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Das Kapital.
Kritik der politischen Oekonomie.


Dritter Band, erster Theil.
Buch III:
Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion.

Kapitel I bis XXVIII.


Das Recht der Uebersetzung ist vorbehalten.

Hamburg:
Verlag von Otto Meissner.
1894.

[[II]][[III]]

Vorwort.


Endlich ist es mir vergönnt, dies dritte Buch des Marx’schen
Hauptwerks, den Abschluss des theoretischen Theils, der Öffent-
lichkeit zu übergeben. Bei der Herausgabe des zweiten Buchs,
1885, meinte ich, das dritte würde wohl nur technische Schwierig-
keiten machen, mit Ausnahme freilich einiger sehr wichtigen Ab-
schnitte. Dies war in der That der Fall; aber von den Schwierig-
keiten, die grade diese, die wichtigsten Abschnitte des Ganzen,
mir bereiten würden, davon hatte ich damals keine Ahnung, ebenso-
wenig wie von den sonstigen Hindernissen, die die Fertigstellung
des Buchs so sehr verzögern sollten.


Zunächst und zumeist störte mich eine anhaltende Augenschwäche,
die meine Arbeitszeit für Schriftliches jahrelang auf ein Minimum
beschränkte, und auch jetzt noch nur ausnahmsweise gestattet, bei
künstlichem Licht die Feder in die Hand zu nehmen. Dazu kamen
andre, nicht abzuweisende Arbeiten: Neuauflagen und Über-
setzungen früherer Arbeiten von Marx und mir, also Revisionen,
Vorreden, Ergänzungen, die ohne neue Studien oft unmöglich, usw.
Vor allem die englische Ausgabe des ersten Buchs, für deren Text
in letzter Instanz ich verantwortlich bin, und die mir daher viel
Zeit weggenommen hat. Wer den kolossalen Anwachs der inter-
nationalen sozialistischen Literatur während der letzten zehn Jahre,
und namentlich die Anzahl der Übersetzungen früherer Arbeiten
von Marx und mir einigermaßen verfolgt hat, der wird mir recht
geben, wenn ich mir Glück wünsche, dass die Anzahl der Sprachen
sehr beschränkt ist, bei denen ich dem Übersetzer nützlich sein
konnte und also die Verpflichtung hatte, eine Revision seiner
Arbeit nicht von der Hand zu weisen. Der Anwachs der Literatur
aber war nur ein Symptom des entsprechenden Anwachses der
internationalen Arbeiterbewegung selbst. Und dieser legte mir
**
[IV] neue Pflichten auf. Von den ersten Tagen unsrer öffentlichen
Thätigkeit an war ein gutes Stück der Arbeit der Vermittlung
zwischen den nationalen Bewegungen der Sozialisten und Arbeiter
in den verschiednen Ländern auf Marx und mich gefallen; diese
Arbeit wuchs im Verhältniss der Erstarkung der Gesammt-
bewegung. Während aber bis zu seinem Tode auch hierin Marx
die Hauptlast übernommen hatte, fiel von da an die stets an-
schwellende Arbeit mir allein zu. Nun ist inzwischen der direkte
Verkehr der einzelnen nationalen Arbeiterparteien unter einander
zur Regel geworden und wird es glücklicher Weise von Tag zu
Tage mehr; trotzdem wird noch weit öfter, als mir im Interesse
meiner theoretischen Arbeiten lieb ist, meine Hülfe in Anspruch
genommen. Wer aber wie ich über fünfzig Jahre in dieser Be-
wegung thätig gewesen, für den sind die hieraus entspringenden
Arbeiten eine unabweisbare, augenblicklich zu erfüllende Pflicht.
Wie im sechszehnten Jahrhundert, gibt es in unsrer bewegten
Zeit auf dem Gebiet der öffentlichen Interessen blosse Theoretiker
nur noch auf Seite der Reaktion, und eben desswegen sind diese
Herren auch nicht einmal wirkliche Theoretiker, sondern simple
Apologeten dieser Reaktion.


Der Umstand, dass ich in London wohne, bringt es nun mit
sich, dass dieser Parteiverkehr im Winter meist brieflich, im
Sommer aber grossentheils persönlich stattfindet. Und daraus,
wie aus der Nothwendigkeit, den Gang der Bewegung in einer
stets wachsenden Anzahl von Ländern und einer noch stärker
wachsenden Anzahl von Pressorganen zu verfolgen, hat sich die
Unmöglichkeit für mich entwickelt, Arbeiten, die keine Unter-
brechung dulden, anders als im Winter, speciell in den ersten drei
Monaten des Jahrs fertig zu stellen. Wenn man seine siebenzig
Jahre hinter sich hat, so arbeiten die Meynertschen Associations-
fasern des Gehirns mit einer gewissen fatalen Bedächtigkeit; man
überwindet Unterbrechungen in schwieriger theoretischer Arbeit
nicht mehr so leicht und so rasch wie früher. Daher kam es,
dass die Arbeit eines Winters, soweit sie nicht vollständig zum
Abschluss geführt hatte, im nächsten Winter grösstentheils wieder
von neuem zu machen war, und dies fand statt, namentlich mit
dem schwierigsten fünften Abschnitt.


[V]

Wie der Leser aus den folgenden Angaben ersehen wird, war
die Redaktionsarbeit wesentlich verschieden von der beim zweiten
Buch. Für das dritte lag eben nur ein, noch dazu äusserst lücken-
hafter, erster Entwurf vor. In der Regel waren die Anfänge jedes
einzelnen Abschnitts ziemlich sorgfältig ausgearbeitet, auch meist
stylistisch abgerundet. Je weiter man aber kam, desto skizzenmäßiger
und lückenhafter wurde die Bearbeitung, desto mehr Exkurse über
im Lauf der Untersuchung auftauchende Nebenpunkte enthielt
sie, wofür die endgültige Stelle späterer Anordnung überlassen
blieb, desto länger und verwickelter wurden die Perioden, worin
die in statu nascendi niedergeschriebenen Gedanken sich aus-
drückten. An mehreren Stellen verrathen Handschrift und Dar-
stellung nur zu deutlich das Hereinbrechen und die allmäligen
Fortschritte eines jener, aus Überarbeit entspringenden Krankheits-
anfälle, die dem Verfasser selbständiges Arbeiten erst mehr und
mehr erschwerten und endlich zeitweilig ganz unmöglich machten.
Und kein Wunder. Zwischen 1863 und 1867 hatte Marx nicht
nur die beiden letzten Bücher des Kapitals im Entwurf, und das
erste Buch in druckfertiger Handschrift hergestellt, sondern auch
noch die mit der Gründung und Ausbreitung der Internationalen
Arbeiter-Association verknüpfte Riesenarbeit gethan. Dafür stellten
sich aber auch schon 1864 und 65 ernste Anzeichen jener
gesundheitlichen Störungen ein, die Schuld daran sind, dass Marx
an das II. und III. Buch nicht selbst die letzte Hand gelegt hat.


Meine Arbeit begann damit, dass ich das ganze Manuskript aus
dem, selbst für mich oft nur mühsam zu entziffernden, Original in
eine leserliche Kopie hinüber diktirte, was schon eine ziemliche
Zeit wegnahm. Erst dann konnte die eigentliche Redaktion
beginnen. Ich habe diese auf das Nothwendigste beschränkt, habe
den Charakter des ersten Entwurfs, überall wo es die Deutlichkeit
zuliess, möglichst beibehalten, auch einzelne Wiederholungen nicht
gestrichen, da wo sie, wie gewöhnlich bei Marx, den Gegenstand
jedesmal von andrer Seite fassen, oder doch in andrer Ausdrucks-
weise wiedergeben. Da, wo meine Änderungen oder Zusätze nicht
bloss redaktioneller Natur sind, oder wo ich das von Marx
gelieferte thatsächliche Material zu eignen, wenn auch möglichst
im Marx’schen Geist gehaltnen Schlussfolgerungen verarbeiten
[VI] musste, ist die ganze Stelle in eckige Klammern gesetzt und mit
meinen Initialen bezeichnet. Bei meinen Fussnoten fehlen hier
und da die Klammern; wo aber meine Initialen darunter stehn,
bin ich für die ganze Note verantwortlich.


Wie in einem ersten Entwurf selbstverständlich, finden sich im
Manuskript zahlreiche Hinweise auf später zu entwickelnde Punkte,
ohne dass diese Versprechungen in allen Fällen eingehalten worden
sind. Ich habe sie stehn lassen, da sie die Absichten des Ver-
fassers in Beziehung auf künftige Ausarbeitung darlegen.


Und nun zum Einzelnen.


Für den ersten Abschnitt war das Hauptmanuskript nur mit
grossen Einschränkungen brauchbar. Gleich anfangs wird die
ganze mathematische Berechnung des Verhältnisses zwischen
Mehrwerthsrate und Profitrate (was unser Kapitel 3 ausmacht)
hineingezogen, während der in unserm Kap. 1 entwickelte Gegen-
stand erst später und gelegentlich behandelt wird. Hier kamen
zwei Ansätze einer Umarbeitung zu Hülfe, jeder von 8 Seiten
Folio; aber auch sie sind nicht durchweg im Zusammenhang aus-
gearbeitet. Aus ihnen ist das gegenwärtige Kap. 1 zusammen-
gestellt. Kap. 2 ist aus dem Hauptmanuskript. Für Kap. 3
fanden sich eine ganze Reihe unvollständiger mathematischer
Bearbeitungen, aber auch ein ganzes, fast vollständiges Heft aus
den siebziger Jahren, das Verhältniss der Mehrwerthsrate zur
Profitrate in Gleichungen darstellend. Mein Freund Samuel Moore,
der auch den grössten Theil der englischen Übersetzung des ersten
Buchs geliefert, übernahm es, dies Heft für mich zu bearbeiten,
wozu er als alter cambridger Mathematiker weit besser befähigt
war. Aus seinem Resumé habe ich dann, unter gelegentlicher
Benutzung des Hauptmanuskripts, das Kapitel 3 fertiggestellt.
— Von Kap. 4 fand sich nur der Titel vor. Da aber der hier
behandelte Punkt: Wirkung des Umschlags auf die Profitrate, von
entscheidender Wichtigkeit ist, habe ich ihn selbst ausgearbeitet,
wesshalb das ganze Kapitel im Text auch in Klammern gesetzt
ist. Es stellte sich dabei heraus, dass in der That die Formel
des Kap. 3 für die Profitrate einer Modifikation bedurfte, um
allgemein gültig zu sein. Vom fünften Kapitel an ist das Haupt-
manuskript einzige Quelle für den Rest des Abschnitts, obwohl
[VII] auch hier sehr viele Umstellungen und Ergänzungen nöthig
geworden sind.


Für die folgenden drei Abschnitte konnte ich mich, abgesehn
von stylistischer Redaktion, fast durchweg an das Original-
manuskript halten. Einzelne, meist auf die Einwirkung des Um-
schlags bezügliche Stellen waren in Einklang mit dem von mir
eingeschobnen Kap. 4 auszuarbeiten; auch sie sind in Klammern
gesetzt und mit meinen Initialen bezeichnet.


Die Hauptschwierigkeit machte Abschnitt V, der auch den ver-
wickeltsten Gegenstand des ganzen Buchs behandelt. Und grade
hier war Marx in der Ausarbeitung von einem der erwähnten
schweren Krankheitsanfälle überrascht worden. Hier liegt also
nicht ein fertiger Entwurf vor, nicht einmal ein Schema, dessen
Umrisse auszufüllen wären, sondern nur ein Ansatz von Aus-
arbeitung, der mehr als einmal in einen ungeordneten Haufen von
Notizen, Bemerkungen, Materialien in Auszugsform ausläuft. Ich
versuchte anfangs, diesen Abschnitt, wie es mir mit dem ersten
einigermaßen gelungen war, durch Ausfüllung der Lücken und
Ausarbeitung der nur angedeuteten Bruchstücke zu vervollständigen,
sodass er wenigstens annähernd das alles bot, was der Verfasser
zu geben beabsichtigt hatte. Ich habe dies wenigstens dreimal
versucht, bin aber jedesmal gescheitert, und in der hiermit ver-
lornen Zeit liegt eine der Hauptursachen der Verspätung. Endlich
sah ich ein, dass es auf diesem Weg nicht ging. Ich hätte die
ganze massenhafte Literatur dieses Gebiets durchnehmen müssen,
und am Ende etwas zustande gebracht, was doch nicht Marx
Buch war. Mir blieb nichts übrig, als die Sache in gewisser
Beziehung über’s Knie zu brechen, mich auf möglichste Ordnung
des Vorhandenen zu beschränken, nur die nothdürftigsten Ergänzungen
zu machen. Und so wurde ich Frühjahr 1893 mit der Haupt-
arbeit für diesen Abschnitt fertig.


Von den einzelnen Kapiteln waren Kap. 21—24 in der Haupt-
sache ausgearbeitet. Kap. 25 und 26 erforderten Sichtung des
Belegstoffs und Einschiebung von Material, das sich an andren
Stellen vorfand. Kap. 27 und 29 konnten fast ganz nach dem
Ms. gegeben, Kap. 28 dagegen musste stellenweise anders gruppirt
werden. Mit Kap. 30 aber fing die eigentliche Schwierigkeit an.
[VIII] Von hier an galt es, nicht nur das Material von Belegstellen,
sondern auch den, jeden Augenblick durch Zwischensätze, Ab-
schweifungen usw. unterbrochnen, und an andrer Stelle, oft ganz
beiläufig, weiter verfolgten Gedankengang in die richtige Ordnung
zu bringen. So kam das 30. Kapitel zustande durch Umstellungen
und Ausschaltungen, für die sich an andrer Stelle Verwendung
fand. Kap. 31 war wieder mehr im Zusammenhang ausgearbeitet.
Aber nun folgt im Ms. ein langer Abschnitt, überschrieben: „Die
Konfusion“, bestehend aus lauter Auszügen aus den Parlaments-
berichten über die Krisen von 1848 und 1857, worin die Aus-
sagen von dreiundzwanzig Geschäftsleuten und ökonomischen
Schriftstellern, namentlich über Geld und Kapital, Goldabfluss,
Überspekulation etc. zusammengestellt und stellenweise humoristisch
kurz glossirt sind. Hier sind, sei es durch die Fragenden, sei es
durch die Antwortenden, so ziemlich alle damals gangbaren An-
sichten über das Verhältniss von Geld und Kapital vertreten, und
die hier zu Tag tretende „Konfusion“ über das, was auf dem
Geldmarkte Geld, und was Kapital sei, wollte Marx kritisch und
satirisch behandeln. Ich habe mich nach vielen Versuchen über-
zeugt, dass eine Herstellung dieses Kapitels unmöglich ist; das
Material, besonders das von Marx glossirte, ist da verwandt worden,
wo sich ein Zusammenhang dafür vorfand.


Hierauf folgt in ziemlicher Ordnung das von mir im Kap. 32
Untergebrachte, unmittelbar darauf aber ein neuer Stoss von Aus-
zügen aus den Parlamentsberichten über alle möglichen, in diesem
Abschnitt berührten Gegenstände, vermischt mit längeren oder
kürzeren Bemerkungen des Verfassers. Gegen das Ende kon-
centriren sich die Auszüge und Glossen mehr und mehr auf die
Bewegung der Geldmetalle und des Wechselkurses, und schliessen
wieder mit allerhand Nachträglichem. Das „Vorkapitalistische“
(Kap. 36) war dagegen vollständig ausgearbeitet.


Aus all diesem Material, von der „Konfusion“ an, und soweit
es nicht schon an früheren Stellen untergebracht, habe ich die
Kapitel 33—35 zusammengestellt. Dies ging natürlich nicht ab
ohne starke Einschübe meinerseits zur Herstellung des Zusammen-
hangs. Soweit diese Einschübe nicht bloss formeller Natur, sind
sie als die meinigen ausdrücklich bezeichnet. Es ist mir auf diese
[IX] Weise endlich gelungen, alle irgendwie zur Sache gehörenden
Aussprüche des Verfassers im Text unterzubringen; es ist nichts
weggefallen als ein geringer Theil der Auszüge, der entweder
anderweitig gegebnes nur wiederholte, oder aber Punkte berührte,
auf die im Ms. nicht näher eingegangen ist.


Der Abschnitt über Grundrente war viel vollständiger aus-
gearbeitet, wenn auch keineswegs geordnet, wie schon daraus
hervorgeht, dass Marx es im Kap. 43 (im Ms. das letzte Stück
des Abschnitts über Rente) nöthig findet, den Plan des ganzen
Abschnitts kurz zu rekapituliren. Und dies war für die Heraus-
gabe um so erwünschter, als das Ms. anfängt mit Kap. 37, worauf
Kap. 45—47 folgen, und erst hierauf die Kap. 38—44. Die
meiste Arbeit machten die Tabellen bei der Differentialrente II,
und die Entdeckung, dass in Kap. 43 der hier zu behandelnde
dritte Fall dieser Rentenart gar nicht [untersucht] war.


Für diesen Abschnitt über Grundrente hatte Marx in den sieb-
ziger Jahren ganz neue Specialstudien gemacht. Er hatte die,
nach der „Reform“ von 1861 in Russland unvermeidlich gewordnen
statistischen Aufnahmen und sonstigen Veröffentlichungen über
Grundeigenthum, die ihm von russischen Freunden in wünschens-
werthester Vollständigkeit zur Verfügung gestellt worden, jahrelang
in der Ursprache studirt und ausgezogen, und beabsichtigte sie
bei der Neubearbeitung dieses Abschnitts zu verwerthen. Bei der
Mannichfaltigkeit der Formen, sowohl des Grundbesitzes wie der
Ausbeutung der ackerbauenden Producenten in Russland, sollte im
Abschnitt über Grundrente Russland dieselbe Rolle spielen wie im
Buch I, bei der industriellen Lohnarbeit, England. Leider blieb
ihm die Ausführung dieses Plans versagt.


Endlich der siebente Abschnitt lag in vollständiger Niederschrift
vor, aber nur als erster Entwurf, dessen endlos verschlungne
Perioden erst zerlegt werden mussten, um druckbar zu werden.
Vom letzten Kapitel existirt nur der Anfang. Hier sollten die
den drei grossen Revenueformen: Grundrente, Profit, Arbeitslohn
entsprechenden drei grossen Klassen der entwickelten kapitalistischen
Gesellschaft, — Grundeigenthümer, Kapitalisten, Lohnarbeiter —
und der mit ihrer Existenz nothwendig gegebne Klassenkampf
als thatsächlich vorliegendes Ergebniss der kapitalistischen Periode
[X] dargestellt werden. Dergleichen Schlusszusammenfassungen pflegte
Marx sich für die Schlussredaktion, kurz vor dem Druck, vor-
zubehalten, wo dann die neuesten geschichtlichen Ereignisse ihm
mit nie versagender Regelmäßigkeit die Belege seiner theoretischen
Entwicklungen in wünschenswerthester Aktualität lieferten.


Die Citate und Belegstellen sind, wie schon im II. Buch
bedeutend spärlicher als im ersten. Citate aus Buch I geben die
Seitenzahlen der 2. und 3. Auflage. Wo im Ms. auf theoretische
Aussprüche früherer Oekonomen verwiesen wird, ist meist nur der
Name angegeben, die Stelle selbst sollte bei der Schlussbearbeitung
angezogen werden. Ich habe das natürlich so lassen müssen.
Von Parlamentsberichten sind nur vier, aber diese auch ziemlich
reichlich benutzt worden. Es sind folgende:


  • 1) Reports from Committees (des Unterhauses) Vol. VIII,
    Commercial Distress, Vol. II, Part. I. 1847—48. Minutes of
    Evidence. — Citirt als: Commercial Distress, 1847—48.
  • 2) Secret Committee of the House of Lords on Commercial
    Distress 1847. Report printed 1848. Evidence printed 1857 (weil
    1848 für zu kompromittirlich angesehn). — Citirt als: C. D.
    1848/57.
  • 3) Report: Bank Acts, 1857. — Ditto, 1858. — Berichte des
    Unterhausausschusses über die Wirkung der Bankakte von 1844
    und 45. Mit Zeugenaussagen. — Citirt als: B. A. (zuweilen auch B. C.)
    1857, resp. 1858.

Das vierte Buch — die Geschichte der Mehrwerthstheorie —
werde ich in Angriff nehmen, sobald es mir irgendwie möglich wird.


Im Vorwort zum zweiten Band des „Kapital“ hatte ich mich
abzufinden mit den Herren, die dazumal ein grosses Geschrei
erhoben, weil sie „in Rodbertus die geheime Quelle und einen
überlegnen Vorgänger von Marx“ gefunden haben wollten. Ich
bot ihnen Gelegenheit zu zeigen, „was die Rodbertus’sche Oekonomie
leisten kann“; ich forderte sie auf, nachzuweisen, „wie nicht nur
ohne Verletzung des Werthgesetzes, sondern vielmehr auf Grund-
lage desselben, eine gleiche Durchschnittsprofitrate sich bilden
kann und muss“. Dieselben Herren, die damals aus subjektiven
oder objektiven, in der Regel aber alles andre als wissen-
[XI] schaftlichen Gründen den guten Rodbertus als einen ökonomischen
Stern allererster Grösse ausposaunten, sind ausnahmslos die Antwort
schuldig geblieben. Dagegen haben andre Leute es der Mühe
werth gehalten, sich mit dem Problem zu beschäftigen.


In seiner Kritik des II. Bandes (Conrads Jahrbücher, XI, 5, 1885,
S. 452—65) nimmt Prof. W. Lexis die Frage auf, wenn er auch
keine direkte Lösung geben will. Er sagt: „Die Lösung jenes
Widerspruchs“ (zwischen dem Ricardo-Marx’schen Werthgesetz und
der gleichen Durchschnittsprofitrate) „ist unmöglich, wenn die
verschiednen Waarenarten vereinzelt betrachtet werden und ihr
Werth gleich ihrem Tauschwerth und dieser gleich oder proportional
ihrem Preise sein soll“. Sie ist nach ihm nur möglich, wenn
man „für die einzelnen Waarenarten die Bemessung des Werthes
nach der Arbeit aufgibt, und nur die Waarenproduktion im
Ganzen, und die Vertheilung derselben unter die Gesammtklassen der
Kapitalisten und Arbeiter ins Auge fasst … Von dem Gesammt-
produkt erhält die Arbeiterklasse nur einen gewissen Theil …
der andre den Kapitalisten zufallende Theil bildet im Marx’schen
Sinne das Mehrprodukt und demnach auch … den Mehrwerth.
Die Mitglieder der Kapitalistenklasse vertheilen nun diesen gesammten
Mehrwerth unter sich, nicht nach Maßgabe der von ihnen
beschäftigten Arbeiterzahl, sondern nach Verhältniss der von jedem
gestellten Kapitalgrösse, wobei auch Grund und Boden als Kapital-
werth mit in Rechnung gezogen wird“. Die Marx’schen, durch
die in den Waaren verkörperten Arbeitseinheiten bestimmten Ideal-
werthe entsprechen nicht den Preisen, können aber „als Ausgangs-
punkt einer Verschiebung betrachtet werden, die zu den wirklichen
Preisen führt. Die letzteren sind dadurch bedingt, dass gleich
grosse Kapitalien gleich grosse Gewinne verlangen.“ Dadurch
werden einige Kapitalisten für ihre Waaren höhere Preise erhalten
als deren Idealwerthe, andre erhalten niedrigere. „Da aber die
Einbussen und Zulagen an Mehrwerth sich innerhalb der Kapitalisten-
klasse gegenseitig aufheben, so ist die Gesammtgrösse des Mehr-
werths dieselbe, als wenn alle Preise den Idealwerthen der
Waaren proportinal wären.“


Man sieht, die Frage ist hier nicht entfernt gelöst, aber sie ist,
wenn auch in laxer und verflachender Weise, doch im Ganzen richtig
[XII] gestellt. Und dies ist in der That mehr als wir von jemand er-
warten dürfen, der sich, wie der Verfasser, mit einem gewissen Stolz
als einen „Vulgärökonomen“ hinstellt; es ist gradezu überraschend,
wenn man es mit den später zu behandelnden Leistungen andrer
Vulgärökonomen vergleicht. Die Vulgärökonomie des Verfassers
ist allerdings eigner Art. Er sagt, der Kapitalgewinn könne aller-
dings in der Marx’schen Weise abgeleitet werden, aber nichts zwinge
zu dieser Auffassung. Im Gegentheil. Die Vulgärökonomie habe
eine, mindestens plausiblere Erklärungsweise: „die kapitalistischen
Verkäufer, der Rohstoffproducent, der Fabrikant, der Grosshändler,
der Kleinhändler, machen bei ihren Geschäften Gewinn, indem jeder
theurer verkauft als er kauft, also den Selbstkostenpreis seiner Waare
um einen gewissen Prozentsatz erhöht. Nur der Arbeiter ist nicht
im Stande, einen ähnlichen Werthzuschlag durchzusetzen, er ist ver-
möge seiner ungünstigen Lage dem Kapitalisten gegenüber genöthigt,
seine Arbeit für den Preis zu verkaufen, den sie ihm selbst kostet,
nämlich für den nothwendigen Lebensunterhalt … so behalten diese
Preiszuschläge den kaufenden Lohnarbeitern gegenüber ihre volle
Bedeutung und bewirken die Uebertragung eines Theils des Werthes
des Gesammtprodukts auf die Kapitalistenklasse.“


Nun bedarf es keiner grossen Anstrengung des Denkens, um ein-
zusehn, dass diese „vulgärökonomische“ Erklärung des Kapital-
profits praktisch auf dieselben Resultate hinausläuft wie die Marx’sche
Mehrwerthstheorie; dass die Arbeiter nach der Lexis’schen Auf-
fassung in genau derselben „ungünstigen Lage“ sich befinden wie
bei Marx; dass sie ganz ebensosehr die Geprellten sind, da jeder
Nichtarbeiter über dem Preis verkaufen kann, der Arbeiter aber
nicht; und dass auf Grundlage dieser Theorie sich ein mindestens
ebenso plausibler Vulgärsozialismus aufbauen lässt, wie der hier in
England auf Grundlage der Jevons-Mengerschen Gebrauchswerths-
und Grenznutzentheorie aufgebaute. Ja ich vermuthe sogar, würde
Herrn George Bernard Shaw diese Profittheorie bekannt, er wäre
im Stand, mit beiden Händen zuzugreifen, Jevons und Karl Menger
den Abschied zu geben, und auf diesem Felsen die Fabianische
Kirche der Zukunft neu zu errichten.


In Wirklichkeit aber ist diese Theorie nur eine Umschreibung der
Marx’schen. Woraus werden denn die sämmtlichen Preiszuschläge
[XIII] bestritten? Aus dem „Gesammtprodukt“ der Arbeiter. Und zwar
indem die Waare „Arbeit“, oder wie Marx sagt, Arbeitskraft, unter
ihrem Preis verkauft werden muss. Denn wenn es die gemeinsame
Eigenschaft aller Waaren ist, theurer verkauft zu werden als die
Produktionskosten, wenn aber hiervon die Arbeit allein ausgenommen
ist, und stets nur zu den Produktionskosten verkauft wird, so wird
sie eben unter dem Preis verkauft, der die Regel ist in dieser vulgär-
ökonomischen Welt. Der infolge dessen dem Kapitalisten, resp.
der Kapitalistenklasse zufallende Extraprofit besteht eben darin,
und kann in letzter Instanz nur dadurch zustande kommen, dass
der Arbeiter, nach Reproduktion des Ersatzes für den Preis seiner
Arbeit, noch weiteres Produkt produciren muss, für das er nicht
bezahlt wird — Mehrprodukt, Produkt unbezahlter Arbeit, Mehr-
werth. Lexis ist ein in der Wahl seiner Ausdrücke äusserst vor-
sichtiger Mann. Er sagt nirgends gradeaus, dass obige Auffassung
die seinige ist; ist sie es aber, so ist sonnenklar, dass wir es hier
nicht mit einem jener gewöhnlichen Vulgärökonomen zu thun
haben, von denen er selbst sagt, dass jeder einzelne in den Augen
von Marx „bestenfalls nur ein hoffnungsloser Schwachkopf ist“,
sondern mit einem als Vulgärökonomen verkleideten Marxisten.
Ob diese Verkleidung bewusst oder unbewusst vor sich gegangen,
ist eine uns hier nicht interessirende psychologische Frage. Wer
das ergründen möchte, wird vielleicht auch untersuchen, wie es
möglich war, dass zu einer gewissen Zeit ein so gescheiter Mann
wie Lexis es unzweifelhaft ist, auch einmal einen solchen Blödsinn
wie den Bimetallismus vertheidigen konnte.


Der erste, der die Frage wirklich zu beantworten versuchte, war
Dr. Conrad Schmidt: „Die Durchschnittsprofitrate auf Grundlage
des Marx’schen Werthgesetzes. Stuttgart, Dietz 1889.“ Schmidt
sucht die Details der Marktpreisbildung in Einklang zu bringen
sowohl mit dem Werthgesetz wie mit der Durchschnittsprofitrate.
Der industrielle Kapitalist erhält in seinem Produkt erstens Ersatz
für sein vorgeschossnes Kapital, zweitens ein Mehrprodukt, wofür
er nichts bezahlt hat. Um dies Mehrprodukt aber zu erhalten,
muss er sein Kapital in der Produktion vorschiessen; d. h. er muss
ein bestimmtes Quantum vergegenständlichter Arbeit anwenden, um
sich dies Mehrprodukt aneignen zu können. Für den Kapitalisten
[XIV] ist also dies sein vorgeschossnes Kapital das Quantum vergegen-
ständlichter Arbeit, das gesellschaftlich nöthig ist, um ihm dies
Mehrprodukt zu verschaffen. Für jeden andern industriellen Kapi-
talisten gilt dasselbe. Da nun die Produkte dem Werthgesetz
gemäß sich gegeneinander austauschen im Verhältniss der zu ihrer
Produktion gesellschaftlich nothwendigen Arbeit, und da für den
Kapitalisten die zur Herstellung seines Mehrprodukts nothwendige
Arbeit eben die in seinem Kapital aufgehäufte, vergangene Arbeit
ist, so folgt dass sich die Mehrprodukte austauschen nach dem Ver-
hältniss der zu ihrer Produktion erheischten Kapitale, nicht aber,
nach dem der wirklich in ihnen verkörperten Arbeit. Der auf
jede Kapitaleinheit fallende Antheil ist also gleich der Summe aller
produzirten Mehrwerthe, dividirt durch die Summe der darauf ver-
wandten Kapitale. Hiernach werfen gleiche Kapitale in gleichen
Zeiträumen gleiche Profite ab, und dies wird bewirkt, indem der
so berechnete Kostpreis des Mehrprodukts, d. h. der Durchschnitts-
profit, auf den Kostpreis des bezahlten Produkts geschlagen, und
zu diesem erhöhten Preise beides, bezahltes und unbezahltes Pro-
dukt, verkauft wird. Die Durchschnittsprofitrate ist hergestellt,
trotzdem dass, wie Schmidt meint, die Durchschnittspreise der ein-
zelnen Waaren nach dem Werthgesetz bestimmt werden.


Die Konstruktion ist äusserst sinnreich, sie ist ganz nach Hegelschem
Muster, aber sie theilt das mit der Mehrzahl der Hegelschen, dass
sie nicht richtig ist. Mehrprodukt oder bezahltes Produkt macht
keinen Unterschied: soll das Werthgesetz auch für die Durch-
schnittspreise unmittelbar gelten, so müssen beide verkauft werden
im Verhältniss der zu ihrer Herstellung erforderlichen und darin
verbrauchten gesellschaftlich nöthigen Arbeit. Das Werthgesetz
richtet sich von vornherein gegen die aus der kapitalistischen Vor-
stellungsweise überkommene Ansicht, als sei die aufgehäufte ver-
gangne Arbeit, woraus das Kapital besteht, nicht bloss eine be-
stimmte Summe von fertigem Werth, sondern, weil Faktor der
Produktion und Profitbildung, auch werthbildend, also Quelle von
mehr Werth als es selbst hat; es stellt fest, dass diese Eigen-
schaft nur der lebendigen Arbeit zukommt. Dass die Kapitalisten
im Verhältniss der Grösse ihrer Kapitale gleiche Profite erwarten,
ihren Kapitalvorschuss also als eine Art Kostpreis ihres Profits an-
[XV] sehn, ist bekannt. Wenn aber Schmidt diese Vorstellung benutzt,
um vermittelst ihrer die nach der Durchschnittsprofitrate berech-
neten Preise in Einklang mit dem Werthgesetz zu bringen, so
hebt er das Werthgesetz selbst auf, indem er eine ihm total wider-
sprechende Vorstellung diesem Gesetz als mitbestimmenden Faktor
einverleibt.


Entweder ist die aufgehäufte Arbeit werthbildend neben der
lebendigen. Dann gilt das Werthgesetz nicht.


Oder sie ist nicht werthbildend. Dann ist Schmidts Beweis-
führung unverträglich mit dem Werthgesetz.


Schmidt wurde auf diesen Seitenweg geführt, als er der Lösung
schon sehr nahe war, weil er glaubte, eine wo möglich mathe-
matische Formel finden zu müssen, die den Einklang des Durch-
schnittspreises jeder einzelnen Waare mit dem Werthgesetz nach-
weisen liesse. Wenn er aber hier, ganz in der Nähe des Ziels,
einem Irrweg folgte, so beweist der übrige Inhalt der Broschüre,
mit welchem Verständniss er aus den beiden ersten Büchern des
„Kapital“ weitere Schlüsse gezogen hat. Ihm gebührt die Ehre, für
die bisher unerklärliche sinkende Tendenz der Profitrate die richtige,
bei Marx im dritten Abschnitt des dritten Buchs gegebne Erklärung
selbständig gefunden zu haben; dessgleichen die Ableitung des
Handelsprofits aus dem industriellen Mehrwerth, und eine ganze
Reihe von Bemerkungen über Zins und Grundrente, wodurch Dinge
anticipirt werden, die bei Marx im vierten und fünften Abschnitt
des dritten Buchs entwickelt sind.


In einer späteren Arbeit (Neue Zeit 1892/93, No. 4 u. 5) versucht
Schmidt einen andern Weg der Lösung. Dieser läuft darauf hin-
aus, dass die Konkurrenz es ist, die die Durchschnittsprofitrate her-
stellt, indem sie Kapital aus Produktionszweigen mit Unterprofit
in andre auswandern macht, wo Ueberprofit gemacht wird. Dass
die Konkurrenz die grosse Ausgleicherin der Profite ist, ist nicht
neu. Aber nun versucht Schmidt den Nachweis, dass diese Nivel-
lirung der Profite identisch ist mit der Reducirung des Verkaufs-
preises von im Uebermaß producirten Waaren auf das Werthmaß,
das die Gesellschaft nach dem Werthgesetz dafür zahlen kann.
Warum auch dies nicht zum Ziel führen konnte, ergibt sich hin-
reichend aus den Auseinandersetzungen von Marx im Buche selbst.


[XVI]

Nach Schmidt ging P. Fireman an das Problem (Conrads Jahr-
bücher, dritte Folge, III, S. 793). Ich gehe nicht ein auf seine
Bemerkungen über sonstige Seiten der Marxschen Darstellung. Sie
beruhen auf dem Missverständniss, dass Marx da definiren will, wo
er entwickelt, und dass man überhaupt bei Marx nach fix und fer-
tigen, ein für allemal gültigen Definitionen suchen dürfe. Es ver
steht sich ja von selbst, dass da, wo die Dinge und ihre gegen-
seitigen Beziehungen nicht als fixe, sondern als veränderliche auf-
gefasst werden, auch ihre Gedankenabbilder, die Begriffe, ebenfalls
der Veränderung und Umbildung unterworfen sind; dass man sie
nicht in starre Definitionen einkapselt, sondern in ihrem histo-
rischen resp. logischen Bildungsprozess entwickelt. Danach wird
es wohl klar sein, warum Marx am Anfang des ersten Buchs, wo
er von der einfachen Waarenproduktion als seiner historischen Vor-
aussetzung ausgeht, um dann weiterhin von dieser Basis aus zum
Kapital zu kommen — warum er da eben von der einfachen Waare
ausgeht und nicht von einer begrifflich und geschichtlich sekun-
dären Form, von der schon kapitalistisch modificirten Waare; was
freilich Fireman platterdings nicht einsehn kann. Diese und andre
Nebendinge, die noch zu mancherlei Einwendungen Anlass geben
könnten, lassen wir lieber links liegen and gehn sofort zum Kern
der Sache über. Während dem Verfasser die Theorie lehrt, dass
der Mehrwerth bei gegebner Mehrwerthsrate der Anzahl der an-
gewandten Arbeitskräfte proportional ist, zeigt ihm die Erfahrung,
dass bei gegebner Durchschnittsprofitrate der Profit proportional
ist der Grösse des angewandten Gesammtkapitals. Dies erklärt
Fireman dadurch, dass der Profit eine nur konventionelle (das heisst
bei ihm: einer bestimmten gesellschaftlichen Formation angehörige,
mit ihr stehende und fallende) Erscheinung ist; seine Existenz ist
einfach an das Kapital geknüpft; dies, wenn es stark genug ist,
sich einen Profit zu erzwingen, ist durch die Konkurrenz genöthigt
sich auch eine für alle Kapitale gleiche Profitrate zu erzwingen.
Ohne gleiche Profitrate ist eben keine kapitalistische Produktion
möglich; diese Produktionsform vorausgesetzt, kann für jeden Ein-
zelkapitalisten die Masse des Profits nur abhängen, bei gegebner
Profitrate, von der Grösse seines Kapitals. Andrerseits besteht der
Profit aus Mehrwerth, unbezahlter Arbeit. Und wie geschieht hier
[XVII] die Verwandlung des Mehrwerths, dessen Grösse sich nach der
Ausbeutung der Arbeit richtet, in Profit, dessen Grösse sich nach
der Grösse des dazu erforderten Kapitals richtet? „Einfach dadurch,
dass in allen Produktionszweigen, wo das Verhältniss zwischen …
konstantem und variablem Kapital am grössten ist, die Waaren
über ihrem Werth verkauft werden, dass heisst aber auch, dass in
denjenigen Produktionszweigen, wo das Verhältniss konstantes Ka-
pital: variables Kapital = c:v am kleinsten ist, die Waaren unter
ihrem Werth verkauft werden, und dass nur, wo das Verhältniss
c:v eine bestimmte Mittelgrösse darstellt, die Waaren zu ihrem
wahren Werth veräussert werden … Ist diese Inkongruenz einzelner
Preise mit ihren respektiven Werthen eine Widerlegung des Werth-
prinzips? Keineswegs. Denn dadurch, dass die Preise einiger Waaren
in gleichem Maß über den Werth steigen, wie die Preise andrer
unter dem Werth sinken, bleibt die Totalsumme der Preise der
Totalsumme der Werthe gleich … in letzter Instanz verschwindet
die Inkongruenz.“ Diese Inkongruenz ist eine „Störung“; „in den
exakten Wissenschaften aber pflegt man eine berechenbare Störung
nie als eine Widerlegung eines Gesetzes zu betrachten.“


Man vergleiche hiermit die entsprechenden Stellen in Kap. IX,
und man wird finden, dass Fireman hier in der That den Finger
auf den entscheidenden Punkt gelegt hat. Wie vieler Mittelglieder
es aber auch nach dieser Entdeckung noch bedürfte, um Fireman
zu befähigen, die volle handgreifliche Lösung des Problems heraus-
zuarbeiten, beweist die unverdient kühle Aufnahme, die sein so
bedeutender Artikel gefunden hat. Soviele sich auch für das
Problem interessirten, sie alle fürchteten noch immer sich die
Finger zu verbrennen. Und dies erklärt sich nicht nur aus der
unvollendeten Form, worin Fireman seinen Fund gelassen hat,
sondern auch aus der unläugbaren Mangelhaftigkeit sowohl seiner
Auffassung der Marx’schen Darstellung, wie seiner eignen, auf
dieser Auffassung begründeten allgemeinen Kritik derselben.


Wo es Gelegenheit gibt, sich bei einer schwierigen Sache zu
blamiren, da fehlt Herr Professor Julius Wolf in Zürich nie.
Das ganze Problem, erzählt er uns (Conrads Jahrbücher, neue
Folge, II, S. 352 und ff.) löst sich durch den relativen Mehrwerth.
Die Produktion des relativen Mehrwerths beruht auf Vermehrung
B
[XVIII] des konstanten Kapitals gegenüber dem variablen. „Ein Plus an
konstantem Kapital hat ein Plus an Produktivkraft der Arbeiter
zur Voraussetzung. Da dies Plus an Produktivkraft aber (auf
dem Wege über die Verbilligung der Lebensmittel) ein Plus an
Mehrwerth nach sich zieht, ist die direkte Beziehung zwischen
wachsendem Mehrwerth und wachsender Betheiligung des konstanten
Kapitals im Gesammtkapital hergestellt. Ein Mehr an konstantem
Kapital weist ein Mehr an Produktivkraft der Arbeit aus. Bei
gleichbleibendem variablem und wachsendem konstantem Kapital
muss daher der Mehrwerth steigen im Einklang mit Marx. Diese
Frage war uns aufgegeben.“


Zwar sagt Marx an hundert Stellen des ersten Buchs das grade
Gegentheil; zwar ist die Behauptung, nach Marx steige der relative
Mehrwerth, bei fallendem variablem Kapital, im Verhältniss wie
das konstante Kapital steigt, von einer Erstaunlichkeit, die jedes
parlamentarischen Ausdrucks spottet; zwar beweist Herr Julius
Wolf in jeder Zeile, dass er weder relativ noch absolut das geringste
verstanden hat weder von absolutem noch von relativem Mehr-
werth; zwar sagt er selbst: „man scheint sich auf den ersten
Blick hier wirklich in einem Nest von Ungereimtheiten zu befinden“,
was beiläufig das einzige wahre Wort in seinem ganzen Artikel
ist. Aber was thut das alles? Herr Julius Wolf ist so stolz auf
seine geniale Entdeckung, dass er nicht unterlassen kann, dem
Marx dafür posthume Lobsprüche zu ertheilen, und diesen seinen
eignen unergründlichen Unsinn anzupreisen als einen „neuerlichen
Beweis der Schärfe und Weitsichtigkeit, mit der sein (Marx’s)
kritisches System der kapitalistischen Wirthschaft entworfen ist!“


Aber es kommt noch besser: Herr Wolf sagt: „Ricardo hat eben-
sowohl behauptet: gleicher Kapitalaufwand, gleicher Mehrwerth
(Profit) — wie: gleicher Arbeitsaufwand, gleicher Mehrwerth (der
Masse nach). Und die Frage war nun: wie reimt sich das eine
mit dem andern. Marx hat die Frage in dieser Form nun aber
nicht anerkannt. Er hat (im dritten Band) zweifellos nach-
gewiesen
, dass die zweite Behauptung nicht unbedingte Konsequenz
des Werthgesetzes sei, ja dass sie seinem Werthgesetze wider-
sprechen und also … direkt zu verwerfen sei.“ Und nun unter-
sucht er, wer von uns beiden sich geirrt hat, ich oder Marx.
[XIX] Dass er selbst in der Irre spazieren geht, daran denkt er natürlich
nicht.


Es hiesse meine Leser beleidigen, und die Komik der Situation
total verkennen, wollte ich nur ein Wort verlieren über diese
Prachtstelle. Ich füge nur noch hinzu: Mit derselben Kühnheit,
womit er damals bereits sagen konnte, was „Marx im dritten Band
zweifellos nachgewiesen“, benutzt er die Gelegenheit, einen an-
geblichen Professorenklatsch zu berichten, wonach Konrad Schmidts
obige Schrift „von Engels direkt inspirirt sei.“ Herr Julius Wolf!
In der Welt worin Sie leben und weben, mag es üblich sein,
dass der Mann, der andern öffentlich ein Problem stellt, seine
Privatfreunde im Stillen mit der Lösung bekannt macht. Dass
Sie dazu kapabel sind, will ich Ihnen gern glauben. Dass in der
Welt, worin ich verkehre, man sich nicht zu solchen Erbärmlich-
keiten herabzulassen braucht, beweist Ihnen das gegenwärtige
Vorwort. —


Kaum war Marx gestorben, da veröffentlichte Herr Achille
Loria
schleunigst einen Artikel über ihn in der Nuova Antologia
(April 1883): zuerst eine von falschen Angaben strotzende Bio-
graphie, sodann eine Kritik der öffentlichen, politischen und
literarischen Thätigkeit. Die Marxische materialistische Auffassung
der Geschichte wird hier gefälscht und verdreht mit einer Zu-
versichtlichkeit, die einen grossen Zweck errathen lässt. Und
dieser Zweck ist erreicht worden: 1886 veröffentlichte derselbe
Herr Loria ein Buch: La teoria economica della costituzione politica,
worin er die 1883 so gänzlich und so absichtlich entstellte Marx’sche
Geschichtstheorie als seine eigne Erfindung der staunenden Mit-
welt verkündet. Allerdings ist die Marx’sche Theorie hier auf ein
ziemlich philiströses Niveau heruntergebracht; auch wimmeln die
historischen Belege und Beispiele von Schnitzern, die man keinem
Quartaner durchlassen würde; aber was verschlägt das alles? Die
Entdeckung, dass überall und immer die politischen Zustände und Er-
eignisse ihre Erklärung finden in den entsprechenden ökonomischen Zu-
ständen, wurde, wie hiermit bewiesen, keineswegs von Marx im Jahr 1845
gemacht, sondern von Herrn Loria 1886. Wenigstens hat er dies
seinen Landsleuten, und seit sein Buch französisch erschienen, auch
einigen Franzosen glücklich aufgebunden, und kann jetzt als Autor
B*
[XX] einer neuen epochemachenden Geschichtstheorie in Italien herum-
stolziren, bis die dortigen Sozialisten Zeit finden, dem Illustre Loria
die gestohlnen Pfauenfedern herunterzuzupfen.


Das ist aber erst ein kleines Pröbchen von Herrn Lorias Manier.
Er versichert uns, dass sämmtliche Theorien von Marx beruhen
auf einem bewussten Sophisma (un consaputo sofisma); dass
Marx vor Paralogismen nicht zurückscheute, auch wenn er sie als
solche erkannte
(sapendoli tali) usw. Und nachdem er mit einer
ganzen Reihe ähnlicher gemeiner Schnurren seinen Lesern das
Nöthige beigebracht hat, damit sie Marx für einen Streber à la
Loria ansehn, der seine Effektchen mit denselben kleinen faulen
Humbugsmittelchen in Scene setzt wie unser paduanischer Professor,
jetzt kann er ihnen ein wichtiges Geheimniss verrathen, und damit
führt er auch uns zur Profitrate zurück.


Herr Loria sagt: Nach Marx soll sich die in einem kapitalistischen
Industriegeschäft produzirte Masse des Mehrwerths (den Herr Loria
hier mit dem Profit identificirt), richten nach dem darin angewandten
variablen Kapital, da das konstante Kapital keinen Profit abwirft.
Das widerspricht aber der Wirklichkeit. Denn in der Praxis richtet
sich der Profit nicht nach dem variablen, sondern nach dem Ge-
sammtkapital. Und Marx sieht dies selbst ein (I, Kap. XI) und
gibt zu, dass dem Anschein nach die Thatsachen seiner Theorie
widersprechen. Wie aber löst er den Widerspruch? Er verweist
seine Leser auf einen noch nicht erschienenen folgenden Band.
Von diesem Band hatte Loria seinen Lesern schon früher gesagt,
er glaube nicht, dass Marx auch nur einen Augenblick daran ge-
dacht habe, ihn zu schreiben, und jetzt ruft er triumphirend aus:
„nicht mit Unrecht habe ich also behauptet, dieser zweite Band,
womit Marx in einem fort seinen Gegnern droht, ohne dass er je
erscheint, dieser Band könne sehr wohl ein pfiffiges Auskunfts-
mittel gewesen sein, das Marx da anwandte, wo ihm die wissen-
schaftlichen Argumente ausgingen (un ingegnoso spediente ideato
dal Marx a sostituzione degli argomenti scientifici). Und wer jetzt
nicht überzeugt ist, dass Marx auf derselben Höhe des wissen-
schaftlichen Schwindels steht wie l’illustre Loria, an dem ist Hopfen
und Malz verloren.


Soviel also haben wir gelernt: nach Herrn Loria ist die Marx’sche
[XXI] Mehrwerthstheorie absolut unvereinbar mit der Thatsache der all-
gemeinen gleichen Profitrate. Nun kam das zweite Buch heraus,
und damit meine öffentlich gestellte Frage grade über diesen
selben Punkt. Wäre Herr Loria einer von uns blöden Deutschen
gewesen, er wäre einigermaßen in Verlegenheit gerathen. Aber
er ist ein kecker Südländer, er kommt aus einem heissen Klima,
wo, wie er behaupten kann, die Unverfrorenheit gewissermassen
Naturbedingung ist. Die Frage wegen der Profitrate ist öffentlich
gestellt. Herr Loria hat sie öffentlich für unlöslich erklärt. Und
grade desshalb wird er sich jetzt selbst übertreffen, indem er sie
öffentlich löst.


Dies Wunder geschieht in Conrads Jahrbüchern, N. F. Bd. XX,
S. 272 ff. in einem Artikel über Konrad Schmidts oben erwähnte
Schrift. Nachdem er von Schmidt gelernt, wie der kommercielle
Profit zustande kommt, ist ihm auf einmal alles klar. „Da nun
die Werthbestimmung durch die Arbeitszeit den Kapitalisten, die
einen grösseren Theil ihres Kapitals in Löhnen anlegen, einen
Vortheil gibt, so kann das unproduktive“ [soll heissen kommercielle]
„Kapital von diesen bevorzugten Kapitalisten einen höheren Zins“
[soll heissen Profit] „erzwingen und die Gleichheit zwischen den
einzelnen industriellen Kapitalisten hervorbringen … So z. B. wenn
die industriellen Kapitalisten A, B, C, 100 Arbeitstage für jeden,
und respektive 0,100,200 konstantes Kapital in der Produktion
anwenden, und der Arbeitslohn für 100 Arbeitstage 50 Arbeitstage
in sich enthält, jeder Kapitalist einen Mehrwerth von 50 Arbeitstagen
bekommt und die Profitrate 100 % ist für den ersten, 33,3 % für
den zweiten und 20 % für den dritten Kapitalisten. Wenn aber
ein vierter Kapitalist D ein unproduktives Kapital von 300 akku-
mulirt, das einen Zins“ [Profit] „von dem Werth von 40 Arbeits-
tagen von A, einen Zins von 20 Arbeitstagen von B erheischt, so wird
die Profitrate der Kapitalisten A und B zu 20 %, wie die C’s, sinken
und D mit einem Kapital von 300 wird einem Profit von 60, d. h.
eine Profitrate von 20 %, wie die übrigen Kapitalisten bekommen.“


Mit so überraschender Gewandtheit, im Handumdrehn, löst
l’illustre Loria dieselbe Frage, die er vor zehn Jahren für unlös-
bar erklärt hatte. Leider hat er uns das Geheimniss nicht ver-
rathen, woher das „unproduktive Kapital“ die Macht erhält, den
[XXII] Industriellen diesen ihren, die Durchschnittsprofitrate überschrei-
tenden, Extraprofit nicht nur abzuzwacken, sondern auch selbst
in der Tasche zu behalten, ganz wie der Grundeigenthümer den
überschüssigen Profit des Pächters als Grundrente einsteckt. In
der That würden die Kaufleute hiernach einen der Grundrente
durchaus analogen Tribut von den Industriellen erheben und dadurch
die Durchschnittsprofitrate herstellen. Allerdings ist das Handels-
kapital ein sehr wesentlicher Faktor in der Herstellung der all-
gemeinen Profitrate, wie so ziemlich jedermann weiss. Aber nur
ein literarischer Abenteurer, der im Grunde seines Herzens auf die
ganze Oekonomie pfeift, kann sich die Behauptung erlauben, es
besitze die Zauberkraft, allen über die allgemeine Profitrate, und
dazu noch ehe eine solche hergestellt ist, überschüssigen Mehrwerth
an sich zu saugen und in Grundrente für sich selbst zu verwandeln,
und das obendrein, ohne dass es irgend ein Grundeigenthum dazu
nöthig hat. Nicht weniger erstaunlich ist die Behauptung, das
Handelskapital bringe es fertig, diejenigen Industriellen zu entdecken,
deren Mehrwerth nur grade die Durchschnittsprofitrate deckt, und
es rechne es sich zur Ehre an, diesen unglücklichen Opfern des
Marx’schen Werthgesetzes ihr Loos einigermassen zu erleichtern,
indem es ihnen ihre Produkte gratis, sogar ohne jede Provision
verkauft. Welch ein Taschenspieler gehört dazu, sich einzubilden,
Marx habe solche jämmerliche Kunststückchen nöthig!


In seiner vollen Glorie aber strahlt unser illustre Loria erst,
wenn wir ihn mit seinen nordischen Konkurrenten vergleichen,
z. B. mit Herrn Julius Wolf, der doch auch nicht von gestern ist.
Welch ein kleiner Kläffer scheint dieser, selbst in seinem dicken
Buch über „Sozialismus und kapitalistische Gesellschaftsordnung“,
neben dem Italiener! Wie unbehülflich, ich wäre fast versucht
zu sagen, wie bescheiden steht er da neben der edlen Dreistigkeit,
womit der Maestro es als selbstredend hinstellt, dass Marx nicht
mehr und nicht minder als alle andern Leute auch, ein genau
ebenso bewusster Sophist, Paralogist, Aufschneider und Markt-
schreier war wie Herr Loria selbst — dass Marx jedesmal, wenn
er festsitzt, dem Publikum von einem Abschluss seiner Theorie in einem
folgenden Band vorschwefelt, den er, wie er selbst sehr gut weiss,
weder liefern kann noch will! Unbegrenzte Keckheit, gepaart mit aal-
[XXIII] glattem Durchschlüpfen durch unmögliche Situationen, heroische
Verachtung gegen erhaltne Fusstritte, rasch zugreifende Aneignung
fremder Leistungen, zudringliche Marktschreierei der Reklame,
Organisation des Ruhms vermittelst des Kamaraderieklüngels —
wer reicht ihm in alledem das Wasser?


Italien ist das Land der Klassicität. Seit der grossen Zeit, als
bei ihm die Morgenröthe der modernen Welt aufging, brachte es
grossartige Charaktere hervor in unerreicht klassischer Vollendung.
von Dante bis auf Garibaldi. Aber auch die Zeit der Erniedrigung
und Fremdherrschaft hinterliess ihm klassische Charaktermasken,
darunter zwei besonders ausgemeisselte Typen: den Sganarell und
den Dulcamara. Die klassische Einheit beider sehn wir ver-
körpert in unserm illustre Loria.


Zum Schluss muss ich meine Leser über den Ocean führen. In
New-York hat Herr Dr. med. George C. Stiebeling auch eine
Lösung des Problems gefunden, und zwar eine äusserst einfache.
So einfach, dass kein Mensch weder hüben noch drüben sie
anerkennen wollte; worüber er in grossen Zorn gerieth, und
in einer endlosen Reihe Broschüren und Zeitungsartikel auf beiden
Seiten des grossen Wassers sich bitterlichst über diese Unbill
beschwerte. Man sagte ihm zwar in der Neuen Zeit, seine ganze
Lösung beruhe auf einem Rechenfehler. Aber das konnte
ihn nicht stören; Marx hat auch Rechenfehler gemacht und behält
dennoch in vielen Dingen recht. Sehn wir uns also die Stiebelingsche
Lösung an.


„Ich nehme zwei Fabriken an, die mit gleichem Kapital gleiche
Zeit arbeiten, aber mit einem verschiednen Verhältniss des
konstanten und des variablen Kapitals. Das Gesammtkapital (c + v)
setze ich = y, und bezeichne den Unterschied in dem Verhältniss
des konstanten zu dem variablen Kapital mit x. In Fabrik I ist
y = c + v, in Fabrik II ist y = (c — x) + (v + x). Die Rate des
Mehrwerths ist also in Fabrik I = \frac{m}{v} und in Fabrik II = \frac{m}{v + x}
Profit (p) nenne ich den Gesammtmehrwerth (m), um den sich
das Gesammtkapital y oder c + v in der gegebnen Zeit vermehrt,
also p = m. Die Rate des Profits ist demnach in Fabrik I = \frac{p}{y}
oder \frac{m}{c + v}, und in Fabrik II ebenfalls \frac{p}{y} oder \frac{m}{(c - x) + (v + x)} d. h.
ebenfalls = \frac{m}{c + v}. Das … Problem löst sich also derart, dass
[XXIV] auf Grundlage des Werthgesetzes, bei Anwendung gleichen Kapitals
und gleicher Zeit, aber ungleicher Mengen lebendiger Arbeit, aus
der Veränderung der Rate des Mehrwerths eine gleiche Durch-
schnittsprofitrate hervorgeht.“ (G. C. Stiebeling, das Werthgesetz
und die Profitrate, New-York, John Heinrich.)


So schön und einleuchtend auch die obige Rechnung ist, so
sind wir doch genöthigt, eine Frage an Herrn Dr. Stiebeling zu
richten: Woher weiss er, dass die Summe des Mehrwerths, den
Fabrik I produzirt, aufs Haar gleich ist der Summe des in Fabrik II
erzeugten Mehrwerths? Von c, v, y und x, also von allen übrigen
Faktoren der Rechnung sagt er uns ausdrücklich, dass sie für
beide Fabriken gleiche Grösse haben, aber von m kein Wort.
Daraus aber, dass er beide hier vorkommende Mengen Mehrwerth
algebraisch mit m bezeichnet, folgt dies keineswegs. Es ist, da
Herr Stiebeling auch den Profit p ohne Weiteres mit dem Mehr-
werth indentificirt, vielmehr grade das, was bewiesen werden soll.
Nun sind nur zwei Fälle möglich: entweder sind die beiden m
gleich, jede Fabrik produzirt gleich viel Mehrwerth, also bei
gleichem Gesammtkapital auch gleich viel Profit, und dann hat
Herr Stiebeling von vornherein das schon vorausgesetzt, was er
erst beweisen soll. Oder aber, die eine Fabrik produzirt eine
grössere Summe Mehrwerth als die andre, und dann fällt seine
ganze Rechnung dahin.


Herr Stiebeling hat weder Mühe noch Kosten gescheut, auf
diesen seinen Rechenfehler ganze Berge von Rechnungen aufzu-
bauen und dem Publikum zur Schau zu stellen. Ich kann ihm
die beruhigende Versicherung geben, dass sie fast alle gleichmäßig
unrichtig sind, und dass sie da, wo dies ausnahmsweise nicht der
Fall ist, ganz etwas anders beweisen, als er beweisen will. So
beweist er aus der Vergleichung der amerikanischen Censusberichte
von 1870 und 1880 thatsächlich den Fall der Profitrate, erklärt
ihn aber total falsch und meint, die Marx’sche Theorie einer sich
immer gleichbleibenden, stabilen Profitrate durch die Praxis be-
richtigen zu müssen. Nun folgt aber aus dem dritten Abschnitt
des vorliegenden dritten Buchs, dass diese Marx’sche „feststehende
Profitrate“ ein reines Hirngespinnst ist, und dass die fallende Ten-
denz der Profitrate auf Ursachen beruht, die den von Dr. Stiebeling
[XXV] angegebnen diametral entgegengesetzt sind. Herr Dr. Stiebeling
meint es sicher sehr gut, aber wenn man sich mit wissenschaft-
lichen Fragen beschäftigen will, muss man vor allen Dingen lernen,
die Schriften, die man benutzen will, so zu lesen, wie der Verfasser
sie geschrieben hat, und vor allem ohne Dinge hinein zu lesen, die
nicht darin stehn.


Resultat der ganzen Untersuchung: auch mit Bezug auf die vor-
liegende Frage ist es wieder nur die Marx’sche Schule, die etwas
geleistet hat. Fireman und Konrad Schmidt können, wenn sie dies
dritte Buch lesen, mit ihren eignen Arbeiten jeder an seinem Theil
ganz zufrieden sein.


London, 4. Oktober 1894.


F. Engels.


C
[[XXVI]]

Druckfehler.


Im ersten Theil.


  • Seite 14, Zeile 8 von unten, statt: Verkäufer, lies: Käufer.
  • „ 21, „ 3 „ oben, „ x £, „ 12 x £.
  • „ 50, „ 2 „ „ „ 32.48, „ 33,27.
  • „ 115, „ 4 „ „ „ 1867, „ 1857.
  • „ 158, „ 15 „ „ „ warum, „ worum.
  • „ 174, „ 19 „ unten, „ unterstellt, „ unterstellen.
  • „ 180, „ 17 „ „ „ 6 %, „ 6⅔ %.
  • „ „ 9 „ „ „ 6½ %, „ 7 %.
  • „ 182, „ 5—10 „ oben, der ganze Satz von: „Es ist klar“, bis „erhöht
    werden“, zu streichen. Der Satz ist richtig, aber in
    diesem Zusammenhang verwirrend.
  • „ 205, „ 10 „ oben, statt: Abnahme, lies: Zunahme.
  • „ 224, „ 7 „ „ „ Rente, „ Rate.
  • „ „ 8 „ „ „ Rate, „ Rente.
  • „ „ 15 „ unten, „ 12 %, „ 13 %.
  • „ 239, „ 6 „ oben, „ einrichtet, „ einrichten.
  • „ 256, „ 2 „ unten, „ von, „ vom.
  • „ 262, „ 2 „ „ „ Ramayr, „ Ramsay.
  • „ 295, „ 18 „ „ „ er, „ es
  • „ 352, „ 13 „ oben, „ ein, „ kein.
  • „ 354, „ 16 „ „ nach: „Es ist“, ein Komma zu setzen.

Im zweiten Theil:


  • Seite 51, Zeile 13 von unten lies: „und gleichzeitig steigt der Zinsfuss, weil
    mit jenen Umständen die Nachfrage nach Geldkapital.
    Die steigende Nachfrage nach Arbeitskraft vertheuert
    diese Waare wie jede andre, steigert ihren Preis, u. s. w.
  • „ 56, „ 8 „ unten, statt: den, lies: dem.
  • „ 94, „ 19 „ „ hinter „12. Nov.“ zu setzen: 1857.
  • „ 95, „ 5 „ oben, statt: 1847, lies: 1844
  • „ 148, „ 15 „ „ „ der, „ den.
  • „ 148, „ 12 „ unten, „ Oekonomie, lies: Oekonomen.
  • „ 306, in der Ueberschrift, statt: Achtundvierzigstes, lies: Sechsund-
    vierzigstes.

[[XXVII]]

Inhaltsverzeichniss.


  • Seite
  • Vorwort III—XXV
  • Inhaltsverzeichniss XXVII
  • Drittes Buch.
  • Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion.
  • Erster Abschnitt.
  • Die Verwandlung des Mehrwerths in Profit und der Rate des
    Mehrwerths in Profitrate.
  • Seite
  • Erstes Kapitel. Kostpreis und Profit1
  • Zweites Kapitel. Die Profitrate15
  • Drittes Kapitel. Verhältniss der Profitrate zur Mehrwerthsrate23
  • Viertes Kapitel. Wirkung des Umschlags auf die Profitrate44
  • Fünftes Kapitel. Oekonomie in der Anwendung des konstanten
    Kapitals
    51
  • I. Im Allgemeinen 51
  • II. Ersparniss in den Arbeitsbedingungen auf Kosten der Arbeiter 62
  • III. Oekonomie in Krafterzeugung, Kraftübertragung, Baulichkeiten 72
  • IV. Nutzbarmachung der Exkremente der Produktion 76
  • V. Oekonomie durch Erfindungen 80
  • Sechstes Kapitel. Wirkung von Preiswechsel81
  • I. Preisschwankungen des Rohstoffs, ihre direkten Wirkungen auf
    die Profitrate 81
  • II. Werthsteigerung und Entwerthung, Freisetzung und Bindung
    von Kapital 86
  • III. Allgemeine Illustration: die Baumwollkrisis von 1861—65 101
  • Siebentes Kapitel. Nachträge115
  • Zweiter Abschnitt.
    Die Verwandlung des Profits in Durchschnittsprofit.

    Achtes Kapitel. Verschiedenheit der Profitraten in verschiedenen
    Produktionssphären in Folge verschiedener Zusammensetzung
    des Kapitals
    120
  • Neuntes Kapitel. Bildung einer allgemeinen oder Durchschnitts-
    Profitrate und Verwandlung der Werthe in Produktionspreise
    132
  • Zehntes Kapitel. Ausgleichung der allgemeinen Profitrate durch
    die Konkurrenz. Marktpreise und Marktwerthe
    151
  • Elftes Kapitel. Wirkung allgemeiner Schwankungen des Arbeits-
    lohns auf die Produktionspreise
    179
  • Seite
  • Zwölftes Kapitel. Nachträge184
  • I. Ursachen von Aenderung der Produktionspreise 184
  • II. Produktionspreis der Waaren mittlerer Zusammensetzung 185
  • III. Kompensationsgründe der Kapitalisten 187
  • Dritter Abschnitt.
    Gesetz des tendentiellen Falls der Profitrate.

    Dreizehntes Kapitel. Das Gesetz selbst191
  • Vierzehntes Kapitel. Entgegenwirkende Ursachen213
  • Fünfzehntes Kapitel. Entfaltung der innern Widersprüche des
    Gesetzes
    222
  • I Allgemeines 222
  • II. Konflikt zwischen Ausdehnung der Produktion und Verwerthung 228
  • III. Ueberfluss an Kapital bei Ueberfluss an Bevölkerung 232
  • IV. Nachträge 242
  • Vierter Abschnitt.
    Verwandlung von Waarenkapital und Geldkapital in Waaren-
    handlungskapital und Geldhandlungskapital.

    Sechzehntes Kapitel. Das Waarenhandlungskapital250
  • Siebzehntes Kapitel. Der kommerzielle Profit264
  • Achtzehntes Kapitel. Der Umschlag des Kaufmannskapitals. Die
    Preise
    286
  • Neunzehntes Kapitel. Das Geldhandlungskapital299
  • Zwanzigstes Kapitel. Geschichtliches über das Kaufmannskapital307
  • Fünfter Abschnitt.
    Spaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn.
    Das zinstragende Kapital.

    Einundzwanzigstes Kapitel. Das zinstragende Kapital322
  • Zweiundzwanzigstes Kapitel. Theilung des Profits. Zinsfuss.
    „Natürliche“ Rate des Zinsfusses
    342
  • Dreiundzwanzigstes Kapitel. Zins und Unternehmergewinn355
  • Vierundzwanzigstes Kapitel. Veräusserlichung des Kapitalverhält-
    nisses in der Form des zinstragenden Kapitals
    377
  • Fünfundzwanzigstes Kapitel. Kredit und fictives Kapital386
  • Sechsundzwanzigstes Kapitel. Akkumulation von Geldkapital, ihr
    Einfluss auf den Zinsfuss
    399
  • Siebenundzwanzigstes Kapitel. Die Rolle des Kredits in der
    kapitalistischen Produktion
    422
  • Achtundzwanzigstes Kapitel. Umlaufsmittel und Kapital. Tooke’s
    und Fullarton’s Auffassung
    429
[[1]]

Drittes Buch.
Der Gesammtprocess der kapitalistischen
Produktion.


Erster Abschnitt.
Die Verwandlung des Mehrwerths in Profit und der
Rate des Mehrwerths in Profitrate.


Erstes Kapitel.
Kostpreis und Profit.


Im ersten Buch wurden die Erscheinungen untersucht, die der
kapitalistische Produktionsprocess, für sich genommen, dar-
bietet, als unmittelbarer Produktionsprocess, bei dem noch von
allen sekundären Einwirkungen ihm fremder Umstände abgesehn
wurde. Aber dieser unmittelbare Produktionsprocess erschöpft nicht
den Lebenslauf des Kapitals. Er wird in der wirklichen Welt
ergänzt durch den Cirkulationsprocess, und dieser bildete den
Gegenstand der Untersuchungen des zweiten Buchs. Hier zeigte
sich, namentlich im dritten Abschnitt, bei Betrachtung des Cirku-
lationsprocesses als der Vermittlung des gesellschaftlichen Repro-
duktionsprocesses, dass der kapitalistische Produktionsprocess, im
Ganzen betrachtet, Einheit von Produktions- und Cirkulations-
process ist. Worum es sich in diesem dritten Buch handelt, kann
nicht sein, allgemeine Reflexionen über diese Einheit anzustellen.
Es gilt vielmehr, die konkreten Formen aufzufinden und darzu-
stellen, welche aus dem Bewegungsprocess des Kapitals,
als Ganzes betrachtet
, hervorwachsen. In ihrer wirklichen
Bewegung treten sich die Kapitale in solchen konkreten Formen
gegenüber, für die die Gestalt des Kapitals im unmittelbaren Pro-
ductionsprocess, wie seine Gestalt im Cirkulationsprocess, nur als
besondere Momente erscheinen. Die Gestaltungen des Kapitals,
wie wir sie in diesem Buch entwickeln, nähern sich also schritt-
Marx, Kapital III. 1
[2] weis der Form, worin sie auf der Oberfläche der Gesellschaft, in
der Aktion der verschiedenen Kapitale auf einander, der Konkur-
renz, und im gewöhnlichen Bewusstsein der Produktionsagenten
selbst auftreten.


Der Werth jeder kapitalistisch producirten Waare W stellt sich
dar in der Formel: W = c + v + m. Ziehn wir von diesem
Produktenwerth den Mehrwerth m ab, so bleibt ein blosses Aequi-
valent oder ein Ersatzwerth in Waare für den in den Produktions-
elementen verausgabten Kapitalwerth c + v.


Verursacht z. B. die Herstellung eines gewissen Artikels eine
Kapitalausgabe von 500 £ : 20 £ für Verschleiss von Arbeits-
mitteln, 380 £ für Produktionsstoffe, 100 £ für Arbeitskraft, und
beträgt die Rate des Mehrwerthes 100 %, so ist der Werth des
Produkts = 400c + 100v + 100m = 600 £.


Nach Abzug des Mehrwerths von 100 £ bleibt ein Waaren-
werth von 500 £, und dieser ersetzt nur das verausgabte Kapital
von 500 £. Dieser Werththeil der Waare, der den Preis der
verzehrten Produktionsmittel und den Preis der angewandten
Arbeitskraft ersetzt, ersetzt nur was die Waare dem Kapitalisten
selbst kostet und bildet daher für ihn den Kostpreis der Waare.


Was die Waare dem Kapitalisten kostet, und was die Produk-
tion der Waare selbst kostet, sind allerdings zwei ganz verschiedne
Grössen. Der aus Mehrwerth bestehende Theil des Waarenwerths
kostet dem Kapitalisten nichts, eben weil er dem Arbeiter unbe-
zahlte Arbeit kostet. Da jedoch auf Grundlage der kapitalistischen
Produktion der Arbeiter selbst, nach seinem Eintritt in den Pro-
duktionsprocess, ein Ingrediens des in Funktion begriffenen und
dem Kapitalisten zugehörigen produktiven Kapitals bildet, der
Kapitalist also der wirkliche Waarenproducent ist, so erscheint
nothwendig der Kostpreis der Waare für ihn als die wirkliche
Kost der Waare selbst. Nennen wir den Kostpreis k, so ver-
wandelt sich die Formel: W = c + v + m in die Formel: W =
k + m, oder Waarenwerth = Kostpreis + Mehrwerth.


Die Zusammenfassung der verschiednen Werththeile der Waare,
die nur den in ihrer Produktion verausgabten Kapitalwerth er-
setzen, unter der Kategorie des Kostpreises drückt daher einerseits
den specifischen Charakter der kapitalistischen Produktion aus.
Die kapitalistische Kost der Waare misst sich an der Ausgabe
in Kapital, die wirkliche Kost der Waare an der Ausgabe in
Arbeit. Der kapitalistische Kostpreis der Waare ist daher quan-
[3] titativ verschieden von ihrem Werth oder ihrem wirklichen Kost-
preis; er ist kleiner als der Waarenwerth, denn da W = k +
m, ist k = W — m. Andrerseits ist der Kostpreis der Waare
keineswegs eine Rubrik, die nur in der kapitalistischen Buch-
führung existirt. Die Verselbständigung dieses Werththeils macht
sich in der wirklichen Produktion der Waare fortwährend prak-
tisch geltend, da er aus seiner Waarenform durch den Cirku-
lationsprocess stets wieder in die Form von produktivem Kapital
rückverwandelt werden, der Kostpreis der Waare also beständig
die in ihrer Produktion verzehrten Produktionselemente rück-
kaufen muss.


Dagegen hat die Kategorie des Kostpreises in keiner Weise zu
thun mit der Werthbildung der Waare, oder mit dem Verwerthungs-
process des Kapitals. Wenn ich weiss, dass ⅚ des Waarenwerths,
von 600 £, oder 500 £ nur ein Aequivalent, einen Ersatzwerth
des verausgabten Kapitals von 500 £ bilden, und daher nur hin-
reichen die stofflichen Elemente dieses Kapitals rückzukaufen, so
weiss ich damit weder, wie diese ⅚ des Werths der Waare, die
ihren Kostpreis bilden, noch wie das letzte Sechstel, das ihren
Mehrwerth bildet, producirt worden sind. Die Untersuchung
wird jedoch zeigen, dass der Kostpreis in der Kapitalwirthschaft
den falschen Schein einer Kategorie der Werthproduktion selbst
erhält.


Kehren wir zu unserm Beispiel zurück. Unterstellen wir, dass
der in einem durchschnittlichen gesellschaftlichen Arbeitstag von
einem Arbeiter producirte Werth sich in einer Geldsumme von
6 sh. = 6 M. darstellt, so ist das vorgeschossne Kapital von
500 £ = 400c + 100v, das Werthprodukt von 1666⅔ zehn-
stündigen Arbeitstagen, wovon 1333⅓ Arbeitstage im Werth der
Productionsmittel = 400c, 333⅓ im Werth der Arbeitskraft =
100v krystallisirt sind. Bei der angenommenen Mehrwerthrate
von 100 % kostet die Produktion der neu zu bildenden Waare
selbst also eine Verausgabung von Arbeitskraft = 100v + 100m
= 666⅔ zehnstündigen Arbeitstagen.


Wir wissen dann (siehe Buch I, Kap. VII, p. 201/193), dass
der Werth des neugebildeten Produkts von 600 £ sich zusammen-
setzt aus 1) dem wiedererscheinenden Werth des in Produktions-
mitteln verausgabten konstanten Kapitals von 400 £ und 2) einen
neu producirten Werth von 200 £. Der Kostpreis der Waare
= 500 £ umschliesst die wiedererscheinenden 400c und eine
Hälfte des neuproducirten Werths von 200 £ (= 100v), also zwei
1*
[4] mit Bezug auf ihre Entstehung ganz und gar verschiedne Elemente
des Waarenwerths.


Durch den zweckgemässen Charakter der während 666⅔ zehn-
stündigen Tagen verausgabten Arbeit wird der Werth der ver-
zehrten Produktionsmittel, zum Belauf von 400 £, von diesen
Produktionsmitteln auf das Produkt übertragen. Dieser alte Werth
erscheint daher wieder als Bestandtheil des Produktenwerths, aber
er entsteht nicht im Produktionsprocess dieser Waare. Er
existirt nur als Bestandtheil des Waarenwerths, weil er vorher als
Bestandtheil des vorgeschossnen Kapitals existirte. Das veraus-
gabte konstante Kapital wird also durch den Theil des Waaren-
werths ersetzt, den es selbst dem Waarenwerth zusetzt. Dies
Element des Kostpreises hat also den zweideutigen Sinn: Es geht
einerseits in den Kostpreis der Waare ein, weil es ein Bestand-
theil des Waarenwerths ist, der verausgabtes Kapital ersetzt; und
andrerseits bildet es nur einen Bestandtheil des Waarenwerths,
weil es der Werth von verausgabtem Kapital ist, oder weil die
Produktionsmittel so und so viel kosten.


Ganz umgekehrt mit dem andern Bestandtheil des Kostpreises.
Die während der Waarenproduktion verausgabten 666⅔ Tage
Arbeit bilden einen Neuwerth von 200 £. Von diesem Neuwerth
ersetzt ein Theil nur das vorgeschossne variable Kapital von 100 £,
oder den Preis der angewandten Arbeitskraft. Aber dieser vor-
geschossne Kapitalwerth geht in keiner Weise in die Bildung des
Neuwerths ein. Innerhalb des Kapitalvorschusses zählt die Arbeits-
kraft als Werth, aber im Produktionsprocess fungirt sie als
Werthbildner. An die Stelle des Werths der Arbeitskraft, der
innerhalb des Kapitalvorschusses figurirt, tritt im wirklich fungi-
renden
produktiven Kapital die lebendige, werthbildende Arbeits-
kraft selbst.


Der Unterschied zwischen diesen verschiednen Bestandtheilen
des Waarenwerths, die zusammen den Kostpreis bilden, springt
ins Auge, sobald ein Wechsel in der Werthgrösse, das eine Mal
des verausgabten konstanten, das andre Mal des verausgabten
variablen Kapitaltheils eintritt. Der Preis derselben Produktions-
mittel oder der konstante Kapitaltheil steige von 400 £ auf 600 £,
oder sinke umgekehrt auf 200 £. Im ersten Fall steigt nicht
nur der Kostpreis der Waare von 500 £ auf 600c + 100v =
700 £, sondern der Waarenwerth selbst steigt von 600 £ auf
600c + 100v + 100m = 800 £. Im zweiten Fall sinkt nicht
nur der Kostpreis von 500 £ auf 200c + 100v = 300 £, sondern
[5] der Waarenwerth selbst von 600 £ auf 200c + 100v + 100m =
400 £. Weil das verausgabte konstante Kapital seinen eignen
Werth auf das Produkt überträgt, wächst oder fällt, bei sonst
gleichbleibenden Umständen, der Produktenwerth mit der abso-
luten Grösse jenes Kapitalwerths. Nimm umgekehrt an, bei sonst
gleichbleibenden Umständen wachse der Preis derselben Masse
Arbeitskraft von 100 £ auf 150 £, oder sinke umgekehrt auf
50 £. Im ersten Fall steigt zwar der Kostpreis von 500 £ auf
400c + 150v = 550 £ und sinkt im zweiten Fall von 500 £ auf
400c + 50v = 450 £, aber in beiden Fällen bleibt der Waaren-
werth unverändert = 600 £; das eine Mal = 400c + 150v +
50m, das andre Mal = 400c + 50v + 150m. Das vorgeschossne
variable Kapital setzt dem Produkt nicht seinen eignen Werth
zu. An die Stelle seines Werths ist vielmehr im Produkt ein
von der Arbeit geschaffner Neuwerth getreten. Ein Wechsel in
der absoluten Werthgrösse des variablen Kapitals, soweit er nur
einen Wechsel im Preis der Arbeitskraft ausdrückt, ändert daher
nicht das geringste an der absoluten Grösse des Waarenwerths,
weil nichts an der absoluten Grösse des Neuwerths, welchen
flüssige Arbeitskraft schafft. Solcher Wechsel afficirt vielmehr
nur das Grössenverhältniss der beiden Bestandtheile des Neu-
werths, wovon der eine Mehrwerth bildet, der andre das variable
Kapital ersetzt, und daher in den Kostpreis der Waare eingeht.


Gemeinsam haben beide Theile des Kostpreises, in unserm Fall
400c + 100v, nur das: dass sie beide Theile des Waarenwerths
sind, die vorgeschossnes Kapital ersetzen.


Dieser wirkliche Sachverhalt erscheint aber nothwendig in ver-
kehrter Weise vom Standpunkt der kapitalistischen Produktion.


Die kapitalistische Produktionsweise unterscheidet sich von der
auf Sklaverei gegründeten Produktionsweise unter anderm dadurch,
dass der Werth, resp. Preis der Arbeitskraft, sich darstellt als
Werth, resp. Preis, der Arbeit selbst oder als Arbeitslohn. (Buch I,
Kap. XVII.) Der variable Werththeil des Kapitalvorschusses er-
scheint daher als in Arbeitslohn verausgabtes Kapital, als ein
Kapitalwerth, der den Werth, resp. Preis, aller in der Produktion
verausgabten Arbeit zahlt. Nehmen wir z. B. an, dass ein durch-
schnittlicher gesellschaftlicher Arbeitstag von 10 Stunden sich in
einer Geldmasse von 6 sh. verkörpert, so ist der variable Kapital-
vorschuss von 100 £ der Geldausdruck eines in 333⅓ zehnstün-
digen Arbeitstagen producirten Werths. Dieser im Kapitalvorschuss
figurirende Werth der angekauften Arbeitskraft bildet aber keinen
[6] Theil des wirklich fungirenden Kapitals. An seine Stelle tritt im
Produktionsprocess selbst die lebendige Arbeitskraft. Beträgt, wie
in unserm Beispiel, der Exploitationsgrad der letztern 100 %, so
wird sie verausgabt während 666⅔ zehnstündigen Arbeitstagen
und setzt daher dem Produkt einen Neuwerth von 200 £ zu.
Aber im Kapitalvorschuss figurirt das variable Kapital von 100 £
als in Arbeitslohn ausgelegtes Kapital, oder als Preis der Arbeit,
die während 666⅔ zehnstündigen Tagen verrichtet wird. 100 £
dividirt durch 666⅔ gibt uns als Preis des zehnstündigen Arbeits-
tags 3 sh., das Werthprodukt fünfstündiger Arbeit.


Vergleichen wir nun Kapitalvorschuss auf der einen Seite und
Waarenwerth auf der andern, so haben wir:


  • I. Kapitalvorschuss von 500 £ = 400 £ in Produktionsmitteln
    verausgabtes Kapital (Preis der Produktionsmittel) + 100 £
    in Arbeit verausgabtes Kapital (Preis von 666⅔ Arbeits-
    tagen oder Arbeitslohn für selbe).
  • II. Waarenwerth von 600 £ = Kostpreis von 500 £ (400 £
    Preis der verausgabten Produktionsmittel + 100 £ Preis der
    verausgabten 666⅔ Arbeitstage) + 100 £ Mehrwerth.

In dieser Formel unterscheidet sich der in Arbeit ausgelegte
Kapitaltheil von dem in Produktionsmitteln, z. B. Baumwolle oder
Kohlen ausgelegten Kapitaltheil nur dadurch, dass er zur Zahlung
eines stofflich verschiednen Produktionselements dient, aber in
keiner Weise dadurch, dass er im Werthbildungsprocess der Waare
und daher auch im Verwerthungsprocess des Kapitals eine funk-
tionell verschiedne Rolle spielt. Im Kostpreis der Waare kehrt
der Preis der Produktionsmittel wieder, wie er bereits im Kapital-
vorschuss figurirte, und zwar weil diese Produktionsmittel zweck-
gemäss vernutzt worden sind. Ganz ebenso kehrt im Kostpreis
der Waare der Preis oder Arbeitslohn für die zu ihrer Produktion
verbrauchten 666⅔ Arbeitstage wieder, wie er bereits im Kapital-
vorschuss figurirte, und zwar ebenfalls weil diese Masse Arbeit in
zweckgemässer Form verausgabt wurde. Wir sehn nur fertige,
vorhandne Werthe — die Werththeile des vorgeschossnen Kapi-
tals, die in die Bildung des Produktenwerths eingehn — aber
kein Neuwerth schaffendes Element. Der Unterschied zwischen
konstantem und variablem Kapital ist verschwunden. Der ganze
Kostpreis von 500 £ erhält jetzt den Doppelsinn, dass er erstens
der Bestandtheil des Waarenwerths von 600 £ ist, der das in der
Produktion der Waare verausgabte Kapital von 500 £ ersetzt;
und dass zweitens dieser Werthbestandtheil der Waare selbst nur
[7] existirt, weil er vorher als Kostpreis der angewandten Produktions-
elemente, der Produktionsmittel und Arbeit, d. h. als Kapitalvor-
schuss existirte. Der Kapitalwerth kehrt als Kostpreis der Waare
wieder, weil und sofern er als Kapitalwerth verausgabt worden ist.


Der Umstand, dass die verschiednen Werthbestandtheile des vor-
geschossnen Kapitals in stofflich verschiednen Produktionselementen
ausgelegt sind, in Arbeitsmitteln, Roh- und Hülfsstoffen und Arbeit,
bedingt nur, dass der Kostpreis der Waare diese stofflich ver-
schiednen Produktionselemente wieder rückkaufen muss. Mit Be-
zug auf die Bildung des Kostpreises selbst macht sich dagegen
nur ein Unterschied geltend, der Unterschied zwischen fixem und
cirkulirendem Kapital. In unserm Beispiel waren 20 £ berechnet
für Verschleiss der Arbeitsmittel (400c = 20 £ für Verschleiss
der Arbeitsmittel + 380 £ für Produktionsstoffe). War der Werth
dieser Arbeitsmittel vor der Produktion der Waare = 1200 £, so
existirt er nach ihrer Produktion in zwei Gestalten, 20 £ als Theil
des Waarenwerths, 1200—20 oder 1180 £ als restirender Werth
der nach wie vor im Besitz des Kapitalisten befindlichen Arbeits-
mittel, oder als Werthelement nicht seines Waarenkapitals, sondern
seines produktiven Kapitals. Im Gegensatz zu den Arbeitsmitteln
werden Produktionsstoffe und Arbeitslohn in der Produktion der
Waare ganz verausgabt, und geht daher auch ihr ganzer Werth
in den Werth der producirten Waare ein. Wir haben gesehn,
wie diese verschiednen Bestandteile des vorgeschossnen Kapitals
mit Bezug auf den Umschlag die Formen von fixem und cirku-
lirendem Kapital erhalten.


Der Kapitalvorschuss ist also = 1680 £: fixes Kapital = 1200 £
plus cirkulirendes Kapital = 480 £ (= 380 £ in Produktions-
stoffen plus 100 £ in Arbeitslohn).


Der Kostpreis der Waare ist dagegen nur = 500 £ (20 £ für
Verschleiss des fixen Kapitals, 480 £ für cirkulirendes Kapital).


Diese Differenz zwischen Kostpreis der Waare und Kapital-
vorschuss bestätigt jedoch nur, dass der Kostpreis der Waare
ausschliesslich gebildet wird durch das für ihre Produktion wirk-
lich verausgabte Kapital.


In der Produktion der Waare werden Arbeitsmittel zum Werth
von 1200 £ angewandt, aber von diesem vorgeschossnen Kapital-
werth gehn nur 20 £ in der Produktion verloren. Das ange-
wandte fixe Kapital geht daher nur theilweise in den Kostpreis
der Waare ein, weil es nur theilweise in ihrer Produktion veraus-
gabt wird. Das angewandte cirkulirende Kapital geht ganz in den
[8] Kostpreis der Waare ein, weil es in ihrer Produktion ganz ver-
ausgabt wird. Was beweist dies aber, als dass die verbrauchten
fixen und cirkulirenden Kapitaltheile, pro rata ihrer Werthgrösse,
gleichmäßig in den Kostpreis ihrer Waare eingehn und dass dieser
Werthbestandtheil der Waare überhaupt nur aus dem in ihrer
Produktion verausgabten Kapital entspringt? Wäre dies nicht der
Fall, so wäre nicht abzusehn, warum das vorgeschossne fixe Kapital
von 1200 £ dem Produktenwerth, statt der 20 £, die es im Pro-
duktionsprocess verliert, nicht auch die 1180 £ zusetzt, die es
nicht in ihm verliert.


Diese Differenz zwischen fixem und cirkulirendem Kapital in
Bezug auf die Berechnung des Kostpreises bestätigt also nur die
scheinbare Entstehung des Kostpreises aus dem verausgabten
Kapitalwerth oder dem Preis, den die verausgabten Produktions-
elemente, die Arbeit einbegriffen, dem Kapitalisten selbst kosten.
Andrerseits wird der variable, in Arbeitskraft ausgelegte Kapital-
theil in Bezug auf Werthbildung hier unter der Rubrik von cirku-
lirendem Kapital ausdrücklich identificirt mit konstantem Kapital
(dem in Produktionsstoffen bestehenden Kapitaltheil) und so die
Mystifikation des Verwerthungsprocesses des Kapitals vollendet.1)


Wir haben bisher nur ein Element des Waarenwerths betrachtet,
den Kostpreis. Wir müssen uns jetzt auch nach dem andern Be-
standtheil des Waarenwerths umsehn, dem Ueberschuss über den
Kostpreis, oder dem Mehrwerth. Zunächst ist der Mehrwerth also
ein Ueberschuss des Werths der Waare über ihren Kostpreis. Da
aber der Kostpreis gleich dem Werth des verausgabten Kapitals,
in dessen stoffliche Elemente er auch beständig rückverwandelt
wird, so ist dieser Werthüberschuss ein Werthzuwachs des in der
Produktion der Waare verausgabten und aus ihrer Cirkulation
zurückkehrenden Kapitals.


Man sah bereits früher, dass, obgleich m, der Mehrwerth, nur
aus einer Werthveränderung von v, dem variablen Kapital ent-
springt und daher ursprünglich bloss ein Inkrement des variablen
Kapitals ist, er dennoch nach beendigtem Produktionsprocess eben-
sosehr einen Werthzuwachs von c + v, dem verausgabten Ge-
sammtkapital bildet. Die Formel c + (v + m), die andeutet, dass
m producirt wird durch die Verwandlung des in Arbeitskraft vor
[9] geschossnen bestimmten Kapitalwerths v in eine fliessende Grösse,
also einer konstanten Grösse in eine variable, stellt sich ebenso
dar als (c + v) + m. Vor der Produktion hatten wir ein
Kapital von 500 £. Nach der Produktion haben wir das Kapital
von 500 £ plus einem Werthzuwachs von 100 £.2)


Der Mehrwerth bildet jedoch einen Zuwachs, nicht nur zu dem
in den Verwerthungsprocess eingehenden, sondern auch zu dem
nicht darin eingehenden Theil des vorgeschossnen Kapitals; also
einen Werthzuwachs, nicht nur zu dem verausgabten Kapital, das
aus dem Kostpreis der Waare ersetzt wird, sondern zu dem in
der Produktion überhaupt angewandten Kapital. Vor dem Pro-
duktionsprocess hatten wir einen Kapitalwerth von 1680 £ : 1200 £
in Arbeitsmitteln ausgelegtes fixes Kapital, wovon nur 20 £ für
Verschleiss in den Werth der Waare eingehn, plus 480 £ cirku-
lirendes Kapital in Produktionsstoffen und Arbeitslohn. Nach
dem Produktionsprocess haben wir 1180 £ als Werthbestandtheil
des produktiven Kapitals plus einem Waarenkapital von 600 £.
Addiren wir diese beiden Werthsummen, so besitzt der Kapitalist
jetzt einen Werth von 1780 £. Zieht er davon das vorgeschossne
Gesammtkapital von 1680 £ ab so bleibt ein Werthzuwachs von
100 £. Die 100 £ Mehrwerth bilden also ebensosehr einen
Werthzuwachs zu dem angewandten Kapital von 1680 £, wie zu
dem während der Produktion verausgabten Bruchstück desselben
von 500 £.


Es ist dem Kapitalisten nun klar, dass dieser Werthzuwachs aus
den produktiven Vorgängen entspringt, die mit dem Kapital vor-
genommen werden, dass er also aus dem Kapital selbst entspringt;
denn nach dem Produktionsprocess ist er da, und vor dem Pro-
duktionsprocess war er nicht da. Was zunächst das in der Pro-
duktion verausgabte Kapital betrifft, so scheint der Mehrwerth
gleichmäßig aus dessen verschiednen, in Produktionsmitteln und
Arbeit bestehenden Werthelementen zu entspringen. Denn diese
Elemente gehn gleichmäßig in die Bildung des Kostpreises ein.
Sie setzen gleichmäßig ihre als Kapitalvorschüsse vorhandnen
[10] Werthe dem Produktenwerth zu, und unterscheiden sich nicht als
konstante und variable Werthgrössen. Dies wird handgreiflich,
wenn wir einen Augenblick unterstellen, alles verausgabte Kapital
bestehe entweder ausschliesslich aus Arbeitslohn, oder ausschliess-
lich aus dem Werth von Produktionsmitteln. Wir hätten dann
im ersten Fall statt des Waarenwerths 400c + 100v + 100m, den
Waarenwerth 500v + 100m. Das in Arbeitslohn ausgelegte Kapital
von 500 £ ist der Werth aller in der Produktion des Waaren-
werths von 600 £ aufgewandten Arbeit und bildet eben daher
den Kostpreis des ganzen Produkts. Die Bildung dieses Kost-
preises, wodurch der Werth des verausgabten Kapitals als Werth-
bestandtheil des Produkts wieder erscheint, ist aber der einzige
uns bekannte Vorgang in der Bildung dieses Waarenwerths. Wie
sein Mehrwerthsbestandtheil von 100 £ entspringt, wissen wir nicht.
Ganz ebenso im zweiten Fall, wo der Waarenwerth = 500c + 100m
wäre. In beiden Fällen wissen wir, dass der Mehrwerth aus einem
gegebnen Werth entspringt, weil dieser Werth in der Form von
produktivem Kapital vorgeschossen wurde, gleichgültig ob in der
Form von Arbeit oder in der Form von Produktionsmitteln.
Andrerseits aber kann der vorgeschossne Kapitalwerth den Mehr-
werth nicht aus dem Grunde bilden, weil er verausgabt worden
ist, und daher den Kostpreis der Waare bildet. Denn gerade so-
weit er den Kostpreis der Waare bildet, bildet er keinen Mehr-
werth, sondern nur ein Aequivalent, einen Ersatzwerth des ver-
ausgabten Kapitals. Soweit er also Mehrwerth bildet, bildet er
ihn nicht in seiner specifischen Eigenschaft als verausgabtes, son-
dern als vorgeschossnes und daher angewandtes Kapital überhaupt.
Der Mehrwerth entspringt daher ebensosehr aus dem Theil des
vorgeschossnen Kapitals, der in den Kostpreis der Waare eingeht,
wie aus dem Theil desselben, der nicht in den Kostpreis eingeht;
in einem Wort gleichmäßig aus den fixen und cirkulirenden Be-
standtheilen des angewandten Kapitals. Das Gesammtkapital dient
stofflich als Produktbildner, die Arbeitsmittel sowohl wie die Pro-
duktionsstoffe und die Arbeit. Das Gesammtkapital geht stofflich
in den wirklichen Arbeitsprocess ein, wenn auch nur ein Theil
desselben in den Verwerthungsprocess eingeht. Dies ist vielleicht
eben der Grund, dass es nur theilweis zur Bildung des Kost-
preises, aber ganz zur Bildung des Mehrwerths beiträgt. Wie
dem auch sei, das Facit bleibt, dass der Mehrwerth gleichzeitig
aus allen Theilen des angewandten Kapitals entspringt. Die
Deduktion kann noch sehr abgekürzt werden, wenn man mit
[11] Malthus ebenso derb wie einfach sagt: „Der Kapitalist erwartet
gleichen Vortheil auf alle Theile des Kapitals, die er vorstreckt.“3)


Als solcher vorgestellter Abkömmling des vorgeschossnen Ge-
sammtkapitals erhält der Mehrwerth die verwandelte Form des
Profits. Eine Werthsumme ist daher Kapital, weil sie ausgelegt
wird, um einen Profit zu erzeugen4), oder der Profit kommt her-
aus, weil eine Werthsumme als Kapital angewandt wird. Nennen
wir den Profit p, so verwandelt sich die Formel W = c + v + m =
k + m in die Formel W = k + p oder Waarenwerth = Kost-
preis
+ Profit.


Der Profit, wie wir ihn hier zunächst vor uns haben, ist also
dasselbe was der Mehrwerth ist, nur in einer mystificirten Form,
die jedoch mit Nothwendigkeit aus der kapitalistischen Produktions-
weise herauswächst. Weil in der scheinbaren Bildung des Kost-
preises kein Unterschied zwischen konstantem und variablem Kapital
zu erkennen ist, muss der Ursprung der Werthveränderung, die
während des Produktionsprocesses sich ereignet, von dem variablen
Kapitaltheil in das Gesammtkapital verlegt werden. Weil auf
dem einen Pol der Preis der Arbeitskraft in der verwandelten
Form von Arbeitslohn, erscheint auf dem Gegenpol der Mehrwerth
in der verwandelten Form von Profit.


Wir haben gesehn: Der Kostpreis der Waare ist kleiner als
ihr Werth. Da W = k + m ist k = W — m. Die Formel
W = k + m reducirt sich nur auf W = k, Waarenwerth = Kost-
preis der Waare, wenn m = 0, ein Fall, der auf Grundlage der
kapitalistischen Produktion niemals eintritt, obgleich unter be-
sondren Marktkonjunkturen der Verkaufspreis der Waaren auf
oder selbst unter ihren Kostpreis sinken mag.


Wird die Waare daher zu ihrem Werth verkauft, so wird ein
Profit realisirt, der gleich dem Ueberschuss ihres Werths über
ihren Kostpreis ist, also gleich dem ganzen im Waarenwerth
steckenden Mehrwerth. Aber der Kapitalist kann die Waare mit
Profit verkaufen, obgleich er sie unter ihrem Werth verkauft.
Solange ihr Verkaufspreis über ihrem Kostpreis, wenn auch unter
ihrem Werth steht, wird stets ein Theil des in ihr enthaltenen
Mehrwerths realisirt, also stets ein Profit gemacht. In unserm
Beispiel ist der Waarenwerth = 600 £, der Kostpreis = 500 £.
Wird die Waare zu 510, 520, 530, 560, 590 £ verkauft, so wird
[12] sie respektive zu 90, 80, 70, 40, 10 £ unter ihrem Werth ver-
kauft und dennoch ein Profit von je 10, 20, 30, 60, 90 £ aus
ihrem Verkauf herausgeschlagen. Zwischen dem Werth der Waare
und ihrem Kostpreis ist offenbar eine unbestimmte Reihe von
Verkaufspreisen möglich. Je grösser das aus Mehrwerth be-
stehende Element des Waarenwerths, desto grösser der praktische
Spielraum dieser Zwischenpreise.


Hieraus erklären sich nicht nur alltägliche Erscheinungen der
Konkurrenz, wie z. B. gewisse Fälle des Unterverkaufs (under-
selling), anormale Niedrigkeit der Waarenpreise in bestimmten
Industriezweigen5) etc. Das bisher von der politischen Oekonomie
unbegriffne Grundgesetz der kapitalistischen Konkurrenz, das Ge-
setz, welches die allgemeine Profitrate und die durch sie be-
stimmten sog. Produktionspreise regelt, beruht, wie man später
sehn wird, auf dieser Differenz zwischen Werth und Kostpreis der
Waare und der daher entspringenden Möglichkeit, die Waare mit
Profit unter ihrem Werth zu verkaufen.


Die Minimalgrenze des Verkaufspreises der Waare ist gegeben
durch ihren Kostpreis. Wird sie unter ihrem Kostpreis verkauft,
so können die verausgabten Bestandtheile des produktiven Kapitals
nicht völlig aus dem Verkaufspreis ersetzt werden. Dauert dieser
Process fort, so verschwindet der vorgeschossne Kapitalwerth.
Schon von diesem Gesichtspunkt aus ist der Kapitalist geneigt,
den Kostpreis für den eigentlichen inneren Werth der Waare zu
halten, weil er der zur blossen Erhaltung seines Kapitals noth-
wendige Preis ist. Es kommt aber hinzu, dass der Kostpreis der
Waare der Kaufpreis ist, den der Kapitalist selbst für ihre Pro-
duktion gezahlt hat, also der durch ihren Produktionsprocess selbst
bestimmte Kaufpreis. Der beim Verkauf der Waare realisirte
Werthüberschuss oder Mehrwerth erscheint dem Kapitalisten daher
als Ueberschuss ihres Verkaufspreises über ihren Werth, statt als
Ueberschuss ihres Werths über ihren Kostpreis, sodass der in der
Waare steckende Mehrwerth sich nicht durch ihren Verkauf reali-
sirt, sondern aus dem Verkauf selbst entspringt. Wir haben diese
Illusion bereits näher beleuchtet in Buch I, Kap. IV, 2 (Wider-
sprüche der allgemeinen Formel des Kapitals), kehren hier aber
einen Augenblick zu der Form zurück, worin sie als Fortschritt
der politischen Oekonomie über Ricardo hinaus von Torrens u. A.
wieder geltend gemacht wurde.


[13]

„Der natürliche Preis, der aus der Produktionskost besteht oder
in andren Worten aus der Kapitalauslage in der Produktion oder
Fabrikation von Waare, kann unmöglich den Profit einschliessen . . . .
Wenn ein Pächter im Anbau seiner Felder 100 Quarter Korn
auslegt und dafür 120 Quarters wieder erhält, bilden die 20 Quarter,
als Ueberschuss des Produkts über die Auslage, seinen Profit;
aber es wäre absurd, diesen Ueberschuss oder Profit einen Theil
seiner Auslage zu nennen … Der Fabrikant legt eine gewisse
Quantität von Rohstoffen, Werkzeugen und Subsistenzmitteln für
Arbeit aus, und erhält dagegen eine Quantität fertiger Waare.
Diese fertige Waare muss einen höhern Tauschwerth besitzen
als die Rohstoffe, Werkzeuge und Subsistenzmittel, durch deren
Vorschuss sie erworben wurden“. Daher schliesst Torrens, der
Ueberschuss des Verkaufspreises über den Kostpreis oder der
Profit entspringe daher, dass die Konsumenten „durch unmittel-
baren oder vermittelten (circuitous) Austausch eine gewisse grössre
Portion aller Ingredienzien des Kapitals geben, als deren Produktion
kostet.“6)


In der That, der Ueberschuss über eine gegebne Grösse kann
keinen Theil dieser Grösse bilden, also kann auch der Profit, der
Ueberschuss des Waarenwerths über die Auslagen des Kapitalisten,
keinen Theil dieser Auslagen bilden. Geht also in die Werth-
bildung der Waare kein andres Element ein als der Werthvor-
schuss des Kapitalisten, so ist nicht abzusehn, wie aus der Pro-
duktion mehr Werth herauskommen soll als in sie einging, oder
es werde etwas aus Nichts. Dieser Schöpfung aus Nichts entrinnt
Torrens jedoch nur, indem er sie aus der Sphäre der Waaren-
produktion in die Sphäre der Waarencirkulation verlegt. Der
Profit kann nicht aus der Produktion herkommen, sagt Torrens,
denn sonst wäre er schon in den Kosten der Produktion enthalten,
also kein Ueberschuss über diese Kosten. Der Profit kann nicht
aus dem Waarenaustausch herkommen, antwortet ihm Ramsay,
wenn er nicht bereits vor dem Waarenaustausch vorhanden war.
Die Werthsumme der ausgetauschten Produkte ändert sich offenbar
nicht durch den Austausch der Produkte, deren Werthsumme sie
ist. Sie bleibt dieselbe nach wie vor dem Austausch. Es sei hier
bemerkt, dass Malthus sich ausdrücklich auf die Autorität von
Torrens beruft7), obgleich er selbst den Verkauf der Waaren über
[14] ihren Werth anders entwickelt oder vielmehr nicht entwickelt, da
alle Argumente dieser Art, der Sache nach, unfehlbar auf das
seinerzeit vielberühmte negative Gewicht des Phlogiston hinauslaufen.


Innerhalb eines durch die kapitalistische Produktion beherrschten
Gesellschaftszustandes ist auch der nichtkapitalistische Producent
durch die kapitalistischen Vorstellungen beherrscht. In seinem
letzten Roman, den Paysans, stellt Balzac, überhaupt ausgezeichnet
durch tiefe Auffassung der realen Verhältnisse, treffend dar, wie
der kleine Bauer, um das Wohlwollen seines Wucherers zu be-
wahren, diesem allerlei Arbeiten umsonst leistet und ihm damit
nichts zu schenken glaubt, weil seine eigne Arbeit ihm selbst keine
bare Auslage kostet. Der Wucherer seinerseits schlägt so zwei
Fliegen mit einer Klappe. Er erspart bare Auslage von Arbeits-
lohn und verstrickt den Bauer, den die Entziehung der Arbeit
vom eignen Feld fortschreitend ruinirt, tiefer und tiefer in das
Fangnetz der Wucherspinne.


Die gedankenlose Vorstellung, dass der Kostpreis der Waare
ihren wirklichen Werth ausmacht, der Mehrwerth aber aus dem
Verkauf der Waare über ihren Werth entspringt, dass die Waaren
also zu ihren Werthen verkauft werden, wenn ihr Verkaufspreis
gleich ihrem Kostpreis, d. h. gleich dem Preis der in ihnen auf-
gezehrten Produktionsmittel plus Arbeitslohn, ist von Proudhon
mit gewohnter, sich wissenschaftlich spreizender Charlatanerie als
neu entdecktes Geheimniss des Sozialismus ausposaunt worden.
Diese Reduktion des Werths der Waaren auf ihren Kostpreis
bildet in der That die Grundlage seiner Volksbank. Es ward
früher auseinandergesetzt, dass sich die verschiednen Werthbestand-
theile des Produkts in proportionellen Theilen des Produkts selbst
darstellen lassen. Beträgt z. B. (Buch I, Kap. VII, 2, S. 211/203)
der Werth von 20 Garn 30 sh. — nämlich 24 sh. Produktions-
mittel, 3 sh. Arbeitskraft und 3 sh. Mehrwerth — so ist dieser
Mehrwerth darstellbar in \frac{1}{10} des Produkts = 2 Garn. Werden
die 20 Garn nun zu ihrem Kostpreis verkauft, zu 27 sh., so
erhält der Verkäufer 2 Garn umsonst oder die Waare ist um
\frac{1}{10} unter ihrem Werth verkauft; aber der Arbeiter hat nach wie
vor seine Mehrarbeit geleistet, nur für den Käufer des Garns,
statt für den kapitalistischen Garnproducenten. Es wäre durchaus
falsch, vorauszusetzen, dass wenn alle Waaren zu ihren Kostpreisen
verkauft würden, das Resultat thatsächlich dasselbe wäre, als wenn
sie sich alle über ihren Kostpreisen, aber zu ihren Werthen ver-
kauften. Denn selbst wenn Werth der Arbeitskraft, Länge des
[15] Arbeitstags und Exploitationsgrad der Arbeit überall gleichgesetzt
werden, so sind doch die in den Werthen der verschiednen Waaren-
arten enthaltnen Massen von Mehrwerth durchaus ungleich, je nach
der verschiednen organischen Zusammensetzung der zu ihrer Pro-
duktion vorgeschossnen Kapitale.8)


Zweites Kapitel.
Die Profitrate.


Die allgemeine Formel des Kapitals ist G — W — G'; d. h.
eine Werthsumme wird in Cirkulation geworfen, um eine grössre
Werthsumme aus ihr herauszuziehn. Der Process, der diese grössre
Werthsumme erzeugt, ist die kapitalistische Produktion; der Process,
der sie realisirt, ist die Cirkulation des Kapitals. Der Kapitalist
producirt die Waare nicht ihrer selbst wegen, nicht ihres Gebrauchs-
werths oder seiner persönlichen Konsumtion wegen. Das Produkt,
um das es sich in der That für den Kapitalisten handelt, ist nicht
das handgreifliche Produkt selbst, sondern der Werthüberschuss
des Produkts über den Werth des in ihm konsumirten Kapitals.
Der Kapitalist schiesst das Gesammtkapital vor ohne Rücksicht
auf die verschiedne Rolle, die seine Bestandtheile in der Produktion
des Mehrwerths spielen. Er schiesst alle diese Bestandtheile gleich-
mässig vor, nicht nur um das vorgeschossne Kapital zu reprodu-
ciren, sondern um einen Werthüberschuss über dasselbe zu produ-
ciren. Er kann den Werth des variablen Kapitals, den er vor-
schiesst, nur in höhern Werth verwandeln durch seinen Austausch
mit lebendiger Arbeit, durch Exploitation lebendiger Arbeit. Aber
er kann die Arbeit nur exploitiren, indem er gleichzeitig die Be-
dingungen für die Verwirklichung dieser Arbeit, Arbeitsmittel und
Arbeitsgegenstand, Maschinerie und Rohstoff vorschiesst, d. h. in-
dem er eine in seinem Besitz befindliche Werthsumme in die
Form von Produktionsbedingungen verwandelt; wie er überhaupt
nur Kapitalist ist, den Exploitationsprocess der Arbeit überhaupt
nur vornehmen kann, weil er als Eigenthümer der Arbeitsbedingungen
dem Arbeiter als blossem Besitzer der Arbeitskraft gegenübersteht.
[16] Es hat sich schon früher, im ersten Buch, gezeigt, dass es grade
der Besitz dieser Produktionsmittel durch die Nichtarbeiter ist,
welcher die Arbeiter in Lohnarbeiter, die Nichtarbeiter in Kapita-
listen verwandelt.


Dem Kapitalisten ist es gleichgültig, die Sache so zu betrachten,
dass er das konstante Kapital vorschiesst, um aus dem variablen
Gewinn zu schlagen, oder das variable vorschiesst, um das kon-
stante zu verwerthen; dass er Geld in Arbeitslohn auslegt, um
Maschinen und Rohmaterial höhern Werth zu geben, oder das
Geld in Maschinerie und Rohmaterial vorschiesst, um die Arbeit
exploitiren zu können. Obgleich nur der variable Theil des Kapitals
Mehrwerth schafft, so schafft er ihn nur unter der Bedingung,
dass auch die andren Theile vorgeschossen werden, die Produktions-
bedingungen der Arbeit. Da der Kapitalist die Arbeit nur exploi-
tiren kann durch Vorschuss des konstanten Kapitals, da er das
konstante Kapital nur verwerthen kann durch Vorschuss des
variablen, so fallen ihm diese in der Vorstellung alle gleichmässig
zusammen, und dies um so mehr, als der wirkliche Grad seines
Gewinns bestimmt ist nicht durch das Verhältniss zum variablen
Kapital, sondern zum Gesammtkapital, nicht durch die Rate des
Mehrwerths, sondern durch die Rate des Profits, die, wie wir sehn
werden, dieselbe bleiben, und doch verschiedne Raten des Mehr-
werths ausdrücken kann.


Zu den Kosten des Produkts gehören alle seine Werthbestand-
theile, die der Kapitalist gezahlt, oder für die er ein Aequivalent
in die Produktion geworfen hat. Diese Kosten müssen ersetzt
werden, damit das Kapital sich einfach erhalte oder in seiner ur-
sprünglichen Grösse reproducire.


Der in der Waare enthaltne Werth ist gleich der Arbeitszeit,
die ihre Herstellung kostet, und die Summe dieser Arbeit besteht
aus bezahlter und unbezahlter. Die Kosten der Waare für den
Kapitalisten bestehn dagegen nur aus dem Theil der in ihr ver-
gegenständlichten Arbeit, den er gezahlt hat. Die in der Waare
enthaltne Mehrarbeit kostet dem Kapitalisten nichts, obgleich sie
dem Arbeiter, ganz so gut wie die bezahlte, Arbeit kostet, und
obgleich sie, ganz so gut wie jene, Werth schafft und als werth-
bildendes Element in die Waare eingeht. Der Profit des Kapita-
listen kommt daher, dass er etwas zu verkaufen hat, das er nicht
bezahlt hat. Der Mehrwerth resp. Profit besteht gerade in dem
Ueberschuss des Waarenwerths über ihren Kostpreis, d. h. in dem
Ueberschuss der in der Waare enthaltnen Gesammtsumme von
[17] Arbeit über die in ihr enthaltne bezahlte Summe Arbeit. Der
Mehrwerth, woher er immer entspringe, ist sonach ein Ueberschuss
über das vorgeschossne Gesammtkapital. Dieser Ueberschuss steht
also in einem Verhältniss zum Gesammtkapital, das sich ausdrückt
in dem Bruch \frac{m}{C}, wo C das Gesammtkapital bedeutet. So erhalten
wir die Profitrate\frac{m}{C} = \frac{m}{c + v}, im Unterschiede von der Rate
des Mehrwerths \frac{m}{v}.


Die Rate des Mehrwerths gemessen am variablen Kapital heisst
Rate des Mehrwerths; die Rate des Mehrwerths gemessen am Ge-
sammtkapital heisst Profitrate. Es sind zwei verschiedne Messungen
derselben Grösse, die in Folge der Verschiedenheit der Maßstäbe
zugleich verschiedne Verhältnisse oder Beziehungen derselben
Grösse ausdrücken.


Aus der Verwandlung der Mehrwerthsrate in Profitrate ist die
Verwandlung des Mehrwerths in Profit abzuleiten, nicht umgekehrt.
Und in der That ist die Profitrate das, wovon historisch aus-
gegangen wird. Mehrwerth und Rate des Mehrwerths sind,
relativ, das Unsichtbare und das zu erforschende Wesentliche,
während Profitrate und daher die Form des Mehrwerths als Profit
sich auf der Oberfläche der Erscheinung zeigen.


Was den einzelnen Kapitalisten angeht, so ist klar, dass das
einzige, was ihn interessirt, das Verhältniss des Mehrwerths oder
des Werthüberschusses, wozu er seine Waaren verkauft, zu dem
für die Produktion der Waare vorgeschossnen Gesammtkapital ist;
während ihm das bestimmte Verhältniss dieses Ueberschusses zu,
und sein innerer Zusammenhang mit, den besondren Bestandtheilen
des Kapitals nicht nur nicht interessirt, sondern es sein Interesse
ist, sich blauen Dunst über dies bestimmte Verhältniss und diesen
innern Zusammenhang vorzublasen.


Obgleich der Ueberschuss des Werths der Waare über ihren
Kostpreis im unmittelbaren Produktionsprocess entsteht, wird er
erst realisirt im Cirkulationsprocess, und erhält um so leichter den
Schein, aus dem Cirkulationsprocess zu entspringen, als es in der
Wirklichkeit, innerhalb der Konkurrenz, auf dem wirklichen Markt,
von Marktverhältnissen abhängt, ob oder nicht, und zu welchem
Grad, dieser Ueberschuss realisirt wird. Es bedarf hier keiner
Erörterung dass, wenn eine Waare über oder unter ihrem Werth
verkauft wird, nur eine andre Vertheilung des Mehrwerths statt-
findet, und dass diese verschiedne Vertheilung, das veränderte Ver-
Marx, Kapital III. 2
[18] hältniss worin verschiedne Personen sich in den Mehrwerth theilen,
weder an der Grösse noch an der Natur des Mehrwerths irgend
etwas ändert. Im thatsächlichen Cirkulationsprocess gehn nicht
nur die Verwandlungen vor, die wir in Buch II betrachtet, son-
dern sie fallen zusammen mit der wirklichen Konkurrenz, mit
Kauf und Verkauf der Waaren über oder unter ihrem Werth, so-
dass für den einzelnen Kapitalisten der von ihm selbst realisirte
Mehrwerth ebensosehr von der wechselseitigen Uebervortheilung,
wie von der direkten Exploitation der Arbeit abhängt.


Im Cirkulationsprocess tritt neben der Arbeitszeit die Cirkula-
tionszeit in Wirksamkeit, die hiermit die Masse des in einem be-
stimmten Zeitraum realisirbaren Mehrwerths beschränkt. Es greifen
noch andre, der Cirkulation entspringende Momente in den un-
mittelbaren Produktionsprocess bestimmend ein. Beide, der un-
mittelbare Produktionsprocess und der Cirkulationsprocess, laufen
beständig in einander, durchdringen sich, und verfälschen dadurch
beständig ihre charakteristischen Unterscheidungsmerkmale. Die
Produktion des Mehrwerths wie des Werths überhaupt erhält im
Cirkulationsprocess, wie früher gezeigt, neue Bestimmungen; das
Kapital durchläuft den Kreis seiner Verwandlungen; endlich tritt es
sozusagen aus seinem innern organischen Leben in auswärtige Lebens-
verhältnisse, in Verhältnisse, wo nicht Kapital und Arbeit, sondern
einerseits Kapital und Kapital, andrerseits die Individuen auch wieder
einfach als Käufer und Verkäufer sich gegenüberstehn; Cirkulationszeit
und Arbeitszeit durchkreuzen sich in ihrer Bahn und scheinen so
beide gleichmässig den Mehrwerth zu bestimmen; die ursprüng-
liche Form, worin sich Kapital und Lohnarbeit gegenüberstehn,
wird verkleidet durch Einmischung scheinbar davon unabhängiger
Beziehungen; der Mehrwerth selbst erscheint nicht als Produkt
der Aneignung von Arbeitszeit, sondern als Ueberschuss des Ver-
kaufspreises der Waaren über ihren Kostpreis, welcher letztre
daher leicht als ihr eigentlicher Werth (valeur intrinsèque) sich
darstellt, sodass der Profit als Ueberschuss des Verkaufspreises der
Waaren über ihren immanenten Werth erscheint.


Allerdings tritt während des unmittelbaren Produktionsprocesses
die Natur des Mehrwerths fortwährend in das Bewusstsein des
Kapitalisten, wie seine Gier nach fremder Arbeitszeit etc. uns
schon bei Betrachtung des Mehrwerths zeigte. Allein: 1) Es ist
der unmittelbare Produktionsprocess selbst nur ein verschwinden-
des Moment, das beständig in den Cirkulationsprocess, wie dieser
in jenen übergeht, sodass die im Produktionsprocess klarer oder
[19] dunkler aufgedämmerte Ahnung von der Quelle des in ihm gemachten
Gewinns, d. h. von der Natur des Mehrwerths, höchstens als
ein gleichberechtigtes Moment erscheint neben der Vorstellung,
der realisirte Ueberschuss stamme aus der, vom Produktions-
process unabhängigen, aus der Cirkulation selbst entspringenden,
also dem Kapital unabhängig von seinem Verhältniss zur Arbeit
angehörigen Bewegung. Werden diese Phänomene der Cirkulation
doch selbst von modernen Oekonomen wie Ramsay, Malthus,
Senior, Torrens u. s. w., direkt als Beweise angeführt, dass das
Kapital in seiner bloss dinglichen Existenz, unabhängig von dem
gesellschaftlichen Verhältniss zur Arbeit, worin es eben Kapital
ist, ein selbständiger Quell des Mehrwerths, neben der Arbeit, und
unabhängig von der Arbeit sei. — 2) Unter der Rubrik der
Kosten, worunter der Arbeitslohn fällt, ebensogut wie der Preis
von Rohstoff, Verschleiss der Maschinerie etc. erscheint Aus-
pressung von unbezahlter Arbeit nur als Ersparung in der Zahlung
eines der Artikel, der in die Kosten eingeht, nur als geringre Zah-
lung für ein bestimmtes Quantum Arbeit; ganz wie ebenfalls ge-
spart wird, wenn der Rohstoff wohlfeiler eingekauft, oder der Ver-
schleiss der Maschinerie verringert wird. So verliert die Abpressung
von Mehrarbeit ihren specifischen Charakter; ihr specifisches Ver-
hältniss zum Mehrwerth wird verdunkelt; und dies wird sehr be-
fördert und erleichtert, wie Buch I, Abschn. VI gezeigt, durch die
Darstellung des Werths der Arbeitskraft in der Form des Arbeitslohns.


Indem alle Theile des Kapitals gleichmäßig als Quelle des
überschüssigen Werths (Profits) erscheinen, wird das Kapitalver-
hältniss mystificirt.


Die Art, wie mittelst des Uebergangs durch die Profitrate der
Mehrwerth in die Form des Profits verwandelt wird, ist jedoch
nur die Weiterentwicklung der schon während des Produktions-
processes vorgehenden Verkehrung von Subjekt und Objekt.
Schon hier sahen wir sämmtliche subjektiven Produktivkräfte der
Arbeit sich als Produktivkräfte des Kapitals darstellen. Einerseits
wird der Werth, die vergangne Arbeit, die die lebendige be-
herrscht, im Kapitalisten personificirt; andrerseits erscheint um-
gekehrt der Arbeiter als bloss gegenständliche Arbeitskraft, als
Waare. Aus diesem verkehrten Verhältniss entspringt nothwendig
schon im einfachen Produktionsverhältniss selbst die entsprechende
verkehrte Vorstellung, ein transponirtes Bewusstsein, das durch
die Verwandlungen und Modifikationen des eigentlichen Cirkula-
tionsprocesses weiter entwickelt wird.


2*
[20]

Es ist, wie man bei der Ricardo’schen Schule studiren kann,
ein ganz verkehrter Versuch, die Gesetze der Profitrate unmittel-
bar als Gesetze der Mehrwerthsrate oder umgekehrt darstellen zu
wollen. In dem Kopf des Kapitalisten unterscheiden sie sich
natürlich nicht. In dem Ausdruck \frac{m}{C} ist der Mehrwerth gemessen
am Werth des Gesammtkapitals, das zu seiner Produktion vor-
geschossen und in dieser Produktion theilweise ganz konsumirt,
theilweis nur angewandt worden ist. In der That drückt das
Verhältniss \frac{m}{C} den Verwerthungsgrad des ganzen vorgeschossnen
Kapitals aus, d. h. dem begrifflichen, innern Zusammenhang und
der Natur des Mehrwerths entsprechend gefasst, es zeigt an, wie
sich die Grösse der Variation des variablen Kapitals zur Grösse
des vorgeschossnen Gesammtkapitals verhält.


An und für sich steht die Werthgrösse des Gesammtkapitals in
keinem innern Verhältniss zur Grösse des Mehrwerths, wenigstens
nicht unmittelbar. Seinen stofflichen Elementen nach besteht das
Gesammtkapital minus das variable Kapital, besteht also das kon-
stante Kapital aus den stofflichen Bedingungen zur Verwirklichung
der Arbeit, Arbeitsmitteln und Arbeitsmaterial. Damit ein be-
stimmtes Quantum Arbeit sich in Waaren verwirklicht, und daher
auch Werth bildet, ist ein bestimmtes Quantum Arbeitsmaterial
und Arbeitsmittel erheischt. Es findet je nach dem besondern
Charakter der zugesetzten Arbeit ein bestimmtes technisches Ver-
hältniss statt zwischen der Masse der Arbeit und der Masse der
Produktionsmittel, denen diese lebendige Arbeit zugesetzt werden
soll. Es findet also insofern auch ein bestimmtes Verhältniss
statt zwischen der Masse des Mehrwerths oder der Mehrarbeit und
der Masse der Produktionsmittel. Wenn z. B. die nothwendige
Arbeit zur Produktion des Arbeitslohns 6 Stunden täglich beträgt,
muss der Arbeiter 12 Stunden arbeiten um 6 Stunden Mehrarbeit
zu thun, um einen Mehrwerth von 100 % zu erzeugen. Er ver-
braucht in den 12 Stunden doppelt so viel Produktionsmittel wie
in den 6. Aber desswegen steht der Mehrwerth, den er in 6 Stun-
den zusetzt, durchaus in keinem unmittelbaren Verhältniss zu dem
Werth der in den 6 oder auch in den 12 Stunden vernutzten
Produktionsmittel. Dieser Werth ist hier ganz gleichgültig; es
kommt nur auf die technisch nöthige Masse an. Ob der Rohstoff
oder das Arbeitsmittel wohlfeil oder theuer, ist ganz gleichgültig;
wenn es nur den erheischten Gebrauchswerth besitzt und in der
technisch vorgeschriebnen Proportion zu der zu absorbirenden leben-
[21] digen Arbeit vorhanden ist. Weiss ich jedoch, dass in einer
Stunde x Baumwolle versponnen werden und a Schillinge
kosten, so weiss ich natürlich auch, dass in 12 Stunden x Baum-
wolle = 12 a Schillinge versponnen werden, und ich kann dann
das Verhältniss des Mehrwerths zum Werth der 12 so gut wie
zum Werth der 6 berechnen. Aber das Verhältniss der lebendigen
Arbeit zum Werth der Produktionsmittel kommt hier nur herein,
soweit a Schillinge als Name für x Baumwolle dient; weil ein
bestimmtes Quantum Baumwolle einen bestimmten Preis hat und
daher auch umgekehrt ein bestimmter Preis als Index für ein be-
stimmtes Quantum Baumwolle dienen kann, so lange der Baum-
wollenpreis sich nicht ändert. Wenn ich weiss dass ich, um 6
Stunden Mehrarbeit anzueignen, 12 Stunden arbeiten lassen, also
Baumwolle für 12 Stunden parat haben muss und den Preis
dieses für 12 Stunden erheischten Quantums Baumwolle kenne, so
existirt auf einem Umweg ein Verhältniss zwischen dem Preis
der Baumwolle (als Index des nothwendigen Quantums) und dem
Mehrwerth. Umgekehrt kann ich aber nie aus dem Preise des
Rohmaterials schliessen auf die Masse des Rohmaterials, die z. B.
in einer Stunde und nicht in 6 versponnen werden kann. Es
findet also kein inneres, nothwendiges Verhältniss statt zwischen
dem Werth des konstanten Kapitals, also auch nicht zwischen dem
Werth des Gesammtkapitals (= c + v) und dem Mehrwerth.


Wenn die Rate des Mehrwerths bekannt und seine Grösse ge-
geben ist, drückt die Profitrate nichts andres aus als das, was sie
in der That ist, eine andre Messung des Mehrwerths, seine Messung
am Werth des Gesammtkapitals, statt an dem Werth des Kapital-
theils, aus dem er durch dessen Austausch mit Arbeit direkt ent-
springt. Aber in der Wirklichkeit (d. h. in der Erscheinungswelt)
verhält sich die Sache umgekehrt. Der Mehrwerth ist gegeben,
aber gegeben als Ueberschuss des Verkaufspreises der Waare
über ihren Kostpreis; wobei es mysteriös bleibt, woher dieser Ueber-
schuss stammt, aus der Exploitation der Arbeit im Produktions-
process, aus der Uebervortheilung der Käufer im Cirkulationsprocess,
oder aus beiden. Was ferner gegeben, ist das Verhältniss dieses
Ueberschusses zum Werth des Gesammtkapitals, oder die Profit-
rate. Die Berechnung dieses Ueberschusses des Verkaufspreises
über den Kostpreis auf den Werth des vorgeschossnen Gesammt-
kapitals ist sehr wichtig und natürlich, da hierdurch in der That
die Verhältnisszahl gefunden wird, worin sich das Gesammtkapital
verwerthet hat, oder sein Verwerthungsgrad. Wird von dieser
[22] Profitrate ausgegangen, so ist also durchaus auf kein specifisches
Verhältniss zwischen dem Ueberschuss und dem in Arbeitslohn
ausgelegten Theils des Kapitals zu schliessen. Man wird in einem
spätern Kapitel sehn, welche drollige Bocksprünge Malthus macht,
wenn er auf diesem Weg hinter das Geheimniss des Mehrwerths
und des specifischen Verhältnisses desselben zum variablen Theil
des Kapitals durchzudringen sucht. Was die Profitrate als solche
zeigt, ist vielmehr gleichmäßiges Verhalten des Ueberschusses zu
gleich grossen Theilen des Kapitals, das von diesem Gesichtspunkt
aus überhaupt keine inneren Unterschiede zeigt, ausser dem
zwischen fixen und cirkulirendem Kapital. Und diesen Unter-
schied auch nur, weil der Ueberschuss doppelt berechnet wird.
Nämlich erstens als einfache Grösse: Ueberschuss über den Kost-
preis. In dieser seiner ersten Form geht das ganze cirkulirende
Kapital in den Kostpreis ein, während vom fixen Kapital nur der
Verschleiss in ihn eingeht. Ferner zweitens: Das Verhältniss dieses
Werthüberschusses zum Gesammtwerth des vorgeschossnen Kapi-
tals. Hier geht der Werth des ganzen fixen Kapitals so gut wie
der des cirkulirenden in die Rechnung ein. Das cirkulirende
Kapital geht also beide Mal in derselben Weise ein, während das
fixe Kapital das eine Mal in einer verschiednen, das andre Mal in
derselben Weise wie das cirkulirende Kapital eingeht. So drängt
sich der Unterschied zwischen cirkulirenden und fixem Kapital
hier als der einzige auf.


Der Ueberschuss also, wenn er, hegelisch gesprochen, sich aus
der Profitrate in sich zurückreflektirt, oder anders, der Ueberschuss,
näher durch die Profitrate charakterisirt, erscheint als ein Ueber-
schuss, den das Kapital über seinen eignen Werth hinaus jährlich,
oder in einer bestimmten Cirkulationsperiode, erzeugt.


Obgleich daher die Profitrate von der Rate des Mehrwerths
numerisch verschieden ist, während Mehrwerth und Profit in der
That dasselbe und auch numerisch gleich sind, so ist der Profit
jedoch eine verwandelte Form des Mehrwerths, eine Form, worin
sein Ursprung und das Geheimniss seines Daseins verschleiert und
ausgelöscht ist. In der That ist der Profit die Erscheinungsform
des Mehrwerths, welcher letztre erst durch Analyse aus der erstern
herausgeschält werden muss. Im Mehrwerth ist das Verhältniss
zwischen Kapital und Arbeit blossgelegt; im Verhältniss von
Kapital und Profit, d. h. von Kapital und dem Mehrwerth, wie
er einerseits als im Cirkulationsprocess realisirter Ueberschuss über
den Kostpreis der Waare, andrerseits als ein durch sein Verhältniss
[23] zum Gesammtkapital näher bestimmter Ueberschuss erscheint, er-
scheint das Kapital als Verhältniss zu sich selbst, ein Ver-
hältniss, worin es sich als ursprüngliche Werthsumme von einem,
von ihm selbst gesetzten Neuwerth unterscheidet. Dass es diesen
Neuwerth während seiner Bewegung durch den Produktionsprocess
und den Cirkulationsprocess erzeugt, dies ist im Bewusstsein. Aber
wie dies geschieht, das ist nun mystificirt und scheint von, ihm
selbst zukommenden, verborgnen Qualitäten herzustammen.


Je weiter wir den Verwerthungsprocess des Kapitals verfolgen,
umsomehr wird sich das Kapitalverhältniss mystificiren, und um
so weniger das Geheimniss seines inneren Organismus blosslegen.


In diesem Abschnitt ist die Profitrate numerisch von der Rate
des Mehrwerths verschieden; dagegen sind Profit und Mehrwerth
behandelt als dieselbe numerische Grösse, nur in verschiedner
Form. Im folgenden Abschnitt werden wir sehn, wie die Ver-
äusserlichung weiter geht und der Profit auch numerisch als eine
vom Mehrwerth verschiedne Grösse sich darstellt.


Drittes Kapitel.
Verhältniss der Profitrate zur Mehrwerthsrate.


Wie am Schluss des vorigen Kapitels hervorgehoben, unter-
stellen wir hier, wie überhaupt in diesem ganzen ersten Abschnitt,
dass die Summe des Profits, die auf ein gegebnes Kapital fällt,
gleich ist der gesammten Summe des, vermittelst dieses Kapitals,
in einem gegebnen Cirkulationsabschnitt producirten Mehrwerths.
Wir sehn also einstweilen davon ab, dass dieser Mehrwerth einer-
seits sich spaltet in verschiedne Unterformen: Kapitalzins, Grund-
rente, Steuern etc., und dass er andrerseits in der Mehrzahl der
Fälle sich keineswegs deckt mit dem Profit, wie er angeeignet
wird kraft der allgemeinen Durchschnittsprofitrate, von der im
zweiten Abschnitt die Rede sein wird.


Soweit der Profit quantitativ dem Mehrwerth gleichgesetzt wird,
ist seine Grösse, und die Grösse der Profitrate, bestimmt durch die
Verhältnisse einfacher, in jedem einzelnen Fall gegebner oder be-
stimmbarer Zahlengrössen. Die Untersuchung bewegt sich also
zunächst auf rein mathematischem Gebiet.


Wir behalten die im ersten und zweiten Buch angewandten Be-
zeichnungen bei. Das Gesammtkapital C theilt sich in das kon-
stante Kapital c und das variable Kapital v, und producirt einen
[24] Mehrwerth m. Das Verhältniss dieses Mehrwerths zum vorge-
schossnen variablen Kapital, also \frac{m}{v}, nennen wir die Rate des
Mehrwerths und bezeichnen sie mit m'. Es ist also \frac{m}{v} = m',
und folglich m = m'v. Wird dieser Mehrwerth, statt auf das
variable Kapital, auf das Gesammtkapital bezogen, so heisst er
Profit (p) und das Verhältniss des Mehrwerths m zum Gesammt-
kapital C, also \frac{m}{C}, heisst die Profitrate p'. Wir haben demnach:
,
setzen wir für m seinen oben gefundnen Werth m'v, so haben wir
,
welche Gleichung sich auch ausdrücken lässt in der Proportion:
;
die Profitrate verhält sich zur Mehrwerthsrate, wie das variable
Kapital zum Gesammtkapital.


Es folgt aus dieser Proportion, dass p', die Profitrate, stets
kleiner ist als m', die Mehrwerthsrate, weil v, das variable Kapital,
stets kleiner ist als C, die Summe von v + c, von variablem und
konstantem Kapital; den einzigen, praktisch unmöglichen Fall aus-
genommen, wo v = C, wo also gar kein konstantes Kapitale, kein
Produktionsmittel, sondern nur Arbeitslohn vom Kapitalisten vor-
geschossen würde.


Es kommen bei unsrer Untersuchung indess noch eine Reihe
andrer Faktoren in Betracht, die auf die Grösse von c, v und m
bestimmend einwirken, und daher kurz zu erwähnen sind.


Erstens der Werth des Geldes. Diesen können wir überall
als konstant annehmen.


Zweitens der Umschlag. Diesen Faktor lassen wir einstweilen
ganz ausser Betracht, da sein Einfluss auf die Profitrate in einem
spätern Kapitel besonders behandelt wird. [Hier nehmen wir
nur den einen Punkt vorweg, dass die Formel p' = m' \frac{v}{C} streng
richtig ist nur für eine Umschlagsperiode des variablen Kapitals,
dass wir sie aber für den Jahresumschlag richtig machen, indem
wir statt m', der einfachen Rate des Mehrwerths, m'n, die Jahres-
rate des Mehrwerths setzen; worin n die Anzahl der Umschläge
des variablen Kapitals innerhalb eines Jahres ist (s. Buch II,
Kap. XVI, 1). — F. E.]


[25]

Drittens kommt in Betracht die Produktivität der Arbeit,
deren Einfluss auf die Rate des Mehrwerths in Buch I, Abschnitt IV,
ausführlich erörtert worden ist. Sie kann aber auch noch einen
direkten Einfluss auf die Profitrate, wenigstens eines Einzelkapitals,
ausüben, wenn, wie Buch I, Kap. X, S. 323/314 entwickelt, dies Einzel-
kapital mit grösserer als der gesellschaftlich-durchschnittlichen Pro-
duktivität arbeitet, seine Produkte zu einem niedrigern Werth darstellt,
als dem gesellschaftlichen Durchschnittswerth derselben Waare, und
so einen Extraprofit realisirt. Dieser Fall bleibt hier aber noch un-
berücksichtigt, da wir auch in diesem Abschnitt noch von der Vor-
aussetzung ausgehn, dass die Waaren unter gesellschaftlich-normalen
Bedingungen producirt und zu ihren Werthen verkauft werden. Wir
gehn also in jedem einzelnen Fall von der Annahme aus, dass die
Produktivität der Arbeit konstant bleibt. In der That drückt die
Werthzusammensetzung des in einem Industriezweig angelegten
Kapitals, also ein bestimmtes Verhältniss des variablen zum kon-
stanten Kapital, jedesmal einen bestimmten Grad der Produktivität
der Arbeit aus. Sobald also dies Verhältniss anders, als durch
blosse Werthänderung der stofflichen Bestandtheile des konstanten
Kapitals, oder durch Aenderung des Arbeitslohns, eine Verände-
rung erfährt, muss auch die Produktivität der Arbeit eine Aende-
rung erlitten haben, und wir werden daher oft genug finden, dass
die mit den Faktoren c, v und m vorgehenden Veränderungen
ebenfalls Aenderungen in der Produktivität der Arbeit einschliessen.


Dasselbe gilt von den noch übrigen drei Faktoren: Länge des
Arbeitstags, Intensität der Arbeit und Arbeitslohn
. Ihr
Einfluss auf Masse und Rate des Mehrwerths ist im ersten Buch
ausführlich entwickelt. Es ist also begreiflich, dass wenn wir auch,
zur Vereinfachung, stets von der Voraussetzung ausgehn, dass diese
drei Faktoren konstant bleiben, dennoch die Veränderungen, die mit
v und m vorgehn, ebenfalls Wechsel in der Grösse dieser ihrer Be-
stimmungsmomente in sich schliessen können. Und da ist nur kurz
daran zu erinnern, dass der Arbeitslohn auf Grösse des Mehrwerths
und Höhe der Mehrwerthsrate umgekehrt wirkt wie die Länge des
Arbeitstags und die Intensität der Arbeit; dass Steigerung des Arbeits-
lohns den Mehrwerth verringert, während Verlängerung des Arbeits-
tags und Erhöhung der Intensität der Arbeit ihn vermehren.


Gesetzt z. B. ein Kapital von 100 producire mit 20 Arbeitern
bei zehnstündiger Arbeit und einem Gesammtwochenlohn von 20,
einen Mehrwerth von 20, so haben wir:
.


[26]

Der Arbeitstag werde verlängert, ohne Lohnerhöhung, auf
15 Stunden; das Gesammtwerthprodukt der 20 Arbeiter erhöht
sich dadurch von 40 auf 60 (10 : 15 = 40 : 60); da v, der ge-
zahlte Arbeitslohn, derselbe bleibt, steigt der Mehrwerth von 20
auf 40, und wir haben:
.


Wenn andrerseits, bei zehnstündiger Arbeit, der Lohn von 20
auf 12 fällt, so haben wir ein Gesammtwerthprodukt von 40 wie
anfangs, aber es vertheilt sich anders; v sinkt auf 12, und lässt
daher den Rest von 28 für m. Wir haben also:
.


Wir sehn also, dass sowohl verlängerter Arbeitstag (oder des-
gleichen gesteigerte Arbeitsintensität) wie Senkung des Lohns die
Masse und damit die Rate des Mehrwerths steigern; umgekehrt
würde erhöhter Lohn bei sonst gleichen Umständen die Rate des
Mehrwerths herabdrücken. Wächst also v durch Lohnsteigerung,
so drückt es nicht ein gesteigertes, sondern nur ein theurer be-
zahltes Arbeitsquantum aus; m' und p' steigen nicht, sondern
fallen.


Es zeigt sich hier schon, dass Aenderungen in Arbeitstag, Arbeits-
intensität und Arbeitslohn nicht eintreten können ohne gleichzeitige
Aenderung in v und m und ihrem Verhältniss, also auch in p',
dem Verhältniss von m zu c + v, dem Gesammtkapital; und ebenso
ist es klar, dass Aenderungen des Verhältnisses von m zu v eben-
falls Wechsel in mindestens einer der erwähnten drei Arbeits-
bedingungen einschliessen.


Hierin zeigt sich eben die besondre organische Beziehung des
variablen Kapitals zur Bewegung des Gesammtkapitals und seiner
Verwerthung, sowie sein Unterschied vom konstanten Kapital. Das
konstante Kapital, soweit Werthbildung in Betracht kommt, ist nur
wichtig wegen dem Werth den es hat; wobei es ganz gleichgültig
für die Werthbildung ist, ob ein konstantes Kapital von 1500 £
1500 Tonnen Eisen sage zu 1 £, oder 500 Tonnen Eisen zu 3 £
vorstellt. Das Quantum der wirklichen Stoffe, das sein Werth dar-
stellt, ist vollständig gleichgültig für die Werthbildung und für
die Rate des Profits, die in umgekehrter Richtung mit diesem
Werth variirt, einerlei welches Verhältniss die Zu- oder Abnahme
des Werths des konstanten Kapitals zur Masse der stofflichen Ge-
brauchswerthe hat, die es darstellt.


Ganz anders verhält es sich mit dem variablen Kapital. Es ist
[27] nicht der Werth, den es hat, die Arbeit, die in ihm vergegen-
ständlicht ist, worauf es zunächst ankommt, sondern dieser Werth
als blosser Index der Gesammtarbeit, die es in Bewegung setzt,
und die nicht in ihm ausgedrückt ist; der Gesammtarbeit, deren
Unterschied von der in ihm selbst ausgedrückten und daher be-
zahlten Arbeit, deren Mehrwerth bildender Theil eben um so grösser
ist, je kleiner die in ihm selbst enthaltne Arbeit. Ein Arbeitstag
von 10 Stunden sei gleich zehn Schilling = zehn Mark. Ist
die nothwendige, den Arbeitslohn, also das variable Kapital er-
setzende Arbeit = 5 Stunden = 5 Schill., so die Mehrarbeit =
5 Stunden und der Mehrwerth = 5 Schill., ist jene = 4 Stunden
= 4 Schill., so die Mehrarbeit = 6 Stunden und der Mehrwerth =
6 Schilling.


Sobald also die Werthgrösse des variablen Kapitals aufhört Index
der von ihm in Bewegung gesetzten Arbeitsmasse zu sein, vielmehr
das Maß dieses Index selbst sich ändert, wird die Rate des Mehr-
werths in entgegengesetzter Richtung und in umgekehrtem Ver-
hältniss mit geändert.


Wir gehn jetzt dazu über, die obige Gleichung der Profitrate
p' = m' \frac{v}{C} auf die verschiednen möglichen Fälle anzuwenden. Wir
werden nach einander die einzelnen Faktoren von m' \frac{v}{C} ihren Werth
ändern lassen und die Wirkung dieser Aenderungen auf die Profit-
rate feststellen. Wir erhalten so verschiedne Reihen von Fällen,
die wir entweder als successive veränderte Wirkungsumstände
eines und desselben Kapitals ansehn können, oder aber als ver-
schiedne, gleichzeitig neben einander bestehende, und zur Ver-
gleichung herangezogne Kapitale, etwa in verschiednen Industrie-
zweigen oder verschiednen Ländern. Wenn daher die Auffassung
mancher unsrer Beispiele als zeitlich aufeinander folgender Zu-
stände eines und desselben Kapitals gezwungen oder praktisch
unmöglich erscheint, so fällt dieser Einwand weg, sobald sie als
Vergleichung unabhängiger Kapitale gefasst werden.


Wir trennen also das Produkt m' \frac{v}{C} in seine beiden Faktoren
m' und \frac{v}{C}; wir behandeln zuerst m' als konstant und untersuchen
die Wirkung der möglichen Variationen von \frac{v}{C}; wir setzen dann
den Bruch \frac{v}{C} als konstant und lassen m' die möglichen Varia-
tionen durchmachen; endlich setzen wir sämmtliche Faktoren als
[28] variabel, und erschöpfen damit die sämmtlichen Fälle, aus denen
sich Gesetze über die Profitrate ableiten lassen.


I. m' konstant, \frac{v}{C} variabel.


Für diesen Fall, der mehrere Unterfälle umfasst, lässt sich eine
allgemeine Formel aufstellen. Haben wir zwei Kapitale C und C1,
mit den respektiven variablen Bestandtheilen v und v1, mit der
beiden gemeinsamen Mehrwerthsrate m', und den Profitraten p'
und p'1 — so ist:
.


Setzen wir nun C und C1, sowie v und v1 in Verhältniss zu
einander, setzen wir z. B. den Werth des Bruchs \frac{C_1}{C} = E, und den
des Bruchs \frac{v_1}{v} = e, so ist C1 = E C, und v1 = e v. Indem wir
nun, in der obigen Gleichung für p'1, für C1 und v1 die so ge-
wonnenen Werthe setzen, haben wir:
.


Wir können aber noch eine zweite Formel aus obigen beiden
Gleichungen ableiten, indem wir sie in die Proportion verwandeln:
.


Da der Werth eines Bruchs derselbe bleibt, wenn Zähler und
Nenner mit derselben Zahl multiplicirt oder dividirt werden, so
können wir \frac{v}{C} und \frac{v_1}{C_1} auf Procentsätze reduciren, d. h. C und C1
beide = 100 setzen. Dann haben wir \frac{v}{C} = \frac{v}{100} und \frac{v_1}{C_1} = \frac{v_1}{100}, und
können in obiger Proportion die Nenner weglassen, und erhalten:
p' : p'1 = v : v1; oder:


Bei zwei beliebigen Kapitalen, die mit gleicher Mehrwerthsrate
fungiren, verhalten sich die Profitraten wie die variablen Kapital-
theile, procentig auf ihre respektiven Gesammtkapitale berechnet.


Diese beiden Formeln umfassen alle Fälle der Variation von \frac{v}{C}.


Ehe wir diese Fälle einzeln untersuchen, noch eine Bemerkung.
Da C die Summe von c und v, des konstanten und des variablen
Kapitals ist, und da die Mehrwerthsrate wie die Profitrate gewöhn-
lich in Procenten ausgedrückt werden, so ist es überhaupt bequem,
die Summe c + v ebenfalls gleich Hundert zu setzen, d. h. c und
v procentig auszudrücken. Es ist für die Bestimmung, zwar nicht
[29] der Masse, aber wohl der Rate des Profits einerlei ob wir sagen:
ein Kapital von 15000, wovon 12000 konstantes und 3000 variables
Kapital, producirt einen Mehrwerth von 3000; oder ob wir dies
Kapital auf Procente reduciren:
.


In beiden Fällen ist die Rate des Mehrwerths m' = 100 %, die
Profitrate = 20 %.


Ebenso, wenn wir zwei Kapitale mit einander vergleichen, z. B.
mit dem vorstehenden ein andres Kapital
wo beidemal m' = 100 %, p' = 10 % ist, und wo die Vergleichung
mit dem vorstehenden Kapital in der procentigen Form weit über-
sichtlicher ist.


Handelt es sich dagegen um Veränderungen, die an einem und
demselben Kapital vorgehn, so ist die procentige Form nur selten
zu gebrauchen, weil sie diese Veränderungen fast immer verwischt.
Geht ein Kapital von der procentigen Form:
über in die procentige Form:
,
so ist nicht ersichtlich, ob die veränderte procentige Zusammen-
setzung 90c + 10v entstanden ist durch absolute Abnahme von v
oder absolute Zunahme von c, oder durch beides. Dazu müssen
wir die absoluten Zahlengrössen haben. Für die Untersuchung
der nachfolgenden einzelnen Fälle von Variation aber kommt alles
darauf an, wie diese Veränderung zu Stande gekommen ist, ob
die 80c + 20v zu 90c + 10v geworden sind dadurch, dass meinet-
wegen die 12000c + 3000v durch Vermehrung des konstanten
Kapitals bei gleichbleibendem variablen sich verwandelt haben in
27000c + 3000v (procentig 90c + 10v); oder ob sie diese Form
angenommen haben, bei gleichbleibendem, konstantem Kapital
durch Verringerung des variablen, also durch Uebergang in
12000c + 1333⅓v (procentig ebenfalls 90c + 10v); oder endlich
durch Aenderung beider Summanden, etwa 13500c + 1500v (pro-
centig wieder 90c + 10v). Diese Fälle werden wir aber gerade
alle nacheinander zu untersuchen, und damit auf die Annehmlich-
keiten der procentigen Form zu verzichten, oder sie nur in zweiter
Linie anzuwenden haben.


[30]

1) m' und C konstant, v variabel.


Wenn v seine Grösse ändert, kann C nur unverändert bleiben
dadurch, dass der andre Bestandtheil von C, nämlich das konstante
Kapital c seine Grösse um dieselbe Summe, aber in entgegen-
gesetzter Richtung, ändert wie v. Ist C ursprünglich = 80c +
20v = 100, und verringert sich dann v auf 10, so kann C nur
= 100 bleiben, wenn c auf 90 steigt; 90c + 10v = 100. Allge-
mein gesprochen: verwandelt sich v in v ± d, in v vermehrt oder
vermindert um d, so muss c sich verwandeln in c ∓ d, muss um
dieselbe Summe, aber in entgegengesetzter Richtung variiren, da-
mit den Bedingungen des vorliegenden Falls genügt werde.


Ebenfalls muss, bei gleichbleibender Mehrwerthsrate m', aber
wechselndem variablem Kapital v, die Masse des Mehrwerths m
sich ändern, da m = m'v, und in m'v der eine Faktor, v, einen
andern Werth erhält.


Die Voraussetzungen unsres Falls ergeben neben der ursprüng-
lichen Gleichung
durch Variation von v die zweite:
,
worin v in v1 übergegangen, und p'1, die daraus folgende ver-
änderte Profitrate zu finden ist.


Sie wird gefunden durch die entsprechende Proportion:
.
Oder: bei gleichbleibender Mehrwerthsrate und gleichbleibendem
Gesammtkapital, verhält sich die ursprüngliche Profitrate zu der
durch Aenderung des variablen Kapitals entstandnen, wie das ur-
sprüngliche variable Kapital zum veränderten.


War das Kapital ursprünglich wie oben:


  • I. 15000 C = 12000c + 3000v(+ 3000m); und ist es jetzt:
  • II. 15000 C = 13000c + 2000v(+ 2000m), so ist C = 15000 und
    m' = 100 % in beiden Fällen, und die Profitrate von I, 20 %,
    verhält sich zu der von II, 13⅓ %, wie das variable Kapital
    von I, 3000, zu dem von II, 2000, also 20 %:13⅓ % =
    3000:2000.

Das variable Kapital kann nun entweder steigen oder fallen.
Nehmen wir zuerst ein Beispiel worin es steigt. Ein Kapital sei
ursprünglich konstituirt und fungire wie folgt:
I. 100c + 20v + 10m; C = 120, m' = 50 %, p' = 8⅓ %.


[31]

Das variable Kapital steige nun auf 30; dann muss nach der
Voraussetzung, das konstante Kapital von 100 auf 90 fallen, da-
mit das Gesammtkapital unverändert = 120 bleibe. Der produ-
cirte Mehrwerth muss, bei gleicher Mehrwerthsrate von 50 %, auf
15 steigen. Wir haben also:
II. 90c + 30v + 15m; C = 120, m' = 50 %, p' = 12½ %.


Gehn wir zunächst von der Annahme aus, dass der Arbeitslohn
unverändert sei. Dann müssen die andern Faktoren der Mehr-
werthsrate, Arbeitstag und Arbeits-Intensität ebenfalls gleich ge-
blieben sein. Die Steigerung von v (von 20 auf 30) kann also
nur den Sinn haben, dass die Hälfte mehr Arbeiter angewandt
werden. Dann steigt auch das Gesammt-Werthprodukt um die
Hälfte, von 30 auf 45, und vertheilt sich, ganz wie vorher, zu
⅔ auf Arbeitslohn und ⅓ auf Mehrwerth. Gleichzeitig aber ist
bei vermehrter Arbeiteranzahl das konstante Kapital, der Werth der
Produktionsmittel, von 100 auf 90 gefallen. Wir haben also vor
uns einen Fall von abnehmender Produktivität der Arbeit, verbunden
mit gleichzeitiger Abnahme des konstanten Kapitals; ist dieser
Fall ökonomisch möglich?


In der Agrikultur und extraktiven Industrie, wo Abnahme der
Produktivität der Arbeit und daher Zunahme der beschäftigten
Arbeiterzahl leicht zu begreifen, ist dieser Process — innerhalb
der Schranken der kapitalistischen Produktion und auf deren Basis
— verbunden nicht mit Abnahme, sondern mit Zunahme des kon-
stanten Kapitals. Selbst wenn die obige Abnahme von c durch
blossen Preisfall bedingt wäre, würde ein einzelnes Kapital den
Uebergang von I zu II nur unter ganz ausnahmsweisen Umständen
vollziehn können. Bei zwei unabhängigen Kapitalen aber, die in
verschiednen Ländern, oder in verschiednen Zweigen der Agrikultur
oder extraktiven Industrie angelegt, wäre es nichts auffallendes,
wenn in dem einen Fall mehr Arbeiter (daher grösseres variables
Kapital) angewandt würden und mit minder werthvollen oder
spärlicheren Produktionsmitteln arbeiteten als im andern Fall.


Lassen wir aber die Voraussetzung fallen, dass der Arbeitslohn
sich gleich bleibt, und erklären wir die Steigerung des variablen
Kapitals von 20 auf 30 durch Erhöhung des Arbeitslohns um die
Hälfte, so tritt ein ganz andrer Fall ein. Dieselbe Arbeiteranzahl
— sagen wir 20 Arbeiter — arbeitet mit denselben oder nur un-
bedeutend verringerten Produktionsmitteln weiter. Bleibt der
Arbeitstag unverändert — z. B. auf 10 Stunden — so ist das
Gesammt-Werthprodukt ebenfalls unverändert; es ist nach wie
[32] vor = 30. Diese 30 werden aber sämmtlich gebraucht, um das
vorgeschossne variable Kapital von 30 zu ersetzen; der Mehrwerth
wäre verschwunden. Es war aber vorausgesetzt, dass die Mehr-
werthsrate konstant, also wie in I auf 50 % stehn bliebe. Dies
ist nur möglich, wenn der Arbeitstag um die Hälfte verlängert,
auf 15 Stunden erhöht wird. Die 20 Arbeiter producirten dann
in 15 Stunden einen Gesammtwerth von 45, und die sämmtlichen
Bedingungen wären erfüllt:
II. 90c + 30v + 15m; C = 120, m' = 50 %, p' = 12½ %.


In diesem Fall brauchen die 20 Arbeiter nicht mehr Arbeits-
mittel, Werkzeug, Maschinen etc. als im Fall I; nur das Roh-
material oder die Hülfsstoffe müssten sich um die Hälfte ver-
mehren. Bei einem Preisfall dieser Stoffe wäre also der Ueber-
gang von I zu II unter unsere Voraussetzungen schon weit eher
auch für ein einzelnes Kapital ökonomisch zulässig. Und der
Kapitalist würde für seinen, bei Entwerthung seines konstanten
Kapitals etwa erlittenen Verlust wenigstens einigermaßen ent-
schädigt durch grössern Profit.


Nehmen wir nun an, das variable Kapital falle statt zu steigen.
Dann brauchen wir nur unser obiges Beispiel umzukehren, Nr. II
als das ursprüngliche Kapital zu setzen, und von II zu I überzugehn.
II. 90c + 30v + 15m verwandelt sich dann in
I. 100c + 20v + 10m, und es ist augenscheinlich, dass durch diese
Umstellung an den, die beiderseitigen Profitraten, und ihr gegen-
seitiges Verhältniss regelnden Bedingungen nicht das Geringste
geändert wird.


Fällt v von 30 auf 20 weil ⅓ weniger Arbeiter beschäftigt
werden bei wachsendem konstantem Kapital, so haben wir hier
den Normalfall der modernen Industrie vor uns: steigende Pro-
duktivität der Arbeit, Bewältigung grösserer Massen von Produk-
tionsmitteln durch weniger Arbeiter. Dass diese Bewegung mit
dem gleichzeitig eintretenden Fall in der Profitrate nothwendig
verbunden ist, wird sich im dritten Abschnitt dieses Buchs heraus-
stellen.


Sinkt aber v von 30 auf 20, weil dieselbe Arbeiteranzahl, aber zu nied-
rigerem Lohn beschäftigt wird, so bliebe, bei unverändertem Arbeits-
tag, das Gesammt-Werthprodukt nach wie vor = 30v + 15m = 45;
da v auf 20 gefallen, würde der Mehrwerth auf 25 steigen, die
Mehrwerthsrate von 50 % auf 125 %, was gegen die Voraussetzung
wäre. Um innerhalb der Bedingungen unsres Falls zu bleiben,
muss der Mehrwerth, zur Rate von 50 %, vielmehr auf 10 fallen,
[33] also das Gesammt-Werthprodukt von 45 auf 30, und dies ist nur
möglich durch Verkürzung des Arbeitstags um ⅓. Dann haben
wir wie oben:
100c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 8⅓ %.


Es bedarf wohl keiner Erwähnung, dass diese Herabsetzung der
Arbeitszeit bei fallendem Lohn in der Praxis nicht vorkommen
würde. Dies ist indess gleichgültig. Die Profitrate ist eine Funktion
von mehreren Variablen, und wenn wir wissen wollen, wie diese
Variablen auf die Profitrate wirken, müssen wir die Einzelwirkung
einer jeden nach der Reihe untersuchen, einerlei ob solche isolirte
Wirkung bei einem und demselben Kapital ökonomisch zulässig
ist oder nicht.


2) m' konstant, v variabel, C verändert durch die
Variation von v
.


Dieser Fall ist vom vorigen nur dem Grade nach unterschieden.
Statt dass c um ebensoviel ab- oder zunimmt, wie v zu- oder ab-
nimmt, bleibt c hier konstant. Unter den heutigen Bedingungen
der grossen Industrie und Agrikultur ist das variable Kapital aber
nur ein relativ geringer Theil des Gesammtkapitals, und daher die
Abnahme oder das Wachsthum des letztern, soweit sie durch
Aenderung des erstern bestimmt werden, ebenfalls relativ gering.
Gehn wir wieder aus von einem Kapital:
I. 100c + 20v + 10m; C = 120, m' = 50 %, p' = 8⅓ %,
so würde dies sich etwa verwandeln in:
II. 100c + 30v + 15m; C = 130, m' = 50 %, p' = 11\frac{7}{13} %.
Der entgegengesetzte Fall der Abnahme des variablen Kapitals
würde wieder versinnlicht durch den umgekehrten Uebergang von
II zu I.


Die ökonomischen Bedingungen wären im Wesentlichen dieselben
wie im vorigen Fall, und bedürfen daher keiner wiederholten Er-
örterung. Der Uebergang von I zu II schliesst ein: Verringerung
der Produktivität der Arbeit um die Hälfte; die Bewältigung von
100c erfordert um die Hälfte mehr Arbeit in II als in I. Dieser
Fall kann in der Agrikultur vorkommen.9)


Während aber im vorigen Fall das Gesammtkapital konstant
blieb dadurch, dass konstantes Kapital in variables verwandelt
wurde oder umgekehrt, findet hier bei Vermehrung des variablen
Marx, Kapital III. 3
[34] Theils Bindung von zuschüssigem Kapital, bei Verminderung des-
selben Freisetzung von vorher angewandtem Kapital statt.


3) m' und v konstant, c und damit auch C variabel.


In diesem Fall verändert sich die Gleichung:
,
und führt unter Streichung der auf beiden Seiten vorkommenden
Faktoren zur Proportion:
;
bei gleicher Mehrwerthsrate und gleichen variablen Kapitaltheilen,
verhalten sich die Profitraten umgekehrt wie die Gesammtkapitale.


Haben wir z. B. drei Kapitale, oder drei verschiedne Zustände
desselben Kapitals:


  • I. 80c + 20v + 20m; C = 100, m' = 100 %, p' = 20 %;
  • II. 100c + 20v + 20m; C = 120, m' = 100 %, p' = 16⅓ %;
  • III. 60c + 20v + 20m; C = 80, m' = 100 %, p' = 25 %;

so verhalten sich:
20 % : 16⅔ % = 120 : 100 und 20 % : 25 % = 80 : 100.


Die früher gegebne allgemeine Formel für Variationen von \frac{v}{C}
bei konstantem m' war:
p'1 = m' \frac{ev}{EC}; sie wird jetzt: p'1 = m' \frac{v}{EC},
da v keine Veränderung erleidet, also der Faktor e = \frac{v_1}{v} hier =
1 wird.


Da m'v = m, der Masse des Mehrwerths, und da m' und v beide
konstant bleiben, so wird auch m nicht von der Variation von C
berührt; die Mehrwerthsmasse bleibt nach wie vor der Verände-
rung dieselbe.


Sänke c auf Null, so wäre p' = m', die Profitrate gleich der
Mehrwerthsrate.


Die Veränderung von c kann entstehn entweder aus blossem
Werthwechsel der stofflichen Elemente des konstanten Kapitals,
oder aus veränderter technischer Zusammensetzung des Gesammt-
kapitals, also aus einer Veränderung in der Produktivität der
Arbeit im betreffenden Produktivzweig. In letzterm Fall würde
die mit der Entwicklung der grossen Industrie und Agrikultur
steigende Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit bedingen,
dass der Uebergang stattfindet in der Reihenfolge (im obigen Bei-
spiel) von III zu I und von I zu II. Ein Arbeitsquantum, das
mit 20 bezahlt wird und das einen Werth von 40 producirt, würde
[35] zuerst eine Masse Arbeitsmittel bewältigen vom Werth von 60;
bei steigender Produktivität und gleichbleibendem Werth würden
die bewältigten Arbeitsmittel wachsen zuerst auf 80, dann auf
100. Die umgekehrte Reihenfolge würde Abnahme der Produk-
tivität bedingen; dasselbe Arbeitsquantum würde weniger Produk-
tionsmittel in Bewegung setzen können, der Betrieb würde einge-
schränkt, wie dies in Agrikultur, Bergwerken etc. vorkommen kann.


Ersparniss an konstantem Kapital erhöht einerseits die Profit-
rate und setzt andrerseits Kapital frei, ist also von Wichtigkeit
für den Kapitalisten. Diesen Punkt, sowie die Einwirkung von
Preiswechsel der Elemente des konstanten Kapitals, namentlich der
Rohstoffe, werden wir späterhin noch näher untersuchen.


Es zeigt sich auch hier wieder, dass Variation des konstanten
Kapitals gleichmässig auf die Profitrate wirkt, einerlei ob diese
Variation hervorgerufen ist durch Zu- oder Abnahme der stoff-
lichen Bestandtheile von c oder durch blosse Werthveränderung
derselben.


4) m' konstant, v, c und C sämmtlich variabel.


In diesem Fall bleibt die obige allgemeine Formel für die ver-
änderte Profitrate:
massgebend. Es ergibt sich daraus, dass bei gleichbleibender Mehr-
werthsrate:


a) die Profitrate fällt, wenn E grösser als e, d. h. wenn das kon-
stante Kapital sich derart vermehrt, dass das Gesammtkapital in
stärkerem Verhältniss wächst als das variable Kapital. Geht ein
Kapital von 80c + 20v + 20m über in die Zusammensetzung
170c + 30v + 30m, so bleibt m' = 100 %, aber \frac{v}{C} fällt von \frac{20}{100}
auf \frac{30}{200}, trotzdem dass sowohl v wie C sich vermehrt haben, und
die Profitrate fällt entsprechend von 20 % auf 15 %.


b) Die Profitrate bleibt unverändert nur wenn e = E, d. h. wenn
der Bruch \frac{v}{C} bei scheinbarer Veränderung denselben Werth be-
hält, d. h. wenn Zähler und Nenner mit derselben Zahl multipli-
cirt oder dividirt werden. 80c + 20v + 20m und 160c + 40v + 40m
haben augenscheinlich dieselbe Profitrate von 20 %, weil m' = 100 %
bleibt und \frac{v}{C} = \frac{20}{100} = \frac{40}{200} in beiden Beispielen denselben Werth
darstellt.


3*
[36]

c.) Die Profitrate steigt, wenn e grösser als E, d. h. wenn das
variable Kapital in stärkerem Verhältniss wächst als das Gesammt-
kapital. Wird 80c + 20v + 20m zu 120c + 40v + 40m, so steigt
die Profitrate von 20 % auf 25 %, weil bei unverändertem m'
\frac{v}{C} = \frac{20}{100} gestiegen ist auf \frac{40}{160}, von ⅕ auf ¼.


Bei Wechsel von v und C in gleicher Richtung können wir
diese Grössenveränderung so auffassen, dass beide bis zu einem
gewissen Grad in demselben Verhältniss variiren, sodass bis dahin
\frac{v}{C} unverändert bleibt. Ueber diesen Grad hinaus, würde dann nur
eins von beiden variiren, und wir haben damit diesen komplicir-
teren Fall auf einen der vorhergehenden einfachern reducirt.


Geht z. B. 80c + 20v + 20m über in: 100c + 30v + 30m, so
bleibt das Verhältniss von v zu c und also auch zu C unverändert
bei dieser Variation bis zu: 100c + 25v + 25m. Bis dahin also
bleibt auch die Profitrate unberührt. Wir können also jetzt
100c + 25v + 25m zum Ausgangspunkt nehmen; wir finden, dass
v um 5, auf 30v, und dadurch C von 125 auf 130 gestiegen ist,
und haben damit den zweiten Fall, den der einfachen Variation
von v und der dadurch verursachten Variation von C vor uns. Die
Profitrate, die ursprünglich 20 % war, steigt durch diesen Zusatz
von 5v bei gleicher Mehrwerthsrate auf 23\frac{1}{13} %.


Dieselbe Reduktion auf einen einfachern Fall kann stattfinden,
auch wenn v und C in entgegengesetzter Richtung ihre Grösse
ändern. Gehn wir z. B. wieder aus von 80c + 20v + 20m, und
lassen dies übergehn in die Form: 110c + 10v + 10m, so wäre
bei einer Aenderung auf 40c + 10v + 10m die Profitrate dieselbe
wie anfangs, nämlich 20 %. Durch Zusatz von 70c zu dieser
Zwischenform wird sie gesenkt auf 8⅓ %. Wir haben den Fall
also wieder reducirt auf einen Fall der Variation einer einzigen
Variablen, nämlich von c.


Gleichzeitige Variation von v, c und C bietet also keine neuen
Gesichtspunkte und führt in letzter Instanz stets zurück auf einen
Fall, wo nur ein Faktor variabel ist.


Selbst der einzige noch übrige Fall ist thatsächlich bereits er-
schöpft, nämlich der Fall, wo v und C numerisch gleich gross
bleiben, aber ihre stofflichen Elemente einen Werthwechsel er-
leiden, wo also v ein verändertes Quantum in Bewegung gesetzter
Arbeit, c ein verändertes Quantum in Bewegung gesetzter Pro-
duktionsmittel anzeigt.


[37]

In 80c + 20v + 20m stelle 20v ursprünglich den Lohn von 20
Arbeitern, zu 10 Arbeitsstunden täglich, dar. Der Lohn eines
jeden steige von 1 auf 1¼. Dann bezahlen 20v statt 20, nur
noch 16 Arbeiter. Wenn aber die 20 in 200 Arbeitsstunden
einen Werth von 40 producirten, werden die 16, in 10 Stunden
täglich, also 160 Arbeitsstunden in allem, nur einen Werth von
32 produciren. Nach Abzug von 20v für Lohn bleibt dann von
32 nur noch 12 für Mehrwerth; die Rate des Mehrwerths wäre ge-
fallen von 100 % auf 60 %. Da aber nach der Voraussetzung die Rate
des Mehrwerths konstant bleiben muss, so müsste der Arbeitstag
um ¼, von 10 Stunden auf 12½, verlängert werden; wenn 20
Arbeiter in 10 Stunden täglich = 200 Arbeitsstunden einen Werth
von 80 produciren, so produciren 16 Arbeiter in 12½ Stunden
täglich = 200 Stunden denselben Werth, das Kapital von 80c + 20v
producirte nach wie vor einen Mehrwerth von 20.


Umgekehrt: fällt der Lohn derart, dass 20v den Lohn von 30
Arbeitern bestreitet, so kann m' nur konstant bleiben, wenn der
Arbeitstag von 10 auf 6⅔ Stunden herabgesetzt wird. 20 × 10
= 30 × 6⅔ = 200 Arbeitsstunden.


In wiefern bei diesen entgegengesetzten Annahmen c, dem Werth-
ausdruck in Geld nach, gleich bleiben, aber dennoch die den ver-
änderten Verhältnissen entsprechende veränderte Menge Produk-
tionsmittel darstellen kann, ist im Wesentlichen schon oben erörtert.
In seiner Reinheit dürfte dieser Fall nur sehr ausnahmsweise zu-
lässig sein.


Was den Werthwechsel der Elemente von c betrifft, der ihre
Masse vergrössert oder vermindert, aber die Werthsumme c un-
verändert lässt, so berührt er weder die Profitrate noch die Mehr-
werthsrate, solange er keine Veränderung der Grösse von v nach
sich zieht.


Wir haben hiermit alle möglichen Fälle der Variation von v,
c und C in unsrer Gleichung erschöpft. Wir haben gesehn, dass
die Profitrate, bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths, fallen,
gleichbleiben oder steigen kann, indem die geringste Aenderung
im Verhältniss von v zu c, resp. C, hinreicht, um die Profitrate
ebenfalls zu ändern.


Es hat sich ferner gezeigt, dass bei der Variation von v überall
eine Grenze eintritt, wo die Konstanz von m' ökonomisch unmög-
lich wird. Da jede einseitige Variation von c ebenfalls an einer
Grenze ankommen muss, wo v nicht länger konstant bleiben
kann, so zeigt sich, dass für alle möglichen Variationen von
[38]\frac{v}{C} Grenzen gesetzt sind, jenseits deren m' ebenfalls variabel werden
muss. Bei den Variationen von m', zu deren Untersuchung wir
jetzt übergehn, wird diese Wechselwirkung der verschiednen
Variabeln unsrer Gleichung noch deutlicher hervortreten.


II. m' variabel.


Eine allgemeine Formel für die Profitraten bei verschiednen
Mehrwerthsraten, einerlei ob \frac{v}{C} konstant bleibt oder ebenfalls
variirt, ergibt sich, wenn wir die Gleichung:
übergehn lassen in die andre:
,
wo p'1, m'1, v1 und C1 die veränderten Werthe von p', m', v und
C bedeuten. Wir haben dann:
,
und daraus: .


1) m' variabel, \frac{v}{C} konstant.


In diesem Fall haben wir die Gleichungen:
; ,
in beiden \frac{v}{C} gleichwerthig. Es verhält sich daher:
.


Die Profitraten zweier Kapitale von gleicher Zusammensetzung
verhalten sich wie die bezüglichen beiden Mehrwerthsraten. Da
es im Bruch \frac{v}{C} nicht auf die absoluten Grössen von v und C an-
kommt, sondern nur auf das Verhältniss beider, gilt dies für alle
Kapitale gleicher Zusammensetzung, was immer ihre absolute
Grösse sei.


80c + 20v + 20m; C = 100, m' = 100 %, p' = 20 %
160c + 40v + 20m; C = 200, m' = 50 %, p' = 10 %
100 % : 50 % = 20 % : 10 %.


Sind die absoluten Grössen von v und C in beiden Fällen die-
selben, so verhalten sich die Profitraten ausserdem wie die Mehr-
werthsmassen:
.


[39]

Zum Beispiel:
80c + 20v + 20m; m' = 100 %, p' = 20 %
80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 %
20 % : 10 % = 100 × 20 : 50 × 20 = 20m : 10m.


Es ist nun klar, dass bei Kapitalen von gleicher absoluter oder
procentiger Zusammensetzung die Mehrwerthsrate nur verschieden
sein kann, wenn entweder der Arbeitslohn, oder die Länge des
Arbeitstags, oder die Intensität der Arbeit verschieden ist. In den
drei Fällen:


  • I. 80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 %,
  • II. 80c + 20v + 20m; m' = 100 %, p' = 20 %,
  • III. 80c + 20v + 40m; m' = 200 %, p' = 40 %,

wird ein Gesammt-Werthprodukt erzeugt in I von 30 (20v + 10m),
in II. von 40, im III. von 60. Dies kann auf dreierlei Weise
geschehn.


Erstens, wenn die Arbeitslöhne verschieden sind, also 20v in
jedem einzelnen Fall eine verschiedne Arbeiteranzahl ausdrückt.
Gesetzt in I werden 15 Arbeiter 10 Stunden beschäftigt zum Lohn
von 1⅓ £, und produciren einen Werth von 30 £, davon 20 £
den Lohn ersetzen und 10 £ für Mehrwerth bleiben. Fällt der
Lohn auf 1 £, so können 20 Arbeiter 10 Stunden beschäftigt
werden, und produciren dann einen Werth von 40 £, wovon 20 £
für Lohn und 20 £ Mehrwerth. Fällt der Lohn noch weiter auf
£, so werden 30 Arbeiter 10 Stunden beschäftigt und produ-
ciren einen Werth von 60 £, wovon nach Abzug von 20 £ für
Lohn noch 40 £ für Mehrwerth bleiben.


Dieser Fall: konstante procentige Zusammensetzung des Kapitals,
konstanter Arbeitstag. konstante Arbeitsintensität, Wechsel der
Mehrwerthsrate verursacht durch Wechsel des Arbeitslohns, ist
der einzige, wo Ricardo’s Annahme zutrifft: profits would be high
or low, exactly in proportion as wages would be low or high.
(Principles, ch. I, sect. III, p. 18 der Works of D. Ricardo, ed.
MacCulloch, 1852.)


Oder zweitens, wenn die Intensität der Arbeit verschieden ist.
Dann machen z. B. 20 Arbeiter mit denselben Arbeitsmitteln in
10 täglichen Arbeitsstunden, in I. 30, in II. 40, in III. 60 Stück
einer bestimmten Waare, wovon jedes Stück, ausser dem Werth
der darin verbrauchten Produktionsmittel, einen Neuwerth von
1 £ darstellt. Da jedesmal 20 Stück = 20 £ den Arbeitslohn
ersetzen, bleiben für Mehrwerth in I. 10 Stück = 10 £, in II.
20 Stück = 20 £, in III. 40 Stück = 40 £.


[40]

Oder drittens der Arbeitstag ist von verschiedner Länge. Ar-
beiten bei gleicher Intensität 20 Arbeiter in I neun, in II zwölf, in
III achtzehn Stunden täglich, so verhält sich ihr Gesammtprodukt
30 : 40 : 60 wie 9 : 12 : 18 und da der Lohn jedesmal = 20, so
bleiben wieder 10, resp. 20 und 40 für Mehrwerth.


Steigerung oder Senkung des Arbeitslohns wirkt also in um-
gekehrter Richtung, Steigerung oder Senkung der Arbeitsintensität
und Verlängerung oder Kürzung des Arbeitstags wirkt in derselben
Richtung auf die Höhe der Mehrwerthsrate und damit, bei kon-
stantem \frac{v}{C}, auf die Profitrate.


2) m' und v variabel, C konstant.


In diesem Fall gilt die Proportion:
p' : p'1 = m' \frac{v}{C} : m'1\frac{v_1}{C} = m' v : m'1 v1 = m : m1.


Die Profitraten verhalten sich wie die respektiven Mehrwerths-
massen.


Variirung der Mehrwerthsrate bei gleichbleibendem variablem
Kapital bedeutete Veränderung in Grösse und Vertheilung des
Werthprodukts. Gleichzeitige Variation von v und m' schliesst
ebenfalls stets eine andre Vertheilung, aber nicht immer einen
Grössenwechsel des Werthprodukts ein. Es sind drei Fälle möglich:


a) Die Variation von v und m' erfolgt in entgegengesetzter
Richtung, aber um dieselbe Grösse; z. B.:
80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 %
90c + 10v + 20m; m' = 200 %, p' = 20 %.


Das Werthprodukt ist in beiden Fällen gleich, also auch das
geleistete Arbeitsquantum; 20v + 10m = 10v + 20m = 30. Der
Unterschied ist nur, dass im ersten Fall 20 für Lohn gezahlt
werden und 10 für Mehrwerth bleiben, während im zweiten Fall
der Lohn nur 10 beträgt und der Mehrwerth daher 20. Dies ist
der einzige Fall, wo bei gleichzeitiger Variation von v und m'
Arbeiterzahl, Arbeitsintensität und Länge des Arbeitstags un-
berührt bleiben.


b) Die Variation von m' und v erfolgt ebenfalls in entgegen-
gesetzter Richtung, aber nicht um dieselbe Grösse bei beiden.
Dann überwiegt die Variation entweder von v oder von m'.


  • I. 80c + 20v + 20m, m' = 100 %, p' = 20 %
  • II. 72c + 28v + 20m, m' = 71\frac{3}{7} %, p' = 20 %
  • III. 84c + 16v + 20m, m' = 125 %, p' = 20 %.

[41]

In I wird ein Werthprodukt von 40 mit 20v, in II eins von
48 mit 28v, in III eins von 36 mit 16v bezahlt. Sowohl das
Werthprodukt wie der Lohn hat sich verändert; Aenderung des
Werthprodukts aber heisst Aenderung des geleisteten Arbeits-
quantums, also entweder der Arbeiterzahl, der Arbeitsdauer, oder
der Arbeitsintensität, oder mehrerer von diesen dreien.


c) Die Variation von m' und v erfolgt in derselben Richtung;
dann verstärkt die eine die Wirkung der andern.


  • 90c + 10v + 10m; m' = 100 %, p' = 10 %
  • 80c + 20v + 30m; m' = 150 %, p' = 30 %
  • 92c + 8v + 6m; m' = 75 %, p' = 6 %

Auch hier sind die drei Werthprodukte verschieden, nämlich
20, 50 und 14; und diese Verschiedenheit in der Grösse des jedes-
maligen Arbeitsquantums reducirt sich wieder auf Verschiedenheit
der Arbeiterzahl, der Arbeitsdauer, der Arbeitsintensität, oder
mehrerer resp. aller dieser Faktoren.


3) m', v und C variabel.


Dieser Fall bietet keine neuen Gesichtspunkte und erledigt sich
durch die unter II, m' variabel, gegebne allgemeine Formel.


Die Wirkung eines Grössenwechsels der Mehrwerthsrate auf die
Profitrate ergibt also folgende Fälle:


1) p' vermehrt oder vermindert sich in demselben Verhältniss
wie m', wenn \frac{v}{C} konstant bleibt.


80c + 20v + 20m; m' = 100 %, p' = 20 %
80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 %
100 % : 50 % = 20 % : 10 %.


2) p' steigt oder fällt in stärkerem Verhältniss als m', wenn
\frac{v}{C} sich in derselben Richtung bewegt wie m', d. h. zunimmt oder
abnimmt, wenn m' zu- oder abnimmt.


80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 %
70c + 30v + 20m; m' = 66⅔ %, p' = 20 %
50 % : 66⅔ % \< 10 % : 20 %.


3) p' steigt oder fällt in kleinerm Verhältniss als m', wenn
\frac{v}{C} sich in entgegengesetzter Richtung ändert wie m', aber in kleinerm
Verhältniss.


80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 %
90c + 10v + 15m; m' = 150 %, p' = 15 %
50 % : 150 % \> 10 % : 15 %.


[42]

4) p' steigt obgleich m' fällt, oder fällt, obgleich m' steigt, wenn
\frac{v}{C} sich in entgegengesetzter Richtung ändert wie m' und in
grösserem Verhältniss, als dieses.


80c + 20v + 20m; m' = 100 %, p' = 20 %
90c + 10v + 15m; m' = 150 %, p' = 15 %


m' gestiegen von 100 % auf 150 %, p' gefallen von 20 % auf 15 %.


5) Endlich p' bleibt konstant, obgleich m' steigt oder fällt, wenn
\frac{v}{C} in entgegengesetzter Richtung, aber genau in demselben Ver-
hältniss wie m' seine Grösse ändert.


Es ist nur dieser letzte Fall, der noch einiger Erörterung be-
darf. Wie wir oben bei den Variationen von \frac{v}{C} sahen, dass eine
und dieselbe Mehrwerthsrate sich in den verschiedensten Profitraten
ausdrücken kann, so sehn wir hier, dass einer und derselben Profit-
rate sehr verschiedne Mehrwerthsraten zu Grunde liegen können.
Während aber bei konstantem m' jede beliebige Aenderung im
Verhältniss von v zu C genügte, um eine Verschiedenheit der
Profitrate hervorzurufen, muss bei Grössenwechsel von m' ein ge-
nau entsprechender, umgekehrter Grössenwechsel von \frac{v}{C} eintreten,
damit die Profitrate dieselbe bleibe. Dies ist bei einem und dem-
selben Kapital, oder bei zwei Kapitalen in demselben Land nur
sehr ausnahmsweise möglich. Nehmen wir z. B. ein Kapital
80c + 20v + 20m; C = 100, m' = 100 %, p' = 20 %
und nehmen wir an, der Arbeitslohn falle derart, dass dieselbe
Arbeiterzahl nunmehr mit 16v zu haben wäre statt mit 20v.
Dann haben wir, bei sonst unveränderten Verhältnissen, unter
Freisetzung von 4v,
80c + 16v + 24m; C = 96, m' = 150 %, p' = 25 %.


Damit nun p' = 20 % wäre, wie vorher, müsste das Gesammt-
kapital auf 120, also das konstante auf 104 wachsen:
104c + 16v + 24m; C = 120, m' = 150 %, p' = 20 %.


Dies wäre nur möglich, wenn gleichzeitig mit der Lohnsenkung
eine Aenderung in der Produktivität der Arbeit einträte, die diese
veränderte Zusammensetzung des Kapitals erheischte; oder aber,
wenn der Geldwerth des konstanten Kapitals von 80 auf 104 stiege;
kurz, ein zufälliges Zusammentreffen von Bedingungen wie es nur
in Ausnahmsfällen vorkommt. In der That ist eine Aenderung
von m', die nicht gleichzeitig eine Aenderung von v, und damit
[43] auch von \frac{v}{C} bedingt, nur unter ganz bestimmten Umständen denk-
bar, bei solchen Industriezweigen nämlich, worin nur fixes Kapital
und Arbeit angewandt wird und der Arbeitsgegenstand von der
Natur geliefert ist.


Aber im Vergleich der Profitraten zweier Länder ist dies anders.
Dieselbe Profitrate drückt hier in der That meist verschiedne
Raten des Mehrwerths aus.


Aus den sämmtlichen fünf Fällen ergibt sich also, dass eine
steigende Profitrate einer fallenden oder steigenden Mehrwerths-
rate, eine fallende Profitrate einer steigenden oder fallenden, eine
gleichbleibende Profitrate einer steigenden oder fallenden Mehr-
werthsrate entsprechen kann. Dass eine steigende, fallende, oder
gleichbleibende Profitrate ebenfalls einer gleichbleibenden Mehr-
werthsrate entsprechen kann, haben wir unter I gesehn.


Die Profitrate wird also bestimmt durch zwei Hauptfaktoren:
die Rate des Mehrwerths, und die Werthzusammensetzung des
Kapitals. Die Wirkungen dieser beiden Faktoren lassen sich kurz
zusammenfassen wie folgt, wobei wir die Zusammensetzung in
Procenten ausdrücken können, da es hier gleichgültig ist, von
welchem der beiden Kapitaltheile die Aenderung ausgeht:


Die Profitraten zweier Kapitale, oder eines und desselben Kapitals
in zwei successiven, verschiednen Zuständen


sind gleich:


1) bei gleicher procentiger Zusammensetzung der Kapitale und
gleicher Mehrwerthsrate.


2) bei ungleicher procentiger Zusammensetzung, und ungleicher
Mehrwerthsrate, wenn die Produkte der Mehrwerthsraten in die
procentigen variablen Kapitaltheile (die m' und v) d. h. die pro-
centig aufs Gesammtkapital berechneten Mehrwerthsmassen
(m = m'v) gleich sind, in andern Worten, wenn beidemale die
Faktoren m' und v in umgekehrtem Verhältniss zu einander stehn.


Sie sind ungleich:


  • 1) bei gleicher procentiger Zusammensetzung, wenn die Mehr-
    werthsraten ungleich sind, wo sie sich verhalten wie die Mehr-
    werthsraten.
  • 2) bei gleicher Mehrwerthsrate und ungleicher procentiger Zu-
    sammensetzung, wo sie sich verhalten wie die variablen Kapitaltheile.
  • 3) bei ungleicher Mehrwerthsrate und ungleicher procentiger
    Zusammensetzung, wo sie sich verhalten wie die Produkte m 'v,
    [44] d. h. wie die procentig aufs Gesammtkapital berechneten Mehr-
    werthsmassen.10)

Viertes Kapitel.
Wirkung des Umschlags auf die Profitrate.


[Die Wirkung des Umschlags auf die Produktion von Mehrwerth,
also auch von Profit, ist im zweiten Buch erörtert worden. Sie
lässt sich kurz dahin zusammenfassen, dass in Folge der für den
Umschlag erforderlichen Zeitdauer nicht das ganze Kapital gleich-
zeitig in der Produktion verwendet werden kann; dass also ein
Theil des Kapitals fortwährend brach liegt, sei es in der Form
von Geldkapital, von vorräthigen Rohstoffen, von fertigem, aber
noch unverkauftem Waarenkapital, oder von noch nicht fälligen
Schuldforderungen; dass das in der aktiven Produktion, also bei
der Erzeugung und Aneignung von Mehrwerth thätige Kapital
fortwährend um diesen Theil verkürzt, und der erzeugte und an-
geeignete Mehrwerth fortwährend im selben Verhältniss verringert
wird. Je kürzer die Umschlagszeit, desto kleiner wird dieser brach-
liegende Theil des Kapitals, verglichen mit dem Ganzen; desto
grösser wird also auch, bei sonst gleichbleibenden Umständen, der
angeeignete Mehrwerth.


Es ist bereits im zweiten Buch im einzelnen entwickelt, wie die
Verkürzung der Umschlagszeit, oder eines ihrer beiden Abschnitte,
der Produktionszeit und der Cirkulationszeit, die Masse des produ-
cirten Mehrwerths steigert. Da aber die Profitrate nur das Ver-
hältniss der producirten Masse von Mehrwerth zu dem in ihrer
Produktion engagirten Gesammtkapital ausdrückt, so ist es augen-
scheinlich, dass jede solche Verkürzung die Profitrate steigert.
Was vorher im zweiten Abschnitt des zweiten Buchs mit Bezug
auf den Mehrwerth entwickelt, gilt ebensosehr für den Profit und
die Profitrate, und bedarf keiner Wiederholung hier. Nur ein
paar Hauptmomente wollen wir hervorheben.


[45]

Das Hauptmittel der Verkürzung der Produktionszeit ist die
Steigerung der Produktivität der Arbeit, was man gewöhnlich den
Fortschritt der Industrie nennt. Wird dadurch gleichzeitig nicht
eine bedeutende Verstärkung der gesammten Kapitalauslage durch
Anlage kostspieliger Maschinerie u. s. w., und damit eine Senkung
der auf das Gesammtkapital zu berechnenden Profitrate bewirkt,
so muss diese letztere steigen. Und dies ist entschieden der Fall
bei vielen der neuesten Fortschritte der Metallurgie und chemi-
schen Industrie. Die neuentdeckten Verfahrungsweisen der Eisen-
und Stahlbereitung von Bessemer, Siemens, Gilchrist-Thomas u. A.
kürzen, bei relativ geringen Kosten, früher höchst langwierige
Prozesse auf ein Minimum ab. Die Bereitung des Alizarins oder
Krappfarbstoffes aus Kohlentheer bringt in wenig Wochen, und
mit der schon bisher für Kohlentheerfarben im Gebrauch befind-
lichen Fabrikeinrichtung, dasselbe Resultat zu Stande, das früher
Jahre erforderte; ein Jahr brauchte der Krapp zum Wachsen, und
dann liess man die Wurzeln noch mehrere Jahre nachreifen, ehe
man sie verfärbte.


Das Hauptmittel zur Verkürzung der Cirkulationszeit sind ver-
besserte Kommunikationen. Und hierin haben die letzten fünfzig
Jahre eine Revolution gebracht, die sich nur mit der industriellen
Revolution der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vergleichen
lässt. Auf dem Lande ist die macadamisirte Strasse durch die
Eisenbahn, auf der See das langsame und unregelmäßige Segelschiff
durch die rasche und regelmäßige Dampferlinie in den Hinter-
grund gedrängt worden, und der ganze Erdball wird umspannt
von Telegraphendräthen. Der Suezkanal hat Ostasien und Austra-
lien dem Dampferverkehr erst eigentlich erschlossen. Die Cirku-
lationszeit einer Waarensendung nach Ostasien, 1847 noch min-
destens zwölf Monate (s. Buch II S. 235) ist jetzt ungefähr auf
ungefähr ebensoviel Wochen reducirbar geworden. Die beiden
grossen Krisenheerde von 1825—1857, Amerika und Indien, sind
durch diese Umwälzung der Verkehrsmittel den europäischen In-
dustrieländern um 70—90 % näher gerückt und haben damit
einen grossen Theil ihrer Explosionsfähigkeit verloren. Die Um-
schlagszeit des gesammten Welthandels ist in demselben Maß
verkürzt, und die Aktionsfähigkeit des darin betheiligten Kapitals
um mehr als das Doppelte oder Dreifache gesteigert worden.
Dass dies nicht ohne Wirkung auf die Profitrate geblieben, ver-
steht sich von selbst.


Um die Wirkung des Umschlags des Gesammtkapitals auf die
[46] Profitrate rein darzustellen, müssen wir bei den zu vergleichenden
zwei Kapitalen alle andern Umstände als gleich annehmen. Ausser
der Mehrwerthsrate und dem Arbeitstag sei also namentlich auch
die procentige Zusammensetzung gleich. Nehmen wir nun ein
Kapital A von der Zusammensetzung 80c + 20v = 100 C, welches
mit einer Mehrwerthsrate von 100 % zweimal im Jahr umschlägt.
Dann ist das Jahresprodukt:


160c + 40v + 40m. Aber zur Ermittlung der Profitrate be-
rechnen wir diese 40m nicht auf den umgeschlagnen Kapitalwerth
von 200, sondern auf den vorgeschossnen von 100, und erhalten
so p' = 40 %.


Vergleichen wir damit ein Kapital B = 160c + 40v = 200 C,
das mit derselben Mehrwerthsrate von 100 %, aber nur einmal im
Jahr umschlage. Dann ist das Jahresprodukt wie oben:


160c + 40v + 40m. Diesmal aber sind die 40m zu berechnen
auf ein vorgeschossnes Kapital von 200, dies ergibt für die Profit-
rate nur 20 %, also nur die Hälfte der Rate für A.


Es ergibt sich also: bei Kapitalen gleicher procentiger Zu-
sammensetzung, bei gleicher Mehrwerthsrate und gleichem Arbeits-
tag verhalten sich die Profitraten zweier Kapitale umgekehrt wie
ihre Umschlagszeiten. Ist entweder die Zusammensetzung, oder
die Mehrwerthsrate, oder der Arbeitstag oder Arbeitslohn in den
beiden verglichenen Fällen nicht gleich, so werden dadurch aller-
dings auch weitere Verschiedenheiten in der Profitrate erzeugt;
diese aber sind unabhängig vom Umschlag und gehn uns daher
hier nichts an; sie sind auch bereits in Kap. III erörtert.


Die direkte Wirkung der verkürzten Umschlagszeit auf die
Produktion von Mehrwerth, also auch von Profit, besteht in der
gesteigerten Wirksamkeit, die dem variablen Kapitaltheil dadurch
gegeben wird, worüber nachzusehn Buch II, Kap. XVI: Der Um-
schlag des variablen Kapitals. Es zeigte sich da, dass ein variables
Kapital von 500, das zehnmal im Jahr umschlägt, in dieser Zeit
ebensoviel Mehrwerth aneignet, wie ein variables Kapital von 5000,
das bei gleicher Mehrwerthsrate und gleichem Arbeitslohn nur
einmal im Jahr umschlägt.


Nehmen wir ein Kapital I, bestehend aus 10,000 fixem Kapital,
dessen jährlicher Verschleiss 10 % = 1000 betrage, 500 cirku-
lirendem, konstantem und 500 variablem Kapital. Bei einer
Mehrwerthsrate von 100 %, schlage das variable Kapital zehnmal
im Jahre um. Der Einfachheit wegen nehmen wir in allen folgen-
den Beispielen an, dass das cirkulirende konstante Kapital in der-
[47] selben Zeit umschlägt, wie das variable, was auch in der Praxis
meist so ziemlich der Fall sein wird. Dann wird das Produkt
einer solchen Umschlagsperiode sein:
100c (Verschleiss) + 500c + 500v + 500m = 1600
und das des ganzen Jahres von zehn solchen Umschlägen:
1000c (Verschleiss) + 5000c + 5000v + 5000m = 16000,
C = 11000, m = 5000, p' = \frac{5000}{11000} = 45\frac{5}{11} %.


Nehmen wir nun ein Kapital II: fixes Kapital 9000, jährlicher
Verschleiss desselben 1000, cirkulirendes konstantes Kapital 1000,
variables Kapital 1000, Mehrwerthsrate 100 %, Zahl der jährlichen
Umschläge des variablen Kapitals: 5. Das Produkt einer jeden
Umschlagsperiode des variablen Kapitals wird also sein:
200c (Verschleiss) + 1000c + 1000v + 1000m = 3200,
und das Gesammt-Jahresprodukt bei fünf Umschlägen:
1000c (Verschleiss) + 5000c + 5000v + 5000m = 16000,
C = 11000, m = 5000, p' = \frac{5000}{11000} = 45\frac{5}{11} %.


Nehmen wir ferner ein Kapital III, worin gar kein fixes Kapital,
dagegen 6000 cirkulirendes konstantes und 5000 variables Kapital.
Bei 100 % Mehrwerthsrate schlage es einmal im Jahr um. Das
Gesammtprodukt im Jahr ist dann:
6000c + 5000v + 5000m = 16000,
C = 11000, m = 5000, p' = \frac{5000}{11000} = 45\frac{5}{11} %.


Wir haben also in allen drei Fällen dieselbe jährliche Masse
von Mehrwerth, = 5000, und da das Gesammtkapital in allen drei
Fällen ebenfalls gleich, nämlich = 11000 ist, dieselbe Profitrate
von 45\frac{5}{11} %.


Haben wir dagegen bei dem obigen Kapital I, statt 10, nur
5 jährliche Umschläge des variablen Theils, so stellt sich die Sache
anders. Das Produkt eines Umschlags ist dann:
200c (Verschleiss) + 500c + 500v + 500m = 1700.
Oder Jahresprodukt:
1000c (Verschleiss) + 2500c + 2500v + 2500m = 8500,
C = 11000, m = 2500; p' = \frac{2500}{11000} = 22\frac{8}{11} %.


Die Profitrate ist auf die Hälfte gesunken, weil die Umschlags-
zeit verdoppelt worden ist.


Die im Lauf des Jahrs angeeignete Masse Mehrwerth ist also
gleich der Masse des in einer Umschlagsperiode des variablen
Kapitals angeeigneten Mehrwerths, multiplicirt durch die Anzahl
[48] solcher Umschläge im Jahr. Nennen wir den jährlich angeeigneten
Mehrwerth oder Profit M, den in einer Umschlagsperiode ange-
eigneten Mehrwerth m, die Anzahl der jährlichen Umschläge des
variablen Kapitals n, so ist M = mn, und die jährliche Mehr-
werthsrate M' = m'n, wie bereits entwickelt Buch II, Kap. XVI, 1).


Die Formel der Profitrate p' = m'\frac{v}{C} = m'\frac{v}{c + v} ist selbstredend
nur richtig, wenn das v des Zählers dasselbe ist, wie das des
Nenners. Im Nenner ist v der gesammte, durchschnittlich als
variables Kapital, für Arbeitslohn verwandte Theil des Gesammt-
kapitals. Das v des Zählers ist zunächst nur bestimmt dadurch,
dass es ein gewisses Quantum Mehrwerth = m producirt und an-
geeignet hat, dessen Verhältniss zu ihm \frac{m}{v} die Mehrwerthsrate m'
ist. Nur auf diesem Wege hat sich die Gleichung p' = \frac{m}{c + v} ver-
wandelt in die andre: p' = m' \frac{v}{c + v}. Das v des Zählers wird nun
näher dahin bestimmt, dass es gleich sein muss dem v des Nenners,
d. h. dem gesammten variablen Theil des Kapitals C. In andern
Worten, die Gleichung p' = \frac{m}{C} lässt sich nur dann ohne Fehler in
die andre p' = m' \frac{v}{c + v} verwandeln, wenn m den in Einer Um-
schlagsperiode des variablen Kapitals producirten Mehrwerth be-
deutet. Umfasst m nur einen Theil dieses Mehrwerths, so ist
m = m'v zwar richtig, aber dies v ist hier kleiner als das v in
C = c + v, weil weniger als das ganze variable Kapital in Arbeits-
lohn ausgelegt worden. Umfasst m aber mehr als den Mehrwerth
eines Umschlags von v, so fungirt ein Theil dieses v, oder auch
das Ganze, zweimal, zuerst im ersten, dann im zweiten, resp.
zweiten und fernern Umschlag; das v, das den Mehrwerth pro-
ducirt und das die Summe aller gezahlten Arbeitslöhne ist, ist
also grösser als das v in c + v, und die Rechnung wird unrichtig.


Damit die Formel für die Jahresprofitrate exakt richtig werde,
müssen wir statt der einfachen Mehrwerthsrate die Jahresrate des
Mehrwerths einsetzen, also statt m' setzen M' oder m'n. Mit
andern Worten, wir müssen m', die Mehrwerthsrate — oder was
auf dasselbe herauskommt, den in C enthaltnen variablen Kapital-
theil v — mit n, der Anzahl der Umschläge dieses variablen
Kapitals im Jahr, multipliciren, und wir erhalten so: p' = m'n \frac{v}{C},
welches die Formel zur Berechnung der Jahresprofitrate ist.


[49]

Wie gross aber das variable Kapital in einem Geschäft ist, das
weiss in den allermeisten Fällen der Kapitalist selbst nicht. Wir
haben im achten Kapitel des zweiten Buchs gesehn und werden
es noch weiterhin sehn, dass der einzige Unterschied innerhalb
seines Kapitals, der sich dem Kapitalisten als wesentlich aufdrängt,
der Unterschied von fixem und cirkulirendem Kapital ist. Aus
der Kasse, die den in Geldform in seinen Händen befindlichen
Theil des cirkulirenden Kapitals enthält, soweit dieser nicht auf
der Bank liegt, holt er das Geld für Arbeitslohn, aus derselben
Kasse das Geld für Roh- und Hülfsstoffe, und schreibt beides
einem und demselben Cassa-Conto gut. Und sollte er auch ein
besonderes Conto über die gezahlten Arbeitslöhne führen, so würde
dies am Jahresschluss zwar die dafür gezahlte Summe, also vn,
aufweisen, aber nicht das variable Kapital v selbst. Um dies zu
ermitteln, müsste er eine eigne Berechnung anstellen, von der wir
hier ein Beispiel geben wollen.


Wir nehmen dazu die in Buch I, S. 209/201 beschriebne Baum-
wollspinnerei von 10000 Mulespindeln, und nehmen dabei an, dass
die für eine Woche des April 1871 gegebnen Daten für das ganze
Jahr Geltung behielten. Das in der Maschinerie steckende fixe
Kapital war 10000 £. Das cirkulirende Kapital war nicht ange-
geben; wir nehmen an, es sei 2500 £ gewesen, ein ziemlich hoher
Ansatz, der aber gerechtfertigt ist durch die Annahme, die wir
hier immer machen müssen, dass keine Kreditoperationen statt-
finden, also keine dauernde oder zeitweilige Benutzung von frem-
dem Kapital. Das Wochenprodukt war seinem Werth nach zu-
sammengesetzt aus 20 £ für Verschleiss der Maschinerie, 358 £
cirkulirendem konstantem Kapitalvorschuss (Miethe 6 £, Baum-
wolle 342 £, Kohlen, Gas, Oel 10 £), 52 £ in Arbeitslohn aus-
gelegtem variablem Kapital und 80 £ Mehrwerth, also:
20c (Verschleiss) + 358c + 52v + 80m = 510.


Der wöchentliche Vorschuss an cirkulirendem Kapital war also
358c + 52v = 410, und seine procentige Zusammensetzung =
87.3c + 12.7v. Dies auf das ganze cirkulirende Kapital von 2500 £
berechnet, ergibt 2182 £ konstantes und 318 £ variables Kapital.
Da die Gesammt-Auslage für Arbeitslohn im Jahr 52 mal 52 £
war, also 2704 £, ergibt sich, dass das variable Kapital von
318 £ im Jahr fast genau 8½ mal umschlug. Die Rate des
Mehrwerths war \frac{80}{52} = 153\frac{11}{13} %. Aus diesen Elementen be-
rechnen wir die Profitrate, indem wir in der Formel p' = m'n \frac{v}{C}
Marx, Kapital III. 4
[50] die Werthe einsetzen: m' = 153\frac{11}{13}, n = 8½, v = 318, C = 12500;
also: p' = 153\frac{11}{13} × 8½ × \frac{318}{12500} = 32.48 %.


Die Probe hierauf machen wir durch den Gebrauch der ein-
fachen Formel p' = \frac{m}{C}. Der Gesammt-Mehrwerth oder Profit im
Jahr beläuft sich auf 80 × 52 £ = 4160 £, dies dividirt durch
das Gesammtkapital von 12500 £ ergibt fast wie oben 33.28 %,
eine abnorm hohe Profitrate, die nur aus den momentan äusserst
günstigen Verhältnissen (sehr wohlfeile Baumwollpreise neben sehr
hohen Garnpreisen) sich erklärt und in Wirklichkeit sicher nicht
das ganze Jahr durch gegolten hat.


In der Formel p' = m'n \frac{v}{C} ist m'n, wie gesagt, das was im
zweiten Buch als die Jahresrate des Mehrwerths bezeichnet wurde.
Sie beträgt im obigen Fall 153\frac{11}{13} % × 8½, oder genau ge-
rechnet 1307\frac{9}{13} %. Wenn also ein gewisser Biedermann über
die im zweiten Buch in einem Beispiel aufgestellte Ungeheuerlich-
keit einer Jahresrate des Mehrwerths von 1000 % die Hände über
dem Kopf zusammengeschlagen hat, so wird er sich vielleicht be-
ruhigen bei der ihm hier aus der lebendigen Praxis von Manchester
vorgeführten Thatsache einer Jahresrate des Mehrwerths von über
1300 %. In Zeiten höchster Prosperität, wie wir sie freilich schon
lange nicht mehr durchgemacht, ist eine solche Rate keineswegs
eine Seltenheit.


Beiläufig haben wir hier ein Beispiel von der thatsächlichen
Zusammensetzung des Kapitals innerhalb der modernen grossen
Industrie. Das Gesammtkapital theilt sich in 12,182 £ konstantes
und 318 £ variables Kapital, zusammen 12500 £. Oder procentig:
97½c + 2½v = 100 C. Nur der vierzigste Theil des Ganzen
dient, aber in mehr als achtmaliger Wiederkehr im Jahr, zur Be-
streitung von Arbeitslohn.


Da es wohl nur wenigen Kapitalisten einfällt, derartige Be-
rechnungen über ihr eignes Geschäft anzustellen, so schweigt die
Statistik fast absolut über das Verhältniss des konstanten Theils
des gesellschaftlichen Gesammtkapitals zum variablen Theil. Nur
der amerikanische Census gibt, was unter den heutigen Verhält-
nissen möglich: Die Summe der in jedem Geschäftszweig gezahl-
ten Arbeitslöhne und der gemachten Profite. So anrüchig diese
Daten auch sind, weil nur auf unkontrollirten Angaben der In-
dustriellen selbst beruhend, so sind sie doch äusserst werthvoll
und das einzige, was wir über den Gegenstand haben. In Europa
[51] sind wir viel zu zartfühlend, um unsern Grossindustriellen der-
gleichen Enthüllungen zuzumuthen. — F. E.]


Fünftes Kapitel.
Oekonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals.


I. Im Allgemeinen.

Die Vermehrung des absoluten Mehrwerths, oder die Verlänge-
rung der Mehrarbeit, und darum des Arbeitstags, bei gleichbleiben-
dem variablem Kapital, also bei Anwendung derselben Arbeiter-
anzahl zu nominell demselben Lohn — wobei es gleichgültig, ob
die Ueberzeit bezahlt wird oder nicht — senkt relativ den Werth
des konstanten Kapitals, gegenüber dem Gesammtkapital und dem
variablen Kapital, und erhöht dadurch die Profitrate, auch abge-
sehn von dem Wachsthum und der Masse des Mehrwerths und der
möglicherweise steigenden Rate des Mehrwerths. Der Umfang des
fixen Theils des konstanten Kapitals, Fabrikgebäude, Maschinerie etc.
bleibt derselbe, ob 16 oder 12 Stunden damit gearbeitet wird.
Die Verlängerung des Arbeitstags erheischt keine neue Auslage
in diesem, dem kostspieligsten Theil des konstanten Kapitals. Es
kommt hinzu, dass der Werth des fixen Kapitals so in einer
kürzern Reihe von Umschlagsperioden reproducirt, also die Zeit
verkürzt wird, für die es vorgeschossen werden muss, um einen
bestimmten Profit zu machen. Die Verlängerung des Arbeitstags
steigert daher den Profit, selbst wenn die Ueberzeit bezahlt, und
bis zu einer gewissen Grenze, selbst wenn sie höher bezahlt wird
als die normalen Arbeitsstunden. Die stets wachsende Nothwendig-
keit der Vermehrung des fixen Kapitals im modernen Industriesystem
war daher ein Hauptstachel zur Verlängerung des Arbeitstags für
profitwüthige Kapitalisten.11)


Es findet nicht dasselbe Verhältniss bei konstantem Arbeitstag
statt. Es ist hier entweder nöthig, die Zahl der Arbeiter, und
mit ihnen auch zu einem gewissen Verhältniss die Masse des fixen
Kapitals, der Baulichkeiten, Maschinerie etc. zu vermehren, um
eine grössere Masse von Arbeit zu exploitiren (denn es wird hier
4*
[52] abgesehn von Abzügen am Lohn oder Herabpressen des Lohns
unter seine normale Höhe). Oder, wo die Intensität der Arbeit
vermehrt, beziehungsweise die Produktivkraft der Arbeit erhöht,
überhaupt mehr relativer Mehrwerth erzeugt werden soll, wächst
in den Industriezweigen, die Rohstoff anwenden, die Masse des
cirkulirenden Theils des konstanten Kapitals, indem mehr Roh-
stoff etc. in dem gegebnen Zeitraum verarbeitet wird; und zweitens
wächst die von derselben Zahl Arbeiter in Bewegung gesetzte
Maschinerie, also auch dieser Theil des konstanten Kapitals. Das
Wachsen des Mehrwerths ist also begleitet von einem Wachsen
des konstanten Kapitals, die wachsende Exploitation der Arbeit von
einer Vertheuerung der Produktionsbedingungen, vermittelst welcher
die Arbeit exploitirt wird, d. h. von grössrer Kapitalauslage. Die
Profitrate wird also hierdurch auf der einen Seite vermindert,
wenn auf der andern erhöht.


Eine ganze Reihe laufender Unkosten bleibt sich beinahe oder
ganz gleich bei längrem wie bei kürzrem Arbeitstag. Die Auf-
sichtskosten sind geringer für 500 Arbeiter bei 18 Arbeitsstunden,
als für 750 bei 12 Stunden. „Die Betriebskosten einer Fabrik
bei zehnstündiger Arbeit sind beinahe gleich hoch wie bei zwölf-
stündiger.“ (Rep. Fact. Oct. 1848, p. 37.) Staats- und Gemeinde-
steuern, Feuerversichrung, Lohn verschiedner ständiger Angestellter,
Entwerthung der Maschinerie, und verschiedne andre Unkosten
einer Fabrik laufen unverändert voran bei langer oder kurzer
Arbeitszeit; im Verhältniss wie die Produktion abnimmt, steigen
sie gegenüber dem Profit. (Rep. Fact., Okt. 1862, p. 19.)


Die Zeitdauer, worin sich der Werth der Maschinerie und andrer
Bestandtheile des fixen Kapitals reproducirt, ist praktisch bestimmt
nicht durch die Zeit ihrer blossen Dauer, sondern durch die Ge-
sammtdauer des Arbeitsprocesses, während dessen sie wirkt und
vernutzt wird. Müssen die Arbeiter 18 Stunden statt 12 schanzen,
so gibt dies drei Tage mehr auf die Woche, eine Woche wird zu
anderthalb, zwei Jahre zu drei. Wird die Ueberzeit nicht bezahlt,
so geben die Arbeiter also, ausser der normalen Mehrarbeitszeit,
auf zwei Wochen die dritte, auf zwei Jahre das dritte gratis.
Und so wird die Werthreproduktion der Maschinerie um 50 % ge-
steigert und in ⅔ der sonst nothwendigen Zeit erreicht.


Wir gehn bei dieser Untersuchung, sowie bei der über die
Preisschwankungen des Rohmaterials (in Kap. VI) von der Voraus-
setzung aus, dass Masse und Rate des Mehrwerths gegeben sind —
zur Vermeidung nutzloser Komplikationen.


[53]

Wie bereits bei Darstellung der Kooperation, der Theilung der
Arbeit und der Maschinerie hervorgehoben, entspringt die Oekonomie
in den Produktionsbedingungen, welche die Produktion auf grosser
Stufenleiter charakterisirt, wesentlich daraus, dass diese Bedingungen
als Bedingungen gesellschaftlicher, gesellschaftlich kombinirter
Arbeit, also als gesellschaftliche Bedingungen der Arbeit fungiren.
Sie werden gemeinsam im Produktionsprocess konsumirt, vom Ge-
sammtarbeiter, statt in zersplitterter Form von einer Masse unzu-
sammenhängender oder höchstens auf kleinem Maßstab unmittel-
bar kooperirender Arbeiter. In einer grossen Fabrik mit einem
oder zwei Centralmotoren wachsen die Kosten dieser Motoren
nicht in demselben Verhältniss wie ihre Pferdekraft und daher
ihre mögliche Wirkungssphäre; die Kosten der Uebertragungs-
maschinerie wachsen nicht in demselben Verhältniss wie die Masse
der Arbeitsmaschinen, denen sie die Bewegung mittheilt; der
Rumpf der Arbeitsmaschine selbst vertheuert sich nicht im Ver-
hältniss mit der steigenden Anzahl der Werkzeuge, womit als mit
ihren Organen sie fungirt u. s. w. Die Koncentration der Pro-
duktionsmittel erspart ferner Baulichkeiten aller Art, nicht nur
für die eigentlichen Werkstätten, sondern auch für die Lager-
lokale u. s. w. Ebenso verhält es sich mit den Ausgaben für
Feuerung, Beleuchtung u. s. w. Andre Produktionsbedingungen
bleiben dieselben, ob von wenigen oder vielen benutzt.


Diese ganze Oekonomie, die aus der Koncentration der Pro-
duktionsmittel und ihrer massenhaften Anwendung entspringt, setzt
aber als wesentliche Bedingung die Anhäufung und das Zu-
sammenwirken der Arbeiter voraus, also gesellschaftliche Kom-
bination der Arbeit. Sie entspringt daher ebensogut aus dem
gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, wie der Mehrwerth aus
der Mehrarbeit jedes einzelnen Arbeiters, für sich isolirt betrachtet.
Selbst die beständigen Verbesserungen, die hier möglich und noth-
wendig sind, entspringen einzig und allein aus den gesellschaft-
lichen Erfahrungen und Beobachtungen, welche die Produktion
des auf grosser Stufenleiter kombinirten Gesammtarbeiters gewährt
und erlaubt.


Dasselbe gilt von dem zweiten grossen Zweig der Oekonomie
in den Produktionsbedingungen. Wir meinen die Rückverwand-
lung der Exkremente der Produktion, ihrer sogenannten Abfälle
in neue Produktionselemente sei es desselben, sei es eines andern
Industriezweigs; die Processe, wodurch diese sogenannten Exkre-
mente in den Kreislauf der Produktion und daher der Konsum-
[54] tion — produktiver oder individueller — zurückgeschleudert werden.
Auch dieser Zweig der Ersparungen, auf den wir später etwas
näher eingehn, ist das Resultat der gesellschaftlichen Arbeit auf
grosser Stufenleiter. Es ist die ihr entsprechende Massenhaftig-
keit dieser Abfälle, die sie selbst wieder zu Handelsgegenständen,
und damit zu neuen Elementen der Produktion macht. Nur als Ab-
fälle gemeinsamer Produktion, und daher der Produktion auf grosser
Stufenleiter, erhalten sie diese Wichtigkeit für den Produktions-
process, bleiben sie Träger von Tauschwerth. Diese Abfälle —
abgesehn von dem Dienst, den sie als neue Produktionselemente
leisten — verwohlfeilern, im Maß wie sie wieder verkauf bar wer-
den, die Kosten des Rohstoffs, in welche immer sein normaler
Abfall eingerechnet ist, nämlich das Quantum, das durchschnittlich
bei seiner Bearbeitung verloren gehn muss. Die Verminderung
der Kosten dieses Theils des konstanten Kapitals erhöht pro tanto
die Profitrate bei gegebner Grösse des variablen Kapitals und ge-
gebner Rate des Mehrwerths.


Wenn der Mehrwerth gegeben ist, kann die Profitrate nur ver-
mehrt werden durch Verminderung des Werths des zur Waaren-
produktion erheischten konstanten Kapitals. Soweit das konstante
Kapital in die Produktion der Waaren eingeht, ist es nicht sein
Tauschwerth, sondern sein Gebrauchswerth, der allein in Betracht
kommt. Wie viel Arbeit der Flachs in einer Spinnerei einsaugen
kann, hängt nicht von seinem Werth ab, sondern von seiner
Quantität, wenn der Grad der Produktivität der Arbeit, d. h. die
Stufe der technischen Entwicklung gegeben ist. Ebenso hängt die
Beihülfe, die eine Maschine z. B. drei Arbeitern leistet, nicht von
ihrem Werth, sondern von ihrem Gebrauchswerth als Maschine ab.
Auf einer Stufe der technischen Entwicklung kann eine schlechte
Maschine kostspielig, auf einer andern eine gute Maschine wohl-
feil sein.


Der gesteigerte Profit, den ein Kapitalist dadurch erhält, dass
z. B. Baumwolle und Spinnmaschinerie wohlfeiler geworden, ist
das Resultat der gesteigerten Produktivität der Arbeit, zwar nicht
in der Spinnerei, wohl aber im Maschinen- und Baumwollenbau.
Um ein gegebnes Quantum Arbeit zu vergegenständlichen, also
ein gegebnes Quantum Mehrarbeit anzueignen, bedarf es geringrer
Auslage in den Bedingungen der Arbeit. Es fallen die Kosten, die
erheischt sind, um dies bestimmte Quantum Mehrarbeit anzueignen.


Es ist schon gesprochen worden von der Ersparung, die aus der
gemeinschaftlichen Anwendung der Produktionsmittel durch den
[55] Gesammt-Arbeiter — den gesellschaftlich kombinirten Arbeiter — im
Produktionsprocess erfolgt. Weitere, aus der Abkürzung der Cirku-
lationszeit (wo Entwicklung der Kommunikationsmittel wesentliches
materielles Moment) entspringende Ersparung in der Auslage von kon-
stantem Kapital, wird weiter unten betrachtet werden. Hier aber soll
gleich noch gedacht werden der Oekonomie, die hervorgeht aus der
fortwährenden Verbesserung der Maschinerie, nämlich 1) ihres Stoffs,
z. B. Eisen statt Holz; 2) der Verwohlfeilerung der Maschinerie
durch Verbesserung der Maschinenfabrikation überhaupt; sodass,
obgleich der Werth des fixen Theils des konstanten Kapitals be-
ständig wächst mit der Entwicklung der Arbeit auf grosser Stufen-
leiter, er weitaus nicht in demselben Grad wächst;12) 3) der
speciellen Verbesserungen, die der schon vorhandenen Maschinerie
erlauben wohlfeiler und wirksamer zu arbeiten, z. B. Verbesserung
der Dampfkessel etc., worüber später noch etwas im einzelnen;
4) der Verminderung der Abfälle durch bessere Maschinerie.


Alles was den Verschleiss der Maschinerie und überhaupt des
fixen Kapitals für eine gegebne Produktionsperiode vermindert,
verwohlfeilert nicht nur die einzelne Waare, da jede einzelne
Waare den auf sie fallenden aliquoten Theil des Verschleisses in
ihrem Preis reproducirt, sondern vermindert die aliquote Kapital-
auslage für diese Periode. Reparaturarbeiten u. dergl., im Maß
wie sie nöthig werden, zählen bei der Rechnung zu den Original-
kosten der Maschinerie. Ihre Verminderung, in Folge der grössern
Dauerhaftigkeit der Maschinerie, vermindert pro tanto deren Preis.


Von aller Oekonomie dieser Art gilt grossentheils wieder, dass
sie nur möglich ist für den kombinirten Arbeiter, und sich oft
erst verwirklichen kann bei Arbeiten auf noch grössrer Stufen-
leiter, dass sie also noch grössre Kombination von Arbeitern un-
mittelbar im Produktionsprocess erheischt.


Andrerseits aber erscheint hier die Entwicklung der Produktiv-
kraft der Arbeit in einem Produktionszweig, z. B. in der Pro-
duktion von Eisen, Kohlen, Maschinen, in der Baukunst u. s. w.,
die zum Theil wieder zusammenhängen mag mit Fortschritten im
Gebiet der geistigen Produktion, namentlich der Naturwissenschaft
und ihrer Anwendung, als die Bedingung der Verminderung des
Werths, und damit der Kosten, der Produktionsmittel in andern
Industriezweigen, z. B. der Textilindustrie oder dem Ackerbau. Es
ergibt sich dies von selbst, da die Waare, die als Produkt aus
[56] einem Industriezweig herauskommt, als Produktionsmittel in den
andern wieder eingeht. Ihre grössre oder geringre Wohlfeilheit
hängt ab von der Produktivität der Arbeit in dem Produktions-
zweig, aus dem sie als Produkt herauskommt, und ist gleichzeitig
Bedingung nicht nur für die Verwohlfeilerung der Waaren, in
deren Produktion sie als Produktionsmittel eingeht, sondern auch
für die Werthverminderung des konstanten Kapitals, dessen Element
sie hier wird, und daher für die Erhöhung der Profitrate.


Das Charakteristische dieser Art der Oekonomie des konstanten
Kapitals, die aus der fortschreitenden Entwicklung der Industrie
hervorgeht, ist dass hier das Steigen der Profitrate in einem
Industriezweig geschuldet wird der Entwicklung der Produktivkraft
der Arbeit in einem andern. Was hier dem Kapitalisten zu gut
kommt, ist wieder ein Gewinn, der das Produkt der gesellschaft-
lichen Arbeit ist, wenn auch nicht das Produkt der direkt von
ihm selbst exploitirten Arbeiter. Jene Entwicklung der Produktiv-
kraft führt sich in letzter Instanz immer zurück auf den gesell-
schaftlichen Charakter der in Thätigkeit gesetzten Arbeit; auf die
Theilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft; auf die Entwick-
lung der geistigen Arbeit, namentlich der Naturwissenschaft. Was
der Kapitalist hier benutzt, sind die Vortheile des gesammten
Systems der gesellschaftlichen Arbeitstheilung. Es ist die Ent-
wicklung der Produktivkraft der Arbeit in ihrer auswärtigen Ab-
theilung, in der Abtheilung, die ihm Produktionsmittel liefert,
wodurch hier der Werth des vom Kapitalisten angewandten kon-
stanten Kapitals relativ gesenkt, also die Profitrate erhöht wird.


Eine andre Steigerung der Profitrate entspringt, nicht aus der
Oekonomie der Arbeit, wodurch das konstante Kapital producirt
wird, sondern aus der Oekonomie in der Anwendung des kon-
stanten Kapitals selbst. Durch die Koncentration der Arbeiter
und ihre Kooperation auf grossem Maßstab wird einerseits kon-
stantes Kapital gespart. Dieselben Gebäude, Heiz- und Beleuch-
tungsvorrichtungen u. s. w., kosten verhältnissmäßig weniger für
grosse als für kleine Produktionsstufen. Dasselbe gilt von der
Kraft- und Arbeitsmaschinerie. Obgleich ihr Werth absolut steigt,
fällt er relativ, im Verhältniss zur steigenden Ausdehnung der
Produktion und zur Grösse des variabeln Kapitals oder der Masse
der Arbeitskraft, die in Bewegung gesetzt wird. Die Oekonomie,
die ein Kapital in seinem eignen Produktionszweig anwendet, be-
steht zunächst und direkt in Oekonomie der Arbeit, d. h. in Ver-
ringerung der bezahlten Arbeit seiner eignen Arbeiter; die vorher
[57] erwähnte Oekonomie besteht dagegen darin, diese grösstmögliche
Aneignung fremder unbezahlter Arbeit auf möglichst ökonomische
Weise, d. h. auf dem gegebnen Produktionsmaßstab mit möglichst
geringen Kosten zu bewerkstelligen. Soweit diese Oekonomie nicht
beruht auf der schon erwähnten Ausbeutung der Produktivität der
in der Produktion des konstanten Kapitals angewandten gesell-
schaftlichen Arbeit, sondern in der Oekonomie in Anwendung des
konstanten Kapitals selbst, entspringt sie entweder direkt aus der
Kooperation und gesellschaftlichen Form der Arbeit innerhalb des
bestimmten Produktionszweigs selbst, oder aus der Produktion der
Maschinerie u. s. w. auf einer Stufenleiter, worin ihr Werth nicht
in demselben Grad wächst wie ihr Gebrauchswerth.


Es sind hier zwei Punkte im Auge zu halten: Wäre der Werth
von c = 0, so wäre p' = m', und die Profitrate stände auf ihrem
Maximum. Zweitens aber: Was das wichtige für die unmittelbare
Exploitation der Arbeit selbst ist, ist keineswegs der Werth der
angewandten Exploitationsmittel, sei es des fixen Kapitals, sei es
der Roh- und Hülfsstoffe. Soweit sie dienen als Aufsauger von
Arbeit, als Media worin oder wodurch sich die Arbeit und darum
auch die Mehrarbeit vergegenständlicht, ist der Tauschwerth der
Maschinerie, der Gebäude, der Rohstoffe etc. vollständig gleich-
gültig. Worauf es ausschliesslich ankommt, ist einerseits ihre
Masse, wie sie technisch zur Verbindung mit einem bestimmten
Quantum lebendiger Arbeit erheischt ist, andrerseits ihre Zweck-
gemässheit, also nicht nur gute Maschinerie, sondern auch gute
Roh- und Hülfsstoffe. Von der Güte des Rohstoffs hängt z. Th.
die Profitrate ab. Gutes Material liefert weniger Abfall; es ist
also eine geringre Masse von Rohstoff für die Aufsaugung des-
selben Quantums Arbeit erheischt. Ferner ist der Widerstand
geringer, den die Arbeitsmaschine findet. Z. Th. wirkt dies sogar
auf den Mehrwerth und auf die Rate des Mehrwerths. Der Arbeiter
braucht bei schlechtem Rohstoff mehr Zeit, um dasselbe Quantum
zu verarbeiten; bei gleichbleibender Lohnzahlung ergibt dies einen
Abzug von der Mehrarbeit. Es wirkt dies ferner sehr bedeutend
ein auf die Reproduktion und Akkumulation des Kapitals, die wie
Buch I S. 627/619 und folgende entwickelt, noch mehr von der
Produktivität als von der Masse der angewandten Arbeit abhängt.


Begreiflich ist daher der Fanatismus des Kapitalisten für Oeko-
nomisirung der Produktionsmittel. Dass nichts umkommt oder
verschleudert wird, dass die Produktionsmittel nur in der durch
die Produktion selbst erheischten Weise verbraucht werden, hängt
[58] theils von der Dressur und Bildung der Arbeiter ab, theils von
der Disciplin, die der Kapitalist über die kombinirten Arbeiter aus-
übt, und die überflüssig wird in einem Gesellschaftszustand, wo
die Arbeiter für ihre eigne Rechnung arbeiten, wie sie jetzt schon
beim Stücklohn fast ganz überflüssig wird. Dieser Fanatismus
äussert sich auch umgekehrt in der Fälschung der Produktions-
elemente, die ein Hauptmittel ist, den Werth des konstanten
Kapitals im Verhältniss zum variablen zu senken und so die Rate
des Profits zu erhöhen; wobei denn noch der Verkauf dieser Pro-
duktionselemente über ihrem Werth, soweit dieser Werth im Pro-
dukt wiedererscheint, als bedeutendes Element der Prellerei hinzu-
kommt. Dies Moment spielt entscheidende Rolle namentlich in
der deutschen Industrie, deren Grundsatz ist: Es kann den Leuten
ja nur angenehm sein, wenn wir ihnen zuerst gute Proben schicken,
und nachher schlechte Waare. Indess diese der Konkurrenz an-
gehörigen Erscheinungen gehn uns hier nichts an.


Es ist zu merken, dass diese durch Verminderung des Werths, also
der Kostspieligkeit des konstanten Kapitals hervorgebrachte Steige-
rung der Profitrate durchaus unabhängig davon ist, ob der Industrie-
zweig, worin sie stattfindet, Luxusprodukte hervorbringt, oder in den
Konsum der Arbeiter eingehende Lebensmittel, oder Produktions-
mittel überhaupt. Letztrer Umstand würde nur wichtig sein, so-
weit es sich um die Rate des Mehrwerths handelt, die wesentlich
abhängt vom Werth der Arbeitskraft, d. h. vom Werth der her-
kömmlichen Lebensmittel des Arbeiters. Hier dagegen sind Mehr-
werth und Rate des Mehrwerths als gegeben vorausgesetzt. Wie
der Mehrwerth sich zum Gesammtkapital verhält — und dies
bestimmt die Profitrate — hängt unter diesen Umständen aus-
schliesslich vom Werth des konstanten Kapitals ab, und in keiner
Weise vom Gebrauchswerth der Elemente, woraus es besteht.


Die relative Verwohlfeilerung der Produktionsmittel schliesst
natürlich nicht aus, dass ihre absolute Werthsumme wächst; denn
der absolute Umfang, worin sie angewandt werden, nimmt ausser-
ordentlich zu mit der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit
und der sie begleitenden, wachsenden Stufenleiter der Produktion.
Die Oekonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals, nach
welcher Seite sie immer betrachtet werde, ist das Resultat, theils
ausschliesslich davon, dass die Produktionsmittel als gemeinsame
Produktionsmittel des kombinirten Arbeiters fungiren und ver-
braucht werden, sodass diese Oekonomie selbst als ein Produkt
des gesellschaftlichen Charakters der unmittelbar produktiven Arbeit
[59] erscheint; theils aber ist sie das Resultat der Entwicklung der
Produktivität der Arbeit in den Sphären, die dem Kapital seine
Produktionsmittel liefern, sodass wenn die Gesammtarbeit gegen-
über dem Gesammtkapital, nicht bloss die vom Kapitalisten X.
angewandten Arbeiter diesem Kapitalisten X. gegenüber betrachtet
werden, diese Oekonomie wieder als Produkt der Entwicklung der
Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit sich darstellt, und
der Unterschied nur der ist, dass Kapitalist X. nicht nur aus der
Produktivität der Arbeit seiner eignen Werkstatt, sondern auch
aus der von fremden Werkstätten Vortheil zieht. Dennoch aber
erscheint die Oekonomie des konstanten Kapitals dem Kapitalisten
als eine dem Arbeiter gänzlich fremde und ihn absolut nichts
angehende Bedingung, mit der der Arbeiter gar nichts zu thun
hat; während es dem Kapitalisten immer sehr klar bleibt, dass
der Arbeiter wohl etwas damit zu thun hat, ob der Kapitalist
viel oder wenig Arbeit für dasselbe Geld kauft (denn so er-
scheint in seinem Bewusstsein die Transaktion zwischen Kapi-
talist und Arbeiter). In einem noch viel höhern Grad als bei
den andern, der Arbeit innewohnenden Kräften erscheint diese
Oekonomie in Anwendung der Produktionsmittel, diese Methode,
ein bestimmtes Resultat mit den geringsten Ausgaben zu er-
reichen, als eine dem Kapital inhärente Kraft und als eine der
kapitalistischen Produktionsweise eigenthümliche und sie charak-
terisirende Methode.


Diese Vorstellungsweise ist um so weniger befremdlich, als ihr
der Schein der Thatsachen entspricht, und als das Kapitalverhält-
niss in der That den innern Zusammenhang verbirgt in der voll-
ständigen Gleichgültigkeit, Aeusserlichkeit und Entfremdung, worin
es den Arbeiter versetzt gegenüber den Bedingungen der Verwirk-
lichung seiner eignen Arbeit.


Erstens: die Produktionsmittel, aus denen das konstante Kapital
besteht, repräsentiren nur das Geld des Kapitalisten (wie der Leib
des römischen Schuldners das Geld seines Gläubigers nach Linguet)
und stehn in einem Verhältniss nur zu ihm, während der Arbeiter,
soweit er im wirklichen Produktionsprocess mit ihnen in Berüh-
rung kommt, sich mit ihnen befasst nur als mit Gebrauchswerthen
der Produktion, Arbeitsmitteln und Arbeitsstoff. Die Ab- oder
Zunahme dieses Werths ist also eine Sache, die sein Verhältniss
zum Kapitalisten sowenig berührt wie der Umstand, ob er in
Kupfer oder in Eisen arbeitet. Allerdings liebt es der Kapitalist,
die Sache, wie wir später andeuten werden, anders aufzufassen,
[60] sobald Werthzunahme der Produktionsmittel, und dadurch Ver-
minderung der Profitrate stattfindet.


Zweitens: Soweit diese Produktionsmittel im kapitalistischen
Produktionsprocess zugleich Exploitationsmittel der Arbeit sind,
kümmert die relative Wohlfeilheit oder Kostspieligkeit dieser Ex-
ploitationsmittel den Arbeiter ebensowenig, wie es ein Pferd küm-
mert, ob es mit einem theuern oder wohlfeilen Gebiss und Zaum
regiert wird.


Endlich verhält sich, wie früher gesehn, der Arbeiter in der
That zu dem gesellschaftlichen Charakter seiner Arbeit, zu ihrer
Kombination mit der Arbeit andrer für einen gemeinsamen Zweck,
als zu einer ihm fremden Macht; die Verwirklichungsbedingungen
dieser Kombination sind, ihm fremdes, Eigenthum, dessen Ver-
schleuderung ihm völlig gleichgültig wäre, würde er nicht zur
Oekonomisirung desselben gezwungen. Ganz anders ist dies in
den den Arbeitern selbst gehörigen Fabriken, z. B. zu Rochdale.


Es bedarf also kaum der Erwähnung, dass, soweit die Produk-
tivität der Arbeit in dem einen Produktionszweig als Verwohl-
feilerung und Verbesserung der Produktionsmittel in dem andern
erscheint und damit zur Erhöhung der Profitrate dient, dieser all-
gemeine Zusammenhang der gesellschaftlichen Arbeit als etwas
den Arbeitern durchaus fremdes auftritt, das in der That nur den
Kapitalisten angeht, sofern er allein diese Produktionsmittel kauft
und sich aneignet. Dass er das Produkt der Arbeiter in einem frem-
den Produktionszweig mit dem Produkt der Arbeiter in seinem
eignen Produktionszweig kauft, und daher über das Produkt frem-
der Arbeiter nur verfügt, soweit er sich das seiner eignen unent-
geltlich angeeignet hat, ist ein Zusammenhang, der durch den
Cirkulationsprocess u. s. w. glücklich verdeckt ist.


Es kommt hinzu, dass, wie die Produktion im grossen sich zu-
erst in der kapitalistischen Form entwickelt, so die Profitwuth
einerseits, die Konkurrenz andrerseits, die zu möglichst wohlfeiler
Produktion der Waaren zwingt, diese Oekonomie in Anwendung
des konstanten Kapitals als der kapitalistischen Produktions-
weise eigenthümlich, und daher als Funktion des Kapitalisten er-
scheinen lässt.


Wie die kapitalistische Produktionsweise auf der einen Seite zur
Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit,
treibt sie auf der andern zur Oekonomie in der Anwendung des
konstanten Kapitals.


Es bleibt jedoch nicht bei der Entfremdung und Gleichgültig-
[61] keit zwischen dem Arbeiter, dem Träger der lebendigen Arbeit
hier, und der ökonomischen, d. h. rationellen und sparsamen An-
wendung seiner Arbeitsbedingungen dort. Ihrer widersprechenden,
gegensätzlichen Natur nach geht die kapitalistische Produktions-
weise dazu fort, die Verschwendung am Leben und der Gesund-
heit des Arbeiters, die Herabdrückung seiner Existenzbedingungen
selbst zur Oekonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals
zu zählen, und damit zu Mitteln zur Erhöhung der Profitrate.


Da der Arbeiter den grössten Theil seines Lebens im Produk-
tionsprocess zubringt, so sind die Bedingungen des Produktions-
processes zum grossen Theil Bedingungen seines aktiven Lebens-
processes, seine Lebensbedingungen, und die Oekonomie in diesen
Lebensbedingungen ist eine Methode, die Profitrate zu erhöhen;
ganz wie wir früher schon sahen, dass die Ueberarbeitung, die
Verwandlung des Arbeiters in ein Arbeitsvieh, eine Methode ist
die Selbstverwerthung des Kapitals, die Produktion des Mehrwerths
zu beschleunigen. Diese Oekonomie erstreckt sich auf Ueber-
füllung enger, ungesunder Räume mit Arbeitern, was auf kapita-
listisch Ersparung an Baulichkeiten heisst; Zusammendrängung
gefährlicher Maschinerie in denselben Räumen, und Versäumniss
von Schutzmitteln gegen die Gefahr; Unterlassung von Vorsichts-
massregeln in Produktionsprocessen, die ihrer Natur nach gesund-
heitswidrig oder wie in Bergwerken mit Gefahr verbunden sind u. s. w.
Gar nicht zu sprechen von der Abwesenheit aller Anstalten, um
dem Arbeiter den Produktionsprocess zu vermenschlichen, ange-
nehm oder nur erträglich zu machen. Es würde dies vom kapi-
talistischen Standpunkt eine ganz zweck- und sinnlose Verschwen-
dung sein. Die kapitalistische Produktion ist überhaupt, bei aller
Knauserei, durchaus verschwenderisch mit dem Menschenmaterial,
ganz wie sie andrerseits, dank der Methode der Vertheilung ihrer
Produkte durch den Handel und ihrer Manier der Konkurrenz,
sehr verschwenderisch mit den materiellen Mitteln umgeht, und
auf der einen Seite für die Gesellschaft verliert, was sie auf der
andern für den einzelnen Kapitalisten gewinnt.


Wie das Kapital die Tendenz hat, in der direkten Anwendung
der lebendigen Arbeit sie auf nothwendige Arbeit zu reduciren,
und die zur Herstellung eines Produkts nothwendige Arbeit stets
abzukürzen durch Ausbeutung der gesellschaftlichen Produktiv-
kräfte der Arbeit, also die direkt angewandte lebendige Arbeit
möglichst zu ökonomisiren, so hat es auch die Tendenz, diese auf
ihr nothwendiges Maß reducirte Arbeit unter den ökonomischsten
[62] Bedingungen anzuwenden, d. h. den Werth des angewandten kon-
stanten Kapitals auf sein möglichstes Minimum zu reduciren. Wenn
der Werth der Waaren bestimmt ist durch die in ihnen enthaltne
nothwendige Arbeitszeit, nicht durch die überhaupt in ihnen ent-
haltne Arbeitszeit, so ist es das Kapital, das diese Bestimmung
erst realisirt, und zugleich fortwährend die zur Produktion einer
Waare gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit verkürzt. Der
Preis der Waare wird dadurch auf sein Minimum reducirt, indem
jeder Theil der zu ihrer Produktion erheischten Arbeit auf sein
Minimum reducirt wird.


Man muss bei der Oekonomie in der Anwendung des konstanten
Kapitals unterscheiden. Wächst die Masse und mit ihr die Werth-
summe des angewandten Kapitals, so ist dies zunächst nur Kon-
centration von mehr Kapital in einer Hand. Es ist aber gerade
diese grössre, von einer Hand angewandte Masse — der meist
auch eine absolut grössre, aber relativ kleinere Anzahl angewandter
Arbeit entspricht — die die Oekonomie des konstanten Kapitals
erlaubt. Den einzelnen Kapitalisten betrachtet, wächst der Um-
fang der nothwendigen Kapitalauslage, besonders beim fixen
Kapital; aber mit Bezug auf die Masse des verarbeiteten Stoffs
und der exploitirten Arbeit, nimmt ihr Werth relativ ab.


Es ist dies nun kurz durch einzelne Illustrationen auszuführen.
Wir beginnen mit dem Ende, mit der Oekonomie in den Produk-
tionsbedingungen, soweit diese zugleich als Existenz- und Lebens-
bedingungen des Arbeiters sich darstellen.


II. Ersparniss an den Arbeitsbedingungen auf Kosten
der Arbeiter
.
Kohlenbergwerke. Vernachlässigung der nothwendigsten Auslagen.

„Bei der Konkurrenz, die unter den Besitzern von Kohlen-
gruben … herrscht, werden nicht mehr Auslagen gemacht als
nöthig sind, um die handgreiflichsten physischen Schwierigkeiten
zu überwinden; und bei der Konkurrenz unter den Grubenarbeitern,
die gewöhnlich in Ueberzahl vorhanden sind, setzen diese sich be-
deutenden Gefahren und den schädlichsten Einflüssen mit Ver-
gnügen aus für einen Lohn, der nur wenig höher ist als der der
benachbarten Landtaglöhner, da die Bergwerksarbeit zudem ge-
stattet, ihre Kinder profitlich zu verwenden. Diese doppelte Kon-
kurrenz reicht vollständig hin … um zu bewirken, dass ein
[63] grosser Theil der Gruben mit der unvollkommensten Trocken-
legung und Ventilation betrieben wird; oft mit schlecht gebauten
Schachten, schlechtem Gestänge, unfähigen Maschinisten, mit
schlecht angelegten und schlecht ausgebauten Stollen und Fahr-
bahnen; und dies verursacht eine Zerstörung an Leben, Glied-
maßen und Gesundheit, deren Statistik ein entsetzendes Bild dar-
stellen würde.“ (First Report on Children’s Employment in Mines
and Collieries et. 21. April 1829, p. 102.) In den englischen
Kohlengruben wurden gegen 1860 wöchentlich im Durchschnitt
15 Mann getödtet. Nach dem Bericht über Coal Mines Accidents
(6. Febr. 1862) wurden in den 10 Jahren 1852—61 zusammen 8466
getödtet. Diese Zahl ist aber viel zu gering, wie der Bericht
selbst sagt, da in den ersten Jahren, als die Inspektoren erst eben
eingesetzt und ihre Bezirke viel zu gross waren, eine grosse Masse
Unglücks- und Todesfälle gar nicht angemeldet wurden. Gerade
der Umstand, dass trotz der noch sehr grossen Schlächterei und der
ungenügenden Zahl und geringen Macht der Inspektoren, die Zahl
der Unfälle sehr abgenommen hat seit Einrichtung der Inspektion,
zeigt die natürliche Tendenz der kapitalistischen Exploitation. —
Diese Menschenopfer sind grösstentheils geschuldet dem schmutzigen
Geiz der Grubenbesitzer, die z. B. oft nur einen Schacht graben
liessen, sodass nicht nur keine wirksame Ventilation, sondern auch
kein Ausweg möglich, sobald der eine verstopft war.


Die kapitalistische Produktion, wenn wir sie im einzelnen be-
trachten und von dem Process der Cirkulation und den Ueber-
wucherungen der Konkurrenz absehn, geht äusserst sparsam um mit
der verwirklichten, in Waaren vergegenständlichten Arbeit. Dagegen
ist sie, weit mehr als jede andre Produktionsweise, eine Vergeuderin
von Menschen, von lebendiger Arbeit, eine Vergeuderin nicht nur von
Fleisch und Blut, sondern auch von Nerven und Hirn. Es ist in der
That nur durch die ungeheuerste Verschwendung von individueller
Entwicklung, dass die Entwicklung der Menschheit überhaupt ge-
sichert und durchgeführt wird in der Geschichtsepoche, die der be-
wussten Rekonstitution der menschlichen Gesellschaft unmittelbar
vorausgeht. Da die ganze Oekonomisirung, von der hier die Rede,
entspringt aus dem gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, so
ist es in der That gerade dieser unmittelbar gesellschaftliche
Charakter der Arbeit, der diese Verschwendung von Leben und
Gesundheit der Arbeiter erzeugt. Charakteristisch in dieser Hin-
sicht ist schon die vom Fabrikinspektor B. Baker aufgeworfne
Frage: „The whole question is one for serious consideration, in
[64] what way this sacrifice of infant life occasioned by con-
gregational labour
can be best averted? (Rep. Fact. Oct.
1863, p. 157.)


Fabriken. Es gehört hierher die Unterdrückung aller Vor-
sichtsmaßregeln zur Sicherheit, Bequemlichkeit und Gesundheit
der Arbeiter auch in den eigentlichen Fabriken. Ein grosser Theil
der Schlachtbulletins, die die Verwundeten und Getödteten der
industriellen Armee aufzählen (siehe die alljährlichen Fabrikberichte)
stammt hieher. Ebenso Mangel an Raum, Lüftung etc.


Noch Oktober 1855 beklagt sich Leonard Horner über den
Widerstand sehr zahlreicher Fabrikanten gegen die gesetzlichen
Bestimmungen über Schutzvorrichtungen an Horizontalwellen, trotz-
dem dass die Gefahr fortwährend durch, oft tödtliche, Unfälle be-
wiesen wird, und die Schutzvorrichtung weder kostspielig ist, noch den
Betrieb irgendwie stört. (Rep. Fact. Oct. 1855, p. 6.) In solchem
Widerstand gegen diese und andre gesetzliche Bestimmungen
wurden die Fabrikanten redlich unterstützt von den unbezahlten
Friedensrichtern, die, meist selbst Fabrikanten oder deren Freunde,
über solche Fälle zu entscheiden hatten. Welcher Art die Ur-
theile dieser Herren waren, sagte der Oberrichter Campbell mit
Bezug auf eins derselben, wogegen an ihn appellirt wurde: „Dies
ist nicht eine Auslegung des Parlamentsakts, es ist einfach seine
Abschaffung.“ (l. c., p. 11.) — In demselben Bericht erzählt
Horner, dass in vielen Fabriken die Maschinerie in Bewegung ge-
setzt wird, ohne dies den Arbeitern vorher kundzugeben. Da auch an
der stillstehenden Maschinerie immer etwas zu thun ist, sind dann
immer Hände und Finger darin beschäftigt, und fortwährende Un-
fälle entstehn aus dieser einfachen Unterlassung eines Signals.
(l. c., p. 44.) Die Fabrikanten hatten damals eine Trades-Union
zum Widerstand gegen die Fabrikgesetzgebung gebildet, die sogen.
„National Association for the Amendment of the Factory Laws“ in
Manchester, die im März 1855 vermittelst Beiträgen von 2 sh. per
Pferdekraft eine Summe von über 50,000 £ aufbrachte, um hier-
aus die Processkosten der Mitglieder gegen gerichtliche Klagen
der Fabrikinspektoren zu bestreiten und die Processe von Vereins
wegen zu führen. Es handelte sich zu beweisen, dass killing no
murder ist, wenn es um des Profits willen geschieht. Der Fabrik-
inspektor für Schottland, Sir John Kincaird erzählt von einer Firma
in Glasgow, dass sie mit dem alten Eisen in ihrer Fabrik ihre
sämmtliche Maschinerie mit Schutzvorrichtungen versah, was ihr
9 £ 1 sh. kostete. Hätte sie sich an jenen Verein angeschlossen,
[65] so hätte sie für ihre 110 Pferdekraft 11 £ Beitrag zahlen müssen,
also mehr als ihr die gesammte Schutzvorrichtung kostete. Die
National Association war aber 1854 ausdrücklich gestiftet worden,
um dem Gesetz zu trotzen, das solche Schutzvorrichtungen vor-
schrieb. Während der ganzen Zeit von 1844—54 hatten die
Fabrikanten nicht die geringste Rücksicht darauf genommen. Auf
Anweisung Palmerston’s kündigten die Fabrikinspektoren den
Fabrikanten jetzt an, dass nun mit dem Gesetz Ernst gemacht
werden soll. Sofort stifteten die Fabrikanten ihre Association,
unter deren hervorragendsten Mitgliedern viele selbst Friedens-
richter waren, und in dieser Eigenschaft das Gesetz selbst anzu-
wenden hatten. Als April 1855 der neue Minister des Innern,
Sir George Grey, einen Vermittlungsvorschlag machte, wonach die
Regierung sich mit fast nur nominellen Schutzvorrichtungen zu-
frieden geben wollte, wies die Association auch dies mit Ent-
rüstung zurück. Bei verschiednen Processen gab sich der berühmte
Ingenieur Thomas Fairbairn dazu her, als Sachverständiger zu
Gunsten der Oekonomie und verletzten Freiheit des Kapitals seinen
Ruf in die Schanze zu schlagen. Der Chef der Fabrikinspektion,
Leonard Horner, wurde von den Fabrikanten in jeder Weise ver-
folgt und verlästert.


Die Fabrikanten ruhten jedoch nicht, bis sie ein Urtheil des
Court of Queens Bench erwirkt, nach dessen Auslegung das Ge-
setz von 1844 keine Schutzvorrichtungen vorschrieb bei Horizontal-
wellen, die mehr als 7 Fuss über dem Boden angebracht waren,
und endlich 1856 gelang es ihnen durch den Mucker Wilson
Patten — einen von jenen frommen Leuten, deren zur Schau ge-
tragne Religion sich stets bereit macht, den Rittern vom Geldsack
zu Gefallen schmutzige Arbeit zu thun — einen Parlamentsakt
durchzusetzen, mit dem sie unter den Umständen zufrieden sein
konnten. Der Akt entzog thatsächlich den Arbeitern allen be-
sondren Schutz, und verwies sie für Schadenersatz bei Unfällen
durch Maschinerie an die gewöhnlichen Gerichte (reiner Hohn bei
englischen Gerichtskosten), während er andrerseits durch eine sehr
fein ausgetüftelte Vorschrift wegen der einzuhaltenden Expertise
es den Fabrikanten fast unmöglich machte, den Process zu ver-
lieren. Die Folge war rasche Zunahme der Unfälle. Im Halb-
jahr Mai bis Oktober 1858 hatte Inspektor Baker eine Zunahme
der Unfälle von 21 % allein gegen das vorige Halbjahr. 36.7 %
sämmtlicher Unfälle konnten nach seiner Ansicht vermieden wer-
den. Allerdings hatte 1858 und 1859 die Zahl der Unfälle sich
Marx, Kapital III. 5
[66] gegen 1845 und 1846 bedeutend vermindert, nämlich um 29 %
bei einer Vermehrung der Arbeiterzahl in den der Inspektion unter-
worfnen Industriezweigen um 20 %. Aber woher kam dies? So-
weit der Streitpunkt bis jetzt (1865) erledigt ist, ist er haupt-
sächlich erledigt worden durch die Einführung neuer Maschinerie,
bei der die Schutzvorrichtungen schon von vornherein angebracht
sind, und wo sie sich der Fabrikant gefallen lässt, weil sie ihm
keine Extrakosten machen. Auch war es einigen Arbeitern ge-
lungen, für ihre verlornen Arme schweren gerichtlichen Schaden-
ersatz, und diese Urtheile bis in die höchste Instanz bestätigt zu
erhalten. (Rep. Fact. 30. April 1861, p. 31, ditto April 1862, p. 17.)


Soweit über Oekonomie in den Mitteln zur Sicherung des Lebens
und der Glieder der Arbeiter (worunter viele Kinder) vor den Ge-
fahren, die direkt aus ihrer Verwendung bei Maschinerie entspringen.


Arbeit in geschlossnen Räumen überhaupt. — Es ist
bekannt, wie sehr die Oekonomie am Raum, und daher an den
Baulichkeiten, die Arbeiter in engen Lokalen zusammendrängt.
Dazu kommt noch Oekonomie an den Lüftungsmitteln. Zusammen
mit der längern Arbeitszeit, producirt beides grosse Vermehrung
der Krankheiten der Athmungsorgane, und folglich vermehrte
Sterblichkeit. Die folgenden Illustrationen sind genommen aus den
Berichten über Public Health, 6th. Rep. 1863; der Bericht ist kom-
pilirt von dem aus unserm Buch I wohlbekannten Dr. John Simon.


Wie es die Kombination der Arbeiter und ihre Kooperation ist,
die die Anwendung der Maschinerie auf grosser Stufenleiter, die
Koncentration der Produktionsmittel und die Oekonomie in ihrer
Anwendung erlaubt, so ist es dies massenhafte Zusammenarbeiten
in geschlossnen Räumen und unter Umständen, für die nicht die
Gesundheit der Arbeiter, sondern die erleichterte Herstellung des
Produkts entscheidend ist — es ist diese massenhafte Koncen-
tration in derselben Werkstatt, die einerseits Quelle des wachsen-
den Profits für den Kapitalisten, andrerseits aber auch, wenn nicht
kompensirt sowohl durch Kürze der Arbeitszeit wie durch be-
sondere Vorsichtsmassregeln, zugleich Ursache der Verschwendung
des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter ist.


Dr. Simon stellt als Regel auf, die er durch massenhafte Statistik
beweist: „Im Verhältniss wie die Bevölkerung einer Gegend auf
gemeinschaftliche Arbeit in geschlossnen Räumen angewiesen wird,
in demselben Verhältniss steigt, bei sonst gleichen Umständen, die
Sterblichkeitsrate dieses Distrikts in Folge von Lungenkrankheiten“
(p. 23). Die Ursache ist die schlechte Ventilation. „Und wahr-
[67] scheinlich gibt es in ganz England keine einzige Ausnahme von
der Regel, dass in jedem Distrikt, der eine bedeutende, in ge-
schlossnen Räumen betriebne Industrie besitzt, die vermehrte
Sterblichkeit dieser Arbeiter hinreicht, die Sterblichkeitsstatistik
des ganzen Distrikts mit einem entschiednen Ueberschuss von
Lungenkrankheiten zu färben“ (p. 24).


Aus der Sterblichkeitsstatistik mit Bezug auf Industrien, die in
geschlossnen Räumen betrieben werden, und die 1860 und 1861
vom Gesundheitsamt untersucht wurden, ergibt sich: auf dieselbe
Zahl von Männern zwischen 15 und 55 Jahren, auf die in den
englischen Ackerbaudistrikten 100 Todesfälle von Schwindsucht
und andren Lungenkrankheiten kommen, ist die Zahl für eine
gleiche Bevölkerungszahl von Männern: In Coventry 163 Todes-
fälle von Schwindsucht, in Blackburn und Skipton 167, in Con-
gleton und Bradford 168, in Leicester 171, in Leek 182, in Maccles-
field 184, in Bolton 190, in Nottingham 192, in Rochdale 193,
in Derby 198, in Salford und Ashton-under-Lyne 203, in Leeds
218, in Preston 220 und in Manchester 263 (p. 24). Die nach-
folgende Tabelle gibt ein noch schlagenderes Beispiel. Sie gibt
die Todesfälle durch Lungenkrankheiten getrennt für beide Ge-
schlechter für das Alter von 15 bis 25 Jahren, und berechnet auf
je 100000. Die ausgewählten Distrikte sind solche, wo nur die
Frauen in der, in geschlossnen Räumen betriebnen Industrie, die
Männer aber in allen möglichen Arbeitszweigen beschäftigt werden.


5*
[68]

In den Bezirken der Seidenindustrie, wo die Betheiligung der
Männer an der Fabrikarbeit grösser, ist auch ihre Sterblichkeit
bedeutend. Die Sterblichkeitsrate an Schwindsucht etc. bei beiden
Geschlechtern enthüllt hier, wie es in dem Bericht heisst, „die
empörenden (atrocious) sanitären Umstände, unter denen ein grosser
Theil unsrer Seidenindustrie betrieben wird.“ Und es ist dies dieselbe
Seidenindustrie, bei der die Fabrikanten, unter Berufung auf die
ausnahmsweise günstigen Gesundheitsbedingungen ihres Betriebs,
ausnahmsweis lange Arbeitszeit der Kinder unter 13 Jahren, ver-
langten und auch theilweis bewilligt erhielten (Buch I, Kap. VIII, 6,
S. 296/286).


„Keine der bisher untersuchten Industrien hat wohl ein schlim-
meres Bild geliefert als das, welches Dr. Smith von der Schnei-
derei gibt … Die Werkstätten, sagt er, sind sehr verschieden in
sanitärer Beziehung; aber fast alle sind überfüllt, schlecht gelüftet,
und der Gesundheit in hohem Grade ungünstig … Solche Zim-
mer sind nothwendig ohnehin heiss; wenn aber das Gas angesteckt
wird, wie bei Tage während des Nebels und des Abends im
Winter, steigt die Hitze auf 80 und selbst 90 Grad (Fahrenheit
= 27—33° C.) und verursacht triefenden Schweiss und Verdich-
tung des Dunstes auf den Glasscheiben, sodass das Wasser fort-
während herabrieselt oder vom Oberlicht heruntertropft, und die
Arbeiter gezwungen sind, einige Fenster offen zu halten, obgleich
sie sich dabei unvermeidlich erkälten. — Von dem Zustand in 16
der bedeutendsten Werkstätten des Westends von London gibt
er folgende Beschreibung: Der grösste Kubikraum, der in diesen
schlechtgelüfteten Zimmern auf einen Arbeiter kommt, ist 270
Kubikfuss; der geringste 105 Fuss, im Durchschnitt aller nur
156 Fuss pro Mann. In einer Werkstatt, in der eine Gallerie
rund herumläuft und die nur Oberlicht hat, werden von 92 bis
über 100 Leute beschäftigt, eine grosse Menge Gasflammen ge-
brannt; die Abtritte sind dicht daneben, und der Raum übersteigt
nicht 150 Kubikfuss pro Mann. In einer andern Werkstatt, die
nur als ein Hundehaus in einem von oben erhellten Hof bezeichnet,
und nur durch ein kleines Dachfenster gelüftet werden kann,
arbeiten 5 oder 6 Leute in einem Raum von 112 Kubikfuss per
Mann.“ Und „in diesen infamen (atrocious) Werkstätten, die Dr.
Smith beschreibt, arbeiten die Schneider gewöhnlich 12—13 Stun-
den des Tages, und zu gewissen Zeiten wird die Arbeit während
14—16 Stunden fortgesetzt“ (p. 25, 26, 28).


[69]

(p. 30.) Es ist zu bemerken und ist in der That von John
Simon, dem Chef der medicinischen Abtheilung, von dem der Be-
richt ausgeht, bemerkt, dass für das Alter von 25—35 Jahren die
Sterblichkeit der Schneider, Schriftsetzer und Drucker in London
zu gering angegeben ist, weil in beiden Geschäftszweigen die
Londoner Meister eine grosse Zahl junger Leute (wahrscheinlich
bis zu 30 Jahren) vom Lande als Lehrlinge und „improvers“, d. h.
zur weitern Ausbildung, erhalten. Sie vermehren die Anzahl der
Beschäftigten, worauf die industriellen Sterblichkeitsraten für Lon-
don berechnet werden müssen; aber sie tragen nicht in gleichem
Verhältniss bei zur Anzahl der Todesfälle in London, weil ihr
Aufenthalt dort nur zeitweilig ist; erkranken sie während dieser
Zeit, so gehn sie aufs Land nach Hause zurück, und dort wird,
wenn sie sterben, der Todesfall eingetragen. Dieser Umstand
afficirt noch mehr die frühern Altersstufen, und macht die Lon-
doner Sterblichkeitsraten für diese Stufen vollständig werthlos als
Maßstäbe der industriellen Gesundheitswidrigkeit (p. 30).


Aehnlich wie mit den Schneidern verhält es sich mit den Schrift-
setzern, bei denen zum Mangel an Ventilation, zur Pestluft u. s. w.
noch Nachtarbeit hinzukommt. Ihre gewöhnliche Arbeitszeit dauert
12 bis 13 Stunden, manchmal 15 bis 16. „Grosse Hitze und Stick-
luft sobald das Gas angezündet wird. . . . Es kommt nicht selten
vor, dass Dünste von einer Giesserei, oder Gestank von Maschinerie
oder Senkgruben aus dem untern Stockwerk heraufsteigen und
die Uebel des obern Zimmers verschlimmern. Die erhitzte Luft
der untern Räume heizt die obern schon durch Erwärmung des
Bodens, und wenn die Räume bei grossem Gasverbrauch niedrig
sind, ist dies ein grosses Uebel. Noch schlimmer ist es da, wo
die Dampfkessel im untern Raum stehn und das ganze Haus mit
unerwünschter Hitze füllen. . . . Im allgemeinen kann gesagt werden,
dass die Lüftung durchweg mangelhaft und total ungenügend ist, um
die Hitze und die Verbrennungsprodukte des Gases nach Sonnenunter-
gang zu entfernen, und dass in vielen Werkstätten, besonders wo
[70] sie früher Wohnhäuser waren, der Zustand höchst beklagenswerth
ist.“ In einigen Werkstätten, besonders für Wochenzeitungen, wo
ebenfalls Jungen von 12—16 Jahren beschäftigt werden, wird
während zwei Tagen und einer Nacht fast ununterbrochen ge-
arbeitet; während in andern Setzereien, die sich auf die Besorgung
dringender Arbeit legen, auch der Sonntag dem Arbeiter keine
Ruhe gibt, und seine Arbeitstage 7 statt 6 in jeder Woche be-
tragen. (p. 26, 28).


Die Putzmacherinnen (milliners and dressmakers) beschäftigten
uns schon in Buch I, Kap. VIII, 3, S. 249/241 mit Bezug auf
Ueberarbeit. Ihre Arbeitslokale werden in unserm Bericht von
Dr. Ord geschildert. Selbst wenn während des Tages besser, sind
sie während der Stunden, wo Gas gebrannt wird, überhitzt, müffig
(foul) und ungesund. In 34 Werkstätten der bessern Sorte fand
Dr. Ord, dass die Durchschnittsanzahl von Kubikfuss Raum für
je eine Arbeiterin war: „In 4 Fällen mehr als 500; in 4 andern
4—500; in 5 von 200—250; in 4 von 150—200; und endlich in 9
nur 100—150. Selbst der günstigste dieser Fälle genügt nur
knapp für andauernde Arbeit, wenn das Lokal nicht vollkommen
gelüftet ist. . . . Selbst mit guter Lüftung werden die Werkstätten
sehr heiss und dumpfig nach Dunkelwerden wegen der vielen er-
forderlichen Gasflammen.“ Und hier ist die Bemerkung Dr. Ords
über eine von ihm besuchte Werkstatt der geringern, für Rechnung
eines Zwischenfaktors (middleman) betriebnen Klasse: „Ein Zimmer,
haltend 1280 Kubikfuss; anwesende Personen 14; Raum für jede
91.5 Kubikfuss. Die Arbeiterinnen sahen hier abgearbeitet und
verkommen aus. Ihr Verdienst wurde angegeben auf 7—15 sh.
die Woche, daneben den Thee … Arbeitsstunden von 8—8. Das
kleine Zimmer, worin diese 14 Personen zusammengedrängt, war
schlecht ventilirt. Es waren zwei bewegliche Fenster und ein
Kamin, der aber verstopft war; besondre Lüftungsvorrichtungen
irgend welcher Art waren nicht vorhanden.“ (p. 27.)


Derselbe Bericht bemerkt mit Bezug auf die Ueberarbeit der
Putzmacherinnen: „Die Ueberarbeitung junger Frauenzimmer in
fashionablen Putzmacherläden herrscht nur für ungefähr 4 Monat
des Jahrs in dem monströsen Grad vor, der bei vielen Gelegen-
heiten die Ueberraschung und den Unwillen des Publikums für
einen Augenblick hervorgerufen hat; aber während dieser Monate
wird in der Werkstatt als Regel während voller 14 Stunden täg-
lich gearbeitet, und bei gehäuften eiligen Aufträgen während ganzer
Tage 17—18 Stunden. Während andrer Jahreszeiten wird in der
[71] Werkstatt wahrscheinlich 10—14 Stunden gearbeitet; die zu Hause
arbeiten, sind regelmäßig 12 oder 13 Stunden am Werk. In der
Konfektion von Damenmänteln, Kragen, Hemden etc., die Arbeit
mit der Nähmaschine einbegriffen, sind die in der gemeinsamen
Werkstatt zugebrachten Stunden weniger, meist nicht mehr als
10—12; aber, sagt Dr. Ord, „die regelmäßigen Arbeitsstunden sind
in gewissen Häusern zu gewissen Zeiten bedeutender Ausdehnung
unterworfen durch besonders bezahlte Ueberstunden, und in andern
Häusern wird Arbeit mit nach Hause genommen, um nach der
regelmäßigen Arbeitszeit fertig gemacht zu werden: Die eine wie
die andre Art der Ueberarbeit, können wir hinzufügen, ist oft
zwangsmäßig.“ (p. 28.) John Simon bemerkt in einer Note zu
dieser Seite: „Herr Redcliffe, der Sekretär der Epidemiological
Society, der besonders viel Gelegenheit hatte, die Gesundheit von
Putzmacherinnen der ersten Geschäftshäuser zu prüfen, fand auf je
20 Mädchen die von sich sagten, sie seien „ganz wohl“, nur eine
gesund; die übrigen zeigten verschiedne Grade physischer Kräfte-
abspannung, nervöser Erschöpfung, und zahlreicher daherstammen-
der Funktionsstörungen. Er gibt als Gründe an: in erster Instanz
die Länge der Arbeitsstunden, die er im Minimum auf 12 täglich
selbst in der stillen Jahreszeit schätzt; und zweitens „Ueberfüllung
und schlechte Lüftung der Werkstätten, durch Gasflammen ver-
dorbne Luft, ungenügende oder schlechte Nahrung, und Mangel an
Sorge für häuslichen Komfort.“


Der Schluss zu dem der Chef des englischen Gesundheitsamts
kommt, ist der, dass „es für die Arbeiter praktisch unmöglich ist,
auf dem zu bestehn, was theoretisch ihr erstes Gesundheitsrecht
ist: das Recht, dass, zur Vollendung welcher Arbeit ihr Beschäf-
tiger sie auch zusammenbringt, diese gemeinsame Arbeit, soweit
an ihm liegt und auf seine Kosten, von allen unnöthigen gesund-
heitsschädlichen Umständen befreit werden soll; und dass, während
die Arbeiter selbst thatsächlich nicht im Stande sind, diese sanitäre
Justiz für sich selbst zu erzwingen, sie ebenso wenig, trotz der
präsumirten Absicht des Gesetzgebers, irgend welchen wirksamen
Beistand erwarten können von den Beamten, die die Nuisances
Removal Acts durchzuführen haben.“ (p. 29.) — „Ohne Zweifel
wird es einige kleine technische Schwierigkeiten machen, die ge-
naue Grenze zu bestimmen, von welcher an die Beschäftiger der
Regulirung unterworfen werden sollen. Aber … im Prinzip ist
der Anspruch auf Gesundheitsschonung universell. Und im Interesse
von Myriaden Arbeiter und Arbeiterinnen, deren Leben jetzt ohne
[72] Noth verkümmert und verkürzt wird durch die unendlichen physi-
schen Leiden, die ihre blosse Beschäftigung erzeugt, wage ich die
Hoffnung auszusprechen, dass die sanitären Bedingungen der Arbeit
ebenso universell unter geeigneten gesetzlichen Schutz gestellt
werden; wenigstens soweit, dass die wirksame Lüftung aller ge-
schlossnen Arbeitsräume sicher gestellt, und dass in jedem seiner
Natur nach ungesunden Arbeitszweig die besondre gesundheits-
gefährliche Einwirkung soviel wie möglich beschränkt wird.“ (p. 63.)


III. Oekonomie in Krafterzeugung, Kraftübertragung
und Baulichkeiten
.

In seinem Bericht für Oktober 1852 citirt L. Horner einen Brief
des berühmten Ingenieurs James Nasmyth von Patricroft, des Er-
finders des Dampfhammers, worin es u. a. heisst:


„Das Publikum ist sehr wenig bekannt mit dem ungeheuren
Zuwachs an Triebkraft, der durch solche Systemänderungen und
Verbesserungen [an Dampfmaschinen] erlangt worden ist, wie die,
von denen ich spreche. Die Maschinenkraft unsres Bezirks (Lan-
cashire) lag unter dem Alpdruck furchtsamer und vorurtheilsvoller
Ueberlieferung während fast 40 Jahren, aber jetzt sind wir glück-
licherweise emancipirt. Während der letzten 15 Jahre, aber be-
sonders im Lauf der letzten 4 Jahre [also seit 1848] haben einige
sehr wichtige Aenderungen stattgefunden in der Betriebsweise
kondensirender Dampfmaschinen … Der Erfolg war … dass
dieselben Maschinen einen weit grössern Arbeitsbetrag leisteten,
und das obendrein bei sehr bedeutender Verringerung des Kohlen-
verbrauchs … Während sehr vieler Jahre seit der Einführung der
Dampfkraft in die Fabriken dieser Bezirke war die Geschwindig-
keit, mit der man kondensirende Dampfmaschinen glaubte arbeiten
zu dürfen, ungefähr 220 Fuss Pistonhub per Minute; d. h. eine
Maschine mit 5 Fuss Kolbenhub war schon vorschriftsmäßig auf
22 Drehungen der Kurbelwelle beschränkt. Es galt nicht für an-
gemessen die Maschine rascher zu treiben; und da das ganze Geschirr
dieser Geschwindigkeit von 220 Fuss Kolbenbewegung per Minute
angepasst war, beherrschte diese langsame und unsinnig beschränkte
Geschwindigkeit den ganzen Betrieb während vieler Jahre. Endlich
aber, sei es durch glückliche Unkenntniss der Vorschrift, sei es aus
bessern Gründen bei irgend einem kühnen Neuerer, wurde eine grössre
Geschwindigkeit versucht und, da der Erfolg höchst günstig war,
[73] das Beispiel von andren befolgt; man liess, wie man sagte, der
Maschine die Zügel schiessen und änderte die Haupträder des Ueber-
tragungsgeschirrs derart ab, dass die Dampfmaschine 300 Fuss und
mehr per Minute machen konnte, während die Maschinerie auf
ihrer frühern Geschwindigkeit gehalten wurde … Diese Be-
schleunigung der Dampfmaschine ist jetzt fast allgemein, weil es
sich zeigte, dass nicht nur aus derselben Maschine mehr verwend-
bare Kraft gewonnen wurde, sondern die Bewegung auch, in Folge
des grössern Moments des Schwungrads, viel regelmäßiger war.
Bei gleichbleibendem Dampfdruck und gleichbleibendem Vakuum
im Kondenser erhielt man mehr Kraft durch einfache Beschleunigung
des Kolbenhubs. Können wir z. B. eine Dampfmaschine, die bei
200 Fuss per Minute 40 Pferdekraft gibt, durch passende Aenderung
dahin bringen, dass sie, bei gleichem Dampfdruck und Vakuum,
400 Fuss per Minute macht, so werden wir genau die doppelte
Kraft haben; und da Dampfdruck und Vakuum in beiden Fällen
dieselben sind, so wird die Anstrengung der einzelnen Maschinen-
theile, und damit die Gefahr von Unfällen mit der vermehrten Ge-
schwindigkeit nicht wesentlich vermehrt. Der ganze Unterschied
ist, dass wir mehr Dampf konsumiren im Verhältniss zur be-
schleunigten Kolbenbewegung, oder annähernd; und ferner tritt
etwas rascherer Verschleiss der Lager oder Reibungstheile ein, aber
kaum der Rede werth … Aber um von derselben Maschine mehr
Kraft durch beschleunigte Kolbenbewegung zu erlangen, muss mehr
Kohle unter demselben Dampfkessel verbrannt, oder ein Kessel von
grössrer Verdunstungsfähigkeit angewandt, kurz mehr Dampf er-
zeugt werden. Dies geschah, und Kessel mit grössrer Fähigkeit
der Dampferzeugung wurden bei den alten „beschleunigten“ Ma-
schinen angelegt; diese lieferten so in vielen Fällen 100 % mehr
Arbeit. Gegen 1842 begann die ausserordentlich wohlfeile Kraft-
erzeugung der Dampfmaschinen in den Bergwerken von Cornwall
Aufmerksamkeit zu erregen; die Konkurrenz in der Baumwoll-
spinnerei zwang die Fabrikanten, die Hauptquelle ihres Profits in
Ersparnissen zu suchen; der merkwürdige Unterschied im Kohlen-
verbrauch per Stunde und Pferdekraft, den die cornischen Maschinen
aufzeigten, und ebenso die ausserordentlich ökonomischen Leistungen
der Woolffschen Doppelcylindermaschinen brachten auch in unsrer
Gegend die Ersparung an Heizstoff in den Vordergrund. Die
cornischen und die Doppelcylindermaschinen lieferten eine Pferde-
kraft per Stunde für je 3½ bis 4 Pfund Kohlen, während die Ma-
schinen in den Baumwolldistrikten allgemein 8 oder 12 Pfund per
[74] Pferd und Stunde verbrauchten. Ein so bedeutender Unterschied
bewog die Fabrikanten und Maschinenbauer unsers Bezirks, durch
ähnliche Mittel solche ausserordentlich ökonomische Ergebnisse zu
erreichen, wie sie in Cornwall und Frankreich bereits gewöhnlich
waren, da dort der hohe Kohlenpreis die Fabrikanten gezwungen
hatte, diesen kostspieligen Zweig ihres Geschäfts möglichst einzu-
schränken. Dies führte zu sehr wichtigen Resultaten. Erstens:
Viele Kessel, deren halbe Oberfläche in der guten alten Zeit hoher
Profite der kalten Aussenluft ausgesetzt blieb, wurden jetzt mit
dicken Filzlagen, oder Ziegeln und Mörtel, und andern Mitteln
eingedeckt, wodurch die Ausstrahlung der mit so viel Kosten er-
zeugten Hitze verhindert wurde. Dampfröhren wurden in derselben
Weise geschützt, ebenso der Cylinder mit Filz und Holz umgeben.
Zweitens kam die Anwendung des Hochdrucks. Bisher war die
Sicherheitsklappe nur soweit beschwert worden, dass sie schon bei
4, 6 oder 8 Dampfdruck auf den Quadratzoll sich öffnete; jetzt
fand man, dass durch Erhöhung des Drucks auf 14 oder 20
eine sehr bedeutende Kohlenersparniss erreicht wurde; in andern
Worten, die Arbeit der Fabrik wurde durch einen bedeutend ge-
ringern Kohlenverbrauch geleistet … Diejenigen, die die Mittel
und die Kühnheit dazu hatten, führten das System des vermehrten
Drucks und der Expansion in seiner vollen Ausdehnung aus, und
wandten zweckmässig konstruirte Dampfkessel an, die Dampf von
einem Druck von 30, 40, 60 und 70 per Quadratzoll lieferten;
ein Druck, bei dem ein Ingenieur der alten Schule vor Schrecken
umgefallen wäre. Aber da das ökonomische Ergebniss dieses ge-
steigerten Dampfdrucks … sich sehr bald kundgab in der nicht
misszuverstehenden Form von Pfunden, Schillingen und Pence,
wurden die Hochdruckkessel bei Kondensirmaschinen fast allgemein.
Diejenigen, die die Reform radikal durchführten, wandten die Woolf-
schen Maschinen an, und dies geschah in den meisten der neuer-
dings gebauten Maschinen; nämlich die Woolfschen Maschinen mit
2 Cylindern, in deren einem der Dampf aus dem Kessel Kraft leistet
vermöge des Ueberschusses des Druckes über den der Atmosphäre,
worauf er dann, statt wie früher nach jedem Kolbenhub in die freie
Luft zu entweichen, in einen Niederdruck-Cylinder von ungefähr
vierfach grösserm Rauminhalt tritt und, nachdem er dort weitre
Expansion geleistet, in den Kondensator geleitet wird. Das ökono-
mische Resultat, das man bei solchen Maschinen erhält, ist die
Leistung einer Pferdekraft für eine Stunde, für jede 3½—4
Kohlen; während bei den Maschinen alten Systems hierzu 12 bis
[75] 14 erforderlich waren. Eine geschickte Vorrichtung hat erlaubt,
das Woolfsche System des doppelten Cylinders oder der kombi-
nirten Hoch- und Niederdruck-Maschine auf schon bestehende
ältere Maschinen anzuwenden, und so ihre Leistungen zu steigern
bei gleichzeitig vermindertem Kohlenverbrauch. Dasselbe Resultat
ist erreicht worden während der letzten 8—10 Jahre, durch Ver-
bindung einer Hochdruckmaschine mit einer Kondensirmaschine,
derart, dass der verbrauchte Dampf der erstern in die zweite über-
ging und diese trieb. Dies System ist in vielen Fällen nützlich.


„Es würde nicht leicht möglich sein, eine genaue Aufstellung
der vermehrten Arbeitsleistung derselben identischen Dampf-
maschinen zu erhalten, bei denen einige oder alle dieser neuern
Verbesserungen angebracht sind. Ich bin aber sicher, dass für
dasselbe Gewicht Dampfmaschinerie wir jetzt mindestens 50 %
mehr Dienst oder Arbeit im Durchschnitt erhalten, und dass in
vielen Fällen dieselbe Dampfmaschine, die zur Zeit der beschränkten
Geschwindigkeit von 220 Fuss in der Minute 50 Pferdekraft gab,
jetzt über 100 liefert. Die höchst ökonomischen Resultate der
Anwendung des Hochdruckdampfs bei Kondensirmaschinen, sowie
die weit grössern Anforderungen, die zum Zweck von Geschäfts-
ausdehnungen an die alten Dampfmaschinen gemacht werden,
haben in den letzten drei Jahren zur Einführung von Röhren-
kesseln geführt und hierdurch die Kosten der Dampferzeugung
wieder bedeutend vermindert.“ (Rep. Fact., Oct. 1852, p. 23—27.)


Was von der Kraft erzeugenden, gilt ebenfalls von der Kraft
übertragenden und von der Arbeitsmaschinerie.


„Die raschen Schritte womit die Verbesserungen in der Ma-
schinerie in den letzten wenigen Jahren sich entwickelten, haben
die Fabrikanten befähigt, die Produktion auszudehnen ohne zu-
sätzliche Triebkraft. Die sparsamere Verwendung der Arbeit ist
nothwendig geworden durch die Verkürzung des Arbeitstags, und
in den meisten gutgeleiteten Fabriken wird immer erwogen, auf
welchem Wege die Produktion vermehrt werden kann bei vermin-
derter Auslage. Ich habe eine Aufstellung vor mir, die ich der
Gefälligkeit eines sehr intelligenten Herrn in meinem Bezirk ver-
danke, über die Zahl und das Alter der in seiner Fabrik beschäf-
tigten Arbeiter, die angewandten Maschinen und den bezahlten
Lohn, während der Zeit von 1840 bis jetzt. Im Oktober 1840
beschäftigte seine Firma 600 Arbeiter, wovon 200 unter 13 Jahren.
Oktober 1852 nur 350 Arbeiter, wovon nur 60 unter 13 Jahren.
Dieselbe Anzahl von Maschinen, bis auf sehr wenige, waren in
[76] Betrieb, und dieselbe Summe wurde in Arbeitslohn ausgezahlt in
beiden Jahren.“ (Redgrave’s Bericht, in Rep. Fact., Oct. 1852,
p. 58.)


Diese Verbesserungen in der Maschinerie zeigen erst ihre volle
Wirkung, sobald sie in neuen, zweckmäßig eingerichteten Fabrik-
gebäuden aufgestellt werden.


„Mit Beziehung auf Verbesserungen in der Maschinerie muss ich
bemerken, dass vor allem ein grosser Fortschritt gemacht worden
ist im Bau von Fabriken, die zur Aufstellung dieser neuen Ma-
schinerie geeignet sind … Im Erdgeschoss zwirne ich all mein
Garn und hier allein stelle ich 29,000 Doublirspindeln auf. In
diesem Zimmer und dem Schuppen allein bewirke ich eine Er-
sparung an Arbeit von mindestens 10 %; nicht so sehr in Folge
von Verbesserungen im Doublirsystem selbst, als von Koncen-
tration der Maschinen unter einer einzigen Leitung; und ich kann
dieselbe Anzahl Spindeln mit einer einzigen Triebwelle treiben,
wodurch ich gegenüber andern Firmen an Wellenleitung 60 bis
80 % erspare. Ausserdem ergibt dies eine grosse Ersparniss an
Oel, Fett etc. . . . kurz mit vervollkommneter Einrichtung der
Fabrik und verbesserter Maschinerie, habe ich, gering gerechnet,
an Arbeit 10 % gespart, und daneben grosse Ersparniss an Kraft,
Kohlen, Oel, Talg, Triebwellen und Riemen etc.“ (Aussage eines
Baumwollspinners, Rep. Fact., Oct. 1863, p. 110.)


IV. Nutzbarmachung der Exkremente der Produktion.

Mit der kapitalistischen Produktionsweise erweitert sich die Be-
nutzung der Exkremente der Produktion und Konsumtion. Unter
erstern verstehn wir die Abfälle der Industrie und Agrikultur,
unter letztern theils die Exkremente, die aus dem natürlichen
Stoffwechsel des Menschen hervorgehn, theils die Form, worin die
Verbrauchsgegenstände nach ihrem Verbrauch übrig bleiben. Ex-
kremente der Produktion sind also in der chemischen Industrie
die Nebenprodukte, die bei kleiner Produktionsstufe verloren gehn;
die Eisenspäne die bei der Maschinenfabrikation abfallen, und wie-
der als Rohstoff in die Eisenproduktion eingehn etc. Exkremente
der Konsumtion sind die natürlichen Ausscheidungsstoffe der Men-
schen, Kleiderreste in Form von Lumpen u. s. w. Die Exkremente
der Konsumtion sind am wichtigsten für die Agrikultur. In Be-
ziehung auf ihre Verwendung findet in der kapitalistischen Wirth-
[77] schaft eine kolossale Verschwendung statt; in London z. B. weiss
sie mit dem Dünger von 4½ Millionen Menschen nichts bessres
anzufangen, als ihn mit ungeheuren Kosten zur Verpestung der
Themse zu gebrauchen.


Die Vertheuerung der Rohstoffe bildet natürlich den Antrieb zur
Vernutzung der Abfälle.


Im ganzen sind die Bedingungen dieser Wiederbenutzung: Massen-
haftigkeit solcher Exkremente, die sich nur ergibt bei Arbeit auf
grosser Stufenleiter; Verbesserung der Maschinerie, womit Stoffe,
die in ihrer gegebnen Form früher unbrauchbar, in eine der
Neuproduktion dienstbare Gestalt übergeführt werden; Fortschritt
der Wissenschaft, speciell der Chemie, welche die nutzbaren Eigen-
schaften solcher Abfälle entdeckt. Allerdings findet auch in der
kleinen, gärtnermäßig betriebnen Agrikultur, wie etwa in der
Lombardei, im südlichen China und in Japan, grosse Oekonomie
dieser Art statt. Im ganzen aber ist in diesem System die Pro-
duktivität der Agrikultur erkauft durch grosse Verschwendung
menschlicher Arbeitskraft, die andren Sphären der Produktion
entzogen wird.


Die sog. Abfälle spielen eine bedeutende Rolle in fast jeder
Industrie. So wird im Fabrikbericht Dezember 1863 als einer
der Hauptgründe angegeben, wesshalb sowohl in England wie in
vielen Theilen von Irland die Pächter nur ungern und selten
Flachs bauen: „Der grosse Abfall … der bei der Bereitung
(des Flachses in den kleinen mit Wasserkraft getriebenen Hechel-
fabriken (scutch mills) stattfindet … Der Abfall bei Baum-
wolle ist verhältnissmäßig gering, aber bei Flachs sehr gross.
Gute Behandlung beim Wasserrösten und mechanischen Hecheln
kann diesen Nachtheil bedeutend einschränken … In Irland
wird Flachs oft auf höchst schmähliche Weise gehechelt, sodass
28—30 % verloren gehn,“ was alles durch Anwendung von
bessrer Maschinerie vermieden werden könnte. Das Werg fiel
dabei so massenhaft ab, dass der Fabrikinspektor sagt: „Von
einigen der Hechelfabriken in Irland ist mir mitgetheilt worden,
dass die Hechler den dort gemachten Abfall oft zu Hause auf
ihren Herden als Brennstoff verwandt haben, und doch ist er sehr
werthvoll.“ (l. c. p. 140.) Von Baumwollabfall wird weiter unten
die Rede sein, wo wir von den Preisschwankungen des Rohstoffs
handeln.


Die Wollenindustrie war gescheiter als die Flachsbereitung.
„Es war früher gewöhnlich, die Zubereitung von Wollenabfall
[78] und wollnen Lumpen zu wiederholter Bearbeitung in Verruf zu
erklären, aber das Vorurtheil hat sich vollständig gelegt mit Be-
ziehung auf den shoddy trade (Kunstwoll-Industrie) die ein wich-
tiger Zweig des Wollendistrikts von Yorkshire geworden ist, und
ohne Zweifel wird auch das Geschäft in Baumwollabfall bald den-
selben Platz einnehmen als ein Geschäftszweig, der einem aner-
kannten Bedürfniss abhilft. Vor 30 Jahren waren wollne Lumpen,
d. h. Stücke von ganz wollnem Tuch etc. im Durchschnitt etwa
4 £ 4 sh. per Tonne werth; in den letzten paar Jahren sind sie
44 £ per Tonne werth geworden. Und die Nachfrage ist so ge-
stiegen, dass auch gemischte Gewebe aus Wolle und Baumwolle
vernutzt werden, indem man Mittel gefunden hat die Baumwolle
zu zerstören, ohne der Wolle zu schaden; und jetzt sind tausende
von Arbeitern in der Fabrikation von Shoddy beschäftigt, und der
Konsument hat grossen Vortheil davon, indem er jetzt Tuch von
guter Durchschnittsqualität zu einem sehr mäßigen Preis kaufen
kann.“ (Rep. Fact., Dec. 1863, p. 107.) Die so verjüngte Kunst-
wolle betrug schon Ende 1862 ein drittel des ganzen Wollver-
brauchs der englischen Industrie. (Rep. Fact., Oct. 1862, p. 81.)
Der „grosse Vortheil“ für den „Konsumenten“ besteht darin, dass
seine Wollkleider nur ein drittel der frühern Zeit brauchen, um
zu verschleissen, und ein sechstel um fadenscheinig zu werden.


Die englische Seidenindustrie bewegte sich auf derselben ab-
schüssigen Bahn. Von 1839—62 hatte der Verbrauch von wirk-
licher Rohseide sich etwas vermindert, dagegen der von Seiden-
abfällen verdoppelt. Mit verbesserter Maschinerie war man im
Stand aus diesem, anderswo ziemlich werthlosen, Stoff eine zu
vielen Zwecken verwendbare Seide zu fabriciren.


Das schlagendste Beispiel von Verwendung von Abfällen liefert
die chemische Industrie. Sie verbraucht nicht nur ihre eignen
Abfälle, indem sie neue Verwendung dafür findet, sondern auch
diejenigen der verschiedenartigsten andern Industrien, und ver-
wandelt z. B. den früher fast nutzlosen Gastheer in Anilinfarben,
Krappfarbstoff (Alizarin), und neuerdings auch in Medikamente.


Von dieser Oekonomie der Exkremente der Produktion, durch
ihre Wiederbenutzung, ist zu unterscheiden die Oekonomie bei der
Erzeugung von Abfall, also die Reduktion der Produktionsexkre-
mente auf ihr Minimum, und die unmittelbare Vernutzung, bis zum
Maximum, aller in die Produktion eingehenden Roh- und Hülfsstoffe.


Die Ersparung von Abfall ist zum Theil durch die Güte der
angewandten Maschinerie bedingt. Oel, Seife etc. wird gespart
[79] im Verhältniss wie die Maschinentheile genauer gearbeitet und
besser polirt sind. Dies bezieht sich auf die Hülfsstoffe. Z. Th.
aber, und dies ist das wichtigste, hängt es von der Güte der an-
gewandten Maschinen und Werkzeuge ab, ob ein grössrer oder
geringrer Theil des Rohstoffs im Produktionsprocess sich in Abfall
verwandelt. Endlich hängt dies ab von der Güte des Rohstoffs
selbst. Diese ist wieder bedingt theils durch die Entwicklung der
extraktiven Industrie und Agrikultur, die ihn erzeugt (von dem
Fortschritt der Kultur im eigentlichen Sinn), theils von der Aus-
bildung der Processe, die der Rohstoff vor seinem Eintritt in die
Manufaktur durchmacht.


„Parmentier hat bewiesen, dass seit einer nicht sehr entfernten
Epoche, z. B. der Zeit Ludwig XIV., die Kunst Korn zu mahlen
in Frankreich sehr bedeutend vervollkommnet worden ist, sodass
die neuen Mühlen, gegenüber den alten, aus derselben Menge
Korn bis zur Hälfte mehr Brod liefern können. Man hat in der
That für die jährliche Konsumtion eines Einwohners von Paris
anfangs 4 setiers Korn, dann 3, endlich 2 gerechnet, während sie
heutzutage nur noch 1⅓ setier oder ungefähr 342 per Kopf
ist … In der Perche, wo ich lange gewohnt habe, sind plump
konstruirte Mühlen, die Mühlsteine von Granit und Trapp hatten,
nach den Regeln der seit 30 Jahren so sehr fortgeschrittnen
Mechanik umgebaut worden. Man hat sie mit guten Mühlsteinen
von La Ferté versehn, man hat das Korn zweimal ausgemahlen,
man hat dem Mahlbeutel eine kreisförmige Bewegung gegeben,
und das Produkt an Mehl hat sich für dieselbe Menge Korn um
⅙ vermehrt. Ich erkläre mir also leicht das enorme Missverhält-
niss zwischen dem täglichen Kornverbrauch bei den Römern und
bei uns; der ganze Grund liegt einfach in der Mangelhaftigkeit
der Verfahrungsweisen beim Mahlen und bei der Brodbereitung.
So muss ich auch eine merkwürdige Thatsache erklären, die
Plinius XVIII, c. 20, 2 anführt … „Das Mehl wurde in Rom
verkauft, je nach Qualität, zu 40, 48, oder 96 Ass der Modius.
Diese Preise, so hoch im Verhältniss zu den gleichzeitigen Korn-
preisen, erklären sich aus den damals noch in der Kindheit befind-
lichen, unvollkommnen Mühlen, und den daraus folgenden be-
trächtlichen Mahlkosten.“ (Dureau de la Malle, Econ. Pol. des
Romains. Paris 1840. I, p. 280.)


[80]
V. Oekonomie durch Erfindungen.

Diese Ersparungen in Anwendung des fixen Kapitals sind wie
gesagt das Resultat davon, dass die Arbeitsbedingungen auf grosser
Stufenleiter angewandt werden, kurz, dass sie dienen als Be-
dingungen unmittelbar gesellschaftlicher, vergesellschafteter Arbeit,
oder der unmittelbaren Kooperation innerhalb des Produktions-
processes. Es ist dies einestheils die Bedingung, worunter allein
die mechanischen und chemischen Erfindungen angewandt werden
können ohne den Preis der Waare zu vertheuern, und dies ist
immer die conditio sine qua non. Anderntheils werden erst bei
grosser Stufenleiter der Produktion die Oekonomien möglich, die
aus der gemeinschaftlichen produktiven Konsumtion hervorfliessen.
Endlich aber entdeckt und zeigt erst die Erfahrung des kombinirten
Arbeiters, wo und wie zu ökonomisiren, wie die bereits gemachten
Entdeckungen am einfachsten auszuführen, welche praktischen
Friktionen bei Ausführung der Theorie — ihrer Anwendung auf
den Produktionsprocess — zu überwinden u. s. w.


Nebenbei bemerkt, ist zu unterscheiden zwischen allgemeiner
Arbeit und gemeinschaftlicher Arbeit. Beide spielen im Produk-
tionsprocess ihre Rolle, beide gehn in einander über, aber beide
unterscheiden sich auch. Allgemeine Arbeit ist alle wissenschaft-
liche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt
theils durch Kooperation mit Lebenden, theils durch Benutzung
der Arbeiten Früherer. Gemeinschaftliche Arbeit unterstellt die
unmittelbare Kooperation der Individuen.


Das Obengesagte erhält neue Bestätigung durch das oft Beob-
achtete:


1) Den grossen Unterschied in den Kosten zwischen dem ersten
Bau einer neuen Maschine und ihrer Reproduktion, worüber Ure
und Babbage nachzusehn.


2) Die viel grössern Kosten, womit überhaupt ein auf neuen Er-
findungen beruhendes Etablissement betrieben wird, verglichen mit
den spätern, auf seinen Ruinen, ex suis ossibus aufsteigenden
Etablissements. Dies geht soweit, dass die ersten Unternehmer
meist Bankrott machen und erst die spätern, in deren Hand Ge-
bäude, Maschinerie etc. wohlfeiler kommen, floriren. Es ist daher
meist die werthloseste und miserabelste Sorte von Geldkapitalisten,
die aus allen neuen Entwicklungen der allgemeinen Arbeit des
menschlichen Geistes und ihrer gesellschaftlichen Anwendung durch
kombinirte Arbeit den grössten Profit zieht.


[81]

Sechstes Kapitel.
Wirkung von Preiswechsel.


I. Preisschwankungen des Rohstoffs, ihre direkten
Wirkungen auf die Profitrate
.

Es wird hier wie bisher vorausgesetzt, dass kein Wechsel in
der Rate des Mehrwerths stattfindet. Diese Voraussetzung ist
nöthig, um den Fall in seiner Reinheit zu untersuchen. Es wäre
indess möglich, bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths, dass ein
Kapital eine wachsende oder abnehmende Zahl von Arbeitern be-
schäftigte, in Folge der Kontraktion oder Expansion, welche die
hier zu betrachtenden Preisschwankungen des Rohstoffs bei ihm
verursachte. In diesem Fall könnte die Masse des Mehrwerths
wechseln bei konstanter Rate des Mehrwerths. Indess ist auch
dies als ein Zwischenfall hier zu beseitigen. Wenn Verbesserung
der Maschinerie und Preisänderung des Rohstoffs gleichzeitig
wirken, sei es auf die Masse der von einem gegebnen Kapital be-
schäftigten Arbeiter, oder auf die Höhe des Arbeitslohns, so hat
man bloss zusammenzustellen 1) die Wirkung, welche die Varia-
tion im konstanten Kapital auf die Profitrate hervorbringt, 2) die
Wirkung, welche die Variation im Arbeitslohn auf die Profit-
rate hervorbringt; das Facit ergibt sich dann von selbst.


Es ist aber im allgemeinen hier zu bemerken, wie bei dem
frühern Fall: Finden Variationen statt, sei es in Folge von Oeko-
nomie des konstanten Kapitals, sei es in Folge von Preisschwan-
kungen des Rohstoffs, so afficiren sie stets die Profitrate, auch
wenn sie den Arbeitslohn, also die Rate und Masse des Mehr-
werths, ganz unberührt lassen. Sie ändern in m' \frac{v}{C} die Grösse von
C und damit den Werth des ganzen Bruchs. Es ist also auch
hier ganz gleichgültig — im Unterschied von dem, was sich bei
der Betrachtung des Mehrwerths zeigte — in welchen Produktions-
sphären diese Variationen vorgehn; ob die von ihnen berührten In-
dustriezweige Lebensmittel für die Arbeiter, resp. konstantes Kapital
zur Produktion solcher Lebensmittel, produciren oder nicht. Das
hier Entwickelte gilt ebensowohl, wo die Variationen sich in
Luxusproduktionen ereignen, und unter Luxusprodukt ist hier alle
Produktion zu verstehn, die nicht zur Reproduktion der Arbeits-
kraft erheischt ist.


Unter Rohstoff werden hier auch die Hülfsstoffe einbegriffen,
wie Indigo, Kohle, Gas etc. Ferner, soweit die Maschinerie in
Marx, Kapital III. 6
[82] dieser Rubrik in Betracht kommt, besteht ihr eigner Rohstoff aus
Eisen, Holz, Leder etc. Ihr eigner Preis ist daher afficirt durch
die Preisschwankungen des Rohmaterials, das in ihre Konstruktion
eingeht. Sofern ihr Preis erhöht wird durch Preisschwankungen,
sei es des Rohstoffs, woraus sie besteht, sei es des Hülfsstoffs, den
ihr Betrieb verbraucht, fällt pro tanto die Profitrate. Umgekehrt,
umgekehrt.


In den folgenden Untersuchungen wird man sich beschränken
auf Preisschwankungen des Rohstoffs, nicht soweit er eingeht, sei
es als Rohstoff der Maschinerie, die als Arbeitsmittel fungirt, sei
es als Hülfsstoff in ihrer Anwendung, sondern soweit er als Roh-
stoff in den Produktionsprocess der Waare eingeht. Nur dies ist
hier zu merken: Der Naturreichthum an Eisen, Kohle, Holz etc.,
den Hauptelementen in der Konstruktion und Anwendung von
Maschinerie, erscheint hier als naturwüchsige Fruchtbarkeit des
Kapitals, und ist ein Element in der Bestimmung der Profitrate,
unabhängig von der Höhe oder Niedrigkeit des Arbeitslohns.


Da die Profitrate \frac{m}{C} oder = \frac{m}{c + v}, so ist klar, dass alles, was
einen Wechsel in der Grösse von c und deswegen von C ver-
ursacht, ebenfalls einen Wechsel in der Profitrate hervorbringt,
auch wenn m und v und ihr gegenseitiges Verhältniss unverändert
bleiben. Der Rohstoff bildet aber einen Haupttheil des konstanten
Kapitals. Selbst in Industriezweigen, worin kein eigentlicher Roh-
stoff eingeht, geht er ein als Hülfsstoff oder als Bestandtheil der
Maschine u. s. w., und beeinflussen dadurch seine Preisschwankungen
pro tanto die Profitrate. Fällt der Preis des Rohstoffs um eine
Summe = d, so geht \frac{m}{C} oder \frac{m}{c + v} über in \frac{m}{C — d} oder \frac{m}{(c — d) + v}.
Es steigt daher die Profitrate. Umgekehrt. Steigt der Preis des
Rohstoffs, so wird aus \frac{m}{C} oder \frac{m}{c + v} nun \frac{m}{C + d} oder \frac{m}{(c + d) + v}; es
fällt daher die Profitrate. Bei sonst gleichen Umständen fällt und
steigt die Profitrate daher in umgekehrter Richtung wie der Preis
des Rohstoffs. Es ergibt sich hieraus u. a., wie wichtig für in-
dustrielle Länder der niedrige Preis des Rohstoffs ist, selbst wenn
die Schwankungen im Preis des Rohstoffs durchaus nicht begleitet
wären von Aenderungen in der Verkaufssphäre des Produkts,
also ganz abgesehn von dem Verhältniss von Nachfrage und Zu-
fuhr. Es ergibt sich ferner, dass der auswärtige Handel die Profit-
rate beeinflusst, auch abgesehn von aller Einwirkung desselben
auf den Arbeitslohn durch Verwohlfeilerung der nothwendigen
[83] Lebensmittel. Er afficirt nämlich die Preise der in die Industrie
oder Agrikultur eingehenden Roh- oder Hülfsstoffe. Der bisher
noch durchaus mangelhaften Einsicht in die Natur der Profitrate
und in ihre specifische Verschiedenheit von der Rate des Mehr-
werths ist es geschuldet, wenn einerseits Oekonomen, die den
durch praktische Erfahrung festgestellten, bedeutenden Einfluss der
Preise des Rohstoffs auf die Profitrate hervorheben, dies theoretisch
ganz falsch erklären (Torrens), während andrerseits an den allge-
meinen Principien festhaltende Oekonomen wie Ricardo den Ein-
fluss z. B. des Welthandels auf die Profitrate verkennen.


Man begreift daher die grosse Wichtigkeit, für die Industrie,
von Aufhebung oder Ermäßigung der Zölle auf Rohstoffe; diese
möglichst frei hereinzulassen, war daher schon Hauptlehre des
rationeller entwickelten Schutzzollsystems. Dies war, neben der
Abschaffung der Kornzölle, Hauptaugenmerk der englischen Free-
traders, die vor allem sorgten, dass auch der Zoll auf Baumwolle
abgeschafft wurde.


Als ein Beispiel von der Wichtigkeit der Preiserniedrigung,
nicht eines eigentlichen Rohstoffs, sondern eines Hülfsstoffs, der
allerdings zugleich Hauptelement der Nahrung ist, kann der Ge-
brauch des Mehls in der Baumwollindustrie dienen. Schon 1837
berechnete R. H. Greg13), dass die damals in Grossbritannien be-
triebnen 100000 Kraftstühle und 250000 Handstühle der Baum-
wollweberei jährlich 41 Millionen Mehl zum Kettenschlichten
verbrauchten. Dazu kam noch ein drittel dieser Quantität beim
Bleichen und andern Processen. Den Gesammtwerth des so ver-
brauchten Mehls berechnet er auf 342,000 £ jährlich für die
letzten 10 Jahre. Der Vergleich mit den Mehlpreisen auf dem
Kontinent zeigte, dass der durch die Kornzölle den Fabrikanten
aufgenöthigte Preisaufschlag für Mehl allein jährlich 170000 £
betragen hatte. Für 1837 schätzt ihn Greg auf mindestens
200000 £, und spricht von einer Firma, für die der Preisaufschlag
auf Mehl 1000 £ jährlich betrug. In Folge hiervon „haben
grosse Fabrikanten, sorgfältige und berechnende Geschäftsmänner,
gesagt, dass 10 Stunden tägliche Arbeit ganz hinreichend sein
würden, wären die Kornzölle abgeschafft.“ (Rep. Fact., Oct. 1848,
p. 98.) Die Kornzölle wurden abgeschafft; ausserdem der Zoll
auf Baumwolle und andre Rohstoffe; aber kaum war dies erreicht,
6*
[84] so wurde die Opposition der Fabrikanten gegen die Zehnstunden-
bill heftiger als je. Und als die zehnstündige Fabrikarbeit trotz-
dem gleich darauf Gesetz wurde, war die erste Folge ein Versuch
allgemeiner Herabsetzung des Lohns.


Der Werth der Roh- und Hülfsstoffe geht ganz und auf einmal
in den Werth des Produkts ein, wozu sie verbraucht werden,
während der Werth der Elemente des fixen Kapitals nur nach
Maßgabe seines Verschleisses, also nur allmälig in das Produkt
eingeht. Es folgt daraus, dass der Preis des Produkts in einem
viel höhern Grad afficirt wird vom Preis des Rohmaterials als von
dem des fixen Kapitals, obwohl die Profitrate bestimmt wird durch
die Gesammtwerthsumme des angewandten Kapitals, einerlei, wie
viel davon konsumirt ist oder nicht. Es ist aber klar — obgleich
dies nur nebenbei erwähnt wird, da wir hier noch voraussetzen,
dass die Waaren zu ihrem Werth verkauft werden, die durch die
Konkurrenz herbeigeführten Preisschwankungen uns also hier noch
nichts angehn — dass Ausdehnung oder Einschränkung des Markts
vom Preis der einzelnen Waare abhängt, und in umgekehrtem Ver-
hältniss zum Steigen oder Fallen dieses Preises steht. In der
Wirklichkeit findet sich daher auch, dass mit steigendem Preis
des Rohstoffs der Preis des Fabrikats nicht in demselben Ver-
hältniss steigt wie jener, und bei fallendem Preis des Rohstoffs
nicht in demselben Verhältniss sinkt. Daher fällt in dem einen
Fall die Profitrate tiefer, und steigt in dem andern höher, als bei
Verkauf der Waaren zu ihrem Werth der Fall wäre.


Ferner: Masse und Werth der angewandten Maschinerie wächst
mit der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, aber nicht im
selben Verhältniss wie diese Produktivkraft wächst, d. h. wie diese
Maschinerie ein vermehrtes Produkt liefert. In den Industrie-
zweigen also, worin überhaupt Rohstoff eingeht, d. h. wo der
Arbeitsgegenstand selbst schon Produkt früherer Arbeit ist, drückt
sich die wachsende Produktivkraft der Arbeit gerade in dem Ver-
hältniss aus, worin ein grösseres Quantum Rohstoff ein bestimmtes
Quantum Arbeit absorbirt, also in der wachsenden Masse Rohstoff,
die z. B. in einer Arbeitsstunde in Produkt verwandelt, zu Waare
verarbeitet wird. Im Verhältniss also wie die Produktivkraft der
Arbeit sich entwickelt, bildet der Werth des Rohstoffs einen stets
wachsenden Bestandtheil des Werths des Waarenprodukts, nicht
nur weil er ganz in diesen eingeht, sondern weil in jedem aliquoten
Theil des Gesammtprodukts der Theil, den der Verschleiss der
Maschinerie, und der Theil, den die neu zugesetzte Arbeit bildet,
[85] beide beständig abnehmen. In Folge dieser fallenden Bewegung
wächst verhältnissmäßig der andre Werththeil, den der Rohstoff
bildet, wenn dies Wachsthum nicht aufgehoben wird durch eine
entsprechende Werthabnahme auf Seiten des Rohstoffs, die aus
der wachsenden Produktivität der zu seiner eignen Erzeugung an-
gewandten Arbeit hervorgeht.


Ferner: Da die Roh- und Hülfsstoffe, ganz wie der Arbeitslohn,
Bestandtheile des cirkulirenden Kapitals bilden, also beständig ganz
ersetzt werden müssen aus dem jedesmaligen Verkauf des Produkts,
während von der Maschinerie nur der Verschleiss, und zwar zunächst
in Form eines Reservefonds, zu ersetzen ist — wobei es in der
That keineswegs so wesentlich ist, ob jeder einzelne Verkauf seinen
Theil zu diesem Reservefonds beiträgt, vorausgesetzt nur, dass der
ganze Jahresverkauf seinen Jahresantheil dazu liefert — so zeigt
sich hier wieder, wie ein Steigen im Preis des Rohstoffs den
ganzen Reproduktionsprocess beschneiden oder hemmen kann, in-
dem der aus dem Waarenverkauf gelöste Preis nicht hinreicht,
alle Elemente der Waare zu ersetzen; oder indem er es unmög-
lich macht, den Process auf einer, seiner technischen Grundlage
gemäßen Stufe fortzusetzen, sodass also entweder nur ein Theil
der Maschinerie beschäftigt werden, oder die gesammte Maschinerie
nicht die volle gewohnheitsmäßige Zeit arbeiten kann.


Endlich wechseln die durch Abfälle verursachten Kosten in
direktem Verhältniss zu den Preisschwankungen des Rohstoffs,
steigen wenn er steigt und fallen wenn er fällt. Aber auch hier
gibt es eine Grenze. 1850 hiess es noch: „Eine Quelle beträcht-
lichen Verlustes aus der Preissteigerung des Rohstoffs würde kaum
jemandem auffallen, der kein praktischer Spinner ist, nämlich der
Verlust durch Abfall. Man theilt mir mit, dass, wenn Baumwolle
steigt, die Kosten für den Spinner, besonders der geringern Quali-
täten, in höherm Verhältniss wachsen als der gezahlte Preisauf-
schlag anzeigt. Der Abfall beim Spinnen grober Garne beträgt
reichlich 15 %; wenn dieser Satz also einen Verlust von ½ d.
per bei einem Baumwollpreis von 3½ d. verursacht, so steigert
er den Verlust per auf 1 d., sobald Baumwolle auf 7 d. per
steigt.“ (Rep. Fact., April 1850, p. 17.) — Als aber in Folge
des amerikanischen Bürgerkriegs die Baumwolle auf, seit fast 100
Jahren unerhörte, Preise stieg, lautete der Bericht ganz anders:
„Der Preis der jetzt für Baumwollabfall gegeben wird, und die
Wiedereinführung des Abfalls in die Fabrik als Rohstoff, bieten
einigen Ersatz für den Unterschied, im Verlust durch Abfall,
[86] zwischen indischer und amerikanischer Baumwolle. Dieser Unter-
schied beträgt ungefähr 12½ %. Der Verlust bei Verarbeitung
indischer Baumwolle ist 25 %, sodass die Baumwolle in Wirk-
lichkeit dem Spinner ¼ mehr kostet als er für sie zahlt. Der
Verlust durch Abfall war nicht so wichtig, als amerikanische
Baumwolle auf 5 oder 6 d. per stand, denn er überstieg nicht
¾ d. per ; aber er ist jetzt sehr wichtig, wo das Baumwolle
2 sh. kostet und der Verlust durch Abfall also 6 d. beträgt.14)
(Rep. Fact., Oct. 1863, p. 106.)


II. Werthsteigerung und Entwerthung, Freisetzung und
Bindung von Kapital
.

Die Phänomene, die wir in diesem Kapitel untersuchen, setzen
zu ihrer vollen Entwicklung das Kreditwesen und die Konkurrenz
auf dem Weltmarkt voraus, der überhaupt die Basis und die
Lebensatmosphäre der kapitalistischen Produktionsweise bildet.
Diese konkreteren Formen der kapitalistischen Produktion können
aber nur umfassend dargestellt werden, nachdem die allgemeine
Natur des Kapitals begriffen ist; zudem liegt ihre Darstellung
ausser dem Plan unsers Werks und gehört seiner etwaigen Fort-
setzung an. Nichtsdestoweniger können die in der Ueberschrift
bezeichneten Erscheinungen hier im allgemeinen behandelt werden.
Sie hängen zusammen, erstens unter einander, und zweitens sowohl
mit der Rate, wie mit der Masse des Profits. Sie sind auch schon
desswegen kurz darzustellen, weil sie den Schein hervorbringen,
als ob nicht nur die Rate, sondern auch die Masse des Profits —
die in der That identisch ist mit der Masse des Mehrwerths —
ab- und zunehmen kann unabhängig von den Bewegungen des
Mehrwerths, sei es seiner Masse oder seiner Rate.


Sind Freisetzung und Bindung von Kapital auf der einen Seite,
Werthsteigerung und Entwerthung auf der andern, als verschiedne
Phänomene zu betrachten?


[87]

Es fragt sich zunächst: was verstehn wir unter Freisetzung und
Bindung von Kapital? Werthsteigerung und Entwerthung ver-
stehn sich von selbst. Sie meinen nichts, als dass vorhandnes
Kapital in Folge irgend welcher allgemeinen ökonomischen Um-
stände — denn es handelt sich nicht um besondre Schicksale
eines beliebigen Privatkapitals — an Werth zu- oder abnimmt;
also dass der Werth des der Produktion vorgeschossnen Kapitals,
abgesehn von seiner Verwerthung durch die von ihm angewandte
Mehrarbeit, steigt oder fällt.


Unter Bindung von Kapital verstehn wir, dass aus dem Ge-
sammtwerth des Produkts bestimmte gegebne Proportionen von
neuem in die Elemente des konstanten oder variablen Kapitals
rückverwandelt werden müssen, soll die Produktion auf ihrer alten
Stufenleiter fortgehn. Unter Freisetzung von Kapital verstehn
wir, dass ein Theil vom Gesammtwerth des Produkts, der bisher
entweder in konstantes oder variables Kapital rückverwandelt wer-
den musste, disponibel und überschüssig wird, soll die Produktion
innerhalb der Schranken der alten Stufenleiter fortdauern. Diese
Freisetzung oder Bindung von Kapital ist verschieden von Frei-
setzung oder Bindung von Revenue. Wenn der jährliche Mehr-
werth für ein Kapital C z. B. = x ist, so kann in Folge der
Verwohlfeilerung von Waaren, die in den Konsum der Kapitalisten
eingehn, x — a. hinreichen, um dieselbe Masse Genüsse etc. wie
früher zu schaffen. Es wird also ein Theil der Revenue = a frei-
gesetzt, der nun entweder zur Vergrösserung des Konsums oder zur
Rückverwandlung in Kapital (zur Akkumulation) dienen kann.
Umgekehrt: Ist x + a erheischt, um dieselbe Lebensweise fortzu-
führen, so muss diese entweder eingeschränkt werden, oder ein
Einkommentheil = a, der früher akkumulirt wurde, muss nun als
Revenue verausgabt werden.


Die Werthsteigerung und Entwerthung kann entweder kon-
stantes oder variables Kapital, oder beide treffen, und beim kon-
stanten Kapital kann sie wieder auf den fixen, oder den cirkuliren-
den Theil, oder auf beide sich beziehn.


Es sind beim konstanten Kapital zu betrachten: Roh- und
Hülfsstoffe, wozu auch Halbfabrikate gehören, die wir hier unter
dem Namen Rohstoffe zusammenfassen, und Maschinerie und andres
fixes Kapital.


Es wurde oben namentlich Variation im Preis resp. Werth des
Rohstoffs mit Bezug auf seinen Einfluss auf die Profitrate be-
trachtet, und das allgemeine Gesetz aufgestellt, dass bei sonst
[88] gleichen Umständen die Profitrate im umgekehrten Verhältniss
zur Werthhöhe des Rohstoffs steht. Und dies ist unbedingt richtig
für das Kapital, das neu in einem Geschäft engagirt wird, wo also
die Kapitalanlage, die Verwandlung von Geld in produktives Kapital,
erst stattfindet.


Aber abgesehn von diesem in der Neuanlage begriffnen Kapital,
befindet sich ein grosser Theil des schon fungirenden Kapitals in
der Cirkulationssphäre, während ein andrer Theil sich in der Pro-
duktionssphäre befindet. Ein Theil ist als Waare auf dem Markt
vorhanden und soll in Geld verwandelt werden; ein andrer Theil
ist als Geld, in welcher Form immer, vorhanden und soll in die
Produktionsbedingungen rückverwandelt werden; ein dritter Theil
endlich befindet sich innerhalb der Produktionssphäre, theils in der
ursprünglichen Form der Produktionsmittel, Rohstoff, Hülfsstoff,
auf dem Markt gekauftes Halbfabrikat, Maschinerie und andres
fixes Kapital, theils als noch in der Anfertigung begriffnes Produkt.
Wie Werthsteigerung oder Entwerthung hier wirkt, hängt sehr
ab von der Proportion, worin diesc Bestandtheile zu einander
stehn. Lassen wir, zur Vereinfachung der Frage, alles fixe Kapital
zunächst ganz aus dem Spiel, und betrachten wir nur den aus
Rohstoffen, Hülfstoffen, Halbfabrikaten, in der Anfertigung be-
griffnen und fertigen auf dem Markt befindlichen Waaren bestehen-
den Theil des konstanten Kapitals.


Steigt der Preis des Rohstoffs, z. B. der Baumwolle, so steigt
auch der Preis der Baumwollenwaaren — der Halbfabrikate, wie
Garn, und der fertigen Waaren, wie Gewebe etc. — die mit wohl-
feilerer Baumwolle fabricirt wurden; ebenso steigt der Werth der
noch nicht verarbeiteten, auf Lager vorhandnen, wie der noch in
der Verarbeitung begriffnen Baumwolle. Letztre, weil sie durch
Rückwirkung Ausdruck von mehr Arbeitszeit wird, setzt dem
Produkt, worin sie als Bestandtheil eingeht, höhern Werth zu als
sie selbst ursprünglich besass, und als der Kapitalist für sie ge-
zahlt hat.


Ist also eine Erhöhung im Preis des Rohstoffs begleitet von
einer bedeutenden Masse auf dem Markt vorhandner fertiger Waare,
auf welcher Stufe der Vollendung immer, so steigt der Werth
dieser Waare, und es findet damit eine Erhöhung im Werth des
vorhandnen Kapitals statt. Dasselbe gilt für die in der Hand der
Producenten befindlichen Vorräthe an Rohstoff etc. Diese Werth-
steigerung kann den einzelnen Kapitalisten, oder auch eine ganze
besondre Produktionssphäre des Kapitals, entschädigen oder mehr
[89] als entschädigen für den Fall der Profitrate, der aus der Preis-
steigerung des Rohstoffs folgt. Ohne hier auf die Details der
Konkurrenzwirkungen einzugehn, kann jedoch der Vollständigkeit
wegen bemerkt werden, dass 1) wenn die auf Lager befindlichen
Vorräthe von Rohstoff bedeutend sind, sie der am Produktionsherd
des Rohstoffs entstandnen Preissteigerung entgegenwirken; 2) wenn
die auf dem Markt befindlichen Halbfabrikate oder fertigen Waaren
sehr schwer auf dem Markt lasten, sie den Preis der fertigen
Waaren und des Halbfabrikats hindern, im Verhältniss zum Preis
ihres Rohstoffs zu wachsen.


Umgekehrt beim Preisfall des Rohstoffs, der bei sonst gleichen
Umständen die Profitrate erhöht. Die auf dem Markt befindlichen
Waaren, die noch in der Anfertigung begriffnen Artikel, die Vor-
räthe von Rohstoff werden entwerthet, und damit der gleichzeitigen
Steigerung der Profitrate entgegengewirkt.


Je geringer z. B. am Ende des Geschäftsjahrs, zur Zeit wo der
Rohstoff massenhaft neu geliefert wird, also bei Ackerbauprodukten
nach der Ernte, die in der Produktionssphäre und auf dem Markt
befindlichen Vorräthe, desto reiner tritt die Wirkung einer Preis-
veränderung im Rohstoff hervor.


In unsrer ganzen Untersuchung wird ausgegangen von der Vor-
aussetzung, dass Erhöhung oder Erniedrigung der Preise Ausdrücke
von wirklichen Werthschwankungen sind. Da es sich hier aber
um die Wirkung handelt, die diese Preisschwankungen auf die
Profitrate hervorbringen, so ist es in der That gleichgültig, worin
sie begründet sind; das hier Entwickelte gilt also ebenfalls, wenn
die Preise steigen und fallen in Folge, nicht von Werthschwankungen
sondern von Einwirkungen des Kreditsystems, der Konkurrenz etc.


Da die Profitrate gleich ist dem Verhältniss des Ueberschusses
des Werths des Produkts zum Werth des vorgeschossnen Gesammt-
kapitals, so wäre eine Erhöhung der Profitrate, die aus einer Ent-
werthung des vorgeschossnen Kapitals hervorginge, mit Verlust
an Kapitalwerth verbunden, ebenso eine Erniedrigung der Profit-
rate, die aus Werthsteigerung des vorgeschossnen Kapitals hervor-
ginge, möglicherweise mit Gewinn.


Was den andern Theil des konstanten Kapitals angeht, Maschi-
nerie und überhaupt fixes Kapital, so sind die Werthsteigerungen,
die hier stattfinden, und sich namentlich auf Baulichkeiten, auf
Grund und Boden etc. beziehn, nicht darstellbar ohne die Lehre
von der Grundrente, und gehören daher nicht hierher. Für die
Entwerthung aber sind von allgemeiner Wichtigkeit:


[90]

1) Die beständigen Verbesserungen, welche vorhandne Maschi-
nerie, Fabrikeinrichtung u. s. w., relativ ihres Gebrauchswerths und
damit auch ihres Werths berauben. Dieser Process wirkt gewalt-
sam namentlich in der ersten Epoche neu eingeführter Maschinerie,
bevor diese einen bestimmten Grad der Reife erlangt hat, und wo
sie daher beständig antiquirt ist, bevor sie Zeit hatte, ihren Werth
zu reproduciren. Es ist dies einer der Gründe der in solchen
Epochen üblichen, maßlosen Verlängerung der Arbeitszeit, des
Arbeitens mit wechselnder Schicht bei Tag und bei Nacht, damit
in kürzerm Zeitraum, ohne den Verschleiss der Maschinerie zu hoch
zu berechnen, ihr Werth sich reproducirt. Wird dagegen kurze
Wirkungszeit der Maschinerie (ihre kurze Lebensfrist gegenüber
voraussichtlichen Verbesserungen) nicht so ausgeglichen, so gibt
sie zu viel Werththeil für moralischen Verschleiss an das Produkt
ab, sodass sie selbst mit der Handarbeit nicht konkurriren kann.15)


Wenn Maschinerie, Einrichtung der Baulichkeiten, überhaupt
das fixe Kapital, eine gewisse Reife erlangt hat, sodass es für
längre Zeit wenigstens in seiner Grundkonstruktion unverändert
bleibt, so tritt eine ähnliche Entwerthung ein in Folge von Ver-
besserungen in den Methoden der Reproduktion dieses fixen Kapitals.
Der Werth der Maschinerie etc. sinkt jetzt, nicht weil sie rasch
verdrängt, oder in gewissem Grad entwerthet wird durch neuere,
produktivere Maschinerie etc., sondern weil sie jetzt wohlfeiler
reproducirt werden kann. Es ist dies einer der Gründe, warum
grosse Geschäftsanlagen oft erst in zweiter Hand floriren, nachdem
der erste Besitzer bankrott gemacht, und der zweite, der sie wohl-
feil angekauft, desshalb von vornherein seine Produktion mit ge-
ringrer Kapitalauslage beginnt.


Bei der Agrikultur speciell springt in die Augen, dass dieselben
Gründe, die den Preis des Produkts erhöhen oder senken, auch den
Werth des Kapitals erhöhen oder senken, weil dies selbst zum
grossen Theil aus jenem Produkt, Korn, Vieh etc. besteht. (Ricardo.)


Es wäre nun noch zu erwähnen das variable Kapital.


Soweit der Werth der Arbeitskraft steigt, weil der Werth der
zu ihrer Reproduktion erheischten Lebensmittel steigt, oder um-
gekehrt fällt, weil der Werth dieser Lebensmittel fällt — und
[91] Werthsteigerung und Entwerthung des variablen Kapitals drücken
weiter nichts aus als diese beiden Fälle — so entspricht, bei
gleichbleibender Länge des Arbeitstags, Fallen des Mehrwerths
dieser Werthsteigerung und Wachsen des Mehrwerths dieser Ent-
werthung. Aber es können hiermit zugleich auch andre Umstände
— Freisetzung und Bindung von Kapital — verbunden sein, die
vorher nicht untersucht wurden, und die jetzt kurz angegeben
werden sollen.


Sinkt der Arbeitslohn in Folge eines Werthfalls der Arbeits-
kraft (womit sogar Steigen im realen Preis der Arbeit verbunden
sein kann), so wird also ein Theil des Kapitals, der bisher in
Arbeitslohn ausgelegt war, freigesetzt. Es findet Freisetzung von
variablem Kapital statt. Für neu anzulegendes Kapital hat dies
einfach die Wirkung, dass es mit erhöhter Rate des Mehrwerths
arbeitet. Es wird mit weniger Geld als früher dasselbe Quantum
Arbeit in Bewegung gesetzt, und so erhöht sich der unbezahlte
Theil der Arbeit auf Kosten des bezahlten. Aber für bisher be-
schäftigtes Kapital erhöht sich nicht nur die Rate des Mehrwerths,
sondern ausserdem wird ein Theil des bisher in Arbeitslohn aus-
gelegten Kapitals frei. Er war bisher gebunden und bildete einen
ständigen Theil, der vom Erlös des Produkts abging, in Arbeits-
lohn ausgelegt werden, als variables Kapital fungiren musste, sollte
das Geschäft auf der alten Stufenleiter fortgehn. Jetzt wird dieser
Theil disponibel, und kann also benutzt werden als neue Kapital-
anlage, sei es zur Erweiterung desselben Geschäfts, sei es zur
Funktion in einer andern Produktionssphäre.


Nehmen wir z. B. an, es seien anfänglich 500 £ erheischt ge-
wesen, um 500 Arbeiter wöchentlich in Bewegung zu setzen, und
es seien jetzt nur noch 400 £ dazu erheischt. Dann war, wenn
die Masse des producirten Werths beidemal = 1000 £, die Masse
des wöchentlichen Mehrwerths das erste Mal = 500 £, die Mehr-
werthsrathe \frac{500}{500} = 100 %; aber nach der Lohnsenkung wird die
Masse des Mehrwerths 1000 £ — 400 £ = 600 £ und seine
Rate \frac{600}{400} = 150 %. Und diese Erhöhung der Mehrwerthsrate
ist die einzige Wirkung für den, der mit einem variablen Kapital
von 400 £ und entsprechendem konstanten Kapital ein neues Ge-
schäft in derselben Produktionssphäre anlegt. Aber in einem be-
reits fungirenden Geschäft ist in diesem Fall nicht nur in Folge
der Entwerthung des variablen Kapitals die Mehrwerthsmasse von
500 auf 600 £ und die Mehrwerthsrate von 100 auf 150 % ge-
[92] stiegen; es sind ausserdem 100 £ vom variablen Kapital freigesetzt,
mit denen wieder Arbeit exploitirt werden kann. Dieselbe Arbeits-
menge wird also nicht nur vortheilhafter exploitirt, sondern es
können auch durch die Freisetzung der 100 £ mit demselben
variablen Kapital von 500 £ mehr Arbeiter als zuvor zu der er-
höhten Rate exploitirt werden.


Nun umgekehrt. Gesetzt das ursprüngliche Verhältniss der Pro-
duktvertheilung, bei 500 beschäftigten Arbeitern, sei = 400v +
600m = 1000, also die Rate des Mehrwerths = 150 %. Der
Arbeiter erhält also hier wöchentlich ⅘ £ = 16 Schillinge.
Wenn in Folge der Werthsteigerung des variablen Kapitals 500
Arbeiter nun wöchentlich 500 £ kosten, so wird der Wochen-
lohn eines jeden = 1 £, und 400 £ können nur 400 Arbeiter
in Bewegung setzen. Wird also dieselbe Arbeiteranzahl wie
bisher in Bewegung gesetzt, so haben wir 500v + 500m = 1000;
die Rate des Mehrwerths wäre gesunken von 150 auf 100 %,
also um ⅓. Für ein neu anzulegendes Kapital wäre dies die
einzige Wirkung, dass die Rate des Mehrwerths geringer wäre.
Bei sonst gleichen Umständen wäre die Profitrate entsprechend
gesunken, wenn auch nicht im selben Verhältniss. Wenn z. B.
c = 2000, so haben wir im einen Fall 2000c + 400v +
600m = 3000. m' = 150 %, p' = \frac{600}{2400} = 25 %. Im zweiten Fall
2000c + 500v + 500m = 3000; m' = 100 %; p' = \frac{500}{2500} = 20 %.
Dagegen für das bereits engagirte Kapital wäre die Wirkung
doppelt. Mit 400 £ variablem Kapital können jetzt nur 400
Arbeiter beschäftigt werden, und zwar zu einer Mehrwerthsrate
von 100 %. Sie geben also nur einen Gesammtmehrwerth von
400 £. Da ferner ein konstantes Kapital vom Werth von 2000 £
500 Arbeiter erfordert um es in Bewegung zu setzen, so setzen
400 Arbeiter nur ein konstantes Kapital zum Werth von 1600 £
in Bewegung. Soll also die Produktion auf der bisherigen Stufe
fortgeführt, und nicht ⅕ der Maschinerie stillgesetzt werden, so
muss das variable Kapital um 100 £ erhöht werden, um nach
wie vor 500 Arbeiter zu beschäftigen; und dies ist nur möglich
dadurch, dass bisher disponibles Kapital gebunden wird, indem ein
Theil der Akkumulation, der zur Ausdehnung dienen sollte, jetzt
bloss zur Ausfüllung dient, oder ein zur Verausgabung als Revenue
bestimmter Theil dem alten Kapital zugeschlagen wird. Mit einer
um 100 £ vermehrten Auslage an variablem Kapital wird dann
100 £ weniger Mehrwerth producirt. Um dieselbe Anzahl Arbeiter
[93] in Bewegung zu setzen, ist mehr Kapital nöthig, und zugleich ist
der Mehrwerth verringert, den jeder einzelne Arbeiter liefert.


Die Vortheile, die aus der Freisetzung, und die Nachtheile, die
aus der Bindung von variablem Kapital hervorgehn, existiren
beide nur für das schon engagirte und daher sich in gegebnen
Verhältnissen reproducirende Kapital. Für neu anzulegendes Kapital
beschränkt sich der Vortheil auf der einen, der Nachtheil auf der
andern Seite auf Erhöhung, resp. Erniedrigung der Rate des Mehr-
werths, und entsprechenden, wenn auch keineswegs proportionellen
Wechsel der Rate des Profits.


Die eben untersuchte Freisetzung und Bindung von variablem
Kapital ist die Folge von Entwerthung und Werthsteigerung der
Elemente des variablen Kapitals, d. h. der Reproduktionskosten
der Arbeitskraft. Es könnte aber auch variables Kapital freigesetzt
werden, wenn in Folge der Entwicklung der Produktivkraft, bei
gleichbleibender Rate des Arbeitslohns, weniger Arbeiter erheischt
werden, um dieselbe Masse konstantes Kapital in Bewegung zu
setzen. Ebenso kann umgekehrt Bindung von zusätzlichem variablen
Kapital stattfinden, wenn in Folge von Abnahme der Produktiv-
kraft der Arbeit, mehr Arbeiter erheischt sind auf dieselbe Masse
konstantes Kapital. Wenn dagegen ein Theil des, früher als
variabel angewandten Kapitals in Form von konstantem angewandt
wird, also nur veränderte Vertheilung zwischen den Bestandtheilen
desselben Kapitals stattfindet, so hat dies zwar Einfluss auf die
Rate des Mehrwerths wie des Profits, aber gehört nicht in die
hier betrachtete Rubrik der Bindung und Freisetzung von Kapital.


Konstantes Kapital kann, wie wir schon sahen, ebenfalls ge-
bunden oder entbunden werden in Folge der Werthsteigerung oder
Entwerthung der Elemente, aus denen es besteht. Hiervon ab-
gesehn, ist nur Bindung desselben möglich (ohne dass etwa ein
Theil des variablen in konstantes verwandelt wird), wenn die
Produktivkraft der Arbeit zunimmt, also dieselbe Arbeitsmasse
grössres Produkt erzeugt, und daher mehr konstantes Kapital in
Bewegung setzt. Dasselbe kann unter gewissen Umständen statt-
finden, wenn die Produktivkraft abnimmt, wie z. B. im Ackerbau,
sodass dieselbe Arbeitsmenge, um dasselbe Produkt zu erzeugen,
mehr Produktionsmittel bedarf, z. B. grössere Aussaat oder Düngung,
Drainirung etc. Ohne Entwerthung kann konstantes Kapital frei-
gesetzt werden, wenn durch Verbesserungen, Anwendung von
Naturkräften etc. ein konstantes Kapital von geringerm Werth in
[94] den Stand gesetzt wird, technisch denselben Dienst zu leisten, wie
früher ein höherwerthiges.


Man hat im Buch II gesehn, dass nachdem die Waaren in Geld
verwandelt, verkauft sind, ein bestimmter Theil dieses Geldes wieder
in die stofflichen Elemente des konstanten Kapitals rückverwandelt
werden muss, und zwar in den Verhältnissen, wie sie der bestimmte
technische Charakter jeder gegebnen Produktionssphäre erheischt.
Hier ist in allen Zweigen — vom Arbeitslohn, also vom variablen
Kapital abgesehn — das wichtigste Element der Rohstoff, mit
Einschluss der Hülfsstoffe, die namentlich wichtig in Produktions-
zweigen, wo kein eigentlicher Rohstoff eingeht, wie in Bergwerken
und der extraktiven Industrie überhaupt. Der Theil des Preises,
der den Verschleiss der Maschinerie ersetzen muss, geht mehr
ideell in die Rechnung ein, solange die Maschinerie überhaupt
noch werkfähig ist; es kommt nicht sehr darauf an, ob er heute
oder morgen, oder in welchem Abschnitt der Umschlagszeit des
Kapitals er gezahlt und in Geld ersetzt wird. Anders mit dem
Rohstoff. Steigt der Preis des Rohstoffs, so mag es unmöglich
sein, ihn nach Abzug des Arbeitslohns aus dem Werth der Waare
vollständig zu ersetzen. Heftige Preisschwankungen bringen daher
Unterbrechungen, grosse Kollisionen und selbst Katastrophen im
Reproduktionsprocess hervor. Es sind namentlich eigentliche
Agrikulturprodukte, der organischen Natur entstammende Rohstoffe,
die solchen Werthschwankungen in Folge wechselnder Ernte-
erträge etc. — hier noch ganz vom Kreditsystem abgesehn —
unterworfen sind. Dasselbe Quantum Arbeit kann sich hier in
Folge unkontrolirbarer Naturverhältnisse, der Gunst oder Ungunst
der Jahreszeiten u. s. w., in sehr verschiednen Mengen von Ge-
brauchswerthen darstellen, und ein bestimmtes Maß dieser Ge-
brauchswerthe wird darnach einen sehr verschiednen Preis haben.
Stellt sich der Werth x in 100 der Waare a dar, so ist der
Preis von einem Pfund von a = \frac{x}{100}; wenn in 1000 a, ist der
Preis eines Pfundes von a = \frac{x}{1000} u. s. w. Es ist dies also das
eine Element dieser Preisschwankungen des Rohstoffs. Ein zweites,
das nur der Vollständigkeit wegen hier erwähnt wird — da die
Konkurrenz wie das Kreditsystem hier noch ausser dem Kreis
unsrer Betrachtung liegt — ist dies: Es ist in der Natur der
Sache begründet, dass pflanzliche und thierische Stoffe, deren Wachs-
thum und Produktion bestimmten organischen, an gewisse natür-
liche Zeiträume gebundnen Gesetzen unterworfen sind, nicht plötz-
[95] lich in demselben Maß vermehrt werden können, wie z. B. Maschinen
und andres fixes Kapital, Kohlen, Erze etc., deren Vermehrung, die
sonstigen Naturbedingungen vorausgesetzt, in einem industriell
entwickelten Land in kürzester Frist vor sich gehn kann. Es ist
daher möglich, und bei entwickelter kapitalistischer Produktion
sogar unvermeidlich, dass die Produktion und Vermehrung des
Theils des konstanten Kapitals, der aus fixem Kapital, Maschinerie etc.
besteht, einen bedeutenden Vorsprung gewinnt vor dem Theil des-
selben, der aus organischen Rohstoffen besteht, sodass die Nach-
frage nach diesen Rohstoffen schneller wächst als ihre Zufuhr,
und daher ihr Preis steigt. Dies Steigen des Preises führt in der
That nach sich 1) dass diese Rohstoffe aus grössrer Entfernung
zugeführt werden, indem der steigende Preis grössre Transport-
kosten deckt; 2) dass die Produktion derselben vermehrt wird, ein
Umstand, welcher, der Natur der Sache nach, aber vielleicht erst
ein Jahr später die Produktenmasse wirklich vermehren kann;
und 3) dass allerlei früher unbenutzte Surrogate vernutzt, und
ökonomischer mit den Abfällen umgegangen wird. Wenn das
Steigen der Preise anfängt, sehr merklich auf die Ausdehnung der
Produktion und die Zufuhr zu wirken, ist meist schon der Wende-
punkt eingetreten, wo in Folge des länger fortgesetzten Steigens
des Rohstoffs und aller Waaren, in die er als Element eingeht,
die Nachfrage fällt, und daher auch eine Reaktion im Preis des
Rohstoffs eintritt. Abgesehn von den Konvulsionen, die dies durch
Entwerthung von Kapital in verschiednen Formen bewirkt, treten
noch andre gleich zu erwähnende Umstände ein.


Zunächst ist aber schon aus dem bisher gesagten klar: Je ent-
wickelter die kapitalistische Produktion, und je grösser daher die
Mittel plötzlicher und anhaltender Vermehrung des aus Maschi-
nerie u. s. w. bestehenden Theils des konstanten Kapitals, je rascher
die Akkumulation (wie namentlich in Zeiten der Prosperität), desto
grösser die relative Ueberproduktion von Maschinerie und andrem
fixen Kapital, und desto häufiger die relative Unterproduktion der
pflanzlichen und thierischen Rohstoffe, desto markirter das vorher
beschriebne Steigen ihres Preises und der diesem entsprechende
Rückschlag. Desto häufiger sind also die Revulsionen, die in
dieser heftigen Preisschwankung eines der Hauptelemente des
Reproduktionsprocesses ihren Grund haben.


Tritt nun aber der Zusammenbruch dieser hohen Preise ein,
weil ihr Steigen theils eine Verminderung der Nachfrage hervor-
gerufen, theils aber eine Erweiterung der Produktion hier, eine
[96] Zufuhr von entferntern und bisher weniger oder gar nicht benutzten
Produktionsgegenden dort verursacht hat, und mit beiden eine die
Nachfrage überholende Zufuhr der Rohstoffe — sie namentlich
überholend bei den alten hohen Preisen — so ist das Resultat
von verschiednen Gesichtspunkten zu betrachten. Der plötzliche
Zusammenbruch des Preises der Rohprodukte legt ihrer Reproduk-
tion einen Hemmschuh an, und so wird das Monopol der Ur-
sprungsländer, die unter den günstigsten Bedingungen produciren,
wieder hergestellt; vielleicht unter gewissen Einschränkungen her-
gestellt, aber doch hergestellt. Die Reproduktion der Rohstoffe
geht zwar in Folge des gegebnen Anstosses auf erweiterter
Stufenleiter vor sich, namentlich in den Ländern, die mehr oder
weniger das Monopol dieser Produktion besitzen. Aber die Basis,
auf der in Folge der erweiterten Maschinerie etc. die Produktion
vor sich geht, und die nun nach einigen Schwankungen als neue
normale Basis, als neuer Ausgangspunkt zu gelten hat, ist sehr
erweitert durch die Vorgänge während des letzten Umschlags-
cyklus. Dabei hat aber in einem Theil der sekundären Bezugs-
quellen die eben erst gesteigerte Reproduktion wieder bedeutende
Hemmung erfahren. So kann man z. B. aus den Exporttabellen
mit den Fingern herauszeigen, wie während der letzten 30 Jahre
(bis 1865) die indische Baumwollproduktion wächst, wenn Ausfall
in der amerikanischen eintritt, und dann plötzlich wieder mehr
oder minder nachhaltig zurückgeht. Während der Zeit der Roh-
stofftheurung thun sich die industriellen Kapitalisten zusammen,
bilden Associationen, um die Produktion zu reguliren. So z. B.
nach dem Steigen der Baumwollpreise 1848 in Manchester, ähn-
lich für die Produktion des Flachses in Irland. Sobald aber der
unmittelbare Anstoss vorüber ist, und das allgemeine Princip der
Konkurrenz, „im wohlfeilsten Markt zu kaufen“ (statt wie jene
Associationen bezwecken die Produktionsfähigkeit in passenden
Ursprungsländern zu begünstigen, abgesehn vom unmittelbaren,
augenblicklichen Preis, wozu diese das Produkt derzeit liefern
können) — sobald also das Princip der Konkurrenz wieder souverän
herrscht, überlässt man es wieder dem „Preise“, die Zufuhr zu
reguliren. Aller Gedanke an gemeinsame, übergreifende und vor-
sehende Kontrole der Produktion der Rohstoffe — eine Kontrole,
die im ganzen und grossen auch durchaus unvereinbar ist mit den
Gesetzen der kapitalistischen Produktion, und daher immer from-
mer Wunsch bleibt oder sich auf ausnahmsweise gemeinsame
Schritte in Augenblicken grosser unmittelbarer Gefahr und Rath-
[97] losigkeit beschränkt — macht Platz dem Glauben, dass Nachfrage
und Zufuhr sich gegenseitig reguliren werden.16) Der Aberglaube
der Kapitalisten ist hier so grob, dass selbst die Fabrikinspektoren
wieder und wieder in ihren Berichten darüber die Hände über
dem Kopf zusammenschlagen. Die Abwechslung guter und schlechter
Jahre bringt natürlich auch wieder wohlfeilere Rohstoffe hervor. Ab-
gesehn von der unmittelbaren Wirkung, die dies auf Ausdehnung
der Nachfrage hat, kommt hinzu die früher erwähnte Wirkung
auf die Profitrate, als Stimulus. Und der obige Process mit dem
allmäligen Ueberholtwerden der Produktion der Rohstoffe durch
die Produktion von Maschinerie etc. wiederholt sich dann auf
grössrer Stufenleiter. Die wirkliche Verbesserung des Rohstoffs,
sodass er nicht nur der Quantität, sondern auch der erheischten
Qualität nach geliefert würde, z. B. Baumwolle amerikanischer Qualität
von Indien aus, würde erheischen langfortgesetzte, regelmäßig
wachsende und stetige europäische Nachfrage (ganz abgesehn von
den ökonomischen Bedingungen, worunter der indische Producent
in seiner Heimath gestellt ist). So aber wird die Produktions-
sphäre der Rohstoffe nur stossweise, bald plötzlich erweitert, dann
wieder gewaltsam kontrahirt. Es ist dies alles, wie auch der
Geist der kapitalistischen Produktion überhaupt, sehr gut zu
studiren an der Baumwollennoth von 1861—65, wo noch hinzu-
kam, dass ein Rohstoff zeitweis ganz fehlte, der eins der wesent-
lichsten Elemente der Reproduktion ist. Es kann nämlich auch
der Preis steigen, während die Zufuhr voll ist, aber unter schwie-
rigern Bedingungen voll. Oder es kann wirklicher Mangel an
Marx, Kapital III. 7
[98] Rohstoff vorhanden sein. In der Baumwollkrisis fand ursprüng-
lich das letztre statt.


Jemehr wir daher in der Geschichte der Produktion der un-
mittelbarsten Gegenwart näher rücken, um so regelmäßiger finden
wir, namentlich in den entscheidenden Industriezweigen, den stets
sich wiederholenden Wechsel zwischen relativer Theurung und
daraus entspringender, spätrer Entwerthung der der organischen
Natur entlehnten Rohstoffe. Man wird das bisher Entwickelte
illustrirt finden in den folgenden, den Berichten der Fabrikinspek-
toren entlehnten Beispielen.


Die Moral von der Geschichte, die man auch durch sonstige
Betrachtung der Agrikultur gewinnen kann, ist die, dass das kapi-
talistische System einer rationellen Agrikultur widerstrebt oder die
rationelle Agrikultur unverträglich ist mit dem kapitalistischen
System (obgleich dies ihre technische Entwicklung befördert) und
entweder der Hand des selbst arbeitenden Kleinbauern oder der
Kontrole der associirten Producenten bedarf.


Wir lassen nun die soeben erwähnten Illustrationen aus den
englischen Fabrikberichten folgen.


„Der Stand des Geschäfts ist besser; aber der Cyklus guter
und schlechter Zeiten verkürzt sich mit der Vermehrung der
Maschinerie, und wie sich damit die Nachfrage nach Rohstoff ver-
mehrt, wiederholen sich auch die Schwankungen in der Geschäfts-
lage häufiger . . . . Augenblicklich ist nicht nur das Vertrauen
wieder hergestellt nach der Panik von 1857, sondern die Panik
selbst scheint fast ganz vergessen. Ob diese Besserung anhalten
wird oder nicht, hängt in sehr grossem Maß ab vom Preis der
Rohstoffe. Es zeigen sich mir bereits Vorzeichen, dass in einigen
Fällen das Maximum schon erreicht ist, worüber hinaus die Fabri-
kation immer weniger profitlich wird, bis sie endlich ganz aufhört
Profit zu liefern. Nehmen wir z. B. die gewinnreichen Jahre im
Worsted-Geschäft 1849 und 1850, so sehn wir, dass der Preis
englicher Kammwolle auf 13 d. stand, und von australischer 14
bis 17 d. per , und dass im Durchschnitt der 10 Jahre 1841 bis
1850 der Durchschnittspreis englischer Wolle nie über 14 d.
und australischer über 17 d. per stieg. Aber im Anfang des
Unglücksjahrs 1857 stand australische Wolle auf 23 d.; sie fiel
im December, in der schlimmsten Zeit der Panik, auf 18 d., ist
aber im Lauf des Jahres 1858 wieder auf den gegenwärtigen Preis
von 21 d. gestiegen. Englische Wolle fing 1857 ebenfalls mit 20 d.
[99] an, stieg im April und September auf 21 d., fiel im Januar 1858
auf 14 d., und ist seitdem auf 17 d. gestiegen, sodass sie 3 d. per
höher steht als der Durchschnitt der angeführten 10 Jahre …
Dies zeigt nach meiner Ansicht, dass entweder die Fallimente von
1857, die ähnlichen Preisen geschuldet waren, vergessen sind;
oder dass nur knapp so viel Wolle producirt wird, wie die vor-
handnen Spindeln verspinnen können; oder aber dass die Preise
von Geweben eine dauernde Steigerung erfahren werden … Ich
habe aber in meiner bisherigen Erfahrung gesehn, wie in unglaub-
lich kurzer Zeit die Spindeln und Webstühle nicht nur ihre Zahl
vervielfältigt haben, sondern auch ihre Betriebsgeschwindigkeit;
dass ferner unsre Wollausfuhr nach Frankreich fast in demselben
Verhältniss gestiegen ist, während sowohl im In- wie im Ausland
das Durchnittsalter der gehaltnen Schafe immer niedriger wird,
da die Bevölkerung sich rasch vermehrt und die Züchter ihren
Viehbestand so rasch wie möglich in Geld verwandeln wollen. Es
ist mir daher oft ängstlich zu Muthe gewesen, wenn ich Leute
sah, die, ohne diese Kenntniss, ihr Geschick und ihr Kapital in
Unternehmungen angelegt haben, deren Erfolg von der Zufuhr
eines Produkts abhängt, das nur nach gewissen organischen Ge-
setzen sich vermehren kann … Der Stand von Nachfrage und
Zufuhr aller Rohstoffe … scheint viele Schwankungen im Baum-
wollengeschäft zu erklären, und ebenso die Lage des englischen
Wollmarkts im Herbst 1857 und die daraus folgende Geschäfts-
krisis.“17) (R. Baker, in Rep. Fact., Oct. 1858, p. 56—61.)


Die Blütezeit der Worsted-Industrie des West-Riding von York-
shire war 1849—50. Es wurden dort hierin beschäftigt 1838
29246 Personen, 1843 37000, 1845 48097, 1850 74891. In
demselben Distrikt: 1838 2768 mechanische Webstühle, 1841
11458, 1843 16870, 1845 19121 und 1850 29539. (Rep. Fact.,
1850, p. 60.) Diese Blüte der Kammwollindustrie fing an be-
reits im Oktober 1850 verdächtig zu werden. Im Bericht vom
April 1851 sagt Sub-Inspector Baker über Leeds und Bradford:
„Der Stand des Geschäfts ist seit einiger Zeit sehr unbefriedigend.
Die Kammgarnspinner verlieren rasch die Profite von 1850, und
die Mehrzahl der Weber kommt auch nicht besonders voran. Ich
glaube, dass augenblicklich mehr Wollenmaschinerie stillsteht als
7*
[100] je vorher, und auch die Flachsspinner entlassen Arbeiter und
stellen Maschinen still. Die Cyklen der Textil-Industrie sind jetzt
in der That äusserst ungewiss, und wir werden, denke ich, bald
zur Einsicht kommen . . . . dass kein Verhältniss eingehalten wird
zwischen der Produktionsfähigkeit der Spindeln, der Menge des
Rohstoffs, und der Vermehrung der Bevölkerung.“ (p. 52.)


Dasselbe gilt für die Baumwollindustrie. In dem eben citirten
Bericht von Oktober 1858 heisst es: „Seitdem die Arbeitsstunden
in Fabriken festgesetzt worden, sind die Beträge des Rohstoff-
verbrauchs, der Produktion, der Löhne in allen Textilindustrien auf
einfache Regel-de-tri reducirt worden … Ich citire aus einem
neulichen Vortrag . . . . des Herrn Payns, des jetzigen Mayor von
Blackburn, über die Baumwollindustrie, worin er die industrielle
Statistik seiner eignen Gegend mit möglichster Genauigkeit zu-
sammengestellt:


„Jede wirkliche Pferdekraft bewegt 450 self-actor-Spindeln nebst
Vorspinnmaschinerie, oder 200 throstle-Spindeln, oder 15 Stühle
für 40 Zoll breites Tuch, nebst Haspel-, Scherungs- und Schlicht-
maschinerie. Jede Pferdekraft beschäftigt beim Spinnen 2½ Ar-
beiter, beim Weben aber 10; ihr Durchschnittslohn ist reichlich
10½ sh. per Kopf per Woche … Die verarbeiteten Durchschnitts-
nummern sind Nr. 30—32 für die Kette und Nr. 34—36 für den
Einschlag; nehmen wir das wöchentlich producirte Gespinnst auf
13 Unzen per Spindel an, so gibt dies 824,700 Garn per Woche,
wofür 970000 oder 2300 Ballen Baumwolle zum Preis von
28300 £ verbraucht werden … In unserm Distrikt (in einem
Umkreis um Blackburn mit 5 englischen Meilen Radius) ist der
wöchentliche Baumwollverbrauch 1530000 oder 3650 Ballen
zum Kostpreis von 44625 £. Es ist dies \frac{1}{18} der ganzen Baum-
wollspinnerei des Vereinigten Königreichs und \frac{1}{16} der sämmtlichen
mechanischen Weberei.“


„Nach den Berechnungen des Herrn Payns wäre also die Ge-
sammtzahl der Baumwollspindeln des Königreichs 28800000, und
um diese in voller Beschäftigung zu halten, würden jährlich
1432080000 Baumwolle erfordert. Aber die Baumwolleinfuhr,
nach Abzug der Ausfuhr, war 1856 und 1857 nur 1022576832 ;
es muss also nothwendig ein Deficit von 409503168 stattge-
funden haben. Herr Payns, der die Güte hatte, diesen Punkt mit
mir zu besprechen, glaubt, dass eine Berechnung des jährlichen
Baumwollverbrauchs, begründet auf den Verbrauch des Distrikts
von Blackburn, zu hoch ausfallen würde in Folge des Unter-
[101] schieds, nicht nur der gesponnenen Nummern, sondern auch der
Vortrefflichkeit der Maschinerie. Er schätzt den gesammten jähr-
lichen Baumwollverbrauch des Vereinigten Königreichs auf
1000 Mill. . Aber wenn er recht hat und wirklich ein Ueber-
schuss der Zufuhr von 22½ Mill. stattfindet, so scheint Nachfrage
und Zufuhr sich schon jetzt beinahe das Gleichgewicht zu halten,
auch ohne dass wir die zusätzlichen Spindeln und Webstühle in
Erwägung ziehn, die nach Herrn Payns in seinem eignen Bezirk
in Aufstellung begriffen sind und, darnach zu urtheilen, in andren
Distrikten wahrscheinlich ebenfalls.“ (p. 59, 60.)


III. Allgemeine Illustration: die Baumwollkrisis 1861—1865.

Vorgeschichte 1845—1860.

1845. Blütezeit der Baumwollindustrie. Sehr niedriger Baum-
wollpreis. L. Horner sagt darüber: „Während der letzten 8 Jahre
ist mir keine so lebhafte Geschäftsperiode vorgekommen, wie sie
im letzten Sommer und Herbst vorgeherrscht hat. Besonders in
der Baumwollspinnerei. Das ganze halbe Jahr durch habe ich
jede Woche Anmeldungen neuer Kapitalanlagen in Fabriken er-
halten; bald waren es neue Fabriken, die gebaut wurden, bald
hatten die wenigen leerstehenden neue Miether gefunden, bald
wurden im Betrieb befindliche Fabriken ausgedehnt, neue stärkre
Dampfmaschinen und vermehrte Arbeitsmaschinerie aufgestellt.“
(Rep. Fact., Nov. 1845, p. 13.)


1846. Die Klagen beginnen. „Schon seit längrer Zeit höre
ich von den Baumwollfabrikanten sehr verbreitete Klagen über
den gedrückten Stand ihres Geschäfts . . . . während der letzten
6 Wochen haben verschiedne Fabriken angefangen kurze Zeit
zu arbeiten, gewöhnlich 8 Stunden täglich statt 12; dies scheint
sich zu verbreiten . . . . es hat ein grosser Preisaufschlag der Baum-
wolle stattgefunden und . . . . nicht nur keine Preiserhöhung des
Fabrikats, sondern . . . . seine Preise sind niedriger als vor dem
Aufschlag in Baumwolle. Die grosse Vermehrung in der Zahl
der Baumwollfabriken während der letzten 4 Jahre muss zur Folge
gehabt haben, einerseits eine stark vermehrte Nachfrage nach dem
Rohstoff, und andrerseits eine stark vermehrte Zufuhr von Fabri-
katen auf den Markt; beide Ursachen müssen gemeinsam zur Her-
abdrückung des Profits gewirkt haben, solange die Zufuhr des
Rohstoffs und die Nachfrage nach dem Fabrikat unverändert blieb;
[102] aber sie haben noch weit stärker gewirkt, weil einerseits die Zu-
fuhr von Baumwolle neuerdings ungenügend war, und andrerseits
die Nachfrage nach den Fabrikaten in verschiednen inländischen
und ausländischen Märkten abgenommen hat.“ (Rep. Fact., Dec.
1846, p. 10.)


Die steigende Nachfrage nach Rohstoff und die Ueberfüllung
des Markts mit Fabrikat gehn natürlich Hand in Hand. — Bei-
läufig beschränkte sich die damalige Ausdehnung der Industrie
und nachfolgende Stockung nicht auf die Baumwolldistrikte. Im
Kammwoll-Distrikt von Bradford waren 1836 nur 318 Fabriken,
1846 dagegen 490. Diese Zahlen drücken bei weitem nicht die
wirkliche Steigerung der Produktion aus, da die bestehenden
Fabriken gleichzeitig bedeutend erweitert wurden. Dies gilt be-
sonders auch von Flachsspinnereien. „Sie alle haben mehr oder
weniger während der letzten 10 Jahre beigetragen zu der Ueber-
führung des Markts, der die jetzige Stockung des Geschäfts grossen-
theils zugeschrieben werden muss … Der gedrückte Geschäfts-
stand folgt ganz natürlich aus einer so raschen Erweitrung der
Fabriken und der Maschinerie.“ (Rep. Fact., Nov. 1846, p. 30.)


1847. Im Oktober Geldkrisis. Diskonto 8 %. Vorher schon
Zusammenbruch des Eisenbahnschwindels, der ostindischen Wechsel-
reiterei. Aber:


„Herr Baker gibt sehr interessante Details über die in den
letzten Jahren gestiegne Nachfrage für Baumwolle, Wolle und
Flachs, in Folge der Ausdehnung dieser Industrien. Er hält die
vermehrte Nachfrage nach diesen Rohstoffen, namentlich da sie
zu einer Zeit eintrat, wo deren Zufuhr weit unter den Durch-
schnitt gefallen ist, für fast genügend, den gegenwärtigen ge-
drückten Stand dieser Geschäftszweige zu erklären, auch ohne dass
man die Zerrüttung des Geldmarkts zu Hülfe nimmt. Diese An-
sicht wird vollständig bestätigt durch meine eignen Beobachtungen
und durch das was ich von geschäftskundigen Leuten erfahren
habe. Diese verschiednen Geschäftszweige waren alle schon sehr
gedrückt, als Diskontirungen noch leicht zu 5 % und weniger zu
bewirken waren. Dagegen war die Zufuhr von Rohseide reich-
lich, die Preise mäßig, und das Geschäft demgemäß lebhaft, bis
… in den letzten 2 oder 3 Wochen, wo unzweifelhaft die Geld-
krisis nicht nur die Tramirer selbst, sondern noch mehr ihre
Hauptkunden, die Fabrikanten von Modewaaren afficirt hat. Ein
Blick auf die veröffentlichten amtlichen Berichte zeigt, dass die
Baumwollindustrie in den letzten drei Jahren sich um beinahe
[103] 27 % vermehrt hat. In Folge dessen ist Baumwolle, rund ge-
sprochen, von 4 d. auf 6 d. per gestiegen, während Garn, dank
der vermehrten Zufuhr, nur eine Kleinigkeit über seinem frühern
Preise steht. Die Wollindustrie fing 1836 an sich auszudehnen;
seitdem ist sie in Yorkshire um 40 % gewachsen, und in Schott-
land noch mehr. Noch grösser ist der Zuwachs in der Worsted-
Industrie.18) Die Berechnungen ergeben hier für denselben Zeit-
raum eine Ausdehnung von über 74 %. Der Verbrauch von Roh-
wolle ist daher enorm gewesen. Die Leinenindustrie zeigt seit
1839 einen Zuwachs von ungefähr 25 % in England, 22 % in
Schottland und beinahe 90 % in Irland19); die Folge hiervon, bei
gleichzeitigen schlechten Flachsernten, war, dass der Rohstoff um
10 £ per Tonne gestiegen, der Garnpreis dagegen 6 d. das Bündel
gefallen ist.“ (Rep. Fact., Oct. 1847, p. 30.)


1849. Seit den letzten Monaten von 1848 lebte das Geschäft
wieder auf. „Der Flachspreis, der so niedrig war, dass er fast
unter allen möglichen zukünftigen Umständen einen erträglichen
Profit sicher stellte, hat die Fabrikanten veranlasst, ihr Geschäft
stetig fortzuführen. Die Wollfabrikanten waren im Anfang des
Jahrs eine Zeit lang sehr stark beschäftigt … ich fürchte aber,
dass Konsignationen von Wollenwaaren oft die Stelle wirklicher
Nachfrage vertreten, und dass Perioden scheinbarer Prosperität,
d. h. voller Beschäftigung, nicht immer mit den Perioden legitimer
Nachfrage sich decken. Während einiger Monate ist das Worsted-
Geschäft besonders gut gewesen … Im Anfang der erwähnten
Periode stand Wolle besonders niedrig; die Spinner hatten sich
zu vortheilhaften Preisen gedeckt, und sicher auch in bedeutenden
Quantitäten. Als der Wollpreis mit den Frühjahrsauktionen
stieg, hatten die Spinner den Vortheil davon, und sie behielten
ihn, da die Nachfrage nach Fabrikaten beträchtlich und unab-
weisbar wurde.“ (Rep. Fact., 1849, p. 30, 31.)


„Wenn wir die Variationen im Stand des Geschäfts ansehn, die
in den Fabrikdistrikten seit jetzt 3 oder 4 Jahren vorgekommen
sind, so müssen wir, glaube ich, zugeben, dass irgendwo eine
grosse Störungsursache besteht … Kann da nicht die ungeheure
[104] Produktivkraft der vermehrten Maschinerie ein neues Element ge-
liefert haben?“ (Rep. Fact., April 1849, p. 42.)


Im November 1848, Mai und Sommer bis Oktober 1849 wurde
das Geschäft immer schwunghafter. „Am meisten gilt dies von
der Fabrikation von Stoffen aus Kammgarn, die sich um Bradford
und Halifax gruppirt; dies Geschäft hat zu keiner frühern Zeit
auch nur annähernd seine jetzige Ausdehnung erreicht … Die
Spekulation im Rohstoff und die Ungewissheit über seine wahr-
scheinliche Zufuhr hat von jeher grössre Aufregung und häufigere
Schwankung in der Baumwollindustrie hervorgerufen als in irgend
einem andern Geschäftszweig. Es findet hier augenblicklich eine
Anhäufung von Vorräthen gröbrer Baumwollwaaren statt, die die
kleinern Spinner beunruhigt und sie bereits benachtheiligt, sodass
mehrere von ihnen kurze Zeit arbeiten.“ (l. c., p. 42, 43.)


1850. April. Fortdauernd flottes Geschäft. Ausnahme: „Grosse
Depression in einem Theil der Baumwollindustrie in Folge unge-
nügender Zufuhr des Rohstoffs gerade für grobe Garnnummern und
schwere Gewebe … Es wird befürchtet, dass die für das Worsted-
Geschäft neuerdings aufgestellte vermehrte Maschinerie eine ähn-
liche Reaktion herbeiführen wird. Herr Baker berechnet, dass
allein im Jahr 1849 in diesem Geschäftszweig das Produkt der
Webstühle um 40 % und das der Spindeln um 25—30 % ge-
stiegen ist, und die Ausdehnung geht noch immer im selben
Verhältniss voran.“ (Rep. Fact., April 1850, p. 54.)


1850. Oktober. „Der Baumwollpreis fährt fort … eine be-
trächtliche Gedrücktheit in diesem Industriezweig zu verursachen,
besonders für solche Waaren, bei denen der Rohstoff einen be-
trächtlichen Theil der Produktionskosten ausmacht. Der grosse
Preisaufschlag der Rohseide hat auch in diesem Zweig vielfach
einen Druck herbeigeführt.“ (Rep. Fact., Oct. 1850, p. 15.) —
Nach dem hier citirten Bericht des Comité’s der königlichen Ge-
sellschaft für Flachsbau in Irland hatte hier der hohe Flachs-
preis, bei niedrigem Preisstand andrer landwirthschaftlichen Pro-
dukte, eine bedeutende Vermehrung der Flachsproduktion für das
folgende Jahr sicher gestellt. (p. 33.)


1853. April. Grosse Prosperität. „Zu keiner Zeit während der
17 Jahre, während denen ich amtliche Kenntniss genommen habe
vom Stand des Fabrikdistrikts von Lancashire, ist mir eine solche
allgemeine Prosperität vorgekommen; die Thätigkeit ist in allen
Zweigen ausserordentlich,“ sagt L. Horner, Rep. Fact., April
1853, p. 19.)


[105]

1853. Oktober. Depression der Baumwollindustrie. „Ueber-
produktion.“ (Rep. Fact., Oktober 1853, p. 15.)


1854. April. „Das Wollgeschäft, obwohl nicht flott, hat in
allen Fabriken volle Beschäftigung geliefert; ebenso die Baumwoll-
industrie. Das Worsted-Geschäft war im ganzen vorigen Halb-
jahr durchweg unregelmäßig … In der Leinenindustrie fand
Störung statt in Folge der verminderten Zufuhren von Flachs und
Hanf aus Russland wegen des Krimkriegs.“ (Rep. Fact., 1854, p. 37.)


1859. „Das Geschäft in der schottischen Leinenindustrie ist
noch gedrückt … da der Rohstoff selten und theuer ist; die ge-
ringe Qualität der vorigen Ernte in den Ostseeländern, woher wir
unsre Hauptzufuhr bezogen, wird eine schädliche Wirkung auf das
Geschäft dieses Bezirks ausüben; dagegen ist Jute, die in vielen
groben Artikeln den Flachs allmälig verdrängt, weder ungewöhn-
lich theuer noch selten … ungefähr die Hälfte der Maschinerie in
Dundee spinnt jetzt Jute. (Rep. Fact., April 1859, p. 19.) —
„In Folge des hohen Preises des Rohstoffs ist die Flachsspinnerei
noch immer durchaus nicht lohnend, und während alle andern
Fabriken die volle Zeit laufen, haben wir verschiedne Beispiele
der Stillsetzung von Flachsmaschinerie … Die Jute-Spinnerei …
ist in einer zufriedenstellendern Lage, da neuerdings dieser Stoff
auf einen mäßigern Preis herabgegangen ist.“ (Rep. Fact., Oktober
1859, p. 30.)


1861—64. Amerikanischer Bürgerkrieg. Cotton Famine. Das grösste
Beispiel der Unterbrechung des Produktionsprocesses durch Mangel
und Theurung des Rohstoffs.

1860. April. „Was den Stand des Geschäfts angeht, freut es
mich Ihnen mittheilen zu können, dass trotz des hohen Preises
der Rohstoffe alle Textilindustrien, mit Ausnahme von Seide,
während des letzten halben Jahres recht gut beschäftigt gewesen
sind … In einigen der Baumwollbezirke sind Arbeiter auf dem
Weg der Annonce gesucht worden, und aus Norfolk und andern
ländlichen Grafschaften dorthin gewandert … Es scheint in jedem
Industriezweig ein grosser Mangel an Rohstoff zu herrschen. Es
ist … dieser Mangel allein der uns in Schranken hält. Im
Baumwollgeschäft ist die Zahl der neu errichteten Fabriken, die
Erweiterung der schon bestehenden, und die Nachfrage nach
Arbeitern, wohl nie so stark gewesen wie jetzt. Nach allen Rich-
tungen hin ist man auf der Suche nach Rohstoff.“ (Rep. Fact.,
April 1860.)


1860. Oktober. „Der Stand des Geschäfts in den Baumwoll-,
[106] Woll- und Flachsbezirken ist gut gewesen; in Irland soll er so-
gar sehr gut gewesen sein seit mehr als einem Jahr, und wäre noch
besser gewesen, ohne den hohen Preis des Rohstoffs. Die Flachs-
spinner scheinen mit mehr Ungeduld als je auf die Eröffnung der
Hülfsquellen Indiens durch die Eisenbahnen zu warten, und auf
die entsprechende Entwicklung seiner Agrikultur, um endlich eine
… ihren Bedürfnissen entsprechende Zufuhr von Flachs zu er-
halten.“ (Rep. Fact., Oktober 1860, p. 37.)


1861. April. „Der Geschäftsstand ist augenblicklich gedrückt
… einige wenige Baumwollfabriken arbeiten kurze Zeit, und viele
Seidenfabriken sind nur theilweise beschäftigt. Rohstoff ist theuer.
In fast jedem textilen Zweige steht er über dem Preis, zu dem
er für die Masse der Konsumenten verarbeitet werden kann.“
(Rep. Fact., April 1861, p. 33.)


Es zeigte sich jetzt, dass 1860 in der Baumwoll-Industrie über-
producirt worden war; die Wirkung davon machte sich noch
während der nächsten Jahre fühlbar. „Es hat zwischen zwei und
drei Jahren genommen, bis die Ueberproduktion von 1860 auf
dem Weltmarkt absorbirt war.“ (Rep. Fact., December 1863,
p. 127.) „Der gedrückte Stand der Märkte für Baumwollfabrikate
in Ostasien, Anfangs 1860, hatte eine entsprechende Rückwirkung
auf das Geschäft in Blackburn, wo im Durchschnitt 30000 mecha-
nische Webstühle fast ausschliesslich in der Produktion von Ge-
weben für diesen Markt beschäftigt sind. Die Nachfrage für
Arbeit war demzufolge hier schon beschränkt, viele Monate bevor
die Wirkungen der Baumwollblokade sich fühlbar machten …
Glücklicherweise wurden hierdurch viele Fabrikanten vor dem
Ruin bewahrt. Die Vorräthe stiegen im Werth, so lange man
sie auf Lager hielt, und so wurde die erschreckende Entwerthung
vermieden, die sonst in einer solchen Krisis unvermeidlich war.“
(Rep. Fact., Oktober 1862, p. 28, 29.)


1861. Oktober. „Das Geschäft ist seit einiger Zeit sehr ge-
drückt gewesen … Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass
während der Wintermonate viele Fabriken die Arbeitszeit sehr ver-
kürzen werden. Dies war indess vorherzusehn … ganz abgesehn
von den Ursachen, die unsre gewöhnliche Baumwollzufuhr von
Amerika und unsre Ausfuhr unterbrochen haben, würde Verkür-
zung der Arbeitszeit für den kommenden Winter nothwendig ge-
worden sein in Folge der starken Vermehrung der Produktion in
den letzten drei Jahren und der Störungen im indischen und
chinesischen Markt.“ (Rep. Fact., Oktober 1861, p. 19.)


[107]

Baumwollabfall. Ostindische Baumwolle (Surat). Ein-
fluss auf den Lohn der Arbeiter. Verbesserung in der
Maschinerie. Ersetzung von Baumwolle durch Stärk-
mehl und Mineralien. Wirkung dieser Stärkmehlschlichte
auf die Arbeiter. Spinner feinerer Garnnummern. Be-
trug der Fabrikanten
.


„Ein Fabrikant schreibt mir wie folgt: ‚Was die Schätzung
des Baumwollverbrauchs per Spindel betrifft, so ziehn Sie wohl
nicht hinreichend die Thatsache in Rechnung, dass, wenn Baum-
wolle theuer ist, jeder Spinner gewöhnlicher Garne (sage bis Nr. 40,
hauptsächlich Nr. 12—32) so feine Nummern spinnt wie er nur
irgend kann, d. h. er wird Nr. 16 spinnen statt früher Nr. 12,
oder Nr. 22 statt Nr. 16 u. s. w.; und der Weber, der diese feinen
Garne verwebt, wird seinen Kattun auf das gewöhnliche Gewicht
bringen, indem er um so viel mehr Schlichte zusetzt. Dies Hülfs-
mittel wird jetzt benutzt in einem wirklich schmählichen Grad.
Ich habe aus guter Quelle gehört, dass es ordinäre Shirtings für
Export gibt, wovon das Stück 8 wiegt, und wovon 2 Schlichte
waren. In Gewebe andrer Sorten wird oft bis zu 50 % Schlichte
gesteckt; sodass der Fabrikant keineswegs lügt, der sich rühmt
ein reicher Mann zu werden, indem er sein Gewebe für weniger
Geld per verkauft, als er für das Garn bezahlt hat, woraus es
gemacht ist.‘ (Rep. Fact., Oktober 1863, p. 63.)


„Es sind mir auch Aussagen gemacht worden, dass die Weber
ihren gesteigerten Krankheitsstand der Schlichte zuschreiben, die
für die aus ostindischer Baumwolle gesponnenen Ketten verwandt
wird, und die nicht mehr wie früher bloss aus Mehl besteht.
Dies Surrogat für Mehl soll jedoch den sehr grossen Vortheil
bieten, dass es das Gewicht des Gewebes bedeutend vermehrt, sodass
15 Garn, wenn verwebt, zu 20 werden.“ (ibidem. Dies
Surrogat war gemahlner Talk, genannt China clay, oder Gyps,
genannt French chalk.) — „Der Verdienst der Weber (hier be-
deutet dies die Arbeiter) ist sehr vermindert durch Anwendung
von Surrogaten für Mehl als Kettenschlichte. Diese Schlichte macht
das Garn schwerer, aber auch hart und brüchig. Jeder Faden der
Kette geht im Webstuhl durch die sogenannte Litze, deren starke
Fäden die Kette in der richtigen Lage halten; die hartgeschlich-
teten Ketten verursachen fortwährende Fadenbrüche in der Litze;
jeder Bruch verursacht dem Weber fünf Minuten Zeitverlust
zur Reparatur; der Weber hat diese Schäden jetzt mindestens
10 mal so oft wie früher auszubessern, und der Stuhl leistet
[108] während der Arbeitsstunden natürlich um so viel weniger.“ (l. c.,
p. 42, 43.)


„In Ashton, Stalybridge, Mossley, Oldham etc. ist die Beschrän-
kung der Arbeitszeit um ein volles drittel durchgeführt, und die
Arbeitsstunden werden noch jede Woche weiter verkürzt … Gleich-
zeitig mit dieser Verkürzung der Arbeitszeit findet auch in vielen
Zweigen Herabsetzung des Lohns statt.“ (p. 13.) — Anfangs 1861
fand ein Strike unter den mechanischen Webern in einigen Theilen
von Lancashire statt. Verschiedne Fabrikanten hatten eine Lohn-
herabsetzung von 5—7½ % angekündigt; die Arbeiter bestanden
darauf, dass die Lohnsätze beibehalten, aber die Arbeitsstunden
verkürzt werden sollten. Dies wurde nicht bewilligt, und der
Strike entstand. Nach einem Monat mussten die Arbeiter nach-
geben. Aber nun erhielten sie beides: „Ausser der Lohnherab-
setzung, worin die Arbeiter zuletzt einwilligten, arbeiten jetzt auch
viele Fabriken kurze Zeit.“ (Rep. Fact., April 1863, p. 23.)


1862. April. „Die Leiden der Arbeiter haben sich seit dem
Datum meines letzten Berichts bedeutend vermehrt; aber zu keiner
Zeit in der Geschichte der Industrie sind so plötzliche und so
schwere Leiden ertragen worden mit so viel schweigender Resig-
nation und so geduldigem Selbstgefühl.“ (Rep. Fact., April 1862,
p. 10.) — „Die Verhältnisszahl der augenblicklich ganz beschäf-
tigungslosen Arbeiter scheint nicht viel grösser zu sein als 1848,
wo eine gewöhnliche Panik herrschte, die aber bedeutend genug
war, um die beunruhigten Fabrikanten zur Zusammenstellung einer
ähnlichen Statistik über die Baumwollindustrie zu veranlassen, wie
sie jetzt wöchentlich ausgegeben wird … Im Mai 1848 waren
von sämmtlichen Baumwollarbeitern in Manchester 15 % unbe-
schäftigt, 12 % arbeiteten kurze Zeit, während über 70 % auf voller
Zeit beschäftigt waren. Am 28. Mai 1862 waren 15 % unbe-
schäftigt, 35 % arbeiteten kurze Zeit, 49 % volle Zeit … In den
Nachbarorten, z. B. Stockport, ist die Procentzahl der nicht voll,
und der gar nicht beschäftigten höher, die der vollbeschäftigten
geringer,“ weil nämlich hier gröbere Nummern gesponnen werden
als in Manchester. (p. 16.)


1862. Oktober. „Nach der letzten amtlichen Statistik waren
im Vereinigten Königreich 2887 Baumwollfabriken, davon 2109
in meinem Distrikt (Lancashire und Cheshire). Ich wusste wohl,
dass ein sehr grosser Theil der 2109 Fabriken in meinem Bezirk
kleine Etablissements waren, die nur wenig Leute beschäftigen.
Es hat mich aber überrascht zu entdecken, wie gross diese Zahl
[109] ist. In 392, oder 19 %, ist die Triebkraft, Dampf oder Wasser,
unter 10 Pferdekraft; in 345, oder 16 %, zwischen 10 und 20
Pferdekraft; in 1372 ist sie 20 Pferde und mehr … Ein
sehr grosser Theil dieser kleinen Fabrikanten — mehr als ein
drittel der Gesammtzahl — waren selbst vor nicht langer Zeit
Arbeiter; sie sind Leute ohne Kommando über Kapital … Die
Hauptlast würde also auf die übrigen ⅔ fallen.“ (Rep. Fact.,
Oktober 1862, p. 18, 19.)


Nach demselben Bericht waren von den Baumwollarbeitern in
Lancashire und Cheshire damals voll beschäftigt 40146, oder
11,3 %; mit beschränkter Arbeitszeit beschäftigt 134767 oder 38 %;
unbeschäftigt 197721 oder 50,7 %. Zieht man hiervon die An-
gaben über Manchester und Bolton ab, wo hauptsächlich feine
Nummern gesponnen werden, ein von der Baumwollnoth verhält-
nissmäßig wenig betroffner Zweig, so stellt sich die Sache noch
ungünstiger, nämlich: Vollbeschäftigt 8,5 %, beschränkt beschäf-
tigt 38 %, unbeschäftigt 53,3 %. (p. 19, 20.)


„Es macht für die Arbeiter einen wesentlichen Unterschied, ob
gute oder schlechte Baumwolle verarbeitet wird. In den ersten
Monaten des Jahrs, als die Fabrikanten ihre Fabriken dadurch in
Gang zu halten suchten, dass sie alle zu mäßigen Preisen kauf-
bare Baumwolle aufbrauchten, kam viel schlechte Baumwolle in
Fabriken, wo früher gewöhnlich gute verwandt wurde; der Unter-
schied im Lohn der Arbeiter war so gross, dass viele Strikes statt-
fanden, weil sie jetzt zum alten Stücklohn keinen erträglichen
Taglohn mehr herausschlagen konnten … In einigen Fällen be-
trug der Unterschied durch Anwendung schlechter Baumwolle
selbst bei voller Arbeitszeit die Hälfte des Gesammtlohns.“ (p. 27.)


1863. April. „Im Lauf dieses Jahres wird nicht viel mehr
als die Hälfte der Baumwollarbeiter voll beschäftigt werden
können.“ (Rep. Fact., April 1863, p. 14.)


„Ein sehr ernstlicher Nachtheil bei Verwendung ostindischer
Baumwolle, wie die Fabriken sie jetzt gebrauchen müssen, ist der,
dass die Geschwindigkeit der Maschinerie dabei sehr verlangsamt
werden muss. Während der letzten Jahre wurde alles aufgeboten,
diese Geschwindigkeit zu beschleunigen, sodass dieselbe Maschi-
nerie mehr Arbeit that. Die verminderte Geschwindigkeit trifft
aber den Arbeiter ebensosehr wie den Fabrikanten; denn die Mehr-
zahl der Arbeiter wird nach Stücklohn bezahlt, die Spinner so
viel per gesponnenes Garn, die Weber so viel per gewebtes
Stück; und selbst bei den andern, nach Wochenlohn bezahlten
[110] Arbeitern würde eine Lohnverminderung eintreten in Folge der
verminderten Produktion. Nach meinen Ermittlungen … und den
mir übergebnen Aufstellungen des Verdienstes der Baumwollarbeiter
im Lauf dieses Jahrs … ergibt sich eine Vermindrung von durch-
schnittlich 20 %, in einigen Fällen von 50 %, berechnet nach den
Lohnhöhen, wie sie 1861 herrschten.“ (p. 13.) — „Die verdiente
Summe hängt ab … davon, was für Material verarbeitet wird …
Die Lage der Arbeiter, in Beziehung auf den verdienten Lohn-
betrag, ist sehr viel besser jetzt (Oktober 1863) als voriges Jahr
um diese Zeit. Die Maschinerie ist verbessert worden, man kennt
den Rohstoff besser, und die Arbeiter werden leichter mit den
Schwierigkeiten fertig, womit sie anfangs zu kämpfen hatten.
Voriges Frühjahr war ich in Preston in einer Nähschule [Wohl-
thätigkeitsanstalt für Unbeschäftigte]; zwei junge Mädchen, die
Tags zuvor in eine Weberei geschickt waren, auf die Angabe des
Fabrikanten hin, dass sie 4 sh. die Woche verdienen könnten,
baten um Wiederaufnahme in die Schule und klagten, sie hätten
nicht 1 sh. per Woche verdienen können. Ich habe Angaben ge-
habt über Self-acting minders … Männer, die ein paar Self-actors
regieren, die nach 14 Tagen voller Arbeitszeit 8 sh. 11 d. ver-
dient hatten, und von dieser Summe wurde ihnen die Hausmiethe
abgezogen, wobei der Fabrikant [Edelmüthigster!] ihnen jedoch
die halbe Miethe als Geschenk zurückgab. Die Minders nahmen
die Summe von 6 sh. 11 d. nach Hause. An manchen Orten ver-
dienten die Self-acting minders 5—9 sh. die Woche, die Weber
von 2—6 sh. die Woche, während der letzten Monate 1862 …
Gegenwärtig besteht ein viel gesundrer Zustand, obwohl der Ver-
dienst in den meisten Distrikten noch immer sehr abgenommen
hat … Mehrere andre Ursachen haben zu dem geringern Ver-
dienst beigetragen, neben dem kürzern Stapel der indischen Baum-
wolle und ihrer Verunreinigung. So z. B. ist es jetzt Brauch,
Baumwollabfall reichlich unter die indische Baumwolle zu mischen,
und dies steigert natürlich die Schwierigkeit für den Spinner noch
mehr. Bei der Kürze der Faser, reissen die Fäden leichter beim
Herausziehen der Mule und beim Drehen des Garns, und die Mule
kann nicht so regelmäßig im Gang gehalten werden … Ebenso
kann, bei der grossen Aufmerksamkeit, die auf die Fäden ver-
wandt werden muss, eine Weberin häufig nur einen Stuhl über-
wachen, und nur sehr wenige mehr als zwei Stühle … In vielen
Fällen ist der Lohn der Arbeiter geradezu um 5, 7½ und 10 %
herabgesetzt worden, … in der Mehrzahl der Fälle muss der
[111] Arbeiter zusehn, wie er mit seinem Rohstoff fertig wird, und wie
er zum gewöhnlichen Lohnsatz an Verdienst herausschlägt, was er
kann … Eine andre Schwierigkeit, womit die Weber zuweilen
zu kämpfen haben, ist, dass sie aus schlechtem Stoff gutes Ge-
webe machen sollen, und mit Lohnabzügen gestraft werden, wenn
die Arbeit nicht nach Wunsch ausfällt.“ (Rep. Fact., Oktober
1863, p. 41—43.)


Die Löhne waren miserabel, selbst wo volle Zeit gearbeitet
wurde. Die Baumwollarbeiter stellten sich bereitwillig zu all den
öffentlichen Arbeiten, Drainage, Wegebauten, Steineklopfen, Strasse-
pflastern, wozu sie verbraucht wurden, um ihre Unterstützung (die
thatsächlich eine Unterstützung der Fabrikanten war, s. Buch I,
S. 598/589) von den Lokalbehörden zu beziehn. Die ganze Bour-
geoisie stand auf Wache über den Arbeitern. Wurde der schlech-
teste Hundelohn angeboten und der Arbeiter wollte ihn nicht
nehmen, so strich das Unterstützungskomité ihn von der Unter-
stützungsliste. Es war in sofern eine goldne Zeit für die Herrn
Fabrikanten, als die Arbeiter entweder verhungern oder zu jedem,
dem Bourgeois profitabelsten Preis arbeiten mussten; wobei die
Unterstützungskomité’s als ihre Wachthunde agirten. Zugleich
verhinderten die Fabrikanten, in geheimem Einverständniss mit
der Regierung, die Auswanderung soweit wie möglich, theils um
ihr im Fleisch und Blut der Arbeiter existirendes Kapital stets in
Bereitschaft zu halten, theils um die von den Arbeitern erpresste
Hausmiethe zu sichern.


„Die Unterstützungskomité’s handelten in diesem Punkt mit
grosser Strenge. War Arbeit angeboten, so wurden die Arbeiter,
denen sie angeboten worden, von der Liste gestrichen, und so ge-
zwungen sie anzunehmen. Wenn sie sich weigerten die Arbeit
anzutreten … so war die Ursache die, dass ihr Verdienst bloss
nominell, die Arbeit aber ausserordentlich schwer sein würde.“
(l. c., p. 97.)


Die Arbeiter waren zu jeder Art Arbeit bereitwillig, zu der sie
in Folge des Public Works Act angestellt wurden. „Die Grundsätze,
wonach industrielle Beschäftigungen organisirt wurden, wechselten
bedeutend in verschiednen Städten. Aber selbst an den Orten,
wo die Arbeit in freier Luft nicht absolut als Arbeitsprobe (labour
test) diente, wurde diese Arbeit doch entweder mit der blossen
regelmäßigen Unterstützungssumme, oder doch nur so unbedeutend
höher bezahlt, dass sie in der That eine Arbeitsprobe wurde.“
(p. 69.) „Der Public Works Act von 1863 sollte diesem Uebel
[112] abhelfen und den Arbeiter befähigen, seinen Taglohn als unab-
hängiger Taglöhner zu verdienen. Der Zweck dieses Akts war
dreifach: 1) Lokalbehörden zu befähigen, Geld (mit Einwilligung
des Präsidenten der staatlichen Central-Armenbehörde) von den
Schatzanleihe-Kommissären zu borgen; 2) Verbesserungen in den
Städten der Baumwollbezirke zu erleichtern; 3) den unbeschäftigten
Arbeitern Arbeit und lohnenden Verdienst (remunerative wages)
zu verschaffen.“ Bis Ende Oktober 1863 waren Anleihen bis zum
Betrag von 883700 £ unter diesem Gesetz bewilligt worden.
(p. 70.) Die unternommenen Arbeiten waren hauptsächlich Kana-
lisation, Wegebauten, Strassenpflastern, Sammelteiche für Wasser-
werke etc.


Herr Henderson, Präsident des Komités von Blackburn, schreibt
mit Beziehung hierauf an Fabrikinspektor Redgrave: „Während
meiner ganzen Erfahrung im Lauf der gegenwärtigen Zeit des
Leidens und des Elends, hat mich nichts stärker frappirt oder mir
mehr Freude gemacht, als die heitre Bereitwilligkeit, womit die
unbeschäftigten Arbeiter dieses Distrikts, die ihnen gemäß dem
Public Works Act vom Stadtrath von Blackburn angebotne Arbeit
übernommen haben. Man kann kaum einen grössern Kontrast
denken, als den zwischen dem Baumwollspinner, der früher als
geschickter Arbeiter in der Fabrik, und jetzt als Tagelöhner an
einem Abzugskanal 14 oder 18 Fuss tief arbeitet.“ [Sie ver-
dienten dabei je nach Grösse der Familie 4—12 sh. wöchentlich,
letztre riesige Summe musste oft für eine Familie von 8 Personen
ausreichen. Die Herren Spiessbürger hatten dabei doppelten Profit:
Erstens bekamen sie das Geld zur Verbesserung ihrer rauchigen
und vernachlässigten Städte zu ausnahmsweis niedrigen Zinsen;
zweitens zahlten sie die Arbeiter weit unter den regelmäßigen
Lohnsätzen.] „Gewohnt wie er war, an eine fast tropische Tem-
peratur, an Arbeit, wobei Gewandtheit und Genauigkeit der Mani-
pulation ihm unendlich mehr nützte als Muskelkraft, gewohnt an
das doppelte, manchmal dreifache der Entlohnung, die er jetzt
erhalten kann, schliesst seine willige Annahme der gebotnen Be-
schäftigung eine Summe von Selbstverleugnung und Rücksicht ein,
die ihm zur höchsten Ehre gereicht. In Blackburn sind die
Leute probirt worden, bei fast jeder möglichen Art von Arbeit in
freier Luft; beim Ausgraben eines steifen, schweren Lehmbodens
auf beträchtliche Tiefe, bei Trockenlegung, Steinklopfen, Wege-
bauten, bei Ausgrabungen für Strassenkanäle auf Tiefen von 14,
16 und zuweilen 20 Fuss. Häufig stehn sie dabei in 10—12 Zoll
[113] tiefem Schmutz und Wasser, und jedesmal sind sie dabei einem
Klima ausgesetzt, dessen nasse Kälte in keinem Distrikt Englands
übertroffen, wenn überhaupt erreicht wird.“ (p. 91, 92.) — „Die
Haltung der Arbeiter ist fast tadellos gewesen … ihre Bereit-
willigkeit, die Arbeit in freier Luft zu übernehmen und sich da-
mit durchzuschlagen.“ (p. 69.)


1864. April. „Gelegentlich hört man in verschiednen Bezirken
Klagen über Mangel an Arbeitern, hauptsächlich in gewissen
Zweigen, z. B. der Weberei … aber diese Klagen haben ihren
Ursprung ebensosehr in dem geringen Lohn, den die Arbeiter ver-
dienen können in Folge der angewandten schlechten Garnsorten,
wie in irgend welcher wirklichen Seltenheit von Arbeitern selbst
in diesem besondern Zweig. Zahlreiche Zwistigkeiten wegen des
Lohns haben vorigen Monat stattgefunden zwischen gewissen
Fabrikanten und ihren Arbeitern. Ich bedaure, dass Strikes nur
zu häufig vorgekommen sind … Die Wirkung des Public Works
Act wird von den Fabrikanten als eine Konkurrenz empfunden,
und in Folge dessen hat das Lokalkomité von Bacup seine Thätig-
keit suspendirt, denn obwohl noch nicht alle Fabriken laufen, hat
sich doch ein Mangel an Arbeitern gezeigt.“ (Rep. Fact., April
1864, p. 9, 10.) Es war allerdings die höchste Zeit für die Herren
Fabrikanten. In Folge des Public Works Act wuchs die Nach-
frage so sehr, dass in den Steinbrüchen bei Bacup manche Fabrik-
arbeiter jetzt 4—5 sh. täglich verdienten. Und so wurden die
öffentlichen Arbeiten allmälig eingestellt — diese neue Auflage
der Ateliers nationaux von 1848, aber diesmal errichtet zum Nutzen
der Bourgeoisie.


Experimente in corpore vili.


„Obwohl ich den sehr herabgesetzten Lohn (der Vollbeschäftig-
ten), den wirklichen Verdienst der Arbeiter in verschiednen Fabriken
gegeben habe, folgt keineswegs, dass sie Woche für Woche die-
selbe Summe verdienen. Die Arbeiter sind hier grossen Schwan-
kungen ausgesetzt, in Folge des beständigen Experimentirens der
Fabrikanten mit verschiednen Arten und Proportionen von Baum-
wolle und Abfall in derselben Fabrik; die „Mischungen“, wie man
sie nennt, werden häufig gewechselt, und der Verdienst der Arbeiter
steigt und fällt mit der Qualität der Baumwollmischung. Zuweilen
blieb er nur 15 % des frühern Verdienstes, und in einer oder ein
paar Wochen fiel er auf 50 oder 60 % herunter.“ Inspector Red-
grave, der hier spricht, gibt nun der Praxis entnommene Lohn-
aufstellungen, wovon hier folgende Beispiele hinreichen:


Marx, Kapital III. 8
[114]

A, Weber, Familie von 6 Personen, 4 Tage in der Woche be-
schäftigt, 6 sh. 8½ d.; B, Twister, 4½ Tag per Woche, 6 sh.;
C, Weber, Familie von 4, 5 Tage per Woche, 5 sh. 1 d.; D,
Slubber, Familie von 6, 4 Tage per Woche, 7 sh. 10 d.; E, Weber,
Familie von 7, 3 Tage, 5 sh. u. s. w. Redgrave fährt fort: „Die
obigen Aufstellungen verdienen Beachtung, denn sie beweisen, dass
die Arbeit in mancher Familie ein Unglück werden würde, da sie
nicht nur das Einkommen reducirt, sondern es so tief herunter-
bringt, dass es vollständig unzureichend wird um mehr als einen
ganz kleinen Theil ihrer absoluten Bedürfnisse zu befriedigen,
wenn nicht zusätzliche Unterstützung in Fällen gegeben würde,
wo der Verdienst der Familie nicht die Summe erreicht, die sie
als Unterstützung erhalten würde, wenn sie alle unbeschäftigt
wären.“ (Rep. Fact., Oktober 1863, p. 50—53.)


„In keiner Woche seit dem 5. Juni 1863 ist die durchschnitt-
liche Gesammtbeschäftigung aller Arbeiter mehr als zwei Tage,
7 Stunden und einige Minuten gewesen.“ (l. c., p. 121.)


Von Anfang der Krise bis 25. März 1863 wurden beinahe drei
Mill. £ ausgegeben von den Armenverwaltungen, dem Central-
Unterstützungskomité und dem Londoner Mansion-House-Komité.
(p. 13.)


„In einem Bezirk, wo wohl das feinste Garn gesponnen wird …
erleiden die Spinner eine indirekte Lohnherabsetzung von 15 % in
Folge des Uebergangs von Sea Island zu ägyptischer Baumwolle.
… In einem ausgedehnten Distrikt, wo Baumwollabfall in Mengen
verwandt wird zur Mischung mit indischer Baumwolle, haben die
Spinner eine Lohnreduktion von 5 % gehabt, und ausserdem noch
20—30 % verloren in Folge der Verarbeitung von Surat und Ab-
fall. Die Weber sind von vier Stühlen auf 2 heruntergekommen.
1860 machten sie auf jeden Webstuhl 5 sh. 7 d., 1863 nur 3 sh.
4 d. … Die Geldstrafen, die auf amerikanische Baumwolle früher
von 3 d. bis 6 d. variirten [für den Spinner], laufen jetzt auf zu
1 sh. bis 3 sh. 6 d.“ In einem Bezirk, wo ägyptische Baumwolle
gebraucht wurde, vermischt mit ostindischer: „Der Durchschnitts-
lohn der Mule-Spinner 1860 war 18—25 sh., und ist jetzt 10 bis
18 sh. Dies ist nicht ausschliesslich durch die verschlechterte
Baumwolle verursacht, sondern auch durch die verminderte Ge-
schwindigkeit der Mule, um dem Garn eine stärkere Drehung zu
geben, wofür in gewöhnlichen Zeiten Extrazahlung gemäß der
Lohnliste gemacht worden wäre.“ (p. 43, 44, 45—50.) „Obgleich
die ostindische Baumwolle vielleicht hier und da mit Profit für
[115] den Fabrikanten verarbeitet worden ist, so sehn wir doch (siehe
Lohnliste p. 53), dass die Arbeiter darunter leiden, verglichen mit
1861. Setzt sich der Gebrauch von Surat fest, so werden die
Arbeiter den gleichen Verdienst wie 18[5]7 verlangen; dies aber
würde den Profit des Fabrikanten ernstlich afficiren, falls es nicht
ausgeglichen wird durch den Preis, sei es der Baumwolle, sei es
der Fabrikate.“ (p. 105.)


Hausmiethe. „Die Hausmiethe der Arbeiter, wenn die von
ihnen bewohnten cottages dem Fabrikanten gehören, wird von diesem
häufig vom Lohn abgezogen, selbst wenn kurze Zeit gearbeitet
wird. Trotzdem ist der Werth dieser Gebäude gesunken, und
Häuschen sind jetzt 25—50 % wohlfeiler gegen früher zu haben;
eine cottage, die sonst 3 sh. 6 d. per Woche kostete, ist jetzt für
2 sh. 4 d. zu haben, und zuweilen noch für weniger.“ (p. 57.)


Auswanderung. Die Fabrikanten waren natürlich gegen die
Auswanderung der Arbeiter, einestheils weil sie „in Erwartung
bessrer Zeiten für die Baumwollindustrie sich die Mittel zur Hand
erhalten wollten, um ihre Fabrik in der vortheilhaftesten Weise
zu betreiben.“ Dann aber auch „sind manche Fabrikanten Eigen-
thümer der Häuser, worin die von ihnen beschäftigten Arbeiter
wohnen, und wenigstens einige von ihnen rechnen unbedingt da-
rauf, später einen Theil der aufgelaufnen schuldigen Miethe be-
zahlt zu erhalten.“ (p. 96.)


Herr Bernall Osborne sagt in einer Rede an seine Parlaments-
wähler vom 22. Oktober 1864, dass sich die Arbeiter von Lan-
cashire benommen haben wie die antiken Philosophen (Stoiker).
Nicht wie Schafe?


Siebentes Kapitel.
Nachträge.


Gesetzt, wie in diesem Abschnitt unterstellt, die in jeder be-
sondren Produktionssphäre angeeignete Profitmasse sei gleich der
Summe des Mehrwerths, den das in dieser Sphäre angelegte Ge-
sammtkapital erzeugt. So wird der Bourgeois den Profit doch
nicht als identisch mit dem Mehrwerth, d. h. mit unbezahlter
Mehrarbeit, auffassen, und zwar aus folgenden Gründen nicht:


1) In dem Process der Cirkulation vergisst er den Produktions-
process. Das Realisiren des Werths der Waaren — worin das
Realisiren ihres Mehrwerths eingeschlossen — gilt ihm als Machen
8*
[116] dieses Mehrwerths. [Eine leergelassene Lücke im Manuskript deutet
an, dass Marx diesen Punkt näher zu entwickeln vorhatte. F. E.]


2) Denselben Exploitationsgrad der Arbeit vorausgesetzt, hat
sich gezeigt, dass, abgesehn von allen durch das Kreditsystem
hereingebrachten Modifikationen, von aller wechselseitigen Ueber-
vortheilung und Prellerei der Kapitalisten unter einander, ferner
von aller günstigen Wahl des Markts, die Profitrate sehr ver-
schieden sein kann, je nachdem der Rohstoff wohlfeiler oder min-
der wohlfeil, mit mehr oder minder Sachkenntniss angekauft; je
nachdem die angewandte Maschinerie produktiv, zweckmäßig und
wohlfeil; je nachdem die Gesammteinrichtung der verschiednen
Stufen des Produktionsprocesses mehr oder minder vollkommen,
die Stoffvergeudung beseitigt, die Leitung und Aufsicht einfach
und wirksam ist u. s. w. Kurz, den Mehrwerth für ein bestimmtes
variables Kapital gegeben, so hängt es noch sehr von der indivi-
duellen Geschäftstüchtigkeit, sei es des Kapitalisten selbst, sei es
seiner Unteraufseher und Kommis ab, ob sich dieser selbe Mehr-
werth in einer grössern oder kleinern Profitrate ausdrückt, und
daher ob er eine grössere oder kleinere Profitmasse liefert. Der-
selbe Mehrwerth von 1000 £, das Produkt von 1000 £ Arbeits-
lohn, sei im Geschäft A auf 9000 £, und in dem andern Ge-
schäft B auf 11000 £ konstantes Kapital bezogen. Im Fall A
haben wir p' = \frac{1000}{10000} = 10 %. In dem Fall B haben wir p' =
\frac{1000}{12000} = 8⅓ %. Das Gesammtkapital producirt bei A verhältniss-
mäßig mehr Profit als bei B, weil dort die Profitrate höher als
hier, obgleich in beiden Fällen das vorgeschossne variable Kapital
= 1000, und der aus demselben geschlagne Mehrwerth ebenfalls
= 1000 ist, also in beiden Fällen gleich grosse Exploitation von
gleich vielen Arbeitern stattfindet. Diese Verschiedenheit der
Darstellung derselben Masse Mehrwerths, oder die Verschiedenheit
der Profitraten, und daher der Profite selbst, bei gleicher Exploi-
tation der Arbeit, kann auch aus andren Quellen herstammen; sie
kann aber auch einzig und allein entspringen aus der Verschieden-
heit in dem Geschäftsgeschick, womit beide Geschäfte geführt sind.
Und dieser Umstand verleitet den Kapitalisten — überzeugt ihn
— dass sein Profit geschuldet ist, nicht der Exploitation der
Arbeit, sondern wenigstens theilweise auch andern, davon unab-
hängigen Umständen, namentlich aber seiner individuellen That.


[117]

Aus dem in diesem ersten Abschnitt Entwickelten folgt die
Falschheit der Ansicht (Rodbertus), wonach (im Unterschied von der
Grundrente, wo z. B. das Bodenareal dasselbe bleibe während die
Rente wachse) ein Grössenwechsel des Kapitals ohne Einfluss auf
das Verhältniss zwischen Profit und Kapital, und daher auf die
Profitrate bleibe, weil, wenn die Masse des Profits wächst, auch die
Masse des Kapitals wächst, auf das er berechnet wird und umgekehrt.


Dies ist nur wahr in zwei Fällen. Erstens wenn, alle andern
Umstände, also namentlich die Rate des Mehrwerths, als gleich-
bleibend vorausgesetzt, ein Werthwechsel der Waare eintritt, welche
die Geldwaare ist. (Dasselbe findet statt bei dem nur nominellen
Werthwechsel, Steigen oder Fallen von Werthzeichen bei sonst
gleichen Umständen.) Das Gesammtkapital sei = 100 £, und der
Profit = 20 £, die Profitrate also = 20 %. Steigt oder fällt das
Gold nun um 100 %, so wird im ersten Fall dasselbe Kapital
200 £ werth sein, das früher 100 £ werth war, und der Profit
wird einen Werth von 40 £ haben, d. h. sich in diesem Geld-
ausdruck darstellen, statt früher in 20 £. Im zweiten Fall sinkt
das Kapital auf einen Werth von 50 £, und der Profit stellt sich
dar in einem Produkt zum Werth von 10 £. Aber in beiden Fällen
ist 200 : 40 = 50 : 10 = 100 : 20 = 20 %. In allen diesen Fällen
wäre jedoch in der That kein Grössenwechsel im Kapitalwerth,
sondern nur im Geldausdruck desselben Werths und desselben Mehr-
werths vorgegangen. Es könnte also auch \frac{m}{C} oder die Profitrate
nicht afficirt werden.


Der andre Fall ist der, wenn wirklicher Grössenwechsel des
Werths stattfindet, aber dieser Grössenwechsel nicht begleitet ist
von einem Wechsel im Verhältniss von v: c, d. h. wenn bei kon-
stanter Rate des Mehrwerths das Verhältniss des in Arbeitskraft
ausgelegten Kapitals (das variable Kapital als Index der in Be-
wegung gesetzten Arbeitskraft betrachtet) zu dem in Produktions-
mitteln ausgelegten Kapital dasselbe bleibt. Unter diesen Umständen,
ob wir C oder nC oder \frac{C}{n} haben, z. B. 1000 oder 2000 oder 500,
wird der Profit, bei 20 % Profitrate, im ersten Fall = 200, im
zweiten = 400, im dritten = 100 sein; aber \frac{200}{1000} = \frac{400}{2000} = \frac{100}{500} =
20 %. D. h. die Profitrate bleibt hier unverändert, weil die Zu-
sammensetzung des Kapitals dieselbe bleibt und von seinem
Grössenwechsel nicht berührt wird. Zunahme oder Abnahme der
[118] Profitmasse zeigt daher hier nur an Zunahme oder Abnahme in
der Grösse des angewandten Kapitals.


Im ersten Fall findet also nur ein scheinbarer Grössenwechsel
des angewandten Kapitals statt, im zweiten Fall findet ein wirk-
licher Grössenwechsel statt, aber kein Wechsel in der organischen
Zusammensetzung des Kapitals, in dem Verhältniss seines variablen
Theils zu seinem konstanten. Aber diese beiden Fälle ausgenommen,
ist der Grössenwechsel des angewandten Kapitals entweder Folge
eines vorhergegangnen Werthwechsels in einem seiner Bestand-
theile, und daher (sofern nicht mit dem variablen Kapital der
Mehrwerth selbst wechselt) eines Wechsels in der relativen Grösse
seiner Bestandtheile; oder dieser Grössenwechsel (wie bei Arbeiten
auf grosser Stufenleiter, Einführung neuer Maschinerie etc.) ist die
Ursache eines Wechsels in der relativen Grösse seiner beiden
organischen Bestandtheile. In allen diesen Fällen muss daher bei
sonst gleichen Umständen der Grössenwechsel des angewandten
Kapitals begleitet sein von einem gleichzeitigen Wechsel der Profitrate.


Die Vermehrung der Profitrate stammt stets daher, dass der
Mehrwerth relativ oder absolut im Verhältniss zu seinen Produktions-
kosten, d. h. zum vorgeschossnen Gesammtkapital, vermehrt wird,
oder die Differenz zwischen Rate des Profits und Rate des Mehr-
werths vermindert wird.


Schwankungen in der Rate des Profits, unabhängig vom Wechsel
in den organischen Bestandtheilen des Kapitals oder von der ab-
soluten Grösse des Kapitals, sind dadurch möglich, dass der Werth
des vorgeschossnen Kapitals, in welcher Form, fix oder cirkulirend,
es existire, steigt oder fällt in Folge einer, von dem schon existirenden
Kapital unabhängigen, Erhöhung oder Erniedrigung der zu seiner
Reproduktion nöthigen Arbeitszeit. Der Werth jeder Waare —
also auch der Waaren, woraus das Kapital besteht — ist bedingt,
nicht durch die in ihr selbst enthaltne nothwendige Arbeitszeit,
sondern durch die gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit, die
zu ihrer Reproduktion erheischt ist. Diese Reproduktion kann
erfolgen unter erschwerenden oder unter erleichternden Umständen,
verschieden von den Bedingungen der ursprünglichen Produktion.
Bedarf es unter den veränderten Umständen allgemein doppelt so
vieler, oder umgekehrt halb so vieler Zeit, um dasselbe sachliche
Kapital zu reproduciren, so würde bei unverändertem Werth des
Geldes, wenn es früher 100 £ werth, jetzt 200 £, bezw. 50 £
werth sein. Träfe diese Wertherhöhung oder Entwerthung alle
[119] Theile des Kapitals gleichmäßig, so würde sich auch der Profit
entsprechend in der doppelten oder nur in der halben Geldsumme
ausdrücken. Schliesst sie aber eine Aenderung in der organischen
Zusammensetzung des Kapitals ein, steigert oder senkt sie das
Verhältniss des variablen zum konstanten Kapitaltheil, so wird die
Profitrate bei sonst gleichen Umständen wachsen mit relativ wach-
sendem, fallen bei relativ sinkendem variablem Kapital. Steigt oder
fällt nur der Geldwerth (in Folge einer Werthänderung des Geldes)
des vorgeschossnen Kapitals, so steigt oder fällt im selben Ver-
hältniss der Geldausdruck des Mehrwerths. Die Profitrate bleibt
unverändert.


[[120]]

Zweiter Abschnitt.
Verwandlung des Profits in Durchschnittsprofit.


Achtes Kapitel.
Verschiedne Zusammensetzung der Kapitale in verschiednen
Produktionszweigen, und daher folgende Verschiedenheit der
Profitraten.


Im vorigen Abschnitt wurde unter anderm nachgewiesen, wie
bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths die Profitrate variiren,
steigen oder fallen kann. In diesem Kapitel wird nun voraus-
gesetzt, dass der Exploitationsgrad der Arbeit, und daher die Rate
des Mehrwerths und die Länge des Arbeitstags in allen Produktions-
sphären, worin sich die gesellschaftliche Arbeit in einem gegebnen
Lande spaltet, von gleicher Grösse, gleich hoch ist. Von vielen
Verschiedenheiten in der Exploitation der Arbeit in verschiednen
Produktionssphären hat schon A. Smith ausführlich nachgewiesen,
dass sie sich durch allerlei wirkliche oder vom Vorurtheil accep-
tirte Kompensationsgründe ausgleichen, und daher, als nur schein-
bare und verschwindende Verschiedenheiten, für die Untersuchung
der allgemeinen Verhältnisse nicht in Rechnung kommen. Andre
Unterschiede, z. B. in der Höhe des Arbeitslohns, beruhen grossen-
theils auf dem schon im Eingang zu Buch I, S. 19 erwähnten
Unterschied zwischen einfacher und komplicirter Arbeit und be-
rühren, obgleich sie das Loos der Arbeiter in verschiednen Pro-
duktionssphären sehr verungleichen, keineswegs den Exploitations-
grad der Arbeit in diesen verschiednen Sphären. Wird z. B. die
Arbeit eines Goldschmieds theurer bezahlt, als die eines Taglöhners,
so stellt die Mehrarbeit des Goldschmieds in demselben Verhältniss
auch grössern Mehrwerth her als die des Taglöhners. Und wenn
die Ausgleichung der Arbeitslöhne und Arbeitstage, und daher der
Rate des Mehrwerths, zwischen verschiednen Produktionssphären,
ja selbst zwischen verschiednen Kapitalanlagen in derselben Pro-
duktionssphäre durch vielerlei lokale Hindernisse aufgehalten wird,
so vollzieht sie sich doch mehr und mehr mit dem Fortschritt der
kapitalistischen Produktion und der Unterordnung aller ökonomischen
Verhältnisse unter diese Produktionsweise. So wichtig das Studium
[121] solcher Friktionen für jede Specialarbeit über den Arbeitslohn, so
sind sie doch für die allgemeine Untersuchung der kapitalistischen
Produktion als zufällig und unwesentlich zu vernachlässigen. In
solcher allgemeinen Untersuchung wird überhaupt immer voraus-
gesetzt, dass die wirklichen Verhältnisse ihrem Begriff entsprechen,
oder was dasselbe, werden die wirklichen Verhältnisse nur darge-
stellt, soweit sie ihren eignen allgemeinen Typus ausdrücken.


Der Unterschied der Raten des Mehrwerths in verschiednen
Ländern, und daher der nationalen Exploitationsgrade der Arbeit
ist für die vorliegende Untersuchung durchaus gleichgültig. Wir
wollen ja eben in diesem Abschnitt darstellen, in welcher Weise
eine allgemeine Profitrate innerhalb eines Landes hergestellt wird.
Es ist jedoch klar, dass man bei Vergleichung der verschiednen
nationalen Profitraten nur das früher Entwickelte mit dem hier zu
Entwickelnden zusammenzustellen hat. Erst betrachte man die
Verschiedenheit in den nationalen Raten des Mehrwerths, und dann
vergleiche man, auf Grundlage dieser gegebnen Raten des Mehr-
werths, die Verschiedenheit der nationalen Profitraten. Soweit ihre
Verschiedenheit nicht aus der Verschiedenheit der nationalen Raten
des Mehrwerths resultirt, muss sie Umständen geschuldet sein,
worin, wie in der Untersuchung in diesem Kapitel, der Mehrwerth
als überall gleich, als konstant vorausgesetzt wird.


Es wurde im vorigen Kapitel gezeigt, dass, die Rate des Mehr-
werths als konstant vorausgesetzt, die Profitrate, die ein bestimmtes
Kapital abwirft, steigen oder fallen kann in Folge von Umständen,
die den Werth eines oder des andern Theils des konstanten Kapitals
erhöhen oder erniedrigen, und dadurch überhaupt das Verhältniss
zwischen den konstanten und variablen Bestandtheilen des Kapitals
afficiren. Es wurde ferner bemerkt, dass Umstände, welche die
Umschlagszeit eines Kapitals verlängern oder verkürzen, in ähn-
licher Weise die Profitrate afficiren können. Da die Masse des
Profits identisch ist mit der Masse des Mehrwerths, mit dem Mehr-
werth selbst, so zeigte sich auch, dass die Masse des Profits — im
Unterschied von der Profitrate — nicht von den eben erwähnten
Werthschwankungen betroffen wird. Sie modificirten nur die Rate,
worin sich ein gegebner Mehrwerth und daher auch ein Profit von
gegebner Grösse ausdrückt, d. h. seine verhältnissmäßige Grösse,
seine Grösse verglichen mit der Grösse des vorgeschossnen Kapitals.
Insofern in Folge jener Werthschwankungen Bindung oder Frei-
setzung von Kapital stattfand, konnte auf diesem indirekten Weg
nicht nur die Profitrate, sondern der Profit selbst afficirt werden.
[122] Indess galt dies dann immer nur von bereits engagirtem Kapital,
nicht von neuer Kapitalanlage; und ausserdem hing die Vergrösserung
oder Verringerung des Profits selbst immer davon ab, in wie fern
in Folge jener Werthschwankungen mit demselben Kapital mehr
oder weniger Arbeit in Bewegung gesetzt werden konnte, also mit
demselben Kapital — bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths —
eine grössre oder geringre Masse von Mehrwerth producirt werden
konnte. Weit entfernt dem allgemeinen Gesetz zu widersprechen
oder eine Ausnahme davon zu bilden, war diese scheinbare Aus-
nahme in der That nur ein besondrer Fall der Anwendung des
allgemeinen Gesetzes.


Wenn sich im vorigen Abschnitt zeigte, dass bei konstantem
Exploitationsgrad der Arbeit, mit Werthwechsel der Bestandtheile
des konstanten Kapitals und ebenso mit Wechsel in der Umschlags-
zeit des Kapitals, die Profitrate sich änderte, so folgt daraus von
selbst, dass die Profitraten verschiedner gleichzeitig nebeneinander
existirenden Produktionssphären verschieden sein werden, wenn bei
sonst gleichbleibenden Umständen die Umschlagszeit der angewandten
Kapitale eine verschiedne, oder wenn das Werthverhältniss zwischen
den organischen Bestandtheilen dieser Kapitale in den verschiednen
Produktionszweigen verschieden ist. Was wir früher betrachteten
als Aenderungen, die zeitlich nach einander mit demselben Kapital
vorgingen, betrachten wir jetzt als gleichzeitig vorhandne Unter-
schiede zwischen nebeneinander bestehenden Kapitalanlagen in ver-
schiednen Produktionssphären.


Wir werden hierbei zu untersuchen haben: 1) die Verschieden-
heit in der organischen Zusammensetzung der Kapitale,
2) die Verschiedenheit ihrer Umschlagszeit.


Die Voraussetzung bei dieser ganzen Untersuchung ist selbst-
verständlich die, dass wenn wir von Zusammensetzung oder Um-
schlag des Kapitals in einem bestimmten Produktionszweig sprechen,
immer das durchschnittliche Normalverhältniss des in diesem Pro-
duktionszweig angelegten Kapitals gemeint, überhaupt von dem
Durchschnitt des in der bestimmten Sphäre angelegten Gesammt-
kapitals, nicht von den zufälligen Unterschieden der in dieser
Sphäre angelegten Einzelkapitale die Rede ist.


Da ferner unterstellt ist, dass Rate des Mehrwerths und Arbeits-
tag konstant, und da diese Unterstellung ebenfalls Konstanz des
Arbeitslohns einschliesst, so drückt ein gewisses Quantum variables
Kapital ein gewisses Quantum in Bewegung gesetzter Arbeitskraft
und daher ein bestimmtes Quantum sich vergegenständlichender
[123] Arbeit aus. Wenn also 100 £ den Wochenlohn von 100 Arbeitern
ausdrückt, also in der That 100 Arbeiterkraft anzeigt, so n × 100 £
die von n × 100 Arbeitern und \frac{100 £}{n} die von \frac{100}{n} Arbeitern. Das
variable Kapital dient hier also (wie bei gegebnem Arbeitslohn
stets der Fall) als Index der Masse der, von einem bestimmten
Gesammtkapital in Bewegung gesetzten, Arbeit; Verschiedenheiten
in der Grösse des angewandten variablen Kapitals dienen daher als
Indices der Verschiedenheit in der Masse der angewandten Arbeits-
kraft. Wenn 100 £ 100 Arbeiter wöchentlich darstellen, und daher
bei 60 Stunden wöchentlicher Arbeit 6000 Arbeitsstunden repräsen-
tiren, so 200 £ 12000 und 50 £ nur 3000 Arbeitsstunden.


Unter Zusammensetzung des Kapitals verstehn wir, wie schon
in Buch I gesagt, das Verhältniss seines aktiven und seines passiven
Bestandtheils, des variabeln und des konstanten Kapitals. Es kommen
hierbei zwei Verhältnisse in Betracht, die nicht von gleicher Wich-
tigkeit sind, obgleich sie unter gewissen Umständen gleiche Wir-
kung hervorbringen können.


Das erste Verhältniss beruht auf technischer Grundlage und ist
auf einer bestimmten Entwicklungsstufe der Produktivkraft als ge-
geben zu betrachten. Eine bestimmte Masse Arbeitskraft, dargestellt
durch eine bestimmte Anzahl Arbeiter, ist erheischt um eine be-
stimmte Masse Produkt, z. B. in einem Tag, zu produciren, und
daher — was darin eingeschlossen — eine bestimmte Masse Pro-
duktionsmittel, Maschinerie, Rohstoffe etc. in Bewegung zu setzen,
produktiv zu konsumiren. Es kommt eine bestimmte Anzahl
Arbeiter auf ein bestimmtes Quantum Produktionsmittel, und daher
ein bestimmtes Quantum lebendiger Arbeit auf ein bestimmtes
Quantum von, in den Produktionsmitteln bereits vergegenständlichter
Arbeit. Dies Verhältniss ist sehr verschieden in verschiednen Pro-
duktionssphären, oft zwischen den verschiednen Zweigen einer und
derselben Industrie, obgleich es zufällig wieder in sehr weit aus-
einanderliegenden Industriezweigen ganz oder annähernd dasselbe
sein kann.


Dies Verhältniss bildet die technische Zusammensetzung des
Kapitals und ist die eigentliche Grundlage seiner organischen Zu-
sammensetzung.


Es ist aber auch möglich, dass jenes Verhältniss in verschiednen
Industriezweigen dasselbe sei, soweit das variable Kapital blosser
Index von Arbeitskraft und das konstante Kapital blosser Index
der von der Arbeitskraft in Bewegung gesetzten Masse von Pro-
[124] duktionsmitteln ist. Z. B. gewisse Arbeiten in Kupfer und Eisen
mögen gleiches Verhältniss zwischen Arbeitskraft und Masse von
Produktionsmitteln voraussetzen. Da aber Kupfer theurer als Eisen,
wird das Werthverhältniss zwischen variablem und konstantem
Kapital in beiden Fällen verschieden sein, und damit auch die
Werthzusammensetzung der beiden Gesammtkapitale. Der Unter-
schied zwischen der technischen Zusammensetzung und der Werth-
zusammensetzung zeigt sich in jedem Industriezweig darin, dass bei
konstanter technischer Zusammensetzung das Werthverhältniss der
beiden Kapitaltheile wechseln und bei veränderter technischer Zu-
sammensetzung das Werthverhältniss dasselbe bleiben kann; letztres
natürlich nur, wenn der Wechsel in dem Verhältniss der ange-
wandten Massen von Produktionsmitteln und Arbeitskraft durch
entgegengesetzten Wechsel in ihren Werthen ausgeglichen wird.


Die Werthzusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine
technische Zusammensetzung bestimmt wird und diese wiederspiegelt,
nennen wir die organische Zusammensetzung des Kapitals.20)


Bei dem variablen Kapital setzen wir also voraus, dass es Index
einer bestimmten Menge Arbeitskraft, bestimmter Anzahl Arbeiter
oder bestimmter Massen in Bewegung gesetzter lebendiger Arbeit
ist. Man hat im vorigen Abschnitt gesehn, dass Wechsel in der
Werthgrösse des variablen Kapitals möglicher Weise nichts darstellt
als grössern oder geringern Preis derselben Arbeitsmasse; aber hier,
wo Mehrwerthsrate und Arbeitstag als konstant, der Arbeitslohn
für bestimmte Arbeitszeit als gegeben betrachtet wird, fällt dies
fort. Dagegen kann ein Unterschied in der Grösse des konstanten
Kapitals zwar auch Index sein eines Wechsels in der Masse der
von einem bestimmten Quantum Arbeitskraft in Bewegung gesetzten
Produktionsmittel; aber er kann auch herrühren von dem Unter-
schied im Werth, den die in Bewegung gesetzten Produktionsmittel
in einer Produktionssphäre, als unterschieden von der andren haben.
Beide Gesichtspunkte kommen daher hier in Erwägung.


Endlich ist folgendes Wesentliche zu bemerken:


Gesetzt 100 £ sei der Wochenlohn von 100 Arbeitern. Gesetzt
die wöchentliche Arbeitszeit sei = 60 Stunden. Gesetzt ferner die
Rate des Mehrwerths sei = 100 %. In diesem Falle arbeiten die
Arbeiter von den 60 Stunden 30 für sich selbst und 30 umsonst
[125] für den Kapitalisten. In den 100 £ Arbeitslohn sind in der That
nur 30 Arbeitsstunden der 100 Arbeiter oder zusammen 3000 Arbeits-
stunden verkörpert, während die andren 3000 Stunden, die sie
arbeiten, verkörpert sind in den 100 £ Mehrwerth, resp. Profit,
den der Kapitalist einsteckt. Obgleich der Arbeitslohn von 100 £
daher nicht den Werth ausdrückt, worin sich die Wochenarbeit
der 100 Arbeiter vergegenständlicht, so zeigt er doch an (da Länge
des Arbeitstags und Rate des Mehrwerths gegeben) dass von diesem
Kapital 100 Arbeiter während zusammen 6000 Arbeitsstunden in
Bewegung gesetzt worden sind. Das Kapital von 100 £ zeigt dies
an, weil es erstens die Anzahl der in Bewegung gesetzten Arbeiter
anzeigt, indem 1 £ = 1 Arbeiter per Woche, also 100 £ = 100
Arbeiter; und zweitens, weil jeder in Bewegung gesetzte Arbeiter,
bei der gegebnen Mehrwerthsrate von 100 %, noch einmal so viel
Arbeit verrichtet als in seinem Lohn enthalten ist, also 1 £, sein
Lohn, der der Ausdruck einer halben Woche Arbeit, eine ganze
Woche Arbeit in Bewegung setzt, und ebenso 100 £, obgleich
sie nur 50 Wochen Arbeit enthalten. 100 Arbeitswochen. Es ist
da also ein sehr wesentlicher Unterschied zu machen zwischen dem
variablen, in Arbeitslohn ausgelegten Kapital, soweit sein Werth,
die Summe der Arbeitslöhne, ein bestimmtes Quantum vergegen-
ständlichter Arbeit darstellt, und soweit sein Werth blosser Index
ist der Masse lebendiger Arbeit, die es in Bewegung setzt. Diese
letztre ist immer grösser als die in ihm enthaltne Arbeit, und
stellt sich daher auch in einem höhern Werth dar, als dem des
variablen Kapitals; in einem Werth, der bestimmt ist einerseits
durch die Anzahl der vom variablen Kapital in Bewegung gesetzten
Arbeiter, und andrerseits durch das Quantum Mehrarbeit, das sie
verrichten.


Es folgt aus dieser Betrachtungsweise des variablen Kapitals:


Wenn eine Kapitalanlage in der Produktionssphäre A auf je 700
des Gesammtkapitals nur 100 in variablem Kapital verausgabt und
600 in konstantem, während in der Produktionssphäre B 600 in
variablem und nur 100 in konstantem verausgabt werden, so wird
jenes Gesammtkapital A von 700 nur eine Arbeitskraft von 100
in Bewegung setzen, also unter der frühern Annahme nur 100
Arbeitswochen oder 6000 Stunden lebendiger Arbeit, während das
gleich grosse Gesammtkapital B 600 Arbeitswochen und daher
36,000 Stunden lebendiger Arbeit in Bewegung setzt. Das Kapital
in A würde daher nur 50 Arbeitswochen oder 3000 Stunden Mehr-
arbeit aneignen, während das gleich grosse Kapital in B 300 Arbeits-
[126] wochen oder 18,000 Stunden. Das variable Kapital ist der Index
nicht nur der in ihm selbst enthaltnen Arbeit, sondern, bei gegebner
Mehrwerthsrate, zugleich der von ihm über dies Maß hinaus in
Bewegung gesetzten überschüssigen oder Mehrarbeit. Bei gleichem
Exploitationsgrad der Arbeit wäre der Profit im ersten Fall
\frac{100}{700} = \frac{1}{7} = 14\frac{2}{7} % und im zweiten = \frac{600}{700} = 85\frac{5}{7} %, die sechs-
fache Profitrate. Aber in der That wäre in diesem Fall der Profit
selbst sechsmal grösser, 600 für B gegen 100 für A, weil sechsmal
soviel lebendige Arbeit mit demselben Kapital in Bewegung gesetzt,
also bei gleichem Exploitationsgrad der Arbeit auch sechsmal soviel
Mehrwerth, daher sechsmal soviel Profit gemacht wird.


Würden in A nicht 700 sondern 7000 £, in B dagegen nur
700 £ Kapital angewandt, so würde das Kapital A, bei gleich-
bleibender organischer Zusammensetzung, 1000 £ von den 7000 £
als variables Kapital anwenden, also 1000 Arbeiter wöchentlich
= 60,000 Stunden lebendiger Arbeit, wovon 30,000 Stunden Mehr-
arbeit. Aber nach wie vor würde A mit je 700 £ nur ⅙ soviel
lebendige Arbeit, und daher auch nur ⅙ soviel Mehrarbeit in Be-
wegung setzen wie B, also damit auch nur ⅙ soviel Profit pro-
duciren. Wird die Profitrate betrachtet, so ist \frac{1000}{7000} = \frac{100}{700} = 14\frac{2}{7} %
gegen \frac{600}{700} oder 85\frac{5}{7} % des Kapitals B. Gleich grosse Kapital-
beträge genommen, ist hier die Profitrate verschieden, weil bei
gleicher Mehrwerthsrate, in Folge der verschiednen Massen in Be-
wegung gesetzter lebendiger Arbeit, die Massen der producirten
Mehrwerthe und daher die Profite verschieden sind.


Dasselbe Resultat folgt thatsächlich, wenn die technischen Ver-
hältnisse in der einen Produktionssphäre dieselben sind wie in der
andern, aber der Werth der angewandten konstanten Kapitalelemente
grösser oder kleiner ist. Nehmen wir an, beide wenden 100 £
als variables Kapital an und brauchen also 100 Arbeiter wöchent-
lich, um dasselbe Quantum Maschinerie und Rohstoff in Bewegung
zu setzen, aber letztre seien theurer in B als in A. In diesem
Falle kämen auf 100 £ variables Kapital in A z. B. 200 £ kon-
stantes und in B 400. Dann ist bei einer Mehrwerthsrate von
100 % der producirte Mehrwerth beidemal gleich 100 £; also
auch der Profit beidemal gleich 100 £. Aber in A \frac{100}{200_c} + 100v
= ⅓ = 33⅓ %; dagegen in B \frac{100}{400_c} + 100v = ⅕ = 20 %. In der
[127] That, nehmen wir in beiden Fällen einen bestimmten aliquoten
Theil des Gesammtkapitals, so bildet in B von je 100 £ nur 20 £
oder ⅕ variables Kapital, während in A von ie 100 £ 33⅓ £ oder
⅓ variables Kapital ist. B producirt auf je 100 £ weniger Profit,
weil es weniger lebendige Arbeit in Bewegung setzt als A. Die
Verschiedenheit der Profitraten löst sich hier also wieder auf in
Verschiedenheit der auf je 100 der Kapitalanlagen erzeugten Profit-
massen, weil Massen des Mehrwerths.


Der Unterschied dieses zweiten Beispiels vom vorhergehenden
ist nur der: Die Ausgleichung zwischen A und B würde im zweiten
Fall nur einen Werthwechsel des konstanten Kapitals, sei es von
A oder B, bei gleichbleibender technischer Grundlage erfordern;
im ersten Fall dagegen ist die technische Zusammensetzung selbst
in den beiden Produktionssphären verschieden und müsste zur Aus-
gleichung umgewälzt werden.


Die verschiedne organische Zusammensetzung der Kapitale ist
also unabhängig von ihrer absoluten Grösse. Es fragt sich stets
nur, wieviel von je 100 variables und wieviel konstantes Kapital ist.


Kapitale von verschiedner Grösse procentig berechnet, oder was
hier auf dasselbe herauskommt, Kapitale von gleicher Grösse er-
zeugen also bei gleichem Arbeitstag und gleichem Exploitations-
grad der Arbeit sehr verschiedne Mengen von Profit, weil von
Mehrwerth, und zwar weil, nach der verschiednen organischen
Kapital-Zusammensetzung in verschiednen Produktionssphären ihr
variabler Theil verschieden ist, also die Quanta der von ihnen in
Bewegung gesetzten lebendigen Arbeit verschieden, also auch die
Quanta der von ihnen angeeigneten Mehrarbeit, der Substanz des
Mehrwerths und daher des Profits. Gleich grosse Stücke des Ge-
sammtkapitals in den verschiednen Produktionssphären schliessen
ungleich grosse Quellen des Mehrwerths ein, und die einzige Quelle
des Mehrwerths ist die lebendige Arbeit. Bei gleichem Exploi-
tationsgrad der Arbeit hängt die Masse der von einem Kapital
= 100 in Bewegung gesetzten Arbeit, und daher auch der von
ihm angeeigneten Mehrarbeit, von der Grösse seines variablen Be-
standtheils ab. Wenn ein Kapital, das procentig aus 90c + 10v
besteht, bei gleichem Exploitationsgrad der Arbeit ebensoviel Mehr-
werth oder Profit erzeugte wie ein Kapital, das aus 10c + 90v
besteht, dann wäre es sonnenklar, dass der Mehrwerth und daher
der Werth überhaupt eine ganz andre Quelle haben müsste als
die Arbeit, und dass damit jede rationelle Grundlage der politischen
Oekonomie wegfiele. Setzen wir fortwährend 1 £ gleich dem
[128] Wochenlohn eines Arbeiters für 60 Arbeitsstunden, und die Mehr-
werthsrate = 100 %, so ist klar, dass das Gesammt-Werthprodukt,
das ein Arbeiter in einer Woche liefern kann = 2 £; 10 Arbeiter
könnten also nicht mehr liefern als 20 £; und da von diesen 20 £
10 £ den Arbeitslohn ersetzen, so könnten die 10 keinen grössern
Mehrwerth schaffen als 10 £; während die 90, deren Gesammt-
produkt = 180 £, und deren Arbeitslohn = 90 £, einen Mehrwerth
von 90 £ schüfen. Die Profitrate wäre also im einen Fall 10 %,
im andern 90 %. Sollte es anders sein, so müssten Werth und
Mehrwerth etwas andres sein als vergegenständlichte Arbeit. Da
also Kapitale in verschiednen Produktionssphären, procentig be-
trachtet — oder gleich grosse Kapitale — sich ungleich eintheilen
in konstantes und variables Element, ungleich viel lebendige Arbeit
in Bewegung setzen und daher ungleich viel Mehrwerth, also Profit
erzeugen, so ist die Rate des Profits, die eben in der procentigen
Berechnung des Mehrwerths auf das Gesammtkapital besteht, in
ihnen verschieden.


Wenn aber die Kapitale verschiedner Produktionssphären, pro-
centig berechnet, also gleich grosse Kapitale in verschiednen Pro-
duktionssphären ungleiche Profite erzeugen, in Folge ihrer ver-
schiednen organischen Zusammensetzung, so folgt, dass die Profite
ungleicher Kapitale in verschiednen Produktionssphären nicht im
Verhältniss zu ihren respektiven Grössen stehn können, dass also
die Profite in verschiednen Produktionssphären nicht den Grössen
der respektive in ihnen angewandten Kapitale proportional sind.
Denn solches Wachsen des Profits pro rata der Grösse des ange-
wandten Kapitals würde unterstellen, dass procentig betrachtet die
Profite gleich sind, dass also gleich grosse Kapitale in verschiednen
Produktionssphären gleiche Profitraten haben, trotz ihrer ver-
schiednen organischen Zusammensetzung. Nur innerhalb derselben
Produktionssphäre, wo also die organische Zusammensetzung des
Kapitals gegeben ist, oder zwischen verschiednen Produktionssphären
von gleicher organischer Zusammensetzung des Kapitals, stehn die
Massen der Profite in geradem Verhältniss zur Masse der ange-
wandten Kapitale. Dass die Profite ungleich grosser Kapitale im
Verhältniss ihrer Grössen sind, heisst überhaupt nichts als dass
gleich grosse Kapitale gleich grosse Profite abwerfen, oder dass
die Profitrate für alle Kapitale gleich ist, welches immer ihre
Grösse und ihre organische Zusammensetzung.


Es findet das Entwickelte statt unter der Voraussetzung, dass
die Waaren zu ihren Werthen verkauft werden. Der Werth einer
[129] Waare ist gleich dem Werth des in ihr enthaltnen konstanten
Kapitals, plus dem Werth des in ihr reproducirten variablen
Kapitals, plus dem Inkrement dieses variablen Kapitals, dem pro-
ducirten Mehrwerth. Bei gleicher Rate des Mehrwerths hängt
seine Masse offenbar ab von der Masse des variablen Kapitals.
Der Werth des Produkts des Kapitals von 100 ist in dem einen
Fall 90c + 10v + 10m = 110; im andern Fall 10c + 90v + 90m
= 190. Werden die Waaren zu ihren Werthen verkauft, so das
erste Produkt zu 110, wovon 10 Mehrwerth oder unbezahlte Arbeit
darstellt; das zweite Produkt dagegen zu 190, wovon 90 Mehr-
werth oder unbezahlte Arbeit.


Es ist dies namentlich wichtig, wenn internationale Profitraten
mit einander verglichen werden. In einem europäischen Land sei
die Rate dss Mehrwerths 100 %, d. h. der Arbeiter arbeite den
halben Tag für sich und den halben Tag für seinen Beschäftiger;
in einem asiatischen Land sei sie = 25 %, d. h. der Arbeiter arbeite
⅘ des Tages für sich und ⅕ für seinen Beschäftiger. In dem
europäischen Land aber sei die Zusammensetzung des nationalen
Kapitals 84c + 16v, und im asiatischen Land, wo wenig Maschi-
nerie etc. angewandt, und in einer gegebnen Zeit von einer gegebnen
Menge Arbeitskraft relativ wenig Rohmaterial produktiv konsumirt
wird, sei die Zusammensetzung 16c + 84v. Wir haben dann
folgende Rechnung:


Im europäischen Land Produktwerth = 84c + 16v + 16m = 116
Profitrate = \frac{16}{100} = 16 %.


Im asiatischen Land Produktwerth = 16c + 84v + 21m = 121;
Profitrate = \frac{21}{100} = 21 %.


Die Profitrate ist also im asiatischen Land um mehr als 25 %
grösser als im europäischen, obgleich die Mehrwerthsrate in jenem
viermal kleiner ist als in diesem. Die Careys, Bastiats und tutti
quanti werden gerade auf das Umgekehrte schliessen.


Dies beiläufig; verschiedne nationale Profitraten werden meist
auf verschiednen nationalen Mehrwerthsraten beruhen; wir ver-
gleichen aber in diesem Kapitel ungleiche Profitraten, die aus einer
und derselben Mehrwerthsrate entspringen.


Ausser der verschiednen organischen Zusammensetzung der Kapi-
tale, also ausser den verschiednen Massen von Arbeit und damit
auch, bei sonst gleichen Umständen, von Mehrarbeit, die Kapitale
von gleicher Grösse in verschiednen Produktionssphären in Be-
wegung setzen, besteht noch eine andre Quelle der Ungleichheit
der Profitraten: die Verschiedenheit in der Länge des Umschlags
Marx, Kapital III. 9
[130] des Kapitals in den verschiednen Produktionssphären. Wir haben
im IV. Kapitel gesehn, dass bei gleicher Zusammensetzung der
Kapitale und bei sonst gleichen Umständen die Profitraten sich
umgekehrt verhalten wie die Umschlagszeiten, und ebenso dass
dasselbe variable Kapital, wenn es in verschiednen Zeiträumen um-
schlägt, ungleiche Massen von jährlichem Mehrwerth zu Wege
bringt. Die Verschiedenheit der Umschlagszeiten ist also ein andrer
Grund, warum gleich grosse Kapitale in verschiednen Produktions-
sphären nicht gleich grosse Profite in gleichen Zeiträumen produ-
ciren, und warum daher die Profitraten in diesen verschiednen
Sphären verschieden sind.


Was dagegen das Verhältniss der Zusammensetzung der Kapitale
aus fixem und cirkulirendem Kapital betrifft, so afficirt es, an und
für sich betrachtet, die Profitrate durchaus nicht. Es kann sie
nur afficiren, wenn entweder diese verschiedne Zusammensetzung
zusammenfällt mit verschiednem Verhältniss zwischen dem variablen
und konstanten Theil, wo also diesem Unterschied, und nicht dem
von cirkulirendem und fixem, die Verschiedenheit der Profitrate
geschuldet ist; oder wenn das verschiedne Verhältniss zwischen
fixen und cirkulirenden Bestandtheilen eine Verschiedenheit bedingt
in der Umschlagszeit, während welcher ein bestimmter Profit reali-
sirt wird. Wenn Kapitale in verschiedner Proportion in fixes und
cirkulirendes zerfallen, wird dies zwar stets Einfluss auf ihre Um-
schlagszeit haben und eine Verschiedenheit derselben hervorrufen;
es folgt daraus aber nicht, dass die Umschlagszeit, worin dieselben
Kapitale Profit realisiren, verschieden ist. Ob A z. B. beständig
einen grössern Theil des Produkts in Rohstoff etc umsetzen muss,
während B für längre Zeit dieselben Maschinen etc. bei weniger
Rohstoff braucht, beide haben, soweit sie produciren, stets einen
Theil ihres Kapitals engagirt; der eine in Rohstoff, also cirkulirendem
Kapital, der andre in Maschinen etc. also in fixem Kapital. A ver-
wandelt beständig einen Theil seines Kapitals aus Waarenform in
Geldform und aus dieser zurück in die Form des Rohstoffs; während
B einen Theil seines Kapitals ohne solche Veränderung für längren
Zeitraum als Arbeitsinstrument benutzt. Wenn beide gleich viel
Arbeit anwenden, so werden sie im Lauf des Jahrs zwar Produkten-
massen von ungleichem Werth verkaufen, aber beide Produkten-
massen werden gleich viel Mehrwerth enthalten, und ihre Profit-
raten, die auf das gesammte vorgeschossne Kapital berechnet
werden, sind dieselben, obgleich ihre Zusammensetzung aus fixem
und cirkulirendem Kapital und ebenso ihre Umschlagszeit verschieden
[131] ist. Beide Kapitale realisiren in gleichen Zeiten gleiche Profite,
obgleich sie in verschiednen Zeiten umschlagen.21) Die Ver-
schiedenheit der Umschlagszeit hat an und für sich nur Bedeutung,
soweit sie die Masse der Mehrarbeit afficirt, die von demselben
Kapital in einer gegebnen Zeit angeeignet und realisirt werden
kann. Wenn also eine ungleiche Zusammensetzung aus cirkulirendem
und fixem Kapital nicht nothwendig eine Ungleichheit der Um-
schlagszeit einschliesst, die ihrerseits Ungleichheit der Profitrate
bedingt, so ist klar, dass soweit letztre stattfindet, dies nicht aus
der ungleichen Zusammensetzung von cirkulirendem und fixem
Kapital an sich herrührt, sondern vielmehr daraus, dass diese letztre
hier nur eine die Profitrate afficirende Ungleichheit der Um-
schlagszeiten anzeigt.


Die verschiedne Zusammensetzung des konstanten Kapitals aus
cirkulirendem und fixem in verschiednen Industriezweigen hat an
sich also keine Bedeutung für die Profitrate, da das Verhältniss
des variablen Kapitals zum konstanten entscheidet, und der Werth
des konstanten Kapitals, also auch seine relative Grösse im Ver-
hältniss zum variablen, durchaus unabhängig ist von dem fixen
oder cirkulirenden Charakter seiner Bestandtheile. Wohl aber
wird sich finden — und dies leitet mit zu falschen Schlüssen —
dass da wo das fixe Kapital bedeutend entwickelt, dies nur Aus-
druck davon ist, dass die Produktion auf grosser Stufenleiter be-
trieben wird, und daher das konstante Kapital sehr überwiegt über
das variable, oder dass die angewandte lebendige Arbeitskraft gering
ist im Verhältniss zur Masse der von ihr in Bewegung gesetzten
Produktionsmittel.


Wir haben also gezeigt: dass in verschiednen Industriezweigen,
entsprechend der verschiednen organischen Zusammensetzung der
Kapitale, und innerhalb der angegebnen Grenzen auch entsprechend
ihren verschiednen Umschlagszeiten, ungleiche Profitraten herrschen,
9*
[132] und dass daher auch bei gleicher Mehrwerthsrate nur für Kapitale
von gleicher organischer Zusammensetzung — gleiche Umschlags-
zeiten vorausgesetzt — das Gesetz (der allgemeinen Tendenz nach)
gilt, dass die Profite sich verhalten wie die Grössen der Kapitale,
und daher gleich grosse Kapitale in gleichen Zeiträumen gleich
grosse Profite abwerfen. Das Entwickelte gilt auf der Basis, welche
überhaupt bisher die Basis unsrer Entwicklung war: dass die
Waaren zu ihren Werthen verkauft werden. Andrerseits unterliegt
es keinem Zweifel, dass in der Wirklichkeit, von unwesentlichen,
zufälligen und sich ausgleichenden Unterschieden abgesehn, die
Verschiedenheit der durchschnittlichen Profitraten für die verschiednen
Industriezweige nicht existirt und nicht existiren könnte, ohne das
ganze System der kapitalistischen Produktion aufzuheben. Es
scheint also, dass die Werththeorie hier unvereinbar ist mit der
wirklichen Bewegung, unvereinbar mit den thatsächlichen Er-
scheinungen der Produktion, und dass daher überhaupt darauf ver-
zichtet werden muss die letztren zu begreifen.


Aus dem ersten Abschnitt dieses Buchs ergibt sich, dass die
Kostpreise dieselben sind für Produkte verschiedner Produktions-
sphären, in deren Produktion gleichgrosse Kapitaltheile vorge-
schossen sind, wie verschieden immer die organische Zasammen-
setzung dieser Kapitale sein möge. Im Kostpreis fällt der Unter-
schied von variablem und konstantem Kapital für den Kapitalisten
fort. Ihm kostet eine Waare, zu deren Produktion er 100 £
auslegen muss, gleich viel, lege er nun 90c + 10v oder 10c + 90v
aus. Sie kostet ihm stets 100 £, weder mehr noch weniger. Die
Kostpreise sind dieselben für gleich grosse Kapitalauslagen in ver-
schiednen Sphären, so sehr auch die producirten Werthe und Mehr-
werthe verschieden sein mögen. Diese Gleichheit der Kostpreise
bildet die Basis der Konkurrenz der Kapitalanlagen, wodurch der
Durchschnittsprofit hergestellt wird.


Neuntes Kapitel.
Bildung einer allgemeinen Profitrate (Durchschnitts-Profit-
rate) und Verwandlung der Waarenwerthe in Produktions-
preise.


Die organische Zusammensetzung des Kapitals hängt in jedem
aktuellen Moment von zwei Umständen ab: Erstens vom technischen
[133] Verhältniss der angewandten Arbeitskraft zur Masse der ange-
wandten Produktionsmittel; zweitens vom Preis dieser Produktions-
mittel. Sie muss, wie wir gesehn, nach ihrem Procentverhältniss
betrachtet werden. Die organische Zusammensetzung eines Kapitals,
das aus ⅘ konstantem und ⅕ variablem Kapital besteht, drücken
wir aus durch die Formel 80c + 20v. Ferner wird bei der Ver-
gleichung eine unveränderliche Rate des Mehrwerths angenommen,
und zwar eine irgend beliebige Rate, z. B. 100 %. Das Kapital
von 80c + 20v wirft also einen Mehrwerth von 20m ab, was auf
das Gesammtkapital eine Profitrate von 20 % bildet. Wie gross
nun der wirkliche Werth seines Produkts, hängt davon ab, wie
gross der fixe Theil des konstanten Kapitals, und wieviel davon als
Verschleiss in das Produkt eingeht, wieviel nicht. Da dieser Um-
stand aber völlig gleichgültig für die Profitrate und also für die
vorliegende Untersuchung, wird der Vereinfachung halber ange-
nommen, dass das konstante Kapital überall gleichmäßig ganz in
das jährliche Produkt dieser Kapitale eingeht. Es wird ferner
angenommen, dass die Kapitale in den verschiednen Produktions-
sphären, im Verhältniss zur Grösse ihres variablen Theils, jährlich
gleich viel Mehrwerth realisiren; es wird also vorläufig abgesehn
von dem Unterschied, den die Verschiedenheit der Umschlagszeiten
in dieser Beziehung hervorbringen kann. Dieser Punkt wird später
behandelt.


Nehmen wir fünf verschiedne Produktionssphären mit jedesmal
verschiedner organischer Zusammensetzung der in ihnen angelegten
Kapitale, etwa wie folgt:

Wir haben hier für verschiedne Produktionssphären bei gleich-
mäßiger Exploitation der Arbeit sehr verschiedne Profitraten, ent-
sprechend der verschiednen organischen Zusammensetzung der
Kapitale.


Die Gesammtsumme der in den fünf Sphären angelegten Kapitale
ist = 500; die Gesammtsumme des von ihnen producirten Mehr-
[134] werths = 110; der Gesammtwerth der von ihnen producirten Waaren
= 610. Betrachten wir die 500 als ein einziges Kapital, von dem
I—V nur verschiedne Theile bilden (wie etwa in einer Baumwoll-
fabrik in den verschiednen Abtheilungen, im Kardirraum, Vor-
spinnraum, Spinnsaal und Websaal verschiednes Verhältniss von
variablem und konstantem Kapital existirt und das Durchschnitts-
verhältniss für die ganze Fabrik erst berechnet werden muss), so
wäre erstens die Durchschnittszusammensetzung des Kapitals von
500 = 390c + 110v, oder procentig 78c + 22v. Jedes der Kapi-
tale von 100 nur als ⅕ des Gesammtkapitals betrachtet, wäre
seine Zusammensetzung diese durchschnittliche von 78c + 22v;
ebenso fielen auf jedes 100 als durchschnittlicher Mehrwerth 22;
daher wäre die Durchschnittsrate des Profits = 22 %, und endlich
wäre der Preis von jedem Fünftel des von den 500 producirten
Gesammtprodukts = 122. Das Produkt von jedem Fünftel des
vorgeschossnen Gesammtkapitals müsste also zu 122 verkauft werden.


Es ist jedoch, um nicht zu ganz falschen Schlüssen zu kommen,
nöthig, nicht alle Kostpreise = 100 anzurechnen.


Bei 80c + 20v und Mehrwerthsrate = 100 % wäre der Total-
werth der vom Kapital I = 100 producirten Waare = 80c + 20v
+ 20m = 120, wenn das gesammte konstante Kapital in das jähr-
liche Produkt einginge. Nun kann dies wohl unter Umständen
in gewissen Produktionssphären der Fall sein. Schwerlich jedoch
da, wo das Verhältniss c:v = 4:1. Es ist also bei den Werthen
der Waaren, die von je 100 der verschiednen Kapitale producirt
werden zu erwägen, dass sie verschieden sein werden je nach der
verschiednen Zusammensetzung von c aus fixen und cirkulirenden
Bestandtheilen, und dass die fixen Bestandtheile verschiedner Kapi-
tale selbst wieder rascher oder langsamer verschleissen, also in
gleichen Zeiten ungleiche Werthquanta dem Produkt zusetzen.
Für die Profitrate ist dies aber gleichgültig. Ob die 80c den Werth
von 80 oder 50 oder 5 an das Jahresprodukt abgeben, ob also
das jährliche Produkt = 80c + 20v + 20m = 120, oder = 50c +
20v + 20m = 90, oder = 5c + 20v + 20m = 45 ist, in allen diesen
Fällen ist der Ueberschuss des Werths des Produkts über seinen
Kostpreis = 20, und in allen diesen Fällen werden, bei Feststellung
der Profitrate, diese 20 auf ein Kapital von 100 berechnet; die
Profitrate des Kapital I ist also in allen Fällen = 20 %. Um
dies noch deutlicher zu machen, lassen wir in der folgenden Tabelle
für dieselben fünf Kapitale wie oben, verschiedne Theile des kon-
stanten Kapitals in den Werth des Produkts eingehn.


[135]

Betrachtet man die Kapitale I—V wieder als ein einziges Ge-
sammtkapital, so sieht man, dass auch in diesem Fall die Zusammen-
setzung der Summen der fünf Kapitale = 500 = 390c + 110v,
also die Durchschnittszusammensetzung = 78c + 22v dieselbe bleibt;
ebenso der Durchschnittsmehrwerth = 22 %. Diesen Mehrwerth
gleichmäßig auf I—V vertheilt, kämen folgende Waarenpreise heraus:

Zusammengenommen werden die Waaren verkauft 2 + 7 + 17
= 26 über und 8 + 18 = 26 unter dem Werth, sodass die Preis-
abweichungen durch gleichmäßige Vertheilung des Mehrwerths
oder durch Zuschlag des durchschnittlichen Profits von 22 auf 100
vorgeschossnes Kapital zu den respektiven Kostpreisen der Waaren
I—V sich gegenseitig aufheben; in demselben Verhältniss, worin
ein Theil der Waaren über, wird ein andrer unter seinem Werth
verkauft. Und nur ihr Verkauf zu solchen Preisen ermöglicht,
dass die Profitrate für I—V gleichmäßig ist, 22 %, ohne Rück-
sicht auf die verschiedne organische Komposition der Kapitale I—V.
Die Preise, die dadurch entstehn, dass der Durchschnitt der ver-
schiednen Profitraten der verschiednen Produktionssphären gezogen
und dieser Durchschnitt den Kostpreisen der verschiednen Produk-
tionssphären zugesetzt wird, sind die Produktionspreise. Ihre
Voraussetzung ist die Existenz einer allgemeinen Profitrate, und
diese setzt wiederum voraus, dass die Profitraten in jeder besondren
Produktionssphäre für sich genommen, bereits auf ebensoviel Durch-
schnittsraten reducirt sind. Diese besondren Profitraten sind in
jeder Produktionssphäre = \frac{m}{C}, und sind, wie dies im ersten Ab-
[136] schnitt dieses Buchs geschehn, aus dem Werth der Waare zu ent-
wickeln. Ohne diese Entwicklung bleibt die allgemeine Profitrate
(und daher auch der Produktionspreis der Waare) eine sinn- und
begriffslose Vorstellung. Der Produktionspreis der Waare ist also
gleich ihrem Kostpreis plus dem, entsprechend der allgemeinen
Profitrate, procentig ihm zugesetzten Profit, oder gleich ihrem Kost-
preis plus dem Durchschnittsprofit.


In Folge der verschiednen organischen Zusammensetzung der in
verschiednen Produktionszweigen angelegten Kapitale; in Folge
daher des Umstandes, dass je nach dem verschiednen Procentsatz,
den der variable Theil in einem Gesammtkapital von gegebner Grösse
hat, sehr verschiedne Quanta Arbeit von Kapitalen gleicher Grösse in
Bewegung gesetzt werden, werden auch sehr verschiedne Quanta
Mehrarbeit von ihnen angeeignet oder sehr verschiedne Massen
Mehrwerth von ihnen producirt. Demgemäß sind die Profitraten,
die in verschiednen Produktionszweigen herrschen, ursprünglich
sehr verschieden. Diese verschiednen Profitraten werden durch
die Konkurrenz zu einer allgemeinen Profitrate ausgeglichen, welche
der Durchschnitt aller dieser verschiednen Profitraten ist. Der
Profit, der entsprechend dieser allgemeinen Profitrate auf ein
Kapital von gegebner Grösse fällt, welches immer seine organische
Zusammensetzung, heisst der Durchschnittsprofit. Der Preis einer
Waare, welcher gleich ist ihrem Kostpreis plus dem, im Verhält-
niss ihrer Umschlagsbedingungen auf sie fallenden Theil des jähr-
lichen Durchschnittsprofits auf das in ihrer Produktion angewandte
(nicht bloss das in ihrer Produktion konsumirte) Kapital, ist ihr
Produktionspreis. Nehmen wir z. B. ein Kapital von 500, davon
100 fixes Kapital, wovon 10 % Verschleiss während einer Um-
schlagsperiode des cirkulirenden Kapitals von 400. Der Durch-
schnittsprofit für die Dauer dieser Umschlagsperiode sei 10 %.
Dann wird der Kostpreis des während dieses Umschlags her-
gestellten Produkts sein: 10c für Verschleiss, plus 400 (c + v)
cirkulirendes Kapital = 410, und ihr Produktionspreis: 410 Kost-
preis plus (10 % Profit auf 500) 50 = 460.


Obgleich daher die Kapitalisten der verschiednen Produktions-
sphären beim Verkauf ihrer Waaren die in der Produktion dieser
Waaren verbrauchten Kapitalwerthe zurückziehn, so lösen sie nicht
den in ihrer eignen Sphäre bei der Produktion dieser Waaren
producirten Mehrwerth und daher Profit ein, sondern nur soviel
Mehrwerth und daher Profit, als vom Gesammtmehrwerth oder
Gesammtprofit, der vom Gesammtkapital der Gesellschaft in allen
[137] Produktionssphären zusammengenommen, in einem gegebnen Zeit-
abschnitt producirt wird, bei gleicher Vertheilung auf jeden ali-
quoten Theil des Gesammtkapitals fällt. Pro 100 zieht jedes
vorgeschossne Kapital, welches immer seine Zusammensetzung, in
jedem Jahr oder andern Zeitabschnitt den Profit, der für diesen
Zeitabschnitt auf 100 als den sovielsten Theil des Gesammtkapitals
kommt. Die verschiednen Kapitalisten verhalten sich hier, soweit
der Profit in Betracht kommt, als blosse Aktionäre einer Aktien-
gesellschaft, worin die Antheile am Profit gleichmäßig pro 100
vertheilt werden, und daher für die verschiednen Kapitalisten sich
nur unterscheiden nach der Grösse des von jedem in das Gesammt-
unternehmen gesteckten Kapitals, nach seiner verhältnissmäßigen
Betheiligung am Gesammtunternehmen, nach der Zahl seiner Aktien.
Während sich also der Theil dieses Waarenpreises, der die in der
Produktion der Waaren verzehrten Werththeile des Kapitals er-
setzt, und mit dem daher diese verzehrten Kapitalwerthe rückge-
kauft werden müssen, während dieser Theil, der Kostpreis, sich
ganz nach der Auslage innerhalb der respektiven Produktionssphären
richtet, richtet sich der andre Bestandtheil des Waarenpreises, der
auf diesen Kostpreis zugeschlagne Profit, nicht nach der Masse
Profit, die von diesem bestimmten Kapital in dieser bestimmten
Produktionssphäre während einer gegebnen Zeit producirt wird,
sondern nach der Masse Profit, die auf jedes angewandte Kapital,
als aliquoten Theil des in der Gesammtproduktion angewandten
gesellschaftlichen Gesammtkapitals, während eines gegebnen Zeit-
raums im Durchschnitt fällt.22)


Wenn ein Kapitalist also seine Waare zu ihrem Produktionspreis
verkauft, so zieht er Geld zurück im Verhältniss zur Werthgrösse
des in der Produktion von ihm verzehrten Kapitals und schlägt
Profit heraus im Verhältniss zu seinem vorgeschossnen Kapital
als blossem aliquoten Theil des gesellschaftlichen Gesammtkapitals.
Seine Kostpreise sind specifisch. Der Profitzuschlag auf diesen
Kostpreis ist unabhängig von seiner besondren Produktionssphäre,
ist einfacher Durchschnitt pro 100 des vorgeschossnen Kapitals.


Unterstellen wir, die fünf verschiednen Kapitalanlagen I—V im
vorigen Beispiel gehörten einem Mann. Wieviel in jeder einzelnen
Anlage von I—V auf je 100 des angewandten Kapitals an vari-
ablem und konstantem Kapital konsumirt würde in der Produktion
der Waaren, wäre gegeben, und dieser Werththeil der Waaren I—V
[138] würde selbstredend einen Theil ihres Preises bilden, da mindestens
dieser Preis erheischt ist zum Ersatz des vorgeschossnen und kon-
sumirten Kapitaltheils. Diese Kostpreise wären also für jede
Waarengattung von I—V verschieden und würden als solche von
dem Besitzer verschieden fixirt werden. Was aber die in I—V
producirten verschiednen Massen von Mehrwerth oder Profit be-
träfe, so könnte der Kapitalist sie sehr gut als Profit seines vor-
geschossnen Gesammtkapitals rechnen, sodass auf je 100 Kapital
ein bestimmter aliquoter Theil fiele. Verschieden also wären bei
den in den einzelnen Anlagen I—V producirten Waaren die Kost-
preise; aber gleich bei allen diesen Waaren wäre der Theil des
Verkaufspreises, der aus dem zugesetzten Profit von je 100 Kapital
käme. Der Gesammtpreis der Waaren I—V wäre also gleich
ihrem Gesammtwerth, d. h. gleich Summe der Kostpreise I—V
plus Summe des in I—V producirten Mehrwerths oder Profits; in
der That also Geldausdruck für das Gesammtquantum Arbeit, ver-
gangner und neu zugesetzter, enthalten in den Waaren I—V. Und
in dieser Weise ist in der Gesellschaft selbst — die Totalität aller
Produktionszweige betrachtet — die Summe der Produktionspreise
der producirten Waaren gleich der Summe ihrer Werthe.


Diesem Satz scheint die Thatsache zu widersprechen, dass in
der kapitalistischen Produktion die Elemente des produktiven
Kapitals in der Regel auf dem Markt gekauft sind, ihre Preise
also einen bereits realisirten Profit enthalten und hiernach der
Produktionspreis eines Industriezweigs sammt dem in ihm enthaltnen
Profit, dass also der Profit des einen Industriezweigs in den Kost-
preis des andern eingeht. Aber wenn wir die Summe der Kost-
preise der Waaren des ganzen Landes auf die eine Seite, und
die Summe seiner Profite oder Mehrwerthe auf die andre stellen,
so ist klar, dass die Rechnung sich richtig stellen muss. Z. B.
nehmen wir eine Waare A; ihr Kostpreis mag die Profite von
B, C, D eingeschlossen enthalten, wie bei B, C, D etc. wieder die
Profite von A in ihre Kostpreise eingehn mögen. Stellen wir also
die Rechnung auf, so fehlt der Profit von A in seinem eignen
Kostpreis und ebenso fehlen die Profite von B, C, D etc. in ihren
eignen Kostpreisen. Keiner rechnet seinen eignen Profit in seinen
Kostpreis ein. Gibt es also z. B. n Sphären der Produktion, und
wird in jeder ein Profit gleich p gemacht, so ist in allen zusammen
der Kostpreis = k—np. Die Gesammtrechnung betrachtet, soweit
die Profite einer Produktionssphäre eingehn in den Kostpreis der
andren, soweit sind also diese Profite bereits in Rechnung gebracht
[139] für den Gesammtpreis des schliesslichen Endprodukts, und können
nicht zum zweiten Mal auf der Profitseite erscheinen. Erscheinen
sie aber auf dieser Seite, so nur, weil die Waare selbst End-
produkt war, ihr Produktionspreis also nicht in den Kostpreis
einer andern Waare eingeht.


Wenn in den Kostpreis einer Waare eine Summe eingeht = p
für die Profite der Producenten der Produktionsmittel, und auf
diesen Kostpreis ein Profit geschlagen wird = p1, so ist der Ge-
sammtprofit P = p+p1. Der Gesammtkostpreis der Waare, ab-
strahirt von allen für Profit eingehenden Preistheilen, ist dann
ihr eigner Kostpreis minus P. Heisst dieser Kostpreis k, so ist
offenbar k + P = k + p + p1. Man hat bei Behandlung des Mehr-
werths in Buch I, Kap. VII, 2, p. 211/203, gesehn, dass das Pro-
dukt jedes Kapitals so behandelt werden kann, als ob ein Theil
bloss Kapital ersetzt, der andre nur Mehrwerth ausdrückt. Diese
Berechnung auf das Gesammtprodukt der Gesellschaft angewandt,
finden Rektifikationen statt, indem, die ganze Gesellschaft betrachtet,
z. B. der im Preis des Flachses enthaltne Profit nicht zweimal
figuriren kann, nicht als Theil zugleich des Preises der Leinwand
und des Profits des Flachsproducenten.


Es findet insofern kein Unterschied statt zwischen Profit und
Mehrwerth, als z. B. der Mehrwerth von A in das konstante Kapital
von B eingeht. Für den Werth der Waaren ist es ja völlig
gleichgültig, ob die in ihnen enthaltne Arbeit aus bezahlter oder
unbezahlter Arbeit besteht. Dies zeigt nur, dass B den Mehrwerth
von A zahlt. In der Gesammtrechnung kann der Mehrwerth von
A nicht zweimal zählen.


Aber der Unterschied ist der: Ausser dass der Preis des Pro-
dukts z. B. von Kapital B abweicht von seinem Werth, weil der
in B realisirte Mehrwerth grösser oder kleiner sein mag als der
im Preis der Produkte von B zugeschlagne Profit, so gilt auch
derselbe Umstand wieder für die Waaren, die den konstanten
Theil des Kapitals B, und indirekt, als Lebensmittel der Arbeiter,
auch seinen variablen Theil bilden. Was den konstanten Theil
betrifft, so ist er selbst gleich Kostpreis plus Mehrwerth, also jetzt
gleich Kostpreis plus Profit, und dieser Profit kann wieder grösser
oder kleiner sein als der Mehrwerth, an dessen Stelle er steht.
Was das variable Kapital angeht, so ist der durchschnittliche täg-
liche Arbeitslohn zwar stets gleich dem Werthprodukt der Stunden-
zahl, die der Arbeiter arbeiten muss, um die nothwendigen Lebens-
mittel zu produciren; aber diese Stundenzahl ist selbst wieder
[140] verfälscht durch die Abweichung der Produktionspreise der noth-
wendigen Lebensmittel von ihren Werthen. Indess löst sich dies
immer dahin auf, dass was in der einen Waare zuviel, in der
andren zu wenig für Mehrwerth eingeht, und dass daher auch die
Abweichungen vom Werth, die in den Produktionspreisen der
Waaren stecken, sich gegeneinander aufheben. Es ist überhaupt
bei der ganzen kapitalistischen Produktion immer nur in einer
sehr verwickelten und annähernden Weise, als nie festzustellender
Durchschnitt ewiger Schwankungen, dass sich das allgemeine Gesetz
als die beherrschende Tendenz durchsetzt.


Da die allgemeine Profitrate gebildet wird durch den Durch-
schnitt der verschiednen Profitraten auf je 100 vom vorgeschossnen
Kapital in einem bestimmten Zeitraum, sage einem Jahr, so ist
darin auch der durch den Unterschied der Umschlagszeiten für
verschiedne Kapitale hervorgebrachte Unterschied ausgelöscht.
Aber diese Unterschiede gehn bestimmend ein in die verschiednen
Profitraten der verschiednen Produktionssphären, durch deren
Durchschnitt die allgemeine Profitrate gebildet wird.


Es ist bei der vorigen Illustration zur Bildung der allgemeinen
Profitrate jedes Kapital in jeder Produktionssphäre = 100 ange-
setzt, und zwar ist dies geschehn, um den procentigen Unterschied
der Profitrate klarzumachen und daher auch den Unterschied in
den Werthen der Waaren, die von gleich grossen Kapitalen pro-
ducirt werden. Aber es versteht sich: die wirklichen Massen des
Mehrwerths, die in jeder besondren Produktionssphäre erzeugt
werden, hängen, da in jeder solchen gegebnen Produktionssphäre
die Zusammensetzung des Kapitals gegeben ist, von der Grösse der
angewandten Kapitale ab. Indess die besondre Profitrate einer
einzelnen Produktionssphäre wird nicht davon berührt, ob ein
Kapital von 100, m × 100 oder xm × 100 angewandt wird. Die
Profitrate bleibt 10 %, ob der Gesammtprofit 10:100 oder 1000:10000
beträgt.


Da aber die Profitraten in den verschiednen Produktionssphären
verschieden sind, indem in denselben, je nach dem Verhältniss des
variablen Kapitals zum Gesammtkapital, sehr verschiedne Massen
Mehrwerth und daher Profit producirt werden, so ist klar, dass
der Durchschnittsprofit pro 100 des gesellschaftlichen Kapitals,
und daher die Durchschnittsprofitrate oder allgemeine Profitrate
sehr verschieden sein wird, je nach den respektiven Grössen der
in den verschiednen Sphären angelegten Kapitale. Nehmen wir
vier Kapitale A, B, C, D. Die Mehrwerthsrate sei für alle = 100 %.
[141] Auf jede 100 vom Gesammtkapital sei das variable Kapital für
A = 25, für B = 40, für C = 15, für D = 10. Auf jede 100
vom Gesammtkapital fiele dann ein Mehrwerth oder Profit von
A = 25, B = 40, C = 15, D = 10; zusammen = 90, also, wenn
die vier Kapitale gleich gross sind, Durchschnittsprofitrate \frac{90}{4}
= 22½ %.


Wenn aber die Gesammtkapitalgrössen sind wie folgt: A = 200,
B = 300, C = 1000, D = 4000, so würden die producirten Pro-
fite sein resp. 50, 120, 150 und 400. Zusammen auf 5500 Kapital
ein Profit von 720 oder eine Durchschnittsprofitrate von 13\frac{1}{11} %.


Die Massen des producirten Gesammtwerths sind verschieden je
nach den verschiednen Grössen der in A, B, C, D respektive vor-
geschossnen Gesammtkapitale. Bei Bildung der allgemeinen Profit-
rate handelt es sich daher nicht nur um den Unterschied der
Profitraten in den verschiednen Produktionssphären, deren einfacher
Durchschnitt zu ziehn wäre, sondern um das relative Gewicht,
womit diese verschiednen Profitraten in die Bildung des Durch-
schnitts eingehn. Dies aber hängt ab von der verhältnissmäßigen
Grösse des in jeder besondren Sphäre angelegten Kapitals, oder
davon, welchen aliquoten Theil des gesellschaftlichen Gesammt-
kapitals das in jeder besondren Produktionssphäre angelegte Kapital
bildet. Es muss natürlich ein sehr grosser Unterschied stattfinden,
je nachdem ein grössrer oder geringrer Theil des Gesammtkapitals
eine höhere oder niedere Profitrate abwirft. Und dies hängt wieder
davon ab, wie viel Kapital in den Sphären angelegt ist, wo das
variable Kapital relativ zum Gesammtkapital gross oder klein ist.
Es ist ganz damit wie mit dem Durchschnittszinsfuss, den ein
Wucherer macht, der verschiedne Kapitalien zu verschiednen Zins-
raten ausleiht, z. B. zu 4, 5, 6, 7 % etc. Die Durchschnittsrate
hängt ganz davon ab, wieviel von seinem Kapital er zu jeder der
verschiednen Zinsraten ausgeliehen hat.


Die allgemeine Profitrate ist also durch zwei Faktoren bestimmt:


1) Durch die organische Zusammensetzung der Kapitale in den
verschiednen Sphären der Produktion, also durch die verschiednen
Profitraten der einzelnen Sphären;


2) Durch die Vertheilung des gesellschaftlichen Gesammtkapitals
auf diese verschiednen Sphären, also durch die relative Grösse des
in jeder besondren Sphäre, und daher zu einer besondren Profit-
rate, angelegten Kapitals; d. h. durch den verhältnissmäßigen
Massenantheil des gesellschaftlichen Gesammtkapitals, den jede
besondre Produktionssphäre verschluckt.


[142]

Wir hatten es in Buch I und II nur mit den Werthen der
Waaren zu thun. Einerseits hat sich jetzt abgesondert als ein
Theil dieses Werths der Kostpreis, andrerseits hat sich entwickelt
als eine verwandelte Form des Werths der Produktionspreis
der Waare.


Gesetzt die Zusammensetzung des gesellschaftlichen Durchschnitts-
kapitals sei 80c + 20v und die Rate des jährlichen Mehrwerths
m' = 100 %, so wäre der jährliche Durchschnittsprofit für ein
Kapital von 100 = 20, und die allgemeine jährliche Profitrate
= 20 %. Welches nun immer der Kostpreis k der von einem
Kapital von 100 jährlich producirten Waaren, ihr Produktionspreis
wäre = k + 20. In den Produktionssphären, wo die Zusammen-
setzung des Kapitals = (80 — x)c + (20 + x)v, wäre der wirk-
lich erzeugte Mehrwerth, resp. der innerhalb dieser Sphäre produ-
cirte jährliche Profit, = 20 + x, also grösser als 20, und der
producirte Waarenwerth = k + 20 + x, grösser als k + 20 oder
grösser als ihr Produktionspreis. In den Sphären wo die Zu-
sammensetzung des Kapitals (80 + x)c + (20 — x)v, wäre der
jährlich erzeugte Mehrwerth oder Profit = 20 — x, also kleiner als
20, und daher der Waarenwerth k + 20 — x kleiner als der Pro-
duktionspreis, der = k + 20. Abgesehn von etwaigen Unter-
schieden in der Umschlagszeit, wäre der Produktionspreis der
Waaren gleich mit ihrem Werth nur in den Sphären, wo die
Zusammensetzung des Kapitals zufällig = 80c + 20v wäre.


Die specifische Entwicklung der gesellschaftlichen Produktiv-
kraft der Arbeit ist in jeder besondren Produktionssphäre dem
Grade nach verschieden, höher oder niedriger, im Verhältniss wie
das von einem bestimmten Quantum Arbeit, also bei gegebnem
Arbeitstag von einer bestimmten Anzahl Arbeiter, in Bewegung
gesetzte Quantum von Produktionsmitteln gross, und daher das, für
ein bestimmtes Quantum Produktionsmittel erheischte Quantum
Arbeit klein ist. Wir nennen daher Kapitale, die procentig mehr
konstantes, also weniger variables, Kapital enthalten als das ge-
sellschaftliche Durchschnittskapital: Kapitale von höherer Zu-
sammensetzung. Umgekehrt solche, wo das konstante Kapital
einen relativ kleinern, und das variable einen grössern Raum ein-
nimmt als beim gesellschaftlichen Durchschnittskapital, nennen wir:
Kapitale von niedrigerer Zusammensetzung. Kapitale von durch-
schnittlicher Zusammensetzung endlich nennen wir solche, deren
Zusammensetzung mit der des gesellschaftlichen Durchschnitts-
kapitals zusammenfällt. Ist das gesellschaftliche Durchschnitts-
[143] kapital procentig zusammengesetzt aus 80c + 20v, so steht ein
Kapital von 90c + 10vüber, eins von 70c + 30vunter dem
gesellschaftlichen Durchschnitt. Allgemein, bei Zusammensetzung
des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals = mc + nv, wo m und
n konstante Grössen und m + n = 100, repräsentirt (m + x)c +
(n — x)v die höhere, (m — x)c + (n + x)v die niedrigere Zu-
sammensetzung eines einzelnen Kapitals oder einer Kapitalgruppe.
Wie diese Kapitale fungiren, nach Herstellung der Durchschnitts-
profitrate, unter Voraussetzung einmaligen Umschlags im Jahr,
zeigt folgende Uebersicht, worin I die Durchschnittszusammensetzung
vorstellt und die Durchschnittsprofitrate somit = 20 % ist:


  • I. 80c + 20v + 20m. Profitrate = 20 %.
    Preis des Produkts = 120. Werth = 120.
  • II. 90c + 10v + 10m. „ = 20 %.
    Preis des „ = 120. „ = 110.
  • III. 70c + 30v + 30m. „ = 20 %.
    Preis des „ = 120. „ = 130.

Für die von Kapital II producirten Waaren wäre also ihr Werth
kleiner als ihr Produktionspreis, für die des Kapital III der Pro-
duktionspreis kleiner als der Werth, und nur für die Kapitale I
der Produktionszweige, deren Zusammensetzung zufällig die des
gesellschaftlichen Durchschnitts ist, wären Werth und Produktions-
preis gleich. Uebrigens muss bei Anwendung dieser Bezeichnungen
auf bestimmte Fälle natürlich in Rechnung gebracht werden, wie
weit etwa, nicht ein Unterschied in der technischen Zusammen-
setzung, sondern blosser Werthwechsel der Elemente des konstanten
Kapitals das Verhältniss zwischen c und v vom allgemeinen Durch-
schnitt abweichen macht.


Es ist durch die jetzt gegebne Entwicklung allerdings eine
Modifikation eingetreten bezüglich der Bestimmung des Kostpreises
der Waaren. Ursprünglich wurde angenommen, dass der Kostpreis
einer Waare gleich sei dem Werth der in ihrer Produktion kon-
sumirten Waaren. Der Produktionspreis einer Waare ist aber für
den Käufer derselben ihr Kostpreis, und kann somit als Kostpreis
in die Preisbildung einer andren Waare eingehn. Da der Pro-
duktionspreis abweichen kann vom Werth der Waare, so kann
auch der Kostpreis einer Waare, worin dieser Produktionspreis
andrer Waare eingeschlossen, über oder unter dem Theil ihres
Gesammtwerths stehn, der durch den Werth der in sie eingehenden
Produktionsmittel gebildet wird. Es ist nöthig sich an diese
modificirte Bedeutung des Kostpreises zu erinnern und sich daher
[144] zu erinnern, dass wenn in einer besondren Produktionssphäre der
Kostpreis der Waare dem Werth der in ihrer Produktion ver-
brauchten Produktionsmittel gleich gesetzt wird, stets ein Irrthum
möglich ist. Für unsre gegenwärtige Untersuchung ist nicht
nöthig, näher auf diesen Punkt einzugehn. Dabei bleibt immer
der Satz richtig, dass der Kostpreis der Waaren stets kleiner als
ihr Werth. Denn wie auch der Kostpreis der Waare von dem
Werth der in ihr konsumirten Produktionsmittel abweichen mag,
für den Kapitalisten ist dieser vergangne Irrthum gleichgültig.
Der Kostpreis der Waare ist ein gegebner, ist eine von seiner, des
Kapitalisten, Produktion unabhängige Voraussetzung, während das
Resultat seiner Produktion eine Waare ist, die Mehrwerth enthält,
also einen Werthüberschuss über ihren Kostpreis. Sonst hat der
Satz, dass der Kostpreis kleiner ist als der Werth der Waare, sich
jetzt praktisch in den Satz verwandelt, dass der Kostpreis kleiner
ist als der Produktionspreis. Für das gesellschaftliche Gesammt-
kapital, wo Produktionspreis gleich Werth, ist dieser Satz identisch
mit dem frühern, dass der Kostpreis kleiner ist als der Werth.
Obgleich er für die besondren Produktionssphären abweichenden
Sinn hat, so bleibt ihm immer die Thatsache zu Grunde liegen,
dass, das gesellschaftliche Gesammtkapital betrachtet, der Kostpreis
der von diesem producirten Waaren kleiner als der Werth oder der,
hier, für die Gesammtmasse der producirten Waaren, mit diesem
Werth identische Produktionspreis. Der Kostpreis einer Waare be-
zieht sich nur auf das Quantum der in ihr enthaltnen bezahlten Ar-
beit, der Werth auf das Gesammtquantum der in ihr enthaltnen be-
zahlten und unbezahlten Arbeit; der Produktionspreis auf die Summe
der bezahlten Arbeit plus einem, für die besondre Produktionssphäre
unabhängig von ihr selbst, bestimmten Quantum unbezahlter Arbeit.


Die Formel, dass der Produktionspreis einer Waare = k + p,
gleich Kostpreis plus Profit ist, hat sich jetzt näher dahin bestimmt,
dass p = kp' ist (wo p' die allgemeine Profitrate), und daher der
Produktionspreis = k + kp'. Ist k = 300 und p' = 15 %, so ist
der Produktionspreis k + kp' = 300 + 300 \frac{15}{100} = 345.


Der Produktionspreis der Waaren in jeder besondren Produktions-
sphäre kann Grössenwechsel erfahren.


1) bei gleichbleibendem Werth der Waaren (sodass also nach
wie vor dasselbe Quantum todter und lebendiger Arbeit in ihre
Produktion eingeht) in Folge eines von der besondren Sphäre un-
abhängigen Wechsels in der allgemeinen Profitrate.


[145]

2) bei gleichbleibender allgemeiner Profitrate durch Werth-
wechsel, sei es in der besondren Produktionssphäre selbst, in Folge
technischer Aenderung, sei es in Folge eines Werthwechsels der
Waaren, die als Bildungselemente in ihr konstantes Kapital eingehn;


3) endlich durch Zusammenwirkung dieser beiden Umstände.


Trotz der grossen Wechsel, die beständig — wie sich weiter
zeigen wird — in den thatsächlichen Profitraten der besondren
Produktionssphären vorgehn, ist eine wirkliche Aenderung in der
allgemeinen Profitrate, soweit nicht durch ausserordentliche öko-
nomische Ereignisse ausnahmsweise ins Werk gesetzt, das sehr
späte Werk einer Reihe über sehr lange Zeiträume sich erstreckender
Schwingungen, d. h. von Schwingungen, die viel Zeit brauchen,
bis sie sich zu einer Aenderung der allgemeinen Profitrate kon-
solidiren und ausgleichen. Bei allen kürzern Perioden (ganz ab-
gesehn von Schwankungen der Marktpreise) ist daher eine Aende-
rung in den Produktionspreisen prima facie stets aus einem wirk-
lichen Werthwechsel der Waaren zu erklären, d. h. aus einem
Wechsel in der Gesammtsumme der zu ihrer Produktion nöthigen
Arbeitszeit. Blosser Wechsel im Geldausdruck derselben Werthe
kommt hier selbstredend gar nicht in Betracht.23)


Es ist andrerseits klar: das gesellschaftliche Gesammtkapital
betrachtet, ist die Werthsumme der von ihm producirten Waaren
(oder in Geld ausgedrückt ihr Preis) = Werth des konstanten
Kapitals + Werth des variablen Kapitals + Mehrwerth. Den
Exploitationsgrad der Arbeit als konstant angenommen, kann die
Profitrate hier nur wechseln, bei gleichbleibender Masse des Mehr-
werths, wenn entweder der Werth des konstanten Kapitals wechselt,
oder der Werth des variablen wechselt, oder beide wechseln, sodass
C sich ändert und dadurch \frac{m}{C}, die allgemeine Profitrate. In jedem
Falle also unterstellt ein Wechsel in der allgemeinen Profitrate
Wechsel im Werth der Waaren, die als Bildungselemente in das
konstante Kapital, oder in das variable, oder in beide gleichzeitig
eingehn.


Oder die allgemeine Profitrate kann wechseln bei gleichbleiben-
dem Werth der Waaren, wenn der Exploitationsgrad der Arbeit
wechselt.


Oder bei gleichbleibendem Exploitationsgrad der Arbeit kann
die allgemeine Profitrate wechseln, wenn die Summe der ange-
wandten Arbeit wechselt relativ zum konstanten Kapital, in Folge
Marx, Kapital III. 10
[146] technischer Aenderungen im Arbeitsprocess. Aber solche technischen
Aenderungen müssen sich stets zeigen in, und daher begleitet sein
von, einem Werthwechsel der Waaren, deren Produktion jetzt gegen
früher mehr oder minder viel Arbeit erfordern würde.


Man hat im ersten Abschnitt gesehn: Mehrwerth und Profit
waren identisch, der Masse nach betrachtet. Die Profitrate jedoch
ist von vornherein unterschieden von der Rate des Mehrwerths,
was zunächst nur als andre Form der Berechnung erscheint; was
aber ebenso von vornherein, da die Rate des Profits steigen oder
fallen kann bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths und umge-
kehrt, und da allein die Rate des Profits den Kapitalisten prak-
tisch interessirt, durchaus den wirklichen Ursprung des Mehrwerths
verdunkelt und mystificirt. Ein Grössenunterschied jedoch war nur
zwischen Mehrwerthsrate und Profitrate, nicht zwischen Mehrwerth
und Profit selbst. Da in der Profitrate der Mehrwerth auf das
Gesammtkapital berechnet und auf es als sein Maß bezogen wird,
so erscheint der Mehrwerth selbst dadurch als aus dem Gesammt-
kapital und zwar gleichmäßig aus allen seinen Theilen entsprungen,
sodass der organische Unterschied zwischen konstantem und vari-
ablem Kapital im Begriff des Profits ausgelöscht ist; in der That
daher, in dieser seiner verwandelten Gestalt als Profit, der Mehr-
werth selbst seinen Ursprung verleugnet, seinen Charakter verloren
hat, unerkennbar geworden ist. Soweit jedoch bezog sich der
Unterschied zwischen Profit und Mehrwerth nur auf eine qualitative
Aenderung, einen Formwechsel, während wirklicher Grössenunter-
schied auf dieser ersten Stufe der Verwandlung nur noch zwischen
Profitrate und Mehrwerthsrate, noch nicht zwischen Profit und
Mehrwerth existirt.


Anders verhält es sich, sobald eine allgemeine Profitrate, und
durch selbe ein der, in den verschiednen Produktionssphären ge-
gebnen, Grösse des angewandten Kapitals entsprechender Durch-
schnittsprofit hergestellt ist.


Es ist jetzt nur noch Zufall, wenn der in einer besondren Pro-
duktionssphäre wirklich erzeugte Mehrwerth und daher Profit mit
dem im Verkaufspreis der Waare enthaltnen Profit zusammenfällt.
In der Regel sind Profit und Mehrwerth, und nicht bloss ihre
Raten nun wirklich verschiedne Grössen. Bei gegebnem Exploi-
tationsgrad der Arbeit ist jetzt die Masse des Mehrwerths, die in
einer besondren Produktionssphäre erzeugt wird, wichtiger für den
Gesammt-Durchschnittsprofit des gesellschaftlichen Kapitals, also
für die Kapitalistenklasse überhaupt, als direkt für den Kapitalisten
[147] innerhalb jedes besondren Produktionszweigs. Für ihn nur,24) so-
fern das in seiner Branche erzeugte Quantum Mehrwerth mitbe-
stimmend eingreift in die Reglung des Durchschnittsprofits. Aber
dies ist ein Process, der hinter seinem Rücken vorgeht, den er
nicht sieht, nicht versteht, und der ihn in der That nicht interessirt.
Der wirkliche Grössenunterschied zwischen Profit und Mehrwerth
— nicht nur zwischen Profitrate und Mehrwerthsrate — in den
besondren Produktionssphären versteckt nun völlig die wahre Natur
und den Ursprung des Profits, nicht nur für den Kapitalisten, der
hier ein besondres Interesse hat sich zu täuschen, sondern auch
für den Arbeiter. Mit der Verwandlung der Werthe in Produk-
tionspreise wird die Grundlage der Werthbestimmung selbst dem
Auge entrückt. Endlich: wenn bei der blossen Verwandlung von
Mehrwerth in Profit der Werththeil der Waaren, der den Profit
bildet, dem andren Werththeil gegenübertritt als dem Kostpreis der
Waare, so dass hier schon der Begriff des Werths dem Kapitalisten
abhanden kommt, weil er nicht die Gesammtarbeit vor sich hat,
die die Produktion der Waare kostet, sondern nur den Theil der
Gesammtarbeit, den er in der Form von Produktionsmitteln,
lebendigen oder todten, bezahlt hat, und ihm so der Profit als
etwas ausserhalb des immanenten Werths der Waare stehendes
erscheint — so wird jetzt diese Vorstellung vollständig bestätigt,
befestigt, verknöchert, indem der zum Kostpreis zugeschlagne
Profit in der That, wenn man die besondre Produktionssphäre be-
trachtet, nicht durch die Grenzen der in ihr selbst vorgehenden
Werthbildung bestimmt, sondern ganz äusserlich dagegen festge-
setzt ist.


Der Umstand, dass hier zum erstenmal dieser innere Zusammen-
hang enthüllt ist; dass wie man aus dem Folgenden und aus
Buch IV sehn wird, die bisherige Oekonomie entweder gewaltsam
von den Unterschieden zwischen Mehrwerth und Profit, Mehrwerths-
rate und Profitrate abstrahirte, um die Werthbestimmung als
Grundlage festhalten zu können, oder aber mit dieser Werthbe-
stimmung allen Grund und Boden wissenschaftlichen Verhaltens
aufgab, um an jenen in der Erscheinung auffälligen Unterschieden
festzuhalten — diese Verwirrung der Theoretiker zeigt am besten,
wie der im Konkurrenzkampf befangne, seine Erscheinungen in
keiner Art durchdringende praktische Kapitalist durchaus unfähig
10*
[148] sein muss, durch den Schein hindurch das innere Wesen und die
innere Gestalt dieses Processes zu erkennen.


Alle im ersten Abschnitt entwickelten Gesetze über Steigen und
Fallen der Profitrate haben in der That die folgende doppelte Be-
deutung:


1) Einerseits sind sie die Gesetze der allgemeinen Profitrate.
Bei den vielen verschiednen Ursachen, welche nach dem Entwickelten
die Profitrate steigen oder fallen machen, sollte man glauben, dass
die allgemeine Profitrate jeden Tag wechseln müsste. Aber die
Bewegung in einer Produktionssphäre wird die in der andern auf-
heben, die Einflüsse kreuzen und paralysiren sich. Wir werden
später untersuchen, nach welcher Seite die Schwankungen in letzter
Instanz hinstreben; aber sie sind langsam; die Plötzlichkeit, Viel-
seitigkeit und verschiedne Dauer der Schwankungen in den einzelnen
Produktionssphären macht, dass sie sich zum Theil in ihrer Reihen-
folge in der Zeit kompensiren, sodass Preisfall auf Preissteigerung
folgt und umgekehrt, dass sie also lokal, d. h. auf die besondre
Produktionssphäre beschränkt bleiben; endlich dass die verschiednen
lokalen Schwankungen sich wechselseitig neutralisiren. Es finden
innerhalb jeder besondren Produktionssphäre Wechsel statt, Ab-
weichungen von der allgemeinen Profitrate, die sich einerseits in
einem bestimmten Zeitraum ausgleichen und daher nicht auf die
allgemeine Profitrate zurückwirken; und die andrerseits wieder
nicht auf sie zurückwirken, weil sie durch andre gleichzeitige lo-
kale Schwankungen aufgehoben werden. Da die allgemeine Profit-
rate bestimmt ist nicht nur durch die Durchschnittsprofitrate in
jeder Sphäre, sondern auch durch die Vertheilung des Gesammt-
kapitals auf die verschiednen besondren Sphären, und da diese
Vertheilung beständig wechselt, so ist dies wieder eine beständige
Ursache des Wechsels in der allgemeinen Profitrate — aber eine Ur-
sache des Wechsels, die wiederum, bei der Unterbrochenheit und All-
seitigkeit dieser Bewegung, grossentheils sich selbst wieder paralysirt.


2) Innerhalb jeder Sphäre ist ein Spielraum gegeben für kürzere
oder längere Epoche, wo die Profitrate dieser Sphäre schwankt,
bevor sich dies Schwanken, nach Steigen oder Fallen, hinreichend
konsolidirt um Zeit zu gewinnen zur Einwirkung auf die allgemeine
Profitrate, und daher zur Erreichung von mehr als lokaler
Bedeutung. Innerhalb solcher räumlichen und zeitlichen Grenzen
gelten daher ebenfalls die im ersten Abschnitt dieses Buchs ent-
wickelten Gesetze der Profitrate.


Die theoretische Ansicht — bei der ersten Verwandlung des
[149] Mehrwerths in Profit — dass jeder Theil des Kapitals gleichmäßig
Profit abwerfe,25) drückt eine praktische Thatsache aus. Wie
immer das industrielle Kapital zusammengesetzt sei, ob es ein-
viertel todte Arbeit und dreiviertel lebendige Arbeit, oder drei-
viertel todte Arbeit und einviertel lebendige Arbeit in Bewegung
setzt, ob es in dem einen Fall dreimal soviel Mehrarbeit einsaugt
oder Mehrwerth producirt als in dem andren — bei gleichem Ex-
ploitationsgrad der Arbeit und abgesehn von individuellen Unter-
schieden, die ohnehin verschwinden, weil wir beidemale nur die
Durchschnittszusammensetzung der ganzen Produktionssphäre vor
uns haben — in beiden Fällen wirft es gleich viel Profit ab. Der
einzelne Kapitalist (oder auch die Gesammtheit der Kapitalisten
in jeder besondren Produktionssphäre) dessen Blick bornirt ist,
glaubt mit Recht, dass sein Profit nicht allein aus der von ihm
oder in seinem Zweig beschäftigten Arbeit herstamme. Es ist
dies ganz richtig für seinen Durchschnittsprofit. Wie weit dieser
Profit vermittelt ist durch die Gesammtexploitation der Arbeit
durch das Gesammtkapital, d. h. durch alle seine Kapitalisten-
genossen, dieser Zusammenhang ist ihm ein vollständiges Mysterium,
um so mehr als selbst die Bourgeoistheoretiker, die politischen
Oekonomen, es bis jetzt nicht enthüllt hatten. Ersparung an
Arbeit — nicht nur an der Arbeit, nothwendig um ein bestimmtes
Produkt zu produciren, sondern auch an der Anzahl der beschäf-
tigten Arbeiter — und grössre Anwendung todter Arbeit (kon-
stantes Kapital), erscheint als ökonomisch ganz richtige Operation
und scheint von vornherein in keiner Weise die allgemeine Profit-
rate und den Durchschnittsprofit anzugreifen. Wie sollte daher
die lebendige Arbeit ausschliessliche Quelle des Profits sein, da
Verminderung der zur Produktion nöthigen Menge Arbeit nicht
nur nicht den Profit anzugreifen scheint, sondern vielmehr unter
gewissen Umständen als nächste Quelle zur Vermehrung des Pro-
fits erscheint, wenigstens für den einzelnen Kapitalisten?


Wenn in einer gegebnen Produktionssphäre der Theil des Kost-
preises steigt oder fällt, der den Werth des konstanten Kapitals
repräsentirt, so kommt dieser Theil aus der Cirkulation her, und
geht von vornherein vergrössert oder verkleinert in den Produk-
tionsprocess der Waare ein. Wenn andrerseits die angewandte
Arbeiteranzahl in derselben Zeit mehr oder weniger producirt, also
bei gleichbleibender Arbeiteranzahl das zur Produktion einer be-
[150] stimmten Waarenmenge erheischte Arbeitsquantum wechselt, so
mag der Theil des Kostpreises, der den Werth des variablen
Kapitals repräsentirt, derselbe bleiben, also mit gleicher Grösse in
den Kostpreis des Gesammtprodukts eingehn. Aber auf jede
einzelne von den Waaren, deren Summe das Gesammtprodukt aus-
macht, fällt mehr oder weniger Arbeit (bezahlte und daher auch
unbezahlte), also auch mehr oder weniger von der Ausgabe für
diese Arbeit, grösseres oder kleineres Stück des Lohns. Der vom
Kapitalisten gezahlte Gesammtlohn bleibt derselbe, aber er ist ein
andrer, auf jedes Stück Waare berechnet. Hier träte also Aen-
derung ein in diesem Theil des Kostpreises der Waare. Ob nun
der Kostpreis der einzelnen Waare in Folge solcher Werthver-
änderungen, sei es in ihr selbst, sei es in ihren Waarenelementen
(oder auch der Kostpreis der Summe der von einem Kapital von
gegebner Grösse producirten Waaren) steigt oder fällt: ist der
Durchschnittsprofit z. B. 10 %, so bleibt er 10 %; obgleich 10 %,
die einzelne Waare betrachtet, eine sehr verschiedne Grösse dar-
stellt, je nach dem, durch den vorausgesetzten Werthwechsel hervor-
gebrachten, Grössenwechsel im Kostpreis der einzelnen Waare.26)


Mit Bezug auf das variable Kapital — und dies ist das wich-
tigste, weil es die Quelle des Mehrwerths, und weil alles, was sein
Verhältniss zur Bereicherung des Kapitalisten verdeckt, das ganze
System mystificirt — vergröbert sich die Sache oder erscheint sie
dem Kapitalisten so: ein variables Kapital von 100 £ stelle z. B.
den Wochenlohn von 100 Arbeitern vor. Wenn diese 100, bei
gegebnem Arbeitstag, ein wöchentliches Produkt von 200 Stück
Waaren produciren = 200 W, so kostet 1 W — abstrahirt von
dem Theil des Kostpreises, den das konstante Kapital zusetzt —
da 100 £ = 200 W, 1 W = \frac{100 £}{200} = 10 Schill. Gesetzt nun, es
träte Wechsel in der Produktionskraft der Arbeit ein; sie verdopple
sich, dieselbe Anzahl Arbeiter producire in derselben Zeit zweimal
200 W, worin sie früher 200 W producirte. In diesem Fall
kostet (soweit der Kostpreis aus blossem Arbeitslohn besteht), da jetzt
100 £ = 400 W, 1 W = \frac{100 £}{400} = 5 Schill. Verminderte sich die
Produktivkraft um die Hälfte, so würde dieselbe Arbeit nur noch
\frac{200 W}{2} produciren; und da 100 £ = \frac{200 W}{2}, nun 1 W = \frac{200 £}{200}= 1 £.
Die Wechsel in der zur Produktion der Waaren erheischten Arbeits-
[151] zeit, und daher in ihrem Werth, erscheinen jetzt mit Bezug auf
den Kostpreis und daher auch dem Produktionspreis, als verschiedne
Vertheilung desselben Arbeitslohns über mehr oder weniger Waaren,
je nachdem in derselben Arbeitszeit für denselben Arbeitslohn
mehr oder weniger Waaren producirt werden. Was der Kapitalist,
und daher auch der politische Oekonom sieht, ist, dass der Theil
der bezahlten Arbeit, der auf die Waare per Stück fällt, sich mit
der Produktivität der Arbeit ändert, und damit auch der Werth
jedes einzelnen Stücks; er sieht nicht, dass dies ebenfalls der Fall
ist mit der in jedem Stück enthaltnen unbezahlten Arbeit, um so
weniger da der Durchschnittsprofit in der That durch die in seiner
Sphäre absorbirte unbezahlte Arbeit nur zufällig bestimmt ist.
Nur in solch vergröberter und begriffsloser Form scheint jetzt noch
die Thatsache durch, dass der Werth der Waaren durch die in
ihnen enthaltne Arbeit bestimmt ist.


Zehntes Kapitel.
Ausgleichung der allgemeinen Profitrate durch die Kon-
kurrenz. Marktpreise und Marktwerthe. Surplusprofit.


Ein Theil der Produktionssphären hat eine mittlere oder Durch-
schnittszusammensetzung des in ihnen angewandten Kapitals, d. h.
ganz oder annähernd die Zusammensetzung des gesellschaftlichen
Durchschnittskapitals.


In diesen Sphären fällt der Produktionspreis der producirten
Waaren mit ihrem in Geld ausgedrückten Werth ganz oder an-
nähernd zusammen. Wenn auf keine andre Weise zur mathe-
matischen Grenze zu gelangen, so wäre es auf diese. Die Kon-
kurrenz vertheilt das Gesellschaftskapital so zwischen die ver-
schiednen Produktionssphären, dass die Produktionspreise in einer
jeden Sphäre gebildet werden nach dem Muster der Produktions-
preise in diesen Sphären der mittleren Komposition, d. h. = k + kp'
(Kostpreis plus dem Produkt der Durchschnittsprofitrate in den
Kostpreis). Diese Durchschnittsprofitrate ist aber nichts andres
als der procentig berechnete Profit in jener Sphäre der mittlern
Komposition, wo also der Profit zusammenfällt mit dem Mehrwerth.
Die Profitrate ist also in allen Produktionssphären dieselbe, näm-
lich ausgeglichen auf diejenige dieser mittleren Produktionssphären,
wo die Durchschnittszusammensetzung des Kapitals herrscht. Hier-
nach muss die Summe der Profite aller verschiednen Produktions-
[152] sphären gleich sein der Summe der Mehrwerthe, und die Summe
der Produktionspreise des gesellschaftlichen Gesammtprodukts gleich
der Summe seiner Werthe. Es ist aber klar, dass die Ausgleichung
zwischen den Produktionssphären von verschiedner Zusammen-
setzung immer dahin streben muss, sie zu egalisiren mit den Sphären
von mittlerer Zusammensetzung, sei es nun, dass diese exakt, sei
es dass sie nur annähernd dem gesellschaftlichen Durchschnitt
entsprechen. Zwischen den mehr oder minder Annähernden findet
selbst wieder Tendenz nach Ausgleichung statt, die der idealen,
d. h. in der Wirklichkeit nicht vorhandnen Mittelposition zustrebt,
d. h. die Tendenz hat sich um sie herum zu normiren. In dieser
Weise herrscht also nothwendig die Tendenz, die Produktionspreise
zu bloss verwandelten Formen des Werths zu machen, oder die
Profite in blosse Theile des Mehrwerths zu verwandeln, die aber
vertheilt sind, nicht im Verhältniss zum Mehrwerth, der in jeder
besondren Produktionssphäre erzeugt ist, sondern im Verhältniss
zur Masse des in jeder Produktionssphäre angewandten Kapitals,
sodass auf gleich grosse Kapitalmassen, wie immer zusammen-
gesetzt, gleich grosse Antheile (aliquote Theile) der Totalität des
vom gesellschaftlichen Gesammtkapital erzeugten Mehrwerths fallen.


Für die Kapitale von mittlerer oder annähernd mittlerer Zu-
sammensetzung fällt der Produktionspreis also mit dem Werth
ganz oder annähernd zusammen, und der Profit mit dem von ihnen
erzeugten Mehrwerth. Alle andren Kapitale, welches immer ihre
Zusammensetzung, streben unter dem Druck der Konkurrenz, sich
mit diesen auszugleichen. Da aber die Kapitale mittlerer Zu-
sammensetzung gleich oder annähernd gleich dem gesellschaftlichen
Durchschnittskapital, so streben alle Kapitale, welches immer der
von ihnen selbst erzeugte Mehrwerth, an Stelle dieses Mehrwerths
den Durchschnittsprofit durch die Preise ihrer Waaren zu reali-
siren, d. h. also die Produktionspreise zu realisiren.


Es kann andrerseits gesagt werden, dass überall, wo ein Durch-
schnittsprofit hergestellt wird, also eine allgemeine Profitrate —
in welcher Weise auch immer dies Resultat hervorgebracht worden
sei — dieser Durchschnittsprofit nichts andres sein kann, als der
Profit auf das gesellschaftliche Durchschnittskapital, dessen Summe
gleich der Summe der Mehrwerthe, und dass die durch Zuschlag
dieses Durchschnittsprofits auf die Kostpreise hervorgebrachten
Preise nichts andres sein können als die in Produktionspreise
verwandelten Werthe. Es würde nichts ändern, wenn Kapitale in
bestimmten Produktionssphären aus irgend welchen Gründen nicht
[153] dem Process der Ausgleichung unterworfen würden. Der Durch-
schnittsprofit wäre dann berechnet auf den Theil des Gesellschafts-
kapitals, der in den Ausgleichungsprocess eingeht. Es ist klar,
dass der Durchschnittsprofit nichts sein kann, als die Gesammt-
masse des Mehrwerths, vertheilt auf die Kapitalmassen in jeder
Produktionssphäre nach Verhältniss ihrer Grössen. Es ist das
Ganze der realisirten unbezahlten Arbeit, und diese Gesammtmasse
stellt sich dar, ebensogut wie die bezahlte, todte und lebendige
Arbeit, in der Gesamtmasse von Waaren und Geld, die den Kapi-
talisten zufällt.


Die eigentlich schwierige Frage ist hier die: wie diese Aus-
gleichung der Profite zur allgemeinen Profitrate vorgeht, da sie
offenbar ein Resultat ist, und nicht ein Ausgangspunkt sein kann.


Es ist zunächst klar, dass eine Schätzung der Waarenwerthe,
z. B. in Geld, nur das Resultat ihres Austausches sein kann, und
dass, wenn wir daher solche Schätzung voraussetzen, wir sie als
das Ergebniss wirklicher Austausche von Waarenwerth gegen
Waarenwerth zu betrachten haben. Aber wie soll dieser Aus-
tausch der Waaren zu ihren wirklichen Werthen zu Stande ge-
kommen sein?


Nehmen wir zuerst an, dass alle Waaren in den verschiednen
Produktionssphären zu ihren wirklichen Werthen verkauft würden.
Was wäre dann der Fall? Es würden nach dem früher Ent-
wickelten sehr verschiedne Profitraten in den verschiednen Produk-
tionssphären herrschen. Es sind prima facie zwei ganz verschiedne
Dinge, ob Waaren zu ihren Werthen verkauft werden (d. h. ob
sie im Verhältniss des in ihnen enthaltnen Werths, zu ihren Werth-
preisen, mit einander ausgetauscht werden) oder ob sie zu solchen
Preisen verkauft werden, dass ihr Verkauf gleich grosse Profite
auf gleiche Massen der zu ihrer respektiven Produktion vorge-
schossnen Kapitale abwirft.


Dass Kapitale, die ungleich viel lebendige Arbeit in Bewegung
setzen, ungleich viel Mehrwerth produciren, setzt wenigstens bis
zu einem gewissen Grad voraus, dass der Exploitationsgrad der
Arbeit oder die Rate des Mehrwerths dieselbe, oder dass die darin
existirenden Unterschiede als durch wirkliche oder eingebildete
(konventionelle) Kompensationsgründe ausgeglichen gelten. Dies
setzt Konkurrenz unter den Arbeitern voraus und Ausgleichung
durch ihre beständige Auswanderung aus einer Produktionssphäre
in die andre. Solch eine allgemeine Rate des Mehrwerths — der
Tendenz nach, wie alle ökonomischen Gesetze — ist von uns als
[154] theoretische Vereinfachung vorausgesetzt; in Wirklichkeit aber ist
sie thatsächliche Voraussetzung der kapitalistischen Produktions-
weise, obgleich mehr oder minder gehemmt durch praktische Frik-
tionen, die mehr oder minder bedeutende lokale Differenzen her-
vorbringen, wie z. B. die Heimathsgesetzgebung (settlement laws)
für die Ackerbautaglöhner in England. Aber in der Theorie wird
vorausgesetzt, dass die Gesetze der kapitalistischen Produktions-
weise sich rein entwickeln. In der Wirklichkeit besteht immer
nur Annäherung; aber diese [Annäherung] ist um so grösser, je
mehr die kapitalistische Produktionsweise entwickelt und je mehr
ihre Verunreinigung und Verquickung mit Resten früherer ökono-
mischer Zustände beseitigt ist.


Die ganze Schwierigkeit kommt dadurch hinein, dass die Waaren
nicht einfach als Waaren ausgetauscht werden, sondern als Pro-
dukte von Kapitalen
, die im Verhältniss zu ihrer Grösse, oder
bei gleicher Grösse, gleiche Theilnahme an der Gesammtmasse des
Mehrwerths beanspruchen. Und der Gesammtpreis der von einem
gegebnen Kapital in einer gegebnen Zeitfrist producirten Waaren
soll diese Forderung befriedigen. Der Gesammtpreis dieser Waaren
ist aber bloss die Summe der Preise der einzelnen Waaren, die
das Produkt des Kapitals bilden.


Das punctum saliens wird zumeist heraustreten, wenn wir die
Sache so fassen: Unterstelle, die Arbeiter selbst seien im Besitz
ihrer respektiven Produktionsmittel und tauschten ihre Waaren
mit einander aus. Diese Waaren wären dann nicht Produkte des
Kapitals. Je nach der technischen Natur ihrer Arbeiten wäre der
Werth der in den verschiednen Arbeitszweigen angewandten
Arbeitsmittel und Arbeitsstoffe verschieden; ebenso wäre, ab-
gesehn von dem ungleichen Werth der angewandten Produk-
tionsmittel, verschiedne Masse derselben erheischt für gegebne
Arbeitsmasse, je nachdem eine bestimmte Waare in einer Stunde
fertig gemacht werden kann, eine andre erst in einem Tag etc.
Unterstelle ferner, dass diese Arbeiter im Durchschnitt gleich viel
Zeit arbeiten, die Ausgleichungen eingerechnet, die aus verschiedner
Intensität etc. der Arbeit hervorgehn. Zwei Arbeiter hätten dann
beide in den Waaren, die das Produkt ihrer Tagesarbeit bilden, erstens
ersetzt ihre Auslagen, die Kostpreise der verbrauchten Produktions-
mittel. Diese wären verschieden je nach der technischen Natur
ihrer Arbeitszweige. Beide hätten zweitens gleich viel Neuwerth
geschaffen, nämlich den, den Produktionsmitteln zugesetzten Arbeits-
tag. Es schlösse dies ein ihren Arbeitslohn plus dem Mehrwerth,
[155] der Mehrarbeit über ihre nothwendigen Bedürfnisse hinaus, deren
Resultat aber ihnen selbst gehörte. Wenn wir uns kapitalistisch
ausdrücken, so erhalten beide denselben Arbeitslohn plus denselben
Profit, aber auch den Werth, ausgedrückt z. B. im Produkt eines zehn-
stündigen Arbeitstags. Aber erstens wären die Werthe ihrer
Waaren verschieden. In der Waare I z. B. wäre mehr Werth-
theil für die aufgewandten Produktionsmittel enthalten als in der
Waare II, und um gleich alle möglichen Unterschiede hineinzu-
bringen, Waare I absorbire mehr lebendige Arbeit, erfordre also
längere Arbeitszeit in ihrer Herstellung als Waare II. Der Werth
dieser Waaren I und II ist also sehr verschieden. Ebenso die
Summen der Waarenwerthe, die das Produkt der von Arbeiter I
und der von Arbeiter II in einer gegebnen Zeit verrichteten
Arbeit. Die Profitraten wären auch sehr verschieden für I und II,
wenn wir hier das Verhältniss des Mehrwerths zum Gesammtwerth
der ausgelegten Produktionsmittel die Profitrate nennen. Die
Lebensmittel, die I und II während der Produktion täglich ver-
zehren und die den Arbeitslohn vertreten, werden hier den
Theil der vorgeschossnen Produktionsmittel bilden, den wir sonst
variables Kapital nennen. Aber die Mehrwerthe wären für gleiche
Arbeitszeit dieselben für I und II, oder noch genauer, da I und II
jeder den Werth des Produkts eines Arbeitstags erhalten, erhalten
sie, nach Abzug des Werths der vorgeschossnen „konstanten“
Elemente, gleiche Werthe, wovon ein Theil als Ersatz der in der
Produktion verzehrten Lebensmittel, der andre als darüber hinaus
überschüssiger Mehrwerth betrachtet werden kann. Hat I mehr
Auslagen, so sind diese ersetzt durch den grössern Werththeil
seiner Waare, der diesen „konstanten“ Theil ersetzt, und er hat
daher auch wieder einen grössern Theil des Gesammtwerths seines
Produkts rückzuverwandeln in die stofflichen Elemente dieses kon-
stanten Theils, während II, wenn er weniger dafür einkassirt, dafür
auch um so weniger rückzuverwandeln hat. Die Verschiedenheit
der Profitraten wäre unter dieser Voraussetzung also ein gleich-
gültiger Umstand, ganz wie es heute für den Lohnarbeiter ein
gleichgültiger Umstand ist, in welcher Profitrate das ihm abge-
presste Quantum Mehrwerth sich ausdrückt, und ganz wie im in-
ternationalen Handel die Verschiedenheit der Profitraten bei den
verschiednen Nationen für ihren Waarenaustausch ein gleichgültiger
Umstand ist.


Der Austausch von Waaren zu ihren Werthen, oder annähernd
zu ihren Werthen, erfordert also eine viel niedrigre Stufe als der
[156] Austausch zu Produktionspreisen, wozu eine bestimmte Höhe kapi-
talistischer Entwicklung nöthig ist.


In welcher Weise immer die Preise der verschiednen Waaren
zuerst gegeneinander festgesetzt oder geregelt sein mögen, das
Werthgesetz beherrscht ihre Bewegung. Wo die zu ihrer Pro-
duktion erheischte Arbeitszeit fällt, fallen die Preise; wo sie steigt,
steigen die Preise, bei sonst gleichbleibenden Umständen.


Abgesehn von der Beherrschung der Preise und der Preisbe-
wegung durch das Werthgesetz, ist es also durchaus sachgemäß,
die Werthe der Waaren nicht nur theoretisch, sondern historisch
als das prius der Produktionspreise zu betrachten. Es gilt dies
für Zustände, wo dem Arbeiter die Produktionsmittel gehören, und
dieser Zustand findet sich, in der alten wie in der modernen Welt,
beim selbstarbeitenden grundbesitzenden Bauer und beim Hand-
werker. Es stimmt dies auch mit unsrer früher ausgesprochnen
Ansicht27), dass die Entwicklung der Produkte zu Waaren entspringt
durch den Austausch zwischen verschiednen Gemeinwesen, nicht
zwischen den Gliedern einer und derselben Gemeinde. Wie für
diesen ursprünglichen Zustand, so gilt es für die späteren Zu-
stände, die auf Sklaverei und Leibeigenschaft gegründet sind, und
für die Zunftorganisation des Handwerks, so lange die in jedem
Produktionszweig festgelegten Produktionsmittel nur mit Schwierig-
keit aus der einen Sphäre in die andre übertragbar sind, und die
verschiednen Produktionssphären sich daher innerhalb gewisser
Grenzen zu einander verhalten, wie fremde Länder oder kommu-
nistische Gemeinwesen.


Damit die Preise, wozu Waaren sich gegeneinander austauschen,
ihren Werthen annähernd entsprechen, ist nichts nöthig als dass
1) der Austausch der verschiednen Waaren aufhört ein rein zu-
fälliger oder nur gelegentlicher zu sein; 2) dass, soweit wir den
direkten Waarenaustausch betrachten, diese Waaren beiderseits in
den annähernd dem wechselseitigen Bedürfniss entsprechenden
Verhältnissmengen producirt werden, was die wechselseitige Er-
fahrung des Absatzes mitbringt, und was so als Resultat aus dem
fortgesetzten Austausch selbst herauswächst; und 3), soweit wir vom
Verkauf sprechen, dass kein natürliches oder künstliches Monopol
eine der kontrahirenden Seiten befähige, über den Werth zu ver-
kaufen, oder sie zwinge, unter ihm loszuschlagen. Unter zufälligem
[157] Monopol verstehn wir das Monopol, das dem Käufer oder Verkäufer
erwächst aus dem zufälligen Stand von Nachfrage und Angebot.


Die Annahme, dass die Waaren der verschiednen Produktions-
sphären sich zu ihren Werthen verkaufen, bedeutet natürlich nur,
dass ihr Werth der Gravitationspunkt ist, um den ihre Preise sich
drehn, und zu dem ihre beständigen Hebungen und Senkungen
sich ausgleichen. Es wird dann ausserdem immer ein Markt-
werth
— worüber später — zu unterscheiden sein von dem in-
dividuellen Werth der einzelnen Waaren, die von den verschiednen
Producenten producirt werden. Der individuelle Werth einiger
dieser Waaren wird unter dem Marktwerth stehn (d. h. es ist
weniger Arbeitszeit für ihre Produktion erheischt als der Markt-
werth ausdrückt), der andre darüber. Der Marktwerth wird einer-
seits zu betrachten sein als der Durchschnittswerth der in einer
Sphäre producirten Waaren, andrerseits als der individuelle Werth
der Waaren, die unter den durchschnittlichen Bedingungen der
Sphäre producirt werden und die die grosse Masse der Produkte
derselben bilden. Es sind nur ausserordentliche Kombinationen,
unter denen die unter den schlechtesten Bedingungen oder die
unter den bevorzugtesten Bedingungen producirten Waaren den
Marktwerth regeln, der seinerseits das Schwankungscentrum bildet,
für die Marktpreise — die aber dieselben sind für die Waaren
derselben Art. Wenn die Zufuhr der Waaren zu dem Durch-
schnittswerth, also zu dem mittleren Werth der Masse, die zwischen
den beiden Extremen liegt, die gewöhnliche Nachfrage befriedigt,
so realisiren die Waaren, deren individueller Werth unter dem
Marktwerth steht, einen Extramehrwerth oder Surplusprofit, während
die, deren individueller Werth über dem Marktwerth steht, einen
Theil des in ihnen enthaltnen Mehrwerths nicht realisiren können.


Es hilft nichts zu sagen, dass der Verkauf der unter den schlech-
testen Bedingungen producirten Waaren beweist, dass sie zur
Deckung der Zufuhr erheischt sind. Wäre der Preis höher in
dem unterstellten Fall als der mittlere Marktwerth, so wäre die
Nachfrage grösser. Zu gewissen Preisen kann eine Waarenart
einen gewissen Raum im Markt einnehmen; der Raum bleibt nur
dann derselbe bei Wechsel der Preise, wenn der höhere Preis
mit geringrem Waarenquantum, und der niedrigere Preis mit
grössrem Waarenquantum zusammenfällt. Ist dagegen die Nach-
frage so stark, dass sie sich nicht kontrahirt, wenn der Preis ge-
regelt wird durch den Werth der unter den schlechtesten Bedin-
gungen producirten Waaren, so bestimmen diese den Marktwerth.
[158] Es ist dies nur möglich, wenn die Nachfrage die gewöhnliche
übersteigt, oder die Zufuhr unter die gewöhnliche fällt. Endlich,
wenn die Masse der producirten Waaren grösser ist, als zu den
mittlern Marktwerthen Absatz findet, so regeln die unter den besten
Bedingungen producirten Waaren den Marktwerth. Sie können
z. B. ihre Waaren ganz oder annähernd zu ihrem individuellen
Werth verkaufen, wobei es passiren kann, dass die unter den
schlechtesten Bedingungen producirten Waaren vielleicht nicht ein-
mal ihre Kostpreise realisiren, während die des mittlern Durch-
schnitts nur einen Theil des in ihnen enthaltnen Mehrwerths reali-
siren können. Was hier vom Marktwerth gesagt, gilt vom Pro-
duktionspreis, sobald er an die Stelle des Marktwerths getreten.
Der Produktionspreis ist in jeder Sphäre regulirt, und ebenso nach
den besondren Umständen regulirt. Er selbst aber ist wieder das
Centrum, warum sich die täglichen Marktpreise drehn und wozu
sie sich in bestimmten Perioden ausgleichen. (S. Ricardo, über
die Bestimmung des Produktionspreises durch die unter den schlech-
testen Bedingungen arbeitenden.)


Wie immer die Preise geregelt seien, es ergibt sich:


1) Das Werthgesetz beherrscht ihre Bewegung, indem Ver-
minderung oder Vermehrung der zur Produktion erheischten Arbeits-
zeit die Produktionspreise steigen oder fallen macht. Es ist in
diesem Sinne, dass Ricardo sagt (der wohl fühlt, dass seine Pro-
duktionspreise von den Werthen der Waaren abweichen), dass the
inquiry to which he wishes to draw the reader’s attention, relates
to the effect of the variations in the relative value of commodities,
and not in their absolute value.


2) Der Durchschnittsprofit, der die Produktionspreise bestimmt,
muss immer annähernd gleich sein dem Quantum Mehrwerth, das
auf ein gegebnes Kapital als aliquoten Theil des gesellschaftlichen
Gesammtkapitals fällt. Gesetzt, die allgemeine Profitrate und daher
der Durchschnittsprofit sei in einem Geldwerth ausgedrückt, höher
als der wirkliche Durchschnittsmehrwerth, seinem Geldwerth nach
berechnet. Soweit die Kapitalisten dann in Betracht kommen, ist
es gleichgültig, ob sie sich wechselseitig 10 oder 15 % Profit an-
rechnen. Der eine Procentsatz deckt nicht mehr wirklichen Waaren-
werth als der andre, indem die Uebertreibung des Geldausdrucks
wechselseitig ist. Was aber die Arbeiter angeht (da vorausgesetzt
ist, dass sie ihren normalen Arbeitslohn erhalten, die Heraufsetzung
des Durchschnittsprofits also nicht einen wirklichen Abzug vom
Arbeitslohn, d. h. etwas ganz andres als normalen Mehrwerth des
[159] Kapitalisten ausdrückt), so muss der durch die Heraufsetzung des
Durchschnittsprofits entstehenden Erhöhung der Waarenpreise eine
Erhöhung im Geldausdruck des variablen Kapitals entsprechen.
In der That ist solche allgemeine nominelle Erhöhung der Profit-
rate und des Durchschnittsprofits über den durch das Verhältniss
des wirklichen Mehrwerths zum vorgeschossnen Gesammtkapital
gegebnen Satz nicht möglich, ohne Erhöhung des Arbeitslohns
nach sich zu ziehn, und ebenso Erhöhung der Preise der Waaren,
die das konstante Kapital bilden. Ebenso umgekehrt bei Ernied-
rigung. Da nun der Gesammtwerth der Waaren den Gesammt-
mehrwerth, dieser aber die Höhe des Durchschnittsprofits und
daher der allgemeinen Profitrate regelt — als allgemeines Gesetz
oder als das die Schwankungen Beherrschende — so regulirt das
Werthgesetz die Produktionspreise.


Was die Konkurrenz, zunächst in einer Sphäre, fertig bringt, ist
die Herstellung eines gleichen Marktwerths und Marktpreises aus
den verschiednen individuellen Werthen der Waaren. Die Kon-
kurrenz der Kapitale in den verschiednen Sphären aber bringt
erst hervor den Produktionspreis, der die Profitraten zwischen den
verschiednen Sphären egalisirt. Zu dem letztren ist höhere Ent-
wicklung der kapitalistischen Produktionsweise erheischt als zu dem
frühern.


Damit Waaren derselben Produktionssphäre, derselben Art und
annähernd derselben Qualität zu ihren Werthen verkauft werden,
ist zweierlei nöthig:


Erstens müssen die verschiednen individuellen Werthe zu
einem gesellschaftlichem Werth, dem oben dargestellten Markt-
werth, ausgeglichen sein, und dazu ist eine Konkurrenz unter den
Producenten derselben Art Waaren erfordert, ebenso wie das
Vorhandensein eines Markts, auf dem sie gemeinsam ihre Waaren
ausbieten. Damit der Marktpreis identischer Waaren, die aber jede
unter Umständen von verschiedner individueller Färbung produ-
cirt sind, dem Marktwerth entspreche, nicht von ihm abweiche
weder durch Erhöhung über, noch durch Senkung unter ihn, ist
erfordert, dass der Druck, den die verschiednen Verkäufer auf ein-
ander ausüben, gross genug ist, um die Masse Waaren auf den
Markt zu werfen, die das gesellschaftliche Bedürfniss erheischt,
d. h. die Quantität, wofür die Gesellschaft fähig ist, den Markt-
werth zu zahlen. Ueberträfe die Produktenmasse dies Bedürfniss,
so müssten die Waaren unter ihrem Marktwerth verkauft werden;
umgekehrt über ihrem Marktwerth, wenn die Produktenmasse nicht
[160] gross genug wäre oder, was dasselbe, wenn der Druck der Kon-
kurrenz unter den Verkäufern nicht stark genug wäre, sie zu
zwingen, diese Waarenmasse auf den Markt zu bringen. Aenderte
sich der Marktwerth, so würden sich auch die Bedingungen ändern,
wozu die Gesammtwaarenmasse verkauft werden könnte. Fällt
der Marktwerth, so erweitert sich im Durchschnitt das gesellschaft-
liche Bedürfniss (welches hier immer zahlungsfähiges Bedürfniss
ist) und kann innerhalb gewisser Grenzen grössre Massen Waare
absorbiren. Steigt der Marktwerth, so kontrahirt sich das gesell-
schaftliche Bedürfniss für die Waare und geringre Massen davon
werden absorbirt. Wenn daher Nachfrage und Zufuhr den Markt-
preis reguliren, oder vielmehr die Abweichungen der Marktpreise
vom Marktwerth, so regulirt andrerseits der Marktwerth das Ver-
hältniss von Nachfrage und Zufuhr oder das Centrum, um das die
Schwankungen der Nachfrage und Zufuhr die Marktpreise oscilliren
machen.


Betrachtet man die Sache näher, so findet man, dass die Be-
dingungen, die für den Werth der einzelnen Waare gelten, sich
hier reproduciren als Bedingungen für den Werth der Gesammtsumme
einer Art; wie denn die kapitalistische Produktion von vornherein
Massenproduktion ist, und wie auch andre, weniger entwickelte
Produktionsweisen — wenigstens bei den Hauptwaaren — das in
kleinern Massen Producirte als gemeinschaftliches Produkt, wenn
auch vieler kleiner Detailproducenten, in grossen Massen in den
Händen relativ weniger Kaufleute auf dem Markt koncentriren,
aufhäufen und zum Verkauf bringen; als gemeinschaftliches Pro-
dukt eines ganzen Produktionszweigs oder eines grössern oder
kleinern Kontingents davon.


Es sei hier ganz im Vorbeigehn bemerkt, dass das „gesellschaft-
liche Bedürfniss“, d. h. das was das Princip der Nachfrage regelt,
wesentlich bedingt ist durch das Verhältniss der verschiednen
Klassen zu einander und durch ihre respektive ökonomische Position,
namentlich also erstens durch das Verhältniss des Gesammtmehr-
werths zum Arbeitslohn und zweitens durch das Verhältniss der
verschiednen Theile, worin sich der Mehrwerth spaltet (Profit, Zins,
Grundrente, Steuern u. s. w.); und so zeigt sich auch hier wieder,
wie absolut nichts aus dem Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr
erklärt werden kann, bevor die Basis entwickelt ist, worauf dies
Verhältniss spielt.


Obgleich beide, Waare und Geld, Einheiten von Tauschwerth
und Gebrauchswerth, sahen wir doch schon (Buch I, Kap. I, 3)
[161] wie in Kauf und Verkauf beide Bestimmungen an die beiden Ex-
treme polarisch vertheilt sind, sodass die Waare (Verkäufer) den
Gebrauchswerth, und das Geld (Käufer) den Tauschwerth repräsen-
tirt. Dass die Waare Gebrauchswerth habe, also ein gesellschaft-
liches Bedürfniss befriedige, war die eine Voraussetzung des Ver-
kaufs. Die andre war, dass das in der Waare enthaltne Quantum
Arbeit gesellschaftlich nothwendige Arbeit repräsentire, der indi-
viduelle Werth (und was unter dieser Voraussetzung dasselbe, der
Verkaufspreis) der Waare daher mit ihrem gesellschaftlichen Werth
zusammenfalle.28)


Wenden wir dies an auf die auf dem Markt befindliche Waaren-
masse, die das Produkt einer ganzen Sphäre bildet.


Die Sache wird am leichtesten dargestellt, wenn wir die ganze
Waarenmasse, zunächst also eines Produktionszweigs, als eine
Waare, und die Summe der Preise der vielen identischen Waaren
als in einen Preis zusammenaddirt auffassen. Was dann für die
einzelne Waare gesagt worden, gilt nun wörtlich für die auf dem
Markt befindliche Waarenmasse eines bestimmten Produktionszweigs.
Dass der individuelle Werth der Waare ihrem gesellschaftlichen
Werth entspreche, ist jetzt dahin verwirklicht, oder weiter be-
stimmt, dass das Gesammtquantum die zu seiner Produktion noth-
wendige gesellschaftliche Arbeit enthält, und dass der Werth dieser
Masse = ihrem Marktwerth.


Nimm nun an, die grosse Masse dieser Waaren sei ungefähr
unter denselben normalen gesellschaftlichen Bedingungen producirt,
sodass dieser Werth zugleich der individuelle Werth der diese
Masse bildenden einzelnen Waaren. Wenn nun ein relativ kleiner
Theil unter, ein andrer über diesen Bedingungen producirt worden,
sodass der individuelle Werth des einen Theils grösser, der des
andren kleiner als der mittlere Werth des grossen Theils der
Waaren, diese beiden Extreme aber sich ausgleichen, sodass der
Durchschnittswerth der ihnen angehörigen Waaren gleich dem
Werth der der mittlern Masse angehörigen Waaren, dann ist der
Marktwerth bestimmt durch den Werth der unter mittlern Be-
dingungen producirten Waaren.29) Der Werth der gesammten
Waarenmasse ist gleich der wirklichen Summe der Werthe aller
einzelnen Waaren zusammengenommen, sowohl deren die innerhalb
der mittlern Bedingungen, als deren die unter oder über ihnen
Marx, Kapital III. 11
[162] producirt sind. In diesem Fall ist der Marktwerth oder der ge-
sellschaftliche Werth der Waarenmasse — die nothwendig in ihnen
enthaltne Arbeitszeit — bestimmt durch den Werth der grossen
mittlern Masse.


Nimm dagegen an, die Gesammtmenge der auf den Markt ge-
brachten fraglichen Waare bleibe dieselbe, aber der Werth der
unter den schlechtern Bedingungen producirten Waaren gleiche
sich nicht aus mit dem Werth der unter den bessern Bedingungen
producirten, sodass der unter den schlechtern Bedingungen pro-
ducirte Massentheil eine relativ bedeutende Grösse bilde, sowohl
gegen die mittlere Masse wie gegen das andre Extrem: dann regelt
die unter den schlechtern Bedingungen producirte Masse den Markt-
werth oder den gesellschaftlichen Werth.


Nimm endlich an, die unter bessern als den mittlern Bedingungen
producirte Waarenmasse übertreffe bedeutend die unter den schlech-
tern Bedingungen producirte und bilde selbst eine bedeutende
Grösse gegen die unter mittlern Verhältnissen producirte; dann
regulirt der unter den besten Bedingungen producirte Theil den
Marktwerth. Es wird hier abgesehn von Ueberführung des Marktes,
wo immer der unter den besten Bedingungen producirte Theil den
Marktpreis regelt; aber hier haben wir es nicht mit dem Markt-
preis zu thun, soweit er verschieden von dem Marktwerth, sondern
mit den verschiednen Bestimmungen des Marktwerths selbst.30)


In der That, ganz streng genommen (was natürlich in der Wirk-
lichkeit nur annähernd und tausendfach modificirt vorkommt) ist
im Fall I der durch die mittlern Werthe geregelte Marktwerth
der ganzen Masse gleich der Summe ihrer individuellen Werthe;
[163] obgleich für die an den Extremen producirten Waaren dieser Werth
sich als ihnen aufgedrungner Durchschnittswerth aufstellt. Die
am schlechtesten Extrem Producirenden müssen ihre Waaren dann
unter dem individuellen Werth verkaufen; die am besten Extrem
verkaufen sie darüber.


Im Fall II gleichen sich die unter beiden Extremen producirten
individuellen Werthmassen nicht aus, sondern gibt die unter den
schlechtern Bedingungen producirte den Ausschlag. Streng ge-
nommen wäre der Durchschnittspreis oder der Marktwerth jeder
einzelnen Waare oder jedes aliquoten Theils der Gesammtmasse
nun bestimmt durch den Gesammtwerth der Masse, der durch Ad-
dition der Werthe der unter den verschiednen Bedingungen pro-
ducirten Waaren herauskäme, und durch den aliquoten Theil, der
von diesem Gesammtwerth auf die einzelne Waare fiele. Der so
erhaltne Marktwerth stände über dem individuellen Werth nicht
nur der dem günstigen Extrem, sondern auch der der mittlern
Schicht angehörigen Waaren; er stände aber immer noch niedriger
als der individuelle Werth der auf dem ungünstigen Extrem pro-
ducirten Waaren. Wie weit er sich diesem nähert, oder mit ihm
endlich zusammenfällt, hängt ganz ab von dem Umfang, den die
am ungünstigen Extrem producirte Waarenmasse in der fraglichen
Waarensphäre einnimmt. Ist die Nachfrage nur wenig überwiegend,
so regelt der individuelle Werth der ungünstig producirten Waaren
den Marktpreis.


Nimmt endlich, wie in Fall III, das am günstigen Extrem pro-
ducirte Waarenquantum grössern Raum ein, nicht nur verglichen
mit dem andren Extrem, sondern mit den mittlern Bedingungen,
so fällt der Marktwerth unter den mittlern Werth. Der Durch-
schnittswerth, berechnet durch Addirung der Werthsummen der
beiden Extreme und der Mitte, steht hier unter dem Werth der
Mitte, und nähert oder entfernt sich von ihm je nach dem relativen
Raum, den das günstige Extrem einnimmt. Ist die Nachfrage
schwach gegen die Zufuhr, so nimmt der günstig gestellte Theil,
wie gross er immer sei, gewaltsam Raum ein durch Zusammen-
ziehung seines Preises auf seinen individuellen Werth. Mit diesem
individuellen Werth der unter den besten Bedingungen producirten
Waaren kann der Marktwerth nie zusammenfallen, ausser bei sehr
starkem Ueberwiegen der Zufuhr über die Nachfrage.


Diese, hier abstrakt dargestellte, Festsetzung des Marktwerths
wird auf dem wirklichen Markt vermittelt durch die Konkurrenz
unter den Käufern, vorausgesetzt, dass die Nachfrage gerade so
11*
[164] gross ist, um die Waarenmasse zu ihrem so festgesetzten Werthe
zu absorbiren. Und hier kommen wir auf den andren Punkt.


Zweitens. Dass die Waare Gebrauchswerth hat, heisst nur,
dass sie irgend ein gesellschaftliches Bedürfniss befriedigt. Solange
wir nur von den einzelnen Waaren handelten, konnten wir unter-
stellen, dass das Bedürfniss für diese bestimmte Waare — in den
Preis schon ihr Quantum eingeschlossen — vorhanden sei, ohne
uns auf das Quantum des zu befriedigenden Bedürfnisses weiter
einzulassen. Dies Quantum wird aber ein wesentliches Moment,
sobald das Produkt eines ganzen Produktionszweigs auf der einen
Seite, und das gesellschaftliche Bedürfniss auf der andern Seite
steht. Es wird jetzt nothwendig, das Maß, d. h. das Quantum
dieses gesellschaftlichen Bedürfnisses zu betrachten.


In den vorhin gegebnen Bestimmungen über den Marktwerth
ist unterstellt, dass die Masse der producirten Waaren dieselbe
bleibt, eine gegebne ist; dass nur Wechsel stattfindet im Verhält-
niss der Bestandtheile dieser Masse, die unter verschiednen Be-
dingungen producirt sind, und dass daher der Marktwerth derselben
Masse von Waaren verschieden geregelt wird. Gesetzt, diese Masse
sei das gewöhnliche Quantum der Zufuhr, wobei wir absehn von
der Möglichkeit, dass ein Theil der producirten Waaren zeitweise
dem Markt entzogen werden kann. Bleibt nun die Nachfrage für
diese Masse auch die gewöhnliche, so wird die Waare zu ihrem
Marktwerth verkauft, welcher der drei vorhin untersuchten Fälle
auch diesen Marktwerth reguliren möge. Die Waarenmasse be-
friedigt nicht nur ein Bedürfniss, sondern sie befriedigt es in seinem
gesellschaftlichen Umfang. Ist dagegen das Quantum kleiner oder
grösser als die Nachfrage dafür, so finden Abweichungen des
Marktpreises vom Marktwerth statt. Und die erste Abweichung
ist, dass wenn das Quantum zu klein, stets die unter den schlech-
testen Bedingungen producirte Waare den Marktwerth regulirt,
und wenn zu gross, stets die unter den besten Bedingungen pro-
ducirte; dass also eins der Extreme den Marktwerth bestimmt,
trotzdem, dass nach dem blossen Verhältniss der Massen, die unter
den verschiednen Bedingungen producirt sind, ein andres Resultat
stattfinden müsste. Ist die Differenz zwischen Nachfrage und
Produktenquantum bedeutender, so wird der Marktpreis ebenfalls
noch bedeutender vom Marktwerth nach oben oder nach unten
abweichen. Die Differenz zwischen dem Quantum der producirten
Waaren, und dem Quantum, wobei die Waaren zu ihrem Markt-
werth verkauft werden, kann aber aus doppelter Ursache entstehn.
[165] Entweder wechselt dies Quantum selbst, wird zu klein oder zu
gross, sodass also die Reproduktion auf einem andren Maßstab
stattgefunden hätte, als dem, der den gegebnen Marktwerth regu-
lirte. In diesem Fall hat sich die Zufuhr verändert, obgleich die
Nachfrage dieselbe blieb, und dadurch ist relative Ueberproduktion
oder Unterproduktion eingetreten. Oder aber die Reproduktion,
d. h. die Zufuhr bleibt dieselbe, aber die Nachfrage ist gefallen
oder gestiegen, was aus verschiednen Gründen geschehn kann.
Obgleich hier die absolute Grösse der Zufuhr dieselbe geblieben,
hat ihre relative Grösse, ihre Grösse verglichen mit, oder gemessen
an, dem Bedürfniss sich verändert. Die Wirkung ist dieselbe wie
im ersten Fall, nur in umgekehrter Richtung. Endlich: wenn
Veränderungen auf beiden Seiten stattfinden, aber entweder in
entgegengesetzter Richtung, oder wenn in derselben Richtung, nicht
in demselben Maß, wenn also in einem Wort doppelseitige Aen-
derungen stattfinden, die aber die frühere Proportion zwischen den
beiden Seiten ändern, so muss das Endresultat immer auf einen
der zwei oben betrachteten Fälle herauskommen.


Die eigentliche Schwierigkeit bei der allgemeinen Begriffsbe-
stimmung der Nachfrage und Zufuhr ist die, dass sie auf Tauto-
logie hinauszulaufen scheint. Betrachten wir zunächst die Zufuhr,
das auf dem Markt befindliche Produkt, oder das für ihn geliefert
werden kann. Um nicht in hier ganz nutzlose Details einzugehn,
denken wir hier an die Masse der jährlichen Reproduktion in
jedem bestimmten Industriezweig und sehn dabei ab von der
grössern oder geringern Fähigkeit, die verschiedne Waaren besitzen,
dem Markt entzogen und für die Konsumtion, sage des nächsten
Jahres, aufgespeichert zu werden. Diese jährliche Reproduktion
drückt zunächst ein bestimmtes Quantum aus, Maß oder Anzahl,
je nachdem die Waarenmasse als diskrete oder kontinuirliche ge-
messen wird; es sind nicht nur Gebrauchswerthe, die menschliche
Bedürfnisse befriedigen, sondern diese Gebrauchswerthe befinden
sich auf dem Markt in einem gegebnen Umfang. Zweitens aber
hat diese Waarenmenge einen bestimmten Marktwerth, den man
ausdrücken kann in einen Multipel des Marktwerths der Waare
oder des Waarenmaßes, die als Einheiten dienen. Zwischen dem
quantitativen Umfang der auf dem Markt befindlichen Waaren
und ihrem Marktwerth existirt daher kein nothwendiger Zusammen-
hang, indem z. B. manche Waaren specifisch hohen Werth haben,
andre specifisch niedrigen Werth, sodass eine gegebne Werthsumme
sich in einem sehr grossen Quantum der einen und einem sehr
[166] geringen Quantum der andren Waare darstellen kann. Zwischen
dem Quantum der auf dem Markt befindlichen Artikel und dem
Marktwerth dieser Artikel findet nur dieser Zusammenhang statt:
Auf einer gegebnen Basis der Produktivität der Arbeit erheischt
in jeder besondren Produktionssphäre die Herstellung eines be-
stimmten Quantums Artikel ein bestimmtes Quantum gesellschaft-
licher Arbeitszeit, obgleich dies Verhältniss in verschiednen Pro-
duktionssphären durchaus verschieden ist, und in keinem innern
Zusammenhang mit der Nützlichkeit dieser Artikel oder der be-
sondren Natur ihrer Gebrauchswerthe steht. Alle andren Umstände
gleichgesetzt: Wenn das Quantum a einer Waarensorte b Arbeits-
zeit kostet, so kostet das Quantum na nb Arbeitszeit. Ferner:
Soweit die Gesellschaft Bedürfnisse befriedigen, einen Artikel zu
diesem Zweck producirt haben will, so muss sie ihn zahlen. In
der That, da bei der Waarenproduktion Theilung der Arbeit
vorausgesetzt ist, kauft die Gesellschaft diese Artikel, indem sie
auf ihre Produktion einen Theil ihrer disponiblen Arbeitszeit ver-
wendet, kauft sie sie also durch ein bestimmtes Quantum der Arbeits-
zeit, worüber diese gegebne Gesellschaft verfügen kann. Der Theil
der Gesellschaft, dem es durch die Theilung der Arbeit zufällt,
seine Arbeit in der Produktion dieser bestimmten Artikel zu ver-
wenden, muss ein Aequivalent erhalten durch gesellschaftliche
Arbeit, dargestellt in den Artikeln, die seine Bedürfnisse befriedigen.
Aber es existirt kein nothwendiger, sondern nur zufälliger Zu-
sammenhang zwischen dem Gesammtquantum der gesellschaftlichen
Arbeit, das auf einen gesellschaftlichen Artikel verwandt ist, d. h.
zwischen dem aliquoten Theil ihrer Gesammtarbeitskraft, den die
Gesellschaft auf die Produktion dieses Artikels verwendet, also
zwischen dem Umfang, den die Produktion dieses Artikels in der
Gesammtproduktion einnimmt, einerseits, und zwischen dem Um-
fang andrerseits, worin die Gesellschaft Befriedigung des durch
jenen bestimmten Artikel gestillten Bedürfnisses verlangt. Obgleich
jeder einzelne Artikel oder jedes bestimmte Quantum einer Waaren-
sorte nur die zu seiner Produktion erheischte gesellschaftliche
Arbeit enthalten mag, und von dieser Seite her betrachtet der
Marktwerth dieser gesammten Waarensorte nur nothwendige Arbeit
darstellt, so ist doch, wenn die bestimmte Waare in einem das
gesellschaftliche Bedürfniss dermalen überschreitendem Maß pro-
ducirt worden, ein Theil der gesellschaftlichen Arbeitszeit vergeudet,
und die Waarenmasse repräsentirt dann auf dem Markt ein viel
kleineres Quantum gesellschaftlicher Arbeit, als wirklich in ihr ent-
[167] halten ist. (Nur wo die Produktion unter wirklicher vorherbe-
stimmender Kontrolle der Gesellschaft steht, schafft die Gesellschaft
den Zusammenhang zwischen dem Umfang der gesellschaftlichen
Arbeitszeit, verwandt auf die Produktion bestimmter Artikel, und
dem Umfang des durch diese Artikel zu befriedigenden gesell-
schaftlichen Bedürfnisses.) Daher müssen diese Waaren unter
ihrem Marktwerth losgeschlagen, ein Theil davon kann selbst ganz
unverkäuflich werden. — Umgekehrt, wenn der Umfang der auf
die Produktion einer bestimmten Waarensorte verwandten gesell-
schaftlichen Arbeit zu klein für den Umfang des durch das Produkt
zu befriedigenden besondren gesellschaftlichen Bedürfnisses. —
Entspricht aber der Umfang der gesellschaftlichen Arbeit, die zur
Produktion eines bestimmten Artikels verwandt, dem Umfang des
zu befriedigenden gesellschaftlichen Bedürfnisses, sodass also die
producirte Masse dem gewöhnlichen Maßstab der Reproduktion
bei unveränderter Nachfrage entspricht, so wird die Waare zu
ihrem Marktwerth verkauft. Der Austausch oder Verkauf der
Waaren zu ihrem Werth ist das Rationelle, das natürliche Gesetz
ihres Gleichgewichts; von ihm ausgehend, sind die Abweichungen
zu erklären, nicht umgekehrt aus den Abweichungen das Gesetz
selbst.


Sehn wir uns nach der andren Seite um, der Nachfrage.


Waaren werden gekauft als Produktionsmittel oder als Lebens-
mittel, — wobei es nichts ändert, dass manche Sorten Waaren
beiden Zwecken dienen können — um in die produktive oder in-
dividuelle Konsumtion einzugehn. Es findet also Nachfrage für
sie statt von den Producenten (hier Kapitalisten, da unterstellt,
dass die Produktionsmittel in Kapital verwandelt sind) und von
den Konsumenten. Beides scheint zunächst zu unterstellen, auf
Seite der Nachfrage ein gegebnes Quantum gesellschaftlicher Be-
dürfnisse, dem auf der andren Seite bestimmte Quanta gesell-
schaftlicher Produktion in den verschiednen Produktionszweigen
entsprechen. Soll die Baumwollindustrie ihre jährliche Repro-
duktion auf gegebner Stufenleiter wieder ausführen, so ist dazu
das herkömmliche Maß, und mit Betracht auf die jährliche Aus-
weitung der Reproduktion, in Folge von Kapitalakkumulation, bei
sonst gleichbleibenden Umständen, ein zusätzliches Quantum von
Baumwolle erforderlich. Ebenso mit Bezug auf die Lebensmittel.
Die Arbeiterklasse muss wenigstens dasselbe Quantum nothwendiger
Lebensmittel, obgleich vielleicht mehr oder minder anders vertheilt
unter die verschiednen Sorten, wieder vorfinden, soll sie in herge-
[168] brachter Durchschnittsweise fortleben; und in Anbetracht des jähr-
lichen Wachsthums der Bevölkerung, ein zusätzliches Quantum;
und so, mit mehr oder minder Modifikation, für die andren
Klassen.


Es scheint also, dass auf Seite der Nachfrage eine gewisse
Grösse von bestimmtem gesellschaftlichem Bedürfniss steht, das
zu seiner Löschung bestimmte Menge eines Artikels auf dem Markt
erheischt. Aber die quantitative Bestimmtheit dieses Bedürfnisses
ist durchaus elastisch und schwankend. Seine Fixität ist Schein.
Wären die Lebensmittel wohlfeiler oder der Geldlohn höher, so
würden die Arbeiter mehr davon kaufen, und es würde sich grössres
„gesellschaftliches Bedürfniss“ für diese Waarensorten zeigen, ganz
abgesehn von den Paupers etc., deren „Nachfrage“ noch unter
den engsten Schranken ihres physischen Bedürfnisses steht. Wäre
andrerseits z. B. die Baumwolle wohlfeiler, so würde die Nach-
frage der Kapitalisten nach Baumwolle wachsen, es würde mehr
zuschüssiges Kapital in die Baumwollindustrie geworfen etc. Es
muss hierbei überhaupt nicht vergessen werden, dass die Nach-
frage für produktive Konsumtion unter unsrer Voraussetzung die
Nachfrage des Kapitalisten, und dass dessen eigentlicher Zweck die
Produktion von Mehrwerth ist, sodass er nur zu diesem Behuf
eine gewisse Sorte von Waaren producirt. Andrerseits hindert
dies nicht, dass soweit er als Käufer z. B. von Baumwolle auf
dem Markt steht, er das Bedürfniss für Baumwolle repräsentirt,
wie es dem Baumwollverkäufer ja auch gleichgültig ist, ob der
Käufer die Baumwolle in Hemdenzeug oder Schiesswolle verwandelt,
oder sich und der Welt die Ohren damit zu verstopfen gedenkt.
Allerdings übt dies aber grossen Einfluss aus auf die Art, worin
er Käufer ist. Sein Bedürfniss für Baumwolle ist wesentlich durch
den Umstand modificirt, dass es in Wirklichkeit nur sein Bedürf-
niss des Profitmachens verkleidet. — Die Grenzen, worin das auf
dem Markt repräsentirte Bedürfniss für Waaren — die Nachfrage
— quantitativ verschieden ist von dem wirklichen gesellschaft-
lichen
Bedürfniss, ist natürlich für verschiedne Waaren sehr
verschieden; ich meine die Differenz zwischen dem verlangten
Quantum Waaren und dem Quantum, das verlangt würde mit
andren Geldpreisen der Waare oder andren Geld- resp. Lebens-
verhältnissen der Käufer.


Es ist nichts leichter, als die Ungleichmäßigkeiten von Nach-
frage und Zufuhr einzusehn und die daraus folgende Abweichung
der Marktpreise von den Marktwerthen. Die eigentliche Schwierig-
[169] keit besteht in der Bestimmung dessen, was unter Deckung von
Nachfrage und Zufuhr zu verstehn ist.


Nachfrage und Zufuhr decken sich, wenn sie in solchem Ver-
hältniss stehn, dass die Waarenmasse eines bestimmten Produk-
tionszweigs zu ihrem Marktwerth verkauft werden kann, weder
darüber noch darunter. Das ist das erste, was wir hören.


Das zweite: Wenn die Waaren zu ihrem Marktwerth verkauf-
bar, decken sich Nachfrage und Zufuhr.


Wenn Nachfrage und Zufuhr sich decken, hören sie auf zu
wirken, und eben desswegen wird die Waare zu ihrem Marktwerth
verkauft. Wenn zwei Kräfte in entgegengesetzter Richtung gleich-
mäßig wirken, heben sie einander auf, wirken sie gar nicht nach
aussen, und Erscheinungen, die unter dieser Bedingung vorgehn,
müssen anders als durch das Eingreifen dieser beiden Kräfte er-
klärt werden. Wenn Nachfrage und Zufuhr sich gegenseitig auf-
heben, hören sie auf irgend etwas zu erklären, wirken sie nicht
auf den Marktwerth, und lassen uns erst recht im Dunkeln dar-
über, wesshalb der Marktwerth sich grade in dieser Summe Geld
ausdrückt und in keiner andern. Die wirklichen innern Gesetze
der kapitalistischen Produktion können offenbar nicht aus der
Wechselwirkung von Nachfrage und Zufuhr erklärt werden (ganz
abgesehn von tieferer, hier nicht angebrachter Analyse dieser beiden
gesellschaftlichen Triebkräfte), da diese Gesetze nur dann rein ver-
wirklicht erscheinen, sobald Nachfrage und Zufuhr aufhören zu
wirken, d. h. sich decken. Nachfrage und Zufuhr decken sich in
der That niemals, oder wenn sie sich einmal decken, so ist es zu-
fällig, also wissenschaftlich = 0 zu setzen, als nicht geschehn zu
betrachten. In der politischen Oekonomie wird aber unterstellt,
dass sie sich decken, warum? Um die Erscheinungen in ihrer
gesetzmäßigen, ihrem Begriff entsprechenden Gestalt zu betrachten,
d. h. sie zu betrachten unabhängig von dem durch die Bewegung
von Nachfrage und Zufuhr hervorgebrachten Schein. Andrerseits,
um die wirkliche Tendenz ihrer Bewegung aufzufinden, gewisser-
massen zu fixiren. Denn die Ungleichheiten sind entgegengesetzter
Natur, und da sie einander beständig folgen, gleichen sie sich
durch ihre entgegengesetzten Richtungen, durch ihren Widerspruch
unter einander aus. Wenn also in keinem einzigen gegebnen
Fall Nachfrage und Zufuhr sich decken, so folgen sich ihre Un-
gleichheiten so — und es ist das Resultat der Abweichung in
einer Richtung, eine andre Abweichung in einer entgegengesetzten
Richtung hervorzurufen — dass wenn das Ganze einer grössern oder
[170] kleinern Zeitperiode betrachtet wird, sich Zufuhr und Nachfrage be-
ständig decken; aber nur als Durchschnitt der verflossenen Bewegung
und nur als beständige Bewegung ihres Widerspruchs. Dadurch
gleichen sich die von den Marktwerthen abweichenden Marktpreise,
ihrer Durchschnittszahl nach betrachtet, zu Marktwerthen aus, indem
sich die Abweichungen von den letztren aufheben als Plus und
Minus. Und diese Durchschnittszahl ist keineswegs von bloss theo-
retischer Wichtigkeit, sondern von praktischer für das Kapital, dessen
Anlage auf die Schwankungen und Ausgleichungen in mehr oder
minder bestimmter Zeitperiode berechnet ist.


Das Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr erklärt daher einer-
seits nur die Abweichungen der Marktpreise von den Marktwerthen,
und andrerseits die Tendenz zur Aufhebung dieser Abweichung,
d. h. zur Aufhebung der Wirkung des Verhältnisses von Nach-
frage und Zufuhr. (Die Ausnahmen von Waaren, die Preise haben
ohne Werth zu haben, sind hier nicht zu betrachten.) Nachfrage
und Zufuhr können die Aufhebung der durch ihre Ungleichheit
hervorgebrachten Wirkung in sehr verschiedner Form durchführen.
Z. B. fällt die Nachfrage und daher der Marktpreis, so kann das
dazu führen, dass Kapital entzogen und so die Zufuhr vermindert
wird. Es kann aber auch dazu führen, dass der Marktwerth selbst
durch Erfindungen, die die nothwendige Arbeitszeit verkürzen, er-
niedrigt und dadurch mit dem Marktpreis ausgeglichen wird. Um-
gekehrt: Steigt die Nachfrage und damit der Marktpreis über den
Marktwerth, so kann dies dazu führen, dass diesem Produktions-
zweig zu viel Kapital zugeführt und die Produktion so gesteigert
wird, dass der Marktpreis selbst unter den Marktwerth fällt; oder
es kann andrerseits zu einer Preissteigerung führen, die die Nach-
frage selbst zurücktreibt. Es mag auch in diesem oder jenem
Produktionszweig dazu führen, dass der Marktwerth selbst für
kürzre oder längre Perioden steigt, indem ein Theil der verlangten
Produkte während dieser Zeit unter schlechtern Bedingungen pro-
ducirt werden muss.


Bestimmt Nachfrage und Zufuhr den Marktpreis, so andrerseits
der Marktpreis, und in weitrer Analyse der Marktwerth die Nach-
frage und Zufuhr. Bei der Nachfrage ist dies augenscheinlich, da
diese sich in umgekehrter Richtung zum Preise bewegt, zunimmt,
wenn dieser fällt, und umgekehrt. Aber auch bei der Zufuhr.
Denn die Preise der Produktionsmittel, die in die zugeführte
Waare eingehn, bestimmen die Nachfrage nach diesen Produktions-
mitteln und daher auch die Zufuhr der Waaren, deren Zufuhr die
[171] Nachfrage nach jenen Produktionsmitteln einschliesst. Die Baum-
wollpreise sind bestimmend für die Zufuhr von Baumwollstoffen.


Zu dieser Konfusion — Bestimmung der Preise durch Nach-
frage und Zufuhr und daneben Bestimmung der Nachfrage und
Zufuhr durch die Preise — kommt hinzu, dass die Nachfrage die
Zufuhr, und umgekehrt die Zufuhr die Nachfrage bestimmt, die
Produktion den Markt und der Markt die Produktion.31)


Selbst der ordinäre Oekonom (S. Note) sieht ein, dass ohne
einen durch äussere Umstände herbeigeführten Wechsel der Zu-
fuhr oder des Bedarfs das Verhältniss beider wechseln kann in
Folge eines Wechsels im Marktwerth der Waaren. Selbst er muss
zugeben, dass, welches immer der Marktwerth, Nachfrage und Zu-
fuhr sich ausgleichen müssen, um ihn herauszubekommen. D. h.
das Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr erklärt nicht den
Marktwerth, sondern dieser umgekehrt erklärt die Schwankungen
von Nachfrage und Zufuhr. Der Verfasser der Observations fährt
nach der in der Note citirten Stelle fort: This proportion (zwischen
[172] Nachfrage und Zufuhr), however, if we still mean by „demand“
and „natural price“, what we meant just now, when referring to
Adam Smith, must always be a proportion of equality; for it is
only when the supply is equal to the effectual demand, that is, to
that demand, which will pay neither more nor less than the na-
tural price, that the natural price is in fact paid; consequently,
there may be two very different natural prices, at different times,
for the same commodity, and yet the proportion which the supply
bears to the demand, be in both cases the same, namely the pro-
portion of equality. Es wird also zugegeben, dass bei zwei ver-
schiednen natural prices derselben Waare zu verschiedner Zeit Nach-
frage und Zufuhr jedesmal sich decken können und decken müssen,
soll die Waare beidemale zu ihrem natural price verkauft werden.
Da nun beidemale kein Unterschied im Verhältniss von Nach-
frage und Zufuhr ist, wohl aber ein Unterschied in der Grösse
des natural price selbst, so ist dieser offenbar unabhängig von
Nachfrage und Zufuhr bestimmt, [und] kann also am wenigsten
durch diese bestimmt werden.


Damit eine Waare zu ihrem Marktwerth verkauft wird, d. h.
im Verhältniss zu der in ihr enthaltnen gesellschaftlich nothwen-
digen Arbeit, muss das Gesammtquantum gesellschaftlicher Arbeit,
welches auf die Gesammtmasse dieser Waarenart verwandt wird,
dem Quantum des gesellschaftlichen Bedürfnisses für sie ent-
sprechen, d. h. des zahlungsfähigen gesellschaftlichen Bedürfnisses.
Die Konkurrenz, die Schwankungen der Marktpreise, die den
Schwankungen des Verhältnisses von Nachfrage und Zufuhr ent-
sprechen, suchen beständig das Gesammtquantum der auf jede
Waarenart verwandten Arbeit auf dieses Maß zu reduciren.


In dem Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr der Waaren
wiederholt sich erstens das Verhältniss von Gebrauchswerth und
Tauschwerth, von Waare und Geld, von Käufer und Verkäufer;
zweitens das von Producent und Konsument, obgleich beide durch
dritte Kaufleute vertreten sein mögen. Bei der Betrachtung des
Käufers und Verkäufers ist es hinreichend sie einzeln gegenüber
zu stellen, um das Verhältniss zu entwickeln. Drei Personen ge-
nügen für die vollständige Metamorphose der Waare, und daher
für das Ganze des Verkaufs und Kaufs. A verwandelt seine
Waare in das Geld von B, an den er die Waare verkauft, und er
rückverwandelt sein Geld wieder in Waare, die er damit von C
kauft; der ganze Process geht zwischen diesen dreien vor. Ferner:
Bei Betrachtung des Geldes war angenommen, dass die Waaren
[173] zu ihrem Werth verkauft werden, weil durchaus kein Grund vor-
handen war, von dem Werth abweichende Preise zu betrachten,
da es sich nur um die Formveränderungen handelte, welche die
Waare bei ihrer Geldwerdung [und] Rückverwandlung aus Geld in
Waare durchläuft. Sobald die Waare überhaupt verkauft und mit
dem Erlös eine neue Waare gekauft wird, liegt die ganze Meta-
morphose vor uns, und es ist für sie, als solche betrachtet, gleich-
gültig ob der Preis der Waare unter oder über ihrem Werth
steht. Der Werth der Waare als Grundlage bleibt wichtig, weil
das Geld nur aus diesem Fundament heraus begrifflich zu ent-
wickeln, und der Preis seinem allgemeinen Begriff nach zunächst
nur der Werth in Geldform ist. Allerdings wird bei Betrachtung
des Geldes als Circulationsmittel unterstellt, dass nicht nur eine
Metamorphose einer Waare vorgeht. Es wird vielmehr die gesell-
schaftliche Verschlingung dieser Metamorphosen betrachtet. Nur
so kommen wir zum Umlauf des Geldes und zur Entwicklung
seiner Funktion als Cirkulationsmittel. Aber so wichtig dieser
Zusammenhang für den Uebergang des Geldes in die Funktion
als Cirkulationsmittel, und für seine daraus folgende veränderte
Gestalt, so gleichgültig ist er für die Transaktion zwischen den
einzelnen Käufern und Verkäufern.


Dagegen bei Zufuhr und Nachfrage ist die Zufuhr gleich der
Summe der Verkäufer oder Producenten einer bestimmten Waaren-
art, und die Nachfrage gleich der Summe der Käufer oder Kon-
sumenten (individueller oder produktiver) derselben Waarenart.
Und zwar wirken die Summen auf einander als Einheiten, als
Aggregatkräfte. Der Einzelne wirkt hier nur als Theil einer ge-
sellschaftlichen Macht, als Atom der Masse, und es ist in dieser
Form, dass die Konkurrenz den gesellschaftlichen Charakter
der Produktion und Konsumtion geltend macht.


Die Seite der Konkurrenz, die momentan die schwächere, ist
zugleich die, worin der Einzelne unabhängig von der Masse seiner
Konkurrenten, und oft direkt gegen sie wirkt, und grade dadurch
die Abhängigkeit des einen von dem andren fühlbar macht,
während die stärkre Seite stets mehr oder minder als geschlossne
Einheit dem Widerpart gegenübertritt. Ist für diese bestimmte
Sorte Waaren die Nachfrage grösser als die Zufuhr, so überbietet
— innerhalb gewisser Grenzen — ein Käufer den andren und
vertheuert so die Waare für alle über den Marktpreis, während
auf der andern Seite die Verkäufer gemeinsam zu einem hohen
Marktpreis zu verkaufen suchen. Ist umgekehrt die Zufuhr grösser
[174] als die Nachfrage, so fängt einer an wohlfeiler loszuschlagen und
die andren müssen folgen, während die Käufer gemeinsam darauf
hinarbeiten, den Marktpreis möglichst tief unter den Marktwerth
herabzudrücken. Die gemeinsame Seite interessirt jeden nur, so
lange er mehr mit ihr gewinnt als gegen sie. Und die Gemein-
samkeit hört auf, sobald die Seite als solche die schwächere wird,
wo dann jeder Einzelne auf eigne Hand sich möglichst gut her-
auszuwinden sucht. Producirt ferner einer wohlfeiler und kann
er mehr losschlagen, sich grössren Raums vom Markt bemächtigen,
indem er unter dem laufenden Marktpreis oder Marktwerth ver-
kauft, so thut er es, und so beginnt die Aktion, die nach und nach
die andren zwingt, die wohlfeilere Produktionsart einzuführen, und
die die gesellschaftlich nothwendige Arbeit auf ein neues geringres
Maß reducirt. Hat eine Seite die Oberhand, so gewinnt jeder,
der ihr angehört; es ist als hätten sie ein gemeinschaftliches Mo-
nopol geltend zu machen. Ist eine Seite die schwächre, so kann
jeder für seinen eignen Theil suchen der stärkre zu sein (z. B.
wer mit weniger Produktionskosten arbeitet), oder wenigstens so
gut wie möglich davon zu kommen, und hier schert er sich den
Teufel um seinen Nebenmann, obgleich sein Wirken nicht nur ihn
sondern auch alle seine Kumpane mit berührt.32)


Nachfrage und Zufuhr unterstellen die Verwandlung des Werths
in Marktwerth, und soweit sie auf kapitalistischer Basis vorgehn,
soweit die Waaren Produkte des Kapitals sind, unterstellt sie kapi-
talistische Produktionsprocesse, also ganz anders verwickelte Ver-
hältnisse als den blossen Kauf und Verkauf der Waaren. Bei
ihnen handelt es sich nicht um die formelle Verwandlung des
Werths der Waaren in Preis, d. h. um blosse Formveränderung;
es handelt sich um die bestimmten quantitativen Abweichungen
der Marktpreise von den Marktwerthen und weiter von den Pro-
duktionspreisen. Bei dem einfachen Kauf und Verkauf genügt es,
Waarenproducenten als solche sich gegenüber zu haben. Nach-
frage und Zufuhr, bei weitrer Analyse, unterstellen die Existenz
der verschiednen Klassen und Klassenabtheilungen, welche die Ge-
[175] sammtrevenue der Gesellschaft unter sich vertheilen und als Revenue
unter sich konsumiren, die also die von der Revenue gebildete
Nachfrage bilden; während sie andrerseits, zum Verständniss
der durch die Producenten als solche unter sich gebildeten Nach-
frage und Zufuhr, Einsicht in die Gesammtgestaltung des kapita-
listischen Produktionsprocesses erheischen.


Bei der kapitalistischen Produktion handelt es sich nicht nur
darum, für die in Waarenform in die Cirkulation geworfne Werth-
masse eine gleiche Werthmasse in andrer Form — sei es des
Geldes oder einer andren Waare — herauszuziehn, sondern es
handelt sich darum, für das der Produktion vorgeschossne Kapital
denselben Mehrwerth oder Profit herauszuziehn wie jedes andre
Kapital von derselben Grösse, oder pro rata seiner Grösse, in
welchem Produktionszweig es auch angewandt sei; es handelt sich
also darum, wenigstens als Minimum, die Waaren zu Preisen zu
verkaufen, die den Durchschnittsprofit liefern, d. h. zu Produktions-
preisen. Das Kapital kommt sich in dieser Form selbst zum Be-
wusstsein als eine gesellschaftliche Macht, an der jeder Ka-
pitalist Theil hat im Verhältniss seines Antheils am gesellschaft-
lichen Gesammtkapital.


Erstens ist die kapitalistische Produktion an und für sich gleich-
gültig gegen den bestimmten Gebrauchswerth, überhaupt gegen
die Besonderheit der Waare, die sie producirt. In jeder Produk-
tionssphäre kommt es ihr nur darauf an, Mehrwerth zu produciren,
im Produkt der Arbeit ein bestimmtes Quantum unbezahlter Arbeit
sich anzueignen. Und es liegt ebenso in der Natur der dem
Kapital unterworfnen Lohnarbeit, dass sie gleichgültig ist gegen
den specifischen Charakter ihrer Arbeit, sich nach den Bedürfnissen
des Kapitals umwandeln und sich von einer Produktionssphäre in
die andre werfen lassen muss.


Zweitens ist in der That eine Produktionssphäre nun so gut
und so schlecht wie die andre; jede wirft denselben Profit ab,
und jede würde zwecklos sein, wenn die von ihr producirte
Waare nicht ein gesellschaftliches Bedürfniss irgend einer Art be-
friedigt.


Werden die Waaren aber zu ihren Werthen verkauft, so ent-
stehn, wie entwickelt, sehr verschiedne Profitraten in den ver-
schiednen Produktionssphären, je nach der verschiednen organischen
Zusammensetzung der darin angelegten Kapitalmassen. Das Kapital
entzieht sich aber einer Sphäre mit niedriger Profitrate, und wirft
sich auf die andre, die höheren Profit abwirft. Durch diese be-
[176] ständige Aus- und Einwandrung, mit einem Wort durch seine
Vertheilung zwischen den verschiednen Sphären, je nachdem dort
die Profitrate sinkt, hier steigt, bewirkt es solches Verhältniss der
Zufuhr zur Nachfrage, dass der Durchschnittsprofit in den ver-
schiednen Produktionssphären derselbe wird, und daher die Werthe
sich in Produktionspreise verwandeln. Diese Ausgleichung gelingt
dem Kapital mehr oder minder, je höher die kapitalistische Ent-
wicklung in einer gegebnen nationalen Gesellschaft ist: d. h. je
mehr die Zustände des betreffenden Landes der kapitalistischen
Produktionsweise angepasst sind. Mit dem Fortschritt der kapi-
talistischen Produktion entwickeln sich auch ihre Bedingungen,
unterwirft sie das Ganze der gesellschaftlichen Voraussetzungen,
innerhalb deren der Produktionsprocess vor sich geht, ihrem speci-
fischen Charakter und ihren immanenten Gesetzen.


Die beständige Ausgleichung der beständigen Ungleichheiten
vollzieht sich um so rascher, 1) je mobiler das Kapital, d. h. je
leichter es übertragbar ist von einer Sphäre und von einem Ort
zum andern; 2) je rascher die Arbeitskraft von einer Sphäre in
die andre und von einem lokalen Produktionspunkt auf den andren
werfbar ist. No. 1 unterstellt vollständige Handelsfreiheit im In-
nern der Gesellschaft und Beseitigung aller Monopole ausser den
natürlichen, nämlich aus der kapitalistischen Produktionsweise selbst
entspringenden. Ferner Entwicklung des Kreditsystems, welches
die unorganische Masse des disponiblen gesellschaftlichen Kapitals
den einzelnen Kapitalisten gegenüber koncentrirt; endlich Unter-
ordnung der verschiednen Produktionssphären unter Kapitalisten.
Dies letztre ist schon in der Voraussetzung eingeschlossen, wenn
angenommen wurde, dass es sich um Verwandlung der Werthe in
Produktionspreise für alle kapitalistisch ausgebeuteten Produktions-
sphären handelt; aber diese Ausgleichung selbst stösst auf grössre
Hindernisse, wenn zahlreiche und massenhafte, nicht kapitalistisch
betriebne Produktionssphären (z. B. Ackerbau durch Kleinbauern)
sich zwischen die kapitalistischen Betriebe einschieben und mit
ihnen verketten. Endlich grosse Dichtigkeit der Bevölkerung. —
No. 2 setzt voraus Aufhebung aller Gesetze, welche die Arbeiter
hindern, aus einer Produktionssphäre in die andre oder aus einem
Lokalsitz der Produktion nach irgend einem andern überzusiedeln.
Gleichgültigkeit des Arbeiters gegen den Inhalt seiner Arbeit.
Möglichste Reducirung der Arbeit in allen Produktionssphären
auf einfache Arbeit. Wegfall aller professionellen Vorurtheile
bei den Arbeitern. Endlich und namentlich Unterwerfung des
[177] Arbeiters unter die kapitalistische Produktionsweise. Weitre Aus-
führungen hierüber gehören in die Specialuntersuchung der Kon-
kurrenz.


Aus dem Gesagten ergibt sich, dass jeder einzelne Kapitalist,
wie die Gesammtheit aller Kapitalisten jeder besondern Produk-
tionssphäre, in der Exploitation der Gesammtarbeiterklasse durch
das Gesammtkapital und in dem Grad dieser Exploitation nicht
nur aus allgemeiner Klassensympathie, sondern direkt ökonomisch
betheiligt ist, weil, alle andern Umstände, darunter den Werth des
vorgeschossnen konstanten Gesammtkapitals als gegeben voraus-
gesetzt, die Durchschnittsprofitrate abhängt von dem Exploitations-
grad der Gesammtarbeit durch das Gesammtkapital.


Der Durchschnittsprofit fällt zusammen mit dem Durchschnitts-
mehrwerth, den das Kapital pro 100 erzeugt, und mit Bezug auf
den Mehrwerth ist das eben Gesagte von vornherein selbstver-
ständlich. Beim Durchschnittsprofit kommt nur hinzu der Werth
des vorgeschossnen Kapitals, als eines der Bestimmungsmomente
der Profitrate. In der That ist das besondre Interesse, das ein
Kapitalist, oder das Kapital einer bestimmten Produktionssphäre,
an der Exploitation der direkt von ihm beschäftigten Arbeiter
nimmt, darauf beschränkt, dass entweder durch ausnahmsweise
Ueberarbeitung oder aber durch Herabsetzung des Lohns unter
den Durchschnitt, oder durch ausnahmsweise Produktivität in der
angewandten Arbeit ein Extraschnitt, ein über den Durchschnitts-
profit übergreifender Profit gemacht werden kann. Hievon abge-
sehn, wäre ein Kapitalist, der in seiner Produktionssphäre gar
kein variables Kapital und darum gar keine Arbeiter anwendete
(was in der That übertriebne Unterstellung) ganz eben so sehr in
der Exploitation der Arbeiterklasse durch das Kapital interessirt,
und leitete ganz eben so sehr seinen Profit von unbezahlter Mehr-
arbeit ab, wie etwa ein Kapitalist, der (wieder übertriebne Voraus-
setzung) nur variables Kapital anwendete, also sein ganzes Kapital
in Arbeitslohn auslegte. Der Exploitationsgrad der Arbeit hängt
aber bei gegebnem Arbeitstag von der durchschnittlichen Intensität
der Arbeit, und bei gegebner Intensität von der Länge des Arbeits-
tags ab. Von dem Exploitationsgrad der Arbeit hängt die Höhe der
Mehrwerthsrate ab, also bei gegebner Gesammtmasse des variablen
Kapitals, die Grösse des Mehrwerths, damit die Grösse des Profits.
Das Specialinteresse, welches das Kapital einer Sphäre, im Unter-
schied vom Gesammtkapital, an der Ausbeutung der von ihm
speciell beschäftigten Arbeiter, hat der einzelne Kapitalist, im
Marx, Kapital III. 12
[178] Unterschied von seiner Sphäre, an der Ausbeutung der persönlich
von ihm ausgebeuteten Arbeiter.


Andrerseits hat jede besondre Sphäre des Kapitals und jeder
einzelne Kapitalist dasselbe Interesse an der Produktivität der vom
Gesammtkapital angewandten gesellschaftlichen Arbeit. Denn da-
von hängt zweierlei ab: Erstens die Masse der Gebrauchswerthe,
worin sich der Durchschnittsprofit ausdrückt; und dies ist doppelt
wichtig, soweit dieser sowohl als Akkumulationsfonds von neuem
Kapital wie als Revenuefonds zum Genuss dient. Zweitens die
Werthhöhe des vorgeschossnen Gesammtkapitals (konstanten und
variablen) die, bei gegebner Grösse des Mehrwerths oder Profits
der ganzen Kapitalistenklasse, die Profitrate, oder den Profit auf
ein bestimmtes Quantum Kapital, bestimmt. Die besondre Pro-
duktivität der Arbeit in einer besondren Sphäre oder in einem
besondren Einzelgeschäft dieser Sphäre interessirt nur die direkt
dabei betheiligten Kapitalisten, soweit sie die einzelne Sphäre
gegenüber dem Gesammtkapital, oder den einzelnen Kapitalisten
gegenüber seiner Sphäre, befähigt einen Extraprofit zu machen.


Man hat also hier den mathematisch exakten Nachweis, warum
die Kapitalisten, so sehr sie in ihrer Konkurrenz unter einander
sich als falsche Brüder bewähren, doch einen wahren Freimaurer-
bund bilden gegenüber der Gesammtheit der Arbeiterklasse.


Der Produktionspreis schliesst den Durchschnittsprofit ein. Wir
gaben ihm den Namen Produktionspreis; es ist thatsächlich das-
selbe was A. Smith natural price nennt, Ricardo, price of produc-
tion, cost of production, die Physiokraten prix nécessaire nennen —
wobei keiner von ihnen den Unterschied des Produktionspreises
vom Werth entwickelt hat — weil er auf die Dauer Bedingung
der Zufuhr, der Reproduktion der Waare jeder besondren Produk-
tionssphäre ist.33) Man begreift auch, warum dieselben Oekonomen,
die sich gegen die Bestimmung des Werths der Waaren durch
die Arbeitszeit, durch das in ihnen enthaltne Quantum Arbeit
sträuben, immer von den Produktionspreisen sprechen als von den
Centren, um die die Marktpreise schwanken. Sie können sich das
erlauben, weil der Produktionspreis eine schon ganz veräusserlichte
und prima facie begriffslose Form des Waarenwerths ist, eine
Form, wie sie in der Konkurrenz erscheint, also im Bewusstsein
des vulgären Kapitalisten, also auch in dem der Vulgäröko-
nomen vorhanden ist.


[179]

Aus der Entwicklung ergab sich, wie der Marktwerth (und alles
darüber Gesagte gilt mit den nöthigen Einschränkungen für den
Produktionspreis) einen Surplusprofit der unter den besten Bedin-
gungen Producirenden in jeder besondren Produktionssphäre ein-
schliesst. Fälle von Krisen und Ueberproduktion überhaupt aus-
genommen, gilt dies von allen Marktpreisen, wie sehr sie auch
abweichen mögen von den Marktwerthen oder den Marktproduk-
tionspreisen. Im Marktpreis ist nämlich eingeschlossen, dass der-
selbe Preis für Waaren derselben Art bezahlt wird, obgleich diese
unter sehr verschiednen individuellen Bedingungen producirt sein,
und daher sehr verschiedne Kostpreise haben mögen. (Von Sur-
plusprofiten, die Folge von Monopolen im gewöhnlichen Sinn,
künstlichen oder natürlichen, sprechen wir hier nicht.)


Ein Surplusprofit kann aber ausserdem noch entstehn, wenn
gewisse Produktionssphären in der Lage sind, sich der Verwandlung
ihrer Waarenwerthe in Produktionspreise, und daher der Reduktion
ihrer Profite auf den Durchschnittsprofit zu entziehn. Im Ab-
schnitt über die Grundrente werden wir die weitre Gestaltung dieser
beiden Formen des Surplusprofits zu betrachten haben.


Elftes Kapitel.
Wirkungen allgemeiner Schwankungen des Arbeitslohns auf
die Produktionspreise.


Die Durchschnittszusammensetzung des gesellschaftlichen Kapitals
sei 80c + 20v, und der Profit 20 %. In diesem Fall ist die Rate
des Mehrwerths 100 %. Eine allgemeine Erhöhung des Arbeits-
lohns, alles andre gleichgesetzt, ist eine Erniedrigung der Rate
des Mehrwerths. Für das Durchschnittskapital fallen Profit und
Mehrwerth zusammen. Der Arbeitslohn steige um 25 %. Dieselbe
Masse Arbeit, die es 20 kostete in Bewegung zu setzen, kostet es
jetzt 25. Wir haben dann statt 80c + 20v + 20p, einen Um-
schlagswerth von 80c + 25v + 15p. Die vom variablen Kapital
in Bewegung gesetzte Arbeit producirt nach wie vor eine Werth-
summe von 40. Steigt v von 20 auf 25, so ist der Ueberschuss
m resp. p nur noch = 15. Der Profit von 15 auf 105 ist =
14\frac{2}{7} %, und dies wäre die neue Rate des Durchschnittsprofits.
Da der Produktionspreis der vom Durchschnittskapital producirten
Waaren zusammenfällt mit ihrem Werth, so hätte sich der Pro-
duktionspreis dieser Waaren nicht verändert; die Erhöhung des
12*
[180] Arbeitslohns hätte daher wohl Erniedrigung des Profits, aber keinen
Werth- und Preiswechsel der Waaren mit sich geführt.


Früher, wo der Durchschnittsprofit = 20 %, war der Produktions-
preis der in einer Umschlagsperiode producirten Waaren gleich
ihrem Kostpreis plus einem Profit von 20 % auf diesen Kostpreis,
also = k + kp' = k + \frac{20 k}{100}; wo k variable Grösse, verschieden
nach dem Werth der Produktionsmittel, die in die Waaren eingehn,
und nach dem Maße des Verschleisses, den das in ihrer Produktion
verwandte fixe Kapital an das Produkt abgibt. Jetzt betrüge der
Produktionspreis k + \frac{14 2}{7 k/100}.


Nehmen wir nun erst ein Kapital, dessen [Zusammensetzung]
niedriger als die ursprüngliche des gesellschaftlichen Durchschnitts-
kapitals 80c + 20v (die sich jetzt verwandelt hat in 76\frac{4}{21}c +
23\frac{17}{21}v); z. B. 50c + 50v. Hier betrug der Produktionspreis des
Jahresprodukts, wenn wir der Vereinfachung halber annehmen, dass
das ganze fixe Kapital in das jährliche Produkt als Verschleiss
einging, und dass die Umschlagszeit dieselbe ist wie in Fall I, vor
der Erhöhung des Arbeitslohns 50c + 50v + 20p = 120. Eine
Erhöhung des Arbeitslohns um 25 % gibt für dasselbe Quantum
in Bewegung gesetzter Arbeit eine Erhöhung des variablen Kapitals
von 50 auf 62½. Würde das jährliche Produkt zum frühern
Produktionspreis von 120 verkauft, so ergäbe dies 50c + 62½v
+ 7½p, also eine Profitrate von 6 %. Die neue Durchschnitts-
profitrate ist aber 14\frac{2}{7} %, und da wir alle andren Umstände als
gleichbleibend annehmen, wird dies Kapital von 50c + 62½v diesen
Profit auch machen müssen. Ein Kapital von 112½ macht aber
zur Profitrate von 14\frac{2}{7} einen Profit von rund 16\frac{1}{12}. Der Pro-
duktionspreis der davon producirten Waaren ist also jetzt 50c +
62½v + 16\frac{1}{12}p = 128\frac{7}{12}. In Folge der Lohnsteigerung um 25 %
ist hier also der Produktionspreis desselben Quantums derselben
Waare gestiegen von 120 auf 128\frac{7}{12}, oder mehr als 6½ %.


Nehmen wir umgekehrt eine Produktionssphäre an von höherer
Komposition als das Durchschnittskapital, z. B. 92c + 8v. Der
ursprüngliche Durchschnittsprofit ist also auch hier = 20, und
wenn wir wieder annehmen, dass das ganze fixe Kapital in das
jährliche Produkt eingeht und die Umschlagszeit dieselbe ist wie
in Fall I und II, so ist der Produktionspreis der Waare auch
hier = 120.


In Folge der Steigerung des Arbeitslohns um 25 % wächst das
[181] variable Kapital für gleichbleibende Arbeitsmenge von 8 auf 10,
der Kostpreis der Waaren also von 100 auf 102, andrerseits ist
die Durchschnittsprofitrate von 20 % gefallen auf 14\frac{2}{7} %. Es
verhält sich aber 100:14\frac{2}{7} = 102:14\frac{4}{7} (annähernd). Der Profit,
der nun auf 102 fällt, ist also 14\frac{4}{7}. Und daher verkauft sich
das Gesammtprodukt zu k + kp' = 102 + 14\frac{4}{7} = 116\frac{4}{7}. Der
Produktionspreis ist also gefallen von 120 auf 116\frac{4}{7}, oder über 3 %.


In Folge der Erhöhung des Arbeitslohns um 25 % ist also:


1) mit Bezug auf das Kapital von gesellschaftlicher Durch-
schnittskomposition der Produktionspreis der Waare unverändert
geblieben.


2) Mit Bezug auf das Kapital niederer Zusammensetzung der
Produktionspreis der Waare gestiegen, obgleich nicht im selben
Verhältniss wie der Profit gefallen;


3) mit Bezug auf das Kapital höherer Zusammensetzung ist der
Produktionspreis der Waare gefallen, obgleich auch nicht in dem-
selben Verhältniss wie der Profit.


Da der Produktionspreis der Waaren des Durchschnittskapitals
derselbe geblieben, gleich dem Werth des Produkts, ist auch die
Summe der Produktionspreise der Produkte aller Kapitale derselbe
geblieben, gleich der Summe der vom Gesammtkapital producirten
Werthe; die Erhöhung auf der einen, die Senkung auf der andern
Seite gleichen sich aus für das Gesammtkapital zum Niveau des
gesellschaftlichen Durchschnittskapitals.


Wenn der Produktionspreis der Waaren in Beispiel II steigt, in
III fällt, so zeigt schon diese entgegengesetzte Wirkung, die der
Fall in der Mehrwerthsrate oder das allgemeine Steigen des Arbeits-
lohns hervorbringt, dass es sich hier nicht um eine Entschädigung
im Preise für die Erhöhung des Arbeitslohns handeln kann, da in
III das Fallen des Produktionspreises den Kapitalisten unmöglich
entschädigen kann für das Fallen des Profits, und in II das Steigen
des Preises den Fall des Profits nicht verhindert. Vielmehr ist
beidemal, wo der Preis steigt und wo er fällt, der Profit derselbe
wie im Durchschnittskapital, wo der Preis unverändert geblieben.
Er ist für II wie für III derselbe, um 5\frac{5}{7} oder etwas über 25 %
gefallne Durchschnittsprofit. Es folgt daraus, dass wenn der Preis
in II nicht stiege und in III nicht fiele, II unter und III über
dem neuen gefallnen Durchschnittsprofit verkaufen würde. Es ist
an und für sich klar, dass je nachdem 50, 25 oder 10 pro 100
des Kapitals in Arbeit ausgelegt wird, eine Lohnerhöhung sehr
verschieden wirken muss auf den, der \frac{1}{10}, und auf den, der
[182] ¼ oder ½ seines Kapitals in Arbeitslohn auslegt. Die Erhöhung
der Produktionspreise einerseits, ihre Senkung andrerseits, je nach-
dem das Kapital unter oder über der gesellschaftlichen Durch-
schnittszusammensetzung steht, wird nur bewirkt durch die Aus-
gleichung zum neuen gefallnen Durchschnittsprofit. Es ist klar,
dass wenn in Folge der Herstellung einer allgemeinen Profitrate
für die Kapitale niedrer Zusammensetzung (wo v über dem Durch-
schnitt) die Werthe bei ihrer Verwandlung in Produktionspreise
herabgesenkt, sie für die Kapitale höherer Zusammensetzung er-
höht werden.


Wie würde nun ein allgemeiner Fall des Arbeitslohns und ihm
entsprechendes allgemeines Steigen der Profitrate und daher der
Durchschnittsprofite wirken auf die Produktionspreise der Waaren,
die das Produkt von Kapitalen, welche nach entgegengesetzten
Richtungen von der gesellschaftlichen Durchschnittszusammen-
setzung abweichen? Wir haben bloss die eben gegebne Ausführung
umzudrehn, um das Resultat (das Ricardo nicht untersucht) zu
erhalten.


I. Durchschnittskapital = 80c + 20v = 100; Mehrwerthsrate
= 100 %; Produktionspreis = Waarenwerth = 80c + 20 + 20p = 120;
Profitrate = 20 %. Es falle der Arbeitslohn um einviertel, so
wird dasselbe konstante Kapital in Bewegung gesetzt von 15v statt
von 20v. Wir haben also Waarenwerth = 80c + 15v + 25p = 120.
Das von v producirte Quantum Arbeit bleibt unverändert, nur
wird der dadurch geschaffne Neuwerth anders vertheilt zwischen
Kapitalist und Arbeiter. Der Mehrwerth ist gestiegen von 20 auf
25 und die Rate des Mehrwerths von \frac{20}{20} auf \frac{25}{15}, also von 100 %
auf 166⅔ %. Der Profit auf 95 ist jetzt = 25, also die Profitrate
auf 100 = 26\frac{6}{19}. Die neue procentige Zusammensetzung des Ka-
pitals ist jetzt 84\frac{4}{19}c + 15\frac{15}{19}v = 100.


II. Niedrigere Zusammensetzung. Ursprünglich 50c + 50v wie
oben. Durch den Fall des Arbeitslohnes um ¼ wird v auf 37½ reducirt,
und damit das vorgeschossne Gesammtkapital auf 50c + 37½[∆] = 87½.
Wenden wir hierauf die neue Profitrate von 26\frac{6}{19} % an, so: 100:
26\frac{6}{19} = 87½:23\frac{1}{38}. Dieselbe Waarenmasse, die früher 120, kostet
jetzt 87½ + 23\frac{1}{38} = 110\frac{10}{19}; Preisfall von beinahe 10 %.


III. Höhere Zusammensetzung. Ursprünglich 92c + 8v = 100.
Der Fall des Arbeitslohns um ¼ senkt 8v auf 6v, das Gesammt-
kapital auf 98. Hiernach 100 : 26\frac{6}{19} = 98 : 25\frac{15}{19}. Der Produk-
tionspreis der Waare, früher 100 + 20 = 120 ist jetzt, nach dem Fall
des Arbeitslohnes, 98 + 25\frac{15}{19} = 123\frac{15}{19}; also gestiegen fast um 4 %.


[183]

Man sieht also, dass man nur dieselbe Entwicklung wie früher
in umgekehrter Richtung zu verfolgen hat mit den erforderlichen
Aenderungen; dass ein allgemeiner Fall des Arbeitslohns zur Folge
hat ein allgemeines Steigen des Mehrwerths, der Rate des Mehr-
werths, und bei sonst gleichbleibenden Umständen der Profitrate,
wenn auch in andrer Proportion ausgedrückt; einen Fall der Pro-
duktionspreise für die Waarenprodukte von Kapitalen niederer,
und steigender Produktionspreise für Waarenprodukte von Kapi-
talen höherer Zusammensetzung. Gerade das umgekehrte Resultat
von dem, das sich herausstellte bei allgemeinem Steigen des
Arbeitslohns.34) Es ist in beiden Fällen — Steigen wie Fallen
des Arbeitslohns — vorausgesetzt, dass der Arbeitstag gleich bleibt,
ebenso die Preise aller nothwendigen Lebensmittel. Der Fall des
Arbeitslohns ist hier also nur möglich, wenn der Lohn entweder
vorher über dem normalen Preis der Arbeit stand, oder unter ihn
herabgedrückt wird. Wie die Sache modificirt wird, wenn das
Steigen oder Fallen des Arbeitslohns herrührt von einem Wechsel
im Werthe, und daher im Produktionspreise der Waaren, die ge-
wöhnlich in den Konsum des Arbeiters eingehn, wird zum Theil
weiter untersucht werden im Abschnitt über die Grundrente. In-
dess ist hier ein für allemal zu bemerken:


Rührt Steigen oder Fallen des Arbeitslohns her vom Werth-
wechsel der nothwendigen Lebensmittel, so kann nur eine Modi-
fikation des oben Gesagten eintreten, soweit die Waaren, deren
Preisveränderung das variable Kapital erhöht oder erniedrigt, auch
als konstituirende Elemente in das konstante Kapital eingehn, und
daher nicht bloss auf den Arbeitslohn wirken. Soweit sie aber
nur das letztre thun, enthält die bisherige Entwicklung alles was
zu sagen ist.


In diesem ganzen Kapitel ist die Herstellung der allgemeinen
Profitrate, des Durchschnittsprofits, und also auch die Verwandlung
der Werthe in Produktionspreise als gegebne Thatsache unterstellt.
Es fragte sich nur, wie eine allgemeine Erhöhung oder Senkung
des Arbeitslohns auf die als gegeben vorausgesetzten Produktions-
preise der Waaren wirkt. Es ist dies eine sehr sekundäre Frage,
[184] verglichen mit den übrigen in diesem Abschnitt behandelten wich-
tigen Punkten. Es ist aber die einzige hier einschlägige Frage,
die Ricardo, und selbst noch einseitig und mangelhaft, wie man
sehn wird, behandelt.


Zwölftes Kapitel.
Nachträge.


I. Ursachen, welche eine Aenderung im Produktionspreis
bedingen
.

Der Produktionspreis einer Waare kann nur variiren aus zwei
Ursachen:


Erstens. Die allgemeine Profitrate ändert sich. Dies ist nur
dadurch möglich, dass sich die Durchschnittsrate des Mehrwerths
selbst ändert, oder, bei gleichbleibender durchschnittlicher Mehr-
werthsrate, das Verhältniss der Summe der angeeigneten Mehr-
werthe zur Summe des vorgeschossnen gesellschaftlichen Gesammt-
kapitals.


Soweit die Aenderung der Rate des Mehrwerths nicht auf Her-
unterdrücken des Arbeitslohns unter, oder dessen Steigen über,
seinen normalen Stand beruht — und derartige Bewegungen sind
nur als oscillatorische zu betrachten — kann sie nur stattfinden
entweder dadurch, dass der Werth der Arbeitskraft sank oder stieg;
das eine so unmöglich wie das andre ohne Veränderung in der
Produktivität der Arbeit, die Lebensmittel producirt, also ohne
Wechsel im Werth der Waaren, die in den Konsum des Arbeiters
eingehn.


Oder das Verhältniss der Summe des angeeigneten Mehrwerths
zum vorgeschossnen Gesammtkapital der Gesellschaft ändert sich.
Da der Wechsel hier nicht von der Rate des Mehrwerths ausgeht,
so muss er ausgehn vom Gesammtkapital, und zwar von seinem
konstanten Theil. Dessen Masse, technisch betrachtet, vermehrt
oder vermindert sich im Verhältniss zu der vom variablen Kapital
gekauften Arbeitskraft, und die Masse seines Werths wächst oder
fällt so mit dem Wachsthum oder der Abnahme seiner Masse
selbst; sie wächst oder fällt also ebenfalls im Verhältniss zur
Werthmasse des variablen Kapitals. Setzt dieselbe Arbeit mehr
konstantes Kapital in Bewegung, so ist die Arbeit produktiver
geworden. Wenn umgekehrt, umgekehrt. Also hat Wechsel in
[185] der Produktivität der Arbeit stattgefunden, und ein Wechsel muss
vorgegangen sein im Werth gewisser Waaren.


Für beide Fälle also gilt dies Gesetz: Wechselt der Produk-
tionspreis einer Waare in Folge eines Wechsels in der allgemeinen
Profitrate, so kann zwar ihr eigner Werth unverändert geblieben
sein. Es muss aber ein Werthwechsel mit andren Waaren vor-
gegangen sein.


Zweitens. Die allgemeine Profitrate bleibt unverändert. Dann
kann der Produktionspreis einer Waare nur wechseln, weil ihr
eigner Werth sich verändert hat; weil mehr oder weniger Arbeit
erheischt ist, um sie selbst zu reproduciren, sei es dass die Pro-
duktivität der Arbeit wechselt, die die Waare selbst in ihrer letzten
Form producirt, oder die, welche die Waaren producirt, die in
ihre Produktion eingehn. Baumwollengarn kann im Produktions-
preis fallen, entweder weil Rohbaumwolle wohlfeiler hergestellt
wird, oder weil die Arbeit des Spinnens in Folge bessrer Maschinerie
produktiver geworden ist.


Der Produktionspreis ist, wie früher gezeigt, = k + p, gleich
Kostpreis und Profit. Dies aber ist = k + kp', wo k, der Kost-
preis, eine unbestimmte Grösse, die für verschiedne Produktions-
sphären wechselt, und überall gleich ist dem Werth des in der
Produktion der Waare verbrauchten konstanten und variablen Ka-
pitals und p' die procentig berechnete Durchschnittsprofitrate. Ist
k = 200, und p' = 20 %, so ist der Produktionspreis k + kp'
= 200 + 200\frac{20}{100} = 200 + 40 = 240. Es ist klar, dass dieser
Produktionspreis derselbe bleiben kann, obgleich der Werth der
Waaren sich verändert.


Alle Wechsel im Produktionspreis der Waaren lösen sich auf
in letzter Instanz in einen Werthwechsel; aber nicht alle Wechsel
im Werth der Waaren brauchen sich in einem Wechsel des Pro-
duktionspreises auszudrücken, da dieser bestimmt ist nicht allein
durch den Werth der besondren Waare, sondern durch den Ge-
sammtwerth aller Waaren. Der Wechsel in Waare A kann also
ausgeglichen sein durch einen entgegengesetzten der Waare B,
sodass das allgemeine Verhältniss dasselbe bleibt.


II. Produktionspreis der Waaren mittlerer Zusammen-
setzung
.

Man hat gesehn, wie die Abweichung der Produktionspreise von
den Werthen dadurch entspringt:


[186]

1) dass zum Kostpreis einer Waare nicht der in ihr enthaltne
Mehrwerth, sondern der Durchschnittsprofit hinzugeschlagen wird;


2) dass der so vom Werth abweichende Produktionspreis einer
Waare als Element in den Kostpreis andrer Waaren eingeht, wo-
durch also schon im Kostpreis einer Waare eine Abweichung vom
Werth der in ihr konsumirten Produktionsmittel enthalten sein
kann, abgesehn von der Abweichung, die für sie selbst durch die
Differenz zwischen Durchschnittsprofit und Mehrwerth hinein-
kommen kann.


Es ist hiernach also möglich, dass auch bei Waaren, die durch
Kapitale mittlerer Zusammensetzung producirt werden, der Kost-
preis abweichen kann von der Werthsumme der Elemente, aus
denen dieser Bestandtheil ihres Produktionspreises sich zusammen-
setzt. Angenommen, die mittlere Zusammensetzung sei 80c + 20v.
Es ist nun möglich, dass in den wirklichen Kapitalen, die so zu-
sammengesetzt sind, 80c grösser oder kleiner ist als der Werth
von c, dem konstanten Kapital, weil dies c durch Waaren gebildet
ist, deren Produktionspreis abweicht von ihrem Werth. Ebenso
könnte 20v von seinem Werth abweichen, wenn in den Verzehr
des Arbeitslohns Waaren eingehn, deren Produktionspreis von
ihrem Werth verschieden ist; der Arbeiter also zum Rückkauf
dieser Waaren (ihrem Ersatz) mehr oder minder Arbeitszeit ar-
beiten, also mehr oder minder viel nothwendige Arbeit verrichten
muss, als nöthig wäre, wenn die Produktionspreise der nothwen-
digen Lebensmittel mit ihren Werthen zusammenfielen.


Indess ändert diese Möglichkeit durchaus nichts an der Richtig-
keit der für Waaren mittlerer Zusammensetzung aufgestellten Sätze.
Das Quantum Profit, das auf diese Waaren fällt, ist gleich dem
in ihnen selbst enthaltnen Quantum Mehrwerth. Z. B. bei obigem
Kapital von der Zusammensetzung 80c + 20v ist das Wichtige für
die Bestimmung des Mehrwerths, nicht ob diese Zahlen Ausdrücke
der wirklichen Werthe, sondern wie sie sich zu einander verhalten;
nämlich dass v = ⅕ des Gesammtkapitals, und c = ⅘ ist. So-
bald dies der Fall, ist, wie oben angenommen, der von v erzeugte
Mehrwerth gleich dem Durchschnittsprofit. Andrerseits: Weil er
gleich dem Durchschnittsprofit ist, ist der Produktionspreis = Kost-
preis + Profit = k + p = k + m, praktisch dem Werth der Waare
gleichgesetzt. D. h. eine Erhöhung oder Erniedrigung des Arbeits-
lohns lässt k + p in diesem Fall ebenso unverändert, wie sie den
Werth der Waare unverändert lassen würde, und bewirkt bloss
eine entsprechende umgekehrte Bewegung, Erniedrigung oder Er-
[187] höhung, auf Seite der Profitrate. Würde nämlich in Folge einer
Erhöhung oder Erniedrigung des Arbeitslohns der Preis der
Waaren hier verändert, so käme die Profitrate in diesen Sphären
mittlerer Zusammensetzung über oder unter ihr Niveau in den
andern Sphären zu stehn. Nur soweit der Preis unverändert bleibt,
bewahrt die Sphäre mittlerer Zusammensetzung ihr Profitniveau
mit den andern Sphären. Es findet also bei ihr praktisch dasselbe
statt, als ob die Produkte dieser Sphäre zu ihrem wirklichen Werth
verkauft würden. Werden Waaren nämlich zu ihren wirklichen
Werthen verkauft, so ist es klar, dass bei sonst gleichen Um-
ständen Steigen oder Sinken des Arbeitslohns entsprechendes Sinken
oder Steigen des Profits, aber keinen Werthwechsel der Waaren
hervorruft, und dass unter allen Umständen Steigen oder Sinken
des Arbeitslohnes nie den Werth der Waaren, sondern stets nur
die Grösse des Mehrwerths afficiren kann.


III. Kompensationsgründe des Kapitalisten.

Es ist gesagt worden, dass die Konkurrenz die Profitraten der
verschiednen Produktionssphären zur Durchschnittsprofitrate aus-
gleicht und ebendadurch die Werthe der Produkte dieser ver-
schiednen Sphären in Produktionspreise verwandelt. Und zwar ge-
schieht dies durch fortwährende Uebertragung von Kapital aus
einer Sphäre in die andre, wo augenblicklich der Profit über dem
Durchschnitt steht; wobei jedoch in Betracht kommen die mit dem
Wechsel der magern und fetten Jahre, wie sie in einem gegebnen
Industriezweig innerhalb einer gegebnen Epoche einander folgen,
verbundnen Profitschwankungen. Diese ununterbrochne Aus- und
Einwanderung des Kapitals, die zwischen verschiednen Sphären der
Produktion stattfindet, erzeugt steigende und fallende Bewegungen
der Profitrate, die sich gegenseitig mehr oder weniger ausgleichen
und dadurch die Tendenz haben, die Profitrate überall auf dasselbe
gemeinsame und allgemeine Niveau zu reduciren.


Diese Bewegung der Kapitale wird in erster Linie stets verur-
sacht durch den Stand der Marktpreise, die die Profite hier über
das allgemeine Niveau des Durchschnitts erhöhen, dort sie darunter
hinabdrücken. Wir sehn einstweilen noch ab vom Kaufmanns-
kapital, womit wir hier noch nichts zu thun haben, und das, wie
die plötzlich emporschiessenden Paroxysmen der Spekulation in
gewissen Lieblingsartikeln zeigen, mit ausserordentlicher Schnellig-
keit Kapitalmassen aus einer Geschäftsbranche ziehn und sie ebenso
[188] plötzlich in eine andre werfen kann. Aber in jeder Sphäre der
eigentlichen Produktion — Industrie, Ackerbau, Bergwerke etc. —
bietet die Uebertragung von Kapital aus einer Sphäre in die andre
bedeutende Schwierigkeit, besonders wegen des vorhandnen fixen
Kapitals. Zudem zeigt die Erfahrung, dass wenn ein Industrie-
zweig, z. B. die Baumwollindustrie, zu einer Zeit ausserordentlich
hohe Profite abwirft, er dann auch zu einer andern Zeit sehr ge-
ringen Profit oder gar Verlust bringt, sodass in einem gewissen
Cyklus von Jahren der Durchschnittsprofit ziemlich derselbe ist
wie in andern Zweigen. Und mit dieser Erfahrung lernt das Ka-
pital bald rechnen.


Was aber die Konkurrenz nicht zeigt, das ist die Werthbe-
stimmung, die die Bewegung der Produktion beherrscht; das sind
die Werthe, die hinter den Produktionspreisen stehn und sie in
letzter Instanz bestimmen. Die Konkurrenz zeigt dagegen: 1) die
Durchschnittsprofite, die unabhängig sind von der organischen Zu-
sammensetzung des Kapitals in den verschiednen Produktionssphären,
also auch von der Masse der. von einem gegebnen Kapital in einer
gegebnen Exploitationssphäre angeeigneten lebendigen Arbeit;
2) Steigen und Fallen der Produktionspreise in Folge von Wechsel
in der Höhe des Arbeitslohns — eine Erscheinung, die dem Werth-
verhältniss der Waaren auf den ersten Blick durchaus widerspricht;
3) Schwankungen der Marktpreise, die den Durchschnitts-Markt-
preis der Waaren in einer gegebnen Zeitperiode reduciren, nicht
auf den Marktwerth, sondern auf einen von diesem Marktwerth
abweichenden, sehr verschiednen Markt-Produktionspreis. Alle
diese Erscheinungen scheinen ebensosehr der Bestimmung des
Werths durch die Arbeitszeit, wie der aus unbezahlter Mehrarbeit
bestehenden Natur des Mehrwerths zu widersprechen. Es er-
scheint also in der Konkurrenz alles verkehrt
. Die fertige
Gestalt der ökonomischen Verhältnisse, wie sie sich auf der Ober-
fläche zeigt, in ihrer realen Existenz, und daher auch in den Vor-
stellungen, worin die Träger und Agenten dieser Verhältnisse sich
über dieselben klar zu werden suchen, sind sehr verschieden von,
und in der That verkehrt, gegensätzlich zu, ihrer innern, wesent-
lichen, aber verhüllten Kerngestalt und dem ihr entsprechenden
Begriff.


Ferner: Sobald die kapitalistische Produktion einen gewissen
Entwicklungsgrad erreicht hat, geht die Ausgleichung zwischen den
verschiednen Profitraten der einzelnen Sphären zu einer allgemeinen
Profitrate keineswegs bloss noch vor sich durch das Spiel der
[189] Attraktion und Repulsion, worin die Marktpreise Kapital anziehn
oder abstossen. Nachdem sich die Durchschnittspreise und, ihnen
entsprechende, Marktpreise für eine Zeitlang befestigt haben, tritt
es in das Bewusstsein der einzelnen Kapitalisten, dass in dieser
Ausgleichung bestimmte Unterschiede ausgeglichen werden,
sodass sie dieselben gleich in ihrer wechselseitigen Berechnung
einschliessen. In der Vorstellung der Kapitalisten leben sie und
werden von ihnen in Rechnung gebracht als Kompensationsgründe.


Die Grundvorstellung dabei ist der Durchschnittsprofit selbst,
die Vorstellung, dass Kapitale von gleicher Grösse in denselben
Zeitfristen gleich grosse Profite abwerfen müssen. Ihr liegt wieder
die Vorstellung zu Grunde, dass das Kapital jeder Produktions-
sphäre pro rata seiner Grösse Theil zu nehmen hat an dem, von
dem gesellschaftlichen Gesammtkapital den Arbeitern ausgepressten
Gesammtmehrwerth; oder dass jedes besondre Kapital nur als
Stück des Gesammtkapitals, jeder Kapitalist in der That als Aktionär
in dem Gesammtunternehmen zu betrachten ist, der pro rata der
Grösse seines Kapitalantheils am Gesammtprofit sich betheiligt.


Auf diese Vorstellung stützt sich dann die Berechnung des Kapi-
talisten, z. B. dass ein Kapital, welches langsamer umschlägt, weil
entweder die Waare länger im Produktionsprocess verharrt, oder
weil sie auf entfernten Märkten verkauft werden muss, den Profit,
der ihm dadurch entgeht, dennoch anrechnet, sich also durch Auf-
schlag auf den Preis entschädigt. Oder aber, dass Kapitalanlagen,
die grössern Gefahren ausgesetzt sind, wie z. B. in der Rhederei,
eine Entschädigung durch Preisaufschlag erhalten. Sobald die kapi-
talistische Produktion, und mit ihr das Assekuranzwesen entwickelt
ist, ist die Gefahr in der That für alle Produktionssphären gleich
gross (s. Corbett); die gefährdeteren zahlen aber die höhere Asse-
kuranzprämie und erhalten sie im Preis ihrer Waaren vergütet. In
der Praxis kommt dies alles darauf hinaus, dass jeder Umstand,
der eine Kapitalanlage — und alle gelten für gleich nothwendig,
innerhalb gewisser Schranken — weniger, und eine andre mehr
profitlich macht, als ein für allemal gültiger Kompensationsgrund
in Rechnung gebracht wird, ohne dass es immer von neuem wieder
der Thätigkeit der Konkurrenz bedürfte, um die Berechtigung
solches Motivs oder Berechnungsfaktors darzuthun. Nur vergisst
der Kapitalist — oder sieht vielmehr nicht, da die Konkurrenz
ihm das nicht zeigt — dass alle diese, in der wechselseitigen Be-
rechnung der Waarenpreise verschiedner Produktionszweige von
den Kapitalisten gegen einander geltend gemachten Kompensations-
[190] gründe sich bloss darauf beziehn, dass sie alle, pro rata ihres
Kapitals, gleich grossen Anspruch haben auf die gemeinschaftliche
Beute, den Total-Mehrwerth. Ihnen scheint vielmehr, da der von
ihnen einkassirte Profit verschieden von dem von ihnen ausge-
pressten Mehrwerth, dass seine Kompensationsgründe nicht die Be-
theiligung am Gesammtmehrwerth ausgleichen, sondern den Profit
selbst schaffen
, indem dieser einfach aus dem so oder so moti-
virten Aufschlag auf den Kostpreis der Waaren herstamme.


Im Uebrigen gilt auch für den Durchschnittsprofit, was in Kap. VII,
S 116 gesagt wurde über die Vorstellungen des Kapitalisten von
der Quelle des Mehrwerths. Hier stellt sich die Sache nur in
soweit anders dar, dass bei gegebnem Marktpreis der Waaren und
gegebner Exploitation der Arbeit, die Ersparung in den Kostpreisen
von individuellem Geschick, Aufmerksamkeit etc. abhängt.


[[191]]

Dritter Abschnitt.
Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate.


Dreizehntes Kapitel.
Das Gesetz als solches.


Bei gegebnem Arbeitslohn und Arbeitstag stellt ein variables
Kapital, z. B. von 100, eine bestimmte Anzahl in Bewegung ge-
setzter Arbeiter vor; es ist der Index dieser Anzahl. Z. B. 100 £
sei der Arbeitslohn für 100 Arbeiter, sage für 1 Woche. Ver-
richten diese 100 Arbeiter ebensoviel nothwendige Arbeit wie
Mehrarbeit, arbeiten sie also täglich ebensoviel Zeit für sich selbst,
d. h. für die Reproduktion ihres Arbeitslohns, wie für den Kapi-
talisten, d. h. für die Produktion von Mehrwerth, so wäre ihr
Gesammt-Werthprodukt = 200 £ und der von ihnen erzeugte Mehr-
werth betrüge 100 £. Die Rate des Mehrwerths \frac{m}{v} wäre = 100 %.
Diese Rate des Mehrwerths würde sich jedoch, wie wir gesehn, in
sehr verschiednen Profitraten ausdrücken, je nach dem verschiednen
Umfang des konstanten Kapitals c und damit des Gesammtkapitals C,
da die Profitrate = \frac{m}{C}. Ist die Mehrwerthsrate 100 %:


  • Wenn c = 50, v = 100, so ist p' = \frac{100}{150} = 66⅓ %.
  • „ c = 100, v = 100 „ „ p' = \frac{100}{200} = 50 %.
  • „ c = 200, v = 100 „ „ p' = \frac{100}{300} = 33⅓ %.
  • „ c = 300, v = 100 „ „ p' = \frac{100}{400} = 25 %.
  • „ c = 400, v = 100 „ „ p' = \frac{100}{500} = 20 %.

Dieselbe Rate des Mehrwerths, bei unverändertem Exploitations-
grad der Arbeit, würde sich so in einer fallenden Profitrate aus-
drücken, weil mit seinem materiellen Umfang, wenn auch nicht
im selben Verhältniss, auch der Werthumfang des konstanten und
damit des Gesammtkapitals wächst.


Nimmt man nun ferner an, dass diese graduelle Veränderung
in der Zusammensetzung des Kapitals sich nicht bloss in verein-
zelten Produktionssphären zuträgt, sondern mehr oder weniger in
[192] allen, oder doch in den entscheidenden Produktionssphären, dass
sie also Veränderungen in der organischen Durchschnittszusammen-
setzung des einer bestimmten Gesellschaft angehörigen Gesammt-
kapitals einschliesst, so muss dies allmälige Anwachsen des kon-
stanten Kapitals, im Verhältniss zum variablen, nothwendig zum
Resultat haben einen graduellen Fall in der allgemeinen
Profitrate
bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths oder gleich-
bleibendem Exploitationsgrad der Arbeit durch das Kapital. Nun
hat sich aber gezeigt, als ein Gesetz der kapitalistischen Produk-
tionsweise, dass mit ihrer Entwicklung eine relative Abnahme des
variablen Kapitals im Verhältniss zum konstanten Kapital und
damit im Verhältniss zu dem in Bewegung gesetzten Gesammt-
kapital stattfindet. Es heisst dies nur, dass dieselbe Arbeiterzahl,
dieselbe Menge Arbeitskraft, disponibel gemacht durch ein variables
Kapital von gegebnem Werthumfang, in Folge der innerhalb der
kapitalistischen Produktion sich entwickelnden eigenthümlichen
Produktionsmethoden, eine stets wachsende Masse Arbeitsmittel,
Maschinerie und fixes Kapital aller Art, Roh- und Hülfsstoffe in
derselben Zeit in Bewegung setzt, verarbeitet, produktiv konsumirt
— daher auch ein konstantes Kapital von stets wachsendem
Werthumfang. Diese fortschreitende relative Abnahme des variablen
Kapitals im Verhältniss zum konstanten, und daher zum Gesammt-
kapital ist identisch mit der fortschreitend höhern organischen
Zusammensetzung des gesellschaftlichen Kapitals in seinem Durch-
schnitt. Es ist ebenso nur ein andrer Ausdruck für die fort-
schreitende Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der
Arbeit, die sich grade darin zeigt, dass vermittelst der wachsenden
Anwendung von Maschinerie und fixem Kapital überhaupt mehr
Roh- und Hülfsstoffe von derselben Anzahl Arbeiter in derselben
Zeit, d. h. mit weniger Arbeit in Produkte verwandelt werden.
Es entspricht diesem wachsenden Werthumfang des konstanten
Kapitals — obgleich er nur entfernt das Wachsthum in der wirk-
lichen Masse der Gebrauchswerthe darstellt, aus denen das kon-
stante Kapital stofflich besteht — eine wachsende Verwohlfeilerung
des Produkts. Jedes individuelle Produkt, für sich betrachtet, ent-
hält eine geringre Summe von Arbeit, als auf niedrigern Stufen
der Produktion, wo das in Arbeit ausgelegte Kapital in ungleich
grössrem Verhältniss steht zu dem in Produktionsmitteln ausge-
legten. Die im Eingang hypothetisch aufgestellte Reihe drückt
also die wirkliche Tendenz der kapitalistischen Produktion aus.
Diese erzeugt mit der fortschreitenden relativen Abnahme des
[193] variablen Kapitals gegen das konstante eine steigend höhere orga-
nische Zusammensetzung des [Gesammtkapitals], deren unmittelbare
Folge ist, dass die Rate des Mehrwerths bei gleichbleibendem und
selbst bei steigendem Exploitationsgrad der Arbeit sich in einer
beständig sinkenden allgemeinen Profitrate ausdrückt. (Es wird
sich weiter zeigen, warum dies Sinken nicht in dieser absoluten
Form, sondern mehr in Tendenz zum progressiven Fall hervortritt.)
Die progressive Tendenz der allgemeinen Profitrate zum Sinken
ist also nur ein der kapitalistischen Produktionsweise
eigenthümlicher Ausdruck
für die fortschreitende Entwicklung
der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit. Es ist damit
nicht gesagt, dass die Profitrate nicht auch aus andren Gründen
vorübergehend fallen kann, aber es ist damit aus dem Wesen der
kapitalistischen Produktionsweise als eine selbstverständliche Noth-
wendigkeit bewiesen, dass in ihrem Fortschritt die allgemeine
Durchschnittsrate des Mehrwerths sich in einer fallenden allge-
meinen Profitrate ausdrücken muss. Da die Masse der angewandten
lebendigen Arbeit stets abnimmt im Verhältniss zu der Masse der
von ihr in Bewegung gesetzten vergegenständlichten Arbeit, der
produktiv konsumirten Produktionsmittel, so muss auch der Theil
dieser lebendigen Arbeit, der unbezahlt ist und sich in Mehrwerth
vergegenständlicht, in einem stets abnehmenden Verhältniss stehn
zum Werthumfang des angewandten Gesammtkapitals. Dies Ver-
hältniss der Mehrwerthsmasse zum Werth des angewandten Ge-
sammtkapitals bildet aber die Profitrate, die daher beständig
fallen muss.


So einfach das Gesetz nach den bisherigen Entwicklungen er-
scheint, so wenig ist es aller bisherigen Oekonomie gelungen, wie
man aus einem spätern Abschnitt sehn wird, es zu entdecken.
Sie sah das Phänomen und quälte sich in widersprechenden Ver-
suchen ab, es zu deuten. Bei der grossen Wichtigkeit aber, die
dies Gesetz für die kapitalistische Produktion hat, kann man sagen,
dass es das Mysterium bildet, um dessen Lösung sich die ganze
politische Oekonomie seit Adam Smith dreht, und dass der Unter-
schied zwischen den verschiednen Schulen seit A. Smith in den
verschiednen Versuchen zu seiner Lösung besteht. Erwägt man
aber andrerseits, dass die bisherige politische Oekonomie um den
Unterschied von konstantem und variablem Kapital zwar herum-
tappte, ihn aber nie bestimmt zu formuliren verstand; dass sie
den Mehrwerth nie getrennt vom Profit und den Profit überhaupt
nie rein, im Unterschied von seinen verschiednen gegen einander
Marx, Kapital III. 13
[194] verselbständigten Bestandtheilen — wie industrieller Profit, kom-
mercieller Profit, Zins, Grundrente — darstellte; dass sie nie
gründlich die Verschiedenheit in der organischen Zusammensetzung
des Kapitals, daher ebensowenig die Bildung der allgemeinen Pro-
fitrate analysirt hat, — so hört es auf räthselhaft zu sein, dass
ihr die Lösung dieses Räthsels nie gelang.


Wir stellen absichtlich dies Gesetz dar, bevor wir das Ausein-
anderfallen des Profits in verschiedne gegeneinander verselbstän-
digte Kategorien darstellen. Die Unabhängigkeit dieser Darstellung
von der Spaltung des Profits in verschiedne Theile, die verschiednen
Kategorien von Personen zufallen, beweist von vornherein die Un-
abhängigkeit des Gesetzes in seiner Allgemeinheit von jener Spal-
tung, und von den gegenseitigen Verhältnissen der daraus ent-
springenden Profitkategorien. Der Profit, von dem wir hier
sprechen, ist nur ein andrer Name für den Mehrwerth selbst, der
nur in Beziehung zum Gesammtkapital dargestellt ist, statt in
Beziehung zum variablen Kapital, aus dem er entspringt. Der
Fall der Profitrate drückt also das fallende Verhältniss des Mehr-
werths selbst zum vorgeschossnen Gesammtkapital aus, und ist
daher unabhängig von jeder beliebigen Vertheilung dieses Mehr-
werths unter verschiedne Kategorien.


Man hat gesehn, dass auf einer Stufe der kapitalistischen Ent-
wicklung, wo die Zusammensetzung des Kapitals c : v wie 50 : 100,
eine Rate des Mehrwerths von 100 % sich in einer Profitrate von
66⅔ % ausdrückt, und dass auf einer höhern Stufe, wo c : v wie
400 : 100, dieselbe Rate des Mehrwerths sich ausdrückt in einer
Profitrate von nur 20 %. Was von verschiednen aufeinander-
folgenden Entwicklungsstufen in einem Land, gilt von verschiednen
gleichzeitig nebeneinander bestehenden Entwicklungsstufen in ver-
schiednen Ländern. In dem unentwickelten Land, wo die erstere
Zusammensetzung des Kapitals den Durchschnitt bildet, wäre die
allgemeine Profitrate = 66⅔ %, während sie in dem Land der
zweiten, viel höhern Entwicklungsstufe = 20 % wäre.


Der Unterschied der beiden nationalen Profitraten könnte da-
durch verschwinden und selbst sich umkehren, dass in dem minder
entwickelten Land die Arbeit unproduktiver wäre, daher ein grössres
Quantum Arbeit sich in einem geringern Quantum derselben Waare,
grössrer Tauschwerth in weniger Gebrauchswerth sich darstellte,
also der Arbeiter einen grössren Theil seiner Zeit zur Repro-
duktion seiner eignen Subsistenzmittel oder ihres Werths, und
einen kleinern zur Erzeugung von Mehrwerth aufzuwenden hätte,
[195] weniger Mehrarbeit lieferte, sodass die Rate des Mehrwerths nied-
riger wäre. Arbeitete z. B. im minder fortgeschrittnen Land der
Arbeiter ⅔ des Arbeitstags für sich selbst und ⅓ für den Kapi-
talisten, so würde unter der Voraussetzung des obigen Beispiels
dieselbe Arbeitskraft bezahlt mit 133⅓ und lieferte einen Ueber-
schuss von nur 66⅔. Dem variablen Kapital von 133⅓ ent-
spräche ein konstantes Kapital von 50. Die Mehrwerthsrate be-
trüge also nun 133⅓ : 66⅔ = 50 %, und die Profitrate 183⅓ : 66⅔,
oder ungefähr 36½ %.


Da wir bisher die verschiednen Bestandtheile, worin sich der
Profit spaltet, noch nicht untersucht haben, sie also noch nicht
für uns existiren, so wird Folgendes nur zur Vermeidung von
Missverständnissen im voraus bemerkt: Bei der Vergleichung von
Ländern verschiedner Entwicklungsstufen — namentlich solcher
von entwickelter kapitalistischer Produktion und solcher, wo die
Arbeit noch nicht förmlich unter das Kapital subsumirt ist, ob-
gleich der Arbeiter in Wirklichkeit vom Kapitalisten ausgebeutet
wird (z. B. in Indien, wo der Ryot als selbständiger Bauer wirth-
schaftet, seine Produktion als solche also noch nicht unter das
Kapital subsumirt ist, obgleich der Wucherer ihm unter der Form
des Zinses nicht nur seine ganze Mehrarbeit, sondern selbst —
kapitalistisch gesprochen — einen Theil seines Arbeitslohns ab-
zwacken mag) wäre es sehr falsch, wollte man etwa an der Höhe
des nationalen Zinsfusses die Höhe der nationalen Profitrate messen.
In jenem Zins ist der ganze Profit und mehr als der Profit ein-
geschlossen, statt dass er nur, wie in Ländern entwickelter kapi-
talistischer Produktion, einen aliquoten Theil des producirten Mehr-
werths, resp. Profits ausdrückte. Andrerseits ist hier der Zinsfuss
überwiegend bestimmt durch Verhältnisse (Vorschüsse der Wucherer
an die Grossen, die Besitzer der Grundrente), die gar nichts zu
thun haben mit dem Profit, vielmehr nur darstellen, in welchem
Verhältniss der Wucher sich die Grundrente aneignet.


In Ländern von verschiedner Entwicklungsstufe der kapitalistischen
Produktion und daher von verschiedner organischer Zusammen-
setzung des Kapitals, kann die Rate des Mehrwerths (der eine
Faktor, der die Profitrate bestimmt) höher stehn in dem Lande,
wo der normale Arbeitstag kürzer ist als in dem, wo er länger.
Erstens: Wenn der englische Arbeitstag von 10 Stunden seiner
höhern Intensität wegen gleich ist einem österreichischen Arbeits-
tag von 14 Stunden, können bei gleicher Theilung des Arbeitstags
5 Stunden Mehrarbeit dort einen höhern Werth auf dem Welt-
13*
[196] markt darstellen als 7 Stunden hier. Zweitens aber kann dort
ein grössrer Theil des Arbeitstags Mehrarbeit bilden als hier.


Das Gesetz von der fallenden Rate des Profits, worin dieselbe
oder selbst eine steigende Rate des Mehrwerths sich ausdrückt,
heisst in andern Worten: Irgend ein bestimmtes Quantum des ge-
sellschaftlichen Durchschnittskapitals, z. B. ein Kapital von 100
genommen, stellt sich ein stets grössrer Theil desselben in Arbeits-
mitteln und ein stets geringrer Theil desselben in lebendiger Ar-
beit dar. Da also die Gesammtmasse der den Produktionsmitteln
zugesetzten lebendigen Arbeit fällt im Verhältniss zum Werth
dieser Produktionsmittel, so fällt auch die unbezahlte Arbeit und
der Werththeil, worin sie sich darstellt, im Verhältniss zum Werth
des vorgeschossnen Gesammtkapitals. Oder: Ein stets geringrer
aliquoter Theil des ausgelegten Gesammtkapitals setzt sich in
lebendige Arbeit um, und dies Gesammtkapital saugt daher, im
Verhältniss zu seiner Grösse, immer weniger Mehrarbeit auf, ob-
gleich das Verhältniss des unbezahlten Theils der angewandten
Arbeit zum bezahlten Theil derselben gleichzeitig wachsen mag.
Die verhältnissmäßige Abnahme des variablen und Zunahme des
konstanten Kapitals, obgleich beide Theile absolut wachsen, ist,
wie gesagt, nur ein andrer Ausdruck für die vermehrte Produk-
tivität der Arbeit.


Ein Kapital von 100 bestehe aus 80c + 20v, letztre = 20 Ar-
beitern. Die Rate des Mehrwerths sei 100 %, d. h. die Arbeiter
arbeiten den halben Tag für sich, den halben Tag für den Kapi-
talisten. In einem minder entwickelten Land sei das Kapital
= 20c + 80v, und diese letztren = 80 Arbeitern. Aber diese Arbeiter
brauchen ⅔ des Arbeitstags für sich und arbeiten nur ⅓ für den
Kapitalisten. Alles andre gleichgesetzt, produciren die Arbeiter
im ersten Fall einen Werth von 40, im zweiten von 120. Das
erste Kapital producirt 80c + 20v + 20m = 120; Profitrate =
20 %; das zweite Kapital 20c + 80v + 40m = 140; Profitrate =
40 %. Sie ist also im zweiten Fall noch einmal so gross wie im
ersten, obgleich im ersten Fall die Rate des Mehrwerths = 100 %,
doppelt so gross als im zweiten, wo sie nur 50 %. Dafür eignet
sich aber ein gleich grosses Kapital im ersten Fall die Mehr-
arbeit von nur 20, und im zweiten von 80 Arbeitern an.


Das Gesetz des fortschreitenden Falls der Profitrate oder der
relativen Abnahme der angeeigneten Mehrarbeit im Vergleich mit
der von der lebendigen Arbeit in Bewegung gesetzten Masse ver-
gegenständlichter Arbeit, schliesst in keiner Weise aus, dass die
[197] absolute Masse der vom gesellschaftlichen Kapital in Bewegung
gesetzten und exploitirten Arbeit, daher auch die absolute Masse
der von ihm angeeigneten Mehrarbeit wächst; ebensowenig, dass
die unter dem Kommando der einzelnen Kapitalisten stehenden
Kapitale eine wachsende Masse von Arbeit und daher von Mehr-
arbeit kommandiren, letztre selbst, wenn die Anzahl der von ihnen
kommandirten Arbeiter nicht wächst.


Nimmt man eine gegebne Arbeiterbevölkerung, z. B. von zwei
Millionen, nimmt man ferner, als gegeben, Länge und Intensität
des Durchschnittsarbeitstags sowie den Arbeitslohn, und damit das
Verhältniss zwischen nothwendiger und Mehrarbeit, so producirt
die Gesammtarbeit dieser zwei Millionen, und ebenso ihre Mehr-
arbeit, die sich in Mehrwerth darstellt, stets dieselbe Werthgrösse.
Aber es fällt mit der wachsenden Masse des konstanten — fixen
und cirkulirenden — Kapitals, das diese Arbeit in Bewegung setzt,
das Verhältniss dieser Werthgrösse zum Werth dieses Kapitals,
der mit seiner Masse, wenn auch nicht im selben Verhältniss
wächst. Dies Verhältniss und daher die Profitrate fällt, obgleich
nach wie vor dieselbe Masse lebendiger Arbeit kommandirt und
dieselbe Masse Mehrarbeit vom Kapital aufgesaugt wird. Das
Verhältniss ändert sich, nicht weil die Masse der lebendigen Arbeit
fällt, sondern weil die Masse der von ihr in Bewegung gesetzten
bereits vergegenständlichten Arbeit steigt. Die Abnahme ist rela-
tiv, nicht absolut, und hat in der That mit der absoluten Grösse
der in Bewegung gesetzten Arbeit und Mehrarbeit nichts zu schaffen.
Der Fall der Profitrate entsteht nicht aus einer absoluten, sondern
aus einer nur relativen Abnahme des variablen Bestandtheils des
Gesammtkapitals, aus ihrer Abnahme, verglichen mit dem konstanten
Bestandtheil.


Dasselbe nun, was von einer gegebnen Arbeitsmasse und Mehr-
arbeitsmasse, gilt von einer wachsenden Arbeiteranzahl und daher,
unter den gegebnen Voraussetzungen, von einer wachsenden Masse
der kommandirten Arbeit überhaupt und ihres unbezahlten Theils,
der Mehrarbeit, insbesondre. Wenn die Arbeiterbevölkerung von
zwei auf drei Millionen steigt, wenn das ihr in Arbeitslohn aus-
gezahlte variable Kapital ebenfalls, früher zwei, jetzt drei Millionen
ist, und dagegen das konstante Kapital von 4 auf 15 Millionen
steigt, so wächst unter den gegebnen Voraussetzungen (konstanter
Arbeitstag und konstante Mehrwerthsrate) die Masse der Mehr-
arbeit, des Mehrwerths um die Hälfte, um 50 %, von 2 Millionen
auf 3. Nichts destoweniger, trotz dieses Wachsthums der absoluten
[198] Masse der Mehrarbeit und daher des Mehrwerths um 50 %, würde
das Verhältniss des variablen Kapitals zum konstanten von 2 : 4
fallen auf 3 : 15, und das Verhältniss des Mehrwerths zum Ge-
sammtkapital, sich stellen wie folgt (in Millionen):


  • I. 4c + 2v + 2m; C = 6, p' = 33⅓ %
  • II. 15c + 3v + 3m; C = 18, p' = 16⅔ %

Während die Mehrwerthsmasse um die Hälfte gestiegen, ist die
Profitrate auf die Hälfte der früheren gefallen. Der Profit ist
aber nur der auf das Gesellschaftskapital berechnete Mehrwerth,
und die Masse des Profits, seine absolute Grösse, ist daher, gesell-
schaftlich betrachtet, gleich der absoluten Grösse des Mehrwerths.
Die absolute Grösse des Profits, seine Gesammtmasse, wäre also
um 50 % gewachsen, trotz enormer Abnahme im Verhältniss dieser
Profitmasse zum vorgeschossnen Gesammtkapital, oder trotz der
enormen Abnahme in der allgemeinen Profitrate. Die Anzahl der
vom Kapital angewandten Arbeiter, also die absolute Masse der
von ihm in Bewegung gesetzten Arbeit, daher die absolute Masse
der von ihm aufgesaugten Mehrarbeit, daher die Masse des von
ihm producirten Mehrwerths, daher die absolute Masse des von
ihm producirten Profits kann also wachsen, und progressiv wachsen,
trotz des progressiven Falls der Profitrate. Dies kann nicht nur
der Fall sein. Es muss der Fall sein — vorübergehende Schwan-
kungen abgerechnet — auf Basis der kapitalistischen Produktion.


Der kapitalistische Produktionsprocess ist wesentlich zugleich
Akkumulationsprocess. Man hat gezeigt, wie im Fortschritt der
kapitalistischen Produktion die Werthmasse, die einfach reprodu-
cirt, erhalten werden muss, mit der Steigerung der Produktivität
der Arbeit steigt und wächst, selbst wenn die angewandte Arbeits-
kraft konstant bliebe. Aber mit der Entwicklung der gesellschaft-
lichen Produktivkraft der Arbeit wächst noch mehr die Masse der
producirten Gebrauchswerthe, wovon die Produktionsmittel einen
Theil bilden. Und die zusätzliche Arbeit, durch deren Aneignung
dieser zusätzliche Reichthum in Kapital rückverwandelt werden
kann, hängt nicht ab vom Werth, sondern von der Masse dieser
Produktionsmittel (Lebensmittel eingeschlossen), da der Arbeiter
im Arbeitsprocess nicht mit dem Werth, sondern mit dem Ge-
brauchswerth der Produktionsmittel zu thun hat. Die Akkumulation
selbst, und die mit ihr gegebne Koncentration des Kapitals, ist
aber selbst ein materielles Mittel der Steigerung der Produktivkraft.
In diesem Wachsthum der Produktionsmittel ist aber eingeschlossen
das Wachsthum der Arbeiterbevölkerung, die Schöpfung einer dem
[199] Surpluskapital entsprechenden und sogar seine Bedürfnisse im
Ganzen und Grossen stets überfluthenden Bevölkerung, und daher
Ueberbevölkerung, von Arbeitern. Ein momentaner Ueberschuss
des Surpluskapitals über die von ihm kommandirte Arbeiterbe-
völkerung würde in doppelter Weise wirken. Er würde einerseits
durch Steigerung des Arbeitslohns, daher Milderung der, den Nach-
wuchs der Arbeiter decimirenden, vernichtenden Einflüsse und Er-
leichterung der Heirathen, die Arbeiterbevölkerung allmälig vermehren,
andrerseits aber durch Anwendung der Methoden, die den relativen
Mehrwerth schaffen (Einführung und Verbesserung von Maschinerie)
noch weit rascher eine künstliche, relative Uebervölkerung schaffen,
die ihrerseits wieder — da in der kapitalistischen Produktion das
Elend Bevölkerung erzeugt — das Treibhaus einer wirklichen
raschen Vermehrung der Volkszahl ist. Aus der Natur des kapi-
talistischen Akkumulationsprocesses — der nur ein Moment des
kapitalistischen Produktionsprocesses ist — folgt daher von selbst,
dass die gesteigerte Masse der Produktionsmittel, die bestimmt sind
in Kapital verwandelt zu werden, eine entsprechend gesteigerte und
selbst überschüssige, exploitirbare Arbeiterbevölkerung stets zur
Hand findet. Im Fortschritt des Produktions- und Akkumulations-
processes muss also die Masse der aneignungsfähigen und ange-
eigneten Mehrarbeit, und daher die absolute Masse des vom Ge-
sellschaftskapital angeeigneten Profits wachsen. Aber dieselben
Gesetze der Produktion und Akkumulation steigern, mit der Masse,
den Werth des konstanten Kapitals in zunehmender Progression
rascher als den des variablen, gegen lebendige Arbeit umgesetzten
Kapitaltheils. Dieselben Gesetze produciren also für das Gesell-
schaftskapital eine wachsende absolute Profitmasse und eine fallende
Profitrate.


Es wird hier ganz davon abgesehn, dass dieselbe Werthgrösse,
im Fortschritt der kapitalistischen Produktion und der ihr ent-
sprechenden Entwicklung der Produktivkraft der gesellschaftlichen
Arbeit und Vervielfältigung der Produktionszweige und daher Pro-
dukte, eine fortschreitend steigende Masse von Gebrauchswerthen
und Genüssen darstellt.


Der Entwicklungsgang der kapitalistischen Produktion und Akku-
mulation bedingt Arbeitsprocesse auf steigend grössrer Stufenleiter
und damit steigend grössern Dimensionen, und dementsprechend
steigende Kapitalvorschüsse für jedes einzelne Etablissement. Wach-
sende Koncentration der Kapitale (begleitet zugleich, doch in ge-
ringrem Maß, von wachsender Zahl der Kapitalisten) ist daher
[200] sowohl eine ihrer materiellen Bedingungen wie eins der von ihr
selbst producirten Resultate. Hand in Hand, in Wechselwirkung
damit, geht fortschreitende Expropriation der mehr oder minder
unmittelbaren Producenten. So versteht es sich für die einzelnen
Kapitalisten, dass sie über wachsend grosse Arbeiterarmeen kom-
mandiren (so sehr auch für sie das variable im Verhältniss zum
konstanten Kapital fällt), dass die Masse des von ihnen ange-
eigneten Mehrwerths und daher Profits wächst, gleichzeitig mit
und trotz dem Fall in der Profitrate. Dieselben Ursachen, die
Massen von Arbeiterarmeen unter dem Kommando einzelner Kapi-
talisten koncentriren, sind es ja grade, die auch die Masse des
angewandten fixen Kapitals wie der Roh- und Hülfsstoffe in wach-
sender Proportion anschwellen gegenüber der Masse der angewandten
lebendigen Arbeit.


Es bedarf ferner hier nur der Erwähnung, dass bei gegebner
Arbeiterbevölkerung, wenn die Mehrwerthsrate wächst, sei es durch
Verlängerung oder Intensifikation des Arbeitstags, sei es durch Werth-
senkung des Arbeitslohns in Folge der Entwicklung der Produk-
tivkraft der Arbeit, die Masse des Mehrwerths und daher die ab-
solute Profitmasse wachsen muss, trotz der relativen Verminderung
des variablen Kapitals im Verhältniss zum konstanten.


Dieselbe Entwicklung der Produktivkraft der gesellschaftlichen
Arbeit, dieselben Gesetze, welche im relativen Fall des variablen
Kapitals gegen das Gesammtkapital und der damit beschleunigten
Akkumulation sich darstellen, während andrerseits die Akkumulation
rückwirkend Ausgangspunkt weitrer Entwicklung der Produktiv-
kraft und weitrer relativer Abnahme des variablen Kapitals wird,
dieselbe Entwicklung drückt sich, von zeitweiligen Schwankungen
abgesehn, aus in der steigenden Zunahme der angewandten Ge-
sammtarbeitskraft, im steigenden Wachsthum der absoluten Masse
des Mehrwerths und daher des Profits.


In welcher Form nun muss dies zwieschlächtige Gesetz der aus
denselben Ursachen entspringenden Abnahme der Profitrate und
gleichzeitiger Zunahme der absoluten Profitmasse sich darstellen?
Ein Gesetz, darauf begründet, dass unter den gegebnen Bedingungen
die angeeignete Masse der Mehrarbeit und daher des Mehrwerths
wächst, und dass, das Gesammtkapital betrachtet, oder das einzelne
Kapital als blosses Stück des Gesammtkapitals betrachtet, Profit
und Mehrwerth identische Grössen sind?


Nehmen wir den aliquoten Theil des Kapitals, auf den wir die
Profitrate berechnen, z. B. 100. Diese 100 stellen die Durch-
[201] schnittszusammensetzung des Gesammtkapitals vor, sage 80c + 20v.
Wir haben im zweiten Abschnitt dieses Buchs gesehn, wie die
Durchschnittsprofitrate in den verschiednen Produktionszweigen
nicht durch die, einem jeden besondre, Zusammensetzung des
Kapitals, sondern durch seine gesellschaftliche Durchschnittszu-
sammensetzung bestimmt wird. Mit relativer Abnahme des vari-
ablen Theils gegen den konstanten, und daher gegen das Gesammt-
kapital von 100, fällt die Profitrate bei gleichbleibendem und selbst
steigendem Exploitationsgrad der Arbeit, fällt die relative Grösse
des Mehrwerths, d. h. sein Verhältniss zum Werth des vorge-
schossnen Gesammtkapitals von 100. Aber nicht nur diese relative
Grösse sinkt. Die Grösse des Mehrwerths oder Profits, den das
Gesammtkapital von 100 aufsaugt, fällt absolut. Bei einer Mehr-
werthsrate von 100 % producirt ein Kapital von 60c + 40v eine
Mehrwerths- und daher Profitmasse von 40; ein Kapital von 70c +
30v eine Profitmasse von 30; bei einem Kapital von 80c + 20v
fällt der Profit auf 20. Dies Fallen bezieht sich auf die Masse
des Mehrwerths und daher des Profits, und folgt daher dass, weil
das Gesammtkapital von 100 weniger lebendige Arbeit überhaupt,
es bei gleichbleibendem Exploitationsgrad auch weniger Mehrarbeit
in Bewegung setzt und daher weniger Mehrwerth producirt. Irgend
einen aliquoten Theil des gesellschaftlichen Kapitals, also des
Kapitals von gesellschaftlicher Durchschnittszusammensetzung, als
Maßeinheit genommen, woran wir den Mehrwerth messen — und
dies geschieht bei aller Profitberechnung — ist überhaupt rela-
tives Fallen des Mehrwerths und sein absolutes Fallen identisch.
Die Profitrate sinkt in den obigen Fällen von 40 % auf 30 % und
auf 20 %, weil in der That die vom selben Kapital producirte
Masse Mehrwerth, und daher Profit, absolut fällt von 40 auf 30
und auf 20. Da die Werthgrösse des Kapitals, woran der Mehr-
werth gemessen wird, gegeben, = 100 ist, kann ein Fallen der
Proportion des Mehrwerths zu dieser gleichbleibenden Grösse nur
ein andrer Ausdruck sein für die Abnahme der absoluten Grösse
des Mehrwerths und Profits. Dies ist in der That eine Tautologie.
Dass aber diese Verminderung eintritt, geht aus der Natur der
Entwicklung des kapitalistischen Produktionsprocesses, wie bewiesen
wurde, hervor.


Andrerseits aber bringen dieselben Ursachen, die eine absolute
Abnahme des Mehrwerths und daher Profits auf ein gegebnes
Kapital, und daher auch der nach Procenten berechneten Profitrate
erzeugen, ein Wachsthum in der absoluten Masse des vom Gesell-
[202] schaftskapital (d. h. von der Gesammtheit der Kapitalisten) ange-
eigneten Mehrwerths und daher Profits hervor. Wie muss sich
dies nun darstellen, wie kann es sich allein darstellen, oder
welche Bedingungen sind eingeschlossen in diesen scheinbaren
Widerspruch?


Wenn je ein aliquoter Theil = 100 des gesellschaftlichen Kapi-
tals, und daher je 100 Kapital von gesellschaftlicher Durchschnitts-
zusammensetzung, eine gegebne Grösse ist, und daher für sie Ab-
nahme der Profitrate zusammenfällt mit Abnahme der absoluten
Grösse des Profits, eben weil hier das Kapital, woran sie gemessen
werden, eine konstante Grösse ist, so ist dagegen die Grösse des
gesellschaftlichen Gesammtkapitals, wie des in den Händen ein-
zelner Kapitalisten befindlichen Kapitals, eine variable Grösse, die,
um den vorausgesetzten Bedingungen zu entsprechen, variiren muss
im umgekehrten Verhältniss zur Abnahme ihres variablen Theils.


Als im frühern Beispiel die Zusammensetzung procentig 60c + 40v,
war der Mehrwerth oder Profit darauf 40, und daher die Profit-
rate 40 %. Angenommen, auf dieser Stufe der Zusammensetzung
sei das Gesammtkapital eine Million gewesen. So betrug der Ge-
sammtmehrwerth und daher der Gesammtprofit 400,000. Wenn
nun später die Zusammensetzung = 80c + 20v, so ist der Mehr-
werth oder Profit, bei gleichbleibendem Exploitationsgrad der
Arbeit, auf je 100 = 20. Da aber der Mehrwerth oder Profit der
absoluten Masse nach, wie nachgewiesen, wächst, trotz dieser ab-
nehmenden Profitrate oder abnehmenden Erzeugung von Mehr-
werth durch ein Kapital von je 100, z. B. wächst, sagen wir von
400,000 auf 440,000, so ist das nur dadurch möglich, dass das
Gesammtkapital, das sich gleichzeitig mit dieser neuen Zusammen-
setzung gebildet hat, gewachsen ist auf 2,200,000. Die Masse
des in Bewegung gesetzten Gesammtkapital ist gestiegen um 220 %,
während die Profitrate um 50 % gefallen ist. Hätte sich das
Kapital nur verdoppelt, so hätte es zur Profitrate von 20 % nur
dieselbe Masse von Mehrwerth und Profit erzeugen können, wie
das alte Kapital von 1,000,000 zu 40 %. Wäre es um weniger
als das doppelte gewachsen, so hätte es weniger Mehrwerth oder
Profit producirt als früher das Kapital von 1,000,000, das bei
seiner frühern Zusammensetzung, um seinen Mehrwerth von 400,000
auf 440,000 zu steigern, nur zu wachsen brauchte von 1,000,000
auf 1,100,000.


Es zeigt sich hier das schon früher entwickelte Gesetz, dass mit
der relativen Abnahme des variablen Kapitals, also der Entwick-
[203] lung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit eine wachsend
grössre Masse Gesammtkapital nöthig ist, um dieselbe Menge Arbeits-
kraft in Bewegung zu setzen und dieselbe Masse Mehrarbeit einzu-
saugen. Im selben Verhältniss daher, wie sich die kapitalistische
Produktion entwickelt, entwickelt sich die Möglichkeit einer relativ
überzähligen Arbeiterbevölkerung, nicht weil die Produktivkraft
der gesellschaftlichen Arbeit abnimmt, sondern weil sie zunimmt,
also nicht aus einem absoluten Missverhältniss zwischen Arbeit
und Existenzmitteln oder Mitteln zur Produktion dieser Existenz-
mittel, sondern aus einem Missverhältniss, entspringend aus der
kapitalistischen Exploitation der Arbeit, dem Missverhältniss zwischen
dem steigenden Wachsthum des Kapitals und seinem relativ ab-
nehmenden Bedürfniss nach wachsender Bevölkerung.


Fällt die Profitrate um 50 %, so fällt sie um die Hälfte. Soll
daher die Masse des Profits gleich bleiben, so muss das Kapital
sich verdoppeln. Damit die Profitmasse bei abnehmender Profitrate
gleich bleibe, muss der Multiplikator, der das Wachsthum des Ge-
sammtkapitals anzeigt, gleich sein dem Divisor, der das Fallen
der Profitrate anzeigt. Wenn die Profitrate von 40 auf 20 fällt,
muss das Gesammtkapital umgekehrt im Verhältniss von 20 : 40
steigen, damit das Resultat dasselbe bleibe. Wäre die Profitrate
gefallen von 40 auf 8, so müsste das Kapital wachsen im Ver-
hältniss von 8 : 40 d. h. um das Fünffache. Ein Kapital von
1,000,000 zu 40 % producirt 400,000 und ein Kapital von 5,000,000
zu 8 % producirt ebenfalls 400,000. Dies gilt, damit das Resultat
dasselbe bleibe. Soll es dagegen wachsen, so muss das Kapital
in grössrer Proportion wachsen als die Profitrate fällt. In andren
Worten: Damit der variable Bestandtheil des Gesammtkapitals
nicht nur absolut derselbe bleibe, sondern absolut wachse, obgleich
sein Procentsatz als Theil des Gesammtkapitals fällt, muss das
Gesammtkapital in stärkrem Verhältniss wachsen als der Procent-
satz des variablen Kapitals fällt. Es muss so sehr wachsen, dass
es in seiner neuen Zusammensetzung nicht nur den alten variablen
Kapitaltheil, sondern noch mehr als diesen zum Ankauf von Ar-
beitskraft bedarf. Fällt der variable Theil eines Kapitals = 100
von 40 auf 20, so muss das Gesammtkapital auf mehr als 200
steigen, um ein grössres variables Kapital als 40 verwenden zu
können.


Selbst wenn die exploitirte Masse der Arbeiterbevölkerung kon-
stant bliebe, und nur Länge und Intensität des Arbeitstags sich
vermehrten, so müsste die Masse des angewandten Kapitals steigen,
[204] da sie sogar steigen muss, um dieselbe Masse Arbeit unter den
alten Exploitationsverhältnissen bei veränderter Kapitalzusammen-
setzung anzuwenden.


Also dieselbe Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft
der Arbeit drückt sich im Fortschritt der kapitalistischen Produk-
tionsweise aus einerseits in einer Tendenz zu fortschreitendem Fall
der Profitrate, und andrerseits in beständigem Wachsthum der ab-
soluten Masse des angeeigneten Mehrwerths oder Profits; sodass
im Ganzen der relativen Abnahme des variablen Kapitals und
Profits eine absolute Zunahme beider entspricht. Diese doppel-
seitige Wirkung kann sich, wie gezeigt, nur darstellen in einem
Wachsthum des Gesammtkapitals in rascherer Progression als die,
worin die Profitrate fällt. Um ein absolut angewachsnes variables
Kapital bei höherer Zusammensetzung oder relativer stärkerer Zu-
nahme des konstanten Kapitals anzuwenden, muss das Gesammt-
kapital nicht nur im Verhältniss der höhern Komposition wachsen,
sondern noch rascher. Es folgt hieraus, dass je mehr die kapita-
listische Produktionsweise sich entwickelt, eine immer grössre
Kapitalmenge nöthig ist, um dieselbe und mehr noch eine wachsende
Arbeitskraft zu beschäftigen. Die steigende Produktivkraft der
Arbeit erzeugt also, auf kapitalistischer Grundlage, mit Nothwen-
digkeit, eine permanente scheinbare Arbeiterübervölkerung. Bildet
das variable Kapital nur ⅙ des Gesammtkapitals statt früher ½,
so muss, um dieselbe Arbeitskraft zu beschäftigen, das Gesammt-
kapital sich verdreifachen; soll aber die doppelte Arbeitskraft be-
schäftigt werden, so muss es sich versechsfachen.


Die bisherige Oekonomie, die das Gesetz der fallenden Profitrate
nicht zu erklären wusste, bringt die steigende Profitmasse, das
Wachsthum der absoluten Grösse des Profits, sei es für den ein-
zelnen Kapitalisten, sei es für das Gesellschaftskapital, als eine
Art Trostgrund bei, der aber auch auf blossen Gemeinplätzen und
Möglichkeiten beruht.


Dass die Masse des Profits durch zwei Faktoren bestimmt ist,
erstens durch die Profitrate, und zweitens durch die Masse des
Kapitals, das zu dieser Profitrate angewandt wird, ist nur Tauto-
logie. Dass der Möglichkeit nach daher die Profitmasse wachsen
kann, trotzdem die Profitrate gleichzeitig fällt, ist nur ein Aus-
druck dieser Tautologie, hilft keinen Schritt weiter, da es eben so
möglich ist, dass das Kapital wächst, ohne dass die Profitmasse
wächst, und dass es sogar noch wachsen kann, während sie fällt.
[205] 100 zu 25 % gibt 25, 400 zu 5 % gibt nur 20.35) Wenn aber
dieselben Ursachen, die die Profitrate fallen machen, die Akku-
mulation, d. h. die Bildung von zusätzlichem Kapital fördern, und
wenn jedes zusätzliche Kapital zusätzliche Arbeit in Bewegung
setzt und zusätzlichen Mehrwerth producirt; wenn andrerseits das
blosse Sinken der Profitrate die Thatsache einschliesst, dass das
konstante Kapital, und damit das gesammte alte Kapital gewachsen
ist, so hört dieser ganze Process auf mysteriös zu sein. Man wird
später sehn, zu welchen absichtlichen Rechnungsfälschungen Zu-
flucht genommen wird, um die Möglichkeit der Abnahme der
Profitmasse zugleich mit Abnahme der Profitrate wegzuschwindeln.


Wir haben gezeigt, wie dieselben Ursachen, welche einen ten-
denziellen Fall der allgemeinen Profitrate produciren, eine be-
schleunigte Akkumulation des Kapitals und daher Wachsthum in
der absoluten Grösse oder Gesammtmasse der von ihm angeeigneten
Mehrarbeit (Mehrwerth, Profit) bedingen. Wie alles in der Kon-
kurrenz und daher im Bewusstsein der Agenten der Konkurrenz
sich verkehrt darstellt, so auch dies Gesetz, ich meine dieser innere
und nothwendige Zusammenhang zwischen zwei scheinbar sich
Widersprechenden. Es ist sichtbar, dass innerhalb der oben ent-
wickelten Proportionen ein Kapitalist, der über grosses Kapital
verfügt, mehr Profitmasse macht, als ein kleiner Kapitalist, der
[206] scheinbar hohe Profite macht. Die oberflächlichste Betrachtung
der Konkurrenz zeigt ferner, dass unter gewissen Umständen, wenn
der grössre Kapitalist sich Raum auf dem Markt schaffen, die
kleineren verdrängen will, wie in Zeiten der Krise, er dies prak-
tisch benutzt, d. h. seine Profitrate absichtlich heruntersetzt, um
die kleineren aus dem Feld zu schlagen. Namentlich auch das
Kaufmannskapital, worüber später Näheres, zeigt Phänomene, welche
das Sinken des Profits als Folge der Ausdehnung des Geschäfts
und damit des Kapitals erscheinen lassen. Den eigentlich wissen-
schaftlichen Ausdruck für die falsche Auffassung geben wir später.
Aehnliche oberflächliche Betrachtungen ergeben sich aus Vergleich
der Profitraten, die in besondren Geschäftszweigen gemacht werden,
je nachdem sie dem Regime der freien Konkurrenz oder des Mono-
pols unterworfen sind. Die ganz flache Vorstellung, wie sie in
den Köpfen der Konkurrenzagenten lebt, findet sich bei unserm
Roscher, nämlich, dass diese Herabsetzung der Profitrate „klüger
und menschlicher“ sei. Die Abnahme der Profitrate erscheint hier
als Folge der Zunahme des Kapitals und der damit verbundnen
Berechnung der Kapitalisten, dass bei kleinerer Profitrate die von
ihnen eingesteckte Profitmasse grösser sein werde. Das Ganze
(ausgenommen bei A. Smith, worüber später) beruht auf gänz-
licher Begriffslosigkeit über das, was die allgemeine Profitrate
überhaupt ist, und auf der kruden Vorstellung, dass die Preise in
der That bestimmt werden durch Zuschlag eines mehr oder weniger
willkürlichen Profitquotums über den wirklichen Werth der Waaren
hinaus. Krud wie diese Vorstellungen sind, entspringen sie doch
mit Nothwendigkeit aus der verkehrten Art und Weise, worin die
immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion innerhalb der
Konkurrenz sich darstellen.


Das Gesetz, dass der durch Entwicklung der Produktivkraft
verursachte Fall der Profitrate begleitet ist von einer Zunahme in
der Profitmasse, drückt sich auch darin aus, dass der Fall im Preis
der vom Kapital producirten Waaren begleitet ist von einer rela-
tiven Steigerung der in ihnen enthaltnen und durch ihren Verkauf
realisirten Profitmassen.


Da die Entwicklung der Produktivkraft und die ihr entsprechende
höhere Zusammensetzung des Kapitals ein stets grössres Quantum
Produktionsmittel durch ein stets geringres Quantum Arbeit in
Bewegung setzt, absorbirt jeder aliquote Theil des Gesammtpro-
dukts, jede einzelne Waare oder jedes bestimmte einzelne Waaren-
[207] maß der producirten Gesammtmasse weniger lebendige Arbeit, und
enthält ferner weniger vergegenständlichte Arbeit, sowohl im Ver-
schleiss des angewandten fixen Kapitals wie in den verbrauchten
Roh- und Hülfsstoffen. Jede einzelne Waare enthält also eine
geringere Summe von, in Produktionsmitteln vergegenständlichter
und während der Produktion neu zugesetzter, Arbeit. Der Preis
der einzelnen Waare fällt daher. Die Profitmasse, die in der
einzelnen Waare enthalten ist, kann trotzdem zunehmen, wenn die
Rate des absoluten oder relativen Mehrwerths wächst. Sie enthält
weniger neu zugesetzte Arbeit, aber der unbezahlte Theil derselben
wächst gegen den bezahlten Theil. Doch ist dies nur innerhalb
bestimmter Schranken der Fall. Mit der im Lauf der Produktions-
entwicklung enorm gesteigerten absoluten Abnahme der Summe
der, in der einzelnen Waare neu zugesetzten, lebendigen Arbeit
wird auch die Masse der in ihr enthaltnen unbezahlten Arbeit
absolut abnehmen, wie sehr sie auch relativ gewachsen sei, im
Verhältniss nämlich zum bezahlten Theil. Die Profitmasse auf
jede einzelne Waare wird sich sehr vermindern mit der Entwick-
lung der Produktivkraft der Arbeit, trotz des Wachsthums der
Mehrwerthsrate; und diese Verminderung, ganz wie der Fall der
Profitrate, wird nur verlangsamt durch die Verwohlfeilerung der
Elemente des konstanten Kapitals und die andren im ersten Ab-
schnitt dieses Buchs aufgeführten Umstände, die die Profitrate
erhöhen bei gegebner und selbst bei sinkender Rate des Mehrwerths.


Dass der Preis der einzelnen Waaren fällt, aus deren Summe
das Gesammtprodukt des Kapitals besteht, heisst weiter nichts, als
dass sich ein gegebnes Quantum Arbeit in einer grössren Masse
Waaren realisirt, jede einzelne Waare also weniger Arbeit als
früher enthält. Dies ist der Fall selbst wenn der Preis des einen
Theils des konstanten Kapitals, Rohstoff etc. steigt. Mit Ausnahme
einzelner Fälle (z. B. wenn die Produktivkraft der Arbeit gleich-
mäßig alle Elemente des konstanten wie des variablen Kapitals
verwohlfeilert) wird die Profitrate sinken, trotz der erhöhten Rate
des Mehrwerths, 1) weil selbst ein grössrer unbezahlter Theil der
geringren Gesammtsumme der neu zugesetzten Arbeit kleiner ist,
als ein geringrer aliquoter unbezahlter Theil der grössren Gesammt-
summe war, und 2) weil die höhere Zusammensetzung des Kapitals
in der einzelnen Waare sich darin ausdrückt, dass der Werththeil
derselben, worin überhaupt neu zugesetzte Arbeit sich darstellt,
fällt gegen den Werththeil, der sich darstellt in Rohstoff, Hülfs-
stoff, und Verschleiss des fixen Kapitals. Dieser Wechsel im Ver-
[208] hältniss der verschiednen Bestandtheile des Preises der einzelnen
Waare, die Abnahme des Preistheils, worin sich neu zugesetzte
lebendige Arbeit, und die Zunahme der Preistheile, worin sich
früher vergegenständlichte Arbeit darstellt — ist die Form, worin
sich im Preis der einzelnen Waare die Abnahme des variablen
Kapitals gegen das konstante ausdrückt. Wie diese Abnahme
absolut ist für ein gegebnes Maß des Kapitals, z. B. 100, so ist
sie auch absolut für jede einzelne Waare als aliquoten Theil des
reproducirten Kapitals. Doch würde die Profitrate, wenn nur auf
die Preiselemente der einzelnen Waare berechnet, sich anders dar-
stellen als sie wirklich ist. Und zwar aus folgendem Grund:


[Die Profitrate wird berechnet auf das angewandte Gesammt-
kapital, aber für eine bestimmte Zeit, thatsächlich ein Jahr. Das
Verhältniss des in einem Jahr gemachten und realisirten Mehr-
werths oder Profits zum Gesammtkapital, procentig berechnet, ist
die Profitrate. Sie ist also nicht nothwendig gleich mit einer
Profitrate, bei der nicht das Jahr, sondern die Umschlagsperiode des
fraglichen Kapitals der Berechnung zu Grunde gelegt wird; nur
wenn dies Kapital gerade einmal im Jahr umschlägt, fallen beide
zusammen.


Andrerseits ist der im Lauf eines Jahrs gemachte Profit nur
die Summe der Profite auf die im Lauf desselben Jahres produ-
cirten und verkauften Waaren. Berechnen wir nun den Profit auf
den Kostpreis der Waaren, so erhalten wir eine Profitrate = \frac{p}{k}, wo
p der im Lauf des Jahres realisirte Profit, und k die Summe der
Kostpreise der in derselben Zeit producirten und verkauften Waaren
ist. Es ist augenscheinlich, dass diese Profitrate \frac{p}{k} nur dann mit
der wirklichen Profitrate \frac{p}{C}, Profitmasse dividirt durch das Gesammt-
kapital, zusammenfallen kann, wenn k = C, d. h. wenn das Kapital
genau einmal im Jahr umschlägt.


Nehmen wir drei verschiedne Zustände eines industriellen Kapitals.


I. Das Kapital von 8000 £ producirt und verkauft jährlich
5000 Stück Waare, das Stück zu 30 sh., hat also einen Jahres-
umschlag von 7500 £. Es macht auf jedes Stück Waare einen
Profit von 10 sh. = 2500 £ jährlich. In jedem Stück stecken
also 20 sh. Kapitalvorschuss und 10 sh. Profit, also ist die Profit-
rate per Stück \frac{10}{20} = 50 %. Auf die umgeschlagene Summe von
7500 £ kommen 5000 £ Kapitalvorschuss und 2500 £ Profit;
[209] Profitrate auf den Umschlag, \frac{p}{k}, ebenfalls = 50 %. Dagegen auf
das Gesammtkapital berechnet ist die Profitrate \frac{p}{C} = \frac{2500}{8000} =
31¼ %.


II. Das Kapital steige auf 10000 £. In Folge vermehrter Pro-
duktivkraft der Arbeit sei es befähigt jährlich 10000 Stück Waare,
zum Kostpreis von je 20 sh. zu produciren. Es verkaufe sie mit
4 sh. Profit, also zu 24 sh. pro Stück. Dann ist der Preis des Jahres-
produkts = 12,000 £ wovon 10,000 £ Kapitalvorschuss und 2000 £
Profit. \frac{p}{k} ist pro Stück = \frac{4}{20}, für den Jahresumschlag = \frac{2000}{10,000}, also
beidemal = 20 %, und da das Gesammtkapital gleich der Summe
der Kostpreise, nämlich 10,000 £, so ist auch \frac{p}{C}, die wirkliche
Profitrate, diesmal = 20 %.


III. Das Kapital steige, bei stets wachsender Produktionskraft
der Arbeit, auf 15,000 £, und producire jetzt jährlich 30,000 Stück
Waare zum Kostpreis von je 13 sh., die mit 2 sh. Profit, also zu
15 sh. das Stück verkauft werden. Jahresumschlag also =
30,000 × 15 sh. = 22,500 £, wovon 19,500 Kapitalvorschuss und 3000 £
Profit. \frac{p}{k} ist also = \frac{2}{13} = \frac{3000}{19,500} = 15\frac{5}{13} %. Dagegen \frac{p}{C} =
\frac{3000}{15,000} = 20 %.


Wir sehn also: Nur in Fall II, wo der umgeschlagne Kapital-
werth gleich dem Gesammtkapital, ist die Profitrate aufs Stück
Waare oder auf die Umschlagssumme dieselbe wie die aufs Ge-
sammtkapital berechnete Profitrate. Im Fall I, wo die Um-
schlagssumme kleiner als das Gesammtkapital, ist die Profitrate,
auf den Kostpreis der Waare berechnet, höher; im Fall III, wo
das Gesammtkapital kleiner als die Umschlagssumme, ist sie nied-
riger als die wirkliche, aufs Gesammtkapital berechnete Profitrate.
Es gilt dies allgemein.


In der kaufmännischen Praxis wird der Umschlag gewöhnlich
ungenau berechnet. Man nimmt an, das Kapital habe einmal um-
geschlagen, sobald die Summe der realisirten Waarenpreise die
Summe des angewandten Gesammtkapitals erreicht. Das Kapital
kann aber nur dann einen ganzen Umlauf vollenden, wenn die
Summe der Kostpreise der realisirten Waaren gleich wird der
Summe des Gesammtkapitals. — F. E.]


Es zeigt sich auch hier wieder, wie wichtig es ist bei der kapi-
talistischen Produktion nicht die einzelne Waare oder das Waaren-
Marx, Kapital III. 14
[210] produkt eines beliebigen Zeitraums isolirt für sich, als blosse
Waare zu betrachten, sondern als Produkt des vorgeschossnen Ka-
pitals und im Verhältniss zum Gesammtkapital, das diese Waare
producirt.


Obgleich nun die Profitrate berechnet werden muss durch
Messung der Masse des producirten und realisirten Mehrwerths,
nicht nur an dem konsumirten Kapitaltheil, der in den Waaren
wiedererscheint, sondern an diesem Theil plus dem nicht konsu-
mirten aber angewandten und in der Produktion fortdienenden
Kapitaltheil, so kann die Profitmasse doch nur gleich sein der in
den Waaren selbst enthaltnen und durch ihren Verkauf zu reali-
sirenden Masse von Profit oder Mehrwerth.


Vermehrt sich die Produktivität der Industrie, so fällt der Preis
der einzelnen Waare. Es ist weniger Arbeit in ihr enthalten,
weniger bezahlte und unbezahlte. Dieselbe Arbeit producire
z. B. das dreifache Produkt; es kommt dann ⅔ weniger Arbeit
auf das einzelne Produkt. Und da der Profit nur einen Theil
dieser in der einzelnen Waare enthaltnen Arbeitsmasse bilden kann,
muss die Masse des Profits auf die einzelne Waare abnehmen und
dies auch, innerhalb gewisser Grenzen, selbst wenn die Rate des
Mehrwerths steigt. In allen Fällen sinkt die Profitmasse auf das
Gesammtprodukt nicht unter die ursprüngliche Profitmasse, sobald
das Kapital dieselbe Masse Arbeiter wie früher bei gleichem Ex-
ploitationsgrad anwendet. (Dies kann auch geschehn, wenn weniger
Arbeiter bei erhöhtem Exploitationsgrad angewandt werden.) Denn
in demselben Verhältniss, wie die Profitmasse auf das einzelne
Produkt abnimmt, nimmt die Anzahl der Produkte zu. Die Profit-
masse bleibt dieselbe, nur vertheilt sie sich anders auf die Summe
der Waaren; es ändert dies auch nichts an der Vertheilung des
durch die neu zugesetzte Arbeit geschaffnen Werthquantums
zwischen Arbeiter und Kapitalisten. Die Profitmasse kann nur
steigen, bei Anwendung derselben Masse Arbeit, wenn die unbe-
zahlte Mehrarbeit wächst, oder bei gleichbleibendem Exploitations-
grad der Arbeit, wenn die Anzahl der Arbeiter sich vermehrt.
Oder wenn beides zusammenwirkt. In allen diesen Fällen — die
aber der Voraussetzung gemäß Wachsen des konstanten Kapitals
gegen das variable und wachsende Grösse des angewandten Ge-
sammtkapitals voraussetzen — enthält die einzelne Waare weniger
Profitmasse und sinkt die Profitrate, selbst wenn auf die einzelne
Waare berechnet; ein gegebnes Quantum zusätzlicher Arbeit stellt
sich dar in einem grössern Quantum Waaren; der Preis der ein-
[211] zelnen Waare sinkt. Abstrakt betrachtet, kann beim Fall des
Preises der einzelnen Waare in Folge vermehrter Produktivkraft,
und bei daher gleichzeitiger Vermehrung der Anzahl dieser wohl-
feilern Waaren, die Profitrate dieselbe bleiben, z. B. wenn die
Vermehrung der Produktivkraft gleichmäßig und gleichzeitig auf
alle Bestandtheile der Waaren wirkte, sodass der Gesammtpreis
der Waare in demselben Verhältniss fiele, wie sich die Produk-
tivität der Arbeit vermehrte, und andrerseits das gegenseitige Ver-
hältniss der verschiednen Preisbestandtheile der Waare dasselbe
bliebe. Steigen könnte die Profitrate sogar, wenn mit der Er-
höhung der Rate des Mehrwerths eine bedeutende Werthvermin-
derung der Elemente des konstanten und namentlich des fixen Ka-
pitals verbunden wäre. Aber in Wirklichkeit wird die Profitrate,
wie bereits gesehn, auf die Dauer fallen. In keinem Fall erlaubt
der Preisfall der einzelnen Waare allein einen Schluss auf die
Profitrate. Es kommt alles darauf an, wie gross die Gesammt-
summe des in ihrer Produktion betheiligten Kapitals. Fällt z. B.
der Preis einer Elle Gewebe von 3 sh. auf 1⅔ sh.; wenn man
weiss, dass darin vor dem Preisfall für 1⅔ sh. konstantes Kapital,
Garn etc., ⅔ sh. Arbeitslohn, ⅔ sh. Profit waren, nach dem Preis-
fall dagegen für 1 sh. konstantes Kapital, ⅓ sh. Arbeitslohn und
⅓ sh. Profit ist, so weiss man nicht ob die Profitrate dieselbe
geblieben ist oder nicht. Es hängt dies davon ab, ob und um
wie viel das vorgeschossne Gesammtkapital gewachsen ist, und wie
viel Ellen mehr es in gegebner Zeit producirt.


Das aus der Natur der kapitalistischen Produktionsweise hervor-
gehende Phänomen, dass bei wachsender Produktivität der Arbeit
der Preis der einzelnen Waare oder eines gegebnen Waarenquo-
tums sinkt, die Anzahl der Waaren steigt, die Profitmasse auf die
einzelne Waare und die Profitrate auf die Waarensumme sinkt,
die Profitmasse aber auf die Gesammtsumme der Waaren steigt —
dies Phänomen stellt auf der Oberfläche nur dar: Fallen der Pro-
fitmasse auf die einzelne Waare, Fallen ihres Preises, Wachsen
der Profitmasse auf die vermehrte Gesammtzahl der Waaren, die
das Gesammtkapital der Gesellschaft oder auch der einzelne Kapi-
talist producirt. Es wird dies dann so aufgefasst, dass der Kapi-
talist aus freiem Belieben weniger Profit auf die einzelne Waare
schlägt, aber sich entschädigt durch die grössre Anzahl Waaren,
die er producirt. Diese Anschauung beruht auf der Vorstellung
des Veräusserungsprofits (profit upon alienation), die ihrerseits wieder
abstrahirt ist aus der Anschauung des Kaufmannskapitals.


14*
[212]

Man hat früher, im vierten und siebenten Abschnitt des ersten
Buchs, gesehn, dass die mit der Produktivkraft der Arbeit wach-
sende Waarenmasse und Verwohlfeilerung der einzelnen Waare als
solche (soweit diese Waaren nicht bestimmend in den Preis der
Arbeitskraft eingehn) das Verhältniss von bezahlter und unbe-
zahlter Arbeit in der einzelnen Waare nicht afficirt, trotz des
sinkenden Preises.


Da in der Konkurrenz sich alles falsch darstellt, nämlich ver-
kehrt, so kann sich der einzelne Kapitalist einbilden: 1) dass er
seinen Profit auf die einzelne Waare durch ihre Preissenkung her-
absetzt, aber grössern Profit macht wegen der grössern Waaren-
masse, die er verkauft; 2) dass er den Preis der einzelnen Waaren
festsetzt und durch Multiplikation den Preis des Gesammtprodukts
bestimmt, während der ursprüngliche Process der der Division ist
(s. Buch I, Kap. X, 314/323), und die Multiplikation nur zweiter
Hand, auf Voraussetzung jener Division richtig ist. Der Vulgär-
ökonom thut in der That nichts als die sonderbaren Vorstellungen
der in der Konkurrenz befangnen Kapitalisten in eine scheinbar
mehr theoretische, verallgemeinernde Sprache zu übersetzen und
sich abzumühn, die Richtigkeit dieser Vorstellungen zu kon-
struiren.


In der That ist das Fallen der Waarenpreise und das Steigen
der Profitmasse auf die gewachsne Masse der verwohlfeilerten
Waaren nur ein andrer Ausdruck für das Gesetz von fallender
Profitrate bei gleichzeitig steigender Masse des Profits.


Die Untersuchung, wie weit fallende Profitrate mit steigenden
Preisen zusammenfallen kann, gehört ebensowenig hierher, wie der
früher, Buch I, S. 314/323, beim relativen Mehrwerth erörterte
Punkt. Der Kapitalist, der verbesserte, aber noch nicht verallge-
meinerte Produktionsweisen anwendet, verkauft unter dem Markt-
preis, aber über seinem individuellen Produktionspreis; so steigt
die Profitrate für ihn, bis die Konkurrenz dies ausgeglichen; eine
Ausgleichungsperiode, während deren Verlauf das zweite Requisit,
das Wachsthum des ausgelegten Kapitals sich einfindet; je nach
dem Grad dieses Wachsthums wird der Kapitalist nun im Stande
sein, einen Theil der früher beschäftigten Arbeitermasse, ja viel-
leicht die ganze oder eine grössre Arbeitermasse unter den neuen
Bedingungen zu beschäftigen, also dieselbe oder eine höhere Pro-
fitmasse zu produciren.


[213]

Vierzehntes Kapitel.
Entgegenwirkende Ursachen.


Wenn man die enorme Entwicklung der Produktivkräfte der
gesellschaftlichen Arbeit selbst nur in den letzten 30 Jahren,
verglichen mit allen frühern Perioden, betrachtet, wenn man
namentlich die enorme Masse von fixem Kapital betrachtet, das
ausser der eigentlichen Maschinerie in die Gesammtheit des ge-
sellschaftlichen Produktionsprocesses eingeht, so tritt an die Stelle
der Schwierigkeit, welche bisher die Oekonomen beschäftigt hat,
nämlich den Fall der Profitrate zu erklären, die umgekehrte, nämlich
zu erklären warum dieser Fall nicht grösser oder rascher ist?
Es müssen gegenwirkende Einflüsse im Spiel sein, welche die
Wirkung des allgemeinen Gesetzes durchkreuzen und aufheben,
und ihm nur den Charakter einer Tendenz geben, weshalb wir
auch den Fall der allgemeinen Profitrate als einen tendenziellen
Fall bezeichnet haben. Die allgemeinsten dieser Ursachen sind
folgende:


I. Erhöhung des Exploitationsgrads der Arbeit.

Der Exploitationsgrad der Arbeit, die Aneignung von Mehrar-
beit und Mehrwerth wird erhöht namentlich durch Verlängerung
des Arbeitstags und Intensifikation der Arbeit. Diese beiden
Punkte sind ausführlich entwickelt in Buch I bei der Produktion
des absoluten und des relativen Mehrwerths. Es gibt viele Mo-
mente der Intensifikation der Arbeit, die ein Wachsthum des kon-
stanten Kapitals gegen das variable, also Fall der Profitrate ein-
schliessen, wie wenn ein Arbeiter grössre Masse von Maschinerie
zu überwachen hat. Hier — wie bei den meisten Proceduren,
die zur Produktion des relativen Mehrwerths dienen — mögen
dieselben Ursachen, die ein Wachsthum in der Rate des Mehr-
werths hervorbringen, einen Fall in der Masse des Mehrwerths,
gegebne Grössen von angewandtem Gesammtkapital betrachtet,
einschliessen. Aber es gibt andre Momente der Intensifikation,
wie z. B. beschleunigte Geschwindigkeit der Maschinerie, die in
derselben Zeit zwar mehr Rohmaterial vernutzen, aber was das
fixe Kapital angeht, die Maschinerie zwar schneller aufnutzen, das
Verhältniss ihres Werths zum Preis der Arbeit, die sie in Be-
wegung setzt, indess keineswegs afficiren. Namentlich aber ist es
die Verlängerung des Arbeitstags, diese Erfindung der modernen
Industrie, welche die Masse der angeeigneten Mehrarbeit vermehrt,
[214] ohne das Verhältniss der angewandten Arbeitskraft zu dem von
ihr in Bewegung gesetzten konstanten Kapital wesentlich zu ver-
ändern, und welche in der That eher das letztere relativ vermindert.
Sonst ist es bereits nachgewiesen — und bildet das eigentliche
Geheimniss des tendenziellen Falls der Profitrate — dass die Pro-
ceduren zur Erzeugung von relativem Mehrwerth im Ganzen und
Grossen darauf hinauslaufen: einerseits von einer gegebnen Masse
Arbeit möglichst viel in Mehrwerth zu verwandeln, andrerseits im
Verhältniss zum vorgeschossnen Kapital möglichst wenig Arbeit
überhaupt anzuwenden; sodass dieselben Gründe, welche erlauben,
den Exploitationsgrad der Arbeit zu erhöhen, es verbieten mit dem-
selben Gesammtkapital ebensoviel Arbeit wie früher zu exploitiren.
Dies sind die widerstreitenden Tendenzen die, während sie auf
eine Steigerung in der Rate des Mehrwerths, gleichzeitig auf
einen Fall der von einem gegebnen Kapital erzeugten Masse des
Mehrwerths, und daher der Rate des Profits hinwirken. Ebenfalls
ist die massenhafte Einführung von Weiber- und Kinderarbeit so-
weit hier zu erwähnen, als die ganze Familie dem Kapital eine
grössre Masse Mehrarbeit liefern muss als vorher, selbst wenn die
Gesammtsumme des ihr gegebnen Arbeitslohns wächst, was keines-
wegs allgemein der Fall. — Alles was die Produktion des relativen
Mehrwerths fördert durch blosse Verbesserung der Methoden, wie
in der Agrikultur, bei unveränderter Grösse des angewandten Ka-
pitals, hat dieselbe Wirkung. Hier steigt zwar nicht das ange-
wandte konstante Kapital im Verhältniss zum variablen, soweit wir
letzteres als Index der beschäftigten Arbeitskraft betrachten, aber
es steigt die Masse des Produkts im Verhältniss zur angewandten
Arbeitskraft. Dasselbe findet statt, wenn die Produktivkraft der
Arbeit (einerlei ob ihr Produkt in die Konsumtion der Arbeiter
eingeht oder in die Elemente des konstanten Kapitals) befreit wird
von Verkehrshemmungen, willkürlichen oder im Lauf der Zeit
störend gewordnen Einschränkungen, überhaupt von Fesseln aller
Art, ohne dass dadurch zunächst das Verhältniss des variablen zum
konstanten Kapitals berührt wird.


Es könnte die Frage aufgeworfen werden, ob in den, den Fall
der Profitrate hemmenden, ihn in letzter Instanz aber stets be-
schleunigenden Ursachen einbegriffen sind die temporären, aber
sich stets wiederholenden, bald in diesem, bald in jenem Produk-
tionszweig auftauchenden Erhöhungen des Mehrwerths über das allge-
meine Niveau für den Kapitalisten, der Erfindungen u. s. w. benutzt,
bevor sie verallgemeinert sind. Diese Frage muss bejaht werden.


[215]

Die Masse des Mehrwerths, die ein Kapital von gegebner Grösse
erzeugt, ist das Produkt zweier Faktoren, der Rate des Mehrwerths
multiplicirt mit der Arbeiterzahl, die zur gegebnen Rate beschäftigt
wird. Sie hängt also ab bei gegebner Rate des Mehrwerths von
der Arbeiterzahl und bei gegebner Arbeiterzahl von der Rate des
Mehrwerths, überhaupt also von dem zusammengesetzten Verhält-
niss der absoluten Grösse des variablen Kapitals und der Rate des
Mehrwerths. Nun hat sich gezeigt, dass im Durchschnitt dieselben
Ursachen, die die Rate des relativen Mehrwerths erhöhen, die
Masse der angewandten Arbeitskraft erniedrigen. Es ist aber klar,
dass ein Mehr oder Minder hier eintritt, je nach dem bestimmten
Verhältniss, worin diese gegensätzliche Bewegung sich vollzieht,
und dass die Tendenz zur Verminderung der Profitrate namentlich
geschwächt wird durch Erhöhung der Rate des absoluten, aus
Verlängerung des Arbeitstags stammenden Mehrwerths.


Bei der Profitrate hat sich im allgemeinen gefunden, dass dem
Sinken der Rate, wegen der steigenden Masse des angewandten
Gesammtkapitals, die Zunahme der Profitmasse entspricht. Das
gesammte variable Kapital der Gesellschaft betrachtet, ist der von
ihm erzeugte Mehrwerth gleich dem erzeugten Profit. Neben der
absoluten Masse ist auch die Rate des Mehrwerths gewachsen; die
eine, weil die von der Gesellschaft angewandte Masse Arbeitskraft
gewachsen, die zweite, weil der Exploitationsgrad dieser Arbeit
gewachsen. Aber mit Bezug auf ein Kapital von gegebner Grösse,
z. B. 100, kann die Rate des Mehrwerths wachsen, während die
Masse im Durchschnitt fällt; weil die Rate bestimmt ist durch
das Verhältniss, worin sich der variable Kapitaltheil verwerthet,
die Masse dagegen bestimmt ist durch den Verhältnisstheil, den
das variable Kapital vom Gesammtkapital ausmacht.


Das Steigen der Mehrwerthsrate — da es namentlich auch unter
Umständen stattfindet wo, wie oben angeführt, keine oder keine
verhältnissmäßige Vermehrung des konstanten Kapitals gegen das
variable stattfindet — ist ein Faktor, wodurch die Masse des
Mehrwerths, und daher auch die Profitrate mit bestimmt wird.
Er hebt nicht das allgemeine Gesetz auf. Aber er macht, dass es
mehr als Tendenz wirkt, d. h. als ein Gesetz, dessen absolute Durch-
führung durch gegenwirkende Umstände aufgehalten, verlangsamt,
abgeschwächt wird. Da aber dieselben Ursachen, die die Rate
des Mehrwerths erhöhen (selbst die Verlängerung der Arbeitszeit ist
ein Resultat der grossen Industrie), dahin streben, die von einem
gegebnen Kapital angewandte Arbeitskraft zu vermindern, so streben
[216] dieselben Ursachen zur Verminderung der Profitrate und zur ver-
langsamten Bewegung dieser Verminderung. Wenn einem Arbeiter
die Arbeit aufgezwungen wird, die rationell nur zwei verrichten
können, und wenn dies unter Umständen geschieht, wo dieser eine
drei ersetzen kann, so wird der eine so viel Mehrarbeit liefern
wie früher zwei, und sofern ist die Rate des Mehrwerths gestiegen.
Aber er wird nicht so viel liefern wie vorher drei, und damit ist
die Masse des Mehrwerths gefallen. Ihr Fall ist aber kompensirt
oder beschränkt durch das Steigen der Rate des Mehrwerths. Wird
die gesammte Bevölkerung zu gestiegner Rate des Mehrwerths
beschäftigt, so steigt die Masse des Mehrwerths, obgleich die Be-
völkerung dieselbe bleibt. Noch mehr bei wachsender Bevölke-
rung; und obgleich dies verbunden ist mit einem relativen Fall
der beschäftigten Arbeiterzahl im Verhältniss zur Grösse des Ge-
sammtkapitals, so wird dieser Fall doch gemäßigt oder aufgehalten
durch die gestiegne Rate des Mehrwerths.


Ehe wir diesen Punkt verlassen, ist noch einmal zu betonen,
dass bei gegebner Grösse des Kapitals die Rate des Mehrwerths
wachsen kann, obgleich seine Masse fällt, und umgekehrt. Die
Masse des Mehrwerths ist gleich der Rate multiplicirt mit der
Arbeiterzahl; die Rate wird aber nie auf das Gesammtkapital,
sondern nur auf das variable Kapital berechnet, in der That nur
auf je einen Arbeitstag. Dagegen kann bei gegebner Grösse des
Kapitalwerths die Profitrate nie steigen oder fallen, ohne dass
die Masse des Mehrwerths ebenfalls steigt oder fällt.


II. Herunterdrücken des Arbeitslohns unter seinen
Werth
.

Dies wird hier nur empirisch angeführt, da es in der That, wie
manches andre, was hier aufzuführen wäre, mit der allgemeinen
Analyse des Kapitals nichts zu thun hat, sondern in die, in diesem
Werk nicht behandelte, Darstellung der Konkurrenz gehört. Doch
ist es eine der bedeutendsten Ursachen, die die Tendenz zum Fall
der Profitrate aufhalten.


III. Verwohlfeilerung der Elemente des konstanten
Kapitals
.

Alles was im ersten Abschnitt dieses Buchs über die Ursachen
gesagt worden, die die Profitrate erhöhen bei konstanter Mehr-
werthsrate, oder unabhängig von der Mehrwerthsrate, gehört
hierher. Also namentlich dass, das Gesammtkapital betrachtet, der
[217] Werth des konstanten Kapitals nicht in demselben Verhältniss
wächst, wie sein materieller Umfang. Z. B. die Baumwollmasse,
die ein einzelner europäischer Spinnarbeiter in einer modernen
Fabrik verarbeitet, ist gewachsen im kolossalsten Verhältniss zu
dem was ein europäischer Spinner früher mit dem Spinnrad ver-
arbeitete. Aber der Werth der verarbeiteten Baumwolle ist nicht
in demselben Verhältniss gewachsen wie ihre Masse. Ebenso mit
den Maschinen und andrem fixen Kapital. Kurz dieselbe Ent-
wicklung, die die Masse des konstanten Kapitals steigert im Ver-
hältniss zum variablen, vermindert, in Folge der gesteigerten Pro-
duktivkraft der Arbeit, den Werth seiner Elemente, und verhindert
daher, dass der Werth des konstanten Kapitals, obgleich beständig
wachsend, im selben Verhältniss wachse wie sein materieller Um-
fang, d. h. der materielle Umfang der Produktionsmittel, die von
derselben Menge Arbeitskraft in Bewegung gesetzt werden. In
einzelnen Fällen kann sogar die Masse der Elemente des konstanten
Kapitals zunehmen, während sein Werth gleich bleibt oder gar
fällt.


Mit dem Gesagten hängt zusammen die mit der Entwicklung
der Industrie gegebne Entwerthung des vorhandnen Kapitals (d. h.
seiner stofflichen Elemente). Auch sie ist eine der beständig
wirkenden Ursachen, welche den Fall der Profitrate aufhalten, ob-
gleich sie unter Umständen die Masse des Profits beeinträchtigen
kann durch Beeinträchtigung der Masse des Kapitals, das Profit
abwirft. Es zeigt sich hier wieder, dass dieselben Ursachen, welche
die Tendenz zum Fall der Profitrate erzeugen, auch die Verwirk-
lichung dieser Tendenz mäßigen.


IV. Die relative Ueberbevölkerung.

Ihre Erzeugung ist unzertrennlich von der, und wird beschleunigt
durch die, Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, die sich in
der Abnahme der Profitrate ausdrückt. Die relative Ueberbe-
völkerung zeigt sich um so auffallender in einem Lande, je mehr
die kapitalistische Produktionsweise in ihm entwickelt ist. Sie ist
wiederum Grund, einerseits, dass in vielen Produktionszweigen die
mehr oder minder unvollständige Unterordnung der Arbeit unter
das Kapital fortdauert, und länger fortdauert, als dies dem allge-
meinen Stand der Entwicklung auf den ersten Blick entspricht;
es ist dies Folge der Wohlfeilheit und Masse der disponiblen oder
freigesetzten Lohnarbeiter, und des grössern Widerstandes, den
manche Produktionszweige, ihrer Natur nach, der Verwandlung
[218] von Handarbeit in Maschinenarbeit entgegensetzen. Andrerseits
öffnen sich neue Produktionszweige, besonders auch für Luxus-
konsumtion, die eben jene relative, oft durch Ueberwiegen des
konstanten Kapitals in andren Produktionszweigen freigesetzte Be-
völkerung als Basis nehmen, ihrerseits wieder auf Ueberwiegen des
Elements der lebendigen Arbeit beruhn, und erst nach und nach
dieselbe Karriere wie die andren Produktionszweige durchmachen.
In beiden Fällen nimmt das variable Kapital eine bedeutende Pro-
portion des Gesammtkapitals ein und ist der Arbeitslohn unter
dem Durchschnitt, sodass sowohl Mehrwerthsrate wie Mehrwerths-
masse in diesen Produktionszweigen ungewöhnlich hoch sind. Da
nun die allgemeine Profitrate durch die Ausgleichung der Profit-
raten in den besondren Produktionszweigen gebildet wird, bringt
hier wieder dieselbe Ursache, die die fallende Tendenz der Profit-
rate erzeugt, ein Gegengewicht gegen diese Tendenz hervor, das
ihre Wirkung mehr oder minder paralysirt.


V. Der auswärtige Handel.

Soweit der auswärtige Handel theils die Elemente des konstanten
Kapitals, theils die nothwendigen Lebensmittel, worin das variable
Kapital sich umsetzt, verwohlfeilert, wirkt er steigernd auf die
Profitrate, indem er die Rate des Mehrwerths hebt und den Werth
des konstanten Kapitals senkt. Er wirkt überhaupt in diesem
Sinn, indem er erlaubt, die Stufenleiter der Produktion zu erweitern.
Damit beschleunigt er einerseits die Akkumulation, andrerseits aber
auch das Sinken des variablen Kapitals gegen das konstante, und
damit den Fall der Profitrate. Ebenso ist die Ausdehnung des
auswärtigen Handels, obgleich in der Kindheit der kapitalistischen
Produktionsweise deren Basis, in ihrem Fortschritt, durch die
innere Nothwendigkeit dieser Produktionsweise, durch ihr Bedürf-
niss nach stets ausgedehnterm Markt, ihr eignes Produkt geworden.
Es zeigt sich hier wieder dieselbe Zwieschlächtigkeit der Wirkung.
(Ricardo hat diese Seite des auswärtigen Handels ganz übersehn.)


Eine andre Frage — die in ihrer Specialität eigentlich jenseits
der Grenze unsrer Untersuchung liegt — ist die: Wird die all-
gemeine Profitrate erhöht durch die höhere Profitrate, die das im
auswärtigen und namentlich im Kolonialhandel angelegte Kapital
macht?


Kapitale, im auswärtigen Handel angelegt, können eine höhere
Profitrate abwerfen, weil hier erstens mit Waaren konkurrirt wird,
die von andern Ländern mit mindren Produktionsleichtigkeiten
[219] producirt werden, sodass das fortgeschrittnere Land seine Waaren
über ihrem Werth verkauft, obgleich wohlfeiler als die Konkurrenz-
länder. Sofern die Arbeit des fortgeschrittnern Landes hier als
Arbeit von höherm specifischen Gewicht verwerthet wird, steigt
die Profitrate, indem die Arbeit, die nicht als qualitativ höhere
bezahlt, als solche verkauft wird. Dasselbe Verhältniss kann statt-
finden gegen das Land, wohin Waaren gesandt und woraus Waaren
bezogen werden; dass dies nämlich mehr vergegenständlichte Arbeit
in natura gibt, als es erhält, und dass es doch hierbei die Waare
wohlfeiler erhält, als es sie selbst produciren könnte. Ganz wie
der Fabrikant, der eine neue Erfindung vor ihrer Verallgemeinerung
benutzt, wohlfeiler verkauft als seine Konkurrenten, und dennoch
über dem individuellen Werth seiner Waare verkauft, d. h. die
specifisch höhere Produktivkraft der von ihm angewandten Arbeit
als Mehrarbeit verwerthet. Er realisirt so einen Surplusprofit.
Was andrerseits die in Kolonien etc. angelegten Kapitale betrifft,
so können sie höhere Profitraten abwerfen, weil dort überhaupt
wegen der niedrigen Entwicklung die Profitrate höher steht, und
ebenfalls, bei Anwendung von Sklaven und Kulis etc., die Exploi-
tation der Arbeit. Warum nun die höhern Profitraten, die in ge-
wissen Zweigen angelegte Kapitale so abwerfen und nach der
Heimath abführen, hier, wenn sonst nicht Monopole im Wege
stehn, nicht in die Ausgleichung der allgemeinen Profitrate eingehn
und daher diese pro tanto erhöhn sollen, ist nicht abzusehn.36)
Es ist dies namentlich nicht abzusehn, wenn jene Zweige der
Kapitalanwendung unter den Gesetzen der freien Konkurrenz stehn.
Was Ricardo dagegen vorschwebt, ist namentlich dies: mit dem
im Ausland erzielten höheren Preis werden dort Waaren gekauft
und als Retour nach Hause geschickt; diese Waaren werden also
im Inland verkauft, und es kann dies daher höchstens eine tem-
poräre Extrabevortheilung dieser begünstigten Sphären der Pro-
duktion über andre ausmachen. Dieser Schein fällt weg, sobald
von der Geldform abgesehn wird. Das begünstigte Land erhält
mehr Arbeit zurück im Austausch für weniger Arbeit, obgleich
diese Differenz, dies Mehr, wie beim Austausch zwischen Arbeit
und Kapital überhaupt, von einer gewissen Klasse eingesackt wird.
Soweit also die Profitrate höher ist, weil sie überhaupt höher in
[220] dem Kolonialland, mag dies bei günstigen Naturbedingungen des-
selben mit niedren Waarenpreisen Hand in Hand gehn. Aus-
gleichung findet statt, aber nicht Ausgleichung zum alten Niveau,
wie Ricardo meint.


Derselbe auswärtige Handel aber entwickelt im Inland die kapi-
talistische Produktionsweise, und damit die Abnahme des variablen
Kapitals gegenüber dem konstanten, und producirt auf der andern
Seite Ueberproduktion mit Bezug auf das Ausland, hat daher auch
wieder im weitern Verlauf die entgegengesetzte Wirkung.


Und so hat sich denn im allgemeinen gezeigt, dass dieselben
Ursachen, die das Fallen der allgemeinen Profitrate hervorbringen,
Gegenwirkungen hervorrufen, die diesen Fall hemmen, verlangsamen
und theilweise paralysiren. Sie heben das Gesetz nicht auf,
schwächen aber seine Wirkung ab. Ohne das wäre nicht das
Fallen der allgemeinen Profitrate unbegreiflich, sondern umgekehrt
die relative Langsamkeit dieses Falls. So wirkt das Gesetz nur
als Tendenz, dessen Wirkung nur unter bestimmten Umständen
und im Verlauf langer Perioden schlagend hervortritt.


Ehe wir nun weiter gehn, wollen wir zur Vermeidung von
Missverständniss noch zwei mehrfach entwickelte Sätze wiederholen.


Erstens: Derselbe Process, der die Verwohlfeilerung der Waaren
im Entwicklungsgang der kapitalistischen Produktionsweise erzeugt,
erzeugt eine Veränderung in der organischen Zusammensetzung des
zur Produktion der Waaren angewandten gesellschaftlichen Kapi-
tals, und in Folge dessen den Fall der Profitrate. Man muss also
die Verminderung der relativen Kost der einzelnen Waare, auch
des Theils dieser Kost, der Verschleiss von Maschinerie enthält,
nicht identificiren mit dem steigenden Werth des konstanten Kapi-
tals verglichen mit dem variablen, obgleich umgekehrt jede Ver-
minderung in der relativen Kost des konstanten Kapitals, bei gleich-
bleibendem oder wachsendem Umfang seiner stofflichen Elemente,
auf die Erhöhung der Profitrate, d. h. auf Verminderung pro tanto
im Werth des konstanten Kapitals verglichen mit dem in sinkenden
Proportionen angewandten variablen Kapital wirkt.


Zweitens: Der Umstand, dass in den einzelnen Waaren, aus
deren Gesammtheit das Produkt des Kapitals besteht, die enthaltne
zusätzliche lebendige Arbeit in einem abnehmenden Verhältniss zu
den in ihnen enthaltnen Arbeitsstoffen und den in ihnen konsumirten
Arbeitsmitteln steht; der Umstand also, dass ein stets abnehmendes
Quantum zusätzlicher lebendiger Arbeit in ihnen vergegenständlicht
ist, weil weniger Arbeit zu ihrer Produktion erheischt mit Ent-
[221] wicklung der gesellschaftlichen Produktionskraft, — dieser Umstand
trifft nicht das Verhältniss, worin sich die in der Waare enthaltne
lebendige Arbeit in bezahlte und unbezahlte theilt. Umgekehrt.
Obgleich das Gesammtquantum der in ihr enthaltnen zusätz-
lichen lebendigen Arbeit fällt, wächst der unbezahlte Theil im
Verhältniss zum bezahlten, entweder durch absolutes oder pro-
portionelles Sinken des bezahlten Theils; denn dieselbe Produktions-
weise, die die Gesammtmasse der zusätzlichen lebendigen Arbeit
in einer Waare vermindert, ist begleitet vom Steigen des absoluten
und relativen Mehrwerths. Das tendenzielle Sinken der Profitrate
ist verbunden mit einem tendenziellen Steigen in der Rate des
Mehrwerths, also im Exploitationsgrad der Arbeit. Nichts alberner
daher, als das Sinken der Profitrate aus einem Steigen in der Rate
des Arbeitslohns zu erklären, obgleich auch dies ausnahmsweise
der Fall sein mag. Die Statistik wird erst durch Verständniss
der Verhältnisse, die die Profitrate bilden, befähigt, wirkliche Ana-
lysen über die Rate des Arbeitslohns in verschiednen Epochen
und Ländern vorzunehmen. Die Profitrate fällt nicht, weil die
Arbeit unproduktiver, sondern weil sie produktiver wird. Beides,
Steigen der Rate des Mehrwerths und Fallen der Rate des Profits
sind nur besondre Formen, worin sich wachsende Produktivität
der Arbeit kapitalistisch ausdrückt.


VI. Die Zunahme des Aktienkapitals.

Den obigen fünf Punkten kann noch hinzugefügt werden der
folgende, worauf aber zunächst nicht tiefer eingegangen werden
kann. Ein Theil des Kapitals wird im Fortschritt der kapitalistischen
Produktion, der mit beschleunigter Akkumulation Hand in Hand
geht, nur als zinstragendes Kapital berechnet und angewandt.
Nicht in dem Sinne, worin jeder Kapitalist, der Kapital ausleiht,
sich mit den Zinsen begnügt, während der industrielle Kapitalist
den Unternehmergewinn einsteckt. Dies geht die Höhe der all-
gemeinen Profitrate nichts an, denn für sie ist der Profit = Zins
+ Profit aller Art + Grundrente, deren Vertheilung in diese
besondren Kategorien für sie gleichgültig ist. Sondern in dem
Sinn, dass diese Kapitale, obgleich in grosse produktive Unter-
nehmungen gesteckt, nach Abzug aller Kosten nur grosse oder
kleine Zinsen, sogenannte Dividenden abwerfen. Z. B. in Eisen-
bahnen. Sie gehn also nicht in die Ausgleichung der allgemeinen
Profitrate ein, da sie eine geringre als die Durchschnittsprofitrate
abwerfen. Gingen sie ein, so sänke diese viel tiefer. Theoretisch
[222] betrachtet, kann man sie einrechnen, und erhält dann eine geringre
Profitrate, als die scheinbar existirende und die Kapitalisten wirk-
lich bestimmende, da gerade in diesen Unternehmungen das kon-
stante Kapital im Verhältniss zum variablen am grössten.


Fünfzehntes Kapitel.
Entfaltung der innern Widersprüche des Gesetzes.


I. Allgemeines.

Man hat im ersten Abschnitt dieses Buchs gesehn, dass die
Profitrate die Mehrwerthsrate stets niedriger ausdrückt als sie ist.
Man hat jetzt gesehn, dass selbst eine steigende Rate des Mehr-
werths die Tendenz hat, sich in einer fallenden Profitrate auszu-
drücken. Die Profitrate wäre nur gleich der Rate des Mehrwerths,
wenn c = 0, d. h. wenn das Gesammtkapital in Arbeitslohn aus-
gelegt. Eine fallende Profitrate drückt nur dann eine fallende
Rate des Mehrwerths aus, wenn das Verhältniss zwischen dem
Werth des konstanten Kapitals und der Menge der es in Bewegung
setzenden Arbeitskraft unverändert bleibt, oder wenn diese letztere,
im Verhältniss zum Werth des konstanten Kapitals, gestiegen ist.


Ricardo, unter dem Vorwand die Profitrate zu betrachten, be-
trachtet in der That nur die Rate des Mehrwerths, und diese nur
unter der Voraussetzung, dass der Arbeitstag intensiv und extensiv
eine konstante Grösse ist.


Fall der Profitrate und beschleunigte Akkumulation sind inso-
fern nur verschiedne Ausdrücke desselben Processes, als beide die
Entwicklung der Produktivkraft ausdrücken. Die Akkumulation
ihrerseits beschleunigt den Fall der Profitrate, sofern mit ihr die
Koncentration der Arbeiten auf grosser Stufenleiter, und damit
eine höhere Zusammensetzung des Kapitals gegeben ist. Andrer-
seits beschleunigt der Fall der Profitrate wieder die Koncentration
des Kapitals und seine Centralisation durch die Enteignung der
kleinern Kapitalisten, durch die Expropriation des letzten Rests
der unmittelbaren Producenten, bei denen noch etwas zu expro-
priiren ist. Dadurch wird andrerseits die Akkumulation, der Masse
nach, beschleunigt, obgleich mit der Profitrate die Rate der Akku-
mulation fällt.


Andrerseits, soweit die Rate der Verwerthung des Gesammt-
kapitals, die Profitrate der Stachel der kapitalistischen Produktion
[223] ist (wie die Verwerthung des Kapitals ihr einziger Zweck), ver-
langsamt ihr Fall die Bildung neuer selbständiger Kapitale und
erscheint so als bedrohlich für die Entwicklung des kapitalistischen
Produktionsprocesses; er befördert Ueberproduktion, Spekulation,
Krisen, überflüssiges Kapital neben überflüssiger Bevölkerung. Die
Oekonomen also, die wie Ricardo, die kapitalistische Produktions-
weise für die absolute halten, fühlen hier, dass diese Produktions-
weise sich selbst eine Schranke schafft, und schieben daher diese
Schranke nicht der Produktion zu, sondern der Natur (in der Lehre
von der Rente). Das Wichtige aber in ihrem Horror vor der
fallenden Profitrate ist das Gefühl, dass die kapitalistische Pro-
duktionsweise an der Entwicklung der Produktivkräfte eine Schranke
findet, die nichts mit der Produktion des Reichthums als solcher
zu thun hat; und diese eigenthümliche Schranke bezeugt die Be-
schränktheit und den nur historischen, vorübergehenden Charakter
der kapitalistischen Produktionsweise; bezeugt, dass sie keine für
die Produktion des Reichthums absolute Produktionsweise ist, viel-
mehr mit seiner Fortentwicklung auf gewisser Stufe in Konflikt
tritt.


Ricardo und seine Schule betrachten allerdings nur den indu-
striellen Profit, worin der Zins eingeschlossen. Aber auch die
Rate der Grundrente hat fallende Tendenz, obgleich ihre absolute
Masse wächst, und sie auch proportionell wachsen mag gegen den
industriellen Profit. (Siehe Ed. West, der vor Ricardo das Gesetz
der Grundrente entwickelt hat.) Betrachten wir das gesellschaft-
liche Gesammtkapital C, und setzen wir p1 für den, nach Abzug
von Zins und Grundrente bleibenden industriellen Profit, z für den
Zins und r für die Grundrente, so ist \mathrm{ \frac{m}{C} = \frac{p}{C} = \frac{p_1 + z + r}{C} = \frac{p_1}{C} }
+ \mathrm{ \frac{z}{C} + \frac{r}{C} }. Wir haben gesehn, dass obwohl im Entwicklungsgang
der kapitalistischen Produktion m, die Gesammtsumme des Mehr-
werths, stetig wächst, dennoch \frac{m}{C} ebenso stetig abnimmt, weil C
noch rascher wächst als m. Es ist also durchaus kein Wider-
spruch, dass p1, z und r jedes für sich stets wachsen können, während
sowohl \mathrm{ \frac{m}{C} = \frac{p}{C} } wie \frac{p_1}{C}\frac{z}{C} und \frac{r}{C} jedes für sich immer kleiner werden,
oder dass p1 gegen z, oder r gegen p1, oder auch gegen p1 und z
relativ wächst. Bei steigendem Gesammtmehrwerth oder Profit
m = p, aber gleichzeitig fallenden Profitrate \frac{m}{C} = \frac{p}{C} kann das
[224] Grössenverhältniss der Theile p1, z und r, worin m = p zerfällt,
innerhalb der durch die Gesammtsumme m gegebnen Grenzen be-
liebig wechseln, ohne dass dadurch die Grösse von m oder \frac{m}{C}
afficirt wird.


Die wechselseitige Variation von p1, z und r ist bloss verschiedne
Vertheilung von m unter verschiedne Rubriken. Es kann daher
auch \frac{p_1}{C}, \frac{2}{C} oder \frac{r}{C}, die Rente des individuellen industriellen Profits,
die Zinsrate und das Verhältniss der Rate zum Gesammtkapital
je eins gegen das andre steigen, obgleich \frac{m}{C}, die allgemeine Profit-
rate, fällt; Bedingung bleibt nur, dass die Summe aller drei = \frac{m}{C}.
Fällt die Profitrate von 50 % auf 25 %, wenn z. B. die Kapital-
zusammensetzung, bei einer Mehrwerthsrate = 100 %, sich von
50c + 50v auf 75c + 25v verändert, so wird im ersten Fall ein
Kapital von 1000 einen Profit von 500, und im zweiten ein Ka-
pital von 4000 einen Profit von 1000 geben. m oder p hat sich
verdoppelt, aber p' ist um die Hälfte gefallen. Und wenn von
den 50 % früher 20 Profit, 10 Zins, 20 Rente, so betrug
\frac{p_1}{C} = 20 %, \frac{z}{C} = 10 %, \frac{r}{C} = 20 %. Blieben bei Verwandlung in
25 % die Verhältnisse dieselben, so \frac{p_1}{C} = 10 %, \frac{z}{C} = 5 % und
und \frac{r}{C} = 10 %. Fiele dagegen \frac{p_1}{C} nun auf 8 % und \frac{z}{C} auf 4 %
so stiege \frac{r}{C} auf 12 %. Die proportionelle Grösse von r wäre ge-
stiegen gegen p1 und z, aber dennoch wäre p' gleich geblieben. Unter
beiden Voraussetzungen wäre die Summe von p1, z und r gestiegen, da sie
vermittelst eines viermal grösseren Kapitals producirt wird. Uebrigens
ist Ricardo’s Voraussetzung, dass ursprünglich der industrielle Profit
(plus Zins) den ganzen Mehrwerth einsteckt, historisch und begrifflich
falsch. Es ist vielmehr nur der Fortschritt der kapitalistischen Produk-
tion, der 1) den industriellen und kommerziellen Kapitalisten den ganzen
Profit erster Hand zur spätern Vertheilung gibt, und 2) die Rente
auf den Ueberschuss über den Profit reducirt. Auf dieser kapita-
listischen Basis wächst dann wieder die Rente, die ein Theil des
Profits (d. h. des Mehrwerths als Produkt des Gesammtkapitals
betrachtet) ist, aber nicht der specifische Theil des Produkts, den
der Kapitalist einsteckt.


Die Schöpfung von Mehrwerth findet, die nöthigen Produktions-
[225] mittel, d. h. hinreichende Akkumulation von Kapital vorausgesetzt,
keine andre Schranke als die Arbeiterbevölkerung, wenn die Rate
des Mehrwerths, also der Exploitationsgrad der Arbeit; und keine
andre Schranke als den Exploitationsgrad der Arbeit, wenn die
Arbeiterbevölkerung gegeben ist. Und der kapitalistische Produk-
tionsprocess besteht wesentlich in der Produktion von Mehrwerth,
dargestellt in dem Mehrprodukt oder dem aliquoten Theil der
producirten Waaren, worin unbezahlte Arbeit vergegenständlicht
ist. Man muss es nie vergessen, dass die Produktion dieses Mehr-
werths — und die Rückverwandlung eines Theils desselben in
Kapital, oder die Akkumulation, bildet einen integrirenden Theil
dieser Produktion des Mehrwerths — der unmittelbare Zweck und
das bestimmende Motiv der kapitalistischen Produktion ist. Man
darf diese daher nie darstellen als das, was sie nicht ist, nämlich
als Produktion, die zu ihrem unmittelbaren Zweck den Genuss hat
oder die Erzeugung von Genussmitteln für den Kapitalisten. Man
sieht dabei ganz ab von ihrem specifischen Charakter, der sich in
ihrer ganzen innern Kerngestalt darstellt.


Die Gewinnung dieses Mehrwerths bildet den unmittelbaren Pro-
duktionsprocess, der wie gesagt keine andren Schranken als die
oben angegebnen hat. Sobald das auspressbare Quantum Mehr-
arbeit in Waaren vergegenständlicht ist, ist der Mehrwerth pro-
ducirt. Aber mit dieser Produktion des Mehrwerths ist nur der
erste Akt des kapitalistischen Produktionsprocesses, der unmittel-
bare Produktionsprocess beendet. Das Kapital hat so und so viel
unbezahlte Arbeit eingesaugt. Mit der Entwicklung des Processes,
der sich im Fall der Profitrate ausdrückt, schwillt die Masse des
so producirten Mehrwerths ins Ungeheure. Nun kommt der zweite
Akt des Processes. Die gesammte Waarenmasse, das Gesammt-
produkt, sowohl der Theil, der das konstante und variable Kapital
ersetzt, wie der den Mehrwerth darstellt, muss verkauft werden.
Geschieht das nicht, oder nur zum Theil, oder nur zu Preisen, die
unter den Produktionspreisen stehn, so ist der Arbeiter zwar ex-
ploitirt, aber seine Exploitation realisirt sich nicht als solche für
den Kapitalisten, kann mit gar keiner oder nur theilweiser Reali-
sation des abgepressten Mehrwerths, ja mit theilweisem oder ganzem
Verlust seines Kapitals verbunden sein. Die Bedingungen der un-
mittelbaren Exploitation und die ihrer Realisation sind nicht iden-
tisch. Sie fallen nicht nur nach Zeit und Ort, sondern auch be-
grifflich auseinander. Die einen sind nur beschränkt durch die
Produktivkraft der Gesellschaft, die andren durch die Proportio-
Marx, Kapital III. 15
[226] nalität der verschiednen Produktionszweige und durch die Konsum-
tionskraft der Gesellschaft. Diese letztre ist aber bestimmt weder
durch die absolute Produktionskraft noch durch die absolute Kon-
sumtionskraft; sondern durch die Konsumtionskraft auf Basis
antagonistischer Distributionsverhältnisse, welche die Konsumtion
der grossen Masse der Gesellschaft auf ein, nur innerhalb mehr
oder minder enger Grenzen veränderliches Minimum reducirt. Sie
ist ferner beschränkt durch den Akkumulationstrieb, den Trieb
nach Vergrösserung des Kapitals und nach Produktion von Mehr-
werth auf erweiterter Stufenleiter. Dies ist Gesetz für die kapi-
talistische Produktion, gegeben durch die beständigen Revolutionen
in den Produktionsmethoden selbst, die damit beständig verknüpfte
Entwerthung von vorhandnem Kapital, den allgemeinen Konkurrenz-
kampf und die Nothwendigkeit, die Produktion zu verbessern und
ihre Stufenleiter auszudehnen, bloss als Erhaltungsmittel und bei
Strafe des Untergangs. Der Markt muss daher beständig ausge-
dehnt werden, sodass seine Zusammenhänge und die sie regelnden
Bedingungen immer mehr die Gestalt eines von den Producenten
unabhängigen Naturgesetzes annehmen, immer unkontrollirbarer
werden. Der innere Widerspruch sucht sich auszugleichen durch
Ausdehnung des äussern Feldes der Produktion. Je mehr sich
aber die Produktivkraft entwickelt, um so mehr geräth sie in
Widerstreit mit der engen Basis, worauf die Konsumtionsverhält-
nisse beruhen. Es ist auf dieser widerspruchsvollen Basis durchaus
kein Widerspruch, dass Uebermaß von Kapital verbunden ist mit
wachsendem Uebermaß von Bevölkerung; denn obgleich, beide zu-
sammengebracht, die Masse des producirten Mehrwerths sich steigern
würde, steigert sich eben damit der Widerspruch zwischen den
Bedingungen, worin dieser Mehrwerth producirt, und den Bedin-
gungen, worin er realisirt wird.


Eine bestimmte Profitrate gegeben, hängt die Masse des Profits
stets ab von der Grösse des vorgeschossnen Kapitals. Die Akku-
mulation aber ist dann bestimmt durch den Theil dieser Masse
der in Kapital rückverwandelt wird. Dieser Theil aber, da er
gleich dem Profit minus der von den Kapitalisten verzehrten Re-
venue, wird nicht nur abhängen von dem Werth dieser Masse,
sondern auch von der Wohlfeilheit der Waaren, die der Kapitalist
damit kaufen kann; der Waaren, theils die in seinen Konsum, seine
Revenue, theils die in sein konstantes Kapital eingehn. (Der Ar-
beitslohn ist hier als gegeben vorausgesetzt.)


Die Masse des Kapitals, die der Arbeiter in Bewegung setzt,
[227] und deren Werth er durch seine Arbeit erhält und im Produkt
wieder erscheinen macht, ist durchaus verschieden von dem Werth,
den er zusetzt. Ist die Masse des Kapitals = 1000 und die zu-
gesetzte Arbeit = 100, so das reproducirte Kapital = 1100.
Ist die Masse = 100 und die zugesetzte Arbeit = 20, so das re-
producirte Kapital = 120. Die Profitrate ist im ersten Fall
= 10 %, im zweiten = 20 %. Und dennoch kann aus 100 mehr
akkumulirt werden als aus 20. Und so wälzt sich der Strom des
Kapitals fort (abgesehn von seiner Entwerthung durch Steigerung
der Produktivkraft) oder seine Akkumulation im Verhältniss der
Wucht, die es schon besitzt, nicht im Verhältniss zur Höhe der
Profitrate. Hohe Profitrate, soweit sie auf hoher Mehrwerthsrate
beruht, ist möglich, wenn der Arbeitstag sehr lang, obgleich die
Arbeit unproduktiv ist; sie ist möglich, weil die Bedürfnisse der
Arbeiter sehr gering, darum der Durchschnittslohn sehr niedrig,
obgleich die Arbeit unproduktiv. Der Niedrigkeit des Lohns wird
die Energielosigkeit der Arbeiter entsprechen. Das Kapital ak-
kumulirt dabei langsam, trotz der hohen Profitrate. Die Be-
völkerung ist stagnant und die Arbeitszeit, die das Produkt kostet,
ist gross, obgleich der dem Arbeiter bezahlte Lohn klein ist.


Die Profitrate fällt, nicht weil der Arbeiter weniger exploitirt
wird, sondern weil im Verhältniss zum angewandten Kapital über-
haupt weniger Arbeit angewandt wird.


Fällt, wie gezeigt, sinkende Profitrate zusammen mit Steigen
der Profitmasse, so wird ein grössrer Theil des jährlichen Produkts
der Arbeit vom Kapitalisten unter der Kategorie Kapital ange-
eignet (als Ersatz von verbrauchtem Kapital) und ein verhältniss-
mäßig geringrer unter der Kategorie Profit. Daher die Phantasie
des Pfaffen Chalmers, dass je geringre Masse des jährlichen Pro-
dukts die Kapitalisten als Kapital verausgaben, sie um so grössre
Profite schlucken; wobei ihnen dann die Staatskirche zu Hülfe
kommt um für die Verzehrung, statt Kapitalisirung eines grossen
Theils des Mehrprodukts zu sorgen. Der Pfaff verwechselt Ursache
und Wirkung. Uebrigens wächst ja die Masse des Profits, auch
bei kleinerer Rate, mit der Grösse des ausgelegten Kapitals. Dies
bedingt jedoch zugleich Koncentration des Kapitals, da jetzt die
Produktionsbedingungen die Anwendung von massenhaftem Kapital
gebieten. Es bedingt ebenso dessen Centralisation, d. h. Ver-
schlucken der kleinen Kapitalisten durch die grossen und Entkapi-
talisirung der erstern. Es ist wieder nur in einer zweiten Potenz
die Scheidung der Arbeitsbedingungen von den Producenten, zu
15*
[228] denen diese kleinern Kapitalisten noch gehören, da bei ihnen die
eigne Arbeit noch eine Rolle spielt; die Arbeit des Kapitalisten
steht überhaupt im umgekehrten Verhältniss zur Grösse seines
Kapitals, d. h. zum Grad, worin er Kapitalist. Es ist diese Schei-
dung zwischen Arbeitsbedingungen hier und Producenten dort, die
den Begriff des Kapitals bildet, die mit der ursprünglichen Akku-
mulation (Buch I, Kap. XXIV) sich eröffnet, dann als beständiger
Process in der Akkumulation und Koncentration des Kapitals er-
scheint, und hier endlich sich als Centralisation schon vorhandner
Kapitale in wenigen Händen und Entkapitalisirung (dahin verändert
sich nun die Expropriation) Vieler ausdrückt. Dieser Process
würde bald die kapitalistische Produktion zum Zusammenbruch
bringen, wenn nicht widerstrebende Tendenzen beständig wieder
decentralisirend neben der centripetalen Kraft winkten.


II. Konflikt zwischen Ausdehnung der Produktion und
Verwerthung
.

Die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit
zeigt sich doppelt: Erstens in der Grösse der schon producirten
Produktivkräfte, in dem Werthumfang und Massenumfang der Pro-
duktionsbedingungen, worunter die Neuproduktion stattfindet, und
in der absoluten Grösse des schon akkumulirten produktiven Kapitals;
zweitens in der verhältnissmäßigen Kleinheit des im Arbeitslohn
ausgelegten Kapitaltheils gegen das Gesammtkapital, d. h. in der
verhältnissmäßigen Kleinheit der lebendigen Arbeit, die zur Re-
produktion und Verwerthung eines gegebnen Kapitals, zur Massen-
produktion erheischt ist. Es unterstellt dies zugleich Koncentration
des Kapitals.


Mit Bezug auf die angewandte Arbeitskraft zeigt sich die Ent-
wicklung der Produktivkraft wieder doppelt: Erstens in der Ver-
mehrung der Mehrarbeit, d. h. der Abkürzung der nothwendigen
Arbeitszeit, die zur Reproduktion der Arbeitskraft erheischt ist.
Zweitens in der Abnahme der Menge von Arbeitskraft (Arbeiter-
zahl), die überhaupt angewandt wird, um ein gegebnes Kapital in
Bewegung zu setzen.


Beide Bewegungen gehn nicht nur Hand in Hand, sondern be-
dingen sich wechselseitig, sind Erscheinungen, worin sich das-
selbe Gesetz ausdrückt. Indess wirken sie in entgegengesetzter
Richtung auf die Profitrate. Die Gesammtmasse des Profits
ist gleich der Gesammtmasse des Mehrwerths, die Profitrate =
\frac{m}{C} = \frac{Mehrwerth}{Vorgeschossnes Gesammtkapital}. Der Mehrwerth aber, als Ge-
[229] sammtbetrag, ist bestimmt erstens durch seine Rate, zweitens aber
durch die Masse der zu dieser Rate gleichzeitig angewandten Arbeit,
oder was dasselbe, durch die Grösse des variablen Kapitals. Nach
der einen Seite hin steigt der eine Faktor, die Rate des Mehr-
werths; nach der andren fällt (verhältnissmäßig oder absolut) der
andre Faktor, die Anzahl der Arbeiter. Soweit die Entwicklung
der Produktionskraft den bezahlten Theil der angewandten Arbeit
vermindert, steigert sie den Mehrwerth, weil seine Rate; soweit sie
jedoch die Gesammtmasse der von einem gegebnen Kapital ange-
wandten Arbeit vermindert, vermindert sie den Faktor der Anzahl,
womit die Rate des Mehrwerths multiplicirt wird, um seine Masse
herauszubringen. Zwei Arbeiter, die 12 Stunden täglich arbeiten,
können nicht dieselbe Masse Mehrwerth liefern wie 24, die jeder
nur 2 Stunden arbeiten, selbst wenn sie von der Luft leben könnten
und daher gar nicht für sich selbst zu arbeiten hätten. In dieser
Beziehung hat also die Kompensation der verringerten Arbeiterzahl
durch Steigerung des Exploitationsgrads der Arbeit gewisse nicht
überschreitbare Grenzen; sie kann daher den Fall der Profitrate
wohl hemmen, aber nicht aufheben.


Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise fällt
also die Rate des Profits, während seine Masse mit der zunehmenden
Masse des angewandten Kapitals steigt. Die Rate gegeben, hängt
die absolute Masse, worin das Kapital wächst, ab von seiner vor-
handnen Grösse. Aber andrerseits diese Grösse gegeben, hängt
das Verhältniss, worin es wächst, die Rate seines Wachsthums,
von der Profitrate ab. Direkt kann die Steigerung der Produktiv-
kraft (die ausserdem, wie erwähnt, stets mit Entwerthung des vor-
handnen Kapitals Hand in Hand geht) die Werthgrösse des Kapi-
tals nur vermehren, wenn sie durch Erhöhung der Profitrate den
Werththeil des jährlichen Produkts vermehrt, der in Kapital rück-
verwandelt wird. Soweit die Produktivkraft der Arbeit in Betracht
kommt, kann dies nur geschehn (denn diese Produktivkraft hat
direkt nichts zu thun mit dem Werth des vorhandnen Kapitals),
soweit dadurch entweder der relative Mehrwerth erhöht, oder der
Werth des konstanten Kapitals vermindert wird, also die Waaren
verwohlfeilert werden, die entweder in die Reproduktion der Arbeits-
kraft oder in die Elemente des konstanten Kapitals eingehn. Beides
schliesst aber Entwerthung des vorhandnen Kapitals ein, und beides
geht Hand in Hand mit der Verminderung des variablen Kapitals
gegenüber dem konstanten. Beides bedingt den Fall der Profitrate
und beides verlangsamt ihn. Sofern ferner gesteigerte Profitrate
[230] gesteigerte Nachfrage nach Arbeit verursacht, wirkt sie auf Ver-
mehrung der Arbeiterbevölkerung und damit des exploitablen Ma-
terials, das das Kapital erst zu Kapital macht.


Aber indirekt trägt die Entwicklung der Produktivkraft der
Arbeit bei zur Vermehrung des vorhandnen Kapitalwerths, indem
sie die Masse und Mannigfaltigkeit der Gebrauchswerthe vermehrt,
worin sich derselbe Tauschwerth darstellt und die das materielle
Substrat, die sachlichen Elemente des Kapitals bilden, die stoff-
lichen Gegenstände, woraus das konstante Kapital direkt und das
variable wenigstens indirekt besteht. Mit demselben Kapital und
derselben Arbeit werden mehr Dinge geschaffen, die in Kapital
verwandelt werden können, abgesehn von ihrem Tauschwerth.
Dinge, die dazu dienen können, zusätzliche Arbeit einzusaugen,
also auch zusätzliche Mehrarbeit, und so zusätzliches Kapital zu
bilden. Die Masse Arbeit, die das Kapital kommandiren kann,
hängt nicht ab von seinem Werth, sondern von der Masse der Roh-
und Hülfsstoffe, der Maschinerie und Elemente des fixen Kapitals,
der Lebensmittel, woraus es zusammengesetzt ist, was immer deren
Werth sei. Indem damit die Masse der angewandten Arbeit, also
auch Mehrarbeit, wächst, wächst auch der Werth des reproducirten
Kapitals und der ihm neu zugesetzte Surpluswerth.


Diese beiden im Akkumulationsprocess einbegriffnen Momente
sind aber nicht nur in dem ruhigen Nebeneinander zu betrachten,
worin Ricardo sie behandelt; sie schliessen einen Widerspruch ein,
der sich in widersprechenden Tendenzen und Erscheinungen kund-
gibt. Die widerstreitenden Agentien wirken gleichzeitig gegen
einander.


Gleichzeitig mit den Antrieben zur wirklichen Vermehrung der
Arbeiterbevölkerung, die aus der Vermehrung des als Kapital wir-
kenden Theils des gesellschaftlichen Gesammtprodukts stammen,
wirken die Agentien, die eine nur relative Uebervölkerung
schaffen.


Gleichzeitig mit dem Fall der Profitrate wächst die Masse der
Kapitale, und geht Hand in Hand mit ihr eine Entwerthung des
vorhandnen Kapitals, welche diesen Fall aufhält, und der Akku-
mulation von Kapitalwerth einen beschleunigenden Antrieb gibt.


Gleichzeitig mit der Entwicklung der Produktivkraft entwickelt
sich die höhere Zusammensetzung des Kapitals, die relative Ab-
nahme des variablen Theils gegen den konstanten.


Diese verschiednen Einflüsse machen sich bald mehr neben ein-
ander im Raum, bald mehr nach einander in der Zeit geltend;
[231] periodisch macht sich der Konflikt der widerstreitenden Agentien
in Krisen Luft. Die Krisen sind immer nur momentane gewalt-
same Lösungen der vorhandnen Widersprüche, gewaltsame Erup-
tionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wieder
herstellen.


Der Widerspruch, ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin,
dass die kapitalistische Produktionsweise eine Tendenz einschliesst
nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehn vom
Werth und dem in ihm eingeschlossnen Mehrwerth, auch abgesehn
von den gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapi-
talistische Produktion stattfindet; während sie andrerseits die Er-
haltung des existirenden Kapitalwerths und seine Verwerthung im
höchsten Maß (d. h. stets beschleunigten Anwachs dieses Werths)
zum Ziel hat. Ihr specifischer Charakter ist auf den vorhandnen
Kapitalwerth als Mittel zur grösstmöglichen Verwerthung dieses
Werths gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht,
schliessen ein: Abnahme der Profitrate, Entwerthung des vorhandnen
Kapitals, und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf
Kosten der schon producirten Produktivkräfte.


Die periodische Entwerthung des vorhandnen Kapitals, die ein
der kapitalistischen Produktionsweise immanentes Mittel ist, den
Fall der Profitrate aufzuhalten und die Akkumulation von Kapital-
werth durch Bildung von Neukapital zu beschleunigen, stört die
gegebnen Verhältnisse, worin sich der Cirkulations- und Repro-
duktionsprocess des Kapitals vollzieht, und ist daher begleitet von
plötzlichen Stockungen und Krisen des Produktionsprocesses.


Die mit der Entwicklung der Produktivkräfte Hand in Hand
gehende relative Abnahme des variablen Kapitals gegen das kon-
stante gibt dem Anwachs der Arbeiterbevölkerung einen Stachel,
während sie fortwährend künstliche Uebervölkerung schafft. Die
Akkumulation des Kapitals, dem Werth nach betrachtet, wird ver-
langsamt durch die fallende Profitrate, um die Akkumulation des
Gebrauchswerths noch zu beschleunigen, während diese wieder die
Akkumulation, dem Werth nach, in beschleunigten Gang bringt.


Die kapitalistische Produktion strebt beständig diese ihr imma-
nenten Schranken zu überwinden, aber sie überwindet sie nur
durch Mittel, die ihr diese Schranken auf’s Neue und auf gewal-
tigerm Maßstab entgegenstellen.


Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das
Kapital selbst
, ist dies: dass das Kapital und seine Selbstver-
werthung als Ausgangspunkt und Endpunkt, als Motiv und Zweck
[232] der Produktion erscheint; dass die Produktion nur Produktion für
das Kapital ist und nicht umgekehrt die Produktionsmittel blosse
Mittel für eine stets sich erweiternde Gestaltung des Lebenspro-
cesses für die Gesellschaft der Producenten sind. Die Schranken,
in denen sich die Erhaltung und Verwerthung des Kapitalwerths,
die auf der Enteignung und Verarmung der grossen Masse der
Producenten beruht, allein bewegen kann, diese Schranken treten
daher beständig in Widerspruch mit den Produktionsmethoden, die
das Kapital zu seinem Zweck anwenden muss, und die auf unbe
schränkte Vermehrung der Produktion, auf die Produktion als
Selbstzweck, auf unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen
Produktivkräfte der Arbeit lossteuern. Das Mittel — unbedingte
Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte — geräth in
fortwährenden Konflikt mit dem beschränkten Zweck, der Ver-
werthung des vorhandnen Kapitals. Wenn daher die kapitalistische
Produktionsweise ein historisches Mittel ist, um die materielle
Produktivkraft zu entwickeln und den ihr entsprechenden Weltmarkt
zu schaffen, ist sie zugleich der beständige Widerspruch zwischen
dieser ihrer historischen Aufgabe und den ihr entsprechenden ge-
sellschaftlichen Produktionsverhältnissen.


III. Ueberfluss an Kapital bei Ueberfluss an Bevölkerung.

Mit dem Fall der Profitrate wächst das Kapitalminimum, das in
der Hand des einzelnen Kapitalisten zur produktiven Anwendung
der Arbeit erheischt ist; erheischt sowohl zu ihrer Exploitation
überhaupt, als dazu, dass die angewandte Arbeitszeit die zur Pro-
duktion der Waaren nothwendige Arbeitszeit sei, dass sie den
Durchschnitt der zur Produktion der Waaren gesellschaftlich noth-
wendigen Arbeitszeit nicht überschreite. Und gleichzeitig wächst
die Koncentration, weil jenseits gewisser Grenzen grosses Kapital
mit kleiner Profitrate rascher akkumulirt als kleines mit grosser
Diese wachsende Koncentration führt ihrerseits wieder auf einer
gewissen Höhe einen neuen Fall der Profitrate herbei. Die Masse
der kleinen zersplitterten Kapitale wird dadurch auf die Bahn der
Abenteuer gedrängt: Spekulation, Kreditschwindel, Aktienschwindel,
Krisen. Die sog. Plethora des Kapitals bezieht sich immer wesent-
lich auf die Plethora von Kapital, für das der Fall der Profitrate
nicht durch seine Masse aufgewogen wird — und dies sind immer
die neu sich bildenden frischen Kapitalableger — oder auf die
Plethora, welche diese, für sich selbst zur eignen Aktion un-
fähigen Kapitale den Leitern der grossen Geschäftszweige in der
[233] Form des Kredits zur Verfügung stellt. Diese Plethora des Ka-
pitals erwächst aus denselben Umständen, die eine relative Ueber-
bevölkerung hervorrufen, und ist daher eine, diese letztre ergänzende
Erscheinung, obgleich beide auf entgegengesetzten Polen stehn,
unbeschäftigtes Kapital auf der einen, und unbeschäftigte Arbeiter-
bevölkerung auf der andren Seite.


Ueberproduktion von Kapital, nicht von einzelnen Waaren —
obgleich die Ueberproduktion von Kapital stets Ueberproduktion
von Waaren einschliesst — heisst daher weiter nichts als Ueber-
akkumulation von Kapital. Um zu verstehn, was diese Ueber-
akkumulation ist (ihre nähere Untersuchung folgt weiter unten),
hat man sie nur absolut zu setzen. Wann wäre die Ueberpro-
duktion des Kapitals absolut? Und zwar eine Ueberproduktion, die
sich nicht auf dieses oder jenes oder auf ein paar bedeutende Ge-
biete der Produktion erstreckt, sondern in ihrem Umfang selbst
absolut wäre, also sämmtliche Produktionsgebiete einschlösse?


Es wäre eine absolute Ueberproduktion von Kapital vorhanden,
sobald das zusätzliche Kapital für den Zweck der kapitalistischen
Produktion = 0. Der Zweck der kapitalistischen Produktion ist
aber Verwerthung des Kapitals, d. h. Aneignung von Mehrarbeit,
Produktion von Mehrwerth, von Profit. Sobald also das Kapital
gewachsen wäre in einem Verhältniss zur Arbeiterbevölkerung, dass
weder die absolute Arbeitszeit, die diese Bevölkerung liefert, aus-
gedehnt, noch die relative Mehrarbeitszeit erweitert werden könnte
(das letztre wäre ohnehin nicht thubar in einem Fall, wo die Nach-
frage nach Arbeit so stark, also Tendenz zum Steigen der Löhne);
wo also das gewachsene Kapital nur ebensoviel oder selbst weniger
Mehrwerthsmasse producirt als vor seinem Wachsthum, so fände
eine absolute Ueberproduktion von Kapital statt; d. h. das ge-
wachsene Kapital C + ΔC produzirte nicht mehr Profit, oder gar
weniger Profit, als das Kapital C vor seiner Vermehrung durch ΔC.
In beiden Fällen fände auch ein starker und plötzlicher Fall in
der allgemeinen Profitrate statt, diesmal aber wegen eines Wechsels
in der Zusammensetzung des Kapitals, der nicht der Entwicklung
der Produktivkraft geschuldet wäre, sondern einem Steigen im
Geldwerth des variablen Kapitals (wegen der gestiegnen Löhne)
und der ihr entsprechenden Abnahme im Verhältniss der Mehr-
arbeit zur nothwendigen Arbeit.


In der Wirklichkeit würde sich die Sache so darstellen, dass
ein Theil des Kapitals ganz oder theilweis brach läge (weil es
erst das schon fungirende Kapital aus seiner Position verdrängen
[234] müsste, um sich überhaupt zu verwerthen) und der andre Theil,
durch den Druck des unbeschäftigten oder halbbeschäftigten Ka-
pitals sich zu niedrer Rate des Profits verwerthen würde. Es
wäre hierbei gleichgültig, dass ein Theil des zusätzlichen Kapitals
an die Stelle von altem träte, und dieses so eine Stelle im zusätz-
lichen einnähme. Wir hätten immer auf der einen Seite die alte
Kapitalsumme, auf der andern die zusätzliche. Der Fall der Profit-
rate wäre diesmal begleitet von einer absoluten Abnahme der
Profitmasse, da unter unsern Voraussetzungen die Masse der ange-
wandten Arbeitskraft nicht vermehrt und die Mehrwerthsrate nicht
gesteigert, also auch die Masse des Mehrwerths nicht vermehrt
werden könnte. Und die verminderte Profitmasse wäre zu be-
rechnen auf ein vergrössertes Gesammtkapital. — Aber gesetzt
auch, das beschäftigte Kapital führe fort, sich zur alten Profitrate
zu verwerthen, die Profitmasse bliebe also dieselbe, so berechnete
sie sich immer noch auf ein gewachsnes Gesammtkapital, und auch
dies schliesst einen Fall der Profitrate ein. Wenn ein Gesammt-
kapital von 1000 einen Profit von 100 abwarf, und nach seiner
Vermehrung auf 1500 ebenfalls nur 100 abwirft, so wirft im
zweiten Fall 1000 nur noch 66⅔ ab. Die Verwerthung des alten
Kapitals hätte absolut abgenommen. Das Kapital = 1000 würde
unter den neuen Umständen nicht mehr abwerfen als früher ein
Kapital = 666⅔.


Es ist aber klar, dass diese thatsächliche Entwerthung des alten
Kapitals nicht ohne Kampf stattfinden, dass das zusätzliche Kapital
von ΔC nicht ohne Kampf als Kapital fungiren könnte. Die Pro-
fitrate würde nicht sinken wegen Konkurrenz in Folge der Ueber-
produktion von Kapital. Sondern umgekehrt, weil die gesunkne
Profitrate und die Ueberproduktion von Kapital aus denselben Um-
ständen entspringen, würde jetzt der Konkurrenzkampf eintreten.
Den Theil von ΔC, der sich in den Händen der alten fungirenden
Kapitalisten befände, würden sie mehr oder weniger brach liegen
lassen, um ihr Originalkapital nicht selbst zu entwerthen und
seinen Platz innerhalb des Produktionsfeldes nicht zu verengern,
oder sie würden es anwenden, um selbst mit momentanem Verlust
die Brachlegung des zusätzlichen Kapitals auf die neuen Eindring-
linge und überhaupt auf ihre Konkurrenten zu schieben.


Der Theil von ΔC, der sich in neuen Händen befände, würde
seinen Platz auf Kosten des alten Kapitals einzunehmen suchen
und dies theilweise fertig bringen, indem er einen Theil des alten
Kapitals brach legte, es zwänge, ihm den alten Platz einzuräumen
[235] und selbst den Platz des nur theilweise oder gar nicht beschäf-
tigten Zusatzkapitals einzunehmen.


Eine Brachlegung von einem Theil des alten Kapitals müsste
unter allen Umständen stattfinden, eine Brachlegung in seiner
Kapitaleigenschaft, soweit es als Kapital fungiren und sich ver-
werthen soll. Welchen Theil diese Brachlegung besonders träfe,
entschiede der Konkurrenzkampf. Solange alles gut geht, agirt
die Konkurrenz, wie sich bei der Ausgleichung der allgemeinen
Profitrate gezeigt, als praktische Brüderschaft der Kapitalisten-
klasse, sodass sie sich gemeinschaftlich, im Verhältniss zur Grösse
des von jedem eingesetzten Looses, in die gemeinschaftliche Beute
theilt. Sobald es sich aber nicht mehr um Theilung des Profits
handelt, sondern um Theilung des Verlustes, sucht jeder soviel
wie möglich sein Quantum an demselben zu verringern und dem
andern auf den Hals zu schieben. Der Verlust ist unvermeidlich
für die Klasse. Wieviel aber jeder Einzelne davon zu tragen, wie
weit er überhaupt daran Theil zu nehmen hat, wird dann Frage
der Macht und der List, und die Konkurrenz verwandelt sich dann
in einen Kampf der feindlichen Brüder. Der Gegensatz zwischen
dem Interesse jedes einzelnen Kapitalisten und dem der Kapitalisten-
klasse macht sich dann geltend, ebenso wie vorher die Identität
dieser Interessen sich durch die Konkurrenz praktisch durchsetzte.


Wie würde sich nun dieser Konflikt wieder ausgleichen und die
der „gesunden“ Bewegung der kapitalistischen Produktion ent-
sprechenden Verhältnisse sich wieder herstellen? Die Weise der
Ausgleichung ist schon enthalten in dem blossen Aussprechen des
Konflikts, um dessen Ausgleichung es sich handelt. Sie schliesst
eine Brachlegung und selbst eine theilweise Vernichtung von Ka-
pital ein, zum Werthbetrag des ganzen Zusatzkapitals ΔC oder
doch eines Theils davon. Obgleich, wie schon aus der Darstellung
des Konflikts hervorgeht, die Vertheilung dieses Verlusts in keiner
Weise sich gleichmäßig auf die einzelnen Sonderkapitalien erstreckt,
sondern sich in einem Konkurrenzkampf entscheidet, worin je nach
den besondren Vortheilen oder bereits errungnen Positionen der
Verlust sich sehr ungleich und in sehr verschiedner Form ver-
theilt, sodass ein Kapital brachgelegt, ein andres vernichtet wird,
ein drittes nur relativen Verlust hat, oder nur vorübergehende Ent-
werthung erfährt u. s. w.


Unter allen Umständen aber würde sich das Gleichgewicht her-
stellen durch Brachlegung und selbst Vernichtung von Kapital in
grössrem oder geringrem Umfang. Dies würde sich erstrecken
[236] zum Theil auf die materielle Kapitalsubstanz; d. h. ein Theil der
Produktionsmittel, fixes und cirkulirendes Kapital würde nicht fun-
giren, nicht als Kapital wirken; ein Theil begonnener Produktions-
betriebe würde stillgesetzt werden. Obgleich, nach dieser Seite,
die Zeit alle Produktionsmittel (den Boden ausgenommen) angreift
und verschlechtert, fände hier in Folge der Funktionsstockung
weit stärkere wirkliche Zerstörung von Produktionsmitteln statt.
Die Hauptwirkung nach dieser Seite hin wäre jedoch, dass diese
Produktionsmittel aufhörten als Produktionsmittel thätig zu sein;
eine kürzere oder längere Zerstörung ihrer Funktion als Produk-
tionsmittel.


Die Hauptzerstörung, und mit dem akutesten Charakter, fände
statt mit Bezug auf das Kapital, soweit es Wertheigenschaft besitzt,
mit Bezug auf die Kapitalwerthe. Der Theil des Kapitalwerths,
der bloss in der Form von Anweisungen auf künftige Antheile am
Mehrwerth, am Profit steht, in der That lauter Schuldscheine auf
die Produktion unter verschiednen Formen, wird sofort entwerthet
mit dem Fall der Einnahmen, auf die er berechnet ist. Ein Theil
des baaren Goldes und Silbers liegt brach, fungirt nicht als Ka-
pital. Ein Theil der auf dem Markt befindlichen Waaren kann
seinen Cirkulations- und Reproduktionsprocess nur vollziehn durch
ungeheure Kontraktion seiner Preise, also durch Entwerthung des
Kapitals, das er darstellt. Ebenso werden die Elemente des fixen
Kapitals mehr oder minder entwerthet. Es kommt hinzu, dass
bestimmte, vorausgesetzte Preisverhältnisse den Reproduktionsprocess
bedingen, dieser daher durch den allgemeinen Preisfall in Stockung
und Verwirrung geräth. Diese Störung und Stockung paralysirt
die mit der Entwicklung des Kapitals gleichzeitig gegebne, auf
jenen vorausgesetzten Preisverhältnissen beruhende Funktion des
Geldes als Zahlungsmittel, unterbricht an hundert Stellen die Kette
der Zahlungsobligationen an bestimmten Terminen, wird noch ver-
schärft durch das damit gegebne Zusammenbrechen des gleichzeitig
mit dem Kapital entwickelten Kreditsystems und führt so zu hef-
tigen akuten Krisen, plötzlichen gewaltsamen Entwerthungen und
wirklicher Stockung und Sturz des Reproduktionsprocesses, und
damit zu wirklicher Abnahme der Reproduktion.


Gleichzeitig aber wären andre Agentien im Spiel gewesen. Die
Stockung der Produktion hätte einen Theil der Arbeiterklasse
brachgelegt und dadurch den beschäftigten Theil in Verhältnisse
gesetzt, worin er sich eine Senkung des Arbeitslohns, selbst unter
den Durchschnitt, gefallen lassen müsste; eine Operation, die für
[237] das Kapital ganz dieselbe Wirkung hat, als wenn beim Durch-
schnittslohn der relative oder absolute Mehrwerth erhöht worden
wäre. Die Prosperitätszeit hätte die Ehen unter den Arbeitern
begünstigt und die Decimation der Nachkommenschaft vermindert,
Umstände die — wie sehr sie eine wirkliche Vermehrung der Be-
völkerung einschliessen mögen — keine Vermehrung der wirklich
arbeitenden Bevölkerung einschliessen, aber im Verhältniss der
Arbeiter zum Kapital ganz so wirken, als ob sich die Anzahl der
wirklich fungirenden Arbeiter vermehrt hätte. Der Preisfall und
der Konkurrenzkampf hätten andrerseits jedem Kapitalisten einen
Stachel gegeben, den individuellen Werth seines Gesammtprodukts
durch Anwendung neuer Maschinen, neuer verbesserter Arbeits-
methoden, neuer Kombinationen, über dessen allgemeinen Werth
zu erhöhen, d. h. die Produktivkraft eines gegebnen Quantums Arbeit
zu steigern, das Verhältniss des variablen Kapitals zum konstanten
zu senken, und damit Arbeiter freizusetzen, kurz eine künstliche
Ueberbevölkerung zu schaffen. Ferner würde die Entwerthung der
Elemente des konstanten Kapitals selbst ein Element sein, das Er-
höhung der Profitrate einschlösse. Die Masse des angewandten
konstanten Kapitals, gegen das variable, wäre gewachsen, aber der
Werth dieser Masse könnte gefallen sein. Die eingetretne Stockung
der Produktion hätte eine spätere Erweiterung der Produktion —
innerhalb der kapitalistischen Grenzen — vorbereitet.


Und so würde der Zirkel von neuem durchlaufen. Ein Theil
des Kapitals, das durch Funktionsstockung entwerthet war, würde
seinen alten Werth wieder gewinnen. Im Uebrigen würde mit
erweiterten Produktionsbedingungen, mit einem erweiterten Markt,
und mit erhöhter Produktivkraft derselbe fehlerhafte Kreislauf
wieder durchgemacht werden.


Selbst aber unter der gemachten äussersten Voraussetzung ist
die absolute Ueberproduktion von Kapital keine absolute Ueber-
produktion überhaupt, keine absolute Ueberproduktion von Pro-
duktionsmitteln. Sie ist nur eine Ueberproduktion von Produktions-
mitteln, soweit diese als Kapital fungiren, und daher im Ver-
hältniss zu dem, mit ihrer angeschwollnen Masse geschwollnen
Werth, eine Verwerthung dieses Werths einschliessen, einen zu-
sätzlichen Werth erzeugen sollen.


Es wäre aber trotzdem Ueberproduktion, weil das Kapital un-
fähig würde die Arbeit in einem Exploitationsgrad auszubeuten,
der durch die „gesunde,“ „normale“ Entwicklung des kapitalistischen
Produktionsprocesses bedingt ist, in einem Exploitationsgrad, der
[238] wenigstens die Masse des Profits vermehrt mit der wachsenden
Masse des angewandten Kapitals; der also ausschliesst, dass die
Profitrate im selben Maß sinkt, wie das Kapital wächst, oder gar,
dass die Profitrate rascher sinkt als das Kapital wächst.


Ueberproduktion von Kapital heisst nie etwas andres als Ueber-
produktion von Produktionsmitteln — Arbeits- und Lebensmitteln —
die als Kapital fungiren können, d. h. zur Ausbeutung der Arbeit
zu einem gegebnen Exploitationsgrad angewandt werden können;
indem das Fallen dieses Exploitationsgrads unter einen gegebnen
Punkt Störungen und Stockungen des kapitalistischen Produktions-
processes, Krisen, Zerstörung von Kapital hervorruft. Es ist kein
Widerspruch, dass diese Ueberproduktion von Kapital begleitet ist
von einer mehr oder minder grossen relativen Ueberbevölkerung.
Dieselben Umstände, die die Produktivkraft der Arbeit erhöht, die
Masse der Waarenprodukte vermehrt, die Märkte ausgedehnt, die
Akkumulation des Kapitals, sowohl der Masse wie dem Werth nach,
beschleunigt und die Profitrate gesenkt haben, dieselben Umstände
haben eine relative Ueberbevölkerung erzeugt und erzeugen sie
beständig, eine Ueberbevölkerung von Arbeitern, die vom über-
schüssigen Kapital nicht angewandt wird wegen des niedrigen Ex-
ploitationsgrads der Arbeit, zu dem sie allein angewandt werden
könnte, oder wenigstens wegen der niedern Profitrate, die sie bei
gegebnem Exploitationsgrad abwerfen würde.


Wird Kapital ins Ausland geschickt, so geschieht es nicht, weil
es absolut nicht im Inland beschäftigt werden könnte. Es ge-
schieht, weil es zu höherer Profitrate im Auslande beschäftigt
werden kann. Dies Kapital ist aber absolut überschüssiges Kapital
für die beschäftigte Arbeiterbevölkerung und für das gegebne Land
überhaupt. Es existirt als solches neben der relativ überschüssigen
Bevölkerung, und dies ist ein Beispiel, wie die beiden neben ein-
ander existiren und sich wechselseitig bedingen.


Andrerseits bringt der mit der Akkumulation verbundne Fall
der Profitrate nothwendig einen Konkurrenzkampf hervor. Die
Kompensation des Falls der Profitrate durch die steigende Masse
des Profits gilt nur für das Gesammtkapital der Gesellschaft und
für die grossen, fertig eingerichteten Kapitalisten. Das neue, selb-
ständig fungirende Zusatzkapital findet keine solche Ersatzbedin-
gungen vor, es muss sie sich erst erringen, und so ruft der Fall
der Profitrate den Konkurrenzkampf unter den Kapitalen hervor,
nicht umgekehrt. Dieser Konkurrenzkampf ist allerdings begleitet
von vorübergehendem Steigen des Arbeitslohns und einer hieraus
[239] entspringenden ferneren zeitweiligen Senkung der Profitrate. Das-
selbe zeigt sich in der Ueberproduktion von Waaren, der Ueber-
füllung der Märkte. Da nicht Befriedigung der Bedürfnisse, sondern
Produktion von Profit Zweck des Kapitals, und da es diesen Zweck
nur durch Methoden erreicht, die die Produktionsmasse nach der
Stufenleiter der Produktion einrichtet, nicht umgekehrt, so muss
beständig ein Zwiespalt eintreten zwischen den beschränkten Dimen-
sionen der Konsumtion auf kapitalistischer Basis, und einer Pro-
duktion, die beständig über diese ihre immanente Schranke hinaus-
strebt. Uebrigens besteht das Kapital ja aus Waaren, und daher
schliesst die Ueberproduktion von Kapital die von Waaren ein.
Daher das sonderbare Phänomen, dass dieselben Oekonomen, die
die Ueberproduktion von Waaren leugnen, die von Kapital zugeben.
Wird gesagt, dass nicht allgemeine Ueberproduktion, sondern Dis-
proportion innerhalb der verschiednen Produktionszweige stattfinde,
so heisst dies weiter nichts, als dass innerhalb der kapitalistischen
Produktion die Proportionalität der einzelnen Produktionszweige
sich als beständiger Process aus der Disproportionalität darstellt,
indem hier der Zusammenhang der gesammten Produktion als
blindes Gesetz den Produktionsagenten sich aufzwingt, nicht als
von ihrem associirten Verstand begriffnes und damit beherrschtes
Gesetz den Produktionsprocess ihrer gemeinsamen Kontrolle unter-
worfen hat. Es wird weiter damit verlangt, dass Länder, wo die
kapitalistische Produktionsweise nicht entwickelt, in einem Grad
konsumiren und produciren sollen, wie er den Ländern der kapi-
talistischen Produktionsweise passt. Wird gesagt, dass die Ueber-
produktion nur relativ, so ist dies ganz richtig; aber die ganze
kapitalistische Produktionsweise ist eben nur eine relative Produk-
tionsweise, deren Schranken nicht absolut, aber für sie, auf ihrer
Basis, absolut sind. Wie könnte es sonst an Nachfrage für die-
selben Waaren fehlen, deren die Masse des Volks ermangelt, und
wie wäre es möglich, diese Nachfrage im Ausland suchen zu
müssen, auf fernen Märkten, um den Arbeitern zu Hause das
Durchschnittsmaß der nothwendigen Lebensmittel zahlen zu können?
Weil nur in diesem specifischen, kapitalistischen Zusammenhang
das überschüssige Produkt eine Form erhält, worin sein Inhaber
es nur dann der Konsumtion zur Verfügung stellen kann, sobald
es sich für ihn in Kapital rückverwandelt. Wird endlich gesagt,
dass die Kapitalisten ja selbst nur unter sich ihre Waaren auszu-
tauschen und aufzuessen haben, so wird der ganze Charakter der
kapitalistischen Produktion vergessen, und vergessen, dass es sich
[240] um die Verwerthung des Kapitals handelt, nicht um seinen Ver-
zehr. Kurz alle die Einwände, gegen die handgreiflichen Er-
scheinungen der Ueberproduktion (Erscheinungen, die sich nicht
um diese Einwände kümmern) laufen darauf hinaus, dass die
Schranken der kapitalistischen Produktion keine Schranken der
Produktion überhaupt sind, und daher auch keine Schranken
dieser specifischen, der kapitalistischen Produktionsweise. Der
Widerspruch dieser kapitalistischen Produktionsweise besteht aber
gerade in ihrer Tendenz zur absoluten Entwicklung der Produktiv-
kräfte, die beständig in Konflikt geräth mit den specifischen
Produktionsbedingungen, worin sich das Kapital bewegt und allein
bewegen kann.


Es werden nicht zu viel Lebensmittel producirt im Verhältniss
zur vorhandnen Bevölkerung. Umgekehrt. Es werden zu wenig
producirt um der Masse der Bevölkerung anständig und menschlich
zu genügen.


Es werden nicht zu viel Produktionsmittel producirt, um den
arbeitsfähigen Theil der Bevölkerung zu beschäftigen. Umgekehrt.
Es wird erstens ein zu grosser Theil der Bevölkerung producirt,
der thatsächlich nicht arbeitsfähig, der durch seine Umstände auf
Ausbeutung der Arbeit andrer angewiesen ist, oder auf Arbeiten,
die nur innerhalb einer miserablen Produktionsweise als solche
gelten können. Es werden zweitens nicht genug Produktions-
mittel producirt, damit die ganze arbeitsfähige Bevölkerung unter
den produktivsten Umständen arbeite, also ihre absolute Arbeits-
zeit verkürzt würde durch die Masse und Effektivität des während
der Arbeitszeit angewandten konstanten Kapitals.


Aber es werden periodisch zu viel Arbeitsmittel und Lebens-
mittel producirt, um sie als Exploitationsmittel der Arbeiter zu
einer gewissen Rate des Profits fungiren zu lassen. Es werden
zuviel Waaren producirt um den in ihnen enthaltnen Werth und
darin eingeschlossnen Mehrwerth unter den durch die kapitalistische
Produktion gegebnen Vertheilungsbedingungen und Konsumtions-
verhältnissen realisiren und in neues Kapital rückverwandeln zu
können, d. h. um diesen Process ohne beständig wiederkehrende
Explosionen auszuführen.


Es wird nicht zu viel Reichthum producirt. Aber es wird
periodisch zu viel Reichthum in seinen kapitalistischen, gegensätz-
lichen Formen producirt.


Die Schranke der kapitalistischen Produktionsweise tritt hervor:


1) Darin, dass die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit
[241] im Fall der Profitrate ein Gesetz erzeugt, das ihrer eignen Ent-
wicklung auf einen gewissen Punkt feindlichst gegenübertritt, und
daher beständig durch Krisen überwunden werden muss.


2) Darin, dass die Aneignung unbezahlter Arbeit, und das Ver-
hältniss dieser unbezahlten Arbeit zur vergegenständlichten Arbeit
überhaupt, oder, kapitalistisch ausgedrückt, dass der Profit, und
das Verhältniss dieses Profits zum angewandten Kapital, also eine
gewisse Höhe der Profitrate über Ausdehnung oder Beschränkung
der Produktion entscheidet, statt des Verhältnisses der Produktion
zu den gesellschaftlichen Bedürfnissen, zu den Bedürfnissen gesell-
schaftlich entwickelter Menschen. Es treten daher Schranken für
sie ein schon auf einem Ausdehnungsgrad der Produktion, der um-
gekehrt unter der andren Voraussetzung weitaus ungenügend er-
schiene. Sie kommt zum Stillstand, nicht wo die Befriedigung
der Bedürfnisse, sondern wo die Produktion und Realisirung von
Profit diesen Stillstand gebietet.


Sinkt die Profitrate, so einerseits Anspannung des Kapitals, da-
mit der einzelne Kapitalist durch bessre Methoden etc. den in-
dividuellen Werth seiner einzelnen Waaren unter ihren gesell-
schaftlichen Durchschnittswerth herabdrückt und so, bei gegebnem
Marktpreis, einen Extraprofit macht; andrerseits Schwindel und
allgemeine Begünstigung des Schwindels durch leidenschaftliche
Versuche in neuen Produktionsmethoden, neuen Kapitalanlagen,
neuen Abenteuern, um irgend einen Extraprofit zu sichern, der
vom allgemeinen Durchschnitt unabhängig ist und sich über ihn
erhebt.


Die Profitrate, d. h. der verhältnissmäßige Kapitalzuwachs ist
vor allem wichtig für alle neuen, sich selbständig gruppirenden
Kapitalableger. Und sobald die Kapitalbildung ausschliesslich in
die Hände einiger wenigen, fertigen Grosskapitale fiele, für die die
Masse des Profits die Rate aufwiegt, wäre überhaupt das belebende
Feuer der Produktion erloschen. Sie würde einschlummern. Die
Profitrate ist die treibende Macht in der kapitalistischen Produktion,
und es wird nur producirt, was und soweit es mit Profit producirt
werden kann. Daher die Angst der englischen Oekonomen über
die Abnahme der Profitrate. Dass die blosse Möglichkeit Ricardo
beunruhigt, zeigt gerade sein tiefes Verständniss der Bedingungen
der kapitalistischen Produktion. Was ihm vorgeworfen wird, dass
er, um die „Menschen“ unbekümmert, bei Betrachtung der kapi-
talistischen Produktion nur die Entwicklung der Produktivkräfte
im Auge hat — mit welchen Opfern an Menschen und Kapital
Marx, Kapital III. 16
[242]werthen immer erkauft — ist gerade das Bedeutende an ihm.
Die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit
ist die historische Aufgabe und Berechtigung des Kapitals. Eben
damit schafft es unbewusst die materiellen Bedingungen einer
höhern Produktionsform. Was Ricardo beunruhigt, ist dass die
Profitrate, der Stachel der kapitalistischen Produktion, und Be-
dingung wie Treiber der Akkumulation, durch die Entwicklung
der Produktion selbst gefährdet wird. Und das quantitative Ver-
hältniss ist hier alles. Es liegt in der That etwas Tieferes zu
Grunde, das er nur ahnt. Es zeigt sich hier in rein ökonomischer
Weise, d. h. vom Bourgeoisstandpunkt, innerhalb der Grenzen des
kapitalistischen Verstandes, vom Standpunkt der kapitalistischen
Produktion selbst, ihre Schranke, ihre Relativität, dass sie keine
absolute, sondern nur eine historische, einer gewissen beschränkten
Entwicklungsepoche der materiellen Produktionsbedingungen ent-
sprechende Produktionsweise ist.


IV. Nachträge.

Da die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit sehr ungleich
in verschiednen Industriezweigen, und nicht nur dem Grad nach
ungleich, sondern oft in entgegengesetzter Richtung erfolgt, so er-
gibt sich, dass die Masse des Durchschnittsprofits (= Mehrwerth)
sehr unter der Höhe stehn muss, die nach der Entwicklung der
Produktivkraft in den fortgeschrittensten Industriezweigen zu ver-
muthen wäre. Dass die Entwicklung der Produktivkraft in den
verschiednen Industriezweigen nicht nur in sehr verschiednen Pro-
portionen, sondern oft in entgegengesetzter Richtung vorgeht, ent-
springt nicht nur aus der Anarchie der Konkurrenz und der Eigen-
thümlichkeit der bürgerlichen Produktionsweise. Die Produktivität
der Arbeit ist auch an Naturbedingungen gebunden, die oft minder
ergiebig werden im selben Verhältniss wie die Produktivität —
soweit sie von gesellschaftlichen Bedingungen abhängt — steigt.
Daher entgegengesetzte Bewegung in diesen verschiednen Sphären,
Fortschritt hier, Rückschritt dort. Man bedenke z. B. den blossen
Einfluss der Jahreszeiten, wovon die Menge des grössten Theils
aller Rohstoffe abhängt, Erschöpfung von Waldungen, Kohlen- und
Eisenbergwerken etc.


Wenn der cirkulirende Theil des konstanten Kapitals, Rohstoff etc.,
der Masse nach stets wächst im Verhältniss der Produktivkraft der
Arbeit, so ist dies nicht der Fall mit dem fixen Kapital, Gebäuden,
Maschinerie, Vorrichtungen für Beleuchtung, Heizung etc. Ob-
[243] gleich mit der anwachsenden Körpermasse die Maschine absolut
theurer, wird sie relativ wohlfeiler. Wenn fünf Arbeiter zehnmal
soviel Waaren produciren wie früher, verzehnfacht sich deswegen
nicht die Auslage an fixem Kapital; obgleich der Werth dieses
Theils des konstanten Kapitals wächst mit der Entwicklung der
Produktivkraft, wächst er bei weitem nicht in demselben Verhält-
niss. Es wurde schon mehrfach hervorgehoben der Unterschied
des Verhältnisses von konstantem Kapital zu variablem, wie es
sich im Fallen der Profitrate ausdrückt, und desselben Verhält-
nisses, wie es sich, mit Entwicklung der Produktivität der Arbeit,
mit Bezug auf die einzelne Waare und ihren Preis darstellt.


[Der Werth der Waare ist bestimmt durch die Gesammt-Arbeits-
zeit, vergangne und lebendige, die in sie eingeht. Die Steigerung
der Produktivität der Arbeit besteht eben darin, dass der Antheil
der lebendigen Arbeit vermindert, der der vergangnen Arbeit ver-
mehrt wird, aber so, dass die Gesammtsumme der in der Waare
steckenden Arbeit abnimmt; dass also die lebendige Arbeit um
mehr abnimmt als die vergangne zunimmt. Die im Werth einer
Waare verkörperte vergangne Arbeit — der konstante Kapital-
theil — besteht theils aus Verschleiss von fixem, theils aus cir-
kulirendem, ganz in die Waare eingegangnem, konstantem Kapital —
Roh- und Hülfsstoff. Der aus Roh- und Hülfsstoff entspringende
Werththeil muss sich mit der Produktivität der Arbeit verringern,
weil diese Produktivität mit Bezug auf diese Stoffe sich eben darin
zeigt, dass ihr Werth gesunken ist. Dagegen ist es grade das
Charakteristische der steigenden Produktivkraft der Arbeit, dass
der fixe Theil des konstanten Kapitals eine sehr starke Vermeh-
rung erfährt, und damit auch der Werththeil desselben, der sich
durch den Verschleiss auf die Waaren überträgt. Damit nun eine
neue Produktionsmethode sich als wirkliche Steigerung der Produkti-
vität bewähre, muss sie auf die einzelne Waare einen geringern zusätz-
lichen Werththeil für Verschleiss von fixem Kapital übertragen,
als der abzügliche Werththeil ist, der in Folge verminderter leben-
diger Arbeit erspart wird, muss sie in einem Wort den Werth
der Waare vermindern. Sie muss dies selbstredend, auch wenn,
wie in einzelnen Fällen geschieht, ausser dem zusätzlichen Ver-
schleisstheil des fixen Kapitals, ein zusätzlicher Werththeil für
vermehrte oder theurere Roh- oder Hülfsstoffe in die Werthbildung
der Waare eingeht. Alle Werthzuschläge müssen mehr als auf-
gewogen werden durch die Werthverminderung, die aus Verringerung
der lebendigen Arbeit entsteht.


16*
[244]

Diese Verminderung des in die Waare eingehenden Gesammt-
Arbeitsquantums scheint hiernach das wesentliche Kennzeichen ge-
steigerter Produktivkraft der Arbeit zu sein, gleichgültig unter
welchen gesellschaftlichen Bedingungen producirt wird. In einer
Gesellschaft, worin die Producenten ihre Produktion nach einem
voraus entworfnen Plan regeln, ja selbst in der einfachen Waaren-
produktion würde die Produktivität der Arbeit auch unbedingt
nach diesem Maßstab gemessen. Wie steht es aber in der kapi-
talistischen Produktion?


Gesetzt ein bestimmter kapitalistischer Produktionszweig produ-
cire das Normalstück seiner Waare unter folgenden Bedingungen:
Der Verschleiss des fixen Kapitals beträgt per Stück ½ Schilling
oder Mark; an Roh- und Hülfsstoff geht ein 17½ sh.; an Arbeits-
lohn 2 sh., und bei einer Mehrwerthsrate von 100 % beträgt der
Mehrwerth 2 sh. Gesammtwerth = 22 Schilling oder Mark. Wir
nehmen der Einfachheit halber an, dass in diesem Produktionszweig
das Kapital die Durchschnittszusammensetzung des gesellschaft-
lichen Kapitals hat, dass also der Produktionspreis der Waare
mit ihrem Werth zusammenfällt, und der Profit des Kapitalisten
mit dem gemachten Mehrwerth. Dann ist der Kostpreis der Waare
= ½ + 17½ + 2 = 20 sh., die Durchschnittsprofitrate \frac{2}{20} = 10 %,
und der Produktionspreis des Stücks Waare gleich seinem Werth
= 22 sh. oder Mark.


Nehmen wir an, eine Maschine werde erfunden, die die für jedes
Stück erforderliche lebendige Arbeit auf die Hälfte reducire, dafür
aber den aus Verschleiss des fixen Kapitals bestehenden Werth-
theil verdreifache. Dann stellt sich die Sache so: Verschleiss =
1½ sh., Roh- und Hülfsstoff wie früher 17½ sh. Arbeitslohn
1 sh., Mehrwerth 1 sh., zusammen 21 sh. oder Mark. Die Waare
ist nun 1 sh. im Werth gesunken; die neue Maschine hat die
Produktivkraft der Arbeit entschieden gesteigert. Für den Kapi-
talisten aber stellt sich die Sache so: sein Kostpreis ist jetzt: 1½ sh.
Verschleiss, 17½ sh. Roh- und Hülfsstoff, 1 sh. Arbeitslohn, zu-
sammen 20 sh., wie vorher. Da die Profitrate sich durch die neue
Maschine nicht ohne weiteres ändert, muss er 10 % über dem
Kostpreis erhalten, macht 2 sh.; der Produktionspreis ist also un-
verändert = 22 sh., aber 1 sh. über dem Werth. Für eine unter
kapitalistischen Bedingungen producirende Gesellschaft hat sich die
Waare nicht verwohlfeilert, ist die neue Maschine keine Ver-
besserung. Der Kapitalist hat also kein Interesse daran, die neue
[245] Maschine einzuführen. Und da er durch ihre Einführung seine
bisherige, noch nicht verschlissene Maschinerie einfach werthlos
machen, sie in blosses altes Eisen verwandeln, also positiven Ver-
lust erleiden würde, hütet er sich sehr vor dieser, für ihn utopischen
Dummheit.


Für das Kapital also gilt das Gesetz der gesteigerten Produktiv-
kraft der Arbeit nicht unbedingt. Für das Kapital wird diese
Produktivkraft gesteigert, nicht wenn überhaupt an der lebendigen
Arbeit, sondern nur wenn an dem bezahlten Theil der lebendigen
Arbeit mehr erspart als an vergangner Arbeit zugesetzt wird, wie
dies bereits Buch I, Kap. XIII, 2, Seite 409/398 kurz angedeutet
worden. Hier fällt die kapitalistische Produktionsweise in einen
neuen Widerspruch. Ihr historischer Beruf ist die rücksichtslose,
in geometrischer Progressive vorangetriebne Entfaltung der Pro-
duktivität der menschlichen Arbeit. Diesem Beruf wird sie untreu
sobald sie, wie hier, der Entfaltung der Produktivität hemmend
entgegen tritt. Sie beweist damit nur aufs neue, dass sie alters-
schwach wird und sich mehr und mehr überlebt.]37)


In der Konkurrenz erscheint das steigende Minimum des, mit
Steigerung der Produktivkraft für den erfolgreichen Betrieb eines
selbständigen industriellen Geschäfts nöthig werdenden Kapitals
so: Sobald die neue kostspieligere Betriebseinrichtung allgemein ein-
geführt, werden kleinere Kapitale in Zukunft von dem Betrieb aus-
geschlossen. Nur im Beginn mechanischer Erfindungen in den
verschiednen Produktionssphären können hier kleinere Kapitale
selbständig fungiren. Andrerseits werfen sehr grosse Unterneh-
mungen, mit ausserordentlich hohem Verhältniss von konstantem
Kapital, wie Eisenbahnen, nicht die Durchschnittsprofitrate ab,
sondern nur einen Theil derselben, einen Zins. Sonst sänke die
allgemeine Profitrate noch tiefer. Dagegen findet hier auch eine
grosse Kapitalansammlung, in Form von Aktien, ein direktes Be-
schäftigungsfeld.


Wachsthum des Kapitals, also Akkumulation des Kapitals schliesst
nur Verminderung der Profitrate ein, soweit mit diesem Wachsthum
die oben betrachteten Veränderungen im Verhältniss der organischen
Bestandtheile des Kapitals eintreten. Nun aber, trotz der bestän-
digen, täglichen Umwälzungen der Produktionsweise, fährt bald
[246] dieser bald jener, grössere oder kleinere Theil des Gesammtkapitals
für gewisse Zeiträume fort, auf der Basis eines gegebnen Durch-
schnittsverhältnisses jener Bestandtheile zu akkumuliren, sodass mit
seinem Wachsthum kein organischer Wechsel, also auch nicht die
Ursachen des Falls der Profitrate gegeben sind. Diese beständige
Vergrösserung des Kapitals, also auch Ausdehnung der Produktion,
auf Grundlage der alten Produktionsmethode, die ruhig vorangeht,
während nebenan schon die neuen Methoden eingeführt werden,
ist wiederum eine Ursache, wesshalb die Profitrate nicht in dem-
selben Maß abnimmt, worin das Gesammtkapital der Gesellschaft
wächst.


Die Vermehrung der absoluten Arbeiteranzahl, trotz der verhält-
nissmäßigen Abnahme des variablen, in Arbeitslohn ausgelegten
Kapitals geht nicht in allen Produktionszweigen und nicht gleich-
mäßig in allen vor. In der Agrikultur kann die Abnahme des
Elements der lebendigen Arbeit absolut sein.


Uebrigens ist es nur das Bedürfniss der kapitalistischen Produk-
tionsweise, dass die Anzahl der Lohnarbeiter sich absolut vermehre,
trotz ihrer relativen Abnahme. Für sie werden schon Arbeits-
kräfte überflüssig, sobald es nicht mehr nothwendig, sie 12—15
Stunden täglich zu beschäftigen. Eine Entwicklung der Produk-
tivkräfte, welche die absolute Anzahl der Arbeiter verminderte, d. h.,
in der That die ganze Nation befähigte, in einem geringern Zeit-
theil ihre Gesammtproduktion zu vollziehn, würde Revolution her-
beiführen, weil sie die Mehrzahl der Bevölkerung ausser Kurs setzen
würde. Hierin erscheint wieder die specifische Schranke der kapi-
talistischen Produktion, und dass sie keineswegs eine absolute Form
für die Entwicklung der Produktivkräfte und Erzeugung des Reich-
thums ist, vielmehr mit dieser auf einem gewissen Punkt in Kol-
lision tritt. Partiell erscheint diese Kollision in periodischen Krisen,
die aus der Ueberflüssigmachung bald dieses bald jenes Theils
der Arbeiterbevölkerung in ihrer alten Beschäftigungsweise hervor-
gehn. Ihre Schranke ist die überschüssige Zeit der Arbeiter. Die
absolute Ueberschusszeit, die die Gesellschaft gewinnt, geht sie
nichts an. Die Entwicklung der Produktivkraft ist ihr nur wichtig,
sofern sie die Mehrarbeitszeit der Arbeiterklasse vermehrt, nicht
die Arbeitszeit für die materielle Produktion überhaupt vermindert;
sie bewegt sich so im Gegensatze.


Man hat gesehn, dass die wachsende Akkumulation des Kapitals
eine wachsende Koncentration desselben einschliesst. So wächst
die Macht des Kapitals, die im Kapitalisten personificirte Ver-
[247] selbständigung der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen gegen-
über den wirklichen Producenten. Das Kapital zeigt sich immer
mehr als gesellschaftliche Macht, deren Funktionär der Kapitalist
ist, und die in gar keinem möglichen Verhältnisse mehr zu dem
steht, was die Arbeit eines einzelnen Individuums schaffen kann —
aber als entfremdete, verselbständigte gesellschaftliche Macht, die
als Sache, und als Macht des Kapitalisten durch diese Sache, der
Gesellschaft gegenübertritt. Der Widerspruch zwischen der allge-
meinen gesellschaftlichen Macht, zu der sich das Kapital gestaltet,
und der Privatmacht der einzelnen Kapitalisten über diese gesell-
schaftlichen Produktionsbedingungen entwickelt sich immer schrei-
ender und schliesst die Auflösung dieses Verhältnisses ein, indem
sie zugleich die Herausarbeitung der Produktionsbedingungen zu
allgemeinen, gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktionsbe-
dingungen einschliesst. Diese Herausarbeitung ist gegeben durch die
Entwicklung der Produktivkräfte unter der kapitalistischen Pro-
duktion, und durch die Art und Weise, worin sich diese Entwick-
lung vollzieht.


Kein Kapitalist wendet eine neue Produktionsweise, sie mag noch
so viel produktiver sein oder um noch so viel die Rate des Mehr-
werths vermehren, freiwillig an, sobald sie die Profitrate vermindert.
Aber jede solche neue Produktionsweise verwohlfeilert die Waaren.
Er verkauft sie daher ursprünglich über ihrem Produktionspreis,
vielleicht über ihrem Werth. Er steckt die Differenz ein, die
zwischen ihren Produktionskosten und dem Marktpreis der übrigen,
zu höheren Produktionskosten producirten Waaren besteht. Er
kann dies, weil der Durchschnitt der zur Produktion dieser Waaren
gesellschaftlich erheischten Arbeitszeit grösser ist als die mit der
neuen Produktionsweise erheischte Arbeitszeit. Seine Produktions-
procedur steht über dem Durchschnitt der gesellschaftlichen. Aber
die Konkurrenz verallgemeinert sie und unterwirft sie dem allge-
meinen Gesetz. Dann tritt das Sinken der Profitrate ein — viel-
leicht zuerst in dieser Produktionssphäre, und gleicht sich nachher
mit den andren aus — das also ganz und gar unabhängig ist vom
Willen der Kapitalisten.


Zu diesem Punkt ist noch zu bemerken, dass dies selbe Gesetz
auch in den Produktionssphären herrscht, deren Produkt weder
direkt noch indirekt in die Konsumtion des Arbeiters oder in die
Produktionsbedingungen seiner Lebensmittel eingeht; also auch in
den Produktionssphären, worin keine Verwohlfeilerung der Waaren
[248] den relativen Mehrwerth vermehren, die Arbeitskraft verwohlfeilern
kann. (Allerdings kann Verwohlfeilerung des konstanten Kapitals
in allen diesen Zweigen die Profitrate erhöhen bei gleichbleibender
Exploitation des Arbeiters.) Sobald die neue Produktionsweise
anfängt sich auszubreiten, und damit der Beweis thatsächlich ge-
liefert ist, dass diese Waaren wohlfeiler producirt werden können,
müssen die Kapitalisten, die unter den alten Produktionsbedingungen
arbeiten, ihr Produkt unter ihrem vollen Produktionspreis ver-
kaufen, weil der Werth dieser Waare gefallen ist, die von ihnen
zur Produktion erheischte Arbeitszeit über der gesellschaftlichen
steht. Mit einem Wort — es erscheint dies als Wirkung der
Konkurrenz — sie müssen ebenfalls die neue Produktionsweise
einführen, worin das Verhältniss des variablen Kapitals zum kon-
stanten vermindert ist.


Alle Umstände, die bewirken, dass die Anwendung der Maschi-
nerie den Preis der damit producirten Waaren verwohlfeilert, redu-
ciren sich stets auf Verringerung des Quantums Arbeit, das von
einer einzelnen Waare absorbirt wird; zweitens aber auf Verrin-
gerung des Verschleisstheils der Maschinerie, dessen Werth in die
einzelne Waare eingeht. Je weniger rasch der Verschleiss der
Maschinerie, auf desto mehr Waaren vertheilt er sich, desto mehr
lebendige Arbeit ersetzt sie bis zu ihrem Reproduktionstermin.
In beiden Fällen vermehrt sich Quantum und Werth des fixen
konstanten Kapitals gegenüber dem variablen.


„All other things being equal, the power of a nation to save
from its profits varies with the rate of profits, is great when they
are high, less, when low; but as the rate of profit declines, all
other things do not remain equal . . . . A low rate of profit is
ordinarily accompanied by a rapid rate of accumulation, relatively
to the numbers of the people, as in England . . . . a high rate of
profit by a slower rate of accumulation, relatively to the numbers
of the people.“ Beispiele: Polen, Russland, Indien etc. (Richard
Jones, An Introductory Lecture on Pol. Econ. London 1833. p. 50
et seq.) Jones hebt richtig hervor, dass trotz der fallenden Profit-
rate die inducements and faculties to accumulate sich vermehren.
Erstens wegen der wachsenden relativen Ueberbevölkerung. Zweitens
weil mit der wachsenden Produktivität der Arbeit die Masse der
von demselben Tauschwerth dargestellten Gebrauchswerthe, also der
sachlichen Elemente des Kapitals wachsen. Drittens weil sich die
Produktionszweige vermannigfachen. Viertens durch Entwicklung
des Kreditsystems, der Aktiengesellschaften etc. und der damit
[249] gegebnen Leichtigkeit, Geld in Kapital zu verwandeln, ohne selbst
industrieller Kapitalist zu werden. Fünftens Wachsen der Bedürf-
nisse und der Bereicherungssucht. Sechstens wachsende Massen-
anlage von fixem Kapital u. s. w.


Drei Hauptthatsachen der kapitalistischen Produktion:


1) Koncentration der Produktionsmittel in wenigen Händen, wo-
durch sie aufhören als Eigenthum der unmittelbaren Arbeiter zu
erscheinen, und sich dagegen in gesellschaftliche Potenzen der Pro-
duktion verwandeln. Wenn auch zuerst als Privateigenthum der
Kapitalisten. Diese sind Trustees der bürgerlichen Gesellschaft,
aber sie sacken alle Früchte dieser Trusteeschaft ein.


2) Organisation der Arbeit selbst, als gesellschaftlicher: Durch
Kooperation, Theilung der Arbeit, und Verbindung der Arbeit mit
der Naturwissenschaft.


Nach beiden Seiten hebt die kapitalistische Produktionsweise das
Privateigenthum und die Privatarbeit auf, wenn auch in gegen-
sätzlichen Formen.


3) Herstellung des Weltmarkts.


Die ungeheure Produktivkraft, im Verhältniss der Bevölkerung,
die innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise sich entwickelt
und, wenn auch nicht im selben Verhältniss, das Wachsen der
Kapitalwerthe (nicht nur ihres materiellen Substrats) die viel rascher
wachsen als die Bevölkerung, widerspricht der, relativ zum wach-
senden Reichthum, immer schmaler werdenden Basis, für die diese
ungeheure Produktivkraft wirkt und den Verwerthungsverhältnissen
dieses schwellenden Kapitals. Daher die Krisen.


[[250]]

Vierter Abschnitt.
Verwandlung von Waarenkapital und Geldkapital in
Waarenhandlungskapital und Geldhandlungskapital
(kaufmännisches Kapital).


Sechzehntes Kapitel.
Das Waarenhandlungskapital.


Das kaufmännische oder Handelskapital zerfällt in zwei Formen
oder Unterarten, Waarenhandlungskapital und Geldhandlungskapital,
die wir jetzt näher charakterisiren werden, soweit es zur Analyse
des Kapitals in seiner Kernstruktur nöthig ist. Und es ist um so
nöthiger, als die moderne Oekonomie, selbst in ihren besten Re-
präsentanten, das Handelskapital direkt mit dem industriellen Ka-
pital zusammenwirft und seine charakteristischen Eigenthümlich-
keiten in der That ganz übersieht.


Die Bewegung des Waarenkapitals ist in Buch II analysirt
worden. Das Gesammtkapital der Gesellschaft betrachtet, befindet
sich stets ein Theil desselben, obgleich aus stets andren Elementen
zusammengesetzt, und selbst von wechselnder Grösse, als Waare
auf dem Markt, um in Geld überzugehn; ein andrer Theil in Geld
auf dem Markt, um in Waare überzugehn. Es ist stets in der
Bewegung dieses Uebergehns, dieser formellen Metamorphose be-
griffen. Sofern diese Funktion des im Cirkulationsprocess befind-
lichen Kapitals überhaupt als besondre Funktion eines besondren
Kapitals verselbständigt wird, sich fixirt als eine, durch die Thei-
lung der Arbeit einer besondren Gattung von Kapitalisten zuge-
wiesene Funktion, wird das Waarenkapital zum Waarenhandlungs-
kapital oder kommerziellen Kapital.


Es ist (Buch II, Kap. VI, die Cirkulationskosten, 2 und 3) aus-
einandergesetzt worden, wie weit Transportindustrie, Aufbewahrung
und Vertheilung der Waaren in einer distributablen Form als Pro-
duktionsprocesse zu betrachten sind, die innerhalb des Cirkulations-
processes fortdauern. Diese Zwischenfälle der Cirkulation des
Waarenkapitals werden zum Theil verwechselt mit den eigenthüm-
lichen Funktionen des kaufmännischen oder Waarenhandlungs-
[251] kapitals; zum Theil finden sie sich mit dessen eigenthümlichen
specifischen Funktionen in der Praxis verbunden, obgleich mit der
Entwicklung der gesellschaftlichen Theilung der Arbeit die Funktion
des Kaufmannskapitals sich auch rein herausarbeitet, d. h. ge-
schieden von jenen realen Funktionen und selbständig gegen sie.
Für unsern Zweck, wo es gilt die specifische Differenz dieser be-
sondren Gestalt des Kapitals zu bestimmen, ist von jenen Funk-
tionen also zu abstrahiren. Soweit das bloss im Circulationsprocess
fungirende Kapital, speciell das Waarenhandlungskapital, zum Theil
jene Funktionen mit den seinen verbindet, tritt es nicht in seiner
reinen Form hervor. Nach der Abstreifung und Entfernung jener
Funktionen haben wir die reine Form desselben.


Man hat gesehn, dass das Dasein des Kapitals als Waarenkapital
und die Metamorphose, die es innerhalb der Cirkulationssphäre,
auf dem Markt, als Waarenkapital durchläuft — eine Metamor-
phose, die sich in Kaufen und Verkaufen auflöst, Verwandlung
von Waarenkapital in Geldkapital und von Geldkapital in Waaren-
kapital — eine Phase des Reproduktionsprocesses des industriellen
Kapitals bildet, also seines Gesammtproduktionsprocesses; dass es
sich zugleich aber in dieser seiner Funktion als Cirkulationskapital
von sich selbst als produktivem Kapital unterscheidet. Es sind
zwei gesonderte, unterschiedne Existenzformen desselben Kapitals.
Ein Theil des gesellschaftlichen Gesammtkapitals befindet sich fort-
während in dieser Existenzform als Cirkulationskapital auf dem
Markt, im Process dieser Metamorphose begriffen, obgleich für
jedes einzelne Kapital sein Dasein als Waarenkapital, und seine
Metamorphose als solches, nur einen beständig verschwindenden
und beständig erneuerten Durchgangspunkt, ein Durchgangsstadium
der Kontinuität seines Produktionsprocesses bildet, und obgleich
daher die Elemente des auf dem Markt befindlichen Waaren-
kapitals beständig wechseln, indem sie beständig dem Waarenmarkt
entzogen und ihm ebenso beständig als neues Produkt des Produk-
tionsprocesses zurückgegeben werden.


Das Waarenhandlungskapital nun ist nichts als die verwandelte
Form eines Theils dieses beständig auf dem Markt befindlichen,
in dem Process der Metamorphose befindlichen und stets von der
Cirkulationssphäre umfangenen Cirkulationskapitals. Wir sagen
eines Theils, weil ein Theil des Waarenverkaufs und -Kaufs be-
ständig direkt zwischen den industriellen Kapitalisten selbst vor-
geht. Von diesem Theil abstrahiren wir ganz in dieser Unter-
suchung, da er zur Begriffsbestimmung, zur Einsicht in die specifische
[252] Natur des Kaufmannskapitals nichts beiträgt, und andrerseits für
unsern Zweck erschöpfend bereits in Buch II dargestellt worden.


Der Waarenhändler, als Kapitalist überhaupt, tritt zunächst auf
den Markt als Repräsentant einer gewissen Geldsumme, die er als
Kapitalist vorschiesst, d. h. die er aus x (dem ursprünglichen Werth
der Summe) in x + Δ x (diese Summe plus dem Profit darauf)
verwandeln will. Aber für ihn nicht nur als Kapitalisten über-
haupt, sondern speciell als Waarenhändler, ist es selbstredend, dass
sein Kapital ursprünglich in der Form des Geldkapitals auf dem
Markt erscheinen muss, denn er producirt keine Waaren, sondern
handelt nur mit ihnen, vermittelt ihre Bewegung, und um mit
ihnen zu handeln, muss er sie zuerst kaufen, also Besitzer von
Geldkapital sein.


Gesetzt, ein Waarenhändler besitze 3000 £, die er als Hand-
lungskapital verwerthet. Er kauft mit diesen 3000 £ z. B.
30,000 Ellen Leinwand vom Leinwandfabrikanten, die Elle zu 2 sh.
Er verkauft diese 30,000 Ellen. Wenn die jährliche Durchschnitts-
profitrate = 10 %, und er nach Abzug aller Nebenkosten 10 %
jährlichen Profit macht, so hat er am Ende des Jahrs die 3000 £
in 3300 £ verwandelt. Wie er diesen Profit macht, ist eine Frage,
die wir erst später behandeln. Hier wollen wir zunächst die blosse
Form der Bewegung seines Kapitals betrachten. Er kauft mit den
3000 £ beständig Leinwand und verkauft beständig diese Lein_
wand; wiederholt beständig diese Operation des Kaufens um zu
verkaufen, G — W — G', die einfache Form des Kapitals, wie es
ganz in den Cirkulationsprocess gebannt ist, ohne durch das Inter-
vall des Produktionsprocesses, der ausserhalb seiner eignen Bewe-
gung und Funktion liegt, unterbrochen zu werden.


Welches ist nun das Verhältniss dieses Waarenhandlungskapitals
zum Waarenkapital als einer blossen Existenzform des industriellen
Kapitals? Was den Leinwandfabrikanten betrifft, so hat er mit
dem Geld des Kaufmanns den Werth seiner Leinwand realisirt, die
erste Phase der Metamorphose seines Waarenkapitals, dessen Ver-
wandlung in Geld, vollzogen, und kann nun, bei sonst gleich-
bleibenden Umständen, das Geld rückverwandeln in Garn, Kohle,
Arbeitslohn etc., andrerseits in Lebensmittel etc. zum Verzehr
seiner Revenue; also, abgesehn von der Revenueausgabe, im Repro-
duktionsprocess fortfahren.


Aber obgleich für ihn, den Producenten der Leinwand, ihre
Metamorphose in Geld, ihr Verkauf stattgefunden hat, hat sie noch
nicht stattgefunden für die Leinwand selbst. Sie befindet sich nach
[253] wie vor auf dem Markt als Waarenkapital mit der Bestimmung,
ihre erste Metamorphose zu vollziehn, verkauft zu werden. Mit
dieser Leinwand hat sich nichts zugetragen als ein Wechsel in
der Person ihres Besitzers. Ihrer eignen Bestimmung nach, ihrer
Stellung im Process nach, ist sie nach wie vor Waarenkapital,
verkäufliche Waare; nur dass sie jetzt in der Hand des Kauf-
manns, statt früher des Producenten ist. Die Funktion sie zu ver-
kaufen, die erste Phase ihrer Metamorphose zu vermitteln, ist dem
Producenten durch den Kaufmann abgenommen und in sein be-
sondres Geschäft verwandelt worden, während es früher eine Funk-
tion war, die dem Producenten zu verrichten blieb, nachdem er die
Funktion, sie zu produciren, erledigt hatte.


Gesetzt, es gelinge dem Kaufmann nicht, die 30,000 Ellen zu
verkaufen während des Intervalls, das der Leinwandproducent
braucht, um von neuem 30,000 Ellen zum Werth von 3000 £ auf
den Markt zu werfen. Der Kaufmann kann sie nicht von neuem
kaufen, weil er noch die 30,000 unverkauften Ellen auf Lager hat,
und sie ihm noch nicht rückverwandelt sind in Geldkapital. Es
tritt dann Stockung ein, Unterbrechung der Reproduktion. Der
Leinwandproducent könnte allerdings zuschüssiges Geldkapital zur
Verfügung haben, das er, unabhängig vom Verkauf der 30,000
Ellen, fähig wäre in produktives Kapital zu verwandeln und so
den Produktionsprocess fortzuführen. Aber diese Unterstellung
ändert an der Sache nichts. Soweit das in den 30,000 Ellen vor-
geschossne Kapital in Betracht kommt, ist und bleibt dessen Re-
produktionsprocess unterbrochen. Hier zeigt es sich also in der
That handgreiflich, dass die Operationen des Kaufmanns weiter
nichts sind als die Operationen, die überhaupt verrichtet werden
müssen, um das Waarenkapital des Producenten in Geld zu ver-
wandeln; die Operationen, welche die Funktionen des Waaren-
kapitals im Cirkulations- und Reproduktionsprocess vermitteln.
Wenn statt eines unabhängigen Kaufmanns ein blosser Kommis
des Producenten sich ausschliesslich mit diesem Verkauf, und
ausserdem mit dem Einkauf, zu beschäftigen hätte, wäre dieser
Zusammenhang keinen Augenblick versteckt.


Das Waarenhandlungskapital ist also durchaus nichts andres als
das Waarenkapital des Producenten, das den Process seiner Ver-
wandlung in Geld durchzumachen, seine Funktion als Waaren-
kapital auf dem Markt zu verrichten hat, nur dass diese Funktion
statt als beiläufige Operation des Producenten, nun als ausschliess-
liche Operation einer besondren Gattung von Kapitalisten, der
[254] Waarenhändler, erscheint, verselbständigt wird als Geschäft einer
besondren Kapitalanlage.


Uebrigens zeigt sich dies auch in der specifischen Form der Cir-
kulation des Waarenhandlungskapitals. Der Kaufmann kauft die
Waare und verkauft sie dann: G — W — G'. In der einfachen
Waarencirkulation, oder selbst in der Waarencirkulation, wie sie als
Cirkulationsprocess des industriellen Kapitals erscheint, W'—G—W,
wird die Cirkulation dadurch vermittelt, dass jedes Geldstück zwei-
mal die Hände wechselt. Der Leinwandproducent verkauft seine
Waare, die Leinwand, verwandelt sie in Geld; das Geld des Käufers
geht in seine Hand über. Mit diesem selben Geld kauft er Garn,
Kohle, Arbeit etc., gibt dasselbe Geld wieder aus um den Werth
der Leinwand rückzuverwandeln in die Waaren, die die Produk-
tionselemente der Leinwand bilden. Die Waare, die er kauft, ist
nicht dieselbe Waare, nicht Waare derselben Art, wie die, die er
verkauft. Er hat Produkte verkauft und Produktionsmittel gekauft.
Aber es verhält sich anders in der Bewegung des Kaufmanns-
kapitals. Mit den 3000 £ kauft der Leinwandhändler 30,000 Ellen
Leinwand; er verkauft dieselben 30,000 Ellen Leinwand, um das
Geldkapital (3000 £ nebst Profit) aus der Cirkulation zurückzu-
ziehn. Hier wechseln also nicht dieselben Geldstücke, sondern
dieselbe Waare zweimal die Stelle; sie geht aus der Hand des
Verkäufers in die des Käufers und aus der Hand des Käufers, der
nun Verkäufer geworden, in die eines andren Käufers über. Sie
wird zweimal verkauft und kann noch mehrmals verkauft werden
bei Zwischenschieben einer Reihe von Kaufleuten; und gerade erst
durch diesen wiederholten Verkauf, den zweimaligen Stellenwechsel
derselben Waare, wird das im Ankauf der Waare vorgeschossne
Geld vom ersten Käufer zurückgezogen, der Rückfluss desselben
zu ihm vermittelt. In dem einen Fall W['] — G — W vermittelt
der zweimalige Stellenwechsel desselben Geldes, dass Waare in
einer Gestalt veräussert und in einer andren Gestalt angeeignet
wird. In dem andren Fall G—W—G' vermittelt der zweimalige
Stellenwechsel derselben Waare, dass das vorgeschossne Geld wieder
aus der Cirkulation zurückgezogen wird. Es zeigt sich eben darin,
dass die Waare noch nicht endgültig verkauft wird, sobald sie aus
der Hand des Producenten in die des Kaufmanns übergegangen,
dass der letztre die Operation des Verkaufs — oder die Vermitt-
lung der Funktion des Waarenkapitals — nur weiter fortführt.
Es zeigt sich aber zugleich darin, dass was für den produktiven
Kapitalisten W—G, eine blosse Funktion seines Kapitals in seiner
[255] vorübergehenden Gestalt als Waarenkapital, für den Kaufmann
G—W—G', eine besondre Verwerthung des von ihm vorge-
schossnen Geldkapitals ist. Eine Phase der Waarenmetamorphose
zeigt sich hier, mit Bezug auf den Kaufmann, als G—W—G',
also als Evolution einer eignen Sorte von Kapital.


Der Kaufmann verkauft definitiv die Waare, also die Leinwand,
an den Konsumenten, ob dies nun ein produktiver Konsument sei
(z. B. ein Bleicher) oder ein individueller, der die Leinwand zu
seinem Privatgebrauch vernutzt. Dadurch kehrt ihm das vorge-
schossne Kapital (mit Profit) zurück, und er kann die Operation
von neuem beginnen. Hätte beim Kauf der Leinwand das Geld
nur als Zahlungsmittel fungirt, sodass er erst sechs Wochen nach
Abnahme zu zahlen brauchte, und hätte er vor dieser Zeit ver-
kauft, so könnte er den Leinwandproducenten zahlen, ohne selbst
Geldkapital vorgeschossen zu haben. Hätte er sie nicht verkauft,
so müsste er die 3000 £ bei Verfall, statt sogleich bei Ablieferung
der Leinwand an ihn, vorschiessen; und hätte er wegen eines Falls
der Marktpreise sie unter dem Einkaufspreis verkauft, so müsste
er den fehlenden Theil aus seinem eignen Kapital ersetzen.


Was gibt nun dem Waarenhandlungskapital den Charakter eines
selbständig fungirenden Kapitals, während es in der Hand des
selbstverkaufenden Producenten augenscheinlich nur als eine be-
sondre Form seines Kapitals in einer besondren Phase seines Re-
produktionsprocesses, während seines Aufenthalts in der Cirkulations-
sphäre erscheint?


Erstens: Dass das Waarenkapital in der Hand eines, von seinem
Producenten verschiednen, Agenten seine definitive Verwandlung
in Geld, also seine erste Metamorphose, seine ihm qua Waaren-
kapital zukommende Funktion auf dem Markt vollzieht, und dass
diese Funktion des Waarenkapitals vermittelt ist durch die Opera-
tionen des Kaufmanns, durch sein Kaufen und Verkaufen, sodass
diese Operation als eignes, von den übrigen Funktionen des indu-
striellen Kapitals getrenntes, und daher verselbständigtes Geschäft
sich gestaltet. Es ist eine besondre Form der gesellschaftlichen
Theilung der Arbeit, sodass ein Theil der, sonst in einer besondren
Phase des Reproduktionsprocesses des Kapitals, hier der Cirkulation,
zu verrichtenden Funktion als die ausschliessliche Funktion eines
eignen, vom Producenten unterschiednen Cirkulationsagenten er-
scheint. Aber damit erschiene dies besondre Geschäft noch keines-
wegs als die Funktion eines besondren, von dem in seinem Repro-
duktionsprocess begriffnen industriellen Kapitals verschiednen, und
[256] gegen es selbständigen Kapitals; wie es denn in der That nicht
als solches da erscheint, wo der Waarenhandel betrieben wird durch
blosse Handelsreisende oder andre direkte Agenten des industriellen
Kapitalisten. Es muss also noch ein zweites Moment hinzukommen.


Zweitens: Dies kommt dadurch herein, dass der selbständige
Cirkulationsagent, der Kaufmann, Geldkapital (eignes oder geliehenes)
in dieser Position vorschiesst. Was für das in seinem Reproduk-
tionsprocess befindliche industrielle Kapital sich einfach als W—G,
Verwandlung des Waarenkapitals in Geldkapital oder blossen Ver-
kauf darstellt, stellt sich für den Kaufmann dar als G—W—G',
als Kauf und Verkauf derselben Waare, und daher als Rückfluss
des Geldkapitals, das sich im Kauf von ihm entfernt, zu ihm zu-
rück durch den Verkauf.


Es ist immer W—G, die Verwandlung des Waarenkapitals in
Geldkapital, das sich für den Kaufmann als G—W—G darstellt,
sofern er Kapital vorschiesst, im Kauf der Waare von den Produ-
centen; immer die erste Metamorphose des Waarenkapitals, ob-
gleich derselbe Akt für einen Producenten oder für das in seinem
Reproduktionsprocess befindliche industrielle Kapital sich als G—W,
Rückverwandlung des Gelds in Waare (die Produktionsmittel) oder
als zweite Phase der Metamorphose darstellen mag. Für den Lein-
wandproducenten war W—G die erste Metamorphose, Verwandlung
des Waarenkapitals in Geldkapital. Dieser Akt stellt sich für den
Kaufmann dar als G—W, Verwandlung seines Geldkapitals in
Waarenkapital. Verkauft er nun die Leinwand an den Bleicher,
so stellt dies für den Bleicher dar G—W, Verwandlung von Geld-
kapital in produktives Kapital, oder die zweite Metamorphose seines
Waarenkapitals; für den Kaufmann aber W—G, den Verkauf der
von ihm gekauften Leinwand. In der That ist aber erst jetzt das
Waarenkapital, das der Leinwandfabrikant fabricirt hat, endgültig
verkauft, oder dies G—W—G des Kaufmanns stellt nur einen
vermittelnden Process dar für das W—G zwischen zwei Produ-
centen. Oder nehmen wir an, der Leinwandfabrikant kauft mit
einem Theil des Werths der verkauften Leinwand Garn von einem
Garnhändler. So ist dies für ihn G—W. Aber für den Kaufmann,
der das Garn verkauft, ist es W—G, Wiederverkauf des Garns;
und in Bezug auf das Garn selbst, als Waarenkapital, ist es nur
sein definitiver Verkauf, womit es aus der Cirkulationssphäre in
die Konsumtionssphäre übertritt; W—G, der endgültige Abschluss
seiner ersten Metamorphose. Ob der Kaufmann also von indu-
striellen Kapitalisten kauft oder an ihn verkauft, sein G—W—G,
[257] der Kreislauf des Kaufmannskapitals, drückt immer nur aus, was
mit Bezug auf das Waarenkapital selbst, als Durchgangsform des
sich reproducirenden industriellen Kapitals bloss W—G, bloss die
Vollziehung seiner ersten Metamorphose ist. Das G—W des Kauf-
mannskapitals ist nur für den industriellen Kapitalisten zugleich
W—G, nicht aber für das für ihn producirte Waarenkapital: es
ist nur Uebergang des Waarenkapitals aus der Hand des Indu-
striellen in die des Cirkulationsagenten; erst das W—G des Kauf-
mannskapitals ist das endgültige W—G des fungirenden Waaren-
kapitals. G—W—G sind nur zwei W—G desselben Waaren-
kapitals, zwei successive Verkäufe desselben, die seinen letzten und
definitiven Verkauf nur vermitteln.


Das Waarenkapital nimmt also im Waarenhandlungskapital da-
durch die Gestalt einer selbständigen Sorte von Kapital an, dass
der Kaufmann Geldkapital vorschiesst, das sich nur als Kapital
verwerthet, nur als Kapital fungirt, indem es ausschliesslich damit
beschäftigt ist, die Metamorphose des Waarenkapitals, seine Funk-
tion als Waarenkapital, d. h. seine Verwandlung in Geld zu ver-
mitteln, und es thut dies durch beständigen Kauf und Verkauf
von Waaren. Dies ist seine ausschliessliche Operation; diese den
Cirkulationsprocess des industriellen Kapitals vermittelnde Thätig-
keit ist die ausschliessliche Funktion des Geldkapitals, womit der
Kaufmann operirt. Durch diese Funktion verwandelt er sein Geld
in Geldkapital, stellt sein G dar als G—W—G', und durch den-
selben Process verwandelt er das Waarenkapital in Waarenhand-
lungskapital.


Das Waarenhandlungskapital, sofern und solange es in der Form
des Waarenkapitals existirt — den Reproduktionsprocess des ge-
sellschaftlichen Gesammtkapitals betrachtet — ist augenscheinlich
nichts andres als der noch auf dem Markt befindliche, im Process
seiner Metamorphose begriffene Theil des industriellen Kapitals,
der jetzt als Waarenkapital existirt und fungirt. Es ist also nur
das vom Kaufmann vorgeschossne Geldkapital, das ausschliesslich
zum Kauf und Verkauf bestimmt ist, daher nie andre Form als
die des Waarenkapitals und Geldkapitals, nie die des produktiven
Kapitals annimmt, und stets in der Cirkulationssphäre des Kapitals
eingepfercht bleibt, — es ist nur dies Geldkapital, was jetzt zu
betrachten ist mit Bezug auf den gesammten Reproduktionsprocess
des Kapitals.


Sobald der Producent, der Leinwandfabrikant, seine 30,000 Ellen
an den Kaufmann für 3000 £ verkauft hat, kauft er mit dem so
Marx, Kapital III. 17
[258] gelösten Geld die nöthigen Produktionsmittel, und sein Kapital
geht wieder in den Produktionsprocess ein; sein Produktionsprocess
kontinuirt, geht ununterbrochen fort. Für ihn hat die Verwand-
lung seiner Waare in Geld stattgefunden. Aber für die Leinwand
selbst hat die Verwandlung, wie wir sahen, noch nicht stattge-
funden. Sie ist noch nicht endgültig in Geld rückverwandelt, noch
nicht als Gebrauchswerth, sei es in die produktive, sei es in die
individuelle Konsumtion eingegangen. Der Leinwandhändler reprä-
sentirt jetzt auf dem Markt dasselbe Waarenkapital, das der Lein-
wandproducent dort ursprünglich repräsentirte. Für diesen ist der
Process der Metamorphose abgekürzt, aber nur um in der Hand des
Kaufmanns fortzudauern.


Müsste der Leinwandproducent warten, bis seine Leinwand wirk-
lich aufgehört hat Waare zu sein, bis sie an den letzten Käufer,
den produktiven oder individuellen Konsumenten übergegangen ist,
so wäre sein Reproduktionsprocess unterbrochen. Oder um ihn
nicht zu unterbrechen, hätte er seine Operationen einschränken
müssen, einen geringern Theil seiner Leinwand in Garn, Kohlen,
Arbeit etc., kurz in die Elemente des produktiven Kapitals ver-
wandeln und einen grössern Theil davon als Geldreserve bei sich
behalten müssen, damit, während ein Theil seines Kapitals sich
als Waare auf dem Markt befindet, ein andrer Theil den Produk-
tionsprocess fortsetzen könne, sodass, wenn dieser als Waare auf
den Markt tritt, jener in Geldform zurückfliesst. Diese Theilung
seines Kapitals wird durch die Dazwischenkunft des Kaufmanns
nicht beseitigt. Aber ohne letztre müsste der in Form von Geld-
reserve vorhandne Theil des Cirkulationskapitals stets grösser sein
im Verhältniss zu dem in Form von produktivem Kapital beschäf-
tigten Theil, und dementsprechend die Stufenleiter der Reproduktion
beschränkt werden. Statt dessen kann der Producent nun einen
grössern Theil seines Kapitals beständig im eigentlichen Produk-
tionsprocess anwenden, einen geringern als Geldreserve.


Dafür befindet sich aber nun ein andrer Theil des gesellschaft-
lichen Kapitals, in der Form des Kaufmannskapitals, beständig
innerhalb der Cirkulationssphäre. Er ist stets nur angewandt um
Waare zu kaufen und zu verkaufen. Es scheint so nur ein Wechsel
der Personen vorgegangen zu sein, die dies Kapital in der Hand
haben.


Wendete der Kaufmann, statt für 3000 £ Leinwand zu kaufen,
in der Absicht sie wieder zu verkaufen, diese 3000 £ selbst pro-
duktiv an, so wäre das produktive Kapital der Gesellschaft ver-
[259] grössert. Allerdings müsste dann der Leinwandproducent einen be-
deutendern Theil seines Kapitals als Geldreserve festhalten, und
ebenso der jetzt in einen industriellen Kapitalisten verwandelte
Kaufmann. Andrerseits, wenn der Kaufmann Kaufmann bleibt, so
spart der Producent Zeit im Verkaufen, die er zur Ueberwachung
des Produktionsprocesses anwenden kann, während der Kaufmann
seine ganze Zeit im Verkaufen verwenden muss.


Falls das Kaufmannskapital nicht seine nothwendigen Propor-
tionen überschreitet, ist anzunehmen:


1) Dass in Folge der Theilung der Arbeit das Kapital, das sich
ausschliesslich mit Kaufen und Verkaufen beschäftigt (und es ge-
hört hierzu ausser dem Geld zum Ankauf von Waaren, das Geld
das ausgelegt werden muss in der zum Betrieb des kaufmännischen
Geschäfts nothwendigen Arbeit, im konstanten Kapital des Kauf-
manns, Lagergebäuden, Transport etc.) kleiner ist, als es wäre,
wenn der industrielle Kapitalist den ganzen kaufmännischen Theil
seines Geschäfts selbst betreiben müsste;


2) dass, weil der Kaufmann ausschliesslich mit diesem Geschäft
sich befasst, nicht nur für den Producenten seine Waare früher in
Geld verwandelt wird, sondern das Waarenkapital selbst rascher
seine Metamorphose durchmacht, als es in der Hand des Produ-
centen thun würde;


3) dass, das gesammte Kaufmannskapital im Verhältniss zum
industriellen Kapital betrachtet, ein Umschlag des Kaufmanns-
kapitals nicht nur die Umschläge vieler Kapitale in einer Produk-
tionssphäre, sondern die Umschläge einer Anzahl von Kapitalen
in verschiednen Produktionssphären vorstellen kann. Das erstere ist
der Fall, wenn z. B. der Leinwandhändler, nachdem er mit seinen
3000 £ das Produkt eines Leinwandproducenten gekauft und wieder
verkauft hat, bevor derselbe Producent dasselbe Quantum Waaren
wieder auf den Markt wirft, das Produkt eines andren oder mehrerer
Leinwandproducenten kauft und dies wieder verkauft, so die Um-
schläge verschiedner Kapitale in derselben Produktionssphäre ver-
mittelnd. Das zweite, wenn der Kaufmann z. B. nach dem Ver-
kauf der Leinwand, nun Seide kauft, also den Umschlag eines
Kapitals in einer andern Produktionssphäre vermittelt.


Im allgemeinen ist zu bemerken: Der Umschlag des industriellen
Kapitals ist nicht nur durch die Umlaufszeit, sondern auch durch
die Produktionszeit beschränkt. Der Umschlag des Kaufmanns-
kapitals, soweit es nur mit einer bestimmten Waarensorte handelt,
st beschränkt nicht durch den Umschlag eines industriellen Kapitals,
17*
[260] sondern durch den aller industriellen Kapitale in demselben Pro-
duktionszweig. Nachdem der Kaufmann die Leinwand des einen
gekauft und verkauft, kann er die des andren kaufen und ver-
kaufen, bevor der erste wieder eine Waare auf den Markt wirft.
Dasselbe Kaufmannskapital kann also nach einander die verschied-
nen Umschläge der in einem Produktionszweig angelegten Kapitale
vermitteln; sodass sein Umschlag nicht identisch ist mit den Um-
schlägen eines einzelnen industriellen Kapitals, und daher nicht
bloss die eine Geldreserve ersetzt, die dieser einzelne industrielle
Kapitalist in petto haben müsste. Der Umschlag des Kaufmanns-
kapitals in einer Produktionssphäre ist natürlich durch deren Ge-
sammtproduktion beschränkt. Aber er ist nicht beschränkt durch
die Grenzen der Produktion oder die Umschlagszeit des einzelnen
Kapitals derselben Sphäre, soweit diese Umschlagszeit durch die
Produktionszeit gegeben ist. Gesetzt, A liefre eine Waare, die drei
Monate zu ihrer Produktion braucht. Nachdem der Kaufmann sie
gekauft und verkauft, sage in einem Monat, kann er dasselbe Pro-
dukt eines andren Producenten kaufen und verkaufen. Oder nach-
dem er z. B. das Getreide eines Pächters verkauft, kann er mit
demselben Geld das des zweiten kaufen und verkaufen u. s. w. Der
Umschlag seines Kapitals ist begrenzt durch die Masse Getreide,
die er nach einander in einer gegebnen Zeit, z. B. einem Jahr,
kaufen und verkaufen kann, während der Umschlag des Pächter-
kapitals, abgesehn von der Umlaufszeit, beschränkt ist durch die
Produktionszeit, die ein Jahr dauert.


Der Umschlag desselben Kaufmannskapitals kann aber ebenso
gut die Umschläge von Kapitalen in verschiednen Produktions-
zweigen vermitteln.


Soweit dasselbe Kaufmannskapital in verschiednen Umschlägen
dazu dient, verschiedne Waarenkapitale successive in Geld zu ver-
wandeln, sie also der Reihe nach kauft und verkauft, verrichtet
es als Geldkapital dieselbe Funktion gegenüber dem Waarenkapital,
die das Geld überhaupt durch die Anzahl seiner Umläufe in einer
gegebnen Periode gegenüber den Waaren verrichtet.


Der Umschlag des Kaufmannskapitals ist nicht identisch mit dem
Umschlag oder der einmaligen Reproduktion eines gleichgrossen
industriellen Kapitals; er ist vielmehr gleich der Summe der Um-
schläge einer Anzahl solcher Kapitale, sei es in derselben, sei es in
verschiednen Produktionssphären. Je rascher das Kaufmannskapital
umschlägt, um so kleiner, je langsamer es umschlägt, um so
grösser ist der Theil des gesammten Geldkapitals, das als Kauf-
[261] mannskapital figurirt. Je unentwickelter die Produktion, desto
grösser die Summe des Kaufmannskapitals im Verhältniss zur
Summe der überhaupt in Cirkulation geworfnen Waaren; desto
kleiner aber ist es absolut oder verglichen mit entwickeltern Zu-
ständen. Umgekehrt, umgekehrt. In solchen unentwickelten Zu-
ständen befindet sich daher der grösste Theil des eigentlichen
Geldkapitals in den Händen der Kaufleute, deren Vermögen so
den andren gegenüber das Geldvermögen bildet.


Die Geschwindigkeit der Cirkulation des vom Kaufmann vorge-
schossnen Geldkapitals hängt ab: 1) von der Geschwindigkeit, wo-
mit sich der Produktionsprocess erneuert und die verschiednen
Produktionsprocesse in einander greifen; 2) von der Geschwindig-
keit der Konsumtion.


Es ist nicht nöthig, dass das Kaufmannskapital bloss den oben
betrachteten Umschlag durchmacht, für seinen ganzen Werthum-
fang erst Waare zu kaufen und sie dann zu verkaufen. Sondern
der Kaufmann macht gleichzeitig beide Bewegungen durch. Sein
Kapital theilt sich dann in zwei Theile. Der eine besteht aus
Waarenkapital, und der andre aus Geldkapital. Er kauft hier und
verwandelt damit sein Geld in Waare. Er verkauft dort und ver-
wandelt damit einen andren Theil des Waarenkapitals in Geld.
Auf der einen Seite strömt ihm sein Kapital als Geldkapital zurück,
während auf der andren ihm Waarenkapital zufliesst. Je grösser
der Theil, der in der einen Form, desto kleiner der, der in der
andren existirt. Dies wechselt ab und gleicht sich aus. Verbindet
sich mit der Anwendung des Geldes als Cirkulationsmittel, die als
Zahlungsmittel und das darauf erwachsende Kreditsystem, so ver-
mindert sich noch ferner der Geldkapitaltheil des Kaufmannskapitals
im Verhältniss zur Grösse der Transaktionen, die dies Kaufmanns-
kapital verrichtet. Kaufe ich für 1000 £ Wein auf 3 Monat Ziel,
und habe ich den Wein verkauft gegen baar, vor Ablauf der drei
Monate, so ist für diese Transaktion kein Heller vorzuschiessen.
In diesem Fall ist auch sonnenklar, dass das Geldkapital, das hier
als Kaufmannskapital figurirt, durchaus nichts ist als das indu-
strielle Kapital selbst in seiner Form als Geldkapital, in seinem
Rückfluss zu sich in der Form des Geldes. (Dass der Producent,
der für 1000 £ Waare auf 3 Monate Ziel verkauft hat, den Wechsel
d. h. Schuldschein, dafür beim Bankier diskontiren kann, ändert’
nichts an der Sache und hat nichts mit dem Kapital des Waaren-
händlers zu schaffen.) Fielen die Marktpreise der Waare in der
Zwischenzeit vielleicht um \frac{1}{10}, so erhielte der Kaufmann nicht
[262] nur keinen Profit, sondern überhaupt nur 2700 £ zurück, statt 3000.
Er müsste 300 £ zulegen um zu zahlen. Diese 300 £ fungirten
nur als Reserve zur Ausgleichung der Preisdifferenz. Aber dasselbe
gilt für den Producenten. Hätte er selbst verkauft, zu fallenden
Preisen, so hätte er ebenfalls 300 £ verloren und könnte die Pro-
duktion auf derselben Stufenleiter nicht wieder beginnen ohne
Reservekapital.


Der Leinwandhändler kauft für 3000 £ Leinwand vom Fabri-
kanten; dieser zahlt von diesen 3000 £ z. B. 2000 um Garn zu
kaufen; er kauft dies Garn vom Garnhändler. Das Geld womit
der Fabrikant den Garnhändler zahlt, ist nicht das Geld des Lein-
wandhändlers; denn dieser hat Waare zum Belauf dieser Summe
dafür erhalten. Es ist Geldform seines eignen Kapitals. In der
Hand des Garnhändlers erscheinen diese 2000 £ nun als zurück-
geflossnes Geldkapital; aber wieweit sind sie es, als unterschieden
von diesen 2000 £, als der abgestreiften Geldform der Leinwand
und der angenommnen Geldform des Garns? Hat der Garnhändler
auf Kredit gekauft und hat er gegen baar verkauft vor Verfall seiner
Zahlungsfrist, so steckt in diesen 2000 £ kein Heller Kaufmanns-
kapital als unterschieden von der Geldform, die das industrielle
Kapital selbst in seinem Kreislaufsprocess annimmt. Das Waaren-
handlungskapital, soweit es also nicht blosse Form des industriellen
Kapitals ist, das sich in der Gestalt von Waarenkapital oder Geld-
kapital in der Hand des Kaufmanns befindet, ist nichts als der
Theil des Geldkapitals, der dem Kaufmann selbst gehört und im
Kauf und Verkauf von Waaren umgetrieben wird. Dieser Theil
stellt auf reducirtem Maßstab den Theil des zur Produktion vor-
geschossnen Kapitals vor, der sich als Geldreserve, Kaufmittel,
stets in der Hand des Industriellen befinden und stets als ihr Geld-
kapital cirkuliren müsste. Dieser Theil befindet sich jetzt, reducirt,
in der Hand von kaufmännischen Kapitalisten; als solcher stets
fungirend im Cirkulationsprocess. Es ist der Theil des Gesammt-
kapitals der, abgesehn von Revenueausgaben, beständig als Kauf-
mittel auf dem Markt cirkuliren muss, um die Kontinuität des Re-
produktionsprocesses in Gang zu halten. Er ist um so kleiner,
im Verhältniss zum Gesammtkapital, je rascher der Reproduktions-
process und je entwickelter die Funktion des Geldes als Zahlungs-
mittel, d. h. des Kreditsystems.38)


[263]

Das Kaufmannskapital ist nichts als innerhalb der Cirkulations-
sphäre fungirendes Kapital. Der Cirkulationsprocess ist eine Phase
des gesammten Reproduktionsprocesses. Aber im Circulationsprocess
wird kein Werth producirt, also auch kein Mehrwerth. Es gehn
nur Formveränderungen derselben Werthmasse vor. Es geht in
der That nichts vor als die Metamorphose der Waaren, die als
solche mit Werthschöpfung oder Werthveränderung nichts zu thun
hat. Wird beim Verkauf der producirten Waare ein Mehrwerth
realisirt, so, weil dieser bereits in ihr existirt; bei dem zweiten
Akt, dem Rückaustausch des Geldkapitals gegen Waare (Produk-
tionselemente) wird daher auch vom Käufer kein Mehrwerth rea-
lisirt, sondern hier nur durch Austausch des Geldes gegen Produk-
tionsmittel und Arbeitskraft, die Produktion des Mehrwerths ein-
geleitet. Im Gegentheil. Soweit diese Metamorphosen Cirkulationszeit
kosten — eine Zeit, innerhalb deren das Kapital überhaupt nicht,
also auch keinen Mehrwerth, producirt — ist sie Beschränkung der
Werthschöpfung, und der Mehrwerth wird sich als Profitrate gerade
im umgekehrten Verhältniss zur Dauer der Cirkulationszeit aus-
drücken. Das Kaufmannskapital schafft daher weder Werth noch
Mehrwerth, d. h. nicht direkt. Sofern es zur Abkürzung der Cir-
kulationszeit beiträgt, kann es indirekt den vom industriellen
38)
[264] Kapitalisten producirten Mehrwerth vermehren helfen. Soweit es
den Markt ausdehnen hilft und die Theilung der Arbeit zwischen
den Kapitalen vermittelt, also das Kapital befähigt auf grössrer
Stufenleiter zu arbeiten, befördert seine Funktion die Produktivität
des industriellen Kapitals und dessen Akkumulation. Soweit es die
Umlaufszeit abkürzt, erhöht es das Verhältniss des Mehrwerths zum
vorgeschossnen Kapital, also die Profitrate. Soweit es einen ge-
ringern Theil des Kapitals als Geldkapital in die Cirkulationssphäre
einbannt, vermehrt es den direkt in der Produktion angewandten
Theil des Kapitals.


Siebzehntes Kapitel.
Der kommerzielle Profit.


Man hat in Buch II gesehn, dass die reinen Funktionen des
Kapitals in der Cirkulationssphäre — die Operationen, die der in-
dustrielle Kapitalist vornehmen muss, um erstens den Werth seiner
Waaren zu realisiren, und zweitens diesen Werth in die Produk-
tionselemente der Waare rückzuverwandeln, die Operationen zur Ver-
mittlung der Metamorphosen des Waarenkapitals W'—G—W, also die
Akte des Verkaufens und Kaufens — weder Werth noch Mehrwerth er-
zeugen. Umgekehrt zeigte es sich, dass die Zeit, die hierfür erheischt,
objektiv mit Bezug auf die Waaren, und subjektiv mit Bezug auf den Ka-
pitalisten, Grenzen erzeugt für die Bildung von Werth und Mehrwerth.
Was von der Metamorphose des Waarenkapitals an sich gilt, wird na-
türlich in keiner Weise dadurch geändert, dass ein Theil desselben die
Gestalt des Waarenhandlungskapitals annimmt, oder dass die Ope-
rationen, wodurch die Metamorphose des Waarenkapitals vermittelt
wird, als das besondre Geschäft einer besondren Abtheilung von
Kapitalisten, oder als ausschliessliche Funktion eines Theils des
Geldkapitals erscheint. Wenn das Verkaufen und Kaufen von
Waaren — und darin löst sich die Metamorphose des Waaren-
kapitals W'—G—W auf — durch die industriellen Kapitalisten
selbst keine Werth oder Mehrwerth schaffenden Operationen sind,
so werden sie es unmöglich dadurch, dass sie statt von diesen, von
andren Personen verrichtet werden. Wenn ferner der Theil des
gesellschaftlichen Gesammtkapitals, der beständig als Geldkapital
disponibel sein muss, damit der Reproduktionsprocess nicht durch
den Cirkulationsprocess unterbrochen werde, sondern kontinuirlich
sei — wenn dies Geldkapital weder Werth noch Mehrwerth schafft,
[265] so kann es diese Eigenschaften nicht dadurch erwerben, dass es,
statt vom industriellen Kapitalisten, von einer andern Abtheilung
Kapitalisten, zur Verrichtung derselben Funktionen, beständig in
Cirkulation geworfen wird. Wie weit das Kaufmannskapital in-
direkt produktiv sein kann, ist bereits angedeutet, und wird später
noch weiter erörtert werden.


Das Waarenhandlungskapital also — abgestreift alle heterogenen
Funktionen, wie Aufbewahren, Spediren, Transportiren, Eintheilen,
Detailliren, die damit verknüpft sein mögen, und beschränkt auf
seine wahre Funktion des Kaufens um zu verkaufen — schafft
weder Werth noch Mehrwerth, sondern vermittelt nur ihre Reali-
sation, und damit zugleich den wirklichen Austausch der Waaren,
ihr Uebergehn aus einer Hand in die andre, den gesellschaftlichen
Stoffwechsel. Dennoch, da die Cirkulationsphase des industriellen
Kapitals ebensosehr eine Phase des Reproduktionsprocesses bildet
wie die Produktion, muss das im Cirkulationsprocess selbständig
fungirende Kapital ebensosehr den jährlichen Durchschnittsprofit
abwerfen wie das in den verschiednen Zweigen der Produktion fun-
girende Kapital. Würfe das Kaufmannskapital einen höhern pro-
centigen Durchschnittsprofit ab als das industrielle Kapital, so
würde sich ein Theil des industriellen Kapitals in Kaufmannskapital
verwandeln. Würfe es einen niedrigern Durchschnittsprofit ab, so
fände der umgekehrte Process statt. Ein Theil des Kaufmanns-
kapitals würde sich in industrielles verwandeln. Keine Kapital-
gattung hat grössre Leichtigkeit, ihre Bestimmung, ihre Funktion
zu ändern, als das Kaufmannskapital.


Da das Kaufmannskapital selbst keinen Mehrwerth erzeugt, so
ist klar, dass der Mehrwerth, der in der Form des Durchschnitts-
profits auf es fällt, einen Theil des von dem gesammten produktiven
Kapital erzeugten Mehrwerths bildet. Aber die Frage ist nun die:
Wie zieht das Kaufmannskapital den ihm zufallenden Theil des
vom produktiven Kapital erzeugten Mehrwerths oder Profits an sich?


Es ist nur Schein, dass der merkantile Profit blosser Zuschlag,
nominelle Erhöhung des Preises der Waaren über ihren Werth.


Es ist klar, dass der Kaufmann seinen Profit nur aus dem Preis
der von ihm verkauften Waaren beziehn kann, und noch mehr,
dass dieser Profit, den er beim Verkauf seiner Waaren macht,
gleich sein muss der Differenz zwischen seinem Kaufpreis und
seinem Verkaufspreis, gleich dem Ueberschuss des erstern über den
letztern.


Es ist möglich, dass nach dem Kauf der Waare und vor ihrem
[266] Verkauf zusätzliche Kosten (Cirkulationskosten) in sie eingehn, und
es ist ebenso möglich, dass dies nicht der Fall. Gehn solche Kosten
ein, so ist klar, dass der Ueberschuss des Verkaufspreises über den
Kaufpreis nicht bloss Profit vorstellt. Um die Untersuchung zu
vereinfachen, unterstellen wir zunächst, dass keine solchen Kosten
eingehn.


Bei dem industriellen Kapitalisten ist der Unterschied zwischen
dem Verkaufspreis und dem Kaufpreis seiner Waaren gleich dem
Unterschied zwischen ihrem Produktionspreis und ihrem Kostpreis,
oder wenn wir das gesellschaftliche Gesammtkapital betrachten,
gleich dem Unterschied zwischen dem Werth der Waaren und ihrem
Kostpreis für die Kapitalisten, was sich wieder auflöst in dem
Unterschied des Gesammtquantums der in ihnen vergegenständ-
lichten Arbeit über das Quantum der in ihnen vergegenständlichten
bezahlten Arbeit. Bevor die von dem industriellen Kapitalisten
gekauften Waaren wieder als verkaufbare Waaren auf den Markt
zurückgeworfen werden, machen sie den Produktionsprocess durch,
in welchem der später als Profit zu realisirende Bestandtheil ihres
Preises erst producirt wird. Aber mit dem Waarenhändler verhält
es sich anders. Die Waaren befinden sich nur in seiner Hand, so
lange sie sich in ihrem Cirkulationsprocess befinden. Er setzt nur
ihren, vom produktiven Kapitalisten begonnenen Verkauf, die Rea-
lisirung ihres Preises fort, und lässt sie daher keinen Zwischen-
process durchmachen, worin sie von neuem Mehrwerth einsaugen
könnten. Während der industrielle Kapitalist in der Cirkulation
den bisher producirten Mehrwerth oder Profit nur realisirt, soll
der Kaufmann dagegen in der Cirkulation und durch sie seinen
Profit nicht nur realisiren, sondern erst machen. Dies scheint nur
dadurch möglich zu sein, dass er die ihm vom industriellen Kapi-
talisten zu ihren Produktionspreisen, oder wenn wir das gesammte
Waarenkapital betrachten, zu ihren Werthen verkauften Waaren
über ihren Produktionspreisen verkauft, einen nominellen Zuschlag
zu ihren Preisen macht, also, das gesammte Waarenkapital be-
trachtet, es über seinem Werth verkauft, und diesen Ueberschuss
ihres Nominalwerths über ihren Realwerth einkassirt, in einem
Wort sie theurer verkauft als sie sind.


Diese Form des Zuschlags ist sehr einfach zu verstehn, z. B.
eine Elle Leinwand kostet 2 sh. Soll ich 10 % Profit aus dem
Wiederverkauf machen, so muss ich \frac{1}{10} auf den Preis schlagen,
also die Elle zu 2 sh. 2⅖ d. verkaufen. Die Differenz zwischen
ihrem wirklichen Produktionspreis und ihrem Verkaufspreis ist
[267] dann = 2⅖ d. und dies ist auf die 2 sh. ein Profit von 10 %.
In der That verkaufe ich dem Käufer dann die Elle zu einem
Preis, der wirklich der Preis für 1\frac{1}{10} Elle ist. Oder was auf
dasselbe hinauskommt: Es ist ganz, als verkaufte ich dem Ver-
käufer nur \frac{10}{11} Ellen für 2 sh. und behielte \frac{1}{11} Elle für mich.
In der That kann ich mit 2⅖ d. \frac{1}{11} Elle zurückkaufen, den Preis
der Elle zu 2 sh. 2⅖ d. gerechnet. Es wäre dies also nur ein
Umweg, um an dem Mehrwerth und Mehrprodukt Theil zu nehmen
durch nominelle Preiserhöhung der Waaren.


Dies ist die Realisirung des merkantilen Profits durch Preisauf-
schlag der Waaren, wie sie sich zunächst in der Erscheinung dar-
bietet. Und in der That ist die ganze Vorstellung vom Entspringen
des Profits aus einer nominellen Preiserhöhung der Waaren, oder
aus dem Verkauf derselben über ihren Werth, aus der Anschauung
des merkantilen Kapitals entsprungen.


Näher betrachtet zeigt sich jedoch bald, dass dies blosser Schein
ist. Und dass, die kapitalistische Produktionsweise als die herr-
schende vorausgesetzt, der kommerzielle Profit sich nicht in dieser
Weise realisirt. (Es handelt sich hier immer nur um den Durch-
schnitt, nicht um einzelne Fälle.) Warum unterstellen wir, dass
der Waarenhändler einen Profit von sage 10 % auf seine Waaren
nur realisiren kann, indem er sie um 10 % über ihren Produktions-
preisen verkauft? Weil wir angenommen haben, dass der Produ-
cent dieser Waaren, der industrielle Kapitalist (der als Personi-
fikation des industriellen Kapitals der Aussenwelt gegenüber immer
als „der Producent“ figurirt) sie dem Kaufmann zu ihrem Produk-
tionspreis verkauft hat. Wenn die vom Waarenhändler gezahlten
Kaufpreise der Waaren gleich ihren Produktionspreisen, in letzter
Instanz gleich ihren Werthen, sodass also der Produktionspreis, in
letzter Instanz der Werth, der Waaren den Kostpreis für den
Kaufmann darstellt, so muss in der That der Ueberschuss seines
Verkaufspreises über seinen Kaufpreis — und nur diese Differenz
bildet die Quelle seines Profits — ein Ueberschuss ihres merkan-
tilen Preises über ihren Produktionspreis sein, und in letzter Instanz
der Kaufmann alle Waaren über ihren Werthen verkaufen. Aber
warum wurde angenommen, dass der industrielle Kapitalist dem
Kaufmann die Waaren zu ihren Produktionspreisen verkauft? Oder
vielmehr, was war in dieser Annahme vorausgesetzt? Dass das
merkantile Kapital (hier haben wir es mit demselben nur noch als
Waarenhandlungskapital zu thun) nicht in die Bildung der allge-
meinen Profitrate eingeht. Wir gingen nothwendig von dieser Vor-
[268] aussetzung aus bei Darstellung der allgemeinen Profitrate, erstens
weil das merkantile Kapital als solches damals für uns noch nicht
existirte; und zweitens, weil der Durchschnittsprofit, und daher die
allgemeine Profitrate, zunächst nothwendig zu entwickeln war als
Ausgleichung der Profite oder Mehrwerthe, die von den industriellen
Kapitalen der verschiednen Produktionssphären wirklich producirt
werden. Bei dem Kaufmannskapital haben wir es dagegen mit
einem Kapital zu thun, das am Profit theilnimmt, ohne an seiner
Produktion theilzunehmen. Es ist also jetzt nöthig, die frühere
Darstellung zu ergänzen.


Gesetzt, das während des Jahres vorgeschossne industrielle Ge-
sammtkapital sei = 720c + 180v = 900 (etwa Millionen £) und
m' = 100 %. Das Produkt also = 720c + 180v + 180m. Nennen
wir dann dies Produkt oder das producirte Waarenkapital W, so
ist sein Werth oder Produktionspreis (da beide für die Totalität
der Waaren zusammenfallen) = 1080, und die Rate des Profits für
das gesammte Kapital von 900 = 20 %. Diese 20 % sind nach
dem früher Entwickelten die Durchschnittsprofitrate, da der Mehr-
werth hier nicht auf dieses oder jenes Kapital von besondrer Zu-
sammensetzung, sondern auf das gesammte industrielle Kapital mit
seiner Durchschnittszusammensetzung berechnet ist. Also W = 1080
und die Profitrate = 20 %. Wir wollen aber nun annehmen, dass
ausser diesen 900 £ industrielles Kapital, noch 100 £ Kaufmanns-
kapital hinzukommt, welches pro rata seiner Grösse denselben An-
theil am Profit hat wie jenes. Nach der Voraussetzung ist es \frac{1}{10}
des Gesammtkapitals von 1000. Es betheiligt sich also mit \frac{1}{10}
am Gesammtmehrwerth von 180, und erhält so einen Profit zur
Rate von 18 %. In der That also ist der zwischen den andren
\frac{9}{10} des Gesammtkapitals zu vertheilende Profit nur noch = 162,
oder auf das Kapital von 900 ebenfalls = 18 %. Der Preis also
wozu W von den Besitzern des industriellen Kapitals von 900 an
die Waarenhändler verkauft wird, ist = 720c + 180v + 162m = 1062.
Schlägt der Kaufmann also auf sein Kapital von 100 den Durch-
schnittsprofit von 18 %, so verkauft er die Waaren zu 1062 + 18
= 1080, d. h. zu ihrem Produktionspreis oder, das gesammte Waaren-
kapital betrachtet, zu ihrem Werth, obgleich er seinen Profit nur in der
Cirkulation und durch sie macht, und nur durch den Ueberschuss seines
Verkaufspreises über seinen Kaufpreis. Aber dennoch verkauft er die
Waaren nichtüberihrem Werth oder nicht über ihrem Produktionspreis,
eben weil er sie unter ihrem Werth oder unter ihrem Produktionspreis
von den industriellen Kapitalisten gekauft hat.


[269]

In die Bildung der allgemeinen Profitrate geht also das Kauf-
mannskapital bestimmend ein pro rata des Theils, den es vom Ge-
sammtkapital bildet. Wenn also im angegebnen Fall gesagt wird:
die Durchschnittsprofitrate ist = 18 %, so wäre sie = 20 %, wenn
nicht \frac{1}{10} des Gesammtkapitals Kaufmannskapital wäre und dadurch
die allgemeine Profitrate um \frac{1}{10} herabgesetzt worden. Es tritt
damit auch eine nähere, einschränkende Bestimmung des Produk-
tionspreises ein. Unter Produktionspreis ist nach wie vor zu ver-
stehn der Preis der Waare = ihren Kosten (dem Werth des in ihr
enthaltnen konstanten + variablen Kapitals) + dem Durchschnitts-
profit darauf. Aber dieser Durchschnittsprofit ist jetzt anders be-
stimmt. Er ist bestimmt durch den Gesammtprofit, den das totale
produktive Kapital erzeugt; aber nicht berechnet auf dies produk-
tive Totalkapital, sodass wenn dies wie oben = 900, und der Profit
= 180, die Durchschnittsprofitrate = \frac{180}{900} = 20 % wäre, sondern be-
rechnet auf das totale produktive + Handelskapital, sodass, wenn
900 produktives und 100 Handelskapital, die Durchschnittsprofit-
rate = \frac{180}{1000} = 18 % ist. Der Produktionspreis ist also = k (den
Kosten) + 18, statt = k + 20. In der Durchschnittsprofitrate ist
bereits der auf das Handelskapital fallende Theil des Gesammt-
profits eingerechnet. Der wirkliche Werth oder Produktionspreis
des gesammten Waarenkapitals ist daher = k + p + h (wo h der
kommerzielle Profit). Der Produktionspreis oder der Preis, wozu
der industrielle Kapitalist als solcher verkauft, ist also kleiner als
der wirkliche Produktionspreis der Waare; oder, wenn wir die Ge-
sammtheit der Waare betrachten, so sind die Preise, wozu die in-
dustrielle Kapitalistenklasse sie verkauft, kleiner als ihre Werthe.
So im obigen Fall: 900 (Kosten) + 18 % auf 900 oder 900 + 162
= 1062. Indem nun der Kaufmann Waare, die ihm 100 kostet,
zu 118 verkauft, schlägt er allerdings 18 % auf; aber da die
Waare, die er zu 100 gekauft hat, 118 werth ist, verkauft er sie
deswegen nicht über ihren Werth. Wir wollen den Ausdruck
Produktionspreis in dem oben entwickelten nähern Sinn beibehalten.
Es ist dann klar, dass der Profit des industriellen Kapitalisten gleich
dem Ueberschuss des Produktionspreises der Waare über ihren
Kostpreis, und dass im Unterschied von diesem industriellen Profit,
der kommerzielle Profit gleich dem Ueberschuss des Verkaufs-
preises über den Produktionspreis der Waare, welcher ihr Kauf-
preis für den Kaufmann ist; dass aber der wirkliche Preis der
[270] Waare = ihrem Produktionspreise + dem merkantilen (kommerziellen)
Profit ist. Wie das industrielle Kapital nur Profit realisirt, der
als Mehrwerth schon im Werth der Waare steckt, so das Handels-
kapital nur, weil der ganze Mehrwerth oder Profit noch nicht
realisirt ist in dem vom industriellen Kapital realisirten Preis der
Waare.39) Der Verkaufspreis des Kaufmanns steht so über dem
Einkaufspreis, nicht weil jener über, sondern weil dieser unter dem
Totalwerth steht.


Das Kaufmannskapital geht also ein in die Ausgleichung des
Mehrwerths zum Durchschnittsprofit, obgleich nicht in die Pro-
duktion dieses Mehrwerths. Daher enthält die allgemeine Profit-
rate bereits den Abzug vom Mehrwerth, der dem Kaufmannskapital
zukommt, also einen Abzug vom Profit des industriellen Kapitals.


Es folgt aus dem Bisherigen:


1) Je grösser das Kaufmannskapital im Verhältniss zum industriellen
Kapital, desto kleiner die Rate des industriellen Profits und um-
gekehrt.


2) Wenn es sich im ersten Abschnitt zeigte, dass die Profitrate
immer eine kleinere Rate ausdrückt, als die Rate des wirklichen
Mehrwerths, d. h. den Exploitationsgrad der Arbeit immer zu klein
ausdrückt, z. B. im obigen Fall 720c + 180v + 180m, eine Rate
des Mehrwerths von 100 %, als eine Profitrate von nur 20 %, so
weicht dies Verhältniss noch mehr ab, so weit nun die Durch-
schnittsprofitrate selbst, bei Einrechnung des dem Kaufmannskapital
zufallenden Antheils, wieder kleiner erscheint, hier als 18 % statt
20 %. Die Durchschnittsrate des Profits des direkt exploitirenden
Kapitalisten drückt also die Rate des Profits kleiner aus, als sie
wirklich ist.


Alle andren Umstände gleichbleibend vorausgesetzt, wird der
relative Umfang des Kaufmannskapitals (wobei aber das der Klein-
händler, eine Zwittergattung, Ausnahme bildet) in umgekehrtem
Verhältniss stehn zur Geschwindigkeit seines Umschlags, also im
umgekehrten Verhältniss zur Energie des Reproduktionsprocesses
überhaupt. Im Gang der wissenschaftlichen Analyse erscheint die
Bildung der allgemeinen Profitrate als ausgehend von den indu-
striellen Kapitalen und ihrer Konkurrenz, und erst später berichtigt,
ergänzt und modificirt durch die Dazwischenkunft des Kaufmanns-
kapitals. Im Gang der historischen Entwicklung verhält sich die
[271] Sache geradezu umgekehrt. Es ist das kommerzielle Kapital, das
zuerst die Preise der Waaren mehr oder minder durch ihre Werthe
bestimmt, und es ist die Sphäre der den Reproduktionsprocess ver-
mittelnden Cirkulation, worin zuerst eine allgemeine Profitrate sich
bildet. Der kommerzielle Profit bestimmt ursprünglich den indu-
striellen Profit. Erst sobald die kapitalistische Produktionsweise
durchgedrungen, und der Producent selbst Kaufmann geworden,
wird der merkantile Profit reducirt auf den aliquoten Theil des
Gesammtmehrwerths, der dem Handelskapital als einem aliquoten
Theil des im gesellschaftlichen Reproduktionsprocess beschäftigten
Gesammtkapitals zukommt.


In der ergänzenden Ausgleichung der Profite durch die Dazwischen-
kunft des Kaufmannskapitals zeigte sich, dass in den Werth der
Waare kein zusätzliches Element eingeht für das vorgeschossne
Geldkapital des Kaufmanns, dass der Zuschlag auf den Preis, wo-
durch der Kaufmann seinen Profit macht, nur gleich ist dem Werth-
theil der Waare, den das produktive Kapital im Produktionspreis
der Waare nicht berechnet, weggelassen hat. Es verhält sich näm-
lich mit diesem Geldkapital, wie mit dem fixen Kapital des indu-
striellen Kapitalisten, soweit es nicht aufgezehrt ist, sein Werth
daher kein Element des Werths der Waare ausmacht. Nämlich in
seinem Kaufpreis des Waarenkapitals ersetzt er dessen Produktions-
preis, = G, in Geld. Sein Verkaufspreis, wie früher entwickelt,
ist = G + Δ G, welches Δ G den durch die allgemeine Profitrate
bestimmten Zusatz zum Waarenpreis ausdrückt. Verkauft er also
die Waare, so fliesst ihm ausser Δ G das ursprüngliche Geldkapital
zurück, das er im Ankauf der Waaren vorgeschossen. Es tritt
hier wieder hervor, dass sein Geldkapital überhaupt nichts ist als
das in Geldkapital verwandelte Waarenkapital des industriellen
Kapitalisten, das ebensowenig die Werthgrösse dieses Waaren-
kapitals afficiren kann, als wenn letztres statt an den Kaufmann,
direkt an den letzten Konsumenten verkauft wäre. Es anticipirt
thatsächlich bloss die Zahlung durch den letztern. Dies ist jedoch
nur richtig, wenn wie bisher angenommen wird, dass der Kaufmann
keine Unkosten hat, oder dass er ausser dem Geldkapital, das er
vorschiessen muss, um die Waare vom Producenten zu kaufen, kein
andres Kapital, cirkulirendes oder fixes, im Process der Metamor-
phose der Waaren, des Kaufens und Verkaufens vorzuschiessen
hat. Dem ist jedoch nicht so, wie man gesehn hat bei Betrachtung
der Cirkulationskosten (Buch II, Kap. VI.) Und diese Cirkulations-
kosten stellen sich dar, theils als Kosten, die der Kaufmann zu
[272] reklamiren hat von andren Cirkulationsagenten, theils als Kosten,
die direkt aus seinem specifischen Geschäft hervorgehn.


Welcher Art immer diese Cirkulationskosten sein mögen; ob sie
aus dem rein kaufmännischen Geschäft als solchem entspringen,
also zu den specifischen Cirkulationskosten des Kaufmanns ge-
hören; oder ob sie Posten vorstellen, die aus nachträglichen, inner-
halb des Cirkulationsprocesses hinzukommenden Produktionspro-
cessen, wie Spedition, Transport, Aufbewahrung etc. entspringen:
sie unterstellen auf Seite des Kaufmanns, ausser dem im Waaren-
kauf vorgeschossnen Geldkapital, stets ein zusätzliches Kapital, das
in Ankauf und Zahlung dieser Cirkulationsmittel vorgeschossen
war. Soweit dies Kostenelement aus cirkulirendem Kapital besteht,
geht es ganz, soweit aus fixem Kapital, geht es nach Maßgabe
seines Verschleisses als Zusatzelement in den Verkaufspreis der
Waaren ein; aber als ein Element, das einen nominellen Werth
bildet, selbst wenn es keinen wirklichen Werthzusatz der Waare
bildet, wie die rein kaufmännischen Cirkulationskosten. Ob aber
cirkulirend oder fix, dies ganze zusätzliche Kapital geht ein in die
Bildung der allgemeinen Profitrate.


Die rein kaufmännischen Cirkulationskosten (also mit Ausschluss
der Kosten für Spedition, Transport, Aufbewahrung etc.) lösen sich
auf in die Kosten, die nöthig sind um den Werth der Waare zu
realisiren, ihn, sei es aus Waare in Geld oder aus Geld in Waare
zu verwandeln, ihren Austausch zu vermitteln. Es wird dabei
gänzlich abgesehn von etwaigen Produktionsprocessen, die während
des Cirkulationsakts fortdauern, und von denen das kaufmännische
Geschäft ganz getrennt existiren kann; wie in der That z. B. die
wirkliche Transportindustrie und die Spedition, vom Handel ganz
verschiedne Industriezweige sein können und sind, auch die zu
kaufenden und zu verkaufenden Waaren in Docks und andren öffent-
lichen Räumen lagern mögen, und die hieraus entspringenden Kosten
dem Kaufmann von dritten Personen berechnet werden, sofern er
sie vorzuschiessen hat. Alles dies findet sich im eigentlichen Gross-
handel, wo das kaufmännische Kapital am reinsten und am wenigsten
verquickt mit andren Funktionen erscheint. Der Fuhrunternehmer,
der Eisenbahndirigent, der Schiffsrheder, sind keine „Kaufleute“.
Die Kosten, die wir hier betrachten, sind die des Kaufens und die
des Verkaufens. Es ist schon früher bemerkt worden, dass sie sich
auflösen in Rechnen, Buchführen, Markten, Korrespondenz etc. Das
konstante Kapital, das dazu erfordert ist, besteht in Komptoir,
Papier, Porto etc. Die andren Kosten lösen sich auf in variables
[273] Kapital, das in Anwendung merkantiler Lohnarbeiter vorgeschossen
wird. (Speditionsspesen, Transportkosten, Vorschüsse von Zöllen
etc. können z. Th. so betrachtet werden, dass der Kaufmann sie
im Ankauf der Waaren vorschiesst, und dass sie für ihn daher in
den Kaufpreis eingehn.)


Diese sämmtlichen Kosten werden nicht gemacht in der Produk-
tion des Gebrauchswerths der Waaren, sondern in der Realisation
ihres Werths; sie sind reine Cirkulationskosten. Sie gehn nicht
ein in den unmittelbaren Produktionsprocess, aber in den Cirku-
lationsprocess, daher in den Gesammtprocess der Reproduktion.


Der einzige Theil dieser Kosten, der uns hier interessirt, ist der
in variablem Kapital ausgelegte. (Ausserdem wäre zu untersuchen:
Erstens, wie das Gesetz, dass nur nothwendige Arbeit in den Werth
der Waare eingeht, sich im Cirkulationsprocess geltend macht?
Zweitens: Wie die Akkumulation beim Kaufmannskapital erscheint?
Drittens: Wie das Kaufmannskapital im wirklichen Gesammt-Re-
produktionsprocess der Gesellschaft fungirt?)


Diese Kosten gehn aus der ökonomischen Form des Produkts
als Waare hervor.


Wenn die Arbeitszeit, die die industriellen Kapitalisten selbst
verlieren, um einander ihre Waaren direkt zu verkaufen — also
objektiv gesprochen, die Umlaufszeit der Waaren — diesen Waaren
durchaus keinen Werth zusetzt, so ist es klar, dass diese Arbeits-
zeit keinen andren Charakter dadurch erhält, dass sie auf den
Kaufmann statt auf den industriellen Kapitalisten fällt. Die Ver-
wandlung von Waare (Produkt) in Geld und von Geld in Waare
(Produktionsmittel) ist nothwendige Funktion des industriellen Ka-
pitals und daher nothwendige Operation des Kapitalisten, der in
der That nur das personificirte, mit eignem Bewusstsein und Willen
begabte Kapital ist. Aber diese Funktionen vermehren weder den
Werth, noch schaffen sie Mehrwerth. Der Kaufmann, indem er
diese Operationen vollzieht, oder die Funktionen des Kapitals in
der Cirkulationssphäre weiter vermittelt, nachdem der produktive
Kapitalist aufgehört hat dies zu thun, tritt bloss an die Stelle des
industriellen Kapitalisten. Die Arbeitszeit, die diese Operationen
kosten, wird verwandt auf nothwendige Operationen im Reproduk-
tionsprocess des Kapitals, aber sie setzt keinen Werth zu. Wenn
der Kaufmann diese Operationen nicht verrichtete (also auch nicht
die dafür erheischte Arbeitszeit anwendete) so würde er sein Ka-
pital nicht anwenden als Cirkulationsagent des industriellen Kapitals;
er setzte nicht die abgebrochne Funktion des industriellen Kapi-
Marx, Kapital III. 18
[274] talisten weiter fort, und hätte daher auch nicht als Kapitalist, pro
rata seines vorgeschossnen Kapitals, an der Profitmasse Theil zu
nehmen, die von der industriellen Kapitalistenklasse producirt wird.
Um an der Mehrwerthsmasse theilzunehmen, um seinen Vorschuss
als Kapital zu verwerthen, braucht daher der kaufmännische Kapi-
talist keine Lohnarbeiter anzuwenden. Wenn sein Geschäft und
sein Kapital klein ist, mag er selbst der einzige Arbeiter sein, den
er anwendet. Wodurch er bezahlt wird, ist der Theil des Profits,
der ihm aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis der Waaren
und dem wirklichen Produktionspreis erwächst.


Andrerseits mag denn auch, bei kleinem Umfang des vom Kauf-
mann vorgeschossnen Kapitals, der Profit, den er realisirt, durch-
aus nicht grösser, oder kann selbst kleiner sein als der Arbeitslohn
eines der besser bezahlten geschickten Lohnarbeiter. In der That,
neben ihm fungiren direkte kommerzielle Agenten des produktiven
Kapitalisten, Einkäufer, Verkäufer, Reisende, die dasselbe oder mehr
Einkommen beziehn, sei es in der Form des Arbeitslohns, oder in
der Form einer Anweisung auf den Profit (Provision, Tantième)
der auf jeden Verkauf gemacht wird. Im ersten Fall kassirt der
Kaufmann den merkantilen Profit als selbständiger Kapitalist ein;
im andren Fall wird dem Kommis, dem Lohnarbeiter des indu-
striellen Kapitalisten, ein Theil des Profits, sei es in der Form des
Arbeitslohns, sei es in der Form eines proportionellen Antheils am
Profit des industriellen Kapitalisten, dessen direkter Agent er ist,
ausgezahlt, und sein Prinzipal sackt in diesem Fall sowohl den
industriellen wie kommerziellen Profit ein. Aber in allen diesen
Fällen, obgleich dem Cirkulationsagenten selbst seine Einnahme
als blosser Arbeitslohn erscheinen mag, als Zahlung für die von
ihm verrichtete Arbeit, [und] obgleich, wo sie nicht so erscheint,
der Umfang seines Profits nur dem Arbeitslohn eines besser be-
zahlten Arbeiters gleichkommen mag, entspringt seine Einnahme
nur aus dem merkantilen Profit. Dies geht daraus hervor, dass
seine Arbeit nicht werthschaffende Arbeit ist.


Die Verlängerung der Cirkulationsoperation stellt für den indu-
striellen Kapitalisten dar 1) Zeitverlust persönlich, soweit er da-
durch gehindert wird seine Funktion als Dirigent des Produktions-
processes selbst zu verrichten; 2) verlängerten Aufenthalt seines
Produkts, in Geld- oder Waarenform, im Cirkulationsprocess, also
in einem Process, worin es sich nicht verwerthet, und worin der
unmittelbare Produktionsprocess unterbrochen wird. Soll dieser
nicht unterbrochen werden, so muss entweder die Produktion be-
[275] schränkt werden, oder es ist zusätzliches Geldkapital vorzuschiessen,
damit der Produktionsprocess stets auf derselben Stufenleiter fort-
dauert. Dies kommt jedesmal darauf hinaus, dass entweder mit
dem bisherigen Kapital kleinerer Profit gemacht wird, oder dass
zusätzliches Geldkapital vorzuschiessen ist, um den bisherigen Profit
zu machen. Dies bleibt nun alles dasselbe, wenn an die Stelle
des industriellen Kapitalisten der Kaufmann tritt. Statt dass jener
mehr Zeit im Cirkulationsprocess verwendet, verwendet sie der
Kaufmann; statt dass er Zusatzkapital für die Cirkulation vor-
schiessen muss, schiesst es der Kaufmann vor; oder was auf das-
selbe hinauskommt: statt dass ein grössrer Theil des industriellen
Kapitals sich beständig im Cirkulationsprocess herumtreibt, ist das
Kapital des Kaufmanns gänzlich darin eingepfercht; und statt dass
der industrielle Kapitalist geringern Profit macht, muss er einen
Theil seines Profits gänzlich an den Kaufmann abtreten. Soweit
das Kaufmannskapital auf die Grenzen beschränkt bleibt, in denen
es nothwendig ist, ist der Unterschied nur der, dass durch diese
Theilung der Funktion des Kapitals weniger Zeit ausschliesslich
auf den Cirkulationsprocess verwendet, weniger Zusatzkapital dafür
vorgeschossen wird, und der Verlust am Gesammtprofit, der sich
in der Gestalt des merkantilen Profits zeigt, kleiner ist als er sonst
wäre. Wenn im obigen Beispiel 720c + 180v + 180m neben einem
Kaufmannskapital von 100 dem industriellen Kapitalisten einen
Profit von 162 oder 18 % lässt, also einen Abzug von 18 verur-
sacht, so betrüge das nöthige Zuschusskapital ohne diese Verselb-
ständigung vielleicht 200, und wir hätten dann als Gesammtvor-
schuss der industriellen Kapitalisten, statt 900, 1100, also auf
einen Mehrwerth von 180 eine Profitrate von nur 16\frac{4}{11} %.


Hat der industrielle Kapitalist, der sein eigner Kaufmann ist,
nun ausser dem Zusatzkapital, womit er neue Waare kauft, ehe
sein in Cirkulation befindliches Produkt in Geld rückverwandelt
ist, ausserdem noch Kapital (Bureaukosten und Lohn für kommer-
zielle Arbeiter) vorgeschossen für die Realisirung des Werths seines
Waarenkapitals, also für den Cirkulationsprocess, so bilden diese
zwar zusätzliches Kapital, aber keinen Mehrwerth. Sie müssen aus
dem Werth der Waaren ersetzt werden; denn ein Werththeil dieser
Waaren muss sich wieder umsetzen in diese Cirkulationskosten;
aber hierdurch wird kein zusätzlicher Mehrwerth gebildet. Mit
Bezug auf das Gesammtkapital der Gesellschaft kommt dies that-
sächlich darauf hinaus, dass ein Theil desselben für sekundäre Ope-
rationen erheischt ist, die nicht in den Verwerthungsprocess eingehn,
18*
[276] und dass dieser Theil des gesellschaftlichen Kapitals beständig für
diese Zwecke reproducirt werden muss. Für den einzelnen Kapi-
talisten und für die ganze industrielle Kapitalistenklasse wird da-
durch die Profitrate vermindert, ein Resultat, das aus jeder Hinzu-
fügung von Zusatzkapital folgt, soweit dies erforderlich ist, um
dieselbe Masse variablen Kapitals in Bewegung zu setzen.


Soweit diese mit dem Cirkulationsgeschäft selbst verbundnen Zu-
satzkosten dem industriellen Kapitalisten nun abgenommen werden
vom kaufmännischen, findet diese Verminderung der Profitrate auch
statt, nur in geringerm Grade und auf anderm Wege. Die Sache
stellt sich jetzt so dar, dass der Kaufmann mehr Kapital vor-
schiesst als nöthig wäre, wenn diese Kosten nicht existirten, und
dass der Profit auf dies Zusatzkapital die Summe des merkantilen
Profits erhöht, also das Kaufmannskapital in grössrem Umfang in
die Ausgleichung der Durchschnittsprofitrate mit dem industriellen
Kapital eingeht, also der Durchschnittsprofit fällt. Wenn in unserm
obigen Beispiel ausser den 100 Kaufmannskapital noch 50 Zusatz-
kapital für die fraglichen Kosten vorgeschossen werden, so ver-
theilt sich der Gesammtmehrwerth von 180 nun auf ein produktives
Kapital von 900 plus einem Kaufmannskapital von 150, zusammen
= 1050. Die Durchschnittsprofitrate sinkt also auf 17\frac{1}{7} %. Der
industrielle Kapitalist verkauft die Waaren an den Kaufmann zu
900 + 154\frac{2}{7} = 1054\frac{2}{7}, und der Kaufmann verkauft sie zu 1130
(1080 + 50 für Kosten, die er wieder ersetzen muss). Im Uebrigen
muss angenommen werden, dass mit der Theilung zwischen kauf-
männischem und industriellem Kapital Centralisation der Handels-
kosten und daher Verringerung derselben verbunden ist.


Es fragt sich jetzt: Wie verhält es sich mit den kommerziellen
Lohnarbeitern, die der kaufmännische Kapitalist, hier der Waaren-
händler, beschäftigt?


Nach einer Seite hin ist ein solcher kommerzieller Arbeiter
Lohnarbeiter wie ein andrer. Erstens insofern die Arbeit gekauft
wird vom variablen Kapital des Kaufmanns, nicht von dem als
Revenue verausgabten Geld, und daher auch nur gekauft wird nicht
für Privatbedienung, sondern zum Zweck der Selbstverwerthung des
darin vorgeschossnen Kapitals. Zweitens sofern der Werth seiner
Arbeitskraft und daher sein Arbeitslohn bestimmt ist, wie bei allen
andren Lohnarbeitern, durch die Produktions- und Reproduktions-
kosten seiner specifischen Arbeitskraft, nicht durch das Produkt
seiner Arbeit.


Aber es muss zwischen ihm und den direkt vom industriellen
[277] Kapital beschäftigten Arbeitern derselbe Unterschied stattfinden,
der zwischen dem industriellen Kapital und dem Handelskapital,
und daher zwischen dem industriellen Kapitalisten und dem Kauf-
mann stattfindet. Da der Kaufmann als blosser Cirkulationsagent
weder Werth noch Mehrwerth producirt (denn der Zusatzwerth,
den er den Waaren durch seine Unkosten zusetzt, löst sich auf
in Zusatz vorher existirenden Werths, obgleich sich hier die Frage
aufdrängt, wie erhält, konservirt er diesen Werth seines konstanten
Kapitals?), so können auch die von ihm in denselben Funktionen
beschäftigten merkantilen Arbeiter unmöglich unmittelbar Mehr-
werth für ihn schaffen. Hier, wie bei den produktiven Arbeitern
unterstellen wir, dass der Arbeitslohn durch den Werth der Arbeits-
kraft bestimmt ist, also der Kaufmann sich nicht bereichert durch
Abzug am Lohn, sodass er in seiner Kostenberechnung nicht einen
Vorschuss für Arbeit ansetzt, den er nur zum Theil bezahlte, mit
andren Worten, dass er sich nicht bereichert, indem er seine
Kommis etc. prellt.


Was Schwierigkeiten macht mit Bezug auf die merkantilen Lohn-
arbeiter, ist keineswegs, zu erklären, wie sie direkt für ihren Be-
schäftiger Profit produciren, obgleich sie nicht direkt Mehrwerth
(wovon der Profit bloss eine verwandelte Form) produciren. Diese
Frage ist in der That schon gelöst durch die allgemeine Analyse
des merkantilen Profits. Ganz wie das industrielle Kapital dadurch
Profit macht, dass es in den Waaren steckende und realisirte Arbeit
verkauft, für die es kein Aequivalent bezahlt hat, so das merkan-
tile Kapital dadurch, dass es dem produktiven Kapital die unbe-
zahlte Arbeit, die in der Waare steckt (in der Waare, soweit das
in ihrer Produktion ausgelegte Kapital als aliquoter Theil des
gesammten industriellen Kapitals fungirt) nicht ganz zahlt, dagegen
beim Verkauf der Waaren diesen noch in den Waaren steckenden
und von ihm unbezahlten Theil sich zahlen lässt. Das Verhält-
niss des Kaufmannskapitals zum Mehrwerth ist ein andres als das
des industriellen Kapitals. Das letztere producirt den Mehrwerth
durch direkte Aneignung unbezahlter fremder Arbeit. Das erstere
eignet sich einen Theil dieses Mehrwerths an, indem es diesen
Theil vom industriellen Kapital auf sich übertragen lässt.


Es ist nur durch seine Funktion der Realisirung der Werthe,
dass das Handelskapital im Reproduktionsprocess als Kapital fungirt
und daher, als fungirendes Kapital, aus dem vom Gesammtkapital
erzeugten Mehrwerth zieht. Die Masse seines Profits hängt ab für
den einzelnen Kaufmann von der Masse Kapital, die er in diesem
[278] Process anwenden kann, und er kann um so mehr davon anwenden,
im Kaufen und Verkaufen, je grösser die unbezahlte Arbeit seiner
Kommis. Die Funktion selbst, kraft deren sein Geld Kapital ist,
lässt der kaufmännische Kapitalist grossentheils durch seine Arbeiter
verrichten. Die unbezahlte Arbeit dieser Kommis, obgleich sie
nicht Mehrwerth schafft, schafft ihm aber Aneignung von Mehr-
werth, was für dies Kapital dem Resultat nach ganz dasselbe; sie
ist also für es Quelle des Profits. Das kaufmännische Geschäft
könnte sonst nie auf grosser Stufenleiter, nie kapitalistisch be-
trieben werden.


Wie die unbezahlte Arbeit des Arbeiters dem produktiven Ka-
pital direkt Mehrwerth, schafft die unbezahlte Arbeit der kommer-
ziellen Lohnarbeiter dem Handelskapital einen Antheil an jenem
Mehrwerth.


Die Schwierigkeit ist diese: Da die Arbeitszeit und Arbeit des
Kaufmanns selbst keine Werth schaffende Arbeit ist obgleich sie
ihm Antheil an bereits erzeugtem Mehrwerth schafft, wie verhält
es sich mit dem variablen Kapital, das er auslegt im Ankauf von
kommerzieller Arbeitskraft? Ist dies variable Kapital als Kosten-
auslage zuzurechnen zum vorgeschossnen Kaufmannskapital? Wenn
nicht, scheint dies zu widersprechen dem Gesetz der Ausgleichung
der Profitrate; welcher Kapitalist würde 150 vorschiessen, wenn
er nur 100 als vorgeschossnes Kapital berechnen könnte? Wenn
doch, so scheint es dem Wesen des Handelskapitals zu wider-
sprechen, da diese Kapitalsorte nicht dadurch als Kapital fungirt,
dass sie, wie das industrielle Kapital, fremde Arbeit in Bewegung
setzt, sondern dadurch, dass sie selbst arbeitet, d. h. die Funktionen
des Kaufens und Verkaufens vollzieht, und gerade nur dafür und
dadurch einen Theil des vom industriellen Kapital erzeugten Mehr-
werths auf sich überträgt.


(Es sind also folgende Punkte zu untersuchen: Das variable Ka-
pital des Kaufmanns; das Gesetz der nothwendigen Arbeit in der
Cirkulation; wie die Kaufmannsarbeit den Werth ihres konstanten
Kapitals forterhält; die Rolle des Kaufmannskapitals im gesammten
Reproduktionsprocess; endlich die Verdoppelung in Waarenkapital
und Geldkapital einerseits und in Waarenhandlungskapital und
Geldhandlungskapital andrerseits.)


Besässe jeder Kaufmann nur soviel Kapital, als er persönlich fähig ist
durch seine eigne Arbeit umzuschlagen, so fände eine unendliche Zer-
splitterung des Kaufmannskapitals statt; diese Zersplitterung müsste
im selben Maß wachsen, wie das produktive Kapital, im Fortgang der
[279] kapitalistischen Produktionsweise auf grössrer Stufenleiter producirt
und mit grössren Massen operirt. Also steigendes Missverhältniss
beider. Im selben Maß, wie sich das Kapital in der Produktions-
sphäre centralisirte, decentralisirte es sich in der Cirkulationssphäre.
Das rein kaufmännische Geschäft des industriellen Kapitalisten,
und damit seine rein kaufmännischen Ausgaben würden sich da-
durch unendlich erweitern, indem er statt mit je 100, mit je 1000
Kaufleuten zu thun hätte. Damit ginge ein grosser Theil des
Vortheils der Verselbständigung des Kaufmannskapitals verloren;
ausser den rein kaufmännischen wüchsen auch die andren Cirku-
lationskosten, Sortirung, Spedirung etc. Dies was das industrielle
Kapital betrifft. Betrachten wir nun das Kaufmannskapital. Erstens
was die rein kaufmännischen Arbeiten betrifft. Es kostet nicht
mehr Zeit, mit grossen als mit kleinen Zahlen zu rechnen. Es
kostet zehnmal soviel Zeit, 10 Einkäufe für 100 £ wie einen
Einkauf für 1000 £ zu machen. Es kostet zehnmal so viel Korre-
spondenz, Papier, Briefporto, mit 10 kleinen Kaufleuten, wie mit
einem grossen zu korrespondiren. Die beschränkte Theilung der
Arbeit in der kommerziellen Werkstatt, wo der eine Bücher führt,
der andre die Kasse, ein dritter korrespondirt, dieser einkauft, jener
verkauft, dieser reist etc., erspart Arbeitszeit in ungeheuren Massen,
sodass die im Grosshandel verwandte Zahl von kaufmännischen
Arbeitern in gar keinem Verhältniss steht zu der vergleichsmäßigen
Grösse des Geschäfts. Es ist dies der Fall, weil im Handel viel
mehr als in der Industrie dieselbe Funktion, ob im Grossen oder
Kleinen verrichtet, gleich viel Arbeitszeit kostet. Daher zeigt sich
auch die Koncentration im Kaufmannsgeschäft historisch früher als
in der industriellen Werkstatt. Ferner nun die Ausgaben an kon-
stantem Kapital. 100 kleine Komptoirs kosten unendlich mehr als
ein grosses, 100 kleine Waarenlager als ein grosses etc. Die Trans-
portkosten, die wenigstens als vorzuschiessende Kosten in das Kauf-
mannsgeschäft eingehn, wachsen mit der Zersplitterung.


Der industrielle Kapitalist müsste mehr Arbeit und Cirkulations-
kosten im kommerziellen Theil seines Geschäfts verausgaben. Das-
selbe Kaufmannskapital, wenn auf viele kleine Kaufleute vertheilt,
würde wegen dieser Zersplitterung viel mehr Arbeiter zur Vermitt-
lung seiner Funktionen erheischen, und es wäre ausserdem grössres
Kaufmannskapital erheischt um dasselbe Waarenkapital umzu-
schlagen.


Nennen wir das sämmtliche direkt im Kauf und Verkauf von
Waaren angelegte Kaufmannskapital B, und das entsprechende
[280] variable, in Zahlung kommerzieller Hülfsarbeiter ausgelegte Kapital
b, so ist B + b kleiner als das gesammte Kaufmannskapital B sein
müsste, wenn jeder Kaufmann sich ohne Gehülfen durchschlüge, wenn
also nicht ein Theil in b angelegt wäre. Indess sind wir immer
noch nicht mit der Schwierigkeit fertig.


Der Verkaufspreis der Waaren muss hinreichen, 1) um den
Durchschnittsprofit auf B + b zu zahlen. Dies ist schon dadurch
erklärt, dass B + b eine Verkürzung des ursprünglichen B über-
haupt ist, ein kleineres Kaufmannskapital darstellt, als ohne b noth-
wendig wäre. Aber dieser Verkaufspreis muss 2) hinreichen, um
ausser dem nun zusätzlich erscheinenden Profit auf b, auch den ge-
zahlten Arbeitslohn, das variable Kapital des Kaufmanns = b selbst
zu ersetzen. Dies letztre macht die Schwierigkeit. Bildet b einen
neuen Bestandtheil des Preises, oder ist es bloss ein Theil des mit
B + b gemachten Profits, der nur mit Bezug auf den merkantilen
Arbeiter als Arbeitslohn erscheint, und mit Bezug auf den Kauf-
mann selbst als blosses Ersetzen seines variablen Kapitals? In
letztrem Fall wäre der vom Kaufmann gemachte Profit auf sein
vorgeschossnes Kapital B + b nur gleich dem Profit, der nach der
allgemeinen Rate auf B fällt, plus b, welches letztre er in der
Form von Arbeitslohn bezahlt, welches aber selbst keinen Profit
abwürfe.


Es kommt in der That darauf an, die Grenzen (im mathematischen
Sinn) von b zu finden. Wir wollen erst die Schwierigkeit genau
festsetzen. Nennen wir das direkt im Kauf und Verkauf von
Waaren ausgelegte Kapital B, das konstante Kapital, das in dieser
Funktion verbraucht wird (die sachlichen Handlungsunkosten) K
und das variable Kapital, das der Kaufmann auslegt, b.


Der Ersatz von B bietet durchaus keine Schwierigkeit. Es ist
für den Kaufmann nur der realisirte Einkaufspreis oder der Pro-
duktionspreis für den Fabrikanten. Diesen Preis zahlt der Kauf-
mann, und beim Wiederverkauf erhält er B zurück als Theil seines
Verkaufspreises; ausser diesem B den Profit auf B, wie früher er-
klärt. Z. B. die Waare kostet 100 £. Der Profit darauf sei
10 %. So wird die Waare verkauft zu 110. Die Waare kostete
schon vorher 100; das Kaufmannskapital von 100 setzt ihr nur 10 zu.


Nehmen wir ferner K, so ist dies höchstens ebenso gross, in
der That aber geringer als der Theil des konstanten Kapitals, den
der Producent im Verkauf und Einkauf verbrauchen würde; der
aber einen Zusatz zu dem konstanten Kapital bilden würde, das
er direkt in der Produktion braucht. Nichtsdestoweniger muss
[281] dieser Theil beständig aus dem Preis der Waare ersetzt werden,
oder was dasselbe ist, ein entsprechender Theil der Waare muss
in dieser Form beständig verausgabt, muss — das Gesammtkapital
der Gesellschaft betrachtet — in dieser Form beständig reproducirt
werden. Dieser Theil des vorgeschossnen konstanten Kapitals
würde ebensowohl, wie die ganze Masse desselben, die direkt in
der Produktion angelegt ist, auf die Profitrate beschränkend wirken.
Soweit der industrielle Kapitalist den kommerziellen Theil seines
Geschäfts dem Kaufmann überlässt, braucht er diesen Kapitaltheil
nicht vorzuschiessen. Statt seiner schiesst ihn der Kaufmann vor.
Dies ist insofern nur nominell; der Kaufmann producirt weder,
noch reproducirt er das von ihm vernutzte konstante Kapital (die
sachlichen Handlungsunkosten). Die Produktion desselben erscheint
also als eignes Geschäft oder wenigstens als Theil des Geschäfts
gewisser industrieller Kapitalisten, die so dieselbe Rolle spielen,
wie die, welche das konstante Kapital denen liefern, die Lebens-
mittel produciren. Der Kaufmann erhält also erstens dies ersetzt
und zweitens der Profit hierauf. Durch beides findet also Ver-
ringerung des Profits für den industriellen Kapitalisten statt. Aber,
wegen der mit der Theilung der Arbeit verbundnen Koncentration
und Oekonomie, in geringerm Maß, als wenn er selbst dies Kapital
vorzuschiessen hätte. Die Verminderung der Profitrate ist geringer,
weil das so vorgeschossne Kapital geringer ist.


Bisher besteht also der Verkaufspreis aus B + K + dem Profit
auf B + K. Dieser Theil desselben bietet nach dem Bisherigen
keine Schwierigkeit. Aber nun kommt b hinein oder das vom
Kaufmann vorgeschossne variable Kapital.


Der Verkaufspreis wird dadurch B + K + b + dem Profit auf
B + K, + dem Profit auf b.


B ersetzt nur den Kaufpreis, fügt aber ausser dem Profit auf B
diesem Preis keinen Theil zu. K fügt nicht nur den Profit auf K
zu, sondern K selbst; aber K + Profit auf K, der in Form von
konstantem Kapital vorgeschossne Theil der Cirkulationskosten +
dem entsprechenden Durchschnittsprofit, wäre grösser in der Hand
des industriellen Kapitalisten als in der Hand des kaufmännischen.
Die Verringerung des Durchschnittsprofits erscheint in der Form,
dass der volle Durchschnittsprofit — nach Abzug von B + K vom vor-
geschossnen industriellen Kapital — berechnet, der Abzug vom Durch-
schnittsprofit für B + K aber an den Kaufmann gezahlt wird, sodass
dieser Abzug als Profit eines besondren Kapitals, des Kaufmanns-
kapitals erscheint.


[282]

Aber mit b + dem Profit auf b, oder im gegebnen Fall, da die
Profitrate unterstellt ist = 10 %, mit b + \frac{1}{10} b, verhält es sich
anders. Und hier liegt die wirkliche Schwierigkeit.


Was der Kaufmann mit b kauft, ist der Unterstellung nach bloss
kaufmännische Arbeit, also Arbeit, nothwendig um die Funktionen
der Kapitalcirkulation, W—G und G—W zu vermitteln. Aber
die kaufmännische Arbeit ist die Arbeit, die überhaupt nothwendig
ist, damit ein Kapital als Kaufmannskapital fungire, damit es die
Verwandlung von Waare in Geld und Geld in Waare vermittle.
Es ist Arbeit, die Werthe realisirt, aber keine Werthe schafft.
Und nur sofern ein Kapital diese Funktionen verrichtet — also
ein Kapitalist diese Operationen, diese Arbeit mit seinem Kapital
verrichtet — fungirt dies Kapital als kaufmännisches Kapital und
nimmt es Theil an der Regelung der allgemeinen Profitrate, d. h.
zieht es seine Dividende aus dem Gesammtprofit. In (b + Profit
auf b) scheint aber erstens die Arbeit bezahlt zu werden (denn ob
der industrielle Kapitalist sie dem Kaufmann, für seine eigne Arbeit
bezahlt oder für die des vom Kaufmann bezahlten Kommis, ist
dasselbe) und zweitens der Profit auf Zahlung dieser Arbeit, die
der Kaufmann selbst verrichten müsste. Das Kaufmannskapital er-
hält erstens die Rückzahlung von b und zweitens den Profit darauf;
dies entspringt also daraus, dass es sich erstens die Arbeit zahlen
lässt, wodurch es als kaufmännisches Kapital fungirt, und dass
es zweitens sich den Profit zahlen lässt, weil es als Kapital fungirt,
d. h. weil es die Arbeit verrichtet, die ihm im Profit als fungirendem
Kapital gezahlt wird. Dies also ist die Frage, die zu lösen ist.


Nehmen wir an B = 100, b = 10, und die Profitrate = 10 %.
Wir setzen K = 0, um dies, nicht hierher gehörige, und bereits er-
ledigte, Element des Kaufpreises nicht wieder unnöthig in Rechnung
zu bringen. So wäre der Verkaufspreis = B + p + b + p (= B
+ Bp' + b + bp', wo p' die Profitrate) = 100 + 10 + 10 + 1 = 121.


Würde aber b nicht in Arbeitslohn vom Kaufmann ausgelegt —
da b nur bezahlt wird für kaufmännische Arbeit, also für Arbeit,
nöthig zur Realisirung der Werths des Waarenkapitals, das das
industrielle Kapital in den Markt wirft — so stände die Sache so:
Um für B = 100 zu kaufen oder zu verkaufen, gäbe der Kaufmann
seine Zeit hin, und wir wollen annehmen, dass dies die einzige
Zeit ist über die er verfügt. Die kaufmännische Arbeit, die durch
b oder 10 repräsentirt ist, wenn sie nicht durch Arbeitslohn, sondern
durch Profit bezahlt wäre, unterstellt ein andres kaufmännisches
Kapital = 100, da dies zu 10 % = b = 10 ist. Dies zweite B = 100
[283] würde nicht zusätzlich in den Preis der Waare eingehn, aber wohl
die 10 %. Es würden daher zwei Operationen zu 100 = 200, Waaren
kaufen für 200 + 20 = 220.


Da das Kaufmannskapital absolut nichts ist als eine verselb-
ständigte Form eines Theils des im Cirkulationsprocess fungirenden
industriellen Kapitals, so müssen alle auf dasselbe bezüglichen Fragen
dadurch gelöst werden, dass man sich das Problem zunächst in
der Form stellt, worin die dem kaufmännischen Kapital eigenthüm-
lichen Phänomene noch nicht selbständig erscheinen, sondern noch
in direktem Zusammenhang mit dem industriellen Kapital, als dessen
Zweig. Als Komptoir, im Unterschied von Werkstatt, fungirt das
merkantile Kapital fortwährend im Cirkulationsprocess. Hier ist
also das jetzt in Frage stehende b zunächst zu untersuchen; im
Komptoir des industriellen Kapitalisten selbst.


Von vornherein ist dies Komptoir immer verschwindend klein
gegen die industrielle Werkstatt. Im Uebrigen ist klar: Im Maß
wie sich die Produktionsstufe erweitert, vermehren sich die kom-
merziellen Operationen, die beständig zur Cirkulation des indu-
striellen Kapitals auszuführen sind, sowohl um das in Gestalt des
Waarenkapitals vorhandne Produkt zu verkaufen, wie das gelöste
Geld wieder in Produktionsmittel zu verwandeln, und Rechnung
über das Ganze zu führen. Preisberechnung, Buchführung, Kassen-
führung, Korrespondenz gehört alles hierher. Je entwickelter die
Produktionsleiter, desto grösser, wenn auch keineswegs im Verhält-
niss, sind die kaufmännischen Operationen des industriellen Kapitals,
also auch die Arbeit und die sonstigen Cirkulationskosten für die
Realisirung des Werths und Mehrwerths. Es wird dadurch An-
wendung kommerzieller Lohnarbeiter nöthig, die das eigentliche
Komptoir bilden. Die Auslage für dieselben, obgleich in Form
von Arbeitslohn gemacht, unterscheidet sich von dem variablen
Kapital, das im Ankauf der produktiven Arbeit ausgelegt ist. Es
vermehrt die Auslagen des industriellen Kapitalisten, die Masse des
vorzuschiessenden Kapitals, ohne direkt den Mehrwerth zu ver-
mehren. Denn es ist Auslage, bezahlt für Arbeit, die nur in der
Realisirung schon geschaffner Werthe verwandt wird. Wie jede
andre Auslage dieser Art, vermindert auch diese die Rate des
Profits, weil das vorgeschossne Kapital wächst, aber nicht der
Mehrwerth. Wenn der Mehrwerth m konstant bleibt, das vorge-
schossne Kapital C aber auf C + ΔC wächst, so tritt an Stelle
der Profitrate \frac{m}{C} die kleinere Profitrate \frac{m}{C + ΔC}. Der industrielle Ka-
[284] pitalist sucht also diese Cirkulationskosten, ganz wie seine Aus-
lagen für konstantes Kapital, auf ihr Minimum zu beschränken.
Das industrielle Kapital verhält sich also nicht in derselben Weise
zu seinen kommerziellen, wie zu seinen produktiven Lohnarbeitern.
Jemehr von diesen letzteren bei sonst gleichbleibenden Umständen
angewandt werden, um so massenhafter die Produktion, um so
grösser der Mehrwerth oder Profit. Umgekehrt dagegen. Je grösser
die Stufenleiter der Produktion, und je grösser der zu realisirende
Werth und daher Mehrwerth, je grösser also das producirte Waaren-
kapital, um so mehr wachsen absolut, wenn auch nicht relativ, die
Bureaukosten, und geben zu einer Art Theilung der Arbeit Anlass.
Wie sehr der Profit die Voraussetzung dieser Ausgaben, zeigt sich
unter andrem darin, dass mit Wachsen des kommerziellen Salairs
oft ein Theil desselben durch Procentantheil am Profit gezahlt
wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Arbeit, die nur
in den vermittelnden Operationen besteht, welche theils mit der
Berechnung der Werthe, theils mit ihrer Realisirung, theils mit
der Wiederverwandlung des realisirten Geldes in Produktionsmittel
verbunden sind, deren Umfang also von der Grösse der producirten
und zu realisirenden Werthe abhängt, dass eine solche Arbeit nicht
als Ursache, wie die direkt produktive Arbeit, sondern als Folge
der respektiven Grössen und Massen dieser Werthe wirkt. Aehn-
lich verhält es sich mit den andren Cirkulationskosten. Um viel
zu messen, zu wiegen, zu verpacken, zu transportiren, muss viel
da sein; die Menge der Pack- und Transportarbeit etc. hängt ab
von der Masse der Waaren, die Objekte ihrer Thätigkeit sind,
nicht umgekehrt.


Der kommerzielle Arbeiter producirt nicht direkt Mehrwerth.
Aber der Preis seiner Arbeit ist durch den Werth seiner Arbeits-
kraft, also deren Produktionskosten, bestimmt, während die Aus-
übung dieser Arbeitskraft, als eine Anspannung, Kraftäusserung
und Abnutzung, wie bei jedem andren Lohnarbeiter, keineswegs
durch den Werth seiner Arbeitskraft begrenzt ist. Sein Lohn steht
daher in keinem nothwendigen Verhältniss zu der Masse des Profits,
die er dem Kapitalisten realisiren hilft. Was er dem Kapitalisten
kostet und was er ihm einbringt, sind verschiedne Grössen. Er
bringt ihm ein, nicht indem er direkt Mehrwerth schafft, aber in-
dem er die Kosten der Realisirung des Mehrwerths vermindern hilft,
soweit er, zum Theil unbezahlte, Arbeit verrichtet. Der eigentlich
kommerzielle Arbeiter gehört zu der besser bezahlten Klasse von
Lohnarbeitern, zu denen, deren Arbeit geschickte Arbeit ist, über
[285] der Durchschnittsarbeit steht. Indess hat der Lohn die Tendenz
zu fallen, selbst im Verhältniss zur Durchschnittsarbeit, im Fort-
schritt der kapitalistischen Produktionsweise. Theils durch Theilung
der Arbeit innerhalb des Komptoirs; daher nur einseitige Entwick-
lung der Arbeitsfähigkeit zu produciren ist, und die Kosten dieser
Produktion dem Kapitalisten zum Theil nichts kosten, sondern das
Geschick des Arbeiters sich durch die Funktion selbst entwickelt,
und um so rascher, je einseitiger es mit der Theilung der Arbeit
wird. Zweitens, weil die Vorbildung, Handels- und Sprachkennt-
nisse u. s. w. mit dem Fortschritt der Wissenschaft und Volks-
bildung immer rascher, leichter, allgemeiner, wohlfeiler reproducirt
werden, jemehr die kapitalistische Produktionsweise die Lehrmethoden
u. s. w. aufs Praktische richtet. Die Verallgemeinerung des Volks-
unterrichts erlaubt, diese Sorte aus Klassen zu rekrutiren, die früher
davon ausgeschlossen, an schlechtre Lebensweise gewöhnt waren.
Dazu vermehrt sie den Zudrang und damit die Konkurrenz. Mit
einigen Ausnahmen entwerthet sich daher im Fortgang der kapi-
talistischen Produktion die Arbeitskraft dieser Leute; ihr Lohn
sinkt, während ihre Arbeitsfähigkeit zunimmt. Der Kapitalist ver-
mehrt die Zahl dieser Arbeiter, wenn mehr Werth und Profit zu
realisiren ist. Die Zunahme dieser Arbeit ist stets Wirkung, nie
Ursache der Vermehrung des Mehrwerths.39)


Es findet also eine Verdoppelung statt. Einerseits sind die Funk-
tionen als Waarenkapital und Geldkapital (daher weiter bestimmt
als kommerzielles Kapital) allgemeine Formbestimmtheiten des in-
dustriellen Kapitals. Andrerseits sind besondre Kapitale, also auch
besondre Reihen von Kapitalisten, ausschliesslich thätig in diesen
Funktionen; und diese Funktionen werden so zu besondren Sphären
der Kapitalverwerthung.


Die kommerziellen Funktionen und Cirkulationskosten finden sich
nur verselbständigt für das merkantile Kapital. Die der Cirkulation
zugekehrte Seite des industriellen Kapitals existirt nicht nur in
[286] seinem beständigen Dasein als Waarenkapital und Geldkapital,
sondern auch im Komptoir neben der Werkstatt. Aber sie ver-
selbständigt sich für das merkantile Kapital. Für es bildet das
Komptoir seine einzige Werkstatt. Der in der Form der Cirku-
lationskosten angewandte Theil des Kapitals erscheint beim Gross-
kaufmann viel grösser als beim Industriellen, weil ausser den
eignen Geschäftsbureaux, die mit jeder industriellen Werkstatt ver-
bunden sind, der Theil des Kapitals, der von der ganzen Klasse
der industriellen Kapitalisten so verwandt werden müsste, in den
Händen einzelner Kaufleute koncentrirt ist, die, wie sie die Fort-
setzung der Cirkulationsfunktionen besorgen, so die daraus er-
wachsende Fortsetzung der Cirkulationskosten.


Dem industriellen Kapital erscheinen und sind die Cirkulations-
kosten Unkosten. Dem Kaufmann erscheinen sie als Quelle seines
Profits, der — die allgemeine Profitrate vorausgesetzt — im Ver-
hältniss zur Grösse derselben steht. Die in diesen Cirkulations-
kosten zu machende Auslage ist daher für das merkantile Kapital
eine produktive Anlage. Also ist auch die kommerzielle Arbeit,
die es kauft, für es unmittelbar produktiv.


Achtzehntes Kapitel.
Der Umschlag des Kaufmannskapitals. Die Preise.


Der Umschlag des industriellen Kapitals ist die Einheit seiner
Produktions- und Cirkulationszeit und umfasst daher den ganzen
Produktionsprocess. Der Umschlag des Kaufmannskapitals dagegen,
da er in der That nur die verselbständigte Bewegung des Waaren-
kapitals ist, stellt nur die erste Phase der Metamorphose der
Waare, W—G, als in sich zurückfliessende Bewegung eines be-
sondren Kapitals dar; G—W, W—G im kaufmännischen Sinn,
als Umschlag des Kaufmannskapitals. Der Kaufmann kauft, ver-
wandelt sein Geld in Waare, verkauft dann, verwandelt dieselbe
Waare wieder in Geld; und so fort in beständiger Wiederholung.
Innerhalb der Cirkulation stellt sich die Metamorphose des indu-
striellen Kapitals immer dar als W1—G—W2; das aus dem Ver-
kauf von W1, der producirten Waare, gelöste Geld wird benutzt
um W2, neue Produktionsmittel, zu kaufen; es ist dies der wirk-
liche Austausch von W1 und W2 und dasselbe Geld wechselt so
zweimal die Hände. Seine Bewegung vermittelt den Austausch
zweier verschiedenartigen Waaren, W1 und W2. Aber beim Kauf-
[287] mann, in G—W—G' wechselt umgekehrt dieselbe Waare zweimal
die Hände; sie vermittelt nur den Rückfluss des Geldes zu ihm.


Wenn z. B. das Kaufmannskapital 100 £, und der Kaufmann
kauft für diese 100 £ Waare, verkauft dann diese Waare zu 110 £,
so hat dies sein Kapital von 100 einen Umschlag gemacht, und
die Anzahl der Umschläge im Jahr hängt davon ab, wie oft diese
Bewegung G—W—G' im Jahr wiederholt wird.


Wir sehn hier ganz ab von den Kosten, die in der Differenz
zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis stecken mögen, da diese
Kosten an der Form, die wir hier zunächst zu betrachten haben,
gar nichts ändern.


Die Anzahl der Umschläge eines gegebnen Kaufmannskapitals
hat hier also durchaus Analogie mit der Wiederholung der Um-
läufe des Geldes als blosses Cirkulationsmittel. Wie derselbe
Thaler, der zehnmal umläuft, zehnmal seinen Werth in Waaren
kauft, so kauft dasselbe Geldkapital des Kaufmanns von 100 z. B.,
wenn es zehnmal umschlägt, zehnmal seinen Werth in Waaren oder
realisirt ein gesammtes Waarenkapital von zehnfachem Werth = 1000.
Der Unterschied ist aber der. Beim Umlauf des Geldes als Cir-
kulationsmittel ist es dasselbe Geldstück, das durch verschiedne
Hände läuft, also wiederholt dieselbe Funktion vollzieht und daher
durch die Geschwindigkeit des Umlaufs die Masse der umlaufenden
Geldstücke ersetzt. Aber bei dem Kaufmann ist es dasselbe Geld-
kapital, gleichgültig aus welchen Geldstücken zusammengesetzt,
derselbe Geldwerth, der wiederholt zum Betrag seines Werths
Waarenkapital kauft und verkauft, und daher in dieselbe Hand
wiederholt als G + ΔG, zu seinem Ausgangspunkt als Werth plus
Mehrwerth zurückfliesst. Dies charakterisirt seinen Umschlag als
Kapitalumschlag. Es entzieht der Cirkulation beständig mehr Geld
als es hineinwirft. Es versteht sich übrigens von selbst, dass mit
beschleunigtem Umschlag des kaufmännischen Kapitals (wo auch
die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel bei entwickeltem Kredit-
wesen überwiegt) auch dieselbe Geldmasse rascher umläuft.


Der wiederholte Umschlag des Waarenhandlungskapitals drückt
aber nie etwas andres aus als Wiederholung von Kaufen und Ver-
kaufen; während der wiederholte Umschlag des industriellen Kapi-
tals die Periodicität und die Erneuerung des gesammten Repro-
duktionsprocesses (worin der Konsumtionsprocess eingeschlossen)
ausdrückt. Dies erscheint dagegen für das Kaufmannskapital nur
als äussere Bedingung. Das industrielle Kapital muss beständig
Waaren auf den Markt werfen und sie ihm wieder entziehn, damit
[288] der rasche Umschlag des Kaufmannskapitals möglich bleibe. Ist
der Reproduktionsprocess überhaupt langsam, so der Umschlag des
Kaufmannskapitals. Nun vermittelt zwar das Kaufmannskapital
den Umschlag des produktiven Kapitals; aber nur soweit es dessen
Umlaufszeit verkürzt. Es wirkt nicht direkt auf die Produktions-
zeit, die ebenfalls eine Schranke für die Umschlagszeit des indu-
striellen Kapitals bildet. Dies ist die erste Grenze für den Um-
schlag des Kaufmannskapitals. Zweitens aber, abgesehn von der
durch die reproduktive Konsumtion gebildeten Schranke, ist dieser Um-
schlag schliesslich beschränkt durch die Geschwindigkeit und den Um-
fang der gesammten individuellen Konsumtion, da der ganze in den Kon-
sumtionsfonds eingehende Theil des Waarenkapitals davon abhängt.


Nun aber (ganz abgesehn von den Umschlägen innerhalb der
Kaufmannswelt, wo ein Kaufmann dieselbe Waare immer an den
andern verkauft und diese Art Cirkulation in spekulativen Zeiten
sehr blühend aussehn mag) verkürzt das Kaufmannskapital erstens
die Phase W—G für das produktive Kapital. Zweitens, bei dem
modernen Kreditsystem, verfügt es über einen grossen Theil des
Gesammtgeldkapitals der Gesellschaft, sodass es seine Einkäufe
wiederholen kann, bevor es das schon Gekaufte definitiv verkauft
hat; wobei es gleichgültig ist, ob unser Kaufmann direkt an den
letzten Konsumenten verkauft, oder zwischen diesen beiden 12 andre
Kaufleute liegen. Bei der ungeheuren Elasticität des Reproduk-
tionsprocesses, der beständig über jede gegebne Schranke hinaus-
getrieben werden kann, findet er keine Schranke an der Produktion
selbst, oder nur eine sehr elastische. Ausser der Trennung von
W—G und G—W, die aus der Natur der Waare folgt, wird hier
also eine fiktive Nachfrage geschaffen. Trotz ihrer Verselbstän-
digung ist die Bewegung des Kaufmannskapitals nie etwas andres
als die Bewegung des industriellen Kapitals innerhalb der Cirku-
lationssphäre. Aber kraft seiner Verselbständigung bewegt es sich
innerhalb gewisser Grenzen unabhängig von den Schranken des
Reproduktionsprocesses, und treibt ihn daher selbst über seine
Schranken hinaus. Die innere Abhängigkeit, die äussere Selbstän-
digkeit treiben es bis zu einem Punkt, wo der innere Zusammen-
hang gewaltsam, durch eine Krise, wieder hergestellt wird.


Daher das Phänomen in den Krisen, dass sie nicht zuerst sich
zeigen und ausbrechen beim Detailverkauf, der es mit der unmittel-
baren Konsumtion zu thun hat, sondern in den Sphären des Gross-
handels und der Banken, die diesem das Geldkapital der Gesell-
schaft zur Verfügung stellen.


[289]

Der Fabrikant mag wirklich verkaufen an den Exporteur, und
dieser wieder an seinen fremden Kunden, der Importeur mag seine
Rohstoffe absetzen an den Fabrikanten, dieser seine Produkte an
den Grosshändler u. s. w. Aber an irgend einem einzelnen un-
sichtbaren Punkt liegt die Waare unverkauft; oder ein andresmal
werden die Vorräthe aller Producenten und Zwischenhändler all-
mälig überfüllt. Die Konsumtion steht gerade dann gewöhnlich
in der höchsten Blüte, theils weil ein industrieller Kapitalist eine
Reihenfolge andrer in Bewegung setzt, theils weil die von ihnen
beschäftigten Arbeiter, vollauf beschäftigt, mehr als gewöhnlich
auszugeben haben. Mit dem Einkommen der Kapitalisten nimmt
ebenfalls ihre Ausgabe zu. Ausserdem findet, wie wir gesehn haben
(Buch II, Abschn. III), eine beständige Cirkulation statt zwischen
konstantem Kapital und konstantem Kapital (auch abgesehn von der
beschleunigten Akkumulation), die insofern zunächst unabhängig
ist von der individuellen Konsumtion, als sie nie in dieselbe ein-
geht, die aber doch durch sie definitiv begrenzt ist, indem die
Produktion von konstantem Kapital nie seiner selbst wegen
stattfindet, sondern nur weil mehr davon gebraucht wird in den
Produktionssphären, deren Produkte in die individuelle Kon-
sumtion eingehn. Dies kann jedoch eine zeitlang ruhig seinen
Weg gehn, durch die prospektive Nachfrage gereizt, und in diesen
Zweigen geht das Geschäft bei Kaufleuten und Industriellen daher
sehr flott voran. Die Krise tritt ein, sobald die Rückflüsse der
Kaufleute, die fernab verkaufen (oder deren Vorräthe auch im
Inlande sich gehäuft haben), so langsam und spärlich werden, dass
die Banken auf Zahlung dringen oder die Wechsel gegen die ge-
kauften Waaren verfallen ehe Wiederverkauf stattgefunden. Dann
beginnen Zwangsverkäufe, Verkäufe um zu zahlen. Und damit ist
der Krach da, der der scheinbaren Prosperität auf einmal ein Ende
macht.


Die Aeusserlichkeit und Begriffslosigkeit des Umschlags des Kauf-
mannskapitals ist aber noch grösser, weil der Umschlag desselben
Kaufmannskapitals die Umschläge sehr verschiedner produktiver
Kapitale gleichzeitig oder der Reihe nach vermitteln kann.


Der Umschlag des Kaufmannskapitals kann aber nicht nur Um-
schläge verschiedner industriellen Kapitale vermitteln, sondern auch
die entgegengesetzte Phase der Metamorphose des Waarenkapitals.
Der Kaufmann kauft z. B. die Leinwand vom Fabrikanten und
verkauft sie an den Bleicher. Hier stellt also der Umschlag des-
selben Kaufmannskapitals, — in der That dasselbe W—G, die
Marx, Kapital III. 19
[290] Realisirung der Leinwand, — zwei entgegengesetzte Phasen für
zwei verschiedne industrielle Kapitale vor. Soweit der Kaufmann
überhaupt für die produktive Konsumtion verkauft, stellt sein W—G
stets das G—W eines industriellen Kapitals, und sein G—W stets
das W—G eines andern industriellen Kapitals vor.


Wenn wir, wie es in diesem Kapitel geschieht, K, die Cirku-
lationskosten, weglassen, den Theil des Kapitals, den der Kauf-
mann ausser der im Ankauf der Waaren ausgelegten Summe vor-
schiesst, so fällt natürlich auch ΔK fort, der zusätzliche Profit,
den er auf dies zusätzliche Kapital macht. Es ist dies also die
strikt logische und mathematisch richtige Betrachtungsweise, wenn
es gilt zu sehn, wie Profit und Umschlag des Kaufmannskapitals
auf die Preise wirken.


Wenn der Produktionspreis von 1 Zucker 1 £, so könnte
der Kaufmann mit 100 £ 100 Zucker kaufen. Kauft und
verkauft er im Lauf des Jahres dies Quantum und ist die jähr-
liche Durchschnittsprofitrate 15 %, so würde er zuschlagen auf
100 £ 15 £, und auf 1 £, den Produktionspreis von 1 , 3 sh. Er
würde also das Pfund Zucker zu 1 £ 3 sh. verkaufen. Fiele da-
gegen der Produktionspreis von 1 Zucker auf 1 sh., so würde
der Kaufmann mit 100 £ 2000 einkaufen, und das Pfund ver-
kaufen zu 1 sh. 1⅘ d. Nach wie vor wäre der Jahresprofit auf
das im Zuckergeschäft ausgelegte Kapital von 100 £ = 15 £. Nur
muss er in dem einen Fall 100, im andern 2000 verkaufen.
Die Höhe oder Niedrigkeit des Produktionspreises hätte nichts zu
thun mit der Profitrate; aber sie hätte sehr viel, entscheidend da-
mit zu thun, wie gross der aliquote Theil des Verkaufspreises jedes
Pfundes Zucker ist, der sich in merkantilen Profit auflöst; d. h. der
Preiszuschlag, den der Kaufmann auf ein bestimmtes Quantum
Waare (Produkt) macht. Ist der Produktionspreis einer Waare
gering, so die Summe, die der Kaufmann in ihrem Kaufpreis, d. h.
für eine bestimmte Masse derselben, vorschiesst, und daher bei
gegebner Profitrate der Betrag des Profits, den er auf dieses gegebne
Quantum wohlfeiler Waare macht; oder, was auf dasselbe heraus-
kommt, er kann dann mit einem gegebnen Kapital, z. B. von 100,
eine grosse Masse dieser wohlfeilen Waare kaufen, und der Ge-
sammtprofit von 15, den er auf die 100 macht, vertheilt sich in
kleinen Brüchen über jedes einzelne Theilstück dieser Waarenmasse.
Wenn umgekehrt, umgekehrt. Es hängt dies ganz und gar ab von
der grössren oder geringren Produktivität des industriellen Kapitals,
mit dessen Waaren er Handel treibt. Nehmen wir Fälle aus, wo
[291] der Kaufmann Monopolist ist und zugleich die Produktion mono-
polisirt, wie etwa ihrer Zeit die holländisch-ostindische Kompagnie,
so kann nichts alberner sein als die gangbare Vorstellung, dass es
vom Kaufmann abhängt, ob er viel Waare zu wenig Profit oder
wenig Waare zu viel Profit auf die einzelne Waare verkaufen will.
Die beiden Grenzen für seinen Verkaufspreis sind: einerseits der
Produktionspreis der Waare, über den er nicht verfügt; andrerseits
die Durchschnittsprofitrate, über die er ebensowenig verfügt. Das
einzige, worüber er zu entscheiden hat, wobei aber die Grösse
seines verfügbaren Kapitals und andre Umstände mitsprechen, ist,
ob er in theuren oder wohlfeilen Waaren handeln will. Es hängt
daher ganz und gar vom Entwicklungsgrad der kapitalistischen
Produktionsweise ab, und nicht vom Belieben des Kaufmanns, wie
er es damit hält. Eine bloss kaufmännische Kompagnie, wie die
alte holländisch-ostindische, die das Monopol der Produktion hatte,
konnte sich einbilden, eine höchstens den Anfängen der kapitali-
stischen Produktion entsprechende Methode unter ganz veränderten
Verhältnissen fortzusetzen.40)


Was jenes populäre Vorurtheil, welches übrigens, wie alle falschen
Vorstellungen über Profit etc. aus der Anschauung des blossen
Handels und aus dem kaufmännischen Vorurtheil entspringt, auf-
recht hält, sind unter anderm folgende Umstände.


Erstens: Erscheinungen der Konkurrenz, die aber bloss die Ver-
theilung des merkantilen Profits unter die einzelnen Kaufleute, die
Antheilbesitzer am Gesammt-Kaufmannskapital betreffen; wenn einer
z. B. wohlfeiler verkauft, um seine Gegner aus dem Felde zu schlagen.


Zweitens: ein Oekonom vom Kaliber des Professor Roscher
kann sich in Leipzig immer noch einbilden, dass es „Klugheits-
und Humanitäts“-Gründe waren, die den Wechsel in den Verkaufs-
preisen producirt haben, und dass dieser nicht ein Resultat umge-
wälzter Produktionsweise selbst war.


19*
[292]

Drittens: sinken die Produktionspreise in Folge gesteigerter
Produktivkraft der Arbeit, und sinken daher auch die Verkaufs-
preise, so steigt oft die Nachfrage noch schneller als die Zufuhr,
und mit ihr die Marktpreise, sodass die Verkaufspreise mehr als
den Durchschnittsprofit abwerfen.


Viertens: ein Kaufmann mag den Verkaufspreis herabsetzen
(was immer nichts ist als Herabsetzen des üblichen Profits, den er
auf den Preis schlägt) um grössres Kapital rascher in seinem Ge-
schäft umzuschlagen. Alles das sind Dinge, die nur die Konkurrenz
unter den Kaufleuten selbst angehn.


Es ist bereits in Buch I gezeigt worden, dass die Höhe oder
Niedrigkeit der Waarenpreise weder die Masse des Mehrwerths be-
stimmt, die ein gegebnes Kapital producirt, noch die Rate des
Mehrwerths; obgleich je nach dem relativen Quantum Waare, das
ein gegebnes Quantum Arbeit producirt, der Preis der einzelnen
Waare und damit auch der Mehrwerthstheil dieses Preises grösser
oder kleiner ist. Die Preise jedes Waarenquantums sind bestimmt,
soweit sie den Werthen entsprechen, durch das Gesammtquantum
der in diesen Waaren vergegenständlichten Arbeit. Vergegenständ-
licht sich wenig Arbeit in viel Waare, so ist der Preis der ein-
zelnen Waare niedrig und der in ihr steckende Mehrwerth gering.
Wie sich die in einer Waare verkörperte Arbeit in bezahlte und
unbezahlte Arbeit theilt, welches Quantum dieses Preises daher
Mehrwerth vorstellt, hat mit diesem Totalquantum Arbeit, also
mit dem Preis der Waare nichts zu thun. Die Rate des Mehr-
werths aber hängt ab nicht von der absoluten Grösse des Mehr-
werths, der im Preis der einzelnen Waare enthalten ist, sondern
von seiner relativen Grösse, von seinem Verhältniss zum Arbeits-
lohn, der in derselben Waare steckt. Die Rate kann daher gross
sein, obgleich die absolute Grösse des Mehrwerths für jede ein-
zelne Waare klein ist. Diese absolute Grösse des Mehrwerths in
jeder einzelnen Waare hängt ab in erster Linie von der Produk-
tivität der Arbeit, und nur in zweiter Linie von ihrer Theilung
in bezahlte und unbezahlte.


Bei dem kommerziellen Verkaufspreis nun gar ist der Produk-
tionspreis eine gegebne äussre Voraussetzung.


Die Höhe der kommerziellen Waarenpreise in früherer Zeit war
geschuldet 1) der Höhe der Produktionspreise, d. h. der Unpro-
duktivität der Arbeit; 2) dem Mangel einer allgemeinen Profitrate,
indem das Kaufmannskapital ein viel höheres Quotum des Mehr-
werths an sich zog, als ihm bei allgemeiner Beweglichkeit der
[293] Kapitale zugekommen wäre. Das Aufhören dieses Zustands ist
also, nach beiden Seiten betrachtet, Resultat der Entwicklung der
kapitalistischen Produktionsweise.


Die Umschläge des Kaufmannskapitals sind länger oder kürzer,
ihre Anzahl im Jahr also grösser oder kleiner in verschiednen
Handelszweigen. Innerhalb desselben Handelszweigs ist der Um-
schlag rascher oder langsamer in verschiednen Phasen des ökono-
mischen Cyklus. Indess findet eine durchschnittliche Anzahl von
Umschlägen statt, welche durch die Erfahrung gefunden werden.


Man hat bereits gesehn, dass der Umschlag des Kaufmanns-
kapitals verschieden ist von dem des industriellen Kapitals. Dies
folgt aus der Natur der Sache; eine einzelne Phase im Umschlag
des industriellen Kapitals erscheint als vollständiger Umschlag eines
eignen Kaufmannskapitals oder doch eines Theils davon. Er steht
auch in andrem Verhältniss zu Profit- und Preisbestimmung.


Bei dem industriellen Kapital drückt der Umschlag einerseits
die Periodicität der Reproduktion aus und es hängt daher davon
ab die Masse der Waaren, die in einer bestimmten Zeit auf den
Markt geworfen werden. Andrerseits bildet die Umlaufszeit eine
Grenze, und zwar eine dehnbare, welche mehr oder weniger be-
schränkend auf die Bildung von Werth und Mehrwerth, weil auf
den Umfang des Produktionsprocesses wirkt. Der Umschlag geht
daher bestimmend ein, nicht als positives, sondern als beschrän-
kendes Element, in die Masse des jährlich producirten Mehrwerths,
und daher in die Bildung der allgemeinen Profitrate. Dagegen ist
die Durchschnittsprofitrate eine gegebne Grösse für das Kaufmanns-
kapital. Es wirkt nicht direkt mit in der Schöpfung des Profits
oder Mehrwerths und geht in die Bildung der allgemeinen Profit-
rate nur soweit bestimmend ein, als es nach dem Theil, den es
vom Gesammtkapital bildet, seine Dividende aus der Masse des
vom industriellen Kapital producirten Profits zieht.


Je grösser die Umschlagsanzahl eines industriellen Kapitals unter
den Buch II, Abschn. II, entwickelten Bedingungen, desto grösser
ist die Masse des Profits, den es bildet. Durch die Herstellung
der allgemeinen Profitrate wird nun zwar der Gesammtprofit ver-
theilt unter die verschiednen Kapitale, nicht nach dem Verhältniss,
worin sie unmittelbar an seiner Produktion theilnehmen, sondern
nach den aliquoten Theilen, die sie vom Gesammtkapital bilden,
d. h. im Verhältniss ihrer Grösse. Dies ändert jedoch nichts am
Wesen der Sache. Je grösser die Anzahl der Umschläge des in-
dustriellen Gesammtkapitals, desto grösser die Profitmasse, die
[294] Masse des jährlich producirten Mehrwerths, und daher bei sonst
gleichen Umständen die Profitrate. Anders mit dem Kaufmanns-
kapital. Für es ist die Profitrate eine gegebne Grösse, bestimmt
einerseits durch die Masse des vom industriellen Kapital producirten
Profits, andrerseits durch die relative Grösse des Gesammthandels-
kapitals, durch sein quantitatives Verhältniss zur Summe des im
Produktionsprocess und Cirkulationsprocess vorgeschossnen Kapitals.
Die Anzahl seiner Umschläge wirkt allerdings bestimmend ein auf
sein Verhältniss zum Gesammtkapital, oder auf die relative Grösse
des zur Cirkulation nothwendigen Kaufmannskapitals, indem es
klar ist, dass absolute Grösse des nothwendigen Kaufmannskapitals
und Umschlagsgeschwindigkeit desselben im umgekehrten Verhält-
niss stehn; seine relative Grösse, oder der Antheil, den es vom Ge-
sammtkapital bildet, ist aber gegeben durch seine absolute Grösse,
alle andern Umstände gleichgesetzt. Ist das Gesammtkapital 10,000,
so, wenn das Kaufmannskapital \frac{1}{10} desselben, ist es = 1000; ist
das Gesammtkapital 1000, so \frac{1}{10} desselben = 100. Sofern ist
seine absolute Grösse verschieden, obgleich seine relative Grösse
dieselbe bleibt, verschieden nach der Grösse des Gesammtkapitals.
Aber hier nehmen wir seine relative Grösse, sage \frac{1}{10} des Gesammt-
kapitals, als gegeben an. Diese seine relative Grösse selbst wird
aber wiederum durch den Umschlag bestimmt. Bei raschem Um-
schlag ist seine absolute Grösse z. B. = 1000 £ im ersten Fall,
= 100 im zweiten, und daher seine relative Grösse = \frac{1}{10}. Bei
langsamerm Umschlag ist seine absolute Grösse, sage = 2000 im
ersten Fall, = 200 im zweiten. Daher ist seine relative Grösse
gewachsen von \frac{1}{10} auf ⅕ des Gesammtkapitals. Umstände, welche
den Durchschnittsumschlag des Kaufmannskapitals verkürzen, z. B.
Entwicklung der Transportmittel, vermindern pro tanto die absolute
Grösse des Kaufmannskapitals, erhöhen daher die allgemeine Profit-
rate. Umgekehrt, umgekehrt. Entwickelte kapitalistische Produk-
tionsweise, verglichen mit frühern Zuständen, wirkt doppelt auf
das Kaufmannskapital: dasselbe Quantum Waaren wird mit einer
geringern Masse wirklich fungirenden Kaufmannskapitals umge-
schlagen; wegen des raschern Umschlags des Kaufmannskapitals,
und der grössern Geschwindigkeit des Reproduktionsprocesses, worauf
dies beruht, vermindert sich das Verhältniss des Kaufmannskapitals
zum industriellen Kapital. Andrerseits: Mit der Entwicklung der
kapitalistischen Produktionsweise wird alle Produktion Waaren-
produktion, und fällt daher alles Produkt in die Hände der Cirku-
lationsagenten, wobei hinzukommt, dass bei früherer Produktions-
[295] weise, die im Kleinen producirte, abgesehn von der Masse Produkte,
die unmittelbar in natura vom Producenten selbst konsumirt und
der Masse Leistungen, die in natura erledigt wurden, ein sehr
grosser Theil der Producenten seine Waare unmittelbar an den
Konsumenten verkaufte, oder auf dessen persönliche Bestellung ar-
beitete. Obgleich daher in frühern Produktionsweisen das kom-
merzielle Kapital grösser ist im Verhältniss zum Waarenkapital,
das es umschlägt, ist es


1) absolut kleiner, weil ein unverhältnissmäßig kleiner Theil des
Gesammtprodukts als Waare producirt wird, als Waarenkapital in
die Cirkulation eingehn muss und in die Hände der Kaufleute fällt;
es ist kleiner, weil das Waarenkapital kleiner ist. Es ist aber zu-
gleich verhältnissmäßig grösser, nicht nur wegen der grössern Lang-
samkeit seines Umschlags, und im Verhältniss zur Masse der
Waaren, die es umschlägt. Es ist grösser, weil der Preis dieser
Waarenmasse, also auch das darauf vorzuschiessende Kaufmanns-
kapital, in Folge der geringern Produktivität der Arbeit grösser
ist als in der kapitalistischen Produktion, daher derselbe Werth
sich in kleinerer Masse Waaren darstellt.


2) Es wird nicht nur eine grössre Waarenmasse auf Basis der
kapitalischen Produktionsweise producirt (wobei in Abrechnung zu
bringen der verminderte Werth dieser Waarenmasse); sondern dieselbe
Masse Produkt, z. B. von Korn, bildet grössre Waarenmasse, d. h.
er kommt immer mehr davon in den Handel. In Folge hiervon
wächst übrigens nicht nur die Masse des Kaufmannskapitals, sondern
überhaupt alles Kapital, das in der Cirkulation angelegt ist, z. B.
in Schiffahrt, Eisenbahnen, Telegraphie etc.


3) aber, und dies ist ein Gesichtspunkt, dessen Ausführung in
die „Konkurrenz der Kapitale“ gehört: das nicht oder halb fun-
girende Kaufmannskapital wächst mit dem Fortschritt der kapita-
listischen Produktionsweise, mit der Leichtigkeit der Einschiebung
in den Kleinhandel, mit der Spekulation und dem Ueberfluss an
freigesetztem Kapital.


Aber, die relative Grösse des Kaufmannskapitals im Verhältniss
zum Gesammtkapital als gegeben vorausgesetzt, wirkt die Ver-
schiedenheit der Umschläge in verschiednen Handelszweigen nicht
auf die Grösse des Gesammtprofits, der dem kaufmännischen Kapital
zukommt, noch auf die allgemeine Profitrate. Der Profit des Kauf-
manns ist bestimmt, nicht durch die Masse des Waarenkapitals,
das er umschlägt, sondern durch die Grösse des Geldkapitals, das
er zur Vermittlung dieses Umschlags vorschiesst. Ist die allge-
[296] meine Jahresprofitrate 15 % und schiesst der Kaufmann 100 £ vor,
so, wenn sein Kapital einmal im Jahr umschlägt, wird er seine
Waare zu 115 verkaufen. Schlägt sein Kapital fünfmal im Jahr
um, so wird er ein Waarenkapital zum Einkaufspreis von 100
fünfmal im Jahr zu 103 verkaufen, also im ganzen Jahr ein
Waarenkapital von 500 zu 515. Dies macht aber auf sein vor-
geschossnes Kapital von 100 nach wie vor einen Jahresprofit von 15.
Wäre dies nicht der Fall, so würfe das Kaufmannskapital, im Verhält-
niss zur Zahl seiner Umschläge, viel höhern Profit ab als das indu-
strielle Kapital, was dem Gesetz der allgemeinen Profitrate widerspricht.


Die Anzahl der Umschläge des Kaufmannskapitals in verschiednen
Handelszweigen afficirt also die merkantilen Preise der Waaren
direkt. Die Höhe des merkantilen Preiszuschlags, des aliquoten
Theils des merkantilen Profits eines gegebnen Kapitals, der auf
den Produktionspreis der einzelnen Waare fällt, steht im umge-
kehrten Verhältniss zur Anzahl der Umschläge oder zur Umschlags-
geschwindigkeit der Kaufmannskapitale in verschiednen Geschäfts-
zweigen. Schlägt ein Kaufmannskapital fünfmal im Jahre um, so
setzt es dem gleichwerthigen Waarenkapital nur ⅕ des Aufschlags
zu, den ein andres Kaufmannskapital, das nur einmal im Jahr um-
schlagen kann, einem Waarenkapital von gleichem Werth zusetzt.


Die Affektion der Verkaufspreise durch die durchschnittliche
Umschlagszeit der Kapitale in verschiednen Handelszweigen redu-
cirt sich darauf, dass im Verhältniss zu dieser Umschlagsgeschwin-
digkeit dieselbe Profitmasse, die bei gegebner Grösse des Kauf-
mannskapitals durch die allgemeine Jahresprofitrate bestimmt ist,
also bestimmt ist unabhängig vom speciellen Charakter der kauf-
männischen Operation dieses Kapitals, sich verschieden vertheilt
auf Waarenmassen von demselben Werth, bei fünfmaligem Um-
schlag im Jahr z. B. \frac{15}{5} = 3 %, bei einmaligem Umschlag im
Jahr dagegen 15 % dem Waarenpreis zusetzt.


Derselbe Procentsatz des kommerziellen Profits in verschiednen
Handelszweigen erhöht also, je nach dem Verhältniss ihrer Um-
schlagszeiten, die Verkaufspreise der Waaren um ganz verschiedne
Procente, auf den Werth dieser Waaren berechnet.


Bei dem industriellen Kapital dagegen wirkt die Umschlagszeit
in keiner Weise auf die Werthgrösse der producirten einzelnen
Waaren, obgleich sie die Masse der von einem gegebnen Kapital
in einer gegebnen Zeit producirten Werthe und Mehrwerthe afficirt,
weil die Masse der exploitirten Arbeit. Dies versteckt sich aller-
dings und scheint anders zu sein, sobald man die Produktionspreise
[297] ins Auge fasst, aber nur weil die Produktionspreise der verschiednen
Waaren nach früher entwickelten Gesetzen von ihren Werthen ab-
weichen. Betrachtet man den gesammten Produktionsprocess, die
vom gesammten industriellen Kapital producirte Waarenmasse, so
findet man sofort das allgemeine Gesetz bestätigt.


Während also eine genauere Betrachtung des Einflusses der Um-
schlagszeit auf die Werthbildung beim industriellen Kapital zurück-
führt zum allgemeinen Gesetz und zur Basis der politischen Oeko-
nomie, dass die Werthe der Waaren bestimmt sind durch die in
ihnen enthaltne Arbeitszeit, zeigt der Einfluss der Umschläge des
Kaufmannskapitals auf die merkantilen Preise Phänomene, die ohne
sehr weitläufige Analyse der Mittelglieder eine rein willkürliche
Bestimmung der Preise vorauszusetzen scheinen; nämlich eine Be-
stimmung bloss dadurch, dass das Kapital nun einmal entschlossen
ist ein bestimmtes Quantum Profit im Jahr zu machen. Es scheint
namentlich, durch diesen Einfluss der Umschläge, als ob der Cir-
kulationsprocess als solcher die Preise der Waaren bestimme, un-
abhängig, innerhalb gewisser Grenzen, vom Produktionsprocess.
Alle oberflächlichen und verkehrten Anschauungen des Gesammt-
processes der Reproduktion sind der Betrachtung des Kaufmanns-
kapitals entnommen, und den Vorstellungen, die seine eigenthümlichen
Bewegungen in den Köpfen der Cirkulationsagenten hervorrufen.


Wenn, wie der Leser zu seinem Leidwesen erkannt hat, die Ana-
lyse der wirklichen, innern Zusammenhänge des kapitalistischen
Produktionsprocesses ein sehr verwickeltes Ding und eine sehr aus-
führliche Arbeit ist; wenn es ein Werk der Wissenschaft ist, die
sichtbare, bloss erscheinende Bewegung auf die innere wirkliche
Bewegung zu reduciren, so versteht es sich ganz von selbst, dass
in den Köpfen der kapitalistischen Produktions- und Cirkulations-
agenten sich Vorstellungen über die Produktionsgesetze bilden
müssen, die von diesen Gesetzen ganz abweichen, und nur der be-
wusste Ausdruck der scheinbaren Bewegung sind. Die Vorstellungen
eines Kaufmanns, Börsenspekulanten, Bankiers, sind nothwendig ganz
verkehrt. Die der Fabrikanten sind verfälscht durch die Cir-
kulationsakte, denen ihr Kapital unterworfen ist und durch die Aus-
gleichung der allgemeinen Profitrate.41) Die Konkurrenz spielt in
[298] diesen Köpfen nothwendig auch eine ganz verkehrte Rolle. Sind
die Grenzen des Werths und des Mehrwerths gegeben, so ist leicht
einzusehn, wie die Konkurrenz der Kapitale die Werthe in Produk-
tionspreise und noch weiter in merkantile Preise, den Mehrwerth
in Durchschnittsprofit verwandelt. Aber ohne diese Grenzen ist
absolut nicht einzusehn, warum die Konkurrenz die allgemeine
Profitrate auf diese statt auf jene Grenze reducirt, auf 15 % statt
auf 1500 %. Sie kann sie doch höchstens auf ein Niveau redu-
ciren. Aber es ist absolut kein Element in ihr, um dies Niveau
selbst zu bestimmen.


Vom Standpunkt des Kaufmannskapitals erscheint also der Um-
schlag selbst als preisbestimmend. Andrerseits, während die Um-
schlagsgeschwindigkeit des industriellen Kapitals, soweit sie ein
gegebnes Kapital zur Exploitation von mehr oder weniger Arbeit
befähigt, bestimmend und begrenzend auf die Profitmasse und daher
auf die allgemeine Rate des Profits wirkt, ist dem merkantilen
Kapital die Profitrate äusserlich gegeben, und der innere Zusammen-
hang derselben mit der Bildung von Mehrwerth gänzlich verlöscht.
Wenn dasselbe industrielle Kapital, bei sonst gleichbleibenden Um-
ständen und namentlich bei gleicher organischer Zusammensetzung,
viermal im Jahr statt zweimal umschlägt, producirt es doppelt so
viel Mehrwerth und daher Profit; und dies zeigt sich handgreiflich,
sobald und so lange dies Kapital das Monopol der verbesserten
Produktionsweise besitzt, die ihm diese Umschlagsbeschleunigung
gestattet. Die verschiedne Umschlagszeit in verschiednen Handels-
zweigen erscheint umgekehrt darin, dass der Profit, der auf den
Umschlag eines bestimmten Waarenkapitals gemacht wird, im um-
gekehrten Verhältniss steht zur Anzahl der Umschläge des Geld-
kapitals, das diese Waarenkapitale umschlägt. Small profits and
quick returns erscheint namentlich dem shopkeeper als ein Princip,
das er aus Princip befolgt.


Es versteht sich übrigens von selbst, dass dies Gesetz der Um-
schläge des Kaufmannskapitals in jedem Handelszweig, und abge-
sehn von der Abwechslung einander kompensirender, rascherer und
langsamerer Umschläge, nur für den Durchschnitt der Umschläge
gilt, die das ganze in diesem Zweig angelegte Kaufmannskapital
macht. Das Kapital von A, der in demselben Zweige macht wie
B, mag mehr oder weniger als die Durchschnittszahl der Umschläge
machen. In diesem Fall machen die andern weniger oder mehr.
Es ändert dies nichts am Umschlag der in diesem Zweig angelegten
Totalmasse von Kaufmannskapital. Aber es ist entscheidend wichtig
[299] für den einzelnen Kaufmann oder Kleinhändler. Er macht in diesem
Fall einen Mehrprofit, ganz wie industrielle Kapitalisten Mehrprofite
machen, wenn sie unter günstigern als den Durchschnittsbedingungen
produciren. Zwingt die Konkurrenz dazu, so kann er wohlfeiler
verkaufen als seine Kumpane ohne seinen Profit unter den Durch-
schnitt zu senken. Sind die Bedingungen, die ihn zu rascherm Um-
schlag befähigen, selbst käufliche Bedingungen, z. B. Lage der
Verkaufsstätte, so kann er extra Rente dafür zahlen, d. h. ein
Theil seines Surplusprofits verwandelt sich in Grundrente.


Neunzehntes Kapitel.
Das Geldhandlungskapital.


Die rein technischen Bewegungen, die das Geld durchmacht im
Cirkulationsprocess des industriellen Kapitals und, wie wir jetzt
hinzusetzen können, des Waarenhandlungskapitals (da dies einen
Theil der Cirkulationsbewegung des industriellen Kapitals als seine
eigne und eigenthümliche Bewegung übernimmt) — diese Bewe-
gungen, verselbständigt zur Funktion eines besondren Kapitals, das
sie, und nur sie, als ihm eigenthümliche Operationen ausübt, ver-
wandeln dies Kapital in Geldhandlungskapital. Ein Theil des in-
dustriellen Kapitals, und näher auch des Waarenhandlungskapitals,
bestände nicht nur fortwährend in Geldform, als Geldkapital über-
haupt, sondern als Geldkapital, das in diesen technischen Funktionen
begriffen ist. Von dem Gesammtkapital sondert sich nun ab und
verselbständigt sich ein bestimmter Theil in Form von Geldkapital,
dessen kapitalistische Funktion ausschliesslich darin besteht, für die
gesammte Klasse der industriellen und kommerziellen Kapitalisten
diese Operationen auszuführen. Wie beim Waarenhandlungskapital,
trennt sich ein Theil des im Cirkulationsprocess in der Gestalt von
Geldkapital vorhandnen industriellen Kapitals ab, und verrichtet
diese Operationen des Reproduktionsprocesses für das gesammte
übrige Kapital. Die Bewegungen dieses Geldkapitals sind also
wiederum nur Bewegungen eines verselbständigten Theils des in
seinem Reproduktionsprocess begriffnen industriellen Kapitals.


Nur wenn, und in so weit, Kapital neu angelegt wird — was
auch der Fall bei der Akkumulation — erscheint Kapital in Geld-
form als Ausgangspunkt und Endpunkt der Bewegung. Aber für
jedes, einmal in seinem Process befindliche Kapital erscheint Aus-
gangspunkt wie Endpunkt nur als Durchgangspunkt. Soweit das
industrielle Kapital, vom Austritt aus der Produktionssphäre bis
[300] zum Wiedereintritt in dieselbe, die Metamorphose W'—G—W
durchzumachen hat, ist, wie sich schon bei der einfachen Waaren-
cirkulation zeigte, G in der That nur das Endresultat der einen
Phase der Metamorphose, um der Ausgangspunkt der entgegen-
gesetzten, sie ergänzenden zu sein. Und obgleich für das Handels-
kapital das W—G des industriellen Kapitals stets als G—W—G
sich darstellt, so ist doch auch für es, sobald es einmal engagirt
ist, der wirkliche Process fortwährend W—G—W. Das Handels-
kapital macht aber gleichzeitig die Akte W—G und G—W durch.
D. h. nicht nur ein Kapital befindet sich im Stadium W—G,
während das andre sich im Stadium G—W befindet, sondern das-
selbe Kapital kauft beständig und verkauft beständig gleichzeitig,
wegen der Kontinuität des Produktionsprocesses; es befindet sich
fortwährend gleichzeitig in beiden Stadien. Während ein Theil des-
selben sich in Geld verwandelt um sich später in Waare rückzuver-
wandeln, verwandelt der andre sich gleichzeitig in Waare, um sich
in Geld rückzuverwandeln.


Ob das Geld hier als Cirkulationsmittel oder als Zahlungsmittel
fungirt, hängt von der Form des Waarenaustausches ab. In beiden
Fällen hat der Kapitalist beständig an viele Personen Geld auszu-
zahlen, und beständig von vielen Personen Geld in Zahlung zu
empfangen. Diese bloss technische Operation des Geld-Zahlens und
des Geld-Einkassirens bildet Arbeit für sich, die, soweit das Geld
als Zahlungsmittel fungirt, Bilanzberechnungen, Akte der Aus-
gleichung nöthig macht. Diese Arbeit ist eine Cirkulationskost,
keine Werth schaffende Arbeit. Sie wird dadurch abgekürzt, dass
sie von einer besondren Abtheilung von Agenten oder Kapitalisten
für die ganze übrige Kapitalistenklasse ausgeführt wird.


Ein bestimmter Theil des Kapitals muss beständig als Schatz,
potentielles Geldkapital, vorhanden sein: Reserve von Kaufmitteln,
Reserve von Zahlungsmitteln, unbeschäftigtes, in Geldform seiner
Anwendung harrendes Kapital; und ein Theil des Kapitals strömt
beständig in dieser Form zurück. Dies macht, ausser Einkassiren,
Zahlen und Buchhalten, Aufbewahrung des Schatzes nöthig, was
wieder eine besondre Operation ist. Es ist also in der That die
beständige Auflösung des Schatzes in Cirkulationsmittel und Zah-
lungsmittel, und seine Rückbildung aus im Verkauf erhaltnem Geld
und fällig gewordner Zahlung; diese beständige Bewegung des als
Geld existirenden Theils des Kapitals, getrennt von der Kapital-
funktion selbst, diese rein technische Operation ist es, die besondre
Arbeit und Kosten verursacht — Cirkulationskosten.


[301]

Die Theilung der Arbeit bringt es mit sich, dass diese technischen
Operationen, die durch die Funktionen des Kapitals bedingt sind,
soweit möglich für die ganze Kapitalistenklasse von einer Abtheilung
von Agenten oder Kapitalisten als ausschliessliche Funktionen ver-
richtet werden oder sich in ihren Händen koncentriren. Es ist
hier, wie beim Kaufmannskapital, Theilung der Arbeit in doppeltem
Sinn. Es wird besondres Geschäft, und weil es als besondres Ge-
schäft für den Geldmechanismus der ganzen Klasse verrichtet wird,
wird es koncentrirt, auf grosser Stufenleiter ausgeübt; und nun
findet wieder Theilung der Arbeit innerhalb dieses besondern Ge-
schäfts statt, sowohl durch Spaltung in verschiedne von einander
unabhängige Zweige, wie durch Ausbildung der Werkstatt inner-
halb dieser Zweige (grosse Bureaux, zahlreiche Buchhalter und
Kassirer, weitgetriebne Arbeitstheilung). Auszahlung des Geldes,
Einkassirung, Ausgleichung der Bilanzen, Führung laufender Rech-
nungen, Aufbewahren des Geldes etc., getrennt von den Akten,
wodurch diese technischen Operationen nöthig werden, machen das
in diesen Funktionen vorgeschossne Kapital zum Geldhandlungs-
kapital.


Die verschiednen Operationen, aus deren Verselbständigung zu
besondren Geschäften der Geldhandel entspringt, ergeben sich aus
den verschiednen Bestimmtheiten des Geldes selbst und aus seinen
Funktionen, die also auch das Kapital in der Form von Geldkapital
durchzumachen hat.


Ich habe früher darauf hingewiesen, wie das Geldwesen über-
haupt sich ursprünglich entwickelt im Produktenaustausch zwischen
verschiednen Gemeinwesen.42)


Es entwickelt sich der Geldhandel, der Handel mit der Geld-
waare, daher zunächst aus dem internationalen Verkehr. Sobald
verschiedne Landesmünzen existiren, haben die Kaufleute, die in
fremden Ländern einkaufen, ihre Landesmünze in die Lokalmünze
umzusetzen und umgekehrt, oder auch verschiedne Münzen gegen
ungemünztes reines Silber oder Gold als Weltgeld. Daher das
Wechselgeschäft, das als eine der naturwüchsigen Grundlagen des
modernen Geldhandels zu betrachten ist.43) Es entwickelten sich
[302] daraus Wechselbanken, wo Silber (oder Gold) als Weltgeld — jetzt
als Bankgeld oder Handelsgeld — im Unterschied zur Kourant-
münze fungiren. Das Wechselgeschäft, soweit es blosse Anweisung
für Zahlung an Reisende von dem Wechsler eines Landes an andre,
hat sich schon in Rom und Griechenland aus dem eigentlichen
Wechslergeschäft entwickelt.


Der Handel mit Gold und Silber als Waaren (Rohstoffen zur
Bereitung für Luxusartikel) bildet die naturwüchsige Basis des
Barrenhandels (Bullion trade) oder des Handels, der die Funktionen
des Geldes als Weltgeldes vermittelt. Diese Funktionen, wie früher
erklärt (Buch I, Kap. III, 3, c), sind doppelt: Hin- und Herlaufen
zwischen den verschiednen nationalen Cirkulationssphären zur Aus-
gleichung der internationalen Zahlungen und bei Wanderungen des
Kapitals zum Verzinsen; daneben Bewegung, von den Produktions-
quellen der Edelmetalle aus, über den Weltmarkt, und Vertheilung
der Zufuhr unter die verschiednen nationalen Cirkulationssphären.
In England fungirten noch während des grössten Theils des 17.
Jahrhunderts die Goldschmiede als Bankiers. Wie sich weiter die
Ausgleichung der internationalen Zahlungen im Wechselhandel etc.
entwickelt, lassen wir hier ganz ausser Acht, wie alles was sich
auf Geschäfte in Werthpapieren bezieht, kurz alle besondren Formen
des Kreditwesens, das uns hier noch nichts angeht.


43)


[303]

Als Weltgeld streift das Landesgeld seinen lokalen Charakter ab;
ein Landesgeld wird im andern ausgedrückt, und so alle reducirt auf
ihren Gehalt in Gold oder Silber, während diese letztren zugleich,
als die beiden Waaren, die als Weltgeld cirkuliren, auf ihr gegen-
seitiges Werthverhältniss zu reduciren sind, das beständig wechselt.
Diese Vermittlung macht der Geldhändler zu seinem besondren Ge-
schäft. Wechslergeschäft und Barrenhandel sind so die ursprüng-
lichsten Formen des Geldhandels, und entspringen aus den doppelten
Funktionen des Geldes: als Landesmünze und als Weltgeld.


Aus dem kapitalistischen Produktionsprocess, wie aus dem Handel
überhaupt, selbst bei vorkapitalistischer Produktionsweise, ergibt sich:


Erstens, die Ansammlung des Geldes als Schatz, d. h. jetzt des
Theils des Kapitals, der stets in Geldform vorhanden sein muss,
als Reservefonds von Zahlungs- und Kaufmitteln. Dies ist die
erste Form des Schatzes, wie er in der kapitalistischen Produktions-
weise wieder erscheint, und sich überhaupt bei Entwicklung des
Handelskapitals wenigstens für dieses bildet. Beides gilt sowohl
für die inländische wie die internationale Cirkulation. Dieser
Schatz ist beständig fliessend, ergiesst sich beständig in die Cirku-
lation und kehrt beständig aus ihr zurück. Die zweite Form des
Schatzes ist nun die von brachliegendem, augenblicklich unbeschäf-
tigtem Kapital in Geldform, wozu auch neu akkumulirtes, noch
nicht angelegtes Geldkapital gehört. Die Funktionen, die diese
Schatzbildung als solche nöthig macht, sind zunächst seine Auf-
bewahrung, Buchführung etc.


Zweitens aber ist damit verbunden Ausgeben des Geldes beim
Kaufen, Einnehmen beim Verkaufen, Zahlen und Empfangen von
Zahlungen, Ausgleichung der Zahlungen etc. Alles dies verrichtet
der Geldhändler zunächst als einfacher Kassirer für die Kaufleute
und industriellen Kapitalisten.44)


[304]

Vollständig entwickelt ist der Geldhandel, und dies immer auch
schon in seinen [ersten] Anfängen, sobald mit seinen sonstigen
Funktionen die des Leihens und Borgens und der Handel in Kredit
sich verbindet. Darüber im folgenden Abschnitt, beim zinstragenden
Kapital.


Der Barrenhandel selbst, das Ueberführen von Gold oder Silber
aus einem Land in das andre, ist nur das Resultat des Waaren-
handels, bestimmt durch den Wechselkurs, der den Stand der inter-
nationalen Zahlungen und des Zinsfusses auf verschiednen Märkten
ausdrückt. Der Barrenhändler als solcher vermittelt nur Resultate.


Bei Betrachtung des Geldes, wie sich seine Bewegungen und Form-
bestimmtheiten aus der einfachen Waarencirkulation entwickeln,
hat man gesehn (Buch I, Kap. III), wie die Bewegung der Masse
des als Kaufmittel und Zahlungsmittel cirkulirenden Geldes bestimmt
ist durch die Waarenmetamorphose, durch Umfang und Geschwin-
digkeit derselben, die wie wir jetzt wissen, selbst nur ein Moment
des gesammten Reproduktionsprocesses ist. Was die Beschaffung
des Geldmaterials — Gold und Silber — von seinen Produktions-
quellen angeht, so löst sie sich auf in unmittelbaren Waarenaus-
tausch, in Austausch von Gold und Silber als Waare gegen andre
Waare, ist also selbst ebenso sehr ein Moment des Waarenaus-
tausches wie die Beschaffung von Eisen oder andren Metallen.
Was aber die Bewegung der edlen Metalle auf dem Weltmarkt
angeht (wir sehn hier ab von dieser Bewegung, soweit sie leih-
weise Kapitalübertragung ausdrückt, eine Uebertragung, die auch
in der Form von Waarenkapital vorgeht), so ist sie ganz so be-
44)
[305] stimmt durch den internationalen Waarenaustausch, wie die Be-
wegung des Geldes als inländisches Kauf- und Zahlungsmittel durch
den inländischen Waarenaustausch. Die Aus- und Einwanderungen
der edlen Metalle aus einer nationalen Cirkulationssphäre in die
andre, soweit sie nur verursacht sind durch Entwerthung von Landes-
münze oder durch Doppelwährung, sind der Geldcirkulation als
solcher fremd, und blosse Korrektion willkürlich, von Staatswegen
hervorgebrachter Abirrungen. Was endlich die Bildung von
Schätzen angeht, soweit sie Reservefonds von Kauf- oder Zahlungs-
mitteln, sei es für innern oder auswärtigen Handel darstellt, und
ebenfalls soweit sie blosse Form von einstweilen brachliegendem
Kapital ist, so ist sie beide Mal nur ein nothwendiger Niederschlag
des Cirkulationsprocesses.


Wie die ganze Geldcirkulation in ihrem Umfang, ihren Formen
und ihren Bewegungen blosses Resultat der Waarencirkulation ist,
die vom kapitalistischen Standpunkt aus selbst nur den Cirkulations-
process des Kapitals darstellt (und darin ist einbegriffen der Aus-
tausch von Kapital gegen Revenue und von Revenue gegen Revenue,
soweit die Verausgabung von Revenue sich im Kleinhandel realisirt),
so versteht es sich ganz von selbst, dass der Geldhandel nicht nur
das blosse Resultat und die Erscheinungsweise der Waarencirku-
lation, die Geldcirkulation vermittelt. Diese Geldcirkulation selbst,
als ein Moment der Waarencirkulation, ist für ihn gegeben. Was
er vermittelt, sind ihre technischen Operationen, die er koncentrirt,
abkürzt und vereinfacht. Der Geldhandel bildet nicht die Schätze,
sondern liefert die technischen Mittel, um diese Schatzbildung, so-
weit sie freiwillig ist (also nicht Ausdruck von unbeschäftigtem
Kapital oder von Störung des Reproduktionsprocesses), auf ihr
ökonomisches Minimum zu reduciren, indem die Reservefonds für
Kauf- und Zahlungsmittel, wenn für die ganze Kapitalistenklasse
verwaltet, nicht so gross zu sein brauchen, als wenn von jedem
Kapitalisten besonders. Der Geldhandel kauft nicht die edlen Me-
talle, sondern vermittelt nur ihre Vertheilung, sobald der Waaren-
handel sie gekauft hat. Der Geldhandel erleichtert die Ausgleichung
der Bilanzen, soweit das Geld als Zahlungsmittel fungirt, und ver-
mindert durch den künstlichen Mechanismus dieser Ausgleichungen
die dazu erheischte Geldmasse; aber er bestimmt weder den Zu-
sammenhang, noch den Umfang der wechselseitigen Zahlungen.
Die Wechsel und Cheques z. B., die in Banken und Clearing houses
gegen einander ausgetauscht werden, stellen ganz unabhängige Ge-
schäfte dar, sind Resultate von gegebnen Operationen, und es
Marx, Kapital III. 20
[306] handelt sich nur um bessre technische Ausgleichung dieser Resultate.
Soweit das Geld als Kaufmittel cirkulirt, sind Umfang und Anzahl
der Käufe und Verkäufe durchaus unabhängig vom Geldhandel.
Er kann nur die technischen Operationen, die sie begleiten, ver-
kürzen, und dadurch die Masse des zu ihrem Umschlag nöthigen
baaren Geldes vermindern.


Der Geldhandel in der reinen Form, worin wir ihn hier be-
trachten, d. h. getrennt vom Kreditwesen, hat es also nur zu thun
mit der Technik eines Moments der Waarencirkulation, nämlich
der Geldcirkulation und den daraus entspringenden verschiednen
Funktionen des Geldes.


Dies unterscheidet den Geldhandel wesentlich vom Waarenhandel,
der die Metamorphose der Waare und den Waarenaustausch ver-
mittelt, oder selbst diesen Process des Waarenkapitals als Process
eines vom industriellen Kapital gesonderten Kapitals erscheinen
lässt. Wenn daher das Waarenhandlungskapital eine eigne Form
der Cirkulation zeigt, G—W—G, wo die Waare zweimal die Stelle
wechselt, und dadurch das Geld zurückfliesst, im Gegensatz zu
W—G—W, wo das Geld zweimal die Hände wechselt und da-
durch den Waarenaustausch vermittelt, so kann keine solche be-
sondre Form für das Geldhandlungskapital nachgewiesen werden.


Soweit Geldkapital in dieser technischen Vermittlung der Geld-
cirkulation von einer besondren Abtheilung Kapitalisten vorge-
schossen wird — ein Kapital, das auf verjüngtem Maßstab das
Zusatzkapital vorstellt, das sich die Kaufleute und industriellen
Kapitalisten sonst selbst zu diesen Zwecken vorschiessen müssten —
ist die allgemeine Form des Kapitals G—G' auch hier vorhanden.
Durch Vorschuss von G wird G + ΔG für den Vorschiesser erzeugt.
Aber die Vermittlung von G—G' bezieht sich hier nicht auf die sach-
lichen, sondern nur auf die technischen Momente der Metamorphose.


Es ist augenscheinlich, dass die Masse des Geldkapitals, womit
die Geldhändler zu thun haben, das in Cirkulation befindliche Geld-
kapital der Kaufleute und Industriellen ist, und dass die Operationen,
die sie vollziehn, nur die Operationen jener sind, die sie vermitteln.


Es ist ebenso klar, dass ihr Profit nur ein Abzug vom Mehr-
werth ist, da sie nur mit schon realisirten Werthen (selbst wenn
nur in Form von Schuldforderungen realisirt) zu thun haben.


Wie bei dem Waarenhandel findet hier Verdopplung der Funktion
statt. Denn ein Theil der mit der Geldcirkulation verbundnen
technischen Operationen muss von den Waarenhändlern und Waaren-
producenten selbst verrichtet werden.


[307]

Zwanzigstes Kapitel.
Geschichtliches über das Kaufmannskapital.


Die besondre Form der Geldakkumulation des Waarenhandlungs-
und Geldhandlungskapitals wird erst im nächsten Abschnitt betrachtet.


Aus dem bisher Entwickelten ergibt sich von selbst, dass nichts
abgeschmackter sein kann, als das Kaufmannskapital, sei es in der
Form des Waarenhandlungskapitals, sei es in der des Geld-
handlungskapitals, als eine besondre Art des industriellen Ka-
pitals zu betrachten, ähnlich wie etwa Bergbau, Ackerbau,
Viehzucht, Manufaktur, Transportindustrie etc., durch die ge-
sellschaftliche Theilung der Arbeit gegebne Abzweigungen, und
daher besondre Anlagesphären, des industriellen Kapitals bilden.
Schon die einfache Beobachtung, dass jedes industrielle Kapital,
während es sich in der Cirkulationsphase seines Reproduktionspro-
cesses befindet, als Waarenkapital und Geldkapital ganz dieselben
Funktionen verrichtet, die als ausschliessliche Funktionen des kauf-
männischen Kapitals in seinen beiden Formen erscheinen, müsste
diese rohe Auffassung unmöglich machen. Im Waarenhandlungs-
kapital und Geldhandlungskapital sind umgekehrt die Unterschiede
zwischen dem industriellen Kapital als produktivem, und demselben
Kapital in der Cirkulationssphäre dadurch verselbständigt, dass die
bestimmten Formen und Funktionen, die das Kapital hier zeitweilig
annimmt, als selbständige Formen und Funktionen eines abgelösten
Theils des Kapitals erscheinen, und ausschliesslich darin eingepfercht
sind. Verwandelte Form des industriellen Kapitals, und stoffliche,
aus der Natur der verschiednen Industriezweige hervorgehende
Unterschiede zwischen produktiven Kapitalen in verschiednen Pro-
duktionsanlagen sind himmelweit verschieden.


Ausser der Brutalität, womit der Oekonom überhaupt die Form-
unterschiede betrachtet, die ihn in der That nur nach der stoff-
lichen Seite interessiren, liegt bei dem Vulgärökonomen dieser Ver-
wechslung noch zweierlei zu Grunde. Erstens seine Unfähigkeit,
den merkantilen Profit in seiner Eigenthümlichkeit zu erklären;
zweitens sein apologetisches Bestreben, die aus der specifischen Form
der kapitalistischen Produktionsweise, die vorallem Waarencirkulation,
und daher Geldcirkulation, als ihre Basis voraussetzt, hervorgehenden
Formen von Waarenkapital und Geldkapital, und weiterhin von Waaren-
handlungs- und Geldhandlungskapital, als aus dem Produktionsprocess
als solchem nothwendig hervorgehende Gestalten abzuleiten.


Wenn Waarenhandlungskapital und Geldhandlungskapital sich
20*
[308] nicht anders von Getreidebau unterscheiden, wie dieser von Vieh-
zucht und Manufaktur, so ist sonnenklar, dass Produktion und kapi-
talistische Produktion überhaupt identisch sind, und dass nament-
lich auch die Vertheilung der gesellschaftlichen Produkte unter die
Mitglieder der Gesellschaft, sei es zur produktiven oder zur indi-
viduellen Konsumtion, ebenso ewig durch Kaufleute und Bankiers
vermittelt werden muss, wie der Genuss von Fleisch durch Vieh-
zucht und der von Kleidungsstücken durch deren Fabrikation.45)


Die grossen Oekonomen wie Smith, Ricardo etc., da sie die
Grundform des Kapitals betrachten, das Kapital als industrielles
Kapital, und das Cirkulationskapital (Geld- und Waarenkapital) that-
sächlich nur, soweit es selbst eine Phase im Reproduktionsprocess
jedes Kapitals, sind in Verlegenheit mit dem merkantilen Kapital
als einer eignen Sorte. Die aus der Betrachtung des industriellen
Kapitals unmittelbar abgeleiteten Sätze über Werthbildung, Profit etc.,
passen nicht direkt auf das Kaufmannskapital. Sie lassen dies
daher in der That ganz bei Seite liegen und erwähnen es nur als
eine Art des industriellen Kapitals. Wo sie im besondren davon
handeln, wie Ricardo beim auswärtigen Handel, suchen sie nach-
zuweisen, dass es keinen Werth schafft (folglich auch keinen Mehr-
werth). Aber was vom auswärtigen Handel, gilt vom inländischen.


Wir haben bisher das Kaufmannskapital vom Standpunkt und
innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise be-
trachtet. Nicht nur der Handel, sondern auch das Handelskapital
ist aber älter als die kapitalistische Produktionsweise, ist in der
That die historisch älteste, freie Existenzweise des Kapitals.


[309]

Da man bereits gesehn, dass der Geldhandel und das darin vorge-
schossne Kapital zu seiner Entwicklung nichts bedarf als die Existenz
des Grosshandels, weiter des Waarenhandlungskapitals, so ist es nur
das letztre, womit wir uns hier zu befassen haben.


Weil das Handlungskapital eingepfercht ist in die Cirkulations-
sphäre, und seine Funktion ausschliesslich darin besteht, den Waaren-
austausch zu vermitteln, so sind zu seiner Existenz — abgesehn
von unentwickelten Formen, die aus dem unmittelbaren Tausch-
handel entspringen — keine andren Bedingungen nöthig als zur
einfachen Waaren- und Geldcirkulation. Oder die letztre ist viel-
mehr seine Existenzbedingung. Auf Basis welcher Produktions-
weise auch immer die Produkte producirt wurden, die als Waaren
in die Cirkulation eingehn — ob auf Basis des urwüchsigen Ge-
meinwesens, oder der Sklavenproduktion, oder der kleinbäuerlichen
und kleinbürgerlichen, oder der kapitalistischen — es ändert dies
nichts an ihrem Charakter als Waaren, und als Waaren haben sie
den Austauschprocess und die ihn begleitenden Formveränderungen
durchzumachen. Die Extreme, zwischen denen das Kaufmanns-
kapital vermittelt, sind gegeben für es, ganz wie sie gegeben
sind für das Geld und für die Bewegung des Geldes. Das einzig
Nöthige ist, dass diese Extreme als Waaren vorhanden sind, ob
nun die Produktion ihrem ganzen Umfang nach Waarenproduktion
ist, oder ob bloss der Ueberschuss der selbstwirthschaftenden Pro-
ducenten über ihre, durch ihre Produktion befriedigten, unmittel-
baren Bedürfnisse, auf den Markt geworfen wird. Das Kaufmanns-
kapital vermittelt nur die Bewegung dieser Extreme, der Waaren,
als ihm gegebner Voraussetzungen.


Der Umfang, worin die Produktion in den Handel eingeht, durch
die Hände der Kaufleute geht, hängt ab von der Produktionsweise,
und erreicht sein Maximum in der vollen Entwicklung der kapita-
listischen Produktion, wo das Produkt nur noch als Waare, nicht
als unmittelbares Subsistenzmittel producirt wird. Andrerseits, auf
der Basis jeder Produktionsweise, befördert der Handel die Erzeu-
gung von überschüssigem Produkt, bestimmt in den Austausch ein-
zugehn, um die Genüsse oder die Schätze der Producenten (worunter
hier die Eigner der Produkte zu verstehn sind) zu vermehren;
gibt also der Produktion einen mehr und mehr auf den Tausch-
werth gerichteten Charakter.


Die Metamorphose der Waaren, ihre Bewegung, besteht 1) stoff-
lich aus dem Austausch verschiedner Waaren gegen einander,
2) formell aus Verwandlung der Waare in Geld, Verkaufen, und
[310] Verwandlung des Geldes in Waare, Kaufen. Und in diese Funktionen,
Austauschen von Waaren durch Kauf und Verkauf, löst sich die
Funktion des Kaufmannskapitals auf. Es vermittelt also bloss den
Waarenaustausch, der indessen von vornherein nicht bloss als
Waarenaustausch zwischen den unmittelbaren Producenten zu fassen
ist. Beim Sklavenverhältniss, Leibeignenverhältniss, Tributverhält-
niss (soweit primitive Gemeinwesen in Betracht kommen) ist es der
Sklavenhalter, der Feudalherr, der Tribut empfangende Staat, welcher
Eigner, also Verkäufer des Produkts ist. Der Kaufmann kauft und
verkauft für Viele. In seiner Hand koncentriren sich Käufe und
Verkäufe, wodurch Kauf und Verkauf aufhört an das unmittelbare
Bedürfniss des Käufers (als Kaufmann) gebunden zu sein.


Welches aber immer die gesellschaftliche Organisation der Pro-
duktionssphären, deren Waarenaustausch der Kaufmann vermittelt,
sein Vermögen existirt immer als Geldvermögen und sein Geld
fungirt stets als Kapital. Seine Form ist stets G—W—G'; Geld,
die selbständige Form des Tauschwerths, der Ausgangspunkt, und
Vermehrung des Tauschwerths der selbständige Zweck. Der Waaren-
austausch selbst und die ihn vermittelnden Operationen — getrennt
von der Produktion und vollzogen vom Nichtproducenten — als
blosses Mittel der Vermehrung, nicht nur des Reichthums, sondern
des Reichthums in seiner allgemeinen gesellschaftlichen Form, als
Tauschwerth. Das treibende Motiv und der bestimmende Zweck
ist G zu verwandeln in G + ΔG; die Akte G—W und W—G',
die den Akt G—G' vermitteln, erscheinen bloss als Uebergangs-
momente dieser Verwandlung von G in G + ΔG. Dies G—W—G'
als charakteristische Bewegung des Kaufmannskapitals unterscheidet
es von W—G—W, dem Waarenhandel zwischen den Producenten
selbst, der auf den Austausch von Gebrauchswerthen als letzten
Zweck gerichtet ist.


Je unentwickelter die Produktion, um so mehr wird sich daher
das Geldvermögen koncentriren in den Händen der Kaufleute, oder
als specifische Form des Kaufmannsvermögens erscheinen.


Innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise — d. h. sobald
sich das Kapital der Produktion selbst bemächtigt und ihr eine
ganz veränderte und specifische Form gegeben hat — erscheint
das Kaufmannskapital nur als Kapital in einer besondren Funktion.
In allen frühern Produktionsweisen, und umsomehr jemehr die Pro-
duktion unmittelbar Produktion der Lebensmittel des Producenten
ist, erscheint Kaufmannskapital zu sein, als die Funktion par
excellence des Kapitals.


[311]

Es macht also nicht die geringste Schwierigkeit einzusehn, warum
das Kaufmannskapital als historische Form des Kapitals erscheint,
lange bevor das Kapital sich die Produktion selbst unterworfen
hat. Seine Existenz und Entwicklung zu einer gewissen Höhe ist
selbst historische Voraussetzung für die Entwicklung der kapita-
listischen Produktionsweise, 1) als Vorbedingung der Koncentration
von Geldvermögen, und 2) weil die kapitalistische Produktionsweise
Produktion für den Handel voraussetzt, Absatz im Grossen und
nicht an den einzelnen Kunden, also auch einen Kaufmann, der
nicht zur Befriedigung seines persönlichen Bedürfnisses kauft, sondern
die Kaufakte Vieler in seinem Kaufakt koncentrirt. Andrerseits
wirkt alle Entwicklung des Kaufmannskapitals darauf hin, der Pro-
duktion einen mehr und mehr auf den Tauschwerth gerichteten
Charakter zu geben, die Produkte mehr und mehr in Waaren zu
verwandeln. Doch ist seine Entwicklung, für sich genommen, wie
wir gleich unten noch weiter sehn werden, unzureichend, um den
Uebergang einer Produktionsweise in die andre zu vermitteln und
zu erklären.


Innerhalb der kapitalistischen Produktion wird das Kaufmanns-
kapital von seiner frühern selbständigen Existenz herabgesetzt zu
einem besondern Moment der Kapitalanlage überhaupt, und die
Ausgleichung der Profite reducirt seine Profitrate auf den allge-
meinen Durchschnitt. Es fungirt nur noch als der Agent des pro-
duktiven Kapitals. Die mit der Entwicklung des Kaufmannskapitals
sich bildenden besondern Gesellschaftszustände sind hier nicht mehr
bestimmend; im Gegentheil, wo es vorherrscht, herrschen veraltete
Zustände. Dies gilt sogar innerhalb desselben Landes, wo z. B.
die reinen Handelsstädte ganz andre Analogien mit vergangnen Zu-
ständen bilden, als die Fabrikstädte.46)


Selbständige und vorwiegende Entwicklung des Kapitals als
Kaufmannskapitals ist gleichbedeutend mit Nichtunterwerfung der
[312] Produktion unter das Kapital, also mit Entwicklung des Kapitals
auf Grundlage einer ihm fremden und von ihm unabhängigen ge-
sellschaftlichen Form der Produktion. Die selbständige Entwicklung
des Kaufmannskapitals steht also im umgekehrten Verhältniss zur
allgemeinen ökonomischen Entwicklung der Gesellschaft.


Das selbständige Kaufmannsvermögen, als herrschende Form des
Kapitals, ist die Verselbständigung des Cirkulationsprocesses gegen
seine Extreme, und diese Extreme sind die austauschenden Produ-
centen selbst. Diese Extreme bleiben selbständig gegen den Cir-
kulationsprocess, und dieser Process gegen sie. Das Produkt wird
hier Waare durch den Handel. Es ist der Handel, der hier die
Gestaltung der Produkte zu Waaren entwickelt; es ist nicht die
producirte Waare, deren Bewegung den Handel bildet. Kapital als
Kapital tritt hier also zuerst im Cirkulationsprocess auf. Im Cir-
kulationsprocess entwickelt sich das Geld zu Kapital. In der
Cirkulation entwickelt sich das Produkt zuerst als Tausch-
werth, als Waare und Geld. Das Kapital kann sich im Cir-
kulationsprocess bilden, und muss sich in ihm bilden, bevor
es seine Extreme beherrschen lernt, die verschiednen Produk-
tionssphären, zwischen denen die Cirkulation vermittelt. Geld-
und Waarencirkulation können Produktionssphären der verschie-
densten Organisationen vermitteln, die ihrer innern Struktur nach
noch hauptsächlich auf Produktion des Gebrauchswerths gerichtet
sind. Diese Verselbständigung des Cirkulationsprocesses, worin die
Produktionssphären unter einander verbunden werden durch ein
drittes, drückt doppeltes aus. Einerseits, dass die Cirkulation sich
noch nicht der Produktion bemächtigt hat, sondern sich zu ihr
als gegebner Voraussetzung verhält. Andrerseits, dass der Produk-
tionsprocess die Cirkulation noch nicht als blosses Moment in sich
aufgenommen hat. In der kapitalistischen Produktion dagegen ist
beides der Fall. Der Produktionsprocess beruht ganz auf der Cir-
kulation und die Cirkulation ist ein blosses Moment, eine Durch-
gangsphase der Produktion, bloss die Realisirung des als Waare
producirten Produkts, und der Ersatz seiner als Waaren produ-
cirten Produktionselemente. Die unmittelbar aus der Cirkulation
stammende Form des Kapitals — das Handelskapital — erscheint
hier nur noch als eine der Formen des Kapitals in seiner [Repro-
duktionsbewegung]
.


Das Gesetz, dass die selbständige Entwicklung des Kaufmanns-
kapitals im umgekehrten Verhältniss steht zum Entwicklungsgrad
der kapitalistischen Produktion, erscheint am meisten in der Ge-
[313] schichte des Zwischenhandels (carrying trade), wie bei Venetianern,
Genuesern, Holländern etc., wo also der Hauptgewinn gemacht wird
nicht durch Ausfuhr der eignen Landesprodukte, sondern durch Ver-
mittlung des Austausches der Produkte kommerziell und sonst öko-
nomisch unentwickelter Gemeinwesen, und durch Exploitation beider
Produktionsländer.47) Hier ist das Kaufmannskapital rein, abge-
trennt von den Extremen, den Produktionssphären, zwischen denen
es vermittelt. Es ist dies eine Hauptquelle seiner Bildung. Aber
dies Monopol des Zwischenhandels verfällt, und damit dieser Handel
selbst, im selben Verhältniss wie die ökonomische Entwicklung der
Völker fortschreitet, die es beiderseits exploitirte, und deren Unent-
wickeltheit seine Existenzbasis war. Beim Zwischenhandel erscheint
dies nicht nur als Verfall eines besondren Handelszweigs, sondern
auch als Verfall des Uebergewichts reiner Handelsvölker und ihres
kommerziellen Reichthums überhaupt, der auf der Basis dieses
Zwischenhandels beruhte. Es ist dies nur eine besondre Form,
worin die Unterordnung des kommerziellen Kapitals unter das in-
dustrielle im Fortschritt der Entwicklung der kapitalistischen Pro-
duktion sich ausdrückt. Von der Art und Weise übrigens, wie
das Kaufmannskapital da wirthschaftet, wo es direkt die Produk-
tion beherrscht, bietet schlagendes Exempel nicht nur die Kolonial-
wirthschaft überhaupt (das sog. Kolonialsystem) sondern ganz
speciell die Wirthschaft der alten holländisch-ostindischen Kompagnie.


Da die Bewegung des kaufmännischen Kapitals G—W—G' ist,
so wird der Profit des Kaufmanns erstens gemacht durch Akte,
die nur innerhalb des Cirkulationsprocesses vorgehn, also gemacht
in den zwei Akten des Kaufs und Verkaufs; und zweitens wird er
realisirt im letzten Akt, dem Verkauf. Es ist also Veräusserungs-
profit, profit upon alienation. Prima facie erscheint der reine, un-
abhängige Handelsprofit unmöglich, solange Produkte zu ihren
Werthen verkauft werden. Wohlfeil kaufen um theuer zu ver-
kaufen, ist das Gesetz des Handels. Also nicht der Austausch von
Aequivalenten. Der Begriff des Werths ist insofern darin ein-
[314] geschlossen, als die verschiednen Waaren alle Werth und darum
Geld sind; der Qualität nach gleichmäßig Ausdrücke der gesell-
schaftlichen Arbeit. Aber sie sind nicht gleiche Werthgrössen.
Das quantitative Verhältniss, worin sich Produkte austauschen, ist
zunächst ganz zufällig. Sie nehmen sofern Waarenform an, dass
sie überhaupt Austauschbare, d. h. Ausdrücke desselben Dritten
sind. Der fortgesetzte Austausch und die regelmäßigere Repro-
duktion für den Austausch hebt diese Zufälligkeit mehr und mehr
auf. Zunächst aber nicht für die Producenten und Konsumenten,
sondern für den Vermittler zwischen beiden, den Kaufmann, der
die Geldpreise vergleicht und die Differenz einsteckt. Durch seine
Bewegung selbst setzt er die Aequivalenz.


Das Handelskapital ist im Anfang bloss die vermittelnde Bewe-
gung zwischen Extremen, die es nicht beherrscht, und Voraus-
setzungen, die es nicht schafft.


Wie aus der blossen Form der Waarencirkulation, W—G—W,
Geld nicht nur als Werthmaß und Cirkulationsmittel, sondern als
absolute Form der Waare und damit des Reichthums, als Schatz
hervorgeht, und sein Beisichbleiben und Anwachsen als Geld zum
Selbstzweck wird, so geht aus der blossen Cirkulationsform des
Kaufmannskapitals, G—W—G', das Geld, der Schatz, hervor als
etwas, das sich durch blosse Veräusserung erhält und vermehrt.


Die Handelsvölker der Alten existirten wie die Götter des Epikur
in den Intermundien der Welt oder vielmehr wie die Juden in den
Poren der polnischen Gesellschaft. Der Handel der ersten selb-
ständigen, grossartig entwickelten Handelsstädte und Handelsvölker
beruhte als reiner Zwischenhandel auf der Barbarei der produ-
cirenden Völker, zwischen denen sie die Vermittler spielten.


In den Vorstufen der kapitalistischen Gesellschaft beherrscht der
Handel die Industrie; in der modernen Gesellschaft umgekehrt.
Der Handel wird natürlich mehr oder weniger zurückwirken auf
die Gemeinwesen, zwischen denen er getrieben wird; er wird die
Produktion mehr und mehr dem Tauschwerth unterwerfen, indem
er Genüsse und Subsistenz mehr abhängig macht vom Verkauf als
vom unmittelbaren Gebrauch des Produkts. Er löst dadurch die
alten Verhältnisse auf. Er vermehrt die Geldcirkulation. Er er-
greift nicht mehr bloss den Ueberschuss der Produktion, sondern
frisst nach und nach diese selbst an, und macht ganze Produktions-
zweige von sich abhängig. Indess hängt diese auflösende Wirkung
sehr ab von der Natur des producirenden Gemeinwesens.


Solange das Handelskapital den Produktenaustausch unentwickelter
[315] Gemeinwesen vermittelt, erscheint der kommerzielle Profit nicht nur
als Uebervortheilung und Prellerei, sondern entspringt grossen-
theils aus ihr. Abgesehn davon, dass es den Unterschied zwischen
den Produktionspreisen verschiedner Länder ausbeutet (und in dieser
Beziehung wirkt es hin auf die Ausgleichung und Festsetzung der
Waarenwerthe) bringen es jene Produktionsweisen mit sich, dass
das Kaufmannskapital sich einen überwiegenden Theil des Mehr-
produkts aneignet, theils als Zwischenschieber zwischen Gemein-
wesen, deren Produktion noch wesentlich auf den Gebrauchswerth
gerichtet ist, und für deren ökonomische Organisation der Verkauf
des überhaupt in Cirkulation tretenden Produktentheils, also über-
haupt der Verkauf der Produkte zu ihrem Werth von untergeord-
neter Wichtigkeit ist; theils weil in jenen frühern Produktions-
weisen die Hauptbesitzer des Mehrprodukts, mit denen der Kauf-
mann handelt, der Sklavenhalter, der feudale Grundherr, der Staat
(z. B. der orientalische Despot) den geniessenden Reichthum vor-
stellen, dem der Kaufmann Fallen stellt, wie schon A. Smith in
der angeführten Stelle für die Feudalzeit richtig herausgewittert
hat. Das Handelskapital in überwiegender Herrschaft stellt also
überall ein System der Plünderung dar,48) wie denn auch seine
[316] Entwicklung, bei den Handelsvölkern der alten wie der neuern
Zeit direkt mit gewaltsamer Plünderung, Seeraub, Sklavenraub,
Unterjochung in Kolonien verbunden ist; so in Karthago, Rom.
später bei Venetianern, Portugiesen, Holländern etc.


Die Entwicklung des Handels und des Handelskapitals entwickelt
überall die Richtung der Produktion auf Tauschwerth, vergrössert
ihren Umfang, vermannigfacht und kosmopolisirt sie, entwickelt
das Geld zum Weltgeld. Der Handel wirkt deshalb überall mehr
oder minder auflösend auf die vorgefundenen Organisationen der
Produktion, die in allen ihren verschiednen Formen hauptsächlich
auf den Gebrauchswerth gerichtet sind. Wie weit er aber die Auf-
lösung der alten Produktionsweise bewirkt, hängt zunächst ab von
ihrer Festigkeit und innern Gliederung. Und wohin dieser Process
der Auflösung ausläuft, d. h. welche neue Produktionsweise an
Stelle der alten tritt, hängt nicht vom Handel ab, sondern vom
Charakter der alten Produktionsweise selbst. In der antiken Welt
resultirt die Wirkung des Handels und die Entwicklung des Kauf-
mannskapitals stets in Sklavenwirthschaft; je nach dem Ausgangs-
punkt auch nur in Verwandlung eines patriarchalischen, auf Pro-
duktion unmittelbarer Subsistenzmittel gerichteten Sklavensystems
in ein auf Produktion von Mehrwerth gerichtetes. In der modernen
Welt dagegen läuft sie aus in die kapitalistische Produktionsweise. Es
folgt hieraus, dass diese Resultate selbst noch durch ganz andre Um-
stände bedingt waren als durch die Entwicklung des Handelskapitals.


Es liegt in der Natur der Sache, dass sobald städtische Industrie
als solche sich von der agrikolen trennt, ihre Produkte von vorn-
herein Waaren sind, und deren Verkauf also der Vermittlung des
Handels bedarf. Die Anlehnung des Handels an die städtische
Entwicklung, und andrerseits die Bedingtheit der letztren durch den
Handel sind soweit selbstverständlich. Jedoch hängt es hier durch-
aus von andren Umständen ab, wieweit industrielle Entwicklung
damit Hand in Hand geht. Das alte Rom entwickelt schon in
der spätern republikanischen Zeit das Kaufmannskapital höher als
es je zuvor in der alten Welt bestanden hat, ohne irgend welchen
Fortschritt gewerblicher Entwicklung; während in Korinth und
andren griechischen Städten Europas und Kleinasiens ein
hochentwickeltes Gewerbe die Entwicklung des Handels begleitet.
Andrerseits, im geraden Gegentheil zur städtischen Entwicklung
und ihren Bedingungen, ist Handelsgeist und Entwicklung des Han-
delskapitals oft gerade nichtansässigen, nomadischen Völkern eigen.


Es unterliegt keinem Zweifel — und gerade diese Thatsache hat
[317] ganz falsche Anschauungen erzeugt — dass im 16. und im 17.
Jahrhundert die grossen Revolutionen, die mit den geographischen
Entdeckungen im Handel vorgingen und die Entwicklung des Kauf-
mannskapitals rasch steigerten, ein Hauptmoment bilden in der
Förderung des Uebergangs der feudalen Produktionsweise in die
kapitalistische. Die plötzliche Ausdehnung des Weltmarkts, die
Vervielfältigung der umlaufenden Waaren, der Wetteifer unter den
europäischen Nationen, sich der asiatischen Produkte und der ame-
rikanischen Schätze zu bemächtigen, das Kolonialsystem, trugen
wesentlich bei zur Sprengung der feudalen Schranken der Pro-
duktion. Indess entwickelte sich die moderne Produktionsweise,
in ihrer ersten Periode, der Manufakturperiode, nur da wo die Be-
dingungen dafür sich innerhalb des Mittelalters erzeugt hatten.
Man vergleiche z. B. Holland mit Portugal.49) Und wenn im 16.
und zum Theil noch im 17. Jahrhundert die plötzliche Ausdehnung
des Handels und die Schöpfung eines neuen Weltmarkts einen
überwiegenden Einfluss auf den Untergang der alten, und den Auf-
schwung der kapitalistischen Produktionsweise ausübten, so geschah
dies umgekehrt auf Basis der einmal geschaffnen kapitalistischen
Produktionsweise. Der Weltmarkt bildet selbst die Basis dieser Pro-
duktionsweise. Andrerseits, die derselben immanente Nothwendigkeit,
auf stets grössrer Stufenleiter zu produciren, treibt zur beständigen Aus-
dehnung des Weltmarkts, sodass der Handel hier nicht die Industrie,
sondern die Industrie beständig den Handel revolutionirt. Auch die
Handelsherrschaft ist jetzt geknüpft an das grössre oder geringre
Vorwiegen der Bedingungen der grossen Industrie. Man vergleiche
z. B. England und Holland. Die Geschichte des Untergangs Hol-
lands als herrschender Handelsnation ist die Geschichte der Unter-
ordnung des Handelskapitals unter das industrielle Kapital. Die
Hindernisse, die die innere Festigkeit und Gliederung vorkapita-
listischer, nationaler Produktionsweisen der auflösenden Wirkung
des Handels entgegensetzt, zeigt sich schlagend im Verkehr der
Engländer mit Indien und China. Die breite Basis der Produk-
[318] tionsweise ist hier gebildet durch die Einheit kleiner Agrikultur
und häuslicher Industrie, wobei noch in Indien die Form der auf
Gemeineigenthum am Boden beruhenden Dorfgemeinden hinzu-
kommt, die übrigens auch in China die ursprüngliche Form war.
In Indien wandten die Engländer zugleich ihre unmittelbare poli-
tische und ökonomische Macht, als Herrscher und Grundrentner,
an um diese kleinen ökonomischen Gemeinwesen zu sprengen.50)
Soweit ihr Handel hier revolutionirend auf die Produktionsweise
wirkt, ist es nur, soweit sie durch den niedrigen Preis ihrer Waaren
die Spinnerei und Weberei, die einen uralt-integrirenden Theil dieser
Einheit der industriell-agrikolen Produktion bildet, vernichten, und
so die Gemeinwesen zerreissen. Selbst hier gelingt ihnen dies
Auflösungswerk nur sehr allmälig. Noch weniger in China, wo
die unmittelbare politische Macht nicht zu Hülfe kommt. Die
grosse Oekonomie und Zeitersparung, die aus der unmittelbaren
Verbindung von Ackerbau und Manufaktur hervorgehn, bieten hier
hartnäckigsten Widerstand den Produkten der grossen Industrie,
in deren Preis die faux frais des sie überall durchlöchernden Cir-
kulationsprocesses eingehn. Im Gegensatz zum englischen Handel
lässt dagegen der russische die ökonomische Grundlage der asia-
tischen Produktion unangetastet.51)


Der Uebergang aus der feudalen Produktionsweise macht sich
doppelt. Der Producent wird Kaufmann und Kapitalist, im Gegen-
satz zur agrikolen Naturalwirthschaft und zum zünftig gebundnen
Handwerk der mittelalterlichen städtischen Industrie. Dies ist der
wirklich revolutionirende Weg. Oder aber, der Kaufmann be-
mächtigt sich der Produktion unmittelbar. So sehr der letztre Weg
historisch als Uebergang wirkt — wie z. B. der englische Clothier
des 17. Jahrhunderts, der die Weber, die aber selbständig sind,
unter seine Kontrolle bringt, ihnen ihre Wolle verkauft und ihr
Tuch abkauft — so wenig bringt er es an und für sich zur Um-
wälzung der alten Produktionsweise, die er vielmehr konservirt
[319] und als seine Voraussetzung beibehält. So z. B. war grossentheils
noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts der Fabrikant in der
französischen Seidenindustrie, der englischen Strumpfwaaren- und
Spitzenindustrie bloss nominell Fabrikant, in Wirklichkeit blosser
Kaufmann, der die Weber in ihrer alten zersplitterten Weise fort-
arbeiten lässt, und nur die Herrschaft des Kaufmanns ausübt, für
den sie in der That arbeiten.52) Diese Manier steht überall der
wirklichen kapitalistischen Produktionsweise im Wege, und geht
unter mit deren Entwicklung. Ohne die Produktionsweise um-
zuwälzen, verschlechtert sie nur die Lage der unmittelbaren Produ-
centen, verwandelt sie in blosse Lohnarbeiter und Proletarier unter
schlechtern Bedingungen, als die direkt unter das Kapital subsu-
mirten, und eignet sich ihre Mehrarbeit auf Basis der alten Pro-
duktionsweise an. Etwas modificirt besteht dasselbe Verhältniss
bei einem Theil der Londoner handwerksmäßig betriebnen Möbel-
fabrikation. Sie wird namentlich in den Tower Hamlets auf sehr
ausgebreitetem Fuss betrieben. Die ganze Produktion ist in sehr
viele von einander unabhängige Geschäftszweige getheilt. Das eine
Geschäft macht bloss Stühle, das andre bloss Tische, das dritte
bloss Schränke u. s. w. Aber diese Geschäfte selbst werden mehr
oder weniger handwerksmäßig betrieben, von einem kleinen Meister
mit wenigen Gesellen. Dennoch ist die Produktion zu massenhaft,
um direkt für Private zu arbeiten. Ihre Käufer sind die Besitzer
von Möbelmagazinen. Am Sonnabend begibt sich der Meister zu
ihnen und verkauft sein Produkt, wobei ganz so über den Preis
geschachert wird, wie im Pfandhaus üher den Vorschuss auf dies
oder jenes Stück. Diese Meister bedürfen des wöchentlichen Ver-
kaufs, schon um für die nächste Woche wieder Rohmaterial kaufen
und Arbeitslohn auszahlen zu können. Unter diesen Umständen
sind sie eigentlich nur Zwischenschieber zwischen dem Kaufmann
und ihren eignen Arbeitern. Der Kaufmann ist der eigentliche
Kapitalist, der den grössten Theil des Mehrwerths in die Tasche
steckt.53) So ähnlich beim Uebergang in die Manufaktur aus den
Zweigen, die früher handwerksmäßig oder als Nebenzweige der
ländlichen Industrie betrieben worden. Je nach der technischen
[320] Entwicklung, die dieser kleine Selbstbetrieb hat — wo er selbst
schon Maschinen anwendet, die handwerksmäßigen Betrieb zulassen
— findet auch Uebergang zur grossen Industrie statt; die Maschine
wird, statt mit der Hand, mit Dampf getrieben; wie dies z. B.
in der letzten Zeit im englischen Strumpfwaarengeschäft sich er-
eignet.


Es findet also ein dreifacher Uebergang statt: Erstens, der
Kaufmann wird direkt Industrieller; dies ist der Fall bei den auf
den Handel gegründeten Gewerben, namentlich bei Luxusindustrien,
welche von den Kaufleuten mitsammt den Rohstoffen und den
Arbeitern aus der Fremde eingeführt werden, wie im fünfzehnten
Jahrhundert in Italien aus Konstantinopel. Zweitens, der Kauf-
mann macht die kleinen Meister zu seinen Zwischenschiebern (middle-
men) oder kauft auch direkt vom Selbstproducenten; er lässt ihn
nominell selbständig und lässt seine Produktionsweise unverändert.
Drittens, der Industrielle wird Kaufmann und producirt direkt im
Grossen für den Handel.


Im Mittelalter ist der Kaufmann bloss „Verleger“, wie Poppe
richtig sagt, der sei es von den Zünftlern, sei es von den Bauern
producirten Waaren. Der Kaufmann wird Industrieller, oder viel-
mehr lässt die handwerksmäßige, besonders die ländliche kleine
Industrie für sich arbeiten. Andrerseits wird der Producent Kauf-
mann. Statt dass z. B. der Tuchwebermeister seine Wolle nach
und nach in kleinen Portionen vom Kaufmann erhält und mit
seinen Gesellen für diesen arbeitet, kauft er selbst Wolle oder
Garn und verkauft sein Tuch an den Kaufmann. Die Produktions-
elemente gehn als von ihm selbst gekaufte Waaren in den Produk-
duktionsprocess ein. Und statt für den einzelnen Kaufmann zu
produciren, oder für bestimmte Kunden, producirt der Tuchweber
jetzt für die Handelswelt. Der Producent ist selbst Kaufmann.
Das Handelskapital verrichtet nur noch den Cirkulationsprocess.
Ursprünglich war der Handel Voraussetzung für die Verwandlung
des zünftigen und ländlich-häuslichen Gewerbes und des feudalen
Ackerbaus in kapitalistische Betriebe. Er entwickelt das Produkt
zur Waare, theils indem er ihm einen Markt schafft, theils indem
er neue Waarenäquivalente, und der Produktion neue Roh- und
Hülfsstoffe zuführt und damit Produktionszweige eröffnet, die von
vornherein auf den Handel gegründet sind, sowohl auf Produktion
für den Markt und Weltmarkt, wie auf Produktionsbedingungen,
die aus dem Weltmarkt herstammen. Sobald die Manufaktur
einigermaßen erstarkt, und noch mehr die grosse Industrie schafft
[321] sie sich ihrerseits den Markt, erobert ihn durch ihre Waaren.
Jetzt wird der Handel Diener der industriellen Produktion, für die
beständige Erweiterung des Markts Lebensbedingung ist. Eine
stets ausgedehntere Massenproduktion überschwemmt den vorhandnen
Markt und arbeitet daher stets an Ausdehnung dieses Markts, an
Durchbrechung seiner Schranken. Was diese Massenproduktion
beschränkt, ist nicht der Handel (soweit dieser nur existirende
Nachfrage ausdrückt), sondern die Grösse des funktionirenden Ka-
pitals und die entwickelte Produktivkraft der Arbeit. Der indu-
strielle Kapitalist hat beständig den Weltmarkt vor sich, ver-
gleicht, und muss beständig vergleichen, seine eignen Kostpreise
mit den Marktpreisen nicht nur der Heimath, sondern der ganzen
Welt. Diese Vergleichung fällt in der frühern Periode fast aus-
schliesslich den Kaufleuten zu, und sichert so dem Handelskapital
die Herrschaft über das industrielle.


Die erste theoretische Behandlung der modernen Produktions-
weise — das Merkantilsystem — ging nothwendig aus von den
oberflächlichen Phänomenen des Cirkulationsprocesses, wie sie in
der Bewegung des Handelskapitals verselbständigt sind, und griff
daher nur den Schein auf. Theils weil das Handelskapital die
erste freie Existenzweise des Kapitals überhaupt ist. Theils wegen
des überwiegenden Einflusses, den es in der ersten Umwälzungs-
periode der feudalen Produktion, der Entstehungsperiode der mo-
dernen Produktion ausübt. Die wirkliche Wissenschaft der modernen
Oekonomie beginnt erst, wo die theoretische Betrachtung vom Cir-
kulationsprocess zum Produktionsprocess übergeht. Das zinstra-
gende Kapital ist zwar auch uralte Form des Kapitals. Warum
aber der Merkantilismus nicht von ihm ausgeht, sondern sich viel-
mehr polemisch dazu verhält, werden wir später sehn.


Marx, Kapital III. 21
[[322]]

Fünfter Abschnitt.
Spaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn.
Das zinstragende Kapital.


Einundzwanzigstes Kapitel.
Das zinstragende Kapital.


Bei der ersten Betrachtung der allgemeinen oder Durchschnitts-
profitrate (Abschnitt II dieses Buchs) hatten wir diese letztre noch
nicht in ihrer fertigen Gestalt vor uns, indem die Ausgleichung
noch bloss als Ausgleichung der in verschiednen Sphären ange-
legten industriellen Kapitale erschien. Dies wurde ergänzt im
vorigen Abschnitt, wo die Theilnahme des Handelskapitals an
dieser Ausgleichung und der merkantile Profit erörtert ward. Die
allgemeine Profitrate und der Durchschnittsprofit stellten sich jetzt
innerhalb engerer Grenzen dar als vorher. Im Fortgang der Ent-
wicklung ist im Auge zu halten, dass wenn wir fernerhin von all-
gemeiner Profitrate oder Durchschnittsprofit sprechen, dies in der
letztren Fassung geschieht, also bloss mit Bezug auf die fertige
Gestalt der Durchschnittsrate. Da diese nunmehr für das indu-
strielle und merkantile Kapital dieselbe ist, ist es auch nicht weiter
nöthig, soweit es sich nur um diesen Durchschnittsprofit handelt,
einen Unterschied zwischen industriellem und kommerziellem Profit
zu machen. Ob das Kapital innerhalb der Produktionssphäre indu-
striell oder in der Cirkulationssphäre merkantil angelegt, es wirft
pro rata seiner Grösse denselben jährlichen Durchschnittsprofit ab.


Geld — hier genommen als selbständiger Ausdruck einer Werth-
summe, ob sie thatsächlich in Geld oder Waaren existire — kann
auf Grundlage der kapitalistischen Produktion in Kapital verwandelt
werden, und wird durch diese Verwandlung aus einem gegebnen
Werth zu einem sich selbst verwerthenden, sich vermehrenden Werth.
Es producirt Profit, d. h. es befähigt den Kapitalisten, ein be-
stimmtes Quantum unbezahlter Arbeit, Mehrprodukt und Mehr-
werth, aus den Arbeitern herauszuziehn und sich anzueignen. Da-
mit erhält es, ausser dem Gebrauchswerth, den es als Geld besitzt,
einen zusätzlichen Gebrauchswerth, nämlich den, als Kapital zu
fungiren. Sein Gebrauchswerth besteht hier eben in dem Profit,
den es, in Kapital verwandelt, producirt. In dieser Eigenschaft
[323] als mögliches Kapital, als Mittel zur Produktion des Profits, wird
es Waare, aber eine Waare sui generis. Oder was auf dasselbe
herauskommt, Kapital als Kapital wird zur Waare.54)


Gesetzt, die jährliche Durchschnittsprofitrate sei 20 %. Eine
Maschine im Werth von 100 £ würde dann, unter den Durch-
schnittsbedingungen und mit dem Durchschnittsverhältniss von In-
telligenz und zweckmäßiger Thätigkeit als Kapital verwandt, einen
Profit von 20 £ abwerfen. Ein Mann also, der 100 £ zur Ver-
fügung hat, hält in seiner Hand die Macht aus 100 £ 120 zu
machen, oder einen Profit von 20 £ zu produciren. Er hält in
seiner Hand ein mögliches Kapital von 100 £. Überlässt dieser
Mann für ein Jahr die 100 £ einem andern, der sie wirklich als
Kapital anwendet, so gibt er ihm die Macht, 20 £ Profit zu pro-
duciren, einen Mehrwerth, der ihm nichts kostet, wofür er kein
Aequivalent zahlt. Wenn dieser Mann dem Eigner der 100 £ am
Jahresschluss vielleicht 5 £ zahlt, d. h. einen Theil des producirten
Profits, so zahlt er damit den Gebrauchswerth der 100 £, den Ge-
brauchswerth ihrer Kapitalfunktion, der Funktion, 20 £ Profit zu
produciren. Der Theil des Profits, den er ihm zahlt, heisst Zins,
was also nichts ist als ein besondrer Name, eine besondre Rubrik
für einen Theil des Profits, den das fungirende Kapital, statt in
die eigne Tasche zu stecken, an den Eigner des Kapitals wegzu-
zahlen hat.


Es ist klar, dass der Besitz der 100 £ ihrem Eigner die Macht
gibt, den Zins, einen gewissen Theil des durch sein Kapital pro-
ducirten Profits, an sich zu ziehn. Gäbe er dem andern die 100 £
nicht, so könnte dieser den Profit nicht produciren, überhaupt nicht
mit Beziehung auf diese 100 £ als Kapitalist fungiren.55)


Mit Gilbart (siehe Note) von natürlicher Gerechtigkeit hier zu
reden, ist Unsinn. Die Gerechtigkeit der Transaktionen, die zwischen
den Produktionsagenten vorgehn, beruht darauf, dass diese Trans-
aktionen aus den Produktionsverhältnissen als natürliche Konse-
quenz entspringen. Die juristischen Formen, worin diese ökono-
mischen Transaktionen als Willenshandlungen der Betheiligten, als
21*
[324] Aeusserungen ihres gemeinsamen Willens und als der Einzelpartei
gegenüber von Staatswegen erzwingbare Kontrakte erscheinen, können
als blosse Formen diesen Inhalt selbst nicht bestimmen. Sie drücken
ihn nur aus. Dieser Inhalt ist gerecht, sobald er der Produktions-
weise entspricht, ihr adäquat ist. Er ist ungerecht, sobald er ihr
widerspricht. Sklaverei, auf Basis der kapitalistischen Produk-
tionsweise, ist ungerecht; ebenso der Betrug auf die Qualität der
Waare.


Die 100 £ produciren dadurch den Profit von 20 £, dass sie
als Kapital fungiren, sei es als industrielles oder merkantiles. Aber
das sine qua non dieser Funktion als Kapital ist, dass sie als
Kapital verausgabt werden, das Geld also ausgelegt wird im An-
kauf von Produktionsmitteln (beim industriellen Kapital) oder von
Waare (beim merkantilen Kapital). Aber um verausgabt zu werden,
muss es da sein. Wenn A, der Eigner der 100 £, sie entweder
zu seiner Privatkonsumtion verausgabte, oder sie als Schatz bei
sich behielte, könnten sie von B, dem fungirenden Kapitalisten,
nicht als Kapital verausgabt werden. Er verausgabt nicht sein
Kapital, sondern das von A; aber er kann das Kapital von A nicht
verausgaben ohne den Willen von A. In der That ist es also A,
der ursprünglich die 100 £ als Kapital verausgabt, obgleich sich
auf diese Verausgabung der 100 £ als Kapital seine ganze Funktion
als Kapitalist beschränkt. Soweit diese 100 £ in Betracht kommen,
fungirt B nur als Kapitalist, weil A ihm die 100 £ überlässt,
und sie daher als Kapital verausgabt.


Betrachten wir zunächst die eigenthümliche Cirkulation des zins-
tragenden Kapitals. Es ist dann in zweiter Instanz zu untersuchen
die eigne Art, wie es als Waare verkauft wird, nämlich verliehen
statt ein für alle Mal abgetreten.


Der Ausgangspunkt ist das Geld, das A dem B vorschiesst. Es
kann dies mit oder ohne Unterpfand geschehn; die erstere Form
ist jedoch die alterthümlichere, mit Ausnahme der Vorschüsse auf
Waaren oder auf Schuldpapiere wie Wechsel, Aktien etc. Diese be-
sondren Formen gehn uns hier nichts an. Wir haben es hier mit
dem zinstragenden Kapital in seiner gewöhnlichen Form zu thun.


In der Hand von B wird das Geld wirklich in Kapital ver-
wandelt, macht die Bewegung G—W—G' durch und kehrt dann
als G' zu A zurück, als G + ΔG, wo ΔG den Zins vorstellt. Der
Vereinfachung halber sehn wir hier einstweilen von dem Fall ab,
wo das Kapital auf längre Zeit in der Hand von B bleibt, und
die Zinsen terminsweise gezahlt werden.


[325]

Die Bewegung ist also:
G—G—W—G'—G'.


Was hier verdoppelt erscheint, ist 1) die Verausgabung des
Geldes als Kapital, 2) sein Rückfluss als realisirtes Kapital, als
G' oder G + ΔG.


In der Bewegung des Handelskapitals G—W—G' wechselt die-
selbe Waare zweimal oder, wenn Kaufmann an Kaufmann ver-
kauft, mehrmal die Hände; aber jeder solcher Stellenwechsel der-
selben Waare zeigt eine Metamorphose an, Kauf oder Verkauf der
Waare, so oft sich auch dieser Process bis zu ihrem definitiven
Fall in die Konsumtion wiederholen mag.


Andrerseits in W—G—W findet zweimaliger Stellenwechsel des-
selben Geldes statt, zeigt aber die vollständige Metamorphose der
Waare an, die erst in Geld, und dann aus Geld wieder in eine
andre Waare verwandelt wird.


Dagegen bei dem zinstragenden Kapital ist der erste Stellen-
wechsel von G durchaus kein Moment, weder der Waarenmeta-
morphose, noch der Reproduktion des Kapitals. Dies wird es erst
bei der zweiten Verausgabung, in der Hand des fungirenden Kapi-
talisten, der Handel damit treibt oder es in produktives Kapital
verwandelt. Der erste Stellenwechsel von G drückt hier nichts
aus als seine Uebertragung oder Uebermachung von A an B; eine
Uebertragung, die unter gewissen juristischen Formen und Vorbe-
halten zu geschehn pflegt.


Dieser doppelten Verausgabung des Geldes als Kapital, wovon
die erste blosse Uebertragung von A auf B ist, entspricht sein
doppelter Rückfluss. Als G' oder G + ΔG fliesst es zurück aus
der Bewegung an den fungirenden Kapitalisten B. Dieser über-
trägt es dann wieder an A, aber zugleich mit einem Theil des
Profits, als realisirtes Kapital, als G + ΔG, wo ΔG nicht gleich
dem ganzen Profit, sondern nur ein Theil des Profits, der Zins ist.
Zu B fliesst es zurück nur als was er es ausgegeben hat, als fun-
girendes Kapital, aber als das Eigenthum von A. Damit sein
Rückfluss vollständig sei, hat B es daher wieder an A zu über-
tragen. Ausser der Kapitalsumme aber hat B einen Theil des
Profits, den er mit dieser Kapitalsumme gemacht hat, unter dem
Namen Zins an A abzugeben, da dieser ihm das Geld nur gegeben
hat als Kapital, d. h. als Werth, der sich nicht nur erhält in der
Bewegung, sondern seinem Eigner einen Mehrwerth schafft. Es
bleibt in der Hand von B nur solange es fungirendes Kapital ist.
Und mit seinem Rückfluss — nach der abgemachten Frist — hört es
[326] auf als Kapital zu fungiren. Als nicht länger fungirendes Kapital
aber muss es wieder rückübertragen werden an A, der nicht auf-
gehört hat der juristische Eigenthümer desselben zu sein.


Die Form des Leihens, die dieser Waare, dem Kapital als Waare
eigenthümlich ist, übrigens auch in andren Transaktionen vorkommt,
statt der Form des Verkaufens, ergibt sich schon aus der Be-
stimmung, dass Kapital hier als Waare auftritt, oder dass Geld als
Kapital zur Waare wird.


Man muss hier unterscheiden.


Wir haben gesehn (Buch II, Kap. I), und rufen hier kurz ins
Gedächtniss zurück, dass das Kapital im Cirkulationsprocess als
Waarenkapital und Geldkapital fungirt. Aber in beiden Formen
wird das Kapital nicht als Kapital zur Waare.


Sobald sich das produktive Kapital in Waarenkapital verwandelt
hat, muss es auf den Markt geworfen, als Waare verkauft werden.
Hier fungirt es einfach als Waare. Der Kapitalist erscheint hier
nur als Verkäufer von Waare, wie der Käufer als Käufer von
Waare. Als Waare muss das Produkt im Cirkulationsprocess,
durch seinen Verkauf, seinen Werth realisiren, seine verwandelte
Gestalt als Geld annehmen. Es ist desswegen auch ganz gleich-
gültig, ob diese Waare von einem Konsumenten als Lebensmittel
oder von einem Kapitalisten als Produktionsmittel, als Kapital-
bestandtheil, gekauft wird. Im Cirkulationsakt fungirt das Waaren-
kapital nur als Waare, nicht als Kapital. Es ist Waarenkapital
im Unterschied von einfacher Waare, 1) weil es bereits mit Mehr-
werth geschwängert ist, die Realisirung seines Werths also zu-
gleich Realisirung von Mehrwerth ist; dies ändert aber nichts an
seinem einfachen Dasein als Waare, als Produkt von bestimmtem
Preis; 2) weil diese seine Funktion als Waare ein Moment seines
Reproduktionsprocesses als Kapital ist, und daher seine Bewegung
als Waare, weil nur Theilbewegung seines Processes, zugleich seine
Bewegung als Kapital ist; sie wird dies aber nicht durch den Akt
des Verkaufens selbst, sondern nur durch den Zusammenhang dieses
Akts mit der Gesammtbewegung dieser bestimmten Werthsumme
als Kapital.


Ebenso als Geldkapital wirkt es in der That nur einfach als
Geld, d. h. als Kaufmittel von Waare (den Produktionselementen).
Dass dies Geld hier zugleich Geldkapital, eine Form des Kapitals
ist, geht nicht hervor aus dem Akt des Kaufens, aus der wirk-
lichen Funktion, die es hier als Geld verrichtet; sondern aus dem
Zusammenhang dieses Akts mit der Gesammtbewegung des Kapitals,
[327] indem dieser Akt, den es als Geld verrichtet, den kapitalistischen
Produktionsprocess einleitet.


Aber soweit sie wirklich fungiren, wirklich im Process ihre
Rolle spielen, wirkt hier Waarenkapital nur als Waare, Geldkapital
nur als Geld. In keinem einzelnen Moment der Metamorphose,
für sich betrachtet, verkauft der Kapitalist die Waare als Kapital
an den Käufer, obgleich sie für ihn Kapital vorstellt, oder ver-
äussert er das Geld als Kapital an den Verkäufer. In beiden Fällen
veräussert er die Waare einfach als Waare, und das Geld einfach
als Geld, als Kaufmittel von Waare.


Es ist nur in dem Zusammenhang des ganzen Verlaufs, in dem
Moment, wo der Ausgangspunkt zugleich als Punkt der Rückkehr
erscheint, in G—G' oder W'—W', dass das Kapital im Cirkulations-
process als Kapital auftritt (während es im Produktionsprocess als
Kapital auftritt durch die Unterordnung des Arbeiters unter den
Kapitalisten und die Produktion des Mehrwerths). In diesem Mo-
ment der Rückkehr aber ist die Vermittlung verschwunden. Was
da ist, ist G' oder G + ΔG (ob die um ΔG vermehrte Werth-
summe nun in der Form des Geldes oder der Waare oder der
Produktionselemente existire), eine Geldsumme gleich der ursprüng-
lich vorgeschossnen Geldsumme plus einem Ueberschuss darüber,
dem realisirten Mehrwerth. Und gerade in diesem Rückkehrpunkt,
wo das Kapital als realisirtes Kapital, als verwertheter Werth
existirt, in dieser Form — soweit er als Ruhepunkt fixirt wird,
imaginär oder wirklich — tritt das Kapital nie in Cirkulation,
sondern erscheint vielmehr aus der Cirkulation zurückgezogen, als
Resultat des ganzen Processes. Sobald es wieder verausgabt wird,
wird es nie als Kapital an einen dritten veräussert, sondern als
einfache Waare an ihn verkauft, oder ihm als einfaches Geld für
Waare hingegeben. Es erscheint in seinem Cirkulationsprocess nie
als Kapital, sondern nur als Waare oder Geld, und dies ist hier
sein einziges Dasein für andre. Waare und Geld sind hier nur
Kapital, nicht soweit die Waare sich in Geld, das Geld sich in
Waare verwandelt, nicht in ihren wirklichen Beziehungen zum
Käufer oder Verkäufer, sondern bloss in ihren ideellen Beziehungen,
entweder zum Kapitalisten selbst (subjektiv betrachtet), oder als
Momente des Reproduktionsprocesses (objektiv betrachtet). Als
Kapital existirt das Kapital, in der wirklichen Bewegung, nicht im
Cirkulationsprocess, sondern nur im Produktionsprocess, im Aus-
beutungsprocess der Arbeitskraft.


Anders aber verhält es sich mit dem zinstragenden Kapital, und
[328] grade dies bildet seinen specifischen Charakter. Der Geldbesitzer,
der sein Geld als zinstragendes Kapital verwerthen will, veräussert
es an einen dritten, wirft es in Cirkulation, macht es zur Waare
als Kapital; nicht nur als Kapital für ihn selbst, sondern auch
für andre; es ist nicht bloss Kapital für den, der es veräussert,
sondern es wird dem dritten von vornherein als Kapital ausge-
händigt, als Werth, der den Gebrauchswerth besitzt, Mehrwerth,
Profit zu schaffen; als ein Werth, der sich in der Bewegung fort-
erhält und zu seinem ursprünglichen Ausgeber, hier dem Geld-
besitzer, nachdem er fungirt hat, zurückkehrt; also sich nur für
eine Zeitlang von ihm entfernt, aus dem Besitz seines Eigenthümers
nur zeitweilig in den Besitz des fungirenden Kapitalisten tritt,
also weder weggezahlt noch verkauft, sondern nur ausgeliehen
wird; nur entäussert wird, unter der Bedingung nach einer be-
stimmten Zeitfrist erstens zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren,
zweitens aber als realisirtes Kapital zurückzukehren, sodass es seinen
Gebrauchswerth, Mehrwerth zu produciren, realisirt hat.


Waare, die als Kapital verliehen wird, wird nach ihrer Be-
schaffenheit als fixes oder cirkulirendes Kapital verliehen. Das
Geld kann in beiden Formen verliehen werden, als fixes Kapital
z. B., wenn es in der Form der Leibrente zurückgezahlt wird, so-
dass mit dem Zins immer auch ein Stück Kapital zurückfliesst.
Gewisse Waaren können der Natur ihres Gebrauchswerths nach
immer nur als fixes Kapital verliehen werden, wie Häuser, Schiffe,
Maschinen u. s. w. Aber alles verliehene Kapital, welches immer
seine Form, und wie die Rückzahlung durch die Natur seines Ge-
brauchswerths modificirt sein mag, ist immer nur eine besondre
Form des Geldkapitals. Denn was hier verliehen wird, ist immer
eine bestimmte Geldsumme, und auf diese Summe wird denn auch
der Zins berechnet. Ist das, was ausgeliehen wird, weder Geld
noch cirkulirendes Kapital, so wird es auch zurückgezahlt in der
Weise wie fixes Kapital zurückfliesst. Der Verleiher erhält periodisch
Zins und einen Theil des verbrauchten Werths des fixen Kapitals
selbst, ein Aequivalent für den periodischen Verschleiss. Und am
Ende der Frist kehrt der unverbrauchte Theil des verliehenen fixen
Kapitals in natura zurück. Ist das verliehene Kapital cirkulirendes
Kapital, so kehrt es ebenfalls dem Verleiher zurück in der Rück-
flussweise des cirkulirenden Kapitals.


Die Art des Rückflusses ist also jedesmal bestimmt durch die
wirkliche Kreisbewegung des sich reproducirenden Kapitals und
seiner besondren Arten. Aber für das verliehene Kapital nimmt der
[329] Rückfluss die Form der Rückzahlung an, weil der Vorschuss, die
Entäusserung desselben, die Form des Verleihens hat.


In diesem Kapitel behandeln wir nur das eigentliche Geldkapital,
wovon die andren Formen des verliehenen Kapitals abgeleitet sind.


Das ausgeliehene Kapital fliesst doppelt zurück; im Reproduktions-
process kehrt es zum fungirenden Kapitalisten zurück, und dann
wiederholt sich die Rückkehr noch einmal als Uebertragung auf
den Verleiher, den Geldkapitalisten, als Rückzahlung an seinen
wirklichen Eigenthümer, seinen juristischen Ausgangspunkt.


Im wirklichen Cirkulationsprocess erscheint das Kapital immer
nur als Waare oder Geld, und seine Bewegung löst sich in eine
Reihe von Käufen und Verkäufen auf. Kurz, der Cirkulations-
process löst sich auf in die Metamorphose der Waare. Anders,
wenn wir das Ganze des Reproduktionsprocesses betrachten. Gehn
wir vom Geld aus (und es ist dasselbe, wenn wir von der Waare
ausgehn, da wir dann von ihrem Werth ausgehn, sie also selbst
sub specie des Geldes betrachten), so ist eine Geldsumme aus-
gegeben, und kehrt nach einer gewissen Periode mit einem In-
krement zurück. Der Ersatz für die vorgeschossne Geldsumme
kehrt zurück plus einem Mehrwerth. Sie hat sich erhalten und
vermehrt im Durchlaufen einer gewissen Kreisbewegung. Nun
wird aber das Geld, soweit es als Kapital verliehen wird, eben als
diese sich erhaltende und sich vermehrende Geldsumme ausgeliehen,
die nach einer gewissen Periode mit Zusatz zurückkehrt und stets
von neuem denselben Process durchmachen kann. Es wird weder
als Geld noch als Waare ausgegeben, also weder ausgetauscht
gegen Waare, wenn es als Geld vorgeschossen wird, noch verkauft
gegen Geld, wenn es als Waare vorgeschossen wird; sondern es
wird ausgegeben als Kapital. Das Verhältniss zu sich selbst, als
welches das Kapital sich darstellt, wenn man den kapitalistischen
Produktionsprocess als Ganzes und Einheit anschaut, und worin
das Kapital als Geld heckendes Geld auftritt, wird hier ohne die
vermittelnde Zwischenbewegung einfach als sein Charakter, als
seine Bestimmtheit ihm einverleibt. Und in dieser Bestimmtheit
wird es veräussert, wenn es als Geldkapital verliehen wird.


Eine absonderliche Auffassung der Rolle des Geldkapitals ist die
von Proudhon („Gratuité du Crédit. Discussion entre M. F. Bastiat
et M. Proudhon. Paris 1850). Leihen scheint Proudhon deswegen
vom Uebel, weil es nicht Verkaufen ist. Das auf Zins Leihen est
la faculté de vendre toujours de nouveau le même objet, et d’en
recevoir toujours de nouveau le prix sans jamais céder la propriété
[330] de ce qu’on vend. (p. 9.) Der Gegenstand, Geld, Haus etc. wechselt
nicht den Eigenthümer, wie bei Kauf und Verkauf. Aber Proudhon
sieht nicht, dass beim Weggeben des Geldes in Form von zins-
tragendem Kapital kein Aequivalent dafür zurückerhalten ist. In
jedem Akt des Kaufs und Verkaufs, soweit überhaupt Austausch-
processe stattfinden, wird allerdings das Objekt weggegeben. Das
Eigenthum des verkauften Gegenstands tritt man immer ab. Aber
man gibt nicht den Werth weg. Beim Verkauf wird die Waare
weggegeben, aber nicht ihr Werth, der in der Form von Geld,
oder was hier nur eine andre Form dafür, von Schuldschein oder
Zahlungstitel znrückgegeben wird. Beim Kauf wird das Geld weg-
gegeben, aber nicht sein Werth, der in der Form der Waare er-
setzt wird. Während des ganzen Reproduktionsprocesses hält der
industrielle Kapitalist denselben Werth in seiner Hand (abgesehn
vom Mehrwerth), nur in verschiednen Formen.


Soweit Austausch, d. h. Austausch von Gegenständen stattfindet,
findet kein Werthwechsel statt. Derselbe Kapitalist hält immer
denselben Werth in der Hand. Soweit aber Mehrwerth vom Kapi-
talisten producirt wird, findet kein Austausch statt; sobald Aus-
tausch stattfindet, steckt der Mehrwerth bereits in den Waaren.
Sobald wir nicht die einzelnen Austauschakte betrachten, sondern
den Gesammtkreislauf des Kapitals, G—W—G', wird beständig
eine bestimmte Werthsumme vorgeschossen und diese Werthsumme
plus dem Mehrwerth oder Profit aus der Cirkulation zurückgezogen.
Die Vermittlung dieses Processes ist allerdings in den blossen Aus-
tauschakten nicht sichtbar. Und es ist gerade dieser Process von
G als Kapital, worauf der Zins des verleihenden Geldkapitalisten
beruht, woraus er entspringt.


„In der That“, sagt Proudhon, „der Hutmacher, der Hüte ver-
kauft … erhält dafür den Werth, nicht mehr und nicht weniger.
Aber der verleihende Kapitalist … empfängt nicht nur sein Kapital
unverkürzt zurück; er empfängt mehr als das Kapital, mehr als
er in den Austausch wirft; er empfängt über das Kapital hinaus
einen Zins.“ (p. 169.) Der Hutmacher vertritt hier den produktiven
Kapitalisten im Gegensatz zum verleihenden. Proudhon ist offen-
bar nicht hinter das Geheimniss gekommen, wie der produktive
Kapitalist Waare zu ihrem Werth verkaufen kann (die Ausgleichung
zu Produktionspreisen ist hier, für seine Fassung, gleichgültig) und
eben dadurch einen Profit empfängt über das Kapital hinaus, das
er in den Austausch wirft. Gesetzt, der Produktionspreis von
100 Hüten sei = 115 £, und dieser Produktionspreis sei zufällig
[331] gleich dem Werth der Hüte, also das Kapital, das die Hüte pro-
ducirt, von gesellschaftlicher Durchschnittszusammensetzung. Ist
der Profit = 15 %, so realisirt der Hutmacher einen Profit von
15 £ dadurch, dass er die Waaren zu ihrem Werth von 115 ver-
kauft. Ihm kosten sie nur 100 £. Hat er mit seinem eignen
Kapital producirt, so steckt er den Ueberschuss von 15 £ ganz in
die Tasche; wenn mit geliehenem, hat er vielleicht 5 £ davon ab-
zugeben als Zins. Es ändert dies nichts am Werth der Hüte,
sondern nur an der Vertheilung des in diesem Werth schon
steckenden Mehrwerths unter verschiedne Personen. Da also
der Werth der Hüte durch das Zinszahlen nicht afficirt wird, so
ist es Unsinn, wenn Proudhon sagt: „Da sich im Handel der Zins
des Kapitals dem Lohn des Arbeiters hinzufügt, um den Preis der
Waare zusammenzusetzen, so ist es unmöglich, dass der Arbeiter
das Produkt seiner eignen Arbeit zurückkaufen kann. Vivre en
travaillant ist ein Princip, das, unter der Herrschaft des Zinses,
einen Widerspruch einschliesst.“ (p. 105.)56)


Wie wenig Proudhon die Natur des Kapitals verstanden hat,
zeigt folgender Satz, worin er die Bewegung des Kapitals über-
haupt als eine dem zinstragenden Kapital eigenthümliche Bewegung
beschreibt: „Comme, par l’accumulation des intérêts, le capital-
argent, d’échange en échange, revient toujours à sa source, il
s’ensuit que la relocation toujours faite par la même main, profite
toujours au même personnage.


Was ist es nun, das ihm in der eigenthümlichen Bewegung des
zinstragenden Kapitals räthselhaft bleibt? Die Kategorien: Kaufen,
Preis, Gegenstände abtreten, und die unvermittelte Form, worin
hier der Mehrwerth erscheint; kurz das Phänomen, dass hier Kapital
als Kapital zur Waare geworden ist, dass daher das Verkaufen in
Leihen, der Preis in einen Antheil am Profit sich verwandelt hat.


Die Rückkehr des Kapitals zu seinem Ausgangspunkt ist über-
haupt die charakteristische Bewegung des Kapitals in seinem Ge-
sammtkreislauf. Dies zeichnet keineswegs nur das zinstragende
Kapital aus. Was es auszeichnet, ist die äusserliche, vom ver-
[332] mittelnden Kreislauf losgetrennte Form der Rückkehr. Der ver-
leihende Kapitalist gibt sein Kapital weg, überträgt es an den in-
dustriellen Kapitalisten, ohne ein Aequivalent zu erhalten. Sein
Weggeben ist überhaupt kein Akt des wirklichen Kreislaufspro-
cesses des Kapitals[,] sondern leitet nur diesen, durch den industriellen
Kapitalisten zu bewirkenden Kreislauf ein. Dieser erste Stellen-
wechsel des Geldes drückt keinen Akt der Metamorphose, weder
Kauf noch Verkauf aus. Das Eigenthum wird nicht abgetreten,
weil kein Austausch vorgeht, kein Aequivalent empfangen wird.
Die Rückkehr des Geldes aus der Hand des industriellen Kapitalisten
in die Hand des verleihenden ergänzt bloss den ersten Akt des
Weggebens des Kapitals. In Geldform vorgeschossen, kehrt das
Kapital durch den Kreislaufsprocess zum industriellen Kapitalisten
wieder in Geldform zurück. Aber da das Kapital ihm nicht bei
der Ausgabe gehörte, kann es ihm nicht gehören bei der Rück-
kehr. Der Durchgang durch den Reproduktionsprocess kann un-
möglich dies Kapital in sein Eigenthum verwandeln. Er hat es
also zurückzuerstatten an den Verleiher. Die erste Verausgabung,
die das Kapital aus der Hand des Verleihers in die des Anleihers
überträgt, ist eine juristische Transaktion, die mit dem wirklichen
Reproduktionsprocess des Kapitals nichts zu thun hat, sie nur ein-
leitet. Die Rückzahlung, die das zurückgeflossne Kapital wieder
aus der Hand des Anleihers in die des Verleihers überträgt, ist
eine zweite juristische Transaktion, die Ergänzung der ersten; die
eine leitet den wirklichen Process ein, die andre ist ein nachträg-
licher Akt nach demselben. Ausgangspunkt und Rückkehrpunkt,
Weggabe und Rückerstattung des verliehenen Kapitals erscheinen
also als willkürliche, durch juristische Transaktionen vermittelte
Bewegungen, die vor und nach der wirklichen Bewegung des
Kapitals vorgehn und mit ihr selbst nichts zu thun haben. Für
diese wäre es gleichgültig, wenn das Kapital von vornherein dem
industriellen Kapitalisten gehörte und als sein Eigenthum daher
nur zu ihm zurückflösse.


Im ersten einleitenden Akt gibt der Verleiher sein Kapital an
den Anleiher weg. Im zweiten nachträglichen und Schlussakt gibt
der Anleiher das Kapital an den Verleiher zurück. Soweit nur
die Transaktion zwischen beiden in Betracht kommt — und einst-
weilen abgesehn vom Zins — soweit es sich also nur um die Be-
wegung des geliehenen Kapitals selbst zwischen Verleiher und An-
leiher handelt, umfassen diese beiden Akte (getrennt durch eine
längere oder kürzere Zeit, worin die wirkliche Reproduktionsbewegung
[333] des Kapitals fällt) das Ganze dieser Bewegung. Und diese Be-
wegung: Weggeben unter der Bedingung der Rückerstattung, ist
überhaupt die Bewegung des Verleihens und Anleihens, dieser
specifischen Form der nur bedingungsweisen Veräusserung von Geld
oder Waare.


Die charakteristische Bewegung des Kapitals überhaupt, die Rück-
kehr des Geldes zum Kapitalisten, die Rückkehr des Kapitals zu
seinem Ausgangspunkt erhält im zinstragenden Kapital eine ganz
äusserliche, von der wirklichen Bewegung, deren Form sie ist, ge-
trennte Gestalt. A gibt sein Geld weg, nicht als Geld sondern
als Kapital. Es geht hier keine Veränderung mit dem Kapital vor.
Es wechselt nur die Hände. Seine wirkliche Verwandlung in
Kapital vollzieht sich erst in der Hand von B. Aber für A ist
es Kapital geworden durch die blosse Weggabe an B. Der wirk-
liche Rückfluss des Kapitals aus dem Produktions- und Cirku-
lationsprocess findet nur statt für B. Aber für A findet der Rück-
fluss statt in derselben Form wie die Veräusserung. Es geht von
der Hand von B wieder in die von A zurück. Weggeben, Ver-
leihen von Geld für eine gewisse Zeit, und Rückempfang desselben
mit Zins (Mehrwerth) ist die ganze Form der Bewegung, die dem
zinstragenden Kapital als solchem zukommt. Die wirkliche Be-
wegung des ausgeliehenen Geldes als Kapital ist eine Operation,
die jenseits der Transaktionen zwischen Verleihern und Anleihern
liegt. In diesen selbst ist diese Vermittlung ausgelöscht, nicht
sichtbar, nicht unmittelbar einbegriffen. Als Waare eigner Art
besitzt das Kapital auch eine eigenthümliche Art der Veräusserung.
Die Rückkehr drückt sich daher hier auch nicht aus als Kon-
sequenz und Resultat einer bestimmten Reihe ökonomischer Vor-
gänge, sondern als Folge einer speciellen juristischen Abmachung
zwischen Käufer und Verkäufer. Die Zeit des Rückflusses hängt
ab vom Verlauf des Reproduktionsprocesses; beim zinstragenden
Kapital scheint seine Rückkehr als Kapital von der blossen Ueber-
einkunft zwischen Verleiher und Anleiher abzuhängen. Sodass
der Rückfluss des Kapitals mit Bezug auf diese Transaktion nicht
mehr als durch den Produktionsprocess bestimmtes Resultat er-
scheint, sondern so, als ob die Form des Geldes dem ausgeliehenen
Kapital nie verloren gegangen wäre. Allerdings sind thatsächlich
diese Transaktionen durch die wirklichen Rückflüsse bestimmt.
Aber dies erscheint nicht in der Trausaktion selbst. Es ist auch
in der Praxis keineswegs stets der Fall. Findet der wirkliche
Rückfluss nicht rechtzeitig statt, so muss der Anleiher zusehn, aus
[334] welchen sonstigen Hülfsquellen er seinen Verpflichtungen gegen
den Verleiher nachkommt. Die blosse Form des Kapitals — Geld,
das als Summe A ausgegeben wird, und als Summe A + \frac{1}{x} A
zurückkehrt, in einem gewissen Zeitraum, ohne irgend eine andre
Vermittlung, ausser diesem zeitlichen Zwischenraum — ist nur
die begriffslose Form der wirklichen Kapitalbewegung.


In der wirklichen Bewegung des Kapitals ist die Rückkehr ein
Moment des Cirkulationsprocesses. Erst wird das Geld in Produk-
tionsmittel verwandelt; der Produktionsprocess verwandelt es in
Waare; durch den Verkauf der Waare wird es rückverwandelt in
Geld und kehrt in dieser Form zurück in die Hand des Kapita-
listen, der das Kapital zuerst in Geldform vorgeschossen hatte.
Aber beim zinstragenden Kapital ist Rückkehr wie Weggabe bloss
Resultat einer juristischen Transaktion zwischen dem Eigenthümer
des Kapitals und einer zweiten Person. Wir sehn nur Weggabe
und Rückzahlung. Alles was dazwischen vorgeht, ist ausgelöscht.


Aber weil das Geld, als Kapital vorgeschossen, die Eigenschaft
hat zu seinem Vorschiesser, zu dem, der es als Kapital verausgabt,
zurückzukehren, weil G—W—G' die immanente Form der Kapital-
bewegung ist, grade desshalb kann der Geldbesitzer es als Kapital
verleihen, als etwas, das die Eigenschaft besitzt, zu seinem Aus-
gangspunkt zurückzukehren, sich in der Bewegung, die es durch-
läuft, als Werth zu erhalten und zu vermehren. Er gibt es als
Kapital weg, weil, nachdem es als Kapital verwandt, es zurück-
fliesst zu seinem Ausgangspunkt, also vom Anleiher nach einer
gewissen Zeit zurückerstattet werden kann, eben weil es ihm selbst
zurückfliesst.


Die Verleihung von Geld als Kapital — seine Weggabe unter
Bedingung der Rückerstattung nach gewisser Zeit — hat also zur
Voraussetzung, dass das Geld wirklich als Kapital verwandt wird,
wirklich zurückfliesst zu seinem Ausgangspunkt. Die wirkliche
Kreislaufsbewegung des Geldes als Kapital ist also Voraussetzung
der juristischen Transaktion, wonach der Anleiher das Geld an den
Verleiher zurückzugeben hat. Legt der Anleiher das Geld nicht
als Kapital aus, so ist das seine Sache. Der Verleiher verleiht es
als Kapital, und als solches hat es die Kapitalfunktionen durch-
zumachen, welche den Kreislauf des Geldkapitals einschliessen bis
zu seinem Rückfluss, in Geldform, zu seinem Ausgangspunkt.


Die Cirkulationsakte G—W und W—G', worin die Werthsumme
als Geld oder als Waare fungirt, sind nur vermittelnde Processe,
[335] einzelne Momente ihrer Gesammtbewegung. Als Kapital macht
sie die Totalbewegung G—G' durch. Sie wird als Geld oder
Werthsumme in irgend einer Form vorgeschossen, und kehrt als
Werthsumme zurück. Der Verleiher des Geldes verausgabt es nicht
im Kauf von Waare, oder wenn die Werthsumme in Waare
existirt, verkauft er sie nicht gegen Geld, sondern schiesst sie vor
als Kapital, als G—G', als Werth, der in einem bestimmten Termin
wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt. Statt zu kaufen
oder zu verkaufen, verleiht er. Dies Verleihen ist also die ent-
sprechende Form um es als Kapital zu veräussern, statt als Geld
oder Waare. Woraus keineswegs folgt, dass Verleihen nicht auch
Form sein kann für Transaktionen, die mit dem kapitalistischen
Reproduktionsprocess nichts zu schaffen haben.


Bisher haben wir nur die Bewegung des verliehenen Kapitals
zwischen seinem Eigner und dem industriellen Kapitalisten be-
trachtet. Jetzt ist der Zins zu untersuchen.


Der Verleiher gibt sein Geld als Kapital aus; die Werthsumme,
die er an einen andern veräussert, ist Kapital, und fliesst daher
zu ihm zurück. Die blosse Rückkehr zu ihm wäre aber nicht
Rückfluss der verliehenen Werthsumme als Kapital, sondern blosse
Rückerstattung einer verliehenen Werthsumme. Um als Kapital
zurückzufliessen, muss die vorgeschossne Werthsumme sich in der
Bewegung nicht nur erhalten, sondern sich verwerthet, ihre Werth-
grösse vermehrt haben, also mit einem Mehrwerth, als G + ΔG
zurückkehren, und dieses ΔG ist hier der Zins oder der Theil des
Durchschnittsprofits, der nicht in der Hand des fungirenden Kapita-
listen bleibt, sondern dem Geldkapitalisten zufällt.


Dass es als Kapital von ihm veräussert wird, heisst, dass es ihm
als G + ΔG zurückgegeben werden muss. Es ist nachher noch
besonders die Form zu betrachten, wo in der Zwischenzeit Zins
terminweise zurückfliesst, aber ohne das Kapital, dessen Rückzahlung
erst am Ende einer längern Periode erfolgt.


Was gibt der Geldkapitalist dem Anleiher, dem industriellen
Kapitalisten? Was veräussert er in der That an ihn? Und nur
der Akt der Veräusserung macht das Verleihen des Geldes zur
Veräusserung des Geldes als Kapital, d. h. zur Veräusserung des
Kapitals als Waare.


Es ist nur durch den Vorgang dieser Veräusserung, dass das Ka-
pital vom Geldverleiher als Waare, oder dass die Waare, über die
er verfügt, an einen dritten als Kapital weggegeben wird.


[336]

Was wird beim gewöhnlichen Verkauf veräussert? Nicht der
Werth der verkauften Waare, denn dieser ändert nur die Form.
Er existirt als Preis ideell in der Waare, bevor er reell in der
Form von Geld in die Hand des Verkäufers übergeht. Derselbe
Werth und dieselbe Werthgrösse wechseln hier nur die Form.
Das eine Mal existiren sie in Waarenform, das andre Mal in Geld-
form. Was wirklich vom Verkäufer veräussert wird, und daher
auch in die individuelle oder produktive Konsumtion des Käufers
übergeht, ist der Gebrauchswerth der Waare, die Waare als Ge-
brauchswerth.


Was ist nun der Gebrauchswerth, den der Geldkapitalist für die
Zeit des Ausleihens veräussert und an den produktiven Kapitalisten,
den Borger abtritt? Es ist der Gebrauchswerth, den das Geld
dadurch erhält, dass es in Kapital verwandelt werden, als Kapital
fungiren kann, und dass es daher einen bestimmten Mehrwerth,
den Durchschnittsprofit (was darüber oder darunter ist, erscheint
hier zufällig) in seiner Bewegung erzeugt, ausserdem dass es seine
ursprüngliche Werthgrösse wahrt. Bei den übrigen Waaren wird
in der letzten Hand der Gebrauchswerth konsumirt, und damit
verschwindet die Substanz der Waare und mit ihr ihr Werth.
Die Waare Kapital dagegen hat das Eigenthümliche, dass durch
die Konsumtion ihres Gebrauchswerths ihr Werth und ihr Ge-
brauchswerth nicht nur erhalten, sondern vermehrt wird.


Diesen Gebrauchswerth des Geldes als Kapital — die Fähigkeit
den Durchschnittsprofit zu erzeugen — veräussert der Geldkapitalist
an den industriellen Kapitalisten für die Zeit, während deren er
diesem die Verfügung über das verliehne Kapital abtritt.


Das so verliehene Geld hat in sofern eine gewisse Analogie mit
der Arbeitskraft in ihrer Stellung gegenüber dem industriellen
Kapitalisten. Nur zahlt der letztre den Werth der Arbeitskraft,
während er den Werth des geliehenen Kapitals einfach zurückzahlt.
Der Gebrauchswerth der Arbeitskraft für den industriellen Kapita-
listen ist: mehr Werth (den Profit) in ihrem Verbrauch zu er-
zeugen als sie selbst besitzt und als sie kostet. Dieser Ueber-
schuss von Werth ist ihr Gebrauchswerth für den industriellen
Kapitalisten. Und so erscheint ebenfalls der Gebrauchswerth des
geliehenen Geldkapitals als seine, Werth setzende und vermehrende
Fähigkeit.


Der Geldkapitalist veräussert in der That einen Gebrauchswerth,
und dadurch wird das was er weggibt, als Waare weggegeben.
Und soweit ist die Analogie mit der Waare als solcher vollständig.
[337] Erstens ist es ein Werth, der aus einer Hand in die andre über-
geht. Bei der einfachen Waare, der Waare als solcher bleibt der-
selbe Werth in der Hand des Käufers und Verkäufers, nur in
verschiedner Form; sie haben beide nach wie vor denselben Werth,
den sie veräusserten, der eine in Waarenform, der andre in Geld-
form. Der Unterschied ist, dass beim Verleihen der Geldkapitalist
der einzige ist, der in dieser Transaktion Werth fortgibt; aber er
bewahrt ihn durch die künftige Rückzahlung. Es wird beim Ver-
leihen nur von einer Seite Werth empfangen, da nur von einer
Seite Werth weggegeben wird. — Zweitens wird auf der einen
Seite ein wirklicher Gebrauchswerth veräussert und auf der andren
empfangen und verbraucht. Aber im Unterschied zur gewöhnlichen
Waare ist dieser Gebrauchswerth selbst Werth, nämlich der Ueber-
schuss der Werthgrösse, die durch den Gebrauch des Geldes als
Kapital sich ergibt, über seine ursprüngliche Werthgrösse. Der
Profit ist dieser Gebrauchswerth.


Der Gebrauchswerth des ausgeliehenen Geldes ist: als Kapital
fungiren zu können und als solches unter durchschnittlichen Um-
ständen den Durchschnittsprofit zu produciren.57)


Was zahlt nun der industrielle Kapitalist, und was ist daher
der Preis des ausgeliehenen Kapitals? That which men pay as
interest for the use of what they borrow, ist nach Massie a part
of the profit it is capable of producing.58)


Was der Käufer einer gewöhnlichen Waare kauft, ist ihr Ge-
brauchswerth; was er zahlt, ist ihr Werth. Was der Borger des
Geldes kauft, ist ebenfalls dessen Gebrauchswerth als Kapital; aber
was zahlt er? Sicher nicht, wie bei den andren Waaren, ihren
Preis oder Werth. Zwischen Verleiher und Borger geht nicht,
wie zwischen Käufer und Verkäufer, ein Formwechsel des Werths
vor, sodass dieser Werth das eine Mal in der Form des Geldes,
das andre Mal in der Form der Waare existirt. Die Dieselbigkeit
des weggegebnen und des rückempfangnen Werths zeigt sich hier
in ganz andrer Weise. Die Werthsumme, das Geld wird fortgegeben
Marx, Kapital III. 22
[338] ohne Aequivalent und wird nach einer gewissen Zeit zurückgegeben.
Der Verleiher bleibt immer Eigenthümer desselben Werths, auch
nachdem dieser aus seiner Hand in die des Borgers übergegangen
ist. Beim einfachen Waarenaustausch steht das Geld stets auf
Seiten des Käufers; aber beim Verleihen steht das Geld auf Seiten
des Verkäufers. Er ist es, der das Geld für eine gewisse Zeit weg-
gibt, und der Käufer des Kapitals ist es, der es als Waare erhält.
Dies ist aber nur möglich, soweit das Geld als Kapital fungirt
und daher vorgeschossen wird. Der Borger borgt das Geld als
Kapital, als sich verwerthenden Werth. Es ist aber nur erst Ka-
pital an sich, wie jedes Kapital in seinem Ausgangspunkt, im
Augenblick seines Vorschusses. Erst durch seinen Gebrauch ver-
werthet es sich, realisirt es sich als Kapital. Aber als reali-
sirtes
Kapital hat der Borger es zurückzuzahlen, also als Werth
plus Mehrwerth (Zins); und der letztre kann nur ein Theil des
von ihm realisirten Profits sein. Nur ein Theil, nicht das Ganze.
Denn der Gebrauchswerth für den Borger ist, dass es ihm Profit
producirt. Sonst hätte keine Veräusserung des Gebrauchswerths
von Seiten des Verleihers stattgefunden. Andrerseits kann nicht
der ganze Profit dem Borger zufallen. Er zahlte sonst nichts für
die Veräusserung des Gebrauchswerths und er gäbe das vorge-
schossne Geld an den Verleiher nur als einfaches Geld zurück,
nicht als Kapital, als realisirtes Kapital, denn realisirtes Kapital
ist es nur als G + ΔG.


Beide geben dieselbe Geldsumme als Kapital aus, der Verleiher
und der Borger. Aber nur in der Hand des letzteren fungirt sie
als Kapital. Der Profit wird nicht verdoppelt durch das doppelte
Dasein derselben Geldsumme als Kapital für zwei Personen. Es
kann für Beide als Kapital nur fungiren durch Theilung des
Profits. Der dem Verleiher zufallende Theil heisst Zins.


Die ganze Transaktion findet nach der Voraussetzung statt
zwischen zwei Sorten Kapitalisten, dem Geldkapitalisten und dem
industriellen oder merkantilen Kapitalisten.


Es muss nie vergessen werden, dass hier das Kapital als Kapital
Waare ist, oder dass die Waare, um die es sich hier handelt,
Kapital ist. Die sämmtlichen Verhältnisse, die hier erscheinen,
wären daher irrationell vom Standpunkt der einfachen Waare aus,
oder auch vom Standpunkt des Kapitals, soweit es in seinem Re-
produktionsprocess als Waarenkapital fungirt. Verleihen und Borgen,
statt des Verkaufens und Kaufens, ist hier ein aus der specifischen
Natur der Waare — des Kapitals — hervorgehender Unterschied.
[339] Ebenso dass das, was hier gezahlt wird, Zins ist, statt des Preises
der Waare. Will man den Zins den Preis des Geldkapitals nennen,
so ist dies eine irrationelle Form des Preises, durchaus im Wider-
spruch mit dem Begriff des Preises der Waare.59) Der Preis ist
hier auf seine rein abstrakte und inhaltslose Form reducirt, dass
er eine bestimmte Geldsumme ist, die für irgend etwas, was so
oder so als Gebrauchswerth figurirt, gezahlt wird; während seinem
Begriff nach der Preis gleich ist dem in Geld ausgedrückten Werth
dieses Gebrauchswerths.


Zins als Preis des Kapitals ist von vornherein ein durchaus
irrationeller Ausdruck. Hier hat eine Waare einen doppelten
Werth, einmal einen Werth, und dann einen von diesem Werth
verschiednen Preis, während Preis der Geldausdruck des Werthes
ist. Das Geldkapital ist zunächst nichts als eine Geldsumme, oder
der Werth einer bestimmten Waarenmasse als Geldsumme fixirt.
Wird Waare als Kapital verliehen, so ist sie nur die verkleidete
Form einer Geldsumme. Denn was als Kapital verliehen wird,
sind nicht so und so viel Pfund Baumwolle, sondern so viel Geld,
das in der Form Baumwolle als deren Werth existirt. Der Preis
des Kapitals bezieht sich daher auf es als Geldsumme, wenn auch nicht
als currency, wie Herr Torrens meint (s. oben Note 59). Wie soll nun
eine Werthsumme einen Preis haben ausser ihrem eignen Preis, ausser
dem Preis, der in ihrer eignen Geldform ausgedrückt ist? Preis ist ja
der Werth der Waare (und dies ist auch der Fall beim Markt-
preis, dessen Unterschied vom Werth nicht qualitativ, sondern nur
quantitativ ist, sich nur auf die Werthgrösse bezieht) im Unter-
schied von ihrem Gebrauchswerth. Preis, der qualitativ verschieden
vom Werth, ist ein absurder Widerspruch.60)


Das Kapital manifestirt sich als Kapital durch seine Ver-
werthung; der Grad seiner Verwerthung drückt den quantitativen
22*
[340] Grad aus, worin es sich als Kapital realisirt. Der von ihm er-
zeugte Mehrwerth oder Profit — seine Rate oder Höhe — ist nur
messbar durch seine Vergleichung mit dem Werth des vorge-
schossnen Kapitals. Die grössre oder geringre Verwerthung des
zinstragenden Kapitals ist daher auch nur messbar durch Ver-
gleichung des Zinsbetrags, des ihm zufallenden Theils des Ge-
sammtprofits, mit dem Werth des vorgeschossnen Kapitals. Wenn
daher der Preis den Werth der Waare, so drückt der Zins die
Verwerthung des Geldkapitals aus und erscheint daher als der
Preis, der dem Verleiher für dasselbe gezahlt wird. Es ergibt sich
hieraus, wie abgeschmackt es von vornherein ist, die einfachen
Verhältnisse des durch Geld vermittelten Austausches von Kauf
und Verkauf hierauf direkt anwenden zu wollen, wie Proudhon
thut. Die Grundvoraussetzung ist eben, dass Geld als Kapital
fungirt und daher als Kapital an sich, als potentielles Kapital
einer dritten Person übermacht werden kann.


Als Waare aber erscheint das Kapital selbst hier, soweit es auf
dem Markt ausgeboten und wirklich der Gebrauchswerth des Geldes
als Kapital veräussert wird. Sein Gebrauchswerth aber ist: Profit
zu erzeugen. Der Werth des Geldes oder der Waaren als Kapital
ist nicht bestimmt durch ihren Werth als Geld oder Waaren,
sondern durch das Quantum Mehrwerth, das sie für ihren Besitzer
produciren. Das Produkt des Kapitals ist der Profit. Auf [Grund-
lage]
der kapitalistischen Produktion ist es nur verschiedne An-
wendung des Geldes, ob es als Geld verausgabt oder als Kapital
vorgeschossen wird. Geld, resp. Waare, ist an sich, potentiell Ka-
pital, ganz wie die Arbeitskraft potentiell Kapital ist. Denn
1) kann das Geld in die Produktionselemente verwandelt werden
und ist, wie es ist, bloss abstrakter Ausdruck derselben, ihr Dasein
als Werth; 2) besitzen die stofflichen Elemente des Reichthums
die Eigenschaft, potentiell schon Kapital zu sein, weil ihr sie er-
gänzender Gegensatz, das was sie zu Kapital macht — die Lohn-
arbeit — auf Basis der kapitalistischen Produktion vorhanden ist.


Die gegensätzliche gesellschaftliche Bestimmtheit des stofflichen
Reichthums — sein Gegensatz zur Arbeit als Lohnarbeit — ist,
getrennt vom Produktionsprocess, schon im Kapitaleigenthum als
solchem ausgedrückt. Dies eine Moment nun, getrennt vom kapi-
talistischen Produktionsprocess selbst, dessen stetes Resultat es ist,
und als dessen stetes Resultat es seine stete Voraussetzung ist,
drückt sich darin aus, dass Geld, und ebenso Waare, an sich, latent,
potentiell, Kapital sind, dass sie als Kapital verkauft werden können,
[341] und dass sie in dieser Form Kommando über fremde Arbeit sind,
Anspruch auf Aneignung fremder Arbeit geben, daher sich ver-
werthender Werth sind. Es tritt hier auch klar hervor, dass dies
Verhältniss der Titel und das Mittel zur Aneignung fremder Arbeit
ist, und nicht irgend eine Arbeit als Gegenwerth von Seite des
Kapitalisten.


Als Waare erscheint das Kapital ferner, soweit die Theilung des
Profits in Zins und eigentlichen Profit durch Nachfrage und Ange-
bot, also durch die Konkurrenz regulirt wird, ganz wie die Markt-
preise der Waaren. Der Unterschied tritt hier aber ebenso schlagend
hervor wie die Analogie. Decken sich Nachfrage und Angebot,
so entspricht der Marktpreis der Waare ihrem Produktionspreis;
d. h. ihr Preis erscheint dann geregelt durch die innern Gesetze
der kapitalistischen Produktion, unabhängig von der Konkurrenz,
da die Schwankungen von Nachfrage und Angebot nichts erklären
als die Abweichungen der Marktpreise von den Produktionspreisen
— Abweichungen, die sich wechselseitig ausgleichen, sodass in ge-
wissen längern Perioden die Durchschnittsmarktpreise gleich den
Produktionspreisen sind. Sobald sie sich decken, hören diese
Kräfte auf zu wirken, heben einander auf, und das allgemeine
Gesetz der Preisbestimmung tritt dann auch als Gesetz des ein-
zelnen Falls hervor; der Marktpreis entspricht dann schon in seinem
unmittelbaren Dasein, und nicht nur als Durchschnitt der Bewe-
gung der Marktpreise, dem Produktionspreis, der durch die imma-
nenten Gesetze der Produktionsweise selbst geregelt ist. Ebenso
beim Arbeitslohn. Decken sich Nachfrage und Angebot, so hebt
sich ihre Wirkung auf, und der Arbeitslohn ist gleich dem Werth
der Arbeitskraft. Anders aber mit dem Zins vom Geldkapital.
Die Konkurrenz bestimmt hier nicht die Abweichungen vom Gesetz,
sondern es existirt kein Gesetz der Theilung, ausser dem von der
Konkurrenz diktirten, weil, wie wir noch weiter sehn werden, keine
„natürliche“ Rate des Zinsfusses existirt. Unter der natürlichen
Rate des Zinsfusses versteht man vielmehr die durch die freie Kon-
kurrenz festgesetzte Rate. Es gibt keine „natürlichen“ Grenzen
der Rate des Zinsfusses. Wo die Konkurrenz nicht nur die Ab-
weichungen und Schwankungen bestimmt, wo also beim Gleich-
gewicht ihrer gegeneinander wirkenden Kräfte überhaupt alle Be-
stimmung aufhört, ist das zu Bestimmende etwas an und für sich
Gesetzloses und Willkürliches. Weiteres hierüber im nächsten
Kapitel.


Beim zinstragenden Kapital erscheint alles äusserlich: der Vor-
[342] schuss des Kapitals als blosse Uebertragung desselben vom Ver-
leiher an den Borger; der Rückfluss des realisirten Kapitals als
blosse Rückübertragung, Rückzahlung, mit Zins, vom Borger an
den Verleiher. So auch die der kapitalistischen Produktionsweise
immanente Bestimmung, dass die Profitrate bestimmt ist, nicht
nur durch das Verhältniss des, in einem einzelnen Umschlag ge-
machten, Profits zum vorgeschossnen Kapitalwerth, sondern auch
durch die Länge dieser Umschlagszeit selbst, also als Profit, den
das industrielle Kapital in bestimmten Zeiträumen abwirft. Auch
dies erscheint beim zinstragenden Kapital ganz äusserlich so, dass
für bestimmte Zeitfrist dem Verleiher bestimmter Zins gezahlt wird.


Mit seiner gewöhnlichen Einsicht in den innern Zusammenhang
der Dinge sagt der romantische Adam Müller (Elemente der Staats-
kunst. Berlin 1809, p. 37): „Bei der Bestimmung des Preises der
Dinge wird nicht nach der Zeit gefragt; für die Bestimmung des
Zinses kommt die Zeit hauptsächlich in Anschlag.“ Er sieht nicht,
wie die Produktionszeit und die Umlaufszeit in die Bestimmung
des Preises der Waaren eingeht, und wie gerade dadurch die
Profitrate für eine gegebne Umschlagszeit des Kapitals bestimmt
ist, durch die Bestimmung des Profits für eine gegebne Zeit aber
eben die des Zinses. Sein Tiefsinn besteht hier wie immer nur
darin, die Staubwolken der Oberfläche zu sehn und dies Staubige
anmaßlich als etwas Geheimnissvolles und Bedeutendes auszu-
sprechen.


Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Theilung des Profits. Zinsfuss. Natürliche Rate des Zins-
fusses.


Der Gegenstand dieses Kapitels, sowie überhaupt alle später zu
behandelnden Erscheinungen des Kredits, können hier nicht im Ein-
zelnen untersucht werden. Die Konkurrenz zwischen Verleihern und
Borgern und die daher resultirenden kürzern Schwankungen des
Geldmarkts fallen ausserhalb des Bereichs unsrer Betrachtung.
Der Kreislauf, den die Zinsrate während des industriellen Cyklus
durchläuft, unterstellt zu seiner Darstellung die Darstellung dieses
Cyklus selbst, die ebenfalls hier nicht gegeben werden kann.
Dasselbe gilt für die grössere oder geringere, annähernde Aus-
gleichung des Zinsfusses auf dem Weltmarkt. Wir haben es hier
nur damit zu thun, die selbständige Gestalt des zinstragenden Ka-
[343] pitals und die Verselbständigung des Zinses gegen den Profit zu
entwickeln.


Da der Zins bloss ein Theil [des] Profits ist, der nach unsrer
bisherigen Voraussetzung vom industriellen Kapitalisten an den
Geldkapitalisten zu zahlen ist, so erscheint als Maximalgrenze des
Zinses der Profit selbst, wo der Theil, der dem fungirenden Kapi-
talisten zufiele, = 0 wäre. Abgesehn von einzelnen Fällen, wo
der Zins thatsächlich grösser als der Profit sein, dann aber auch
nicht aus dem Profit gezahlt werden kann, könnte man vielleicht
als Maximalgrenze des Zinses betrachten den ganzen Profit minus
dem später unten zu entwickelnden Theil desselben, der in Auf-
sichtslohn (wages of superintendence) auflösbar. Die Minimal-
grenze des Zinses ist ganz und gar unbestimmbar. Er kann zu
jeder beliebigen Tiefe fallen. Indessen treten dann immer wieder
gegenwirkende Umstände ein, und heben ihn über dies relative
Minimum.


„Das Verhältniss zwischen der Summe, bezahlt für den Gebrauch
eines Kapitals, und diesem Kapital selbst drückt die Rate des Zins-
fusses aus, gemessen in Geld.“ — „Die Zinsrate hängt ab 1) von
der Profitrate; 2) von dem Verhältniss worin der Gesammtprofit
getheilt wird zwischen Verleiher und Borger.“ (Economist, 22. Januar
1853.) „Da das, was man als Zins bezahlt, für den Gebrauch dessen,
was man borgt, ein Theil des Profits ist, den das Geborgte zu
produciren fähig ist, so muss dieser Zins stets regulirt sein durch
jenen Profit.“ (Massie, l, c., p 49.)


Wir wollen zuerst annehmen, es existire ein fixes Verhältniss
zwischen dem Gesammtprofit und dem Theil desselben, der als
Zins an den Geldkapitalisten wegzuzahlen ist. Dann ist es klar,
dass der Zins steigen oder fallen wird wie der Gesammtprofit, und
dieser ist bestimmt durch die allgemeine Profitrate und ihre
Schwankungen. Wäre z. B. die Durchschnittsprofitrate = 20 %
und der Zins = ¼ des Profits, so der Zinsfuss = 5 %; wenn jene
= 16 %, so der Zins = 4 %. Bei einer Profitrate von 20 %
könnte der Zins auf 8 % steigen, und der industrielle Kapitalist
würde immer noch denselben Profit machen wie bei einer Profit-
rate = 16 % und Zinsfuss = 4 %, nämlich 12 %. Stiege der Zins
nur auf 6 oder 7 %, so würde er immer noch einen grössern
Theil des Profits behalten. Wäre der Zins gleich einem kon-
stanten Quotum des Durchschnittsprofits, so folgte, dass je höher
die allgemeine Profitrate, um so grösser die absolute Differenz
zwischen dem Gesammtprofit und dem Zins, um so grösser also
[344] der Theil des Gesammtprofits, der dem fungirenden Kapitalisten
zufallt, und umgekehrt. Gesetzt der Zins sei = ⅕ des Durch-
schnittsprofits. ⅕ von 10 ist 2; Differenz zwischen dem Gesammt-
profit und dem Zins = 8. ⅕ von 20 ist = 4; Differenz = 20—4 = 16;
⅕ von 25 = 5; Differenz = 25—5 = 20; ⅕ von 30 = 6; Dif-
ferenz = 30—6 = 24; ⅕ von 35 = 7; Differenz = 35—7 = 28.
Die verschiednen Zinsraten von 4, 5, 6, 7 % würden hier immer
nur ⅕ oder 20 % vom Gesammtprofit ausdrücken. Sind also die
Profitraten verschieden, so können verschiedne Zinsraten dieselben
aliquoten Theile des Gesammtprofits, oder denselben Procentantheil
am Gesammtprofit ausdrücken. Bei solch konstantem Verhältniss
des Zinses wäre der industrielle Profit (die Differenz zwischen dem
Gesammtprofit und dem Zins) um so grösser, je höher die allge-
meine Profitrate, und umgekehrt.


Alle andern Umstände gleichgesetzt, d. h. das Verhältniss zwischen
Zins und Gesammtprofit als mehr oder weniger konstant ange-
nommen, wird der fungirende Kapitalist fähig und willig sein
höhern oder niedern Zins zu zahlen im direkten Verhältniss zur
Höhe der Profitrate.61) Da man gesehn, dass die Höhe der Profit-
rate im umgekehrten Verhältniss steht zur Entwicklung der kapi-
talistischen Produktion, so folgt daher, dass der höhere oder
niedre Zinsfuss in einem Lande in demselben umgekehrten Ver-
hältniss zur Höhe der industriellen Entwicklung steht, soweit näm-
lich die Verschiedenheit des Zinsfusses wirklich Verschiedenheit der
Profitraten ausdrückt. Man wird später sehn, dass dies keineswegs
stets der Fall zu sein braucht. In diesem Sinn kann man sagen,
dass der Zins regulirt wird durch den Profit, näher durch die all-
gemeine Profitrate. Und diese Art seiner Regulirung gilt selbst
für seinen Durchschnitt.


Jedenfalls ist die Durchschnittsrate des Profits als die endgültig
bestimmende Maximalgrenze des Zinses zu betrachten.


Den Umstand, dass der Zins auf den Durchschnittsprofit zu be-
ziehn, werden wir gleich näher betrachten. Wo ein gegebnes
Ganze, wie der Profit zwischen zweien zu theilen ist, kommt es
natürlich zunächst auf die Grösse des zu theilenden Ganzen an,
und diese, die Grösse des Profits, ist bestimmt durch seine Durch-
schnittsrate. Die allgemeine Profitrate, also die Grösse des Profits
für ein Kapital von gegebner Grösse, sage = 100, als gegeben
[345] vorausgesetzt, stehn die Variationen des Zinses offenbar im um-
gekehrten Verhältniss zu denen des Profittheils, der dem fungi-
renden, aber mit geborgtem Kapital arbeitenden Kapitalisten bleibt.
Und die Umstände, welche die Grösse des zu vertheilenden Profits,
des Werthprodukts unbezahlter Arbeit, bestimmen, sind sehr ver-
schieden von denen, die seine Vertheilung unter diese beide Sorten
Kapitalisten bestimmen und wirken oft nach ganz entgegengesetzten
Seiten.62)


Wenn man die Umschlagscyklen betrachtet, worin sich die
moderne Industrie bewegt — Zustand der Ruhe, wachsende Be-
lebung, Prosperität, Ueberproduktion, Krach, Stagnation, Zustand
der Ruhe etc., Cyklen, deren weitere Analyse ausserhalb unserer
Betrachtung fällt — so wird man finden, dass meist niedriger
Stand des Zinses den Perioden der Prosperität oder des Extra-
profits entspricht, Steigen des Zinses der Scheide zwischen der
Prosperität und ihrem Umschlag, Maximum des Zinses bis zur
äussersten Wucherhöhe aber der Krisis.63) Vom Sommer 1843 an
trat entschiedne Prosperität ein; der Zinsfuss, im Frühling 1842
noch 4½ %, fiel im Frühling und Sommer 1843 auf 2 %;64) im
September selbst auf 1½ % (Gilbart, l., p. 166); dann während der
Krise 1847 stieg er auf 8 % und mehr.


Allerdings kann andrerseits niedriger Zins mit Stockung, und
mäßig steigender Zins mit wachsender Belebung zusammengehn.


Der Zinsfuss erreicht seine äusserste Höhe während der Krisen,
wo geborgt werden muss, um zu zahlen, was es auch koste. Es
ist dies zugleich, da dem Steigen des Zinses ein Fallen im Preise
der Werthpapiere entspricht, eine sehr artige Gelegenheit für Leute
mit disponiblem Geldkapital, um sich zu Spottpreisen solcher zins-
tragenden Papiere zu bemächtigen, die, im regelmäßigen Verlauf
[346] der Dinge, mindestens ihren Durchschnittspreis wieder erreichen
müssen, sobald der Zinsfuss wieder fällt.65)


Es existirt aber auch eine Tendenz zum Fallen des Zinsfusses,
ganz unabhängig von den Schwankungen der Profitrate. Und zwar
aus zwei Hauptursachen:


I. „Unterstellen wir selbst, Kapital würde nie anders aufge-
nommen als für produktive Anlagen, so ist es dennoch möglich,
dass der Zinsfuss wechselt ohne irgend welchen Wechsel in der
Rate des Bruttoprofits. Denn, wie ein Volk fortschreitet in der
Entwicklung des Reichthums, entsteht und wächst immer mehr
eine Klasse von Leuten, die durch die Arbeiten ihrer Vorfahren
sich im Besitz von Fonds befinden, von deren blossem Zins sie
leben können. Viele, auch die in der Jugend und Mannheit aktiv
im Geschäft betheiligt, ziehn sich zurück, um im Alter ruhig vom
Zins der akkumulirten Summen zu leben. Diese beiden Klassen
haben eine Tendenz, mit dem wachsenden Reichthum des Landes
sich zu vermehren; denn die, die schon mit einem mittelmäßigen
Kapital anfangen, bringen es leichter zu einem unabhängigen Ver-
mögen, als die mit wenigem anfangen. In alten und reichen
Ländern macht daher der Theil des Nationalkapitals, dessen Eigen-
thümer ihn nicht selbst anwenden wollen, ein grösseres Verhältniss
aus zum gesammten produktiven Kapital der Gesellschaft als in
neu angebauten und armen Ländern. Wie zahlreich ist nicht die
Klasse der Rentiers in England! Im Verhältniss wie die Klasse
der Rentiers wächst, wächst auch die der Kapitalverleiher, denn
sie sind beides dieselben.“ (Ramsay, Essay on the Distribution
of Wealth, p. 201.)


II. Die Entwicklung des Kreditsystems und die damit beständig
wachsende, durch die Bankiers vermittelte, Verfügung der Indu-
striellen und Kaufleute über alle Geldersparnisse aller Klassen der
Gesellschaft, und die fortschreitende Koncentration dieser Erspar-
nisse zu den Massen, worin sie als Geldkapital wirken können,
muss ebenfalls auf den Zinsfuss drücken. Mehr hierüber später.


Mit Bezug auf Bestimmung der Zinsrate sagt Ramsay, dass sie
„abhängt zum Theil von der Rate des Bruttoprofits, zum Theil
von der Proportion, worin dieser getheilt wird in Zins und Unter-
[347] nehmergewinn (profits of enterprise). Diese Proportion hängt ab
von der Konkurrenz zwischen Verleihern und Borgern von Kapital;
diese Konkurrenz wird beeinflusst, aber nicht ausschliesslich regu-
lirt durch die voraussichtliche Rate des Bruttoprofits.66) Die Kon-
kurrenz wird nicht ausschliesslich hierdurch regulirt, weil auf der
einen Seite viele borgen, ohne irgend welche Absicht produktiver
Anlage, und weil andrerseits die Grösse des gesammten leih-
baren Kapitals wechselt mit dem Reichthum des Landes, unab-
hängig von irgend welchem Wechsel im Bruttoprofit.“ (Ramsay,
l. c., p. 206, 207.)


Um die Durchschnittsrate des Zinses zu finden, ist 1) der Durch-
schnitt des Zinsfusses während seiner Variationen in den grossen
industriellen Cyklen zu berechnen; 2) der Zinsfuss in solchen An-
lagen, wo Kapital für längere Zeit ausgeliehen wird.


Die in einem Lande herrschende Durchschnittsrate des Zinses —
im Unterschied von den beständig schwankenden Marktraten —
ist durchaus durch kein Gesetz bestimmbar. Es gibt in dieser Art
keine natürliche Rate des Zinses, in dem Sinn, wie die Oekonomen
von einer natürlichen Profitrate und einer natürlichen Rate des
Arbeitslohns sprechen. Schon Massie bemerkt hier mit vollem
Recht (p. 49): „The only thing which any man can be in doubt
about on this occasion, is, what proportion of these profits do of
right belong to the borrower, and what to the lender; and this
there is no other method of determining than by the opinions of
borrowers and lenders in general; for right and wrong, in this
respect, are only what common consent makes so.“ Das Decken
der Nachfrage und Zufuhr — die Durchschnittsprofitrate als ge-
geben vorausgesetzt — heisst hier durchaus nichts. Wo sonst zu
dieser Formel Zuflucht genommen wird (und dies ist dann auch
praktisch richtig) dient sie als eine Formel, um die von der Kon-
kurrenz unabhängige und vielmehr sie bestimmende Grundregel
(die regulirenden Grenzen oder die begrenzenden Grössen) zu
finden; namentlich als eine Formel für die, in der Praxis der Kon-
kurrenz, in ihren Erscheinungen, und den daraus sich entwickelnden
Vorstellungen Befangnen, um zu einer, wenn auch selbst wieder
oberflächlichen Vorstellung eines innerhalb der Konkurrenz sich
darstellenden innern Zusammenhangs der ökonomischen Verhält-
[348] nisse zu gelangen. Es ist eine Methode, um von den die Kon-
kurrenz begleitenden Variationen zu den Grenzen dieser Variationen
zu kommen. Dies ist nicht der Fall bei dem Durchschnittszins-
fuss. Es ist durchaus kein Grund vorhanden, warum die mittleren
Konkurrenzverhältnisse, das Gleichgewicht zwischen Ausleiher und
Anleiher, dem Ausleiher einen Zinsfuss von 3, 4, 5 % etc. auf sein
Kapital, oder aber einen bestimmten Procentantheil, 20 % oder
50 % vom Bruttoprofit, geben sollten. Wo hier die Konkurrenz
als solche entscheidet, ist die Bestimmung an und für sich zu-
fällig, rein empirisch, und nur Pedanterie oder Phantasterei kann
diese Zufälligkeit als etwas Nothwendiges entwickeln wollen.67)
Nichts ist amüsanter in den Parlamentsberichten von 1857 und
1858 über die Bankgesetzgebung und die Handelskrise, als Direk-
toren der Bank von England, Londoner Bankiers, Provinzial-
Bankiers und professionelle Theoretiker hin- und herschwatzen zu
hören über die „real rate produced“, ohne dass sie es je weiter
brächten als zu Gemeinplätzen, wie z. B. dass „der Preis der von
verleihbarem Kapital bezahlt wird, mit dem Angebot dieses Ka-
pitals wechseln dürfte,“ dass „hohe Zinsrate und niedrige Profit-
rate auf die Dauer nicht neben einander bestehn können“ und
andre solche Plattheiten.68) Gewohnheit, gesetzliche Tradition etc.
haben ebenso sehr, wie die Konkurrenz selbst, zu thun mit der
[349] Bestimmung des mittlern Zinsfusses, soweit dieser nicht nur als
Durchschnittszahl, sondern als faktische Grösse existirt. Ein mitt-
lerer Zinsfuss muss schon in vielen Rechtsstreitigkeiten, wo Zinsen
zu berechnen, als legal angenommen werden. Fragt man nun
weiter, warum die Grenzen des mittlern Zinsfusses nicht aus all-
gemeinen Gesetzen abzuleiten sind, so liegt die Antwort einfach
in der Natur des Zinses. Er ist bloss ein Theil des Durchschnitts-
profits. Dasselbe Kapital erscheint in doppelter Bestimmung, als
leihbares Kapital in der Hand des Verleihers, als industrielles oder
kommercielles Kapital in den Händen des fungirenden Kapitalisten.
Aber es fungirt nur einmal und producirt selbst den Profit nur
einmal. Im Produktionsprocess selbst spielt der Charakter des
Kapitals als verleihbares keine Rolle. Wie sich die beiden Per-
sonen darin theilen, die Ansprüche auf diesen Profit haben, ist an
und für sich eine ebenso rein empirische, dem Reich des Zu-
fälligen angehörige Thatsache wie die Theilung der Procentantheile
des gemeinschaftlichen Profits eines Kompagniegeschäfts unter die
verschiednen Theilhaber. Bei der Theilung zwischen Mehrwerth
und Arbeitslohn, worauf die Bestimmung der Profitrate wesentlich
beruht, wirken zwei ganz verschiedne Elemente, Arbeitskraft und
Kapital, bestimmend ein; es sind Funktionen zweier unabhängigen
Variablen, die sich gegenseitig Grenzen setzen; und aus ihrem
qualitativen Unterschied geht die quantitative Theilung
des producirten Werths hervor. Man wird später sehn, dass das-
selbe stattfindet bei der Theilung des Mehrwerths zwischen Rente
und Profit. Bei dem Zins findet nichts derartiges statt. Hier
geht die qualitative Unterscheidung, wie wir gleich sehn
werden, umgekehrt aus der rein quantitativen Theilung des-
selben Stücks des Mehrwerths hervor.


Aus dem bisher Entwickelten ergibt sich, dass es keine „natür-
liche“ Zinsrate giebt. Wenn aber auf der einen Seite im Gegen-
satz zur allgemeinen Profitrate der mittlere Zinsfuss oder die
Durchschnittsrate des Zinses, im Unterschied von den beständig
schwankenden Marktraten des Zinses, in seinen Grenzen durch kein
allgemeines Gesetz feststellbar ist, weil es sich nur um Theilung
des Bruttoprofits zwischen zwei Besitzern des Kapitals, unter ver-
schiednen Titeln, handelt, erscheint umgekehrt der Zinsfuss, sei es
der mittlere, sei es die jedesmalige Marktrate, ganz anders als eine
gleichmäßige, bestimmte und handgreifliche Grösse als dies bei der
allgemeinen Profitrate der Fall ist.69)


[350]

Der Zinsfuss verhält sich zur Profitrate ähnlich wie der Markt-
preis der Waare zu ihrem Werth. Soweit der Zinsfuss durch die
Profitrate bestimmt ist, ist es stets durch die allgemeine Profit-
rate, nicht durch die specifischen Profitraten, die in besondern
Industriezweigen herrschen mögen, und noch weniger durch den
Extraprofit, den der einzelne Kapitalist in einer besondren Ge-
schäftssphäre machen mag.70) Die allgemeine Profitrate erscheint
daher in der That als empirisches, gegebnes Faktum wieder in
der Durchschnittszinsrate, obgleich die letztre kein reiner oder zu-
verlässiger Ausdruck der erstern.


Es ist zwar richtig, dass die Zinsrate selbst, je nach den Klassen
der von den Borgern gegebnen Sicherheiten und nach der Zeit-
dauer der Anleihe beständig verschieden ist; aber für jede dieser
Klassen ist sie in einem gegebnen Moment uniform. Dieser
Unterschied beeinträchtigt also nicht die fixe und uniforme Ge-
stalt des Zinsfusses.71)


69)


[351]

Der mittlere Zinsfuss erscheint in jedem Lande für längre
Epochen als konstante Grösse, weil die allgemeine Profitrate —
trotz des beständigen Wechsels der besondren Profitraten, wo aber
der Wechsel in einer Sphäre durch entgegengesetzten in der andern
sich ausgleicht — nur in längern Epochen wechselt. Und ihre
relative Konstanz erscheint eben in diesem mehr oder minder kon-
stanten Charakter des mittlern Zinsfusses (average rate or common
rate of interest).


Was aber die beständig fluktuirende Marktrate des Zinses be-
trifft, so ist sie in jedem Moment als fixe Grösse gegeben, wie der
Marktpreis der Waaren, weil auf dem Geldmarkt beständig alles
leihbare Kapital als Gesammtmasse dem fungirenden Kapital gegen-
übersteht, also das Verhältniss des Angebots von leihbarem Ka-
pital auf der einen Seite, die Nachfrage darnach auf der andern
den jedesmaligen Marktstand des Zinses entscheidet. Dies ist um-
somehr der Fall, je mehr die Entwicklung und damit verbundne
Koncentration des Kreditwesens dem leihbaren Kapital einen all-
gemein gesellschaftlichen Charakter gibt und es auf einmal, gleich-
zeitig, auf den Geldmarkt wirft. Dagegen existirt die allgemeine
Profitrate beständig nur als Tendenz, als Bewegung der Aus-
gleichung der besondren Profitraten. Die Konkurrenz der Kapi-
talisten — die selbst diese Bewegung der Ausgleichung ist —
besteht hier darin, dass sie den Sphären, wo der Profit auf längre
Zeit unter dem Durchschnitt, allmälig Kapital entziehn und den
Sphären, wo er darüber, ebenso allmälig Kapital zuführen; oder
auch, dass sich Zusatzkapital nach und nach in verschiednen Pro-
portionen zwischen diese Sphären vertheilt. Es ist beständige
Variation der Zufuhr und der Entziehung von Kapital, diesen ver-
schiednen Sphären gegenüber, nie gleichzeitige Massenwirkung wie
bei der Bestimmung des Zinsfusses.


Man hat gesehn, dass, obgleich eine von der Waare absolut
verschiedne Kategorie, das zinstragende Kapital, zur Waare sui
generis, und desshalb der Zins sein Preis wird, der, wie bei der
gewöhnlichen Waare ihr Marktpreis, jedesmal durch Nachfrage und
Angebot fixirt wird. Die Marktrate des Zinses, obgleich beständig
schwankend, erscheint daher in jedem gegebnen Moment ebenso
beständig fixirt und uniform, wie der jedesmalige Marktpreis der
Waare. Die Geldkapitalisten führen diese Waare zu, und die
71)
[352] fungirenden Kapitalisten kaufen sie, bilden die Nachfrage dafür.
Dies findet bei der Ausgleichung zur allgemeinen Profitrate nicht
statt. Stehn die Preise der Waaren in einer Sphäre unter oder
über dem Produktionspreis (wobei von den, jedem Geschäft eignen
und mit den verschiednen Phasen des industriellen Cyklus zu-
sammenhängenden Schwankungen abgesehn wird), so findet Aus-
gleichung statt durch Erweiterung oder Einengung der Produktion,
d. h. Ausdehnung oder Verkürzung der von den industriellen Kapi-
talen auf den Markt geworfenen Waarenmassen, vermittelt durch
Ein- oder Auswanderung von Kapital mit Bezug auf die besondren
Produktionssphären. Durch die so herbeigeführte Ausgleichung
der durchschnittlichen Marktpreise der Waaren zu Produktions-
preisen ist es, dass die Abweichungen der besondren Profitraten
von der allgemeinen oder Durchschnittsprofitrate korrigirt werden.
Dieser Process erscheint nie so und kann nie so erscheinen, dass
das industrielle oder merkantile Kapital als solches Waare gegen-
über einem Käufer ist, wie das zinstragende Kapital. Soweit er
erscheint, erscheint er nur in den Schwankungen und Aus-
gleichungen der Marktpreise der Waaren zu Produktionspreisen;
nicht als direkte Festsetzung des Durchschnittsprofits. Die allge-
meine Profitrate ist in der That bestimmt 1) durch den Mehr-
werth, den das Gesammtkapital producirt, 2) durch das Verhältniss
dieses Mehrwerths zum Werth des Gesammtkapitals, und 3) durch
die Konkurrenz, aber nur soweit, als diese die Bewegung ist, wo-
durch die in besondren Produktionssphären angelegten Kapitale
gleiche Dividenden aus diesem Mehrwerth, im Verhältniss zu ihren
relativen Grössen zu ziehn suchen. Die allgemeine Profitrate
schöpft also in der That ihre Bestimmung aus ganz andren und
viel komplicirteren Gründen, als die durch das Verhältniss von
Nachfrage und Angebot direkt und unmittelbar bestimmte Markt-
rate des Zinses, und ist daher ein handgreifliches und gegebnes
Faktum in der Art, wie es der Zinsfuss ist. Die besondren Profit-
raten in den verschiednen Produktionssphären sind selbst mehr
oder minder unsicher; aber soweit sie erscheinen, ist es nicht ihre
Uniformität, sondern ihre Verschiedenheit, die erscheint. Die all-
gemeine Profitrate selbst aber erscheint nur als Minimalgrenze des
Profits, nicht als empirische, direkt sichtbare Gestalt der wirk-
lichen Profitrate.


Indem wir diesen Unterschied zwischen der Zinsrate und der
Profitrate hervorheben, sehn wir selbst ab von folgenden beiden,
die Konsolidation des Zinsfusses begünstigenden Umständen: 1) der
[353] historischen Präexistenz des zinstragenden Kapitals und der Existenz
eines traditionell überlieferten allgemeinen Zinsfusses; 2) dem viel
grössern unmittelbaren Einfluss, den der Weltmarkt, unabhängig
von den Produktionsbedingungen eines Landes, auf die Feststellung
des Zinsfusses ausübt, verglichen mit seinem Einfluss auf die
Profitrate.


Der Durchschnittsprofit erscheint nicht als unmittelbar gegebne
Thatsache, sondern als erst durch die Untersuchung festzustellendes
Endresultat der Ausgleichung entgegengesetzter Schwankungen.
Anders mit dem Zinsfuss. Er ist in seiner, wenigstens lokalen,
Allgemeingültigkeit ein täglich fixirtes Faktum, ein Faktum, das
dem industriellen und merkantilen Kapital sogar als Voraussetzung
und Posten in der Kalkulation bei seinen Operationen dient. Es
wird ein allgemeines Vermögen jeder Geldsumme von 100 £, 2,
3, 4, 5 % abzuwerfen. Metereologische Berichte zeichnen nicht
genauer den Stand von Barometer und Thermometer auf, als
Börsenberichte den Stand des Zinsfusses, nicht für dieses oder jenes
Kapital, sondern für das auf dem Geldmarkt befindliche, d. h über-
haupt verleihbare Kapital.


Auf dem Geldmarkt stehn sich nur Verleiher und Borger gegen-
über. Die Waare hat dieselbe Form, Geld. Alle besondren Ge-
stalten des Kapitals, je nach seiner Anlage in besondren Produktions-
oder Cirkulationssphären, sind hier ausgelöscht. Es existirt hier
in der unterschiedslosen, sich selbst gleichen Gestalt des selbstän-
digen Werths, des Geldes. Die Konkurrenz der besondren Sphären
hört hier auf; sie sind alle zusammengeworfen als Geldborger, und
das Kapital steht allen auch gegenüber in der Form, worin es
noch gleichgültig gegen die bestimmte Art und Weise seiner An-
wendung ist. Als was das industrielle Kapital nur in der Bewe-
gung und Konkurrenz zwischen den besondren Sphären erscheint,
als an sich gemeinsames Kapital der Klasse, tritt es hier
wirklich, der Wucht nach, in der Nachfrage und Angebot von
Kapital auf. Andrerseits besitzt das Geldkapital auf dem Geld-
markt wirklich die Gestalt, worin es als gemeinsames Element,
gleichgültig gegen seine besondre Anwendung, sich unter die ver-
schiednen Sphären, unter die Kapitalistenklasse vertheilt, je nach
den Produktionsbedürfnissen jeder besondren Sphäre. Es kommt
hinzu, dass mit Entwicklung der grossen Industrie das Geldkapital
mehr und mehr, soweit es auf dem Markt erscheint, nicht vom ein-
zelnen Kapitalisten vertreten wird, dem Eigenthümer dieses oder
jenes Bruchtheils des auf dem Markt befindlichen Kapitals, sondern
Marx, Kapital III. 23
[354] als konzentrirte, organisirte Masse auftritt, die ganz anders als die
reelle Produktion, unter die Kontrolle der das gesellschaftliche
Kapital vertretenden Bankiers gestellt ist. Sodass sowohl, was
die Form der Nachfrage angeht, dem verleihbaren Kapital die
Wucht einer Klasse gegenübertritt; wie, was das Angebot angeht,
es selbst als Leihkapital en masse auftritt.


Dies sind einige der Gründe, warum die allgemeine Profitrate
als ein verschwimmendes Nebelbild erscheint neben dem bestimmten
Zinsfuss, der zwar seiner Grösse nach schwankt, aber dadurch, dass
er gleichmäßig für alle Borger schwankt, ihnen stets als fixer,
gegebner gegenübertritt. Ganz wie die Werthwechsel des Geldes
es nicht hindern, allen Waaren gegenüber gleichen Werth zu haben.
Ganz wie die Marktpreise der Waaren täglich schwanken, was sie
nicht hindert, täglich in den Berichten notirt zu werden. Ganz so
der Zinsfuss, der ebenso regelmäßig als „Preis des Geldes“ notirt
wird. Es ist weil hier das Kapital selbst in Geldform als Waare
angeboten wird; die Fixation seines Preises daher Fixirung seines
Marktpreises, wie bei allen andern Waaren ist; der Zinsfuss sich
daher stets als allgemeiner Zinsfuss, als soviel für soviel Geld, als
quantitativ bestimmt darstellt. Die Profitrate dagegen kann selbst
innerhalb derselben Sphäre, bei gleichen Marktpreisen der Waare,
verschieden sein, je nach den verschiednen Bedingungen, worin die
einzelnen Kapitale dieselbe Waare produciren; denn die Profitrate
für das Einzelkapital wird bestimmt nicht durch den Marktpreis
der Waare, sondern durch die Differenz zwischen Marktpreis und
Kostpreis. Und diese verschiednen Profitraten, erst innerhalb der-
selben Sphäre und dann zwischen den verschiednen Sphären selbst
können sich nur durch beständige Schwankungen ausgleichen.


(Notiz für spätere Ausarbeitung.) Eine besondre Form des Kredits:
Man weiss, dass wenn das Geld als Zahlungsmittel, statt als Kauf-
mittel fungirt, die Waare veräussert, aber ihr Werth erst später
realisirt wird. Findet die Zahlung erst statt, nachdem die Waare
wieder verkauft ist, so erscheint dieser Verkauf nicht als Folge
des Kaufs, sondern es ist durch den Verkauf, dass der Kauf
realisirt wird. Oder der Verkauf wird ein Mittel des Kaufens. —
Zweitens: Schuldtitel, Wechsel etc., werden Zahlungsmittel für den
Gläubiger. — Drittens: die Kompensation der Schuldtitel ersetzt
das Geld.


[355]

Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Zins und Unternehmergewinn.


Der Zins, wie wir in den beiden vorhergehenden Kapiteln gesehn,
erscheint ursprünglich, ist ursprünglich, und bleibt in Wirklichkeit
nichts als ein Theil des Profits, d. h. des Mehrwerths, den der
fungirende Kapitalist, Industrieller oder Kaufmann, soweit er nicht
eignes Kapital, sondern geliehenes Kapital anwendet, wegzahlen
muss an den Eigenthümer und Verleiher dieses Kapitals. Wendet
er nur eignes Kapital an, so findet keine solche Theilung des
Profits statt; dieser gehört ihm ganz. In der That, soweit die
Eigner des Kapitals es selbst im Reproduktionsprocess anwenden,
konkurriren sie nicht mit zur Bestimmung der Zinsrate, und schon
hierin zeigt sich, wie die Kategorie des Zinses — unmöglich ohne
die Bestimmung eines Zinsfusses — der Bewegung des industriellen
Kapitals an sich fremd ist.


„The rate of interest may be defined to be that proportional
sum which the lender is content to receive, and the borrower to
pay, for a year or for any longer or shorter period for the use
of a certain amount of moneyed capital … when the owner of
capital employs it actively in reproduction, he does not come
under the head of those capitalists, the proportion of whom, to
the number of borrowers, determines the rate of interest.“ (Th. Tooke,
Hist. of Prices, edit. Newmarch. London 1857. II, p. 355.) Es ist
in der That nur die Trennung der Kapitalisten in Geldkapita-
listen und industrielle Kapitalisten, die einen Theil des Profits in
Zins verwandelt, die überhaupt die Kategorie des Zinses schafft;
und es ist nur die Konkurrenz zwischen diesen beiden Sorten Ka-
pitalisten, die den Zinsfuss schafft.


So lang das Kapital im Reproduktionsprocess fungirt, — selbst
vorausgesetzt es gehöre dem industriellen Kapitalisten selbst, sodass
er es an keinen Verleiher zurückzuzahlen hat — so lange hat er
zu seiner Verfügung als Privatmann nicht dies Kapital selbst,
sondern nur den Profit, den er als Revenue verausgaben kann.
Solang sein Kapital als Kapital fungirt, gehört es dem Reproduk-
tionsprocess, ist es darin festgelegt. Er ist zwar sein Eigenthümer,
aber dies Eigenthum befähigt ihn nicht, so lange er es als Kapital
zur Ausbeutung von Arbeit benützt, in andrer Weise darüber zu
verfügen. Ganz so verhält es sich mit dem Geldkapitalisten. So
lange sein Kapital ausgeliehen ist und daher als Geldkapital wirkt,
bringt es ihm Zins, einen Theil des Profits, aber über die Haupt-
23*
[356] summe kann er nicht verfügen. Es erscheint dies, sobald er es,
zum Beispiel für ein Jahr oder mehrere, verliehen, und in gewissen
Terminen Zins erhält ohne Rückzahlung des Kapitals. Aber selbst
die Rückzahlung macht hier keinen Unterschied. Erhält er es
zurück, so muss er es stets von neuem verleihen, solange es die
Wirkung von Kapital — hier Geldkapital — für ihn haben soll.
Solange es sich in seiner Hand befindet, trägt es keine Zinsen
und wirkt nicht als Kapital; und solange es Zinsen trägt und als
Kapital wirkt, befindet es sich nicht in seiner Hand. Daher die
Möglichkeit, Kapital auf ewige Zeiten zu verleihen. Die folgenden
Bemerkungen von Tooke gegen Bosanquet sind daher ganz falsch.
Er citirt Bosanquet (Metallic, Paper, and Credit Currency, p. 73):
„Wäre der Zinsfuss bis auf 1 % herabgedrückt, so würde geborgtes
Kapital beinahe auf gleiche Linie (on a par) gestellt mit eignem
Kapital.“ Hierzu macht Tooke folgende Randglosse: „Dass ein
zu diesem, oder selbst zu noch niedrigerem Zinsfuss geborgtes
Kapital gelten soll als beinahe auf derselben Linie stehend mit
eignem Kapital, ist eine so befremdende Behauptung, dass sie kaum
ernstliche Beachtung verdiente, käme sie nicht von einem so in-
telligenten und in einzelnen Punkten des Themas so wohlunter-
richteten Schriftsteller. Hat er den Umstand übersehn, oder hält
er ihn für wenig bedeutend, dass seine Voraussetzung die Bedingung
der Rückzahlung einschliesst?“ (Th. Tooke, An Inquiry into the
Currency Principle. 2nd ed. London 1844. p. 80.) Wäre der Zins
= 0, so stände der industrielle Kapitalist, der Kapital aufgenommen
hat, sich gleich mit dem, der mit eignem Kapital arbeitet. Beide
würden denselben Durchschnittsprofit einstecken, und als Kapital,
ob geborgtes oder eignes, wirkt das Kapital nur, soweit es Profit
producirt. Die Bedingung der Rückzahlung würde hieran nichts
ändern. Je mehr der Zinsfuss sich Null nähert, also z. B. auf
1 % herabsinkt, um so mehr ist geborgtes Kapital mit eignem
Kapital auf gleichen Fuss gestellt. Solange Geldkapital als Geld-
kapital existiren soll, muss es stets wieder ausgeliehen werden, und
zwar zum bestehenden Zinsfuss, sage von 1 % und stets wieder
an dieselbe Klasse der industriellen und merkantilen Kapitalisten.
Solange diese als Kapitalisten fungiren, ist der Unterschied zwischen
dem der mit geborgtem, und dem der mit eignem Kapital fungirt,
nur der, dass der eine Zins zu zahlen hat und der andre nicht;
der eine den Profit p ganz einsteckt, der andre p—z, den Profit
minus den Zins; jemehr z sich Null nähert, um so mehr wird
p—z = p, also um so mehr stehn beide Kapitale auf gleichem Fuss.
[357] Der eine muss das Kapital zurückzahlen und von neuem borgen;
aber der andre, solang sein Kapital fungiren soll, muss es eben-
falls stets von neuem dem Produktionsprocess vorschiessen und
hat keine von diesem Process unabhängige Verfügung darüber.
Der einzige sonst noch bleibende Unterschied ist der selbstver-
ständliche, dass der eine Eigenthümer seines Kapitals ist und der
andre nicht.


Die Frage, die sich nun aufwirft, ist diese. Wie kommt es,
dass diese rein quantitative Theilung des Profits in Nettoprofit und
Zins in eine qualitative umschlägt? In andren Worten, wie kommt
es, dass auch der Kapitalist, der nur sein eignes, kein geliehenes
Kapital anwendet, einen Theil seines Bruttoprofits unter die be-
sondre Kategorie des Zinses rangirt und als solchen besonders
berechnet? Und daher weiter, dass alles Kapital, geliehenes oder
nicht, als zinstragendes von sich selbst als Nettoprofit bringendem
unterschieden wird?


Man erkennt, dass nicht jede zufällige quantitative Theilung des
Profits in dieser Art in eine qualitative umschlägt. Z. B. einige
industrielle Kapitalisten associiren sich zur Betreibung eines Ge-
schäfts und vertheilen dann den Profit unter einander nach juristisch
festgesetzten Abmachungen. Andre treiben ihr Geschäft, jeder für
sich, ohne Associé. Diese letzteren berechnen ihren Profit nicht
unter zwei Kategorien, einen Theil als individuellen Profit, den
andern als Kompagnieprofit für die nichtexistirenden Gesellschafter.
Hier schlägt also die quantitative Theilung nicht um in qualitative.
Sie findet statt, wo zufällig der Eigenthümer aus mehreren juri-
stischen Personen besteht; sie findet nicht statt, wo dies nicht der Fall.


Um die Frage zu beantworten, müssen wir noch etwas länger
verweilen bei dem wirklichen Ausgangspunkt der Zinsbildung; d. h.
ausgehn von der Unterstellung, dass Geldkapitalist und produktiver
Kapitalist sich wirklich gegenüber stehn, nicht nur als juristisch
verschiedne Personen, sondern als Personen, die ganz verschiedne
Rollen im Reproduktionsprocess spielen, oder in deren Hand das-
selbe Kapital wirklich eine doppelte und gänzlich verschiedne Be-
wegung durchmacht. Der eine verleiht es nur, der andre wendet
es produktiv an.


Für den produktiven Kapitalisten, der mit geliehenem Kapital
arbeitet, zerfällt der Bruttoprofit in zwei Theile, den Zins, den er
dem Verleiher zu zahlen hat, und den Ueberschuss über den Zins,
der seinen eignen Antheil am Profit bildet. Ist die allgemeine
Profitrate gegeben, so ist dieser letztre Theil bestimmt durch den
[358] Zinsfuss; ist der Zinsfuss gegeben, so durch die allgemeine Profit-
rate. Und ferner: wie immer der Bruttoprofit, die wirkliche
Werthgrösse des Gesammtprofits, in jedem einzelnen Fall abweichen
mag von dem Durchschnittsprofit: der Theil, der dem fungirenden
Kapitalisten gehört, ist bestimmt durch den Zins, da dieser durch
den allgemeinen Zinsfuss (abgesehn von besondren juristischen
Stipulationen) fixirt und als vorweg genommen vorausgesetzt ist,
bevor der Produktionsprocess beginnt, also bevor dessen Resultat,
der Bruttoprofit erzielt ist. Wir haben gesehn, dass das eigent-
liche specifische Produkt des Kapitals der Mehrwerth, näher be-
stimmt der Profit ist. Aber für den Kapitalisten, der mit ge-
borgtem Kapital arbeitet, ist es nicht der Profit, sondern der Profit
minus dem Zins, der Theil des Profits, der ihm übrig bleibt nach
Zahlung des Zinses. Dieser Theil des Profits erscheint ihm also
nothwendig als Produkt des Kapitals, soweit es fungirt; und dies
ist für ihn wirklich, denn er vertritt das Kapital nur als fungi-
rendes. Er ist seine Personifikation, soweit es fungirt, und es
fungirt, soweit es profitbringend in der Industrie oder im Handel
angelegt wird und mit ihm, durch seinen Anwender, die Opera-
tionen vorgenommen werden, die durch den jedesmaligen Geschäfts-
zweig vorgeschrieben sind. Im Gegensatz zum Zins, den er aus
dem Bruttoprofit an den Verleiher wegzuzahlen hat, nimmt der
ihm zufallende noch übrige Theil des Profits also nothwendig die
Form des industriellen resp. kommerciellen Profits an, oder, um
ihn mit einem deutschen Ausdruck zu bezeichnen, der beides ein-
schliesst, die Gestalt des Unternehmergewinns. Ist der Brutto-
profit gleich dem Durchschnittsprofit, so wird die Grösse dieses
Unternehmergewinns ausschliesslich bestimmt durch den Zinsfuss.
Weicht der Bruttoprofit ab vom Durchschnittsprofit, so ist die
Differenz desselben vom Durchschnittsprofit (nach beiderseitigem
Abzug des Zinses) durch alle die Konjunkturen bestimmt, welche
eine zeitweilige Abweichung verursachen, sei es der Profitrate in
einer besondren Produktionssphäre von der allgemeinen Profitrate,
sei es des Profits, den ein einzelner Kapitalist in einer bestimmten
Sphäre macht, vom Durchschnittsprofit dieser besondren Sphäre.
Nun hat man aber gesehn, dass die Profitrate, innerhalb des Pro-
duktionsprocesses selbst, nicht nur vom Mehrwerth abhängt, sondern
von vielen andren Umständen: von den Einkaufspreisen der Pro-
duktionsmittel, von mehr als durchschnittlich produktiven Methoden,
von Oekonomisirung des konstanten Kapitals etc. Und abgesehn
vom Produktionspreis, hängt es von besondren Konjunkturen, und
[359] bei jedem einzelnen Geschäftsabschluss von der grössern oder ge-
ringern Schlauheit und Betriebsamkeit des Kapitalisten ab, ob und
inwieweit dieser über oder unter dem Produktionspreis ein- oder
verkauft, sich also innerhalb des Cirkulationsprocesses einen grössern
oder geringern Theil vom Gesammtmehrwerth aneignet. Jedenfalls aber
verwandelt sich die quantitative Theilung des Rohprofits hier in eine
qualitative, und dies um so mehr als die quantitative Theilung selbst da-
von abhängt, was zu vertheilen ist, wie der aktive Kapitalist mit dem
Kapital wirthschaftet, und welchen Rohprofit es ihm als fungirendem
Kapital, d. h. infolge seiner Funktionen als aktiver Kapitalist abwirft.
Der fungirende Kapitalist ist hier unterstellt als Nichteigenthümer
des Kapitals. Das Eigenthum am Kapital ist ihm gegenüber vertreten
durch den Verleiher, den Geldkapitalisten. Der Zins, den er an
diesen zahlt, erscheint also als der Theil des Rohprofits, der dem
Kapitaleigenthum als solchem zukommt. Im Gegensatz hierzu er-
scheint der Theil des Profits, der dem aktiven Kapitalisten zufällt,
jetzt als Unternehmergewinn, entspringend ausschliesslich aus den
Operationen oder Funktionen, die er im Reproduktionsprocess mit
dem Kapital vollführt, speciell also den Funktionen, die er als
Unternehmer in der Industrie oder dem Handel verrichtet. Ihm
gegenüber erscheint also der Zins als blosse Frucht des Kapital-
eigenthums, des Kapitals an sich abstrahirt vom Reproduktions-
process des Kapitals, soweit es nicht „arbeitet“, nicht fungirt;
während ihm der Unternehmergewinn erscheint als ausschliessliche
Frucht der Funktionen, die er mit dem Kapital verrichtet, als
Frucht der Bewegung und des Processirens des Kapitals, eines
Processirens, das ihm nun als seine eigne Thätigkeit erscheint im
Gegensatz zur Nichtthätigkeit, zur Nichtbetheiligung des Geld-
kapitalisten am Produktionsprocess. Diese qualitative Scheidung
zwischen den beiden Theilen des Rohprofits, dass der Zins Frucht
des Kapitals an sich, des Kapitaleigenthums, abgesehn vom Pro-
duktionsprocess, und der Unternehmergewinn Frucht des pro-
cessirenden, im Produktionsprocess wirkenden Kapitals, und daher
der aktiven Rolle ist, die der Anwender des Kapitals im Repro-
duktionsprocess spielt — diese qualitative Scheidung ist keines-
wegs bloss subjektive Auffassung des Geldkapitalisten hier, und
des industriellen Kapitalisten dort. Sie beruht auf objektiver
Thatsache, denn der Zins fliesst dem Geldkapitalisten, dem Leiher
zu, der blosser Eigenthümer des Kapitals ist, also das blosse
Kapitaleigenthum vertritt vor dem Produktionsprocess und ausser-
halb des Produktionsprocesses; und der Unternehmergewinn fliesst
[360] dem bloss fungirenden Kapitalisten zu, der Nichteigenthümer des
Kapitals ist.


Sowohl für den industriellen Kapitalisten, soweit er mit ge-
borgtem Kapital arbeitet, wie für den Geldkapitalisten, soweit er
sein Kapital nicht selbst anwendet, schlägt hiermit die bloss quan-
titative Theilung das Bruttoprofits zwischen zwei verschiedne Per-
sonen, die beide verschiedne Rechtstitel haben auf dasselbe Kapital
und daher auf den von ihm erzeugten Profit, um in eine quali-
tative Theilung. Der eine Theil des Profits erscheint nun als an
und für sich zukommende Frucht des Kapitals in einer Be-
stimmung, als Zins; der andre Theil erscheint als specifische Frucht
des Kapitals in einer entgegengesetzten Bestimmung, und daher
als Unternehmergewinn; der eine als blosse Frucht des Kapital-
eigenthums, der andre als Frucht des blossen Fungirens mit dem
Kapital, als Frucht des Kapitals als processirendem oder der Funk-
tionen, die der aktive Kapitalist ausübt. Und diese Verknöche-
rung und Verselbständigung der beiden Theile des Rohprofits gegen
einander, als wenn sie aus zwei wesentlich verschiednen Quellen
herrührten, muss sich nun für die gesammte Kapitalistenklasse und
für das Gesammtkapital festsetzen. Und zwar einerlei, ob das vom
aktiven Kapitalisten angewandte Kapital geborgt sei oder nicht,
oder ob das dem Geldkapitalisten gehörende Kapital von ihm selbst
angewandt werde oder nicht. Der Profit jedes Kapitals, also auch
der auf Ausgleichung der Kapitale unter sich begründete Durch-
schnittsprofit zerfällt oder wird zerlegt in zwei qualitativ ver-
schiedne, gegen einander selbständige und von einander unab-
hängige Theile, Zins und Unternehmergewinn, die beide durch be-
sondre Gesetze bestimmt werden. Der Kapitalist, der mit eignem
Kapital, so gut wie der, der mit geborgtem arbeitet, theilt seinen
Rohprofit ein in Zins, der ihm als Eigenthümer, als seinem eignen
Verleiher von Kapital an sich selbst, und in Unternehmergewinn,
der ihm als aktivem, fungirendem Kapitalisten zukommt. Es wird
so für diese Theilung, als qualitative, gleichgültig ob der Kapitalist
wirklich mit einem andern zu theilen hat oder nicht. Der An-
wender des Kapitals, auch wenn er mit eignem Kapital arbeitet,
zerfällt in zwei Personen, den blossen Eigenthümer des Kapitals
und den Anwender des Kapitals; sein Kapital selbst, mit Bezug
auf die Kategorien von Profit die es abwirft, zerfällt in Kapital-
eigenthum, Kapital ausser dem Produktionsprocess, das an sich
Zins abwirft, und Kapital im Produktionsprocess, das als proces-
sirend Unternehmergewinn abwirft.


[361]

Der Zins befestigt sich also derart, dass er nun nicht als eine
der Produktion gleichgültige Theilung des Bruttoprofits auftritt,
die nur dann gelegentlich stattfindet, wenn der Industrielle mit
fremdem Kapital arbeitet. Auch wenn er mit eignem Kapital
arbeitet, spaltet sich sein Profit in Zins und Unternehmer-
gewinn. Hiermit wird die bloss quantitative Theilung zur quali-
tativen; sie findet statt unabhängig von dem zufälligen Um-
stand, ob der Industrielle Eigenthümer oder Nichteigenthümer
seines Kapitals ist. Es sind nicht nur an verschiedne Personen
vertheilte Quota des Profits, sondern zwei verschiedne Kategorien
desselben, die in verschiednem Verhältniss zum Kapital, also in
einem Verhältniss zu verschiednen Bestimmtheiten des Kapitals stehn.


Es ergeben sich nun sehr einfach die Gründe warum, sobald
diese Theilung des Bruttoprofits in Zins und Unternehmergewinn
einmal eine qualitative geworden ist, sie diesen Charakter einer
qualitativen Theilung für das Gesammtkapital und die Gesammt-
klasse der Kapitalisten erhält.


Erstens folgt dies schon aus dem einfachen empirischen Um-
stand, dass die Mehrzahl der industriellen Kapitalisten, wenn auch
in verschiednen Zahlenverhältnissen, mit eignem und erborgtem
Kapital arbeitet, und dass das Verhältniss zwischen eignem und
erborgtem Kapital in verschiednen Perioden wechselt.


Zweitens: Die Verwandlung eines Theils des Bruttoprofits in
die Form von Zins verwandelt seinen andren Theil in Unternehmer-
gewinn. Dieser letztere ist in der That nur die gegensätzliche
Form, die der Ueberschuss des Rohprofits über den Zins annimmt,
sobald dieser als eigne Kategorie existirt. Die ganze Unter-
suchung, wie der Bruttoprofit sich in Zins und Unternehmergewinn
differenzirt, löst sich einfach auf in die Untersuchung, wie ein
Theil des Bruttoprofits sich allgemein als Zins verknöchert und
verselbständigt. Nun existirt aber historisch das zinstragende Ka-
pital als eine fertige, überlieferte Form, und daher der Zins als
fertige Unterform des vom Kapital erzeugten Mehrwerths, lange
bevor die kapitalistische Produktionsweise und die ihr entsprechenden
Vorstellungen von Kapital und Profit existirten. Daher immer
noch in der Volksvorstellung Geldkapital, zinstragendes Kapital
als Kapital als solches, als Kapital par excellence gilt. Daher
andrerseits die bis zur Zeit Massie’s vorherrschende Vorstellung, dass es
das Geld als solches ist, was im Zins bezahlt wird. Der Umstand, dass
verliehenes Kapital Zins abwirft, ob wirklich als Kapital verwandt oder
nicht — auch wenn nur zur Konsumtion geborgt — befestigt die Vor-
[362] stellung von der Selbständigkeit dieser Form des Kapitals. Der
beste Beweis von der Selbständigkeit worin, in den ersten Perioden
der kapitalistischen Produktionsweise, der Zins dem Profit und das
zinstragende Kapital dem industriellen Kapital gegenüber erscheint,
ist der, dass erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Thatsache
entdeckt wurde (von Massie und nach ihm von Hume), dass der
Zins ein blosser Theil des Bruttoprofits ist, und dass es überhaupt
einer solchen Entdeckung bedurfte.


Drittens: Ob der industrielle Kapitalist mit eignem oder ge-
borgtem Kapital arbeitet, ändert nichts an dem Umstand, dass ihm
die Klasse der Geldkapitalisten als eine besondre Sorte Kapitalisten,
das Geldkapital als eine selbständige Sorte des Kapitals, und der
Zins als die diesem specifischen Kapital entsprechende selbständige
Form des Mehrwerths gegenübersteht.


Qualitativ betrachtet ist der Zins Mehrwerth, den das blosse
Eigenthum des Kapitals liefert, den das Kapital an sich abwirft,
obgleich sein Eigenthümer ausserhalb des Reproduktionsprocesses
stehn bleibt; den also Kapital abgesondert von seinem Process
abwirft.


Quantitativ betrachtet erscheint der Theil des Profits, der den
Zins bildet, nicht auf das industrielle und kommerzielle Kapital als
solches, sondern auf das Geldkapital bezogen, und die Rate dieses
Theils des Mehrwerths, die Zinsrate oder der Zinsfuss, befestigt
dies Verhältniss. Denn erstens wird der Zinsfuss — trotz seiner
Abhängigkeit von der allgemeinen Profitrate — selbständig be-
stimmt, und zweitens erscheint er, wie der Marktpreis der Waaren,
der unfassbaren Profitrate gegenüber als bei allem Wechsel festes,
uniformes, handgreifliches und stets gegebnes Verhältniss. Befände
sich alles Kapital in den Händen der industriellen Kapitalisten, so
existirte kein Zins und kein Zinsfuss. Die selbständige Form, die
die quantitative Theilung des Rohprofits annimmt, erzeugt die
qualitative. Vergleicht sich der industrielle Kapitalist mit dem
Geldkapitalisten, so unterscheidet ihn von diesem nur der Unter-
nehmergewinn, als Ueberschuss des Rohprofits über den Durch-
schnittszins, der vermöge des Zinsfusses als empirisch gegebne
Grösse erscheint. Vergleicht er sich andrerseits mit dem indu-
striellen Kapitalisten, der mit eignem statt geborgtem Kapital wirth-
schaftet, so unterscheidet dieser sich von ihm nur als Geldkapitalist,
indem er den Zins selbst einsteckt statt ihn wegzuzahlen. Nach
beiden Seiten erscheint ihm der vom Zins unterschiedne Theil des
Rohprofits als Unternehmergewinn, und der Zins selbst als ein
[363] Mehrwerth, den das Kapital an und für sich abwirft, und den es
daher auch abwerfen würde ohne produktive Anwendung.


Für den einzelnen Kapitalisten ist dies praktisch richtig. Er
hat die Wahl, ob er sein Kapital, sei es, dass es im Ausgangs-
punkt schon als Geldkapital existirt, oder dass es erst in Geld-
kapital zu verwandeln ist, als zinstragendes Kapital verleihen, oder
als produktives Kapital selbst verwerthen will. Allgemein gefasst,
d. h. auf das ganze Gesellschaftkapital angewendet, wie dies von
einigen Vulgärökonomen geschieht, und sogar als Grund des Profits
angegeben wird, ist dies natürlich verrückt. Die Verwandlung des
sämmtlichen Kapitals in Geldkapital, ohne dass Leute da sind, die
die Produktionsmittel kaufen und verwerthen, in Form von denen
das gesammte Kapital, abgesehn von dem in Geld existirenden,
relativ kleinen Theil desselben vorhanden ist, — dies ist natürlich
Unsinn. Es steckt der noch grössre Unsinn darin, dass auf Basis
der kapitalistischen Produktionsweise das Kapital Zins abwerfen
würde, ohne als produktives Kapital zu fungiren, d. h. ohne Mehr-
werth zu schaffen, wovon der Zins nur ein Theil; dass die kapi-
talistische Produktionsweise ihren Gang gehn würde ohne die kapi-
talistische Produktion. Wollte ein ungebührlich grosser Theil der
Kapitalisten sein Kapital in Geldkapital verwandeln, so wäre die
Folge ungeheure Entwerthung des Geldkapitals und ungeheurer
Fall des Zinsfusses; viele würden sofort in die Unmöglichkeit ver-
setzt, von ihren Zinsen zu leben, also gezwungen, sich in indu-
strielle Kapitalisten rückzuverwandeln. Aber wie gesagt, für den
einzelnen Kapitalisten ist dies Thatsache. Er betrachtet daher
nothwendig, selbst wenn er mit eignem Kapital wirthschaftet, den
Theil seines Durchschnittsprofits, der gleich dem Durchschnitts-
zins, als Frucht seines Kapitals als solchen, abgesehn von dem
Produktionsprocess; und im Gegensatz zu diesem, im Zins ver-
selbständigten Theil, den Ueberschuss des Rohprofits darüber als
blossen Unternehmergewinn.


Viertens: [Lücke im Manuskript.]


Es hat sich also gezeigt, dass der Theil des Profits, den der
fungirende Kapitalist dem blossen Eigenthümer von geborgtem
Kapital zu zahlen hat, sich verwandelt in die selbständige
Form für einen Theil des Profits, den alles Kapital als solches, ob
geborgt oder nicht, unter dem Namen Zins abwirft. Wie gross
dieser Theil ist, hängt ab von der Höhe des Durchschnittszins-
fusses. Sein Ursprung zeigt sich nur noch darin, dass der fungi-
rende Kapitalist, soweit er Eigenthümer seines Kapitals, nicht
[364] konkurrirt — wenigstens nicht aktiv — bei Bestimmung des Zins-
fusses. Die rein quantitative Theilung des Profits zwischen zwei
Personen, die verschiedne Rechtstitel auf ihn haben, hat sich in
eine qualitative Theilung verwandelt, die aus der Natur des Ka-
pitals und des Profits selbst zu entspringen scheint. Denn wie
man gesehn, sobald ein Theil des Profits allgemein die Form des
Zinses annimmt, verwandelt sich die Differenz zwischen dem Durch-
schnittsprofit und dem Zins, oder der über dem Zins überschüssige
Theil des Profits, in eine zum Zins gegensätzliche Form, in die
des Unternehmergewinns. Diese beiden Formen, Zins und Unter-
nehmergewinn, existiren nur in ihrem Gegensatz. Sie sind also
beide nicht bezogen auf den Mehrwerth, von dem sie nur in ver-
schiednen Kategorien, Rubriken oder Namen fixirte Theile sind,
sondern sie sind auf einander bezogen. Weil der eine Theil des
Profits sich in Zins verwandelt, deshalb erscheint der andre Theil
als Unternehmergewinn.


Unter Profit verstehn wir hier immer den Durchschnittsprofit,
da die Abweichungen, sei es des individuellen Profits, sei es des
Profits in verschiednen Produktionssphären — also die mit dem
Konkurrenzkampf und andren Umständen hin- und herwogenden
Variationen in der Vertheilung des Durchschnittsprofits oder Mehr-
werths — uns hier ganz gleichgültig sind. Es gilt dies über-
haupt für die ganze vorliegende Untersuchung.


Der Zins ist nun der Nettoprofit, wie Ramsay ihn bezeichnet,
den das Kapitaleigenthum als solches abwirft, sei es dem blossen
Verleiher, der ausserhalb des Reproduktionsprocesses stehn bleibt,
sei es dem Eigenthümer, der sein Kapital selbst produktiv ver-
wendet. Aber auch diesem wirft es diesen Nettoprofit ab, nicht
soweit er fungirender Kapitalist, sondern soweit er Geldkapitalist,
Verleiher seines eignen Kapitals, als eines zinstragenden, an sich
selbst als fungirenden Kapitalisten ist. Wie die Verwandlung von
Geld und überhaupt von Werth in Kapital das stete Resultat, ist
sein Dasein als Kapital ebenso sehr die stete Voraussetzung des
kapitalistischen Produktionsprocesses. Durch seine Fähigkeit, sich
in Produktionsmittel zu verwandeln, kommandirt es beständig un-
bezahlte Arbeit, und verwandelt daher den Produktions- und Cir-
kulationsprocess der Waaren in die Produktion von Mehrwerth für
seinen Besitzer. Der Zins ist also nur der Ausdruck davon, dass
Werth überhaupt — die vergegenständlichte Arbeit in ihrer all-
gemein gesellschaftlichen Form — Werth, der im wirklichen Pro-
duktionsprocess die Gestalt der Produktionsmittel annimmt, als
[365] selbständige Macht der lebendigen Arbeitskraft gegenübersteht, und
das Mittel ist sich unbezahlte Arbeit anzueignen; und dass er diese
Macht ist, indem es als fremdes Eigenthum dem Arbeiter gegen-
übersteht. Andrerseits jedoch ist in der Form des Zinses dieser
Gegensatz gegen die Lohnarbeit ausgelöscht; denn das zinstragende
Kapital hat als solches nicht die Lohnarbeit, sondern das fungi-
rende Kapital zu seinem Gegensatz; der verleihende Kapitalist
steht als solcher direkt dem im Reproduktionsprocess wirklich
fungirenden Kapitalisten gegenüber, nicht aber dem Lohnarbeiter,
der gerade auf Grundlage der kapitalistischen Produktion von den
Produktionsmitteln expropriirt ist. Das zinstragende Kapital ist
das Kapital als Eigenthum gegenüber dem Kapital als Funktion.
Aber soweit das Kapital nicht fungirt, exploitirt es nicht die
Arbeiter, und tritt in keinen Gegensatz zur Arbeit.


Andrerseits bildet der Unternehmergewinn keinen Gegensatz zur
Lohnarbeit, sondern nur zum Zins.


Erstens, den Durchschnittsprofit als gegeben vorausgesetzt, ist
die Rate des Unternehmergewinns nicht durch den Arbeitslohn be-
stimmt, sondern durch den Zinsfuss. Sie ist hoch oder niedrig im
umgekehrten Verhältniss zu diesem.72)


Zweitens: der fungirende Kapitalist leitet seinen Anspruch auf
den Unternehmergewinn, also den Unternehmergewinn selbst ab,
nicht von seinem Eigenthum am Kapital, sondern von der Funktion
des Kapitals im Gegensatz zu der Bestimmtheit, worin es nur als
träges Eigenthum existirt. Dies erscheint als unmittelbar vor-
handner Gegensatz, sobald er mit geliehenem Kapital operirt, wo
Zins und Unternehmergewinn daher zwei verschiednen Personen
zufallen. Der Unternehmergewinn entspringt aus der Funktion
des Kapitals im Reproduktionsprocess, also in Folge der Opera-
tionen, der Thätigkeit, wodurch der fungirende Kapitalist diese
Funktionen des industriellen und merkantilen Kapitals vermittelt.
Aber Repräsentant des fungirenden Kapitals sein, ist keine Sinekure,
wie die Repräsentation des zinstragenden Kapitals. Auf Basis der
kapitalistischen Produktion dirigirt der Kapitalist den Produktions-
process wie den Cirkulationsprocess. Die Exploitation der produk-
tiven Arbeit kostet Anstrengung, ob er sie selbst verrichte, oder
in seinem Namen von andern verrichten lasse. Im Gegensatz zum
Zins stellt sich ihm also sein Unternehmergewinn dar als unab-
[366] hängig vom Kapitaleigenthum, vielmehr als Resultat seiner Funk-
tionen als Nichteigenthümer, als — Arbeiter.


Es entwickelt sich daher nothwendig in seinem Hirnkasten die
Vorstellung, dass sein Unternehmergewinn — weit entfernt irgend
einen Gegensatz zur Lohnarbeit zu bilden und nur unbezahlte
fremde Arbeit zu sein — vielmehr selbst Arbeitslohn ist, Auf-
sichtslohn, wages of superintendence of labour, höherer Lohn als
der des gewöhnlichen Lohnarbeiters, 1) weil sie komplicirtere Arbeit,
2) weil er sich selbst den Arbeitslohn auszahlt. Dass seine Funk-
tion als Kapitalist darin besteht, Mehrwerth, d. h. unbezahlte Arbeit
zu produciren, und zwar unter den ökonomischsten Bedingungen,
wird vollständig vergessen über dem Gegensatz, dass der Zins dem
Kapitalisten zufällt, auch wenn er keine Funktion als Kapitalist
ausübt, sondern blosser Eigenthümer des Kapitals ist; und dass
dagegen der Unternehmergewinn dem fungirenden Kapitalisten zu-
fällt, auch wenn er Nichteigenthümer des Kapitals ist, womit er
fungirt. Ueber der gegensätzlichen Form der beiden Theile, worin
der Profit, also der Mehrwerth zerfällt, wird vergessen dass beide
bloss Theile des Mehrwerths sind, und dass seine Theilung nichts
an seiner Natur, seinem Ursprung und seinen Existenzbedingungen
ändern kann.


Im Reproduktionsprocess vertritt der fungirende Kapitalist das
Kapital als fremdes Eigenthum gegenüber den Lohnarbeitern, und
nimmt der Geldkapitalist, als vertreten durch den fungirenden Ka-
pitalisten, an der Exploitation der Arbeit theil. Dass nur als
Repräsentant der Produktionsmittel gegenüber den Arbeitern, der
aktive Kapitalist die Funktion ausüben kann, die Arbeiter für sich
arbeiten, oder die Produktionsmittel als Kapital fungiren zu lassen,
dies wird vergessen über dem Gegensatz von Funktion des Kapitals
im Reproduktionsprocess gegenüber blossem Eigenthum am Kapital
ausserhalb des Reproduktionsprocesses.


In der That ist in der Form, die die beiden Theile des Profits,
d. h. des Mehrwerths, als Zins und Unternehmergewinn annehmen,
kein Verhältniss zur Arbeit ausgedrückt, weil dies Verhältniss nur
existirt zwischen ihr und dem Profit oder vielmehr dem Mehr-
werth als der Summe, dem Ganzen, der Einheit dieser beiden
Theile. Das Verhältniss, worin der Profit getheilt wird, und die
verschiednen Rechtstitel, worunter diese Theilung geschieht, setzen
den Profit als fertig, setzen sein Dasein voraus. Ist daher der
Kapitalist Eigenthümer des Kapitals, womit er fungirt, so steckt
er den ganzen Profit oder Mehrwerth ein; es ist für den Arbeiter
[367] ganz gleichgültig, ob er dies thut oder ob er einen Theil an eine
dritte Person als juristischen Eigenthümer wegzuzahlen hat. Die
Theilungsgründe des Profits unter zwei Sorten Kapitalisten ver-
wandeln sich so unter der Hand in die Existenzgründe des zu
theilenden Profits, des Mehrwerths, den abgesehn vor aller spätern
Theilung das Kapital als solches aus dem Reproduktionsprocess
herauszieht. Daraus, dass der Zins dem Unternehmergewinn, und
der Unternehmergewinn dem Zins, beide einander, aber nicht der
Arbeit gegenüberstehn, folgt — dass Unternehmergewinn plus
Zins, d. h. der Profit, weiter der Mehrwerth, worauf beruhn? Auf
der gegensätzlichen Form seiner beiden Theile! Der Profit wird
aber producirt, ehe diese Theilung mit ihm vorgenommen wird
und ehe von ihr die Rede sein kann.


Das zinstragende Kapital bewährt sich nur als solches, soweit
das verliehene Geld wirklich in Kapital verwandelt und ein Ueber-
schuss producirt wird, wovon der Zins ein Theil. Allein dies hebt
nicht auf, dass ihm, unabhängig vom Produktionsprocess, das Zins-
tragen als Eigenschaft eingewachsen. Die Arbeitskraft bewährt ja
auch nur ihre werthschaffende Kraft, wenn sie im Arbeitsprocess
bethätigt und realisirt wird; aber dies schliesst nicht aus, dass sie
an sich, potentiell, als Vermögen, die werthschaffende Thätigkeit
ist und als solche aus dem Process nicht erst entsteht, sondern
ihm vielmehr vorausgesetzt ist. Als Fähigkeit, Werth zu schaffen,
wird sie gekauft. Es kann einer sie auch kaufen, ohne sie pro-
duktiv arbeiten zu lassen; z. B. zu rein persönlichen Zwecken, Be-
dienung u. s. w. So mit dem Kapital. Es ist Sache des Borgers,
ob er es als Kapital vernutzt, also die ihm inhärente Eigenschaft,
Mehrwerth zu produciren, wirklich in Thätigkeit setzt. Was er
zahlt, ist in beiden Fällen der an sich, der Möglichkeit nach, in
der Waare Kapital eingeschlossne Mehrwerth.


Gehn wir nun näher ein auf den Unternehmergewinn.


Indem das Moment der specifischen gesellschaftlichen Bestimmt-
heit des Kapitals in der kapitalistischen Produktionsweise — das
Kapitaleigenthum, das die Eigenschaft besitzt, Kommando über die
Arbeit anderer zu sein — fixirt wird, und der Zins daher er-
scheint als der Theil des Mehrwerths, den das Kapital in dieser Be-
ziehung erzeugt, erscheint der andre Theil des Mehrwerths—der Unter-
nehmergewinn — nothwendig so, dass er nicht aus dem Kapital als Ka-
pital, sondern aus dem Produktionsprocess stammt, getrennt von seiner
specifischen gesellschaftlichen Bestimmtheit, die ja in dem Ausdruck
[368] Kapitalzins schon ihre besondre Existenzweise erhalten hat. Vom
Kapital getrennt, ist aber der Produktionsprocess Arbeitsprocess über-
haupt. Der industrielle Kapitalist, als unterschieden vom Kapitaleigen-
thümer, erscheint daher nicht als fungirendes Kapital, sondern als
Funktionär auch abgesehn vom Kapital, als einfacher Träger des
Arbeitsprocesses überhaupt, als Arbeiter, und zwar als Lohnarbeiter.


Der Zins an sich drückt gerade das Dasein der Arbeitsbedin-
gungen als Kapital, in ihrem gesellschaftlichen Gegensatz zur
Arbeit, und in ihrer Verwandlung in persönliche Mächte, gegen-
über der Arbeit und über der Arbeit aus. Er stellt das blosse
Kapitaleigenthum dar als Mittel sich Produkte fremder Arbeit an-
zueignen. Aber er stellt diesen Charakter des Kapitals dar als
etwas, das ihm ausserhalb des Produktionsprocesses zukommt, und
das keineswegs das Resultat der specifisch kapitalistischen Be-
stimmtheit dieses Produktionsprocesses selbst ist. Er stellt es dar,
nicht in direktem Gegensatz zur Arbeit, sondern umgekehrt, ohne
Verhältniss zur Arbeit und als blosses Verhältniss eines Kapita-
listen zum andern. Also als eine dem Verhältniss des Kapitals
zur Arbeit selbst äusserliche und gleichgültige Bestimmung. In
dem Zins also, in der besondern Gestalt des Profits, worin sich
der gegensätzliche Charakter des Kapitals einen selbständigen Aus-
druck gibt, gibt er sich ihn so, dass dieser Gegensatz darin völlig ausge-
löscht ist und ganz von ihm abstrahirt wird. Der Zins ist ein Verhält-
niss zwischen zwei Kapitalisten, nicht zwischen Kapitalist und Arbeiter.


Andrerseits gibt diese Form des Zinses dem andern Theil des
Profits die qualitative Form des Unternehmergewinns, weiter des
Aufsichtslohns. Die besondren Funktionen, die der Kapitalist als
solcher zu verrichten hat, und die ihm gerade im Unterschied von,
und Gegensatz zu den Arbeitern zukommen, werden als blosse
Arbeitsfunktionen dargestellt. Er schafft Mehrwerth, nicht weil er
als Kapitalist arbeitet, sondern weil er, abgesehn von seiner
Eigenschaft als Kapitalist, auch arbeitet. Dieser Theil des Mehr-
werths ist also gar nicht mehr Mehrwerth, sondern sein Gegen-
theil, Aequivalent für vollbrachte Arbeit. Da der entfremdete
Charakter des Kapitals, sein Gegensatz zur Arbeit, jenseits des
wirklichen Exploitationsprocesses verlegt wird, nämlich ins zins-
tragende Kapital, so erscheint dieser Exploitationsprocess selbst
als ein blosser Arbeitsprocess, wo der fungirende Kapitalist nur
andre Arbeit verrichtet als der Arbeiter. Sodass die Arbeit des
Exploitirens und die exploitirte Arbeit, beide als Arbeit, identisch
sind. Die Arbeit des Exploitirens ist ebensogut Arbeit, wie die
[369] Arbeit die exploitirt wird. Auf den Zins fällt die gesellschaftliche
Form des Kapitals, aber in einer neutralen und indifferenten Form
ausgedrückt; auf den Unternehmergewinn fällt die ökonomische
Funktion des Kapitals, aber von dem bestimmten, kapitalistischen
Charakter dieser Funktion abstrahirt.


Es geht hier im Bewusstsein des Kapitalisten ganz dasselbe vor,
wie bei den im Abschn. II dieses Buchs angedeuteten Kompen-
sationsgründen in der Ausgleichung zum Durchschnittsprofit. Diese
Kompensationsgründe, die bestimmend in die Vertheilung des Mehr-
werths eingehn, verdrehen sich in der kapitalistischen Vorstellungs-
weise in Entstehungsgründe und (subjektive) Rechtfertigungsgründe
des Profits selbst.


Die Vorstellung des Unternehmergewinns als Aufsichtslohns der
Arbeit, die aus seinem Gegensatz zum Zins entsteht, findet weitern
Halt darin, dass in der That ein Theil des Profits als Arbeitslohn
abgesondert werden kann und sich wirklich absondert, oder viel-
mehr umgekehrt, dass ein Theil des Arbeitslohns, auf Basis der
kapitalistischen Produktionsweise, als integrirender Bestandtheil
des Profits erscheint. Dieser Theil, wie schon A. Smith richtig
herausfand, stellt sich rein dar, selbständig und gänzlich getrennt
einerseits vom Profit (als Summe von Zins und Unternehmergewinn)
andrerseits von dem Theil des Profits, der nach Abzug des Zinses
als sogenannter Unternehmergewinn übrig bleibt, in dem Gehalt
des Dirigenten in solchen Geschäftszweigen, deren Ausdehnung
u. s. w. hinreichende Theilung der Arbeit erlaubt, um besondren
Arbeitslohn für einen Dirigenten zu gestatten.


Die Arbeit der Oberaufsicht und Leitung entspringt nothwendig
überall, wo der unmittelbare Produktionsprocess die Gestalt eines
gesellschaftlich kombinirten Processes hat, und nicht als vereinzelte
Arbeit der selbständigen Producenten auftritt.73) Sie ist aber dop-
pelter Natur.


Einerseits in allen Arbeiten, worin viele Individuen kooperiren,
stellt sich nothwendig der Zusammenhang und die Einheit des
Processes in einem kommandirenden Willen dar, und in Funktionen,
die nicht die Theilarbeiten, sondern die Gesammtthätigkeit der
Werkstatt betreffen, wie bei dem Direktor eines Orchesters. Es
ist dies eine produktive Arbeit, die verrichtet werden muss in jeder
kombinirten Produktionsweise.


Marx, Kapital III. 24
[370]

Andrerseits — ganz abgesehn vom kaufmännischen Departement
— entspringt diese Arbeit der Oberaufsicht nothwendig in allen
Produktionsweisen, die auf dem Gegensatz zwischen dem Arbeiter
als dem unmittelbaren Producenten, und dem Eigenthümer der
Produktionsmittel beruhn. Je grösser dieser Gegensatz, desto
grösser die Rolle, die diese Arbeiter-Oberaufsicht spielt. Sie er-
reicht daher ihr Maximum im Sklavensystem.74) Sie ist aber auch
in der kapitalistischen Produktionsweise unentbehrlich, da hier der
Produktionsprocess zugleich Konsumtionsprocess der Arbeitskraft
durch den Kapitalisten ist. Ganz wie in despotischen Staaten die
Arbeit der Oberaufsicht und allseitigen Einmischung der Regierung
beides einbegreift: sowohl die Verrichtung der gemeinsamen Ge-
schäfte, die aus der Natur aller Gemeinwesen hervorgehn, wie die
specifischen Funktionen, die aus dem Gegensatz der Regierung zu
der Volksmasse entspringen.


Bei den antiken Schriftstellern, die das Sklavensystem vor sich
haben, finden sich in der Theorie, wie es denn in der Praxis der
Fall war, beide Seiten der Aufsichtsarbeit ganz ebenso unzertrenn-
lich zusammen, wie bei den modernen Oekonomen, die die kapi-
talistische Produktionsweise als die absolute Produktionsweise an-
sehn. Andrerseits, wie ich gleich an einem Beispiel zeigen werde,
wissen die Apologeten des modernen Sklavensystems ganz ebenso
die Aufsichtsarbeit als Rechtfertigungsgrund der Sklaverei zu ver-
nutzen, wie die andren Oekonomen als Grund des Lohnarbeits-
systems.


Der villicus zur Zeit Catos: „An der Spitze der Gutssklavenwirth-
schaft (familia rustica) stand der Wirthschafter (villicus von villa),
der einnimmt und ausgibt, kauft und verkauft, die Instruktionen
des Herrn entgegennimmt und in dessen Abwesenheit anordnet und
straft.... Der Wirthschafter stand natürlich freier als die übrigen
Knechte; die Magonischen Bücher rathen, ihm Ehe, Kindererzeu-
gung und eigne Kasse zu gestatten, und Cato, ihn mit der Wirth-
schafterin zu verheirathen; er allein wird auch Aussicht gehabt
haben im Fall des Wohlverhaltens von dem Herrn die Freiheit zu
erlangen. Im Uebrigen bildeten alle einen gemeinschaftlichen
Hausstand.... Ein jeder Sklave, auch der Wirthschafter selbst,
erhielt seine Bedürfnisse auf Rechnung des Herrn in gewissen
[371] Fristen nach festen Sätzen geliefert, womit er dann auszukommen
hatte.... Die Quantität richtete sich nach der Arbeit, weshalb
z. B. der Wirthschafter, der leichtere Arbeit hatte als die Knechte,
knapperes Maß als diese empfing.“ (Mommsen, Römische Geschichte.
Zweite Auflage. 1856, I, p. 808—810.)


Aristoteles: Ὁ γὰϱ δεσπότης οὔϰ ἐν τῷ ϰτᾶσϑαι τοὺς δούλους,
ἄλλ᾽ ἐν τῷ χϱῆσϑαι δούλους.
[Denn der Herr — Kapitalist —
bethätigt sich als solcher nicht im Erwerben der Sklaven — dem
Kapitaleigenthum, das die Macht gibt Arbeit zu kaufen — sondern
im Benutzen der Sklaven — der Verwendung von Arbeitern —
heute Lohnarbeitern im Produktionsprocess]. Ἔστι δὲ αὐτῆ ἡ
ἐπιστήμη οὐδὲν μέγα ἔχουσα οὐδὲ σεμνόν·
[es ist aber mit dieser
Wissenschaft nichts Grosses oder Erhabnes] ἃ γὰϱ τὸν δοῦλον
επίστασϑαι δεῖ ποιεῖν
, ἐϰεῖνον δεῖ ταῦτα επίστασϑαι επιτάττειν.
[Was nämlich der Sklave zu verrichten verstehn muss, das soll
jener verstehn zu befehlen.] Διὸ ὅσοις ἐξουσία μὴ αὐτοὺς ϰαϰο-
παϑεῖν, ἐπίτϱοπος λαμβάνει ταυτὴν τὴν τιμήν, αὐτοὶ δὲ πολιτεύ-
ονται ἢ φιλοσοφοῦσιν.
[Wo die Herren sich selbst damit zu
placken nicht nöthig haben, da übernimmt der Aufseher diese
Ehre
, sie selbst aber treiben Staatsgeschäfte oder philosophiren.
(Arist. Respubl. ed. Bekker lib. I, 7.)


Dass die Herrschaft, wie im politischen, so im ökonomischen
Gebiet, den Gewalthabern die Funktionen des Herrschens auflegt,
d. h. auf ökonomischem Gebiet also, dass sie verstehn müssen, die
Arbeitskraft zu konsumiren — sagt Aristoteles mit dürren Worten
und fügt hinzu, dass kein grosses Wesen mit dieser Aufsichts-
arbeit zu machen sei, weshalb der Herr, sobald er vermögend
genug ist, die „Ehre“ dieser Plackerei einem Aufseher überlässt.


Die Arbeit der Leitung und Oberaufsicht, soweit sie nicht eine
besondre, aus der Natur aller kombinirten gesellschaftlichen Arbeit
hervorgehende Funktion ist, sondern aus dem Gegensatz zwischen
dem Eigenthümer der Produktionsmittel und dem Eigenthümer der
blossen Arbeitskraft entspringt — sei es nun, dass die letztere mit
dem Arbeiter selbst gekauft wird, wie im Sklavensystem, oder
dass der Arbeiter selbst seine Arbeitskraft verkauft und der Pro-
duktionsprocess daher zugleich als der Konsumtionsprocess seiner
Arbeit durch das Kapital erscheint — diese aus der Knechtschaft
des unmittelbaren Producenten entspringende Funktion ist oft genug
zum Rechtfertigungsgrund dieses Verhältnisses selbst gemacht, und
die Exploitation, die Aneignung fremder unbezahlter Arbeit ist
ebenso oft, als der dem Eigenthümer des Kapitals gebührende
24*
[372] Arbeitslohn dargestellt worden. Aber nie besser, als von einem
Vertheidiger der Sklaverei in den Vereinigten Staaten, von einem
Advokaten O’Connor auf einem Meeting zu New-York, 19. Decbr.
1859, unter dem Panier: „Gerechtigkeit für den Süden.“ — „Now,
gentlemen,“ sagte er unter grossem Applaus, „die Natur selbst hat
den Neger zu dieser Knechtschaftslage bestimmt. Er hat die
Stärke und ist kräftig zur Arbeit; aber die Natur, die ihm diese
Stärke gab, verweigerte ihm sowohl den Verstand zum Regieren,
wie den Willen zur Arbeit. (Beifall.) Beide sind ihm verweigert!
Und dieselbe Natur, die ihm den Willen zur Arbeit vorenthielt,
gab ihm einen Herrn, diesen Willen zu erzwingen, und ihn in dem
Klima, wofür er geschaffen, zu einem nützlichen Diener zu machen,
sowohl für sich selbst, wie für den Herrn, der ihn regiert. Ich
behaupte, dass es keine Ungerechtigkeit ist, den Neger in der Lage
zu lassen, worin die Natur ihn gestellt hat; ihm einen Herrn zu
geben, der ihn regiert; und man beraubt ihn keines seiner Rechte,
wenn man ihn zwingt, dafür auch wieder zu arbeiten, und seinem
Herrn eine gerechte Entschädigung zu liefern für die Arbeit und
Talente, die er anwendet, um ihn zu regieren und ihn für sich
selbst und für die Gesellschaft nützlich zu machen.“


Nun muss auch der Lohnarbeiter wie der Sklave einen Herrn
haben, um ihn arbeiten zu machen und ihn zu regieren. Und
dies Herrschafts- und Knechtschaftsverhältniss vorausgesetzt, ist
es in der Ordnung, dass der Lohnarbeiter gezwungen wird, seinen
eignen Arbeitslohn zu produciren und obendrein den Aufsichts-
lohn, eine Kompensation für die Arbeit der Herrschaft und Ober-
aufsicht über ihn, „und seinem Herrn eine gerechte Entschädigung
zu liefern für die Arbeit und Talente, die er anwendet, um ihn zu
regieren und ihn für sich und für die Gesellschaft nützlich zu
machen.“


Die Arbeit der Oberaufsicht und Leitung, soweit sie aus dem
gegensätzlichen Charakter, aus der Herrschaft des Kapitals über
die Arbeit entspringt, und daher allen auf dem Klassengegensatz
beruhenden Produktionsweisen mit der kapitalistischen gemeinsam
ist, ist auch im kapitalistischen System unmittelbar und unzer-
trennbar verquickt mit den produktiven Funktionen, die alle kom-
binirte gesellschaftliche Arbeit einzelnen Individuen als besondre
Arbeit auferlegt. Der Arbeitslohn eines Epitropos oder régisseur,
wie er im feudalen Frankreich hiess, trennt sich vollständig vom
Profit und nimmt auch die Form des Arbeitslohns für geschickte
Arbeit an, sobald das Geschäft auf hinreichend grosser Stufenleiter
[373] betrieben wird, um einen solchen Dirigenten (manager) zu zahlen,
obgleich desswegen unsre industriellen Kapitalisten noch lange
nicht „Staatsgeschäfte treiben oder philosophiren.“


Dass nicht die industriellen Kapitalisten, sondern die industriellen
managers „die Seele unsres Industriesystems“ sind, hat schon Herr
Ure bemerkt.75) Was den merkantilen Theil des Geschäfts angeht,
so ist das Nöthige darüber bereits im vorigen Abschnitt gesagt.


Die kapitalistische Produktion selbst hat es dahin gebracht, dass
die Arbeit der Oberleitung, ganz getrennt vom Kapitaleigenthum,
auf der Strasse herumläuft. Es ist daher nutzlos geworden, dass
diese Arbeit der Oberleitung vom Kapitalisten ausgeübt werde.
Ein Musikdirektor braucht durchaus nicht Eigenthümer der In-
strumente des Orchesters zu sein, noch gehört es zu seiner Funktion
als Dirigent, dass er irgend etwas mit dem „Lohn“ der übrigen
Musikanten zu thun hat. Die Kooperativ-Fabriken liefern den Be-
weis, dass der Kapitalist als Funktionär der Produktion ebenso
überflüssig geworden, wie er selbst, in seiner höchsten Ausbildung,
den Grossgrundbesitzer überflüssig findet. Soweit die Arbeit des
Kapitalisten nicht aus dem Produktionsprocess als bloss kapita-
listischem hervorgeht, also mit dem Kapital von selbst aufhört;
soweit sie sich nicht auf die Funktion beschränkt, fremde Arbeit
zu exploitiren; soweit sie also aus der Form der Arbeit als gesell-
schaftlicher hervorgeht, aus der Kombination und Kooperation
Vieler zu einem gemeinsamen Resultat, ist sie ganz ebenso unab-
hängig vom Kapital, wie diese Form selbst, sobald sie die kapi-
talistische Hülle gesprengt hat. Sagen, dass diese Arbeit, als
kapitalistische Arbeit, als Funktion des Kapitalisten nothwendig
sei, heisst nichts, als dass sich der Vulgus die im Schoss der
kapitalistischen Produktionsweise entwickelten Formen nicht vor-
stellen kann, getrennt und befreit von ihrem gegensätzlichen kapi-
talistischen Charakter. Dem Geldkapitalisten gegenüber ist der
industrielle Kapitalist Arbeiter, aber Arbeiter als Kapitalist, d. h.
als Exploiteur fremder Arbeit. Der Lohn, den er für diese Arbeit
beansprucht und bezieht, ist genau gleich dem angeeigneten
Quantum fremder Arbeit und hängt direkt ab, soweit er sich der
nothwendigen Mühe der Exploitation unterzieht, vom Ausbeutungs-
grad dieser Arbeit, nicht aber vom Grad der Anstrengung, die
[374] diese Exploitation ihm kostet, und die er gegen mäßige Zahlung auf
einen Dirigenten abwälzen kann. Nach jeder Krisis kann man
in den englischen Fabrikbezirken genug Ex-Fabrikanten sehn, die
ihre eignen frühern Fabriken jetzt als Dirigenten der neuen Eigen-
thümer, oft ihrer Gläubiger,76) für einen billigen Lohn beauf-
sichtigen.


Der Verwaltungslohn, sowohl für den merkantilen wie den in-
dustriellen Dirigenten, erscheint vollständig getrennt vom Unter-
nehmergewinn sowohl in den Kooperativfabriken der Arbeiter, wie
in den kapitalistischen Aktienunternehmungen. Die Trennung des
Verwaltungslohns vom Unternehmergewinn, die sonst zufällig er-
scheint, ist hier konstant. Bei der Kooperativfabrik fällt der gegen-
sätzliche Charakter der Aufsichtsarbeit weg, indem der Dirigent
von den Arbeitern bezahlt wird, statt ihnen gegenüber das Kapital
zu vertreten. Die Aktienunternehmungen überhaupt — entwickelt
mit dem Kreditwesen — haben die Tendenz, diese Verwaltungs-
arbeit als Funktion mehr und mehr zu trennen von dem Besitz
des Kapitals, sei es eignes oder geborgtes; ganz wie mit der Ent-
wicklung der bürgerlichen Gesellschaft die richterlichen und Ver-
waltungsfunktionen sich trennen von dem Grundeigenthum, dessen
Attribute sie in der Feudalzeit waren. Indem aber einerseits dem
blossen Eigenthümer des Kapitals, dem Geldkapitalisten der fun-
girende Kapitalist gegenübertritt, und mit der Entwicklung des
Kredits dies Geldkapital selbst einen gesellschaftlichen Charakter
annimmt, in Banken koncentrirt und von diesen, nicht mehr von
seinen unmittelbaren Eigenthümern ausgeliehen wird; indem andrer-
seits aber der blosse Dirigent, der das Kapital unter keinerlei
Titel besitzt, weder leihweise noch sonstwie, alle realen Funktionen
versieht, die dem fungirenden Kapitalisten als solchem zukommen,
bleibt nur der Funktionär und verschwindet der Kapitalist als
überflüssige Person aus dem Produktionsprocess.


Aus den öffentlichen Rechnungsablagen77) der Kooperativfabriken
in England sieht man, dass — nach Abzug des Lohns des Diri-
genten, der einen Theil des ausgelegten variablen Kapitals bildet,
ganz wie der Lohn der übrigen Arbeiter — der Profit grösser
war als der Durchschnittsprofit, obgleich sie stellenweise einen viel
[375] höhern Zins zahlten als die Privatfabrikanten. Die Ursache des
höhern Profits war in allen diesen Fällen grössere Oekonomie in
Anwendung des konstanten Kapitals. Was uns aber dabei inter-
ressirt, ist, dass hier der Durchschnittsprofit (= Zins + Unternehmer-
gewinn) sich faktisch und handgreiflich als eine vom Verwaltungs-
lohn ganz und gar unabhängige Grösse darstellt. Da der Profit
hier grösser als der Durchschnittsprofit, war auch der Unternehmer-
gewinn grösser als sonst.


Dasselbe Faktum zeigt sich in einigen kapitalistischen Aktien-
unternehmungen, z. B. Aktienbanken (Joint Stock Banks). Die
London und Westminster Bank zahlte 1863 30 % jährliche Divi-
dende, die Union Bank of London und andre 15 %. Vom Brutto-
profit geht hier ausser dem Salair der Dirigenten der Zins ab,
der für Depositen gezahlt wird. Der hohe Profit erklärt sich hier
aus der geringen Proportion des eingezahlten Kapitals zu den
Depositen. Z. B. bei der London and Westminster Bank 1863:
Eingezahltes Kapital 1000000 £; Depositen 14540275 £. Bei
der Union Bank of London 1863: Eingezahltes Kapital 600000 £;
Depositen 12384173 £.


Die Verwechslung des Unternehmergewinns mit dem Aufsichts-
oder Verwaltungslohn entstand ursprünglich aus der gegensätzlichen
Form, die der Ueberschuss des Profits über den Zins im Gegen-
gensatz zum Zins annimmt. Sie wurde weiter entwickelt aus der
apologetischen Absicht, den Profit nicht als Mehrwerth, d. h. als
unbezahlte Arbeit, sondern als Arbeitslohn des Kapitalisten selbst
für verrichtete Arbeit darzustellen. Dem stellte sich dann von
Seiten der Socialisten die Forderung gegenüber, den Profit faktisch
auf das zu reduciren, was er theoretisch zu sein vorgab, nämlich
auf blossen Aufsichtslohn. Und diese Forderung trat der theore-
tischen Beschönigung um so unangenehmer entgegen, je mehr dieser
Aufsichtslohn einerseits sein bestimmtes Niveau und seinen be-
stimmten Marktpreis fand, wie aller andre Arbeitslohn, mit der
Bildung einer zahlreichen Klasse industrieller und kommerzieller
Dirigenten78); und je mehr er andrerseits sank, wie aller Lohn für
[376] geschickte Arbeit, mit der allgemeinen Entwicklung, die die Pro-
duktionskosten specifisch geschulter Arbeitskraft herabsetzt.79) Mit
der Entwicklung der Kooperation auf Seiten der Arbeiter, der
Aktienunternehmungen auf Seiten der Bourgeoisie, wurde auch der
letzte Vorwand zur Verwechslung des Unternehmergewinns mit
dem Verwaltungslohn unter den Füssen weggezogen, und erschien
der Profit auch praktisch als was er theoretisch unleugbar war,
als blosser Mehrwerth, Werth für den kein Aequivalent gezahlt
ist, realisirte unbezahlte Arbeit; sodass der fungirende Kapitalist
die Arbeit wirklich exploitirt, und die Frucht seiner Exploitation,
wenn er mit geborgtem Kapital arbeitet, sich theilt in Zins und
in Unternehmergewinn, Ueberschuss des Profits über den Zins.


Auf Basis der kapitalistischen Produktion entwickelt sich bei
Aktienunternehmungen ein neuer Schwindel mit dem Verwaltungs-
lohn, indem neben und über dem wirklichen Dirigenten eine An-
zahl Verwaltungs- und Aufsichtsräthe auftritt, bei denen in der
That Verwaltung und Aufsicht blosser Vorwand zur Plünderung
der Aktionäre und zur Selbstbereicherung wird. Hierüber findet
man sehr artige Details in: The City or the Physiology of London
Business; with Sketches on ’Change, and the Coffee Houses. London
1845. „Was Bankiers und Kaufleute gewinnen dadurch, dass sie
an der Direktion von acht oder neun verschiednen Kompagnien
betheiligt sind, mag man aus folgendem Beispiel ersehn: die Privat-
bilanz des Herrn Timothy Abraham Curtis, eingereicht beim Ban-
krottgericht bei seiner Fallite, zeigte ein Einkommen von 8—900 £
jährlich unter dem Posten: Direktorschaften. Da Herr Curtis
Direktor der Bank von England und der Ostindischen Kompagnie
gewesen, schätzte jede Aktiengesellschaft sich glücklich ihn zum
Direktor gewinnen zu können.“ p. 82. — Die Remuneration der
Direktoren solcher Gesellschaften für jede wöchentliche Sitzung ist
mindestens eine Guinee (21 Mark). Die Verhandlungen vor dem
Bankrottgericht zeigen, dass dieser Aufsichtslohn in der Regel im
umgekehrten Verhältniss steht zu der von diesen nominellen Direk-
toren wirklich ausgeübten Aufsicht.


[377]

Vierundzwanzigstes Kapitel.
Veräusserlichung des Kapitalverhältnisses in der Form des
zinstragenden Kapitals.


Im zinstragenden Kapital erreicht das Kapitalverhältniss seine
äusserlichste und fetischartigste Form. Wir haben hier G—G',
Geld das mehr Geld erzeugt, sich selbst verwerthenden Werth, ohne
den Process, der die beiden Extreme vermittelt. Im Kaufmanns-
kapital, G—W—G', ist wenigstens die allgemeine Form der
kapitalistischen Bewegung vorhanden, obgleich sie sich nur in der
Cirkulationssphäre hält, der Profit daher als blosser Veräusserungs-
profit erscheint; aber immerhin stellt er sich dar als ein Produkt
eines gesellschaftlichen Verhältnisses, nicht als Produkt eines
blossen Dings. Die Form des Kaufmannskapitals stellt immer
noch einen Process dar, die Einheit entgegengesetzter Phasen, eine
Bewegung, die in zwei entgegengesetzte Vorgänge zerfällt, in Kauf
und Verkauf von Waaren. Dies ist ausgelöscht in G—G', der
Form des zinstragenden Kapitals. Wenn z. B. 1000 £ vom Ka-
pitalisten ausgeliehen werden, und der Zinsfuss ist 5 %, so ist der
Werth von 1000 £ als Kapital für 1 Jahr = C + Cz', wo C das
Kapital, und z' der Zinsfuss, also hier 5 % = \frac{5}{100} = \frac{1}{20}, 1000 +
1000 × \frac{1}{20} = 1050 £. Der Werth von 1000 £ als Kapital ist =
1050 £, d. h. das Kapital ist keine einfache Grösse. Es ist Grössen-
verhältniss, Verhältniss als Hauptsumme, als gegebner Werth,
zu sich selbst als sich verwerthendem Werth, als Hauptsumme,
die einen Mehrwerth producirt hat. Und wie man gesehn, stellt
sich das Kapital als solches dar, als dieser unmittelbar sich ver-
werthende Werth, für alle aktiven Kapitalisten, ob sie mit eignem
oder geborgtem Kapital fungiren.


G—G': Wir haben hier den ursprünglichen Ausgangspunkt des
Kapitals, das Geld in der Formel G—W—G' reducirt auf die
beiden Extreme G—G', wo G' = G + ΔG, Geld das mehr Geld
schafft. Es ist die ursprüngliche und allgemeine Formel des Ka-
pitals, auf ein sinnloses Resumé zusammengezogen. Es ist das
fertige Kapital, Einheit von Produktionsprocess und Cirkulations-
process, und daher in bestimmter Zeitperiode bestimmten Mehr-
werth abwerfend. In der Form des zinstragenden Kapitals er-
scheint dies unmittelbar, unvermittelt durch Produktionsprocess
und Cirkulationsprocess. Das Kapital erscheint als mysteriöse und
selbstschöpferische Quelle des Zinses, seiner eignen Vermehrung.
[378] Das Ding (Geld, Waare, Werth) ist nun als blosses Ding schon
Kapital, und das Kapital erscheint als blosses Ding; das Resultat
des gesammten Reproduktionsprocesses erscheint als eine, einem
Ding von selbst zukommende Eigenschaft; es hängt ab von dem
Besitzer des Geldes, d. h. der Waare in ihrer stets austauschbaren
Form, ob er es als Geld verausgaben oder als Kapital vermiethen
will. Im zinstragenden Kapital ist daher dieser automatische Fetisch
rein herausgearbeitet, der sich selbst verwerthende Werth, Geld
heckendes Geld, und trägt es in dieser Form keine Narben seiner
Entstehung mehr. Das gesellschaftliche Verhältniss ist vollendet
als Verhältniss eines Dings, des Geldes, zu sich selbst. Statt der
wirklichen Verwandlung von Geld in Kapital zeigt sich hier nur
ihre inhaltlose Form. Wie bei der Arbeitskraft, wird der Ge-
brauchswerth des Geldes hier der, Werth zu schaffen, grössren
Werth als der in ihm selbst enthalten ist. Das Geld als solches
ist bereits potentiell sich verwerthender Werth, und wird als
solcher verliehen, was die Form des Verkaufens für diese eigen-
thümliche Waare ist. Es wird ganz so Eigenschaft des Geldes,
Werth zu schaffen, Zins abzuwerfen, wie die eines Birnbaums
Birnen zu tragen. Und als solches zinstragendes Ding verkauft
der Geldverleiher sein Geld. Damit nicht genug. Das wirklich
fungirende Kapital, wie gesehn, stellt sich selbst so dar, dass es
den Zins, nicht als fungirendes Kapital, sondern als Kapital an sich,
als Geldkapital abwirft.


Es verdreht sich auch dies: Während der Zins nur ein Theil
des Profits ist, d. h. des Mehrwerths, den der fungirende Kapitalist
dem Arbeiter auspresst, erscheint jetzt umgekehrt der Zins als die
eigentliche Frucht des Kapitals, als das Ursprüngliche, und der
Profit, nun in die Form des Unternehmergewinns verwandelt, als
blosses im Reproduktionsprocess hinzukommendes Accessorium und
Zuthat. Hier ist die Fetischgestalt des Kapitals und die Vor-
stellung vom Kapitalfetisch fertig. In G—G' haben wir die be-
griffslose Form des Kapitals, die Verkehrung und Versachlichung
der Produktionsverhältnisse in der höchsten Potenz: Zinstragende
Gestalt, die einfache Gestalt des Kapitals, worin es seinem eignen
Reproduktionsprocess vorausgesetzt ist; Fähigkeit des Geldes, resp.
der Waare, ihren eignen Werth zu verwerthen, unabhängig von
der Reproduktion — die Kapitalmystifikation in der grellsten Form.


Für die Vulgärökonomie, die das Kapital als selbständige Quelle
des Werths, der Werthschöpfung, darstellen will, ist natürlich
diese Form ein gefundnes Fressen, eine Form, worin die Quelle
[379] des Profits nicht mehr erkenntlich, und worin das Resultat des
kapitalistischen Produktionsprocesses — getrennt vom Process
selbst — ein selbständiges Dasein erhält.


Erst im Geldkapital ist das Kapital zur Waare geworden, deren
sich selbst verwerthende Qualität einen fixen Preis hat, der im
jedesmaligen Zinsfuss notirt ist.


Als zinstragendes Kapital, und zwar in seiner unmittelbaren
Form als zinstragendes Geldkapital (die andren Formen des zins-
tragenden Kapitals, die uns hier nichts angehn, sind wieder von
dieser Form abgeleitet und unterstellen sie) erhält das Kapital
seine reine Fetischform, G—G' als Subjekt, verkaufbares Ding.
Erstens durch sein fortwährendes Dasein als Geld, eine Form,
worin alle Bestimmtheiten desselben ausgelöscht und seine realen
Elemente unsichtbar sind. Geld ist ja grade die Form, worin
der Unterschied der Waaren als Gebrauchswerthe ausgelöscht ist,
daher auch der Unterschied der industriellen Kapitale, die aus
diesen Waaren und ihren Produktionsbedingungen bestehn; es ist
die Form, worin Werth — und hier Kapital — als selbständiger
Tauschwerth existirt. Im Reproduktionsprocess des Kapitals ist
die Geldform eine verschwindende, ein blosses Durchgangsmoment.
Auf dem Geldmarkt dagegen existirt das Kapital stets in dieser
Form. — Zweitens, der von ihm erzeugte Mehrwerth, hier wieder
in der Form des Geldes, erscheint ihm als solchem zukommend.
Wie das Wachsen den Bäumen, so scheint das Geldzeugen (τόϰος)
dem Kapital in dieser Form als Geldkapital eigen.


Im zinstragenden Kapital ist die Bewegung des Kapitals ins
Kurze zusammengezogen; der vermittelnde Process ist weggelassen,
und so ist ein Kapital = 1000 fixirt als ein Ding, das an sich =
1100 ist, und in einer gewissen Periode sich in 1100 verwandelt,
wie der Wein im Keller nach einer gewissen Zeit auch seinen
Gebrauchswerth verbessert. Das Kapital ist jetzt Ding, aber als
Ding Kapital. Das Geld hat jetzt Lieb im Leibe. Sobald es ver-
liehen ist, oder auch im Reproduktionsprocess angelegt (insofern
es dem fungirenden Kapitalisten als seinem Eigenthümer Zins
abwirft, getrennt vom Unternehmergewinn) wächst ihm der Zins an, es
mag schlafen oder wachen, sich zu Haus oder auf Reisen befinden,
bei Tag und bei Nacht. So ist im zinstragenden Geldkapital (und
alles Kapital ist seinem Werthausdruck nach Geldkapital, oder gilt
jetzt als der Ausdruck des Geldkapitals) der fromme Wunsch des
Schatzbildners realisirt.


Es ist dies Eingewachsensein des Zinses in das Geldkapital als
[380] in ein Ding (wie hier die Produktion des Mehrwerths durch das
Kapital erscheint), was Luther in seiner naiven Polterei gegen den
Wucher so sehr beschäftigt.. Nachdem er entwickelt, dass Zins
verlangt werden könne, wenn aus der nicht erfolgten Rückzahlung
am bestimmten Termin dem Verleiher, der seinerseits zu zahlen
hat, Unkosten erwachsen, oder wenn ihm ein Profit, den er durch
Kaufen, z. B. eines Gartens, habe machen können, aus diesem
Grunde verloren geht, fährt er fort: „Nu ich dir sie (100 Gülden)
geliehen habe, machest mir einen Zwilling aus dem Schadewacht,
dass hie nicht bezalen, und dort nicht kaufen kann, und also zu
beiden Teilen muss Schaden leiden, dass heisst man duplex inter-
esse, damni emergentis et lucri cessantis.... nachdem sie gehöret,
dass Hans mit seinen verliehnen Hundert Gülden hat Schaden ge-
litten und billige Erstattung seines Schadens fordert, faren sie
plumps einhin, und schlahen auf ein jeglich Hundert Gülden, solche
zween Schadewacht, nämlich, des Bezalens Unkost, und des ver-
säumeten Gartens Kauf, gerade als weren den Hundert Gülden
natürlich solche zween Schadewacht angewachsen, dass,
wo Hundert Gülden vorhanden sind, die thun sie aus, und rechnen
darauf solche zween Schaden, die sie doch nicht erlitten haben.
.... Darum bist du ein Wucherer, der du selber deinen ertichten
Schaden von deines Nähesten Gelde büssest, den dir doch Nie-
mand getan hat, und kannst ihn auch nicht beweisen, noch be-
rechnen. Solchen Schaden heissen die Juristen, non verum sed
phantasticum interesse. Ein Schaden, den ein jeglicher ihm selber
ertreumet.... es gilt nicht also sagen, Es künnten die Schaden
geschehn, dass ich nicht habe können bezalen noch kaufen. Sonst
heisst’s, Ex contingente necessarium, aus dem das nicht ist machen
das, das sein müsse, aus dem das ungewiss ist, eitel gewiss Ding
machen. Solt’ solcher Wucher nicht die Welt auffressen in kurzen
Jaren.... es ist zufällig Unglück, das dem Leiher widerfaret, ohne
seinen Willen, dass er sich erholen muss, aber in den Handeln
ist’s umgekehrt und gar das Widerspiel, da suchet und ertichtet
man Schaden, auf den benetigten Nehesten, will damit sich meren
und reich werden, faul und müssig, prassen und prangen von ander
Leut Arbeit, sonder Sorge, Fahr und Schaden; dass ich sitze hinter
dem Ofen und lasse meine Hundert Gülden für mich auf dem
Lande werben, und doch weil es geliehen Geld ist, gewiss im
Beutel behalte, ohne all Fahr und Sorge, Lieber, wer möchte das
nicht?“ (M. Luther, An die Pfarherrn wider den Wucher zu
predigen etc. Wittenberg 1540.)


[381]

Die Vorstellung vom Kapital als sich selbst reproducirendem und
in der Reproduktion vermehrendem Werth, kraft seiner eingebornen
Eigenschaft als ewig währender und wachsender Werth — also
kraft der verborgnen Qualität der Scholastiker — hat zu den fabel-
haften Einfällen des Dr. Price geleitet, die bei weitem die Phan-
tasien der Alchymisten hinter sich lassen; Einfällen, an die Pitt
ernsthaft glaubte und die er in seinen Gesetzen über den sinking
fund zu Säulen seiner Finanzwirthschaft machte.


„Geld das Zinseszinsen trägt, wächst anfangs langsam; da aber
die Rate des Wachsthums sich fortwährend beschleunigt, wird sie
nach einiger Zeit so rasch, dass sie jeder Einbildung spottet. Ein
Penny, ausgeliehen bei der Geburt unsers Erlösers auf Zinseszinsen
zu 5 %, würde schon jetzt zu einer grössren Summe herangewachsen
sein, als enthalten wäre in 150 Millionen Erden, alle von ge-
diegnem Gold. Aber ausgelegt auf einfache Zinsen, würde er in
derselben Zeit nur angewachsen sein auf 7 sh. 4½ d. Bis jetzt
hat unsre Regierung vorgezogen, ihre Finanzen auf diesem letzteren,
statt auf dem ersteren Weg zu verbessern.“80)


Noch höher fliegt er in seinen Observations on reversionary
payments etc. London 1782: „1 sh. ausgelegt bei der Geburt
unsers Erlösers“ [also wohl im Tempel von Jerusalem] „zu 6 %
Zinseszinsen würde angewachsen sein zu einer grössern Summe
als das ganze Sonnensystem einbegreifen könnte, wenn in eine
[382] Kugel verwandelt von einem Durchmesser gleich dem der Bahn
des Saturn.“ — „Ein Staat braucht desswegen sich nie in Schwierig-
keiten zu befinden; denn mit den kleinsten Ersparnissen kann er
die grösste Schuld abzahlen in einer so kurzen Zeit wie sein In-
teresse erfordern mag.“ (p. 136.) Welche hübsche theoretische Ein-
leitung zur englischen Staatsschuld!


Price wurde einfach geblendet durch die Ungeheuerlichkeit der
Zahl, die aus geometrischer Progression entsteht. Da er das Ka-
pital, ohne Rücksicht auf die Bedingungen der Reproduktion und
der Arbeit, als selbstthätigen Automaten betrachtete, als eine blosse
sich selbst vermehrende Zahl (ganz wie Malthus den Menschen in
seiner geometrischen Progression) konnte er wähnen, das Gesetz
seines Wachsthums gefunden zu haben in der Formel s = c(1 + z)n
wo s = Summe von Kapital + Zinseszins, c = dem vorgeschossnen
Kapital, z = dem Zinsfuss (in aliquoten Theilen von 100 ausge-
drückt) und n die Reihe der Jahre worin der Process vorgeht.


Pitt nimmt die Mystifikation des Dr. Price ganz ernst. 1786
hatte das Haus der Gemeinen beschlossen, es solle 1 Million £
erhoben werden für den öffentlichen Nutzen. Nach Price, an den
Pitt glaubte, war natürlich nichts besser als das Volk besteuern,
um die so erhobne Summe zu „[akkumuliren]“, und so die Staats-
schuld durch das Mysterium des Zinseszinses wegzuhexen. „Jener
Resolution des Hauses der Gemeinen folgte bald ein von Pitt ver-
anlasstes Gesetz, das die Akkumulation von 250000 £ anordnete,
bis dass, mit den verfallnen Leibrenten, der Fonds auf 4000000 £
jährlich angewachsen sei.“ (Act 26, Georg III. Kap. 22.) In seiner
Rede von 1792, worin Pitt die dem Tilgungsfonds gewidmete
Summe zu vermehren vorschlug, führte er an unter den Ursachen
des kommerziellen Uebergewichts Englands: Maschinen, Kredit etc.,
aber als „die ausgedehnteste und dauerhafteste Ursache die Akku-
mulation. Dies Princip sei nun vollständig entwickelt und hin-
reichend erklärt in dem Werk Smith’s, dieses Genies … diese
Akkumulation der Kapitale bewirke sich, indem man mindestens
einen Theil des jährlichen Profits zurücklege um die Hauptsumme
zu vermehren, die in derselben Weise im nächsten Jahr zu ver-
wenden sei, und so einen kontinuirlichen Profit gebe.“ Vermittelst
des Dr. Price verwandelt Pitt so Smiths Akkumulationstheorie in
die Bereicherung eines Volks durch Akkumulation von Schulden,
und kommt in den angenehmen Progress ins Unendliche der An-
leihen, Anleihen um Anleihen zu zahlen.


Wir finden schon bei Josias Child, dem Vater des modernen
[383] Bankierthums, dass 100 £ zu 10 % in 70 Jahren, bei Zins von
Zins, 102400 £ produciren würden.“ (Traité sur le commerce etc.
par J. Child, traduit etc. Amsterdam et Berlin, 1754, p. 115. Ge-
schrieben 1669.)


Wie die Anschauung des Dr. Price bei der modernen Oekonomie
gedankenlos unterläuft, zeigt der Economist in folgender Stelle:
„Capital, with compound interest on every portion of capital saved,
is so all-engrossing that all the wealth in the world from which
income is derived, has long ago become the interest of capital …
all rent is now the payment of interest on capital previously in-
vested in the land.“ (Economist, 19. July 1859.) In seiner Eigen-
schaft als zinstragendes Kapital gehört dem Kapital aller Reich-
thum, der überhaupt je producirt werden kann, und alles was es
bisher erhalten hat, ist nur Abschlagszahlung an seinen all-engros-
sing Appetit. Nach seinen eingebornen Gesetzen gehört ihm alle
Surplusarbeit, die das Menschengeschlecht je liefern kann. Moloch.


Schliesslich noch folgender Galimathias des „romantischen“
Müller: „Des Dr. Price ungeheurer Anwachs des Zinseszinses, oder
der sich selbst beschleunigenden Kräfte der Menschen, setzt, wenn
er diese ungeheuren Wirkungen hervorbringen soll, eine ungetheilte
oder ungebrochne gleichförmige Ordnung durch mehrere Jahr-
hunderte voraus. Sobald das Kapital zertheilt, in mehrere einzelne,
in sich fortwachsende Ableger zerschnitten wird, fängt der ge-
sammte Process der Akkumulation von Kräften von neuem an.
Die Natur hat die Progression der Kraft auf eine Laufbahn von
etwa 20 bis 25 Jahren, die im Durchschnitt etwa jedem einzelnen
Arbeiter(!) zu Theil werden, vertheilt. Nach Ablauf dieser Zeit
verlässt der Arbeiter seine Laufbahn, und muss er nun das durch
den Zinseszins der Arbeit gewonnene Kapital einem neuen Arbeiter
übertragen, meistentheils es unter mehrere Arbeiter oder Kinder
vertheilen. Diese müssen das ihnen zufallende Kapital, ehe sie
eigentlichen Zinseszins davon ziehn können, erst beleben und an-
wenden lernen. Ferner wird eine ungeheure Menge des Kapitals,
das die bürgerliche Gesellschaft gewinnt, auch selbst in den be-
wegtesten Gemeinwesen, lange Jahre hindurch allmälig aufgehäuft
und nicht zur unmittelbaren Erweiterung der Arbeit verwendet,
vielmehr sobald eine namhafte Summe zusammengebracht ist, einem
andern Individuum, einem Arbeiter, einer Bank, Staat, unter der
Benennung Anleihe übertragen, wo dann der Empfänger, indem er
das Kapital in wirkliche Bewegung setzt, aus demselben Zinses-
zins zieht, und sich leicht anheischig machen kann, dem Darbringer
[384] einfache Zinsen zu bezahlen. Endlich reagirt gegen jene unge-
heuren Progressionen, in der sich die Kräfte der Menschen und
ihr Produkt vermehren möchten, wenn das Gesetz der Produktion
oder der Sparsamkeit allein gelten sollen, das Gesetz des Ver-
zehrens, Begehren, Verschwendung.“ (A.Müller, l.c., II., p.147—149.)


Es ist unmöglich, in wenigen Zeilen mehr haarsträubenden Un-
sinn zusammen zu faseln. Nicht zu erwähnen der drolligen Ver-
wechslung von Arbeiter und Kapitalist, von Werth der Arbeits-
kraft und Zins von Kapital u. s. w., soll die Abnahme des Zinses-
zinses u. A. daraus erklärt werden, dass Kapital ausgeliehen wird,
wo es dann Zinseszins bringt. Das Verfahren unsers Müller ist
für die Romantik in allen Fächern charakteristisch. Ihr Inhalt
besteht aus Alltagsvorurtheilen, abgeschöpft von dem oberfläch-
lichsten Schein der Dinge. Dieser falsche und triviale Inhalt soll
dann durch eine mystificirende Ausdrucksweise „erhöht“ und
poetisirt werden.


Der Akkumulationsprocess des Kapitals kann in sofern als Akku-
mulation von Zinseszins aufgefasst werden, als der Theil des Profits
(Mehrwerths) der in Kapital rückverwandelt wird, d. h. zur Auf-
saugung von neuer Mehrarbeit dient, Zins genannt werden kann.
Aber:


1) von allen zufälligen Störungen abgesehn, wird im Lauf des
Reproduktionsprocesses beständig ein grosser Theil des vorhandnen
Kapitals mehr oder weniger entwerthet, weil der Werth der Waaren
bestimmt ist nicht durch die Arbeitszeit, die ihre Produktion ur-
sprünglich kostet, sondern durch die Arbeitszeit, die ihre Repro-
duktion kostet, und diese in Folge der Entwicklung der gesell-
schaftlichen Produktivkraft der Arbeit fortwährend abnimmt. Auf
einer höhern Entwicklungsstufe der gesellschaftlichen Produktivität
erscheint daher alles vorhandne Kapital, statt als das Resultat eines
langen Processes der Kapitalaufsparung, als das Resultat einer ver-
hältnissmäßig sehr kurzen Reproduktionszeit.81)


2) Wie im Abschnitt III dieses Buchs bewiesen, nimmt die Profitrate
ab im Verhältniss zur steigenden Akkumulation des Kapitals und
der ihr entsprechenden steigenden Produktivkraft der gesellschaft-
lichen Arbeit, die sich gerade in der wachsenden relativen Abnahme des
variablen Kapitaltheils, gegenüber dem konstanten, ausdrückt. Um
dieselbe Profitrate hervorzubringen, wenn das von einem Arbeiter
in Bewegung gesetzte konstante Kapital sich verzehnfacht, müsste
[385] die Mehrarbeitszeit sich verzehnfachen, und bald würde die ganze
Arbeitszeit, ja die 24 Stunden des Tages dazu nicht hinreichen,
selbst wenn ganz vom Kapital angeeignet. Die Vorstellung, dass
die Profitrate sich nicht verringert, liegt aber der Price’schen Pro-
gression zu Grunde und überhaupt dem „all engrossing capital,
with compound interest.“82)


Durch die Identität des Mehrwerths mit der Mehrarbeit ist eine
qualitative Grenze für die Akkumulation des Kapitals gesetzt: der
Gesammtarbeitstag, die jedesmal vorhandne Entwicklung der
Produktivkräfte und der Bevölkerung, welche die Anzahl der gleich-
zeitig exploitirbaren Arbeitstage begrenzt. Wird dagegen der Mehr-
werth in der begriffslosen Form des Zinses gefasst, so ist die
Grenze nur quantitativ und spottet jeder Phantasie.


In dem zinstragenden Kapital ist aber die Vorstellung vom
Kapitalfetisch vollendet, die Vorstellung, die dem aufgehäuften
Arbeitsprodukt, und noch dazu fixirt als Geld, die Kraft zuschreibt,
durch eine eingeborne geheime Qualität, als reiner Automat, in
geometrischer Progression Mehrwerth zu erzeugen, sodass dies auf-
gehäufte Arbeitsprodukt, wie der Economist meint, allen Reich-
thum der Welt für alle Zeiten als ihm von rechtswegen gehörig
und zufallend schon längst diskontirt hat. Das Produkt vergangner
Arbeit, die vergangne Arbeit selbst, ist hier an und für sich ge-
schwängert mit einem Stück gegenwärtiger oder zukünftiger leben-
diger Mehrarbeit. Man weiss dagegen, dass in der That die Er-
haltung, und insoweit auch die Reproduktion des Werths der
Produkte vergangner Arbeit nur das Resultat ihres Kontakts mit
der lebendigen Arbeit ist; und zweitens: dass das Kommando der
Produkte vergangner Arbeit über lebendige Mehrarbeit grade nur
solange dauert, wie das Kapitalverhältniss dauert; das bestimmte
sociale Verhältniss, worin die vergangne Arbeit selbständig und
übermächtig der lebendigen gegenübertritt.


Marx, Kapital III. 25
[386]

Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Kredit und fiktives Kapital.


Die eingehende Analyse des Kreditwesens und der Instrumente,
die es sich schafft (Kreditgeld u. s. w.), liegt ausserhalb unsers
Planes. Es sind hier nur einige wenige Punkte hervorzuheben,
nothwendig zur Charakteristik der kapitalistischen Produktions-
weise überhaupt. Wir haben es dabei nur mit dem kommerziellen
und Bankier-Kredit zu thun. Der Zusammenhang zwischen dessen
Entwicklung und der des öffentlichen Kredits bleibt ausser Betracht.


Ich habe früher (Buch I, Kap. III, 3, b) gezeigt, wie sich aus
der einfachen Waarencirkulation die Funktion des Geldes als
Zahlungsmittel und damit ein Verhältniss von Gläubiger und
Schuldner unter den Waarenproducenten und Waarenhändlern bildet.
Mit der Entwicklung des Handels und der kapitalistischen Pro-
duktionsweise, die nur mit Rücksicht auf die Cirkulation produ-
cirt, wird diese naturwüchsige Grundlage des Kreditsystems er-
weitert, verallgemeinert, ausgearbeitet. Im Grossen und Ganzen
fungirt das Geld hier nur als Zahlungsmittel, d. h. die Waare wird
verkauft nicht gegen Geld, sondern gegen ein schriftliches Ver-
sprechen der Zahlung an einem bestimmten Termin. Diese Zah-
lungsversprechen können wir der Kürze halber sämmtlich unter
der allgemeinen Kategorie von Wechseln zusammenfassen. Bis zu
ihrem Verfall- und Zahlungstage cirkuliren solche Wechsel selbst
wieder als Zahlungsmittel; und sie bilden das eigentliche Handels-
geld. Soweit sie schliesslich durch Ausgleichung von Forde-
rung und Schuld sich aufheben, fungiren sie absolut als Geld,
indem dann keine schliessliche Verwandlung in Geld stattfindet.
Wie diese wechselseitigen Vorschüsse der Producenten und Kauf-
leute unter einander die eigentliche Grundlage des Kredits bilden,
so bildet deren Cirkulationsinstrument, der Wechsel, die Basis
des eigentlichen Kreditgelds, der Banknoten u. s. w. Diese be-
ruhen nicht auf der Geldcirkulation, sei es von metallischem Geld
oder von Staatspapiergeld, sondern auf der Wechselcirkulation.


W. Leatham (Bankier in Yorkshire) Letters on the Currency, 2nd edit.
London 1840: „Ich finde, dass der Gesammtbetrag der Wechsel für das ganze
Jahr 1839 war 528493842 £“ [er nimmt die ausländischen Wechsel auf un-
gefähr ⅕ des Ganzen an] „und der Betrag der im selben Jahr gleichzeitig
laufenden Wechsel 132123460 £“ (p. 56) „Die Wechsel sind ein Bestand-
theil der Cirkulation von grösserm Betrag als alles übrige zusammengenommen.“
(p. 3.) — „Dieser enorme Ueberbau von Wechseln ruht (!) auf der Grundlage
gebildet durch den Betrag der Banknoten und des Goldes; und wenn im
Lauf der Ereignisse diese Grundlage sich zu sehr verengert, geräth ihre
Solidität und selbst ihre Existenz in Gefahr.“ (p. 8.) — „Schätzt man die
[387] ganze Cirkulation“ [er meint die Banknoten] „und den Betrag der Ver-
pflichtungen sämmtlicher Banken, wofür sofortige Baarzahlung verlangt
werden kann, so finde ich eine Summe von 153 Millionen, deren Verwand-
lung in Gold nach dem Gesetz verlangt werden kann, und dagegen 14 Mil-
lionen in Gold um diese Forderung zu befriedigen.“ (p. 11.) — „Die Wechsel
können nicht unter Kontrolle gestellt werden, es sei denn, dass man den
Geldüberfluss und den niedrigen Zinsfuss oder Diskonto verhindert, der einen
Theil davon erzeugt und diese grosse und gefährliche Expansion ermuntert.
Es ist unmöglich zu entscheiden, wieviel davon von wirklichen Geschäften
herrührt, z. B. von wirklichen Käufen und Verkäufen, und welcher Theil
künstlich gemacht (fictitious) ist, und nur aus Reitwechseln besteht, d. h.
wo ein Wechsel gezogen wird um einen laufenden vor Verfall aufzunehmen,
und so durch Herstellung blosser Umlaufsmittel fingirtes Kapital zu kreiren.
In Zeiten überflüssigen und wohlfeilen Geldes weiss ich, dass dies bis zu
einem enormen Grade geschieht.“ (p. 43,44.) — J. W. Bosanquet, Metallic,
Paper, and Credit Currency, London 1842: Der Durchschnittsbetrag der an
jedem Geschäftstag im Clearing House [wo die Londoner Bankiers gegen-
seitig die eingezahlten Cheques und fälligen Wechsel austauschen] erledigten
Zahlungen ist über 3 Millionen £, und der zu diesem Zweck nöthige tägliche
Geldvorrath ist wenig mehr als 200000 £ (p. 86). [Im Jahr 1889 betrug der
Gesammtumschlag des Clearing House 7618¾ Millionen £ oder bei rund 300
Geschäftstagen durchschnittlich 25½ Millionen täglich. — F. E.] „Wechsel
sind unstreitig Cirkulationsmittel (currency), unabhängig von Geld, soweit
sie Eigenthum übertragen von Hand zu Hand vermittelst Endossement.“
(p. 92.) „Im Durchschnitt ist anzunehmen, dass jeder cirkulirende Wechsel
zwei Endossements trägt, und dass im Durchschnitt jeder Wechsel also zwei
Zahlungen erledigt, ehe er verfällt. Hiernach scheint es, dass allein durch
Endossement die Wechsel eine Eigenthumsübertragung vermittelten zum Werth
von zweimal 528 Millionen oder 1056 Millionen £, mehr als 3 Millionen
täglich, im Lauf des Jahres 1839. Es ist daher sicher, dass Wechsel und
Depositen zusammen durch Eigenthumsübertragung von Hand zu Hand und
ohne Beihülfe von Geld, Geldfunktionen verrichten zu einem täglichen Be-
lauf von mindestens 18 Millionen £“ (p. 93.)


Tooke sagt folgendes über Kredit im allgemeinen: „Der Kredit, in seinem
einfachsten Ausdruck, ist das wohl oder übel begründete Vertrauen, das
jemanden veranlasst einem andern einen gewissen Kapitalbelauf anzuver-
trauen, in Geld oder in, auf einen bestimmten Geldwerth abgeschätzten,
Waaren, welcher Betrag stets nach Ablauf einer bestimmten Frist zahlbar
ist. Wo das Kapital in Geld verliehen wird, d. h. in Banknoten, oder in
einem Baarkredit, oder in einer Anweisung auf einen Korrespondenten, wird
ein Zuschlag von so und soviel Procent auf den rückzuzahlenden Betrag für
den Gebrauch des Kapitals gemacht. Bei Waaren, deren Geldwerth zwischen
den Betheiligten festgestellt ist, und deren Uebertragung einen Verkauf aus-
macht, schliesst die festgestellte Summe, die gezahlt werden soll, eine Ent-
schädigung ein für den Gebrauch des Kapitals und für das bis zur Verfall-
zeit übernommene Risiko. Schriftliche Zahlungsverpflichtungen auf bestimmte
Verfalltage werden meist für solche Kredite gegeben. Und diese übertragbaren
Verpflichtungen oder Promessen bilden das Mittel, womit die Verleiher, wenn sie
Gelegenheit für den Gebrauch ihres Kapitals finden, sei es in Form von
Geld oder Waaren, vor Verfallzeit dieser Wechsel, meistens im Stande sind
wohlfeiler zu borgen oder zu kaufen, indem ihr eigner Kredit durch den des
zweiten Namens auf dem Wechsel verstärkt wird.“ (Inquiry into the Cur-
rency Principle. p. 87.)


Ch. Coquelin, Du Crédit et des Banques dans l’Industrie. Revue des deux
Mondes 1842, tome 31: „In jedem Lande vollzieht sich die Mehrzahl der Kredit-
geschäfte im Kreis der industriellen Beziehungen selbst … der Producent
25*
[388] des Rohstoffs schiesst diesen dem verarbeitenden Fabrikanten vor und er-
hält von ihm eine Zahlungspromesse auf fixen Verfalltag. Der Fabrikant,
nach Ausführung seines Theils der Arbeit, schiesst wiederum und zu ähn-
lichen Bedingungen sein Produkt einem andern Fabrikanten vor, der es weiter
verarbeiten muss, und so erstreckt sich der Kredit immer weiter, von einem
zum andern bis zum Konsumenten. Der Grosshändler macht dem Klein-
händler Waarenvorschüsse, während er selbst solche vom Fabrikanten oder
vom Kommissionär erhält. Jeder borgt mit der einen Hand und leiht mit
der andern, zuweilen Geld, aber weit häufiger Produkte. So vollzieht sich,
in den industriellen Beziehungen, ein unaufhörlicher Austausch von Vor-
schüssen, die sich kombiniren und in allen Richtungen durchkreuzen. Grade
in der Vervielfältigung und dem Wachsthum dieser gegenseitigen Vorschüsse
besteht die Entwicklung des Kredits, und hier ist der wahre Sitz seiner
Macht.“


Die andre Seite des Kreditwesens schliesst sich an die Ent
wicklung des Geldhandels, die natürlich in der kapitalistischen
Produktion Schritt hält mit der Entwicklung des Waarenhandels.
Wir haben im vorigen Abschnitt (Kapitel XIX) gesehn, wie sich
die Aufbewahrung der Reservefonds der Geschäftsleute, die tech-
nischen Operationen des Geldeinnehmens und Auszahlens, der inter-
nationalen Zahlungen, und damit der Barrenhandel, in den Händen
der Geldhändler koncentrirt. Im Anschluss an diesen Geldhandel
entwickelt sich die andre Seite des Kreditwesens, die Verwaltung
des zinstragenden Kapitals oder des Geldkapitals, als besondre
Funktion der Geldhändler. Das Borgen und Verleihen des Geldes
wird ihr besondres Geschäft. Sie treten als Vermittler zwischen
den wirklichen Verleiher und den Borger von Geldkapital. All-
gemein ausgedrückt besteht das Bankiergeschäft nach dieser Seite
darin, das verleihbare Geldkapital in seiner Hand zu grossen Massen
zu koncentriren, sodass statt des einzelnen Geldverleihers die
Bankiers als Repräsentanten aller Geldverleiher den industriellen
und kommerciellen Kapitalisten gegenübertreten. Sie werden die
allgemeinen Verwalter des Geldkapitals. Andrerseits koncentriren
sie, allen Verleihern gegenüber, die Borger, indem sie für die
ganze Handelswelt borgen. Eine Bank stellt auf der einen Seite
die Centralisation des Geldkapitals, der Verleiher, auf der andern
die Centralisation der Borger dar. Ihr Profit besteht im allge-
meinen darin, dass sie zu niedrigern Zinsen borgt als sie ausleiht.


Das verleihbare Kapital, worüber die Banken verfügen, fliesst
ihnen in mehrfacher Weise zu. Zunächst koncentrirt sich in ihrer
Hand, da sie Kassirer der industriellen Kapitalisten sind, das Geld-
kapital, das jeder Producent und Kaufmann als Reservefonds hält,
oder das ihm als Zahlung zufliesst. Diese Fonds verwandeln sich
so in verleihbares Geldkapital. Dadurch wird der Reservefonds
der Handelswelt, weil als gemeinschaftlicher koncentrirt, auf das
[389] nöthige Minimum beschränkt, und ein Theil des Geldkapitals, der
sonst als Reservefonds schlummern würde, wird ausgeliehen, fungirt
als zinstragendes Kapital. Zweitens bildet sich ihr verleihbares
Kapital aus den Depositen der Geldkapitalisten, die ihnen das Aus-
leihen derselben überlassen. Mit der Entwicklung des Banksystems
und namentlich, sobald sie Zins für Depositen zahlen, werden
ferner die Geldersparnisse und das augenblicklich unbeschäftigte
Geld aller Klassen bei ihnen deponirt. Kleine Summen, jede für
sich unfähig als Geldkapital zu wirken, werden zu grossen Massen
vereinigt und bilden so eine Geldmacht. Diese Ansammlung kleiner
Beträge muss als besondre Wirkung des Banksystems unterschieden
werden von seiner Mittlerschaft zwischen den eigentlichen Geld-
kapitalisten und den Borgern. Endlich werden auch die Revenuen,
die nur allmälig verzehrt werden sollen, bei den Banken deponirt.


Das Verleihen (wir haben es hier nur mit dem eigentlichen
Handelskredit zu thun) geschieht durch Diskontiren der Wechsel —
Verwandlung derselben in Geld vor ihrer Verfallzeit — und durch
Vorschüsse in verschiednen Formen: direkte Vorschüsse auf per-
sönlichen Kredit, Lombardvorschüsse auf zinstragende Papiere,
Staatseffekten, Aktien aller Art, namentlich aber auch Vorschüsse
auf Ladescheine, Dockwarrants und andre beglaubigte Besitztitel
auf Waaren, durch Ueberziehung über die Depositen u. s. w.


Der Kredit nun, den der Bankier gibt, kann in verschiednen
Formen gegeben werden, z. B. in Wechseln auf andre Banken,
Cheques auf solche, Krediteröffnungen derselben Art, endlich, bei
Banken mit Notenausgabe, in den eignen Banknoten der Bank.
Die Banknote ist nichts als ein Wechsel auf den Bankier, zahlbar
jeder Zeit an den Inhaber, und vom Bankier den Privatwechseln
substituirt. Die letztere Form des Kredits erscheint dem Laien be-
sonders frappant und wichtig, erstens weil diese Art Kreditgeld
aus der blossen Handelscirkulation heraus in die allgemeine Cir-
kulation tritt, und hier als Geld fungirt; auch weil in den meisten
Ländern die Hauptbanken, welche Noten ausgeben, als sonder-
barer Mischmasch zwischen Nationalbank und Privatbank in der
That den Nationalkredit hinter sich haben und ihre Noten mehr
oder minder gesetzliches Zahlungsmittel sind; weil es hier sichtbar
wird, dass das, worin der Bankier handelt, der Kredit selbst ist,
indem die Banknote nur ein cirkulirendes Kreditzeichen vorstellt.
Aber der Bankier handelt auch im Kredit in allen andern Formen,
selbst wenn er baar bei ihm deponirtes Geld vorschiesst. In der
That bildet die Banknote nur die Münze des Grosshandels und ist
[390] es stets das Depositum, was als Hauptsache bei den Banken ins
Gewicht fällt. Den besten Beweis liefern die schottischen Banken.


Die besondren Kreditinstitute, wie die besondren Formen der
Banken selbst sind für unsern Zweck nicht weiter zu betrachten.


„Die Bankiers haben ein doppeltes Geschäft … 1) Kapital zu sammeln
von denen, die keine unmittelbare Verwendung dafür haben, und es zu ver-
theilen und zu übertragen an andre, die es gebrauchen können. 2) Depositen
vom Einkommen ihrer Kunden zu empfangen und diesen den Betrag auszu-
zahlen, je nachdem sie ihn zu Konsumtionsauslagen brauchen. Das erstere
ist Cirkulation von Kapital, das letztere Cirkulation von Geld (currency).“ —
„Das eine ist Koncentration des Kapitals auf der einen, und Vertheilung des-
selben auf der andern Seite; das andre ist Verwaltung der Cirkulation für
die Lokalzwecke der Umgegend.“ — Tooke, Inquiry into the Currency Prin-
ciple, p. 36, 37. Wir kommen in Kap. XXVIII auf diese Stelle zurück.


Reports of Committees. Vol. VIII. Commercial Distress. Volume II. Part. I.
1847—48. Minutes of Evidence. — (Weiterhin citirt als: Commercial Distress,
1847—48.) In den vierziger Jahren wurden beim Wechseldiskontiren in
London in zahllosen Fällen statt Banknoten, Wechsel von einer Bank auf
die andre von 21 Tagen Laufzeit genommen. (Aussage von J. Pease, Provin-
zialbankier, No. 4636 und 4656.) Nach demselben Bericht hatten die Ban-
kiers die Gewohnheit, sobald Geld knapp wurde, solche Wechsel ihren
Kunden regelmäßig in Zahlung zu geben. Wollte der Empfänger Banknoten,
so musste er diesen Wechsel wieder diskontiren. Für die Banken kam dies
einem Privilegium gleich, Geld zu machen. Die Herren Jones, Loyd and Co.,
zahlten in dieser Weise „seit unvordenklichen Zeiten“, sobald Geld knapp
war und der Zinsfuss über 5 %. Der Kunde war froh, solche Banker’s Bills
zu erhalten, weil Wechsel von Jones, Loyd \& Co. leichter diskontirbar waren
als seine eignen; auch liefen sie oft durch 20—30 Hände. (ibidem No. 901
bis 904. 995.)


Alle diese Formen dienen dazu den Zahlungsanspruch übertragbar zu
machen. „Es gibt kaum irgend eine Form, in die der Kredit zu bringen ist,
worin er nicht zu Zeiten Geldfunktion zu verrichten hat; ob diese Form eine
Banknote, oder ein Wechsel, oder ein Cheque ist, der Process ist wesentlich
derselbe und das Resultat ist wesentlich dasselbe.“ — Fullarton, On the
Regulation of Currencies, 2d edit. London 1845. p. 38. — „Banknoten sind
das Kleingeld des Kredits.“ (p. 51.)


Das Folgende aus J. W. Gilbart, The History and Principles of Banking.
London 1834: „Das Kapital einer Bank besteht aus zwei Theilen, dem An-
lagekapital (invested capital) und dem Bankkapital (banking capital) das an-
geliehen ist. (p. 117.) Das Bankkapital oder geborgte Kapital wird auf drei
Wegen erhalten: 1) durch Annahme von Depositen, 2) durch Ausgabe von
eignen Banknoten; 3) durch Ziehung von Wechseln. Wenn mir jemand 100 £
umsonst leihen will, und ich leihe diese 100 £ an jemand anders für 4 %
Zins aus, so werde ich im Lauf des Jahrs durch dies Geschäft 4 £ gewinnen.
Ebenso wenn jemand mein Zahlungsversprechen (I promise to pay ist die
gewöhnliche Formel für englische Banknoten) nehmen will und es mir am
Ende des Jahres zurückgeben und mir 4 % dafür zahlen, ganz als ob ich
ihm 100 £ geliehen hätte, gewinne ich 4 £ durch dies Geschäft; und
wiederum, wenn jemand in einer Landstadt mir 100 £ bringt mit der Be-
dingung, dass ich 21 Tage später diesen Betrag einer dritten Person in
London zahlen soll, wird jeder Zins, den ich in der Zwischenzeit von dem
Gelde machen kann, mein Profit sein. Dies ist eine sachgemäße Zusammen-
fassung der Operationen einer Bank und des Wegs, wie ein Bankkapital ge-
schaffen wird vermittelst Depositen, Banknoten und Wechseln. (p. 117.) Die
Profite eines Bankiers stehn im allgemeinen im Verhältniss zum Betrag seines
[391] geborgten oder Bankkapitals. Um den wirklichen Profit einer Bank festzu-
stellen, ist der Zins auf das Anlagekapital abzuziehn vom Bruttoprofit. Der
Rest ist der Bankprofit. (p. 118.) Die Vorschüsse eines Bankiers an
seine Kunden werden gemacht mit dem Geld andrer Leute
. (p. 146.)
Gerade die Bankiers, die keine Banknoten ausgeben, schaffen ein Bankkapital
durch Diskontiren von Wechseln. Sie vermehren ihre Depositen vermittelst
ihrer Diskontooperationen. Die Londoner Bankiers diskontiren nur für die-
jenigen Häuser, die ein Depositenkonto bei ihnen halten. (p. 119.) Eine
Firma, die bei ihrer Bank Wechsel diskontirt, und auf den ganzen Betrag
dieser Wechsel Zinsen bezahlt hat, muss wenigstens einen Theil dieses Be-
trags in den Händen der Bank lassen ohne Zinsen dafür zu erhalten. Auf
diesem Wege erhält der Bankier auf das vorgeschossne Geld einen höhern
als den laufenden Zinsfuss und schafft sich ein Bankkapital vermittelst des
in seiner Hand verbleibenden Saldos.“ (p. 120.) — Oekonomisirung der Reserve-
fonds, Depositen, Cheques: „Die Depositenbanken ökonomisiren vermittelst
der Uebertragung der Guthaben den Gebrauch des cirkulirenden Mediums,
und erledigen Geschäfte von grossem Betrag mit einer geringen Summe wirk-
liches Geldes. Das so freigesetzte Geld wird vom Bankier angewandt in
Vorschüssen an seine Kunden vermittelst Diskontos etc. Daher erhöht die
Uebertragung der Guthaben die Wirksamkeit des Depositensystems.“ (p. 123.)
„Es ist gleichgültig ob die beiden Kunden, die mit einander handeln, ihre
Rechnung bei demselben oder bei verschiednen Bankiers halten. Denn die
Bankiers tauschen ihre Cheques unter sich aus im Clearing House. Ver-
mittelst der Uebertragung könnte so das Depositensystem zu einem solchen
Grad ausgedehnt werden, dass es den Gebrauch des Metallgelds ganz ver-
drängte. Wenn jeder ein Depositenkonto bei der Bank hielte und alle seine
Zahlungen durch Cheques machte, so würden diese Cheques das einzige cir-
kulirende Medium. In diesem Falle müsste unterstellt werden, dass die
Bankiers das Geld in ihrer Hand hätten, sonst hätten die Cheques keinen
Werth.“ (p. 124.) Die Centralisation des Lokalverkehrs in den Händen der
Banken wird vermittelt 1) durch Zweigbanken. Die Provinzialbanken haben
Zweigetablissements in den kleinern Städten ihres Bereichs; die Londoner
Banken in den verschiednen Stadttheilen Londons. 2) Durch Agenturen.
„Jede Provincialbank hat einen Agenten in London, um dort ihre Noten
oder Wechsel zu zahlen, und Geld zu empfangen, das von Londoner Ein-
wohnern eingezahlt wird für Rechnung von Leuten, die in der Provinz
wohnen.“ (p. 127.) Jeder Bankier fängt die Noten des andern auf, gibt sie
nicht wieder aus. In jeder grössern Stadt kommen sie ein oder zweimal
wöchentlich zusammen und tauschen die Noten aus. Der Saldo wird gezahlt
durch Anweisung auf London. (p. 134.) „Der Zweck der Banken ist Erleichterung
des Geschäfts. Alles was das Geschäft erleichtert, erleichtert auch die Spekulation.
Geschäft und Spekulation sind in vielen Fällen so eng verknüpft, dass es schwer
ist zu sagen, wo das Geschäft aufhört und wo die Spekulation anfängt… Ueberall
wo Banken sind, ist Kapital leichter und wohlfeiler zu erhalten. Die Wohl-
feilheit des Kapitals gibt der Spekulation Vorschub, ganz wie die Wohlfeil-
heit von Fleisch und Bier der Gefrässigkeit und Trunkenheit Vorschub leistet.“
(p. 137, 138.) „Da die Banken, welche eigne Banknoten ausgeben, stets in
diesen Noten zahlen, so kann es scheinen, dass ihr Diskontogeschäft gemacht
werde ausschliesslich mit dem hierdurch gemachten Kapital, aber dem ist
nicht so. Ein Bankier kann sehr wohl alle von ihm diskontirten Wechsel
in seinen eignen Noten zahlen, und dennoch können \frac{9}{10} der in seinem Besitz
befindlichen Wechsel wirkliches Kapital repräsentiren. Denn obgleich er
selbst für diese Wechsel nur sein eignes Papiergeld gegeben, braucht dies
doch nicht in Cirkulation zu bleiben, bis die Wechsel verfallen. Die Wechsel
können drei Monate zu laufen haben, die Noten in drei Tagen zurückkommen.“
(p. 172.) Das Ueberziehen der Rechnung durch die Kunden ist geregelte Ge-
[392] schäftssache. Es ist in der That der Zweck, wofür ein Baarkredit garantirt
wird … Baarkredite werden garantirt nicht nur durch persönliche Sicher-
heit, sondern auch durch Deponirung von Werthpapieren. (p. 174, 175.)
Kapital vorgeschossen auf Pfand von Waaren hat dieselbe Wirkung wie wenn
vorgeschossen im Diskontiren von Wechseln. Wenn jemand 100 £ auf
Sicherheit seiner Waaren borgt, so ist es dasselbe, als hätte er sie für einen
Wechsel von 100 £ verkauft und diesen beim Bankier diskontirt. Der Vor-
schuss aber befähigt ihn seine Waaren für einen bessern Marktstand hinzu-
halten und Opfer zu vermeiden, die er sonst hätte machen müssen, um Geld
für dringende Zwecke zu erhalten.“ (p. 180, 181.)


7) The Currency Question Reviewed etc., p. 62. 63: „Es ist unstreitig
wahr, dass die 1000 £, die ich heute bei A deponire, morgen wieder aus-
gegeben werden und ein Depositum bei B bilden. Uebermorgen mögen sie,
von B wieder ausgegeben, ein Depositum bei C bilden, und so fort ins Un-
endliche. Dieselben 1000 £ Geld können sich also, durch eine Reihe von
Uebertragungen, zu einer absolut unbestimmbaren Summe von Depositen ver-
vielfältigen. Es ist daher möglich, dass neun Zehntel aller Depositen
in England gar keine Existenz haben ausser in den Buchungs-
posten in den Büchern der Bankiers
, die jeder für seinen Theil dafür
einstehn … So in Schottland, wo das umlaufende Geld“ [obendrein fast nur
Papiergeld!] „nie über 3 Millionen £, die Depositen 27 Millionen. So lange
nun nicht eine allgemeine, plötzliche Rückforderung der Depositen (a run
on the banks) eintritt, so können dieselben 1000 £, rückwärts reisend, mit
derselben Leichtigkeit eine ebenso unbestimmbare Summe ausgleichen. Da
dieselben 1000 £, womit ich heute meine Schuld an einen Geschäftsmann
ausgleiche, morgen dessen Schuld an einen andern Kaufmann ausgleichen
können, und übermorgen dessen Ausgleichung an die Bank, und so ins Un-
endliche; so können dieselben 1000 £ von Hand zu Hand und von Bank
zu Bank gehn, und jede denkbare Summe von Depositen ausgleichen.“


[Wir haben gesehn, dass Gilbart schon 1834 wusste: „alles was
das Geschäft erleichtert, erleichtert auch die Spekulation, beide sind
in vielen Fällen so eng verknüpft, dass es schwer ist, zu sagen, wo
das Geschäft aufhört und wo die Spekulation anfängt.“ Je grösser
die Leichtigkeit, womit Vorschüsse auf unverkaufte Waaren zu er-
langen sind, desto mehr solcher Vorschüsse werden aufgenommen,
desto grösser ist die Versuchung Waaren zu fabriziren oder schon
fabricirte auf entfernte Märkte zu schleudern, nur um zunächst
Geldvorschüsse darauf zu erhalten. Wie die gesammte Geschäfts-
welt eines Landes von solchem Schwindel ergriffen werden kann,
und wie das dann endet, davon gibt uns die englische Handels-
geschichte von 1845—1847 ein schlagendes Beispiel. Hier sehn
wir, was der Kredit leisten kann. Zur Erläuterung der folgenden
Beispiele vorher nur einige kurze Bemerkungen.


Ende 1842 begann der Druck zu weichen, der seit 1837 fast
ununterbrochen auf der englischen Industrie gelastet hatte. In
den beiden folgenden Jahren steigerte sich die Nachfrage des Aus-
landes nach englischen Industrieprodukten noch mehr; 1845—46
bezeichnete die Periode der höchsten Prosperität. 1843 hatte der
Opiumkrieg dem englischen Handel China geöffnet. Der neue
[393] Markt bot einen neuen Vorwand zu der, bereits in vollem Schwung
begriffnen Ausdehnung, namentlich der Baumwollindustrie. „Wie
können wir je zuviel produciren? Wir haben 300 Millionen
Menschen zu kleiden“ — sagte dem Schreiber dieses damals ein
Fabrikant in Manchester. Aber alle die neuerrichteten Fabrik-
gebäude, Dampf- und Spinnmaschinen und Webstühle waren nicht
hinreichend, den massenweise hereinströmenden Mehrwerth von Lanca-
shire zu absorbiren. Mit derselben Leidenschaft, womit man die
Produktion steigerte, warf man sich auf den Bau von Eisenbahnen;
hier fand das Spekulationsgelüst der Fabrikanten und Kaufleute
zuerst Befriedigung, und zwar schon seit Sommer 1844. Man
zeichnete Aktien so viel man konnte, d. h. soweit das Geld zur
Deckung der ersten Einzahlungen reichte; für das weitere wird
sich schon Rath finden! Als dann die weiteren Einzahlungen
kamen, — nach Frage 1059, C. D. 1848/57, betrug das 1846/47
in Eisenbahnen angelegte Kapital an 75 Millionen £ — musste
der Kredit in Anspruch genommen werden, und das eigentliche
Geschäft der Firma musste meist auch noch bluten.


Und dies eigentliche Geschäft war in den meisten Fällen auch
schon überlastet. Die lockenden hohen Profite hatten zu weit
ausgedehnteren Operationen verleitet, als die disponiblen flüssigen
Mittel rechtfertigten. Aber der Kredit war ja da, leicht erlangbar
und wohlfeil obendrein. Der Bankdiskonto stand niedrig: 1844
1¾—2¾ %, 1845 bis Oktober unter 3 %, dann eine kurze Zeit
steigend bis 5 % (Febr. 1846), dann wieder fallend bis auf 3¼ %
im Decbr. 1846. Die Bank hatte in ihren Kellern einen Gold-
vorrath von unerhörtem Betrag. Alle inländischen Börsenwerthe
standen so hoch wie nie vorher. Warum also die schöne Ge-
legenheit vorbeigehn lassen, warum nicht flott ins Geschirr gehn?
Warum nicht den nach englischen Fabrikaten schmachtenden
fremden Märkten alle Waaren zuschicken, die man nur fabriciren
konnte? Und warum sollte nicht der Fabrikant selbst den doppelten
Gewinn einheimsen, der aus dem Verkauf des Garns und Gewebes
im fernen Osten, und aus dem Verkauf der dafür erhaltenen Rück-
fracht in England erwuchs?


So entstand das System der massenhaften Konsignationen, gegen
Vorschuss, nach Indien und China, das sehr bald sich fortent-
wickelte zu einem System von Konsignationen, bloss um des Vor-
schusses willen, wie es in den nachfolgenden Noten im Einzelnen
geschildert ist, und wie es mit Nothwendigkeit enden musste in
massenhafter Ueberführung der Märkte und im Krach.


[394]

Dieser Krach kam zum Ausbruch in Folge der Missernte von
1846. England und besonders Irland bedurften enormer Zufuhren
von Lebensmitteln, namentlich Korn und Kartoffeln. Aber die
Länder, die diese lieferten, konnten nur zum allergeringsten Theil
in englischen Industrieprodukten dafür bezahlt werden; man musste
Edelmetall in Zahlung geben; Gold für mindestens 9 Millionen ging
ins Ausland. Von diesem Gold kamen volle 7½ Millionen aus
dem Baarschatz der Bank von England, deren Bewegungsfreiheit
auf dem Geldmarkt dadurch empfindlich gelähmt wurde; die
übrigen Banken, deren Reserven bei der Bank von England liegen,
thatsächlich mit der Reserve dieser Bank identisch sind, mussten
nun ebenfalls ihre Geldakkommodation einschränken; der rasch
und leicht dahinströmende Fluss der Zahlungen gerieth ins Stocken,
erst hier und da, dann allgemein. Der Bankdiskonto, im Januar
1847 noch 3—3½ %, stieg im April, wo die erste Panik losbrach,
auf 7 %; dann kam, im Sommer, nochmals eine vorübergehende
kleine Erleichterung (6,5, 6 %), als aber auch die neue Ernte miss-
rieth, brach die Panik aufs neue und heftiger los. Der offizielle
Minimal-Diskonto der Bank stieg im Oktober auf 7, im November
auf 10 %, d. h. die weitaus grösste Mehrzahl der Wechsel wurde
nur gegen kolossale Wucherzinsen, oder überhaupt nicht mehr
diskontirbar; die allgemeine Zahlungsstockung brachte eine Reihe
der ersten Häuser und viele, viele mittlere und kleine zum Bankrott;
die Bank selbst war in Gefahr, in Folge der ihr durch den
pfiffigen Bankakt von 1844 auferlegten Beschränkungen falliren
zu müssen — da suspendirte, auf allgemeines Andringen, die
Regierung am 25. Oktober den Bankakt und entfernte damit die
der Bank auferlegten absurden gesetzlichen Fesseln. Nun konnte
sie ihren Notenschatz ungehindert in Cirkulation setzen; da der
Kredit dieser Banknoten thatsächlich durch den Kredit der Nation
garantirt, also unerschüttert war, trat damit sofort die entscheidende
Erleichterung der Geldklemme ein; natürlich fallirten noch eine
Menge grosser und kleiner, hoffnungslos festgerittner Firmen, aber
der Höhepunkt der Krise war überwunden, der Bank-Diskonto fiel
im September wieder auf 5 %, und schon im Laufe von 1848 be-
reitete sich jene erneuerte Geschäftsthätigkeit vor, die den revo-
lutionären Bewegungen des Kontinents im Jahre 1849 die Spitze
abbrach, und die in den fünfziger Jahren zuerst eine bis dahin
unerhörte industrielle Prosperität herbeiführte, dann aber auch —
den Krach von 1857. — F. E.]


I. Ueber die kolossale Entwerthung von Staatspapieren und Aktien
[395] während der Krise 1847 gibt ein vom House of Lords 1848 herausgegebnes
Aktenstück Aufschluss. Danach betrug der Werthfall am 23. Oktober 1847
verglichen mit dem Stand vom Februar desselben Jahres:


Aufenglische Staatspapiere . .£93824217
Dock- und Kanalaktien . .1358288
Eisenbahnaktien . . . . .19579820
Zusammen:£114762325

II. Ueber den Schwindel im ostindischen Geschäft, wo man nicht mehr
Wechsel zog, weil Waare gekauft worden war, sondern Waaren kaufte, um
diskontirbare, in Geld umsetzbare Wechsel ziehen zu können, heisst es im
Manchester Guardian vom 24. Novbr. 1848:


A in London lässt durch B beim Fabrikanten C in Manchester Waaren
zur Verschiffung an D in Ostindien kaufen. B zahlt C in Sechsmonats-
Wechseln, gezogen von C auf B. Er deckt sich ebenfalls durch Sechs-
monats-Wechsel auf A. Sobald die Waare verschifft, zieht A, gegen den
eingesandten Ladeschein, ebenfalls Sechsmonats-Wechsel auf D. „Käufer
und Versender sind also beide im Besitz von Fonds, viele Monate ehe sie
die Waaren wirklich bezahlen; und sehr gewöhnlich wurden diese Wechsel
bei Verfall erneuert unter dem Vorwand, Zeit für den Rückfluss zu geben
bei einem so langathmigen Geschäft. Leider aber führten Verluste in einem
solchen Geschäft nicht zu seiner Einschränkung, sondern gradezu zu seiner
Ausdehnung. Je ärmer die Betheiligten wurden, desto grösser ihr Bedürfniss
zu kaufen, um dadurch in neuen Vorschüssen Ersatz für das in den vorigen
Spekulationen verlorne Kapital zu finden. Die Einkäufe wurden nun nicht
mehr regulirt durch Nachfrage und Zufuhr, sie wurden der wichtigste Theil
der Finanzoperationen einer festgerittnen Firma. Aber das ist nur die eine
Seite. Wie mit dem Export von Manufakturwaaren hier, so ging es mit
dem Einkauf und Verschiffen von Produkten drüben. Häuser in Indien, die
Kredit genug hatten, ihre Wechsel diskontirt zu bekommen, kauften Zucker,
Indigo, Seide oder Baumwolle — nicht weil die Einkaufspreise, gegen die
letzten Londoner Preise, einen Profit versprachen, sondern weil frühere
Tratten auf das Londoner Haus bald fällig wurden und gedeckt werden
mussten. Was war einfacher, als eine Ladung Zucker zu kaufen, sie in
Zehnmonats-Wechseln auf das Londoner Haus zu bezahlen und die Lade-
scheine mit der Ueberlandpost nach London zu schicken? Weniger als
zwei Monate nachher waren die Ladescheine dieser kaum verschifften
Waaren, und damit die Waaren selbst, in Lombard Street verpfändet, und
das Londoner Haus kam zu Geld, acht Monate vor Verfall der dagegen ge-
zognen Wechsel. Und alles das ging flott, ohne Unterbrechung oder
Schwierigkeit, solange die Diskonthäuser Geld im Ueberfluss fanden, um es
auf Ladescheine und Dockwarrants vorzuschiessen, und bis zu unbegrenzten
Beträgen die Wechsel indischer Häuser auf „feine“ Firmen in Mincing Lane
zu diskontiren.“


[Diese Schwindelprocedur blieb im Schwang, solange die Waaren von und
nach Indien das Kap umsegeln mussten. Seitdem sie durch den Suezkanal
gehn, und zwar mit Dampfschiffen, ist dieser Methode, fiktives Kapital zu
fabriciren, die Grundlage entzogen: die lange Reisezeit der Waaren. Und
seitdem der Telegraph den Stand des indischen Markts dem englischen Ge-
schäftsmann und den Stand des englischen Marktes dem indischen Händler
noch am selben Tag bekannt gab, wurde diese Methode vollends un-
möglich. — F. E.]


III. Das Folgende ist aus dem schon citirten Bericht Commercial Distress,
1847—48: „In der letzten Aprilwoche 1847 zeigte die Bank von England
der Royal Bank of Liverpool an, dass sie von nun an ihr Diskontogeschäft
mit der letztren auf die Hälfte des Betrags herabsetzen werde. Diese Mit-
theilung wirkte sehr schlimm, weil die Zahlungen in Liverpool letzthin weit
[396] mehr in Wechseln als in Baar erfolgten; und weil die Kaufleute, die der
Bank gewöhnlich viel baares Geld brachten, um damit ihre Accepte zu
zahlen, in der letzten Zeit nur Wechsel bringen konnten, die sie selbst für
ihre Baumwolle und andre Produkte erhalten hatten. Dies hatte stark zu-
genommen und damit die Geschäftsschwierigkeit. Die Accepte, die die
Bank für die Kaufleute zu zahlen hatte, waren meistens auswärts gezogen,
[und] waren bisher meist ausgeglichen worden durch die für die Produkte
erhaltne Zahlung. Die Wechsel, die die Kaufleute jetzt brachten, statt des
frühern Baargelds, waren Wechsel von verschiedner Laufzeit und verschiedner
Art, eine beträchtliche Zahl Bankwechsel auf drei Monat dato, die grosse
Masse waren Wechsel gegen Baumwolle. Diese Wechsel waren acceptirt,
wenn Bankwechsel, durch Londoner Bankiers, sonst aber durch Kaufleute
aller Art, im brasilischen, amerikanischen, kanadischen, westindischen u.s.w.
Geschäft.... Die Kaufleute zogen nicht aufeinander, sondern die Kunden
im Inlande, die Produkte in Liverpool gekauft hatten, deckten sie in
Wechseln auf Londoner Banken, oder in Wechseln auf sonstige Häuser in
London, oder in Wechseln auf irgend jemand. Die Ankündigung der Bank
von England verursachte, dass für Wechsel gegen verkaufte fremde Produkte
die Laufzeit abgekürzt wurde, die sonst häufig über drei Monate war.“
(p. 26, 27.)


Die Prosperitätsperiode 1844—47 in England war, wie oben geschildert,
verknüpft mit dem ersten grossen Eisenbahnschwindel. Ueber dessen Wir-
kung auf das Geschäft im allgemeinen hat der angeführte Bericht Folgendes:
„Im April 1847 hatten fast alle kaufmännischen Häuser angefangen, ihr
Geschäft mehr oder weniger auszuhungern (to starve their business), durch
Anlage eines Theils ihres Handelskapitals in Eisenbahnen (p. 41). — Es
wurden auch Anleihen zu hohem Zinsfuss, z. B. 8 %, aufgenommen auf
Eisenbahnaktien bei Privatleuten, Bankiers und Assekuranzgesellschaften-
(p. 66.) Diese so grossen Vorschüsse dieser Geschäftshäuser an die Eisen.
bahnen veranlassten sie wiederum, bei den Banken zuviel Kapital ver-
mittelst Wechseldiskontos aufzunehmen, um damit ihr eignes Geschäft fort-
zuführen. (p. 67.) — (Frage:) Würden Sie sagen, dass die Einzahlungen
auf Eisenbahnaktien viel beitrugen zu dem Druck, der“ [auf dem Geldmarkt]
„im April und Oktober [1847] herrschte?“ (Antwort:) „Ich glaube, dass sie
kaum irgend etwas beitrugen zu dem Druck im April. Nach meiner An-
sicht hatten sie bis in den April, und vielleicht bis in den Sommer hinein,
die Bankiers eher gestärkt als geschwächt. Denn die wirkliche Verwendung
des Geldes erfolgte durchaus nicht ebenso rasch wie die Einzahlungen; in
Folge davon hatten die meisten Banken im Anfang des Jahrs einen ziem-
lich grossen Betrag von Eisenbahnfonds in ihrer Hand.“ [Dies wird bestätigt
durch zahlreiche Aussagen von Bankiers im C. D. 1848/57.] „Dieser schmolz
im Sommer allmälig zusammen und war am 31. December wesentlich ge-
ringer. Eine Ursache des Drucks im Oktober war die allmälige Abnahme
der Eisenbahnfonds in den Händen der Banken; zwischen dem 22. April und
dem 31. December verminderten sich die Eisenbahnsaldos in unsrer Hand
um eindrittel. Diese Wirkung hatten die Eisenbahn-Einzahlungen in ganz
Grossbritannien; sie haben nach und nach die Depositen der Banken ab-
gezapft.“ (p. 43, 44.) — So sagt auch Samuel Gurney (Chef der berüch-
tigten Firma Overend Gurney \& Co.): „1846 war bedeutend grössre Nach-
frage nach Kapital für Eisenbahnen, hob aber nicht den Zinsfuss. Es fand
eine Kondensation kleinerer Summen zu grössern Massen statt, und diese
grossen Massen wurden in unserm Markt verbraucht; sodass im ganzen die
Wirkung die war, mehr Geld auf den Geldmarkt der City zu werfen, nicht
so sehr es herauszunehmen.“


A. Hodgson, Direktor der Liverpool Joint Stock Bank zeigt, wie sehr
Wechsel die Reserve für Bankiers bilden können: „Es war unsre Gewohnheit
[397] mindestens \frac{9}{10} aller unsrer Depositen und alles Geld, das wir von andren
Personen erhielten, in unserm Portefeuille zu halten in Wechseln, die von
Tag zu Tag verfallen … so sehr, dass während der Zeit der Krise der Er-
trag der täglich verfallenden Wechsel fast dem Betrag der täglich an uns
gemachten Zahlungsforderungen gleichkam.“ (p. 53.)


Spekulationswechsel. — No. 5092. „Von wem waren die Wechsel
(gegen verkaufte Baumwolle) hauptsächlich acceptirt?“ — [R. Gardner, der
in diesem Werk mehr genannte Baumwollfabrikant:] „Von Waarenmaklern;
ein Händler kauft Baumwolle, übergibt sie einem Makler, zieht auf diesen
Makler, und lässt die Wechsel diskontiren. — No. 5094. Und diese Wechsel
gehn zu den Liverpooler Banken und werden dort diskontirt? — Jawohl
und auch sonst wo … Hätte nicht diese Akkommodation bestanden, die
hauptsächlich von Liverpooler Banken bewilligt wurde, so wäre nach meiner
Ansicht Baumwolle im vorigen Jahr um 1½ d oder 2 d per Pfund wohl-
feiler gewesen.“ — „No. 600. Sie sagten, eine ungeheure Anzahl Wechsel
hätten cirkulirt, gezogen von Spekulanten auf Baumwollmakler in Liverpool;
gilt dasselbe von Ihren Vorschüssen auf Wechsel gegen andre Kolonialpro-
dukte ausser Baumwolle?“ — [A. Hodgson, Bankier in Liverpool:] „Es be-
zieht sich auf alle Arten Kolonialprodukte, aber ganz besonders auf Baum-
wolle. — No. 601. Suchen Sie als Bankier sich diese Art Wechsel fern zu
halten? — Keineswegs; wir betrachten sie als ganz rechtmäßige Wechsel,
wenn in mäßiger Menge gehalten … Diese Art Wechsel werden oft ver-
längert.“


Schwindel im ostindisch-chinesischen Markt 1847. — Charles
Turner (Chef einer der ersten ostindischen Firmen in Liverpool): „Wir alle
kennen die Vorfälle, die in Beziehung auf das Geschäft nach Mauritius und
in ähnlichen Geschäften stattgefunden haben. Die Makler waren gewohnt,
Vorschüsse zu machen auf Waaren, nicht nur nach ihrer Ankunft, zur
Deckung der gegen diese Waaren gezognen Wechsel, was vollständig in der
Ordnung ist, und Vorschüsse auf Ladescheine … sondern sie haben Vor-
schüsse gemacht auf das Produkt, ehe es verschifft, und in einigen Fällen
ehe es fabrizirt war. Ich z. B. hatte in einem Specialfall in Kalkutta
Wechsel gekauft für 6—7000 £; der Erlös für diese Wechsel ging nach
Mauritius um dort Zucker pflanzen zu helfen; die Wechsel kamen nach Eng-
land, und über die Hälfte davon wurden protestirt; dann, als die Ver-
schiffungen von Zucker endlich ankamen, aus denen diese Wechsel bezahlt
werden sollten, da fand sich, dass dieser Zucker bereits an dritte Personen
verpfändet war, ehe er verschifft, ja in der That fast schon ehe er gesotten
war. (p. 78.) Die Waaren für den ostindischen Markt müssen jetzt dem
Fabrikanten baar bezahlt werden; aber das hat nicht viel zu sagen, denn
wenn der Käufer einigen Kredit in London hat, so zieht er auf London und
diskontirt den Wechsel in London, wo der Diskonto jetzt niedrig steht; er
bezahlt den Fabrikanten mit dem so erhaltnen Geld … es dauert mindestens
zwölf Monate, bis ein Verschiffer von Waaren nach Indien seine Retouren
von dort bekommen kann; … ein Mann mit 10 oder 15000 £, der in’s
indische Geschäft geht, würde sich einen Kredit zu einer beträchtlichen
Summe bei einem Londoner Hause ausmachen; diesem Hause würde er 1 %
geben und auf es ziehn, gegen die Bedingung, dass der Erlös der nach Indien
gesandten Waaren an dies Londoner Haus geschickt wird; wobei aber beide
Theile stillschweigend einverstanden sind, dass das Londoner Haus keinen
wirklichen Baarvorschuss zu leisten hat; d. h. die Wechsel werden prolongirt
bis die Retouren ankommen. Die Wechsel wurden diskontirt in Liverpool,
Manchester, London, manche von ihnen sind im Besitz von schottischen
Banken. (p. 79.) — No. 730. Da ist ein Haus, das neulich in London fallirte;
bei Prüfung der Bücher entdeckte man Folgendes: Hier ist eine Firma in
Manchester, und eine andre in Kalkutta; sie eröffneten einen Kredit bei dem
[398] Londoner Haus für 200000 £; d. h. die Geschäftsfreunde dieser Manchester-
Firma, die dem Hause in Kalkutta von Glasgow und Manchester Waaren
auf Konsignation schickten, trassirten auf das Londoner Haus bis zum Betrage
von 200000 £; gleichzeitig war die Verabredung, dass das Kalkutta-Haus
auf das Londoner Haus auch 200000 £ zieht; diese Wechsel wurden in
Kalkutta verkauft, mit dem Ertrag andre Wechsel gekauft, und diese wurden
nach London geschickt, um das dortige Haus zu befähigen die ersten von
Glasgow oder Manchester gezognen Wechsel zu bezahlen. So wurden durch
dieses eine Geschäft Wechsel für 600000 £ in die Welt gesetzt. — No. 971.
Gegenwärtig, wenn ein Haus in Kalkutta eine Schiffsladung kauft“ [für Eng-
land] „und sie mit ihren eignen Tratten auf ihren Londoner Korrespondenten
bezahlt, und die Ladescheine hierher gesandt werden, so werden diese Lade-
scheine sofort für sie benutzbar zur Erhebung von Vorschüssen in Lombard
Street; also haben sie acht Monate Zeit, worin sie das Geld benutzen können
ehe ihre Korrespondenten die Wechsel zu zahlen haben.“ —


IV. Im Jahr 1848 sass ein geheimer Ausschuss des Oberhauses zur Unter-
suchung der Ursachen der Krise von 1847. Die von diesem Ausschuss abge-
legten Zeugenaussagen wurden jedoch erst 1857 veröffentlicht (Minutes of
Evidence, taken before the Secret Committee of the H. of L. appointed to
inquire into the Causes of Distress etc. 1857; citirt als: C. D. 1848|57. Hier
sagte Herr Lister, Dirigent der Union Bank of Liverpool unter andrem aus:


„2444. Es bestand, Frühjahr 1847, eine ungehörige Ausdehnung des
Kredits … weil Geschäftsleute ihr Kapital vom Geschäft auf Eisenbahnen
übertrugen, und doch das Geschäft in der alten Ausdehnung fortführen
wollten. Jeder glaubte wahrscheinlich zuerst, er könne die Eisenbahnaktien
mit Profit verkaufen, und so das Geld im Geschäft ersetzen. Er fand vielleicht,
dass das nicht möglich war, und nahm so Kredit in seinem Geschäft, wo er
früher baar bezahlt hatte. Hieraus entsprang eine Kreditausdehnung.


„2500. Diese Wechsel, worauf die Banken, die sie übernommen hatten,
Verluste erlitten, waren dies Wechsel hauptsächlich gegen Korn oder gegen
Baumwolle? … Es waren Wechsel gegen Produkte aller Art, Korn, Baum-
wolle und Zucker, und Produkte aller Art. Es gab damals fast nichts, Oel
vielleicht ausgenommen, das nicht im Preise fiel. — 2506. Ein Makler der
einen Wechsel acceptirt, acceptirt ihn nicht ohne hinreichend gedeckt zu
sein, auch gegen einen Preisfall der Waare, die als Deckung dient.


„2512. Gegen Produkte werden zweierlei Wechsel gezogen. Zur ersten
Art gehört der ursprüngliche Wechsel, der von drüben auf den Importeur
gezogen wird.... Die Wechsel, die so gegen Produkte gezogen werden.
verfallen häufig, ehe die Produkte ankommen. Der Kaufmann muss deshalb,
wenn die Waare ankommt und er nicht hinreichendes Kapital hat, sie beim
Makler verpfänden, bis er sie verkaufen kann. Dann wird sofort ein Wechsel
der andern Art vom Liverpooler Kaufmann auf den Makler gezogen, auf
Sicherheit jener Waare.... es wird dann die Sache des Bankiers, sich beim
Makler zu vergewissern, ob er die Waare hat, und wie weit er darauf vor-
geschossen hat. Er muss sich überzeugen, dass der Makler Deckung hat,
um sich im Fall eines Verlusts zu erholen.


„2516. Wir bekommen auch Wechsel vom Ausland.... Jemand kauft
drüben einen Wechsel auf England, und schickt ihn an ein Haus in Eng-
land; wir können dem Wechsel nicht ansehn, ob er verständig oder unver-
ständig gezogen ist, ob er Produkte oder Wind repräsentirt.


„2533. Sie sagten, dass auswärtige Produkte fast aller Art mit grossem
Verlust verkauft wurden. Glauben Sie, dass das der Fall war in Folge un-
gerechtfertigter Spekulation in diesen Produkten? — Es entsprang aus
einer sehr grossen Einfuhr, während keine entsprechende Konsumtion be-
stand, um sie wegzuführen. Nach allem Anschein fiel die Konsumtion sehr
bedeutend. — 2537. Im Oktober.... waren Produkte fast unverkäuflich.“


[399]

Wie auf der Höhe des Krachs sich ein allgemeines sauve qui peut ent-
wickelt, darüber spricht sich im selben Bericht ein Kenner ersten Ranges
aus, der würdige geriebene Quäker Samuel Gurney von Overend Gurney
\& Co.: „1262. Wenn eine Panik herrscht, so fragt ein Geschäftsmann sich
nicht, wie hoch er seine Banknoten anlegen kann, oder ob er 1 oder 2 %
beim Verkauf seiner Schatzscheine oder Dreiprozentigen verlieren wird. Ist
er einmal unter dem Einfluss des Schreckens, so liegt ihm nichts an Gewinn
oder Verlust; er bringt sich selbst in Sicherheit, die übrige Welt mag thun
was sie will.


V. Ueber die wechselseitige Ueberführung zweier Märkte sagt Herr
Alexander, Kaufmann im ostindischen Geschäft, vor dem Unterhaus-Aus-
schuss über die Bankakte 1857 (citirt als B. C. 1857): „4330. Augenblick-
lich, wenn ich in Manchester 6 Schill. auslege, bekomme ich 5 Schill. in
Indien zurück; wenn ich 6 Schill. in Indien auslege, bekomme ich 5 Schill.
in London zurück.“ Sodass also der indische Markt durch England, und
der englische durch Indien gleichmäßig überführt worden ist. Und zwar
war dies der Fall im Sommer 1857, kaum zehn Jahre nach der bittern Er-
fahrung von 1847!


Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Akkumulation von Geldkapital; ihr Einfluss auf den Zinsfuss.


„In England findet eine beständige Akkumulation von zuschüssigem
Reichthum statt, die die Tendenz hat schliesslich Geldform anzunehmen.
Nach dem Wunsch Geld zu erwerben, ist aber der nächst dring-
liche Wunsch der, sich seiner wieder zu entledigen durch irgend
eine Art Anlage, die Zins oder Profit bringt; denn Geld als Geld
bringt nichts ein. Wenn daher nicht, gleichzeitig mit diesem steten
Zufluss von überschüssigem Kapital, eine allmälige und hinreichende
Ausdehnung des Beschäftigungsfeldes dafür stattfindet, so müssen
wir periodischen Akkumulationen von Anlage suchendem Geld aus-
gesetzt sein, die je nach den Umständen von grössrer oder geringrer
Bedeutung sind. Für eine lange Reihe von Jahren war die Staats-
schuld das grosse Aufsaugemittel des überschüssigen Reichthums
von England. Seitdem sie mit 1816 ihr Maximum erreicht hat
und nicht länger aufsaugend wirkt, fand sich jedes Jahr eine
Summe von mindestens 27 Millionen, die andre Anlagegelegenheit
suchte. Zudem fanden verschiedne Kapitalrückzahlungen statt …
Unternehmungen, die zu ihrer Ausführung grosses Kapital bedürfen
und von Zeit zu Zeit den Ueberschuss von unbeschäftigtem Kapital
ableiten … sind wenigstens in unserm Lande absolut nothwendig,
um die periodischen Anhäufungen des überschüssigen Reichthums
der Gesellschaft abzuführen, die in den gewöhnlichen Anlagezweigen
keinen Raum finden können.“ (The Currency Question Reviewed,
London 1845, p. 32.) Vom Jahre 1845 heisst es ebendaselbst
[400] „Innerhalb einer sehr kurzen Periode sind die Preise vom nied-
rigsten Punkt der Depression emporgeschnellt … die dreiprocentige
Staatsschuld steht fast pari … das Gold in den Kellern der Bank
von England überragt jeden früher dort aufgespeicherten Betrag.
Aktien aller Art stehn auf Preisen, die fast in jedem Fall uner-
hört sind, und der Zinsfuss ist so gesunken, dass er fast nominell
ist … Alles Beweise, dass jetzt wieder einmal eine schwere Akku-
mulation von unbeschäftigtem Reichthum in England vorhanden ist,
dass wieder einmal eine Periode spekulativer Ueberhitzung uns
nahe bevorsteht.“ (ibid. p. 36.)


„Obgleich die Einfuhr von Gold kein sichres Zeichen ist von
Gewinn im auswärtigen Handel, so repräsentirt doch prima facie
ein Theil dieser Goldeinfuhr, in Abwesenheit einer andren Er-
klärungsweise, solchen Profit.“ (J. G. Hubbard, The Currency and
the Country, London 1843, p. 41.) „Gesetzt in einer Periode mit
stetig gutem Geschäft, lohnenden Preisen, und wohlgefülltem Geld-
umlauf, gäbe eine schlechte Ernte Anlass zu einer Ausfuhr von
5 Millionen Gold und zur Einfuhr von Korn zum selben Betrag.
Die Cirkulation“ [soll heissen, wie sich gleich zeigen wird, nicht
Cirkulationsmittel, sondern das unbeschäftigte Geldkapital — F. E.]
„wird vermindert um denselben Betrag. Die Privatleute mögen
noch ebensoviel Cirkulationsmittel besitzen, aber die Depositen der
Kaufleute bei ihren Banken, die Saldos der Banken bei ihren Geld-
maklern und die Reserven in ihren Kassen werden alle vermindert
sein und die unmittelbare Folge dieser Verminderung im Betrag
des unbeschäftigten Kapitals wird eine Erhöhung des Zinsfusses
sein, z. B. von 4 % auf 5. Da da das Geschäft gesund ist, wird
das Vertrauen nicht erschüttert, aber der Kredit wird höher ge-
schätzt werden.“ (Ibid. p. 42.) „Fallen die Waarenpreise allgemein,
so fliesst das überschüssige Geld in Form von vermehrten Depo-
siten zu den Banken zurück, der Ueberfluss an unbeschäftigtem
Kapital senkt den Zinsfuss auf ein Minimum, und dieser Stand
der Dinge dauert, bis entweder höhere Preise oder ein lebhafteres
Geschäft das schlummernde Geld in Dienst treten lassen, oder bis
es absorbirt ist durch Anlage in ausländischen Werthpapieren oder
ausländischen Waaren.“ (p. 68.)


Die folgenden Auszüge sind wieder aus dem Parlamentsbericht
über Commercial Distress 1847—48. — In Folge der Missernte
und Hungersnoth 1846—47 wurde grosse Einfuhr von Nahrungs-
mitteln nöthig. „Daher grosser Ueberschuss der Einfuhr über die
Ausfuhr.... Daher beträchtlicher Geldabfluss bei den Banken, und
[401] vermehrter Zudrang zu den Diskontomaklern von Leuten, die
Wechsel zu diskontiren hatten; die Makler fingen an, den Wechseln
genauer auf die Finger zu sehn. Die bisher bewilligte Akkomo-
dation wurde sehr ernstlich eingeschränkt und unter schwachen
Häusern gab es Falliten. Diejenigen, die sich ganz auf den Kredit
verliessen, gingen in die Brüche. Dies vermehrte die schon früher
gefühlte Beunruhigung; Bankiers und andre fanden, dass sie nicht
mit derselben Sicherheit wie früher darauf rechnen konnten, ihre
Wechsel und andre Werthpapiere in Banknoten zu verwandeln, um
ihren Verpflichtungen nachzukommen; sie beschränkten die Akko-
modation noch mehr, und schlugen sie häufig rund ab; sie schlossen
in vielen Fällen ihre Banknoten ein, für künftige Deckung ihrer
eignen Verpflichtungen; sie gaben sie lieber gar nicht weg. Unruhe
und Verwirrung nahmen täglich zu, und ohne Lord John Russell’s
Brief war der allgemeine Bankrott da.“ (p. 74, 75.) Der Brief
Russell’s suspendirte den Bankakt. — Der oben erwähnte Charles
Turner sagt aus: „Manche Häuser hatten grosse Mittel, aber sie
waren nicht flüssig. Ihr ganzes Kapital stak fest in Grundbesitz
in Mauritius, oder in Indigo- oder Zuckerfabriken. Nachdem sie
einmal Verpflichtungen für 5—600000 £ eingegangen, hatten sie
keine flüssigen Mittel, die Wechsel dafür zu zahlen, und schliess-
lich zeigte sich, dass sie ihre Wechsel nur zahlen konnten ver-
mittelst ihres Kredits, und soweit dieser reichte.“ (p. 81.) — Der
erwähnte S. Gurney: „Gegenwärtig (1848) herrscht eine Beschrän-
kung der Umsätze und ein grosser Ueberfluss von Geld. — No. 1763.
Ich glaube nicht, dass Mangel an Kapital es war, das den Zinsfuss
so hoch hinauftrieb; es war der Schrecken (the alarm), die Schwierig-
keit Banknoten zu bekommen.“


1847 zahlte England wenigstens 9 Millionen £ in Gold ans
Ausland für eingeführte Nahrungsmittel. Davon 7½ Millionen aus
der Bank von England und 1½ aus andern Quellen. (p. 245.) —
Morris, Gouverneur der Bank von England: „Am 23. Oktober 1847
waren die öffentlichen Fonds und die Kanal- und Eisenbahnaktien
schon depreciirt um 114752225 £.“ (p. 312.) Derselbe Morris,
befragt von Lord G. Bentinck: „Ist Ihnen nicht bekannt, dass alles
in Papieren und Produkten aller Art angelegte Kapital in der-
selben Weise entwerthet war, dass Rohstoffe, Baumwolle, Seide,
Wolle nach dem Kontinent gesandt wurden zu denselben Schleuder-
preisen, und dass Zucker, Kaffee und Thee in Zwangsverkäufen los-
geschlagen wurden? — Es war unvermeidlich, dass die Nation
ein beträchtliches Opfer brachte, um dem Goldabfluss entgegenzu-
Marx, Kapital III. 26
[402] wirken, den die enorme Einfuhr von Nahrungsmitteln verursacht
hatte. — Glauben Sie nicht, es wäre besser gewesen die 8 Millionen £
anzuzapfen, die in den Geldschränken der Bank lagen, statt zu ver-
suchen das Gold mit solchen Opfern zurückzubekommen? — Das
glaube ich nicht
.“ — Nun den Kommentar zu diesem Heroismus.
Disraeli examinirt Herrn W. Cotton, Direktor und ehemaligen
Gouverneur der Bank von England. Was war die Dividende, die
die Bankaktionäre 1844 erhielten? — Sie war 7 % für das Jahr.
— Und die Dividende für 1847? — 9 %. — Bezahlt die Bank
die Einkommensteuer für ihre Aktionäre im laufenden Jahr? —
Jawohl. — That sie das auch 1844? — Nein.83) — Dann hat
dieser Bankakt (von 1844) also sehr im Interesse der Aktionäre
gewirkt … Das Resultat ist also, dass seit der Einführung des
neuen Akts, die Dividende der Aktionäre von 7 % auf 9 % ge-
stiegen ist, und die Einkommensteuer jetzt ausserdem von der
Bank gezahlt wird, während sie vorher von den Aktionären bezahlt
werden musste? — Das ist ganz richtig.“ — (No. 4356—4361.)


Ueber Schatzbildung bei den Banken während der Krise von
1847 sagt Mr. Pease, ein Provinzialbankier: „4605. Da die Bank
genöthigt war ihren Zinsfuss immer mehr zu steigern, wurden die
Befürchtungen allgemein; die Landbanken vermehrten die Geld-
beträge in ihrem Besitz und ebenso die Notenbeträge; und viele
von uns, die gewöhnlich vielleicht nur ein paar hundert Pfund in
Gold oder Banknoten zu führen pflegten, speicherten sofort tausende
in Geldschränken und Pulten auf, da grosse Ungewissheit herrschte
wegen des Diskontos und wegen der Umlaufsfähigkeit von Wechseln
im Markt; und so erfolgte eine allgemeine Schatzanhäufung.“ Ein
Ausschussmitglied bemerkt: „4691. — Demzufolge, was auch die
Ursache während der letzten 12 Jahre gewesen sein mag, so war
das Resultat jedenfalls mehr zu Gunsten des Juden und des Geld-
händlers, als zu Gunsten der produktiven Klasse überhaupt.“


Wie sehr der Geldhändler eine Zeit der Krisis ausbeutet, sagt
Tooke aus: „Im Metallwaarengeschäft von Warwickshire und
Staffordshire wurden 1847 sehr viele Aufträge auf Waaren zurück-
gewiesen, weil der Zinsfuss, den der Fabrikant für Diskontirung
[403] seiner Wechsel zu bezahlen hatte, seinen ganzen Profit mehr als
verschluckt hätte.“ (No. 5451.)


Nehmen wir jetzt einen andern schon vorher citirten Parlaments-
bericht: Report of Select Committee on Bank Acts, communicated
from the Commons to the Lords, 1857 (citirt weiter unten als:
B. C. 1857.) Darin wird Herr Norman, Direktor der Bank von
England und ein Hauptlicht unter den Leuten vom Currency-prin-
ciple, verhört wie folgt:


„3635. Sie sagten, Sie sind der Ansicht, dass der Zinsfuss ab-
hängt, nicht von der Masse der Banknoten, sondern von Nachfrage
und Angebot von Kapital. Wollen Sie angeben, was Sie unter
Kapital einbegreifen, ausser Banknoten und Hartgeld? — Ich
glaube die gewöhnliche Definition von Kapital ist: Waaren oder
Dienste gebraucht in Produktion. 3636. — Schliessen Sie alle Waaren
in das Wort Kapital ein, wenn Sie vom Zinsfuss sprechen? —
Alle Waaren, gebraucht in der Produktion. — 3637. Sie begreifen
das alles ein in das Wort Kapital, wenn Sie vom Zinsfuss sprechen? —
Jawohl. Nehmen wir an, ein Baumwollfabrikant braucht Baum-
wolle für seine Fabrik, so wird er vermuthlich sie sich dadurch
verschaffen, dass er einen Vorschuss von seinem Bankier erhält,
und mit den so erhaltnen Banknoten geht er nach Liverpool und
kauft. Was er wirklich braucht, ist die Baumwolle; er braucht
die Banknoten oder das Gold nicht, ausser als Mittel, die Baum-
wolle zu erhalten. Oder er braucht die Mittel, um seine Arbeiter
zu bezahlen; dann borgt er wieder Noten, und zahlt den Lohn
seiner Arbeiter mit diesen Noten; und die Arbeiter ihrerseits
brauchen Nahrung und Wohnung, und das Geld ist das Mittel
dafür zu zahlen. — 3638. Aber für das Geld wird Zins gezahlt? —
Gewiss, in erster Instanz; aber nehmen Sie einen andern Fall.
Angenommen, er kauft die Baumwolle auf Kredit, ohne Vorschuss
bei der Bank zu holen; dann ist die Differenz zwischen dem Preis
für Baarzahlung und dem Preis auf Kredit bei Verfallzeit der
Maßstab des Zinses. Zins würde existiren, auch wenn es über-
haupt kein Geld gäbe.“


Dieser selbstgefällige Kohl ist ganz würdig dieses Stützpfeilers
des Currency principle. Zuerst die geniale Entdeckung, dass Bank-
noten oder Gold Mittel sind etwas zu kaufen, und dass man sie
nicht ihrer selbst wegen pumpt. Und daraus soll folgen, dass der
Zinsfuss geregelt ist durch was? Durch die Nachfrage und Zufuhr
von Waaren, wovon man bisher nur wusste, dass sie die Markt-
preise der Waaren regeln. Mit gleichbleibenden Marktpreisen der
26*
[404] Waaren sind aber ganz verschiedne Zinsraten verträglich. — Aber
nun weiter die Schlauheit. Auf die richtige Bemerkung: „Aber für
das Geld wird Zins gezahlt,“ die natürlich die Frage einschliesst:
Was hat der Zins, den der Bankier erhält, der gar nicht in Waaren
handelt, zu thun mit diesen Waaren? und erhalten nicht Fabrikanten
Geld zum gleichen Zinsfuss, die dies Geld in ganz verschiednen
Märkten auslegen, also in Märkten, wo ganz verschiednes Verhält-
niss von Nachfrage und Angebot der in der Produktion gebrauchten
Waaren herrscht? — Auf diese Frage bemerkt dieses feierliche
Genie, dass wenn der Fabrikant Baumwolle auf Kredit kauft,
„dann ist die Differenz zwischen dem Preis für Baarzahlung und
dem Preis auf Kredit bei Verfallzeit der Maßstab des Zinses.“
Umgekehrt. Die bestehende Rate des Zinses, deren Regulirung
Genie Norman erklären soll, ist der Maßstab der Differenz zwischen
dem Preis für Baarzahlung und dem Preis auf Kredit bis Verfall-
zeit. Erst ist die Baumwolle zu verkaufen zu ihrem Preis bei
Baarzahlung, und dieser ist bestimmt durch den Marktpreis, der
selbst durch den Stand von Nachfrage und Zufuhr regulirt ist.
Sage der Preis ist = 1000 £. Damit ist das Geschäft zwischen dem
Fabrikanten und dem Baumwollmakler abgemacht, soweit es Kauf
und Verkauf betrifft. Nun kommt ein zweites Geschäft hinzu.
Dies ist eins zwischen Verleiher und Borger. Der Werth von
1000 £ wird dem Fabrikanten in Baumwolle vorgeschossen, und
er hat ihn, sage in drei Monaten, in Geld zurückzuzahlen. Und
die Zinsen für 1000 £ für drei Monate, bestimmt durch die Markt-
rate des Zinses, bilden dann den Aufschlag auf und über den Preis
für Baarzahlung. Der Preis der Baumwolle ist bestimmt durch
Nachfrage und Zufuhr. Aber der Preis des Vorschusses des Baum-
wollenwerths, der 1000 £, für drei Monate, ist bestimmt durch
die Zinsrate. Und dies, dass die Baumwolle selbst so in Geld-
kapital verwandelt wird, beweist Herrn Norman, dass Zins
existiren würde auch wenn es überhaupt kein Geld gäbe. Wenn
es überhaupt kein Geld gäbe, gäbe es jedenfalls keine allgemeine
Zinsrate.


Es ist erstens die pöbelhafte Vorstellung von Kapital als
„Waaren gebraucht in der Produktion“. Soweit diese Waaren als
Kapital figuriren, drückt sich ihr Werth als Kapital, im Unter-
schied von ihrem Werth als Waaren, aus in dem Profit, der aus
ihrer produktiven oder merkantilen Verwendung gemacht wird.
Und die Profitrate hat unbedingt immer etwas zu thun mit dem
Marktpreis der gekauften Waaren und ihrer Nachfrage und Zufuhr,
[405] wird aber noch durch ganz andre Umstände bestimmt. Und dass
die Zinsrate im allgemeinen ihre Grenze hat an der Profitrate, kein
Zweifel. Aber Herr Norman soll uns grade sagen, wie diese
Grenze bestimmt wird. Und sie wird bestimmt durch Nachfrage
und Angebot von Geldkapital in seinem Unterschied von den
andern Formen des Kapitals. Nun könnte weiter gefragt werden:
Wie wird Nachfrage und Angebot von Geldkapital bestimmt?
Dass eine stille Verbindung besteht zwischen dem Angebot von
sachlichem Kapital und dem Angebot von Geldkapital, kein Zweifel,
und ebensowenig, dass die Nachfrage der industriellen Kapitalisten
nach Geldkapital durch die Umstände der wirklichen Produktion
bestimmt ist. Statt uns hierüber aufzuklären, debitirt uns Norman
die Weisheit, dass Nachfrage nach Geldkapital nicht identisch ist
mit Nachfrage nach Geld als solchem; und diese Weisheit nur,
weil bei ihm, Overstone und den andern Currency-Propheten immer
das böse Gewissen im Hintergrund steht, dass sie durch künstliche
legislatorische Einmischung aus dem Cirkulationsmittel als solchem
Kapital zu machen und den Zinsfuss zu erhöhen bestrebt sind.


Nun zu Lord Overstone, alias Samuel Jones Loyd, wie er erklären
muss, warum er 10 % für sein „Geld“ nimmt, weil das „Kapital“
im Lande so rar ist.


„3653. Die Schwankungen in der Zinsrate entspringen aus
einer von zwei Ursachen: aus einer Veränderung im Werth des
Kapitals“ [vortrefflich! Werth des Kapitals, allgemein gesprochen
ist ja gerade der Zinsfuss! Die Aenderung in der Rate des Zinses
entspringt hier also aus einer Aenderung in der Rate des Zinses.
„Werth des Kapitals“ wird theoretisch, wie wir früher gezeigt,
nie anders gefasst. Oder aber: versteht Herr Overstone unter
Werth des Kapitals die Profitrate, so kommt der tiefsinnige Denker
darauf zurück, dass die Zinsrate regulirt wird durch die Profitrate!]
„oder aus einer Veränderung in der Summe des im Lande vor-
handnen Geldes. Alle grossen Schwankungen des Zinsfusses, gross,
entweder der Dauer oder der Ausdehnung der Schwankung nach,
lassen sich deutlich zurückführen auf Veränderungen im Werth
des Kapitals. Schlagendere praktische Illustrationen dieser That-
sache kann es nicht geben als das Steigen des Zinsfusses 1847
und wiederum in den letzten zwei Jahren (1855—56); die geringern
Schwankungen des Zinsfusses, die aus einem Wechsel in der
Summe des vorhandnen Geldes entstehn, sind klein sowohl ihrer
Ausdehnung wie ihrer Dauer nach. Sie sind häufig, und je
häufiger, desto wirksamer für ihren Zweck.“ Nämlich die Bankiers
[406] à la Overstone zu bereichern. Freund Samuel Gurney drückt sich
darüber sehr naiv aus vor dem Committee of Lords, C. D. 1848:
„1324. Sind Sie der Ansicht, dass die grossen Schwankungen des
Zinsfusses, die im vorigen Jahre stattgefunden, den Bankiers und
Geldhändlern vortheilhaft waren oder nicht? — Ich glaube sie
waren den Geldhändlern vortheilhaft. Alle Schwankungen des
Geschäfts sind vortheilhaft für den der Bescheid weiss (to the
knowing men). — 1325. Sollte nicht der Bankier schliesslich doch
bei dem hohen Zinsfuss verlieren in Folge der Verarmung seiner
besten Kunden? — Nein, ich bin nicht der Ansicht, dass diese
Wirkung in bemerkbarem Grade besteht.“ — Voilà ce que parler
veut dire.


Auf die Beeinflussung des Zinsfusses durch die Summe des vor-
handnen Geldes werden wir zurückkommen. Aber man muss schon
jetzt bemerken, dass Overstone hier wieder ein quid pro quo be-
geht. Die Nachfrage nach Geldkapital 1847 (vor Oktober bestand
keine Sorge wegen Geldknappheit, „Quantität des vorhandnen
Geldes“, wie er es oben nannte) nahm zu aus verschiednen Gründen.
Korntheuerung, steigende Baumwollpreise, Unverkäuflichkeit des
Zuckers wegen Ueberproduktion, Eisenbahnspekulation und Krach,
Ueberfüllung der auswärtigen Märkte mit Baumwollwaaren, die
oben beschriebne Zwangsausfuhr nach und Zwangseinfuhr von
Indien zum Zweck blosser Wechselreiterei. Alle diese Dinge, die
Ueberproduktion in der Industrie so gut wie die Unterproduktion
im Ackerbau, also ganz verschiedne Ursachen, verursachten Steige-
rung der Nachfrage nach Geldkapital, d. h. nach Kredit und Geld.
Die gesteigerte Nachfrage nach Geldkapital hatte ihre Ursachen
im Gang des Produktionsprocesses selbst. Aber, welches immer
die Ursache, es war die Nachfrage nach Geldkapital, die den Zins-
fuss, den Werth des Geldkapitals steigen machte. Will Overstone
sagen, dass der Werth des Geldkapitals stieg, weil er stieg, so ist
dies Tautologie. Versteht er aber unter „Werth des Kapitals“
hier Steigen der Profitrate als Ursache des Steigens des Zinsfusses,
so wird sich die Sache gleich als falsch herausstellen. Die Nach-
frage nach Geldkapital, und daher der „Werth des Kapitals“, kann
steigen, obgleich der Profit fällt; sobald das relative Angebot von
Geldkapital fällt, steigt sein „Werth“. Was Overstone nachweisen
will, ist, dass die Krise von 1847, und die hohe Zinsrate, die sie
begleitete, nichts zu thun hatte mit der „Quantität des vorhandnen
Geldes“, d. h. mit den Bestimmungen des von ihm inspirirten
Bankakts von 1844; obgleich sie in der That damit zu thun hatte,
[407] soweit die Furcht vor der Erschöpfung der Bankreserve — einer
Schöpfung von Overstone — eine Geldpanik der Krise von 1847/48
hinzufügte. Aber das ist hier nicht der Fragepunkt. Es war vor-
handen eine Geldkapitalnoth, verursacht durch die übermäßige
Grösse der Operationen, verglichen mit den vorhandnen Mitteln,
und zum Ausbruch gebracht durch die Störung des Reproduktions-
processes in Folge von missrathener Ernte, von Ueberanlage von
Eisenbahnen, von Ueberproduktion namentlich in Baumwollwaaren,
von indischem und chinesischem Schwindelgeschäft, Spekulation,
Uebereinfuhr von Zucker etc. Was den Leuten, die Korn gekauft
hatten, als es 120 sh. per Quarter stand, fehlte, als es auf 60 sh.
gefallen war, waren die 60 sh., die sie zuviel bezahlt, und der
entsprechende Kredit dafür im Lombardvorschuss auf das Korn.
Es war durchaus nicht Mangel an Banknoten, der sie daran hinderte,
ihr Korn zum alten Preis von 120 sh. in Geld zu konvertiren.
Ebenso bei denen, welche Zucker übereingeführt hatten, und dieser
dann fast unverkäuflich wurde. Ebenso bei den Herren, die ihr Cir-
kulationskapital (floating capital) in Eisenbahnen festgelegt und sich
für den Ersatz desselben in ihrem „legitimen“ Geschäft auf Kredit
verlassen hatten. Alles dies drückt sich für Overstone aus in
einem „moralischen Gewahrwerden des erhöhten Werthes seines
Geldes (a moral sense of the enhanced value of his money)“. Aber
diesem erhöhten Werth des Geldkapitals entsprach auf der andern
Seite direkt der gefallne Geldwerth des realen Kapitals (Waaren-
kapitals und produktiven Kapitals). Der Werth des Kapitals in
der einen Form stieg, weil der Werth des Kapitals in der andern
sank. Overstone sucht aber diese beiden Werthe verschiedner
Kapitalsorten in einem einzigen Werth des Kapitals überhaupt
zu identificiren, und zwar dadurch, dass er beide einem Mangel an
Cirkulationsmittel, an vorhandnem Geld gegenüberstellt. Derselbe
Betrag von Geldkapital kann aber mit sehr verschiednen Massen
von Cirkulationsmitteln verliehen werden.


Nehmen wir nun sein Beispiel von 1847. Der officielle Bank-
zinsfuss stand: Januar 3—3½ %. Februar 4—4½ %. März meist
4 %. April (Panik) 4—7½ %. Mai 5—5½ %. Juni im ganzen
5 %. Juli 5 %. August 5—5½ %. September 5 % mit kleinen
Variationen von 5¼, 5½, 6 %. Oktober 5, 5½, 7 %. November
7—10 %. December 7—5 %. — In diesem Fall stieg der Zins,
weil die Profite abnahmen, und die Geldwerthe der Waaren enorm
fielen. Wenn also Overstone hier sagt, dass der Zinsfuss 1847
stieg, weil der Werth des Kapitals stieg, so kann er unter Werth
[408] des Kapitals hier nur den Werth des Geldkapitals verstehn, und
der Werth des Geldkapitals ist eben der Zinsfuss und nichts
andres. Aber später kommt der Fuchsschwanz heraus, und der
Werth des Kapitals wird identificirt mit der Profitrate.


Was den hohen Zinsfuss angeht, der 1856 gezahlt wurde, so
wusste Overstone in der That nicht, dass dieser zum Theil ein
Symptom davon war, dass die Sorte Kreditritter obenauf kam, die
den Zins nicht aus dem Profit, sondern aus fremdem Kapital zahlt;
er behauptete, nur ein paar Monate vor der Krise von 1857, dass
„das Geschäft durchaus gesund sei“.


Er sagt ferner aus: „3722. Die Vorstellung, dass der Geschäfts-
profit durch Steigerung des Zinsfusses zerstört wird, ist höchst
irrthümlich. Erstens ist eine Erhöhung des Zinsfusses selten von
langer Dauer; zweitens, wenn sie von langer Dauer und bedeutend
ist, so ist sie der Sache nach ein Steigen im Werth des Kapitals,
und warum steigt der Werth des Kapitals? Weil die Profitrate
gestiegen ist.“ — Hier erfahren wir also endlich, welchen Sinn
der „Werth des Kapitals“ hat. Uebrigens kann die Profitrate für
längere Zeit hoch bleiben, aber der Unternehmergewinn fallen und
der Zinsfuss steigen, sodass der Zins den grössten Theil des Profits
verschlingt.


„3724. Die Erhöhung des Zinsfusses ist eine Folge gewesen der
enormen Ausdehnung im Geschäft unsers Landes, und der grossen
Erhöhung der Profitrate; und wenn geklagt wird, dass der erhöhte
Zinsfuss die beiden selben Dinge zerstört, die seine eigne Ursache
gewesen sind, so ist das eine logische Absurdität, von der man
nicht weiss, was man davon sagen soll.“ — Dies ist gerade so
logisch, als sagte er: Die erhöhte Profitrate ist die Folge gewesen
der Steigerung der Waarenpreise durch Spekulation, und wenn ge-
klagt wird, dass die Preissteigerung ihre eigne Ursache zerstört,
nämlich die Spekulation, so ist das eine logische Absurdität etc.
Dass ein Ding seine eigne Ursache schliesslich zerstören kann, ist
nur für den in den hohen Zinsfuss verliebten Wucherer eine
logische Absurdität. Die Grösse der Römer war die Ursache ihrer
Eroberungen, und ihre Eroberungen zerstörten ihre Grösse. Reich-
thum ist die Ursache von Luxus, und Luxus wirkt zerstörend auf
den Reichthum. Dieser Pfiffikus! Der Idiotismus der jetzigen
Bürgerwelt kann nicht besser gezeichnet werden als durch den
Respekt, den die „Logik“ des Millionärs, dieses dung-hill aristocrat,
ganz England einflösste. Uebrigens, wenn hohe Profitrate und
Geschäftsausdehnung Ursachen hohes Zinsfusses sein können, ist
[409] deswegen hoher Zinsfuss keineswegs Ursache von hohem Profit.
Und die Frage ist gerade, ob dieser hohe Zins (wie sich in der
Krise wirklich herausstellte) nicht fortgedauert oder gar erst auf
die Spitze getrieben, nachdem die hohe Profitrate längst den Weg
alles Fleisches gegangen.


„3718. Was eine grosse Erhöhung der Diskontorate betrifft, so
ist das ein Umstand, der ganz und gar aus dem vermehrten Werth
des Kapitals entspringt, und die Ursache dieses vermehrten Werths
des Kapitals kann, glaube ich, jedermann mit vollständiger Klar-
heit entdecken. Ich habe bereits die Thatsache erwähnt, dass in
den 13 Jahren, während deren dieser Bankakt in Wirksamkeit
war, der Handel von England von 45 auf 120 Millionen £ ge-
wachsen ist. Man denke nach über alle die Ereignisse, die diese
kurze Zahlenangabe einschliesst; man bedenke die enorme Nach-
frage nach Kapital, die eine so riesige Vermehrung des Handels
mit sich bringt und bedenke zugleich, dass die natürliche Quelle
der Zufuhr für diese grosse Nachfrage, nämlich die jährlichen Er-
sparnisse des Landes, während der letzten drei oder vier Jahre in
der unprofitablen Auslage für Kriegszwecke verzehrt worden ist.
Ich gestehe, ich bin überrascht, dass der Zinsfuss nicht noch viel
höher ist; oder in andern Worten, ich bin überrascht, dass die
Kapitalklemme in Folge dieser riesigen Operationen nicht noch
viel heftiger ist, als Sie sie schon gefunden haben.“


Welche wunderbare Durcheinanderwerfung von Worten unsers
Wucherlogikers! Hier ist er wieder mit seinem gestiegnen Werth
des Kapitals! Er scheint sich einzubilden, dass auf der einen
Seite diese enorme Ausdehnung des Reproduktionsprocesses vor-
ging, also Akkumulation von wirklichem Kapital, und dass auf
der andern Seite ein „Kapital“ stand, nach welchem „enorme Nach-
frage“ entsprang, um diese so riesige Vermehrung des Handels
fertig zu bringen! War denn diese riesige Vermehrung der Pro-
duktion nicht selbst die Vermehrung des Kapitals, und wenn sie
Nachfrage schuf, schuf sie nicht zugleich auch die Zufuhr, und
nicht auch zugleich selbst eine vermehrte Zufuhr von Geldkapital?
Stieg der Zinsfuss sehr hoch, so doch nur weil die Nachfrage nach
Geldkapital noch rascher wuchs als die Zufuhr, was in andern
Worten sich darin auflöst, dass mit der Ausdehnung der indu-
striellen Produktion ihre Führung auf Basis des Kreditsystems sich
ausdehnte. Mit andern Worten, die wirkliche industrielle Ex-
pansion verursachte eine vermehrte Nachfrage nach „Akkomodation“,
und diese letztere Nachfrage ist augenscheinlich das, was unser
[410] Bankier unter der „enormen Nachfrage nach Kapital“ versteht.
Es ist sicher nicht die Ausdehnung der blossen Nachfrage nach
Kapital, die den Exporthandel von 45 auf 120 Millionen hob. Und
was versteht Overstone weiter darunter, wenn er sagt, dass die
vom Krimkrieg aufgefressnen jährlichen Ersparnisse des Landes die
natürliche Quelle der Zufuhr für diese grosse Nachfrage bilden?
Erstens, womit akkumulirte denn England von 1792—1815, was
ein ganz andrer Krieg war als der kleine Krimkrieg? Zweitens,
wenn die natürliche Quelle vertrocknet, aus welcher Quelle floss
denn das Kapital? England hat bekanntlich nicht bei fremden
Nationen Vorschüsse genommen. Wenn es aber neben der natür-
lichen Quelle noch eine künstliche gibt, so wäre das ja eine aller-
liebste Methode für eine Nation, die natürliche Quelle im Krieg
und die künstliche Quelle im Geschäft zu verwenden. Wenn aber
nur das alte Geldkapital vorhanden war, konnte es durch hohen
Zinsfuss seine Wirksamkeit verdoppeln? Herr Overstone glaubt
offenbar, dass die jährlichen Ersparnisse des Landes (die aber in
diesem Fall angeblich konsumirt wurden) sich bloss in Geldkapital
verwandeln. Wenn aber keine wirkliche Akkumulation, d. h. Steige-
rung der Produktion und Vermehrung der Produktionsmittel statt-
fände, was würde die Akkumulation von Schuldansprüchen in Geld-
form auf diese Produktion nützen?


Die Steigerung des „Werths des Kapitals“, die aus hoher Profit-
rate folgt, wirft Overstone zusammen mit der Steigerung, die aus
vermehrter Nachfrage nach Geldkapital folgt. Diese Nachfrage
mag steigen aus Ursachen, die ganz unabhängig von der Profit-
rate sind. Er selbst führt als Beispiel an, dass sie 1847 stieg in
Folge von Entwerthung des Realkapitals. Je nachdem es ihm
passt, bezieht er den Werth des Kapitals auf Realkapital oder auf
Geldkapital.


Die Unredlichkeit unsers Banklords, zusammen mit seinem bor-
nirten Bankierstandpunkt, den er didaktisch zuspitzt, zeigt sich
weiter in Folgendem: 3728. (Frage.) „Sie sagten, dass nach Ihrer
Ansicht die Diskontorate für den Kaufmann von keiner wesent-
lichen Bedeutung ist; wollen Sie gütigst sagen was Sie als die
gewöhnliche Profitrate ansehn?“ Dies zu beantworten erklärt Herr
Overstone für „unmöglich“. 3729. „Angenommen die Durch-
schnittsprofitrate sei 7—10 %; so muss eine Änderung in der Dis-
kontorate von 2 % auf 7 oder 8 % die Profitrate wesentlich
afficiren, nicht wahr?“ [Die Frage selbst wirft die Rate des Unter-
nehmergewinns und die Profitrate zusammen und übersieht, dass
[411] die Profitrate die gemeinsame Quelle von Zins und Unternehmer-
gewinn. Die Zinsrate kann die Profitrate unberührt lassen, aber
nicht den Unternehmergewinn. Antwort Overstone’s]: „Erstens
werden Geschäftsleute nicht eine Diskontorate bezahlen, die ihren
Profit wesentlich vorwegnimmt; sie werden lieber ihr Geschäft ein-
stellen.“ [Jawohl, wenn sie können, ohne sich zu ruiniren. So
lange ihr Profit hoch, zahlen sie den Diskonto, weil sie wollen,
und sobald er niedrig, weil sie müssen.] „Was bedeutet Diskonto?
Warum diskontirt jemand einen Wechsel? … Weil er ein grössres
Kapital zu erlangen wünscht;“ [halte-là! weil er den Geldrückfluss
seines festgelegten Kapitals zu anticipiren und den Stillstand seines
Geschäfts zu vermeiden wünscht. Weil er fällige Zahlung decken
muss. Vermehrtes Kapital verlangt er nur, wenn das Geschäft
gut geht, oder wenn er auf fremdes Kapital spekulirt, selbst
während es schlecht geht. Der Diskonto ist keineswegs bloss
Mittel zur Ausdehnung des Geschäfts.] „Und warum will er das
Kommando über ein grösseres Kapital erhalten? Weil er dies
Kapital anwenden will; und warum will er dies Kapital anwenden?
weil dies profitlich ist; es wäre aber nicht profitlich für ihn, wenn
der Diskonto seinen Profit verschlänge.“


Dieser selbstgefällige Logiker unterstellt, dass Wechsel nur dis-
kontirt werden um das Geschäft auszudehnen, und dass das Ge-
schäft ausgedehnt wird, weil es profitlich ist. Die erste Voraus-
setzung ist falsch. Der gewöhnliche Geschäftsmann diskontirt, um
die Geldform seines Kapitals zu anticipiren, und dadurch den Re-
produktionsprocess im Fluss zu erhalten; nicht um das Geschäft
auszudehnen oder Zusatzkapital aufzubringen, sondern um den
Kredit, den er gibt, auszugleichen durch den Kredit, den er nimmt.
Und wenn er sein Geschäft auf Kredit ausdehnen will, wird ihm
das Diskontiren von Wechseln wenig nutzen, das ja bloss ein Um-
satz von schon in seiner Hand befindlichem Geldkapital aus einer
Form in eine andre ist; er wird lieber eine feste Anleihe auf
längere Zeit aufnehmen. Der Kreditritter allerdings wird seine Reit-
wechsel diskontiren lassen um sein Geschäft auszudehnen, um ein
faules Geschäft durch das andre zu decken; nicht um Profit zu
machen, sondern um sich in Besitz von fremdem Kapital zu setzen.


Nachdem Herr Overstone so den Diskonto identificirt mit An-
leihe von Zusatzkapital (statt mit Verwandlung von Wechseln, die
Kapital repräsentiren, in baares Geld) zieht er sich sofort zurück,
sobald ihm die Daumschrauben angesetzt werden. — „3730. (Frage:)
Müssen nicht Kaufleute, einmal im Geschäft engagirt, ihre Opera-
[412] tionen für einen gewissen Zeitraum fortführen trotz einer zeit-
weiligen Steigerung des Zinsfusses? — (Overstone) Es ist kein
Zweifel, dass bei irgend einer einzelnen Transaktion, wenn jemand
Verfügung über Kapital erhalten kann zu einem niedrigern Zins-
fuss statt zu einem hohen Zinsfuss, die Sache von diesem be-
schränkten Gesichtspunkt genommen, dass das für ihn angenehm
ist.“ — Dagegen ist es ein unbeschränkter Gesichtspunkt, wenn
Herr Overstone unter „Kapital“ nun plötzlich nur sein Bankiers-
kapital versteht und daher den Mann, der bei ihm Wechsel dis-
kontirt als einen Mann ohne Kapital betrachtet, weil sein Kapital
in Waarenform existirt, oder die Geldform seines Kapitals ein
Wechsel ist, den Herr Overstone in andre Geldform übersetzt.


„3732. Mit Beziehung auf den Bankakt von 1844, können Sie
angeben was das ungefähre Verhältniss des Zinsfusses zur Gold-
reserve der Bank war; ist es richtig, dass, wenn das Gold in der
Bank 9 oder 10 Millionen betrug, der Zinsfuss 6 oder 7 % war,
und wenn es 16 Millionen war, der Zinsfuss auf etwa 3 bis 4 %
stand?“ [Der Fragesteller will ihn zwingen den Zinsfuss, soweit
er beeinflusst durch die Menge des Goldes in der Bank, zu erklären
aus dem Zinsfuss, soweit er beeinflusst durch den Werth des
Kapitals.] — „Ich sage nicht, dass das der Fall ist … aber wenn
dem so ist, dann müssen wir meiner Ansicht nach noch schärfre
Maßregeln ergreifen als die von 1844; denn wenn es wahr sein
sollte, dass je grösser der Goldschatz, desto niedriger der Zinsfuss,
dann müssten wir an die Arbeit gehn, nach dieser Ansicht der
Sache, und den Goldschatz bis auf einen unbegrenzten Betrag er-
höhen, und dann würden wir den Zins auf 0 herabbringen.“ Der
Fragesteller Cayley, ungerührt durch diesen schlechten Witz, fährt
fort: „3733. Wenn dem so wäre, angenommen es würden 5 Mil-
lionen Gold der Bank zurückgegeben, so würde im Lauf der
nächsten sechs Monate der Goldschatz etwa 16 Millionen betragen,
und angenommen der Zinsfuss fiele so auf 3 bis 4 %, wie könnte
dann behauptet werden, dass der Fall im Zinsfuss von einer
grossen Abnahme im Geschäft herrührte? — Ich sagte, die neu-
liche grosse Erhöhung des Zinsfusses, nicht der Fall des Zins-
fusses, sei eng verknüpft mit der grossen Ausdehnung des Geschäfts.“
— Aber was Caylay sagt ist dies: Wenn Steigen des Zinsfusses,
zusammen mit Kontraktion des Goldschatzes, Zeichen der Aus-
dehnung des Geschäfts ist, so muss Fallen des Zinsfusses, zusammen
mit Ausdehnung des Goldschatzes, Zeichen der Abnahme des Ge-
schäfts sein. Hierauf hat Overstone keine Antwort. „3736. [Frage:]
[413] Ich bemerke, Sie (im Text steht immer Your Lordship) sagten,
dass Geld das Instrument sei um Kapital zu erhalten.“ [Dies ist
eben die Verkehrtheit, es als Instrument zu fassen; es ist Form
des Kapitals.] „Bei Abnahme des Goldschatzes [der Bank von
England] besteht nicht die grosse Schwierigkeit umgekehrt darin,
dass Kapitalisten kein Geld erhalten können? — [Overstone:]
Nein; es sind nicht die Kapitalisten, es sind die Nichtkapitalisten
die Geld zu erlangen suchen; und warum suchen sie Geld zu er-
langen? … Weil vermittelst des Geldes sie das Kommando über
das Kapital des Kapitalisten erlangen, um das Geschäft von Leuten
zu führen, die keine Kapitalisten sind.“ — Hier erklärt er geradezu,
dass Fabrikanten und Kaufleute keine Kapitalisten sind, und dass
das Kapital des Kapitalisten nur Geldkapital ist. — „3737. Sind
denn die Leute, die Wechsel ziehn, keine Kapitalisten? — Die
Leute, die Wechsel ziehn, sind möglicherweise Kapitalisten, und
möglicherweise auch nicht.“ Hier sitzt er fest.


Er wird nun gefragt, ob die Wechsel der Kaufleute nicht die
Waaren repräsentiren, die sie verkauft oder verschifft haben. Er
leugnet, dass diese Wechsel den Werth der Waaren ganz so reprä-
sentiren, wie die Banknote das Gold. (3740, 41.) Dies ist etwas
unverschämt.


„3742. Ist nicht der Zweck des Kaufmanns Geld zu erhalten? —
Nein; Geld zu erhalten ist nicht der Zweck beim Ziehen des
Wechsels; Geld zu erhalten ist der Zweck beim Diskontiren des
Wechsels.“ Wechsel-Ziehen ist Verwandlung von Waare in eine
Form von Kreditgeld, wie Wechsel-Diskontiren Verwandlung dieses
Kreditgelds in andres, nämlich Banknoten. Jedenfalls gibt Herr
Overstone hier zu, dass der Zweck des Diskontirens ist, Geld zu
erhalten. Vorher liess er nur diskontiren, nicht um Kapital aus
einer Form in die andre zu verwandeln, sondern um Zusatzkapital
zu erhalten.


„3743. Was ist der grosse Wunsch der Geschäftswelt, unter
dem Druck einer Panik, wie sie nach Ihrer Aussage 1825, 1837
und 1839 vorgekommen ist; bezwecken sie in den Besitz von
Kapital zu kommen oder von gesetzmäßigem Zahlungsgeld? —
Sie bezwecken das Kommando über Kapital zu erhalten, um ihr
Geschäft fortzuführen.“ — Ihr Zweck ist, Zahlungsmittel für ver-
fallende Wechsel auf sie selbst zu erhalten, wegen des eingetretnen
Kreditmangels, und um nicht ihre Waaren unter dem Preis los-
schlagen zu müssen. Haben sie selbst überhaupt kein Kapital, so
erhalten sie mit den Zahlungsmitteln natürlich zugleich Kapital,
[414] weil sie Werth ohne Aequivalent erhalten. Das Verlangen nach
Geld als solchem besteht stets nur in dem Wunsch, Werth aus
der Form von Waare oder Schuldforderung in die Form von Geld
umzusetzen. Daher auch abgesehn von den Krisen, der grosse
Unterschied zwischen Kapitalaufnahme und Diskonto, der bloss
Verwandlung von Geldforderungen aus einer Form in die andre,
oder in wirkliches Geld, zu Wege bringt.


[Ich — der Herausgeber — erlaube mir hier eine Zwischen-
bemerkung.


Bei Norman, wie bei Loyd-Overstone steht der Bankier immer
da als jemand, der „Kapital vorschiesst“, und sein Kunde als der-
jenige, der „Kapital“ von ihm verlangt. So sagt Overstone, jemand
lässt durch ihn Wechsel diskontiren, „weil er Kapital zu er-
langen wünscht“ (3729), und es sei angenehm für denselben Mann,
wenn er „Verfügung über Kapital erhalten kann“ zu niedrigem
Zinsfuss“ (3730). „Geld ist das Instrument, um Kapital zu er-
halten“ (3736), und in einer Panik ist der grosse Wunsch der Ge-
schäftswelt, „Kommando über Kapital zu erhalten“ (3743). Bei
aller Verwirrung Loyd-Overstones über das, was Kapital ist, geht
doch soviel klar hervor, dass er das, was der Bankier dem Ge-
schäftskunden gibt, als Kapital bezeichnet, als ein vom Kunden
vorher nicht besessenes, ihm vorgeschossnes Kapital, das zusätzlich
ist zu dem, worüber der Kunde bisher verfügte.


Der Bankier hat sich so sehr daran gewöhnt, als Vertheiler —
in Form des Verleihens — des in Geldform disponiblen gesell-
schaftlichen Kapitals zu figuriren, dass ihm jede Funktion, wobei
er Geld weggibt, als ein Verleihen vorkommt. Alles Geld, das er
auszahlt, erscheint ihm als ein Vorschuss. Ist das Geld direkt auf
Anleihe ausgelegt, so ist dies wörtlich richtig. Ist es im Wechsel-
Diskonto angelegt, so ist es in der That für ihn selbst Vorschuss
bis zum Verfall des Wechsels. So befestigt sich in seinem Kopf
die Vorstellung, dass er keine Zahlungen machen kann, die nicht
Vorschüsse sind. Und zwar Vorschüsse, nicht etwa bloss in dem
Sinn, dass jede Geldanlage zum Zweck des Zins- oder Profit-
machens ökonomisch als ein Vorschuss betrachtet wird, den der be-
treffende Geldbesitzer, in seiner Eigenschaft als Privatmann sich
selbst, in seiner Eigenschaft als Unternehmer, macht. Sondern
Vorschüsse in dem bestimmten Sinn, dass der Bankier dem Kunden
eine Summe leihweise übergibt, die das dem letzteren zur Ver-
fügung stehende Kapital um ebensoviel vermehrt.


Es ist diese Vorstellung, die, aus dem Bankkomptoir in die
[415] politische Oekonomie übertragen, die verwirrende Streitfrage ge-
schaffen hat, ob das, was der Bankier seinem Geschäftskunden in
baarem Geld zur Verfügung stellt, Kapital ist oder bloss Geld,
Cirkulationsmittel, Currency? Um diese — im Grunde einfache —
Streitfrage zu entscheiden, müssen wir uns auf den Standpunkt
des Bankkunden stellen. Es kommt darauf an, was dieser ver-
langt und erhält.


Bewilligt die Bank dem Geschäftskunden eine Anleihe einfach
auf seinen persönlichen Kredit, ohne Sicherheitstellung seinerseits,
so ist die Sache klar. Er erhält unbedingt einen Vorschuss von
bestimmter Werthgrösse als Zusatz zu seinem bisher angewandten
Kapital. Er erhält ihn in Geldform; also nicht nur Geld, sondern
auch Geldkapital.


Erhält er den Vorschuss geleistet gegen Verpfändung von Werth-
papieren etc., so ist es Vorschuss in dem Sinn, dass ihm Geld ge-
zahlt worden ist unter Vorbehalt der Rückzahlung. Aber nicht
Vorschuss von Kapital. Denn die Werthpapiere repräsentiren auch
Kapital, und zwar einen höheren Betrag als der Vorschuss. Der
Empfänger erhält also weniger Kapitalwerth als er in Pfand gibt;
dies ist für ihn durchaus keine Acquisition von Zusatzkapital. Er
macht das Geschäft nicht, weil er Kapital braucht — das hat er
ja in seinen Werthpapieren — sondern weil er Geld braucht. Hier
liegt also Vorschuss von Geld vor, aber nicht von Kapital.


Wird der Vorschuss geleistet gegen Diskonto von Wechseln, so
verschwindet auch die Form des Vorschusses. Es liegt vor ein
reiner Kauf und Verkauf. Der Wechsel geht durch Endossement
über in das Eigenthum der Bank, das Geld dagegen ins Eigen-
thum der Kunden; von Rückzahlung seinerseits ist keine Rede.
Wenn der Kunde mit einem Wechsel oder ähnlichen Kreditinstru-
ment baar Geld kauft, so ist das nicht mehr oder nicht minder
ein Vorschuss, als wenn er das baare Geld mit seiner sonstigen
Waare, Baumwolle, Eisen, Korn, gekauft hätte. Und am aller-
wenigsten kann hier von einem Vorschuss von Kapital die Rede
sein. Jeder Kauf und Verkauf zwischen Händler und Händler ist
eine Uebertragung von Kapital. Aber ein Vorschuss kommt nur
da vor, wo die Uebertragung von Kapital nicht wechselseitig ist,
sondern einseitig und auf Zeit. Kapitalvorschuss durch Wechsel-
Diskonto kann also nur da stattfinden, wo der Wechsel ein Reit-
wechsel ist, der gar keine verkauften Waaren repräsentirt, und den
nimmt kein Bankier, sobald er ihn für das erkennt, was er ist. Im
regelmäßigen Diskontogeschäft erhält also der Bankkunde keinen
[416] Vorschuss, weder in Kapital noch in Geld, sondern er erhält Geld
für verkaufte Waare.


Die Fälle, wo der Kunde von der Bank Kapital verlangt und
erhält, sind also sehr deutlich unterschieden von denen, wo er bloss
Geld vorgeschossen erhält oder bei der Bank kauft. Und da
namentlich Herr Loyd-Overstone nur in den allerseltensten Fällen
seine Fonds ohne Deckung vorzuschiessen pflegte (er war der
Bankier meiner Firma in Manchester), so ist ebenfalls klar, dass
seine schönen Schilderungen von den Massen Kapital, die die gross-
müthigen Bankiers den kapitalentbehrenden Fabrikanten vorschiessen,
arge Flunkerei sind.


Im Kapitel XXXII sagt Marx übrigens in der Hauptsache das-
selbe: „Die Nachfrage nach Zahlungsmitteln ist blosse Nachfrage
nach Umsetzbarkeit in Geld, soweit die Kaufleute und Pro-
ducenten gute Sicherheiten bieten können; sie ist Nachfrage nach
Geldkapital, soweit dies nicht der Fall ist, soweit also ein Vor-
schuss von Zahlungsmitteln ihnen nicht nur die Geldform gibt,
sondern auch das ihnen mangelnde Aequivalent, in welcher Form
es sei, zum Zahlen.“ — Ferner in Kap. XXXIII: „Bei entwickeltem
Kreditwesen, wo sich das Geld in den Händen der Banken kon-
zentrirt, sind sie es, wenigstens nominell, die es vorschiessen.
Dieser Vorschusss bezieht sich nicht auf das in Cirkulation befind-
liche Geld. Es ist Vorschuss von Cirkulation, nicht Vorschuss
der Kapitale, die diese cirkulirt.“ — Auch Herr Chapman, der es
wissen muss, bestätigt obige Auffassung des Diskontogeschäfts:
B. C. 1857: „Der Bankier hat den Wechsel, der Bankier hat den
Wechsel gekauft
.“ Evid. Frage 5139.


Wir kommen übrigens im Kap. XXVIII nochmals auf dieses
Thema zurück. — F. E.]


„3744. Wollen Sie gefälligst beschreiben, was Sie unter dem
Ausdruck Kapital wirklich verstehn? — [Antwort Overstone’s]
Kapital besteht aus verschiednen Waaren, vermittelst deren das
Geschäft in Gang gehalten wird (capital consists of various commo-
dities, by the means of which trade is carried on); es gibt fixes
Kapital und es gibt cirkulirendes Kapital. Ihre Schiffe, Ihre Docks,
Ihre Werften sind fixes Kapital, Ihre Lebensmittel, Ihre Kleider u.s.w.
sind cirkulirendes Kapital.


„3745. Hat der Abfluss des Goldes ins Ausland schädliche Folgen
für England? — Nicht solange man mit diesem Wort einen ratio-
nellen Sinn verbindet.“ [Nun kommt die alte Ricardo’sche Geld-
theorie].... „Im natürlichen Zustand der Dinge vertheilt sich das
[417] Geld der Welt auf die verschiednen Länder der Welt in gewissen
Proportionen; diese Proportionen sind derart, dass bei solcher Ver-
theilung [des Geldes] der Verkehr zwischen irgend einem Lande
einerseits, und allen andren Ländern der Welt andrerseits ein
blosser Tauschverkehr ist; aber es gibt störende Einflüsse, die diese
Vertheilung von Zeit zu Zeit afficiren, und wenn diese Einflüsse
entstehn, fliesst ein Theil des Geldes eines gegebnen Landes in andre
Länder ab. — 3746. Sie gebrauchen jetzt den Ausdruck: Geld.
Wenn ich Sie früher recht verstand, so nannten Sie das einen
Verlust von Kapital. — Was nannte ich einen Verlust von Ka-
pital? — 3747. Den Goldabfluss. — Nein, das sagte ich nicht.
Wenn Sie Gold als Kapital behandeln, so ist es ohne Zweifel ein
Verlust von Kapital; es ist Weggabe einer gewissen Proportion
des Edelmetalls, woraus das Weltgeld besteht. — 3748. Sagten
Sie nicht vorher, dass ein Wechsel in der Rate des Diskontos ein
blosses Anzeichen sei eines Wechsels im Werth des Kapitals? —
Jawohl. — 3749. Und dass die Rate des Diskontos im allge-
meinen wechselt mit der Goldreserve in der Bank von England? —
Jawohl; aber ich habe bereits gesagt, dass die Schwankungen des
Zinsfusses, die aus einem Wechsel in der Quantität des Geldes“
[also darunter versteht er hier die Quantität des wirklichen Goldes]
„in einem Lande entspringen, sehr geringfügig sind....


„3750. Wollen Sie also sagen, dass eine Kapitalabnahme statt-
gefunden hat, wenn eine längre, aber doch nur zeitweilige Steige-
rung des Diskontos über den gewöhnlichen Satz stattgefunden
hat? — Eine Abnahme in einem gewissen Sinn des Worts. Das
Verhältniss zwischen dem Kapital und der Nachfrage danach hat
gewechselt; möglicher Weise aber durch vermehrte Nachfrage, nicht
durch eine Abnahme in der Quantität des Kapitals.“ [Aber es war
ja eben Kapital = Geld oder Gold, und es war noch etwas früher
die Steigerung des Zinsfusses erklärt durch die hohe Profitrate, die
aus der Ausdehnung, nicht der Einschränkung des Geschäfts oder
Kapitals entsprang].


„3751. Was ist das für ein Kapital, das Sie hier speciell im
Auge haben? — Das kommt ganz darauf an, was das für ein
Kapital ist, das jeder einzelne nöthig hat. Es ist das Kapital,
das die Nation zu ihrer Verfügung hat, um ihr Geschäft fortzu-
führen, und wenn dies Geschäft sich verdoppelt, so muss eine grosse
Zunahme eintreten in der Nachfrage nach dem Kapital, womit es
fortgeführt werden soll.“ [Dieser pfiffige Bankier verdoppelt erst
das Geschäft und dann hinterher die Nachfrage nach dem Kapital,
Marx, Kapital III. 27
[418] womit es verdoppelt werden soll. Er sieht immer nur seinen
Kunden, der bei Herrn Loyd ein grössres Kapital verlangt, um
sein Geschäft zu verdoppeln.] — „Das Kapital ist wie jede andre
Waare;“ [aber das Kapital ist ja nach Herrn Loyd eben nichts
andres als die Gesammtheit der Waaren] „es wechselt in seinem
Preise“ [die Waaren wechseln also doppelt im Preis, einmal qua
Waaren, das andre Mal qua Kapital], „je nach Nachfrage und
Angebot.“


„3752. Die Schwankungen in der Rate des Diskontos stehn im
allgemeinen im Zusammenhang mit den Schwankungen des Gold-
betrages in der Schatzkammer der Bank. Ist dies das Kapital das
Sie meinen? — Nein. — 3753. Können Sie ein Beispiel angeben;
wo in der Bank von England ein grosser Kapitalvorrath aufgehäuft
war, und gleichzeitig die Rate des Diskontos hoch stand? — In
der Bank von England wird nicht Kapital aufgehäuft sondern
Geld. — 3754. Sie sagten aus, dass der Zinsfuss abhängt von der
Menge des Kapitals; wollen Sie gefälligst angeben, was für Kapital
Sie meinen, und ob Sie ein Beispiel anführen können, wo ein
grosser Goldvorrath in der Bank lag, und gleichzeitig der Zinsfuss
hoch stand? — Es ist sehr wahrscheinlich“ [aha!] „dass die An-
häufung von Gold in der Bank zusammenfallen mag mit einem
niedrigen Zinsfuss, weil eine Periode geringerer Nachfrage nach
Kapital“ [nämlich Geldkapital; die Zeit von der hier die Rede ist,
1844 und 45, waren Zeiten der Prosperität] „eine Periode ist,
während deren natürlicherweise das Mittel oder Werkzeug, vermöge
dessen man über Kapital kommandirt, akkumuliren kann. — 3755
Sie glauben also, dass kein Zusammenhang existirt zwischen der
Rate des Diskontos und der Masse des Goldes im Bankschatz? —
Es mag ein Zusammenhang existiren, aber es ist kein principieller
Zusammenhang“; [sein Bankakt von 1844 macht es aber grade
zum Princip der Bank von England, den Zinsfuss zu reguliren
nach der Masse des in ihrem Besitz befindlichen Goldes] „sie mögen
gleichzeitig stattfinden (there may be a coincidence of time). —
3758. Beabsichtigen Sie also zu sagen, dass die Schwierigkeit bei
den Kaufleuten hier zu Lande, in geldknapper Zeit, in Folge hoher
Rate des Diskontos, darin besteht, Kapital zu bekommen, und nicht
darin Geld zu bekommen? — Sie werfen zwei Dinge zusammen,
die ich nicht in dieser Form zusammenbringe; die Schwierigkeit
besteht darin, Kapital zu bekommen, und die Schwierigkeit ist
ebenfalls Geld zu bekommen … Die Schwierigkeit Geld zu be-
kommen, und die Schwierigkeit Kapital zu bekommen, ist dieselbe
[419] Schwierigkeit betrachtet auf zwei verschiednen Stufen ihres Ver-
laufs.“ — Hier sitzt der Fisch wieder fest. Die erste Schwierig-
keit ist, einen Wechsel zu diskontiren oder einen Vorschuss auf
Waarenpfand zu erhalten. Es ist Schwierigkeit, Kapital, oder ein
kommerzielles Werthzeichen für Kapital, in Geld zu verwandeln.
Und diese Schwierigkeit drückt sich aus, unter andrem, im hohen
Zinsfuss. Sobald aber das Geld empfangen ist, worin besteht dann
die zweite Schwierigkeit? Wenn es sich nur ums Zahlen handelt,
findet jemand Schwierigkeit sein Geld loszuwerden? Und wenn
es sich ums Kaufen handelt, wo hat je jemand in Zeiten der
Krisis Schwierigkeiten gefunden um einzukaufen? Und gesetzt auch,
dies bezöge sich auf den besondren Fall einer Theurung in Korn,
Baumwolle etc., so könnte diese Schwierigkeit sich doch nur zeigen
nicht in dem Werth des Geldkapitals, d. h. dem Zinsfuss, sondern
in dem Preis der Waare; und diese Schwierigkeit ist ja dadurch
überwunden, dass unser Mann jetzt das Geld hat sie zu kaufen.


„3760. Aber eine höhere Rate des Diskontos ist doch eine ver-
mehrte Schwierigkeit Geld zu erhalten? — Sie ist eine vermehrte
Schwierigkeit Geld zu erhalten, aber es ist nicht das Geld auf
dessen Besitz es ankommt; es ist nur die Form“ [und diese Form
bringt Profit in die Tasche des Bankiers] „worin die vermehrte
Schwierigkeit Kapital zu erhalten, sich in den komplicirten Be-
ziehungen eines civilisirten Zustandes darbietet.“


„3763. [Antwort Overstone’s:] Der Bankier ist der Mittelsmann,
der auf der einen Seite Depositen empfängt und auf der andren
Seite diese Depositen anwendet, indem er sie, in der Form von
Kapital
, anvertraut in die Hände von Personen, welche etc.“


Hier haben wir endlich was er unter Kapital versteht. Er ver-
wandelt das Geld in Kapital, indem er es „anvertraut,“ weniger
euphemistisch, indem er es auf Zinsen ausleiht.


Nachdem Herr Overstone vorher gesagt, dass Aenderung in der
Rate des Diskontos nicht im wesentlichen Zusammenhang stehe
mit Aenderung im Betrag des Goldschatzes der Bank oder der
Menge des vorhandnen Geldes, sondern höchstens im Zusammen-
hang der Gleichzeitigkeit, wiederholt er:


„3804. Wenn das Geld im Lande durch Abfluss vermindert
wird, so steigt sein Werth, und die Bank von England muss sich
diesem Wechsel im Werth des Geldes anpassen“; [Also in dem Werth
des Geldes als Kapital, in andren Worten, im Zinsfuss, denn der
Werth des Geldes als Geld, verglichen mit Waaren bleibt derselbe.]
„Was man technisch so ausdrückt, dass sie den Zinsfuss erhöht.“


27*
[420]

„3819. Ich werfe die beiden nie durcheinander.“ — Nämlich
Geld und Kapital, aus dem einfachen Grunde weil er sie nie unter-
scheidet.


„3834. Die sehr grosse Summe, die [für Korn im Jahre 1847]
für den nothwendigen Lebensunterhalt des Landes weggezahlt
werden musste, und die in der That Kapital war.“


„3841. Die Schwankungen in der Rate des Diskontos haben
unzweifelhaft eine sehr nahe Beziehung zu dem Stand der Gold-
reserve [der Bank von England], denn der Stand der Reserve ist
der Anzeiger der Zunahme oder Abnahme der im Lande vorhandnen
Geldmenge; und im Verhältniss wie das Geld im Lande zunimmt
oder abnimmt, fällt oder steigt der Werth des Geldes, und die
Bankrate des Diskontos wird sich dem anpassen.“ — Hier gibt
er also das zu, was er in No. 3755 ein für allemal abläugnete. —
„3842. Es findet ein enger Zusammenhang zwischen beiden statt.“ —
Nämlich der Menge des Goldes im Issue department und der Re-
serve von Noten im Banking department. Hier erklärt er den
Wechsel im Zinsfuss aus dem Wechsel in der Quantität des Geldes.
Dabei ist falsch was er sagt. Die Reserve kann abnehmen, weil
das cirkulirende Geld im Lande zunimmt. Dies ist der Fall, wenn
das Publikum mehr Noten nimmt und der Metallschatz nicht ab-
nimmt. Aber dann steigt der Zinsfuss, weil dann das Bankkapital
der Bank von England nach dem Gesetz von 1844 limitirt ist.
Davon darf er aber nicht sprechen, da in Folge dieses Gesetzes
die zwei Departements der Bank nichts mit einander gemein haben.


„3859. Eine hohe Profitrate wird stets eine grosse Nachfrage
nach Kapital erzeugen; eine grosse Nachfrage nach Kapital wird
seinen Werth steigern.“ — Hier also endlich der Zusammenhang
zwischen hoher Profitrate und Nachfrage nach Kapital, wie Over-
stone sich ihn vorstellt. Nun herrschte z. B. 1844—45 in der
Baumwollindustrie eine hohe Profitrate, weil bei starker Nach-
frage für Baumwollenwaaren, Rohbaumwolle wohlfeil war und
wohlfeil blieb. Der Werth des Kapitals (und nach einer frühern
Stelle nennt Overstone Kapital dasjenige, was jeder in seinem Ge-
schäft braucht), also hier der Werth der Rohbaumwolle, wurde
nicht erhöht für den Fabrikanten. Nun mag die hohe Profitrate
manchen Baumwollfabrikanten veranlasst haben, zur Erweiterung
seines Geschäfts Geld aufzunehmen. Dadurch stieg seine Nach-
frage für Geldkapital und für sonst nichts.


„3889. Gold kann Geld sein oder auch nicht, gerade wie Papier
eine Banknote sein kann oder auch nicht.“


[421]

„3896. Verstehe ich Sie also richtig dahin, dass Sie den Satz
aufgeben, den Sie 1840 anwandten: dass die Schwankungen in den
cirkulirenden Noten der Bank von England sich richten sollten
nach den Schwankungen im Betrag des Goldschatzes? — Ich gebe
ihn in sofern auf … dass nach dem heutigen Stand unsrer Kennt-
nisse wir zu den cirkulirenden Noten noch diejenigen Noten hinzu
addiren müssen, welche in der Bankreserve der Bank von England
liegen.“ Dies ist superlativ. Die willkürliche Bestimmung, dass
die Bank soviel Papiernoten macht, wie sie Gold im Schatz hat
[und] 14 Millionen mehr, bedingt natürlich, dass ihre Notenausgabe
schwankt mit den Schwankungen des Goldschatzes. Da aber „der
heutige Stand unsrer Kenntnisse“ klar zeigte, dass die Masse Noten,
die die Bank hiernach fabriciren kann (und die das issue depart-
ment dem banking department überträgt) — dass diese, mit den
Schwankungen des Goldschatzes schwankende Cirkulation zwischen
den beiden Abtheilungen der Bank von England, die Schwankungen
der Cirkulation der Banknoten ausserhalb der Mauern der Bank
von England nicht bestimmt, so wird die letztre, die wirkliche Cir-
kulation, jetzt für die Bankverwaltung gleichgültig, und die Cir-
kulation zwischen den zwei Abtheilungen der Bank, deren Unter-
schied von der wirklichen sich in der Reserve zeigt, wird allein
entscheidend. Für die Aussenwelt ist sie nur sofern wichtig, weil
die Reserve anzeigt, in wieweit die Bank sich dem gesetzlichen
Maximum ihrer Notenausgabe nähert, und wie viel die Kunden der
Bank noch aus dem banking department erhalten können.


Von der mala fides Overstone’s folgendes brillante Exempel:


„4243. Schwankt nach Ihrer Ansicht die Menge des Kapitals
von einem Monat zum andern in einem solchen Grade, dass sein
Werth dadurch verändert wird in der Art, wie wir es in den
letzten Jahren in den Schwankungen der Rate des Diskontos ge-
sehn haben? — Das Verhältniss zwischen Nachfrage und Angebot
von Kapital kann unzweifelhaft selbst in kurzen Zeiträumen
schwanken … Wenn Frankreich morgen anzeigt, dass es eine sehr
grosse Anleihe aufnehmen will, so wird das unzweifelhaft sofort
eine grosse Aenderung verursachen in dem Werth des Geldes,
das heisst in dem Werth des Kapitals
in England.“


„4245. Wenn Frankreich anzeigt, dass es plötzlich für irgend
einen Zweck für 30 Millionen Waaren braucht, so wird eine grosse
Nachfrage entstehn nach Kapital, um den wissenschaftlicheren
und einfacheren Ausdruck zu gebrauchen.“


„4246. Das Kapital, das Frankreich mit seiner Anleihe möchte
[422] kaufen wollen, ist eine Sache; das Geld womit Frankreich dies
kauft, ist eine andre Sache; ist es das Geld was seinen Werth
ändert oder nicht? — Wir kommen wieder auf die alte Frage,
und die glaube ich, ist geeigneter für das Studirzimmer eines Ge-
lehrten als für dies Komitézimmer.“ Und hiermit zieht er sich
zurück, aber nicht in’s Studirzimmer.84)


Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Die Rolle des Kredits in der kapitalistischen Produktion.


Die allgemeinen Bemerkungen, wozu das Kreditwesen uns bis
jetzt Veranlassung gab, waren folgende:


I. Nothwendige Bildung desselben, um die Ausgleichung der
Profitrate zu vermitteln, oder die Bewegung dieser Ausgleichung,
worauf die ganze kapitalistische Produktion beruht.


II. Verringerung der Cirkulationskosten.


1) Eine Hauptcirkulationskost ist das Geld selbst, soweit es
Selbstwerth. Es wird in dreifacher Art durch den Kredit öko-
nomisirt.


A. Indem es für einen grossen Theil der Transaktionen ganz
wegfällt.


B. Indem die Cirkulation des umlaufenden Mediums beschleunigt
wird.85) Dies fällt zum Theil zusammen mit dem, was unter 2)
zu sagen. Einerseits ist nämlich die Beschleunigung technisch;
d. h. bei sonst gleichbleibender Grösse und Menge der wirklichen,
die Konsumtion vermittelnden Waarenumsätze verrichtet eine ge-
[423] ringere Masse von Geld oder Geldzeichen denselben Dienst. Dies
hängt mit der Technik des Bankwesens zusammen. Andrerseits
beschleunigt der Kredit die Geschwindigkeit der Waarenmetamor-
phose und hiermit die Geschwindigkeit der Geldcirkulation.


C. Ersetzung von Goldgeld durch Papier.


2) Beschleunigung, durch den Kredit, der einzelnen Phasen der
Cirkulation oder der Waarenmetamorphose, weiter der Metamor-
phose des Kapitals, und damit Beschleunigung des Reproduktions-
processes überhaupt. (Andrerseits erlaubt der Kredit, die Akte des
Kaufens und Verkaufens länger auseinander zu halten und dient
daher der Spekulation als Basis.) Kontraktion der Reservefonds,
was doppelt betrachtet werden kann: einerseits als Verminderung
des cirkulirenden Mediums, andrerseits als Beschränkung des Theils
des Kapitals, der stets in Geldform existiren muss.86)


III. Bildung von Aktiengesellschaften. Hierdurch:


1) Ungeheure Ausdehnung der Stufenleiter der Produktion und
Unternehmungen, die für Einzelkapitale unmöglich waren. Solche
Unternehmungen zugleich, die früher Regierungsunternehmungen
waren, werden gesellschaftliche.


2) Das Kapital, das an sich auf gesellschaftlicher Produktions-
weise beruht, und eine gesellschaftliche Koncentration von Pro-
duktionsmitteln und Arbeitskräften voraussetzt, erhält hier direkt
die Form von Gesellschaftskapital (Kapital direkt associirter Indi-
viduen) im Gegensatz zum Privatkapital, und seine Unternehmungen
treten auf als Gesellschaftsunternehmungen im Gegensatz zu Privat-
unternehmungen. Es ist die Aufhebung des Kapitals als Privat-
eigenthum innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktions-
weise selbst.


3) Verwandlung des wirklich fungirenden Kapitalisten in einen
blosssen Dirigenten, Verwalter fremdes Kapitals, und der Kapital-
eigenthümer in blosse Eigenthümer, blosse Geldkapitalisten. Selbst
wenn die Dividenden, die sie beziehn, den Zins und Unternehmer-
gewinn, d. h. den Totalprofit einschliessen (denn das Gehalt des
Dirigenten ist, oder soll sein, blosser Arbeitslohn einer gewissen
Art geschickter Arbeit, deren Preis im Arbeitsmarkt regulirt wird,
wie der jeder andren Arbeit), so wird dieser Totalprofit nur noch
bezogen in der Form des Zinses, d. h. als blosse Vergütung des
Kapitaleigenthums, das nun ganz so von der Funktion im wirk-
[424] lichen Reproduktionsprocess getrennt wird, wie diese Funktion, in
der Person des Dirigenten, vom Kapitaleigenthum. Der Profit
stellt sich so dar (nicht mehr nur der eine Theil desselben, der
Zins, der seine Rechtfertigung aus dem Profit des Borgers zieht)
als blosse Aneignung fremder Mehrarbeit, entspringend aus der
Verwandlung der Produktionsmittel in Kapital, d. h. aus ihrer Ent-
fremdung gegenüber den wirklichen Producenten, aus ihrem Gegen-
satz als fremdes Eigenthum gegenüber allen wirklich in der Pro-
duktion thätigen Individuen, vom Dirigenten bis herab zum letzten
Taglöhner. In den Aktiengesellschaften ist die Funktion getrennt
vom Kapitaleigenthum, also auch die Arbeit gänzlich getrennt vom
Eigenthum an den Produktionsmitteln und an der Mehrarbeit. Es
ist dies Resultat der höchsten Entwicklung der kapitalistischen
Produktion ein nothwendiger Durchgangspunkt zur Rückverwand-
lung des Kapitals in Eigenthum der Producenten, aber nicht mehr
als das Privateigenthum vereinzelter Producenten, sondern als das
Eigenthum ihrer als associirter, als unmittelbares Gesellschafts-
eigenthum. Es ist andrerseits Durchgangspunkt zur Verwandlung
aller mit dem Kapitaleigenthum bisher noch verknüpften Funktionen
im Reproduktionsprocess, in blosse Funktionen der associirten Pro-
ducenten, in gesellschaftliche Funktionen.


Bevor wir weiter gehn, ist noch dies ökonomisch Wichtige zu
bemerken: Da der Profit hier rein die Form des Zinses annimmt,
sind solche Unternehmungen noch möglich, wenn sie blossen Zins
abwerfen, und es ist dies einer der Gründe, die das Fallen der
allgemeinen Profitrate aufhalten, indem diese Unternehmungen, wo
das konstante Kapital in so ungeheurem Verhältniss zum variablen
steht, nicht nothwendig in die Ausgleichung der allgemeinen Profit-
rate eingehn.


[Seit Marx obiges schrieb, haben sich bekanntlich neue Formen
des Industriebetriebs entwickelt, die die zweite und dritte Potenz
der Aktiengesellschaft darstellen. Der täglich wachsenden Rasch-
heit, womit auf allen grossindustriellen Gebieten heute die Pro-
duktion gesteigert werden kann, steht gegenüber die stets zu-
nehmende Langsamkeit der Ausdehnung des Markts für diese ver-
mehrten Produkte. Was jene in Monaten herstellt, kann dieser
kaum in Jahren absorbiren. Dazu die Schutzzollpolitik, wodurch
jedes Industrieland sich gegen die andern und namentlich gegen
England abschliesst, und die heimische Produktionsfähigkeit noch
künstlich steigert. Die Folgen sind allgemeine chronische Ueber-
produktion, gedrückte Preise, fallende und sogar ganz wegfallende
[425] Profite; kurz die altgerühmte Freiheit der Konkurrenz ist am Ende
ihres Lateins, und muss ihren offenbaren skandalösen Bankrott
selbst ansagen. Und zwar dadurch, dass in jedem Land die Gross-
industriellen eines bestimmten Zweigs sich zusammenthun zu einem
Kartell zur Regulirung der Produktion. Ein Ausschuss setzt das
von jedem Etablissement zu producirende Quantum fest und ver-
theilt in letzter Instanz die einlaufenden Aufträge. In einzelnen
Fällen kam es zeitweise sogar zu internationalen Kartellen, so
zwischen der englischen und deutschen Eisenproduktion. Aber
auch diese Form der Vergesellschaftung der Produktion genügte
noch nicht. Der Interessengegensatz der einzelnen Geschäftsfirmen
durchbrach sie nur zu oft, und stellte die Konkurrenz wieder her.
So kam man dahin, in einzelnen Zweigen, wo die Produktions-
stufe dies zuliess, die gesammte Produktion dieses Geschäftszweigs
zu Einer grossen Aktiengesellschaft mit einheitlicher Leitung zu
konzentriren. In Amerika ist dies schon mehrfach durchgeführt,
in Europa ist das grösste Beispiel bis jetzt der United Alkali
Trust, der die ganze britische Alkaliproduktion in die Hände einer
einzigen Geschäftsfirma gebracht hat. Die früheren Besitzer der
— mehr als dreissig — einzelnen Werke haben für ihre ge-
sammten Anlagen den Taxwerth in Aktien erhalten, im Ganzen
gegen 5 Millionen £, die das fixe Kapital des Trusts darstellen.
Die technische Direktion bleibt in den bisherigen Händen, aber die
geschäftliche Leitung ist in der Hand der Generaldirektion kon-
centrirt. Das Cirkulationskapital (floating capital) im Betrag von
etwa einer Million £ wurde dem Publikum zur Zeichnung ange-
boten. Gesammtkapital also 6 Millionen £. So ist in diesem
Zweig, der die Grundlage der ganzen chemischen Industrie bildet,
in England die Konkurrenz durch das Monopol ersetzt und der
künftigen Expropriation durch die Gesammtgesellschaft, die Nation,
aufs erfreulichste vorgearbeitet. — F. E.]


Es ist dies die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise
innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst, und daher
ein sich selbst aufhebender Widerspruch, der prima facie als blosser
Uebergangspunkt zu einer neuen Produktionsform sich darstellt.
Als solcher Widerspruch stellt er sich dann auch in der Er-
scheinung dar. Er stellt in gewissen Sphären das Monopol her
und fordert daher die Staatseinmischung heraus. Er reproduzirt
eine neue Finanzaristokratie, eine neue Sorte Parasiten in Gestalt
von Projektenmachern, Gründern und bloss nominellen Direktoren;
ein ganzes System des Schwindels und Betrugs mit Bezug auf
[426] Gründungen, Aktienausgabe und Aktienhandel. Es ist Privat-
produktion ohne die Kontrolle des Privateigenthums.


IV. Abgesehn von dem Aktienwesen — das eine Aufhebung
der kapitalistischen Privatindustrie auf Grundlage des kapitalistischen
Systems selbst ist, und in demselben Umfang, worin es sich aus-
dehnt und neue Produktionssphären ergreift, die Privatindustrie
vernichtet — bietet der Kredit dem einzelnen Kapitalisten, oder
dem, der für einen Kapitalisten gilt, eine innerhalb gewisser
Schranken absolute Verfügung über fremdes Kapital und fremdes
Eigenthum, und dadurch über fremde Arbeit.87) Verfügung über
gesellschaftliches, nicht eignes Kapital, gibt ihm Verfügung über
gesellschaftliche Arbeit. Das Kapital selbst, das man wirklich
oder in der Meinung des Publikums besitzt, wird nur noch die Basis
zum Kreditüberbau. Es gilt dies besonders im Grosshandel, durch
dessen Hände der grösste Theil des gesellschaftlichen Produkts
passirt. Alle Maßstäbe, alle mehr oder minder innerhalb der kapi-
talistischen Produktionsweise noch berechtigten Explikationsgründe
verschwinden hier. Was der spekulirende Grosshändler riskirt, ist
gesellschaftliches, nicht sein Eigenthum. Ebenso abgeschmackt
wird die Phrase vom Ursprung des Kapitals aus der Ersparung,
da jener gerade verlangt dass andre für ihn sparen sollen. [Wie
neuerdings ganz Frankreich anderthalb Milliarden Franken für die
Panamaschwindler zusammengespart hat. Wie denn hier der ganze
Panamaschwindel genau beschrieben ist, volle zwanzig Jahre ehe
er sich ereignet. — F. E.] Der andren Phrase von der Entsagung
schlägt sein Luxus, der nun auch selbst Kreditmittel wird, direkt
ins Gesicht. Vorstellungen, die auf einer minder entwickelten Stufe
der kapitalistischen Produktion noch einen Sinn haben, werden
[427] hier völlig sinnlos. Das Gelingen und Misslingen führen hier
gleichzeitig zur Centralisation der Kapitale, und daher zur Expro-
priation auf der enormsten Stufenleiter. Die Expropriation er-
streckt sich hier von den unmittelbaren Producenten auf die klei-
neren und mittleren Kapitalisten selbst. Diese Expropriation ist
der Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktionsweise; ihre Durch-
führung ist ihr Ziel, und zwar in letzter Instanz die Expropriation
aller Einzelnen von den Produktionsmitteln, die mit der Entwick-
lung der gesellschaftlichen Produktion aufhören, Mittel der Privat-
produktion und Produkte der Privatproduktion zu sein, und die
nur noch Produktionsmittel in der Hand der associirten Producenten,
daher ihr gesellschaftliches Eigenthum, sein können, wie sie ihr
gesellschaftliches Produkt sind. Diese Expropriation stellt sich
aber innerhalb des kapitalistischen Systems selbst in gegensätz-
licher Gestalt dar, als Aneignung des gesellschaftlichen Eigenthums
durch Wenige; und der Kredit gibt diesen Wenigen immer mehr
den Charakter reiner Glücksritter. Da das Eigenthum hier in der
Form der Aktie existirt, wird seine Bewegung und Uebertragung
reines Resultat des Börsenspiels, wo die kleinen Fische von den
Haifischen und die Schafe von [den] Börsenwölfen verschlungen
werden. In dem Aktienwesen existirt schon Gegensatz gegen die
alte Form, worin gesellschaftliches Produktionsmittel als indivi-
duelles Eigenthum erscheint; aber die Verwandlung in die Form
der Aktie bleibt selbst noch befangen in den kapitalistischen
Schranken; statt daher den Gegensatz zwischen dem Charakter des
Reichthums als gesellschaftlicher und als Privatreichthum zu über-
winden, bildet sie ihn nur in neuer Gestalt aus.


Die Kooperativfabriken der Arbeiter selbst sind, innerhalb der
alten Form, das erste Durchbrechen der alten Form, obgleich sie
natürlich überall, in ihrer wirklichen Organisation, alle Mängel
des bestehenden Systems reproduciren und reproduciren müssen.
Aber der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit ist innerhalb der-
selben aufgehoben, wenn auch zuerst nur in der Form, dass die
Arbeiter als Association ihr eigner Kapitalist sind, d. h. die Pro-
duktionsmittel zur Verwerthung ihrer eignen Arbeit verwenden.
Sie zeigen wie, auf einer gewissen Entwicklungsstufe der materiellen
Produktivkräfte und der ihr entsprechenden gesellschaftlichen Pro-
duktionsformen, naturgemäß aus einer Produktionsweise sich eine
neue Produktionsweise entwickelt und herausbildet. Ohne das aus
der kapitalistischen Produktionsweise entspringende Fabriksystem
könnte sich nicht die Kooperativfabrik entwickeln, und ebensowenig
[428] ohne das aus derselben Produktionsweise entspringende Kreditsystem.
Letztres, wie es die Hauptbasis bildet zur allmäligen Verwandlung
der kapitalistischen Privatunternehmungen in kapitalistische Aktien-
gesellschaften, bietet ebensosehr die Mittel zur allmäligen Aus-
dehnung der Kooperativunternehmungen auf mehr oder minder
nationaler Stufenleiter. Die kapitalistischen Aktienunternehmungen
sind ebensosehr wie die Kooperativfabriken als Uebergangsformen
aus der kapitalistischen Produktionsweise in die associirte zu be-
trachten, nur dass in den einen der Gegensatz negativ, und in den
andren positiv aufgehoben ist.


Wir haben bisher die Entwicklung des Kreditwesens — und die
darin enthaltne latente Aufhebung des Kapitaleigenthums — mit
Bezug hauptsächlich auf das industrielle Kapital betrachtet. Wir
betrachten in den folgenden Kapiteln den Kredit mit Bezug auf
das zinstragende Kapital als solches, sowohl seinen Effekt auf
dieses, wie die Form die er hierbei annimmt; und sind dabei über-
haupt noch einige specifisch ökonomische Bemerkungen zu machen.


Vorher noch dies:


Wenn das Kreditwesen als Haupthebel der Ueberproduktion und
Ueberspekulation im Handel erscheint, so nur, weil der Repro-
duktionsprocess, der seiner Natur nach elastisch ist, hier bis zur
äussersten Grenze forcirt wird, und zwar deshalb forcirt wird, weil
ein grosser Theil des gesellschaftlichen Kapitals von den Nicht-
eigenthümern desselben angewandt wird, die daher ganz anders
ins Zeug gehn als der ängstlich die Schranken seines Privatkapitals
erwägende Eigenthümer, soweit er selbst fungirt. Es tritt damit
nur hervor, dass die auf den gegensätzlichen Character der kapita-
listischen Produktion gegründete Verwerthung des Kapitals die
wirkliche, freie Entwicklung nur bis zu einem gewissen Punkt er-
laubt, also in der That eine immanente Fessel und Schranke der
Produktion bildet, die beständig durch das Kreditwesen durch-
brochen wird.88) Das Kreditwesen beschleunigt daher die materielle
Entwicklung der Produktivkräfte und die Herstellung des Welt-
markts, die als materielle Grundlagen der neuen Produktionsform
bis auf einen gewissen Höhegrad herzustellen, die historische Auf-
gabe der kapitalistischen Produktionsweise ist. Gleichzeitig be-
schleunigt der Kredit die gewaltsamen Ausbrüche dieses Wider-
spruchs, die Krisen, und damit die Elemente der Auflösung der
alten Produktionsweise.


[429]

Die dem Kreditsystem immanenten doppelseitigen Charaktere:
einerseits die Triebfeder der kapitalistischen Produktion, Bereicherung
durch Ausbeutung fremder Arbeit, zum reinsten und kolossalsten
Spiel- und Schwindelsystem zu entwickeln, und die Zahl der den
gesellschaftlichen Reichthum ausbeutenden Wenigen immer mehr
zu beschränken; andrerseits aber die Uebergangsform zu einer neuen
Produktionsweise zu bilden, — diese Doppelseitigkeit ist es, die
den Hauptverkündern des Kredits von Law bis Isaak Pereire ihren
angenehmen Mischcharakter von Schwindler und Prophet gibt.


Achtundzwanzigstes Kapitel.
Umlaufsmittel und Kapital; Tooke’s und Fullarton’s
Auffassung.


Der Unterschied zwischen Cirkulation und Kapital, wie ihn
Tooke89), Wilson und andre machen, und wobei die Unterschiede
zwischen Cirkulationsmittel als Geld, als Geldkapital überhaupt und
[430] als zinstragendes Kapital (moneyed capital im englischen Sinn)
kunterbunt durcheinander geworfen werden, kommen auf zweierlei
hinaus.


Das Cirkulationsmittel cirkulirt einerseits als Münze (Geld), so-
weit es Verausgabung von Revenue vermittelt, also den Ver-
kehr zwischen den individuellen Konsumenten und den Klein-
händlern, unter welche Kategorie alle Kaufleute zu rechnen sind,
die an die Konsumenten verkaufen — an die individuellen Kon-
sumenten im Unterschied von den produktiven Konsumenten oder
Producenten. Hier cirkulirt das Geld in der Funktion der Münze,
obgleich es beständig Kapital ersetzt. Ein gewisser Theil des
Geldes in einem Lande ist beständig dieser Funktion gewidmet,
obgleich dieser Theil aus beständig wechselnden einzelnen Geld-
stücken besteht. Dagegen, soweit das Geld Uebertragung von
Kapital
vermittelt, sei es als Kaufmittel (Cirkulationsmittel), sei
es als Zahlungsmittel, ist es Kapital. Es ist also weder die
Funktion als Kaufmittel, noch die als Zahlungsmittel, die es von
der Münze unterscheidet, denn auch zwischen Händler und Händler
kann es als Kaufmittel fungiren, soweit sie gegen baar von einander
kaufen, und auch zwischen Händler und Konsument kann es als
Zahlungsmittel figuriren, soweit Kredit gegeben und die Revenue
erst verzehrt und dann bezahlt wird. Der Unterschied ist also
der, dass im zweiten Fall dies Geld nicht nur Kapital für die eine
Seite, den Verkäufer, ersetzt, sondern auch von der andern Seite,
vom Käufer, als Kapital verausgabt, vorgeschossen wird. Der
Unterschied ist also in der That der von Geldform der Revenue
und Geldform des Kapitals, aber nicht der von Cirkulation
und Kapital, denn als Vermittler zwischen den Händlern, eben-
sogut wie als Vermittler zwischen Konsumenten und Händlern,
cirkulirt ein seiner Menge nach bestimmter Theil des Geldes,
und Cirkulation ist es demzufolge in beiden Funktionen gleich-
mäßig. Es kommt nun bei der Auffassung Tooke’s Konfusion
verschiedner Art herein:


  • 1) Durch die Verwechslung der funktionellen Bestimmungen;
  • 2) durch die Einmischung der Frage über die Quantität des, in
    beiden Funktionen zusammen genommen, cirkulirenden Geldes:
  • 3) durch Einmischung der Frage über die relativen Verhältnisse
    der in beiden Funktionen, und daher in beiden Sphären des Re-
    produktionsprocesses, cirkulirenden Mengen von Umlaufsmitteln, zu
    einander.

Ad 1), die Verwechslung der funktionellen Bestimmungen, dass
[431] das Geld in der einen Form Cirkulation (currency) und in der
andern Form Kapital ist. Soweit das Geld in der einen oder
andern Funktion dient, sei es zur Realisirung von Revenue oder
zur Uebertragung von Kapital, fungirt es im Kauf und Verkauf
oder im Zahlen, als Kaufmittel oder Zahlungsmittel, und im weitern
Sinn des Worts als Cirkulationsmittel. Die weitere Bestimmung,
die es in der Rechnung seines Ausgebers oder Empfängers hat,
dass es ihm Kapital oder Revenue vorstellt, ändert hieran absolut
nichts, und es zeigt sich dies auch doppelt. Obgleich die Geld-
sorten, die in beiden Sphären cirkuliren, verschieden sind, so geht
dasselbe Geldstück, z. B. eine Fünfpfundnote, aus der einen Sphäre
in die andre über, und vollzieht abwechselnd beide Funktionen;
was schon deswegen unvermeidlich ist, weil der Kleinhändler
seinem Kapital die Geldform allein geben kann in der Form der
Münze, die er von seinen Käufern erhält. Man kann annehmen,
dass die eigentliche Scheidemünze ihren Cirkulationsschwerpunkt
im Gebiet des Kleinhandels hat; der Kleinhändler braucht sie be-
ständig zum Auswechseln und erhält sie beständig in Zahlung von
seinen Kunden zurück. Er erhält aber auch Geld, d. h. Münze in
dem Metall, das Werthmesser ist, also in England Pfundstücke
und selbst Banknoten, namentlich Noten zu niedrigen Beträgen,
also z. B. von 5 und 10 Pfund. Diese Goldstücke und Noten,
nebst etwa überschüssiger Scheidemünze, deponirt er jeden Tag
oder jede Woche bei seiner Bank und zahlt damit, durch An-
weisung auf sein Bankdepositum, seine Einkäufe. Aber dieselben
Goldstücke und Noten werden ebenso beständig vom ganzen Pu-
blikum, in seiner Eigenschaft als Konsument, als Geldform seiner
Revenue, den Banken wieder direkt oder indirekt (z. B. Kleingeld
durch Fabrikanten zur Lohnzahlung) entzogen, und fliessen be-
ständig den Kleinhändlern zurück, denen sie so einen Theil ihres
Kapitals, aber gleichzeitig auch ihrer Revenue aufs neue realisiren.
Dieser letztere Umstand ist wichtig und wird von Tooke ganz
übersehn. Nur sobald das Geld als Geldkapital ausgelegt wird,
am Anfang des Reproduktionsprocesses (Buch II, Abschnitt I)
existirt der Kapitalwerth rein als solcher. Denn in der produ-
cirten Waare steckt nicht nur Kapital, sondern auch schon der
Mehrwerth; sie ist nicht nur Kapital an sich, sondern schon ge-
wordenes Kapital, Kapital mit der ihm einverleibten Revenue-
quelle. Was der Kleinhändler für das ihm zurückfliessende Geld
weggibt, seine Waare, ist also für ihn Kapital plus Profit, Kapital
plus Revenue.


[432]

Ferner aber, indem das cirkulirende Geld dem Kleinhändler
zurückfliesst, stellt es die Geldform seines Kapitals wieder her.


Den Unterschied zwischen der Cirkulation als Cirkulation von
Revenue und als Cirkulation von Kapital in einen Unterschied
zwischen Cirkulation und Kapital verwandeln, ist also durchaus
verkehrt. Diese Redeweise entspringt bei Tooke daraus, dass er
sich einfach auf den Standpunkt des Bankiers stellt, der eigne
Banknoten ausgibt. Der Betrag seiner Noten, der sich beständig
(wenn auch stets aus andern Noten bestehend), in der Hand des
Publikums befindet und als Cirkulationsmittel fungirt, kostet ihm
nichts ausser Papier und Druck. Es sind auf ihn selbst ausge-
stellte cirkulirende Schuldscheine (Wechsel), die ihm aber Geld
einbringen und so als ein Mittel zur Verwerthung seines Kapitals
dienen. Sie sind aber von seinem Kapital verschieden, sei dies
nun eignes oder aufgenommnes. Daher entspringt für ihn ein
specieller Unterschied von Cirkulation und Kapital, der aber mit
den Begriffsbestimmungen als solchen nichts zu thun hat, am
wenigsten mit den eben von Tooke gemachten.


Die verschiedne Bestimmtheit — ob es als Geldform der Revenue
oder des Kapitals fungirt — ändert zunächst nichts an dem
Charakter des Geldes als Cirkulationsmittel; diesen Charakter be-
hält es, ob es die eine oder die andre Funktion verrichtet. Aller-
dings fungirt das Geld, wenn es als Geldform der Revenue auf-
tritt, mehr als eigentliches Cirkulationsmittel (Münze, Kaufmittel),
wegen der Zersplitterung dieser Käufe und Verkäufe, und weil die
Mehrzahl der Revenue-Ausgebenden, die Arbeiter, relativ wenig
auf Kredit kaufen können; während im Verkehr der Handelswelt,
wo das Umlaufsmittel Geldform des Kapitals ist, theils wegen der
Koncentration, theils wegen des vorherrschenden Kreditsystems
das Geld hauptsächlich als Zahlungsmittel fungirt. Aber der
Unterschied des Geldes als Zahlungsmittel vom Geld als Kauf-
mittel (Cirkulationsmittel) ist eine dem Geld selbst zukommende
Unterscheidung; nicht ein Unterschied zwischen Geld und Kapital.
Weil im Kleinhandel mehr Kupfer und Silber, im grossen mehr
Gold cirkulirt, ist der Unterschied zwischen Silber und Kupfer auf
der einen und von Gold auf der andren Seite, nicht der Unter-
schied von Cirkulation und Kapital.


Ad 2) Einmischung der Frage über die Quantität des, in beiden
Funktionen zusammen, cirkulirenden Geldes: Soweit das Geld cir-
kulirt, sei es als Kaufmittel, sei es als Zahlungsmittel — einerlei
in welcher der beiden Sphären, und unabhängig von seiner Funktion,
[433] Revenue oder Kapital zu realisiren — gelten für die Quantität
seiner cirkulirenden Masse, die früher, bei Betrachtung der ein-
fachen Waarencirkulation, Buch I, Kap. III, 2b, entwickelten Ge-
setze. Der Grad der Cirkulationsgeschwindigkeit. also die Anzahl
der Wiederholungen derselben Funktion als Kauf- und Zahlungs-
mittel durch dieselben Geldstücke in einem gegebnen Zeitraum,
die Masse der gleichzeitigen Käufe und Verkäufe, resp. Zahlungen,
die Preissumme der cirkulirenden Waaren, endlich die Zahlungs-
bilanzen, die in derselben Zeit zu saldiren sind, bestimmen in
beiden Fällen die Masse des cirkulirenden Geldes, der currency.
Ob das so fungirende Geld für Zahler oder Empfänger Kapital
oder Revenue vorstellt, ist gleichgültig, ändert absolut nichts an
der Sache. Seine Masse wird bestimmt einfach durch seine Funktion
als Kauf- und Zahlungsmittel.


Ad 3) — Zur Frage über die relativen Verhältnisse der in
beiden Funktionen, und daher in beiden Sphären des Reproduktions-
processes cirkulirenden Mengen von Umlaufsmitteln. Beide Cir-
kulationssphären stehn in einem innern Zusammenhang, indem
einerseits die Masse der zu verausgabenden Revenuen den Umfang
der Konsumtion, und andrerseits die Grösse der in Produktion und
Handel cirkulirenden Kapitalmassen den Umfang und die Ge-
schwindigkeit des Reproduktionsprocesses ausdrücken. Trotzdem
wirken dieselben Umstände verschieden, und selbst in entgegen-
gesetzter Richtung, auf die Quanta der in beiden Funktionen oder
Sphären cirkulirenden Geldmassen oder auf die Quantitäten der
Cirkulation, wie die Engländer dies bankmäßig ausdrücken. Und
dies gibt neuen Anlass zu der abgeschmackten Distinktion Tooke’s
von Cirkulation und Kapital. Der Umstand, dass die Herren von
der Currency-Theorie zwei disparate Dinge verwechseln, ist durch-
aus kein Grund, um sie als Begriffsunterschiede darzustellen.


In Zeiten der Prosperität, grosser Expansion, Beschleunigung und
Energie des Reproduktionsprocesses, sind die Arbeiter voll be-
schäftigt. Meist tritt auch Steigen des Lohns ein und gleicht das
Fallen desselben unter das Durchschnittsniveau in den andern
Perioden des kommerziellen Cyklus einigermaßen aus. Gleichzeitig
wachsen die Revenuen der Kapitalisten bedeutend. Die Konsumtion
steigt allgemein. Die Waarenpreise steigen ebenfalls regelmäßig,
wenigstens in verschiednen entscheidenden Geschäftszweigen. In
Folge dessen wächst das Quantum des cirkulirenden Geldes wenigstens
innerhalb gewisser Grenzen, indem die grössere Umlaufsgeschwindig-
keit dem Wachsen der Masse des umlaufenden Mittels ihrerseits
Marx, Kapital III. 28
[434] Schranken setzt. Da der Theil der gesellschaftlichen Revenue, der
aus Arbeitslohn besteht, ursprünglich vom industriellen Kapitalisten
in der Form von variablem Kapital, und stets in Geldform vor-
geschossen wird, bedarf er in Zeiten der Prosperität mehr Geld zu
seiner Cirkulation. Aber wir dürfen dies nicht zweimal rechnen:
einmal als Geld, nöthig zur Cirkulation des variablen Kapitals, und
noch einmal als Geld, nöthig zur Cirkulation der Revenue der
Arbeiter. Das den Arbeitern als Lohn ausgezahlte Geld wird im
Kleinverkehr verausgabt und kehrt so ziemlich wöchentlich als
Depositum der Kleinhändler zu den Banken zurück, nachdem es
in kleinern Kreisläufen noch allerlei Zwischengeschäfte vermittelt
hat. In Zeiten der Prosperität wickelt sich der Rückfluss des
Geldes für die industriellen Kapitalisten glatt ab, und so steigt ihr
Bedürfniss für Geldakkommodation nicht dadurch, dass sie mehr
Arbeitslohn zu zahlen haben, mehr Geld zur Cirkulation ihres
variablen Kapitals bedürfen.


Das Gesammtresultat ist, dass in Perioden der Prosperität die
Masse der Umlaufsmittel, die zur Verausgabung von Revenue
dient, entschieden wächst.


Was nun die Cirkulation betrifft, die zum Uebertrag von Kapital,
also nur zwischen den Kapitalisten selbst nöthig ist, so ist diese
flotte Geschäftszeit zugleich die Periode des elastischsten und leich-
testen Kredits. Die Geschwindigkeit der Cirkulation zwischen
Kapitalist und Kapitalist ist direkt durch den Kredit regulirt, und
die Masse des Cirkulationsmittels, die zur Saldirung der Zahlungen
und selbst zu Baarkäufen erheischt ist, nimmt also verhältniss-
mäßig ab. Sie mag sich absolut ausdehnen, aber sie nimmt unter
allen Umständen relativ ab, verglichen mit der Expansion des
Reproduktionsprocesses. Einerseits werden grössere Massenzahlungen
ohne alle Dazwischenkunft von Geld liquidirt; andrerseits, bei der
grossen Lebendigkeit des Processes, herrscht raschere Bewegung
derselben Geldquanta, sowohl als Kauf- wie als Zahlungsmittel.
Dieselbe Geldmasse vermittelt den Rückfluss einer grössern Anzahl
von Einzelkapitalen.


Im ganzen erscheint in solchen Perioden der Geldumlauf voll-
gefüllt (full), obgleich Theil II (Kapitalübertragung) sich wenigstens
relativ kontrahirt, während Theil I (Revenueausgabe) sich absolut
ausdehnt.


Die Rückflüsse drücken die Rückverwandlung des Waarenkapitals
in Geld aus, G—W—G', wie man bei Betrachtung des Reproduk-
tionsprocesses, Buch II, Abschnitt I gesehn hat. Der Kredit macht
[435] den Rückfluss in Geldform unabhängig vom Zeitpunkt des wirk-
lichen Rückflusses, sei es für den industriellen Kapitalisten, sei es
für den Kaufmann. Jeder von beiden verkauft auf Kredit; seine
Waare ist also veräussert, bevor sie sich für ihn in Geld rückver-
wandelt, also zu ihm selbst in Geldform zurückgeflossen ist.
Andrerseits kauft er auf Kredit, und so hat sich der Werth seiner
Waare für ihn rückverwandelt, sei es in produktives Kapital, sei
es in Waarenkapital, schon bevor dieser Werth wirklich in Geld
verwandelt worden, bevor der Waarenpreis verfallen und bezahlt
ist. In solchen Zeiten der Prosperität wickelt sich der Rückfluss
leicht und glatt ab. Der Kleinhändler zahlt mit Sicherheit dem
Grosshändler, dieser dem Fabrikanten, dieser dem Importeur des
Rohstoffs etc. Der Schein rascher und sicherer Rückflüsse hält
sich immer für längre Zeit, nachdem deren Wirklichkeit vorbei,
durch den Kredit, der einmal im Gang ist, da die Kreditrückflüsse
die wirklichen vertreten. Die Banken fangen an Lunte zu riechen,
sobald ihre Kunden mehr Wechsel als Geld einzahlen. Siehe die
obige Aussage des Liverpooler Bankdirektors, S. 398.


Hier noch einzuschalten was ich früher bemerkt: „In Epochen
vorherrschenden Kredits wächst die Geschwindigkeit des Geldum-
laufs schneller, als die Preise der Waaren; während mit abnehmendem
Kredit die Preise der Waaren langsamer fallen, als die Geschwin-
digkeit der Cirkulation.“ (Zur Kritik d. Pol. Oekon., 1859, p. 83, 84.)


In der Periode der Krise verhält es sich umgekehrt. Cirkulation
No. I kontrahirt sich, die Preise fallen, ebenso die Arbeitslöhne;
die Zahl der beschäftigten Arbeiter wird eingeschränkt, die Masse
der Umsätze nimmt ab. Dagegen in Cirkulation No. II wächst
mit abnehmendem Kredit das Bedürfniss für Geldakkommodation, ein
Punkt auf den wir gleich näher eingehn.


Es unterliegt durchaus keinem Zweifel, dass bei der Abnahme
des Kredits, die mit Stockung des Reproduktionsprocesses zu-
sammenfällt, die Cirkulationsmasse, die für No. I, Revenue-Ausgabe,
erheischt ist, abnimmt, während die für No. II, Kapital-Uebertragung,
steigt. Es ist aber zu untersuchen, wie weit dieser Satz identisch
ist mit dem von Fullarton und andren aufgestellten: „Eine Nach-
frage für Kapital auf Anleihe und eine Nachfrage für zusätzliche
Cirkulationsmittel sind ganz verschiedne Dinge und kommen nicht
oft zusammen vor.“90)


28*
[436]

Zunächst ist klar, dass im ersten der beiden obigen Fälle, zur
Zeit der Prosperität, wo die Masse des cirkulirenden Mediums
wachsen muss, die Nachfrage dafür wächst. Aber es ist eben so
90)
[437] klar, dass wenn ein Fabrikant von seinem Guthaben bei einer Bank
mehr in Gold oder Banknoten herauszieht, weil er mehr Kapital
in Geldform zu verausgaben hat, deswegen seine Nachfrage für
Kapital nicht wächst, sondern nur seine Nachfrage für diese be-
sondre Form, worin er sein Kapital verausgabt. Die Nachfrage
bezieht sich nur auf die technische Form, worin er sein Kapital
in die Cirkulation wirft. Wie ja bei verschiedner Entwicklung des
Kreditwesens z. B. dasselbe variable Kapital, dieselbe Menge Arbeits-
lohn in einem Lande eine grössre Masse Umlaufsmittel erfordert
als im andern; in England z. B. mehr als in Schottland, in Deutsch-
land mehr als in England. Ebenso erheischt in der Landwirth-
schaft dasselbe im Reproduktionsprocess thätige Kapital zu ver-
schiednen Jahreszeiten verschiedne Mengen von Geld zur Verrichtung
seiner Funktion.


Aber der Gegensatz, wie Fullarton ihn stellt, ist nicht richtig.
Es ist keineswegs, wie er sagt, die starke Nachfrage für An-
leihen, was die Periode der Stockung von der Prosperität unter-
scheidet, sondern die Leichtigkeit, womit diese Nachfrage zur
Prosperitätszeit, und die Schwierigkeit, womit sie nach eingetretner
Stockung befriedigt wird. Es ist ja gerade die ungeheure Ent-
wicklung des Kreditsystems, während der Prosperitätszeit, also
auch die enorme Steigerung der Nachfrage nach Leihkapital und
die Bereitwilligkeit, womit das Angebot sich ihr in solchen Perioden
zur Verfügung stellt, welche die Kreditklemme während der Zeit
der Stockung herbeiführt. Es ist also nicht der Unterschied
in der Grösse der Nachfrage für Anleihen, der beide Perioden
charakterisirt.


Wie schon früher bemerkt, unterscheiden sich beide Perioden
zunächst dadurch, dass in der Prosperitätszeit die Nachfrage nach
Umlaufsmitteln zwischen Konsumenten und Händlern, in der Periode
des Rückschlags die Nachfrage nach Umlaufsmitteln zwischen
Kapitalisten vorherrscht. In der Periode der Geschäftsstockung
nimmt die erstere ab, die zweite zu.


Was nun Fullarton und andren als entscheidend wichtig auf-
fällt, ist das Phänomen, dass in solchen Zeiten, wo die securities —
90)
[438] die Leihpfänder und Wechsel — in der Hand der Bank von Eng-
land zunehmen, ihre Notencirkulation abnimmt und umgekehrt.
Die Höhe der securities drückt aber den Umfang der Geldakkom-
modation aus, der diskontirten Wechsel und der Vorschüsse auf
gangbare Werthpapiere. So sagt Fullarton in der oben, Note 90,
S. 436 angeführten Stelle: die Werthpapiere (securities) im Besitz
der Bank von England variiren meist in umgekehrter Richtung
wie ihre Notencirkulation, und dies bestätigt den bei den Privat-
banken altbewährten Satz, dass keine Bank ihre Notenausgabe
über einen gewissen, durch das Bedürfniss ihres Publikums be-
stimmten Betrag hinaussteigern kann; will sie aber über diesen
Betrag hinaus Vorschüsse machen, so muss sie diese aus ihrem
Kapital machen, also entweder Werthpapiere flüssig machen oder
Geldeingänge dazu verwenden, die sie sonst in Werthpapieren an-
gelegt hätte.


Hier zeigt sich aber auch, was Fullarton unter Kapital versteht.
Was heisst hier Kapital? Dass die Bank nicht länger die Vor-
schüsse machen kann mit ihren eignen Banknoten, Zahlungsver-
sprechen, die ihr natürlich nichts kosten. Aber womit macht sie
dann Vorschüsse? Mit dem Erlös aus dem Verkauf von securities
in reserve, d. h. von Staatspapieren, Aktien und andren zinstragenden
Werthpapieren. Aber wofür verkauft sie diese Papiere? Für Geld,
Gold oder Banknoten, soweit letztre gesetzliches Zahlungsmittel,
wie die der Bank von England. Was sie also vorschiesst, ist unter
allen Umständen Geld. Dies Geld konstituirt aber jetzt einen Theil
ihres Kapitals. Wenn sie Gold vorschiesst, so ist dies handgreif-
lich. Wenn Noten, so stellen jetzt diese Noten Kapital vor, weil
sie einen wirklichen Werth, die zinstragenden Papiere, dafür ver-
äussert hat. Bei den Privatbanken können die Noten, die ihnen
durch Verkauf der Werthpapiere zufliessen, der Masse nach nur
Noten der Bank von England oder ihre eignen sein, da andre schwer-
lich in Zahlung von Werthpapieren angenommen werden. Ist es
aber die Bank von England selbst, so kosten ihr dann ihre eignen
Noten, die sie rückerhält, Kapital, d. h. zinstragendes Papier. Ausser-
dem entzieht sie dadurch ihre eignen Noten der Cirkulation. Gibt
sie diese Noten wieder aus, oder statt ihrer neue Noten zum selben
Betrag, so stellen sie also jetzt Kapital vor. Und zwar stellen sie
Kapital vor, ebensogut wenn sie zu Vorschüssen an Kapitalisten,
wie wenn sie später, bei Abnahme der Nachfrage nach solcher
Geldakkommodation, zu Neuanlagen in Werthpapieren verwandt
werden. Unter allen diesen Umständen ist das Wort Kapital hier
[439] nur im Bankiersinn gebraucht, wo es bedeutet, dass der Bankier
mehr als seinen blossen Kredit zu verleihen gezwungen ist.


Bekanntlich macht die Bank von England alle ihre Vorschüsse
in ihren Noten. Wenn nun trotzdem in der Regel die Noten-
cirkulation der Bank abnimmt im Verhältniss wie die diskontirten
Wechsel und Leihpfänder in ihrer Hand, also die von ihr gemachten
Vorschüsse zunehmen — was wird aus den in Umlauf gesetzten
Noten, wie fliessen sie der Bank zurück?


Zunächst, wenn die Nachfrage für Geldakkommodation aus einer
ungünstigen nationalen Zahlungsbilanz entspringt und daher einen
Goldabfluss vermittelt, ist die Sache sehr einfach. Die Wechsel
werden diskontirt in Banknoten. Die Banknoten werden bei der
Bank selbst, im issue department, ausgetauscht gegen Gold, und
das Gold wird exportirt. Es ist dasselbe, als ob die Bank direkt
Gold zahlte, ohne Vermittlung von Noten, gleich beim Diskontiren
der Wechsel. Eine solche steigende Nachfrage — die 7 bis
10 Millionen Pfund Sterling in gewissen Fällen erreicht — fügt
natürlich der innern Cirkulation des Landes keine einzige Fünf-
pfundnote zu. Sagt man nun, dass die Bank hier Kapital vor-
schiesst und nicht Cirkulationsmittel, so hat dies einen doppelten
Sinn. Erstens, dass sie nicht Kredit, sondern wirklichen Werth
vorschiesst, einen Theil ihres eignen oder des bei ihr deponirten
Kapitals. Zweitens, dass sie nicht Geld für inländische Cirkulation,
sondern für internationale Cirkulation vorschiesst, Weltgeld; und
für diesen Zweck muss das Geld immer existiren in seiner Form
als Schatz, in seiner metallischen Leiblichkeit; in der Form, worin
es nicht nur Form des Werths, sondern selbst gleich dem Werth,
dessen Geldform es ist. Obgleich dies Gold nun sowohl für die
Bank, wie für den exportirenden Goldhändler, Kapital vorstellt,
Bankierkapital oder Kaufmannskapital, so entsteht die Nachfrage
nicht nach ihm als Kapital, sondern als der absoluten Form des
Geldkapitals. Sie entsteht gerade in dem Augenblick, wo die aus-
ländischen Märkte mit unrealisirbarem englischem Waarenkapital
vollgepfropft sind. Was also verlangt wird, ist Kapital nicht als
Kapital, sondern Kapital als Geld, in der Form, worin das Geld all-
gemeine Weltmarktswaare; und dies ist seine ursprüngliche Form
als edles Metall. Die Goldabflüsse sind also nicht, wie Fullarton,
Tooke etc. sagen, a mere question of capital. Sondern a question
of money, wenn auch in einer specifischen Funktion. Dass es
keine Frage der inländischen Cirkulation ist, wie die Leute von
der Currency-Theorie dies behaupten, beweist durchaus nicht, wie
[440] Fullarton und andre meinen, dass es eine blosse question of capital.
Es ist a question of money in der Form, worin Geld internationales
Zahlungsmittel. „Whether that capital (der Kaufpreis für die
Millionen Quarter ausländischer Weizens nach einer Missernte im
Inland) is transmitted in merchandize or in specie, is a point
which in no way affects the nature of the transaction.“ (Fullarton,
l. c., p. 131.) Aber es afficirt sehr bedeutend die Frage, ob ein
Goldabfluss stattfindet oder nicht. Das Kapital wird in Form von
Edelmetall übermittelt, weil es gar nicht, oder nicht ohne die
grössten Verluste in Form von Waaren übermittelt werden kann.
Die Angst, die das moderne Banksystem vor dem Goldabfluss hat,
übertrifft alles, was das Monetarsystem, dem Edelmetall der einzig
wahre Reichthum ist, je erträumt hat. Nehmen wir z. B. folgendes
Verhör des Gouverneurs der Bank von England, Morris, vor dem
Parlamentskomité über die Krise von 1847—48: „3846. [Frage:]
Wenn ich von Entwerthung von Vorräthen (stocks) und fixem
Kapital spreche, ist Ihnen nicht bekannt, dass alles in Vorräthen
und Produkten aller Art angelegte Kapital in derselben Weise ent-
werthet war; dass Rohbaumwolle, Rohseide, Rohwolle, nach dem
Kontinent geschickt wurde zu denselben Schleuderpreisen, und dass
Zucker, Kaffee und Thee mit grossen Opfern verkauft wurden wie
bei Zwangsverkäufen? — Es war unvermeidlich, dass das Land
ein beträchtliches Opfer bringen musste um dem Goldabfluss
zu begegnen, der stattgefunden hatte in Folge der massenhaften
Einführung von Nahrungsmitteln.“ — 3848. Sind Sie nicht der
Ansicht, dass es besser gewesen wäre, die 8 Millionen £ anzu-
greifen, die in der Schatzkammer der Bank lagen, als zu suchen,
das Gold zurückzubekommen mit solchen Opfern? — Nein, der
Meinung bin ich nicht
.“ — Es ist Gold was hier als der einzig
wirkliche Reichthum gilt.


Die von Fullarton citirte Entdeckung Tooke’s, dass „with only
one or two exceptions, and those admitting of satisfactory explan-
ation, every remarkable fall of the exchange, followed by a drain
of gold, that has occurred during the last half century, has been
coincident throughout with a comparatively low state of the cir-
culating medium, and vice versa“ (Fullarton p. 121) — beweist
dass diese Goldabflüsse meistens eintreten, nach einer Periode der
Aufregung und Spekulation als „a signal of a collapse already
commenced … an indication of overstocked markets, of a cessation
of the foreign demand for our productions, of delayed returns,
and, as the necessary sequel of all these, of commercial discredit,
[441] manufactories shut up, artisans starving, and a general stagnation
of industry and enterprise.“ (p. 129.) Dies ist zugleich natürlich
die beste Widerlegung der Behauptung der Currency-Leute, dass
a full circulation drives out bullion and a low circulation attracts
it. Dagegen, obgleich eine starke Goldreserve der Bank von Eng-
land meist in der Prosperitätszeit da ist, bildet sich dieser Schatz
immer in der lustlosen und stagnirenden Zeit, die auf den Sturm
folgt.


Die ganze Weisheit, mit Bezug auf die Goldabflüsse, läuft also
darauf hinaus, dass die Nachfrage für internationale Cirkulations-
und Zahlungsmittel verschieden ist von der Nachfrage für inlän-
dische
Cirkulations- und Zahlungsmittel (weswegen auch von selbst
folgt, dass „the existence of a drain does not necessarily imply
any diminution of the internal demand for circulation“ wie Ful-
larton p. 112 sagt); und dass das Heraussenden der edlen Metalle
aus dem Land, ihr Hineinwerfen in die internationale Cirkulation,
nicht identisch ist mit Hineinwerfen von Noten oder Münze in die
inländische Cirkulation. Uebrigens habe ich schon früher gezeigt,
dass die Bewegung des Schatzes, der als Reservefonds für inter-
nationale Zahlungen koncentrirt ist, an und für sich nichts zu thun
hat mit der Bewegung des Geldes als Cirkulationsmittel. Aller-
dings kommt eine Komplikation dadurch hinein, dass die ver-
schiednen Funktionen des Schatzes, die ich aus der Natur des
Geldes entwickelt habe: seine Funktion als Reservefonds für
Zahlungsmittel, fällige Zahlungen im Innern; als Reservefonds des
Umlaufsmittels; endlich als Reservefonds des Weltgelds — einem
einzigen Reservefonds aufgebürdet werden; woraus auch folgt, dass
unter gewissen Umständen ein Goldabfluss von der Bank ins Inland
sich mit dem Abfluss ins Ausland kombiniren kann. Eine weitere
Komplikation kommt aber noch herein durch die, diesem Schatz
ganz willkürlich aufgeladene fernere Funktion, als Garantiefonds
für Konvertibilität von Banknoten zu dienen, in Ländern wo das
Kreditsystem und das Kreditgeld entwickelt ist. Zu alledem kommt
dann schliesslich 1) die Koncentration des nationalen Reservefonds
in einer einzigen Hauptbank, 2) seine Reduktion auf das möglichste
Minimum. Daher auch die Klage Fullarton’s (p. 143): One cannot
contemplate the perfect silence and facility with which variations
of the exchange usually pass off in continental countries, compared
with the state of feverish disquiet and alarm always produced in
England whenever the treasure in the bank seems to be at all
approaching to exhaustion, without being struck with the
[442] great advantage in this respect which a metallic currency pos-
sesses.“


Sehn wir nun aber ab vom Goldabfluss, wie kann dann eine
Bank, die Banknoten ausgibt, also z. B. die Bank von England,
den Betrag der von ihr geleisteten Geldakkommodation vermehren
ohne Vermehrung ihrer Notenausgabe?


Alle Noten ausserhalb der Mauern der Bank, ob sie cirkuliren
oder in Privatschätzen schlummern, befinden sich, was die Bank
selbst betrifft, in Cirkulation, d. h. ausserhalb ihres Besitzes. Dehnt
also die Bank ihre Discontos und Lombardgeschäfte, die Vorschüsse
auf securities aus, so müssen die dafür ausgegebnen Banknoten
wieder zu ihr zurückfliessen, denn sonst vergrössern sie den Be-
trag der Cirkulation, was eben nicht der Fall sein soll. Dieser
Rückfluss kann auf doppelte Weise geschehn.


Erstens: Die Bank zahlt dem A Noten gegen Werthpapiere;
A zahlt damit fällige Wechsel an B, und B deponirt die Noten
wieder bei der Bank. Die Cirkulation dieser Noten ist damit zu
Ende, aber die Anleihe bleibt. (The loan remains, and the currency,
if not wanted, finds its way back to the issuer. Fullarton, p. 97.)
Die Noten, die die Bank dem A vorschoss, sind jetzt zu ihr zurück-
gekehrt; dagegen ist sie Gläubigerin von A oder dem Bezogenen
des von A diskontirten Wechsels, Schuldnerin von B für die in
diesen Noten ausgedrückte Werthsumme, und B verfügt damit über
einen entsprechenden Theil des Kapitals der Bank.


Zweitens. A zahlt an B, und B selbst oder C, an den er die
Noten weiter fortzahlt, zahlt mit diesen Noten fällige Wechsel an
die Bank, direkt oder indirekt. In diesem Fall wurde die Bank
mit ihren eignen Noten bezahlt. Hiermit ist dann die Transaktion
fertig (bis auf die Rückzahlung des A an die Bank).


In wie fern ist nun der Vorschuss der Bank an A als Vorschuss
von Kapital, oder als blosser Vorschuss von Zahlungsmitteln zu
betrachten?91)


[Dies kommt auf die Natur des Vorschusses selbst an. Es sind
dabei drei Fälle zu untersuchen.


Erster Fall. — A erhält von der Bank die Vorschusssummen
auf seinen persönlichen Kredit hin, ohne irgend welche Deckung
dafür zu geben. In diesem Fall hat er nicht nur Zahlungsmittel
[443] vorgeschossen erhalten, sondern auch unbedingt ein neues Kapital,
das er bis zur Rückzahlung in seinem Geschäft als Zusatzkapital
verwenden und verwerthen kann.


Zweiter Fall. — A hat der Bank Werthpapiere, Staatsschuld-
scheine oder Aktien, verpfändet und darauf Baarvorschuss, sage bis
zu zwei Dritteln des Tageswerths, erhalten. In diesem Fall hat
er die Zahlungsmittel erhalten, die er brauchte, aber kein zusätz-
liches Kapital, denn er hat der Bank einen grösseren Kapitalwerth
in die Hand gegeben als er von ihr erhielt. Aber dieser grössere
Kapitalwerth war einerseits für seine augenblicklichen Bedürfnisse
— Zahlungsmittel — nicht verwendbar, weil er in einer bestimmten
Form zinstragend angelegt war; andrerseits hatte A seine Gründe,
ihn nicht durch Verkauf direkt in Zahlungsmittel zu verwandeln.
Seine Werthpapiere hatten unter andern die Bestimmung, als
Reservekapital zu fungiren, und als solche hat er sie in Funktion
treten lassen. Es hat also zwischen A und der Bank eine zeit-
weilige, gegenseitige Kapitalübertragung stattgefunden, sodass A
kein zusätzliches Kapital erhalten hat (im Gegentheil!) wohl aber
die benöthigten Zahlungsmittel. Dagegen für die Bank war das
Geschäft eine zeitweilige Festlegung von Geldkapital in Form einer
Anleihe, eine Verwandlung von Geldkapital aus einer Form in eine
andre, und diese Verwandlung ist grade die wesentliche Funktion
des Bankgeschäfts.


Dritter Fall. — A hat bei der Bank einen Wechsel diskontiren
lassen, und dafür, nach Abzug des Diskontos, den Betrag in Baar
erhalten. In diesem Fall hat er eine nicht flüssige Form von Geld-
kapital an die Bank verkauft gegen den Werthbetrag in flüssiger
Form; den noch laufenden Wechsel gegen baares Geld. Der Wechsel
ist jetzt Eigenthum der Bank. Daran ändert es nichts, dass bei
Mangel Zahlung der letzte Indossent A der Bank für den Betrag
haftet; diese Haftbarkeit theilt er mit den andern Indossenten und
dem Aussteller, an die er seinerzeit Regress hat. Hier liegt also
gar kein Vorschuss vor, sondern ein ganz gewöhnlicher Kauf und
Verkauf. A hat daher der Bank auch nichts zurückzuzahlen, sie
deckt sich durch Einkassiren des Wechsels bei Verfall. Auch hier
hat gegenseitige Kapitalübertragung zwischen A und der Bank statt-
gefunden, und zwar ganz wie beim Kauf und Verkauf jeder andern
Waare, und eben deshalb hat A kein zusätzliches Kapital erhalten.
Was er brauchte und erhielt waren Zahlungsmittel, und er erhielt
sie dadurch, dass die Bank ihm die eine Form seines Geldkapitals
— den Wechsel — in die andre — das Geld — verwandelte.


[444]

Von wirklichem Kapitalvorschuss kann also die Rede sein nur
beim ersten Fall. Im zweiten und dritten Fall höchstens nur in
dem Sinn, wie bei jeder Kapitalanlage man „Kapital vorschiesst“.
In diesem Sinn schiesst die Bank dem A Geldkapital vor; aber für
A ist es Geldkapital höchstens in dem Sinn, dass es ein Theil
seines Kapitals überhaupt ist. Und er verlangt und gebraucht es
nicht speciell als Kapital, sondern speciell als Zahlungsmittel. Sonst
wäre auch jeder gewöhnliche Waarenverkauf, wodurch man sich
Zahlungsmittel verschafft, als ein empfangner Kapitalvorschuss an-
zusehn. — F. E.]


Bei der Privatbank mit Notenausgabe besteht der Unterschied, dass
falls ihre Noten weder in der Lokalcirkulation bleiben, noch ihr
selbst zurückkehren in Form von Depositen oder für Zahlung fälliger
Wechsel, diese Noten in die Hände von Leuten fallen, denen sie
Gold oder Noten der Bank von England in Auswechslung der-
selben zahlen muss. So repräsentirt in diesem Fall der Vorschuss
ihrer Noten in der That Vorschuss von Noten der Bank von Eng-
land, oder was für sie dasselbe, von Gold, also einen Theil ihres
Bankkapitals. Dasselbe gilt von dem Fall, wo die Bank von England
selbst oder irgend eine andere Bank, die einem gesetzlichen Maximum
der Notenausgabe unterworfen ist, Werthpapiere verkaufen muss,
um ihre eignen Noten aus der Cirkulation zu ziehn, und sie dann
wieder in Vorschüssen auszugeben; hier repräsentiren ihre eignen
Noten einen Theil ihres mobilisirten Bankkapitals.


Selbst wenn die Cirkulation rein metallisch wäre, könnte gleich-
zeitig 1) ein Goldabfluss [hier ist offenbar ein Goldabfluss gemeint,
der wenigstens zum Theil ins Ausland geht, F. E.] die Schatz-
kammer leeren, und 2) da das Gold hauptsächlich von der Bank
nur zur Saldirung von Zahlungen (Erledigung vergangner Trans-
aktionen) verlangt würde, so könnte ihr Vorschuss auf Werth-
papiere sehr wachsen, ihr aber in Form von Depositen zurück-
kehren, oder in Rückzahlung fälliger Wechsel; sodass einerseits,
bei Zunahme der Werthpapiere im Portefeuille der Bank, ihr Ge-
sammtschatz abnähme, sie andrerseits dieselbe Summe, die sie früher
als Eigenthümerin hielt, jetzt als Schuldnerin ihrer Depositäre
halten würde, und endlich die Gesammtmasse des cirkulirenden
Mediums abnähme.


Es ist bisher vorausgesetzt worden, dass die Vorschüsse in Noten
gemacht werden, also wenigstens eine augenblickliche, wenn auch
sofort wieder verschwindende Vermehrung der Notenausgabe mit
sich führen. Dies ist aber nicht nöthig. Statt der Papiernote
[445] kann die Bank dem A einen Buchkredit eröffnen, wo also dieser,
ihr Schuldner, zum imaginären Depositor bei ihr wird. Er zahlt
seine Gläubiger mit Cheques auf die Bank und der Empfänger
dieser Cheques zahlt sie weiter an seinen Bankier, der sie gegen
die auf ihn laufenden Cheques im Clearing House austauscht. In
diesem Fall findet gar keine Dazwischenkunft von Noten statt,
und die ganze Transaktion beschränkt sich darauf, dass der Bank
eine Forderung, die sie zu machen hat, mit einem Cheque auf sie
selbst saldirt wird, und ihre wirkliche Rekompensation in der Kredit-
forderung auf A besteht. In diesem Falle hat sie ihm einen Theil
ihres Bankkapitals, weil ihre eignen Schuldforderungen, vorge-
schossen.


Soweit diese Nachfrage nach Geldakkommodation Nachfrage nach
Kapital ist, ist sie dies nur für Geldkapital; Kapital vom Stand-
punkt des Bankiers aus, nämlich für Gold — bei Goldabfluss ins
Ausland — oder Noten der Nationalbank, die für die Privatbank
nur durch Kauf gegen ein Aequivalent erlangbar sind, für sie also
Kapital vorstellen. Oder endlich handelte es sich um zinstragende
Werthpapiere, Staatseffekten, Aktien etc., die verkauft werden
müssen, um Gold oder Noten an sich zu ziehn. Diese aber, wenn
Staatspapiere, sind Kapital bloss für den, der sie gekauft hat, dem
sie also seinen Kaufpreis, sein in ihnen angelegtes Kapital reprä-
sentiren; an sich sind sie kein Kapital, sondern blosse Schuld-
forderungen; wenn Hypotheken, sind sie blosse Anweisungen auf
künftige Bodenrente, und wenn sonstige Aktien, blosse Eigenthums-
titel, die zur Empfangnahme von künftigem Mehrwerth berechtigen.
Alle diese Dinge sind kein wirkliches Kapital, bilden keine Be-
standtheile des Kapitals, und sind auch an sich keine Werthe. Es
kann sich auch durch ähnliche Transaktionen Geld, das der Bank
gehört, in Depositum verwandeln, sodass sie, statt Eigner Schuldner
desselben wird, es unter andrem Besitztitel hält. So wichtig dies
für sie selbst ist, so wenig ändert es an der Masse des im Lande
vorräthigen Kapitals und selbst Geldkapitals. Kapital figurirt hier
also nur als Geldkapital, und wenn nicht in wirklicher Geldform
vorhanden, als blosser Kapitaltitel. Es ist dies sehr wichtig, da
Seltenheit von, und dringende Nachfrage nach Bankkapital ver-
wechselt wird mit einer Verringerung des wirklichen Kapitals,
das in solchen Fällen im Gegentheil, in Form von Produktions-
mitteln und Produkten, im Ueberfluss vorhanden ist und die Märkte
erdrückt.


Es erklärt sich also sehr einfach, wie die Masse der von der
[446] Bank als Deckung gehaltnen Werthpapiere wachsen, also der zu-
nehmende Andrang nach Geldakkommodation von der Bank befriedigt
werden kann, bei gleichbleibender oder abnehmender Gesammt-
masse der Umlaufsmittel. Und zwar wird diese Gesammtmasse in
doppelter Weise in solchen Zeiten der Geldklemme in Schranken
gehalten: 1) durch Goldabfluss; 2) durch Nachfrage nach Geld als
blossem Zahlungsmittel, wo die ausgegebnen Noten sogleich zurück-
fliessen, oder wo vermittelst Buchkredit die Transaktion ohne alle
Ausgabe von Noten sich abwickelt; wo also eine blosse Kredit-
transaktion die Zahlungen vermittelt, deren Erledigung der einzige
Zweck des Geschäfts war. Es ist das Eigenthümliche des Geldes,
dass, wo es bloss zur Saldirung von Zahlungen fungirt (und in
Zeiten der Krise wird Vorschuss aufgenommen um zu zahlen, nicht
um zu kaufen; um vergangne Geschäfte abzuwickeln, nicht um
neue einzuleiten), seine Cirkulation nur verschwindend ist, selbst
soweit diese Saldirung nicht durch blosse Kreditoperation, ohne
alle Dazwischenkunft von Geld stattfindet; dass also bei grossem
Andrang nach Geldakkommodation eine ungeheure Masse dieser
Transaktionen stattfinden kann, ohne die Cirkulation zu erweitern.
Die blosse Thatsache aber, dass die Cirkulation der Bank von
England stabil bleibt oder selbst abnimmt, gleichzeitig mit starker,
von ihr geleisteter Geldakkommodation, beweist prima facie keines-
wegs, wie Fullarton, Tooke u. a. (infolge ihres Irrthums, wonach
Geldakkommodation einerlei sei mit Aufnahme von capital on loan,
von Zusatzkapital) annehmen, dass die Cirkulation des Geldes (der
Banknoten) in seiner Funktion als Zahlungsmittel nicht zunimmt
und sich ausdehnt. Da die Cirkulation der Noten als Kaufmittel
in Zeiten der Geschäftsstockung, wo solche starke Akkommodation
erforderlich, abnimmt, kann ihre Cirkulation als Zahlungsmittel
zunehmen, und die Gesammtsumme der Cirkulation, die Summe
der als Kaufmittel und als Zahlungsmittel fungirenden Noten,
dennoch stabil bleiben oder selbst abnehmen. Die Cirkulation, als
Zahlungsmittel, von Banknoten, die der ausgebenden Bank sofort
zurückströmen, ist in den Augen jener Oekonomen eben keine
Cirkulation.


Nähme die Cirkulation als Zahlungsmittel in höherem Grade zu,
als die als Kaufmittel abnimmt, so würde die Gesammtcirkulation
wachsen, obgleich das als Kaufmittel fungirende Geld der Masse
nach bedeutend abgenommen hätte. Und dies tritt wirklich in
gewissen Momenten der Krise ein, nämlich beim vollständigen Zu-
sammenbruch des Kredits, wo nicht nur die Waaren und Werth-
[447] papiere unverkaufbar, sondern auch die Wechsel undiskontirbar
geworden sind, und nichts mehr gilt als baare Zahlung, oder wie
der Kaufmann sagt: Kassa. Da Fullarton und andre nicht be-
greifen, dass die Cirkulation der Noten als Zahlungsmittel das
Charakteristische solcher Zeiten der Geldnoth ist, behandeln sie
dies Phänomen als zufällig. „With respect again to those exam-
ples of eager competition for the possession of banknotes, which
characterise seasons of panic and which may sometimes, as at the
close of 1825, lead to a sudden, though only temporary, enlar-
gement of the issues, even while the efflux of bullion is still going
on, these, I apprehend, are not to be regarded as among the natural
or necessary concomitants of a low exchange; the demand in
such cases is not for circulation (sollte heissen Cirkulation als
Kaufmittel) but for hoarding, a demand on the part of alarmed
bankers and capitalists which arises generally in the last act of
the crisis (also als Reserve für Zahlungsmittel) after a long con-
tinuation of the drain, and is the precursor of its termination.“
(Fullarton, p. 130.)


Es ist bereits bei Betrachtung des Geldes als Zahlungsmittel
(Buch I, Kap. III, 3, b), auseinandergesetzt worden, wie bei einer
heftigen Unterbrechung der Zahlungskette das Geld aus einer bloss
idealen Form in dingliche und zugleich absolute Form des Werths,
gegenüber den Waaren, umschlägt. Einige Exempel davon wurden
gegeben ebendaselbst, Note 100 und 101. Diese Unterbrechung
selbst ist theils Wirkung, theils Ursache der Erschütterung des
Kredits und der Umstände, die letztre begleiten: Ueberführung der
Märkte, Entwerthung der Waaren, Unterbrechung der Produktion etc.


Klar aber ist, dass Fullarton den Unterschied zwischen Geld als
Kaufmittel und Geld als Zahlungsmittel in den falschen Unterschied
zwischen currency und Kapital verwandelt. Es liegt dabei aber
wieder die engherzige Bankiervorstellung von Cirkulation zu Grunde. —


Es könnte noch gefragt werden: Was fehlt denn in solchen
Zeiten der Klemme, Kapital oder Geld in seiner Bestimmtheit als
Zahlungsmittel? Und dies ist bekanntlich eine Kontroverse.


Zunächst, soweit die Klemme sich zeigt im Goldabfluss, ist es
klar, dass das was verlangt wird, das internationale Zahlungsmittel
ist. Aber Geld, in seiner Bestimmtheit als internationales Zahlungs-
mittel, ist Gold in seiner metallischen Wirklichkeit, als selbst
werthvolle Substanz, Werthmasse. Es ist zugleich Kapital, aber
Kapital nicht als Waarenkapital, sondern als Geldkapital, Kapital
nicht in der Form der Waare, sondern in der Form des Geldes
[448] (und zwar des Geldes im eminenten Sinn des Worts, worin es
existirt in der allgemeinen Weltmarktswaare.) Es liegt hier nicht
ein Gegensatz vor zwischen der Nachfrage nach Geld als Zahlungs-
mittel und der Nachfrage nach Kapital. Der Gegensatz liegt
zwischen dem Kapital in seiner Form als Geld und in seiner
Form als Waare; und die Form in der es hier verlangt wird und
allein fungiren kann, ist seine Geldform.


Abgesehn von dieser Nachfrage nach Gold (oder Silber) kann
nicht gesagt werden, dass in solchen Zeiten der Krise es in irgend
einer Weise an Kapital mangelt. Unter ausserordentlichen Um-
ständen, wie Getreidethéurung, Baumwollnoth etc. kann dies der
Fall sein; diese aber sind keineswegs nothwendige oder regel-
mäßige Begleiter solcher Zeiten; und die Existenz eines solchen
Mangels an Kapital kann daher nicht von vornherein daraus ge-
schlossen werden, dass ein Andrang für Geldakkommodation besteht.
Im Gegentheil. Die Märkte sind überführt, mit Waarenkapital
überschwemmt. Es ist also jedenfalls nicht Mangel an Waaren-
kapital, das die Klemme verursacht. Wir kommen auf diese Frage
später zurück.

Appendix A

Druck von Hesse \& Becker in Leipzig.


[][][]
Notes
1).
Welche Verwirrung hieraus im Kopf des Oekonomen entstehn kann,
wurde Buch I, Kap VII, 3, S. 216/206 ff., am Beispiel von N. W. Senior
gezeigt.
2).
„Wir wissen in der That bereits, dass der Mehrwerth bloss Folge der
Werthveränderung ist, die mit v, dem in Arbeitskraft umgesetzten Kapital-
theil, vorgeht, dass also v + m = v + Δv (v plus Inkrement von v) ist.
Aber die wirkliche Werthveränderung und das Verhältniss, worin sich der
Werth ändert, werden dadurch verdunkelt, dass in Folge des Wachsthums
seines variirenden Bestandtheils auch das vorgeschossne Gesamtkapital wächst.
Es war 500 und es wird 590.“ (Buch I, Kap. VII, 1, S. 203/195.)
3).
Malthus, Principles of Pol. Econ. 2nd. edit. London 1836. p. 267, 268.
4).
„Capital: that which is expended with a view to profit.“ Malthus,
Definitions in Pol. Econ. London 1827. p. 86.
5).
Vergl. Buch I, Kap. XVII I, p. 571/561 ff.
6).
R. Torrens, An Essay on the Production of Wealth. London 1821.
p. 51—53, p. 70 und 71.
7).
Malthus, Definitions in Pol. Econ. London 1853. p. 70, 71.
8).
„Die von verschiednen Kapitalen producirten Massen von Werth und Mehr-
werth verhalten sich, bei gegebnem Werth und gleich grossem Exploitations-
grad der Arbeitskraft, direkt wie die Grössen der variablen Bestandtheile
dieser Kapitale, d. h. ihrer in lebendige Arbeitskraft umgesetzten Bestand-
theile.“ (Buch I, Kap. IX, S. 312/303.)
9).
Hier steht im Ms.: „Später zu untersuchen, wie dieser Fall mit der
Grundrente zusammenhängt.“
10).
In dem Ms. finden sich noch sehr ausführliche Berechnungen über die
Differenz zwischen Mehrwerthsrate und Profitrate (m' — p'), die allerhand
interessante Eigenthümlichkeiten besitzt und deren Bewegung die Fälle an-
zeigt, wo die beiden Raten sich von einander entfernen oder sich einander
nähern. Diese Bewegungen lassen sich auch in Kurven darstellen. Ich
verzichte auf Wiedergabe dieses Materials, da es für die nächsten Zwecke
dieses Buchs weniger wichtig ist und es hier genügt, diejenigen Leser, die
diesen Punkt weiter verfolgen wollen, einfach darauf aufmerksam zu machen.
F. E.
11).
„Da in allen Fabriken ein sehr hoher Betrag von fixem Kapital in
Gebäuden und Maschinen steckt, so wird der Gewinn um so grösser sein,
je grösser die Anzahl der Stunden, während deren diese Maschinerie in
Arbeit gehalten werden kann.“ (Rep. of Insp. of Fact. October 31, 1858. p. 8.)
12).
S. Ure über den Fortschritt im Bau der Fabriken.
13).
The Factory Question and the Ten Hours Bill. By R. H. Greg.
London 1837, p. 115.
14).
Der Bericht macht im Schlusssatz ein Versehn. Statt 6 d. für Verlust
durch Abfall muss es 3 d. heissen. Dieser Verlust beträgt zwar 25 % bei in-
discher, aber nur 12½ — 15 % bei amerikanischer Baumwolle, und von dieser
ist hier die Rede, wie auch vorher derselbe Satz beim Preis von 5 bis 6 d.
richtig berechnet worden. Allerdings stieg auch bei der amerikanischen
Baumwolle, die während der letzten Jahre des Bürgerkriegs nach Europa
kam, das Verhältniss des Abfalls oft bedeutend gegen früher. F. E.
15).
Beispiele u. A. bei Babbage. Das gewöhnliche Hülfsmittel — Herab-
setzung des Arbeitslohns — wird auch hier angewandt, und so wirkt diese
beständige Entwerthung ganz anders als Herr Carey in seinem harmonischen
Gehirn träumt.
16).
Seit obiges geschrieben wurde (1865), hat sich die Konkurrenz auf
dem Weltmarkt bedeutend gesteigert durch die rapide Entwicklung der
Industrie in allen Kulturländern, namentlich in Amerika und Deutschland.
Die Thatsache, dass die rasch und riesig anschwellenden modernen Produktiv-
kräfte den Gesetzen des kapitalistischen Waarenaustausches, innerhalb deren
sie sich bewegen sollen, täglich mehr über den Kopf wachsen — diese That-
sache drängt sich heute auch dem Bewusstsein der Kapitalisten selbst mehr
und mehr auf. Dies zeigt sich namentlich in zwei Symptomen. Erstens in
der neuen allgemeinen Schutzzoll-Manie, die sich von der alten Schutzzöll-
nerei besonders dadurch unterscheidet, dass sie gerade die exportfähigen
Artikel am meisten schützt. Zweitens in den Kartellen (Trusts) der Fabri-
kanten ganzer grosser Produktionssphären zur Regulirung der Produktion
und damit der Preise und Profite. Es ist selbstredend, dass diese Experimente
nur bei relativ günstigem ökonomischen Wetter durchführbar sind. Der
erste Sturm muss sie über den Haufen werfen und beweisen, dass, wenn
auch die Produktion einer Regulirung bedarf, es sicher nicht die Kapita-
listenklasse ist, die dazu berufen ist. Inzwischen haben diese Kartelle nur
den Zweck, dafür zu sorgen, dass die Kleinen noch rascher von den Grossen
verspeist werden als bisher. — F. E.
17).
Es versteht sich, dass wir nicht, mit Herrn Baker, die Wollenkrisis
von 1857 aus dem Missverhältniss der Preise zwischen Rohstoff und Fabrikat
erklären. Dies Missverhältniss war selbst nur ein Symptom, und die
Krise eine allgemeine. F. E.
18).
Man unterscheidet in England streng zwischen Woollen Manufacture,
die aus kurzer Wolle Streichgarn spinnt und verwebt (Hauptcentrum Leeds),
und Worsted Manufacture, die aus langer Wolle Kammgarn spinnt und ver-
webt (Hauptsitz Bradford in Yorkshire). F. E.
19).
Diese rasche Ausdehnung der Maschinenspinnerei von Leinengarn in
Irland gab dem Export des deutschen (schlesischen, lausitzer, westfälischen)
aus Handgespinnst gewobnen Leinens damals den Todesstoss. F. E.
20).
Das Obige findet sich schon kurz entwickelt in der dritten Auflage des
ersten Buchs, S. 628, am Anfang von Kapitel XXIII. Da die beiden ersten
Auflagen jene Stelle nicht enthalten, war ihre Wiederholung hier um so
mehr geboten. — F. E.
21).
[Wie aus Kap. IV folgt, ist das obige nur richtig für den Fall, dass
die Kapitale A und B verschiedne Werthzusammensetzung haben, dass aber
ihre procentigen variablen Bestandtheile sich verhalten wie ihre Umschlags-
zeiten, resp. umgekehrt wie ihre Umschlagszahlen. Kapital A sei procentig
zusammengesetzt aus 20c fix + 70c cirkulirend, also 90c + 10v = 100. Bei
einer Mehrwerthsrate von 100 % erzeugen die 10v in einem Umschlag 10m
Profitrate für den Umschlag = 10 %. Kapital B dagegen sei = 60c fix +
20c cirkulirend, also 80c + 20v = 100. Die 20v erzeugen bei einem Um-
schlag bei obiger Mehrwerthsrate 20m, Profitrate für den Umschlag = 20 %,
also die doppelte gegen A. Schlägt aber A zweimal um in einem Jahr und
B nur einmal, so ergibt es für das Jahr ebenfalls 2×10 = 20m und die
Jahresprofitrate ist bei beiden gleich, nämlich 20 %. — F. E.]
22).
Cherbuliez.
23).
Corbett, p. 174.
24).
Selbstredend wird hier abgesehn von der Möglichkeit, durch Lohn-
drückung, Monopolpreis u. s. w. einen momentanen Extraprofit herauszu-
schlagen.
25).
Malthus.
26).
Corbett.
27).
Damals, 1865, noch blosse „Ansicht“ von Marx. Heute, seit der um-
fangreichen Untersuchung der ursprünglichen Gemeinwesen von Maurer bis
auf Morgan, kaum noch irgendwo bestrittene Thatsache. — F. E.
28).
K. Marx, Zur Kritik der pol. Oek. Berlin 1859.
29).
K. Marx. Zur Kritik etc.
30).
Der Streit zwischen Storch und Ricardo bei Gelegenheit der Grund-
rente (ein Streit nur der Sache nach: in der That nehmen sie beide keine
Rücksicht auf einander), ob der Marktwerth (bei ihnen vielmehr der Markt-
resp. Produktionspreis) durch die unter den ungünstigsten Bedingungen
(Ricardo) oder unter den günstigsten (Storch) producirten Waaren regulirt
werde, löst sich also dahin auf, dass beide recht haben und beide unrecht,
und dass ebenso beide den mittlern Fall ganz ausser Acht gelassen haben.
Vergleiche Corbett über die Fälle, wo der Preis regulirt wird durch die
unter den besten Bedingungen producirten Waaren. — It is not meant to be
asserted by him (Ricardo) that two particular lots of two different articles,
as a hat and a pair of shoes, exchange with one another when those two
particular lots were produced by equal quantities of labour. By „commo-
dity“ we must here understand the „description of commodity“, not a par-
ticular individual hat, pair of shoes etc. The whole labour which produces
all the hats in England is to be considered, for this purpose, as divided
among all the hats. This seems to me not to have been expressed at first,
and in the general statements of this doctrine. (Observations on some verbal
disputes in Pol. Econ. etc. London 1821. p. 53, 54.)
31).
Grosser Blödsinn der folgende Scharfsinn: Where the quantity of wages,
capital, and land, required to produce an article, have become different
from what they were, that which Adam Smith calls the natural price of it,
is also different, and that price which was previously its natural price,
becomes, with reference to this alteration, its market-price; because, though
neither the supply, nor the quantity wanted may have changed (beide
wechseln hier, gerade weil der Marktwerth, oder, worum es sich bei A. Smith
handelt, der Produktionspreis wechselt in Folge eines Werthwechsels) that
supply is not now exactly enough for thos epersons who are able and will-
ing to pay what is now the cost of production, but is either greater or less
than that; so that the proportion between the supply, and what is, with
reference to the new cost of production, the effectual demand, is different
from what is was. An alteration in the rate of supply will then take place
if there is no obstacle in the way of it, and at last bring the commodity
to its new natural price. It may then seem good to some persons to say
that, as the commodity gets to its natural price by an alteration in its
supply, the natural price is as much owing to one proportion between the
demand and the supply, as the market-price is to another; and consequently,
that the natural price, just as much as the market-price, depends on the
proportion that demand and supply bear to each other. (The great prin-
ciple of demand and supply is called into action to determine what A.
Smith calls natural prices as well as market-prices. — Malthus.) (Obser-
vations on certain verbal disputes etc. London, 1821, p. 60, 61.) Der kluge
Mann begreift nicht, dass im vorliegenden Fall gerade der Wechsel in cost
of production, also auch im Werth, die Aenderung in der Nachfrage, also
im Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr hervorgebracht hatte, und dass
diese Aenderung in der Nachfrage eine Aenderung in der Zufuhr herbeiführen
kann; was gerade das Gegentheil beweisen würde von dem, was unser Denker
beweisen will; es würde nämlich beweisen, dass die Aenderung in den Pro-
duktionskosten keineswegs von dem Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr
regulirt ist, sondern im Gegentheil selbst dies Verhältniss regulirt.
32).
If each man of a class could never have more than a given share, or
aliquot part of the gains and possessions of the whole, he would readily
combine to raise the gains (das thut er sobald das Verhältniss von Nach-
frage und Zufuhr es erlaubt); this is monopoly. But where each man thinks
that he may any way increase the absolute amount of his own share, though
by a process which lessens the whole amount, he will often do it; this is
competition. (An Inquiry into those principles respecting the nature of de-
mand etc. London, 1821, p. 105.)
33).
Malthus.
34).
Es ist höchst eigenthümlich, dass Ricardo (der natürlich in andrer
Weise verfährt als hier geschehn, da er die Ausgleichung der Werthe zu
Produktionspreisen nicht verstand) nicht einmal auf diesen Einfall kam,
sondern nur den ersten Fall, das Steigen des Arbeitslohns und seinen Ein-
fluss auf die Produktionspreise der Waaren betrachtet hat. Und das servum
pecus imitatorum ging selbst nicht soweit voran, diese höchst selbstver-
ständliche, in der That tautologische Nutzanwendung zu machen.
35).
„We should also expect that, however the rate of the profits of stock
might diminish in consequence of the accumulation of capital on the land
and the rise of wages, yet the aggregate amount of profits would increase.
Thus, supposing that, with repeated accumulations of 100,000 £, the rate
of profits should fall from 20 to 19, to 18, to 17 per cent., a constantly di-
minishing rate; we should expect that the whole amount of profits received
by those successive owners of capital would be always progressive; that it
would be greater when the capital was 200,000 £, than when 100,000 £;
still greater when 300,000 £; and so on, increasing, though at a diminishing
rate, with every increase of capital. This progression, however, is only true
for a certain time; thus, 19 per cent. on 200,000 £ is more than 20 on
100,000 £; again 18 per cent. on 300,000 £ is more than 19 per cent. on
200,000 £; but after capital has accumulated to a large amount, and
profits have fallen, the further accumulation diminishes the aggregate of
profits. Thus, suppose the accumulation should be 1,000,000 £, and the
profits 7 per cent., the whole amount of profits will be 70,000 £; now if
an addition of 100,000 £ capital be made to the million, and profits should
fall to 6 per cent., 66,000 £ or a diminution of 4000 £ will be received
by the owners of stock, although the whole amount of stock will be in-
creased from 1,000,000 £ to 1,100,000 £.“ Ricardo, Pol. Econ. chapt. VII
(Works, ed. Mac Culloch, 1852, p. 68). In der That ist hier ange-
nommen, dass das Kapital wächst von 1,000,000 auf 1,100,000, also um 10 %,
während die Profitrate fällt von 7 auf 6, also um 14\frac{2}{7} %. Hinc illae
lacrimae.
36).
A. Smith hat hier recht gegen Ricardo, welcher sagt: They contend
the equality of profits will be brought about by the general rise of profits;
and I am of opinion that the profits of the favoured trade will speedily submit
to the general level. (Works ed. Mac Culloch, p. 73.)
37).
Das Obige steht in Klammern, weil es, obwohl aus einer Notiz des
Originalmanuskripts umredigirt, in einigen Ausführungen über das im
Original vorgefundene Material hinausgeht. — F. E.
38).
Um das Kaufmannskapital als Produktionskapital klassificiren zu können,
verwechselt Ramayr es mit der Transportindustrie und nennt den Handel:
the transport of commodities from one place to another. (An Essay on the
38).
Distribution of Wealth p. 19.) Dieselbe Verwechslung schon bei Verri
(Meditazioni sull’ Ec. Pol. § 4) und Say (Traité d’ Ec. Pol. I, 14. 15) — In
seinen Elements of Pol. Ec. (Andover und New-York 1835) sagt J. P. Newman:
In the existing economical arrangements of society, the very act which is
performed by the merchant, of standing between the producer and the con-
sumer, advancing to the former capital and receiving products in return, and
handing over these products to the latter, receiving back capital in return,
is a transaction which both facilitates the economical process of the com-
munity, and adds value to the products in relation to which it is per-
formed. (p. 174.) Producent und Konsument sparen so Geld und Zeit durch
die Dazwischenkunft des Kaufmanns. Dieser Dienst erfordert Vorschuss von
Kapital und Arbeit, und muss belohnt werden, since it adds value to pro-
ducts, for the same products, in the hands of consumers, are worth more
than in the hands of producers. Und so erscheint ihm der Handel, ganz wie
Herrn Say, als strictly an act of production (S. 175.) Diese Ansicht Newman’s
ist grundfalsch. Der Gebrauchswerth einer Waare ist grösser in der
Hand des Konsumenten als in der Hand des Producenten, weil er hier über-
haupt erst realisirt wird. Denn der Gebrauchswerth einer Waare wird erst
realisirt, tritt in Funktion, sobald die Waare in die Sphäre der Konsumtion
übertritt. In der Hand des Producenten existirt er nur in potentieller Form.
Aber man bezahlt eine Waare nicht zweimal, erst ihren Tauschwerth und
dann ihren Gebrauchswerth noch extra. Dafür dass ich ihren Tauschwerth
zahle, eigne ich ihren Gebrauchswerth mir an. Und der Tauschwerth erhält
nicht den geringsten Zuwachs dadurch, dass die Waare aus der Hand des
Producenten oder Zwischenhändlers in die des Konsumenten übergeht.
39).
John Bellers.
39).
Wie diese 1865 geschriebne Prognose der Schicksale des kommerziellen
Proletariats sich seitdem bewährt hat, davon können die hunderte deutscher
Kommis ein Liedchen singen, die, in allen kommerziellen Operationen und
in 3—4 Sprachen bewandert, in der Londoner City vergebens ihre Dienste
um 25 Schill. die Woche anbieten — weit unter dem Lohn eines geschickten
Maschinenschlossers. — Eine Lücke von zwei Seiten im Manuskript deutet
an, dass dieser Punkt noch weiter entwickelt werden sollte. Im Uebrigen ist
zu verweisen auf Buch II, Kap. VI (die Cirkulationskosten) S. 105—113, wo
bereits verschiednes hieher Gehörige berührt ist. — F. E.
40).
Profit, on the general principle, is always the same, whatever be price;
keeping its place like an incumbent body on the swelling or sinking trade.
As, therefore, prices rise, a tradesman raises prices; as prices fall, a trades-
man lowers price. (Corbet, An Inquiry into the Causes etc. of the Wealth
of Individuals. London 1845, p. 15.) — Es ist hier wie im Text überhaupt
nur vom gewöhnlichen Handel, nicht von der Spekulation die Rede, deren
Betrachtung, wie überhaupt alles auf Theilung des merkantilen Kapitals Be-
zügliche, ausserhalb des Kreises unsrer Betrachtung fällt. The profit of trade
is a value added to capital which is independent of price, the second (spe-
culation) is founded on the variation in the value of capital or in price it-
self. (l. c., p. 12.)
41).
Es ist eine sehr naive, aber zugleich sehr richtige Bemerkung: „Sicher
bat daher auch der Umstand, dass eine und dieselbe Waare bei verschiednen
Verkäufern zu wesentlich verschiednen Preisen zu erlangen ist, sehr häufig
ihren Grund in einer unrichtigen Kalkulatur.“ (Feller \& Oldermann, das
Ganze der kaufmännischen Arithmetik, 7. Aufl. 1859.) Es zeigt dies, wie die
Preisbestimmung rein theoretisch, d. h. abstrakt wird.
42).
Zur Kritik der Pol. Oekon. S. 27.
43).
„Schon aus der grossen Verschiedenheit der Münzen in Ansehung so-
wohl des Schrots und Korns, als des Gepräges der vielen münzberechtigten
Fürsten und Städte, entsprang die Nothwendigkeit in Handelsgeschäften, wo
Ausgleichung vermittelst einer Münze nöthig war, sich überall der örtlichen
zu bedienen. Zum Behuf von Baarzahlungen versahen sich die Kaufleute,
43).
wenn sie einen fremden Markt bereisten, mit ungemünztem reinem Silber,
wohl auch mit Gold. Ebenso vertauschten sie bei Antretung der Rückreise
die eingenommene Ortsmünze in ungemünztes Silber oder Gold. Wechsel-
geschäfte, Umsatz ungemünzter edler Metalle gegen örtliche Münze und um-
gekehrt, wurden daher ein sehr verbreitetes einträgliches Geschäft.“ (Hüll-
mann, Städtewesen des Mittelalters. Bonn 1826—29. I. p. 437.) — De
Wisselbank heeft haren naam niet … van den wissel, wisselbrief, maar van
wisselen van geldspeciën. Lang vóór het oprigten der Amsterdamsche wissel-
bank in 1609 had men in de Nederlandsche koopsteden reeds wisselaars en
wisselhuizen, zelfs wisselbanken … Het bedrijf dezer wisselaars bestond daarin,
dat zie de talrijke verscheidene muntspeciën, die door vreemde handelaren
in het land gebragt worden, tegen wettelijk gangbare munt inwisselden.
Langzamerhand breidde hun werkkring zich uit … zij werden de kassiers
en bankiers van hunne tijd. Maar in die vereeniging van de kassierderij
met het wisselambt zach de regering van Amsterdam gevaar, en om dit
gevaar te keeren, werd besloten tot het stichten eener groote inrigting, die
zoo wel het wisselen als de kassierderij op openbaar gezag zou verrigten.
Die inrigting was de beroemde Amsterdamsche Wisselbank van 1609. Even
zoo hebben de wisselbanken van Venetië, Genua, Stockholm, Hamburg haar
ontstaan aan de gedurige noodzakelijkheid der verwisseling van geldspeciën
te danken gehad. Van deze allen is de Hamburgsche de eenige die nog
heden bestaat, om dat de behoefte aan zulk eene inrigting zich in deze
koopstad, die geen eigen muntstelsel heeft, nog altijd doet gevoelen etc.
(S. Vissering, Handboek van Praktische Staathuishoudkunde. Amsterdam 1860.
I, 247.)
44).
„Die Einrichtung der Kassirer hat vielleicht nirgends ihren ursprüng-
lichen, selbständigen Charakter so rein bewahrt wie in den niederländischen
Kaufstädten (s. über den Ursprung der Kassirerei in Amsterdam, E. Lusac,
Holland’s Rykdom, deel III.) Ihre Funktionen stimmen zum Theil überein
mit denen der alten Amsterdamer Wechselbank. Der Kassirer empfängt von
den Kaufleuten, die seine Dienste anwenden, einen gewissen Betrag in Geld,
wofür er ihnen ein „credit“ in seinen Büchern eröffnet; ferner senden sie
ihm ihre Schuldforderungen, die er für sie einzieht und sie dafür kreditirt;
dagegen macht er gegen ihre Anweisungen (kassiers briefjes) Zahlungen und
belastet ihre laufende Rechnung mit deren Beträgen. Für diese Eingänge
und Auszahlungen berechnet er dann eine geringe Provision, die nur durch
die Bedeutung der Umsätze, zu denen er es zwischen beiden bringt, einen
entsprechenden Lohn für seine Arbeit abwirft. Wenn Zahlungen auszugleichen
44).
sind zwischen zwei Kauf leuten, die beide mit demselben Kassirer arbeiten, so er-
ledigen sich solche Zahlungen sehr einfach durch gegenseitige Buchung, während
die Kassirer ihnen von Tag zu Tag ihre gegenseitigen Forderungen aus-
gleichen. In dieser Vermittlung von Zahlungen besteht also das eigentliche
Kassirergeschäft; es schliesst also industrielle Unternehmungen, Spekulationen,
und die Eröffnung von Blankokrediten aus; denn die Regel muss hier sein,
dass der Kassirer für denjenigen, dem er eine Rechnung in seinen Büchern
eröffnet hat, keine Zahlung über sein Guthaben hinaus leistet.“ (Vissering,
l. c., p. 134.) — Ueber die Kassenvereine zu Venedig: „Durch das Bedürf-
niss und die Oertlichkeit von Venedig, wo das Herumtragen von Baarschaften
lästiger als an andren Orten, führten die Grosshändler dieser Stadt Kassen-
vereine ein unter gehöriger Sicherheit, Aufsicht und Verwaltung, legten die
Mitglieder eines solchen Vereins gewisse Summen nieder, auf die sie ihren
Gläubigern Anweisungen ausstellten, worauf dann die gezahlte Summe auf
dem Blatt des Schuldners in dem darüber geführten Buche abgeschrieben und
der Summe, welche der Gläubiger darin zu gut hatte, zugesetzt wurde. Die
ersten Anfänge der sog. Girobanken. Alt sind diese Vereine. Aber wenn
man sie ins 12. Jahrhundert verlegt, so verwechselt man sie mit der 1171
eingerichteten Staatsanleihe-Anstalt.“ (Hüllmann. l. c. p. 550.)
45).
Der weise Roscher hat ausgeklügelt, dass wenn Gewisse den Handel als
„Vermittlung“ zwischen Producenten und Konsumenten charakterisiren, „man“
ebensogut die Produktion selbst als „Vermittlung“ der Konsumtion (zwischen
wem?) charakterisiren könne, woraus natürlich folgt, dass das Handelskapital
ein Theil des produktiven Kapitals ist, wie Ackerbau- und Industriekapital.
Weil man also sagen kann, dass der Mensch nur durch die Produktion seine
Konsumtion vermitteln kann (dies muss er thun selbst ohne Leipziger Bildung)
oder dass die Arbeit nöthig ist zur Aneignung der Natur (was man „Ver-
mittlung“ nennen kann), so folgt daraus natürlich, dass eine aus einer speci-
fischen gesellschaftlichen Form der Produktion hervorgehende gesellschaft-
liche „Vermittlung“ — weil Vermittlung — denselben absoluten Charakter
der Nothwendigkeit hat, denselben Rang. Das Wort Vermittlung entscheidet
alles. Uebrigens sind die Kaufleute ja nicht Vermittler zwischen Producenten
und Konsumenten (die letztren in der Scheidung von den erstren, die Kon-
sumenten, die nicht produciren, zunächst ausser Acht gelassen) sondern des
Austausches der Produkte dieser Producenten unter einander, sind nur die
Zwischenpersonen eines Austausches, der immer in tausend Fällen ohne sie
vorgeht.
46).
Herr W. Kiesselbach („Der Gang des Welthandels im Mittelalter.“ 1860)
lebt in der That immer noch in den Vorstellungen einer Welt, worin das
Kaufmannskapital die Form des Kapitals überhaupt ist. Von dem modernen
Sinn des Kapitals hat er nicht die geringste Ahnung, so wenig wie Herr
Mommsen, wenn er in seiner römischen Geschichte von „Kapital“ spricht und
von Herrschaft des Kapitals. In der modernen englischen Geschichte erscheint
der eigentliche Handelsstand und die Handelsstädte auch politisch reaktionär
und im Bund mit der Grundaristokratie und Finanzaristokratie gegen das
industrielle Kapital. Man vergleiche z. B. die politische Rolle von Liver-
pool gegenüber Manchester und Birmingham. Die vollständige Herrschaft
des industriellen Kapitals ist erst seit Aufhebung der Kornzölle etc. vom eng-
lischen Kaufmannskapital und von der Finanzaristokratie (moneyed interest)
anerkannt.
47).
„Die Bewohner der Handelsstädte führten aus reichern Ländern ver-
feinerte Manufakturwaaren und kostspielige Luxusartikel ein, und boten so
der Eitelkeit der grossen Grundeigenthümer Nahrung, die diese Waaren be-
gierig kauften und grosse Mengen vom Rohproduktihrer Ländereien dafür zahlten.
So bestand der Handel eines grossen Theils von Europa in dieser Zeit im Aus-
tausch des Rohprodukts eines Landes gegen die Manufakturprodukte eines
in der Industrie fortgeschrittnern Landes. . . . Sobald dieser Geschmack sich
verallgemeinerte und eine bedeutende Nachfrage veranlasste, fingen die Kauf-
leute an, um die Frachtkosten zu sparen, ähnliche Manufakturen in ihrem
eignen Lande anzulegen.“ (A. Smith. Book III, chap. III.)
48).
„Nun ist bei den Kaufleuten eine grosse Klage über die Edelleut oder
Räuber, wie sie mit grosser Fahr müssen handeln, und werden drüber ge-
fangen, geschlagen, geschazt und beraubt. Wenn sie aber solches um der
Gerechtigkeit willen litten: so wären freilich die Kaufleut heilige Leut …
Aber weil solch gross Unrecht und unchristliche Dieberei und Räuberei über
die ganze Welt durch die Kaufleut, auch selbst unter einander, geschieht:
was ist Wunder, ob Gott schafft, dass solch gross Gut, mit Unrecht ge-
wonnen, wiederum verloren oder geraubt wird, und sie selbst dazu über die
Köpfe geschlagen oder gefangen werden? … Und den Fürsten gebürt solch
unrechte Kaufhändel mit ordentlicher Gewalt zu strafen und zu weren, dass
ihre Untertanen nicht so schändlich von den Kaufleuten geschunden würden.
Weil sie das nicht thun: so braucht Gott der Reuter und Räuber, und straft
durch sie das Unrecht an den Kaufleuten, und müssen seine Teufel sein:
gleich wie er Aegyptenland und alle Welt mit Teufeln plagt, oder mit
Feinden verderbt. Also stäubt er einen Buben mit dem andern, ohn dass
er dadurch zu verstehen giebt, dass Reuter geringre Räuber sind dann die
Kaufleut: sintemal die Kaufleut täglich die ganze Welt rauben, wo ein
Reuter im Jahr einmal oder zwei, einen oder zween beraubt.“ — „Gehet
nach dem Spruch Esau: deine Fürsten sind der Diebe Gesellen geworden.
Die weil lassen sie Diebe hängen, die einen Gülden oder einen halben ge-
stolen haben; und hantiren mit denen, die alle Welt berauben, und stehlen
sicherer denn alle andre, dass ja das Sprüchwort war bleibe: grosse Diebe
hängen die kleinen Diebe; und wie der römische Ratsherr Cato sprach:
Schlechte Diebe liegen in Thürmen und Stöcken, aber öffentliche Diebe gehen
in Gold und Seiden. Was wird aber zuletzt Gott dazu sagen? Er wird thun
wie er zu Ezechiel spricht, Fürsten und Kaufleut, einen Dieb mit dem
andern, in einander schmelzen, wie Blei und Erzt, gleich als wenn eine Stadt
ausbrennt, dass weder Fürsten noch Kaufleut mer seien.“ (Martin Luther,
Bücher vom Kaufhandel und Wucher. Vom Jahr 1527.)
49).
Wie sehr überwiegend in der holländischen Entwicklung, von andren
Umständen abgesehn, die in Fischfang, Manufaktur und Agrikultur gelegte
Basis, ist schon von Schriftstellern des 18. Jahrhunderts auseinandergesetzt
worden. S. z. B. Massey. — Im Gegensatz zu der frühern Auffassung, die
Umfang und Bedeutung des asiatischen, antiken, und mittelalterlichen Handels
unterschätzte, ist es Mode geworden, ihn ausserordentlich zu überschätzen.
Am besten heilt man sich von dieser Vorstellung, wenn man die englische
Aus- und Einfuhr gegen Anfang des 18. Jahrhunderts betrachtet und der
heutigen gegenüber stellt. Und doch war sie unvergleichlich grösser als die
irgend eines frühern Handelsvolks. (Siehe Anderson, History of Commerce.)
50).
Wenn die Geschichte irgend eines Volks, bietet die Wirthschaft der
Engländer in Indien die Geschichte verfehlter und wirklich alberner (in der
Praxis infamer) ökonomischer Experimente. In Bengalen schufen sie eine
Karrikatur des englischen grossen Grundeigenthums; im südöstlichen Indien
eine Karrikatur des Parcelleneigenthums: im Nordwesten verwandelten sie,
soviel an ihnen, das indische ökonomische Gemeinwesen mit Gemeineigen-
thum am Boden in eine Karrikatur seiner selbst.
51).
Seitdem Russland die krampfhaftesten Anstrengungen macht, eine eigne
kapitalistische Produktion zu entwickeln, die ausschliesslich auf den innern
und den angrenzenden asiatischen Markt angewiesen ist, fängt dies auch an
anders zu werden. — F. E.
52).
Dasselbe galt von der rheinischen Band- und Litzenwirkerei und Seiden-
weberei. Bei Krefeld ist sogar eine eigene Eisenbahn für den Verkehr dieser
ländlichen Handweber mit den städtischen „Fabrikanten“ gebaut, aber seit-
dem mitsammt den Handwebern durch die mechanische Weberei brach ge-
legt worden. — F. E.
53).
Dies System ist seit 1865 auf noch weit grösserem Fuss ausgebildet
worden. Ausführliches darüber im First Report of the Select Committee of
the House of Lords on the Sweating System, London 1888. — F. E.
54).
Es wären hier einige Stellen zu citiren, wo die Oekonomen die Sache
so fassen. — You (the Bank of England) are very large dealers in the
commodity of capital? wird im Zeugenverhör zum Report on Bank Acts,
H. of C. 1857) ein Direktor dieser Bank gefragt.
55).
„Dass ein Mann, der Geld borgt, mit der Absicht Profit davon zu
machen, einen Theil des Profits dem Verleiher geben soll, ist ein selbstver-
ständliches Princip der natürlichen Gerechtigkeit.“ (Gilbart, The History and
Principles of Banking. London 1834. p. 163.)
56).
„Ein Haus,“ „Geld“ etc. sollen daher, wenn’s nach Proudhon geht,
nicht als „Kapital“ verliehen, sondern als „Waare … zum Kostpreis“ (p. 44)
veräussert werden. Luther stand etwas höher als Proudhon. Er wusste
schon, dass das Profitmachen unabhängig ist von der Form des Leihens oder
Kaufens: „Machen aus dem Kaufen auch einen Wucher. Aber das ist jetzt
zu viel auf einen Bissen. Müssen jetzt das eine Stück, als vom Wucher im
Leihen handeln, wenn wir dem haben gesteuret (nach dem jüngsten Tage)
so wollen wir dem Kaufwucher auch seinen Text wol lesen.“ (M. Luther:
An die Pfarherrn wider den Wucher zu predigen. Wittenberg 1525.)
57).
The equitableness of taking interest depends not upon a man’s making
or not making profit, but upon its (des Geborgten) being capable of produc-
ing profit, if rightly employed. (An Essay on the Governing Causes of the
Natural Rate of Interest, wherein the sentiments of Sir W. Petty and Mr.
Locke, on that head, are considered. London 1750. p. 49. Verfasser der
anonymen Schrift: J. Massie.
58).
Rich people, instead of employing their money themselves … let it
out to other people for them to make profit of, reserving for the owners a
proportion of the profits so made. (l. c., p. 23.)
59).
„Der Ausdruck Werth (value) angewandt auf currency hat drei Be-
deutungen … 2) currency actually in hand, verglichen mit demselben Be-
trag von currency, der an einem spätern Tage eingehn wird. Dann ist ihr
Werth gemessen durch den Zinsfuss, und der Zinsfuss bestimmt by the ratio
between the amount of loanable capital and the demand for it.“ (Oberst
R. Torrens: On the Operation of the Bank Charter Act of 1844 etc. 2nd
ed. 1847.
60).
The ambiguity of the term value of money or of the currency, when
employed indiscriminately as it is, to signify both value in exchange for
commodities and value in use of capital, is a constant source of confusion.
(Tooke: Inquiry into the Currency Principle. p 77.) — Die Hauptkonfusion
(die in der Sache selbst liegt), dass Werth als solcher (der Zins) zum Ge-
brauchswerth des Kapitals wird, sieht Tooke nicht.
61).
„The natural rate of interest is governed by the profits of trade to
particular.s“ (Massie, l. c. p. 51.)
62).
Hier findet sich folgende Bemerkung im Manuskript: Aus dem Gang
dieses Kapitels ergibt sich, dass es doch besser ist, bevor die Gesetze der
Vertheilung des Profits untersucht werden, zunächst zu entwickeln, wie die
quantitative Theilung eine qualitative wird. Es ist, um den Uebergang vom
vorigen Kapitel dazu zu machen, nichts nöthig, als zunächst den Zins als
irgend einen nicht näher bestimmten Theil des Profits zu unterstellen.
63).
„In der ersten Periode, unmittelbar nach einer Zeit des Drucks, ist
Geld reichlich ohne Spekulation; in der zweiten Periode ist Geld reichlich
und die Spekulation üppig; in der dritten Periode beginnt die Spekulation
nachzulassen und Geld ist gesucht; in der vierten Periode ist Geld rar und
der Druck tritt ein.“ (Gilbart, l. c., I, p. 144.)
64).
Tooke erklärt dies „by the accumulation of surplus capital necessa-
rily accompanying the scarcity of profitable employment for it in previous
years, by the release of hoards, and by the revival of confidence in com-
mercial prospects.“ (History of Prices from 1839 till 1847. London 1848. p. 54.)
65).
An old customer of a banker was refused a loan upon a 200,000 £
bond; when about to leave to make known his suspension of payment, he
was told there was no necessity for the step, under the circumstances the
banker would buy the bond at 150000 £. (The Theory of the Exchanges.
The Bank Charter Act of 1844 etc. London 1869. p. 80.)
66).
Da der Zinsfuss im Ganzen bestimmt ist durch die Durchschnittsprofit-
rate, kann sehr oft ausserordentlicher Schwindel mit niedrigem Zinsfuss ver-
bunden sein. Z. B. beim Eisenbahnschwindel im Sommer 1844. Der Zins-
fuss der Bank von England wurde erst auf 3 % erhöht 16. Oktober 1844.
67).
So macht z. B. J. G. Opdyke: A Treatise on Pol. Econ. New-York
1851, einen höchst misslungenen Versuch, die Allgemeinheit des Zinsfusses
von 5 % aus ewigen Gesetzen zu erklären. Ungleich naiver Herr Karl Arnd
in: „Die naturgemäße Volkswirthschaft gegenüber dem Monopoliengeist und
dem Kommunismus etc. Hanau 1845.“ Hier steht zu lesen: „In dem natürlichen
Gange der Güterererzeugung gibt es nur eine Erscheinung, welche — in
ganz angebauten Ländern — den Zinsfuss einigermassen zu reguliren be-
stimmt scheint; es ist dies das Verhältniss, in welchem die Holzmassen der
europäischen Wälder durch ihren jährlichen Nachwuchs zunehmen. Dieser
Nachwuchs folgt, ganz unabhängig von ihrem Tauschwerth“ [wie komisch
von den Bäumen, ihren Nachwuchs unabhängig von ihrem Tauschwerth ein-
zurichten!] „in dem Verhältnisse 3 bis 4 zu 100. Hiernach wäre also“ [da
der Nachwuchs der Bäume nämlich von ihrem Tauschwerth ganz unabhängig
ist, so sehr ihr Tauschwerth von ihrem Nachwuchs abhängen mag] „ein
Herabsinken unter den Stand, welchen er“ [der Zinsfuss] „gegenwärtig in
den reichsten Ländern hat, nicht zu erwarten.“ (p. 124.) — Dies verdient
der „waldursprüngliche Zinsfuss“ genannt zu werden, und sein Entdecker
macht sich im selben Werk noch weiter um „unsere Wissenschaft“ verdient
als „Philosoph der Hundesteuer.“
68).
Die Bank von England erhöht und senkt die Rate ihres Diskontos,
obgleich natürlich immer mit Berücksichtigung der im offnen Markt herr-
schenden Rate, nach dem Zufluss und Abfluss des Goldes. „By which,
gambling in discounts, by anticipation of the alterations in the bank rate,
has now become half the trade of the great heads of the money centre“ —
d. h. des Londoner Geldmarkts. (The Theory of the Exchanges etc. p. 113.)
69).
„Der Preis der Waaren schwankt“ beständig; sie sind alle für ver-
70).
„This rule of dividing profits is not, however, to be applied particu-
larly to every lender and borrower, but to lenders and borrowers in general …
remarkably great and small gains are the reward of skill and the want of
understanding, which lenders have nothing at all to do with; for as they
will not suffer by the one, they ought not to benefit by the other. What
has been said of particular men in the same business is applicable to par-
ticular sorts of business; if the merchants and tradesmen employed in any
one branch of trade get more by what they borrow than the common profits
made by other merchants and tradesmen of the same country, the extra-
ordinary gain is theirs, though it required only common skill and under-
standing to get it; and not the lenders’, who supplied them with money …
for the lenders would not have lent their money to carry on any business
or trade upon lower terms than would admit of paying so much as the
common rate of interest; and, therefore, they ought not to receive more than
that, whatever advantage may be made by their money.“ (Massie. l. c.,
p. 50, 51.)
71).
  • Bank rate . . . . . . . . . . . . 5 p. c.
  • Market rate of disct., 60 days’ drafts ‥ 3⅝ p. c.
  • Do. do. 3 months . . . . 3½ p. c.
  • Do. do. 6 months . . . . 3\frac{5}{16} p. c.
  • Loans to bill-brokers, day to day … 1 to 2 p. c.
  • Do. do. for one week … 3 p. c.
  • Last rate for fortnight, loans to stockbrokers . 4¾ to 5 p. c.
  • Deposit allowance (banks) . . . . . . 3½ p. c.
  • Do. do. (discount houses) ‥ 3 to 3¼ p. c.

Wie gross dieser Unterschied an einem und demselben Tage sein kann, be-
69).
schiedne Arten von Gebrauch bestimmt; das Geld dient für jeden Zweck.
Die Waaren, selbst derselben Art, unterscheiden sich nach der Güte; das
baare Geld ist immer vom selben Werth oder soll es doch sein. Daher
kommt es, dass der Preis des Geldes, den wir mit dem Wort Zins be-
zeichnen, eine grössre Festigkeit und Gleichmäßigkeit besitzt als der jeder
andern Sache.“ (J. Steuart, Principles of Pol. Econ. Franz. Uebers. 1789.
IV, p. 27.)
71).
weist obige Aufstellung der Zinsrate des Londoner Geldmarkts am 9. Decbr.
1889, aus dem City-Artikel der Daily News vom 10. Decbr. Das Minimum
ist 1 %, das Maximum 5 %. [F. E.]
72).
„The profits of enterprise depend upon the net profits of capital, not
the latter upon the former.“ (Ramsay, l. c., p. 214. Net profits bei Ramsay
immer = Zins.)
73).
„Superintendence is here (beim bäuerlichen Grundbesitzer) completely
dispensed with.“ (J. E. Cairnes, The Slave Power. London 1862. p. 48.)
74).
If the nature of the work requires that the workmen (nämlich die
Sklaven) should be dispersed over an extended area, the number of overseers
and, therefore, the cost of the labour which requires this supervision, will
be proportionately increased. (Cairnes, l. c., p. 44.)
75).
A. Ure, Philos. of Manufactures. Franz. Uebers. 1836, I, p. 68, wo dieser
Pindar der Fabrikanten diesen zugleich das Zeugniss ausstellt, dass die meisten
von ihnen von dem Mechanismus, den sie anwenden, nicht die leiseste Vorstel-
lung haben.
76).
In einem mir bekannten Fall wurde nach der Krisis von 1868 ein
fallirter Fabrikant bezahlter Lohnarbeiter seiner eignen frühern Arbeiter.
Die Fabrik wurde nämlich nach dem Bankrott von einer Arbeiter-Genossen-
schaft weiter geführt und der ehemalige Besitzer als Dirigent angestellt. — F. E.
77).
Die hier angezognen Rechnungsablagen gehn höchstens bis 1864, da
das obige 1865 geschrieben wurde. — F. E.
78).
„Masters are labourers as well as their journeymen. In this character
their interest is precisely the same as that of their men. But they are
also either capitalists, or the agents of capitalists, and in this respect their
interest is decidedly opposed to the interest of the workmen.“ (p. 27.) „The
wide spread of education among the journeymen mechanics of this country
diminishes daily the value of the labour and skill of almost all masters and
employers by increasing the number of persons who possess their peculiar
knowledge.“ (p. 30. Hodgskin, Labour defended against the Claims of Capi-
tal etc. London 1825.)
79).
„The general relaxation of conventional barriers, the increased faci-
lities of education tend to bring down the wages of skilled labour instead
of raising those of the unskilled.“ (J. St. Mill, Princ. of Pol. Econ. 2d ed.
London 1849. I, p. 463.
80).
Richard Price: An Appeal to the Public on the subject of the Na-
tional Debt. 2d ed. London 1772. Er macht den naiven Witz: „Man muss
Geld borgen zu einfachen Zinsen, um es auf Zinseszinsen zu vermehren.“
(R. Hamilton, An Inquiry into the Rise and Progress of the National Debt
of Great Britain. 2d ed. Edinburgh 1814.) Darnach wäre Pumpen überhaupt
das sicherste Mittel der Bereicherung auch für Private. Aber wenn ich z. B.
100 £ zu 5 % jährlichem Zins aufnehme, habe ich Ende des Jahrs 5 £ zu
zahlen, und gesetzt dieser Vorschuss daure 100 Millionen Jahre, so habe ich
in der Zwischenzeit in jedem Jahr immer nur 100 £ auszuleihen und ebenso
in jedem Jahre 5 £ zu zahlen. Ich komme durch diesen Process nie dazu
105 £ auszuleihen, dadurch dass ich 100 £ aufnehme. Und wovon soll ich
die 5 % zahlen? Durch neue Anleihen, oder wenn ich der Staat bin, durch
Steuern. Nimmt aber der industrielle Kapitalist Geld auf, so hat er bei
einem Profit von sage 15 %, 5 % zu zahlen als Zins, 5 % zu verzehren (ob-
gleich sein Appetit wächst mit seiner Einnahme) und 5 % zu kapitalisiren.
Es sind also schon 15 % Profit vorausgesetzt, um beständig 5 % Zins zu
zahlen. Dauert der Process fort, so fällt die Profitrate aus den schon ent-
wickelten Gründen, sage von 15 % auf 10 %. Aber Price vergisst ganz,
dass der Zins von 5 % eine Profitrate von 15 % voraussetzt, und lässt diese
mit der Akkumulation des Kapitals fortdauern. Er hat überhaupt nichts
mit dem wirklichen Akkumulationsprocess zu thun, sondern nur Geld aus-
zuleihen, damit es mit Zinseszinsen zurückfliesse. Wie es das anfängt, ist
ihm ganz gleichgültig, da dies ja die eingeborne Qualität des zinstragenden
Kapitals ist.
81).
Sieh Mill und Carey, und Roscher’s missverständlichen Kommentar
dazu.
82).
„It is clear, that no labour, no productive power, no ingenuity, and
no art, can answer the overwhelming demands of compound interest. But
all saving is made from the revenue of the capitalist, so that actually these
demands are constantly made and as constantly the productive power of
labour refuses to satisfy them. A sort of balance is, therefore, constantly
struck.“ (Labour defended against the Claims of Capital. p. 23. — Von
Hodgskin.)
83).
D. h. früher wurde erst die Dividende festgesetzt und dann von dieser
dem einzelnen Aktionär bei der Auszahlung die Einkommensteuer abgezogen;
nach 1844 aber wurde erst die Steuer vom Gesammtprofit der Bank bezahlt,
und dann die Dividende „free of Income Tax“ vertheilt. Dieselben nomi-
nellen Prozente sind im letzteren Fall also höher um den Betrag der Steuer.
— F. E.
84).
Weiteres über die Begriffsverwirrung Overstone’s in Sachen des Kapitals
am Schluss von Kap. XXXII.
85).
„Die durchschnittliche Notencirkulation der Bank von Frankreich war
1812: 106538000 Franken; 1818: 101205000 Franken, während der Geld-
umlauf, die Gesammtmasse aller Eingänge und Zahlungen, war 1812:
2837712000 Franken; 1818: 9665030000 Franken. Die Thätigkeit des Um-
laufs in Frankreich 1818 verhielt sich also zu der von 1812 wie 3:1. Der
grosse Regulator der Geschwindigkeit der Cirkulation ist der Kredit....
Daher zu erklären, warum ein heftiger Druck auf den Geldmarkt gewöhn-
lich zusammenfällt mit einer vollgefüllten Cirkulation.“ (The Currency
Question reviewed etc. p. 165.) — „Zwischen September 1833 und Sep-
tember 1843 traten nahe an 300 Banken in Grossbritannien ins Leben,
welche eigne Banknoten ausgaben; die Folge war eine Einschränkung in
der Notencirkulation von 2½ Millionen; sie war Ende September 1833:
36035244 £ und Ende September 1843: 33518544 £.“ (l. c., p. 53.) — „Die
wunderbare Thätigkeit der schottischen Cirkulation befähigt sie, mit 100 £
dieselbe Menge Geldgeschäfte zu erledigen, die in England 420 £ er-
heischt.“ (l. c., p. 55. Dies letztere bezieht sich nur auf das Technische
der Operation.)
86).
„Vor der Errichtung der Banken war der für die Funktion des cirku-
lirenden Mediums in Anpruch genommene Kapitalbetrag jederzeit grösser
als die wirkliche Waarencirkulation erforderte.“ Economist, 1845, p. 238.
87).
Man sehe z. B. in der Times die Fallitenlisten eines Krisenjahrs wie
1857 an, und vergleiche das eigne Vermögen der Falliten mit dem Betrag
ihrer Schulden. — „In Wahrheit überschreitet die Kaufkraft von Leuten, die
Kapital und Kredit besitzen, weitaus alles, was in die Vorstellung derjenigen
eingeht, die mit spekulativen Märkten keine praktische Bekanntschaft haben.“
(Tooke, Inquiry into the Currency Principle. p. 73.) „Ein Mann der im Ruf
steht Kapital genug für sein regelmäßiges Geschäft zu besitzen, und der
in seiner Branche guten Kredit geniesst, kann, wenn er sanguinische An-
sichten von der steigenden Konjunktur des von ihm geführten Artikels hat,
und wenn er im Anfang und Verlauf seiner Spekulation durch die Umstände
begünstigt wird, Käufe bewerkstelligen von einer geradezu enormen Aus-
dehnung verglichen mit seinem Kapital“ (ibidem, p. 136.) — „Die Fabrikanten,
Kaufleute etc. machen sämmtlich Geschäfte weit über ihr Kapital hinaus …
Das Kapital ist heutzutage vielmehr die Grundlage, worauf ein guter Kredit
gebaut wird, als die Schranke der Umsätze irgend eines kommerziellen Ge-
schäfts.“ (Economist, 1847. p. 333.)
88).
Th. Chalmers.
89).
Wir geben hier die bezügliche, auf S. 581 deutsch im Auszug citirte
Stelle aus Tooke im Original: „The business of bankers, setting aside the
issue of promissory notes payable on demand, may be divided into two
branches, corresponding with the distinction pointed out by Dr. [Adam]
Smith of the transactions between dealers and dealers, and between dealers
and consumers. One branch of the bankers’ business is to collect capital
from those who have not immediate employment for it, and to distribute or
transfer it to those who have. The other branch is to receive deposits of
the incomes of their customers, and to pay out the amount, as it is wanted
for expenditure by the latter in the objects of their consumption … the
former being a circulation of capital, the latter of currency.“ — Tooke,
Inquiry into the Currency Principle, p. 36. Das erstere ist „the concen-
tration of capital on the one hand and the distribution of it on the other,
das zweite ist administering the circulation for local purposes of the district.“
ibid. p. 37. — Weit näher der richtigen Auffassung kommt Kinnear in fol-
gender Stelle: „Geld wird gebraucht um zwei wesentlich verschiedne Ope-
rationen zu vollziehn. Als Austauschmittel zwischen Händler und Händler
ist es das Instrument, wodurch Uebertragungen von Kapital bewirkt werden;
d. h. der Austausch eines bestimmten Kapitalbetrags in Geld für einen
gleichen Kapitalbetrag in Waaren. Aber Geld ausgelegt in Zahlung von
Arbeitslohn und in Kauf und Verkauf zwischen Händler und Konsument ist
nicht Kapital, sondern Revenue; der Theil der Revenue der Gesammtheit,
der auf tägliche Ausgaben verwandt wird. Dies Geld cirkulirt in fort-
währendem täglichem Gebrauch und dies ist es allein, das im strengen Sinn
Cirkulationsmittel (currency) genannt werden kann. Kapitalvorschüsse hängen
ausschliesslich ab von dem Willen der Bank oder andrer Kapitalbesitzer —
denn Borger finden sich immer; aber der Betrag des Cirkulationsmittels
hängt ab von den Bedürfnissen der Gesammtheit, innerhalb deren das Geld
zum Zweck täglicher Verausgabung cirkulirt.“ (J. G. Kinnear, the Crisis and
the Currency. London 1847.)
90).
A demand for capital on loan and a demand for additional circulation
are quite distinct things, and not often found associated. (Fullarton, l. c.,
p. 82, Ueberschrift zu ch. 5.) — It is a great error, indeed, to imagine that
90).
the demand for pecuniary accommodation (i. e. for the loan of capital) is
identical with a demand for additional means of circulation, or even that
the two are frequently associated. Each demand originates in circumstances
peculiarly affecting itself, and very distinct from each other. It is when
everything looks prosperous, when wages are high, prices on the rise, and
factories busy, that an additional supply of currency is usually required to
perform the additional functions inseparable from the necessity of making
larger and more numerous payments; whereas it is chiefly in a more
advanced stage of the commercial cycle, when difficulties begin to present
themselves, when markets are overstocked, and returns delayed, that interest
rises, and a pressure comes upon the Bank for advances of capital. It is
true that there is no medium through which the Bank is accustomed to
advance capital except that of its promissory notes; and that, to refuse the
notes, therefore, is to refuse the accommodation. But, the accommodation
once granted, everything adjusts itself in conformity with the necessities of
the market; the loan remains, and the currency, if not wanted, finds its way
back to the issuer. Accordingly, a very slight examination of the Parliament-
ary Returns may convince any one, that the securities in the hand of the
Bank of England fluctuate more frequently in an opposite direction to its
circulation than in concert with it, and that the example, therefore, of that
great establishment furnishes no exception to the doctrine so strongly pressed
by the country bankers, to the effect that no bank can enlarge its circulation,
if that circulation be already adequate to the purposes to which a bank-
note currency is commonly applied; but that every addition to its advances,
after that limit is passed, must be made from its capital, and supplied by
the sale of some of its securities in reserve, or by abstinence from further
investment in such securities. The table compiled from the Parliamentary
Returns for the interval between 1833 and 1840, to which I have referred
in a preceding page, furnishes continued examples of this truth; but two
of these are so remarkable that it will be quite unnecessary for me to go beyond
them. On the 3rd January, 1837, when the resources of the Bank were strained
to the uttermost to sustain credit and meet the difficulties of the money
market, we find its advances on loan and discount carried to the enormous
sum of £ 17022000, an amount scarcely known since the war, and almost
equal to the entire aggregate issues, which, in the meanwhile, remain unmoved
at so low a point as £ 17076000! On the other hand, we have, on the
4th of June 1833 a circulation of £ 18892000 with a return of private
securities in hand, nearly, if not the very lowest on record for the last half-
century, amounting to no more than £ 972000! (Fullarton, l. c. p. 97, 98.) —
Dass ein demand for pecuniary accomodation keineswegs identisch zu sein
braucht mit einem demand for gold (was Wilson, Tooke u. a. Kapital nennen)
sieht man aus folgenden Aussagen des Herrn Weguelin, Gouverneurs der
Bank von England: „Das Diskontiren von Wechseln bis zu diesem Belauf“
[eine Million täglich drei Tage hintereinander] „würde die Reserve“ [von
Banknoten] „nicht verringern, falls nicht das Publikum einen grössern Betrag
aktiver Cirkulation verlangte. Die beim Wechseldiskontiren ausgegebnen
Noten würden zurückfliessen durch Vermittlung von Banken und durch
Depositen. Falls nicht jene Transaktionen die Goldausfuhr zum Zweck haben,
oder falls nicht im Inland eine Panik herrscht, derart dass das Publikum
seine Banknoten festhält, statt sie an die Banken einzuzahlen, würde die
Reserve nicht berührt werden durch so gewaltige Umsätze.“ — „Die Bank
90).
kann täglich anderthalb Millionen diskontiren, und dies geschieht fortwährend,
ohne dass ihre Reserve im geringsten berührt wird. Die Noten kommen
zurück als Depositen, und die einzige Aenderung die stattfindet, ist die blosse
Uebertragung von einem Konto auf das andre.“ (Report on Bank-Acts, 1857.
Evidence No. 241, 500. Die Noten dienen hier also nur als Mittel der Ueber-
tragung von Krediten.
91).
Die nun folgende Stelle des Originals ist im Zusammenhang unver-
ständlich und bis zum Schluss der Klammer vom Herausgeber neu bearbeitet.
In andrem Zusammenhang ist dieser Punkt bereits in Kap. XXVI berührt
worden. — F. E.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 2. Das Kapital. Das Kapital. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bmsf.0