtzt worden ſey. Noch wirkſamer jedoch war es ohne
Zweifel, daß er ſich immer als einen Verfechter der juris-
dictionellen Anſpruͤche der roͤmiſchen Curie gezeigt und ſich da-
durch der Mehrzahl der Cardinaͤle werth gemacht hatte. Ge-
nug von eigenem Verdienſt und fremder Unterſtuͤtzung gleich ge-
foͤrdert drang Maffeo Barberino durch, und ſtieg in dem fri-
ſchen Alter von 55 Jahren zur Wuͤrde des Papſtthums auf.
Gar bald nahm der Hof einen ſtarken Unterſchied zwi-
ſchen ihm und ſeinen naͤchſten Vorfahren wahr. Clemens
den VIII. fand man in der Regel mit den Werken des h.
Bernard, Paul V. mit den Schriften des ſel. Juſtinian von
Venedig beſchaͤftigt: bei dem neuen Papſt Urban VIII. la-
gen dagegen die neueſten Gedichte oder auch Fortifications-
zeichnungen auf dem Arbeitstiſche.
Es wird ſich in der Regel finden, daß die Zeit, in
der ein Menſch ſeine entſchiedene Richtung ergreift, in die
erſte Bluͤthe der maͤnnlichen Jahre faͤllt: in denen er an
Staat oder Literatur einen ſelbſtthaͤtigen Antheil zu nehmen
anfaͤngt. Die Jugend Pauls V, geboren 1552, Gre-
[537]UrbanVIII.
gors XV, geboren 1554, gehoͤrte in eine Epoche, in wel-
cher die Prinzipien der katholiſchen Reſtauration in vollem
ungebrochenem Schwunge vorwaͤrts ſchritten: auch ſie wur-
den von denſelben erfuͤllt. Die erſten Thaͤtigkeiten Urbans
VIII. — geboren 1568 — fielen dagegen in die Zeiten der
Oppoſition des paͤpſtlichen Fuͤrſtenthums gegen Spanien,
der Herſtellung eines katholiſchen Frankreichs. Wir finden,
daß nun auch ſeine Neigung ſich vorzugsweiſe dieſen Rich-
tungen hingab.
Urban VIII. betrachtete ſich vornehmlich als einen welt-
lichen Fuͤrſten.
Er hegte den Gedanken, der Kirchenſtaat muͤſſe durch
Befeſtigungen geſichert, durch eigene Waffen furchtbar ſeyn.
Man zeigte ihm die marmornen Denkmale ſeiner Vorfah-
ren: er ſagte, er wolle ſich eiſerne ſetzen. An den Grenzen
des Bologneſiſchen baute er Caſtelfranco, das man das Fort
Urbano genannt hat, obgleich der militaͤriſche Zweck deſſelben
ſo wenig in die Augen ſprang, daß die Bologneſen arg-
woͤhnten, es ſey mehr gegen als fuͤr ſie angelegt. In Rom
fing er ſchon 1625 an, Caſtel S. Angelo mit neuen Bruſt-
wehren zu befeſtigen: unverzuͤglich verſah er es, gleich als
ſey ein Krieg vor der Thuͤr, mit Munition und Mundvor-
rath: auf Monte Cavallo zog er die hohe Mauer die den
paͤpſtlichen Garten einſchließt, ohne es zu achten, daß da-
bei einige großartige Reſte des Alterthums in den Gaͤrten
der Colonneſen zu Grunde gingen. In Tivoli richtete er
eine Gewehrfabrik ein 1): die Raͤume der vaticaniſchen Bi-
[538]BuchVII.Kap. 4.
bliothek wurden zum Zeughauſe beſtimmt: Soldaten gab
es uͤberfluͤſſig, und die Staͤtte der oberſten geiſtlichen Macht
der Chriſtenheit, der friedliche Bezirk der ewigen Stadt,
erfuͤllte ſich mit militaͤriſchem Laͤrmen. Auch einen Frei-
hafen mußte ein wohleingerichteter Staat haben: Civitavec-
chia ward mit vielen Koſten dazu eingerichtet. Nur ent-
ſprach der Erfolg mehr der Lage der Sachen als der Ab-
ſicht des Papſtes. Die Barbaresken verkauften daſelbſt die
den chriſtlichen Seefahrern abgenommene Beute. Dazu muß-
ten die Anſtrengungen des Oberhirten der Chriſtenheit dienen.
In alle dieſen Dingen verfuhr aber Papſt Urban
mit unbedingter Selbſtherrſchaft. Wenigſtens in ſeinen er-
ſten Jahren erweiterte er noch die unumſchraͤnkte Regie-
rungsweiſe ſeiner Vorfahren.
Schlug man ihm vor, das Collegium zu Rathe zu
ziehen, ſo entgegnete er wohl, er allein verſtehe mehr als
alle Cardinaͤle zuſammengenommen. Nur ſelten ward Con-
1)
[539]UrbanVIII.
ſiſtorium gehalten, und auch dann hatten nur Wenige den
Muth ſich freimuͤthig zu aͤußern. Die Congregationen ver-
ſammelten ſich in der gewohnten Weiſe, jedoch wurden
ihnen keine wichtigen Fragen vorgelegt, die Beſchluͤſſe,
welche ſie ja etwa faßten, wenig beruͤckſichtigt 1). Auch
fuͤr die Verwaltung des Staates bildete Urban keine eigent-
liche Conſulta, wie ſeine Vorfahren. Sein Nepot Franz
Barberino hatte in den erſten zehn Jahren des Pontificats
ganz Recht, wenn er fuͤr keine Maaßregel, die man ergrif-
fen hatte, welcher Art ſie auch ſeyn mochte, die Verant-
wortlichkeit uͤbernehmen wollte.
Die fremden Geſandten waren ungluͤcklich, daß ſie ſo
wenig mit dem Papſte anfangen konnten. In den Audien-
zen ſprach er ſelbſt das Meiſte 2), docirte, ſetzte mit dem
Nachfolgenden das Geſpraͤch fort, das er mit dem Vor-
hergehenden begonnen. Man mußte ihn hoͤren, ihn bewun-
dern, ihm mit der groͤßten Ehrerbietung begegnen, ſelbſt wenn
[540]BuchVII.Kap. 4.
er abſchlug. Auch bei andern Paͤpſten erfolgten viele ab-
ſchlaͤgliche Beſcheide, aber aus einem Prinzip, ſey es der
Religion oder der Politik: bei Urban bemerkte man Laune.
Man konnte nie ſagen, ob man ein Ja oder ein Nein zu
erwarten haben wuͤrde. Die gewandten Venezianer lauſch-
ten ihm ab, daß er den Widerſpruch liebe, daß er durch
eine faſt unwillkuͤhrliche Hinneigung immer auf das Gegen-
theil von dem Vorgetragenen verfalle: um zu ihrem Zwecke
zu gelangen, brauchten ſie das Mittel ſich ſelbſt Einwuͤrfe
zu machen. Indem der Papſt das Entgegengeſetzte aufſuchte,
gerieth er dann von ſelbſt auf Vorſchlaͤge, zu denen ihn ſonſt
keine Ueberredung der Welt zu bringen vermocht haͤtte.
Eine Geſinnung, die ſich auch in untergeordneten Krei-
ſen auf ihre Weiſe zeigen kann, und damals in Italienern
und Spaniern nicht ſelten vorkam. Sie betrachtet eine
oͤffentliche Stellung gleichſam als einen Tribut, welcher dem
Verdienſte, der Perſoͤnlichkeit gebuͤhre. In der Verwaltung
eines Amtes folgt ſie dann auch bei weitem mehr dieſen
perſoͤnlichen Antrieben als den Forderungen der Sache. Nicht
viel anders, als ein Autor der von dem Gefuͤhle ſeines Ta-
lentes erfuͤllt, nicht ſowohl den Gegenſtand ins Auge faßt
der ihm vorliegt, als dem Spiele ſeiner Willkuͤr freien
Lauf laͤßt.
Gehoͤrte doch Urban ſelbſt zu dieſer Art von Autoren!
Die Gedichte, die von ihm uͤbrig ſind, zeigen Witz und Ge-
wandtheit. Aber wie ſeltſam ſind darin doch die heiligen
Gegenſtaͤnde behandelt! Die Geſaͤnge und Spruͤche des
alten wie des neuen Teſtamentes muͤſſen ſich in horaziſche
Metra fuͤgen, der Lobgeſang des alten Simeon in zwei
[541]UrbanVIII.
ſapphiſche Strophen! Von der Eigenthuͤmlichkeit des Tex-
tes kann hiebei wie natuͤrlich nichts uͤbrig bleiben: der In-
halt muß ſich einer Form fuͤgen, die ihm an ſich wider-
ſpricht, nur weil der Verfaſſer ſie eben beliebt.
Aber dieſe Talente, der Glanz mit dem ſie die Perſon
des Papſtes umgaben, die athletiſche Geſundheit ſelbſt de-
ren er genoß, vermehrten nur in ihm das Selbſtgefuͤhl,
das ihm ſeine hohe Stellung ohnehin einfloͤßte 1).
Ich wuͤßte keinen Papſt der es in dem Grade gehabt
haͤtte. Man machte ihm einſt einen Einwurf aus den al-
ten paͤpſtlichen Conſtitutionen: er antwortete, der Ausſpruch
eines lebenden Papſtes ſey mehr werth als die Satzun-
gen von hundert verſtorbenen.
Jenen Beſchluß des roͤmiſchen Volkes niemals wie-
der einem Papſte bei ſeinen Lebzeiten eine Bildſaͤule zu er-
richten hob er mit den Worten auf, „ein ſolcher Beſchluß
koͤnne einem Papſte nicht gelten wie er einer ſey.“
Man lobte ihm das Betragen eines ſeiner Nuntien
in einer ſchwierigen Angelegenheit: er verſetzte, „der Nun-
tius habe nach ſeiner Inſtruction gehandelt.“
Ein ſolcher Mann war es — ſo erfuͤllt von der Idee
ein großer Fuͤrſt zu ſeyn: ſo franzoͤſiſch geſtimmt durch
ſeine fruͤhere Thaͤtigkeit wie durch die Foͤrderung die er
von Frankreich erfahren: endlich ſo eigenwillig, kraͤftig und
voll Selbſtgefuͤhls — an den in dieſem Augenblicke die Lei-
[542]BuchVII.Kap. 4.
tung der hoͤchſten geiſtlichen Macht der katholiſchen Chri-
ſtenheit gekommen war.
An ſeinem Entſchluſſe, an der Haltung, die er in der
Mitte der katholiſchen Maͤchte annahm, hing unendlich viel
fuͤr den Fortſchritt oder Einhalt der univerſalen Reſtaura-
tion, mit der man beſchaͤftigt war.
Schon oͤfter aber hatte man in dieſem Papſte eine
Abneigung gegen Spanien-Oeſtreich bemerken wollen 1).
Schon im Jahre 1625 beklagte ſich Cardinal Borgia
uͤber die Haͤrte deſſelben, „der Koͤnig von Spanien koͤnne
nicht die mindeſte Bewilligung erlangen: alles werde ihm
abgeſchlagen.“
Cardinal Borgia behauptete, die Sache von Valtellin
habe Urban VIII. mit Willen nicht beigelegt: der Koͤnig
habe ſich erboten die ſtreitigen Paͤſſe fahren zu laſſen, der
Papſt habe niemals darauf geachtet.
So laͤßt ſich auch nicht leugnen, daß Urban mit
daran Schuld hatte, wenn jene Verbindung zwiſchen den
Haͤuſern Oeſtreich und Stuart nicht zu Stande kam. Als
er die Dispenſation ausfertigte welche ſein Vorgaͤnger ent-
worfen, ſetzte er zu den alten Bedingungen noch hinzu, daß
in jeder Provinz oͤffentliche Kirchen fuͤr die Katholiken er-
richtet werden ſollten: eine Forderung die bei der Ueber-
zahl einer gereizten proteſtantiſchen Bevoͤlkerung niemals zu-
[543]UrbanVIII.
geſtanden werden konnte, die der Papſt hernach bei der fran-
zoͤſiſchen Vermaͤhlung ſelbſt fallen ließ. Er ſchien in der
That den Zuwachs an Macht ungern zu ſehen, den Spa-
nien durch die Verbindung mit England erlangt haben
wuͤrde. Ganz insgeheim unterhandelte in jenen Tagen der
Nuntius, der in Bruͤſſel reſidirte, uͤber eine Vermaͤhlung
des Churprinzen von der Pfalz nicht mit einer oͤſtreichiſchen,
ſondern mit einer baieriſchen Prinzeſſin 1).
Und an der mantuaniſchen Verwickelung nun, die ſich
jetzt erhob, hatte der Papſt nicht minder einen weſentlichen
Antheil. Die geheime Vermaͤhlung der jungen Prinzeſſin
mit Rethel, von der alles abhing, haͤtte ohne paͤpſtliche
Dispenſation nicht vollzogen werden koͤnnen. Papſt Urban
gab ſie, ohne die naͤchſten Verwandten, den Kaiſer oder den
Koͤnig, auch nur gefragt zu haben, und noch im rechten Au-
genblicke traf ſie ein.
Dergeſtalt lag die Geſinnung des Papſtes bereits offen
am Tage. Wie die uͤbrigen italieniſchen Maͤchte, wuͤnſchte
er vor allem einen von Spanien unabhaͤngigen Fuͤrſten in
Mantua zu ſehen.
Auch wartete er nicht bis er etwa von Richelieu ange-
gangen wuͤrde. Da ſeine Verwendungen am kaiſerlichen
Hofe unwirkſam blieben, deſſen Schritte vielmehr immer
feindſeliger wurden, die Belagerung von Caſale fortdauerte,
wandte ſich der Papſt ſelbſt an Frankreich.
Er ließ die dringendſten Bitten vernehmen. „Der
[544]BuchVII.Kap. 4.
Koͤnig moͤge ein Heer ins Feld ruͤcken laſſen, ſelbſt ehe Ro-
chelle noch genommen ſey: eine Unternehmung in der man-
tuaniſchen Sache ſey eben ſo gottgefaͤllig, wie die Belage-
rung jenes Hauptbollwerkes der Hugenotten: erſcheine der
Koͤnig nur erſt in Lyon und erklaͤre ſich fuͤr die Freiheit
von Italien, ſo werde auch er der Papſt nicht ſaͤumen, ein
Heer ins Feld ſtellen und ſich mit dem Koͤnige vereinigen“ 1).
Von dieſer Seite hatte demnach Richelieu dießmal
nichts zu fuͤrchten, wenn er die vor drei Jahren fehlge-
ſchlagene Oppoſition gegen Spanien wieder aufnahm. Aber
er wollte ganz ſicher gehn: er hatte nicht die Eile des Pap-
ſtes: in jener Belagerung, die ſeinen Ehrgeiz feſſelte, ließ
er ſich nicht ſtoͤren.
Deſto entſchloſſener zeigte er ſich, ſo wie nun Rochelle
gefallen war. „Monſignore,“ redete er den paͤpſtlichen Nun-
tius an, den er ſogleich rufen ließ, „nun wollen wir auch
keinen Augenblick weiter verlieren, aus allen Kraͤften wird
ſich der Koͤnig der italieniſchen Sache annehmen“ 2).
Dergeſtalt erhob ſich jene Feindſeligkeit gegen Spanien
und Oeſtreich, die ſich ſchon ſo oft geregt, kraͤftiger als
jemals. Die Eiferſucht von Italien rief noch einmal den
Ehrgeiz der Franzoſen hervor. Die Lage der Dinge ſchien
ſo dringend, daß Ludwig XIII. das Fruͤhjahr nicht abwar-
ten wollte. Noch in der Mitte des Januar 1629 brach
er von Paris auf und nahm den Weg gegen die Alpen.
Ver-
[545]UrbanVIII.
Vergebens widerſetzte ſich der Herzog von Savoyen, der
ſich, wie geſagt, zu Spanien hielt; ſeine Paͤſſe, die er bar-
ricadiren laſſen, wurden im erſten Anlauf geſtuͤrmt, Suſa
genommen: ſchon im Merz mußte er einen Vertrag eingehn:
die Spanier ſahen ſich in der That genoͤthigt die Belage-
rung von Caſale aufzuheben 1).
Und ſo ſtanden die beiden vorwaltenden Maͤchte der
katholiſchen Chriſtenheit aufs neue in den Waffen gegen
einander. Richelieu nahm ſeine kuͤhnſten Plaͤne gegen die
ſpaniſch-oͤſtreichiſche Macht wieder auf.
Vergleichen wir aber die Zeiten, ſo fußte er jetzt hiebei
auf eine bei weitem gediegenere, haltbarere Grundlage, als
fruͤher bei ſeiner graubuͤndtneriſch-pfaͤlziſchen Unternehmung.
Damals hatten die Hugenotten den Augenblick ergreifen koͤn-
nen um ihm den innern Krieg zu erneuern. Auch jetzt waren
ſie zwar nicht vollkommen unterdruͤckt, aber ſeit ſie Ro-
chelle verloren, floͤßten ſie keine Beſorgniß mehr ein: ihre Nie-
derlagen und Verluſte gingen ununterbrochen fort: auch nur
eine Diverſion zn machen waren ſie nicht mehr faͤhig. Und
vielleicht noch wichtiger iſt es, daß Richelieu jetzt den Papſt
fuͤr ſich hatte. Bei der fruͤheren Unternehmung entſprang
ihm aus dem Gegenſatze, in den er dabei mit der roͤmi-
ſchen Politik gerieth, eine Gefahr ſelbſt fuͤr ſeine Stellung
im Innern von Frankreich; die jetzige war dagegen von
Rom ſelbſt hervorgerufen, in dem Intereſſe des paͤpſtlichen
Fuͤrſtenthums. Richelieu fand es uͤberhaupt gerathen,
ſich ſo enge wie moͤglich an das Papſtthum anzuſchlie-
Päpſte* 35
[546]BuchVII.Kap. 4. Die Macht
ßen: in dem Streite zwiſchen roͤmiſchen und gallicaniſchen
Doctrinen hielt er ſich nunmehr zu den roͤmiſchen und
verleugnete die gallicaniſchen.
Welche Bedeutung entwickelte hiemit der Gegenſatz des
Urbans VIII. gegen das Haus Oeſtreich!
Mit der religioͤſen Entwickelung, mit dem Fortſchritte
der katholiſchen Reſtauration waren politiſche Veraͤnderun-
gen verknuͤpft, die immer unaufhaltſamer ihr eigenes Prin-
cip geltend machten, und ſich jetzt dem kirchlichen ſelbſt ent-
gegenſetzten.
Der Papſt trat gegen diejenige Macht in die Schran-
ken, welche ſich die Wiederherſtellung des Katholicismus
am eifrigſten angelegen ſeyn ließ.
Es fragt ſich nun, welche Haltung dieſe Macht, be-
ſonders Kaiſer Ferdinand, in deſſen Haͤnden die Unterneh-
mung der Wiederherſtellung hauptſaͤchlich ruhte, einer ſo maͤch-
tigen und drohenden Oppoſition gegenuͤber einnehmen wuͤrde.
Die Macht Kaiſer Ferdinands II. im Jahre 1629.
Es war dem Kaiſer eben als waͤre nichts geſchehen.
Zwar konnte er ſich unter den obwaltenden Umſtaͤn-
den keinerlei Gunſt von dem Papſte verſprechen: in den
kleinſten Dingen, z. B. einer Sache der Abtei S. Maxi-
mian, ja in den devoteſten Antraͤgen — wenn er unter andern
wuͤnſcht, S. Stephan und S. Wenceslaus, weil man dem
einen in Ungarn, dem andern in Boͤhmen eine ſo große Ver-
ehrung widmet, in den roͤmiſchen Kalender aufgenommen
zu ſehen — fand er Widerſtand, und er bekam nichts als ab-
[547]Kaiſer FerdinandsII.im Jahre 1629.
ſchlaͤgliche Antworten. Nichts deſto minder ließ er am 6.
Merz 1629 das Reſtitutionsedict ins Reich ergehn. Es
iſt als das Endurtel in einem nunmehr uͤber ein Jahrhun-
dert gefuͤhrten großen Proceß zu betrachten. Die Evange-
liſchen werden durchaus condemnirt: den Katholiſchen wird
vollkommen Recht gegeben: „es bleibt uns nichts uͤbrig“,
ſagt der Kaiſer, „als dem beleidigten Theil beizuſtehn und
unſere Commiſſarien abzuordnen, um alle ſeit dem Paſſauer
Vertrag eingezogenen Erzbisthuͤmer, Bisthuͤmer, Praͤlatu-
ren, Kloͤſter und andere geiſtliche Guͤter von ihren unbe-
fugten Inhabern zuruͤckzufordern.“ Auf der Stelle erſchie-
nen die Commiſſionen: fuͤr jeden Kreis des Reiches trat
eine beſondere in Wirkſamkeit: die ruͤckſichtsloſeſten Execu-
tionen begannen. Und ſollte nicht damit wenigſtens der
Papſt beguͤtigt, zu einiger Gunſt und Hinneigung bewogen
werden? Papſt Urban nahm es auf als eine Pflichter-
fuͤllung. Der Kaiſer bat um das Recht die durch das
Reſtitutionsedict gewonnenen geiſtlichen Stellen wenigſtens
das erſte Mal ſelbſt zu beſetzen: der Papſt ſchlug es ihm
ab: denn, ſagte er, er duͤrfe die Concordate nicht ver-
letzen: auch in Frankreich halte man ſie 1). Es liegt faſt
ein Hohn in dieſer Verweiſung, denn das franzoͤſiſche Con-
cordat gewaͤhrte ja eben dem Koͤnige das Recht, das der
Kaiſer verlangte. Der Kaiſer wuͤnſchte die zuruͤckerwor-
35*
[548]BuchVII.Kap. 4. Die Macht
benen Kloͤſter in Collegien beſonders fuͤr die Jeſuiten ver-
wandeln zu koͤnnen: der Papſt antwortete, die Kloͤſter
muͤßten zunaͤchſt den Biſchoͤfen uͤberantwortet werden.
Indeſſen fuhr der Kaiſer auf ſeinem Wege fort, ohne
auf die Ungunſt des Papſtes Ruͤckſicht zu nehmen: er be-
trachtete ſich als den großen Vorfechter der katholiſchen
Kirche.
Drei Heere ließ er auf einmal ins Feld ruͤcken.
Das erſte kam den Polen wider die Schweden zu
Huͤlfe, und ſtellte in der That das Kriegsgluͤck der Polen
einigermaßen wieder her. Doch war das nicht die ein-
zige Abſicht: bei dieſem Feldzuge dachte man zugleich daran,
Preußen an das Reich und den Orden, dem es entriſſen
worden, wieder zuruͤckzubringen 1).
Ein anderes Heer ruͤckte gegen die Niederlande, um
hier den Spaniern zu Huͤlfe zu kommen. Es ergoß ſich
uͤber die Haide von Utrecht gegen Amſterdam hin, und
nur ein Zufall, die Ueberrumpelung von Weſel, hinderte es
an den groͤßten Erfolgen.
Indeſſen ſammelte ſich ein drittes Heer bei Memmin-
gen und Lindau um nach Italien zu gehn und die man-
tuaniſche Sache mit dem Schwerte auszumachen. Die
Schweizer waren nicht zu bewegen den Durchzug in Gu-
tem zuzugeſtehn: ſie wurden mit Gewalt gezwungen: in ei-
nem Augenblicke waren Lucienſteig, Chur, mit allen grau-
[549]Kaiſer FerdinandsII.im Jahre 1629.
buͤndtneriſchen Paͤſſen bis an den Comerſee, eingenommen:
35000 Mann ſtark ſtieg alsdann dieſes Heer laͤngs der Adda
und dem Oglio hinab. Noch einmal ward der Herzog von
Mantua aufgefordert ſich zu unterwerfen. Er erklaͤrte, er
ſtehe im Schutze des Koͤnigs von Frankreich, mit dieſem
muͤſſe man unterhandeln. Indem nun die Deutſchen ſich
gegen Mantua, die Spanier ſich gegen Montferrat bewegten,
erſchienen auch die Franzoſen zum zweiten Male. Sie mach-
ten auch dieß Mal Fortſchritte; ſie nahmen Saluzzo, Pi-
nerolo: aber in der Hauptſache richteten ſie nichts aus;
nicht einmal den Herzog von Savoyen vermochten ſie aufs
neue zu ihrem Willen zu noͤthigen. Die Spanier be-
gannen Caſale, die Deutſchen nach kurzem Stillſtand Man-
tua zu belagern: 1) ſie hatten bei weitem das Ueber-
gewicht.
Kein Wunder, wenn in dieſer Lage der Dinge jetzt in
Wien ſelbſt Erinnerungen an die alte kaiſerliche Hoheit
laut wurden.
„Man werde den Italienern zeigen, daß es noch ei-
nen Kaiſer gebe, man werde Rechnung mit ihnen halten.“
Beſonders hatte ſich Venedig den Haß des Hauſes
Oeſtreich zugezogen. Man urtheilte zu Wien, daß wenn
Mantua einmal gefallen, auch die Terra ferma von Vene-
dig nicht mehr widerſtehn koͤnne. In ein paar Monaten
muͤſſe man ſie haben, dann koͤnne man die kaiſerlichen Lehen
zuruͤckfordern. Der ſpaniſche Geſandte ging noch weiter.
Er verglich die ſpaniſch-oͤſtreichiſche Macht mit der roͤmi-
[550]BuchVII.Kap. 4. Die Macht
ſchen, die venezianiſche mit der carthaginienſiſchen. „Aut
Roma“, rief er aus, „aut Carthago delenda est.“
Und hier gedachte man auch der weltlichen Rechte des
Kaiſerthums gegen das Papſtthum.
Ferdinand II. beabſichtigte ſich kroͤnen zu laſſen: er
forderte, daß ihm der Papſt nach Bologna oder Ferrara
entgegenkomme: der Papſt wagte es weder zu verſprechen
noch abzuſchlagen, und ſuchte ſich mit einer Reſervatio
mentalis zu helfen 1). Es kam die Rede auf die Lehens-
rechte des Reiches uͤber Urbino und Montefeltro; man ſagte
dem paͤpſtlichen Nuntius ohne Weiteres, Wallenſtein werde
ſich daruͤber naͤher informiren, wenn er nach Italien
komme. In der That war das Wallenſteins Abſicht. Er
war fruͤher gegen den italieniſchen Krieg geweſen: jetzt aber
erklaͤrte er, da er ſehe, daß der Papſt mit ſeinen Verbuͤn-
deten das Haus Oeſtreich unterdruͤcken wolle, ſey er da-
fuͤr 2). Er ließ ſich vernehmen: es ſey bereits hundert
[551]Kaiſer FerdinandsII.im Jahre 1629.
Jahr her, daß Rom nicht gepluͤndert worden: jetzt muͤſſe
es noch um vieles reicher ſeyn als damals.
Indeſſen ſollte auch Frankreich nicht verſchont werden.
Der Kaiſer dachte die drei abgekommenen Bisthuͤmer mit
Gewalt der Waffen zuruͤckzuerwerben: ſein Plan war Co-
ſaken von Polen zu uͤbernehmen und nach Frankreich zu
ſchicken. Die Zwiſtigkeiten Ludwigs XIII. mit ſeinem Bru-
der und ſeiner Mutter ſchienen dazu eine erwuͤnſchte Ge-
legenheit darzubieten.
Und ſo nahm das Haus Oeſtreich eine Stellung ein,
in welcher es ſeine Beſtrebungen gegen die Proteſtanten auf
das kuͤhnſte verfolgte, aber zugleich die katholiſche Oppo-
ſition, ja den Papſt ſelbſt maͤchtig beugte und in Zaum
hielt.
Unterhandlungen mit Schweden. Churfuͤrſtentag zu
Regensburg.
So oft in fruͤheren Zeiten ein Fall dieſer Art nur
von ferne geſehen, nur gefuͤrchtet wurde, hatte ſich alles
vereinigt was in Europa noch unabhaͤngig geblieben: jetzt
war er wirklich eingetreten. Die katholiſche Oppoſition
ſah ſich, nicht mehr aus Eiferſucht ſondern zu ihrer Ret-
tung zur Nothwehr, nach Huͤlfe außerhalb der Grenzen
des Katholicismus um. An wen aber konnte ſie ſich
wenden? England war durch die Entzweiung zwiſchen Koͤ-
2)
[552]BuchVII.Kap. 4.
nig und Parlament in ſich ſelbſt beſchaͤftigt, und unterhan-
delte uͤberdieß bereits aufs neue mit Spanien: die Nieder-
lande waren ſelbſt von dem Feinde uͤberzogen: die deut-
ſchen Proteſtanten entweder geſchlagen oder von den kaiſer-
lichen Heeren in Furcht gehalten: der Koͤnig von Daͤne-
mark zu einem nachtheiligen Frieden gezwungen. Es blieb
Niemand uͤbrig als der Koͤnig von Schweden.
Waͤhrend die Proteſtanten allenthalben geſchlagen wur-
den, hatte allein Guſtav Adolf Siege erfochten. Er hatte
Riga, ganz Liefland bis auf Duͤnamuͤnde, von Litthauen,
wie die Polen ſich ausdruͤcken, ſo viel als er ſelbſt gewollt
erobert: dann war er 1626 in Preußen erſchienen, hauptſaͤch-
lich, wie er ſagte, um die Geiſtlichkeit im Bisthum Ermeland
heimzuſuchen: die Hauptſitze des wiederhergeſtellten Katholi-
cismus in jenen Gegenden, Frauenburg und Braunsberg, hatte
er eingenommen, und den bedraͤngten Proteſtanten daſelbſt
einen neuen ſtarken Ruͤckhalt gegeben. Aller Augen richte-
ten ſich auf ihn. „Ueber alle andern Menſchen“, ſchreibt Rus-
dorf ſchon im Jahre 1624, „ſchaͤtze ich dieſen ſiegreichen
Helden: ich verehre ihn als den einzigen Schutz unſerer
Sache, als den Schrecken unſerer gemeinſchaftlichen Feinde:
ſeinen Ruhm, der uͤber den Neid erhaben iſt, begleite ich
mit meinem Gebet“ 1). Zwar hatte Guſtav Adolf jetzt in
dem Gefecht auf der Stummſchen Halde einen Verluſt ge-
habt, und waͤre beinahe ſelbſt gefangen genommen worden,
[553]Unterhandlungen mit Schweden.
aber die ritterliche Tapferkeit, mit der er ſich durchſchlug,
warf ſogar einen neuen Glanz auf ihn, und alle Mal be-
hauptete er ſich im Felde.
An dieſen Fuͤrſten nun wandten ſich jetzt die Franzo-
ſen. Zuerſt vermittelten ſie einen Stillſtand zwiſchen ihm
und den Polen, und es iſt wohl ſehr moͤglich, daß jene
preußiſche Abſicht des Kaiſers dazu beitrug, wenn nicht
den Koͤnig, doch die Magnaten von Polen friedlich zu ſtim-
men 1). Hierauf traten ſie ihrem vornehmſten Zweck, den
Koͤnig von Schweden nach Deutſchland zu ziehen, naͤher.
Dabei hatten ſie nur die Ruͤckſicht einige Beſtimmungen
zu Gunſten des Katholicismus in den Vertrag zu bringen.
Unter dieſem Vorbehalt erklaͤrten ſie ſich bereit den Koͤnig,
der eine anſehnliche Armee ins Feld zu ſtellen habe, mit
einer entſprechenden Geldſumme zu unterſtuͤtzen. Nach ei-
nigem Zoͤgern ging Koͤnig Guſtav hierauf ein. In ſeinen
Inſtructionen vermeidet er der Religion zu gedenken: als den
Zweck des Buͤndniſſes ſtellt er nur die Herſtellung der
deutſchen Staͤnde zu ihren alten Gerechtſamen, die Entfer-
nung der kaiſerlichen Truppen, die Sicherheit der Meere
und des Handels dar 2). Man entwarf einen Vertrag, in
welchem der Koͤnig den katholiſchen Gottesdienſt, wo er
ihn finde, zu dulden, und ſich in Sachen der Religion, ſo
druͤckte man es aus, nach den Reichsgeſetzen zu halten zu-
[554]BuchVII.Kap. 4.
ſagte. Es war dieß noͤthig auch um des Papſtes willen,
dem auf der Stelle davon Kunde gegeben ward. Die Voll-
ziehung des Vertrages ſtieß ſich zwar noch an einige For-
malitaͤten: doch ward er ſchon im Sommer 1630 als de-
finitiv betrachtet 1). Der paͤpſtliche Nuntius in Frank-
reich behauptet, Venedig habe ſich verpflichtet den dritten
Theil der Subſidien zu zahlen 2). Ich habe nicht ermit-
teln koͤnnen, wie viel Grund dieſe Angabe hat: wenigſtens
der Lage der Verhaͤltniſſe waͤre ſie entſprechend.
Durfte man aber wohl hoffen, daß Guſtav Adolf al-
lein im Stande ſeyn werde die Uebermacht der kaiſerlich-
ligiſtiſchen Armee zu brechen, ſie im Felde zu beſiegen?
Niemand traute es ihm zu. Vor allem erſchien es wuͤn-
ſchenswerth, in Deutſchland ſelbſt eine ſeinem Unternehmen
entgegenkommende Bewegung hervorzubringen.
Und hier durfte man nun ohne Zweifel auf die Prote-
ſtanten rechnen. Welches auch die Politik ſeyn mochte die den
einzelnen Fuͤrſten aus perſoͤnlicher Ruͤckſicht oder Befuͤrchtung
entſprang, ſo hatte ſich doch der Gemuͤther jene Gaͤhrung be-
[555]Unterhandlungen mit Schweden.
maͤchtigt die bis in die Tiefe des allgemeinen Lebens dringt,
die den großen Stuͤrmen vorausgeht. Ich will nur Einen
Gedanken anfuͤhren der damals um ſich griff. Als es hie
und da zur Ausfuͤhrung des Reſtitutionsedictes kam, und
die Jeſuiten ſchon die Abſicht andeuteten auch nicht ein-
mal den Religionsfrieden anzuerkennen, ließen die Prote-
ſtanten vernehmen, ehe es ſo weit komme, werde die voͤllige
Zerruͤttung des Reiches deutſcher Nation erfolgen: „ſie wuͤr-
den eher Geſetz und Sitte von ſich werfen und Germanien
wieder in ſeine alte Waldeswildniß verwandeln.“
Aber auch auf der katholiſchen Seite zeigte ſich Un-
zufriedenheit und Entzweiung.
Es iſt nicht zu ſagen, welche Bewegung in der Geiſt-
lichkeit die Abſicht der Jeſuiten, ſich der zuruͤckgegebenen
Kloſterguͤter zu bemaͤchtigen, veranlaßte. Die Jeſuiten ſol-
len erklaͤrt haben, es gebe keine Benedictiner mehr: ſie ſeyen
alle abgefallen, und gar nicht einmal faͤhig in den verlore-
nen Beſitz wieder einzutreten. Dagegen machte man ihnen
auf der andern Seite ihre Verdienſte ſtreitig: man wollte
nicht Wort haben, daß Bekehrungen durch ſie vollbracht
worden: was ſo ſcheine, ſey nichts weiter als das Werk
der Gewalt 1). Ehe die Kirchenguͤter nur noch zuruͤckge-
[556]BuchVII.Kap. 4.
geben waren, brachten ſie ſchon Entzweiung und Hader
hervor, uͤber den Anſpruch ſie zu beſitzen, zwiſchen den Or-
den, uͤber das Recht der Collation, zwiſchen Kaiſer und Papſt.
Zu dieſen geiſtlichen Mißverſtaͤndniſſen geſellten ſich aber
weltliche von noch weiterausſehender Natur. Die kaiſerli-
chen Kriegsvoͤlker waren eine unertraͤgliche Laſt, ihre Durch-
zuͤge erſchoͤpften Land und Leute: wie der Soldat den Buͤr-
ger und Bauer, mißhandelte der General die Fuͤrſten: Wal-
lenſtein ließ die verwogenſten Reden verlauten. Auch die
alten Verbuͤndeten des Kaiſers, die Haͤupter der Liga, vor
allem Maximilian von Baiern, waren mißvergnuͤgt uͤber die
Gegenwart und beſorgt wegen der Zukunft.
In dieſer Lage der Dinge geſchah es, daß Ferdinand,
um ſeinen Sohn zum roͤmiſchen Koͤnige erwaͤhlen zu laſſen,
die katholiſchen Churfuͤrſten im Sommer 1630 zu Regens-
burg verſammelte. Es konnte nicht anders ſeyn als daß
hiebei nun auch alle andern oͤffentlichen Angelegenheiten zur
Sprache kamen.
Wohl ſah der Kaiſer, daß er etwas nachgeben muͤſſe.
Sein Sinn war, dieß in den deutſchen Sachen zu thun;
er zeigte ſich geneigt das Reſtitutionsedict in Hinſicht auf
die brandenburgiſchen und churſaͤchſiſchen Lande noch zu ſus-
1)
[557]Churfuͤrſtentag zu Regensburg.
pendiren, uͤber Pfalz und Meklenburg eine Abkunft zu tref-
fen, auch Schweden wieder zu verſoͤhnen — ſchon waren
Unterhandlungen dazu eroͤffnet, — und indeß ſeine Kraft
nach Italien zu wenden, den mantuaniſchen Krieg zu Ende
zu bringen, und den Papſt zur Anerkennung ſeiner kirchli-
chen Anſpruͤche zu noͤthigen 1).
Er mochte glauben, weil er es mit deutſchen Fuͤrſten
zu thun habe, durch Nachgiebigkeit in deutſchen Angelegen-
heiten das Meiſte auszurichten. Jedoch nicht ſo einfach
lagen die Dinge.
Die italieniſch franzoͤſiſche Oppoſition hatte bei den
katholiſchen Churfuͤrſten bereits Eingang gefunden, und ſuchte
das Mißvergnuͤgen derſelben zu ihren Zwecken zu benutzen.
Zuerſt erſchien der paͤpſtliche Nuntius Rocci in Re-
gensburg. Wie haͤtte er nicht alles anwenden ſollen um
die Ausfuͤhrung der italieniſchen und antipaͤpſtlichen Ab-
ſichten des Kaiſers zu hintertreiben?
Der Papſt hatte ihm aufgetragen ſich vor allem mit
dem Churfuͤrſten von Baiern in gutes Einverſtaͤndniß zu
ſetzen: in kurzem meldet er, daß dieß Verſtaͤndniß in tief-
[558]BuchVII.Kap. 4.
ſtem Geheimniß erhalten werde 1): er brachte eine Erklaͤ-
rung der katholiſchen Churfuͤrſten aus, daß ſie in allen
kirchlichen Angelegenheiten mit ihm vereinigt bleiben und
beſonders die Jurisdiction und Verehrung des paͤpſtlichen
Stuhles aufrecht erhalten wuͤrden.
Um aber der Sache die entſcheidende Wendung zu ge-
ben, kam ihm der Vertraute Richelieus, Pater Joſeph, zu
Huͤlfe. Niemals iſt wohl die durchtriebene Schlauheit die-
ſes Capuziners thaͤtiger, wirkſamer und den Mitwiſſenden
offenbarer geweſen als hier: ſein Begleiter in Regensburg,
Herr von Leon, welcher zu dieſer Geſandtſchaft ſeinen Na-
men hergab, hat geſagt, der Pater habe gar keine Seele,
ſondern an ihrer Stelle Untiefen und Lachen, in die ein Je-
der gerathen muͤſſe der mit ihm unterhandle.
Durch dieſe Vermittler nun machte ſich jene italieniſch-
franzoͤſiſche Oppoſition des Kaiſers die deutſchen Verbuͤn-
deten deſſelben in kurzem voͤllig zu eigen. Zur Verſoͤhnung
des Reiches mit Schweden, zur Beruhigung der Proteſtan-
ten ward nichts gethan: niemals haͤtte der Papſt in die
Suspenſion des Reſtitutionsedictes gewilligt. Dagegen dran-
gen die Churfuͤrſten auf Herſtellung des Friedens in Ita-
lien: ſie forderten die Abſetzung des kaiſerlichen Feldhaupt-
manns, der ſich als unumſchraͤnkter Dictator gebehrde.
Und ſo maͤchtig war dieſer Einfluß, ſo geſchickt ward
er geltend gemacht, daß der gewaltige Kaiſer, in dem Ze-
[559]Churfuͤrſtentag zu Regensburg.
nith ſeiner Macht, ohne Widerſtand, ohne Bedingung
nachgab.
Waͤhrend man in Regensburg unterhandelte, hatten ſeine
Truppen Mantua erobert: er konnte ſich als Herrn von Ita-
lien betrachten: in dieſem Augenblicke verſtand er ſich dazu,
Mantua dem Nevers gegen die nichtige Formalitaͤt einer Ab-
bitte einzuraͤumen. Aber vielleicht noch mehr wollte die
andere Forderung ſagen. Zugleich die deutſchen Fuͤrſten,
Frankreich und der Papſt waren von dem Feldherrn be-
droht, an deſſen Perſoͤnlichkeit das Gluͤck der kaiſerlichen
Waffen geknuͤpft war! Man darf ſich nicht wundern, wenn
ſie ihn haßten und ſich ſeiner zu entledigen wuͤnſchten.
Der Kaiſer, um des Friedens willen, gab ihn auf.
In dem Moment daß er Italien beherrſchen koͤnnte,
laͤßt er es fahren! In dem Moment daß ihn der gefaͤhr-
lichſte, kriegskundigſte Feind in Deutſchland angreift, dankt
er den Feldherrn ab, der allein im Stande waͤre ihn zu
vertheidigen. Nie haben Politik und Unterhandlung groͤßere
Erfolge hervorgebracht.
Schwediſcher Krieg. Verhaͤltniß des Papſtes.
Und nun erſt begann der Krieg. Unter den guͤnſtigſten
Auſpicien, man kann es nicht leugnen, eroͤffnete ihn Gu-
ſtav Adolf. Denn war nicht das kaiſerliche Heer auf Wal-
lenſteins Namen zuſammengebracht, ihm perſoͤnlich ergeben
und verpflichtet? Der Kaiſer entließ ſogar einen Theil da-
von: die Contributionsforderungen der Generale, die bis-
[560]BuchVII.Kap. 4.
her in deren Belieben geſtanden, unterwarf er einer Ermaͤ-
ßigung der Reichskreiſe 1): man muß ſagen, daß der Kai-
ſer indem er den General entließ, zugleich ſein Heer zer-
ſtoͤrte, die moraliſche Kraft ihm nahm. Ein Italiener, der
fruͤher in paͤpſtlichen Dienſten geſtanden, Torquato Conti,
ſollte dem beherzten und eifrigen Feinde damit Widerſtand lei-
ſten. Es liegt in der Sache, daß dieſer ſchlecht ausfiel: das
kaiſerliche Heer zeigte ſich nicht mehr als das alte: man ſah
nichts als Unentſchloſſenheit, Schwanken, Schrecken, Ver-
luſt: Guſtav Adolf ſchlug es vollkommen aus dem Felde,
und ſetzte ſich an der untern Oder feſt.
Anfangs glaubte man in Oberdeutſchland, daß dieß
fuͤr das uͤbrige Reich wenig zu bedeuten habe: — mit großer
Ruhe fuhr indeß Tilly in ſeinen Unternehmungen an der Elbe
fort. Daß er endlich Magdeburg eroberte, erſchien dem
Papſt als ein großer Sieg: man knuͤpfte die glaͤnzendſten
Hoffnungen daran. Schon wurde auf Tillys Antrieb ein
Commiſſarius ernannt, „um die Angelegenheiten des Erz-
bisthums nach den Geſetzen der katholichen Kirche einzu-
richten.“
Allein eben dieß bewirkte nun, daß alle noch unent-
ſchiedenen proteſtantiſchen Fuͤrſten ſich an Guſtav Adolf an-
ſchloſſen, und indem Tilly ſie daran zu hindern ſuchte, mit
der Liga in eine Feindſchaft geriethen, welche es nicht laͤn-
ger geſtattete einen Unterſchied zwiſchen ligiſtiſchen und
kaiſerlichen Voͤlkern zu machen. Die Schlacht von Leipzig
er-
[561]Schwediſcher Krieg.
erfolgte: Tilly ward aufs Haupt geſchlagen, und uͤber die
ligiſtiſchen ſo gut wie uͤber die kaiſerlichen Laͤnder ergoſſen
ſich die proteſtantiſchen Heerſchaaren: Wuͤrzburg und Bam-
berg fielen dem Koͤnig in die Haͤnde: an dem Rhein tra-
fen die Proteſtanten des entfernten Nordens mit den alten
Vorfechtern des romaniſchen Katholicismus, den ſpaniſchen
Truppen, zuſammen: dort bei Oppenheim ſieht man ihre
vermiſchten Schaͤdel; — Mainz ward erobert: alle unter-
druͤckten Fuͤrſten ſchloſſen ſich an den Koͤnig an: der ver-
jagte Pfalzgraf erſchien in dem Feldlager deſſelben.
Nothwendiger Weiſe mußte nun eine Unternehmung
welche von der katholiſchen Oppoſition in politiſchen Ab-
ſichten hervorgerufen, gebilligt worden, zum Vortheil des
Proteſtantismus ausſchlagen. Die uͤberwaͤltigte, unterdruͤckte
Partei ſah ſich mit Einem Male wieder im Siege. Zwar
ließ der Koͤnig auch den Katholiken ſeinen Schutz im All-
gemeinen angedeihen, wie ihn denn ſein Buͤndniß dazu ver-
pflichtete: aber dabei erklaͤrte er doch, er ſey gekommen
um ſeine Glaubensgenoſſen von ihren Gewiſſensdrangſalen
zu erretten 1): er nahm die evangeliſchen Kirchendiener die
unter katholiſchen Regierungen geſtanden, z. B. in Erfurt,
in ſeinen beſondern Schutz: auch das Bekenntniß der augs-
burgiſchen Confeſſion ließ er allenthalben wieder zu: die
verjagten Pfarrer kehrten in die Pfalz zuruͤck: mit dem ſieg-
reichen Heere durchzog die lutheriſche Predigt das Reich
aufs neue.
So ſonderbar verwickelte ſich die Politik Urbans VIII.
Päpſte* 36
[562]BuchVII.Kap. 4.
In ſofern der Koͤnig die oͤſtreichiſche Macht angriff und
uͤberwand, war er der natuͤrliche Verbuͤndete des Papſtes:
gleich in den italieniſchen Angelegenheiten zeigte es ſich;
unter dem Einfluß der deutſchen Verluſte ließ ſich der Kai-
ſer im Jahre 1631 in der mantuaniſchen Sache noch un-
guͤnſtigere Bedingungen gefallen, als das Jahr zuvor in
Regensburg. Ja es beſtanden ſelbſt, wenn nicht unmittel-
bare, doch mittelbare Verbindungen zwiſchen dem paͤpſtli-
chen Stuhle und den im ſiegreichen Kampfe wieder vordrin-
genden proteſtantiſchen Maͤchten. „Ich rede davon mit
gutem Grunde,“ ſagt Aluiſe Contarini, der erſt an dem
franzoͤſiſchen, dann am roͤmiſchen Hofe geſtanden, „ich bin
bei allen Verhandlungen zugegen geweſen, die Nuntien des
Papſtes haben immer die Unternehmungen Richelieus be-
guͤnſtigt; ſowohl wo es auf deſſen eigene Erhaltung an-
kam, als in ſo fern er Baiern und die Ligue mit Frank-
reich zu vereinigen ſuchte; zu ſeiner Verbindung mit Hol-
land und den proteſtantiſchen Maͤchten uͤberhaupt haben ſie
ſtillgeſchwiegen, um nicht zu ſagen, daß ſie dieſelbe gebilligt.
Andere Paͤpſte haͤtten ſich vielleicht ein Gewiſſen daraus
gemacht: die Nuntien Urbans VIII. gelangten dadurch zu
groͤßerem Anſehen und perſoͤnlichen Vortheilen“ 1).
Laut und bitter beklagte ſich der Kaiſer: „erſt habe
ihn der roͤmiſche Hof zum Reſtitutionsedict vermocht, und
verlaſſe ihn nun in dem Kriege der daher entſpringe; die
Wahl ſeines Sohnes zum roͤmiſchen Koͤnig habe der Papſt
hintertrieben; er ermuntere den Churfuͤrſten von Baiern
mit Rath und That, eine abgeſonderte Politik zu befolgen,
[563]Stellung des Papſtes.
ſich mit Frankreich zu verbinden; es ſey vergebens Urban
um Huͤlfe zu erſuchen, wie ſie fruͤhere Paͤpſte mit Geld oder
Mannſchaften ſo oft geleiſtet; er weigere ſich ſelbſt die Ver-
bindung der Franzoſen mit den Ketzern zu verdammen oder
dieſen Krieg fuͤr einen Religionskrieg zu erklaͤren.“ 1) Im
Jahre 1632 finden wir die kaiſerlichen Geſandten in Rom
vor allem das letzte Geſuch wiederholen: noch immer, ſag-
ten ſie, koͤnne die Erklaͤrung S. Heiligkeit die groͤßte Wir-
kung nach ſich ziehen: noch immer ſey es ſo gar unmoͤglich
nicht, den Koͤnig von Schweden zu verjagen: er habe
nicht mehr als 30000 Mann.
Der Papſt entgegnete mit kuͤhler Gelehrſamkeit: „mit
dreißig tauſend hat Alexander die Welt erobert.“
Er blieb dabei, es ſey kein Religionskrieg: er betreffe
nur Staatsangelegenheiten: uͤbrigens ſey auch die paͤpſtliche
Kammer erſchoͤpft, er koͤnne nichts thun.
Die Mitglieder der Curie, die Einwohner von Rom
waren erſtaunt. „Mitten in der Feuersbrunſt katholiſcher
36*
[564]BuchVII.Kap. 4. Stellung des Papſtes.
Kirchen und Kloͤſter“ — ſo druͤckten ſie ſich aus — „ſtehe
der Papſt kalt und ſtarr wie Eis. Der Koͤnig von Schwe-
den habe mehr Eifer fuͤr ſein Lutherthum, als der heilige
Vater fuͤr den allein ſelig machenden katholiſchen Glauben.“
Noch einmal ſchritten die Spanier zu einer Proteſtation.
Wie einſt Olivarez vor Sixtus V, ſo erſchien jetzt Cardinal
Borgia vor Urban VIII, um feierlich wider das Betragen
Seiner Heiligkeit zu proteſtiren. Es erfolgte eine vielleicht
noch heftigere Scene als damals. Indem der Papſt in
zornige Aufwallung gerieth und den Botſchafter unterbrach,
nahmen die anweſenden Cardinaͤle fuͤr oder wider Partei.
Der Botſchafter mußte ſich bequemen ſeine Proteſtation
ſchriftlich einzugeben 1). Aber die eifrig-religioͤſe Geſinnung
war damit nicht zufrieden: ſchon erhob ſich, beſonders auf
Anregung des vorigen Cardinalnepoten Ludoviſio, der Ge-
danke ein Concilium in Oppoſition gegen den Papſt zu
berufen 2).
Welches Feuer waͤre aber damit angezuͤndet worden!
Schon nahmen die Ereigniſſe eine Wendung, welche uͤber
ihre Natur keinen Zweifel uͤbrig ließ, und die paͤpſtliche
Politik anders beſtimmen mußte.
Urban VIII. ſchmeichelte ſich eine Zeitlang, der Koͤ-
nig werde eine Neutralitaͤt mit Baiern abſchließen und die
gefluͤchteten geiſtlichen Fuͤrſten in ihre Laͤnder wiederher-
[565]Schwediſcher Krieg.
ſtellen. Nur allzubald aber ſcheiterte jeder Verſuch der Aus-
ſoͤhnung von Intereſſen, die einander ſo geradezu entgegen-
ſtanden. Die ſchwediſchen Waffen ergoſſen ſich auch nach
Baiern: Tilly fiel: Muͤnchen wurde erobert: Herzog Bern-
hard drang nach Tyrol vor.
Hierauf ließ ſich nicht mehr zweifeln, was Papſt und
Katholicismus von den Schweden zu erwarten hatten. Wie
ſo durchaus war die Lage der Dinge in Einem Moment
veraͤndert. Hatte man ſo eben die Hoffnung gehegt die
proteſtantiſchen Stifter in Norddeutſchland wieder katholiſch
zu machen, ſo erwachte jetzt in dem Koͤnige der Plan die
ſuͤddeutſchen Stifter die in ſeiner Hand waren, in welt-
liche Fuͤrſtenthuͤmer zu verwandeln. Er redete bereits von
ſeinem Herzogthume Franken: — in Augsburg ſchien er
ſeinen koͤniglichen Hof aufſchlagen zu wollen.
Vor zwei Jahren hatte der Papſt die Ankunft der Oeſt-
reicher in Italien zu fuͤrchten gehabt: mit einem Angriff
auf Rom war er bedroht worden. Jetzt erſchienen die Schwe-
den an den Grenzen von Italien: mit dem Namen eines
Koͤnigs der Schweden und Gothen, wie ihn Guſtav Adolf
fuͤhrte, verknuͤpften ſich Erinnerungen, die in beiden Thei-
len erwachten 1).
[566]BuchVII.Kap. 4. Herſtellung eines
Herſtellung eines Gleichgewichtes der beiden Be-
kenntniſſe.
Und nun will ich den Kampf nicht ausfuͤhren, der
Deutſchland noch 16 Jahre lang erfuͤllte. Genug, wenn
wir wahrgenommen haben, wie jener maͤchtige Fortſchritt
des Katholicismus, der im Begriffe war unſer Vaterland
auf immer in Beſitz zu nehmen, eben als er Anſtalt machte
die proteſtantiſche Meinung an ihren Quellen zu vertilgen,
in ſeinem Laufe aufgehalten waͤrd, und einen ſiegreichen Wi-
derſtand erfuhr. Im Allgemeinen iſt zu ſagen, daß der
Katholicismus, als eine Einheit betrachtet, ſeine eigenen
Siege nicht ertragen konnte. Das Oberhaupt der Kirche
ſelbſt glaubte ſich genoͤthigt, ſich um politiſcher Gruͤnde wil-
len den Maͤchten entgegenzuſetzen die ſeine geiſtliche Au-
toritaͤt am meiſten verfochten und ausbreiteten. Katholi-
ken, in Uebereinſtimmung mit dem Papſte, riefen die noch
unbezwungenen proteſtantiſchen Kraͤfte auf, und machten ih-
nen Bahn.
So große Plaͤne, wie Guſtav Adolf im Hochpunkte
ſeiner Macht ſie hegte, konnten nun nach dem fruͤhen Tode
dieſes Fuͤrſten freilich nicht ausgefuͤhrt werden, ſchon darum
nicht, weil ja auch die Erfolge des Proteſtantismus ſich
keinesweges allein von eigener Macht herſchrieben. Aber
auch der Katholicismus vermochte, ſelbſt als er ſich beſſer
zuſammennahm, als Baiern ſich wieder an den Kaiſer ſchloß,
und auch Urban VIII. aufs neue Subſidien zahlte, den
Proteſtantismus nicht mehr zu uͤberwaͤltigen.
[567]Gleichgewichtes der beiden Bekenntniſſe.
Gar bald gelangte man wenigſtens in Deutſchland zu
dieſer Ueberzeugung. Schon der Friede von Prag beruhte
darauf. Der Kaiſer ließ ſein Reſtitutionsedict fallen: der
Churfuͤrſt von Sachſen und die Staaten, welche ihm bei-
traten, gaben die Herſtellung des Proteſtantismus in den
Erblanden auf.
Zwar widerſetzte ſich Papſt Urban allem was dem Re-
ſtitutionsedicte zuwider beſchloſſen werden koͤnnte, und in
dem geiſtlichen Rathe des Kaiſers hatte er die Jeſuiten
beſonders den Pater Lamormain auf ſeiner Seite — der
denn auch oft genug daruͤber belobt ward „als ein wuͤrdiger
Beichtvater, als ein Mann der keine weltliche Ruͤckſicht
nehme“ 1); — allein die Mehrheit war gegen ihn: die
Capuziner Quiroga und Valerian, die Cardinaͤle Dietrich-
ſtein und Pazmany; ſie behaupteten, wenn man die katho-
liſche Religion in den Erblanden rein erhalte, ſo koͤnne
man wohl Gewiſſensfreiheit im Reiche geben. Der Pra-
ger Friede ward in Wien von allen Kanzeln verkuͤndigt:
die Capuziner ruͤhmten ſich ihres Antheils an dieſem „eh-
renvollen und heiligen“ Werke und ſtellten beſondere Feier-
lichkeiten dafuͤr an; kaum konnte der Nuntius verhindern,
daß man nicht ein Tedeum ſang 2).
[568]BuchVII.Kap. 4. Herſtellung eines
Indem Urban VIII, obwohl er thatſaͤchlich ſo viel
dazu beigetragen, daß die Plaͤne des Katholicismus ſchei-
terten, dennoch in der Theorie keinen Anſpruch fallen laſſen
wollte, bewirkte er nur, daß das Papſtthum eine Stel-
lung außerhalb der lebendigen und wirſamen Intereſſen
der Welt annahm. Nichts iſt dafuͤr bezeichnender als die
Inſtruction welche er ſeinem Legaten Ginetti bei dem er-
ſten Verſuche eines allgemeinen Friedens im Jahre 1636
nach Coͤln mitgab. Gerade in allen wichtigen Punkten, auf
die es ſchlechthin und durchaus ankam, werden da dem
Geſandten die Haͤnde gebunden. Eine der dringendſten Noth-
wendigkeiten z. B. war die Herſtellung der Pfalz. Nichts
deſto minder wird der Legat angewieſen ſich der Ruͤckgabe
der Pfalz an einen unkatholiſchen Fuͤrſten zu widerſetzen 1).
2)
[569]Gleichgewichtes der beiden Bekenntniſſe.
Was ſchon in Prag ſich unvermeidlich gezeigt, den Pro-
teſtanten in Hinſicht der geiſtlichen Guͤter einige Zugeſtaͤnd-
niſſe zu machen, war es ſpaͤter noch mehr; deſſenungeachtet
wird der Legat „zu beſonderm Eifer“ ermahnt „um nichts
zuzugeben was in Hinſicht der geiſtlichen Guͤter den Pro-
teſtanten zum Vortheil gereichen koͤnnte.“ Sogar die Frie-
densſchluͤſſe mit proteſtantiſchen Maͤchten will der Papſt
nicht billigen. Der Abgeſandte ſoll es nicht unterſtuͤtzen,
wenn man die Hollaͤnder in den Frieden einſchließen wolle,
jeder Abtretung an die Schweden — es war damals nur
von einem Hafen die Rede — ſoll er ſich entgegenſetzen;
„die goͤttliche Barmherzigkeit werde ſchon Mittel finden
dieſe Nation aus Deutſchland zu entfernen.“
Der roͤmiſche Stuhl durfte vernuͤnftiger Weiſe keine
Hoffnung mehr hegen die Proteſtanten zu uͤberwaͤltigen;
es iſt doch von großer Bedeutung, daß er, wiewohl ohne
ſeinen Willen, aber durch die hartnaͤckige Behauptung un-
ausfuͤhrbarer Anſpruͤche es ſich ſelbſt unmoͤglich machte,
auf das Verhaͤltniß ſeiner Glaͤubigen zu denſelben einen
weſentlichen Einfluß auszuuͤben.
Wohl ſchickte der roͤmiſche Stuhl auch ferner ſeine
Geſandten zu dem Friedenscongreſſe. Auf Ginetti folgten
Machiavelli, Roſetti, Chigi. Ginetti, ſagt man, war ſehr
ſparſam, und ſchadete damit ſeiner Wirkſamkeit, — Ma-
chiavelli ſollte eigentlich hier nur Rang erwerben, Befaͤhi-
gung zu einer hoͤhern Stelle, — Roſetti war den Franzo-
ſen unbequem: — ſo erklaͤrt man die Geringfuͤgigkeit ih-
res Einfluſſes: 1) die Wahrheit iſt, daß die Sache ſelbſt,
[570]BuchVII.Kap. 4. Herſtellung eines
die Stellung welche der Papſt eingenommen, eine bedeu-
tende Einwirkung der Nuntien unmoͤglich machte. Chigi
war geſchickt und beliebt; er richtete doch nichts aus. Un-
ter ſeinen Augen ward ein Friede geſchloſſen wie ihn der
roͤmiſche Stuhl ausdruͤcklich verdammt hatte. Der Chur-
fuͤrſt von der Pfalz, alle verjagten Fuͤrſten wurden her-
geſtellt. Weit gefehlt, daß man an die Beſtimmungen
des Reſtitutionsedictes denken konnte: viele Stifter wur-
den geradezu ſaͤculariſirt und den Proteſtanten uͤberlaſſen.
Spanien entſchloß ſich, die Unabhaͤngigkeit jener Rebellen
gegen Papſt und Koͤnig, der Hollaͤnder, endlich anzuerken-
nen. Die Schweden behielten einen bedeutenden Theil des
Reiches. Selbſt den Frieden des Kaiſers gegen Frankreich
konnte die Curie nicht billigen, weil er Stipulationen uͤber
Metz, Toul und Verdun enthielt durch die ſie ihre Rechte
gekraͤnkt fand. Das Papſtthum fand ſich in der traurigen
Nothwendigkeit zu proteſtiren: die Grundſaͤtze, die es nicht
hatte geltend machen koͤnnen, wollte es wenigſtens ausſpre-
chen. Aber ſchon hatte man dieß vorausgeſehen. Die geiſt-
lichen Beſtimmungen des weſtphaͤliſchen Friedens wurden
gleich mit der Erklaͤrung eroͤffnet, daß man ſich dabei an
Niemands Widerſpruch kehren wolle, er ſey auch wer er
wolle, von weltlichem oder geiſtlichem Stande 1).
Durch den Frieden ward jener große Proceß zwiſchen
Proteſtanten und Katholiken, aber nun ganz anders als
man in dem Reſtitutionsedicte verſucht hatte, endlich zu ei-
ner Entſcheidung gebracht. Der Katholicismus behauptete
immer große Erwerbungen, indem das Jahr 1624 als
[571]Gleichgewichtes der beiden Bekenntniſſe.
das Normaljahr, auf welches die Dinge zuruͤckzufuͤhren
ſeyen, angenommen wurde; dagegen bekam der proteſtanti-
ſche Theil die ihm ſo unentbehrliche, ſo lange vorenthal-
tene Paritaͤt. Nach dieſem Princip wurden alle Reichs-
verhaͤltniſſe geregelt.
Wie durfte man da ſo gar nicht mehr an Unternehmungen
denken wie ſie fruͤher gewagt worden und gelungen waren.
Vielmehr wirkten die Reſultate der deutſchen Kaͤmpfe
unmittelbar auf die benachbarten Laͤnder zuruͤck.
Obwohl der Kaiſer in ſeinen Erblanden den Katholi-
cismus aufrecht zu erhalten vermocht hatte, mußte er doch
in Ungarn den Proteſtanten Zugeſtaͤndniſſe machen: im Jahre
1645 ſah er ſich genoͤthigt ihnen eine nicht geringe An-
zahl Kirchen zuruͤckzugeben.
Und haͤtte nun wohl nach jenem Aufſchwunge der
Schweden zu einer univerſalen Bedeutung Polen jemals
daran denken koͤnnen, die alten Anſpruͤche an dieſes Land
zu erneuern? Wladislav IV. ließ ſogar von dem Bekeh-
rungseifer ſeines Vaters ab, und war den Diſſidenten ein
gnaͤdiger Koͤnig.
Selbſt in Frankreich beguͤnſtigte Richelieu die Huge-
notten, nachdem ſie ihrer politiſchen Selbſtaͤndigkeit beraubt
waren. Noch bei weitem mehr aber unterſtuͤtzte er das pro-
teſtantiſche Princip dadurch, daß er jener vorwaltenden ka-
tholiſchen Macht, der ſpaniſchen Monarchie, einen Krieg auf
Leben und Tod zu machen fortfuhr, welcher ſie in ihren
Grundfeſten erſchuͤtterte. Dieſe Entzweiung war die einzige
die der Papſt ſo ganz ohne Scrupel haͤtte beilegen koͤnnen.
Waͤhrend aber alle andern wirklich beſeitigt wurden, blieb
[572]BuchVII.Kap. 4. Herſtellung eines
dieſe unausgetragen, und zerruͤttete unaufhoͤrlich das Innere
der katholiſchen Welt.
An dem Kriege gegen Spanien nahmen bis zum weſt-
phaͤliſchen Frieden die Hollaͤnder den gluͤcklichſten Antheil.
Es war das goldene Zeitalter ihrer Macht, ihres Reich-
thums. Indem ſie aber das Uebergewicht in dem Orient
erlangten, traten ſie zugleich dem Fortgange der katholi-
ſchen Miſſionen daſelbſt gewaltig entgegen.
Nur in England ſchien zuweilen der Katholicismus
oder wenigſtens eine Analogie ſeiner aͤußern Formen Ein-
gang finden zu wollen. Wir finden Abgeordnete des eng-
liſchen Hofes in Rom, paͤpſtliche Agenten in England: die
Koͤnigin, der man zu Rom eine Art von amtlicher Aner-
kennung widmete 1), uͤbte einen Einfluß auf ihren Gemahl
aus, welcher ſich auch auf die Religion erſtrecken zu muͤſſen
ſchien: ſchon naͤherte man ſich in mancherlei Ceremonien
katholiſchen Gebraͤuchen. Jedoch aus alle dem erfolgte auch
hier das Gegentheil. Schwerlich iſt Carl I. in ſeinem Her-
zen jemals von dem proteſtantiſchen Dogma abgewichen,
aber ſchon die geringen Annaͤherungen zu dem katholiſchen
Ritus, die er ſich erlaubte, ſchlugen ihm zum Verderben
aus. Es war als ob die heftige Aufregung, welche ſo
langjaͤhrige, allgemeine, unablaͤſſige Angriffe in der prote-
ſtan-
[573]Gleichgewichtes der beiden Bekenntniſſe.
ſtantiſchen Welt uͤberhaupt hervorgebracht, ſich in den eng-
liſchen Puritanern concentrire. Vergebens ſuchte ſich Ir-
land ihrer Herrſchaft zu entziehen, und im katholiſchen Sinne
zu organiſiren: es wurde um ſo ſchwerer unterworfen. In
der Ariſtokratie und den Gemeinen von England bildete ſich
eine Weltmacht aus, deren Erhebung die Wiederaufnahme
des Proteſtantismus in Europa uͤberhaupt bezeichnet.
Hiedurch ſind nun aber dem Katholicismus auf ewig
Schranken geſetzt. Er iſt in beſtimmte Grenzen gewieſen:
an eine Welteroberung, wie er ſie vorhatte, kann er nie-
mals wieder im Ernſte denken.
Ja die geiſtige Entwickelung ſelbſt hat eine Wendung
genommen die dieß unmoͤglich macht.
Jene die hoͤhere Einheit gefaͤhrdenden Triebe haben
das Uebergewicht bekommen: das religioͤſe Element iſt zu-
ruͤck getreten: die politiſchen Ruͤckſichten beherrſchen die
Welt.
Denn nicht durch ſich ſelbſt retteten ſich die Prote-
ſtanten. Vor allem war es eine Spaltung im Schooße des
Katholicismus, durch die es ihnen gelang ſich wiederher-
zuſtellen. Im Jahre 1631 finden wir die beiden großen
katholiſchen Maͤchte im Bunde mit den Proteſtanten:
Frankreich unverholen, Spanien wenigſtens insgeheim. Es
iſt gewiß, daß die Spanier in dieſer Zeit ein Verſtaͤndniß
mit den franzoͤſiſchen Hugenotten angeknuͤpft hatten.
Aber eben ſo wenig hielten die Proteſtanten zuſam-
men. Nicht daß ſich nur Lutheraner und Reformirte be-
Päpſte* 37
[574]BuchVII.Kap. 4. Herſtellung eines
kaͤmpft haͤtten: dieß war vielmehr von jeher geſchehen: ſon-
dern die entſchiedenen Reformirten, obwohl ſie ohne allen
Zweifel eine gemeinſchaftliche Sache verfochten, ſind in die-
ſem Kriege wider einander gezogen. Die Seemacht der
franzoͤſiſchen Hugenotten ward nur durch die Unterſtuͤtzung
gebrochen, die ihre Religionsverwandten und alten Ver-
buͤndeten der Krone Frankreich zu leiſten ſich beſtimmen
ließen.
Das Oberhaupt des Katholicismus ſelbſt, das den An-
griff gegen die Proteſtanten bisher geleitet, der Papſt zu
Rom, ſetzte am Ende dieſe hoͤchſten Intereſſen der geiſtli-
chen Gewalt bei Seite: er nahm gegen Die Partei, welche
die Wiederherſtellung des Katholicismus am eifrigſten
betrieben: er verfuhr nur noch nach den Geſichtspunk-
ten des weltlichen Fuͤrſtenthums. Er kehrte zu der Po-
litik zuruͤck, welche ſeit Paul III. aufgegeben worden
war. Wir erinnern uns, daß der Proteſtantismus in der
erſten Haͤlfte des 16ten Jahrhunderts durch nichts ſo ſehr
befoͤrdert worden iſt wie durch die politiſchen Beſtrebun-
gen der Paͤpſte. Eben dieſen hatte, nach menſchlicher An-
ſicht, der Proteſtantismus jetzt ſeine Rettung, ſeine Erhal-
tung zu danken.
Es mußte aber dieß Beiſpiel nothwendig auch auf die
uͤbrigen Maͤchte wirken. Endlich ergriff das deutſche Oeſt-
reich, das ſich ſo lange ohne Wanken rechtglaͤubig gehal-
ten, dieſelbe Politik: die Stellung welche es ſeit dem weſt-
phaͤliſchen Frieden einnahm, beruhte auf ſeiner innigen Ver-
bindung mit Norddeutſchland, England und Holland.
Fragen wir nach der tieferen Urſache dieſer Erſchei-
nung, ſo wuͤrden wir Unrecht haben, ſie allein in einer
[575]Gleichgewichtes der beiden Bekenntniſſe.
Verflachung und Verkuͤmmerung der geiſtlichen Antriebe
zu ſuchen: ich denke, wir werden den Inhalt und die Be-
deutung des Ereigniſſes anders faſſen muͤſſen.
Einmal hatte der große geiſtliche Kampf ſeine Wir-
kung in den Gemuͤthern vollbracht.
In den fruͤhern Zeiten war das Chriſtenthum mehr
eine Sache der Ueberlieferung, der naiven Annahme, des
von Zweifeln unberuͤhrten Glaubens geweſen: jetzt war es
eine Sache der Ueberzeugung, der bewußten Hingebung ge-
worden. Von hoher Bedeutung iſt es, daß man zwiſchen
den verſchiedenen Bekenntniſſen zu waͤhlen hatte: daß man
verwerfen, abfallen, uͤbertreten konnte. Die Perſon ward
in Anſpruch genommen, ihre freie Selbſtbeſtimmung her-
ausgefordert. Hiedurch geſchah, daß die chriſtlichen Ideen
alles Leben und Denken noch tiefer und vollſtaͤndiger durch-
drangen.
Dazu kommt dann ein anderer Moment.
Wohl iſt es wahr, daß das Ueberhandnehmen der in-
nern Gegenſaͤtze die Einheit der Geſammtheit zerſtoͤrt: aber
es iſt, wenn wir uns nicht taͤuſchen, ein anderes Geſetz
des Lebens, daß ſich damit doch auch zugleich eine hoͤhere
und groͤßere Entwickelung vorbereitet.
In dem Gedraͤnge des allgemeinen Kampfes war die
Religion nach den verſchiedenen Abwandlungen ihrer dogma-
tiſchen Ausbildung von den Nationen ergriffen worden: mit
dem Gefuͤhl der Nationalitaͤt hatte ſich das Dogma ver-
ſchmolzen, wie ein Beſitz der Gemeinſamkeit, des Staates
oder des Volkes. Mit den Waffen war es erkaͤmpft, unter
tauſend Gefahren behauptet, in Fleiſch und Blut war es
uͤbergegangen.
[576]BuchVII.Kap. 4.
Hiedurch iſt es geſchehen, daß ſich die Staaten auf bei-
den Seiten zu großen kirchlich politiſchen Individualitaͤten
ausgebildet haben; ſchon auf der katholiſchen nach dem
Maaße der Ergebenheit gegen den roͤmiſchen Stuhl, der
Duldung oder Ausſchließung der Nichtkatholiken; noch mehr
aber bei den Proteſtanten, wo die Abweichung der ſymbo-
liſchen Buͤcher die man beſchwoͤrt, die Miſchung des lu-
theriſchen und des reformirten Bekenntniſſes, die groͤßere
oder geringere Annaͤherung an die biſchoͤfliche Verfaſſung
eben ſo viele in die Augen fallende Verſchiedenheiten be-
gruͤnden. Es wird die erſte Frage bei jedem Lande, wel-
ches die herrſchende Religion daſelbſt iſt. In mannigfalti-
gen Geſtalten erſcheint das Chriſtenthum. So groß auch
die Gegenſaͤtze derſelben ſind, ſo kann kein Theil dem an-
dern abſtreiten, daß auch er den Grund des Glaubens be-
ſitze. Vielmehr ſind die verſchiedenen Formen durch Ver-
traͤge und Friedensſchluͤſſe, an denen Alle Theil haben,
Grundgeſetze gleichſam einer allgemeinen Republik, gewaͤhr-
leiſtet. Es kann nicht mehr daran gedacht werden das eine
oder das andere Bekenntniß zu einer univerſalen Herrſchaft
zu erheben. Nur darauf kommt es an, wie jeder Staat,
jedes Volk von ſeiner politiſch religioͤſen Grundlage aus ſeine
Kraͤfte zu entwickeln vermoͤgen wird. Darauf beruht nun-
mehr die Zukunft der Welt.
Appendix A
Gedruckt bei A. W.Schade.
[][][]
Entdecktem Staatscabinet 4te Eroͤffn. p. 365.
rium ecclesiae Sueogoth. p. 282.
vor dem vierten Theil der Geſchichte der Preußiſchen Lande §. 20.
1555. Ms. der Bibliothek Chigi: A molti di questi (die am Hofe
leben) comporta che vivano come li piace, perchè si vede, che
S. Maestà è tanto benigna che non vorria mai far cosa che
dispiacesse ad alcuno, ed io vorrei che nelle cose della religione
fosse un poco più severa.
von Bamberg zu ſeinem beſondern Geſchaͤfte gemacht.
theranismo infecta. Scriptores Wirceb. I, p. 42.
mannsdorf vom Jahre 1555 in Zauners Chronik von Salzburg
VI, 327.
non habbia apportato alcun giovamento. Commendone: Rela-
tione dello stato della religione in Germania. Ms. Vallicell.
pidoglio I, XXIII. Da molt’ anni si comunicava con ambe
le specie, quantunque il suo capellano glien’ havesse parlato
inducendolo a comunicarsi così nella sua capella segreta per
non dar mal esempio a’ sudditi.
Bd. III, 533, 535 u. f., hier aus guten Quellen.
superioris I, p. 29.
nr. 25. „hujus novae bursae regens, quem primum praefecerant,
Jacobus Lichius, Lutheranus tandem apparuit.“
Dapoi che fu conosciuto che col mettere in prigione e col ca-
stigare e con l’abbrucciare non solo non si emendavano, ma si
disordinavano più, fu deliberato che non si procedesse più
contra alcuno, eccetto che contra quelli che andavano predi-
cando seducendo e facendo publicamente le congregationi e le
assemblee, e gli altri si lassassero vivere: onde ne furono libe-
rati e cavati di prigione di Parigi e di tutte le altre terre del
regno un grandissimo numero, che rimasero poi nel regno pra-
ticando liberamente e parlando con ogn’uno e gloriandosi che
aveano guadagnato la lite contra i Papisti, così chiamavano e
chiamano li loro adversarii.
maligen florentiniſchen Reſidenten am kaiſerlichen Hofe.
den Vertrag mit.
Relatione di Pio IV e V. Parlando solamente di quelli (po-
poli) d’Europa che non solo obedivano lui (al papa) ma an-
mana celebrando ancora li officii nella lingua latina: si sa che
l’Inghilterra, la Scotia, la Dania, la Norvegia, la Suetia e fi-
nalm tutti i paesi settentrionali si sono alienati da lei: la
Germania è quasi tutta perduta, la Bohemia e la Polonia si
trovano in gran parte infette, li paesi bassi della Fiandra sono
così corrotti che per rimedio che vi si sforzi dar loro il Duca
d’Alva difficilm ritorneranno alla prima sanità, e finalmente la
Francia per rispetto di questi mal humori è tutta ripiena di
confusioni, in modo che non pare che sia restato altro di sano
e di sicuro al pontefice che la Spagna e l’Italia con alcune
poche isole e con quel paese che è dalla Sertà Vra in Dalma-
tia et in Grecia posseduto.
questa provincia (Spagna) molti Ugonotti quasi non osano mo-
strarsi per la severissima dimostratione che qui fanno contra.
Dubitano che non si mettano insieme, essendone molti per tutta
la Spagna.
Lazarus Schwendi angiebt: „En Ungarie tout est confusion et mi-
sère: ils sont de la plus parte Huguenots, mais avec une ex-
trème ignorance du peuple.“ Schwendi au prince d’Orange. Ar-
chives de la maison d’Orange-Nassau I, p. 288.
VII, p. 433.
tatis Jesu I, 21.
— 125.
kiſchen Kaiſer: er ſey Lehrer und Prediger zu Heidelberg, „an wel-
chem Orte jetztmahls die Gelehrteſten des ganzen deutſchen Landes
ſich unterhalten.“ Arnold: Ketzerhiſt. II, 1133.
p. 237.
bliothek zu Muͤnchen. Prima legatio 1563. „Quodsi Sua Celsi-
tudo Illma absque sedis apostolicae autoritate usum calicis con-
cedat, ipsi principi etiam plurimum decederet de ejus apud sub-
ditos autoritate. Auf dem Landtag klagte man, der Fuͤrſt ſey durch
die Decimation verblendet.
ruͤhreriſchen Reden halber, bei Freiberg: Geſchichte der baieriſchen
Landſtaͤnde II, 352.
bertus eam indulgentiam juris publici in Boica esse noluit.
cumbit qua ecclesiastica disciplina jam ferme in Germania col-
lapsa aliquo modo instauretur, quod cum antecessores sui aut
neglexerint aut leviter attigerint, non tam bene quam par erat
de republica christiana meritos esse animadvertit: — adjungen-
dos sibi ad tale tantumque opus catholicos principes sapientis-
sime statuit.“ Ausdruͤcklich verſpricht der Geſandte, Bartholom.
Graf v. Porzia: „Suam Sanctitatem nihil unquam praetermis-
suram esse, quod est e re sua (ducis Bavariae) aut filiorum.“
Herzog von Baiern gegenuͤber. Tiepolo: Relatione di Pio IV e
V. „D’altri principi secolari di Germania non si sa chi altro
veramente sia cattolico che il Duca di Baviera: però in grati-
ficatione sua il pontefice ha concesso che il figliolo, che di
gran lunga non ha ancora l’età determinata dal concilio, hab-
bia il vescovato Frisingense: cosa che non è da lui stata con-
cessa ad altri.“
cola I, IV, 17. 18. Der Papſt pries den Herzog dafuͤr gebuͤh-
rend. „Mira perfunditur laetitia,“ heißt es in jener Geſandtſchaft,
„cum audit, ill. Sertis Vrae opera et industria Marchionem Ba-
densem in religione catholica educari, ad quod accedit cura in-
gens, quam adhibuit in comitatu de Hag, ut catholica fides, a
qua turpiter defecerant, restituatur.
III, II, 22.
Inſtruction. Gratiani: Vita Commendoni lib. III, c. II.
hier unſer vornehmſter Gewaͤhrsmann.
ſchnitt uͤber Daniel beſonders cap. VIII, XI, XXII, XXIII.
einen „principem politicum“ fand. Bei Serarius p. 947.
ſtadt p. 59.
riorem I, VI, II, der an dieſer Stelle die Notizen des Sacchinus
(III, VII, 68.) aus einem fuͤr ihn gefertigten Tractat des Jeſuiten
Feurer vermehrt. Von proteſtantiſcher Seite: Beſchwerden der
Stadt Fulda und deſſelben Stiftes Ritterſchaft, bei Lehmann: de
pace religionis II, IX, 257.
in den Archives de la maison d’Orange-Nassau I, 289.
156.
che quanto alle cose della religione S. Santità stasse di buon
animo, che ovvero si han da perder tutti quei stati o che si
conserverà in essi la vera cattolica religione, nè comporterà che
vi rimanghi, per quanto potrà far lui, alcuna radice di mala pianta.
ließ ſich uͤber die Gefangennehmung bei dem Koͤnige beklagen. Der
Koͤnig antwortete: er habe ſie nicht befohlen. Um dieß zu bewei-
Stelle hiebei mitgetheilt wird. Sie lautet: Sacra cattolica Maestà,
da poi ch’ io gionsi in Brusselles, pigliai le information da chi
dovea delle cose di qua, onde poi mi son assicurato del conte
di Agmon e fatto ritener il conte d’Orno con alquanti altri. Sarà
ben che V. M. per bon rispetto ordini ancor lei che sia fatto
l’istesso di Montigni (der in Spanien war) e suo ajutante di
camera. — Hierauf erfolgte die Gefangennehmung Montigny’s.
zuge mit. Es iſt wo moͤglich noch merkwuͤrdiger als das obige. Ca-
pitò qui l’avviso della giustitia fatta in Fiandra contra di quelli
poveri Signori prigioni, intorno alla quale scrive il D. d’Alva,
che habendo facoltà di S. M. di far tal esecutione o soprastare
secondo che havesse riputato più espediente del suo servitio,
che però vedendo li popoli un poco alterati et insuperbiti per la
morte d’Arenberg e rotta di quelli Spagnoli, havea giudicato
tempo opportuno e necessario per tal effetto per dimostrar di
non temer di loro in conto alcuno, e poner con questo terrore
a molti levandoli la speranza di tumultuar per la loro libera-
tione, e fuggir di cascar nell’ errore nel quale incorse l’impera-
tore Carlo, il qual per tener vivo Saxonia e Langravio diede oc-
casione di nova congiura, per la quale S. M. fu cacciata con
poca dignità della Germania e quasi dell’ impero.
nr. 75 findet ſich unter andern auch folgendes Stuͤck: Deliberations
et consultations au parlement de Paris touchant l’establissement
des Jesuites en France, in welchem beſonders die Botſchaften des
Hofes an das Parlament zu Gunſten der Jeſuiten enthalten ſind:
ſetzern Pars I, lib. VI, nr. 30. II, IV, 84. III, III, 169 u. f.
— Juvencius V, 24, 769 theilt eine Lebensbeſchreibung von Au-
gier mit.
acuto penetrarunt.“
in regno Galliae III, 153.
handlung uͤber die Bartholomaͤusnacht in der hiſtor. polit. Zeit-
ſchrift II, III.
lich III, 15—19.
lich merkwuͤrdig iſt das Schreiben des Abtes an Papſt Gregor
vom 1. Auguſt 1576, das dort aus dem vatican. Archiv mitgetheilt
iſt. „Clamantes,“ ſagt er von den Drohungen ſeiner Feinde, „nisi
consentiam, ut administratio ditionis meae episcopo tradatur,
non aliter se me ac canem rabidum interfecturos, tum Saxoniae
et Hassiae principes in meum gregem immissuros.“
In proposito della morte del principe di Spagna apertamte disse
il Papa haverla sentita con grandissimo dispiacere, perchè non
vorria che li stati del re cattolico capitassero in mano de’ Tedeschi.
IV, 166. 184. V, 33.
dreien Fuͤrſtenthuͤmer und Land, bei Lehmann: de pace religionis
p. 461, ein Actenſtuͤck, durch welches die Darſtellung Khevenhillers
Ann. Ferdinandei I, 6 rectificirt wird.
lib. I, 112. lib. VI, 103—108.
liturgia bei Baaz: Inventarium ecclesiarum Sueogoth. p. 393 wer-
den ſie alle aufgefuͤhrt.
ſo viel ich finden kann, nicht benutzten Berichte der Jeſuiten, wie ſie
in Sacchinus: Hist. societatis Jesu pars IV, lib. VI, n. 64—76
und lib. VII, n. 83—111 ausfuͤhrlich zu leſen ſind.
lettera scritta di Londra etc. Roma 1590 (gedruckte Flugſchrift)
ſtimmt hieruͤber mit einer Stelle von Ribadaneira de schismate, wel-
che ſchon Hallam (the constitutional history of England I, p. 162)
anfuͤhrt, genau uͤberein, und iſt ohne Zweifel die Quelle davon. „Si
permettevano giuramenti impii contra l’autorità della sede apo-
lora tutti andavano communemente alle sinagoghe degli eretici
et alle prediche loro menandovi li figli et famiglie — — si te-
neva allora per segno distintivo sufficiente venire alle chiese
prima degli eretici e non partirsi in compagnia loro.“
sogneria per conquistarlo, fatto a Gregorio XIII. Bibliothek zu
Wien, Fuggeriſche Handſchriften. Die Regierung der Koͤnigin wird
fuͤr eine Tyrannei erklaͤrt: lasciando il governo a ministri Inglesi,
i quali per arricchire se stessi usavano tutta l’arte della tiran-
nide in quel regno, come trasportando le commodità del paese
in Inghiltterra, tassando il popolo contra le leggi e privilegi
antichi, e mantenendo guerra e fattioni tra i paesani, — non vo-
lendo gli Inglesi che gli habitanti imparassero la differenza fra
il viver libero e la servitù.
diosa (Ms. der Berl. Bibliothek) 20000 Sc. „altre mercedi fece
fare al barone d’Acres, al Sr Carlo Buono et altri nobili In-
glesi che si trovavano in Madrid, ch’egli spinse andare a [que-
sta] impresa insieme col vescovo Lionese d’Irlanda.“
6. lib. VII, 10—30. koͤnnen wir hier mit den Erzaͤhlungen von
Camden: Rerum Britannic. tom. I, p. 315 vergleichen.
stadii 1584.
Sacchinus: historia societatis Jesu IV, V, 145
det ihn subtile e solide en doctrine, nerveux en raisons, riche
en sentences, copieux en discours, poly en son langage et
grave en actions, mais surtout l’excellente piété et vertu, qui
reluisoit en sa vie, rendoit son oraison persuasive.
p. 50.
bas 93. 98.
sitione decimi denarii bei Papendrecht: Analecta I, 1, 292 ward
ihnen der zehnte Pfennig mit der Verſicherung aufgelegt, daß er
nicht ſtreng eingetrieben werden ſolle.
taͤt) vom J. 1576 bei Sacchinus IV, IV, 124. „Plurimos ex
hoc patrum collegio — es heißt collegium Aquicintense — Ar-
tesia et Hannonia pastores, multos schola nostra theologos opti-
me institutos et comparatos accepit.“ Es folgen noch viel groͤ-
ßere Lobſpruͤche, welche wir um ſo mehr weglaſſen koͤnnen, da Sta-
pleton doch auch ſelbſt ein Jeſuit war.
von Hennegau) è cattolichissimo, come è tutto quel contado in-
sieme con quel d’Artoes che li è propinquo.
V, Abſchn. 2; leicht duͤrfte dieſer Abſchnitt der wichtigſte in dem
ganzen Buche ſeyn.
ſich aus folgenden beiden Stellen. 1. Strada II, 1, p. 19. Par-
diaeus Mottae dominus non rediturum modo se ad regis obe-
dientiam sed etiam quamplures secum tracturum jam pridem si-
gnificarat Joanni Austriaco. 2. Tassis: Episcopum Atrebatensem,
qui vivente adhuc Austriaco se regi conciliarat.
trag mit: lib. V, 394—405.
in the form of an amulet upon Jaureguy: in den Sammlungen
des Lord Egerton. „A vos, Senor Jesus Christo, redemptor y
salvador del mundo, criador del cielo y de la tierra, os offrezco,
siendo o [servido] librarme con vida despues de haver effectuado
mi deseo, un belo muy rico.“ So geht es weiter.
sau principe di Orange e delli tormenti patiti del gencrosissi-
mo giovane Baldassarre Gerardi Borgognone: Inff. politt. XII,
enthaͤlt einige von den gewoͤhnlichen Angaben abweichende Notizen.
„Gerardi, la cui madre è di Bisansone, d’anni 28 incirca, gio-
vane non meno dotto che eloquente. — Siebenthalb Jahr habe
er ſich mit der Abſicht getragen. Offerendosi dunque l’opportu-
nità di portar le lettere del duca d’Alansone al Nassau, essendo
già lui gentilhuomo di casa, alli 7 Luglio un hora e mezzo
dopo pranso uscendo il principe della tavola scargandoli un ar-
chibugetto con tre palle gli colse sotto la zinna manca e gli
fece una ferita di due diti colla quale l’ammazzò.“
stabat sententia, ut quaeque recipiebatur ex haereticis civitas, con-
tinuo fere in eam inmitti societatem debere: valere id tum ad pieta-
tem privatam civium tum ad pacem tranquillitatemque intelligebant.
(Pars V, lib. IV, n. 58.) Nach der Imago primi seculi war dieß
auch der Wille des Koͤnigs, qui recens datis de hoc argumento
literis ducem cum cura monuerat, ut societatis praesidio munire
satageret praecipuas quasque Belgii civitates, Behauptungen
welche durch die Thatſachen hinreichend bewaͤhrt werden.
state nihil hoc exercitu dignum egit.
Adlzreitter II, XII, 295. Quod cupiebamus, ſagt er darin, im-
petravimus.
tholiſche Religion als das weltlich Regiment aufs neu, alt Herkom-
men gemaͤß, beſtellt.“
Bernard von Waldeck fruͤher dem Proteſtantismus geneigt geweſen,
hatte ſich waͤhrend der Coͤlner Unruhen neutral gezeigt, und legte
nun das katholiſche Bekenntniß ab. Chytraͤus (Saxonia 812) wi-
derſpricht dem nicht.
berg: historia provinciae ad Rhenum inferiorem lib. VIII, c. I,
p. 185, findet ſich ein Schreiben Papſt Gregors XIII „dilectis filiis
canonicis et capitulo ecclesiae Paderbornensis“ 6. Febr. 1584,
worin er dieſe Widerſetzlichkeit lobt: „So ſey es recht: je mehr man
angegriffen werde, deſto ſtaͤrkern Widerſtand muͤſſe man leiſten: auch
er der Papſt trage die Vaͤter der Geſellſchaft Jeſu in ſeinem Herzen.“
Historia provinciae ad Rhenum inferiorem I, IX, VI.
wohl eine falſche Lesart ſeyn) vom 6. Dec. 1582 in Schmidt-Phi-
ſeldeck Hiſtoriſchen Miscellaneen I, 25. „Auf des Legaten Anbrin-
gen und Werbunge hat Wirzburgenſis ein klein Bedenken gebetten:
und hat zur Stunde ſeine Pferde und Geſinde laſſen fertig werden,
wollen aufſitzen und nach dem Herrn Churf. zu Sachßen reitten und
Ihre Churf. G. uͤber ſolliche des Papſts unerhorte Importunitet
— klagen — auch um radt, hulff und Troſt anhalten — — — —
Der Herr Churfuͤrſt (v. Coͤln) hatt große Hoffnung zu hochgedach-
den abfallen.“
von Wuͤrzburg p. 335: „es ward ihnen angeſagt ſich von den
Aemtern und Befehlen zu droſſen und ihr Hausweſen außer dem
Stift zu ſuchen.“ Ich benutze dieſe Lebensbeſchreibung hier auch
ſonſt, mit ihr beſonders Christophori Mariani Augustani Encae-
nia et Tricennalia Juliana in Gropps Scriptt. Wirceb. tom. I.
Sein Sinn iſt, daß die geiſtliche Bewegung, die von dem hoͤchſten
Haupte der Kirche Chriſti ausgeht, von oben nach unten ſich allen
Gliedern des Koͤrpers mittheile. S. p. 444. de capitulis ruralibus.
ner Warnungsſchrift bei Raupach: Evangel. Oeſtreich II, 286.
Zweifel aus den Berichten des Nuntius.
quam exeuntes sacrilegos omnique execratione dignissimos pro-
secuta sit numerosa multitudo quotque benevolentiae documen-
tis, ut vel inde mali gravitas aestimari possit.“
Raupach: Evang. Oeſtreich II, 307.
cra I, 632.
Gemuͤth nach“, ſagt die Supplication der drei Lande.
Dinge gute und ausfuͤhrliche Nachrichten. Beſonders wichtig iſt aber
hier Maffei in den Annali di Gregorio XIII lib. IX, c. XX. lib.
XIII, c. I. Er hatte ohne Zweifel die Information des Nuntius
vor Augen..
men Jacobs publicirt, aber erſt als er die Verwaltung einem Co-
adjutor hatte uͤberlaſſen muͤſſen.
tionsgeſchichte von denen aus dem Erzbisthum Salzburg vertriebe-
nen Lutheranern I, p. 88.
unſre wichtigſte Quelle. Dieſer Theil iſt ſelbſt nach einer gleichzei-
tigen Lebensbeſchreibung des Erzbiſchofs gearbeitet.
Minucci sopra il modo di restituire la cattolica religione in Ale-
magna 1588. Ms. Barb.
pressione dell’ altre (der niederdeutſchen) ha avvertiti i nobili a
metter cura maggiore nella difesa di queste, concorrendo in ciò
tanto gli eretici quanto li cattolici, accorti già, che nell’occu-
patione delli principi si leva a loro et a’posteri la speranza
dell’utile che cavano dai canonicati e dagli altri beneficii e che
possono pretendere del vescovato mentre a’canonici resti libera
l’elettione.“
„ut dum elector Saxoniae Calvinistarum sectam ex imperii sui
finibus exturbare conabatur, vellet sermones cum principe illo
aliquando habitos de religione catholica in Saxonia introducenda
renovare.“ Er meinte, vielleicht werde es gut ſeyn, einen Agenten
dahin zu ſchicken. Hiewider iſt der Herzog geradezu: dann wuͤrde
die Sache an den geheimen Rath des Churfuͤrſten gelangen, „ad
consiliarios et familiares, a quibus quid exspectandum aliud
quam quod totam rem pervertat?“ Er faͤhrt fort: „Arte hic
opus esse judicatur, quo tanquam aliud agens errantem pie cir-
cumveniat. — Uxor, quo ex sexu impotentiori concitatior est, eo
importuniora suffundet consilia, si resciscat hanc apud maritum
rem agi.“ Legationes Paparum ad Duces Bavariae Ms. der
Muͤnchener Bibliothek. — Minucci erzaͤhlt, daß die erſten Eroͤffnun-
gen noch zu Pius V. Zeiten gemacht worden. Die ganze Stelle iſt
merkwuͤrdig. „Con duca Augusto di Sassonia già morto trattò
sin a tempi della s. m. di Papa Pio V il duca Alberto di Ba-
viera, che vive in cielo, e ridusse la pratica tanto inanzi che si
prometteva sicura riuscita: ma piacque a Dio benedetto di chia-
marlo, nè d’opera di tanta importanza fu chi parlasse o pen-
sasse, se non ch’a tempi di Gregorio di gl. mem. il padre Pos-
sevino s’ingegnò di fabricare sopra quei fundamenti: et in fine
nel presente felicissimo pontificato di Sisto, sendo morta la
moglie d’esso duca Augusto, fu chi ricordò l’occasione esser
opportuna per trattare di nuovo la conversione di quel principe:
ma la providentia divina non li diede tempo di poter aspettare
la benedittione che S. Beatne pur per mezzo del Sr duca Gui-
Man ſieht, wie fruͤh dieſe Linie bearbeitet wurde.
ſchrieben. Es laͤßt ſich wohl mit Grunde vermuthen, daß ſeine Vor-
ſtellungen jene Inhibition hervorbrachten. Die Majoritaͤt der Pro-
teſtanten war ihm wie geſagt ein Greuel: „non vole dir altro
l’aver gli eretici l’autorità maggiore e li più voti in quel senato
che un ridurre i catolici d’Alemagna a disperatione.“
convoquée en la ville de Melun, faite au roi Henry III le 3
juillet 1579. Recueil des actes du clergé tom. XIV. Auch hat
Thuanus einen Auszug.
Dovemo maravigliarci, umanamente parlando, che le cose non
siano in peggiore stato di quello che si trovano: poichè per
gratia di Dio, con tutto il poco pensiero che li è stato messo
e che se li mette, è sminuito il numero degli Ugonotti 70 0/0 et
è grande il zelo et il fervor che mostrano cattolici nelle cose
della religione.
ſchenswuͤrdigkeit der Thronfolge eines Guiſen verfaßt: della incli-
natione de’ cattolici verso la casa di Ghisa e del servitio che
riceverà la christianità et il re cattolico della successione di uno
di quei principi. Sie ward nach Spanien geſchickt: man ſchrieb
ſie dem Cardinal Eſte zu. Dispaccio Veneto 1584 1mo Dcbr.
vielleicht die wichtigſte Mittheilung in dem ganzen vierten Bande
von Capefigue: Réforme etc. S. 173.
10. Infimis foederatorum precibus et regis Philippi supplica-
tione hortatuque haud aegre se adduci est passus ut Hugonotas
eorumque duces coelestibus armis insectaretur.
Ligue in Frankreich: in dem Leben des Cardinals Oſſat I, 44.
346. „Il re, tutto che sia monarca si grande, è altrettanto po-
vero: e quanto è povero, è altrettanto prodigo: dimostra insigne
pietà, e nel stesso tempo aborrisce la sagra lega: è in campo
contra gli heretici, e pure è geloso de’progressi catolici.“
hieruͤber eigenthuͤmliche Notizen. Den Stifter nennt er Carlo Ot-
tomani, „cittadino onorato“: der ſich zuerſt den Predigern mit-
theilt. Gleich in ihrer erſten Zuſammenkunft traͤgt Ottomani auf
eine Vereinigung mit den Prinzen an; in der zweiten, 25. Januar
1587, beſchließt man 16 Maͤnner zu ernennen, einen fuͤr jedes Quar-
tier, a cui si riferisse da persone fidate quanto vi si facesse e
dicesse appartenente a fatti publici; in einer dritten, am Lichtmeß-
tag, wird ein Rath aus 10 Perſonen beſtehend ernannt, mit dem
Rechte Abgaben aufzulegen, und es wird ſogleich eine Geſandtſchaft
an Guiſe abgeordnet. Zu alle dem was wir bei Cayet aus Ma-
naut und Maheutre, bei Poulain, Thou und Davila finden, giebt
dieß doch noch einige Momente.
— — giurarono tutti una scambievol lega non sola defensiva
ma assoluta. (Anon. Capit.)
popularis aurae et infaustae potentiae ostentatione contentus
Henricum incolumem abire permittit.“ (l. l. 38.)
heißt: bei Lauffer: Beſchreibung helvetiſcher Geſchichte Bd. X.
S. 331.
ders in der auf die Relationen des Nuntius gegruͤndeten Erzaͤhlung
des Anonymo Capitol. hervor, auf den wir bei der Kritik des Tem-
peſti zuruͤckkommen wollen.
Corps diplomatique V. I, p. 459.
tha I, p. 349.
also by witnesses and all other means and ways you can de-
vise“. — Es haͤtte wenigſtens heißen muͤſſen: „lawful means and
ways“. Neal: History of the puritans T. I. p. 414.
fiteor et angelis ejus, coram coelo terraque, coram mundo et
hoc cui adsto tribunali, — me nec criminis laesae majesta-
tis nec perduellionis nec ullius in patriam conjurationis esse
reum.“ etc.
faͤngt an mit einer peculiaris descriptio crudelitatum et immani-
tatum schismaticorum Angliae regnante Henrico VIII, und
ſchließt mit: Inquisitionis Anglicanae et facinorum crudelium
Machiavellanorum in Anglia et Hibernia a Calvinistis protestan-
tibus sub Elizabetha etiamnum regnante peractorum descriptiones.
Man ſieht alle die unerhoͤrten Martern abgebildet: ein entſetzlicher
Anblick.
volte tanto. Il papa vorria che si fingesse d’andar contra Draco
e si piegasse poi in Inghilterra.“
vuol poi bravar con lei (S. Sà).
1572: The saftie of our Quene and Realme yf God wil:
furtwith to cutte of the Scotish Quenes heade: ipsa est nostri
fundi calamitas. — — Ellis Letters: second series t. III, p. 25.
27 Giugno 1587. Il papa fa gran offerta al re per l’impresa
d’Inghilterra, ma vuole la denomination del re e ch e’l regno
sia feudo della chiesa.
gliae edictum responsio § 146. 147. „Nulla“ fuͤgt er hinzu
„ipsorum fortitudine repulsa vis est, sed iis potius casibus qui
saepissime in res bellicas solent incidere, aëris nimirum incle-
mentia, maris incogniti inexperientia [nonnullorumque] fortassis
hominum vel negligentia vel inscitia, dei denique voluntate, quia
forte misericors dominus arborem infructuosam dimittere adhuc
voluit ad tertium annum evangelicum.“
sentito molto questo accidente di mala fortuna, così mostra di
esser più che mai risoluto di seguitar la impresa con tutte le
sue forze. — 11 Ott. S. Mà sta ardentissima nel pensar e trat-
tar le provisioni per l’anno futuro. — 1 Nov. „Si venderanno“
habe der Koͤnig ausgerufen „esti candellieri, quando non vi sia
altro modo di far danari.“
Breve von ihm ausgebracht, „che li concesse poter esser assolto
da qualsivoglia peccato anco riservato alla sede apostolica, col
quale si voglia hora coprire il grave peccato che ha fatto.“
(Dispaccio Veneto.)
ihrer ganzen Ausdehnung, als das Schreiben an Moroſini. „Es-
sendo ammazzato il Cardinale“ heißt es darin „in faccia di V.
Sria Illma, legato a latere, come non ha publicato l’interdetto,
ancorchè gliene fossero andate cento vite?“
la sua negligentia di non haver fatto dipoi mesi 5 che gli è
stato ammazzato un cardinale e tenutone un’ altro prigione con
un arcivescovo, alcuna rimostratione o provisione. Dubita dell’
ira di dio“ etc.
successo della morte del re di Francia si ha da conoscer dal
voler espresso del Sr Dio, e che perciò si doveva confidar
che continuarebbe al haver quel regno nella sua protettione.
importava che’l fosse eletto più del sangue che di altra fami-
glia, essendo ciò altre volte occorso, ma mai eretico dopo la
nostra religione: che Savoia, Lorena e forse anche Umena
pretendeva la corona: che S. Sà non vuol favorir l’uno più
che l’altro. Ein Auszug aus der Inſtruction bei Tempeſti II,
233.
fica con molte ragioni della impresa che’l sopradetto duca ha
fatto del marchesato di Saluzzo con sua participatione. (Dis-
paccio Veneto.)
welche ſchon Tempeſti II, 236 aufgenommen hat.
responsio (1582) bemerke ich folgende Stelle: Si reges deo et
dei populo fidem datam fregerint, vicissim populo non solum
permittitur, sed etiam ab eo requiritur ut jubente Christi vica-
rio, supremo nimirum populorum omnium pastore, ipse quoque
fidem datam tali principi non servet.
pontifex simpliciter et absolute est supra ecclesiam universam
et supra concilium generale, ita ut nullum in terris supra se ju-
dicium agnoscat.
juris divini necessitate ac praecepto, imo conscientiae vinculo
arctissimo et extremo animarum suarum periculo ac discrimine
Christianis omnibus hoc ipsum incumbit, si praestare rem pos-
sunt. n° 160. Incumbit vero tum maxime — — cum res jam
ab ecclesia ac supremo ejus moderatore, pontifice nimirum Ro-
mano, judicata est: ad illum enim ex officio pertinet religionis
ac divini cultus incolumitati prospicere et leprosos a mundis ne
inficiantur secernere.
pontificem ut pontificem, etsi non habeat ullam meram tempo-
ralem potestatem, tamen habere in ordine ad bonum spirituale
summam potestatem disponendi de temporalibus rebus omnium
Christianorum.
personas, non potest papa ut papa ordinarie temporales princi-
pes deponere, etiam justa de causa, eo modo quo deponit epi-
scopos, id est tanquam ordinarius judex: tamen potest mutare
regna et uni auferre atque alteri conferre tanquam summus
princeps spiritualis, si id necessarium sit ad animarum salu-
tem: etc. etc.
hundert vorgetragenen Saͤtze aufs neue zuſammen. Schon Thomas
von Aquino hat den Vergleich der hier eine ſo große Rolle ſpielt:
„Potestas secularis subditur spirituali sicut corpus animae.“
Bellarmin fuͤhrt in dem Tractatus de potestate summi pontificis
in rebus temporalibus adversus G. Barclajum uͤber 70 Schrift-
ſteller aus den verſchiedenen Nationen auf, von welchen die Macht
des Papſtes ungefaͤhr eben ſo verſtanden werde wie von ihm.
lecti, autore Emanuele Sa, nuper accurate expurgati a revmo
P. M. sacri palatii, ed. Antv. p. 480. Doch fuͤgt der Autor,
gleich als habe er damit zu wenig geſagt, noch hinzu: Quidem ta-
men juris periti putarunt summum pontificem suprema civili po-
testate pollere.
publicam privari ob tyrannidem et si non faciat officium suum
et cum est aliqua causa justa, et eligi potest alius a majore
parte populi: quidam tamen solum tyrannidem causam putant.
tholicae et apostolicae adversus Anglicanae sectae errores lib.
III: de summi pontificis supra temporales reges excellentia
et potestate. Man ſieht, daß der Lehrſatz Bellarmins von dem
Rechte des Volkes die uͤbertragene Gewalt wieder zuruͤckzunehmen
beſondern Widerſpruch erregt hatte.
Jac. Clemens — — cognito a theologis, quos erat sciscitatus,
tyrannum jure interimi posse — caeso rege ingens sibi nomen
fecit.
S. 194. heißt es: L’église seigneurie les royaumes et estats de
la chretienté, non pour y usurper puissance directe comme sur
son propre temporel, mais bien indirectement pour empescher
que rien ne se passe au temporel qui soit au prejudice du ro-
yaume de Jesus Christ, comme par cydevant il a été declaré
par la similitude de la puissance de l’esprit sur le corps. Fer-
ner: La difference du prestre et du roi nous eclaircit cette ma-
tiere, le prestre estant de dieu seul, ce qui ne se peut dire du
roi. Car si tous les rois etoient morts, les peuples s’en pour-
roient bien faire d’autres: mais s’il n’y avoit plus aucun prestre,
il faudroit que Jesus Christ vint en personne pour en faire de
nouveaux (p. 162).
in den Additions au journal de Henry III tom. I, p. 317.
nur auf ſechszig an, und will ihre Einſtimmigkeit nicht Wort ha-
ben, obwohl jenes Document woͤrtlich ſagt: audita omnium et sin-
gulorum magistrorum, qui ad septuaginta convenerant, delibera-
tione — — conclusum est nemine refragrante — —.
Machiavell, das ſchon 1595 fertig war und dem Prinzen von Spa-
tado de la religion y virtudes que deve tener el principe Chris-
tiano para governar y conservar sus estados, contra lo que Ni-
colo Machiavello y los polìticos d’este tiempo enseñan. Anve-
res 1597. Die Fuͤrſten, meint er, ſeyen Diener der Kirche, aber
nicht Richter derſelben: bewaffnet um die Ketzer, Feinde und Rebel-
len der Kirche zu zuͤchtigen, aber nicht um ihr Geſetze zu geben oder
[den] Willen Gottes zu erklaͤren. Er bleibt bei dem Gleichniß von
Seele und Leib. Das Reich der Erde, wie S. Gregorio ſage, muͤſſe
dem Reiche des Himmels dienen.
ex Henrici Borbonii regis in regnum Franciae constitutione, —
— opus — — a Tossano Bercheto Lingonensi e Gallico in La-
tinum sermonem conversum. Sedani 1590 Cap. II.
die 1588 zu Paris erſchienen, bei Cayet. Collection universelle
des mémoires tom. 56, p. 44.
soluto imperio et singulis regni partibus a reliquo corpore divi-
sis potentiores fore.“
p. 104, Griſelinis Denkwuͤrdigkeiten Fra Paolos p. 40. 78, und
in einigen Stellen bei Foscarini finden wir Nachrichten von dieſem
ridotto Mauroceno. Außer den Genannten gehoͤrten noch Peter und
Jacob Contarini, Jacob Moroſini, Leonardo Mocenigo, der jedoch
nicht ſo regelmaͤßig kam wie die Andern, Antonio Quirini, Jacob
Marcello, Marino Zane, Aleſſandro Malipiero, der ſo alt er auch
war doch den Fra Paolo regelmaͤßig nach Hauſe begleitete, zu je-
ner Geſellſchaft.
p. 548.
V, p. 78).
parlar della fossa che li re dell’ Egitto non havevano fatta per
passar del mare rosso nel mar mediterraneo. Zuweilen hat er
die Abſicht Egypten allein anzugreifen. Scoprì la causa del desi-
derar danari per impiegarli in una armata che vorria far solo
per l’impresa dell’ Egitto e pagar quelle galee che ajutassero
a far quella impresa.
berg Ml de France sous Henry III, in den hohenbaumſchen Hand-
ſchriften der k. Hofbibliothek zu Wien Nr. 114: Quelque tems après
la mort de Mr de Guise avenue en Blois il fut proposé par le
Cl de Moresino de la part de Sa Sainteté, que si S. M. vou-
loit declarer le marquis de Pom (? wahrſcheinlich verſchrieben) son
neveu heritier de la couronne et le faire recevoir pour tel avec
solemnitez requises, que S. S. s’assuroit que le roy d’Espagne
bailleroit en mariage audit marquis l’infante et qu’en ce faisant
tous les troubles de France prendroient fin. A quoi le roy etant
pour lors etoient pres de S. M., Mr de Schomberg rompist ce
coup par telles raisons, que ce seroit l’invertir l’ordre de France,
abolir les loix fondamentales, laisser à la posterité un argument
certain de la lâcheté et pusillanimité de S. M. Es iſt wohl wahr,
daß Schomberg ſich ein Verdienſt daraus macht dieſe Abſicht ruͤckgaͤngig
gemacht zu haben; aber darum moͤchte ich doch nicht ſogleich ſagen,
daß ſie ganz aus der Luft gegriffen waͤre. Das Memoire, welches
die Rechtmaͤßigkeit der Anſpruͤche Heinrichs IV. ausfuͤhrt, hat noch
darin eine gewiſſe Gewaͤhr der Echtheit fuͤr ſich, daß es dort un-
ſcheinbar unter andern Papieren liegt. Nur iſt es merkwuͤrdig, daß
davon weiter nichts verlautet ſein ſoll.
avanti con questo Navarra che si stia a veder“ etc.
lange, daß die Geſandten ſagen: wenn ſie alles ſchreiben wollten,
ſo wuͤrde man anderthalb Stunden im Senate brauchen um es vor-
zuleſen. Unter andern trotzt er noch fortwaͤhrend auf die Wirkung
der Excommunication. Tre sono stati scommunicati, il re passato,
il principe di Conde, il re di Navarra. Due sono malamente
morti, il terzo ci travaglia e Dio per nostro esercitio lo man-
tiene: ma finirà anche esso e terminarà male: dubitiamo punto
di lui. — 2 Dec. Il papa publica un solennissimo giubileo per
invitar ogn’uno a dover pregar S. Divina Mà per la quiete et
mand ſehen „per viver a se stesso et a sue divotioni.“
quasi privi d’ogni speranza.“
contentarsene (ihnen ſeinen Segen zu geben) e di essersi lasciato
vincer da noi.
pinione de’ cardinali e d’altri prelati che lo stimulano a dover
soa creatura fusse di tutti tanto celebrato. Il clmo Morosini
acquista molto honore e riputatione per la soa relatione delle
cose di Francia.
suo pedante (ſein Informator, wuͤrden wir ſagen) in quello che
ha studiato tutto il tempo della vita sua. Soggiunse che have-
ria caro che la regina d’Inghilterra, il duca di Sassonia e tutti
gli altri andassero a suoi piedi con bona dispositione. Che dis-
piacerà a S. Sà che andassero ad altri principi (zu verſtehn ka-
tholiſchen) et havessero communicatione con loro, ma si conso-
lava [quando] vadino a suoi piedi a dimandar perdono. In man-
cherlei Formen wiederholt er dieſe Meinungen in jeder Audienz.
folgende Fragen vorgelegt: li ha ricercato la risposta sopra le tre
cose, cioè di licentiar Lucenburg, iscommunicar li cli et altri
prelati che seguono il Navarra, e prometter di non habilitar
mai esso Navarra alla successione della corona: — und eine Pro-
teſtation angekuͤndigt. Der Papſt hatte darauf mit der Excommu-
cation gedroht: Minaccia di iscommunicar quei e castigarli nella
tano in Francia il Navarra e tutti gli altri che quovis modo li
dessero ajuto, e che dichiari esso Navarra incapace perpetua-
mente alla corona di Francia: altramente che il re suo si leverà
dalla obedienza della chiesa, e procurerà che non sia fatta in-
giuria alla causa di Christo e che la pietà e la religione soa
sia conosciuta.
dolo inanzi e serrandogli in faccia la porta.
sua propria mano, che procurerà sempre con tutte le sue forze
spirituali e temporali che mai riesca re di Francia alcuno che
non sia di compita sodisfattione alla S. Catca Mà. Schon im
Januar 1590 ſagen die Geſandten: Il papa nelle trattationi parla
con uno ad un modo con suoi disegni et ad un altro con altri
(disegni).
ris en l’an 1590 bei Villeroy: Mémoires d’estat tom. II, p. 417.
der Papſt 15000 zu Fuß und 2000 zu [Pferd] ausruͤſten. Li am-
basciatori sollicitano con li cardinali la conclusione e sottoscrit-
tione del capitolato (Disp. 14 Luglio). In der Congregation legte
der Papſt die Frage vor: an electio regis Franciae vacante prin-
cipe ex corpore sanguinis spectet ad pontificem. — Esortato a
ſchafter den Papſt vor ſaͤchſiſchen Einfluͤſterungen warnt. L’amba-
sciatore dell’ imperatore prega il pontefice di non voler ascoltare
quel huomo che vien detto esser mandato dal duca di Sassonia,
in quello che fusse di pregiuditio del suo patron e della casa
d’Austria: e così li vien promesso.
far qualche cosa (Disp. 28 Luglio). Indeſſen heißt es im Disp.
21 Luglio: Laodigeres haveva mandato un suo huomo a trattar
con S. Sà, il quale ha trattato lungamente seco.
di Roma. Die Depeſchen vom 17. Merz, 7. April, 28. April, 12.
Mai, 2. Juni enthalten Details hieruͤber.
sta elettione) fu guidata dal cardl Sforza (capo delle creature
di papa Gregorio XIII) e da cardinali Genovesi. In einer De-
peſche des franzoͤſiſchen Geſandten Maiſſe in Venedig in F. v. Rau-
mers hiſtor. Briefen I, 360 findet ſich, der Sforza habe den Co-
lonna, der bereits auf dem paͤpſtlichen Stuhle Platz genommen, von
demſelben wieder heruntergezogen; doch iſt das wohl nicht woͤrtlich
zu verſtehn.
si trova senza ajuto nissuno per servitio della christianità fa
che gli si debbia condonare.
che farebbe una vergogna. Concl. della sede vacante di Ur-
bano VII.
zone gefeiert: Da gran lode immortal.
ben des Platina befindlich.
conseil des seize quartiers de la ville de Paris: bei Cayet: Chro-
nologie novenaire. Mémoires coll. univ. tom. LVII, p. 62.
aucune division. Ce qui fut entretenu jusques au temps de la
publication des bulles monitoriales du pape Gregoire XIV, que
d’aucuns volurent engendrer un tiers party et le former des ca-
tholiques, qui étoit dans le party royal.
pagnols vouloient retablir leur reputation. Doch iſt das nur falſch
uͤberſetzt: in dem MS, welches die Grundlage dieſes Buches iſt: Con-
p. 763, ſollte es ſcheinen als ſey Innocenz nicht ſo ganz fuͤr die Li-
racquistata autorità, was der Lage der Sachen wirklich entſpricht.
gloriosa memoria in quel celebre giorno di S. Bartolommeo
lietissimo a’ cattolici.“
hebt alle Zweifel.
partire di Roma per il governo di Sicilia tutto preordinato.
handſchriftlichen Conclaven auch die Erzaͤhlung S. Severinas ſelbſt,
die ich in den Anhang aufnehmen will.
Scrittori d’Italia I, I, p. 392 hat wie gewoͤhnlich einen ſehr flei-
ßigen und belehrenden Artikel bei dieſem Namen: vollſtaͤndig aber
iſt er nicht. Unter andern fehlt ſogleich ſeine venezianiſche Thaͤtig-
keit, mit deren Erwaͤhnung Joh. Delfino ſeine Relation beginnt, ſo
daß ſich an der Sache nicht zweifeln laͤßt: Silvestro Aldobrandini
ne’ tempi della ribellione di Firenze cacciato da quella città se
ne venne qui, riformò li nostri statuti e rivedde le leggi et or-
dini della republica.
Salvestro, che fu luogotenente qui: hebbe nome Ippolyto.
einer Woche.
wie Julius II, er baue wie Sixtus V, er reformire wie Pius V,
er wuͤrze dabei ſeine Geſpraͤche mit Witz. Dann kommt folgende
Schilderung. Di complession flemmatico e sanguigno, ma con
qualche mistura di colera, di corporatura carnoso e grasso, di
costumi gravi e modesti, di maniera dolce et affabile, nel moto
tardo, nelle attioni circonspetto, nell’ esecutioni cuntatore:
quando non risolve, premedita. — E tenace del secreto, cupo
nei pensieri, industrioso nel tirarli al fine.
che per l’inanzi li da molestia al presente per la sua bona re-
gola di viver, nel quale da certo tempo in qua procede con
grandissima riserva, e con notabile astinenza nel bere: che le
giova anco moltissimo a non dar fomento alla grassezza, alla
quale è molto inclinata la sua complessione, usando anco per
questo di frequentare l’esercitio di caminar longamente sempre
che senza sconcio de’ negozi conosce di poterlo fare, ai quali
nondimeno per la sua gran capicità supplisce.
derio del ben publico.
alteration di S. Beat.“
ceschis Erklaͤrung war: „che crede che il papa l’admetteria, ma
che vuole levare li cattolici fuori di dubio et ogni ombra che
admettendolo riceve ambasceria di Navarra.“
p. 810.
pouvoir heureusement reprimer et anéantir du tout les efforts
et mauvais desseins des heretiques. C’est la chose du monde
que plus S. S. presse et desire. (Bei Cayet 58, 351).
mit, die in der erſten Verſammlung gemacht wurden.
ſein Schreiben an den Großherzog von Toscana vom 26ſten d. M.
Galluzzi: Storia del granducato s. V p. 160.
charge qu’il envoyeroit vers sa Sté la requerir d’approuver ce
qu’ils avoient fait. Cayet: 58, 390.
par le duc de Sessa: doch nicht ſehr authentiſch und vorlaͤngſt in
den Mémoires de mr le duc de Nevers II, p. 716 gedruckt, in
Capefigue Histoire de la réforme tom. VII jedoch als etwas neues
mitgetheilt.
richs. II papa non s’era per tali avisi molto alterato e tuttavia
restava con l’animo molto involto nelli suoi soliti dubbj e per-
plessità. Dem venezianiſchen Geſandten ſagt er, Heinrich ſey und
bleibe ein haereticus relapsus, man koͤnne auf ſeine Aenderung ſich
nicht verlaſſen.
1593 in consistorio. Mém. de Nevers II, 638.
en l’année 1593 und Discours de la legation de mr le duc de
Nevers: beide im zweiten Bande der angefuͤhrten Memoiren von
Nevers, die erſte ziemlich woͤrtlich bei Cayet. Auszuͤge bei Thuan,
Davila und neuerdings, gleich als aus unbekannten Acten gezogen,
bei Capefigue.
perat adhuc praeteriti naufragii fluctuatio ut nondum tabulas
omnes atque armamenta disjecta collegerimus.
improbi, mens anxia recordatione criminum atque unius potis-
simum quod matrem aliquando verberasset. — — Conscientia
criminum ultrix mentem efferatam diro vexare pergebat metu:
quem ut leniret, immane parricidium impos mentis an potius
erebi furiis incitatus designat, quo tanquam de religione ac
regno bene meritus peccatorum veniam facilius, ut demens re-
putabat, consequeretur.
Papſt in franzoͤſiſchen Angelegenheiten „meglio inclinato che nel
passato“.
d’Ossat I, 53.
bien l’authorité et la faveur de ce siége estant entre vos mains
vous peut servir d’un utile instrument non seulement pour re-
mettre et conserver vos sujets en paix et en obeissance, mais
aussi pour vous preparer toutes sortes de grandeur hors de vo-
stre royaume, et a tout le moins pour tenir vos ennemis en
quelque crainte et devoir par l’apprehension de la meme auto-
rité dont ils se sont aydez pour troubler vos estats et vos peu-
ples, ce seroit un discours superflu. Les ambassades du cardi-
nal du Perron I, 27.
I, 160.
gewagt. Dolfino Relatione: I più gravi negotii il papa ha sa-
puto espedire e molto bene e molto ancora con gran celerità:
perchè con tanti contrarj quanti ogn’uno sa benedisse il re di
Francia, lo accettò nel grembo della chiesa, mandòli un le-
gato nel tempo che tutti lo ributtavano sotto pretesto che non
fosse sua dignità mandarlo avanti che’l re mandasse il suo
ambasciatore a Roma, et in quello l’autorità della Sria Vra giovò
die Ceremonie leichten Fußes hinweg. Tout s’y est passé, ſagt er,
convenablement à la dignité de la couronne très chrétienne.
Nicht Alle theilten dieſe Meinung.
tempo io aveva fatto a nome di lei.
ſiebzehnten Jahrhunderts behauptet, der Herzog habe die Bauern,
welche die Pflicht hatten am Po zu arbeiten, bei ſeinem Landgut Me-
ſola verwendet, ſo daß dort alles in Verfall gerathen ſey und nicht
habe wieder hergeſtellt werden koͤnnen. (Inff. politt. tom. IX.)
Hauptſaͤchlich Manolesso: Relatione di Ferrara. Il duca non è
così amato come li suoi precessori e questo per l’austerità et esat-
tioni che fa Christofano da Fiume cognominato il Frisato (Sfre-
giato) suo gabelliere. — Il Frisato s’offerse di vendere miglior
mercato le robbe a beneficio del popolo di quello che facevano
gli altri e di darne molto utile a S. Eccza: piacque il partito
al duca: — ma se bene il Frisato paga al duca quello che gli
ha data intentione, non sodisfa però al popolo, vendendo la
robba cattiva quanto alla qualità e molto cara quanto al prezzo.
Da questa (stirpe) fia servato ogni valore,
ogni bontade et ogni cortesia,
amore, leggiadria, stato giocundo
tra quella gente fiorita nel mundo.
Non pur di mura e d’ampli tetti regj,
ma di bei studi e di costumi egregi.
nelli rolli della militia dal commissario della battaglia a ciò de-
putato tutti i sudditi atti a portar armi. Erano costretti a
starne provisti per haver da servire nell’ occasioni a piedi o a
cavallo secondo le forze delle loro facoltà e godevano essi al-
cune esentioni.
tempio d’amore, bei Muratori, Seraſſi und Frizzi.
la filosofia morale, e scrive l’istoria della casa d’Este: è ora-
tore filosofo e poeta molto eccelente: possiede benissimo la lin-
gua Greca, e servendo il suo principe ne’ negotii e trattando e
iscrivendo quanto occorre, non tralascia però i studi, et in tutte
le professioni è tale che pare che ad una sola attenda.
Regentſchaft gefuͤhrt, nach Manoleſſo „con infinita sodisfattione
de’ sudditi“: — non ha preso, faͤhrt er fort, nè vuol prendere
marito, per esser di debolissima complessione: è però di gran
spirito.
ders aus als oben: Perchè io conosceva, ſagt er in einem Schrei-
ben an den Herzog von Urbino, il duca per natural inclinatione
dispostissimo alla malignità e pieno d’una certa ambitiosa alte-
rezza, la quale egli trae della nobiltà del sangue e della co-
noscenza ch’egli ha del suo valore, del quale in molte cose non
si da punto ad intendere il falso — — (Lettere n. 284. Opere
tom. IX, 188.)
lità et urgente necessità — — il che fu fatto per aprire la strada
all’ intentione del Sr duca. Der Cardinal S Severina behaup-
tet, daß er es vorzuͤglich geweſen der die Abſicht ruͤckgaͤngig gemacht
habe, obwohl mit großer Schwierigkeit und unter vielem Wider-
ſpruch: auch habe der Papſt jenen Zuſatz endlich bereut.
es ſey kein Zweifel, daß Gregor XIV. etwas fuͤr Ferrara gethan
haben wuͤrde. Aus der Congregation ſey er entruͤſtet weggegangen,
und daruͤber ſey er krank geworden. Alfonſo geht nach einer Villa
des Cardinal Farneſe „aspettando o vita o morte di questo papa.
Venne la morte. Il duca ritornò.“
morte del duca Alfonso (Ms. Barber.) Il duea fra l’anno con-
cessogli di tempo alla dichiaratione scrisse di suo pugno una
lettera all’imperatore e nominò Don Cesare, pregando calda-
mente S. M. Cesa che in confirmatione del nominato sottoscri-
vesse la sua, quale sigillata senza publicare il fatto la riman-
dasse indietro per il conte Ercole Rondinelli, non conferen-
dogli altramente il negotio. Il tutto faceva S. A. acciò Don
Cesare non s’insuperbisse nè della nobiltà fusse riverito e cor-
teggiato come lor principe.
ſagt dagegen: Con gran strettezza de’ danari, senza metter mano
a quelli del castello per conservar la riputatione della chiesa, in
poco più di un mese ha posto insieme un esercito di 22 m.
fanti e 3 m. cavalli.
lib. I. Cesare nel principio si mostrò molto coraggioso in vo-
ler difender le sue ragioni, o perchè non prevedeva il contrasto
o pur perchè gl’ inesperti come nei vicini pericoli s’atterri scono
così nelli lontani si manifestano intrepidi. Uebrigens enthaͤlt die
Erzaͤhlung Contarinis ſehr viel gute exacte und eindringende Noti-
zen uͤber dieß Ereigniß.
Vi è un pensiero radicato a buon fundamento che la benedizione
data al re di Franza sia stata offesa tale al cattolico et a Spa-
gnuoli che non siano per scordarsela mai, e pare a S. Sà es-
serne molto ben chiarita in questa occasione di Ferrara.
soli consiglieri, de’ quali molti, per la ritiratezza nella quale era
vissuto così volendo chi comandava, non conosceva se non di
faccia, et egli non sufficiente di prender risolutione da se, va-
cillava nei concetti perchè quelli che consigliavano erano pieni
di passioni particolari e per le speranze di Roma in cui mira-
vano infetti di grandi contaminationi. Auch Oſſat Lettres I, 495
fuͤhrt als die Urſache ſeines Ungluͤckes an: le peu de fidelité de ses
conseillers mêmes, qui partie pour son peu de resolution par-
tie pour avoir des rentes et autres biens en l’etat de l’eglise et
esperer et craindre plus du st. siége que de lui, regardoient au-
tant ou plus vers le pape que vers lui.
soldati se escusò che lui ivi dimorava nè era ancora partito
per Bologna (woher er doch eben kam: er war eine Strecke vor
dem Thore vom Pferde geſtiegen), e ragionando si pose fra loro
a sedere, finalmente assicurato si licentiò della guardia, entrò
nella città, presentò al vescovo la scommunica con la lettera
del arcivescovo di Bologna. (Relatione di quello che etc.)
cilmente si rimette nell’ arbitrio dell’ inimico che nella confi-
denza dell’ amico, andò (Cesare) a ritrovare la duchessa d’Ur-
bino, et a lei, la qual ben sapeva haver pur troppo intelligenza
col C1 Aldobrandino, rimise ogni sua fortuna. Accettò ella al-
rato. — — Con molta comitiva quasi trionfante, accompagnata
dal marchese Bentivoglio, capo delle militie del duca, faceva il
suo viaggio. Er findet Lucrezia „di pensieri torbidi: benchè si-
mulasse altrimente, era non di meno di lungo tempo acerrima
nemica di Don Cesare.“
dato il patriarcato latino di Constantinopoli. Il Saciato fu creato
auditor di rota. Ad altri si dispensarono abbatie.
di far una citadella della parte verso Bologna, per la poca so-
disfattione che ha la nobilità per non esser rispettata dalli mini-
stri della giustitia e che non li siano per esser restituiti le en-
trate vecchie della communità — dolendosi di esser ingannati.
458. Delfino: Li pericoli di Marsiglia fecero stare il papa in
gran timore e li nepoti: la perdita di Cales e poi quella di
Amiens apportò loro gran mestitia e massime che si dubitò al-
lora per le voci che andavano attorno di peggio, temendo quelli
che ogni poco che cadeva più la riputatione de’ Francesi, i Spa-
gnoli non avessero mostrato apertamente lo sdegno che hanno
avuto della resolutione (absolutione?) loro e la sua mala vo-
lontà: per questa causa principalmente hanno avuto carissimo
il bene della Franza.
senza patrone, vecchio, privo di tutti i denti e povero. Lau-
detur deus.“
war das Verhaͤltniß ſchon ermaͤßigt, obwohl noch wenig. Auf 39
Mitglieder kamen 24 Spanier.
ardus lib. I: Horum origo motuum duplex fuit, studia natio
num et neophytorum in Hispania odium.
c. XII. La nacion española està persuadida queda para sem-
pre excluida del generalato. Esta persuasion, sea verdadera
sea falsa, no puede dexar de causar disgustos y disunion tanto
mas que esta nacion fundò la compañia, la honrò, la enseñò y
aun sustentò largo tiempo con su substancia.
— — porque son mas entremetidos saben lamer a sus tiempos.
mens VIII. wichtig: abgedruckt in der tuba magnum clangens so-
num ad Clementem XI p. 583. Videmus cum magno detri-
mento religionis nostrae et scandalo mundi quod generalis nulla
habita ratione nec antiquitatis nec laborum nec meritorum facit
quos vult superiores et ut plurimum juvenes et novicios, qui
sine ullis meritis et sine ulla experientia cum maxima arrogan-
tia praesunt senioribns: — — et denique generalis, quia homo
est, habet etiam suos affectus particulares, — — et quia est
Neapolitanus, melioris conditionis sunt Neapolitani.
riis seu vere seu falso delatus ad provincialem tum Castellae,
Antonium Marcenium, erat de tentata puellae per sacras confes-
siones pudicitia, quod crimen in Hispania sacrorum quaesitorum
judicio reservabatur.
tis quintae tomus posterior XI, 21 und XXV, 33—41.
dri assistenti, MS der Bibl. Corſini n. 1055, welche die Momente
der innern Entzweiung im Ganzen recht gut und uͤbereinſtimmend
mit Mariana darſtellt, laͤßt man Aquaviva uͤber ein Geſpraͤch, das
er mit dem Papſt hatte, folgendes berichten: S. Stà disse che io
non aveva sufficiente notizia de’ soggetti della religione, che io
credulo. — Zu den Urſachen weshalb eine Congregation nothwendig
ſey, rechnet man auch dieſe: Perchè molti soggetti di valore, che
per non esser conosciuti più che tanto da’ generali non hanno
mai parte alcuna nel governo, venendo a Roma in occasione
delle congregationi sarebbero meglio conosciuti e per conse-
guenza verrebbero più facilmente in parte del medesimo governo,
senza che questo fosse quasi sempre ristretto a pochi.
nennt, „societas domesticis motibus agitata“ hieruͤber ausfuͤhr-
liche Nachrichten, welche hier zu Grunde liegen.
rente III, 83
vinae gratiae p. 8. y dado a censurar, fue dicho por aquellos
censores (Mariana und Serry reden ſogar von der Inquiſition)
que aquel libro era el mas peligroso, temerario y arrogante
que jamas havia salido in semejante materia, y que si se metia
en pratica lo que contenia, causaria infinitos daños y alborotos
en la republica christiana.
Streitigkeiten hat man immer fuͤr noͤthig gehalten die Ausgaben von
Liſſabon 1588, von Antwerpen 1595 und von Venedig ſorgfaͤltig zu
unterſcheiden, weil ſie alle von einander abweichen.
ausgeſetzt: allein es wird damit eigentlich nur der natuͤrliche Zu-
ſtand des freien Willens bezeichnet, der allerdings nicht ohne Gott
ſo iſt wie er iſt: Deus semper praesto est per concursum gene-
ralem libero arbitrio, ut naturaliter velit aut nolit prout pla-
cuerit. Das iſt ungefaͤhr ſo, wie bei Bellarmin natuͤrliches und
goͤttliches Recht identificirt werden, weil Gott der Urheber der Na-
tur iſt.
Dum homo expendit res credendas — — per notitias conciona-
toris aut aliunde comparatas, influit deus in easdem notitias in-
fluxu quodam particulari quo cognitionem illam adjuvat.
in den Behauptungen der Jeſuiten Leß und Hamel 1585 zu Loͤwen:
Propositiones in Lessio et Hamelio a theologis Lovaniensibus
notatae: ut quid sit scriptura sacra, non est necessarium singula
ejus verba inspirata esse a spiritu sancto. Von den Worten gehn
ſie ſogleich zu den Wahrheiten fort: non est necessarium ut sin-
gulae veritates et sententiae sint immediate a spiritu sancto ipsi
scriptori inspiratae. Die weſentlichen Behauptungen Molinas fin-
den ſich bereits, wenigſtens zum Theil, in dieſen Saͤtzen; auch wird
darin auf ihre voͤllige Abweichung von den proteſtantiſchen aufmerk-
ſam gemacht: haec sententia — — quam longissime a sententia
Lutheri et Calvini et reliquorum haereticorum hujus temporis
recedit, a quorum sententia et argumentis difficile est alteram
sententiam (die auguſtiniſche und thomiſtiſche) vindicare.
locupletissimus, wie ihn Serry nennt. Cerniendo (Molina) lo que
verisimilmente podia suceder de que su libro fuese prohibido y
quemado, porque assi se lo avia asomado el inquisitor general,
luego lo avisò a Roma, donde por obra y negociacion de su
general su santidad avocò a se esta causa, ordinando a la in-
quisicion general que no la concluyesse ni diesse sententia.
litik in Verbindung gekommen; jedoch ergibt ſich aus Bentivoglio
Memorie II, 6 p. 395, wie ſehr Cardinal Aldobrandini bei den
Unterhandlungen von Lyon auf ihr Intereſſe Ruͤckſicht nahm: und
gleich damals gab der Koͤnig eine guͤnſtige Erklaͤrung (Le roi au
cardl Ossat 20 janv. 1601).
vous diray-je que Mr le Cl Tolet a fait des miracles et s’est
monstré bon Français.
Gretseri opera tom. XI, p. 280.
ghilterra, excerpirt in Siri: Memorie recondite I, p. 247.
e contentamento in varie occorrenze a prò proprio e de’ suoi
amici contra gli Spagnoli stessi. (Dispaccio bei Siri.)
Bei Juvencius findet man alles zu Gunſten der Jeſuiten, in des
Ludovicus Lucius Historia Jesuitica Basileae 1627 lib. II, c. II
was damals gegen die Jeſuiten geſagt wurde. Die entſcheidenden
Momente findet man weder hier noch dort: bei dem Vertheidiger
ſind ſie aber doch noch mehr angedeutet als bei dem Anklaͤger.
Portata la disputatione a Roma ventilata tra theologi, il papa
e la maggior parte de’ consultori inclinavano nell’ opinione di
Domenicani. Ma li Gesuiti, vedendosi in pericolo di cader da
quel credito per il quale pretendono d’haver il primo luoco di
dottrina nella chiesa catolica, erano resoluti di mover ogni ma-
china per non ricever il colpo. Die Lehre mit der ſie bei Conta-
rini drohen, iſt daß allerdings der Papſt infallibel ſey, aber es ſey
kein Glaubensartikel Einen oder den Andern fuͤr den wahren Papſt
zu halten. La potenza di questi e l’autorità di chi li proteggeva
era tanta che ogni cosa era dissimulata e si mostrava di non
sentirlo e sopra diffinire della controversia si andava temporeg-
giando per non tirarsi adosso carica maggiore.
liv. III, tom. II, p. 839 Lettre du 23 janv. 1606: Les Es-
pagnols font profession ouvertement de proteger les Jacobins
(Dominicaner), en haine, comme je croy, de l’affection que le
pere general des Jesuites et presque tous ceux de son ordre,
excepté ceux qui dependent des peres Mendozze et Personius
comme particulierement les Jesuites Anglois, ont monstré de
porter à vostre Majesté: et semble que d’une dispute de reli-
gion ils en veuillent faire une querelle d’estat. Man ſieht dar-
aus, daß die Jeſuiten bis auf eine kleine Fraction jetzt fuͤr franzoͤ-
ſiſch geſinnt galten. Bei Serry p. 440 findet ſich, daß die Domi-
caner damals von dem franzoͤſiſchen Hof ausgeſchloſſen worden:
Praedicatores tum temporis in Gallia minus accepti et a publi-
cis curiae muneribus nuper amoti.
dot 1756 findet ſich I, 131—363 unter dem Titel Autres Mé-
moires ein ausfuͤhrlicher Bericht uͤber die Unterhandlung von Ver-
vins, der ſich durch Genauigkeit und Unparteilichkeit auszeichnet:
aus dem denn auch die mitgetheilten Notizen ſtammen: die letzte
p. 337.
ten Buches ſeiner Memorie (c. 2 — c. 6) dieſe Unterhandlungen
ausfuͤhrlich mit.
von Oſſat p. 11.
per comunicare in essi la collation delle chiese e per publicar
le resolutioni d’ogni qualità fatte dal papa e le congregationi,
da quella dell’ inquisitione in poi che si è pur conservata in
qualche decoro e si riduce ogni settimana, tutte le altre, anche
quelle che sono de’ regolari e de’ vescovi, sono in sola appa-
renza: perchè se bene risolvono ad un modo, il papa eseguisce
ad un altro e nelle cose più importanti, come nel dar ajuto a
principi, di spedir legati, dichiarar capi.
brandino mitiga: dove rompe, consolida: dove comanda giustitia,
intercede per gratia.
Ha diversi servitori, ſagt dieſelbe Relation, ma quel che assorbe
i favori di tutti, è il cavr Clemente Sennesio, mastro di came-
ra, salito a quel grado di privatissima fortuna, e che per am-
pliar maggiormente la sua autorità ha fatto salire il fratello al
segretariato della consulta: così possedendo tra lor due la som-
ma, l’uno della gratia del cardinale, l’altro della provisione d’of-
ficj e delle maggiori espeditioni.
unter allen Autoren jener Zeit hieruͤber am ausfuͤhrlichſten und glaub-
wuͤrdigſten: Viglienna mandò ordine a tutti i baroni e cava-
lieri Romani obligati alla corona che per servitio del re fos-
sero immediate nella casa del cardinal Farnese.
cardinali Sfondrato e Santiquatro, che niente mirarono trattan-
dosi di Spagna al debito de’ cardinali verso il papa: ed a que-
sti che apertamente si dichiaravano diversi altri in occulto ad-
herivano, tra’ quali il Cl Conti. — Ma il popolo, la plebe senza
nome, sempre avida di cangiar stato, favoriva al cardìnale, e
per le piazze, per le strade a gran caterve applaudevano al par-
tito di lui.
fante con clamori popolari che andavano al cielo, incontrato in
forma di re dall’ ambasciator di Cesare, di Spagna, dalli cardi-
nali Sfondrato, Santiquatro, San Cesareo e Conti, dal general
Georgio suo cognato, tutta la cavalleria e tutte le guardie del
papa, confluendo li cavalieri e baroni.
redità ha il papa a Spagnoli.
Sà et anco del granduca e che la nostra republica s’era dichia-
rata col mandar un ambasciatore espresso per questo negotio
a S. Sà, conoscendo ella che si sarebbe acceso un gran fuoco
in Italia e con pericolo di gravissimo incendio della chiesa, in
luogo di tentar la riforma dello stato di Firenze riformò i suoi
pensieri.
gneur du Plessis p. 305. Ce pape de la maison des Medicis,
dit Leon XI, qui avoit cousté au roi 300000 escus à faire, en
la faveur duquel il faisoit grand fondement, et pour l’élection
duquel par un exemple nouveau furent faits feux de joye et
tiré le canon en France, qui vescut peu de jours et ne laissa
au roy que le reproche par les Espagnols d’une largesse si mal
employée et le doute de rencontrer une succession, comme il
advint, plus favorable à l’Espagnol.
ſich zuerſt uͤber Borgheſe verſtanden. Conclave di Paolo V p. 370
ſagt von beiden: Dopo d’haver proposti molti, elessero Bor-
ghese, amico di Montalto e creatura confidente di Aldobran-
dino.
1605 m. V. d. i. 1606. Il padre Camillo non volendo più ha-
bitare Siena caduta della libertà, se ne andò a Roma. Di buono
spirito, d’ingegno acuto, riuscì nella professione d’avvocato. —
— Il papa non vuol esser Sanese ma Romano.
fait entendre ces jours passez que sa volonté estoit que tous
les cardinaux qui avoient des eveschez y allassent ou bien les
resignassent ou y missent des coadjuteurs, — — j’ay pensé
— —
presente sua grandezza spirituale, e quanto se le debba da tutti
li popoli christiani attribuir di ossequio e di obedienza, non
eccettuando qualsivoglia grandissimo principe.
severo e rigorosissimo et inexorabile in fatto di giustitia.“
il pontefice non era uso a governar come principe grande, per-
chè aver avuto qualche governo di città delle chiesa, dove si
procede col rigor ecclesiastico e da prete, non basta per saper
governare come capo supremo.
tre s’esagera sopra la severità del magistrato, non si ritrovava
fin hora essersi conseguiti più di 12 m. ducati, per li quali non
si doveva far tanti richiami, e le fortune della republica per
gratia di dio non erano tali che ne dovesse far conto più che
tanto. Es wurden hierauf einige Einrichtungen getroffen, die dem
der Republik welche ſich den Appellationen nach Rom widerſetzt hat-
ten — la qual cosa giudicando il senato apportarli offesa, pri-
mieramente fece publicare un bando contra chi li havesse a
schivo, e dopo a questi tutti in vita li fu data annua provisione
quale era corrispondente alla loro fortuna.
sto pensiero di ristampar messali et altro, levando di poterlo
far ad altri.
perciocchè il foro era già fatto e l’abuso troppo confermato che
distornarlo era più che malagevole.
dell’ autore (Flugſchrift von 1606). La raggione indrizza e regge
e comanda alla carne e talvolta la castiga con digiuni e vigilie,
ma la carne non indrizza nè regge nè comanda nè punisce la
ragione: così la potestà spirituale è superiore alla secolare
e però la può e deve drizzare e reggere e comandarli e pu-
nirla quando si porta male; ma la potestà secolare non è su-
periore alla spirituale nè la può drizzare nè reggere nè gli può
comandare nè punirla se non di fatto per ribellione e tiran-
nide, come hanno fatto talvolta li principi gentili o heretici.
quidem ovem ac spiritualem filium pontificis esse, sed sacerdo-
tum nullo modo filium vel ovem principis dici posse, quoniam
Risposta, oder in dem Buche Bellarmins de clericis beſonders lib.
I, c. 30.
a quo non in spiritualibus solum sed etiam in temporalibus re-
guntur.
ter Eliſabeth. Fra Fulgentio: Vita di Paolo Sarpi. Griselini:
Memorie di Fra Paolo Sarpi, deutſch von Lebret p. 13.
passibiltà, perchè non sola l’oggelto in lui facesse moto, ma
ogni minima reliquia. Come un perito suonatore, faͤhrt Fulgen-
tio fort, ad un sol tocco fa giudicio del instrumento, così con
far parlar le persone con prestezza ammirabile conosceva i fini,
gli interessi etc.
fateri non erubescimus, sed gloriamur, quum eo doctiorem, sub-
tiliorem, quotquot adhuc videre contigerit, neminem cognoveri-
mus ad encyclopaediam. Magiae natur. lib. VII praef. Grise-
lini I, § 20. 24.
Paolo Sarpi bei Foscarini und Griſelini leitet die Subſtanz aus
der Vielheit der Ideen her, ohne daß man den Grund auf wel-
chem ſie ruhen, erkennen kann, und in dieſem Grunde, ſagt er, be-
ſtehe eigentlich das wir Subſtanz nennen. Griselini I, p. 46 d. Ueb.
Locke: Humane understanding B. II, ch. 23. Not imagining
how the simple ideas can subsist by themselves, we accustom
ourselves to suppose some substratum wherein they do subsist
and from which they do result, which therefore we call sub-
stance.
brets Magazin I, 479. Eine fuͤr jene Zeiten um ſo wichtigere Be-
merkung, da z. B. Mariana aus den ſpaniſchen Concilienſchluͤſſen
die ausgedehnteſten weltlichen Befugniſſe der Geiſtlichkeit herleitete.
Immer aber wird man zu bemerken haben, daß ſchon in jenen Zei-
ten die geiſtlichen und weltlichen Anſpruͤche entweder vermiſcht wur-
den oder im Streite lagen. Die alte gothiſche Monarchie in Spa-
nien hatte wirklich ein ſehr ſtarkes geiſtliches Element. Denn die
alten Geſetze beruhen doch uͤberhaupt auf alten Zuſtaͤnden.
tagli sopra il breve delle censure. Sono dunque tutti gli eccle-
siastici et i secolari de jure divino soggetti al principe seco-
lare. Omnis anima potestatibus sublimioribus subdita sit. E
la ragione si è perchè siccome niuno è eccettuato dall’ ubbi-
dienza che deve a dio, così niuno è eccettnato dall’ ubbidienza
che deve al principe: perchè, comme soggionge l’apostolo, omnis
potestas a deo.
otto propositioni, contro la quale ha scritto l’illmo e revmo Sr
Cl Bellarmino, Venezia 1606, erklaͤrt ſeinen Autor, der ſich etwas
dunkel ausgedruͤckt hatte, und wenigſtens iſt die Erklaͤrung authen-
tiſch, da ſie von derſelben Seite herkommt, folgendergeſtalt: Dice
l’autore due cose: la prima si è che le persone ecclesiastiche
non siano esente dalla potestà secolare nè meno i beni di esse,
intendendo in quelle cose alle quali la detta potestà si estende
(d. i. nicht in den rein geiſtlichen): la seconda che l’esentione
humano (p. 62).
di popolo per sentir li divini officj. Wie es in Ferrara mit ſo
großem Erfolge geſchehen war. Breve di censure et interdetto
della Stà di NSre P. Paolo V contra li Sri Venetiani 1606.
stampator ducale, gedruckt. Auf dem Titelblatt ſieht man den
Evangeliſten S. Marcus mit dem Evangelienbuch und dem erhobe-
nen Schwert. In dem Senat eroͤrterte man, wie Priuli ſagt, le
nullità molte e notorie des paͤpſtlichen Breve.
ſeyen Leute die die Bullen haͤtten anſchlagen wollen, von den Ein-
wohnern ſelbſt feſtgenommen worden.
Francesco“ erwaͤhnt, ſo beruht dieß, ſo viel andere Autoren auch
dieſen Irrthum theilen, nur darauf, daß die Capuziner eben refor-
mirte Franciscaner ſind und von A. Moroſini bei dieſer Gelegenheit
ſo bezeichnet werden.
1608 enthaͤlt eine ausfuͤhrliche Darſtellung der Theilnahme der Fran-
zoſen an dieſen Haͤndeln. Villeroi erkaͤrt: esser questa opportu-
nissima e propria occasione di guadagnare l’animo del papa.
— — Il re, assicurato dal suo ambasciatore presso la republica
che V. Sà non metteria in mano d’altri questo negotio che della
Mà S., ebbe mira di guadagnare et obligarsi con questa occa-
sione l’animo del pontefice.
Venne il contestabile a trovarmi a casa, e mi disse constante-
mente che gli ordini dell’ ammassar genti non erano per altro
se non per non star in otio mentre tutte potenze del mondo si
armavano, ma che però non s’erano proveduti di danaro: rac-
comandò la pace d’Italia non potendo perder la republica nell’
esser liberale di parole ossequenti, per haver in effetto quello
che desiderava. — — In quel tempo che il duca di Lerma delle
forze da amassarsi parlò iperbolicamente all’ ambasciator d’In-
ghilterra, — — scrissono al papa che S. Mà gli aveva ben pro-
messo d’ajutarlo ma che ciò s’intendeva al bene e non al male,
— — che il cominciar le guerre stava in mano degli uomini et
il finire in quelle di dio.
lunga disputa di otto giorni e varie pendentie di giudicio deli-
berò il senato rispondere agli ambasciatori di Francia e di Spa-
gna che il devenir a qualsivoglia forma di sospensione non si
può accomodar la republica, essendo cosa di perpetuo pregiudi-
cio: il che fu proposto da S. Bembo et Al. Zorzi savj del con-
silio et A. Mula et S. Venier savj della terra ferma. Andere
ſind fuͤr eine gemaͤßigtere Auskunft. Auch iſt es nicht unwahrſchein-
lich daß ſie durchdringen. Jedoch es laͤuft die Nachricht ein, daß
man von ſpaniſchen Waffen auch wegen der Irrungen in Neapel
nichts zu befuͤrchten habe. E fu perciò preso la total negativa di
sospensione. Mit 99 gegen 78, alſo einer Majoritaͤt von 21 Stim-
men. — Am 9. Merz jedoch iſt Bembo von jenem Antrag ſelbſt zu-
ruͤckgetreten. Es wird am 14 Merz dem Widerſpruche des Zorzi,
Mula und Venier zum Trotz die mildere Auskunft beliebt.
l’ufficio dell’ ambasciatore ritenne la dispositione che aveva S.
Mà, eccitata dall’ efficaci instanze che furono fatte da un padre
Barisoni Padoano mandato in Francia espressamente dalla sua
congregatione con pensiero d’ottener di interessarsi acciocchè
fussero di nuovo ricevuti.
gnuoli) che Franciosi insistevano nell’ introduzione de’ Gesuiti,
scrissero a Roma et a Venezia che non trattassero di ciò, dando
ragione alla republica di non voler capitolare con gente suddita
che l’aveva si gravemente offesa.
modamento, desisterono dal procurare che si trattasse di loro
con la Stà V., non solo per non aver voluto parlar di loro,
ma per essersi attraversati alli gagliardi ufficj di Francesi: che
fece dubitare il papa di qualche recondito mistero, e non vi
volse insistere con che essi non sapevano che dire.
suiti, non per loro ma per la sua propria riputatione.
dosi le censure siano consignati li due prigioni a chi li riceve
in nome di S. Santità, li quali, se bene S. Serenità (Venedig)
dice di darli in gratificatione di S. M. Chrma, si dovessero con-
signare senza dir altro“:
ben von Joyeuſe mit, ohne Zweifel das einzige Wichtige was er in
dieſer Sache vorbringt; nur macht er auch dagegen einige, wie mir
ſcheint, ſehr unhaltbare Einwendungen.
conveniva per servitio d’Italia che fosse sempre buona intelli-
genza fra quella sede e questa republica“.
die hierauf bezuͤglichen Actenſtuͤcke. Gratiae victrici, ſagt er ſelbſt,
jam canebatur „Io triumphe“.
tanto ha ordinato (S. Sà) molto seriamente che nel trattare di
queste materie nessuno ardisca di qualificare e censurare l’al-
tra parte.
Kal. Dec. 1607 bei Juvencius V, II, lib. IX, n. 108 „Vosque
hortamur ad retinendam instituti vestri integritatem et splen-
dorem“.
aus, a dichiarito, si può dire, sin a quai termini sia permesso
al pontefice estendere la sua temporale e spirituale autorità
(Relatione di Francia 1608).
segretario di N. S. Papa Sisto V, delle cose di Polonia in-
torno alla religione e delle azioni del cardinal Bolognetto in
quattro anni ch’egli è stato nunzio in quella provincia.
chiese che non sia della vera fede romana. (Spannocchi.)
lognetto, che andò a trovare S. Mtà, e con efficacissime ra-
gioni mostrò quanto esorbitante cosa sarebbe stata che avesse
concesso per publico decreto una tanto obbrobriosa setta, e co-
me non senza nascosto inganno e speranza d’importantissime
conseguenze quella scellerata donna voleva che si dichiarasse
così per decreto potersi esercitar la setta Anglicana in quel
regno, dove tutto il mondo pur troppo sa che si permetta il
credere in materia di religione quel che piace a chi si sia: con
queste ed altre efficacissime ragioni il re Stefano rimase tal-
mente persuaso che promesse non voler mai far menzione al-
cuna di religione, in qualunque accordo avesse fatto con quella
regina o suoi mercanti.
gno dicono hoggi non ammettersi se non i dependenti da esso
cancelliero, acciò che da nissuno venga impedito di far quello
che ad esso ed al re più tornerà di piacere di fare.
nig zu erklaͤren nullis se deinceps vel honores vel praefecturas
vel quaecunque tandem alia munera publice mandaturum nisi
qui Christum aperte confessus fuerit et omni perfidiae sive Lu-
theristicae sive Calvinisticae sive anabaptistarum nuntium re-
miserit.
ſetzt bei Lengnich: Polniſch-preußiſche Geſchichte Theil IV, S. 291
ſetzt beſonders dieſe Motive auseinander.
ßen § 27.
re di Polonia e Suetia. (MS Rom.)
che la divina providenza per più facilitare le cose del suo ser-
vitio non ha permesso che in due anni sia stato proveduto dal
re morto, haverà S. Mtà particulare pensiere a pigliare un ar-
civescovo cattolico.
Rom.) Erano tuttavia nel regno alcune reliquie de’ cattolici: et
il nuntio seguendo la forma già tenuta da Cl Madruzzo, per for-
tificar l’autorità dell’ imperatore, cercava di costituire il re giu-
dice tra li cattolici e gli heretici di Suetia, inducendo quelli
a querelarsi appresso il re dell’ insolenza e delle ingiurie di
questi.
ſchafft worden. Es wurden nur die Worte Faar haͤr uth in die
Worte Wick haͤr ifra veraͤndert, und dem Herzog Carl, der die voͤl-
lige Abſchaffung forderte, entgegnete man: retinendum esse exor-
cismum tanquam liberam cerimoniam propter utilem commone-
factionem ad auditorium et baptismi spectatores permanantem;
eine Anſicht der ſich Herzog Carl fuͤgte. Baaz: Inventarium IV,
X, 525. Bei Baaz finden ſich die Acten uͤberhaupt in ziemlicher
Vollſtaͤndigkeit.
tibus detur locus publice conveniendi.
gustana qualis sub ultimo Gustavi regimine et primi Johannis
in patria viguisset, talis in posterum unica sola et ubique tam
in ecclesiis quam in scholis perpetuo floreret.
regiam approbationem horum postulatorum, inhibent nostri fra-
tres domi remanentes publicum homagium esse S. R. M. prae-
standum.
Ausflucht uͤbrig laſſen. „Ad officia publica nulli promovebuntur
in patria qui religionem evangelicam nolunt salvam, quin potius
qui eam serio defendere volunt publicis officiis praeficiantur.“
Generalis confirmatio postulatorum regis Sigismundi bei Baaz
p. 537.
Suezia 1598. Mandò alcuni senatori Polacchi a darle parte dello
stato delle cose in le sue circostanze e conseguenze, e detti pa-
tri dichiararono che presupposto la necessità e pericolo nel quale
era costituita la Mtà S. la potesse senza offender dio conce-
dere alli heretici ciò che ricercavano, e la Mtà S. per sua giu-
stificazione ne volle uno scritto da detti patri. — — Hora fatta
la coronatione e concessione pose ogni studio il nunzio per ap-
plicare qualche remedio al disordine seguito, onde operò per si-
curezza della coscienza di S. Mà ch’ella facesse una protesta in
scritto, come ella non con la volontà sua ma per pura forza si
era indotto a concedere ciò che haveva concesso; e persuase al
smo re che concedesse da parte agli cattolici altrettanto quanto
haveva conceduto alii heretici, di modo che a guisa dell’impera-
tore e del re di Polonia restasse la Mà S. giurata utrique parti.
S. Mà si contentò di farlo, et immediatamente mise in esecu-
ficj e dignità a cattolici, e lasciò in quattro luoghi l’esercitio
della religione e fece giurare a quattro governatori, se ben
erano heretici, quali lasciò nel regno, che haverebbero protetto
la religione e li cattolici.
ducis adversus serenissimum et potentissimum dominum Sigis-
mundum III regem Sueciae et Poloniae suscepta, scripta et
publicata ex mandato S. R. Majestatis proprio Dant. 1598.
ſchlag iſt: che a spese del cattolico si mantenga un presidio nella
fortezza che guardi il porto, sopra lo quale niuna superiorità
habbia il cattolico, ma consegni lo stipendio per esso presidio
al re di Polonia.
ducato nelli Brandeburgesi non si può aspettare d’introdurre
la religione cattolica, si mostra S. Mtà risoluto di voler ricu-
perare il detto ducato. Schon Koͤnig Stephan haͤtte dieß thun
pato nelle guerre, ne fu sovvenuto delli Brandeburgesi.
159. Auszuͤge aus den Briefen der Fuͤrſten bei Geijer: Schwedi-
ſche Geſchichte II, S. 305.
war bei dem Act zugegen. Bei Karamſin X, 109 der Ueb. findet
ſich eine Stelle die doch nicht ſo genau aus Cilli iſt, als es der
Fall zu ſeyn ſcheint. Karamſin ſah den Cilli ſelbſt nicht ein. Von
den Worten die bei Karamſin dem Demetrius in den Mund gelegt
werden, findet ſich bei Cilli nichts.
e difesa per quanto havessero potuto le sue forze e nel suo im-
perio e fuori di quello della santa fede cattolica.
man Schreiben des Papſtes an ihn gefunden.
Pistoia 1627, — ein Autor der um ſo glaubwuͤrdiger iſt, da er
lange Zeit im Dienſte des Koͤnigs geſtanden, — fuͤhrt gleich im
Anfange aus, wie maͤchtig Zamoisky geweſen: Zamoschi si voleva
alquanto della regia autorità usurpare: — wie ihm aber der Koͤ-
nig widerſtanden, „essendo patrone S. Mtà non solo di conferire
le dignità del regno, ma anco le stesse entrate.
batur ordo nunciorum. Von dieſer Zeit an werden die Landboten
maͤchtig. Ein Theil unterſtuͤtzt den andern.
vano gran forza per ottenere la confederatione.
tenne e conservò in fede molti di principali.
di patre e fra popoli eretici, è tanto pio e tanto divoto e di
santi costumi guernito, che dentro a Roma non avrebbe potuto
nascere o allevarsene un migliore, imperocchè havendo esso
con la longhezza del regnare mutati i senatori eretici, che se
tre ne togli erano tutti, gli ha fatto divenire, levatine due o
tre, tutti quanti cattolici. Ihr Grundſatz war: le cose spirituali
seguono il corso delle temporali.
dono altro esercitio di religione che il cattolico si comporti, nè
permetta che v’abbiano tempj nè sinagoge loro: poichè si ven-
gono per tal dolce modo senza violenza espressa a far conver-
tire o a mutar paese.
1615: es koͤnnte jedoch noch viel belehrender ſeyn.
247.
und 1601 zaͤhlte man 497 Convertiten, die meiſten im Jahre 1598,
wo es 73 waren.
lein im Grunde allenthalben, denn dieſe Geſchichte beſchaͤftigt ſich
beſonders mit der Antireformation.
theri sectatorum tantus ut ex inquilinis Graecensibus paene
cunctis invenirentur avitae fidei cultores tres non amplius. Das
paene cunctis macht freilich die Sache wieder zweifelhaft.
p. 464; ohne Zweifel die wichtigſte Darſtellung dieſer Begebenheit:
„Solche mit Warnung gemiſchte Bittſchrift traf einen feſten Mar-
mel an, welchen ihre Feder nicht kunte durchdringen, noch er-
weichen.“
3, p. 163.
huebers Annales Styrenses p. 326.
Auszug aus den Beilagen zu der Apologie der Boͤhmen vom Jahre
1618, die bei den ſpaͤtern Drucken haͤufig fehlen.
stanae confessionis I, p. 321.
ſammen: Da alcuni anni in qua si è convertito alla nostra santa
religione una grandissima quantità d’anime, restorate le chiese,
rivocate molte religioni di regolari alli loro antichi monasteri,
restituite in bona parte le cerimonie ecclesiastiche, moderata
alquanto la licenza degli ecclesiastici, e domesticato il nome del
pontefice Romano riconosciuto per capo della chiesa uni-
versale.
tag von 1608 — in den Reichstagsacten zu Frankfurt am Main,
von denen eine vorlaͤufige Einſicht zu nehmen, freundlich geſtat-
tet worden. Das Kammergericht erklaͤrt es fuͤr „land und reichs-
kuͤndig in waß großer und merklicher Anzall ſeit Ao. 86 die Revi-
ſionen deren von gedachtem Kammergericht ergangenen und außge-
ſprochenen Urthell ſich gehaͤuft, dergeſtalt daß derſelben nunmehr in
die Einhundert allbereit beim kaiſerlichen Collegio denunciirt und de-
ren vielleicht taͤglich mehr zu gewarten.“
che il consiglio aulico a questo di meno che tutte le definitioni
che anno virtù di definitiva non le pronuntia se prima non dia
parte a S. Mtà o in suo luogo al consiglio di stato, il quale
alle volte o augumenta o toglie o modera l’opinione di questo
den Reichstagsacten vom 4ten Februar 1608 bemerkt (womit auch
die uͤbrigen Relationen und Informationen uͤbereinſtimmen) der Abt
habe „allein ſo viel herbracht daß er mit niedergelegten und zuſam-
mengewickelten Fahnen ohne Geſang und Klang und zwar allein
durch ein ſonderes Gaͤßlein beim Kloſter hinab bis auſſer der Stadt
und ihrem Bezirk gangen, und die Fahnen nit eher aufrichten und
fliegen oder ſingen und klingen laſſen, er ſey denn außer deren von
Donawerth Grund.“ Dieſe Beſchraͤnkungen uͤbertrat er nun eben.
ratione e così si publica.
RTA: „die Hauptconſultation jetziger Reichsverſammlung ſey bisher
darumben eingeſtelt verbliben daß die Stend evangeliſcher Religion
die Clauſulam dem Abſchied zu inſeriren haben wollen: daß alle Guͤ-
ter die ſinthero a. 55 von den Evangeliſchen Stenden eingezogen
worden reſtituirt werden ſollen.
nella quale in luogo dell’ eccmo e revmo Monsr Antonio Gae-
tano arcivescovo di Capua nuntio apostolico, rimasto in Praga
appresso la Mtà Cesarea, fu residente il padre Felice Mi-
lensio maestro Agostiniano vicario generale sopra le provincie
aquilonari. E certo fu machinato dal demonio e promosso da
suoi ministri, di quali erano i due camerieri intimi di Ridolfo,
heretico l’uno, Hebreo l’altro, e quei del consiglio ch’eran
Hussiti o peggiori.
la quale ella da che nacque fu allevata e per la quale pochi
anni a dietro non temendo pericolo alcuno, anzi a rischio di per-
dere i suoi stati, ne bandì tutti gli heretici con ordine che fra
pochi mesi o si dichiarassero cattolici o venduti gli stabili sgom-
brassero via dal paese: sovengale che nella tavola dipinta della
chiesa dei padri Capuccini in Gratz ella sta effigiata con la
lancia impugnata come un altro Michele e con Luthero sotto i
piedi in atto di passarli la gola: et hora essendo ella qui in per-
sona di Cesare, non devo credere che sia per soffrire se perdano
i beni dotali della chiesa il patrimonio di Christo, e molto meno
che la diabolica setta di Luthero sia con questa moderna conces-
sione confirmata e per peggio quella ancor di Calvino già incor-
porata la quale non ricevè mai tolleranza alcuna imperiale. Que-
sto e più dissi io et ascoltò il piissimo principe. — — Prie-
gola, dissi, a sospender questa materia fino alla risposta del
sommo pontefice: e così fece differendo i decreti degli huomini
per non offendere i decreti di dio.
firmation des Religionsfriedens keineswegs einzugehn wie die Inter-
poſitionsſchrift mit ſich bringe: dann ſelbige den evangeliſchen Sten-
den undienlich, weilen der Abſchied anno 66 eben die Clauſulam habe
ſo jetzt disputirt werde.“ In den Abſchieden von 1557 und 1559
war ſie nicht. Die Interpoſitionsſchrift bezog ſich bloß auf 1566.
Auch verwarf man ſie deshalb, weil ſie den Kaiſer als Richter in
Religionsſachen betrachte.
tra tractationem Viennensem et Turcicam — — hostis aut tur-
bator aliquis ingrueret, tum serenissimum archiducem et omnes
status et ordines regni Hungariae et archiducatus superioris et
inferioris Austriae mutuis auxiliis sibi et suppetiis non defutu-
ros. Reva ap. Schwandtner: Scriptt. rerum Ung. II. Kurz:
Beitraͤge zur Geſchichte des Landes Oeſtreich ob der Ens B. IV,
p. XXI.
Inſtruction an ſeinen Geſandten nach Mainz, bei Wolf II, p. 470.
auf weiteres mag die Verſicherung des venezianiſchen Botſchafters
Mocenigo genuͤgen.
Feliciano Vescovo di Foligno per il paese de’ Suizzeri e Gri-
soni (Informationi Politt. IX.) fuͤgt noch hinzu: Li cantoni cat-
tolici sino a questi tempi sono tenuti più bellicosi che i can-
toni heretici, ancora che quelli siano più potenti di genti al
doppio e di denari: ma hoggi li cattolici si mostrano tanto
affettionati e mutati da quelli antichi Suizzeri che se non fosse
particolare gratia del Signore, humanamente parlando, poco o
veruno avvantaggio haverebbero questi sopra gli avversarii here-
tici, e non sarebbe sicuro senza ajuto straniero il venir a rot-
tura con essi, oltre che li medesimi protestanti hanno persone
più dotte, prattiche, giudiciosi e potenti in ogni affare.
ha mostrato che per far frutto nella nuntiatura non è bene che
i nuntii si ingerischino nelle cose che possono fare i vescovi
e che spettano a gli ordinarii, se non in sussidio e con vera
necessità: perchè mettendosi mano ad ogni cosa indifferente-
mente, non solo essi vescovi si sdegnano, ma si oppongono spesse
volte e rendono vana ogni fatica del ministro apostolico, oltre
che è contro la mente di monsignore e delli canoni che si metta
mano nella messe aliena mandandolì i nuntii per ajutare e non
per distruggere l’autorità degli ordinarii.
p. 187. Modus tamen rigido illi jejunio est a confessario ad-
hibitus.
di gran giovamento, et è la salute in particolare della Val Te-
lina, che quanti preti ha, sono soggetti di detto collegio, e quasi
tutti dottorati in theologia.
cueil des contrats passés par le clergé avec les rois — fin-
det man die Actenſtuͤcke hieruͤber vom Jahre 1561 an. Auf der Ver-
ſammlung von Poiſy in dieſem Jahre nemlich uͤbernahm der Clerus,
einen bedeutenden Theil der Staatsſchulden nicht allein zu verzinſen,
ſondern auch abzuloͤſen. Die Abloͤſung kam nicht zu Stande: dage-
gen blieb es bei der Verpflichtung die Zinſen zu zahlen. Es waren
hauptſaͤchlich die Schulden die beim Hotel de Ville von Paris ge-
macht worden, und dieſer Stadt kamen die Zinſen zu gute: eine
beſtimmte Rente ward ihr jaͤhrlich von der Geiſtlichkeit. Man ſieht
weshalb Paris, auch wenn es nicht ſo gut katholiſch geweſen waͤre
wie es war, doch den Ruin der Geiſtlichkeit niemals haͤtte geſtat-
ten, das Verderben der geiſtlichen Guͤter, ſeiner Hypothek, niemals
haͤtte zugeben duͤrfen.
dans l’assemblée generale du clergé tenue à Paris ès années
1595 et 1596, envoyée à toutes les dioceses. Mémoires du
clergé tom. VIII, p. 6.
Histoire de l’édit de Nantes I, 185, hervor.
con le parti e li suoi ministri e consiglieri fussero dell’ una e
l’altra religione, pur sempre più si mostrava alienarsi dagli Ugo-
noti e desiderarli minori: la ragione principal era perchè te-
nendo essi per li editti di pace molte piazze nelle loro mani,
delle quali ben trenta erano di molto momento, senza di queste
li pareva non essere assolutamente re del suo regno.
gli Ugonotti) s’imaginò di poter dar gran colpo col richiamar
li Gesuiti, pensando anco in questa maniera di toglier la radice
a molte congiure. Den Parlamenten habe er geantwortet, man
moͤge ihn ſeines Lebens verſichern, und das Exil der Jeſuiten ſolle
nie aufhoͤren.
die Geſchichte dieſer Reſtauration uͤberhaupt von Werth iſt, und oft
auf eigenthuͤmlichen Relationen beruht.
resa di Giesu, fondatrice de’ Carmelitani scalzi, Roma 1623, p.
303. Constituzioni principali § 3 p. 208. Die Exclamaciones
o meditaciones de S. Teresa con algunos otros tratadillos, Brus-
selas 1682, zeigen ihre Begeiſterung fuͤr unſer Gefuͤhl faſt in zu ho-
hem Schwung.
Seine Geſinnung tritt aber in ſeinen eigenen Werken, beſonders der
Anleitung zum andaͤchtigen Leben, am deutlichſten und anziehendſten
hervor.
auteurs de la congregation de S. Maur p 355.
Kal. Jan. (Bullar. Cocquel. IV, III, 190.)
ſter 1818. Nur haͤtte der gute Stolberg ſeinen Helden nicht als
den „Einen Mann durch den Frankreich erneuert ward“ (p. 6. p.
399) betrachten ſollen.
ten finden ſich neue bemerkenswerthe Zuſaͤtze zu der Lebensbeſchrei-
bung des Dichters von Racan in den Mémoires oder vielmehr Hi-
storiettes de Tallemant des Reaux, herausgegeben von Monmerqué
1834 I, p. 195.
molto intento alle cose del governo così spirituale come tempo-
rale, molto bene affetto verso il servigio di cotesta santa sede,
desideroso del progresso della religione, uno de’ primi prelati
della Germania.
voyé aux roys et princes pour la conservation de leurs royau-
mes et principautés, fait par Messir Al. Cunr. baron de Fri-
demburg e presenté au roy très chrestien par le comte de Fur-
stemberg, ambassadeur de l’empereur. Aufgenommen im Mer-
cure françois tom. IX, p. 342.
Schweden wußten, daß der Koͤnig in Polen — — ſeinen Sohn mit
einer gewaltigen Kriegsmacht zu dem Ende nach Reußland geſandt
daß er die Befeſtigungen ſo die Moscowiter den Schweden abgetre-
ten hatten uͤberraſchen ſolte, damit wenn ihm dieſer Anſchlag gelingen
wuͤrde, er ſelber das Reich Schweden deſto beſſer angreiffen koͤnndte:
denn es war ihm ſowol auf dem in Pohlen gehaltenen Reichstage
von den Staͤnden als auch von dem Hauſe Oeſterreich zur Wieder-
eroberung des Reiches Schweden Huͤlfe zugeſagt: dahero er auch
alle ſeine Gedanken mehr darauf als anderswohin geſtellet hatte.“
jorité“, wie er die Ermordung des Marſchalls von Ancre nennt.
La vie de du Plessis p. 465.
20, di mezzana statura, d’aspetto grave, di natura malinconico,
di carnaggione buona, uomo di alti pensieri, e rare volte si ral-
legra, e coll’ appoggio dell’accasamento fatto con la figliuola
del re d’Inghilterra e di altri parenti e confederati aspirarebbe
a cose maggiori se segli appresentasse occasione a proposito:
onde essendo ben conosciuto suo naturale per il colonnello di
Scomburg già suo ajo, seppe così ben valersene, accomodan-
dosi al suo umore, che mentre visse fu più d’ogni altro suo con-
fidente.
nicht mehr achtete, fuͤhlten die Zeitgenoſſen. Fuͤrſtl. Anhaltiſche Geh.
Canzlei Fortſetzung p. 67.
tendu que les premiers succès pour se ranger au même parti
(de la reine).
voltare le sue forze in miglior tempo ovvero opportunità.
principumque legitimorum. Antrag und Antwort in Leonis ab
Aitzema historia tractatuum pacis Belgicae p. 2. u. 4.
nasi al biondo. La natura sua è sempre conosciuta placida e
flemmatica, lontana dall’imbarraciarsi in rotture, amicissimo
d’andare in negotio destreggiando et avanzando li proprj fini.
nel suo governo per l’abondanza dei partiti che in ogni grave
trattatione gli suggerivano suoi spiriti nati per comandare, i quali
se bene in molte parti aberravano dell’uopo della bona politica,
nondimeno l’intrepidezza, con la quale si mostrava pronto ad
abbracciare ogni ripiego appreso da lui per buono, poco curan-
dosi di consigli di chi gli haveria potuto esser maestro, davano
a credere che la sua natura sdegnava una privata conditione.
stenuato e mal affetto.
p. V.
etc. p. 362: „publicis suasionibus et consiliis privatis“ habe Fra
Girolamo den Papſt veranlaßt. Vgl. Cerri: Etat présent de l’é-
glise Romaine p. 289. Man findet da auch eine ausfuͤhrlichere
Schilderung des Inſtitutes und der Zunahme ſeines Vermoͤgens.
Sc. Er haͤtte gewuͤnſcht davon ſelbſt Regimenter unter paͤpſtlicher
Autoritaͤt zu erhalten.
tempo di indugi nè di coperti andamenti. — Beſonders hielt man
zu Rom Bucquoi fuͤr allzu langſam. La prestezza apportarebbe il
rimedio di tanti mali, se dal conte di Bucquoi per altro valo-
roso capitano ella si potesse sperare.
i parochi catolici per vedersi da essi (Luterani) levarsi ogni emo-
lumento. Die gedruckten Commentarii haben jedoch einen oſten-
ſiblern Grund: „quamdiu illi haerebant, tamdiu adhuc sperabant
sectarii S. Majestatem concessurum aliquando liberam faculta-
tem“ (p. 130).
sto di qualche pensiere, ed uscì a dirmi che si haveva havuta
troppa prescia e che saria stato meglio cacciare quei predicanti
in altro tempo dopo che si fosse tenuto il convento in Ratis-
bona. Al che io replicai che Sua Maestà poteva havere più
p. 38.
Fortſetzung der haͤberlinſchen Reichshiſtorie Bd. 25, p. 156, Note k,
poichè se il Sassone fosse venuto al convento, di che non am-
mettono che egli havesse avuta mai la volontà, si sapeva per
ognuno che haverebbe domandato a S. Mà che a sua con-
templazione permettesse in Praga l’esercizio Luterano che già
vi era.
ganz falſch, wie ſich aus Caraffa ergibt. Der Nuntius fand dage-
gen bei Plateis Unterſtuͤtzung.
tavole del regno, il che apportò indicibile giovamento alla ri-
forma per tutto quel tempo.
denn auch im gedruckten Werke wiederholt iſt: cognitumque fuit
solam vexationem posse Bohemis intellectum praebere.
e poi facendosi missioni di alcuni padri Gesuiti.
dustria e d’integrità venivano impiegati nella custodia de’ ter-
reni, delle case, delle cantine e de’ molini, oltre che lavorando
eccellentemente in alcuni mestieri erano divenuti ricchi e con-
tribuivano gran parte del loro guadagno a’signori de’ luoghi ne’
quali habitavano, sebbene da qualche tempo indietro havevano
cominciato a corrompersi essendo entrata tra di loro l’ambizione
e l’avarizia con qualche parte di lusso per comodità della vita.
Costoro si erano sempre andati augumentando in Moravia, per-
ciocchè oltre a quelli che seducevano nella provincia e ne’ luo-
ghi convicini, havevano corrispondenza per tutti li luoghi della
Germania, di dove ricorrevano alla loro fratellanza tutti quelli
che per debito o povertà disperavano potersi sostentare, e
specialmente veniva ad essi gran numero di poveri Grisoni e di
der Prager Schlacht, ſo wie Maximilian das oberoͤſtreichiſche Gebiet
betrat: er drang in denſelben, unverzuͤglich die Praͤdicanten abzuſtel-
len, „damit die Pfeifer abgeſchafft und der Tanz eingeſtellt werde“.
Sein Schreiben in Breiers Fortſ. von Wolfs Maximilian. IV, 414.
di havere sempre del pane, che in casa loro diffidavano potersi
col proprio sudore guadagnare, onde si sono avvanzati alle volte
sino al numero di centomila.
tom. IV, p. 271.
1624. Die Stelle im Anhang.
servi a perpetua memoria in questo teatro del mondo. Instrut-
tione al dottore Leon Allatio per andare in Germania per la li-
breria del Palatino. Im Anhang wollen wir ihre Echtheit pruͤfen.
non si camini con quel fervore con quale si camina in quelle
che occupa il Sr Da di Baviera alla conversione de’ popoli.
auch 23 ritterſchaftliche Pfarreien wieder zum Katholicismus brachte.
Jaͤck: Geſchichte vom Bamberg II, 120.
1621, abgedruckt bei Sattler: Wuͤrtemberg. Geſchichte VI, p. 162.
fervorare S. Mtà, acciò non si lasci risorgere il Palatino, e si
metta l’elettorato in persona cattolica, e si assicuri l’impero eter-
namente fra cattolici.
putazione di questo fatto e della chiesa cattolica, se il papa ci
avesse condisceso, con indicibil danno della religione cattolica
e dell’ imperio, che tanti e tanti anni hanno bramato, senza po-
terlo sapere non che ottenere, il quarto elettor cattolico in ser-
vitio ancora del sangue Austriaco.
tare Sassonia a favore dell’ impre nella translatione dell’ elet-
torato.
wider die Zuruͤckgabe einer Chur an einen gotteslaͤſterlichen Calvi-
niſten bei Khevenhiller X, 67. 68.
hauptſaͤchlich dem Nepoten zu. Da S. Stà e dal Cle furono scritte
molte lettere anche di proprio pugno piene d’ardore et efficacia
per disporre Cesare, et in oltre fu mandato Mor Verospi andi-
tore di rota e doppo il P. F. Giacinto di Casale cappuccino.
Durch dieſe ſey dem Kaiſer geſagt worden, che il vicario di Chri-
sto per parte del Sre fin con le lacrime lo pregava e scongiu-
rava e le ne prometteva felicità e sicurezza della sua salute.
len, recht merkwuͤrdig uͤber dieſen Uebertritt.
Malingre: Histoire des derniers troubles arrivés en France p.
789. Auch Rohan ſchloß ſeinen Vertrag, ungluͤcklicherweiſe ſind
aber die Artikel deſſelben, wie ſie im Mercure de France VII, p.
845 ſtehn, nicht authentiſch.
çois VIII, 489.
Beiſpiel genug. Dalla relatione del vescovo di Candon si cava,
che ha il detto vescovo la terra di Neaco, ove sono molti ere-
tici, con una missione di Gesuiti, li quali in danno s’affaticano
se con l’autorità temporale il re non da qualche buon ordine:
ed ella potrà scrivere al detto vescovo che avvisi ciò che può
fare Sua Mtà, perchè nella relazione non lo specifica. Da
quella del vescovo di S. Malo s’intende che in un castello e
villa del marchese di Moussaye è solo lecito di predicare a Cal-
vinisti: però sarebbe bene di ricordare alla Mtà del re che le-
vasse i predicatori acciocchè i missionarj del vescovo potessero
far frutto: il castello e villa non è nominato nella relazione,
e però si potrà scrivere al vescovo per saperlo. Il vescovo di
Monpellier avvisa di haver carestia d’operarj, e che dagli ere-
tici sono sentiti volontieri i padri Cappuccini, onde se gli po-
trebbe procurare una missione di questi padri.
von der Religion in Holland die Rede iſt.
Holandia et confoederatis Belgii provinciis 1622 2 dec.: „his
non obstantibus — laus deo — quotidie crescit catholicorum nu-
merus, praesertim accedente dissensione haereticorum inter se.“
re d’Inghilterra (MS Rom.)
die Furchtſamkeit des Koͤnigs: „havendo io esperimentato per ma-
nifesti segni che prevale in lui più il timore che l’ira.“ Uebrigens
„per la pratica che ho di lui (del re) lo stimo indifferente in
qualsivoglia religione.“
d’esser purgata, e di più ch’egli sapeva che V. Stà è capo di
essa chiesa e primo vescovo. Aeußerungen die ſich doch auf keine
Weiſe mit dem Prinzip der engliſchen Kirche vereinigen laſſen, wie
ſie aber dieſem Fuͤrſten auch anderwaͤrts zugeſchrieben werden. (Re-
latione del Sr di Breval al papa.)
pers I, p. 399. Sie enthalten eine Correſpondenz zwiſchen Jacob I.
Perſonen erweckt. Die Fehler Jacobs erſcheinen wenigſtens ſehr
menſchlich. Sein erſter Brief faͤngt an: My sweat boys and dear
ventrous knights worthy to be put in a new romanso. — My
sweat boys iſt die gewoͤhnliche Anrede: dear dad and gossip ſchrei-
ben ſie.
Hardwicke Papers, der nach dem Original gemacht ſeyn will.
Erzaͤhlung (20. Merz): that if the pope would not give a dis-
pensation for a wife, they would give the infanta to thy sons
Baby as his wench.
lautet: quod leges contra catholicos Romanos latae vel ferendae
in Anglia et aliis regnis regi magnae Britanniae subjectis non
attingent liberos ex hoc matrimonio oriundos, et libere jure suc-
cessionis in regnis et dominiis magnae Britanniae fruantur.
(Merc. franc. IX, Appendice II, 18.)
Tienen mucha caridad con los necessitados y en particular con
los sacerdotes: que los respetan y reverencian como ministros
de Christo, abraçan los mas de tal suerte las cosas de nuestra
santa fe, que solo el mal exemplo que los demos es causa de
que no aya entre ellos grandes santos, como lo experimente el
tiempo que estuve en aquellos reynos. — Beſonders merkwuͤrdig
ſind die literae annuae provinciae Paraquariae missae a Nico-
lao Duran, Antv. 1636, weil hier die Jeſuiten die Spanier ent-
ſernt hielten.
XVIII, § IX, nr. 49. „Brachmanum instituta omnia caerimo-
niasque cognoscit: linguam vernaculam, dictam vulgo Tamuli-
cam, quae latissime pertinet, addiscit: addit Baddagicam, qui
principum et aulae sermo, denique Grandonicam sive Samutcra-
dam, quae lingua eruditorum est, ceterum tot obsita difficulta-
inter ipsosmet Indos plurimum scire videantur qui hanc ut-
cunque norint etsi aliud nihil norint.
Sina gewidmet, nnd demſelben p. 561 eine Abhandlung hinzuge-
fuͤgt: Imperii Sinici recens et uberior notitia, die noch immer le-
ſenswuͤrdig bleibt.
di questa chiesa mi pare in universale molto simile ad una nave
a cui e li venti e le nuvole minaccino di corto grave borasca,
e per ciò li marinari ammainando le vele e calando le antenne
fermino il corso, e stiano aspettando che si chiarisca il cielo e
cessino li contrasti de’ venti: ma bene spesso avviene che tutto
il male si risolve in paura e che sgombrate le furie de’ venti
svanisce la tempestà contenta delle sole minaccie. Così ap-
punto pare che sia accaduto alla nave di questa chiesa. Quat-
tro anni fa se le levò contro una gagliarda borasca, la quale pa-
modandosi al tempo raccolsero le vele delle opere loro e si ri-
tirarono alquanto, ma in modo che potevano essere trovati da
chiunque voleva l’ajuto loro per aspettare donec aspiret dies
et inclinentur umbrae. Sin’ hora il male non è stato di altro
che di timore.
Beiſpiel: I gloriosi campioni che morirono quest’ anno furon
121: gli adulti, che per opera de’ padri della compagnia a vi-
sta di così crudele persecutione hanno ricevuto il santo batte-
simo arrivano il numero di 2236 senza numerar quelli che per
mezzo d’altri religiosi e sacerdoti Giapponesi si battezzano.
den Kaiſer Susneus.
aus den atti consistoriali.
1623, bei Siri: Memorie recondite tom. V, p. 435. 442. Scrit-
tura del deposito della Valtellina, ib. 459.
ergibt ſich, daß er nur mit Gewalt haͤtte zur Annahme der Vor-
ſchlaͤge die man ihm machte haͤtte bewogen werden koͤnnen.
che mai Bettune gli aveva parlato chiaro, e che delle sue pa-
role non aveva compreso mai che si dovessero portare le armi
della lega contra li suoi presidii. — Die gewohnte Politik in
Frankreich.
Nel fondo di Alemagna ſollte Mansfeld mit ihm operiren (Siri 641.)
Relatione di Caraffa: (I Francesi) hanno tuttavia continuato sino
al giorno d’hoggi a tener corrispondenza con li nemici di S. Mà
Cesa e dar loro ajuto in gente e danari se ben con coperta,
quale però non è stata tale che per molte lettere intercette e
per molti altri rincontri non si siano scoperti tutti l’andamenti
e corrispondenze: onde prima e doppo la rotta data dal Tilly
riore e nelli contorni d’Alsatia v’ha tenuto nervo di gente, du-
bitando che da quelle parti potesse venire qualche ruina.
venoit à bout, les alliés et ligués avec le roi le porteroient
plus facilement à un accommodement.“
ſten Zeit nachdem die Nachricht eingelaufen war) sommamente dis-
gustata, stimando poco rispetto s’havesse portato alle sue in-
segne, del continuo e grandemente se ne querelava.
ci-après autre religion que la catholique — — § 3. qu’ils puis-
sent élire par élection entre eux leurs juges, gouverneurs et au-
tres magistrats tous catholiques; folgen dann einige Beſchraͤn-
kungen.
messo in consideratione a S. Mà, che come non si riformassero
i baroni e nobili eretici, si poteva poco o nulla sperare della
conversione delli loro sudditi e per conseguenza havriano po-
tuto ancora infettare pian piano gli altri, piacque a S. Mà di
aggiungere al Sr Cle ed agli altri commissarj autorità di rifor-
mare anche li nobili.
puncto reformationis in cancellaria imperii tractata sunt ab anno
1620 ad annum 1629, im Anhang zur Germania sacra restaurata
p. 34.
Th VI, p. 226.
B. 25, p. 633.
Commentar. de Germ. sacra restaurata p. 350. Er bemerkt, daß
das Edict 1628 abgefaßt, 1629 publicirt worden; dann faͤhrt er fort:
Annuit ipse deus, dum post paucos ab ipsa deliberatione dies
Caesarem insigni victoria remuneratus est. Er meint den Sieg
von Wolgaſt, der am 22ſten Auguſt erfochten ward.
rung dieſes Fuͤrſten. Instruttione a monsr Caraffa. Venne an-
cora qualche novella della sperata riunione con la chiesa cat-
tolica del sigr duca di Sassonia, ma ella svanì ben presto: con
tutto cìò il vederlo non infenso a’ cattolici e nemicissimo de’
Breve an den Kaiſer, non haveva giammai assentito la sede apo-
stolica.
nur eine ſehr unvollſtaͤndige. Auch die Nachricht in Richeliens Me-
moiren XXIII, 283 iſt nur einſeitig. Um vieles ausfuͤhrlicher und
authentiſcher iſt die Darſtellung bei Nicoletti, die wir hier benutzen.
torato di Baviera ci fa sperare bene: laonde non sarà inutile
che S. Sà tenga proposito col detto Magontino di questo desi-
derato acquisto.
feso nello stato pel fomento che l’Inghilterra dava agli Ugo-
notti ribelli: nella vita, rispetto agli incitamenti e fellonia di
Sciales, il quale haveva indotto il duca di Orleans a macchinare
contro S. Mtà, per lo cui delitto fu poscia fatto morire: nella
riputazione, rispetto a tanti mancamenti di promesse: e final-
mente nel proprio sangue, rispetto agli strapazzi fatti alla re-
gina sua sorella: ma quello che voleva dir tutto, nell’ anima,
insidiando l’Inglese alla salute di quella della regina ed insieme
a quella del christianissimo stesso e di tutti coloro che pur
troppo hebbero voglia di fare quello infelice matrimonio.
prefato corriere di Spagna con avvisi che il re cattolico con-
tentavasi di muoversi il primo, come veniva desiderato da Fran-
cesi, purchè da questi si concedessero unitamente le due offerte
altre volte alternativamente proposte, cioè che il christianissimo
si obligasse di muoversi nel mese di maggio o di giugno dell’
anno seguente e che presentemente accomodasse l’armata cat-
tolica di alcune galere ed altri legni. Portò anche nuova il me-
desimo corriere che il conte duca haveva in Ispagna staccata la
pratica e dato ordine che se ne staccasse una simile in Fiandra
col re d’Inghilterra, il quale offriva al cattolico sospensione d’ar-
mi per tre anni o altro più lungo tempo tanto a nome del re
di Danimarca quanto degli Olandesi.
Siri: Mercurio II, 984.
vio Mediceo, enthaͤlt eine Deliberation uͤber die Ausfuͤhrbarkeit die-
vollen Anſchlag etwas erfahren habe. Es iſt doch hoͤchſt wahrſchein-
treranno nella compagnia militante per farne piacere all’ impe-
ratore e che i Toscani non abbino a ricusare come chiamati da
sì gran monarchi.
etwas davon verlauten ſollte. Wenigſtens der venezianiſche Geſandte
Zorzo Zorzi, der um die Zeit daß jene Verabredungen im Gange
waren, nach Frankreich kam, hoͤrte ſogleich davon. Si aggiungeva
che le due corone tenevano insieme machinationi e trattati di
assalire con pari forze e dispositioni l’isola d’Inghilterra. Da
iſt nun ſehr unwahrſcheinlich, daß man es in England nicht erfah-
ren habe; die Venezianer ſtanden im engſten Vernehmen mit Eng-
land: ſie kamen ſelbſt in Verdacht die Expedition gegen Rhé gera-
then zu haben. (Rel. di Francia 1628.)
Rocella ultimato sugli occhi dell’ armata Inglese, che professava
tro Roano, capo et anima di questa fattione, i progressi contra
gli Ugonotti nella Linguadocca colla ricuperatione di ben 50
piazze hanno sgomentato i cuori e spozzato la fortuna di quel
partito, che perdute le forze interne e mancategli le intelligenze
straniere si è intieramente rimesso alla volontà e clemenza del
re. Er bemerkt, daß die Spanier freilich ſpaͤt und nur mit 14
Schiffen, aber daß ſie doch wirklich gekommen ſeyen, um an der Be-
lagerung von Rochelle Theil zu nehmen. Den Uebertritt ſchreibt er
der „certezza del fine“ und dem „participar agli onori“ zu.
Monte: S. Mà, ſagt Olivarez, in sentire la grave indispositione
del duca Vincenzo ordinò che si dispacciasse corriero in Fran-
cia al medesimo Nivers promettendogli la protettione sua ac-
ciò egli potesse pacificamente ottenere il possesso di Mantova
e del Monferrato: ma appena consegnati gli ordini, si era con
altro corriere venuto d’Italia intesa la morte di Vincenzo, il
matrimonio di Retel senza participatione del re etc.
ſche Geſandte in Mantua, Mulla, 1615, a quello che si è lasciato
intender più volte il marchese di Inoiosa, già governator di Mi-
lano, che Spagnoli non porterebbono, quando venisse il caso,
mai altri allo stato di Mantoa che il duca di Nivers: — aber
warum nicht? Es ergibt ſich nur das Factum: der Governator
ſagt es, die Italiener glauben es nicht; dennoch iſt es ohne Zwei-
fel ſo.
VI, 309 geben dieß Factum an; der letzte nach einem Schreiben
Sabrans an den franzoͤſiſchen Hof.
Nuntius Pamfilio: Dichiaravasi il conte duca che per lo meno
voleva mortificare il duca di Nivers per lo poco rispetto por-
tato al re nella conclusione del matrimonio senza parteciparlo:
ma a qual segno potesse giungere la mortificatione, non poteva
il nuntio farne congettura, e tanto più che le ragioni che ave-
vano mosso il papa a concedere la dispensa, erano acerba-
mente impugnate dal medesimo conte duca.
Berichten Pallottas 10. Juni 1628: nach dem Auszug bei Nico-
letti: Il nunzio ogni dì più accorgevasi, che era malissima
l’impressione contro il duca di Nivers, che havesse disprezzato
il re di Spagna e molto più l’imperatore conchiudendo matri-
monio senza sua participazione col possesso dello stato senza
investitura, anzi senza indulto imperiale, che fosse nemico della
casa d’Austria, che avesse intelligenza e disegno co’ Francesi di
dare loro mano nell’ invasione dello stato di Milano; e che non
di meno S. Mtà Cesa havesse grandissima inclinatione alla pace,
e con questo fine havesse fatto il decreto del sequestro per le-
vare l’armi dalle mani di Spagnuoli e di Savojardi stanti le ra-
gioni che pretendevano Guastalla, Savoja, Lorena e Spagna
negli stati di Mantova e Monferrato: che dapoi il duca havesse
di nuovo offeso l’imperatore col disprezzo de’ commissarj non
dando loro la mano dritta e non gli ammettendo in Mantova e
sopra tutto col appellazione e protesta che l’imperatore fosse
caduto dalla ragione e superiorità di detti feudi.
n’erano per l’addietro totalmente sproveduti, perchè confida-
temporali. Hora si è mutato registro, et il papa presente in
particolare vi sta applicatissimo. A Tivoli egli ha condotto un
tal Ripa Bresciano, suddito di V. Sertà, il quale poi di tempo
in tempo è andato sviando molti operai della terra di Gardon.
Quivi costui fa lavorare gran quantità d’arme, prima facendo
condurre il ferro grezzo dal Bresciano et hora lavorandone qual-
che portione ancora di certe miniere ritrovate nell’ Umbria: di
che tutto diedi avviso con mie lettere a suo tempo, che m’ ima-
gino passassero senza riflessione. Di queste armi ha il papa
sotto la libreria del Vaticano accomodato un’ arsenale, dove con
buon ordine stanno riposti moschetti, picche, carabine e pistole
per armare trentamila fanti e cinquemila cavalli oltre buon nu-
mero che dalla medesima fucina di Tivoli si è mandato a Fer-
rara e Castelfranco in queste ultime occorrenze.
prire talvolta qualche errore.
facondia nelli discorsi, è copioso nelli suoi ragionamenti, di cose
varie argomenta, e tratta nelli negotj con tutte le ragioni che
intende e sa, a segno che le audienze si rendono altrettanto e
più lunghe di quelle de’ precessori suoi: e nelle congregationi
dove interviene segue pur il medesimo con grande disavan-
taggio di chi tratta seco, mentre togliendo egli la maggior parte
del tempo poco ne lascia agli altri; et ho udito io dire ad un
cardle che andava non per ricever l’audienza ma per darla al
papa, poichè era certo che la Stà S. più avrebbe voluto discor-
rere che ascoltarlo; e molte volte è accaduto che alcuni entrati
per esporre le proprie loro istanze, postosi egli nei discorsi,
se ne sono usciti senza poter de’ loro interessi dirle cosa al-
cuna.
tro ambasciatori 1624: Ama le proprie opinioni e si lascia lu-
singare dal suo genio, a che conseguita una salda tenacità dei
proprj pensieri: — — è sempre intento a quelle cose che pos-
sono ringrandire il concetto della sua persona.
lieu I, p. 65) bemerkt das von allem Anfang. Den Papſt zu behan-
deln, ſagt er, wird nicht ſchwer ſeyn: ſeine Neigung iſt fuͤr den Koͤ-
nig und fuͤr Frankreich: aus Klugheit will er aber auch die andern
Fuͤrſten zufrieden ſtellen. Der Papſt ward ſofort auch die Abnei-
gung der Spanier inne.
della Rota. Rußdorf Négociations I, 205 iſt uͤber ſeine Unterhand-
lungen beſonders ausfuͤhrlich.
8. Oct. 1628 bei Siri: Memorie VI, p. 478.
—31. Bourg en Bresse 1632.
Aprile 1629. Der Papſt beſtimmte ſeinen Nuntius in Coͤln, Pier
Luigi Caraffa, nach Niederſachſen „con titolo per la restitutione
de’ beni ecclesiastici, e deliberò di dargli anche le facoltà a
parte se fosse stato bisogno di usarle nelle controversie fra
ecclesiastici ed ecclesiastici.“
Negromontano (Schwarzenberg) Viennae nuper claris verbis a
consiliariis et ministris Caesaris dictum fuit, imperatorem sci-
licet sibi et imperio subjecturum quidquid milite suo in Borus-
sia occuparit et ceperit.
oͤrtert die einzelnen Momente dieſer Ereigniſſe.
velli che bisognando si saria trasferito a Bologna o Ferrara,
non intese però dire in correspettività di quello che espresse il
principe di Eckenberg.
hatte, zeigt das Schreiben Pallottas 10. Aug. 1628. È stato qui
rappresentato da’ maligni, che son quelli che vogliono la guerra,
che lo stato di Milano sta in grandissimo pericolo, essendo
cosa sicura che papa Urbano havendo vastissimi pensieri sia
di cattivo animo verso la casa d’Austria, che perciò si habbia
da temere di S. Stà non meno che di Veneziani e di Francesi
havendo gli stati così vicini al ducato di Milano e potendo in
un tratto mettere potente esercito in campagna: e di più gli
stessi maligni hanno rappresentato per cosa già stabilita che S.
Sà vuole in ogni modo far fare re de’ Romani il re di Francia,
ed in confermazione di ciò hanno allegato che essendo la Sà S.
papa, voleva procurare di fare re de’ Romani il suo figliuolo,
il quale ancora era fanciullo.
tas eluctatam, excelsam infracti animi magnitudinem, et virtutis
magis ac magis per merita enitescentis et assurgentis invictum
robur cum stupore adoro et supplici voto prosequor.“
nunc maxime pacem desiderabunt.
vult ut consiliarius ejus — — Dn. Camerarius observare de-
beat, Upsaliae 18 dec. 1629. Moſers patriotiſches Archiv B.
VI, p. 133.
auch in dem Bunde vom 6ten Jan. 1631 findet, mit geringer Ab-
weichung folgendergeſtalt an: „Si rex aliquos progressus faciet,
in captis aut deditis locis, quantum ad ea quae religionem spe-
ctant, observabit leges imperii.“ Er zeigt auch, wie man das ver-
ſtanden. „Le quali leggi“, fuͤgt er hinzu, „dicevano dovere in-
tendersi della religione cattolica e della confessione Augustana.“
So daß der Calvinismus ausgeſchloſſen geblieben ſeyn wuͤrde.
zug, nuove lettere del Bagni coll’ aviso che alla prefata confe-
deratione fra il re di Francia e lo Sueco erasi aggiunta la re-
publica di Venetia, la quale obligavasi a contribuire per la terza
parte.
gungen, die hieruͤber erſchienen, erſieht man zwar nicht die Wahrheit
der Thatſachen, aber doch die Punkte des Streites. È verissimo,
ſagt der paͤpſtliche Nuntius in einem chiffrirten Schreiben, che i
padri Gesuiti hanno procurato e procurano col favore dell’ im-
peratore, che non può esser maggiore, di non solo soprastare
agli altri religiosi, ma di escluderli dove essi v’hanno alcun in-
teresse o politico o spirituale. Ich finde doch, daß der Kaiſer, ſo
ergeben er damals auch den Jeſuiten war, im Jahre 1629 ſich zu
raffa, Nuntius in Coͤln, erzaͤhlt dieß. Aber ſchon waren in dieſem
Augenblick die Jeſuiten in Rom durchgedrungen. Juli 1629 er-
folgte ein Beſchluß daſelbſt, che alcuna parte (dei beni ricuperati)
potesse convertirsi in erezioni di seminarj, di alunnati, di scuole
e di collegj tanto de’ padri Gesuiti, quali in gran parte furono
motori dell’ editto di Cesare, come di altri religiosi. Die Jeſui-
tenſchulen wuͤrden ſich auch uͤber ganz Norddeutſchland ergoſſen
haben.
zur Berathung kommen ſollten, an: 1° se si doveva sospendere o
tirare avanti l’editto della ricuperatione de’ beni ecclci; 2° se ha-
vendosi da procedere avanti, si avesse da sospendere quanto a
quelli che erano negli stati dell’ elettori di Sassonia e di Bran-
denburgo: ed inclinavasi a sospenderlo; 3° quanto ai
beneficii e beni ecclci che si erano ricuperati, pretendevasi che
alli imperatori spettasse la nominazione — — 6° trattavasi di
restituire il ducato di Mechelburgh agli antichi padroni, siccome
il palatinato almeno inferiore al palatino con perpetuo pregiu-
ditio della religione cattolica come era seguito con Danimarca.
riuscì molto fruttuosa, perchè Baviera di buon cuore operò che
in quel convento non si trattò delle operationi sopra mento-
vate.
stipendia pro tribunorum arbitrio, sed ex circulornm praescripta
moderatione penderentur.
nitz: Schwediſcher Krieg Th. I, p. 231.
papa, perchè dopo aver egli reiteratamente persuaso l’impera-
tore di ripetere dagli eretici i beni ecclesiastici d’Alemagna
ch’erano in loro mani, origine di tante guerre, resistesse S.
Stà poi alle reiterate spedizioni di cardli e d’ambri nelle assi-
stenze di danaro, nel mandar gente e bandiere con l’esempio
de’ precessori, nel publicar la guerra di religione, nell’ impe-
dire colle scomuniche gli appoggi ai medesimi heretici della
Francia: anzi nel medesimo tempo ritardata l’elettione del re
de’ Romani, confortato il duca di Bavìera con la lega cattolica
all’ unione di Francia, assistendo lo medesimo di danari e di
consiglio per sostenersi in corpo separato. Il papa si lagna
d’esser tenuto eretico et amatore di buoni progressi de’ prote-
stanti, come tal volta in effetto non li ebbe discari.
concludeva che tutti li danni che per le presenti turbolenze
erano per venire alla christianità, sariano stati attribuiti alla ne-
gligenza del papa.
Spagna alle pratiche di Ludovisio per un concilio.“
via che a S. Stà sia dispiaciuta la morte del re di Suezia e che
più goda o per dir meglio manco tema i progressi de’ prote-
stanti che degli Austriaci.
Marzo 1635: essendo azione da generoso Christiano e degno
confessore di un pio imperatore ciò che egli ha fatto rimi-
rando più il cielo che il mondo.
Nicoletti excerpirt iſt, z. B. 14. April 1635. Disse un giorno il
conte di Ognate che assolutamente il re di Spagna non havrebbe
dato ajuto alcuno all’ imperatore se non in caso che seguisse
la pace con Sassonia: di che maravigliandosi il nunzio disse
ajuti non seguendo detta pace, la quale doveva piuttosto distur-
barsi trattandosi con eretici, ed applicare l’animo alla pace uni-
versale coi principi cattolici. Fulli risposto che ciò seguirebbe
quando la guerra si fosse fatta per la salute delle anime e non
per la ricuperazione de’ beni ecclesiastici, ed il padre Quiroga
sogginnse al nunzio che l’imperatore era stato gabbato da quelli
che l’havevano persuaso a fare l’editto della ricuperazione de’
beni ecclesiastici, volendo intendere de’ Gesuiti, e che tutto erasi
fatto per interesse proprio: ma avendo il nunzio risposto che
la persuasione era stata interposta con buona intenzione, il pa-
dre Quiroga si accese in maniera che proruppe in termini esor-
bitanti, sicchè al nunzio fu difficile il ripigliarlo perchè mag-
giormente non eccedesse. Ma Ognate passò più oltre, dicendo
che l’imperatore non poteva in conto alcuno ritirarsi dalla pace
con Sassonia per la necessità in cui trovavasi, non potendo
resistere a tanti nemici, e che non era obbligato a rimettervi
l’havere de’ suoi stati hereditarj ma solamente quelli dell’ imperio,
che erano tenuissimi, e che non compliva di tirare avanti con
pericolo di perdere gli uni e gli altri.
terra passa communicatione de’ ministri con officii e donativi di
cortesia, e si concede a quella Mtà nominatione di cardinale a
pare degli altri re. Spada: Relatione della nunziatura di Fran-
cia 1641: Il Sr conte Rossetti, residente in quel regno, bene
corrisponde nell’ ossequio gli ordini del Sr cardl Barberini pro-
tettore tutti pieni dell’ ardore e zelo di S. Emza.
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- TextGrid Repository (2025). Ranke, Leopold von. Die römischen Päpste, ihre Kirche und ihr Staat im sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bmtb.0