[][][][][][][]
Dramatiſche Werke


[][][]
Otto Ludwig's
Dramatiſche Werke.

Erſter Band.
Der Erbförſter.

Leipzig:
Verlag von J. J. Weber.
1853.

[]
Der Erbförſter.

Trauerſpiel in fünf Aufzügen


Den Bühnen gegenüber Manuſcript.

Leipzig:
Verlag von J. J. Weber.
1853.

[][]

Herrn
Eduard Devrient,
Intendant des Großherzogl. Hoftheaters zu Carlsruhe,
dem Verfaſſer der Geſchichte der deutſchen
Schauſpielkunſt,
meinem lieben verehrten Freunde,
im dankbaren Andenken ſo viel ſchöner Stunden voll
Aufmunterung und Belehrung.


[][[1]]

Der Erbförſter.
Trauerſpiel in fünf Aufzügen.


Ludwig, dram. Werke. I. 1
[[2]][[3]]

Perſonen.


  • Stein, ein reicher Fabrikherr und Güterbeſitzer.

  • Robert, ſein Sohn.

  • Chriſtian Ulrich, Förſter des Gutes Düſterwalde, genannt
    der Erbförſter.

  • Sophie, ſeine Frau.

    • Andres, Forſtgehülfe bei Ulrich,

    • Marie,

    • Wilhelm,
    • Beider Kinder.


  • Wilkens, ein großer Bauer, der Förſterin Oheim.

  • Der Paſtor von Waldenrode.

  • Möller, Steins Buchhalter.

  • Jäger Gottfried, genannt der Buchjäger.

  • Weiler, Ulrichs Holzhüter.

  • Der Wirth von der Grenzſchenke.

    • Frei,

    • Lindenſchmied,
    • Wilddiebe.


  • Kathrine.

  • Baſtian, Steins Diener.

  • Zwei Träger.

Das Stück ſpielt abwechſelnd im Jägerhaus von Düſter-
walde und in Steins Schloß zu Waldenrode, einmal im dritten
Aufzug in der Grenzſchenke und im heimlichen Grunde.


1*
[[4]][[5]]

Erſter Aufzug.
Jägerhaus von Düſterwalde.


Im Hintergrunde des Zimmers eine Flügelthür und ein
Schrank, zu beiden Seiten gewöhnliche Thüren. Rechts ein
Fenſter; links im Hintergrunde der Ofen; weiter vorn eine
Schwarzwälderuhr; dann ein Riegel, an dem mehre Flinten,
darunter zwei doppelläufige, Jagdtaſchen und dergleichen Geräth
hängen, und ein Bücherbord, auf welchem Bibel und Geſang-
bücher liegen.

Erſter Auftritt.


Man hört in der Scene Muſikanten ein Stückchen blaſen.
Weiler, langſam ſich umſehend durch die Mittelthür; die För-
ſterin
zugleich geſchäftig von links. Dann Andres, Wilhelm, zu-
letzt Marie.

Förſterin.

Da ſind die Muſikanten ſchon. Wo hab’ ich nur
den Kellerſchlüſſel? Die Muſik muß zu trinken haben. —
Der Weiler?


Weiler.

Der Weiler. Wo iſt denn der Alte? Der Förſter?


[6]Der Erbförſter.
Förſterin.

Mein Mann? Iſt er nicht draußen?


Weiler.

Von wegen mit den Holzhauern. —


Förſterin.

Kann Er nicht warten?


Weiler.

Warten? Behüte. Alle Hände voll zu thun.


Förſterin.

So mach’ Er, daß Er fort kommt.


Weiler
(ſehr ruhig Tabak in ſeine kurze Thonpfeife ſtopfend).

Ja.


Förſterin.

Sollt’ er vielleicht ſchon mit dem Herrn Stein —


Weiler.

Ja; Sand geſtreut ſchon am Dienſtag. Und die
Guirlanden draußen an der Thür’ — Heut’ iſt doch gar
die Verlobung vom Herrn Robert Stein und der Jungfer
Marie? Da wird die Freundſchaft noch erſt recht dick
werden, wenn’s heißt: „der Herr Schwiegervater Stein.“
Und das iſt noch nicht einmal Alles. Der Stein hat nun
auch das Gut gekauft, worauf der Ulrich Förſter iſt.
Der dicke Advocat aus der Stadt hat’s geſtern richtig ge-
macht. Und der Stein iſt heut’ als Herr von Düſter-
walde aus ſeinem Bett geſtiegen.


Förſterin.

Hier den Tiſch —


[7]Der Erbförſter.
Weiler

(indem ſie den Tiſch zuſammen tragen, auf der linken Seite).

Wird’s der Ulrich gut kriegen, nun ſein alter Freund
ſein Herr geworden iſt und noch obendrein ſein Schwie-
gervater wird.


Förſterin.

Weiter nach dem Ofen zu. Noch einer muß herein.


Weiler
(in ſich hineinlachend).

Wahre Keſſelflicker die Beiden, der Stein und der
Ulrich. Alle Tag einmal Zank.


Förſterin.

Warum nicht gar Zank? Scherz iſt’s

(geſchäftig hinaus,
gleich darauf wieder herein).

Weiler
(hinter ihr her geſtikulirend bis an die Thür).

Scherz? Da hat ſich’s. Der Eine hitzig, der Andre
eigenſinnig. Seit ſich’s um den Kauf handelt, da iſt das
Durchforſten der tägliche Zankapfel. Die reichen Leute
wollen doch immer auch was verſtehn, wenn’s auch nichts
iſt damit. Da meint der Stein, wenn er allemal die
andere Reihe Bäume wegſchlüg’ im Wald, da bekäm’ die
erſte mehr Licht und mehr Platz zum Wachſen. Kann
auch ſein, daß der Buchjäger das aufgeſtöbert hat in
einem alten Buch. Aber damit kommt er dem Ulrich
ſchön an. Noch vorgeſtern denk’ ich, ſie freſſen einander
auf, daß von Keinem was übrig bleibt. Der Stein: es
wird durchforſtet. Der Förſter: es wird nicht
durchforſtet.
Der Stein: Aber es wird durchforſtet.
[8]Der Erbförſter.
Der Förſter: Aber es wird nicht durchforſtet.
Der Stein: Aber es wird durchforſtet. Der Förſter:
Aber es wird nicht durchforſtet. Der Stein auf; den
Rock zu, zwei Knöpfe auf einmal, zwei Stühle über den
Haufen gerannt und — fort. Ich, denk’ ich, nun wird’s
doch einmal aus ſein mit der Freundſchaft? Ja, proſit
Mahlzeit. Das war vorgeſtern Nacht und geſtern früh —
kaum war’s Tag — wer da vom Schloß daher gepfiffen
kommt und an des Förſters Fenſter pocht, als wär’ nie
nichts paſſirt — das iſt der Stein. Und wer ſchon eine
Viertelſtunde gewartet hat und drinn ſein Gleich unter
dem weißen Schnauzbart hervorſchnarcht — das iſt der
Ulrich. Und nun mit einander hinaus, mir nichts, dir
nichts — in den Wald, als wär nie nicht kein Zank ge-
weſt. Und das fällt auch keinem Menſchen mehr auf.
Nachts gezankt und früh mit einander in den Wald —
als müßt’s ſo ſein. Aber macht er’s denn mit ſeinem
Jungen anders, der Stein? mit dem Robert? Der Stein?
Hat der nicht ſchon ein halb Dutzend mal fortgewollt?
Und hernach iſt er wieder zu gut. Konfuſe Wirthſchaft
das!

(Während des letztern iſt er Schritt vor Schritt vor dem Tiſch
zurückgewichen, den Andres und Wilhelm hereingetragen bringen und an
den bereits zur Linken ſtehenden Tiſch fügen, der in der Richtung von der
Rampe nach dem Hintergrunde ſteht.)

Förſterin.

Hierher. So. Und nun Stühle, Jungens. Aus
der obern Stube. Der Weiler könnte wohl —


Andres und Wilhelm (ab).

[9]Der Erbförſter.
Weiler
(preſſirt; indem er ſich zum Gehen fertig macht).

Wenn er nicht die Hände voll zu thun hätte, der
Weiler! Draußen mit den Holzmachern — dann wegen
des Tannenſaamens und von wegen mit dem Salz —
da — ich kann nicht zu Gedanken kommen vor der Ar-
beit. Und der Alte —

(Geberden, Ulrichs Strenge andeutend).

Förſterin.

Na; ich will nicht ſchuld ſein, wenn Er etwas
verſäumt

(geht wieder).

Weiler
(ganz ruhig).

Ja.

(Den Finger an der Naſe.)

Aber ob er auch jetzt
allemal der erſte ſein wird, der die Hand bietet? Der
Stein? Wenn er nun des Förſters ſein Herr iſt? Ja;
ich will nicht prophezei’n; aber — der Herr hat doch
allemal recht, weil er der Herr iſt. Hm. Wenn’s mal
was ernſthaftes gäbe! Hab’ ohnehin mal wieder die
luſtigen Geſichter ſatt.


Förſterin
(mit Andres und Wilhelm, die Stühle tragen).

Sieben, acht, neun, zehn Stühle.

(Zählt nochmals
leiſe.)

Ja.


Weiler.

War auch kein übel Geſicht das, was der Buchjäger
geſtern ſchnitt, Mosjeh Andres; Sie haben auch wieder
was mit ihm vorgehabt.


Förſterin.

Mit dem rachſüchtigen, brutalen Menſchen?

(Sie
deckt die Tafel.)

[10]Der Erbförſter.
Andres.

Wer kann mit dem in Frieden leben?


Förſterin.

Nun; geſcheh’n iſt geſcheh’n. Aber in Acht nehmen
darfſt Du Dich vor dem.


Weiler.

Sela. Denn es iſt kein Glied an dem Kerl, woran
der Kerl nicht ſchlecht wär’.


Andres.

Ich fürcht’ ihn nicht.


Förſterin.

Du, Wilhelm, in’s Gärtchen. Kaiſerkronen, Lö-
wenmaul, Ritterſporn — nur was Großes, damit es
ein Anſehn hat im Glas. — Steins werden bald kommen
mit Herrn Möller, dem Buchhalter —


Weiler.

Dem Hageſtolz —


Förſterin.

Sieh doch, Andres, ob der Vetter Wilkens noch
nicht kommt?


Andres, Wilhelm (ab).

Weiler.

Der Wilkens kommt auch?


Förſterin
(betonend).

Der Herr Wilkens? Wird nicht ausbleiben, wenn
ſeiner Muhme Tochter Verlobung hat!


[11]Der Erbförſter.
Weiler.

Hm, freilich. Hat Geld, der Herr Wilkens. Der
größte Bauer in der Gegend. Ich war auch einmal ein
Herr Weiler. Eh’ mir die Gläubiger meinen Kaffee-
laden zuſchloſſen. Da haben ſie den „Herrn“ in die Thür
geklemmt. Da ſteckt er noch. Nun iſt’s „der Weiler“
ſchlechtweg. „Der Weiler könnte“ — „weil der Weiler
doch einmal da iſt“ etcetera. Manchmal, wenn mir’s
Vergnügen macht, ärgr’ ich mich drüber. Ein eigen
Vergnügen, ſich zu ärgern — aber es iſt eins. Hui, da
kommt die Jungfer Braut.


Marie

(tritt auf; während des Folgenden wird von den Frauen die Tafel gedeckt).

Weiler.

Hui! wie ein Eichhörnchen.


Förſterin.

Der Weiler will Dir eine Schmeichelei ſagen, Ma-
rie. Er hat ſeine aparte Art.


Weiler.

Ja. Schad’t nichts. Grob oder fein. Wenn das
Weibſen nur merkt, daß es geſchmeichelt ſein ſoll, da iſt
es ſchon zufrieden. Wie wenn die Jungen ſo’n glattes
Kätzelchen ſtreichen. Sanft oder rauh, wohl oder weh’,
es kann ſich’s nicht erwehren zu ſpinnen.


Marie.

Und der Vergleich war wohl auch eine Schmei-
chelei?


[12]Der Erbförſter.
Weiler.

Wenn Sie ſpinnen müſſen, wird’s ſchon geſtreichelt
geweſen ſein.


Marie
(durch’s Fenſter ſehend).

Er kommt, Mutter.


Förſterin.

Der Robert?


Weiler.

Da will ich nun zu meinen Holzmachern. Sonſt
fludert der Alte!

(ab.)

Förſterin
(nachrufend).

Wenn er nicht hereinkommen kann, will ich ihm
ſein Theil aufheben. — Ein ungemüthlicher Menſch!
Und höflich wird er nunmehr auch nicht. Das kommt
noch aus ſeiner guten Zeit her. Und deshalb ſieht’s ihm
auch Dein Vater nach. Weil ſie alte Kameraden waren.
Der Buchjäger gehörte auch dazu. Wie der ſein Ver-
mögen vertrunken hatte, kam er an den Stein

(die Tafel
überſehend).

Hier oben der Bräutigamsvater. Daneben
Deiner. Dann der gute, launige Herr Paſtor. Wenn
der nicht wär’, wär’ der Robert längſt fort.


Marie.

Mutter, dasmal war der Robert ſo wild, ſo unge-
ſtüm —


Förſterin.

Ja; dasmal konnte der Paſtor und wir ihn kaum
halten

(zählt die ſchon Genannten noch ein mal).

Dann hier Herr
[13]Der Erbförſter.
Möller. Und dort Dein Herr Pathe, der Herr Vetter
Wilkens. Dann hier ich, dort Robert und Du. Untenan
endlich Andres und Wilhelm. Wie die Zeit vergeht!
Wenn ich an meinen Verlobungstag denke! Da war ich
nicht ſo glücklich als heut.


Marie.

Mutter, ob’s jedem Mädchen ſo iſt, das eine Braut
werden ſoll, wie mir?


Förſterin.

Hat nicht Jede ſo große Urſach froh zu ſein wie Du.


Marie.

Aber iſt denn das auch Fröhlichkeit, was ich fühle?
Mir iſt ſo ſchwer, Mutter, ſo —


Förſterin.

Freilich; wie dem Blümchen, an dem ein Thau-
tropfen hängt. Es hängt den Kopf, und doch iſt der
Thau ihm keine Laſt.


Marie.

Als wär’s unrecht von mir, daß ich den Vater ver-
laſſen will — wenn’s gleich um Robert iſt.


Förſterin.

Das Wort Gottes ſagt: Das Weib ſoll Vater und
Mutter verlaſſen und am Manne hangen. — Bei mir
war’s noch anders, als bei Dir. Dein Vater war ſchon
ein ſchmucker Mann — nicht mehr ſo jung, aber hoch
und ſtraff wie eine Tanne; ſein Bart war damals noch
kohlſchwarz. Es ſah gar Manche nach ihm um, die ihn
[14]Der Erbförſter.
gern gehabt hätte; das wußt’ ich. Aber er war mir zu
ernſt und ſtreng; Alles nahm er ſo genau und auf’s
Vergnügen hielt er gar nichts. Es war nicht leicht, ſich
in ihn zu ſchicken. Brodſorgen hab ich nicht gehabt.
Und daß er mich etwa ſchlecht behandelt hätte — das
müßt’ ich auch lügen, wenn ſchon er barſch thut.


Marie.

Und mehr hatt’ſt Du nicht gehofft? Mehr nicht?


Förſterin.

Wenn der liebe Gott Alles erfüllen ſollte, was
ſolch ein Mädchenherz hofft, das ſelber nicht weiß, was
es will! Aber da kommt Robert. Wir wollen recht fröh-
lich ſein, damit er nicht in ſeine Gedanken fällt.


Zweiter Auftritt.


Robert. Vorige.

Robert.

Guten Morgen, liebe Mutter. Guten Morgen,
Marie.


Förſterin.

Guten Morgen, Herr Bräutigam in Hoffnung.


Robert.

Wie ich mich freue, Sie ſo heiter zu ſeh’n. Aber
Du, Marie? Du biſt traurig, Marie? Und ich bin ſo
[15]Der Erbförſter.
froh. So überfroh! Den ganzen Morgen ſchon bin ich
im Wald. Wo die Büſche am hellſten funkelten vom Thau,
da drängt’ ich mich durch, daß die feuchten Zweige mir
in’s glühende Geſicht ſchlagen mußten; da warf ich mich
in’s Gras. Aber es litt mich nirgends. Mir war, als
könnte mir nichts helfen, als wenn ich laut weinte. —
Und Du, ſonſt ſo friſch und munter wie ein Reh — Du
biſt traurig? heute traurig?


Förſterin.

Sie freut ſich gewiß, lieber Robert, aber Sie ken-
nen ſie ja von Kleinauf — wo andre laut werden, da
wird ſie ſtill.


Marie.

Nein, Robert; traurig bin ich gewiß nicht; mir
iſt nur ſo feierlich. Den ganzen Morgen ſchon. Wo ich
geh’ und ſteh’, als wär’ ich in der Kirche. Und —


Robert.

Und —


Marie.

Und daß nun bald das Leben wie hinter mir ab-
reißen ſoll, wie unter mir verſinken und ein neues an-
geh’n ſoll, ein ſo ganz neues — ſei nicht böſe, guter
Robert; — das iſt mir ſo eigen, ſo ängſtlich —


Robert.

Ein neues Leben? Ein ſo ganz neues Leben? Es iſt
ja noch immer das alte Leben, Marie, nur ſchöner. Es
[16]Der Erbförſter.
iſt ja noch immer der alte liebe Baum, unter dem wir
ſitzen, nur daß er blüht.


Marie.

Dann daß ich den Vater verlaſſen ſoll! — und die
Mutter. Das Alte ſeh’ ich vergeh’n, das Neue ſeh’ ich
nicht kommen; das Alte muß ich laſſen und das Neue
kann ich nicht erreichen —


Robert.

Mußt Du denn den Vater laſſen? Bleiben wir
nicht Alle beiſammen? Hat nicht deshalb mein Vater
das Gut Düſterwalde gekauft?


Förſterin.

Das iſt die Angſt, die man im Frühjahr hat, man
weiß nicht woher? und nicht warum? Und im Frühjahr
weiß man doch, daß es nur immer noch ſchöner werden
muß und fürchtet ſich doch. Man fürchtet ſich eben vor
dem Glück. Nun ſollen ſich meine liebſten Wünſche er-
füllen und — geht mir’s denn anders? Kann ich mir
nicht ordentlich wünſchen, es wär’ ein Braten verbrannt,
oder es zerbräch’ etwa von den feinen Tellern einer?
Glück iſt wie Sonne. Ein wenig Schatten muß ſein,
wenn’s dem Menſchen wohl werden ſoll. Ich will nur
nachſeh’n, ob’s in der Küche nicht ein wenig dergleichen
Schatten geſetzt hat.

(ab links).

Marie

(nachdem ſie und Robert einige Augenblicke ſchweigend gegenüber geſtanden).

Fehlt Dir was, Robert?


[17]Der Erbförſter.
Robert.

Mir? Nein. Vielleicht —


Marie.

Du biſt noch auf Deinen Vater böſe? Und er iſt
ſo gut!


Robert.

Daß er ſo gut iſt! Daß ſeine Güte faſt ſchwerer
zu tragen iſt, als ſeine heftigen Launen! Sein Zorn
verletzt nur, ſeine Güte demüthigt. Seinem Zorn ſetz’
ich meinen Stolz entgegen — aber was ſeiner Güte?


Marie.

Und Du wollteſt fort, Du böſer Robert, und uns
Alle verlaſſen!


Robert.

Ich wollte, aber ich bin ja noch da. O das war
eine böſe Zeit! Ich war an Allem irr, an Dir, Marie,
an mir ſelbſt. Aber das iſt ja nun Alles vorbei. Ein
wenig Schatten muß ſein, aber nur nicht zuviel. Komm’,
Marie. Hier im Haus iſt’s ſo ſchwül. Die Muſikanten
ſollen uns das fröhlichſte Stückchen aufſpielen, das ſie
können.

(Sie wollen ab.)

Ludwig, dram. Werke. I. 2
[18]Der Erbförſter.

Dritter Auftritt.


Der Förſter, die Förſterin hinter ihm. Vorige.

Marie

(wie ſie den Förſter ſieht, läßt ſie Robert und umſchlingt jenen).

Förſter.

Daß Dich — Mädel

(ſich los machend)!

Iſt das ein
Sonnenblick nach einem Regentag, daß einem die Brem-
ſen an den Kopf fliegen? Habt ihr dem Robert die
Ohren voll gelamentirt, Weibsvolk? Albernes Ding da


(ſchiebt Marie von ſich).

Ich hab’ mit Robert zu reden. Ich
hab’ Sie geſucht, Herr Stein.


Robert.

Herr Stein? Nicht mehr Robert und Du?


Förſter.

Hat Alles ſeine Zeit, das Du und das Sie. Wenn
das Weibsvolk weg iſt —


Förſterin.

Wir machen ſchon Platz, alter Wehrwolf. Red’
immer.


Förſter.

Ja. Sowie Ihr draußen ſeid.


Robert
(führt ſie).

Nicht böſe, liebe Mutter.


Förſterin.

Da könnte man auch nicht aufhören, böſe zu ſein.


[19]Der Erbförſter.
Förſter.

Macht die Thür zu; hört Ihr?


Förſterin.

Nu — nu —


Förſter.

Wer iſt hier Herr? Element!


Vierter Auftritt.


Förſter. Robert.

Förſter

(wie ſie allein ſind, wird er verlegen und geht einigemal auf und ab).

Robert.

Sie wollten —


Förſter.

Freilich

(wiſcht ſich den Schweiß).

Hm. Setzen Sie ſich,
Herr Stein.


Robert.

Dieſe Vorbereitungen —


Förſter

(zeigt auf einen Stuhl am vordern Ende des gedeckten Tiſches).

Robert
(ſetzt ſich).

Förſter

(nimmt die Bibel vom Bord, ſetzt ſich Robert gegenüber, thut die Brille
auf, ſchlägt auf, räuſpert ſich).

Sprüche Salomonis, ein und dreißig, zehn: „Wem
ein tugendhaft Weib beſcheert iſt, die iſt viel edler, denn
2*
[20]Der Erbförſter.
die köſtlichſten Perlen. Ihres Mannes Herz darf ſich auf
ſie verlaſſen und Nahrung wird ihm nicht mangeln. Sie
thut ihm Liebes und kein Leides ſein Leben lang

(kleine
Pauſe, dann barſch nach dem Fenſter, indem er ſitzen bleibt).

Wil-
helm, ob Du Dich vorſehen wirſt da draußen! Und dann
weiter unten am dreißigſten. Wird er mir doch den gan-
zen Buchsbaum vertreten, der Element! Lieblich und
ſchön ſein iſt nichts; ein Weib, das den Herren fürchtet,
ſoll man loben. — — Robert —


Robert
(aus Gedanken).

Vater Ulrich —


Förſter.

Wiederum Sirach da am ſoundſovielſten. — Herr
Stein —


Robert.

Schon wieder „Herr?“


Förſter.

Ich muß ſchon noch einmal Du ſagen. Sonſt geht
mir’s nicht los da von der Lunge. — Robert —


Robert.

Sie ſind ſo feierlich!


Förſter.

Feierlich? Kann ſein. Die Sache iſt auch danach.
Man iſt kein Heide

(ſtellt ſich in Poſitur).

Du haſt Dich alſo
in Gott entſchloſſen, Robert —


Robert.

Aber —


[21]Der Erbförſter.
Förſter.

Ja, wenn Du mich ſo anſiehſt. — Du willſt hei-
rathen, Robert?


Robert
(ſteht auf; verwundert).

Aber Sie wiſſen’s doch —


Förſter.

Freilich. Aber eine Einleitung muß doch ſein. Setz’
Dich nur. Aber Du mußt mich auch einmal ausreden
laſſen. Hab’ ſonſt eine geſunde Bruſt. ’s iſt mir aber,
wenn ich predigen will, als ſäh’ ich den Paſtor im Chor-
rock hinter einem Haſen her.

(Erleichtert.)

So; jetzt hab’
ich die Fährte. Es wechſelt ein Hirſch vom Lutzdorfer
herüber. Hörſt Du, Robert? Und nun paſſ’ auf. Hier
die Gabel iſt der Hirſch. Hier da, ſiehſt Du? Hier das
Salzfaß, das biſt Du. Und der Wind kommt vom Teller
daher. Was machſt Du nun, um den Hirſch zu be-
ſchleichen? Was?

(Einhelfend.)

Du — nun?


Robert.

Ich muß —


Förſter
(nickend).

Mußt —

(Geberden).

Robert.

Ihm den Wind abgewinnen.


Förſter.

Wind abgewinnen. Richtig. Merkſt Du nun, wo
ich hinaus will? Du mußt ihm den Wind abgewinnen.
Das iſt’s. Siehſt Du, deshalb mußt’ ich mit Dir reden.


[22]Der Erbförſter.
(Feierlich.)

Du mußt dem Hirſch den Wind abgewinnen.


(Steht auf.)

Und nun — mach’ ſie glücklich, Robert,
meine Marie.

(Will gehn.)

Robert.

Aber was hat das mit Marien zu ſchaffen?


Förſter.

Ja; Du haſt mich noch nicht verſtanden? Siehſt
Du? Der Hirſch darf’s nicht merken, daß Dir’s um ihn
zu thun iſt und die Frau noch weniger. Du machſt zu
viel Sachen mit den Weibern. Kinder dürfen nicht wiſſen,
wie lieb man ſie hat, beileibe nicht; aber Weiber noch
weniger. Sie ſind auch nichts als erwachſene Kinder,
nur pfiffiger. Und die Kinder ſind ſchon pfiffig genug.


Setz’ Dich, Robert. Ich muß Dir doch was erzäh-
len.

(Sie ſitzen am Rande des Tiſches, dem Publikum zugewendet.)

Wie meine Marie vier Jahr alt war, nicht höher als ſo
— komm’ ich einmal ſpäter am Tag nach Haus als ge-
wöhnlich. Wo iſt die Marie? frag’ ich. Eins ſagt: in
der Kammer, das Andere: vor dem Haus. Sie wird ja
kommen. Aber proſ’t die Mahlzeit; es wird Abend, es
wird Nacht und — keine Marie da. Ich geh’ hinaus.
Im Garten, im Grenzbuſch, an den Klippen im heim-
lichen Grund, im ganzen Forſt — keine Marie. Meine
Frau ſucht indeſſen bei Euch, dann im Dorfe Haus für
Haus. Wen ſie nicht find’t, das iſt die Marie. Soll ſie
Jemand geſtohlen haben? Ei, ſie war ein Wachspüppchen
von einem Kind, die Marie. Ich komm’ in kein Bette
[23]Der Erbförſter.
die ganze Nacht; die Marie war ſchon damals mein
ganzes Leben. Den andern Morgen biet’ ich das ganze
Dorf auf. Da fehlt Keiner. Sie waren Alle vernarrt
in die Marie. Ich will doch wenigſtens die Leiche be-
graben. Im heimlichen Grund, weißt Du? das Tannen-
dickicht — unter den Klippen am Lautenſteg, wo der alte
Felsweg drüben hingeht über’m Bach — daneben die
Weiden. Dasmal kriech’ ich das ganze Dickicht aus. In
der Mitte iſt der kleine Wieſenraum; da ſeh’ ich endlich
was Rothes und Weißes. Gott und Herr! und ſie iſt’s
— und nicht etwa todt oder krank, nein, friſch und
lebendig im grünen Gras drinn und hat ſich rothe Bäck-
chen geſchlafen wie die Feuerblumen. Robert! — Aber


(Er ſieht ſich um; leiſer)

Sie wird’s doch nicht etwa hören?


(Er rückt näher an Robert; wenn er ſich einmal vergißt, ſpricht er dann
deſto leiſer).

Ich ſage: biſt Du’s denn? Freilich, ſagt ſie
und wiſcht ſich die Augen, daß ſie funkeln. Und lebſt?
ſag’ ich, und biſt nicht geſtorben? ſag’ ich, vor Hunger
und vor Angſt? ſag’ ich. Einen halben Tag und eine
ganze Nacht im Wald allein, im dickſten Wald? Komm’,
ſag’ ich, daß die Mutter ſich unterdeß nicht todt ängſtigt,
ſag’ ich. Sagt ſie: Wart’ noch, Vater. Aber warum
und worauf? Bis das Kind wieder kommt, ſagt ſie.
Und nimm’s auch mit; bitte Vater; das iſt Dir ein
liebes Kind. Aber was denn um alle Welt für eins?
frag’ ich. Das zu mir gekommen iſt, ſagt ſie, wie ich
vorhin von Euch fortgelaufen war um den gelben Schmet-
[24]Der Erbförſter.
terling, und nun auf einmal ſo allein war im Wald und
weinen wollte und nach Euch ſchrei’n und mir Beeren
geſucht hat und ſo ſchön mit mir geſpielt hat. Vorhin?
ſag’ ich. Iſt’s denn nicht einmal Nacht geworden unter-
deſſen? ſag’ ich. Das wollte ſie nicht glauben. Wir
ſuchten das Kind und — fanden’s natürlich nicht. Die
Menſchen glauben an nichts mehr; aber ich weiß, was
ich weiß. Verſtehſt Du, Robert? Sag’ nichts. Ich dächte,
ich hätt’ es verſchändet, wenn ich’s auf die Zunge nähm’.
Da, drück’ mir ſtillſchweigend die Hand. Gut, Robert. —
Daß ſie nicht hört, was wir von ihr reden.

(Geht leiſe
nach der Thür; ſieht nach.)

Marie
(draußen).

Willſt Du was, Vater?


Förſter
(lacht dem Robert heimlich zu, dann barſch).

Nichts! Und komm’ mir nicht etwa herein, eh’ ich

(kommt wieder; halbleiſe).

Siehſt Du, ſo mußt Du’s
machen. Du machſt viel zu viel Sachen mit dem Mädel
da. Sie iſt

(noch leiſer)

ein Mädel, auf das jeder Vater
ſtolz ſein könnte, und ich denk’, ſie ſoll eine Frau werden
nach dem Herzen Gottes. Ich hab’ eine; ſiehſt Du, Dir
ſag’ ich’s, weil ich weiß, daß Du’s ihr nicht wieder ſagſt;
denn ſie darf nichts davon wiſſen, ſonſt wär’ alle Arbeit
umſonſt. Und Arbeit hat mich’s gekoſtet, bis ich ſie ſo
weit gebracht hab’; Arbeit, ſag’ ich Dir. — Daß Du
mir mein Mädel nicht verdirbſt, an das ich ſo viel Müh’
gewandt hab’, ſie richtig zu erzieh’n.


[25]Der Erbförſter.
Robert.

Sie können denken — aber ich verſtehe Sie gar nicht.


Förſter.

Das iſt’s ja eben. Mit Fleiß thuſt Du’s nicht.
Aber tauſend Element! mach mir nicht ſo viel Sachen
mit dem Mädel, hörſt Du? Wenn Du ſo fortmachſt,
hat ſie Dich in vier Wochen im Sack. Die Weiber wollen
immer Herr ſein; darauf geht ihr ganzes Dichten und
Trachten, ohne daß ſie’s ſelber denken. Und wenn ſie’s
ſind, dann ſind ſie doch unglücklich. Weiß ich mehr als
ein Beiſpiel davon. Ich ſeh’ nur zur Thür hinein und
da weiß ich ſchon, was der Mann werth iſt. Ich ſeh’
nur das Vieh an. Iſt die Katze oder der Hund nicht ge-
zogen, ſo ſind’s die Kinder auch nicht und die Frau noch
weniger. Was? Meine Frau kennt mich noch immer
nicht, was das da

(zeigt auf’s Herz)

betrifft. Und hätt’ ſie
mir das einmal abgeluxt — dann heidi, Autorität! Die
Frau kann ein Engel ſein; der Mann aber muß thun
wie ein Bär. Und abſonderlich ein Jäger. Das gehört
dazu wie der Schnauzbart und der grüne Rock.


Robert.

Aber ſollte denn —


Förſter
(eifrig).

Nein, Robert. Ein für allemal nicht; da iſt kein
Ausweg. Entweder er zieht ſie ſich oder ſie zieht ſich
ihn. — Zum Beiſpiel, wie man’s da machen muß, nur
Ein Exempel. Meine Frau kann keinen Menſchen leiden
[26]Der Erbförſter.
ſehn — da kommt denn das Elend haufenweiſe und ich
möchte wiſſen, was d’raus werden ſollte, wenn ich ſie
noch in’s Geſicht loben wollte darum. Da brumm’ ich
denn und fluch’ eins wie ein Landsknecht, aber dabei
mach’ ich ganz ſachte Platz, daß ſie freie Hände kriegt.
Und merk’ ich nun, ſie iſt fertig, da komm’ ich wieder
wie von ungefähr gebrummt und gewettert. Da heißt’s:
der Erbförſter iſt ſchlimmer auf die Armuth wie der Teu-
fel, aber ſeine Frau und ſein Mädel, das ſind Engel
vom Himmel. Und das ſagen ſie, daß ich’s hören ſoll.
Und ich hör’s auch; aber ich thu’ nicht dergleichen und
lach’ mir inwendig eins und äußerlich thu’ ich noch um
eins ſo barſch. — Es ſcheint, draußen kommen die Gäſte
ſchon. Robert, meine Frau und mein Mädel, meine
Marie — wenn ich einmal — Du verſtehſt mich, Ro-
bert. Gib mir die Hand. Gott ſieht uns.

(Wiſcht ſich über
das Auge.)

Himmelelement! — Daß Du den Weibern
nichts merken läßt — und regierſt ſie, wie’s ſein muß —


(Er wendet ſich um, ſeine Weichheit zu verbergen, mit Geberden ſeinen
Zorn ausdrückend, daß er ſie nicht bezwingen kann. In der Thür trifft
er [auf:)]

[27]Der Erbförſter.

Fünfter Auftritt.


Stein. Möller. Wilkens. Marie. Förſterin. Vorige.
(Begrüßungen mit dem Förſter.)

Stein.

Wohin ſo raſch, Alter? Habt Ihr ſchon Händel
mit dem da?


Förſter.

Ja; ich hab’ ihm die Leviten gegeigt, dem jungen
Herrn, von wegen mit dem Weibsvolk da.


Stein.

Hochverrath gegen die Majeſtät des Pantoffels?
Und das dulden Sie, Frau Schwiegermutter?


Förſterin.

Ein bischen mehr, ein bischen weniger — wo man
ſich einmal auf ſo viel hat einrichten müſſen!


Förſter.

Und da ſag’ einer, die Frau da wär’ nicht geſcheit
genug, einen unter den Pantoffel zu bringen. Aber gib
uns Karten. Ich hab’ dem Stein da Revanche verſprechen
müſſen auf heut’ vor dem Frühſtück noch —


Stein.

Und die muß ich haben.


(Der Förſter und Stein ſitzen einander gegenüber rechts und ſpielen Karte.)

[28]Der Erbförſter.
Förſterin

(ſieht einen Augenblick zu; dann zu Robert, indem ſie geſchäftig abgeht).

Wenn ſie nur heut’ nicht etwa wieder auf das
Durchforſten kommen!


Möller

(links zu Wilkens tretend; indem er auf Marie zeigt, die eben mit der ab-
und zugehenden Mutter und Robert ſpricht).

Das nenn’ ich eine ſchmucke Braut.


Wilkens.

Und auch kein Bettelkind, Herr Buchhalter.


Möller
(galant).

Wer weiß nicht, daß Herr Wilkens ihrer Mutter
Oheim iſt?


Wilkens
(geſchmeichelt).

Hm.


Möller.

Und Herr Wilkens braucht ſich, mein’ ich, des
Hauſes Stein und Sohn nicht zu ſchämen.


Wilkens
(ruhig).

Bewahre.


Möller
(wird ganz Feuer).

Herr, die Firma Stein und Sohn! Ich diene der
Firma zwanzig Jahr. Das iſt meine Ehre und mein
Stolz. Die Firma iſt mein Weib und Kind!


Wilkens.

Ei ja.


Möller.

Die erſten Häuſer in Deutſchland würden ſich’s für
[29]Der Erbförſter.
eine Ehre rechnen, ſich mit Stein und Sohn zu ver-
ſchwägern.


Wilkens.

Glaub’s ſchon

(wendet ſich zum Brautpaar).

Möller
(grimmig für ſich).

Und der Kerl thut noch ſo bauernſtolz, als müßte
ſich Stein und Sohn auf ſein Jägergänschen da noch
was Rechtes einbilden. Seine fünf und vierzig geh’n in
drei Theile und das erſt nach ſeinem Tod. Die einzige
Tochter von Löhlein und Compagnie mit ihren achtzig!
Das war ein ander Capital in’s Geſchäft; und flüſſig
von heut’ ab. Die Mißheirath iſt unverzeihlich. Was
hilft’s? Man muß —


(draußen ertönt ein Dreher).

den Aerger vertanzen. Kann ich die Ehre haben, Frau
Förſterin, im Grünen?

(mit alter Junggeſellengrazie).

Stein.

Ob ich einmal Karten bekomme!


Förſterin.

Soviel haben wir wohl noch Zeit.


Wilkens.

Der Wilkens läßt ſich auch noch nicht wegwerfen;


(in der Taſche kramend)

der Wilkens muß auch noch einmal
ſeinen Thaler auflegen für die Muſikanten. Es wird
wohl erlaubt ſein, Herr Bräutigam?


(Möller führt die Förſterin, Wilkens Marien hinaus. Robert folgt.)

[30]Der Erbförſter.

Sechſter Auftritt.


Stein. Förſter.

Stein
(wirft die Karten hin).

Hab’ ich denn Einen Trumpf?


Förſter
(meldend).

Zwanzig in Grün.


Stein
(nimmt ſeine Karten wieder auf; ungeduldig).

Warum nicht Vierzig? Da über dem Grün fällt
mir ein — Haſt Du’s überlegt nun, das mit dem Durch-
forſten?


Förſter.

Der Kerl iſt ein —

(ſie ſpielen fortwährend.)

Stein.

Welcher Kerl?


Förſter.

Der das ausgeheckt hat.


Stein.

Ich?


Förſter.

Dein Buchjäger da —


Stein
(wird immer hitziger; betonend).

Mein Buchjäger?


Förſter
(immer ruhiger und leichter).

Na, meinetwegen meiner.


Stein.

Was Du immer mit dem haſt?!


[31]Der Erbförſter.
Förſter.

So laß ihn weg.


Stein.

Als wenn ich — Du — bei jeder Gelegenheit bringſt
Du den. Du kannſt nicht von ihm loskommen. Wie
Teig hängt er Dir in den Zähnen.


Förſter
(ſehr ruhig).

Wie zum Exempel jetzt.


Stein.

Du haſt’s einmal darauf abgeſehn, mich zu ärgern.


Förſter.

Dummes Zeug; Dir iſt’s nur um’s Krakehlen.


Stein.

Mir? — Aber was ſtichſt Du da gleich, wenn ich
mich verwerfe?


Förſter.

Verworfen iſt verſpielt.


Stein
(wirft ſeine Karten hin).

Nun; da haſt Du die ganze Geſchichte!

(ſpringt auf.)

Förſter.

Ich gebe.

(Miſcht ganz ruhig und gibt.)

Stein
(der Schritte gemacht).

Ich ſpiele nicht mehr mit Dir.


Förſter
(ohne ſich ſtören zu laſſen).

Aber das Geben iſt an mir.


Stein
(ſetzt ſich wieder).

Alter Eigenſinn!


[32]Der Erbförſter.
Förſter.

Gleich oben hinaus.


Stein
(nimmt ſeine Karten; noch heftig).

Nicht nachgegeben! Und wenn ſein Unrecht klar iſt
wie der Tag.


Siebenter Auftritt.


Möller, der die Förſterin geführt bringt, Wilkens. Der Walzer
draußen zu Ende. Die Vorigen.

Förſterin.

Aber nun dächt’ ich —


Förſter.

Noch einmal herum.


Förſterin.

Fertig wär’ Alles —


Förſter.

Der Paſtor —


Förſterin.

Mit dem Frühſtück ſollten wir nicht auf ihn war-
ten, hat er ſagen laſſen. Aber punkt Elf käm’ er zur
Verlobung.


Förſter.

So ſetzt Euch und eßt.


Stein.

Bitte — laſſen Sie ſich nicht abhalten.


[33]Der Erbförſter.
Förſter.

Ob wir hier ſitzen oder dort. — Jetzt einmal vier-
zig in Grün!

(immer im Spielen.)

Stein.

In Gottes Namen.


Förſter
(ſiegreich).

Fällt Dir der Buchjäger nicht wieder ein? Und das
Durchforſten? — Das wäre —


Stein
(hält an ſich).

Nun ſiehſt Du doch —


Förſter
(immer raſcher).

Daß der Kerl ein Eſel iſt. Der Ober iſt ein Frei-
mann.


Stein.

Ich denke daran, daß wir nicht allein ſind.


Förſter
(etwas vom Spiel erhitzt).

Und Trumpf — Und Trumpf! — Durchforſten!


Stein.

Es iſt genug, ſag’ ich. Der Einfall war mein.


Förſter.

Und Trumpf!


Stein

Und wenn ich —

(er bezwingt ſich).

Förſter
(ſiegreich).

Ja und was denn?

(macht die Karten zuſammen).

Ludwig, dram. Werke. I. 3
[34]Der Erbförſter.
Stein
(äußerſte Gewalt ſich anthuend, nicht loszubrechen).

Und wenn ich’s haben wollte — und wenn ich drauf
beſtünde — ſo —


Förſter.

Blieb’s, wie es iſt.


Stein.

So würde durchforſtet.


Förſter.

Nichts würde.


Stein.

Das wollen wir doch ſeh’n. Und nun wird durch-
forſtet.


Förſter.

Nichts wird.


Stein.

Herr Förſter!


Förſter
(lachend).

Herr Stein!


Stein.

Es iſt gut. Es iſt gut.


Förſter
(mit Seelenruhe).

Wie’s iſt.


Stein.

Kein Wort —


Förſter.

Und kein Baum —


[35]Der Erbförſter.
Stein
(ſteht auf).

Keinen Widerſpruch, und keinen Hohn. Das bitt’
ich mir aus. Das muß ich mir ausbitten. Ich bin Herr
von Düſterwalde.


Förſter.

Und ich bin Förſter von Düſterwalde.


Stein

(wird immer hitziger; man ſieht, welchen Antheil an ſeiner Empfindlichkeit
und zugleich an ſeinem Bemüh’n, dieſelbe zu bezwingen, die Gegenwart
Anderer hat. Der Förſter behandelt die Sache leicht, wie etwas, was alle
Tage vorkommt. Die Förſterin ſieht voll wachſender Angſt von Einem zum
Andern. Wilkens verändert keinen Zug; Möller ficht ſeines Herrn Partei
geſtikulirend mit durch. Immer raſches Zuſammenſpiel.)

Stein.

Sie ſind mein Diener. Und ich befehle: es wird
durchforſtet. Oder Sie ſind’s geweſen. Es wird durch-
forſtet!


Förſter.

Alter Hitzkopf!


Stein.

Oder Sie ſind mein Förſter geweſen.


Förſter.

Dummes Zeug.


Stein.

Und der Buchjäger wird in Ihre Stelle kommen.


Förſter.

Recht ſo. Ich gratulire.


3*
[36]Der Erbförſter.
Stein
(knöpft ſich ein).

Es wird durchforſtet.


Förſter.

Es wird nicht durchforſtet.


Förſterin
(zwiſchen den Beiden).

Aber —


Stein.

Es thut mir unendlich leid. — Herr Möller! —
Ich empfehle mich allerſeits.

(Ab).

Möller.

Bravo! Endlich einmal geſprochen wie Stein und
Sohn! Ganz Gehorſamſter.

(Folgt Stein).

Förſter.

Ich gebe

(er ſieht beim Miſchen auf)

. Aber — So laßt
ihn laufen. Wenn er nicht eine Stunde lang ſitzen kann,
ohne loszugeh’n, der alte Pulverſack der.


Achter Auftritt.


Förſter, der gleichmüthig dort ſitzt, Förſterin neben ſeinem Stuhle
ſtehend. Wilkens tritt zum Förſter.

Förſterin.

Aber was ſoll nur das werden?


Wilkens.

Er hätt’ ihm nachgeſollt.


[37]Der Erbförſter.
Förſter.

Alter Hitzkopf.


Förſterin.

Ich bin wie aus dem Himmel gefallen. Am Ver-
lobungstag!


Wilkens.

Aber Er wird doch nicht um die paar elenden
Bäume da —


Förſter.

Elende Bäume? Donnerwetter! In meinem Forſt
iſt kein elender Baum! — Dummes Zeug. Lamentirt
mir da um nichts.


Wilkens.

Aber der Herr Stein —


Förſter.

Wird nicht weit laufen. Wenn er ausgebrauſt hat,
iſt er der erſte, der — Er iſt beſſer als ich.


Wilkens.

Aber —


Förſter.

Ihr habt doch immer ein Aber. So macht er’s alle
Tag’. Seit zwanzig Jahren —


Wilkens.

Aber heut’ iſt er Sein Herr.


Förſter.

Herr oder nicht; durchforſtet wird nicht.


[38]Der Erbförſter.
Wilkens.

Aber ſo verliert Er die Stelle.


Förſter.

An den Buchjäger? Litanei. Der Stein kann den
Buchjäger ſelbſt nicht leiden und weiß, was er an mir
hat; ich brauche mich nicht zu loben. Zeig’ Er mir den
Forſt in der ganzen Gegend, der daſteht wie meiner. —
Hört Ihr? Da iſt er ja ſchon wieder. Setzt Euch. Und
wenn er hereinkommt, thut mir nicht dergleichen.


Neunter Auftritt.


Möller (raſch herein). Vorige. Zuletzt Andres.

Förſter
(nicht aufſehend).

Na, ich gebe.

(nimmt die Karten, bemerkt ſeinen Irrthum).

Sie ſind’s, Herr Möller?


Möller
(feierlich).

Aufzuwarten.


Förſter.

So ſetzen Sie ſich. Iſt er wieder kühl, der alte
Hitzkopf? Warum kommt er nicht herein? Ich ſoll ihn
holen?

(will geh’n).

Möller.

Herr Stein läßt den Herrn Förſter fragen, ob er
ſich beſonnen hätte.


[39]Der Erbförſter.
Förſter.

Dächt’ ich doch!


Möller.

Daß Sie durchforſten wollen.


Förſter.

Daß ich nicht durchforſten will.


Möller.

Das heißt, daß Sie die Förſterſtelle aufgeben.


Förſter.

Das heißt — daß Sie ein Narr ſind.


Möller
(ſehr feierlich).

Ich habe den Auftrag von Herrn Adolf Friedrich
Stein, Chef des Handelshauſes Stein und Sohn, im
Fall Sie den Befehl Ihres Herrn auszuführen noch ſich
weigern ſollten, Ihnen Ihre Abſetzung anzukündigen und
auf der Stelle dem Buchjäger zu notifiziren, daß er För-
ſter von Düſterwalde iſt.


Förſter.

Und das wär’ Ihnen ein Vergnügen —


Möller.

Von mir iſt hier nicht die Rede; hier iſt die Rede
von der Firma Stein und Sohn, die zu vertreten ich die
Ehre habe. Ich laſſe Ihnen fünf Minuten Bedenkzeit.


(tritt an’s Fenſter).

Förſter.

Abſetzen? mich abſetzen? Wiſſen Sie, was das
heißt? Einen Mann, der vierzig Jahre lang redlich
[40]Der Erbförſter.
gedient? Himmelelement, Herr! Wenn ich thäte, was
er will — dann wär’ ich abſetzenswerth. Durchforſten!
Und der Berg liegt gegen Nord und Nordweſt offen wie
ein Buch —


Wilkens.

Hm! Aber von Seinen Bäumen iſt dahier auch gar
nicht die Rede.


Förſter.

Daß der Wind ſich hineinlegt und Alles zuſammen-
knickt? Element! Dummes Zeug. Es iſt gar nicht ſein
Ernſt. Wenn er ſich nur erſt beſinnt. —


Wilkens.

Drum und ſo ſagt’ ich Ja. Bis es zum Hauen
kommt, kann einer ſich noch hundertmal beſinnen. Und
das ſieht Er doch, daß es dem Herrn Stein hier nicht ab-
ſolut um’s Hauen iſt? Sondern nur, daß er ſein An-
ſeh’n behaupten will. Wenn er Herr iſt, ſo muß er doch
Recht behalten.


Förſter.

Aber er hat unrecht und zu einem Unrecht ſag’ ich
nicht Ja. Vierzig Jahr hab’ ich das Meine nichts ge-
achtet um das, was mir anvertraut war, hab’ ich —


Wilkens.

Hm, und ſo dächt’ ich, wenn Er’s vierzig Jahr mit
ſeinen Bäumen treu gemeint hat, ſo könnt’ Er das nun
auch einmal mit Frau und Kindern und mit ſich ſelbſt.


[41]Der Erbförſter.
Förſter.

Weiß Er, daß das dem Stein ein Schaden werden
kann von ſechstauſend Thalern? Was? Um die ich ihn
brächte mit meinem Ja? Und dann ſollt’ einer auftreten
und ſagen: der Ulrich hat Ja dazu geſagt? In fünfzehn
Jahren konnte ein Schlag daſteh’n, daß ein Jägerherz
aufgehn mußte davor und —


Wilkens.

Hm; und das kann ja noch immer —


Förſter.

Wenn der vermaledeite Wind von Hersbruck her
einmal drinn gelegen hat? Er red’t wie Er’s verſteht.


Förſterin
(furchtſam).

Aber was ſoll aus uns werden?


Förſter.

Wir ſind ehrliche Leute und das wollen wir bleiben.


Wilkens.

Hm! Wenn hier von der Redlichkeit ganz und gar
die Rede wäre!


Förſter.

Aber zum Teufel, Herr, von was ſonſt? Was?
Pfötchen geben? Schlagt nur zu! Ihr werdet ſchon klug
werden. Und in’s Fäuſtchen lachen? Nur kein ehrliches
offenes Wort. Das iſt eure Bauernmoral ſo. Wenns
euch nur nicht an den Geldbeutel geht, ihr laßt’s geh’n.
Wo ihr nicht müßt —


[42]Der Erbförſter.
Wilkens.
(ſelbſtzufrieden).

Hm, ja. Wo der Bauer nicht muß, da regt er nicht
Hand und nicht Fuß. Da hat Er ſchon recht; das iſt
ſo die Bauernmoral. Und ich ſag’ Ihm, die Bauern-
moral iſt nicht dumm. Hätt’ Er die Bauernmoral be-
folgt, ſo hätt’ Er ſeine Schuldigkeit gethan und nicht für
den Heller mehr und hätte das Seine an ſich gewandt
und an Frau und Kinder, und nicht an fremdes Gut; ſo
könnt’s Ihm nun auch egal ſein, was draus wird. — Weß
Brot ich eſſe, deß Lied ich ſinge. Er wird nicht bezahlt,
daß Er Herr, ſondern daß Er Diener ſein ſoll. Wenn
alſo Sein Herr ſagt: es ſoll durchforſtet werden —


Förſter.

So muß ich dafür daſein, daß es nicht geſchieht.
Der redliche Mann geht vor den Diener.


Wilkens.

Hm! Da wären wir ja glücklich wieder beim An-
fang.

(Wendet ſich.)

Förſterin.

Er will doch nicht gehen? Er iſt noch mein einziger
Troſt, der Herr Vetter. Er wird ſich ja noch beſinnen.
Auf den Herrn Vetter gibt er noch das Meiſte.


Wilkens.

Das merk’ ich.


Förſterin.

Die Verlobung! — Die Marie! — Und daß auch
[43]Der Erbförſter.
der Herr Paſtor nicht da iſt! Wenn doch nur der Herr
Vetter —


Andres
(tritt auf).

Wilkens.

Er hat einen Schädel von Eiſen. Kann man ihm
denn was deutlich machen?


Möller

(der bis jetzt ruhig aus dem Fenſter geſeh’n, ſieht nach ſeiner Uhr und wendet
ſich dann feierlich gegen den Förſter).

Herr Förſter; nun möcht’ ich um Ihre letzte Erklä-
rung bitten.


Förſter.

Was ich geſagt hab’, das hab’ ich geſagt.

(Schritte;
bleibt ſteh’n).

Und übrigens kann er’s gar nicht, das mit
dem Abſetzen. Er kann mich ja gar nicht abſetzen. Erſt
muß er mir nachweiſen, daß ich’s verdient hab’. Um
nichts und wieder nichts kann er mich nicht abſetzen.


Möller
(mit Anſehn).

Alſo Sie wollen nicht? Rund heraus: Sie wollen
nicht?


Förſter.

Wenn’s Ihnen noch nicht rund genug war, Nein!
Runder kann ich’s nicht zuſammenbringen. Ein Schurke
will ich nicht ſein und einen redlichen Mann kann er
nicht abſetzen. Iſt das nun rund genug, daß es rollt?
Ich bin Förſter und ich bleibe Förſter und — durch-
forſtet wird nicht. Das ſagen Sie Ihrem Herrn und
Ihrem Buchjäger und wem Sie wollen.


[44]Der Erbförſter.
Förſterin.

Haben Sie nur ein wenig Geduld mit ihm. Das
kann ja gar nicht Herrn Stein’s Ernſt ſein und Sie ha-
ben ſchon ſoviel Güte gehabt —


Möller.

Wenn ich’s wäre, ich, Juſtus Möller — was thät’
ich nicht, der Frau Förſterin zu gefallen? aber ich ſtehe
hier als Bevollmächtigter von Stein und Sohn.


Förſter.

Wenn er ein Recht zu haben glaubt, ſo mag er’s
verfolgen. Und Du ſollſt mein gutes Recht nicht ſo be-
leidigen, Weib, daß Du beim Unrecht betteln gehſt. Gu-
ten Tag, Herr Möller. Wünſchen Sie ſonſt noch was?
Nicht? Haben Sie mir ſonſt noch was zu ſagen?


Möller
(ſehr feierlich).

Nichts, als daß Ihre Förſterſchaft von dieſem Augen-
blick an zu Ende iſt. Hier iſt die Beſoldung, ein Halb-
jahr voraus. — Dafür werden Sie ſo bald als möglich,
ſpäteſtens in drei Tagen das Forſthaus räumen, damit
der nunmehrige Förſter hereinzieh’n kann, der von dieſem
Augenblick an ganz allein für den Forſt zu ſorgen hat.


Förſter
(muß ſich ſetzen).

Förſterin

(zu Andres, den ſie immer zurückhalten müſſen und der nun nach der
Thüre eilt).

Wohin, Andres?


[45]Der Erbförſter.
Andres.

Dem Robert ſagen, was ſein Vater —


Förſterin.

Daß Du nicht etwa —


Andres.

Laß mich, Mutter, eh’ ich den am Kragen faſſe da —


(heftig ab).

Förſter.

Schon gut. Schon gut. Daß Du mir ſtill biſt,
Weib

(ſteht auf).

Guten Tag, Herr Möller. Hier haben
Sie Geld liegen laſſen. Herr, ſonſt werf’ ich’s Ihnen
nach

(tritt an’s Fenſter und pfeift).

Möller.

Sie ſehen, Frau Förſterin, ich thu meine Schuldig-
keit mit Schmerzen. Ich gehe zum Buchjäger.


Förſter
(ohne ſich nach ihm zu wenden).

Glückliche Reiſe!


Zehnter Auftritt.


Der Förſter ſteht im Fenſter und pfeift. Wilkens ſucht Stock und
Hut. Die Förſterin ſieht rathlos von Einem zum Andern. Möller
im Abgehn ſtößt auf Robert und Andres, die hereingeſtürmt kommen.
Marie hängt an Robert’s Arm, den ſie zu beſänftigen ſucht.

Robert
(zornig im Hereintreten).

Er ſoll nachgeben, er ſoll den ſchönen Tag nicht
ſtören.


[46]Der Erbförſter.
Andres.

Geh’ zu Deinem Vater; der hat den Streit ange-
fangen.


Möller.

Gut, daß ich Ihnen begegne, Herr Stein. Sie möch-
ten ſogleich nach Hauſe kommen.

(ab).

Robert.

Ulrich, Sie geben nach, Sie müſſen nachgeben.


Förſter
(ſich vom Fenſter wendend).

Sie, Herr Stein? Was ſuchen Sie bei mir? Marie,
Du gehſt dort hinaus. Was ſuchen Sie bei dem Mann,
den Ihr Vater abſetzen will?


Robert.

Aber warum wollen Sie nicht Ja ſagen?


Andres.

Weil er ein rechtſchaffener Mann bleiben will und
ſich nicht zum Schurken machen laſſen will von Euch.


(Förſter winkt ihm zu ſchweigen.)

Robert.

Mit Dir red’ ich jetzt nicht, Andres.


Förſter.

Sind Sie mit Ihres Vaters Bewilligung hier, Herr
Stein? Außerdem — Herr und wenn Ihr Vater mir
meine Stelle nehmen könnte und meine Ehre — daß ich
ein unbeſcholten Kind hab’, das kann er mir nicht neh-
men. Und ein Andrer — was? Junger Herr, hier bin
ich kitzlich. Verſtanden?


[47]Der Erbförſter.
Förſterin.

Aber willſt Du’s noch mit dem letzten Freund ver-
derben?


Förſter.

Die Marie hat einen Ruf zu verlieren. Wenn Er
ein Freund iſt, weiß Er ohne mich, was Er thun muß.


Robert.

Ich weiß, was ich thun muß, aber Sie wiſſen’s
nicht; ſonſt ſetzten Sie Ihrer Kinder Glück nicht an eine
Laune — an —


Förſter.

Oho; das ſagen Sie Ihrem Vater, junger Herr.


Robert.

An einen Eigenſinn. Ich hab’ Ihr Wort und Ma-
rie hat das meine; ich bin ein Mann und will kein
Schurke ſein.


Förſter.

Und weil Sie kein Schurke ſein wollen, ſoll ich
einer ſein? Soll’s heißen: der Ulrich hat Vater und
Sohn auseinander gebracht? Herr, mein Mädel da iſt
zu gut, als daß es heißen ſoll von ihr, ſie hat ſich in die
Familie geſchlichen. Herr Stein, hier bin ich zu Haus.
Sie wiſſen, was ich meine.


Förſterin.

So laß die Kinder wenigſtens —


[48]Der Erbförſter.
Förſter.

Einen dummen Streich machen? Und Ihr ſeht zu
und hernach wißt Ihr nichts als Heulen.


Robert.

Marie, wie es auch werden mag —


Förſter.

Ich weiß nicht, ob ich die Marie kenn’. Wenn ich
die Marie nicht kenn’, ſo iſt’s beſſer, Du gehſt gleich
mit ihm.


Marie.

Vater, er meint’s ſo treu.


Förſter.

Gut; ſo geh’ mit ihm.


Förſterin.

So hart —


Robert.

Bei dem Himmel, Marie, der uns einander beſtimmt
hat —


Förſter
(wie vorhin; zur Förſterin).

Und daß Du mir nicht etwa — Hörſt Du, wenn’s
geſchäh’ —

(er wendet ſich mit ihr nach dem Hintergrunde).

Andres
(losbrechend).

Nun iſt’s genug. Marie, Du gehſt oder der hier
geht.


Förſterin.

Nun fang’ auch Du noch an, Andres!

(ſie geht zu ihm
auf die linke Seite).

[49]Der Erbförſter.
Andres.

Ich hab’ lang’ genug geſchwiegen. Laß mich, Mut-
ter. Sein Vater hat meinen Vater beſchimpft, der ſoll
nicht auch noch meine Schweſter beſchimpfen.


Robert.

Du biſt mein, Marie. Den will ich ſeh’n, der uns
— Fort mit der Hand!


Marie.

Robert, es iſt mein Bruder!


Andres
(drohend).

Nur einen Schritt weiter, ſo —


Robert.

Fort, ſag’ ich, um Gotteswillen —


Andres.

Du biſt mein Mann nicht —


Robert.

Nicht mit der Fingerſpitze ſollſt Du berühren, was
mein iſt. Euch Allen zum Trotz —


Andres.

Hörſt Du’s, Vater?


Förſter
(zwiſchen die Beiden tretend).

Zurück da, Burſche. Wer iſt Herr im Haus?


Andres.

Biſt Du’s, Vater, ſo zeig’, daß Du’s biſt, oder laß
mich’s dem zeigen da.


Förſter.

Andres, jetzt gehſt Du dorthin und muckſt mir nicht.


Ludwig, dram. Werke. I. 4
[50]Der Erbförſter.
Andres.

Vater —


Förſter.

Ob Du Parition leiſten wirſt!


Andres
(reißt eine Flinte von der Wand).

Förſter.

Was machſt Du da?


Andres
(verbiſſen).

Nichts. Hier im Hauſe biſt Du Herr; draußen iſt’s
Niemand; draußen ſind wir’s Alle.


Förſter.

In meinem Forſt bin ich’s.


Andres.

Aber keinen Schritt weiter.


Förſter.

Was heißt das? Antwort!


Andres.

Nichts weiter, Vater. Es braucht’s nur der dort zu
wiſſen. Wenn Du auf Deine Ehre nicht hältſt — für
der Marie ihre ſorg’ ich. Das iſt für den, der der Marie
zu nahe kommt.


Förſterin.

Was für Reden!


Robert.

Reden eben. Kinder fürchten ſich vor Reden.


[51]Der Erbförſter.
Andres.

Bei Reden ſoll’s nicht bleiben, ſo wahr ich ein
Mann bin.


Robert.

Wärſt Du ein Mann, Du drohteſt nicht, Du —


Andres.

Wären wir wo anders, Du höhnteſt nicht —


Förſter.

Andres!


Robert.
Andres.

Gib Raum —


Fort, ſag’ ich.


Förſter
(faſt zugleich pfeift durchdringend auf dem Finger).

Andres.

Wo Du nicht mehr —


Förſter
(indem er zwiſchen die Beiden tritt).

Rebelliſche Jungens! Ruhe da. Daß ſich’s Keiner
einfallen läßt! Blitzjunge da! Wenn ich einen Vor-
mund brauche, ſo nehm’ ich keinen Gelbſchnabel dazu.
Bin ich Herr hier oder iſt’s ſonſt Jemand? Was haſt
Du hier zu thun, Burſche? In den Wald mit Dir;
dem Weiler auf die Hände ſeh’n, daß er nicht faullenzt;
dann ein Dutzend Ahornpflanzen in der Baumſchule her-
ausgenommen, in feuchtes Moos geſchlagen; der Has-
lauer Bote, wenn er kommt, daß er nicht warten muß.
Kein Muck. Vorwärts!


Andres

(gehorcht und geht, nachdem er Robert einen herausfordernden Blick zu-
geworfen, den dieſer beantwortet).

4*
[52]Der Erbförſter.
Förſter.

Und Sie, Herr Stein; guten Tag, Herr Stein;
Sie wiſſen, was ich meine.


Förſterin.

Wenn Sie’s Ihrem Vater vorſtellten; aber ſanft
und freundlich! Und brächten ihn zurück.


Marie.

Dann ſäh’ ich, wie lieb Du mich haſt, Robert.


Förſter
(milder).

Eher kommſt Du mir nicht wieder. Adieu, Robert.
Und läßt mir das Mädel da in Ruh’.


Robert.

Ich gehe. Aber wie’s auch werden mag, mein Recht
an die Marie geb’ ich nicht auf.

(ab).

Förſterin.

Muß heut denn Alles zum Schlimmſten ausgeh’n?
Und Er, Herr Vetter, auch Er will uns verlaſſen?


Wilkens.

Hm! Wenn Einer abſolut mit der Stirn’ durch die
Wand will! Der Narr bin ich nicht, der die Hand da-
zwiſchen hält.

(Ab).

(Vorhang fällt).

Ende des erſten Aufzugs.

[[53]]

Zweiter Aufzug.


Im Schloſſe.

Erſter Auftritt.


Stein
allein; er ſitzt.

Verwünſchter alter Eigenſinn! Der ganze ſchöne Tag
verdorben. Jetzt ſäßen wir bei Tiſch. Recht mag er ſchon
haben, daß das Durchforſten nicht taugt. Aber muß er
mich deßhalb ſo in Rage bringen? Freilich ich mußte
klüger ſein als er. Meine Hitze war ſchon auch mit
ſchuld. — Mich dauert nur die Förſterin — und die
Kinder. Ich will auch —

(ſteht auf, ſetzt ſich wieder).

Was
denn? Eine Thorheit mit der andern gut machen? So
unüberlegt im Nachgeben ſein, wie ich’s im Uebelnehmen
war? Alter Sprudelkopf! Aber das ſoll mir eine Lehre
ſein. —

(Kleine Pauſe, dann ſteht er wieder auf, nimmt Hut und
Stock und wirft beides wieder hin.)

Nein, es geht nicht; es
geht durchaus nicht. Was? Das wär’ eine Blamage,
[54]Der Erbförſter.
nie wieder gut zu machen. Dasmal muß er kommen;
ich kann ihm nicht helfen. Aber er hat vielleicht ſchon —
iſt das nicht Möller?

(raſch dem Kommenden entgegen.)

Zweiter Auftritt.


Robert. Stein.

Robert
(erhitzt hereintretend.)

Sie wollen mein Glück zerſtören, Vater?


Stein
(überraſcht; unwillig).

Robert!


Robert.

Das dürfen Sie nicht.


Stein.

Daran fehlt’s, daß auch Du kommſt und mir den
Kopf warm machſt.


Robert.

Vater, von der Verlobung laſſen Sie mich wegholen
wie das Kind vom Spielzeug; aber ich bin kein Kind,
dem man gibt und nimmt, wie’s einem einfällt, ich hab’
Ihr Wort und Sie müſſen es halten. Sie wollen mein
Glück einer Laune opfern? So weit geht kein Vaterrecht!


Stein.

Aber was willſt Du nun eigentlich?


[55]Der Erbförſter.
Robert.

Sie fragen, ob Sie ſich mit dem Förſter verſöhnen
wollen?


Stein.

Junge, wie kannſt Du Dich unterſteh’n? Willſt Du
mich zur Rede ſtellen? — Geh’ zu dem Eigenſinn; er
hat unrecht, er muß nachgeben.


Robert.

Vom Förſter komm’ ich; er wies mich zu Ihnen —


Stein.

Ich kann nichts thun — und nun laß mich in Ruh’.


Robert.

Sie wollen nichts zur Verſöhnung thun?


Stein.

Nichts, wenn er nicht nachgibt; und nun geh’ Dei-
ner Wege.


Robert.

Wenn Sie nichts zur Verſöhnung thun, betret’ ich
ſeine Schwelle nie wieder. Andres und ich ſind Todfeinde
geworden; vielleicht ſteh’ ich ihm heut’ noch auf Tod
und Leben gegenüber. — So mag’s kommen, wie’s will;
ich hab’ Alles gethan, was ich thun konnte; Vater —
mich kann kein Vorwurf treffen. Wenn ein Unglück ge-
ſchieht — Sie konnten’s verhüten und der Förſter konnt’
es verhüten — Marie iſt mein, und nicht Sie und nicht
der Förſter ſollen mir ſie nehmen.


[56]Der Erbförſter.
Stein.

Biſt Du raſend, Junge? Den Augenblick auf Dein
Zimmer! Hörſt Du?


Robert.

Vater, ich frage Sie —


Stein.

Zu gehorchen haſt Du, nicht zu fragen!


Robert.

Der Jähzorn reißt Sie hin. Vater, ich bitte Sie,
reißen Sie die Narbe hier nicht auf, die nur halb geheilt
iſt. Ich will’s erwarten, bis Sie ruhig ſind, bis Sie
Ihrer wieder mächtig ſind.


Stein.

Du ſiehſt, daß ich meiner mächtig bin; Du willſt
mich mit Gewalt reizen und es gelingt Dir nicht. Aber
nun kein Wort mehr! Keinen Laut!


Robert
(außer ſich).

Kein Wort? Hundert Worte, tauſend Worte, ſoviel
die Bruſt erträgt. Ich will reden; bis ich’s los habe da
vom Herzen, will ich reden. Ihrem Möller, Ihren
Schmiedeknechten verbieten Sie zu reden, mir nicht. Zei-
gen Sie Ihre Ungeduld, wie Sie wollen, bleiben Sie oder
geh’n Sie — reden will ich. Sie ſollen’s einmal wiſſen,
daß ich’s nicht mehr ertragen will, wie ein Knabe behan-
delt zu ſein, daß ich frei ſein will, daß ich allein ſtehen
kann, daß Sie mich ſollen achten müſſen, daß ich weder
Ihr noch irgend eines Menſchen Spielball ſein will.


[57]Der Erbförſter.
Stein.

Drohſt Du mir mit dem alten Lied? Ich kann’s aus-
wendig. Du biſt noch da? Ich denke, Du biſt gegangen.
Ja ſo; reden willſt Du, reden. Rede, thu’, was Du
willſt; ich halte Dich nicht.


Robert
(ruhig im Tone des Entſchluſſes).

Und wenn Sie’s nun wollten, es wär’ zu ſpät. Auf
meinem Recht beſteh’ ich und ſollt’ es mein oder eines
Andern Leben koſten; aber Sie und den Förſter mach’
ich verantwortlich dafür.


Stein
(den ſeine Hitze ſchon zu reuen beginnt).

Junge —


Robert.

Leben Sie wohl — vielleicht auf ewig!

(ſtürzt ab.)

Dritter Auftritt.


Stein allein, dann der Paſtor.

Stein
(ſich vergeſſend, einen Schritt nach).

Wohin? — Robert! Junge! — Verwünſcht! Kaum
die Hitze verredet und den Augenblick darauf — Aber
iſt’s auch nicht, als hätten Alle ſich verſchworen, mich
mit Gewalt nicht aus dem Harniſch herauskommen zu
laſſen? Wenn er ſich wirklich verfeindet hat und rennt
[58]Der Erbförſter.
mit den Hitzköpfen zuſammen — Aber nachlaufen kann
ich ihm doch nicht. — Kommt er wieder?


Paſtor
(tritt ein).

Stein.

Sie, Paſtor? Sie treffen mich da —


Paſtor.

Hab’s ſchon gehört

(giebt ihm die Hand).

Stein.

Der Robert, der Junge —


Paſtor.

Hat mich faſt über den Haufen gerannt. Er will wie-
der einmal fort? Was? Den wollen wir ſchon feſt machen.


Stein.

Und mit dem alten Eigenſinn —


Paſtor.

Weiß ſchon. Iſt’s auch die alte Geſchichte, die ewige
Geſchichte, von der man das Ende allemal vorher weiß.


Stein.

Dasmal doch nicht ſo gewiß.


Paſtor.

Ja; ſie iſt verwickelter als ſonſt, weil zugleich die
mit dem jungen Herrn drein kam. Und noch überdies
iſt der junge Herr dasmal auch mit dem Andres zuſam-
mengerannt, indeß —


Stein.

Iſt er das nicht, der hier kommt?


[59]Der Erbförſter.

Vierter Auftritt.


Möller. Die Vorigen.

Stein.

Sie, Möller? Wie ſieht’s aus? Er gibt nach?


Möller.

So wenig, daß er Ihnen vielmehr ſagen läßt, Sie
könnten ihn gar nicht abſetzen.


Stein.

Ich könnte nicht? —

(ruhiger).

Wenn er noch meinte,
ich könnt’ es nicht wollen. — Und Sie haben Alles
verſucht?


Möller.

Alles.


Stein.

Auch mit dem Buchjäger gedroht? Als ſollte der
Förſter werden, als ſollten Sie dem ſogleich die Beſtal-
lung bringen, wenn —


Möller.

Als ſollt’ ich? — Mein Auftrag klang beſtimmter.
Ich bringe Ihnen den gehorſamſten Dank des Buch-
jägers; er nimmt die Stelle an.


Stein.

Er nimmt — er nimmt ſie an? Er nimmt ſie wirk-
lich an? Was das für ein dienſtwilliger Menſch iſt, der
Buchjäger! Und Sie dazu — mit Ihrer Eile. — Sind
[60]Der Erbförſter.
Sie ganz des Teufels, Herr? Ein Schreckſchuß ſollt’ es
ſein für den Ulrich. Der ſollte vernünftig werden —
nachgeben. Und wenn ich’s in der Hitze ſo geſagt hätte,
wie Sie’s verſtanden, ſo hätten Sie’s anders verſtehen
müſſen. Sie wiſſen, daß ich im Herzen nicht daran denke,
den alten Mann da, der tauſendmal mehr werth iſt —
aber Sie haben’s auch, Sie haben’s richtig verſtanden,
aber — ich erinn’re mich nun zu ſpät, Sie haben immer
gegen dieſe Heirath geſprochen.


Möller.

Ich habe zwanzig Jahr der Firma Stein und Sohn
gedient, Zeit genug, einmal zu erfahren, daß man auch
zu gewiſſenhaft dienen kann. Ich habe nichts gethan,
als buchſtäblich Ihren Auftrag erfüllt. Und wenn Sie
mich dennoch verkennen wollen, ſo muß das mein Troſt
ſein: Ich habe der Würde von Stein und Sohn nichts
vergeben.

(Er ſetzt ſich zur Arbeit).

Stein.

So mag’s Ihnen die „Würde von Stein und Sohn“
danken, was Sie da gemacht haben, ich nicht.

(Pauſe.)

Aber freilich; bei Licht beſeh’n, was war auch anders
zu thun? nach dem, was vorgegangen war. Beruhigen
Sie ſich nur. — Ich hab’ einmal den Herrn geltend ge-
macht —


Paſtor.

Der obendrein noch ſo neu iſt.


[61]Der Erbförſter.
Stein.

Ich hab’ einmal die verwünſchte Wahl geſtellt. Vor
dem alten Wilkens da. Ich kann doch nicht — So ein
verwünſchtes raſches Wort! Und das man nicht einmal
recht innerlich ernſt gemeint hat und das nun zum Schick-
ſal wird, das uns zwingt, das unſer Herr wird, weil
wir uns nicht die Mühe gaben, ſein Herr zu ſein —


Paſtor.

Ja, der Beſonnenheit wird es verwünſcht ſchwer, für
die Schulden einzuſtehen, die die Hitze gemacht hat.
Warum haben Sie auch nicht wie gewöhnlich blos unter
vier Augen gezankt!


Stein
(der Schritte gemacht).

Nein, es geht nicht. — Und dennoch, wenn ich an
die hitzigen Jungen denke — Möller, ſchicken Sie doch
gleich nach meinem Robert, laſſen Sie ihn ſuchen; ich
hätte mit ihm zu reden.


Möller
(geht und kommt bald wieder).

Stein.

Ich kann dem alten Eigenſinn nicht helfen; dasmal
muß er zu Kreuze kriechen. Ich kann mein Wort nicht
zurücknehmen, das muß er ſelbſt einſeh’n. Und nunmehr
kann er auch zu Verſtande gekommen ſein. — Aber da-
mit er ſieht, daß ich bereit bin, zur Verſöhnung zu thun,
was ich nur irgend kann, ohne mich zu blamiren — wie
wär’s, Paſtor, wenn Sie zu ihm gingen? Die Stelle
freilich, die muß er vor der Hand aufgeben — aber ſeinen
[62]Der Erbförſter.
bisherigen Gehalt, den kann er — ja, den ſoll er ver-
doppelt fortbezieh’n; er mag ihn einſtweilen als eine
Penſion anſeh’n. Ich dächte — er iſt doch die Haupt-
ſchuld an der Geſchichte — damit bezahlt’ er ſeinen Theil
daran billig genug.


Paſtor.

Ich mache mich gleich auf den Weg.


Stein.

Und ich begleite Sie ein Stück. Muß ich doch nicht
ganz allein promeniren.


(Beide links ab.)

Fünfter Auftritt.


Möller allein, dann der Buchjäger.

Möller.

Und wenn nichts aus der Hochzeit würde da mit der
Löhlein, ſo hat Stein und Sohn doch einmal durch-
gegriffen. Die Galle hat mir’s umgewendet, wenn er
allemal der erſte war — Dasmal bin ich zufrieden mit
meinem Alten und will ſeine Naſe gern einſtecken. —
Aber was poltert nur da draußen herum?

(in der Thür.)

Ein Glück, daß die durch die Zimmer gingen. Es iſt der
Buchjäger. Und in welchem Zuſtand! Iſt das auch ein
Menſch?

(er bringt den betrunkenen Buchjäger hereingeführt.)

[63]Der Erbförſter.
Buchjäger
(erſt noch in der Scene).

Wo iſt der Stein? Heda, Kerl! der Stein! Seid
Ihr’s, Möller?


Möller
(mit Gönneranſeh’n).

Daß Ihr’s ſeid, darüber kann man nicht im Zweifel
ſein. Was wollt Ihr hier?


Buchjäger
(indem ihn Möller auf einen Stuhl ſetzt).

Bedanken, man muß ſich doch bedanken. Holt mir
den Stein. Bedanken — ’s iſt einmal Mode ſo.


Möller.

In dieſem Zuſtand?


Buchjäger

(indem ihn Möller mit Anſtrengung auf dem Stuhl niederhalten muß).

Zuſtand? Was geht Euch der Zuſtand an? Daß ich
mich bedanken will, das iſt Zuſtand gnug. Laßt mich
mit dem Zuſtand zufrieden. Iſt er drinn? Was?


Möller.

Da drinn iſt Niemand. Seid froh, daß Niemand
drinnen iſt. Euch iſt nicht zu helfen. Ihr wollt einmal
auf keinen grünen Zweig kommen. Eure Gönner können
keinen noch ſo klugen Streich für Euch machen, ohne
daß Ihr ſelber gleich einen hundertmal ſo dummen drauf-
ſetzt, der Alles wieder verdirbt. Den Herrn reut’s ſchon,
daß er Euch die Stelle gegeben hat, und Ihr gebt ihm auch
gleich —


[64]Der Erbförſter.
Buchjäger.

Ihr dummer Kerl Ihr, das Ihr ſeid. Mit Eurer
Gönnerſchaft, das Ihr ſeid. Wenn Ihr nicht den Stein
und den Ulrich auseinanderbringen wolltet der Löhlein
wegen! Und wenn ich ſo dumm wär’, wie ſo ein ver-
wetterter, vermöllerter, vergönnerter Kerl. Baſta. Daß
ich Einen Tag Förſter bin? Denn zwei Tag dauert’s
nicht, bis die zwei Keſſelflicker wieder einig ſind; hernach
iſt’s wieder aus mit meiner Förſterſchaft. Ihr denkt,
weil Ihr keinen Durſt habt, ſeid Ihr ein honneter Kerl?
Einen Tag weiß ich’s — einen Tag bin ich’s — Tu —
Turbationsförſter nämlich — und den Tag hab’ ich an-
gewandt, Bruderherz — an Ulrich Andres — ange-
wandt, Bruderherz. Komm, Bruderherz, denn ich bin
fidel, Bruderherz. Du vermöllerter Gönner Du!

(fällt
ihm um den Hals.)

Möller
(ſchamhaft und äußerſt verlegen ſich ſeiner erwehrend).

Aber was denken Sie denn? Wenn’s Jemand ſähe!
So ſchämen Sie ſich doch!

(ſich in der Autorität gewaltſam
zurechtrückend.)

Mit Ulrich’s Andres habt Ihr was vor-
gehabt? Was?


Buchjäger.

Vorgehabt, vorgehabt, den hab’ ich vorgehabt, wißt
Ihr? von wegen geſtern, wißt Ihr? und von wegen der
Galle auf ſeinen Alten, wißt Ihr? Ihr wißt nichts,
wißt Ihr? Seinen weißen Katzenbart, der Alte, ſoll er
zerbeißen vor Wuth, wenn er’s hört —


[65]Der Erbförſter.
Möller.

Aber was mögt Ihr nur mit dem Andres angeſtellt
haben?


Buchjäger.

Was? Nichts. Werdet’s Zeit genug erfahren. Was?
Durſt, Durſt, das iſt mein Jammergeſchrei, das iſt mein
Siechthum, mein Elend, das iſt mein Gichtbruch, daran
muß ich noch umkommen in meinen jungen Jahren. Wo
iſt der Stein?


Möller.

Jetzt kommt Ihr mit auf meine Stube und trinkt
eine Taſſe ſchwarzen Kaffee, damit Ihr vernünftig werdet.
Ich muß dann nach dem Hochofen; da nehm’ ich Euch
mit bis an die Mühle am heimlichen Grund. Und Ihr
geht vollends heim. Man muß Euch die Hände binden,
wenn Ihr Euer Glück nicht wegjucken ſollt.


Buchjäger
(indem ihn Möller abführt).

Wo iſt er? Heda! Wo iſt er? Der Stein?


Im Jägerhaus.

Sechſter Auftritt.


Die Förſterin allein, dann Weiler und ſpäter der Förſter.

Förſterin
(das Fenſter ſchließend).

Er kommt noch immer nicht zurück, der Robert, und
der Herr Paſtor auch nicht.


Ludwig, dram. Werke. I. 5
[66]Der Erbförſter.
Weiler
(indem er durch die Mitte tritt).

Na, wenn der nicht auf die Naſe fällt! Aber wer
iſt’s denn nun eigentlich? Ob mir die Frau Förſterin
was aufgehoben hat? Aber ich hab’ ohnehin keinen Ap-
petit. Hm.


Förſterin.

Kalt wird’s geworden ſein.

(Holt einen Teller mit Speiſen
aus dem Ofen, Brod u. ſ. w. dazu aus dem Schrank und ſetzt es auf den
Tiſch zur Linken.)

Weiler.

Wir werden Alle einmal kalt.

(Setzt ſich zum Eſſen.)

Förſter
(iſt ſeitwärts eingetreten).

Hat er den Hirſch wieder geſpürt da aus dem Lutz-
dorfer?


Weiler.

Will Dich ſtolziren. Aber ſo iſt’s. So wie’s heißt
Mann und Frau, Herr und Diener — dann iſt Lieb’
und Freundſchaft heidi!


Förſter.

Und was heißt das da mit dem Stolziren?


Weiler.

Mit allen vier Beinen ſtand er da am Grenzbuſch
im Hafer drinn und fraß.


Förſter.

Wer?


Weiler.

Der Hirſch da aus dem Lutzdorfer.


[67]Der Erbförſter.
Förſter
(nachdrücklich).

Ein Hirſch hat Läufte, und keine Beine, und frißt
auch nicht, ſondern er äſet.


Weiler.

Meinetwegen.


Förſterin
(ſeine Mahlzeit beſorgend).

Aber was iſt denn nur?


Weiler.

Hm.


Förſterin.

Ob man’s nun erfährt? Wenn man nichts wiſſen
will, da wird er nicht fertig.


Förſter
(bleibt vor ihm ſtehen; ſtreng).

Weiler, hört Er?


Weiler.

Na, der Buchjäger da. Sechs Zoll iſt der heut’ ge-
wachſen, hat gleich ſeinen Hut mit den Treſſen aufgeſetzt
und ſeinen Hirſchfänger umgethan und zwei Bittre und
ein ſechs Kümmel mehr getrunken als gewöhnlich; hat
aber auch einen Weg nöthig noch halb ſo breit wie ſonſt.


Förſter.

Iſt Er fertig?


Weiler.

Beinah! Aber wer iſt denn nun eigentlich der rich-
tige Förſter von Düſterwalde? Der weiſt ſchon die Holz-
hauer zum Durchforſten an, da muß er’s doch ſein?
Aber Ihr thut auch, als wär’t Ihr’s noch?


5*
[68]Der Erbförſter.
Förſter.

Ich bin’s auch noch; ich bin Förſter von Düſter-
walde und Niemand ſonſt.


Weiler.

Ihr wollt’s durchſetzen? Aber ich will Euch ſagen,
wer heut’ zu Tage Recht behält.

(Pantomime des Geldzählens.)

Wer den längſten Athem hat. — Wer kommt da ſo eilig?


Siebenter Auftritt.


Wilkens in ſeiner Art haſtig herein. Weiler eſſend. Förſter.
Förſterin.

Wilkens
(eintretend).

Aber was iſt denn nur paſſirt dahier? Einen guten
Tag herein.


Förſterin
(erſchrocken).

Paſſirt? Aber um Gotteswillen — iſt denn was
paſſirt?


Förſter.

Gleich oben hinaus.


Wilkens.

Er wird doch noch ſehen mit Seinem Eigenſinn.


Förſterin.

Aber was denn nur?


[69]Der Erbförſter.
Wilkens.

Weiß ich’s? Begegnet mir der konfuſe Hanns da am
Scheibenweg und ficht mit den Händen, als wenn er auf
Jemand losſchlüge und weiſ’t daher nach dem Jäger-
haus —


Förſter.

Er wies auf den Wald; das Durchforſten meint’
er —


Wilkens.

Mein Weg war eigentlich ein anderer, aber ich denke,
ich muß doch ſeh’n. Und da ſteht auch gleich eins in
tiefen Gedanken, da nicht weit vom Haus. Iſt’s der
Andres. Denk’ ich, den fragſt du. Hm. Wie mich der
kommen hört, fährt er auf, ſieht mich wild an und —
fort iſt er. Ich ruf’ ihm; hm; der hat ja ſeinen Namen
vergeſſen. Ich lauf’ ihm nach, aber der — fort, als
hätt’ er kein gutes Gewiſſen.


Förſterin.

Was das nun wieder iſt!


Förſter
(ruft aus dem Fenſter mit Autorität).

Andres!


Weiler.

Da kommt er ja ſchon.


[70]Der Erbförſter.

Achter Auftritt.


Der Paſtor. Vorige. Weiler ſitzend.

Weiler.

’s iſt der Herr Paſtor.

(Begrüßung.)

Förſterin.

Gott ſei Dank! Der gute Herr Paſtor!


Förſter.

Sie meinen zur Verlobung zu kommen, Herr Paſtor
— aber —


Paſtor.

Ich weiß Alles, was Ihr angeſtellt habt.


Förſter.

Der Herr Stein —


Paſtor.

Von dem komm’ ich eben. Und was ich Ihnen zu
bringen habe — ich weiß, Sie nehmen’s deshalb um
nichts unfreundlicher auf, weil ich’s bringe.


Förſterin.

Wenn der Herr Paſtor vom Herrn Stein kommen,
da kann noch Alles gut werden. Aber Sie wiſſen nicht,
Herr Paſtor, wie eigenſinnig der Mann da iſt.


Paſtor.

Was denn? Ich weiß Alles. Aber er iſt doch nicht
der Hauptſünder; ſonſt käm’ ich nicht als Steins Ge-
ſandter. Der will den erſten Schritt thun.


[71]Der Erbförſter.
Wilkens.

Ich thät’ ihn nicht, wenn ich der Herr wär’.


Paſtor.

Ja, alter Freund Ulrich, dem Stein thuts leid, daß
ſeine Hitze die Urſach gegeben hat, den ſchönen Tag zu
ſtören.


Förſter.

Hört Er, Vetter Wilkens?


Paſtor.

Das mit dem Abſetzen war gar nicht ſo ſchlimm
gemeint.


Förſter.

Hört Er, Weiler?


Paſtor.

Daß es nun freilich ſein Bewenden dabei haben
müßte —


Förſter.

Sein Bewenden — Herr Paſtor, was ſoll das
heißen?


Paſtor.

Daß er ſein Wort nicht ſogleich wieder zurückneh-
men könnte, ohne ſich zu blamiren — das müßten Sie
ſelbſt einſeh’n.


Förſter
(gedehnt).

So? Und der Buchjäger?


Paſtor
(zuckt die Achſeln).

Iſt vor der Hand Förſter von Düſterwalde; das iſt
nicht zu ändern —


[72]Der Erbförſter.
Förſter.

Das ſagen Sie; aber Ich ſag’ Ihnen, Herr Paſtor,
der Buchjäger iſt’s nicht; Förſter von Düſterwalde bin ich.
Und ich bin’s, Herr Paſtor, und ich bleib’s, Herr Paſtor,
bis der Herr Stein bewieſen hat, daß ich gegen meine
Pflicht gehandelt hab’.


Paſtor.

Damit Sie aber ſähen, wie bereit er ſeinerſeits wär’,
ſein Theil Unrecht auszugleichen und das alte gemüth-
liche Verhältniß wieder herzuſtellen, ſollen Sie Ihren
bisherigen Gehalt verdoppelt fortbehalten als Penſion.


Förſter
(macht Schritte und pfeift).

Paſtor.

Soweit mein Auftrag, alter Freund; und nun —


Förſter
(bleibt vor dem Paſtor ſtehn).

Wofür, Herr? Will er mir meine Ehre damit ab-
kaufen? Herr Paſtor, meine Ehre iſt mir nicht feil.


(Schritte und pfeift).

Paſtor.

Aber, alter, wunderlicher Freund —


Wilkens.

Ja, wenn er einen Menſchen anhörte!


Förſter
(wie vorhin).

Soll’s ein Gnadengehalt ſein? Ich brauche keine
Gnade. Ich kann arbeiten. Umſonſt nehm’ ich nichts.
Ich nehme keine Almoſen. Ich weiß, er kann mich nicht
abſetzen, wenn ich nicht ſchlecht geweſen bin; das weiß
[73]Der Erbförſter.
ich aus mehren Exempeln, zum Beiſpiel vom Jäger Rupert
in Erdmannsgrün. Wenn ich mich willig abſetzen ließe,
ſo geſtänd’ ich ſelber ein, daß ich ſchlecht wär’. Dem
Rupert konnten ſie auch nichts beweiſen und er blieb in
ſeinem Dienſt. Und wer nimmt einen Abgeſetzten in
Dienſt? Herr Paſtor, ich hab’ von Vater und Groß-
vater eine Ehre ererbt und bin ſie meinen Kindern und
Kindeskindern ſchuldig; mein Vater hat vor mir die
Stelle gehabt und mein Großvater vor meinem Vater;
ſie heißen mich den Erbförſter im ganzen Thal; ich wär’
der erſte aus meinem Stamm, der abgeſetzt wäre. Geh’n
Sie hinaus in meinen Forſt, Herr Paſtor, und wenn
Ihnen nicht die Seele davor aufgeht — Herr Paſtor,
ich habe den Forſt bis auf den Kirchhof gezogen; da
liegt mein Vater und mein Großvater und von ihren
Herrn ſteht das Zeugniß auf ihren Steinen: Sie waren
redliche Männer und treue Diener. Sie liegen, wie ſich’s
für Jägersleute gebührt, unter grünen Tannen. Herr,
und wenn mein Kindeskind einmal dahin käm’ und
fragte: Aber warum liegt der nicht unter den Tannen,
der ſie gepflanzt hat? Warum haben wir nichts mehr
da zu ſuchen? Iſt der ein Schurke geweſen, daß ſein Herr
ihn hat abſetzen dürfen? Und wenn ſie meinen Grab-
hügel ſuchen und finden ihn hinter der Kirchhofsmauer?
Herr, wenn Sie ohne Ihre Ehre leben können, ſo iſt’s
gut für Sie — oder vielmehr, ſo iſt’s ſchlecht von Ihnen.
Aber ſehen Sie, Herr Paſtor, für mich gibt’s nur Eine
[74]Der Erbförſter.
Wahl, entweder neben meinem Vater und Großvater
unter die Tannen oder — hinter die Kirchhofsmauer.
Herr Paſtor, ich bin Förſter hier, oder er müßte öffent-
lich erklären, der Herr Stein, daß er an mir gehandelt
hat als ein Schurke. Das Meine hab’ ich in ſeinen Forſt
gewandt; ich will nichts herausnehmen als den Stock,
an dem ich in die Welt gehe und in meinen alten Tagen
einen neuen Dienſt ſuche, aber von mir muß die Schande
abgewiſcht ſein und auf ihm muß ſie kleben bleiben. Ich
bin in meinem Recht und will’s behaupten.


Wilkens.

In Seinem Recht? Hm. Was will Er mit dem
Recht? Recht koſtet Geld. Recht iſt ein Spielzeug für
die Reichen wie Pferde und Wagen. Hm. Mit Seinem
Recht und Unrecht da. Sein Recht, das iſt Sein Eigen-
ſinn; Er reißt noch Frau und Kindern die Kleider vom
Leibe, damit Er nur Seinen Eigenſinn warm halten kann.


Paſtor.

Aber —


Neunter Auftritt.


Wilhelm. Vorige.

Wilhelm.

Vater, der Andres iſt draußen und will nicht herein.
Ich hab’s ihm geſagt, daß Du ihn gerufen haſt.


[75]Der Erbförſter.
Förſterin.

Komm, Wilhelm, wir wollen hinaus zum Andres —


Förſter.

Stille da, Weib! Daß Ihr ihn vollends konfus
macht mit Lamentiren? Entweder Ihr verhaltet Euch
ruhig oder Ihr geht dahinaus und ich zieh’ hinter Euch
den Schlüſſel ab.


(Er geht feierlich nach der hintern Thüre.)

Andres! Du kommſt ſogleich herein. Hörſt Du?


Zehnter Auftritt.


Andres. Vorige.

Andres (in der Thür; wie er die Menſchen ſieht, will er zurück).

Förſter.

Andres, Du kommſt herein. Vor Deinen Vorgeſetzten.


(Setzt ſich wie zu einem Verhör.)

Förſter, Förſterin, Weiler, Wilhelm auf der linken Seite,
Paſtor, Wilkens auf der rechten; Andres, der Niemand
anzuſehen wagt, in der Mitte.

Förſter.

Hierher, Forſtgehülfe Andres Ulrich. Wo kommſt
Du her?


Andres.

Vom Gehege, Vater.


[76]Der Erbförſter.
Förſter.

Wo haſt Du Deine Flinte, Andres Ulrich?


Andres
(ſchweigt).

Förſter.

Wer hat ſie?


Andres
(dumpf).

Der Buchjäger.


Förſter
(ſteht unwillkürlich auf).

Förſterin
(voll Angſt).

Ulrich!


Förſter
(ſetzt ſich wieder).

Hier hat Niemand zu reden als der Forſtgehülfe
Ulrich und ſein Vorgeſetzter. Andres —


Andres.

Vater —


Förſter.

Warum ſiehſt Du mich nicht an?


Andres.

Ich kann Niemand mehr unter die Augen ſeh’n. Ich
will als Schiffsjunge nach Amerika. Laß mich, Vater!


Förſter.

Junge, Du haſt zu antworten, wenn Dich Dein
Vorgeſetzter fragt. Was hat der Buchjäger? Heraus
damit.


Andres.

Ich war eben drüber, die Ahornpflanzen in der
Baumſchule herauszunehmen —


[77]Der Erbförſter.
Förſter.

Wie ich Dir befohlen hatte.


Andres.

Da kam der —


Förſter.

Der Buchjäger. Weiter, Andres Ulrich.


Andres.

Mit ſechs Holzhauern vom Brandsberg her —


Förſter.

Vom — weiter, Andres Ulrich.


Andres.

Er war betrunken —


Weiler
(halblaut).

Wie gewöhnlich

(auf einen Blick des Förſters, als hätt’ er
nichts geſagt).

Andres.

Und die Holzhauer waren’s auch. Er ließ die Korb-
flaſche umgeh’n. Hier wird angefangen, ſagt’ er; der
Ulrich hat ſchöne Wirthſchaft gemacht, ſagt’ er; darum
iſt er abgeſetzt. Wie er das geſagt hatte, trat ich vor —


Förſter.

Tratſt Du vor —

(ſteht auf).

Andres.

Und ſagte, er wär’ ein elender Verläumder. Und
übrigens hab’ er nichts anzuordnen im Forſt.


Förſter
(ſtreckt ſich).

Im Forſt.


[78]Der Erbförſter.
Andres.

Und ſollte geh’n, wohin er gehörte.


Förſter
(nachdrücklich).

Gehörte.

(Setzt ſich.)

Und der —


Andres.

Lachte —


Förſter

(ſteht auf, ſetzt ſich wieder, pfeift und trommelt vor ſich auf dem Tiſch; dann)

Weiter —


Andres.

Und ſagte: „was will der Kerl?“


Förſter
(mit ſtarker Stimme).

Andres!


Andres.

Vater —


Förſter.

Und Du? Weiter, weiter.


Andres.

„Hat da Pflanzen aus meinem Forſt in der Hand?


(leiſe).

Haltet mir doch den Holzdieb, den Pflanzenſtehler!“


Förſter
(kleine Pauſe).

Und die —


Andres.

Hielten mich.


Förſter.

Und Du —


[79]Der Erbförſter.
Andres.

Es waren zuviel — mein Wehren half mir nichts.


Förſter
(der den Kampf mitkämpft).

Half nichts; es waren Sechs über Einem.


Andres.

Ich war wüthend, wie ich ſah, was er wollte. Sie
zogen mich — aus. Ich ſagte, er ſollte mich erſchießen,
ſonſt wollt’ ich’s ihn, wenn er mich lebendig geh’n ließe.
Dazu lacht’ er. Die — mußten — mich — halten —


Förſter
(ſpringt auf).

Und der —


Andres
(widerſtrebend, flehend).

Vater —


Förſter.

Und der hat —


Andres.

Hat —


Förſter
(ſchwach).

Hat —


Andres
(außer ſich).

Vater, ich kann’s nicht ſagen. Das hat mir noch
kein Menſch gethan auf der Welt!


Förſter
(tiefathmend).

Stille jetzt. Sag’s hernach — Andres.

(Pauſe, er geht
bei Andres vorüber, der nun zur Förſterin tritt).

Schönes Wetter
heut’, Herr Paſtor — zuckt mich da auf einmal wieder
der alte Fluß im Arm. — Und die Mücken ſpielen ſo
[80]Der Erbförſter.
tief. — Es wird noch Gewitter geben heut’. — Andres,
er hat Dich — ich hab’s nie und ein Fremder — ein —
ſag’ nichts, Andres — ich verſteh’ Dich.

(Macht Schritte).

Förſterin
(zu Andres).

Daß Du auch den Buchjäger geſtern gereizt haſt!


Weiler.

Hab’ ich’s nicht prophezeit?


Förſterin.

Du biſt todtenblaß. Ich will Dir Tropfen geben —


Förſter

(bleibt ſtraff vor Andres ſteh’n, die Förſterin weicht ängſtlich zurück).

Hör’, Andres. Und Er, Weiler.

(Weiler kommt vor).

Aufgepaßt. Wer in meinen Forſt kommt mit der Flinte
— angerufen! Verſteht Ihr mich?


Weiler.

Hm.


Förſter.

So iſt die Inſtruktion. Angerufen! Ich bin der
Förſter und Niemand ſonſt und Ihr ſeid meine Leute.
Der Herr und ſein Sohn paſſiren. Wer aber ſonſt in
meinen Forſt kommt mit einer Flinte, hört Ihr? mag’s
ſein, wer’s will; mag er einen grünen Rock am Leibe
haben oder nicht — der iſt ein Wildſchütz, der wird an-
gerufen: Halt! Flinte weg! Wie’s die Inſtruktion be-
ſagt. Wirft er ſie hin, gut; wirft er ſie nicht hin, drauf
gebrannt — wie’s die Inſtruktion beſagt. — Und Du,
Wilhelm, gehſt auf der Stelle zum Advokat Schirmer in
[81]Der Erbförſter.
der Stadt. Dem erzählſt Du Alles. Er ſoll eine Klage
machen gegen den Stein und ſeinen Buchjäger und ſoll
ſie einreichen bei den Gerichten. Vergiß nichts, Wil-
helm; daß mein Vater und mein Großvater die Stelle
hatten, daß ſie mich den Erbförſter heißen, das Exempel
vom Rupert in Erdmannsgrün; es wird nicht nöthig
ſein, aber aus Vorſicht; daß der Forſt offen liegt gegen
Mitternacht und Abend, vergiß mir nicht. Und daß der
Stein mich abſetzen will, weil ich nicht als ein Schurke
an ihm handeln will. Wenn Du jetzt gehſt, kannſt Du
noch vor Nacht wieder heim kommen. Andres und ich
begleiten Dich bis an die Grenzſchenke. Da kann Dich
der Andres Abends erwarten, wenn Du wieder kommſt.


(Zu Andres, der unter den Flinten wählt.)

Nimm die doppelläufige
mit dem gelben Riemen, Andres. Ich nehm’ die andere.


Andres
(thut es).

Mutter, ein Tuch; mich überläuft es ſo kalt.


Förſterin
(holt es aus dem Schranke).

Aber Du ſollteſt heimbleiben, Andres, auf den Aerger.


(Hilft ihm das Tuch um den Hals binden.)

Wilkens.

Und Er ſieht nicht, daß Er abſolut Unrecht behalten
muß? Er iſt mit ſehenden Augen blind?


Paſtor.

Des Abſetzens wegen wollen Sie klagen? Das können
Sie nicht.


Ludwig, dram. Werke. I. 6
[82]Der Erbförſter.
Förſter
(der ſich unterdeſſen den Hirſchfänger angeſteckt).

Das kann ich nicht? So iſt’s recht, daß er mich ab-
ſetzen will?


Paſtor.

Unbillig iſt’s gewiß; unrecht vor dem Herzen, aber
nicht vor dem Gericht.


Förſter.

Was vor dem Herzen recht iſt, das muß auch vor
den Gerichten recht ſein.


Paſtor.

Wenn Sie ſich’s erklären laſſen wollten —


Förſter.

Erklären? Hier iſt Alles klar bis auf Ihre Hirn-
geſpinnſte da, womit einen die Herren eintreiben möchten,
daß man an ſeinem eignen Verſtand irr werden ſoll. Mit
Aber und Wenn, das kenn’ ich. Die Aber und Wenn
die kommen ganz oben aus dem Kopfe; da weiß das
Herz nichts davon; das ſind Praktikenmacher. Nun gut,
Herr Paſtor, erklären Sie doch einmal. Aber mit Ja
und Nein. Was drüber iſt, das iſt vom Uebel. Die
Aber und Wenn ſind vom Uebel. Der Herr Stein will
mir meine Ehre nehmen; meine Treu’ und Rechtſchaffen-
heit will er mir mit Schande vergelten; in meinem fünf-
undſechzigſten ſoll ich daſteh’n als ein Schurke. Nun,
Herr Paſtor, auf Ja und Nein; iſt das recht?


[83]Der Erbförſter.
Paſtor.

Auf Ja und Nein? — Freilich; recht iſt’s nicht im
gewöhnlichen Sinne, aber —


Förſter
(fällt ein, ſiegreich).

Alſo recht iſt’s nicht? Und wenn’s nicht recht iſt,
ſo muß es unrecht ſein. Und dazu ſind die Gerichte da
auf der Welt, daß Unrecht nicht geſchehen ſoll. Mich
ſoll kein Menſch irr’ machen an meinem guten Recht;
und der iſt mein Freund geweſen für immer, der mir
noch das Wort vom Nachgeben ſpricht. Amen. Wenn’s
nur ein Aber brauchte, Unrecht aus Recht zu machen, ſo
wollt’ ich lieber unter den Wilden leben, ſo wollt’ ich
lieber das erbärmlichſte Thier ſein auf Gottes Erdboden
als ein Menſch. Seid Ihr fertig, Jungens?


Andres und Wilhelm.

Ja.


Förſter.

So kommt, Jungens. Alles Andere kann zum Teu-
fel geh’n, Herr; aber Recht, Herr, Recht muß Recht
bleiben!


(Indem er geht und die Andern folgen, fällt der Vorhang).

Ende des zweiten Aufzugs.


[[84]]

Dritter Aufzug.


Grenzſchenke.

Erſter Auftritt.


Lindenſchmied. Wirth. Möller tritt herein; nach ihm Frei.

Möller.

Herr Wirth, ein Glas.

(Für ſich.)

Wird ja nunmehr
ſeinen Weg vollends heimfinden, der Buchjäger. Von
der Mühle da am heimlichen Grund hat er kaum eine
Viertelſtunde nach Haus. — Einen guten Abend.


Frei
(noch außen).

Ein Glas im Vorübergeh’n.

(Tritt ein.)

Da hinüber
in’s Herzogliche. Da geht’s luſtig zu.


Wirth.

Gott behüt’ uns vor der Sorte Luſtigkeit. Wohl
bekomm’s, Herr Buchhalter!


Möller.

Eine ſchöne Geſellſchaft!


[85]Der Erbförſter.
Wirth.

Wollen Sie ſich nicht ſetzen, Herr Buchhalter?


Möller.

Danke. Ich muß noch nach dem Hochofen den Abend;
meine Leute ſind ſchon voraus.

(Für ſich, indem er das Glas an
den Mund nimmt.)

Auf glückliches Zuſtandebringen der Hei-
rath mit Löhlein und Compagnie.


Frei.

Da drüben weiß man ſchon nicht mehr, was oben
und was unten iſt, und bei uns geht’s heut’ oder morgen
noch los. Der Erbförſter hat ſich ſchon in ſeinem Jäger-
haus verbarricadirt.


Wirth.

Dummes Zeug. Der! Die Gewiſſenhaftigkeit ſelbſt!


Frei.

Man iſt ſo lange gewiſſenhaft, als es geht. Ein
Hundsfott, der’s eine Stunde länger iſt. Den Buchjäger
will er oder ſeine Leute erſchießen, wo ſie ihn finden.


(Geberde.)

Und der Erbförſter fackelt nicht; da kenn’ ich
den alten Teufelskerl mit ſeinem weißen Schnauzbart.


Lindenſchmied
(heiſer lachend).

Oho!


Frei
(ſieht ſich nach ihm um).

Wollt Ihr etwa dem Buchjäger ſeine Partei nehmen?
Was, Lindenſchmied?


Lindenſchmied
(wie vorhin).

Dem Buchjäger ſeine —


[86]Der Erbförſter.
Frei.

Weiß jedes Kind, wie lieb Ihr den habt.


Lindenſchmied
(mit Geberde, wie vorhin).

Haha!


Frei.

Der Weiler hat’s den Erbförſter ſelbſt ſagen hören.
Und ich ſag’ Euch, was der Erbförſter ſagt, das iſt ſo
gut, als hätt’s ein Anderer ſchon gethan.


Lindenſchmied.

Wird ſich hüten der — der Erbförſter. —

(Gedämpft).

Wenn die nicht wären, die am grünen Tiſch. Und der
nicht wär’, der —

(deutet pantomimiſch an, daß er den Nach-
richter meint.)

Frei.

Der hat aufgehört. Der —. Denn jetzt iſt’s

(ſchlägt auf
den Tiſch)

Freiheit! Der Erbförſter ſoll leben! Und wer’s
ſchlimm mit ihm meint — ich zeig’ auf Niemanden —


Möller
(eilig).

Hier, Herr Wirth. Schon faſt acht.


Wirth.

So eilig, Herr Buchhalter?


Möller.

Im Hochofen warten ſie auf mich.


Wirth.

Sie bekommen —


Möller
(ſchon an der Thür).

Laſſ’ Er nur. Ich behalt’ es gut auf morgen.

(Ab.)

[87]Der Erbförſter.

Zweiter Auftritt.


Vorige, ohne Möller.

Frei
(ſteht auf; die Fauſt hinter ihm her ballend).

Nichts ſollt Ihr gut behalten, Du und Deinesgleichen
da. Es ſoll Euch Alles bezahlt werden. Lindenſchmied,
geht Ihr mit da hinüber in’s Herzogliche?


Lindenſchmied.

Hab’ meinen Weg für mich.

(Kommt vor.)

Die hinter
ihrem grünen Tiſch! Daß ein ehrlicher Kerl erſchrickt,
wenn ein Blatt rauſcht, und hinter ſich ſieht, ob nicht der
Büttel hinter ihm drein iſt.


Frei.

Wird umgeworfen der, der grüne Tiſch — ſag’ ich
Euch. In zehn Jahren ſoll’s Niemand mehr erfragen
können, was ſo’n Büttel ’mal für ein Ding geweſen iſt.
Jetzt iſt Freiheit und die Ordnung hat aufgehört; Jeder
kann machen was er will, kein Büttel mehr, kein grüner
Tiſch mehr, ſag’ ich Euch; kein Thurm, keine Ketten.
Hätt’ der Herrgott die Haſen expreß für den Edelmann
gemacht, ſo hätt’ er ihnen gleich ſein Wappen in den Pelz
gebrannt. War eine Kleinigkeit das für einen Mann wie
der Herrgott. Das wiſſen die Menſchen jetzt, daß die in
den Zuchthäuſern verehrungswürdige Dulder ſind, und
die Vornehmen ſind Spitzbuben, und wenn ſie noch ſo
[88]Der Erbförſter.
ehrlich wären. Und die Fleißigen ſind Spitzbuben; denn
die ſind ſchuld, daß die braven Leute, die nicht arbeiten
mögen, arm ſind. Das könnt Ihr in den Blättern ge-
druckt leſen. Und wenn der Erbförſter den Buchjäger
vornimmt

(Pantomime),

ſo kann ihm Niemand was an-
haben drum; denn der Buchjäger hat die ehrlichen Leute
in’s Zuchthaus gebracht, wenn ſie geſtohlen hatten.


Lindenſchmied.

Und wird nicht geſtraft? Nicht? Und auch ein An-
derer nicht, wenn er’s thut?


Frei.

Und auch ein Anderer nicht, ſag’ ich Euch. Da drü-
ben haben die ehrlichen Leute das Schloß angebrannt und
geplündert; mehre Menſchen ſind dabei verunglückt;
kräht kein Hahn danach. Wer jetzt ſo was auszuwetzen
hat. Und der Ulrich braucht nicht weit zu laufen; der
Buchjäger torkelt da im heimlichen Grund herum, hat
den Hut verloren —


Lindenſchmied
(fährt krampfhaft haſtig in die Taſchen).

Und nichts — gar nichts — nicht ein ſtumpfes
Meſſer bei mir!


[89]Der Erbförſter.

Dritter Auftritt.


Andres. Vorige.

Andres
(hereintretend).

Iſt das heiß hier!

(Er nimmt ſein Tuch ab.)

Guten Abend.


(Wickelt das Tuch um das Flintenſchloß und lehnt die Flinte neben ſich an.)

Daß ſich Niemand da vergreift; die Flinte iſt geladen.


(Zum Wirth.)

Ich weiß nicht, was das iſt. Wird mir auf
einmal ſo elend da herum. Ich wollte auf meinen Bru-
der warten an der Grenze.


Wirth.

Machen Sie ſich’s bequem, Herr Forſtgehülfe.


Andres.

Noch kommt der Wilhelm wohl nicht.

(Er wirft ſich auf
eine Bank, legt bald die Arme auf den Tiſch und den Kopf darauf.)

Frei
(ſchlägt ſein Glas auf den Tiſch auf).

Noch Eins, Wirth. Und das iſt Gnade, daß ich jetzt
bei Ihm trinke, wo’s noch was koſtet. In acht Tagen
muß Er ſchaffen und kein ehrlicher Menſch braucht Ihm
mehr einen Pfennig zu bezahlen dafür, ſag’ ich Ihm.


Lindenſchmied

(von nun an unverwandt bald nach Andres, bald nach der Flinte ſchielend).

Wenn er einſchlief einmal — der da!

(Ueber den Tiſch gelehnt
zu Frei heimlich.)

Da im heimlichen Grund, ſagt Ihr? —
Und meint Ihr auch gewiß, Frei, daß nichts mehr ge-
ſtraft wird?


[90]Der Erbförſter.
Frei.

Vorurtheil, ſag’ ich Euch. Wenn Ihr was anſtellt
und ſie hängen Euch, ſollt Ihr mich einen Schuft nennen
Euer Leben lang. Seht Ihr. Was man ſonſt einmal
Treu’ und Ehrlichkeit genannt hat, das haben uns die
alten Weiber weiß gemacht. Und ein Kerl, der ſein Wort
hält, das iſt ein Schuft und ſo einem trau’ ich nicht
über die Thürſchwelle. Das Volk iſt ehrlich an und für
ſich, weil’s das Volk iſt. Ihr ſollt nur die Herren da
reden hören; war ein Profeſſor dabei, der muß es wiſſen.


Lindenſchmied
(führt ihn vor).

Aber mit dem Gewiſſen? Und von wegen mit dem
da drüben?


Frei.

Vorurtheil. Nichts weiter, ſag’ ich Euch.


Lindenſchmied.

Hab’s immer gedacht das; aber ſonſt durfte man ſo
was nicht ſagen.


Frei.

Dem Volk haben ſie von Himmel und Hölle weiß
gemacht, damit der gnädige Herr ſeine Haſen allein be-
halten ſollte. Den armen Leuten haben ſie von Kind an
ein Gewiſſen eingetrichtert, damit ſie ſich’s gefallen laſſen
ſollten, wenn die Reichen herrlich und in Freuden lebten.


Lindenſchmied.

Und er iſt im heimlichen Grund?

(Der Wirth wird auf-
merkſam).

[91]Der Erbförſter.
Frei.

Wer?


Lindenſchmied.

Der —

(knöpft ſich ein).

Frei.

Wo wollt Ihr hin?


Lindenſchmied.

Schulden bezahlen, eh’ die Welt neu wird.

(Während
er Andres verſtohlen beobachtet, mit der Linken in der Weſtentaſche, um den
Wirth zu bezahlen).

Kann’s nur nicht heraus kriegen da mit
der —


Frei.

Eure Finger an der Linken ſind ſteif —


Lindenſchmied
(mit Geberde).

Die an der Rechten werden noch krumm.


Frei.

Habt Ihr einen Fluß gehabt?


Lindenſchmied
(heiſer lachend).

Ja, einen bleiernen. Zwei Loth Pulver und drei
Schrot.

(Er ſpricht immer gedämpft, um den Andres nicht zu wecken.)

Ein Denkzettel von dem da im heimlichen Grund —


Frei.

Vom Buchjäger?


Lindenſchmied.

Weil ich Thaler ſchlug aus dem Strahlauer Herrn
ſeinen Rehen. Lief ungemünztes Geld genug im Wald
herum.


[92]Der Erbförſter.
Frei.

Noch eins, Wirth!

(Gibt dem ſein Glas.)

Lindenſchmied
(in ſich verloren, allein im Vordergrund).

Sechsmal lief ich hinaus, wo er vorbei kommen
ſollte; aber er kam mir nicht. Damals war das Ge-
wiſſen noch Mode. Da dacht’ ich: jetzt ſoll’s nicht ſein,
und verſchob’s, wenn er mir einmal von ſelber käme,
ſo daß ich ſeh’n müßte, es ſollte ſein. Nächte lang hat’s
mich gewürgt wie der Alp und von meinem Blut gezehrt,
daß ich nicht an ihn ſollte, und jetzt — ha ha ha

(lacht
krampfhaft kurz, weckt ſich damit aus ſeinen Gedanken und ſieht ſich be-
treten um).

Frei.

Habt Ihr gelacht, Lindenſchmied?


Lindenſchmied.

Weiß nicht, ob ich’s war.


Frei.

Ihr habt eine kurioſe Lache. Geht Ihr mit, Linden-
ſchmied? In’s Herzogliche?


Lindenſchmied
(ſchlägt ihn auf die Schulter).

Mann, jetzt iſt Freiheit! Hab’ meinen eig’nen Weg.


Frei.

Meinetwegen!

(Tritt in den Hintergrund zum Wirth).

Was
hab’ ich zu zahlen zu guter Letzt? Hier; gebt heraus.


Wirth.

Da ſind drei, vier —


[93]Der Erbförſter.
Lindenſchmied

(hat den Augenblick benutzt, wo Niemand ihn beobachtet, Andres Flinte
verſtohlen hinwegzunehmen, und eilt mit derſelben ab).

Frei.

Welche Zeit, Wirth?


Wirth.

Achte durch.


Frei
(im Abgehn).

Adies!


Vierter Auftritt.


Wirth. Andres.

Andres
(ſchrickt auf).

Acht? — Nun kann der Wilhelm kommen.


Wirth
(naht ſich Andres ängſtlich).

Sie ſind ein braver Menſch; Ihnen kann ich meine
Angſt ausſchütten. Das iſt eine gräuliche Brut, die da
eben gingen. Worte ſind gefallen! Der Buchjäger iſt
betrunken im heimlichen Grund und der Lindenſchmied,
ſein Todfeind, ihm nach. Unter Reden! Er ſprach von
Fingerkrummmachen. Und der Menſch iſt zu Allem fähig.


Andres.

Er meint, der Lindenſchmied will dem Buchjäger
an’s Leben?


[94]Der Erbförſter.
Wirth.

Aber geſagt hab’ ich’s nicht. Wenn ich’s anzeige,
brennen die mir das Haus über dem Kopf zuſammen.
Und wenn ich nichts thu’ —

(macht Schritte).

Andres
(wollte aufſteh’n, ſetzt ſich wieder).

Um den? — Mag ihm geſcheh’n, was Gott zuläßt.
Um den geh’ ich nicht.


Wirth
(wie vorhin).

Was ich nur anfang’ da?


Andres.

Der Vater ſagt: wenn’s Hülfe gilt, muß jeder tüch-
tige Menſch einſteh’n und nachher erſt fragen: wem hab’
ich geholfen?


Wirth.

Ob ich’s doch anzeige? Aber —


Andres
(ſteht raſch entſchloſſen auf).

Ich gehe. Ich will ſeh’n, ob ich ihn finde, den Buch-
jäger. Dem Wilhelm wird ja nichts geſcheh’n. Sind
nur die paar Schritte bis heim. Was ſuch’ ich da nur?
Mein Tuch. Da in den Schläfen hämmert’s und ſauſt.
Wo hab’ ich’s doch? — Ich hab’s um die Flinte gebun-
den.

(Da er die nicht findet).

Aber wo iſt meine Flinte?


Wirth.

Ihre Flinte fehlt?


Andres.

Hier hatt’ ich ſie angelehnt. Die mit dem gelben
Riemen.


[95]Der Erbförſter.
Wirth.

Die hab’ ich erſt noch lehnen ſeh’n.


Andres.

Hat Er ſie vielleicht aufgehoben?


Wirth.

Ich? Nicht angerührt. Allmächtiger Gott! Wenn
der Lindenſchmied — Sie lagen und ich zählte juſt —
Was iſt da zu machen?


Andres.

Nichts. Ich geh’ ohne Flinte. Ich hab’ nicht Zeit,
erſt eine andere zu Hauſe zu holen.


Wirth.

Aber unbewaffnet —


Andres.

Laß Er nur. Wenn mir nur nicht noch ſchlimmer
wird da auf der Bruſt.

(In der Thür).

Wenn ich nur nicht
zu ſpät komme!

(draußen).

Gute Nacht, Meiſter Wirth.


(Sie ſind beide unterdeß abgegangen).

Verwandlung.
Im heimlichen Grund.

Pittoreske Waldſchlucht; hinten querüber der Bach, jenſeits
deſſelben Felſen, an welchen ein ſteiler, ſchmaler Weg mit dem
Bache gleichläuft; Dämmerung.

[96]Der Erbförſter.

Fünfter Auftritt.


Robert (hat eine Flinte umhängen). Kathrine.

Kathrine.

Wie ſchauerlich das hier iſt! Wir ſind ſchon ſo weit
vom Schloſſe. Wo ſind wir nur, Herr Robert?


Robert.

Im heimlichen Grund, Kathrine.


Kathrine.

Im heimlichen Grund? Wo’s ſo unſicher iſt? Wo
immer die Wilddiebe aus dem Herzoglichen? —

(ſieht ſich
ängſtlich um.)

Robert.

Ohne Sorgen, Kleine; wir haben einen ſichern Be-
gleiter bei uns

(an ſein Gewehr ſchlagend).

Siehſt Du dort?


Kathrine.

Etwas ſchimmern wie eine weiße Wand und dunkle
Laden daran —


Robert.

Das iſt das Jägerhaus.


Kathrine.

Wirklich? Ja, Gott ſei Dank! Jetzt ſeh’ ich das
Hirſchgeweih oben am Forſt gegen den Abendhimmel.


Robert.

Hier iſt der Brief. Aber ſo frei in der Hand darfſt
[97]Der Erbförſter.
Du ihn nicht tragen. — Haſt Du auch einen Vorwand?
Wenn der Alte Dir begegnen ſollte?


Kathrine
(verſchämt und ſelbſtzufrieden lächelnd).

Ach, Herr Robert, ſollte ein Mädchen ſo dumm ſein?
Da machen Sie ſich keine Sorge. Meine kleinen Schwe-
ſtern lernen ſtricken und näh’n bei der Mamſell — da —


Robert
(macht den Brief zuſammen, in den er ſah).

Nun hier, Kathrine. Aber nur in Mariens oder
ihrer Mutter Hände gibſt Du den Brief, Niemandem
ſonſt, auch Andres und Wilhelm nicht. Nur in ihre
eigenen oder in ihrer Mutter Hände. —


Kathrine.

Aber ſo weit ſoll ich noch allein?


Robert.

Kaum zwei Büchſenſchüſſe weit. Mich darf Niemand
in der Nähe des Jägerhauſes ſeh’n. — Heimwärts gehſt
Du die Straße. Nur wenn Du den Brief nicht haſt
anbringen können, kommſt Du hierher zurück.


Kathrine.

Aber daß Sie auch nicht fortgeh’n.


Robert.

Nein, Kathrine. Hier bleib’ ich.


Kathrine
(ab).

Ludwig, dram. Werke. I. 7
[98]Der Erbförſter.

Sechſter Auftritt.


Robert allein, dann der Buchjäger, zuletzt Möller mit zwei
Arbeitern.

Robert
(ſieht Kathrinen eine Weile nach; dann Schritte).

Ob ſie kommen wird? Ob ſie ihren Vater laſſen
wird um mich?

(bleibt ſtehn.)

Als ein Jäger geh’ ich in
die Welt. Ich bin jung, kräftig und verſteh’ mein Hand-
werk aus dem Grund — warum ſollt’ es nicht glücken?


(ſich in Gedanken verlierend.)

Und dann — ſo aus dem Walde
heimkommen — ſo kräftig müd’ vom Tagewerk im Freien!
Und ſie hätte ſchon nach mir umgeſeh’n — und käme
mir entgegen — und nähm’ mir die Flinte ab — um
auch etwas zu tragen — und hinge ſie um — und ſo
ſtände mein Jägerhaus wie das dort — ſo rauſcht’ es in
den Bäumen und ich umſchlänge ſie und jubelte: nur
das Glück iſt ein Glück, das man ſich ſelber dankt! —
Und dann —


(Ein Schuß fällt und weckt ihn.)

Buchjäger
(noch in der Scene, aufſtöhnend).

Schurke!


Robert.

Was iſt das?


Buchjäger

(kommt auf die Scene getaumelt; Robert eilt auf ihn zu und faßt den
Sinkenden).

Ich — bin — hin —


[99]Der Erbförſter.
Robert.

Gottfried! Um’s Himmelswillen! Iſt auf Sie ge-
ſchoſſen worden? Heda! Niemand in der Nähe? Heda!
zu Hülfe!


Möller
(in der Scene).

Schnell, Leute, dort hinüber! Vom Steg her kommt
das Rufen.


Robert.

Dort kommen Menſchen. Hierher! Hierher! Zu
Hülfe!


Möller
(wie vorhin).

Das iſt Herrn Robert’s Stimme.


Robert.

Wenn hier Rettung möglich iſt, muß ſie ſchnell kom-
men.

(Oeffnet des Stöhnenden Rock und Weſte.)

Möller.

Ja, Sie ſind es, Herr Stein.

(Tritt auf mit zwei Arbei-
tern.)

Aber —


Robert.

Möller — Sie ſind es? Seh’n Sie, was hier ge-
ſchehen iſt. — Leben Sie noch, Gottfried?


Buchjäger.

Noch — aber —


Möller
(hinzutretend).

Der Buchjäger. Barmherziger Gott!


7*
[100]Der Erbförſter.
Robert.

Meuchlings erſchoſſen. Die Kugel ging durch den
Rücken.


Möller.

Gottfried, reden Sie; wer hat’s gethan?


Buchjäger.

Er hatt’ — die Flinte — mit dem gelben Riemen —


Robert.

Andres Flinte?


Buchjäger.

Er hat — mir’s — gedroht —


Robert.

Es iſt nicht möglich!


Möller.

War’s der Andres, Gottfried?


Buchjäger.

Der — Andres — ja —


Möller.

Er ſtirbt.

(Pauſe.)

Leute, nehmt ihn auf. Und Sie,
Herr Stein — das iſt eine Mördergrube dahier. Kom-
men Sie! Kommen Sie! Es lauern noch mehr dahier
herum; nur erſt begegnete uns der Weiler mit dem Ge-
wehr — der boshafte Menſch; der ſpionirte; das iſt
klar. Das iſt eine förmliche Jagd. Kommen Sie! Aber
um Gottes willen, warum wollen Sie nicht —


Robert.

Geh’n Sie nur.


[101]Der Erbförſter.
Möller.

Aber was haben Sie nur vor? Und Ihr Herr Vater
— wenn ich Sie allein in der Gefahr laſſe — wenn ich
Sie nicht mitbringe. Wie ſoll er mir glauben, daß ich
Ihnen zugeredet habe?


Robert.

Sie haben ja Zeugen hier bei ſich. Ein Wort für
Tauſend — ich bleibe hier.

(Macht heftige Schritte.)

Möller.

Nun ſo kommt, Leute; ihr habt’s gehört.

(Im Ab-
gehen.)

Allmächtiger Gott[!] Was wird das noch werden.


(Die Arbeiter haben die Leiche aufgenommen; Möller mit ihnen ab.)

Siebenter Auftritt.


Robert allein, ſpäter Andres, zuletzt Lindenſchmied.

Robert.

Schändlich! Schändlich! Einer ſolchen Rache wär’
Andres fähig geweſen? Und ich muß es glauben — ich
muß! Der Sterbende ſagt’ es; er hatt’ es gedroht —
es war ſeine Flinte — und Alles iſt wirklich — hier
ſtarb der Gemordete — hier iſt — er ſchrieb’s mit ſeinem
Blut in den Raſen, damit ich nicht zweifeln dürfte.
Und ſolche Menſchen ſteh’n zwiſchen mir und meinem
Glück? Steh’ feſt, Robert, hier gilt’s das Aeußerſte! Du
haſt’s mit Menſchen zu thun, die keine Unthat ſcheu’n. —
[102]Der Erbförſter.
Wer kommt dort? — Er iſt es ſelbſt — Andres —

(dem
Andres, der noch nicht ſichtbar, entgegen).

Nur heran! Wenn
Du mich ſuchſt, Mörder. Mich findeſt Du nicht wehrlos
und ungewarnt wie den Buchjäger —


Andres
(indem er bleich und wankend auftritt).

Der Buchjäger? —


Robert.

Dort tragen ſie ihn hin. Er iſt gemordet und Du
haſt es gethan.


Andres
(aufwallend).

Ich, Robert?


Robert.

Der Gemordete hat Dich erkannt und Deine Flinte —
und Dein Gewiſſen zeichnet Dich.


Andres.

Hör’ mich — um Gotteswillen —


Lindenſchmied
(kommt hinten über den Felſenweg geſchlichen).

Robert.

Flieh’, Mörder. Jeder Schritt hier trägt Dich dem
Blutgerüſt entgegen. Hier iſt das Blut, das Dich anklagt,
und Du ſelbſt trägſt das bleiche Geſtändniß vor Dir her;
das Fieber, das Dich rüttelt, zeugt gegen Dich.


Andres.

Das Fieber über Dich, ſchändlicher Lügner! Die
Flinte ſtahl mir der Lindenſchmied, der dem Buchjäger
aufpaſſen wollte. Ich eilte nach, wie ich’s erfuhr; ich
[103]Der Erbförſter.
wurd’ ohnmächtig — riß mich mit Gewalt aus der Ohn-
macht auf und —


Robert.

Der Lindenſchmied hätte —


Andres.

Glaubſt Du mir nicht, ſieh dorthin, nach dem Felſen-
weg —


Robert.

Mörder, ſteh’! Oder ich ſchieß’ Dich nieder.


Lindenſchmied
(eilt auf dem Felswege über die Bühne).

Robert
(folgt ihm unten).

Andres
(wankt ihm nach).

Sieh’ Dich vor, Robert! Der Menſch iſt verzweifelt
— es geht um Tod und Leben!


Lindenſchmied
(hinter der Scene).

Bleibt zurück; ich ſchieße!


Robert
(ebenſo).

Die Flinte weg und ſteh’!


Andres.

Er ſchlägt an — ſpring ſeitwärts, Robert!


(Es fallen zwei Schüſſe nacheinander.)

Da iſt’s geſcheh’n!

(Er verſchwindet in den Büſchen).

[104]Der Erbförſter.
Verwandlung.
Schloß.

Achter Auftritt.


Stein unruhig herein; dann Baſtian, ſpäter der Paſtor.

Stein.

Ob der Möller vergeſſen hat, den Robert ſuchen zu
laſſen? Oder ob der Junge — der Zwiſt mit dem Andres!
Baſtian!


Baſtian
(in der Thür).

Stein.

Wo iſt der Buchhalter?


Baſtian.

Gegen Abend noch nach dem Hochofen gegangen.


Stein.

War mein Robert nicht wieder zu Hauſe ſeit heut’
Mittag?


Baſtian.

Der Herr Robert haben ſich reiſefertig gemacht und
ſind dann mit des Kaſtellans Kathrine weggegangen.


Stein
(winkt).

Baſtian
(geht).

Stein.

Und der Paſtor — könnte nun auch längſt zurück
ſein —


[105]Der Erbförſter.
Baſtian
(in der Thür).

Der Herr Paſtor —


Stein.

Wie gerufen.


Paſtor
(tritt auf).

Stein
(gibt ihm die Hand).

Endlich! Endlich! Bringen Sie gute Nachricht?


Paſtor
(achſelzuckend).

Sie könnte beſſer ſein.


Stein.

Sind Sie dem Hitzkopf, dem Robert begegnet?


Paſtor.

Nein.


Stein.

Ich hofft’ es ſchon — weil Sie ſo lange blieben, Sie
würden ihn mitbringen.


Paſtor.

Ein Kranker, zu dem man mich von meinem Weg
hierher abrief, hat mich bis jetzt aufgehalten.


Stein.

So denken Sie nur, Sie kommen vom Kranken zum
Kränkeren. Wenn Ungeduld, Unzufriedenheit mit ſich
ſelbſt, ſchlimme Befürchtungen Krankheiten wären, ſo
wär’ ich ein gefährlicher Patient. — Aber die Antwort.
— Ich laſſe Sie auch nicht einmal zu Athem kommen.


(Deutet ihm an, Platz zu nehmen; ſetzt ſich, ſteht gleich wieder auf.)

Wenn ich nur wenigſtens ſitzen könnte. Sechs mal ſchon
[106]Der Erbförſter.
hatt’ ich den Hut mechaniſch in der Hand; ſo reißt mich
die alte Gewohnheit des Zuſammenlebens mit dem Förſter
in Händen und Füßen, ſchlimmer als das Podagra.
Unterdeß hatt’ ich einen Gedanken — aber erſt: wie iſt’s
mit dem alten Eigenſinn?


Paſtor.

Ich kam eben nicht zum beſten bei ihm an mit Ihrem
Anerbieten. Und doch, wer weiß, ob er ſich nicht noch
dazu verſtanden hätte, wenn nicht unglücklicherweiſe die
Geſchichte mit dem Andres —


Stein.

Mit dem Andres? welche Geſchichte?

(Springt auf).

Er iſt doch nicht mit dem Robert zuſammen gerannt?


Paſtor.

Dasmal nur mit dem Buchjäger —


Stein
(ſetzt ſich wieder).

Sie ſeh’n, ich zitt’re vor Ungeduld —


Paſtor.

Der Buchjäger, betrunken wie gewöhnlich, hat ihn
wie einen Holzdieb behandelt, ihn ſchlagen laſſen —


Stein
(ſpringt wieder auf).

Paſtor.

Da war’s denn kein Wunder, daß der Alte auf nichts
mehr hörte und Jeden, der außer Ihnen mit dem Ge-
wehre in den Forſt kommt, als einen Wilddieb behandeln
laſſen will.


[107]Der Erbförſter.
Stein
(der Schritte gemacht).

Baſtian!


Baſtian
(in der Thür).

Stein.

So wie Möller kommt — die Canaille wieder ab-
geſetzt — eingeſperrt ſoll die Beſtie werden — hörſt Du?


Baſtian.

Der Buchhalter?


Stein.

Der Buchjäger — und der Möller mit, wenn er —
Kommen Sie, Paſtor!

(Nimmt Hut und Stock).

Baſtian
(ab).

Paſtor.

Sie wollen —


Stein.

Sie fragen? — Hin zum Alten! Die Grillen weg-
werfen allen Wilkens und Möllers zum Trotz!


Paſtor.

Recht ſo! Ich bin dabei.

(Er ſteht auf).

Stein
(bleibt ſteh’n).

Warten Sie noch, Paſtor. Soll ich vergebens den
guten Gedanken gehabt haben? Hören Sie, was mir
vorhin einfiel — wie vom Himmel herunter. Paſtor!
wenn ich dem Robert heut’ noch Düſterwalde abträte?
Als ſelbſtändiges Eigenthum? Er könnt’ ihn mit allen
Ehren wieder einſetzen, den Alten und Niemand wär’
[108]Der Erbförſter.
blamirt. Augenblicklich ſetz’ ich die Ceſſion auf. Sie
ſchnell in’s Jägerhaus, Paſtor —


Paſtor.

Mit dieſer Botſchaft —


Stein.

Eh’ der Alte oder die hitzigen Jungen oder alle drei
einen Streich machen, der —

(er macht ſich zum Schreiben fertig).

Paſtor.

Und morgen —


Stein.

Als wär’ kein Heute geweſen —


Paſtor.

Kommt Herr Stein wie gewöhnlich um die Jäger-
hausecke und pocht an’s Fenſter und der weiße Schnauz-
bart drinn ſchnarcht ſein Gleich —


Stein.

Und wenn Sie den Robert treffen —


Paſtor.

Bin ich der erſte, der dem neuen Gutsherrn von
Düſterwalde gratulirt —


Stein.

Und heute bringen Sie Alle mit, den Alten, die Jun-
gen, die Mutter und die Braut, dann

(kommt zum Paſtor
nach der Thüre)

brechen wir zum Vorfeſt meinem älteſten
[109]Der Erbförſter.
Johannisberger den Hals. — Was iſt aber da draußen?
Wer ſtürmt da die Treppe herauf?

(In der Thüre).

Was
iſt paſſirt?


Neunter Auftritt.


Vorige, Möller, ſpäter Baſtian.

Möller
(außer ſich herein).

Gräßlich! Gräßlich!


Stein.

Aber was iſt denn?


Möller.

Ein Mord! Ein entſetzlicher Mord!


Stein.

Aber ſo ſagen Sie doch —


Möller.

Der Herr Robert —


Stein.

Mein Sohn!

(Sinkt in einen Stuhl.)

Paſtor.

Robert iſt gemordet?

(Tritt beſorgt zu Stein.)

Baſtian.
(tritt ein).

[110]Der Erbförſter.
Möller.

Noch nicht; noch, hoff’ ich, nicht. Aber — ich bin
ganz außer mir. — Den Buchjäger hat er ſchon er-
ſchoſſen, Ulrichs Andres. Die machen förmlich Jagd auf
ihre Feinde, die vom Jägerhaus. Den Buchjäger ließ ich
heimſchaffen. Der Menſch ſieht gräßlich aus; die Kugel
ging links am Rückgrat ein. Er iſt in Herrn Roberts
Armen geſtorben. Ich fragt’ ihn noch: war’s der Andres,
Gottfried? „Der Andres war’s“, ſagt’ er — „der Andres
war’s“ — und ſtreckte ſich und aus war’s mit ihm. Ich
bat Herrn Robert, um Gotteswillen mit heimzukommen;
er war ganz außer ſich und wollte nicht. Und keine zwei-
hundert Schritte war ich mit den Leuten, da fielen wieder
zwei Schüſſe hinter uns.


Stein
(ſteht auf; außer ſich).

Augenblicklich zu Pferde — Sie können’s todt rei-
ten — nur ſchnell — Militär aus der Stadt — den gan-
zen Wald beſetzen — die Mordbande einfangen da vom
Jägerhaus. Du, Baſtian, ſchnell meine Lütticher, die
geladene — dann die Arbeiter zuſammenrufen — ſich
bewaffnen — nach — wo war’s, Möller?


Möller.

Beim erſten Lautenſteg — im heimlichen Grund,
kaum eine halbe Viertelſtunde über’m Jägerhaus drüben.


Paſtor.

Gott gebe nur, daß das Schlimmſte noch zu ver-
hüten ſteht.


[111]Der Erbförſter.
Stein
(ſtampft mit dem Fuß).

Baſtian! Baſtian! Und was ſtehen Sie noch da?
So eilen Sie doch!


Möller
(ab).

Stein.

Und ich — während — Baſtian!


Baſtian
(bringt die Flinte).

Stein
(reißt ſie ihm aus der Hand).

Ich komme! Robert, halte Dich! — ich komme!


Alle ab. Vorhang fällt.

Ende des dritten Aufzugs.

[[112]]

Vierter Aufzug.


Jägerhaus.

Dämmerung.

Erſter Auftritt.


Wilkens. Die Förſterin.

Wilkens.

Ihr Mann iſt abgeſetzt; da beißt die Maus nicht den
Faden ab. Und wenn er bleiben will, iſt’s juſt der ver-
kehrte Weg, den er da einſchlägt; durch Aufruhr darf
ſich’s ſchon der Stein nicht abtrotzen laſſen. Der Buch-
jäger iſt jetzt Förſter. Hm. Der Buchjäger iſt ein bru-
taler Mann; aber hier iſt er im Recht. Wenn ſie nun
zuſammenrennen, Ihr Mann und der Buchjäger? Und
jeder den Andern als Wilddieb behandeln will? Oder der
Buchjäger noch einmal über den Andres geräth? Und
der thut, was ihm ſein Vater befohlen hat? Oder der
Andres und der junge Stein gerathen an einander? Hm.
[113]Der Erbförſter.
Und im beſten Fall ſo iſt der Ulrich ein abgeſetzter Mann,
den kein Menſch wird in ſeinen Dienſten haben wollen
nach dem offenen Aufruhr, den er ſich hat zu Schulden
kommen laſſen. Und was ſoll dann aus Ihr werden und
aus Ihren Kindern?


Förſterin.

Der Herr Vetter Wilkens wird ſeine Hand nicht von
uns abzieh’n. Wenn der Herr Vetter nur noch einmal
mit ihm ſpräch’.


Wilkens.

Nach dem Trumpf, den er darauf geſetzt hat? Und
wenn der nicht wär’; einem Tauben zu predigen, da iſt
mir meine Lunge zu lieb dazu. — Sie muß von ihm
weg mit den Kindern. Das ſagt’ ich mir unterwegs vor-
hin und gab mir die Hand darauf, daß ich’s durchſetzen
wollte, und kehrte wieder um, damit ich’s Ihr ſagte. Eh’
Sie eine Leiche oder einen Mörder im Hauſe hat.


Förſterin
(ſchlägt vor Schreck die Hände zuſammen).

So ſchlimm wird’s ja nicht werden!


Wilkens.

Hm. Sie will’s drauf ankommen laſſen; Sie iſt
mir auch eine kurioſe Mutter. Ich bin aber nicht ſo
gleichgültig wie Sie und will kein Unglück auf meinem
Gewiſſen haben, wenn ich’s verhüten kann. Ich habe
noch den weit’ſten Weg. Kurz und gut: läßt Sie den
und kommt mit Ihren Kindern zu mir, ſo ſoll’s zur
Stunde gerichtlich gemacht werden, daß Sie und Ihre
Ludwig, dram. Werke. I. 8
[114]Der Erbförſter.
Kinder meine Erben ſind. Bis morgen Mittag kann Sie
ein Langes und Breites überlegen. Iſt Sie morgen
Mittag bis Zwölf in der Grenzſchenke, da will ich Sie
erwarten, ſo geh’n wir auf der Stelle in die Stadt zum
Notar; iſt Sie’s nicht — auch gut. Aber ich bin ein
Schurke meines Namens — und Sie weiß, dem Wil-
kens ſein Wort wiegt ſein Pfund — und die Hand an
mir ſoll verflucht ſein, die Ihr oder Ihren Kindern dann
noch den Biſſen Brod abſchneidet.

(Geht.)

Förſterin
(erſt überwältigt, indem ſie ihm ängſtlich eilig folgt).

Aber, Herr Vetter! Herr Vetter Wilkens! —


Zweiter Auftritt.


Marie allein; dann die Förſterin zurück.

Marie
(hat ein Briefchen in der Hand).

Daß ich’s doch genommen hab’! — Bis ich mich
beſann — und da hatt’ ich’s ſchon in den Händen —
und die Kathrine war auch ſo ſchnell wieder fort. —
Ich hätt’s nicht nehmen ſollen.


Förſterin
(auftretend).

Die harten Männer! Da hilft kein Bitten. Was
haſt Du da, Marie?


Marie.

Einen Brief von Robert.


[115]Der Erbförſter.
Förſterin.

Wenn den Dein Vater ſäh’!


Marie.

Ich weiß auch gar nicht, wie ich ihn genommen
hab’. Aber der Robert dauerte mich ſo ſehr. Die Kath-
rine ſagte, er ſtänd’ unten im heimlichen Grund und
wartete. Da fiel mir auch mein Traum ein von heute
Nacht.


Förſterin.

Ein Traum?


Marie.

Da war ich dort am Quell bei den Weiden an mei-
nem Lieblingsplätzchen und ſaß in den bunten Blumen
und ſah nach dem Himmel hinauf; da ſtand ein Ge-
witter und mir war ſo ſchwer, daß ich vergehen wollte.
Und das Kind, weißt Du, das bei mir geweſen war vor
vierzehn Jahren, wie ich mich verirrt hatte, das ſaß neben
mir und ſagte: Arme Marie! und zog mir den Braut-
kranz aus dem Haar und ſteckte mir dafür eine große,
blutrothe Roſe an die Bruſt. Da ſank ich hinter mich
in das Gras zurück, ich wußte nicht wie. Drüben im
Dorfe läuteten ſie und das Singen der Vögel, das Zir-
pen der Grillen, die leiſe Abendluft in den Weiden über
mir — das Alles war wie ein Wiegenlied. Und der Raſen
ſank mit mir tiefer und immer tiefer und das Läuten und
das Singen klang immer ferner — der Himmel wurde
wieder blau und mir wurde ſo leicht — ſo leicht —


8*
[116]Der Erbförſter.
Förſterin.

Ein eigener Traum. Haſt Du den Brief aufgemacht?


Marie.

Nein, Mutter; und ich will’s auch nicht.


Förſterin.

So laß ihn wenigſtens den Vater nicht ſeh’n. —
Ach! Marie, wir werden fort müſſen vom Vater!


Marie.

Vom Vater? Wir?


Förſterin.

Er kommt; laß Dir nichts merken. Steck’ den Brief
ein. Nimm die Bibel da vor Dich, daß er Dir nichts
anmerkt. Ich will’s noch einmal verſuchen — wenn er
denkt, wir gehen ſonſt, gibt er doch vielleicht nach und
wir können bleiben.


Dritter Auftritt.


Die Bühne wird immer dunkler.
Der Förſter. Marie am Tiſche links hat die Bibel vor ſich.
Die Förſterin.

Förſter.

Der Wilhelm noch nicht da?


Förſterin.

Ich hab’ ihn noch nicht geſeh’n.


[117]Der Erbförſter.
Förſter
(tritt an’s Fenſter und trommelt gedankenvoll daran).

Förſterin
(beginnt einzupacken).

Marie.

Aber, Mutter —


Förſterin.

Stille jetzt, Marie, und meng’ Dich nicht in’s Ge-
ſpräch.


Förſter
(hat ſich gewandt und eine Weile ſeiner Frau zugeſehn).

Was machſt Du da?


Förſterin
(ohne aufzuſehn).

Ein paar Kleider pack’ ich ein — wenn ich fort muß —


Förſter.

Wir müſſen nicht. Dafür gibt’s ein Recht.


Förſterin
(kopfſchüttelnd).

Dein Recht?

(fährt fort)

Ich werde fort müſſen mit
den Kindern.


Förſter
(überraſcht).

Du wirſt —


Förſterin.

Wenn Du nicht Frieden machſt mit dem Stein.


Förſter
(auffahrend).

Wenn —


Förſterin.

Du brauchſt Dich nicht zu ereifern, Ulrich; Du
kannſt nicht anders und ich auch nicht. Ich mache Dir
keinen Vorwurf; ich ſage nichts, gar nichts. Du willſt
für Deinen Feind anſeh’n, wer Dir zum Nachgeben räth —
[118]Der Erbförſter.
laß mich nur ausreden — und der Vetter Wilkens
will die Kinder enterben, wenn Du auf Deinem Kopf
beſtehſt und ich nicht mit den Kindern bei ihm bin bis
morgen Mittag; da kann ich nichts thun, als — ſchwei-
gend geh’n.


Förſter
(tief athmend).

Du willſt —


Förſterin.

Ich will nichts; Du willſt und der Vetter Wilkens
will. Ihr harten Männer macht das Schickſal und —
wir müſſen’s erdulden. Wenn Du nachgäbſt, ja, dann
könnten wir bleiben. Glaubſt Du, ich geh’ gern? Für
mich — ich wollte aushalten bis zum Tod. Aber um
die Kinder — und um — Dich mit.


Förſter
(finſter).

Wie ſo um mich?


Förſterin.

Du biſt abgeſetzt, Du haſt kein Vermögen; und
einen andern Dienſt in Deinem Alter — nach Deiner
Geſchichte mit dem Stein — Du könnteſt —


Förſter
(heftig).

Almoſen nehmen? Von Frau und Kindern?


Förſterin.

Ereifre Dich nicht. Ich ſage ja nicht: Gib nach; ich
will Dir ja nichts aufdringen. Du kannſt nicht nach-
geben und ich — kann nicht bleiben — wenn Du nicht
nachgibſt. — Müſſen wir auseinander

(ihre Stimme zittert)

[119]Der Erbförſter.

— ſo wollen wir’s im Guten. Wir wollen einander
verzeih’n, was das Andere uns zuwider thut oder

(mit
leiſem Vorwurf)

— wovon das Andere denkt, daß man
ihm zuwider thut.


Förſter.

Du willſt alſo zum Wilkens?


Förſterin.

Ich muß.


Förſter.

Und die Kinder ſollen mit?


Förſterin.

Um die iſt’s, daß ich’s thu’.


Förſter.

Wollt Ihr nicht auch den Nero mitnehmen? draußen?
den Hund? Was ſoll er länger bei ſeinem abgeſetzten
Herrn, der Hund? Nehmt ihn mit, den Hund. Und
wenn ich Recht behalte, wie ich Recht behalten muß —
und als kein Schurke mehr daſteh’ vor der Welt — dann
— kann er ja wiederkommen, der Hund. Ihr meint, er
geht nicht von mir? Wird doch die Beſtie nicht dümmer
ſein wie die Menſchen ſind. Weib und Kinder ſind klug
und ſo’ne arme Beſtie will allein dumm ſein? Man muß
der Beſtie einen Tritt geben für ihre Dummheit. Ein
alter Mann — ein ruinirter Mann, der als Schurke
daſtänd, wenn’s dem Stein nachging, in ſeinen weißen
Haaren, und ſo’ne Beſtie will nicht Vernunft annehmen?
Fünfzig Jahre redlich gedient und aus dem Dienſt als
[120]Der Erbförſter.
ein Schurke, weil ich kein Schurke ſein will — hab’ das
Meine zugeſetzt dabei und die arme Beſtie will in ihrem
Hundehaus dankbarer ſein als der reiche Stein in ſeinem
Schloß? Da ſollte man doch das ganze Beſtienzeug vor
den Kopf ſchießen, wenn’s zu weiter nichts da wär’, als
daß ſich der Menſch vor ihm ſchämen müßte. —

(Schritte;
er kehrt ſich zu ihr, weicher.)

Wir ſollen Zwei ſein? Nach
fünfundzwanzig Jahren? — Gut. So mag jedes allein
tragen von nun an — ſo lang’ das Herz hält.


Förſterin.

Ulrich —

(ſie muß Marien immer abhalten, die zum Förſter
ſtürzen will).

Förſter.

Wir ſind Zwei von nun. Geht, geht. Der Wilkens
iſt reich und ich bin ein armer Mann trotz meinem Recht.
Ihr zieht dem Gelde nach. Ich halt’ Euch nicht. Aber
wenn Ihr ſagt, Ihr habt recht gethan — dann — Und
nun iſt’s abgethan. Nicht mehr das Wort davon.


Vierter Auftritt.


Wilhelm. Die Vorigen.

Förſter
(ſitzt rechts).

Komm her, Wilhelm. Wo haſt Du den Andres
gelaſſen?


[121]Der Erbförſter.
Wilhelm.

Ich hab’ an der Grenzſchenke eine Viertelſtunde lang
auf ihn gewartet.


Förſter.

Hat er gedacht, Du kommſt ſpäter —


Förſterin
(für ſich).

Der Andres iſt nicht mit? Des Ohms ſeine Reden
kommen mir nicht aus den Gedanken.


Marie

(zündet die Lampe an und ſetzt ſie auf den Tiſch zum Förſter).

Förſter.

Haſt Du den Advokaten gefragt, bis wenn die Sache
aus ſein kann? Daß ich mein Recht hab’?


Wilhelm.

Er will keine Klage machen.


Förſterin
(tiefathmend für ſich).

Das wär’ noch eine Hoffnung —


Förſter
(ſteht auf, ganz perplex).

Er will —


Wilhelm.

Du wärſt nicht im Recht, Vater.


Förſter.

Nicht im Recht? —

(muß ſich ſetzen.)

Förſterin
(wie vorhin).

Daß er doch noch nachgäb’.


[122]Der Erbförſter.
Wilhelm.

Die Staatsdiener wären, die könnten nicht abgeſetzt
werden, wenn’s ihnen nicht zu erweiſen ſtünd’, daß ſie’s
verdient hätten. Aber Du wärſt keiner; Dein Herr wär’
nicht der Staat, ſondern der, dem der Forſt gehörte, der
Gutsbeſitzer.


Förſter
(verbiſſen).

Alſo wenn ich ein Staatsdiener wär’, dann dürfte
mir der Stein nicht unrecht thun. Und weil ich keiner
bin, ſo darf er mich zum Schurken machen? — Du haſt
ihn nicht verſtanden, Wilhelm.


Wilhelm.

Er hat mir’s dreimal vorgeſagt.


Förſter.

Weil Du ihm die Sache nicht vorgeſtellt haſt, wie
ſie iſt. Daß Dein Urgroßvater ſchon Düſterwalder Förſter
war, und Dein Großvater nach ihm, und daß ſie mich
ſchon vierzig Jahr den Erbförſter heißen im ganzen Thal.


Wilhelm.

Das, ſagt’ er, gereichte Herren und Dienern zur
Ehre, aber vor Gericht darauf zu gründen wär’ nichts.


Förſter.

Aber er weiß nicht, daß der Stein mich abſetzen will,
weil ich für ſein Beſtes war, daß der Forſt gegen Mitter-
nacht und Abend offen liegt. So ein Advokat weiß nicht,
daß ſo ein Wald wie ein Gewölbe iſt, wo immer eins
[123]Der Erbförſter.
das andere hält und trägt. So hält’s alle Gewalt aus,
aber brecht nur ein Dutzend Steine mitten heraus, ſo
holt’s der und jener.


Wilhelm.

Dazu zuckt’ er nur die Achſeln.


Förſter
(immer eifriger).

Und das Meine, was ich hineingewendet hab’? Und
daß ich die Bäume alle ſelber gepflanzt hab’? Was? Die
der Wind nun um nichts und wieder nichts zuſammen-
knicken ſoll?


Wilhelm.

Dazu hat er nur gelächelt. Du möchteſt ein recht
braver Mann ſein, aber vor Gericht gält’ das nicht.


Förſter
(ſteht auf).

Wenn einer brav iſt, das gilt nichts? So muß einer
ein Schelm ſein, wenn’s was gelten ſoll vor Gericht? —
Aber der Rupert von Erdmannsgrün! Was? Wilhelm?


Wilhelm.

Der wär’ eben ein Staatsdiener geweſen. Nachher
ging ich noch zu einem andern Advokaten; der lachte
mir geradezu in’s Geſicht. Aber dem hab’ ich’s geſagt,
wie ein Jägerjunge.


Förſter.

Gut. Aber der Andres? Was?


Wilhelm.

Wie der Andres in den Wald gegangen wär’, hat er
geſagt, wärſt Du ſchon abgeſetzt geweſen. Das müßteſt
[124]Der Erbförſter.
Du ſelber wiſſen, daß kein Fremder in einem Forſt Pflan-
zen herausnehmen dürfe, ſo mir nichts, dir nichts, und
ohne des Förſters Wiſſen und Willen. Der rechtmäßige
Förſter wär’ aber da ſchon der Buchjäger geweſen und
ſo hätt’ der Andres ſich’s allein zuzuſchreiben, wenn er
wie ein Holzdieb behandelt worden wär’. Und da würd’
er ſelber einſeh’n, daß er beſſer daran thät’, wenn er die
Zurechtweiſung ruhig ertrüg’ und nicht weiter an die
Sache rührte und froh wär’, daß er noch ſo davon ge-
kommen wär’.


Förſter

(hat ſich wieder geſetzt; eine Pauſe; dann pfeift er und trommelt vor ſich
auf dem Tiſch).

Förſterin
(ihn ängſtlich beobachtend).

Wenn er ſo ruhig wird —


Förſter.

Alſo ich muß ein Schurke bleiben vor der Welt?
Gut. — Warum packt Ihr nicht ein, Weiber? Wilhelm,
hol’ mir eine Flaſche Wein.


Förſterin.

Du willſt Wein trinken? Und weißt, er thut Dir
kein gut, Ulrich? Und noch dazu in den Aerger hinein —


Förſter.

Ich muß andere Gedanken haben.


Förſterin.

Du wirſt allemal ſo außer Dich auf den Wein, Du
kannſt Dir den Tod darin trinken.


[125]Der Erbförſter.
Förſter.

Beſſer den Tod trinken, wie als ein Schurke leben.
Und ein Schurke muß ich bleiben vor der Welt. Wil-
helm, eine Flaſche und ein Glas. Bin ich ſchon nicht
mehr Herr im Haus? Vorwärts!


Wilhelm
(geht).

Förſterin.

Wenn Du Dir noch einen andern Gedanken faßteſt;
aber Du thuſt’s nicht und — ich muß fort.


Förſter.

Das iſt abgethan, Weib, und mein Gedanke iſt ge-
faßt. Lamentirt mir nicht. Morgen geht’s fort. Wenn
ich ſchon kein Staatsdiener bin und — heut’ will ich
noch einmal luſtig ſein.


Wilhelm

(bringt Wein; der Förſter ſchenkt ein und trinkt öfter, jedesmal ein volles
Glas; dazwiſchen pfeift und trommelt er).

Förſter.

Thut mir das Licht da weg, daß ich meinen Schatten
nicht ſeh’.


Wilhelm

(ſtellt die Lampe auf den Tiſch der Frauen, ſetzt ſich zu dieſen und nimmt
die noch offene Bibel vor ſich).

Förſterin
(für ſich und zu Marien).

Der Andres kommt immer noch nicht, und ’s iſt
ſchon ſo lang’ dunkel. Und ich muß geh’n morgen.
Jetzt ſag’ ich wohl: ich muß geh’n, und weiß noch nicht,
wenn’s dazu kommt, ob ich’s auch kann. Wenn man
[126]Der Erbförſter.
zwanzig Jahr zuſammengelebt hat in Freud’ und Leid.
Und vom Wald Abſchied nehmen, der den ganzen Tag
ſo grün zu allen Fenſtern hereinguckt. Wie ſtill ’s uns
vorkommen wird, wenn wir das Rauſchen nicht mehr
hören und den Vogelgeſang und den Axtſchlag hallen
den ganzen Tag. Und die alte Schwarzwälderuhr dort —
ſo ging ſie ſchon, wie ich noch eine Braut war, und nun
biſt Du ſchon eine geweſen. Dort in jener Ecke ſtand’ſt
Du zum erſten Mal’ auf und liefſt, Marie, drei Schritt-
chen weit, und da, wo der Vater ſitzt, ſaß ich und weinte
vor Freude. Iſt das das Leben? Ein ewig Abſchiedneh-
men? Wenn ich doch bliebe? Wenn ich d’ran denke, was
der Ohm ſagte, daß Alles geſchehen könnte! Wenn der
Brief vom Robert — Wilhelm, geh’ doch in den Garten.
Ich muß das Trinkglas beim Born vergeſſen haben, oder
in der Laube oder ſonſt da herum.


Wilhelm
(geht).

Fünfter Auftritt.


Vorige ohne Wilhelm.
Förſterin und Marie vorn an der Lampe arbeitend. Der Förſter
bald hinten ſitzend, bald am Tiſche vorbei Schritte machend an’s Fenſter.

Förſterin
(nachdem ſie gewartet, bis Wilhelm hinaus iſt).

Wenn Du ſäheſt, Marie, was der Robert ſchreibt.


Marie.

Ich ſoll’s öffnen, Mutter?


[127]Der Erbförſter.
Förſterin.

Vielleicht läßt ſich noch Alles gut machen und der
Robert ſchreibt uns, wie. Wenn Du’s nicht öffnen
willſt, gib mir’s. Wenn ich’s thu’, brauchſt Du Dir
nichts vorzuwerfen.

(Sie öffnet).

Wenn ich leſen könnte
bei Licht! Wenn ich die Brille nähm’, müßt’ er’s mer-
ken. Lies mir’s vor, Marie.


Marie.

Ich ſoll’s leſen, Mutter?


Förſterin.

Wenn ich Dir’s heiße, kannſt Du’s wohl. Da leg’s
neben die Bibel. Und wenn er näher kommt oder wenn
er aufmerkſam wird, ſo lieſ’ſt Du aus der Bibel.


Marie.

Aber was?


Förſterin.

Was Dir zuerſt in die Augen fällt. Wenn ich huſte,
lieſeſt Du aus der Bibel. Zuerſt das Briefchen.


Marie
(lieſt).

„Liebe Marie. Ich hab’ Dir ſo viel —


Förſterin.

Er ſteht ſchon wieder auf von ſeinem Stuhl; lies
aus der Bibel, bis er am Fenſter iſt.


Marie.

„Um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie
er einen Menſchen hat verletzet, ſo ſoll man ihm wie-
der thun.“


[128]Der Erbförſter.
Förſter
(trommelt am Fenſter).

Förſterin
(ihn immer beobachtend).

Nun den Brief, Marie; bis ich huſte.


Marie.

„Ich hab’ Dir ſo viel zu ſagen. Komm den Abend
oder die Nacht in den heimlichen Grund an den Quell
unter den Weiden; da will ich Dich erwarten. Komm,
Marie. Morgen früh geh’ ich in die Welt, Dir und mir
ein Glück zu erwerben. Kommſt Du nicht, ſo weiß ich,
wie Du’s meinſt, und Du ſiehſt nie wieder —“


Förſterin.

Er will fort? in die Welt? Für immer, wenn Du
nicht gehſt? Dann wär’ Alles verloren!


Marie.

„Du ſiehſt nie wieder Deinen Robert.“


Förſterin

(huſtet, da der Förſter ſich eben vom Fenſter wendet).

Aus der Bibel, Marie.


Marie.

„Wie er einen Menſchen verletzet hat, ſo ſoll man
ihm wieder thun. Es ſoll einerlei Recht unter Euch ſein,
den Fremden und den Einheimiſchen, denn ich bin der
Herr, Euer Gott.“


Förſter
(iſt aufmerkſam geworden, bleibt ſteh’n).

Was iſt das da vom Recht?


Marie.

„Es ſoll einerlei Recht unter Euch ſein —“


[129]Der Erbförſter.
Förſter.

Es ſoll einerlei — Wo ſteht das da?


Marie.

Hier, Vater; da links oben.


Förſter.

Leg’ was darauf, wo das anfängt, was Du da ge-
leſen haſt vom Recht. — Seht Ihr nun, daß ich Recht
hab’? Wenn ſchon ich Unrecht behalten muß. Daß das
alte Herz dadrinn kein Lügner iſt? „Es ſoll einerlei Recht
unter euch ſein.“ Nicht eins für Staatsdiener apart. —
Damals war das Recht noch geſund, da wohnt’ es noch
nicht in den ſtaubigen, dunſtigen Stuben. Unter den
Thoren, im Freien wurd’ es gehalten, wie man da lieſt.
Wenn ich zu ſagen hätte, müßten die Gerichte im Walde
ſein; im Walde bleibt dem Menſchen das Herz geſund;
da weiß man, was recht iſt und was unrecht iſt ohne
Wenn und Aber. Mit ihrem heimlichen Karten haben
ſie’s verabert und verwennt, in ihren dumpfen ſtaubigen
Stuben, da iſt’s krank und ſtumpf geworden und iſt’s
welk geworden, ſo daß ſie’s kneten können, wie ſie wollen;
und nun muß beſiegelt werden und muß verbrieft werden,
was recht iſt, ſonſt ſoll’s nicht recht ſein; nun haben ſie
dem Manneswort die Geltung genommen und einen Spitz-
buben daraus gemacht, ſeitdem man nur das zu halten
braucht, was man beſchworen hat und beſiegelt hat und
verbrieft, und haben aus dem alten guten Recht einen
Achſelträger gemacht, daß ein alter Mann, der nicht das
Ludwig, dram. Werke. I. 9
[130]Der Erbförſter.
Federchen an ſeiner Ehre gelitten hat, als ein Schurke
daſteh’n muß vor den Menſchen — weil die in ihren
Stuben zwei Rechte haben ſtatt eins.

(Er ſetzt ſich und trinkt.)

Förſterin.

Es wird immer dunkler und der Andres kommt nicht.
Und bei ſolchen Reden wird einem erſt recht angſt. Wenn
Du zum Robert gingeſt —


Marie.

Zum Robert? Aber was denkſt Du denn, Mutter?


Förſterin.

Daß das ein Gottesfinger iſt — das da mit dem
Robert ſeinem Brief.


Marie.

Ich ſoll zum Robert? Jetzt? Nach dem heimlichen
Grund?


Förſterin.

Und was wär’s? Fürchten thuſt Du Dich nicht.


Marie.

Fürchten auch!

(ſtolz)

Ulrichs Mädchen!


Förſterin.

Wie oft biſt Du tiefer in der Nacht draußen geweſen!


Marie.

Aber der Vater wußt’s auch. Wenn’s der Vater will
und Du, weiß ich, ſteht hinter jedem Baum ein Engel. —
Und der Vater ſagte: wenn ich die Marie nicht kenn’ —


[131]Der Erbförſter.
Förſterin.

Ich kann nicht ſo gut fort wie Du, ohne daß er’s
merkt. — Es konnte Alles noch gut werden — aber —
es ſollte nicht ſein. Und Dein Traum? Dir wurde
ſo leicht, der Himmel wurde ſo blau — Siehſt Du, im
heimlichen Grunde, am Quell unter den Weiden, da ſoll
Dein und unſer Aller Gram aufhören.


Marie
(den Kopf ſchüttelnd).

Meinſt Du, Mutter?


Förſterin.

Wenn Du gingſt. Wir könnten dann beim Vater
bleiben, der Robert redete nochmal mit ſeinem Vater,
der Ohm Wilkens gäb’ auch nach und der Brautkranz
ſollte Dir zum zweitenmal noch ſchöner ſteh’n.


Marie.

Ich ſoll den Vater betrügen, Mutter? Dann glaubt’
ich, mir könnt’s nie wieder gut geh’n auf der Welt.


Förſterin.

Gingſt Du doch für ihn. Vielleicht wenn er morgen
hinaus muß ins Elend oder wenn ſie ihn einſetzen in den
Thurm oder noch was Schlimmeres geſchieht —


Marie.

Dem Vater? —


Förſterin.

Ja. Dann wirſt Du vielleicht zu ſpät denken, wär’
ich doch gegangen!


9*
[132]Der Erbförſter.
Marie.

Aber, Mutter, wenn ich nun im Walde wär’ und
der Vater begegnete mir? Oder träf’ uns beiſammen?


Förſterin.

Wir müſſen ihn fragen, ob er heim bleibt.


Marie.

Ich kann ihn nicht anſeh’n, ohne daß mir das Herz
zerſpringen will.


Förſterin.

Frag’ ihn wegen der Suppe.


Marie.

Ich will ihn gleich fragen.

(Sie nähert ſich dem Förſter
ängſtlich, ſteht neben ihm, ohne daß er ſie bemerkt).

Förſterin
(aufmunternd).

Sei kein Kind!


Marie
(leiſe).

Vater.

(Sie beugt ſich über ihn; außer ſich vor Mitleid.)

Va-
ter, armer Vater!

(Sie will ihn umſchlingen.)

Förſter
(ſieht ſich um; rauh).

Was gibt’s? Ohne Lamentiren!


Förſterin
(da Marie ohne Faſſung ſteht).

Die Marie —


Marie
(bezwingt ſich).

Gehſt Du heut’ noch in den Wald?


Förſter.

Warum?


[133]Der Erbförſter.
Marie.

Weil —


Förſterin

(fällt ein aus Furcht, Marie möchte die Wahrheit ſagen).

Der Suppe wegen; ob ſie die wärmen ſoll?


Förſter.

Nein. Und was willſt Du noch, dummes Ding?


(Wendet ſich ab. Da Marie zögert, rauh)

Hörſt Du?


Marie
(zur Förſterin zurück).

Mutter, er hat geweint! Ich ſah eine Thräne an
ſeiner Wimper hängen, Mutter! und ich will ihn be-
trügen.


Förſterin.

Er weint, daß er in ſeinem Alter noch in’s Elend
ſoll. — Und Du — mußt ja nicht geh’n.


Marie.

Wenn Du ſo ſprichſt, Mutter! — Ich gehe ja.


Förſterin.

So ſag’ gute Nacht; Zeit iſt’s nunmehr. Ich helfe
Dir dann aus dem Fenſter ſteigen. Jetzt wartet der Ro-
bert ſchon. Du kannſt bald zurück ſein.


Marie.

Ja, Mutter, ich will geh’n. Aber nicht um den
Robert, Mutter, und um mich; nur für den Vater. Ich
will’s ihm ſagen. Robert, will ich ihm ſagen, Du findeſt
noch ein Mädchen, ſchöner und beſſer als mich, aber mein
Vater findet kein Kind mehr, wenn ich ihn laſſe. Ich
[134]Der Erbförſter.
will’s ihm ſagen; Robert, will ich ihm ſagen, ich will Dich
vergeſſen; Gott wird mir’s geben, daß ich Dich vergeſſen
kann. Bleib’ fern von mir, daß ich Dich nicht wieder-
ſeh’. Er wird’s, nicht, Mutter? er wird’s; ich hab’ ihn
ja ſo ſehr geliebt.


Förſterin.

Geh’ nur; ſag’ gute Nacht und laß Dir nichts
merken.


Marie
(ſteht beim Förſter).

Förſterin.

Die Marie will Dir gute Nacht ſagen.


Förſter.

Kannſt’s nicht ſelbſt, dummes Ding?


Marie
(ſich beherrſchend).

Gute Nacht, Vater.


Förſter.

Gute Nacht. — Ihr braucht nicht auf mich zu war-
ten morgen, wenn Ihr zum Ohm geht. Ich bin vielleicht
ſchon aus. Ich hab’ einen Gang; weiß nicht, ob ich
wiederkomme — morgen. Und nehmt den Nero mit —
und was ſonſt noch da iſt, nehmt Alles mit. Ich brauche
nichts mehr — als mein Handwerkszeug, meinen Stutz
und — Pulver und Blei. Die andern Flinten könnt Ihr
verkaufen. Geh’ zum Wilkens Du, armes Ding, der
Wilkens verſchafft Dir vielleicht den Robert noch — wenn
ich nur erſt fort bin; wenn die Leute nur erſt vergeſſen
haben, daß Dein Vater ein abgeſetzter Mann war.


[135]Der Erbförſter.
Marie.

Gute Nacht.

(Außer ſich.)

Gute Nacht, Vater!


Förſter.

Mädel, das iſt ja eine gute Nacht wie auf ewig. —
Haſt recht, Marie. So ein Flecken muß weg, wie ich
einer bin auf Euerm guten Namen. Geh’, Marie. Hörſt
Du, Marie?


Marie.

Du ſollſt bleiben, Vater, und gehſt Du, geh’ ich
mit Dir.


Förſter.

Was ich für einen Weg hab’, den geht man allein.
Geh’, Marie.


Förſterin.

Leg’ Dich, Marie.


Förſter.

Gute Nacht; und nun iſt’s gut; Du weißt, ich
kann das Lamentiren nicht leiden.


Marie.

Du gehſt nicht ohne mich, Vater, Du kannſt nicht
leben ohne mich, Vater; Vater, das fühl’ ich jetzt an mir.


Förſter
(abwehrend).

Ja doch. Was ſo’n Gelbſchnabel nicht fühlt.


Marie.

Du wend’ſt Dich ab, Vater, damit ich nicht ſeh’n
[136]Der Erbförſter.
ſoll, daß Du weinſt; Vater, ſtell’ Dich wild, wie Du
willſt —


Förſter
(will ſich losmachen).

Dummes Ding da.


Marie.

Ich geh’ mit Dir. Du hältſt auf Dein Recht und
ich auf meins und das iſt, daß ich Dich nicht laſſen darf.
Vater, ich fühl’s nur jetzt erſt ſo, daß ich Niemand auf
der Welt ſo lieb hab’ als Dich. Morgen geh’n wir zu-
ſammen — wenn Du gehen mußt. Ich zieh’ vom Wil-
helm Kleider an. Es gibt ja noch grünen Wald auf der
Welt. Und lamentiren hören ſollſt Du mich gewiß nicht;
deshalb fürchte Dich nicht. Ich kann ja die Nächte wei-
nen, wo Du’s nicht ſiehſt. Aber dann ſiehſt Du mir’s
am Tage an den Augen an. Ich muß ja gar nicht wei-
nen. Nur lachen will ich und vor Dir herhüpfen und
ſingen; die ſchönen Jägerlieder. — Siehſt Du, Vater,
das iſt die letzte Thräne um den Robert; und die iſt
ſchon trocken, ſiehſt Du? Wir wollen ſchon noch ein
Glück finden auf der Welt — wenn Du fort mußt,
Vater. Und wenn’s nicht ſein ſoll, ſo wollen wir Gott
danken und bitten, wenn er uns nur brav ſein läßt.
Dann wollen wir denken: es iſt zuviel verlangt, wenn
wir auch noch glücklich ſein wollen. Hab’ ich nicht Dich?
Haſt Du nicht Dein gutes Recht und Deine Marie?
Was brauchen wir mehr?

(An ſeinem Hals.)

[137]Der Erbförſter.
Förſter

(der ſie immer abgewehrt hat, faſt wild, weil er ſich der Weichheit kaum
mehr erwehren kann).

Freilich! Freilich! Dummes Ding.

(Ruhiger.)

Und
ein Tiſchchen deck’ dich, ein Goldeſelein ſchlag’ aus, und
das Märchen iſt fertig. Nun leg’ Dich, Marie.

(Rauh.)

Hörſt Du?


Förſterin.

Komm, Marie.


Marie

(an der Kammerthür ſieht ſie ſich um, ſie eilt nochmals zu ihm; ihn außer
ſich umſchlingend).

Gute Nacht! Gute Nacht!


(Sie eilt in ihre Kammer. Die Förſterin folgt.)

Förſter
(ihr nachſehend).

Mein Mädel, mein armes Mädel. Hier darf’s nicht
ſein, wenn ich mir ein Ende mach’! — Element, ſchäm’
dich, alter —


Sechſter Auftritt.


Weiler. Der Förſter.

Weiler

(grüßt ſchweigend; er iſt ſehr aufgeregt; er hängt die Flinte an den Riegel
und macht ſich mit dem Jagdzeug zu thun).

Hm.


Förſter
(wird ihn gewahr).

Er?

(Fällt wieder in Gedanken).

[138]Der Erbförſter.
Weiler.

Ich.


Förſter.

Wo kommt Ihr noch her?


Weiler.

Aus dem Walde. — Am Staket hab’ ich Euern Wil-
helm geſprochen. Alſo ſeid Ihr doch abgeſetzt.


Förſter.

Weil’s zweierlei Recht gibt.


Weiler.

Und das habt Ihr nicht vorher gewußt?


Förſter.

Euern Lohn habt Ihr auf drei Monate voraus.


Weiler.

Und könnt geh’n; das weiß ich auch. Wo iſt denn
Euer Wilhelm? Ja ſo; ich bin ihm begegnet. Und Euer
Andres?


Förſter
(halb abweſend).

Nicht zu Haus.


Weiler.

Aber Ihr wißt doch wohl, wo Euer Andres iſt?


Förſter
(ungeduldig).

Was wollt Ihr noch? Laßt mich in Ruh.


Weiler.

Meinetwegen. Mir kann’s gleichviel ſein.


Förſter.

Drum denk’ ich, Ihr geht.


[139]Der Erbförſter.
Weiler.

Alſo der Andres. Und Ihr wißt nicht, wo er iſt?


Förſter.

Immer der Andres! Habt Ihr was, ſo ſeid nicht
wie ein Gewitter, das Stunden lang ſteht.


Weiler
(zeigt nach dem Fenſter).

Da unten über’m Lautenberge kommt eins herauf.
Die Kibitze kreiſchten ſo ängſtlich. Dacht’s vorher. Es
war zu ſchwül. — Ulrich,

(kommt zu ihm)

vor einer Stunde
iſt einer erſchoſſen worden.


Förſter.

Ihr wißt, wer?


Weiler.

Ihr wißt’s nicht? Wenn Euer Andres zu Hauſe
wär’ —


Förſter.

Immer vom Andres! Ihr wißt was von ihm.


Weiler.

Hm. Die Büchſe — hört mal; hatt’ Euer Andres
die mit? die mit dem gelben Riemen?


Förſter.

Warum?


Weiler
(wie in Gedanken).

Ich kenne doch Eure Büchſe —


Förſter.

Ihr wollt mich confus machen?


[140]Der Erbförſter.
Weiler.

Ihr habt ſie nicht zu Haus?


Förſter.

Ich antwort’ Euch nicht mehr. Hab’ ohnehin Wein
getrunken.


Weiler.

Gebt wohl Acht, daß Ihr Euch nicht irrt.


Förſter.

Gebt wohl Acht, daß ich Euch nicht am Kragen faſſe.


Weiler.

’s iſt nicht zum Spaß —


Förſter.

Das ſollt Ihr ſeh’n.


Weiler.

Aber ich weiß nichts, als was ich gehört hab’ und
geſehen hab’. Und ſetzt Euch. Mir iſt’s auch nicht, wie
lange ſteh’n. Muß ausſeh’n, mein’ ich, wie meine Thon-
pfeife da.

(Der Förſter am Tiſche rechts ſitzend; Weiler hat ſich
einen Stuhl dicht zu ihm gerückt, erzählt haſtig mit unheimlich gedämpfter
Stimme.)

Wie ich vorhin zum Feierabend von meinen
Holzhauern weggeh’, hör’ ich einen Schuß da, da nach
dem heimlichen Grunde zu. Ich denke, wenn Ihr’s viel-
leicht wär’t, und geh’ darauf zu. Aber es mußt’s der
Robert Stein geweſen ſein. Der geht Euch da bei dem
erſten Lautenſteg hin und her wie eine Schildwache. Denk’
ich: Worauf muß denn der lauern? Auf ein Wildpret
nicht; denn da läuft man nicht hin und her. Denk’ ich,
[141]Der Erbförſter.
das mußt du abſolviren. Machſt dich hinter die hohe
Eiche. Da ſiehſt du Alles und wirſt nicht geſeh’n. Aber
ich bin Euch noch nicht dort, da wird ein Halloh hinter
mir. Und was hör’ ich da? Euern Andres und den
Robert im ärgſten Zank. Ich konnte nichts ordentliches
verſteh’n; aber man hörte, daß ſie auf Tod und Leben
hintereinander waren. Ich will mich eben näher ſchlei-
chen; da kommen ſie ſchon gerannt. Der eine drüben
auf dem Felſenweg über dem Bach, der andere hüben.
Der hüben, das war der Robert, die Flinte am Backen.
Zwei Schritt von mir bleibt er ſteh’n. „Steh’! oder ich
ſchieß’ Dich nieder!“ Auf dem Felſenweg kann Niemand
ausweichen. Da heißt’s: Menſch, wehr’ Dich Deines
Lebens! Und nun piff paff — zwei Schüſſe hintereinan-
der. Dem auf dem Felſen ſeiner pfiff zwiſchen dem Robert
und mir in die Büſche hinein. Aber dem Robert ſeiner —
Ulrich; ich hab’ manchen Schuß gehört, aber ſo keinen,
ſo — man konnt’s dem Blei anhören, es witterte Men-
ſchenleben. Ich weiß nicht, wie mir’s war, wie der drü-
ben zuſammenbrach wie ein getroffener Hirſch —


Förſter.

Der Andres?


Weiler.

Wer ſoll’s ſonſt geweſen ſein? Was? Iſt er denn zu
Haus etwa? Wißt Ihr etwa, wo er ſonſt iſt? Und der
Getroffene hatte die Flinte mit dem gelben Riemen. Die
hielt er feſt; der Riemen leuchtete ordentlich wie ein
[142]Der Erbförſter.
Nothzeichen durch die Dämmerung. Das klang ſchauer-
lich, wie das Eiſenzeug an der Flinte über die Klippen
herunterklapperte und die Leiche nach durch die Büſche
knickte und ſchleifte — bis der Bach unten aufklatſcht,
als führ’ er vor Schrecken zuſammen. Und wie’s nun ſo
kurios ſtill wurde darauf, als müßt’ es ſich ſelber erſt
beſinnen, was doch paſſirt wär’; da war’s, als jagte
mich einer. Ich müßte ſchon eine halbe Stunde da ſein,
wenn ich mich nicht verlaufen hätte. Ich, der jeden
Baum kennt daherum. Da könnt Ihr Euch nun denken,
wie mir’s war. Erſt am zweiten Lautenſteg da nach Has-
lau zu hatt’ ich das Herz, einen Augenblick zu verſchnau-
fen. Dort wo der Bach in Felsſtücken ſpektakelt. Ich ſeh’
zufällig hinunter. Da handthiert der Bach mit einem
bunten Lumpen. Da iſt’s. Kennt Ihr’s vielleicht?

(Bringt
Andres Tuch zum Vorſchein und hält’s ihm vor die Augen; der Förſter
reißt’s ihm aus der Hand.)

Förſter.

Lauter Geſtalten vor meinen Augen — der Wein —


(Er hält’s bald ferner, bald näher, ohne es ſeh’n zu können.)

Weiler
(kleine Pauſe).

Ihr ſeid ſo ſtill. Fehlt Euch was?


Förſter

(ſtößt einen einzigen lauten Athem aus und hält das Tuch immer noch
mechaniſch vor ſich hin, ohne es zu ſeh’n).

Weiler.

Euer Geſicht iſt ganz verzerrt. Will Eure Frau
rufen.


[143]Der Erbförſter.
Förſter

(eine Bewegung, als ſchöb er mit äußerſter Anſtrengung eine Laſt von ſich).

Laßt nur; ’n Bischen Schwindel. Hab’ heuer noch
nicht zu Ader gelaſſen; der Wein dazu — ’s geht ſchon
vorüber — Sagt Niemand was davon —

(erhebt ſich mühſam).

Weiler.

So ſind die doch richtig zuſammen gerathen, der
Andres und der Robert. Aber was wollt Ihr denn nun
thun? Als ein abgeſetzter Mann? Wenn der ſagt: ich
hab’ den Wildſchütz angerufen; er hat das Gewehr nicht
weggeworfen? Ihr wißt’s am beſten, dann darf der
Jäger drauf brennen. Er braucht nicht einmal zu rufen;
wenn er nur richtig trifft, ſo hat er auch recht. Und wer
nun vollends wie Euer Andres zwei Stock tief vom Fel-
ſen in’s Waſſer gefallen iſt, dem ſteht die Zunge ſtill ohne
Pulver und Blei. Ihr kennt ja das Recht, wie es heut’
zu Tage iſt! Und Euch werden ſie obendrein noch ein-
ſtecken wegen Widerſetzlichkeit. Ihr dauert mich. Ich
möchte nicht Ihr ſein. Was?


Förſter.

Das Wetter iſt ſchon über dem Lautenberg, hört Ihr?
wenn Ihr lang’ macht, erwiſcht Euch der Regen.


Weiler.

Es blitzte ſchon vorhin. Wie ich die Lärchenhöhe her-
kam, macht’ es die ganze Gegend hell. Da ſah’ ich, der
Robert geht noch immer hin und her bei den Weiden
unten.


[144]Der Erbförſter.
Förſter

(geht nach der Thür, damit Weiler ſeh’n ſoll, er wartet auf deſſen Geh’n).

Weiler.

Wollt Ihr nochmal zum Advokaten geh’n? Ja,
wenn Ihr ein Staatsdiener wär’t. Aber was wollt Ihr
ſonſt?


Förſter.

Nichts.


Weiler.

Wer’s glaubt —


Förſter.

Narr, der Ihr ſeid; zu Bette gehen.


Weiler.

Iſt noch gar nicht ſo weit.


Förſter.

Die Thür zumachen und die Laden.


Weiler
(da er nicht anders kann; zögernd).

Nun ſo ſchlaft wohl, Ulrich — wenn Ihr könnt.


(Ab; der Förſter hinter ihm).

Siebenter Auftritt.


Förſterin allein, dann Förſter und Wilhelm. Die Förſterin
geht ab und zu.

Förſterin
(aus Mariens Kammer).

Nun kann ſie ſein, wo die Weiden anfangen.

(Am
Fenſter.)

Er macht die Laden herum. Ich muß der Marie
[145]Der Erbförſter.
ihren zum Schein ſchließen, damit ſie hereinſteigen kann,
wenn ſie zurückkommt. Der Andres noch immer nicht
da! Wird mir doch auf einmal, als hätt’ ich die Marie
nicht fortlaſſen ſollen.


Förſter

(mit Wilhelm eintretend. Die Förſterin geht wieder in die Kammer).

Wilhelm
(im Eintreten).

Vater, Kramers Lore kam an’s Stacket, der Stein
wäre außer ſich; man hätte Schüſſe im Walde gehört —
der Robert fehlte und der Stein hätte den Möller in die
Stadt geſchickt; der ſollte Soldaten holen. Die ganze
Mörderbande im Jägerhaus ſollten ſie gefangen nehmen,
hat er geſagt. Der Möller wär’ eben im Carrière vor
Kramers vorbeigeſprengt. Vor Eins könnten ſie da ſein.


Förſter
(indem die Förſterin aus Mariens Thüre tritt).

Was haſt Du noch draußen?

(Sieht ſich um).

Wilhelm.

Im Garten, Vater. Mutter, in der Laube war nichts.


Förſterin
(bleibt an der Thüre).

So muß es doch hereingekommen ſein.

(Zum Förſter).

Suchſt Du was?


Förſter.

Ich? Nein. Ja, die Büchſe mit dem gelben Riemen.
Wo die herumſtehen muß? Vielleicht in der Marie ihrer —


Förſterin
(unwillkürlich die Thüre deckend, raſch).

In der Marie ihrer Kammer iſt keine Flinte.


Ludwig, dram. Werke. I. 10
[146]Der Erbförſter.
Wilhelm.

Die hat doch der Andres mit, wie er mich beglei-
ten ging.


Förſter.

Gut.

(Zeigt das Tuch.)

Hab’ ich da ein fremdes Tuch
in der Taſche; iſt’s Dein, Wilhelm?


Förſterin.

Das roth und gelbe Tuch? Das gehört dem Andres.


Förſter.

Er hat’s geſtern liegen laſſen und ich hab’s in Ge-
danken eingeſteckt.


Förſterin.

Geſtern? Heut’ erſt, eh’ Ihr gingt, hab’ ich’s ihm
gegeben.


Förſter.

Haſt Du’s ihm — gut.


Förſterin
(kommt näher).

Ja! Ja! das iſt Andres Tuch.

(Sie betrachtet’s.)

Hier
iſt’s gezeichnet.


Förſter
(will’s ihr nehmen).

Gib her.


Förſterin.

Es iſt naß. — Und was iſt das für Blut da an dem
Tuch?


Förſter.

Blut?

(Bezwingt ſich).

Von meiner Hand. Ich hab’
mich da am Flintenſchloß geriſſen. Geh’ nur!


[147]Der Erbförſter.
Förſterin
(beſchäftigt ſich auf der andern Seite der Bühne).

Förſter.

Wilhelm, komm her. Lies einmal da, da in der Bi-
bel, von da an, wo das Zeichen liegt.


Wilhelm.

Mitten im Kapitel?


Förſter.

Vom Zeichen da. Vorwärts!

(Holt ſeinen Hut.)

Wilhelm
(lieſt).

„Welcher des Herrn Namen läſtert, der ſoll —“


Förſter.

Das iſt’s nicht.

(Hängt die Flinte um.)

Wilhelm.

„Wer irgend einen Menſchen erſchlägt“ — iſt’s das?


Förſter
(ergriffen, tritt einen Schritt näher).

Nein — aber lies nur.

(Er ſteht bei Wilhelm; während
des Folgenden nimmt er unwillkürlich den Hut ab und faltet die Hände
darüber.)

Wilhelm.

„Wer irgend einen Menſchen erſchlägt, der ſoll des
Todes ſterben. Wer aber ein Vieh erſchlägt, der ſoll’s
bezahlen Leib um Leib. Und wer ſeinen Nächſten ver-
letzet, dem ſoll man thun, wie er gethan hat. Schade
um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie er
einem Menſchen gethan hat, ſo ſoll man ihm wieder
thun. Alſo daß wer ein Vieh erſchlägt, der ſoll’s bezah-
len. Wer aber einen Menſchen erſchlägt, der ſoll ſterben.“


10*
[148]Der Erbförſter.
Förſter.

Der ſoll ſterben.


Wilhelm.

„Es ſoll Ein Recht ſein unter Euch, den Fremden
und den Einheimiſchen, denn ich bin der Herr, Euer
Gott.“


Förſter.

Amen.

(Setzt den Hut auf, will gehn; wendet ſich.)

Wann
könnten die da ſein, Wilhelm?


Wilhelm.

Die Soldaten?


Förſter.

Vor —


Wilhelm.

Vor Eins.


Förſter.

Noch Zeit genug.


Wilhelm.

Wozu, Vater?


Förſter.

Zum — Ausſchlafen.


Wilhelm.

Vater, wie ſiehſt Du mich nur an?


Förſter.

Zu Bett’, Wilhelm.

(Da die Förſterin eintritt.)

Gib der
Mutter die Hand.


[149]Der Erbförſter.
Förſterin
(überraſcht).

Willſt Du noch fort, Chriſtian?


Förſter.

Ja.


Förſterin.

Hat der Weiler vielleicht den Hirſch wieder geſpürt?


Förſter.

Ja. Kann ſein.


Förſterin.

Wie Du ausſiehſt! Man könnte ſich fürchten vor
Dir, wenn man nicht wüßte, wie’s wird, wenn Du
Wein getrunken haſt.


Förſter.

Drum will ich in’s Freie.


Förſterin.

Dann ſiehſt Du Alles anders, wie’s iſt. Du kannſt
in die Schlucht ſtürzen.


Förſter.

Dann ſchneid’ſt Du das Blatt dort aus der Bibel
und legſt mir’s mit in den Sarg.


Förſterin.

Was das für Reden ſind!


Förſter.

Zu Batt, Wilhelm.

(Wilhelm ab.)

Bete — oder bete
nicht —


[150]Der Erbförſter.
Förſterin

Was iſt mit Dir, Chriſtian? Warum wird mir ſo
angſt? Bleib’, um Gotteswillen bleib’! Dein Geſchäft
wird ja noch Zeit haben!


Förſter.

Nein; es muß heute noch gethan ſein.

(Er geht).

Förſterin
(will ihm nach).

Ulrich —


Förſter

(in der Thür ſich wendend, leiſe vor ſich hin).

Aug’ um Auge — Zahn um Zahn.

(Ab.)

Förſterin

(vor dem Schein des Wetterleuchtens zurückweichend, der durch die geöffnete
Thür dringt).

Gott ſei uns gnädig!

(In der Thür.)

Ulrich!

(Draußen
verklingend.)

Ulrich!


Vorhang fällt.

Ende des vierten Aufzugs.

[[151]]

Fünfter Aufzug.


Jägerhaus.

Nacht. Kurze Zeit das Theater leer, dann

Erſter Auftritt.


Die
Förſterin
allein, kommt mit einer Lampe herein, leuchtet in
Marien’s Kammer hinaus, ſtellt die Lampe auf den Tiſch, geht an das
Fenſter, öffnet den Laden, durch welchen der Schein des Wetterleuchtens
hereindringt, ſieht hinaus; dann ſchließt ſie beides wieder, nimmt die
Lampe wieder und leuchtet abermals in die Kammer. Dazwiſchen horcht
ſie manchmal auf und zeigt große Angſt.

Noch immer nicht! Wenn er ihr begegnet wär’!
Wenn er ſie beiſammen getroffen hätte! Nun müßte ſie
da ſein. Daß ich ſie auch fortgelaſſen hab’! Und der
Andres kommt auch nicht. Und die ſchwüle Wetter-
nacht dazu!


(Sie horcht auf.)

Das war ſie doch? Endlich! Gott ſei gelobt!


(Leuchtet in die Kammer.)

Nein; ſie iſt’s nicht. Der Wind ſtieß den angelehn-
ten Laden auf.


[152]Der Erbförſter.

Zweiter Auftritt.


Wilhelm in Hemdärmeln. Förſterin.

Wilhelm.

Sind die Soldaten da, Mutter?

(An Mariens Kammer-
thür.)

Mutter, wo iſt der Vater?


Förſterin
(erſchrickt und ſchließt die Thüre ſchnell).

Wilhelm.

Und die Marie? Sie iſt nicht in ihrer Kammer?


Förſterin.

Was Du Dir einbild’ſt.


Wilhelm.

Ihr Bett iſt noch wie friſch gemacht.


Förſterin
(horcht erſchrocken).

Iſt das der Vater? Wilhelm, ſag’ nichts davon vor
dem Vater!


Wilhelm.

Ich bin’s auch, der den Angeber macht. Aber Du
mußt mir ſagen, wo die Marie iſt.


Förſterin.

Nach dem heimlichen Grund. Um den Robert zu
bitten —


Wilhelm.

Mutter, wir betteln bei Niemand. Ich hole ſie.


Förſterin.

Bei dem Wetter?


[153]Der Erbförſter.
Wilhelm
(zieht ſeine Jacke an).

Das wär’ mir auch mein Jägerjunge, der ſich aus
ſo ’nem Bischen Blitzen was machte. Sag’ mir nur,
welchen Weg die Marie gegangen iſt. Den untern am
Waſſer? Gut. Sie iſt nicht wie die andern, aber ſie iſt
doch nur ein Mädchen. Und das fürchtet ſich.

(Ab).

Dritter Auftritt.


Förſterin
(allein; ihm nach).

Wilhelm! Wilhelm!

(Kommt wieder.)

Er iſt ſchon
fort. Und das Wetter wird immer ſchlimmer. Unten
Ein Nebel und oben das Gewitter immer näher. Und
vom Brandsberg her kommt noch eins dazu. Und der
Ulrich draußen und keins von den Kindern zu Haus.
Und ſo ganz allein in dem einſamen Jägerhaus mitten
im Wald und ſo tief in der Nacht —


(Man hört eine Thür zuſchlagen; ſie ſchrickt auf.)

Barmherziger Gott! Er iſt’s. Wenn er in die Kammer
ſäh’ und ſäh’ die Marie nicht! Oder —


[154]Der Erbförſter.

Vierter Auftritt.


Der Förſter (haſtig herein, bleich und verſtört). Die Förſterin.

Förſterin
(ihm entgegen).

Biſt Du’s ſchon —

(ſich corrigirend)

endlich?


Förſter
(ſich ſcheu umſehend).

Hat Jemand nach mir gefragt?


Förſterin.

Nein. Sind ſie hinter Dir?


Förſter.

Wer?


Förſterin.

Der Buchjäger —


Förſter.

Warum?


Förſterin.

Weil Du kommſt wie gehetzt.


Förſter.

Die Soldaten meint’ ich. — — Daß ich überall die
Marie ſeh’. Im heimlichen Grund —


Förſterin
(erſchrickt).

Im heimlichen Grund —

(für ſich)

Großer Gott!


Förſter.

Und auf dem ganzen Rückweg hört’ ich ſie hinter
mir geh’n.


[155]Der Erbförſter.
Förſterin.

Auf dem Rückweg —


Förſter.

Wenn ich ging, hört’ ich ſie hinter mir; wenn ich
ſtand, ſtand ſie auch, aber ich ſah’ nicht um.


Förſterin
(erleichtert).

Du ſahſt nicht um?


Förſter.

Ich wußte ja, es war nichts. — Mir iſt, als müßte
ſie jetzt noch hinter mir ſteh’n.


Förſterin
(will ablenken).

Haſt Du was geſchoſſen? Liegt’s draußen?


Förſter
(unwillkürlich ſchaudernd).

Draußen?


Förſterin.

Vor der Thür’. Wie ſiehſt Du mich an? — Was
iſt das an Dir?


Förſter
(wendet ſich unwillkürlich ab).

Was iſt’s?


Förſterin.

Ein Fleck —


Förſter.

Was Du ſiehſt —


Förſterin.

Warum willſt Du’s nicht zeigen?


[156]Der Erbförſter.
Förſter.

Es iſt nichts.

(Er wendet ſich zum Tiſche rechts, legt die
Flinte ab).

Die Suppe warm? Die Zunge klebt mir an.


Förſterin

(nimmt einen Teller und Löffel aus dem Schrank, geht damit zum Ofen,
wo ſie die Suppe eingießt).

Wenn er in die Kammer ſäh’! Was ich frage, das
frag’ ich nur in der Angſt, daß er die Marie darüber
vergeſſen ſoll.

(Sie ſetzt die Suppe vor den Förſter auf den Tiſch
zur Rechten; horcht.)

Regt ſich’s nicht in der Kammer?

(An
des Förſters Stuhl, um ihn zu beſchäftigen.)

Ulrich, meinſt Du
nicht, daß der Robert noch Alles wieder gut machen
könnte?


Förſter
(macht eine Bewegung).

Förſterin.

Was fährſt Du ſo auf?


Förſter.

Weck’ mir die Marie nicht. — War nicht Jemand
am Fenſter?


Förſterin.

Das iſt der alte Roſendorn draußen, der immer ſo
ängſtlich nickt und an’s Fenſter pocht, als hätt’ er Un-
glück zu verhüten und Niemand hörte auf ihn.


(Pauſe; für ſich.)

Es iſt ſo ſtill. Ich muß nur reden, ſonſt hört er meinen
Athem und merkt mir die Angſt an. Und daß er die
Marie nicht hört, wenn ſie in’s Fenſter ſteigt.


(Oefter dazwiſchen lauſchend.)

[157]Der Erbförſter.

Den ganzen Abend liegt mir’s im Sinn. Geſtern noch
ſagte mir der Robert —


Förſter.

Immer der —


Förſterin
(hat ſich zu ihm geſetzt).

Wir gingen an den Weiden hin; dort wo das Tan-
nendickicht iſt, unter dem Felſen, im heimlichen Grund —


Förſter
(heftig).

Laß den weg —


Förſterin.

Fährſt Du auf! Es war in der Abendſonne; und
wie ich mich umſeh’, da kommt’s hervor unter den Tan-
nen — ſo roth. Ich — erſchrocken — um Gotteswillen,
ſag’ ich, das iſt doch Blut!


Förſter
(wirft den Löffel hin und ſteht auf).

Förſterin.

Da ſpiegelte ſich das Abendroth in dem Waſſer. —
Aber was haſt Du nur?


Förſter.

Immer mit Deinem Grund. Was kümmert Dich der
Grund?


Förſterin.

Iſt Dir was begegnet dort? Es ſoll nicht richtig ſein
dort. Robert hat mir’s geſtern erzählt. Es ſoll ein böſer
Fleck ſein dort. Da hat einer einen andern umgebr—


Förſter
(faßt nach der Flinte).

Was weißt Du?


[158]Der Erbförſter.
Förſterin
(voll Angſt zurückweichend).

Ulrich! —


Förſter.

Wirſt Du ſchweigen?


Förſterin

(bleibt vor ihm ſtehn; ſchaudernd und ahnend).

Ulrich! Was haſt Du gethan?


Förſter
(hat ſich gefaßt).

Dummes Zeug da. Iſt das eine Nacht für ſolche
Geſchichten?

(Verſinkt.)

Förſterin.

Schieß zu. Eine Stunde früher, eine Stunde ſpäter;
Du haſt mich doch auf Deinem Gewiſſen.

(Sinkt in einen
Stuhl links.)

Förſter

(Pauſe; dann, während er langſame Schritte macht, mit denen er ihr
zögernd allmälig näher kommt).

Ich muß Dir was ſagen, Sophie. — Wenn Du’s
nicht ſchon weißt. — Es läßt mir keine Ruh’. — Ich
bin im Recht. Aber — Und dann weiß ich nicht, iſt’s
wahr oder iſt’s nur ein ſchwerer Traum? — So einer,
wo man nicht thun kann, was man will — und ſich
abmattet — weil man immer thun muß, was man nicht
will. — Komm her. Hörſt Du? Leg’ die drei Finger
auf die Bibel.


Förſterin.

Großer Gott! was wird das ſein!


[159]Der Erbförſter.
Förſter.

Es wär’ gräßlich, wenn ich ſie umbringen müßte,
und am Ende wär’ Alles doch nur — und dann hätt’
ich’s vergeblich — Sophie —

(ganz nahe; leiſe.)

Es ſoll
ein Todter liegen im heimlichen Grund.


Förſterin.

Du biſt im Rauſche oder im Wahnſinn.


Förſter.

In meinem Recht bin ich. Sieh’ mich an, Weib.
Glaubſt Du an einen Gott im Himmel? Gut. Gut. So
leg’ die drei Finger auf die Bibel, da hierher. Da ſteht
mein Recht. Nun ſprich mir nach: „So gewiß ich ſelig
werden will —“


Förſterin
(matt).

So gewiß ich ſelig werden will —


Förſter.

„So gewiß ſoll’s ein Geheimniß bleiben, was ich
jetzt erfahre“


Förſterin.

So gewiß ſolls’ ein Geheimniß bleiben, was ich jetzt
erfahre.

(Sie muß ſich ſetzen.)

Förſter.

Und nun merk’ auf. — Es iſt kurz — kein Aber
und kein Wenn dabei — es iſt klar wie das Recht —
und Recht muß Recht bleiben — ſonſt brauchen wir kei-
nen Gott im Himmel!


[160]Der Erbförſter.
(Nachdem er ſchon einigemal angeſetzt, gedrückt und leiſe, indem er ſie
vorführt.)

Erſchrick’ nicht. — Der Robert hat unſern Andres er-
ſchoſſen und ich — ich hab’ ihn gerichtet.


Förſterin.

Ach Gott!

(Sie kann ſich kaum mehr halten; ſie will nach
dem Stuhl; er hält ſie feſt.)

Förſter.

Ich hab’ ihn gerichtet. Wie’s dort ſteht, Auge um
Auge, Zahn um Zahn. Ich hab’ ihn gerichtet, weil die
Gerichte nicht recht richten. Sie haben zweierlei Recht
und hier ſteht’s: Ihr ſollt einerlei Recht haben. Ich hab’
ihn nicht gemordet; ich hab’ ihn gerichtet.


(Er macht Schritte, verſinkt; dann wieder an der Stelle, wo er die
Förſterin noch glaubt, die nach dem Stuhle ſchleicht.)

Aber ich weiß nicht, ob’s auch geſchehen iſt — das, was
geſchehen iſt. Im Kopf iſt mir’s ſo wild und wüſt —


(beſinnt ſich mühſam)

aber es iſt doch wohl geſchehen — was
geſchehen iſt — und wie’s geſchehen ſollte — was ge-
ſchehen iſt — da kommt mir die Marie in die Augen,
als ſtellte ſie ſich vor ihn und winkte mir zurück und
ſchrie: es iſt ja der — nun der, den Du weißt. Es war
dummes Zeug; es war nur in meinen Augen. Auf den
Wein geht mir’s allemal ſo, daß ich Dinge ſeh’, die nicht
da ſind. Und wenn ſie’s geweſen wär’ — der Schuß war
ſchon nicht mehr in meiner Hand.


Förſterin.

Allmächtiger Gott!

(Sie ſchleppt ſich mühſam in Mariens
Kammer.)

[161]Der Erbförſter.
Förſter

(wird’s nicht gewahr und fährt vor ſich hinſtarrend fort, als ſtände ſie
noch neben ihm).

Sie war’s nicht. Wie ſollte die Marie dort hinkom-
men? Es iſt eben der Wein, daß ich ſie heut’ überall
ſeh’. Aber ich war doch erſchrocken, bis ich ſah, es war
nur der Rauch geweſen vom Schuß. Es ging Alles im
Kreis vor meinen Augen. Aber wie der Rauch weg war
— das war ein Augenblick — da ſah ich den — noch
immer daſteh’n wie vorhin, aber nur einen Augenblick —
da brach er zuſammen, da war’s geſchehen, was geſchehen
iſt. Da faltet’ ich die Hände über meinem Stutz und
ſagte: Dir iſt Dein Recht geſcheh’n. Und betete: Gott
ſei ſeiner armen Seele gnädig. Da flog ein Schwarm
Eulen auf und krächzte. Das war, als ſagten ſie Amen;
da ſtand ich wieder ſtraff auf meinen Füßen. Denn das
Recht will Gott und Erd’ und Himmel und alle Kreatur.


(Er verſinkt in’s Brüten.)

Fünfter Auftritt.


Förſter verſunken, allein; dann Stein, der Paſtor, erſt noch in
der Scene.

Stein
(noch draußen).

Ulrich!


Förſter
(erwachend, mechaniſch).

Stein!


Ludwig, dram. Werke. I. 11
[162]Der Erbförſter.
Stein
(wie oben).

Hörſt Du?


Förſter
(auf einmal im Zuſammenhang).

Es iſt doch geſcheh’n.

(Er faßt nach der Flinte, bezwingt ſich
aber.)

Nein; nicht den Gedanken mehr als mein Recht!


Stein
(eintretend, der Paſtor hinter ihm).

Wo iſt Dein Andres, Ulrich!


Förſter.

Was willſt Du von meinem Andres?


Stein.

Meinen Robert von ihm fordern.


Förſter.

Deinen Robert? Von meinem Andres? — Hier ſieh’
her.

(Zeigt das Tuch.)

Paſtor.

Um Gottes willen! — an dem Tuche klebt Blut!


Stein.

Was iſt das?


Förſter.

Das iſt meines Andres Blut und Dein Robert hat’s
vergoſſen. Und Du haſt Deinen Möller nach Soldaten
geſchickt. Und Du haſt mich zum Schurken gemacht vor
der Welt. Mit Euern zwei Rechten! Daß Ihr’s biegen
könnt’, wie Ihr wollt. Aber hier

(auf ſeine Bruſt ſchlagend)

giebt’s noch ein Recht; das könnt Ihr nicht biegen und
Eure Advokaten nicht.


[163]Der Erbförſter.

Sechſter Auftritt.


Andres (erſt noch draußen). Die Vorigen.

Andres
(draußen, leiſe).

Vater —

Paſtor.

Wer ruft?

Stein.

Iſt das nicht Andres Stimme?


Förſter
(fortfahrend).

Hier ſteht es: Einerlei Recht ſoll ſein. Und das
Recht hat Euch gerichtet. Wer einen Menſchen erſchlägt,
der —


Andres.

Vater!


Förſter

(zitternd nach der Thüre ſtarrend, tonlos, mechaniſch).

Der — der — ſoll — ſterben —


Andres
(tritt ein).

Stein
(Andres entgegen).

Gott ſei Dank! Andres, Du lebſt!


Förſter
(rafft ſich zuſammen).

Es iſt nicht wahr. Er iſt todt. Er muß todt ſein.


Andres.

Vater!


11*
[164]Der Erbförſter.
Förſter
(die Hand abwehrend gegen ihn ausgeſtreckt).

Wer biſt Du?


Andres
(immer ängſtlicher).

Kennſt Du Deinen Andres nicht mehr?


Förſter.

Mein Andres iſt todt. Liegſt Du erſchlagen im
heimlichen Grund — dann ſollſt Du mein Andres ſein,
dann iſt Alles gut, dann wollen wir jubeln, dann wollen
wir ſingen: Herr Gott Dich loben wir!


Paſtor.

Er iſt wahnſinnig.


Stein.

Andres, mein Robert —


Andres.

Sie haben mein Tuch, das der Lindenſchmied mir
geſtohlen hat, eh’ er den Buchjäger erſchoß?


Stein.

Der Lindenſchmied hat den Buchjäger erſchoſſen? Und
mein Robert —


Andres.

Robert verfolgte ihn. Er zwang Robert, auf ihn zu
ſchießen.


Förſter.

Der? Der hatte Deine Flinte?


Andres.

Mit meinem Tuch geſtohlen.


[165]Der Erbförſter.
Förſter.

Und der Robert hat ihn? —


Andres.

Der Lindenſchmied war nicht tödtlich getroffen; da
ließ ich ihn in der Mühle verbinden und in die Gerichte
ſchaffen —


Förſter
(immer mehr zuſammenbrechend).

Ich hab’ unrecht!

(Sinkt in einen Stuhl.)

Andres.

D’rum komm’ ich jetzt erſt heim.


Förſter
(ſteht auf, geht mit dem Gewehre zu Stein).

Stein, thu’ mir mein Recht.


Stein.

Was ſoll das?


Förſter.

Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn —


Stein
(den Paſtor anſehend).

Was iſt das wieder?


Förſter.

Der Weiler hielt den Lindenſchmied mit der Flinte
für meinen Andres. Dein Robert hat den Lindenſchmied
getroffen und ich — hab’ Deinen Robert dafür erſchoſſen.

Paſtor.

Allmächtiger Gott!

Andres
(zugleich).

Den Robert!


[166]Der Erbförſter.
Förſter
(faſt zugleich).

Schieß’ zu.


Stein
(hat die Flinte an ſich geriſſen).

Mörder Du!

(Der Paſtor fällt ihm in den Arm.)

Andres
(ſchnelles Zuſammenſpiel).

Den Robert, Vater? Der Robert lebt.


Zugleich.
Stein.

Er lebt?

Paſtor.

Er lebt?

Förſter.

Er — lebt?

Andres.

Er lebt, ſo gewiß ich lebe!


Förſter.

Es war nur ein Traum? Ich wär’ kein Mörder?
Ich wär’ ein unbeſcholtener Mann?


Paſtor.

Das ſind Sie, Ulrich. Verſcheuchen Sie den un-
glücklichen Wahn.


Stein.

Mann, wozu hätt’ſt Du mich verleitet!

(Legt die
Büchſe weg.)

Förſter.

Du haſt ihn geſeh’n? Wann haſt Du ihn geſeh’n,
Andres? Jetzt Andres? Jetzt erſt, Andres?


[167]Der Erbförſter.
Andres.

Nur jetzt, wie ich heimging, begegnet’ ich zwei Män-
nern aus der Mühle mit einer Tragbahre. Der Robert
hatte ſie eben aus den Betten gerufen; ſie gingen nach
dem heimlichen Grund; Robert war ihnen ſchon voraus.


Förſter.

Nach dem heimlichen Grund?


Paſtor.

Mit einer Bahre?


Stein.

Was lauert da noch?


Förſter

(iſt nach Marien’s Kammerthür gelaufen, zieht jetzt die Hand vom Drücker
wieder zurück).

Gott ſei Dank!

(Horchend.)

Ich hör’ ſie athmen. O
ſie hat einen ruhigen Schlaf. Eine Welt von Sorgen
und ſie athmet ſie einem weg von der Bruſt. Hören Sie,
Herr Paſtor, hören Sie?


Stein.

Der Unglückliche! Sein Wahnſinn kehrt wieder.


Paſtor

(nach einer ängſtlichen Pauſe, in der der Förſter an ſeinem Geſichte hing).

Ich höre nichts. Das iſt Ihr eigner ſchwerer Athem,
den Sie hören.


Förſter
(beginnt wieder zuſammenzubrechen).

Mein eigner ſchwerer Athem, den ich höre —

(er rafft
ſich zuſammen, öffnet.)

Meine Augen lügen. Wo ſie nicht
[168]Der Erbförſter.
iſt, da ſeh’ ich ſie, und wo ſie iſt, da ſeh’ ich ſie nicht.
Herr Paſtor, um Gotteswillen ſagen Sie: dort liegt die
Marie.

(Er hat den Paſtor krampfhaft beim Arm gepackt.)

Paſtor.

Ich ſehe ſie nicht. Das Bette da iſt unberührt, die
Fenſter offen — die Frau Förſterin —


Förſter
(ſtürzt in die Kammer).

Weib! Weib! Unglückliches Weib!


Siebenter Auftritt.


Förſterin (geſpenſtig; kann kaum geh’n und ſprechen, vom Förſter
mit Gewalt hereingeriſſen). Vorige.

Förſter.

Wo haſt Du mein Kind?


Andres.

Mutter, was iſt Dir?

(Er unterſtützt ſie auf der einen, der
Paſtor auf der andern Seite.)

Förſterin.

Andres! Doch Einer!


Förſter
(ſchüttelt ſie).

Mein Kind! Mein Kind! Wo haſt Du mein Kind?


[169]Der Erbförſter.
Förſterin
(mit Abſcheu, aber ſchwach).

Laſſ’ mich, Du —


Förſter.

Meine Marie!


Förſterin.

Nach dem heimlichen Grunde — Du —


Förſter.

Rabe, Du lügſt!


Förſterin.

Zum Robert —


Förſter.

Ja, ſie iſt mir begegnet — im Nebel — wie ich
kam —


Förſterin.

Das war der Wilhelm —


Förſter.

Die Marie war’s, Weib, die Marie!


Paſtor.

Sie kann nicht mehr antworten. Sie iſt ohnmächtig.


Stein.

Macht ſie von dem Raſenden los!


Förſter.

Du willſt ſagen, ich hätte mein Kind —


[170]Der Erbförſter.
Andres.

Mutter! Mutter!

(Er und der Paſtor um ſie beſchäftigt am
Tiſche rechts.)

Stein
(der unterdeß den Förſter von ihr abzuhalten ſucht).

Laß ſie los, Wahnſinniger!


Förſter.

Wahnſinnig? Gott gebe, daß ich’s bin!


(Es pocht; entſetzt tritt er einen Schritt zurück und ſtreckt abwehrend die
Hand gegen die Thür.)

Dummes Zeug! Was wollt Ihr denn? Ihr Alle da?
Das iſt ja die Marie. Sie ſteht draußen und traut ſich
nicht herein, weil ſie in die Nacht hinausgelaufen iſt.
Sie hat das Herz nicht; ich bin ſtreng — o ich bin
ſtreng. Dummes Mädel!

(Er reißt ſich ſelber auf.)

Komme,
was da will!

(Er ſtürzt nach der Thür; eh’ er ſie erreicht, pocht
es nochmals; er tritt wieder entſetzt und ohnmächtig zurück.)

Das
hitzige Fieber graſſirt — weiter iſt’s nichts. Das ſind
die Vorboten; Zähneklappen und Fröſteln am Rückgrat
herab. Hollunderthee — ’s iſt um eine Nacht Schweiß
oder zwei. — Was hat das Pochen mit dem Fieber?
Warum macht Niemand auf? Ruf’ doch eins herein.
Warum ſeid Ihr Alle ſo bleich und bringt die Zähne
nicht von einander? Hat eins Märchen erzählt und Ihr
graut Euch? Meine Marie war ein lebendig Märchen —
ſie iſt — ſie iſt, will ich ſagen. Daß die Marie todt wär,
das thut ſie mir nicht zu Leid. Sie weiß, daß ich nicht
leben kann ohne meine Marie. Hört Ihr ſie kichern
[171]Der Erbförſter.
draußen? Nun wird ſie hereinhüpfen und mir die Augen
zuhalten, wie ſie’s macht, und ich darf ihr den Spaß
nicht verderben. O es iſt

(er will lachen und ſchluchzt)

— ein


(wie außer ſich.)

Einmal muß es doch — Herein!

(Er wollte
nach der Thür, ſinkt aber mit zugehaltenen Augen in einen Stuhl links.)

Achter Auftritt.


Robert, Wilhelm, dann zwei Männer mit einer bedeckten Bahre,
die ſie hinſtellen und geh’n. Die Vorigen.

Stein.

Robert!

(Ihm entgegen.)

Siehſt Du, Ulrich? Er lebt!


Robert
(ihm in die Arme fallend, bleich und außer ſich).

Vater! Vater!


Stein.

Was iſt Dir?


Robert.

Daß der Mörder mich getroffen hätte! Vater Ulrich,
ſei ein Mann!


Förſter
(zuſammengerafft mit letzter Anſtrengung).

Nur zu. Ich will ſeh’n, ob ich einer bin.


Robert
(nimmt die Decke weg).

Stein.

Großer Gott!


[172]Der Erbförſter.
Förſterin

(die von Andres und dem Paſtor unterſtützt an der Bahre in die Knie ge-
ſunken iſt).

Marie!


Andres.

Ach Gott! ſie iſt’s, die Marie.


Stein
(Zuſammenſpiel Aller).

Wie iſt’s geſcheh’n? Erkläre, Robert!


Paſtor.

Mir iſt’s entſetzlich klar.


Robert
(mühſam ſeine Faſſung erhaltend).

Sie betete: „Gott laß mich nur meines Vaters ſein.“
Ich will ihr ſagen: Marie, Du läßt mich? Da ſpringt
ſie auf mich zu, als wenn ſie mich decken wollte mit dem
eignen Leib, winkt und ruft nach dem Walde zu. Ich
ſehe Niemand; ich verſtehe ſie nicht; ich will fragen:
was iſt Dir, Marie? da fällt ein Schuß, ſie bricht mir
in den Armen zuſammen, ich ſtürze über ſie, eine Kugel
hat ihr Herz getroffen.


Förſterin.

Das war ihr Traum.


Stein
(hält Robert in ſeinen Armen, faſt zugleich).

Sie ſtarb für Dich.


Förſter.

Sie ſah mich auf ihn zielen und lief abſichtlich in
meinen Schuß. Ich wollte richten und — hab’ mich
[173]Der Erbförſter.
ſelbſt gerichtet. Verbrechen und Strafe mit Eins. Ich
betete: Gott ſei ſeiner armen Seele gnädig; ich betete
für mich; und die Eulen haben Amen gekrächzt und
meinten mich!


Robert
(tritt entſetzt zurück).

Allmächtiger — er hat’s ſelbſt —!


Stein.

Du haſt’s nicht mit Bewußtſein gethan. Ein ſchreck-
licher Wahnſinn trieb Dich wider Deinen Willen.


Paſtor.

Nicht ſo ſtarr, Mann. Gott legt nicht den äußern
Maßſtab an die That. Unſchuld und Verbrechen ſteh’n
an den Enden des Menſchlichen; aber den Unſchuldigen
und den Verbrecher trennt oft nur Ein ſchnellerer Puls.


Förſter.

Gebt mir Worte des Lebens für Euer Hirngeſpinnſt,
kein Wenn und kein Aber. Sagt mir was, daß ich’s
glauben muß. Eure Reden zwingen nicht. Was tröſtet
Ihr meinen Kopf? Tröſtet mein Herz, wenn Ihr könnt.
Könnt Ihr mein Kind lebendig machen mit Euerm Troſt,
daß mir’s in die Arme fliegt? Dann tröſtet zu. Jedes
Wort, das mein Kind nicht lebendig macht, ſchlägt’s
noch einmal todt.


Stein.

Flieh’ nach Amerika; ich will Dir Päſſe beſorgen;
all’ mein Geld iſt Dein. Dein Weib und Deine Kinder
ſind die meinen.


[174]Der Erbförſter.
Förſter.

Hörſt Du, Andres, was der Mann da ſagt? Er will
Euch Geld geben. Dafür kauft Euch eine Leierorgel.
Damit zieht auf den Märkten umher und ſingt von dem
alten Mordkerl, der ſein Kind erſchoß. Um nichts, um
gar nichts, auf der Welt um nichts. Ihr braucht kein
Bild. Nehmt die alte Frau da mit; ſo malt Euch kein
Maler die Geſchichte, wie ſie auf ihrem Geſicht geſchrie-
ben ſteht. Streicht mir das Kind heraus. Beſchreibt ſie
ſchöner als ſie war — wenn Ihr das könnt, wie Ihr
Euch den ſchönſten Engel denkt, und dann ſagt: Sie
war doch noch tauſendmal ſchöner. Und den alten Mord-
kerl ſtellt mir hin, daß über das Kind ein Waſſerfall
kommt von Thränen und auf den Alten jeder Gaſſen-
junge die Fäuſte ballt. Das wär’ ein Herz, wie’s der
alte Mordkerl hatte, der’s erſchoß, das die Geſchichte
hörte und Euch nicht mit klappernden Zähnen den letzten
Pfennig gäb’ und hätt’s zehn verhungernde Kinder zu
Haus, und nicht zu Gott betete für das Kind und dem
alten Mordkerl fluchte, der’s erſchoß. Sagt nicht: der
Mann war redlich ſein Leben lang und hat ſich gehütet
vor dem Böſen und hat einen Gott geglaubt und hat
kein Stäubchen gelitten an ſeiner Ehre, ſonſt glauben
ſie’s Euch nicht. Sagt, er ſah aus wie ein Wolf, ſagt
nicht, ſein Bart war weiß, wie er’s that, ſonſt gibt Euch
Niemand was. Das glaubt Euch Niemand, daß einer ſo
alt ſein kann und doch ſo ein Böſewicht. Und unten hin
[175]Der Erbförſter.
macht noch ein Bild, wo der alte Mordkerl ſich erſchießt
und als Geſpenſt umgeht bei Nacht. Und wo er’s that,
da ſitzt er wimmernd die Mitternächte hindurch mit ſei-
nen glühenden Augen und ſeinem weißen Bart; und da
kühlt kein Lüftchen, und da fällt kein Thau und kein Re-
gen; da wachſen giftige Blumen, das iſt verflucht, wie
er ſelbſt. Und das Thier, das ſich hin verirrt, brüllt
vor Angſt und den Menſchen rüttelt’s wie ein Fieber.
Und einem Engel geht ein Streifen aus dem Mund: da
ſitzt er, den Gott gezeichnet hat. Abel war ein Mann
und Cain nur ſein Bruder, aber das war ein Kind und
der’s erſchlug, war ſein Vater. Für den Cain noch eine
Seligkeit, aber für den alten Kindesmörder keine —
keine — keine! — O einen Troſt! Einen Troſt! Einen
Strohhalm nur von einem Troſt. Ich wollt’ meine Se-
ligkeit drum geben, wenn ich eine zu erwarten hätte.
Gott will ich fragen, ob’s noch einen Troſt gibt für mich.


(Er nimmt die Bibel und lieſt, erſt an allen Gliedern zitternd, mit ſtoßen-
dem Athem.)

„Wer irgend einen Menſchen“ —


Paſtor.

Nicht weiter, Ulrich. Laſſen Sie mich Ihnen Worte
des Lebens zeigen, Worte der Menſchlichkeit. „Gott will
nicht den Tod des Sünders, ſondern daß er ſich beſſere
und lebe“ —


Förſter

(der die Bibel feſthält und ſich losmacht, faſt zugleich).

Laßt mich, Ihr Unmenſchen mit Eurer Menſchlichkeit.


[176]Der Erbförſter.
(Er lieſt weiter, mit jedem Wort wird ſein Weſen ruhiger und gewiſſer,
der Ton ſeiner Stimme kräftiger.)

„Wer irgend einen Menſchen
erſchlägt, der ſoll des Todes ſterben.“

(Legt die Bibel hin.)

Stein.

In dieſen Worten findet er Beruhigung?


Paſtor.

Gönnt jedem den Troſt, der ihn tröſtet.


Förſter

(nimmt die Bibel wieder auf; der Ausdruck ſeines Weſens ſteigt bis zur
Freudigkeit).

Das iſt Gewißheit, das iſt Verheißung, das zwingt;
kein Aber und kein Wenn. Wer irgend einen Menſchen
erſchlägt, der ſoll des Todes ſterben; das heißt: dann
iſt’s gebüßt, dann iſt’s ausgelöſcht und er iſt wieder rein.


(Er ſetzt ſeinen Hut auf und knöpft ſich ein.)

Ich geh’ in die Gerichte.

(Will geh’n.)

Stein.

Und Du meinſt, ſie werden Dich tödten?


Förſter
(bleibt ſteh’n und wendet ſich).

Paſtor.

Man hat Schuldigere begnadigt als Sie.


Förſter.

Zum Zuchthaus — was? wie den Lentner? der —
Ja ſie richten nicht recht, nicht wie’s daſteht in ihren
[177]Der Erbförſter.
Gerichten; weiß ich’s doch — aber — gut — gut —


(nimmt die Flinte).

Stein.

Was willſt Du!


Förſter.

Nichts. Die Flinte da muß ich mithaben, womit’s
geſchehen iſt. O ſie nehmen’s genau damit. — Lebt
wohl, Andres, Wilhelm — Haltet die Mutter gut.


(Gibt Allen die Hände.)

Stein — Herr Paſtor — Robert — Sophie — Sie iſt
ohnmächtig; Gott wird ſie mir bald nachſchicken. —
Begrabt mir mein Kind. Laßt die Glocken läuten; ihren
Brautkranz legt auf ihren Sarg — o ich bin ein altes
Weib — Wenn wir uns wiederſeh’n, bin ich kein Mör-
der mehr.


(Grüßt noch einmal Alle mit der Hand.)

Stein.

Du willſt —


Förſter
(wendet ſich an der Thür).

Mein Recht — und dann

(zeigt in die Höh’)

zu meinem
Kind.

(Ab.)

(Kurze Pauſe, in welcher die Uebrigen mit Verwunderung und Rührung
ihm nachſeh’n.)

Stein
(von Ahnung ergriffen).

Wenn der andere Lauf noch geladen iſt — ſchnell,
eilt ihm nach —


(Vor der Thüre fällt ein Schuß).

Ludwig, dram. Werke. I. 12
[178]Der Erbförſter.
Faſt zugleich.

Zu ſpät! — Ich ahnt’ es.


Andres, Wilhelm
(hinauseilend).

Vater!

Robert

(in der offenen Thür von Schreck und Schmerz feſtgehalten über
das, was er ſieht).

Er hat ſein Recht!

Stein
(auch an der Thür).

Zum zweiten Mal ſein Richter.

Paſtor
(hinzutretend).

Ihm geſchehe, wie er geglaubt.


(Vorhang fällt).

Ende des fünften Aufzugs.

Appendix A

Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.


[][][]

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Holder of rights
Kolimo+

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2025). Collection 2. Der Erbförster. Der Erbförster. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bmph.0