der
Deutschen Rechtswissenschaft.
Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht. Band II.
Verlag von Duncker \& Humblot.
1896.
[[III]]
Verwaltungsrecht.
Verlag von Duncker \& Humblot.
1896.
[[IV]]
Das Recht der Übersetzung wird vorbehalten.
Pierer’sche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel \& Co. in Altenburg.
[[V]]
Inhaltsverzeichnis.
- Besonderer Teil.
- Zweites Buch.
- Erster Abschnitt.
Das öffentliche Sachenrecht. - Seite
- § 33. Die Enteignung; Gliederung des Verfahrens 3
- § 34. Fortsetzung; die Wirkungen der Enteignung 29
- § 35. Das öffentliche Eigentum; Begriff und Umfang 60
- § 36. Fortsetzung; die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums 85
- § 37. Gebrauchsrechte an öffentlichen Sachen; der Gemeingebrauch 110
- § 38. Fortsetzung; die Gebrauchserlaubnis 137
- § 39. Fortsetzung; die Verleihung besonderer Nutzungen 147
- § 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten 163
- § 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung 178
- Zweiter Abschnitt.
Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse. - § 42. Die öffentliche Dienstpflicht; rechtliche Natur und Arten 195
- § 43. Fortsetzung; Zwangsdienstpflicht und übertragen es Ehrenamt 202
- § 44. Fortsetzung; die Anstellung im Staatsdienste 220
- § 45. Fortsetzung; die Dienstgewalt 234
- § 46. Fortsetzung; vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse 248
- § 47. Öffentliche Lasten; gemeine Lasten 263
- § 48. Fortsetzung; Vorzugslasten und Verbandlasten 276
- § 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen 294
- § 50. Fortsetzung; Rechte und Pflichten des beliehenen Unternehmers 308
- § 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung; Rechte des Benutzenden 318
- § 52. Fortsetzung; Gegenrechte der öffentlichen Anstalt 333
- § 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung 345
- § 54. Fortsetzung; Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht 357
- Dritter Abschnitt.
Das Recht der juristischen Personen. - Seite
- § 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes 366
- § 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen 376
- § 57. Entstehung des Selbstverwaltungskörpers 387
- § 58. Das Recht der Vertreterschaft 394
- § 59. Die Aufsichtsgewalt 410
- § 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichung 423
- § 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers 437
- Anhang.
- § 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaitungsrecht 453
Berichtigungen.
- Zu S. 30 Note 2 Z. 3 v. u. l. „einem“ statt „seinem“.
- Zu S. 353 Note 10 erste Z. l. „S. 135, 136“ statt „S. 141, 142“.
Besonderer Teil.
(Fortsetzung.)
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 1
[[2]][[3]]
Zweites Buch.
Erster Abschnitt.
Das öffentliche Sachenrecht.
§ 33.
Die Enteignung; Gliederung des Verfahrens.
Die Enteignung ist ein obrigkeitlicher Eingriff in das
Eigentum, um es dem Unterthanen ganz oder teilweise
zu entziehen zu Gunsten eines öffentlichen Unter-
nehmens.
In dem bestimmten Rechtsinstitut, zu welchem unsere Gesetze
die Enteignung ausgebildet haben, ist sie lediglich gegen das Eigentum
an Grundstücken gerichtet. Die Inanspruchnahme beweglicher
Sachen folgt anderen Regeln1.
Nach Erwägungen der Nützlichkeit soll hier vom Eigentum des
Unterthanen genommen werden können, was erforderlich scheint. Das
öffentliche Unternehmen steht beherrschend im Mittelpunkt. Das
öffentliche Unternehmen ist ein Stück öffentlicher Verwaltung. Und
1*
[4]Das öffentliche Sachenrecht.
der Thatsache, daß ein Bedürfnis der öffentlichen Ver-
waltung dagegen stößt, hat das Recht des Einzelnen zu weichen.
Das ist die Grundidee, um die es sich hier handelt. Dafür knüpft
sich an den Eingriff ein Anspruch des Betroffenen auf angemessene
Entschädigung. —
Ganz anders geartet stellt sich das Rechtsinstitut von vornherein
dar, als die im ersten Buche unseres besonderen Teiles betrachteten
Erscheinungen. Ein neues Gebiet von Rechtsformen der Verwaltung
thut sich damit auf. Was ihnen allen gemeinsam ist, erscheint an
der Enteignung nur in besonders scharf ausgeprägten Zügen.
In Polizeigewalt und Finanzgewalt stand der Staat als reine
Obrigkeit über dem Wechsel und der Mannigfaltigkeit des Lebens
der Gesellschaft, diesem folgend mit seinen Maßregeln und sich ihm
anschließend, um es in Ordnung zu halten und um die Geldmittel
daraus zu ziehen, die es ihm greifbar macht. Jetzt tritt er selbst in
dieses Leben der Gesellschaft ein, mitten unter die Einzelnen, als
der wie sie, und doch nicht wie sie, Geschäfte besorgen will, äußer-
liche Mittel für diese Zwecke aufstellt und verwendet, sachliche und
persönliche, und dabei in allerlei Berührung kommt zu den Unter-
thanen, die er in ihrem Dasein und Wirtschaften bald fördert, bald
in Anspruch nimmt. Er erscheint jetzt als der große Unter-
nehmer, um ins Werk zu setzen, was zur Befriedigung allgemeiner
Interessen dient, als der intendant géneral, wie ein französischer
Schriftsteller ihn treffend bezeichnet hat.
Das Verwaltungsrecht legt damit jene starre Einseitigkeit ab,
bei welcher dem Einzelnen immer nur Befehl, Auflage, Zwang ent-
gegentrat, und alles was ihm etwa gewährt wurde, nichts weiter war,
als ein Nachlassen der Gewalt. Es wird jetzt gegeben wie ge-
nommen, Ausgleichungsmaßregeln knüpfen sich an das eine, wie an
das andere, und schließlich kommt in den Selbstverwaltungskörpern
sogar noch eine gleichgeartete Mitarbeiterschaft zur Anerkennung.
Ein frei bewegliches Verkehrsrecht schmiegt sich den einzelnen öffent-
lichen Unternehmungen an nach ihren Bedürfnissen und Zwecken,
wie im Civilrecht der Wirtschaft der Einzelnen. Die Verwandtschaft
mit diesem bezeugt sich an unserer Einteilung: Sachenrecht,
Recht der besonderen Schuldverhältnisse (besondere, im
Gegensatze zu den schon vorweggenommenen Schuldverhältnissen der
Polizei- und Finanzgewalt) und Personenrecht, das sich hier be-
schränkt auf die uns gehörigen juristischen Personen. Von nun an
findet sich denn auch, worauf schon Bd. I S. 136 hingewiesen worden
ist, daß die Namen unserer einzelnen Rechtsinstitute immer wieder
[5]§ 33. Enteignungsverfahren.
entlehnt werden der Ausdrucksweise des Civilrechts. Gerade das
öffentliche Sachenrecht liefert die Hauptbeispiele.
Daß aber hier ein öffentliches Unternehmen in Frage
ist, ein Unternehmen, in welchem ein Stück öffentlicher Verwaltung
erscheint, das giebt dem Rechtsinstitut seine Eigenart. Öffentlich-
rechtlich sind im Zweifel die Beziehungen, die von hier aus mit den
Einzelnen sich knüpfen, gemäß den Bd. I S. 141 aufgestellten Grund-
sätzen. Und die rechtlich überwiegende Kraft der öffentlichen Ge-
walt, die dem Einzelnen demgemäß entgegentritt, erhält ihre be-
stimmte Gestalt durch den Zusammenhang mit diesem Unternehmen.
Sie mag sich unmittelbar erweisen in der Unbedingtheit und Un-
widerstehlichkeit, mit der es vorgeht. Sie mag übersetzt sein in
die Formen des Rechtsstaates, Rechtssatz und Verwaltungsakt, die für
es erlassen werden. Immer steht das öffentliche Unternehmen maß-
und richtunggebend dahinter.
Dieser Gedanke bleibt der feste Punkt in der Reihe der Er-
scheinungen, die nunmehr, mit der Enteignung beginnend, an uns
vorüberziehen werden. —
I. Die Entwicklungsstufen unseres öffentlichen Rechts haben der
Enteignung jeweils ihr besonderes Gepräge aufgedrückt.
Zuerst erscheint sie als ein Stück in jener Sammlung eigenartiger
Rechte, aus der die Landesherren die Staatsgewalt bilden sollten.
Die Befugnis, Privateigentum zu entziehen, wo das öffentliche Interesse
es erheischt, wird als ein Hoheitsrecht anerkannt. Und zwar fiel
sie zunächst unter den umfassenderen Begriff des jus eminens, das
in dieser Anwendung ganz folgerichtig als dominium eminens be-
zeichnet wurde: vermöge seines allgemeinen Oberrechts hebt der
Landesherr im Notfalle auch dieses jus quaesitum auf (Bd. I S. 33).
Wenn später Streit entsteht, ob es nicht, statt dominium, vielmehr
imperium sei, was da ausgeübt wird, so bedeutet das nichts anderes
als einen Übergang in die ordentlichen Hoheitsrechte: das Ungewöhn-
liche wird abgestreift; es gehört schon zum einfachen jus politiae,
Privateigentum erforderlichen Falles für öffentliche Zwecke in An-
spruch nehmen zu dürfen. Im übrigen bleibt die Ausübung dieses
Rechtes an die Bedingungen gebunden, welche den Hoheitsrechten
überhaupt gesetzt sind (Bd. I S. 28 u. 29 ff.)2.
[6]Das öffentliche Sachenrecht.
Der Polizeistaat verwischt die vorgefundenen Rechtsschranken
auch für diesen schwerwiegenden Eingriff. Bezeichnend ist, daß die
Rechtslehre sich immer gesträubt hat, gerade in diesem Punkte die
Schrankenlosigkeit der Staatsgewalt anzuerkennen. Thatsächlich be-
stand sie3. Indem dabei wieder für alle „civilrechtlichen Wirkungen“
der Fiskus sich darbieten muß, wird aus dem Rechtsinstitut das be-
kannte polizeistaatliche Mischgebilde (Bd. I S. 51).
Der Verfassungs- und Rechtsstaat der Neuzeit setzt feste,
greifbare Formen des Rechts für das Verhältnis der öffentlichen Ge-
walt zum Unterthanen. Gerade für die Enteignung und das dabei zu
beobachtende Verfahren hat er die ihm eigentümlichen Formen in be-
sonders scharf ausgeprägter Weise zur Geltung gebracht. Sie sind
leicht wieder zu erkennen. Die Aufgabe ist, hinter ihnen die ein-
fache ursprüngliche Grundidee der Enteignung zu erkennen und fest-
zuhalten. Nur aus ihr bleibt das Ganze verständlich und bestimmt
sich Sinn und Tragweite dessen, was im einzelnen gewollt ist4.
1. Unsere Verfassungsurkunden sagen zum Teil geradezu: Ent-
eignung findet nur nach Maßgabe des Gesetzes statt. Zum Teil be-
gnügen sie sich, das Eigentum für gewährleistet, zugesichert, geschützt
zu erklären, was die gleiche Wirkung hat. Auch wo gar nichts gesagt
ist, versteht sich dieser Vorbehalt des Gesetzes überall von selbst
(Bd. I S. 74 ff.).
Die Enteignung bedarf also, um rechtmäßig vorgenommen zu
werden, der gesetzlichen Grundlage. Dieser verfassungsrecht-
2
[7]§ 33. Enteignungsverfahren.
lichen Ordnung kann dadurch genügt werden, daß das Gesetz die
Enteignung unmittelbar selbst ausspricht, wie dadurch, daß es die
Regierung oder ein Glied der Behördenordnung dazu ermächtigt.
Im Sinne des Rechtsstaats aber ist es, wenn es seine Gewalt mög-
lichst nur so verwendet, daß es in allgemeinen Regeln ordnet, was
im Einzelfalle geschehen soll. Die Behörden handeln dann in Ge-
bundenheit an diese Rechtssätze und das Vorbild der Civilrechtspflege
ist wieder befolgt5.
Die rechtssatzmäßige Regelung kann freilich hier nicht so weit
gehen, daß im Einzelfalle schlechthin nur das Gesetz anzuwenden
wäre, wie das z. B. bei der Steuererhebung, bei der strafrechtlichen
Einziehung, der Fall ist. Es gehört zum Wesen der Enteignung,
daß sie in gewissem Maße frei und beweglich bleibe, um im Einzel-
fall zu bestimmen, was der Lebendigkeit des öffentlichen Unter-
nehmens entspricht. Das Gesetz wird also den Spielraum, welchen
es der Verwaltung lassen muß, nur nach Thunlichkeit rechtlich um-
grenzen, indem es Voraussetzungen und Schranken dafür aufstellt und
Formen des Verfahrens zu beobachten giebt6.
Zunächst, wenn nichts weiter dazwischen käme, würden diese ge-
setzlichen Ermächtigungen, fremdes Eigentum zu nehmen, einfach zu
denken sein als für das öffentliche Unternehmen, d. h. für den Unter-
nehmer gegeben, also je nachdem für den Staat oder für den, der
sonst als Herr dieses Stückes öffentlicher Verwaltung an seiner Stelle
steht. Wo die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind und sonach
die Möglichkeit für ihn besteht, zuzugreifen, wäre für diesen das
Enteignungsrecht begründet, ein subjektives öffentliches Recht
in dem Bd. I S. 106 bestimmten Sinn, ein Recht von derselben Natur
wie das, Friedensleistungen für militärische Zwecke in Anspruch zu
nehmen oder einen Polizeibefehl zu erlassen. So bleibt es aber nicht.
2. Das Verfahren, in welchem auf Grund der gesetzlichen Er-
[8]Das öffentliche Sachenrecht.
mächtigung die Enteignung durchgeführt wird, hat als hervor-
stechendstes Merkmal eine eigentümliche Verteilung der dafür
zu entwickelnden Thätigkeiten. Es ist eine bekannte Forde-
rung des Rechtsstaates, daß die Beziehungen zwischen der öffent-
lichen Verwaltung und dem Unterthanen statt durch einfaches that-
sächliches Vorgehen, jeweils auch im Einzelfall bestimmt werden
durch bindende obrigkeitliche Aussprüche über das, was Rechtens
sein soll. Der Verwaltungsakt dient dazu (Bd. I S. 66, 95). Das
erscheint nun hier in der verschärften Gestalt, daß der Verwaltungs-
akt losgelöst wird von der sonstigen Führung des öffentlichen Unter-
nehmens, für das er ergeht, und besonderen Enteignungs-
behörden vorbehalten7. Die Verteilung der Rollen ist die, daß
der ganze Entschluß zu enteignen und die Wahl der zu ergreifenden
Gegenstände nach wie vor aus dem Verwaltungszweige hervorgeht,
dem das Unternehmen angehört, die Enteignungsbehörde daran nur
eine beschränkte Nachprüfung vornimmt. Diese Prüfung erstreckt
sich nicht bloß auf die Rechtsfrage der gesetzlichen Zulässigkeit,
sondern enthält zugleich ein Abwägen des öffentlichen Interesses nach
der Richtung hin, ob es stark genug ist, dem Unterthanen gegenüber
den Eingriff zu rechtfertigen (unten II n. 1 und III S. 27). Alles
was sonst noch auf den Entschluß des Unternehmers von Einfluß
sein kann, die Rücksicht auf erforderlichen Aufwand und vorhandene
Mittel oder erwartete Nebenvorteile, bleibt außer Ansatz. Die Ent-
eignungsbehörde tritt also in dieser Beziehung nicht schlechthin an
die Stelle des Unternehmers. Wohl aber thut sie das ganz im Ver-
hältnis nach außen; hier wirkt nur ihr Akt, nur durch ihn kann
sich die Enteignung vollziehen. Der Wille des Unternehmers hat hier-
für keine eigene Kraft; er erscheint dabei als bloßer Antragsteller,
als betreibender Teil.
Das Gesamtbild bekommt große Ähnlichkeit mit einem gerichtlichen
Prozeßverfahren. Der Eindruck wird noch gesteigert dadurch, daß
der Unternehmer auch ein anderes Rechtssubjekt sein kann als der
Staat, der Enteignungsausspruch dagegen stets von der staatlichen
Behörde erfolgt und im Namen des Staates, wie der Spruch des Ge-
richtes. Aber der ganze innere Zusammenhang ist ein anderer. Das
Gericht ist dazu da, dem Kläger den obrigkeitlichen Schutz zu ge-
[9]§ 33. Enteignungsverfahren.
währen für das Recht, das ihm gegenüber dem Beklagten zusteht.
Die besondere Enteignungsbehörde dagegen ist eingeschoben, um an
Stelle des Unternehmers die öffentlichrechtliche Macht zur Geltung
zu bringen, die von seinem Unternehmen ausgehen soll. Damit ist
dem Unternehmer das unmittelbare „Recht“ gegenüber dem Eigentümer,
das hier in Frage käme (oben n. 1), förmlich abgenommen. Er steht
als solcher nur in einem Verhältnis zu der Behörde oder zu dem
Staate, namens dessen sie spricht (unten II n. 2). Die Möglichkeit,
falls die Behörde sich ihm anschließt, dem ins Auge gefaßten Eigen-
tümer beizukommen, ist alles, was ihm diesem gegenüber „zusteht“.
Nennt man also Enteigner den, der das Eigentum entzieht, so ist es
hier allemal nur der hinter der Enteignungsbehörde stehende Staat.
Ist Enteignungsrecht die rechtliche Möglichkeit, so zu wirken, so hat
es der Staat allein, wer auch der Unternehmer sei8.
3. Der behördliche Ausspruch, welcher demnach den Mittelpunkt
des Enteignungsverfahrens bildet, hat die vom betreibenden Unter-
nehmer gestellten Anträge nach zweifacher Richtung zu prüfen: es
kommt darauf an, ob ein Unternehmen vorliegt, für welches Ent-
eignung stattfinden soll, und sodann, ob die bezeichneten Stücke des
Privateigentums dafür erforderlich und in Anspruch zu nehmen sind.
Die Feststellung dieser beiden Punkte kann in zwei getrennte
Verwaltungsakte auseinander gezogen werden. Dann wird der erste,
die Feststellung des Enteignungsfalles, als der wichtigere
folgenschwerere einer höheren Zuständigkeit vorbehalten sein; der Fürst
selbst, oder die gesetzliche Einzelverfügung erscheinen als Mitwirkende
im Enteignungsverfahren. Auf Grund dieses Aktes erst macht dann
[10]Das öffentliche Sachenrecht.
die untere Behörde die Feststellung des Enteignungsgegen-
standes, in welcher sie die Folgerungen für die einzelnen Grund-
stücke zieht, und verfügt die Enteignung9. Auch wo die äußere Ein-
heitlichkeit des Aktes beibehalten wird, kann die besondere Wichtig-
keit jenes ersten Punktes durch Vorbehalt höherer Genehmigung für
diesen Teil des Ausspruches zur Geltung kommen10.
Die Entschädigung des Enteigneten ist nur eine Folge der Ent-
eignung, kein Stück des Rechtsinstituts selbst. Insofern die Wirkungen
der Enteignung dadurch bedingt sind, ragt sie allerdings sehr be-
deutsam in das Verfahren herein; davon unten § 34, II n. 2. Außer-
dem verumstandet sich der Gang desselben noch durch mancherlei
Formvorschriften, welche bestimmt sind, alle einschlagenden Interessen
zu Worte kommen zu lassen, technische Erhebungen mit öffentlich-
rechtlichen Eigentumsbeschränkungen, wonach die nötigen Vorarbeiten
zu dulden sind, civilrechtlich wirkende Verfügungsbeschränkungen
für die betroffenen Eigentümer u. s. w.11.
Wesentlich sind jene zwei verwaltungsaktmäßigen Feststellungen,
die wir nunmehr noch genauer zu untersuchen haben.
II. Das erste Stück des Enteignungsverfahrens, die Fest-
stellung des Enteignungsfalles, besteht in der Anerkennung
des geplanten Unternehmens als eines solchen, für welches die Ent-
eignung stattfinden soll. Es muß ein dazu geeignetes Unternehmen
sein, sowohl nach seinem Gegenstande als auch nach seinem
Träger, dem Unternehmer. Beides stellt der Akt fest und be-
zeichnet dadurch einerseits den Zweck der Enteignung, andererseits
das Rechtssubjekt, für welches sie wirken soll.
1. Es muß sich um ein Unternehmen von öffentlicher Nützlich-
keit handeln, das zu seiner Durchführung des Privateigentums
bedarf.
Denkbar wäre es, im Enteignungsgesetz die berufenen Unter-
nehmungen nach festen äußerlichen Merkmalen rechtssatzmäßig so
genau zu bezeichnen, daß es sich im Einzelfalle lediglich um An-
wendung dieser Regel handelte, um eine bloße Erklärung dessen,
was Rechtens ist. Jedes Unternehmen, bei welchem jene Merkmale
zutreffen, gäbe dann ein Recht auf die Zulassung zur Enteignung.
Gültig wäre das, aber der Natur der Enteignung entspricht es nicht.
[11]§ 33. Enteignungsverfahren.
Thatsächlich verfahren denn auch die Enteignungsgesetze nicht so,
sondern überlassen es in größerem oder geringerem Maße dem freien
Ermessen dieses Aktes, wann er dem Unternehmen eine genügende
öffentliche Nützlichkeit beimessen will, wann nicht12.
Das wird am deutlichsten da, wo das Gesetz über die besondere
Art des zuzulassenden Unternehmens überhaupt nichts bestimmt,
sondern nur ganz allgemein aufstellt: Enteignung findet statt „für
gemeinnützige Zwecke“, „aus Gründen des öffentlichen Wohles“, oder
„für öffentlichen Nutzen“. Das ist die Form, in welcher unsere
meisten allgemeinen Enteignungsordnungen sich ausdrücken13.
Das Gesetz kann aber auch die enteignungsfähigen Unter-
nehmungen ihrem Gegenstande nach bezeichnen, durch Aufzählung
in allgemeinen Enteignungsordnungen oder Einzelhervorhebung eines
Zulässigkeitsfalles gelegentlich der Ordnung eines besonderen Ver-
waltungszweiges. Dann hat das nicht die Bedeutung, daß nun
überall ohne weiteres Enteignung statthaft sein soll, wo ein diesen
Merkmalen entsprechendes Unternehmen vorliegt; vielmehr ist behufs
Feststellung des Enteignungsfalls immer erst noch zu prüfen, ob unter
den gegebenen Umständen die Inanspruchnahme des Privateigentums
dafür auch wirklich „vom gemeinen Nutzen erfordert“ ist. Die ge-
setzliche Gegenstandsbezeichnung hat also nur die Bedeutung einer
weiteren Schranke: für andere Gegenstände als diese darf auch bei
gegebener öffentlicher Nützlichkeit nicht enteignet werden14.
[12]Das öffentliche Sachenrecht.
Gewisse Grenzen bestehen allerdings auch bei der allgemeinsten
Form der gesetzlichen Enteignungsermächtigung. Sie sind still-
schweigend gemeint, wenn das Gesetz nicht ausdrücklich anders be-
stimmt. Denn die Grundidee der Enteignung steht dahinter, wonach
darin ein öffentliches Unternehmen das Privateigentum für seine Be-
dürfnisse in Anspruch nimmt. Wenn das Gesetz sagt: enteignen, so
meint es demgemäß nicht: wegnehmen, weil es dem Staat nützlich,
oder weil es im Sinne eines allgemeinen, kaum begrenzbaren öffent-
lichen Interesses ist; sondern es meint von selbst nur, daß das
Grundstück soll genommen werden dürfen, um dem in einem be-
stimmten Unternehmen verkörperten öffentlichen Interesse, einem
Stücke öffentlicher Verwaltung zu dienen15. Im Zweifel
sind also ausgeschlossen alle Enteignungsarten, die nicht geschehen
würden, um das Enteignete in diesem Sinne zu verwenden.
Nach verschiedenen Richtungen wird dieser Auslegungsgrundsatz
von Wichtigkeit.
Es wird danach vor allem die Enteignung versagt zur Verfolgung
fiskalischer Interessen, die ja wohl noch ein staatliches Unternehmen
vorstellen könnte. Für die eigentlichen fiskalischen Verwal-
tungen ist das ganz selbstverständlich (Bd. I S. 141); Erweiterung
und Abrundung der Staatsdomänen z. B. kann nicht in dieser Weise
14
[13]§ 33. Enteignungsverfahren.
geschehen. Hier handelt es sich überhaupt nicht um öffentliche Ver-
waltung16.
Aber auch gelegentlich der Besorgung von Angelegenheiten der
öffentlichen Verwaltung kann die Enteignung nicht benutzt werden,
um Grundstücke zu erwerben, die nicht dem Unternehmen selber
dienen, sondern durch ihre Weiterveräußerung einen Gewinn ab-
werfen sollen. Wenigstens ist die normale Enteignung für solche
Spekulation nicht gegeben; die Gesetze gestatten es ausnahms-
weise17.
Unzulässig ist in diesem Sinne auch die Enteignung, wenn es
sich bloß darum handelt, die Besitzverhältnisse zwischen den
Einzelnen zu ändern, so daß das Grundstück gar nicht an ein
öffentliches Unternehmen übergeht. Man denke etwa an eine Ent-
eignung von Großgrundbesitz zur Verteilung an die Bauern, oder
von Fabriken behufs genossenschaftlicher Unternehmungen der Ar-
beiter18.
Ebensowenig würde sich aus der allgemeinen Enteignungs-
ermächtigung eine Entziehung von Privateigentum rechtfertigen, die
nur bezweckte, die Störungen zu beseitigen, die aus der bis-
[14]Das öffentliche Sachenrecht.
herigen Benutzung dem öffentlichen Interesse bereitet werden mögen:
Verunstaltungen des Anblicks der öffentlichen Straße, Gesundheits-
widrigkeiten u. dergl. Hier soll das Grundstück nicht dienen, sondern
nur aufhören zu schaden. Maßregeln solcher Art sind ihrer Natur
nach bestimmt, in den Formen der Polizeigewalt vorgenommen
zu werden, und dazu gehört die Enteignung nicht. Durch besonderes
Gesetz kann sie auch hierfür verwendbar gemacht werden. Sie giebt
eine passende Form, um die Vermögenswirkungen des Eingriffes in
billiger Weise auszugleichen: dem Betroffenen eine Entschädigung zu
sichern, der Verwaltung zugleich die Möglichkeit anderweitiger Ver-
wertung zu beschaffen zur Deckung ihrer Kosten19. —
Die Grenzen des freien Ermessens, wie sie demnach das Gesetz
liefert oder auch ohne es die Natur der Sache, beziehen sich durch-
weg nur auf die Würdigung der Art des zuzulassenden Unternehmens.
Kein Maßstab läßt sich dagegen aufstellen nach der anderen Seite
hin: für die Stärke nämlich, mit welcher das Interesse, das in dem
öffentlichen Unternehmen steckt, zur Verwirklichung drängt, ob sie
groß genug ist, das Eigentum zu überwinden20. Das ist ganz Sache
des Eindrucks, den die Sache macht. Gerade deshalb kommt es hier
sehr darauf an, wer der Unternehmer ist, der die Enteignung be-
gehrt. Wenn die obersten Stellen der Staatsverwaltung ein Unter-
nehmen für notwendig befunden haben, um es selbst ausführen zu
lassen, oder für wichtig genug, um eine Konzession dafür zu erteilen,
wird für den Feststellungsakt, der von einer anderen Stelle ausgeht,
immer noch die Nachprüfung der Zulässigkeit rücksichtlich der Art
des Unternehmens offen sein; denn das ist eine Rechtsgrenze. Aber
das öffentliche Interesse an der Durchführung nochmals abzuwägen,
hat keinen Sinn; dafür ist vollgültiges Zeugnis da. Anders wenn
etwa eine Gemeinde für ihr Vorhaben die Enteignung begehrt oder
ein beliehener Unternehmer innerhalb eines in der Verleihung ge-
[15]§ 33. Enteignungsverfahren.
lassenen Spielraums sich weiter ausdehnen will. Da wird auch diese
Seite der Sache noch allen Ernstes geprüft werden, bevor man zu-
läßt. Das macht einen wichtigen Unterschied; aber er ist doch mehr
thatsächlicher Natur.
2. Die Nützlichkeit eines Unternehmens und seine Wichtigkeit
für das Gemeinwohl genügen nicht. Es muß ein Stück der öffent-
lichen Verwaltung sein und dazu kann es nur werden in der Hand
eines Rechtssubjektes, das fähig ist, als Träger öffentlicher Verwaltung
aufzutreten21.
Die Feststellung des Enteignungsfalles enthält daher als zweites
Stück den Ausspruch, daß dieses Erfordernis eines geeigneten
Unternehmers gegeben ist. Das hat nicht bloß Bedeutung für
die Frage der Zulässigkeit der Enteignung für dieses Unternehmen.
Es sind außer dem Staate noch andere Rechtssubjekte als Unter-
nehmer möglich. Das Unternehmen, welches in diesem Verfahren
seine Kraft gegenüber dem Privateigentum bewährt, thut das mit
Rechtswirkung für seinen Herrn, für das bestimmte Rechtssubjekt,
dem es gehört. Dieses wird hier bezeichnet. Damit ist die be-
treibende Partei unterschieden für den weiteren Prozeß und der
künftige Erwerber (unten S. 35).
Die Prüfung aber, welche dieser Feststellung vorangeht, erstreckt
sich darauf, ob der Unternehmer innerhalb des Kreises der ihm zu-
stehenden öffentlichen Verwaltung sich bewegt und ob er ordnungs-
mäßig vertreten ist, um aus der Enteignung berechtigt und ver-
pflichtet zu werden. In beiden Richtungen kann der Akt selbst, der
die Feststellung macht, vermöge der sonstigen Zuständigkeiten der
Stelle, von der er ausgeht, die etwa notwendigen Ergänzungen geben.
Abgesehen hiervon ist die Prüfung, im Gegensatz zu dem unter n. 1
behandelten Punkte, durchaus nur darauf gerichtet, zu finden und an-
zuerkennen, was Rechtens ist, ohne alles freie Ermessen.
Was zu prüfen und nötigenfalls zu ergänzen ist, wird ver-
schieden sein nach der Art des Rechtssubjektes, das als Unter-
nehmer auftritt, d. h. nach dem Rechtstitel, durch welchen es zur
Führung öffentlicher Verwaltung berufen ist.
[16]Das öffentliche Sachenrecht.
Dreierlei Fälle sind möglich.
Der erste ist der, wo der Staat selbst der Unternehmer
ist. Seine Fähigkeit, öffentliche Verwaltung zu führen, ist unbe-
grenzt. Ob er gehörig vertreten ist, hängt von der zu prüfenden
Zuständigkeit des Amtes ab, welches mit der Betreibung der Ent-
eignung sich befaßt. Insofern die Feststellung des Enteignungsfalles
von der obersten Stelle ausgeht, kann sich mit diesem Akte eine
selbständige Begründung der Zuständigkeit, durch besondere Beauf-
tragung, unmittelbar verbinden.
Zwischen dem Staat als Unternehmer und dem Staat, der die
Enteignung aussprechen lassen will, besteht kein Rechtsverhältnis.
Er ist beiderseits das nämliche eine Rechtssubjekt, nur in verteilten
Zuständigkeiten vertreten, ähnlich wie in der Strafrechtspflege durch
Staatsanwaltschaft und Gericht. Will man wie dort nach diesen Zu-
ständigkeiten Rechte unterscheiden, die für ihn geltend gemacht werden,
so entspricht seinem Strafrecht hier sein Enteignungsrecht, seinem
Strafverfolgungs- und Strafvollzugsrecht hier das „Recht“ der Be-
treibung und Ausnutzung der Enteignung für sein Unternehmen22. —
Der zweite Fall ist der, wo eine untergeordnete juristische Person
des öffentlichen Rechts, ein Selbstverwaltungskörper, das
Unternehmen als eigene Angelegenheit ausführen will (unten § 55 ff.).
Die eigenen Angelegenheiten der Selbstverwaltungskörper sind Stücke
der öffentlichen Verwaltung, die sie an Stelle des Staates üben. Der
Unternehmer betreibt also hier das Verfahren kraft Selbstverwal-
tungsrechts.
Zu prüfen ist die Frage, ob die Enteignung noch in rechtmäßiger
Ausübung seines Rechtes begehrt wird. Es kann insbesondere eine
Genehmigung von Aufsichtswegen für ein solches Vorgehen erforder-
[17]§ 33. Enteignungsverfahren.
lich sein. Dann wird sich diese Genehmigung wieder möglicherweise
mit der Anerkennung des Enteignungsfalles unmittelbar verbinden.
Man spricht hier von einem Enteignungsrechte der Gemeinden,
Kreise u. s. w. Das ist natürlich ein Recht ganz anderer Art als das
auf der gesetzlichen Ermächtigung beruhende sogenannte Enteignungs-
recht des Staates, von welchem wir oben S. 6 gesprochen haben. Es
kann zweierlei bedeuten.
Einmal den Anspruch der Gemeinde dem Staate gegenüber auf
Zulassung der Enteignung für ihre Unternehmungen, sofern er die
sonstigen Voraussetzungen der Enteignung für sein eigenes Unter-
nehmen in solchem Fall gegeben fände, d. h. auf die Anerkennung
der von ihr innerhalb ihres Selbstverwaltungsrechtes beschlossenen
Unternehmungen als öffentlicher. Dieser Anspruch ist nur ein Stück
und Ausfluß des ihr dem Staate gegenüber überhaupt zustehenden
Selbstverwaltungsrechtes.
Sodann aber bedeutet es dem Unterthanen gegenüber die recht-
liche Möglichkeit, für ihr Unternehmen die Zulassung der Enteignung
zu erwirken, und nach geschehener Zulassung die Befugnis, die Ent-
eignung gegen ihn zu betreiben mit der Folge, daß die Wirkungen
daraus für sie eintreten. Das ist dann das nämliche Recht, welches
der Staat im ersten Falle selbst hat und durch das betreibende Amt
ausübt, neben dem Rechte, das er durch die Enteignungsbehörde aus-
übt: das Unternehmerrecht neben dem Enteignungsrecht.
Nennt man ersteres auch Enteignungsrecht, so hat eben der Staat
zweierlei Enteignungsrechte23. —
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 2
[18]Das öffentliche Sachenrecht.
Endlich kann das Unternehmen, für welches enteignet wird, auch
ausgehen von einem Einzelnen, einer Gesellschaft oder einer juristischen
Person, der es nicht kraft Selbstverwaltungsrechtes zusteht. Damit
es als ein öffentliches im Sinne des Enteignungsgesetzes gelte, ge-
nügt auch hier nicht seine öffentliche Nützlichkeit dem Gegenstande
nach. Es muß auch in den Händen des Privatunternehmers in recht-
lichem Zusammenhang stehen mit der öffentlichen Gewalt, abgeleitet
von dieser. Die Form dafür gibt das Rechtsinstitut der Konzession,
der Verleihung öffentlicher Unternehmungen (unten § 49).
Das verliehene Unternehmen ist ein Stück öffentlicher Verwaltung.
Der Beliehene wird durch die Verleihung befähigt, die Enteignung
dafür zu betreiben, wie die Gemeinde für das ihrige durch ihr
Selbstverwaltungsrecht.
Man kann hier wieder von einem Enteignungsrechte des beliehenen
Unternehmers sprechen ganz in dem nämlichen zwiefachen Sinne, wie
bei der Gemeinde und ganz in der nämlichen Uneigentlichkeit. Die
zur Anerkennung des Enteignungsfalles berufene Behörde prüft den
Rechtstitel des Beliehenen vor der Frage der sonstigen Zulässigkeit
der Enteignung Wiederum aber ist sie imstande, jene Voraussetzung
unmittelbar selbst zu schaffen, die Verleihung gleichzeitig zu erteilen,
wie sie im ersten Fall gleichzeitig die Zuständigkeit des betreibenden
23
[19]§ 33. Enteignungsverfahren.
Amtes begründen, im zweiten Fall die aufsichtsrechtliche Genehmi-
gung des Gemeindebeschlusses geben kann.
Und zwar findet sich solche Verbindung hier besonders häufig.
Man spricht abgekürzt von der Verleihung des Expropriations-
rechtes an den Unternehmer. In Wirklichkeit wird das Enteignungs-
recht, wie es durch die Enteignungsbehörde geübt wird, niemals ver-
liehen, so wenig wie die Gerichtsbarkeit. Das Enteignungsrecht aber
im Sinne der Fähigkeit, betreibender Teil im Enteignungsverfahren
zu sein, ist nicht selbständiger Gegenstand einer Verleihung, vielmehr
nur eine Folgerung, die der Staat zieht aus der geschehenen oder
gleichzeitig stattfindenden Verleihung eines öffentlichen Unternehmens.
Es wird auf das Gesuch hin ausgesprochen: dieses bestimmte
Unternehmen in der Hand dieses bestimmten Unternehmers, also z. B.
der Eisenbahnbau, Chausseebau, Kanalbau, die Sumpfaustrocknung,
wird als öffentliches Unternehmen anerkannt. Darin liegt die Ver-
leihung mit allen besonderen Pflichten und Befugnissen, welche aus
diesem öffentlichrechtlichen Rechtsgeschäfte sich ergeben. Und daran
schließt sich dann die Feststellung des Enteignungsfalles zu Gunsten
dieses Unternehmens und des Unternehmers, die für sich so wenig
eine Verleihung ist, wie die gleiche Feststellung, die zu Gunsten des
Staates selbst oder der Gemeinde gemacht wird24.
2*
[20]Das öffentliche Sachenrecht.
III. An die Feststellung des Enteignungsfalles schließt sich dann
das zweite Stück des Enteignungsverfahrens: die Bestimmung der
einzelnen Grundstücke, welche für dieses Unternehmen erforder-
lich sind und von der Enteignung betroffen sein sollen. Damit wird
die unmittelbare Wirkung geübt, für welche der erste Akt nur die
Grundlage schafft.
In diesem Teile des Verfahrens erhält deshalb der Unternehmer
seinen bestimmten Gegner in dem von dem Eingriffe Betroffenen,
dem Eigentümer des in Anspruch genommenen Grundstückes. Ein
Gehör für die Beteiligten, vor allem auch für die so Bedrohten, kann
schon im ersten Teil im Hinblick auf den festzustellenden Enteignungs-
fall eröffnet sein25. Jetzt wird es zu einer wesentlichen Bedingung
des gesetzlich geordneten Verfahrens, daß dasselbe gegen den
Eigentümer sich richte. Diesem werden die beabsichtigten Ver-
fügungen mitgeteilt, die ausgesprochenen kundgegeben, er muß vorher
seine Einwendungen vorbringen und nachher Beschwerden erheben
können.
Von der Erfüllung dieser Bedingung hängt die Rechtsgültigkeit
der Enteignung ab. Sache des betreibenden Unternehmers ist es also,
seinen richtigen Gegner zu finden und in seinem Antrag der Ent-
eignungsbehörde zu bezeichnen. Dabei kann sich nun eine Schwierig-
keit ergeben. Die Bezeichnung des richtigen Gegners ist nämlich ver-
hältnismäßig leicht zu beschaffen, wo, wie jetzt meist in Deutschland,
ein geordnetes Grundbuch in irgend einer Form besteht. Selbst dann
ist ein Fehlgehen möglich. Noch mehr aber würde da, wo der als
Eigentümer Geltende nicht in solcher Weise formell kenntlich gemacht
ist, die ausgesprochene Enteignung an einer gewissen Unsicherheit
leiden: das Grundstück hat sie ja immer richtig erfaßt, aber ob auch
die Bedingung der Gültigkeit des Verfahrens erfüllt ist, daß es gegen
den richtigen Eigentümer gegangen sei, kann fraglich werden. Des-
halb sind vom Gesetze Maßregeln vorgezeichnet, welche bestimmt
24
[21]§ 33. Enteignungsverfahren.
sind, alle diese Unsicherheiten zu beseitigen: bei Erfüllung gewisser
Formen soll die Enteignung auch dann gültig sein, wenn der richtige
Eigentümer dem Unternehmer nicht gegenüber stand.
Es kann eine Auflegung des Enteignungsplanes vorgeschrieben
sein, mit öffentlicher Aufforderung, davon Einsicht zu nehmen;
die Enteignungsbehörde hat darauf zu sehen, daß die Eigentümer
darin möglichst richtig angegeben sind. Nach Ablauf der Frist und Er-
füllung der weiteren Voraussetzungen wird dann auf Grund des Planes
die Enteignung gültig ausgesprochen, auch für den Fall, daß in der
Bezeichnung des Eigentümers ein Irrtum vorlag26.
Eine andere Form ist die, daß man in Ermanglung eines Grund-
buches den Unternehmer ermächtigt, gegen den im Grundsteuerkataster
Eingetragenen wegen des Grundstücks zu verfahren mit der Folge,
daß die auf dieses Verfahren hin ausgesprochene Enteignung des
Grundstücks gegen den wahren Eigentümer wirkt27.
Gerade dadurch, daß die Person des wahren Eigentümers bei
Erfüllung derartiger Formen ganz außer Spiel bleiben kann, bekundet
sich die rechtliche Natur der Enteignung aufs deutlichste mit ihrer
dinglichen Richtung.
Was die im Verfahren gegen diesen Gegner zu enteignenden
[22]Das öffentliche Sachenrecht.
Grundstücke selbst anlangt, so sind in dieser Beziehung zwei
Punkte besonders zu beachten.
1. Grundsätzlich unterliegen der Enteignung alle Grundstücke
des Staatsgebietes ohne Unterschied der Beschaffenheit und der Art
der Benutzung und ohne Ansehen des Eigentümers.
Auch die Grundstücke des Staates selbst sind davon nicht
ausgeschlossen. Man hat vermeint, es als eine „Absurdität“ bezeichnen
zu können, daß der Staat, der doch allein enteignet, sich selbst Gewalt
anthun solle28. Allein es handelt sich gar nicht einmal um eine ver-
einzelte Erscheinung. Der Staat verurteilt sich selbst durch seine
Gerichte, legt sich selbst öffentliche Lasten auf und stellt sich über-
haupt in einer ganzen Reihe von verwaltungsrechtlichen Rechtsinstituten
zugleich als der Belastete, Verpflichtete dar; das öffentliche Recht ist
rückbezüglich auf den Staat wie das Civilrecht. Das ist ja eben die
Bedeutung des Fiskusbegriffes, daß er den Staat in einer Stellung
bezeichnet, in welcher er dem ausgesetzt ist, von öffentlichrechtlichen
und civilrechtlichen Rechtsvorgängen getroffen zu werden, wie ein
Privater (Bd. I § 12, III n. 2). Fiskus ist der Staat als Vermögens-
subjekt, insbesondere also auch als Besitzer von Grundeigentum. Wenn
er Grundeigentum besitzt wie ein Privater, so wird sein Eigentum von
den Regeln des Civilrechtes getroffen, warum nicht auch von den
Regeln des Enteignungsgesetzes?
Insofern das Grundstück bereits in seiner gegenwärtigen Be-
stimmung einem überwiegenden öffentlichen Interesse dient, steht es
ja in der Hand der Enteignungsbehörde, nach ihrem freien Ermessen
die Enteignung zu versagen, oder kann sie von höheren Vorgesetzten
veranlaßt werden, es zu thun. Das ist aber eine Frage, welche sich
schon im ersten Stadium[] bei der Feststellung des Unternehmens im
allgemeinen erledigen wird. Im übrigen wird die Enteignung gegen
den Staat selbst ihren praktischen Zweck zumeist darin haben, daß
sie zur Überleitung in das Entschädigungsverfahren dient, in welchem
gegenüber dem betreibenden Selbstverwaltungskörper oder dem be-
liehenen Unternehmer die Entschädigung festgesetzt werden soll nach
den Regeln des gemeinen Rechts. Das hat seinen guten Sinn. Ist
freilich der Staat zugleich selbst der Unternehmer, so wäre auch das
nur vom Standpunkte eines verschrobenen Ressort-Partikularismus aus
nötig. Die Verständigung der Behörden, der unternehmenden und der
zu enteignenden, oder in ihrer Ermanglung das Eingreifen der
[23]§ 33. Enteignungsverfahren.
Centralleitung wird das Verfahren vernünftiger Weise überflüssig
machen29.
Von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Enteignung gegen den
Staat ist überall keine Rede.
Das alles gilt aber immer nur in der Voraussetzung, daß der
besitzende Staat, gegen den die Enteignung sich richten soll, in seinem
Besitze einem gewöhnlichen Privaten gleichsteht, daß sein Eigentum
Privateigentum ist. Nur dann ist er gegenüber der Enteignung der
Fiskus, den die für Private gegebenen Ordnungen gleichmäßig mit-
zutreffen vermögen. Der Staat kann aber auch Grundstücke haben,
die er nicht nach Civilrecht besitzt, in deren Besitz er nicht Fiskus
ist. Das ist der Fall des öffentlichen Eigentums. Das Gleiche kann
auch bei Selbstverwaltungskörpern, Gemeinden, Kreisen, Provinzen zu-
treffen; auch diese haben öffentliches Eigentum. Was das öffentliche
Eigentum ist, werden wir demnächst noch genauer zu untersuchen
haben (unten § 35 u. 36). So viel können wir aber hier schon voraus-
nehmen, daß gegenüber dem öffentlichen Eigentum die Voraussetzung
für die Rückbeziehung alles Civilrechtes und öffentlichen Rechtes nicht
gegeben ist: in ihm steht der Staat nicht wie ein anderer Privateigen-
tümer da; es ist die nämliche öffentliche Gewalt, die im öffentlichen
Eigentum und die im Ausspruch der Enteignung erscheint. Der Schluß
ist gegeben: das Rechtsinstitut der Enteignung ist gegen das öffentliche
Eigentum nicht anwendbar30.
[24]Das öffentliche Sachenrecht.
Wenn man sich gegen die Anerkennung dieses Satzes teilweise
noch sträubt und die Zulässigkeit der Enteignung schlechthin auch
für das öffentliche Eigentum behauptet, so geschieht es wesentlich aus
Erwägungen der Zweckmäßigkeit. Es handle sich z. B. um eine
Eisenbahnanlage, wofür ein öffentlicher Weg, ein Stück des öffentlichen
Flusses oder sonst ein Stück öffentlichen Eigentums in Anspruch ge-
nommen werden muß. Sollte das nun einfach auf dem Wege der
Enteignung nicht zu machen sein? Geschieht es nicht thatsäch-
lich doch31?
[25]§ 33. Enteignungsverfahren.
Die Lösung liegt darin, daß das öffentliche Eigentum selbst in
seinem Rechtsbestande nicht unabänderlich ist. Es kann seiner
öffentlichrechtlichen Natur entkleidet werden durch einen Akt der
darüber gesetzten Behörde, die Auflassung, Aufhebung, Deklassierung;
davon soll unten (§ 36, III) noch eingehender gehandelt werden. Die
Auflassung bewirkt, daß das Grundstück dem Staate, der Gemeinde,
oder wem es sonst bisher schon gehörte, fortan nach gewöhnlichem
Privateigentum zusteht, folglich auch Gegenstand der Enteignung
sein kann.
Überall also, wo das Enteignungsverfahren für ein öffentliches
Unternehmen auf öffentliches Eigentum stößt, kann die Durchführung
vermittelt werden durch eine Auflassung, aber auch nur durch eine
solche wird sie möglich. Der dazu nötige Akt wird sich in zwangloser
Weise mit dem ganzen Prozeß verbinden, auch stillschweigend kann
er erfolgen. Im Falle die zunächst dazu berufene Behörde, die als
Vertreterin des Herrn der öffentlichen Sache von dem Unternehmer an-
zugehen und als Beteiligte in das Verfahren zu ziehen war, sich weigert,
in die Auflassung zu willigen, wird in Frage kommen, inwieweit auf
dem Wege der Beschwerde oder der Anrufung einer Aufsichtsgewalt
diese Auflassung doch noch zu erreichen ist. Die Gewalt des Ent-
eignungsausspruches für sich allein dringt hier nicht durch32.
[26]Das öffentliche Sachenrecht.
Es ist deshalb nicht richtig, zu sagen: öffentliches Eigentum kann
enteignet werden. Richtig ist, daß öffentliches Eigentum aus Anlaß
des Enteignungsverfahrens aufgelassen und alsdann das daraus ent-
standene civilrechtliche Eigentum des Staates, der Gemeinde, im
gewöhnlichen Gange des Verfahrens zur Enteignung gebracht werden
kann33.
[27]§ 33. Enteignungsverfahren.
2. In welchem Umfange das Grundeigentum in Anspruch ge-
nommen werden soll, bestimmt sich einzig nach dem Bedürfnis des
Unternehmens. Es ist eine Zweckmäßigkeitsfrage und als solche eine
Frage des freien Ermessens. Dieses Ermessen bleibt ein freies, auch
wenn es der Forderung unterliegt, daß es geleitet sei von Verstand
und Gerechtigkeit; es hat eine Grenze nur an dem Punkte, wo es in
offenbaren Mißbrauch übergeht34.
Auf mehr, als nach solchem Ermessen nötig erscheinen mag, soll
die Enteignung nicht gehen. Diese Regel entscheidet nicht bloß über
die Frage, ob das einzelne Grundstück überhaupt in Anspruch zu
nehmen ist, sondern auch über das Maß, in welchem es zu erfasssen
ist: von jedem einzelnen darf nicht mehr genommen werden, als der
Zweck erfordert.
Das Gesetz kann aber durch ausdrückliche Bestimmung Ab-
weichungen von diesem Grundsatze vorschreiben, sodaß die Behörde
die Enteignung aussprechen muß auch über Grundstücke und Grund-
stücksteile, welche nach ihrem Ermessen für das Unternehmen selbst
nicht erforderlich wären. Diese Ausdehnung der Enteignung
über ihren eigentlichen Zweck hinaus hat jeweils die Bedeutung einer
besonderen Berücksichtigung des Vermögensinteresses des einen oder
des anderen Teiles. Sie kommt demgemäß immer nur zur Anwendung
infolge und auf Grund einer besonderen darauf gerichteten Willens-
erklärung des Begünstigten.
Hierher gehören Ausnahmsbestimmungen, welche dem Unternehmer
33
[28]Das öffentliche Sachenrecht.
gestatten, zugleich auch die durch sein Unternehmen im Werte ge-
steigerten angrenzenden Grundstücke an sich zu ziehen, d. h. mit in
der Enteignung begreifen zu lassen. So bei den oben (Note 17) er-
wähnten Zonenexpropriationen.
Einen regelmäßigen Bestandteil der allgemeinen Enteignungs-
gesetze bildet die freigestellte Ausdehnung der Enteignung behufs
besserer Lösung der Entschädigungsfrage.
Der Enteignete kann verlangen, daß von dem Unternehmer ein
größeres Stück der angegriffenen Liegenschaft übernommen wird, als
er bedarf, oder diese Liegenschaft ganz, falls nämlich die Enteignung,
innerhalb ihrer natürlichen Grenzen durchgeführt, ein für seinen Zweck
nicht wohl brauchbares Restgrundstück zurücklassen würde. So vor
allem, wenn die Enteignung Gebäudeteile trifft oder ein Grundstück
allzusehr zerstückelt. Die Minderwertigkeit der Übrigbleibenden würde
ohnehin durch Entschädigung ausgeglichen werden müssen. Der Zwang
zur Übernahme des Ganzen vereinfacht nur die Erledigung dieses
Punktes. Der Zwang besteht darin, daß auf die berechtigter Weise
erhobene Forderung des Enteigneten hin die Enteignungsbehörde nur
einen auf das Ganze gestellten Enteignungsantrag des Betreibenden
zusprechen darf, den gestellten und aufrechterhaltenen Teilantrag aber
von selbst als auf das Ganze erweitert anzusehen hat35.
Manche Gesetze, die Minderzahl, gestatten umgekehrt auch dem
Enteigner, in solchen Fällen eine Vereinfachung seiner Entschädigungs-
[29]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
pflicht herbeizuführen, indem er freiwillig den Antrag auf Enteignung
des Ganzen stellt, auch gegen den Willen des Eigentümers36.
Das Recht der Inanspruchnahme des einzelnen Grundstückes kann
aber nicht bloß räumlich, sondern auch dem Inhalt nach begrenzt
sein. Es ist möglich, daß es für das Bedürfnis des Unternehmers
genügt, wenn das Eigentum nicht gänzlich entzogen, sondern nur be-
schränkt wird. Dann soll wieder grundsätzlich nicht weiter gegangen
werden.
Eine derartig beschränkte Enteignung ist in Wirklichkeit nicht
sehr gebräuchlich. Man kann allerdings im voraus meist gar nicht
berechnen, wie weit der verbleibende Rest des Eigentumsrechtes dem
sich entwickelnden Unternehmen störend werden kann.
Rechtlich möglich ist eine solche Beschränkung in verschiedener
Weise. Vorausgesetzt ist immer, daß es sich um eine Beschränkung
handelt, die das Privateigentum seiner Natur nach anzunehmen ge-
eignet ist. Wie weit das der Fall ist, entscheidet das Civilrecht.
Es kann eine Teilung des Eigentums bewirkt werden, sofern das
Civilrecht einen solchen Zustand für möglich erklärt: eine Teilung
nach oben und unten, so daß z. B. das Unternehmen nur den Unter-
grund der Liegenschaft in Anspruch nimmt37.
Es kann die Belastung mit einer Dienstbarkeit stattfinden, in dem
Maße wenigstens, in welchem nach dem bestehenden Civilrecht das
Grundeigentum überhaupt solche Belastungen annimmt38. Civilrecht-
lich unmögliche Grunddienstbarkeiten können auch im Wege der Ent-
eignung nicht begründet werden.
§ 34.
Fortsetzung; die Wirkungen der Enteignung.
Die Enteignung hat als Hauptwirkung die ihrem Wesen ent-
sprechende: die Entziehung des Eigentums.
Damit sind die im Verlaufe des Verfahrens dem Grundeigentum
[30]Das öffentliche Sachenrecht.
auferlegten vorbereitenden Lasten und Beschränkungen zu Ende; dafür
knüpfen sich nun daran als Nachwirkungen: das Recht der Besitz-
ergreifung und die Pflicht zur Entschädigung.
Es können aber im Laufe des Verfahrens und nachträglich
Zwischenfälle eintreten, welche den Wirkungen beider Art zuvor-
kommen, sie beeinträchtigen oder aufheben.
I. Daß den Unterthanen das Eigentum am Grundstück zu Gunsten
des öffentlichen Unternehmens entzogen wird, macht den Kern des
ganzen Rechtsinstitutes aus. Diese Wirkung ist nach verschiedenen
Seiten hin genauer zu bestimmen.
1. Die ältere Theorie war noch unzugänglich für den Gedanken,
Rechtsübergänge sich anders zu erklären, als vermittelt durch die
gewohnten Formen des Civilrechtes. Die herrschende Meinung war
demgemäß früherhin die, daß die Enteignung einen Zwangsverkauf
bedeute1.
Die Erkenntnis der Unanwendbarkeit der Regeln des Kaufver-
trages führte nachher dazu, eine civilrechtliche Obligation
sui generis anzunehmen, welche durch die Enteignung begründet
würde. Der Eigentumsübergang vollzöge sich alsdann bei Erfüllung
dieser Obligation durch Tradition. Die Obligation selbst ist nach
Analogie einer Verkaufsobligation zu behandeln2.
[31]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Unter Verzicht auf das ganze civilrechtliche Zwischenverhältnis
lehrt die neuere Theorie, die Wirkung der Enteignung knüpfe sich
unmittelbar an einen öffentlichrechtlichen Akt der Staats-
gewalt3.
Wenn man das anfangs vielfach als einen Erwerb durch Ge-
setz bezeichnet oder den Akt selbst eine lex specialis nennt, so
sind das nur unbeholfene Versuche, um zu rechtfertigen, wie da über-
haupt eine solche Wirkung erzielt werden kann4.
[32]Das öffentliche Sachenrecht.
Der Begriff des Verwaltungsaktes mußte sich erst ausbilden,
um die volle Erklärung des rechtlichen Vorganges auf die einfachste
und kürzeste Weise zu geben. Indem wir den Enteignungsausspruch
für einen Verwaltungsakt erklären, weisen wir ihn nicht in allgemeiner
unbestimmter Weise dem Gebiet der Verwaltung zu, als eine Thätigkeits-
äußerung derselben, als Verwaltungsmaßregel u. dergl. Als Ver-
waltungsakt ist er die bindende Bestimmung dessen, was für den
Unterthanen im Einzelfall Rechtens sein soll (Bd. I, § 8, II n. 1 u. 2).
So gut der Verwaltungsakt Gehorsamspflichten, Zahlungspflichten auf-
erlegt, Nutzungen gewährt und Rechtsaussprüche des Unterthanen be-
gründet, kann er auch Eigentum entziehen, und wenn er das thut zu
Gunsten eines öffentlichen Unternehmens, ist er das Wirkende in der
Enteignung5.
Die Enteignung fügt sich damit ebenmäßig ein in das Ganze
unserer Verwaltungsrechtsinstitute.
2. Die Wirkung des Enteignungsausspruches, vermöge deren er
Eigentum entzieht, kann man sich nun wieder auf zweierlei Weise
vorstellen. Entweder man denkt sie sich gegen den Eigentümer ge-
richtet, dem das Eigentum an seinem Grundstücke dadurch ab-
genommen wird; das Eigentum geht durch die Kraft des Enteignungs-
aktes von ihm über auf den Unternehmer. Der Enteignungsanspruch,
sagt man, sei persönlicher Art6. Oder man läßt die Staats-
gewalt durch die Enteignung unmittelbar der Sache sich bemächtigen,
um sie dem Unternehmen zu widmen; daß der bisherige Eigentümer
sein Eigentum verliert, ist nur die Folge davon: die Enteignung hat
eine dingliche Richtung7.
[33]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Der Unterschied der Auffassungen ist mit „persönlich“ und
„dinglich“ nicht gut bezeichnet. Denn auch die erstere will nicht eine
persönliche Pflicht des Enteigneten begründen, welche erst durch Er-
füllung Eigentum erzeugt; auch nach ihr wird dinglich gewirkt. Aber
es wird dinglich gewirkt nur, um das bei dieser bestimmten Person
befindliche Eigentum von ihr abzuziehen. Die zweite Auffassung da-
gegen läßt die Sache selbst von der öffentlichen Gewalt ergreifen
und den Eigentümer bei Seite schieben, wer es auch sei. Der Gegen-
satz ist also vielmehr der, ob derivativer, abgeleiteter Eigentums-
erwerb für das Unternehmen bewirkt wird, oder originärer, ur-
sprünglicher8.
Der Unterschied wird in seinen Folgen an einem Punkte bedeut-
sam werden. Im ersteren Falle ersetzt die Enteignung nur die frei-
willige Veräußerung des Betroffenen; unerläßliche Bedingung für das
Gelingen der Eigentumsbegründung für das Unternehmen muß also
sein, daß man den richtigen Eigentümer getroffen hat, von dem ab
das Eigentum erworben werden soll.
Im zweiten Falle dagegen kommt weder der Wille noch die
Rechtsgewährungsfähigkeit eines Autors in Betracht. Es ist billig und
ist auch gesetzlich vorgeschrieben, daß man den bisherigen Eigen-
tümer zuziehe und das Verfahren gegen ihn richte. Diese Form-
bedingung für die Gültigkeit des Aktes kann aber recht gut auch
durch erleichternde Ersatzmittel erfüllt werden, mit welchen das Ge-
setz die Rücksicht auf den bisherigen Eigentümer genügend gewahrt
7
Binding, Handbuch. Vi. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 3
[34]Das öffentliche Sachenrecht.
glaubt: Veröffentlichungen, Zuziehung des prima-facie-Berechtigten u.
dergl. Wenn diese Formen erfüllt sind, ist das Eigentum für das
Unternehmen begründet gegen jedermann, auch gegen den wirklichen
Eigentümer, den man etwa übersehen hätte.
Das letztere ist aber, wie wir gesehen haben, thatsächlich die
Art, wie gesetzmäßig bei der Enteignung verfahren wird (oben § 33
S. 20). Die Enteignung ist also offenbar so gedacht, daß durch
den Verwaltungsakt das Eigentum an der Sache unmittelbar, mit
ursprünglicher Kraft ergriffen wird; es wird nicht abgeleitet
vom bisherigen Besitzer9.
[35]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
3. Der Herr des öffentlichen Unternehmens, für welches die
Enteignung stattfindet, erwirbt dadurch das Eigentum am Grundstück.
Die Art, wie dieser Erwerb vor sich geht, ist überall die gleiche,
wer auch der Unternehmer sei, ob der Staat selbst oder eine Gemeinde
oder ein beliehener Privatmann.
Man hat diese Gleichheit dadurch herzustellen gesucht, daß man
in allen Fällen den enteignenden Staat wie eine Mittelsperson
hineinstellt zwischen den Enteigneten und den Unternehmer. Der
Vorgang wäre dann der, daß der Staat mit der einen Hand die Sache
dem Enteigneten nimmt, mit der anderen sie dem Unternehmer giebt;
er giebt sie der Gemeinde, dem Beliehenen, und er giebt sie — der
Gleichheit halber — auch dem Fiskus10.
Diese Darstellung ist falsch. Durch den Enteignungsausspruch
giebt der Staat nichts, nicht sich selbst und ebensowenig dem ihm
gleichgeachteten Unternehmer. Das Enteignungsverfahren ist einheit-
lich darauf gerichtet, das Eigentum in Anspruch zu nehmen für die
öffentliche Verwaltung. Die Wirkung tritt ein für das Subjekt dieser
öffentlichen Verwaltung. Da dieses ein verschiedenes sein kann, spaltet
sie sich demgemäß und entsprechend ordnet sich auch schon von
vornherein die Rolle des betreibenden Teiles.
Wenn also nicht der Staat selbst, sondern die Gemeinde oder der
beliehene Unternehmer erwirbt, so ist das nicht die Folge davon, daß
der Staat ihnen die Wirkung der Enteignung vermittelt, sondern
davon, daß sie die Stelle des Staates in diesem Falle vertreten und
deshalb die Wirkungen der Enteignung von selbst aufnehmen.
4. Damit hängt ein anderer Punkt zusammen.
Das Eigentum, das für den Unternehmer begründet wird, ist
zweifellos civilrechtlicher Natur; daß es nachträglich durch Herstellung
der Straße u. s. w. in öffentliches Eigentum verwandelt werden kann
(unten § 36, I), ist eine Sache für sich.
Daher die Lehre: die Enteignung sei ein öffentlichrecht-
liches Rechtsinstitut mit civilrechtlicher Wirkung11.
3*
[36]Das öffentliche Sachenrecht.
Das scheint keine Schwierigkeiten zu haben, wo der Unternehmer
ein anderer ist als der Staat. Wo aber der Staat selbst zugleich die
Enteignung ausspricht und das Eigentum erwirbt, kommt hier ein ge-
wisser Widerspruch im Rechtsinstitut selbst zum Vorschein. Der Staat
tritt darin auf als öffentliche Gewalt; er handelt öffentlichrechtlich;
die Wirkung seiner Handlung ist nur ein Stück seiner Handlung.
Wie kann er in dieser auf einmal etwas anderes sein als öffent-
liche Gewalt, und zwar gerade das Gegenteil davon, ein Rechts-
subjekt wie die Unterthanen, dem gleichberechtigenden Civilrecht
unterworfen?
Hier hilft eben dann nur die Hereinziehung der Lehre vom Fiskus
als eines besonderen Rechtssubjektes, das neben dem Staat an der
Enteignung beteiligt ist: der Staat enteignet und bleibt darin auf dem
Boden des öffentlichen Rechtes bis ans Ende. Aber das Eigentum
giebt er dem Fiskus, der nun seinerseits als Privatmann civilrechtliches
Eigentum erwirbt, wie die Gemeinde oder der beliehene Unternehmer.
Man darf sich nicht darauf hinausreden wollen, daß man mit dem
Fiskus nur „eine Seite“ der einheitlichen Staatspersönlichkeit meine;
in dieser Verwendung behandelt man ihn geradezu als eine ge-
sonderte Person, die mit dem Staate in der Enteignung zusammen-
wirkt. Nur so wird ja der Zweck erreicht, die Möglichkeit einer
civilrechtlichen Wirkung des öffentlichrechtlichen Rechtsinstitutes zu
erklären12.
Mit dieser Hereinziehung des Fiskus bleibt aber auch die Thür
offen für alle möglichen civilrechtlichen Konstruktionen der Enteignung.
In Wahrheit hat der Fiskus hier nichts zu thun; es ist überall nur der
Staat, der mit verteilten Zuständigkeiten im Verfahren vertreten wird.
11
[37]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Die Frage, welche an die Wirkung des Rechtsinstitutes sich knüpft,
ist in anderer Weise zu lösen.
Die Enteignung ist öffentlichrechtlicher Natur, und der Staat tritt
in allem, was er durch seine verschiedenen Vertreter darin thut, nicht
aus dem Gebiete des öffentlichen Rechtes heraus; das gilt für die
ganze Enteignung bis zum letzten Augenblick ihrer Durchführung mit
Einschluß ihres unmittelbaren Ergebnisses, in welchem der Staat sich
der Sache für sein Unternehmen bemächtigt. Er hat die entgegen-
stehenden Rechte an der Sache erdrückt und die umfassende rechtliche
Herrschaft darüber gewonnen, damit schließt die Enteignung. Bis
dahin ist aber auch vom Civilrecht keine Rede. Alles ist öffentlich-
rechtlich gewesen.
Nun kann aber von der so gewonnenen Stellung aus der
Staat in neue Rechtsbeziehungen treten. Wie diese zu beurteilen sind,
ist nicht eine Frage der Natur der Enteignung, sondern eine Frage
der Natur dieser Stellung. Die umfassende Herrschaft über eine Sache
wird ihrer Natur nach in der Regel privatwirtschaftlich zu beurteilen
und deshalb geeignet sein, die davon ausgehenden Beziehungen dem
Civilrecht zu unterwerfen. Das Nähere darüber in der Lehre vom
öffentlichen Eigentum, unten § 35. Ob diese Herrschaft durch Kauf
(civilrechtlich) oder durch Enteignung (öffentlichrechtlich) hergestellt
worden ist, macht hierfür keinen Unterschied.
Deshalb muß man sagen: nach Beendigung der Enteignung be-
ginnt ein neuer Abschnitt, der, für sich betrachtet, den Staat als
civilrechtlichen Eigentümer erscheinen lassen kann und zumeist so
erscheinen lassen wird. Aber nicht die Enteignung wirkt civilrecht-
lich, sondern der durch sie geschaffene Zustand fällt für alle
weiteren neu eintretenden Beziehungen unter die Regeln des Civil-
rechts13.
[38]Das öffentliche Sachenrecht.
Das Gleiche gilt aber nun auch, wenn der Gemeinde oder dem
beliehenen Privatunternehmer die Wirkungen der Enteignung zu Gute
kommen. Indem sie ihr öffentliches Unternehmen an Stelle des Staates
in der Enteignung vertreten, vollziehen sie eine öffentlichrechtliche
Thätigkeit und erzielen für sich den öffentlichrechtlichen Erfolg der
Sachbemächtigung. Die erzielte rechtliche Herrschaft kann sie in neue
Rechtsbeziehungen bringen, und diese sind es, welche fortan civil-
rechtlich zu beurteilen sind, soweit nicht neue Gründe erscheinen,
welche die an sich zum Civilrecht hinneigende Vermögensstellung
darüber hinausheben.
Wir brauchen uns also zu keinerlei Vergleich mit älteren ganz-
oder halb-civilrechtlichen Anschauungen herbeizulassen; die Enteignung
ist öffentlichrechtlicher Natur bis ans Ende mit Einschluß ihrer Wirkung,
die ja nur ein Stück von ihr ist14.
5. Der Zeitpunkt, mit welchem diese Wirkung eintritt, be-
stimmt sich aus dem Wesen der Enteignung. Es handelt sich um die
Wirkung eines obrigkeitlichen Ausspruches, eines Verwaltungsaktes;
an dessen Erscheinen also knüpft sich die Wirkung.
Wenn das Verfahren durch eine Reihe von Verwaltungsakten
schrittweise vorwärts geführt wird, so ist der entscheidende derjenige
davon, welcher ausspricht, daß das Eigentum an den bestimmt be-
zeichneten Grundstücken für das bestimmte Unternehmen entzogen
sein soll.
Wie alle Verwaltungsakte, wirkt auch dieser erst mit der Kund-
gabe. Sie kann bestehen in der Eröffnung, Zustellung an den Gegner
im Enteignungsverfahren, den wirklichen oder mutmaßlichen Ent-
eigneten. Entsprechend den erleichternden Formen des Verfahrens
kann statt dessen eine öffentliche Bekanntmachung, ein Auflegen mit
Aufforderung zur Kenntnisnahme für genügend erklärt sein.
Mit der Kundgabe des den Eigentumsübergang anordnenden Ver-
waltungsaktes verbindet sich naturgemäß die Vollendung (Perfektion)
13
[39]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
der Enteignung, d. h. die ihr eigentümliche Wirkung der Eigentums-
entziehung tritt in diesem Augenblicke ein15.
[40]Das öffentliche Sachenrecht.
Es kann sein, daß besondere Bestimmungen eingreifen, welche
eine Verschiebung bewirken. Der Enteignungsausspruch kann der
Anfechtung durch Rechtsmittel unterliegen. Dann ist möglicher-
weise die Wirksamkeit des Aktes und die Vollendung der Enteignung
hinausgeschoben bis zur Erledigung des Rechtsmittels oder Ablauf der
Frist für die Einlegung. Das Regelmäßige ist, wie in allen Ver-
waltungssachen, daß eine aufschiebende Bedeutung weder dem noch
möglichen, noch dem wirklich eingelegten Rechtsmittel zukommt.
Gegebenen Falles wird die eingetretene Wirkung rückwärts wieder
aufgehoben16.
[41]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Es kann auch die Vollendung in ihrer vollen Wirkung einstweilen
noch beschränkt oder auch an weitere Bedingungen geknüpft
sein durch andere Rücksichten, die da hereinspielen. Umgekehrt
können gewisse rechtliche Wirkungen vorbereitender Art schon an
vorausgehende Stufen des Verfahrens sich anschließen, Gebunden-
heiten und Verpflichtungen der einen oder anderen Partei schon vor-
her entstehen. Wir werden davon noch Beispiele besprechen. Jene
Kundgabe des Verwaltungsaktes bildet den naturgegebenen festen Punkt,
um den sich alles bewegt.
II. An die vollendete Enteignung knüpfen sich weitere Rechts-
folgen an, Wirkungen ihrer Wirkung, Nachwirkungen, welche
diese Natur nicht verlieren, auch wenn sie zeitlich der Vollendung
der Enteignung vorausgenommen werden.
Diese Wirkungen zweiter Linie sind vor allem zweierlei Art: das
Besitzergreifungsrecht und die Entschädigungspflicht.
1. Die Enteignung entzieht unmittelbar nur das Eigentum. Der
Besitz ist auch nach ihrer Vollendung noch bei dem Enteigneten,
der Art, daß sogar eine Rückersitzung denkbar ist.
Das Unternehmen, zu dessen Gunsten die Enteignung aus-
gesprochen worden ist, ist aber ein Stück der öffentlichen Verwaltung,
gleichviel ob der Staat selbst als Unternehmer auftritt oder an seiner
Stelle eine Gemeinde oder ein beliehener Privatunternehmer. Die
öffentliche Verwaltung nimmt ihre klar gestellten Rechte selbst wahr,
indem sie den diesen Rechten entsprechenden Besitzstand den Ein-
zelnen gegenüber herstellt und verteidigt. Sie ist allenthalben zur
Selbsthülfe dafür berechtigt. In diesem Sinne erklären die Ge-
setze, daß die vollendete Enteignung die Wirkung einer Besitz-
16
[42]Das öffentliche Sachenrecht.
einweisung habe. Sie hat diese Wirkung aber auch ohne solche
ausdrückliche Erklärung. Das Gesetz kann einen besonderen be-
hördlichen Ausspruch der Besitzeinweisung verlangen;
dann ist die Wirkung bedingt durch die Erfüllung dieser Form17.
Umgekehrt kann diese Wirkung der Enteignung auch vorweg ge-
nommen werden durch eine vorläufige Besitzeinweisung
(unten n. 2); dann ist dieses Selbsthülferecht für sich allein be-
gründet, vor vollendeter Enteignung und ohne Eigentumsübergang.
Die Selbsthülfe geschieht durch thatsächliche Besitzergreifung von
dem Gegenstand der Enteignung. Eine Besitzstörungsklage steht dem
Enteigneten dagegen nicht zu und ebensowenig einem Dritten, der
nichtberücksichtigte Rechte an der Sache behauptet: die Enteignung,
wie die selbständige Besitzeinweisung wirken allgemein, ursprünglich,
gegen jedermann18.
Gewaltsame Verhinderung der Besitzergreifung ist rechtswidrig;
Angriffe auf den Besitzergreifenden werden mit rechtmäßiger Selbst-
verteidigung abgewiesen. Etwa notwendige Gewaltmaßregeln gegen
Personen und Sachen zur Erlangung und Verteidigung des Besitzes
geschehen in den Formen des Polizeizwangs: die Vorenthaltung
des für das Unternehmen erforderlichen und rechtmäßig ihm zu-
kommenden Grundstückes ist eine Störung der eignen Thätigkeit der
öffentlichen Verwaltung (Bd. I § 24, I n. 1); die ordentliche Polizei-
behörde leiht die Zwangsmittel19.
[43]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Eine Klage auf Einräumung des Besitzes ist in jedem Falle
unnötig.
2. Die zweite Folge der Enteignung ist die Entschädigungs-
pflicht. Der Mann, dem durch die Enteignung das Opfer seines
Eigentums oder sonstigen Rechts an der Sache auferlegt wird, erlangt
eben dadurch den Anspruch auf Ausgleichung dieses Opfers in Geld.
Der Anspruch geht gegen den, zu dessen Gunsten ihm das Opfer
auferlegt wurde, gegen den Unternehmer, welcher die Enteignung be-
trieben hat, also je nachdem gegen den Staat selbst oder gegen die
Gemeinde oder gegen den Beliehenen.
Dieser Entschädigungsanspruch ist keine Besonderheit der Ent-
eignung. Er stellt nur die besondere Anwendung eines allgemeinen
Rechtsinstituts vor, in dessen Zusammenhang seine rechtliche Natur,
sein Umfang und seine Geltendmachung zu erörtern sein werden
(unten § 53 u. 54). Als Besonderheit der Enteignung erscheint nur
die Art, wie die Erledigung des Entschädigungspunkts durch aus-
drückliche Gesetzesvorschrift hier mit der andern Seite der Wirkungen
der Enteignung, mit denen zu Gunsten des Unternehmers ver-
bunden wird. Diese letzteren werden davon bedingt und abhängig
gemacht und andererseits werden wieder Maßregeln geordnet, welche
bestimmt sind, etwaige Nachteile dieser Bedingtheit zu verhüten.
Von diesen beiden Arten von Rechtseinrichtungen ist hier zu
handeln.
Die Entschädigungsleistung hätte naturgemäß der Enteignung
nachzufolgen; denn erst mit Vollendung und Vollzug der Ent-
eignung ist das Opfer fertig, zu dessen Ausgleiche sie dienen soll20.
Die Gesetze haben aber einmütig eine vorgängige Entschädigung
verlangt. Sie wollen dem Betroffenen dadurch eine gewisse Sicher-
heit gewähren gegenüber den Verzögerungen, zu welchen die Ver-
waltung, wenn sie ihrerseits befriedigt ist, geneigt sein könnte. Diese
Forderung wird dadurch wirksam gemacht, daß, von einem bestimmten
Zeitpunkt ab, die Rechtmäßigkeit des weiteren Vorgehens gegen den
bisherigen Eigentümer abhängig ist von der Erledigung des Ent-
19
[44]Das öffentliche Sachenrecht.
schädigungspunktes. Dieser Zeitpunkt kann aber verschieden gewählt
sein, und die Sache bekommt je nachdem eine sehr verschiedene
Rechtsgestalt; die Fälle sind also wohl auseinander zu halten. Der
früheste Zeitpunkt, den das Gesetz wählen kann, ist der, wo im all-
mählichen Vorwärtsschreiten des Enteignungsverfahrens die Sache so
weit gediehen ist, daß die einzelnen Grundstücke und Grundstücks-
teile feststehen, welche die Verwaltung für das Unternehmen in An-
spruch nehmen will, und nur das letzte Wort noch nicht gesprochen
ist, an welches die Wirkung der Eigentumsentziehung sich knüpft:
der förmliche Verwaltungsakt des Enteignungsausspruches steht bevor.
Das Gesetz kann verlangen, daß da inne gehalten und vorerst die
Entschädigungsfrage erledigt werde21. Hier schiebt sich also dieser
Punkt in das Enteignungsverfahren selbst hinein; die vorgängige Ent-
schädigungsleistung wird Bedingung der Gültigkeit des Ent-
eignungsausspruches. Er soll vorher nicht stattfinden; wird er
[45]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
gleichwohl erlassen, so ist es eine Frage der Ordnung des Rechts-
schutzes, wie seine Wiederaufhebung zu bewirken ist22.
Die zweite Art geht einen Schritt weiter vorwärts. Das Gesetz
gestattet, daß die Enteignung ausgesprochen wird vor der Ent-
schädigung. Die Wirkung des Aktes wird aber aufschiebend bedingt
durch die Entschädigungsleistung. Die Enteignung ist also so lange
noch nicht vollendet, die Perfektion hinausgeschoben
und tritt erst mit der Erfüllung der Bedingung ein. Der Druck auf
den Unternehmer, die Entschädigungsfrage zu erledigen, ist der
gleiche, wie im ersten Fall; nur bedarf hier die Enteignung immer
noch eines besonderen Nachweises zu ihrer Wirksamkeit und ist nicht
so unmittelbar schon im Enteignungsakte selbst bezeugt. Das ist
vielleicht ein Nachteil23.
Der Druck, der auf den Unternehmer ausgeübt werden soll, kann
aber in genügender Weise auch schon darin gefunden werden, daß
ihm die Möglichkeit versagt wird, sich vor Erledigung des Entschädi-
gungspunktes in den Besitz des enteigneten Grundstückes zu setzen.
Das giebt dann die dritte Form: der Enteignungsausspruch ergeht
gültig und unbedingt vor der Entschädigung, die Enteignung selbst
ist mit ihm vollendet; aber die auf Grund des Eigentumsübergangs
vorzunehmende Besitzergreifung ist bedingt durch vorgängige Ent-
[46]Das öffentliche Sachenrecht.
schädigungsleistung24. Das Recht der Selbsthülfe der öffentlichen
Verwaltung ist hier vorläufig ausgesetzt; Zwang behufs der Besitz-
ergreifung ist mithin unzulässig, Widerstand nicht strafbar (mit
selbstverständlichem Vorbehalt des besonderen Rechts der polizeilichen
Vollstreckungsbeamten, Bd. I § 25, I); gegen eine gleichwohl vor-
genommene Besitzergreifung steht die Besitzstörungsklage zu. —
An diese Schutzvorkehrungen zur Sicherung des Entschädigungs-
anspruches schließt sich nun das zweite Rechtsinstitut an. Zu Gunsten
des Unternehmers wird ein Dringlichkeitsverfahren vorge-
sehen, um ihn, unbehindert von den Verzögerungen, welche die
völlige Erledigung des Entschädigungspunktes mit sich führen mag,
der Gegenstände der Enteignung sich bemächtigen zu lassen25.
Wenn die Entschädigung festgesetzt ist und nur die Auszahlung
nicht erfolgen kann, sei es, daß der Enteignete die Annahme ver-
weigert, sei es, daß Dritte Ansprüche darauf erheben, mag das Rechts-
institut der Hinterlegung genügende Aushülfe bieten, wenigstens
scheint seine Anwendbarkeit nach der Art, wie diese Entschädigungs-
forderungen angesehen werden, thatsächlich keinem Bedenken zu
unterliegen (so ganz selbstverständlich ist die Sache freilich nicht).
Die rechtmäßig vollzogene Hinterlegung der Entschädigungssumme
steht alsdann für die Wirksammachung der Enteignung der Zahlung
gleich.
Das Dringlichkeitsverfahren hat seinen Platz da, wo das ge-
wöhnliche Hinterlegungsverfahren nicht aushelfen kann, weil die Ent-
schädigungssumme selbst noch nicht festgestellt ist.
Voraussetzung ist die Anerkennung der Dringlichkeit des Unter-
nehmens durch die hiefür zuständige Behörde auf Antrag des Unter-
nehmers. Alsdann kann die vorgängige Entschädigung ersetzt werden
durch eine Sicherstellung des Eigentümers mit einer nach vorläufiger
Schätzung bestimmten Geldsumme, die für ihn hinterlegt oder ihm
ausbezahlt werden muß.
[47]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Dadurch wird die Hemmung beseitigt, welche das Gesetz zur
Durchführung des Grundsatzes der vorgängigen Entschädigung dem
Fortgang des Verfahrens bereitet hatte. Je nach der Gestalt, welche
dieser Hemmung gegeben ist. bestimmt sich der Punkt, an welchem
das Dringlichkeitsverfahren einsetzt, und seine Wirkung: der Aus-
spruch der Enteignung kann sofort erfolgen26, die hinausgeschobene
Perfektion tritt ein, die vollendete Enteignung kann durch Besitz-
ergreifung vollzogen werden gemäß einer von der Behörde auszu-
sprechenden Besitzeinweisung27.
In allen Fällen ist das wesentliche Ziel des Dringlichkeits-
verfahrens das Freiwerden der Selbsthülfe behufs Inbesitznahme des
dem öffentlichen Unternehmen bestimmten Grundstückes.
III. Dem ordentlichen Gang der Enteignung stehen die
Zwischenfälle gegenüber, welche durch besondere Rechtsakte der
Beteiligten hervorgerufen werden können, um die Wirkungen vorweg
zu nehmen, auszuschließen oder rückgängig zu machen. Es sind
teils Verträge zwischen ihnen, teils einseitige Willenserklärungen des
Einen oder des Andern.
1. Der Unternehmer und seine Gegenpartei können in jedem
Stand des Verfahrens seinen weiteren Gang abschneiden oder ver-
einfachen, indem sie sich über das, was durch obrigkeitlichen Akt der
Enteignungs- oder Entschädigungsbehörde geordnet werden soll, güt-
lich vereinbaren. Eine solche Vereinbarung hat die Natur eines
Vertrags, und zwar durchweg die eines civilrechtlichen Ver-
trages. Es wird das Enteignungsverfahren verlassen und zwischen
Gleich und Gleich Willenseinigung hergestellt über das Eigentum
einer Sache und das dafür zu Leistende. Das Enteignungsverfahren
wird nur insofern dadurch mittelbar berührt, als es für die durch den
Vertrag erledigten Punkte gegenstandslos geworden ist. Dieser Ver-
trag ist nicht notwendig ein Kaufvertrag. Es kommt auf den be-
sonderen Inhalt an und auf das besondere Stück des Ganzen der
Enteignung und was damit zusammenhängt, welches in dieser Weise
erledigt ist28.
Der Vertrag kann gehn auf vorläufige Überlassung des Be-
sitzes, damit die Arbeiten beginnen können. Die Besitzergreifung
[48]Das öffentliche Sachenrecht.
selbst und die Verteidigung des so erworbenen Besitzes wird auch
hier wieder sofort in den Zusammenhang des öffentlichen Unter-
nehmens treten und die entsprechenden Formen der öffentlichen Ver-
waltungsthätigkeit annehmen (oben II n. 1).
Er kann auch die Festsetzung der Entschädigung allein
zum Gegenstand haben, nachdem der Eigentumsübergang schon im
Wege der Enteignung bewirkt ist; dann hat er den bereits ent-
standenen öffentlichrechtlichen Entschädigungsanspruch (oben II n. 2)
zur Grundlage und ersetzt ihn durch eine civilrechtliche vertrags-
mäßige Zahlungspflicht. Die Bedingtheit der Enteignung von vor-
gängiger Auszahlung der Entschädigung kann auch zu Gunsten dieser
Pflicht vorbehalten sein; mangels eines besonderen Vorbehalts in
dieser Richtung wird jene Bedingtheit durch den Untergang der
öffentlichrechtlichen Entschädigungsforderung (Novation?) erledigt
sein. Im übrigen wird auch durch diesen Vertrag die Enteignung
selbst nicht berührt.
Der Vertrag kann aber auch die Abtretung des noch nicht
entzogenen Eigentums selbst bezwecken. Dann macht er die Ent-
eignung überflüssig, wie weit dieselbe auch schon vorgeschritten sein
mag; das Verfahren fällt zusammen und der Vertrag allein bleibt
bestehen.
Welcher Natur dieser letztere Vertrag selbst ist, das hängt von
seinem besonderen Inhalt ab.
Ein derartiger Abtretungsvertrag kann die Bestimmung der für
die abgetretenen Sache zu gewährenden Gegenleistung mitenthalten.
Alsdann ist er ein vollwichtiger Kauf- oder Tauschvertrag, mit
allen Wirkungen, welche das Civilrecht an einen solchen knüpft, aber
auch grundsätzlich gebunden an alle Voraussetzungen und Formen,
deren Erfüllung das Civilrecht für die Wirksamkeit eines solchen
Vertrags verlangt.
Daß die Enteignung bevorsteht, ist nur ein Beweggrund mehr
für den Abschluß; als solcher kann sie aber ebensowohl wirken, wenn
sie noch gar nicht eingeleitet ist, wie wenn sie schon bis zu einer
späteren Stufe des Verfahrens vorgerückt war. Auf das Wesen des
Vertrags selbst hat das an sich keinen Einfluß29.
[49]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Durch besondere Gesetzesbestimmung pflegen aber derartigen
Verträgen gewisse Bevorzugungen eingeräumt zu sein. Voraus-
setzung dafür ist, daß das Enteignungsverfahren bereits eingeleitet
und mindestens das Unternehmen als ein solches anerkannt ist, für
welches Enteignung stattfindet. Unter diesen Umständen werden
freiwillige Abtretungen zur Abschneidung des Verfahrens gesetzlich
begünstigt.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 4
[50]Das öffentliche Sachenrecht.
Die Begünstigung besteht einerseits in einer Erleichterung der
Formen, namentlich sofern das Protokoll der Enteignungsbehörde die
sonst etwa vorgeschriebene notarische oder gerichtliche Beurkundung
ersetzt30.
Sodann aber wird die Wirkung eines solchen Vertrags verstärkt.
Die Enteignung wird betrieben gegen den mutmaßlichen Eigentümer
(oben § 33 S. 20). Mit diesem wird nun auch der enteignungserledigende
Kaufvertrag geschlossen. Die Enteignung hat aber, wie wir sahen,
den Vorteil, daß sie ursprünglich wirkt, das Eigentum des Unter-
nehmers auch dann begründend, wenn der Gegner nicht Eigentümer
war. Der Kaufvertrag hat eine derartige Wirkung seiner Natur nach
nicht, und dadurch würde er eine gewisse Unsicherheit für den Unter-
nehmer bestehen lassen, die ihn nicht sehr geeignet machen würde,
zur Erledigung des Verfahrens benutzt zu werden. Das Gesetz hilft
hier aus, indem es dem Vertrag unter der Bedingung der Erfüllung
der gleichen sichernden Formen (d. h. der im Interesse Dritter vor-
geschriebenen, wie öffentliche Bekanntmachung u. s. w.) die gleiche
unbedingt rechtstilgende Wirkung beilegt, wie sie dem öffentlichrecht-
lichen Erwerbsakte zukommt, den er zu ersetzen berufen ist.
Um dieser Entlehnung willen hört er nicht auf, Kaufvertrag zu
sein; derartige Wirkungen zur Tilgung der Rechte Dritter sind ja auch
auf dem Gebiete des Civilrechts nichts Unerhörtes31.
Der Abtretungsvertrag kann nun aber auch so geschlossen werden,
daß die Gegenleistung, insbesondere der Kaufpreis, nicht be-
stimmt wird; vielmehr soll die Festsetzung der Gegenleistung im
gesetzlich geordneten Entschädigungsverfahren geschehen.
Ein solcher Vertrag ist nur zulässig, wenn das Enteignungsverfahren
bereits eingeleitet ist, denn dadurch ist die Zuständigkeit der Ent-
[51]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
schädigungsbehörde bedingt; durch Vereinbarung kann sie nicht
zuständig gemacht werden.
Ein solcher Vertrag ist kein Kaufvertrag. Allerdings mag man
sich darauf berufen, daß es für den Kaufvertrag genügt, wenn der
Kaufpreis zwar noch nicht bestimmt, aber bestimmbar gemacht ist,
insbesondere für die Bestimmung auf das arbitrium eines Dritten,
oder auch eines der Beteiligten als bonus vir verwiesen wird32.
Allein der Vergleich paßt nicht. Hier wird kein Arbiter geschaffen,
sondern die Entschädigungsbehörde soll nach ihrer gesetzlichen Zu-
ständigkeit in Thätigkeit treten und sie soll nicht den richtigen Kauf-
preis nach den Umständen bemessen, sondern die gesetzliche Ent-
schädigung nach den für diese eigentümlichen Grundsätzen gewähren.
Die Bedeutung einer derartigen Verweisung auf das Entschädigungs-
verfahren ist vielmehr nur die eines Vorbehaltes. Die Beteiligten
lassen das Eigentum übergehen zur Abschneidung des eingeleiteten
Enteignungsverfahrens und um seine Wirkung vorwegzunehmen; das
Verfahren soll damit aber nur in seiner unmittelbaren Wirkung, nicht
in seinen sonstigen Folgen erledigt sein; zur Erledigung dieser ist
der weitere gesetzliche Fortgang vorbehalten33.
Der Abtretende findet also den Gegenwert seiner Leistung darin,
daß seine Abtretung an die Stelle des ordentlichen Abschlusses des
Enteignungsverfahrens gesetzt wird. Seine Pflichten aus diesem Ver-
trag sind deshalb nichts destoweniger nach dem Muster der Pflichten
eines Verkäufers zu beurteilen34. Und andererseits knüpfen die Gesetze
auch an diese Abtretungen mit Vorbehalt die gleichen Bevorzugungen
4*
[52]Das öffentliche Sachenrecht.
in Bezug auf erleichterte Formen des Abschlusses und rechtstilgende
Wirkungen gegen Dritte35.
2. Statt durch Vertrag kann das Enteignungsverfahren auch ab-
geschnitten werden durch einseitigen Verzicht, Rücktritt. Ein solcher
Rücktritt ist bloß denkbar bei dem Unternehmer; denn der Eigen-
tümer erduldet nur die Enteignung, der Unternehmer setzt sie in Be-
wegung, betreibt sie; er allein kann auch nicht mehr wollen.
Für die Möglichkeit eines Rücktrittes des Unternehmers ist die
entscheidende Zeitgrenze gegeben in der Perfektion der Enteignung
(oben I n. 5). Sobald in Kraft des Enteignungsausspruches das Eigen-
tum übergegangen ist, kann von einem einfachen Rücktritte nicht
mehr die Rede sein; hier handelt es sich dann um eine Wiederauf-
hebung dieses Erfolges, um einen Rückerwerb des Eigentums durch
den Enteigneten und das fällt unter ganz andere Gesichtspunkte
(unten n. 3)36.
Der Rücktritt von der Enteignung vollzieht sich entweder durch
ausdrückliche Erklärung; das wird namentlich da geschehen,
wo das ganze Unternehmen aufgegeben wird, oder wenigstens ein bis-
her dafür in Aussicht genommenes Grundstück wegen Veränderung
des Planes nicht mehr erforderlich erscheint. Oder der Rücktritt wird
ausgesprochen in dem thatsächlichen Nichtweiterbetreiben
der Enteignung. Wann das vorliegt, namentlich wie lange die Säum-
nis gedauert haben muß, das würde Thatfrage sein. Das Gesetz giebt
aber Fristen, welche dem Unternehmer für die Vornahme seiner
Akte gesteckt sind, oder gestattet der Behörde solche zu stecken,
und knüpft an die Nichteinhaltung Nachteile des Verzugs, ins-
besondere auch die Annahme des Verzichtes auf die durchzuführende
[53]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Enteignung. Der Rücktritt bekommt dadurch die Natur der Ver-
wirkung37.
Der völlige Rücktritt, aber auch schon das bloße Verschleppen
des Verfahrens von seiten des Unternehmers können dem Eigentümer
nachteilig sein; das Gesetz hat Bestimmungen getroffen, um diesem
wieder einen gewissen Schutz dagegen zu geben. Die Schutzmittel
sind der Selbstbetrieb des Verfahrens und der Schadensersatzanspruch
wegen nicht durchgeführter Enteignung.
Der Selbstbetrieb des Verfahrens steht dem Eigentümer,
gegen welchen dieses gerichtet ist, von Haus aus nicht zu; wenn es
aber bis zu einem gewissen Punkte gediehen ist, gestattet ihm das
Gesetz, seinerseits vorzugehen, um aus dem Schwebezustand heraus
und zur Enteignungsentschädigung zu gelangen. Damit wird nicht
[54]Das öffentliche Sachenrecht.
bloß der Verschleppung vorgebeugt, sondern auch dem Rücktrittsrecht,
wenn nicht rechtlich, so doch thatsächlich eine Grenze gesteckt.
Voraussetzung ist stets, daß mindestens die Feststellung des Ent-
eignungsgegenstandes bereits erfolgt ist; erst dann hat man eine Grund-
lage für die Bemessung des Entschädigungsbetrages und den bestimmten
Gegner des Unternehmers, der vorgehen könnte.
Von da ab aber kann das Maß dessen, was noch in dem Selbst-
betrieb dieses Gegners enthalten ist, verschieden ausgedrückt sein.
Das Ziel ist immer die Enteignungsentschädigung. Wo nun das
Gesetz sie festsetzen läßt nach vollendeter Enteignung, kann es dem
Eigentümer gestattet sein, auch diese selbst zu bewirken: sobald der
Enteignungsgegenstand feststeht, kann er den Enteignungsausspruch
beantragen und nach dem Enteignungsausspruch, ob der Unternehmer
ihn erwirkt hatte oder er selbst, das Entschädigungverfahren38.
Wo die Festsetzung der Entschädigung vor dem Enteignungs-
ausspruch zu geschehen hat, wird es genügen, das Selbstbetriebsrecht
für jenen allein zu geben. Der Enteignungsausspruch bleibt außerhalb
des Einflusses des Betroffenen39.
Noch ein Stück weiter hinaus legt die Gesetzgebung das Selbst-
betriebsrecht, indem sie es erst eintreten läßt dann, wenn auch die
Festsetzung der Entschädigung im ordentlichen Gang des Enteignungs-
verfahrens schon erfolgt ist. Hier handelt es sich dann nur darum,
das Zuerkannte zu Gunsten des betroffenen Eigentümers selbständig
in Vollzug zu setzen40.
[55]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Alle diese Arten von Selbstbetriebsrechten sind unbedingt wirk-
sam gegen eine bloße Verschleppung des Verfahrens von seiten des
Unternehmers. Wie verhält es sich aber im Falle einer ausdrücklichen
Rücktrittserklärung? Wie stehen Rücktrittsrecht und Selbstbetriebs-
recht zu einander? Die Frage ist weiter zu fassen dahin: inwiefern
entstehen im Laufe des Verfahrens Rechtswirkungen für den Enteignungs-
gegner, die durch eine Rücktrittserklärung nicht mehr aufgehoben
werden können. Hier ist zu unterscheiden.
Von der Erwirkung des Enteignungsausspruches kann der Unter-
nehmer stets zurücktreten, selbst in jenem ersten Falle, wo das Gesetz
seinem Gegner gestattet, diesen seinerseits zu betreiben. Ist der
Ausspruch einmal erwirkt und Eigentum übergegangen, auf Be-
treiben des einen oder anderen Teiles, gleichviel, so giebt es keinen
Rücktritt mehr. Die Betreibung des Entschädigungsverfahrens ist also
in jenem Falle dem Enteigneten unentziehbar.
Im Falle das Gesetz ein Selbstbetriebsrecht wegen der vor der
vollendeten Enteignung zu erledigenden Entschädigungsfrage gewährt,
ist dieses Recht grundsätzlich durch eine Rücktrittserklärung nicht
mehr entziehbar, sobald die förmliche Feststellung der Entschädigung
stattgehabt hat; daran knüpft sich alsdann ein unbedingter Rechts-
anspruch des Enteignungsgegners auf die festgestellte Entschädigung.
Das Verfahren zum In-Vollzug-Bringen dieser Feststellung geht seinen
Gang trotz eines erklärten Rücktrittes41.
In allen Fällen, auch wenn kein Selbstbetriebsrecht besteht oder
geltend gemacht worden ist, kann die einmal erwirkte Entschädigungs-
zahlung durch nachträglichen Rücktritt von der Enteignung nicht zu-
rückforderbar gemacht werden: die causa ist gegeben, indem das
Grundstück dem Unternehmer dadurch zur Verfügung gestellt ist, um
40
[56]Das öffentliche Sachenrecht.
es durch den Enteignungsausspruch förmlich zu erwerben; wenn er
davon keinen Gebrauch macht, so ist das seine Sache.
In diesen Fällen verliert natürlich das Rücktrittsrecht, wenn es
auch an sich rechtlich noch besteht und geübt werden kann, für den
Unternehmer allen Vorteil42; er wird sich dessen, wenn die Sachen
einmal so weit sind, möglichst nur bedienen nach Verständigung mit
den zu Enteignenden, damit sie die Entschädigungsansprüche nicht
geltend machen oder aufrechterhalten.
Unter Umständen kann es doch vorkommen, daß der Unternehmer
von der Enteignung zurücktritt nach Auszahlung der Entschädigung
oder nach Eintritt des Zeitpunktes, in welchem der Eigentümer durch
ein nicht mehr entziehbares Selbstbetriebsrecht die Entschädigung sich
verschaffen kann. Man mag etwa an den Fall denken, daß das ganze
Unternehmen aufgegeben wird. Dann wird anzunehmen sein, daß
durch den Empfang der Zahlung der Eigentümer verpflichtet wird, das
Seinige zu thun, um das Eigentum zu verschaffen (wenn er nicht vor-
zieht, sie zurückzugeben; vergl. unten n. 3); er wird also, wenn das
Enteignungsverfahren selbst nicht weiter geht, zu einem civilrechtlichen
Abtretungsvertrag sich verstehen müssen. Ein solcher Vertrag fällt
unter die nämlichen rechtlichen Gesichtspunkte, wie der oben n. 1
besprochene Abtretungsvertrag mit vorbehaltenem Entschädigungs-
verfahren. —
Das zweite Schutzmittel des Eigentümers ist der Ent-
schädigungsanspruch wegen nicht durchgeführter Ent-
eignung.
Damit verhält es sich folgendermaßen.
Die Einleitung des Enteignungsverfahrens kann den betroffenen
Eigentümern große wirtschaftliche Nachteile bereiten, die natürlich desto
größer sind, je weiter das Verfahren vorschreitet. Sie geraten in eine
Ungewißheit bezüglich ihres Besitzstandes, können nichts Neues mehr
unternehmen, sind zum Teil auch rechtlich in der Verfügung über ihre
[57]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Grundstücke beschränkt. Für alles das wird ihnen bei Durchführung
der Enteignung in der Bemessung der Entschädigungssumme der
billige Ausgleich gewährt werden. Wenn nun aber dieses Ziel nicht
erreicht wird, so fehlt die Ausgleichung und wird dafür eine selbst-
ständige Entschädigung geschuldet43.
Voraussetzung ist also immer, daß die Erreichung des Zieles ab-
geschnitten sei durch vorherige Endigung des Verfahrens; das kann
bis zur Vollendung der Enteignung geschehen durch Rücktrittserklärung
oder Verwirkung. Der bloße Verzug begründet den Anspruch auf
Entschädigung nicht. Die Möglichkeit, trotz der Rücktrittserklärung
kraft Selbstbetriebsrechts die Sache wenigstens im Entschädigungs-
punkte zu demselben Ziele zu führen, zu welchem sie die durchgeführte
Enteignung gebracht hätte, schließt das Recht nicht aus, statt dessen
Schadensersatz wegen Rücktritts zu begehren. Umgekehrt liegt in
der Erhebung des Anspruchs auf den letzteren der Verzicht auf das
Recht des Selbstbetriebs.
Grund und rechtliche Natur der Entschädigung wegen nicht
durchgeführter Enteignung sind ganz die nämlichen wie die der Ent-
schädigung für durchgeführte Enteignung. Es wird kein Delikt und
kein Verschulden vorausgesetzt; es genügt, daß dem Eigentümer zu
Gunsten eines öffentlichen Unternehmens Opfer zugemutet worden
sind; dafür giebt das Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Ent-
schädigung den Ausgleich44.
Entschädigungspflichtig ist auch hier wieder der Unternehmer als
derjenige, für und gegen den alle Wirkungen des Enteignungsverfahrens
entstehen.
3. Jenseits des Abschlusses des Enteignungs- und Entschädigungs-
verfahrens steht, als letzte Nachwirkung davon, das Recht des Rück-
erwerbs des Enteigneten. Der zu Grunde liegende Gedanke ist der,
daß der Enteignete doch ein Interesse am Besitze des Grundstücks
haben kann, welches durch die geleistete Entschädigung nicht gedeckt
ist. Wenn nun nachträglich das öffentliche Interesse wegfällt, dem
jenes in der Enteignung hat weichen müssen, kann es billig erscheinen,
ihm die Möglichkeit des Rückerwerbs zu eröffnen. Das wird dann
[58]Das öffentliche Sachenrecht.
der Fall sein, wenn das Unternehmen, wegen dessen die Enteignung
stattfand, nicht durchgeführt wird oder thatsächlich dieses Grundstückes
doch nicht bedarf. Von selbst wird dadurch die Enteignung nicht
rückgängig. Aber es können durch gesetzliche Bestimmung Mittel
geschaffen werden, um ihre Wirkung zu Gunsten des Enteigneten wieder
zu beseitigen45. Das geschieht in zwei Formen.
Die eine ist die Gewährung eines einfachen gesetzlichen
Vorkaufsrechtes. Voraussetzung ist, daß der Unternehmer, der
des Grundstückes nicht bedarf, dazu übergeht, es zu veräußern, also
einen civilrechtlichen Verkauf darüber abzuschließen. Da kann dann
der frühere Eigentümer oder, wer an seine Stelle getreten ist als
Erbe oder Einzelrechtsnachfolger in das Eigentum des Restgrundstückes,
von welchem ein Stück wegenteignet worden war, in den Vertrag als
Käufer eintreten. Das richtet sich ganz nach den Regeln sonstiger
civilrechtlicher Vorkaufsrechte. Die stattgehabte Enteignung selbst
wird nicht mehr davon berührt, sie bildet nur eine thatsächliche Vor-
aussetzung für die Anwendbarkeit des Vorkaufsanspruches46.
Daneben steht das Rückerwerbsrecht i. e. S., die Rück-
enteignung. Es bedeutet ein Recht, die Wiederaufhebung der Ent-
eignung zu bewirken, gehört also dem Kreise dieses Rechtsinstitutes
an und steht mit ihm ganz auf öffentlichrechtlichem Boden47.
[59]§ 34. Wirkungen der Enteignung.
Voraussetzung ist, daß das enteignete Grundstück thatsächlich
nicht für das öffentliche Unternehmen verwendet wird48.
Berechtigt ist der Enteignete oder wer an seine Stelle getreten
ist in dem oben angegebenen Sinne49.
Die Wiederaufhebung geschieht alsdann auf Antrag des Berech-
tigten durch behördlichen Beschluß. Zuständig ist ordentlicher Weise
die Enteignungsbehörde. Der Beschluß ist eine Entscheidung; er hat
nur das vom Gesetz Gewollte auf die gegebenen Thatsachen anzu-
wenden50.
[60]Das öffentliche Sachenrecht.
Die Wirkung des willfahrenden Beschlusses ist die Rücküber-
tragung des Eigentums am Grundstück auf den Antragsteller unter
der Bedingung der Zurückerstattung des Wertes. Als solcher wird
entweder die ursprünglich empfangene Entschädigungssumme angesehen,
oder es findet ein neues Festsetzungsverfahren statt unter Beobachtung
der Formen, welche für die Enteignungsentschädigung selbst gegolten
hatten51.
An Stelle der Rückenteignung wie der Rückentschädigungsfest-
setzung können wieder civilrechtliche Verträge treten, für beides
zusammen oder für jedes einzeln, wie bei dem ursprünglichen, in
der entgegengesetzten Richtung sich bewegenden Verfahren.
§ 35.
Das öffentliche Eigentum; Begriff und Umfang.
Gewisse Sachen sind schon vermöge ihrer äußerlichen Beschaffen-
heit dazu bestimmt, dem Gemeinwesen, dem öffentlichen Interesse zu
dienen. Dazu gehören öffentliche Wege, öffentliche Flüsse, Festungs-
werke. Wir nennen sie öffentliche Sachen. Mit ihrem Zwecke
ist es nicht verträglich, daß ein Einzelner über sie Gewalt habe, um
nach seinen Interessen darüber zu verfügen; sie sind dem gewöhnlichen
privatrechtlichen Verkehre entzogen. Zugleich wird sich aus ihrer
Bestimmung für das Gemeinwesen auch eine besondere Zugehörigkeit
an die öffentliche Gewalt, an den Staat ergeben, in welcher sie stehen.
Diese besondere Zugehörigkeit kann ihren Ausdruck finden in der
Form des öffentlichen Eigentums, das wir hier behandeln. Wenigstens
ist dieses für den heutigen Stand des Verwaltungsrechts die wichtigste
und angemessenste Form dafür. Damit ist nicht gesagt, daß sie aus-
schließlich zur Anwendung kommt und noch weniger, daß dieser
Begriff des öffentlichen Eigentums immer gegolten habe.
I. Um den Kampf der Meinungen zu verstehen, der gegenwärtig
noch auf dem Gebiete dieser Lehre herrscht, müssen wir die geschicht-
liche Entwicklung des Begriffes verfolgen.
1. Den Ausgangspunkt bildet ein gesellschaftlicher Zustand, in
welchem es schon öffentliche Sachen giebt, ein öffentliches Eigentum
im heutigen Sinne aber nicht denkbar ist, weil es an dem Träger
[61]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
dafür fehlt, an der juristischen Person des öffentlichen Rechts, welcher
dieses Eigentum zustünde1.
Eine feste Rechtsgestalt mußten ja die öffentlichen Sachen natur-
gemäß zuerst erhalten in der ursprünglichsten gesellschaftlichen
Form der Verwirklichung öffentlicher Interessen, in den ländlichen
Ortsgemeinschaften. Diese sind nicht Gemeinden im heutigen
Sinn, sondern Genossenschaften, in welchen Einzelrecht und Gesamt-
recht sich verflechten, je nach den Gegenständen bald dieses bald
jenes stärker hervortretend. Sie besitzen selbstverständlich Wege,
Straßen, Plätze. Der Boden, der dazu benutzt wird, ist Allmend,
keinem Einzelnen für sich gehörig, sondern der Gesamtheit und
damit jedem Einzelnen dienend zum Verkehr. Über die Instandhaltung
und über die Ordnung der Benutzung wacht die Vorstandschaft, sagen
wir die Gemeindeobrigkeit. Alles Recht am Wege, so lange er be-
steht, erscheint deshalb nur in zweierlei Gestalt: in der Bestim-
mung für den Nutzen der Gesamtheit und als Aufsichts-
recht der Obrigkeit2.
In größerer Mannigfaltigkeit entwickeln sich derartige gemeinsame
Einrichtungen in den Städten. Brunnen, Märkte, Waschhäuser werden
dem Gemeingebrauche gestellt; aber der Gesamtheit kann die Sache
auch ohne Gemeingebrauch dienen: Thore und Mauern sind ursprüng-
lich gleichfalls als Allmend betrachtet3.
[62]Das öffentliche Sachenrecht.
Im Reich und mehr noch in den Territorien wendet sich
die werdende Staatsgewalt allmählich den wirtschaftlichen Interessen
lebhafter zu. Größere Straßenzüge entstehen und andere staatliche
Unternehmungen ähnlicher Art. Die Form des alten Wegerechts wird
darauf übertragen. Sie findet ohne weiteres auch Anwendung auf
die Wasserstraßen, schiffbaren Flüsse, Seen, Kanäle, welche ja teilweise
keine willkürlich geschaffenen Einrichtungen sind, vor allem auch schon
von Natur ein Sondereigentum nicht zulassen. Die Frage des Eigen-
tums ist für jene Auffassungsweise ja überhaupt gleichgültig. Aber
diese Auffassung selbst erhält jetzt mit dem Eintritt in das weitere
Gemeinwesen eine vollständige Umprägung nach ihren beiden
Seiten hin.
Das Wesen der öffentlichen Sache besteht in ihrer Zugehörigkeit
an die Gesamtheit, der sie dienen soll. Aber die Gesamtheit ist jetzt
nicht mehr erkennbar als Trägerin von Gemeininteressen. Die Genossen-
schaftsidee ist zurückgetreten. Die Zugehörigkeit an die Gesamtheit
erweist sich ausschließlich in dem unmittelbaren Nutzungsrechte aller
Einzelnen, im öffentlichen Gebrauch. Öffentliche Sachen sind
diejenigen, an welchen das Recht des usus publicus besteht4.
Dem steht gegenüber ein landesherrliches Hoheitsrecht, die
Wegehoheit, Wasserhoheit, vermöge deren die Obrigkeit be-
rechtigt ist, die Aufsichtsgewalt über diese Landes-Allmend zu führen.
Diese Hoheit äußert sich in dem Rechte, Straßen anzulegen und auf-
zulassen, Flüsse zu regulieren, den öffentlichen Gebrauch zu ordnen,
die ganze Polizei der Einrichtung zu handhaben, aber auch Zölle und
Abgaben auf die Benutzung zu legen, letzteres dem Geiste der Zeit
gemäß oft sehr in den Vordergrund geschoben5.
[63]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
Das ist die öffentliche Sache, wie das alte Staatswesen sie uns
überliefert hat.
Damit verbindet sich nun die römischrechtliche Theorie, um diese
öffentlichen Sachen für res extra commercium zu erklären; sie
können nicht veräußert und nicht ersessen werden. Wenn im ur-
sprünglichen Verhältnis die Idee des Eigentums an diesen Sachen in
dem Gesamtrecht verschwamm, und die Frage demnach gleichgültig
erschien, so wird sie jetzt von der Theorie gänzlich ausgeschlossen:
einen Eigentümer kann es für solche Sachen überhaupt nicht geben,
weder in einem Einzelnen, noch in einer Gesamtheit, noch in einer
juristischen Person; sie sind als res extra commercium für das
Eigentum unzugänglich6.
2. Mit dem Erlöschen der Idee eines genossenschaftlichen Eigen-
tums hatte diese Auffassung den natürlichen Boden verloren, von dem
sie ausgegangen war. Die Stelle, die dieses ausfüllte, hatte sie leer
gelassen. Die mächtige Entfaltung des Staatsgedankens bringt
nunmehr den Umschwung. Das große Abstraktum, als wollende und
handelnde Macht mit eigener Persönlichkeit das Gemeinwesen dar-
stellend, wird zum geborenen Träger aller Rechte und Herrschafts-
äußerungen, welche für die Interessen desselben zu üben sind. Unter
ihm erscheinen mit gleichem Anspruch öffentlichrechtliche juristische
Personen zweiten Ranges. Die öffentlichen Sachen werden Eigentum
dieser Rechtssubjekte.
Die Entwicklung vollzieht sich am frühesten in den Städten, den
Treibhäusern der neuzeitlichen Staatsidee. Straßen, Brunnen, Mauern,
Thore verlieren alsbald den Zusammenhang mit dem Rechte des
Bürgers, den die ländlichen Gemeinschaften mit dem Allmendbegriff
solchen Dingen noch lange belassen, und werden fortan für Eigentum
der Stadt selbst angesehen, die den Einzelnen als ein anderes, selb-
ständiges und höheres Rechtssubjekt entgegentritt7.
[64]Das öffentliche Sachenrecht.
Die römischrechtliche Wissenschaft verallgemeinert von ihrem
Standpunkte aus den Gedanken: res publicae sind Sachen des Staates,
von diesem den öffentlichen Zwecken gewidmet und deshalb extra
commercium8.
Die staatliche Gesetzgebung greift ein und erklärt den Staat für
[65]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
den natürlichen selbstverständlichen Eigentümer der öffentlichen Sachen.
Sie gehören ihm als gemeines Eigentum des Staates, domaine public,
öffentliches Gut, eigentliches Staatseigentum9. Es ist ein Eigentum
besonderer Art, ausgezeichnet namentlich durch Unveräußerlichkeit und
Unersitzbarkeit. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechtes
können in dieser Rolle den Staat vertreten. Andere Formen des
Rechtes an der Sache können die Form des Eigentums möglicher
Weise ersetzen, um die Sache zur öffentlichen Sache zu machen. Den
Kern der Erscheinung bildet aber nicht mehr der usus publicus, sondern
diese dingliche Herrschaft des bestimmten Rechtssubjektes. Der usus
publicus ist nur eine Form der Ausübung dieser Herrschaft oder eine
Last und Beschränkung derselben, zugleich ein Merkmal, daß das
Eigentum des Staates hier von der besonderen rechtlichen Natur ist,
die es vor einfachem gewöhnlichem Eigentum auszeichnet10.
Die Art nun, wie dieses Eigentum des Staates an öffentlichen
Sachen zur Anschauung gebracht wird, trägt von Anfang an die Zeichen
des Gedankenkreises des Polizeistaates unverkennbar an sich.
Jene Halbierung des Staates, welche sich dort durch alle Rechts-
institute des öffentlichen Rechtes hindurchzieht, wo immer von Sach-
werten und Vermögensbeziehungen die Rede ist, giebt die maßgebende
Grundlinie auch für dieses Rechtsinstitut: es wird zerlegt in eine
civilrechtliche und eine öffentlichrechtliche Seite und jede einer ent-
sprechenden Erscheinungsform des Staates zugewiesen.
Binding Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 5
[66]Das öffentliche Sachenrecht.
Demnach ist Eigentümer der öffentlichen Sache der Fiskus, dem
dieses Eigentum zusteht als einem Privatmann nach den Regeln des
Civilrechtes, als civilrechtliches Eigentum.
Ihm steht aber gegenüber der eigentliche Staat, welcher
mit seiner hoheitlichen Gewalt über der Sache wacht, um sie bei ihrer
Bestimmung für das öffentliche Interesse zu erhalten. Er legt dem
Fiskus die Last auf, für die Instandhaltung zu sorgen, zwingt ihn,
dem Einzelnen den öffentlichen Gebrauch in gehöriger Weise zu ge-
währen, wehrt ihm die Veräußerung, wehrt andererseits den Unter-
thanen die Ersitzung und sonstige Störung, kann aber auch durch
lex specialis besondere Rechte an der Sache begründen, um sie be-
stimmten Einzelnen zu verleihen11.
Diese Auffassung, eine Zeitlang natürlich einfach die herrschende,
ist auch heutzutage durchaus noch nicht völlig überwunden; wenn man
sich auch mehr und mehr davor scheut, die Zweiteilung des Staats-
begriffs, die sie verlangt, geradezu zu bekennen, so steht man doch un-
bewußt noch in ihrem Bann.
Dies gilt namentlich von einer Art Übergangsmeinung, die sich
augenblicklich großen Ansehens bei unseren Gerichtshöfen erfreut.
Sie will an öffentlichen Sachen ein reines, einheitliches Staatseigentum
[67]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
zur Geltung bringen: der Staat selbst als hoheitliche Macht beherrscht
die Sache. Der Fiskus wäre also beseitigt ganz im Sinn unserer Lehre
vom öffentlichen Eigentum. Nun hängt man aber noch ganz in den
Anschauungen der Fiskus-Theorie, wonach der Staat als hoheitliche
Gewalt nur befehlen und anordnen, aber keine Sachen besitzen und
eigentümlich haben kann. Daraus ergiebt sich dann der wunderliche
Schluß, daß dieses der hoheitlichen Gewalt zustehende Eigentum, das
„gemeine Staatseigentum“ kein Eigentum ist! Die res publicae werden
dadurch wieder res nullius12.
5*
[68]Das öffentliche Sachenrecht.
Diese Auffassung hat keinen anderen Wert als den, ein Zeichen
zu sein, daß die Fiskustheorie auch in ihrer Anwendung auf die öffent-
lichen Sachen in der Zersetzung begriffen ist, — ein Vorgang, dessen
wir auch ohnedies gewiß sein könnten.
3. Unser Verwaltungsrecht beginnt mit der Abschüttlung aller
Reste der polizeistaatlichen Fiskustheorie. Die einheitlich gedachte
öffentliche Gewalt ist der Gegenstand seiner Betrachtung, wie sie sich
frei entfaltet in der ganzen Fülle ihrer Lebensäußerungen. Eine da-
von ist das Eigentum des Staates an öffentlichen Sachen. Die neue
Auffassung wird wesentlich getragen von unseren romanistischen
Theoretikern. Es ergiebt sich hier der seltene Fall, — er brauchte
gar nicht so selten zu sein — daß unser öffentliches Recht seine
Lehre unmittelbar anknüpft an römischrechtliche Begriffe und das
römische Recht zum Lehrmeister wird für das deutsche Verwaltungs-
recht.
In den res publicae hat man nach den wohl verstandenen Quellen
Sachen zu sehen, welche dem römischen Volke, der Staatspersönlichkeit,
gehören zu Eigentum. Aber nicht zu Eigentum nach Civilrecht; das
römische Volk als solches lebt nicht nach Civilrecht. Auch wenn ihm
Eigentum gehört, erscheint darin noch seine hoheitliche Macht, die
majestas populi Romani.
In dieser Weise sind auch unsere öffentlichen Sachen im Eigentum
des Staates in einer anderen Art Eigentum, als das Privateigentum
ist. Dieses Eigentum ist öffentliches Eigentum im Sinne von öffent-
lichrechtlichem Eigentum. Es tritt als ein verwandtes Rechts-
institut, im Gegensatz zu den entsprechenden Civilrechtsinstituten, in
die Reihe neben den öffentlichrechtlichen Vertrag, die öffentlichrecht-
12
[69]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
liche Eigentumsbeschränkung, die öffentlichrechtliche Grunddienst-
barkeit u. s. w.13.
Das ist die Lehre, die in neuerer Zeit zusehends an Einfluß und
Beachtung gewinnt. Aus dem Zusammenhang unseres Verwaltungs-
rechts heraus erkennen wir sie auch als die einzig richtige. Daß sie
noch durchaus nicht als die herrschende bezeichnet werden kann,
darf uns daran nicht stören. Wenn sie allerwege noch halben Zu-
stimmungen, Übergangsmeinungen, Rückfällen in ältere Auffassungen
begegnet, so ist das nur die notwendige Folge der Unfertigkeit unserer
Wissenschaft vom Verwaltungsrecht.
Was hilft es, daß unsere Romanisten sagen: dieses Eigentum
ist nach öffentlichem Recht zu beurteilen, wenn man nicht genau und
bestimmt anzugeben weiß, was denn nun dort drüben, auf dem Gebiete
des öffentlichen Rechtes, Eigentum bedeutet? Die solide Rechts-
wissenschaft bleibt da lieber auf dem sicheren vertrauten Boden stehen
und behilft sich mit der Anerkennung, daß hier etwas Besonderes,
Ungewöhnliches hereinragt, das sie nicht weiter erklären kann. So
entsteht die häufig gebrauchte Formel: das Eigentum des Staates an
den öffentlichen Sachen ist einfaches Privateigentum, nur beschränkt
durch den Gemeingebrauch14. Die Halbheit und Ungenügendheit
[70]Das öffentliche Sachenrecht.
dieses Auskunftsmittels springt in die Augen. Ist denn nicht am Ende
die Begründung des Gemeingebrauchs selbst eine Verfügung des Eigen-
tümers, durch die er sein Eigentum gerade für seine Zwecke benützt?
Wie kann man sagen, das sei eine Beschränkung des Eigentums!
Und dann: ein Gemeingebrauch findet an sehr vielen öffentlichen
Sachen gar nicht oder nur in sehr abgeschwächter Gestalt statt. Was
zeichnet dann das Eigentum an diesen aus?
Wiederum aber ist es ein Zeichen der Zeit, ein Merkmal der
Richtung, in welcher die Entwicklung geht, daß diese Formel jetzt
mehr und mehr mit einer gewissen Resignation beibehalten wird.
Man möchte wohl etwas besseres haben und begrüßt von dieser Seite
die Idee des öffentlichen Eigentums nicht unfreundlich. Man traut
ihr nur nicht recht, weil sie sich nicht klar genug enthüllt15.
Hier hat unsere Wissenschaft vom deutschen Verwaltungsrecht
eine Pflicht zu erfüllen. Wir müssen sagen können, was das öffent-
liche, d. h. öffentlichrechtliche Eigentum ist. „Öffentlichrechtlich“ be-
14
[71]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
deutet ja für uns nicht eine äußerliche Rubrizierung und Klassifizierung,
sondern eine feste Grundlage, auf welcher das Rechtsinstitut sich ent-
faltet. Wenn wir es in seiner ganzen Bestimmtheit erfassen, so müssen
die Schatten der Vergangenheit von selbst verschwinden16.
II. Für die ganze Lehre vom öffentlichen Eigentum ist von grund-
legender Bedeutung der Begriff der öffentlichen Sache.
Dieser Begriff setzt sich zusammen aus zwei Merkmalen: aus
einer Zweckbestimmung und aus einer rechtlichen Zugehörigkeit, beide
aber nicht selbständig neben einander gedacht, sondern sich gegenseitig
bedingend und durchdringend.
Die Zweckbestimmung, welche der öffentlichen Sache eigen-
tümlich ist, besteht darin, daß sie dem öffentlichen Interesse dient.
Aber nicht in der Weise, daß sie eine Nützlichkeit vorstellt im bürger-
lichen Gemeinleben, im Ganzen des gesellschaftlichen Daseins des
Volkes, sondern in dem bestimmten Sinn des öffentlichen Interesses
als des Zieles der geordneten Thätigkeit der öffentlichen Gewalt, der
öffentlichen Verwaltung. Daraus folgt von selbst schon eine bestimmte
Forderung bezüglich der rechtlichen Zugehörigkeit dieser Sachen.
Die rechtliche Zugehörigkeit, welche zum Wesen der
öffentlichen Sache gehört, muß bestehen für ein Rechtssubjekt der
öffentlichen Verwaltung, den Staat in erster Linie. Aber auch diese
Zugehörigkeit ist nicht beliebiger Art, sondern eine solche, die durch
die Art, wie die Sache dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt
ist, ihre besondere rechtliche Natur bekommt.
Alle Sachen, welche dem Staate gehören, dienen schließlich der
öffentlichen Verwaltung. Aber sie thun es mehr oder weniger un-
mittelbar. Man hat nach diesem Gesichtspunkt zweierlei Arten von
Staatsvermögen unterschieden: das Finanzvermögen und das
Verwaltungsvermögen. Das erstere umfaßt die Sachen, welche
lediglich als Geld und Geldeswert in Betracht kommen, oder als
privatwirtschaftliches Kapital zur Erzeugung von Geldwerten. Das
letztere besteht aus den Sachen, welche unmittelbar mit ihrem
Gebrauchswert als Mittel der öffentlichen Verwaltung zur Verwendung
kommen.
Zu dem letzteren, zum Verwaltungsvermögen, rechnet man wohl
manchmal auch die öffentlichen Sachen. Dabei gerät ihre Eigenart
[72]Das öffentliche Sachenrecht.
in Gefahr, verwischt zu werden17. Sie bilden eine dritte Gruppe für
sich: das Dienen für die öffentliche Verwaltung wird bei ihnen ein so
unmittelbares, daß die rechtliche Herrschaft selbst, in der sie stehen,
dadurch ihre besondere Natur bekommt. Wenn wir hier von öffent-
lichen Sachen sprechen, so meinen wir Sachen öffentlichen Rechtes;
res publicae sind uns res publici juris, das will sagen: Sachen, welche
um ihrer Zweckbestimmung willen in einer rechtlichen Herrschaft
stehen, die nach öffentlichem Rechte zu beurteilen ist.
Da wird uns nun freilich von vornherein die „juristische Möglich-
keit“ eines öffentlichen Sachenrechts dieser Art bestritten. Wie ist
es überhaupt denkbar, daß die rechtliche Herrschaft über eine Sache
nach öffentlichem Recht beurteilt werde? Die gewöhnliche Auffassung
ist natürlich geneigt, die Alleinherrschaft der entsprechenden civil-
rechtlichen Begriffe als Glaubenssatz festzuhalten. Der wichtigste Be-
griff dieser Art, das Eigentum, wird z. B. bestimmt als „die umfassende
ausschließende und unbedingte Macht über die Sache“18. Also, sagt
man, liegt dies entweder vor, dann ist civilrechtliches, oder es liegt
nicht vor, dann ist gar kein Eigentum gegeben. Hierauf ist zu ent-
gegnen, daß allerdings auch das öffentliche Eigentum ganz und gar
diesem richtigen Begriffe entsprechen wird. Aber was ist civilrecht-
liches Eigentum? Der Sache gegenüber, welche Gegenstand dieser
Macht ist, enthält das Eigentum ja nichts Rechtliches. Rechtlich wird
die Macht dadurch, daß die Beziehungen zu anderen Rechtssubjekten,
zu bestimmten und unbestimmten, in welche der Eigentümer von hier
aus tritt, in dem ihr entsprechenden Sinne rechtlich geordnet sind.
Diese die Macht über die Sache umgebende Ordnung von daran sich
knüpfenden Beziehungen zu Anderen ist die Rechtsordnung des
Eigentums. Diese Rechtsordnung wird geliefert durch die Regeln
des Privatrechts, und so erscheint das Privateigentum, besser: privat-
rechtliche oder civilrechtliche Eigentum. Denken wir uns nun diese
ganze civilrechtliche Rechtsordnung ausgeschlossen und an ihrer Stelle
[73]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
die Regeln des öffentlichen Rechts allein maßgebend, so haben wir
das öffentliche Eigentum, besser: öffentlichrechtliche Eigentum.
Über die Möglichkeit dieses öffentlichen Eigentums brauchen wir
nicht zu streiten; denn es ist wirklich. Es giebt eine Reihe von
Sachen, bei welchen die Beziehungen ihres Herrn als solchen zu
Anderen grundsätzlich dem Civilrecht entzogen und in den eigentüm-
lichen scharf ausgeprägten Formen des öffentlichen Rechts geordnet
sind. Das ist’s, was wir unter dem Namen öffentliches Eigentum dar-
zustellen haben19.
Aus den allgemeinen Grundlagen des Verwaltungsrechts ergiebt
sich aber auch, wann eine öffentliche Sache dieser Art vorliegt. Die
Regeln für die Ausscheidung des Civilrechts und des öffentlichen Rechts,
wie wir sie Bd. I § 11, II aufgestellt haben, liefern den Maßstab.
Die Willensmacht des Staates, wo sie erscheint, wird nach öffent-
lichem Rechte beurteilt, sofern sie nicht ausnahmsweise der Anwend-
barkeit des Civilrechts unterliegt. Das Letztere ist aber der Fall, so
oft der Staat in eine privatwirtschaftliche Stellung sich begiebt, wo
er dem Einzelnen naturgemäß auf demselben Boden, als Gleicher dem
Gleichen, gegenübersteht (Bd. I S. 138).
Legen wir diesen Maßstab an, so werden wir hier, wo es sich
um Herrschaft über eine körperliche Sache handelt, regelmäßig die
Voraussetzung erfüllt finden, unter welcher die Rechtsbeziehungen
zwischen Staat und Unterthan civilrechtlich beurteilt werden müssen;
die Regel dreht sich thatsächlich hier um. Denn die Herrschaft über
eine körperliche Sache unterscheidet sich, für sich betrachtet, in
nichts von dem, was auch im wirtschaftlichen Leben der Einzelnen
als solche erscheint.
Das gilt nicht bloß für den Fall, wo das ganze Unternehmen,
welchem die Sache dient, dem privatwirtschaftlichen Betriebe an-
gehört, wie z. B. Bewirtschaftung eines Landgutes, Verwaltung eines
Zinshauses. Auch, wo das Grundstück als „Verwaltungsvermögen“ zu
den Zwecken eines öffentlichen Unternehmens benützt wird, greift für
die Stellung des Staates als Herrn des Grundstückes nicht schon von
selbst eine andere Auffassung Platz. Er besitzt z. B. Militärschieß-
[74]Das öffentliche Sachenrecht.
plätze, Schulgebäude, Gefängnisse. Was unter Benutzung dieser
Sachen geschieht, ist allerdings wesentlich öffentliche Verwaltung,
herausgehoben aus der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Rechte
zugehörig. Aber deshalb wird nicht jede Lebensäußerung, die irgend-
wie damit zusammenhängt, als Stück der öffentlichen Verwaltung
selbst nach öffentlichem Rechte zu beurteilen sein. Namentlich wenn
es sich erst um die Beschaffung und Bereithaltung der Mittel
handelt, welche dieser öffentlichen Verwaltung dienen sollen, wird es
immer darauf ankommen, wohin diese Thätigkeiten, für sich betrachtet,
gehören. Ein Lieferungsvertrag für Gefängnisbedürfnisse und ein
Mietvertrag oder Kaufvertrag für Schulräume sind zweifellos privat-
wirtschaftlicher und civilrechtlicher Natur. Geradeso wird auch die
Herrschaft des Staates über die erworbenen und solchen öffentlichen
Unternehmungen als Mittel dienenden Sachen durch diesen äußer-
lichen Zusammenhang nichts anderes: das Unternehmen selbst gehört
der öffentlichen Verwaltung an, die Bereitung des Mittels dazu ist,
für sich betrachtet, privatwirtschaftlicher Natur, und der Staat in der
Stellung des Eigentümers davon, sofern er erwirbt, veräußert, verliert,
besitzt, belastet wird und seine Rechte wahrt, nach Civilrecht zu
beurteilen: mit anderen Worten das Eigentum bleibt civilrechtlich.
Diese zum Civilrecht hinziehende Natur der Sachbeherrschung
muß also aufgehoben werden, wenn ein öffentlichrechtliches Eigentum
denkbar sein soll. Wie kann das geschehen? Nur so, daß die öffent-
liche Verwaltung, als solche erkennbar, mit der Sachbeherrschung
sich verbindet, die Sachbeherrschung, statt der öffentlichen Verwaltung
als Mittel zu dienen, selbst öffentliche Verwaltung vor-
stellt. Man drückt das auch so aus: die Sache müsse einem öffent-
lichen Zwecke unmittelbar dienen, durch ihre Beschaffenheit, ihre
bloße Existenz den öffentlichen Zweck erfüllen. Oder man hält sich
an das sicherste und wichtigste Beispiel, in welchem solche öffent-
liche Verwaltung unmittelbar durch die Sache erscheint, an den Ge-
meingebrauch, und giebt diesen als das entscheidende Merkmal.
Wo das zutrifft, wo also der Staat durch die Sache verwaltet,
den öffentlichen Zweck unmittelbar durch ihre Beschaffenheit und
Gestalt erfüllt, da wird er auch in seiner Rolle als Beherrscher derselben
für diesen Zweck dem Civilrecht nicht mehr unterworfen sein; dieses
Beherrschen selbst ist dann nicht privatwirtschaftlicher Art mehr, und
die von da aus sich ergebenden Beziehungen zu den Einzelnen regeln
sich nach öffentlichem Rechte. Die öffentliche Sache erscheint.
III. Was wir hier aufstellen, ist nur die Rechtsidee der öffent-
lichen Sache. Kein Gesetz hat je ausgesprochen: die rechtliche Herr-
[75]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
schaft über eine Sache ist nach öffentlichem Recht zu beurteilen,
wenn sie unmittelbar öffentliche Verwaltung vorstellt. Es besteht
überhaupt kein allgemeiner Rechtssatz dieses Inhalts. Bestünde er,
so könnte er doch nur dadurch zur Anwendung gebracht werden, daß
ihm aus den Anschauungen der Zeit die nötige Bestimmtheit gegeben
würde. Denn wann ist die Sache der Art, daß durch sie unmittelbar
der öffentliche Zweck erfüllt, öffentliche Verwaltung geführt wird?
Die jeweils herrschende Anschauung und schließlich das Meinen des
Einzelnen könnte da die Grenze sehr verschieden ziehen.
Im geltenden Rechte finden wir aber eine Reihe von Sachen als
öffentliche anerkannt mit der Wirkung, daß die rechtliche Herrschaft
über sie dem Civilrecht entzogen und nach öffentlichem Rechte be-
urteilt ist. Die Zuteilung zu dieser Klasse beruht zum Teil auf Auf-
zählungsversuchen unserer Gesetzbücher, die überall unvollkommen
genug ausgefallen sind (vgl. oben Note 9). Die Rechtsübung hat Er-
gänzungen dazu geliefert und Einschränkungen gemacht. Einflüsse
der geschichtlichen Vorstufen wirken dabei mit. Die Allmend, die
römischen res publicae, die res sacrae des kanonischen Rechts haben
Beiträge geliefert. Die Anwendungsfälle des Begriffes der öffentlichen
Sachen, wie sie im geltenden Recht sich darstellen, sind etwas ge-
schichtlich Gewordenes, Gegebenes; die Rechtswissenschaft hat sie
wieder nur zu beobachten und festzustellen. Durch eine einfache
Subsumtion unter die theoretischen Formeln sind sie nicht zu gewinnen.
Wir müssen uns wieder bei dem Standpunkte bescheiden, der für die Aus-
scheidung unserer Rechtsinstitute vom Civilrecht überhaupt gilt (oben
Bd. I S. 139).
Aber jene Rechtsidee ist der rote Faden, der durch diese Anwendungs-
fälle sich hindurchzieht. Sie wahren alle den Zusammenhang mit ihr,
wenn auch manchmal bloß durch Vermittlung einer früheren Auffassung
von der Bedeutung der Sache. Der Rechtsidee nach Gleichwertiges,
das neu auftritt, wird ohne formelle Rechtsgrundlagen in die nächsten
verwandten Rubriken untergebracht; das Gesetz selbst wird aus ihr
von der Rechtsübung ergänzt. Umgekehrt werden einzelne Anwendungs-
fälle, für die ein Zusammenhang mit ihr in keiner Weise mehr fest-
zustellen ist, im geltenden Rechte abgestoßen, manchmal selbst ent-
gegen dem ausdrücklichen Wortlaute des Gesetzes20.
[76]Das öffentliche Sachenrecht.
So leuchtet auch aus der scheinbar zufälligen Anhäufung von
Stoff schließlich doch wieder die innere Einheit des Rechtsinstituts
hervor und sein großer Zusammenhang mit dem Ganzen des Ver-
waltungsrechts. —
Die einzelnen Anwendungsfälle des Begriffs der öffentlichen Sache
gliedern sich übersichtlich in folgenden Gruppen.
1. An der Spitze stehen nach allgemeiner Auffassung diejenigen
Sachen, welche bestimmt sind, dem Gemeingebrauch, dem usus
publicus, zu dienen. Wir sehen dies ja sogar dahin übertrieben, daß
der Gemeingebrauch als wesentliches Begriffsmerkmal alles öffentlichen
Eigenthums bezeichnet wird, wenn man ihn nicht etwa geradezu zum
eigentlichen Herrn dieser Sachen macht21.
In Wahrheit ist er nur die unverkennbarste Art der Bekundung,
daß die Sache durch ihre Beschaffenheit geeignet ist, eine öffentliche
Sache in dem festgestellten Begriffe zu sein. Der Eigentümer hat
nichts zu thun, als sie dem Gemeingebrauch offen zu halten; dann
dient sie diesem und damit dem öffentlichen Interesse von selbst, er
aber übt durch sie unmittelbar die öffentliche Verwaltung, zu welcher
er berufen ist22.
Wege, Plätze, Brücken, öffentliche Anlagen, öffentliche Flüsse,
Schiffahrtskanäle bilden demgemäß die Hauptfälle des öffentlichen
Eigentums.
2. Die selbständige Bedeutung der Sache für die öffentlichen
Interessen kann aber auch dann noch genügend in den Vordergrund
treten, wenn eine amtliche Thätigkeit dazwischen kommt, um
ihre Leistung jedesmal zugänglich zu machen und zu vermitteln. Die
Grenze wird da allerdings im voraus schwerer zu ziehen sein. Der
eigentliche usus publicus ist jedenfalls bei dieser Art der Leistung
nicht mehr gegeben.
Solche vermittelnde Thätigkeit erscheint in geringem Maße schon
bei den oben erwähnten Schiffahrtskanälen, insofern die Schleusen-
bedienung sie erst benutzbar macht. Das thut der Natur der
öffentlichen Sache noch keinen Eintrag. Auch der usus publicus ist hier
doch nur stellenweise unterbrochen.
Aber auch der Bahnkörper der Eisenbahn wird zum öffent-
20
[77]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
lichen Eigentum gerechnet. Man betrachtet ihn als öffentlichen Ver-
kehrsweg und findet damit die Anknüpfung an die gesetzlichen Be-
stimmungen. Dieser Verkehrsweg hat freilich das Besondere, daß
niemand ihn benützen kann anders als in den dazu gestellten Transport-
mitteln und unter Leitung der damit betrauten Beamten und An-
gestellten. Der Bahnkörper leistet seine Dienste als öffentlicher Ver-
kehrsweg durch diese Vermittlung, — zur Not kann man es so auf-
fassen — aber niemals leistet er sie dem selbst zugreifenden Gemein-
gebrauch. Was dem Publikum unmittelbar geöffnet ist, das sind die
Eisenbahnwagen, aber diese durchaus nicht nach Gemeingebrauch und
nicht als öffentliches Eigentum, so wenig wie der Eilwagen, der auf
der Landstraße dahin rollt23.
Ähnlich ist das rechtliche Verhältnis bei den Kirchhöfen. Sie
sind öffentliches Eigentum der Gemeinden oder Kirchengesellschaften,
gleichviel; die Beschränkung auf eine bestimmte Glaubensgenossen-
schaft ändert nichts daran. Sie sind es aber nicht als Verkehrsplätze;
der Zutritt, den sie den Besuchern gestatten, ist doch bloß neben-
sächlicher Natur und auch nur in beschränkter Weise verstattet. Der
Hauptdienst, den sie leisten, ist der als Ruhestätte der Toten, im
öffentlichen Interesse der Gesundheit der Lebenden und des religiösen
Gefühles. Als solche Ruhestätte können sie aber keineswegs nach den
Regeln des usus publicus benützt werden. Niemand darf dafür an
den Kirchhof rühren als der amtliche Totengräber; durch dessen Ver-
mittlung bietet er den vielen Einzelnen die Beerdigungsplätze für
[78]Das öffentliche Sachenrecht.
ihre Angehörigen. Römischrechtliche und kirchenrechtliche An-
schauungen spielen mit hinein, wenn er um dieser Leistung willen als
öffentliches Eigentum angesehen wird24.
3. Es giebt endlich öffentliche Sachen, welche den Einzelnen über-
haupt keine Dienste leisten, nicht einmal durch die Vermittlung einer
amtlichen Thätigkeit; die unmittelbare Verwirklichung des öffentlichen
Zweckes ist auch ohne Vorteile der Einzelnen möglich und sie genügt.
Dahin gehören vor allem die Festungswerke. Hier ist es wieder
die Sache, welche durch ihre Beschaffenheit das öffentliche Interesse
selbständig befriedigt, den Schutz der befestigten Stadt, die Sperrung
des Passes. Diese Selbständigkeit der Leistung trat allerdings bei der
früheren Bauart und auf dem früheren Stande der Kriegskunst un-
gleich deutlicher hervor als in unseren Tagen. Jetzt würden wir das
Festungswerk vielleicht eher als ein Mittel betrachten, welches die
Wirksamkeit unserer bewaffneten Macht zu unterstützen geeignet ist;
als solches gehörte es zum Verwaltungsvermögen, aber nicht zu den
öffentlichen Sachen (oben Note 17). Aber die einmal gewonnene Auf-
fassung hat sich rechtlich festgesetzt und ist stehen geblieben, auch
wo sie nicht die Stütze einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung
fand. Der Widerspruch mit der Rechtsidee ist immerhin noch nicht
grell genug, um das Herkommen zu zerbrechen. Der Gemeingebrauch
gehört selbstverständlich zum Wesen dieser öffentlichen Sache nicht;
er widerspricht sogar geradezu ihrer Hauptaufgabe; nur nebensächlich
kann etwas derartiges möglicherweise an einzelnen Teilen geduldet
[79]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
werden, aber auch dann ist es eine Gebrauchserlaubnis und kein usus
publicus (unten § 38, I)25.
Wir haben dem an die Seite zu stellen die Kirchengebäude
der anerkannten Religionsgesellschaften; sie sind öffentliches Eigen-
tum der Religionsgesellschaft oder des Staates oder der politischen
Gemeinde. — Damit hat es aber seine besondere Bewandtnis.
Das kanonische Recht hat für diese Gebäude als heilige
Sachen eine besondere Rechtsstellung geschaffen. Der Staat, indem
er seine selbständige Rechtsordnung ausbildet, kann ein derartiges
heiliges Recht nicht einfach übernehmen; das giebt es bei ihm nicht.
Er kommt aber der Kirche entgegen, indem er möglichst in seinen
eigenen Formen zum Ausdruck bringt, was dem Erfolg nach damit
gewollt ist: dazu dient in weiterem Umfang die besondere Befriedung
solcher Sachen durch verstärkten Strafschutz; für Kirchengebäude aber
insbesondere noch ihre Anerkennung als öffentliche Sachen.
Diese Anerkennung ist teilweise durch ausdrückliche Gesetzes-
bestimmung erfolgt, sie besteht aber auch ohne solche aß geltendes
Recht. Die Vermittlung wird man vergeblich suchen in einem usus
publicus, dem die Kirchengebäude unterliegen. Sie stehen ja in ge-
wissem Maße dem freien Zutritt offen. Aber das ist auch beim
[80]Das öffentliche Sachenrecht.
Gerichtsgebäude der Fall, das doch zweifellos nicht öffentliches Eigen-
tum ist. Nach weltlichem Maßstabe betrachtet, würde die Kirche wie
dieses dem öffentlichem Zwecke nur mittelbar dienen, indem sie den
gottesdienstlichen Verrichtungen, die die Hauptsache sind, Obdach
gewährt. Allein hier wird eben die kirchliche Anschauungsweise
von der Besonderheit der res sacra wirksam, die der Staat soweit
gelten läßt.
Die geweihte Sache soll ja kein bloßes Mittel des Gottesdienstes
sein; sie hat nach kirchlicher Lehre selbst eine heiligende Kraft, im
Kirchengebäude zumal, dem Gotteshause, verkörpert sich schon ein
Stück Gottesdienst. Ins Weltliche übersetzt, giebt das in der That
die Rechtsidee der öffentlichen Sache wieder. Daß diese Auffassung
für den evangelischen Standpunkt nicht zutrifft, ist kein Hindernis;
die katholischen Ideen haben in diesen Dingen unverkennbar die
Führung26. —
Mit dieser Aufzählung ist der Kreis der öffentlichen Sachen nicht
geschlossen. Es können unter Umständen noch mancherlei Arten von
Anstalten und Einrichtungen auftauchen, an welchen im geltenden
Recht die Voraussetzungen öffentlicher Sachen anerkannt werden.
So die öffentlichen Abzugskanäle, auch wenn sie nicht schon als Stück
der öffentlichen Straße sich darstellen27. Ferner sehen wir Gemeinde-
brunnen28, wohl mit unter der Nachwirkung der alten Allmendnatur, in
dieser Weise behandelt. In demselben Gedankengange wie die Festungs-
werke werden auch Schutzdeiche und Überschwemmungsdämme zu
den öffentlichen Sachen gerechnet29.
Im allgemeinen muß man vorsichtig sein mit der weiteren Aus-
dehnung. Namentlich darf man nicht, um neue Anwendungsfälle des
Begriffes der öffentlichen Sache zu gewinnen, den Begriff des Gemein-
gebrauchs verunstalten und einen solchen überall finden wollen, wo
Sachen den vielen Einzelnen oder auch einer Verwaltungsthätigkeit
irgendwie nützlich werden. Es ist kein Gemeingebrauch, wenn Kunst-
[81]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
werke und unterrichtende Gegenstände der Beschauung durch das
Publikum zugänglich gemacht sind, oder Bücher aus der Bibliothek
verliehen werden. Das Gebäude selbst, das diese Fahrnis verwahrt,
unterliegt keinem Gemeingebrauch, wenn es auch zu bestimmten
Zeiten dem allgemeinen Zutritt geöffnet wird. Noch weniger genügt
es natürlich, daß das Gebäude dem Dienste einer öffentlichen Anstalt,
der Thätigkeit einer Behörde Unterkunft gewährt; es wird da-
durch nur Mittel der öffentlichen Verwaltung, nicht selbst ihre Ver-
körperung30.
Fahrnisgegenstände und Gebäude, diese mit Ausnahme
der Kirchengebäude, erscheinen überhaupt durchweg nicht als öffent-
liche Sachen. Wenn man sie so nennt, so hält diese Behauptung
doch niemals die Probe aus: sie werden in Wahrheit nicht nach öffent-
lichem Recht, sondern nach dem gewöhnlichen Civilrecht behandelt,
vielleicht hier und da nach einem etwas veränderten Civilrecht. Die
Titulatur hat keinen Zweck31.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 6
[82]Das öffentliche Sachenrecht.
IV. Wir haben nunmehr Begriff und Umfang der öffentlichen Sache
festgestellt. Die Bedeutung der öffentlichen Sache besteht darin, daß
die rechtliche Herrschaft, in welcher sie steht, nach öffentlichem Rechte
beurteilt wird. Diese Herrschaft steht immer einem Subjekte der
öffentlichen Verwaltung zu. Das Subjekt selbst und seine Herrschaft
können aber verschiedener Art sein. Dadurch ergeben sich auch Ver-
schiedenheiten der Zugehörigkeit der öffentlichen Sache.
1. Die öffentliche Sache kann nur einem Rechtssubjekte
der öffentlichen Verwaltung zugehören. Daran erweist sich
ihr Wesen, das ja eben darin besteht, daß ihr Herr durch sie un-
mittelbar öffentliche Verwaltung führt.
Subjekt der öffentlichen Verwaltung ist aber nicht bloß der
Staat; der Staat ist es in erster Linie und in vollem Umfange;
dem entsprechend sind auch alle Arten von öffentlichen Sachen bei
ihm zu finden.
An seiner Stelle sind aber Subjekte der öffentlichen Verwaltung
vor allem auch die Selbstverwaltungskörper (unten § 55).
Folglich können wir erwarten, daß auch ein öffentliches Eigentum der
Provinzen, Kreise, Gemeinden u. s. w. uns entgegentritt. In welchem
Umfange das möglich ist, das hängt ab von dem Umfange des
Selbstverwaltungsrechts: nur für Zwecke, die innerhalb der Grenzen
desselben liegen, ist die Fähigkeit, öffentliche Verwaltung zu führen,
gegeben und folglich die Möglichkeit öffentlichen Eigentums. Wir finden
öffentliche Sachen der Gemeinden in Gestalt von Wegen, Brücken,
Brunnen; aber nicht in Gestalt von Festungswerken oder öffentlichen
Flüssen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts haben
wieder gar keine öffentlichen Sachen, weil Zwecke, die in solcher
Form zu verfolgen wären, nicht in ihrem Selbstverwaltungsrechte
liegen32. Die Religionsgesellschaften und die verschiedenen juristischen
31
[83]§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
Personen, die sich aus ihnen ergeben, werden staatlicherseits eingereiht
sein in irgend eine Form der Selbstverwaltungskörper und dem-
gemäß fähig, öffentliche Sachen zu haben; dabei spielt allerdings die
noch nicht ausgetragene Frage der Scheidung von Kirchenrecht und
Verwaltungsrecht herein.
Öffentliche Verwaltung erscheint auch noch über die Selbst-
verwaltung hinaus; es kann ein Stück davon auch einem Unternehmer
besonders übertragen sein, sei es eine juristische Person, Gesellschaft,
oder ein Einzelner, zur Ausübung eigenen Namens. Die Form dafür
giebt das Rechtsinstitut der Verleihung, wie wir es schon in der
Lehre von der Enteignung kennen gelernt haben (oben § 33, II n. 2;
vgl. auch unten §§ 49 u. 50). Insofern das öffentliche Unternehmen
durch eine Sache unmittelbar seine Verwirklichung findet, liegen die
Voraussetzungen des öffentlichen Eigentums auch hier vor. Öffent-
liche Chausseen, Brücken, Eisenbahnkörper müßten auch als öffent-
liches Eigentum eines solchen Unternehmers angesehen werden. Diese
Folgerung wird thatsächlich nicht immer gezogen. Das Verhältnis
wird verschieden aufgefaßt. Man sträubt sich dagegen, den Unter-
nehmer als Eigentümer nach öffentlichem Recht anzuerkennen, läßt
also entweder den Staat als den wahren Eigentümer gelten, der sein
öffentliches Eigentum nur während der Dauer der Verleihung durch
den Unternehmer ausübt, oder nimmt geradezu, mit einem Rückfalle
in frühere Anschauungen, nur ein besonders geschütztes Privateigentum
des Unternehmers an. Die Ausbildung unseres Rechts ist auch in
diesem Punkte noch unfertig33.
6*
[84]Das öffentliche Sachenrecht.
2, Die Herrschaft, welche diesem Rechtssubjekte der öffent-
lichen Verwaltung über die ihm zugehörige Sache zusteht, kann eine
verschiedene sein nach dem Umfange, in welchem sie die
Sache rechtlich erfaßt.
Die Zugehörigkeit der Sache an die öffentliche Verwaltung kann
eine bloß thatsächliche sein, ein Besitz. Ein solcher Besitz knüpft
sich von selbst an die äußerliche Thatsache, daß die Sache durch
ihre Beschaffenheit dem entsprechenden öffentlichen Zwecke dient.
Die Verwaltung wird mit den ihr zu Gebote stehenden Machtmitteln
diesen Zustand aufrecht erhalten und, wenn er zerstört wird, wieder
herstellen; sie erhält dadurch sich im Besitz (darüber unten in der
Lehre von der Polizei der öffentlichen Sachen § 36, II n. 1). Für
diesen Besitz kann ein Recht an der Sache die Grundlage abgeben.
Der Besitz der Verwaltung kann sich aber auch selbständig für sich
allein behaupten ohne Zusammenhang mit einem Recht an der Sache,
ja sogar im Gegensatze zu einem offenbaren Rechte an der Sache,
welches einem andern zusteht. Das ist die Bedeutung des öffentlich-
rechtlichen Besitzes, davon wir das Nähere in der Lehre von
den öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen vorzutragen haben
(unten § 41, I).
Es kann auch zu Gunsten der Verwaltung, des Staates oder wer
an seiner Stelle steht, ein beschränktes Recht an der Sache begründet
sein, durch welches das Recht des Eigentümers zurückgedrängt wird.
Dieses Recht hat die Natur eines jus in re aliena, einer Dienstbarkeit,
mit dem Inhalt, daß der Gebrauch der Sache für den öffentlichen
Zweck geduldet werden muß. Indem die als Dienstbarkeit erscheinende
Herrschaft über die Sache unmittelbar dem öffentlichen Zwecke dient,
wird sie zur öffentlichrechtlichen Grunddienstbarkeit,
von deren Recht hier noch nicht zu handeln ist (vgl. darüber
unten § 40).
Das Letzte und Äußerste ist, daß die rechtliche Herrschaft des
Subjektes der öffentlichen Verwaltung die Sache umfassend und aus-
schließend ergreift, so daß ein Rest von fremdem Eigentum nicht
übrig bleibt. Der Staat ist der Eigentümer der Sache und verfolgt
mit dieser seiner Macht darüber unmittelbar den öffentlichen Zweck.
Das ist der Fall des öffentlichen Eigentums.
[85]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
§ 36.
Fortsetzung; die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
In Gemäßheit des aufgestellten Begriffs des öffentlichen Eigen-
tums entfaltet sich nun die Rechtsordnung, die es umgiebt, im einzelnen.
Anfang und Ende seiner Wirksamkeit und worin diese selbst sich
äußert, ist danach zu bestimmen.
I. Die Entstehung des öffentlichen Eigentums, d. h. der Be-
ginn des rechtlichen Zustandes, den wir so nennen, tritt ein mit dem
Augenblick, in welchem seine begriffsgemäßen Voraussetzungen erfüllt
sind: Eigentum und öffentliche Verwaltung durch die damit beherrschte
Sache müssen zusammentreffen.
1. Die eine Voraussetzung ist, daß eine öffentliche Sache
vorliege, eine Sache, durch welche das Rechtssubjekt, dem sie zugehört,
öffentliche Verwaltung führt, einen bestimmten öffentlichen Zweck un-
mittelbar verwirklicht.
Dazu ist erforderlich, daß die Sache selbst die entsprechende
äußerliche Beschaffenheit habe, von Natur oder durch Bearbeitung,
und sodann, daß ihr Herr sie thatsächlich für diesen Zweck verwende.
Der Zeitpunkt der Entstehung der öffentlichen Sache ist da, wo diese
Indienststellung der Sache erfolgt.
Zu dieser Indienststellung genügt also nicht eine darauf gerichtete
Willenserklärung des Herrn der Sache. Das ist wirkungslos, wenn
die Sache thatsächlich noch nicht zu seiner Verfügung steht, er also
noch nicht Herr der Sache in diesem Sinne ist, und ebenso wenn sie
noch die nötige Beschaffenheit nicht hat, um ihren Dienst zu leisten;
es wäre unter diesen Umständen nur die Äußerung einer Absicht an-
zunehmen bezüglich dessen, was künftig geschehen soll1.
Andererseits ist aber auch die volle Geeignetheit der Sache und
ihre thatsächliche Dienstleistung für den Zweck nicht genügend, selbst
dann nicht, wenn sie einem zu öffentlicher Verwaltung befähigten
Rechtssubjekte zugehört. Es muß mit dem Willen ihres Herrn
geschehen, daß sie dem öffentlichen Zwecke dient; nur dann trifft das
zu, was wir als das Wesen der öffentlichen Sache erkannt haben: daß
öffentliche Verwaltung durch sie geführt wird2.
[86]Das öffentliche Sachenrecht.
Die Erscheinung dieses Willens, durch welchen bei gegebenen
thatsächlichen Voraussetzungen die Sache in Dienst gestellt und zur
öffentlichen Sache wird, nennen wir die Widmung derselben. Die
Widmung ist eine Willensäußerung, die dem Gebiete der öffentlichen
Verwaltung angehört; aber sie ist kein Verwaltungsakt. Sie bestimmt
kein Verhältnis des Unterthanen zur öffentlichen Gewalt; sie schafft
Voraussetzungen für solche Verhältnisse. Das thut ähnlich auch die
civilrechtliche Verfügung des Eigentümers über seine Sache. Aber so
wenig diese ein Rechtsgeschäft ist, so wenig ist die Widmung ein
Verwaltungsakt3.
Die Widmung kann in verschiedener Form erscheinen.
Sie kann als selbständiger Akt vorgenommen werden nach Vol-
lendung der nötigen Arbeiten zur Herrichtung der Sache. Das wird
namentlich dann der Fall sein, wenn die Sache ihren öffentlichen
Zweck in der Weise zu erfüllen hat, daß sie dem Publikum zur Be-
2
[87]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
nutzung offen steht durch Gemeingebrauch oder freien Eintritt, ohne
weitere Vermittlung der Angestellten des Unternehmens. Die Eröff-
nung der Sache für das Publikum bedeutet alsdann ihre Indienst-
stellung, die Widmung. Beispiele geben die öffentlichen Straßen, die
Brücken, die Kirchengebäude. Die Widmung kann dabei mit mehr oder
weniger Feierlichkeit ausdrücklich ausgesprochen werden. Sie kann
auch minder feierlich geschehen dadurch, daß bis dahin Verbote des
Zutritts und der Benützung aufgestellt waren durch Anschläge und
Warnungszeichen und nunmehr diese Verbote beseitigt werden. In
diesem Augenblicke vollzieht sich der Umschlag: die Sache wird eine
öffentliche, das schon vorhandene Eigentum des Staates oder der Ge-
meinde daran, das bisher civilrechtlich zu beurteilen war, wird öffent-
liches Eigentum4.
In anderen Fällen wird der Indienststellungswille erkennbar durch
die thatsächlichen Veranstaltungen, welche die Verwaltung selbst mit
der Sache vornimmt. So bei Sachen, welche durch ihre Herrichtung
den öffentlichen Zweck erfüllen, ohne vom Publikum benutzt zu
werden: mit der Vollendung der wesentlichen Herstellungsarbeiten ist
die Widmung verbunden. Das wird z. B. der Fall sein bei Festungs-
werken. Bei anderen Sachen, welche ihre Dienste leisten durch Ver-
mittlung von Beamten und Angestellten des Unternehmens, liegt die
Widmung in dem dienstlich angeordneten Beginne des Betriebes. So
beim Kirchhof, beim Eisenbahnkörper, wohl auch beim Schleusenkanal.
Hier kann ebenfalls eine „Eröffnungsfeierlichkeit“ vor sich gehen, aber
die öffentliche Sache wird hier fertig nicht durch diese Eröffnungs-
erklärung, sondern durch die Inbetriebnahme5.
[88]Das öffentliche Sachenrecht.
Unter Umständen läßt sich aber überhaupt keine bestimmte
Willensäußerung des Herrn der Sache unterscheiden, die darauf ge-
richtet wäre, etwas Neues damit ins Werk zu setzen. Es kann sein,
daß die Sache bisher schon diesem Zwecke gedient hat und nunmehr
von dem Subjekt der öffentlichen Verwaltung einfach übernommen
und dabei belassen wird.
Ein Privatweg, der thatsächlich bisher schon in allgemeiner Be-
nutzung gestanden hat, wird vom Staat oder der Gemeinde über-
nommen, gleichviel ob durch öffentlichrechtlichen Akt, Enteignung und
dergleichen, oder durch privatrechtliches Rechtsgeschäft, Kauf, Tausch,
Schenkung. Dadurch wird er öffentliche Sache, was er bisher nicht
war. Mit dem Eintritt des neuen Herrn vollzieht sich die Umwandlung
seiner juristischen Natur. Zur Not mag man hier von einer still-
schweigenden Widmung sprechen, die im Erwerbswillen selbst mittel-
bar zum Ausdruck komme.
Einigermaßen anders liegt der Fall, wo eine juristische Person
des öffentlichen Rechtes eine öffentliche Sache von einer anderen er-
wirbt, um sie für den gleichen Zweck ihrerseits weiter zu verwalten.
Das Hauptbeispiel bildet Übernahme von Staatsstraßen durch die
Provinzen, von Gemeindestraßen durch den Kreis oder den Staat.
Hier entsteht keine neue öffentliche Sache. Die bisherige öffentliche
Sache wechselt nur ihren Herrn (vgl. unten II n. 2). Gewidmet war
sie früher schon einmal geworden. Daß sie öffentliche Sache bleibt,
beruht allerdings auf dem Willen ihres neuen Herrn, der, wie im
vorigen Fall, im Erwerb und der Besitzergreifung stillschweigend
zum Ausdruck kommen mag, vielleicht auch rechtlich gebunden ist
dazu. Aber eine Widmung wird man das noch weniger nennen wollen
wie dort.
Eine ganz besondere Stellung nehmen diejenigen öffentlichen
Sachen ein, welche die Bestimmung, einem öffentlichen Zwecke zu
dienen, vermöge ihrer natürlichen Beschaffenheit besitzen. Natür-
liche öffentliche Sachen mögen wir sie nennen: schiffbare
Flüsse, Seen, Meeresstrand. Sie sind durch die neueren Gesetz-
gebungen durchweg für Eigentum des Staates, öffentliches oder ge-
meines Eigentum des Staates erklärt worden (oben § 35 Note 9). Man
darf in diesen Bestimmungen jedoch keineswegs eine Widmung sehen
5
[89]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
oder überhaupt einen Akt, durch welchen diese Stücke des Gebietes
zu öffentlichen Sachen gemacht worden wären6. Diese Sachen haben
bei uns von jeher im Dienste der Allgemeinheit gestanden als öffent-
liche Sachen; nur ihr Rechtsverhältnis war dabei im Laufe der Zeiten
verschieden aufgefaßt worden, entsprechend dem Wechsel, dem der
Begriff der öffentlichen Sache überhaupt unterlag: als Allmend, res
nullius, Gegenstand reinen Hoheitsrechts (oben § 35, I). Jetzt giebt
ihnen das Gesetz den Staat zum Eigentümer. Oder besser gesagt: es
bestätigt nur die Umwandlung in der allgemeinen Rechtsanschauung,
wonach jetzt der Staat als Eigentümer anzusehen ist. Der Staat hat
sie überkommen mit dieser Zweckbestimmung und hat sie dabei be-
lassen. Eine Willensäußerung, die als Widmungsakt aufgefaßt werden
könnte, ist nicht nachzuweisen. Bei alten Straßen, Brücken, Festungs-
werken, Kanälen, mag es ja ganz ähnlich stehen; sie haben dieselben
juristischen Wandlungen mit durchgemacht. Die natürlichen öffent-
lichen Sachen haben vor allen anderen nur das voraus, daß die ein-
zelnen Stücke, die dazu gehören, nicht willkürlich ausgewählt und
hergerichtet, sondern von der Natur selbst bezeichnet sind. Auch ihr
neuer Herr, der Staat, ist dafür angesehen, diese natürliche Widmung
aufrecht zu erhalten, so lange die thatsächlichen Merkmale derselben
bestehen. Mehr als eine solche Annahme ist es nicht. Der Staat
kann ja im Wege der Gesetzgebung alles umstürzen; er kann auch
durch thatsächliche Vorkehrungen, die er trifft, die Beschaffenheit der
Sache so verändern, daß sie die Merkmale der natürlichen öffentlichen
Sache nicht mehr hat. Er kann umgekehrt durch seine Thätigkeit
diese Merkmale weiter ausdehnen. Der Hauptfall ist der, wo ein
bisher nicht schiffbarer Fluß oder Flußteil schiffbar gemacht wird.
Dann greifen die gewöhnlichen Regeln für die Entstehung öffentlicher
Sachen Platz. Die Vollendung der Arbeiten ist die Voraussetzung;
die Indienststellung wird erfolgen durch eine förmliche Eröffnungs-
erklärung, es kann auch nur eine thatsächliche Indienststellung statt-
finden. Im einen oder anderen Falle liegt wieder eine Widmung vor
in dem oben aufgestellten Begriff; mit ihr entsteht die öffentliche
Sache.
Die natürliche öffentliche Sache kann aber auch ihre Ausdehnung
[90]Das öffentliche Sachenrecht.
von selbst verändern. Der Fluß verlegt sein Bett; das Meer tritt zu-
rück oder greift vor, der Strand erhält einen anderen Platz. Das neu
Gewonnene wird von selbst öffentliche Sache, ohne alles Zuthun, ohne
irgend welche staatliche Willensäußerung, die als Widmung aufgefaßt
werden könnte. Der Staat ist nur dafür angesehen, daß er das
Gegebene übernimmt, und das genügt, um den Zusammenhang mit
der öffentlichen Verwaltung, dessen die öffentliche Sache bedarf, auf-
recht zu erhalten.
In Summa: die öffentliche Sache ist immer erst in dem Augen-
blicke da, wo feststeht, daß die öffentliche Gewalt sie von nun an
für ihren Zweck verwenden wird. Dieser Augenblick kann gekenn-
zeichnet sein durch eine irgendwie erscheinende Willensäußerung des
Herrn der Sache. Das ist der regelmäßige Fall und deshalb mag
man verallgemeinernd sagen: die öffentliche Sache entsteht durch die
Widmung. Doch kann dieser Widmungswille auch minder deutlich
erscheinen oder ganz von der starken natürlichen Bestimmung der
Sache ins Schlepptau genommen sein. Es handelt sich eben nicht
um die Ergänzung von Rechtswirkungen durch einen obrigkeitlichen
Akt oder eine Willenserklärung von irgendwelcher rechtsgeschäft-
licher Art, sondern nur um die Thatsache, daß verwaltet wird, öffent-
liche Geschäfte besorgt werden sollen durch diese Sache. Darauf
allein kommt hier alles an.
2. Die öffentliche Sache bedeutet noch nicht öffentliches Eigen-
tum (oben § 35, III n. 2); es muß noch das Eigentum des Sub-
jektes der öffentlichen Verwaltung hinzukommen, dem die Sache
dient. Der Zeitpunkt, in welchem dies geschieht, ist bezeichnet durch
einen Eigentumserwerbsakt, der seinerseits öffentlichrechtlicher oder
civilrechtlicher Natur sein mag.
Wir sagen: „hinzukommen“ muß dieses Eigentum. Damit soll
über das zeitliche Vorher oder Nachher der Entstehung des ersten
und zweiten Bestandteils nichts behauptet werden. Ein festes zeit-
liches Rangverhältnis, in welchem das immer geschehen müßte, be-
steht nicht. Man faßt das Verhältnis gern so auf, als müßte immer
zuerst Eigentum für den Staat oder was ihm gleich steht erworben
sein und alsdann die öffentliche Sache daraus gemacht werden. Der
Staat wäre auf diese Art stets zunächst civilrechtlicher Eigentümer
und würde nachträglich öffentlichrechtlicher. Die Auffassung der
Fiskuslehre von dem Privateigentum als notwendiger Grundlage des
öffentlichen macht sich auch in diesem vermeintlichen Entstehungs-
gange des öffentlichen Eigentums wieder geltend. In Wirklichkeit
kann die Reihenfolge allerdings sich so gestalten. Sie kann aber auch
[91]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
die umgekehrte sein, oder es kann Eigentum und Widmung der Sache
gleichzeitig entstehen.
Wenn der Staat das Grundstück kauft und nachher ein Festungs-
werk darauf anlegt, so hat er durch den Kauf civilrechtliches Eigen-
tum erworben gehabt. Wenn er enteignet und alsbald eine Straße
auf dem enteigneten Boden eröffnet, so wird immer noch eine Pause
eintreten, während welcher die Straße als solche nicht da ist und der
Staat, wenn er als Herr dieses Bodens in Beziehungen zu anderen
getreten wäre, nach Civilrecht zu beurteilen gewesen wäre. Die in
civilrechtliches Eigentum umgeschlagene Wirkung der Enteignung hat
vielleicht gar keine Gelegenheit gehabt, bemerkbar zu werden, so rasch
ist das Eigentum in öffentliches verwandelt worden; es ist gleichwohl
als civilrechtliches dagewesen (vgl. oben § 34, I n. 4).
Viele Enteignungsgesetze geben aber die Möglichkeit einer vor-
läufigen Besitzergreifung (oben § 34, II n. 2). Der in Besitz gewiesene
Staat nimmt sofort die nötigen Arbeiten vor, stellt die Straße her,
eröffnet sie, alles auf fremdem Grund und Boden. Wenn die Straße
eröffnet ist, hat er einen öffentlichrechtlichen Besitz, aber nichts als
dies. Wird nachher die Enteignung vollendet, so wird er Eigen-
tümer. Sein Eigentum wird aber alsdann sofort ein öffentlichrecht-
liches; er hat niemals civilrechtliches Eigentum an der Sache gehabt.
Ähnliche Fälle liefert der Erwerb eines Privatwegs, der damit dem
öffentlichen Verkehr gewidmet wird, die Schiffbarmachung eines Privat-
flusses und in großem Maßstabe die gesetzliche Erklärung von
öffentlichen Sachen, die bisher als res nullius angesehen waren, zu
Staatseigentum.
Deshalb ist es für das Verständnis sowohl der öffentlichrechtlichen
Eigentumserwerbsakte als des öffentlichen Eigentums von erster
Wichtigkeit, daß man das richtige Verhältnis zwischen den Erwerbs-
akten und der besonderen Art des damit beginnenden Eigentums
festhalte. Was wir oben § 34, I n. 4 über die Wirkungen der Ent-
eignung gesagt haben, ist zu verallgemeinern. Es ist falsch, zu sagen:
der Staat erwerbe öffentliches Eigentum, oder er erwerbe civilrecht-
liches Eigentum. Der Einzelne freilich als solcher kann gar kein
anderes Eigentum haben als civilrechtliches. Es ist also überflüssig,
hervorzuheben, daß sein Erwerbsakt civilrechtliches Eigentum begründe.
Der Staat aber und wer an seiner Stelle steht, kann sowohl civil-
rechtliches Eigentum haben, als öffentlichrechtliches. Welcher Art es
sei, das ist von der Art des Erwerbsaktes — ob er als Kauf oder als
Enteignung erscheint — ganz unabhängig. Es kommt einzig darauf
an, welches zuständliche Verhältnis das erworbene Recht über die
[92]Das öffentliche Sachenrecht.
Sache alsbald umgiebt. Dieses ist aber ein neues selbständiges
außerhalb des Erwerbsaktes liegendes Element. Der Erwerbsakt be-
gründet für sich allein nichts anderes als die umfassende rechtliche
Macht über die Sache. Mit dieser Wirkung schließt er ab. Diese
Wirkung ist ihm auch ganz zugehörig. Sie ist öffentlichrechtlich, wenn
er selbst öffentlichrechtlich ist, privatrechtlich, wenn er selbst privat-
rechtlich ist. Sie hat keine eigne Farbe. Eine solche bekommt erst
der nunmehr von der begründeten Herrschaft aus beginnende recht-
liche Zustand, und zwar entweder in dem einen oder in dem anderen
Sinne. Diese Farbe ist bedeutsam, nicht für die Beurteilung des
Erwerbsaktes, sondern ausschließlich für die Beurteilung der von da
aus nunmehr neu sich knüpfenden Rechtsbeziehungen.
II. In dem Augenblicke, wo beides vereinigt ist, Widmung und
umfassende rechtliche Macht über die Sache, ist das öffentliche Eigen-
tum da. Mit diesem Eigentum steht der Herr der Sache mitten im
Strom der in unendlicher Mannigfaltigkeit sich berührenden mensch-
lichen Interessen und kommt dadurch in die verschiedenartigsten Be-
ziehungen zu Anderen, wie ein Eigentümer nach Civilrecht. Darin
entfaltet sich der Inhalt des Eigentums. Das Besondere des
öffentlichen Eigentums aber ist, daß diese Beziehungen hier überall nach
öffentlichem Rechte zu beurteilen sind.
Die Regeln, nach welchen diese Beziehungen sich ordnen, werden
geliefert durch Rechtsinstitute, die wir anderwärts ausführlicher be-
handeln. Hier sind sie nur zusammenzustellen, damit das abgerundete
Bild des öffentlichen Eigentums dem civilrechtlichen Eigentum gegen-
über erscheine.
1. Das dingliche Recht an der Sache äußert sich zunächst in
einem Anspruch auf Schutz gegen jede Beeinträchtigung dieser
Herrschaft durch Andere, mag diese Beeinträchtigung geschehen durch
Schädigung der Sache, Störung des Gebrauchs oder Entziehung des
Besitzes.
Das öffentliche Eigentum hat von vorneherein einen eigentümlich
geordneten Schutz, der seiner öffentlichrechtlichen Natur entspricht.
Nur hat es ihn nicht für sich allein: es ist der Schutz der öffent-
lichen Sache überhaupt. Von dieser bildet es aber ja gerade
den Hauptfall; andererseits giebt es kein öffentliches Eigentum, das
nicht eine öffentliche Sache zum Gegenstande hätte. Der Schutz der
öffentlichen Sache ist also ein wesentlicher Bestandteil seines Rechts,
ohne den es nicht zu verstehen ist.
Der der öffentlichen Sache eigentümliche Schutz beruht auf ihrer
[93]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
begriffsmäßigen Eigenschaft, daß sie selbst für sich schon eine Er-
scheinung der öffentlichen Verwaltung ist. Die öffentliche Verwaltung
aber erhält sich dem Einzelnen gegenüber in ihrem Stand mit obrigkeit-
licher Gewalt. Die Gesamtheit der hierher gehörigen Maßregeln pflegt
dann unter dem herkömmlichen Namen der Polizei zu gehen. Nach-
dem wir aber diesen Begriff enger begrenzt haben, werden wir zweierlei
Dinge hier zu unterscheiden haben.
Das eine ist die Polizei der öffentlichen Sache. Jede
Störung der Unversehrtheit und Benutzbarkeit der öffentlichen Sache
ist eine Störung der guten Ordnung, zu deren Aufrechterhaltung die
Polizeigewalt berufen ist. Die Polizei der öffentlichen Sache ist nichts
anderes, als ein Stück jener allgemeineren Richtung der Polizeigewalt,
die wir oben als Anstaltspolizei bezeichnet haben (Bd. I S. 263).
Diese Polizei richtet sich zum Teil schlechthin gegen jedermann,
der mit der Sache in Berührung kommt7, zum Teil knüpft sie sich
an die besondere Voraussetzung, die ja nicht bei allen Arten öffent-
licher Sachen gegeben ist, daß Nutzungsrechte der Einzelnen daran
bestehen durch Gemeingebrauch, besondere Erlaubnis oder Verleihung;
die Ordnung der Ausübung dieser Nutzungen ist ein Hauptgegenstand
der Polizei der öffentlichen Sache (unten § 37—39).
Die Formen, in welchen dieser Schutz stattfindet, sind die all-
gemeinen polizeilichen: Befehle, in Rechtssätzen und Einzelbefehle,
Strafsetzungen, Zwangsvollstreckung durch Ungehorsamsstrafe, Ersatz-
vornahme, Gewaltanwendung; vor allem hat der unmittelbare Zwang,
wie wir Bd. I § 24, I n. 1 schon ausgeführt haben, gerade auf diesem
Boden sein Hauptverwendungsgebiet8.
[94]Das öffentliche Sachenrecht.
Der besondere Strafrechtsschutz gegen Beschädigungen geht
nebenher und gehört nicht zu unserer Lehre; er umfaßt auch nicht-
öffentliche Sachen, lediglich nach dem Maßstabe eines besonderen
staatlichen Interesses an ihrer Unversehrtheit9. —
Voraussetzung für diese polizeiliche Abwehr ist, daß es sich um
eine öffentliche Sache handelt. In diesem Punkte kommt nun die
zweite obrigkeitliche Thätigkeit zu Hülfe, um den Schutz zu vervoll-
ständigen. Das ist die behördliche Feststellung der öffent-
lichen Sache. Sie bildet eine Ergänzung der Widmung. Es wird
keine öffentliche Sache damit geschaffen, sondern nur einer bestehenden
Ungewißheit gegenüber erklärt, daß und wie weit eine solche schon
besteht. Die Feststellung ist immer ein Verwaltungsakt, und zwar ein
solcher, der nur aussprechen soll, was bereits Rechtens ist, eine Ent-
scheidung. Die Feststellung kann auf die rechtliche Eigenschaft der
Sache überhaupt gehen oder lediglich die Bestimmung des räumlichen
Umfangs der gegebenen öffentlichen Sache zum Gegenstande haben;
letzteres giebt die Abgrenzungsakte. Als Verwaltungsakt wirkt die
Feststellung bindend für die Einzelnen, gegen welche sie ergeht; das
sind diejenigen, welche ihrerseits den Besitz der Sache in Anspruch
nehmen könnten, ganz oder eines Grenzstreifens davon als Anlieger.
Sie schafft nur der Widmung Bahn auch diesen gegenüber. Im übrigen
besteht die öffentliche Sache allen gegenüber einfach auf Grund der
Widmung fort. Die Feststellung enthält keinen Ausspruch über das
Recht an der Sache; die Frage, wer Eigentümer ist, die Frage, ob
eine Grunddienstbarkeit daran besteht oder nicht, läßt sie ganz un-
berührt. Sie erklärt nichts als eine Thatsache. Diese Thatsache ist
aber eben nichts anderes, als daß die öffentliche Verwaltung in dieser
Sache erscheint. Das kann nur die öffentliche Verwaltung selbst
sagen; die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden dazu versteht sich
daher von selbst, auch wenn die Gesetze nichts darüber bestimmen.
Und ebenso versteht sich von selbst, daß dieser Ausspruch maß-
gebend sein muß auch für die Civilgerichte, sofern das Gesetz ihnen
ein Nachprüfungsrecht nicht besonders zuweist10.
[[95]]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
Wie sich civilgerichtliche Besitzklagen, Eigentumsklage, confessoria
und negatoria mit diesen Schutzmaßregeln, mit der Polizei der öffent-
lichen Sache und mit den Feststellungsakten, vertragen, das ist eine
Frage, die im Zusammenhang mit der Lehre vom Streit über das
Recht an der Sache noch zu erörtern sein wird (unten n. 3).
2. Das dingliche Recht an der Sache äußert sich darin, daß der
Berechtigte über sie verfügen kann, um Rechte Anderer daran zu
begründen, oder, um es umfassender auszudrücken, darin, daß Rechte
Anderer daran begründet werden durch juristische Thatsachen, die
gegen ihren Herrn wirken.
An diesem Punkt kommt nun das öffentliche Eigentum gegenüber
den andern Rechtsformen der öffentlichen Sache zu seiner vollen Be-
deutung und zugleich gerade wegen der engeren Verwandtschaft, in
den offensten Gegensatz zum civilrechtlichen Eigentum.
Dieser Gegensatz pflegt damit ausgedrückt zu werden, daß man
sagt: die im öffentlichen Eigentum stehende Sache ist dem Verkehr
entzogen, die res publica ist extra commercium.
Was heißt das? Wenn man sagt: die Sache ist unveräußerlich,
es können keine Rechte Anderer daran begründet werden durch
Rechtsgeschäft, folglich auch nicht durch Ersitzung, so ist das zu wenig;
die Unzugänglichkeit für Erwerb dinglicher Rechte geht noch weiter.
Andererseits ist es zu viel behauptet; es giebt einen Rechtsübergang
auch hier und es werden auch am öffentlichen Eigentum Rechte der
Einzelnen begründet.
Wenn man aber nun dem Rechnung tragen will und sagt: es
können an der Sache nur solche Rechte begründet werden, welche
ihrem bestimmungsgemäßen Zweck keinen Eintrag thun, so ist das
nur ein schwächliches Aushülfemittel und trifft in Wirklichkeit gar nicht
zu; vgl. unten Note 17.
Die Unterscheidung ist viel einfacher zu machen und ist eine
selbstverständliche. Die Sache, die im öffentlichen Eigentum steht,
ist der Anwendbarkeit des Civilrechts entzogen. Die
rechtliche Herrschaft, in welcher der Staat sie hat, ist öffentlich-
rechtlicher Art, weil er öffentliche Verwaltung durch sie führt; diese
10
[96]Das öffentliche Sachenrecht.
Herrschaft ist hier Eigentum, durchdringt sie also ganz, folglich bleibt
nichts an ihr übrig, was nach den Regeln des Civilrechts zu beurteilen
wäre. Insbesondere können keine Rechte Anderer nach diesen Regeln
an ihr begründet werden. Die Civilrechtswissenschaft, die nur einen
Verkehr im Auge hat, der nach den Regeln des Civilrechts stattfindet,
erkennt an solchen Sachen keine Möglichkeit eines Verkehrs. Darum
sagt sie von ihrem Standpunkte aus schlechthin: die Sache ist außer
Verkehr. Aber jenseits ihres Horizontes ist auch wieder Recht, sind
rechtlich geordnete Verhältnisse und Rechtsgeschäfte. Dort, im öffent-
lichen Rechte ist die Sache allerdings im Verkehr nach der diesem
eigentümlichen Weise, oder, wenn man das nicht Verkehr nennen
will, — commercium im Sinne des römischen Rechts ist es sicher
nicht, — dort werden Verfügungen über sie getroffen zu Gunsten
Anderer und Rechte daran begründet11.
In dieser Weise verstanden, ergiebt sich der Satz, daß die im
öffentlichen Eigentum stehende Sache außer Verkehr sei, von selbst
aus der Natur des öffentlichen Eigentums. Und zugleich ergiebt sich
daraus die scharfe Unterscheidung von dem, was von juristischen
Thatsachen daran zulässig und wirksam ist und was nicht, in allen
Einzelheiten.
Ausgeschlossen ist die Veräußerung des öffentlichen Eigen-
tums durch ein civilrechtliches Rechtsgeschäft.
Damit ist nicht zu verwechseln der Fall einer civilrechtlichen
Veräußerung des Grund und Bodens eines aufgelassenen Weges
oder Festungswerks: da handelt es sich nicht mehr um öffentliches
Eigentum12: Ebensowenig gehört hierher der Fall der Veräußerung
[97]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
des Eigentums, welches einem Dritten an der öffentlichen Sache zu-
steht: da war überhaupt öffentliches Eigentum nicht vorhanden,
sondern eine öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit oder ein öffentlich-
rechtlicher Besitz, was beides durch diese Veräußerung nicht be-
rührt wird13.
Dagegen finden allerdings wirkliche Übertragungen von öffent-
lichem Eigentum statt zwischen dem Staat und den Selbstverwaltungs-
körpern. Insbesondere kommt dabei die bereits erwähnte Übernahme
öffentlicher Straßen in Betracht. Das sind aber eben keine civilrecht-
lichen Rechtsgeschäfte. Es ist eine Bestimmung der Aufgaben
des Selbstverwaltungskörpers, die durch das Gesetz oder
durch die Aufsichtsbehörde im Zusammenwirken mit der Vertretung
des Selbstverwaltungskörpers geschehen mag, jedenfalls aber ganz und
gar öffentlichrechtlicher Natur ist (unten § 59)14. —
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 7
[98]Das öffentliche Sachenrecht.
Ausgeschlossen ist ebenso das civilrechtliche Institut der Eigen-
tumsersitzung15.
Damit ist aber wiederum nicht zu verwechseln der Fall einer
Ersitzung des Eigentums an der öffentlichen Sache, das einem Andern
zustand. Als der Ersitzende wird hier nur der Herr der öffentlichen
Sache in Betracht kommen können; denn dieser allein ist im Besitz,
indem er die Sache für den öffentlichen Zweck erhält und benützt
oder benützen läßt. Wenn durch die Ersitzung die volle rechtliche
Macht über die Sache mit dieser Art der thatsächlichen Beherrschung
sich vereinigt, entsteht öffentliches Eigentum, das dann seinerseits
durch Ersitzung eines Andern nicht wieder verloren gehen kann16. —
So wenig wie für vollen Rechtsübergang sind die Formen des
Civilrechts anwendbar zur Begründung von Belastungen und Be-
schränkungen des öffentlichen Eigentums. Und zwar sind nicht
bloß Verträge und Ersitzungen dieses Inhaltes ausgeschlossen; auch
gesetzliche Dienstbarkeiten und Eigentumsbeschränkungen, soweit sie
dem Gebiete des Civilrechts angehören, wirken hier nicht.
Damit ist nicht gesagt, daß an einer Sache, die öffentliches
Eigentum ist, keine civilrechtlichen Dienstbarkeiten bestehen können.
14
[99]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
Solche können begründet worden sein, bevor der Staat das Eigentum
erwirbt, um einen Weg, ein Festungswerk darauf anzulegen. Die
Dienstbarkeit erlischt dadurch nicht dem Rechte nach; die Thatsache
der öffentlichen Sache wird freilich die Ausübung beschränken oder
ausschließen. Das ist eine andere Frage. Nur neubegründet werden
können solche Rechte privatrechtlich nicht mehr.
Dagegen werden allerdings in mannigfacher Weise Benutzungs-
rechte und selbst Besitzrechte der Einzelnen am öffentlichen Eigentum
begründet, deren Begründung und Ausübung in den Formen des
öffentlichen Rechtes geschieht. Der ausführlichen Darstellung dieser
Rechtsinstitute werden unsere §§ 37—39 gewidmet sein17. —
7*
[100]Das öffentliche Sachenrecht.
Grundbuchordnung und Hypothekenrecht sind grund-
sätzlich nur für civilrechtliches Eigentum gegeben. Sofern das Gesetz
bezüglich des öffentlichen Eigentums nichts verfügt, sind sie auf dieses
nicht anwendbar.
Wo die Grundbuchordnung ausdrücklich für anwendbar erklärt
ist, wirken die betreffenden Einträge, der Natur des öffentlichen Eigen-
tums entsprechend, anders als beim civilrechtlichen. Der Eintrag ins
Grundbuch ist im Zweifel nur eine Ordnungsmaßregel, eine Be-
urkundung und Bezeugung des öffentlichen Eigentums. Für den Be-
stand des Rechtes kann er erst von Bedeutung werden, wenn die
Sache einmal aufhören wird, im öffentlichen Eigentum zu stehen18.
Die Bestellung und Eintragung einer Hypothek am öffent-
lichen Eigentum wäre nur so denkbar, daß diese im voraus gesichert
werden sollte für eben diesen Fall. So lange er nicht eingetreten ist,
würde ein dingliches Recht des Gläubigers nicht begründet werden.
Wenn eine Hypothek an einem Grundstück bereits besteht, so
ist das kein Hindernis, daß dieses vom Staat oder der Gemeinde er-
worben und in ein Festungswerk oder eine Straße umgewandelt, also
öffentliches Eigentum werde. Die Hypothek bleibt alsdann an dem
Grundstück bestehen, ganz ebenso wie eine vorher etwa begründete
civilrechtliche Dienstbarkeit. Aber wie die Ausübung der Servitut
der Polizei der öffentlichen Sache sich fügen muß, so steht auch der
Ausübung der Hypothek fortan das begründete öffentliche Eigentum
entgegen: das Rechtsinstitut der Subhastation findet auf öffentliches
Eigentum keine Anwendung, der Gläubiger ist also, so lange es be-
steht, in der Unmöglichkeit, seine Hypothek durch Zwangsveräußerung
zu realisieren19.
[101]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
Der Ausschluß der Anwendbarkeit der Rechtsinstitute des Civil-
rechts läßt sich auch zurückführen auf die Formel: der Staat er-
scheint im öffentlichen Eigentum nicht als Fiskus. Nach den im
§ 11, III n. 2 gegebenen Ausführungen über den Begriff Fiskus wissen
wir, was wir damit sagen wollen. Wir haben hier einen Fall, der
für seine Abgrenzung besonders lehrreich ist. Insbesondere wird hier
noch ein Punkt von Wichtigkeit, auf den wir dort hingewiesen haben:
mit dem Ausschluß des Civilrechts ist die Bedeutung dieser staat-
lichen Rechtsstellung nicht erschöpft. Auch gewisse öffentlichrecht-
liche Rechtsinstitute sind dem öffentlichen Eigentum gegenüber von
der Anwendbarkeit ausgeschlossen, welche sie sonst gegen derartige
Grundstücke beanspruchen. Das ist überall der Fall, wo ein solches
Rechtsinstitut nur kraft jener eigentümlichen Rückbezüglichkeit wirk-
sam werden könnte, welche voraussetzt, daß der Staat als privat-
wirtschaftliches Subjekt wie ein Privater neben Privaten stehe.
Einen Hauptbeleg dafür haben wir bereits gehabt: die Unanwend-
barkeit der Enteignung auf öffentliches Eigentum (oben § 33, III n. 1);
dieser Satz erhält hier seinen größeren Zusammenhang. In gleicher
Weise werden auch sonstige dingliche Beschränkungen und Belastungen
öffentlichen Rechts hier nicht Platz greifen (vgl. z. B. unten §§ 40
u. 41); die Verständigung der beiderseits das öffentliche Interesse
vertretenden Behörden, nötigenfalls das Eingreifen der gemeinsamen
Oberen schafft den Ausgleich.
Wenn man das öffentliche Eigentum so gern als ein bevorzugtes
Eigentum bezeichnet, so denkt man wohl neben dem besonderen
Strafrechtsschutz vor allem an diese Dinge. Das ist aber alles doch
mehr nebensächlicher Natur. Der wesentliche Gegensatz, daß das
civilrechtliche Eigentum die Rechtsordnung, die es umgiebt, aus dem
Civilrecht, das öffentliche die seine aus dem öffentlichen Rechte er-
hält, bedeutet einen Rangunterschied nicht.
3. Alle diese Ordnungen des öffentlichen Eigentums und ins-
besondere sein Verhältnis zum civilrechtlichen Eigentum treten in be-
19
[102]Das öffentliche Sachenrecht.
deutsamer Weise hervor im Falle eines Rechtsstreites, zu dem
es Anlaß giebt.
Ein derartiger Rechtsstreit kann in verschiedener Gestalt er-
scheinen.
Ein Rechtsstreit über das öffentliche Eigentum selbst,
so daß jede der streitenden Parteien es als solches für sich in An-
spruch nimmt, ist nur denkbar zwischen Subjekten der öffentlichen
Verwaltung. Der Staat, die Gemeinde, der beliehene Unternehmer,
oder gleichartige Rechtssubjekte der letzteren Art stehen sich gegen-
über. Der Streit kann sich nur erledigen auf der Grundlage des
Rechtstitels, auf welchen das untergeordnete Rechtssubjekt seinen An-
spruch auf dieses Stück öffentlicher Verwaltung gründet; es kommt
darauf an, ob es in dem Selbstverwaltungsrecht, in der Verleihung be-
griffen ist und wie weit etwa die Aufsichtsgewalt abändernd ein-
gegriffen hat. Der Streit bewegt sich ganz und gar auf dem Boden
des öffentlichen Rechts; mit der Natur einer rei vindicatio hat er nichts
gemein. Die Handhabung der entsprechenden öffentlichrechtlichen
Rechtsinstitute giebt die Lösung, die nicht notwendig in die Form der
Rechtspflege gebracht ist20.
Es kann auch ein Rechtsstreit vorliegen über das civilrecht-
liche Eigentum an der öffentlichen Sache. Die Widmung
der öffentlichen Sache ist ja möglich auf Grund einer öffentlichrecht-
lichen Dienstbarkeit oder eines öffentlichrechtlichen Besitzes. Das
Eigentum selbst bleibt dahinter einem Andern gehörig als dem Ver-
walter der öffentlichen Sache. Wer der Andere sei, kann also Gegen-
stand des Streites werden. Das mögen die Parteien nach den Regeln
der rei vindicatio mit einander ausmachen, die öffentliche Sache und
ihr Verwalter sind dabei nicht beteiligt21.
Der dritte und wichtigste Fall ist der Streit zwischen
civilrechtlichem und öffentlichem Eigentum: der Ver-
[103]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
walter der öffentlichen Sache behauptet öffentliches Eigentum, der
Gegner nimmt sie als sein civilrechtliches Eigentum in Anspruch.
Die Grundlagen für die Gestalt, die dieser Streit annehmen muß,
sind gegeben durch die Rechtsinstitute des Schutzes der öffentlichen
Sachen. Die Behörde bestimmt selbständig, was sie als eine öffent-
liche Sache behandeln will, und behauptet sich im Besitz durch die
damit verbundene Polizeigewalt.
Der Staat oder wer an seiner Stelle steht, erscheint also im
Eigentumsstreit immer in der Rolle des Verklagten.
Die Rollen können nicht verschoben werden dadurch, daß
statt der Eigentumsklage eine Besitzklage erhoben wird. Eine
solche Klage hat sachlich die Natur einer Beschwerde über die polizei-
liche Maßregel, deren Aufhebung verlangt wird. Dazu aber ist das
Civilgericht, an welches sie geht, mangels einer besonderen gesetz-
lichen Ermächtigung nicht zuständig; es steht Behörde gegen Be-
hörde22.
[104]Das öffentliche Sachenrecht.
Durch all das ist aber die Frage des Eigentums nicht berührt.
Die Herrichtung und Verwaltung einer Sache als einer öffentlichen
läßt das etwa noch vorhandene civilrechtliche Eigentum eines Andern
bestehen. Die Inanspruchnahme der öffentlichen Sache bestimmt
bindend nur diese ihre Eigenschaft, nicht die rechtliche Grundlage,
auf welcher sie das ist. Die Polizei der öffentlichen Sache schafft und
wahrt nur den äußerlichen Besitzstand.
Dieses Eigentum kann also noch von einem Andern behauptet
und geltend gemacht werden; der Ort, an welchem das zu ge-
schehen hat, ist naturgemäß das Civilgericht; es wird die rei vindi-
catio erhoben gegen den besitzenden Verwalter der öffentlichen
Sache23.
[105]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
Daß dieser behauptet, es liege gar kein civilrechtliches, sondern
öffentliches Eigentum vor, ist gleichgültig. Die Klage ist nach ihrer
eignen Grundlage zu beurteilen, mit der sie auftritt, und die ist hier
die Behauptung civilrechtlichen Eigentums, gestützt auf den entfernteren
Klagegrund, den Erwerbstitel. Der Verklagte kann den Klagegrund
bestreiten oder einredeweise sich auf eignen Erwerb berufen, der das
Recht des Klägers zerstört: Kauf, Enteignung, Ersitzung (oben
Note 16).
Siegt der Kläger, so wird ihm das Eigentum zugesprochen. Das
bedeutet, daß öffentliches Eigentum nicht vorliegt; es bedeutet nicht,
daß durch die Klage und das Urteil öffentliches Eigentum zerstört
wurde; es wird nur festgestellt, daß nie solches da war.
Dadurch hört aber die Sache selbst nicht auf, eine öffentliche
Sache zu sein, und eben deshalb erhält hier das Urteil des Civil-
gerichts eine besondere Beschränkung.
Das Urteil, welches sonst die Eigentumsklage zuspricht, ver-
knüpft mit der Anerkennung des Eigentums zugleich eine zur Er-
zwingung bestimmte Herausgabepflicht. Das gilt auch dem Fiskus
gegenüber. Aber hier ist nicht der Fiskus der Gegner. Die Frage
der Herausgabe wendet sich an die Polizei der öffentlichen Sache,
welch letztere als solche zunächst ja fortbesteht. In diese aber greift
das gerichtliche Urteil nicht ein, so wenig mit der Auferlegung einer
Herausgabepflicht, wie mit der Zusprechung einer Besitzstörungsklage.
Beides ist wesentlich gleichartig; das Gericht ist nicht zuständig da-
für. Die Sache würde auch nicht anders, wenn das Gericht, statt sich
auf die Anerkennung des Eigentums zu beschränken, den Befehl zur
Herausgabe ausdrücklich hinzufügte. Ob und wie weit herausgegeben
werden kann, ist der Verwaltungsbehörde anheimgestellt; einstweilen
bleibt die öffentliche Sache auch am fremden Eigentum noch aufrecht
gehalten, als öffentlichrechtlicher Besitz kraft des Rechts der Polizei
23
[106]Das öffentliche Sachenrecht.
der öffentlichen Sache. Es wäre also falsch, die Verweigerung der
Herausgabe des vindicierten Stückes Festungswerk oder Straßenkörper
als einfache Gewaltthat aufzufassen. Hier ist ein öffentlichrechtliches
Rechtsinstitut im Spiele, das von der Herausgabepflicht entbindet.
Der Gerechtigkeit gegenüber dem Eigentümer muß in anderer Weise
Genüge geschehen: das billige Ermessen der Verwaltungsbehörde und
der oberen Instanzen und vor allem die Entschädigungspflicht der
Staatskasse (unten § 53) schützen gegen den Mißbrauch24.
III. Die Endigung des öffentlichen Eigentums entspricht in
ihrer rechtlichen Gestalt der Entstehung. Wenn die Entstehung sich
daran knüpft, daß die sämtlichen Voraussetzungen des öffentlichen
Eigentums zusammenkommen, so wird die Endigung gegeben sein,
sobald eine davon wegfällt.
Von diesen Voraussetzungen kann die eine, die umfassende recht-
liche Macht über die Sache, das Eigentum, nach der bestehenden
Rechtsordnung nicht wohl für sich allein in Wegfall kommen.
Die Endigung wird also wesentlich nur dadurch herbeigeführt
werden, daß die Sache aufhört, der öffentlichen Verwaltung in dem
besonderen Sinn der öffentlichen Sache zu dienen, sei es, daß sie die
nötige äußerliche Beschaffenheit verliert, sei es, daß die Verwaltung
sie diesem Zwecke nicht mehr gewidmet haben will.
Die Erklärung, in welcher dieses letztere zum Ausdruck kommt,
[107]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
nennen wir die Auflassung der öffentlichen Sache, Straße, Festungs-
werk oder was es sonst sein mag. Die Auflassung geschieht durch
die Behörde, welcher die öffentliche Sache unterstellt ist: Straßen-
verwaltungsbehörde, Militärbehörde, Gemeindebehörde; an ihre Stelle
kann auch der Privatunternehmer treten, sofern ihm die Verwaltung
eines öffentlichen Eigentums zusteht. Die Auflassung bildet das
Gegenstück der Widmung, ist wie diese eine Verfügung über die
Sache, kein Verwaltungsakt25.
Das andere, der Verlust der nötigen Beschaffenheit,
tritt daneben als selbständiger Endigungsgrund des öffentlichen Eigen-
tums sehr zurück. Wenigstens bei denjenigen Sachen, deren Geeignet-
heit auf einer Herrichtung und Instandhaltung beruht, — und das
sind die meisten —, würde es sehr bedenklich sein, jede Vernachlässigung
und Verwahrlosung immer schon als Grund ihres Austrittes aus dem
Bereiche des öffentlichen Rechtes gelten zu lassen. Es wäre auch
gar nicht richtig gedacht, so zu verfahren: schlechte Verwaltung ist
immer noch Verwaltung. Die Thatsache, daß der Weg, das Festungs-
werk u. s. w. in Unstand gekommen ist, wird deshalb richtiger nur
soweit hier bedeutsam werden, als daraus der andere Endigungsgrund,
die Auflassung, sich ergiebt, wofür jener Zustand eine hinreichende
Vermutung begründen mag. Wir sehen also darin nur eine still-
schweigende Auflassung neben der förmlichen, welche die Regel
bildet26.
[108]Das öffentliche Sachenrecht.
Eine Aufhebung der Eigenschaft als öffentliche Sache unmittel-
bar durch Veränderung der Beschaffenheit erscheint nur bei den natür-
lichen öffentlichen Sachen und auch da nur in Form einer Verschiebung
der Grenzen: das frei werdende Gelände bei einer Änderung des
Flußlaufes, des Meeresstrandes, des Seeufers besitzt nicht mehr die
Merkmale der öffentlichen Sache. Die äußerliche Thatsache wirkt für
sich allein ohne alle Willensauslegung27. —
Entsprechend der verschiedenen Art, wie die Aufhebung der
öffentlichen Sache vor sich geht, bestimmt sich auch der Zeit-
punkt verschieden, in welchem diese Änderung als vollzogen an-
zusehen ist.
Geschieht die Auflassung durch Beschluß der Behörde, so wird
sie wirksam in dem Augenblicke, in welchem dieser Beschluß nach
außen sich kundgiebt: das kann durch eine Bekanntmachung geschehen
oder durch Wegnahme der Zeichen, welche die Bestimmung der Sache
andeuteten, durch Absperrung für den Verkehr bei Straßen, umge-
kehrt durch Freigabe des Zutritts bei Festungswerken. Irgendwie
muß der Beschluß zu Tage getreten sein, um zu wirken; an die
Formen der Kundgabe der Verordnung oder des Verwaltungsaktes ist
er nicht gebunden.
Weniger bestimmt erkennbar ist der entscheidende Zeitpunkt bei
der stillschweigenden Auflassung, welche in dem Verfallenlassen und
Verwahrlosen liegt. Dieses thatsächliche Verhalten dient hier nicht
als Kundgabe eines ohnehin vorhandenen Willensentschlusses, sondern
dieser soll erst aus ihm gefolgert werden. Es muß also so entschieden
auftreten, daß eine andere Auslegung, die Annahme bloßer Säumigkeit
[109]§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
und die Möglichkeit einer noch vorhandenen Absicht der Wieder-
instandsetzung ausgeschlossen ist.
Ähnlich wird auch bei natürlichen öffentlichen Sachen die thatsäch-
liche Veränderung nur dann wirken, wenn sie als eine endgültige
erscheint: die Insel im Fluß, der freigewordene Meeresstrand hört
erst dadurch auf, zur öffentlichen Sache zu gehören, wenn die neue
Gestaltung einen gewissen Bestand zeigt. —
Die Bedeutung der Aufhebung der Eigenschaft einer öffentlichen
Sache für das Recht an der Sache wird eine verschiedene sein,
je nach der Art wie der Dienst derselben für die öffentliche Ver-
waltung bisher juristisch begründet war.
Beruhte dies bisher lediglich auf der Thatsache des öffentlich-
rechtlichen Besitzes, so hat dieser mit der Auflassung seine Be-
rechtigung und seine Kraft gegenüber dem Eigentum, das er be-
lastete, eingebüßt. Es ist anzunehmen, daß mit der Auflassung zu-
gleich der Besitz aufgegeben wird; wo nicht, so entsteht jetzt die ein-
fache Pflicht zur Herausgabe, welche der Eigentümer auf dem Wege
der Eigentumsklage erzwingt.
Bestand eine öffentlichrechtliche Dienstbarkeit an der Sache, so
wird sie durch die Auflassung zugleich thatsächlich außer Anwendung
gesetzt sein. Es kann sich damit ein Verzicht auf das Recht selbst
verbinden; das ist Thatfrage. Wo nicht, so bleibt das Recht der
Dienstbarkeit als civilrechtlicher Anspruch bestehen: das Nähere in
der Lehre von den öffentlichen Grunddienstbarkeiten (unten § 40).
War endlich die Sache in Form des öffentlichen Eigentums der
umfassenden rechtlichen Macht ihres Verwalters unterworfen, so ver-
liert jetzt dieses Eigentum das, was seine Zugehörigkeit zum öffent-
lichen Rechte bestimmte. Es folgt seinem natürlichen Schwerpunkt
und unterliegt fortan der Beurteilung nach Civilrecht.
Der bisherige Eigentümer bleibt Eigentümer. Er ist es, der nun-
mehr Veräußerungsgeschäfte vornehmen und überhaupt nach den Regeln
des Civilrechts über die Sache verfügen kann28.
Die Umwandlung selbst darf man sich nicht vorstellen als ein
[110]Das öffentliche Sachenrecht.
Freiwerden civilrechtlichen Eigentums, das bisher nur durch den öffent-
lichen Zweck verdeckt war: civilrechtliches Eigentum hatte bisher
niemand an der Sache29.
Richtiger, aber ganz einseitig ist die Auffassung des Vorganges als
eines Eigentumserwerbsaktes. Vom Standpunkte des Civilrechts aus
ist ja wirklich bisher nichts dagewesen und aus dem Nichts entsteht
durch die Auflassung ein Eigentum, welches es anerkennt und ordnet.
Wenn das öffentliche Recht die nämliche fesselnde Kraft der Ein-
seitigkeit auf seine Wissenschaft übte, so würde diese den um-
gekehrten Satz aufstellen müssen: Eigentum geht unter durch die
Auflassung.
In Wahrheit bleibt das Wesen des Eigentums, die umfassende
rechtliche Macht über die Sache, hier unverändert bestehen. Die
Regeln für die weitere Ordnung der daran sich knüpfenden rechtlichen
Beziehungen allein werden gewechselt.
§ 37.
Gebrauchsrechte an öffentlichen Sachen; der Gemeingebrauch.
Die öffentlichen Sachen dienen der Verwaltung für gemeinnützige
Zwecke. Je nachdem wird dieser Zweck möglicherweise dadurch er-
füllt, daß die Sache den einzelnen Unterthanen Dienste leistet. Wo
das nicht der Fall ist, kann die Sache wenigstens neben dem Haupt-
zweck den Einzelnen dienstbar gemacht werden.
Die Form, in welcher diese Vorteile den Einzelnen rechtlich ver-
mittelt werden, hängt selbstverständlich auf das innigste zusammen
mit der Art, wie die rechtliche Zugehörigkeit der öffentlichen Sache
selbst gedacht und geordnet ist.
Auf der heutigen Stufe des Verwaltungsrechts beruht das Wesen
der öffentlichen Sache in der öffentlichrechtlichen Herrschaft des Staates
oder eines ihm gleichartigen Rechtssubjektes.
Was den Einzelnen davon rechtlich zukommen soll, ist diesen
Rechtssubjekten gegenüber zu begründen und kann nur begründet
werden in den Formen des öffentlichen Rechts. Soweit haben uns
schon die bisherigen Untersuchungen geführt; vgl. oben § 35, II;
§ 36, II n. 2.
[111]§ 37. Der Gemeingebrauch.
Wenn wir aber jetzt diese Vorteile der Einzelnen aus öffentlichen
Sachen genauer betrachten wollen, so müssen wir beginnen mit einer
Ausscheidung. Nicht alles, was die öffentliche Sache zu leisten hat,
gehört hierher. Nur was die Sache unmittelbar selbst erfaßt, steht
unter der ausschließlichen Herrschaft des öffentlichen Rechts, nicht
aber äußerliches Zubehör und zur Loslösung bestimmte Teile.
Gegenstände der letzteren Art können in Formen des Civilrechts
veräußert und einem Erwerber zur Verfügung gestellt werden. Insofern
dem Erwerber überlassen wird, sich selbst des ihm Abgetretenen zu
bemächtigen, sprechen wir von einem Nutzungsrecht an der
öffentlichen Sache, das ihm eingeräumt ist. Die Begründung
dieser Nutzungsrechte geschieht durch civilrechtlichen Kaufvertrag oder
Pachtvertrag. Wir sehen z. B. die Grasnutzung an Wegen, Flußufern
und Kanalböschungen, sogar an Festungswerken verkauft und ver-
pachtet werden. Der Obstertrag an den Bäumen längs der Landstraße,
die Weidennutzung am Strombette und -Ufer, die Eisgewinnung
am Kanal werden in derselben Weise behandelt. Ebenso das
Recht der Jagd und der Fischerei. Der daraus erzielte Gewinn bildet
einen Nebenvorteil des Herrn der öffentlichen Sache. Uns geht das
alles hier nichts weiter an.
In unser Gebiet gehört nur die andere unvergleichlich wichtigere
Art von Vorteilen der Einzelnen, die, wobei die Sache selbst mit
ihrem Körper dem Interesse der Einzelnen dienstbar gemacht und
von diesen gebraucht wird. Insofern diese Vorteile in Formen des
Rechts bestimmt und geordnet sind, sprechen wir von Gebrauchs-
rechten an der öffentlichen Sache. Damit soll noch nichts
darüber gesagt sein, inwiefern sie die Bezeichnung als subjektive Rechte
in einem strengeren Sinne wirklich verdienen. Es sind eben öffent-
liche Rechte mit sehr verschiedenen Graden der „Individualisierung“.
Vgl. darüber oben § 9.
Die Gebrauchsrechte an der öffentlichen Sache erscheinen ihrer
verschiedenen Grundlage gemäß in dreierlei Gestalt. Wir unter-
scheiden: Gemeingebrauch, Gebrauchserlaubnis und Verleihung. Von
dem ersteren ist hier zunächst die Rede.
I. Gewisse öffentliche Sachen, bei weitem nicht alle, sind dem
Rechte des Gemeingebrauchs unterworfen. Was ist das für eine
Art von Recht?
Wir dürfen zum Ausgangspunkt eine Ordnung der Dinge nehmen,
bei welcher diese Frage auf die einfachste Weise gelöst wird. Die
wichtigsten öffentlichen Sachen treten ursprünglich auf als gemeinsame
Anstalten örtlicher Vereinigungen: Wege, Plätze, Brücken, Gemeinde-
[112]Das öffentliche Sachenrecht.
brunnen sind genossenschaftliches Eigentum. Die Mitglieder der
Genossenschaft, indem sie solches bestimmungsgemäß benutzen, üben
nur ihr unmittelbares genossenschaftliches Recht daran aus
(vgl. oben § 35, I n. 1).
Das verschwindet mit der schärferen Ausprägung der juristischen
Personen des öffentlichen Rechts, vor allem des Staates selbst in seiner
Doppelgestalt. Der Fiskus ist der Eigentümer der öffentlichen Sachen;
der Staat aber verpflichtet ihn, den Unterthanen den Gebrauch zu
lassen und wacht über der Erfüllung dieser Pflicht. Dadurch ist der
Fiskus gebunden; ob in dem Sinn, daß den Unterthanen gegen ihn
ein Rechtsanspruch darauf zustünde, mag dahingestellt bleiben. Jeden-
falls ist es von seiten des Staates nichts als eine freie Wohlthat, eine
Verstattung, welche er ihnen zuwendet. Als Ausfluß davon ist
der Gemeingebrauch das Gegenteil eines eigenen Rechts1.
Im Rechtsstaate ist nun wieder ernstlich die Rede von einem
Rechte des Gemeingebrauchs auch der öffentlichen
Gewalt gegenüber. Die Frage ist aber nun vor allem: woher
kommt dieses Recht? worauf gründet es sich? Es läge scheinbar am
nächsten, einfach an die unmittelbar vorausgehende Auffassung an-
zuknüpfen und das Recht des Gemeingebrauchs zurückzuführen auf
die Verstattung des Staates2. Allein in diesem Sinne war die Ver-
stattung nie gemeint. Der Staat hat den Gemeingebrauch nur geduldet
und geschützt, wie er ohnehin galt. Ein Akt, der als eine Rechts-
begründung genommen werden könnte, ist überall nicht nach-
zuweisen.
Die Gesetzestexte, welche den Gemeingebrauch erwähnen
(unten Note 1), darf man nicht dafür anrufen. Der Gemeingebrauch
bestand an den preußischen Landstraßen schon vor der Bestimmung
des A.L.R. II, 15 § 7 und wurde durch diese nichts anderes. Er
besteht auch geradeso in Rechtsgebieten, für die eine gesetzliche Er-
wähnung dieser Art überhaupt nicht vorliegt, z. B. im französischen.
[113]§ 37. Der Gemeingebrauch.
Neuere Gesetze, wie z. B. das bayrische Wasserbenutzungsgesetz v.
24. Mai 1852, art. 9, behandeln den Gemeingebrauch in der deutlichen
Absicht, nur seinen Inhalt genauer festzustellen; daß dieses Recht
überhaupt bestehe, also außerhalb einer gesetzlichen Gewährung ent-
stehe, ist schon vorausgesetzt.
Man könnte also die Gewährung vielleicht verknüpfen wollen mit
der Indienststellung der einzelnen öffentlichen Sache: die
Widmung enthielte zugleich die Rechtsbegründung. Allein bei manchen
Arten von öffentlichen Sachen, die dem Gemeingebrauch unterliegen,
kommt eine Herrichtung und Widmung überhaupt nicht vor. Und
wo sie vorkommt, ist sie nichts anderes als eine thatsächliche Ver-
wendung, die der Herr der Sache von ihr macht (oben S. 86). Ein
Akt von rechterzeugender Kraft liegt darin nicht vor. Freilich gewährt
der Staat dadurch den Einzelnen etwas; er giebt ihnen thatsächliche
Möglichkeiten, und sofern das Recht des Gemeingebrauchs besteht,
schafft er jetzt die Voraussetzungen dafür, damit dieses Recht einen
neuen Gegenstand erfasse; aber das Recht selbst begründet er nicht
dadurch.
Die Idee einer staatlichen Rechtsgewährung muß man also ganz
aus dem Spiele lassen. Das Recht des Gemeingebrauchs besteht ohne
eine solche von selbst3.
Deshalb hat man es mit gutem Grunde für angemessener gehalten,
noch weiter zurückzugehen. Wenn der Gemeingebrauch wirklich ein
Recht vorstellen soll, findet er seinen Zusammenhang viel eher im
alten genossenschaftlichen Rechte; da ist er ein gegebenes, dem
Einzelnen eigenes Recht, nicht verliehen, sondern mitgebracht — ein
droit préexistant, nach der französischen Einteilung, im Gegensatz zu
einem droit acquis. Die Formel, die man dafür giebt, ist also die:
das Recht des Gemeingebrauchs ist begründet durch die Mitglied-
schaft in der Gesamtheit, mag diese nun Genossenschaft oder
Gemeinde oder Staat sein4.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 8
[114]Das öffentliche Sachenrecht.
Allein eine solche einfache Rückkehr zu der alten genossenschaft-
lichen Grundlage läßt sich nicht durchführen. Bedarf es überhaupt
der Mitgliedschaft zu dem bestimmten geordneten Gemeinwesen, um
das Recht des Gemeingebrauchs an seinen öffentlichen Sachen zu
haben? Offenbar ist das nicht der Fall. Es genügt, daß man zu
jener großen Gesellschaft gehöre, die als „das Publikum“ der öffent-
lichen Gewalt gegenübersteht. Also das Publikum, sagt man, hat
das Recht auf den Gemeingebrauch und der Einzelne übt ihn aus
namens des Publikums, davon er eben ein Mitglied ist5.
In dieser Erscheinung des Publikums haben wir wohl den letzten
Ausläufer der alten Genossenschaftsidee zu begrüßen, womit sich diese
nun gänzlich verflüchtigt. Denn daß das Publikum ebensowenig ein
Rechtssubjekt als eine abgegrenzte Gesamtheit ist, war ja leicht zu
erkennen. Und so mußte man sich denn zuletzt wohl entschließen,
die unverhüllte Wahrheit anzuerkennen: daß dieses Recht einfach
jedermann zusteht, dem Menschen als solchem6.
Also ein ursprüngliches, nicht verliehenes, von selbst bestehendes
Recht für jedermann, ein angeborenes Recht, ein Menschenrecht auf
Gebrauch der öffentlichen Sachen! Wie ist das denkbar?
Die Schwierigkeit glaubt man häufig damit gelöst zu haben, daß
man sagt: es sei eben ein publizistisches Recht, ein öffentlich-
rechtlicher, verwaltungsrechtlicher Anspruch — offenbar mit dem Hinter-
gedanken, daß man es mit einem solchen nicht so genau nehmen dürfe7.
Da können wir nicht mitthun.
Die Civilisten bemühen sich redlich, diesem Recht eine feste
4
[115]§ 37. Der Gemeingebrauch.
Gestalt zu geben, indem sie den Begriff der Servitut darauf passend
machen wollen. Es könnte nur eine persönliche Servitut sein, auch
die ohne bestimmtes Subjekt. Nun fehlt aber diesem Recht auch
noch das bestimmte Objekt, — und das wird doch selbst für eine
uneigentliche, analoge Quasi-Servitut zu viel. Denn betrachten wir
es genauer, so geht es durchaus nicht wie ein dingliches Recht auf
den Gebrauch eines bestimmten Grundstückes. Die Sache kann
ihm durch eine willkürliche Verfügung ihres Herrn jederzeit entzogen
werden. Ebenso beliebig wird ihm eine neue Sache wieder unterlegt.
Die einzelnen Gegenstände wechseln also, das Recht haftet nicht an
ihnen. Es bezieht sich immer nur auf die jeweils bestehenden öffent-
lichen Straßen, Plätze, Kanäle u. s. w.8.
Und was bedeutet es nun diesen gegenüber? Es bedeutet nicht,
daß irgend etwas an der Sache gemacht, geordnet, darüber verfügt
werden könne. Seine ganze Kraft erscheint in dem einen Punkte
allein: daß der Berechtigte, d. h. jeder Mensch von dem Herrn der
Sache als solchem nicht gehindert werden kann, auf der Sache, so wie
sie ist, sich zu bewegen, seine Habe darauf fortzubewegen oder ver-
weilen zu lassen, kurz, allerlei Äußerungen seiner Lebensthätigkeit der
Sache gegenüber frei zu entwickeln. Die Schranke, die sonst das
fremde Eigentum solchen Einwirkungen setzt, ist hier in gewissem
Maße nicht vorhanden; oder sagen wir es genauer, denn was hier die
Schranke setzt und aufrechthält, ist ja nichts anderes als die Polizei
der öffentlichen Sache: der öffentlichen Gewalt gegenüber besteht hier
ein gewisses Gebiet der Freiheit für jeden Einzelnen, und das ist
einzig der Inhalt des Rechtes, das hier in Frage ist. Dieses Recht
besteht aber nicht gegenüber der Polizeigewalt allein, es besteht eben-
8*
[116]Das öffentliche Sachenrecht.
so und in gleichem Maße gegenüber jedermann. Von jeder-
mann kann ich fordern, daß er mich nicht hindere, die öffentliche
Sache zu gebrauchen, auf der öffentlichen Straße zu gehen und zu
fahren u. s. w. Das Gegenteil wäre ein rechtswidriger Eingriff in
meine Rechte, dem ich mit Selbsthülfe, durch Anrufung des Schutzes
der Polizeigewalt, durch civilrechtliche Klage auf Unterlassung und
Schadensersatz begegnen kann9. Also ein absolutes Recht ist in
Frage. Dieses absolute Recht kann seinen Mittelpunkt aber nicht
haben in der dinglichen Herrschaft über eine bestimmte Sache; denn
eine solche besteht ja nicht, sondern einzig und allein in der Persön-
lichkeit dessen, der es ausübt. Und zwar ist dieses Recht von vorn-
herein und selbstverständlich verbunden mit jeder Persönlichkeit, mit
jedem rechtsfähigen Subjekt. Es kann auch von dieser nicht gelöst
werden: es ist kein Gegenstand der Vererbung noch der Veräußerung,
es ist unübertragbar und unverzichtbar.
So ist das Recht des Gemeingebrauchs gestaltet, das wir hier
vor uns haben. Was es aber demnach für eine Art von Recht ist,
kann nicht in Zweifel stehen. Es paßt darauf keine von den fest
ausgeprägten Formen civilrechtlicher Befugnisse, auch ein subjektives
öffentliches Recht im strengen Sinne des Wortes (oben § 9, III) ist
nicht darin gegeben. Der Anspruch, öffentliche Sachen in gewissem
Maße zu gebrauchen, ist nichts anderes als ein Stück der persönlichen
und wirtschaftlichen Freiheit, mit welcher der Mensch in unserer
bürgerlichen Gesellschaft, der öffentlichen Gewalt wie den Mitmenschen
gegenüber, ausgestattet erscheint, mit welcher er darin auf-
genommen ist, als der Voraussetzung für alles Übrige10.
[117]§ 37. Der Gemeingebrauch.
Daß derartig Vorausgesetztes vielfach in unsere formulierte Rechts-
ordnung hereinragt, ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache, mag sie
auch bei dem wohlgeschulten Juristen einer erklärlichen Abneigung
begegnen. Es läßt sich gar manches nur so erklären.
Das Civilrecht setzt in seiner Deliktslehre eine solche geschützte
Rechtssphäre voraus, ein Recht der Persönlichkeit und ihrer Einzel-
wirtschaft, in welches einzugreifen Unrecht ist. Der Schädiger ist ge-
deckt, wenn er ein Recht dazu nachweist; als solches Recht wird ihm
aber wieder alles angerechnet, was nach unserer gesellschaftlichen
Ordnung in der jedem zustehenden freien Bewegung begriffen
ist. Und umgekehrt, wer Schadensersatz verlangt, weil er von dem
Anderen „in seinen Rechten“ verletzt sei, braucht kein formulirtes
Recht darzuthun. Auch bloße Interessen sind geschützt, die um die
Person herum sich entfalten. Welche und wie weit? Die Grenze
findet der Richter ohne einen Rechtssatz, der ihn anleitet, aus der
gegebenen Anschauung von dem, was in unserer bürgerlichen Gesell
schaft als ein solcher zu achtender Interessenkreis des Einzelnen gegen-
über den Anderen gilt. Im Bedürfnis nach Formulierung sucht ja
unsere Wissenschaft daraus wieder besondere Individualrechte
zurechtzuschneiden; mehr als ein bloßer Name ist damit kaum ge-
wonnen. Aber von dieser Art und in dieser Weise geschützt ist
auch der Gemeingebrauch11.
Ebenso rechnen wir im öffentlichen Rechte mit einem feststehen-
den gegebenen Kreise der freien Bewegung und der geschützten
Interessen des Einzelnen. Der Verfassungsstaat hat uns daran gewöhnt,
daß Eingriffe in die Freiheit und das Eigentum nur zulässig sind auf
Grund des Gesetzes. Wie weit geht der geschützte Kreis? Was ist
die Freiheit? Teilweise mag es ja wieder durch Verfassungs-
bestimmungen und gesetzliche Rechtssätze ausdrücklich formuliert
sein. Diese Bestimmungen sind aber selbst erst geschöpft aus gewissen
allgemeinen Anschauungen über das, was der Mensch als selbst-
verständliches Freiheitsgebiet in unserem Staate mit auf die Welt
bringt, und über die natürliche Grenze davon. Und diese Anschauungen
10
[118]Das öffentliche Sachenrecht.
stehen ergänzend daneben; es wäre ein folgenschwerer Irrtum, wenn
man glaubte, alles in Gesetzestexten zu finden.
Wir haben in der Lehre von der Polizeigewalt gesehen, wie die
natürliche Freiheitsgrenze dieser gegenüber durch den Begriff des
Privatlebens und andere der üblichen Anschauung entnommene
Bestimmungen gegeben wird (oben § 19, I n. 1). Hier ist einfach
wieder so ein Fall: der Polizeigewalt gegenüber, welche die öffent-
lichen Sachen ordnet und gegen die Einzelnen verteidigt, steht ein
gewisses Maß von freier Bewegung des Einzellebens, welches Ein-
wirkungen auf die öffentliche Sache begreift und angesehen wird als
eine natürliche Ausstattung aller im Staate lebenden Menschen. Wie
alle Freiheit im öffentlichen Rechte von dem Willen des Gesetzes
formell abhängig ist, von diesem unterdrückt und beschränkt oder
auch erweitert werden kann, oder, was gleichsteht, mit seiner Er-
mächtigung von der vollziehenden Gewalt, so auch die hergebrachte
Freiheit des Privatlebens, die bestehende Freiheit des Gebrauchs der
öffentlichen Sachen. Aber so weit dies nicht geschehen ist, bleibt
dieses Gebiet von Lebensäußerungen in einem gewissen natürlichen
Umfang frei und geschützt auch der Polizeigewalt gegenüber. Daß
man das ein Recht nennt, eine verwaltungsrechtliche Befugnis, einen
„bloß“ administrativen Anspruch, stimmt ja wieder ganz überein mit
dem sonstigen Sprachgebrauch. Weitere Folgerungen braucht man
aus dem Namen nicht zu ziehen.
Wohl aber sind solche Folgerungen zu ziehen aus dem jetzt ent-
wickelten Begriffe des Rechts des Gemeingebrauchs. Wir haben dem-
nach die Umrisse dieses Rechts nach seinen einzelnen Seiten hin noch
genauer zu bestimmen.
II. Der Inhalt des Rechts des Gemeingebrauchs unterliegt, wie
alle Äußerungen der Freiheit, der Regelung des Gesetzes. Das Gesetz
und was in seiner Vertretung ergeht, spricht sich jedoch selten darüber
aus und nie erschöpfend.
Der Inhalt des Rechts muß deshalb nach anderen Maßstäben
gewonnen werden.
Einen solchen giebt in erster Linie die Art der öffentlichen Sache
selbst, wie diese von der Natur oder durch die Herrichtung und
Widmung bestimmt ist. Innerhalb der dadurch geschaffenen Möglich-
keiten giebt die gemeine Anschauung von dem, was zulässig ist, die
genauere Begrenzung. Diese wird aber durch nichts besser erkannt
als durch die Übung: die Übung der Benutzenden, die alle, sowie
sie in die Lage kommen, der öffentlichen Sache in dieser oder jener
Weise sich bedienen zu sollen, unbedenklich zu solcher Gebrauchsart
[119]§ 37. Der Gemeingebrauch.
übergehen; der Verwaltungsbehörden, die das geschehen lassen; der
Gerichte, die für solche Dinge, falls sie je dagegen angerufen werden,
das Einschreiten mit Anwendung der allgemeinen Strafbestimmungen
gegen Mißbrauch der Sache verweigern.
Das ist dann kein Gewohnheitsrecht; wir können dieser Krücke
hier wieder vollständig entbehren.
Es ist auch keine bloße thatsächliche Anmaßung und Duldung.
Es ist die Erscheinung des Gemeinbewußtseins an dem Umfange
der selbstverständlichen Freiheit der Genossen, d. h. der Menschen
im Staate. —
Den bei weitem wichtigsten Gegenstand des Gemeingebrauchs
bilden die öffentlichen Straßen. Sie sind selbst unter sich
nicht gleichartig, sondern zerfallen gerade in der Richtung des Gemein-
gebrauchs wieder in Unterarten: Fahrstraßen, Fußpfade, Reitwege,
Bürgersteige, Leinpfade — jede Unterart wieder den allgemeinen
Rahmen bestimmend für das, was geschehen darf, namentlich in der
Weise, daß gewisse Gebrauchsarten ausgeschlossen, andere bevorzugt
sind. Eine Rangordnung der Gebrauchsarten knüpft sich daran, deren
Aufrechterhaltung der Polizei der öffentlichen Sache obliegt (unten III
n. 2). Fragen wir aber, was darf man alles auf solchen Straßen
thun, so werden wir vergebens nach formulierten Rechtssätzen suchen.
Die gesetzliche „Gestattung“, auf die man sich wohl berufen möchte,
um die Grenze zu bestimmen, fehlt entweder oder ist von einer un-
verhohlenen Unzulänglichkeit. Da soll z. B. der Gemeingebrauch an
Landstraßen beruhen auf A.L.R. II, 15 § 7, wonach solche jedem
verstattet sind „zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen“. Ein
schöner Zustand, wenn man auf diesen Text angewiesen und sonst
nichts auf der Straße berechtigt wäre!
Thatsächlich geschieht viel mehr und ist viel mehr als berechtigt
allgemein anerkannt in dem Sinne, daß die Hinderung daran als ein
Eingriff in die Freiheit empfunden werden würde, der als Unrecht ab-
zuwehren und aufzuheben ist.
Die Straße, sagt man, dient dem allgemeinen Verkehr.
Auch damit ist durchaus nicht alles erschöpft; es ist nur die Haupt-
masse ihrer Benutzungsarten damit bezeichnet. Sie steht aber auch
offen für alles, was gelegentlich dieses Verkehrs sich als Benutzung
von selbst ergiebt, und noch für vieles darüber hinaus.
Am deutlichsten zeigt sich das in mancherlei Benutzungsformen,
die da stattfinden zu Gunsten der angrenzenden Grundstücke, vor
allem der Gebäude und hier wieder vorzugsweise zu Gunsten der
Wohngebäude innerhalb der Ortschaften.
[120]Das öffentliche Sachenrecht.
Der Hausbesitzer nimmt seinen Zugang von der Straße und
bringt Thüren dazu an; er bezieht von dort her Licht und Luft und
öffnet dahin seine Fenster; er richtet seinen Wasserablauf dahin; alles
ohne besondere Erlaubnis, auf Grund des Rechts des Gemeingebrauchs,
weil es die öffentliche Straße ist12.
Dazu kommen thatsächliche Einwirkungen in das Gebiet der
Straße hinein, welche von den Häusern aus geschehen: Blumenbretter,
Fahnen, Vogelkäfige werden in ihren Luftraum hinausgehängt, Fenster-
laden, Vorhänge bewegen sich darüber hinein, — alles unerlaubt
gegenüber einem Privatgrundstück, Gemeingebrauch gegenüber der
Straße13.
[121]§ 37. Der Gemeingebrauch.
Der Straßenboden selbst vor dem Hause wird in einer Weise in
Anspruch genommen, die über den Verkehr hinaus geht. Wagen
halten daselbst und werden abgeladen, Brennholz wird niedergelegt,
vielleicht auch klein gemacht. Das kann geradezu verkehrsstörend
werden, geschieht aber ohne Erlaubnis kraft selbstverständlichen Rechtes
des Gemeingebrauchs14.
Gerade für diese Benutzungen des Raumes auf der Straße vor
den Häusern läßt sich gar keine allgemeine Regel aufstellen. Hier
ist alles örtlich-sittlich und so weit Recht. Je kleiner, je altmodischer
die Ortschaft ist, desto stärker wirkt die ursprüngliche Allmendnatur
noch nach; ein großer Teil des Lebens der Bewohnerschaft spielt sich
auf der Straße ab: man läßt Waren und Fuhrwerke da stehen,
stellt sich des Abends Bänke vors Haus, der Handwerksbetrieb findet
teilweise auf der Straße statt. Die neu angelegten Straßen sind weit
strenger abgeschlossen gegenüber der Freiheit des Privatlebens, sie
dienen immer ausschließlicher nur dem wirklichen Verkehr. Innerhalb
derselben Stadt zeigt der Gemeingebrauch Verschiedenheiten in der
Altstadt und in der Neustadt. Das Übliche, Herkömmliche, Gewohnte,
die gemeine Anschauung über die Grenzen der Freiheit ist alles; mit
Gewohnheitsrecht, Ersitzung u. s. w. kann man diesen Mannigfaltig-
keiten überhaupt nicht nachkommen15.
[122]Das öffentliche Sachenrecht.
Von den übrigen öffentlichen Sachen stehen Plätze und
Brücken den Straßen am nächsten; der Gemeingebrauch ist hier
ähnlichen Inhalts, im Umfang naturgemäß bei Plätzen eher noch
weiter, bei Brücken enger als dort.
Bei den Strömen ist die Schiffahrt das wichtigste Stück des Ge-
meingebrauchs, dem Rang nach allem anderen vorgehend; dazu kommt
aber noch das Trinken, Schöpfen, Tränken, Baden, Waschen, Schlitt-
schuhlaufen, Durchwaten und die mancherlei Benutzung der dazu ge-
hörigen Ufer. Die Aufzählung würde schwer erschöpfend zu machen
sein, ist auch nutzlos. Im Einzelfall wird niemals Streit sein, ob
etwas noch zum Gemeingebrauch gehört oder nicht. Die gemeine An-
schauung sagt es mit genügender Sicherheit16.
[123]§ 37. Der Gemeingebrauch.
Die öffentlichen Kanäle sind, im Gegensatz zu den Strömen,
künstliche Veranstaltungen wie die Straßen, gleichen aber durch ihre
Natur und Bestimmung noch eher den ersteren. Sie sind größten-
teils neueren Ursprungs, haben kein selbständig ausgebildetes Her-
kommen für sich, das den Umfang des Gemeingebrauchs bestimmte;
deshalb hat sich auf sie im wesentlichen übertragen, was in dieser
Hinsicht von den Strömen gilt. Nur daß hier wegen der schwierigeren
Instandhaltung der polizeiliche Schutz strenger ist und die Freiheit
dadurch beschränkter17.
Der Meeresstrand endlich dient in gewissem Grade dem
Gehen, Fahren, Anlanden, was man vielleicht als Verkehr bezeichnen
mag. Dazu aber noch für andere Dinge, die nicht darunter fallen,
16
[124]Das öffentliche Sachenrecht.
überhaupt nirgend ausdrücklich genannt sind, aber nicht besonders
gestattet zu werden brauchen, sondern auf Grund der allgemeinen
Rechtsanschauung als selbstverständlich gelten, wie z. B. das Aus-
spannen von Fischernetzen18.
Der Inhalt des Gemeingebrauchs ist so formenreich, wie der der
Freiheit überhaupt.
III. Das Recht des Gemeingebrauchs hat seine Grenzen. Eine
Überschreitung derselben bildet einen Eingriff in den Bestand der
öffentlichen Sache. Diejenige Seite der öffentlichen Gewalt, welche
darauf gerichtet ist, solche Eingriffe abzuwehren, haben wir kennen
gelernt als die Polizei der öffentlichen Sachen; sie ist zugleich
Polizei des Gemeingebrauchs. Als solche richtet sie sich gegen
alle Störung, die durch die Art der Ausübung des Gemeingebrauchs
der guten Ordnung der öffentlichen Sache erwachsen mag. Mit Be-
fehlen, Strafsetzungen19 und unmittelbarem Zwang wird da entgegen-
getreten. Das Gesetz kann den Gemeingebrauch ganz oder teilweise
beseitigen; die Änderung der natürlichen Freiheitsgrenzen liegt ja in
seiner Hand. Die allgemeinen Ermächtigungen der Behörden enthalten
eine solche Befugnis regelmäßig nicht. Sie gehen bloß dahin, den fort-
bestehenden Gemeingebrauch so zu ordnen und zu leiten, daß die
Sache dabei im ganzen ihrem Zwecke möglichst erhalten und dienst-
[125]§ 37. Der Gemeingebrauch.
lich bleibt. Was über dieses Ziel hinaus geht, ist nicht ermächtigt
und ein unzulässiger Eingriff in die Freiheit20.
Diese Polizei des Gemeingebrauchs äußert sich in folgenden Haupt-
richtungen:
1. Bei künstlich hergestellten öffentlichen Sachen wird der Gemein-
gebrauch immer mit einer gewissen Abnützung verbunden sein.
Das ist unvermeidlich.
Es können aber polizeiliche Vorschriften dahin gegeben werden,
daß Benutzungsarten zu vermeiden sind, welche diese Abnützung
übermäßig steigern oder sofortige Zerstörungen zur Folge haben
können.
Dahin gehören die Vorschriften über die Breite der Radkränze,
über das Schleifen von Pflügen, von Baumstämmen; über das zulässige
Gewicht beim Befahren von Brücken; über die Anwendung wellen-
erregender Fortbewegungsmaschinen auf Kanälen,
Auch die Verunreinigung der Straße, des öffentlichen Gewässers
kann die Brauchbarkeit beeinträchtigen; hier mischen sich aber in
die Verteidigung der öffentlichen Sache weitergreifende polizeiliche
Rücksichten hinein, Rücksichten der öffentlichen Gesundheit, Sicher-
heit u. s. w.
2. Tiefer einschneidend wirkt die Polizei der öffentlichen Sachen
auf den Gemeingebrauch in folgender Beziehung. Die verschiedenen
Benutzungsarten, die im Gemeingebrauch enthalten sind, sind nicht
alle von gleichem Wert. Vom Standpunkte des öffentlichen Interesses
aus sind wichtigere und minder wichtigere zu unterscheiden; es be-
steht eine Rangfolge. Sofern diese Benutzungsarten sich unter-
einander stören und stoßen, ist es Aufgabe der Polizei des Gemein-
gebrauches, zu bewirken, daß die minder wertvolle ausweicht. Dies
kann zur völligen Unterdrückung ganzer Seiten des Gemeingebrauchs
führen.
[126]Das öffentliche Sachenrecht.
Wir sehen diesen Grundsatz vor allem wirksam werden bei
unseren Ortsstraßen. Der Hauptzweck ist hier offenbar der Verkehr,
die Fortbewegung, die ihrerseits immer empfindlicher wird gegen Hinder-
nisse. Gar manche von den alten hergebrachten Benutzungsarten er-
weisen sich mehr und mehr als unverträglich damit, und sobald dies der
Fall ist, wird die Polizei berechtigt, solche zu beschränken oder gänz-
lich zu verbieten. Darauf beruht der Entwicklungsgang, in welchem
der Gemeingebrauch unserer Straßen ersichtlich begriffen ist.
Der Verkehr selbst ist nicht gleichwertig. Auch das Eilrad hat
sein Recht des Gemeingebrauchs, aber als die minderwichtige Ver-
kehrsart muß es sich gefallen lassen, dem Fuß- und Wagenverkehre
zu Liebe von engeren Straßen und Brücken verbannt zu sein. Der
Fußverkehr ist innerhalb der Ortschaften die Hauptsache; der langsam
fahrende schwere Lastwagen kann ihm zu Liebe von der Benutzung
besonders belebter oder enger Straßen ausgeschlossen werden21.
3. Endlich kann die Polizei der öffentlichen Sachen sogar die
wesentlichsten Benutzungsarten des Gemeingebrauchs zeitweise
ausschließen, durch Absperrung der Sache. Solches wird am
natürlichsten gerechtfertigt durch das Interesse der Instandhaltung
der öffentlichen Sache selbst: eine Straße wird ausgebessert, oder der
Kanal bedarf der Wiederherstellungsarbeiten; der öffentliche Verkehr
wird polizeilich abgesperrt.
Die zeitweilige Absperrung von Straßen und Plätzen gegen den
öffentlichen Verkehr kann auch durch ein anderes öffentliches Interesse
begründet sein. Das kann daher kommen, daß ein gleichwertiges öffent-
liches Unternehmen das andere kreuzt: die Schienengeleise der
Eisenbahnen durchschneiden die Straße und diese wird gesperrt,
während der Zug sich darauf bewegen will; die Joche der Schiffbrücken
werden ausgefahren, um Schiffe durchzulassen.
Es kann aber auch der Raum der Straße selbst für ein höheres
öffentliches Interesse ausschließlich in Anspruch genommen werden.
Daß das der Fall sein muß, wird in manchen Fällen ganz außer
Zweifel stehen. So wenn die Straße, in welcher die Feuersbrunst
ausgebrochen ist, abgesperrt wird, um der Löschmannschaft freie Be-
[127]§ 37. Der Gemeingebrauch.
wegung zu lassen. Für andere Dinge spielt das Übliche, Herkömm-
liche eine große Rolle: am einen Ort werden die Straßen gesperrt
für kirchliche Aufzüge, am andern für Militärparaden. Die Freiheit
des Gemeingebrauchs ruht ganz auf der herrschenden Auffassung, wie
für das, was zu ihrem Inhalte gehört, so auch für solche Unter-
brechungen, die sie sich gefallen lassen muß. Oft freilich auch werden
derartige Absperrungen nur als thatsächliche Gewalt anzusehen sein,
der man sich fügt, weil niemand die Unannehmlichkeiten des Kampfes
ums Recht auf sich nehmen will. —
Der Inhalt der Polizei des Gemeingebrauchs ist damit erschöpft.
Es ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, daß der Gemeingebrauch
auch noch aus anderen Rücksichten Beschränkungen erleidet, ins-
besondere auch noch aus polizeilichen Rücksichten und in Formen
des Polizeirechts. So namentlich die Sicherheitspolizei kann den Ge-
brauch der Straße vor einem einsturzdrohenden Gebäude verbieten
oder auch das Baden an einer gefährlichen Stelle im öffentlichen
Flusse. Das ist aber immer eine Sache für sich und geht uns hier
nichts an. Zur Lehre vom Gemeingebrauch gehört nur diejenige Seite
der Polizei, die ihre Grundlage hat in den Erfordernissen der guten
Ordnung der öffentlichen Sache selbst und der der Gemeingebrauch
seinem Wesen nach ausgesetzt ist, insofern er eben an dieser öffent-
lichen Sache hängt.
IV. An den Gemeingebrauch knüpfen sich Ansprüche auf
Geldleistungen. Sie begründen und ordnen sich gemäß all-
gemeineren Rechtsinstituten, die im Zusammenhang mit der Ausübung,
der Eröffnung und Schließung des Gemeingebrauchs an einer Sache
zur Anwendung kommen. Wir haben hier nur insofern davon zu
handeln, als sich aus diesem Zusammenhange Eigentümlichkeiten für
die Anwendung dieser Rechtsinstitute ergeben.
1. Das Recht des Gemeingebrauchs beruht nicht auf einer Ge-
währung des Staates an den Unterthanen. Aber die thatsächliche
Voraussetzung, damit dieses Recht Platz greife, die dazu bestimmte
Sache, stellt der Staat her und hält er in geeignetem Stande. Dafür
wird ein Aufwand gemacht, der dann nicht allen Unterthanen gleich-
mäßig zu gute kommt. Erwägungen der Billigkeit und der aus-
gleichenden Gerechtigkeit sprechen dafür, daß denen, welchen die
Einrichtung den besonderen Vorteil gewährt, auch eine besondere
Gegenleistung auferlegt werde, und das Finanzinteresse mag sich dieser
Schlußfolgerung bemächtigen, um derartige Auflagen zur Durchführung
zu bringen.
[128]Das öffentliche Sachenrecht.
Nach der Art des Vorteils, für welchen er gegeben werden soll,
gestaltet sich auch die Art des Entgeltes.
Die Thatsache, daß die öffentliche Sache als solche hergerichtet
und in Stand gehalten wird mit all den ungemessenen Möglichkeiten
der Ausübung des Gemeingebrauchs, gewährt gewissen Einzelnen oder
Gruppen von Einzelnen Vorteile vor Anderen, entfernter Beteiligten.
Den Ausgleich giebt das Institut der Beiträge. Als Hauptbeispiel
nennen wir hier nur die Straßenbeiträge; das Nähere unten § 48, I;
rechtliche Besonderheiten erhält das Institut in dieser Verwen-
dung nicht.
Der Entgelt kann sich aber auch knüpfen an die Thatsache der
Ausübung des Gemeingebrauchs im Einzelfall und den darin liegenden
unmittelbaren Vorteil. Dann erscheint er in Gestalt der Gebühr und
diese Gebühr bekommt allerdings im Zusammenhange mit dem Ge-
meingebrauch ihre bestimmten rechtlichen Eigentümlichkeiten, die hier
hervorzuheben sind22.
Die Gebühr auf die Ausübung des Gemeingebrauchs findet sich
bei allen Arten von öffentlichen Sachen, welche bestimmt sind, dem
öffentlichen Verkehr zu dienen und knüpft sich an die einzelnen
Verkehrshandlungen. Es wird also nicht jede Ausübung des
Gemeingebrauchs allgemein getroffen. Aber auch nicht immer jede
Verkehrshandlung; es können nur die wichtigeren Arten heraus-
genommen sein. Der Brückenzoll trifft möglicherweise jede Art von
Verkehr, Chausseegeld und Pflasterzoll nur den Wagenverkehr, Kanal-
gebühr, Hafengeld, Stromschiffahrtsabgabe nur größere Schiffe und
Flöße. Die Sätze werden dann wieder abgestuft sein nach dem Maße,
in welchem die öffentliche Sache in Anspruch genommen wird durch
die Schwere des Fuhrwerkes, die Größe des Schiffes, die Art der Fort-
bewegungskraft. In dieser Weise ist die Gebühr auf den Gemein-
gebrauch althergebracht, aber ihre Rechtsformen mußte sie wechseln
[129]§ 37. Der Gemeingebrauch.
mit den Wandlungen der Grundlagen unseres öffentlichen Rechtes
überhaupt.
Im älteren Staatswesen sind diese Gebühren ausgebildet als Gegen-
stand eines besonderen landesherrlichen Hoheitsrechtes. Die Wegezölle,
Wasserzölle, Brückenzölle gehören zu den Regalien, und zwar zu
den niederen Regalien, welche auch an Gemeinden und Einzelne
übergehen können durch Vertrag oder unvordenklichen Besitz23.
Gegenüber den verwickelten und teilweilse gemeinschädlichen
Sonderrechten, die sich daraus ergaben, ist der Polizeistaat vor allem
darauf bedacht, dem planmäßigen Eingreifen der Verwaltung Raum
zu schaffen. Er zwingt den danach bisher schon erhobenen Gebühren
Ermäßigungen auf oder unterdrückt sie gänzlich, meist mit Ent-
schädigung. Das Recht, solche Gebühren neu aufzulegen, nimmt er
ausschließlich in Anspruch24.
Der Verfassungsstaat stellt endlich auch die Gebührenauflage des
Staates unter den Vorbehalt des Gesetzes. Die veröffentlichten all-
gemeinen Anordnungen aus früherer Zeit werden, wie das ja auch in
anderer Beziehung geschieht, als Gesetze übernommen. Neue Auf-
lagen von Gebühren können nur erfolgen auf Grund eines Ge-
setzes.
Dieser Satz gilt in seiner vollen Strenge nur für die Gebühr auf
den Gemeingebrauch. Diese Gebühr erhält dadurch ihre rechtliche
Eigentümlichkeit gegen andere Gebühren für öffentliche Nutzungen.
Wir werden sehen, wie an die Benützung der mancherlei öffentlichen
Anstalten Gebührenpflichten sich knüpfen ohne Gesetz. Den Fall des
civilrechtlichen Vertrages lassen wir ganz beiseite; auch eine öffentlich-
rechtliche Gebührenpflicht kann dort ohne Gesetz entstehen. Die
Entstehung wird vermittelt durch die Gewährung der Anstalts-
leistungen durch den Staat und durch die Unterwerfung unter die Be-
dingungen, an welche sie geknüpft wird. Das Genauere unten § 52, II.
Diese Vermittlung fehlt hier. Der Gemeingebrauch ist ein Ausfluß
der allgemeinen Freiheit; das Recht dazu beruht auf keiner Gewährung;
durch seine Ausübung hat man sich keinen Bedingungen der Ge-
währung zu unterwerfen. Die Gebührenauflage ist wirtschaftlich wohl
vermittelt durch den Gedanken des Entgeltes, aber rechtlich geschieht
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 9
[130]Das öffentliche Sachenrecht.
sie unvermittelt aus freien Stücken, als obrigkeitlicher Eingriff
in die Freiheit25. Daher die Unentbehrlichkeit der gesetzlichen
Grundlage.
Unsere Gebühr zeigt deshalb von vorneherein eine große Ver-
wandtschaft mit der Steuerauflage. Der wirtschaftliche Hinter-
grund, der sie dieser gegenüber kennzeichnet, ist rechtlich gleichgültig.
Allein er kann dennoch auch von rechtlicher Bedeutung werden ver-
möge einer anderen Eigentümlichkeit der Gebühr. Bei den Steuern
haben wir gesehen, gilt es nicht als zulässig, daß das Gesetz seine
Macht auf die Regierung übertrage: Maß und Maßstab der Steuer be-
stimmt es grundsätzlich immer selbst (oben Bd. I S. 389). Bezüglich
der Gebühren dagegen sind derartige Ermächtigungen der Regierung
nicht selten, sei es, daß sie auf älteren überkommenen Gesetzen be-
ruhen, sei es, daß sie neu erteilt werden. Der Unterschied hängt
offenbar damit zusammen, daß die Gebühr im Gegensatz zur Steuer
aus ihrem wirtschaftlichen Begriffe schon einen natürlichen Gegenstand
mitbringt: den Benutzungsfall, und einen natürlichen Höchstbetrag:
den zu ersetzenden Gesamtaufwand für die benützte Sache, der nur
zu verteilen ist auf die Masse der Benutzungsfälle. Was dieses Maß
überschreitet, geht über das natürliche Gebiet der Gebühr hinaus und
greift ein in das der Steuerauflage, für welches das Gesetz keine
Ermächtigungen giebt.
Dadurch bekommt auch eine allgemeine Ermächtigung der Re-
gierung zur Gebührenauflage stillschweigend eine rechtliche Schranke:
eine jenes Maß überschreitende Auflage wäre durch die Ermächti-
gung nicht gedeckt und rechtsungültig26.
[131]§ 37. Der Gemeingebrauch.
Diese Ermächtigungen können aber naturgemäß nur ausgeübt
werden in Form der Verordnung: es giebt keine andere Form als
den Rechtssatz, um allgemein jeden Einzelnen zu treffen, der nur
seine Freiheit gebraucht, wenn er den Gemeingebrauch ausübt.
Auflage durch Verwaltungsakt im Einzelfalle wäre rechtlich denkbar,
aber thatsächlich nicht durchführbar, auch wohl in der Ermächtigung
gar nicht begriffen, welche die allgemeine Regelung als selbstverständ-
lich voraussetzt.
So geht denn alle Gebührenauflage wegen Gemeingebrauchs, ob
sie durch Gesetz unmittelbar oder mit seiner Ermächtigung durch Ver-
ordnung erfolgt, von der Form eines Rechtssatzes aus. Mit diesem
Ausgangspunkt tritt sie wieder ganz neben die Steuer, um sich in allem
Weiteren deren Formen einfach anzuschließen.
Nach der Unterscheidung, welche wir oben (Bd. I § 27, III) auf-
gestellt haben zwischen direkten und indirekten Steuern, sind es
selbstverständlich nur die letzteren, deren Erhebungsformen der Eigen-
art unserer Gebühr entsprechen. Was wir von den Erhebungsformen
der indirekten Steuern gesagt haben, gilt ohne weiteres für diese Ge-
bühr. Die Gesetzgebung hat auch hier die Erhebung noch mannig-
fach gesichert durch Finanzbefehle und Finanzstrafen, welche auf die
Hinterziehung gesetzt sind27.
2. Umgekehrt können im Zusammenhange mit dem Rechte des Ge-
meingebrauchs dem Einzelnen auch besondere Nachteile erwachsen.
Diese Nachteile werden nur insofern von rechtlicher Bedeutung, als
sie zurückzuführen sind auf ein Verhalten der öffentlichen Verwaltung
selbst, das sie verursacht. In diesem Falle werden nämlich die Grund-
sätze von der öffentlichrechtlichen Entschädigung in Frage kommen.
Der Einzelne hat Anspruch auf Ausgleichung in Geld wegen aller be-
sonderen Opfer, die ihm durch die Einwirkungen der Lebensthätigkeit
der öffentlichen Verwaltung zugemutet werden. Die allgemeinen Regeln
dieses Rechtsinstituts sollen unten in §§ 53 u. 54 ausführlich dargelegt
werden. Sie finden auch in diesem Verhältnis einfach Anwendung.
Solche Nachteile können aber für den Einzelnen auf zweierlei
Weise zugehen; es ergeben sich hier gleichlaufende Erscheinungen
zu den zweierlei Arten, wie der Gemeingebrauch besondere Vorteile
bedeuten kann, und wie sie im Gegensatz der Beiträge und Ge-
bühren zum Ausdruck kommen.
9*
[132]Das öffentliche Sachenrecht.
Der besondere Nachteil kann erwachsen aus der Ausübung des
Gemeingebrauchs im Einzelfalle, aus einer Verkehrshandlung, wie sie
umgekehrt auch Gegenstand einer Gebührenpflicht sein könnte. Das
hat gar nichts Eigentümliches an sich. Eine Entschädigungspflicht
des Staats oder des an seiner Stelle stehenden Herrn der öffentlichen
Sache wird dann begründet sein, wenn der Schaden in Kausal-
zusammenhang steht mit der Art, wie die Verwaltung der öffentlichen
Sache geführt wurde, mit ihrem mangelhaften Zustande, oder mit
unrichtigen Vorkehrungen, die dabei getroffen worden sind: die schlecht
unterhaltene Brücke stürzt ein unter dem darüber rollenden Fuhrwerk,
der Wanderer fällt des Nachts in eine unverdeckte und ungesichert
gelassene Öffnung des Abzugskanals in der Straße. Es sind ein-
fach die auch sonst zu handhabenden Regeln von der öffentlichrechtlichen
Entschädigung, die da zur Anwendung kommen. Also davon später28.
Es kann aber auch, wie der Vorteil in der Herrichtung und Bereit-
haltung der öffentlichen Sache, also in der Ermöglichung des Ge-
meingebrauchs, so der besondere Nachteil liegen in der Auflassung
oder ungünstigen Abänderung der öffentlichen Sache, also in der Ent-
ziehung der Möglichkeit des Gemeingebrauchs. Die Entschädigung,
die dafür geschuldet würde, wäre ein Gegenstück des Beitrags. Der
wichtigste Fall ist der einer Verlegung, Erhöhung oder Tieferlegung
der Straße, durch welche den bisherigen Angrenzern, namentlich den
vorhandenen Wohngebäuden, die Benutzung der Straße für den Zugang
und für sonstige Vorteile des Gemeingebrauchs entzogen oder er-
schwert wird.
Dieser Fall ist für die Lehre vom Gemeingebrauch und vom
öffentlichen Eigentum überhaupt von verhängnisvoller Bedeutung ge-
worden. Denn daß der also Benachteiligte entschädigt werden soll,
darüber war man bald einig. Den Anspruch juristisch zu erklären
aber war man nicht recht im stande und hat dann verschiedene civil-
rechtliche Begründungen versucht, die geeignet waren, alles in Ver-
wirrung zu bringen29.
[133]§ 37. Der Gemeingebrauch.
Eine sehr häufig aufgestellte Erklärungsweise geht dahin, daß
die Anlieger eine civilrechtliche Servitut oder ein besonderes servitut-
artiges Recht an ihrer Straße erworben hätten. Damit ist dann das
Thor geöffnet für die Meinung, dingliche Rechte nach Civilrecht
könnten schlechthin an der Straße begründet werden, und der ganze
Begriff des öffentlichen Eigentums verwischt. Mit dieser Servitut
stünde es freilich sehr eigentümlich. So lange nämlich die Straße
besteht, würde sie keine Wirkung äußern, die nicht auch schon der
Gemeingebrauch ergäbe. Wenn aber die Straße verlegt oder sonst
der bisherige Straßenboden civilrechtlicher Rechtsbegründung zugäng-
lich wird, dann soll erst recht keine Servitut vorhanden sein, sondern
lediglich ein Anspruch auf Entschädigung. Nur um diesen zu be-
gründen, auf den es allein abgesehen ist, wird der Umweg durch die
Annahme einer Servitut gemacht, die sonst niemals selber zum Vor-
schein kommt30.
Und wie soll die Servitut begründet sein? In dieser Be-
ziehung wird uns ziemlich viel zugemutet. Die Servitut soll nämlich
durch Vertrag entstehen. Der Staat, die Gemeinde haben durch
Anlage der Straße die Angrenzer eingeladen, Häuser daran zu er-
richten, und für diesen Fall die Servitut bewilligt. Durch Erbauung
eines Hauses nimmt man diese stillschweigende Offerte stillschweigend
an31! Vorher schon gebaute Häuser haben allerdings das gleiche
[134]Das öffentliche Sachenrecht.
Recht. Der denkende Jurist wird aber zur Not auch hier einen still-
schweigenden Vertrag mit umgekehrter Reihenfolge der Erklärungen
herzustellen wissen32.
Wenn man doch schon eines stillschweigenden Vertrages bedarf,
so ist es gewiß richtiger, unmittelbar auf das Ziel loszugehen und
einfach anzunehmen, der Staat habe für den Fall der Verlegung oder
Änderung der Straße den Anliegern Entschädigung ver-
sprochen; mag man das dann ein Garantieversprechen oder
sonst wie nennen. Daß dieses Versprechen zu Gunsten jedes Rechts-
nachfolgers des ersten Angrenzers wirkt, wäre dagegen ein so großes
Bedenken nicht33.
Der Haupteinwand gegen alle diese Verträge wird aber immer
der sein, daß sie thatsächlich nicht wahr sind. Der Staat, die Ge-
meinde denken gar nicht daran, eine derartige Verpflichtung freiwillig
übernehmen zu wollen. Der Entschädigungsanspruch kann nur un-
mittelbar auf Rechtstatz beruhen. Man würde niemals zu dem Not-
behelf der Annahme solcher Verträge greifen, wenn man nicht eben
noch in völliger Unkenntnis sich befände von dieser rechtssatzmäßigen
Grundlage. Sie ist aber einfach gegeben in unserem Rechtsinstitut
der öffentlichrechtlichen Entschädigung, demselben, welches auch zur
Ausgleichung der bei Ausübung des Gemeingebrauchs erlittenen Nach-
teile zur Anwendung kommt.
[135]§ 37. Der Gemeingebrauch.
Daß seine Voraussetzungen: Maßregel der öffentlichen Verwaltung
und besonderes Opfer des Einzelnen, hier zutreffen, ist klar. Die Ver-
legung oder Änderung der Straße, die im öffentlichen Interesse ge-
schieht, schädigt zugleich das Vermögensinteresse des Angrenzers, der
auf den Gemeingebrauch angewiesen war, den er jetzt nicht mehr hat,
und dieser Nachteil wird ihm vergütet34.
Wir haben nur noch auf die Frage zu antworten, warum diese Ent-
schädigung nur zu Gunsten der Angrenzer Platz greift und nicht auch
zu Gunsten Anderer, die aus der Änderung Nachteile erleiden mögen.
Dieser Umstand war es ja gerade, der zu der Erklärung mit Hülfe
einer jenen allein zustehenden Servitut geführt hat. Die richtige Er-
klärung ist aber von selbst gegeben in den besonderen Regeln der
öffentlichrechtlichen Entschädigung. Sie begreift durchaus nicht
schlechthin jeden Nachteil, der jemandem aus den Maßregeln der
öffentlichen Verwaltung erwächst. Das Opfer, das sie voraussetzt, ist
nur die unmittelbare Wertentziehung, der greifbare Schade: es muß
dem Geschädigten etwas genommen sein, das er hat. Nur in diesem
Umfang kann diese allgemeine Entschädigungspflicht vernünftigerweise
gelten und gilt sie (vgl. unten § 53, II).
Daher der Unterschied zwischen dem Angrenzer und sonstigen
Beteiligten. Der Angrenzer steht in einem besonderen Verhältnisse
zu dem vor ihm liegenden Straßenteil. Die Zugänglichkeit und, was
sonst vermöge des Gemeingebrauchs die Straße seinem Gebäude ge-
währen muß, bildet einen Teil des rechtmäßigen Bestandes dieses
Vermögensstückes. Wird dem Hause die Straße entzogen, so ist das
ein unmittelbarer Eingriff in diesen Bestand, der seinen Wert ver-
mindert35.
[136]Das öffentliche Sachenrecht.
Nachteil von der Änderung können auch Andere haben, die nicht
unmittelbar angrenzen. Namentlich die Nachbarn, vor deren Grund-
stück die Straße noch bestehen bleibt, können durch die Unterdrückung
der Fortsetzung derselben genötigt sein, Umwege zu machen oder sind
vielleicht in eine Sackgasse geraten. Das sind keine Eingriffe in ihren
Vermögensstand, keine Wertentziehungen; denn ihr Grundstück selbst
bleibt benutzbar, zugänglich und mit allen Vorteilen des Gemein-
gebrauchs versehen, die es hatte. Andere, noch entferntere Personen
sind vielleicht in ähnlicher, noch geringerer Weise beteiligt: niemand
als der Anlieger hat aus der Straßenänderung den unmittelbaren greif-
baren Schaden, der hier allein in Betracht kommt.
Darin liegt die ganze Lösung der Frage des „Sonderrechtes“ der
Anlieger36.
[137]§ 38. Die Gebrauchserlaubnis.
Es hat dies übrigens, wenn man genauer zusieht, sein voll-
kommenes Seitenstück auch in den Entschädigungsansprüchen für jene
Nachteile, die bei Ausübung des Gemeingebrauchs erlitten werden.
Die Beispiele, die wir oben gegeben haben, lassen die nämlichen
Unterschiede erkennen. Die Brücke ist schadhaft und kann nicht
ohne Gefahr benützt werden: großer Schaden für alle Nachbarn und
alle diejenigen, welche auf den Verkehr darüber angewiesen sind.
Der Graben, der durch die Straße gezogen ist und ungeschickterweise
längere Zeit offen bleibt, macht sie unfahrbar; alles muß Umwege
nehmen, Eisenbahnzüge werden versäumt, die bedeutendsten Verluste
sind nachzuweisen. Niemand erhält Entschädigung; nur der, welcher
mit der Brücke einbricht, in den Graben stürzt; diesem allein ist ein
unmittelbarer Nachteil erwachsen im Sinne des Rechtsinstituts der
öffentlichrechtlichen Entschädigung.
Das sind Dinge, die an gehöriger Stelle noch weiter erörtert
werden sollen. Uns ist hier an der Aufklärung nur soweit gelegen,
daß die Lehre vom Gemeingebrauch auch in dieser Richtung un-
verfälscht bleibe durch künstliche Zuthaten.
§ 38.
Fortsetzung; die Gebrauchserlaubnis.
Das Recht des Gemeingebrauchs ist, wir wir sahen, nicht be-
gründet durch eine staatliche Gewährung, sondern ist ein Bestandteil
der persönlichen Freiheit.
Im Gegensatze dazu beruht aller Gebrauch, welcher dem Einzelnen
über den Gemeingebrauch hinaus an öffentlichen Sachen zustehen mag,
auf einer staatlichen Gewährung und kann nur darauf beruhen.
Daß solche Gewährungen möglich sind, beweist am besten, daß
es sich hier nicht um res nullius handelt, noch um Sachen, deren
36
[138]Das öffentliche Sachenrecht.
eigentlicher Herr das Publikum mit seinem usus publicus wäre. Denn
die Gewährung hat zu ihrem Ausgangspunkt nichts anderes als die
rechtliche Herrschaft über die öffentliche Sache, welche dem Gewähren-
den zusteht und welche er ausübt in der Einräumung verschiedenartiger
Nutzungen, ganz frei oder gebunden in bestimmter Ordnung.
Ihrer rechtlichen Gestalt nach zerfallen diese Gewährungen in
zwei scharf getrennte Arten:
Es kann dem Einzelnen eine rein thatsächliche Einräumung ge-
macht werden, vermöge deren er die öffentliche Sache benutzen darf
in einer im Gemeingebrauch nicht schon enthaltenen Weise, ohne von
dem Herrn der öffentlichen Sache daran gehindert zu werden, die
Gebrauchserlaubnis.
Es kann zu Gunsten eines Einzelnen durch Verwaltungsakt ein
ausschließlicher Besitz und rechtlich geschützte Herrschaft an einem
bestimmten Stück der öffentlichen Sache begründet werden; das ist
der Fall der Verleihung.
Beide Arten sind wieder begleitet von Gebührenpflichten, die ent-
sprechend verschieden begründet werden.
Die Gebrauchserlaubnis an öffentlichen Sachen, von der hier zu-
nächst die Rede sein soll, ist so ziemlich eines unserer verwahrlostesten
Rechtsinstitute. Sie steht zwischen Gemeingebrauch und Verleihung
mitten inne; beide Rechtsbegriffe pflegen aber schlecht bestimmt und
begrenzt zu werden, derart, daß die Gebrauchserlaubnis bald nach der
einen, bald nach der anderen Seite hin verschwimmt. Dazu hat sie
sich noch der verschiedenartigsten civilrechtlichen Erklärungen zu er-
wehren, die, so unwahr sie sind, als bequeme Auskunftsmittel sich
darzubieten scheinen.
Es handelt sich um Arten des Gebrauchs der öffentlichen Sachen,
die im Gemeingebrauch nicht begriffen sind, also besonders verstattet
sein müssen, um zulässig zu sein. Die Gewährung geschieht aber
andererseits nicht in Gestalt der Begründung eines Rechts an der
Sache, sie ist keine Verleihung. Die Gebrauchserlaubnis muß also
klar herausgehoben werden zwischen beiden, damit unsere Lehre von
den Nutzungsrechten an öffentlichen Sachen ihre Bestimmtheit und
scharfe Gliederung bewahren.
I. Da die Gebrauchserlaubnis kein Stück des Gemeingebrauchs
ist, hat sie ihr Anwendungsgebiet sowohl an Sachen, die diesem
unterliegen, als an solchen, wo das nicht der Fall ist.
An öffentlichen Straßen und Plätzen findet eine solche über den
Gemeingebrauch hinausgehende Verstattung in mancherlei Weise statt.
Vor allem sind es gewerbliche Thätigkeiten, welche Vergünstigungen
[139]§ 38. Die Gebrauchserlaubnis.
dieser Art in Anspruch nehmen: Droschkenhaltestellen, Zeitungskioske,
Sodawassertrinkhallen, Backwarenstände und andere Verkaufsbuden
erhalten da ihren Raum. Nasenschilder, Schaukästen, Briefkästen
ragen in das Gebiet des Straßenverkehrs herein. Die öffentlichen
Plätze werden zeitweilig für Jahrmarktsstände, Schaubuden, Karussels
bewilligt.
Ebenso dienen die Wasserstraßen den Schiffen nicht bloß zum
Verkehr; denselben kann auch gestattet werden, an besonders dazu
angewiesener Stelle still zu liegen und die Ufer zum Ab- und Zugang,
zum Ein- und Ausladen zu benutzen, auch außerhalb der dazu be-
stimmten Hafenstaden. Gemeingebrauch ist das nicht mehr, sondern
Ausnahme und besondere Gewährung.
An öffentlichen Sachen, die nicht dem Gemeingebrauch dienen,
zeichnen sich solche Gewährungen noch deutlicher ab. Das Über-
schreiten des Bahnkörpers kann mit Rücksicht auf besondere Ver-
hältnisse einmalig oder dauernd gestattet sein. Ebenso der Weg über
Festungswerke oder die Benützung des Festungsgrabens für Eissport
und dergl. Der Verkauf der Grasnutzung, die Verpachtung der
Fischerei enthält von selbst zugleich eine solche Erlaubnis. Kirchen
und Kirchhöfe geben in dieser Klasse von öffentlichen Sachen besonders
wichtige Beispiele. An ihnen besteht kein Gemeingebrauch. Beide
aber werden zu gewissen Zeiten dem freien Eintritt geöffnet zu den
entsprechenden Zwecken: Teilnahme am Gottesdienst, Besuch der
Gräber. Beim Kirchhof verbindet sich mit der Anweisung eines Grabes
zur Beerdigung immer zugleich die Erlaubnis für die Angehörigen,
dieses Grab zu schmücken; die Errichtung eines Grabsteines, eine
Umhegung kann auch bei dem gewöhnlichen Reihengrabe gestattet
sein. Das ist alles weder Gemeingebrauch noch Verleihung, sondern
etwas zwischen beiden, die bloße Gebrauchserlaubnis.
Die rechtliche Natur der Gewährung, die in allen diesen
Fällen stattfindet, wird erst klar, wenn wir sie erkennen im Zusammen-
hang eines umfassenderen Begriffes, dem sie angehört. In dieser Weise
haben wir den Gemeingebrauch zurückgeführt auf den Begriff der
bürgerlichen Freiheit; ebenso werden wir in der Verleihung
einen Anwendungsfall des Begriffes des Verwaltungsaktes auf-
weisen. Die Gebrauchserlaubnis ihrerseits gehört ihrer rechtlichen
Natur nach in den Ideenkreis der Nutzungsgewährungen an öffent-
lichen Anstalten.
Von den öffentlichen Anstalten, welche dazu bestimmt sind, den
Einzelnen Vorteile zu gewähren und Dienste zu leisten, wird unten
[140]Das öffentliche Sachenrecht.
§ 52 ausführlich die Rede sein. Dort wird auch die Rechtsform ihre
Darstellung finden, in welcher sie das thun. Es ist ihrem Wesen
nach die nämliche wie die, welche in unserer Gebrauchserlaubnis er-
scheint. Das tritt namentlich bei solchen öffentlichen Anstalten schon
auf den ersten Blick hervor, welche ihren Dienst den Einzelnen gerade
dadurch leisten, daß sie ihnen Zutritt gewähren, Plätze einräumen,
um thätig zu werden oder von da aus weitere Vorteile zu genießen,
wo also das sachliche Mittel, das Grundstück, das Gebäude, womit
der Anstaltszweck verfolgt wird, in den Vordergrund tritt. Markt-
hallen, Schlachthäuser, Museen, Bibliotheken, Krankenhäuser geben
Beispiele. Die öffentlichen Sachen, insofern sie dem Einzelnen zum
Gebrauch eröffnet werden über den Gemeingebrauch hinaus und nicht
durch Verleihung, werden behandelt als öffentliche Anstalten,
und die Gebrauchserlaubnis geschieht nach dem Muster der Gewäh-
rung von Anstaltsnutzungen.
Und zwar ist es ausschließlich die öffentlichrechtliche Form der
Anstaltsnutzung, die hier zur Anwendung kommt. Wir werden unten
(§ 51, I) eine Unterscheidung zu machen haben, wonach die öffent-
lichen Anstalten bei dem Verhältnisse zu den Einzelnen, welchen sie
ihre Leistungen machen, nur teilweise auf dem Boden des öffentlichen
Rechtes verbleiben und dann die Gestalt von Rechtsbeziehungen er-
geben, deren Darstellung unsere Aufgabe ist; zum Teil werden ihre
Leistungen auch vermittelt durch civilrechtliche Verträge: Sachmiete,
Dienstverträge, Werkverdingungen. Die anstaltsmäßigen Gewährungen
an öffentlichen Sachen haben nur die erstere Form.
Die Nutzungen, die da eingeräumt werden, könnten ihrer Art
nach ebensowohl in civilrechtliche Rechtsgeschäfte gekleidet sein, ins-
besondere die Sachmiete liegt nahe. Aber die Frage, ob Civilrecht,
ob öffentliches Recht, ist hier an die Anstaltsleistung nicht mehr zu
richten; sie ist entschieden zu Gunsten des letzteren, sobald fest-
steht, daß die Leistung von dieser besonderen Art von Anstalt, von
einer öffentlichen Sache ausgeht. Der Gegensatz der civilrechtlichen
Leistung desselben Inhalts steht auch hier daneben, aber außerhalb
der öffentlichen Sache. Beispielshalber kann eine Stadtverwaltung den
Platz zur Aufstellung einer Schaubude, einer Trinkhalle, eines Verkaufs-
standes sehr wohl auch in Gestalt eines Mietvertrages oder sonstigen
civilrechtlichen Rechtsgeschäftes einräumen. Wenn sie einen ihrer frei-
liegenden Bauplätze dazu hergiebt, so kann das gar nichts anderes sein.
Verstattet sie aber die öffentliche Straße, den öffentlichen Platz dazu,
so macht sich sofort wieder die Unzugänglichkeit der öffentlichen Sache
für civilrechtliche Rechtsgeschäfte geltend: die Gewährung ist öffentlich-
[141]§ 38. Die Gebrauchserlaubnis.
rechtlicher, oder wie man älterer Ausdrucksweise entsprechend sagt,
polizeilicher Natur, gleich der von Droschkenstandplätzen, Markt-
sitzen u. s. w.
II. Wenn wir demnach die Gebrauchserlaubnis grundsätzlich in
die Lehre von der Gewährung der Anstaltsnutzungen verweisen, so
bedingt doch die Anwendung des allgemeinen Rechtsinstituts auf die
öffentlichen Sachen gewisse Besonderheiten. Um den Gegensatz der
anderen beiden Arten von Nutzungsrechten deutlich hervortreten zu
lassen, stellen wir hier die wesentlichen Regeln der Gebrauchserlaubnis
zusammen.
1. Die Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist, wie die Gewährung
der Anstaltsnutzung, keine außerordentliche Maßregel, keine Ent-
äußerung, sondern gehört zur laufenden Verwaltung. Sie ver-
bindet sich von selbst mit derjenigen Thätigkeit, welche darauf ge-
richtet ist, die gute Ordnung der öffentlichen Sache aufrecht zu er-
halten, mit der Polizei der öffentlichen Sache.
Das wird wichtig in den Fällen, wo das Eigentum an der Sache
und die Polizei darüber von getrennten Behörden vertreten wird. Die
Erteilung der Gebrauchserlaubnis gehört zur Zuständigkeit der Polizei-
behörde und der von ihr abhängigen Bediensteten1.
Zur Erteilung der Gebrauchserlaubnis genügt jede zuständige
Willensäußerung, aus welcher die Einwilligung in diese bestimmte
Art von Gebrauch durch diese Einzelnen sich ergiebt.
Es ist nicht nötig, daß diese Äußerung von einer mit obrigkeit-
[142]Das öffentliche Sachenrecht.
licher Befehlsgewalt ausgerüsteten Behörde ausgehe; es können eben-
sowohl auch untergeordnete Bedienstete dazu berufen sein.
Es besteht auch keine feste Form, in welcher sie erscheinen
müßte; sie kann ebensowohl den einzelnen Erlaubnisfall genau be-
stimmen, als in umfassender Weise die Einladung zu einer gewissen
Gebrauchsart ergehen lassen.
So wird mit der Indienststellung von Kirchhöfen und Kirchen-
gebäuden zugleich die allgemeine Zulassung der zum Besuch
Berufenen verbunden sein; die genaueren Zeitgrenzen der Verstattung
bezeichnet die Thätigkeit der untergeordneten Bediensteten, welche
die Thore öffnen und schließen.
In anderen Fällen ist der besondere Gebrauch wieder allgemein
angeboten, aber die Ausübung abhängig von der Anweisung eines
bestimmten Platzes, an welchem er stattfinden darf. So bei
Marktständen, Droschkenhalteplätzen, Liegeplätzen im Schiffahrtskanal.
Die Anweisung wird dann am Platze selbst durch einen Überwachungs-
beamten erteilt werden, einen Marktaufseher, Straßenpolizeibeamten,
Schleusenwärter. Und erst damit wird die Gebrauchserlaubnis für
den Einzelnen begründet sein2.
And[e]re Verstattungen werden von vornherein nur von Fall zu
Fall erteilt und sind der leitenden Behörde derart vorbehalten, daß
diese auch die Platzanweisung mit erteilt. So bei Aufstellung von
Trinkhallen, Zeitungskiosken, Schaubuden, Anschlagsäulen.
2. Die rechtliche Natur der Erlaubniserteilung ist in allen Fällen
die gleiche. Sie ist weder ein bloßes Anerkennen und Geschehen-
lassen eines an sich schon bestehenden Rechtes des Gemeingebrauchs,
noch soll sie mit der Kraft des Rechtsgeschäftes neue Rechts-
verhältnisse bezüglich der Sache begründen. Es ist lediglich eine
thatsächliche Verwendung der Sache kraft des Berufes, sie zu
verwalten, eine Verwendung zu Gunsten des zum Gebrauche
Zugelassenen3.
Grundsätzlich ist die Erteilung wie die Versagung der Erlaubnis
frei. Dienstanweisungen bringen Regel und Gleichmaß in das zu be-
obachtende Verfahren, ohne daß dadurch im Verhältnis zu den Be-
[143]§ 38. Die Gebrauchserlaubnis.
teiligten ein rechtlicher Anspruch derselben begründet wäre. Nur
ausnahmsweise mischt das Gesetz sich ein, ebenso wie es das bei den
öffentlichen Anstalten auch thut, und bestimmt die Voraussetzungen,
unter welchen die Erlaubnis zu gewähren oder zu versagen ist. Der-
jenige, bei welchem die Voraussetzungen der Erlaubnis zutreffen, hat
alsdann einen Rechtsanspruch darauf. Es ist eine Frage der Ordnung
des Rechtsschutzes, wie dieser gesichert wird4.
3. Die Wirkung der erteilten Gebrauchserlaubnis besteht nicht
in der Begründung einer rechtlichen Herrschaft über die Sache zu
Gunsten der Einzelnen, denen sie erteilt ist. Es wird dadurch über-
haupt kein Recht begründet, auch kein Recht auf Bestand und Auf-
rechterhaltung der Erlaubnis; dem Begünstigten gegenüber ist die
Erlaubnis grundsätzlich jederzeit frei zurücknehmbar. Dienst-
anweisungen und Rücksichten der Billigkeit geben ihr thatsächlich
eine gewisse Stetigkeit.
Der Schwerpunkt der Wirkung der Gebrauchserlaubnis liegt in
[144]Das öffentliche Sachenrecht.
der Herstellung der thatsächlichen Möglichkeit des bestimmten
Gebrauchs an der öffentlichen Sache. Nebenbei aber verbinden sich
auch gewisse rechtliche Wirkungen damit.
Die erteilte Gebrauchserlaubnis hat eine rechtliche Bedeutung,
insofern sie eingreift in das Gebiet der Polizei der öffentlichen
Sache. So lange sie besteht, ist ein polizeiliches Vorgehen gegen
die erlaubte Benutzung ausgeschlossen, auch wenn sie, über den
Gemeingebrauch hinausgehend und eine Störung des Gemeingebrauchs
vorstellend, an sich solchen Maßregeln unterläge. Insbesondere ist
die Anwendung der rechtssatzmäßigen Verbote und Strafandrohungen,
die an sich zutreffen würden, dadurch ausgeschlossen. Die Wirkung
gleicht darin der der Polizeierlaubnis und häufig wird die Gebrauchs-
erlaubnis geradezu als eine solche angesehen. Desto notwendiger ist
es, sich klar zu machen, daß dieses Rechtsinstitut in seinem festen
Begriff, wie wir ihn oben Bd. I § 21 entwickelt haben, hier nicht
vorliegt.
Die Polizeierlaubnis ist ein Verwaltungsakt, welcher das durch
rechtssatzmäßiges Verbot oder ebensolche Strafsetzung bestimmte
Rechtsverhältnis für den Einzelfall anders bestimmt. Ein Verwaltungs-
akt besteht aber hier nicht; auch der untergeordnete Bedienstete kann
durch seine Platzanweisung den Gebrauch wirksam eröffnen; die ein-
fache Thatsache der Einwilligung genügt überall.
Ferner bedarf die Polizeierlaubnis, um zulässig zu sein, eines
darauf gerichteten Vorbehalts in dem verbietenden Rechtssatze selbst,
der ihr gestattet, ihn für den Einzelfall zu durchbrechen. Solche
Vorbehalte bestehen hier in den wenigsten Fällen. Es kommt viel-
mehr der nämliche Grundsatz zur Geltung, der auch den Gemein-
gebrauch, selbst wo er verkehrsstörend werden könnte, gegen die An-
wendung solcher allgemeiner Verbote und Verpönungen schützt: diese
richten sich immer nur gegen die unbefugte Störung. Wie das Recht
des Gemeingebrauchs, so deckt ihnen gegenüber auch die Einwilligung
des zuständigen Verwalters der öffentlichen Sache. Die Verwendung,
die der Herr der Sache von dieser macht zu Gunsten des Einzelnen,
dem der Gebrauch eingeräumt wird, nimmt diesem Gebrauch die Un-
befugtheit; darauf allein beruht die rechtliche Bedeutung der Gebrauchs-
erlaubnis in dieser Beziehung5.
4. Dienstanweisungen, welche Regeln aufstellen für die Erteilung
der Gebrauchserlaubnis, für Bedingungen, Zweck und Dauer der Ge-
[145]§ 38. Die Gebrauchserlaubnis.
stattung, ändern nichts an dem durch die erteilte Erlaubnis begründeten
Rechtsverhältnis. Ausnahmsweise aber ist ja die Erteilung durch
gesetzliche Bestimmung gebunden; dann wirkt das auch auf
die Dauer der erteilten Erlaubnis: die Zurücknahme kann nicht er-
folgen zur Vereitelung jener gesetzlichen Gebundenheit der Erteilung.
Der Gebrauch muß also die entsprechende Zeit in derselben oder
gleichwertiger Weise belassen werden. Der Erlaubnisträger hat ein
Recht darauf. Aber die Natur dieses Rechtes ist wohl zu beachten.
Es handelt sich auch dann nicht um ein Recht an der Sache, das be-
gründet wäre. Vielmehr ist es immer nur ein rechtlicher Anspruch
gegen den Herrn der Sache, daß dieser sein Recht über dieselbe in
der bestimmten Weise ausübe, um dem Erlaubnisträger den Gebrauch
für die entsprechende Zeit und in der gehörigen Weise zu belassen6.
Die obligatorische Natur des Anspruchs zeigt sich unter anderem
darin, daß der besondere örtlich bestimmte Teil der öffentlichen
Sache, durch welchen dem Anspruch genügt wird, frei gewechselt und
anders bestimmt werden kann. So kann an Stelle des angewiesenen
Marktstandes jeder Zeit ein anderer angewiesen werden; es giebt nur
einen Anspruch auf Einräumung eines Marktstandes, nicht ein Recht
an dieser bestimmten Stelle des öffentlichen Platzes.
5. Dritten gegenüber bedeutet die Gebrauchserlaubnis im einen
wie im anderen Falle für den Inhaber kein selbständiges Recht.
Gegen Störungen in der Ausübung des Gebrauchs kann die Polizei
der öffentlichen Sache angerufen werden, damit sie in ihm ihr eigenes
Recht über die öffentliche Sache schütze: die gute Ordnung der
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 10
[146]Das öffentliche Sachenrecht.
öffentlichen Sache ist da jedesmal mit gestört. Außerdem ist seine
Person, sind seine Sachen gegen Angriffe, die er in Ausübung des
erlaubten Gebrauchs von Anderen erfahren mag, mit der civilrecht-
lichen Schadensersatzklage geschützt; schon die Verhinderung des
Gebrauchs berechtigt dazu. Ein Recht an der Sache ist dafür nicht
vorausgesetzt; es genügt, daß die Benutzung ein Stück erlaubter
Geltendmachung seiner Freiheit ist. Der Klagegrund ist derselbe
wie bei Verhinderung des Gemeingebrauchs, nur daß dort ein an-
geborenes Stück der Freiheit in Frage ist, hier eine besondere Er-
weiterung derselben durch die erhaltene Gewährung. Der Gegensatz
zur Verleihung kommt aber gerade in dieser Richtung wieder auß
schärfste zum Ausdruck.
III. Zum Ausgleich der besonderen Vorteile können auch bei der
Gebrauchserlaubnis Gebührenpflichten entstehen.
Eine Auferlegung dieser Gebührenpflichten durch Rechtssatz, in
Gesetz, Verordnung oder Statut, ist denkbar, aber im Gegensatz zum
Gemeingebrauch hier nicht das ausschließlich Mögliche, thatsächlich
sogar die seltene Ausnahme. Die Gewährung selbst giebt die Gelegen-
heit und Möglichkeit zur Begründung der Gebührenpflicht in anderer
Form. Das ist nicht die Form des gewöhnlichen Verwaltungsaktes,
die wir bei dem folgenden Rechtsinstitut auch hierfür wirksam werden
sehen; denn die Gewährung ist kein Verwaltungsakt, der wie dort die
Verleihung einer Gebührenpflicht nebenbei begründen könnte.
Die Gewährung wird vielmehr nur dadurch wichtig, daß sie er-
teilt werden kann unter gewissen allgemeinen Vorbehalten und Be-
dingungen, denen dann jeder sich unterwirft, der die Gewährung in
Anspruch nimmt und dadurch, daß er dies thut.
Ein Tarif wird aufgestellt und die Gewährung erfolgt nur nach
Maßgabe dieses Tarifs und unter seinen Bedingungen. Marktgebühren,
Standgelder und andere Gebührenzahlungspflichten werden auf diese
Weise mit der Inanspruchnahme der Gebrauchserlaubnis an der öffent-
lichen Sache verbunden. Es ist die Form, wie das Recht der öffent-
lichen Anstaltsnutzung regelmäßig seine Gebührenpflichten begründet.
Welches die Natur dieser Tarife ist und wie die Gebührenpflicht durch
ihre Vermittlung sich begründet, das muß der ausführlichen Darstellung
im Zusammenhange der öffentlichrechtlichen Anstaltsnutzung vorbehalten
bleiben; vgl. unten § 527.
[147]§ 39. Verleihung besonderer Nutzungen.
§ 39.
Fortsetzung; die Verleihung besonderer Nutzungen.
Die Verleihung, Konzession, ist ein allgemeines Rechtsinstitut
des öffentlichen Rechts, welches nach verschiedenen Richtungen zur An-
wendung kommt.
Der gemeinsame Grundbegriff für alle Anwendungsfälle ist der
eines Verwaltungsaktes von gewissem Inhalt. Dieser Inhalt
muß darin bestehen, daß dem Unterthanen dadurch recht-
liche Macht gegeben werden soll über die öffentliche
Verwaltung. Und zwar soll das in der Weise geschehen, daß er
etwas, was zur öffentlichen Verwaltung gehört, ein Stück von ihr
bildet, ihm ausgeliefert und in eignen Besitz erhält1.
Die Verleihung ist ein Verwaltungsakt, durch welchen einem
Unterthanen rechtliche Macht gegeben wird über ein ausgeantwortetes
Stück öffentlicher Verwaltung.
In diesem Sinne sprechen wir von der Verleihung eines
öffentlichen Unternehmens: Eisenbahnkonzession, Chaussee-
7
10*
[148]Das öffentliche Sachenrecht.
konzession, Brücken- und Fährenkonzession (darüber unten § 50).
Auf demselben Gedanken beruht es, wenn von einer Verleihung
des Enteignungsrechtes (oben § 33, II n. 2 und Note 15) die
Rede ist, oder von Verleihung eines Amtes (unten § 44, II
n. 2). Eine Unterart dieses allgemeinen Begriffes ist denn auch
die Verleihung eines besonderen Nutzungsrechtes an
einer öffentlichen Sache: sie bedeutet die Einräumung einer
rechtlichen Macht über die öffentliche Sache, von der ein Stück dem
Beliehenen ausgeantwortet wird zum Zweck der besonderen Be-
nutzung.
I. Die verliehenen Nutzungsrechte gehen über das im Gemein-
gebrauch Enthaltene hinaus; von den Gebrauchserlaubnissen, bei
welchen dasselbe der Fall ist, unterscheiden sie sich schon äußerlich
dadurch, daß sie auf die Dauer berechnet sind: der Beliehene tritt
in förmlichen Besitz an einem Stücke der öffentlichen Sache, der
sich bekundet durch gewisse Vorrichtungen, die für ihn an der Sache
bestehen.
In das Anwendungsgebiet der Verleihung fallen demnach
von vorneherein nicht alle besonderen Gewährungen, die nur vorüber-
gehend und oberflächlich die öffentliche Sache berühren: das Über-
schreiten des Eisenbahndammes, das Sitzen auf dem Markte, das Still-
halten der Droschken und Kanalschiffe, ebenso aber auch das Auf-
stellen beweglicher Gegenstände, das Einschlagen von Pfosten bei
Neubauten an der Straße, Eingraben von Blumen und Sträuchern
auf gemeinen Gräbern ist alles nur denkbar als Gegenstand einer
Gebrauchserlaubnis, nicht einer Verleihung.
Umgekehrt enthalten andere Vorrichtungen einen so schwer
wiegenden Eingriff in die öffentliche Sache und sind mit solchem
Aufwand von Mitteln fest mit ihr verbunden, daß sie wohl nur auf
Grund einer Verleihung unternommen werden können: Stauwehre,
Mühlkanäle, Bewässerungsanlagen an öffentlichen Flüssen, umfang-
reiche Röhrenleitungen, fest eingefügte Eisenbahngeleise im Straßen-
boden, kostbare Grabdenkmäler werden niemals auf den unsicheren
Rechtsgrund einer bloßen Gebrauchserlaubnis gestellt werden.
Dazwischen liegen mancherlei Benutzungsarten, deren äußere
Gestalt über die anzuwendende Rechtsform nichts entscheidet. Nament-
lich bestimmt der Begriff des im Boden festen Bauwerks, des opus
soli, durchaus nicht unbedingt und überall die Grenzlinie. Schiffmühlen,
Badeanstalten im öffentlichen Flusse beruhen auf Verleihung, obwohl
sie nur verankert sind und im Winter oder bei Eisgang abgefahren
werden mögen. Andererseits pflegt der Zeitungskiosk, die Soda-
[149]§ 39. Verleihung besonderer Nutzungen.
wasserbude trotz des eingemauerten Fundaments nur eine Gebrauchs-
erlaubnis für sich zu haben. Ein und dieselbe Vorrichtung der
äußeren Erscheinung nach kann im einen Falle eine Verleihung be-
deuten, im andern eine Gehrauchserlaubnis. Das Entscheidende ist
immer in letzter Linie der Rechtstitel, welcher dahinter steht,
erkennbar an seiner Entstehungsform und Wirkung2.
II. Im einzelnen entfaltet sich nun unser Rechtsinstitut wie
folgt3.
1. Indem die Verleihung einen Besitz an der öffentlichen Sache
begründet, der dem Beliehenen zu eigenem selbständigen Rechte aus-
[150]Das öffentliche Sachenrecht.
schließlich zustehen soll, geht sie auch über die bloße laufende Ver-
waltung der Sache hinaus. Eine derartige Belastung ist mithin in
der Zuständigkeit zur Führung der Polizei der öffentlichen Sache nicht
begriffen; wo diese einer besonderen Behörde übertragen ist, muß
die Zustimmung des ordentlichen Vertreters des Herrn der öffent-
lichen Sache hinzukommen, damit die Verleihung gültig und wirk-
sam sei4.
[151]§ 39. Verleihung besonderer Nutzungen.
Die Begründung dieses Nutzungsrechts kann sich nicht knüpfen
an die bloße thatsächliche Freigabe und die formlose Duldung des
besonderen Gebrauchs. Es bedarf einer bestimmten auf Herstellung
des Rechtsverhältnisses für diese bestimmte Person gerichteten
Willenserklärung, eines öffentlichen Rechtsgeschäftes, wie es der Ver-
waltungsakt ist.
Diese Willenserklärung kann daher nicht ausgehen von den unteren
Anstaltsbediensteten, die unfähig sind, Verwaltungsakte zu erlassen;
die Verleihung geschieht ausschließlich durch einen Ausspruch der
leitenden Behörde (oben Bd. I S. 96).
Schriftlichkeit wird dafür die Regel sein; die Gültigkeit der Ver-
leihung ist dadurch nur da bedingt, wo es besonders durch Rechts-
satz vorgeschrieben ist. Jedenfalls setzt die Wirksamkeit der Ver-
leihung die gehörige Eröffnung an den Beliehenen voraus, die regel-
mäßig wieder durch die Aushändigung einer Konzessionsurkunde ge-
schehen wird. Erst damit treten die Wirkungen ein.
2. Der Behörde steht es grundsätzlich frei, die Verleihung zu
gewähren oder zu versagen5. Es bedarf besonderer Bestimmungen,
damit eine Gebundenheit nach der einen oder anderen Seite hin be-
gründet sei. Solche Gebundenheiten begegnen uns in zwei
Hauptformen.
Die eine Art wird vertreten durch die Verleihung von Wasser-
nutzungen an öffentlichen Strömen, und zwar kommen hier solche
Nutzungen in Betracht, welche die Wassermasse selbst zu Gunsten
des Beliehenen in Anspruch nehmen: Ableitungen, Stauwerke. Das
Besondere ist hier, daß der Beliehene durch die beabsichtigte Anlage
hineintreten wird in einen Kreis schon vorhandener Nutzungsrechte,
die er beeinträchtigen könnte. Um einem möglichen Widerstreit der
Rechte vorzubeugen, ist der Behörde vom Gesetze ein besonderes
Verfahren vorgeschrieben, in welchem etwaige Einsprüche geltend ge-
macht werden können. Die Einhaltung dieses Verfahrens ist Be-
dingung der Rechtsgültigkeit der Verleihung. Die Entschei-
dung über erhobene Einsprüche verbindet sich mit dem Ausspruch
über das Verleihungsgesuch und giebt diesem eine rechtliche Ge-
bundenheit gegenüber den älteren Nutzungsberechtigten: die Verleihung
4
[152]Das öffentliche Sachenrecht.
muß versagt werden, sofern sie dessen Rechten widerstreitet, es sei
denn, daß der Behörde eine Befugnis zusteht, bei der Gelegenheit
auch diese Rechte innerhalb eines gewissen Spielraums freien Er-
messens zu ändern oder zu beschränken (unten III)6.
Eine entgegengesetzte Art von Gebundenheit findet sich bei solchen
Verleihungen, welche an einer dazu bestimmten Sache mit einer ge-
wissen Regelmäßigkeit und Gleichmäßigkeit, anstaltsmäßig, vor-
genommen zu werden pflegen. Das ist z. B. der Fall bei Gräber-
konzessionen: ein gewisser Teil des gemeindlichen Kirchhofes pflegt
dazu bestimmt zu sein; daran kann man Grabstätten zu besonderem
Recht verliehen bekommen, auf längere Dauer oder auf ewige Zeit,
unter gewissen feststehenden Bedingungen. Ähnlich wird es gehalten
bei der Verleihung von Kirchstühlen. Es ist die Meinung, daß
jedem, der die Bedingungen erfüllt, eine solche Verleihung erteilt
werden soll, so lange wenigstens der Vorrat reicht.
Der Geschäftsbetrieb der verleihenden Behörde hat da eine ge-
wisse Ähnlichkeit mit der Erteilung mancher Gebrauchserlaubnisse,
wie der für Marktstände, Jahrmarktsbuden u. s. w. Die Gleichmäßig-
keit des Verfahrens ist hier wie dort entweder bloß gesichert durch
Sitte und Herkommen, oder es sind ausdrückliche Ordnungen dafür
aufgestellt, welche je nachdem als Programm der verleihenden Be-
hörde oder als für sie maßgebende Dienstinstruktionen anzusehen
sind. Auch durch Rechtssätze können diese Verleihungen geregelt
sein; dann hat der, bei welchem die bestimmten Voraussetzungen zu-
treffen, einen Rechtsanspruch auf die Verleihung, wie dort auf die
Gebrauchserlaubnis (oben § 38, II n. 2)7.
[153]§ 39. Verleihung besonderer Nutzungen.
3. Die Wirkung der Verleihung besteht in der Begründung
eines subjektiven öffentlichen Rechts. Den Inhalt dieses
Rechts bildet der Besitz des durch die Verleihung bestimmten Stückes
der öffentlichen Sache, um den verleihungsgemäßen Gebrauch davon
zu machen.
Dieses Recht besteht unabhängig davon, ob auf die Verleihungs-
erteilung ein rechtlicher Anspruch gegeben war oder nicht; der Ver-
waltungsakt, der sich dazwischen geschoben hat, ist im einen wie im
anderen Falle die selbständige Grundlage des Rechts.
[154]Das öffentliche Sachenrecht.
Es beseitigt, wie die Gebrauchserlaubnis, die Anwendbarkeit der
dieser besonderen Benützung etwa sonst entgegenstehenden allgemeinen
Polizeiverbote und Strafrechtssätze; die stillschweigende Voraussetzung
der Unbefugtheit fällt hinweg.
Aber im Gegensatz zu jener ist hier nicht lediglich der Freiheit
des Erlaubnisträgers Raum gegeben, um sich thatsächlich ausbreiten
zu dürfen, sondern eine rechtliche Macht ist begründet über die öffent-
liche Sache, die ihrerseits nichts anderes ist als eine Erscheinung der
öffentlichen Verwaltung (oben § 35, II). Und damit ist der Begriff
des subjektiven öffentlichen Rechtes gegeben, das sich seinerseits be-
währt in dem Anspruch auf Handhabung durch die staatlichen Behörden
und in der Verfügungsmacht des Berechtigten (Bd. I § 9, III)8.
Dieses Recht ist im einzelnen geordnet wie folgt.
Die Verleihung hat immer nur zum Gegenstande die öffentliche
Sache selbst; sie begreift aber meist auch das Recht, gewisse Ver-
änderungen an ihr vorzunehmen und Vorrichtungen an ihr anzu-
bringen. Die Sachen, welche dabei trennbar mit ihr verbunden werden,
sei es auch durch Befestigung im Boden, Eingraben, Einmauern, bleiben
Eigentum des Beliehenen und zwar civilrechtliches Eigentum. Ein
Accessionsrecht zu Gunsten der öffentlichen Sache findet nicht statt:
das ist wieder ein civilrechtliches Rechtsinstitut, für welches diese
unzugänglich ist (oben S. 72).
Die verwendeten Gebrauchsmittel unterliegen deshalb der freien
Übertragung nach Civilrecht. Das Gleiche ist aber der Fall bezüglich
des Gebrauchsrechts an der öffentlichen Sache selbst. Soweit nicht
in der Verleihung selbst Einschränkungen enthalten sind, ist die
Verleihung gegeben für den Beliehenen und seine Rechts-
nachfolger.
Solche Einschränkungen können gegeben sein in der Weise, daß
[155]§ 39. Verleihung besonderer Nutzungen.
die Verleihung beschränkt wird auf die Person des Beliehenen oder
auf diesen und seine Familienangehörigen oder seine Erben; das ist
Frage der Auslegung des Willens des Verwaltungsaktes. Der Ver-
waltungsakt kann solche Beschränkungen enthalten ebenso gut wie
einfache Zeitbeschränkungen oder Bedingungen. Nur sind sie nicht
selbstverständlich.
Die Verleihung kann auch erteilt sein dem Beliehenen mit Rück-
sicht auf ein bestimmtes Unternehmen, das dadurch gefördert werden
soll: eine Wasserableitung für ein Fabrikanwesen, die Legung von
Röhren für eine Gasfabrik. Dann wirkt die Verleihung für seine
Rechtsnachfolger nur insofern, als sie zugleich die Voraussetzung er-
füllen, an die sie gebunden ist, d. h. das Unternehmen fortführen, für
welches sie geschah.
Soweit solche besondere Bestimmtheiten nicht gegeben sind, wirkt
die Verleihung für die Rechtsnachfolger des Beliehenen schlechthin.
Die Rechtsnachfolge bestimmt sich aber zwischen den Beteiligten
lediglich nach Civilrecht. Alle Arten des Rechtsübergangs, durch
Universalsuccession, wie Singularsuccession, sind auch anwendbar auf
das durch die Verleihung begründete Recht. Es handelt sich bei
diesen Rechtsübergängen nicht um eine Äußerung der öffentlichen
Gewalt; sie geschehen zwischen Gleichen nach dem Rechte, das
zwischen ihnen gilt; die Wirkung des Rechtsaktes der öffentlichen
Gewalt folgt aber der civilrechtlichen Bestimmung des Neuberech-
tigten.
4. Eine Störung des verliehenen Gebrauchs kann sich zugleich
als eine Störung der guten Ordnung der öffentlichen Sache selbst dar-
stellen und insofern zu einem Einschreiten der Polizei der öffentlichen
Sache Anlaß geben, wie wir dies bei der Gebrauchserlaubnis gesehen
haben; das kann von Amtswegen geschehen oder auf Anrufen des
Verletzten. Dem Beliehenen stehen aber hier noch viel bestimmter
ausgeprägte Rechtsschutzmittel zu Gebote.
Die Thatsache, daß ein subjektives öffentliches Recht hier er-
scheint, verbindet die vollziehende Gewalt vermöge ihrer eignen recht-
lichen Natur, es zu schützen und zu handhaben (Bd. I S. 78, 115).
Diese Gebundenheit trifft jedes einzelne Glied der vollziehenden Ge-
walt, wie es in seiner Zuständigkeit damit in Berührung kommt. Sie
besteht gegenüber dem Berechtigten; dieser hat einen Anspruch dar-
auf und es ist eine Rechtsverletzung ihm gegenüber, wenn der Schutz
nicht gewährt wird.
Zu diesem Schutz gehört insbesondere auch der obrigkeitliche
Ausspruch zur Feststellung des Bestandes und des Umfanges des
[156]Das öffentliche Sachenrecht.
Rechts, wo es streitig geworden ist. Nach der Art des Streites werden
wir verschiedene Fälle unterscheiden9.
Besteht der Streit zwischen dem Berechtigten und der Verwaltung
selbst, die seine Ansprüche nicht anerkennt, so ist die Entscheidung
ordentlicher Weise innerhalb der Behördenordnung der Verwaltung
zu suchen: Gegenvorstellung, Beschwerde, Anfechtungsklage in ihren
verschiedenen Gestaltungen geben die Form (Bd. I § 12 ff.). Handelt
es sich zwischen beliehenen Nutzungsberechtigten um die Grenzen
ihrer beiderseitigen Rechte, so sind die Voraussetzungen einer sog.
Parteistreitigkeit des öffentlichen Rechtes gegeben (Bd. I S. 182)10.
Wenn dagegen die Zugehörigkeit eines und desselben Nutzungs-
rechts von verschiedenen in Anspruch genommen wird, so wird es in
erster Linie auf die Beurteilung civilrechtlicher Rechtsübergänge an-
kommen (oben n. 3) und die bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist gegeben,
mögen auch öffentlichrechtliche Zwischenfragen dabei zu entscheiden
[157]§ 39. Verleihung besonderer Nutzungen.
sein (Bd. I § 16, III). Das Gleiche wird gelten, wenn ein Dritter,
der nicht selbst ein verliehenes Nutzungsrecht behauptet, auf Unter-
lassung von Störungen und Schadensersatz verklagt wird; diese Klage
gründet sich auf die Rechtswidrigkeit der Störung; der Bestand des
Rechts ist wieder nur Vorfrage; es kann auch der bloße Besitz dafür
genügen. Jedenfalls ist die Natur der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit
dadurch nicht aufgehoben.
Durch die besondere Ordnung des Rechtsschutzes können auch
Sachen der ersten Art den Civilgerichten zur Entscheidung überwiesen
sein. Von selbst sind sie auch durch den umfassenderen Begriff der
bürgerlichen Rechtsstreitigkeit, wie er bei uns gilt (Bd. I § 16, II),
nicht erfaßt. Denn auch das ältere Recht, das für diesen maßgebend
ist, hatte in ihnen „polizeiliche“ Sachen, nicht privatrechtliche, gesehen.
5. Die Eigenart des durch die Verleihung begründeten Rechts
zeigt sich vor allem auch an der Art, wie es zum Erlöschen ge-
bracht wird.
Endigungsgründe können auf dem besonderen Inhalt des Ver-
leihungsaktes beruhen; auf einer Befristung oder auf besonderen
Lasten, die er dem Beliehenen auferlegt und deren Nichtbeachtung
zur Verwirkung führt (unten III); auch die Rechtsungültig-
keit oder Erschleichung der Verleihung ist hierher zu rechnen,
indem sie die Zurücknahme ermöglicht und veranlaßt durch die ver-
leihende Behörde selbst oder durch eine zur Nachprüfung berufene. Es
kommen hier die oben Bd. I S. 305, 306 entwickelten Grundsätze ent-
sprechend zur Anwendung. Das begründete Recht ist kein Hindernis.
Von allgemeiner Bedeutung sind die Endigungen, die ohne be-
sonders vorbehalten zu sein und mit freiem Entschlusse durch eine
Willensäußerung von der einen oder andern Seite herbeigeführt
werden können.
Von seiten des Berechtigten wird das Recht in dieser Weise zum
Untergang gebracht durch die Erklärung des Verzichtes. Der
Verzicht zerstört das Recht unmittelbar. Es bedarf keiner Zurück-
nahme der Verleihung durch die Behörde auf Grund des Verzichtes;
dadurch unterscheidet sich dieser Fall von dem Verzicht auf die
Polizeierlaubnis (oben Bd. I § 21 Note 23). In dieser Wirksamkeit
des Verzichts erweist sich die Rechtsnatur der Verleihung. Die Ver-
zichtbarkeit ist ein Ausfluß der Verfügungsmacht des Berechtigten
über sein Recht.
Durch eine Maßregel der Verwaltungsbehörde kann
das verliehene Recht aufgehoben oder beschränkt werden in Folge
anderweiter Bestimmung, die der öffentlichen Sache gegeben wird.
[158]Das öffentliche Sachenrecht.
Die Möglichkeit einer solchen Rechtsentziehung steht nicht im
Widerspruch mit dem Wesen des subjektiven Rechts. Auch das
festeste aller Rechte, das Grundeigentum, muß dem öffentlichen
Interesse weichen. Die Maßregeln, die hier in Frage kommen, haben
eine gewisse innerliche Verwandtschaft mit der Enteignung. Wie
diese sind sie verknüpft mit einer ausgleichenden Entschädigung,
welche dem Betroffenen regelmäßig für das auferlegte Opfer gebührt.
Aber die Formen der Enteignung sind hier nicht anwendbar und auch
nicht notwendig. Der Umstand, daß das Recht an der öffentlichen
Sache hängt, macht es von vornherein in seinem Bestande abhängig
von den für diese in oberster Linie maßgebenden öffentlichen
Interessen.
Die rechtentziehenden Maßregeln sind zweierlei Art: Widerruf
und Auflassung.
Die öffentliche Sache hat immer ihren Hauptzweck, dem sie dient;
das besondere Nutzungsrecht war von vornherein nur zulässig, soweit
es mit diesem sich vereinigen ließ. Ergeben sich hinterdrein Wider-
sprüche, so muß das verliehene Recht weichen.
Deshalb ist der Bestand eines solchen Rechtes kein Hindernis für
Arbeiten, welche im öffentlichen Interesse an der Sache vorgenommen
werden, um sie ihrem Hauptzwecke zu erhalten. Selbst Vorrich-
tungen, welche in dauernder Weise die Ausübung des Nutzungsrechts
beschränken oder unmöglich machen, muß der Berechtigte unter dieser
Voraussetzung sich gefallen lassen. Sein Recht selbst bleibt dadurch
unberührt und dehnt sich von selbst wieder aus, sobald die thatsäch-
liche Möglichkeit der Ausübung etwa doch wieder gegeben ist. Ordent-
licher Weise wird man im Falle einer dauernden Beschränkung
oder Verhinderung der Ausübung das Recht selbst beseitigen durch
ausdrücklichen Widerruf, und das gleiche wird geschehen, wo um-
gekehrt der Fortbestand der Ausübung des Rechtes für die wichtigeren
Verwendungen der öffentlichen Sache störend wird. Der Widerruf
ist ein Verwaltungsakt, das Gegenstück der Verleihung; sein Rechts-
grund liegt in der stillschweigenden Bedingung der Vereinbarkeit mit
dem Hauptzweck der öffentlichen Sache, die in jeder Verleihung ent-
halten ist. Die Hauptanwendungsfälle bieten die öffentlichen Flüsse
und die Straßen. Hier sind alle Nutzungsrechte dem Interesse des
Verkehrs untergeordnet11. Andere Beispiele liefert häufig die Neu-
ordnung der Kirchenstühle, wobei möglicherweise verliehene Rechte
[159]§ 39. Verleihung besonderer Nutzungen.
ausweichen müssen12. Ältere Nutzungsrechte, welche noch auf civil-
rechtlichem Titel beruhen, aber ihrem Inhalt nach den heut zu Tage
durch Verleihung zu begründenden gleichstehen, werden in Bezug auf
die Widerruflichkeit wie verliehene behandelt13.
Für den Widerruf, wie für die thatsächlichen Beeinträchtigungen
ist grundsätzlich Entschädigung geschuldet, die natürlich im einen
und andern Falle verschieden bemessen wird. Grundlage des An-
spruchs giebt wieder das bekannte allgemeine Rechtsinstitut (unten
§ 53). Sie kann ausgeschlossen sein, wenn von vornherein die Ver-
leihung nur in Voraussicht solcher Möglichkeiten und mit dem ent-
sprechenden Vorbehalt erteilt wurde. Das ist der Sinn des Vor-
behalts des freien Widerrufs, der kraft Gesetzes oder vermöge einer
besonderen Klausel der Verleihung beigefügt wurde. Daß das öffent-
liche Interesse der Verwaltung der Sache den Widerruf erheische,
ist deshalb trotz dieser Klausel Voraussetzung seiner Rechts-
gültigkeit14.
[160]Das öffentliche Sachenrecht.
Aber auch der Bestand der öffentlichen Sache selbst ist abhängig
von Erwägungen des öffentlichen Interesses. Es können Änderungen
vor sich gehen, die zur Auflassung führen (oben § 36, III). Damit
erlischt auch das daran begründete besondere Nutzungsrecht. Es
verliert seinen Gegenstand. Denn an einer Sache des civilrechtlichen
Verkehrs ist ein öffentlichrechtliches Nutzungsrecht nicht möglich.
Eine civilrechtliche Servitut wäre möglich; das ist aber ein anderes
Recht, welches bei der Verleihung nicht gewollt war. Es ist nicht
abzusehen, wie in Folge der Auflassung sich eine Umwandlung in
dieses von selbst vollziehen sollte. Es könnte höchstens die Neu-
begründung eines civilrechtlichen dinglichen Rechts bei dieser Ge-
legenheit vorgenommen werden. Dazu bedürfte es aber besonderer
Willenserklärungen. Ein Beweggrund dafür wäre allerdings insofern
gegeben, als auch hier ein besonderes Opfer auferlegt wird für eine
Maßregel des öffentlichen Interesses, wofür allgemeinen Grundsätzen
gemäß Entschädigung geschuldet ist; die Bestellung einer civilrecht-
lichen Servitut kann unter Umständen geeignet sein, diese Entschädi-
gung zu leisten. Aber deshalb wird sie nicht schon selbstverständlich.
Beispiele geben die Verlegungen von Straßen und von Kirch-
höfen, wobei die vorhandenen Verleihungen ohne weiteres unter-
gehen15.
[161]§ 39. Verleihung besonderer Nutzungen.
III. Dem Rechte des Beliehenen entsprechen besondere Ver-
pfichtungen.
1. Solche Verpflichtungen führt der Besitz eines Stückes der
öffentlichen Sache und von damit verbundenen Vorrichtungen von
selbst mit sich. Die Polizei der öffentlichen Sachen erhält
dadurch Gewalt über ihn, um in Anwendung ihrer allgemeinen Zu-
ständigkeiten mit Befehl und Zwangsmitteln alle Störungen zu be-
kämpfen, welche von da aus dem Bestand und der Benützbarkeit der
Sache bereitet werden könnten. Die Grenze ihrer Macht ist dadurch
bezeichnet, daß sie das Recht selbst und seine Ausübung nicht als
störend beseitigen kann; nur die Störung durch die besondere Art
der Ausübung fällt unter ihre Bestimmungen16. Für solche Maß-
regeln ist denn auch keine Entschädigung geschuldet. Soll der Be-
stand des Rechtes selber angetastet werden, so kann das nur durch
den Widerruf geschehen mit seinen Voraussetzungen und Folgen.
2. Der Verleihungsakt kann dem Beliehenen gewisse Lasten
ausdrücklich auferlegen in Bezug auf Art der herzustellenden Vor-
richtungen und des Betriebes. Die Erfüllung wird im Verwaltungs-
wege erzwungen. Diese Lasten sind zugleich Bedingungen der Ver-
leihung. Die Nichterfüllung löst das Recht nicht von selbst auf, aber
sie giebt der Behörde die Befugnis, es für verwirkt zu erklären
und demgemäß die Zurücknahme der Verleihung auszusprechen. Die
15
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 11
[162]Das öffentliche Sachenrecht.
Erfüllung der besonders vorgesehenen Lasten ist also die Bedingung
der Gebundenheit der Behörde an die geschehene Verleihung17.
3. Als eine Wirkung des Verleihungsaktes erscheint hier auch
die Gebührenpflicht. Zum Unterschied von Gemeingebrauch und
Gebrauchserlaubnis erhält also die Verleihung diese ausgleichende
Zahlungspflicht im Einzelfall bestimmt durch eine für diesen Fall ge-
machte Auflage. Sie allein bietet den Einzelakt, der geeignet ist,
solche Rechtspflichten zu erzeugen. Ihr entspricht es auch sachlich
am besten, daß die Leistungspflicht auf solche Weise dem Einzelfall
angepaßt werde; denn Art und Umfang des verliehenen Rechts, wofür
sie der Entgelt sein soll, bestimmen sich ja ebenso in jedem Falle
besonders durch den Inhalt der Verleihung18.
Wo an öffentlichen Sachen in einer gewissen Regelmäßigkeit des
Betriebes Verleihungen gemacht werden, können auch feste Gebühren-
tarife dafür bestehen. Diese Tarife wirken aber nicht, wie bei der
Gebrauchserlaubnis und im Anstaltsrecht überhaupt (oben § 38, III),
von selbst mit der Inanspruchnahme der Nutzung. Sie setzen den
Verleihungsakt voraus und bilden dann von diesem einen ausdrück-
[163]§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.
lichen oder stillschweigenden Inhalt, ähnlich wie die Gehaltsregulative
für den Anstellungsakt und durch diesen wirksam werden (unten
§ 46, I n. 1). —
Die besonderen Lasten, wie die Gebührenpflicht, welche die Ver-
leihung auferlegt, sind Einschränkungen der Freiheit; sie werden hier
gleichwohl auferlegt ohne gesetzliche Grundlage: die freiwillige Unter-
werfung des Betroffenen vertritt wieder die Ermächtigung des Ge-
setzes, die sonst erforderlich wäre.
Verträge werden die Verleihungsakte dadurch nicht, so wenig,
wie wenn sie ohne Auflage irgend welcher Art einseitig nur das ge-
stellte Gesuch bewilligen (vgl. Bd. I § 12 Note 3; § 8 Note 8).
Der Verleihungsakt wirkt zu Gunsten der Rechtsnachfolger des
Beliehenen (oben II n. 3); ebenso werden dann die damit verbundenen
Lasten und wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen für diese bindend.
Sie unterwerfen sich diesen Wirkungen des Verwaltungsaktes durch
den freiwilligen Eintritt in das besondere Verhältnis, für welches er
gegeben ist, und werden davon auch zu ihrem Nachteile erfaßt. Das
ist wieder keine vereinzelte Erscheinung des Rechtes der Verleihung,
sondern findet seine Seitenstücke in anderen Verhältnissen (vgl. Bd. I
§ 8, III n. 3; § 21 Note 20).
§ 40.
Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.
Im Gegensatz zu der zuletzt besprochenen Reihe von Rechts-
instituten (§ 38 und 39), bei welchen es sich darum handelte, daß
den Unterthanen in öffentlichrechtlicher Form eine gewisse Macht über
Sachen des Staates, der Gemeinde zusteht, finden wir jetzt wieder
die öffentliche Gewalt, die ihrerseits das Eigentum der Einzelnen
ergreift.
Die Rechtsinstitute, in welchen dies geschieht, unterscheiden
sich von Enteignung und öffentlichem Eigentum dadurch, daß sie
das Eigentum des Einzelnen an der ergriffenen Sache bestehen
lassen und es nur teilweise und in bestimmter Beziehung zurück-
drängen.
Dabei ergeben sich nach der Art, wie dieses Zurückdrängen ge-
staltet wird, zwei verschiedene Grundformen.
Es kann das Privateigentum an bestimmten Grundstücken eine
besondere rechtliche Verminderung erfahren, so daß an diesem eine
teilweise rechtliche Herrschaft des Staates begründet ist und zwar
11*
[164]Das öffentliche Sachenrecht.
eine Herrschaft öffentlichrechtlicher Natur. In dieser Gestalt er-
scheint das Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Grund-
dienstbarkeit (§ 40).
Es kann das Grundstück thatsächliche Eingriffe und Störungen
aus der Verwaltungsthätigkeit heraus erleiden, denen gegenüber es
rechtlich wehrlos ist, ohne besonderen Rechtsvorgang, welcher diese
Wehrlosigkeit für es bestimmte, auf den einzigen Umstand hin, daß
es die öffentliche Verwaltung ist, von welcher jene Einwirkungen
ausgehen. Wir erkennen in dieser Wehrlosigkeit das Rechtsinstitut
der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung (§ 41).
Insoweit man überhaupt auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts
von subjektiven Rechten des Staates sprechen kann, ist ein solches
Recht im ersteren Falle deutlicher ausgeprägt als im zweiten. Recht-
mäßig ist die Einwirkung auch im zweiten Falle, aber die Grundlage
bildet, statt eines besonders begründeten Rechts, die allgemeine hoheit-
liche Natur des Staates und seiner öffentlichen Verwaltung und ihre
rechtliche Unwiderstehlichkeit gegenüber dem Einzeldasein1.
Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit be-
kommt ihre juristische Eigenart durch die Verwandtschaft mit dem
Rechtsinstitute des Civilrechts, von welchem sie den Namen hat. Es
sind durch diesen Namen die Merkmale angedeutet, durch welche sie
sich von allen anderen öffentlichrechtlichen Belastungen, die etwa
sonst an den Besitz eines Grundstückes sich knüpfen, unterscheidet.
Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit äußert sich, wie die
civilrechtliche, in Form einer beschränkten rechtlichen Macht, welche
unmittelbar auf die Sache wirkt. Sie ist wesentlich dinglicher
Natur. Wenn sich dabei persönliche Pflichten und Freiheits-
beschränkungen des jeweiligen Eigentümers ergeben, so sind sie immer
erst die Folge jenes Grundverhältnisses. Auch für Polizeibefehle,
Steuerauflagen und sonstige persönliche Belastungen kann der Besitz
des Grundstückes in Betracht kommen, als Beweggrund und als Merk-
mal, nach welchem ein Rechtssatz, möglicherweise auch ein Verwaltungs-
akt den Verpflichteten bezeichnet. Immer ist hier die persönliche
Verpflichtung das Ziel und die Hauptsache. Die öffentliche Grund-
dienstbarkeit aber erfaßt das Grundstück und erst durch das Grund-
stück den Besitzer, diesen deshalb auch nur soweit, als er durch die
fremde Macht über sein Grundstück berührt werden kann. Darauf
[165]§ 40. Offentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.
beruht die Servitutsnatur unseres Rechtsinstituts. Es genügt das
wenigstens, um den Namen zu rechtfertigen. Im übrigen ist diese
öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit etwas ganz anderes als die civil-
rechtliche. Das zeigt sich sofort, wenn wir nunmehr auch die Frage
stellen, zu wessen Gunsten diese Belastung des Grundstückes erfolgt.
Auf diese Frage hat das Civilrecht zwei Antworten: entweder be-
steht die Last zu Gunsten eines bestimmten Grundstücks (Prädial-
servitut) oder zu Gunsten einer bestimmten Person (Personalservitut).
Keine trifft bei unserer öffentlichrechtlichen Grunddienstbarkeit zu.
Ein praedium dominans wird oft sehr schwer abzugrenzen
sein und jedenfalls ist die Dienstbarkeit niemals schlechthin mit dem
Grundstück als solchem verbunden, sondern immer nur so lange und
insofern, als es einem bestimmten öffentlichen Unternehmen dient:
als Festungswerk, Landstraße, schiffbarer Fluß u. s. w.
Noch weniger paßt das Vorbild der Personalservitut, auf welches
man sich mit Vorliebe beruft. Die servitutberechtigte Person
soll der Staat sein. Aber der Staat ist nicht schlechthin berechtigt,
wie ein civilrechtlicher Personalservitutsherr für jede Verwendung,
welche er in den Grenzen seines Rechts der Servitut geben möchte,
sondern immer nur für ein bestimmtes öffentliches Unternehmen und
soweit dieses der Dienstbarkeit bedarf. Er ist auch nicht ausschließ-
lich der Berechtigte, sondern an seiner Stelle erscheint ebensowohl
jedes andere Rechtssubjekt, das fähig ist, ein solches öffentliches
Unternehmen zu führen und in gehöriger Weise damit betraut ist.
Selbstverwaltungskörper und beliehene Unternehmer sind servitut-
berechtigt für die ihrem Stück öffentlicher Verwaltung entsprechenden
Grunddienstbarkeiten.
Der Mittelpunkt der Berechtigung ist allenthalben ein bestimmtes
öffentliches Unternehmen, und berechtigt ist der Herr dieses
Unternehmens. Die öffentliche Grunddienstbarkeit ist eine teil-
weise rechtliche Herrschaft über ein Grundstück zum
Nutzen eines öffentlichen Unternehmens.
Nach diesem Unternehmen bestimmt sich demnach auch der In-
halt der Last, die dem dienenden Grundstück auferlegt ist. Der Be-
sitzer hat einem derartigen Unternehmen gegenüber ohnehin schon
gewisse Pflichten: es nicht zu stören durch Überschreitung des freien
Spielraums, welcher dem Einzeldasein in der bürgerlichen Gesellschaft
angewiesen ist, wird schon kraft der allgemeinen polizeilichen Pflicht
von ihm gefordert (vgl. Bd. I § 19, I n. 3). Die öffentliche Grund-
dienstbarkeit belastet sein Grundstück darüber hinaus, so daß es nicht
benützt werden kann zu Dingen, die sonst in der polizeilichen Freiheit
[166]Das öffentliche Sachenrecht.
liegen, und Dienste leisten muß, die die Polizei nicht verlangen kann.
Die Last hat keine Grenze an der Forderung des bloßen Nichtstörens,
sondern hat sie nur an dem Bedürfnis des öffentlichen Unternehmens,
dem sie dient2.
Wenn wir aber nun die einzelnen Fälle von öffentlichrechtlicher
Grunddienstbarkeit betrachten, die diesem Begriffe entsprechen, so er-
geben sich sofort zwei deutlich unterschiedene Arten.
Die beschränkte rechtliche Herrschaft über die Sache für das
öffentliche Unternehmen kann nämlich ganz in derselben Weise ge-
staltet sein, wie beim öffentlichen Eigentum die umfassende recht-
liche Beherrschung: ein dingliches Recht, welches dem Subjekte der
Verwaltung an der Sache zusteht, dient dazu, die Sache unmittelbar
für den öffentlichen Zweck zu verwenden; die Sache wird dadurch
zu einer öffentlichen, das Recht selbst aber unterliegt der Beurteilung
[167]§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.
nach öffentlichem Recht; ist es Eigentum, so wird es öffentlichrecht-
liches oder öffentliches Eigentum, ist es eine Grunddienstbarkeit, so
wird diese eine öffentlichrechtliche oder öffentliche Grunddienstbarkeit.
Wir deuten diesen Zusammenhang an, indem wir für diese Art die
Bezeichnung einer Grunddienstbarkeit der öffentlichen
Sache wählen3.
Nicht bei allen öffentlichen Sachen findet diese Form der recht-
lichen Gestaltung Raum. Die sogenannten natürlichen öffent-
lichen Sachen: Flüsse, Seen, Meeresstrand, sind für den Staat
einfürallemal umfassend in Anspruch genommen, so daß ein zu be-
lastendes Privateigentum nicht übrig bleibt. Alle anderen ließen sich
wohl in der Form der öffentlichen Grunddienstbarkeit denken, selbst
Festungswerke, Kirchhöfe, Kanalstrecken. Den Hauptanwendungsfall
für sie bilden immer die öffentlichen Wege und was damit zusammen-
hängt: Brücken, Plätze, sogenannte Durchhäuser. Auch Abzugskanäle,
Siehle liefern Beispiele4.
[168]Das öffentliche Sachenrecht.
Dem steht gegenüber die andere Art: die Belastung der Sache
wird in selbständigen Formen eines Eingriffes für die öffentliche Ver-
waltung durchgeführt, die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit als
solche unmittelbar erzeugt. Das ist dann im Gegensatze zu jener
die auferlegte öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit.
Ihr Anwendungsgebiet ist ein formell begrenztes. Sie bedarf als selb-
ständiger Eingriff in das Privateigentum überall der gesetzlichen Grund-
lagen. Das Gesetz bestimmt aber ganz genau, welche Arten von Dienst-
barkeiten auferlegt werden können; allgemeine Ermächtigungen für die Be-
hörden, einfach das Erforderliche zu bestimmen, wie auf dem Gebiete der
Polizei, bestehen hier nicht. Deshalb lassen sich an der Hand der
Gesetzgebung jedes Staatsgebietes die möglichen Arten von auferlegten
öffentlichen Grunddienstbarkeiten erschöpfend aufzählen. Die wichtigsten
Beispiele sind: die reichsgesetzlichen Rayonservituten, die oft im Zu-
sammenhang mit der Enteignung behandelten Belastungen des Grund-
eigentums behufs vorübergehender Benützung oder Entnahme von
Materialien, der Leinpfad, die Grunddienstbarkeiten zum Schutz von
Heilquellen, die mit dem Straßenbebauungsplane verbundenen Bau-
und Ausbesserungsverbote5.
[169]§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.
Der Gegensatz dieser beiden Arten wird bedeutsam in allen Einzel-
heiten der Entfaltung des Rechtsinstituts.
I. Die Entstehung der öffentlichen Grunddienstbarkeit voll-
zieht sich bei jeder der beiden Arten in der ihr entsprechenden be-
sonderen Form.
Für die Grunddienstbarkeit der öffentlichen Sache ist das Vorbild
des öffentlichen Eigentums maßgebend.
Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit ist demnach entstanden
in dem Augenblicke, in welchem die zwei Voraussetzungen
zusammentreffen: Indienststellung der öffentlichen Sache und Be-
gründung des dinglichen Rechtes an derselben (oben § 36, I). Für
die Indienststellung oder Widmung gilt alles, was beim öffentlichen
Eigentum in dieser Beziehung zu sagen war. Ebenso für die Be-
gründung des dinglichen Rechts, nur mit dem Unterschiede, daß hier
Grunddienstbarkeit statt Eigentum der Gegenstand ist. Die Be-
gründung kann wie dort sowohl durch civilrechtlichen als durch öffent-
lichrechtlichen Titel geschehen. Wir finden öffentliche Wege auf
Privatgrundstücken kraft einer durch civilrechtlichen Vertrag ein-
geräumten Servitut. Noch häufiger ist es die civilrechtliche Ersitzung,
die hier angerufen wird. Andererseits kann die Servitut nach gesetz-
licher Bestimmung auch im Wege des Enteignungsverfahrens be-
gründet werden. Die dadurch hergestellte beschränkte rechtliche Macht
über die Sache ist, gerade wie das so erworbene Eigentum, an sich
geneigt, für alle weiteren Beziehungen, die sich von da aus anknüpfen,
nach Civilrecht beurteilt zu werden. Die Enteignung schafft also zu-
nächst wieder eine civilrechtliche Servitut und erst durch die Wid-
mung der Sache geht diese ins Öffentlichrechtliche über. In diesem
Punkt steht die Begründung durch Enteignung der durch Vertrag
oder Ersitzung ganz gleich. Überall sind die zwei Bestandteile, welche
zusammen unser Rechtsinstitut verwirklichen, selbständig, von einander
scheidbar, und sowie dabei die Rechtsbegründung erscheint ohne noch
von der Widmung begleitet zu sein, ist zunächst statt einer öffentlich-
rechtlichen eine civilrechtliche Grunddienstbarkeit gegeben6.
[170]Das öffentliche Sachenrecht.
Dem gegenüber vollzieht sich die Entstehung der auferlegten
Grunddienstbarkeit als einheitlicher Vorgang von öffentlich-
rechtlicher Gestalt.
Die Grundlage bildet, wie gesagt, immer ein Gesetz. Dazu kann
ein Verwaltungsakt ergänzend hinzutreten in verschiedener rechtlicher
Bedeutung für die Entstehung der Servitut. Es hängt davon ab, wie
weit das Gesetz seinerseits die Bestimmung schon gegeben hat.
Das Gesetz oder der an seine Stelle tretende Rechtssatz kann
die Dienstbarkeit erschöpfend bestimmen, so daß sie unmittelbar
aus dem Gesetze wirksam wird, wo der Thatbestand die dafür auf-
gestellten Merkmale bietet. Dies ist die Regel bei dauernden Be-
lastungen, für welche das Gesetz womöglich auch die räumlichen
Maße der Dienstbarkeit genau festsetzt.
Hier kann dann ein Verwaltungsakt noch hinzukommen, um die
entstandene Servitut im Einzelfall ausdrücklich zu erklären, als eine
Entscheidung, welche die gesetzliche Bestimmung auf den ge-
gebenen Thatbestand nur zur Anwendung bringt und ausspricht, was
sie bereits gewirkt hat7.
[171]§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.
Es kann auch das Gesetz neben seiner eigenen vollständigen Be-
stimmung der Servitut die Verwaltung ermächtigen, Abweichungen
von seinen Regeln im Einzelfall anzuordnen durch Ermäßigung oder
Beschränkung der Dienstbarkeit. Das wird dann durch eine Ver-
fügung geschehen, die der Dienstbarkeit erst ihre endgültige Ge-
stalt giebt; entstanden war sie in der vom Gesetze bestimmten Gestalt
schon vorher8.
Das Gesetz kann es auch dem Verwaltungsakte überlassen zu
bestimmen, daß und in welchem Maße die Dienstbarkeit im Einzel-
fall ins Leben treten soll. Zum Unterschied von der Polizei giebt
aber das Gesetz die zu treffenden Maßregeln hier nie durch all-
gemeine Ermächtigungen an die Behörde so völlig aus der Hand.
Es bestimmt immer die Servitut wenigstens im allgemeinen durch
Bezeichnung der Art des Unternehmens, zu dessen Gunsten sie auf-
erlegt werden kann, und der Art der Belastung, die in Anspruch ge-
nommen werden darf. Innerhalb dieses Spielraums schafft dann die
Behörde die Dienstbarkeit für das von ihr gewählte Grundstück durch
ihre Verfügung. Mit der Kundgabe dieser Verfügung an den be-
troffenen Besitzer entsteht sie9.
[172]Das öffentliche Sachenrecht.
Anders als durch unmittelbar das belastete Grundstück erfassenden
Rechtssatz oder durch ermächtigten Verwaltungsakt kann die auf-
erlegte öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit nicht entstehen. Sie
ist eine rechtliche Macht über ein bestimmtes Grundstück, und nur in
dieser Form kann das Grundstück rechtlich von ihr erfaßt werden.
Es ist denkbar, daß ein Gesetz die Verwaltung allgemein ermächtigt,
einfach thatsächlich mit der erforderlichen Inanspruchnahme von
Grundstücken vorzugehen, oder daß die Verwaltung selbst ohne
Gesetz dazu befugt erscheint; wir werden davon zahlreiche Beispiele
noch zu betrachten haben (unten § 41). Aber unser Rechtsinstitut
ist eben dann nicht in Frage, sondern ein anderes, wohl zu unter-
scheidendes.
II. Die Wirkung der öffentlichrechtlichen Grunddienstbarkeit
erweist sich in der Aufrechterhaltung und Ausübung derjenigen recht-
lichen Herrschaft über die Sache, welche ihrem Inhalte entspricht.
Die Grunddienstbarkeit der öffentlichen Sache wird ganz ebenso
ausgeübt, wie das öffentliche Eigentum. Die Verwaltung ist im un-
mittelbaren körperlichen Besitz, schützt und verteidigt sich darin
durch die der öffentlichen Sache eigentümliche Polizei, ordnet und ge-
währt Nutzungsrechte der Einzelnen daran in den nämlichen Formen wie
dort10. Der einzige Unterschied ist der, daß hier hinter der öffentlich-
rechtlichen Servitut noch das Privateigentum steht und demgemäß
die Sache in dieser Richtung zugleich Gegenstand civilrechtlicher
Rechtsvorgänge werden kann.
Die auferlegte Grunddienstbarkeit wirkt nicht so gleichmäßig.
Der körperliche Besitz bleibt regelmäßig dem Eigentümer. Die Dienst-
barkeit bedeutet in den wichtigsten Fällen nichts anderes als die
Pflicht zu einem Unterlassen für den Eigentümer selbst wie für
9
[173]§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.
jeden anderen; sie erschöpft sich in Bauverboten, Anpflanzungs-
verboten u. dergl. Da geben denn für die weitere Gestaltung die
rechtlichen Formen des Polizeibefehls wieder das Vorbild. Insbeson-
dere kommt auch das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zur Anwendung.
Ebenso liefert der Polizeizwang die Formen für die Bekämpfung des
Zuwiderhandelns und seiner Folgen: Strafsetzung und Strafverhängung,
Gewaltanwendung und Ersatzvornahme zur Beseitigung des servitut-
widrig Eingerichteten. Polizei ist natürlich alles das trotz der äußer-
lichen Übereinstimmung nicht; es steht auf selbständiger öffentlich-
rechtlicher Grundlage11.
In anderen Fällen geht die auferlegte Dienstbarkeit auf das
Dulden einer bestimmten Thätigkeit, die an dem belasteten Grund-
stücke zu Gunsten eines öffentlichen Unternehmens vorgenommen
werden soll: Entnahme von Straßenbaumaterialien, Benützung als
Lagerplatz und Werkplatz für öffentliche Bauten oder zum Zug der
Schiffe auf dem anstoßenden Strome. Die Vornahme dieser Hand-
lungen selbst erfolgt möglicherweise durch die Arbeiter eines gewöhn-
lichen Straßenbauunternehmers, durch Maurer und Zimmerleute oder
durch Schiffsknechte, die alle nicht namens des Staates thätig sind.
Aber zu Gunsten des betreffenden öffentlichen Unternehmens mußte
ihnen diese Thätigkeit an dem fremden Grundstücke freigegeben
werden. Indem er ihnen diese Benutzung zuweist und sie gegen
Störung oder Hindernisse, die ihnen bereitet werden, schützt, übt der
Staat sein eignes Recht der Grunddienstbarkeit aus. Der Schutz wird
wieder in Formen vor sich gehen, die sich denen des Polizeirechts
anschließen. Die Handelnden haben außerdem einen selbständigen
Anspruch auf Schutz gegen Gewalt und Beschädigung, die ihnen bei
dieser Gelegenheit zugefügt werden, um ihre Thätigkeit zu hindern,
[174]Das öffentliche Sachenrecht.
und zwar dieses nach gemeinen Grundsätzen des Civil- und Straf-
rechts. Es bedarf dazu nicht der Annahme einer ihnen selbst wieder
zustehenden Servitutberechtigung. Indem der Servitutberechtigte sich
ihrer bedient, um sein Recht auszuüben, befinden sie sich dem Eigen-
tümer wie jedem Dritten gegenüber in erlaubtem Gebrauch ihrer Frei-
heit, und das genügt, um ihnen jenen Schutz zu sichern. —
Beide Arten von Grunddienstbarkeiten, die der öffentlichen Sache
wie die auferlegte, können Gegenstand eines Rechtsstreites
werden. Die naturgemäße Stellung der Parteien ist auch hier wieder
wie beim öffentlichen Eigentum (oben § 36, II n. 3) die, daß der
belastete Eigentümer als Kläger auftritt; die Verwaltung ihrerseits
ist stets in der Lage, mit den ihr zu Gebote stehenden Machtmitteln
den ihren Ansprüchen gemäßen Besitzstand herzustellen und aufrecht
zu erhalten.
Die Grundlage der Klage wird aber bei jeder der beiden Arten
von Grunddienstbarkeit eine verschiedene sein.
Gegenüber der Grunddienstbarkeit der öffentlichen Sache be-
hauptet der Kläger die Freiheit seines Eigentums. Diese Freiheit
kann durch civilrechtliche Begründung einer Servitut oder durch Be-
gründung einer solchen im Wege der Enteignung beschränkt sein;
sie hat aber gegenüber solchen Beschränkungen die Vermutung auch
hier für sich. Die Verwaltung muß sich auf die begründete Servitut
berufen und diese beweisen. Die Klage ist einfach die civilrechtliche
actio negatoria, ähnlich der gegen das öffentliche Eigentum gerich-
teten rei vindicatio. Ihr Erfolg wird wie dort möglicherweise be-
schränkt durch die Aufrechterhaltung des öffentlichrechtlichen Besitz-
standes, auch ohne ein begründetes Recht an der Sache12.
Die auferlegte Grunddienstbarkeit läßt eine solche Ausscheidung
civilrechtlicher Elemente nicht zu. Die Belastung des Eigentums
durch eine civilrechtliche Servitut bildet hier keinen selbständigen
Abschnitt gegenüber der öffentlichrechtlichen Macht, die daran er-
scheint. Das Ganze ist von vornherein und durchweg nichts als ein
öffentlichrechtlicher Eingriff. Die Beschwerde des Eigentümers richtet
sich gegen die Rechtmäßigkeit dieses Eingriffs; sie hat die Natur der
Anfechtung von Verwaltungsmaßregeln, das Eigentum dient bloß als
Legitimation dazu. Mangels anderweiter Bestimmung ist hierfür die
Beschwerde im Verwaltungsinstanzenzug das Naturgegebene. Sache
[175]§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.
der besonderen Ordnung des Verwaltungsrechtsschutzes ist es, wenn
ein Rechtsweg dafür eröffnet werden soll13. —
Endlich knüpft sich an die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit
möglicherweise noch eine weitere Wirkung: der Anspruch des Be-
lasteten auf öffentlichrechtliche Entschädigung. Sie ist
das Gegenstück zu der Gebührenpflicht, von welcher die Gebrauchs-
rechte, die den Einzelnen an öffentlichen Sachen zukommen, be-
gleitet sind.
Während aber dort die Gebührenpflicht nur entstand kraft beson-
derer Anordnung, — es ist nicht selbstverständlich, daß der Einzelne
einen besonderen Entgelt zu leisten hat für die besonderen Vorteile,
welche ihm die Allgemeinheit gewährt, — entsteht der Anspruch auf
Entschädigung für die zu erduldende Grunddienstbarkeit und ihre
Nachteile kraft eines allgemeinen Rechtssatzes. Es ist das große
Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Entschädigung, das diesen
Rechtssatz liefert und unten §§ 53 und 54 ausführlicher behandelt
werden soll.
Hier ist aber so viel davon vorweg zu nehmen, daß wir zu-
sammenstellen, wie sich die verschiedenen Arten von öffentlichrecht-
lichen Dienstbarkeiten in dieser Beziehung grundsätzlich verhalten.
Für die Grunddienstbarkeit der öffentlichen Sache liegt die Frage
einfach so, daß sie erledigt ist durch die Art, wie das dazu gehörige
Servitutrecht begründet wurde. Vertrag und Ersitzung entschädigen
nicht, die Enteignung entschädigt nach ihrer Art.
Die auferlegte Grunddienstbarkeit begründet einen Entschädi-
gungsanspruch überall, wo sie als Folge von einzelnen Maßnahmen
und Thätigkeitsäußerungen der öffentlichen Verwaltung erscheint; da
stellt sie das „besondere Opfer“ vor, welches das Rechtsinstitut vor-
aussetzt.
Diese Voraussetzung wird stets zutreffen bei den durch Ver-
waltungsakt, durch Verfügung im Einzelfall begründeten Lasten
dieser Art14.
[176]Das öffentliche Sachenrecht.
Keine Entschädigung wird geschuldet, — es sei denn, daß das
Gesetz sie besonders anordnet, — für Grunddienstbarkeiten, welche
unvermittelt durch Rechtssatz begründet sind. Das wird
nicht als ein besonderes Opfer des Betroffenen angesehen, sondern
als eine Bedingung, mit welcher das Eigentum überhaupt nur an-
erkannt wird. Daß die Grunddienstbarkeit etwa durch einen er-
klärenden Verwaltungsakt noch ausgesprochen und festgestellt wird,
ändert daran nichts. Doch würde es im Sinne der Entschädigungs-
pflicht keine unvermittelt auf Rechtssatz beruhende Last sein, wenn
der Rechtssatz im Einzelfall selbst erst wirksam gemacht wird durch
Verwaltungsmaßregeln, Einrichtungen und Arbeiten, welche seine
thatsächlichen Voraussetzungen schaffen und dem betroffenen Grund-
stücke nahe bringen. Der Fall ist dann, was die Entschädigung an-
langt, grundsätzlich geradeso zu behandeln, wie wenn die Dienstbar-
keit erst durch Verwaltungsakt auferlegt wäre. Die Unterscheidung
der Fälle mit geschuldeter und nicht geschuldeter Entschädigung trifft
also nicht zusammen mit dem Gegensatz der rechtlichen Entstehungs-
gründe der Dienstbarkeit15.
III. Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit, wie verschieden
auch ihre rechtliche Gestalt und ihre Entstehungsart sein mag, ge-
hört, einmal begründet, vollständig dem öffentlichen Rechte an. Sie
ist deshalb unzugänglich für die Endigungsgründe, welche das
Civilrecht seinem entsprechenden Rechtsinstitute setzt. Sie erlischt
14
[177]§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.
nicht durch Nichtgebrauch, noch durch Vertrag, Konfusion16 oder
Verabsäumung der zur Bewahrung civilrechtlicher Servituten vor-
geschriebenen Förmlichkeiten17. Die Endigungsgründe, welche hier
wirksam werden, sind wieder verschieden nach den beiden Haupt-
arten.
Für die Grunddienstbarkeit der öffentlichen Sache ist der einzige
Erlöschungsgrund, der in Betracht kommt, derjenige, der auch beim
öffentlichen Eigentum wirkt, die Auflassung. Von dieser gilt hier
ganz dasselbe, was in der Lehre vom öffentlichen Eigentum (oben
§ 36, III) von ihr gesagt ist. Ein Unterschied zeigt sich nur in dem,
was nach der geschehenen Auflassung übrig bleibt: dort blieb nach
der Auflassung ein civilrechtliches Eigentum des bisherigen Herrn der
öffentlichen Sache; hier wird sich an dessen Stelle eine civilrechtliche
Grunddienstbarkeit ergeben. Ihr Inhalt ist der nämliche, welchen
bisher die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit in ihren Formen zur
Geltung brachte. Aber fortan ist sie in den Formen des Civilrechts
verzichtbar; durch non usus geht sie unter. Ihrer Art nach kann sie
nur eine Personalservitut sein, welche dem Staate, der Gemeinde an
dem bisherigen Wege oder Abzugskanal u. s. w. zusteht.
Die auferlegte öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit kann unter-
gehn durch eine Änderung des Gesetzes; das ist nichts besonderes.
Wo aber die genauere Bestimmung einem Verwaltungsakte mit freiem
Ermessen, einer Verfügung, überlassen ist, giebt die Änderung
dieses Aktes einen eignen Erlöschungsgrund. Das bisher be-
troffene Grundstück wird befreit, möglicherweise unter gleichzeitiger
Belastung eines anderen. Möglich ist hier auch eine Endigung der
Dienstbarkeit durch Ablauf der Zeit, für welche sie bestellt worden
ist. Der begründende Verwaltungsakt kann eine Frist bestimmen; in
manchen Fällen giebt das Gesetz die Ermächtigung zur Auferlegung
der Dienstbarkeit überhaupt nur für eine gewisse Dauer. Mit Ablauf
der Frist fällt sie dann von selbst zusammen18.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 12
[178]Das öffentliche Sachenrecht.
Der wichtigste Endigungsgrund ist aber hier der Wegfall des
Unternehmens, zu dessen Gunsten die Grunddienstbarkeit auf-
erlegt worden ist: die Rayonservitut erlischt mit der Auflassung des
Festungswerkes, das Recht der Materialentnahme oder vorüber-
gehenden Besitzergreifung mit dem Aufhören der Straßenarbeiten,
für welche es gegeben war, der Leinpfad mit dem Aufhören der
Schiffbarkeit des Flusses. Daran zeigt sich, wie sehr hier das be-
stimmte öffentliche Unternehmen die Stelle des praedium dominans
vertritt. Sein Wegfall wirkt wie im Civilrecht der Untergang des
letzteren.
Noch näher liegt der Vergleich dieses Endigungsgrundes mit dem
einzigen Endigungsgrunde der Grunddienstbarkeit der öffentlichen
Sache: die Aufgabe eines bestimmten öffentlichen Unternehmens wirkt
hier und dort; nur daß dort das Unternehmen an der mit der
Dienstbarkeit belasteten Sache selbst sich vollzog, hier außerhalb
derselben stand und sie nur von außerhalb her in Anspruch nahm. Im
weiteren Ergebnis dieser Endigung werden sich aber die beiden
Arten von öffentlichrechtlicher Grunddienstbarkeit wieder scharf unter-
scheiden: während dort die Endigung die entsprechende civilrecht-
liche Servitut übrig ließ, bleibt hier nichts zurück. Das öffentliche
Unternehmen gab hier nicht etwa der Grunddienstbarkeit nur ihre
öffentlichrechtliche Natur, sondern es war allein Rechtfertigungsgrund
des ganzen Eingriffs in seinem Beginn und seiner Dauer; er bestand
von vornherein nur dafür und hört von selbst damit auf, rechtlich zu
bestehen.
§ 41.
Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
Die Erscheinungen, welche wir hier zusammenfassen, gewinnen
ihre Einheitlichkeit dadurch, daß wir sie anlehnen an das gleich-
namige civilrechtliche Rechtsinstitut in derselben Weise, wie den zu-
letzt betrachteten die civilrechtliche Servitut als Vorbild gedient hat.
Das Civilrecht scheidet die beiden danach, daß die Servitut ein
bestimmtes für den Anderen begründetes Recht voraussetzt, welches
das Zurückdrängen des Eigentums zur Folge hat, die Eigentums-
beschränkung umgekehrt ausgeht von einer dem Eigentum selbst all-
gemein anhaftenden Schwäche, die seine volle Geltendmachung im
einen oder andern Punkte ausschließt und aus welcher dann einem
Anderen wieder ein rechtlich geschützter Vorteil, ein Recht in diesem
[179]§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
Sinne entsteht1. Dieser letzteren Rechtsgestalt entspricht das, was
wir hier vor uns haben und die öffentlichrechtliche Eigentums-
beschränkung nennen.
Die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung, wie die civil-
rechtliche, bezieht sich nur auf Grundstücke2.
Die civilrechtliche hat zur Grundlage den einfachen Gedanken,
daß die Ausübung jedes Eigentums unmöglich wäre, wenn nicht jeder
von seinem Nächsten gewisse Störungen und Benachteiligungen dulden
müßte; im Nachbarrecht kommt sie vorzugsweise zum Ausdruck.
Die öffentlichrechtliche stellt nicht die Eigentümer einander gegen-
über, sondern die Eigentümer und die öffentliche Gewalt und hat zur
Grundlage den Gedanken, daß die Thätigkeit der Verwaltung
durch die unbedingte Geltendmachung der Rechte des Eigentums nicht
gehemmt werden darf.
Dem entsprechend bestimmt das Civilrecht das Maß der zu
duldenden Eingriffe auf das im allseitigen Interesse Zuzulassende,
was einerseits das gewöhnliche Nebeneinander der Wirtschaften von
selbst mit sich bringt und andererseits einen greifbaren Schaden nicht
verursacht3.
Das öffentliche Recht gemäß der in ihm geltenden Einseitigkeit
giebt das Maß in Gestalt einer Schranke des vorherrschenden Rechts-
subjektes: nicht jede Art von Einwirkung ist frei, sondern nur die
aus der öffentlichen Verwaltung von selbst hervorgehende und
auch diese nur bis zu einer gewissen Grenze, die eine übermäßige
Belastung verhindert.
Eben diese Einseitigkeit hat aber noch eine andere Folge: das
Civilrecht sichert einen gewissen Ausgleich für die Betroffenen
durch die offengelassene Gegenseitigkeit; die besteht hier nicht, dafür
gewährt das öffentliche Recht nötigenfalls die ihm eigentümliche aus-
gleichende Entschädigung.
I. Das Anwendungsgebiet unseres Rechtsinstitutes ist ein
ungemein reiches, und in einer großen Mannigfaltigkeit von Er-
scheinungen unseres Rechtslebens stellt es sich dar. Eine durch-
12*
[180]Das öffentliche Sachenrecht.
gehende gesetzliche Ordnung, die uns führen könnte, würden wir ver-
gebens suchen. Das Gesetz beteiligt sich wohl dazwischen an der
Anerkennung und genaueren Bestimmung solcher Einwirkungen auf
das Grundeigentum nach Voraussetzungen, Grenzen und Folgen; aber
dies mehr nur nach Gelegenheit als nach festem System oder Be-
deutsamkeit des Gegenstandes. Der Rechtsvorgang vollzieht sich ganz
ebenso auch ohne Gesetz. Es giebt zahlreiche Fälle, wo gegen einen
Eingriff in das Grundeigentum, der nicht auf einer Dienstbarkeit oder
sonstigen rechtlichen Macht über die Sache beruht und der ordentlicher
Weise mit der civilrechtlichen Klage des Eigentümers auf Beseitigung
und Unterlassung der Störung beantwortet werden könnte, dieser
Schutz versagt wird, bloß weil der Eingriff von der
öffentlichen Verwaltung ausgeht. Das ist dann jedesmal
ein untrügliches Merkmal dafür, daß unser Rechtsinstitut wirksam ge-
worden ist. Anders würde sich die Sache gar nicht erklären und
verstehen lassen.
Es gehören dahin vor allem gewisse Vorgänge und Einrichtungen
auf Nachbargrundstücken, deren Wirkungen in das angegriffene
Grundstück hinüberreichen. Ein Kanal läßt Wasser dahin durch-
sickern, ein Wegedamm staut das Wasser an, so daß es sich dort
verbreitet, eine Schießstätte läßt ständig verirrte Kugeln hinüber-
fliegen. Schadensersatzklage wäre nach Civilrecht selbstverständlich.
Aber in erster Linie wäre civilrechtlich auch die Klage begründet auf
Beseitigung des die Störung hervorrufenden Zustandes und Unter-
lassung künftiger Störung. Wenn aber diese Störung ausging von
einem öffentlichen Kanal, von der Anlage eines Staatsstraßendammes,
von einem Militärschießplatz, so versagt die Eigentumsklage. Be-
sondere Regeln des öffentlichen Rechts ragen offenbar da herein, vor
welchen sie zurücktritt4.
[181]§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
Jedermann ferner hat das Recht, das Betreten seines Grund-
stückes durch Andere, denen nicht ein nachweisbares Recht dazu er-
4
[182]Das öffentliche Sachenrecht.
worben ist, abzuwehren und Klage auf Schadensersatz und künftige
Unterlassung deshalb zu erheben. Für die Zollaufsichtsbeamten
und die Beamten der Kriminalpolizei besteht diese Schranke
nicht, wenn sie dienstlich Anlaß haben, ein fremdes Grundstück zu
überschreiten oder sich darauf aufzustellen5. Die Feuerwehr dringt
in Gärten und Hofräume ein, um der Feuersbrunst im Nachbarhause
beizukommen6. Der Postwagen fährt über die angrenzenden
4
[183]§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
Wiesen, wenn die Straße unwegsam ist7. In hervorragendem Maße
nehmen die militärischen Manöver das Grundeigentum in An-
spruch: unaufhaltsam geht die übende Truppe durch das Gelände;
niemand denkt daran, daß dies ein rechtswidriger Eingriff in das
Eigentum sein könnte8.
[184]Das öffentliche Sachenrecht.
Das geht aber noch weiter. Es können absichtliche Ver-
änderungen an dem Grundstücke sich damit verbinden. Die
Vorarbeiten zu Straßen- und Eisenbahnanlagen er-
fordern außer dem Beschreiten des Grundstückes auch ein Aufgraben
des Bodens, Aufstellen von Vermessungszeichen. Die Landes-
vermessung übt das Gleiche9. Am einschneidendsten sind wieder
8
[185]§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
Eingriffe dieser Art, die im militärischen Interesse vorgenommen
werden, wenn z. B. im Kriegsfalle die Gebäude und Pflanzungen im
Vorlande der Festungswerke der Zerstörung verfallen und
sonstige Gewaltmaßregeln an Grundstücken vorgenommen werden,
nicht bloß im eigentlichen Rayon, sondern aller Orten, wo es not-
wendig erscheint10. Das geht freilich an einem gewissen Punkte über
in den eigentlichen Kriegsschaden, der jenseits des Civil- und Ver-
waltungsrechts liegt; aber bis dahin erstreckt sich ein weites Feld
solcher Einwirkungen, die sich die Prüfung nach diesem Friedens-
rechte gefallen lassen müssen und die doch rechtmäßig vorgenommen
werden können ohne Rechtstitel.
Selbst dauernde Vorrichtungen müssen ohne weiteres ge-
duldet werden, wenn der Betrieb einer öffentlichen Anstalt, einer
öffentlichen Einrichtung sie gerade an dieser Stelle erfordert und eine
wesentliche Beeinträchtigung des freien Eigentumsgebrauches damit
nicht verbunden ist. Postbriefkasten und Straßenlaternen
werden an den Hausmauern angebracht, auch ohne Einwilligung des
Besitzers. Straßenschilder und Hausnummern zur besseren
Ordnung des Straßenwesens werden unbedenklich an die fremden
Gebäude befestigt, Telegraphenträger in die Wände eingelassen;
die Telephondrähte, welche neuerdings so zahlreich den Luft-
raum der Grundstücke durchkreuzen, wären, privatrechtlich aufgefaßt,
nichts anderes als ständige Eingriffe und Verletzungen des Eigentums.
Die Frage nach dem Rechte dazu pflegt kein Bedenken zu machen.
Doch müssen wir wissen, wie das juristisch zugeht11.
[186]Das öffentliche Sachenrecht.
Endlich gehört hierher eine Erscheinung, auf welche wir bereits
hinzuweisen hatten: es kann der ganze Besitz eines Grund-
stückes dem rechtmäßigen Eigentümer einstweilen vorenthalten
werden, wenn die Herausgabe nur möglich wäre unter Unterbrechung
und Störung des Betriebes einer bestehenden öffentlichen Einrichtung.
Darauf beruht die Selbständigkeit des Besitzes der öffent-
lichen Sache; sie vermag sich in ihrem Bestand zu behaupten
selbst gegenüber der im Rechtswege erstrittenen Anerkennung des
freien fremden Eigentums: das erstrittene Stück Straße, Eisenbahn-
körper, Festungswerk wird keineswegs unbedingt und ohne weiteres
herausgegeben. Nur von einem ganz einseitigen civilistischen Partei-
standpunkte aus wird man das so auffassen, als handle eben die Ver-
waltung hier einfach rechtswidrig und lehne sich auf gegen die höhere
Autorität der Justiz. In Wahrheit offenbart sich hier wieder nur eine
rechtliche Schwäche des Eigentums, vermöge deren es den von selbst
sich ergebenden Notwendigkeiten der öffentlichen Verwaltung, mit
denen es zusammenstößt, weichen muß12.
[187]§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
II. Die rechtliche Macht, die in allen diesen Dingen auf seiten
der Verwaltung erscheint, ist nun näher zu betrachten.
1. Es handelt sich nicht um ein Recht an dem betreffenden
Grundstück, welches dem Staate zustände, sondern um eine allgemeine
rechtliche Eigenschaft aller Grundstücke. Es giebt des-
halb auch keinen Punkt, der als Entstehung oder Endigung
eines solchen Rechtes bezeichnet werden könnte. Es giebt bloß
thatsächliche Anlässe, welche diese Eigenschaft im
Einzelfall und an dem einzelnen Grundstücke wirksam
werden lassen und ein Aufhören dieser Wirksamkeit mit
dem Wegfallen jenes Grundes.
Diese Eigenschaft hängt den Grundstücken an auch ohne Gesetz;
oder wie wir sagen mögen: die Geltendmachung der Eigentums-
beschränkung bedarf keiner gesetzlichen Grundlage. Das Eigentum
ist in unserem Staats- und Rechtswesen von vornherein nur anerkannt
mit der Bestimmung, in gewissem Maße den Rücksichten der un-
gehemmten Verwaltungsthätigkeit weichen zu müssen; die darin be-
griffenen Einwirkungen sind dafür angesehen, daß sie nicht unter die
Vorbehalte des Gesetzes fallen, die verfassungsrechtlich zu Gunsten
des Eigentums der Unterthanen gemacht sind (Bd. I § 6, I n. 2).
Die vollziehende Gewalt wirkt dann frei und die verhältnismäßige
Wehrlosigkeit des Grundstückes ist von selbst gegeben durch die
Ungleichheit der beteiligten Rechtssubjekte, des Rechts-
subjektes, dem es angehört, und des anderen, dessen Unternehmungen
daran stoßen13.
[188]Das öffentliche Sachenrecht.
2. Das Eigentum ist jedoch deshalb keineswegs schutzlos gegen-
über jedem Eingriff, der namens des Staates oder eines gleichwertigen
Gemeinwesens vorgenommen werden könnte. Nach verschiedenen
Seiten hin sind dem Umfange der öffentlichrechtlichen Eigentums-
beschränkung Grenzen gesetzt.
Vor allem muß es sich handeln um eine Einrichtung, die von der
öffentlichen Verwaltung ausgeht. Nicht gedeckt durch unser Rechts-
institut sind Störungen, welche dem Eigentum verursacht werden
mögen von privatwirtschaftlichen Unternehmungen des
Fiskus (Bd. I § 11, III n. 1). Ebensowenig Eingriffe, welche etwa
ein Beamter unter Mißbrauch seiner Stellung in anderem Interesse,
insbesondere im eignen, nicht in gutgläubiger Führung der Geschäfte
der Verwaltung vornehmen könnte, wo er also, wie wir oben Bd. I
S. 228 sagten, aus dem Kreise des öffentlichen Unternehmens ganz
heraustritt.
Aber auch die öffentliche Verwaltung kann den Eigentümer und
sein Gut nur soweit in Anspruch nehmen, als ihre freie Bewegung
dadurch nicht gehemmt sein darf; nur soweit wirkt das maßgebende
Grundverhältnis von selbst als Beschränkung. Die öffentlichrechtliche
Eigentumsbeschränkung geht nie über die Forderung eines Duldens
hinaus. Alle Anforderungen an ein weiteres persönliches Verhalten
des Eigentümers, an sein Handeln und Leisten, bedürfen einer be-
sonderen Grundlage und fallen aus dem Bereiche unseres Rechts-
institutes heraus14.
Dazu kommen dann noch die bedeutsamen und leicht erkenn-
baren Schranken, welche das Eingreifen der Gesetzgebung an
so vielen Stellen der Geltendmachung des Übergewichts der öffent-
lichen Verwaltung gezogen hat. Überall, wo jene einen Eingriff aus-
[189]§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
drücklich ordnet, seine Voraussetzungen und Formen bestimmt, ist
ausgeschlossen, daß das Gleiche außerdem noch von selbst kraft des
allgemeinen Grundverhältnisses rechtmäßig geschehen könne. Das
gilt nicht nur dann, wenn geradezu die Eigentumsbeschränkung als
solche ihr Gegenstand geworden ist. Auch die Rechtssätze über
Eigentumsentziehung und Auferlegung von Grunddienstbarkeiten des
öffentlichen Rechts werden wirksam: thatsächlich gleichwertige Ein-
griffe sind daran gebunden und sind Unrecht, wenn sie anders als
gemäß der gesetzlichen Vorschrift geschehen15.
Die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung trägt überdies
noch ein gewisses Maß in sich selbst. Es ist in der Grundidee ge-
geben, auf der sie beruht. Das Eigentum ist nur wehrlos, soweit der
öffentlichen Verwaltung geholfen werden kann, ohne es selbst wesent-
lich zu beeinträchtigen. Eine wesentliche Beeinträchtigung
würde meist schon unter einen der vom Gesetze besonders geordneten
Eingriffe fallen, wenn nicht der Form, so doch der Sache nach, und
deshalb auf Grund unseres allgemeinen Rechtsinstitutes nicht mehr
zulässig sein. Aber auch ohne das ist die Heiligkeit des Eigentums
für unser Recht ein ebenso wichtiger Grundsatz, wie das Überwiegen
der Erscheinungen der öffentlichen Gewalt. Unser ganzes Rechts-
institut beruht auf einem notwendigen Kompromiß zwischen beiden.
Nur verhältnismäßig, nur in geringfügigeren Dingen, nur zeitweilig,
mit Rücksicht auch auf das Maß des Bedürfnisses, hat das Eigentum
zurückzuweichen. Wo die danach zu ziehende Grenze läuft, das ist
allerdings Sache der Anschauung. Aber nicht die Anschauung des
urteilenden Subjektes, nicht der Gelehrte oder Praktiker bestimmt
frei, was ihm gerechtfertigt dünkt, sondern das Gemeinbewußtsein
bestimmt darüber, wie es in Übung und Herkommen erscheint. Das
ist dann Rechtens. Gewohnheitsrecht dürfen wir das wohl kaum
nennen. Gegenüber neu auftauchenden Verwaltungsthätigkeiten und
entsprechenden Bedürfnissen bildet sich oft sofort, ohne durch Zeit-
ablauf gerechtfertigt zu sein, eine feste Anschauung von dem, was
sich gehört. Meist geschieht es in Anlehnung an verwandte Er-
scheinungen, die bisher schon in bestimmter Weise behandelt wurden.
Eine Zeit des Schwankens kann sich möglicherweise dazwischen schieben;
dann streiten die Schriftsteller und geben die Gerichte widersprechende
Urteile. Aber das kann gesagt werden, daß der Zug der Zeit eher
[190]Das öffentliche Sachenrecht.
dahin geht, das Maß der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen
mehr und mehr auszudehnen16.
3. Die Art, wie die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung im
Einzelfalle zur Wirksamkeit gelangt, hat keine eigne juristische
Form. Insbesondere erhält sie nicht, wie die auferlegte öffentlich-
rechtliche Grunddienstbarkeit (oben § 32, II), jedesmal erst ihre
rechtliche Bestimmtheit durch einen Verwaltungsakt, der das weitere
Vorgehen einzuleiten hätte. Die Verwirklichung des Rechtsinstituts
vollzieht sich schlechthin durch die unmittelbare That, oder besser
gesagt, da eine Willensthätigkeit nicht notwendig dazu gehört, durch
die einfache äußerliche Thatsache, daß aus dem Getriebe
der öffentlichen Verwaltung heraus eine Einwirkung auf das Grund-
stück im Rahmen der Eigentumsbeschränkung vor sich geht. Das
kann ein absichtliches Handeln sein; möglicherweise geschieht der
Eingriff planmäßig: die Plätze für die Straßenlaternen, für die
Straßenschilder, für die Postbriefkasten werden sorgfältig ausgesucht.
Er kann auch blindlings treffen wollen, was er gerade trifft: die
attackierende Schwadron im Manöver rast ohne Wahl über die Äcker
hinweg. Die Einwirkung kann geradezu gegen die Absicht der für
den Staat handelnden Personen vor sich gehen: die verirrten Kugeln
[191]§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
des Schießplatzes, das aufgestaute Wasser am Straßendamme, das
Sickerwasser des Kanals sind gleichwohl Einwirkungen aus der öffent-
lichen Verwaltung heraus, welche die öffentliche Eigentumsbeschränkung
wirksam werden lassen. Auch in einem bloßen Beharren und Nicht-
thun kann diese erscheinen: die irrtümliche Inbesitznahme eines
Grundstückes, um es zur Straße, zum Festungswerk zu verwenden,
macht nicht die öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung aus; zu
solchem Vorgehen giebt diese überhaupt keine Grundlage; erst in der
Verweigerung der Herausgabe nach festgestelltem Rechte des Dritten
kommt sie zur Geltung.
4. Die rechtliche Bedeutung der Eigentumsbeschränkung ist da-
durch noch nicht erschöpfend wiedergegeben, daß wir nur eine Klage
wegen verletzten Eigentums oder Sachbesitzes verweigern. Auch die
rechtmäßige Selbstverteidigung des angegriffenen Eigentums durch
thatsächliche Verhinderung der Störung ist dadurch ausgeschlossen.
In welchem Maße, dafür ergiebt sich das Genauere nur aus der
Grundidee, auf welcher die Eigentumsbeschränkung beruht: die freie
Bewegung der öffentlichen Verwaltung darf durch die Rücksicht auf
das dabei berührte fremde Eigentum nicht gehemmt werden. Der
Eigentümer kann also zum Schutze seines Eigentums keine Hand-
lungen vornehmen und Einrichtungen treffen, welche dem Zwecke der
Eigentumsbeschränkung zuwider diese Wirkung hätten. Die Hinder-
nisse, die er auf solche Weise bereiten möchte, werden mit unmittel-
barem Zwang durch das Personal des beteiligten Verwaltungszweiges
beiseite geschoben; Gewalt, die er dabei an Personen übt, ist straf-
bar, ebenso die Sachbeschädigung, die er durch Beseitigung der an
seinem Eigentum angebrachten Vorrichtungen begehen könnte. Wohl
aber sind zulässig alle Vorkehrungen, durch welche er sein Grund-
stück gegen den Eingriff schützen kann, ohne dadurch der Verwaltung
ein Hemmnis zu bereiten: er mag eine Mauer aufführen, um die
überfliegenden Kugeln abzuhalten, einen Graben ziehen, um das
Sickerwasser des Kanals wegzulenken. Es handelt sich für die Ver-
waltung nicht um ein Recht, auf sein Grundstück in der bestimmten
Weise einzuwirken, sondern, wie überall, nur darum, daß für sie aus
seinem Rechte am Grundstück und aus der Verteidigung desselben
kein Hemmnis ihrer eignen Thätigkeit erwachse, und das ist hier
nicht der Fall.
III. Der betroffene Grundeigentümer ist dieser Machtentwicklung
der öffentlichen Verwaltung gegenüber schlechthin der leidende Teil.
Rechte und Zuständigkeiten können nur in nebensächlicher Weise
[192]Das öffentliche Sachenrecht.
auf seiner Seite in Betracht kommen. Nach zwei Richtungen hin ist
das der Fall:
1. Er kann gegen die Störung selbst anzugehen suchen. Dabei
wird zu unterscheiden sein, je nach dem Standpunkte, den er dabei
einnimmt.
Erkennt er an, daß die Einwirkung, die er erfährt, noch inner-
halb des Rahmens der bestehenden öffentlichrechtlichen Eigentums-
beschränkung liegt, so ist es ihm gleichwohl unbenommen, mit Vor-
stellungen und Beschwerden bei den leitenden Behörden eine Abhülfe
zu suchen. Soweit es möglich ist, ohne Unzuträglichkeiten für den
Gang der Verwaltung, und namentlich ohne schwerere Belastung
Andrer, ihm zu willfahren, wird man es gerne thun, namentlich mit
Rücksicht auf die sogleich (n. 2) noch zu besprechende Folge. Es
handelt sich oft nur darum, daß die Behörde darauf aufmerksam
gemacht wird, wie es anders besser eingerichtet werden könnte. Das
ist natürlich keine Rechtsfrage und eigentliche Rechtsschutzmittel
werden dem Eigentümer dafür nicht gegeben sein.
Bedeutsamer ist der andere Fall, wo er bestreitet, daß die öffentlich-
rechtliche Eigentumsbeschränkung den Eingriff, den er erfährt, begreife
und rechtlich decke. Das Nächstliegende wird dann sein, daß er an
das Civilgericht sich wendet mit einer Klage auf Anerkennung und
Schutz seines Eigentums. Ob die öffentlichrechtliche Eigentums-
beschränkung für den Eingriff wirklich bestand oder nicht, wäre eine
Vorfrage, die als solche die Zuständigkeit des Gerichtes unbeein-
trächtigt ließe (Bd. I § 16 S. 217).
Allein da ist doch noch genauer zuzusehen.
Eine civilgerichtliche Klage ist zweifellos zulässig, wenn der Ein-
griff ausgeht von einer privatwirtschaftlichen Unternehmung des Fiskus
oder von einem Beamten oder sonstigen Diener des Staates, der ganz
außerhalb des Kreises seiner allgemeinen Amtsobliegenheiten und
staatlichen Aufträge handelt (oben S. 188). Sie wird sich je nachdem
gegen den Staat selbst richten, der dann Fiskus auch ist vor dem
Gericht (Bd. I § 16 S. 211), oder gegen den Thäter persönlich
(Bd. I § 17 S. 226).
Ganz anders steht die Sache, wenn es wirklich die öffentliche
Verwaltung ist, aus der der Eingriff hervorgeht und gegen welche der
Kläger sich wendet. Da kommt es darauf an, den wahren Gegen-
stand der Klage festzuhalten. Der ist nicht die Anerkennung und
der Schutz des Eigentums, sondern die Thätigkeit der öffentlichen
Verwaltung. Der öffentlichrechtliche Punkt ist nur zum Schein Vor-
[193]§ 41. Öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung.
frage, in Wahrheit Hauptfrage. Eine Maßregel der Verwaltung soll
durch das Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit nachgeprüft, oder eine
neue Maßregel derselben erzwungen werden. Es ist der in Bd. I
S. 219 besprochene Fall. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liegt
nicht vor. Die Zuständigkeit der Gerichte ist nicht selbstverständ-
lich. Das Gesetz kann sie auch hier zu einer solchen berufen;
aber thatsächlich pflegen derartige Bestimmungen nicht gegeben
zu sein17.
Es kommt also darauf an, inwieweit sonst hier die Gesetzgebung
Rechtsschutzmittel gewährt zur Anfechtung und Erwirkung von Ver-
waltungshandlungen, förmliche Beschwerde oder Verwaltungsklage;
thatsächlich ist auch das nicht der Brauch. Die Folge davon ist, daß
gegenüber der öffentlichen Verwaltung auch die Abwehr einer un-
berechtigten Geltendmachung öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschrän-
kung auf den Weg der Vorstellungen und einfachen Beschwerden
verwiesen ist.
2. Das wichtigste Recht des betroffenen Grundeigentümers und
zugleich ein wahres subjektives öffentliches Recht ist der Anspruch
auf Entschädigung. Dieser kann durch die Gesetzgebung für be-
sondere Arten öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschränkungen besonders
geregelt sein. Soweit nichts bestimmt ist, folgt er einfach den Regeln
des unter § 53 und 54 noch zu erörternden allgemeinen Rechts-
instituts18.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 13
[194]Das öffentliche Sachenrecht.
[[195]]
Zweiter Abschnitt.
Das Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
§ 42.
Die öffentliche Dienstpflicht; rechtliche Natur und Arten.
Die öffentliche Dienstpflicht ist die öffentlichrechtliche
Pflicht eines Unterthanen, mit persönlicher Hingabe
dem Staat eine bestimmte Art von Thätigkeit zu
leisten.
I. Besondere öffentlichrechtliche Verpflichtungen von Unterthanen
zur Leistung bestimmter Thätigkeiten können auch sonst noch in
mancherlei Weise begründet werden. Die Lehre von den öffentlichen
Lasten wird Beispiele bringen. Das eigentümliche Merkmal, welches
die öffentliche Dienstpflicht vor allen ähnlichen Leistungspflichten aus-
zeichnet, ist die besondere Kraft, mit welcher hier die Person erfaßt
wird, die persönliche Hingabe und Treue, welche sie von dem
Verpflichteten fordert1.
In erster Linie ist diese Forderung sittlicher Natur und geht
als solche überall über das reine Rechtsverhältnis hinaus2. Zu recht-
13*
[196]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
licher Bedeutung kommt sie erst in zweiter Linie3. Einmal nämlich
in der besonderen Art, wie die Erfüllung der Dienstpflicht überwacht
und erzwungen wird; davon unten § 45. Sodann aber giebt sie der-
selben von vornherein gewisse allgemeine rechtliche Merkmale an
Bedingungen und Zuthaten. Das sind die folgenden.
1. Die öffentliche Dienstpflicht kann nur einem Staatsange-
hörigen obliegen. Das Verwaltungsrecht ist, wie wir gesehen haben,
grundsätzlich gleichgültig gegen die Staatsangehörigkeit: die Polizei-
gewalt, die Finanzgewalt, das öffentliche Sachenrecht nehmen als den
Unterthanen, der der öffentlichen Gewalt gegenüber steht, schlechthin
den Menschen im Staate; die besondere Hingabe und Treue aber, die
hier verlangt wird, kann nur bei einem Angehörigen der Gemeinschaft
vorausgesetzt werden, für welche der Dienst zu leisten ist. Handelt
es sich um Dienste für ein untergeordnetes Gemeinwesen, Kreis, Ge-
meinde u. s. w., so wird unter Umständen auch noch die Zugehörig-
keit an dieses gefordert.
Daß diese Voraussetzung der Zugehörigkeit gegeben sei, wird
dadurch gesichert, daß die Begründung des Dienstverhältnisses be-
dingt ist durch ihr Vorhandensein. Möglicherweise auch, wie bei
der Anstellung im Staatsdienste, umgekehrt dadurch, daß die Be-
gründung des Dienstverhältnisses von selbst die staatsrechtliche Zu-
gehörigkeit des Dienstpflichtigen begründet4. So innig ist der
Zusammenhang.
2. Die Fälle der öffentlichen Dienstpflicht weisen durchweg einen
von dem Verpflichteten abzulegenden Diensteid auf, der mit dem
Beginn der Thätigkeit sich verbindet. Dieser Eid ist verschieden
formuliert, enthält aber im wesentlichen übereinstimmend das Ver-
sprechen, die dem Schwörenden obliegende Pflicht getreulich zu er-
füllen. Der Eid dient dazu, das rechtlich nicht vollkommen greifbare
sittliche Element der Pflicht zu verstärken durch einen Anruf des Ge-
wissens. Mit der Forderung dieses Eides hebt das Gesetz die be-
sondere Natur der öffentlichen Dienstpflicht kräftig hervor. Auf diese
allein, und nicht auf den Gegenstand der Dienstleistung kommt es an.
Militärfuhren z. B. können ebenso gut auf Grund einer Requisition
[197]§ 42. Natur und Arten der öffentlichen Dienstpflicht.
geleistet werden müssen, als auf Grund einer öffentlichen Dienst-
pflicht. Im ersteren Falle wird niemals ein Eid gefordert werden,
die rechtlichen Zwangsmittel erscheinen als genügend. Die öffentliche
Dienstpflicht des Beamten, des Soldaten soll aber mehr verlangen,
als auch vom Mietling erzwungen werden kann. Daher der Eid5.
3. Damit hängt zusammen die Unübertragbarkeit des
öffentlichen Dienstverhältnisses. Nicht einmal in solutione ist eine
solche Übertragung möglich. Bei der Requisition, den Fronden und
sonstigen persönlichen Leistungen kommt es immer nur darauf an,
daß das bestimmte Ergebnis erreicht werde; ob der Verpflichtete die
geforderten Thätigkeiten selbst leistet oder durch einen andern leisten
läßt, ist gleichgültig. Die öffentliche Dienstpflicht dagegen ist höchst-
persönlich; wegen ihrer sittlichen Natur wird sie eine andere, wenn
sie ein anderer erfüllen soll. Deshalb giebt es hier keine Erfüllung
durch Stellvertreter und keine Schuldübernahme. Es giebt Stell-
vertretung im Amte durch einen anderen Pflichtigen, es giebt Ent-
bindung von der Pflicht und Annahme eines neuen Schuldners; aber
jeder erfüllt immer nur die ihm selbst obliegende Pflicht, nie die
eines andern.
Die Unübertragbarkeit besteht aber auch auf der andern Seite,
auf seiten des Gläubigers: nur einem öffentlichen Gemein-
wesen gegenüber ist das besondere sittliche Verhältnis denkbar,
welches mit der öffentlichen Dienstpflicht gemeint ist. An Stelle des
Staates kann die Provinz, der Kreis, die Gemeinde das berechtigte
Subjekt sein; aber im Gegensatz zu dem, was wir im öffentlichen
Sachenrechte gesehen haben, kann hier niemals ein beliehener
Unternehmer an Stelle des Staates treten: Enteignungsrecht wird
verliehen, öffentliches Eigentum, öffentlichrechtliche Grunddienstbar-
keiten und Eigentumsbeschränkungen können von einem Privat-
Unternehmer besessen und geltend gemacht werden, niemals aber die
öffentlichrechtliche Dienstgewalt.
II. Die Dienstpflicht hat regelmäßig auch eine äußere Seite,
vermöge deren der Dienstherr durch den Dienstpflichtigen Dritten
gegenüber wirkt. Diese äußere Seite wird rechtlich bedeutsam auch
für das innere Verhältnis, das uns zunächst angeht. Ein derartiger
Zusammenhang findet sich nicht bloß bei allen Arten der öffentlich-
rechtlichen Dienstpflicht, sondern er ist auch schon vorgebildet bei
der civilrechtlichen.
[198]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Jeder civilrechtliche Dienstvertrag läuft darauf hinaus, daß der
Pflichtige durch seine Leistungen Geschäfte des Dienstherrn besorgen
soll. Die Bezeichnung dieser Geschäfte ist ein Auftrag, der sich
mit der Dienstpflicht verbinden muß, um sie in Thätigkeit zu setzen.
Er kann in der Begründung der Dienstpflicht selbst schon enthalten
sein oder nachher dazu kommen. Der Auftrag bestimmt aber nicht
nur den genaueren Inhalt der Pflicht, sondern überweist auch zu-
gleich dem Dienstpflichtigen die Geschäfte, die ihm anvertraut sein
sollen, damit er sie für den Dienstherrn besorge, diesen darin ver-
trete; denn sachlich bleiben sie dessen Geschäfte. Daß der Dienst-
pflichtige dadurch nach außen an der Stelle des Dienstherrn erscheint,
ist die äußere Seite des Auftrags, die Vertretung. Es brauchen
nicht notwendig Rechtsgeschäfte zu sein, welche für den Dienstherrn
besorgt werden sollen; auch bloß thatsächliche Verrichtungen für den
andern stellen eine Vertretung für ihn vor in diesem weiten Sinne.
Ist der Auftrag auf Vornahme von Rechtsgeschäften gerichtet, so be-
zeichnen wir die damit begründete Vertretungsfähigkeit als Voll-
macht.
In gleicher Weise verbindet sich auf dem Gebiete des öffentlichen
Rechts mit der Dienstpflicht die Überweisung eines Kreises von Ge-
schäften des Dienstherrn, des Staates. Die äußere Seite dieses Auf-
trags, die Macht der Vertretung des Staates in diesem bestimmten
Kreis von Geschäften ist das öffentliche Amt. Ist der Auftrag ge-
richtet auf Vornahme öffentlichrechtlicher Rechtsgeschäfte, d. h. auf
bindende Aussprüche über die Unterthanen, auf Ausübung der Befehls-
gewalt, wie man zu sagen pflegt, so sprechen wir von einem obrig-
keitlichen Amte, mit dem eine Behörde sich bildet (Bd. I § 8
Note 2), und erhalten damit zugleich ein Seitenstück der Vollmacht;
das bietet jedoch hier weiter keine Besonderheiten.
Das Verhältnis zwischen Amt und öffentlicher Dienstpflicht ist
aber ein anderes, als das zwischen civilrechtlicher Vertretungsmacht
und civilrechtlicher Dienstpflicht. Die civilrechtliche Vertretungsmacht
kann selbständig für sich betrachtet werden. Welches persönliche
Verhältnis zwischen Vertreter und Vertretenen dahinter steht, ist für
ihren Begriff gleichgültig; es kann irgend eine andere Art von obli-
gatorischem Verhältnis vorliegen; sie kann auch auf einer einseitigen
Gewalt des Machthabers beruhen. Sie wird dadurch nichts wesentlich
anderes. Das öffentliche Amt dagegen ist wesentlich gebunden an die
öffentliche Dienstpflicht. Das Amt ist ein Kreis von Staats-
geschäften, welche mit öffentlicher Dienstpflicht be-
[199]§ 42. Natur und Arten der öffentlichen Dienstpflicht.
sorgt werden6. Keine anders zusammenhängende Macht zur
Führung solcher Geschäfte fällt unter diesen Begriff.
Der Staat, die Gemeinde können durch civilrechtlichen Dienst-
vertrag sich Kräfte dingen, um öffentliche Geschäfte durch sie be-
sorgen zu lassen: Straßenarbeiten auszuführen, Dienstgebäude in
Ordnung zu halten, Postwagen zu fahren. Alle diese Leute haben
kein öffentliches Amt7. Neben ihnen stehen andere, die möglicher-
weise ganz das Nämliche machen und damit ein Amt verwalten, die
Beamte sind. Der Unterschied liegt lediglich in der öffentlichen
Dienstpflicht, mit welcher die letzteren an ihre Geschäfte gebunden
sind kraft einer Anstellung im Staatsdienst.
Der Staat kann sich Arbeitsleistungen auch in öffentlich-
rechtlicher Form verschaffen und sie zu bestimmten öffentlichen
Geschäften verwenden, welche er die Verpflichteten zu besorgen zwingt:
sofern die Pflicht, die er auflegt, nicht die besondere Gestalt der
öffentlichen Dienstpflicht hat, deshalb auch nicht die derselben eigen-
[200]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
tümliche Forderung der persönlichen Hingabe und Treue enthält, ent-
steht hier kein Amt. Beispiel: die geforderten Hülfeleistungen bei
Unglücksfällen, die Requisitionen von Fuhren und Arbeitskräften8.
Das Verfassungsrecht des Staates, der Gemeinden weist
öffentliche Angelegenheiten in gewissem Maße der Besorgung durch
Versammlungen von Staatsbürgern zu, sei es, daß die Beschlüsse derselben
allein entscheidend sind, sei es, daß sie nur mitwirken: so die Volks-
vertretungen, Gemeindevertretungen, Gemeindeversammlungen. Die
Mitglieder dieser Versammlungen haben kein Amt, weil sie keine
Dienstpflicht haben9. Vor allem der Fürst selbst besorgt Staats-
geschäfte im weitesten Umfange ohne Amt und ohne Beamter zu sein.
Der Präsident der Republik ist Beamter, sofern er durch eine öffent-
liche Dienstpflicht gebunden ist.
Kein öffentliches Amtohne öffentliche Dienstpflicht!
Wohl aber ist umgekehrt die öffentliche Dienstpflicht denkbar ohne
Amt. Das kann auf zweierlei Gründen beruhen.
Es ist möglich, daß die Entstehung der Dienstpflicht und der
Beginn des Amtes Schlag auf Schlag zusammenfallen. Thatsächlich
erscheint beides oft durch einen gewissen Zeitraum getrennt. Und
zwar, da das Amt ohne Dienstpflicht nicht sein kann, ist es dann
immer die Dienstpflicht, die zuerst entsteht und zunächst während
einer gewissen Pause allein bleibt, bis das Amt hinzukommt und
sie nach außen wirksam macht. Das tritt in der deutlichsten Weise
hervor beim berufsmäßigen Staatsdienst. Ebenso kann es sein, daß
das Amt zuerst wieder aufhört und die Dienstpflicht allein läßt.
Der zweite Grund ist der, daß die den Inhalt der Dienstpflicht
bildende Thätigkeit für den Staat nicht notwendig in Besorgung
von Geschäften, in einem äußeren Wirksamwerden für den Staat be-
stehen muß, das dem Pflichtigen anvertraut wäre. Es kann sein,
daß diese Thätigkeit nur den Zweck hat, eine gewisse Wirkung an
dem Verpflichteten selbst hervorzubringen, ihn auszubilden
und geeignet zu machen für die künftige Besorgung wirklicher Ge-
schäfte. Dann bleibt die Dienstpflicht, was sie ist; aber ein Amt ist
nicht vorhanden. Die gesetzliche Heerdienstpflicht giebt das hervor-
ragendste Beispiel dafür10; aber nicht das einzige.
[201]§ 42. Natur und Arten der öffentlichen Dienstpflicht.
Nach all dem werden wir ja daran festhalten, daß öffentliche
Dienstpflicht und öffentliches Amt begrifflich verschiedene Dinge sind.
Aber es steht keineswegs so, daß wir bei der Darstellung unseres
Rechtsinstituts von dem öffentlichen Amte absehen könnten. Im
Gegenteil, beides ist auf das innigste verflochten. Wie die Dienst-
pflicht Bedingung des Amtes ist, so wirkt das Amt seinerseits auf die
Dienstpflicht zurück: für eine bestimmte Art von Amt wird sie be-
gründet, nach diesem richtet sich die Fähigkeit, dienstpflichtig gemacht
zu werden, richtet sich der Inhalt der Dienstpflicht, und mit dem Amte
erhält diese erst ihre volle Entfaltung. Wo kein Amt entsteht, ver-
tritt hierin eine andere Art „aktiver“ Dienstpflicht seine Stelle. Die
öffentliche Dienstpflicht entwickelt sich demgemäß durchweg in einer
gewissen Stufenfolge von Verpflichtbarkeit, Dienstpflicht, aktiver
Dienstpflicht, mit den entsprechenden Stufen abwärts.
III. Nach der Kraft, welche das Rechtsverhältnis erzeugt, teilt
man die civilrechtliche Dienstpflicht ein in eine gesetzliche und
in eine vertragsmäßige. Man hat die gleiche Einteilung
auf die öffentlichrechtliche Dienstpflicht übertragen; das entspräche
den beiden Grundformen, in denen öffentlichrechtliche Rechtsverhält-
nisse überhaupt entstehen: unmittelbarer Rechtssatz und Verwaltungs-
akt. Den letzteren Fall mag man als die vertragsmäßige Begründung
bezeichnen; wir werden diesen „Vertrag“ noch genauer betrachten.
Allein auch mit diesem Vorbehalte ist die Einteilung in gesetz-
liche und vertragsmäßige Dienstpflicht nicht zu gebrauchen. Die
Unterschiede in den Begründungsarten der öffentlichen Dienstpflicht,
wie sie in Wirklichkeit erscheinen, decken sich nicht damit.
Denn einerseits die sogenannte gesetzliche Dienstpflicht wird gar
nicht unmittelbar durch Gesetz begründet, sondern durch einen das
Gesetz zur Anwendung und Wirksamkeit bringenden Verwaltungsakt.
Einen solchen finden wir ebenso bei der vertragsmäßigen Begründung
der Dienstpflicht, und auch Gesetzesbestimmungen stehen hier mög-
licherweise dahinter. Der Unterschied ist nur der, daß bei der so-
genannten gesetzlichen Dienstpflicht die Auferlegung derselben ein-
seitig, d. h. unabhängig von der Zustimmung des Verpflichteten er-
folgt, auf Grund einer vom Gesetz dazu erteilten Ermächtigung, die
vertragsmäßige dagegen die Einwilligung des zu Verpflichtenden
voraussetzt. Wir werden also jene, statt als gesetzliche, besser als
Zwangsdienstpflicht bezeichnen.
Auf der anderen Seite hat die „vertragsmäßige“ Dienstpflicht nur
die Anstellung im Staatsdienst, den sogenannten Staatsdienstvertrag
im Auge. Allein damit sind keineswegs alle Fälle der öffentlichen
[202]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Dienstpflicht außer der sogenannten gesetzlichen oder besser Zwangs-
dienstpflicht erschöpft. Vielmehr liegt daneben noch ein wichtiges
Gebiet von Rechtsgestaltungen, die nicht unter die Formen des
Staatsdienstvertrages zu bringen sind: es ist das Gebiet des öffent-
lichen Ehrenamtes. Es ist nicht üblich, den Namen Vertrag auf seine
Begründung anzuwenden, obwohl sie ihn gerade so gut oder vielmehr
schlecht verdiente, wie der Staatsdienstvertrag. Es bestehen aber
auch in der That bedeutsame rechtliche Verschiedenheiten zwischen
den beiden Dingen. Wir stellen also neben die Anstellung im
Staatsdienst als besonderes Rechtsinstitut die Übertragung
des öffentlichen Ehrenamtes11.
§ 43.
Fortsetzung; Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
Die Anstellung im Staatsdienst ist die allgemeine Form für die
Begründung öffentlicher Dienstpflichten jeden Inhalts. Zwangsdienst-
pflicht und übertragenes Ehrenamt kommen dazwischen nur zur Ver-
wendung in beschränkter Weise für Dienstpflichten bestimmter Art.
Den Übergang zur Anstellung im Staatsdienst bildet die eigentümliche
Erscheinung einer gemischten Dienstpflicht, die wir im Anhang zum
Ehrenamt (unter III) behandeln werden.
I. Die Zwangsdienstpflicht bedeutet eine öffentliche Dienst-
pflicht, welche obrigkeitlich auferlegt wird ohne Rück-
sicht auf die Zustimmung des davon betroffenen Unter-
[203]§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
thanen. Das ist ein Eingriff in die Freiheit und bedarf dem ver-
fassungsmäßigen Vorbehalte gemäß einer gesetzlichen Grundlage.
Unsere Reichsgesetzgebung bietet eine solche für die gesetzliche
Heerdienstpflicht und für die Gerichtsdienstpflicht der Ge-
schworenen und Schöffen. Wir werden daraus in erster Linie
die Vorbilder entnehmen zur Erläuterung unseres Rechtsinstituts nach
der Art, wie es die Dienstpflicht entstehen und endigen läßt1.
1. Indem das Gesetz der Verwaltung die Macht giebt, Dienst-
pflichten für gewisse Zwecke zwangsweise aufzulegen, bestimmt es
diesen Zwecken entsprechend den Kreis der Personen, welchen
die Pflicht auferlegt werden kann, und das Maß der aufzulegenden
Pflicht, letzteres nicht bloß dem Inhalt, sondern auch der Zeitdauer
nach; es giebt also zugleich die Grundlage für die Endigung der
Dienstpflicht.
Der Kreis der zu verpflichtenden Personen wird abgegrenzt, wie bei
allen öffentlichen Dienstpflichten, vor allem durch die Forderung der
Staatsangehörigkeit, beziehungsweise bei unseren Hauptbei-
spielen der Reichsangehörigkeit. Dazu kommen Bestimmungen von
Eigenschaften, welche vorausgesetzt sind als Bedingungen der be-
sonderen Fähigkeit zu dem betreffenden Dienst: Alter, Abwesen-
heit körperlicher und sittlicher Mängel u. dergl. Endlich verengert
sich der Kreis noch durch die Anerkennung von Befreiungen,
wodurch sonst geeignete Personen um gewisser Rücksichten willen —
die bei der Heerdienstpflicht sehr eng bemessen, bei der Gerichts-
dienstpflicht freigebiger anerkannt sind — von der Verpflichtbarkeit
ausgeschlossen werden.
Über das für jeden Dienst zur Verfügung stehende Menschen-
material, den Bestand der verpflichtbaren Unterthanen,
werden Listen geführt. Diese Listen werden durch Veröffentlichungen,
durch die Zulassung von Einsprüchen in angemessener Weise der Be-
richtigung ausgesetzt. Andererseits können den darin zu Bezeichnen-
den Meldepflichten auferlegt sein oder auch Beschränkungen in der
freien Bewegung schon vor Eintritt der Zeit, wo alle Bedingungen
ihrer Inanspruchnahme für den Dienst erfüllt sein werden. Alles dies,
um die künftige Forderung des Staates, die künftig ihnen gegenüber zu
begründende Dienstpflicht im voraus sicher zu stellen.
Das ist nur Vorbereitung; eine Dienstpflicht entsteht zunächst
nicht, weder durch das Gesetz, dessen Merkmale bei einem bestimmten
Unterthanen zutreffen, noch durch die Aufnahme in die Liste. Die
[204]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Personen sind keiner allgemeinen Gewalt unterworfen, mit welcher
die Verwaltung über sie verfügte; sie haben nur bestimmte einzelne
Verpflichtungen und Beschränkungen, die gerade so weit gehen, als
das Gesetz selbst sie ausspricht; Hülfsauflagen sind ihnen gemacht.
2. Die Auferlegung der Dienstpflicht geschieht durch einen
obrigkeitlichen Ausspruch über den einzelnen verpflichtbaren Unter-
thanen, einen Verwaltungsakt, der als Wahl oder Aushebung be-
zeichnet wird. Dazu sind in den hier behandelten Fällen der Dienst-
pflicht besondere Kommissionen bestellt. Der Ausspruch enthält eine
Anwendung des Gesetzes, d. h. die Bejahung des Vorhandenseins
seiner Voraussetzungen und dazu eine Erwägung des öffentlichen
Interesses, wonach diese Personen für den öffentlichen Dienst in An-
spruch genommen werden mit Ausschluß anderer gleichverpflichtbarer
oder vorzugsweise vor diesen. Wirksam gegenüber dem Unterthanen
wird die Wahl oder Aushebung, wie alle Verwaltungsakte erst durch
die Kundgabe, die in gehöriger Weise an ihn erfolgt ist. In
diesem Augenblicke entsteht die Dienstpflicht.
Mit der Kundgabe der begründeten Dienstpflicht kann der Befehl
zur Erfüllung derselben, die Einberufung zum Dienstantritt
sofort sich verbinden; die Kundgabe kann sogar unmittelbar die Form
eines solchen Befehls, einer Ladung an sich tragen. Der Befehl kann
auch vorbehalten sein und später selbständig erteilt werden. Er ist
der erste Akt der Geltendmachung der Dienstpflicht.
Ungehorsam gegen diesen Befehl, Unterlassung des Dienstantrittes
zur Zeit, wo er geschehen sollte, ist mit Strafe bedroht, verpflichtet
überdies zu Schadensersatz, d. h. zur Erstattung der rechtswidrig
verursachten Kosten, und kann bei der Heerdienstpflicht sogar durch
Gewaltanwendung gebrochen werden, d. h. durch gewaltsame Vor-
führung des Pflichtigen.
3. Mit dem Dienstantritt beginnt die Erfüllung der Dienst-
pflicht und erhält das Rechtsverhältnis die volle Ausprägung. Der
Dienstantritt ist wesentlich äußerliche Thatsache, die nichts von einem
Rechtsgeschäfte an sich hat. Er setzt voraus die Gestellung des
Pflichtigen, d. h. sein persönliches Erscheinen, um der zur Leitung
seines Dienstes berufenen Behörde zur Verfügung zu stehen. Der
Dienstantritt vollzieht sich durch die Einreihung des Pflichtigen
in das öffentliche Unternehmen, welchem er dienen soll: das Gericht,
das Heer. Dabei findet nunmehr die Ableistung des Diensteides statt.
Die rechtlichen Wirkungen des Dienstantrittes knüpfen sich aber nicht
an die Eidesleistung, sondern einzig an die Thatsache der Ein-
reihung in den Dienst. Und zwar geschieht das kraft Gesetzes, ohne
[205]§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
damit verbundenen obrigkeitlichen Ausspruch und ohne Willenserklärung
des Pflichtigen: auch der unfreiwillige Dienstantritt des gewaltsam
vorgeführten Heerespflichtigen hat jene Wirkungen.
Der Dienstantritt bedeutet nichts als die Erfüllung der that-
sächlichen Voraussetzungen für die volle Wirksamkeit der Dienst-
pflicht: das ihr entsprechende Gewaltverhältnis entfaltet sich
jetzt; im weiteren wird die genauere Art dieser Wirkungen bestimmt
nach Verschiedenheit des Inhalts der Dienstpflicht.
Für den Schöffen und Geschworenen entsteht nunmehr Amt und
Amtspflicht. Ein Schöffe oder Geschworener, welcher zur be-
stimmten Sitzung nicht erscheint, hat niemals ein Amt gehabt; erst
durch den Dienstantritt erlangt er es2. Die Amtspflicht giebt der
Dienstpflicht ihren bestimmten Inhalt. Der Pflichtige ist der Leitung
des Vorsitzenden unterworfen und steht dabei unter einer Dienst-
gewalt für sein äußerliches Verhalten, wie sie eben mit richterlicher
Thätigkeit überhaupt vereinbar ist; die Mittel, welche verhindern,
daß der Pflichtige „sich seinen Obliegenheiten entziehe“, reichen aus,
um auch die gehörige Erfüllung der Pflicht zu sichern, deshalb sind
besondere Disciplinarzwangsmittel hier nicht ausgebildet (vgl. unten
§ 45, I); die civilrechtliche Schadensersatzpflicht steht dahinter.
Viel bedeutsamer noch erweist sich in seinen Wirkungen der
Dienstantritt bei der Heerdienstpflicht. Mit der thatsächlichen Ein-
reihung in das Heer entsteht eine aktive Dienstpflicht von ganz be-
sonderer Stärke3. Als Seitenstück zu dem Amte des dienstthuenden
Geschworenen und Schöffen erscheint hier die Zugehörigkeit
[206]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
zum Soldatenstande: unbedingter Gehorsam gegenüber den mili-
tärischen Oberen, strenge Disciplinarzwangsmittel, ein eigenes Dienst-
strafrecht kennzeichnen die rechtliche Ausnahmestellung, in welche der
Dienstpflichtige jetzt geraten ist (vgl. unten § 45, I).
So unähnlich beides aber auch aussehen mag, in der Stufenfolge der
Entfaltung der Zwangsdienstpflicht sind die aktive Dienstpflicht
des Geschworenen und Schöffen und die aktive Dienst-
pflicht des Soldaten juristisch zusammengehörige Erscheinungen.
4. Die aktive Dienstpflicht behält den Pflichtigen naturgemäß
nicht in ununterbrochener Leistungsthätigkeit. Ein zeitweiliges
Ruhenlassen schließt aber ihren Fortbestand nicht aus. Auch in
der Erholungspause ist der Schöffe und Geschworene im Amt und
der Leitung des Vorsitzenden unterworfen; auch während der Nacht-
ruhe und im Urlaub ist der Soldat im aktiven Dienst bei der Fahne.
Die Dienstgewalt ist nicht unterbrochen, wenn sie auch die Zügel
etwas nachläßt. Rechtlich bedeutsame Änderungen an dem Rechts-
verhältnis selbst können durch ordentliche und durch außerordentliche
Endigungsgründe herbeigeführt werden.
Als ordentlicher Endigungsgrund gilt hier überall der
Ablauf der bestimmten Zeit. Alle Zwangsdienstpflichten sind an
eine Frist gebunden, die Last ist stets eine zeitlich gemessene. Sie
kann aber gemessen sein nach der Dauer eines bestimmten Geschäftes,
das seinerseits wieder eine natürliche äußerste Zeitgrenze hat, oder
unmittelbar nach einer bestimmten Frist. Außerordentliche
Endigungsgründe giebt der Wegfall der gesetzlichen Fähigkeits-
voraussetzungen, die Geltendmachung von gesetzlichen Befreiungs-
gründen und die der Behörde etwa sonst zustehende Verzichtleistung
auf den Dienst4.
5. Durch diese Endigungsgründe wird die Dienstpflicht in der-
selben Weise, wie sie aufwärts steigt, stufenweise wieder
heruntergeführt und aufgehoben. Sie gelten für alle Stufen,
aber die Art, wie sie zur Wirksamkeit gelangen, ist je nachdem eine
verschiedene.
Die Endigungsgründe können wirksam werden zur Endigung der
aktiven Dienstpflicht; dem Diensteintritt entspricht der Dienst-
austritt. Sie werden es aber hier immer nur durch Vermittlung
eines behördlichen Aktes. Von selbst wird der in den Zwangsdienst
[207]§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
Eingereihte durch das Auftreten des Endigungsgrundes nie befreit.
Das ist die Folge des unmittelbaren Zusammenhanges mit dem öffent-
lichen Unternehmen und des besonderen Gewaltverhältnisses, in
welchem er dafür steht. Dieser Akt ist die Entlassung; sie kann
ausdrücklich erklärt werden; möglicherweise ist sie aber auch still-
schweigend enthalten in der Erklärung, daß die Sitzung geschlossen,
das Geschäft beendigt sei. Wenn die Frist für die Dauer der aktiven
Dienstpflicht abgelaufen ist, entsteht für den Pflichtigen ein Anspruch
auf die Entlassung; aber die Dienstpflicht dauert, bis die Entlassung
wirklich erfolgt ist; ob sie mit Recht oder Unrecht versagt wird, ist
in dieser Beziehung gleichgültig. Daß außerordentliche Endigungs-
gründe ebenfalls nur durch Entlassung wirksam werden, ist selbst-
verständlich.
6. Mit dem Erlöschen der aktiven Dienstpflicht kann die Dienst-
pflicht überhaupt erloschen sein. Möglicherweise besteht diese
aber fort, um gegebenenfalls wieder in die schärfere Form übergehen
zu können. So beim Geschworenen zwischen den einzelnen Gerichts-
tagen der Session, zu welcher er einberufen ist, beim Schöffen, der
die Zahl der ihm auferlegten Sitzungstage noch nicht vollendet hat,
vor allem beim Heerdienstpflichtigen, der zurückgestellt oder zur
Reserve, zur Landwehr entlassen worden ist. Das Rechtsverhältnis
des Dienstpflichtigen gleicht alsdann dem, in welchem er stand vor
dem ersten Dienstantritt: das Gewaltverhältnis mit der umfassenden
Dienstgewalt ist einstweilen wieder verschwunden. Statt dessen steht
er wieder mit seiner fortdauernden Dienstpflicht zur Verfügung, um
zu aktivem Dienste einberufen werden zu können; es ist eine Dienst-
pflicht mit betagter Erfüllung. Zur Sicherung der künftigen Er-
füllung können ihm einstweilen besondere Pflichten und Beschränkungen
auferlegt sein: Meldungspflichten, Auswanderungsbeschränkungen u. s. w.
Diese Pflichten sind naturgemäß stärker als die in der Vorbereitungs-
zeit auferlegten, zu Gunsten einer noch nicht begründeten, nur
möglicherweise künftig entstehenden Dienstpflicht. Aber sie gleichen
diesen insofern, als sie nur zur Überwachung dienen und ihrem Um-
fange nach einzeln bestimmt sind. Sie können nicht kraft der Macht-
vollkommenheit der Dienstgewalt auferlegt werden, die ja einstweilen
nicht mehr besteht, sondern nur kraft besonderer gesetzlicher Be-
stimmung, und nur soweit diese reicht5.
Diese ruhende Dienstpflicht kann ihrerseits infolge eines ein-
tretenden Endigungsgrundes erlöschen. In dem Verhältnisse selbst
[208]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
ist nicht gegeben, daß es nur durch Entlassungserklärung endigen
könne. Es wird in erster Linie auf die Art des Endigungsgrundes
ankommen. Wo der Behörde ein gewisser Spielraum zur Berück-
sichtigung besonderer Verhältnisse zusteht, ist selbstverständlich ein
förmlicher Ausspruch notwendig. Zeitablauf, Unwürdigkeitsgründe
und dergleichen unbedingt bestimmte Ursachen können auch un-
mittelbar wirken. Es hängt von Zweckmäßigkeitserwägungen des
Gesetzgebers ab, ob er der Ordnung halber eine Entlassung auch
hier vorschreiben will.
7. Ist die Dienstpflicht überhaupt erloschen, so kann möglicher-
weise der Zustand der besonderen Verpflichtbarkeit für den
bisherigen Dienstpflichtigen übrig bleiben, wie er bestand in Begründung
der Dienstpflicht. In der Regel wird diese Fähigkeit erschöpft sein;
oder es ist wenigstens für die nächste Zeit ein Anspruch auf Frei-
lassung von der aufzulegenden Dienstpflicht gegeben, ein Ab-
lehnungsrecht. Dann endigt die Verpflichtbarkeit mit der Endigung
der Dienstpflicht und durch die Wirkung des gleichen Grundes. Ab-
gesehen von solcher Erschöpfung endigt die Verpflichtbarkeit in
selbständiger Weise aus den gewöhnlichen Gründen, Zeitablauf,
Unwürdigkeit, Wegfall besonderer Voraussetzungen u. s. w., diese
werden aber dann allesamt unmittelbar wirksam aus dem Gesetz,
das ja für die ganze Verpflichtbarkeit überhaupt allein maßgebend ist.
II. In unserer Verwaltungsorganisation, aber auch über sie hinaus
in Gerichtsverfassung und Heeresverfassung, sind zahlreiche Ämter
vorgesehen, welche von einzelnen Unterthanen übernommen werden
sollen zur Erfüllung einer Bürgerpflicht, einer rechtlich erzwingbaren
oder einer bloß moralischen, ohne Entgelt. Wir bezeichnen sie als
Ehrenämter. Ein Ehrenamt versieht auch der Geschworene und
Schöffe, so lange er seine Dienstpflicht ableistet (oben Note 2). Hier
sind im Gegensatz dazu nur die ständigen Ehrenämter verstanden,
die, den Berufsämtern gleich, den Einzelnen förmlich übertragen
werden. Wer ein solches Amt übernimmt, wird damit zugleich den
diesem Amte entsprechenden Pflichten unterworfen; es entsteht für
ihn eine öffentliche Dienstpflicht dem Gemeinwesen gegenüber, welchem
das Amt gehört, Staat, Kreis, Gemeinde. Diese Dienstpflicht ist in
Entstehung und Endigung sowohl von der Zwangsdienstpflicht als von
der des berufsmäßigen öffentlichen Dienstes verschieden.
1. Alle staatlichen Ämter dieser Art sind gesetzlich geordnet.
Eine gesetzliche Grundlage wegen Eingriffs in die Freiheit wäre hier
insofern nicht unbedingt erforderlich, als ja die freiwillige Übernahme
[209]§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
allgemeinem Grundsatze gemäß eine solche ersetzte. Allein einerseits
handelt es sich dabei durchweg um obrigkeitliche Ämter, deren Ordnung
das Gesetz thatsächlich für sich in Anspruch genommen hat wegen
der Wirkung nach außen (Bd. I S. 15). Andererseits scheint hier
die Anschauung sich geltend zu machen, daß der Staat die Dienste,
deren er bedarf, ordentlicherweise durch berufsmäßigen Staatsdienst
oder civilrechtlichen Dienstvertrag sich verschaffen soll; auch die Be-
nützung freiwillig zu übernehmender Ehrenamtsdienste gilt demnach
nur als zulässig, soweit das Gesetz sie erlaubt. Bei den unteren
Gemeinwesen dagegen kommen Ehrenämter auch ohne gesetzliche
Grundlage in großer Anzahl vor; für sie erscheint es verhältnis-
mäßig angemessener, den Gemeinsinn ihrer Angehörigen in Anspruch
zu nehmen. Die wichtigsten Anwendungsfälle bieten uns die Ehren-
ämter unserer neuen sogenannten Selbstverwaltungsordnungen,
sodann die Ämter der Handelsrichter und der Reserve-
offiziere6.
Soweit das Gesetz diese Ehrenämter ordnet, bestimmt es ins-
besondere auch die Voraussetzungen der Fähigkeit dazu.
Außer der Staatsangehörigkeit pflegt noch die Zugehörigkeit zu dem
engeren Gemeinwesen oder Interessenkreise gefordert zu werden,
welchem die Thätigkeit des Beamten zu Gute kommen soll. Das Zu-
treffen dieser Voraussetzungen bei einer bestimmten Person ist be-
deutsam als Bedingung der Gültigkeit ihrer Berufung zum Amte und,
soweit Zwang zur Übernahme stattfindet, der Zulässigkeit dieses
Zwanges.
Für den dadurch abgegrenzten Kreis von Personen entsteht wieder
eine gemeinsame Eigenschaft der Verpflichtbarkeit. Aber diese
Verpflichtbarkeit ist hier wesentlich anderer Natur wie im vorigen
Falle, gemäß der ganz verschiedenen Art der Entstehung der Dienst-
pflicht selbst.
2. Die Dienstpflicht des Ehrenbeamten entsteht durch Über-
tragung des Amtes. Diese geschieht in Form eines gewöhnlichen
Verwaltungsaktes des Fürsten oder einer Behörde. Diese Art der
Übertragung des Amtes heißt Ernennung7.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 14
[210]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Die Ernennung wird allgemeiner Regel der Verwaltungsakte
gemäß erst wirksam mit der Kundgabe an den Ernannten. Die
Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ist aber hier noch weiter be-
dingt. Das Gesetz giebt keine Ermächtigung, diese Ehrenämter auf-
zulegen gegen den Willen des Betroffenen; eine Zwangsdienstpflicht in
der zuerst besprochenen Art (oben I) besteht hier nicht8. Die Auf-
erlegung der Dienstpflicht kann also rechtsgültig nur geschehen mit
seiner Einwilligung. Diese Einwilligung ist die Übernahme des
Amtes. Es können ausdrückliche Erklärungen und Fristen für diese
vorgeschrieben sein; die Übernahme kann auch stillschweigend ge-
schehen.
Daß diese Bedingung erfüllt werde, die zustimmende Willens-
erklärung erfolge, dafür sind auf seiten des Berufenen die ver-
schiedensten Beweggründe thätig, auf welche man rechnen kann:
Gemeinsinn, Unterthanentreue, Ehrgeiz. Möglicherweise begnügt sich
das Gesetz mit diesen. In den meisten Fällen jedoch, namentlich bei
der neuerdings so bedeutsam gewordenen Verwendung des Ehren-
amtes zur Bildung von Verwaltungsbehörden, spricht das Gesetz eine
Rechtspflicht zur Annahme aus und gewährt zur Herbei-
führung derselben Zwangsmittel. Es setzt Nachteile auf die
Weigerung, sofern diese nicht auf besondere von ihm anerkannte
Ablehnungsgründe gestützt ist: Geldstrafen können verhängt, Straf-
zuschläge zu den sonst geschuldeten Abgaben auferlegt werden9.
Dadurch wird das Ehrenamt nicht zu einer Zwangsdienstpflicht.
Die Zwangsdienstpflicht entsteht ohne Willenserklärung des Betroffenen;
hier aber wird nicht die Dienstpflicht zwangsweise auferlegt, sondern
ein Druck geübt, um die zur Entstehung der Dienstpflicht nötige
Willenserklärung herbeizuführen. Wirkt auch dieser Druck nicht, so
kommt die Dienstpflicht nicht zur Entstehung10.
[211]§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
Der Unterschied, ob eine Pflicht zur Annahme besteht oder nicht,
wird aber von Bedeutung für das Verfahren, das bei der Er-
nennung zu beobachten ist.
Letzterenfalls wird die Ernennung niemals aufs Geratewohl er-
folgen; wenn man der Sache nicht ohnehin sicher ist, gehen immer
Erhebungen voraus, ob der ins Auge Gefaßte auch willens ist, an-
zunehmen11. Die Ernennung erfolgt alsdann in der Voraussetzung
der vorhandenen Einwilligung, also in der Meinung, sofort wirksam
und endgültig zu sein, unbedingt.
Wo dagegen eine Rechtspflicht zur Annahme aufgestellt ist, er-
geht die Ernennung ohne weiteres, in der Erwartung, daß der also
Angeforderte durch eine Annahmeerklärung seine Pflicht erfüllen und
den auf die Weigerung gesetzten Nachteilen werde entgehen wollen.
Sie enthält selbst schon stillschweigend die Androhung dieser Nach-
teile und übt so durch ihre bloße Erscheinung einen in der Regel aus-
reichenden Druck. Eben deshalb erfolgt sie nicht unter Feststellung,
daß dieser Voraussetzung ihre Gültigkeit bereits gegeben sei, und
unbedingte Wirksamkeit beanspruchend: die Annahmeerklärung
ist noch als Bedingung ihrer Wirksamkeit gesetzt. So
lange diese Bedingung nicht erfüllt ist, wird der Ernannte von dem
Akte nicht erfaßt. Die Ernennung kann nach gesetzlicher Bestimmung
im Falle der Ablehnung sofort hinfällig werden; oder es mag bestimmt
sein, daß sie hinfällig wird, wenn die Annahmeerklärung nicht in ge-
wisser Frist erfolgt. Wo nichts dergleichen bestimmt ist, bleibt
sie bestehen, wie eine Offerte, bis zur Zurücknahme, die in Gestalt
der Ernennung eines andern erfolgen mag. Jedenfalls ist durch diese
Ernennung der Betroffene niemals mit der Dienstpflicht belastet
worden12. Im ersteren Falle ist er es; der Verwaltungsakt der im
allgemeinen zuständigen Behörde, der ohne Vorbehalt wirken will, be-
10
14*
[212]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
stätigt durch sich selbst das Vorhandensein der Voraussetzungen
seiner Gültigkeit. Sache des Betroffenen ist es, im Anfechtungs-
verfahren die Ungültigkeit nachzuweisen und die Wiederaufhebung
des Aktes zu bewirken (vgl. Bd. I § 8, II n. 3)13.
3. Mit der Kundgabe der Ernennung, oder, wo diese in der Er-
wartung künftiger Annahme geschah, mit der Annahmeerklärung wird
für den Ernannten das Amt begründet und mit ihm die entsprechende
Dienstpflicht. Der Beginn der Wirksamkeit kann der Gleichmäßig-
keit und Ordnung halber verschoben sein auf einen bestimmten
Termin, mit welchem die Amtsinhaber wechseln sollen. Aber
immer beginnt beides miteinander, Amt und Dienst-
pflicht. Die Dienstpflicht, wenn einmal begründet, ist immer sofort
auch aktive Dienstpflicht, zum Unterschied von der des Schöffen und
Geschworenen und noch mehr von der des berufsmäßigen Staats-
dieners, der mit einer allgemeinen Dienstpflicht für die entsprechenden
Ämter zur Verfügung steht14. Amt und Dienstpflicht decken sich
hier. Nur für dieses bestimmte einzelne Amt bringt der Ehrenbeamte
sein Opfer15.
4. Noch weniger wie bei den Zwangsdiensten bedeutet beim
Ehrenamte die aktive Dienstpflicht eine ununterbrochene Leistungs-
thätigkeit. Die Ruhepausen sind gerade hier besonders stark ent-
wickelt, weil einerseits die aktive Dienstpflicht nicht auf eine kurze
Spanne Zeit bemessen ist, wie beim Geschworenen und Schöffen,
andererseits nicht den ganzen Mann in Anspruch nehmen darf, wie
[213]§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
beim Soldaten und beim Berufsbeamten. Der Ehrenbeamte hat seinen
Beruf grundsätzlich neben dem Amte und bleibt dafür ausreichend
frei. Das Amt nimmt ihn nur in Anspruch während der Zeit, die er
sich dafür einrichtet (Amtsvorsteher, Bürgermeister), oder die durch
den Gang der öffentlichen Geschäfte bestimmt ist (Handelsrichter,
Bezirksratsmitglied, Bezirksausschußmitglied, Reserveoffizier). Daß er
im aktiven Dienste steht, erweist sich in diesen langen und zahl-
reichen Pausen an der Fortdauer der Dienstgewalt und Disciplin.
Die disciplinarische Forderung einer des Amtes würdigen Führung
bleibt in fortwährender Wirksamkeit stehen; und immer kann die
Pause durch neue Inanspruchnahme kraft Dienstgewalt unterbrochen
werden.
5. Eine wirkliche Endigung der Dienstpflicht erscheint ent-
sprechend der Eigenart des Ehrenamtes nur so, daß Amt und Dienst-
pflicht zugleich erlöschen; Stufen dazwischen giebt es nicht.
Der ordentliche Endigungsgrund auch des Ehrenamtes ist der
Ablauf der bestimmten Zeit. Das Ehrenamt, als besondere
Last, wird wie die Zwangsdienstpflicht grundsätzlich nur auf Zeit
übertragen; daß es nur durch Annahme verpflichtet, möglicherweise
auch ohne allen Zwang zur Annahme, macht keinen Unterschied;
auch die Opferwilligkeit soll nicht übermäßig in Anspruch genommen
werden. Der Eintritt des Endtermins kann von selbst wirken; das
wird namentlich der Fall sein, wo der Amtswechsel an bestimmte
Kalendertage geknüpft ist. Ordentlicherweise erfordert die hier einmal
begründete Dienstgewalt, um zu endigen, einen Entlassungsausspruch.
Der Eintritt des Endtermins giebt nur ein Recht, ihn zu verlangen16.
Außerdem endigt auch das Ehrenamt aus besonderen
Gründen, welche den Endigungsgründen des berufsmäßigen Staats-
dienstes wesentlich nachgebildet sind: gerichtliche Aberkennung, Ent-
lassung wegen Unfähigkeit u. s. w. (vgl. unten § 44, III n. 2)17.
[214]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Auch das Aufhören der Verpflichtbarkeit wirkt hier nur als Grund
der Entlassung; es hat nicht die Bedeutung, wie bei der Zwangs-
dienstpflicht, daß damit die Dienstpflicht von selbst endigt; denn die
Verpflichtbarkeit selbst ist hier nicht der Keim einer Dienstpflicht,
den die Behörde nur zu entwickeln hätte, sondern eine rechtliche
Möglichkeit, durch eigenen Entschluß verpflichtet zu werden, wenn
auch auf diesen je nachdem ein gewisser Druck ausgeübt werden
mag; der rechtsgeschäftliche Vorgang giebt der Dienstpflicht eine selb-
ständige Grundlage18.
[215]§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
III. In Anschluß an die Lehre vom Ehrenamte behandeln wir
hier noch einen besonderen Fall der öffentlichen Dienstpflicht, der in
seiner juristischen Eigenart nur so verständlich wird.
Es giebt öffentliche Beamte, welche ihr Amt ausüben mit civil-
rechtlicher Dienstpflicht und auf Grund eines civilrechtlichen
Dienstvertrags.
Noch mehr: dieser Vertrag besteht nicht zwischen diesen Be-
amten und dem Staate oder einer gleichartigen juristischen Person
des öffentlichen Rechts, sondern Dienstherr ist ein einfacher anderer
Unterthan, ein Grundeigentümer, ein Gewerbsunternehmer, eine
Aktiengesellschaft.
Die Hauptbeispiele sind: die Eisenbahnpolizeibeamten im Dienste
der Privateisenbahngesellschaften, das Privatforst- und -jagdschutz-
personal, die Stellvertreter von Gutsbesitzern im Amte des Guts-
vorstehers. Überall besteht hier ein Dienstvertrag, begründet in den
gewöhnlichen Formen des Civilrechts, mit den gewöhnlichen Rechten
und Pflichten eines solchen zwischen den Parteien und mit Endigungs-
arten, die dem entsprechen. Und doch sind alle diese Leute als
öffentliche Beamte anerkannt und insbesondere die strafrechtlichen
Bestimmungen wegen Widerstands gegen öffentliche Beamte und wegen
Amtsvergehens auf sie anwendbar19.
[216]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Auf den ersten Blick scheint das in offenem Widerspruch zu
stehen zu all den Anschauungen, welche die Grundlage unserer ganzen
Lehre vom öffentlichen Amte und von der dazu gehörigen öffentlichen
Dienstpflicht bilden. In Wahrheit erklärt sich die Sache einfach
daraus, daß hier mit dem civilrechtlichen Dienst- und Auftrags-
verhältnis ein öffentliches Amt und eine öffentliche Dienstpflicht sich
selbständig verbinden in Formen, welche dem öffentlichen Rechte an-
gehören und die bekannten Gestalten unserer Rechtsinstitute, wenn
auch in minder scharfer und vollständiger Weise, wiedergeben20.
1. Das öffentliche Amt wird in all diesen Fällen niemals durch
den civilrechtlichen Dienstvertrag unmittelbar begründet. Der
Vertrag mag für sich fertig und gültig abgeschlossen sein, die Parteien
können ihm ihrerseits für sich allein nie die Wirkung eines öffentlichen
Amtes geben. Das Amt kommt erst nachträglich und selbständig
hinzu durch den Akt einer staatlichen Behörde. Dieser Akt erscheint
als Bestätigung, als Annahme des Bediensteten für das öffent-
liche Amt, das er bekleiden soll. Er verbindet sich mit der Ver-
eidigung desselben für das Amt oder kann geradezu nur in der
19
[217]§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
Vereidigung zum Ausdruck kommen; die Vereidigung ist dann die
Form der Amtsübertragung21.
Die Amtsübertragung findet meist statt auf Grund eines Gesetzes;
denn die Übertragung eines solchen Amtes an einen Privatbediensteten
geschieht gerade zu dem Zweck, um diesen mit Zwangsgewalt gegen
andere Unterthanen auszurüsten, und das kann nur geschehen auf
Grund eines Gesetzes. Soll der Bedienstete bloß Geschäfte seines
Dienstherrn besorgen ohne solche Gewaltübung, so bedarf er ja dazu
keines öffentlichen Amtes.
Der Akt hat zur Voraussetzung den civilrechtlichen Dienst-
vertrag, ist bedingt durch ihn; aber er ändert ihn nicht und macht
ihn nicht gültiger und wirksamer als er von selbst ist. Es wird
häufig der Fall sein, daß der Vertrag abgeschlossen wurde unter aus-
drücklicher oder stillschweigender Bedingung, daß die Verleihung des
Amtes dazu komme. Abgesehen von solcher gegenseitiger Bedingtheit
stehen die beiden Rechtsgeschäfte in keinem Zusammenhang.
2. Der Bedienstete ist durch seinen civilrechtlichen Dienstvertrag
verpflichtet, die ihm überwiesenen Geschäfte nach Kräften zu besorgen,
auch unter Verwendung der ihm durch das Amt zustehenden Gewalt.
In allem, auch soweit diese Amtsgewalt in Betracht kommt, steht er
unter den Dienstanweisungen und dem Dienstbefehl des andern Kontra-
henten kraft der civilrechtlichen Dienstpflicht.
Allein damit ist seine Rechtsstellung noch nicht erschöpfend ge-
kennzeichnet. Der Satz: kein öffentliches Amt ohne öffentliche Dienst-
pflicht kommt auch hier zur Anwendung. Die öffentliche Dienstpflicht
bedeutet aber ein Pflichtverhältnis gegenüber dem Staat oder einem
gleichartigen Gemeinwesen. Also müssen diese Bediensteten noch in
einem zweiten Pflichtverhältnisse stehen22. Dasselbe wird nicht
[218]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
immer scharf ausgeprägt sein. Für gewöhnlich genügt das Pflicht-
verhältnis zu dem civilrechtlichen Dienstherrn, dessen Interesse in
gleicher Richtung gehen wird wie das des Staates, schon vollauf, um
den Bediensteten auch in Ausübung der amtlichen Befugnisse in der
rechten Bahn zu halten. Der Staat hat seinerseits über den Dienst-
herrn in verschiedenem Maße Gewalt, um ihn dazu zu bringen, daß
er etwaige Mißstände abstellt. Er übt aber überdies auch noch un-
mittelbar Dienstgewalt und Dienststrafrecht über den Bediensteten
selbst. Daß seine Gesetze für dessen Dienstverrichtungen maßgebend
sind, ist nichts Besonderes; das würde auch der Fall sein, wenn das
Dienstverhältnis lediglich civilrechtlich wäre. Allein der Bedienstete
steht auch, soweit es das öffentliche Amt angeht, unter Dienst-
anweisung, Generalverfügung wie Einzelbefehl der staatlichen Behörde,
so zwar, daß diese etwa widersprechenden Aufträgen des civilrecht-
lichen Dienstherrn vorgehen. Die Einhaltung sowohl der gesetzlichen
Vorschriften als ihrer Dienstanweisungen erzwingt die staatliche Be-
hörde mit Dienststrafmitteln, ähnlich den gegen sonstige Beamte ver-
wendeten, mindestens steht ihr für den äußersten Fall das Recht zu,
wegen Dienstwidrigkeiten den Beamten als solchen zu entlassen; das
will sagen: ihm die verliehene Amtsgewalt zu entziehen23. Das
civilrechtliche Dienstverhältnis zu dem anderen Dienstherrn wird da-
durch unmittelbar nicht berührt; eine solche Maßregel kann nur als
auflösende Bedingung auch hierfür wirken oder sonst als Grund zur
Aufhebung dieses Dienstverhältnisses bedeutsam werden.
3. Daraus ergiebt sich die bestimmte Art des öffentlichen Dienst-
verhältnisses, welches hier überall neben dem civilrechtlichen hergeht.
Es ist im wesentlichen gestaltet nach dem Muster des Ehrenamtes.
Der Amtsträger erhält allerdings seine Besoldung, er erhält sie anders-
22
[219]§ 43. Zwangsdienstpflicht und übertragenes Ehrenamt.
woher, aber er steht doch in förmlichem zweiseitigem Dienstvertrag.
Der gemeinen Auffassung muß es widerstreiten, hier von Ehrenamt
zu reden. Uns kommt es bloß auf die Gleichheit der Rechtsformen
an dem Staate gegenüber; und die ist gegeben.
Wie beim übernommenen Ehrenamte wird die öffentliche Dienst-
pflicht hier begründet durch einen Verwaltungsakt mit Ein-
willigung des Verpflichteten. Daß diese Einwilligung herbei-
geführt wird durch die Rücksicht auf einen mit einem Andern be-
stehenden civilrechtlichen Dienstvertrag und ausgesprochen ist im Ab-
schluß desselben, kommt für uns nicht weiter in Betracht.
Die öffentliche Dienstpflicht deckt sich auch hier vollständig
mit dem Amt und besteht von Anfang bis zu Ende nur in der Ge-
stalt der Amtspflicht. Nur mit dem Amte wird die Dienstpflicht be-
gründet, mit der Amtsentziehung endigt sie. Es giebt keine zur Ver-
fügung gestellten Beamten dieser Art, wenigstens keine mit öffent-
licher Dienstpflicht zur Verfügung stehenden. Daß sie mit civil-
rechtlicher Dienstpflicht beginnen und daß die civilrechtliche Dienst-
pflicht an sich wohl bestehen bleiben kann auch nach der Amtsent-
ziehung, fällt wieder aus unserer Betrachtung heraus.
Endlich haben diese Ämter mit dem Ehrenamte gemeinsam die
Befristung. Während der berufsmäßige Staatsdienst grundsätzlich
auf unbestimmte Zeit geht und nur infolge besonderer Willenserklä-
rungen des Staates oder des Staatsdieners am geeigneten Punkte ab-
gebrochen wird (davon unten § 44 S. 227 ff.), gehört es zur Natur des
Ehrenamtes, daß es endigt mit dem Ablauf einer bestimmten Zeit
(oben S. 213). Der Endtermin ist hier so bestimmt, daß das Amt auf-
hören soll mit Endigung des dahinterstehenden civilrechtlichen Dienst-
verhältnisses24. Dieses letztere selbst kann allerdings auf unbestimmte
Zeit gehen und durch besondere Willenserklärungen der Parteien:
Kündigung, Entlassung, Austritt abgebrochen werden. Für das öffent-
liche Amt im Verhältnis zwischen dem Staate und dem Beamten ist
dieser an das Ende des Civildienstvertrags gebundene Termin ein
äußerlich bestimmter.
[220]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
§ 44.
Fortsetzung; die Anstellung im Staatsdienst.
Die Anstellung im Staatsdienst oder im Dienste eines Selbst-
verwaltungskörpers ist die Begründung einer öffentlichen
Dienstpflicht auf Einwilligung des Betroffenen und
zum Zwecke der Übertragung eines öffentlichen Amtes1.
Diese juristischen Personen können sich Arbeitskräfte auch ver-
schaffen durch civilrechtlichen Dienstvertrag. Das ist aus-
geschlossen überall, wo es sich um die Ausübung öffentlicher Gewalt
handelt in behördlicher Thätigkeit oder obrigkeitlichem Zwang. Für
einfache Geschäftsbesorgungen steht in gewissem Maße die Wahl frei.
Die Sitte beschränkt die Anwendung des civilrechtlichen Vertrages
auf gewisse niedere Dienstleistungen2. Auch abgesehen von äußer-
lichen Förmlichkeiten, welche die Anstellung kenntlich machen, ist
danach im Einzelfalle kaum ein Zweifel darüber, welche von beiden
Arten gewollt ist.
I. Die rechtliche Natur des Aktes, durch welchen die Anstellung
im Staatsdienste sich vollzieht, unterlag im Laufe der Geschichte ver-
schiedener Auffassung. Ursprünglich, vor der Scheidung zwischen
öffentlichem und Civilrecht, war er wie ein gewöhnlicher Vertrag
gedacht im Sinne des letzteren. Die Idee des Polizeistaates, daß
von dem Unterthanen alles verlangt werden könne, was der Zweck
des Staates erheischt, führte schließlich dazu, auch hier einen ein-
seitigen obrigkeitlichen Akt anzunehmen; die Einwilligung des Be-
troffenen bedeutet nur die Anerkennung seiner ohnehin bestehenden
Unterthanenpflicht. Der Verfassungsstaat läßt, mangels einer gesetz-
lichen Grundlage, einen solchen einseitigen Eingriff in die Freiheit
nicht zu. Das Staatsdienstverhältnis kann also nur begründet werden
vermöge der Einwilligung.
Ob das ein Vertrag zu nennen ist, darüber herrscht jetzt die leb-
[221]§ 44. Anstellung im Staatsdienst.
hafteste Meinungsverschiedenheit3. Einig ist aber jedenfalls alles
darüber, daß der Akt, wie die Dienstpflicht, die er begründet, dem
öffentlichen Rechte angehöre. Damit ist der Boden gegeben, auf dem
wir zu bauen haben: wir befinden uns im Gebiete der Ungleichheit
der Rechtssubjekte.
Das Wirkende bei der Anstellung ist also der Wille des Staates,
der Verwaltungsakt, nur bedingt in seiner Gültigkeit von der
Einwilligung des Unterthanen, über den er ergeht (Bd. I S. 98).
Die Wirkung tritt ein, wie bei jedem Verwaltungsakt, mit der
Kundgabe, mit der gehörigen Eröffnung an den Ernannten. Üblich
oder gesetzlich vorgeschrieben ist die Ausfertigung einer Urkunde über
die Ernennung, die Bestallung, durch deren Zustellung die Kund-
gabe erfolgt4.
Die Ernennung soll und kann nicht wie die Berufung zum
Pflichtehrenamt einen Druck auf den Ernannten ausüben, daß er
annehme. Andererseits ist sie aber auch niemals gemeint als eine
bloße Offerte; sie will unmittelbar wirksam sein. Deshalb setzt sie
die Bedingung ihrer Gültigkeit, die Einwilligung des Ernannten, als
erfüllt voraus5. Diese bedarf keiner bestimmten Form. Sie kann
als ausdrückliche Bewerbung erschienen sein, oder aus seinem Ver-
halten stillschweigend hervorgehen; ein zahlreiches Menschenmaterial
stellt sich in dieser Weise durch Ablegung von Prüfungen oder
[222]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
sonstigen Nachweis der Qualifikation dem Staate fortwährend zur Ver-
fügung. Wo man irgend zweifelhaft ist, wird man die Sache durch
vorgängige Anfragen und Verhandlungen klar stellen. Eine Er-
nennung aufs Geratewohl mit der Frage, ob der Ernannte sie durch
seine erst noch erwartete Annahme auch rechtsgültig zu machen be-
liebe, widerspräche der Feierlichkeit des Aktes und der Würde des
Ernennenden.
Ein Irrtum ist gleichwohl möglich; die Einwilligung lag im ge-
gebenen Fall vielleicht doch nicht vor; dann kann sie nachträglich
hinzukommen, ausdrücklich oder stillschweigend. Geschieht auch das
nicht, so ist die Ernennung rechtsungültig. Aber sie fällt auf den
Widerspruch hin nicht etwa von selbst zusammen, wie eine nicht
erweislich angenommene Vertragsofferte; es wäre sonst verwunderlich,
daß man nicht dafür Sorge trüge, dieses Erfordernis, mit dem er erst
wirkt, für den wichtigen Akt gehörig nachweisbar zu machen. Viel-
mehr zeigt sich dann die öffentlichrechtliche Natur und die besondere
Kraft dieses Aktes: der obrigkeitliche Ausspruch, daß etwas sein soll,
ob Urteil oder Verwaltungsakt, bestätigt eben dadurch, daß die
Voraussetzungen für die Rechtsgültigkeit dieser Wirkung gegeben
sind. Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch hier6. Der Ernannte
kann nicht einfach ablehnen mit der Behauptung: ich habe nicht ge-
wollt; sondern er muß anfechten. Die Ungültigkeit ist nur ein
Grund der Anfechtung. So lange die Ernennung nicht zurückgenommen
oder aufgehoben ist, steht sie in Rechtswirksamkeit durch sich selbst7.
Gerade an diesem entscheidenden Punkte suchen aber auch die
hervorragendsten Vertreter des eigentlichen Staatsdienstvertrages der
Besonderheit des Anstellungsaktes gerecht zu werden. In verschie-
denen Wendungen kommen auch sie darauf hinaus, den Schwerpunkt
[223]§ 44. Anstellung im Staatsdienst.
bei dem Zustandekommen des Rechtsverhältnisses in den Willen des
dabei beteiligten höheren Rechtssubjektes zu legen und dem des
Unterthanen die gleichwertige Bedeutung zu entziehen8. Darin kommt
eben der Grundgedanke des öffentlichrechtlichen Rechtsgeschäfts zum
Ausdruck. Ob der Vertragsbegriff wohl damit bestehen kann, ist eine
andere Frage. Mit dem voll erkannten Begriff des Verwaltungsaktes
erklärt sich alles viel einfacher.
II. Das auf der Anstellung beruhende öffentlichrechtliche Dienst-
verhältnis, der berufsmäßige Staatsdienst, entwickelt sich wieder in
eigentümlicher Stufenfolge.
[224]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
1. Der Kreis der Personen, aus welchem ernannt werden kann,
wird mehr oder weniger eng begrenzt durch die für jede Art von
Amt vorgeschriebenen Anstellungsbedingungen. Diese be-
deuten nicht den Keim einer Dienstpflicht, eine Verpflichtbarkeit, wie
bei Zwangsdienst und Ehrenamt. Sie sind lediglich im öffentlichen
Interesse gegeben; ihre Außerachtlassung ist keine Verletzung der
Rechte des Ernannten.
Die Dienstpflicht kommt also zur Entstehung ohne Vorstufe, durch
Anstellung allein.
Sie bedeutet, daß der Verpflichtete nunmehr seinem Dienstherrn,
dem Staate, zur Verfügung steht, um Dienste der durch die
Anstellung bezeichneten Art von ihm zu verlangen. Der Staat macht
davon Gebrauch, indem er ihm den bestimmten Geschäftskreis an-
weist, in welchem er thätig werden soll. Ohne solche Anweisung ist
er nicht schuldig, etwas zu leisten, ist er nicht einmal befugt, Ge-
schäfte des Staates zu besorgen. Der Akt, durch welchen dies ge-
schieht, ist die Übertragung des Amtes. Mit ihm erhält die
Dienstpflicht die schärfer ausgeprägte Gestalt der Amtspflicht9.
Die Zwangsdienstpflicht erhält die entsprechende Ausprägung
durch die Thatsache des Dienstantrittes; beim Ehrenamt fallen Dienst-
pflicht und Amtspflicht zusammen. Der berufsmäßige Staatsdienst
allein bietet zwei unterscheidbare obrigkeitliche Akte, an welchen das
eine oder das andere hängt.
Es ist nicht nötig, daß sie äußerlich geschieden erscheinen; sie
können auch zu einem Akte verbunden sein: mit der Anstellung im
Staatsdienst kann sofort auch die Übertragung eines bestimmten
Amtes geschehen. Es kann aber auch zunächst die Anstellung allein
erfolgen und die Verleihung des Amtes einem besonderen Akte vor-
behalten sein.
Immer geschieht die Anstellung begriffsmäßig behuß Übertragung
einer bestimmten Art von Amt, wodurch allein die begründete Dienst-
pflicht nutzbar gemacht, durch dessen Bezeichnung sie aber auch
ihrem Inhalt nach genauer bestimmt wird. Nur zu Diensten in einem
Amte der bezeichneten Art ist der Angestellte verpflichtet.
Innerhalb dieses Rahmens bestimmt der Dienstherr das Amt frei,
ist er auch befugt, das Amt nachträglich zu wechseln, sofern nicht die
[225]§ 44. Anstellung im Staatsdienst.
Unzulässigkeit der damit verbundenen Entziehung des bisherigen
Amtes es verhindert (unten n. 2). Beförderungen, Ortswechsel, Ver-
setzungen in verwandte Ämter werden so verfügt. Die Amtsüber-
tragung ist ein einseitiger Akt, der zu seiner Gültigkeit einer Zu-
stimmung des Betroffenen nicht weiter bedarf. Diese Zustimmung
wird ersetzt durch die einmal begründete Dienstpflicht. Die Amts-
übertragung ist nur die Geltendmachung davon.
Die Übertragung eines Amtes anderer Art, das durch den Inhalt
der übernommenen Dienstpflicht nicht umfaßt ist, ist nur möglich
unter gleichzeitiger Änderung der Dienstpflicht, um sie auf diese neuen
Anforderungen zu erstrecken. Das erfordert zu seiner Gültigkeit eine
neue Einwilligung des Betroffenen, die durch die Übernahme des
neuen Amtes stillschweigend erklärt wird.
2. Das Amt ist bedingt durch die Dienstpflicht und endigt stets
mit dieser. Es kann aber auch endigen für sich allein, so daß
die Dienstpflicht fortdauert. Das macht wieder einen Unterschied vom
übertragenen Ehrenamt.
Da die Führung des Amtes die Form ist, in welcher die Dienst-
pflicht zu erfüllen ist, so kann der Dienstpflichtige sich des Amtes
nicht selbständig entschlagen. Die Endigung des Amtes bei fort-
dauernder Dienstpflicht ist nur möglich durch einen Akt des Dienst-
herrn, die Amtsentziehung. Sie entspricht der Nichtmehrver-
wendung des Dienstpflichtigen im civilrechtlichen Dienstverhältnisse.
Aber zum Unterschiede davon steht die Amtsentziehung grundsätzlich
nicht im freien Belieben des Dienstherrn. Das Amt giebt dem Be-
amten Macht über das Stück öffentlicher Verwaltung, das er führen
soll, und ist insofern geeignet, ein subjektives öffentliches Recht des-
selben zu sein. Er soll es nur führen im Namen des Staates und
als Vertreter desselben, aber gerade diese Vertreterschaft ist der
Gegenstand des Rechtes10. Durch die Übertragung des Amtes, welche
diese Macht verleiht, wird das Recht von selbst begründet und ist
dann als solches unantastbar, soweit nicht durch Gesetz oder durch
Vorbehalt bei der Amtsübertragung ein Eingriff zulässig gemacht ist.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 15
[226]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Deshalb spricht man hier von einem besonderen Rechte der Amts-
entziehung, welches der Regierung zusteht oder nicht zusteht11.
Diese Amtsentziehung erscheint unter Bezeichnungen, welche den
Hinweis enthalten auf die dahinter fortdauernde Dienstpflicht, als
Stellung zur Verfügung, Stellung zur Disposition, Versetzung in einst-
weiligen Ruhestand.
Sie findet sich in unseren geltenden Gesetzgebungen auf dreierlei
verschiedene Weise geordnet.
In gewissem Umfange sehen wir die freie Verfügung des
Dienstherrn über das Amt schlechthin aufrechterhalten. Allgemein ist
dies der Fall bei Offizieren12. Nach bayrischem Recht und dem einer
Reihe kleinerer Staaten gilt es für alle nichtrichterlichen, für alle
Verwaltungsbeamten13. Nach preußischem Recht, das vor allem auch
maßgebend geworden ist für das Reichsbeamtengesetz, ist diese freie
Amtsentziehung nur gegeben gegenüber gewissen Klassen von Ver-
waltungsbeamten, gegenüber den sog. politischen Beamten14.
Daneben giebt es ein beschränktes Amtsentziehungs-
recht, das nur aus bestimmten Gründen geübt werden kann. So
nach Reichsrecht bei allen Verwaltungsbeamten für den Fall einer
Neubildung der Behörden, welche das bisher bekleidete Amt in Weg-
fall bringt15.
Das Recht der Amtsentziehung kann endlich ganz ausge-
schlossen sein. Das ist nicht bloß da der Fall, wo das Gesetz
das ausdrücklich bestimmt, sondern überall, wo die Voraussetzungen,
an welche das Gesetz die Ermächtigung zur Entziehung eines solchen
Amtes geknüpft hat, nicht gegeben sind. Auch wo das Gesetz be-
züglich einer Art von Ämtern überhaupt nichts wegen der Amts-
[227]§ 44. Anstellung im Staatsdienst.
entziehung bestimmt hat, wäre sie nicht von selbst zulässig16. In
diesem Falle wäre nur Spielraum gegeben für einen Vorbehalt bei
der Amtsübertragung, der ein Entziehungsrecht begründete17.
Daneben findet sich eine zeitweilige Amtsentziehung
unter dem Namen vorläufige Dienstenthebung, vorläufige Amtsent-
enthebung, Suspension. Sie hat immer nur statt aus bestimmten
Gründen: sie wird entweder unmittelbar ausgesprochen als Strafe
im Disciplinarverfahren (unten § 45, II), oder tritt ein als Neben-
wirkung eines Straf- oder Disciplinarverfahrens18. Wenn die Zeit,
für welche sie ausgesprochen wurde, oder der Zustand, an welchen
sie sich knüpft, vorüber ist, so lebt das Amt von selbst wieder auf;
die „Wiedereinsetzung ins Amt“, von der hier oft gesprochen wird,
ist keine Neubegründung des Amtes, sondern nur die thatsächliche
Wiederzulassung zur Amtsthätigkeit.
Die eigentliche Amtsentziehung dagegen bedeutet die Auf hebung
der Wirkung der Amtsübertragung. Vermöge der fortdauernden Dienst-
pflicht kann immer das alte Amt oder ein in ihrem Rahmen liegendes
neues Amt übertragen werden, bindend für den Dienstpflichtigen ohne
weiteres. Das ist aber immer ein neuer selbständiger Akt von der-
selben Art wie die ursprüngliche Amtsübertragung.
3. Wie der Amtsübertragung die Amtsentziehung, so entspricht
der Anstellung im Staatsdienste die Endigung des Dienst-
verhältnisses; war mit jener die Möglichkeit des Amtes gegeben,
so erlischt es mit dieser von selbst.
15*
[228]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Wir werden, wie beim civilrechtlichen Dienstverhältnisse, ordent-
liche und außerordentliche Endigungsgründe unterscheiden.
Ordentliche Endigungsgründe können bei der Anstellung
besonders vorgesehen sein. Der Verwaltungsakt, der das Rechts-
verhältnis bestimmt und begründet, ist fähig, alle Nebenbestimmungen
aufzunehmen, die sich mit der Natur des Rechtsverhältnisses vertragen
und nicht gesetzlich ausgeschlossen sind. Die Unterwerfung des Er-
nannten, die ihn überhaupt gültig macht, ist auch hierfür die Voraus-
setzung. Es giebt demnach Anstellungen auf bestimmte Zeit19,
auf Kündigung mit bestimmter Frist, auf bedingten Wider-
ruf20, auf freien Widerruf. Derartig beschränkte Anstellungen
sind nur für gewisse Arten von Ämtern, d. h. von dazu gehörigen
Dienstpflichten, üblich, namentlich wo es sich um niedere Dienste
handelt. Sie können aber auch eine Übergangszeit bedeuten, die der
Beamte durchzumachen hat, und in diesem Sinne haben sie ein um-
fassenderes Anwendungsgebiet.
Den Gegensatz dazu bildet die als Regel anzusehende endgültige
Anstellung. Wenn das Gesetz für gewisse Ämter eine endgültige
Anstellung vorschreibt, so bedeutet das, daß der auf Zeit oder Kün-
digung Angestellte diese Ämter nicht versehen soll und die Anstellung
selbst, die in solcher Weise für ein derartiges Amt geschah, un-
gültig ist21.
Wenn der Dienstvertrag über die Endigung nichts besonderes
bestimmt, so würde für ein civilrechtliches Dienstverhältnis, natur-
gemäß und stillschweigend bedungen, beiderseits ein beschränktes
Rücktrittsrecht, d. h. ein Recht der Kündigung bestehen, um mit
angemessener Frist das Verhältnis zu lösen; Gesetz und Sitte be-
stimmen näher, welche Frist als bedungen gilt.
Im öffentlichrechtlichen Staatsdienstverhältnisse ist das anders,
und zwar sind Herr und Diener ungleich behandelt.
Dem Staate steht ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht überhaupt
nicht zu; die einfache Entlassung des Staatsdieners ist
ausgeschlossen. Das ist wenigstens für das jetzt geltende Recht
[229]§ 44. Anstellung im Staatsdienst.
das Ergebnis, wie es sich aus einer scheinbar entgegengesetzten Auf-
fassung von selbst entwickeln mußte.
Als man nämlich zu Beginn der neuen Zeit noch über die Frage:
civilrechtlicher Dienstvertrag oder hoheitsrechtliche Auferlegung der
Dienstpflicht, stritt, war man von beiden Seiten ziemlich einig, der
Regierung ein weitgehendes freies Entlassungsrecht zuzugestehen. Aber
auch der andere Grundsatz war allseitig zur Anerkennung gelangt:
daß dem ohne seine Schuld entlassenen Beamten der „Nahrungsstand“
nicht entzogen werden könne; der Anspruch auf Gehalt soll bestehen
bleiben22. Er erhielt schließlich seine feste Form als ein durch die
Anstellung begründetes subjektives öffentliches Recht, das nur aus be-
stimmten Gründen entzogen oder beschränkt werden kann23. Dem-
gegenüber hatte das Recht der freien Entlassung thatsächlich nur die
Bedeutung der Möglichkeit eines Verzichtes auf die Gegenleistung.
Das mochte einen Zweck haben, wo die Dienstentlassung dazu dienen
sollte, eine Amtsentziehung vorzunehmen, und vor allem da, wo diese
Gegenleistung wegen Dienstunbrauchbarkeit ohnedies keinen Wert mehr
hatte24.
Mit der weiteren Ausbildung des deutschen Beamtenrechts gestaltet
sich aber beides wieder zu festen Rechtsinstituten: Dienstentlassung
wegen Unbrauchbarkeit erhält ihre Bedingungen und Formen, Ent-
ziehung des Amtes wird in gewissem Maße zulässig ohne Endigung
der Dienstpflicht, und wo sie es nicht ist, kann sie nicht auf dem
Umwege der freien Dienstentlassung bewirkt werden. Danach hat
die freie Entlassung in der gegenwärtigen Ordnung der Dinge keinen
Platz. Es bliebe für sie nur noch übrig der Fall des reinen Ver-
zichtes: man könnte damit den dienstfähigen Mann, dem das Amt
schon entzogen ist, überdies noch von der Dienstpflicht, d. h. von der
Pflicht, sich neu zu einem Amte verwenden zu lassen, befreien und
was er an Gehalt zu fordern hat, so fortzahlen. Das hat keinen Sinn
mehr25.
[230]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Dagegen ist der Staatsdiener seinerseits jederzeit befugt, das
Diens tverhältnis durch seinen Rücktritt zur Endigung zu bringen.
Die Gesetze, welche diesen Punkt ausdrücklich behandeln, erkennen
das übereinstimmend an mit der selbstverständlichen Folge, daß damit
auch alle Ansprüche auf fernere staatliche Leistungen erlöschen.
Dieses Rücktrittsrecht besteht aber nach Theorie und Praxis auch
da, wo das Gesetz nichts davon sagt. Das erklärt sich nur so, daß es
als stillschweigender Inhalt des Anstellungsaktes gilt. Dieser ist es,
der, soweit das Gesetz nichts verfügt, das Rechtsverhältnis bestimmt.
So gut er Befristungen oder Kündigungsklauseln beifügen kann, kann
er auch dem Dienstpflichtigen die rechtliche Möglichkeit geben, sich
jederzeit zu befreien; dann ist die Dienstpflicht nur mit dieser Maß-
gabe begründet. Das könnte durch eine ausdrückliche Klausel ge-
schehen. Es kann ebensowohl stillschweigend geschehen. Es kommt
nur darauf an, ob aus den Umständen geschlossen werden kann, daß
dieses der Wille des Aktes ist. An Umständen, die einen derartigen
Schluß gestatten, fehlt es hier sicherlich nicht. Dafür spricht schon
das Vorbild des civilrechtlichen, auf unbestimmte Zeit geschlossenen
Dienstv ertrages, und mehr noch die Thatsache, daß solches für andere
deutsche Staatsdienste kraft gesetzlicher Ordnung Brauch ist. Wenn
nichts gesagt ist, ist anzunehmen, daß man nicht davon abweichen
wollte26.
Ob ausdrücklich im Gesetze vorgesehen, ob stillschweigend im
25
[231]§ 44. Anstellung im Staatsdienst.
Anstellungsakte begründet, immer bedeutet das Rücktrittsrecht des
Beamten nur, daß er einen Anspruch hat, auf sein Entlassungsgesuch
von der Behörde entlassen zu werden. Im öffentlichrechtlichen Rechts-
verhältnisse ist immer der Wille der öffentlichen Gewalt der über-
wiegende; sie ist es, die in der Anstellung seinen Anfang setzt, sie
allein setzt ihm auch das Ende. Der Wille des Unterthanen ist nur
die Voraussetzung der Gültigkeit des Aktes, oder Voraussetzung der
rechtlichen Gebundenheit, mit welcher er zur Entstehung gebracht
wird. So endigt hier das Dienstverhältnis nicht durch die Rücktritts-
erklärung des Beamten, sondern durch den Entlassungsakt. Dieser
muß ergehen, sobald die Entlassung nachgesucht ist. Verweigerung
ist Unrecht, läßt aber das Dienstverhältnis rechtlich wirksam bestehen,
bis durch Aufhebung dieses rechtswidrigen Aktes und Gewährung der
Entlassung das Unrecht wieder gut gemacht ist.
Der Entlassungsakt ist aber nicht schlechthin gebunden. Die
Gesetzgebung ermächtigt zum Teil ausdrücklich die Behörde, die Ent-
lassung vorläufig zu verweigern, wenn das Interesse des Dienstes das
Verbleiben des Beamten erheischt. Darin ist nicht etwa eine be-
sondere Strenge der Dienstpflicht zu sehen. Es ist nichts anderes als
die Übersetzung des civilrechtlichen Verbotes der Kündigung zur Un-
zeit ins Öffentlichrechtliche. Ob intempestive gekündigt ist oder nicht,
darüber entscheidet wieder der stärkere Wille im Rechtsverhältnis
einseitig. Daher wird die einstweilige Verweigerung der Entlassung
auch da für zulässig und wirksam erachtet werden müssen, wo das
Gesetz sie nicht besonders vorsieht27. —
Außerordentliche Endigungsgründe ergeben sich da-
neben aus gewissen Störungen, welche das Dienstverhältnis er-
leidet. Sie sind sämtlich Seitenstücke der Auflösung des civilrecht-
lichen Dienstvertrages wegen Unmöglichkeit der Erfüllung. Der Staat
ist immer erfüllungsfähig; die Unmöglichkeit kann nur entstehen auf
seiten des Beamten. Sie ist entweder Unwürdigkeit oder Un-
fähigkeit.
Erstere kommt zur Geltung in Form der Dienstentlassung
im Disciplinarverfahren (unten § 45 S. 243) oder als Folge
gerichtlicher Verurteilung im Strafprozesse, vom Gesetze
[232]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
von selbst daran geknüpft oder durch das Gericht besonders aus-
zusprechen28.
Die Dienstunfähigkeit endigt das Dienstverhältnis durch einen
darauf gegründeten Ausspruch der Behörde, die Verabschiedung,
Pensionierung, Quiescierung, Emeritierung, Zur-Ruhe-Setzung. Sie
geschieht in geordnetem Verfahren von Amtswegen oder auf Antrag
des Beamten, der unter dieser Voraussetzung einen Rechtsanspruch
hat, daß die Entlassung nicht schlechthin, sondern mit der besonderen
Begründung erteilt werde, weil sie alsdann verbunden ist mit der
Fortdauer eines Teiles seines Gehaltsanspruchs, mit dem Anspruch
auf Ruhegehalt (unten § 46, I n. 1)29.
III. Neben dem Staatsdienstverhältnis steht wie neben dem Ehren-
amt eine verwandte Erscheinung, minder bedeutsam und mit ab-
geschwächten Rechtsformen. Es ist das Verhältnis derjenigen Leute,
welche dazu bestimmt sind, künftighin in den Staatsdienst zu treten
und einstweilen praktisch dazu vorbereitet werden sollen, der
Referendarien, Supernumerare, Lehrlinge des Forst-
und Jagdwesens.
Zu diesem Zwecke treten sie in den Dienst des Staates, werden
bei einer Behörde beschäftigt und finden in dem Geschäftskreise der-
selben mancherlei Verwendung. Dabei bekommen sie meist dasselbe
zu thun, was neben ihnen Beamte dieses Dienstzweiges kraft ihrer
Amtspflicht verrichten. Ihre Thätigkeit ist aber dem Hauptzwecke
nach ihrer eigenen Ausbildung, nicht der Besorgung von Geschäften
des Staates gewidmet; sie erfüllen die öffentlichrechtliche Dienst-
pflicht, die ihnen obliegt, an sich selbst, vor allem in der Gewöhnung
daran, eine solche Dienstpflicht zu haben. Sie gleichen in dieser Be-
ziehung den kraft gesetzlicher Heerdienstpflicht einberufenen Soldaten,
die ja auch zu mancherlei Geschäften verwendet werden um ihrer
Ausbildung willen. Sie sind Beamte so wenig wie diese30.
[233]§ 44. Anstellung im Staatsdienst.
Die Begründung des Dienstverhältnisses geschieht durch Er-
nennung. Die Ernennung setzt voraus die Erfüllung gewisser Be-
dingungen betreffs der Vorbildung; sodann die Einwilligung des zu
Verpflichtenden, welche in Gestalt eines Gesuchs erscheinen wird.
Die Ernennung bekundet durch sich selbst das Vorhandensein dieser
Voraussetzungen ihrer Gültigkeit. Sie ist juristisch ganz so gestaltet
wie der sogenannte Staatsdienstvertrag; wenn die Sprache folgerichtig
wäre, müßte man hier von einem Staatslehrlingsvertrage reden.
Der zweite Akt, die Übertragung eines Amtes, fehlt. Mit der
Ernennung wird die Pflicht begründet, sich entsprechend verwenden
zu lassen, und die Verwendung geschieht durch Überweisung an
eine bestimmte Behörde zur Beschäftigung. Ernennung und Über-
weisung kann sich verbinden. Wenn die beschäftigende Behörde selbst
zur Ernennung berechtigt ist, erscheint beides zusammen als die
Annahme des Supernumerars, Lehrlings u. s. w. Die Überweisung
vertritt die Zuteilung zu einem bestimmten Truppenteil beim Heer-
dienst. Mit dem thatsächlichen Dienstantritt beginnt die aktive
Dienstpflicht: Vereidigung, Dienstgewalt des Vorgesetzten, Gehorsams-
pflicht, Disciplin.
Da ein Amt nicht besteht, giebt es auch keine Amtsentziehung
in ihren verschiedenen Gestaltungen. Die einzelnen Geschäfte werden
von dem Vorgesetzten formlos übertragen und wieder abgenommen.
Die Endigung dieser Dienstpflicht ist von selbst enthalten in
der Anstellung. Außerdem erfolgt sie durch einfache Entlassung.
Der Pflichtige hat jederzeit das Recht, diese zu verlangen; wenn das
Interesse des Dienstes es erfordert, kann sie auch hier verzögert werden.
Bei der Frage, ob die Entlassung auch gegen seinen Willen er-
teilt werden kann, wird die besondere Art des Dienstverhältnisses
wieder in Betracht kommen. Rücksichten eines Rechts aufs Amt oder
eines unentziehbaren Gehaltsanspruchs bestehen hier nicht. Aber das
ganze Dienstverhältnis selbst ist begründet zum Zwecke der Aus-
bildung wesentlich im Interesse des Dienstpflichtigen selbst, nicht des
Staates. Der Staat kann deshalb nicht ohne weiteres darauf ver-
zichten; eine einfache Entlassung vor Erreichung dieses Zieles stünde
in Widerspruch mit dem, was die Ernennung gewähren wollte.
Es ist also nur eine Entlassung aus besonderen Gründen möglich:
wegen Unwürdigkeit oder Unfähigkeit. Das erstere wird hier nach
30
[234]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
denselben Gesichtspunkten zu behandeln sein, wie beim wirklichen
Staatsdiener, nur ist das Verfahren hier formloser, patriarchalischer.
Die Unfähigkeit dagegen kann nur in entsprechender Umgestaltung
als Entlassungsgrund wirken; denn sie ist ja bei Begründung des Ver-
hältnisses vorausgesetzt und soll durch dieses mit seiner erziehlichen
Kraft erst gehoben werden. An ihre Stelle tritt deshalb der Mangel
an den zu fordernden Fortschritten, der das ganze Unternehmen als
zwecklos erscheinen läßt31.
§ 45.
Fortsetzung; die Dienstgewalt.
Die öffentliche Dienstpflicht, wie sie auch entstanden sein mag,
begründet eine besondere rechtliche Macht, die namens des Staates
oder des Selbstverwaltungskörpers über den Dienstpflichtigen geübt
wird, um ihn in der richtigen Erfüllung seiner Pflichten zu halten und
zu leiten. Diese Macht ist die Dienstgewalt. Die amtliche Stelle,
welche dem einzelnen Dienstpflichtigen gegenüber berufen ist, diese
Macht zu üben, ist seine Dienstbehörde, sein Dienstvor-
gesetzter.
Die Dienstgewalt entfaltet sich dabei in zweierlei Formen: in
Dienstbefehl und in Dienststrafgewalt oder Disciplin.
I. Der Dienstbefehl.
Der Inhalt der Dienstpflicht ist teils rechtssatzmäßig gegeben,
teils durch den Verwaltungsakt, der sie begründete, im allgemeinen
bestimmt.
Die Folgerungen daraus richtig zu ziehen für das, was nun im
einzelnen zu thun ist, ist selbst ein Stück der Dienstpflicht. Diese
Folgerungen können aber auch gezogen werden durch Anweisungen,
die der Dienstherr erteilen läßt.
Die öffentliche Dienstpflicht ist ein Gewaltverhältnis (Bd. I
S. 101 ff.)1; die Anweisung ist die darauf gegründete bindende Be-
[235]§ 45. Die Dienstgewalt.
stimmung des Verhaltens des Untergebenen; sie hat die Natur des
Befehls (Bd. I S. 271); Dienstbefehl heißt sie nach der Art
des Gewaltverhältnisses, auf das sie sich gründet. Sie kann als
Einzelbefehl gegeben werden für den bestimmten Fall, aber auch als
allgemeine Regel: Dienstvorschrift, Instruktion, Armeebefehl. Letzteren-
falls ist sie kein Rechtssatz. Die für solche bestehenden formellen
Veröffentlichungsregeln gelten nicht für sie; sie wird dienstlich
bekannt gemacht, d. h. in einer Weise, die genügt, damit der
Dienstpflichtige, wenn er seine Schuldigkeit thut, sich Kenntnis davon
verschaffen kann2. Sie hat auch nicht den Vorrang des Rechtssatzes
gegenüber dem Einzelakte: der Einzeldienstbefehl, der den Fall un-
mittelbarer und bestimmter erfaßt, geht der allgemeinen Dienstvor-
schrift vor3.
Die Wirkung des Dienstbefehls ist die Pflicht zum dienstlichen
Gehorsam. Die Nichtbefolgung des Befehls ist Verletzung der
Dienstpflicht, kraft deren er erlassen ist, und hat die darauf gesetzten
Nachteile zur Folge4.
[236]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Der Dienstvorgesetzte seinerseits kann auch auf Grund des Ge-
waltverhältnisses nicht schlechthin befehlen, was er will. Sein Befehls-
recht hat gewisse Grenzen, innerhalb deren allein es rechtswirksam
ist. Ob sie eingehalten sind, darüber steht dem Dienstpflichtigen ein
Prüfungsrecht zu. Sie sind zugleich die Grenzen des dienst-
lichen Gehorsams5.
Die Frage ist, wie sie zu ziehen sind.
1. Damit die dienstliche Gehorsamspflicht entstehe, ist notwendig,
daß der Befehl, der vorliegt, überhaupt in Gestalt eines Dienstbefehls
für diesen Pflichtigen auftrete6. Dazu gehört:
daß er ausgehe von seinem Dienstvorgesetzten; dar-
über kann ein Bedenken nicht entstehen. Und sodann:
daß er dem Inhalt nach das dienstliche Verhalten be-
treffe, d. h. etwas vorschreibe, was denkbarerweise noch in der
Dienstpflicht begriffen ist7.
In letzterer Beziehung sind ausgeschlossen Dienstleistungen, welche
der Art der obliegenden Geschäfte ganz fern stehen, oder die nur im
persönlichen Interesse des Befehlenden verlangt sind. Andererseits
ist auch das Privatleben des Dienstpflichtigen kein möglicher Gegen-
stand: sein Verhalten darin ist dienstlich nicht gleichgültig, aber es
[237]§ 45. Die Dienstgewalt.
kann nicht durch Dienstbefehl näher bestimmt werden. Vor allem
hat die dienstliche Gehorsamspflicht ihre Grenze am Strafgesetze:
eine Handlung, durch welche der Dienstpflichtige sich strafbar machte,
kann nie in seiner Dienstpflicht liegen, also ist ein Dienstbefehl in
dieser Richtung unmöglich8.
Alles, was nicht in solcher Weise aus dem Rahmen der Dienst-
pflicht überhaupt herausfällt, kann dem Dienstpflichtigen rechtsver-
bindlich befohlen werden. Es genügt, daß der Dienstvorgesetzte mit
seinen Befehlen ihm gegenüber noch innerhalb jener allgemeinen Zu-
ständigkeit sich befinde; dann ist für die Frage der Angemessenheit
und Zulässigkeit des Befehls seine Willensmeinung allein maßgebend
und muß es vernünftigerweise sein9.
2. Das Prüfungsrecht des Untergebenen gegenüber dem Dienst-
befehl soll sich aber noch auf mehr erstrecken. Dieses Maß richtig
abzugrenzen, ist die Schwierigkeit.
Mit dem Aufkommen des neuen Staatsrechts hat sich erklärlicher-
weise zunächst überall eine gewisse Sucht zur Überbietung seiner
Grundsätze entwickelt. So entstand der Satz, daß jeder Beamte für
die Gesetzmäßigkeit auch der von ihm ausgeführten Anordnungen
seiner Vorgesetzten verantwortlich, folglich befugt, ja verpflichtet ist,
diese nachzuprüfen und den Gehorsam zu verweigern, wenn er findet,
daß es damit nicht in Ordnung sei. Auf diese Weise glaubt man
eine neue Garantie für die unbedingte Herrschaft des Gesetzes ge-
funden zu haben: jeder Beamte ist ja nun zum Hüter desselben be-
stellt seinem Vorgesetzten gegenüber10.
[238]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Thatsächlich hat sich das nie so durchführen lassen; es wäre
auch die verkehrte Welt und eine völlige Verkennung der Kraft des
Dienstbefehls: in diesem soll doch gerade dem Untergebenen maß-
gebend erklärt werden, was er rechtmäßig und gesetzmäßig kraft
seiner Dienstpflicht zu thun hat; darauf muß er bauen können, da-
nach muß er sich aber auch richten, sonst hat die Dienstbefehlsgewalt
keinen Wert11.
In naturgemäßem Rückschlage gegen diese Übertreibungen will
die jetzt herrschende Meinung dem Untergebenen ein Prüfungsrecht
nur gestatten bezüglich der Frage der allgemeinen Zuständigkeit.
Darin wären die bereits oben n. 1 aufgestellten Voraussetzungen des
Vorhandenseins eines wirksamen Dienstbefehls begriffen. Es ist aber
noch etwas weiteres damit gemeint, was darüber hinausgeht. Der
Untergebene soll nicht bloß die Zuständigkeit seines Vorgesetzten
prüfen ihm selbst gegenüber, die Zuständigkeit zum Dienstbefehl,
sondern es ist vor allem gemeint die Zuständigkeit nach außen,
den anderen Unterthanen gegenüber, auf welche der Vorgesetzte durch
das Mittel des Untergebenen einwirken will12. Es ist also die alte
Lehre, wenn auch sehr abgeschwächt: der Untergebene ist auch hier-
nach zum Hüter der Rechtsordnung gegenüber seinem Vorgesetzten
berufen, indem er bei Verletzung derselben den Gehorsam verweigern
10
[239]§ 45. Die Dienstgewalt.
soll; nur wacht er, statt über die Gesetzmäßigkeit der Amtshandlung
des Vorgesetzten schlechthin, lediglich über diesen einen besonders
hervorgehobenen Punkt. Diese Ansicht unterliegt aber immer noch
den gleichen Bedenken, wie jene erste weitergehende: wenn einmal
ein Dienstbefehl vorliegt, so muß seine Rechtsauffassung bezüglich der
auszuführenden Maßregel für den Untergebenen auch in dieser Frage
der allgemeinen Zuständigkeit maßgebend sein. Überdies ist der
Untergebene ja meist thatsächlich gar nicht in der Lage, den Akt,
zu dessen Durchführung er herangezogen wird, zu würdigen. Das
Prüfungsrecht, das ihm daran eingeräumt sein soll, würde praktisch
kaum von Bedeutung werden.
Um was es sich hier handelt, was wirklich als eine weitere
Schranke des dienstlichen Gehorsams in Betracht kommt, das hängt
allerdings mit einer Frage der besonderen Zuständigkeit zusammen,
aber mit einer besonderen Zuständigkeit zur Bestimmung
der Dienstpflicht des Untergebenen.
Der Dienstbefehl, selbst wenn die Voraussetzungen unter n. 1
gegeben sind, ist unwirksam und der Gehorsam kann ihm verweigert
werden, wenn er zusammenstößt mit einem stärkeren Dienst-
befehl. Der Dienstpflichtige kann mehrere Dienstvorgesetzte haben,
die ihrerseits in der Stufenfolge der Behördenordnung stehen: wenn
ihm der obere Dienstvorgesetzte befiehlt, so ist er von dem Gehorsam
gegenüber dem widersprechenden Befehle des unteren entbunden. Er
kann auch mehreren Verwaltungszweigen, vertreten durch verschiedene
Behörden, zu dienen haben; seine Sache ist es nicht, zu scheiden,
was jeder zukommt, und etwa den Gehorsam zu verweigern, weil er
in dem Befohlenen einen Übergriff in den Geschäftskreis der anderen
Behörde zu sehen glaubt; aber wenn beide befehlen, so hat er nur
der zu gehorchen, deren Geschäftskreis die Sache zunächst angeht.
Der Konflikt der Dienstbehörden nötigt ihn zur Prüfung und giebt
ihm das Recht dazu. Der Dienstbefehl der schwächeren Behörde, der
an sich als solcher wirken würde, wird hier wieder durch das stärkere
Recht der anderen verdrängt.
Ein solches stärkeres Recht, den Inhalt der Dienstpflicht im ein-
zelnen zu bestimmen, kann nun aber auch dem Dienstpflichtigen selbst
gegeben sein. Das ist nur bei gewissen Arten von Ämtern der Fall,
und auch bei ihnen immer nur bezüglich bestimmter Arten von amt-
lichen Verrichtungen. Die gute Ordnung des Dienstes wird hier gerade
darin gesucht, daß der Untergebene selbständig und auf eigne Ver-
antwortlichkeit bestimme, was er zu thun hat. Er ist sich so zu
[240]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
sagen selbst Dienstbehörde. So weit das der Fall ist, sprechen wir
von amtlicher Selbständigkeit.
Das einleuchtendste Beispiel bieten die richterlichen Be-
amten. Auch sie stehen unter der Dienstgewalt und können Dienst-
befehle erteilt bekommen. Aber bezüglich der eigentlichen recht-
sprechenden Thätigkeit sollen sie selbständig finden, was ihre Pflicht
ist. Der Dienstbefehl eines Vorgesetzten, der hierfür erginge, wird
als eine unzulässige Einmischung bezeichnet. Er stößt sich an
jenes stärkere Recht und begründet deshalb keine Gehorsamspflicht13.
Diese Einrichtung besteht nicht bloß für Civil- und Strafgerichte,
sie ist unbedenklich auch anzuerkennen bei den Verwaltungs-
gerichten, ob das Gesetz es ausdrücklich bestimmt oder nicht.
Amtliche Selbständigkeit im gleichen Sinne findet sich auch für
eigentliche Verwaltungsämter besonders angeordnet14, oder
sie ergiebt sich von selbst aus der Natur der berufsmäßigen Thätig-
keit, z. B. aus dem Amtsauftrag zur Lehre der Wissenschaft. Nament-
lich ist das Ehrenamt, wie es z. B. in den sog. Beschlußbehörden
zur Verwendung kommt, im wesentlichen Kern seiner Thätigkeit
ebenso selbständig gestellt, wie das des Berufsrichters. In umfassender
Weise trifft dies ferner zu bei den Ämtern der Selbstverwal-
tungskörper, Berufs- und Ehrenämtern. Bei den Voll-
streckungsbeamten besteht die amtliche Selbständigkeit wenig-
stens bezüglich der Einhaltung der Formvorschriften, an welche das
Gesetz ihre Verrichtungen gebunden hat: der Gerichtsvollzieher, und
wo er ihm gleich gestellt ist, der Exekutor darf zur Pfändung nur
vorgehen auf Grund eines vollstreckbaren Titels in gehöriger Form,
den er in Händen haben muß, und kein Dienstbefehl kann ihm den
ersetzen. Ebenso ist die Verhaftung von der Ausfertigung des Haft-
befehls, die Aufnahme in eine Gefangenenanstalt von der Aushändi-
gung der nötigen Papiere und Nachweise abhängig gemacht, so daß
der Vollzugsbeamte selbständig zu prüfen hat, ob er handeln darf
und soll.
In dieser Weise stellt sich allerdings eine Art Hemmungsvorrich-
tung her, die auch einen politischen Wert haben mag. Aber die
[241]§ 45. Die Dienstgewalt.
Form ist nicht die einer Nachprüfung der Amtshandlung des Vor-
gesetzten durch den Untergebenen auf ihre Gesetzmäßigkeit oder all-
gemeine Zuständigkeit nach außen, sondern das Selbstbestimmungs-
recht des Untergebenen bezüglich der Pflichtmäßigkeit der eigenen
Amtshandlung, das ihm durch keinen Dienstbefehl beeinträchtigt
werden kann.
Für diese Selbstbestimmung bleibt der Dienstpflichtige verantwort-
lich. Wenn er den Dienstbefehl nicht beachtet hat, obwohl dieser das
Richtige von ihm verlangte, so kann das in Betracht kommen, inso-
fern er dadurch gemahnt und gewarnt war. Nur ist er nicht schon
dadurch im Fehler, daß er nicht gehorchte. Der Dienstbefehl ist
hier nicht imstande, der Dienstpflicht die schärfere Gestalt der Ge-
horsamspflicht zu geben. Das ist alles.
II. Die Dienststrafgewalt.
Auf die Erfüllung der öffentlichen Dienstpflicht, wie sie von Haus
aus besteht oder durch Dienstbefehl genauer bestimmt ist, hat der
Dienstherr keine Klage. Dafür greift hier in großem Umfang die
Verhängung von Strafen Platz, die obrigkeitliche Zufügung eines
Übels wegen Nichterfüllung der Dienstpflicht.
Diese Strafen gehören teils den Rechtsformen des gemeinen
Strafrechts an. Von dem gewöhnlichen Vergehen unterscheiden
sich die Vergehen im Dienste oder im Amte nur durch den
sachlichen Zusammenhang mit der Dienstpflicht des Thäters.
Daneben wird die Strafe verwandt als ein Zwangsmittel der
Dienstgewalt zur Herbeiführung des dienstpflichtmäßig geschuldeten
Verhaltens. Hierfür giebt die polizeirechtliche Ungehorsams-
strafe das Vorbild15.
Dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis eigen ist die dritte Art
von Strafen, die Disciplinarstrafe. Sie ist so recht heraus-
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 16
[242]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
gewachsen aus seiner Natur und seinen besonderen Zwecken. Sie
erscheint auch sonst noch, wo in einem Gewaltverhältnisse ähnliche
Voraussetzungen gegeben sind; aber hier hat sie ihre maßgebende
Ausprägung erhalten. Das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis enthält
die Forderung einer besonderen Hingabe und Treue. Jede Verfehlung
stellt deshalb nicht bloß in sich selbst eine Unordnung dar, die be-
seitigt werden muß, soweit noch etwas davon übrig geblieben ist.
Viel wichtiger ist dieser einzelne Thatbestand durch den Schluß, den
er machen läßt auf das Vorhandensein einer Gesinnung, die jener
Forderung nicht entspricht. Es geht nicht an, ein derartiges Element
im öffentlichen Dienste mit fortzuschleppen. Deshalb wird gegen den
Fehlenden vorgegangen mit Strafen. Diese Strafen sind poenae medi-
cinales. Sie haben ihre ganze Rechtfertigung in dem Erfolge, der da-
durch erzielt werden soll, in der für den Dienst zu erzielen-
den Besserung. Diese Besserung kann an dem Fehlenden selbst
erstrebt werden. Ist sie da nicht möglich, so bleibt als letztes Mittel
nur übrig die Entfernung des schadhaften Gliedes aus dem Dienst,
so daß wenigstens dieser, der die Hauptsache ist, gereinigt und ge-
bessert wird: quod medicamenta non sanant, ferrum sanat15a.
[243]§ 45. Die Dienstgewalt.
1. Als Disciplinarstrafmittel sind schon anzusehen die
formlosen Mißbilligungen und Zurechtweisungen, die jeder Vorgesetzte
naturgemäß berechtigt ist, seinen Untergebenen zukommen zu lassen.
Doch begreift man unter dem Namen Disciplinarstrafen vorzugsweise
nur solche, die in geordneter Stufenfolge, in mehr oder weniger aus-
gebildetem Verfahren verhängt und beurkundet werden zu dauernder
Kennzeichnung des Betroffenen.
Diese förmlichen Disciplinarstrafen werden entsprechend
den zwei Arten, wie die Disciplin ihren Zweck zu erreichen sucht,
eingeteilt in Zuchtdisciplin und reinigende, oder korrek-
tive und epurative Disciplin.
Zur Zuchtdisciplin gehören Warnung, Verweis, Geldbuße
und Arrest. Die reinigende Disciplin äußert sich in der Entfernung
aus dem Dienste, der Strafentlassung. Zwischen beiden stehen
Strafversetzungen und Suspensionen; sie stellen einerseits
Zuchtmittel vor für den Betroffenen und dienen andererseits auch der
Reinigung des Dienstes in gewissem Maße, insofern das Verbleiben
desselben im Dienst gerade nur am gegebenen Ort oder nur für die
nächste Zeit bedenklich erscheint.
Diese Strafmittel sind nicht überall gleichmäßig gegeben. Die
Auswahl der zulässigen bestimmt sich nach der Art der Dienstpflicht.
Der Unterschied von höheren und niederen Beamten wird dabei be-
deutsam. Bei ersteren kann unter Umständen schon ein geringes
Anfassen schwer empfunden werden. So pflegt das Disciplinarstraf-
mittel des Arrestes nur für niedere Beamte zugelassen zu sein; für
Richter wird aber vielleicht schon die Geldstrafe als bloßes Zucht-
mittel für zu plump gehalten.
Am schärfsten ist naturgemäß die militärische Disciplin aus-
gebildet; das Heer kann dienstwidrige Gesinnung am allerwenigsten
vertragen. Bei der gesetzlichen Heerdienstpflicht kommt hinzu, daß
es sich hier um eine möglichst rasch ausbildende Schule auch der Ge-
sinnung handelt und die reinigende Disciplin ausgeschlossen ist: die
Strafentlassung als Maßregel der Dienstgewalt widerspräche der
15a
16*
[244]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Zwangsdienstpflicht16. Es muß also alles mit desto stärkerer Zucht-
disciplin durchgesetzt werden können.
Nach der Schwere, mit der sie treffen, teilt man diese förmlichen
Disciplinarstrafen wieder ein in bloße Ordnungsstrafen und
eigentliche Disciplinarstrafen. Daran knüpfen sich Ver-
schiedenheiten des Verfahrens.
2. Die Disciplinarstrafe setzt eine Verfehlung voraus. Aber
sie wird nicht verwirkt durch diese, wie die Polizei- und Finanz-
strafe. Die Thatsache der vorgefallenen Verfehlung giebt nur der
Behörde dem Fehlenden gegenüber dieses Machtmittel in die Hand,
um die notwendig erscheinende Verbesserung des Dienstes durchzu-
setzen17. Ob es zu gebrauchen ist und in welcher Gestalt, ist Sache
der Erwägung des dienstlichen Interesses. Die Disciplinar-
strafgewalt trägt nicht jene Binde der Gerechtigkeit vor den Augen,
um nur durch eine enge Öffnung den Ausschnitt aus der Wirklichkeit
zu sehen, der den Thatbestand der Verfehlung bildet. Sie berück-
sichtigt die bisherigen Verdienste und die Hoffnungen für die Zukunft,
welche der Fehlende darbietet, die Schädigung, welche das dienst-
liche Ansehen durch die Bestrafung erleiden, den schlechten Eindruck,
welchen die Nichtbestrafung auf das übrige Beamtentum machen würde,
und was sonst noch die Staatsklugheit beachtenswert findet. Das ist
ihre Eigenart und ihr Recht.
Im Verfahren zur Verhängung der Disciplinarstrafe findet
möglicherweise eine Trennung nach diesen verschiedenen Gesichts-
punkten statt. Für schwerere Verfehlungen und die Verhängung ent-
sprechend höherer Strafen werden neben den ordentlichen Dienst-
vorgesetzten eigne Disciplinarstrafbehörden gebildet, oder es kommen
als solche Civil- und Verwaltungsgerichte zur Verwendung. Diesen
liegt dann die förmliche Untersuchung des Falles ob, die Feststellung
der Schuld und der dafür angemessenen Strafe, alles wesentlich nur
unter dem Gesichtspunkte der Gerechtigkeit und der gleichmäßigen
Anwendung gegebener Grundsätze. Die weiteren Ausblicke und Rück-
sichtnahmen, welche der Disciplinarstrafe eigen sind, werden zur
Geltung gebracht durch den eigentlichen Inhaber der Dienstgewalt,
der in verschiedener Weise dabei mitwirkt.
[245]§ 45. Die Dienstgewalt.
Das Zusammenwirken kann so geordnet sein, daß zunächst das be-
sondere Disciplinargericht einen Ausspruch abgiebt, der oberste In-
haber der Dienstgewalt aber auf Grund desselben endgültig verfügt,
was geschehen soll, und dabei auch alle allgemeineren Gesichtspunkte
des dienstlichen Interesses frei berücksichtigt. So bei den Ehren-
gerichten der Offiziere.
Bei Civilbeamten bildet umgekehrt der Ausspruch des Disciplinar-
gerichts den Schluß. Aber es wird seinerseits nur in Bewegung ge-
setzt durch einen Antrag der Dienstbehörde. Das Verfahren gewinnt
dadurch Ähnlichkeit mit der gemeinen Strafrechtspflege; aber während
bei dieser der Staatsanwalt verpflichtet ist zu verfolgen, wo immer
eine Verurteilung erzielt werden kann, entschließt sich die Dienst-
behörde nur dann dazu, wenn sie es im Interesse des Dienstes für
gut hält18.
3. Die Disciplinarstrafe kann ausgeschlossen werden in ver-
schiedener Weise.
Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn wegen des gleichen
Thatbestandes der Verfehlung schon eine gemeinrechtliche
Strafe verhängt worden ist. Der Satz ne bis in idem gilt zwischen
diesen beiden Strafarten nicht. Die Disciplin hat ihren eignen Zweck,
der vom ordentlichen Strafrichter Verurteilte muß für diesen ebenso
noch einmal aufkommen, wie für Ersatz des etwa angerichteten Ver-
mögensschadens19. Doch werden die Feststellungen des gemeinen
Strafurteils für beide, Schadensersatzklage und Disciplinarverfahren,
[246]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
immer eine große thatsächliche Bedeutung haben. Das Gesetz schreibt
deshalb für diese vor, daß immer zuerst der Ausgang des Straf-
verfahrens abzuwarten sei, oder daß das Strafurteil maßgebend ist,
wenn es auf Freisprechung lautet. Da wird dann gegebenen Falls
wegen Verneinung des Thatbestandes einer Verfehlung das Disciplinar-
verfahren ausgeschlossen sein. —
Dagegen ist die Disciplinarstrafe von selbst ausgeschlossen durch
die Endigung der Dienstpflicht: wenn der Schuldige aus dem
Dienstverhältnisse ausgeschieden ist, ist am Dienste nichts mehr zu
bessern durch ein Vorgehen gegen ihn; die Disciplinarstrafe hat ihren
Zweck verloren und damit auch ihre Berechtigung20. Dieser Grund
wirkt nicht, soweit trotz dieser Endigung der Dienstpflicht für das
Disciplinarverfahren noch ein selbständiger Zweck übrig bleibt. Es
kann sich nur um einen Nebenzweck handeln, um Erstattung der im
Verfahren bisher schon erwachsenen Kosten, oder um Entziehung der
dem Schuldigen sonst verbleibenden Ansprüche auf Titel, Rang und
Ruhegehalt21. Der Grund wirkt auch nicht gegenüber den vor Auflösung
des Dienstverhältnisses bereits erkannten Disciplinarstrafen22. Diese
können dadurch nur je nach dem gegenstandslos oder unvollstreckbar
geworden sein: gegenstandslos, soweit eben die Endigung des Dienst-
[247]§ 45. Die Dienstgewalt.
verhältnisses sich mit ihrem Inhalt deckt oder darüber hinausgeht
(z. B. bei einer bloßen Suspension); unvollstreckbar, soweit es sich
um Strafen handelt, die bloß dadurch wirksam werden, daß sie von
einem Vorgesetzten an den Untergebenen dienstlich vollzogen werden,
wie Warnungen und Verweise.
Endlich wird die Disciplinarstrafe ausgeschlossen durch das Er-
löschen der Dienststrafgewalt, welche durch die Verfehlung
zum Einschreiten berufen worden war. Das kann zusammentreffen
mit dem vorigen Fall, muß es aber nicht. Das Erlöschen der Dienst-
strafgewalt kann so geschehen, daß der Schuldige überhaupt in keiner
öffentlichen Dienstpflicht mehr steht23, oder so, daß er den Dienst-
herrn wechselt, aus dem Dienste eines Selbstverwaltungskörpers in
Staatsdienst übertritt und umgekehrt24, oder so, daß er unter Bei-
behaltung des Dienstherrn nur in eine andere Dienstesart tritt, für
welche eine andere Dienststrafgewalt geordnet ist: diese ist dann
überhaupt nicht berufen, wegen der alten Verfehlung vorzugehen, und
die bisherige Dienststrafgewalt ist nicht mehr dazu berufen25. Dieser
[248]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Endigungsgrund wirkt dann nicht, wenn zur Zeit, da er eintritt, das
Disciplinarverfahren bereits eingeleitet war. Möglicherweise ist
der Dienstbehörde für diesen Fall die Macht gegeben, zu verhindern,
daß er überhaupt eintritt, indem sie die etwa nachgesuchte Ent-
lassung bis zur Erledigung des Disciplinarverfahrens verweigert; von
selbst versteht sich das nicht, denn es handelt sich dabei nicht um
die oben § 44 S. 244 erwähnte Zurückhaltung im Interesse des
Dienstes. Wo aber das Dienstverhältnis nach eingeleitetem Verfahren
in irgend einer Weise zur Erledigung kommt, gilt hier die Regel des
Prozeßrechts, daß mit der Rechtshängigkeit die Zuständigkeit un-
verrückbar begründet wird, ein nachträgliches Wegfallen der Gründe,
auf welchen sie beruht, sie nicht mehr beeinträchtigt. Die Dienst-
strafgewalt, welcher dieser Mann hinfort für alle neu zu beginnenden
Maßregeln nicht mehr unterworfen ist, bleibt doch in Kraft, um das
Angefangene zu vollenden. Dabei wird sie allerdings in dem Umfang,
in welchem sie noch wirken kann, durch die Einwirkung anderer
Endigungsgründe beschränkt sein, die sich mit dem vorausgesetzten
Thatbestande verbinden: das Disciplinarurteil kann dadurch gegen-
standslos geworden sein oder unvollziehbar, wie wir das oben aus-
geführt haben26.
§ 46.
Fortsetzung; vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienst-
verhältnisse.
Mit dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisse verbinden sich
Ansprüche auf Geld und Geldeswert, vermögensrechtliche Ansprüche.
Sie gehen zum Teil aus diesem Verhältnisse selbst hervor, sind Be-
standteile desselben und als solche selbst öffentlichrechtlicher Natur.
Zum Teil knüpfen sie sich nur äußerlich an die Thatsachen, die es
25
[249]§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
bietet, kraft selbständiger öffentlichrechtlicher oder civilrechtlicher
Rechtsinstitute. Die Ausscheidung dieser verschiedenen Elemente ist
hier zu machen1.
I. Die vermögensrechtlichen Ansprüche des Dienstpflich-
tigen stehen im Vordergrund als Gegengewicht des Vorwiegens der
Ansprüche des Staates in der Dienstpflicht selbst. Ihrem inneren
Rechtsgrunde nach unterscheiden wir die Besoldung und die Dienst-
entschädigung.
1. Die Besoldung (Gehalt) hat ihre ordentliche Stelle beim
berufsmäßigen Staatsdienste, wie er durch die Anstellung begründet
wird. Sie hat sachlich ganz dieselbe Bedeutung wie der Dienstlohn
im civilrechtlichen Dienstvertrag: sie giebt dem Dienstverhältnisse die
Seite, wonach der Diener darin seinen Beruf, also auch die wirtschaft-
lichen Bedingungen seiner Existenz finden kann, und liefert einen —
regelmäßig den wichtigsten — Beweggrund für die auch hier er-
forderliche Einwilligung des zu Verpflichtenden. Die Besoldung ist
demnach eine Gegenleistung in Geldwert für die durch
die Anstellung begründete Dienstpflicht, die nach der
Dauer derselben vom Dienstherrn geschuldet und in
regelmäßigen Zeitabschnitten fällig wird2.
Der Anspruch auf die Besoldung wird begründet durch einen
Verwaltungsakt, der sie bewilligt. Dieser Akt verbindet sich mit dem
Anstellungsakt, in einer Urkunde vereinigt oder äußerlich getrennt.
[250]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Er kann den Betrag der Bewilligung im Einzelfalle frei festsetzen;
dies findet z. B. häufig statt bei der Anstellung von Universitäts-
professoren. Er kann auch inhaltlich gebunden sein durch allgemeine
Regeln, welche für die einzelnen Arten von Ämtern bestimmte Ge-
haltssätze aufstellen. Solche Regeln giebt das Budgetgesetz in den
Gehaltsetats; die Verwaltung kann sie auch besonders zusammenfassen
zum Zwecke einer dauernden Gültigkeit, als Gehaltsregulative.
Beiderlei Festsetzungen haben zunächst nur die Bedeutung eines
Planes zur Verwendung der jeweils im Budget für Besoldungen zur
Verfügung stehenden Summen. Wirksam werden sie nur nach Maß-
gabe des Verwaltungsaktes, der Anwendung davon macht. Wenn
nichts weiter gesagt ist, enthält die Anstellung selbst stillschweigend
die Bewilligung des nach Etat oder Gehaltsregulativ für ein derartiges
Amt bestimmten Satzes. Wenn Gesetz oder Verordnung die Gehalts-
sätze für gewisse Arten von Ämtern rechtssatzmäßig bestimmen3, so
wird der Anspruch darauf durch die Anstellung zu einem solchen
Amte mit rechtlicher Notwendigkeit begründet; eine abweichende Be-
stimmung, selbst mit Einwilligung des Angestellten, wäre ungültig.
Die bewilligte Besoldung bedeutet für den Dienstpflichtigen ein
subjektives öffentliches Recht auf Zahlung.
Als Rechtsschutz dient allgemeinen Grundsätzen entsprechend
(Bd. I § 16, II) regelmäßig die Klage vor den Civilgerichten. Die
erworbenen Gehaltsforderungen unterliegen der freien Verfügung des
Berechtigten, wobei wieder die Grundsätze des Civilrechts maßgebend
werden (Bd. I § 11, IV n. 2). —
Während des Dienstverhältnisses kann der Besoldungsanspruch
nachträglich eine Erhöhung erfahren, sei es in Verbindung mit der
Beförderung in ein anderes Amt, sei es durch einfache Bewilligung
einer Zulage oder Aufbesserung. Dies wird durch allgemeine Regeln
geordnet in der gleichen Weise, wie die Bestimmung des Anfangs-
gehaltes4. Der Verwaltungsakt, der die Bewilligung enthält, wirkt
[251]§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
von selbst ohne Annahmeerklärung; es wird kein Vertrag abgeschlossen
und keiner abgeändert. Eine gänzliche oder teilmäßige Entziehung
des Gehaltsanspruches wird dagegen nur zulässig durch Einwilligung
des Betroffenen, es sei denn, daß ein besonderer Rechtsgrund für den
Dienstherrn gegeben ist, um sie einseitig vorzunehmen.
Die Einwilligung kann insbesondere liegen in der Annahme
eines geringer dotierten Amtes. Bei verbleibendem Amte ist sie
wirkungslos, wenn die Besoldung rechtssatzmäßig festgelegt ist.
Vereinbarte Gehaltsabzüge kommen hauptsächlich zur Anwendung be-
hufs Ansammlung einer zu stellenden Kaution, Bildung einer Pensions-
kasse5, gemeinsamer Beschaffung von Dienstkleidern, auch zur Be-
zahlung eines Stellvertreters, wo dies zur Bedingung einer Urlaubs-
erteilung gemacht ist. Der Abzug wird durch die Dienstbehörde
verfügt auf Grund der Einwilligung.
Auch ohne Einwilligung kann die Gehaltsentziehung geschehen,
einseitig, aus besonderem Grunde. Das richtet sich aber hier
nach wesentlich anderen Regeln, als das civilrechtliche Dienstverhältnis
sie aufweist. Dort steht alles unter dem Gesichtspunkte der exceptio
non adimpleti contractus: der Lohn kann verweigert werden, sofern
aus einem in der Person des Pflichtigen liegenden Grunde die Pflicht
4
[252]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
zur Dienstbereitschaft unerfüllt bleibt. Das gilt nicht einfach ebenso
beim öffentlichen Dienstverhältnisse6.
Einerseits knüpft sich eine entsprechende Gehaltsentziehung nicht
von selbst an die thatsächliche Nichterfüllung der Pflicht. Vielmehr
gehört dazu eine formelle Ordnungswidrigkeit: die Verletzung
der Residenzpflicht, d. h. das Fernbleiben vom Amtssitze ohne Urlaub
oder, was gleichsteht, ungehöriges Fernbleiben von den Diensträumlich-
keiten7. Durch Erteilung eines Urlaubs wird solches Verhalten ge-
deckt; doch kann gerade damit sich die Auferlegung einer ent-
sprechenden Gehaltsentziehung verbinden: nimmt der Beamte diesen
Urlaub an, so wird die Entziehung zulässig durch seine Einwilligung,
nimmt er ihn nicht an und bleibt so weg, so wird sie verwirkt durch
die Ordnungswidrigkeit8.
Andererseits entsteht eine Gehaltsentziehung, auch ohne die
Grundlage eines Mangels an Dienstbereitschaft, in Folge von
Amtsentziehungen, welche der Dienstherr berechtigt ist über
den Dienstpflichtigen zu verhängen (oben § 44 S. 225 ff.). Dahin gehört
vor allem die Stellung zur Verfügung, welche den Gehalt auf
einen Bruchteil, das Wartegeld, vermindert, sodann die Suspension
mit gleicher Folge oder mit zeitweiligem Wegfall jedes Gehalts-
anspruchs und die Strafversetzung, sofern das neue Amt mit
geringerer Besoldung ausgestattet ist. —
Mit dem Dienstverhältnis endigt auch der Anspruch auf ferneren
[253]§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
Bezug der Besoldung. Die Art, wie jenes geendigt wird, macht aber
einen Unterschied. Schlechthin fällt jeder Anspruch nur weg, wenn
die Endigung geschieht durch freiwilligen Dienstaustritt (Entlassung
auf Gesuch) oder wegen Unwürdigkeit (gerichtliche Aberkennung,
Strafentlassung). Nicht so, wenn die Endigung stattfand wegen ein-
getretener Unfähigkeit (Verabschiedung) oder durch den Tod des
Dienstpflichtigen. Hier pflegt der Besoldungsbezug dem Verabschiedeten
oder den Hinterbliebenen noch für eine gewisse Nachfrist belassen zu
werden, für den laufenden Monat und einen Monat oder ein Viertel-
jahr darauf, das Gnadenquartal. Der Name ist insofern nicht mehr
passend, als das jetzt überall als ein Rechtsanspruch aus dem Dienst-
verhältnis geordnet ist.
Vor allem aber knüpft sich an diese Art der Endigung des Dienst-
verhältnisses und damit des Besoldungsanspruchs die Entstehung eines
neuen Anspruchs, des Rechts auf Bezug von Pension, Ruhegehalt,
Reliktengehalt. Die Pension ist eine in regelmäßigen Zeit-
abschnitten verfallende Geldleistung des Staates, die sich nach der
Höhe der letzten Besoldung bestimmt. Der Anspruch darauf wird
begründet durch eine Bewilligung. Die Bewilligung kann bei Endi-
gung des Dienstverhältnisses geschehen durch die zuständige Behörde
nach freiem Ermessen der Billigkeit. Regelmäßig ist sie schon im
voraus bei Begründung oder während der Dauer des Dienstverhält-
nisses gemacht, in gleicher Weise wie die Gehaltsbewilligung und wie
diese geregelt durch Etat und Pensionsregulative oder durch unab-
weichliche Rechtssätze. Die einmal im voraus gemachte Bewilligung
ist nicht widerruflich. Von nachträglichen Änderungen der Etatssätze
oder Regulative wird sie nicht berührt. Im Wege der Gesetzgebung
kann natürlich alles neu geordnet werden; doch pflegt auch das Gesetz
bei solchen Neuerungen erworbene Rechte auf künftige Pension zu
berücksichtigen9. Die also geschehene Bewilligung ist bedingt da-
durch, daß das Dienstverhältnis in der vorausgesetzten Weise geendigt
wird, durch Verabschiedung wegen Dienstunfähigkeit oder Tod. Mit
dem Eintritt dieser Bedingung wird das Recht wirksam für den Ver-
[254]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
abschiedeten selbst oder für die Hinterbliebenen. Zu Gunsten dieser
Dritten ist es unmittelbar begründet worden und hängt deshalb nicht
ab von Annahme der Erbschaft oder Gütergemeinschaft10. Immer
wird bei der vorauserteilten Bewilligung nach Eintritt der Bedingung
noch eine förmliche Feststellung des gebührenden Ruhe- oder Relikten-
gehaltes erfolgen; das ist aber dann kein Akt des freien Ermessens,
keine Verfügung, sondern eine gebundene Entscheidung. — Der durch
die erfüllte Bedingung oder durch nachträgliche Bewilligung wirksam
gewordene Anspruch auf Ruhegehalt ist als Gegenleistung anzusehen
für die bereits erledigte Dienstpflicht, deshalb auch unabhängig von
dem ferneren Verhalten des Berechtigten, insbesondere nicht entziehbar
wegen Unwürdigkeit, weder durch Disciplinarmaßregel, noch durch
gerichtliche Aberkennung als Straffolge11.
2. Im civilrechtlichen Dienstverhältnisse hat der Pflichtige An-
spruch nicht bloß auf seinen Lohn, sondern auch auf Ersatz für alle
Vermögensnachteile, welche ihm aus der pflichtmäßigen Ausführung
des Dienstes erwachsen. In gleicher Weise stellt sich im öffentlich-
rechtlichen Dienstverhältnisse neben die Besoldung die Dienst-
entschädigung. Wir verstehen darunter Geldleistungen, welche
dem Dienstpflichtigen staatlicherseits gewährt werden zur Ausgleichung
eines mit der Erfüllung der Dienstpflicht verbundenen besonderen Auf-
wandes. Hier ist dreierlei zu unterscheiden.
Grundsätzlich sind Vorkehrungen getroffen, welche jeden eigenen
Aufwand des Pflichtigen bei Erfüllung seines Dienstes ersparen und
überflüssig machen sollen. Er kommt im Zusammenhang eines
bestimmten staatlichen Unternehmens zur Verwendung, tritt in den
Betrieb einer staatlichen Anstalt, einer staatlichen Behörde ein und
[255]§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
findet darin alle sachlichen Mittel, deren seine Dienstleistung bedarf.
Der Staat liefert ihm Amtsräumlichkeiten, Schreibstubenbedürfnisse,
Werkzeuge, Waffen, Fuhrwerke. Manches kommt dabei geradezu seiner
Person zu Gute: er wird im Interesse des Dienstes beherbergt, erhält
Beleuchtung und Heizung während der Dienststunden, ein Amtskleid
wird ihm gestellt. Das tritt am deutlichsten hervor beim Heerdienst:
die große Anstalt nimmt hier den einzelnen Dienstpflichtigen voll-
ständig in ihre Pflege und sorgt für alle seine Bedürfnisse: Nahrung,
Kleidung, Obdach, stattet ihn überdies für Nebenbedürfnisse mit einem
kleinen Taschengeld aus; mehr ist die sogenannte Löhnung nicht.
Die rechtliche Natur dieser Dinge ist aber durchweg die gleiche: es
sind Vorteile aus der staatlichen Anstalt, welche die Leistung des
Dienstes ermöglichen und erleichtern sollen. Aber es besteht darauf
kein Rechtsanspruch des Dienstpflichtigen. Das eigne Interesse des
Staates an der guten Ordnung seines Unternehmens sichert sie ihm
hinlänglich, aber auch ausschließlich12. —
Dienstentschädigung findet demnach nur statt, wo diese Vor-
kehrungen nicht ausreichen, um dem Pflichtigen jeden besonderen
Aufwand abzunehmen. Den vorgesetzten Dienstbehörden stehen zum
Teil Mittel zur Verfügung, um Schadloshaltungen zu gewähren, wo es
die Billigkeit erfordert; das ist aber dann Gnadensache, nicht Rechts-
befriedigung13. Einen Rechtsanspruch auf solchen Ersatz giebt das
öffentliche Dienstverhältnis nur für bestimmte einzelne Dinge, wofür
er vorgesehen und besonders begründet ist. In diesem Sinne gewährt
der berufsmäßige Staatsdienst Wohnungsgeldzuschüsse14, Repräsen-
[256]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
tationsgelder, Pauschsummen für Bureaubedürfnisse, Reisekosten und
Tagegelder, Umzugskosten15. Das Ehrenamt giebt Amtsunkosten-
entschädigungen, Aversen für Schreibhülfe; auch der Sold und die
Equipierungsgelder des zur Dienstleistung eingezogenen Reserve-
offiziers haben diese rechtliche Natur16.
Der Anspruch ist entweder rechtssatzmäßig begründet durch
Gesetz oder Verordnung, oder er beruht auf Verwaltungsakt, der seiner-
seits durch allgemein aufgestellte Grundsätze, Regulative, geordnet zu
sein pflegt; was diese bestimmen, gilt von selbst als stillschweigend
zugesichert mit dem Akte, der zu dem entsprechenden Dienstaufwande
Anlaß giebt, mit der Ernennung, Versetzung, Einberufung. Der Ent-
schädigungsanspruch knüpft sich dann mit festen Sätzen an die That-
sachen, die dafür anerkannt sind, daß sie solchen Aufwand veranlassen
können, gleichviel, ob und in welchem Maße er in Wirklichkeit ge-
macht wurde. —
Darüber hinaus bestehen Ersatzansprüche aus dem Dienstverhält-
nisse nicht17. Damit ist nicht gesagt, daß sonst überhaupt keiner
möglich wäre. Die Rechtssätze, die für jeden Anderen einen solchen
begründen würden, unabhängig vom Dienstverhältnisse, kommen auch
dem Dienstpflichtigen zu Gute, soweit nicht etwa gerade das Dienst-
verhältnis ihre Wirksamkeit erschwert oder ausschließt.
So kann der Dienstpflichtige in Berufs- oder Ehrenamt und selbst
in Zwangsdienstpflicht im Laufe seiner Dienstverrichtung dazu kommen,
daß er für das Gemeinwesen, dem er dient, eine notwendige An-
schaffung macht, eine dringende Ausgabe bestreitet. Ein Ersatz-
anspruch kann ihm dafür begründet werden nach den Regeln der
negotiorum gestio, der in rem versio, der Bereiche-
rungsklagen18. Er ist ganz civilrechtlicher Natur. Wenn das
14
[257]§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
Civilrecht ihn ausschließt, falls der Aufwand gegen den Willen des
dominus negotii gemacht wurde, kommt das Dienstverhältnis insoweit
in Betracht, als zu prüfen ist, ob nicht der Dienstpflichtige danach
sich der Einmischung in die von ihm besorgte Sache hätte enthalten
sollen.
Ebenso kann der Dienstpflichtige wegen der Schädigungen, welche
ihm bei Ausführung seines Dienstes widerfahren, möglicherweise die
civilrechtliche Haftung des Staates, der Gemeinde ex delicto
in Anspruch nehmen (Bd. I § 17 S. 241) oder auch, was nicht damit
zu verwechseln ist, die öffentlichrechtliche Entschädigung, wie sie
jedem Dritten geschuldet wäre (unten § 53). Das Dienstverhältnis
giebt auch hier wieder nicht die Grundlage; es kann im Gegenteil
dem Anspruch im Wege stehen, insofern etwa der Geschädigte da-
durch gerade berufen war, mit eigner Fürsorge den schädigenden
Vorfall zu verhüten19.
II. Vermögensrechtliche Ansprüche des Dienstherrn erscheinen
neben dem Anspruch auf die Erfüllung der Dienstpflicht, der seiner-
seits nicht vermögensrechtlicher Natur ist, in nebensächlicher Weise.
Das civilrechtliche Dienstverhältnis giebt hierfür zweierlei Vorbilder.
1. Dem Dienstpflichtigen können in Gemäßheit des Dienstverhält-
nisses Vermögenswerte anvertraut worden sein; daran knüpft
sich für ihn die Pflicht zur Rechnungslegung und zur Ablieferung.
Beide erhalten im öffentlichen Dienstverhältnisse ihre eigentümlich
ausgeprägte Gestalt.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 17
[258]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Die Rechnungsführung wird hier zum Gegenstand besonderer
Amtsaufträge20. Über alle in Bewegung befindlichen öffentlichen Kassen
und sonstigen Vorräte von wechselnden Beständen werden Rechnungs-
führer gesetzt. Ihnen sind diese Bestände unmittelbar unterstellt, der
Art, daß ohne ihre Mitwirkung keine Bewegung daran stattfinden
kann, kein Zu- und kein Abgang. Der Rechner darf aber solche Ver-
fügungen nur vollziehen unter Wahrung gewisser Formen, durch welche
sie nach Art, Grund und Umfang beurkundet werden. Über die Er-
füllung dieser Pflicht weist er sich aus durch eine Zusammenstellung
aller dieser Vorgänge nebst Belegen, durch die Rechnungslegung.
Zur Überwachung dient ein eigner Behördenapparat, mit geordnetem
Verfahren, die Rechnungskontrolle. Die Centralbehörde dafür,
Oberrechnungskammer, Rechnungshof, ist die oberste Dienstbehörde
aller Rechnungsführer. Diese sind gehalten, in regelmäßigen Zeit-
abschnitten ihre Rechnungsablegung einzuliefern. Dafür werden ihnen
durch Dienstbefehl Termine gesetzt; dann wird ihnen aufgegeben, Er-
gänzungen beizubringen, weitere Auskunft zu erteilen, Änderungen
vorzunehmen. Als Zwangsmittel steht dahinter die Ungehorsamsstrafe,
welche von der die Rechnung abnehmenden Behörde angedroht und
verhängt wird21. —
Die Ablieferungspflicht ist viel umfassender. Sie liegt
jedem Dienstpflichtigen ob, der aus Anlaß des Dienstes Sachen in
Hände bekommen hat. Die Dienstpflicht bestimmt den Zeitpunkt der
Herausgabe, Einzahlung, Räumung, Vorweisung. Bei Endigung des
Amtes oder des Dienstes überhaupt findet eine umfassende Ablieferung
an Amtsnachfolger oder Dienstbehörde statt, als letzter Akt dieser
Dienstpflicht. Als Zwangsmittel dient die Ungehorsamsstrafe, vor
allem aber die Gewaltanwendung: die Dienstbehörde klagt nicht auf
Ablieferung ihrer Kasse, ihrer Akten und Bücher, auf Räumung der
Amtszimmer oder Zurücklassung militärischer Ausrüstungsgegenstände,
sondern sie befiehlt die Herausgabe und vollstreckt den Befehl durch
das naturgegebene Vollstreckungsmittel der gewaltsamen Wegnahme,
nötigenfalls mit Hülfe der Vollstreckungsbeamten der Polizei (vgl.
Bd. I § 23, III). —
Beide Pflichten endigen mit der Dienstpflicht, von der sie Stücke
sind. Wenn nachträglich mit dem ausgeschiedenen Beamten oder
seinen Hinterbliebenen noch Rechnungsaufstellungen gepflogen werden,
[259]§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
so geschieht das nur als Verhandlung über eine sie etwa treffende
Ersatzpflicht (unten n. 2). Sind abzuliefernde Sachen noch zurück-
behalten worden, so besteht ein civilrechtlicher Anspruch auf Heraus-
gabe. Daß, im Falle eine Störung des Betriebs der öffentlichen Ver-
waltung sich mit der Vorenthaltung verbindet, unmittelbarer Polizei-
zwang eingreifen kann (Bd. I S. 351), ist eine Sache für sich.
2. Im civilrechtlichen Dienstverhältnisse steht hinter jeder Ver-
fehlung gegen die Dienstpflicht, aus welcher dem Dienstherrn Schade
erwächst, der Anspruch auf Schadensersatz. Die Verbindlichkeit
dazu ist eine vertragsmäßige, sie ist nichts anderes als die um-
gewandelte Diensterfüllungspflicht.
Bei dem öffentlichen Dienstverhältnisse findet das nicht statt. Es
handelt sich dabei um einen viel allgemeineren Grundsatz: öffentlich-
rechtliche Leistungspflichten verwandeln sich im Falle
der Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung über-
haupt nicht in Schadensersatzpflichten. Diese Umwand-
lung ist eine Regel, die dem Obligationenrecht des Civilrechts eigen
ist; wir sind aber nicht befugt, solche Regeln ohne weiteres auf
äußerlich verwandte öffentlichrechtliche Beziehungen zu übertragen.
Damit ist nicht gesagt, daß der öffentliche Diener seinem Herrn
für den Schaden, den er ihm rechtswidrig zufügt, Schadensersatz über-
haupt nicht zu leisten habe. Nur dienstrechtlich schuldet er ihn nicht,
aus dem Dienstverhältnisse entspringt keine Schadensersatzpflicht.
Aber er schuldet ihn seinem Dienstherrn in derselben Weise, wie
jedem Anderen, welchen er in dem von ihm zu verrichtenden Dienste
rechtswidrig geschädigt hat. Im geltenden Rechte kommt dies zum
Ausdruck dadurch, daß es anerkennt: die vermögensrechtliche Haf-
tung des öffentlichen Dieners für rechtswidrige Schädigung sei ihrer
rechtlichen Grundlage nach die gleiche gegenüber dem Staate, wie
gegenüber einem Dritten. Damit ist eine besondere öffentlichrecht-
liche Haftung aus dem Dienstverhältnisse verneint. Die Schadens-
ersatzpflicht kann nur die civilrechtliche ex delicto oder quasi ex
delicto sein; denn nur eine solche ist auch dem Dritten gegenüber
möglich22.
Für diese außerkontraktliche Schadensersatzpflicht ist das Dienst-
verhältnis nicht gleichgültig. Sie setzt ein Verschulden, eine Rechts-
widrigkeit voraus, und ob diese vorhanden ist, wird allerdings ge-
messen werden müssen an der Dienstpflicht. Verschuldet, rechts-
17*
[260]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
widrig ist der Schade, der dem Dienstherrn zugefügt wird, jedesmal,
wo es geschieht unter Verletzung der Dienstpflicht. Allein dadurch
wird das Dienstverhältnis nicht selbst die Grundlage der Schadens-
ersatzpflicht23. Der Maßstab für die Bemessung des Verschuldens
wird von der civilrechtlichen Schadensersatzpflicht ex delicto auch
sonst wohl anderen Verhältnissen entnommen, in welchen der Schädiger
steht, aus öffentlichen Pflichtverhältnissen zumal; besondere Berufs-
pflichten und namentlich polizeiliche Pflichten geben Beispiele24. Noch
mehr: gerade die öffentliche Dienstpflicht liefert den Maßstab zur Be-
messung des Verschuldens für einen Schadensersatzanspruch, dessen
civilrechtliche und außerkontraktliche Grundlage außer Zweifel ist.
Wie wir in der Lehre von der Haftung aus rechtswidrigen Amts-
handlungen (Bd. I § 17, I n. 2) dargethan haben, ist der Beamte
auch dem verletzten Privaten gegenüber verantwortlich für den Schaden,
den er durch Nichterfüllung oder schlechte Erfüllung seiner Dienst-
pflicht diesem verursacht. Erst dadurch wird ja der Satz erst mög-
lich, daß die Haftung des Beamten gegenüber dem Dritten die näm-
liche ist, wie gegenüber seinem Dienstherrn. Denn daß diesem
gegenüber die versäumte Dienstpflicht nicht außer Ansatz bleiben kann,
ist selbstverständlich25.
Wenn somit der Ersatzanspruch des Dienstherrn im Rechte des
öffentlichen Dienstverhältnisses nicht begriffen ist, so ist es doch für
dieses nicht gleichgültig, daß er möglicherweise dahinter steht. Mit
Rücksicht auf ihn enthält das öffentliche Dienstverhältnis selbst schon
gewisse Vorkehrungen und Einrichtungen, welche bestimmt sind, ihn
wahrzunehmen und zu sichern.
Dazu dienen einmal die Finanzkontrollen der Dienst-
führung. Bei der oben (II n. 1) erwähnten Rechnungskontrolle ist
die Spitze sofort auf einen möglichen Ersatzanspruch des Rechnungs-
[261]§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
führers gerichtet. Noch mehr tritt das hervor in der damit ver-
bundenen Verwaltungskontrolle: die Belege der Rechnungen dienen
dazu, auch die Verfügungen anderer Beamten nachzuprüfen, soweit sie
Anlaß gegeben haben zu Ausgaben und Einnahmen. Die Feststellung
von bestimmten Verantwortlichkeiten, womit die eine wie die andere
Art von Kontrolle etwa abschließt, ist keine bindende für die Be-
troffenen. Wohl aber giebt sie die sachliche Grundlage für die Geltend-
machung von Ersatzansprüchen des Staates und kann für die dazu
berufenen Behörden bindend sein, die Geltendmachung zu unter-
nehmen26.
Eine besondere Form der Geltendmachung von Ersatzansprüchen
stellt sich alsdann dar im Defektenverfahren. Defekt ist ein
rechnungsmäßig nicht gedeckter Ausfall an einem Vermögensbestand,
bezüglich dessen eine öffentlichrechtliche Pflicht zur Rechnungsführung
bestand27. Dafür haftet der Rechnungsführer, durch dessen Ver-
schulden der Ausfall zustande gekommen ist. Die Behörde, welche
die Rechnungen prüft und den Defekt feststellt, ist zugleich befugt,
die etwa sich ergebende Haftung auszusprechen. Der Defektenbeschluß
ist bindend und vollstreckbar, aber mit Vorbehalt des Rechtswegs,
der [binnen] einer Ausschlußfrist beschritten werden kann. Das
Gericht nimmt dann eine volle Nachprüfung des Defektenbeschlusses
vor und entscheidet wie eine zweite Instanz über die Frage der
Schadensersatzpflicht28. Insofern der Defektenbeschluß nur eine er-
leichternde Form der Geltendmachung derselben ist, ist er nicht be-
[262]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
dingt durch die Fortdauer der Dienstpflicht29. Er ist auch nicht die
notwendige Form der Geltendmachung; der Weg der einfachen
Schadensersatzklage steht daneben frei30.
Endlich verbindet sich mit gewissen Ämtern, welche ihrer Dienst-
verrichtung nach besonders geeignet sind, Ersatzansprüche des Staates
zu erzeugen, namentlich also mit Kassen- und Materialverwaltungen,
die Vorschrift der Kautionsstellung. Die „kautionspflichtigen“
Ämter sind durch Gesetz, Verordnung, Regulativ bezeichnet; es ist
nicht ausgeschlossen, daß auch im Einzelfall eine Kautionsstellung
besonders bedungen wird.
Die Führung der bezeichneten Ämter soll nur geschehen dürfen
unter gestellter Kaution. Die Anstellung sowohl als die Verleihung
des Amtes kann also erfolgen ohne sie; aber der Einführung in das
Amt, dem Amtsantritt, muß die Kautionsstellung vorausgehen. Wenn
das Amt thatsächlich geführt wird ohne Kautionsstellung, so sind die-
jenigen Beamten, welche die Einhaltung dieser Vorschrift zu über-
wachen hatten, dafür verantwortlich.
Wenn die Kautionsstellung zur Zeit, da das Amt angetreten
werden sollte, nicht erfolgt ist, so fällt die Ernennung nicht von selbst
dahin; es kann noch zugewartet werden; es kann auch die Bildung
der Kaution aus Gehaltsabzügen gestattet werden. Aber es besteht
für den Ernannten, wenn der Kautionspunkt nicht erledigt wird, kein
Recht auf das unter dieser Voraussetzung begründete Verhältnis. Die
Begründung gilt als erfolgt unter dem stillschweigenden Vorbehalt
der freien Hand, für den Fall die Amtsführung nicht in der er-
warteten Weise zulässig gemacht wird. Darin besteht die Rechts-
bedeutung der Kautionsstellung für das Dienstverhältnis selbst: die
Verleihung des Amtes kann widerrufen werden, und wenn die An-
stellung überhaupt erst erfolgt ist behufs Eintritts in das kautions-
pflichtige Amt, so kann auch sie widerrufen werden, das Dienst-
verhältnis endigt dann überhaupt31.
[263]§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
Die Bestellung der Kaution geschieht in den civilrechtlichen Formen
der Verpfändung; auch die Geltendmachung der Rechte des Dienst-
herrn an der bestellten Kaution richtet sich nach den Regeln, welche
das Civilrecht für den Pfandgläubiger giebt, und umgekehrt wird nach
Erledigung der Kautionspflicht die Rückforderung des Pfandes verlangt
mit der civilgerichtlichen Klage aus dem Pfandvertrag32.
§ 47.
Öffentliche Lasten; gemeine Lasten.
Das öffentliche Recht weist eine große Mannigfaltigkeit von
Leistungspflichten auf, welche in Art und Umfang und Form bestimmt
sind durch den Zusammenhang mit einem öffentlichen Unter-
nehmen: zu diesem gehören sie, und zu seinem Zustandekommen
und Gelingen sollen sie dienen. Das öffentliche Unternehmen ist ein
abgegrenztes Stück der öffentlichen Verwaltung (oben § 33, II n. 1).
Dem Rechtssubjekt dieser Verwaltung ist die Leistung zu machen.
Öffentliche Last ist die dem Unterthanen obliegende Pflicht, für
das Bedürfnis eines öffentlichen Unternehmens dem Unternehmer mit
einer Leistung aufzukommen.
Der Unterschied von polizeilichen Pflichten ist damit von
vornherein gegeben: während dort alles hinausläuft auf ein bloßes
Nicht-Stören (Bd. I S. 270), soll hier etwas geleistet, eine Nützlich-
keit gewährt werden. Der Gegenstand dieser Leistung kann von der
verschiedensten Art sein. Die Last stimmt darin bald mit dieser,
bald mit jener Art von sonstigen Formen der öffentlichrechtlichen
Inanspruchnahme des Unterthanen überein. Immer ist aber auf der
31
[264]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
einen oder anderen Seite noch irgend eine besondere rechtliche Be-
stimmtheit gegeben, welche wieder als Unterscheidungsmerkmal dient.
Die öffentliche Last kann die persönliche Thätigkeit des
Unterthanen in Anspruch nehmen zu Arbeitsleistung, Auskunfts-
erteilung u. dergl. Sie berührt sich dann mit der öffentlichen
Dienstpflicht. Was sie von dieser scheidet, das ist das Fehlen
des sittlichen Elementes der besonderen Treue und Hingabe, die dort
gefordert wird; ihr kommt es einzig auf das äußerliche Ergebnis der
Leistung an1.
Die öffentliche Last kann darauf gehen, daß der öffentlichen Ver-
waltung Macht gegeben werden soll über körperliche Sachen
des Unterthanen. Die Enteignung, die auferlegte Grund-
dienstbarkeit thun desgleichen. Aber diese wirken in Form der
unmittelbaren Begründung dinglicher Rechte. Die öffentliche Last
geht immer aus von einer persönlichen Pflicht zur Gewährung der
Sachen zu Gebrauch, Verbrauch oder beliebiger Verfügung; durch Er-
füllung oder Erzwingung der Pflicht mag dann Eigentum übergehen,
aber das Rechtsinstitut ist deshalb doch von Anfang an ein ganz
anderes2.
[265]§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
Die öffentliche Last kann Geldzahlungspflichten auferlegen.
Sie gleicht dann der Steuer und der Gebühr. Die öffentliche
Last erhält ihre rechtliche Unterscheidung von diesen dadurch, daß
sie ihre Geldzahlungspflichten begründet und bemißt nach einer
Pflicht des Zahlers, für den Bestand des öffentlichen Unternehmens
aufzukommen, dem sie dient, und nach dem Bedürfnis dieses letzteren3.
Man kann die öffentlichen Lasten in Arten einteilen nach ver-
schiedenen Gesichtspunkten.
Sieht man auf den Herrn des öffentlichen Unternehmens,
für welches sie bestimmt sind, also auf das Gemeinwesen, dem das
Unternehmen und folglich der Lastanspruch gehört, so ergiebt sich
die Einteilung in Staatslasten, Gemeindelasten, Genossenschaftslasten.
In diesem Zusammenhange pflegt aber das Wort Last in weniger be-
stimmtem Sinne gebraucht zu werden, so daß es namentlich auch
Zwangsdienstpflichten und Abgaben aller Art umfaßt.
Nach der Art des öffentlichen Unternehmens selbst,
dem die Last dient, unterscheidet man Militärlasten, Wegelasten,
Schullasten, Armenlasten, socialpolitische Lasten.
Wenn wir die Lasten einteilen nach Verschiedenheit der Rechts-
formen, die dabei zur Verwendung kommen, so ergiebt sich eine
oberste Einteilung danach, daß die Lastpflicht ausgeht von dreierlei
verschiedenen Grundverhältnissen, in welchen der Pflichtige
dem Unternehmen gegenüber steht:
Die Last kann die Einzelnen treffen als Angehörige des Gemein-
wesens, dem das Unternehmen dient, jeden für sich, — gemeine
Lasten;
die Last kann dem Einzelnen auferlegt sein mit Rücksicht auf
eine besondere Beteiligung an dem öffentlichen Unternehmen, die bei
ihm angenommen ist, — Vorzugslasten;
die Last kann einen Kreis von Einzelnen verbinden, so daß sie
mit dem Gesamtergebnisse ihrer Leistungen das Bedürfnis des öffent-
lichen Unternehmens zu decken bestimmt sind, — Verbandlasten.
Die Verschiedenheit des Grundverhältnisses giebt jedesmal dem
Rechtsinstitut seine Eigenart in der Entfaltung der einzelnen Be-
stimmungen.
[266]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Wir handeln hier zunächst von den gemeinen Lasten.
I. Die Leistungspflicht, welche wir als gemeine Last bezeichnen,
die also dem Einzelnen auferlegt ist schlechthin in seiner Eigenschaft
als Angehöriger des Gemeinwesens, dem das öffentliche Unternehmen
gehört, wird in der Abgrenzung des Kreises der zu Belastenden den
Unterschied von Staatslasten, Gemeindelasten u. s. w. hervortreten
lassen. Als Last wird sie sich kennzeichnen dadurch, daß Art und
Maß der Leistung bestimmt sind durch das Bedürfnis des
betreffenden Unternehmens. Das wäre an sich auch denkbar
bei Geldleistungen. Allein diese werden von selbst die Natur der
Steuer annehmen. Was bei der Vorzugslast und bei der Verbandlast
auch für die Geldzahlungspflicht noch den Gegensatz zur Steuer auf-
recht erhält, ist hier nicht gegeben. Die Geldzahlungspflicht scheidet
deshalb von der gemeinen Last gänzlich aus; als ihr Gebiet ver-
bleiben lediglich die Naturalleistungen, Leistungen von persön-
licher Thätigkeit, von Waren, Geräten, Wohnungen.
Die Naturalleistung hat auf einer früheren Stufe unserer wirt-
schaftlichen Entwicklung, wie in den Beziehungen der Privatwirt-
schaften unter sich, so auch für die Beschaffung der Mittel zu öffent-
lichen Zwecken eine bedeutsamere Rolle gespielt. In der Neuzeit
mit Durchführung der Geldwirtschaft ist sie in den Hintergrund
getreten.
Vor allem erscheint sie jetzt niemals mehr als Mittel zur Ver-
mehrung des öffentlichen Vermögens, das den Wert des Geleisteten
zur Verfügung erhielte, also statt einer Geldzahlung, sondern immer
nur so, daß unmittelbar durch die Leistung selbst das Bedürfnis
eines öffentlichen Unternehmens befriedigt wird. Darum gehört sie
eben jetzt ganz unter den Begriff der öffentlichen Last.
Auch in dieser Umgrenzung ist sie jetzt die Ausnahme; was die
öffentlichen Unternehmungen brauchen, beschaffen sie sich mit Geld,
und das Geld liefert die Steuer; das ist die Regel. Nur aus be-
sonderen Gründen tritt die Naturalleistung und damit die öffentliche
Last an die Stelle. Diese Gründe sind aber zweierlei Art.
1. In gewissem Maße wird die Naturalleistung gehalten durch
Gründe der größeren Zweckmäßigkeit. Es kann thatsächlich
die Beschaffung der erforderlichen Mittel in der unmittelbaren Form
der Naturalleistung leichter sein als durch Gelderhebung und Erwerb
mit dem Gelde, leichter für den Leistenden, der das zu Leistende bei
der Hand hat, und eben dadurch auch leichter für den Unternehmer,
welcher der Mittel bedarf. Diese Lasten ersetzen dann nur die ent-
sprechenden Abgaben in Geld, die Steuern, und sind wie diese be-
[267]§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
stimmt, in einer festen Ordnung und nach einem gewissen Maßstabe
in Anspruch genommen zu werden, um die Lastpflichtigen nicht un-
gleich zu treffen. Es sind geordnete Lasten. Hierher gehören
namentlich die zahlreichen gemeinen Lasten, welche in bäuerlichen
Verhältnissen noch fortbestehen: Gemeindedienste, Hand- und Spann-
dienste, Naturalverpflegung von Gemeindearmen und Gemeinde-
bediensteten. Aber auch die Militärlasten mit ihrer großartigen und
umfassenden Inanspruchnahme der Leistungen der Unterthanen an
Quartier und Verpflegung beruhen auf diesem Grundgedanken.
2. Dem steht gegenüber als zweiter Grund die Unersetzlich-
keit der Naturalleistung. Den Hauptfall bilden die Lasten für dring-
liche Bedürfnisse, Notlasten: das Bedürfnis des öffentlichen Unter-
nehmens ist der Art, daß es nur durch unmittelbare Leistung richtig
befriedigt werden kann; eine Leistung dem Werte nach kann die
Naturalleistung nicht ersetzen. Dahin gehört die Hülfeleistungspflicht
bei öffentlicher Not, und das Gleiche gilt von den militärischen Requi-
sitionen in Kriegszeiten. Der Grund der Unersetzlichkeit trifft aber
auch zu bei den Gerichtslasten, den Auskunftspflichten der
Zeugen und Sachverständigen; die Unersetzlichkeit ist hier nur ganz
anderer Art.
Die Lasten dieser zweiten Art sind ihrer Natur nach unregel-
mäßig und ungeordnet; sie treffen denjenigen, auf welchen das augen-
blickliche Bedürfnis gerade hinweist, der am nächsten steht, um die
Befriedigung zu gewähren; wir nennen sie Zufallslasten. —
Diese beiden Gründe, Zweckmäßigkeit und Unersetzlichkeit,
können ineinander übergehen und zusammen wirken; aber gemeinsam
bezeichnen beide den Umfang der Anwendungsfälle des Rechtsinstituts
der gemeinen Last. Sie sind nur die inneren Gründe der Last; die
Form, in welcher sie Rechtens wird, ist nun erst die Frage; aber
auch für diese rechtliche Gestaltung wird ihr Unterschied bedeutsam.
II. Als Eingriff in die Freiheit bedarf die gemeine Last nach
den Regeln des Verfassungsstaates einer gesetzlichen Grund-
lage; zugleich entspricht es ihrer Natur, daß diese Auflage nur ge-
schehen kann durch Rechtssatz. Es erläßt also entweder das
Gesetz selbst diesen Rechtssatz, oder es ermächtigt eine Verordnung,
ein Statut, um ihn aufzustellen4. Zum Teil beruhen die jetzt
[268]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
geltenden Lasten auch auf älteren Anordnungen, welche dem Gesetze
gleichgeachtet werden, oder auf altem Herkommen (Bd. I S. 120, 132).
Nicht hierher gehören einerseits die auf alten genossenschaft-
lichen Ordnungen und Herkommen beruhenden Reallasten, auch
wenn sie zu Gunsten gewisser gemeindlicher Einrichtungen bestehen,
wie Wege, Feuerlöschanstalten, Wasserschutz, Armenpflege, und des-
halb jetzt als öffentlichrechtliche Leistungspflichten aufgefaßt werden.
Sie hängen dinglich am bestimmten Grundstück in unveränderlichem
Umfang5.
Andererseits ist auch auszuscheiden das Notstandsrecht der
öffentlichen Verwaltung, welches bei dringender Gefahr und zur Ab-
wehr schwerer Übel die Habe der Unterthanen in Anspruch nehmen
läßt ohne Gesetz und sonstigen Rechtssatz. Der verfassungsmäßige
Vorbehalt, der das Eigentum gegen solche Eingriffe schützt, gilt,
ähnlich wie bei der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung (oben
§ 41 S. 187), für diesen Fall nicht als gemeint, und die vollziehende
Gewalt wird ihm gegenüber frei. Aber eine Lastpflicht ist dabei nicht
entstanden; es ist alles thatsächliche Gewalt6. —
Die Geltendmachung unserer rechtssatzmäßigen Lastpflicht nimmt
im Einzelfalle folgenden Gang.
1. Die erste Voraussetzung ist mit dem grundlegenden Rechts-
4
[269]§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
satze selbst gegeben: die Verpflichtbarkeit des Einzelnen. Man
bezeichnet auch diese schon als die öffentliche Last. Die Verpflicht-
barkeit wird immer bestimmt sein in mehr oder weniger engem An-
schlusse an das Eine, worauf es ankommt: an die Fähigkeit, die in
Anspruch genommene Leistung zu machen7. Bei den Zufallslasten
ist das unmittelbare Vorhandensein dieser Fähigkeit in dem Augen-
blick, wo die Pflicht zur Leistung entstehen soll, sogar die natürliche
und selbstverständliche Bedingung für die Entstehung der Pflicht.
Die Zeugnispflicht macht davon keine Ausnahme: die Fähigkeit,
welche sie voraussetzt, ist ja nicht die, etwas Sachdienliches zu wissen,
sondern nur die, vernommen werden zu können. Nur bei der
anderen Gerichtslast, der Sachverständigenpflicht, ist die Art, wie die
verpflichtbar machende Fähigkeit erscheinen muß, formell abgegrenzt.
Die geordneten Lasten dagegen haben das Eigentümliche, daß
sie die Verpflichtbarkeit noch nach anderen Rücksichten als der
Fähigkeit zu der erforderlichen Leistung regeln. Sie beschränken sie
auf einen engeren Kreis, auf solche mit einer besonderen rechtlichen
Zugehörigkeit an das betreffende Gemeinwesen oder auch auf solche,
die durch einen gewissen Besitz oder Gewerbebetrieb bezeichnet sind.
Vor allem bestimmen sie eine Rangfolge, in welcher die verschie-
denen verpflichtbaren Personen in Anspruch genommen werden sollen:
persönliche Lasten gehen etwa in den Reihendienst, oder gewisse als
abkömmlicher angesehene Kategorien sollen vorzugsweise herangezogen
werden, oder für die erste Inanspruchnahme der Last wird die Steuer-
[270]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
fähigkeit zum Maßstab genommen. Die anderen Verpflichtbarkeiten
gelten dann erst, wenn die vorangestellten erschöpft sind8.
2. Die Pflicht erhält eine bestimmtere Gestalt mit Eintritt der
zweiten Voraussetzung, des Bedürfnisfalles. Der Bedürfnisfall kann
sich ergeben aus einer amtlichen Maßregel. Er knüpft sich bei
Gemeindelasten an den Beschluß, einen Weg zu bauen oder auszu-
bessern, wofür Hand- und Spanndienste geschuldet sind, an die An-
ordnung eines Gefangenentransportes, Einrichtung eines Nachtwache-
dienstes, einer Pflichtfeuerwehr, welche einzuüben ist; bei Militärlasten
an die Mobilmachung oder an den Beschluß der militärischen Be-
hörden, Marschübungen, Truppendislokationen auszuführen, wozu die
Naturalleistungen eines gewissen Bezirkes nötig werden; bei den Ge-
richtslasten an die Anordnung eines Zeugenverhörs oder Sachver-
ständigengutachtens. Der Bedürfnisfall kann aber auch unmittelbar
hervorgehen aus natürlichen Ereignissen, aus dem Auftreten
der Not, deren Bekämpfung zu den Aufgaben der öffentlichen Ver-
waltung gehört, des Unglücksfalles, der ihre Hülfe erfordert.
Durch den Eintritt des Bedürfnisfalles werden die entsprechenden
Verpflichtbaren nicht schon verpflichtet zu leisten; sie werden dadurch
zunächst nur im allgemeinen berufen, diesem Bedürfnis durch ihre
Leistung abzuhelfen und stehen zur Verfügung, damit ihre in der
Last begründete Pflicht der öffentlichen Verwaltung gegenüber durch
einen einfachen Willensakt fertig gestellt werden könne.
Diesen Willensakt, die letzte Voraussetzung für die Entstehung
der Lastpflicht, bezeichnen wir als die Anforderung. Die An-
forderung ist eine Mitteilung an einen vermöge der öffentlichen Last
zur Leistung Berufenen über die bestimmte Leistung, die von ihm
gemacht werden soll. Die rechtliche Bedeutung der Anforderung ist
nicht die eines obrigkeitlichen Aktes, der auf Grund gesetzlicher Er-
mächtigung die Leistung auferlegt. Die Pflicht entsteht durch den
[271]§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
Rechtssatz. Nur sagt der Rechtssatz nicht: du sollst dies und jenes
leisten; sondern er sagt: du sollst leisten, was man in gehöriger
Weise von dir fordert. Deshalb ist die Anforderung notwendig, um
die gesetzliche Pflicht zur Vollendung zu bringen. Das schließt nicht
aus, daß die Anforderung gleichwohl in Form eines obrigkeitlichen
Aktes geschehe, durch einen Verwaltungsakt, der die Leistung auf-
erlegt, oder durch einen richterlichen Befehl; das Mehr an Form und
Rechtsbedeutung kann ihrer Wirksamkeit nicht schaden9. Aber es
ist nicht notwendig dafür. Die Anforderung kann wirksam geschehen
von Beamten, welche behördliche Eigenschaft überhaupt nicht haben,
wie von untergeordneten Polizeibediensteten oder Forstbeamten10,
oder welchen wenigstens dem Angeforderten gegenüber eine Befehls-
gewalt nicht zusteht, z. B. von requirierenden Militärbehörden11. Unter
Umständen genügt sogar die Anforderung eines Privaten, der mit der
Wahrnehmung des eigenen Interesses auch das öffentliche Interesse
dadurch geltend zu machen berufen ist12.
[272]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
3. Die Erfüllung der mit der Anforderung zur Geltung ge-
brachten Leistungspflicht ist gesichert durch Strafandrohung und
Zwang. Die Formen dieser Sicherungsmittel entsprechen den bei
polizeilichen Pflichten verwendeten (Bd. I §§ 22, 23), mit welchen
sie deshalb auch gerne einfach zusammengeworfen werden.
Strafandrohung verbindet sich vor allem mit den Zufallslasten
zur Abwendung einer Not gemäß Strf.G.B. § 360 Ziff. 10. Strafbar
ist die pflichtwidrige und schuldhafte Nichtbefolgung der Anforderung.
Ob Schuld vorliegt, wird der Strafrichter hier nach denselben Grund-
sätzen zu prüfen haben, wie bei der Polizeiübertretung (Bd. I § 22);
es handelt sich auch hier um Nichterfüllung einer öffentlichrechtlichen
Verbindlichkeit. Ob eine solche bestand, hängt ab von der Frage,
ob ein Bedürfnisfall vorlag, der die Verpflichtbaren zur Hülfeleistung
berief, und ob eine Anforderung innerhalb des Rahmens der Last er-
gangen ist. Beides prüft der Richter, insbesondere auch die Frage,
ob der Bedürfnisfall, also hier die gemeine Not wirklich vorlag; denn
ein obrigkeitlicher Akt, der diese seine Voraussetzung selbständig be-
zeugte, ist die Anforderung nicht. Dagegen prüft er nicht, ob die
geforderten Leistungen zweckmäßig waren und zur Abwendung der
Not geeignet. Stand der Angeforderte für derartige Leistungen dem
Unternehmen einmal zur Verfügung, so hatte er auch unzweckmäßiger
Verwendung gegenüber die Pflicht zu erfüllen13. — Anders wird es
sich verhalten, wenn ein Strafrechtssatz gegeben ist für Nichterfüllung
einer Last, für welche der Bedürfnisfall durch amtliche Maßregeln ge-
schaffen wird. Hier ist dieser Punkt mit der Maßregel erledigt; der
Strafrichter kann nicht hinter sie zurückgehen und prüfen, ob sie
ihrerseits durch die Umstände gerechtfertigt war. Indem das Gesetz
die Last nur an die Maßregel knüpfte, hat es die Pflicht unabhängig
gemacht von allem, was diese begründete14.
[273]§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
Die Zwangsmittel vermischen sich hier gänzlich mit den
polizeilichen, sofern das Gesetz die öffentliche Last selbst, älteren
Anschauungen entsprechend, als eine polizeiliche Pflicht behandelt wissen
will und die allgemeine polizeiliche Befehls- und Zwangsgewalt darauf
anwendet. In diesem Falle können namentlich auch die polizeilichen
Ungehorsamsstrafen hier Anwendung finden.
Die Ersatzvornahme wird, auch abgesehen davon, hier von
Bedeutung in denjenigen Fällen, wo die Naturalleistung nur eine er-
leichternde Form statt der sonst durchgeführten Geldleistung vorstellt,
also bei den geordneten Lasten. Hand- und Spanndienste, gemeindliche
Reihendienste, Quartierleistung können im Falle der Nichterfüllung
ohne weiteres ersetzt werden durch anderweite Beschaffung des Er-
forderlichen auf Kosten des Schuldners. Die Kosten werden alsdann
gegen ihn festgesetzt und im Zwangsbeitreibungsverfahren erhoben
(Bd. I § 32). Bei Hand- und Spanndiensten, die geradezu nach Art
der Steuern auferlegt werden, ist der an Stelle der schuldigen Natural-
leistung tretende Geldbetrag manchmal im voraus katastermäßig fest-
gesetzt, so daß die Leistung des Dienstes dem Pflichtigen nur zur
Wahl steht; die Geldleistung wird von selbst geschuldet und bei-
getrieben, wenn die begünstigende Form der Erfüllung nicht ge-
wählt ist15.
Das wichtigste Zwangsmittel ist hier die Gewaltanwendung.
Im Gegensatz zur Polizei hat die Last nicht ein bloßes Unterlassen,
sondern ein Leisten zum Gegenstand, darunter auch eine Gewährung
von Sachen, die der Polizei ganz fremd ist. Für diese ist die
Gewaltanwendung die angemessene Form des Zwangs: Quartier,
Nahrungsmittel, Futter, Gerätschaften und Materialien aller Art werden
zur Erzwingung der Lastpflicht mit Gewaltanwendung beschafft durch
einfache thatsächliche Inbesitznahme unter Brechung des etwaigen
Widerstandes. Für persönliche Leistungen ist auch hier dieses Zwangs-
14
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 18
[274]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
mittel seiner Natur nach nicht das entsprechende (Bd. I § 23, III),
und daher nicht von selbst zulässig16.
III. Die Erfüllung der Lastpflicht hat Wirkungen nach zwei
Seiten hin.
1. Sie setzt die Verwaltung in den Besitz der Mittel, welche
der Pflichtige ihr zur Durchführung des öffentlichen Unternehmens zu
gewähren hat. Die rechtliche Macht, die dadurch für sie begründet
wird, hat je nach dem Inhalt der Leistung eine verschiedene Gestalt.
Handelt es sich um eine persönliche Thätigkeit, Arbeits-
leistung, Auskunftserteilung, so tritt der Erfüllende damit in die Ab-
hängigkeit von den Anweisungen, welche ihm behufs Ausführung des
Unternehmens von dem Leiter derselben gegeben werden. Es ent-
steht ein ähnliches Verhältnis, wie es bei der öffentlichen Dienstpflicht
in der Dienstgewalt zum Ausdruck kommt, nur äußerlicher und form-
loser; es ist einfach die Entfaltung der Lastpflicht in ihre Einzel-
heiten. Nichtbefolgung der Anweisungen wird in Rücksicht auf Strafen
und Zwangsmittel ebenso behandelt wie die Weigerung der Erfüllung
überhaupt. Überdies wird der Widerspenstige wegen Störung des
Unternehmens den Maßregeln der besonderen Polizei desselben aus-
gesetzt sein17.
Wo Sachen zum Gebrauch überlassen werden mußten, tritt die
Verwaltung in den körperlichen Besitz dieser Sachen, in welchem sie
sich durch Selbsthülfe schützt (oben Bd. I § 24, I). Das Maß des
Gebrauchs ist durch den Zweck des Unternehmens inhaltlich und zeit-
lich bestimmt; er kann auch zum Verbrauch führen. Die Sache bleibt
Eigentum des Pflichtigen und ist nach Endigung des lastmäßigen Ge-
brauchs zurückzugeben wie sie ist18.
[275]§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
Ist die Sachleistung im Sinne der Lastpflicht so gemeint, daß
ein zeitliches Maß und ein Anspruch auf seinerzeitige Zurückgabe
nicht vorbehalten ist, vielmehr die Sache endgültig in die freie Ver-
fügung der staatlichen Behörden übergeht, so wird der Staat Eigen-
tümer. Beispiele sind die Pferdeaushebung, die Requisitionen von
Vorräten an Futter, von Arzeneien, Verbandmitteln, Bewaffnungs- und
Ausrüstungsgegenständen, die Inanspruchnahme von Schiffen zu Fluß-
sperren.
Der Eigentumsübergang vollzieht sich mit der Besitzergreifung.
Die Regeln des Kaufes finden darauf keine Anwendung; es ist keine
Eigentumstradition, überhaupt kein civilrechtliches Rechtsgeschäft. Das
Eigentum wird auch begründet durch die Besitzergreifung gegen den
widerspenstigen Eigentümer, wie gegen den abwesenden oder un-
bekannten Eigentümer.
Es ist auch keine Enteignung. Die Eigentumsbegründung vollzieht
sich nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern lediglich durch die
thatsächliche Besitzergreifung auf Grund der Last.
Der Eigentumsübergang verknüpft sich mit der Besitzergreifung
kraft Gesetzes. Das Gesetz ermächtigt die Verwaltung, die Gewährung
solcher Sachen zu verlangen behufs freier Verfügung darüber, also zu
einer unbeschränkten rechtlichen Herrschaft. Diese Herrschaft ist her-
gestellt mit der vollzogenen Leistung, d. h. mit der zugestandenen
oder gewaltsam durchgeführten Besitzergreifung. Der ganze Vorgang
ist öffentlichrechtlicher Natur mit Einschluß seiner Wirkung. Diese
Wirkung, die unbeschränkte rechtliche Herrschaft über die Sache ist
aber Eigentum, und zwar ein Eigentum, welches für alle weiteren
rechtlichen Beziehungen, in welche der Staat von da aus tritt, nach
Civilrecht zu behandeln ist, also civilrechtliches Eigentum. Es findet
hier am Schlusse ein Umschlag statt von der gleichen juristischen
Natur, wie wir ihn bei der Enteignung (oben § 34, I n. 4) zu be-
obachten hatten19.
18*
[276]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
2. Die Erfüllung der Lastpflicht, ob freiwillig oder gezwungen,
kann die Entstehung eines Entschädigungsanspruches zur
Folge haben. Es sind natürlich nur die Regeln der öffentlich-
rechtlichen Entschädigung, die hier in Betracht kommen. Alles hängt
also davon ab, ob die Leistung als ein besonderes Opfer im Sinne
dieses Rechtsinstituts anzusehen ist. Das trifft jedenfalls dann nicht
zu, wenn geordnete Lasten lediglich an Stelle einer steuerlichen Geld-
leistungspflicht Naturalleistungen einfordern. Der Ausgleich findet sich
hier, wie bei der Steuer, im allgemeinen Zweck der Last und im
Ganzen der öffentlichen Auflage.
Aber auch wo der Zufall entscheidet, welchen Einzelnen oder
welche Gruppe von Einzelnen die Last trifft, verschwindet der Gedanke
eines Opfers möglicherweise hinter dem eigenen Interesse, das durch
die Leistung mit geschützt wird. So bei der Arbeitsleistung der be-
drohten Gegend zum Deichschutz oder der Ortsbewohner zur Be-
kämpfung der Feuersbrunst, desgleichen bei der Feuerwehrdienstpflicht.
Bei Militärlasten und Gerichtslasten ist das Verfahren zur Ge-
währung der Entschädigung und das Maß derselben meist besonders
geordnet20. Im übrigen werden die allgemeinen Grundsätze über die
öffentlichrechtliche Entschädigung auch hier maßgebend sein.
§ 48.
Fortsetzung; Vorzugslasten und Verbandlasten.
Öffentliche Lasten können dem Einzelnen in der Art auferlegt
sein, daß der Zusammenhang mit dem bestimmten öffentlichen Unter-
nehmen in der Rechtsform der Auflage selbst hervortritt. Die Last
wahrt dann ihre Eigenart gegenüber der Steuer schon dadurch und
ist zum Unterschied von der gemeinen Last denkbar mit einem Inhalt
der Leistung, der sonst mit dem der Steuer übereinstimmte, mit einer
19
[277]§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
reinen Geldzahlungspflicht. Die beiden Formen, die da in Betracht
kommen, sind die der Vorzugslast und der Verbandlast.
I. Die öffentliche Vorzugslast kennzeichnet sich durch den
Grund, der die Belastung des Einzelnen rechtfertigt und ihr Recht
bestimmt. Dieser Grund liegt darin, daß der Betroffene dafür an-
gesehen ist, an dem Bestande und der Instandhaltung des öffentlichen
Unternehmens besonders beteiligt zu sein. Dieser sachliche Zu-
sammenhang der Pflicht bestimmt ihre Natur als die einer öffentlichen
Last in dem oben S. 263 aufgestellten Begriffe. Die Leistung selbst
kann diese Natur noch weiter bestätigen durch ihre Beschaffenheit,
insofern sie etwa als Naturalleistung für das Unternehmen stattfindet.
Aber notwendig ist das hier nicht. Das Wesentliche ist eine Wert-
erstattung an den Unternehmer: die Vorzugslast erscheint im Gegen-
satz zur gemeinen Last zumeist in Geldzahlungen. Wenn die
Geldzahlung des Einzelnen nur einen Teil des Aufwandes zu decken
bestimmt ist, sei es, daß der Überschuß zu Lasten des Unternehmers
verbleibt, sei es, daß er durch Nebenverpflichtete gedeckt wird,
sprechen wir von Beiträgen.
1. Die besondere Beteiligung der Einzelnen, welche der
Lastpflicht hier zu Grunde liegt, besteht darin, daß das Unternehmen
um ihretwillen ausschließlich oder wenigstens vorzugsweise vor
Anderen da ist und Herstellungs- und Unterhaltungskosten erfordert.
Sie sind als die Veranlasser dieses Aufwandes angesehen und deshalb
sollen sie ihn auch tragen.
Das Anwendungsgebiet der Vorzugslast bilden zum Teil solche
öffentliche Anstalten und Einrichtungen, von deren Benützung zugleich
Gebühren erhoben werden können. Dann stehen die beiden Rechts-
institute selbständig und deutlich verschieden nebeneinander. So bei
der öffentlichen Schule einerseits die Schullast, andererseits das Schul-
geld. Die Last kann hier allerdings auch die Pflicht eines Selbst-
verwaltungskörpers bedeuten, seine Aufgabe zu erfüllen (unten § 60).
Die Gegenüberstellung wird aber dann am deutlichsten, wenn die be-
sondere Last in Gestalt von Beiträgen zu dem Unternehmen erscheint.
So finden wir an den Ortsstraßen möglicher Weise die drei Rechts-
institute vereinigt: die Selbstverwaltungslast der Gemeinde in Gestalt
der Straßenbaupflicht, die Vorzugslast der angrenzenden Hausbesitzer
in Gestalt der Straßenbeiträge und die Gebührenpflicht der Be-
nutzenden in Gestalt der Pflasterzolls.
Vorzugslasten und namentlich Beitragspflichten knüpfen sich aber
auch an solche Unternehmungen, für welche Gebühren der Benützung
[278]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
überhaupt nicht erhoben werden: Deiche, Krankenkassen, Unter-
stützungskassen aller Art.
Der Beitrag hat, wie die Gebühr, die Natur einer Entgeltleistung.
Aber die Gebühr ist der Entgelt für eine bestimmte einzelne Leistung,
der Beitrag der Entgelt für den Bestand des Unternehmens, der für
den Beitragleistenden als solchen ein allgemeines dauerndes Interesse
hat oder dafür angesehen wird, daß er es habe1.
2. Die besondere Beteiligung an dem Bestande des Unternehmens
ist nur der innere Grund der Leistungspflicht. Rechtspflicht wird
diese erst dadurch, daß sie in die entsprechenden rechtlichen Formen
gebracht wird. Dies kann aber in verschiedener Weise geschehen;
nicht jede Form, in welcher es geschieht, giebt unser Rechtsinstitut,
wenn auch bei Teilleistungen der Name Beitrag um der gleichen wirt-
schaftlichen Grundlage willen überall gebraucht wird.
Die besondere Beteiligung an einem öffentlichen Unternehmen
kann zum Ausdrucke kommen durch freiwillige Übernahme
einer Beitragspflicht dafür. Es können Einzelne in dieser Weise Zu-
sagen machen, um das Zustandekommen eines öffentlichen Unter-
nehmens überhaupt oder in einer ihnen besonders entsprechenden
Art der Ausführung zu fördern. Der Bau von Eisenbahnen, Straßen,
Brücken, die Anlage von Stauwehren behufs gleichmäßigeren Wasser-
zuflusses, auch die Neuerrichtung öffentlicher Lehranstalten liefern
häufige Beispiele. Die durch ausdrückliche oder stillschweigende An-
nahme des Anerbietens von seiten des Unternehmers perfekt gewordene
Beitragspflicht wird als eine vertragsmäßige civilrechtliche
anzusehen sein. Jedenfalls ist unser Rechtsinstitut außer Frage: es
handelt sich nicht um eine dem Unterthanen auferlegte Pflicht2.
— Auch Gemeinden und andere Selbstverwaltungskörper können in
ähnlicher Weise durch Zuschüsse ein öffentliches Unternehmen des
[279]§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
Staates unterstützen; das fällt unter den Gesichtspunkt eines Aktes
der Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten der Gemeinde, ist öffent-
lichrechtlicher Natur, gehört aber ebenso wenig hierher (vgl. unten
§ 60). — Der freiwillige oder gezwungene Eintritt in einen Verein
oder eine Genossenschaft, die ein öffentliches Unternehmen zu führen
haben, bekundet ebenfalls eine besondere Beteiligung an diesem Unter-
nehmen und verpflichtet zu Beiträgen. Die Beitragspflicht aber erhält
hier ihre selbständige Grundlage in der Mitgliedschaft, und da-
mit ist wiederum ein anderes Rechtsinstitut gegeben als das hier
betrachtete (vgl. unten § 56 n. 2).
Die Vorzugslast ist nur da vorhanden, wo die Beitragspflicht oder
die besondere Leistungspflicht überhaupt begründet wird öffentlich-
rechtlicher Weise durch eine Auflage, welche dem Pflichtigen
gemacht wird, nicht nach seinem freien Entschluß und guten Willen,
noch um einer Vereinsmitgliedschaft willen, sondern, wie es dem Be-
griff der Auflage entspricht, in Geltendmachung der obrigkeitlichen
Macht über ihn.
Als mögliche Formen für eine derartige Auflage liefert das
heutige Recht das Gesetz und den Verwaltungsakt.
Mancherlei Arten von Verpflichtungen, für den Aufwand eines
öffentlichen Unternehmens Leistungen zu machen, hat uns das ältere
Recht hinterlassen; der Vertrag oder das Herkommen ist ihr Titel.
Sie können als gemeine Lasten erscheinen (vgl. oben § 47, II n. 1).
Soweit sie auf der Grundlage einer besonderen Beteiligung des
Pflichtigen an dem öffentlichen Unternehmen stehen, werden sie in
diese zweite Form unseres Rechtsinstituts einzureihen sein; die Fälle,
wo die Pflicht die Gestalt einer Reallast bekommen hat, sind auch hier
wieder auszuschließen (oben S. 268). Als Beispiele herkömmlich
begründeter besonderer Lasten können gelten die Hand- und
Spanndienste der Angrenzer eines öffentlichen Weges zum Zwecke der
Unterhaltung desselben, namentlich aber in Städten vielfache Pflichten
der Hausbesitzer zu Leistungen für ihre öffentliche Straße3.
[280]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
3. Die Entstehung von Vorzugslasten nach heutigem Recht weist
insofern einen Gegensatz zur gemeinen Last auf, als für sie die
beiden möglichen Formen einer Auflage zur Anwendung kommen,
nicht wie bei der gemeinen Last ausschließlich der Rechtssatz. Da-
nach zerfallen sie von vorneherein in zwei Arten.
Sie können auferlegt sein durch einen Rechtssatz des Gesetzes
oder, was gleichsteht, durch den Rechtssatz einer kraft Gesetzes er-
lassenen Verordnung oder statutarischen Bestimmung: gesetzliche
Vorzugslasten4.
Sie können aber auch auferlegt sein durch eine Verfügung, einen
Verwaltungsakt, der sie mit freiem Entschlusse im Einzelfalle be-
gründet: Vorzugslasten kraft Einzelauflage.
Eine solche Einzelauflage durch Verwaltungsakt ist zunächst in
der Weise denkbar, daß das Gesetz der Verwaltung die Ermäch-
tigung dazu giebt. Da wird es natürlich die Voraussetzungen seiner
Ermächtigung möglichst genau bestimmen. Sie laufen immer darauf
hinaus, daß nach dem gegebenen Thatbestand bestimmte Einzelne an
dem Unternehmen hervorragend beteiligt sind durch Vorteile, die
ihnen aus der Schaffung und dem Bestand desselben erwachsen,
möglicherweise auch durch eine besonders starke Benützung und Ab-
nützung, welche die Einrichtung von ihrer Seite erfährt, ohne daß
die Deckung durch Gebühren stattfände. Die Billigkeit fordert als-
dann einen Ausgleich durch einen Beitrag oder volle Aufwands-
3
[281]§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
erstattung. Der Behörde ist die Macht gegeben, dieser Billigkeits-
forderung nach freiem Ermessen der Umstände des Einzelfalles gerecht
zu werden5.
Unter Umständen kann das aber geschehen auch ohne gesetzliche
Ermächtigung vermöge der Unterwerfung des Betroffenen unter
den belastenden Verwaltungsakt. Dabei ist nicht an die freiwilligen
Zuschüsse zu einem öffentlichen Unternehmen zu denken; das giebt,
wie wir gesehen haben, nicht die Auflage einer öffentlichen Last,
sondern einen civilrechtlichen Vertrag (oben Note 2). Der Fall ist
vielmehr der: der Einzelne will eine Anlage machen, für welche eine
öffentliche Einrichtung benützt oder neu hergestellt werden muß; die
Ausführung dieses Planes ist aber rechtlich abhängig von einer Zu-
stimmung der Behörde, und zwar gerade deshalb, weil sie für diese
öffentliche Einrichtung Fürsorge zu treffen hat. Es verhält sich da
ähnlich, wie bei einer Polizeierlaubnis, welche mit den nötigen Auf-
lagen im polizeilichen Interesse verbunden werden kann (Bd. I § 21
II n. 3). In gleicher Weise kann hier die Zustimmung bedingt
werden durch die Übernahme der Kosten der öffentlichen Einrichtung
oder eines Beitrags dazu oder wenigstens durch die Sicherstellung der
künftigen Leistung. Durch die Annahme dieser Bedingungen, in aus-
drücklicher Erklärung oder in stillschweigender Benützung der so er-
teilten Erlaubnis, wird der Empfänger verpflichtet. Die Behörde
handelt aber obrigkeitlich ihm gegenüber. Sie schließt keinen Ver-
trag, sondern erläßt einen Verwaltungsakt. Die Einwilligung des
Betroffenen, seine Unterwerfung ist wieder nur die Voraussetzung für
die Gültigkeit dieses Aktes. Die Unterwerfung ist hier allerdings
keine ganz freie, die Last wird nicht von freien Stücken übernommen:
es besteht eine gewisse Nötigung dazu, insofern die Behörde die
Macht hat, andernfalls das ganze Vorhaben zu verhindern; darum
können wir hier trotz dieser Zustimmung von einer Auflage sprechen
im Gegensatz zu einem freiwilligen Zuschusse6.
[282]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
4. Die Vorzugslast bedeutet nicht, wie die gemeine, ein zur
Verfügung stehen der Verpflichtbaren, von welchem nach Ermessen des
Bedürfnisses des öffentlichen Unternehmens Gebrauch gemacht werden
kann. Es handelt sich um Pflichten, die bestimmt sein sollen nach
dem angenommenen Maß der Beteiligung des Pflichtigen.
Daher ist hier von einer öffentlichrechtlichen Entschädigung
keine Rede. Daher entwickelt sich auch die Pflicht nicht in der
regelmäßigen Stufenfolge der gemeinen Last. Der Inhalt der Leistung
kann im voraus festgesetzt sein durch den Begründungsakt selbst;
das ist bei der Einzelauflage der Hauptsache nach immer der Fall.
Der Eintritt eines Bedürfnisfalles wird nicht durchweg bedeutsam;
statt dessen finden wir in regelmäßigen Terminen wiederkehrende
feste Beiträge. Die Leistungspflicht ist auch in ihrer Vollendung
nicht bedingt durch eine Anforderung; sie wird fertig unmittelbar
mit dem Zusammentreffen der thatsächlichen Voraussetzungen7.
[283]§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
Die Erhebung von Geldbeiträgen bedient sich in großem Maße
der Formen der Steuern. Entweder wird nach dem Muster der
direkten Steuern der Betrag des Geschuldeten durch einen Verwaltungs-
akt festgesetzt, so daß die begründete Lastpflicht erst damit zum
Vollzug gebracht werden kann8, oder die Schuld wird unmittelbar
zur Erhebung gebracht mit einfacher Mahnung, in Form der Ver-
wendung von Stempeln, überhaupt mit dem Apparat der indirekten
Steuern9.
An Zwangsmitteln tritt für alle Arten von Geldzahlungspflichten
die administrative Zwangsbeitreibung hinzu (Bd. I § 32, II). Unter
den sonstigen Leistungspflichten kommt hier vor allem das opus
7
[284]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
faciendum in Betracht, die Pflicht, ein gewisses Ergebnis zu Gunsten
des öffentlichen Unternehmens herzustellen. Dafür ist dann die Er-
satzvornahme die von selbst gegebene Zwangsform10.
Im übrigen gilt das von der gemeinen Last Gesagte.
II. Verbandlasten.
Die Leistungspflicht für das öffentliche Unternehmen kann da-
durch rechtlich ausgezeichnet sein, daß sie einer Mehrheit von Unter-
thanen gemeinsam auferlegt ist. Die Rechtsinstitute der gemeinen
Last und der Vorzugslast hatten immer nur ein einfaches Rechts-
verhältnis zum Gegenstande: das zwischen der öffentlichen Gewalt
und den einzelnen Belasteten. Hier verbindet sich nun damit zu-
gleich ein Rechtsverhältnis der nebeneinanderstehenden Belasteten
unter sich.
1. Im Verhältnisse zum Staat, zur Gemeinde handelt
es sich zunächst um öffentliche Lasten in dem bisher entwickelten
Begriff; es kommt nur noch hinzu, daß sie ausgestattet sind mit einer
Einrichtung, welche geeignet ist, die vollständige Befriedigung des
Bedürfnisses des öffentlichen Unternehmens sicher zu stellen.
Das bezweckte Gesamtergebnis kann ja so erreicht werden, daß
zu den vereinzelten Leistungen der Lastpflichtigen eigener Auf-
wand des Unternehmers ergänzend hinzutritt.
Die nebeneinanderstehenden Einzelleistungen der Lastpflichtigen
können auch schon darauf berechnet sein, daß sie in ihrer Zu-
sammenrechnung das Ganze decken. So wird die Pflicht jedes
Besitzers eines bebauten Grundstückes, den Bürgersteig vor seinem
Grundstücke herzustellen oder die Straße längs desselben zu reinigen,
die Pflicht jedes Angrenzers eines Privatflusses oder Grabens, den
Wasserabfluß darin freizuhalten, thatsächlich ein Gesamtergebnis her-
stellen, wonach ein fortlaufender Bürgersteig, eine durchweg rein
gehaltene Straße, ein ununterbrochener freier Abfluß gegeben ist.
Die thatsächlich zusammenwirkenden Pflichtigen bilden aber auf
diese Weise noch keinen Verband; jeder steht für sich. Der Ver-
band kommt erst dadurch zu stande, daß für ein bestimmtes Unter-
nehmen alle Lastpflichtigen derart verbunden sind, daß sie zusammen
das Ganze liefern müssen: jeder Einzelne schuldet nicht einen für
[285]§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
ihn besonders berechneten Teil, sondern nötigenfalls das Ganze, und
die Pflicht eines jeden ist nur in der Ausführung beschränkt durch
die Mitwirkung der Mitverpflichteten. Ein Verband ist eine Ge-
samtheit von Lastpflichtigen, welche dafür aufzukommen haben, daß
durch die unter ihnen zu verteilenden Leistungen das Ganze des Be-
dürfnisses eines bestimmten öffentlichen Unternehmens gedeckt wird.
Die Last, die auf solche Weise zu einer gemeinsamen gemacht
wird, kann für sich die Natur einer gemeinen Last haben. Beispiele
geben die Landlieferungen für den Bedarf der bewaffneten Macht an
lebendem Vieh, Brotmaterial, Hafer, Heu und Stroh nach Kriegs-
leistungsges. § 16 ff., zu welchem Zwecke Lieferungsverbände gebildet
werden; desgleichen die Kriegsleistungen der Gemeinden nach dem-
selben Gesetz § 3 ff.11.
Die verbundenen Lasten können an sich betrachtet auch Vorzugs-
lasten vorstellen. Natürlich eignen sich dazu nicht die von vorne-
herein nach einem beschränkten Maß der Beteiligung bemessenen
Beiträge. Da würde keine Verbandlast daraus. Sondern die Last des
Unternehmens muß der Gesamtheit der an ihm besonders Beteiligten
als unverteiltes Ganze gegenüber stehen, um erst bei der Durch-
führung verteilt zu werden. Dahin gehören die Lasten der Deich-
verbände, der Schulverbände, der Verbände der Haushaltungsvorstände
eines Bezirks behufs Bestellung einer gemeinsamen Hebamme12.
Die Verbandlast ist aber auch die Form, in welcher Leistungs-
pflichten auferlegt werden, die weder gemeine Lasten sein könnten
wegen ihres Gegenstandes, noch Vorzugslasten, weil sie nicht auf eine
besondere Beteiligung des einzelnen Verpflichteten gegründet sind:
Geldleistungen nämlich, die ohne unterscheidendes Merkmal schlecht-
hin allen leistungsfähigen Einwohnern des Gebietes auferlegt sind.
Die Verbindung aller zu dem gemeinsamen Zwecke der Erfüllung der
Bedürfnisse dieses öffentlichen Unternehmens giebt ihnen für sich
allein die Natur der Last. Dahin gehören die Parochiallasten, die
Gebietslasten der Wegeverbände, Armenverbände. Die Grenze zum
Übergang in andere Rechtsinstitute (unten n. 3) und zum Verschwinden
des Begriffs der öffentlichen Last liegt dabei allerdings besonders
nahe. —
Die Eigenschaft der Verbandlast kann der Last nur gegeben
werden durch einen Rechtsgrund, der sie überhaupt zu schaffen ge-
[286]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
eignet ist; das Nebeneinanderstehen gleichartiger Leistungspflichten
für denselben Zweck genügt allein noch nicht; ob diese besondere
Eigenschaft noch dabei sein soll, ist Frage der Auslegung. Als
Rechtsgrund für die Entstehung der Verbandlast wirkt im neueren
Rechte nur der Rechtssatz, Gesetz, oder auf Grund gesetzlicher
Ermächtigung, Verordnung und Statut. Zahlreiche Verbandlasten sind
uns aber wieder aus geschichtlichen Vorstufen unserer Rechtsent-
wicklung übermacht und beruhen auf Herkommen.
Die Heranziehung der einzelnen Mitglieder des Verbandes zur
Leistung der Lastpflicht geschieht bei den oben erwähnten Kriegs-
leistungen, welche die Natur von Notlasten haben, nach der that-
sächlichen Leistungsfähigkeit, im übrigen nach fest geordneten Maß-
stäben der Verteilung13.
Die Frage der Entschädigung entscheidet sich nach der
inneren Art der Last. Vorzugslasten entschädigen nicht, auch wenn
sie Verbandlasten sind. Gemeine Lasten ebensowenig, sofern sie als
geordnete Lasten nur den Ersatz für Steuern bilden, und das Gleiche
gilt von den Geldleistungen, die ohne Vorbild bei Vorzugs- und ge-
meinen Lasten nur bei Verbandlasten sich finden; denn auch diese
werden als geordnete Lasten auferlegt. Für die Entschädigung bleiben
also nur diejenigen Verbandlasten übrig, welche für die schließlich
betroffenen Einzelnen zugleich gemeine Zufallslasten sind: bei unseren
Kriegsleistungen allein wird entschädigt.
2. Unter den verbundenen Lastträgern hat die Ge-
meinsamkeit der Last die schließliche Wirkung, daß die Leistungs-
pflicht eines jeden den Mitverpflichteten verhältnismäßig entlastet.
Das Nämliche kann auch auf dem Gebiete der Repartitionssteuern
(Bd. I S. 391), der Gemeindeabgaben der Fall sein, überall über-
haupt, wo eine bestimmte Summe auf eine Mehrzahl von Pflichtigen
ausgeschlagen wird. Wo die Verteilung nur nach dem Maßstabe der
thatsächlichen Leistungsfähigkeit geschieht, wie bei den Kriegs-
leistungen der Lieferungsverbände, den Zufallslasten, hat es auch bei
der Verbandlast bei dieser Wirkung einer thatsächlichen Entlastung
sein Bewenden. Wo dagegen die Höhe des Pflichtanteils des Einzelnen
innerhalb des Verbandes eine rechtliche Ordnung und Bestimmtheit
erhalten hat, da weist diese Verteilungsordnung rechtliche Eigentüm-
[287]§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
lichkeiten auf, welche nur bei der Verbandlast vorkommen. Sie ist
nicht, wie namentlich bei den Steuern, eine der staatlichen Macht-
äußerung innewohnende Ordnung, aus welcher sich dann für die Ein-
zelnen ergiebt, was jeden trifft. Sondern der Ausgangspunkt ist der
umgekehrte: die Verteilungsordnung ist in erster Linie gedacht als
ein gegenseitiges Verpflichtungsverhältnis der Ver-
bundenen untereinander, an welches die Forderung der öffent-
lichen Gewalt erst als das zweite sich anschließt.
Das wird nur erklärlich im Zusammenhange der ganzen geschicht-
lichen Entwicklung, deren Ergebnis unsere Verbandlast ist.
Die hervorragendsten Arten dieser Lasten und die zugleich das
Muster gegeben haben für das ganze Rechtsgebilde, reichen zurück
in ältere Zeiten, wo die Staatsgewalt noch weit entfernt davon war,
die alles bewegende Kraft des öffentlichen Lebens sein zu wollen.
Eine Reihe der wichtigsten Gemeininteressen finden ihre Befriedigung
dadurch, daß sich kleinere oder größere Gruppen zusammenthun, um
sie zu übernehmen: Deiche, Wege, Brücken, Bachreinigung werden so
besorgt, später in ähnlicher Weise Schulanstalten und Armenwesen.
Die Ordnung unter den Zusammenwirkenden ist eine gesellschaftliche,
ein Rechtsverhältnis zwischen ihnen. In mehr oder weniger ausge-
prägter Weise bildet sich darüber noch eine Vertretung der Gesamt-
heit mit Kräften zur Wahrung und Durchführung dieser Ordnung.
Der Reichtum genossenschaftlicher Formen entfaltet sich darin.
Der Polizeistaat kommt darüber und nimmt die Wahrung der
öffentlichen Interessen in seine Hand. Er duldet keine Selbständig-
keiten neben sich. Die genossenschaftlichen Gesamtheitsvertretungen
werden zerschlagen oder sinken herab zu geringen Beirats- und Mit-
wirkungsrechten. Die Gesellschaft selbst bleibt bestehen mit den
gegenseitigen Pflichten der Verbundenen. Der Staat nimmt aber diese
Pflichten zugleich als ihm geschuldet in Anspruch, um mit obrigkeit-
licher Gewalt ihre Aufrechterhaltung und Erfüllung zu erzwingen. So
wird die gesellschaftliche Pflicht zugleich zur öffentlichen Last; aber
nur zugleich und in zweiter Linie: die öffentliche Last ist angehängt
an die gesellschaftliche Pflicht der Verbundenen untereinander14.
[288]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Das neuere Recht verwischt die Selbständigkeit dieses gesellschaft-
lichen Elementes mehr und mehr, ersetzt dafür auch die Verbandlast
selbst in immer größerem Umfang durch die neubelebte juristische
Person des öffentlichen Rechts. Soweit sie fortbesteht, bietet die
Verbandlast auch jetzt noch gewisse Eigentümlichkeiten, die aus jener
alten Grundidee sich ergeben.
Die Verteilung, welche zwischen den Verpflichteten geordnet
ist, ist auch maßgebend für das, was die öffentliche Gewalt von jedem
zu fordern hat. Alte Vereinbarungen zwischen den Rechtsvorgängern,
Herkommen und rechtsbegründende Verjährung, die zwischen ihnen
sich gebildet haben, bestimmen den Umfang des Anteils an der Last-
pflicht auch dem Staate gegenüber. Das ist dann die bestehende
Verfassung des Verbandes, welche nur zu handhaben ist. Die
neueren Gesetze, wo sie selbst die Art und den Maßstab der Ver-
teilung der Last ordnen, beanspruchen grundsätzlich unbedingte Gel-
tung, heben also die älteren gesellschaftlichen Ordnungen auf und
lassen neue Abweichungen auf diesem Wege nicht zu15. Soweit ein
Spielraum noch gelassen ist, sind Verschiebungen der Anteile durch
Vereinbarung der Lastträger auch jetzt noch denkbar. Aber sie wirken
ohne weiteres jetzt nur zwischen den sich Vereinbarenden, so daß eine
14
[289]§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
civilrechtliche Entlastungspflicht und nötigenfalls Ersatzpflicht entsteht;
ein derartiger Vertrag könnte auch mit einem Dritten, außerhalb des
Verbandes Stehenden geschlossen werden. Damit sie die Last selbst
berühren, bedarf es der Zustimmung des andern Beteiligten, des
Staates, d. h. der ihn vertretenden Behörde. In dieser Weise ist es
auch jetzt noch möglich, die Verfassung eines Verbandes zu ändern.
Das öffentliche Rechtsverhältnis ist alsdann durch Vertrag bestimmt,
denn dieser ist das Wesentliche, die Zustimmung der Behörde nur die
Ergänzung16. Vertrag und Zustimmung können auch stillschweigend
ausgesprochen werden, das Herkommen ist insofern eine Form der
allseitigen Erklärung. Man mag es als ein Gewohnheitsrecht für den
Verband auffassen. In dieser Weise wird dann auch Gewohnheitsrecht
für öffentliche Rechtsverhältnisse wirksam (Bd. I § 10 n. 4)17.
Die Eigentümlichkeit der Verbandlast zeigt sich dann weiter auch
an der Art, wie der Verpflichtete der öffentlichen Gewalt gegenüber
sich verteidigt gegen Überlastung (Prägravation). Es handelt sich
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 19
[290]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
nicht um einfache Unrichtigkeiten der Berechnung. Sondern der Fall
ist der, daß der In-Anspruch-Genommene behauptet, deshalb sei er
überlastet, weil die Verpflichtung eines Anderen, die ihn ganz oder
teilweise entlastet hätte, zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei.
Es wird alsdann nicht einfach eine Anfechtung der obrigkeitlichen
Maßregel erhoben werden. Vielmehr nimmt die Klage auf Richtig-
stellung der Last ihren Ausgang von dem Verhältnisse des Klägers
zu dem Anderen, zu dessen Gunsten er überlastet ist. Gegen diesen
wird die Klage gerichtet, oder wenn die Forderung von seiten der
Behörde schon geltend gemacht ist, mit gerichtet. Der dadurch er-
zielte Ausspruch über das Rechtsverhältnis zwischen den verpflichteten
Unterthanen wirkt der rechtlichen Natur der Verbandlast entsprechend
von selbst auch zur Feststellung dessen, was die öffentliche Gewalt
von einem jeden zu fordern hat18.
3. Zwischen dem lastberechtigten Subjekt der öffentlichen Ver-
waltung, also regelmäßig dem Staat, und dem lastpflichtigen Mitgliede
des Verbandes erscheint nun noch, immer deutlicher sich vordrängend,
ein Dritter, eine vermittelnde juristische Person. Der Verband
selbst, welchen die Lastträger bilden, ist zunächst noch nichts anderes
als der Ausdruck für ihr Gesamtrechtsverhältnis. Er ist die Gesell-
schaft der Verbundenen. Der Name Societät, welcher häufig zur
Bezeichnung solcher Verbände gebraucht wird, giebt das Verhältnis
richtig wieder. Für den Begriff des Rechtsinstitutes ist es nicht wesent-
lich, daß der Verband noch mehr, daß er insbesondere mit irgend
einer Form von juristischer Persönlichkeit ausgestattet sei19. Die
[291]§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
juristische Person kann dazu kommen. Es fragt sich nur, in welcher
Art und Weise das geschieht. Man darf auch hier nicht alles auf einen
Leisten bringen wollen. Wir werden drei verschiedene Gestaltungen
unterscheiden müssen.
Am einfachsten wird sich die Sache darstellen in Gestalt der Zu-
gabe einer eignen juristischen Persönlichkeit zum Verband. Manche
Verbandlasten werden nur vorübergehend für das öffentliche Unter-
nehmen in Bewegung gesetzt, so daß das Erzielte sofort verwendet
und verbraucht wird. So die Landlieferungen, die Quartierlasten und
sonstigen Kriegsleistungen. Bei andern handelt es sich um Gewährung
der Mittel zur Herstellung und Instandhaltung dauernder Einrichtungen:
Wege, Schulen, Deiche u. dgl. Die einmal zusammengebrachten Werte
sind durch ihren Bestand und so lange dieser vorhält, ein Schutz der
Pflichtigen gegen fernere In-Anspruchnahme. Hier kann sich ein ge-
meinsamer Besitz von Vermögenswerten ausbilden und, um ihn zu-
sammenzuhalten, eine juristische Persönlichkeit der Gesamtheit. Der
Verband selbst hört dadurch nicht auf, Gesellschaft, Societät zu sein,
so wenig, wie die öffentliche Genossenschaft durch ihre juristische
Persönlichkeit gehindert ist, im inneren Verhältnisse ein Verein zu
bleiben. Der Verband mit juristischer Persönlichkeit der hier voraus-
gesetzten Art bleibt aber Gesellschaft auch im äußeren Verhältnis und
zwar in seiner wichtigsten Beziehung nach außen, nämlich der öffent-
lichen Gewalt gegenüber, welche von den Mitgliedern nach wie vor
unmittelbar ihre Leistungen zu fordern hat. Die juristische Persön-
lichkeit ist nur ein Beiwerk. Sie ist civilrechtlicher Natur. Der Ver-
band ist insbesondere um ihretwillen noch keine öffentliche Genossen-
schaft. Er kann sich dazu entwickeln; der entscheidende Punkt, an
welchem dieser Übergang sich vollzieht, wird noch festzustellen sein20.
19*
[292]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Die zweite Art, wie Verbandlast und juristische Persönlichkeit
zusammenkommen, kann sich daraus ergeben, daß die Lastpflicht be-
grenzt wird nach den Gebietsgrenzen eines Selbstverwaltungskörpers,
entweder überhaupt oder so, daß sie wenigstens in der Geltend-
machung darnach sich verteilt, und nun die Durchführung geschieht
durch die Kräfte dieses Selbstverwaltungskörpers. So bei Quartier-
leistungen und gewissen anderen Naturalleistungen für die bewaffnete
20
[293]§ 48. Vorzugslasten und Verbandlasten.
Macht, möglicherweise auch bei Landlieferungen, bei Armenverbänden,
Wegeverbänden, Schulverbänden. An sich begründet das nur ein ganz
äußerliches Nebeneinander zwischen dieser juristischen Person und
dem Verband, wenn auch die Verschmelzung nahe liegt, wovon so-
gleich die Rede sein soll21. Aber auch ohne Verschmelzung können
beide in einen gewissen rechtlichen Zusammenhang gebracht sein.
Es kann nämlich die Leistung, zu welcher die Gesamtheit des Ver-
bandes verpflichtet ist, zugleich zu einer Pflicht des Selbst-
verwaltungskörpers gemacht werden. Das giebt dann eine er-
höhte Sicherheit für die Befriedigung des Bedürfnisses des öffentlichen
Unternehmens. Für die Erhebung der Kriegsleistungen hat das Ge-
setz diese verschärfte Form zur Anwendung gebracht. Die Last der
Gemeinde ist ganz anderer Natur als die öffentliche Last, von welcher
wir hier handeln (vgl. unten § 60). Die Danebenstellung dieser
Pflicht des Selbstverwaltungskörpers neben die Leistungspflicht des
Verbandes hat zunächst die Bedeutung, die Vertretung des ersteren
zur kräftigen Geltendmachung der Pflichten des letzteren anzuspornen.
Was dabei nicht erzielt wird, wird durch den Selbstverwaltungskörper
aufgebracht und der Aufwand dafür von diesem in der für die Be-
schaffung seiner Mittel verfassungsmäßig vorgeschriebenen Weise ge-
deckt; das fällt dann wieder ganz aus dem Gebiete der öffentlichen
Last heraus. Diese selbst bleibt bestehen, um bei nächster Gelegen-
heit wieder in derselben Weise zur Geltung gebracht zu werden22.
[294]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Endlich ist es denkbar, daß die bisherige Verbandlast mit dem
Unternehmen, für welches sie bestand, übergeht an eine juristische
Person des öffentlichen Rechts. Das kann so geschehen, daß
ein bestehender Selbstverwaltungskörper freiwillig oder kraft neuer
gesetzmäßiger Belastung das Unternehmen auf sich nimmt, um fortan
die Kosten aus seinen eigenen Mitteln zu bestreiten: Gemeindeschulen,
Gemeindewege werden errichtet; die Gemeinden oder höhere Selbst-
verwaltungskörper treten an die Stelle der alten Schul- und Armen-
verbände. Es kann auch so geschehen, daß der Verband selbst zu
einer öffentlichen Genossenschaft sich umbildet, welche bestimmt ist,
das Unternehmen zu besorgen und zu unterhalten, auf welches es
dabei ankommt. Die belastete Gesellschaft wird zum Unternehmer,
der Deichverband zur Deichgenossenschaft. Ob der alte Name Ver-
band, Societät beibehalten wird, macht nichts aus. Die Sache ist
juristisch eine ganz andere geworden. Es handelt sich fortan nicht
mehr um eine öffentliche Last im hier behandelten Sinne, sondern
um Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, für die
Einzelnen nicht um Lastpflichten, sondern um Pflichten aus der An-
gehörigkeit an den Selbstverwaltungskörper, den der Aufwand trifft.
Die öffentliche Last ist untergegangen in den Ordnungen eines anderen
Rechtsinstituts.
§ 49.
Verleihung öffentlicher Unternehmungen.
Verleihung, Konzession, bedeutet einen Verwaltungsakt, durch
welchen einem Unterthanen Macht gegeben wird über einen Gegen-
stand der öffentlichen Verwaltung (oben S. 147).
Bei der Verleihung eines öffentlichen Unternehmens handelt es
sich nicht um die Begründung eines dinglichen Rechtes an einer Sache
(oben S. 153), sondern, wie beim Amt (oben S. 225), um die Macht,
eine gewisse Thätigkeit zu üben. Aber diese Thätigkeit soll nicht,
wie beim Amt, nur im Namen und in Vertretung des Staates geübt
werden, sondern wie die verliehene Nutzung an einer öffentlichen Sache
im eigenen Namen des Beliehenen und für eigene Rechnung.
[295]§ 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen.
Auf diese Weise bekommt hier die Verleihung eine gewisse Ähn-
lichkeit mit der gewerbepolizeilichen Erlaubnis. Auch bei
dieser handelt es sich um eine Thätigkeit, die der Einzelne in eignem
Namen und für eigne Rechnung führen soll, aber um eine Thätigkeit,
die ihrer Art nach schon auf Grund der natürlichen Freiheit geübt
werden kann; die Erlaubnis räumt nur das Hindernis weg, welches
das rechtssatzmäßige Polizeiverbot in dieser Beziehung gesetzt hatte.
Die Verleihung eines öffentlichen Unternehmens dagegen giebt dem
Beliehenen etwas, was nicht dafür angesehen ist, in der natürlichen
Freiheit schon enthalten zu sein, eine Macht thätig zu werden, die
abgeleitet ist vom Staate, als ein Stück der öffent-
lichen Verwaltung1.
Insofern hat die Stellung des beliehenen Unternehmers die größte
innere Verwandtschaft mit der des Selbstverwaltungskörpers.
Hier wie dort handelt es sich um Thätigkeit eines Rechtssubjektes,
das nicht der Staat ist, und die doch als öffentliche Verwaltung gilt;
hier wie dort wird dieses Stück öffentlicher Verwaltung von dem dazu
[296]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
berufenen Rechtssubjekte geführt eignen Namens und zu eignem Rechte;
die daraus sich ergebenden Ordnungen für das Verhältnis nach außen,
für das staatliche Aufsichtsrecht u. s. w. weisen eine ausgeprägte
Übereinstimmung auf. Der Unterschied liegt darin, daß dort das
Rechtssubjekt von vorneherein kraft seiner Eigenschaft als juristische
Person des öffentlichen Rechts dazu da ist, daß seine Thätigkeit
öffentliche Verwaltung sei (unten § 55, II), hier aber die Ausstattung
mit der Fähigkeit zu einem bestimmten Stücke öffentlicher Verwaltung
als eine äußere Zuthat erhält durch einen besonderen Akt, der
es ihm überträgt, die Verleihung2.
I. Das Anwendungsgebiet unseres Rechtsinstitutes begreift
demgemäß lauter Thätigkeiten, die dem Einzelnen ohnehin und ab-
gesehen von besonderen Verboten, so wie sie sind, nicht möglich
wären; die Verleihung macht ihn erst rechtlich fähig dazu.
Das ist am einleuchtendsten da, wo der Staat ein bestimmtes
Unternehmen von vorneherein als das seinige und für seine öffent-
lichen Zwecke gründet und es dann, so wie es ist, einer Privat-
person überläßt, um es bestimmungsgemäß, aber in ihrem eignen
Namen zu betreiben und durchzuführen; Beispiel: die Reichsbank3.
Ebenso sind manche Unternehmungen dem Einzelnen schon ihrer
Art nach verschlossen, weil sie nur durchführbar sind mit einseitiger
Auflegung von Lasten für Andere; da hilft die Verleihung,
indem sie den Beliehenen ausstattet mit dieser Kraft der öffentlichen
Gewalt; Beispiel: die Entwässerungsunternehmungen mit Zwang gegen
die beteiligten Grundbesitzer zur Duldung und Vergütung4.
Andere Unternehmungen könnte der Einzelne möglicherweise aus
eigner Kraft dem Staate nachmachen; es wird dann doch nicht das-
selbe daraus, kein echtes öffentliches Unternehmen; aber das wäre
[297]§ 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen.
kein unbedingtes Hindernis. Die Verleihung bekommt ein Anwendungs-
gebiet hier nur insoweit, als ein eigenmächtiges Vorgehen dieser Art
zu Gunsten einer Alleinberechtigung der öffentlichen Gewalt be-
sonders ausgeschlossen ist. Hiefür geben das wichtigste Beispiel die
öffentlichen Verkehrswege, die zugleich den Hauptanwendungsfall
unseres ganzen Rechtsinstituts bilden.
Mit diesen steht es nämlich also.
Denken wir uns eine Straße als reines Privatunternehmen, so
wird sich zunächst die Schwierigkeit ergeben, daß ihre Herstellung
häufig ohne Enteignung nicht möglich, Enteignung aber hiefür nicht
zulässig ist (oben § 33, II n. 2). Unter Umständen freilich mag es
auch ohne das gehen. Auf die sonstigen Vorteile, deren die Her-
stellung des öffentlichen Unternehmens genießt, könnte man ja meist
auch verzichten. Selbst eine Art Gebührenerhebung würde sich zur
Not auf privatem Wege einrichten lassen. Allein eine öffentliche
Straße würde niemals daraus. Der Verkehr, welchen der Eigentümer
darauf gestattete, wäre kein Gemeingebrauch, der Straßenkörper keine
öffentliche Sache, und alle die besonderen Ordnungen und Sicherungen,
die das öffentliche Recht seinen Straßen gewährt, fänden darauf keine
Anwendung. Die Straße wäre nur eine schwächliche Nachahmung,
unsicheren Bestandes und willkürlicher Privatverfügung ausgesetzt.
Deshalb wäre es aber immerhin noch keine rechtliche Unmöglich-
keit, mangels einer Verleihung wenigstens eine solche nachgemachte
öffentliche Straße herzustellen und dem öffentlichen Verkehre zu über-
geben. Das Besondere ist nun aber, was wir hier festzustellen haben:
daß nämlich eine solche Nachahmung nach geltendem
Rechte nicht zulässig ist. Es sind zu unterscheiden Privat-
straßen, welche bloß der Zugänglichkeit bestimmter Grundstücke
zu dienen bestimmt sind, und solche Straßen, welche darüber hinaus-
gehen, wirkliche Verkehrsstraßen; auf diese allein bezieht sich
unser Satz. Er läßt sich nicht erklären als ein Ausfluß der allge-
meinen polizeilichen Gewalten; denn es handelt sich dabei nicht
um Abwehr einer Störung der guten Ordnung des Gemeinwesens über-
haupt oder der bestehenden öffentlichen Straßen insbesondere; eine
solche Störung wäre dem Unternehmen gar nicht so ohne weiteres
vorzuwerfen (vgl. Bd. I S. 264 Note 8). Der Gesichtspunkt ist viel-
mehr offenbar ein anstaltlicher, wie wir den Gegensatz zum
Polizeilichen bezeichnen mögen: es ist im öffentlichen Interesse, daß
das gesamte Straßenwesen einheitlich in der Hand der öffentlichen
Gewalt bleibe; sie muß dem öffentlichen Verkehr nach einem gewissen
System seine Bahnen anweisen können; darum darf ihr niemand da
[298]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
hineinpfuschen. Das ist ja allerdings zunächst nur eine Zweckmäßig-
keitserwägung. Rechtswirksam kann sie werden durch ein gesetzliches
Verbot; sie ist es aber thatsächlich auch ohne dies. Daß die Nach-
ahmung öffentlicher Straßen nicht erlaubt sei, ist die gemeine An-
schauung. Und zwar hängt das zweifellos zusammen mit dem alten
Wegeregal. Das ausschließliche Recht, öffentliche Straßen zu
gründen, war seit lange ein Bestandteil der Summe von Befugnissen
geworden, welche die Landeshoheit ausmachten, und wegen seiner
Zweckmäßigkeit ein unbestrittener. Mit der alten Form der Hoheits-
rechte ist auch dieses Stück verschwunden. Aber der Eindruck ist
geblieben und wirkt auch im Verfassungsstaat noch nach in der all-
gemeinen Anschauung, daß es nicht zur verfassungsmäßig geschützten
Freiheit des Einzelnen gehört, derartige Dinge unternehmen zu dürfen.
Er geht damit aus seiner natürlichen Zuständigkeit heraus, die Obrig-
keit begeht keinen Eingriff in die Freiheit, wenn sie ihn daran mit
den ihr zu Gebote stehenden Gewaltmitteln verhindert, wie es that-
sächlich geschieht. Dieser Gedankengang genügt, um die ganze Er-
scheinung zu erklären. Man mag das dann einen Naturrechtssatz
nennen oder einen Gewohnheitsrechtssatz; es ist auch nichts dabei,
wenn man, um einen handlichen Ausdruck zu haben, von einem
Wegeregal des Staates spricht, das darin liegen soll5.
[299]§ 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen.
Die nämlichen Grundsätze sind alsdann zur Anwendung gebracht
worden auf sonstige Verkehrseinrichtungen, welche als Zubehör und
Fortsetzung der öffentlichen Straße anzusehen sind, wie Brücken
und öffentliche Fähranstalten; desgleichen auf künstliche Wasser-
wege, die öffentlichen Schiffahrtskanäle. All das kann von
Privaten nur unternommen werden auf Grund einer Verleihung, wird
dann aber auch ausgestattet mit den Eigenschaften des öffentlichen
Unternehmens6.
In der großartigsten Weise ist aber unser Rechtsinstitut zur
Wirksamkeit gelangt bei den Eisenbahnen. Die Eisenbahn ist
gleich von ihrem ersten Auftreten an und bevor noch besondere ge-
setzliche Ordnungen und Vorbehalte gemacht waren, als ein Unter-
nehmen betrachtet worden, das der Einzelne oder, wie es hier immer
der Fall ist, die Aktiengesellschaft nur herstellen und in Betrieb setzen
kann auf Grund einer Verleihung von seiten des Staates. Daß regel-
mäßig Enteignung dazu notwendig war, gab nur einen äußerlichen
Grund. Durchschlagend war, daß die Eisenbahn sofort unter den
Gesichtspunkt des öffentlichen Verkehrsweges gebracht wurde, der als
solcher sein Recht nur vom Staate ableiten kann und nicht nach-
5
[300]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
geahmt werden darf7. Daher auch bei den Eisenbahnen sofort eine
grundlegende Unterscheidung gemacht wird, wie sie ähnlich auch schon
für die Straßen anerkannt war: nur die öffentliche Eisenbahn,
d. h. die dem öffentlichen Verkehr gewidmete, fällt unter diesen Ge-
sichtspunkt. Zufuhrlinien für einzelne Bergwerke, Hütten, Fabriken
(Schleppbahnen), Eisenbahnen innerhalb eines Landgutes, Fabrik-
anwesens oder zwischen solchen (Betriebsbahnen), nur für die Zwecke
dieser Unternehmungen bestimmt, fallen nicht darunter, so wenig wie
die Privatstraßen unter das Wegeregal. Auch bei diesen können be-
sondere Erlaubnisse notwendig werden bei Durchschneidung bestehender
öffentlicher Wege, vor allem polizeiliche Erlaubnisse, welche etwa vor-
behalten sind mit Rücksicht auf die gleiche Gefährlichkeit des Betriebs.
Aber das Rechtsinstitut der Verleihung des Unternehmens selbst ge-
hört ausschließlich zur öffentlichen Eisenbahn8.
[301]§ 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen.
An der Eisenbahnkonzession hat die neuere Rechtswissenschaft
die Einzelheiten unseres Rechtsinstituts mit Vorliebe entwickelt; sie
giebt uns den natürlichen Faden für unsere Darstellung.
Die Reihe der verleihbaren öffentlichen Unternehmungen ist mit
den hier aufgezählten nicht erschöpft. Besondere Erwähnung verdient
nur noch eine Verwendung des Rechtsinstituts, welche die neueste
Reichsgesetzgebung gebracht hat. Das Gesetz vom 6. April 1892 be-
hält dem Reiche das ausschließliche Recht der Telegraphen-
anstalten vor. Es ist wieder das oben erwähnte anstaltliche Inter-
esse, das hier maßgebend geworden ist, wie bei der Briefpost. Als
Verkehrsweg konnte der Telegraphendraht auch bei weitester Anwen-
dung des Begriffs doch nicht mehr angesehen werden, darum wurde
die alte Regalidee hiefür nicht mehr von selbst wirksam und bedurfte
es eines Gesetzes. Damit sind Telegraphenanstalten nur mehr mög-
lich als öffentliche Anstalten; denn als solche betreibt sie natürlich
das Reich. Nachahmungen sind verboten. Es kann aber eine Ver-
leihung an Privatunternehmer stattfinden. Das bedeutet, daß das
Unternehmen auch in deren Hand als ein öffentliches Unternehmen
angesehen und darum all den besonderen Rechtsbestimmungen unter-
worfen werden soll, wie sie das Institut der Verleihung im einzelnen
mit sich bringt9.
II. Der Akt, durch welchen das Rechtsverhältnis begründet wird,
unterliegt im Laufe der geschichtlichen Entwicklung einer verschiedenen
juristischen Beurteilung.
[302]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Im älteren Rechte handelt es sich um die Ausstattung einer
Person mit landesherrlichen Regalien, Zollbrückengerechtsamen, Fähr-
gerechtigkeiten oder um die Ausstattung eines sonstigen Unternehmens
mit besonderem Recht aus der Fülle der landesherrlichen Hoheits-
rechte. Den gemeinsamen Namen dafür giebt das Privilegium10.
Dem Polizeistaat entspricht es, auch hier wieder seine Zwei-
teilung zu machen. Soweit es sich um Ausübung oder Übertragung
obrigkeitlicher Gewalt handelt, ist die Verleihung ein öffentlich-
rechtlicher Akt. Alles was daneben hergeht an vermögensrecht-
lichen Leistungspflichten, welche der Unternehmer tragen soll, oder
Zusagen, die ihm gemacht werden, ist civilrechtlicher Natur und wird
zum Inhalt eines Vertrages11.
Die neue Ordnung des Rechts- und Verfassungsstaates hat daraus
eine Erbschaft von festgewurzelten Anschauungen überkommen, der
gegenüber eine selbständige, ihr entsprechende Beurteilung des Ver-
leihungsaktes nur mühsam durchdringt. Der wichtigste Akt, an dem
immer die Probe zu machen ist, die Eisenbahnkonzession, er-
schwert das noch durch die Mannigfaltigkeit seines Inhalts. Es handelte
sich dabei von Anfang an um Aktiengesellschaften; dem damaligen
Stande des Handelsrechts gemäß beginnt deshalb der Akt immer mit
der Genehmigung der Gesellschaft selbst. Sodann spielt die Gewährung
des ausschließlichen Rechtes für gewisse Linien eine große Rolle;
Steuerbefreiungen, Zuschüsse, Zinsgarantien werden in Anspruch ge-
nommen, dann wieder Rückfallsrechte bedungen, Kautionspflichten auf-
erlegt12. Daraus gilt es nun, den wesentlichen Kern herauszuschälen.
[303]§ 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen.
So oft sich in neuerer Zeit Streitigkeiten zwischen dem Staat und den
Eisenbahngesellschaften über die beiderseitigen Rechte ergeben haben,
war man genötigt, auf diesen Kern, auf die rechtliche Natur der
Eisenbahnkonzession zurückzugehen, und dabei sind die schärfsten
Meinungsverschiedenheiten zu Tage getreten13.
Drei verschiedene Grundauffassungen stehen sich
gegenüber. Alle gehen davon aus, daß es sich darum handelt, die
Schwierigkeit zu überwinden, wie aus einem öffentlichrechtlichen Akte
der Staatsgewalt Rechte der Unterthanen hervorgehen sollen14.
Diese Schwierigkeit beseitigt die erste Meinung damit, daß sie
der Eisenbahnkonzession die öffentlichrechtliche Natur abstreitet. Die
Konzession ist ein privatrechtlicher Vertrag, welchen der Staat
mit dem Unternehmer abschließt und aus welchem privatrechtliche
12
[304]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Ansprüche entstehen, wie sonst auch. Sogar eine Gebundenheit der
gesetzgebenden Gewalt an diesen Vertrag hat man behaupten wollen15.
Dazwischen fühlte man freilich, daß es bei der Begründung eines
öffentlichen Unternehmens doch nicht so rein privatrechtlich hergehen
könne; namentlich das Enteignungsrecht und die Zuständigkeit zur
Handhabung der Bahnpolizei haben stutzig gemacht. Deshalb hat sich
neben jener schroffen Vertragstheorie eine abgeschwächte gebildet,
die den Konzessionsakt in zwei Teile zerlegen will: in den eigent-
lichen Konzessionsakt, Konzessionsakt im engeren Sinne, durch welchen
solche öffentlichrechtliche Befugnisse begründet werden; und in die
Konzession im weiteren Sinne, enthaltend alle übrigen Bestimmungen,
die dann eben den privatrechtlichen Vertrag vorstellt16. Das ist aber
dann einfach die nachgeschleppte polizeistaatliche Auffassung, ein
Seitenstück zu der oben § 44 Note 2 erwähnten Behandlungsweise
des Staatsdienstvertrages.
Die zweite Meinung verfährt gerade umgekehrt. Die Eisenbahn-
konzession, sagt sie, ist ein öffentlichrechtlicher, ein hoheitlicher
Akt; Rechte des Unternehmers gegen den Staat entstehen folglich
nicht daraus. Der Staat kann insbesondere jeder Zeit die gemachte Ein-
räumung wieder einschränken und zurücknehmen, und zwar ohne Ent-
schädigung, denn qui jure suo utitur neminem laedit17. Hier ist die
[305]§ 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen.
Beurteilung des Aktes selbst richtig, aber die Folgerung, die daraus
gezogen wird, trifft doch nur zu vom Standpunkte des Polizeistaates
aus, für welchen öffentliches Recht gleichbedeutend ist mit Verneinung
alles Rechtes der Unterthanen.
Die dritte Meinung, und zwar die herrschende, ist die, daß aller-
dings die Verleihung ein Akt öffentlichrechtlicher Natur ist, daß aber
gleichwohl nicht bloß Pflichten, sondern auch Rechte des Unterthanen,
des Beliehenen dadurch begründet werden können. Dabei ist es aber
üblich, dieses Ergebnis, wenigstens was die Rechte des Beliehenen
anlangt, noch besonders zu rechtfertigen, um nicht zu sagen: zu ent-
schuldigen. Man erklärt wohl die Konzession für einen Akt der Ge-
setzgebung, ein Specialgesetz, ein Privilegium18. Allein die Kon-
zessionen werden doch nur in seltenen Fällen in Form eines Ge-
setzes erteilt; soll es aber heißen: die Konzession sei Gesetz im
materiellen Sinn, Rechtssatz, so ist das eine leere Titulatur, die dem
Rechtsgeschäft verliehen wird und dient in keiner Weise dazu, uns
seine Wirkung klarer zu machen19. Andere glauben wieder dadurch
zu helfen, daß sie sagen, der Akt selbst sei wohl rein öffentlich-
rechtlicher Natur, aber seine Wirkung gemischt, teils öffentlich-
rechtlich, teils privatrechtlich, und in letzterer Beziehung könne er
dann auch Privatrechte erzeugen. Darin steckt aber nur wieder der
falsche Gedanke, daß alle Rechte der Privaten gegen den Staat privat-
rechtliche Rechte sein müßten. Den zwiespältigen Rechtsinstituten,
die man in dieser Zwangslage gestaltet, sind wir ja auch sonst schon
begegnet20. Wir brauchen all dieses Gewirre nicht. Die Sache ist
viel einfacher.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 20
[306]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Die Konzession oder Verleihung öffentlicher Unternehmungen ist
ein Verwaltungsakt21. Der Verwaltungsakt ist seinem allgemeinen
Begriffe gemäß ein obrigkeitlicher Ausspruch zur Bestimmung des
rechtlichen Verhältnisses des Unterthanen gegenüber der öffentlichen
Gewalt (Bd. I S. 95). Indem er hier nicht bloß erklärt, was schon
Rechtens ist, sondern nach freiem Ermessen bestimmt, was Rechtens
sein soll, stellt er sich dar als Verfügung, als öffentlichrechtliches
Rechtsgeschäft (Bd. I S. 101). Die Fähigkeit, auch subjektive öffent-
liche Rechte des Unterthanen zu erzeugen, ist damit von selbst ge-
geben. Die Voraussetzungen der Rechtswirksamkeit der Verleihung
gestalten sich ganz nach den allgemeinen Grundsätzen der Verwaltungs-
akte. Was man an Besonderheiten daran beobachten mag, ist nichts
als die Anwendung jener Grundsätze auf den besonderen Inhalt dieses
Aktes.
1. Der Verleihende muß zuständig sein zu dem Akte. Dazu
gehört, daß er über das zu verleihende Unternehmen verfügen könne.
Diese Verfügungsfähigkeit steht, mangels besonderer Ordnungen, immer
nur bei der Vertretung desjenigen öffentlichen Rechtssubjektes, dem
das zu verleihende Unternehmen seiner Natur nach gehört: Staats-
straßen verleiht die oberste Staatsbehörde, Ortsstraßen die Gemeinde-
behörde. Soll mit dem Unternehmen eine Gewaltübung gegen Andere
verbunden sein, Enteignung, Abgabenerhebung, Polizeibefehl und
Polizeizwang, überhaupt ein Eingriff, der seinerseits einer gesetzlichen
Grundlage bedarf, so ist auch zu solcher Übertragung eine gesetzliche
Ermächtigung notwendig, oder die Verleihung muß durch gesetzlichen
20
[307]§ 49. Verleihung öffentlicher Unternehmungen.
Einzelakt geschehen. Diese Verleihung in Gesetzesform hat dann sach-
lich die Natur eines Verwaltungsaktes.
2. Um Rechte des Beliehenen zu begründen, genügt diese Ver-
fügungsfähigkeit, um ihm Verpflichtungen einseitig aufzulegen,
wäre wiederum die gesetzliche Grundlage oder die Form des gesetz-
lichen Einzelaktes erforderlich. Statt dessen tritt aber hier wieder
die freiwillige Unterwerfung des Betroffenen ein, die in dessen
Gesuch oder in der Annahme der Verleihung enthalten ist (Bd. I S. 98).
Die Verleihung ist ein Verwaltungsakt auf Unterwerfung wie die An-
stellung im Staatsdienste, ein Vertrag so wenig wie diese (oben § 44, I).
Die Verhandlungen, die vorausgehen, stellen Bedingungen und Um-
fang dieser Unterwerfung fest und bestimmen den genaueren Inhalt
des dadurch zulässig gewordenen Verwaltungsaktes22. Was wirkt, ist
wieder dieser allein.
3. Die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes tritt ein, wie immer,
mit der Eröffnung an den beliehenen Unternehmer; ordentlicher
Weise wird dies durch Aushändigung einer Verleihungsurkunde ge-
schehen.
Bei Brücken, Fähren, Ortsstraßen genügt dies. Bei größeren
Unternehmungen, Eisenbahnen, Kanälen wird es aber zweckmäßig
sein, daß das Publikum davon benachrichtigt wird, daß ihm ein neues
öffentliches Unternehmen entgegentritt oder daß es die Thätigkeit
dieses Unternehmens fortan unter solchem Gesichtspunkt zu betrachten
habe. Veröffentlichungen sind angebracht. Das Gesetz schreibt wohl
auch vor, daß die Wirksamkeit der Verleihung Dritten gegenüber erst
mit der Vornahme solcher Veröffentlichungen eintrete23. Von selbst
versteht sich das nicht.
Eine besondere Gestalt nimmt die Sache an, wenn der künftige
Träger des öffentlichen Unternehmens für diesen Zweck eigens erst
geschaffen wird durch einen Akt der Staatsgewalt. Da verbindet sich
20*
[308]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
dann die Verleihung mit dieser Schaffung des Rechtssubjektes zu
Einem; eine Kundgabe an das letztere findet nicht statt; es entsteht,
ausgestattet mit der Verleihung. Lediglich zur Benachrichtigung Dritter,
und um diesen gegenüber wirksam zu sein, wird sie veröffentlicht.24
§ 50.
Fortsetzung; Rechte und Pflichten des beliehenen Unternehmers.
Das Rechtsgeschäft der Verleihung begründet für den beliehenen
Unternehmer Rechte und Verbindlichkeiten gegenüber dem Verleihenden.
Das Genauere bestimmt der Inhalt des Verleihungsaktes.
Für gewisse Arten von Verleihungen hat das Gesetz allgemeine
Ordnungen aufgestellt. Dies ist vor allem für Eisenbahnkonzessionen
geschehen durch die sogenannten Eisenbahngesetze. Es hat verschiedene
Bedeutung.
Vorschriften über das Verfahren bei der Verleihung und bei
Geltendmachung der Rechte des Staates daraus, sowie für die Ordnung
der beteiligten Behörden, also alle Formvorschriften im weitesten
Sinne, sind in erster Linie den Behörden selbst gegeben, können also
nicht geändert werden; das Gesetz ist insoweit einfach zu vollziehen
nach den allgemeinen Grundsätzen über seine bindende Kraft.
Vorschriften über das Verhältnis des Beliehenen zum Staate,
eigentliche Konzessionsbedingungen, welche das Gesetz auf-
stellt, haben im Zweifel nur die Bedeutung des nachgiebigen Rechts.
Das Gesetz will nur gelten, soweit der Verleihungsakt nicht Ab-
weichendes bestimmt durch seinen Wortlaut oder durch Bezugnahme
auf vorausgehende Abmachungen. Es schafft, wie beim civilrechtlichen
Rechtsgeschäft, stillschweigenden Inhalt des Aktes.
Die Gesetze enthalten aber unter diesen Konzessionsbedingungen
auch Bestimmungen über besondere Befugnisse und Gewalten öffentlich-
rechtlicher Art, welche dem Beliehenen zustehen sollen Dritten gegen-
über: Enteignung, Abgabenerhebung, Polizei u. s. w. Diese bedeuten
[309]§ 50. Rechte und Pflichten des beliehenen Unternehmers.
eine Ermächtigung der verleihenden Behörde zur Übertragung
solcher Rechte. Sie kann weniger geben, aber nicht mehr; denn nur
mit gesetzlicher Ermächtigung sind solche Übertragungen möglich1. —
I. In dem durch die Verleihung begründeten Rechtsverhältnisse
stehen die Pflichten des Beliehenen und dem entsprechend die
Rechte des Staates oder sonstigen Verleihers gegen ihn im Vorder-
grunde. Ein öffentliches Unternehmen soll ins Leben gerufen werden,
das ist der Zweck der Verleihung. Demgemäß begründet die Ver-
leihung eine öffentlichrechtliche Pflicht des Beliehenen, das Unternehmen
ins Werk zu setzen und durchzuführen.
Handelt es sich darum, das Unternehmen überhaupt erst her-
zustellen, so ist ein direkter Zwang meist nicht gut durchführbar.
Statt dessen wird hier im Falle der Nichterfüllung nach Ablauf der
gesteckten Frist der Widerruf der Verleihung ausgesprochen werden.
Davon bei der Endigung des Rechtsverhältnisses das Nähere
(unten III).
Ist das Unternehmen hergestellt, so sichert sich der Staat die
gehörige Instandhaltung und Fortführung durch obrigkeitliche Maß-
regeln. Der Inbegriff der Gewalt, welche ihm auf Grund der Verleihung
zu diesem Zwecke zusteht, bildet das Aufsichtsrecht, entsprechend
dem gleichnamigen Institut gegenüber den Selbstverwaltungskörpern
(unten § 59) und der Dienstgewalt, mit welcher der Staatsdiener bei
seiner Dienstpflicht gehalten wird (oben § 45). Darin liegt zweierlei.
1. Auf Grund des Aufsichtsrechtes wird obrigkeitlich fest-
gestellt, was zu den verleihungsmäßigen Pflichten des
Unternehmers gehört. Die Einzelheiten der Pflicht werden aus
dem Verleihungsverhältnis heraus entwickelt durch bindende Aussprüche
der Behörde, entsprechend den auf Grund der Dienstgewalt erlassenen
Dienstbefehlen2.
Wie diese können solche Aussprüche ergehen in allgemeinen
Anweisungen, die veröffentlicht werden, Regulativen, Ordnungen,
Betriebsvorschriften. Sie haben die Natur von Generalverfügungen,
[310]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
wirken nicht mit der Kraft des Rechtssatzes, sondern mit der des be-
sonderen Pflichtverhältnisses, und werden gleichzeitig verbindlich für
alle so Verpflichteten3.
Die Feststellung der Pflicht kann auch geschehen im Einzelfall
durch einen eröffneten Befehl, der ein Verbot sein kann oder ein
Gebot, eine Auflage. Die Auflage ist der Befehl, eine Vorkehrung
oder Einrichtung zu treffen, welche für die Durchführung des Unter-
nehmens erfordert und demgemäß in der Pflicht des Beliehenen be-
griffen ist4.
Das Maß solcher Forderungen beschränkt sich nicht darauf,
daß das Unternehmen einfach fortgeführt und in Stand gehalten werde,
noch auf die Fernhaltung neu auftauchender Schädlichkeiten. Auch
die Verbesserung des Unternehmens und die Erhöhung seiner Nützlich-
keit für das öffentliche Interesse kann noch verlangt werden. Daß das
neue Arbeit und vermehrte Kosten für den Unternehmer bedeutet,
ist kein Hindernis. Erst da liegt die Grenze seiner Pflicht, wo durch
die neuen Auflagen die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens
verschoben würden, das Unternehmen selbst durch die zugemuteten
Neuerungen ein anderes würde als das verliehene. Der Billigkeit wird
dadurch Rechnung getragen, daß, noch bevor diese Grenze erreicht
ist, ein anderer Abschnitt sich einschiebt. Es giebt nämlich einen
Punkt, bei dessen Überschreitung der erwachsende Kostenaufwand dem
Unternehmer vergütet werden muß. Es kommt darauf an, ob die
auferlegte Verbesserung gefordert wird durch die Entwickelung des
Unternehmens selbst oder von anderen Interessen, die dasselbe in
höherem Grade sich nutzbar machen wollen. Auch diesen, sofern sie
als öffentliche Interessen sich darstellen, hat der Beliehene im Rahmen
seines Unternehmens gerecht zu werden. Aber er bringt damit ein
Opfer für ein Interesse, welches nicht zugleich das seinige, das von
ihm zu vertretende ist. Der allgemeine Grundsatz greift Platz, daß
solche besondere Opfer vergütet werden; der Mehraufwand, der ihm
[311]§ 50. Rechte und Pflichten des beliehenen Unternehmers.
durch die geforderte Einrichtung erwächst, ist ihm nach den Regeln
der öffentlichrechtlichen Entschädigung zu ersetzen (unten § 53)5.
2. Das zweite Stück des Aufsichtsrechtes ist der Zwang.
Es kann durch Rechtssatz des Gesetzes oder der Verordnung
Strafe angedroht sein für Nichterfüllung der verleihungsmäßigen
Pflichten, insbesondere Verabsäumung der gehörigen Besorgung und
Instandhaltung des Unternehmens. Das trifft aber nicht notwendig
den Unternehmer selbst, sondern mehr diejenigen Personen, welche
von ihm zur Besorgung der Geschäfte bestellt sind. Die Nichterfüllung
ihrer Pflicht wird im öffentlichen Interesse mißbilligt und dies durch
die rechtssatzmäßige Strafe eingeschärft.
Eigentliche Zwangsmittel können durch die Verleihung selbst be-
gründet werden in Gestalt von Ungehorsamsstrafen, welchen
der Beliehene sich unterwirft, oder so, daß der Aufsichtsbehörde die
Geltendmachung von Rechten eingeräumt wird, die diesem
gegenüber seinen Angestellten und Bediensteten zustehen mögen:
Verfügung von Konventionalstrafen, Dienstentlassung u. dgl.6.
Das wichtigste Zwangsmittel ist hier die Ersatzvornahme.
Die durch eine Auflage angeordnete Maßregel wird im Falle der
Säumnis an Stelle des Pflichtigen durch die Behörde zur Ausführung
gebracht, der Kostenbetrag festgesetzt und beigetrieben, alles in den
Formen, deren sich die verwaltungsrechtliche Ersatzvornahme auch
sonst und namentlich im Polizeizwange bedient (vgl. Bd. I § 23, II)7.
[312]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
II. Die Rechte, die wir auf seiten des Beliehenen
finden, sind allesamt Privatrechte in dem Sinne, daß sie eigne Rechte
eines Privaten, eines Unterthanen vorstellen. Im übrigen ist zu unter-
scheiden.
1. Die Verleihung bewirkt, daß dem Beliehenen Macht gegeben
wird über ein Stück öffentlicher Verwaltung, das öffentliche Unter-
nehmen, das er führen soll in eignem Namen und für eigne Rechnung.
Damit ist ein subjektives öffentliches Recht für ihn begründet
(vgl. Bd. I § 9, II n. 2). Dieses Recht äußert sich, seiner Natur ent-
sprechend, nach zwei Seiten hin.
Einmal in dem Anspruch auf Rechtsschutz: es bindet die
öffentliche Gewalt, daß sie es handhabe und aufrecht erhalte. Ein-
griffe in das von ihm beherrschte Gebiet sind ihr fortan nur gestattet,
soweit ein besonderer Rechtsgrund für sie dazu gegeben ist im Gesetz
oder in einem Vorbehalt, der bei der Verleihung gemacht wurde
(Bd. I § 9, III n. 1). Für die Frage der rechtlichen Zulässigkeit von
Einschränkungen und Rechtsentziehungen giebt das die Grundlage.
Sodann in der Verfügung über das Recht. Insofern hier
mit dem Rechte eine Pflicht zur Führung des Unternehmens ver-
bunden ist, ist die Verfügung nicht frei. Der einfache Verzicht auf
die Konzession setzt eine Genehmigung voraus, um wirksam zu sein;
ohne diese tritt die Entlassung aus der Pflicht nicht ein und kann
folglich auch der Verzicht nicht als gewollt gelten. In gleicher Weise
7
[313]§ 50. Rechte und Pflichten des beliehenen Unternehmers.
kann ein Rechtsübergang und damit Pflichtübergang auf einen neuen
Unternehmer mit staatlicher Genehmigung vor sich gehen. Diese
Genehmigung kann schon im voraus gegeben sein, indem die Ver-
leihung ausdrücklich oder stillschweigend an den Beliehenen und
seine Rechtsnachfolger geschehen ist. Bei einfacheren Unternehmungen:
Brücken, Fähren, Ortsstraßenstrecken, wo ein Einzelmensch als Unter-
nehmer aufzutreten pflegt, ist das regelmäßig so gemeint. Recht und
Pflicht aus der Verleihung gehen dann ohne weiteres über durch Erb-
gang oder Vertrag. Die Regeln von der Wirkung des Verwaltungs-
aktes für die persona incerta greifen wieder Platz (Bd. I § 8, III n. 3).
Bei Verleihung von Chausseen, Kanälen, Eisenbahnen und dergleichen
ist auch für den Rechtsübergang besondere Genehmigung vorbehalten.
Es handelt sich hier um Gesellschaften, deren Statuten Voraussetzung
und Bedingung der Verleihung waren. Die Genehmigung, die hier
namentlich im Falle der Fusion von Aktiengesellschaften vorkommt,
hat nicht die Bedeutung einer Neuverleihung, sondern nur die einer
Annahme und Bestätigung des durch die geschehene Verfügung über
das Recht bezeichneten Nachfolgers8. Wo freilich der Träger der
Verleihung eigens zu diesem Zwecke geschaffen ist, wie bei der Reichs-
bank, ist die Rechtsübertragung ausgeschlossen, da es ein gleichartiges
Rechtssubjekt nicht giebt; nur durch Neuverleihung könnte ein Nach-
folger geschaffen werden.
Mit dem Recht auf das Unternehmen, welches den eigentlichen
Kern der Wirkung der Konzession bildet, können noch Neben-
wirkungen zu Gunsten des Beliehenen verbunden sein: Ansprüche
auf besondere Gewährungen, Zuschüsse, Zinsgarantien, Steuerbefreiungen,
Schutz gegen Konkurrenzunternehmungen. Diese sind selbständig
nicht übertragbar, unterliegen aber der freien Verfügung durch Verzicht.
2. Auf Grund des von der Verleihung geschaffenen Rechtes, das
öffentliche Unternehmen zu führen, entwickelt der Beliehene nunmehr
seine Thätigkeit in Herstellung, Betrieb und Verwertung desselben.
Dabei tritt er in alle möglichen Rechtsbeziehungen nach außen,
Dritten, dem Publikum gegenüber. Diese sind nicht notwendig öffent-
[314]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
lichrechtlicher Natur. Sie sind nicht Wirkungen, sondern nur
Folgen der Verleihung9. Sie werden gerade so zu beurteilen sein,
wie wenn es der Staat selbst wäre, der das Unternehmen betriebe,
oder, noch besser, wie wenn ein Selbstverwaltungskörper es betriebe.
Betriebsmittel, Vorräte, Dienstgebäude hat er in civilrechtlichem
Eigentum wie dieser; Kauf- und Dienstmiete sind auch bei ihm civil-
rechtliche Rechtsgeschäfte; Enteignung, Polizei der Anstalt, gewisse
Gebührenerhebungen bewegen sich hier wie dort in öffentlichrechtlichen
Formen10.
III Die Endigung des durch die Verleihung begründeten
Rechtsverhältnisses, wie sie auch herbeigeführt sein möge, bedeutet
immer ein Erlöschen der Pflicht des Beliehenen, für das Unternehmen
zu sorgen, und andererseits seines Rechtes an dem Unternehmen.
Damit erlöschen auch diejenigen besonderen Rechte, welche dem Be-
liehenen nur wegen des Unternehmens und für dasselbe zustanden.
Alle sachlichen und persönlichen Mittel, welche bisher dem Unter-
nehmen dienten, bilden jetzt in seiner Hand eine zwecklose Masse11.
Wenn nichts weiter geschieht, kann er frei darüber verfügen; das
bisherige öffentliche Eigentum, Straße, Bahnkörper, Kanal ist mit der
Endigung der Verleihung aufgelassen; Grundstücke wie bewegliche
Sachen, Dienstverträge, Mietverträge, Außenstände, alles, was aus dem
Unternehmen übrig bleibt, gehört ihm.
Es kann aber auch der Verleiher eingreifen und diese Mittel an
sich ziehen, soweit sie erforderlich scheinen, um den Fortbestand
des Unternehmens zu sichern, der im öffentlichen Interesse erfordert
sein mag. Das Recht dazu beruht auf dem Verleihungsverhältnis
selbst. Wer sich diesem unterwirft, übernimmt damit die Pflicht, das
[315]§ 50. Rechte und Pflichten des beliehenen Unternehmers.
von ihm für das öffentliche Unternehmen Verwendete nötigenfalls darin
zu belassen12. Es ist also keine Enteignung, die da vor sich geht;
denn diese wird nicht erst durch ein öffentliches Pflichtverhältnis be-
gründet. Die Inanspruchnahme der Mittel ist ein Verwaltungsakt von
derselben rechtlichen Natur, wie die Auflagen, die während der Dauer
des Verleihungsverhältnisses ergehen, um die gehörige Erfüllung der
für das Unternehmen geschilderten Leistungen zu sichern. Insofern
aber dadurch dem Unternehmer zweifellos ein besonderes Opfer auf-
erlegt wird, hat er nach allgemeinen Grundsätzen einen Anspruch auf
Entschädigung. Den Maßstab bildet der Wert, der ihm entzogen
wird, nicht der Wert, den die Sachen im Unternehmen hatten, sondern
der Rohwert, derjenige, für welchen sie nach Erlöschen des Unter-
nehmens sonst verwendbar waren. — Je nach der besonderen Art der
Endigung der Verleihung kann aber die Berechnung auch eine andere
werden.
Die Endigungsgründe selbst sind die folgenden:
1. Verzicht. Wie vorhin ausgeführt, ist der Verzicht auf die
Verleihung selbst nicht frei, weil diese in erster Linie eine Pflicht des
Beliehenen bedeutet13. Seine Verzichtserklärung ist ein Gesuch um
Entlassung aus dieser Pflicht. Der Verleiher kann die Entlassung ge-
währen oder versagen nach freiem Ermessen, er kann auch Bedingungen
an die Gewährung knüpfen. Wenn der Fortbestand des Unternehmens
für nötig erachtet ist, wird die wichtigste Bedingung gerade die sein,
daß die dafür erforderlichen Anlagen und Betriebsmittel gegen eine
entsprechende Entschädigung darin belassen werden. Einigt man sich
[316]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
darüber, so wird durch den Ausspruch der Behörde das Erlöschen der
Verleihung und die zu gewährende Entschädigung zugleich festgestellt.
Andernfalls ist ein gültiger Verzicht und eine Endigung der Verleihung
überhaupt nicht zustande gekommen.
2. Wenn der Beliehene seinen Pflichten thatsächlich nicht nach-
kommt, das Unternehmen gar nicht herstellt oder den gehörigen
Betrieb unterläßt oder sonst wesentliche Konzessionsbedingungen nicht
erfüllt, so ist die Behörde berechtigt, ihm die Konzession zu entziehen.
Die Verleihung wird für verwirkt erklärt. Der Ausspruch geschieht
nach vorgängiger Mahnung.
Die Behörde kann sich auf diese Zerstörung des Unternehmens
beschränken. Dann wird der bisherige Unternehmer über die dazu
verwandten Mittel frei verfügen.
Sie kann auch einen Ersatz dafür schaffen durch Selbstbetrieb oder
Beleihung eines neuen Unternehmers und kann zu diesem Zwecke von
dem Rechte Gebrauch machen, jene Mittel an sich zu ziehen. Dann
tritt der Fall ein, daß für diese Entschädigung zu leisten ist nach
ihrem Rohwerte. Im Zweifel haben über die Höhe der Entschädigung
die Civilgerichte zu entscheiden.
Im Falle ein Fortbetrieb geboten erscheint, wird es aber am ge-
eignetsten sein, daß mit der Verwirkungserklärung das Zwangsmittel
der Ersatzvornahme sich verbindet: es wird nicht einfach auf die
Pflicht des Beliehenen verzichtet, sondern dafür Sorge getragen, daß
sie durch einen Anderen an seiner Stelle und auf seine Kosten erfüllt
wird. Das Unternehmen wird an einen neuen Unternehmer verliehen,
dem man zugleich die vorhandenen Anlagen und Betriebsmittel über-
weist. Dafür hat er dem abgesetzten Unternehmer eine Entschädigung
zu bezahlen. Der Betrag derselben wird dadurch festgesetzt, daß eine
Wettbewerbung eröffnet wird; unter den sonst Geeigneten erhält der
Meistbietende die neue Verleihung14.
3. Fristablauf. Die Verleihungen pflegen auf eine bestimmte
Reihe von Jahren erteilt zu sein. Erfolgt keine Erneuerung, so er-
lischt die Verleihung mit Ablauf dieser Zeit. Meist wird man bei der
Verleihung schon bestimmt haben, was alsdann mit der Anlage und
[317]§ 50. Rechte und Pflichten des beliehenen Unternehmers.
den Betriebsmitteln geschehen soll, namentlich daß etwa der Verleiher
sie übernimmt gegen Entschädigung, und wie diese Entschädigung zu
bemessen ist. Man spricht dann von einem Heimfall des Unter-
nehmens. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so hat der Verleiher
die Wahl, ob er den bisherigen Unternehmer über die verbliebenen
Mittel frei verfügen lassen oder sie behufs Fortführung des Unter-
nehmens an sich ziehen will gegen Entschädigung. Diese ist dann
wieder zu bemessen nach dem Rohwerte15.
4. Dem Verleiher kann das Rückkaufsrecht vorbehalten sein,
d. h. das Recht, nach seinem Belieben jederzeit oder von einem be-
stimmten Zeitpunkte ab die Verleihung zu widerrufen und behufs
Weiterführung des Unternehmens Anlagen und Betriebsmittel an sich
zu ziehen, selbstverständlich gegen Entschädigung des Beliehenen.
Das Rückkaufsrecht besteht nur, soweit der Unternehmer sich
bei der Verleihung oder nachträglich ihm unterworfen hat, oder eine
rechtssatzmäßige Grundlage dafür gegeben ist. Die gewöhnliche Ent-
eignungsgesetzgebung ist dafür nicht verwendbar, da sie nur auf Ent-
ziehung von Grundstücken berechnet ist. Durch Sondergesetz läßt
sich natürlich auch hier alles machen16. Die Geltendmachung geschieht
durch einen Ausspruch der Behörde; an diesen knüpft sich unmittelbar
die rechtentziehende Wirkung. Ein Kauf im juristischen Sinne ist
das nicht17.
[318]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Die Bemessung der Entschädigung kann bei der Begründung des
Rückkaufsrechts besonders geregelt sein. Soweit das nicht der Fall ist,
gelten dafür andere Grundsätze als sonst bei dem bloßen Ansichziehen
der vorhandenen Anlagen und Betriebsmittel nach erloschener Ver-
leihung. Was dem Unternehmer hier genommen wird, ist nicht der
Rohwert dieser Vermögensstücke, sondern das Unternehmen selbst,
und sonach auch das darin Verwendete mit dem vollen Wert, den es
hatte als Mittel zu seiner Durchführung und Verwertung18. Ein
Streit über die Höhe der darnach geschuldeten Entschädigungssumme
wird wieder — mangels besonderer Ordnungen — den Civilgerichten
zuzuweisen sein.
§ 51.
Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung; Rechte des Benutzenden.
Die öffentliche Anstalt ist ein Bestand von Mitteln, sach-
lichen wie persönlichen, welche in der Hand eines Subjektes der öffent-
lichen Verwaltung einem bestimmten öffentlichen Zwecke dauernd zu
dienen bestimmt sind1.
Sie kann den Gemeinzustand unmittelbar fördern, indem sie
öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleistet, wie die Feuerlösch-
anstalten und die großartigste Anstalt des Staates, das Heer, oder
allgemeinen Kulturaufgaben dient, wie eine Sternwarte, eine Akademie.
[319]§ 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung.
Sie kann ihren öffentlichen Zweck auch dadurch erfüllen, daß sie
dem Publikum, den vielen Einzelnen jedem für sich, Vorteile
gewährt und Dienste leistet, wie Schulen, Sparkassen, Krankenhäuser,
Post, Eisenbahn. Diese letztere Art hat man vorzugsweise im Auge,
wenn man von öffentlichen Anstalten spricht. Das Verhältnis, welches
dabei entsteht, zwischen dem Herrn der Anstalt, der den Vorteil ge-
währt, und dem Einzelnen, der ihn empfängt, bezeichnen wir vom
Standpunkte des Empfangenden aus als das der Anstaltsnutzung.
Die rechtliche Ordnung dieses Verhältnisses ist hier in Frage.
I. Die Form, in welcher auf dem Boden der Privatwirtschaft
derartige Leistungen dem Empfänger rechtlich vermittelt werden, ist
der civilrechtliche Vertrag. Der Unternehmer bietet seine Leistungen
aus und stellt die Bedingungen auf, unter welchen sie erfolgen sollen.
Die Erklärung des Kunden erfolgt durch Inanspruchnahme der Leistung,
die je nachdem nur gültig sein soll unter Vorleistung des Entgeltes.
War das Anerbieten des Unternehmers als Vertragsofferte gemeint,
so wird der Vertrag durch diese Erklärung fertig; war es nur eine
Aufforderung zur Offerte, so entsteht der Vertrag durch die Annahme
des Unternehmers, die aber gemeiniglich in Gestalt des Beginns der
Leistung erfolgt. Was weiter von beiden Seiten geschieht, fällt unter
die Gesichtspunkte der Vertragserfüllung.
Für die öffentliche Anstalt als eine Erscheinung der Thätigkeit
der öffentlichen Verwaltung ist diese civilrechtliche Ordnung nicht das
Selbstverständliche. Sie hat ihren natürlichen Boden im öffentlichen
Recht. Sofern sie auf diesem verbleibt, ist die Form des Vertrags
zur rechtlichen Vermittlung der Anstaltsnutzung ausgeschlossen (Bd. I
§ 11 n. 3). Der Vertrag ist hier aber auch nicht notwendig, um den
Unternehmer in Bewegung zu setzen. Die Leistungen der Anstalt ge-
schehen im öffentlichen Interesse, das gerade dadurch befriedigt wird,
daß sie den vielen Einzelnen zu gute kommen. Sie erhält demgemäß
die ganze Ordnung, in der sie arbeitet, selbständig von innen
heraus durch die Regeln, die der Unternehmer, der Staat, seiner
Thätigkeit, der Thätigkeit seiner Austaltsbeamten giebt. Daß dadurch
den Einzelnen die Anstaltsnutzung gesichert, dem Staate wiederum
von diesen ein Entgelt verschafft wird, ist Nebenwirkung und äußer-
liche Zuthat.
Wir können den nämlichen Gegensatz beobachten an der richter-
lichen Thätigkeit, die dem Einzelnen in Civilsachen sein Recht
verschaffen soll. Die Rechtsuchenden können, statt an die öffentlichen
Gerichte sich zu wenden, einen Schiedsrichter wählen. Das ist
[320]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
ein Privatunternehmer. Um seine Dienste zu gewinnen, muß man ihn
zuvor binden durch einen civilrechtlichen Vertrag. Aus diesem Vertrag
ist er alsdann verpflichtet, die schiedsrichterliche Leistung zu machen.
Es giebt eine Klage auf Erfüllung oder auf Schadensersatz wegen
Nichterfüllung. Im öffentlichen Gerichte dagegen ist der Unter-
nehmer der Staat. Dieser hat seine Richter durch die Dienstpflicht
gebunden, Klagen, welche den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen,
anzunehmen und zu erledigen. Die Vorlegung der Klageschrift ist nur
eine Aufforderung an die richterlichen Beamten, die ihnen vom Staate
auferlegte Dienstpflicht zu erfüllen, und alles, was die Partei weiter
thut, hat dieselbe Natur. Die Annahme der Klageschrift durch das
Gericht ist kein Vertrag, und es entsteht dadurch kein vertragsmäßiger
Anspruch gegen den Staat auf Erledigung des Prozesses. Es giebt
nur Rechtsmittel gemäß der eigenen Ordnung der Rechtsschutzanstalt
und Beschwerden gegen die Anstaltsbeamten, die Richter, beim Herrn
der Anstalt, beim Staat, d. h. bei den von ihm bestellten Überwachungs-
behörden.
Das Letztere ist die Form der öffentlichrechtlichen Anstalts-
nutzung. Beim Gericht freilich ist die ganze Thätigkeit durch ge-
setzliche Regeln auf das genaueste geordnet und eben deshalb ge-
bunden auch gegenüber den Parteien, zu deren Gunsten das wirkt.
Subjektive öffentliche Rechte der Einzelnen begleiten ihren Gang.
Bei der öffentlichen Anstalt der Verwaltung dagegen greift Gesetz und
Verordnung nur spärlich ein. Der Schwerpunkt der Ordnung, welche
der Staat ihrer Thätigkeit giebt, liegt in Generalverfügungen,
Dienstanweisungen für die Beamten und allgemeinen Verhaltungsregeln
für die Benutzenden kraft Anstaltsgewalt (unten § 52, II). Wenn wir
von Anstaltsordnung schlechthin sprechen, so meinen wir den
Inbegriff dieser für jede Anstalt bestehenden Verwaltungsvorschriften.
Wenn das Privatunternehmen das Verhältnis beginnt mit der
vertragsmäßigen Schaffung von grundlegenden Rechten und
Pflichten seines Kunden, woraus dann alles Weitere sich entwickelt,
so arbeitet die öffentliche Anstalt nach eigener Ordnung für den
ihrigen; einzelne Rechtsansprüche knüpfen sich möglicherweise
an Anfang, Mitte oder Ende ihrer Thätigkeit, eingestreut, je nachdem
besondere gesetzliche Bestimmungen dafür gegeben sind oder allgemeine
Rechtsgrundsätze des öffentlichen oder Civilrechts unvorhergesehener
Weise anwendbar werden2. —
[321]§ 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung.
Die öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung ist für die öffentliche
Anstalt die natürliche Form der Bestimmung des Verhältnisses zu den
Nutzenden. Dieses Verhältnis kann aber auch geordnet werden in
den Formen des Civilrechts durch Vertrag, Sachenmiete, Dienst-
miete, Werkverdingung. Nach dem leitenden Grundsatze, der diese
Ausscheidungsfrage beherrscht (Bd. I § 11, II), müßte das dann der
Fall sein, wenn der Staat seine Anstalt privatwirtschaftlich be-
treibt und in gleicher Weise Nutzungen daraus gewährt, wie auch ein
Privatunternehmer das thun würde. Dieser Grundsatz giebt freilich,
wie wir wissen, die Abgrenzung nicht ohne weiteres durch eine ein-
fache Subsumtion. Man hat das genauere Merkmal der Anwendbar-
keit des Civilrechts darin finden wollen, daß der Staat Gewinn aus
der Anstalt zieht; die Spekulationsabsicht soll das Privatwirt-
schaftliche ausmachen. Daran ist etwas Wahres, aber das finanzielle
Ergebnis beweist nicht, worin der Schwerpunkt liegt: die Staatseisen-
bahn bleibt civilrechtlich auch bei viel zu niedrigen Tarifen, Staats-
schulanstalten dagegen arbeiten nach öffentlichem Recht, auch wenn
sie einen Überschuß erzielen sollten. Ein anderer Formulierungs-
versuch geht dahin, das öffentliche Recht auf den Fall des Be-
nutzungszwanges zu beschränken: das Irrenhaus, die Volksschule
würden dann öffentlichrechtliche Leistungen bieten, das Gemeinde-
spital, die Universität dagegen Vertragsleistungen. Das ist der polizei-
staatliche Gedanke, wonach alles civilrechtlich ist, woran keine obrig-
keitliche Befehlsgewalt zu Tage tritt. Für die heutige Auffassung aber
offenbart sich ja das öffentliche Recht auch in weniger derben, feiner
gegliederten Formen.
Das richtige Verfahren wird wieder das sein, daß wir darauf ver-
zichten, eine allgemein gültige Abgrenzungsformel durchführen zu
wollen und einfach feststellen, wie die nach jenem leitenden Grund-
satze zu machende Abgrenzung von der Wirklichkeit des
Rechtes gemacht worden ist. Wir wissen, wie das Verhältnis
sich darstellen muß, wenn es civilrechtlich, und wie, wenn es öffent-
lichrechtlich geordnet ist; auf welche von beiden Arten alle Einzel-
heiten des Instituts, wie es in der Wirklichkeit gehandhabt wird, sich
einfacher verstehen und erklären lassen, die ist die richtige3.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 21
[322]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Da kann nun bezüglich einer ganzen Reihe von Anstaltsleistungen
von vornherein kein Zweifel sein, daß sie öffentlichrechtlich behandelt
sind, die Anstaltsthätigkeit folglich nicht als eine privatwirtschaftliche
anzusehen ist. Das sind namentlich solche, die im Zusammenhang
stehen mit einem Gewalt- und Zuchtverhältnisse öffentlich-
rechtlicher Art, in welchem der Leistungsempfänger steht: die Ver-
pflegung des Soldaten durch die Heeresanstalt4, des Sträflings im
Gefängnis, des Mittellosen im Armenhaus stehen außer Streit bezüglich
der ihnen gebührenden rechtlichen Beurteilung. Daran schließen sich
alle öffentlichen Heil- und Verpflegungsanstalten überhaupt,
deren Leistungen ja durchweg wesentlich von derselben Art und in
derselben Weise geordnet sind, auch ohne jene persönliche Abhängig-
keit des Empfangenden. Von öffentlichen Schulen gilt das Gleiche.
Die Eigenart des öffentlichen Rechtes ist aber auch unverkennbar, wo
die Anstalt, deren Nutzungen gewährt werden sollen, sich verkörpert
in einer öffentlichen Sache; die Gebrauchserlaubnis daran, wie
wir sie oben § 38 dargestellt haben, gewinnt hier in der Lehre von
der öffentlichrechtlichen Gewährung von Anstaltsnutzungen ihren
richtigen Zusammenhang. Prüfungskommissionen, Eichungs-
ämter, staatliche Beurkundungsanstalten aller Art sind schon
durch die obrigkeitliche Natur ihrer Leistung diesem Kreise unverkenn-
bar zugewiesen.
Andere Anstalten zeigen dagegen in dem Zwecke, dem sie dienen,
und in der Art, wie sie ihn verfolgen, von vornherein eine große
Ähnlichkeit mit Unternehmungen gewerblicher Art, welche daneben
von Privaten betrieben werden. Da muß man dann schon genauer
zusehen, wie sie behandelt sind. Die Scheidung, die wir dabei vor-
nehmen, scheint oft ganz willkürlich zu sein. Das städtische
Schlachthaus z. B. wird öffentlichrechtlich betrieben, wie der
Marktplatz und die städtische Markthalle; es schließt keine Miet-
verträge mit seinen Kunden; die städtische Gasanstalt dagegen
3
[323]§ 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung.
verkauft ihr Gas, die Wasserleitung ihr Wasser5. Mussen,
Gemäldegalerien, Bibliotheken gewähren öffentlichrechtliche
Anstaltsnutzung, auch wenn sie Gebühren erheben; das städtische
Theater vergiebt seine Plätze nach Civilrecht. Öffentliche
Depositenkassen, möglicherweise auch Sparkassen und Leih-
häuser, werden öffentlichrechtlich benutzt6; die Reichsbank be-
treibt Handelsgeschäfte. Von den öffentlichen Verkehrsanstalten sind
Post, Telegraph und Telephon in ihren Beziehungen zum
Publikum öffentlichrechtlich geordnet; die Staatseisenbahnen und
Staatsdampfschiffunternehmungen schließen Personentrans-
port- und Frachtverträge.
Warum das eine so, das andere so behandelt wird, das läßt sich
meist aus geschichtlichen Hergängen erklären. Die Eisenbahnen hat
der Staat den Aktiengesellschaften nachgeahmt oder von ihnen über-
nommen; ebenso sind gemeindliche Gasanstalten und Wasserleitungs-
unternehmungen von Privatgesellschaften vorgebildet worden. Post und
Telegraph sind von Haus aus als Unternehmungen der öffentlichen
Verwaltung behandelt worden. Die Art, wie sich die Anschauung be-
züglich jeder Anstalt gebildet und festgelegt hat, läßt sich fast überall
in dieser Weise verfolgen.
21*
[324]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
II. Was bei öffentlichrechtlich geordneter Anstaltsnutzung dem
einzelnen Unterthanen zukommt, die Rechte des Benutzenden,
wie wir es nennen mögen, scheidet sich nach drei Hauptstücken: die
Zulassung zur Anstalt, die Anstaltsleistung selbst und Nebenansprüche
aus dem Benutzungsverhältnis.
1. Die öffentliche Anstalt ist dazu bestimmt, in dauernder Weise
und für eine unbegrenzte Reihe im voraus nicht bezeichneter Fälle
den Unterthanen ihre Vorteile zu gewähren. Die Beziehung der
Anstaltsleistung auf den Einzelfall wird hergestellt durch die Zu-
lassung zur Anstalt. Sie ist ihrer rechtlichen Bedeutung nach
die Anerkennung, daß der Fall gegeben sei, wo die Anstalt bestimmungs-
gemäß thätig zu werden hat. Diese Anerkennung kann durch einen
besonderen Akt geschehen: so bei Aufnahme in eine Schule, Heil-
oder Verpflegungsanstalt. Sie kann sich verbinden mit einem Akte,
der die zu gewährende Nutzung zugleich genauer bestimmt: Platz-
anweisung des Marktaufsehers, des Schleusenwärters, der Kirchhofs-
verwaltung. Sie liegt möglicherweise in der thatsächlichen Einleitung
der Anstaltsthätigkeit diesem Falle gegenüber: Annahme der Depesche,
Abstempelung des Briefes, Überführung in den Krankensaal, Ausgabe
des Bibliotheksbuches. Ein bloßes Dulden und Nichtverhindern kann
unter Umständen genügen: Gestattung des Eintrittes in ein Museum
oder eine Gemäldegalerie.
Die Voraussetzungen der Zulassung bestimmt der Zweck der
Anstalt. Durch die Anstaltsordnung werden sie näher bezeichnet. Es
handelt sich um Eigenschaften der aufzunehmenden Personen, die ge-
fordert werden, um die entsprechende Beschaffenheit der in den Betrieb
der Anstalt aufzunehmenden Sachen und um die Form, in welcher
ihre Thätigkeit in Anspruch genommen werden muß: es kann ein
Gesuch notwendig sein, oder ein thatsächliches Einbringen der Sachen
genügen, oder auch die Anstalt berufen sein, ihre Leistungen entgegen-
zubringen. Die Beobachtung aller dieser Vorraussetzungen ist Dienst-
pflicht der Anstaltsbeamten; wo sie nicht gegeben sind, ist die Zu-
lassung zu verweigern. Andererseits, wo sie gegeben sind, ist es ebenso
Dienstpflicht, die Zulassung zu gewähren. Es liegt in Natur und Auf-
gabe der öffentlichen Anstalt, daß sie in dieser Weise allgemein
und gleichmäßig zugänglich sei. Und daran wird man sich bei
ihrer Ordnung thatsächlich halten. Daß insbesondere den Betriebs-
beamten bei gegebenen allgemeinen Voraussetzungen noch eine Aus-
wahl und ein freies Ermessen bezüglich der Zulassung eingeräumt
wird, kommt nur bei reinen Wohlthätigkeitsanstalten vor, und auch
dann nur mit gewissen Beschränkungen und Maßgaben.
[325]§ 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung.
Die Zulassung ist aber der Punkt, an welchem das Verhältnis
der öffentlichen Anstalten zu den Einzelnen vorzugsweise Gegenstand
rechtssatzmäßiger Bestimmungen zu werden pflegt. Gesetz,
Verordnung oder Statut stellen für wichtigere Anstalten die Voraus-
setzungen der Zulassung selbst auf in dem Sinn, daß sie nicht versagt
werden darf, wo diese Voraussetzungen gegeben sind. Oder das Gesetz
verweist auf eine zu erlassende Anstaltsordnung, welche die Zulassungs-
bedingungen mit dieser Wirkung aufstellen soll. Das sind dann nicht
selbst Rechtssätze, sondern immer nur Dienstvorschriften; aber die Be-
hörde, welche sie erläßt, und auch eine etwaige vorgesetzte, kann sie
für den Einzelfall nicht durchbrechen durch eine abweichende An-
ordnung, wie das ja sonst rechtlich zulässig wäre. Der Wille des
Gesetzes bindet die Zulassung ausschließlich an das durch die all-
gemeine Dienstvorschrift Bestimmte7.
Im einen wie im anderen Falle besteht diese rechtliche Gebunden-
heit der Zulassung gegenüber „Jedem, den es angeht“. Bei wem die
Voraussetzungen zutreffen, wonach die Zulassung zu gewähren ist, der
hat ein subjektives öffentliches Recht darauf, und die Versagung ist
eine Rechtsverletzung ihm gegenüber. Wie das zur Geltung gebracht
wird, ist eine Frage der Ordnung des Rechtsschutzes. Mangels be-
sonderer Bestimmungen ist der gewiesene Weg der der einfachen
Beschwerde an eine vorgesetzte Behörde, um von ihr einen Abhülfe
[326]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
schaffenden Dienstbefehl zu erwirken (Bd. I S. 150). Ganz der näm-
liche Weg würde auch offen stehen, wenn das Gesetz sich gar nicht
drein gemengt hätte und alles schlechthin auf dem Zweck der Anstalt
und der Anstaltsordnung beruhte. Der Unterschied liegt lediglich in
der sachlichen Aufgabe des Bescheides: dort fragt es sich, inwieweit
ein Interesse der Verwaltung besteht, für den Beschwerdeführer ein-
zugreifen, hier ist schlechthin dem verletzten Rechte zur Anerkennung
zu verhelfen und der Bescheid ist daran gebunden8.
2. Die Zulassung eröffnet dem Einzelnen die Leistungen der
Anstalt, aber sie bindet diese Leistungen nicht. Sie ist kein Vertrag,
auch kein öffentlichrechtlicher, überhaupt kein Rechtsgeschäft, das ein
Rechtsverhältnis begründet9.
Die Wiederaufhebung der Zulassung, der Ausschluß von der
Anstaltsnutzung, geschieht nach denselben Regeln wie die Zulassung
selbst. Regelmäßig also schützt nur die Dienstpflicht vor Willkür;
[327]§ 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung.
wo die Voraussetzungen der Zulassung rechtssatzmäßig geordnet sind,
kann auch der Ausschluß nicht erfolgen in Widerspruch damit, sonst
wäre es wieder eine Rechtswidrigkeit gegenüber dem Betroffenen.
Was dem Zugelassenen und in der Anstaltsnutzung Verbleibenden
wirklich geleistet wird, das ist im einen wie im anderen Falle
lediglich bestimmt durch die innere Ordnung der Anstalt selbst, durch
die Dienstpflicht der Beamten, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse
überwacht wird von der vorgesetzten Behörde. Der Nutzende mag
diese anrufen, damit sie zum Rechten sehe; das kommt dann auch
ihm zu gute. Aber er hat kein eignes Recht gegen den Staat auf
die richtige Durchführung der Leistung. Die civilrechtliche Klage
auf Leistung ist selbstverständlich ausgeschlossen. Aber auch ein
verwaltungsrechtliches Rechtsschutzmittel ist ihm nicht gegeben, das
von dieser Grundlage aus die Erzwingung der Leistung bezweckte.
Ausgeschlossen ist demgemäß auch die Klage auf Schadensersatz
wegen Nichterfüllung. Bestünde eine Leistungspflicht der
Anstalt, so könnte es nur eine öffentlichrechtliche sein, und öffentlich-
rechtliche Leistungspflichten lösen sich bekanntlich nicht auf im
Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Nun aber besteht nicht einmal
eine solche Pflicht. Die Schadensersatzansprüche, denen wir hier be-
gegnen (unten n. 3), sind ganz anderer, selbständiger Natur.
Gerade an diesem Ausschluß rechtsgeschäftlicher Haftung tritt
der Gegensatz der öffentlichrechtlichen Anstaltsnutzung zum civil-
rechtlichen Nutzungsverhältnis, wie es durch Vertrag begründet werden
kann, am schärfsten hervor10. Die Anstaltsordnungen, Reglements,
Regulative, Statuten, mit welchen die öffentlichen Anstalten arbeiten,
[328]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
pflegen den Ausschluß der Haftung ausdrücklich zu erwähnen. Es
wäre aber falsch, das aufzufassen als Vertragsklauseln eines
civilrechtlichen Rechtsgeschäftes. Auf diese Weise wäre der volle
rechtliche Erfolg, der hier gemeint ist, niemals zu erreichen. Wir
haben neben den öffentlichen Anstalten vielfach Privatunternehmungen,
die ihnen äußerlich gleichen: Privatkrankenhaus, Privatschule, Privat-
post. Die suchen dann wohl auch in den Beziehungen zu ihren
Kunden jene möglichst nachzuahmen. Mögen sie aber noch so sorg-
fältig durch Klauseln und Vorbehalte alle rechtlichen Gebundenheiten
ausschließen, die vertragsmäßige Grundlage schlägt immer wieder
durch. Der Unternehmer ist nicht imstande, sich unbedingt zu sichern
gegen ein Einstehenmüssen für die Fehler seiner Leute oder für eigne
Verabsäumung derjenigen Vorkehrungen und Einrichtungen, welche der
Kunde billigerweise voraussetzen kann11. Geradeso müßte es unsern
öffentlichen Anstalten ergehen, wären jene reglementarischen Be-
stimmungen nur befreiende Klauseln gegenüber den einzugehenden
Vertragspflichten. Das Civilrecht würde sie niemals so unbedingt gelten
lassen, wie sie lauten. Die Obrigkeit, die sie aufstellt, hat sie aber
unbedingt gemeint. Ein mißtönender Widerspruch ist nur dann zu
vermeiden, wenn man darauf verzichtet, das Verhältnis auf den Boden
eines Vertrags zu stellen12.
Dafür kann dem Einzelnen, der aus der Nichterfüllung der
Anstaltsleistung Nachteil erleidet, ein Schadensersatzanspruch nach
anderer Richtung hin erwachsen: der Anstaltsbeamte, der durch
seine Dienstpflicht gehalten war, diese Leistung vorzunehmen, haftet
ihm persönlich für die schuldhafte Verabsäumung dieser Pflicht und
den daraus entstandenen Schaden. Diesen eigentümlichen Grundsatz
der civilrechtlichen Haftung für Amtshandlungen haben wir bereits
[329]§ 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung.
oben, Bd. I S. 231 ff., zur Darstellung gebracht. Die Voraussetzung
dafür, daß nämlich die dem Staate geschuldete Dienstpflicht zu
Gunsten eines anderen Unterthanen zu erfüllen ist, ist gerade auf dem
Gebiete der öffentlichen Anstalten in der umfassendsten Weise ge-
geben. Damit vervollständigt sich das Bild des Gegensatzes zwischen
öffentlichrechtlicher Anstaltsnutzung und den civilrechtlichen Vertrags-
verhältnissen, die ihr äußerlich ähnlich sehen. Gebe ich einen Brief
zur Privatpost, so schließe ich einen Beförderungsvertrag mit dem
Unternehmer des Instituts; wenn dessen Angestellter, der den Brief
besorgen soll, dies unterläßt, so haftet mir niemand als der Unter-
nehmer; er kann mich nicht an den Diener verweisen, und ich habe
kein Recht, mich an den Diener zu halten, der mir gegenüber keine
Pflicht übernommen und folglich auch keine verletzt hat. Wenn ich
dagegen eine Drahtnachricht aufgegeben habe und der Telegraphen-
beamte läßt sie nachher leichtfertigerweise liegen, so haftet mir nicht
der Unternehmer, dessen Anstalt ich benütze, nicht der Staat; dafür
haftet mir der Beamte13. Wenn man genauer zusieht, so ist wohl
auch diese Haftung ein Ausfluß des Grundgedankens, der die Thätig-
keit der öffentlichen Anstalt beherrscht: daß sie ihre ganze Ordnung
von innen heraus, dienstpflichtmäßig erhält, dies aber dem Einzelnen
zu gute kommt; das wirkt an diesem Punkte rechtlich.
3. Die öffentliche Anstalt geht ihren eignen Gang als große
Maschine. Die Benutzenden, die mit ihren Interessen, mit ihrer
Person, ihren Sachen hineingegeben sind, sind nur Objekte für sie
ohne bestimmende Einwirkung. Erst außerhalb dieses Kreises finden
sie wieder Rechte, um Ansprüche zu erheben aus den gelegent-
lich der Anstaltsnutzung entstandenen Thatsachen. Es
sind selbständige Regeln civilrechtlicher oder öffentlichrechtlicher
Natur, die dafür wirksam werden. Die Anstaltsordnung dient dazu,
sie zu beschränken durch die Anstaltsgewalt (unten § 52, I), oder vor-
zuschreiben, wie ihnen genügt werden soll. Besondere Rechtssätze
geben ihnen in einem oder anderem Punkte genauere Bestimmung.
Es sind Ansprüche auf Herausgabe und Ansprüche auf Entschädigung.
[330]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Ein Anspruch auf Herausgabe besteht wegen der Ver-
mögenswerte, welche gelegentlich der Anstaltsnutzung in die Hände
der Anstalt gelangt sind, um ihr nicht zu verbleiben. Die Ablieferung
vollzieht sich in ihrem geordnetem Gang; wenn aber in der einen
oder anderen Art die anstaltsmäßige Thätigkeit zu Ende ist und nichts
übrig bleibt, als die Thatsache der Innehabung eines solchen Wertes,
der herauszugeben ist, dann stellt sich neben die dienstliche Pflicht
der Anstaltsbeamten ein Rechtsanspruch dessen, dem er gehört. Der
Anspruch ist ein civilrechtlicher und geht gegen den Herrn der Anstalt
selbst, in dessen Namen die Anstalt betrieben und die Innehabung
geübt wird. Handelt es sich um körperliche Sachen, so ist die rei
vindicatio gegeben14; ist es eine Geldsumme, die auf solche Weise
ohne Grund in den Händen der Anstalt verbleibt, so hat die Klage
dessen, dem sie gehört, die Natur der condictio sine causa15.
Andererseits können dem Nutzenden auch Entschädigungs-
ansprüche gegen den Staat als dem Herrn der Anstalt zustehen
wegen des Nachteils, der ihm bei der Anstaltsthätigkeit erwachsen ist.
Die Rechtsgrundlage dafür liefern nicht die Grundsätze über kontrakt-
liches Verschulden; denn ein vertragsartiges Rechtsverhältnis liegt
nicht vor (oben n. 2). Ebensowenig die civilrechtlichen Grundsätze
über die Haftung für rechtswidrige Handlungen seiner Beamten; denn
[331]§ 51. Öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung.
der Staat bewegt sich bei der Thätigkeit dieser öffentlichen Anstalt
nicht von vornherein auf dem Boden des Civilrechts (Bd. I § 17, III)16.
Es ist wieder allein die öffentlichrechtliche Entschädigung,
die dabei zur Anwendung kommt. Die Anstaltsthätigkeit ist öffent-
liche Verwaltung; der Schade, der daraus entstand, ist ein besonderes
Opfer, welches dem Einzelnen zugemutet wird; der Ausgleich findet
statt ohne den Nachweis eines bestimmten Verschuldens, aber auch
nur in der beschränkten Weise, in welcher öffentlichrechtliche Ent-
schädigung überhaupt gewährt wird: nur für den Fall einer greifbaren
Beschädigung von Sachen und Personen und nur in dem Maße, der
diesem unmittelbaren Schaden entspricht17. Die Anstaltsordnungen
[332]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
pflegen die Vergütungen in diesem Sinne genauer zu ordnen. Sie
haben nur die Bedeutung von Regelungen der dienstpflichtmäßigen
Anwendung des Rechtsgrundsatzes. Zugleich können sie wirksam
werden als Anerkennungen des diesem entsprechenden Maßes von
Entschädigung, die im voraus und allgemein abgegeben werden; da-
durch vereinfacht sich die Geltendmachung des Anspruchs; der Ge-
schädigte kann die ihm nach allgemeinem Rechtsgrundsatze zustehende
Entschädigung ohne weiteres in dieser Höhe beanspruchen. Der Nach-
weis, daß im gegebenen Falle die Entschädigung nach jenen Grund-
sätzen höher zu bemessen sei, wäre dadurch nicht ausgeschlossen.
Denn eine selbständig ordnende Kraft haben derartige Regelungen
nicht18. Soll die Entschädigung nach Gegenstand und Maß durch
solche Regeln selbständig bestimmt werden gegenüber dem, was nach
allgemeinen Grundsätzen geschuldet wäre, und bindend auch für den
Geschädigten, so bedarf es einer gesetzlichen Grundlage, die denn auch
mehrfach hier gegeben ist19.
[333]§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
§ 52.
Fortsetzung; Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
Die öffentliche Anstalt erfüllt ihren Zweck, indem sie den vielen
Einzelnen ihre Nutzungen gewährt. Die rechtliche Sicherung, welche
deren Interessen dabei zuteil wird, haben wir unter dem Namen:
Rechte der Benutzenden zusammengefaßt. Die Gegenrechte der An-
stalt, die dem entsprechen, stellen sich dar in Benutzungszwang,
Anstaltsgewalt und Gebühr.
I. Die Wirksamkeit der einmal eingerichteten öffentlichen Anstalt
kann dadurch gesichert werden, daß den Einzelnen gegenüber eine
rechtliche Nötigung geübt wird zur Benutzung: der Benutzungs-
zwang als Gegenstück zur Annahmepflicht (oben § 51, II n. 1). Die
Nötigung geschieht durch rechtssatzmäßige Befehle, deren Nicht-
befolgung mit Strafe bedroht ist und auch zu sonstigen Zwangsmitteln
führen kann1. Solcher Befehl erscheint aber in zweierlei Gestalt.
Er geht entweder als Gebot geraden Wegs auf Benutzung der
Anstalt, so daß die Pflicht dazu entsteht mit dem Eintritt gewisser
Thatsachen; so der Schulzwang, der Impfzwang. Es kommt hier
darauf an, die durch die Anstalt, die öffentliche Schule, den amtlichen
Impfarzt, zu erzielende Wirkung herbeizuführen. Dem entspricht es,
daß die Möglichkeit einer Entbindung von dem Gebote vorgesehen
ist für den Fall, daß die Erzielung dieses Erfolges in anderer Weise
gesichert erscheint.
Es kann aber auch dem Einzelnen freigestellt bleiben, ob er eine
gewisse Handlung vornehmen will oder nicht; nur, wenn er das will,
darf es nicht anders geschehen als unter Benutzung der öffentlichen
Anstalt. Der Befehl hat dann die Gestalt eines Verbotes; so der
Schlachthauszwang, der Postzwang. Der Zweck ist hier: die Thätig-
keit zur Befriedigung solcher Bedürfnisse auf die öffentliche Anstalt
ausschließlich zu vereinigen. Dem entspricht es, daß zugleich jedem
Andern verboten wird, die gleichen Leistungen seinerseits zu gewähren
und dadurch der öffentlichen Anstalt Konkurrenz zu machen.
So das Postregal und das Verbot von Privatschlachtanstalten. Das
Letztere, das Konkurrenzverbot, kann auch für sich allein stehen; das
wirkt dann mittelbar als Nötigung zur Benutzung der öffentlichen An-
stalt, weil man die gleiche Leistung nirgends sonst erhalten kann.
[334]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Ein Beispiel bietet das Ausschlußrecht der öffentlichen Telegraphen-
anstalt2. —
Alle diese Befehle bedürfen der gesetzlichen Grundlage. Dabei
wird ein Unterschied bedeutsam: wenn es sich darum handelt, durch
die Nötigung zur Benutzung der Anstalt einer polizeiwidrigen Schäd-
lichkeit entgegenzutreten, ist die erforderliche Grundlage möglicher-
weise schon gegeben in den bestehenden allgemeinen polizei-
lichen Ermächtigungen. Impfzwang z. B., Schlachthauszwang
und Ausschluß von Privatschlachtanstalten haben die Natur solcher
polizeilicher Befehle (Bd. I § 20); diese Maßregeln wären deshalb
durchführbar ohne besonderes Gesetz. Anders wenn die Benutzung
der Anstalt nur durchgesetzt werden soll in Verfolgung allgemeiner
Kulturzwecke oder gar im Finanzinteresse des Staates: für Schul-
zwang, Postzwang, Post- und Telegraphenregal ist ein Sonder-
gesetz unentbehrlich.
Strafe und Zwangsvollstreckung schließen sich im ersteren Falle
ohne weiteres den Formen des Polizeirechts an. Im letzteren Falle
erscheinen sie in freierer Nachbildung mit Übergängen zu den Formen
der Finanzgewalt3.
II. In der Thätigkeit der öffentlichen Anstalt erscheint die öffent-
liche Verwaltung. Was störend in ihren geordneten Gang hinein-
greift, wirft sie obrigkeitlicherweise beiseite als eine Störung der guten
[335]§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
Ordnung des Gemeinwesens, gemäß den oben Bd. I S. 348 dar-
gestellten Regeln des unmittelbaren Polizeizwangs.
Dieselbe obrigkeitliche Natur der öffentlichen Anstalt äußert sich
aber noch weiter in einer mannigfaltig ausgeprägten, wohlgeordneten
rechtlichen Macht, die für sie ausgeübt wird über alles Fremde, das
gelegentlich der Nutzungsgewährung aufgenommen wird in ihren Be-
trieb. Diese Macht nennen wir die Anstaltsgewalt. Man spricht
von einer Polizei der öffentlichen Anstalt, wo diese einen
mehr oder weniger freien Zutritt in raschem Wechsel gewährt, eine
Art Verkehr gestattet: so bei Marktplätzen, Markthallen, Schlacht-
häusern, Museen, äußeren Postlokalen; auch die Gerichtssäle gehören
hierher. Anstaltsdisciplin heißt die Gewalt, wenn die Anstalt
einen Kreis von benutzenden Personen in mehr dauernder Weise ver-
einigt: Krankenanstalten, Armenhäuser, Schulen. Das sind nur An-
wendungsfälle des allgemeineren Begriffes; daneben stehen solche, die
durch keinen eignen Namen ausgezeichnet sind.
Die Anstaltsgewalt kann auf eine besondere Rechtsgrund-
lage gestellt sein, in der sie das Maß ihrer Ermächtigungen bestimmt
findet. Bei Anstalten, die nur dazu da sind, einer umfassenderen Ge-
waltübung über den darin Aufgenommenen zu dienen, verschwindet sie
hinter dieser (Gefängnisanstalten, militärische Verpflegungsanstalten).
Bei Anstalten, welche sich auf öffentlichen Sachen bewegen (Markt-
plätze), greifen die Formen der Polizei der öffentlichen Sachen Platz.
Bei Anstalten mit Benutzungsgebot (Impfung, Schlachthäuser, Volks-
schulen) mag der Rechtssatz, welcher den Eintritt in die Benutzung
erzwingt, auch für die gehörige Durchführung Maßregeln im Ein-
zelnen vorsehen, und auch außerdem kann das Gesetz überall durch
Strafbestimmungen, Zulassung von Ordnungsstrafen und dergleichen
die Anstaltsgewalt verschärfen oder näher bestimmen.
Hinter all dem aber steht das gemeine Recht der An-
staltsgewalt, wie sie aus dem Wesen der öffentlichen Anstalt von
selbst sich ergiebt, ohne gesetzliche Grundlage. Die That-
sache, daß sie in dieser Weise vorhanden ist und geübt wird, haben
wir vor Augen. Wir müssen uns nur Rechenschaft darüber geben,
wie sich das einfügt in den Kreis unserer Rechtsinstitute.
Die Erklärung liegt darin, daß hier ein besonderes Gewalt-
verhältnis begründet ist4. Damit steht es folgendermaßen.
[336]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Wer in den Betrieb der öffentlichen Anstalt, in Schule, Kranken-
haus, Postwagen, Schlachthaus u. s. w. eintritt, verliert, so lange er
sich darin befindet, von selbst einen entsprechenden Teil seiner persön-
lichen Freiheit. Er muß sich fügen in den geordneten Gang derselben,
nicht wegen einer vertragsmäßigen Pflicht, die er zu diesem Ende
übernommen hätte, sondern weil die Lebensthätigkeit der Anstalt, die
ihn umgiebt, das rechtlich Stärkere ist. Er muß sich fügen mit seiner
Person; die Gewaltanwendung der Anstaltsbediensteten steht überall
dahinter, um jede willkürliche Bewegung zu unterdrücken. Es ist das
Hausrecht der Anstalt, unter dem er sich befindet. In der gleichen
Weise beschränkt sich das Eigentum an den Sachen, die in solchen
Anstaltsbetrieb gegeben sind. Es kann nicht geltend gemacht werden,
um diesen zu stören; die Poststücke gehen ihren Weg, die Kleider
des Kranken, die Versatzstücke im Leihhaus folgen der anstaltlichen
Behandlung, ob der Eigentümer will oder nicht; erst wenn die anstalt-
liche Thätigkeit ordnungsmäßig zu Ende ist, wird sein Recht wieder
frei. Der verfassungsmäßige Vorbehalt des Gesetzes zum Schutz von
Freiheit und Eigentum weicht zurück, soweit dieses Hausrecht der
öffentlichen Anstalt reicht.
Daraus ergiebt sich von selbst, daß ebensoweit über den Ein-
zelnen, der in dieser Lage sich befindet, auch bindende Anordnungen
ergehen können, die seine Freiheit und sein Eigentum berühren.
Denn bindend für ihn ist die obrigkeitliche Willensäußerung von
Natur; außerhalb solcher besonderen Verhältnisse, welche die Freiheit
zurückdrängen, setzt nur der verfassungsmäßige Vorbehalt der voll-
ziehenden Gewalt an dieser eine Grenze; sobald die, wie hier, wegfällt,
werden ihre Anordnungen von selbst frei und wirksam, ohne Gesetz.
1. Die Grundlage des Gewaltverhältnisses bildet hier der that-
sächliche Eintritt in den Betrieb der öffentlichen Anstalt. Das
giebt einen Gegensatz zu dem Gewaltverhältnis der öffentlichen Dienst-
pflicht (oben § 45), welches nur begründet wird durch Rechtsakte,
sei es einseitige Auferlegung der Dienstpflicht, sei es Ernennung oder
Anstellung auf Unterwerfung. Dafür ist die Verwandtschaft unver-
kennbar mit gewissen Gewaltverhältnissen der besonderen Überwachung
im Finanzrecht, mit denjenigen nämlich, wo das Gewaltverhältnis sich
begründet durch den Eintritt in den thatsächlichen Machtkreis der
4
[337]§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
Finanzgewalt (Bd. I § 30 S. 441). Wie dort von dem Gewaltverhältnis
nicht bloß erfaßt wird der Inhaber der besonderen Zollerleichterung
und seine Leute, sondern jeder, der den dafür vorbehaltenen Raum
betritt, so hier nicht bloß derjenige, der die Benutzung der öffent-
lichen Anstalt in Anspruch genommen hat, sondern auch jeder Dritte,
der im Zusammenhange damit in die Anstalt gerät, der Besucher des
Kranken z. B. Auf einen Willensakt der Unterwerfung ist die Wirk-
samkeit der Anstaltsgewalt nicht zurückzuführen. Denn sie erfaßt
mit voller Kraft auch den Geisteskranken, der in die Irrenanstalt sich
begiebt, und das Poststück, das ein Kind aufgegeben hat. Von einem
Vertrag ist schon gar keine Rede5.
2. Vermöge dieses Gewaltverhältnisses können den darin Be-
griffenen nur solche Lasten und Beschränkungen auferlegt werden,
welche den Zweck haben, sie mit ihrer Person und ihren Sachen,
soweit sie damit in die Anstalt eingetreten sind, dem Interesse des
guten Ganges dieser Anstalt anzupassen und fügsam zu machen. Dem
Inhalte nach sind diese Anordnungen zum Teil Befehle, sofern sie
ein bestimmtes persönliches Verhalten vorschreiben; zum Teil legen
sie nur ein Dulden auf durch Entziehung von Vorteilen und Zufügung
von Übeln als Strafe und Zuchtmittel; zum Teil bestimmen sie Ein-
griffe in das Eigentum der eingebrachten Sachen, die vorenthalten,
vernichtet, veräußert werden sollen6.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 22
[338]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Solche Anordnungen können im Einzelfall ergehen; es ent-
spricht dem, was wir auch sonst in Gewaltverhältnissen gefunden
haben (oben § 45 Note 3), daß sie bindend erlassen werden auch
von einfachen Anstaltsbeamten ohne behördliche Stellung: von Auf-
sehern, Schleusenwärtern, Ärzten, Lehrern. Erforderlich ist nur, daß
der anordnende Beamte durch seinen Dienstauftrag zu solchen An-
ordnungen berufen sei. Sie können aber auch, wiederum nach den
für Gewaltverhältnisse auch sonst geltenden Regeln, erlassen werden
allgemein für alle, die in das Gewaltverhältnis treten, durch General-
verfügung; diese pflegt aber den eigentlichen Behörden, die an der
Spitze der Anstalt stehen, vorbehalten zu sein7.
3. Generalverfügungen dieser Art bilden einen hervorragenden
Bestandteil der für die verschiedenen Anstalten aufgestellten allge-
meinen Bestimmungen für den Betrieb, der Anstaltsordnungen,
auch Hausordnungen, Regulative, Reglements, Statuten genannt. Diese
Anstaltsordnungen enthalten bindende Regeln, aber keine Rechtssätze;
sie sind nichts anderes als die verbundene Geltendmachung
von zweierlei Gewaltverhältnissen durch darauf gegründete
Generalverfügungen.
Die Anstaltsordnungen geben Dienstvorschriften für das
Personal, bindend für dieses kraft der Dienstgewalt. Soweit das Vor-
geschriebene darauf hinausläuft, daß etwas geschehe an den in die
Anstalt aufgenommenen fremden Personen oder Sachen, um die für
die Anstalt erforderliche Ordnung durchzuführen, ist das zugleich
rechtlich bindend für die der Anstaltsgewalt Unterworfenen, so daß
sie sich gefallen lassen müssen, so behandelt zu werden8.
[339]§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
Umgekehrt enthalten die Anstaltsordnungen wieder Vorschriften,
die sich in erster Linie an die Kunden der Anstalt wenden, um
ihnen zu befehlen, wie sie sich darin verhalten, was sie mitbringen,
wie sie die darin verbrachten Sachen herrichten und verpacken müssen;
das bindet mit der Anstaltsgewalt. Soweit es sich aber darum handelt,
das zu überwachen und nötigenfalls zu erzwingen oder sonst Folge-
rungen thatsächlich geltend zu machen im Interesse der Anstalt, wirkt
das alles zugleich als Dienstvorschrift für die Anstaltsbeamten.
Ihrer Doppelnatur entsprechend werden die Anstaltsordnungen
nicht bloß den Anstaltsbeamten in der dafür vorgeschriebenen Weise
kundgegeben, sondern auch jedem nahegebracht, der vermöge der
Anstaltsgewalt davon betroffen werden kann; dazu dienen Anschläge
an geeigneten Plätzen der Anstaltsgebäude, Veröffentlichungen in
Zeitungen, besondere Mitteilungen gelegentlich des Eintritts in die
Anstalt u. dgl.
III. Die Anstaltsleistungen geschehen nur zum kleineren Teile
als reine Wohlthätigkeit oder so überwiegend im öffentlichen Interesse,
daß eine ausgleichende Gegenleistung des damit Bedachten daneben
nicht angemessen erscheint. Das Regelmäßige ist, daß mit der Anstalts-
nutzung eine Gebührenpflicht sich verbindet9.
1. Entsprechend dem Massenbetrieb in gleichartigen Leistungen,
den die öffentliche Anstalt darbietet, werden die zu erhebenden Ge-
bühren aufgestellt in allgemeinen Sätzen, in Gebührentarifen.
Wenn diese Tarife aufgestellt werden rechtssatzmäßig durch
Gesetz oder was ihm gleichsteht, so wird die Gebührenpflicht in Ent-
stehung und Durchführung gestaltet sein, wie die auf den Gemein-
gebrauch gesetzte, wovon oben S. 128 ff. die Rede war. Das ist aber
hier nicht üblich. Die Tarife werden vielmehr, wie man es ausdrückt,
im Verwaltungswege aufgestellt, nicht rechtssatzmäßig, und werden
rechtswirksam in dieser Form. Auch wo Rechtssätze sich damit ver-
binden, setzen sie voraus, daß der Tarif ohnedies wirksam werden
könne, und regeln nur bestimmte Punkte daran10. Die Möglichkeit
8
22*
[340]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
einer solchen selbständigen Wirksamkeit der Tarife beruht auf dem,
was die Anstaltsnutzung vom Gemeingebrauch unterscheidet: der
Nutzende übt nicht einfach seine persönliche Freiheit aus, sondern
tritt der Verwaltung gegenüber mit der Inanspruchnahme ihrer
Leistung.
An diese Willenserklärung läßt sich die Gebührenpflicht auf
zweierlei Weise anknüpfen.
Für den Civilisten ist immer das Nächstliegende der Vertrag.
Stellt man das ganze Nutzungsverhältnis auf einen solchen, so ist die
Begründung der Gebührenpflicht nur eine Seite davon. Erkennt man
die öffentlichrechtliche Natur der Nutzungsgewährung, so mag die Ge-
bührenpflicht sich wenigstens durch Nebenvertrag begründen. Der Tarif
ist in beiden Fällen nur ein Preisverzeichnis, welches stillschweigend
dem Vertrage zu Grunde gelegt wird11. Die Entstehung der Ge-
bührenpflicht kann aber auch öffentlichrechtlich aufgefaßt werden12.
Dann erkennt man in der von der Behörde vorgenommenen Tarif-
10
[341]§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
aufstellung einen Verwaltungsakt, der darauf gerichtet ist, jeden
zu verpflichten, der durch die Inanspruchnahme der Leistungen der
Anstalt sich dazu darbietet. Die darin liegende freiwillige Unter-
werfung ersetzt zugleich die zu solcher Belastung erforderliche gesetz-
liche Grundlage. Die Fähigkeit des Verwaltungsaktes, in solcher Weise
wirksam zu werden auf personae incertae, fände genügende Anlehnung
an verwandte Erscheinungen13.
Diese letztere Auffassung ist die allein folgerichtige, wo man die
Gebührenpflicht im Ernste als eine öffentlichrechtliche ansehen will;
denn als Vertragspflicht wäre sie immer civilrechtlich gedacht. Sie
ist die gebotene überall, wo man die Anstaltsnutzung selbst öffentlich-
rechtlich ansieht; der Staat kann bei Gewährung derselben nicht
gleichzeitig privatwirtschaftlich auftreten und demgemäß einen civil-
rechtlichen Vertrag schließen. Sie allein giebt auch dem Tarif seine
richtige Stellung. Denn dieser will durchaus nicht ein bloßes Preis-
verzeichnis sein. Er erscheint in Verbindung mit Polizeiverordnungen
oder, noch häufiger, als Bestandteil der Anstaltsordnung und giebt
sich selbst als eine obrigkeitliche Willenserklärung, welche von den
Betroffenen die Zahlung verlangt.
Nichtsdestoweniger können wir nicht behaupten, daß diese Auf-
fassung schon im geltenden Rechte liege. Der Verwaltungsakt in den
feineren Arten seiner Verwendung ist diesem noch ein sehr unhand-
licher Begriff und eine Wirkung, wie die oben vorausgesetzte, keine
angenommene Sache. Die Notwendigkeit, sich dieser Auffassungsweise
zu fügen, besteht aber hier deshalb nicht so unmittelbar, weil that-
sächlich die Begründung der Gebührenpflicht, für sich allein betrachtet,
mit der Annahme eines Vertrages auf die nämlichen Ergebnisse kommt,
wie mit der Annahme unserer öffentlichrechtlichen Gebührenauflage
kraft Unterwerfung. Es ist mehr eine Frage der juristischen Architek-
tonik und als solche von verhältnismäßig geringerer Bedeutung14.
[342]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
2. Ob der Tarif durch Vertrag wirkt oder als Verwaltungsakt,
immer unterscheidet er sich von den Bestimmungen, welche zur
Geltendmachung der Anstaltsgewalt erlassen sind, durch das Er-
fordernis einer Einwilligung des Betroffenen im Einzelfalle. Er wird
deshalb in mehrfacher Beziehung anders wirksam als jene.
Das Gesetz oder die Anstaltsordnung bestimmt die Voraus-
setzungen, unter welchen die Anstaltsleistung im Einzelfall in Be-
wegung gesetzt werden soll. Dabei wird nicht notwendig auf Willens-
und Handlungsfähigkeit des Begehrenden gesehen. Gleichgültig ist
das auch für die Begründung der Anstaltsgewalt über die Person selbst
oder ihre Sachen. Die Gebührenpflicht aber entsteht daneben, insoweit
in der Inanspruchnahme die Äußerung eines verpflichtungs-
fähigen Willens liegt. Anstaltsleistungen können also ordnungs-
mäßig erfolgen und die Anstaltsgewalt kann wirksam geworden sein,
ohne daß die gleichfalls gewollte Gebührenpflicht begründet ist15.
[343]§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
Die Ordnungen, welche erlassen werden zur Entfaltung der An-
staltsgewalt, entnehmen mit dieser ihre Kraft aus der Thatsache, daß
fremde Personen und Sachen in dem Machtkreis der Anstalt sich be-
befinden. Neuerungen daran wirken sofort auch auf bereits be-
gonnene Nutzungen. Die Gebühr dagegen, welche auf einen gewissen
Umfang von Leistungen gesetzt ist, bestimmt sich endgültig mit dem
Eintritt in den Genuß dieser Leistungen: nur in der Inanspruchnahme
findet der Tarif die Unterwerfung, die ihn wirksam macht; der neue
Tarif kann erst wieder wirksam werden von einem Abschnitt ab, der
eine neue Inanspruchnahme bedeutet16.
Die Anstaltsgewalt hat ihren Untergebenen stets bei der Hand;
für den Tarif wird die Frage nach dem Gebührenschuldner regelmäßig
dadurch vermieden, daß die Anstaltsleistung nicht beginnt oder nicht
vollendet wird vor der Zahlung. Unter Umständen ist aber doch der
Gebührenschuldner erst zu suchen. Da kommt es dann
darauf an, wem die rechtsgeschäftliche Willensäußerung zuzurechnen
ist, die den Tarif wirksam macht. Das kann ein Anderer sein als der,
dessen Person in die Anstaltsgewalt gegeben war17, ein anderer auch
als der, welcher durch seine Handlung die Anstalt unmittelbar in Be-
15
[344]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
wegung setzte, sofern es eben nur in Dienst und Abhängigkeit gegen-
über dem eigentlichen Geschäftsherrn geschah18. Es kann sich auch
nachträglich ein Dritter darbieten, indem er das Ergebnis der von
einem Andern für ihn angeregten Leistung entgegennimmt und an-
erkennt. Es kommt nur darauf an, ob der Tarif ihn als Schuldner
treffen will; die Voraussetzungen für sein Wirksamwerden sind ge-
geben19.
3. Der Eingang der Gebühren ist ordentlicherweise dadurch ge-
sichert, daß die Leistung der Anstalt von der Vorausbezahlung ab-
hängig gemacht wird. Wo ausnahmsweise eine Nacherhebung erforder-
lich wird, ist die Form dafür die administrative Zwangsbeitreibung
(Bd. I § 32, II). Sie erfolgt gesetzlicher Bestimmung gemäß un-
mittelbar aus dem wirksam gewordenen Tarif, ohne daß ein Urteil
oder Verwaltungsakt die Schuld festgestellt haben müßte20.
Der Einzelne, der behauptet, die Gebühr nicht oder nicht in
dieser Höhe zu schulden, ist dem gegenüber darauf angewiesen, dies
[345]§ 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung.
in Form einer Rückforderung der gezahlten Gebühren geltend zu
machen. Das kann geschehen auf dem Wege der Beschwerde oder
der Verwaltungsklage, je nach der Ordnung des Rechtsschutzes. Wo
nichts bestimmt ist, wird gemäß den geltenden Grundsätzen über ver-
mögensrechtliche Ansprüche (Bd. I § 16, II) das Civilgericht zuständig
sein, über die Rückforderungsklage zu erkennen. Die Klage ist aber
keine condictio indebiti, noch condictio sine causa. Das Civilgericht
erkennt schlechthin wie ein Verwaltungsgericht über die öffentlich-
rechtliche Frage, ob die Gebühr gemäß dem Tarif geschuldet war
oder nicht. Daß die Rückerstattung erfolgen muß im Falle der Ver-
neinung, ist einfach Vollzug dieses Ausspruches, wie die Beitreibung
im Falle der Bejahung21.
§ 53.
Öffentlichrechtliche Entschädigung.
Den Abschluß der ganzen Rechtsordnung, welche den Verkehr
zwischen der öffentlichen Gewalt und dem Einzelnen regelt, bildet
ein Rechtsinstitut, das uns schon in mancherlei Anwendungsfällen ent-
gegentrat. Bald da, bald dort sahen wir Rechtsansprüche entstehen
auf einen angemessenen Ausgleich in Geld für den Schaden, der dem
Einzelnen durch die Maßregeln der öffentlichen Verwaltung zugefügt
worden war. Unser Rechtsinstitut faßt alle diese Einzelerscheinungen
in einer einheitlichen Idee zusammen, die ihre Wirksamkeit zugleich
weit über alles bisher davon Beobachtete hinaus erstreckt, ein großes
allgemeines Rechtsprinzip zur Regulierung der wirtschaftlichen
Wirkungen der Staatsthätigkeit auf den Unterthanen.
I. Ein Vermögensnachteil soll dem Einzelnen hier ersetzt werden,
der ihm verursacht worden ist. Das beruht nicht auf den Regeln der
civilrechtlichen Haftung für rechtswidrige Schädigung; denn
es findet ebenso statt, wenn von einem Delikt der Vertreter und
Diener des Staates keine Rede sein kann, ja, wenn der Nachteil in
unanfechtbarer Rechtmäßigkeit zugefügt worden ist. In gleicher Weise
ist hier ausgeschlossen die Möglichkeit einer Anlehnung an die civil-
rechtlichen Grundsätze über ungerechtfertigte Bereicherung;
[346]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
denn die Entschädigung findet auch statt, wenn der Staat gar keinen
entsprechenden Vorteil dabei gehabt hat, und immer nimmt sie ihr
Maß nur aus dem Schaden, nicht aus dem etwaigen Gewinn auf der
andern Seite. Bereicherung wie Delikt sind zufällige Neben-
erscheinungen, welche sich in den Voraussetzungen unserer Ent-
schädigung bald finden, bald nicht.
Der Grundgedanke, auf welchem diese Entschädigung beruht, ist
ein völlig selbständiger, ganz und gar dem Gedankenkreise des öffent-
lichen Rechtes angehöriger: der Vermögensnachteil wird ausgeglichen
wegen der Ungerechtigkeit, die darin liegt, daß er dem Be-
troffenen zugefügt wurde.
Der Staat tritt seinen Unterthanen mannigfach gegenüber, um
ihnen Vermögensnachteil zu bereiten. Das soll nur rechtmäßiger-
weise geschehen; die Forderung der Gerechtigkeit steht aber noch
außerdem darüber.
Gerecht ist der Eingriff, wenn er durch den Betroffenen selbst
veranlaßt ist, ihn nicht von freien Stücken in Anspruch nimmt, sondern
nur eine Vergeltung bedeutet. Gerecht ist auch der Eingriff, der von
freien Stücken erfolgt, wenn er gleichmäßig belastet, für sich oder
im Zusammenhang mit anderen Belastungen einen auf Ausgleich be-
rechneten Maßstab durchführt. Die Ordnungen unserer öffentlichen
Gewalt sind darauf gerichtet, ihre Inanspruchnahme des Unterthanen
von vornherein möglichst nur im Sinne solcher ausgleichenden Ge-
rechtigkeit vor sich gehen zu lassen. Allgemein und unbedingt durch-
führbar ist das nicht. Die Zufälligkeit der Bedürfnisse und die Un-
vollkommenheit der Mittel, mit welchen gearbeitet wird, führen im
Einzelfalle thatsächlich doch zu ungleichen Belastungen. Wir be-
zeichnen das als ein besonderes Opfer, das dem Betroffenen zu-
gemutet wird: ein Opfer, sofern ihn der Nachteil nicht als Ver-
geltung, sondern von freien Stücken trifft, und ein besonderes
Opfer, weil er ihn ungleich trifft, ihn auszeichnet vor den Anderen,
denen nicht eine gleiche entsprechende Last zugemessen ist1.
[347]§ 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung.
Dieselbe Idee der Gerechtigkeit, welche die Staatsthätigkeit be-
stimmt, besondere Opfer möglichst nicht aufzulegen, fordert alsdann,
wenn es einmal doch geschehen ist, den nachträglichen Ausgleich durch
eine Vergütung, welche dem Betroffenen dafür gewährt wird. Indem
der Staat die Vergütung leistet durch Zahlung des Betrags des zu-
gefügten Nachteils in Geld, vollzieht er die Aufhebung der Un-
gerechtigkeit: er nimmt das Geld dazu aus der gemeinen Kasse, die
er durch seine Finanzgewalt in den auf Ausgleich gerichteten Formen
der Belastung der Unterthanen jeder Zeit wieder füllt; er verteilt auf
solche Art den Schaden auf alle seine Leistungspflichtigen. Die Ent-
schädigung ist also hier die Form, um eine ungleiche
Belastung in eine gleiche zu verwandeln2. Auf diese Weise
steht sie im vollen Gegensatz zu der Erstattung einer Bereicherung
und zu der Sühne für rechtswidrige Schädigung; sie hängt aber auch
mit allen ihren Wurzeln im öffentlichen Recht3. Der Name öffent-
lichrechtliche Entschädigung kennzeichnet sie wenigstens in
dieser Richtung. Es ist zu wünschen, daß sich für den immer klarer
erkannten Begriff auch ein Ausdruck finde, der ihre Eigenart noch
bestimmter wiedergiebt.
Die Forderungen der Gerechtigkeit — mit solchen haben wir es
bisher allein zu thun — haben für sich noch keine rechtlich verbindende
Kraft. Ein Rechtsinstitut entsteht erst dadurch, daß diese Forderungen
[348]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
aufgenommen werden in die Form des Rechts, zu Rechtssätzen
gestaltet werden.
Das ist in verschiedener Weise geschehen.
Unsere Gesetzgebung hat Sorge getragen in allen Fällen, in
welchen sie Eingriffe ermächtigt und ordnet, die ihrer Natur nach
unter jene Forderung fielen, die Entschädigungspflicht des Staates im
Sinne derselben anzuerkennen und für Feststellung und Durchführung
das Nötige vorzukehren. So haben wir einen reichen Vorrat von
Sondergesetzen über öffentlichrechtliche Entschädigung erhalten.
Beispiele gab die Lehre von der Enteignung, von der auferlegten
Grunddienstbarkeit, von etlichen Eigentumsbeschränkungen, von ge-
meinen Lasten und Vorzugslasten.
Allein das genügt dem Bedürfnis nicht; spielt ja doch gerade das
Ungewollte, Unvorhergesehene bei solchen besonderen Opfern eine
Hauptrolle. Dem kann nur entsprochen werden durch einen all-
gemeinen Rechtssatz, der auch das nicht besonders Erwähnte
umfaßt. Zum Teil hat der Gesetzgeber auch diesen ausdrücklich auf-
gestellt und dabei den Inhalt der Forderung der Gerechtigkeit geradezu
wiedergegeben; ein derartiger Rechtssatz steht dann ergänzend hinter
allen gleichartigen Bestimmungen der Sondergesetze4.
Wo etwas derartiges fehlt, haben Theorie und Praxis nichts-
destoweniger einen allgemeinen Rechtssatz dieses Inhalts von jeher
behauptet und gehandhabt. Man hat sich an irgend eine civil- oder
öffentlichrechtliche Bestimmung anzulehnen gesucht und dabei in er-
weiternder Auslegung, sowie in Annahme stillschweigender Willens-
erklärungen das Möglichste geleistet5. Oder man hat sich, unter Ver-
[349]§ 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung.
zicht auf die Frage: woher? begnügt mit der Versicherung: der Staat
schulde in diesen Fällen Entschädigung „nach einem allgemeinen
Rechtsgrundsatze“ oder nach „unzweifelhaftem Rechtssatze“6.
Das kann alles nur einen Sinn haben, insofern damit ein Ge-
wohnheitsrecht bezeugt wird, womit man ja sonst sehr rasch bei
der Hand zu sein pflegt. Hier handelt es sich aber unsres Erachtens
wirklich einmal um ein solches.
Das Gewohnheitsrecht ist allerdings, wie wir wissen, regelmäßig
keine Rechtsquelle für unser heutiges Verwaltungsrecht (Bd. I § 10 n. 4).
Allein hier liegt die Sache anders. Der Satz, daß der Staat Ent-
schädigung schulde für die besonderen Opfer, die er auferlegt, ist
altes Recht. Vermittelt durch die einleuchtende Forderung der
Gerechtigkeit ward er aufgenommen in die gemeinsame Rechtsüber-
zeugung und Rechtsübung, sobald der Staat anfing, lebhafter sich zu
regen und häufiger solche Opfer zuzumuten. Das römische Recht gab
kein Vorbild; ein deutsches Gewohnheitsrecht bildete sich aus, zunächst
für die schwersten Fälle, vor allem für die Ausübung des jus eminens,
allmählich von selbst verallgemeinert. Ob der Rechtssatz civilrecht-
licher oder öffentlichtrechtlicher Natur sei, war bei dem ursprünglichen
Stande der Ungetrenntheit beider Rechtsmassen gleichgültig. Der
Polizeistaat, der die Scheidung vollzieht, mußte die Aufstellung einer
civilrechtlichen Zahlungspflicht des Fiskus darin sehen. So haben wir
ihn überkommen. Er hat nichts, was den Grundsätzen der Verfassung
und des Rechtsstaates widerspricht. Es besteht deshalb auch kein
Grund, weshalb er aufgehoben sein sollte. Nur steht es uns selbst-
verständlich frei, ihn von dem Standpunkte des neueren Rechtes aus
auf seine wahre Natur zu prüfen und ihn demgemäß loszulösen vom
Civilrecht, zu dem er nicht gehört und nicht paßt.
[350]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
II. Voraussetzung des Anspruchs auf Entschädigung ist ein
Vermögensnachteil, der dem Einzelnen zugeht aus der Thätigkeit der
öffentlichen Verwaltung und der sich darstellt als ein besonderes Opfer,
das ihm zugemutet wird.
1. Aus der öffentlichen Verwaltung muß der Nachteil
entstanden sein. Handelt es sich um ein Unternehmen, welches der
Staat betreibt wie ein Privatunternehmer, eine fiskalische Verwaltung,
so gilt für alle daraus hervorgehenden Beziehungen Civilrecht, und
die besonderen Regeln des öffentlichen Rechtes, welche die Grundlage
unseres Rechtsinstituts bilden, sind unanwendbar (Bd. I S. 141).
Es muß ein zugefügter Nachteil sein, durch die Kraft einer
Einwirkung entstanden, welche von der öffentlichen Verwaltung aus-
geht. Ein bloßes Nichterfüllen von Verbindlichkeiten erzeugt in civil-
rechtlichen Vertragsverhältnissen eine civilrechtliche Schadensersatz-
pflicht, in öffentlichrechtlichen Verhältnissen kommen nur die gegebenen
Formen des Rechtsschutzes in Bewegung. Die Gestalt, in welcher
diese Schadenszufügung erscheint, ist dann gleichgültig. Es kann eben-
sogut ein obrigkeitlicher Akt sein, der ungerechter Weise ein Recht
entzieht, eine Pflicht auferlegt, als eine thatsächliche Gewaltübung,
welche Werte zerstört, oder auch nur die nachteilige Einwirkung, die
von dem Bestande oder der Beseitigung einer Anlage, eines Bauwerkes,
einer Vorrichtung ausgeht. Nicht wesentlich ist auch der Unterschied,
ob die Einwirkung rechtmäßig oder nicht rechtmäßig war, ob sie so
gewollt war, oder nur zufällig sich ergab, oder geradezu hätte ver-
mieden werden sollen. Es genügt der Kausalzusammenhang,
wonach aus dem staatlichen Unternehmen heraus die Schädigung vor
sich ging7.
[351]§ 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung.
Selbstverständlich kann an Stelle des Staates hier wieder ein
anderes Subjekt öffentlicher Verwaltung stehen, Selbstverwaltungs-
körper oder beliehener Unternehmer; das wird nur wichtig für die
Frage, wem die zu leistende Entschädigung zur Last fällt
(unten III n. 1).
2. Der Nachteil muß sich als ein besonderes Opfer dar-
stellen. Damit sind ausgeschlossen alle allgemeinen Abgaben, alle
öffentlichen Dienstpflichten, welche planmäßig nach Maßgabe der
Leistungsfähigkeit auferlegt werden, alle Gebühren und besonderen
Lasten, welche die Natur von Gegenleistungen haben, alle selbst-
verschuldeten Nachteile: Strafen, Kostenersatzpflicht und namentlich
Polizeimaßregeln jeder Art. Die Ausscheidung in dieser Richtung
macht keine Schwierigkeit8.
[352]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Es ist aber noch eine andere Grenze zu ziehen: nicht jeder
Nachteil, der dem Einzelnen aus der öffentlichen Verwaltung zugeht
und ihn ungleich trifft, kommt bei der öffentlichrechtlichen Ent-
schädigung in Betracht. Der Kreis der geschützten Vermögensinteressen,
wie wir sie bei der civilrechtlichen Schadensersatzklage ex delicto an-
erkannt sehen, erstreckt sich weit hinaus auf bloße Möglichkeiten
künftigen Erwerbs oder der Verhütung von Nachteilen. Ungünstige
Veränderung der Bedingungen dafür kann schon einen Schadensersatz-
anspruch begründen. Die Kundschaft, der Kredit, die Erwerbs-
gelegenheit sind geschützt. So weit kann die öffentlichrechtliche Ent-
schädigung nicht gehen; jedes neue Unternehmen der öffentlichen
Verwaltung bringt ja ungleiche Schädigungen wie ungleiche Begünsti-
gungen an solchen entfernteren Interessen in unberechenbarem Maße
mit sich. Der Forderung der Gerechtigkeit ist genügt, wenn nur das
vergütet wird, was dem Einzelnen an greifbarem Schaden zugeht;
8
[353]§ 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung.
nur das ist eine Last, die ihm auferlegt wird. Dem entspricht auch
der Begriff des Opfers: ein Opfer kann nur bringen, wer etwas hat.
Auch wo es nicht ausdrücklich gesagt ist, ist also der Rechtssatz, der
öffentlichrechtliche Entschädigung zusagt, nur so zu verstehen, daß
ein Eingriff in den unmittelbaren rechtlichen Machtkreis
des Individuums vorausgesetzt wird9. Dazu gehört als eigenstes
Rechtsgut die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit
und Arbeitskraft. Darum lagern sich Sachgüter, welche durch irgend
eine rechtliche Zugehörigkeit mit der Person verbunden sind: Eigen-
tum, Recht an fremder Sache, obligatorisches Gebrauchsrecht, Besitz.
Sodann erworbene Rechte auf ein bestimmtes Verhalten Anderer, auf
Leisten oder Unterlassen: Privilegien, Monopole, ausschließliche
Gewerberechte, aus neuerer Zeit das sogenannte geistige oder ge-
werbliche Eigentum. Auch subjektive öffentliche Rechte sind hierher
zu zählen; die Verleihung in ihren verschiedenen Anwendungen hat
dafür schon Beispiele geliefert.
Der Nachteil, der zugefügt wird, ohne ein derartiges Gut un-
mittelbar zu entziehen oder in seinem Bestande zu verletzen, macht
den Rechtssatz über öffentlichrechtliche Entschädigung nicht an-
wendbar10.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 23
[354]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
III. Die Wirkung, welche der Rechtssatz an diese Voraus-
setzungen knüpft, ist ein Anspruch des Geschädigten gegen das Sub-
jekt der öffentlichen Verwaltung auf Ausgleich des erlittenen Schadens.
1. Schuldner ist regelmäßig der Staat als das ordentliche Subjekt
aller öffentlichen Verwaltung. Insofern Stücke öffentlicher Verwaltung
auch zustehen können Selbstverwaltungskörpern und beliehenen Unter-
nehmern, die darin an die Stelle des Staates treten, vollzieht sich
eine Scheidung: jedes dieser Subjekte hat auch die aus seinem Stücke
öffentlicher Verwaltung entspringenden Entschädigungsansprüche selbst
zu tragen und zwar in der Weise, daß es entschädigungspflichtig wird
an Stelle des Staates dem Beschädigten gegenüber.
[355]§ 53. Öffentlichrechtliche Entschädigung.
Pflichtig ist also derjenige, dem das Unternehmen gehört, das den
Schaden verursacht. Das entscheidet sich nicht danach, in wessen
Namen die Beamten thätig sind, von denen der Eingriff unmittelbar
ausgeht. Es findet ja verschiedentlich ein Zusammenwirken und eine
Mischung der amtlichen Thätigkeit statt. Maßgebend ist der sachliche
Zusammenhang: um welches Unternehmens willen, zu wessen Gunsten
ist gehandelt worden? Der Staat nimmt die Enteignung vor durch
seine Enteignungsbehörde; entschädigungspflichtig ist jedesmal der
Unternehmer, zu dessen Gunsten es geschieht. Die Gemeindevorstände
verteilen die Quartierlast und ziehen die Einzelnen zur Leistung heran;
der Staat verursacht die Last und schuldet die Entschädigung11. Eine
staatliche Behörde kann berufen sein, in allgemeiner Weise An-
ordnungen zu treffen für ein gewisses Gebiet öffentlicher Verwaltung,
das im übrigen zwischen verschiedenen juristischen Personen des öffent-
lichen Rechts verteilt ist nach den einzelnen Gegenständen oder sach-
lichen Gesichtspunkten; wen die dabei entstehenden Entschädigungs-
pflichten treffen, das bestimmt sich nach dieser letzteren Unter-
scheidung12.
2. Wie der Entschädigungsanspruch nur begründet wird, sofern
ein Opfer auferlegt, ein greifbarer Schade zugefügt ist, so bemißt sich
auch die Höhe des zu vergütenden Schadens nur nach dem Werte,
den das getroffene Gut unmittelbar für sich hat. Bei Dienstleistungen
und beweglichen Sachen, die in Anspruch genommen werden, kommt
daher nur der gemeine Wert in Ansatz, also der Wert der Dienst-
leistung ohne Rücksicht auf den Nachteil, der dem Betroffenen da-
durch erwächst, daß er wichtigere Angelegenheiten zu versäumen
genötigt war, der Wert der Sache, ohne Rücksicht auf besondere
wirtschaftliche Zusammenhänge, welche gerade für den Besitzer und
23*
[356]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
gerade in diesen Umständen ein höheres Interesse begründen konnten13.
Bei körperlichen Verletzungen, Untersagung des Gebrauchs von Bau-
grundstücken, Unterdrückung von Gewerbeanlagen, Entziehung von
Verleihungen und Patentrechten ist die Schadensberechnung notwendig
eine mehr individualisierte und berücksichtigt namentlich auch Erwerbs-
möglichkeiten, aber diese wieder nur, sofern sie in dem getroffenen
Gute selbst schon gegeben sind durch Eigenschaften, Her-
richtung, wirtschaftliche Bestimmung. Bei der Enteignungsentschädigung
haben diese Regeln naturgemäß ihre schärfste Ausprägung erfahren.
Der Wert des Grundstücks allein gilt. Die Geeignetheit desselben,
zur Errichtung von Fabriken und sonstigen Anlagen verwendet zu
werden, ist ein Faktor zur Berechnung dieses Wertes14. Die Möglich-
keit, es einem Nachbar, der es unbedingt haben will, zu einem un-
verhältnismäßigen Preise anzuhängen, kommt nicht in Betracht.
Ebensowenig ist es ein Stück des auferlegten besonderen Opfers, daß
durch die Enteignung der Geschäftsbetrieb unterbrochen, die Kund-
schaft gestört, Vertragserfüllung vereitelt, eine Konventionalstrafe ver-
wirkt wird15. Wohl aber gehört dazu aller Nebenvorteil, der mit
dem Besitz des Grundstücks von selbst verloren geht: die durch dieses
bisher vermittelte Zugänglichkeit öffentlicher Wege, der Schutz gegen
störende Nähe öffentlicher Unternehmungen, den es gewährte. Dinge,
deren Entziehung für sich allein einen Entschädigungsanspruch nicht
begründen würden, kommen in Anrechnung als Wertbestandteile der
entzogenen Sache16.
[357]§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.
3. Der Anspruch auf öffentlichrechtliche Entschädigung bedeutet
ein subjektives öffentliches Recht des Geschädigten (Bd. I
S. 113). Es ist voll ausgebildet in der Richtung auf seine Verfügbar-
keit: der Berechtigte kann darauf verzichten, kann es übertragen, ver-
erben. Für den Rechtsschutz sorgen mancherlei Sondergesetze, so
namentlich bei der Enteignung, den Rayonservituten, Quartierleistungen,
Manöverschäden. Soweit nichts vorgesehen ist, wird nach gemeinem
deutschen Rechte die Zuständigkeit der Civilgerichte gegeben sein,
was ja der öffentlichrechtlichen Natur des Anspruchs keinen Eintrag
thut (Bd. I § 16, II).
§ 54.
Fortsetzung; Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.
Aus der Art der schädigenden Handlung ergeben sich unter Um-
ständen Besonderheiten für die Anwendung unseres Rechtsinstituts,
so daß die Entschädigungspflicht noch weiter bedingt oder ganz aus-
geschlossen wird. Wir haben hier darzuthun, wie sich das einfügt in
das Ganze dieser Lehre.
I. Der Rechtssatz, der den Anspruch auf öffentlichrechtliche Ent-
schädigung giebt, lautet allgemein, umfaßt also auch die besonderen
Opfer, welche dem Einzelnen auferlegt sein können durch Gesetz.
In dieser Beziehung ist jedoch folgendes zu bemerken.
1. Der in Form des Gesetzes geäußerte Staatswille hat die
Eigenschaft der Unverbrüchlichkeit, vermöge deren er auch bereits
vorhandene Rechtssätze außer Anwendung setzen kann (Bd. I S. 72).
Diese Kraft kann sich auch gegen unsern Rechtssatz wenden. Wenn
das Gesetz, im Einzelfall oder als Rechtssatz, ein besonderes Opfer
16
[358]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
auferlegt, so vermag es eine dafür zu gewährende Entschädigung aus-
zuschließen. Es ist Auslegungsfrage, ob es das gewollt hat1.
2. Wenn das Gesetz einen schädigenden Eingriff macht durch
Rechtssatz, ohne Entschädigung besonders zuzusichern, so ist
solche von selbst nicht geschuldet. Der Rechtssatz trifft allerdings
den Kreis der Einzelnen, die er trifft, gleichmäßig; er könnte ihn
deshalb doch ungleich belasten gegenüber den nicht darin Begriffenen.
Aber nach feststehender Auffassung wird angenommen, daß dies nicht
der Fall sei, die Belastung durch Rechtssatz vielmehr immer ihren
Ausgleich in irgend einer Weise finde2. Das hängt nicht an der
„formellen Gesetzeskraft“, sondern ist allen Arten von Rechts-
sätzen, auch den auf Verordnung und Statut beruhenden, ge-
meinsam.
3. Der nicht entschädigende Rechtssatz deckt auch, was zu seiner
einfachen Anwendung und Durchführung geschieht: der Schade ist
durch ihn schon geschehen und die Frage seiner Vergütbarkeit er-
ledigt3. Das gilt nicht für Rechtssätze, welche nur eine mehr oder
weniger bestimmte Ermächtigung für die Behörden geben, im
Einzelfalle etwas aufzulegen oder in Anspruch zu nehmen. Hier wird
das Opfer erst zugemutet durch den Einzelakt, der auf Grund des
Rechtssatzes vorgenommen wird, und für diesen gelten die gewöhn-
lichen Grundsätze.
II. Die Entschädigungspflicht kann bedingt sein durch die
Rechtswidrigkeit der Amtshandlung, die den Schaden ver-
ursacht hat.
Soweit der Staat privatwirtschaftlich auftritt, haftet er wie ein
anderer Auftraggeber für seine Diener nach den Regeln des Civilrechts
(Bd. I § 17, III). Darauf haben wir hier nicht mehr zurückzukommen.
Es handelt sich für uns nur um Vergütung solcher Schädigungen, bei
[359]§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.
welchen der Staat von vornherein nicht auf dem Boden des Civilrechts
sich bewegte4.
Von jeher sind die Versuche sehr zahlreich gewesen, auch hierfür
eine Haftung des Staates zu finden, die auf die Rechtswidrigkeit einer
Amtshandlung zu gründen wäre.
Die ältere Theorie glaubte aus dem Subjektionsverhältnis ein
„staatsrechtliches Princip“ für eine solche Haftung gewinnen zu
können; eine staatsrechtliche Haftung wollte sie der civil-
rechtlichen an die Seite stellen. Man quälte sich mit den wunder-
lichsten Konstruktionen, um dieser Forderung ein juristisches Gewand
zu geben und die Kluft zwischen den Begriffen Staat und Rechts-
widrigkeit zu überbrücken5. Die neuere Wissenschaft hat sich zuletzt
in erklärlicher Unbefriedigtheit von der ganzen Idee der staatsrecht-
lichen Haftung abgewendet, und die Gerichte sind ihr gefolgt6.
Die Gerichte haben aber andererseits nicht aufgehört, den Staat
für die Delikte seiner Diener allgemein verantwortlich zu machen.
Sie thun das unter Anrufung der civilrechtlichen Grundsätze
über Haftung des Auftraggebers, auch in Fällen, wo es ganz außer
Zweifel steht, daß öffentliche Verwaltung, Ausübung von „Hoheits-
rechten“, Thätigkeit des „eigentlichen Staates“ vorliegt. Das achtet
man entweder gar nicht als ein Hindernis oder kommt darüber hin-
weg mit Konstruktionen, die an Kühnheit denen der staatsrechtlichen
Haftung nicht nachstehen7.
[360]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Betrachten wir aber diese Entscheidungen genauer, so werden
wir fast immer zugeben müssen, daß sie sachlich richtig sind. Die
Gerichte sind nur in Selbsttäuschung befangen, wenn sie glauben, die
Grundsätze des Privatdeliktsrechts hier zur Anwendung zu bringen:
sie erkennen über öffentlichrechtliche Entschädigungen, wofür sie ja
nach allgemeinem deutschen Rechte die Zuständigkeit besitzen. So
erklärt es sich, daß sie die Gewährung dieser Entschädigung so ohne
weiteres an Voraussetzungen anknüpfen, die ihrerseits ganz dem
öffentlichen Rechte angehören. So erklären sich auch die kleinen Ab-
weichungen von der civilrechtlichen Schadensersatzpflicht, die in dieser
Rechtsprechung erscheinen; diese trifft ja im Ergebnisse zumeist mit
der öffentlichrechtlichen Entschädigung zusammen. Wo beide darin
auseinander gehen, folgt unsere Praxis den Regeln der letzteren8.
[361]§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.
Es ist danach auch sehr erklärlich, daß man zu dem Eindruck
kommt, für die Haftung wegen rechtswidriger Amtshandlungen lasse
sich „kein festes Princip aufstellen“. Die rechtswidrige Amtshandlung
bildet eben keine selbständige Voraussetzung der öffentlichrechtlichen
Entschädigung. Sie spielt in den Vorraussetzungen derselben eine
sehr verschiedene Rolle und dementsprechend auch in den Schadens-
ersatzverurteilungen der Gerichte. Darüber haben wir uns klar zu
machen.
1. In der Regel ist der Nachweis einer Rechtswidrigkeit für die
öffentlichrechtliche Entschädigung gleichgültig. Diese findet statt,
wo ein besonderes Opfer auferlegt wird in aller Form Rechtens. Sie
findet auch statt, wo ein solches aus der Thätigkeit der öffentlichen
Verwaltung sich ergiebt von selbst, unwillkürlich, ohne Unterschied,
ob dabei eine Rechtswidrigkeit unterläuft oder nicht9.
[362]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
2. Unter Umständen wird dagegen das Vorhandensein einer
Rechtswidrigkeit geradezu die Entschädigung ausschließen.
Sie ist immer nur geschuldet für den Nachteil, der aus der öffent-
lichen Verwaltung dem Einzelnen zugeht. Wo die Rechtswidrigkeit
des Beamten derart ist, daß sie kein bloßes Fehlgehen der Ver-
waltung mehr bedeutet, sondern einen Mißbrauch der Gelegenheit,
den diese darbot, geht sie den Beamten allein an (vgl. Note 8).
3. Der Nachweis einer Rechtswidrigkeit kann aber auch Be-
dingung der öffentlichrechtlichen Entschädigung sein, und zwar dieses
in doppelter Weise.
Die Frage, ob der Schade aus der Thätigkeit der öffentlichen
Verwaltung hervorgegangen ist oder nicht, ist unter Umständen nur
zu entscheiden danach, ob ein Verschulden vorliegt. Wenn in ein
Grundstück eingegriffen wird, ist die Sache einfach. Wenn aber Schiffe
zusammenstoßen, Artilleriefuhrwerke einen Menschen überfahren, bei
Straßenarbeiten ein Unglück geschieht, überhaupt der Beschädigte
selbst in Bewegung gewesen ist oder darin sein konnte, dann kommt
es darauf an, wer hätte ausweichen und Acht haben sollen. Der es
unrichtig gemacht hat, hat den Schaden verursacht. Die Kausalität
hängt daran und folglich auch die Entschädigungspflicht der öffentlichen
Verwaltung.
Auch wenn der Schade aus der öffentlichen Verwaltung hervor-
gegangen ist, ist er ein besonderes Opfer nur dann, wenn er ungerecht
trifft, ist es namentlich dann nicht, wenn dem Betroffenen nur wider-
fahren ist, was ihm gebührt. Gewaltsame Festnahme und selbst
Körperverletzung kann ohne Entschädigung geschehen zur Verhinderung
eines rechtswidrigen Angriffes, geschmuggelte Sachen werden konfisziert,
gefälschte Nahrungsmittel vernichtet, Bauwerke zerstört, welche die
öffentliche Straße beeinträchtigen. Sobald sich herausstellt, daß die
Voraussetzung der Gewaltmaßregel nicht gegeben war, eine Rechts-
widrigkeit vorlag, ist Entschädigung geschuldet. Nicht wegen einer
Verfehlung der Beamten, wofür der Staat haftet, — die Beamten
können durch amtlichen Irrtum oder Befehl persönlich gedeckt
sein, — sondern wegen der objektiven Rechtswidrigkeit, welche die
Schädigung als eine ungerechte, als ein besonderes Opfer er-
scheinen läßt.
Nicht für sich selbst also, sondern im Zusammenhang unseres
umfassenden Rechtsinstituts und gemäß seinen Grundsätzen, ist hier
die rechtswidrige Amtshandlung Voraussetzung für die öffentlichrecht-
liche Entschädigungspflicht des Staates und dient sie zu ihrer Ab-
grenzung.
[363]§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.
III. Zweierlei Arten von besonderen Opfern, die der Staat auf-
erlegt, werden überhaupt nicht vergütet; das sind die Justizschäden
und die Kriegsschäden.
1. Die Handhabung der Civilrechtspflege und noch mehr
die der Strafrechtspflege ist imstande, dem Einzelnen die
schwersten Nachteile zu bereiten. Das soll nur geschehen, sofern er’s
verdient hat, also gerechterweise. Aber die Justiz kann fehl gehen,
ungerecht treffen; der Justizmord ist das äußerste Beispiel dafür.
Da liegt dann ein besonderes Opfer vor, das der Staat zumutet. Die
Voraussetzungen für die öffentlichrechtliche Entschädigung sind ge-
geben. Gleichwohl findet der allgemeine Rechtssatz, der diese ge-
währt, hier keine Anwendung; es entsteht keine Entschädigungspflicht,
das ist geltenden Rechtes10.
Der Grund liegt nicht darin, wie man wohl behauptet, daß
die Gerichte formelles Recht schaffen; denn die Verweigerung der
Entschädigung greift auch Platz, wenn die Maßregel, welche den
Schaden gestiftet hat, im geordneten Gang der Gerichte hinterdrein
wieder beseitigt und für ungültig erkannt worden ist. Er liegt auch
nicht in der Unabhängigkeit der Gerichte. Denn die Gerichte sind
deshalb doch nichts anderes als der handelnde Staat. Sie sind un-
abhängig vom Ministerium, von der Regierung. Aber das ist auch
das Einzelgesetz, und doch werden die Nachteile, die dieses zufügt,
gegebenen Falles in Anwendung des allgemeinen Grundsatzes ver-
gütet11.
In Wahrheit läßt sich die Erscheinung nur erklären aus einem
gewissen Optimismus, mit welchem hergebrachter Weise die Gerichte
betrachtet werden. Wenn wir einen Anspruch auf Entschädigung ge-
währen wegen Fehlgehens der staatlichen Einrichtungen, so liegt darin
eine Anerkennung der menschlichen Schwäche, die trotz allem diesen
[364]Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Einrichtungen anhaftet; nur so ist der Gedanke vermittelt, daß der
Staat durch sie und doch gegen seinen Willen die Einzelnen schädigt.
Es widerstrebt uns aber, eine solche förmliche Anerkennung auch neben
die Rechtspflege zu setzen. Diese wenigstens soll unfehlbar sein. Sie
ist so geordnet, daß sie nicht fehlgeht; nötigenfalls trägt sie selbst
die Heilmittel in sich; was endgültig gesprochen ist — so wollen wir
es aller Wirklichkeit zum Trotz nun einmal angesehen haben — kann
niemals ein durch Entschädigung zu sühnendes Unrecht übrig lassen,
das den Staat dem Einzelnen gegenüber verpflichtete12. Die Aus-
nahme gilt nicht für alle Stücke der Rechtspflege, sondern nur für
den eigentlichen Kern davon, auf welchen jenes günstige Vorurteil
sich bezieht. Also nur für Akte der richterlichen Beamten und nur
für ihr geordnetes Verfahren in Civil- und Strafprozeß. Die frei-
willige Rechtspflege teilt diese formelle Unfehlbarkeit, soweit auch sie
als obrigkeitliches Verfahren des Richters erscheint, nicht soweit etwa
einfache Geschäftsbesorgung darin begriffen ist13. Auch auf dem
Gebiete der Verwaltung müßten diese Grundsätze zur Anwendung
gebracht werden, soweit die nämlichen Besonderheiten vorliegen. Es
finden sich auch dort den Gerichten gleichwertige Behörden, die in
Form des obrigkeitlichen Befehles oder sonstigen Verwaltungsaktes
und in geordnetem Verfahren aussprechen, was Rechtens sein soll.
Wegen der Verwaltungsgerichte kann gar kein Zweifel sein. Im
übrigen ist allerdings die rechtsstaatliche Ordnung, die Justizförmigkeit
der Verwaltung, noch nicht genügend durchgedrungen und zum all-
gemeinen Bewußtsein gekommen, um jener Grundauffassung nach
dieser Seite hin ihre natürlichen Grenzen zu verschaffen14.
[365]§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.
2. Kriegsschäden können auf zweierlei Weise verursacht
werden: durch unser eignes Heer und durch den Feind. Das letztere
ist selbstverständlich in unserem Rechtsinstitute nicht begriffen. Aber
auch die Schäden, die unser eignes Heer den Unterthanen zufügt, sind
ausgeschlossen. Doch ist dabei zu unterscheiden. Kriegsschaden in
diesem Sinn ist nicht alles, was an Opfern zum Zwecke der Kriegs-
führung auferlegt wird, sondern nur derjenige Nachteil, der durch
die Kriegsführung unmittelbar entsteht.
Was der Staat zur Vorbereitung der Kriegsführung, zur Aus-
rüstung und zum Unterhalt des Heeres, zur planmäßigen Anlage von
Befestigungen für künftige Fälle in Anspruch nehmen mag, und wenn
es auch während des Krieges selbst geschieht, ist den Unterthanen
gegenüber geordnet durch das öffentliche Recht, und insbesondere
schließt sich an das besondere Opfer, das da zugemutet wird, nach
allgemeiner Rechtsregel die öffentlichrechtliche Entschädigungspflicht an.
Unter Kriegsschäden im eigentlichen Sinn sind nur solche
Schädigungen zu verstehen, welche von unseren Truppen zugefügt
werden im Drange des Kampfes selbst, durch den Kampf oder im
unmittelbaren Zusammenhange mit ihm. Dafür gilt kein Verwaltungs-
recht mehr, so wenig wie für die Thaten des Feindes. Es ist kein
öffentliches Unternehmen, das das Opfer fordert, sondern die Natur-
gewalt. Deshalb gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz der öffentlich-
rechtlichen Entschädigung hier nicht15.
Die Billigkeit und Gerechtigkeit wird auch hier dafür sprechen,
daß den Betroffenen, ob es von Freund oder Feind geschah, vom
Gemeinwesen beigestanden werde; aber das ist frei im besonderen
Falle vorzusehen16.
[[366]]
Dritter Abschnitt.
Das Recht der juristischen Personen.
§ 55.
Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.
I. Das Wesen der juristischen Person überhaupt ist sehr um-
stritten. Wir müssen in Kürze darlegen, von welcher Auffassung wir
bei unseren weiteren Erörterungen ausgehen werden1.
1. Das Recht ist die Ordnung von Verhältnissen. Es setzt also
eine Mehrzahl von Einheiten voraus, zwischen welchen zu ordnende
Verhältnisse entstehen können. Die Einheit, mit welcher das Recht
rechnet, ist die Person. Persönlichkeit ist die Fähigkeit, in recht-
lich geordneten Verhältnissen zu anderen Personen zu stehen. Sie
ist nicht gleichbedeutend mit Rechtsfähigkeit, sondern umfaßt auch
noch die Kehrseite davon, die Pflichtfähigkeit, ist überhaupt Empfäng-
lichkeit für die Wirkungen der Rechtsordnung.
Die Rechtsordnung ist um der Menschen willen da. Die von
selbst gegebene Einheit, mit der sie rechnet, ist darum der Mensch.
Der Mensch ist die natürliche Person. Nicht als ob er von Natur
Person wäre. Persönlichkeit entsteht immer erst durch die Rechts-
ordnung. Aber es ist naturgemäß, daß sie bei dem Menschen ent-
steht; es ist gegen die Natur, sie ihm zu versagen, und nicht von der
Natur gefordert, daß sie sonst noch entstehe.
[367]§ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.
Diese natürliche Person trägt zugleich etwas in sich, an dessen
Erscheinungen die Rechtsordnung ihr ganzes System gehängt hat, in-
dem sie ihm Wirkungen bestimmt und Richtung zu geben sucht; das
ist der Wille. Damit die Person ihre Stellung in der Rechtsordnung,
wie diese nun einmal gestaltet ist, behaupte, muß sie rechtsordnungs-
mäßig wollen können; nötigenfalls wird ihr für eine Vertretung im
Wollen gesorgt. Es handelt sich dabei um eine schwer entbehrliche
Ausstattung, aber nicht um die Grundlagen der Persönlichkeit: nicht
weil er willensfähig ist, ist der Mensch Person, sondern weil er lebt.
Die Philosophie freilich spricht vom Willen in einem anderen als in
unserem bestimmten juristischen Sinn; für sie kann Wollen und
Leben zusammenfallen: Leben ist dann sein Dasein wollen und alles
was daran hängt und hängen soll, seine Interessen wahrnehmen, seine
Zwecke verfolgen, gleichviel, ob das mit rechtlich bedeutsamem Willen
geschieht oder im Unbewußten. In diesem Sinne ist der mensch-
liche Wille nicht gleichgültig für die Persönlichkeit, sondern dafür
ist sie da.
2. Der Mensch hat aber auch Interessen und Zwecke, deren
Verwirklichung nicht in dem Einzeldasein beschlossen ist, welche
darüber hinausreichen und gemeinsam sind mit Nebenmenschen
oder auch mit solchen, die leben werden, wenn dieses Einzeldasein
erloschen ist. Die Rechtsordnung gewährt ihm mancherlei Formen,
um von der natürlichen Person aus für solche gemeinsame Interessen
zu wirken (Gesellschaft, Erbrecht). Daneben steht als eine besondere
Form dafür die juristische Person. Sie vermag gemeinsame
Interessen vor der Rechtsordnung zu vertreten, auch da, wo die natür-
liche Person dazu nicht ausreicht, sei es wegen ihrer Kurzlebigkeit,
sei es, weil die Beteiligten zu zahlreich und unbestimmt sind, sei es
auch bloß deshalb, weil sich niemand findet, der für diese Interessen
„mit seiner Person eintreten will“.
Die juristische Person ist der natürlichen Person vollkommen
wesensgleich. Sie ist wie diese ein Erzeugnis der Rechtsordnung und
nicht juristischer oder moralischer als sie, noch fiktiver oder erdichteter.
Der Unterschied liegt nur in dem, was dahinter steht: dort ein be-
stimmtes Einzelwesen, dem die Person für den unbestimmten Umfang
seiner Interessen dient, hier eine unbestimmte Mehrheit von Einzel-
wesen, denen sie für einen bestimmten Ausschnitt von Interessen dient,
der ihnen gemeinsam ist.
3. Während demnach die natürliche Person sich einfach ver-
wirklicht an dem lebendigen Einzelwesen, das hinter ihr steht, kann
die juristische Person die bestimmte Gestalt, in der sie erscheinen
[368]Das Recht der juristischen Personen.
soll, erst erhalten durch eine besondere Ordnung; ihr Dasein beruht
auf ihrer Verfassung.
Die natürliche Person erhält ihre Individualität durch die Leiblich-
keit des Menschen, dessen Zwecken sie umfassend dient, die juristische
durch die Bezeichnung ihres Zweckes, d. h. des Ausschnittes von
gemeinsamen Zwecken eines gewissen Kreises von Menschen, wofür
sie da sein soll2.
Die natürliche Person erhält den für sie wirkenden Willen von
selbst von dem Menschen, für den sie da ist; wo ausnahmsweise diesem
die Fähigkeit, einen solchen Willen zu liefern, fehlt und Vertretung
besorgt werden muß, ist wiederum dieser Mensch der Anknüpfungs-
punkt dafür. Die juristische Person hat immer nur einen Willen durch
Vertretung, und diese Vertretung kann sich nicht so ohne weiteres
und in gleichmäßiger Weise anknüpfen an die wechselnden und mehr
oder weniger unbestimmten Menschen, deren Interessen sie dient; es
bedarf besonderer Bestimmung3.
Zweckbezeichnung und Vertretungsordnung sind daher die wesent-
lichen Stücke der Verfassung.
II. Wir unterscheiden juristische Personen des Civil-
rechts und juristische Personen des öffentlichen Rechts.
Worauf beruht der Gegensatz?
1. Die Unterscheidung gehört ganz dem neueren Rechte an.
Im alten Staatswesen war ja öffentliches und Privatrecht überhaupt
nicht getrennt.
Der absolutistische Polizeistaat, der zuerst eine Scheidung durch-
führt, thut das freilich gerade in dem Sinn, daß er für das Gebiet
des öffentlichen Rechts alle Rechtsformen zerschlägt. Recht giebt es
zwischen Staat und Unterthan nur auf dem Gebiete des Civilrechts.
Ganz folgerichtig giebt es auch nur für dieses juristische Personen.
Juristische Person und juristische Person des Civil-
rechts ist gleichbedeutend. Träger der öffentlichen Gewalt
sind allemal nur natürliche Personen, der Landesherr und unter ihm
die anderen Obrigkeiten, Einzelpersonen oder Kollegia. Sofern die
gemeinsamen Interessen, welche von diesen wahrzunehmen sind, eine
[369]§ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.
Vermögensverwaltung mit sich bringen, wird hierfür eine juristische
Person neben sie gestellt, und zwar sofort eine juristische Person des
Civilrechts. So steht neben dem Landesherrn der landesherrliche
Fiskus, weiter unten neben den allerdings stark verkümmerten
Gemeindeobrigkeiten der Gemeindefiskus4.
Die Fisci haben die Neigung, sich zu vermehren, durch Ab-
schnürung von Zellen, möchte man sagen: jede einzelne Sparte der
Verwaltung bekommt allmählich ihren eignen Fiskus neben sich, jede
Behördenstufe wird damit ausgestattet; die inneren Reibungen der
Bureaukratie werden von den beiderseitigen Fisci vor Gericht aus-
gefochten5.
Inzwischen war aber allmählich neben den zur Landesverwaltung
gehörigen Fisci der Leviathan herangewachsen, der sie alle verschlingen
sollte: der Staat als juristische Person des öffentlichen
Rechts.
Daß alle öffentliche Gewalt nur zu Nutz und Frommen des ge-
meinen Wesens ausgeübt werden soll, ist von jeher anerkannt worden.
Diese Gemeininteressen werden verpersönlicht im Begriffe des Staates,
als dessen Diener jeder Gewalthaber sich anzusehen hat. Aus einer
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 24
[370]Das Recht der juristischen Personen.
bloßen Redeweise entwickelt sich das zu der festen Rechtsanschauung,
daß der Staat das Rechtssubjekt ist, in dessen Namen und in dessen
Vertretung die Hoheitsrechte, die öffentliche Gewalt geübt werden.
Wie das gekommen ist, haben wir hier nicht darzulegen. Das Er-
gebnis ist jedenfalls, daß damit eine neue juristische Person erscheint.
Sie tritt anfangs neben die juristische Person, welche an dieser Stelle
bereits vorhanden ist und nicht sofort von selbst verschwindet, neben
den Fiskus oder die fisci. Und damit kommen zuerst die Gegensätze
zum Bewußtsein, die uns hier beschäftigen: diese juristischen Personen
sind von verschiedener Natur. Die Verschiedenheit liegt in der Art,
wie sie bestimmt sind, dem gemeinsamen Interesse zu dienen. Der
Fiskus thut das, wie bisher, als der „gewöhnliche Privatmann“, der
Staat hingegen ist dazu da, den Ausgangspunkt zu geben für die
öffentliche Gewalt. Und diese innere Artverschiedenheit ist es, die
wir zum Ausdruck bringen wollen, wenn wir den ersteren bezeichnen
als juristische Person des Civilrechts, den letzteren als juristische
Person des öffentlichen Rechts.
Das Nebeneinander von Staat und Fiskus ist, wie die ganze
polizeistaatliche Gedankenwelt, nur ein Durchgangsstadium. Die ge-
sonderte juristische Person Fiskus wird als unnötig und unhaltbar
erkannt. Der Fiskus verschwindet. Der Staat bleibt allein übrig;
was der Fiskus vorstellt, wird zu einer bloßen „Seite“ von ihm
(Bd. I § 12, III n. 2). Er bleibt juristische Person des öffentlichen
Rechts, weil er dazu da ist, die Thätigkeit zu üben, in welcher die
öffentliche Gewalt erscheint, die also auf dem Boden des öffentlichen
Rechtes sich bewegt; daß er dazwischen „als Fiskus“ civilrechtlich
beurteilt wird, thut dem keinen Eintrag. Das ist der Punkt, an dem
wir jetzt stehen6.
2. Der Staat ist aber nicht die alleinige juristische Person des
öffentlichen Rechtes. Es giebt deren auch noch weiter abwärts, in
Unterordnung unter ihm.
Da stoßen wir zunächst auf eine Gruppe von Erscheinungen,
über deren Zugehörigkeit kein Zweifel sein kann. Das sind die
Gemeinden. Der Entwicklungsgang ist der nämliche wie beim
Staat: erst steht nur der Gemeindefiskus neben der Obrigkeit, dann
wird die Gemeinde juristische Person auch für ihre obrigkeitliche
Verwaltung, und diese hat schließlich ihren Fiskus aufgesogen7. Die
[371]§ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.
Gemeinde ist einheitliche juristische Person des öffentlichen Rechtes.
Das Gleiche gilt von den ihr nachgebildeten höheren „Kommunal-
verbänden“.
Der Zweifel beginnt erst bei den Stiftungen, Körper-
schaften, Genossenschaften, anerkannten Vereinen.
Hier ist selbstverständlich immer zuerst zu fragen: liegt überhaupt
juristische Persönlichkeit vor? Wenn wir aber dies bejaht haben,
kommt die zweite Frage: welcher Art ist die juristische Persönlichkeit?
Denn unter jenen Namen giebt es juristische Personen sowohl des
öffentlichen als des Civilrechts, öffentliche Stiftungen und Privat-
stiftungen, öffentliche Körperschaften und Privatkörperschaften8.
Der Unterscheidungsgrund kann in nichts anderem gefunden
werden als in dem Zweck der juristischen Person; denn dieser allein
ist es, der ihre Individualität ausmacht. Das maßgebende Vorbild
für die Art des Zweckes, der die juristische Person des öffentlichen
Rechtes kennzeichnet, geben der Staat und die Gemeinde mit der
Thätigkeit, für die sie da sind, mit der öffentlichen Verwaltung.
Juristische Personen des öffentlichen Rechtes sind also nur solche, die
dazu da sind, öffentliche Verwaltung zu führen. Die
öffentliche Verwaltung ist die Thätigkeit, in welcher die öffentliche
Gewalt erscheint, welche dem öffentlichen Recht sein Anwendungs-
gebiet liefert. Die juristische Person, die dazu da ist, gehört selbst
dem öffentlichen Recht an und rechtfertigt so ihren Namen.
Uns gehen hier im Verwaltungsrecht nur diejenigen juristischen
Personen des öffentlichen Rechtes an, die unterhalb der obersten
Erscheinung dieser Art, unterhalb des Staates stehen. Für die vor-
nehmsten von ihnen, die Gemeinden, ist der Name Selbst-
7
24*
[372]Das Recht der juristischen Personen.
verwaltungskörper gebräuchlich. Er ist wohl geeignet, über-
haupt eine juristische Person zu bezeichnen, die öffentliche Verwaltung
selbst zu führen berufen ist, im Gegensatz zu dem grundsätzlich alles
umfassenden Staate, der über ihr steht. Wir werden den Ausdruck
der Kürze halber fortan für alle unsere juristischen Personen ge-
brauchen9.
III. Wenn eine juristische Person dazu da ist, öffentliche Ver-
waltung zu führen, so muß das notwendig nach verschiedenen
Richtungen hin bedeutsam werden für die Art, wie sie in ihren Ein-
richtungen und Angelegenheiten behandelt wird, und ihr Unter-
scheidungsmerkmale geben gegenüber der juristischen Person des
Civilrechts. Was im geltenden Rechte juristische Person des öffent-
lichen Rechtes ist, was nicht, läßt sich danach überall mit Sicherheit
beurteilen. Vergeblich ist es nur, wenn man die Sache noch weiter
zuspitzen und alles in ein einzelnes [bestimmtes] Unterscheidungs-
merkmal setzen will.
1. Die juristische Person des öffentlichen Rechtes erweist ihren
Zusammenhang mit diesem dadurch, daß sie in ihren Verhältnissen
nach außen nach öffentlichem Rechte beurteilt wird.
Einen selbständigen untrüglichen Maßstab giebt das nicht. Auch die
juristische Person des Civilrechts wird in ihren Verhältnissen nach
außen gegebenen Falles nach öffentlichem Recht beurteilt, gerade wie
auch die natürliche Person (Steuerpflicht, Enteignungsbetrieb, Anspruch
[373]§ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.
auf öffentlichrechtliche Entschädigung). Umgekehrt findet das Civil-
recht in großem Umfange auch auf die Verhältnisse des Selbst-
verwaltungskörpers Anwendung. Es giebt zahlreiche juristische Per-
sonen des öffentlichen Rechtes, deren ganze Verwaltung sich durch-
weg in den Formen des Civilrechtes bewegt, ohne daß je die öffent-
liche Gewalt darin zum Ausdruck käme. Öffentliche Genossenschaften
und öffentliche Stiftungen geben genügende Belege. Das Richtige ist,
daß das öffentliche Recht bei ihnen soweit zur Anwendung kommt,
wie beim Staate selbst, also unter Umständen gar nicht. Die Thätig-
keit des Selbstverwaltungskörpers ist, wie die des Staates, öffentliche
Verwaltung. Diese bewegt sich grundsätzlich in Formen des öffent-
lichen Rechtes, kann aber auch je nach ihrer Art im Einzelfalle den
Regeln des Civilrechtes unterliegen. Eine juristische Person, die der
Beschränktheit ihrer Aufgabe gemäß nur Thätigkeiten der letzteren
Art führt, hat immer noch ein Stück öffentlicher Verwaltung, aber
ohne je eine Anwendbarkeit des öffentlichen Rechtes darauf zu er-
leben10.
2. Der Selbstverwaltungskörper hat sein Stück öffentlicher Ver-
waltung, das er in eignem Namen und eignem Rechte führt.
Auch bei einer juristischen Person des Civilrechtes kann das zutreffen;
das Rechtsinstitut der Verleihung öffentlicher Unternehmungen (oben
§ 49) giebt die Form dafür. Der Unterschied liegt in der Art, wie
das Recht auf das Stück öffentlicher Verwaltung mit der Person zu-
sammenhängt. Die beliehene Person empfängt das öffentliche Unter-
nehmen durch ein Rechtsgeschäft des öffentlichen Rechtes; auf eben
diesem Wege wird es ihr wieder entzogen; sie bleibt für sich daneben,
was sie ist. Der Selbstverwaltungskörper dagegen ist dafür da;
sein Stück öffentlicher Verwaltung gehört zu seinem Wesen; wird es
ihm entzogen, so besteht er nicht mehr, so wenig wie der Staat, der
sein Gebiet verloren hat11.
[374]Das Recht der juristischen Personen.
3. Unsere Selbstverwaltungskörper stehen sämtlich, obwohl Per-
sonen für sich, in einem ganz besonderen Zusammenhange
mit dem Staate, als dem obersten Ausgangspunkte aller öffent-
lichen Verwaltung, von der sie ein Stück haben. Das äußert sich in
verschiedenen Eigentümlichkeiten ihrer Stellung. Keine für sich allein
ist geeignet, ein durchgehendes Unterscheidungsmerkmal abzugeben;
immer umfaßt das entweder zu viel, d. h. auch anderes als juristische
Personen des öffentlichen Rechtes, oder zu wenig, d. h. nicht alle.
Man bezeichnet sie wohl als Glieder des staatlichen Or-
ganismus. Soll das bloß heißen, daß sie zu dem Apparate gehören,
durch welchen im Staate öffentliche Verwaltung geführt wird, so ist
es nicht mehr als eine Tautologie. Sollen sie aber dadurch in An-
spruch genommen werden als wesentliche Stücke der staatlichen Be-
hördenorganisation, welche sie vervollständigen, so trifft das nur zu
bei den Gemeinden unterer und oberer Gattung, wohl auch bei
manchen Stiftungen; die große Masse der öffentlichen Stiftungen und
Genossenschaften hat aber ganz abseits dieser großen Ordnung ihren
stillen Platz.
Dieselbe Thatsache, daß sie öffentliche Verwaltung haben sollen,
die ja eigentlich in vollem Umfange dem Staate gehört, bringt es mit
sich, daß die Entstehung solcher Körper bedingt wird durch einen
schöpferischen Akt der Staatsgewalt, die Anerkennung des Selbst-
verwaltungskörpers. Allein einerseits sind gerade die wichtigsten
darunter, die Gemeinden, einfach übernommen aus geschichtlichen Vor-
stufen, wo der Staat in ganz anderem Verhältnisse dazu stand. Und
andererseits finden solche Anerkennungen der juristischen Persönlich-
keit, je nach dem Stande des Civilrechtes, ihren Platz auch bei Ent-
stehung juristischer Personen, die diesem angehören; der Unterschied
ist nur, daß diese nicht anerkannt werden behufs Führung öffentlicher
11
[375]§ 55. Die juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes.
Verwaltung; also muß man schließlich doch wieder auf diese Rück-
sicht zurückkommen12.
Es ist ferner für den Selbstverwaltungskörper eine natürliche Folge
seines Wesens, daß er unter einer besonderen Aufsicht des Staates
steht, um bei seinem Zwecke erhalten zu bleiben durch Zwang zur
Erfüllung, oder um vernichtet zu werden, wenn er nicht mehr dazu
geeignet erscheint13. Allein ganz die gleichen aufsichtsrechtlichen Be-
fugnisse nimmt der Staat möglicherweise auch in Anspruch gegen
civilrechtliche juristische Personen; der Unterschied ist nur der, daß
es hier nicht geschieht aus Rücksicht auf eine von ihnen zu führende
öffentliche Verwaltung; auf diesen Begriff wird man also doch wieder
verwiesen sein14. Und andererseits kann die Erfüllung des Zweckes
durch die eigne Ordnung des Selbstverwaltungskörpers so genügend
gesichert sein, daß für eine staatliche Aufsicht gar nichts vor-
gesehen ist; nur im äußersten Falle greift eine solche ein, von
selbst, aus dem einzigen Grunde, daß öffentliche Verwaltung in
[376]Das Recht der juristischen Personen.
Frage ist, das muß aber dann eben aus anderen Merkmalen zu er-
kennen sein15. —
Für die Frage, ob ein Selbstverwaltungskörper vorliegt, ist des-
halb immer nur das Gesamtbild entscheidend: woran öffentliche Ver-
waltung erkannt wird, haben wir im bisherigen reichlich dargestellt;
wie es noch weiter an einer juristischen Person erkennbar wird, daß
sie dazu da ist, öffentliche Verwaltung zu führen, wird sich aus den
nun folgenden Ausführungen ergeben16.
§ 56.
Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.
Die untergeordneten juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
die Selbstverwaltungskörper, wie wir sie nennen, haben, wie jede
juristische Person, den Zweck, Menschen zu dienen für ihre Inter-
essen. Die Bezeichnung dieses Zweckes durch ihre Verfassung giebt
ihnen ihre Individualität.
Diese Bezeichnung enthält in sachlicher Beziehung den
Gegenstand der Thätigkeit, wofür die juristische Person da ist,
und die räumlichen Grundlagen derselben, Sitz und Bezirk;
sie grenzt damit das Stück öffentlicher Verwaltung ab, auf welches
das subjektive öffentliche Recht des Selbstverwaltungskörpers sich er-
streckt (Bd. I § 9, IV), und den äußeren Umfang der Zuständig-
keiten seiner Vertreter und Diener.
Sie bestimmt in persönlicher Beziehung den Kreis der
Menschen, für welchen der Selbstverwaltungskörper da ist, um
[377]§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.
deren willen dieses Stück öffentlicher Verwaltung gerade in dieser
Weise, durch eine gesonderte juristische Person des öffentlichen Rechtes
geführt werden soll. Wir nennen diese Menschen die Angehörigen
des Selbstverwaltungskörpers1.
In der Art, wie diese Angehörigen bezeichnet werden, weist aber
die Verfassung tiefgehende Verschiedenheiten auf. Das giebt jedes-
mal einen andern inneren Aufbau der ganzen juristischen Person und
andere Grundlagen für die Vertretungsordnung. Nach der Art der
Bezeichnung der Angehörigen bestimmt sich die rechtliche Art-
verschiedenheit der Selbstverwaltungskörper. Wir
unterscheiden danach: öffentliche Anstalten mit juristischer Persön-
lichkeit, öffentliche Genossenschaften und Gemeinden2.
1. Ein bestimmtes öffentliches Unternehmen dauernder Art, eine
öffentliche Anstalt (oben S. 318) kann mit einer juristischen Person
versehen sein, die dafür da ist. Die sachliche Bezeichnung des
Zweckes der juristischen Person ist hier von vornherein mit hervor-
ragender Bestimmtheit gegeben; es ist der Betrieb dieser Anstalt. Da-
her es gebräuchlich ist, sie selbst schlechthin „öffentliche Anstalt“ zu
nennen. Verpersönlichte öffentliche Anstalt oder Anstalt mit besonderer
juristischer Persönlichkeit ist damit gemeint3. Die Bezeichnung des
[378]Das Recht der juristischen Personen.
Kreises von Menschen, für welche die juristische Person da ist, tritt
dabei ganz in den Hintergrund. Man gebraucht für solche juristische
Personen wohl auch den Ausdruck „öffentliche Stiftung“ und findet
ihre Eigentümlichkeit darin, daß ihr „Substrat“ ein Vermögen schlecht-
hin sei, im Gegensatz zur Körperschaft und Genossenschaft, die zu-
gleich einen Verein natürlicher Personen hinter sich haben4. Die
Verneinung überschießt aber das Ziel, wenn sie sagen will, daß diese
Anstaltspersönlichkeiten überhaupt keine Angehörigen haben. Eine
juristische Person ist nie um ihrer selbst willen da, sondern um anderer
Personen willen. Diese anderen sind hier nur ungenau bezeichnet.
Wer sind sie?
Es kann sich nicht handeln um diejenigen juristischen Personen,
welchen die Anstalt gehören würde, wenn sie nicht selbst mit
juristischer Persönlichkeit ausgestattet wäre. Man kann sich ja alle
diese Anstalten denken ohne eine solche; dann würden sie einfach
unmittelbare Anstalten des Staates oder eines allgemeineren Selbst-
verwaltungskörpers, einer Gemeinde sein. Diese erscheinen also als
die Nächstbeteiligten an der Anstalt. Wie sehr sie das sind, das wird
namentlich im Falle der Auflösung der Anstaltspersönlichkeit sich
zeigen (unten § 61, I). Aber die Anstalt und ihre juristische Persön-
lichkeit sind zu unterscheiden; die letztere kann nicht um des Mutter-
gemeinwesens willen gegeben sein: sie ist es ja vielmehr, welche
diesem die Anstalt zunächst entfremdet5.
[379]§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.
In zweiter Linie könnte man denken an die Menschen, welchen
die öffentliche Anstalt ihre Leistungen macht: also die Armen,
die Kranken, die Unterrichtsbedürftigen. Aber auch um ihretwillen
kommt nur die Anstalt, nicht ihre besondere Ausstattung mit juristischer
Persönlichkeit, in Betracht. Sie würden das Nämliche haben, wenn
das Gemeindekrankenhaus, die Staatsschule, die sie aufnimmt, keine
juristische Person wäre6.
[380]Das Recht der juristischen Personen.
Wenn man die einzelnen Anstalten betrachtet, welche in dieser
Weise mit juristischer Persönlichkeit ausgestattet zu sein pflegen, so
erkennt man sofort die Gesichtspunkte, nach welchen sie vor anderen
öffentlichen Anstalten dazu auserwählt sind: es sind lauter solche, die
geeignet erscheinen, die öffentliche Wohlthätigkeit herauszufordern,
wie Krankenhäuser, Armenanstalten, Versorgungshäuser, kirchliche An-
stalten, oder sonst dem Vertrauen des Publikums wegen Sicherheit
des ihnen zu Überliefernden besonders empfohlen werden sollen, wie
Sparkassen, Leihhäuser, Versicherungsanstalten. Die Menschen, auf
welche es allein damit abgesehen ist, sind demnach solche, die an
dem Zwecke der Anstalt derart teilnehmen, daß sie ihr Mittel
gewähren für ihren Betrieb. Sie haben das Interesse, daß
gerade diese Mittel für den Zweck der Anstalt erhalten bleiben, und
die selbständige juristische Persönlichkeit sichert ihnen das zu.
Man kann allerdings behaupten, daß auf diese Weise die juristische
Persönlichkeit auch dem Interesse des Menschenkreises dient, dem die
Anstaltsthätigkeit zu Gute kommt, sowie dem des ursprünglichen Herrn
der Anstalt, d. h. des Rechtssubjekts, dem sie gehören würde, wenn
keine besondere juristische Person dafür bestünde. Sie befördert das
Gelingen dieses Unternehmens, woran beide interessiert sind,[] sie be-
fördert es, indem sie ein Lockmittel ist zur Beteiligung mit Zu-
wendungen und Mittelgewährungen. Darin liegt für den Staat der Be-
weggrund, für solche „Abzweigung eines Teilwillens“. Aber dieses
Lockmittel ist sie eben nur dadurch, daß sie den Gebern den Dienst
leistet, das Gegebene getrennt zu halten. Um dieser willen ist sie
zunächst da, sie sind die wahren Angehörigen der juristischen Person.
Diese Art von Angehörigen ist naturgemäß nicht fest zu um-
grenzen. Bei der Stiftung, die anfängt mit einer Zuwendung für
ihren Zweck, ist der erste Geber wohl erkennbar, dem zu Liebe die
juristische Person das Vermögen zusammenhält. Sie wirkt aber auch
zu Gunsten derjenigen, die später mit ihren Gaben hinzukommen.
Die Anstalt kann ebensogut mit diesem Sicherungsmittel aufgestellt
sein, um Geber anzuziehen, ohne daß schon eine bestimmte Person
ins Auge gefaßt wird; es ist fraglich, ob überhaupt Geber erscheinen.
Aber die juristische Persönlichkeit ist doch nur um dieser möglichen
Geber willen da. Daß die Angehörigkeit in dieser Weise eine ganz
unbestimmte ist, das macht die Eigenart dieser juristischen Persön-
lichkeit aus und hat seine wichtigen Folgen7.
[381]§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.
2. Den einfachen Gegensatz bildet der Fall, wo der Zweck der
juristischen Person bezeichnet ist als der eines Vereines von
Menschen, welchen sie dafür dient. Das ist das Besondere der
öffentlichen Genossenschaft. Sie ist ein Verein mit juristischer
Persönlichkeit zur Führung eines Stückes öffentlicher Verwaltung. Die
Vereinsmitglieder sind zugleich die Angehörigen des Selbstverwaltungs-
körpers8. Häufig werden sie auch diejenigen sein, welchen die
Leistungen der Genossenschaft zu Gute kommen sollen: so bei Be-
wässerungsgenossenschaften, Forstgenossenschaften, Fischereigenossen-
schaften, Innungen. Wesentlich ist dieses Zusammentreffen nicht; das
Unternehmen der Genossenschaft kann auch geradezu darauf gerichtet
sein, Nichtmitgliedern zu Gute zu kommen: so bei Wohlthätigkeits-
vereinen mit öffentlichrechtlicher Persönlichkeit und bei den Berufs-
genossenschaften der Unfallversicherung. Auch hier ist die juristische
7
[382]Das Recht der juristischen Personen.
Person selbst doch nur um der Genossen willen da, deren Zwecken
sie dient, und darauf kommt es an. Es ist wieder geradeso zu unter-
scheiden, wie bei Anstalt und Anstaltspersönlichkeit9.
Der Umstand, daß ihre Angehörigen in einem geordneten Vereine
um sie versammelt sind, wird bedeutsam für die weitere Ausgestaltung
der Genossenschaftspersönlichkeit; diese erscheinen viel mehr als bei
der Anstaltspersönlichkeit berufen, maßgebenden Einfluß zu üben auf
ihre Schicksale und insbesondere auf die Art ihrer Vertretung. Mehr
als ein naturale ist das nicht. Ob bei der Rechtsverwirklichung diesem
Zuge mehr oder minder nachgegeben wird, ändert nichts an ihrer
grundlegenden Eigenart10.
[383]§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.
3. Die dritte Gruppe wird gebildet von der Gemeinde und den
gemeindeartigen Selbstverwaltungskörpern höherer
Stufe, sämtlich gestaltet nach dem Vorbilde des Staates11.
Gemeinde und Staat stehen im Gegensatz zu der Anstalts-
persönlichkeit dadurch, daß ihre Angehörigen zusammengefaßt sind
zu einer abgegrenzten Mitgliederschaft; zu der Genossenschaft dadurch,
daß diese Zusammenfassung hier in ganz anderer Weise geschieht.
Der Verein, welchen die Angehörigen der Genossenschaft bilden,
beruht auf obligatorischen Rechtsverhältnissen. Die Mitgliedschaft ent-
steht für jeden Einzelnen dadurch, daß eine Verpflichtung für
den Vereinszweck bei ihm begründet wird, durch frei-
willigen Eintritt oder zwangsweise durch obrigkeitliche Auferlegung.
Immer ist Verpflichtbarkeit die Voraussetzung; die Genossenschaft hat
keine anderen als handlungsfähige oder gehörig vertretene Mitglieder;
darum sind diese auch so ohne weiteres fähig und berufen, ihre Ver-
tretung zu stellen.
Im Gegensatze dazu beruht die Zugehörigkeit zu Staat und Ge-
meinde nicht auf besonders begründeten Verpflichtungen, sondern ist
eine rechtliche Eigenschaft der Menschen, ein status, er-
zeugt durch natürliche Zusammenhänge, denen Rechtsakte nur er-
gänzend und ändernd zur Seite treten.
Den Zusammenhang, der maßgebend ist für die Angehörigkeit,
liefert in erster Linie das jedem dieser Gemeinwesen zustehende
Gebiet.
Für die landesherrliche Gewalt, auch wo sie schon im Namen
eines gedachten Wesens, des Staates, ausgeübt wird, ist der Mensch
zunächst nur Gegenstand und das Gebiet die äußerliche Grenze, inner-
halb deren sie Macht hat über die Menschen. Unterthan des Staates
ist, wer durch den Aufenthalt auf dem Gebiete seiner Macht unter-
worfen ist.
[384]Das Recht der juristischen Personen.
In einem besonderen Sinne ist aber Unterthan der subditus per-
petuus, der Staatseinwohner, der seinen ständigen Aufenthalt
auf dem Gebiete hat; er ist ausgezeichnet vor dem vorübergehend
anwesenden Fremden als Gegenstand besonderer Fürsorge und be-
sonderer Anforderungen von seiten des Staates. Indem nun die Staats-
persönlichkeit zu schärferer Ausprägung gelangt, tritt auch der Staats-
einwohner in die feste bestimmte Stellung, die zu diesem Begriff ge-
hört: er wird Staatsangehöriger. Der Staat ist die juristische
Person für das Volk, d. h. für die Einwohnerschaft seines Gebietes,
oder für das Vaterland, d. h. für das in der Einwohnerschaft
lebendige Gebiet12.
Die Gemeinde, die von ihrer genossenschaftlichen Vergangenheit
losgelöst, fast zum bloßen Verwaltungsbezirk herabgedrückt worden
war, erhält mit der Wiederbelebung ihrer Selbständigkeit die gleiche
Art von Grundlage ihrer juristischen Persönlichkeit. Der Kreis der
Gemeindeangehörigen grenzt sich ab durch das Gemeindegebiet:
die Gemeindeeinwohnerschaft, die Bevölkerung des Gemeindegebietes
bildet für sie ein Gemeindevolk, entsprechend dem großen Volk,
das in der juristischen Persönlichkeit des Staates die Zusammenfassung
seiner Interessen findet.
Vermittelt durch den Begriff des Gebietes, bestimmt also die that-
sächliche Gemeinschaft des Wohnsitzes den Kreis der Angehörigen
dieser juristischen Personen. Damit vereinbart es sich leicht, daß
familienrechtliche Beziehungen die Wirkungen dieser Thatsache noch
weiter erstrecken können: das Kind erbt die durch den Wohnsitz des
Vaters bestimmte Angehörigkeit, die Ehefrau erwirbt die des Mannes.
Die grundlegende Bedeutung des Gebietes verschwindet aber auch
dann nicht, wenn die Angehörigkeit geordnet ist nach den scheinbar
entgegengesetzten Grundsätzen des bayrischen Heimatsrechts und des
Reichsgesetzes über Bundes- und Staatsangehörigkeit. Der Wohnsitz
im Gebiet erscheint hier allerdings nicht mehr als selbständiger Grund
der Angehörigkeit. Aber die Verleihung derselben ist bedingt durch
ihn, und ihr Verlust knüpft sich an den dauernden Wohnsitz im Aus-
land. Vor allem wird der Zusammenhang zwischen Wohnsitz und
Angehörigkeit aufrecht erhalten durch die Möglichkeit der Versagung
des Aufenthaltes auf unserem Gebiete für Nichtangehörige, die Aus-
[385]§ 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.
weisung, und durch den Anspruch auf Erwerb der Angehörigkeit auf
Grund des Wohnsitzes, sofort oder nach einer gewissen Dauer. Auch
bei diesem System bleibt die Übereinstimmung von Angehörigkeit und
Einwohnerschaft immer der Ruhepunkt, auf welchen die Pendel-
schwingungen hinstreben.
In dieser Bedeutung des Gebietes für die Bestimmung der An-
gehörigkeit liegt die Verneinung und der Gegensatz des Vereinsbegriffs
und damit auch der Unterschied dieser juristischen Personen von den
öffentlichen Genossenschaften. Nennen wir diese mit Rücksicht auf
ihre Grundlage der Angehörigkeit eine Vereinskörperschaft, so
sind Staat, Gemeinde, und was ihnen gleicht, ihnen gegenüber als
Gebietskörperschaften zu bezeichnen13.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 25
[386]Das Recht der juristischen Personen.
Doch ist es nicht nötig, auf diesem Namen und der damit hervor-
gehobenen Seite des maßgebenden Zusammenhanges zu bestehen. Bei
einem System, wie das der reichsrechtlichen Staatsangehörigkeit oder
des bayrischen Heimatsrechts, tritt vielleicht das Gebiet doch allzu-
sehr in zweite Linie. Dann würde man als die Grundlage der An-
gehörigkeit nur eine andere Art von natürlichen Beziehungen erhalten.
Denn Aufnahme und Entlassung sind doch nur Modifikationen gegen-
über den ordentlichen Bestimmungsgründen, die sich aus den familien-
rechtlichen Zusammenhängen ergeben, aus Abstammung und Ver-
ehelichung. Wir hätten im Staats- und Gemeindevolke statt einer
Einwohnergemeinschaft eine Stammesgemeinschaft zu sehen.
Für die Eigenart dieser juristischen Personen in ihrem Gegensatz zur
Genossenschaft macht das keinen Unterschied14.
Die Gemeinde, wie der Staat, erhält ihre Angehörigen bestimmt
durch gewisse natürliche Merkmale, die sie umfassen ohne Rücksicht
auf ihre sonstigen Eigenschaften und Fähigkeiten, Männer, Frauen und
Kinder, wie sie eben ein Volk bilden. Das ist wieder von grund-
legender Wichtigkeit für die weitere Ausgestaltung der Verfassung und
namentlich der Vertretungsordnung. Nichts wäre unrichtiger, als ein-
fach das Schema der Genossenschaft darauf zu übertragen. Hier sind
keine gegebenen, natürlichen Rechte auf Vertreterschaft. Kein Verein,
kein contrat social liegt zu Grunde. Geschichtliche Entwicklung und
vernünftige Verteilung der Macht durch bewußte Ordnungen be-
stimmen alles15.
[387]§ 57. Entstehung des Selbstverwaltungskörpers.
§ 57.
Entstehung des Selbstverwaltungskörpers.
Es giebt zahlreiche juristische Personen, die uns überliefert
sind aus früheren Rechtszuständen. Sie verdanken ihre Entstehung
den der entsprechenden Entwickelungsstufe eigenen Gründen, der
selbständigen Kraft der Einung, dem Gewohnheitsrecht, dem verliehenen
Privilegium. Ob diese jetzt noch wirken könnten, ist gleichgültig; sie
bestehen fort, so lange sie nicht in rechtswirksamer Weise aufgehoben
werden. Sie gehören teils dem Civilrecht, teils dem öffentlichen Rechte
an; um diese Ausscheidung zu machen, verfahren wir mit ihnen nach
dem dafür geltenden Maßstabe des heutigen Rechtes (oben § 55,
II u. III).
Was wir hier zu betrachten haben, das ist die Frage, wie es
sich verhält, wenn ein solcher Körper jetzt neu entstehen soll?
Welches sind dafür die Regeln des heute geltenden Rechtes?
Die Rechtswissenschaft befindet sich zur Zeit noch in vollem
Streit. Wo keine ausdrückliche Gesetzesbestimmung vorliegt, wollen
die einen die juristische Person nur gründen auf besondere staatliche
Verleihung, die anderen lassen sie bei sonst gegebenen Vorraussetzungen
von selbst entstehen kraft allgemeinen Rechtssatzes, den nötigenfalls
die gemeine Gewohnheit, vielleicht auch das Naturrecht liefert1. Für
uns wird die Frage vereinfacht durch die Ausscheidung, mit der wir
beginnen. Wir haben es nicht mit den juristischen Personen des Civil-
rechtes zu thun; auch nicht mit der obersten juristischen Person des
öffentlichen Rechtes, dem Staate; sondern allein mit den ihm unter-
geordneten, die wir als Selbstverwaltungskörper bezeichnen2. Für diese
25*
[388]Das Recht der juristischen Personen.
aber ergiebt sich die Beantwortung der Frage unmittelbar aus ihrem
begrifflichen Wesen. Sie sind dazu da, ein Stück öffentlicher Ver-
waltung in eignem Namen zu haben und zu führen. Um sie zu
schaffen, muß ein solches abgelöst werden von dem eigentlichen
Subjekt aller öffentlichen Verwaltung; der Staat giebt von seinem
Eignen, wenn er eine derartige juristische Person anerkennt. Nur
durch den Willen des Staates kann ein Selbstverwaltungs-
körper neu entstehen. In dieser schöpferischen Willensäußerung
liegt also der juristische Schwerpunkt des Vorganges.
Nicht ausgeschlossen ist, daß auch die Einzelnen, für welche die
juristische Person da sein soll, ihre künftigen Angehörigen, dabei
zur Mitwirkung kommen. Das kann in verschiedenem Maße und ver-
schiedener Form der Fall sein. Je nachdem nimmt auch die ab-
schließende staatliche Willensäußerung verschiedene Gestalt an.
I. Der Selbstverwaltungskörper kommt immer nur zustande durch
den staatlichen Willen. Die juristische Person ist aber dazu da,
ein gemeinsames menschliches Interesse in der für Personen gegebenen
Rechtsordnung zu vertreten (oben § 55, I n. 2). Sie kann in diese nur
gestellt werden durch eine Willensäußerung, welche berufen ist, zu
bestimmen, was Rechtens sein soll, maßgebend für alle Rechtshand-
habung. Solche Willensäußerungen macht der Staat in Form des
Rechtssatzes und in Form des Verwaltungsaktes (Bd. I
§ 7 u. 8). Wie kommen diese Formen hier zur Verwendung?
1. Es ist zunächst eine Frage des staatlichen Verfassungsrechtes,
ob die Schaffung juristischer Personen zum vorbehaltenen Ge-
biete des Gesetzes gehört, ob eine gesetzliche Grundlage dafür
nötig ist.
Für juristische Personen des Civilrechtes ist die Frage jedenfalls
zu bejahen. Die ganze Civilrechtsordnung gehört der gesetzgebenden
Gewalt von Natur (Bd. I § 6 Note 11). Der Staat wird also solche
Personen nur schaffen können durch ein Gesetz oder auf Grund eines
Gesetzes.
Bezüglich der Selbstverwaltungskörper steht es wesentlich anders.
Es wird damit nicht eingegriffen in die Civilrechtsordnung. Daß diese
juristischen Personen, einmal geschaffen, auch civilrechtlich in Betracht
kommen können, ist eine Nebenwirkung des öffentlichrechtlichen Vor-
gangs, die nicht maßgebend sein kann für seine Beurteilung. Es
handelt sich auch nicht um die Abgrenzung eines neuen Lebensgebiets,
in welchem dem Einzelnen, statt einer natürlichen, eine juristische
Person gegenübertreten soll. Die ganze öffentliche Verwaltung gehört
von Haus aus juristischen Personen; es wird nur eine neue abgezweigt.
[389]§ 57. Entstehung des Selbstverwaltungskörpers.
Die freie Schaffung von Selbstverwaltungskörpern durch die Re-
gierung könnte freilich insofern dem Geiste des Verfassungsstaates wider-
sprechen, als jede solche Übertragung öffentlicher Verwaltung die be-
stehenden Verantwortlichkeitsverhältnisse durchbricht: ihre Vertreter
sind der Volksvertretung nicht verantwortlich und das Ministerium,
sofern ihm nicht ein besonderer Einfluß vorbehalten wird, ist es nicht
für sie. Allein ein Mißbrauch in dieser Beziehung würde ja die
Verantwortlichkeit des Ministeriums schon für sich selbst begründen.
Im übrigen zieht dafür mit der fortschreitenden gesetzlichen Fest-
legung der Behördenordnung der Vorrang des Gesetzes immer engere
Grenzen; Übertragung obrigkeitlicher Befugnisse, die selbst der
gesetzlichen Grundlage bedürfen, an den Selbstverwaltungskörper
wäre ohne Gesetz ohnedies nicht zulässig. Das genügt.
Grundsätzlich müßte also die Schaffung von juristischen Personen
des öffentlichen Rechtes durch die Regierung allein, ohne Gesetz mög-
lich sein. Die Form dafür wäre nur die des Verwaltungsaktes; Rechts-
sätze, Verordnungen, kann sie ohne Gesetz nicht machen3.
2. Die juristische Person des Civilrechtes kann in der Weise ent-
stehen, daß ein Rechtssatz ausspricht: bei Erfüllung der und der Vor-
aussetzungen soll die juristische Person vorhanden sein. Die Erfüllung
dieser Voraussetzungen ist dann Sache der Einzelnen, die ein Interesse
daran haben.
Eine derartige Entstehungsweise widerspräche der Natur des
Selbstverwaltungskörpers. Die Abzweigung eines Stückes öffentlicher
Verwaltung kann nicht durch den Willen der Unterthanen bewirkt
werden. Die Rechtssatzmäßigkeit allein thut’s nicht: der Selbst-
verwaltungskörper muß eine Schöpfung des Staates sein, dessen
[390]Das Recht der juristischen Personen.
Wille auf ihn gerichtet ist4. Das geschieht am vollkommensten in
der Form der Einzelverfügung, mit oder ohne ermächtigendes Gesetz
dahinter. Wo ein Rechtssatz bestimmt, daß in gewissen Fällen ein
Selbstverwaltungskörper entstehen soll, wird sich zur Wirksammachung
desselben im Einzelfall immer erst noch ein Verwaltungsakt, eine Ent-
scheidung dazwischen schieben, die dem staatlichen Schöpfungswillen
die Bestimmtheit des Gegenstandes giebt. Unmittelbare Wirkung wird
ein allgemein lautendes Gesetz dieses Inhalts nur dann beanspruchen,
wenn es die Fälle, für welche es zutrifft, in bestimmten Gestalten
schon vor sich hat. Das Hauptbeispiel dafür bietet die Erhebung von
bisherigen bloßen Verwaltungsbezirken zu Selbstverwaltungskörpern.
3. Der neugegründete Selbstverwaltungskörper erhält seine Ver-
fassung. Gewisse wesentliche Stücke derselben sind in der Ent-
stehung der juristischen Person notwendig schon enthalten: sie be-
kommt ihre Individualität ja nur durch die Bestimmung ihres Zweckes
nach Gegenstand der Thätigkeit, räumlichen Grundlagen und An-
gehörigenschaft (oben S. 376 ff.). Zu ihrer Lebensfähigkeit gehört
aber auch die Vertretungsordnung. Diese kann nachträglich hinzu-
kommen ebenso wie etwaige genauere Bestimmungen des Zweckes.
Die Verfassung kann rechtssatzmäßig bestimmt sein. Das ist
namentlich der Fall bei den vorgefundenen Gemeinden, die neu ge-
ordnet, und bei neuen Gebietskörperschaften, die durch allgemein
lautendes Gesetz geschaffen werden. Aber auch wo die Entstehung
durch Verwaltungsakt bewirkt wird, kann eine solche rechtssatzmäßige
Ordnung im voraus gegeben sein. Das kann soweit gehen, daß der
Verwaltungsakt nur noch den Einzelfall bestimmt, in welchem eine
mit der fertigen Verfassung ausgerüstete juristische Person ins
Leben tritt.
Die Verfassung kann aber auch durch den schöpferischen Ver-
waltungsakt im Einzelfall bestimmt werden, neben rechtssatzmäßigen
Bestimmungen, soweit diese dafür Raum lassen, oder ganz frei, wo
solche nicht gegeben sind. Eine derartige Bestimmung der Verfassung
für den Einzelfall nennen wir das Statut des Selbstverwaltungs-
körpers. Dabei kann eine Mitwirkung der Angehörigen des Selbst-
[391]§ 57. Entstehung des Selbstverwaltungskörpers.
verwaltungskörpers stattfinden, oder es können allgemeine Anweisungen
dafür bestehen (Normalstatuten); das Wesen des Statuts wird dadurch
nicht geändert5.
Das Anwendungsgebiet dieser Statuten bilden öffentliche Stiftungen
und Genossenschaften.
II. Die Mitwirkung, welche den Angehörigen des künftigen
Selbstverwaltungskörpers bei seiner Entstehung zukommt,
richtet sich wieder ganz nach der Verschiedenheit ihres Grundverhält-
nisses zu diesem, nach der Art des Selbstverwaltungskörpers.
1. Die öffentliche Anstalt mit juristischer Persön-
lichkeit kann entstehen ohne Angehörige in Erwartung künftiger.
Sie wird dann einstweilen mit Mitteln des Staates oder der Gemeinde
ausgestattet oder auch ganz ohne Mittel aufgestellt werden. Sie kann
aber auch schon von Anfang an Angehörige, Stifter haben. Diese
liefern thatsächliche Voraussetzungen, ohne welche der Staat die
Schöpfung vielleicht nicht für angemessen halten würde. Ihre Wünsche
werden demgemäß auch einen thatsächlichen Einfluß üben auf den
Inhalt des staatlichen Willensaktes, der die juristische Person schafft
und ihre Verfassung regelt; Zweckbestimmung und Vertretungsordnung
werden sich in gewissem Maße nach ihnen richten.
2. Die öffentliche Genossenschaft bedarf zu ihrer Ent-
[392]Das Recht der juristischen Personen.
stehung eines Kreises von Angehörigen, eines Vereins, der ihre Grund-
lage bildet. Fertig als juristische Person des öffentlichen Rechtes wird
auch sie immer nur durch den staatlichen Willensakt. Aber der Wille
der Genossen kann rechtlich bindend sein für diesen Akt, und um-
gekehrt kann der staatliche Wille auch die Herstellung des Vereins
bewirken, der die Voraussetzung seiner Schöpfung ist. Dadurch er-
giebt sich hier eine gewisse Mannigfaltigkeit von Entstehungsformen6.
Die ursprünglichste Art wäre die, wo man beiderseits frei
ist. Die Beteiligten bilden freiwillig ihren Verein und suchen nach
um Anerkennung als juristische Person, welche dann die Regierung
ihrerseits nach freiem Ermessen erteilt oder versagt. Das hat eine
gewisse Verwandtschaft mit dem Fall der Gründung einer öffentlichen
Anstalt, nur daß die Einzelnen nicht bloß den thatsächlichen Anstoß
geben für den staatlichen Willensakt, sondern auch die Voraussetzung
seiner rechtlichen Möglichkeit, ohne welche er nicht stattfinden
könnte7.
Die zweite Form besteht darin, daß die Bildung des Vereins
frei ist, die Anerkennung als öffentlichrechtliche Ge-
nossenschaft gebunden. Das Gesetz giebt unter gewissen Voraus-
setzungen dem Verein einen Rechtsanspruch auf den staatlichen Akt,
der ihn zur juristischen Person des öffentlichen Rechtes macht. Immer
ist es auch hier der Staat, die Behörde, deren Wille diese erzeugt;
aber ihr Wille ist gebunden durch den Willen der künftigen An-
gehörigen8.
[393]§ 57. Entstehung des Selbstverwaltungskörpers.
Wo das staatliche Interesse am Zustandekommen der öffentlichen
Genossenschaft stärker ist, wird es sich darin äußern, daß die Bildung
des grundlegenden Vereins rechtlich begünstigt wird. Die nächste
Form dafür ist die des halben Zwangs. Das Gesetz bestimmt
gewisse Merkmale, welche zur Mitgliedschaft einer zu bildenden
Genossenschaft berufen. Alle, bei welchen diese zutreffen, können
durch Mehrheitsbeschluß der Mitbeteiligten verbunden werden, sich
dazu herzugeben. Fertig wird die also ermöglichte Genossenschaft
erst durch den obrigkeitlichen Akt, der sie für begründet erklärt und
seinerseits entweder mit freiem Ermessen erlassen wird oder mit recht-
licher Gebundenheit gegenüber dem die gesetzlichen Voraussetzungen
erfüllenden Vereinsbeschluß9.
Endlich kann die Regierung ermächtigt sein, die Genossenschaft
allein und unabhängig von dem Willen der Beteiligten zu gründen.
Dazu bedarf es der gesetzlichen Grundlage, die auch die Merkmale
bezeichnet, nach welchen die Zugehörigkeit sich bestimmen soll. Die
öffentliche Genossenschaft wird dann gebildet in Form der Zwangs-
vereinigung: der Verwaltungsakt giebt ihr zugleich ihre Verfassung
und ihre Mitglieder10.
[394]Das Recht der juristischen Personen.
3. Die Gebietskörperschaft bedarf zu ihrer Entstehung des
Stückes Volk, für welches sie bestimmt ist. Wenn die Entstehung
stattfindet im Zusammenhang umfassender Neuorganisationen, die ja
nur durch Gesetz erfolgen können, wird eine Mitwirkung der Beteiligten
nicht zu rechtlicher Bedeutung gelangen; das öffentliche Interesse
überwiegt dann so, daß die Bevölkerung einfach von Staatswegen an
die neugeschaffenen Selbstverwaltungskörper verteilt wird. Nur bei
Verschiebungen zwischen den bestehenden Gebietskörperschaften durch
Abzweigung einer neuen oder Teilung ist eine Neuentstehung denkbar,
bei welcher den Beteiligten ein gewisser Einfluß eingeräumt wäre,
sei es, daß sie nur gehört werden, sei es, daß ihre Zustimmung er-
forderlich ist, damit die Regierung die Änderung vornehmen könne.
Wer diese Beteiligten sind, das ist hier nicht so von selbst gegeben
wie bei der Genossenschaft: es können die Vertretungen der bisherigen
Selbstverwaltungskörper dazu berufen sein, oder die Einwohner des
betroffenen Gebiets oder aus diesen wieder besondere Interessenten
allein, z. B. Grundbesitzer, die dann in Versammlungsbeschlüssen oder
in Abstimmungen nach Art der Wahlen zu Worte kommen. Es ist
Sache positiver gesetzlicher Ordnung, das Entsprechende zu bestimmen.
§ 58.
Das Recht der Vertreterschaft.
Die juristische Person des Selbstverwaltungskörpers erhält ihre
Vertretung, um handlungsfähig zu sein, durch die verfassungsmäßig
dazu berufenen Menschen. Diese bilden zusammen seine Vertreter-
schaft. Sie sind für ihn, was im staatlichen Verfassungsrecht die
Träger der obersten Gewalt. Darunter können, wie dort, noch andere
Vertreter stehen, Vertreter zweiten Rangs mit abgeleitetem Auftrag
zur Besorgung der Geschäfte. Nur von der verfassungsmäßigen
Vertreterschaft ist hier die Rede1.
[395]§ 58. Das Recht der Vertreterschaft.
Die zu solcher Vertretung Berufenen werden wirksam als Einzelne
oder in Kollegien (Ausschüssen) oder in Versammlungen. In diesen
Formen bilden sie die Vertretungseinheiten des Selbstverwaltungs-
körpers, oder wie man zu sagen pflegt, seine Organe. Die Ver-
teilung der Zuständigkeiten zwischen ihnen, die gegenseitigen Verhält-
nisse von Abhängigkeit und Bedingtheit sind Gegenstand einer wohl-
berechneten Ordnung nach dem Muster der staatlichen Behörden-
organisation, von der sie schließlich ein Zubehör bilden. Wir haben
sie hier nicht darzustellen (Bd. I § 2, I)2.
Die Berufenen selbst erscheinen aber dabei persönlich in sehr
verschiedener Rechtsstellung. Das Recht, durch welches diese geordnet
wird, nennen wir das Recht der Vertreterschaft. In der Lehre
von der öffentlichen Dienstpflicht haben wir die entsprechende innere
Seite der Behördenordnung dargestellt. Das dort Ausgeführte gilt
auch hier, aber die Eigenart des Selbstverwaltungskörpers bringt Neues
und Besonderes.
Die Verschiedenheit der Rechtsstellung der Vertreter hängt vor
allem an der Art, wie die Fähigkeit zur Vertretung bei ihnen be-
gründet ist. Sie kann beruhen auf dem Rechte der Angehörig-
keit zum Selbstverwaltungskörper oder auf dem Rechte eines
Amtes, das ihnen übertragen ist namens des Selbstverwaltungs-
[396]Das Recht der juristischen Personen.
körpers oder namens eines oberen Gemeinwesens. Je nach der Art
des Selbstverwaltungskörpers tritt bald die eine, bald die andere
Form in den Vordergrund und werden sie im einzelnen verschieden
gestaltet.
I. Die Angehörigen des Selbstverwaltungskörpers, die Menschen,
um deren willen er da ist, sind auch bestimmt, ihm seine Vertretung
zu liefern. In welchem Maße das wirklich geschieht, das hängt in
erster Linie ab von ihrer Geeignetheit, d. h. von der Art des Selbst-
verwaltungskörpers
1. Das Hauptanwendungsgebiet der Vertreterschaft aus dem Rechte
der Angehörigkeit bildet die öffentliche Genossenschaft.
Die Vertretungsmacht ist hier nach dem Vorbilde des einfachen
Vereins begründet in der Mitgliedschaft. Sie erscheint als Mitglieds-
recht der Vereinsgenossen, bei der öffentlichen Genossenschaft als sub-
jektives öffentliches Recht: es enthält eine Macht über das der
Genossenschaft zustehende Stück öffentlicher Verwaltung (Bd. I § 9, II).
Wir unterscheiden aber daran eine auf dem gemeinen Mitglieds-
rechte beruhende Vertretungsmacht und eine besonders ver-
stärkte einzelner Mitglieder. Das giebt die zwei Grundformen.
Das gemeine Mitgliedsrecht der Genossen kommt wieder auf
zweierlei Weise zur Geltung.
Unmittelbar wird ihre Vertretungsmacht ausgeübt in den Be-
schlüssen der Mitgliederversammlung. Diese ist naturgemäß
das oberste Organ, die erste Vertretungseinheit des Selbstverwaltungs-
körpers3. Der Wille der Mehrheit gilt als Wille der Genossenschaft.
Das Recht des einzelnen Mitgliedes geht darauf, daß seine Stimme
bei Berechnung dieser Mehrheit gezählt wird. So zusammengeordnet
vertreten die Mitglieder die Genossenschaft für ihre wichtigsten Ge-
schäfte; insbesondere auch zur Bestellung von Genossenschaftsbeamten,
die namens der Genossenschaft in deren Dienst genommen werden,
um sie kraft Amt und Dienstpflicht ihrerseits wieder innerhalb eines
verfassungsmäßig bestimmten Wirkungskreises zu vertreten. Das giebt
aber dann eine Vertreterschaft anderer Art (unten II n. 1).
Anstatt sie auszuüben, um für den Selbstverwaltungskörper un-
mittelbar zu handeln, können die Mitglieder ihre Vertretungsmacht
[397]§ 58. Das Recht der Vertreterschaft.
auch übertragen auf bestimmte einzelne Mitglieder, Abgeordnete
der Gesamtheit. Die Form dafür ist die Wahl.
Das Vorbild ihrer Rechtsgestalt finden wir beim gewöhnlichen
Verein. Wenn der Verein sich einen Vorstand wählt, so ist das kein
Vertrag; die Gewählten treten nicht in ein obligatorisches Dienst-
verhältnis zum Verein. Die Befugnis zur Besorgung der gemeinsamen
Angelegenheiten, die auf der Mitgliedschaft beruht, wird für einen
gewissen Kreis von Geschäften konzentriert auf die abgeordneten Mit-
glieder. In gleicher Weise bedeutet die Wahl des Vorstandes einer
öffentlichen Genossenschaft eine Ausstattung der Gewählten mit der in
den Mitgliedern ruhenden Vertretungsmacht für die juristische Person4.
Die Wahl ist nicht selbst ein Akt der Vertretung. Sie geschieht
nicht namens der juristischen Person, sondern die Mitglieder handeln
eignen Namens, um auf die abgeordneten Mitglieder zu übertragen,
was ihnen zustünde. Sofern die Verfassung des Selbstverwaltungs-
körpers einen zu wählenden Vorstand verlangt, haben sie für die
entsprechenden Geschäfte überhaupt Vertretungsmacht nur, um sie in
solcher Weise verleihen zu können. Das Wahlrecht ist die Gestalt,
in welcher sie bei ihnen juristisch allein noch erscheint. Sie werden
alsdann wenigstens mittelbar, durch ihre Abgeordneten wirksam
namens des Selbstverwaltungskörpers. Dieses Verhältnis wird zum
Ausdruck gebracht, indem man dieselben zugleich als ihre, der
Wähler, Vertreter bezeichnet. Das sind sie nicht im juristischen
Sinn; denn sie handeln nicht namens der Wähler. Der thatsächliche
Zusammenhang ist damit gemeint, daß sie ihr Recht herleiten von
den Wählern und deren Wünsche und Gesinnungen in der Vertretung
des Selbstverwaltungskörpers zur Geltung bringen5. —
[398]Das Recht der juristischen Personen.
Die zum Vorstande bestellten Mitglieder, die gewählten Ab-
geordneten, bieten das Hauptbeispiel für die zweite Grundform der
auf der Mitgliedschaft beruhenden Vertretungsmacht. Wie beim Verein,
so sind sie auch bei der öffentlichen Genossenschaft Mitglieder
mit verstärktem Recht. Die Bestellung von Nichtangehörigen
erhält immer die Form des Dienstverhältnisses und Amtes. Die Ab-
geordneten haben kein Amt und keine Dienstpflicht, weder den
Genossen noch dem Selbstverwaltungskörper gegenüber6. Ihre ganze
Rechtsstellung hat zur Grundlage lediglich die durch die Wahl und
die Annahme derselben begründete rechtliche Fähigkeit, den Selbst-
verwaltungskörper für den Kreis der Vorstandsgeschäfte zu vertreten.
Rechtliche Gebundenheiten entstehen für sie erst in zweiter Linie
als Folgen, die sich aus diesem Verhältnis ergeben, von selbst oder
durch besondere gesetzliche Bestimmungen ausgebildet. Nach zwei
Richtungen kommen solche in Betracht.
Ihre Befugnisse zur Vertretung des Selbstverwaltungskörpers sind
keine ungemessenen, sondern beschränkt auf das verfassungsmäßig
bestimmte Maß. Darüber hinaus sind ihre Vertretungshandlungen
5
[399]§ 58. Das Recht der Vertreterschaft.
ungültig. Die Beschränkung kann insbesondere darin bestehen, daß
ihre Thätigkeit rechtlich bedingt wird durch Abhängigkeits-
verhältnisse, in welchen sie steht zu anderen Vertretungseinheiten
des Selbstverwaltungskörpers, vor allem also zu Beschlüssen der Mit-
gliederversammlung oder auch zur Aufsichtsgewalt (unten § 59).
Diese Schranken werden wirksam gemacht durch Überwachung,
Ungültigkeitserklärung und Abänderung ihrer Akte. Die Thätigkeit
der abgeordneten Vertreter wird dadurch wenigstens in ihrer Wirkung
nach außen hineingezwungen in die Angemessenheit an die dem Selbst-
verwaltungskörper gegebene Ordnung.
Dazu kommt als Zweites eine persönliche Verantwortlich-
keit. Auch ohne förmliche Dienstpflicht entsteht durch die Über-
nahme der Führung fremder Geschäfte eine Treueverpflichtung gegen-
über demjenigen, dessen Geschäfte geführt werden. Diese Verpflichtung
wird wirksam durch die Haftung für Schadensersatz, im Falle sie ver-
absäumt wird. Die Schadensersatzpflicht ist civilrechtlicher Natur.
Das Vorbild der Haftung des Vormunds gegenüber dem Mündel wird
dafür maßgebend werden, auch wenn das Gesetz nichts ausdrücklich
in dieser Beziehung bestimmt7.
Das Gesetz greift mannigfach ein, um die Rechtsstellung solcher
abgeordneter Vertreter der öffentlichen Genossenschaft schärfer aus-
zugestalten und Formen des echten öffentlichen Amtes darauf zu über-
tragen. Es wird den Mitgliedern zur Pflicht gemacht, die Berufung
zu dieser Vertreterschaft anzunehmen, nach Vorbild des Pflichtehren-
amtes. Die Wahl kann einer Bestätigung der Aufsichtsbehörde unter-
worfen werden, oder es tritt geradezu eine Ernennung durch dieselbe
an ihre Stelle mit der gleichen Wirkung. Eine Ordnungsstrafgewalt
wird darüber eingerichtet, auch ein Absetzungsrecht anerkannt. Alles
das ändert das Wesen der Sache nicht und macht insbesondere kein
Amt daraus; der Abgeordnete bleibt Vertreter kraft verstärkten
Mitgliedrechtes, die Angehörigkeit an die juristische Person des öffent-
lichen Rechtes ist die Grundlage seiner Vertretungsbefugnis. —
Diese Abgeordneten sind nicht das einzige Beispiel von Vertretungs-
macht kraft verstärkten Mitgliedrechtes. Eine solche kann sich auch
ohne Übertragungsakt kraft Rechtssatz oder Statut unmittelbar ver-
[400]Das Recht der juristischen Personen.
binden mit einer besonderen Art von Mitgliedschaft, einer bevor-
zugten Mitgliedschaft, die durch besondere Lasten und Pflichten
gegenüber der Genossenschaft gekennzeichnet sein wird. Das bedeutet
dann ein Sonderrecht dieses Mitgliedes. Sein verstärktes Mitglieds-
recht auf Vertretung unterscheidet sich von dem eines abgeordneten
Vertreters nur durch die Rechtsform, in welcher diese Verstärkung
begründet wird8.
2. Außerhalb des Gebietes der öffentlichen Genossenschaft kann
die Vertretung der Selbstverwaltungskörper niemals so vollkommen
auf die Angehörigkeit gestellt werden. Das Amt tritt in den Vorder-
grund. Das Recht der Angehörigkeit kommt nur daneben zur Geltung,
weist dann aber auch die bei der öffentlichen Genossenschaft aus-
gebildeten Formen auf, nur mit gewissen Besonderheiten, die sich aus
der Verschiedenheit der Grundlagen ergeben.
Bei der öffentlichen Anstalt oder Stiftung mit
juristischer Persönlichkeit kann von einer Vertretung durch
eine Versammlung der Angehörigen nicht die Rede sein. Wahl-
recht und abgeordnete Vertreter kommen ausnahmsweise zur
Verwendung unter thunlichster Anlehnung an das dafür bei der
Genossenschaft gegebene Vorbild. Unter Umständen ist nämlich der
Kreis der Menschen, für welche die Anstaltspersönlichkeit da ist,
verhältnismäßig deutlicher abgegrenzt. Das ist dann der Fall, wenn
ihre Mittel durch Zwangsbeiträge aufgebracht werden. Die
Beitragspflichtigen sind die Angehörigen der juristischen Person, für
welche diese die Mittel zusammenhält und die Merkmale, nach welchen
das Gesetz die Pflicht auferlegt, machen sie erkennbar. Aus ihrer
Mitte können dann Ausschüsse gebildet werden, um an der Vertretung
der Anstalt teilzunehmen. Die Besetzung dieser Ausschüsse erfolgt
durch Ernennung oder Wahl. Die Rechtsstellung der Abgeordneten
und das Wahlrecht der Angehörigen sind zu beurteilen wie bei der
öffentlichen Genossenschaft. Aber die Anstaltspersönlichkeit wird durch
diese Zuteilung von Befugnissen, welche den Vereinsmitgliedern, den
Genossen zuzustehen pflegen, an ihre Angehörigen, die keine Vereins-
mitglieder, keine Genossen sind, nicht selbst Genossenschaft, sondern
behält im übrigen ihre juristische Eigenart9.
[401]§ 58. Das Recht der Vertreterschaft.
Dagegen kommen hier Sonderrechte auf die Vertretung vor.
Nicht so, daß sie als gesetzliche Regeln geordnet wären; aber die
Statuten können solche Einrichtungen schaffen. Das geschieht nament-
lich dann, wenn die juristische Person schon entsteht auf Grundlage
einer freigebigen Zuwendung, den Namen Stiftung also vorzugsweise
führt. Zu Gunsten des Stifters oder auch seiner Erben werden da
wohl besondere Vorbehalte gemacht, um ihnen einen Einfluß auf die
Verwaltung des Vermögens und zu diesem Zwecke gewisse Rechte in
der Vertretung der juristischen Person zu sichern. Das bedeutet
wieder kein Amt und keine Dienstpflicht, sondern ein subjektives
öffentliches Recht auf Vertretung, welches jederzeit verzichtbar sein
wird10.
3. Im Gegensatz zur öffentlichen Anstalt hat die Gemeinde
gleich der Genossenschaft ihren bestimmten Kreis von Angehörigen.
Aber diese sind nicht geeignet, ohne weiteres zur Vertretung des
Selbstverwaltungskörpers wirksam zu werden. Die Vertretungsordnung
beginnt also hier mit einer Aussonderung der Geeigneten. Von der
Masse der Gemeindeangehörigen, dem Gemeindevolk, werden nach
gewissen Eigenschaften, welche von ihnen verlangt sind, ausgeschieden
die allein vertretungsberechtigten Gemeindebürger11; Geschlecht,
Alter, Unbescholtenheit, wirtschaftliche Stellung liefern die Merkmale,
nach welchen das Gesetz die Ausscheidung vollzieht. Von dieser
Aristokratie der Gemeindeangehörigen geht allein die Vertretungs-
macht aus. Die Formen, in welchen sie rechtlich geordnet erscheint,
sind von da an im wesentlichen die der Genossenschaft.
Die Gemeindebürger können unmittelbar zur Ausübung der Ver-
9
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 26
[402]Das Recht der juristischen Personen.
tretung berufen sein, in Beschlüssen von Gemeindeversamm-
lungen oder, was gleichsteht, in allgemeinen Wahlen zur Be-
stellung von Gemeindebeamten.
Sie können in der Form der Wahl ihre Vertretungsmacht auf
abgeordnete Vertreter übertragen, wie bei der Genossenschaft.
Die abgeordneten Vertreter werden dann zugleich als ihre
Vertreter bezeichnet oder als Gemeindevertreter im eigentlichen Sinn,
was als kurzer Ausdruck zu verstehen ist für Gemeindeangehörigen-
oder Gemeindebürger-Vertreter in demselben Sinn, wie man von Ver-
tretung der Genossenschaftsmitglieder spricht12. So bilden sich zur
Überwachung und Beschränkung der laufenden Verwaltung und zur
Erledigung vorbehaltener wichtiger Geschäfte: Stadtverordnete, Ge-
meinderäte, Gemeindebevollmächtigte, Bürgerausschüsse u. s. w., deren
Mitglieder überall nicht Beamte sind, sondern Vertreter kraft ver-
stärkten Gemeindebürgerrechts, oder da dieses selbst nur eine bevor-
zugte Art von Gemeindeangehörigkeit ist, kraft verstärkter Gemeinde-
angehörigkeit13.
[403]§ 58. Das Recht der Vertreterschaft.
Zum Unterschied von der Genossenschaft, welche ordentlicher-
weise ihre ganze Vertretung in diesen Formen zu erhalten vermag,
schneidet aber mit solchen Überwachungsausschüssen die Vertretungs-
macht der Gemeindeangehörigkeit ab, um für die eigentliche Führung
der Geschäfte dem Gemeindeamte Platz zu machen.
II. Neben der auf Angehörigkeit zum Selbstverwaltungskörper
beruhenden Vertreterschaft finden wir als zweite Art die amtliche
Vertretung. Statt des subjektiven Rechtes steht hier die Pflicht
voran. Das Amt ist ein mit öffentlicher Dienstpflicht zu führender
Kreis von Geschäften öffentlicher Verwaltung (oben § 42, II). Insofern
diese Geschäfte darauf gehen, den Selbstverwaltungskörper zu ver-
treten, um seine Handlungsfähigkeit verfassungsmäßig herzustellen,
nennen wir es ein Vertretungsamt. Ein solches Amt kann ge-
führt werden im Dienst- und Pflichtverhältnis zu dem vertretenen
Selbstverwaltungskörper selbst, aber auch im Dienst- und Pflicht-
verhältnis zu einem anderen Gemeinwesen, das dem Selbstverwaltungs-
körper mit seinem Amte den Vertreter stellt, zum Staat oder einem
oberen Selbstverwaltungskörper.
1. Eigne Vertretungsämter des Selbstverwaltungskörpers
finden wir vor allem ausgebildet bei der Gemeinde und zwar der
Ortsgemeinde. Wo sie sonst noch vorkommen, richten sie sich im
wesentlichen nach den gleichen Regeln.
Sie sind teils Ehrenämter, teils Berufsämter gemäß den oben
§ 43 und 44 genauer festgestellten Begriffen. Die ersteren über-
13
26*
[404]Das Recht der juristischen Personen.
wiegen. Aber auch die berufsmäßig übernommene Dienstpflicht hat
hier die Neigung, sich den Rechtsformen des Ehrenamtes zu nähern,
insofern Amt und Dienstpflicht enger verbunden sind: die Anstellung
im Gemeindedienst geschieht stets mit Verleihung eines bestimmten
Amtes und nur für dieses und eine Zur-Verfügungstellung ist un-
praktisch. Auch findet die dem Ehrenamte eigentümliche Bestellung
auf Zeit dafür mehrfach Anwendung, namentlich beim Berufsbürger-
meister. Doch das ist unwesentlich. Bedeutsamer sind die Eigentüm-
lichkeiten, welche das Gemeindevertretungsamt aufweist in der Be-
gründungsart der Dienstpflicht und in der Ordnung der Dienstgewalt.
Die Begründung des Dienstpflichtverhältnisses des
Gemeindebeamten ist ein Akt der Vertretung des Dienstherrn, der
Gemeinde. Sie kann ausgehen von einem bereits vorhandenen Ver-
tretungsamt, einer Gemeindebehörde, Bürgermeister oder Magi-
strat14. Sie kann für die Gemeinde geschehen durch einen Akt der
staatlichen Aufsichtsbehörde15. Das ist in einem wie im anderen
Falle dem Ernannten gegenüber ein gewöhnlicher Verwaltungsakt. Sie
kann aber auch geschehen, und gerade bei Gemeindevertretungsämtern
wird das wichtig, in Form der Wahl.
Als Wahl bezeichnet man wohl auch den Mehrheitsbeschluß einer
kollegialen Gemeindebehörde, des Magistrats, sofern er eine Ernennung
enthält. Das fällt noch unter die zuerst aufgeführten Formen; es ist
in Wahrheit ein Verwaltungsakt16. Rechtliche Eigentümlichkeiten hat
die Wahl nur da, wo sie ausgeht von Wählern, die keine Behörde
bilden, fähig, Verwaltungsakte zu erlassen, also unmittelbar von den
Gemeindebürgern oder von Ausschüssen ihrer abgeordneten Vertreter:
Stadtverordneten, Gemeinderäten, Gemeindebevollmächtigten.
Eine solche Wahl ist möglicherweise nur die Bedingung für die
Anstellung, die auf Grund derselben vollzogen wird durch einen be-
hördlichen Akt, einen Akt der Gemeindebehörde oder der staatlichen
Aufsichtsbehörde17. Da kommen wir alsbald wieder in das bekannte
Geleise.
[405]§ 58. Das Recht der Vertreterschaft.
Die Wahl durch Gemeindebürger oder abgeordnete Vertretungen
kann aber auch so gemeint sein, daß sie unmittelbar Amt und Dienst-
pflicht begründen soll. Und zwar ist das die Regel. Bürgermeister,
Gemeindevorsteher, Magistratsmitglieder werden so bestellt. Die Zu-
stimmung oder Bestätigung, welche etwa die Gemeindebehörde oder
Aufsichtsbehörde noch auszusprechen hat, ist dann ihrerseits nur Be-
dingung der Gültigkeit der Wahl, nicht selbst der Begründungsakt.
Möglicherweise wirkt die Wahl auch ganz für sich allein, ohne daß
noch ein solcher obrigkeitlicher Akt dazu kommt. Erforderlich ist
immer nur die Annahme des Gewählten, gerade wie beim übertragenen
Ehrenamte und bei der Anstellung im Staatsdienst.
Die große Frage ist hier: wie vermag die Wahl solche Wirkung
hervorzubringen? Sie soll ja nicht eine bloße Übertragung der Ver-
tretungsmacht der Wähler sein, sondern ein Dienstpflichtverhältnis
zwischen dem Gewählten und dem Selbstverwaltungskörper begründen,
wie es sonst bei Ehrenamt und Berufsdienst der Verwaltungsakt thut.
Die Möglichkeit eines Verwaltungsaktes ist aber bei diesen Wählern
von vornherein ausgeschlossen. Den Gedanken an einen Vertrag, der
in Anwendung der gegebenen Rechtssätze des Civilrechts die Dienst-
pflicht begründete, wird man gänzlich fernhalten müssen: der Selbst-
verwaltungskörper als Träger öffentlicher Verwaltung und der zum
Amte berufene Unterthan stehen sich gegenüber; da müssen aus-
schließlich die Formen des öffentlichen Rechtes in Frage sein.
Die Sache läßt sich nur so erklären, daß ein öffentlichrechtlicher
Rechtssatz besteht, der an die angenommene Wahl die Entstehung
von Amt und Dienstpflicht knüpft. Den nötigen Rechtssatz liefern
überall Gesetz, Verordnung oder Statut, die bekannten Rechtsquellen,
möglicherweise auch überkommenes altes Recht. Aus sich selber ver-
möchte die Wahl unmöglich zu wirken18.
Damit ist durchaus nicht etwa ein öffentlichrechtliches Seitenstück
zu einem civilrechtlichen Vertrage gegeben, wie man geneigt sein
möchte anzunehmen. Es ist allerdings äußerlich das Schema dar-
gestellt: Rechtsgeschäft, wirksam nach Maßgabe des Rechtssatzes.
Aber der Rechtssatz bestimmt nicht wie beim Vertrag: was die Be-
teiligten als ihren Willen erklären, soll gültig sein. Er hat eine be-
stimmte Art von Selbstverwaltungsamt im Auge und verfügt: dieses
Amt ist durch Wahl zu besetzen. Die Wirkung, die hervorgebracht
[406]Das Recht der juristischen Personen.
werden soll, das Amt und die Dienstpflicht, ist bestimmt; die Willens-
erklärung, die durch den Rechtssatz wirksam gemacht wird, ist ihrem
ganzen Inhalte nach nichts als die Bezeichnung der dahineinzusetzenden
Person, die Nennung eines Namens. Mehr bietet ja der Wahlakt nicht.
Daraus ergiebt sich, daß die Wahl der Gemeindebeamten durch
Gemeindebürger oder abgeordnete Vertreter für sich allein nur im-
stande ist, „stereotype“ Rechtsverhältnisse zu begründen. Auf solche
ist es denn auch in der Regel abgesehen; das Recht wollte den Ge-
meindebürgern und ihren Abgeordneten keine beliebigen Mannigfaltig-
keiten überlassen; darum hat es ihnen eben nur eine Befugnis der
Wahl gegeben.
Nun ist aber klar, daß mit dieser im Wesen der Wahl liegenden
Gleichförmigkeit nicht ausnahmslos durchzukommen ist. Insbesondere
bei den Berufsämtern der Bürgermeister und ähnlichen muß die Mög-
lichkeit bestehen, dem Rechtsverhältnisse für den Einzelfall eine be-
sondere Gestalt zu geben, Zuthaten zu schaffen und Einzelheiten
genauer zu regeln: Bestimmungen über Gehalt, Pension und Dienst-
entschädigungen, über Kündigungsrecht, Eintritt ins Definitivum, Neben-
ämter u. dergl. Es wird darüber immer schon ein Einverständnis
mit dem Beamten getroffen worden sein vor der Wahl, um sich seiner
Annahme zu versichern; er stellt seinerseits damit Bedingungen auf,
unter denen er die Wahl annehmen will. Für gewisse Dinge, nament-
lich die Geldzusicherungen, bedürfte es auch eines besonderen Be-
schlusses einer dazu berufenen Versammlung, ohne deren Zustimmung
die Gemeinde nicht also belastet werden kann. Aus all dem bestimmt
sich genauer, was Inhalt des mit der Wahl entstehenden Rechts-
verhältnisses werden soll. Aber es wird dadurch nicht schon Inhalt
dieses Rechtsverhältnisses.
Der Wahlakt selbst ist unfähig, solche Nebenbestimmungen aus-
drücklich oder stillschweigend aufzunehmen und wirksam zu machen.
Von einem civilrechtlichen Nebenvertrag ist keine Rede. Was dem
Rechtsverhältnis solche Besonderheiten geben kann, ist einzig ein
neben der Wahl herlaufender Verwaltungsakt. Diesen Verwaltungs-
akt liefert möglicherweise die Gemeindebehörde, indem sie der voll-
zogenen Wahl ihre Zustimmung erteilt und diesen Beschluß unter
Hinzufügung aller näheren Bestimmungen dem Gewählten eröffnet19.
Der ergänzende Verwaltungsakt kann auch liegen in der Bestätigung
der Wahl durch die Aufsichtsbehörde; die Bestätigung bezieht sich
[407]§ 58. Das Recht der Vertreterschaft.
auch auf die Nebenpunkte und ihre Eröffnung an den Gewählten
macht diese rechtsverbindlich zwischen ihm und der Gemeinde, für
die sie ergeht20.
Soweit ein solcher mit der Wahl sich verbindender Verwaltungs-
akt nicht vorgesehen ist, ist es nicht möglich, die einfache gesetzliche
Wirkung des Wahlaktes mit Nebenbestimmungen zu verumstanden.
Da ist es aber eben auch der Wille des Gesetzes, daß es nicht mög-
lich sein soll. Damit ist nicht gesagt, daß nicht in anderer Weise noch
Maßregeln getroffen werden können, um dem gewählten Beamten
Entschädigungen und Vergütungen zu gewähren; in der Zuständig-
keit zur Verwaltung des Gemeindevermögens liegt auch die Be-
friedigung solcher Billigkeitsansprüche. Das sind aber selbständige
Akte, die keinen Bestandteil der Begründung des Dienstverhältnisses
bilden. —
Die zweite Besonderheit des Dienstpflichtverhältnisses der Ge-
meindevertretungsämter bezieht sich auf die dazu gehörige Dienst-
gewalt. Diese erscheint hier erheblich abgeschwächt. Der Grund
liegt darin, daß diese Beamten als solche keinen Dienstvorgesetzten
haben, der diese Gewalt namens des Selbstverwaltungskörpers aus-
über könnte.
Magistrat und Bürgermeister müssen gelten lassen, was die Stadt-
verordneten in ihrer Zuständigkeit beschlossen haben; der Bürger-
meister ist gebunden zur Vollziehung der zuständigerweise gefaßten
Beschlüsse des Magistrats. Das sind Abhängigkeiten vergleichbar
denen zwischen Untergericht und Obergericht21. Die Aufsichtsgewalt
(unten § 59) greift ein, um im Einzelfall zu bestimmen, was namens
des Selbstverwaltungskörpers zu geschehen und nicht zu geschehen
hat; das wirkt dann mittelbar zur Bestimmung des Inhalts der Dienst-
pflicht der Gemeindevertretungsbeamten. Aber einen Dienstbefehl
im Einzelakt oder Generalverfügung ihnen gegenüber giebt es nicht.
Sie besitzen die amtliche Unabhängigkeit in dem oben § 45, I n. 3
entwickelten Begriffe.
[408]Das Recht der juristischen Personen.
Ebensowenig giebt es eine namens der Gemeinde über sie zu
übende Disciplinargewalt22. Sie wird einigermaßen ersetzt
durch die Einrichtung, daß diese Ämter regelmäßig nur auf Zeit be-
setzt werden. In der Nichtwiederwahl äußert sich die Zucht, welche
die Angehörigen der Gemeinde und ihre Vertreter an diesen Ämtern
üben können. Dafür tritt hier eine Disciplinargewalt der staatlichen
Behörden ein, die kraft Aufsichtsrechts geübt wird; nicht im Namen
der Gemeinde, sondern im Namen des Staates, dessen Interessen in
denen der Gemeinde mitverletzt sind (unten § 59, II n. 2). Daß die
Angelegenheiten der Gemeinde immer noch Angelegenheiten des Staates
geblieben sind und innerhalb gewisser Grenzen von diesem verteidigt
werden können, wird hier offenbar durch die staatliche Geltend-
machung der Dienstpflichtverletzung, die der Gemeinde gegenüber
stattgefunden hat23.
2. Vertretungsämter, die geführt werden in Dienst- und Pflicht-
verhältnis zu einem oberen Gemeinwesen, haben ihren natür-
lichen Boden bei den öffentlichen Anstalten und Stiftungen mit
juristischer Persönlichkeit.
Hier handelt es sich immer um ein bestimmtes Unternehmen
öffentlicher Verwaltung, welches durch die ihm zuerkannte besondere
juristische Persönlichkeit losgelöst ist vom Staat oder der Gemeinde,
denen es sonst unmittelbar zugehören würde. Es liegt nahe, daß
dieses Muttergemeinwesen die Leitung der Geschäfte immer noch so-
weit in der Hand behält, als es sich mit der selbständigen juristischen
Persönlichkeit der Anstalt verträgt. Das kommt dann in der Form
zum Ausdruck, daß es verfassungsmäßig berufen ist, durch seine
Beamten die Vertretung des abgezweigten Selbstverwaltungskörpers
zu führen. Diese Beamten können das nebenbei thun zu ihren
sonstigen Amtsgeschäften, oder sie können eigens hiefür angestellt sein.
Im letzteren Falle werden sie als Anstaltsbeamte, Stiftungsbeamte be-
zeichnet sein wegen des Gegenstandes, dem ihre Aufgabe und Thätig-
keit gewidmet ist. Rechtlich sind sie keine Beamten der Anstalt oder
Stiftung als Selbstverwaltungskörper. Ihre Dienstpflicht gehört dem
[409]§ 58. Das Recht der Vertreterschaft.
Muttergemeinwesen. Sie werden von diesem angestellt in der Weise,
wie es sonst seine Beamten bestellt. In dessen Namen wird die Dienst-
gewalt über sie ausgeübt. Sie unterliegen insbesondere dem Dienst-
befehl und den allgemeinen Dienstvorschriften der staatlichen oder
gemeindlichen Behörden, welche ihnen vorgesetzt sind. Diese Dienst-
anweisungen sollen sich richten nach dem Anstaltszweck und den
Interessen der Anstalt; ihre Rechtsgültigkeit ist bedingt durch die
Wahrung der Sonderstellung derselben und ihrer verfassungsrechtlichen
Ordnungen. Aber der Beamte hat dem gegenüber kein anderes
Prüfungsrecht als das gewöhnliche; amtliche Selbständigkeit, in dem
besonderen Begriff, den wir mit dem Worte verbinden und wie sie
den abgeordneten Vertretern oder den eignen Selbstverwaltungs-
vertretungsämtern zukommt, hat er nicht. Der Besoldungsanspruch
geht gegen den Dienstherrn, der sich seinerseits nur wieder deckt
durch Geltendmachung der dem Selbstverwaltungskörper obliegenden
Last, die Kosten seiner Verwaltung zu tragen24.
Der Unterschied von sonstigen Beamten im eignen Dienste des
Muttergemeinwesens tritt nur in zwei Punkten hervor.
Einmal sind diese Vertretungsbeamten mit ihrer amtlichen Thätig-
keit nicht eingereiht in die Behördenordnung des Muttergemeinwesens.
Ihre Amtshandlung geschieht namens des Selbstverwaltungskörpers.
Ihre dienstlichen Vorgesetzten, welche namens des Staats oder der
Gemeinde handeln, sind nicht von selbst zugleich berufen, statt ihrer
vorzugehen oder ihre Akte abzuändern und aufzuheben. Die Grund-
sätze der hierarchischen Unterordnung gelten im äußeren Verhältnis
nicht. Ein derartiges Eingreifen kann vielmehr nur geschehen kraft
Aufsichtsrechts, mit welchem ja eben zugleich eine Macht über den
Selbstverwaltungskörper geübt wird, und innerhalb der rechtlichen
Grenzen desselben (unten § 59). Darin kommt wieder die Selbständig-
keit der juristischen Person zum Ausdruck, die sie vertreten25.
[410]Das Recht der juristischen Personen.
Sodann sind sie dieser juristischen Person gegenüber verantwort-
lich für den Nachteil, den sie ihr durch pflichtwidriges Verhalten zu-
fügen. Es entsteht daraus eine civilrechtliche Haftung auf Schadens-
ersatz gleich der des Beamten seinem Dienstherrn gegenüber. Diese
Haftung beruht nicht auf einem Dienstverhältnis zu dem Selbst-
verwaltungskörper, das ja nicht besteht. Sie beruht auf dem Dienst-
verhältnis zu dem Muttergemeinwesen, das hier wieder wirkt wenigstens
zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs zu Gunsten dessen, dem
gegenüber die Pflicht zu erfüllen war26. —
Eine derartige Vertretung kraft Amt und Dienstpflicht gegenüber
einem höheren Gemeinwesen findet sich wohl auch außerhalb des
Gebietes der öffentlichen Anstalten und Stiftungen. Namentlich bei
höheren Kommunalverbänden ist häufig der staatliche Verwaltungs-
beamte der entsprechenden Verwaltungsstufe verfassungsmäßig zum
Vertreter berufen27. Da gilt dann die gleiche rechtliche Auffassung
des Verhältnisses.
§ 59.
Die Aufsichtsgewalt.
Die Aufsichtsgewalt ist eine geordnete rechtliche Macht
über den Selbstverwaltungskörper, um ihn bei der Er-
füllung seiner Zwecke zu erhalten.
Die Aufsichtsgewalt wird geübt namens des Staates; möglicher-
weise nimmt auch ein dazwischen geschobener höherer Selbstverwaltungs-
körper daran Teil. Die Behörde, welche jedem Selbstverwaltungskörper
gegenüber zur Ausübung dieser Gewalt berufen ist, heißt seine Auf-
sichtsbehörde.
Die Aufsichtsgewalt beruht auf dem Gedanken, daß die Lebens-
thätigkeit dieser juristischen Person, die sich darstellt als ein Stück
25
[411]§ 59. Die Aufsichtsgewalt.
öffentlicher Verwaltung, ebendeshalb immer noch die allgemeine öffent-
liche Gewalt angeht, von der sie abgelöst ist.
Die rechtliche Zugehörigkeit an den Staat kommt auch zum Aus-
druck in dessen Mitwirkung bei der Entstehung des Selbstverwaltungs-
körpers (oben § 57), wie bei seiner Endigung (unten § 61) und in
der Vertreterschaft staatlicher Beamter (oben § 58, II n. 2). Die
Aufsichtsgewalt, von welcher hier die Rede ist, setzt den bestehenden,
als handlungsfähiges Rechtssubjekt geordneten Selbstverwaltungskörper
voraus und nimmt ihn zum Gegenstand ihrer obrigkeitlichen Macht-
übung.
Der Selbstverwaltungskörper unterliegt obrigkeitlicher Machtübung
auch noch in anderer Weise; er wird besteuert, er wird von den
Civilgerichten abgeurteilt in Privatrechtsstreitigkeiten, unterliegt dem
Enteignungsverfahren für öffentliche Unternehmungen. Die Aufsichts-
gewalt zeichnet sich dadurch aus, daß sie darauf gerichtet ist, ihn bei
der Erfüllung seiner Zwecke zu erhalten.
I. Im Polizeistaat hat diese Erscheinung der öffentlichen Gewalt,
wie jede andere, keine rechtlichen Grenzen. Stiftungen und Korpo-
rationen sind als Privatrechtssubjekte geschützt wie die natürlichen
Personen. Der Staat mit seiner Polizeigewalt steht über ihnen un-
umschränkt wie über den Privaten, um die gute Ordnung und die
allgemeine Wohlfahrt zu schützen und zu fördern, an ihnen und gegen
sie. Wenn gegenüber den Einzelmenschen diese Gewalt durch die
Sitte noch an gewisse moralische Grenzen gebunden ist, so verschwinden
solche Rücksichten gegenüber den öffentlichen Zwecken gewidmeten
juristischen Personen fast vollständig1.
Im Verfassungs- und Rechtsstaate ist das grundsätzlich anders.
Mit der Anerkennung der juristischen Persönlichkeit des öffentlichen
Rechtes ist auch ihr Recht anerkannt auf selbständige Ausübung der
ihr zugewiesenen Lebensthätigkeit, ihres Stückes öffentlicher Verwaltung.
Ein Eingriff in dieses Recht kann nur erfolgen auf Grund eines wohl-
begründeten Gegenrechtes2.
Wir wissen, wie das gemeint ist: der Eingriff bedarf eines
Grundes, der ihn nach den Regeln des Verfassungs- und Rechtsstaates
rechtfertigt. Wo er etwa unmittelbar in Form des Gesetzes geschieht,
trägt er seine Rechtfertigung vermöge dieser Form in sich selbst;
[412]Das Recht der juristischen Personen.
denn gegenüber dem Willen des Gesetzes giebt es kein subjektives
Recht. Nur die Regierung und ihre Behörden bedürfen eines be-
sondern Grundes, um auch ihrerseits den Eingriff machen zu können.
Und wo für sie ein derartiger besonderer Grund gegeben ist, sprechen
wir von einem Aufsichtsrechte des Staates.
Solche Aufsichtsrechte des Staates können auf zweierlei Weise
begründet sein: durch gesetzlichen oder verordnungsmäßigen Rechts-
satz, welcher der Regierung die Ermächtigung zu solchen Eingriffen
erteilt3, oder durch einen Vorbehalt im Statut. Das letztere be-
deutet die Begründung eines Aufsichtsrechtes durch Verwaltungsakt.
Vorausgesetzt ist, daß es sich um eine juristische Person handelt,
deren Anerkennung ganz oder in gewissem Maße der Regierung an-
heimgestellt ist. Das ist das Gewöhnliche bei öffentlichen Stiftungen,
Anstalten und Genossenschaften. Die Anerkennung erfolgt durch
Verwaltungsakt und dieser bestimmt zugleich das Nähere über die
Verfassung durch Verleihung oder Genehmigung eines Statuts (vgl.
oben § 57, I n. 3). Dieses Statut nun kann Aufsichtsrechte vor-
behalten. Dazu bedarf es keiner besondern gesetzlichen Ermächtigung.
Es ist keine neue Belastung, keine Auflage, welche die Regierung
damit macht: sie giebt nur weniger, als sie geben könnte. Die
juristische Persönlichkeit wird von vornherein geschaffen mit einer
geminderten Freiheit und Selbständigkeit, welche eben der Aufsichts-
gewalt entspricht. Durch derartige Bestimmungen wird daher das
verfassungsmäßig dem Gesetze vorbehaltene Gebiet nicht berührt4.
Wo weder in der einen, noch in der anderen Weise ein Aufsichts-
recht begründet worden ist, besteht keines: das wird ja thatsächlich
nicht leicht vorkommen. Denn dem Selbstverwaltungskörper ist es
[413]§ 59. Die Aufsichtsgewalt.
naturgemäß, in einer solchen Abhängigkeit zu stehen. Man wird also
wenigstens für die schlimmsten Fälle durch die Annahme still-
schweigender gesetzlicher Ermächtigungen oder statutenmäßiger Vor-
behalte zu helfen suchen. Wo das nicht angeht, kann es zweifelhaft
werden, ob nicht vielmehr eine juristische Person des Civilrechtes und
kein Selbstverwaltungskörper vorliegt. Rechtlich unmöglich ist ein
solcher auch dann nicht: die Aufsichtsgewalt ist für ihn ein naturale,
aber kein essentiale5.
Die Formen, in welchen die Geltendmachung der Aufsichts-
gewalt erscheint, sind wesentlich zweierlei Art. Das Vorbild von
Befehl und Zwang giebt die Grundzüge der Einteilung und wird auch
in der üblichen Ausdrucksweise gern angerufen6. Doch gilt das immer
nur vergleichsweise.
1. Zum Zwecke der Ausübung der Aufsichtsgewalt werden obrig-
keitliche Aussprüche über den Selbstverwaltungskörper erlassen, um
im Einzelfall zu bestimmen, was für ihn Rechtens sein soll; auf-
sichtsrechtliche Befehle nennt man das wohl; aufsichts-
rechtliche Festsetzungsakte wäre besser gesagt.
Sie sind Verwaltungsakte, sofern sie ein Verhältnis der öffent-
lichen Gewalt, das des Staates zum Selbstverwaltungskörper zum Gegen-
stande haben; aufsichtsrechtliche Verwaltungsakte, sofern sie die im
Wesen des Selbstverwaltungskörpers liegende besondere Zugehörigkeit
zum Staate zur Geltung bringen. Indem sie bestimmen, was für den
Selbstverwaltungskörper Rechtens ist, sind sie mittelbar bindend für
dessen Vertreterschaft, die nur nach dieser Maßgabe rechtmäßig für
ihn handelt. Aber das Rechtssubjekt, über das sie ergehen, ist in
erster Linie und unmittelbar nur die juristische Person selbst. Wenn
wir hierfür die Ausdrücke aus dem Begriffskreise des Befehls zur Ver-
wendung bringen, so darf man sie nicht in strengem Sinne verstehen;
Gebot, Verbot, Erlaubnis finden nur annähernde Seitenstücke.
[414]Das Recht der juristischen Personen.
Das aufsichtsrechtliche Gebot an den Selbstverwaltungskörper
bedeutet den Ausspruch, daß er pflichtig sei, etwas zu thun, zu leisten,
eine Pflichtigerklärung. Eine Gehorsamspflicht in ihrer juristi-
schen Eigenart entsteht bei ihm nicht (vgl. unten II n. 3).
Dem Verbot entspricht der Ausspruch, daß der Selbstverwaltungs-
körper etwas nicht thun darf; es hat seinen Platz, wo ein wider-
sprechender Wille namens des Selbstverwaltungskörpers bereits ge-
äußert worden ist, und erscheint als Ungültigerklärung und
Aufhebung eines solchen Beschlusses. Auch hier ist von einer
Gehorsamspflicht des Selbstverwaltungskörpers keine Rede; es liegt
einfach keine für ihn geltende Willenserklärung mehr vor.
Das Seitenstück zur Erlaubnis, die von einem allgemeinen Befehl
im Einzelfall entbindet, bildet die aufsichtsrechtliche Genehmigung.
Sie setzt voraus: eine Handlung, die an sich im Wirkungskreise des
Selbstverwaltungskörpers gelegen ist, aber nach Gesetz oder Statut
von der Vertretung gültig nur soll vorgenommen werden können ver-
möge einer zustimmenden Erklärung der Aufsichtsbehörde. Ohne diese
Genehmigung besteht hier nicht ein Verbot für den Selbstverwaltungs-
körper, sondern die also vorgenommene Rechtshandlung ist ungültig7.
Überall bestimmen diese Aussprüche mit rechtlicher Notwendigkeit
ein entsprechendes Verhalten der Vertreter: ihre Aufgabe ist es, die
Pflicht des Selbstverwaltungskörpers zur Erfüllung zu bringen, sie
dürfen die ungültige Willenserklärung nicht als gültig durchführen, sie
sind ermächtigt, den genehmigten Beschluß zu vollziehen. Der Fest-
setzungsakt kann daher in der Gestalt erscheinen, daß diese Folgerung
daraus gezogen und den Vertretern, an die ohnehin die Eröffnung für
den Selbstverwaltungskörper zu erfolgen hätte, mitgeteilt wird. Hinter
solcher Ausdrucksweise steht aber immer als der wesentliche Kern die
rechtliche Bestimmung für die juristische Person selbst.
Die aufsichtsrechtlichen Festsetzungen jeder Art stehen entweder
im freien Ermessen der Behörde oder sind rechtlich gebunden in ver-
schiedenem Maße, wie Verwaltungsakte überhaupt8. Eine Verletzung
[415]§ 59. Die Aufsichtsgewalt.
der Gebundenheit, ebenso wie eine einfache Überschreitung des Um-
fanges der Gewalt zum Nachteile des Selbstverwaltungskörpers ist ein
Unrecht gegen diesen. Inwieweit Formen des Rechtsschutzes zu
seinen Gunsten gegeben sind, ist immer eine Frage für sich (Bd. I
§ 12 ff.).
2. Im Gegensatze zu dieser rechtlichen Bestimmung des Selbst-
verwaltungskörpers bedeutet die zweite Form der Aufsichtsgewalt ein
selbständiges Indiehandnehmen seiner Angelegenheiten; es wird nicht
gesprochen über ihn, sondern für ihn gehandelt, damit er seine
Lebensaufgabe vollziehe und gut vollziehe9. Insofern dadurch der
Wille der Aufsichtsgewalt sich unmittelbar durchsetzt, spricht man
wohl von Zwangsmaßregeln, die da getroffen werden. Wir wollen
es aufsichtsrechtliche Vollzugsmaßregeln nennen. Denn
ein eigentlicher Zwang gegen den Selbstverwaltungskörper ist darin
nicht zu finden. Zwang kommt höchstens zum Vorschein gegenüber
seinen Vertretern, und zwar in mehr oder minder deutlicher Aus-
prägung. Diese Vollzugsmaßregeln sind zweierlei Art, je nachdem
sie auf Besorgung von Geschäften des Selbstverwaltungskörpers oder
geradezu gegen sein Personal gerichtet sind, um dieses in Ordnung
zu halten.
Sofern der Aufsichtsgewalt eine thatsächliche Einmischung in
die Geschäfte des Selbstverwaltungskörpers zusteht, ist den Ver-
tretern auferlegt, solches zu dulden, möglicherweise auch Dienstleist-
ungen dafür zu machen. Die wichtigste Art von Einmischung besteht
darin, daß sie einfach bei Seite geschoben werden, indem die Auf-
sichtsbehörde an ihrer Stelle handelt, nicht als Vertreterin des Selbst-
verwaltungskörpers, aber mit Wirkung für ihn, weil sie seine Vertreter
vertritt. Das setzt voraus, daß bei diesen irgend etwas nicht in
Ordnung ist, daß sie säumig, widerspenstig oder ungehorsam sind.
So werden insbesondere Akte der Vermögensverwaltung im Aufsichts-
wege vorgenommen: Verpachtungen, Bestellung von Prozeßbevoll-
mächtigten, Einschreibung von Ausgabeposten ins Budget, Gemeinde-
steuerauflagen. Daß die Behörde hier kraft Aufsichtsgewalt nicht
kraft Vertretungsbefugnis handelt, wird wichtig, sobald die Verantwort-
lichkeit in Frage kommt: das ist für solche Akte nicht die eines
Vertreters des Selbstverwaltungskörpers, sondern die Verantwortlichkeit
[416]Das Recht der juristischen Personen.
für die Ausübung obrigkeitlicher Gewalt über den Selbstverwaltungs-
körper.
Andererseits wird Einfluß auf das Personal des Selbst-
verwaltungskörpers durch staatliche Behörden geübt in verschiedener
Weise.
Am vollkommensten ist dieser Einfluß da, wo das Personal, ins-
besondere die Vertretungsbeamten des Selbstverwaltungskörpers dienst-
lich dem Staate bezw. einem oberen Selbstverwaltungskörper an-
gehören; vgl. oben § 58, II n. 2. Das rechnen wir aber gemäß
der eingangs gegebenen Begriffsbestimmung der Aufsichtsgewalt nicht
mehr zu dieser.
Aufsichtsrechtlich sind die staatlichen Akte, welche über ab-
geordnete Vertreter und Selbstverwaltungsbeamte erlassen werden zur
Bestätigung, Ernennung, Absetzung, Auflösung von Ausschüssen, Ver-
hängung von Disciplinarmaßregeln; auch die Leitung von Wahlen
gehört hierher; das verbindet sich aber alles mit dem Rechte der
Vertreterschaft und ist dort bereits erwähnt worden (oben § 58, I
u. II, n. 1); hier findet es nun auch den seiner juristischen Natur
entsprechenden Zusammenhang.
In selbständiger Weise entfaltet sich die Aufsichtsgewalt gegen-
über dem Personal des Selbstverwaltungskörpers überdies noch in
Zwangsmaßregeln, die sie diesem gegenüber zur Verfügung hat. Dazu
gehört vor allem die Ordnungsstrafe. Sie ist kein Disciplinar-
strafmittel; denn sie setzt keine Dienstpflicht voraus, sondern geht
auch gegen abgeordnete Vertreter (oben § 58, I n. 1). Sie will nicht
bessern (oben § 45, II), sondern ist reines Zwangsmittel, um die
Durchführung dessen, was namens des Selbstverwaltungskörpers ge-
schehen soll, zu sichern10. Für das Verfahren giebt die polizeiliche
Ungehorsamsstrafe das Vorbild (Bd. I S. 328 ff.). Voraussetzung ist
aber nicht ein Befehl und Ungehorsam dagegen, sondern eine auf-
sichtsrechtliche Festsetzung (oben n. 1), welche von den Vertretern und
Beamten des Selbstverwaltungskörpers einzuhalten und zu vollziehen
ist und welcher nicht nachgekommen wird. Inwiefern die Aufsichts-
behörde zu solchen Festsetzungen befugt ist, das richtet sich nach
den oben dargestellten Regeln; inwieweit sie zur Durchführung ihres
Ausspruches mit dem Zwangsmittel der Ordnungsstrafe ausgerüstet ist,
das hängt davon ab, inwieweit die erforderliche gesetzliche Grundlage
dafür besteht. Diese kann zu Gunsten bestimmter Arten von An-
[417]§ 59. Die Aufsichtsgewalt.
ordnungen ausschließlich erteilt sein oder allgemein für alle Fälle,
wo ein solcher Aufsichtsakt vorliegt11.
Die Handhabung der Ordnungsstrafgewalt hat wieder eine doppelte
Seite: sie ist Zwang gegenüber dem Betroffenen, zugleich aber, da
dessen Thätigkeit, die in Frage ist, dem Selbstverwaltungskörper an-
gehört, ein Eingriff in die freie Bewegung des letzteren; Überschreitung
der gesetzlichen Ermächtigung ist zugleich eine Rechtsverletzung gegen-
über diesem.
II. Diese allgemeinen Formen erhalten ihren Inhalt und Gegen-
stand nach den verschiedenen Zwecken der Aufsichtsgewalt und danach
entfaltet sich diese in drei Hauptstücken12.
1. Der Selbstverwaltungskörper unterliegt einer fortwährenden
Beobachtung von seiten der Aufsichtsbehörde, indem diese Kenntnis
nimmt von seinen Zuständen und Thätigkeiten. Das ist zunächst eine
rein geistige Thätigkeit. Ein Recht der Kenntnisnahme als
Stück der Aufsichtsgewalt entsteht erst dann, wenn gewisse Pflichten
auf seiten des Selbstverwaltungskörpers sich damit verbinden, welche
diese Kenntnisnahme ermöglichen und erleichtern sollen.
Es wird sich dabei in erster Linie handeln um ein bloßes
Dulden, welches dem Selbstverwaltungskörper obliegt: er gehört
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 27
[418]Das Recht der juristischen Personen.
mit allen seinen Angelegenheiten dem Staate an und darf sich also
der Kenntnisnahme nicht entziehen. Die Aufsichtsbehörde kann nicht
verhindert werden, Anstalten und Einrichtungen zu besichtigen, Proto-
kolle, Urkunden, Rechnungen einzusehen und Kassabestände zu prüfen.
Die Befugnis dazu gilt als ein selbstverständlicher Bestandteil der
Aufsichtsgewalt; auch wo nichts ausdrücklich gesagt ist, ist sie still-
schweigend vorbehalten in der Anerkennung des Selbstverwaltungs-
körpers oder in der gesetzlichen Bestellung einer Aufsichtsbehörde13.
Soll darüber hinaus eine Leistung des Selbstverwaltungskörpers
in Anspruch genommen werden, um die Kenntnisnahme zu erleichtern,
so versteht sich das nicht von selbst: Anzeige zu machen von gewissen
Vorgängen, Verzeichnisse und Rechnungsaufstellungen einzureichen,
Bericht zu erstatten kann zur Pflicht nur werden durch eine besondere
Rechtsgrundlage in Rechtssatz oder Statut.
Die Pflicht liegt allemal dem Selbstverwaltungskörper ob; die
dafür etwa entstehenden Kosten fallen ihm zur Last. Erfüllt wird
sie für ihn durch seine Vertreter und Beamten. Gegen diese richtet
sich der Zwang im Falle der Nichterfüllung. Duldungen können mit
Gewaltanwendung erzwungen werden. Für die Erzwingung von
Leistungen dient das Ordnungsstrafrecht der staatlichen Behörden
(oben II n. 2). Ihre Disciplinargewalt steht dahinter, um bei etwaiger
Widerspenstigkeit für Besserung zu sorgen14.
2. Die Aufsicht äußert sich ihrer Hauptmasse nach als eine
Schutzgewalt über den Selbstverwaltungskörper, durch welche er
brauchbar erhalten wird für seinen Zweck und verhindert wird,
Schädlichkeiten für das Gemeinwesen zu erzeugen.
Diesem Zwecke dienen die aufsichtsrechtlichen Einflüsse auf den
Personalbestand, wie sie das Recht der Vertreterschaft ergiebt
(oben § 58).
[419]§ 59. Die Aufsichtsgewalt.
Dazu kommt nun vor allem der aufsichtsrechtliche Schutz des
Vermögensbestandes: wichtigere Akte der Vermögensverwaltung
werden abhängig gemacht von einer Genehmigung. Dem Gegenstand
und der Form nach hat das eine gewisse Ähnlichkeit mit den Zu-
ständigkeiten des Vormundschaftsgerichtes gegenüber der civilrecht-
lichen Vormundschaftsverwaltung. Daher für diese Seite der Aufsichts-
gewalt der Name Vormundschaft gebraucht wird: Gemeinde-
vormundschaft, Stiftungsvormundschaft15.
Dieser Name wird aber auch wohl ausgedehnt auf die ganze
übrige Schutzgewalt, wenngleich darin Dinge enthalten sind, die in
der civilrechtlichen Vormundschaft kein Seitenstück mehr finden. Das
gilt namentlich von all den Aufhebungs- und Genehmigungsrechten,
die den Zweck haben, zu verhindern, daß in Vertretung dieses
„Mündels“ dem öffentlichen Interesse zuwider gehandelt werde, ganz
abgesehen davon, ob es für ihn selbst schädlich oder vielleicht sogar
nützlich wäre. In diesem Sinne ist z. B. die Aufstellung autonomischer
Satzungen, die Auferlegung von Steuern und Abgaben für Zwecke
des Selbstverwaltungskörpers, die Annahme von Schenkungen und
letztwilligen Zuwendungen an aufsichtsrechtliche Genehmigung ge-
bunden16.
Der Umfang der Schutzgewalt ist begrenzt durch das Maß, in
welchem ein Rechtsgrund für sie besteht. Und zwar pflegen Rechts-
satz und Statut die einzelnen Gegenstände bestimmt zu bezeichnen.
Nur in einer Beziehung besteht in der Regel eine umfassende Er-
mächtigung, vielleicht ist sie sogar als eine selbstverständliche an-
zusehen: die Aufsichtsbehörde ist in allgemeiner Weise berufen,
27*
[420]Das Recht der juristischen Personen.
rechtswidrige Beschlüsse für ungültig zu erklären, d. h. solche
durch welche die Vertretung des Selbstverwaltungskörpers Rechtssatz
oder Statut verletzt17. Diese Befugnis ist nur so richtig abzugrenzen,
daß man sie als ein Stück der Aufsichtsgewalt festhält, die über die
Selbstverwaltung gesetzt ist. Sie bezieht sich nicht auf Willens-
äußerungen, mit welchen der Selbstverwaltungskörper in einem be-
stimmten Rechtsverhältnis auftritt als „Privater“: der Beschluß, eine
begründete Steuer- oder Lohnforderung nicht zu bezahlen oder einen
ungerechten Eigentumsanspruch zu erheben, ist keine Rechtsverletzung
in diesem Sinne; die zur Entscheidung solcher Sachen einem Privaten
gegenüber berufenen Behörden werden auch hierüber entscheiden. In
Betracht kommen nur solche Beschlüsse, mit welchen der Selbst-
verwaltungskörper seine Eigentümlichkeit als Träger eines Stückes
öffentlicher Verwaltung zur Geltung bringen will: eigentliche Ver-
waltungsakte, Anordnung von Verwaltungsmaßregeln, Errichtung und
Änderung von öffentlichen Anstalten, auch bloße Kundgaben und
Meinungsäußerungen, die mit dem Ansehen seiner besonderen Stellung
ausgestattet werden sollen18.
Die Verletzung von Gesetz oder Statut kann bestehen in Nicht-
beachtung der Form, Widerspruch des Inhalts mit bestehenden Vor-
schriften, vor allem in Überschreitung des dem Selbstverwaltungskörper
zustehenden Wirkungskreises.
Die Aufhebung des Beschlusses wird wie alle Aufsichtsthätigkeit
von Amtswegen erfolgen. Der Antrag eines Dritten, dem er zu Schaden
gereicht, kann dazu den Anstoß geben. Damit eröffnet sich ein
Beschwerdeweg gegen den Selbstverwaltungskörper, und zwar ist
es mangels anderweitiger Bestimmung nur eine einfache Beschwerde
(Bd. I S. 150 ff.), die da stattfindet. Die sonstigen Rechtsschutzmittel,
die dem Verletzten zustehen mögen, laufen konkurrierend daneben her.
Thatsächlich wird die Aufsichtsbehörde in solchen Fällen meist der
Civil- oder Verwaltungsrechtspflege den Vortritt lassen und zuwarten,
es sei denn, daß ein selbständiges öffentliches Interesse vorliegt.
3. Die rechtliche Natur der Aufsichtsgewalt, wonach sie keine
bloße Fürsorge ist für den Selbstverwaltungskörper, sondern zugleich
seine Zugehörigkeit zum Staate geltend zu machen hat, damit er
[421]§ 59. Die Aufsichtsgewalt.
wirklich leiste, was er ordnungsmäßig zu leisten schuldig ist, tritt am
schärfsten zu Tage in ihrem letzten Stück, in dem aufsichtsrecht-
lichen Leistungszwang19.
Es handelt sich um die Erfüllung einzelner bestimmter Pflichten.
Der Zwang dazu kann auf dreierlei Art vor sich gehen.
Das Verfahren bewegt sich möglicherweise in den nämlichen
Formen, wie sie auch einem Privaten gegenüber zur Anwendung kämen.
Der Selbstverwaltungskörper hat seinen bestimmten Gegner, einen
Einzelnen, einen anderen Selbstverwaltungskörper oder den Staat.
Die für das Rechtsverhältnis zuständige Behörde, Civilgericht, Ver-
waltungsgericht oder Verwaltungsbehörde setzt fest, was er soll, und
aus diesem Ausspruch findet nunmehr die Zwangsvollstreckung
statt in den Formen der Civilprozeßordnung oder des Finanzzwanges
(Bd. I § 32, II).
In weitem Umfang pflegt aber diese Zwangsvollstreckung gegen
den Selbstverwaltungskörper ausgeschlossen zu sein, ebenso wie gegen
den Fiskus (Bd. I S. 212). Dann kann die Festsetzung der Pflicht
die gewöhnlichen Formen beibehalten; an die Stelle der Zwangs-
vollstreckung aber tritt, wie dort, der administrative Weg. Das be-
deutet hier aufsichtsrechtliche Vollzugsmaßregeln zur Herbeiführung der
Erfüllung (oben S. 415). Die Mittel dazu giebt die Gewalt, welche dem
Staate zusteht über Beamte und Vertreter des Selbstverwaltungskörpers,
namentlich die Ordnungsstrafgewalt, oder die thatsächliche Durchführung
der nötigen Maßnahmen für den Selbstverwaltungskörper und auf seine
Kosten, einmischungsweise, vor allem, worauf es im wesentlichen
immer hinausläuft, die zwangsmäßige Beschaffung und Verwendung
der zur Erfüllung der Pflicht erforderlichen Gelder. Die ordentliche
Form dafür ist die Zwangseinschreibung in den Haushaltsplan
des Selbstverwaltungskörpers, die Zwangsetatisierung. Das ist eine
aufsichtsrechtliche Vollzugsmaßregel; sie wirkt für den Selbst-
verwaltungskörper, wie wenn seine ordentliche Vertretung sie vor-
genommen hätte20. Die erforderliche Deckung wird nötigenfalls durch
[422]Das Recht der juristischen Personen.
weitere aufsichtsrechtliche Vollzugsmaßregeln beschafft: Veräußerung
von Eigentum, Erhebung von Steuern und Umlagen, Aufnahme eines
Darlehens. Die dadurch flüssig gemachten Gelder werden dann ebenso
verwendet zur Befriedigung des Gläubigers oder Deckung der Kosten,
welche die zu erzwingende Maßregel verursacht hat. Es ist ein Seiten-
stück der Ersatzvornahme in der polizeilichen Zwangsvollstreckung
(Bd. I § 25, II), aber eben doch wieder sehr wesentlich verschieden
durch das ganz andere Grundverhältnis der Aufsichtsgewalt zu dem
Gezwungenen.
Der dritte Fall ist dann der, wo auch die Festsetzung der
Pflicht dem Gebiete der Aufsichtsgewalt angehört. Wenn es sich
nicht um ein gemeines Rechtsverhältnis handelt, dessen Handhabung
den auch über andere Rechtssubjekte gesetzten Behörden zusteht,
sondern um eine Selbstverwaltungslast, aus der die Folgerungen zu
ziehen sind (unten § 60, I), dann ist es Sache der Aufsichtsbehörde,
diese Folgerungen durch ihren Verwaltungsakt auszusprechen. Es er-
geht eine aufsichtsrechtliche Pflichtigerklärung (oben I n. 1)21. Der
Zwang daraus geht naturgemäß wieder auf den administrativen
d. h. aufsichtsrechtlichen Weg. Insbesondere kann sich eine Zwangs-
einschreibung daran anschließen. Das ist dann ein zweiter Ver-
waltungsakt. Beides kann sich verbinden. Die Zwangseinschreibung
kann die Pflichtigerklärung mit enthalten; die Praxis in ihrer un-
befangenen Formlosigkeit schließt sie auch wohl stillschweigend darin
ein. Wir werden darüber nicht vergessen, daß wir es hier mit
zweierlei Dingen zu thun haben22.
[423]§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
§ 60.
Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
Die Thätigkeit des Selbstverwaltungskörpers unterliegt der gleichen
rechtlichen Beurteilung, wie die seines großen Vorbildes, des Staates.
Sie ist öffentliche Verwaltung, soweit nicht gewisse Thätigkeitszweige
privatwirtschaftlicher Art sich absondern als fiskalische Verwaltungen
(Bd. I S. 141); diese werden dann wieder civilrechtlich zu behandeln
sein. Auf jenen eigentlichen Kern kommt Civilrecht nur ausnahms-
weise, nur aus besonderen Gründen zur Anwendung, was nicht aus-
schließt, daß solche besondere Gründe bei dem einzelnen Selbst-
verwaltungskörper geradezu vorherrschend wirken (oben § 56, III n. 1).
Das ordentliche Recht dafür ist das Verwaltungsrecht mit den ver-
schiedenen Rechtsinstituten, wie wir sie bisher zur Darstellung gebracht
haben.
Besondere Gestaltungen ergeben sich gemäß der Eigenart des
Selbstverwaltungskörpers nach verschiedenen Richtungen hin. Davon
allein ist hier noch zu sprechen.
I. Der verfassungsmäßige Zweck der juristischen Person enthält
in sachlicher Beziehung die Bezeichnung der Art von Thätigkeit, für
welche sie da ist (oben § 56 Eing.). Diese bildet, insofern sie be-
stimmt ist, durch die juristische Person verwirklicht zu werden, ihren
Wirkungskreis. Jede einzelne Seite des Wirkungskreises, als Ziel
des Selbstverwaltungskörpers ins Auge gefaßt, bedeutet eine Auf-
gabe für ihn. Wenn er dem Staate gegenüber rechtlich gebunden
ist zur Erfüllung einer solchen Aufgabe, wird sie eine Selbst-
verwaltungslast1. Man unterscheidet aber zweierlei Arten von
Wirkungskreis und dem entsprechende Lasten.
1. Der eigne Wirkungskreis ist der Wirkungskreis schlecht-
hin, gemäß dem soeben gegebenen Begriff und durch den Zusatz nur
gekennzeichnet gegenüber der nachher zu erwähnenden Abart.
Die diesem Wirkungskreise entsprechenden Aufgaben erfüllt der
Selbstverwaltungskörper zum Teil nach freier Wahl seiner Vertreter,
welche Gegenstand, Maß und Dauer bestimmen. Zum Teil ist er
rechtlich daran gebunden, als an eine Last, die ihm obliegt. Diese
Gebundenheit ist eigner Art. Der Selbstverwaltungskörper tritt bei
[424]Das Recht der juristischen Personen.
Verfolgung seiner Zwecke in mancherlei Rechtsverhältnisse zu anderen,
aus welchen ihm Pflichten erwachsen diesen gegenüber. Die Selbst-
verwaltungslast bedeutet für ihn ein rechtliches Sollen um seiner
selbst willen, damit er in diesem Punkte seinen Zweck erfülle.
Ein rechtliches Sollen ist es, weil es obrigkeitlich wahrzunehmen
ist durch die Aufsichtsgewalt und insofern auch dem Staate oder dem
höheren Selbstverwaltungskörper gegenüber besteht, der dafür über
ihn gesetzt ist. Es ist der Gegenstand der aufsichtsrechtlichen Pflichtig-
erklärung (oben § 59, II n. 3). Für dritte, denen die Leistung zu
Gute kommt, begründet es keinen Rechtsanspruch.
Die Gebundenheit besteht immer nur so weit, als eine Rechts-
grundlage dafür gegeben ist in Rechtssatz oder Statut. Sie kann
sich decken mit den Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers überhaupt.
Sie kann ganz zurücktreten, weil die äußeren Gebundenheiten des
Selbstverwaltungskörpers genügen, ihn in fester Bahn zu halten, oder
weil der Vertretung innerhalb seines allgemeinen Zweckes freies Spiel
gelassen sein soll. Es kann auch eine Auswahl getroffen sein: gewisse
Aufgaben sind gebunden, andere frei2. Auch Mischformen sind mög-
lich: die Vertretung bestimmt z. B. frei, ob ein Unternehmen ins Werk
gesetzt werden soll, ist aber dann zur Fortführung des Begonnenen
derart verpflichtet, daß sie es nur unter Zustimmung der Aufsichts-
behörde wieder aufheben darf3.
2. Dem stellt man nun gegenüber den übertragenen Wir-
kungskreis, der namentlich bei der Gemeinde unterschieden wird.
Er soll bedeuten: die Besorgung von öffentlichen Angelegenheiten im
Namen und Interesse des Staates4. Aus dieser Begriffsbestimmung
ergiebt sich sofort, daß es sich hier um etwas ganz anderes handelt,
als um die Verfolgung der Zwecke des Selbstverwaltungskörpers.
Als Gegenstände, welche zum übertragenen Wirkungskreise ge-
rechnet werden, finden wir dem entsprechend: vor allem die örtliche
[425]§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
Polizeiverwaltung, sodann die Mitwirkung der Gemeinde an der staat-
lichen Steuerauflage und Steuererhebung, die Führung des Standes-
amtes, des Vergleichsamtes und ähnliches. Die Beamten, welche diese
Geschäfte besorgen, thun das im Namen des Staates. Sie werden
vom Staate überwacht und geleitet, nicht kraft Aufsichtsrechts über
den Selbstverwaltungskörper, sondern in den nämlichen Formen, in
welchen er innerhalb seiner eigenen Behördenorganisation den richtigen
Gang der Geschäfte aufrecht erhält: mit Dienstbefehl und mit Ab-
änderungsrecht im Instanzenzug. Es ist ein staatliches Amt, welches
hier geführt wird. Dieses Amt soll nur kraft Gesetzes mit dem ge-
meindlichen Berufs- oder Ehrenamte verbunden sein. Der Beamte
nimmt eine Doppelstellung ein: er steht im allgemeinen im Dienste
der Gemeinde, bezüglich dieser Amtsverrichtungen aber steht er in
Dienst und Dienstgewalt des Staates und bildet ein Glied seiner Be-
hördenordnung5.
Von einem Wirkungskreise der Gemeinde ist demnach überhaupt
nicht die Rede, sondern nur von einem besonderen Wirkungskreise
ihrer Beamten. Der Anteil, den sie an der Sache hat, ist nur der,
daß sie den Aufwand für diese Geschäfte trägt und gesetzlich tragen
muß: sie stellt die Amtsträger, deren Gehalt und Dienstauslagen sie
bestreitet, liefert die sächlichen Mittel an Gebäuden, Gerätschaften,
Unterhaltskosten des Betriebes, haftet für alle Entschädigungen, welche
Dritte aus der Thätigkeit dieses Verwaltungszweiges zu beanspruchen
haben können6. Die Geschäfte selbst sind des Staates. Es handelt
sich hier allerdings um eine Last der Gemeinde, aber um eine Last
ganz anderer Art als die zuerst erwähnte Selbstverwaltungslast: nicht
um eine aus dem Zwecke des Selbstverwaltungskörpers entwickelte,
sondern um eine von außen auferlegte. Ihrer rechtlichen Natur nach
ist sie eher den oben § 48 und 49 besprochenen öffentlichen Lasten
verwandt, insbesondere den Vorzugslasten: die Gemeinde hat als be-
sonders Beteiligte den Aufwand des staatlichen Unternehmens zu tragen.
Der Unterschied wird sofort schon bedeutsam an der Art der
Geltendmachung; der Staat steht der Gemeinde nicht mit der
Aufsichtsgewalt gegenüber, mit der sie bei der Erfüllung ihres Zweckes
[426]Das Recht der juristischen Personen.
gehalten würde, sondern in einem besonderen Rechtsverhältnisse, als
Lastberechtigter. Im Streitfalle wird nach den hiefür bestehenden
Regeln entschieden, insbesondere pflegt für etwaige Geldansprüche der
Rechtsweg zu den Civilgerichten eröffnet zu sein7.
II. Der Selbstverwaltungskörper findet neben sich andere Selbst-
verwaltungskörper mit ebensolchen Aufgaben und dazu den Staat
selbst, insofern er nicht bloß obrigkeitlich über ihn gebietet, sondern
als gleichartiger Mitarbeiter in Geschäften der öffentlichen Verwaltung
hinzutritt. Die Beziehungen dieser juristischen Personen untereinander
haben eine ganz eigenartige Rechtsnatur. Die Rechtsinstitute des Civil-
rechts erhalten ihre Gestalt durch das maßgebende Grundverhältnis
der Gleichheit der beteiligten Rechtssubjekte, die des Verwaltungs-
rechts ordentlicherweise durch das Grundverhältnis der Ungleichheit.
Hier nun erscheint öffentliches Recht zwischen Gleichen. Auch Ver-
fassungsrecht und Völkerrecht geben ja öffentliches Recht auf Grund-
lage der Gleichheit, weil die öffentliche Gewalt auf beiden Seiten be-
teiligt ist. Im Gegensatz zu diesen handelt es sich hier immer noch
um Thätigkeit der öffentlichen Gewalt zur Verwirklichung ihrer
Zwecke unter der eigenen Rechtsordnung, also um Verwaltungsrecht
(Bd. I S. 13).
Die Übereinstimmung des Grundverhältnisses giebt den Rechts-
instituten dieses Gebietes des Verwaltungsrechts eine große Verwandt-
schaft mit denen des Civilrechts. Dasselbe ist aber eng begrenzt.
Das Nebeneinander der verschiedenen öffentlichen Verwaltungen er-
zeugt besondere Rechtsverhältnisse zwischen ihren Trägern nur zum
Zwecke des Ausgleichs der zu tragenden Lasten in Ersatz-
ansprüchen und Verträgen.
1. Um Ersatzansprüche zu begründen für einen Aufwand, der
im Interesse des Andern gemacht worden ist, pflegt auch im Gebiete
der Verwaltung sehr häufig das Rechtsinstitut der negotiorum gestio
angerufen zu werden, der Geschäftsführung ohne Auftrag.
Man hat sogar aufgestellt, dieses Rechtsinstitut sei ein gemeinsames,
gehöre, so wie es in den Pandekten vorgetragen ist, sowohl dem
Civilrecht als dem öffentlichen Rechte an.
So einfach liegt die Sache natürlich nicht. Wir müssen unter-
scheiden.
In dem gewöhnlichen Falle, wo ein Rechtssubjekt der öffentlichen
Verwaltung und ein Unterthan sich gegenüber stehen, kann die zum
Ersatz verpflichtende Geschäftsführung ohne Auftrag, soweit sie über-
[427]§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
haupt möglich ist, nur die civilrechtliche sein. Diese Möglichkeit ist
sehr beschränkt. Die öffentliche Verwaltung besorgt ja in reichstem
Maße Interessen der Einzelnen. Aber das thut sie um ihrer eignen
Aufgabe willen und dadurch ist der Gedanke einer Geschäftsführung
ohne Auftrag für jene von vornherein ausgeschlossen. Ansprüche auf
Vergütungen knüpfen sich verschiedentlich daran, öffentlichrechtliche
wie civilrechtliche, aber die haben jedesmal einen anderen, besonderen
Rechtsgrund8. Wenn umgekehrt der Unterthan Geschäftsführung ohne
Auftrag machen wollte für das Rechtssubjekt der öffentlichen Ver-
waltung, so würde sich das in der Regel vielmehr als eine unerlaubte
Einmischung darstellen. Es kann aber besondere Umstände geben,
wo dieser Gesichtspunkt nicht Platz greift. Dann ist das civilrecht-
liche Rechtsinstitut gegeben mit dem civilrechtlichen Anspruche des
Geschäftsführers gegen den Staat, die Gemeinde oder die sonstige
juristische Person des öffentlichen Rechts, welcher der Dienst geleistet
worden ist9.
Ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis, das der Geschäftsführung
ohne Auftrag entspricht, kommt nur da zur Erscheinung, wo beider-
seits juristische Personen des öffentlichen Rechts gegeben sind, deren
öffentliche Verwaltung dabei in Frage ist. Auch hier ist eine nego-
tiorum gestio nicht so ohne weiteres möglich. Jede dieser juristischen
Personen, der Staat wie die verschiedenen Selbstverwaltungskörper
unter ihm, hat ihr Gebiet von Geschäften zugeteilt, und ein Übergriff
in die Geschäfte der anderen wäre in der Regel nur als eine Unord-
nung anzusehen, aus der dem fehlenden Teil jedenfalls kein öffentlich-
rechtlich geordneter Anspruch entstehen kann. Damit die Entstehung
eines solchen Anspruchs denkbar werde, ist deshalb die erste Voraus-
setzung die, daß es sich um die Besorgung eines Geschäftes handelt,
zu welchem beide, der Geschäftsführer wie der Geschäftsherr, be-
[428]Das Recht der juristischen Personen.
rufen sind. Damit aber daraus auch wirklich ein Anspruch auf Ersatz
erwachse, ist weiter notwendig, daß diese Berufung keine gleich-
mäßige sei. Die beiderseitigen Obliegenheiten müssen derart gesetz-
lich geordnet sein, daß die des Geschäftsherrn die stärkere, endgültige
ist, welche eigentlich die andere gar nicht zur Entstehung sollte ge-
langen lassen, die des Geschäftsführers nur eine aushelfende, einst-
weilige, durch jene zu deckende. Ist im Einzelfall die letztere gleich-
wohl zum Zuge gekommen, so entsteht hier von selbst für den
Leistenden gegen den vornehmlich Berufenen je nachdem ein An-
spruch auf Abnahme der Last für künftig, jedenfalls ein Anspruch
auf Ersatz des ihm erwachsenen Aufwandes.
Der Anspruch gründet sich also unmittelbar auf die gemeinsame
Ordnung für die zu erfüllende Aufgabe; er ist öffentlichrechtlicher
Natur, wie das ganze Verhältnis10. Man mag ihn als einen Anspruch
[429]§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
aus Geschäftsführung ohne Auftrag bezeichnen wegen der äußerlichen
Ähnlichkeit. Es ist aber leicht zu sehen, daß die Regeln des civil-
rechtlichen Instituts nicht voll darauf passen11. —
Aus derartigen Verhältnissen können nachträglich auch Rück-
forderungsansprüche entstehen. Eine juristische Person hat
einer andern eine Erstattungsforderung bezahlt, freiwillig oder ge-
zwungen, und behauptet nun, sie sei nichts oder nicht so viel schuldig
gewesen. Dann spricht man gern von einer condictio indebiti12. Das
civilrechtliche Institut ist aber wieder nicht in Frage. Es handelt
sich immer nur um die ursprüngliche öffentlichrechtliche Erstattungs-
forderung. Die Zahlung ist kein selbständiges civilrechtliches Rechts-
geschäft, sondern nur der Vollzug des Rechtsgrundes dieser Forderung.
Daß die zu Unrecht geleistete Zahlung rückgängig zu machen ist,
bildet nur die Kehrseite des nämlichen Rechtsgrundes, den Vollzug
10
[430]Das Recht der juristischen Personen.
des Nichtsollens, das er für diesen Fall gesetzt hatte. Die Rück-
zahlung wird damit von selbst zum Gegenstand eines subjektiven
öffentlichen Rechts des Verletzten, gerade so wie die Wiederaufhebung
der rechtswidrigen Maßregel. Das ist aber keine Eigentümlichkeit
der Ansprüche zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
sondern die gemeinsame Ordnung der Wirksamkeit aller öffentlich-
rechtlichen Verpflichtungsgründe, wo ihrem Gegenstande nach eine
Rückerstattung denkbar ist13.
2. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts erhalten,
wie wir sahen, vielfach durch die über ihnen stehende Rechtsordnung
gemeinsame Aufgaben gesetzt, so daß jedem Körper bestimmt ist, was
er zur Erfüllung dieser Aufgabe beizutragen hat. Dadurch entstehen
jedesmal zugleich Rechte und Pflichten zwischen ihnen: jeder ist auch
dem anderen gegenüber verpflichtet, den ihn treffenden Anteil zu
leisten und zu tragen. Eine solche Gemeinsamkeit kann mit der
gleichen Wirkung auch hergestellt werden für einzelne Geschäfte
der von jedem zu führenden Verwaltung. Die Form ist die überein-
stimmender Willenserklärungen der beteiligten juristischen Personen,
welche den Gegenstand des gemeinsamen Unternehmens und den An-
teil einer jeden festsetzen. Man bezeichnet das als Vertrag14. Das
[431]§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
Rechtsgeschäft und die daraus entspringenden Ansprüche gehören
zweifellos dem öffentlichen Rechte an. Die beteiligten Personen stehen
sich nichtsdestoweniger darin als gleiche gegenüber; insofern würde für
die Anwendung des Vertragsbegriffs hier kein Hindernis vorliegen.
Zum Wesen des Vertrags gehört aber auch, daß er rechtswirksam
wird durch einen darüber stehenden Rechtssatz, der diesen Willens-
erklärungen die Kraft verleiht. Ein solcher Rechtssatz wird in vielen,
wohl den meisten Fällen für derartige Übereinkommen nicht nach-
zuweisen sein15. Wir sind deshalb genötigt, eine selbständig wirkende
Kraft in dem Akte anzunehmen. Was darin zum Ausdruck kommt,
ist die in der Natur des Selbstverwaltungskörpers gegebene Zuständig-
keit, die ihm obliegenden Aufgaben näher zu bestimmen und zur
Verwirklichung zu führen. Bei unseren als gemeinsam anerkannten
Unternehmungen wird diese Bestimmung durch den gemeinsamen
Akt gegeben, den man als Vertrag bezeichnet. Als gemeinsame Be-
stimmung kann sie einseitig nicht wieder aufgehoben werden; es ist
in ihr einem Jeden Willensmacht eingeräumt über den dadurch ge-
bundenen Vollzug auch auf der anderen Seite; das bedeutet sub-
jektive öffentliche Rechte, die als solche geschützt sind. Ein Vertrag
im juristischen Sinne dieses Wortes ist das nicht16.
Es kann sich bei diesen Dingen um Aufgaben handeln, welche
der Selbstverwaltungskörper zu erfüllen gebunden ist, um seiner selbst
willen, um Selbstverwaltungslasten (oben I n. 1); dann überwacht und
erzwingt die Aufsichtsbehörde die Erfüllung von Amtswegen. Aber
an sich wird das Unternehmen durch die Verpflichtung der anderen
14
[432]Das Recht der juristischen Personen.
juristischen Person gegenüber nicht zu einer gebundenen Aufgabe in
diesem Sinne. Die Rechte, welche der anderen aus dem gemeinsamen
Akte erwachsen, sind von dieser allein geltend zu machen in der ge-
meinen Ordnung des Rechtsschutzes; bei Geldansprüchen wird, unbe-
schadet ihrer öffentlichrechtlichen Natur, das Civilgericht zuständig sein.
III. Um seine Aufgabe durchzuführen, bedarf der Selbstverwal-
tungskörper einer gewissen rechtlichen Macht über die Ein-
zelnen, die ihm gegenüberstehen. Je nach Art und Umfang seiner
Aufgabe wird er insbesondere auch mit öffentlichrechtlichen Befug-
nissen ausgestattet sein. Dafür giebt das Gesetz die wirksamste und
überall verwendbare Grundlage. Auch ohne Gesetz wird solche Macht
begründet durch Verwaltungsakte auf Unterwerfung (Verleihung, An-
stellung) und vor allem in großem Maßstabe durch den Eintritt in
den Betrieb von öffentlichen Anstalten, die dem Selbstverwaltungs-
körper zustehen (Schulen, Schlachthäuser, Krankenhäuser, Markthallen
u. s. w.). Man darf auch hier den freien Überblick sich nicht durch
eine einseitige Formel versperren.
Zu den Formen, welche mit der öffentlichen Verwaltung des
Staates gemeinsam sind, fügt aber das Recht der Selbstverwaltungs-
körper noch eine neue hinzu, welche ihm eigentümlich ist: die der
öffentlichrechtlichen Vereinsgewalt. Sie findet sich nicht
bei der Gemeinde und nicht bei der Anstalt mit juristischer Persönlich-
keit, sondern ausschließlich bei der öffentlichen Genossenschaft. Wie
der Eintritt in den einfachen Verein, so begründet auch der Eintritt
in die öffentliche Genossenschaft ein persönliches Rechtsverhältnis des
Eintretenden, vermöge dessen namens des Vereins und für die Zwecke
desselben gewisse Anforderungen an ihn gestellt werden können. Das
bedeutet im ersteren Falle eine obligatorische Pflicht, und der Eintritt
hat die Natur eines Vertrages. Bei der öffentlichen Genossenschaft
bedeutet der Eintritt eine Unterwerfung unter die genossenschaftliche
Verpflichtbarkeit, ein Sichdarbieten für die danach zu stellenden An-
forderungen. Im Falle der Zwangsvereinigung wird diese Unter-
werfung einfach ersetzt durch den Zwang. Die Wirkung ist ein
öffentlichrechtliches Gewaltverhältnis in der bekannten Form17.
[433]§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
Art und Umfang der danach zu stellenden Anforderungen giebt
der Zweck der Genossenschaft oder ausdrückliches Gesetz. Das
Statut bestimmt innerhalb dieses Rahmens das Genauere; nachträg-
liche statutenmäßige Satzungen fügen noch Weiteres hinzu18. Die Ein-
haltung gewisser Grenzen überwacht die Aufsichtsgewalt. Eine Rechts-
grenze besteht dafür gegenüber dem einzelnen Mitglied an dem Maße
der Freiheitsminderung, das durch den Eintritt in die Genossenschaft
begründet ist und den Umfang des Gewaltverhältnisses bestimmt hat.
Die Anwendung des Statuts im Einzelfall geschieht durch den
Vorstand, indem er die entsprechende Pflicht auferlegt. Gemäß der
bekannten Eigentümlichkeit des Gewaltverhältnisses gehen auch hier
wieder rechtsverbindliche Akte von einer Stelle aus, die keine Be-
hörde im gewöhnlichen Sinne ist (oben S. 235 Note 3).
Als Zwangsmittel dienen gesetzliche oder statutenmäßige Ord-
nungsstrafen, Ausschluß von Vorteilen der Genossenschaft, administra-
tive Zwangsbeitreibung19. Dahinter steht als Rechtsschutz für beide
17
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 28
[434]Das Recht der juristischen Personen.
Teile, soweit nicht anders bestimmt ist, in vermögensrechtlichen Fragen
die Civilgerichtsbarkeit und für das Mitglied die Anrufung der Auf-
sichtsbehörde (oben S. 420). —
Bei Anwendung aller dieser Machtmittel, wie sie dem Selbst-
verwaltungskörper aus verschiedenen Quellen zufließen, ergeben sich
Besonderheiten vor allem in der Deckung, die er zu suchen hat zur
Ausgleichung seines Aufwands, und in der Abwehr von
Lasten, die für ihn wirksam werden sollen.
1. Die Deckung des Aufwandes, der ihm bei Verfolgung
seiner Aufgabe erwächst, findet der Selbstverwaltungskörper möglicher
Weise auch in einer Inanspruchnahme seiner Angehörigen. Die
Form, in welcher diese geschieht, wird verschieden sein nach der Art
des Selbstverwaltungskörpers.
Die öffentliche Genossenschaft verwendet ihre Vereinsgewalt,
um den Mitgliedern Beitragspflichten aufzulegen. Ein Gesetz ist dazu
nicht nötig. Wenn die Beitragspflicht durch ein Gesetz ausdrücklich
bestätigt wird, so hat das namentlich insofern Bedeutung, als Maß
und Formen der Auflage geordnet oder besondere Erleichterungen
der Zwangsbeitreibung gegeben werden sollen20.
Der Anstaltspersönlichkeit steht ein solches Machtmittel
nicht von selbst zu Gebote. Es entspricht ihrer Natur überhaupt nicht,
daß sie ihre Angehörigen, undeutlich abgegrenzt wie sie sind, zu
Leistungen heranziehe. Wenn sie Gebühren erhebt von den „Destina-
tären des Nutzens“ ihres Unternehmens, so ist das ja etwas ganz
anderes (oben S. 379 Note 6). Beitragspflichten der Angehörigen
19
[435]§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
können auch hier vorkommen; der Gang ist aber dann der um-
gekehrte wie bei der Genossenschaft: er beginnt mit der Beitrags-
pflicht und auf diese erst gründet sich die Angehörigkeit zu der
juristischen Person. Ein öffentliches Unternehmen wird begründet,
an dessen Bestand und Thätigkeit einzelne nach gewissen Merkmalen
erkennbare Unterthanen besonders beteiligt sein sollen. Diesen wird
eine Vorzugslast dafür auferlegt in dem oben § 48 erörterten Sinne.
Zugleich wird um ihretwillen und um das von ihnen Geleistete für
die Anstalt zusammenzuhalten und zu verwenden, die Anstalt selbst
mit juristischer Persönlichkeit ausgerüstet. Ihre Beiträge sind dann
dieser geschuldet, und sie sind zugleich die Angehörigen davon21.
Die Gemeinde endlich hat zwar ihren festbestimmten Kreis
von Angehörigen, ihr Gemeindevolk. Aber diese sind nicht durchweg
leistungsfähig und ihr steht keine Vereinsgewalt über sie zu. Die
Zahlungen, welche sie verlangen will, bedürfen der gesetzlichen Grund-
lage. Die Formen, in welchen sie auferlegt werden, entsprechen ganz
denen der staatlichen Finanzgewalt; die Gemeindesteuer tritt neben
die Staatssteuer als direkte Steuer oder als indirekte, im ersteren
Falle namentlich vielfach mit jener sich verschmelzend. Für uns ist
hier vor allem eine Besonderheit bedeutsam, welche die Gemeinde-
steuer mit der Staatssteuer gemein hat, weil sie die Verschiedenartig-
keit der juristischen Personen noch einmal beleuchtet: im Gegensatz
zu den Beiträgen der Genossenschaft und Anstaltspersönlichkeiten
hängt die Abgabe, welche die Gemeinde erhebt, nicht an der An-
gehörigkeit. Mit seltenen Ausnahmen knüpft sich die Pflicht an Werte,
die auf dem Gebiete sich befinden, Vorgänge, die darauf sich ab-
spielen, ohne Rücksicht auf die Angehörigkeit dessen, der dadurch
pflichtig wird. Die Gebietskörperschaft macht darin wieder ihre
Eigenart geltend. Insofern auch die Angehörigkeit am Gebiete hängt,
wird im großen und ganzen dennoch eine thatsächliche Überein-
stimmung von Abgabenpflicht und Angehörigkeit sich ergeben, wie bei
den Staatssteuern. Aber rechtlich notwendig ist sie nicht.
2. Unter den Selbstverwaltungslasten nehmen nach deutschem
Rechte eine hervorragende Stelle ein die Unterstützungs-
pflichten gegenüber Hülfsbedürftigen. Dem entsprechen mannig-
fache Freiheitsbeschränkungen der Einzelnen, für welche die Unter-
stützungspflicht in Anspruch genommen werden kann.
Es ist als ein zu mißbilligendes Unrecht angesehen, wenn die
28*
[436]Das Recht der juristischen Personen.
Voraussetzung für das Wirksamwerden dieser Pflicht, die Hülfs-
bedürftigkeit, durch unwirtschaftliches Verhalten, Arbeitsscheu und
leichtfertigen Lebenswandel geschaffen wird. Strafrechtssätze knüpfen
daran ihre Drohungen22. Dazu ist dem nächstbeteiligten Selbst-
verwaltungskörper verschiedentlich Macht gegeben, mit Befehl und
Zwang den Ursachen der Hülfsbedürftigkeit entgegen
zu wirken, um sich gegen bevorstehende Belastungen zu schützen
oder ihre Ausdehnung zu beschränken: Vorschriften zur Unfall-
verhütung, Vorschriften für das gesundheitsmäßige Verhalten der unter-
stützten Kranken, Zwang zur Arbeit gegen Mittellose23.
Andererseits führt die Rücksicht auf die richtige Verteilung der
Unterstützungspflicht zwischen den verschiedenen Selbstverwaltungs-
körpern zu einschneidenden Machtmitteln, die diesen den Einzelnen
gegenüber gegeben sind, um die Schaffung der Voraussetzungen für
ihre besondere Verpflichtung zu verhindern und so die Wirkung
der Hülfsbedürftigkeit zwischen ihnen zu regulieren.
Das hat seinen Boden vor allem bei der allgemeinen Armenunter-
stützungspflicht, die an Wohnsitz und Aufenthalt geknüpft ist. Ein-
zelne, die nach ihren persönlichen Verhältnissen oder nach bestimmten
Thatsachen, in welchen diese sich kundthun, geeignet erscheinen, diese
Pflicht wirksam werden zu lassen, können von der Gemeinde ab-
gewiesen werden, wenn sie anziehen, ausgewiesen werden,
wenn sie schon einen Wohnsitz genommen haben. Dieses Machtmittel
unterliegt den Bedingungen der über den pflichtigen Armenverbänden
stehenden Ordnung, wonach für jeden Hülfsbedürftigen eine Ver-
sorgung bereit sein muß. Es ist daher ausgeschlossen, wenn nach jener
Ordnung der bedrohte Selbstverwaltungskörper für diesen Einzelnen
schon als der endgültig unterstützungspflichtige bestimmt ist; und falls
ein anderer endgültig unterstützungspflichtig sein soll, kann es nur
angewendet werden, wenn dieser feststeht und zur Übernahme bereit
oder zwingbar ist. Die Form ist die des Befehls an den Ab- oder
[437]§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
Auszuweisenden mit Zwang durch Gewaltanwendung zur Wegschaffung.
Daran schließt sich nötigenfalls der Zwang zur Übernahme gegen den
endgültig Unterstützungspflichtigen; er vollzieht sich in den Formen
der Aufsichtsgewalt. Die Feststellung der bestrittenen Pflicht, die
gegebenen Falls allen thatsächlichen Maßregeln vorausgehen muß,
geschieht im Verwaltungsstreitverfahren zwischen den beteiligten
Armenverbänden24.
§ 61.
Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
Wie für die Entstehung des Selbstverwaltungskörpers, so liegt
auch für die Art, wie er wieder zur Endigung gebracht wird, der
Schwerpunkt in dem dabei thätigen Willen des Staates. Allein dieser
Wille ist hier nicht so voraussetzungslos und nicht so ausschließlich
maßgebend wie dort. Gegenüber der Thatsache des einmal vor-
handenen Selbstverwaltungskörpers handelt es sich jetzt um eine
Zerstörung von subjektivem Rechte, das doch im Rechtsstaate seine
eigne Schwerkraft und Bestandsicherheit hat1.
Das Gesetz kann natürlich alles; es kann jederzeit jeden Selbst-
verwaltungskörper aufheben, es kann auch den Behörden allgemeine
Ermächtigungen geben dazu. Der Ordnung des Rechtsstaates ent-
spricht es, gesetzliche Einzeleingriffe zu vermeiden und die den Be-
hörden zu erteilenden Ermächtigungen nicht in deren freies Ermessen
zu stellen, sondern zu binden an bestimmte, im Gesetze vorgesehene
Gründe.
Statt durch Gesetz kann das Aufhebungsrecht der Behörden auch
[438]Das Recht der juristischen Personen.
begründet werden durch einen Vorbehalt im Verfassungsstatut des
Selbstverwaltungskörpers. Auch dieser Vorbehalt wird nur zulässig
sein für den Fall bestimmter bezeichneter Gründe; ein freies Wider-
rufsrecht wäre gleichbedeutend mit der Verneinung der zu begründenden
Selbständigkeit2.
Der Normalgrund für gesetzliche Ermächtigungen wie für Vor-
behalte ist die Unmöglichkeit der ferneren Erfüllung des Zweckes,
für den der Selbstverwaltungskörper da ist. Er gilt immer als still-
schweigend gemeint; wenn einzelne Umstände, unter denen er gegeben
sein soll, besonders hervorgehoben werden, so sind andere Fälle da-
durch nicht ausgeschlossen.
Der Wille des Staates ist aber auch nicht ausschließlich maß-
gebend. Bei der Entstehung des Selbstverwaltungskörpers spielen
dessen künftige Angehörige insofern eine Rolle, als sie thatsächliche
Voraussetzungen liefern für den schöpferischen Staatsakt. Jetzt ist
der Körper selbst da mit seiner geordneten Vertretung. Diese
kann zur Mitwirkung berufen sein bei seinem Untergang, möglicher-
weise denselben auch unmittelbar herbeiführen durch ihren Willensakt.
Dadurch werden die Arten des Unterganges mannigfaltiger als die
der Entstehung.
I. Bei der öffentlichen Anstalt oder Stiftung mit
juristischer Persönlichkeit wird auch hier wieder wegen
Mangels eines selbständigen Einflusses ihrer Angehörigen die Zu-
gehörigkeit zum Muttergemeinwesen von vorwiegender Bedeutung.
1. Die öffentliche Anstaltspersönlichkeit endigt ordent-
licherweise durch staatlichen Aufhebungsakt. Dem steht
gleich der namens eines übergeordneten Selbstverwaltungskörpers
ergehende, der kraft Selbstverwaltungsrechtes an Stelle des Staates
erlassen wird.
Wegfall des Stiftungsvermögens und Undurchführbarkeit des
Anstalts- oder Stiftungszweckes, die gewöhnlich hier genannt werden,
sind keine selbständig wirkenden Endigungsgründe3. Sie sind nur die
wichtigsten Rechtfertigungsgründe für einen Aufhebungsbeschluß der
Behörde. Sie bekunden aufs greifbarste, daß der Körper seinen Zweck
nicht zu erfüllen vermag. Aber deshalb geht er nicht von selbst unter.
Die Anstaltspersönlichkeit kann ohne Vermögen bestehen in der Hoffnung
[439]§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
auf zukünftiges; die Undurchführbarkeit des Zweckes kann eine vorüber-
gehende sein. Wie lange zugewartet werden kann, ist Sache der
Würdigung der Behörde4.
Eine sonstige Befugnis, die Endigung herbeizuführen, giebt es
nicht: die Vertretung hat hier keinen selbständigen Willen (oben § 58,
II n. 2)5, und die Angehörigen des Selbstverwaltungskörpers stehen
ganz im Hintergrund (oben § 56, I).
2. Wenn die juristische Persönlichkeit der Anstalt oder Stiftung
unterdrückt wurde wegen Wegfall ihres Vermögens, so ist alles erledigt.
Soll jedoch die Behörde die Aufhebung ausgesprochen haben aus
anderen Gründen, wegen Undurchführbarkeit des Zweckes z. B., so
entsteht die Frage: was geschieht mit dem Vermögen?
Das Schicksal dieses Vermögens kann durch gesetzliche Regel
allgemein geordnet sein; es kann auch das Verfassungsstatut des
einzelnen Körpers Vorsorge getroffen haben. Wenn nichts dergleichen
vorliegt, sind weder die Vertreter der juristischen Person berufen,
die erforderliche Bestimmung zu geben6, noch steht den Stiftern und
sonstigen Gebern ein Rückforderungsrecht zu7.
[440]Das Recht der juristischen Personen.
Sehr häufig werden die civilrechtlichen Bestimmungen über bona
vacantia angerufen, wonach also das herrenlos gewordene Vermögen
dem Fiskus zufiele. Das mag in zahlreichen Fällen zu dem nämlichen
Ergebnis führen, wie die richtige Auffassung. Aber diese selbst
muß die Eigenart des Selbstverwaltungskörpers zum Ausgangspunkte
nehmen8.
Die Regel für die bona vacantia wird ihre gute Anwendung finden
können auf das hinterlassene Vermögen civilrechtlicher Stiftungs-
persönlichkeiten. Bei diesen kann man wirklich sagen, daß das Ver-
mögen einfach ins Leere fällt, wenn es der Fiskus nicht auffängt.
Anders bei der öffentlichen Anstaltspersönlichkeit. Hier handelt es
sich um ein Stück öffentlicher Verwaltung, das ohne den Selbst-
verwaltungskörper zum Geschäftskreise eines bestimmten oberen Gemein-
wesens gehören würde, zum Staate oder zur Gemeinde, zum Kreise
u. s. w. So lange die besondere juristische Persönlichkeit dafür be-
steht, wird durch sie das Interesse und das Recht des Muttergemein-
wesens an ihrem Unternehmen und ihrem Vermögen zurückgedrängt
auf die Geltendmachung vereinzelter Einflußnahmen. Mit ihrem Weg-
fall wird diese allein noch übrigbleibende Zugehörigkeit von selbst zum
vollen Recht9.
Dieses Heimfallsrecht, wie man es treffend bezeichnet, ist
demnach für das hinterlassene Vermögen der Anstaltspersönlichkeit das
Natürliche, Selbstverständliche. Sofern das Muttergemeinwesen der
Staat selbst ist, trifft es mit der Regel für bona vacantia zusammen,
sonst nicht10.
3. Es ist unverkennbar, daß das Heimfallsrecht zu Mißbräuchen
7
[441]§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
Anlaß geben kann. Wenn hinter der behördlichen Erklärung, durch
welche der Selbstverwaltungskörper aufgehoben wird, ein fiskalischer
Vermögenserwerb steht, ist wenigstens für die volkstümliche An-
schauung der Verdacht nahe gelegt, daß man verhältnismäßig gern
zu jener Erklärung schreiten möchte. Das Vertrauen in die juristische
Person, das ja gerade ihren Wert für das öffentliche Interesse aus-
macht, könnte dadurch bei dem Publikum, auf dessen Gaben gerechnet
wird, erschüttert werden. Aus dieser Rücksicht sind vielfach gesetz-
liche, teilweise sogar verfassungsrechtlich besonders gesicherte Be-
stimmungen ergangen, welche das Heimfallsrecht bei öffentlichen
Anstaltspersönlichkeiten ausschließen. Dadurch ist von selbst auch
die Behandlung ihres Vermögens als bona vacantia ausgeschlossen.
Was soll also damit werden, wenn die Anstalt ihren Zweck nicht mehr
zu erfüllen vermag? Für die Aufhebung mit Heimfallsrecht muß
irgend ein Ersatz geschaffen werden. Diesen Ersatz gewährt die
Änderung des Stiftungszweckes11.
Der Zweck bestimmt dermaßen die Individualität der juristischen
Person, daß eine Änderung desselben der Aufhebung mit Neugründung
gleichzuachten ist; es ist eine Novation der Persönlichkeit. Sie kann
nur geschehen durch behördlichen Akt, wie Gründung und Aufhebung,
und das Gesetz setzt der Zulässigkeit desselben Bedingungen und
Schranken. Es wird entweder geradezu die Undurchführbarkeit des
bisherigen Zweckes gefordert, oder das Eingreifen einer höheren Be-
hörde als die für die Errichtung zuständige, möglicherweise eines
Sondergesetzes. Überdies pflegt dazu noch notwendig zu sein die Zu-
stimmung der Beteiligten. Unter diesen sind, soweit das Gesetz
sie nicht besonders bezeichnet, nur zu verstehen die rechtlich Be-
teiligten, d. h. die ein rechtlich anerkanntes Interesse am Bestande
des Selbstverwaltungskörpers haben. Beteiligt in diesem Sinne ist
einerseits das Muttergemeinwesen, zu welchem die Stiftung oder
Anstalt gehört, sofern es ein anderes ist als der Staat, dessen Wille
ohnehin im Änderungsausspruch der Behörde erscheint. Sodann sind
dahin zu rechnen solche Angehörige des Selbstverwaltungskörpers,
Stifter und Geber, welchen verfassungsmäßig gewisse Rechte zuer-
kannt sind zur Geltendmachung ihres Interesses am Bestande des-
[442]Das Recht der juristischen Personen.
selben: Mitwirkung an der Verwaltung, Aufsichtsbefugnisse darüber,
Heimfallsrechte für den Fall des Untergangs12. Nicht dagegen werden
hier als Beteiligte mit selbstverständlichem Zustimmungsrechte an-
zusehen sein: Stifter und Geber schlechthin, Vertreter der bisherigen
Anstaltspersönlichkeit und die Interessenten der Anstalt oder Stiftung,
denen nur die Thätigkeit derselben zu gute kommen sollte. Das
über die Rechtsstellung dieser verschiedenen Personen seinerzeit
schon Ausgeführte wird hier wieder von maßgebender Bedeutung
(oben § 56, I; § 57, I).
II. Die öffentliche Genossenschaft, im Gegensatze zu
der eben behandelten öffentlichen Anstalt oder Stiftung, besitzt eine
Vertretung, in welcher ein selbständiger Wille gegenüber dem Staats-
willen zur Geltung kommt: der Wille der Vereinsmitglieder, der An-
gehörigen des Selbstverwaltungskörpers. Das wird auch bei ihrer
Endigung von Wichtigkeit.
1. Die Endigung der öffentlichen Genossenschaft kann nicht bloß
namens der Staatsgewalt (oder, was ja gleich gilt, namens eines
dazwischenstehenden anderen Gemeinwesens), sondern auch von der
Vertretung selbst herbeigeführt werden, sei es daß sie zu diesem
Zwecke an jenem obrigkeitlichen Akte mitwirkt, sei es daß sie für sich
allein den Erfolg herbeigeführt. Deshalb zerlegt sich hier der Auf-
hebungsakt in zwei Arten: geht die entscheidende Willensäußerung
von der darüber stehenden Behörde allein aus, so nennen wir das
die Schließung der Genossenschaft; ist es die Vertretung, welche
sie macht, so spricht man von einer Auflösung der Genossenschaft.
Beide Formen können auch gemischt sein13.
Eine einseitige Auflösung durch Beschluß der Vertretung ist
unzulässig jedesmal, wo der Selbstverwaltungskörper auf Zwangsvereini-
gung beruht (oben § 57, II n. 2). Wo für die Entstehung die Form des
halben Zwanges Verwendung findet, kann für die Auflösung der gleiche
Mehrheitsbeschluß genügen oder eine behördliche Bestätigung vor-
behalten sein. Überall dagegen, wo die staatliche Anerkennung des
[443]§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
Vereins und seines Unternehmens als eines öffentlichen und damit
seine Umwandlung in einen Selbstverwaltungskörper als eine bloße
Vergünstigung anzusehen ist, mehr die bloße Nützlichkeit für das
öffentliche Interesse damit ausgesprochen werden sollte, als die Not-
wendigkeit, kann durch den Verein auf diesen Vorteil frei verzichtet
werden und ist die Auflösung durch Beschluß der Vertretung, der ja
zugleich Vereinsbeschluß ist, für zulässig zu erachten14.
Diese Auflösung bedarf, wo sie zulässig ist, keines weiteren
Grundes; es genügt, daß die Angehörigen der Genossenschaft nicht
mehr wollen. Anders die Schließung, die ohne oder gegen den
Willen der Vertretung geschieht. Sie setzt voraus bestimmte, im
Gesetze vorgesehene oder im Statut vorbehaltene Gründe15. Davon
wird der wichtigste und überall selbstverständliche wiederum der sein,
daß sich herausstellt, die Genossenschaft könne ihren Zweck nicht
erreichen, sei es, daß dieser unmöglich geworden, sei es, daß nur sie
gerade unfähig erscheint, ihn gehörig zu erfüllen, durch Ungenügend-
heit ihrer Mittel oder durch Ungeeignetheit des für alle ihre Lebens-
äußerungen maßgebenden Menschenmaterials, ihrer Angehörigen-
schaft16.
2. Der Schließungsgrund wegen Mangelhaftigkeit der An-
gehörigenschaft ist eine Eigentümlichkeit der öffentlichen Genossen-
schaft. Die Mangelhaftigkeit selbst kann auf zweierlei Weise erscheinen:
im einfachen Nichtvorhandensein einer entsprechenden Mitgliederzahl
und in der Untauglichkeit der vorhandenen Mitglieder.
Es gehört zum Wesen der öffentlichen Genossenschaft, daß sie
ihre Thätigkeit entwickeln und ihren Zweck verfolgen soll auf der
Grundlage eines Vereines von Angehörigen. Die scholastische Lehre
vom Substrat machte aus dem Vorhandensein und Bestand eines
solchen Vereins eine Daseinsbedingung der öffentlichen Genossenschaft,
wie aus dem Vorhandensein eines gewissen Vermögens die Daseins-
bedingung der Stiftungs- oder Anstaltspersönlichkeit, der Art, daß mit
[444]Das Recht der juristischen Personen.
dem Wegfall dieses Substrates jedesmal die juristische Person erlischt17.
Das ist aber hier ebensowenig richtig wie dort. Die öffentliche Ge-
nossenschaft ist so wenig ein Verein, wie die Stiftung oder Anstalt
ein Vermögen. Sie ist eine juristische Person, welche die Bestimmung
hat, mit einem Verein ausgestattet zu sein. Ihr Verein kann unter
Umständen weggefallen sein, die eine stillschweigende Auflösung ent-
halten; soweit eine solche zulässig ist, ist die Frage alsdann durch
diese erledigt. Ist ihr sonst der Verein abhandengekommen, so liegt
darin ein Doppeltes. Einmal entbehrt sie dann der Einzelmenschen,
um deren willen sie als juristische Person da sein soll; sie ist insofern
in der gleichen Lage wie eine öffentliche Anstaltspersönlichkeit, die
noch auf Geber und Stifter wartet (oben § 57, II n. 1). Sodann aber,
das kommt hier noch dazu, ist sie in diesem Zustande unbrauchbar
für das öffentliche Interesse, für den öffentlichen Zweck, dem sie dienen
soll; denn im Gegensatz zur Anstalt oder Stiftung soll sie diesen
gerade durch die Mitarbeit und die Leistungen von Mitgliedern, von
Angehörigen erfüllen. Weder das eine, noch das andere aber macht
sie von selbst untergehen, es kann nur einen Grund abgeben für die
darüber gesetzte Obrigkeit, um ihre Endigung zu bewirken18. Bei
Aussichtslosigkeit der Sache wird sie schließen. Das kann ausdrück-
lich geschehen oder auch stillschweigend durch Maßregeln, die er-
griffen werden, um das Unternehmen zu liquidieren, das Vermögen
auseinanderzusetzen oder anderweit darüber zu verfügen. Sie muß
aber auch zuwarten können, ob der Mangel durch Eintritt neuer Mit-
glieder sich wieder heben möge. Zu diesem Zwecke wird sie nötigen-
falls eingreifen, um die Bestände beisammenzuhalten, die einstweilige
Fortführung des Unternehmens zu sichern; die Aufsichtsgewalt giebt
ihr die Rechte dazu. Bildet sich der Verein wieder, so gilt die Ge-
nossenschaft als nicht unterbrochen. Greift der Staat nicht ein, wo
es zur Erhaltung dieser Möglichkeit notwendig wäre, so liegt darin
der Schließungswille19.
[445]§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
Die Mangelhaftigkeit der Angehörigenschaft, welche einen
Schließungsgrund abgiebt, kann zweitens auch darin liegen, daß wohl
Mitglieder der Genossenschaft in gehöriger Anzahl vorhanden sind,
diese aber untauglich erscheinen, der juristischen Person den
Verein zu liefern, auf den sie gebaut sein soll. Die Frage, wann
das der Fall sei, wird rechtsstaatsmäßig nicht dem freien Ermessen
der schließenden Behörde überlassen bleiben. Es werden immer
gewisse Verfehlungen vorausgesetzt; Gesetzwidrigkeiten in der
Genossenschaftsverwaltung, hartnäckige Nichterfüllung der obliegenden
Pflichten, Verfolgung von Zwecken, die der Genossenschaft fremd sind,
bilden die Hauptfälle20.
Diese Verfehlungen genügen aber nicht, wenn sie nur Einzelnen
zur Last fallen, dem Vorstand oder Genossenschaftsbeamten; die Körper-
schaft, die Genossenschaft selbst muß sich schuldig gemacht haben,
wie die gemeine Redeweise es ausdrückt. Darunter ist natürlich nicht
die juristische Person verstanden, sondern die Gesamtheit der Ange-
hörigen, denen sie dient. Mehrheitsbeschlüsse der Generalversammlung
oder freiwillige Unthätigkeit der Mitglieder gegenüber dem Treiben
einer führenden Gruppe stellen allein das schuldhafte Verhalten vor,
auf das es hier ankommt. Darin sieht das Gesetz den Beweis, daß
der zu dieser juristischen Person gehörige Verein nach der Gesinnung,
die in ihm herrscht, sie unfähig macht, ihren Zweck gehörig zu er-
füllen. Es ist eine Art reinigender Disciplin, welche die Behörde
19
[446]Das Recht der juristischen Personen.
auszuüben ermächtigt ist, indem sie dem so schlecht ausgestatteten
Selbstverwaltungskörper ein Ende bereitet21. —
Äußerlich verwandt, aber rechtlich ganz anderer Natur ist ein
dritter Grund des Untergangs der Genossenschaft, der auf einer
Mangelhaftigkeit ihrer Mitglieder beruht. Es handelt sich um die
polizeiliche Schließung des Vereins. Dadurch daß ein Verein
juristische Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes besitzt, ist die An-
wendbarkeit des gemeinen Vereinsrechtes auf ihn nicht von selbst
ausgeschlossen. Nur soweit das Gesetz mit Rücksicht auf diese Be-
sonderheit eigene Regeln für die Gründung und die Endigung dieses
Vereines aufstellt, gehen diese vor. Wenn nun auf Grund des Vereins-
rechts eine polizeiliche Schließung erfolgt, so richtet sie sich nicht
gegen die juristische Person, sondern nur gegen den Verein. Die
juristische Person erscheint gar nicht als Gegenstand der polizei-
lichen Maßregel. Soll sie also noch fortbestehen? möglicherweise
durch Eintritt neuer Mitglieder wieder lebensfähig gemacht werden?
Wir werden im Gegenteil annehmen müssen, daß auch der Selbst-
verwaltungskörper der öffentlichen Genossenschaft in solchem Falle
untergeht. Wie ist das zu erklären? Der Grund ergiebt sich aus der
genaueren Betrachtung der Tragweite der polizeilichen Schließungs-
maßregel. Diese bedeutet ein Verbot der Fortsetzung des betroffenen
Vereines in irgend welcher Gestalt. Als Fortsetzung wird jeder Verein
angesehen werden müssen, der bestimmt ist, die Stelle einzunehmen,
welche der geschlossene hatte. Diese Voraussetzung wird aber auf
das entschiedendste zutreffen bei einem Vereine, welcher zur Aus-
füllung der nämlichen juristischen Person sich aufthun wollte. Die
polizeiliche Schließung spricht also dieser die Fähigkeit ab, jemals
wieder einen Verein zur Grundlage zu bekommen. Nun ist es ja
zum Fortbestande dieser juristischen Person nicht notwendig, daß sie
thatsächlich stets einen Verein besitze; wohl aber gehört zu ihrem
Wesen, daß sie dazu bestimmt und fähig sei, einen solchen zu be-
sitzen. Ohne diese Fähigkeit bestünde sie nicht mehr. Wenn also
die Polizeibehörde zuständigerweise ihr diese Fähigkeit entziehen
kann, so ist damit gesagt, daß sie mittelbar auch die Endigung der
[447]§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
juristischen Person, also die Schließung der öffentlichen Genossen-
schaft in dem hier behandelten Sinne ausspricht22.
3. Bei der Endigung der öffentlichen Genossenschaft durch
Schließung oder Auflösung entsteht wieder die Frage, was mit ihrem
etwa hinterlassenen Vermögen zu geschehen hat. Das Schicksal
desselben kann durch Gesetz oder Statut für diesen Fall im voraus
bestimmt sein. Es kann auch ebendadurch der staatlichen Behörde
oder, was näher liegt, der Vertretung die Macht gegeben sein, durch
ihren Beschluß Bestimmung zu treffen. Von selbst versteht sich eine
solche „Testierfähigkeit“ auch hier nicht.
Wir haben zu untersuchen, was für die Hinterlassenschaft unseres
Selbstverwaltungskörpers Rechtens ist, wenn nichts dafür vorgesehen
wäre. Die Lösung ergiebt sich durch die Anwendung der gleichen
Grundsätze, welche wir schon bei der öffentlichen Anstalt oder Stiftung
in Geltung gesehen haben; nur daß dieselben, den anderen Voraus-
setzungen entsprechend, nach einer anderen Richtung weisen.
Die Anstalt oder Stiftung betreibt ein Unternehmen aus dem
Wirkungskreise des Staates, der Provinz, der Gemeinde, je nachdem.
Die öffentliche Genossenschaft dagegen betreibt ein Unternehmen ihrer
Angehörigen, des ihr zu Grunde liegenden Vereines natürlicher Per-
sonen, welches nur zugleich als ein öffentliches angesehen wird. Das
Unternehmen und das dazu gehörige Vermögen ist von diesen Personen
getrennt durch die juristische Persönlichkeit, welche einem Jeden die
Sicherheit des Bestandes der Sache giebt gegenüber den Genossen.
Mit dem Wegfallen der juristischen Persönlichkeit tritt die natürliche
Zugehörigkeit des Vermögens wieder in volle Wirkung; das Vermögen
gehört denjenigen Angehörigen des Selbstverwaltungskörpers, welche
es sind zur Zeit seiner Endigung23.
Zum Zwecke der Auseinandersetzung bilden die bisherigen Selbst-
[448]Das Recht der juristischen Personen.
verwaltungsangehörigen einen freien Verein nach Civilrecht, oder falls
auch der Fortbestand eines solchen ausgeschlossen ist, eine unter sich
ungeordnete Masse von Teilhabern der communio incidens. Die Be-
hörde, welche die Schließung verfügt hat, nimmt sich auch der Aus-
einandersetzung an. Wenn nicht anderes besonders bestimmt ist, giebt
das gewöhnliche Civilrecht die Rechtsordnung, nach welcher etwaige
Streitigkeiten zu erledigen sind24.
Endigt die öffentliche Genossenschaft in einem Zustande der gänz-
lichen Mitgliederlosigkeit und ist daher ein solcher Anfall ihres Ver-
mögens nicht möglich, so wird es vakantes Gut und der Fiskus mag
zugreifen.
III. Die Gemeinden, Ortsgemeinden, wie gleichartige Gebiets-
körperschaften höherer Ordnung, als juristische Personen aufgebaut
auf abgegrenzten Stücken des Staatsgebietes und dadurch bestimmten
Teilen des Staatsvolkes, welche die Angehörigen der juristischen Person
liefern, zeigen bezüglich der Endigung wieder die nämliche Armut an
selbstverständlichen Rechtsformen, wie bei ihrer Entstehung. Das Ge-
setz giebt diese politisch bedeutsamen Ordnungen nicht aus der Hand
und bestimmt durchweg selbst, was sein soll sowohl, als was nicht
mehr sein soll. Wie es das macht, ist dann jedesmal auch ohne
weiteres rechtsgültig; es handelt sich bloß um Auslegung seines
Willens aus Wortlaut und Umständen, nicht um feste Bahnen, in
welchen es sich zu bewegen hätte.
Wenn bei einer Neuorganisation eine ganze Art von Selbst-
verwaltungskörpern, eine ganze Stufe aus dem Aufbau, in welchem
sie übereinanderstehen, in Wegfall kommt, so wird das Gesetz immer
auch für die Folgen Bestimmung treffen, die das nach sich zieht, ins-
besondere was das Schicksal des hinterlassenen Vermögens anlangt.
Sollte einmal eine solche Verfügung über das Vermögen unterlassen
sein, so würde dasselbe dem Heimfallsrechte des Staates unterliegen.
Denn das Gemeindeunternehmen — wenn wir die Gesamtheit dieser
Angelegenheiten so bezeichnen dürfen — ist nicht ein Unternehmen
des Gemeindevolkes, sondern ein staatliches, welches der Staat diesem
zugewiesen und zu dessen Gunsten durch die dazwischen geschobene
juristische Person von seinem eignen, ihm unmittelbar verbliebenen
[449]§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
Wirkungskreise getrennt hat. Mit dem Wegfall dieser juristischen
Person kehrt es wieder zum Staate zurück mit allem, was dazu
gehört25.
Was im ordentlichen Gange der Verwaltung vorkommen kann,
das sind lediglich Verschiebungen innerhalb des Bestandes von Ge-
bietskörperschaften einer gewissen Art und Stufe, mit Änderungen
lediglich für die einzelnen Körper, die betroffen sind. Wir unter-
scheiden: Teilung einer Gemeinde, so daß aus der bisherigen zwei
neue entstehen; Abzweigung von einer Gemeinde, wo die alte im
verminderten Gebiete verbleibt und auf dem abgetrennten Gebiets-
stück eine neue Gemeinde gebildet wird; Vereinigung zweier Ge-
meinden, so daß die bisherigen zwei fortan nur eine bilden; Ein-
verleibung, wo die eine Gemeinde in die andere aufgeht; endlich
bloße Gebietsveränderungen, wobei nur ein Teil des Gebietes
der einen Gemeinde zu dem einer Nachbargemeinde geschlagen wird26.
Für die dabei in Frage kommenden Gemeinden bedeutet der Vorgang
entweder eine Entstehung oder eine Endigung oder eine Verfassungs-
änderung. Die Vereinigung ist Endigung der beiden ursprünglichen
Gemeinden und Entstehung der neuen einen, die Teilung Endigung
der ursprünglichen einen, Entstehung der neuen zwei; die Gebiets-
veränderung ist Verfassungsänderung für die beiden betroffenen u. s. w.
Insofern nicht das ganze Staatsgebiet unter die betreffende Art
von Gemeinden aufgeteilt ist, ergiebt sich sogar die Möglichkeit einer
absoluten Neuentstehung und eines absoluten Unter-
gangs. Für die Ortsgemeinden insbesondere bietet sich diese Mög-
lichkeit dadurch, daß selbständige Gutsbezirke und schlecht-
hin ausmärkische Bezirke neben ihnen stehen: Gemeinden
können aus diesen vergrößert, zu deren Gunsten verkleinert werden;
sie können auch ganz aus solchen Bezirken neu entstehen und ganz
in sie übergeführt werden27.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 29
[450]Das Recht der juristischen Personen.
Alle diese Änderungen werden bewirkt einseitig durch staatliche
Verwaltungsakte in Form des Einzelgesetzes oder auf Grund gesetz-
licher Ermächtigung durch den Fürsten oder die Behörden. Der
Staatswille ist hier überall allein das Wirksame, wie bei der öffent-
lichen Anstalt oder Stiftung28. Weder die Vertretung der Selbst-
verwaltungskörper, noch ihre Angehörigen können selbständig eine
solche Maßregel vornehmen. Dagegen kommen hier ähnlich wie bei der
Anstalt oder Stiftung die Wünsche der Beteiligten in nebensächlicher
Weise in Betracht, sei es daß ihre Anhörung lediglich Formbedingung
des staatlichen Verfahrens ist, sei es daß ihre Zustimmung erfordert
wird, um dasselbe zu ermöglichen oder auch nur zu erleichtern, indem
etwa mit ihr schon eine untere Behörde die Maßregel verfügen, ohne
sie nur eine höhere sie durchführen kann.
Diese Beteiligten sind aber hier ganz anders bestimmt, wie bei
der Anstalt oder Stiftung. Es sind in erster Linie die von der Maß-
regel berührten Körper selbst, die durch ihre geordneten Ver-
27
[451]§ 61. Untergang des Selbstverwaltungskörpers.
tretungen sich zu äußern haben. Wo, wie bei der Teilung und
Abzweigung, ein neuer Selbstverwaltungskörper entstehen soll, kann
diesem behufs der Äußerung über die Maßregel eine vorläufige und
vorausgenommene Vertretung bestellt werden.
Die Angehörigen der Selbstverwaltungskörper kommen als
solche überhaupt nicht zum Wort. Im Gegensatz zur Anstalts- oder
Stiftungspersönlichkeit sind sie hier zwar zahlreich vorhanden und be-
stimmt zu erkennen. Aber sie sind nicht unmittelbar rechtlich zu
verwenden. Das Gesetz kann eine Auswahl treffen, indem es die
Meistbeteiligten daraus — Grundbesitzer, Höchstbesteuerte — neben
den Selbstverwaltungsvertretungen anhören läßt. Insbesondere, wo es
sich bloß um eine Grenzverschiebung zwischen dem Gebiete zweier
Gemeinden handelt, werden die auf dem betroffenen Stücke ange-
sessenen Grundbesitzer berücksichtigt29. —
Für die Folgen, welche derartige Veränderungen auf Besitz
und Vermögen der betroffenen Gemeinden haben an Anstalten, Geld
und Gut, ist es wieder Sache des die Änderung bewirkenden Aktes,
die nötigen Bestimmungen zu geben. Dabei müssen als Ausgangs-
punkt dienen und für die Auslegung maßgebend sein diejenigen Regeln,
welche für diese Folgen gelten würden, wenn nichts besonderes be-
stimmt wäre. Sie ergeben sich aus der Natur der Gemeinde und der
29*
[452]Das Recht der juristischen Personen.
darin begründeten wesentlichen Bedeutung des Gebietes. Bei Ver-
einigung und Einverleibung tritt das nicht hervor; es wird schlechthin
alles gemeinschaftlich. Bei der Teilung und Abzweigung dagegen wird
alles Vermögen, das eine bestimmte Gebietszugehörigkeit hat, der
entsprechenden Gebietskörperschaft zufallen: liegendes Gut und sein
Zubehör und alles, was mit einem bestimmten Betriebssitze verbunden
ist. Sonstiges Vermögen ist zu teilen; die beiderseitigen Bevölkerungs-
zahlen geben den natürlichen Maßstab dafür. Bei bloßen Gebiets-
veränderungen endlich geht nur das gebietszugehörige Gut mit über
und das andere bleibt unberührt30.
[[453]]
Anhang.
§ 62.
Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.
Gleichgeartete Gemeinwesen findet der Staat nicht bloß als Selbst-
verwaltungskörper unter seiner Rechtsordnung, sondern auch außer-
halb derselben, jenseits seiner Grenzen, als andere Staaten. Das Ver-
hältnis zu diesen regelt das Völkerrecht und in einem uns besonders
nahe angehenden Falle das Verfassungsrecht des Bundesstaates. Das
Verwaltungsrecht hat unmittelbar nichts damit zu thun. Aber seiner-
seits weist es Rückwirkungen dieser Verhältnisse auf, die der Voll-
ständigkeit halber noch zu betrachten sind. Wir fassen sie unter
dem Namen internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht
zusammen. Der Übergang zu anderen Rechtsgebieten, den wir darin
finden, bildet zugleich den Abschluß unseres Gegenstandes.
I. Unsere Staatsgewalt beansprucht nicht die Staatsgewalt zu
sein für die ganze Welt. Es giebt außer ihr noch andere Staats-
gewalten, die gleichberechtigt und ebenbürtig auch ihrerseits arbeiten
an den Aufgaben der äußerlichen Ordnung der Menschheit. Die
Grundlage für die Ausscheidung dessen, was ihr zukommt gegenüber
den anderen und was sie wieder als diesen zukommend anerkennt,
bildet das Gebiet. Innerhalb ihres Gebietes ist sie Herr, ist sie
allein das, was nach dem allgemeinen Begriff Staatsgewalt sein soll.
Dem Gebiet ihrer Schwestern erkennt sie für diese die gleiche Be-
deutung zu. Es ist eine besonders zu begründende Ausnahme, wenn
das Wirken einer fremden Staatsgewalt als rechtlich bedeutsam be-
handelt wird auf unserem Gebiet, und umgekehrt beansprucht unser
Staat nur ausnahmsweise eine Wirkung seiner Ordnungen in das
fremde Gebiet hinein.
[454]Anhang.
Im Bereiche des Civilrechts ist diese natürliche Abgeschlossenheit
der Staatsgebiete in umfassender Weise durchbrochen. Die Lehre von
den Grundsätzen, nach welchen diese Durchbrechung stattfindet, wird
bezeichnet mit dem — übrigens sehr wenig angemessenen — Aus-
druck internationales Privatrecht. Die entsprechenden Er-
scheinungen im Verwaltungsrecht nennen wir das internationale
Verwaltungsrecht. Sie folgen nicht den gleichen Regeln und
liefern namentlich zu dem, was den Schwerpunkt des internationalen
Privatrechts ausmacht, kein Seitenstück. Wenn dieses einen eignen
Wissenschaftszweig zu bilden vermochte, so fehlt bei uns der wesent-
liche Stoff dazu1.
1. Daß unsere Staatsgewalt ihre Wirksamkeit nach Maßgabe
des Gebietes bestimmt, ist nur die grundsätzliche Regel, zu deren
Einhaltung sie mit Rücksicht auf die anderen Staaten genötigt wird.
Für das innere Recht würden alle Abweichungen davon unbedingte
Gültigkeit haben; die völkerrechtlichen Verwicklungen und die that-
sächlichen Schwierigkeiten der Durchführung, die sich daran knüpfen
könnten, wären hierfür gleichgültig2. Bedeutsam sind aber vor allem
die Abweichungen vom reinen Territorialitätsprincip, die sich gründen
auf eine Berücksichtigung der Staatsangehörigkeit. Denn
solches entspricht dem natürlichen Wesen des Staates, kommt des-
halb überall mit einer gewissen Gleichmäßigkeit zur Anwendung und
ist innerhalb gewisser Grenzen auch völkerrechtlich unbeanstandet.
Besonderheiten für das Wirksamwerden unserer Staatsgewalt ergeben
sich daraus nach zwei Richtungen hin.
Einmal folgt sie unseren Volksgenossen über die Grenzen
des Gebietes hinaus ins Ausland. Von civil- und strafrechtlichen
Bestimmungen sehen wir ab. Im Bereiche der Verwaltung sind es
vor allem öffentlichrechtliche Leistungspflichten, mit welchen der Staat
auch seine im Auslande befindlichen Angehörigen treffen will: Steuern,
Heerdienstpflicht. Die Einrichtung der Konsulate dient überdies dazu,
[455]§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.
im Ausland selbst für sie einen Mittelpunkt zu schaffen, von dem aus
die verschiedenartigsten Geschäfte öffentlicher Verwaltung namens
unseres Staates geführt werden: polizeiliche Maßregeln, Beurkun-
dungen, Unterstützungen und sonstige Leistungen anstaltlicher Art.
Unser Verwaltungsrecht ist schlechthin maßgebend für das alles, so-
weit es durchführbar ist. Wie weit es durchführbar ist, das hängt
ab von der völkerrechtlichen Duldung des fremden Staates, auf dessen
Gebiet Amtsthätigkeit, Zwang und Leistung vor sich gehen sollen3.
Andererseits nehmen die Fremden innerhalb unseres Ge-
bietes verwaltungsrechtlich in mehrfacher Hinsicht eine Sonder-
stellung ein. Die Regel, von der auszugehen ist, ist allerdings die,
daß die ganze verwaltungsrechtliche Ordnung schlechthin gilt für den
Menschen im Staat, ohne Unterschied der besonderen Angehörig-
keit4. Das erstreckt sich zurück bis auf die sog. Freiheitsrechte: die
verfassungsmäßigen Vorbehalte des Gesetzes wirken auch zu Gunsten
der Fremden. Abweichungen von den gemeinen Rechten und Pflichten
des Verwaltungsrechts bestehen für sie nur in zweierlei Art.
Gewisse Lasten werden ihnen nicht zugemutet, gewisse Vorteile
nicht gewährt. Die Eigentümlichkeit der öffentlichen Dienstpflicht
haben wir schon erwähnt (oben S. 196). Im Recht der Vertreter-
schaft der Selbstverwaltungskörper (oben § 58) erscheint, wie im
staatlichen Verfassungsrecht, die Staatsangehörigkeit als Bedingung
der Fähigkeit, Wähler und Abgeordneter zu sein. Außerdem sind
sie bald hier, bald da vereinzelten Rechtsbenachteiligungen aus-
gesetzt: gewisse Polizeierlaubnisse sollen Fremden nicht oder schwerer
erteilt werden als Einheimischen, Einrichtungen zur Unterstützung
und Hülfeleistung werden ihnen vielleicht gar nicht oder nur be-
schränkt zugänglich gemacht, ebenso der Genuß öffentlicher Schul-
anstalten. Das versteht sich aber alles nicht mehr von selbst, sondern
ist Sache besonderer Anordnungen; thatsächlich ziehen sich derartige
Ungleichheiten auf immer engere Kreise zurück5.
[456]Anhang.
Daneben bleibt ein großer allgemein wirkender Rechtsmangel
der Fremden bestehen, der sich kund thut im Ausweisungsrecht
der Regierung. Dem entspricht das Recht, den Eintritt in unser Ge-
biet dem Fremden überhaupt nicht oder nur unter Bedingungen zu
gestatten. Das Ausweisungsrecht bedarf keiner gesetzlichen Grund-
lage. Nach allgemeiner Rechtsüberzeugung hat die Verfassung, wenn
sie Eingriffe in die Freiheit dem Gesetze vorbehielt, unter dieser bei
Fremden nicht die Möglichkeit begriffen, sich auf unserem Gebiete
aufzuhalten6. Folglich ist die vollziehende Gewalt von selbst in der
Lage, ihnen dies zu verwehren. Der Ausweisungsbefehl und als
Zwangsmittel zum Vollzug die Gewaltanwendung stehen ihr zur Ver-
fügung7. Eine gesetzliche Grundlage wird erst wieder nötig, wenn
Rechtssätze aufgestellt oder Strafen verhängt werden sollen.
2. Mit der gleichen Rechtsfähigkeit der Fremden, die nur aus-
nahmsweise beschränkt ist, beginnt erst das Internationale Privat-
recht. Sein ganzes System beruht auf dem Grundgedanken, daß die
civilisierte Menschheit eine große Gesellschaft bildet, in welcher die
nebeneinanderstehenden Staaten durch gemeinsame Thätigkeit in ge-
hörig verteilten Rollen die Rechtsordnung aufrecht erhalten. Jeder
Staat bringt sein Civilrecht mit, dessen Bestimmungen nach gewissen
Anwendungsmaßstäben zur Wirksamkeit gelangen wollen. Nach den
nämlichen Maßstäben sollen gegebenen Falles auch die Bestimmungen
5
[457]§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.
ausländischen Civilrechts zur Wirksamkeit gelangen. Und beides,
eines wie das andere, wahren und schützen unsere Gerichte, sobald
sie berufen sind, über einen solchen Fall zu urteilen8. Darum ist es
hier so wichtig, diese Anwendungsmaßstäbe zu untersuchen und fest-
zustellen. Darum sind auch die Urteile der Civilgerichte auf dem
besten Wege zu einer überall gültigen Vollstreckbarkeit: sie sind
dafür angesehen, eine gemeinsame Angelegenheit der Kulturstaaten zu
besorgen.
Ein derartiges Zusammenarbeiten besteht im Bereiche der
Verwaltung von Haus aus nicht. Hier wollen und handeln die Staaten
jeder für seine Interessen und jeder für sich. Auch die Rechtssätze,
die sie dafür aufstellen, gehen nur jeden allein an. Was der fremde
Staat innerhalb seines Machtbereichs auf solche Weise bestimmt und
gewirkt hat, kommt für uns als Thatsache in Betracht, die als solche
gar wohl auch rechtlich bedeutsam und berücksichtigt werden kann.
Aber unsere Behörden handhaben es nicht und schützen es nicht.
Die Vollziehung, welche unsere Gerichte dem auswärtigen Civilgesetz
gewähren, wird dem auswärtigen Polizeigesetz, Steuergesetz, Heer-
ergänzungsgesetz, Disciplinargesetz bei uns versagt. Eine Vollstreck-
barkeit auswärtiger Verwaltungsakte giebt es nicht. Das Internationale
Verwaltungsrecht bedeutet nur ein äußerliches Nebeneinander,
wo jeder den andern innerhalb seiner Grenze achtet und gewähren
läßt9. Das äußerste von Entgegenkommen, was hier stattfindet, ist
[458]Anhang.
die Duldsamkeit gegenüber gewissen Einwirkungen, welche die
Verwaltungsthätigkeit des fremden Staates auch in unser Gebiet herein
erstrecken mag: die Maßregeln, die er über seine bei uns wohn-
haften Staatsangehörigen verhängt, die Thätigkeit seiner Konsuln
diesen gegenüber, die Ordnung und Leitung dieser Beamten selbst
und ähnlicher mit auswärtigem Sitze versehener. Wie weit diese
Duldung geht, bestimmt jeder Staat für sich, das Völkerrecht giebt
ihm dabei nur gewisse Anleitungen10.
Das ist alles natürlich etwas ganz anderes, viel beschränkteres,
als das, was man unter internationalem Privatrecht versteht. Von
selbst wird ein unabhängiger Staat auch nicht darüber hinaus gehen
und mehr einräumen; nur durch völkerrechtlichen Vertrag ist ein
innigeres Zusammenwirken der beiderseitigen Verwaltungen herstell-
bar. Darum mag man sagen, daß ein internationales Verwaltungs-
recht erst durch Vertrag, nicht schon von selbst besteht11.
[459]§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.
3. Durch völkerrechtlichen Vertrag können zwischen den
beteiligten Staaten Bestimmungen getroffen werden, die von Bedeutung
sind für ihre Verwaltung und ihr Verwaltungsrecht. Betrachten wir
aber näher, was auf solche Weise zu stande kommt, so finden wir
überall nur unsere alten bekannten Rechtsformen wieder, die im
wesentlichen unverändert dem gemeinsamen Interesse der Vertrag-
schließenden dienen.
Die einfachste und nächstliegende Art von völkerrechtlichem Ver-
trage ist die, wo der Staat sich dem anderen Staate gegenüber ver-
pflichtet, in irgend einem Punkte, der seine Verwaltungsthätigkeit
angeht, in gewisser Weise sich zu verhalten. Dadurch entsteht eine
völkerrechtlich gebundene Verwaltung. Es handelt sich
dabei wesentlich um die Behandlung der Angehörigen des anderen,
die nicht ausgewiesen werden sollen, zu Gewerbebetrieben zugelassen,
im Falle der Bedürftigkeit unterstützt, die ausgeliefert oder über-
nommen werden sollen. Dergleichen Verträge pflegen zweiseitig zu
sein, so daß jeder Staat dem anderen gegenüber geradeso zu ver-
fahren hat, wie dieser ihm gegenüber. Dadurch stellt sich eine ge-
meinsame gleichmäßige Ordnung für die betreffenden Gegenstände
her. Allein diese Ordnung wird bei jedem der Vertragschließenden
verwaltungsrechtlich erst dadurch von Bedeutung, daß sie in die
Formen gebracht wird, in welchen er auch sonst seine Verwaltung
regelt, und wirkt dann auch nur mit der diesen Formen entsprechenden
Kraft: als Gesetz, Dienstanweisung, Anstaltsordnung. Für das Ver-
hältnis zwischen Staat und Unterthan, auch den ausländischen, sind
lediglich diese Vorschriften maßgebend und was auf Grund davon
weiter geschieht. Der völkerrechtliche Vertrag ist ein Beweggrund
für den Staat, sie zu erlassen und auf ihre Durchführung zu halten;
verwaltungsrechtlich ist er gleichgültig12. —
Einen Schritt weiter geht die völkerrechtliche Verwal-
11
[460]Anhang.
tungsgesellschaft. Zwei oder mehrere Staaten erklären vertrags-
mäßig eine ihre öffentliche Verwaltung betreffende Angelegenheit für
gemeinsam und verpflichten sich, sie mit gemeinsamen Mitteln zu be-
sorgen. Die Schiffahrtskommissionen für Rhein, Po u. s. w., die
neueren internationalen Bureaus für Post, Telegraph, Maß und Ge-
wicht geben die einfachsten Beispiele13. Das Neue dabei ist die
Schaffung gemeinsamer Einrichtungen, vor allem gemeinsamer Be-
hörden. Für uns ist nur, was daran verwaltungsrechtlich ist, in Frage,
in ihrer Bildung und ihrer Thätigkeit.
Die gemeinsamen Behörden können gebildet werden aus Beamten,
welche die einzelnen beteiligten Staaten liefern, sei es daß
der Staat, in dessen Gebiet die Behörde ihren Sitz hat, die Beamten
stellt, sei es, daß ein Kollegium aus Beamten jedes der beteiligten
Staaten zusammengesetzt wird. Das Dienstverhältnis jedes Beamten
zu seinem Staate ist dann das gewöhnliche. Die völkerrechtliche Ver-
pflichtung ist wieder nur ein Beweggrund für den Staat, es mit diesem
bestimmten Inhalt zu begründen und seine Dienstgewalt in der ent-
sprechenden Richtung zu verwenden. Zweckmäßiger Weise wird man
in diesem Fall häufig eine gemeinsame Oberleitung bestellen, welche das
Recht des Dienstbefehls namens jedes Staates über diese seine Beamten
ausübt; das ändert die Grundlage des Dienstverhältnisses noch nicht.
Es können aber auch eigene Beamte der Staatengesellschaft
geschaffen werden. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn eine
gemeinsame Aufbringung der Kosten verabredet ist; solches ließe
sich auch mit der ersten Form der Bestellung vereinigen. Es kommt
darauf an, daß für den Beamten das Dienstverhältnis nicht gegenüber
einem einzelnen Staate, sondern gegenüber der Gesamtheit begründet
wird. Die Anstellung ist dann ein gemeinsamer Verwaltungsakt und
in derselben Weise ergehen dann die weiteren dienstrechtlichen Ver-
fügungen. Im Zweifel wird das örtliche Recht des Amtssitzes als
stillschweigender Inhalt dieser Akte gemeint sein und damit erhält
das Rechtsverhältnis hinreichende Bestimmtheit14.
[461]§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.
Wie auch die Beamten bestellt sein mögen, als Behörde vertreten
sie die sämtlichen Vertragsstaaten gemeinschaftlich. Die Wirksamkeit
nach außen beurteilt sich für jeden dieser Staaten danach, daß diese
Behörde als seine eigene gilt. Sie kann lediglich zu Auskünften,
Gutachten, Ratschlägen berufen sein; dann ist die Rechtsordnung nicht
weiter in Frage. Es kann ihr aber auch die Ausübung öffentlicher
Gewalt übertragen werden, insbesondere zu polizeilichen Maßregeln,
Richtersprüchen, selbst zur Rechtsetzung. Dann sind die Voraus-
setzungen zu dieser Übertragung für jeden Staat, auf dessen Gebiet
sie wirken soll, gegeben durch dessen eigenes Verfassungs- und Ver-
waltungsrecht, und nach seinem Rechte bestimmen sich die Wirkungen
und Rechtsfolgen der fraglichen Anordnungen, gerade so, als wären
sie von seinen ordentlichen Behörden und Stellen ausgegangen. Dieses
Recht kann ja allerdings gerade aus Anlaß der geschlossenen Ver-
waltungsgesellschaft in dieser Beziehung geändert worden sein; aber
immer ist es sein Recht, welches maßgebend bleibt15.
Die rechtliche Besonderheit solcher Gesellschaften liegt also
wesentlich auf dem Felde der Verwaltungsorganisation. Der einzelne
beteiligte Staat schafft sich eigenartige Behörden zur Ausübung seiner
öffentlichen Gewalt, eigenartig durch die völkerrechtliche Gebunden-
heit der Errichtung und Leitung und durch die eingeräumte Mit-
wirkung anderer Staaten. Im übrigen ist die verwaltungsrechtliche
Ordnung auch in diesen Fällen schlechthin national, wie immer. —
Die Form der völkerrechtlichen Vergesellschaftung kann statt zu
einzelnen Anstalten und Unternehmungen auch zu umfassenden Zwecken
verwendet werden. Da entstehen dann großartigere Verbände, wie
die des Zollvereins z. B. oder jedes Staatenbundes überhaupt.
Die gemeinsamen Behörden haben dabei juristisch die gleiche Natur;
sie erscheinen nur schärfer und mannigfaltiger ausgeprägt. Hier über-
wiegt aber das Interesse an den sonstigen Bestimmungen des völker-
rechtlichen Vereinsstatuts, betreffend die Ordnung des Verhältnisses
zwischen den Vereinsmitgliedern, die Einrichtung einer Vorstandschaft,
[462]Anhang.
einer Volksvertretung u. s. w. Wir haben uns nicht damit zu be-
schäftigen.
II. Im Gegensatz zu den zuletzt besprochenen völkerrechtlichen
Verbänden bildet der Bundesstaat einen verfassungsrecht-
lichen Verband. Er ist selbst Staat, juristische Person des öffent-
lichen Rechts. Das Wesen seiner Verfassung besteht aber darin, daß
sie die Gliedstaaten zu einem solchen Gesamtstaat vereinigt, ohne sie
selbst als Staaten aufzuheben.
Die Lehre vom Bundesstaat gehört dem Verfassungsrecht an, dem
Staatsrecht in jenem hergebrachten Sinn, der es in Gegensatz zum
Verwaltungsrecht stellt (Bd. I S. 16, 18). Die Wissenschaft ist gerade
an seiner hervorragendsten Erscheinung, dem Deutschen Reich, in die
größte Uneinigkeit geraten darüber, wie das juristisch aufzufassen sei.
Politische Neigungen und Abneigungen spielen dabei, nach der Eigen-
art des Staatsrechts, bewußt und unbewußt ihre Rolle. Uns geht
die Streitfrage insoweit an, als beide, Reich und Gliedstaaten, ihre
Verwaltung haben und diese Verwaltung durch das bundesstaatliche
Verhältnis in der einschneidendsten Weise rechtlich bedingt ist. Die
Art dieser Bedingtheit liegt vor Augen. Keine staatsrechtliche Theorie
kann richtig sein, deren Ergebnisse nicht dazu stimmen. Das Ver-
hältnis zwischen Reich und Gliedstaat muß vielmehr von vornherein
entsprechend gedacht werden. Deshalb müssen wir auch von unserem
einseitigen Standpunkt aus zu der Frage Stellung nehmen.
Zweierlei Staatsgewalt sehen wir in Deutschland thätig. Die ein-
zelne Gliedstaatsgewalt besteht und wirkt für ihr Gebiet und ihr Volk,
und zugleich besteht und wirkt für eben dieses Gebiet und eben dieses
Volk die Reichsgewalt. Daß die letztere zugleich in der nämlichen
Weise neben den anderen Gliedstaatsgewalten steht, das macht eben
das Reich aus, welches sie zusammenhalten soll. Das Problem ist
aber für jedes deutsche Land übereinstimmend gestellt: wie vertragen
sich diese zweierlei Staatsgewalten für einen und denselben Macht-
bereich?
Überall ist jedenfalls nur eine volle Staatsgewalt denkbar;
eine doppelte volle Staatsgewalt für denselben Machtbereich giebt es
nicht, so wenig wie eine possessio plurium in solidum.
Man kann die Lösung darin suchen, daß man nur die eine
der fraglichen Gewalten für eine echte und ursprüngliche erklärt, die
andere für minderwertig und abgeleitet. Jene allein ist dann Staats-
gewalt und zwar volle Staatsgewalt, die andere hat genau besehen
nur den Namen und den Schein einer solchen. So ließe sich ja die
Sache denken; aber es ist dann eben kein Bundesstaat mehr, was
[463]§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.
dabei herauskommt. Entweder man stellt die Reichsgewalt als die
volle Staatsgewalt voran; dann wird der Gliedstaat zum Selbst-
verwaltungskörper und das Reich zum Einheitsstaat. Oder man läßt
die Gliedstaatsgewalt als die volle Staatsgewalt gelten für ihr Gebiet;
dann wird die sogenannte Reichsgewalt nichts als eine gemeinsame
Einrichtung der Gliedstaaten, von welchen sie abgeleitet und gehalten
ist, und das Ganze erhält die Natur eines Staatenbundes16.
Will man wirklich sowohl dem Reich als dem Lande eine eigene
Staatsgewalt zusprechen, so kann es für keines von beiden die
volle sein. An dem, was wir uns als die Staatsgewalt in den ein-
zelnen Gebieten denken, muß jedem ein Anteil zustehen, beschränkt
durch den Anteil des anderen; nur zusammen haben sie die volle
Staatsgewalt.
Ein solches Gemeinschaftsverhältnis zweier Rechtssubjekte als
Träger einer und derselben Staatsgewalt kann man sich vorstellen in
der Form eines unverteilten Rechts, so daß jedes seinen ideellen
Anteil hat und die Ausübung gemeinsam geschieht. Das gäbe ein
condominium, von dem hier offenbar nicht die Rede ist.
Es bleibt also nur noch übrig, die Möglichkeit gesonderter
Anteile: die in jedem deutschen Lande bestehende Staatsgewalt
ist zwischen Reich und Gliedstaat verteilt. Wenn man freilich in der
üblichen Begriffsarmut von dem Vorbild einer civilrechtlichen Real-
teilung nicht loskommen kann, wird man damit zu ganz unhaltbaren
Ergebnissen gelangen. Man zerlegt dann etwa die zu verteilende Masse
in ihre einzelnen Bestandteile und weist jedem seine Gebühr zu an
Hoheitsrechten, Zuständigkeiten und vorbehaltenen Geschäften. Die
Annahme einer in solcher Weise verteilten Staatsgewalt ist leicht zu
widerlegen, oder vielmehr sie widerlegt sich selbst. So ist’s nicht
gemeint17.
Unser neuzeitliches Staatsrecht hat eine eigene Form dafür aus-
[464]Anhang.
gebildet, wie die einheitliche öffentliche Gewalt als geteilt sich dar-
stellen kann. Es ist eine seiner bedeutsamsten und fruchtbarsten
Ideen, von welcher unser ganzes Verfassungswesen lebt. Sie hat uns
auch den Ausgangspunkt unseres Verwaltungsrechts gegeben. Es ist
die Trennung der Gewalten. Die öffentliche Gewalt erscheint
verfassungsmäßig durch das Mittel verschieden gearteter Wirkungs-
kräfte, Gewalten, die durch gesonderte, aber unter einander auch
wieder verbundene Willensträger in Bewegung gesetzt werden (Bd. I
§ 6). Es ist naheliegend, daß die nämliche Idee, welche die Ver-
fassung der Einzelstaaten beherrscht, auch in der Verfassung des
Staates, der sie alle zusammenfaßt, nochmals zur Geltung kommen
mußte. Das Wesen des Bundesstaates beruht auf einer solchen
Trennung der Gewalten. Wer für diese Idee unzugänglich ist bei
der Auffassung der Einzelstaatsgewalt, der kann natürlich auch dem
Wesen des Bundesstaates nicht gerecht werden18.
Das deutsche Staatswesen als Bundesstaat hat demnach folgende
Gestalt.
Für jedes zugehörige Gebiet besteht nur eine volle Staats-
gewalt. Diese Staatsgewalt erscheint aber gesondert in Reichsgewalt
und Gliedstaatsgewalt. Beide sind gleicher Natur als Staatsgewalt,
wie die gesetzgebende und vollziehende Gewalt im Einzelstaat. Jede
ist ihrerseits wieder in gesetzgebende und vollziehende Gewalt ge-
schieden. Die letztere Ausscheidung wird durch die Reichsverfassung
[465]§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.
für die Reichsgewalt, durch die einzelnen Landesverfassungen für die
Gliedstaatsgewalten gemacht. Die entsprechende Scheidung zwischen
Reichsgewalt und Gliedstaatsgewalten bestimmt die Reichsverfassung
allein.
Der Schwerpunkt liegt dabei in der Ausstattung der Reichs-
gewalt als der rechtlich stärkeren19, gerade so wie beim Einzelstaat
in der Ausstattung des Gesetzes. Die Gliedstaatsgewalt erhält da-
durch ihre entsprechenden rechtlichen Besonderheiten in der Haupt-
sache von selbst, wie dort die vollziehende (Bd. I S. 77).
Die Form, in welcher diese Ausstattung erscheint, weist wieder
ganz die gleichen Grundzüge auf, die bei der Auseinandersetzung
zwischen gesetzgebender und vollziehender Gewalt zu erkennen waren.
Zunächst verfassungsmäßige Vorbehalte für die Reichsgewalt (aus-
schließliche Reichsgesetzgebung); daneben hier als Ausnahmsfall auch
Vorbehalte zu Gunsten des Gliedstaats (Reservatrechte). Auf dem ge-
meinsamen Thätigkeitsfeld Vorrang der Reichsgewalt, wenigstens
für ihr Gesetz, das ja auch verfassungsänderndes Gesetz sein kann,
und die darauf beruhende Anordnung. Endlich Gebundenheit der
Gliedstaatsgewalt an Reichsgesetz und sonstige Akte der Reichsgewalt
nach den Regeln der Vollziehung20. Ein großer Unterschied besteht
insofern, als hier jede der beiden Gewalten geeignet und imstande
ist, für sich allein ganze Verwaltungszweige zu ordnen und zu führen.
Daraus ergiebt sich eine geringere thatsächliche Verflechtung ihrer
Wirksamkeit wie dort.
Auf Einzelheiten haben wir aber nicht einzugehen. Es handelt
sich für uns nur darum, welche allgemeine Regeln sich aus dieser
Grundlage ergeben für das Verwaltungsrecht im Reich. Es
sind die folgenden.
1. Das Verhältnis zwischen Reichsgewalt und Gliedstaatsgewalt
ist nicht das zwischen Herrscher und Unterthan21. Ganz ebenso-
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 30
[466]Anhang.
wenig wie die vollziehende Gewalt Unterthan der gesetzgebenden ist
(Bd. I S. 84 ff.). Vielmehr stehen sich hier Mitträger der einen, aber
verteilten Staatsgewalt gegenüber in verfassungsrechtlich bestimmtem
Verhältnis.
Für ihr geordnetes Zusammenwirken muß freilich das Verhältnis
so bestimmt werden, daß die eine Gewalt die rechtlich stärkere ist,
mit ihren Willensäußerungen der anderen vorgeht, sie bindet. Aber
deshalb darf man nicht sagen: hier wird befohlen, befohlen wird
nur dem Unterthanen, also ist hier ein Unterthan. Das heißt nur
wieder Mißbrauch treiben mit einem absichtlich verschwommen ge-
haltenen Befehlsbegriff. Es handelt sich um ausgeprägte Rechts-
institute des Verfassungsrechts, die in ihrer ganz besonderen Eigenart
erkannt werden müssen22.
Die Eigenart des Verfassungsrechts tritt an diesem Verhältnisse
besonders deutlich hervor, im Falle eine Störung desselben statt-
gefunden hat. Der Träger der einen Gewalt verletzt die Rechte der
anderen, kommt seiner Gebundenheit, seinen Pflichten dieser gegen-
über nicht nach, überschreitet seine Schranken. Dann ist es nicht der
Ungehorsam des Unterthanen, den die Staatsgewalt zu brechen hat,
sondern ein Verfassungskonflikt liegt vor. Sofort werden denn
auch wieder die Grenzen der Rechtsordnung fühlbar: spärliche An-
sätze eines geordneten Rechtsschutzes, überall Machtfrage und Selbst-
hülfe. Der verkümmerten Ministeranklage durch die Volksvertretung
wegen Nichteinhaltung der Gesetze entspricht hier freilich die kräf-
tigere Bundesexekution im Reich. Aber die ist juristisch wieder
durchaus nicht gleichwertig mit dem Verfahren des Staates gegen eine
widerspenstige Gemeindeverwaltung; es ist nichts als geordnete Selbst-
hülfe, thatsächlich kaum verschieden von der Bundesexekution im
völkerrechtlichen Staatenbund23.
Das Reich ist Staat; wäre der Gliedstaat sein Unterthan, so
müßten wir nach dem aufgestellten und durchgeführten Begriff des
Verwaltungsrechts (Bd. I S. 14) dieses Verhältnis hier behandeln.
Damit alles sauber abgegrenzt bleibe, war es notwendig, auch in diesem
Punkte Klarheit zu schaffen.
[467]§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.
2. Im Verhältnis zu den gemeinsamen Unterthanen ist beides,
Reichsgewalt wie Gliedstaatsgewalt, die deutsche Staatsgewalt, jedes
auf seine Art.
Die einzelnen Verwaltungszweige sind zum Teil glatt ge-
schieden, so daß je eine der Gewalten, Reich oder Land, allein
damit zu thun hat. Da lebt dann die Gliedstaatsgewalt schlechthin
nach ihrem Recht und ebenso auf der anderen Seite die Reichsgewalt.
Die letztere als die jüngere entlehnt nicht etwa von selbst das Recht
der einzelnen Gebiete, in welchen sie wirksam wird. Sie kann landes-
rechtliche Rechtsinstitute für sich anwendbar erklären; sie kann sich
auch selbständige Ordnungen geben. Soweit nichts vorgesehen ist,
wird ihr Verwaltungsrecht sich ergänzen aus der gemeinen An-
schauung von dem, was den Erscheinungen der öffentlichen Gewalt
eigen ist. Insbesondere bestimmt sich hieraus auch der Punkt, wo
ihr Verhältnis zu den ihr gegenüberstehenden Unterthanen übergeht
ins Civilrecht, und der andere nicht schlechthin damit zusammen-
fallende, wo die Zuständigkeit der Civilgerichte über sie begründet
ist24. Ist danach Civilrecht auf sie anwendbar, so bestimmt sich unter
dem verschiedenen Landescivilrecht das anzuwendende gemäß den
Grundsätzen des Internationalen Privatrechts: je nachdem wird die
lex domicilii, d. h. des Sitzes des Betriebes, die lex rei sitae, die lex
loci actus u. s. w. das Verhältnis zu regeln haben.
In manchen Verwaltungszweigen findet dagegen ein Zusammen-
arbeiten der beiden Gewalten statt. Das geschieht vor allem in
der Form, daß das Reich die Gesetzgebung, die Gliedstaaten die Voll-
ziehung liefern. In der deutschen Strafjustiz kommt das am reinsten
zur Geltung. Ähnlich, jedoch mit mancherlei Verschiebung, ordnet
sich das Heerwesen, das Gewerbewesen, das Zollwesen. Im Verhältnis
zu den Unterthanen zeigt sich dabei die Einheit der an Reich und
Gliedstaat verteilten Staatsgewalt aufs deutlichste. Das Reichsgesetz
wirkt in diesem Verhältnisse für die vollziehende Gewalt des Glied-
staates geradeso wie ein eigenes Gesetz desselben. Rechtsverhältnisse,
Rechte und Pflichten der Unterthanen entstehen daraus ganz in der
gleichen Weise. Und zwar sind das Rechtsverhältnisse zum Glied-
staat. Denn sie bedeuten begriffsmäßig nichts anderes als eine Ge-
30*
[468]Anhang.
bundenheit oder eine Machterweiterung der vollziehenden Gewalt
(Bd. I S. 86, 108), und die ist hier des Gliedstaates25.
Insofern die Reichsgesetzgebung unmittelbar oder unter gleich-
zeitiger Erweiterung ihrer Zuständigkeit, in jede Art von Verwaltungs-
thätigkeit eingreifen kann, erleiden die sog. Freiheitsrechte, wie
sie die Landesverfassungen garantieren, im Bundesstaat eine gewisse
Abschwächung. Denn die gesetzliche Grundlage zu Eingriffen in Frei-
heit und Eigentum, deren die vollziehende Gewalt des Gliedstaates
danach bedarf, kann sie jetzt auf zweierlei Weise erhalten: giebt sie
das Landesgesetz nicht, so kann ein Reichsgesetz kommen, um sie ihr
zu geben. Auch dieses genügt dem verfassungsmäßigen Vorbehalt;
Reichsgesetz und Landesgesetz sind für ihn fungibel.
Andererseits erhält in diesem Zusammenhange der Umfang solcher
Freiheitsrechte auch wieder eine Erweiterung durch einen neuen Be-
standteil. Im landesrechtlichen Verfassungsrecht sind sie nur das
Widerspiel der Vorbehalte des Gesetzes, die dem Unterthanen gegen-
über der vollziehenden Gewalt zu Gute kommen (Bd. I. S. 75). In
der gleichen Weise wirkt aber hier das stärkere Recht der Reichs-
gewalt, wo es zum Vorteil des Unterthanen der ganzen Gliedsstaats-
gewalt Schranken setzt. Jede Erlaubnis, jede Anerkennung eines ge-
wissen Spielraums freier Bewegung, die ein Reichsgesetz ausspricht,
ist für die vollziehende Gewalt des Reichs wie des Gliedstaats und
zugleich für die Gesetzgebung des letzteren unverbrüchlich, eine Nicht-
achtung dieser Grenze zum Nachteil eines Unterthanen ein Unrecht
gegen diesen. Es ist ein reichsgesetzlich garantiertes Frei-
heitsrecht, das da entsteht26.
[469]§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.
3. Die Reichsgewalt wirkt, von Reservatrechten abgesehen, gleich-
mäßig für alle Gliedstaaten. Die Gliedstaatsgewalten unter sich stehen
sich selbständig gegenüber. Sie sind in ihrer Verwaltung so unab-
hängig von einander wie außerhalb eines Bundesstaats stehende Staaten.
Die Regeln des Internationalen Verwaltungsrechts, wie wir sie oben
unter I. entwickelten, gelten zwischen ihnen. Dafür macht es auch
nicht von selbst einen Unterschied, wenn die Durchführung eines
Reichsgesetzes in Frage ist. Die gemeinsame Gebundenheit gegenüber
dem Reich ist eine Sache für sich, ein jus tertii, das ihr gegenseitiges
Verhältnis unmittelbar nichts angeht27.
[470]Anhang.
Die Thatsache, daß diese Staaten zu einem großen Gemeinwesen
verbunden sind, führt dahin, daß zwischen ihnen die schroffe Aus-
schließlichkeit, welche das Internationale Verwaltungsrecht an sich
bedeutet, verhältnismäßig leicht durchbrochen wird in den dafür all-
gemein gegebenen Formen, durch völkerrechtlichen Vertrag,
besser gesagt durch landesrechtliche Anordnungen in Folge völker-
rechtlichen Vertrags. Für verschiedene Zweige der Verwaltung
ist auf diese Weise ein Zusammenwirken der Behörden der einzelnen
Gliedstaaten gesichert worden28.
Überdies aber kann die Reichsgesetzgebung im allgemeinen
Interesse sich einmischen, um die Gliedstaaten in ihrer Verwaltungs-
thätigkeit auch untereinander inniger zu verknüpfen. Niemals kann
— so lange sie wenigstens Staaten bleiben sollen — alles so aus-
geglichen werden, daß ihre Verwaltung ineinander greift, wie die
eines Einheitsstaates. Aber dieser liefert das Vorbild, aus welchem
das eine und das andere Stück, schlechthin oder in einer gewissen
Abschwächung hierher übertragen wird.
Einerseits wird bestimmt, daß gewisse obrigkeitliche Akte des
Gliedstaates in jedem anderen Gliedstaate wie dessen eigene zu be-
handeln sind: auswärtige Urteile werden vollstreckt, Verwaltungsakte
wirken nach den gewöhnlichen Regeln der Vollziehung, Zeugnisse und
Feststellungen der fremden Behörde gelten bei uns wie die unserer
eigenen; in dringlichen Fällen können Beamte des Nachbarstaates
Amtshandlungen vornehmen auf unserem Gebiete.
Andererseits wird eine gegenseitige Unterstützungspflicht der
Gliedstaatsbehörden geordnet: auf Ersuchen der fremden Behörde
(Requisition) oder von freien Stücken haben sie danach Interessen
27
[471]§ 62. Internationales und bundesstaatliches Verwaltungsrecht.
wahrzunehmen und Geschäfte zu besorgen, welche nicht die ihres
Dienstherrn sind, sondern eines anderen Gliedstaates29.
Diese reichsgesetzlichen Bestimmungen haben insofern besondere
Kraft, als sie unverbrüchlich sind nicht bloß für die vollziehende Ge-
walt, sondern auch für die Gesetzgebung der Gliedstaaten. Im übrigen
ist ihre Wirkung für jeden Gliedstaat ganz die nämliche, wie wenn
sein eigenes Gesetz sie getroffen hätte. Wenn alle Gliedstaaten über-
einstimmend solche Rechtssätze erlassen würden, wäre das rechtliche
Ergebnis das gleiche, wie das des Reichsgesetzes. Ohne voraus-
gehenden Vertrag, der die Gegenseitigkeit sicherte, würden sie das
nicht thun. Ob ein solcher allgemeiner Vertrag zu stande zu bringen
wäre, ist mindestens sehr fraglich. Da handelt denn das Reich mit
gleicher Wirkung für alle, nicht als Herrscher, der seine Unterthanen
ordnet, sondern als bevorrechteter Mitarbeiter an den gleichen Inter-
essen30.
In der vollkommensten Weise endlich ist das Zusammenwirken
der gliedstaatlichen Behörden da gesichert, wo das Reich selbst die
Dienstgewalt über sie in Anspruch nimmt, um durch Dienstbefehle
die Ausführung der Geschäfte zu leiten. Die Reichsgesetzgebung be-
stimmt die Fälle, in welchen dies geschehen soll. Die vollziehende
Gewalt des Reiches tritt dann insoweit an die Stelle der vollziehenden
Gewalt des eigentlichen Dienstherrn, des Gliedstaates, mit Vorrang
vor dieser. Im übrigen wirken ihre Dienstbefehle mit der gleichen
rechtlichen Kraft (oben § 45, I); aber ihrem Inhalte nach werden
sie von selbst darauf gerichtet sein, die Geschäftsführung so zu leiten,
daß die Grenzen der Gliedstaaten durch planmäßiges Zusammenwirken
überbrückt werden31. Die Gliedstaaten selbst werden dabei unter sich
[472]Anhang.
in keine neue rechtliche Beziehung gebracht. Diese Form bildet viel-
mehr nur einen Übergang zu der unmittelbaren Besorgung eines Ver-
waltungszweiges durch das Reich.
[[473]]
Appendix A Sachregister.
(Die römischen Ziffern bezeichnen den Band, die großen arabischen die Seite,
die kleinen die Note.)
Appendix A.1 A.
- Abfindung, steuerrechtliche I 427.
- Abgeordnete Vertreter der Genossen-
schaft II 398; der Gemeinde II
402. - Abmeldung der Steuerpflicht I 425.
- Abschiebung von Hülfsbedürftigen II
428, 10. - Absperrung öffentlicher Straßen II 126.
- Abtretungsvertrag im Enteignungsver-
fahren II 47. - Adcitation s. Beiladung.
- Administrative Polizei I 255.
- Administrative Zwangsbeitreibung I 474.
- Administrativ-kontentiöse Sachen I 163, 6.
- Agrarverhältnisse, Ordnung derselben I
146. - Aktive Dienstpflicht II 201. 205.
- Almende II 61.
- Amortisationsgesetze II 419, 16.
- Amt II 198; Amtsentziehung II 225.
- Amtshandlung, Haftung daraus I 226;
Widerstand dagegen I 359. - Amtsüberschreitung, pflichtwidrige I 231.
- Anfall des Genossenschaftsvermögens II
448. - Anforderung aus der öffentlichen Last
II 270. - Anfechtbarkeit von Verwaltungsakten
I 99. - Anfechtungsklage wegen Gesetzwidrig-
keit I 192; wegen mangelnder
thatsächlicher Voraussetzungen I
192. - Angehörigkeit zu juristischen Personen
des öffentlichen Rechts II 377;
zur Gemeinde II 383; zur Ge-
nossenschaft II 381; zur Anstalts-
oder Stiftungspersönlichkeit II
377. - Anlagen, gewerbliche, s. Gewerbewesen.
- Annahmepflicht der Post II 325.
- Ansiedelungserlaubnis I 210, 27.
- Anstalt, öffentliche II 318; Anstalts-
ordnung II 320. 338; Anstalts-
polizei I 263; Anstaltsdisciplin
II 325; Destinatäre des Nutzens
II 379. - Anstaltspersönlichkeit II 377; Entstehung
II 391; Vertretung II 408; Unter-
gang II 438. - Anstellung im Staatsdienst II 220.
- Anweisung im Gewaltverhältnis I 102;
bei Gebrauchserlaubnis an öffent-
lichen Sachen II 137. - Anzeigepflicht, polizeiliche I 269.
- Appellation zum Reichskammergericht
I 33. - Approbation I 287, 1.
- Ärar s. Fiskus.
- Arbeitgeber als Mitglied der Kranken-
kasse II 382, 9. - Arbeitszwang II 436.
- Arbeiterversicherung s. Invaliden- und
Alters-Vers., Krankenkasse, Un-
fall-Vers. - Armeebefehl II 235.
- Armenwesen; Armenhäuser II 335;
Armenstiftung II 379, 6; Armen-
verband II 285; Armenlast II 423;
Erstattungsanspruch nach Civil-
recht II 427, 9. 428, 11; öffentlich-
rechtlicher Erstattungsanspruch
II 428, 10; Rückforderung der ge-
leisteten Erstattung II 429, 12;
Armenpolizei II 437. - Auflagen bei Polizeierlaubnis I 298; bei
Verleihung besonderer Nutzungen
II 162; bei Verleihung öffentlicher
Unternehmungen II 310. - Auflassung öffentlicher Sachen II 107;
bei öffentlichrechtlicher Grund-
dienstbarkeit II 177; Wirkung auf
verliehene Nutzungsrechte II 160;
Entschädigung für die Angrenzer
II 132; als Voraussetzung der
Enteignung II 25. - Auflösung von Versammlungen I 103;
von Vertretungsausschüssen der
Selbstverwaltungskörper II 416;
von öffentlichen Genossenschaften
II 412. - Aufsicht über verliehene Unternehmungen
II 309; über Selbstverwaltungs-
körper II 410. - Auseinandersetzungssachen I 167, 13.
- Ausgleichungen zwischen juristischen
Personen des öffentlichen Rechts
II 426. - Aushebung zum Heerdienst II 204.
- Auskunftserteilung, Pflicht dazu I 283, 20.
- Ausländer im V.R. II 455.
- Ausmärkische Bezirke II 449.
- Austräge I 34.
- Ausweisung Fremder II 456; vorläufige
Haft I 366, 14; nach Socialisten-
gesetz I 280, 14; aus armenrecht-
lichen Gründen II 456. - Autonomie I 126.
Appendix A.2 B.
- Baufluchtlinie II 168. 175, 14.
- Bauerlaubnis I 289, 4. 293, 8; bedingte
I 298, 17. 299, 19. 300, 21; Zu-
rücknahme I 303, 25; Entschädi-
gung für versagte Erlaubnis II
351, s; entschädigungspflichtiges
Subjekt II 355, 12. - Beamter II 205, 2. 224, 9. 216, 20; Stel-
lung im Polizeistaate I 39; B. des
Selbstverwaltungskörpers II 403;
gemeinsame B. der Staatengesell-
schaft II 460. - Beerdigungswesen; Kirchhof II 77; Zu-
gänglichkeit desselben II 142;
angewiesene Gräber II 139; ver-
liehene Gräber II 152; Beerdi-
gung auf Privatgrundstücken I
303, 25. - Bedürfnisfrage s. Schenkwirtschaft.
- Befehl I 271; Polizei-B. I 271; Finanz-
B. I 433; Dienst-B. II 234; auf-
sichtsrechtlicher B. II 413; als
Deckung der Rechtswidrigkeit
einer Amtshandlung I 230. I 362. - Begleitschein I 407. 411.
- Behörde I 96, 2.
- Behördenordnung I 14.
- Beiladung I 198.
- Beiträge I 387; Arten II 278; genossen-
schaftsrechtliche II 434. - Berufsgenossenschaft s. Unfallversiche-
rung. - Bescheid I 152.
- Beschluß I 150.
- Beschlußbehörden I 158.
- Beschwerde I 150; förmliche B. I 155;
B.recht I 154; B.frist I 156; B.
gegen den Selbstverwaltungskörper
II 420. - Besitz, verwaltungsrechtlicher, an öffent-
lichen Sachen II 84. 186. - Besitzergreifung von enteigneten Grund-
stücken II 41; vorläufige Besitz-
einweisung II 47. - Besitzklage wegen öffentlichen Eigen-
tums II 103; gegen polizeiliche
Verfügungen I 219, 17. - Besoldung II 249.
- Bestallung II 221.
- Betrug und Hinterziehung I 457.
- Bewässerungsgenossenschaft II 393 9.
- Beweiserhebung, neue, auf Anfechtungs-
klage I 194. - Bewilligung von Steuern I 380; der Be-
soldung II 249. - Bibliothek II 81; Benützung II 323.
- Branntweinsteuer, Fixation I 427, 14;
Befreiung I 435, 5; Überwachung
der Brennerei I 440, 12; Finanz-
befehle für die Brenner I 447, 16;
Straffolge I 448, 3. 453, 11. 461, 28;
Haftung für Gehülfen I 465, 33;
Zwang I 472, 3. - Brausteuer, Fixation I 428, 16; Register
I 454, 15. - Briefpost s. Post.
- Brücken, öffentliches Eigentum II 76;
verliehene B. II 299; Haftung für
Unfälle II 132. - Budgetrecht I 381.
- Bundesstaat II 462.
- Bürgermeister II 405. 425, 5.
- Bürgerliche Rechtsstreitigkeit I 213.
Appendix A.3 C.
- Cassation s. Kassation.
- Chausseen, verliehene II 298, 5.
- Civilgerichte, Unabhängigkeit I 41; Zu-
ständigkeit über den Landesherrn
I 46; Zuständigkeit über den Fis-
kus I 49; Zuständigkeit in Ver-
waltungssachen I 211; Zuständig-
keit für Schadensersatzklagen aus
rechtswidriger Amtshandlung I
234. - Civilrecht, Scheidung vom V.R. I 135;
Anwendbarkeit auf den Staat I
138; Ausdehnung im Polizeistaat
I 47. - Civilrechtliche Haftung des Staates aus
Amtshandlungen I 240. - condictio indebiti s. Rückforderungs-
anspruch.
Appendix A.4 D.
- Defektenbeschluß II 261.
- Defraudation s. Hinterziehung.
- Deichlast, Deichverband II 285. 288.
- Deklassierung s. Auflassung.
- Depositenkasse II 323; Herauszahlungs-
pflicht II 330, 15. - Dienstpflicht, öffentliche II 195; Dienst-
eid II 196. 216; dienstlicher Ge-
horsam II 236; Dienstentlassung
II 231. 234. - Dienstgewalt II 234; des Staats über
Gemeindebeamte II 407; des
Reichs über Landesbeamte II 471. - Dienstvorschrift II 235; Bedeutung im
Polizeistaat I 44; Gegensatz zur
Verordnung I 82. - Disciplin der öffentlichen Anstalt II 335.
- Disciplinarstrafe II 241; gegen Ge-
meindebeamte II 408; Disciplinar-
gericht II 245. - Disposition, Stellung zur II 226; von
Gemeindebeamten II 227, 16. 404. - Direkte Steuer I 396.
- dominium eminens II 5.
- Droschkenhalteplätze II 139.
- Durchsuchung von Wohnungen I 367.
Appendix A.5 E.
- Eheschließung, armenrechtlich be-
schränkt II 437, 24. - Ehrenamt II 208; Annahmepflicht II
210; Versetzung in ein anderes
II 212; beim Selbstverwaltungs-
körper II 403. - Ehrengerichte II 245.
- Eigentum, verfassungsrechtlich geschützt
I 75; Eigentumsklage gegen öffent-
liches Eigentum II 102; gegen
öffentliche Grunddienstbarkeit II
174; gegen öffentliche Eigen-
tumsbeschränkung II 192; gegen
polizeiliche Maßregel I 219, 17;
Eigentumsübergang bei der Ent-
eignung II 38; bei der Requisition
II 275. - Eigentum, öffentliches II 68; Entstehung
[476]Sachregister.
II 85; Endigung II 106; Enteig-
nung unzulässig II 23. - Eindringen, polizeiliches, in die Woh-
nung I 366. - Einjährig-Freiwillige II 214, 18.
- Einladung, statt Befehl I 283.
- Einregisterung der Gesetze (franz.) I 55.
- Einspruch I 155.
- Einverleibung einer Gemeinde II 449.
- Eisenbahn II 300; Vorarbeiten II 184;
Eisenbahnkörper II 76; Erlaubnis
zum Überschreiten II 139; Ge-
fährdung von Nachbargrundstücken
II 180, 4; Verleihung des Unter-
nehmens II 299; Aufsicht II 309;
Pflicht zur Einstellung neuer Züge
II 311, 5; Rückkauf II 317; Eisen-
bahnpolizeibeamte II 215. - Elsaß-Lothringen, Fiskus II 369, 4.
- Enteignung II 3; Voraussetzungen II 9;
Gegenstand II 20; Wirkungen II
29; Entschädigung II 56. 356. - Entlassung aus Zwangsdienstpflicht II
207; aus Ehrenamt II 213; aus
Staatsdienst II 228; Strafentlas-
sung II 243. - Entschädigung, öffentlichrechtliche II
345; bei Enteignung II 56. 356;
bei öffentlicher Grunddienstbar-
keit II 174; bei öffentlichrecht-
licher Eigentumsbeschränkung II
193; bei gemeinen öffentlichen
Lasten II 276; bei Vorzugslasten
II 284; bei Verbandlasten II 286;
bei Auflagen für den beliehenen
Unternehmer II 310; bei Heimfall
einer Eisenbahn II 315; bei Rück-
kauf II 318; bei nachträglicher
Unterdrückung gewerblicher An-
lagen II 352, 8; für verlorene und
beschädigte Poststücke II 331, 17;
für Straßenverlegung II 134.
353, 10; unschuldig Verurteilter
II 363, 10; für gesetzliche Ein-
griffe II 357; für rechtswidrige
Amtshandlungen II 361; für Kriegs-
schäden II 365. - Entscheidung I 100.
- Entwässerungsunternehmen II 296, 4.
- Erbschaftssteuer, bayr. I 396, 12. 414, 19.
422, 5. 427, 13. - Erhebungsform der Steuern I 395.
- Erlaß der Steuern I 429.
- Erlaubniserteilung s. Polizeierlaubnis,
Gebrauchserlaubnis. - Ermächtigungen, gesetzliche I 76.
- Ermessen, freies I 164; Nachprüfung in
der Anfechtungsklage I 193. - Eröffnung des Verwaltungsaktes I 280.
- Ersatzvornahme als polizeiliches Zwangs-
mittel I 337; als finanzrechtliches
I 470; gegen Lastpflichtige II 273;
gegen beliehene Unternehmer II
311. - Erstattungs-(Ersatz-)Ansprüche zwischen
juristischen Personen des öffent-
lichen Rechts II 426. - Etat s. Staatshaushaltsgesetz.
- Exekutivstrafe s. Ungehorsamsstrafe.
- Extrajudizialappellation I 33.
Appendix A.6 F.
- Fähren, öffentliche, Verleihung II 299;
Verzicht des Beliehenen II 315, 13;
Beeinträchtigung durch Brücken-
bau II 353, 10. - Festungswerke, öffentliches Eigentum II
64, 8. 78; Zerstörungen im Vor-
lande II 185; Gemeingebrauch
daran II 79, 25; Gebrauchserlaub-
nis II 139. - Festsetzungsakte, aufsichtsrechtliche II
413. - Feststellung der öffentlichen Sache II 94.
- Feuerlöschwesen, Löschdienst I 270, 14.
II 272, 13; Erzwingung I 346, 33;
Pflichtfeuerwehr II 267, 4; Zu-
gänglichkeit eines Teiches I 266, 10;
Absperrung der Brandstätte I
376, 28. II 126; Niederreißen von
Häusern I 355; Eindringen in
Nachbargrundstücke II 182. - Feuerpolizei, ortspolizeiliche Vorschriften
dafür I 275, 6; Mahnung durch
den Kaminkehrer I 317, 7; Feuer-
stätte der Mietwohnung I 323, 16;
Feuerschau I 368, 16. - Finanzverwaltung I 378; Finanzvermögen
[477]Sachregister.
II 71; Finanzgewalt I 378; Finanz-
befehl I 433; Finanzerlaubnis I
445; Finanzstrafe I 447; Finanz-
delikt I 449; Finanzzwang I 470. - Fiskus I 142; besondere Bedeutung im
Polizeistaat (Fiskustheorie) I 47;
fiskalische Verwaltungen I 141;
Mehrheit der Fisci II 369; Rück-
bezüglichkeit des öffentlichen
Rechts auf den Fiskus I 143. - Flüsse, öffentliche II 65, 10. 76; Ab-
leitungen und Stauwerke II 151. - Forstwesen; polizeilicher Schutz I 263, 6;
Hülfeleistungspflicht bei Wald-
bränden II 271, 12; Forsteleven
II 232; Privatforstschutzbeamte
II 215. - Freiheitsrechte I 75. II 468.
- Freies Ermessen I 164.
- Fremdenrecht II 455; Ortsfremde von
Straßenbenützung ausgeschlossen
II 125, 20.
Appendix A.7 G.
- Gasanstalt, Rechtsverhältnis zum Publi-
kum II 322; Röhren in der Straße
II 148; Laternenträger an Privat-
häusern II 185. - Garnisonwachdienst I 373.
- Gebäude, öffentliche II 81.
- Gebiet, internationale Bedeutung II 452.
- Gebietskörperschaft II 385.
- Gebietsveränderung der Gemeinde II 449.
- Gebrauchserlaubnis an öffentlichen
Sachen II 138. - Gebühren I 387; auf Gemeingebrauch
II 128; auf Gebrauchserlaubnis
II 146; auf verliehene Nutzungs-
rechte II 162; auf Benützung
öffentlicher Anstalten II 339. - Gebundenheit der vollziehenden Gewalt
I 78; der Gliedstaatsgewalt II 465. - Gefängnisgebäude II 81, 30; Gefangenen-
anstalt II 322; Gefängnisdisciplin
II 335. - Gegenvorstellung I 152.
- Gehalt s. Besoldung.
- Gemeingebrauch II 111; Bedeutung für
das öffentliche Eigentum II 76. - Gemeinde II 383; Entstehung II 394;
Vertretung II 401; Untergang II
448; Gemeindeangehörige II 383;
Gemeindebürger II 401; Gemeinde-
gebiet II 384; Veränderungen II
449; Gemeindeamt II 403; Ge-
meindesteuer II 435; Gemeinde-
kuratel II 419, 15. - Gendarmen I 359; Waffengebrauch I
370. - Genehmigung, aufsichtsrechtliche II 414.
- Generalverfügung I 103. 104. 443. II 235.
309. 338. 433; s. Gewaltverhältnis. - Genossenschaft, öffentliche II 381; Ent-
stehung II 392; Vertretung II
396; Untergang II 442; hinter-
lassenes Vermögen II 447. - Gerichtliche Polizei I 255.
- Gerichtslasten II 267.
- Geschäftsführung ohne Auftrag II 426.
- Geschworenendienst II 203.
- Gesindewesen, polizeiliche Ordnung I
212. 262, 4; ausländische Dienst-
boten I 324, 18. - Gesetzgebung I 5.
- Gesetzgebende Gewalt I 71.
- Gesetz I 71; ältere Gesetze I 120; Ge-
setz im formellen und materiellen
Sinn I 71, 5; Gesetz im Polizei-
staat I 42; im Rechtsstaat I 60;
Ausbildung des Begriffs im fran-
zösischen Rechte I 57; Einzel-
verfügung in Gesetzesform I 12
s. auch Verwaltungsakt; formelle
Gesetzeskraft I 72; bindende Kraft
des Gesetzes I 81; Entschädi-
gung für gesetzliche Eingriffe II
357. - Gesetzmäßigkeit des Dienstbefehls II
237. - Gestellung als Polizeizwangsmittel I
345, 33; von Waren zur zollamt-
lichen Abfertigung I 408; zur
Dienstpflichterfüllung II 204. - Gewalt, öffentliche I 67; Gewalten, ge-
trennte I 68. - Gewaltanwendung als polizeil. Zwangs-
mittel I 340. 346; Formen der Ge-
waltanwendung I 358; im Finanz-
[478]Sachregister.
zwang I 470. 472; bei öffentlichen
Lasten II 273. - Gewaltverhältnis I 102. 103; im Finanz-
recht I 439; aus der Dienstpflicht
II 234; aus der Verleihung öffent-
licher Unternehmungen II 309; in
der öffentlichen Anstalt II 335;
in der öffentlichen Genossenschaft
II 432; ausgedehntes II 436, 23. - Gewerbewesen; Einspruch gegen gewerb-
liche Anlagen I 187, 16; feuer-
polizeiliche Anordnungen für den
Betrieb I 277, 8. 292, 7; zum Be-
trieb Berechtigte nach Gew.O. § 1
I 288, 2; Entschädigung für nach-
trägliche Unterdrückung II 352, 8;
Wirkung der Erlaubnis für Rechts-
nachfolger I 294; Befristung un-
zulässig I 297, 15; Zurücknahme
der Erlaubnis I 303, 25; Auflagen
bei Erlaubnis von Dampfkesseln
I 300, 20; Gewerbebetrieb im Um-
herziehen I 289, 3; Kolportage
I 295, 13; jugendliche Arbeiter
I 324, 17; Innung II 381. II 392, 8;
Statuten I 129, 18; s. auch Schank-
wirtschaft. - Gewohnheitsrecht I 130.
- Gnadenrecht in Finanzsachen I 430, 21.
- Grundbuch, bei Enteignung II 37, 13;
bei öffentlichem Eigentum II 100. - Grunddienstbarkeit, öffentlichrechtliche
II 164. - Grundlasten, Ablösung I 146.
- Grundrechte s. Freiheitsrechte.
- Grundsteuer I 392, 7. 393, 8.
- Gutsbezirke, selbständige II 449; Guts-
vorsteher II 210, 8. 215.
Appendix A.8 H.
- Häfen II 65, 9; Hafengebühren II 128.
130, 25. 26. - Haftung, civilrechtliche, des Staates für
seine Beamten I 241; staatsrecht-
liche II 359; der Post II 331, 16. 17.
332, 19. 353, 10. 356, 13; der Tele-
graphenanstalt II 331, 17; für be-
schlagnahmte und hinterlegte
Sachen II 350, 7; des Dienstherrn
für Finanzstrafen I 465; der ab-
geordneten Vertreter des Selbst-
verwaltungskörpers II 399; staat-
licher Anstalts- und Stiftungs-
beamter II 410; s. auch Entschädi-
gung, Schadensersatzpflicht. - Handelsrichter II 209.
- Hausbesitzer, Recht an der Straße II
135. 136. 353, 10; Straßengebühren
II 282, 7; Last der Straßen-
pflasterung II 283, 8. - Hebammenbezirke II 285.
- Heerdienstpflicht II 203.
- Heerordnung, Publikation II 235, 2.
- Heimatsrecht II 386. 437, 24.
- Heimfall des Anstaltsvermögens II 440.
- Hinterlegung, gerichtliche II 323, 6;
Haftung des Staates II 350, 7. - Hinterziehung I 449. 453; kein Betrug
I 457. - Hoheitsrechte I 25.
Appendix A.9 I.
- Impfzwang II 333.
- Indirekte Steuer I 400.
- Individualrechte II 117.
- Innere Verwaltung I 13.
- Innung II 381. 392, 8; Aufgabe II 424, 2;
Statut I 129, 18. - Instruktion s. Dienstvorschrift.
- Internationales Privatrecht II 454. 457, 8.
- Interessenten der öffentlichen Anstalt II
379. - Invaliditäts- und Alters-Versicherung;
Anstalt II 382, 10; Ämter II 398, 6.
409, 24; Vertretung der Angehöri-
gen II 400, 9; Markenentwertung
I 405, 22. - Irrtum als Strafausschließungsgrund bei
Polizeidelikt I 323; bei Finanz-
delikt I 451; amtlicher Irrtum,
Haftbarkeit I 229; Strafbarkeit
des Widerstandes I 360. - jura quaesita I 30.
- Jurisdiktion I 64.
- Juristische Person II 367; des öffent-
lichen Rechts II 371; neben Last-
verbänden II 291; Verleihung der
juristischen Persönlichkeit II
[479]Sachregister.
375, 12. 392, 7; Bezeichnung des
Amtes als juristische Person II
387, 1. - Justiz I 7; Justizverwaltung I 8.
Appendix A.10 K.
- Kanäle, schiffbare II 76; Gemeingebrauch
II 123; besonders angewiesene
Liegeplätze II 139; Kanalgebühr
II 128; verliehene Kanäle (Kon-
zession) II 307. - Kassation I 187, 18.
- Kapitulantenverträge II 228, 19.
- Kataster I 397.
- Kautionspflicht der Beamten II 262.
228, 20. - Kirchengebäude II 79; Kirchstühle II
152. 160, 15. - Kirchengemeinde II 79. 291, 20.
- Kirchhof II 77 s. Beerdigungswesen.
- Klagerecht I 173.
- Kolportage I 295, 13.
- Kompetenzkonflikt I 220; Kompetenz-
konfliktshof I 223. - Konflikt bei Verfolgung von Beamten I
236. - Konsulate II 454.
- Konten, laufende I 413. 415.
- Kontingentierte Steuern I 391.
- Kontravention, finanzrechtliche s. Ord-
nungswidrigkeit. - Kontrebande I 449.
- Kontrolle s. Überwachung, Rechts-
kontrolle. - Konzession s. Verleihung; mißbräuchlich
für Polizeierlaubnis I 287, 1. II
295. - Körperschaft II 383, 11.
- Kosten der polizeilichen Ersatzvornahme
I 339; der Verwaltungsrechts-
pflege I 183, 10. - Krankenkasse, Gründung II 393, 9. 10;
verschiedenartige Mitglieder II
382, 9; statutarische Ordnungs-
strafen II 433, 19. - Kriegführung als Gegensatz der Ver-
waltung I 11. - Kriegsleistungen II 267.
- Kriegsschäden II 365.
- Kundgabe des Polizeibefehls I 278;
symbolische I 280, 12; der Ver-
leihung II 307; des Dienstbefehls
II 235; der Anstaltsordnung II
339.
Appendix A.11 L.
- Landesherrliche Hoheitsrechte I 25. 27.
- Landlieferungsverbände II 285. 293, 21.
- Lasten, öffentliche II 263; des Selbst-
verwaltungskörpers II 423. - Leihhäuser, öffentliche II 323; Heraus-
gabepflicht II 330, 14. - Leinpfad II 168, 5; Entschädigung II
176, 15; als Gemeindeweg II
430, 14.
Appendix A.12 M.
- Machtsprüche in Justizsachen I 41.
- Magistrat II 405.
- Mahnung, statt Befehl I 284; bei Polizei-
delikt I 316. - Manöverschäden II 183.
- Märkte II 143, 4; Benützung II 322;
Marktpolizei II 335; Gebühren II
146, 7. - Meldewesen I 270, 15. II 456, 7.
- Militärlasten II 267.
- Militärpolizeiliche Thätigkeit I 374.
- Militärschießplätze II 180; Scharf-
schießen im Gelände II 180, 4. - Militärische Schaustellungen und Auf-
züge I 349, 7. 374. II 127. - Mitgliederversammlung der Genossen-
schaft II 396. - Mobilmachung als Voraussetzung der
Kriegsleistungen II 270. - Monopol I 434. II 334 2.
Appendix A.13 N.
- Nachfolge in die Rechtskraft I 199; in
die Polizeierlaubnis I 294; in die
damit verbundene Auflage I 300;
in die begonnene Zwangsvoll-
streckung I 340, 25. - Nachprüfung in der Verwaltungsrechts-
pflege I 180; der Rechtsgültigkeit
eines Polizeibefehls I 281; fremd-
[480]Sachregister.
staatlicher Verwaltungsakte II
467, 27. - Nachhebung der Steuer I 418.
- Nahrungsmittelpolizei; Vernichtung I
268, 12; Untersuchungspflicht I
325, 19. 324, 18; Fleischbücher I
336, 19; Polizeioffenheit der Auf-
bewahrungsräume I 368, 16. - Naturalleistungen II 266.
- negotiorum gestio s. Geschäftsführung
ohne Auftrag. - Nichtigkeit von Verwaltungsakten I 100, 7.
- Nichtigkeitsbeschwerde I 190, 24.
- Niederlagen, steuerfreie I 407, 3. 409, 7.
410. 443, 13. 471, 2. 474, 4. - Notstandsrecht der Verwaltung I 354.
II 268. - Notverordnung I 12.
Appendix A.14 O.
- Oberrechnungskammer II 258.
- Oberverwaltungsgericht I 189.
- Observanz I 133.
- Öffentliche Gewalt I 67.
- Öffentliche Sachen s. Sachen.
- Öffentliche Verwaltung I 141.
- Oktroi I 402.
- Ordnungsstrafe, finanzrechtliche I 449;
aufsichtsrechtliche II 416; ge-
nossenschaftsrechtliche II 433, 19;
s. auch Ungehorsamsstrafe, Dis-
ciplinarstrafe. - Ordnungswidrigkeit, finanzrechtliche I
450. - Organ II 395, 2.
- Ortspolizei II 425.
Appendix A.15 P.
- Parlamente, französische I 55.
- Parochiallasten II 285.
- Partei I 181; Parteirolle I 181; Be-
deutung für die Rechtskraft I
197. - Parteistreitigkeit des öffentlichen Rechts
I 182. - Paßzwang II 456, 7.
- Pension, Pensionierung s. Ruhegehalt,
Ruhestand. - Person s. Juristische Person.
- Pferdeaushebung II 264, 2.
- Pflichtigerklärung, aufsichtsrechtliche II
414. - Plätze, öffentliche II 76.
- Polizei I 249; jus politiae I 28; Be-
deutung im Polizeistaat I 38;
Polizeiverordnung I 273. 313, 4;
Polizeiverfügung I 273; Polizei-
erlaubnis I 287; Polizeistrafe I
306; Polizeizwang I 326. - Polizeiwidrigkeit I 259; unbeleuchtete
Treppe, Bienenstand, Ofenklappe
I 260, 2; Schießstand, Bäckeresse
I 261, 3; Spülwasser, versumpfen-
des Grundstück I 266, 10; sicher-
heitsgefährliche Pfähle I 268, 12;
einsturzdrohende Gebäude I 317, 8;
Betrunkene I 365, 13; drohende
Schlägerei I 353, 12; unbeauf-
sichtigtes Fuhrwerk I 354, 13. - Polizeimannschaft I 359; Betreten von
Privatgrundstücken II 182, 5. - Polizeiverwaltung, örtliche, Kosten II
424; Erstattung II 428, 10. - Post II 323; Annahmepflicht II 325;
Postregal, Postzwang II 333; Straf-
schutz I 448, 2; Nachbargrund-
stücke benützt II 182; Postbrief-
kasten II 139. 141. 185; Haftung
für Gelder II 330, 15; für Post-
stücke II 331, 17 350, 7; für Ver-
spätung II 353, 10; Portopflicht II
339, 10. 342, 15. 343, 16. 344, 18—20;
Internationales Bureau II 460. - Präventiv-Polizei I 255.
- Prägravation in Verbandlasten II 289.
- Privatbahnen II 300; Schienenanlage auf
der Straße II 150, 4. 154, 8. - Privat-Kreditlager I 412.
- Privatnorm II 391, 5.
- Privatleben, Privatwohnung I 259; poli-
zeiliches Eindringen I 366. - Privatpost I 264, 8. II 328.
- Privatstraße II 297.
- Privattelegraph II 301.
- Promulgation I 282, 17.
- Prüfungsrecht des Dienstuntergebenen
II 236.
[481]Sachregister.
Appendix A.16 Q.
- Quartierleistung II 269, 7. 270, 8. 271, 9.
- Quellen des Verwaltungsrechts I 119.
- Quotitätssteuer I 391.
Appendix A.17 R.
- Rayonbeschränkungen II 168. 171, 8.
173, 11; verbundene Kriegs-
leistungen II 188, 14; Entschädi-
gung II 176, 15. - Reallasten, öffentlichrechtliche II 268.
- Rechte, subjektive öffentliche I 109;
entsprechende Gebundenheit der
vollziehenden Gewalt I 78. - Rechtmäßigkeit der Amtshandlung I 359.
- Rechtsbeschwerde I 153, 9. 190.
- Rechtsgeschäft, öffentlichrechtliches I
101. - Rechtsgültigkeit, Selbstbezeugung durch
obrigkeitlichen Akt I 282. - Rechtshülfe, zwischenstaatliche II 470.
- Rechtsinstitute des Verwaltungsrechts I
135; gemischte I 145. - Rechtskontrolle der Verwaltung I 180.
190. - Rechtskraft I 174; Umfang I 196.
- Rechtspflege I 7; freiwillige I 8.
- Rechtsprechung I 163. 400, 16.
- Rechtssatz I 91, 17.
- Rechtsschutz I 148.
- Rechtsstaat I 61.
- Rechtsverordnung I 126, 11.
- Rechtsweg I 150, 4; Entscheidung der
Gerichte darüber I 221; im Kom-
petenzkonflikt I 224. - Referendar II 232.
- Regalien I 26. II 129; im heutigen Recht
II 298. - Regierung I 4. 80, 17.
- Reglement s. Generalverfügung.
- Regulative in Zoll- und Steuersachen I
435. - Reichsbank II 296, 3. 308, 24; Betrieb
II 323; Rückkauf II 440 10; keine
juristische Person des öffentlichen
Rechts II 373, 11. 377, 3. - Reichskammergericht I 27.
- Remonstration s. Gegenvorstellung.
- Repartitionssteuer I 391.
- Repressive Polizei I 255.
- Requisition s. Anforderung.
- Reserveoffizier II 209. 214, 18.
- Rettung, polizeiliche I 356.
- Revision, Rechtsmittel I 190. 187, 18;
Rechtskraft des Urteils I 201. - Rinderpest s. Viehseuchen.
- Rückerwerb enteigneter Sachen II 58.
- Rückforderungsanspruch, öffentlichrecht-
licher I 425. II 429. - Rückkauf verliehener Eisenbahnen II 317.
- Rücktritt von der Enteignung II 52.
- Ruhegehalt II 253.
- Ruhestand II 232; einstweiliger Ruhe-
stand II 226.
Appendix A.18 S.
- Sachen, öffentliche II 60; Feststellung
der Eigenschaft II 94; Selb-
ständigkeit des Besitzes II 186. - Sachverständigenpflicht II 269.
- Salzsteuer, Überwachung der Anlagen
I 440, 12; Schließung der Anlagen
I 472, 3. - Schadensersatzpflicht des Beamten gegen-
über dem Dienstherrn II 259. - Schaubuden auf öffentlichen Plätzen II
139. - Schenkwirtschaft, Bedürfnisfrage I 168, 14;
Wechsel des Rechts I 203, 18;
Sommerwirtschaft I 296, 14; Er-
satzlokalien I 295, 12; Wechsel
des Lokals I 295, 13; Nachfolge
in die Erlaubnis I 293, 9; ver-
botener Branntweinhandel im
Nebenbetrieb I 267, 11; Zwang
zur Beseitigung der Einrichtungen
I 336, 20. 342, 28; Polizeioffenheit
der Räume I 368. - Schiedsgericht II 319; Bayr. V.G.H. als
Schiedsgericht I 167, 13. - Schießstand, militärischer II 180, 4.
- Schiffahrt auf öffentlichen Flüssen und
Kanälen II 122. 123, 17; Polizei
II 125; Abgaben II 130, 26; inter-
nationale Kommissionen II 460. - Schlachthaus II 322; Zwang zur Be-
nutzung II 333. 334. - Schließung der öffentlichen Genossen-
schaft II 443. - Schöffendienst II 203.
- Schule, öffentliche II 322; Schulpflicht
II 333; Schuldisciplin II 338, 8;
Schulgeld II 340, 12. 343, 16;
Schullast II 285. 424, 2; Schul-
verbände II 292, 20; Verträge über
Errichtung von Schulen II 289, 16.
430, 14; Schulstiftung II 439, 7. - Schutzmannschaft I 359.
- Selbstbetrieb des Enteignungsverfahrens
durch den Eigentümer II 53. - Selbstbindung des Staates I 86.
- Selbsthülfe des Landesherrn I 36.
- Selbstverteidigung, polizeiliche I 348.
- Selbstverwaltung II 372, 9; Selbstverwal-
tungskörper II 371; Arten II 377. - Selbstverwaltungslast II 423.
- Servis II 276 20.
- Servitut s. Grunddienstbarkeit.
- Sicherheitspolizei I 246. 256.
- Sistierung s. Gestellung.
- Sparkasse als öffentliche Anstalt II 323;
mit juristischer Persönlichkeit II
380. - Spielkarten, Steuerhinterziehung I 465.
- Staat I 3; Entwicklung der Staatsidee
I 38; als juristische Person des
öffentlichen Rechts II 369. - Staatenbund II 461.
- Staatsangehörigkeit, Bedeutung für das
Verwaltungsrecht II 196. 454. - Staatsfabriken I 141.
- Staatshaushaltsgesetz I 379.
- Staatsnotrecht I 11.
- Staatsrecht I 18.
- Staatsrechtliche Haftung II 359.
- Staatszweck I 26.
- Standesamt I 146, 16. II 425.
- Stadtverordnete II 402; keine Beamten
II 402, 13. - Statut, gesetzvertretendes I 127; Grün-
dungsstatut der juristischen Person
II 390; Vereinsstatut I 128. II
433. - Stempelsteuer I 404.
- Steuer I 386; Auflage I 388; feste und
bewegliche Steuer I 390; direkte
und indirekte Steuer I 395; inter-
nationale Geltendmachung II 457, 9. - Steuerbewilligungsrecht I 381.
- Steuererlaß I 429.
- Steuererleichterungen I 406.
- Stierkörung I 287, 1.
- Stiftung als Rechtsgeschäft II 378, 4;
Stiftungs- oder Anstaltspersönlich-
keit II 377; Stifter II 380; Mit-
wirkung bei Entstehung der juristi-
schen Person II 391; Sonderrechte
II 401; Stiftungszweck II 441. - Strafbare Handlungen, gewaltsame Ver-
hinderung I 352. - Strafgerichte, Nachprüfung der Gültig-
keit von Verwaltungsakten durch
sie, I 211. 216. 282. - Straßen, öffentliche II 76; auf Grund
von Dienstbarkeiten II 167; Ge-
meingebrauch II 119; besondere
Gebrauchserlaubnis II 138; ver-
liehene Nutzungen II 149; Rechte
der angrenzenden Hausbesitzer II
132; Straßenpolizei II 93. 125;
Straßenbaumaterial, Recht der
Entnahme II 171, 9; Schädigung
angrenzender Grundstücke II
180, 4; Benützung derselben bei
Ungangbarkeit der Straße II
183, 7; Straßenschilder, Straßen-
laternen II 185; Reinigungspflicht
der Hausbesitzer, Unterhaltung
der Bürgersteige II 279, 3. 284, 10;
Straßengebühren II 282, 7. 283, 8;
freiwillige Beiträge II 278; ver-
liehene Straßen II 297. 298, 5;
Wegeverbände II 285; Wegelast
der Gemeinde II 424, 2; Verträge
über gemeinsame Straßen II
430, 14; Haftung für Unglücks-
fälle bei der Benützung II 132;
Privatstraßen II 297. - Ströme s. Flüsse.
- Submission s. Vergleich.
- Substrat der juristischen Person II
438, 3. 450, 28. - Supernumerar II 232.
[483]Sachregister.
Appendix A.19 T.
- Tabaksteuer, Stundung I 417; Kredit-
Certifikate I 411, 12; Erlaß I
431, 22; Finanzbefehle für den
Pflanzer I 446, 15; Betrug beim
Verwiegen I 461. - Tanzbelustigung, Polizei I 335, 18.
- Tarif für Gebühren auf die Anstalts-
nutzung II 339. - Telegraphenanstalt, Ausschlußrecht II
301; Benutzung II 323. 327, 10;
keine Haftung des Staates II 329;
Telegraphenträger II 185. - Telephondrähte II 185.
- Teilungssachen I 146. 167.
- Teilung einer Gemeinde II 449.
- Thatsächliche Voraussetzungen der poli-
zeilichen Verfügung I 192. - Theater II 323.
- Transaktion s. Vergleich.
- Triebwerke an öffentlichen Flüssen II
151. - Trennung der Gewalten in Frankreich
I 57; in den deutschen Ver-
fassungen I 67; im Bundesstaat
II 464. - Trennung der Justiz und Verwaltung
I 58. - Trinkhallen II 139.
- Trunkenbolde, indirektes Wirtshaus-
verbot I 156, 13; polizeiliche Ver-
wahrung I 365, 13.
Appendix A.20 U.
- Übertragbarkeit öffentlicher Rechte I
117. - Übertragung der Kraft des Gesetzes I
74. 76. 92. - Überwachung, polizeiliche I 269; Über-
wachungsgewalt, finanzrechtliche
I 439. - Unabhängigkeit der Gerichte I 41.
- Unfallversicherung; Statut der Berufs-
genossenschaft II 392, 8; Zwangs-
vereinigung II 393, 10; Vertretung
der Arbeiter II 397, 5; Ehren-
ämter II 398, 6; Unfallverhütungs-
vorschriften II 436, 23. - Ungehorsamsstrafe, polizeiliche I 328;
finanzrechtliche I 470; dienst-
rechtliche II 241; bei Verleihung
öffentlicher Unternehmungen II
311. - Ungültigkeit der Verwaltungsakte I 99;
Grund zur Zurücknahme I 305. - Ungültigerklärung, aufsichtsrechtliche,
von Akten des Selbstverwaltungs-
körpers II 414. 420. - Unmittelbarer Zwang durch polizeiliche
Gewaltanwendung I 346. - Unternehmen, öffentliches II 10. 263.
294. 318 1. - Unterthan II 383.
- Unterwerfung s. Verwaltungsakt.
Appendix A.21 V.
- Veranlagung zur direkten Steuer I 396.
- Veredelungsverkehr I 416.
- Verein als Grundlage juristischer Per-
sonen II 381. 383; Auflösung II
446. - Vereinsgewalt II 432.
- Verfahren in Beschwerdesachen I 158;
in Verwaltungsstreitsachen I 171. - Verfassung I 3; Verfassungsstaat I 3;
Rechts- und Verfassungsstaat I 61. - Verfolgung von Beamten wegen Amts-
handlungen, Beschränkung I 234. - Verfügung I 101.
- Vergleich über Finanzstrafen I 469.
- Verhaftung I 364.
- Verjährung der Steuern I 420.
- Verkehrssteuern I 402.
- Verleihung II 147; besonderer Nutzungs-
rechte II 148; öffentlicher Ämter
II 224; öffentlicher Unterneh-
mungen II 294. Uneigentlich:
Verleihung des Enteignungsrechts
II 19; juristischer Persönlichkeit
II 375, 12. - Vermögensrechtliche Ansprüche I 138;
im Polizeistaat I 50. - Vermutungen beim Finanzdelikt I 463.
- Veröffentlichung I 278 s. Kundgabe.
- Verordnung I 122; Polizeiverordnung I
273; bindende Kraft I 89. - Versammlung; Beaufsichtigung I 253, 19;
31*
[484]Sachregister.
Auflösung I 103; als Anlaß von
Polizeiwidrigkeiten I 266, 10; Zu-
rücknahme der Erlaubnis I 303, 25. - Verschulden beim Polizeidelikt I 320;
beim Finanzdelikt I 451. - Verträge, öffentlichrechtliche I 98, 5.
137, 3; im Lastenverband II 289, 16;
zwischen juristischen Personen des
öffentlichen Rechts II 430; über
die Steuerpflicht I 426; über öffent-
liche Sachen II 97; völkerrecht-
liche II 459. - Vertreterschaft des Selbstverwaltungs-
körpers II 394. - Verwahrung, polizeiliche s. Verhaftung.
- Verwaltung I 13.
- Verwaltungsakt I 95; Geschichte I 59, 10.
I 64; Verwaltungsakt auf Unter-
werfung I 98; Verwaltungsakt in
Gesetzesform I 12. II 7. 307.
450. - Verwaltungsbeschwerde I 153, 9.
- Verwaltungsgericht I 178.
- Verwaltungsgesellschaft, völkerrechtliche
II 460. - Verwaltungsgesetz I 81. 119.
- Verwaltungsjurisdiktion I 64.
- Verwaltungsklage I 153, 9. 190.
- Verwaltungslehre I 16.
- Verwaltungsorganisation I 14.
- Verwaltungspolizei I 256.
- Verwaltungsprovisorien I 211.
- Verwaltungsrecht I 18.
- Verwaltungsrechtspflege I 161; Begriff
I 177; Streit über die Zulässig-
keit I 63; in Ermessenssachen I
168, 14. - Verwaltungsstreitsachen I 178.
- Verwaltungsvermögen II 71.
- Verwaltungsverordnung I 124. 126, 11.
- Verwaltungsvorschriften I 125. 436.
- Verwirkung des verliehenen Unter-
nehmens II 316. - Verzicht auf öffentliche Rechte I 117;
auf Polizeierlaubnis I 301; auf
verliehene Nutzungen II 157; auf
verliehene Unternehmungen II
315. - Viehseuchen, Zwangsmaßregeln I 347;
Anordnungen des Tierarztes I
317, 7; reichsrechtliche Dienst-
anweisungen II 471, 31. - Vollstreckungsbeamte I 358.
- Vollziehende Gewalt I 77; Anwendungen
des Begriffs I 88, 11. 196, 3.
430, 21. - Vollziehung I 85.
- Völkerrechtlicher Vertrag II 459.
- Volkssouveränetät in Frankreich I 57;
in Deutschland I 60. - Volksvertretung bei Gesetzgebung I 6.
I 60; Steuerbewilligung I 380;
Staatshaushaltsplan I 384. - Vorbehalt der gesetzgebenden Gewalt I
74; der Reichsgewalt II 465. - Vorentscheidung bei Klage aus rechts-
widrigen Amtshandlungen I 236. - Vorfrage, öffentlichrechtliche I 217.
- Vormundschaft, aufsichtsrechtliche II
419. - Vorrang der gesetzgebenden Gewalt I
72; der Reichsgewalt II 465.
Appendix A.22 W.
- Waffengebrauch I 369.
- Wahl zur Genossenschaftsvertretung II
397; von Gemeindebeamten II
404. - Wahlrecht I 114.
- Wasserhoheit II 62.
- Wasserstau II 151; s. Flüsse.
- Warnungstafel I 280, 12.
- Wegehoheit II 62; Wegeregal II 298
s. Straßen. - Widerruf verliehener Nutzungen II 158.
- Widerstand gegen Amtshandlungen I
359. - Widmung öffentlicher Sachen II 86.
- Wirkungskreis des Selbstverwaltungs-
körpers II 423; übertragener II
424. - Wohlerworbene Rechte I 30.
- Wohlfahrtspolizei I 246.
[485]Sachregister.
Appendix A.23 Z.
- Zeugnispflicht II 269. 271, 12.
- Zollwesen; Zollaufsichtsbeamte, Betreten
von Privatgrundstücken II 182, 5;
Zollerleichterungen I 406; Zoll-
kredit, eiserner I 412; Zollpflicht
I 403, 18; Zollregulative I 435. - Zurücknahme des Polizeibefehls I 285;
der Polizeierlaubnis I 302. - Zusammenlegung von Grundstücken I
146. - Zustellung des Polizeibefehls I 280; der
Bestallung II 221. - Zwangsbeitreibung, administrative I 474.
- Zwangsdienstpflicht II 202.
- Zwangsgestellung s. Gestellung.
- Zwangseinschreibung II 421.
- Zwangsvollstreckung gegen Fiskus I 212;
gegen Selbstverwaltungskörper II
421; polizeiliche I 326.
[][]
Appendix B Verlag von DUNCKER \& HUMBLOT in Leipzig.
Systematisches Handbuch
der
Deutschen Rechtswissenschaft.
Herausgegeben von Dr. Karl Binding, Professor in Leipzig.
Von dem Handbuche sind bisher erschienen:
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[]
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ristische Bildung. Preis 80 Pf.
[][][]
so genannte Enteignungsgesetzgebung beschäftigt sich nur mit den unbeweglichen
Sachen“. Ähnlich Schelcher, Rechtswirkungen d. Ent. S. 3. Man pflegt ja
häufig überall von Enteignung zu sprechen, wo der Staat etwas nimmt und dafür
entschädigt. Das sind aber ganz äußerliche Ähnlichkeiten. Es hat keinen Wert
sie zu betonen. Beispiele: Klostermann, Patentges. S. 154; Prazak, Ent.R.
S. 73 Anm. 5. Vgl. vor allem unten § 47 Note 2 u. 6.
Beispiel bietet der Bd. I § 3 Note 10 und 20 besprochene Fall. Im Gegensatz
zu G. Meyers gründlichen Forschungen ist, was L. v. Stein, Verwaltungslehre
VIII S. 301 ff., als „Elemente der Geschichte des Enteignungsrechts“ giebt, großen
§ 3, giebt sich noch die Mühe, die gemäß dem alten Hoheitsrechte zulässigen Ent-
eignungsfälle aufzuzählen, kommt aber dann auf zweifelhaftes Gebiet und schließt
mit dem Satze: „Man wird aber in solcherlei Fällen schwerlich fragen, was
Rechtens sei.“ Das ist eben der Polizeistaat. Ein Beispiel von völlig formloser
Enteignung durch thatsächliche Besitzergreifung in Bd. I § 4 Note 4 (C.C.H.
8. April 1854).
über dem gesetzten Rechte Erörterungen noch ihren guten Zweck, wie sie z. B.
G. Meyer, R. d. Expropr. S. 163 ff., unter der Überschrift „Das staatsrechtliche
Prinzip der Expropriation“ anstellt. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 6, sowie
Grünhut, Ent.R. S. 4, beide unter der Überschrift „Begründung des Enteignungs-
rechts“. Etwas ganz anderes ist es, wenn v. Stein, V.lehre VII S. 295, in solchen
Begründungen erst suchen zu müssen glaubt, wie die vom Gesetz gewollte Ent-
eignung „ein Recht sein könne“. Das ist eine müßige Frage.
mäßiges Enteignungsrecht, verfassungsmäßiges Enteignungsrecht, so schwebt ihm
dabei entschieden das Richtige vor.
Vollzug der Enteignung im Einzelfall einem Akte des Gesetzes selbst vorbehält:
Franz. Ges. v. 3. Mai 1841 art. 3; Hamb. Ges. v. 14. Juli 1879; Brem. Verord.
v. 14. Juni 1843. Das ist dann ein Verwaltungsakt in Gesetzesform (Bd. I S. 12).
Allerdings kann dieses Gesetz jederzeit aus der Rolle fallen und sich auf seine
Allmacht besinnen. Insofern ist hier, wie v. Rohland, Ent.R. S. 26 bemerkt,
„der Schutz gegen einen Mißbrauch des Enteignungsrechtes problematisch“, oder,
wie wir es ausdrücken würden: die Formen des Rechtsstaates sind nicht gesichert.
„jene Funktion der Verwaltung, kraft welcher dieselbe im Grunde freien Ent-
schlusses ein Recht aufhebt oder beschränkt“.
deutschen Enteignungsrecht als Vorlage gedient hat (Grünhut, Ent.R. S. 46;
Seydel, Bayr. St.R. III S. 624), verschärft diesen Gedanken noch durch eine
ganz seltsame Hereinziehung des Civilgerichts; Theorie d. Franz. V.R. S. 236 ff.
juristische Auffassung die Grundidee verschwindet: das öffentliche Unternehmen
allerdings soll in der Enteignung seine Kraft bewähren; aber diese ist übersetzt in
den staatlichen Verwaltungsakt, der allein nach außen wirkt. Sieht man mehr auf
den sachlichen Hintergrund, das wirtschaftliche Verhältnis, so mag man immerhin
auch den Unternehmer als den Enteigner bezeichnen. Die Ausdrucksweise der
Schriftsteller schwankt daher: Laband in Arch. f. civ. Pr. 52 S. 170; Grünhut,
Ent.R. S. 78 ff.; ders. in Conrads Handwörterb. III S. 258; Bornhak, Preuß.
St.R. III S. 295; Jellinek, Subj. öff. Rechte S. 241; G. Meyer, V.R. I S. 284
Note 9. Vielleicht wäre zu helfen, wenn man einen Enteigner im formellen und
im materiellen Sinne unterschiede, gerade wie beim Gesetz, mit dem Vorbehalte
wie dort, daß eigentlich nur der im formellen Sinne der richtige ist (Bd. I S. 72
Note). — In gleicher Weise mag man dann auch von einem Enteignungsrecht,
Enteignungsanspruch des Unternehmers reden. Nur wenn man Folgerungen aus
den Begriffen Recht und Anspruch ziehen will, werden wir Verwahrung einlegen;
vgl. unten Note 14 und § 34 Note 16 u. 29.
betr. versch. Rechtsmaterien S. 1—47.
stünde dem Reich auch so offen; aber vermöge ihres freien Ermessens würde die
Enteignungsbehörde des widerspenstigen Gliedstaates diesen Weg allzu leicht ver-
sperren können; deshalb macht das Reich selbst die Feststellung des Enteignungs-
falls durch Verwaltungsakt in Gesetzesform. Die Gliedstaatsbehörden sind zum
Vollzug dieses Aktes gebunden, als wäre er im ordentlichen landesrechtlichen Ver-
fahren ergangen. Auf Grund desselben würde die Enteignung durchgeführt werden
können, auch wenn etwa landesgesetzlich ein Enteignungsverfahren überhaupt nicht
vorgesehen wäre. Reichsgesetzliche Enteignungsnormen, über deren Zulässigkeit
man streitet, wären nicht notwendig: mit gesetzlicher Grundlage und Verwaltungs-
akt läßt sich alles machen. Seydel, Komm. z. Reichsverf. S. 189; Laband,
St.R. II S. 114 (2. Aufl. S. 105).
Ges. v. 27. Mai 1821 art. 1.
zählung der Fälle, in welchen Enteignung zulässig ist. Es muß gleichwohl außer-
dem „in jedem einzelnen Fall noch eine besondere Untersuchung der Notwendig-
keit oder Gemeinnützigkeit der Unternehmung eintreten“; Seydel, Bayr. St.R. III
S. 630. Deutlicher kann man einen Fall des freien Ermessens nicht bezeichnen.
Nach Seydel a. a. O. S. 646 müßte hier alles zu richterlichem Ermessen werden,
aus dem Begriff des öffentlichen Interesses einen festen Maßstab zu gewinnen; es
läuft schließlich alles auf ein Mehr oder Weniger hinaus (S. 407): „daß man
versucht sein könnte, statt zwischen Dingen von öffentlichem Interesse und ohne
solches vielmehr zwischen Dingen von mehr oder weniger öffentlichem Interesse zu
scheiden.“ — In obigem Sinne v. Rohland, Ent.R. S. 22 ff.; Schelcher,
Rechtswirkungen der Ent. S. 2. Letzterer meint „Im engeren wissenschaftlichen
Sinne des Wortes ist Enteignung nur diejenige auf Grund öffentlichen Rechtes er-
folgende Entziehung eines Gegenstandes, welche zum Zwecke der Durchführung
eines öffentlichen Unternehmens geschieht.“ Wenn das Gesetz Enteignung gestattet
für ein Unternehmen, welches das Grundstück nicht unmittelbar zu seiner Durch-
führung, sondern in anderer Weise verwenden will, so ist das unseres Erachtens
immer noch Enteignung, auch im wissenschaftlichen Sinn. Die wissenschaftliche
Betrachtung des Instituts erkennt nur darin eine Abweichung vom Ordentlichen,
Regelmäßigen.
„denn es handelt sich um eine Voraussetzung für das Dasein eines Rechts-
anspruches“. Wir folgern umgekehrt: weil hier freies Ermessen besteht, ist der
sog. Enteignungsanspruch kein Rechtsanspruch. Daß hier doch Verwaltungsrechts-
pflege stattfinden kann, worauf es Seydel ankommt, ist dadurch ja nicht aus-
geschlossen; vgl. Bd. I S. 167 ff.
wesens“, daß nicht enteignet werden kann für „private Gemeindezwecke“, z. B.
Anlegung eines näheren Weges nach dem Gemeindewald. Ebenso Grünhut
Ent.R. S. 79: „dieses Recht … trägt in sich selbst seine Begrenzung“; es kann
nicht geübt werden „im vermögensrechtlichen Interesse des Ärars“.
Zonen-Expropriationen; Neumann in Annalen 1886 S. 405. Daß hier mehr ge-
nommen werden darf, als das Unternehmen selbst fordert, um das mit Vorteil
weiter veräußern zu können, bezeichnet v. Rohland, Ent.R. S. 22 Note 3,
geradezu als das „Verwerfliche“ an der Einrichtung.
wesentlich für die Enteignung aufstellt „die Übertragung in das öffentliche Gut“,
d. h. das öffentliche Eigentum (a. a. O. S. 76). Das scheint auf einem Miß-
verständnis der französischen Schriftsteller zu beruhen, oder vielmehr auf einer
Nachlässigkeit derselben, indem sie den Ausdruck domaine public (= öffentliches
Eigentum) manchmal gebrauchen, wo domaine de l’état stehen sollte. So findet
sich z. B. Grünhuts Satz bei de Lalleau, traité de l’expropr. I n. 164, und
Dufour, droit adm. VII n. 551. Das öffentliche Eigentum ist die hervorragendste
Form, in welcher das Grundstück einem öffentlichen Unternehmen dienstbar sein
kann: es stellt da selbst das öffentliche Unternehmen vor (unten S. 74). Es ge-
nügt aber, daß es civilrechtliches Eigentum des Subjektes der öffentlichen Ver-
waltung werden und bleiben soll, um als solches dem öffentlichen Unternehmen zu
dienen; das freilich ist mindestens verlangt.
Straße, das Hartmann, Ges. über Zwangsabtretung S. 28 Note 11 anführt, paßt
allerdings nicht. Als polizeiliche Maßregel würden wir auch, trotz des Wort-
lautes des Gesetzes Ziff. 13 und 14, die Schaffung eines Schutzstreifens für Kunst-
sammlungen nicht ansehen. Mit Recht hat man in Preußen solches schon in der
allgemeinen Ermächtigung, für öffentliche Zwecke zu enteignen, begriffen gefunden:
Bähr u. Langerhans, Ent.Ges. S. 10; über den grundsätzlichen Ausschluß
polizeilicher Zwecke ebenda S. 3 u. 4. Dagegen ist hierher gehörig Franz. Ges.
v. 13. April 1850 über gesundheitsgefährliche Wohnungen; Theorie d. Franz.
V.R. S. 237.
Seite abzuwägen sein (unten Note 30).
sonst betont: ein „Imperium“ steht hinter ihm (Seydel, Bayr. St.R. III S. 629),
ein Hoheitsrecht ist „in seiner individuellen Sphäre lokalisiert“ (Jellinek, Subj.
öff. R. S. 241 Note 1) oder man nennt ihn Mandatar, Cessionar des Staates u. s. w.
Wir sagen aber: er muß diese Stellung von außerhalb des Enteignungsverfahrens
haben; dieses zieht nur Folgen daraus und setzt sie um in die bestimmten Rechts-
wirkungen.
das Enteignungsrecht“. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 13; Loebell, Preuß.
Ent.Ges. S. 15. Das Unternehmerrecht ist gemeint; über den Namen streiten wir
nicht. Man geht davon aus, daß dem Privatunternehmer dieses Enteignungsrecht
verliehen werde, was selbst schon nur eine Vermengung zweier Begriffe ist (unten
S. 18). Der Gleichförmigkeit halber muß sich dann auch der Staat in zwei Per-
sonen spalten lassen, von denen die eine der anderen verleiht. So kommen wir
geradewegs auf die „glückliche Fiktion“ des Polizeistaates zurück, die für das
heutige Recht schlechthin eine Unwahrheit ist. In der Wirklichkeit des Vorganges
ist von alle dem nichts zu finden. Die Übereinstimmung mit den anderen Fällen
der Enteignung stellt sich im Gegenteil dadurch her, daß auch in diesen der
Unternehmer, nachdem er überhaupt einmal als berufen zu öffentlicher Verwaltung
anerkannt ist, nichts mehr „verliehen“ erhält, nicht mehr „ausgestattet“ wird mit
Enteignungsrecht, so wenig wie hier der Staat.
heiten, … welche in den natürlichen Bereich der Selbstverwaltung fallen, räumt
der Staat seinen Platz unter Wahrung seines Rechtes zur Überwachung der Pro-
vinz-, Kreis-, Gemeinde-Verwaltung; diese kann daher rücksichtlich der ihrer
Selbstverwaltung überlassenen öffentlichen Angelegenheiten das Enteignungsrecht
geltend machen.“ Der Staat räumt seinen Platz im Enteignungsverfahren nicht
vollständig, sondern behält noch den wichtigen Platz zurück, den die Enteignungs-
behörde ausfüllt; es handelt sich nur um die Unternehmerstellung im Prozesse.
Wenn wir aber genau sein wollen, dürfen wir auch nicht sagen: der Staat „räume
dafür seinen Platz“. Er hat ihn geräumt laut Verfassungsrecht des Selbstverwal-
tungsträgers, um dessen Angelegenheit es sich handelt: er erkennt jetzt nur an,
daß diese große Platzeinräumung für dieses Unternehmen zutrifft. Im übrigen
stellt er zu Gunsten dieses Unternehmens alsdann den Enteignungsfall fest, wie
er es für sein eignes thun würde: das ist hier so wenig eine Platzeinräumung wie
dort. Die Bedeutung des Selbstverwaltungsrechts kommt etwas besser zum Aus-
druck bei v. Rohland, Ent.R.: Gemeinden, sagt er, können „für ihre Zwecke
die Ausübung des Enteignungsrechtes beanspruchen“ (S. 13); die Gemeinde hat
„einen Anspruch auf Ausübung des Enteignungsrechtes durch den Staat“ (S. 14)
warum nennt dann v. Rohland denjenigen, der nur einen Anspruch gegen den Staat
hat, daß durch diesen das Enteignungsrecht für ihn ausgeübt werde, den Ent-
eigner? G. Meyer, R. der Expropriation S. 260, faßt die Sache so auf, daß
das Expropriationsrecht wohl von Hause aus dem Staate zustehe; der Staat aber
könne auch eine andere Person, insbesondere eine Gemeinde damit „ausstatten“.
Nun macht aber der Staat, nachdem einmal die Selbstverwaltungsangelegenheit
anerkannt ist, zu Gunsten der Gemeinde nichts anderes als die nämliche Fest-
stellung des Enteignungsfalles, die er auch für sich selbst macht: stattet er sich
also vielleicht auch selbst aus? Dieser Ausstattungsakt tritt am schroffsten auf
bei Thiel, Das Expropriationsrecht S. 17, 20. Hier wird wieder mit aller Ent-
schiedenheit davon ausgegangen, „daß der Staat allein als der Expropriant aufzu-
fassen ist“. Was hat aber dann die Gemeinde? Ein mandatum ad agendum: sie
ist Cessionarin des Staates, denn das Expropriationsrecht ist „cessibel“! Mit dem
ersten Satz: nur dem Staate gehört das Expropriationsrecht, hat man immer den
obrigkeitlichen Eingriff im Ausspruch der Verwaltungsbehörde im Auge, mit der
Cession dagegen läßt man diesen wieder bei Seite und denkt nur an die Unter-
nehmerstellung. Wenn man dabei gar nicht berücksichtigt, daß diese Stellung,
die Fähigkeit, öffentliche Unternehmungen zu führen und zu vertreten, schon im
Selbstverwaltungsrechte gegeben ist, so ist daran wieder der Gleichförmigkeitstrieb
schuld; die Gemeinde ist eine „andere Person“ gleich dem Privatunternehmer und
soll wie dieser erst „ausgestattet“ werden.
land, Ent.R. S. 12: „Der Staat verleiht nicht das Expropriationsrecht, das-
selbe ist im Gegenteil sein unveräußerliches Hoheitsrecht, welches er an-
erkanntermaßen allein durch seine Organe ausübt. Der Staat prüft ein Unter-
nehmen darauf hin, ob es einen öffentlichen Zweck verfolgt. Ist das der Fall, so
erkennt der Staat an, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des Ent-
eignungsrechtes gegeben sind, und wird für den Unternehmer in doppelter Weise
thätig.“ Die Verleihung kommt dabei allerdings nicht in ihrer ganzen rechtlichen
Bedeutung zur Geltung. Laband in Arch. f. civil. Pr. 52 S. 170, nachdem er
den Staat allein als den Enteigner bestimmt hat, bezeichnet die Stellung der kon-
zessionierten Aktiengesellschaft, welche die Eisenbahn unternehmen soll, lediglich
so: „Der Staat ermächtigt sie, zur Hebung des öffentlichen Verkehrs, soweit
es erforderlich ist, die im Privateigentum stehenden Grundstücke zur Anlage der
Straße verwenden zu dürfen.“ Wörtlich zu nehmen ist diese Ermächtigung nicht.
Thiel, Expropr.R. S. 20, hat natürlich gerade für diesen Fall seine Erklärung
geben wollen mit der Cession des staatlichen Expropriationsrechts. Bei den Be-
ratungen des bayrischen Enteignungsgesetzes wurde der Satz aufgestellt, daß
Private sich nur „als Mandatare des Staates des Expropriationsrechts bedienen“
(Seydel, Bayr. St.R. III S. 629 Note 5; Hartmann, Ges. über die Zwangs-
abtretung S. 34). — Die klarste juristische Auffassung der Sache findet sich wohl
bei Prazack, R. der Enteignung S. 67 Note 9: das Recht der Enteignung ist
überall ein staatliches Recht; wenn das Recht der Expropriation eingeräumt wird,
nehmigung des Ministeriums zur Enteignung (Feststellung des Enteignungsfalles)
zunächst nur eine „Weisung“. Es wird mit den Beteiligten auch über diesen
Punkt nachher noch verhandelt; Hartmann, Ges. über die Zwangsabtretung
S. 66 ff.
sondern nur das Recht der diesbezüglichen Antragstellung bei der Verwaltungs-
behörde verstanden“. „Das Recht auf die Expropriation anzutragen, (ist) nur ein
Ausfluß des durch die staatliche Konzession erworbenen Rechts zur Ausführung
einer im wirtschaftlichen Interesse für notwendig erachteten Unternehmung.“
gehoben worden, daß „im gewöhnlichen Prozeß es Sache des Klägers ist, seine
richtigen Gegner aufzufinden“. Hier aber sollen der Enteignungsbehörde die
Quellen der Angaben des Unternehmers zur Prüfung vorgelegt werden. Denn es
handelt sich um ein Verfahren, „welches die Bestimmung hat, den Streitgegen-
stand auf den betreibenden Teil als völlig unanfechtbares Eigentum zu übertragen,
welches also eventuell auch die Rechte Dritter vernichtet.“ Bähr und Langer-
hans, Ges. über die Enteignung S. 81. — Ähnlich das Bayr. Enteignungsges. v.
17. Nov. 1837 art. XV: Auflegung der Pläne zur Einsicht, öffentliche Aufforde-
rung, schriftliche Ladung aller Beteiligten zu einer Verhandlungstagfahrt. Ist ein
Beteiligter irrtümlich nicht zugezogen worden, so kann die abgeschlossene Ent-
eignung nicht als ungültig angefochten werden. Hartmann, Ges. über die
Zwangsabtretung S. 68 Note 1. — Nach Sächs. R. ist die Auffindung des richtigen
Gegners durch den Anschluß an die Grundbucheinträge gesichert; wenn gleichwohl
ein Fehlgehen stattfand, so wirkt die sonst formgerecht durchgeführte Enteignung
auch gegen den wahren Eigentümer: Schelcher, Rechtswirkungen S. 94.
Gesetz v. 3. Mai 1837 art. 5 verfügt, daß auf dem aufzulegenden Parzellarplan
der Eigentümer nach dem Grundsteuerkataster zu bezeichnen sei; gegen diesen
erfolgt der Enteignungsbeschluß des Präfekten und das Enteignungsurteil des
Gerichts; ihm wird auch das Urteil zugestellt, um es rechtskräftig zu machen mit
Wirkung auf das Grundstück. Über Zweck und rechtliche Bedeutung der Ein-
richtung: de Lalleau, traité de l’expropriation I n. 101.
Fiskus zugleich Unternehmer, so kann von einer Enteignung von Staatsländereien
nicht die Rede sein; Fiskus ist und bleibt Eigentümer der in Betracht kommenden
Grundstücke; die anderweite Verwendung derselben ist reine Verwaltungssache.“
Der letztere Ausdruck geht zu weit: auch die Enteignung ist reine Verwaltungs-
sache. Es soll heißen: es ist eine Sache, welche die Behörden allein unter ein-
ander auszumachen haben. — Vgl. auch Eger, Ges. über die Enteignung I S. 13.
Eigentums liegt, die rechtliche Natur des öffentlichen Eigentums aber durchaus
nicht so bekannt ist, so bemüht man sich verschiedentlich, den Satz mit falschen
Gründen zu stützen. Grünhut, Ent.R. S. 76 ff., geht ganz richtig davon aus,
daß bei der Frage, ob die Enteignung auch gegen den Staat zulässig sei, unter-
schieden werden müsse zwischen dem öffentlichen Gute (öff. Eigentum) und dem
Staatsgute (Privateigentum des Staates). Bei ersterem, meint er, sei die Enteignung
nicht möglich; denn es diene bereits dem öffentlichen Gebrauch und könne ihm
deshalb nicht erst zwangsweise gewidmet werden. Ungefähr ebenso sagt das auch
de Lalleau, traité de l’expropriation I n. 182; „en principe“ wenigstens, meint er,
sei es so. Aber der Grund stimmt doch bloß in gewissen Fällen, wenn etwa
Eisenbahnen und Straßen zusammentreffen. Es giebt auch öffentliches Eigentum,
welches nicht dem öffentlichen Gebrauch dient (Festungswerke) und vor allem giebt
von öffentlichem Eigentum schon durch die Widerlegung von Grünhuts zu weit
gehenden Auffassungen zu begründen. Prazak, R. der Enteignung S. 76
Note 11, weist dazu noch auf die Unzuträglichkeiten hin, welche ein solches un-
bedingtes Verbot mit sich führen würde. — Die Zulässigkeit der Enteignung zum
Zweck der Anlage von Eisenbahngeleisen über eine Distriktsstraße wird scheinbar
Gebrauch herstellen wollen (Gefängnisbauten, Dienstgebäude, Schutz für Museen
und Sammlungen, oben Note 19). Da stimmt es dann nicht. — Eger, Ges. über
die Enteignung I S. 14, entfernt sich noch weiter von dem wahren Hindernis, das
hier besteht. „Es entsteht die Frage, sagt er, ob auch Grundstücke, welche einem
mit dem Enteignungsrechte ausgerüsteten Unternehmen angehören und für dieses
enteignet worden sind, zu Zwecken eines späteren, gleichfalls mit dem Enteignungs-
rechte versehenen Unternehmens enteignet werden dürfen.“ Das ist nicht die
richtige Frage. Daß Grundstücke, welche für den Eisenbahnbau enteignet worden
waren und nicht für die Verkehrsstraße selbst dienen, also nicht öffentliches
Eigentum geworden sind, für die Anlage einer Straße z. B. hinterdrein wieder
enteignet werden können, ist außer Zweifel. Eger meint: nur dann, wenn die
Eisenbahn das Grundstück nicht mehr braucht. Aber auch, wenn sie es noch be-
nützt als Teil des Hofes ihrer Reparaturwerkstätte, oder zur Lagerung von
Materialien, geht die Enteignung ihren Gang, gerade so, wie wenn sie das Grund-
stück gekauft hätte. Und umgekehrt: wenn das Grundstück öffentliches Eigentum
ist, entsteht der Zweifel an der Zulässigkeit der Enteignung, gleichviel wie es er-
worben wurde. Eger führt das Beispiel eines Begräbnisplatzes an, durch den eine
Eisenbahn geführt werden soll. Er ist wohl selbst nicht der Meinung, daß das
ohne Schwierigkeit geschehen könne, wenn die Gemeinde seiner Zeit das Grund-
stück gekauft oder geschenkt bekommen hat oder wenn man, wie es oft der Fall
sein wird, gar nicht mehr weiß, woher es stammt. Das „mit dem Enteignungs-
recht ausgerüstete Unternehmen“, welches Eger hier vorschwebt, soll aber wohl
bedeuten: ein Unternehmen, für welches seinem Gegenstand und seinem Unternehmer
nach Enteignung auch künftig möglich ist. Da soll denn Enteignung nicht da-
gegen zulässig sein, weil es sofort wieder kommen könnte und zurückenteignen.
Allein so steht die Sache nicht. Die Enteignung beruht immer auf einem Ab-
wägen des öffentlichen Interesses nach Zeit und Gelegenheit und Wert der ver-
schiedenen Unternehmungen. „Ausgerüstet“ und „nicht ausgerüstet“ sind nicht
feststehende Gegensätze. Die Unzugänglichkeit des öffentlichen Eigentums für die
Enteignung aber ist formal juristischer Natur.
zu beseitigen gilt, wird von de Lalleau, traité de l’expr. I n. 182, folgender-
maßen bezeichnet: „II faut donc reconnaître, que … la loi … ne peut pas
s’entendre de l’aliénation du domaine public proprement dit (also hier das wirk-
liche öffentliche Eigentum gemeint, vgl. oben Note 18); que cela serait trop con-
traire aux principes et aux art. 538 und 2226 du c. c., qui consacrent l’inaliéna-
bilité et l’imprescriptibilité du »domaine public«. Les objets qui le composent ne
deviennent aliénables que lorsqu’ils en ont été détachés par changement de nature
et de destination et qu’ils ont été remis aux corps administratifs pour faire partie
des biens ordinaires et patrimoniaux.“ Der Akt, durch den das geschieht, ist das
déclassement, die Auflassung. — Unsere Schriftsteller beobachten ganz richtig,
daß hier immer noch etwas außerhalb des Enteignungsverfahrens vor sich geht;
den Sinn davon geben sie aber nur sehr ungenau wieder und mischen andere
Dinge herein. Eger, Ges. über die Enteignung I S. 14, bemerkt mit Recht, daß
der verlassene Bahndamm ohne weiteres enteignet werden kann; hier hat eben
die Auflassung stattgefunden. Im übrigen geht Eger davon aus, daß nicht das
öffentliche Eigentum die Schwierigkeit macht, sondern die Fähigkeit des an-
gegriffenen Unternehmens, ebenfalls zur Enteignung zugelassen zu werden (oben
Note 30); da soll denn nach der verschiedenen Stärke des öffentlichen Interesses,
dabei nicht eher Zwang im Aufsichtswege und dergleichen gemeint ist? Vgl.
unten Note 33.
liches Eigentum stößt, so kann natürlich auch anders geholfen werden. Das neue
darüber gehört aber nach ihm nicht in das ordentliche Enteignungsverfahren
(a. a. O. S. 17). Das was da außerhalb des Enteignungsverfahrens vor sich geht,
das ist insbesondere auch die Erledigung der Auflassungsfrage. Wegen dieser
aber haben wir inzwischen im Enteignungsverfahren selbst eine rechtliche Ordnung
zu beobachten, und die beruht eben auf dem Satz, daß das öffentliche Eigentum,
so lange es besteht, der Enteignung unzugänglich ist. Auch Bähr u. Langerhans,
Ges. über die Enteignung S. 12 Note 2, nehmen an, daß eine Frage dieser Art
nicht innerhalb des Enteignungsverfahrens gelöst werden könne; im Falle Wider-
spruch erhoben werde, müsse eine königliche Verordnung ergehen, — womit das,
was zu geschehen hat, allerdings sehr ungenau bezeichnet ist. Dalcke, Ges.
über die Enteignung S. 36, meint: „Es wird allerdings Sache der Staatsgewalt sein,
in jedem einzelnen Falle vor der Verleihung des Expropriationsrechts zu prüfen,
ob und in welchem Umfange Staatseigentum enteignet werden muß, und von dem
Resultate dieser Prüfung die Verleihung abhängig zu machen; ist die letztere aber
einmal erfolgt, dann steht das Eigentum des Staates dem der Privaten in Bezug
auf die Expropriation völlig gleich.“ Danach wäre also die Auflassung des etwa
betroffenen öffentlichen Eigentums schon in der Feststellung des Enteignungsfalles
enthalten. Allein bei dieser Gelegenheit liegt eine Bezeichnung der einzelnen
Grundstücke noch gar nicht vor: es wird ja zunächst „nur ein allgemeiner Plan
des Unternehmens“ vorgelegt (Dalcke a. a. O. S. 79). Wenn sich nun nachträg-
lich ergiebt, daß auch eine öffentliche Straße berührt wird, soll diese still-
schweigend im voraus aufgelassen sein? Vgl. auch Loebell, das Preuß. Enteig-
nungsges. S. 102. — Einen Rechtsfall dieser Art behandelt R.G. 13. Jan. 1882
(Samml. VI S. 160 ff.): Ein Stück öffentlichen Wegs, einer Feldmarksgenossenschaft
gehörig, war für die Eisenbahnanlage enteignet worden; ein Mann, der dadurch
genötigt ist, Umwege zu machen, klagt auf Schadensersatz. Das OberL.G. Braun-
schweig führt aus: „Nach den Vorschriften der Braunschweigischen Wegegesetz-
gebung könne die Aufhebung eines öffentlichen Weges der hier fraglichen Art
nur erfolgen, wenn zuvor die betreffenden Selbstverwaltungsvertretungen sich ein-
verstanden erklärt haben. Im vorliegenden Falle sei dies ressortmäßige Verfahren
nicht eingeschlagen worden, die Aufhebung der fraglichen Wegestrecke sei viel-
mehr erfolgt durch eine auf der Ausübung des Expropriationsrechts beruhende
Verfügung des Herzoglichen Staatsministeriums.“ Das Gericht aber war natürlich
nicht zuständig, die bei Einleitung des Enteignungsverfahrens über den fraglichen
Weg ergangene Aufhebungs(Auflassungs-)verfügung des Ministeriums wegen des
begangenen Formfehlers für ungültig zu erklären. Aufhebung und Enteignung
wurden demgemäß als zu Recht bestehend anerkannt, und das Reichsgericht hat
es dabei belassen.
Punkt als einen Gegenstand „richterlichen Ermessens“ für die Verwaltungsrechts-
pflege in Anspruch nehmen. Vgl. oben Note 14.
genuß am öffentlichen Eigentum eingeräumt werden. Das bedeutet entweder die
Neuordnung der Bestimmung einer öffentlichen Sache (unten § 36, I n. 1) oder die
Verleihung einer besonderen Nutzung daran zu Gunsten des neuen Unternehmens
(unten § 39) oder die Beschränkung einer vorhandenen verliehenen Nutzung,
einen teilweisen Widerruf der alten Verleihung zu Gunsten des neuen Unter-
nehmens. Handelt es sich um das öffentliche Eigentum eines Selbstverwaltungs-
körpers, so können diese Gestattungen der Mitbenutzung möglicherweise im Auf-
sichtswege erzwungen werden (unten § 59). Beispiele bei de Lalleau, traité de
l’expropr. I n. 182; Prazak, R. der Enteignung S. 76 Anm. 11; F. Seydel,
Ges. über die Enteignung S. 7 Note d; hierher gehören auch die Normativ-
bestimmungen über die Mitbenutzung von Chausseen und anderen öffentlichen
Wegen zur Anlage von Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung in Erlasse des
Preuß. M. d. öff. Arb. v. 8. März 1881. Das sind alles juristisch sehr bedeutsame
Vorgänge, aber keine Enteignungen, wie F. Seydel a. a. O. meint. Im Zu-
sammenhange der zugehörigen Rechtsinstitute werden sie sich näher erläutern.
Bestimmungen. Dazu jetzt vor allem Preuß. Ges. v. 11. Juni 1874 § 9. Der
Zwang zur Übernahme, von dem wir oben sprachen, bedeutet immer nur, daß der
Unternehmer entweder alles oder gar nichts nehmen soll; der zulässige Gegen-
stand der Enteignung ist ihm gesetzlich in dieser Weise abgesteckt. Beharrt er
bei seinem Antrag, so muß er sich gefallen lassen, daß dieser als auf den gesetz-
lich zulässigen Gegenstand gerichtet angesehen wird. Ob er aber beharren oder
zurücktreten will, ist immer noch Sache seines Entschlusses (vgl. unten § 34, III
n. 2). Es ist deshalb nicht richtig, wenn Seydel, Bayr. St.R. III S. 634, sagt:
„Die Ansprüche auf Abtretung (Übernahme), welche kraft Enteignungsrechtes gegen
den Enteigner gehen, sind mit dem Anspruche des Enteigners rechtlich gleich-
artig.“ Wir müßten danach neben das Rechtsinstitut der Zwangsenteignung
ein Rechtsinstitut der Zwangszueignung stellen. So faßt es auch Schelcher,
Rechtswirkungen der Enteignung S. 65: Wie der Enteignete die Sache sich muß
nehmen, so muß der Unternehmer sie sich aufdrängen lassen; es sind zwei
Akte von „innerem, qualitativem Unterschied“. In Wirklichkeit wird aber die Ent-
eignung immer nur durch den Unternehmer in Bewegung gesetzt; er klagt; der
andere erhebt nicht die Widerklage, sondern die Einrede der unrichtigen Be-
zeichnung des Klagegegenstandes, worauf der Kläger sein petitum ausdrücklich
oder stillschweigend berichtigt, oder auch die Klage zurückzieht.
1874 enthält eine gleiche Bestimmung; sie wurde jedoch im Abgeordnetenhause
abgelehnt; Bähr u. Langerhans, Ges. über die Enteignung S. 41.
eines Tunnels unter den fremden Grundstücken sein.
das Recht, die Ausdehnung der Enteignung auf das volle Eigentum zu verlangen.
Die Natur und Wirkung des Rechts ist die oben (Note 35) geschilderte; Seydel,
Bayr. St.R. III S. 631; Hartmann, Ges. über Zwangsenteignung S. 24.
der Rubrik „die privatrechtlichen Theorien“ zusammen. Bei den praktischen
Juristen klingt diese Lehre immer noch nach. Namentlich bei den Kommen-
tatoren zum Preuß. Enteignungsgesetz; Beispiele bei G. Meyer, V.R. I S. 285
Note 11. So auch neuerdings wieder Loebell, Das Preuß. Enteignungs-
gesetz S. 23: „Auch dem jetzigen Gesetz ist das Enteignungsgeschäft derjenige
Vertrag, durch welchen ein Grundeigentümer sein Eigentum … sei es freiwillig,
sei es auf Grund staatlichen Zwangs abzutreten sich verpflichtet.“ Die freiwillige
Abtretung ist aber keine Enteignung und bei der Enteignung kommt ein „Sich
Verpflichten“ gar nicht vor. — Das Reichsgericht erklärt sich abwechselnd für und
gegen die Theorie des Zwangskaufvertrags: dagegen 2. Dez. 1884 (Samml. 12
S. 406); dafür 20. März 1887 (Samml. 18 S. 345). Ein Mittelweg soll es wohl sein,
wenn das Sächs. Minist. d. I. (Sächs. Ztschft. f. Pr. I S. 81) meint, es sei „ein
zwar auf seiten des Grundstücksbesitzers erzwungener, auf seiten des Unter-
nehmers aber freiwilliger Kauf“.
er diese Auffassung auf den Fall, wo durch den Akt der Feststellung des Ent-
eignungsgegenstandes nach gesetzlicher Bestimmung der Expropriat zu einer Besitz-
übertragung verpflichtet ist; dann soll seine Stellung „der eines Verkäufers analog“
sein. In der 1. Aufl. S. 269 Note 13 konnte er dafür außer seinem Lippe-Det-
moldischen Ges. v. 3. Febr. 1869 nur das Hessische Ges. v. 27. Mai 1821 an-
führen, welches allerdings genau betrachtet auch nicht von einer Obligation des
eminens immer wieder dazwischen kommt; derselbe in Gött. Gel. Anz. 1861, I
S. 113 ff. Mit durchschlagendem Erfolge Laband in Arch. f. civil. Pr. 52 S. 169.
Hier ist namentlich die kritische Abweisung der civilrechtlichen Theorien von
bleibendem Werte. — Bezeichnender Weise fügt sich nach und nach selbst die
Lehre vom deutschen Privatrecht der neueren Auffassung. Für sie ist das eigent-
lich ganz besonders schwer. Denn wenn sie sich überhaupt mit der Enteignung
beschäftigt, verschleppt sie das Rechtsinstitut von vornherein auf einen unrichtigen,
die civilrechtlichen Lösungen begünstigenden Boden. Vgl. v. Roth, D. Pr.R. II
S. 236; Beseler, D. Pr.R. Aufl. v. 1885 I S. 382 Note 15 (unter Widerruf der
früher vorgetragenen Annahme eines notwendigen Verkaufs). Doch kommen hier
auch Rückfälle vor. So erklärt Gerber in D. Pr.R. Aufl. v. 1886 S. 321 Note 1:
nachdem er früher die Expropriation als einseitigen Akt aufgefaßt, habe er sich
jetzt überzeugt, „daß allein die Auffassung als eines Zwangskaufes berechtigt ist.“
.... Entstehungsgrund des Verhältnisses in concreto.“ Die Enteignung ist „eine
durch die lex specialis hervorgerufene vermögensrechtliche Benachteiligung“.
Ebenso Gruchot in Beitr. zur Erl. d. Preuß. R. IX S. 83: „Die Expropriation
vollzieht sich schon mit dem staatsrechtlichen Akte der Enteignung, also mit der
wirklichen Durchführung der gegebenen lex specialis“ (nebenbei bemerkt, die „Ex-
propriation, die sich mit der Enteignung vollzieht“, beweist wieder einmal den
Vorteil der Fremdwörter). Mit dieser lex specialis meint man thatsächlich einen
Verwaltungsakt; hat man ja doch auch den Verwaltungsakt, der das Staatsdienst-
verhältnis begründet, früherhin mit diesem Namen bezeichnet: H. A. Zachariae,
St.R. II S. 28 Anm. 10; Schmitthenner, Grundlinien S. 498 ff. Laband in
Arch. f. civ. Pr. 52 S. 178 macht die Äußerung: „der Eigentumserwerb erfolgt
vielmehr durch Gesetz“; Grünhut, Ent.R. S. 183, noch schärfer: „es liegt ein
Legalerwerb vor, ein Erwerb ipso jure unmittelbar durch das objektive Recht.“
G. Meyer, V.R. I S. 285 Note 11, wendet sich dagegen mit der Bemerkung: das
Gesetz gebe nur Vorschriften zur Ordnung der Enteignung; um diese herbeizu-
führen, ist eine besondere Thätigkeit, sei es der Parteien, sei es der Behörde,
erfordert. So haben es aber auch Laband und Grünhut gemeint. Die Betonung
der einseitig wirksamen Kraft des Gesetzes geschieht nur zur Ablehnung eines
Ges. v. 26. Juni 1884 inzwischen die Formulierungen der andern neueren Gesetz-
gebungen angenommen hat. Der kleine Rest der ursprünglichen Theorie wird
wohl auch noch gestrichen werden können.
hörde einen rechtsbegründenden Verwaltungsakt; wenn sich für ihn schon
mit dem Wort Verwaltungsakt ein festerer Begriff verbände, wäre der schildernde
Zusatz nicht nötig. Weniger bestimmt meinen es andere Schriftsteller mit ihren
Ausdrücken; so Grünhut, Ent.R. S. 183: „Verwaltungsmaßregel“; Prazak,
R. der Ent. S. 48: „Staatsakt“; v. Rohland, Ent.R. S. 37: „eine Verwaltungs-
maßregel, eine Verfügung“; Schelcher, Rechtswirkungen S. 16: „ein öffentlich-
rechtlicher Akt“.
licher, kein dinglicher“.
Enteignung in einer absoluten Weise statt“; S. 181: „Der Enteigner hat nur das
Grundstück im Auge“. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 32; Laband in
und Grünhut nennt sie eine Verwaltungsmaßregel. Das was eigentlich wirkt,
hätte allerdings deutlicher hervorgehoben werden können.
Erwerbsart“. Schärfer noch Schelcher, Rechtswirkungen S. 71: „Hieraus folgt,
daß der Eigentumserwerb auf seiten des Unternehmers nicht derivativer,
sondern originärer Natur ist. Der Unternehmer erhält sein Recht nicht durch
einen Willensakt des Enteigneten, sondern lediglich durch einen Ausspruch der
Staatsgewalt übertragen.“ Dieser Grund allerdings zieht nicht. Der Verwaltungs-
akt könnte auch bloß das dem Enteigneten, dem angefaßten Gegner zustehende
Eigentum übertragen, dann wäre der Erwerb derivativ. Das ist es, worauf in
Wahrheit die Auffassung von Seydel hinausläuft. Die Enteignung wirkt auch
nach ihm, ohne daß es auf den Willen des Enteigneten rechtlich irgendwie an-
kommt (a. a. O. S. 627) und ohne irgend welche Abtretungsformen (S. 635): „Die
durchgeführte Enteignung bewirkt den Übergang des Eigentums“. Aber „nur,
wenn der Enteignete das Recht wirklich besaß“ (S. 635 Note 3). Von einer durch
die Enteignung auferlegten Obligation im Sinne der älteren Theorie, welche dann
durch Abtretung des Eigentums erfüllt würde, ist also auch hier keine Rede; die
Enteignung wirkt auch bei Seydel dinglich, aber derivativ, nicht originär.
wirkungen S. 70 ff.
für das Verfahren, nicht die einer Rechtsableitung hat, wird besonders gut hervor-
gehoben bei Prazak, R. der Ent. S. 48: Die Enteignung ist eine originäre Er-
werbsart, „daher der Umstand, ob der Expropriat wirklich selbst Eigentümer des
entzogenen Objekts war, nur insofern in Betracht kommt, als bei negativer Be-
antwortung dieser Frage regelmäßig die Wahrung der zur Ausübung des Ex-
propriationsrechts gesetzlich vorgeschriebenen Form in Frage gestellt sein dürfte.“
Vgl. auch de Lalleau, traité de l’expropr. I n. 270. Ob.L.G. Dresden 20. März
1880 (Arch. f. civilrechtliche Entscheidungen 1882 S. 569): „Der Expropriant er-
wirbt Eigentum an der expropriierten Sache selbst dann, wenn demjenigen, gegen
welchen das Expropriationsverfahren sich richtete, Eigentum nicht zustand. Das
Eigentumsrecht des Expropriaten ist deshalb für den Exproprianten und dessen
Eigentumserwerb etwas rechtlich ganz Bedeutungsloses.“ Das ist aber auch nach
Bayr. Enteignungsges. geltendes Recht; vgl. oben § 33 Note 36. Seydel scheint
zu seiner widersprechenden Meinung vor allem dadurch gebracht zu sein, daß das
Gesetz den Gegner des Unternehmers im Enteignungsverfahren den „Abtretungs-
pflichtigen“ nannte; wie wenig Wert man aber auf solche Ausdrucksweise legen
darf, bemerkt er selbst (a. a. O. S. 647 Note 4). Von wirklichen Gründen für
seine Ansicht führt er nur einen an (Bayr. St.R. III S. 628 Anm. 1): „Es wäre
an sich auch ein dinglicher Anspruch des Enteigners nicht undenkbar. Aber das
bestehende Recht kennt nur einen persönlichen Enteignungsanspruch. Dies er-
giebt sich schon aus dessen Bedingtheit durch Entschädigungsleistung.“ Die Pflicht
zur Entschädigungsleistung an sich beweist noch gar nichts für eine persönliche
Natur des Eingriffs; sonst wären Manöverschäden gleichfalls als Ausflüsse eines
persönlichen Anspruches aufzufassen, denn auch an sie knüpft sich die Entschädi-
gungspflicht. Die Bedingtheit der Enteignung durch die Entschädigungsleistung
soll es also ausmachen. Allein einerseits giebt das Verfahren durchaus nicht
immer die Sicherheit, daß die Entschädigung an die Person des wirklichen Ent-
eigneten gelangt ist (Bähr u. Langerhans, Preuß. Enteignungsges. S. 80 ff.);
und die Bedingung ist doch erfüllt. Andererseits ist die Eigentumsentziehung
selbst nicht nach allen Enteignungsgesetzen in solcher Weise bedingt, so z. B.
nicht nach dem für unser eigenes Recht so wichtig gewordenen Französischen Ent-
eignungsges., wie es in Els.Lothr. noch gilt. Wäre da der Anspruch ein ding-
licher? — Die ursprüngliche Kraft, mit welcher die Enteignung wirkt, zeigt sich
insbesondere auch in der Zerstörung der Rechte sonstiger dinglich Berechtigter
am Grundstück: Bähr u. Langerhans, Preuß. Enteignungsges. S. 84.
S. 15: „Eine beliebige (!) Person, Privater, Gemeinde oder Fiskus, will ein Unter-
nehmen ausführen, zu dessen Ausführung sie fremde Rechte erwerben muß. Sie
erlangt das Expropriationsrecht und macht es durch Anrufung der staatlichen Ver-
mittlung, des staatlichen Zwangs geltend.“ Ganz ähnlich Stobbe, D. Pr. St. II
S. 173: „Der Staat erklärt, daß sie unter seiner Vermittlung für ihr Unternehmen
fremdes Eigentum erwerben dürfen..“
propriation und die Verpflichtung, dieselbe sich gefallen zu lassen, auf dem öffent-
Wirkung“ der Enteignung damit, die Entschädigungspflicht. Die Formel ist fest-
stehend: der Staat nimmt das Eigentum zu Gunsten des Fiskus oder des andern
Unternehmers, dem er es giebt, und legt zugleich dem Fiskus die Pflicht auf zu
Gunsten des Enteigneten, daß er diesem eine Entschädigung zahle. So Laband
in Arch. f. civ. Pr. 52 S. 182 Anm. 47: „Der Staat erlaubt sich im öffentlichen
Interesse einen Eingriff, verpflichtet aber den Fiskus oder diejenige Person, welcher
er diesen Eingriff gestattet, den berechtigten Eigentümer vollständig zu ent-
schädigen.“ Das meinen alle, nur verstehen sie’s nicht alle so deutlich aus-
zudrücken.
rechts, der Übergang des Eigentums auf den Exproprianten … dem Privatrecht
angehören.“ Damit ist wohl die Auffassung ausgesprochen, welche wir als die
herrschende anzusehen haben; vgl. Ob.Trib. Stuttgart 21. Febr. 1872 (Seuff.
Arch. 28 n. 247); v. Rohland, Ent.R. S. 33; Laband in Arch. f. eiv. Pr. S. 182.
institute in Bd. I § 11, IV. — Hier giebt sich auch die Lösung für die viel-
besprochene Frage, inwiefern die Wirkung der Enteignung abhängig ist von der
Eintragung in das Grundbuch. Vgl. darüber vor allem Schelcher, Rechts-
wirkungen S. 78 ff. Es ist zu unterscheiden. Die Wirkung der Enteignung ist
unabhängig von etwaigem Wechsel in der grundbuchmäßigen Bezeichnung des
Eigentümers während des Verfahrens: sie hat nur ihre gesetzlichen Formen zu
wahren und das genügt. Der Ausspruch der Enteignung zerstört alle Rechte am
Grundstück, auch wenn der Gegner nicht mehr der wahre Eigentümer war.
Durch die Enteignung geht Eigentum auf den Unternehmer über. Dieses Eigentum
ist aber fortan nach Civilrecht zu beurteilen und sofern dieses vorschreibt, daß
für die gerichtliche Geltendmachung, für rechtsgeschäftliche Verfügungen und vor
allem zum Schutz gegen Rechtserwerb vom bisherigen Eigentümer her Eintragung
lehre einerseits, der Mangel an Empfindlichkeit für die Wesensunterschiede zwischen
öffentlichrechtlichen und civilrechtlichen Rechtsinstituten andererseits lassen meist
das Gefühl nicht einmal aufkommen, daß hier eine Frage zu lösen ist. Gleim
in Arch. f. Eisenbahnwesen VIII S. 43 ff. macht eine rühmliche Ausnahme.
Vorschriften. Sache der Gesetzgebung ist es, gegen Mißstände, die sich nament-
lich bei Verzögerung der Eintragung des Enteignungserwerbs ergeben können, be-
sondere Vorkehrung zu treffen.
Rocholl, Rechtsfälle I S. 2 ff.): „Die Enteignung wird, der Vorauszahlung der
Taxsumme ungeachtet, erst perfekt, wenn und so weit die Gesellschaft das Eigen-
tum des zu enteignenden Grund und Bodens erlangt hat.“ — Die Lehre vom Zwangs-
kauf muß natürlich den Vollendungspunkt anders bestimmen: der Kauf, als obliga-
torisches Verhältnis, ist vollendet, sobald zwischen den Parteien Kaufgegenstand
und Kaufpreis feststeht. Jene Lehre verlangt also einerseits weniger als wir: es
braucht noch nicht der Ausspruch erfolgt sein, daß Eigentum übergehe, es genügt
die Feststellung der Grundstücke, die zu enteignen sind. Andererseits verlangt sie
mehr: auch die Entschädigungssumme, der Kaufpreis muß feststehen. Da kann
man nun wieder darüber streiten, ob diese Summe schon rechtskräftig feststehen
muß (Häberlin in Arch. f. civil. Pr. 39 S. 203), oder ob es im Sinne des Kauf-
begriffes genügt, daß sie bestimmbar sei (Gruchot in Beitr. z. Erl. des
Preuß. R. IX S. 85). Ganz dem Gedankenkreise der Zwangskauflehre entspricht
es, wenn man den Augenblick der Vollendung der Enteignung in dem Punkte
sucht, wo im Laufe des Verfahrens zuerst ein „zweiseitiges obligatorisches Ver-
hältnis“ zwischen Unternehmer und bisherigem Eigentümer zu stande komme. So
namentlich Loebell, Preuß. Enteignungsges. S. 188: durch die endgültige Fest-
stellung des Enteignungsplanes wird der Unternehmer berechtigt, die Feststellung
der Entschädigung im Verwaltungswege zu betreiben und danach den Enteignungs-
ausspruch zu erwirken. Darin erscheinen also nach Loebell „die ersten privat-
rechtlichen Wirkungen“ (alle Rechtswirkungen sind ja selbstverständlich privat-
rechtlich!). Diese Wirkungen bedeuten zunächst nur eine einseitige Verpflichtung
des Eigentümers, sich das alles gefallen zu lassen. Erst mit der Feststellung der
Entschädigung wird auch der Unternehmer gebunden; der Eigentümer erhält gegen
ihn das Recht auf die Entschädigung. „Mit diesem Augenblick ist also in der
That ein zweiseitiges obligatorisches Verhältnis zu stande gekommen“ (S. 189).
Wir wollen zunächst absehen von der Würdigung dieser mühsam hergestellten
zwei „Obligationen“, und fragen bloß: ist denn dieses zweiseitige obligatorische
Verhältnis eine Enteignung? Mag es immerhin etwas „Perfektes“ sein, aber da-
durch, daß es im Gange des Enteignungsverfahrens perfekt geworden ist, braucht
es doch nicht die perfekte Enteignung selbst sein! Loebells Anschauung hat
sich auch das Reichsgericht angeeignet; R.G. 17. März 1891 (Samml. 27 S. 265):
„ein festes obligatorisches Verhältnis“, das durch die Festsetzung der Entschädi-
gung entsteht, macht die Perfektion der Enteignung aus. Selbst Gleim, der sonst
Loebells Auffassungsweise mit Recht bekämpft, kann sich hier nicht von ihm
losmachen (Arch. f. Eisenbahnwesen VIII S. 45). G. Meyer, V.R. I S. 287, unter-
scheidet sich von der bisher betrachteten Ansicht dadurch, daß er, getreu seiner
früheren Lehre (wenn er sie auch nicht mehr in vollem Umfange aufrecht erhalten
will; vgl. oben Note 2) keinen Kaufvertrag verlangt, sondern nur eine Obligation
sui generis wegen Abtretung des Grundstückes; über den Preis braucht noch
nichts feststehen. Daher jetzt der Satz: „Die Expropriation ist perfekt mit Fest-
stellung der Gegenstände der Enteignung.“ Woran erkennt man diese Perfektion?
„In diesem Moment sind beide Teile gebunden, so daß ein einseitiger Rücktritt
des Exproprianten nicht mehr stattfinden darf, und die Gefahr der Sache geht auf
„sobald die Staatsgewalt den Ausspruch über die Notwendigkeit der Abtretung des
bestimmten Grundstückes gefällt hat“ (einfach: „über die Abtretung“ wäre freilich
besser gesagt). Er fügt aber alsdann erläuternd hinzu: „Als Moment der Per-
fektion muß der Zeitpunkt angesehen werden, in welchem sich der Enteignete
dem Enteignungsantrage entweder ausdrücklich oder stillschweigend unterworfen
oder die Rechtsmittel gegen den Enteignungsanspruch verbraucht hat.“ Ebenso
v. Rohland, Ent.R. S. 37, wörtlich den letzteren Satz wiederholend. Der-
selbe stammt in dieser Fassung von Burkhard in Ztschft. f. Civ.R. und Pr.
N. F. 6 (1849) S. 230. Burkhard hat aber gar nicht die neuere Vorstellung von
der Enteignung. Der Enteignungsausspruch ist ihm nicht der Mittelpunkt des
Vorganges, sondern der Enteignungsanspruch, den der Staat dadurch erhebt,
daß er als Unternehmer die Enteignung verlangt. Der Enteignungsausspruch ist
nur notwendig, wenn der Betroffene sich nicht fügt, also im Streitfall; dann wirkt
er wie ein das Enteignungsrecht anerkennendes Urteil. Dieser Auffassung ent-
spricht vollkommen die Alternative der Perfektionsbestimmung: Unterwerfung oder
Erschöpfung der Rechtsmittel. Für die Auffassung, welche auch Grünhut und
v. Rohland vertreten, wonach die Enteignung durch einen Verwaltungsakt sich
vollzieht, paßt diese Formel gar nicht mehr. — Unsere Gesetzgebungen sind in
dieser Beziehung ganz unzweideutig. Preuß. Enteignungsges. § 32: „Die Ent-
eignung des Grundstücks wird auf Antrag des Unternehmers von der Bezirks-
regierung ausgesprochen, wenn u. s. w.“; § 44: „Mit Zustellung des Enteignungs-
beschlusses (§ 32) an Eigentümer und Unternehmer geht das Eigentum des ent-
abweichende Bestimmungen“; das ist in weitem Maße der Fall; jene Wirkungen
sind recht sehr anzuzweifeln. Aber lassen wir es dabei. Die Parteien sollen ge-
bunden sein, gegenseitige Pflichten entstanden sein, — ist damit die Enteignung
perfekt? Was ist sie denn? Nach G. Meyer, V.R. I S. 280: „Derjenige Ver-
waltungsakt, durch welchen der Staat … Eigentum entzieht“. Kann sie perfekt
sein, bevor Eigentum entzogen ist? Die der früher aufgestellten Theorie ent-
lehnte Perfektionslehre stimmt mit der der neueren Auffassung entsprechenden Be-
griffsbestimmung nicht überein. — Die „obligatorischen Verhältnisse“, welche hier
eine so verhängnisvolle Rolle spielen, sind nichts anderes als Nebenwirkungen des
Fortgangs des Verfahrens: Verfügungsbeschränkungen des Enteigneten, Selbst-
betriebsrechte, die ihm zustehen, Entschädigungsverpflichtungen wegen Rücktritts;
davon unten III n. 2.
bezw. Ausf.Ges. z. C.Pr.O. Art. 51: „Nach Feststellung der Entschädigungs-
summe ist der Abtretungsberechtigte befugt .. die Einweisung in den Besitz
der Abtretungsgegenstände durch die Distriktsverwaltungsbehörde zu erwirken
und sodann über dieselben nach Maßgabe der Zweckbestimmung frei zu ver-
fügen“. Diese Einweisung soll der Enteignungserklärung des Preuß. Rechts
entsprechen. Die gewöhnlichen Rechtsmittel sind zulässig. „Denselben dürfte
übrigens mit Rücksicht auf den außerdem leicht zu vereitelnden Zweck des Ge-
setzes, die möglichst rasche Besitzergreifung für den Enteigner zu erwirken, kaum
eine aufschiebende Wirkung beigemessen werden“ (Hartmann, Ges. über die
Zwangsabtretung S. 81 Note). — Nach franz. (els.-lothr.) Rechte wirkt der Ent-
eignungsausspruch des die Verwaltungsbehörde hierin vertretenden Gerichts un-
mittelbar mit der Verkündung Eigentumsübergang und Entschädigungspflicht; die
Möglichkeit eines Kassationsrekurses hat keine aufschiebende Wirkung; de Lal-
leau, traité de l’expropr. I n. 248, 269.
sofern nichts anders dabei vorbehalten wird, die Einweisung in den Besitz in sich.“
Das Bayr. Ausf.Ges. zur C.Pr.O. Art. 51 bezeichnet umgekehrt mit dem Ausdruck
„Einweisung in den Besitz“ zugleich die Enteignungserklärung, aus der sie folgt;
Hartmann, Ges. über die Zwangsabtretung S. 80 Anm. 4. Das Franz. Ges. v.
1841 Art. 41 läßt den Richterkommissär, der das Entschädigungsverfahren leitet,
am Schlusse den envoi en possession aussprechen und damit wird die Besitz-
ergreifung zulässig (de Lalleau, traité de l’expropr. I n. 628). — G. Meyer,
R. der Expropr. S. 240, erklärt sich gegen solche „analoge Anwendung der missio
in possessionem“, da selbst, wo der Staat als Unternehmer auftritt, der Grundsatz
maßgebend sei, „daß derselbe in vermögensrechtlicher Beziehung als Privatperson
betrachtet wird“. Das öffentliche Unternehmen ist aber eben nicht so schlechthin
bloß eine vermögensrechtliche Beziehung. Es handelt sich bei jenen Bestim-
mungen über Besitzeinweisung durchaus nicht um privilegia fisci.
den Unternehmer deshalb zu, weil bei seiner Besitzergreifung die Bedingungen der
Wirksamkeit der Enteignung noch nicht erfüllt waren. Andernfalls wäre also die
Selbsthülfe zulässig gewesen. Vgl. auch O.Tr. 23. Mai 1873 (Str. 90 S. 197).
polizeilichen Zwangsmittel berufene allgemeine Polizeibehörde ist hier zugleich die
Frühere, die Verpflichtung zur Schadloshaltung erst die Konsequenz davon.“
Befehl zur Räumung, zur Beseitigung von Hindernissen ergehen; dann werden die
Formen der polizeilichen Zwangsvollstreckung zur Anwendung kommen. Nur un-
mittelbar an den Enteignungsausspruch nebst Besitzeinweisung schließen sich
diese nicht: der Ausspruch enthält ja keinen Befehl, sondern eine Eigentums-
änderung.
Enteignungsges. v. 15. Aug. 1855 § 75, 77. An diese Einrichtung knüpfen sich
mancherlei Mißverständnisse über die Frage der Perfektion der Enteignung. Das
Natürlichste wäre nämlich, daß die Entschädigung bemessen würde auf Grundlage
des Wertes, den die Sache hat im Augenblick des Eigentumsübergangs, also der
Perfektion der Enteignung. Das ist aber beim Grundsatze der vorgängigen Ent-
schädigung nicht möglich: der Augenblick des Eigentumsübergangs ist ja noch gar
nicht bekannt, es kommt darauf an, wann der Unternehmer leistet und dann das
Verfahren fertig wird. Man wird also für die Wertsbemessung einfach den Zeit-
punkt nehmen, in welchem die Entschädigungsfestsetzung erfolgt. Das ist nicht
unbillig, weder gegen den Unternehmer, noch gegen den Eigentümer, insofern ihnen
beiden Mittel gegeben sind, die Sache alsbald zur Erledigung zu bringen (unten
III n. 2). Deshalb ist es aber gar nicht nötig, dieses Verfahren auch noch da-
durch zu rechtfertigen, daß man die Perfektion der Enteignung in den Zeitpunkt
der Entschädigungsfestsetzung verlegt, wie R.G. 17. März 1891 (Samml. 27 S. 265)
thut. Die Billigkeit kann erfordern, noch weiter zurückzugehen. Es können im
Laufe des Verfahrens dem Eigentümer schon Verfügungsbeschränkungen auferlegt
worden sein, welche ihn hinderten, von einem höhern Wert, den die Sache damals
vielleicht hatte, Nutzen zu ziehen. Solche Beschränkungen knüpfen sich an die
Feststellung des Enteignungsgegenstandes, oder auch schon an die Veröffent-
lichung des vorläufigen Enteignungsplanes; also mag man diese Zeitpunkte für den
zu berechnenden Wert die Grundlage liefern lassen. Deshalb braucht man aber
wiederum nicht zu sagen: die Enteignung sei damals schon perfekt gewesen, was
ja thatsächlich doch nicht wahr ist. Beispiel in R.G. 21. Sept. 1882 (Samml. 7
S. 258); in diesem Sinne auch Schelcher, Rechtswirkungen S. 273. — Gleim
in Arch. f. Eisenbahnwesen V S. 64 wendet umgekehrt sich gegen diese Be-
rechnungsweise mit der Begründung, „daß durch die Planfeststellung eine privat-
rechtliche Verpflichtung auf keiner Seite begründet wird“. Das ist aber auch gar
nicht notwendig, damit man die Entschädigung so bemesse.
S. 48 richtig diese Entscheidung: „Wenn die Enteignungsbehörde die Enteignung
vollzieht, ohne daß der Eigentümer vorher dem Gesetz gemäß entschädigt wurde,
ist gleichwohl das betreffende Recht dem Eigentümer entzogen und auf den Unter-
nehmer übertragen.“ Das stimmt ganz mit dem, was auch sonst beim Ver-
waltungsakt der Fall ist: er ist wirksam, auch wenn die Bedingungen seiner
Gültigkeit nicht erfüllt sind; die Ungültigkeit ist nur ein Grund der Wiederauf-
hebung; Sache der Ordnung des Rechtsschutzes ist es, zu bestimmen, wie dieser
zur Geltung gebracht werden kann; vgl. Bd. I § 8 Note 7. Auch nach bayri-
schem und sächsischem Recht tritt der Eigentumsübergang nur ein in Kraft des
Schlußaktes, der nach der Erledigung der Entschädigungsfrage erfolgt und da-
durch in seiner Gültigkeit bedingt ist (Seydel, Bayr. St.R. III S. 635; Schel-
cher, Rechtswirkungen S. 32, 46). Im sächsischen Rechte gilt das jedoch nur
für die Fälle, die nach Ges. vom 15. Aug. 1855 zu behandeln sind. In den
andern Fällen der Enteignung wird die Überweisung, d. h. die Begründung der
„sachenrechtlichen Wirkungen“ gültig ausgesprochen vor der geleisteten Ent-
schädigung, aber unter der Bedingung erst wirksam zu werden durch diese
(Schelcher a. a. O. S. 41, 47). Das ist dann die zweite Rechtsform, in welcher
der Grundsatz der vorgängigen Entschädigung zur Geltung kommt, die, von der
wir oben nunmehr sprechen werden.
Note erwähnten Enteignungsfälle des sächs. Rechts gehören hierher.
Ges. v. 3. Mai 1841 art. 53; de Lalleau, traité de l’expropr. I n. 272. Es ist
richtig, wenn G. Meyer in Wörterbuch I S. 359, Art. Enteignung § 7, aufstellt:
„Nach französischem Rechte hat der Enteigner die Befugnis, nach Zahlung oder
Hinterlegung der Entschädigung sich selbst in Besitz zu setzen“, das ist überall
die Folge der rechtswirksam gewordenen Enteignung; aber unrichtig ist es, wenn
er hinzufügt: „mit dieser Besitzergreifung findet auch der Eigentumsübergang
statt“. Der Eigentumsübergang hat schon vorher stattgefunden in Kraft des Ent-
eignungsausspruches unmittelbar.
S. 264 ff.
inhalt giebt G. Meyer, R. der Expropr. S. 212 ff. In der Beurteilung der ein-
zelnen Fälle stimmen wir nicht überein.
eignung willigt und sein Eigentum vertragsmäßig dem Enteigner überläßt, so liegt
eben kein Fall der Expropriation, sondern eine, wenngleich unter dem Hochdruck
äußerer Einflüsse, getroffene Vereinbarung vor, welche nach ihrer jeweiligen
juristischen Natur zu beurteilen ist.“ Wenn also die Eigentumsüberlassung gegen
einen ausbedungenen Preis geschieht, ist es ein Kauf. Seydel, Bayr. St.R. III
von rechtlicher und thatsächlicher Notwendigkeit, indem er beides unter der
Redensart „Hochdruck äußerer Einflüsse“ zusammenfasse; die freiwillige Abtretung
von seiten des zu Enteignenden sei kein Kauf, sondern falle noch unter den Be-
griff der Enteignung. Diese „rechtliche Notwendigkeit“ ist nichts anderes als der
alte „Enteignungsanspruch“, wie ihn Burkhard in Ztschft. f. Civ.R. und Pr.
N. F. VI S. 208 ff. formuliert. Seydel arbeitet noch damit und ebenso Grün-
hut, Ent.R. S. 185 ff., v. Rohland, Ent.R. S. 36, Schelcher, Rechtswirkungen
S. 23, 31. Wenn er auch jetzt nicht mehr die Wirkungen der Enteignung selbst
erklärt, dient er doch noch dazu, der freiwilligen Abtretung die Natur eines Ver-
kaufes zu nehmen, indem er sie zu einer bloßen Unterwerfung unter diesen
Anspruch macht. Das findet sich am deutlichsten ausgesprochen bei Grünhut
a. a. O. S. 186. „Der Eigentümer, sagt er, zieht es vor, sich freiwillig seinem
Geschick, welches er als unabänderlich erkannt hat, zu unterwerfen … Er ver-
kauft nicht sein Grundstück, sondern er läßt es sich nehmen … Diese freiwillige
Unterwerfung ersetzt den Enteignungsausspruch.“ Es sind das fast wörtlich die
Ausdrücke Labands in Arch. f. civ. Pr. 52 S. 172. Dieser wendet sich dort
gegen die Annahme eines Kaufs neben dem obrigkeitlichen Akt, der die Ent-
eignung bewirkt. „Mit demselben Rechte, meint er, könnte man fingieren, der zu
einer Gefängnisstrafe verurteilte Verbrecher habe eine Wohnung nebst Beköstigung
im Gefängnis gemietet oder der Defraudant, dessen Waren konfisziert worden sind,
habe sie dem Fiskus geschenkt.“ Freilich geht auch Laband zu weit, wenn er
nebenbei sagt: der Eigentümer, der einsieht, die Expropriation sei gesetzlich zu-
lässig und die angebotene Entschädigung genügend, habe „durchaus keine Ver-
anlassung, einen Spruch der kompetenten Verwaltungsbehörde oder des Gerichts
zu veranlassen“; deshalb lasse er sich sein Grundstück einfach nehmen. Da ist
im Eifer zu viel weggeworfen worden: den obrigkeitlichen Spruch können wir
doch nicht auch entbehren. Oder soll der Verbrecher auch ohne Urteil auf Grund
seiner Unterwerfung sitzen, der Defraudant ohne Konfiskationsakt sein Eigentum
verlieren, bloß weil er es einsieht? So kann es natürlich nicht gemeint sein.
Aber ganz in dieser Weise läßt man jetzt die Unterwerfung des zu Enteignenden
wirken, die kein Vertrag ist und den Enteignungsausspruch ersetzt. Auf welche
Weise soll denn da das Eigentum übergehn? Drei Fälle sind denkbar: entweder
es ergeht ein Enteignungsausspruch, dann ist, wie Laband mit Recht ausführt,
kein Vertrag nötig und Eigentum geht doch über; oder es erfolgt ein Abtretungs-
vertrag, dann ersetzt der, wie man wohl sagen mag, den Enteignungsausspruch,
das Eigentum geht durch den Vertrag über; oder es wird kein Enteignungs-
ausspruch veranlaßt und fehlt auch der Wille, einen Vertrag zu schließen, dann
geschieht gar nichts. — In diesem Sinne gegen Laband und Grünhut auch
G. Meyer in Ztschft. f. d. deutsche Gesetzgebung VIII S. 581 Anm. 83.
Franz. Enteignungsges. von 1841 Art. 13 vereinfacht überdies die Formen für
Abtretungsverträge Bevormundeter. Grünhut, Ent.R. S. 192, citiert irrtümlich
dafür den Art. 25 des Ges., der bloß von der Vereinbarung der Entschädigung
nach vollzogener Enteignung handelt, und zieht dann daraus unrichtige Schlüsse.
S. 112; vgl. unten Note 35. Mit Rücksicht auf derartige Bestimmungen spricht
Grünhut, Ent.R. S. 186, mit Recht von einer „Gleichstellung“ des Vertrags mit
der Enteignung; aber deshalb ist der Vertrag noch lange nicht selbst eine Ent-
eignung, wie Grünhut meint. Ähnlich v. Rohland, Ent.R. S. 36, und Gleim
in Arch. f. Eisenbahnwesen V S. 61. Auch die Veräußerung des Kaufmanns im
Falle des Art. 306 H.G.B. zerstört die Rechte des Dritten und niemand kann
hier im Ernste von einer Enteignung sprechen.
l. 15 C. de contr. emt. für anwendbar erklärt werden. Ahnlich F. Seydel,
Preuß. Ges. über die Ent. S. 57 Note 6. R.G. 3. Nov. 1880 fingiert in einem
solchen Falle einen Kaufpreis, um einen Anhalt für die Entscheidung der Zins-
frage zu gewinnen; hierfür wird man aber wohl das Richtige finden können auch
ohne einen solchen Umweg.
neben dem Abtretungsvertrage sagen will, muß man freilich die rechtliche Natur
der hier fraglichen Entschädigung und ihr Verhältnis zu dem schädigenden Ver-
waltungsakte erkannt haben. Die Theorie des Zwangskaufs hat keine Ahnung
davon. Aber auch, wo die Enteignung als Verwaltungsakt — unter mehr oder
minder passendem Namen — aufgefaßt wird, hält das Verständnis für jene andere
Seite meist nicht gleichen Schritt. Sehr auffallend z. B. Gruchot in s. Beitr. IX
S. 82, wo die Enteignung für eine lex specialis und daneben die Entschädigung für
einen Kaufpreis erklärt wird.
anzusehen. Sie können auch anders bestimmen. Über die Auslegungsfrage:
G. Meyer, R. der Expropr. S. 239.
eignungsges. mit der Wirkung des Freiwerdens des Grundstückes von allen ding-
lichen Rechten nur gelten lassen von diesem Falle des Abtretungsvertrages mit
vorbehaltenem Entschädigungsverfahren, dagegen nicht von der Vereinbarung über
Abtretung und Entschädigung zugleich, also von dem vollen Kaufvertrag. Dabei
dürfte aber doch zu viel an dem Buchstaben des Gesetzes gehangen sein. Wie
denn? Wenn die Parteien etwa zunächst sich nur geeinigt haben über Abtretung
mit Vorbehalt des Entschädigungsverfahrens, werden ja doch die dinglichen Rechte
Dritter getilgt. Wenn sie dann nachher auch noch über die Entschädigung sich
einigen, leben diese Rechte sicherlich nicht wieder auf. Warum soll es anders
sein, wenn sie sich sogleich über beides einigen?
(= bewirkter Eigentumsübergang) kann der Enteigner seinen Anspruch zurück-
nehmen. Die durchgeführte Enteignung kann er nicht rückgängig machen.“
der Bestimmung der zu enteignenden Grundstücke die Zeit vorgeschrieben werden,
„innerhalb deren längstens vom Enteignungsrechte Gebrauch zu machen ist“. Eine
derartige Vorschrift kann auch schon die das Verfahren einleitende Königliche
Verordnung enthalten. Immer bewirkt die Nichtbeachtung der Frist den Untergang
des Verfahrens mit Einschluß des Aktes, der die Frist gesteckt hat, nicht weiter
rückwärts: Loebell, Ges. über die Ent. S. 188; G. Meyer in Ztschft. f. deutsche
Gesetzgebung VIII S. 577. Die Frist ist gewahrt, auch wenn das Verfahren noch
über sie hinaus sich erstreckt, wenn nur noch innerhalb der Frist der dem be-
treibenden Teile zunächst obliegende Akt vorgenommen ist. A. M. G. Meyer
a. a. O. S. 577, der das „Gebrauchmachen“ immer nur erfüllt sehen will, wenn
die Sache innerhalb der Frist bis zum Antrag auf Entschädigungsfeststellung ein-
schließlich gebracht worden wäre: das sei „der letzte Akt, der im freien Belieben
des Unternehmers steht“. Das ist nun allerdings kein Grund so abzugrenzen; das
Gesetz hätte vielleicht zweckmäßiger Weise so bestimmen können; aber es hat es
ja nicht gethan. Sicher ist, daß der Unternehmer auch bei rechtzeitigem „Ge-
brauchmachen“ innerhalb der Frist, nach deren Ablauf die Sache nicht einfach
liegen lassen kann. Loebell a. a. O. S. 42 meint, es müßten ihm immer neue
Fristbestimmungen gegeben werden, von jedem Akt auf den folgenden. Auch dazu
bedürften wir wohl einer gesetzlichen Vorschrift. Mangels einer solchen wird man
nur sagen können, daß der Forderung des Gesetzes nicht genügt ist, wenn inner-
halb der Frist ein Anfang gemacht wurde und dann nicht fortgefahren wird; die
Verwirkung muß eintreten, sobald das Verfahren nachträglich willkürlich unter-
brochen wird. Das ist freilich Thatfrage, aber wohl nicht so schwer zu ent-
scheiden. — Nach Bad. Enteignungsges. v. 28. Aug. 1835 und nach Württemb.
Ges. v. 20. Dez. 1888 muß der Unternehmer innerhalb bestimmter Frist von der
Bezeichnung der Enteignungsgegenstände ab die Entschädigung festsetzen lassen
und den Enteignungsausspruch bewirken, sodann durch Auszahlung der Ent-
schädigung diesen Ausspruch wirksam machen (oben Note 23); wo nicht, so fällt
das ganze Verfahren zusammen, mit Einschluß des Aktes, der die Enteignung für
dieses Unternehmen für zulässig erklärte. Der Unternehmer verliert, wie man sagt,
das Enteignungsrecht.
von dem Beschluß des Präfekten, der die zu enteignenden Grundstücke bezeichnet,
kann der Eigentümer selbständig bei Gericht Antrag stellen auf Erlaß des Ent-
eignungsurteils; Art. 55: Nach Ablauf von 6 Monaten vom Enteignungsurteil ab
kann der Enteignete die Feststellung der Entschädigung selbständig beantragen.
Schätzungsverfahrens bezüglich eines zur Abtretung angesprochenen Gegenstandes
nicht binnen 6 Monaten von der freiwilligen Anerkennung der Abtretungspflicht
oder dem hierüber ergangenen rechtskräftigen Erkenntnisse von seiten des Ab-
tretungsberechtigten beantragt, so ist der Abtretungspflichtige zur Stellung des
Antrages befugt.“
dem bereits die Feststellung der Entschädigung durch Beschluß der Regierung
erfolgt ist, so hat der Eigentümer die Wahl, ob er lediglich Ersatz für die Nach-
teile, welche ihm durch das Enteignungsverfahren erwachsen sind, oder Zahlung
der festgestellten Entschädigung gegen Abtretung des Grundstücks beanspruchen
will.“ Die Zahlung wird im Wege der Klage beansprucht, aber nach Maßgabe
jenes Beschlusses; die Klage ist nur die Form, um aus der Feststellung der Be-
dingung des künftigen Enteignungsausspruches, was jener Beschluß bedeutete, die
wegen der Entschädigung seinem Wortlaute nach geradezu für den Fall des Rück-
tritts; der Fall der bloßen Verschleppung ist aber natürlich ebenfalls damit ge-
meint. Nach bayrischem Rechte kann ja der Eigentümer auch die Feststellung
der Entschädigung betreiben. Wenn aber der Rücktritt vor der wirklichen Fest-
stellung erfolgt, fällt das Selbstbetriebsrecht hinweg. Für diesen Fall wird nur
die Entschädigung für Dispositionsbeschränkung nach Enteignungsges. Art. XII
Abs. 3 geschuldet sein. Nach der Feststellung muß der Enteigner auch die
Zahlung erzwingen können, sonst hat es für ihn keinen Zweck, daß er jene be-
wirken darf. Kann er aber das, so ist der nachträgliche Rücktritt nicht imstande,
ihm diesen Anspruch wieder zu entziehen.
bei Dalcke, Das Ges. über die Enteignung S. 126 Note 103; G. Meyer in
Ztschft. f. deutsche Gesetzgebung VIII S. 579 Anm. 79.
meinen, es werde „für den Enteigner eine Verpflichtung zur Übernahme der Gegen-
stände der Enteignung während des Enteignungsverfahrens begründet“. Das ist
ja rechtlich etwas anderes. Auch Loebell, Ges. über die Enteignung S. 189,
faßt die Sache ganz falsch auf, wenn er den Rücktritt wie einen Vertragsbruch
behandelt und den Zurücktretenden geradezu „den schuldigen Teil“ nennt. Da
spielt eben überall die Idee des „zweiseitigen obligatorischen Verhältnisses“ herein.
Aber der Unternehmer hat sein Rücktrittsrecht, der andere sein Recht des Selbst-
betriebs und des Zurückbehaltens des rechtmäßig Bezahlten; hier ist weder gegen-
seitige Obligation, noch Schuld.
mäßig im Rechtswege, d. h. vor den Civilgerichten, wie die der öffentlichrecht-
lichen Entschädigung überhaupt (vgl. Bd. I S. 213 ff.). Die besonderen Zuständig-
keiten und Verfahrensregeln, welche für die Enteignungsentschädigung selbst ge-
geben sind, finden auf die Erledigung dieses Entschädigungsanspruchs keine
Anwendung.
ein selbstverständliches Rückerwerbsrecht an: „Dieses Rückforderungsrecht geht
aus dem Expropriationsrecht selbst hervor und braucht daher nicht ausdrücklich
durch die Partikulargesetzgebung festgestellt zu werden.“ Ähnlich Grünhut,
Ent.R. S. 162 ff. Schelcher, Rechtswirkungen S. 176, giebt ein Rechtsinstitut
der „staatlichen Wiederaufhebung der Enteignung“, wonach der Staat dem Unter-
nehmer, der das enteignete Grundstück nicht braucht, „kraft seines Hoheitsrechtes“
das Eigentum wieder absprechen kann, um es dem Enteigneten, der es wieder zu
haben wünscht, zurück zu übertragen. Auch das soll selbstverständlich sein und
wird demgemäß für Sachsen ohne weiteres als geltendes Recht beansprucht
(a. a. O. S. 180). Das sind aber doch alles höchstens gute Ideen de lege ferenda.
Sächs. Enteignungsges. v. 1855 § 7; Preuß. Enteignungsges. v. 1874 § 57.
G. Meyer, R. der Expropr. S. 269: „Es ist dies kein Recht, was unmittelbar aus
den allgemeinen Grundsätzen der Expropriation folgt; dasselbe kann deshalb auch
bloß dann als vorhanden angenommen werden, wenn die Partikulargesetzgebung
es ausdrücklich zugesteht.“
tion oder Wiederaneignung, Seydel, Bayr. St.R. III S. 642, ein Wiederenteig-
nungsrecht. — Es kommen hier vor allem in Betracht das Bayr. Enteignungsges.
Art. XII Abs. 4 und das Franz. Ges v. 1841 Art. 62. Letzteres giebt eine um-
fassendere Anwendung des bereits im Enteignungsges. v. 7. Juli 1833 ausgesprochenen
Grundsatzes. Grünhut, Ent.R. S. 162 ff., behandelt diese ganze Lehre sehr aus-
Voraussetzungen gemacht werden: es ist ja alles nur besondere Wohlthat des
Gesetzes, aus der Natur der Sache ergiebt sich nichts. So verlangt das Bayrische
Gesetz, daß das ganze Unternehmen rückgängig geworden sei; Nichtverwendung
des einzelnen Grundstücks giebt also kein Recht (Hartmann, Ges. über die
Zwangsabtretung S. 63 Anm.). Ferner kann es genügen, daß ein anderes öffent-
liches Unternehmen an Stelle des ursprünglich beabsichtigten das Enteignete ver-
wendet, damit keine Rückenteignung stattfinde; auch darüber besteht ein Gegen-
satz zwischen dem bayrischen und dem französischen Recht (Grünhut, Ent.R.
S. 166). Ob nur die förmliche Enteignung oder auch ein Abtretungsvertrag rück-
gängig gemacht werden könne, ist Frage der Auslegung des Gesetzes; es kann
das eine so gut verordnen, wie das andere. Selbstverständlich ist keines von
beiden (darüber Grünhut a. a. O. S. 163).
Sache abgeleiteten Rechtsinstitut (oben Note 45) einen Akt des freien Ermessens,
die Rückenteignung aussprechen lassen, wie die Enteignung; das giebt dann eine
volle Harmonie. Allein während die Enteignung ausspricht, daß das öffentliche
Unternehmen ein Grundstück erfordert, spricht die Rückenteignung, wie das geltende
Recht sie gestaltet hat, aus, daß das Grundstück frei sei, weil das öffentliche
Unternehmen nicht zu stande gekommen ist oder das Grundstück thatsächlich
nicht verwendet hat. Das sind keine Ermessensfragen. — Wegen der Zuständigkeits-
frage Hartmann, Ges. über die Zwangsabtretung S. 62 Anm. 4: „Vor welchen
Behörden dieser Anspruch zu verfolgen ist, ist durch keine specielle Verfügung
des Gesetzes bestimmt. Offenbar kann aber der Rückerwerbsanspruch, d. h. die
Frage, ob die Voraussetzungen für den Rückerwerb gegeben seien, nur vor den
Verwaltungsgerichten, d. h. vor der Kreisregierung und dem Verwaltungsgerichts-
hof, also denselben Behörden, welche über die Frage der Abtretungspflicht selbst
zu erkennen hatten, zum Austrag gelangen.“ Das ist folgerichtig das Ergebnis der
rechtlichen Natur der Rückenteignung. Das eben zuerst erwähnte civilrechtliche
Vorkaufsrecht gehört im Streitfall vor die Civilgerichte. — Daß das französische
Recht auch die Rückenteignung vor die Civilgerichte verweist, hat seinen Grund
darin, daß nach französischem Recht die Civilgerichte ausnahmsweise für alle
Enteignungssachen zuständig geworden sind, wofür sie es dem allgemeinen Grund-
satze nach nicht wären (Cassat.Hof 29. Mai 1867; Dalloz 1867 I S. 247; Theorie
des franz. V.R. S. 236).
und aus dem Wesen der Sache fließende Regeln wiedergiebt.
Art. 60.
wicklungsstufe unserer Gemeinwesen angehört, ist unzweifelhaft (vgl. auch unten
§ 55). Die Art, wie die geschichtliche Entwicklung vor sich ging, ist in Gierkes
großartigem Werke: Das deutsche Genossenschaftsrecht, mit voller Deutlichkeit
zur Anschauung gebracht worden. Für die damit zusammenhängende Gestaltung
des Sachenrechts giebt uns namentlich der zweite Band des Werkes die maß-
gebenden Anknüpfungen.
und Keime der Polizeigewalt der Gesamtheit); S. 235 Note 169 (Wege, Stege,
Plätze, Triften u. s. w. erscheinen schon in den alten Pertinenzformeln als Be-
standteile der Allmende). Man hat behauptet, daß der gleiche Gedanke ursprüng-
lich auch im römischen Rechte zu Grunde liege; Hesse im Jahrb. f. Dogm. VII
S. 183 N. 8: „Was zur allgemeinen Benutzung bestimmt war, gehört nach ihrer
(der Römer) Auffassung Allen (universitatis esse creditur), ohne daß sie die Ge-
samtheit als bestimmte ideale oder juristische Person auffaßten.“ Darüber Ubbe-
lohde, Forts. v. Glücks Pand., Buch 43 u. 44 T. IV, 1 S. 36. Vgl. auch unten
Note 8.
stärksten Ausdruck in dem Recht am unverteilten Lande, und zwar in der Stadt
selbst an Straßen, Plätzen, Befestigungen und allen dem gemeinen Gebrauch ge-
widmeten Gebietsstücken, im Stadtfeld an Wegen und an Gewässern“); S. 670, 677,
keit in zweite Linie; jenes ist es, was das Wesen der Rechtsgestalt der öffent-
lichen Sache ausmacht. Bei Struve, syntagma cum addit. Müll. exerc. 45
thes. 55, wird das sehr entschieden ausgesprochen: „spiritum quasi ac vitam potius
ab usu publico quam ab autoritate principis habere videntur (scil. die öffentlichen
Wege). Dieselbe Auffassung steht hinter den etwas verschrobenen Ausdrücken
des P. Heiz bei Fritsch, jus fluv. I S. 173 ff., welche Schwab in Arch. f. civ.
Pr. 30 Beil. S. 37 anführt: der Fürst hat die jurisdictio über den öffentlichen
Fluß; deswegen bleibt dieser doch „publicum“ und „res populi“, d. h. dem Ge-
meingebrauch gehörig. Anders als im Gemeingebrauch erscheint den damaligen
Juristen das „Volk“ nicht.
Allmend genannt). Wie dann hier alsbald der Begriff einer Stadtpersönlichkeit
als Eigentümerin dieser Sachen sich ausbildete, vgl. unten Note 7.
angeführten Schriftsteller. Vor allem Wesembec bei Fritsch l. c. II S. 89:
„Publica flumina non sunt in commercio nec alicujus vel proprietate vel usu, sed
jure gentium publicis usibus omnium serviunt, proprietate vero sunt nullius, quam-
vis quoad protectionem ad principem spectent.“ Hier sind die drei Dinge deutlich
auseinander gehalten: Eigentümer ist niemand, die Sache dient nach Naturrecht
dem usus publicus, der Fürst hat nur die protectio. — Die nämliche Konstruktion
giebt Fritsch auch für die öffentlichen Straßen, opuscula I, 14 tractatus de
regali viarum publicarum jure, cap. III n. 4: „unde earum proprietas nullius est,
usus autem omnium, quam ob causam appellantur publicae; ac propterea protectio
illarum pertinet ad summum principem.“
(Burkhardt in Grünhuts Ztschft. 15 S. 613), als sie gelegentlich des berühmten
Baseler Schanzenstreites durch die Gutachten von Keller und von Jhering
einer lebhaften Anfechtung unterzogen wurde. Um den Anspruch des abgetrennten
Kantons Basel-Land auf Anteil an den Festungswerken der Stadt Basel auszu-
schließen, wurde aufgestellt: dem Staat stehe an solchen Sachen kein dem Eigen-
tum gleich zu achtendes Recht zu. Keller will dem Staate dafür nichts als ein
„reines“ Hoheitsrecht lassen; Erwiderung auf das Gutachten von Rüttimann S. 8:
„Also ein reines Hoheitsrecht wird dem ungeteilten Kanton Basel über die Festungs-
werke zugeschrieben, folglich jedes Privatrecht, mithin auch das Eigentum aus-
geschlossen, ohne allen Unterschied zwischen latentem und patentem, zwischen
schlafendem und wachendem, zwischen verdecktem und offenem Eigentum.“ Dieses
reine Hoheitsrecht nennt er auch „das Hoheits- oder Polizeirecht, welches nach
der wohl richtigeren Meinung ihm allein zusteht, einerseits alle Befugnisse des
Eigentums in sich schließt, andererseits aber gegen alle jene Gefahren (die Servi-
tuten-Ersitzung u. dergl.) gepanzert ist“ (S. 7). Wenn dieses Hoheits- oder Polizei-
recht wirklich alle Befugnisse des Eigentums in sich schließen sollte, dann würde
es sich vielleicht nur um einen Streit über den Namen handeln. Allein dem
ganzen Zusammenhange nach soll in der That das „reine“ Hoheits- und Polizei-
recht gerade den Gegensatz zu irgend einem Rechte an der Sache bedeuten, ein
bloßes Aufsichts- und Ordnungsrecht, wie es der Obrigkeit dem usus publicus
gegenüber von jeher zustand. — Jhering, welcher Keller in seinem Gutachten (der
Streit zwischen Basel-Land und Basel-Stadt über die Festungswerke der Stadt
Basel 1862) sekundiert, spricht die jenem vorschwebende Grundidee offen aus:
der eigentlich Berechtigte an öffentlichen Sachen ist niemand anderes als die Viel-
heit der Rechtssubjekte, welchen der öffentliche Gebrauch zusteht, das Publikum
(a. a. O. S. 38); das sogenannte Eigentum des Staates oder der Stadt an den res
publicae ist nur „die Rückseite des Gemeingebrauchs“, nur eine Redeweise, um
auszudrücken, daß den Angehörigen des Staats oder der Stadt der Gemeingebrauch
zustehe (S. 43). — Es ist klar, daß hier einfach unsere ältere Auffassung der
öffentlichen Sachen wieder auftaucht, welche gerade mit Hülfe des römischen Rechts
überwunden war: der Gemeingebrauch ist der eigentliche Herr der Sache, Jherings
Publikum ist die alte Gesamtheit der Genossenschaft. In Geist des röm. R. III
S. 334 wird dieselbe Auffassung vertreten. Merkwürdig ist es jedenfalls, daß die
Gelegenheit, um den Gemeingebrauch in dieser Weise wieder auf den Thron zu
setzen, gerade an solchen öffentlichen Sachen gesucht werden mußte, die einem
Gemeingebrauche des Publikums niemals unterlegen sind, an Festungswerken.
Wer in einer Festung wohnt, mache nur einmal die Probe! Die Jhering-Kellersche
Restauration der älteren Rechtsanschauungen ist übrigens ohne dauernden Eindruck
geblieben. Vgl. vor allem die lebhafte Abwehr von Wappäus, Lehre von den
dem Rechtsverkehr entzogenen Sachen S. 85 ff. und Kappeler, Rechtsbegriff des
öffentl. Wasserlaufs S. 6 ff.
baren Ströme, die Ufer des Meeres und die Häfen sind ein gemeines Eigentum
des Staates“; Bayr.L.R. II, 1, 5 und Gem. Ed. v. 1808 §§ 15—17; code civil
art. 538; Österreich. Ges.Buch § 287; Haubold, Sächs. Priv.R. § 229 Anm. 2:
„Durch Befehl vom 7. Okt. 1800 wurden vier genannte Flüsse für öffentlich, d. h.
für Eigentum des Staates erklärt“.
wicklung nicht gleichen Schritt gegangen. Den mittleren und Durchschnittsfall
bieten die öffentlichen Wege. An den Festungswerken, gerade weil ein usus
publicus an ihnen nicht stattfindet, wird, allen voran, ein Stadt- und Staatseigentum
erkannt, so daß die Gesetzgebung zuletzt gar nicht für nötig findet, es auszu-
sprechen (vgl. vor. Note). Umgekehrt die öffentlichen Flüsse: sie bilden die Nach-
zügler; soweit die Landesgesetzgebung nicht ausdrücklich den Staat für den Eigen-
tümer erklärt hat, versucht die Theorie auch jetzt noch vielfach bei ihnen, aus-
nahmsweise und im Gegensatz zu Wegen, Festungswerken u. s. w., mit dem bloßen
usus publicus als „spiritus ac vita“ der Sache auszukommen, ohne ein öffentliches
Eigentum des Staates anzunehmen. So namentlich Wappäus, Dem Rechts-
verkehr entzogene Sache § 21; Gerber, D. Pr.R. § 62 u. 63; Stobbe, D. Pr.R.
§ 64, I u. II.
walt noch als eine Summe abgegrenzter landesherrlicher Hoheitsrechte gedacht
wird: die Wegehoheit bleibt dieselbe, auch wenn der Fiscus Eigentümer des Weges
ist; Kreittmayr, St.R. §§ 13, 16; Klüber, öff. R. §§ 408, 410. Den Ausdruck
Hoheitsrecht gebraucht aber bekanntlich auch der Polizeistaat noch, nachdem die
Grenzen der Hoheitsrechte längst verwischt sind. In seinen Anschauungen steht
Wappäus, Dem Rechtsverkehr entzogene Sachen S. 43: die öffentlichen Sachen
sollen dauernd allen Staatsbürgern zu Gute kommen; „daher verbietet der Staat
kraft seines Hoheitsrechtes dem Eigentümer, der er auch selbst sein kann in seiner
Eigenschaft als Fiskus, wenn er einmal eine bestimmte Sache ad usum publicum
hergegeben hat, die Ausübung seines Eigentums daran soweit, als darin eine Ge-
fährdung jenes allgemeinen Nutzens gesehen wird.“ — Bl. f. adm. Pr. 1870
S. 324 ff. „Öffentliche Wege sind Eigentum des Fiskus und zwar »förmliches
Privateigentum«, welches der Fiskus veräußern und belasten kann, wie anderes
auch. Aber die Sache hat auch eine polizeiliche Seite: weil die Straße einer
Staatsaufgabe dient, wird der Fachminister (der also den Staat vertritt) entscheiden,
was der Fiskus zu thun und zu lassen hat.“ — Vgl. auch O.Tr. 18. Juli 1861
(Str. 42 S. 288). Besonders erfreulich durch seine Deutlichkeit ist R.G. 23. Febr.
1880 (Samml. I S. 366): Meeresufer sind res publicae, gemeines Eigentum des
Staates; sie fallen deshalb wohl in das Gebiet des privatrechtlichen fiskalischen
Eigentums, aber dieses ist „vermöge der publizistischen Staatshoheit“ beschränkt
zu Gunsten des öffentlichen Gebrauchs. Wenn „Fiskus“ als Eigentümer den
öffentlichen Gebrauch hindert, so haben sich die Beteiligten „an die Staats-
verwaltung um Abhülfe zu wenden“.
bringt (vgl. vor. Note), deutet doch bereits auf diese andere Auffassung hin (a. a. O.
S. 103): „Übt der Staat als solcher sein Eigentum (an den öffentlichen Sachen)
aus? Wir sagen: Ja. Freilich nicht als solcher; denn der Staat als solcher kann
keine Eigentumshandlungen vornehmen, sondern kann nur gebieten und verbieten,
aber als Vermögenssubjekt, als Fiskus übt er sein Eigentum aus; und weiter hat
niemals jemand etwas behauptet.“ Die vollständige Eigentumsunfähigkeit des
Staates muß ja von selbst dazu führen, daß, sobald man den Fiskus nicht mehr
zur Aushülfe hat, die öffentlichen Sachen herrenlos werden. Schwab in Arch.
f. civil. Pr. 30 Beil. ist so weit. Er hat das fiskalische Eigentum an öffentlichen
Flüssen entschieden verworfen; sie sollen Staatseigentum sein im engeren und
eigentlichen Sinne (S. 32, 95). Wie sieht aber dies Eigentum aus? „Der Rechts-
grund dieser sämtlichen Befugnisse könnte allerdings aus der Staatsgewalt, als
Inbegriff der wesentlichen Hoheitsrechte, überhaupt hergeleitet werden, ohne daß
es nötig wäre, hierfür noch einen besonderen Rechtstitel in dem öffentlichen
Eigentum zu suchen. Allein wenn man das Staatseigentum nicht zu einem inhalts-
losen oder doch bloß negativen Recht machen will, so läßt sich nicht absehen,
warum diese Befugnisse, insoweit sie dem Staat in Bezug auf öffentliche Sachen
zustehen, nicht, neben jenem allgemeinen Rechtsgrunde, insbesondere auch aus dem
Staatseigentum sollten abgeleitet werden können“ (S. 57 Note 80). Er fügt dann
hinzu: „Allerdings giebt das öffentliche Eigentum seiner Natur nach dem Staate
ein mehr polizeiliches Recht der Aufsicht, Regelung und Beschränkung der Staats-
bürger, als ein ausschließliches Verfügungsrecht über die Sache, wie dies das
Privateigentum dem Berechtigten verleiht“ (S. 58 Note 81). Man sieht, Schwab
bringt mit dem besten Willen in dieses öffentliche Eigentum nicht mehr hinein als
die Rechte des „eigentlichen Staates“ gegenüber dem fiskalischen Eigentum an der
öffentlichen Sache. Die Ehrlichkeit erfordert aber dann doch wohl zu sagen:
dieses Eigentum ist kein Eigentum. Das thut das Reichsgericht. Das Preußische
Ober-Tribunal hatte mehrfach, allerdings dazwischen auch wieder entgegengesetzt
entscheidend, erklärt, daß die öffentliche Sache, die im gemeinen Eigentum des
Staates stehe, nicht res fisci sei. R.G. 23. Sept. 1880 (Samml. III S. 232) spricht
demgemäß aus: das Bett des Flusses „ist nach A.L.R. II, 14 § 21 gemeines
Eigentum des Staates, somit res communis omnium, eine res nullius und deshalb
eine res publica.“ Was für Gedankenwindungen! R.G. 10. Febr. 1881 (Samml. IV
S. 258): Der Fiskus hatte einen Steinblock aus dem schiffbaren Flusse geholt, ein
Uferbesitzer ihm das Recht streitig gemacht. Das Reichsgericht sagt: „Allerdings
schließt das gemeine Eigentum des Staates das besondere Eigentum eines Ein-
ein Privateigentum an dem Bette des Flusses, und zwar weder der Fiskus, noch die
Anlieger.“ Dagegen hat jedermann das Recht, sich die im Flusse befindlichen
Steine zuzueignen, „auch der Fiskus“. Wenn das gemeine Eigentum des Staates
das Eigentum jedes Einzelnen an dem Bette ausschließt, so, sollte man meinen,
würde es doch wenigstens das Eigentum des Staates selbst nicht ausschließen.
Aber der Staat des Reichsgerichts ist der „eigentliche Staat“, die reine hoheitliche
Gewalt der Polizeistaatsanschauung; dieser Staat kann, wie Wappäus ganz richtig
sagt, kein Eigentum ausüben. Und da kommt dann der Fiskus, dieser Realist,
und zieht ihm die Steinblöcke aus seinem Bette! — Sachlich kommt man mit
dieser Auffassung von dem, was der Staat an der öffentlichen Sache hat, wieder
ganz auf den alten Standpunkt zurück von Struve, Fritsch und ihren unbewußten
Erneuerern Keller und Jhering, nur daß diese der Sache doch wenigstens einen
scheinbaren Herrn geben im usus publicus, während sie jetzt einfach als herrenlos
sich bekennt.
achten zum Baseler Schanzenstreit (S. 17) folgendermaßen wiederzugeben gesucht:
„Das Eigentum des Staates an den öffentlichen Sachen ist aber freilich nicht ein-
faches Eigentum, wie es Private inne haben.“ Der Staat hat vielmehr hier „seine
Rechtsstellung über die eines gewöhnlichen Eigentümers hinaus erhoben, sein Recht
als ein unveränderliches, unantastbares erklärt und diese Sachen außerhalb des
Vermögensverkehrs gestellt. Wir können nichts dagegen einwenden, wenn man
dieses Recht als ein hoheitliches bezeichnet, weil es durch das öffentliche Recht
wesentlich in Form und Inhalt bestimmt wird.“ — Ihren vollkommensten Ausdruck
dürfte die neue Auffassung gefunden haben in der kleinen aber bedeutsamen Schrift
von Eisele, Das Rechtsverhältnis der res publicae in publico usu nach römischem
Recht. Dort heißt es: „Das Rechtsverhältnis der öffentlichen Sachen gehört, und
zwar ganz und nach allen Seiten, dem jus publicum an“ (S. 21); „Das Recht des
Staates an den öffentlichen Sachen (ist) zu bezeichnen als Eigentum des jus publicum
oder als publizistisches Eigentum“ (S. 24). — Es darf wohl hervorgehoben werden,
daß Eisele hier, ohne sie zu kennen, geraden Weges die Auffassung der französi-
schen Verwaltungsrechtswissenschaft wiedergiebt, welche ich meinerseits, ohne
Eisele zu kennen, in Theorie des Franz. V.R. S. 229, fast wörtlich mit ihm überein-
stimmend dahin zusammengefaßt habe: „Domaine public ist ein Eigentum des
Staates, welches dem öffentlichen Rechte unterliegt.“
diese Sachen nach altrepublikanischem Dogma als ein Korporationseigentum des
Volkes und giebt allgemeine Popularklagen zum Schutze der Benützung. Bei uns
sind sie einfaches Eigentum des Staates, was nur durch die Bestimmung zur all-
„Für den Civilisten hat die Annahme eines öffentlichen Rechtes das Bequeme,
daß das fragliche Verhältnis aus dem Gebiete des Privatrechts ausgewiesen ist;
wie aber soll ihm der Publizist seine Stelle im System des Staatsrechts anweisen?
So lange diese Frage nicht erledigt ist, ist jedenfalls die Aufgabe der juristischen
Konstruktion jenes Rechtes nicht gelöst.“ Es besteht für ihn „Verdacht, daß wir
eigentlich nach wie vor dasselbe Eigentum vor uns haben, daß jene Bestimmung
zum Gemeingebrauch die Natur des dem Staate zustehenden Rechtes nicht ändere.“
Ähnlich Windscheid, Pand. I S. 440. Burkhard in Grünhuts Ztschft. 15
S. 644 findet juristisch kein Hindernis, auch von „einem unsrem privatrechtlichen
Eigentum korrespondierenden öffentlichrechtlichen Begriff des Eigentums“ zu
sprechen; diesen würde er dann an die Seite stellen den öffentlichrechtlichen Ver-
trägen, Reallasten, Servituten u. s. w. Aber er meint, all diese öffentlichrechtlichen
Rechtsinstitute würden „ihrer Struktur und Anlage nach“ doch einfach mit den
entsprechenden privatrechtlichen übereinstimmen und nur insofern dem öffentlichen
Rechte zugewiesen sein, als sie „das Interesse der Allgemeinheit lebhafter be-
rühren“. Da hat er denn allerdings ganz recht, wenn er keine „Nötigung zu einer
solchen Konstruktion“ einsieht. Wir unsererseits aber wissen, daß das öffentliche
Recht etwas anderes bedeutet, als nur ein lebhafteres Berührtwerden des Interesses
der Allgemeinheit.
ist.“ Kappeler, Öff. Wasserlauf S. 17, spricht von einem Staatseigentum, welches
durch den vom Staate selbst geschaffenen usus publicus eine Beschränkung und
andererseits eine Vervollkommung erhält, welch letzteres dann zur Verkehrsunfähig-
keit führt. — Vgl. auch Burkhardi in Ztschft. f. Reichs- u. LandesR. I S. 107 ff.;
Hölder in Krit. V.J.Schft. 1874 S. 443 ff.; Windscheid, Pand. (5. Aufl.) I
S. 440; Ubbelohde, Forts. v. Glücks Pand., Buch 43 u. 44, 1 S. 29 ff.: Burk-
hard in Grünhuts Ztschft. 15 S. 645.
Begriffe des öffentlichen Eigentums und der öffentlichen Sache vorüber. Eine
rühmliche Ausnahme macht v. Stengel, D.V.R., welcher diesem Gegenstand
einen eignen Abschnitt widmet (S. 49—57).
eine Sonderung der öffentlichen Sachen von dem Verwaltungsvermögen. Der Grund,
den er anführt, daß jene der allgemeinen Benützung unterliegen, dieses nicht,
wird allerdings nicht durchweg zutreffen (unten n. 2 u. 3). Aber gewiß liegt ein
richtiges Gefühl zu Grunde, wenn man davor zurückscheut, die öffentlichen Sachen
überhaupt in irgend ein „Vermögen“ des Staates einzustellen. In diesem Sinn
bildet auch O.V.G. 28. Febr. 1879 (Samml. II S. 19) den Gegensatz: „die Straßen
sind Eigentum, aber nicht Aktivvermögen“.
einfach als die maßgebende zur Grundlage nehmen. Auf Meinungsverschieden-
heiten im Minderwesentlichen kommt es für unsern Zweck nicht an.
a priori deduzierter „Unhaltbarkeit der Idee eines öffentlichen Sachenrechts“ (subj.
öff. Rechte S. 72). Jellinek meint das allerdings selbst in einem engern Sinn,
als der Wortlaut bedeuten würde; er will nur für unmöglich erklären: subjek-
tive öffentliche Rechte der Einzelnen von dinglicher Natur; aber auch solche
bejahen wir. Wenigstens sind es subjektive Rechte von derselben Güte, wie sie
Jellinek sonst anerkennt.
lichen Sachen in cod. civ. 537. Dort werden mit der technischen Bezeichnung für
das öffentliche Eigentum, domaine public, neben Straßen, Strömen u. s. w. auch
aufgeführt: der Grund und Boden verlassener Festungswerke, die vakanten Güter,
das als eine „confusion“ des Gesetzgebers einfach nicht gelten und behandelt diese
Sachen als civilrechtliches Eigentum des Staates; Demolombe, cours de code
Nap. IX n. 458; Theorie des Franz. V.R. S. 227.
eisenbahnen als res publicae behandeln, weil „die Benützung jedem Zahlung an-
bietenden Reisenden gewährt werden muß“. Das Fahrgeld stehe dem Chaussee-
geld gleich. Dabei sind aber offenbar die Eisenbahnwagen mit dem Bahnkörper
verwechselt. — v. Stengel in Wörterbuch II S. 184 versagt umgekehrt dem
Bahnkörper die Eigenschaft als öffentliche Sache, „da nicht jedermann den Bahn-
körper für sich benützen kann, sondern für die Bahnverwaltung nur die Ver-
pflichtung besteht, mit jedem, der es verlangt, Verträge über Beförderung zu
schließen.“ Das ist ein guter Grund, um das Vorhandensein eines usus publicus
zu verneinen; ein Grund gegen die Eigenschaft als öffentliche Sache wäre es nur
dann, wenn zu dieser unbedingt usus publicus gehörte. Das ist aber nicht der
Fall. — Für eine res extra commercium erklärt den Bahnkörper R.G. 4. Okt. 1881
(Samml. V S. 333). Anderer Meinung vielleicht R.G. 20. Mai 1887 (Samml. XVIII
S. 341): es handle sich da nur um „eine durch den thatsächlichen Zustand be-
dingte Beschränkung der Verkehrsfähigkeit“. Genau betrachtet könnte das doch
eine öffentliche Sache bedeuten sollen. O.V.G. 8. Mai 1884 erklärt den Eisenbahn-
körper für „eine öffentliche Straße in gewissem Sinne“; nur sei diese Straße be-
sonderer Art.
haben kirchliche und kirchenrechtliche Ideen mächtig mitgewirkt, um ihre An-
erkennung als öffentliche Sache auch im weltlichen Rechte zu vermitteln. Daß
diese auf einen usus publicus nicht gegründet werden kann, ist sicher. Wind-
scheid, Pand. § 147: „Die Eigenschaft dem Verkehr entzogen zu sein, ist aber
keine ausschließliche Eigenschaft der für den gemeinen Gebrauch bestimmten
Sachen. Sie zeigt sich namentlich auch bei den für den Gottesdienst geweihten
Sachen und den Begräbnisplätzen (res sacrae, fundus religiosus).“ Die Civilrechts-
wissenschaft sieht am Gemeindekirchhofe natürlich nur, daß er ihr nicht gehört,
ihren Regeln nicht unterliegt und kann sich begnügen zu sagen, daß er dem Ver-
kehr entzogen ist; wir sehen die Sache von innen an und erkennen da das öffent-
liche Eigentum der Gemeinde. — Foerster-Eccius, Preuß. Priv.R. I S. 110,
unterscheidet zweierlei verkehrslose Sachen: solche, die „wegen ihres allgemeinen
Gebrauchszweckes der Staat für sich in Anspruch genommen“ und diejenigen,
„welche dem Gebrauch im Dienste der Religion gewidmet sind (res sacrae, res
sanctae)“. Der Gebrauch der letzteren ist offenbar kein „allgemeiner Gebrauchs-
zweck“, kein usus publicus. Die Idee, daß der Kirchhof dem Dienst der Religion
gewidmet sei, ist aber auch recht unzureichend. — Vgl. auch O.Tr. 23. Jan. 1855
(Str. 16 S. 210).
natürlich auch an den Festungswerken so etwas wie einen usus publicus zu retten
suchen. Er thut das in etwas schüchterner Weise, indem er (Verm. Schriften
S. 152) die Festungswerke bezeichnet als „Schutzanstalten, welche nicht dem Staat,
sondern den Individuen zu gute kommen“. Das ist aber erstens nicht wahr, und
zweitens, wenn es wahr wäre, gäbe es doch keinen usus publicus. — Die Schwierig-
keit, welche die Festungswerke der Lehre von der ausschließlichen Bedeutung des
Gemeingebrauchs für das öffentliche Eigentum bieten, wird übrigens von den An-
hängern dieser Lehre fast immer durch solche verschwommene Redensarten um-
gangen. So z. B. auch Wappäus a. a. O. S. 107: Die Festungswerke sind öffent-
liche Sachen, weil sie „als Schutzmittel gegen äußere Feinde mittelbar dem öffent-
lichen Nutzen dienstbar sind“. Das Kennzeichen der öffentlichen Sache hatte er
eben erst ein für alle Mal festgestellt als die „Bestimmung zum öffentlichen all-
gemeinen bestimmungsmäßigen Gebrauch aller Staats- resp. Gemeindeangehörigen,
dann aber auch aller Fremden“ (S. 106). Namentlich der bestimmungsgemäße
Gebrauch der Festungswerke durch „alle Fremden“ möchte sich gut ausnehmen.
— Kappeler, Öff. Wasserlauf S. 41, meint: Festungswerke müßten zu den res
publicae s. s. gehören; „denn in hohem Grade dienen gerade sie, wenn nicht der
öffentlichen Benutzung, so doch dem öffentlichen Nutzen“. Vorher hatte auch er
die res publicae s. s. abgegrenzt als „nur diejenigen Sachen, welche dem usus
publicus, d. h. dem öffentlichen Gebrauch, besonders der Staatsangehörigen dienen“
(S. 2); jetzt wird dieses entscheidende Merkmal mit einem harmlosen „wenn nicht“
bei Seite geschoben.
weltlichen Recht als allgemeines Merkmal nur den bevorzugten strafrechtlichen
Schutz gegen Verletzung (Meurer, Heilige Sachen I S. 160 ff.); das genügt natür-
lich nicht, um die rechtliche Eigentümlichkeit gerade der Kirchengebäude zu kenn-
zeichnen; bei diesen ist es mehr. — Ausführlich behandelt die Frage Wappäus
a. a. O. S. 49 ff. Vgl. auch Hinschius, Kirchenrecht IV S. 141 ff.
klärt einen Gemeindebrunnen, so lange er dem öffentlichen Bedürfnis der Gemeinde
dient, für eine dem Privatrechtsverkehr entzogene Sache.
rechnet eine Reihe von öffentlichen Gebäuden zu den öffentlichen Sachen, res publi-
cae: Parlamentshäuser, Ministerial-, Verwaltungs-, Gerichts-Gebäude, Gefängnisse,
Gasanstalten, elektrische Werke, Schlachthäuser, Markthallen. Nachdem er das
gethan hat, glaubt er aus der rechtlichen Behandlung dieser Sachen nachweisen
zu können, daß der von uns behauptete Begriff eines öffentlichen, d. h. öffentlich-
rechtlichen Eigentums falsch ist. Werden denn nicht an Dienstgebäuden u. s. w.
Mietsverträge, Verkäufe, Ersitzungen, kurz allerlei civilrechtliche Rechtsinstitute
zur Anwendung gebracht? Die Anwendbarkeit dieser Rechtsinstitute, die wir gar
nicht bestreiten, ist aber nur der Beweis, daß Ubbelohdes Voraussetzung un-
richtig ist, und daß vielmehr alle diese Gebäude öffentliches Eigentum nicht sind.
Ubbelohde steht unter dem Einfluß des römischen Rechts, das namentlich zur
Zeit der Republik den Begriff der res publicae viel weiter ausdehnte und ausdehnen
mußte. Nachdem wir einmal die umfassende Anwendbarkeit des Civilrechts auf
den Staat anerkannt haben (Bd. I, § 4 Note 15, § 5 Note 2), müssen wir den
Kreis viel enger ziehen. Ubbelohde freilich glaubt, nur nach dem Maßstabe der
Statthaftigkeit des Gemeingebrauchs den Umfang der öffentlichen Sache zu be-
stimmen. Damit zerstört er aber zugleich diesen Begriff des Gemein-
gebrauchs: von einem Gemeingebrauch an Ministerialgebäuden z. B., oder gar an
Gefängnissen kann man doch nur sprechen, wenn man darauf verzichtet, irgend
etwas bestimmtes damit sagen zu wollen.
Auch in der französischen Rechtswissenschaft war früher eine Strömung vor-
handen, welche Dienstgebäude und Verwaltungsgebäude zum domaine public
ziehen wollte. Seit Ducroqs trefflicher Abhandlung, des édifices publics, ist dort
die Frage wohl endgültig erledigt.
können Sachen, namentlich Gebäude noch als „öffentliche“ unterschieden werden,
um besondere rechtliche Bestimmungen daran zu knüpfen. So z. B. die Steuer-
Öff. Wasserlauf S. 24, S. 122, machen gegen Keller geltend: den Gemeinden könne
nur ein civilrechtliches Eigentum an ihren öffentlichen Wegen zustehen, denn das,
was Keller als die einzige Beherrschungsform der öffentlichen Sache hinstellt:
Hoheitsrechte, das können sie nicht haben. „Wo steht ein solches geschrieben?“
1861, § 3. Dabei handelt es sich aber eben nicht um eine sachenrechtliche Ord-
nung. — Auch privilegia fisci in Strafrechtsschutz, Ersitzung, Verfolgbarkeit
beweglicher Sachen, namentlich solcher, die einem öffentlichen Zwecke dienen, wie
die Bücher einer Bibliothek, die Stücke einer öffentlichen Sammlung, kommen vor.
Das ist zum Teil sachenrechtlicher Art, aber dann nur besonderes Civilrecht und
geht uns hier nichts an.
schaft des Staatsrechts, denn es würde einen Staat im Staate bedeuten“. Mit den
alten steifen Hoheitsrechten ist allerdings nichts anzufangen. Aber öffentliche
Gewalt und öffentliche Verwaltung findet sich nicht beim Staat allein, sie steht
auch der Gemeinde in gewissem Umfange zu. Und zwar steht das geschrieben
im Rechte der Selbstverwaltung. — Auch Burkhard in Grünh. Zeitschr. 15,
S. 634 ff. will den Begriff des öffentlichen Guts, öffentlichen Eigentums nur auf
den Fall des Staatseigentums anwenden; den Straßen, Plätzen, Brücken der Ge-
meinden versagt er den Namen, aber, nach seiner eigenen Darstellung, ohne
einen sachlichen Gegensatz finden zu können (S. 63); also wohl auch ohne sach-
lichen Grund.
Die Abneigung gegen die Anerkennung des öffentlichen Eigentums der Ge-
meinde hängt wohl damit zusammen, daß die Gemeinde häufig nicht in der Lage
ist, die Polizei ihres öffentlichen Eigentums unmittelbar selbst auszuüben, sondern
dazu der Mitwirkung einer zuständigen Staatsbehörde bedarf; das ändert aber das
öffentliche Eigentum selbst keineswegs (vgl. unter § 36, II Note 8).
anstalten, S. 40; freilich nur recht allgemein.
Gottesdienste macht das Gebäude nicht zur res sacra, es muß auch die thatsäch-
liche Verwendung hinzutreten.
lich lediglich durch die Thatsache seiner Unentbehrlichkeit und seiner allgemeinen
regelmäßig eine darauf gerichtete Willensäußerung der Verwaltung gehört, wird
nicht leicht verkannt. Es ist eher der entgegengesetzte Fehler, gegen welchen wir
uns zu verwahren haben: man sucht zu viel in dieser Willensäußerung; es soll
ein förmlicher obrigkeitlicher Akt daraus gemacht werden mit eigentümlichen
Rechtswirkungen. Das geschieht in verschiedener Weise. Die alte Fiskustheorie
hatte es am einfachsten. Sie denkt sich die Sache natürlich so: der Staat, ver-
treten durch die Wegepolizeibehörde, befiehlt dem Fiskus, vertreten durch die
Straßenbauverwaltung, den Weg zu bauen und in Dienst zu stellen, damit er dem
öffentlichen Zwecke, hier also vor allem dem Gemeingebrauch gewidmet sei; da
hätten wir freilich einen echten Verwaltungsakt, aber man braucht eben diesen
besondern Fiskus dazu. Neuerdings will man „eine Erklärung der Öffentlichkeit“
oder „Verleihung der Eigenschaft der öffentlichen Sache“ daraus machen, die die
Wirkung hat, den Gemeingebrauch zu begründen. So v. Stengel, V.R. S. 53.
Noch deutlicher Brinz, Pand. § 128, der unsere Widmung mit Rücksicht auf den
dadurch begründeten Gemeingebrauch geradezu, „eine Art öffentlicher Stiftung“
nennt. Mit dem Gemeingebrauch verhält es sich allerdings anders; der wird nicht
„gestiftet“; siehe unten § 37. Jedenfalls paßt die ganze Auffassung der Bedeutung
dieser „Erklärung der Öffentlichkeit“ nicht auf die vollkommen gleichwertigen
öffentlichen Sachen, die nicht in Gemeingebrauch kommen. Eisele, Rechtsverh.
der res publicae S. 35, löst diesen unrichtigen Zusammenhang mit dem Gemein-
gebrauch; er sieht in der publicatio einen formell wirksamen Akt, der der Sache
die öffentlichrechtliche Natur giebt; und zwar thut er dies vermöge eines eigentüm-
lichen der Verwaltung zustehenden jus publicandi, das ein „schöpferisches Recht“
vorstellt. Folgerichtig erklärt es Eisele für nicht nötig, daß die Sache auch schon
zugerichtet und fähig sei, dem öffentlichen Zweck zu dienen, der Beschluß genüge
(a. a. O. S. 33, Anm. 2). Das entspricht aber nicht der Wirklichkeit (oben Note 1).
kraft Privatrechts nicht entzogen werden kann, daß er demselben unter ausdrück-
licher oder stillschweigender Zustimmung der Wegepolizei gewidmet ist.
der Öffentlichkeit“ auf, welche unseren Erscheinungsformen der Widmung einiger-
maßen entsprechen. Nur erhalten, seiner Grundanschauung gemäß (vgl. vor. Note),
alle diese Arten die Natur von rechtsbegründenden Akten, statt bloßer Willens-
äußerungen über die der Sache zu gebende Bestimmung, und sind gestaltet als Er-
werbstitel: Gesetz, Verwaltungsakt, Ersitzung. Unserem Fall der ausdrücklichen
Widmung, der rechtlich von den anderen gar nicht verschieden ist, entspricht bei
ihm die Rubrik: „Verfügung oder Beschluß einer Behörde, welche auf Grund der
allgemeinen Rechtsnormen einem Gegenstande, z. B. einem Wege, die Eigenschaft
einer öffentlichen Sache beilegt.“ Durch die Anrufung der allgemeinen Rechts-
normen ist die juristische Bedeutung des Verwaltungsaktes noch besonders hervor-
gehoben. Wozu bedarf es aber noch allgemeiner Rechtsnormen, damit der Staat
eine von ihm erbaute Straße zu eröffnen beschließe? Das ist doch einfach die
Verfügung des Eigentümers, nicht eine Verfügung im technischen Sinne des Ver-
waltungsaktes mit freiem Ermessen.
öffentlichen Sache beigelegt werde“, hebt auch v. Stengel, V.R. S. 54, hervor. Aber
und findet darin einen „der Ersitzung analogen Fall“. Mit dieser Art von Er-
sitzung kommen wir aber doch wohl schon in die Frage des Eigentums hinein.
Die im Texte angeführten Fälle scheinen uns viel deutlichere Belege für still-
schweigende Widmung zu geben und von etwas wie Ersitzung ist dabei keine Rede.
spricht, daß die Erklärung der Öffentlichkeit einer Sache auch durch Gesetz er-
folgen könne. Wenn aber das Gesetz Sachen als öffentliche erwähnt, so ist doch
noch wohl zu unterscheiden, in welchem Sinne das geschieht. Fälle, in welchen
das Gesetz selbständig eine Sache für eine öffentliche erklärt, die es nicht bisher
schon war, werden sich kaum nachweisen lassen.
Die Besitzergreifung von einem Stück Boden, das als Zubehör der Straße be-
hauptet wird, ist „eine polizeiliche Anordnung im Interesse des Verkehrs“ und
mit gerichtlicher Klage nicht anfechtbar (C.C.H. 13. Okt. 1873; J.M.Bl. 1874
S. 39). — Ein bayrischer Stadtmagistrat ordnet die Beseitigung von Pfosten an,
mit welchen der angebliche Eigentümer einen Weg versperrt hatte; kein Rechts-
weg: „die Gemeinde muß in der freien Verfügung über die katastermäßig und
thatsächlich als öffentlicher Weg benützte Grundfläche geschützt werden“ (Bl. f.
adm. Pr. 1874 S. 372). Ein ähnlicher Fall in O.V.G. 1. März 1875.
hörde überwiesen sein, als derjenigen, welche die laufende Verwaltung der Sache
führt; es kann sogar sein, daß die Polizei namens des Staates geübt wird, während
die Straße, der Platz, der Brunnen der Gemeinde gehört und in allem übrigen
in deren Namen verwaltet wird. Das ändert nichts an der Rechtsstellung des
öffentlichen Eigentums; nach außen bilden alle Zweige der Verwaltung ein Ganzes;
der Schluß, daß bei solcher Trennung der Zuständigkeiten das Eigentum an der
S. 332): „ein öffentlicher Weg im Sinne des Stf.G.B. ist jeder, der thatsächlich
dem allgemeinen Verkehr dient.“ Das geht über unsern Begriff der öffentlichen
Sache hinaus.
Rechts, wonach die Verwaltungsbehörden darüber entscheiden, „ob ein Weg als
Ubbelohde, Forts. v. Glücks Pand. Buch 43 u. 44, IV, 1 S. 110.
wird als eine „polizeiliche Funktion“, als „ein interimisticum“ aufgefaßt: O.V.G.
17. Febr. 1877 (Samml. II S. 236). Wenn die Sache im Verwaltungsstreitverfahren
behandelt wird, so hat der betreibende Teil nicht zu beweisen, daß er Eigentümer
sei, „sondern es ist nur zu prüfen, ob der Weg öffentlich ist oder nicht“; O.V.G.
11. März 1885. Über die actes de délimitation des Franz. Rechts siehe Theorie
des Franz. V.R. S. 250 ff.
der res publicae ganz zutreffend also aus: „durch ihre negative Bedeutung (extra
commercium esse) sind sie dem Gebiete des Privatrechts entzogen, durch ihre
positive Bedeutung (Eigentum des Staats oder der Gemeinde, Benutzungsrecht
Aller) sind sie dem öffentlichen Rechte zugewiesen“. Richtig auch O.Tr. 22. Dez.
1873 (Str. 90 S. 345): „die Straßen sind res publicae, .. über welche nur nach
den Grundsätzen des öffentlichen Rechtes verfügt werden kann“.
Sache vgl. unten III. In Bl. für adm. Pr. 1874, S. 374, wird folgender Fall gegeben:
Ein Gutsbesitzer will den öffentlichen Weg verlegen lassen und kauft den alten Weg
der Gemeinde vor Notar ab. Das Bezirksamt befiehlt die Offenhaltung und die
Beschwerdeinstanz billigt das: „denn die auf jener Grundfläche ruhende Verbind-
lichkeit, für öffentlichen Verkehr zu dienen, bleibt als Last auf derselben auch
nach jenem Privatrechtsgeschäft, so lange nicht die Aufhebung des öffentlichen
Weges in einer von den Verwaltungsbehörden anerkannten Weise ausgesprochen
ist.“ Hier ist der Gedanke offenbar der, daß bis zur Auflassung der Weg trotz
Abs. 2, wodurch die Chausseen des Staates mit allen Rechten und Pflichten auf
die Kommunalverbände übertragen werden. — Gewisse öffentliche Sachen hängen in
ihrer Bestimmung auf das innigste zusammen mit dem Gebiete, auf welchem sie
sich befinden, gehören also naturgemäß derjenigen juristischen Person, welcher
dieses Gebiet zugeteilt ist, also diesem bestimmten Staat, dieser bestimmten Gebiets-
körperschaft, Provinz, Kreis, Gemeinde (vgl. unten § 56 n. 3). Bei einem Wechsel
des Gebietes gehen sie von selbst in das Eigentum des neuen Gebietsherrn über,
und zwar indem sie öffentliche Sache bleiben, also in das öffentliche Eigentum
des erwerbenden Staates, der erwerbenden Gemeinde. Der Zusammenhang mit dem
Gebiet ist nicht bei allen Arten von öffentlichen Sachen gleich groß: Gemeinde-
kirchhöfe z. B. können sehr gut auf dem Gebiete einer fremden Gemeinde liegen.
Das Hauptbeispiel für die Kraft jenes Zusammenhangs geben die Wege. Bei den
sogenannten Inkommunalisierungen erwirbt die aufnehmende Gemeinde die vor-
handenen Wege „in dem Rechtszustande, in welchem der aufgenommene Teil sie
besaß, ohne weiteres und ohne daß derselben auch nur besonders Erwähnung ge-
than werden müßte“; O.V.G. 20. Febr. 1884 (Samml. X, S. 233). Ubbelohde,
Forts. zu Glücks Pand., Bd. 43 u. 44, IV, S. 88 ff., behauptet demnach mit Recht
die Übertragbarkeit von öffentlichen Sachen. Er bemerkt dabei unter anderm:
„Allerdings wird es nicht eben häufig vorkommen, daß ein Staat dem andern etwa
eine Chaussee als solche überträgt. Warum indessen sollte dies nicht bei einer
Grenzregulierung, also in der Weise sich ereignen können, daß an dem abge-
der Verwaltung bleibt; dieser öffentlichrechtliche Besitz, den die Gemeinde so ohne
weiteres nicht aufgeben kann, ist die „Last“, welche die Wirksamkeit des „Privat-
rechtsgeschäftes“ beschränkt. Richtiger wäre es zu sagen, daß das Privatrechts-
geschäft bis zur Aufhebung des Weges überhaupt nicht wirkt; es geht ja doch
auch das Eigentum nicht über. Das Geschäft kann als gültig überhaupt nur be-
stehen, insofern es stillschweigend an die aufschiebende Bedingung der vorzu-
nehmenden Auflassung geknüpft ist.
§ 177 Note 13; O.V.G. 3. Juni 1882 (Samml. IX, S. 218). R.G. 10. Jan. 1883
(Samml. VIII, S. 158): „Daher erlischt das Recht des Gemeingebrauchs nicht nach
den Bestimmungen des Privatrechts etwa wie Servituten durch unterlassene Aus-
übung“. Gemeint ist das Recht des Staates oder der Gemeinde an der Sache,
welche ihrerseits die Voraussetzungen für den Gemeingebrauch liefern; das „Recht
des Gemeingebrauchs“, das nicht erlischt, ist nur ein ungeschickter Ausdruck
dafür; dieses Recht hat ja gar kein Subjekt; vgl. unten § 37.
spruchslos als öffentlicher benutzt worden ist, die Eigenschaft als öffentliche Sache
annehme“. Das gäbe dann nach ihm einen „der Ersitzung analogen Fall“. Wir sagen
dagegen: sobald der Weg wirklich als öffentlicher benutzt wird, d. h. einem öffent-
lichen Verkehr dient, den Staat oder Gemeinde schützen und ordnen, ist er öffent-
liche Sache, kraft öffentlichrechtlichen Besitzes vermöge der Polizei der öffentlichen
Sache; dazu bedarf es keiner Ersitzung. Wenn dieser Besitz die Ersitzungszeit
hindurch gedauert hat, ohne Einschränkung oder Unterbrechung durch Anerkennung
eines fremden Eigentums an der Sache, so wird der Staat, die Gemeinde Eigen-
tümer durch Ersitzung, und zwar durch wirkliche, nicht bloß analoge Ersitzung.
keine Frage zu sein; wir wüßten gar nicht, wie sich das anders sollte ereignen
können. Stobbe, D.Pr.R. § 434, I, scheint noch einen andern Fall von Ver-
äußerungsmöglichkeit zu kennen: „Die öffentlichen Wege … sind Eigentum des
Staates oder der Gemeinde und können, soweit dies die Verfassung des Staates
zuläßt, in das Eigentum von Privaten übergehen.“ Was die Verfassung aber hier
zu thun hat, ist unverständlich.
Privatrechte konstituiert werden können, ist sowohl nach römischem als nach
modernem Privatrechte unzweifelhaft“, so ist es notwendig, den Doppelsinn des
Wortes „Privatrechte“ zu beseitigen. Rechte der Privaten können konstituiert
werden, aber nicht privatrechtliche Rechte; und daß solche konstituiert werden
können, ist nicht „unzweifelhaft nach Privatrecht“, sondern wird erst möglich durch
das öffentliche Recht und in dessen Formen. — Die Unterscheidung, welche wir
hier machen, ist nicht die der herrschenden Meinung. Die herrschende Meinung
hat sich einen anderen Maßstab zurechtgelegt, um danach die Zulässigkeit nach-
träglicher Beschränkungen des öffentlichen Eigentums zu ordnen. Die Formel
lautet: unzulässig ist die Begründung von Rechten an der Sache, welche ihrem
Hauptzwecke, dem sie gewidmet ist, zur Störung gereichen würden; zulässig da-
gegen sind alle Rechte, welche diesem keinen Eintrag thun. Das preuß. Ober-
tribunal hat in zahlreichen Erkenntnissen davon Anwendung gemacht, um die Ent-
stehung civilrechtlicher Grunddienstbarkeiten an öffentlichem Eigentum anzuerkennen:
13. Dez. 1859 (Str. 35, S. 342); 24. Okt. 1863 (Str. 53, S. 4); 17. Nov. 1863
(Str. 51, S. 225); 11. Jan. 1871 (Str. 80, S. 204); 17. Nov. 1874 (Str. 100, S. 19).
Das Oberverwaltungsgericht (Entsch. 30. April 1877) scheint einer strengeren Auf-
fassung zuzuneigen. Dagegen hat das Reichsgericht die Auffassung des Ober-
tribunals ausdrücklich übernommen; Entsch. 4. Dez. 1884 (Samml. XII, S. 284):
„Denn so wenig diese Eigenschaft des Kirchhofes (dem bürgerlichen Verkehr ent-
zogen zu sein) das Vorhandensein privaten Eigentums, sei es der Kirche oder der
politischen Gemeinde oder Einzelner an demselben ausschließt, ebensowenig hindert
dieselbe das Bestehen solcher Nutzungsrechte an ihm, welche seiner Bestimmung
nicht zuwiderlaufen, und dies gilt ganz sicher von dem in Frage stehenden Be-
erdigungsrecht“. Ähnlich R.G. 5. Mai 1882 (Samml. VII, S. 136 ff.), 29. Juni 1886
(Samml. XVI, S. 159 ff.); Foerster-Eccius, Preuß. Pr.R. III, S. 27 Anm. 4 („Zu-
lässig sind Rechte an den fraglichen Sachen, welche den Gemeingebrauch nicht
ausschließen“); Bl. f. adm. Pr. 1874 S. 374; Ubbelohde, Forts. zu Glücks Pand.
a. a. O., S. 78. Es ist aber leicht zu sehen, daß diese Auffassung auf falscher
Grundlage beruht und zu keinem brauchbaren Ergebnisse führt. Sie geht gemäß
der alten Fiskustheorie davon aus, daß hinter der öffentlichen Sache immer ein
civilrechtliches Eigentum steckt, über welches verfügt werden kann. Sie giebt auch
kein Unterscheidungsmerkmal für die zulässigen Rechte: wenn selbst privates
Eigentum, das allerumfassendste Recht, daran zulässig ist, so ist jedes andere
S. 638 ff. (wo nur unrichtiger Weise ein Unterschied gemacht wird zwischen
öffentlichem Eigentum des Staates und der Gemeinde; vgl. oben § 35, Note 32).
Wichtig besonders R.G. 10. Jan. 1883 (Samml. VIII, S. 152): Nach Hamburgischem
Ges. über Grundeigentum und Hypotheken v. 4. Dez. 1868 müssen dingliche Rechte
an der Sache vor dem Zwangsverkaufe eingetragen oder angemeldet werden, sonst
gehen sie durch den Zuschlag unter. Das Reichsgericht erklärt das auf ein unter
dem versteigerten Hause befindliches Siel für nicht anwendbar als „eine lediglich
die privatrechtlichen Verhältnisse betreffende Bestimmung“. In diesem Falle
handelte es sich nur um eine öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit; der dabei
aufgestellte Satz hat aber allgemeinere Bedeutung.
thatsächliche Ausübung dem „Hauptzwecke“ der Sache weichen muß. Daß Fort-
bestand älterer Rechte und Zulässigkeit der Neubegründung solcher verschieden
beurteilt werden müssen, wird gar nicht beachtet.
bekommen, darauf eine Straße angelegt und dem öffentlichen Verkehre übergeben.
Der Hypothekargläubiger beantragt Subhastation und wird damit gemäß Preuß.
Subhast.-Ordnung vom 15. März 1869, § 39, abgewiesen. Das gleiche Schicksal
hat seine auf das Hypothekenrecht gegründete Klage auf Freigabe des Grundstückes
aus dem Straßennexus: „Jedenfalls ist die Realisierung des Pfandrechts unmöglich.“
— Einer ungerechten Schädigung des Hypothekargläubigers muß in anderer Weise
vorgebeugt werden.
verschüttet, Klage der Stadt gegen den Fiskus. Die Regierung erklärt: die Wieder-
herstellung des unterbrochenen Gemeindeweges sei „nicht bloß polizeilich un-
zulässig, sondern auch polizeilich nicht notwendig“ (!). Das Gericht, „bei diesem
Ungrunde des klägerischen Anspruches“ (!), weist die Klage ab; die Aufsichts-
behörde hatte entschieden. Ebenso R.G. 13. April 1880 (Samml. I, S. 420).
widert: es sei eine öffentliche Sache. Darin liegt eine Bestreitung der Aktiv-
legitimation und möglicherweise auch die Behauptung der Rechtmäßigkeit der an-
gegriffenen Handlung, da sie im Gemeingebrauch begründet war. O.Tr. 12. Jan.
1852 (Str. 4, S. 248).
öffentlicher Sachen wird nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Der
Besitz ist kein Recht civilrechtlicher Art, für welches diese Sachen, insbesondere
die im öffentlichen Eigentum stehenden unzugänglich wären; er ist eine Thatsache,
an welche Rechtserwerb und Rechtsschutz sich knüpfen; diese Thatsache kann
auch enthalten sein in der Herrschaft, welche die Verwaltung in obrigkeitlicher
Form über die Sache übt. Daher wir auch die Möglichkeit einer Ersitzung
zu ihren Gunsten angenommen haben (oben Note 16). Die possessorischen Inter-
dikte werden aber regelmäßig gegenstandslos sein wegen der alles erdrückenden
Macht der Polizei der öffentlichen Sache. Eine Besitzklage gegen die Verwaltung
wegen einer Sache, die sie als öffentliche beansprucht und zurückholt, wäre nichts
anderes als ein Versuch, diese Polizeigewalt durch das Gericht nachprüfen und
brechen zu lassen. Das Preußische Recht hat gerade für diese Fälle den Satz
aufgestellt: gegen polizeiliche Verfügungen ist ein possessorium unzulässig. Darüber
ausführlich Foerstemann, Pol.R. S. 472 ff. Einer Besitzklage des Herrn der öffent-
lichen Sache gegen den Einzelnen, der ihn stört, steht die Polizei der öffentlichen
Sachen nicht als ein Hindernis entgegen; sie wird durch diese nur überflüssig ge-
macht: eine Verwaltung, die sich selbst helfen kann und statt dessen die Gerichte
anruft, würde eine gewisse Schwächlichkeit verraten. Bei untergeordneten Rechts-
subjekten der öffentlichen Verwaltung ist das verhältnismäßig leichter denkbar. That-
sächlich sehen wir auch solche Besitzklagen kaum vom Staate selbst, wohl aber
häufig von Gemeinden erhoben. Das französische Recht erkennt z. B. an, daß
wenigstens wegen der Gemeindewege die Wahl freisteht zwischen Besitzklage und
polizeilichem Einschreiten (Proudhon, domaine public, Bd. II, n. 269, 630).
Einen bezeichnenden Fall behandelt O.Tr. 28. März 1873 (Str. 88, S. 341): Das
Militär hat bei Errichtung eines Zaunes in die städtische Straße übergegriffen.
Die Stadt erhebt Besitzstörungsklage gegen den „Militärfiskus“, mit welcher sie
durchdringt. Diese Klage war aber offenbar nur ein Verlegenheitsausweg. Hatte
catio erhebt, kann nicht vorkommen. Wir müssen sogar annehmen, daß das
Recht der rei vindicatio ihm überhaupt nicht zusteht. Diese setzt civilrechtliches
Eigentum voraus, und das liegt nicht vor. Es steht hier anders, wie bei der
Besitzklage, die nur Thatsachen voraussetzt (oben Note 22). Dieser Grundsatz wird
in der Praxis vielfach verdunkelt durch das Hereinspielen der Theorien, welche
hinter dem öffentlichen Eigentum ein civilrechtliches des Fiskus oder ein „latentes“
civilrechtliches oder sonst etwas der Art annehmen, um das öffentliche Eigentum
möglichst wieder nach Civilrecht zu behandeln. Bezeichnend für diese Auffassung,
aber auch für die ungünstige Lage, in welche der Staat dabei gerät, ist ein Erk.
des Ob.App.Ger. Kassel vom 18. Februar 1843 in S. Fiskus c. Treyan (Strippel-
mann, Samml. III, S. 260). Es führt aus: „daß Wege zwar möglicherweise im
Privateigentum des Staates sich befinden und durch die gewöhnlichen Eigentums-
klagen verfolgt werden können, Appellant (Fiskus) aber seine Klage auf ein der-
artiges Privateigentum nicht stützt, vielmehr nur behauptet hat, daß der Staat die
fragliche Wegestrecke vor einigen Jahren unter die Landstraßen, insbesondere in
seine eigene (des Fiskus) Administration und bauliche Unterhaltung aufgenommen
habe; hierdurch jedoch nur ein kraft der Staatsgewalt geltend gemachtes öffent-
liches Recht in betreff der fraglichen Wegestrecken folgt, welches nur uneigent-
lich als Eigentum bezeichnet und nicht durch die civilrechtlichen Eigentumsklagen
geschützt werden kann.“ Also erst läßt man den Staat wegen seiner öffentlichen
Straßen mit der rei vindicatio kommen, weil er ja Eigentümer sein könnte, dann
erklärt man, das sei doch kein richtiges Eigentum und weist ihn ab. O.Tr.
31. Dez. 1863 (Str. 51, S. 332): Die Gemeinde klagt gegen Beeinträchtigung ihres
Weges durch eine vorgerückte Mauer. Der Vorderrichter hatte entschieden,
werkes, den Zaun errichtet, so gab es dagegen weder Polizei, noch Besitzklage; sie
machte damit, um in der Sprache des preußischen Rechtes zu reden, selbst eine
polizeiliche Verfügung; es gab nur den Beschwerdeweg. Hatte sie aber gleich
einem andern Eigentümer ein gewöhnliches Grundstück umzäunen lassen, so war
die Wegepolizei am Platz. Das letztere war hier wohl der Fall, sonst hätte die
Gemeinde auch mit der Besitzklage nicht durchdringen können. Aber sie fühlte
sich offenbar nicht stark genug, gegen das Militär geraden Weges vorzugehen.
läßt den Rechtsweg zu, wie es meint, in favorem der Gemeinde. O.Tr. 9. Dez.
1886 (Str. 23, S. 137): „Die Frage, ob ein Weg als öffentlich anzusehen sei, liegt
nur im Gebiete der Verwaltung, der Polizei; die Staatsgewalt prozessiert nicht mit
ihren Unterthanen über hoheitliche Rechte und Ausflüsse“. Das ist wieder zu viel
gesagt. Der bayr. Oberste G.H. hat in einer Kompetenzkonfliktssache unterm
17. Dez. 1872 entschieden, daß die Gemeinde, welche einen Fahrweg in der be-
haupteten ursprünglichen Breite wieder hergestellt verlangt, nicht an die Ver-
waltungsbehörde um polizeilichen Schutz, sondern an die Gerichte sich zu wenden
habe mit der rei vindicatio. Das war ein Abfall von der bisherigen Praxis, ver-
anlaßt durch eine lebhaft geführte Polemik Luthardts; vgl. unten Note 24; Bl. f.
adm. Pr. 1873, S. 127.
zeigt sich zumeist in der Form wirksam, daß das Gericht sich unzuständig er-
klärt, die Herausgabe der öffentlichen Sachen gegen die Verwaltung anzuordnen
und zu erzwingen. In Bl. f. adm. Pr. 1870, S. 366 ff., wird eine Reihe von Ent-
scheidungen des bayr. Obersten G.H. angeführt, die sich mit Eigentumsklagen wegen
öffentlicher Sachen beschäftigen und sie in diesem Sinne zurückweisen. Der
Herausgeber Luthardt begleitet dieselben mit sehr bemerkenswerten Erörterungen,
in welchen er auf das kräftigste gegen die darin vertretenen Grundsätze ankämpft
und aufstellt: sobald einmal die Klage sich auf Eigentum gründet, müssen die
Gerichte zuständig sein. Allein die Gerichte sind wohl berufen, jeder Zeit die
Klage nach ihrem wahren Ziele zu würdigen. Wenn der Kläger bloß verlangt, als
Eigentümer anerkannt zu sein, und die Verwaltung bestreitet, daß er es sei, so
muß das Gericht entscheiden. Wenn die Klage aber geht auf Freigabe der Sache,
weil Kläger Eigentümer sei, und die Verwaltung entgegnet: die Sache sei eine
öffentliche Straße, oder ein Festungswerk oder ein Teil eines öffentlichen Flusses,
so wird das Gericht sich fragen müssen: streiten die Parteien über Eigentum oder
streiten sie nur über die Herausgabepflicht. Der Bayrische Oberste Gerichtshof
hat überall das letztere angenommen und die Unzuständigkeit der Gerichte als-
dann mit Recht erkannt. Der vorsichtige Kläger wird, sobald ihm die Einrede
der öffentlichen Sache entgegentritt, durch Beschränkung seiner Klage auf die Fest-
stellung des Eigentums den Streit auf civilrechtlichem Gebiete festhalten.
der öffentlichen Verwaltung, wie die Widmung, und als solche gerichtlich nicht an-
greifbar; R.G. 17. März 1881 (Samml. IV, S. 279). Was wir hier Auflassung
nennen, wird auch mit den Ausdrücken: Kassierung, Deklassierung, Einziehung,
Ausreihung bezeichnet.
lassung anzuerkennen wären außer der Verwahrlosung. Aber man wird sofort
erkennen, daß es sehr gefährlich wäre für die ganze Ordnung dieses Rechts-
gebietes, wenn man den Schlußfolgerungen auf einen vorhandenen Auflassungs-
willen zu viel Raum geben würde. Die wichtigste Art von facta concludentia
wären ja schließlich gerade die civilrechtlichen Veräußerungsgeschäfte und wir
kämen so auf einem nur in Gedanken zurückzulegenden Umwege einfach auf die
freie Veräußerlichkeit des öffentlichen Eigentums zurück. In der oben Note 12
angeführten Entscheidung wird deshalb mit Recht aufgestellt: ein öffentlicher
Weg bleibe was er ist, „so lange nicht die Aufhebung des öffentlichen Weges in
einer von den Verwaltungsbehörden anerkannten Weise ausgesprochen und be-
stätigt ist“. Die stillschweigende Aufhebung tritt nur dann in die Lücke, wenn
die Thatsachen geradezu zwingen, eine Auflassung anzunehmen auch ohne
Formen, und das ist eben nur der Fall bei jener Verwahrlosung.
Aufhebung der Eigenschaft der öffentlichen Sache durch Gesetz, durch behördliche
Verfügung und dadurch, daß sie thatsächlich nicht mehr als solche behandelt
wird. Die beiden letzten Arten sind die Auflassung, die ausdrückliche und die
stillschweigende; ein Untergang der öffentlichen Sache durch gesetzliche Be-
stimmung dürfte nicht nachzuweisen sein. Der weitere Grund, den v. Stengel
hier noch hinzufügt und der kein Seitenstück in der Widmung hat: Untergang
des Gegenstandes, an welchem die Eigenschaft der öffentlichen Sache haftete, ist
wohl nicht als ein selbständiger zu denken. Anwendungsfälle dafür könnten nur
bei Bauwerken, Brücken oder Kirchen gesucht werden; aber auch hier wird
es wohl eher das Verfallenlassen und Nichtwiederinstandsetzen, also die still-
schweigende Auflassung sein, was wirkt. Wenn freilich die Sache ganz und gar
verschwindet, also etwa die Holzbrücke durch Feuer zerstört wird, so ist alles
aus. Das ist aber bei allen dinglichen Rechten so und keiner besonderen Er-
wähnung würdig.
Staates verhältnismäßig spät entwickelt (oben § 35, Note 10) und noch nicht so
befestigt. Hier finden wir gern noch die alte Auffassung einer res nullius oder
eines Eigentums der Angrenzer, welches durch die hoheitliche Beherrschung der
Sache für ihren Zweck verdeckt wird, so lange sie ihm dient. Bei Änderung des
Bettes kommen dann statt civilrechtlichen Eigentums des Staates jene anderen
Rechtsbeziehungen zum Vorschein. So O.Tr. 24. Nov. 1870 (Str. 81, S. 73);
Regelsberger, Pand. I, S. 425.
den Baseler Festungswerken, S. 17, von dem „latenten gewissermaßen schlummern-
den Eigentum an den Festungswerken“, welches durch die Auflassung derselben
verfügbar werde.
einem jeden zum Reisen und Fortbewegen seiner Sachen gestattet.“ Österr. B.G.B.
§ 287: „Jene (Sachen), die ihnen (allen Mitgliedern des Staates) nur zum Gebrauche
verstattet werden, heißen öffentliches Gut.“ Für die Art, wie das Verhältnis
zwischen Staat und Fiskus dabei gedacht ist, giebt R.G. 23. Febr. 1880 (Samml. I
S. 366) ein Beispiel; vgl. oben § 35 Nole 11.
einer von der Staatsgewalt eingeräumten Befugnis.“ Burkhardi in Ztschft. f.
Reichs- u. Landes-R. I S. 107; von Älteren vor allem Maurenbrecher, D.
Pr.R. § 156.
auf staatliche Gewährung erweist sich am deutlichsten daraus, daß ihre Anhänger
von einer Gewährung sprechen, die der Staat machen muß. So Mauren-
brecher, D. Pr.R. § 156: „öffentliche Sachen sind Staatseigentum, aber den Ge-
brauch muß der Staat den Unterthanen überlassen.“ Dieses Muß würde sich selbst
erst wieder aus einem vorher bestehenden Rechte erklären lassen.
ein Recht der Gemeindemitgliedschaft“; Ubbelohde, Forts. v. Glücks Pand.
Buch 43 u. 44, IV, 1 S. 38, 46: die Benützung der öffentlichen Sachen des Staates
steht den Einzelnen zu „nicht kraft eines persönlichen Privatrechts, sondern kraft
Gutachten zum Baseler Schanzenstreit S. 38, macht ja deshalb das „Publikum“
geradewegs zum Eigentümer der öffentlichen Sache (oben § 35 Note 8). Vgl. auch
O.Tr. 12. Juni 1852 (Str. 4 S. 244); O.Tr. 28. März 1873 (Str. 88 S. 341). Auch
die Franzosen drücken sich gern so aus; Proudhon, dom. publ. I n. 220: „un
droit d’usage ou d’usufruit établi sur ce fonds au profit du public.“
mann zustehende Recht, welches, obgleich es publizistischer Natur ist, nach ge-
meinem Rechte auch privatrechtlich gegen Störungen geschützt ist.“ Bekker,
Pand. I S. 341: „Rechte, die allen zukommen“.
S. 366): „eine öffentlichrechtliche Befugnis“; Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 337: „kein
Privatrecht, sondern ein verwaltungsrechtlicher Anspruch“; ebenda 1874 S. 43:
„kein klagbares Privatrecht, sondern bloß (!) eine administrative Befugnis“.
sonen, welche öffentliche Sachen besitzen, hat der Einzelne das Recht der Be-
nützung „als Glied der Gesamtheit“.
rechte sehr ähnliches Recht“; S. 175: „Quasiservituten mit der wesentlichen Ver-
schiedenheit von eigentlichen Servituten, daß sie ohne weiteres erlöschen, sobald
die Behörde den Gemeingebrauch aufhebt“. Vorsichtiger Bekker, Pand. S. 382:
„das Objekt des Rechts im vorliegenden Falle ist eine Sache, das Recht selber
also ein dingliches. Es ist aber ein Recht besonderer Art, da es vom Einzelnen
nicht erworben, noch verloren werden kann“; S. 343: „mit der Aufhebung des
Gemeingebrauchs erlöschen diese Rechte ohne weiteres“. — Die Servitut spielt
namentlich eine große Rolle zur Erklärung des Gemeingebrauchs an der Straße
für angrenzende Gebäude; davon unten IV n. 2. — Die französischen Schriftsteller
sind übrigens mit der Verwertung des Servitutenbegriffs hier noch viel unbesorgter;
Proudhon, dom. publ. I n. 16: „ils (ces immeubles) sont affectés au profit de
tous indistinctement à un véritable droit d’usage, servitude personnelle, dont
l’exercice est réglé par les lois de police.“ Damit darf man es bei ihnen nicht so
genau nehmen.
actio injuriarum aestimatoria verfolgbar, wer irgend jemanden im Genusse oder
Gebrauche der öffentlicher Benützung unterworfener Sachen stört“. Ubbelohde
a. a. O. S. 201 hält die Injurienklage für überflüssig, da heut zu Tage jede Störung
des Gemeingebrauchs immer unter irgend eine Bestimmung des Strafgesetzbuchs
falle; wenn sonst gar nichts paßt, wird man „doch in solchem Treiben immer
einen groben Unfug erblicken“. Gerade an die Strafbarkeit würde sich aber erst
recht eine Schadensersatzklage des Verletzten anschließen müssen. Im einzelnen
hängt natürlich alles davon ab, ob das Civilrecht die Schadensersatzpflicht ex delicto
freier oder enger bestimmt. Über diese Frage vor allem die trefflichen Aus-
führungen bei v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 427 ff., 501 ff.
R. u. V.R.Pfl. S. 429 ff.: „wenn jemand von der Teilnahme an den Einrichtungen
des menschlichen Lebens, die allgemein jeder Person als solcher zustehn, ohne zu-
reichenden Grund ausgeschlossen wird“, ist das Nichtanerkennung der Persönlich-
keit und als solche Rechtsverletzung. „Es gehört dahin der Gebrauch der öffent-
ganz folgerichtig den Gemeingebrauch mit darunter: Autorrecht S. 130, 133.
Einzelnen durch Verfügung der Verwaltungsbehörde, so ist das „eine Verletzung
seiner Persönlichkeit“, „ein rechtlich unbegründeter Eingriff in ein subjektives
Recht“. Hierin ist die ganze Grundidee des Rechts des Gemeingebrauchs ent-
halten; wegen des Ausdruckes „ein subjektives Recht“ dürfen wir ja unsere Vor-
behalte machen.
auch wo man sonst den Gemeingebrauch nicht als eine solche auffaßt; das hängt
damit zusammen, daß hier eine Entschädigung bei Änderung der Straßen gewährt
werden soll, für die man eine rechtliche Grundlage sucht. Das Nähere unten IV
n. 2. — Bekker, Pand. S. 341 ff., unterscheidet: Rechte, die ohne weiteres aus
dem Gemeingebrauche hervorgehen und deshalb allen zukommen, und Vorzugs-
rechte, „die den Gemeingebrauch nur zur Voraussetzung haben, übrigens besonders
erworben werden müssen und also auch nur denen zukommen, die sie erworben
haben.“ Diese Vorzugsrechte teilt er aber dann (S. 343) wieder ein in „Anlieger-
rechte“; das sind wesentlich die oben genannten; und „besonders erworbene Be-
rechtigungen von Anliegern und Nichtanliegern“, wobei vor allem die Konzession
in Betracht kommt. Die Anliegerrechte sind also keine besonders erworbenen
Rechte, also nach der ersten Einteilung doch wohl einfach Rechte des Gemein-
gebrauchs. Bekker nennt sie selbst „eine Reihe von Vorteilen, Nutzungen aus
dem Gemeingebrauch“; er bezeichnet sie bloß deshalb als Vorzugsrechte, weil sie
„dem Nichteigentümer niemals ebenso zukommen können .... Unter anderm die
Möglichkeit u. s. w.“ Also sind es eben doch bloß thatsächliche Vorzüge,
keine Vorzugsrechte. Das ist ja klar, daß, wer nicht Hausbesitzer ist, auch keine
Fenster auf die Straße haben kann. Ganz ebenso kann, wer keinen Wagen hat,
nicht auf der Straße fahren, und wer kein Pferd hat, nicht darauf reiten. Oder
haben die Wagenbesitzer auch „Vorzugsrechte“? Das Richtige wird also sein, zu
sagen, daß alle diese Leute Vorteile aus dem Bestand der Straße ziehen, die
andere nicht daraus ziehen, weil ihnen die thatsächlichen Voraussetzungen fehlen.
Das Recht ist überall gleichmäßig kein anderes als das des Gemeingebrauchs.
Streitfall, welchen die Stadt Marburg gehabt hat. Ein Anlieger will die Stockwerke
seines Gebäudes über die Straße vorspringen lassen. Die Gemeinde als Eigen-
tümerin der Straße ist dagegen. Die staatliche Polizeibehörde erlaubt es. Sie
beruft sich darauf, daß der Straßeneigentümer ja auch Fahnen, Marquisen, aus-
wärts schlagende Fenster dulden müsse, „soweit damit keine Mißstände verknüpft
seien“. Das letztere bezieht sich auf die Polizei der öffentlichen Sachen, welche
die Grenzen des Gemeingebrauchs überwacht. Der beabsichtigte Vorbau selbst
war freilich nicht damit zu vergleichen und entschieden keine Ausübung des Ge-
meingebrauchs; vgl. unten § 39 Note 9.
Strafe: „wer auf öffentlichen Wegen .. Gegenstände, durch welche der freie Ver-
kehr gehindert wird, aufstellt, hinlegt oder liegen läßt“. Man streitet darüber, ob
hier nicht das Wort „unbefugt“ doch zu ergänzen sei. Sicher ist, daß die Be-
rufung auf eine privatrechtliche Befugnis nichts hilft; die giebt’s gegenüber der
Thatsache der öffentlichen Straße nicht. Aber Konzession, Gebrauchserlaubnis
und Gemeingebrauch geben allerdings Befugnisse, die hier in Betracht kommen.
Olshausen, Stf.G.B., zu § 366 Ziff. 9 b, führt ein Erkenntnis des O.L.G. Darm-
stadt 28. Nov. 1889 an, wo „Freisprechung wesentlich deshalb erfolgte, weil die
durch das Haltenlassen eines Fuhrwerks in einer engen Sackgasse bedingte Ver-
kehrsstörung nicht länger dauerte, als zur Abladung des Heues nötig war“. Der
Thäter war so weit befugt durch das Recht des Gemeingebrauchs.
Hufbeschlagbrücke. Das O.L.G. sagt: „nach alter deutscher Rechtsanschauung
wird der längs der Häuser hinziehende Fuß- oder Bürgersteig als Teil der Straße
behandelt“; aber vielfach ist den Handwerkern gestattet, darauf zu arbeiten, freilich
nur „begünstigungsweise“. Das O.L.G. meint, es sei ein precarium, das, wie jeder
Vertrag auch stillschweigend möglich sei. Der Rechtsbeistand des Schmiedes be-
hauptete ein Servitut. Der Schmied selbst hat offenbar keines von all diesen
Rechtsinstituten im Sinne gehabt; er glaubte befugt zu sein, vor seinem Haus zu
arbeiten, ebenfalls „nach alter deutscher Rechtsanschauung“, kraft des Rechts des
Gemeingebrauchs. Ob dieses Recht hier nicht der Polizei zu weichen hat, ist eine
benutzungsgesetz vom 28. Mai 1852 Art. 9: „Der Gebrauch des Wassers aus öffent-
lichen Gewässern durch Schöpfen, Baden, Waschen und Tränken ist vorbehaltlich
der Polizeivorschriften jedem unverwehrt“. Wer den Gemeingebrauch auf eine
staatliche Gewährung zurückführen will, fände hier scheinbar eine gute Handhabe.
Allein dann müßte ja der Gemeingebrauch auch mit dem Texte dieser Gewährung
S. 149 Anm. 86 i, erwähnt folgenden Fall: In der Provinz Hannover „bestreitet das
dortige Landesdirektorium den Chausseeanliegern in den Marschen das für den
Gemeingebrauch äußerst unbequeme Recht nicht, die beim Ausräumen der Wasser-
züge längs der Chaussee gewonnene Erde, Schlamm u. s. w. auf der Chaussee ab-
zulagern, nachdem genannter Behörde bezeugt war, daß diese Ablagerung seit
Menschengedenken immer und zwar in der Absicht ein Recht auszuüben geschehen
war.“ Ubbelohde nennt das ein dingliches Recht auf einen in den Gemein-
gebrauch eingreifenden Sondergebrauch, welches vermöge unvordenklicher Übung
entstanden wäre. Allein jede Ausübung des Gemeingebrauchs vermag den übrigen
Gemeingebrauch zu stören, greift in denselben ein; diese Benützung der Land-
straßen ist offenbar selbst Gemeingebrauch, ein Seitenstück zur Benützung der
Straße für die Anlieger zum Wasserablauf. Von dinglichem Rechte ist keine
Rede; die unvordenkliche Übung ist nur das sicherste Zeichen der allgemeinen
Rechtsauffassung für die Zugehörigkeit dieser Art der Benützung zum Gemein-
gebrauch. — Hierher dürfte auch der Fall gehören, welchen R.G. 16. Febr. 1887
(Reger VIII S. 309) behandelt. Das Gericht spricht von einer Ersitzung des
Rechts, Wagen und Ackergeräte auf der Straße aufzustellen; es glaubt eine Er-
sitzung annehmen zu müssen, da es sich um dauernde und vorzugsweise Nutzung
handle, im Gegensatz zu dem im Gemeingebrauch liegenden vorübergehenden Be-
nützen und mit Untersagung der gleichartigen Benützung für Dritte. Allein haben
nicht andere an ihren Häusern das gleiche ausschließliche Recht? Dann ist es
doch nur Gemeingebrauch, erkennbar aus der langen Übung, und die begriffs-
widrige Zulassung der Ersitzung, die alles in Unordnung bringt, brauchen wir
nicht. Daß jeder nur vor seinem Hause so befugt ist, nicht vor dem des anderen,
darf nicht irre machen. Das Recht des Gemeingebrauchs geht eben gerade nur
darauf, daß jeder vor seinem Grundstück solche Dinge aufstellen kann.
besonders scharfer Weise zum Ausdruck: „Von dem Staate errichtete Kanäle sind
nur insoweit dem freien Gebrauche eröffnet, als dieses durch die Staatsregierung
bestimmt wird.“ Man könnte daran denken, daß hier der Gebrauch ganz und
gar von einer der Regierung vorbehaltenen Gewährung, allgemeiner oder besonderer,
abhängig gemacht wäre. Ein Gemeingebrauch im Rechtssinne bestünde alsdann
an bayrischen Kanälen nicht. Allein so ist es nicht gemeint. Es hat hier nur der
Regierung die Ermächtigung gegeben werden sollen, den sonst an öffentlichen Ge-
wässern bestehenden Gemeingebrauch für die an sich dazu gehörigen Kanäle nach
freiem Ermessen zu beschränken und auszuschließen. Soweit solches nicht ge-
schehen ist, besteht derselbe also auch an Kanälen. Diese Auffassung wird be-
stätigt durch die Art, wie in der Bayr. Kanalordnung vom 9. Januar 1842, welche
jene Bestimmung im Auge hat, der Gebrauch des Kanals geregelt ist: die Schiff-
fahrt ist selbstverständlich als der Hauptzweck frei, eine Reihe von sonstigen Be-
nutzungsarten, welche an öffentlichen Flüssen freistehen, wird ausdrücklich ver-
boten (Kanalord. § 63 ff., Pözl, Komm. S. 491). Durch dieses Verbot ist der sonst
zulässige Gemeingebrauch gerade vorausgesetzt. Was davon nicht unter das Verbot
fällt, ist also selbstverständlich berechtigt.
S. 62, bemerkt: „Als unter den Art. 9 Abs. 1 fallend dürften noch anzuführen sein:
die Benützung des gefrorenen Wassers zum Schlittschuhlaufen, das Waschen der
Schafe, das Fleien, das Einlassen von Gänsen und Enten.“ In einer Fußnote
fügt er zu dem „Waschen der Schafe“ hinzu: „Ob auch von Schweinen, ist uns
zweifelhaft“. Wie steht es mit den Hunden? Diese werden doch von allen Tieren
am häufigsten ins Wasser geschickt. Pözl nennt sie offenbar nicht, weil es ihm
nicht ernsthaft genug erscheint. Aber das ist gerade die Freiheit, daß es auf
den Wert der Handlung nicht ankommt. Doch sehen wir ab von der Frage, ob
selbst Pözls Aufzählung vollständig ist. Die Hauptsache ist: woher nimmt er die
Berechtigung zu solchen Zuthaten zum Gesetz? Offenbar von nichts anderem als
von der allgemeinen Anschauung, welche für die Bestimmung des Umfangs des
Gemeingebrauchs grundsätzlich maßgebend ist und die das Gesetz mit seiner Auf-
zählung von Beispielen nicht hat beseitigen wollen.
.. Gegenstände, durch welche der freie Verkehr gehindert wird, aufstellt, hinlegt
oder liegen läßt.“ Nur darf man dieser Bestimmung nicht eine Art Alleinherr-
schaft für die Bestimmung der Grenzen des Gemeingebrauchs zumuten. Es liegt
noch manches innerhalb der anerkannten Grenze des Gemeingebrauchs, was
immerhin den freien Verkehr einigermaßen hindern wird und deshalb von dem
Wortlaut des § 366 Ziff. 9 getroffen wäre; vgl. oben Note 14. Und umgekehrt
geht die Polizeigewalt zum Schutz der öffentlichen Straße gegen manches vor,
was, ohne Verkehrsstörung zu sein und deshalb unter den § 366 Ziff. 9 zu fallen,
den Gemeingebrauch überschreitet. Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 317: Nicht alles Auf-
stellen von Gegenständen auf der Straße ist durch § 366 Ziff. 9 getroffen; es genügt
diesem gegenüber, daß dem Verkehr Raum genug übrig gelassen wird. Also nicht
einmal das Aufstellen von Buden ist unter dieser Voraussetzung als strafbar zu
verhindern (Riedel, Komment. z. P.Stf.G.B. S. 146). Kann aber nicht trotzdem
gegen diese Buden von Polizeiwegen eingeschritten werden? Da wird denn be-
hauptet, „höchstens Civilklage auf Beseitigung“ sei möglich. In Wirklichkeit fällt
es der Polizeibehörde natürlich gar nicht ein, so zu klagen. Sie fordert auf, weg-
zuräumen, und räumt selbst weg, wenn es nicht geschieht; darüber ist wohl kein
Zweifel.
Eine ortspolizeiliche Vorschrift hatte bestimmt, daß eine Gasse nur von den
dortigen Ortsbewohnern befahren werden dürfe. Das wurde für unzulässig er-
kannt: „die allgemeine Benützung, die Haupteigenschaft jedes öffentlichen Weges,
würde aufhören“. Wenn man die Gasse schützen, also wirklich nur Polizei des
Gemeingebrauchs üben wollte, so konnte man einen sachlichen, für die Benützung
selbst bedeutsamen Unterschied machen und etwa schweres Fuhrwerk ausschließen.
— Ähnlich der Fall in Bl. f. adm. Pr. 1872 S. 359, wo die Benützung eines
Gemeindeverbindungsweges „Fremden“ verboten werden sollte. Die bezügliche
ortspolizeiliche Vorschrift wurde außer Kraft gesetzt, da ein öffentlicher Weg
jedermann ohne Rücksicht auf Gemeindeangehörigkeit zur Benützung zusteht. In
derartigen Versuchen klingen offenbar alte genossenschaftliche Auffassungen nach.
gebrauchs“. — Sehr weit geht O.V.G. 9. Mai 1881 (Samml. VIII S. 292), wonach
es der Polizeibehörde unbenommen ist, je nach den Umständen die Anlegung von
straßenseitigen Ausgängen entweder für bestimmte Strecken öffentlicher Straßen
oder für bestimmte Arten von Gebäuden ganz zu verbieten, sofern dies durch die
Rücksicht auf das ihr anvertraute Gemeinwohl erfordert wird.
Beides sind, wie dort hervorgehoben, von Haus aus rein finanzwissenschaftliche
Begriffe. Für uns löst sich jede dieser Begriffseinheiten selbst wieder auf nach
der Verschiedenheit der zur Verwendung kommenden Rechtsformen. Von den
staatswissenschaftlichen Darstellungen des Gebührenwesens, die naturgemäß diesen
gegenüber gleichgültig sind, werden wir deshalb für unsere Lehre von der Gebühr
wenig Gewinn ziehen können. Wenn v. Stein, Finanzwissenschaft I S. 345 gegen-
über der Darstellung des Gebührenwesens in dem tüchtigen Buch von Sax, Die
Verkehrsmittel in Volks- und Staatswirtschaft, bemerkt: „es mangelt nur die recht-
liche Seite“, so gilt das sehr allgemein, auch von den Ausführungen v. Steins
selbst.
Regal ist immer auch das Recht der Gebührenbestimmung begriffen.
Verf. und Verord. des Preuß. St. VI, 4 Abt. 2 (Wegepolizei) S. 481 ff.; für Baden
bei Bär, Die Wasser- und Straßenbauverwaltung in dem Großherzogtum Baden
S. 370 ff.
zu anderen Gebühren als „allgemeine Anlagen“ im Sinne des A.L.R. II, 14
§§ 78 u. 79 bezeichnet (C.C.H. 8. Okt. 1870; J.M.Bl. 1870 S. 352), oder als „Ab-
gaben“ (C.C.H. 9. Dez. 1865; J.M.Bl. 1866 S. 125).
als einen notwendigen Bestandteil des Begriffs zu verwerten. Dann wird unter
Umständen ein und dieselbe Auflage bis zu einem gewissen Betrage Gebühr und
darüber hinaus Steuer genannt werden. Wir können natürlich damit nichts an-
fangen; Gebühr bleibt für uns Gebühr, auch wenn sie übersetzt ist; das ent-
scheidende Merkmal ist für uns nur die Anknüpfung an eine Leistung des Staates,
wofür die Auflage den Entgelt liefert. Das natürliche Maß, wie wir es oben auf-
stellten, ist zunächst nur ein Sollen und für das Gesetz rechtlich gar nicht bindend;
für die ermächtigte Regierung wird es rechtlich bindend nur in der Weise, daß
es die obere Grenze bezeichnet. Darüber Neumann, Die Steuer S. 303 ff. Der
Grundsatz über die natürliche Maßbestimmung ist ausgesprochen u. a. in der
Preuß. Verord. v. 16. Juni 1838, die Kommunikations-Abgaben betr. Die Reichs-
Wasserzölle und Schiffahrtsabgaben bindend gemacht (Art. 54 Abs. 2 u. 3).
fiel, als er abends von dem Hause des G. aus den Übergang zur Landstraße
passieren wollte, in den in dem Graben angebrachten zum Zwecke des Wasser-
abzuges dienenden sog. Fallkessel und erlitt dabei einen Beinbruch; die Beschädi-
gung ist durch eine mangelhafte und vorschriftswidrige Beschaffenheit der an der
Landstraße befindlichen Einrichtungen entstanden, wofür der Staat als Eigentümer
der Landstraßen haftbar gemacht werden kann, und zwar, wie das Gericht meint,
ex delicto gemäß Art. 1389 c. c.; von dieser Begründungsweise wollen wir unten
§ 53 noch sprechen.
Straße fortdauernde Servitut zu behaupten. O.Tr. 27. April 1869 (Str. 74 S. 278):
In Bonn hatte die Stadt einen Teil der bisherigen Straße zu dem Hausbau eines
Privaten abgetreten; der Nachbar verliert seine Aussicht und klagt gegen den
Eigentümer des Neubaues auf Beseitigung. Der Appellhof Köln weist ab, weil es
sich um „eine polizeiliche Maßregel“ handle, für welche nur Entschädigung be-
ansprucht werden könne; die bekannte Formel! Das Ober-Tribunal bestätigt,
aber aus anderen Gründen: „Das Recht des Adjacenten findet seine Grenze in dem-
jenigen Rechte der Belastung des öffentlichen Eigentums, welches, indem es un-
erläßliche Voraussetzung der Bewohnbarkeit jenes Hauses bildet, als von der
Verwaltung stillschweigend übernommen betrachtet werden darf. Dazu gehört die
Aussicht nicht. Der Verklagte ist aber nicht weiter verpflichtet, als die Stadt es
sein würde, wenn sie selbst gebaut hätte.“ Hier wird also geradezu die Belastung
der Straße durch den Gemeingebrauch für die angrenzenden Häuser in civilrecht-
liche Dienstbarkeiten nach Auflassung der Straße übersetzt. Das ist ein seltener
Fall, erklärlich wohl nur dadurch, daß das Gericht in der Lage war, der vermeint-
lichen Dienstbarkeit gleichwohl die Wirksamkeit absprechen zu können.
ein bestimmtes Terrain zur städtischen Straße erklärt wird, liegt die Aufforderung,
Häuser an derselben zu errichten. So wird zwischen der Gemeinde und den jener
Aufforderung entsprechenden Grundeigentümern ein stillschweigendes Vertrags-
dungen: wenn das Haus schon bestand und die öffentliche Straße nachträglich
hinzukommt, „liegt die Sache nicht wesentlich anders, denn der Hauseigentümer
muß sich in diesem Falle den erwähnten Einschränkungen seines Eigentums unter-
werfen“ (Samml. VII S. 213); oder, wie es auch ausgedrückt wird, es tritt das
Haus in diesem Falle „in den begründeten Rechtsnexus ein“ (Samml. X S. 272).
Das klingt allerdings etwas dunkel; namentlich der Rechtsnexus scheint ein rich-
tiges juristisches Fabelwesen zu sein.
in der Entsch. in Seuff. Arch. XXII S. 144, welche Bekker, Pand. S. 346 zu-
stimmend anführt. Oder man arbeitet gar mit der Fiktion einer gestellten cautio
damni infecti. Beispiele bei Ubbelohde a. a. O. S. 183 ff., der sich mit Recht
gegen diese Künstelei ausspricht.
juristisch als Servituten charakterisieren“. Diese Entscheidung erging für das
Gebiet des französischen Rechts; für das des Preuß. Landrechts wird die gleiche
Konstruktion aufgestellt im R.G. 7. März 1882 (Samml. VII S. 213). Auch O.Tr.
10. April 1866 (Str. 62 S. 273) hat sich derselben bedient; vgl. auch die Ent-
scheidung oben Note 30. Bei den Franzosen ist diese Ausdrucksweise von jeher
sehr beliebt: Demolombe XII u. 699; Aubry u. Rau III S. 70. Sie meinen
es nur nicht so ernst damit; vgl. Theorie des Franz. V.R. S. 328 ff.
es allerdings nötig, daß man imstande sei, den Kreis zu durchbrechen, in welchen
die Civilisten sich einzuspinnen pflegen. Das ist Dernburg gelungen, indem er
(Pand. I § 72) die Entschädigung hier zurückführt auf den „Grundsatz des jetzigen
Rechts, daß Maßnahmen im öffentlichen Interesse, welche eine Schädigung des
Vermögens von Privaten bewirken, auf Kosten der Gemeinheit und nicht des Ein-
zelnen geschehen“. Das ist der Satz; wir brauchen sonst nichts mehr. Civilrecht-
licher Natur ist er selbstverständlich nicht.
seines Wertbestandes selber bildet, und daß deshalb die Entschädigung geschuldet
ist, findet sich scharf ausgesprochen in C.C.H. 13. Okt. 1866 (J.M.Bl. 1867 (S. 39):
Ein Fahrweg wird unterdrückt; dem Kläger gebührt Entschädigung, „weil seine nur
auf dem bisherigen Wege erreichbare Anlage unbrauchbar und wertlos durch das
Verbot des Weges geworden, er also gewissermaßen einen Teil seines Privat-
eigentums im Interesse des allgemeinen Nutzens hat aufgeben müssen.“
Dernburgs mit dem Hinweis auf die Folgen, zu welchen die Anwendung von dessen
„Grundsatz“ führen würde. Die Frachtfuhrleute, welche durch Eröffnung der Eisen-
bahn, die Eigentümer und Hypothekare der Häuser an der alten Straße, welche
durch Ablenkung des Verkehrs nach der neuen Straße, die Industriellen und Land-
wirte, welche aus dem Abschlusse der neuen Handelsverträge Schaden leiden,
müßten nach ihm in Anwendung jenes Grundsatzes ebenfalls Entschädigung be-
anspruchen können. Diese Befürchtungen werden bei genauerer Kenntnis des
Rechtsinstitutes der öffentlichrechtlichen Entschädigung beseitigt werden. In den
vorgelegten Beispielen ist überall wohl ein Schade aus der Maßregel der öffent-
lichen Verwaltung gegeben, aber nicht jener unmittelbare greifbare Schade, das
Opfer, wie die öffentlichrechtliche Entschädigung es voraussetzt. Aus der Unter-
scheidung dieses unmittelbaren Schadens gegenüber dem entfernteren erklären sich
auch manche scheinbare Widersprüche der gerichtlichen Urteile; die Wissenschaft,
welche die Bedeutung dieses Unterschiedes nicht erfaßt hat, glaubt da Schwankungen
der Rechtspflege feststellen zu können, wo in Wirklichkeit keine sind. Insbeson-
dere das Reichsgericht hat sich dieser Kritik ausgesetzt, insofern es, wie oben
Note 31 erwähnt, in gewissen Fällen grundsätzlich den Entschädigungsanspruch
für begründet erklärt, daneben aber in anderen Fällen ihn ebenso grundsätzlich
zu verneinen scheint. Darüber Bekker, Pand. S. 347. Die Fälle der letzteren
Art sind aber eben lauter solche, in denen eine unmittelbare greifbare Schädigung
im angegebenen Sinne nicht vorliegt. R.G. 16. Nov. 1880 (Samml. VII S. 171):
Eine Straßenstrecke wird aufgehoben bis an das Grundstück, auf welchem die
Häuser des Entschädigungsklägers stehen; dieser beschwert sich über „die Be-
schränkung der Zuwegung seines Grundstückes“; er hat aber noch anderen Zu-
gang, die Bequemlichkeit des Zuganges ist nur vermindert; die Zurückweisung des
Entschädigungsanspruches war also gerechtfertigt. Dabei hat das Reichsgericht
allerdings in der Begründung die Idee einer durch stillschweigenden Vertrag ein-
geräumten Servitut an dem Straßenboden ausdrücklich verworfen, welche es, wie
wir gesehen, in andern Entscheidungen ebenso ausdrücklich billigt; überflüssig ist
das eine wie das andere gewesen. — R.G. 13. Jan. 1882 (Samml. VI S. 159 ff.):
Ein Weg wird aufgehoben; Entschädigungsklage eines Grundbesitzers wegen der
Entschädigung aus vollkommen richtig als unbegründet abgewiesen. — R.G. 4. Nov.
1881 (Samml. VII S. 173): Ein dritter, nicht von der stattgehabten Enteignung be-
troffener Grundbesitzer verliert in Folge einer störenden Bahnanlage die Vorteile,
welche ihm seither der Verkehr auf der Landstraße gebracht hatte. Das sind,
wie das Gericht sagt, „zufällige Vorteile“, für welche keine Entschädigung zu
gewähren ist; es handelte sich um „entferntere Nachteile“, wie wir es ausdrückten,
und das rechtfertigt die Entscheidung. Vgl. auch bayr. Ob.G.H. 27. Okt. 1877
(Samml. VII S. 50), 12. Mai 1878 (Samml. VII S. 842); Sächs. Minist. d. I. 9. Aug.
1881 (Sächs. Ztschft. f. Pr. II S. 319).
Straße ist Eigentum der Gemeinde, die Polizeiverwaltung steht einer staatlichen
Behörde zu. Auch wo beides namens der Gemeinde geübt wird, kann die Zu-
ständigkeit zwischen verschiedenen gemeindlichen Behörden nach diesem Maß-
stabe verteilt sein. — Einen Fall behandelt Württemb. V.G.H. 9. Mai 1887
(Reger VIII, S. 96): Die Privatpost will Briefkasten anbringen. Das Ministerium
sagt, der Erwerb eines Rechtes zur Anbringung setze voraus „die privatrechtliche
Zustimmung“ des Eigentümers der Straße, d. h. der Gemeinde, und die polizei-
liche Erlaubnis „zu der außerhalb der Grenze der allgemeinen Benutzung ge-
legenen Sonderbenutzung des Luftraumes der Straße“. Im vorliegenden Falle war
die letztere allein gegeben worden; es war deshalb ein „Privatrecht“ nicht be-
gründet und die Polizeibehörde befugt, die Erlaubnis einfach zurückzunehmen.
Jenes Privatrecht hätte eine Verleihung bedeutet (unten § 39, Note 1), die that-
sächliche Einräumung der außerhalb der Grenze des Gemeingebrauchs gelegenen
Sonderbenutzung, welche die Polizeibehörde allein hatte gewähren können, be-
deutete das hier besprochene Rechtsinstitut. Der Unterschied wurde in diesem
Falle wichtig, sofern allerdings die Gebrauchserlaubnis frei widerruflich ist, die
Verleihung nicht.
ist auch die Zuweisung des Platzes an den einzelnen Marktgast nicht als Privat-
geschäft, sondern als Handlung der öffentlichen Verwaltung anzusehen“. Wir
fügen hinzu: auch nicht als öffentlichrechtliches Rechtsgeschäft. Das scheidet sie
eben von der Verleihung, die ihrerseits Verwaltungsakt ist und öffentlichrechtliches
Rechtsgeschäft (oben Bd. I, S. 101).
Wenn jedermann das Recht hat, die Märkte als Verkäufer zu besuchen, muß auch
die Platzanweisung an jedermann erfolgen, selbstverständlich nur, so weit möglich,
und unter Erfüllung der Voraussetzungen der Marktordnung. Der Marktbesucher
hat insofern ein Recht auf die besondere Gebrauchserlaubnis an der dem Markte
dienenden öffentlichen Sache, Straße oder Verkehrsplatz. Der Markt kann auch
auf einem Grundstücke eingerichtet sein, das nicht öffentliche Sache ist, z. B. in
einer sonst nicht zum öffentlichen Verkehre dienenden Markthalle. Dann ist der
Anspruch auf Marktsitz der nämliche: es ist einfach der Anspruch auf Benutzung
einer öffentlichen Anstalt ohne die besondere Wirkung, daß ein Gebrauch an
einer öffentlichen Sache daraus entsteht. Die Gebrauchserlaubnis ist eben nichts
anderes als ein Stück des Anstaltsrechts, das in das öffentliche Sachenrecht herein
spielt. — In ähnlicher Weise entspringt aus der Mitgliedschaft in Orts- oder
Kirchengemeinden nach Gesetz oder Statut der Anspruch auf Gewährung des
Begräbnisplatzes für verstorbene Angehörige. R.G. 4. Dez. 1884 (Samml. XII,
S. 280): Der Vater des im Duell Getöteten klagt gegen die Kirchengemeinde auf
Gestattung der Beerdigung in der Reihe; das Gericht erkennt einen durch gericht-
liche Klage geschützten Rechtsanspruch an. Zu diesem Zwecke war es allerdings
nicht nötig, diesen Anspruch selbst zu einem privatrechtlichen zu machen; das
Gericht gelangt dazu auf dem Wege der so häufigen Verwechslung und Gleich-
stellung von „privater Berechtigung“ und „privatrechtlicher Berechtigung“. — In
sehr umfassender Weise werden derartige Rechtsansprüche bestehen, wo etwa
durch Gesetz oder Statut der Satz ausgesprochen ist, daß die Angehörigen einer
Gemeinde oder Körperschaft allgemein gleichmäßig berechtigt sind zur Benutzung
der vorhandenen öffentlichen Anstalten. Die oben erwähnte Entscheidung sieht
denselben ausgesprochen in A.L.R. II, 6 § 72 und II, 11 § 193. Das findet aber
nur Anwendung auf die Gebrauchserlaubnisse an öffentlichen Sachen, die in regel-
mäßigem Betriebe, „anstaltsmäßig“ erteilt zu werden pflegen; nicht z. B. auf die
Aufstellung von Trinkhallen, Zeitungskiosken u. s. w.
tracht; oben § 37 Note 14.
ein solcher Anspruch besteht, wird meist nur eine Haftung der schuldigen Beamten,
vielleicht auch eine Entschädigungspflicht ihres Dienstherrn in Frage bringen
(oben Bd. I, § 17). Eine direkte Durchsetzung des Rechtes gegen den Herrn der
öffentlichen Sache selbst ist nur bei solchen Gebrauchserlaubnissen denkbar, die
einen Zustand von gewisser Dauer oder wiederholten Ausübungen begründen.
Beispiel in O.L.G. 3. Okt. 1877: Ein aus der Synagogengemeinde Ausgetretener
klagt auf Gestattung des Zutrittes zu den Gräbern seiner Verwandten. Das
Gericht erkennt an, daß ihm der Zutritt, so lange der Kirchhof überhaupt
reglementsmäßig geöffnet ist, nicht versagt werden könne (vgl. oben Note 4), ver-
weist aber deshalb auf polizeilichen Schutz, da ein Verwaltungsrechtsweg nicht
gegeben ist. Der Schutz wäre wohl richtiger nicht als ein polizeilicher zu be-
zeichnen; was zu geschehen hat, das ist das Anrufen des Einschreitens der Auf-
sichtsbehörden der öffentlichen Korporation, damit diese ihre Pflicht erfülle (vgl.
unten § 59). — Das Preuß. Obertribunal hat seiner Zeit des öfteren Klagen zu-
gelassen auf Gestattung der Errichtung von Denkmälern oder Einfriedigungen an
angewiesenen Grabstätten (Str. 44, S. 25; 51, S. 248). Die civilgerichtliche Klage
beweist natürlich nichts gegen die öffentlichrechtliche Natur des Verhältnisses.
haben, die alle diese Gebührenpflichten auf civilrechtliche Verträge zurückführen
will. Bei manchen öffentlichen Anstalten findet ja in der That die Nutzungs-
begründender Verwaltungsakt“. Und zwar ist das Recht, das sie begründet, ein
subjektives öffentliches Recht von der Bd. I, § 9, II n. 2, festgestellten Art.
ist eben die Ausscheidung zu machen. Jedenfalls ist der civilrechtliche Vertrag
hier, wo es sich um die Gewährung des Gebrauchs an öffentlichen Sachen handelt,
von vornherein ausgeschlossen. Über diese kann ja begriffsmäßig durch civil-
rechtliches Rechtsgeschäft überhaupt nicht verfügt werden (oben § 36, II n. 2).
— In der Verlegenheit, da man die öffentlichrechtliche Gebührenpflicht nicht zu
begründen weiß, greift man vielfach noch zu der Annahme von Mietverträgen,
was den Vorteil hat, die Gebühr in der wohlbekannten Gestalt des Mietpreises zu
erhalten. So namentlich bei den Marktgebühren: O.Tr. 11. Juni 1857 (Str. 25,
S. 161), 6. Nov. 1877 (Str. 98, S. 98); 30. April 1878 (Str. 99, S. 328). Da ist
dann die Platzanweisung durch den Marktaufseher ein Mietvertrag an dem Stück
öffentlicher Straße! Wenn nun überhaupt keine Gebühr von den Marktgästen
gefordert wird, hat der ganze Mietvertrag seinen Zweck verloren. Will man auch
für diesen Fall die civilrechtliche Erklärung beibehalten, so muß man die Ge-
währung selbst in die Form irgend eines anderen Rechtsverhältnisses als das der
Miete hineinzwingen: der Marktgast wird Prekarist oder Kommodatar oder „einem
Kommodatar ähnlich“ (Ubbelohde, Forts. zu Glück, S. 163). In Wirklichkeit
ist aber die Platzanweisung, die Gebrauchserlaubnis in einem wie im andern Falle
ganz die nämliche ihrer rechtlichen Natur nach und hat ganz die nämlichen recht-
lichen Wirkungen. Sie bleibt unverändert der gleiche öffentlichrechtliche Akt, die
Gebühr mag sich daran hängen oder nicht.
kästen, die mit Verleihung oder mit Gebrauchserlaubnis bestehen können. Der
Fall zeigt aber auch deutlich, wie groß der rechtliche Unterschied ist. Nichts-
destoweniger wird er gar oft nicht beachtet; so z. B. nicht von Bekker, Pand. I,
S. 243.
neuerem Rechte begründeten besonderen Nutzungsrechten an öffentlichen Sachen.
Im Gegensatze zu der raschlebigen Gebrauchserlaubnis überdauert aber ein der-
artiges wirkliches Recht an der öffentlichen Sache auch die großen Umwälzungen
in den allgemeinen Grundanschauungen des öffentlichen Rechts. So sind uns
manigfach Nutzungsrechte gleichen Inhalts und ähnlicher Wirkung wie die jetzt
durch Verleihung zu begründenden überliefert worden aus früheren Rechtszuständen.
Sie sind zum Teil schon entstanden zu einer Zeit, wo Civilrecht und öffentliches
Recht noch nicht geschieden waren. Kauf, Erbrecht, Ersitzung, landesherrliche
Privilegien bilden ihre Entstehungsgründe. Vor allem sind es Mühlen und Wasser-
leitungen an öffentlichen Flüssen, welche auf Grund solcher alten Rechtstitel be-
stehen. Ein hübsches Beispiel dieser Art boten die Schlächterscharren auf dem
Neumarkt zu Berlin, deren rechtliche Lage O.Tr. 8. Febr. 1856 (Str. 19, S. 336)
behandelt. Der Satz, den es dabei aufstellt, „daß der Privatrechtstitel auch auf
dem Gebiete des öffentlichen Rechtes anwendbar ist“, hat in diesem beschränkten
Sinne seine Richtigkeit. Die durch den alten Privatrechtstitel erzeugten Rechte
werden thatsächlich so zu behandeln sein, als wären sie in den neuen, dem
heutigen öffentlichen Rechte entsprechenden Formen entstanden. Abweichungen
im Inhalte des Rechtes bleiben bestehen, bis sie nach den Regeln der neuen
Ordnung beseitigt sind. Namentlich den Beschränkungen, die diese neue Ordnung
mit sich bringt, steht ihre ursprünglich civilrechtliche Natur nicht im Wege; vgl.
unten Note 13. Für die Frage der Zuständigkeit mag diese wohl jetzt noch von
Bedeutung sein. So erkennt O.Tr. 13. Dez. 1859 (Str. 35, S. 345) wegen der alten
Wollschweifen, die das Tuchmachergewerbe zu Spremberg in der Spree besaß, die
Civilgerichte für zuständig, wo es sich bei einer neuen Verleihung um eine reine
Verwaltungsfrage handeln würde. — Zu polizeistaatlicher Zeit entstandene
Nutzungsrechte dieser Art sind in unbedingter Abhängigkeit von der Polizeigewalt
gedacht; der Unterschied von einer gewöhnlichen Erlaubnis ist nur der, daß der
Fiskus durch Vertrag oder Privilegium belastet wird mit einer Haftung für den Fall
der Beeinträchtigung oder Entziehung.
richtet folgenden Fall: Der Eigentümer eines Grundstückes beabsichtigt an einer
städtischen Straße zu bauen, derart, daß sein Haus mit dem ersten und zweiten
Stockwerke erheblich in den Luftraum der Straße vorspringen soll. Das könig-
liche Landratsamt erteilt die polizeiliche Erlaubnis und hält diese für genügend.
Die Stadtvertretung widerspricht und bedroht den Baulustigen mit gerichtlicher
Klage, die nach Ubbelohde eine negatoria in rem actio gewesen wäre. Das ist
nicht richtig. Mit derartigen Klagen ist das öffentliche Eigentum nicht geschützt;
vgl. oben § 36 Note 23. Die Sache liegt vielmehr so: Es war auf Erwerb eines
Rechtes auf Benutzung des zur Straße gehörigen Luftraumes abgesehen; anders
würde der Angrenzer sich wohl hüten, so zu bauen. Ein solches Recht konnte
ihm allerdings durch Verleihung eingeräumt werden; aber diese war, darin hatte
die Stadt gewiß recht, nur möglich mit Zustimmung dieser, als der Eigentümerin.
Der Landrat als Polizeiverwalter konnte eine Gebrauchserlaubnis geben. Die Ver-
leihung, die er geben wollte, war ungültig. Wenn man sie auch, was noch die
Frage wäre, als Gebrauchserlaubnis gelten ließe, so konnte zwar zunächst damit
ungestraft gebaut werden, aber sie war jeder Zeit widerruflich ohne Ent-
schädigung; Ersitzung gabs nicht. Die Stadt, wenn sie auch für den Augenblick
machtlos war, da die zu ihrem Schutz berufene Behörde die Hülfe versagte, konnte
früher oder später einen Landrat oder eine Beschwerdeinstanz finden, die auf
ihre Wünsche eingingen. Der Baulustige hat also wohlgethan, daß er damals
trotz der landrätlichen Polizeierlaubnis von seinem Vorhaben abstand. — Ein
anderes Beispiel in O.V.G. 30. Jan. 1887: Ein Unternehmer will an der Spree
einen Elevator errichten, der über den Fluß hineinragt, also auf „fiskalisches
Gebiet“; die stromfiskalische Behörde hat mitzusprechen; denn die Strompolizei-
behörde prüft die Sache nur unter dem Gesichtspunkte des strompolizeilichen
Interesses, aber die Verleihung, um die es sich hier handelt, begründet zugleich
Rechte gegen den Eigentümer. — Desgl. O.V.G. 29. Dez. 1883: Um ein Pferde-
bahngeleise in den Straßenkörper zu legen, bedarf es außer der Erlaubnis der
Polizeibehörde auch noch der Zustimmung der Stadt als der Eigentümerin. —
O.G.H, 4. Mai 1886 (Samml. VII, S. 218): Eisenbahnschienen in eine Distrikts-
straße zu legen, setzt eine Vereinbarung mit dem Eigentümer voraus.
In diesen Entscheidungen ist die Auffassung meist die (besonders deutlich in
O.V.G. 29. Dez. 1883), daß die Einwilligung des Eigentümers ein civilrechtliches
Veräußerungsgeschäft sei, zu welchem die Polizeibehörde ihre öffentlichrechtliche
Erlaubnis hinzufüge. Das beruht auf Nachwirkungen der Fiskustheorie. Das
öffentliche Eigentum ist nicht veräußerlich in Form des Civilrechtes, noch findet
hier eine Teilung statt von civilrechtlichem Eigentum und polizeilicher Verwaltung
derselben. Es handelt sich um ein einziges Rechtsgeschäft der Verleihung, das
zur Anlegung eines Stauwerkes im öffentlichen Flusse ist, „eine diskretionäre An-
gelegenheit der Staatsregierung.“
welchen die Wahrnehmung der Angelegenheiten der öffentlichen Straßen anver-
traut ist.
Wasserges. v. 28. Mai 1852, art. 73, 77; Bad. Wasserges. 25. Aug. 1876, art 73 ff.
Das strenge Verfahren mit den eingeflochtenen Entscheidungen läßt hier die
öffentlichrechtliche Natur des Rechtsinstituts so deutlich hervortreten, daß auch
die größte Neigung zu civilrechtlichen Erklärungen nicht Stand hält. Der Begriff
der Verleihung hat sich deshalb gerade bei diesen Wassernutzungen am frühsten
fertig gestellt. F. F. Mayer, V.R. S. 255, behandelt unter dem Titel: „Verleihung
ständiger Gebrauchsrechte“ nur diese Fälle.
fester Gebühren erleichtert bei diesen Arten von Verleihungen die Annahme civil-
rechtlicher zweiseitiger Verträge. Wenn man thatsächlich noch häufig zu diesem
Erklärungsmittel greift, so geschieht es ausgesprochenermaßen deshalb, weil man
sich die Begründung eines besonderen subjektiven Rechts nicht anders als durch
civilrechtliches Rechtsgeschäft zu denken vermag, mit andern Worten: weil man
das öffentlichrechtliche Rechtsgeschäft der Verleihung nicht kennt, dabei auch noch
ganz in den Anschauungen des Polizeistaates steckt; vgl. Bd. I, S. 45. So be-
Heilige Sachen II, S. 34 und 39 und S. 37. Er unterscheidet diese zunächst ganz
gut vom gewöhnlichen Grab. Bei letzterem, sagt er, haben die Angehörigen des
Verstorbenen kein dingliches Recht, „stehen überhaupt in keiner direkten recht-
lichen Beziehung zum Grab“ (daß damit gleichwohl gewisse Gebrauchsbefugnisse
verknüpft sind, haben wir oben gesehen, vgl. z. B. § 38, Note 6). Das Erb-
begräbnis dagegen oder „gekaufte Grab“ entsteht durch Rechtsgeschäft als civil-
rechtliche Servitut; Kauf, contractus superficiarius, Mietvertrag sind es, die da
zur Anwendung kommen. Warum, möchten wir fragen, muß das Recht am Erb-
begräbnis civilrechtlich sein, während das gewöhnliche Grab nach öffentlichem
Rechte zu beurteilen ist? Meurer antwortet: „den öffentlichrechtlichen Charakter
eines Erbbegräbnisrechtes könnten wir uns nicht anders als nach Art des Gebrauchs-
rechtes bezüglich der res publicae in publico usu denken“, also, wie er erläutert,
als Gemeingebrauch; das stimmt aber offenbar nicht zu dem Inhalt des Rechtes,
wie er sein soll; also können wir uns dieses Recht öffentlichrechtlich überhaupt
nicht denken. Sollten wir uns dieses Denken nicht angewöhnen können? — Ganz
ähnlich spricht sich bezüglich der Kirchstühle aus R.G. 5. Mai 1882 (Reger III S. 216).
Dort wird von der Möglichkeit besonderer Gebrauchsrechte an Kirchstühlen ge-
handelt; „dieselben sind nicht bloß als Ausflüsse der allgemeinen Benutzung und
damit als öffentlichrechtliche Befugnisse denkbar; sie können ebenso wohl auf
privatrechtlichem Erwerbstitel beruhen“. Also Gebrauchsrechte, die nicht aus dem
Gemeingebrauch fließen, sind wiederum als öffentlichrechtliche Befugnisse nicht
„denkbar“; darum muß man sie civilrechtlich auslegen, wenn man sie schützen
will. — Im Gegensatze dazu wird die rechtliche Natur des Verleihungsaktes auch
bei der Grabstätte klar erkannt vom Bayr. C.C.S. 19. April 1884 (Bl. f. adm. Pr.
1887, S. 193): Die Verleihung der einzelnen Grabstätten erfolgt durch „autoritären
Akt der hierzu verpflichteten Gemeinde als öffentliche Korporation“; die Gemeinde
handelt dabei als Träger der öffentlichen Gewalt. Der gegen Entrichtung von Ge-
bühren zur Benutzung derartiger öffentlicher Anstalten Zugelassene erwirkt da-
durch keine privatrechtlichen Ansprüche. — Schwab im Arch. f. civ. Pr. 30, Beil.
S. 117, hebt zutreffend hervor, daß die Rechte der Privaten an Kirchstühlen und
Grabstätten wesentlich gleicher Natur sind, wie die Rechte der Müller auf Wasser-
stau am öffentlichen Flusse. Er glaubt beides aus dem römischen Rechte erklären
zu können. Das römische Verwaltungsrecht bietet ja allerdings für unser heutiges
Recht mehr Anknüpfungspunkte als man früher wohl dachte (vgl. Arch. f. öff.
R. III S. 6 ff.). Ob sich aber das Rechtsinstitut der Verleihung so deutlich darin
nachweisen läßt, wäre doch noch besser zu untersuchen.
S. 75; eod. 1887, S. 193 (C.C.S. 19. April 1884). Über die dingliche Natur
des Rechtes R.G. 18. Sept. 1882 (Samml. VIII, S. 200): „unstreitig ist Kläger im
Besitze der Begräbnisstellen und sind diese, d. h. ein bestimmter durch ein Gitter
abgegrenzter Teil des Kirchhofes Gegenstand des verliehenen Rechtes. Damit sind
die Kriterien des Rechtes als eines dinglichen erbracht“. Besonders deutlich
V.G.H. 4. Mai 1886 (Samml. VII, S. 231): Eine Schienenanlage kann auf der
öffentlichen Straße nicht kraft des Rechtes des usus publicus angebracht werden,
weil das in diesem nicht enthalten ist; sie setzt vielmehr die Bestellung einer
Servitut voraus, und zwar soll das eine „öffentlichrechtliche Servitut“ sein (S. 233).
Der Name ist an sich gar nicht schlecht, er giebt die Wirkung der Verleihung
ganz gut wieder; nur bedürfen wir seiner zur Bezeichnung eines andern, ganz ver-
schiedenen Rechtsinstituts (unten § 40).
weg nur so zu erklären, daß sie das durch die Verleihung begründete
Recht irgendwie an das Civilrecht anlehnt. Der Ausdruck „Privatrecht, Privat-
eigentum“ mit seiner bekannten Zweideutigkeit dient dazu, den Übergang zu ver-
schleiern. In diesem Sinne V.G.H. 1. März 1887 (Samml. VIII S. 217): Das
Wasserbenutzungsrecht, „obwohl es einem öffentlichrechtlichen Akte, nämlich der
Verleihung durch die Staatsgewalt seine Entstehung verdankt, nimmt die Natur
eines Privatrechtes an, indem es gesetzlich den nämlichen Schutz wie ein Privat-
recht gewährt“. Als ob ein subjektives öffentliches Recht Dritten gegenüber nicht
ebensogut geschützt sein könnte, wie ein civilrechtliches! So auch O.Tr. 8. Juli
1869 (Str. 75, S. 250): „Ein solches Wasserrecht geht in das Privateigentum des
Berechtigten über und letzterer ist berechtigt, dieses sein Eigentum gegen jeder-
mann durch eine dingliche Klage zu schützen, sei es der Verleiher, der in das
Privateigentum eingreift, sei es ein Dritter“. Hier soll das „Privateigentum“, das
ja ohnehin nicht im strengen Sinn von Eigentum gemeint sein kann, denn die frag-
lichen Rechte sind inhaltlich ganz anderer Art, nur dazu dienen, die civilgericht-
liche Zuständigkeit zu begründen. Dazu ist aber ein civilrechtlicher Anspruch
gar nicht unerläßlich (Bd. I S. 213 ff.). Die Gleichstellung des Verhältnisses zu
dem Verleiher, zu dem Herrn der öffentlichen Sache, an der das Recht besteht,
und des Verhältnisses zu jedem Dritten ist jedenfalls ganz unrichtig.
artige Streitigkeiten meist als Incidentpunkte im Verfahren wegen der neuen Ver-
leihung; vgl. oben Note 6. — Für die Frage der Zuständigkeit bei Streitigkeiten
zwischen Besitzern von Kirchstühlen stellt O.V.G. 10. Dez. 1884 (Reger V, S. 388)
auf: Die Gottesdienste der öffentlichen Religionsgesellschaften sind Teile der
öffentlichen Ordnung; die Kirchstuhlordnung ist ein Teil der äußeren Ordnung des
Gottesdienstes, also untersteht sie polizeilichem Schutz und die allgemeine Ordnungs-
polizeibehörde ist im Streitfalle zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Ordnung
zwischen streitenden Besitzern berufen.
30. Beil., S. 155 ff.
Befugnisse“, ein nicht unbedenklicher Ausdruck. — Die Widerruflichkeit der
Verleihung hat man auch so erklären wollen, daß man sagt: es bestehe über-
haupt kein dingliches Recht auf den bestimmten Platz, sondern nur ein Anspruch
gegen den Herrn der öffentlichen Sache auf Einräumung eines Platzes. O.Tr.
25. Mai 1877 (Str. 99, S. 173); R.G. 9. Nov. 1889 (Samml. 24, S. 174); Mejer,
Kirch.R. S. 416, Note 11. Allein diese Auffassung entspricht nur den gesetzlich
zugesicherten Gebrauchserlaubnissen, wie die Marktsitze u. dergl. (oben § 38, I,
n. 4), nicht der Verleihung. Bei dieser ist die Anweisung eines anderen Kirch-
stuhles u. s. w. nur gestattet, sofern eine bestimmte Notwendigkeit des öffentlichen
Interesses vorliegt; liegt das aber vor, so ist auch die gänzliche Unterdrückung
dieses Rechtes gestattet. Das Recht selbst ist zweifellos dinglicher Natur (oben
Note 8); eine obligatorische Verpflichtung des Verleihenden zu Ersatzverleihungen
wird neben diesem dinglichen Recht durch die Verleihung nicht begründet.
8. Febr. 1856, Str. 19 S. 336), welche nachträglich durch die Straßenbehörde
beschränkt werden. Ebenso hat nach C.C.H. 9. Juni 1866 (J.M.Bl. S. 222) die
Stadt Stettin, welcher ein altes Nutzungsrecht an einem Teil der Oder zuerkannt
worden war, sich „strompolizeiliche“ Einschränkungen dieses Rechtes gefallen
lassen müssen zur Herstellung der Freiheit des Fahrwassers.
Flüssen überhaupt nur mit dieser Klausel verleihen, die also immer stillschweigend
vorhanden ist. So nach französischem, badischem, württembergischem Recht.
Nach bayrischem und preußischem Rechte dagegen würde die Unwiderruflichkeit
die Regel sein. Das bedeutet aber nicht, daß das verliehene Recht den neuen
Verfügungen, welche im öffentlichen Interesse des Stromes getroffen werden, nicht
weichen mußte; es bedeutet nur einen Entschädigungsanspruch für diesen Fall.
Poezl, Bayr. Wassergesetze S. 71. Die Klausel des freien Widerrufs, welche
Sache die allgemeine rechtliche Natur einer solchen beibehält, aber eine öffentliche
Sache anderer Art wird, für welche die Verleihung nicht gilt. O.Tr. 4. Jan. 1867
(Str. 67 S. 13): Beim Erweiterungsbau einer Kirche wird ein Erbbegräbnis ein-
bezogen. Die Klage auf Anerkennung des Rechtes und Wiederherstellung wird
abgewiesen, aber Entschädigung zugesprochen. Nicht hierher gehört der Fall in
R.G. 19. Nov. 1889 (Sammlung 24 S. 174): Die Kirche war verbrannt und wieder
aufgebaut worden. Der Kirchstuhlberechtigte klagt auf Wiedereinräumung der ihm
zustehenden Sitze. Er erhält nur eine Entschädigung zugesprochen, weil die
kirchliche Behörde durch die „vom Gerichte nicht zu kontrollierende Kirchen-
polizei über die Sitze selbständig verfügt hatte“. Das Gericht geht davon aus,
daß das Recht des Kirchstuhlbesitzers durch den Brand nicht untergegangen sei,
weil es obligatorischer Natur wäre, ein Anspruch gegen die Kirchengemeinde auf
Gewährung des Sitzes. Das ist die oben Note 12 erwähnte unrichtige Auffassung
der Wirkungen der Verleihung. In Wirklichkeit hat die Verleihung nur ein ding-
liches Recht begründet. Dieses Recht ist durch den Brand nicht untergegangen;
die Kirche selbst, die alsbald wieder hergestellt wird, hat nie aufgehört, eine
öffentliche Sache zu sein; die Annahme einer stillschweigenden Auflassung ist
ausgeschlossen (vgl. oben § 36, Note 27). Der Kirchstuhlberechtigte kann nur, so
schlagen und im voraus eine Abfindungssumme festsetzen, welche für den Fall
des Widerrufs zu zahlen ist; Poezl a. a. O. S. 72 Anm.
Beliehenen können insbesondere auch noch wirksam werden nach Endigung seines
Rechtes. Der bisherige Stauberechtigte z. B. darf natürlich seine Stauvorrichtungen
nicht einfach wegnehmen, ohne Rücksicht auf die Schädlichkeiten, die sich daraus
ergeben würden. Auf diese polizeilichen Hindernisse ist alles zurückzuführen,
was man als eine Art Accessionsrecht zu Gunsten der öffentlichen Sache be-
zeichnen möchte. Schwab in Arch. f. civ. Pr. 30 Beil. S. 109 ff.; Meurer,
Heilige Sachen II S. 36 ff.
aber auch keinen Anspruch auf Wiederherstellung der Kirche und somit Wieder-
leistung des angeblich obligatorisch geschuldeten. Wird die Kirche gerade so
wieder hergestellt wie sie war, so findet er einfach seinen Kirchstuhl wieder; es
steht alles im alten Recht. So wird es aber wohl nie zugehen. Mit dem Neu-
bau verbindet sich auch eine Neuordnung der Kirchstühle. Dabei kann den Alt-
berechtigten ein Ersatz geboten werden: da geht dann das alte Recht unter durch
diese Änderung unter gleichzeitiger Begründung eines neuen; Entschädigung ist
nicht geschuldet, weil kein Schade da ist; die Änderung selbst muß sich im
öffentlichen Interesse der Berechtigte gefallen lassen. Wird kein Ersatz geboten,
so geht das Recht einfach unter, geht jetzt unter durch die neue Kirchstuhl-
ordnung, und die Entschädigungspflicht entsteht wegen Widerrufs (oben
Note 12).
lichen Natur nach verwandt mit den Auflagen, welche einer Polizeierlaubnis bei-
gefügt werden. Darüber Bd. I § 21, II n. 3. Ihre Wirkung entspricht ganz dem
dort Ausgeführten. Dabei ist nicht zu übersehen, daß die Behörde hier für den
Inhalt der zu machenden Auflage einen ganz anderen Spielraum hat. Während
die Auflage bei der Polizeierlaubnis nur den Zweck haben darf, Schädlichkeiten
zu verhüten, welche von dem erlaubten Unternehmen ausgehen können, und un-
gültig ist, wenn sie diese Grenze überschreitet, können den Beliehenen beliebig
Auflagen gemacht werden auch zur Förderung und Verbesserung des guten Standes
und Betriebes der öffentlichen Sache. Wo natürlich ein Anspruch auf die Ver-
leihung besteht, werden diese Bedingungen gleichmäßig geordnet sein müssen,
und thatsächlich werden sie es auch ohne dies sein. Auch die Unterscheidung,
die wir dort machten zwischen Auflagen auf Grund gesetzlicher Ermächtigungen, die
zugleich polizeiliche Pflichten erzeugen, und solchen, welche die Behörde nur auf
Grund ihres freien Ermessens, zu versagen oder zu gewähren, beifügt, gilt hier
nicht: alle Auflagen, denen der Beliehene durch die Annahme der Verleihung sich
unterwirft, sind zugleich Pflichten für ihn, ohne daß eine gesetzliche Grundlage
dafür nötig wäre. Sie können immer geraden Wegs erzwungen werden; der Ver-
wirkungsausspruch steht nur für den äußersten Fall dahinter. Der Unterschied
beruht darauf, daß es sich hier nicht um eine Ausübung der Polizeigewalt handelt
mit ihren natürlichen Grenzen, die auch durch Unterwerfung nicht erweitert werden
können (Bd. I § 21 Note 19), sondern um eine freie Leistung mit freier Bestim-
mung der Gegenleistung.
f. civ. Pr. 30 Beil. S. 103 zum Ausdruck, wenn er spricht von der „Konzession
gegen Entrichtung einer stipulierten Abgabe (Mühlenzins)“.
S. 110, 111. Recht oder nicht, bedeutet hier immer nur einen Unterschied der
Form der Einwirkung.
wird insofern von Erheblichkeit, als eine Maßregel in den bekannten allgemeinen
Ermächtigungen begriffen ist, wenn sie als Polizeiverbot angesehen werden kann,
nicht dagegen, wenn sie die Auferlegung einer Grunddienstbarkeit vorstellt. Dar-
über Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 10 u. 11; O.L.G. München 19. Okt. 1886 (Reger VII
S. 266). Es handelte sich im letzterwähnten Erkenntnis um polizeiliche Ver-
ordnungen, welche befahlen, hart an der öffentlichen Straße nicht zu pflügen, den
Wald längs derselben auszuhauen, Kiesgruben nicht unmittelbar daran auszugraben.
Als Belastung mit einer Grunddienstbarkeit wären alle diese Anordnungen nach
Verf.U. IV § 8 und nach Expropr.Ges. v. 17. Nov. 1837 nicht zulässig. Es wird
aber angenommen, daß es sich nicht um eine Servitut, sondern um eine polizei-
liche Maßregel handle, die als solche dann gültig ist. Dabei legt das Gericht
allerdings zu viel Wert darauf, daß nur eine Unterlassung gefordert ist, nur ge-
wisse Schranken gesetzt sind für die freie Benützung. Das könnte ganz gut auch
bei einer wirklichen Servitut zutreffen; Beispiel: die Rayonservituten. Entscheidend
ist, daß hier immer nur die Abwehr eines möglichen Eingriffes in den guten
Stand der Straße bezweckt ist (durch Anpflügen, Beschatten, Angraben); das giebt
der Maßregel die polizeiliche Natur und den Gegensatz zur Dienstbarkeits-
auferlegung. Richtig heißt es in diesem Sinne in Bl. f. adm. Pr. a. a. O. S. 17
von solchen Anordnungen: es werde dadurch nur die „Polizeigewalt über das
Straßenwesen“ gewahrt.
Noch in anderer Beziehung kann die Unterscheidung bedeutsam werden.
Verbote, welche nur darauf gerichtet sind, polizeiwidrige Störungen abzuwehren
und zu verhindern, die von dem Grundstücke ausgehen können, begründen selbst-
verständlich keinen Entschädigungsanspruch des Besitzers. Das Grundstück ist so
zu sagen selbst schuld. Dagegen ist die Inanspruchnahme eines Grundstücks mit
einer Dienstbarkeit zu Gunsten eines öffentlichen Unternehmens allerdings geeignet,
als ein besonderes Opfer angesehen zu werden, welches der Ausgleichung bedarf.
Die Frage ist namentlich bezüglich der Baulinie und der damit zusammenhängenden
Bauverbote erörtert worden. O.Tr. 23. April 1863 (Str. 51 S. 33); Bl. f. adm. Pr.
1870 S. 348. Vgl. auch unten Note 5 u. 14.
n. 2. Für öffentlichrechtliche Wegedienstbarkeiten dieser Art geben Bl. f. adm.
Pr. 1870 S. 327 eine wunderlich verdrehte Formulierung: „Der Staat (oder die Ge-
meinde) kann auch eine Servitut haben für das Wegerecht des von ihm vertretenen
Jedermann“. Auf diese Weise würde sich die Theorie, wonach das Publikum der
eigentliche Herr der öffentlichen Sache ist (oben § 35 Note 8), und die neuere
Auffassung, wonach der Staat es ist, allerdings vereinbaren; aber um welchen
Preis!
Note 6. Eine solche Servitut über den Hof eines Privatgrundstückes erwähnt
Bayr. Ob.G.H. 9. Nov. 1868 (Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 391). Das Hamburger Siehl,
welches unter einem Privathaus durchführt, bezeichnet R.G. 10. Jan. 1883 (Samml.
VIII S. 152) als „ein öffentliches Recht, welches nach Art einer Dienstbarkeit das
Privateigentum beschränkt“. Württemb. V.G.H. 5. Mai 1880 (Württemb. Arch. f.
R. Bd. 22 S. 221) erwähnt eine öffentliche Dohle unter einem Privathaus, welche
der Stadt vermöge einer „öffentlichrechtlichen Servitut“ gehört. — Wo die Servitut
der Stadt oder dem Staate zusteht und auch die Sache zu öffentlichen Zwecken
verwendbar macht, aber sie nicht unmittelbar als öffentliche Sache einen solchen
Zweck verwirklichen läßt, wird sie nicht zur öffentlichrechtlichen Servitut, so
wenig wie Eigentum in solchen Voraussetzungen öffentliches Eigentum war (oben
§ 35, II). Danach sind die falschen öffentlichrechtlichen Dienstbarkeiten auszu-
scheiden. V.G.H. 15. Dez. 1885 (Samml. VI S. 241) spricht von einer Servitut,
welche zu Gunsten einer gemeindlichen Wasserleitung auf Quellen einer Nachbar-
gemeinde gelegt ist, damit nicht Veränderungen daran vorgenommen werden dürfen,
welche den Bestand des Werkes gefährden; eine solche, meint das Gericht, wäre
„auf civilrechtlichem Gebiet als negative Realservitut zulässig“. Damit soll also
wohl gesagt sein: hier wäre es eine öffentlichrechtliche Servitut. Aber der Zu-
sammenhang mit der Wasserleitung würde nicht genügen, ihr diese Natur zu geben;
die Quelle selbst, an der sie besteht, wird dadurch zu keiner öffentlichen Sache.
liche Sache und das Recht des Staates entweder öffentliches Eigentum oder eine
öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit der ersten Art. Wir haben hier nur den
Leinpfad im Auge, welcher den Ufereigentümern rechtssatzmäßig auferlegt ist.
Der hat eine andere rechtliche Natur. Der Ufereigentümer bleibt hier im Besitz
und Genuß des Bodens; er hat nur zu dulden, daß für die Zwecke der Schiff-
fahrt Menschen und Zugtiere sein Grundstück betreten. Das ist nach Bl. f. adm.
Pr. 1871 S. 35 „eine allgemeine öffentlichrechtliche Dienstbarkeit“; oder, wie Bayr.
Ob.G.H. 25. Nov. 1878 (Samml. VII S. 505) es ausdrückt, eine öffentlichrechtliche
Berechtigung, eine dem Ufereigentümer auferlegte Duldung. Vgl. über diese Unter-
scheidung Wörterbuch II S. 45. — Die mit der Aufstellung des Bebauungs-
planes verbundenen Baubeschränkungen werden häufig als Polizeiverbote angesehen;
es ist aber nichts polizeiliches an ihnen; sie sollen nur die Schaffung einer künf-
tigen Straße erleichtern, aber nicht Störungen gegen die bestehende gute Ordnung
abwehren. V.G.H. 9. Nov. 1880 (Samml. II S. 183) sucht eine Vermittlung zu
für die Gemeinde an dem sog. Schloßberg auf Benutzung der Ruinen und Anlagen
nebst Fuß- und Fahrweg für das Gesamtpublikum. Das Gericht führt aus, daß
eine solche Servitut der Gemeinde zustehen kann zum Besten ihrer Angehörigen.
Da würden wir aber scheiden müssen. Die Ruinen und die Anlagen werden nicht
als öffentliche Sachen im Rechtssinne angesehen werden können, so wenig wie
Museen oder Bibliotheken. Gehörten sie der Stadt zu Eigentum, so wäre es civil-
rechtliches Eigentum trotz des freien Eintritts; da sie nur eine Servitut daran hat,
ist diese eine civilrechtliche. An den Wegen dagegen ist die Dienstbarkeit eine
öffentlichrechtliche.
Luthardt in Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 372 stellt auf: „eine öffentliche Wegeservitut
ist eine privatrechtliche Servitut für einen öffentlichen Weg“. Richtiger wäre zu
sagen: eine wie eine privatrechtliche begründete Servitut; denn dadurch, daß sie
sog. auf polizeilichen Rücksichten beruhende Legalservitut“. Das Polizeiliche
dient offenbar nur dazu, der Legalservitut ihre öffentlichrechtliche Natur zu geben;
die kann sie aber auch haben, ohne Polizei zu sein.
steckung und Vermarkung (Reichsges. v. 21. Dez. 1871 § 8). G. Meyer, V.R. II
S. 169, sagt davon: „Die Setzung der Rayonsteine hat den Charakter einer Ver-
waltungsverfügung.“ Allein es wird darin wohl richtiger lediglich eine thatsäch-
liche Kenntlichmachung der Rayonbezirke zu sehen sein. Die Wirkung tritt durch
Gesetz ein, nur bedingt durch die Herstellung dieser äußerlichen Merkmale.
Es ist ein ähnliches Verhältnis, wie wir es auch auf dem Gebiete der Polizei-
rechtssätze beobachtet hatten, die auch unter Umständen erst wirksam werden
durch eine Mahnung, durch eine Tafel mit abgebildetem Radschuh oder einen
aufgestellten Strohwisch (oben Bd. I S. 284). Das sind alles keine Verfügungen,
keine Verwaltungsakte, sondern thatsächliche Benachrichtigungen und Kundgaben.
Der Verwaltungsakt liegt bei der Rayonservitut erst in der Feststellung des
Rayonplans und Rayonkatasters (Reichsges. § 11); an ihn knüpfen sich auch die
Rechtsmittel. Dieser Akt begründet aber nicht die Servitut, ist auch keine Ver-
sein. — O.Tr. Stuttgart 21. Febr. 1872 (Seuff. Arch. XXVIII n. 297) meint: Das
Wegedienstbarkeitsrecht sei öffentlichrechtliche Dienstbarkeit zu nennen zur Kenn-
zeichnung des benutzenden Subjekts oder der Zweckbestimmung oder der durch
beide gegebenen Art der Benutzung durch das Publikum; in Beziehung auf den
Rechtstitel gegenüber dem Eigentümer dagegen sei es privatrechtlich. Das wird
wohl auf das Nämliche hinauslaufen, was wir auf Grund unseres festeren Begriffes
vom öffentlichen Rechte einfacher und deutlicher sagen; nur muß wohl verstanden
sein, daß die Servitut „in Beziehung auf den Rechtstitel“ nur für ihre Entstehungs-
art, nicht auch für ihren gegenwärtigen Bestand dem Eigentümer gegenüber privat-
rechtlich aufzufassen ist. Ein Doppelgesicht der bestehenden Servitut: öffentlich-
rechtlich nach außen und civilrechtlich nach innen, darf nicht gemeint sein.
franz. R. der Leinpfad durch Beschluß des Präfekten gegenüber der gesetzlichen
Breite verengert werden (Dekret v. 22. Jan. 1808 art. 4).
Grundstücken bezeichnet das Preuß. Enteignungsgesetz v. 11. Juni 1874 als „Eigen-
tumsbeschränkung“ (§ 52). Der Name thut nichts zur Sache. Diese Eigentums-
beschränkung wird dem Grundstück auferlegt durch eine „Entscheidung“ der Ver-
waltungsbehörde (§ 53). Eger, Ges. über die Enteignung von Grundeigentum II
S. 512, meint: „das Recht braucht nicht besonders verliehen, bzw. die Pflicht nicht
besonders auferlegt zu werden, … beides besteht vielmehr ex lege“. Er meint
das aber nur im Gegensatz zu dem „Recht zu enteignen“, d. h. betreibender Teil
zu sein im Enteignungsverfahren, welches ja allerdings besonders „verliehen“ wird,
wenn man so sagen will, gemäß der diesem Verfahren eigentümlichen Ordnung.
Derartiges geht hier nicht voraus. Den obrigkeitlichen Ausspruch, der das bestimmte
Grundstück belastet, können wir aber hier so wenig entbehren wie dort den Ent-
eignungsausspruch; erst durch diesen entsteht die Belastung. Fehlt es daran, so
begründet die Entnahme von Materialien einfach eine civilrechtliche Schadensersatz-
pflicht (R.G. 12. Dez. 1883). Das „Recht“, das Eger daneben so sehr betont und das
ex lege bestehen soll, ist nichts anderes als die Möglichkeit, durch die nach freiem
Ermessen zu erlassende Verfügung das Recht zur Entnahme von Materialien zu
erwerben. Es scheint uns aber keinen großen Nutzen zu haben, das schon ein
Recht zu nennen. — Der Entnahme von Straßenmaterialien ähnlich werden „vor-
übergehende Beschränkungen“ des Grundstückeigentums zu Gunsten eines
erfüllter Bedingung desselben bereits begründet ist.
verstanden die Inbesitznahme zum Zweck der Niederlegung von Baumaterialien,
Anlage von Werkplätzen für die Dauer des Baues u. dergl. (Eger a. a. O. I
S. 57). Die Dienstbarkeit wird begründet durch einen auf das bestimmte Grund-
stück gerichteten Verwaltungsakt, einen Beschluß der Bezirksregierung. Das
Besitz- und Benutzungsrecht ist hier so umfassend, daß, so lange es dauert, das
Eigentum selbst ziemlich brach liegt. Daher dieser Eingriff sich von der Ent-
eignung thatsächlich nur scheidet durch seine vorübergehende Natur. Das Preuß.
Enteignungsges. begrenzt ihn auf 3 Jahre. Das franz. R. giebt dem Eigentümer,
falls die Besitzentziehung eine angemessene Dauer überschreitet, das Recht, Ent-
schädigung zu begehren, wie in Folge einer vollen Enteignung, wobei dann das
Eigentum durch Vertrag übergeht (Theorie des Franz. V.R. S. 272).
der verschiedenartigsten Formen von Zwang. Darüber Laband, St.R. II S. 826:
„Die Erzwingung der Innehaltung der im Rayongesetze anerkannten Eigentums-
beschränkungen erfolgt nicht im Wege des Civilprozesses, sondern durch Straf-
androhungen und Verwaltungsmaßregeln; denn da diese Beschränkungen nicht zu
Gunsten des Fiskus, sondern zu Gunsten des Staates im publizistischen Sinne,
d. h. zur Erfüllung öffentlichrechtlicher Aufgaben eingeführt sind, so werden sie
auch mit den für Zwecke der Verwaltung anerkannten Machtmitteln der Staats-
gewalt durchgeführt.“ Die Aufgaben des Staates würden wir allerdings weder als
öffentlichrechtliche, noch als civilrechtliche bezeichnen; erst was er in Erfüllung
der Aufgaben, die er sich stellt, wirklich thut, unterliegt solcher Beurteilung. —
Im älteren preuß. R. nannte man die Maßregeln zur Wahrung der Rayonservitut
durchweg polizeiliche Verfügungen: C.C.H. 9. Okt. 1869 (J.M.Bl. 1869 S. 250).
Der Begriff der Polizei hat sich ja erst allmählich eingeschränkt.
vom öffentlichen Eigentum gesagt ist; vgl. oben § 36, II n. 3; Bl. f. adm. Pr. 1870
S. 327, 371, 391; eod. 1873 S. 126 (Ob.G.H. 25. Juni 1872).
S. 65 ff.
giebt bezüglich der Baubeschränkungen O.Tr. 5. Juli 1866 (Str. 64 S. 184) und
O.Tr. 23. April 1863 (Str. 51 S. 33). Die Bauverbote, welche an der Feststellung
der Baulinie hängen, begründen keinen selbständigen Entschädigungsanspruch.
In Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 351 soll das damit gerechtfertigt werden, daß die Bau-
linie eine polizeiliche Eigentumsbeschränkung sei und für polizeiliche Maß-
regeln nicht entschädigt werde. Das letztere ist richtig, das erstere falsch.
schädigungsanspruch; wird sie aber durch Schiffbarmachung eines Flusses, der
bisher nicht schiffbar war, auf neue Grundstücke ausgedehnt, so gebührt hierfür
Entschädigung; Wörterbuch II S. 45. Die Rayonservituten werden in Bezug auf
die Frage der Entschädigung verschieden behandelt. Darüber v. Kirchenheim
in Wörterbuch I S. 391. Eigentlich wäre zu unterscheiden: was zur Zeit des be-
lastenden Gesetzes schon Festungsvorland ist, würde grundsätzlich nicht ent-
schädigt, wenn das Gesetz es nicht ausdrücklich bestimmt. Was durch Neubauten
Vorland würde, hätte dagegen einen Anspruch darauf. Die Frage pflegt aber ohne
solche Unterscheidung geordnet zu werden. Das Reichsges. v. 21. Dez. 1871 ent-
schädigt allgemein; es hatte wesentlich Neubauten im Auge. Umgekehrt hat man
aus dem Stillschweigen des französischen Gesetzes, das wesentlich nur den be-
stehenden Zustand im Auge hat, geschlossen, daß allgemein keine Entschädigung
zu gewähren ist; Ducrocq, droit adm. n. 297.
Wenn dafür nicht entschädigt wird, so hat das einen anderen Grund. Es ist nur
eine vorläufige Maßregel zu Gunsten des künftigen Erwerbs; mit diesem ver-
bindet sich alsdann die Entschädigung als Kaufpreis oder Enteignungsentschädi-
gung, oder auch sie erledigt sich durch unentgeltliche Abtretung zum Zweck der
Herstellung der Straße, die dem Angrenzer ja wichtig genug ist.
barkeit belastete Grundstück eigentümlich erwirbt, so entsteht allerdings öffent-
liches Eigentum, und insofern kann man sagen, daß die Dienstbarkeit durch Kon-
fusion verschwindet. Wenn aber der Staat Eigentümer des mit der Rayonservitut
belasteten Grundstücks wird, so besteht diese fort: das öffentlichrechtliche Rechts-
institut wird wieder rückbezüglich auf den Fiskus (oben Bd. I S. 143). Wird das
belastete Grundstück selbst eine öffentliche Sache (Straße, Festungswerk), so er-
lischt die Servitut, um wieder wirksam zu werden, sobald es aufhört, das zu sein
(oben § 36, II n. 2).
braucht unmittelbare Eingriffe von seiten seiner Nachbarn zu dulden, welche ent-
weder der Person oder Sache schaden oder die Person in einer das gewöhn-
liche Maß des Erträglichen überschreitenden Weise belästigen.“ Darin, daß das
„Erträgliche“ geduldet werden muß, liegt eben jene Verneinung der unbedingten
Geltung des Eigentums, welche als Eigentumsbeschränkung zum Ausdruck kommt.
wiedergegeben. Die älteren Auffassungen und Ausdrucksweisen spielen dabei ihre
Rolle. Wenn gesagt wird: es sei eine polizeiliche Maßregel, so will das heißen:
das Verhältnis sei öffentlichrechtlicher Natur. Wenn gesagt wird: gerichtliche
Klage sei unstatthaft, so bedeutet das: ein Rechtsanspruch besteht nicht. — O.Tr.
20. Juni 1871 (Str. 83 S. 37): Das Regenwasser fließt von einem Eisenbahndamm
auf Privatgrundstücke; die Klage auf Herstellung geeigneter Vorkehrungen, um
das zu hindern, wird abgewiesen; „nur die Regierung kann bestimmen, was ge-
schehen soll“. Dagegen wird Entschädigung geschuldet und steht der Rechtsweg
hierfür offen. — O.Tr. 25. Sept. 1877 (Str. 98 S. 21): Nach Erbauung einer Kreis-
chaussee erheben die Angrenzer Klage auf Herstellung geeigneter Vorkehrungen
zur Sicherung ihrer Grundstücke gegen Überschwemmung und Versumpfung; der
Rechtsweg ist dafür nicht zulässig; nur Entschädigung kann verlangt werden. —
Verbesserung ihrer Anlagen einen Damm auf; Besitzklage dagegen wegen der Ein-
wirkung auf die Nachbargrundstücke ist unzulässig; denn „durch die von dem
Herrn Minister amtlich abgegebene Erklärung steht fest, daß die von der Ver-
klagten bewirkte Anlage polizeilich geboten ist“. — C.C.H. 4. Febr. 1854 erklärt
die Klage eines Angrenzers auf Beseitigung einer Pappelpflanzung auf der Straße,
die sein Grundstück schädigt, für unzulässig, denn die Pappelpflanzung beruht auf
„polizeilichen Anordnungen des Ober-Präsidenten zur Sicherung der Passage“. —
C.C.H. 13. Okt. 1860 (J.M.Bl. 1861 S. 269): Die Straßenrinne war an die klägerische
Mauer gelegt worden; das ist eine „polizeiliche Verfügung; die Klage auf Ände-
rung ist unzulässig“. — Abweichend findet bayr. Ob.G.H. 28. Nov. 1879 in der
Klage auf Beseitigung der Anlage eines öffentlichen Gemeindewegs, der das Wasser
auf das Nachbargrundstück drängt, eine „reine Civilrechtssache“, welche zur Zu-
ständigkeit des Gerichts gehört. Und C.C.H. 13. Aug. 1870 hat die übliche Be-
gründung der Klageabweisung mit der Achtung vor der polizeilichen Verfügung
geradezu verspottet: Von einem Militärschießplatz flogen die Kugeln auf Nachbar-
grundstücke; Besitzstörungsklage gegen den Militärfiskus; Verurteilung und Verbot,
solches Schießen zu gestatten, durch welches Kugeln auf das Grundstück des
Klägers gebracht werden. Der C.C.H. erwägt, ob hier eine polizeiliche Verfügung
in Frage steht, gegen welchen der Rechtsweg ausgeschlossen wäre, und verneint
dies, „weil der Gouverneur ja nicht verfügt habe, daß die Kugeln auf das Privat-
grundstück hinüberfliegen sollen“. — Diese Frage der überfliegenden Kugeln
scheint jedoch in der herrschenden Übung zweifellos zu Gunsten des Militärs ge-
löst zu sein. Die neuen weittragenden Gewehre haben ja sogar dazu geführt,
daß man gefährdete Wohnungen gewaltsam geräumt hat. Der Rechtsstandpunkt
war der: das Militär durfte schießen und der Bauer durfte in seinem Haus bleiben;
wurde er getroffen, so hatte er Anspruch auf Entschädigung, oder seine Hinter-
bliebenen hatten ihn; es bestand kein Recht, ihn zu entfernen, aber menschlicher
war’s, es doch zu thun. Ähnlich verhält es sich mit den viel besprochenen Ab-
sperrungen bei Übungen im Scharfschießen im Gelände. Die Abhülfe ist nur durch
neue Schießplätze zu verschaffen.
Das Reichsgericht hat das Rechtsinstitut in zwei Fällen im wesentlichen
richtig behandelt. R.G. 24. Sept. 1889 (Samml. XXIV S. 36): In einer Kaserne
werden Schießübungen gehalten; Klage eines Nachbars auf Anerkennung der Frei-
heit seines Eigentums und Unterlassung des geräuschvollen Schießens. Das Ge-
richt erklärt diese Klage für unzulässig, da es sich um Ausübung des Militär-
hoheitsrechtes (?) handle; nur Entschädigung kann in Frage sein. — Noch klarer
in einem Falle des preußischen Rechts R.G. 20. Sept. 1882 (Samml. VII S. 266):
Der Betrieb einer Eisenbahn gefährdet durch die aussprühenden Funken der Loko-
motive das angrenzende Grundstück. Nach Nachbarrecht, sagt das Gericht, — d. h.
nach Civilrecht — braucht kein Grundeigentümer solche Benützung der nachbar-
lichen Grundstücke zu dulden. Wenn aber die Staatsgewalt dem Unternehmer
einer Eisenbahn im öffentlichen Interesse Anlage und Betrieb gestattet hat, so
sind die Eigentümer nicht befugt, mit negatorischer Klage Einstellung des Bahn-
betriebes wegen Immission von Funken oder Erschütterung, oder Sicherheitsmaß-
einer Amtspflicht handelt, berechtigt, auch ohne Erlaubnis des Eigentümers fremde
Grundstücke zu betreten.“ Es handelte sich darum, daß ein Fischereiaufseher
bei Verfolgung eines Fischerei-Kontravenienten über fremde Wiesen und bestellte
Äcker gelaufen war und dafür von dem Eigentümer in Anspruch genommen wurde.
Es will uns selbstverständlich erscheinen, daß der Beamte solche Befugnis haben
muß, besser gesagt, — denn ein ihm persönlich zustehendes Recht ist es ja nicht
— daß für die öffentliche Gewalt, die er vertritt, das fremde Eigentum hier kein
Hindernis sein darf. Das wäre sonst für die Übelthäter, die sich ihrerseits nicht
daran kehren, gar zu bequem, um zu entwischen. Aber es gilt, sich bewußt zu
werden, daß wir hier keine bloße Thatsache vor uns haben, sondern eine Rechts-
erscheinung, die das Glied bildet eines größeren Ganzen. — Ähnlich O.Tr. 1. Dez.
1875: Zollaufsichtsbeamte verbergen sich auf einem Privatgrundstück, um vorüber-
kommenden Schmugglern aufzulauern; der Eigentümer darf sich nicht widersetzen.
Preuß. Abgeordnetenhauses war vorgeschlagen worden, außer sonstigen Eingriffen,
die bei dieser Gelegenheit ihre Regelung fanden, „auch die Folgen der Eigen-
tumsbeschränkung durch polizeiliche Maßregeln zum Schutze des Grundbesitzes
und Ausschluß polizeilicher Willkür vorzusehen“. Es war in diesem Sinne zu § 4
gewalt liegt die allgemeine Anordnung der Staatsgewalt, daß sich die benachbarten
Grundbesitzer diejenigen nachteiligen Einwirkungen auf ihr Grundstück gefallen
lassen müssen, ohne welche der Betrieb nicht ausführbar ist. Solche Konzessio-
nierung ist ein im öffentlichen Interesse seitens der Staatsgewalt bewirkter Eingriff
in das Privateigentum, eine Eigentumsbeschränkung, deshalb soll nur Entschädi-
gungsklage zulässig sein. Hieran ist nur der engherzige Versuch verfehlt, die
Eigentumsbeschränkung auf eine besondere staatliche Anordnung zurückzuführen,
welche in der Konzession enthalten wäre. Wenn der Staat einfach selbst die
Eisenbahn baut, fehlt ein solcher Akt, und die Eigentumsbeschränkung ist gleich-
wohl geradeso da; sie besteht zu Gunsten des öffentlichen Unternehmens von selbst.
Die Konzession hat nur die Bedeutung, das Unternehmen der Eisenbahngesell-
schaft als ein öffentliches Unternehmen, gleichwertig einem vom Staate selbst be-
triebenen, anzuerkennen. Irgend welche besondere Anordnung über die Unter-
thanen enthält sie nicht. Das Reichsgericht möchte die Sache gern so auffassen,
als wäre nur eine Erweiterung des civilrechtlichen Nachbarrechts eingetreten. Wo
es da die Entschädigungspflicht herbekommen will, ist nicht abzusehen. Öffent-
liches Recht ist aber hier mit aller Entschiedenheit allein in Frage: öffentlich-
rechtliche Eigentumsbeschränkung und öffentlichrechtliche Entschädigung. Aber
für das öffentliche Recht fehlt dem Reichsgericht zur Zeit noch der sichere Blick.
1. 14 § 1 D. 8, 6 würde eine gleiche Befugnis auch zu Gunsten des sonstigen auf
die Straße angewiesenen Verkehrs bestehen. Im neueren Rechte wird das viel-
fach noch besonders anerkannt: Preuß. Feld- u. Forst-Pol.Ges. § 10 Abs. 2;
Els.Lothr. Feld-Pol.Stf.Ges. § 29; Franz. Ges. v. 6. Okt. 1791 tit. 2 Art. 41
(Proudhon, dom. publ. I n. 264). Das ist nicht, wie R. Merkel, Koll. rechtm.
Interessen S. 51 ausführt, eine Wirkung des Notstandsrechts der Einzelnen, — wes-
halb wirkte es dann nicht im Falle eines Privatweges? — sondern es ist die öffent-
liche Verkehrsanstalt allein, die darin wieder das Nachbareigentum für ihre
Zwecke in Anspruch nimmt; vgl. auch unten Note 18.
leistungen (ihrem wesentlichen Inhalte nach wiedergegeben von Seydel in Annalen
1875 S. 495 Anm. 1) zeigen sehr unklare Anschauungen von diesem Anwendungs-
fall unseres Rechtsinstitutes und von seinem Verhältnisse zum Gesetz. Der Ent-
wurf hatte ausdrücklich bestimmen wollen, daß Privatgrundstücke zu Truppen-
übungszwecken benutzt werden dürften. Die Kommission hatte diese Bestimmung
gestrichen, und namens derselben wurde erklärt, man habe große Bedenken da-
gegen gehabt, „denn dies würde dann nichts weiter sein, als die Konstituierung
einer allgemeinen Servitut auf sämtlichen Privatgrundstücken des ganzen Reichs
zu Gunsten der Militärbehörde“. Dazu ist zu sagen: eine Servitut wäre das auch
durch ausdrückliche gesetzliche Anerkennung nicht geworden; wenigstens verdiente
eine Last, welche stillschweigend auf allen Grundstücken liegt und nur wirksam
wird an denjenigen, die hie und da einmal thatsächlich in Anspruch genommen
werden, den Namen dieses Rechtsinstituts nicht. Oder ist etwa durch § 17 des
Reichs-Post-Ges. eine allgemeine Servitut konstituiert worden zu Gunsten der
Postbehörde auf sämmtlichen uneingehegten Äckern und Wiesen des Reichs-
gebietes? Das sind immer, auch wenn gesetzlich normiert, öffentlichrechtliche
Eigentumsbeschränkungen im Gegensatz zu Servituten: es fehlt ihnen die Be-
stimmtheit der erfaßten Grundstücke, die doch zum Wesen der Servitut gehört. —
in das Grundeigentum in Notfällen, namentlich bei einer Feuersbrunst oder
Wassersnot oder einer Lebensgefahr, für die Dauer des Notfalles sind die Polizei-
behörden befugt“. Die Entschädigungspflicht sollte ausdrücklich dem Staate auf-
erlegt werden. Darunter wären eben solche Fälle, wie der im Text erwähnte be-
griffen gewesen; die Bezeichnung als „polizeilich“ paßt nach dem heutigen Begriffe
von Polizei allerdings nicht auf eine Maßregel, welche eines unbeteiligten Grund-
stückes sich bedient, um die von anders woher kommende Störung zu bekämpfen
(Bd. I § 19, II n. 1). Aber wie man sie auch nenne, die Zulässigkeit solcher
Eingriffe, auch ohne Gesetz, steht so unzweifelhaft fest, daß die Regierung da-
mals die ihr angebotene gesetzliche Ermächtigung ohne weiteres als überflüssig
ablehnte.
hufs Vorarbeiten auf dem Grundstücke des Klägers Löcher bohren und Bäume
umhauen; die Besitzstörungsklage wird als unzulässig abgewiesen. Begründet wird
dies damit, daß in der Erteilung der Konzession zum Bahnbau eine „landes-
polizeiliche Anordnung“ liege, gegen deren Folgen nicht im Civilrechtswege vor-
gegangen werden darf. Also ähnlich wie R.G. 20. Sept. 1882 in dem oben Note 4
erwähnten Falle. Aber Polizeiliches ist auch hier nicht vorhanden; daß ein an-
erkanntes öffentliches Unternehmen vorliegt, genügt.
Das Preuß. Enteignungsges. v. 11. Juni 1874 hat jetzt solche Berufungen auf
die Polizeigewalt für die wichtigsten Fälle überflüssig gemacht. „Zur Vorbereitung
eines die Enteignung rechtfertigenden Unternehmens, sagt § 5, dürfen die nötigen
Handlungen auf Privatgrundstücken vorgenommen werden“. Das Gesetz verlangt
dazu eine Anordnung der Bezirksregierung. Diese Anordnung ist aber nicht etwa
ein Verwaltungsakt, der das Grundstück mit der Duldung der Vorarbeiten belastete;
sonst würden wir hier eine öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit zu erkennen
haben. Sie vertritt nur für den beschränkten Zweck die für die volle Enteignung
notwendige königliche Verordnung, die dort das Verfahren einleitet (Eger, Ges.
über die Enteignung I S. 73). Sie hat also wie diese wesentlich die Bedeutung
einer Feststellung und Anerkennung, daß ein öffentliches Unternehmen vorliege,
welches als solches mit der besonderen Kraft dem Privateigentum gegenüber aus-
gestattet ist (oben § 33, II). Daher sie auch nicht wie ein Verwaltungsakt dem
Besitzer zugestellt wird: „die Gestattung der Vorarbeiten, sagt das Gesetz, wird
von der Bezirksregierung im Regierungs-Amtsblatte generell bekannt gemacht“.
Für besonders schwere Störungen, wie Betreten von Gebäuden und eingefriedigten
Hof- und Gartenräumen, Zerstörung von Baulichkeiten, Fällen von Bäumen, genügt
diese allgemeine Anerkennung des Unternehmens nicht, es muß durch besondere
auch ohne Gesetz die Grundstücke nach wie vor zu Truppenübungen benutzt
werden könnten. Man nannte das ein „thatsächliches Verhältnis“, eine „vis major“,
einen „historisch begründeten Rechtszustand“; es sollte nur nicht als Recht förm-
lich anerkannt werden. Unter diesen Umständen ist es nicht richtig zu sagen,
das Gesetz habe das Recht der Truppenübungen stillschweigend begründet, weil
es gewisse Beschränkungen bezüglich der in Anspruch zu nehmenden Grundstücke
aufstellt oder weil es jenes Recht „voraussetzt“; Laband, St.R. II S. 787 Note 8
(3. Aufl. S. 751 Note 7). Vielmehr ist dieses Recht lediglich bestehen geblieben,
wie es war; der Reichstag hat Zeugnis dafür abgelegt, daß es nach allgemeiner
Rechtsanschauung besteht und einer gesetzlichen Grundlage nicht bedarf; er hat
einfach unser allgemeines Rechtsinstitut darin für anwendbar erkannt. Seine
Scheu, das im Gesetze förmlich auszusprechen, war eine ganz überflüssige Em-
pfindsamkeit.
Freilegung der Festungsrayons von der Kommandantur angeordnet, so u. s. w.“
Die Zulässigkeit der Anordnung ist als selbstverständlich vorausgesetzt. Niemand
wird zweifeln, daß der Kommandant im Armierungsfalle Zerstörungen von Ge-
bäuden und Pflanzungen auch über den Rayon hinaus durchführen lassen kann.
Die Zerstörungen im Rayon sind vom Gesetz nur ausgezeichnet durch die Ordnung
des Entschädigungsverfahrens; über eine andere Besonderheit vgl. unten Note 14.
liche Laterne auf Privateigentum gesetzt hat. Die Klage wird angesehen als gegen
eine „polizeiliche Verfügung“ gerichtet. Damit ist bekanntlich gesagt, daß die
gestattet werden. Die Verwaltungsbehörden behalten also in dieser Beziehung die
Oberleitung in der Hand. Aber auch das sind keine Verwaltungsakte, die das
Grundstück belasten. Der Besitzer erhält in allen Fällen nur eine Benachrichti-
gung von den bevorstehenden Störungen. — Das Rechtsinstitut ist also das alte
geblieben mit seiner sogenannten polizeilichen Grundlage, das Gesetz hat seine
Eingriffe nur als rechtmäßige ausdrücklich anerkannt und sie mit schützenden
Formen umgeben zu Gunsten der Betroffenen.
führten über die Schranken der Geltendmachung des Privateigentums gegenüber der
öffentlichen Sache, erhält hier seinen allgemeinen Zusammenhang. Die Selbst-
behauptung der Verwaltung im Besitz einer solchen Sache, auch wenn das freie
Privateigentum eines Dritten im Civilprozesse gegen sie erstritten ist, gehört zu
ihrer rechtmäßigen Zuständigkeit. Wie oben § 36 Note 24 bereits bemerkt, findet
dieser Grundsatz seinen Ausdruck vor allem in der Form, daß den Civilgerichten
die Zuständigkeit abgesprochen wird, die Herausgabe der Sache gegen die Ver-
waltung anzuordnen und zu erzwingen; nur Entschädigung kann zuerkannt werden.
Begründet wird das wieder mit der Berufung auf die Machtvollkommenheiten der
Polizei, was hier nicht so unrichtig ist, insofern die Polizei der öffentlichen Sache
wirklich ins Spiel kommt (oben § 36 S. 93). Aus der Rechtsprechung heben wir
folgende Entscheidungen hervor: O.Tr. 11. April 1860 (Str. 37 S. 160); 12. Okt.
1863 (Str. 52 S. 20); 3. Febr. 1871 (Str. 81 S. 110); 12. Juli 1875 (Str. 95 S. 63).
O.V.G. 13. Febr. 1877 (Samml. II S. 236). C.C.H. 13. Okt. 1873 (J.M.Bl. 1874
S. 39). O.Tr. Stuttgart 21. Febr. 1872 (Seuff. Arch. XXVIII n. 247). Vor allem
Hier hatte die Gemeinde allerdings eine Forderung der staatlichen Behörde hinter
sich, wonach sie eine Laterne dort aufstellen sollte. Es ist aber klar, daß diese,
wenn überhaupt eine polizeiliche Verfügung, keine solche gegen den Grundeigen-
tümer war. Übrigens wird derartigen Maßregeln die „polizeiliche“ Unantastbarkeit
auch zugestanden, wenn gar kein Beschluß einer Behörde dahinter steht; C.C.H.
13. Okt. 1860 (J.M.Bl. 1861 S. 269): „Mag auch ein förmlicher Beschluß über die
Pflasterung der Straße nicht gefaßt, ausgefertigt und dem Kläger bekannt gemacht
worden sein, so ist die auf Pflasterung der Straße gerichtete Anordnung doch
zweifellos als polizeiliche Verfügung anzusehen;“ deshalb war die Eigentumsklage
auf Beseitigung dieser störenden „Verfügung“ unzulässig.
läuterung, Begrenzung des Eingriffes; vgl. oben Note 7—10. — Nicht der über-
wiegende Wert des kollidierenden Interesses macht den Vorgang zulässig, wie
das wohl als Notstandsrecht zwischen Privaten gelten möchte (R. Merkel, Koll.
rechtm. Interessen S. 56); die Wertverschiedenheit der Rechtssubjekte ist im
öffentlichen Rechte das Erste und Ausschlaggebende; es kommt bloß darauf an, daß
ihr gegenüber den Schutzvorschriften der Verfassung Raum geschaffen ist, zu wirken.
welche Luthardt in Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 366 ff. zu Gunsten einer Erweiterung
der Zuständigkeit der Civilgerichte lebhaft ankämpft. Später scheint die Recht-
sprechung schwankend geworden zu sein; Ob.G.H. 25. Juni 1872 und 17. Dez. 1872
(Bl. f. adm. Pr. 1873 S. 126 ff.). Aber auch hier wird noch anerkannt: die Ver-
waltungsbehörde könne in dieser Beziehung (wegen Zurückhaltung eines als öffent-
licher Weg benutzten Grundstückes) provisorische Verfügungen im öffentlichen
Interesse treffen. Das brauchen keine förmlichen Verwaltungsakte zu sein; das
Gericht hat jedenfalls nicht über sie zu urteilen. Mehr als mit solchen „vor-
läufigen“ Zurückbehaltungen geschehen kann, will aber auch unser Rechtsinstitut
nicht bedeuten.
danten im Armierungsfalle das Recht, von den Grundbesitzern im Rayon die Weg-
schaffung von Gebäuden, Pflanzungen, Vorräten zu verlangen; dieselben sind ver-
pflichtet, seiner Aufforderung nachzukommen und werden nötigenfalls „durch
administrative Zwangsmaßregeln dazu angehalten“. Das ist keine öffentlichrecht-
liche Eigentumsbeschränkung, wie die in der Zulässigkeit von Zerstörungen
im Festungsvorlande sich offenbarenden; es handelt sich um eine persönliche Ver-
pflichtung, welche auferlegt wird nach dem Maßstabe des Besitzes, ähnlich dem
Polizeibefehl. Eben deshalb ist es auch keine Grunddienstbarkeit, ins-
besondere nicht eine Folge der Rayonservitut. Es ist vielmehr hier ein drittes
Rechtsinstitut mit der Rayoneinrichtung verbunden: eine Kriegsleistung ist in
Frage, welche unter den Begriff der unten § 47 zu erörternden öffentlichen Lasten
fällt. Damit hängt auch schon die Form zusammen, in der sie wirksam gemacht
wird: öffentlich bekannt gemachte Aufforderung genügt.
Bd. I S. 85.
für die kaufmännische Welt S. 32 ff., hat sehr gut darauf hingewiesen, wie gerade
diese von ihm besprochenen Einrichtungen dahin führten, gewisse Grenzen des
Eigentums hervortreten zu lassen. Von dem „Recht der Luftschiffahrt“ erwartet
er demnächst eine weitere Entfaltung dieses Gedankens. Wenn er meint, es werde
damit „die sociale Bedeutung des Eigentums“ betont, so glauben wir die leitende
Rechtsidee bestimmter zum Ausdruck gebracht zu haben, indem wir sie gründen
auf das Verhältnis des Einzelnen zur öffentlichen Verwaltung. Meili legt auch
den Hauptwert auf eine räumliche Begrenzung der Kraft des Eigentums, vermöge
deren es der im Luftraum darüber gespannten Telephondrahtnetze und der in den
Untergrund gelegten Kabel sich nicht erwehren kann. Uns handelt es sich um
eine allgemeine Widerstandsunfähigkeit gegen äußerliche Beeinträchtigungen durch
die öffentliche Verwaltung; jenes Darüber und Darunter giebt bloß Beispiele von
solchen.
Die Entwicklung vollzieht sich natürlich immer am leichtesten, wenn die neu
auftauchende Inanspruchnahme anknüpfen kann an eine verwandte, die schon
vorausging. So haben die alten Kästen zum Herabdrehen der Öllampen, die an
den Häusermauern angebracht waren, den Gaslaternenarmen den Weg bereitet;
der spärliche Telegraphendraht hat das Grundeigentum darauf vorbereitet, duldsam
zu werden für die Netze des Telephons. Die bescheidene Porzellanscheibe für den
ersteren fand leicht ihren unbestrittenen Platz an den Häuserecken und Vor-
sprüngen; das schwere Telephonkreuz, das die Verwaltung auf die Dächer setzen
läßt, ist seiner Berechtigung nach nicht sicher; es wird aber zweifellos folgen,
auch ohne Gesetz.
scheidung darüber, ob eine Überschreitung vorliege, nicht zustehen, denn andern-
falls würde den Gerichten gewissermaßen die Befugnis von Interpretativ- oder
Kontroll-Organen der betreffenden administrativen Anordnungen zugewiesen sein,
wozu die Gerichte weder die Qualifikation noch — nach der Absicht des Ge-
setzes — die Kompetenz besitzen.“ Eger hat hier den Fall der Gestattung von
Vorarbeiten nach Preuß. Enteignungsges. § 5 im Auge. Diese „Anordnung“ hat
nur die Bedeutung einer Anerkennung und Leitung des öffentlichen Unternehmens
(oben Note 9); die Sache steht, was die Zuständigkeitsfrage anlangt, gerade so,
wenn ohne alle Anordnung die thatsächliche Einwirkung des öffentlichen Unter-
nehmens auf das Grundstück stattfindet. Immer handelt es sich darum, daß das
Gericht der Verwaltung vorschreibe, was sie auf ihrem eignen, nicht dem Civil-
recht bereits unterworfenen Gebiete hätte thun sollen oder künftig thun solle, und
das ist eben keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit mehr.
civilrechtlichen Schadensersatzpflicht quasi ex delicto nie erklärbar wird: daß die
Schädiger selbst, die Soldaten, Telegraphenarbeiter, Kriminalbeamten u. s. w. nicht
haften, sondern einzig das Gemeinwesen, dem das Unternehmen gehört, aus dem
öffentlichen Straßen die Fußgänger und Wagenführer das anstoßende Grundstück
benützen (oben Note 7), haften wiederum nicht sie, sondern die Herren der
Straßen. Die Haftung der ersteren ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie
selbst ein Recht hätten wegen Notstandes (R. Merkel, Koll. rechtm. Interessen
S. 52), sondern dadurch, daß für die Zwecke der Straße das Nachbargelände so
in Anspruch genommen werden darf und deshalb jene Personen bei ihren Über-
griffen gedeckt sind durch das Recht der öffentlichen Verwaltung. Diese aber
entschädigt für das besondere Opfer, das sie auf solche Weise zumutet.
denkbar. Von diesen unterscheidet sich die öffentliche Dienstpflicht durch die
öffentlichrechtliche Form; die Treuepflicht dient nur zur Ausscheidung gegenüber
ähnlichen öffentlichrechtlichen Leistungspflichten.
bloß dem abstrakten Gemeinwesen geschuldet ist, dem gegenüber die Dienstpflicht
besteht, sondern zugleich den lebendigen Menschen, die es vertreten, vor allem
beim Staatsdienst dem Fürsten persönlich: A.L.R. II, 10 §§ 2 u. 3.
Staatsdieners eine besondere Rubrik bilden zu lassen (Bluntschli, Staatswörter-
buch IX S. 693; v. Rönne, Preuß. St.R. III S. 473; Laband, St.R. I S. 438,
3. Aufl. S. 417), als ihr jede juristische Bedeutung abzusprechen (G. Meyer in
Annalen 1880 S. 345; ähnlich Rehm in Annalen 1885, S. 86; Seydel, Bayr.
St.R. III S. 387 u. Anm. 4).
mung des öffentlichen Amtes an Stelle unserer Voraussetzung einer öffentlich-
rechtlichen Dienstpflicht die Forderung der Abgrenzung durch das öffentliche
Recht: „Ein Staatsamt ist ein durch das öffentliche Recht begrenzter Kreis von
staatlichen Geschäften“; ebenso S. 342: „ein Reichsamt ist ein durch Rechts-
vorschriften begrenzter Kreis von Geschäften des Reichs“. Das ist natürlich nicht
so gemeint, daß das Amt im allgemeinen im Kreise der Rechtsordnung stehe,
sonst bedeutete es gar nichts. Auf das Amt selbst bezügliche Rechtsvorschriften
sollen ergehen, um den Kreis seiner Geschäfte abzugrenzen und es dadurch zu
schaffen. Das trifft aber thatsächlich bei vielen Ämtern nicht zu, kann also nicht
begriffswesentlich sein. Es giebt Ämter, die nur vorübergehend bestehen (Laband
a. a. O. I S. 409), z. B. eine außerordentliche diplomatische Mission; der Kreis der
Geschäfte wird hier lediglich durch den kaiserlichen Auftrag bestimmt und nicht
in Form einer Rechtsvorschrift. Aber auch ständige Ämter erhalten ihre Be-
grenzung mannigfach nicht durch solche öffentlichrechtliche Rechtssätze, überhaupt
nicht durch Rechtssätze. Um gewerbliche Unternehmungen zu betreiben, Museen
und Bibliotheken zu verwalten und die dazu nötigen Ämter zu bilden, braucht die
Regierung nur Geld, welches allerdings durch das Budgetgesetz ihr beschafft wird
— aber das bedeutet doch auch nach Laband keine Abgrenzung durch öffentliches
Recht oder Rechtsvorschriften.
hausen, Stf.G.B. II S. 1290; R.G. 24. März 1882 (Samml. VI S. 107); 16. Juni
1882 (Samml. Stf.S. V S. 337); O.V.G. 26. Febr. 1885, 26. Okt. 1885. — Loening,
V.R. S. 115, stellt auf, daß auch Leute mit privatrechtlichem Dienstvertrage Be-
amte sein können und verweist dafür auf Privatpostgehilfen und Privat-Forstschutz-
personal. Dagegen Laband, St.R. I S. 406 Anm. 2. Wir werden unten § 43, III
noch sehen, daß Loenings Satz richtig ist und unsere im Text gegebene Regel
gleichwohl dabei zur Geltung kommt.
III S. 306); vgl. auch über die einzelnen Erscheinungen dieser Vertretungsmacht
im Recht der Selbstverwaltungskörper: unten § 58.
eine militärische Schulpflicht“.
Staatsdienstpflichtverhältnisses Unvollständigkeit vorgeworfen, insofern darin nur
das Berufsamt, nicht die „auf Erfüllung einer allgemeinen Bürgerpflicht beruhenden
Ämter“, namentlich der Gemeindebeamten behandelt werden. Laband stellt eben
nur das Reichsstaatsrecht dar, und dafür haben diese Ehrenämter keine große Be-
deutung. Deshalb ist in den allgemeinen Erörterungen über die Dienstpflicht in
St.R. I S. 406 das Ehrenamt außer Ansatz gelassen. „Die Pflicht zur Leistung
von Diensten, heißt es S. 407, kann auf einem dreifachen Rechtsgrunde beruhen“,
nämlich außer auf privatrechtlichem Dienstvertrag auf den beiden öffentlichrecht-
lichen Gründen der Zwangsdienste und des vertragsmäßigen Eintritts in den Staats-
dienst. In der Lehre vom Gerichtsdienst (a. a. O. II S. 431), wo der Handels-
richter eine Rolle spielt, heißt es dagegen ganz richtig: „Hiernach sind in staats-
rechtlicher Hinsicht drei Arten von Gerichtsdiensten zu unterscheiden, der gesetz-
liche Gerichtsdienst der Schöffen und Geschworenen, der berufsmäßige Dienst der
Gerichtsbeamten und der Ehrendienst der Handelsrichter und der Konsular-
gerichte“. Das sind unsere drei Rubriken.
gesetz überall von der Wahl, der Einberufung, von dem Ablehnen, Entbinden,
Sicheinfinden der „Schöffen“ oder „Geschworenen“ spricht. Es sollte heißen: der
zum Schöffen- oder Geschworenendienste in Anspruch zu nehmenden Personen.
Ein Geschworener, der bestraft wird, weil er sich nicht gestellt hat und deshalb
nicht eingeschworen werden konnte, ist natürlich kein Geschworener gewesen.
Darum sind Schöffen und Geschworene keine Beamten: sie „versehen“ ein Amt
(G.V.G. §§ 31, 84); aber sie sind nicht mit dem Amte versehen, nicht beamtet.
Das Amt hängt nicht an ihrer Person, ist nicht zu einer persönlichen Fähigkeit
und Eigenschaft geworden, sondern gehört ihnen nur, so lange sie bei Gericht
sind. dieser Gedanke ist ungenau ausgedrückt, wenn man sagt: die kurze Dauer
des Amtes mache es aus (Hälschner, Stf.R. II, 2 S. 1033 u. Anm. 3). Un-
richtig aber ist es, wenn man den Grund, weshalb diese Leute keine Beamten
sind, in der Unfreiwilligkeit ihres Amtes sucht (Olshausen, Stf.G.B. II S. 1380
n. 8 c; Laband, St.R. I S. 414). Da hätte es ja unter der Herrschaft von
Goenners Theorie, wonach aller Staatsdienst erzwingbare Bürgerpflicht war, über-
haupt keine Beamten gegeben.
jeweils als ersten den Tod des Pflichtigen aufzuzählen. Wir werden aber keinem
Mißverständnis ausgesetzt sein, wenn wir uns das ein für allemal ersparen.
werden; vgl. unten Note 18. Das Reichsrecht hat uns noch zahlreiche Ehren-
ämter geliefert in der Arbeiterversicherungsgesetzgebung. Sie sind wesentlich den
sogenannten Selbstverwaltungsämtern nachgebildet. Über diese Ämter Rosin,
R. der Arbeiterversicherung III S. 646, 696.
§ 58, II n. 1.
vorstehers; Kr.O. § 31 ff. Es verbindet sich kraft Gesetzes mit dem Besitze eines
Gutes; die behördliche Bestätigung ist nur Formbedingung für den Eintritt der
Wirkung des Gesetzes. Der Berufene ist mit Amt und Dienstpflicht gebunden,
wenn er sich nicht befreit, indem er einen geeigneten Stellvertreter anbietet.
§ 34 Abs. 2; Unfall-Vers.Ges. § 24 Abs. 2; Inval. u. Alt. Vers.Ges. § 46 Abs. 1.
— Das Franz. Verwaltungsrecht enthält im allgemeinen keinen Zwang zur Annahme
von Ehrenämtern; Theorie des Franz. V.R. S. 284.
den Gegensatz richtig hervor, der sich daraus ergiebt, zur einseitig auferlegten
Dienstpflicht des Geschworenen und Schöffen. Ähnlich Olshausen, Stf.G.B. II
S. 1378 (zu § 359 n. 2). — Gewöhnlich werden allerdings diese Ehrenämter mit
Reserveoffizier wird sogar eine schriftliche Einwilligung vorausgesetzt: Heerord-
nung § 13 n. 3.
also hier immer erst nach Kundgabe der Ernennung geschehen. v. Brauchitsch,
Preuß. V.ges. I S. 25 n. 22; O.V.G. 9. Juni 1885 (Samml. XII S. 6).
Allg. St.R. S. 148; v. Sarwey, Württ. St.R. I S. 230; G. Meyer, St.R. S. 705.
Dadurch verwischt sich nicht nur die juristische Eigenart unseres Rechtsinstitutes
jenem anderen gegenüber, sondern es wird auch in sich selbst auseinandergerissen:
die Ehrenämter ohne Annahmezwang wissen dann gar nicht mehr, wohin sie ge-
hören, und sind doch wesentlich von gleicher Natur; der Annahmezwang ist für
das Ehrenamt eine ganz unerhebliche Zuthat.
wo kein Annahmezwang besteht, nur diese Auffassung der Bedeutung der Ein-
willigung gelten kann; unten § 44, I.
„Die so kreierten (d. h. ernannten) Beamten werden nicht auf Grund eines speciellen
Gewaltverhältnisses mit einem beliebigen Amte versehen, sondern sie werden un-
mittelbar in ein bestimmtes Amt berufen.“
gegen ist der Staatsdienst der Handelsrichter kein berufsmäßiger; sie führen das
Amt als Ehrenamt, das heißt unentgeltlich; es finden daher auch die Regeln über
Beförderung, Versetzung an eine andere Stelle oder in den Ruhestand auf sie keine
Anwendung.“ — Eine Beförderung ist regelmäßig schon durch die abgesonderte
Natur der Ehrenämter ausgeschlossen. Wo eine Stufenfolge von Ehrenämtern
besteht, kann die Beförderung als eine Änderung erscheinen, mit welcher der
Ehrenbeamte schon in der ursprünglichen Amtsannahme im voraus sein Einver-
ständnis erklärt hat. So wird z. B. die Beförderung der Reserveoffiziere ohne
weiteres vorgenommen. Dagegen „Versetzungen zu einer anderen Truppengattung“
sind nur mit Einverständnis der Betreffenden zu beantragen (Heerordnung v.
28. Sept. 75 II § 28 n. 8).
von selbst endigt, sondern immer erst eine förmliche Entlassung nötig ist (A.L.R.
II, 10 § 94, 97), auch für die ehrenamtlichen Stellungen anwendbar erkannt:
v. Brauchitsch, Preuß. V.ges. I S. 564 Anm. 16.
geschlossen; hier ruhen eben wieder Amt und Dienstpflicht zugleich. — Loening,
V.R. S. 141, führt als besonderen Endigungsgrund an die „einseitige Willens-
erklärung, sein Amt niederzulegen,“ und fügt hinzu: „Die Gesetze, welche die
ungerechtfertigte Weigerung, ein Ehrenamt anzunehmen, mit Strafe bedrohen, er-
klären auch die ungerechtfertigte Niederlegung des Amtes für strafbar.“ Wenn
damit gesagt sein soll, daß das Amt durch die einseitige Willenserklärung jeder-
zeit aufgegeben werden könne, in derselben Weise, wie der Austritt aus dem
amtes erweist sich insbesondere die Stellung des Reserveoffiziers. Dieser würde
nach der von Laband, St.R. II S. 671 (3. Aufl. S. 643), begründeten Lehre nur
seine gesetzliche Dienstpflicht in modifizierter Form erfüllen gleich dem Ein-
jährig-Freiwilligen. Zwischen beiden besteht der große Unterschied, daß der
Reserveoffizier ein öffentliches Amt übernommen hat (ob er auch „Beamter“ ist,
darüber streiten Laband a. a. O. S. 671 Anm. 2 und G. Meyer in Annalen 1876
S. 669 u. 1880 S. 350, hier kommt es darauf nicht an), der Einjährig-Freiwillige
von vorneherein nicht; doch kann auch ihm ein solches schließlich übertragen
werden; um die Vergleichung zu erleichtern, nehmen wir an, er sei zum Unter-
offizier befördert und führe das Amt eines solchen. Dieser einjährig-freiwillige
Unteroffizier erfüllt wirklich nur seine gesetzliche Dienstpflicht mit einer Modifi-
kation. Deshalb wird er auch ernannt ohne weiteres, ohne ihn zu fragen, kraft
Dienstgewalt. Soll derselbe Mann zum Reserveoffizier ernannt werden, so bedarf
es dazu seiner Einwilligung; der Grund ist, daß er nunmehr besondere
Pflichten hat, „denen sie sich aber freiwillig unterwerfen“ (Mot. z. Entw. des Kontrol-
Ges., Drucks. d. R.T. II. Sess. 1874 n. 13 S. 6). Es ist geradeso, wie wenn er
zum Berufsoffizier ernannt würde: beide Male wird eine andere Art von Dienst-
pflicht übernommen, welche an Stelle der gesetzlichen tritt. — Der einjährig-frei-
willige Unteroffizier, der seine aktive Dienstzeit für diesmal beendigt hat, behält
seine Dienstpflicht und seine Qualifikation; wenn er wieder einberufen wird, wird
er wieder als Unteroffizier Dienst thun. Aber in der Zwischenzeit ist er nicht
Unteroffizier; er hat kein Amt, das er mit nach Hause nimmt, sondern hat es nur,
so lange er bei der Fahne steht, gerade wie Geschworener und Schöffe nur im
Gerichtssaal. Der Reserveoffizier bleibt Offizier auch im Beurlaubtenstande,
das Amt hängt ihm an; seine Stellung ist die eines beurlaubten Beamten. Daher
das Recht, die Uniform zu tragen, daher vor allem die Fortdauer der diesem
Beamtentum eigentümlichen Disciplinargewalt (Verord. 2. Mai 1874). Mit der
Unterscheidung, daß es sich nur um Standespflichten handle, ist nichts gethan;
denn der Stand ist eben die Gemeinsamkeit der Dienstpflicht und die Forderung
eines achtungswerten Verhaltens, worüber jene Ehrengerichte wachen, selbst nur
ein Stück von dieser, gerade wie bei anderen Staatsbeamten (Laband, St.R. II
der Ehrenbeamte ist immer für gewisse Zeit gebunden. Wo ihm aber nach Ablauf
einer gewissen Zeit das Recht zusteht, das Amt niederzulegen, wie in dem von
Loening angeführten Falle der Preuß. Kr.O. § 8, bedeutet das nicht eine Endigung
des Amtes durch seine Willenserklärung, sondern einen Anspruch auf Entlassung.
§ 359 n. 15, a I u. III; v. Brauchitsch, Preuß. V.ges. I S. 70 Note 121,
S. 73 Note 131. Auch auf dem Gebiete des Postwesens kommen solche Erschei-
nungen vor; O.Tr. 3. Febr. 1862 (Str. 44 S. 188): „ein Postillon ist, soweit und
so lange er Postdienste verrichtet, öffentlicher Beamter. Diese relative Beamten-
Bundesstaat verzieht, tritt nach dem Grundsatze der militärischen Freizügigkeit
in das Kontingent seines neuen Wohnsitzes über; die künftig fällig werdenden
Raten aktiven Dienstes hat er diesem zu leisten. Die etwa schon erworbene
Qualifikation nimmt er mit. Ganz anders der Reserveoffizier. Er bleibt auch im
Falle des Verziehens im Dienstverhältnisse desjenigen Bundesstaates, von dessen
Kontingentsherrn er zum Offizier ernannt worden ist; ein Übertritt könnte sich nur
vollziehen durch Entlassung und Neuernennung. Hätte er einfach noch die ge-
setzliche Dienstpflicht, so müßte jene Regel der militärischen Freizügigkeit auch
für ihn wirksam werden. Bloße „Modifikationen der Erfüllung“ könnten darin
nichts ändern. — Zuletzt: wie endigt die Dienstpflicht? Die aktive, wie wir ge-
sehen haben, nur durch Entlassung; die gesetzliche Reservepflicht dagegen behufs
Übertritts zur Landwehr von selbst durch Zeitablauf. Das gilt auch dann, wenn
der Mann Unteroffiziersqualität erlangt hatte. Die Dienstpflicht des Reserve-
offiziers dagegen endigt immer nur durch Entlassung gemäß dem Grundsatze,
welchen A.L.R. II, 10 § 94 für alle Beamten aufgestellt hat. Bei vorzeitiger Ent-
lassung wäre, wie beim Berufsoffizier, ein Wiederaufleben der gesetzlichen Dienst-
pflicht denkbar (Heerordnung § 25).
Personen, welche in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu dem Staate oder
bloß zu Privatpersonen stehen, können Beamte sein.“ Unrichtig ist, daß auch
ein privatrechtliches Dienstverhältnis zum Staate dabei möglich wäre. Daß diese
Leute trotz civilrechtlicher Dienstpflicht öffentliche Beamte sind, beruht nur darauf,
daß neben ihrem privatrechtlichen Dienstverhältnis noch ein öffentlichrechtliches
zum Staate besteht. Dieses Nebeneinander ist aber doch nur möglich, weil das
civilrechtliche Verhältnis gegenüber einem anderen Dienstherrn besteht als dem
Staat. Nicht möglich ist es, daß derselbe Mann gegenüber demselben Dienstherrn,
dem Staate nämlich, zwei Dienstverhältnisse habe, ein civilrechtliches und ein
öffentlichrechtliches. Hier würden wir sagen: entweder das erstere; dann ist der
Mann kein öffentlicher Beamter — oder das zweite; dann ist er Beamter, aber
ohne privatrechtliches Dienstverhältnis. Laband, welcher in St.R. I S. 406 Anm. 2
(3. Aufl. S. 385) gegen Loenings obigen Satz sich wendet, bemerkt mit Recht:
„Auch dem Sprachgebrauch entspricht es nicht, Personen, welche mit dem Staate
ein lediglich privatrechtliches Kontraktsverhältnis eingegangen sind, als Staats-
beamte zu bezeichnen.“ Aber soll dasselbe gelten von dem „von Privatpersonen
angestellten, mit polizeilichen Funktionen betrauten Personal“, welche Laband un-
mittelbar vorher anführt? Hier ist doch wohl umgekehrt der Sprachgebrauch, der
ihnen Beamteneigenschaft zuerkennt, über allen Zweifel erhaben.
zu dem dingenden Posthalter gleichzeitig auch in einem privatrechtlichen, einem
Gesindeverhältnis stehe.“ Ganz ebenso kennzeichnet R.G. 30. Okt. 1886 (Samml.
37 S. 65) die Doppelstellung des Postillons; er ist „Privatdiener“ des Posthalters
und „Beamter“ des Staates.
Feld- u. Forst.Pol.Ges. v. 1. April 1880 S. 101; Koch, Deutschlands Eisenbahnen
II Anl. I S. 9 Note 17. Preuß. Kr.O. § 33.
verhältnis und Dienstverhältnis bei solchen Beamten vermenge, scheint aber seiner-
seits in der Trennung der beiden Dinge zu weit zu gehen. Er sagt: diese Leute
hätten Amtspflichten und Amtsrechte, aber diese Rechte hätten „keinen Zusammen-
hang mit der Dienstpflicht, sondern mit der Amtsführung“. Hier können wir nicht
mehr folgen. Die Amtspflicht wollen wir ja gerne von der Dienstpflicht unter-
scheiden, insofern sie eben die bestimmt gewordene und dadurch gesteigerte Dienst-
pflicht ist. Aber Amtspflicht außer Zusammenhang mit einer Dienstpflicht giebt
es nicht; wer Amtspflicht sagt, sagt auch Dienstpflicht. — Die richtige Gedanken-
folge findet sich am klarsten ausgesprochen bei Bessel-Kühlwetter, Preuß.
Eisenbahn- R. II S. 41: Die Bahnpolizeibeamten der Privat-Eisenbahngesellschaften
wie hier eine doppelte Dienststrafgewalt sich entwickeln kann: eine vertragsmäßige
privatrechtliche der Eisenbahngesellschaft und die öffentlichrechtliche der staat-
lichen Behörde, beide selbständig nebeneinander. — Besonders deutlich ist das
doppelte Dienstverhältnis bei dem stellvertretenden Gutsvorsteher nach Preuß. Kr.O.
§ 31 ff.; v. Brauchitsch, Preuß. Verw.Ges. I S. 73 Anm. 131.
„ein Gesetz überträgt diesen Beamten, wenn auch nur für einen verhältnismäßig
kleinen Teil ihrer Wirksamkeit, die polizeiliche Gewalt, und da alle Gewalt vom
Staate ausgeht, so kann der Träger derselben sie nur im Dienste des Staates aus-
üben; er muß mithin in Beziehung auf solche Funktionen mittelbarer Staatsdiener
sein, wenn auch seine Person, im ganzen betrachtet, als Privatperson anzusehen
ist.“ — Ähnlich Haushofer, Grundzüge des Eisenbahnwesens S. 148: „Die Privat-
Bahnpolizeibeamten sind öffentliche Diener, Hülfsbeamte des Staates.“
der Besitz des Gutes, so ist für den stellvertretenden Gutsvorsteher der Auftrag
seitens des Gutsbesitzers die notwendige Voraussetzung für die rechtliche Existenz
seiner amtlichen Stellung. Mit dem Wegfalle des Mandates enden die Rechte und
Pflichten, die Gutsvorstehergeschäfte wahrzunehmen, von selbst.“
wesentliche Gegensatz zum übernommenen Ehrenamt. Die Gegenleistung in Geld,
Gehalt, Besoldung, schließt sich daran als eine naturale, ist aber nicht wesentlich;
Bornhak, Preuß. St.R. II S. 24.
d. Kult. haben sich laut Mitteilung der amtlichen Berliner Korrespondenz v. Juli
1895 über gewisse Grundsätze geeinigt, nach welchen verfahren wird. „Ein privat-
rechtliches Verhältnis wird regelmäßig dann vorliegen, wenn es sich um gering
gelohnte, lediglich mechanische Dienstleistungen handelt, welche aus sächlichen
Fonds vergütet werden“. Den Gegensatz bildet die „etatsmäßige Stelle“.
§ 439 Anm. 15 u. 17. Über die Geschichte der Vertragstheorien vor allem Rehm
in Annalen 1884 S. 565 ff.
stellungsurkunde“. Rehm in Annalen 1885 S. 140 und Laband, St.R. I S. 426,
fassen das als eine Formbedingung auf, die bei Meidung der Nichtigkeit ein-
gehalten werden müsse. Die Motive zum R.B.G. (Drucks. d. R.T. 1872, I n. 9
S. 31) sagen allerdings: „der Paragraph schließt also die mündliche Bestellung
aus“. Allein deshalb könnte doch, dem Wortlaut entsprechender, eine bloße Ord-
nungsvorschrift gemeint sein, die thatsächlich verhindern wird, daß die Anstellung
eine bloß mündliche bleibe. Unmittelbar vorher erklären ja die Motive (S. 30
u. 31): „Über die Form der Anstellung ist es indes nicht nötig, ausdrückliche
Vorschriften zu geben“. — In Wirklichkeit wird ja anzunehmen sein, daß die Be-
hörden die endgültige Erklärung nur in Form der Aushändigung der Bestallung
abgeben wollen; wenn aber einmal doch mündlich oder telegraphisch geradezu
ernannt wird, so muß es gelten und die Beurkundung ist nur der Ordnung halber
nachzuholen.
ungewisser Einwilligung einmal vorkommt, ist man sich der Außerordentlichkeit
des Vorgehens bewußt; es pflegt dann immer auch eine Art Druck sich damit
zu verbinden, eine Anrufung persönlicher Ergebenheit oder des Patriotismus.
händigung der Anstellungsurkunde ab gestatten (Schwarzburg-Rudolstadt Ges. v.
1. Mai 1850 § 6; Oldenburg Ges. v. 28. März 1867 Art. 18), so bedeutet das vor
allem eine Befristung des Anfechtungsrechtes. Die etwa vorausgegangene Ein-
willigung wird dadurch nicht von selbst hinfällig. Doch wird man hier, wie auch
sonst im Falle ungesäumten Widerspruches sehr geneigt sein, nicht darüber zu
streiten, sondern die Ernennung lieber zurücknehmen. Das ändert die Rechtsfrage
nicht. — Dernburg, Preuß. Pr.R. II S. 561 Anm. 8, bringt folgenden Fall:
„Wurde Jemand zum Beamten ernannt, welcher, schwer erkrankt, längere Zeit
von der Anstellung nichts erfährt, so war er Beamter, wenn er nur nicht später
ablehnt, von Zustellung des Dekretes an, er war Beamter, wenn er in der Krank-
heit stirbt“. Die „Ablehnung“ ist hier offenbar nicht gedacht als Ablehnung einer
Vertragsofferte, sondern nur ein ungenauer Ausdruck für Anfechtung.
liche Begründungsform für das öffentliche Dienstverhältnis“. Gleichwohl erklärt
er: der Stand des Staatsdieners wird durch die Anstellungsentschließung erworben.
Wie das? Weil „mit der Bekanntgabe der Anstellungsentschließung der Berufende
gebunden ist“ (S. 341). Ferner „wird zur Wirksamkeit der Berufung keine aus-
drückliche oder stillschweigende Annahme, sondern zur Unwirksamkeit die Ab-
lehnung erfordert“. Es ist „die Entschließung, welche den Vertrag beurkundet“
(S. 345), — also auch die Annahme des andern Kontrahenten, der nur die Möglich-
keit der Anfechtung hat. Es ist wohl nicht zu viel behauptet, wenn wir sagen,
daß das einfach unser Verwaltungsakt auf Unterwerfung ist. — Ähnlich verfährt
Laband, St.R. I S. 426 (3. Aufl. I S. 404): „der Vertrag wird abgeschlossen
durch die Aushändigung der Anstellungsurkunde“. Das würden wir Begründung des
Rechtsverhältnisses durch Eröffnung eines Verwaltungsaktes nennen. Laband ge-
winnt einen Vertrag nur dadurch, daß er einerseits die etwa vorausgehende Ein-
willigung für rechtlich gleichgültig erklärt, andererseits in der Zustellung der Er-
nennungsurkunde immer eine „vorbehaltslose Annahme“ und in dieser einen
Konsens zum Dienstvertrage findet. Das letztere könnte unter Umständen zu-
treffen; es wäre aber ganz quaestio facti, denn das Gesetz stellt keine Präsumtion
auf. Das erstere, daß die durchgeführte Aushändigung immer eine vorbehaltslose
Annahme bedeutete, ist unrichtig; denn mit der Aushändigung ist doch nur die
gewöhnliche Eröffnung durch Übergabe eines Schriftstückes, die Zustellung gemeint;
diese aber kann ja wirksam auch an Hausgenossen geschehen, in Abwesenheit
oder während schwerer Erkrankung dessen, für den sie wirkt. Laband will also
ganz richtig die Perfektion an die Zustellung des Aktes knüpfen; um aber auch
einen Vertrag daraus zu machen, verbindet er damit eine Fiktion der Annahme-
erklärung; denn etwas anderes ist’s nicht. — Rehm in Annalen 1885 S. 142
schließt sich im wesentlichen Laband an: „Wie bei der Aufnahme in den Staats-
verband ist auch hier die Aushändigung die konkludente Annahmehandlung“. Wie
bei Seydel die Entschließung die Annahme des Anderen beurkundet, so ist
hier die Zustellung derselben konkludent dafür.
Das Ziel, das wir als ganz berechtigt anerkennen, ist bei allen diesen Kon-
struktionen das nämliche. Überall aber, wo man nicht in irgend einer Weise
Sorge getragen hat, den „Staatsdienstvertrag“ als einen öffentlichrechtlichen Akt
zu kennzeichnen, sondern ihn einfach hinstellt wie einen gewöhnlichen civilrecht-
lichen Vertrag, ist er eben auch nichts anderes. Die bloße Titulierung als
öffentlichrechtlich ist ganz gleichgültig.
S. 170 ff.; Rehm in Annalen 1885 S. 160 ff. Die von dem letzteren befürwortete
Unterscheidung von Staatsdienern und Staatsbeamten wäre sehr zweckmäßig. Die
herrschende Sprachweise nennt jeden einen Staatsbeamten, der durch die An-
stellung im Staatsdienste bestimmt ist, Staatsämter zu führen.
Subj. öff. Rechte S. 170, bestreitet den Beamten das Recht aufs Amt, weil sich ein
„rechtlich anerkennbares Interesse“ dabei nicht nachweisen lasse. Das Interesse
der Macht und Ehre ist „als rechtliches nicht zu konstruieren“ (S. 169 Note 2).
Ein Recht der Wähler zur Volksvertretung und ein Recht der Gewählten dagegen
läßt er gelten (S. 152 und 158), sogar einen „zweifellosen publizistischen Anspruch“
auf Titel, Rang und Dienstzeichen (S. 172); da dürfte doch das Recht auf die
Amtsstellung ebenso gut „konstruierbar“ sein.
einer besonderen Ruhepause, ein Verzicht auf die Erfüllung der Amtspflicht für
bestimmte Zeit. Er läßt das Amt in Kraft bestehen, entzieht das Recht aufs Amt
auch nicht vorübergehend. Amtshandlungen, die trotz des Urlaubs vorgenommen
werden, sind gültige Amtshandlungen; sie können nur ordnungswidrig sein, sofern
der Beurlaubte dadurch den Geschäftsgang stört.
St.R. § 154 Note 2.
betreffenden Amtes nicht gefordert ist: Fr. Seydel, Dienstvergehen S. 271). Nach
einzelnen Landesrechten ist die Maßregel auch zulässig bei andauernder Kränklich-
keit des Beamten: G. Meyer, St.R. § 154 Anm. 3.
waltungskörper, sog. mittelbaren Staatsbeamten, nach preuß. R. eine Stellung zur
Verfügung nicht zulässig ist, da das Ges. vom 21. Juli 1852, welches dieses Recht
der Amtsentziehung gewährt, auf sie nicht Bezug hat; Fr. Seydel, Dienstver-
gehen S. 274.
beamten. Reichsbeamte dagegen können wohl nach R.B.G. § 2 auf Kündigung oder
Widerruf angestellt werden, nicht aber mit Vorbehalt der Stellung zur Verfügung
über die Fälle der §§ 24 und 25 hinaus.
„wegen Unzuträglichkeiten“, also nach freiem Ermessen zulassen, wenn Gefahr im
Verzuge ist. Die Bestimmungen, worauf er sich beruft (R.B.G. § 131, Preuß. Ges.
v. 21. Juli 1852 § 54, Württemb. Staatsdienerges. Art. 114 u. s. w.), besagen aber
bloß, daß in den Fällen, in welchen eine Dienstenthebung wegen strafgerichtlichen
oder disciplinarischen Verfahrens ordentlicherweise durch die oberste Verwaltungs-
behörde ausgesprochen werden könnte, bei Gefahr auf Verzug auch ein näherer
Vorgesetzter mit dieser Maßregel vorgeben darf. Es handelt sich also um eine
bloße Zuständigkeitsverschiebung. Die Gründe der einstweiligen Amtsentziehung
werden dadurch nicht erweitert.
Urteile, die ein solcher Richter erließe, wären nicht selbst ungültig. Denn auch
die ungültige Ernennung ist rechtswirksam, so lange nicht Zurücknahme erfolgt
oder ein Nachprüfungsrecht an ihr zur Geltung gebracht wird. C.Pr.O. § 513, 1
u. Stf.Pr.O. § 377, 1 enthalten ein solches nicht.
Verfügung-Stellung im Auge. Die fortdauernde Bereitwilligkeit zur Dienstleistung,
womit er die Fortdauer der Besoldung begründet, ist nur seine „präexistierende
Staatsverbindlichkeit“, die allen Unterthanen obliegt.
St.R. II S. 135, II.
Staatsdienst in Preußen S. 152 ff.
neben einander in Gültigkeit zu sehen: das des Ausschlusses der freien Entlassung,
wie es in der Mehrzahl der deutschen Staaten gilt, und das der freien Entlassung
recht des Beamten nicht erwähnt. Gleichwohl ist die herrschende Meinung, daß
ein solches auch für die Reichsbeamten besteht. Meist sucht man das wieder
durch ein Gewohnheitsrecht zu erklären: G. Meyer, St.R. S. 468; Rehm in
Annalen 1885 S. 203; Laband, St.R. I S. 501 (3. Aufl. S. 478). Dagegen mit
Recht Loening, V.R. S. 134 Anm. 1. Aber zu weit geht dieser, wenn er des-
halb dem Reichsbeamten das Recht auf Entlassung abspricht. Es kommt bloß
darauf an, daß man sich gewöhne, mit dem Verwaltungsakte der Anstellung im
Staatsdienste als mit einem lebendigen Rechtsgeschäfte zu rechnen.
Auflagen angeführt waren, ist jetzt nur noch das bayrische und das hessische
Recht übrig geblieben. Das hessische Recht bedeutet aber, wie er selbst aner-
kennt (2. Aufl. S. 447), vielmehr nur eine Zur-Verfügung-Stellung. Für das
bayrische Recht gilt allerdings Staatsdiener-Ed. § 19, wonach die Regierung dem
Staatsdiener jederzeit „mit Belassung des Standesgehaltes“ die „Dimission“ geben
kann. Das ist freie Dienstentlassung. Das ist aber auch, wie Rehm in Annalen
1885 S. 208 richtig bemerkt, die Theorie von Gönner, die da zum Gesetz erhoben
ist, und, fügen wir hinzu, in dieser Gestalt ihre Zeit überdauert. — Für das Amt
des Ministers, das ja überhaupt eine Ausnahmestellung einnimmt, ist neben der
freien Amtsentziehung auch die freie Dienstentlassung allgemeiner angenommen:
G. Meyer, St.R. S. 476.
sicht auf das Interesse des Dienstes hier gewahrt wird, bei Rehm in Annalen 1885
S. 203. — Dem Beamten kann für sein Entlassungsgesuch die Einhaltung einer
Kündigungsfrist allgemein vorgeschrieben sein (Bad. Ges. v. 26. Mai 1876 Art. 5);
dann wird eine weitere Verzögerung thatsächlich unnötig werden, rechtlich aus-
geschlossen ist sie wohl auch hier nicht.
Verurteilten bekleideten Ämter“ bedeutet vielmehr Aufhebung des Dienstverhält-
nisses, womit der Verlust des Amtes sich von selbst verbindet.
Statt der Verabschiedung wegen Dienstunfähigkeit kann das Gesetz auch bloß
Amtsentziehung aus diesem Grunde anordnen lassen (Württemb. Staatsdienerges.
art. 22; Bad. Ges. v. 26. Mai 1876 Art. 7; vgl. oben Note 15). Da ist dann
Wiedereinberufung zum Amte vorbehalten, die aber der Beamte wegen noch fort-
dauernder Unfähigkeit muß anfechten können.
Referendarien eine Art von Beamteneigenschaft zuerkennt. F. Seydel, Dienst-
vergehen, sagt von ihnen (S. 264): „sie sind, wenn man sie einmal Beamte nennen
eine Anstellung auf Probe ist nicht denkbar, wo amtlich schon feststeht, daß der
Mann zur Zeit zum Beamten nicht fähig ist.
Entlassung von Supernumeraren: Fr. Seydel, Dienstvergehen S. 265 ff. Die be-
sonderen Voraussetzungen der Entlassung werden bei der Annahme zu Protokoll
festgestellt und kundgegeben. Wiederum eine „vertragsmäßige“ Festsetzung, wenn
man so reden will.
u. 391), hier abwechselnd von „Gewaltverhältnis“ und „öffentlichem Dienstverhältnis“.
Ebenso Rehm in Annalen 1885 S. 146.
der Heerordnung im Armeeverordnungsblatt 1888 S. 226.
hängt zusammen, daß man unter dienstlichem Ungehorsam i. e. S. nur die Nicht-
befolgung eines Einzelbefehls versteht, die auch mit besonderer Strafbarkeit ver-
bunden ist; Hecker in Gerichtssaal XXI S. 506. — Die dienstlichen Einzel-
befehle können auch von Vorgesetzten ausgehen, welchen der Sprachgebrauch be-
hördliche Stellung nicht zuerkennt; es widerstrebt diesem, einen Bureauvorsteher
oder Unteroffizier als Behörde zu bezeichnen. Wenn man von der „vorgesetzten
Dienstbehörde“ spricht, so hat man immer eine höhere Stelle im Auge von dem
äußeren Rang und Ansehen der allgemeinen Verwaltungsbehörden. Gleichwohl
haben auch diese Dienstbefehle die Kraft und rechtliche Natur von Verwaltungs-
akten. Nach dem Bd. I S. 96 angenommenen Zusammenhang zwischen den beiden
Begriffen, müssen wir also feststellen, daß im Gewaltverhältnisse auch eine gering-
wertige Stelle als Behörde wirkt. Das ist wieder eine Besonderheit desselben,
die uns in der Lehre von der Anstaltsgewalt (unten § 52, II) in noch größerem
Umfange entgegentritt.
richtig ist es, wenn man Gehorsam und Dienstpflicht einfach für gleichbedeutend
erklären will. So Schulze, Preuß. St.R. I S. 315. Das gäbe eine schlechte
Pflichterfüllung, wo nichts geschähe, als was befohlen ist! Der Begriff des dienst-
lichen Gehorsams umfaßt übrigens nicht einmal alle Amtspflichten, welche durch
ausdrückliche Vorschriften und Befehle bestimmt sind; Befehle können dem Be-
amten gegeben werden, wie jedem Unterthanen durch Rechtssatz des Gesetzes oder
der Verordnung. Von dienstlichem Gehorsam spricht man aber nur gegenüber
solchen Befehlen, welche auf dem besonderen Grunde der Dienstpflicht und der
Dienstgewalt beruhen; Seydel, Bayr. St.R. III S. 390.
begründet ist, deckt auch der Befehl zu ungesetzlichen Handlungen den Unter-
gebenen gegen Verantwortlichkeit nach außen (Bd. I § 17, I n. 1), und ist die
Amtshandlung gegenüber dem Widerstande als eine rechtmäßige angesehen (Bd. I
§ 25, I n. 2). Wir geben also hier zugleich eine Ergänzung zu diesen beiden
Lehren; Binding, Stf.R. I S. 805.
derjenige, dem ein Befehl als Dienstbefehl erteilt wird, das Recht und die Pflicht
zu prüfen, ob ein Dienstbefehl vorliege.“
ankommt: der Befehl muß in vorschriftsmäßiger Form erteilt sein, der Befehlende
muß im allgemeinen zuständig sein zum Befehl und der Untergebene zu der auf-
getragenen Handlung. Formen des Dienstbefehls werden kaum nachzuweisen sein.
Auch würden wir nicht sagen: der Untergebene habe seine eigene Zuständigkeit
zu prüfen und ob er „zur Vornahme derartiger Handlungen überhaupt befugt ist“.
Es kommen doch nicht bloß Wirksamkeiten nach außen in Betracht, sondern
ebensowohl Geschäftsbesorgungen im inneren Betrieb: eine Ausarbeitung machen,
ein Amtszimmer aufräumen, beim Soldaten Marschübungen und Griffe. Das sind
ebenfalls Gegenstände eines möglicherweise zu prüfenden Dienstbefehls, aber von
Zuständigkeit und Befugnis des Untergebenen ist keine Rede. Hinter diesen
äußerlichen Verschiedenheiten der Ausdrucksweise steckt aber ein innerer Gegen-
satz, auf den wir zurückkommen werden. — Wie Laband auch Rehm in Annalen
1885 S. 83; Zorn, St.R. I S. 237; Freund in Arch. f. öff. R. I S. 135 ff.;
Seydel, Bayr. St.R. III S. 391; im wesentlichen auch G. Meyer, St.R. S. 450.
R.G. Stf.S. VI S. 439. — Eine Form, die Gehorsamspflicht zu erweitern, ist es
daher, wenn das Gesetz den Befehl als Strafausschließungsgrund bei sonst straf-
baren Handlungen giebt. So Mil.Stf.G.B. § 47. Die Kraft des militärischen Dienst-
befehls beruht gerade darauf, daß alle die oben angeführten Grenzen bei ihm
zurückweichen; die Dienstpflicht des Soldaten geht nicht nur über das Strafgesetz
hinaus, sondern ist auch sonst in ihrem Umfang schwer begrenzbar und läßt von
Privatleben wenig übrig.
„Formelle“ des Dienstbefehls als den einzigen Gegenstand der Prüfung. Hierin
erscheint übrigens am Dienstbefehl nur wieder die Eigentümlichkeit des Ver-
waltungsaktes überhaupt; vgl. Bd. I § 8 S. 100 und Note 7, § 20 S. 281. 282.
Recht durch eine ihm widersprechende Anordnung aufheben. Geschieht es dennoch,
so darf kein Beamter einer solchen Anordnung Folge leisten“. Von Neueren:
Loening, V.R. S. 122 Anm. 5; v. Stengel, Preuß. St.R. S. 146. Auch
G. Meyer muß dahin gerechnet werden, wenn er (St.R. S. 450) unter den un-
verbindlichen Dienstbefehlen aufzählt „Verfügungen, welche dem klaren Wortlaute
aber durchaus nicht jede Gehorsamsverweigerung wegen ungesetzlicher Anordnung
gefallen zu lassen, sonst „würde Regierung unmöglich sein“. Die Lösung des
Widerspruches, in welchen er dadurch gerät, erhofft er nur vom „guten Geiste des
Beamtenstandes“.
III S. 391; Zorn, St.R. I S. 237. Weil man wesentlich diese äußere Seite im
Auge hat, verlangt man „Zuständigkeit der vorgesetzten Behörde in territorialer
und sachlicher Beziehung“, wo doch der Dienstbefehl nur eine persönliche Be-
ziehung hat, „Zuständigkeit oder Befugnis des Untergebenen“, die Anordnung zu
vollziehen, während es sich für uns möglicherweise nur um Geschäfte des inneren
Dienstes handelt (oben Note 7), spricht man von einer „Vollstreckung“ des Befehls,
womit doch nicht die Gehorsamsleistung gegen den Dienstbefehl gemeint sein kann.
Auch daß man als besonderen Gegenstand des Prüfungsrechtes des Untergebenen
die Einhaltung der vorschriftsmäßigen Formen für die „ihm erteilten Vorschriften“
aufführt, erklärt sich nur daraus, daß man stillschweigend an die Stelle des Dienst-
befehls die zu vollstreckende Anordnung schiebt. Sonst könnte man als Beispiel
nicht die Beobachtung der Formen der Urteilsausfertigung einführen (Laband,
St.R. 3. Aufl. I S. 421 Note 2). Vgl. über ähnliche Verwechslungen bei der Frage
der „rechtmäßigen Amtshandlung“ Bd. I § 25 Note 9.
wer entscheidet, was der klare Wortlaut des Gesetzes besage, der Dienstbefehl
oder die Meinung des Untergebenen?
eine Weisung des Vorgesetzten an den Richter, die eine unzulässige Einmischung
in die Rechtsprechung enthält.“ Ein Dienstbefehl in jenem „formellen Sinne“
Seydels (oben Note 6) wäre das doch, nur ein rechtlich unwirksamer.
invalidenfonds nach Ges. v. 23. Mai 1873 § 12.
den Arrest als direktes der Geldstrafe als indirektem Zwangsmittel gegenüberstellt,
scheint uns nicht gerechtfertigt. — v. Bar, Stf.R. I S. 353, spricht hier von einer
„sog. Ordnungsstrafe im eigentlichen Sinne“, die auch Disciplinarstrafe ist, aber
wesentlich Zwangsmittel. Entweder — oder! — Das ältere preuß. Recht warf
diese Ungehorsamsstrafen einfach mit der polizeilichen Ungehorsamsstrafe zu-
sammen. Dagegen Foerstemann, Pol.R. S. 403. Das Discipl.Ges. v. 21. Juli
1852 § 100 hat aber in dieser Auffassung das Recht der Ungehorsamsstrafen für
die Beamten festgelegt; deshalb verbleibt es dabei, obwohl man das jetzt nicht
mehr als Polizei ansieht; vgl. Bd. I § 18 Note 13 a. E. — Das Zwangsmittel der
Ersatzvornahme findet hier nicht leicht Anwendbarkeit; vgl. ein Beispiel in Theorie
d. Franz. V.R. S. 62. Gewaltanwendung zur Erzwingung dienstlichen Gehorsams
in Milit.Stf.G.B. § 124.
in Holtzendorffs Rechtslex. I S. 458; Ders., System des kath. K.R. IV S. 748 und
S. 756 Note 8. — Binding, Grundriß des Stf.R. S. 153: „keine Strafe im Rechts-
sinn, sondern ein pädagogisches Zuchtmittel“. Die letztere Bezeichnung ist vor-
trefflich, nur kann unseres Erachtens ein Zuchtmittel zugleich Strafe sein, wenn
auch keine Strafe von der Art wie die Strafen des gemeinen Strafrechts. Laband,
St.R. I S. 463 (3. Aufl. S. 441): „keine Strafe im Sinne des Strafrechts, sondern
Mittel zur Erhaltung der Zucht und Ordnung innerhalb des Dienstverhältnisses und
zur Sicherung der Erfüllung der Dienstpflicht“. In dem Bestreben, den Gegensatz
zu der früheren Auffassung, die hier nur ein besonderes Gebiet des gemeinen
Strafrechts, ein Specialstrafrecht sehen wollte, recht scharf zu betonen, hat man
dann allerdings die Disciplinarstrafe wieder zu stark der Ungehorsamsstrafe ge-
nähert. Man bezeichnet sie zugleich als „das Mittel, um die Erfüllung der Dienst-
pflicht zu erzwingen“ (Laband a. a. O. S. 464); sie steht „an Stelle der Kon-
traktsklage auf Leistung“ (Laband a. a. O. S. 465); ist eine „Form des Er-
füllungszwanges“ (Binding, Stf.R. I S. 278). G. Meyer in Annalen 1876 S. 673 ff.
hat mit Recht hervorgehoben, daß gerade die schärfste Disciplinarstrafe, die Dienst-
entlassung, die auf alle fernere Leistung verzichtet, jeden Gedanken an einen Er-
füllungszwang ausschließen muß. Wenn Laband, St.R. 2. Aufl. I S. 664 Note 2
(3. Aufl. S. 442 Note 2), sich dem gegenüber darauf beruft, „daß die Androhung
einer Strafe ein indirektes Zwangsmittel sei“, so verläßt er damit den Boden, auf
den er seine Auffassung ursprünglich gebaut hatte. Denn das Zuchtmittel und das
Seitenstück der Kontraktsklage kann doch nur die Verhängung der Strafe sein,
nicht die Ausrüstung der Behörden mit der rechtlichen Macht dazu für den Fall
andere „Androhung“ findet ja nicht statt. Legt man aber da hinein den Schwer-
punkt, dann sind ebenso die Strafrechtssätze des gemeinen Strafrechts Androhungen
und als solche Erfüllungszwang, und der Gegensatz geht erst recht wieder ver-
loren. — Die Idee des Erfüllungszwanges, die ganz unnötigerweise mit der des
Zuchtmittels noch verbunden worden ist, wird man einfach bei Seite lassen
müssen.
auf die Strafmittel der reinigenden Disciplin“.
Pflicht des Staates“; Seydel, Bayr. St.R. III S. 482: „seine Geltendmachung
steht zur freien Verfügung des Inhabers“.
allein betrachtet, die Natur der Entscheidung, der Rechtsprechung aufweisen;
Bd. I S. 164 ff. Seydel, Bayr. St.R. III S. 483, bemüht sich, diesen Begriff
selbst da festzuhalten, wo die Verhängung der Disciplinarstrafe einfach in den
Händen des Dienstvorgesetzten liegt, der doch zugleich nach freiem Ermessen be-
findet, ob es im öffentlichen Interesse gelegen ist, überhaupt einzuschreiten und
so oder so einzuschreiten (a. a. O. S. 482). Die praktische Bedeutung der Frage
liegt für ihn darin, ob hier die Form der Verwaltungsrechtspflege stattfinden kann
oder nicht. Wäre diese freilich unbedingt an den Fall wahrer Rechtsprechung
gebunden, dann wäre sie hier sicher ausgeschlossen. Dem ist aber ja nicht so,
nicht einmal nach bayrischem Rechte; vgl. Bd. I S. 166 ff.
in idem niemals herumkommen. G. Meyer, St.R. S. 458, glaubt durch den Hin-
weis auf die Verschiedenheit der hier und dort auszusprechenden Strafen helfen
zu können. Allein abgesehen davon, daß das gegenüber jenem Satze wohl überhaupt
nicht genügt, müßte dann die disciplinarische Dienstentlassung ausgeschlossen sein,
sobald das Strafgericht, wo es dem Beamten die bürgerlichen Ehrenrechte und damit
das Amt absprechen konnte, solches nicht gethan hat.
adm. Pr. 16 S. 39. Vgl. auch Kanngießer, ReichsB.R. S. 162. 163; F. Seydel,
Dienstvergehen S. 150 ff.; Gaupp, Württemb. St.R. S. 97. — Mit der Annahme
eines bloßen Specialstrafrechts verträgt sich das nicht; daher erklärt G. Meyer
in Annalen 1876 S. 677 die betreffenden Bestimmungen des R.B.G. §§ 75. 100 für
eine Unüberlegtheit des Reichstags. In unseren Partikularrechten gilt aber das
Nämliche. — Hierin liegt wohl auch der wahre Grund, weshalb über Geschworene
und Schöffen keine Disciplinarstrafgewalt eingerichtet ist: reinigende Disciplin ist
bei der Zwangsdienstpflicht ausgeschlossen und Zuchtdisciplin zu üben an dem
Mann, den man nach Schluß der Sitzung niemals wieder sieht, hat keinen Zweck.
Die gemeinrechtlichen Strafen wegen Nichtleistung des Zwangsdienstes genügen;
Seuffert, Erörterungen über die Besetzung des Schöffengerichts und Schwur-
gerichts S. 81 ff. Laband, St.R. I S. 448 (3. Aufl. S. 426), will das daraus er-
klären, daß die disciplinarischen Folgen der Pflichtverletzung nur bei eigentlichen
Beamten eintreten. Aber der Soldat unterliegt doch solchen Folgen.
O.Tr. 1. Dez. 1871 (J.M.Bl. 1872 S. 14) hält auch nach eingetretener Entlassung
das Disciplinarverfahren fest, um auf einen Verweis zu erkennen. Der in erster
Instanz Verurteilte hatte selbst Berufung eingelegt; das Gericht glaubte also viel-
leicht zu seinen Gunsten fortfahren zu sollen. Kanngießer, ReichsB.R. S. 163,
findet das mit Recht zu weit gegangen.
Zweckstrafen sind, bei nachträglichem Wegfall des Zweckes bestehen bleiben:
Bd. I § 23, I S. 333.
Disciplinarverfolgung auf eine Art reinigender Kraft des Aktes der Pensionierung
zurückführen, der eine „endgültige Feststellung pflichttreuer Dienstführung“ be-
deute. Allein die gleiche Regel gilt auch da, wo die Dienstpflicht etwa mit Ab-
lauf ihrer Zeit von selbst aufhört, wie das bei Ehrenbeamten zutreffen kann; da
ist dann ein besonderer Akt, dem man die Wirkung zuschreiben könnte, nicht
zu finden.
S. 333 ff.): Ein Gemeindebeamter ist in den Dienst einer anderen Stadt über-
getreten und soll jetzt von der neuen Dienstbehörde wegen einer im alten Dienst-
verhältnis vorgekommenen Verfehlung einen Verweis bekommen. Dazu ist diese
nicht zuständig; „die Anklage steht zu dem Pflichteide, welchen der Beamte dem
jetzigen Stadtrate geleistet hat, in keiner Beziehung“. Die frühere Dienstbehörde
ist allerdings auch unzuständig, weil sie eben nicht mehr Dienstbehörde ist; „das
Disciplinarverfahren hat durch das jeweilige Dienstverhältnis seine Grenzen“.
Dienstgewalt beruht; Laband, St.R. I S. 465 (3. Aufl. S. 445); derselbe in Mar-
quardsens Handb. I, 1, S. 65; Rehm in Annalen 1885 S. 192. Der Berufskonsul
kann nicht disciplinarisch verfolgt werden wegen der Verfehlung, die er sich vorher
als Handelsrichter im Ehrenamt hat zu Schulden kommen lassen, noch der Finanz-
beamte wegen nachträglich entdeckter Disciplinwidrigkeiten in seiner Laufbahn
als Berufsoffizier. Ein bloßer Wechsel der örtlich zuständigen Disciplinarbehörde
ist gleichgültig, sofern nur die Art des Dienstes die nämliche bleibt; aber jede
Dienststrafgewalt ist nur für die entsprechende Art von Dienst da und greift nicht
darüber hinaus; daher diese Grenze. In diesen Zusammenhang dürfte die Frage
gehören, welche Seydel, Bayr. St.R. III S. 500 ff., bespricht. Nach bayrischem
Rechte haben die in endgültigen Ruhestand Versetzten nicht bloß noch gewisse
sie stehen also, wie wir sagen dürfen, in einem fortdauernden, wenn auch sehr
abgeschwächten Dienstpflichtverhältnisse. Dabei stößt man nun auf die „etwas
auffallende“ Thatsache, daß Handlungen aus der aktiven Dienstzeit, die später
entdeckt werden, nicht verfolgt werden können, obschon sie, wenn im Ruhestande
begangen, verfolgt werden könnten. Das würde so zu erklären sein: unter der
Dienststrafgewalt für aktive Staatsdiener stehen diese Leute nicht mehr; die Dienst-
strafgewalt für in Ruhestand Versetzte, unter der sie stehen, ist wieder nur für die
ganz andere Art von Dienstpflicht da, die bei ihnen übrig geblieben ist, und kann
nicht im Interesse des aktiven Dienstes in Bewegung gesetzt werden.
§ 11 Note 2. Die nur geschichtlich entschuldbare Verwechslung herrscht gerade in
dieser Materie noch vielfach. Ein gut gemeinter Versuch, davon loszukommen, in
Mot. z. G.V.G. S. 74 (Hahn, Mat. S. 94): „vermögensrechtliche Ansprüche der
Beamten, welche neben der privatrechtlichen eine staatsrechtliche Seite haben“.
dienst S. 104, entsteht der Besoldungsanspruch als Folge der Inanspruchnahme zum
Staatsdienst nach Vorbild der Enteignungsentschädigung. Seit die Anstellung
wieder als Vertrag aufgefaßt wird, muß man besonders darauf bedacht sein, den
Besoldungsanspruch zu unterscheiden von der Gegenleistung des civilrechtlichen
Dienstherrn. Zur Zeit pflegt man zu diesem Zwecke die Besoldung als „Alimen-
tationsrente“ zu bezeichnen oder von einem „Anspruch des Beamten auf standes-
gemäße Alimentation“ zu sprechen. Laband, St.R. I S. 478 (3. Aufl. S. 455);
Rehm in Annalen 1885 S. 88; Jhering, Zweck im R. I S. 201; Zorn, St.R. I
S. 239 (2. Aufl. S. 318). Was die Besoldung mit der Alimentationsrente gemein
hat, kann aber ganz ebenso bei dem Dienstlohn des civilrechtlichen Vertrages zu
finden sein. Die Hauptsache an der Alimentationsrente haben sie beide nicht mit
ihr gemein: das Sichanpassen an das individuelle, zeitlich wechselnde Unterhalts-
bedürfnis des zu Alimentierenden. Die Wertlosigkeit dieses Namens behauptet
daher mit Recht Seydel, Bayr. St.R. III S. 415.
antragt (Prot. der Kom. S. 574).
G.V.G. v. 24. April 1878 § 9: „Die Verleihung der etatsmäßigen Gehälter und
Gehaltszulagen an die Richter innerhalb des Besoldungsetats erfolgt nach der
durch das Dienstalter bestimmten Reihenfolge“. Dazu R.G. 25. Sept. 1885
(Samml. XI S. 289); noch schärfer R.G. 1. März 1886 (Samml. XV S. 274):
Ein Richter ist am 24. Sept. 1884 gestorben, am 25. Okt. 1884 wird zweien
in der Anciennetät nachstehenden Richtern die etatsmäßige Zulage bewilligt und
zwar vom 1. Juli 1884 ab zahlbar. Die Erben nehmen diese Zulage als ihrem
Erblasser gebührend für die Zeit vom 1. Juli bis 1. Okt. 1884 in Anspruch, und
Witwenkasse durch Dienstbefehl erzwungen werden könne; in einer früheren Ent-
scheidung, v. 14. Jan. 1854, hatte der C.C.H. erklärt, solches gehöre „nicht zur
publizistischen Seite, sondern zur privatrechtlichen Seite des Verhältnisses“, und
demgemäß sei civilgerichtliche Entscheidung über die Gehaltsabzüge zulässig.
Das letztere führt wenigstens praktisch zu einem richtigen Ergebnisse; die Sache
liegt jedenfalls außerhalb des Gebietes des Dienstbefehls; ohne Einwilligung, die
nachträglich gegeben oder schon in der Annahme des also geordneten Amts-
verhältnisses stillschweigend enthalten ist, könnte der Abzug nur auf Grund eines
Gesetzes gemacht werden.
storbenen stattgehabt habe. Das Gesetz sagt aber nicht: sobald eine etatsmäßige
Zulage verfügbar ist, muß sie dem Richter verliehen werden, der vermöge seines
Dienstalters an der Reihe ist. Sondern es sagt: wenn die Behörde etatsmäßige
Zulagen verleiht, muß sie dabei die Reihenfolge einhalten sie darf keine Um-
gehung machen, sonst verletzt sie das Recht des Umgangenen. Indem das Gericht
dieser letzteren Ausdrucksweise sich bedient, dabei aber verfährt, als hätte das
Gesetz den ersteren Sinn, kommt es zu dem seltsamen Ausspruche: die Behörde
habe den Richter drei Monate nach seiner Beerdigung bei einer Zulagebewilligung
„umgangen“. — Zu beachten ist die Stellung des nachprüfenden Civilgerichts: es
erkennt nicht nur über bewilligte Besoldungen, sondern prüft auch die Bewilli-
gungen nach auf ihre Rechtmäßigkeit und ergänzt sie durch das, was hätte ge-
schehen sollen; Preuß. Ges. v. 24. Mai 1861 § 1 (Oppenhoff, Ress.Verh. S. 552
n. 11); R.B.G. § 149.
seiner Zeit die Auffassung der preußischen Regierung in dem berühmten Streit
wegen Gehalt und Stellvertretungskosten der zum Landtag gewählten Kreisrichter
verteidigt; v. Roenne, Preuß. St.R. I S. 242 ff. Schlimm war es, daß man be-
züglich der gewählten Landräte früher selbst entgegengesetzte Anschauungen ent-
wickelt hatte: Kamtz, Annalen Jahrg. 1830 S. 264. Gleichwohl war die Regie-
rung sachlich im Recht: die Gewählten bedurften des Urlaubs, und die Erteilung
desselben konnte an die Bedingung der Zahlung der Stellvertreterkosten geknüpft
werden; vgl. unten Note 8.
verlangt, damit der Genuß des beneficium gewahrt sei: Hinschius, K.R. III
S. 236. Nach dieser Seite hin bestehen überhaupt nahe Verwandtschaften.
F. Seydel, Dienstvergehen S. 66, meint; im Falle eines Widerspruchs wird zwar
im Disciplinarverfahren erkannt, aber das ist ja auch bei der Versetzung in Ruhe-
stand wegen Dienstunfähigkeit der Fall (Preuß. Ges. v. 21. Juli 1852 § 93). Es
ist auch keine Schadensersatzauferlegung, wie Kanngießer, ReichsB.R. S. 71 will;
denn es wäre doch eine willkürliche Fiktion, daß der Schade dem Gehalt gleich
sei, und überdies trifft der gleiche Gehaltsverlust auch den vom Amte suspendierten
Beamten, der sich ohne Urlaub entfernt hat.
badischer Postbeamter war vom Reiche übernommen worden; die Witwe klagt auf
die Pension, wie sie nach badischem Rechte zu bemessen gewesen wäre. Durch
die Anstellung, sagt das Gericht, war ein wohlerworbenes Recht auf Pension der
Witwe nach badischem Rechte begründet worden. Das R.B.G., unter welches
der Verstorbene nachher getreten war, hatte nicht „den privatrechtlichen Inhalt
der Anstellung mit der Tragweite verändert, daß wohlerworbene Rechte dadurch
entzogen wären“.
1. Okt. pensioniert, im Sept. wegen Sittlichkeitsverbrechens suspendiert, im Okt.
zu 2 Jahr Zuchthaus verurteilt; der Pensionsanspruch besteht, weil das Stf.G.B.
nur Verlust des Amtes und Gehaltes, nicht auch der Pension als Straffolge zu-
läßt. Vgl. auch R.G. 9. Okt. 1888 (Samml. 21 S. 186). R.G. 28. Mai 1880
(Reger III S. 170) meint, die Landesgesetzgebung könne diese Lücke ausfüllen,
zwar nicht in einem Landesstrafgesetz, wegen E.G. zu Stf.G.B § 6, wohl aber in
einem Staatsdienergesetz. Der Name, den man dem Gesetze giebt, dürfte aber
nichts zur Sache thun; vgl. Mandry, Civilrechtl. Inh. der Reichsges. S. 91. Denk-
bar wäre nur eine unvollkommene Verabschiedung, nach welcher der in Ruhestand
Getretene noch gewisse Standespflichten zu wahren hat und eine entsprechende
Disciplinargewalt übrig bleibt (vgl. oben § 45 Note 25): da wäre auch eine Pen-
sionsentziehung als Disciplinarstrafe möglich, ohne daß der Vorrang des Reichs-
Stf.R.s im Wege stünde.
pflichtigen Mannschaft des Heeres (mit Einschluß der Löhnung) hat durchaus den
Charakter einer Verwaltungsthätigkeit des Staates“. Daher hat der Wehrpflichtige
darauf kein „vermögensrechtliches subjektives Recht und der Fiskus ist nicht civil-
rechtlich obligiert“. Von Civilrecht könnte aber hier ohnehin keine Rede sein.
— Ähnlich O.V.G. 26. Sept. 1885 (Samml. XII S. 38 ff.) bezüglich der Lieferung
von Dienstkleidern an die Schutzmannschaft.
für Beschädigung von Kleidungsstücken im Dienste. Vergütung von Extraarbeiten:
Sächs. Ztschft. f. Pr. I S. 359. Ist die Vergütung im Einzelfall bewilligt, so besteht
natürlich ein Rechtsanspruch auf die Auszahlung: C.C.H. 10. Okt. 1866 (J.M.Bl.
1869 S. 2); V.G.H. 17. Febr. 1888 (Samml. IX S. 411). Die gewöhnlichen Ver-
heißungen der Vorgesetzten sind aber noch keine solchen „rechtsbegründenden
Verwaltungsakte“, sondern begründen nur persönliche, moralische Verpflichtungen
derselben.
mäßig teuren Ort. In den Wohnungsgeldzuschüssen des preuß. und Reichs-
beruhende Reichnisse“. Vgl. auch V.G.H. 15. Juli 1881.
sichtlich in diese Form gebracht, um die Gleichstellung mit den Berufsoffizieren
äußerlich durchzuführen. Besoldung im Rechtssinne ist das nicht. — Wegen der
Amtsunkostenentschädigungen der preuß. Gemeindevorsteher und Amtsvorsteher
vgl. unten § 60.
Bayr. St.R. III S. 401, behauptet, gilt in Wahrheit nur, soweit er in diesen Formen
verwirklicht ist. Was Seydel im Auge hat, sind die allgemeinen civilrechtlichen
Rechtsinstitute, von welchen wir jetzt oben sprechen wollen.
S. 275).
häufig zu gründen gesucht auf die Annahme eines kontraktlichen Ver-
schuldens nach Civilrecht. So R.G. 4. Nov. 1886 (Samml. 18 S. 171): Ein
Eisenbahnbeamter ist auf dem Bahnhofe eine schadhafte Treppe herabgestürzt;
Fiskus haftet, weil nach Civilrecht „der Dienstvertrag den Dienstherrn für Außer-
achtlassung der Diligenz in Ansehung der körperlichen Sicherheit des Dienenden
bei seinen Dienstverrichtungen verantwortlich macht“. Ähnlich R.G. 10. Nov. 1887
(Samml. 19 S. 348). Das könnte man sich nur so denken, daß ganz im Sinne der
alten Fiskustheorie mit der Anstellung ein civilrechtlicher Vertrag stillschweigend
geschlossen würde, welcher die nötigen Grundlagen für die künftige Haftung ent-
hielte. Nun wird man aber ein solches Stück civilrechtlichen Dienstvertrages un-
möglich auch mit den Zwangsdienstpflichten verbinden wollen. Wie wäre das
also? Wenn das gebrechliche Podium des Gerichtstisches einbricht und der Amts-
richter mit beiden Schöffen verletzt wird, soll bloß der in der Mitte Sitzende einen
Entschädigungsanspruch haben? Das sind doch nur verzweifelte Versuche, um
einerseits die civilrechtlichte Haftpflichtsregelung zu verbessern, andererseits einen
Ersatz zu finden für das unbekannte Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Ent-
schädigung.
Preuß. Ges. v. 27. März 1879, §§ 9. 10.
Krais in Bl. f. adm. Pr. 33 S. 33 ff., insbes. S. 68. 163.
hört lediglich dem öffentlichen Rechte an“. Das Beispiel von dem unbrauchbar
gemachten Wege, das er Grundzüge S. 43 gegeben hatte, bedeutet zweifellos einen
civilrechtlichen Schadensersatzanspruch. In Arch. f. öff. R. III S. 75 hatte ich
ähnlich gefolgert; ich erkenne jetzt an, daß ich damals noch zu sehr unter dem
Einfluß des französischen Rechts gestanden habe und Labands Auffassung in
diesem Punkte die richtige ist.
(Str. 9 S. 86), 10. Okt. 1856 (Str. 23 S. 1), 4. April 1870 (Str. 77 S. 295); O.V.G.
2. Juli 1879 (Samml. V S. 77); R.G. 15. Nov. 1883 (Samml. 10 S. 231), 29. Jan.
1885 (Samml. 13 S. 220), 9. April 1885 (Samml. 13 S. 258), 19. März 1889
(Samml. 23 S. 326).
gegen die rechnungslegende Behörde“. Vgl. Kom. Ber. z. Preuß. Ges. v. 27. Mai
1872 bei Hartel, Preuß. Oberrechnungskammer S. 269.
prüfung des Gerichts erstreckt sich nicht auf die Frage, ob die Behörde recht
gethan hat, daß sie von ihrer Befugnis, diese Civilrechtssache durch ihren Ver-
waltungsakt zunächst zu ordnen, Gebrauch machte, sondern begreift nur die
materielle Begründung; R.G. 5. Febr. 1885 (Samml. 12 S. 143). Auch bezüglich
der letzteren wird nach bayr. R. der Entscheidung im „administrativen Rechnungs-
prozeß“ eine endgültige Bedeutung zugeschrieben, soweit es sich um öffentlich-
rechtliche Fragen handelt, insbesondere um die Frage der dienstlichen Verfehlung.
Mangels besonderer gesetzlicher Bestimmung versteht sich aber eine solche Unter-
scheidung nicht von selbst; auch hat man sich über die Abgrenzung dieser Zu-
ständigkeit nicht einigen können. Vgl. Ob.G.H. 3. Juli 1852 (Reg.Bl. 1852 S. 825,
dazu Reg.Bl. 1857 S. 5); Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 346 ff., 1881 S. 284, 1883 S. 148 ff.,
1884 S. 110; Seydel, Bayr. St.R. II S. 469 ff.
1880 (Samml. II S. 188), 3. Juli 1882 (Samml. VII S. 335).
Anstellung geschehen ist“ (Laband, St.R. I S. 430; 3. Aufl. S. 409). Die Nicht-
leistung wirkt ja nicht von selbst zerstörend, und der Widerruf, den sie zulässig
macht, kann das Dienstverhältnis oder bloß das Amt treffen, so daß z. B. der
Nichtleistende lediglich in das bisherige Amt zurücktritt oder zu neuer Ver-
wendung in einem solchen zur Verfügung steht. Ebensowenig ist die Kautions-
stellung „vor der Übertragung gewisser Ämter“ erforderlich; es handelt sich nur
S. 410). Bornhak, Preuß. St.R. II S. 40, leugnet, die civilrechtliche Vertrags-
natur der Kautionsbestellung, weil sie nur Erfüllung einer öffentlichrechtlichen
Verpflichtung sei. Allein einerseits ist hier in der That keine Verpflichtung zu
erfüllen (oben Note 31); andererseits, selbst wenn das wäre, ist der Verpfändungs-
akt zur Sicherung der Vermögensinteressen des Staates rein privatwirtschaftlicher
Natur und auch in Form und Wirkung in keiner Weise von dem verschieden,
was auch Private unter sich machen. Er ist also allgemeinen Grundsätzen gemäß
als civilrechtlich aufzufassen. Woran sollte denn übrigens die praktische Be-
deutung seiner „Öffentlichrechtlichkeit“ erkennbar werden?
deshalb mag allerdings der Ausdruck Kautionspflicht beanstandet werden: Laband,
St.R. I S. 430 (3. Aufl. S. 409); Seydel, Bayr. St.R. III S. 362 ff.; Harseim
in Wörterbuch I S. 722.
von Heerdienstpflicht und Militärlasten dahin: „Die letzteren involvieren keine
Verpflichtung zur Treue, zum Gehorsam, zum persönlichen Dienste, sondern sie
betreffen lediglich das Vermögen“. Daher bei der Lastpflicht keine Staats-
angehörigkeit vorausgesetzt, kein Eid geleistet wird und die Erfüllung auch persön-
licher Leistungen geschehen kann durch Stellvertreter oder geradezu abgelöst
werden kann in Geld. — In gleichem Sinne nennt Neumann, Die Steuer S. 55,
die Hand- und Spanndienste „Vermögenswerte im Gegensatze zu den idealeren
Leistungen des Beamten, des Soldaten.“ Das „Ideale“ an jenen letzteren ist nichts
anderes als jene rechtlich nicht völlig greifbare besondere Treuepflicht (oben
§ 42, I).
die Enteignung nur auf unbewegliches, die Last vorzugsweise auf bewegliches Gut
geht. In der Lehre von der Enteignung pflegt demgemäß, gewissermaßen zur Er-
gänzung, auf Militär- und sonstige Lasten verwiesen zu werden, bei welchen für
Fahrnis ähnliches stattfinde: Eger, Enteignungsges. I S. 10; Loebell, Ent-
eignungsges. S. 25. Diese Ergänzung für das Gebiet der Fahrnis wird aber eben
durch ein anderes Rechtsinstitut geliefert. Umgekehrt pflegt man bei einigen last-
mäßigen Sachleistungspflichten sich gern auf die Enteignung zu beziehen, bei den-
jenigen wenigstens, welche auf bestimmte Stücke, nicht auf ein zu lieferndes genus
gehen. So wird namentlich die Pferdeaushebung unter den Begriff der Enteignung
gestellt: G. Meyer, V.R. II S. 165, Laband, St.R. II S. 816 (3. Aufl. S. 779).
Der Zweck ist der, die Anwendbarkeit des civilrechtlichen Kaufvertrags abzuweisen
und die öffentlichrechtliche Natur des Vorgangs zu sichern. In dieser Hinsicht
haben wir aber ohnehin nichts zu befürchten; unsere Sorge muß nur sein, die
Steuern und den Gebühren den Begriff des Beitrags zu scheiden. Dieser Begriff
deckt sich aber nur teilweise mit dem der öffentlichen Last; vgl. unten § 48
Note 1.
gegen wird hier gefehlt.
meinen Last liefern die Zwangsdienste zur Einrichtung einer Nachtwache oder
einer Pflichtfeuerwehr, welche die örtlichen Polizeibehörden auferlegen können.
Man rechnet das unter die Polizeiverordnungen und entnimmt die Befugnisse dazu
aus den allgemeinen gesetzlichen Ermächtigungen, im Interesse der öffentlichen
Preuß.Priv.R. III, S. 411 ff., S. 423; Stobbe, D.Pr.R. § 100 u. IV.
institute dazu, um das noch zur Enteignung zu rechnen; so Loebell, Ent.Ges.
S. 29; Foerstemann, Pol.R. S. 463; dagegen mit Recht Gleim im Arch. f.
Eisenbahnwesen 1885 S. 49. Ebensowenig darf man umgekehrt die Enteignung
als Notstandsbefugnis erklären wollen; so Jhering, Zweck im R. S. 419 Note,
und ihm folgend R. Merkel, Kollis. rechtm. Interessen S. 49 ff. Der außer-
ordentliche thatsächliche Eingriff muß als das kennzeichnende Merkmal bleiben.
Daß die Notstandsbefugnis selbst eine andere rechtliche Natur und Gestalt im
öffentlichen Rechte hat als im Civilrecht, ist leicht zu erkennen. Auch der Unter-
schied von der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung ist festzuhalten: diese
setzt keine Not voraus, um wirksam zu werden, es genügt der bloße Zusammen-
stoß mit der öffentlichen Verwaltung.
griffe der Polizei ist diese Heranziehung zu Dienstleistungen niemals; vgl. Bd. I
§ 19 Note 10. Gesetzliche Bestimmungen, welche derartige Verordnungen be-
sonders zulassen, bleiben natürlich in Gültigkeit, auch wenn sie der älteren Auf-
fassung folgend die Vorschrift für eine polizeiliche angesehen haben. Vgl. Bd. 1
§ 18 Note 13, § 19 Note 14. C.C.H. 13. Jan. 1872 (J.M.Bl. 1872 S. 99); V.G.H.
28. Juli 1882 (Samml. IV S. 181); Ob.L.G. Dresden 16. Juni 1887 (Sächs. Ztschft.
f. Pr. IX S. 19).
deren das öffentliche Unternehmen bedarf. Die Verpflichtbarkeit ist dann mög-
licherweise an das Vorhandensein dieses Besitzes geknüpft. Die Sache kann auch
ein Grundstück sein. Es beweist aber doch ein allzustarkes Anlehnungsbedürfnis
an ältere Begriffe, wenn man um dieses Zusammenhanges willen die öffentliche
Last geradezu für eine Reallast erklärt. Dies ist namentlich der Quartierlast
häufig begegnet: ein Grundstück ist in Frage, denn ohne Grundstück keine Woh-
nung, und eine Verpflichtung zu einem Leisten, das in den Rahmen einer Grund-
dienstbarkeit nicht paßt, trifft jeden, der diese Wohnung besitzt; also Reallast. So
Laband, St. R. II S. 771 (3. Aufl. S. 735); V.G.H. 20. Mai 1887 (Samml. IX
S. 137); Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 188. In Wahrheit ist das aber doch keine Last
auf dem Grundstück, sondern eine rein persönliche Verpflichtung dessen, der durch
den Besitz irgend einer Wohnung fähig wird zu leisten, ganz ähnlich wie das
bei anderen Lasten auch der Fall ist. Wenn man bei der Quartierlast das Ver-
hältnis in dieser Weise umdreht, so müßte man dann ebenso auch von einer Last
auf Wagen und Pferden und auf Heuvorräten sprechen, die dem jeweiligen Be-
sitzer zur Erfüllung obliegt. Was mit dieser sporadischen Heranziehung des an
sich ja recht umstrittenen Begriffes der Reallast zur Erklärung ganz neuzeitlicher
Rechtsinstitute eigentlich geholfen sein soll, ist wirklich nicht abzusehen.
Willen des Gesetzes gemäß durch die Gemeindebehörde (Gemeindebeschluß, Orts-
statut) geschaffen. Dieselbe bedeutet aber immer nur eine Rangfolge in der Heran-
ziehung der Pflichtigen, und diese Rangfolge hat nur dadurch soviel freien Spiel-
raum, daß nicht leicht die sämtlichen verfügbaren Wohnräume auf einmal in
Anspruch genommen werden. So kann z. B. nach dem Steuerfuße verteilt, oder
können die Hauseigentümer allein für pflichtig erklärt werden, so daß Mieter
frei ausgehen; V.G.H. 21. Juli 1884 (Samml. V S. 260); desgl. 22. Mai 1885
(Reger VII S. 72). Die gesetzliche Last ruht nach wie vor auf allen Wohnungs-
besitzern, und wenn einmal der beschränkende Verteilungsmaßstab nicht ausreicht,
wird er ohne weiteres durchbrochen, um auch das demnach Freibleibende in An-
spruch zu nehmen; Sickmann, Die Quartierleistung S. 38.
kann nach deren Vorbild ein Verfahren der Anforderung beobachtet werden, in
welchem die Pflicht der Einzelnen im voraus obrigkeitlich festgesetzt wird durch
einen bindenden Akt, jede für sich oder nach einem Gesamtwerk, einem Kataster.
So namentlich bei Hand- und Spanndiensten für Gemeindewege; das Gleiche mag
aber auch bei Quartierleistungen beobachtet werden. Wenn die Anforderung von
einer Behörde ausgeht, wird sie überhaupt leicht die Gestalt eines Befehles an-
nehmen. Nur muß man noch unterscheiden: wenn z. B. ein gerichtlicher Befehl
vorliegt, jemanden zu laden als Zeugen oder Sachverständigen, so ist das ein Be-
fehl und zwar ein Dienstbefehl an den Zustellungsbeamten, nicht an den Zeugen
oder Sachverständigen; die vollzogene Ladung selbst ist nur eine Anforderung an
diesen.
Ziff. 10. Rüdorff (Stenglein), Kom. zu Stf.G.B 6. Aufl. S. 762: „auch jeder
andere Polizeibeamte, wie Schutzleute, wenn sie an der Stelle des Unglücks allein
die öffentliche Autorität vertreten und Nothülfe leisten“. — Preuß. Feld- u. Forst-
Pol.-Ges. § 44 n. 4 verpflichtet zur Hülfeleistung bei Waldbränden auf Aufforde-
rung eines Forstbeamten.
Pol.Ges., wonach auch der Forstbesitzer die öffentliche Hülfeleistungspflicht durch
seine Anforderung wirksam macht. Ein Seitenstück bietet die Ladung des Zeugen,
welche die Partei selbst vornehmen läßt, gemäß Stf.Pr.O. § 219. Die Wirkung
ist, was die Pflicht des Geladenen anlangt, ganz die nämliche, wie wenn das Ge-
richt die Ladung verfügt hätte. Daran zeigt es sich, wie unrichtig es ist, die
Zeugenpflicht auf eine „Gehorsamspflicht gegen die Gerichtsgewalt“ zurückzu-
führen. Das Gericht hat sich ja hier geradezu geweigert, einen „Befehl“ zu er-
lassen, und ihm zum Trotz wird wirksam geladen.
ordert der Bürgermeister mehrere Gemeindeangehörige zur Sicherheitswache an
den Brandplatz für die Nacht. Die Säumigen wenden gegen die Strafverfolgung
ein, die Maßregel sei unnötig gewesen. Allein „der Polizeirichter hat nur zu
prüfen, ob die allgemeinen Voraussetzungen gegeben seien, unter welchen das
Gesetz die der Polizeibehörde gestattete Thätigkeit überhaupt eintreten läßt (der
Bedürfnisfall), während die hiernach erlassene polizeiliche Anordnung selbst sich
hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der materiellen Prüfung von
seite des Strafrichters entzieht.“ Ähnlichkeit und Verschiedenheit mit der Be-
handlung des Dienstbefehls (oben § 45, I) sind beide leicht zu erkennen und auch
der Grund der Verschiedenheit ist einleuchtend.
leistungen. Ob der Bedürfnisfall gegeben war oder nicht, um Pferde auszuheben,
deputation (Einquartierungsamt) von den Hausbesitzern ohne weiteres statt der
Naturalleistung Einquartierungskosten erhoben hat. Das wurde für unzulässig er-
klärt. Die Naturalleistung ist im Sinne des Gesetzes als eine Vergünstigung an-
zusehen, die dem Pflichtigen nicht entzogen werden darf. Die Umwandlung in
Geld ist immer nur Zwangsmittel.
ordre vorlag. Ebenso wird behandelt die Strafe auf Nichterfüllung der Zeugen-
und Sachverständigenpflicht; C.Pr.O. § 345, Stf.Pr.O. § 50.
zwingung von Handlungen das Mittel der Gewalt und Drohung verwendet werden
können. Einen Versuch mit Gewaltanwendung zur Erzwingung einer Handlung,
die kraft Lastpflicht geschuldet ist, gestattet Stf.Pr.O. § 50, wonach der geladene
Zeuge zwangsweise vorgeführt werden darf. Mehr als ein Versuch ist das nicht,
denn zum Reden kann man ihn mangels einer Foltereinrichtung doch nicht zwingen.
— Thatsächliche Besitzergreifung an Sachen kann auch ohne vorhergehende An-
forderung geschehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind und man
des Besitzers nicht gleich habhaft werden kann, um die Form zu erfüllen: so wird
man Quartier, Gerätschaften, Lebensmittel auch in Abwesenheit des Lastpflichtigen
sich beschaffen können. Das ist aber nur ein summarisches Verfahren und immer
noch verschieden von dem einfachen Notstandsrecht (oben Note 6).
§ 177 ff.), der zu Löscharbeiten Herangezogene den Anordnungen des die Arbeiten
leitenden Polizeibeamten (O.V.G. 16. Nov. 1881).
auf Grund dessen die Besitzergreifung zum Vollzug der Lastpflicht erfolgt. Die
thatsächliche Wegnahme von Sachen in Anwendung des einfachen Notstandsrechts,
das wir oben Note 6 von der öffentlichen Last unterschieden haben, auch wenn
v. 30. Nov. 1867 und 10. April 1869 findet „zwangsweise Erpachtung von Areal
zu militärischen Schießstandzwecken“ statt; Sächs. Ztschft. f. Pr. VIII S. 260.
Ein einseitig erzwungener Vertrag ist ein Unding. Es handelt sich nicht um eine
obrigkeitlich vorgenommene Erpachtung, sondern um eine Lastpflicht, vollzogen
durch eine Anforderung mit Besitzergreifung, deren Wirkungen dann, so will es
das Gesetz, nach den Regeln eines abgeschlossenen Pachtvertrags beurteilt werden.
sprüche, die sie sich allerdings nicht recht zu erklären weiß. So C.C.H. 11. Mai
1861 (J.M.Bl. 1862 S. 44) und 8. Dez. 1865 (J.M.Bl. 1866 S. 98). Danach ist die
Servisvergütung „privatrechtlicher Natur und bloß an Stelle eines Kontraktes
durch das Gesetz festgesetzt“. Es müßte wohl heißen: an Stelle der Hälfte eines
Kontraktes; denn die andere Hälfte bildet die Quartierleistung, die ihrerseits ja
auch kontraktlich bedungen sein könnte und nur „an Stelle eines Kontraktes durch
das Gesetz festgesetzt ist“. Hoffentlich ist die Zeit solcher juristischer Ungeheuer
jetzt vorüber.
begründen. Wie sollte sie auch? Das giebt noch einen bedeutsamen Unterschied.
aus ein finanzwissenschaftlicher Begriff. Er ist einerseits enger, andererseits weiter
als der unserer Vorzugslast; für letzteres hier oben sofort die Belege.
gebenden Zuschußverbindlichkeiten als öffentlichrechtliche Zahlungspflichten: die
Annahme durch die Verwaltungsbehörde ist ein Verwaltungsakt, der die Pflicht
auferlegt; vgl. Theorie des Franz. V.R. S. 360. — Bayr. Ob.G.H. 26. Nov. 1875
(Samml. V S. 598) giebt den Fall, wo ein Gutsbesitzer der Gemeinde gegenüber
die Pflicht zur Stellung des Holzbedarfes für eine neu zu erbauende Gemeinde-
brücke übernimmt; Oberst. L.G. 22. Febr. 1884 (Reger V S. 470) den Fall, wo
der Gutsbesitzer sich verpflichtet, einen Gemeindeweg zu unterhalten unter der
Bedingung, daß die Gemeinde noch einen anderen Weg herstelle. Beides wird
als gewöhnlicher Vertrag, als „privatrechtlicher Titel“ angesehen.
auf Grund einer Observanz bestehend. Ähnlich O.V.G. 13. Febr. 1884 wegen einer
Observanz, welche die Hausbesitzer zur Unterhaltung der Bürgersteige verpflichtet.
Sächs. Ztschft. f. Pr. IX S. 241 (Gilbert) über „Sonderverbindlichkeiten beim
Wegebau“. — Ganz eigenartig, wenn auch ähnlichen Inhalts, sind die alten öffentlich-
rechtlichen Lasten in R.G. 26. Juni 1880 (Reger V S. 113): Wegeunterhaltungs-
pflicht eines Gutsbesitzers auf Grund alten Erbpachtvertrages; Württemb. Gerichts-
blatt 18 S. 378: Landesherrliche Verpflichtung zur Bestreitung der Schulbedürfnisse
übernommen bei Einziehung von Kirchengut, also eine Last des Fiskus. Dahin
rechtssatzmäßigen Auferlegung solcher besonderer Lasten in den allgemeinen
polizeilichen Ermächtigungen enthalten ist (oben § 47 Note 4). Unter den heutigen
Begriff der Polizei fällt dergleichen sicher nicht: Bd. I § 19 Note 15. Gleich-
wohl pflegt die Frage bejaht zu werden: O.V.G. 8. Nov. 1876; Bl. f. adm. Pr.
1876 S. 37 ff.; Ob.G.H. 6. März 1835. Die Vermittlung wird in einem besonderen
Herkommen gesucht, das solche Dinge der Polizeigewalt noch zuweisen soll: Bl. f.
adm. Pr. 1888 S. 104; O.L.G. München 19. Okt. 1886; vgl. auch V.G.H. 1. Febr.
1881 (Samml. II S. 530).
bergischen Rechts: Württemb. Arch. f. R. 22 S. 372; Bl. f. adm. Pr. 1877 S. 33 ff.,
woselbst als Beispiele angeführt sind die auf einem ganzen Vermögenskomplexe
lastenden Verpflichtungen zur Leistung der Besoldung eines Geistlichen, Kultus-
baulast, Baupflicht an sonstigen öffentlichen Anstalten, Haltung von Zuchtstieren
(S. 42). — Die Frage, ob öffentlichrechtlich oder privatrechtlich, wird in Bl.
f. adm. Pr. 1884 S. 383 ff. und O.V.G. 2. Dez. 1887 (Samml. IX S. 287) damit
zu lösen gesucht, daß man „dingliches Recht“ und „öffentliches Recht“ als die
maßgebenden Gegensätze erklärt. Allein auch als Reallasten könnten solche
Pflichten öffentlichrechtlich sein (oben § 47 Note 5); die dingliche Natur scheidet
sie nicht vom öffentlichen Recht, sondern nur von unserem Rechtsinstitut der
öffentlichen Last.
Unternehmern von Steinbrüchen, Bergwerken, Fabriken auferlegt werden können,
wegen des ausgezeichneten Maßes, in welchem der Weg von ihnen benützt und
abgenützt wird; v. Reitzenstein in Wörterbuch II S. 909. In sehr umfassender
Weise und mit eigentümlicher Berechnung des Beitrags kommt diese Form zur
Anwendung in der Mehrwerts-Entschädigung nach französischem Ges. v. 16. Sept.
1807 art. 30—32, noch gültig in Elsaß-Lothringen und der Pfalz; Theorie des
Franz. V.R. S. 358.
§§ 25, 26 bedürfen neue Ansiedlungen außerhalb der Ortschaften einer polizei-
lichen Genehmigung. Die Polizeibehörde hat genehmigt unter der Bedingung, daß
Die Straße ist vollendet, das Haus gebaut; bevor eine Festsetzung und Anforde-
infolge seiner Ansiedlung der Gemeinde obliegen würde. Die Stadt baut alsdann
den Kanal selbst und der Ansiedler ist schuldig, ihr die Kosten zu ersetzen. —
O.V.G. 25. April 1878: An noch nicht fertig gestellten Straßen darf laut Orts-
statut nicht gebaut werden; Ausnahmen bewilligt die Gemeindeverwaltung, wobei
sie ihre Bedingungen stellt wegen der nötigen vorläufigen Anlagen; mit Erteilung
der Erlaubnis werden diese Pflichten auferlegt. — O.V.G. 1. Nov. 1887 erklärt es
in solchem Falle für zulässig, auch Sicherheitsleistung für die künftigen Straßen-
gebühren zu verlangen (vgl. oben § 46 Note 32). — Solche Bedingungen können
nur zu Gunsten derjenigen Einrichtungen auferlegt werden, um deren willen eben
der Erlaubnisvorbehalt gemacht ist. Eine willkürliche Verbindung mit anderen
Gelegenheiten, namentlich mit reinen Polizeierlaubnissen ist unzulässig; so erklärt
sich O.V.G. 6. Dez. 1878: Die Polizeibehörde erteilt eine Polizeierlaubnis unter
der Bedingung, daß die geschuldeten Straßengebühren bezahlt werden; das geht
nicht an. — Einen besonders schönen Fall besprechen Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 352:
Eine öffentliche Straße soll durchgraben werden mit einem Mühlkanal; dazu be-
darf es der behördlichen (polizeilichen) Genehmigung. Diese wird erteilt nach
Verständigung der Beteiligten, des Müllers und der Gemeinde, welcher der Weg
gehört, wegen Bestellung einer Brückenbaulast; der Müller verpflichtet dabei sich
und alle Nachfolger in seinem Anwesen, die durch dessen Übernahme von selbst
in die Verpflichtung eintreten, die Brücke zu bauen und zu unterhalten. Diese
Verständigung „erlangt erst definitive Existenz durch die polizeiliche Genehmi-
gung“. Kommt eine Verständigung nicht zu stande, so kann die Genehmigung
doch erteilt werden; dann „ist der Beschluß allein die Rechtsquelle für die beider-
seitigen Rechtsverhältnisse“. Vorausgesetzt immer, daß wenigstens der zu be-
lastende Müller ihn annimmt, ausdrücklich oder stillschweigend durch Benützung
der erteilten Erlaubnis; dann begründet auf Grund seiner Unterwerfung der Ver-
waltungsakt seine Vorzugslast.
den Beiträge werden rechtswirksam festgestellt und „umgelegt“; v. Brauchitsch
Verw.gesetze IV S. 359 Note. R.G. 8. Juli 1886 (Samml. 17 S. 200) nennt sie
freilich indirekte Gemeindesteuern, R.G. 22. Sept. 1888 (Samml. 22 S. 291) Ge-
meindesteuern schlechthin. Das ist natürlich nicht so genau zu nehmen. — Die
Verpflichtung der Hausbesitzer, die Kosten der Straßenpflasterung zu tragen,
nennt O.V.G. 6. Juli 1886 eine öffentlichrechtliche Reallast, die ihnen zur Deckung
dieser Kosten auferlegte Pflastersteuer eine direkte Gemeindesteuer, fügt aber dann
hinzu: es sei „nicht eine Gebühr für Benützung einer Gemeinde-Anstalt als Entgelt
für bestimmte einzelne Leistungen und deren Wert, sondern eine auf die Klasse
der Hausbesitzer nach allgemeinen Normen steuerartig zu repartierende Geldabgabe,
bestimmt die Kosten einer die Hausbesitzer liberierenden städtischen Einrichtung
zu decken“. Der Begriff der Vorzugslast ist da ziemlich richtig wiedergegeben;
auch der Ausdruck „steuerartig zu repartierend“ bezeichnet ganz gut das Ver-
hältnis zur direkten Steuer.
direkten Steuern eigentümliche Form des Stempels (oben Bd. I S. 404) zur Er-
hebung der geschuldeten Beiträge: die Lastpflicht entsteht ohne dazwischen
kommenden Verwaltungsakt, ohne Kenntnis der Behörde und wird ohne sie erfüllt.
— Die Lasten der Hausbesitzer in Bezug auf Reinhaltung, Besprengung, Bestreuung
der Straßen knüpfen sich ebenso unmittelbar an natürliche Vorgänge, höchstens
daß noch eine Mahnung hinzukommt; eine Festsetzung der Pflicht im Einzelfall
vor der Erfüllung findet, im Gegensatz zur Form der direkten Steuer, nicht statt.
die Frage entscheidend, wann die Schuld entstanden ist. Für die Pflasterungs-
kostenlast nach älterem preußischen Recht war entschieden worden, daß die
Schuld entstanden sei im Augenblick der Fertigstellung der Arbeiten; nur hatte
man die Entstehung einer Reallast angenommen, vermöge deren die Schuld auf
den späteren Erwerber des Gebäudes überging; O.Tr. 4. Okt. 1870 (Str. 79 S. 248),
16. Nov. 1876 (Str. 97 S. 25). Diese unnütze Zuthat ist jetzt bei der Behandlung
der Straßengebühren nach Gesetz v. 2. Juli 1875 § 15 fallen gelassen worden.
O.V.G. 2. Nov. 1885 sagt von diesen: „Schuldner sind diejenigen Personen, welche
zur Zeit der Bebauung im Eigentum der Grundstücke sein werden.“ Die Schuld
geht also nicht mehr von selbst auf den Nachfolger im Eigentum über. Vgl. auch
O.V.G. 16. Nov. 1888.
Sandstreuen bei Glatteis und dergl. C.C.H. 13. Febr. 1864 (J.M.Bl. 1864 S. 129):
Die städtische Streukolonne besorgt ohne weiteres die nötige Streuung für den
säumigen Hausbesitzer, und die Stadt zieht dafür eine feste Entschädigung ein.
Über dieses summarische Zwangsverfahren: Bd. I § 23 Note 2.
Foerster-Eccius Preuß. Priv.R. IV § 283; Rosin, Öff. Genossenschaft S. 75 ff.
mit einer gemeinsamen Vertretung. Als solche werden — noch ganz in genossen-
schaftlicher Weise — die im Verbandlastgebiete begriffenen Gemeinden aufgefaßt.
Gierke, Gen.R. II S. 403.
Er nennt diese Vereinigungen für Kirche, Schule, Armenpflege, Wegeunterhaltung
u. s. w. „gemeindeähnliche Verbände für besondere Zwecke“. Sie sind nach ihm
ursprünglich Genossenschaften. Der „obrigkeitliche Staat“, wie er den Polizei-
staat nennt, „strebt ihre Verwandlung entweder in bloße staatliche Bezirke, oder
in Staatsanstalten mit juristischer Persönlichkeit an.“ — O.V.G. 7. Febr. 1883
(Samml. 9 S. 69) und 15. Mai 1885 (Samml. 12 S. 258) giebt die Grundzüge der
§ 16 einen allgemein gültigen Verteilungsmaßstab geordnet und zu dessen Gunsten
in § 17 ausdrücklich die „auf Grund specieller Rechtstitel zwischen diesen Per-
sonen“ bisher bestehende andere Verteilungsart aufgehoben. Für das bayrische
Recht spricht V.G.H. 13. Mai 1884 (Samml. V S. 209) den allgemeinen Grundsatz
aus: „das Herkommen ist in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts, für welche
durch die Gesetzgebung ein neuer Rechtsboden geschaffen wurde, als Entstehungs-
grund für Rechte und Pflichten nur dann anerkannt, wenn dies das Gesetz aus-
drücklich zuläßt.“ Es handelte sich um die Beteiligung an den Kosten der Unter-
haltung einer Brücke im Gemeindeweg. — Die gesetzliche Neuordnung solcher
Lasten wird auch frühere vertragsmäßige Ordnungen beseitigen; V.G.H. 25. Mai
1880 (Samml. I S. 322).
im vorigen Jahrhundert standen dem Staat in der Ausübung der Polizeihoheit zur
Förderung der Wohlfahrt und Sicherheit des Ganzen als die ihm zunächst Ver-
pflichteten die für obrigkeitliche Verwaltung verantwortlichen Korpora, die
Magistrate, Dominien, Domänenämter gegenüber, vorbehaltlich der Unterverteilung
jure collectandi. In welchem Maße Domminium und Unterthanen zu den Polizei-
anstalten beizutragen hatten, regelte sich meist nach Vertrag und Herkommen.“
Diese „zunächst verpflichteten Korpora“ sind aber nichts anderes als Behörden,
keine juristischen Personen; sie sind verpflichtet als Werkzeuge der Beitreibung
zu dienen; auf die Einzelnen, welche unter ihnen zu Gruppen verbunden sind, ist
es abgesehen; diese sind die unmittelbaren Träger der Lasten, ihre Vereinigung
nur eine Form der Erhebung und Ausgleichung.
Verfassung des Verbandes zu ändern, wenn die Mitglieder wieder zu Gruppen
vereinigt sind mit gemeinsamer Vertretung; vgl. oben Note 13. O.V.G. 19. Dez.
1888: Ein Gutsherr übernimmt wegen seiner zum Schulverband gehörigen Kolonisten
die Brennholzlieferung für die Schule. Ebenso kann bei Neubildung von Armen-
verbänden durch Übereinkunft zwischen Gutsherr und Gemeinde die gemeinsame
Last genauer bestimmt und ausgeschlagen werden; Mascher, Staatsbürger-,
Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht, sowie die Armengesetzgebung Preußens
S. 284. — Bl. f. adm. Pr. 1879 S. 343: Vertrag der Bewohner einer Ortschaft mit
der Nachbargemeinde wegen gemeinsamer Benutzung der dortigen Schule gegen
Zahlung der Hälfte der Umlagenquote „regelt die Leistung der aus der öffent-
lichen Schulpflicht sich ergebenden Schullast, wurde von der zuständigen Polizei-
behörde genehmigt, bewegt sich deshalb nach allen Seiten auf dem Gebiete des
öffentlichen Rechts“. Bl. f. adm. Pr. 1873 S. 274: Ein Vergleich zwischen den
beteiligten Ortschaften über die ihnen obliegende Wegeunterhaltung „kann nicht
als privatrechtlicher Vertrag angesehen werden, sondern ist eine administrative
Verhandlung zur Befriedigung eines polizeilichen administrativen Bedürfnisses“.
Vgl. auch Bl. f. adm. Pr. 1880 S. 241 ff.; O.V.G. 21. Sept. 1883, 10. Dez. 1884,
21. April 1886. — Wo jetzt noch eine Gemeinde als Vertragsschließender auftritt,
wird man allerdings eher eine Gemeindeangelegenheit annehmen, die sie besorgen
will, als die Ordnung einer Verbandlast, in der ihre Angehörigen stehen. Auch
die „Bewohner einer Ortschaft“ sind eher als ein ad hoc gebildeter Körper ge-
dacht. Unser Rechtsinstitut weicht da zurück vor anderen Gestaltungen (unten
S. 294 u. § 60, II n. 2).
innerhalb des Verbandes wird z. B. anerkannt in O.Tr. 19. Nov. 1860 (Str. 39
S. 204), 14. Juni 1864 (Str. 55 S. 132), 20. Sept. 1877 (Str. 97 S. 365), 4. Okt. 1878
(Str. 100 S. 183); V.G.H. 11. Jan. 1881 (Samml. II S. 460); Bl. f. adm. Pr. 1872
S. 220, 1887 S. 209.
pflichtigen untereinander die Civilgerichte zuständig waren, der Behörde gegenüber
aber nur der Beschwerdeweg sich eröffnete. Deshalb war, wenn die Festsetzung
von dieser bereits erfolgt war, möglicherweise ein doppeltes Verfahren nötig;
Oppenhoff, Ressortverhältnisse S. 105. Das Zuständigkeitsgesetz § 46, § 47,
§ 56 verweist auch die Streitigkeiten zwischen den Beteiligten vor die Verwaltungs-
gerichte. Wenn der wegen Schullasten oder Wegelasten in Anspruch Genommene
behauptet, daß ein Anderer statt seiner verpflichtet sei, so kann er nicht gegen
die Behörde allein, sondern muß auch gegen diesen Andern klagen; die Ent-
scheidung wirkt aber auch bindend für die Behörde; v. Brauchitsch, V.Gesetze
Bd. I S. 301.
schaften auch Gesellschaften des öffentlichen Rechts.“ Ein Beispiel in O.V.G.
9. Mai 1885 (Samml. XII S. 171): Es werden Hebammenbezirke gebildet gemäß
K. Ordre v. 16. Jan. 1817; die Eltern jedes Kindes im Bezirk, auch wenn sie die
Land-Hebamme nicht rufen, haben an dieselbe eine bestimmte Taxe zu entrichten.
Sie bilden einen Verband für das öffentliche Institut der Hebamme. Der Heb-
ammenbezirk aber „ist keine öffentliche Korporation; durch Polizeiverordnung
Schulsocietäten allmählich zu einer juristischen Persönlichkeit gelangt. Foerster-
Eccius, Preuß. Priv.-R. IV S. 671, stellt das einfach als Thatsache fest, wenn er
von den Armenverbänden sagt: „sie sind als juristische Personen mit Vermögens-
und Verfügungsfähigkeit nach außen anzusehen“. Ebenso S. 687 wegen der Schul-
societäten. Der eigentümliche Zusatz, daß diese juristische Persönlichkeit nur
werden.“ — Ebenso sind manche Lieferungsverbände (vgl. unten Note 21) außer
Zusammenhang mit irgend einer juristischen Person. Auch Armenverbände er-
scheinen in dieser Weise als bloße Bezirke, innerhalb deren die Armenlast auf-
gebracht wird durch die Einzelnen unmittelbar oder durch Vermittlung der ver-
schiedenen im Bezirk begriffenen Selbstverwaltungskörper; so nach K. Ordre v.
17. Nov. 1845 der Landarmenverband der drei Eichsfeldischen Kreise mit dem
Kreise Nordhausen; Mascher a. a. O. S. 404.
habe. Aber welche? — Rosin, Öff. Gen. S. 53, hält es hier für gestattet, „aus
der Anerkennung der Vereinigung als Rechtseinheit im Privatrecht auch auf ihre
Eigenschaft als universitas im öffentlichen Rechte zu schließen“. Das von ihm
selbst so kräftig hervorgehobene Unterscheidungsmerkmal der juristischen Personen
des öffentlichen Rechts ist aber hier jedenfalls nicht zu finden. Diese juristische
Person hat keinen „Lebenszweck“, zu dessen Erfüllung sie dem Staate gegenüber
verpflichtet wäre. Sie hat keine öffentliche Verwaltung zu führen (darüber unten
§ 55). Nehmen wir z. B. die Organisation eines preußischen Schulverbandes, wie
sie ausführlich dargestellt ist bei Schneider und Bremen, Volksschulwesen II
S. 62 ff. Die Schule selbst, die Hauptsache, wird ganz von staatlichen Behörden
geordnet und geleitet, namens des Staates, nicht namens des Verbandes; auch die
Bedürfnisse werden von diesem festgesetzt. Die aufgebrachten Mittel gehören
natürlich dem Schulverband, so lange sie nicht verwendet sind; aber der hat nicht
einmal eine ständige Vertretung. Nur im Bedarfsfalle werden Repräsentanten
berufen. Sie haben dann lediglich über Angelegenheiten der Vermögensverwaltung
zu beschließen: Veräußerung und Erwerb von Grundstücken, Neubauten (über
deren Notwendigkeit sie aber nicht entscheiden: Schneider und Bremen a. a. O.
S. 63 n. 8); auch können sie Gratifikationen und Gehaltszulagen bewilligen, welche
das strenge Bedürfnis überschreiten, und zu diesem Zwecke über die Mittel des
Verbandes verfügen. Sie sind also die Kuratoren einer Vermögensmasse, aber sie
verwalten keine Schule. — Ähnlich steht es mit der Beteiligung der Deichverband-
angehörigen, wie sie Preuß. Deichges. v. 24. Jan. 1859 geordnet hat. — In vor-
trefflicher Weise hat Gierke, Gen.R. I S. 766, den Gegensatz, um welchen es sich
hier handelt, beobachtet und zum Ausdrucke gebracht an dem Beispiel der
preußischen Kirchengemeinden. Sie sind als Genossenschaften verkümmert durch
die Übermacht des landesherrlichen Kirchenregiments, welches ihnen keine kirch-
lichen Befugnisse ließ. „Wenn indes die meisten und besonders die evangelischen
Gemeinden der deutschen Landeskirchen bloße Kirchenverwaltungssprengel ohne
eigenes Leben und ohne eine kirchliche Persönlichkeit blieben oder wurden, so
wurde ihnen doch in der Regel eine privatrechtliche Persönlichkeit zugestanden
und als Äquivalent für die ihnen auferlegten Kirchenlasten ein selbständiges Recht
— in Preußen sogar das Eigentum — am Kirchenvermögen und eine Teilnahme
an dessen Verwaltung eingeräumt.“ Der „Kirchenverwaltungssprengel“, dessen Be-
wohner zusammen die „Kirchenlasten“ tragen, ohne „kirchliche Befugnisse“ zu
haben, das ist unser Verband. Die „privatrechtliche Persönlichkeit“, die dem Ver-
bande zugestanden wird, steht im richtigen Gegensatze zu der „kirchlichen Per-
sönlichkeit“, d. h. zu der juristischen Persönlichkeit des öffentlichen Rechts, die
ihm fehlt.
Zweckverbänden ohne selbständige Organisation“. Aber falsch ist die Auffassung,
daß ein solcher Zweckverband sich damit von selbst mit dem entsprechenden
Selbstverwaltungskörper verschmelze. So wenn Rosin von den Landlieferungs-
verbänden sagt: „Es besteht hier überhaupt für den neuen Zweck keine besondere
Genossenschaft, sondern die Gemeinde fungiert zugleich in der Eigenschaft als
solche.“ Der Landlieferungsverband besteht für das Gebiet der Gemeinde und die
Beamten der Gemeinde werden zur Durchführung der Verbandlast benutzt; aber er
ist nicht die Gemeinde, sondern eine Gesellschaft für sich und gar nicht notwendig
öffentliche Genossenschaft oder sonst eine juristische Person oder auch nur an-
gelehnt an eine solche. Landlieferungsverbände sind z. B. in Baden die Amts-
bezirke, in Elsaß-Lothringen die Kreise (R.Ges.Bl. 1876 S. 154); beide bilden keine
juristischen Personen, sind keine Gemeinden. Der Landlieferungsverband begnügt
sich also mit der für diesen Verwaltungsbezirk bestehenden ordentlichen Ver-
waltungsbehörde, um durch sie seine Angelegenheiten besorgt zu bekommen. Trifft
er in seinem Bezirke zufällig mit einer juristischen Person zusammen, so braucht
er weder mehr von ihr zu verlangen, noch in ihr aufzugehen.
will, so ist es jedenfalls nicht, wie Rosin, Öff. Gen. S. 53 Note 44 a. E., meint,
die Pflicht des Selbstverwaltungskörpers, von der auszugehen wäre und wofür die
besteht, ohne daß ein Selbstverwaltungskörper überhaupt damit zusammentrifft
(oben Note 21); die Haftung eines solchen „Ganzen“ ist nur die äußerliche Zuthat.
Sie ist auch niemals selbstverständlich, sondern eine Frage der Auslegung der
Rechtssätze, welche die einzelnen Lasten regeln.
Konzession. So erklären sich Ausdrücke wie „Verleihung einer Konzession“; vgl.
z. B. Eger, Eisenbahnrecht I S. 33. Über den weitverbreiteten Mißbrauch, auch
die gewerbepolizeiliche Erlaubnis als Konzession zu bezeichnen, vgl. Bd. I § 21
Note 1. Dieses Zusammenwerfen ist für die Polizeierlaubnis weniger schädlich
als für unser Rechtsinstitut, an dem dann der Gleichheit halber gern wesentliche
Seiten übersehen werden. Ein Beispiel bot der Prozeß, welchen die West-
schweizerischen Bahnen in den 70er Jahren gegen die Eidgenossenschaft führten
wegen einer Auflage, die ihnen gemacht worden war (unten § 50 Note 5). Der
Schweizerische Bundesrat formulierte in der Botschaft vom 16. Juni 1871 seine
Auffassung von der rechtlichen Bedeutung der Eisenbahnkonzession dahin: „Kon-
zessionen sind Akte der Staatshoheit. Der Staat pacisziert mit der Eisenbahn-
gesellschaft so wenig, als mit dem Wirte, Metzger, Apotheker u. s. w., welchen er
Konzessionen gewährt, über die Ausübung seiner Staatshoheit in diesen Materien.“
Die sogenannten Konzessionen der Wirte u. s. w. sind natürlich einfache Polizei-
erlaubnisse; wenn man diesen die Eisenbahnkonzession schlechthin gleichstellt, so
setzt man sich von vorneherein in die Unmöglichkeit, die dadurch erzeugten
Rechtsverhältnisse gebührend zu würdigen. Vgl. Heusler, Über die rechtliche
Natur der Eisenbahnkonzession im allgemeinen und den Prozeß der West-
schweizerischen Bahnen gegen die Schweizer Eidgenossenschaft im besonderen
S. 3. Seiler, Rechtliche Natur der Eisenbahnkonzession S. 34, findet, daß die
Eisenbahn an sich zunächst einem Privatunternehmen gleicht, wegen ihrer eminent
öffentlichen Bedeutung aber eine fortwährende Kontrolle und Aufsicht des Staates
erfordert. „Von diesem Gesichtspunkte aus ist die (bundesrätliche) Vergleichung
mit den gewerblichen Konzessionen entschieden gerechtfertigt.“ Damit kommt
man aber auch über die ganz unzureichende polizeiliche Auffassung des Rechts-
instituts nicht hinaus.
öffentlichen Verwaltung vgl. oben § 33, II n. 1 u. 2.
Geschäfte nicht im Namen des Reichs, sondern im eigenen Namen betreibt. Diese
Geschäfte sind aber ein öffentliches Unternehmen; die Reichsbank ist eine öffent-
liche Anstalt, welche das Reich gegründet und der gleichzeitig gebildeten Aktien-
gesellschaft zum Betriebe unter seiner Aufsicht überlassen hat. Laband, St.R. II
S. 133 (3. Aufl. S. 125). Vgl. auch unten § 56 Note 19.
S. 284 Anm. In umfassender Weise hat das französische Recht solche concessions
de travaux publics ausgebildet auf Grund des Ges. v. 16. Sept 1807; vgl. Theorie
des Franz. V.R. S. 359, S. 303. Demselben Zwecke dient im neueren Rechte
mehr die Form der öffentlichen Genossenschaft der beteiligten Grundbesitzer, so
daß dieser Anwendungsfall der Verleihung ziemlich verschwunden ist.
staatlichen Wegeregal gesprochen; in Bd. II S. 484 Note 5 leistet er Abbitte,
weil es sich vielmehr um ein Wegehoheitsrecht handle. Gerber, dessen
Ausführungen in früheren Ausgaben seines Lehrbuches zu dieser Meinungsänderung
beigetragen hatten, belobt ihn dafür (D. Priv.R. 14. Aufl. S. 162 Note 5); er findet
es schwer begreiflich, wie ein anderer Schriftsteller immer noch „diese aus der
Landespolizei hervorgehenden Berechtigungen zu einem Landstraßenregal
stempeln kann“. Wenn man mit jedem dieser Ausdrücke den strengen Rechts-
begriff verbindet, den er wirklich bedeutet, so paßt auf das ausschließliche Recht
des staatlichen Wegewesens, wie es heute besteht, keiner von allen. Hoheitsrechte
giebt’s nicht mehr, Regale auch nicht; von Polizei ist hier gar keine Rede, so
wenig wie bei dem ausschließlichen Rechte der öffentlichen Briefpost, das mit
unserem Rechtsinstitut am nächsten verwandt ist (vgl. unten Note 9 und § 52
Note 2); der Gegensatz zur Polizei wird bei der Eisenbahnverleihung besonders
deutlich werden (vgl. unten Note 8). Will man aber mit diesen Ausdrücken nur
den Gedanken anklingen lassen, daß der Staat hier als öffentliche Gewalt beteiligt
ist, daß öffentliche Rechtsinstitute in Frage stehen, so darf man es damit ja so
streng nicht nehmen. Erklärt ist dann allerdings auch nicht viel damit; die Be-
zeichnung als Regal sagt verhältnismäßig noch am meisten. — Anwendungsfälle
der Verleihung von Straßenunternehmungen gab in Preußen früher vornehmlich
der Chausseebau. Entsprechend der älteren Rechtsauffassung behandelte man
das wesentlich als Vertrag; „verliehen“ wurde dabei nur das Enteignungsrecht und
das Recht, einen Zoll zu erheben. Der Chausseebau wurde von den Aktien-
21. Juli 1809 vgl. v. Roenne a. a. O. S. 179. — Der bayrische Ludwigs-Donau-
Main-Kanal war ursprünglich einer zu diesem Zwecke gebildeten Aktiengesellschaft
zum Bau und Betrieb verliehen gewesen (Bayr. Ges. v. 1. Juli 1834); erst nach-
träglich hat ihn der Staat erworben. — Die Verleihung von Fährunternehmen
gründet sich für das preuß. R. auf A.L.R. II 15 § 51, wo der gewerbsmäßige
Betrieb eines solchen für ein Regal erklärt wird; vgl. O.Tr. 6. Mai 1863 (Str. 48
S. 333), O.Tr. 6. Jan. 1879 (Str. 100 S. 369). Das Bayr. Wasserges. v. 28. Mai
1852 § 16 und 17 macht die Herstellung von Brücken und Fähren an öffent-
lichen Flüssen von einer „Bewilligung“ der Kreisregierung abhängig. Pözl,
Wasserges. S. 77, spricht hier von „Verleihung“ und von Bedingungen, welche dem
„Konzessionär“ auferlegt werden, und hält jene Bestimmungen aufrecht gegenüber
der Reichs-Gew.O., weil diese nach § 6 keine Anwendung findet auf „die Befugnis
zum Halten öffentlicher Fähren“. Öffentliche Fähren und öffentliche Brücken sind
allerdings durchaus nicht gleichbedeutend mit Fähren oder Brücken über einen
öffentlichen Fluß. Sollte das Gesetz nicht vielleicht beides zugleich gemeint
haben?
das Material bei v. Rönne, Verf. u. Verw. des Preuß. Staates T. IV Bd. IV
Abt. 2 (Wegepolizei) S. 178 ff. — Bei Ortsstraßen kommen derartige Ver-
leihungen unter verschiedenen Namen vor. In C.C.H. 19. Okt. 1872 (J.M.Bl. S. 73)
ist es eine Erlaubnis zur Straßenanlage mit Verpflichtung dazu; im R.G. 22. Sept.
1888 (Samml. 22 S. 292) eine Übereinkunft. Der Name Vertrag ist der gebräuch-
lichste; vgl. unten Note 11.
XIII S. 285 will die Eisenbahnen ohne weiteres unter das Straßenregal fallen
lassen. Andere nehmen wenigstens ein damit verwandtes Eisenbahnregal an; das
ist überflüssige Archaistik. Koch, Deutschlands Eisenbahnen II S. 484, Haberer,
Österreichisches Eisenbahnrecht S. 3, Eger, Preuß. Eisenbahnrecht I S. 26,
welche ebenfalls auf das Wegeregal als Ausgangspunkt hinweisen, heben dabei
noch die große Wichtigkeit hervor, die es für den Staat hat, dieses mächtige
Verkehrsmittel in der Hand zu behalten. Das ist richtig; aber die Wichtigkeit
darf nicht sowohl in der Stärkung des Machteinflusses der Regierung gesucht
werden, als in dem öffentlichen Interesse der einheitlichen Ordnung der großen
Verkehrswege, ganz wie bei den gewöhnlichen Straßen. Zudem gäbe die Wichtig-
keit allein noch keinen Rechtssatz.
S. 2 Anm. 3; Haberer, Österreich. Eisenbahn-R. S. 22; v. Roenne, Preuß.
St.R. IV S. 579 Note 1 a; Illing, Handbuch f. Preuß. V.beamte I S. 964 Note
(Reskript v. 18. Dez. 1869: eine Eisenbahn zur Privatbenutzung unterliegt nur
einer „Prüfung in landespolizeilicher Hinsicht, insbesondere in Anbetracht der von
der Eisenbahn zu überschreitenden öffentlichen Wege“). — O.V.G. 13. Sept. 1890
behandelt die Frage ausführlich. Ein Ziegeleibesitzer hatte eine Geleisbahn ein-
gerichtet von seinem Thonberg nach seiner Ziegelei. Das Eisenbahnges. v. 1838
ist darauf nicht anwendbar. Wegen Durchschneidung einer Straße bedarf es der
Zustimmung des Straßeneigentümers, d. h. nach unserer Lehre (oben § 39) der Ver-
leihung eines besonderen Nutzungsrechtes an der Straße. Hier hatte der Unter-
nehmer im voraus für seine ganze Bahn eine Genehmigung der Polizeibehörde ein-
geholt, und das Gericht untersucht nun, was diese Genehmigung bedeuten könnte.
Die Behörde hat sich mit dieser Bahn nur zu beschäftigen vom Standpunkte der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit aus, welcher sie möglicherweise Störungen
bereiten möchte. Mit Rücksicht hierauf können allgemeine polizeiliche Anord-
nungen ergehen, welche ein solches Unternehmen auch unter den Vorbehalt einer
Polizeierlaubnis stellen können. Wenn, wie im vorliegenden Falle, derartige An-
ordnungen nicht bestehen, kann jedenfalls die Polizeibehörde eingreifen, sobald sich
Telegraphenanlagen für die Vermittlung von Nachrichten zu errichten und zu be-
treiben, steht ausschließlich dem Reiche zu.“ § 2: „Die Ausübung des in § 1
bezeichneten Rechtes kann für einzelne Staaten und Bezirke an Privatunternehmer
verliehen werden.“ In § 3 wird dann ein ausschlußrechtfreies Gebiet des Privat-
telegraphen abgegrenzt, entsprechend der Privatstraße und Privateisenbahn.
seinen Plan schon vorher zur Prüfung ein und führt ihn nur durch, wenn diese
Prüfung günstig ausgefallen ist. Das Gericht fährt nun fort: „Die Resultate einer
solchen Prüfung können in der Form einer Konzession, eines Konsenses zusammen-
gefaßt werden. Ein solcher stellt sich dann als die Erklärung dar, daß gegen die
beabsichtigte Anlage polizeilicherseits nichts zu erinnern sei, verleiht dem Empfänger
aber kein wohlerworbenes Recht.“ Die richtige Konzession thut das; hier aber
bedeutet das Wort, wie wir sehen, nicht einmal eine Polizeierlaubnis, sondern eine
bloße Meinungsäußerung, die Erklärung, daß man nicht glaube, einschreiten zu
müssen. Wenn wir statt Konzession durchweg Verleihung sagten, würden die
mit dem ersteren Ausdruck nun einmal verbundenen Zweideutigkeiten bald ver-
schwinden.
Unternehmen dieser Art ist der Abschluß eines Vertrages erforderlich, welcher
die Rechte und Verpflichtungen zwischen dem Unternehmer und dem Fiskus (!)
feststellt.“
1833 an den König von Bayern gerichtet und stellte folgende Bitten:
- „1. Die vorgelegten Gesellschaftsstatuten zu bestätigen;
- 2. der solcher Gestalt sanktionierten Gesellschaft ein ausschließliches Privilegium
zur Herstellung und immerwährenden Benutzung der Eisenbahn zwischen
Nürnberg und Fürth und deren künftigen Fortsetzungen nach allen Richtungen
unter Befreiung von allen indirekten Staatsauflagen zu verleihen; - 3. der Eisenbahn selbst und ihren Fortsetzungen die Rechte und den Schutz
der Staatsstraßen allerhuldreichst zuzusichern“ (Hagen, Die erste deutsche
Eisenbahn S. 77).
Der letzte Satz ist das Wesentliche. Man sieht hier deutlich, wie angeknüpft
wird an das Straßenregal. — Die daraufhin erfolgte Erteilung des Privileges vom
19. Februar 1834 hat folgenden Wortlaut:
durch die Eisenbahnkonzessionen der schweizerischen Kantone und die Beschlüsse
der schweizerischen Bundesversammlung für die beteiligten Gesellschaften Privat-
rechte begründet werden. — Drei Rechtsgutachten, betreffend die rechtliche Natur
der Eisenbahnkonzessionen, von Carrard, Heusler und Hilty (aus Anlaß des
Broyethalbahn-Streites verfaßt). — Zur Nordbahnfrage, Gutachten von Exner und
Grünhut in Ztschft. f. Priv. u. Öff. R. XIV S. 704 ff. — Denkschrift über die
Verstaatlichung der im Großherzogtum Hessen gelegenen Strecke der Hessischen
Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft, von Laband verfaßt als Entgegnung auf
ein von G. Meyer über diese Frage erstattetes Gutachten; dazu dann des Letzteren:
Erwiderung auf diese Denkschrift.
Verkehrs- und Transportanstalten S. 22.
zusammengetretene Aktiengesellschaft um Verleihung eines ausschließenden Privi-
legiums hiefür die unterthänigste Bitte gestellt hat, so wollen Wir nach genommener
Einsicht und Genehmigung der von dieser Gesellschaft entworfenen Statuten in
allergnädigster Anerkenntnis des fraglichen Unternehmens als einer gemeinnützigen,
für die Verkehrserleichterung zwischen zweien der gewerbereichsten Städte Unseres
Königreichs zum öffentlichen Gebrauche dienenden Anstalt das erbetene aus-
schließende Privilegium zur Errichtung einer Eisenbahn zwischen Nürnberg und
Fürth für die nächstfolgenden 30 Jahre, jedoch unter nachstehenden Bedingungen
bewilligen und hiermit verliehen haben, daß:
- 1. die bezeichnete Eisenbahn binnen der nächsten 5 Jahre, vom Tage gegen-
wärtiger Verleihung an gerechnet, wirklich eröffnet werde; - 2. die Gesellschaft sich verbindlich erkläre, für den Fall des Anschlusses anderer
von Uns genehmigter Eisenbahnen, welche in irgend einer Richtung durch
einen Teil des Landes geführt werden, an diese privilegierte Eisenbahn
zwischen Nürnberg und Fürth derselben die durch eben bemerkte größere
Verbindung etwa erforderlich werdende Erweiterung oder sonstige Einrichtung,
welche der Anschluß erfordert, zu geben, - 3. endlich das erteilte Privilegium durch fünfjährigen Nichtgebrauch erlösche.“
die treffende Widerlegung von Sachs in Ztschft. f. H.R. XIX S. 330 ff. Nach
Rüttimann, Bundesstaats-R. II S. 133, wären die amerikanischen Juristen seiner
Meinung. Meili a. a. O. S. 22 glaubt darauf hinweisen zu sollen, daß auch die
französischen Schriftsteller hier von einem Vertrage sprechen; darauf beruft sich
schon Carrard in seinem Gutachten zur Broyethalbahnfrage S. 14. Allein der
contrat administratif, von welchem bei Dufour, Bathie, Perriquet u. A. die Rede
ist, soll ja in Wahrheit gar kein Vertrag sein, sondern hat nur den Namen eines
solchen; vgl. Arch. f. öff. R. III S. 25.
dieser Sache S. 16: „Es nimmt also jede Eisenbahnkonzession an Private unwill-
kürlich (?) neben dem Charakter einer Verleihung von Souveränetätsrechten auch
den Charakter eines zweiseitigen Privatvertrages an, aus dem gegenseitig gericht-
lich klagbare Rechte und Gegenrechte entstehen. Diese beiden Seiten, die staats-
rechtliche und die privatrechtliche, bestehen in jeder Eisenbahnkonzession neben
einander, dieselbe hat einen staatsrechtlichen und einen privatrechtlichen Teil.“
Ebenso Haberer, Österreich. Eisenbahn-R. S. 24: Die Konzession enthält zu-
nächst den Willen der Staatsgewalt, die Ausübung des Hoheitsrechtes nicht selbst
zu vollziehen, sondern einem Dritten zu überlassen. „Enthält die Urkunde noch
andere Bestimmungen, … so erhält sie auch noch den Charakter eines zwei-
seitig verbindlichen Vertrages.“
über Eisenbahnwesen v. 16. Juni 1871 (oben Note 1); Seiler, Rechtliche Natur
II S. 489; Heusler in s. Rechtsgutachten S. 9; Seiler, Rechtl. Natur der Eisenb.
Konz. S. 28. Nach Endemann, R. der Eisenb. S. 280—282, ist die Konzession
„nicht ein nach den Grundsätzen des Privatrechts zu beurteilender Vertrag“; das
daraus entstehende Verhältnis ist aber „als ein vertragsmäßiges zu bezeichnen“;
allein ihrem Wesen nach ist die Konzession „ein Verwaltungsakt“; „für den Er-
werber“ ist sie ein „Privileg“; „als Specialgesetz darf sie nicht behandelt werden.“
Was mag da wohl eigentlich gemeint sein?
vor allen Heusler zu erwähnen, der in seinem Rechtsgutachten aus dem Satze,
daß das durch die Konzession Zugesicherte ein Privatrecht bilde (S. 6), allmählich
§ 164, II Note 5, § 165 a. E., § 196 III; ein Privilegium kann sich mit der für
den Staat stets unverbindlichen Konzession nur insoweit verbinden, als Rechte
gegen andere Unterthanen begründet werden, z. B. ausschließliche Gewerberechte
(§ 165 a. E.)
der Staatsgewalt“ (Eger, Eisenbahn-R. I S. 93), „hoheitlicher Akt“ (Seiler,
Eisenbahnkonz. S. 52), „Staatsakt“ (Loening, V.R. S. 628), „Verwaltungshand-
lung“ oder „rechtsbegründender Verwaltungsakt“ (G. Meyer, V.R. I S. 532). Aber
unseren Verwaltungsakt in der ganzen Kraft des Begriffes pflegt man damit doch
nicht vor Augen zu haben.
rechtlicher Natur seien (S. 13), und dann die zweite Verwechslung hinzufügt: selbst
ein öffentlichrechtliches Privileg, einmal erteilt, „ist für den Privilegierten zum
Vermögens-, zum Privatrecht geworden. Es handelt sich dabei einfach um pekuniäre
Vorteile, also (!) ein privatrechtliches Verhältnis“. Laband in seinem Gutachten
für die Hessische Ludwigsbahn S. 11 beruft sich auf diese Ausführungen und
schließt seinerseits: Die Konzession bestimmt Grundsätze über künftige Ent-
schädigungen, begründet also einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen die
Hessische Staatskasse, folglich einen privatrechtlichen Anspruch. In derselben
Gedankenreihe müßte aber auch der Gehaltsanspruch des Staatsbeamten privat-
rechtlich werden, den Laband doch mit so vortrefflicher Begründung dem öffent-
lichen Rechte zuweist (St.R. I S. 491; 3. Aufl. S. 468).
im Staatsdienst; oben § 44 S. 222. In ihnen schon einen Vertrag zu sehen, welcher
der Erteilung des „Privilegiums“ vorausgeht, hat keinen Zweck, wenn man doch
anerkennen muß, daß keinerlei Anspruch damit begründet wird: Eger, Eisen-
bahn-R. I S. 94.
leiher und dem Beliehenen tritt unabhängig davon in Kraft schon durch die etwa
vorausgegangene Eröffnung an den Letzteren. — Gemäß H.G.B. art. 210 wird der
neu zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession in vorläufiger Weise und
bedingt erteilt und dem Gründungskomitee eine Urkunde darüber zugestellt; Eger,
Eisenbahn-R. I S. 124.
Genehmigung bedurften; vgl. z. B. die „Konzessions- und Bestätigungsurkunde“
der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft in Preuß. Ges.samml. 1844 n. 3. Scharf
erscheint diese Form namentlich da, wo das zu verleihende Unternehmen durch
einen gesetzlichen Einzelakt besonders gestaltet und mit einer in Aussicht ge-
nommenen Aktiengesellschaft im voraus verknüpft wird. So Bayr. Ges. v. 1. Juli
1834, II wegen des Ludwigs-Donau-Main-Kanals und vor allem Reichsbankges. v.
14. März 1875 § 12.
überall die Bestimmungen der Konzession in erster Linie für maßgebend hält,
Eger, Eisenbahn-R. I S. 118, nur die dritte, wenn er verlangt, daß die beson-
deren Bedingungen der Konzession „sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften
halten müssen“.
stehende Recht wird durch die Vorbehalte in den Konzessionen nicht erschöpft,
sondern erstreckt sich so weit, als die Pflicht des Staates reicht, dafür zu sorgen,
daß die Eisenbahn ihre Eigenschaft als öffentliche Transportanstalt erfüllt.“
1855 betreffend die Verpflichtungen der beliehenen Eisenbahnunternehmer. Seydel,
Bayr. St.R V S. 543, hält sie für eine wahre Verordnung, Rechtsverordnung, und
glaubt die hierzu nötige gesetzliche Grundlage in dem später ergangenen Gewerbe-
gesetz v. 30. Jan. 1868 zu finden. Was wäre sie bis dahin gewesen? — Richtig
V.G.H. 13. April 1886 und 4. Mai 1886; die Verord. kann danach „eine unmittel-
bar rechtserzeugende Wirkung nur nach Art eines Vertragsverhältnisses äußern“,
sie ist bindend als „lex contractus“; die civilrechtliche Ausdrucksweise muß man
zu Gute halten.
rischen Bahnen gegen die Eidgenossenschaft, worüber die Rechtsgutachten von
Carrard, Heusler und Hilty. Der Bundesrat hatte der Gesellschaft aufgegeben,
auf ihrer Broyethallinie einen vierten Zug pro Tag einzustellen. Dieser war für
notwendig erachtet im Interesse des durchgehenden Verkehrs. Die Verleihungs-
urkunde verpflichtete zur Unterhaltung der notwendigen Züge, und zwar mindestens
zweier täglich. Das Recht des Bundesrats, mehr zu verlangen, wurde allseitig an-
erkannt; aber Entschädigung ist geschuldet. Heusler, Gutachten S. 28, begründet
dies damit, „daß der S. O. die Kosten des vierten Zuges billigerweise nicht zu-
gemutet werden dürfen. Sie hat die Erstellung und den Betrieb einer Lokalbahn
übernommen; sie hat hierbei den gewichtigen Faktor in Anschlag bringen dürfen,
daß sie, so lange der Verkehr in den engen Grenzen des Lokalverkehrs bleibt,
zu mehr als zwei Zügen, sofern solche zur Beförderung der Passagiere genügen,
nicht könne angehalten werden.“
S. 45 Note 28, S. 53 Note 37.
für verpflichtet erklärt, eine Strecke seiner Straße zu verbreitern, die Enteignung
alsbald für seine Rechnung durchgeführt, danach die Entschädigung festgesetzt und
durch das Polizeipräsidium mit administrativer Zwangsbeitreibung von ihm erhoben.
Bromberg hat gegen einen Straßenunternehmer, statt im Verwaltungswege vorzu-
gehen, bei Gericht auf verleihungsgemäße Herstellung der Bürgersteige geklagt.
Das Reichsgericht findet, daß das noch eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit sei, da
vermögensrechtliche Ansprüche „begriffsmäßig“ in das Gebiet des Privatrechts ge-
hören. Richtig ist nur, daß sie nach unserem Rechte vor die Civilgerichte gehören
(Bd. I § 16, II). Ob die verleihungsmäßige Pflicht, eine öffentliche Straße herzu-
stellen, auch dahin zu rechnen ist, möchten wir bezweifeln. Wenn aber die Civil-
gerichte über solche öffentlichrechtliche Fragen entscheiden wollen, so müssen sie
ihnen auch gerecht zu werden suchen. Was thut aber das Reichsgericht? Es
untersucht, ob ein civilrechtlicher Titel vorliege, und findet: „die Nachsuchung der
Konzession“, die Anordnungen, welche die Stadt mit „ihrer obrigkeitlichen Gewalt“
getroffen hat für den Bau, und die Erklärung des Beklagten, danach die Straße
bauen zu wollen. Also eine Verleihung in aller Form. Das ist, sagt das Gericht,
kein Vertrag und folglich der Anspruch der Stadt auf verleihungsmäßige Aus-
führung des Straßenbaues nicht begründet. Man könnte daraus eine Warnung
entnehmen vor Ausdehnung der Zuständigkeit der Civilgerichte auf Fragen des
öffentlichen Rechts. — Bei Eisenbahnunternehmungen erscheint die Ersatzvornahme
auch in der einschneidenden Form der Sequestration; Haberer, Österr. Eisen-
bahn-R. S. 309 ff.
Übertragung der einer Eisenbahnunternehmung verliehenen Konzession“ die staat-
liche Genehmigung. Endemann, R. der Eisenbahnen S. 285: „Zur Weiter-
begebung bedarf es mindestens der Genehmigung der konzessionierenden Regierung
oder einer neuen Konzession.“ Letzterenfalls wäre es aber doch keine Weiter-
begebung. Unrichtig ist es jedenfalls, wenn beide Schriftsteller die Konzession
als „höchstpersönliches Recht“ bezeichnen; da wäre von Übertragung und Weiter-
begebung überhaupt nicht mehr die Rede.
„das Verhältnis des Staates zu dem Konzessionär“, das die Konzession zunächst
begründet, und die daraus sich ergebende „Rechtsstellung des Konzessionärs nach
außen, dem Publikum gegenüber“.
gelderhebung u. s. w. ist nicht selbständiger Gegenstand der Verleihung (O.Tr.
6. Mai 1863, Str. 48 S. 333; R.G. 12. Juni 1883, Samml. IX S. 276; O.V.G.
7. Dez. 1887), sondern Begleiterscheinung des verliehenen Unternehmens, wenn es
auch im Verleihungsakte ausdrücklich hervorgehoben wird. Andererseits ist es
falsch, wenn so gern auf die Vermögenswerte, die im Unternehmen stecken, hin-
gewiesen wird, um zu behaupten, die Verleihung habe auch „civilrechtliche
Wirkungen“.
Existenz des Unternehmens“ im Gegensatz zu der „persönlichen Existenz“ des-
selben, die mit der Einziehung der Konzession aufhört.
Ludwigsbahn S. 8, bestreitet dem Staate dieses Recht, da er ein solches auch
nicht habe im Falle des Erlöschens der Polizeierlaubnis zu Pulverfabriken, Theatern,
Gastwirtschaften. G. Meyer in seiner Erwiderung S. 21 bemerkt richtig, daß die
Eisenbahnen eben „keine privaten Erwerbsgeschäfte, sondern öffentliche Verkehrs-
anstalten“ seien. Wir fügen hinzu, daß auch die Verleihung etwas anderes ist als
die Polizeierlaubnis.
(Str. 100 S. 369) läßt Verzicht auf eine Fährgerechtigkeit zu, da diese eine Ge-
werbekonzession sei; vgl. Bd. I § 21 Note 23. Nach Bayr. Gewerbeges. v. 1868
art. 12 ist unter dem gleichen Gesichtspunkte der Verzicht auf die Eisenbahn-
konzession für zulässig erklärt (Seydel, Bayr. St.R. V S. 546). Haberer, Österr.
Eisenbahn-R. S. 27, will den Verzicht deshalb gelten lassen, weil die Konzession
keine „privatrechtliche Pflicht zum Betriebe“ begründe; als ob es nicht auch
öffentlichrechtliche Pflichten gäbe! Endemann, R. der Eisenbahnen S. 286,
unterscheidet: nach Herstellung des Unternehmens ist Verzicht unzulässig; vorher
kann durch Nichtausführung die einfache Verwirkung herbeigeführt werden, also
soll auch Verzicht zulässig sein. Das ist aber doch nicht gleichbedeutend.
§ 12; Endemann, R. der Eisenbahnen S. 287; Seydel, Bayr. St.R. V S. 546;
Koch, Deutschl. Eisenbahnen I S. 158 Note 2. — Auch ohne besonderen Vor-
behalt oder Rechtssatz fließt dieses Zwangsrecht aus der Verleihung als ein selbst-
verständliches. Ist das Unternehmen überhaupt noch nicht ausgeführt, so ist
das Verfahren unanwendbar; es wird in diesem Falle nur die einfache Ver-
wirkung ausgesprochen werden.
S. 715 ff.) will in einem solchen Fall der „Nichterneuerung des Privilegs“ den
ganzen Wert des Unternehmens vergüten lassen. Es sei keine wirkliche, aber doch
eine mögliche Eisenbahn. Möglich ist sie aber nach Erlöschen der Verleihung
gerade für den Unternehmer nicht. Daß der Staat oder ein neu beliehener Unter-
nehmer aus diesem toten Material wieder eine Eisenbahn machen kann, darf der
alte Unternehmer sich nicht zu Gute rechnen.
1872 § 27. Das Letztere verfügt bloß, daß ein entsprechender Vorbehalt bei jeder
Eisenbahnkonzession gemacht werden soll; würde das also einmal versäumt, so
würde das Rückkaufsrecht nicht bestehen. Ein Beispiel vorbehaltenen Rückkaufs
ohne gesetzliche Grundlage giebt die Konzessionsurkunde der hess. Ludwigsbahn
v. 15. Aug. 1845 § 15, worüber neuerdings die widerstreitenden Gutachten von
Laband und G. Meyer. Der Erstere hebt mit Recht hervor (Denkschrift S. 2),
daß gegenüber dem subjektiven Rechte des Beliehenen auf das Unternehmen ein
allgemeines selbstverständliches Recht der Verstaatlichung nicht bestehe. Damit
ist aber auch G. Meyer einverstanden (Erwiderung S. 6 ff.).
behaltene Rückkaufsrecht für ein pactum de vendendo, welches nach der Er-
klärung der Regierung, davon Gebrauch machen zu wollen, und Vornahme der
erforderlichen Abschätzung zu einem civilrechtlichen Kaufvertrag führe. Der Be-
Konzession der hess. Ludwigsbahn sehr deutlich wiedergegeben. Die Verleihung
ist auf 99 Jahre erteilt; für das alsdann eintretende Heimfallsrecht des Staates ist
der Taxwert der Bahnanlage und der Betriebsmaterialien zu ersetzen (§ 15). Schon
vorher kann das Rückkaufsrecht geltend gemacht werden; dann ist die Entschädi-
gung nach dem Reinertrag der letzten fünf Betriebsjahre zu berechnen (Konz. v.
3. Jan. 1856 § 22).
V.R.Pfl. S. 501 ff.; F. F. Mayer, V.R. S. 231 ff. Das Wort: öffentliches Unter-
nehmen begreift auch Thätigkeiten, die mit einem einmaligen Erfolg abzuschließen
bestimmt sind (oben S. 10 ff.). Unter öffentlicher Anstalt versteht man manchmal
auch eine besondere Art von juristischen Personen; vgl. unten § 56.
schrift S. 7) entgegen, daß die Enteignung nur auf Gesetz beruhe, niemals vor-
behalten werden könne. Das ist ja richtig; aber um öffentlichrechtlicher Art zu
sein, braucht die vorbehaltene Entziehung des Bahnunternehmens durch einseitige
obrigkeitliche Erklärung auch gar nicht unter die Formen des Rechtsinstituts der
Enteignung zu fallen. Wir müssen uns bei Betrachtung solcher Erscheinungen
viel freier bewegen.
Laband, St.R. II S. 249 (3. Aufl. S. 248), von den Anstalten zur Arbeiterversiche-
Obligationen des Privatrechts .... so wenig wie die Erteilung des öffentlichen
Volksschulunterrichts und die Zahlung des Schulgeldes oder wie die Erteilung
eines gerichtlichen Urteils und die Pflicht zur Tragung der Prozeßkosten sich zu
zweiseitigen obligatorischen Verhältnissen verbinden.“
scheidend. Auch wenn das Gesetz sie gebraucht, bekundet das möglicherweise
bloß, bei welchem Universitätslehrer der Rat, der den Text entwarf, seiner Zeit
Staatsrecht gehört hat. Deshalb ist es unrichtig, wenn Tinsch, Die Postanweisung
S. 4, Schotts Bemängelung der Vertragsnatur der Briefbeförderungsübernahme
durch das Wort „Vertrag“ in Postges. § 50 genügend widerlegt glaubt. Anderer-
seits ist uns aber auch noch nicht gedient, wenn man das wie Zorn, St.R. II
S. 27, für „eine Obligation des öffentlichen Rechts“ erklärt; wir verlangen erst zu
sehen, worin das Öffentlichrechtliche dieser Obligation zum Ausdruck kommt.
Nutzungsverhältnis anzunehmen. Der Gegensatz ist recht gut durchgeführt in Bl.
f. adm. Pr. 1880 S. 321 ff.: Das von einer Aktiengesellschaft betriebene Wasser-
werk zu Regensburg wurde 1879 von der Gemeinde übernommen. „Mit der Über-
nahme des Wasserwerks als Gemeindeanstalt ist das ganze Rechtsverhältnis aus
dem Privatrecht herausgenommen und dem öffentlichen Rechte eingefügt worden.“
Daher Recht aller Gemeindeglieder auf Zulassung zur Benützung, kein Gewerbe-
betrieb, keine Gewerbesteuer, Wasserzins ist öffentliche Abgabe, nicht Entgelt aus
Vertrag, Ortsstatut regelt die Benutzung u. s. w.
Verwaltung fremder Gelder. Bei den ersteren ist die öffentlichrechtliche Auf-
fassung durch das Verhältnis zur Justiz ziemlich nahe gelegt. C.C.H. 10. Juni
1882 (J.M.Bl. 1882 S. 242) bemüht sich denn auch redlich, vom civilrechtlichen
Hinterlegungsvertrag loszukommen. „Dieses Verhältnis ist einerseits aus den
privatrechtlichen Sätzen … nicht erschöpfend zu begründen und andererseits in
seiner Wirksamkeit durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts modifiziert.“ Der
Staat ist darin nicht gleichberechtigter Kontrahent, sondern übergeordneter Herr;
daher „diese Verwaltung sich als Ausübung hoheitlicher Rechte des Staates dar-
stellt“. Nur um den Anspruch auf Rückzahlung zu erklären, fällt man immer
wieder unnötiger Weise in das civilrechtliche Vertragsverhältnis zurück (davon
unten II n. 3). Ähnlich C.C.H. 11. Okt. 1884 (J.M.Bl. 1884 S. 248); R.G. 17. Mai
1884 (Samml. XI S. 319).
setzlichen Zulassungsordnungen einen bemerkenswerten Versuch, das Verhältnis
von Post und Telegraph zu ihren Kunden aus der üblichen Vertragsform zu be-
freien, die er für unzureichend erkennt. Diese Anstalten leisten nach ihm ledig-
lich zur Erfüllung einer gesetzlichen Obligation; die Aufgabe zur Post ist deshalb
nicht Vertragsofferte, sondern eine Aufforderung an die Anstalt, ihrer gesetzlichen
Beförderungspflicht Genüge zu leisten (S. 539). Das entspricht ungefähr dem Bild
der Gewährung der öffentlichrechtlichen Anstaltsnutzung, wie wir es oben in An-
schluß an den Typus der Civilrechtspflege aufgestellt haben. Verfehlt ist nur die
steife juristische Form, die der Sache hier gegeben werden soll. An der gesetz-
lichen Zulassungspflicht kann die Eigentümlichkeit der öffentlichen Anstalt nicht
hängen; eine solche besteht ja nicht bezüglich aller Leistungen der Post, und
für die des Telegraphen überhaupt erst seit dem Gesetze von 1892. Schott macht
allerdings den bedenklichen Versuch, Postordnung und Telegraphenordnung als ge-
setzvertretende Verordnungen wirken zu lassen (S. 533). Aber für andere An-
stalten, Schulen z. B. und Krankenhäuser, findet man nicht einmal einen solchen
Schein eines Gesetzes. Und doch muß die Natur des Verhältnisses überall die
gleiche sein. Zudem bedeuten auch die Gesetze, welche die „Annahme zur Be-
förderung“ vorschreiben, noch keine obligatio ex lege, zu leisten — wo bliebe der
Anspruch auf Erfüllung mit seinen sonstigen Wirkungen? — sondern nur auf Zu-
lassung behufs der Leistung, was doch etwas anderes ist.
erfüllung der rechtssatzmäßigen Zulassungspflicht besteht nicht. So mit Recht für
die Post Laband, St.R. II S. 84 (3. Aufl. S. 78); Tinsch, Die Postanweisung
S. 22. Mittelstein, Beiträge S. 35 meint dagegen: „das Gesetz verpflichtet die
Post zum Kontrahieren. Verletzt sie diese Pflicht, so macht sie sich schadens-
ersatzpflichtig. Dies ist ein Rechtsprincip, welches für die gleichartige Verpflich-
tung der Eisenbahnen zum Abschluß von Frachtverträgen ausdrücklich im Handels-
gesetzbuch anerkannt ist.“ Wir fügen hinzu: Die Schadensersatzpflicht wegen
Nichterfüllung einer Verbindlichkeit ist allgemeiner Rechtsgrundsatz des Civil-
rechts. Die Eisenbahn, die in ihrem ganzen Geschäftsbetrieb auf dem Boden des
Civilrechts steht, würde also für Nichterfüllung der gesetzlichen Annahmepflicht
schadensersatzpflichtig sein, auch wenn das Handelsgesetzbuch es nicht ausdrück-
lich sagte. Auch die Post müßte in dieser Weise haften, wenn sie civilrechtliche
Beförderungsverträge abschlösse und dazu durch das Gesetz verpflichtet wäre.
Nun aber schließt sie keine Verträge, sondern steht auf öffentlichrechtlichem
Boden; das Gesetz, welches ihr die Zulassung zur Beförderung gebietet, ist ein
öffentlichrechtlicher Rechtssatz und die Pflicht, die daraus entsteht, eine öffentlich-
rechtliche. Öffentlichrechtliche Pflichten aber lösen sich, wie schon gesagt (oben
S. 259), im Falle der Nichterfüllung nicht in Schadensersatzpflichten auf. Darin
allein liegt die Lösung. Labands richtige Entscheidung läßt sich nur begründen
von unserem Standpunkte aus, der ja nicht der seinige ist.
hältnis der Post zum Absender als öffentlichrechtlichen Vertrag auffasse, während
es ein civilrechtlicher sei. Die Sache ist aber noch schlimmer: ich stelle über-
haupt jede Art von Rechtsgeschäft in Abrede, das die Leistungen der Post ver-
mittelte; wie ich das übrigens auch schon in der von Laband angefochtenen Aus-
führung gethan hatte. Auch für Schott in Endemann, Handbuch III S. 531,
sollte eigentlich ein Rechtsgeschäft nicht vorliegen; seine „Aufforderung zur Er-
füllung der gesetzlichen Verbindlichkeit“ werden wir nicht als solches gelten
lassen können.
wegen Nichterfüllung hier nicht besteht, hat bei Ludewig, Die Telegraphie
S. 92 ff., zu einem merkwürdigen Erklärungsversuche geführt. Ohne Vertrag kann
auch er nicht auskommen. Um aber die thatsächliche Wirkungslosigkeit dieses
Vertrages zu rechtfertigen, giebt er ihm den Inhalt, daß der Staat nicht selbst
sich zur Leistung verpflichtet, sondern nur verspricht, daß seine Beamten leisten.
Dieser Pflicht genügt er aber, indem er sein Möglichstes thut, daß die Beamten
ihrer Schuldigkeit nachkommen, wie das ja in den bestehenden Einrichtungen aufs
schönste geschehen ist. Geht es also einmal doch fehl, so kann er nichts dafür
und haftet nicht. Das letztere ist wahr. Aber dazu sollen wir an einen so um-
ständlichen Vertrag glauben? Ist es nicht viel ehrlicher zu sagen: es besteht
keiner? Es giebt keine Klage auf Erteilung sachgemäßen Unterrichts in der
öffentlichen Schule, keine Klage auf richtige Verpflegung im öffentlichen Kranken-
haus, keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Unwissenheit des Schülers oder
verzögerter Genesung, wegen Verspätung des Briefes und Nichtablieferung der
Depesche. Wozu also all der Prunk mit den Verträgen, die da zu Grunde liegen
sollen, wenn man doch nicht leugnen kann, daß überall die Kraft und Spitze fehlt?
zum 17. Deutschen Juristentag (Verhandl. Bd. I S. 65 ff.). Für die Schärfe, mit
welcher der Unternehmer behandelt wird, zeugt insbesondere R.G. 23. Juni 1883
(Samml. X S. 166).
mentsbestimmungen über die ausgeschlossene Haftung schlechthin für unwirksam
zu erklären: Ludewig, Die Telegraphie S. 91; Meili, Telegraphenrecht S. 182 ff.;
Derselbe, Haftpflicht der Postanstalten S. 58; Wolf in Ztschft. f. Ges. u. R.pfl.
in Preußen IV S. 146. Die Gerichte suchen um einen direkten Widerspruch
möglichst herum zu kommen, schwierig genug vom civilrechtlichen Standpunkte
aus; vgl. z. B. R.G. 17. Juni 1887 (Samml. 19 S. 101 ff.). Meili, Telegraphen-
recht S. 196, beklagt es, daß sie sich durch diese Reglements „imponieren“
lassen. Die Gerichte folgen aber darin nur einem richtigen Gefühl für die Be-
sonderheit des öffentlichen Rechts, auf dessen Gebiet sie sich unbewußt bewegen.
pesche bringt Ludewig, Die Telegraphie S. 95. Laband, St.R. II S. 59 Note 1
(3. Aufl. S. 55 Note 3) und S. 84 (3. Aufl. S. 78), will nur im Falle der ungerecht-
fertigten Nichtzulassung von Postreisenden und Postsendungen den Beamten per-
sönlich schadensersatzpflichtig machen. Wegen späterer Nichtdurchführung der
Beförderung hätte man sich an die Anstalt selbst zu halten, der Beamte haftet
nicht mehr. Warum soll aber das ganze Verhältnis in dieser Weise umschlagen?
— Ausführlich Meili, Haftpflicht der Postanstalten S. 141 ff.
das Leihhaus die versetzten Sachen herausgiebt, ist durch die eigne Ordnung der
Anstalt bestimmt. Daß ein Recht auf die Herausgabe besteht, gründet sich nicht
auf diese, noch weniger auf einen Vertrag, sondern nur auf das Eigentum; die
Anstaltsordnung beschränkt den Anspruch, soweit es im Interesse des Betriebs er-
forderlich erscheint. Beispiel: die Bestimmungen der Post-Ord. § 29 über die
Zurückforderung von Postsendungen durch den Absender.
hinaus nach ihren eignen Ordnungen; nach diesen richtet sich auch, wann die
Beamten zahlen sollen. Ein Recht des bezeichneten Empfängers entsteht daraus
nicht. Wohl aber ist damit zugleich ausgesprochen, daß die Anstaltsgewalt über
diese Gelder nunmehr zu Ende ist; folglich ist das Geld (nebst dem etwa ein-
getretenen Zuwachs an Zinsen) jetzt sine causa bei der Anstalt und die civil-
rechtliche Klage begründet. Ähnlich steht es bei den Sparkassen, welche öffentlich-
rechtlich betrieben werden. — Bei der Post kommen Postanweisungen und Post-
aufträge zur Geldeinziehung hier in Betracht. Das Gesetz und die Anstaltsordnung
(Postges. § 6, Post-Ord. § 19, IX) verheißen eine „Garantie“ der Postverwaltung
für die eingezahlten Beträge, also Rückerstattung derselben, wenn sie nicht be-
stimmungsgemäß Verwendung fanden. Tinsch, Die Postanweisung S. 26, nennt
das unrichtigerweise eine „Haftung der Postanstalt wegen Nichterfüllung“. Er
giebt selbst zu, daß diese Haftung nicht auf das Interesse geht, sondern nur auf
das Empfangene, also die Bereicherung.
Einholung eines Wechselacceptes übernommen, der Bote dieses gefälscht, und der
Auftraggeber, der im Vertrauen darauf eine Zahlung gemacht hatte, klagt gegen den
Postfiskus auf Schadensersatz. Nach Post-Ord. § 20 XII soll aus solchen Aufträgen
nur gehaftet werden bei Verlust der Sendung. Das Gericht erkennt das als eine gültige
„Vertragsbedingung“ an, verurteilt aber wegen außerkontraktlicher Schadensersatz-
pflicht gemäß art. 1384 c. c.: die Post haftet als Dienstherr für die Ersatzpflicht
ihres Angestellten. Diese Entscheidung ist lebhaft angefochten worden: Schmidt
in Gruchots Beitr. Bd. 33 S. 184 ff.; Mittelstein, Beiträge S. 37; Dambach,
Ges. über d. Postwesen S. 96. Es wurde mit Recht hervorgehoben, daß damit
alle Sondergesetze und scheinbar anerkannten Reglements über die Haftung völlig
vereitelt würden. Der Unterschied, daß die Post nicht in eignem Namen, sondern
nur als Garantien ihres Beamten haftet, wäre wahrlich solcher Kraftanstrengung
nicht wert Gleichwohl ist die Entscheidung von der Grundlage aus, auf welcher
das Reichsgericht und alle seine Widersacher gemeinsam stehen, unanfechtbar.
Das Verhältnis der Post zu ihren Kunden ist nach ihnen civilrechtlicher Natur;
sie schließt einen Vertrag; die reglementsmäßige Vertragsklausel will aber bloß
die Wirkung dieses Vertrags beschränken und die vertragsmäßige Haftung aus-
schließen. Das sonstige Civilrecht, welches über dem ganzen Verhältnisse steht,
bleibt davon unberührt. Es ist doch nicht gemeint: die Post soll auch nicht
haften, falls sie aus einem andern Grunde als aus dem Vertrage haftbar gemacht
werden könnte. Tritt also gemäß den Sätzen des Civilrechts ein solcher anderer
Grund ein, so wirkt er selbstverständlich. Das Ergebnis widerspricht dem gesunden
Menschenverstande, aber es ist für die juristische Logik unvermeidlich. Was folgt
daraus? Unseres Erachtens nichts anderes als, daß das Reichsgericht die An-
nahme eines civilrechtlichen Vertragsverhältnisses ad absurdum geführt hat. Wenn
aber die Post lediglich öffentlichrechtliche Anstaltsnutzung gewährt, kommt mit dem
ganzen Civilrecht auch art. 1384 c. c. von selbst außer Anwendbarkeit, und die
Sache ist in Ordnung.
Postges. § 6 die Vergütung sich auf den „unmittelbaren“ Schaden beschränkt
(Dambach, Postges. S. 97), und Briefe, die ja in sich wertlos sind, ganz außer
Ansatz bleiben. Ganz in demselben Sinn die soeben erwähnte Bestimmung Post-
Ord. § 20 XII. Bei Geldgeschäften der Post (Postauftrag, Postanweisung) ist eine
unmittelbare Schädigung nicht möglich; daher hier nur die Rückerstattung in
beilegen, so müßte man sie etwa als Generalverfügungen auffassen, welche für
den Nutzenden ergehen; unten § 52, III n. 1. Es wird aber thatsächlich nicht
nötig sein, um die Wirklichkeit zu erklären; die herrschende Meinung hält nur
deshalb an ihren Verträgen und Vertragsklauseln, weil sie sonst eine Entschädi-
gungspflicht oft überhaupt nicht zu begründen wüßte.
z. B. für verlorene Postauftragsbriefe zu vergüten sind. Sie sind dermaßen bindend,
daß auf den wirklichen Schaden nicht zurückgegriffen werden kann. Aber dies
nicht durch die Kraft der Post-Ord., sondern durch die Kraft des Postges., welches
in § 50 auf jene verweist. Wenn es ausspricht, daß ihre Vorschriften „gelten als
Bestandteil des Vertrages zwischen der Postanstalt und dem Absender“, so ent-
spricht das der herrschenden juristischen Formulierung des Verhältnisses, enthält
aber jedenfalls den genügenden Ausdruck des gesetzlichen Willens, daß das Rechts-
verhältnis in diesem Sinne geordnet sein soll. Der Anspruch auf den postordnungs-
mäßigen Entschädigungssatz tritt danach an die Stelle des aus den allgemeinen
Grundsätzen der öffentlichrechtlichen Entschädigung sich ergebenden. Jedenfalls
ist mit dem Vertrag hier wieder gar nichts zu machen: auch für die von
den Handlungsunfähigen aufgegebenen Sachen gelten diese besonderen Ent-
schädigungssätze.
objekt ihres Kunden, an welchem eine unmittelbare Schädigung verübt werden
könnte; daher Tel.Ord. § 23 I. Die etwaige Rückerstattung der Gebühr fällt
unter andere Gesichtspunkte (unten S. 345). — Interessenschädigungen entfernterer
Art sind in allen diesen Fällen in großem Maße möglich; aber die sind eben durch
das Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Entschädigung nicht gedeckt (unten § 53,
II n. 2).
der unmittelbaren Verpönung gewählt sein (Bd. I S. 310). Für unsere gegen-
wärtigen Erörterungen macht das keinen Unterschied.
beachtet; so bezüglich des Postrechtes: Mittelstein, Beiträge S. 19 ff.; Sydow
in Wörterbuch II S. 289 ff.; vgl. auch Laband, St.R. II S. 83 Anm. 2 (3. Aufl.
S. 77 Anm. 1); dazu Dambach, Postges. S. 11. Dementsprechend laufen auch
die Ausdrücke Postzwang, Postregal, Postmonopol ziemlich durcheinander. — Wir
verstehen unter Postzwang den Zwang, der zu Gunsten der Post geübt wird
gegen das benutzende Publikum, entsprechend dem Schlachthauszwang, Schulzwang,
Impfzwang. Das Verbot, Konkurrenz zu machen, trifft eine andere Gruppe von
Personen und andere Handlungen. Man mag es als Postregal bezeichnen.
Unter Regalien verstehen wir heute Ausschlußrechte zu Gunsten eines öffentlichen
Unternehmens: es giebt Telegraphenregal, Münzregal, Straßenregal, Eisenbahn-
regal; es giebt aber keinen Telegraphenzwang, Eisenbahnzwang u. s. w. Ganz
verkehrt ist der Ausdruck Postmonopol; das Monopol ist auch ein Ausschluß-
recht, aber zu Gunsten eines einseitigen Finanzinteresses für privatwirtschaftliche
Unternehmungen: Tabakmonopol, Salzmonopol, Branntweinmonopol. — Im wesent-
lichen übereinstimmend: Maas in Arch. f. öff. R. VII S. 483 ff; G. Meyer,
V.R. I S. 575.
§ 22), der Postzwang denen des Finanzstrafrechts (Bd. I § 31). Der Schulzwang
hat am meisten eigenartige Formen entwickelt; Schneider und Bremen, Volks-
schule im Preuß. R. III S. 37.
Subj. öff. Rechte S. 207, zählt unter den Gewaltverhältnissen, die er dem Staats-
dienstverhältnisse zur Seite stellt, auch diejenigen auf, welche begründet werden
in eine öffentliche Heilanstalt (Spital, Gebärhaus), der oft mit weitgehenden Be-
schränkungen der persönlichen Freiheit verbunden ist“. Das sind natürlich nur
zusammenhangslose Beispiele.
Postges. § 50 Ziff. 10 soll die Post-Ord. auch enthalten: „Anordnungen zur Aufrecht-
erhaltung der Ordnung, der Sicherheit und des Anstandes auf den Posten, in den
Postlokalen und Passagierstuben.“ Laband, St.R. II S. 87 Note 3 (3. Aufl. S. 81
Note 2), bemerkt mit Recht, daß das mit dem Posttransportvertrage nichts zu thun
habe. Jedenfalls werden davon auch Leute getroffen, die noch keinen solchen
„Vertrag“ geschlossen haben, oder überhaupt keinen beabsichtigen. Wie kommen
also diese Bestimmungen der Post-Ord. zur Wirkung? Nach Dambach, Postges.
S. 208, wären sie „wirkliche Rechtsnormen“, im Gegensatz zu den übrigen Stücken
der Post-Ord., welche nur „Vertragsbestimmungen, nicht aber Gesetz“ sind. Die
Ernennung zur wirklichen Rechtsnorm soll offenbar nur aushelfen statt der Krücke
des Vertrags, die man hier vermißt. Es wird aber ja die ganze Post-Ord. nur
als Verwaltungsvorschrift und nicht in den Formen reichsrechtlicher Rechtssätze
veröffentlicht: Mittelstein, Beiträge S. 1; G. Meyer, V.R. I S. 573;
Sydow in Post-Arch. 1891 S. 520. — Nach unserer Auffassung wirkt die Post-
Ord. auch in diesem Punkte kraft des Gewaltverhältnisses, das durch den Eintritt
in die Anstaltsräume begründet ist; die betreffenden Bestimmungen könnten eben-
sowohl erlassen werden ohne gesetzliche Grundlage und werden für die meisten
Anstalten so erlassen. Über die wirkliche Bedeutung des Gesetzes vgl. unten
Note 7.
sie der Materie sich bemächtigt und den Gegenstand ausschließlich ordnet; dem Er-
messen der ausführenden unteren Beamten bleibt dann von der Ausübung der Anstalts-
gewalt in diesem Punkte nur so viel übrig, als sie dafür offen gelassen hat. Wenn
das Gesetz (Beispiel: Postges. § 50) vorschreibt, daß solche Ordnungen bezüglich
bestimmter Punkte erlassen werden sollen, so bedeutet das eine Verpflichtung für
die Behörden dazu und die Unzulässigkeit von selbständigen Einzelmaßregeln
dieser Art; möglicherweise verbindet sich damit auch eine genauere Bestimmung
des Umfanges der Anstaltsgewalt. Die eigentliche Rechtsgrundlage der Maßregel
liegt immer in dieser.
gefunden. In der Anstaltsgewalt der Schule ist ein Züchtigungsrecht enthalten;
denn die Schule übt bestimmungsgemäß Erziehung, und zu dieser gehört die
Züchtigung. Die Schulregulative, die in erster Linie Dienstvorschriften für den
Lehrer sind, bestimmen dafür Voraussetzungen und Maß. Der Lehrer, der
darüber hinausgeht, handelt rechtswidrig auch gegenüber dem Schulbesucher:
die Regulative setzen zugleich für diesen fest, was er vermöge der Anstalts-
sofern ein solcher vorgesehen ist: Mittelstein, Beiträge S. 67.
f. adm. Pr. 1882 S. 411; Postges. § 25, § 27 ff. Das Gesetz kann auch nur den
nicht Rechtssätze sind, eine Rechtsgrenze des Beamten nach außen. O.V.G.
22. Okt. 1887: Die Instruktion bestimmt den Umfang des Züchtigungsrechts, irr-
tümliche Überschreitung desselben ist Irrtum über das „objektive Recht“ und
macht strafbar.
Begründung der Post- und Telegraphen-Gebühren: Laband, St.R. II S. 96 mit
S. 86 ff. (3. Aufl. S. 89 mit S. 79). Die Marktgebühren werden fast durchweg als
Mietzinse behandelt: oben § 38 Note 7. R.G. 15. Mai 1885 (Samml. XIII S. 271)
versichert geradezu: „Daß das Stättegeld für die zahlenden Marktbesucher die
Natur eines Mietzinses hat, beruht auf gesetzlicher Bestimmung.“ Aus den dafür
angerufenen Gesetzen, Gew.O. § 68 und Preuß. Ges. v. 26. April 1872, dürfte das
schwer herauszulesen sein.
Vertrag beruht: Kanalanschlußgebühren, Gebühren für die Erlaubnis zur Auf-
stellung eines Grabdenkmals bezeichnet man wohl geradezu als öffentliche Abgaben:
V.G.H. 5. Dez. 1888; O.V.G. 4. Jan. 1889 („eine des öffentlichrechtlichen Charak-
ters nicht ermangelnde Gebühr“). Das Schulgeld beruht nach G. Meyer, V.R. I
S. 233, nicht auf Vertrag, „sondern auf gesetzlichen Vorschriften, bez. Anordnungen
der Kommunalorgane“. Die letzteren sind aber doch keine Rechtssätze, wie wirken
sie also? Ähnlich begnügt sich Bornhak, Preuß. St.R. III S. 679, damit, das
Schulgeld als „öffentlichrechtliche Gebühr“ zu bezeichnen. — Unsere Aufgabe, eine
Erklärung der öffentlichrechtlichen Gebührenpflicht zu geben, wird also durch die
vertragsmäßigen Begründungsweisen auf keinen Fall überflüssig gemacht; es
handelt sich bloß darum, ob diese Notwendigkeit für einen größeren oder kleineren
Kreis von Anstalten übrig bleibt. Vgl. auch G. Meyer, V.R. II S. 196, 197.
(Tel.Ges. v. 6. April 1892 § 7), oder für die Verwaltung ganz unveränderlich sind
(Posttaxges. v. 28. Okt. 1871). Im letzteren Falle stellt das Gesetz den Tarif
selbst auf, wie es die Postverwaltung thun könnte; die Wirkung des Tarifs nach
außen ist dadurch nicht verändert. Deshalb ist uns mit dem Satze von Schott
in Endemann, Handb. III S. 563: die Portozahlungspflicht entstehe ex lege, nichts
erklärt; das Gesetz kann ja in sehr verschiedener Weise wirken wollen.
ist, vermag sich in dieser Ecke des Verwaltungsrechts verhältnismäßig noch am
besten zu behaupten. Die neuere Auffassung tritt uns z. B. entgegen aus den
gründlichen Erörterungen in V.G.H. 5. Dez. 1888 (Samml. X S. 281): In München
stellte die Gemeinde das Statut auf, daß die Hausbesitzer für die Einmündung
von Seitenkanälen in die städtischen Hauptkanäle einen Einleitungsbeitrag zu ent-
richten haben. Daraus entsteht kein Vertrag, denn es handelt sich um eine
„örtliche Abgabe“ für die Benutzung einer Gemeindeanstalt, eine Gebührenpflicht
öffentlichrechtlicher Art. Andererseits ist das Statut kein Rechtssatz; eine gesetz-
liche Grundlage zur rechtssatzmäßigen Auferlegung solcher Gebühren war nicht
Wahnsinnigen, der dies gethan, weist Laband, St.R. II S. 84 (3. Aufl. S. 78), vor-
trefflich nach, daß eine gültige Willenserklärung nötig ist, um die Gebühren-
pflicht zu begründen. Er bringt das aber in den Zusammenhang, daß überhaupt
mit solchen Personen kein gültiger Postbeförderungsvertrag zu stande kommt:
„Der Wahnsinnige wird ebensowenig verpflichtet, wie ihm Rechte gegen die Post
zustehen würden, falls dieselbe, von seinem Geisteszustand in Kenntnis gesetzt, die
Beförderung der von ihm eingelieferten Packete unterlassen hat.“ Wir behaupten,
daß die Post mit den Sachen des Wahnsinnigen ebenso zu verfahren hat, wie
mit denen des Gesunden. Nehmen wir geradezu den Fall: auf der Rückseite des
frankierten Briefes erkläre sich ein Mann als Absender, der laut öffentlicher Be-
kanntmachung der Vormundschaftsbehörde entmündigt ist, — darf die Post den
Brief zurückweisen? Gewiß nicht. Ebenso wird es stehen, wenn auf dem Ab-
schnitt der Postanweisung oder der Packetadresse ein solcher Absender sich kund-
giebt. — Dambach, Postges. S. 31, hält gleichfalls am Vertrage fest und ver-
langt deshalb Handlungsfähigkeit des Absenders als Bedingung der Gültigkeit und
der Annahmepflicht der Post. Dem bricht er allerdings selbst die Spitze ab, wenn
er hinzufügt, daß die Postverwaltung „im allgemeinen sich nicht um die Hand-
lungsfähigkeit der Absender zu kümmern hat“. Jener Grundsatz wird bei ihm nur
beschränkt praktisch: „wenn beispielsweise ein entmündigter Mensch durch Auf-
gabe von Sendungen Unfug treiben sollte, so würde die Post berechtigt sein, die
Annahme zu verweigern.“ Wenn ein Gesunder solchen Unfug treiben sollte,
wäre sie da nicht ebenso berechtigt? Das ist ja etwas ganz anderes als die
Rücksicht auf Vertragsfähigkeit. — Die Rechte, welche ein Handlungsfähiger gegen
die öffentliche Anstalt hat, in deren Benutzung er getreten ist, sind nur Rechte
auf Erstattung und Entschädigung; die hat geradeso der Vormund des Kindes und
des Wahnsinnigen geltend zu machen. Auch die Anstaltsgewalt ist über die Sachen
und Personen der letzteren die gewöhnliche. Nur die Gebührenpflicht ist besonders.
durch ihr Statut „nach allgemeinen Grundsätzen eine Gegenleistung bestimmen“.
höhungen des Schulgeldes nach begonnenem Schuljahr können erst mit Beginn
eines neuen Abschnittes wirksam werden. Eine Änderung an Post-Ord. § 40, V,
wonach unbestellbare Briefe künftig schon nach zwei statt nach drei Monaten ver-
nichtet werden sollen, käme unbedenklich zur Anwendung auf alles, was von nun
an als unbestellbar bei der Ober-Postdirektion einläuft, ohne Rücksicht darauf,
wann der Brief aufgegeben und der „Postbeförderungsvertrag“ geschlossen worden
ist, und trotz Postges. § 50 Abs. 2 Ziff. 4; das ist eine Sache der Anstalts-
gewalt. Umgekehrt wird für einen zurückgehenden Brief das Porto nur nach
dem zur Zeit der Aufgabe geltenden Satze geschuldet sein.
ziehungsberechtigten. V.G.H. 30. Mai 1888 (Samml. X S. 45): Durch Gemeinde-
statut ist bestimmt, mit welchen Lehrmitteln ausgerüstet die Kinder in der Volks-
schule erscheinen müssen; das ist „schulpolizeiliche“ Thätigkeit, wie wir sagen:
Anstaltsgewalt. Der Zwang besteht darin, daß diese Mittel den Kindern von der
Gemeinde geliefert werden; die Kosten werden den Eltern auferlegt als Ge-
bührenpflicht.
Anstaltsleistung doch nicht zurückgefordert werden kann. Aber bei der Brief-
post z. B., welche annehmen muß ohne Vorauszahlung, kann denkbarerweise die
Gebühr überhaupt verloren gehen: der Adressat verweigert etwa die Annahme und
der Absender stellt sich als entmündigt heraus. Selbst aus dieser Rücksicht dürfen
wir den Postbeamten nicht gestatten, die unfrankierte Sendung im Interesse ihres
Dienstherrn abzulehnen: wir würden sonst das Gleiche auch bei notorischer Zah-
lungsunfähigkeit des Absenders gelten lassen müssen.
gesehen werden kann, den Brief selbst oder durch einen andern aufgegeben zu
haben; die unmittelbare Veranlassung zur Leistung der Post war immer nur der
Mensch, der den Brief in den Kasten warf.
sendung oder für gewisse Telegraphengebühren (Tel.Ord. § 19, II). Die übliche
Konstruktion des Vorganges, wonach der Absender eine Assignation auf den
Adressaten giebt, die dieser durch Annahme der Depesche acceptiert, ist unwahr.
Die Verpflichtung wird begründet vor Eröffnung der Depesche, also Acceptation
der Assignation eines Unbekannten, Ungenannten, — das ist das Rechtsinstitut
nicht. In der Annahme der Depesche tritt der Empfänger lediglich der Tele-
graphenanstalt gegenüber, bekennt sich dieser gegenüber als den, dem sie geleistet
hat, und unterwirft sich dem Tarif, der ihn unter dieser Voraussetzung treffen will.
Damit ist nicht gesagt, daß man nicht zur Not auch hier mit einem Vertrag aus-
kommen kann, nur müßte man ihn selbständig gestalten.
St.R. II S. 95 Note 4) und es deshalb nur zuläßt, soweit ein besonderes Gesetz
dazu ermächtigt, so hängt das zusammen mit der civilrechtlichen Auffassung der
Gebührenpflicht. Es entspricht aber auch der Forderung des Rechtsstaates, wo-
nach die ausführende That geleitet sein soll durch einen obrigkeitlichen Akt, der
zunächst bestimmt, was Rechtens ist (Bd. I S. 66, S. 477). Man mag daraus den
Willen des Gesetzes folgern, daß überall, wo es ausnahmsweise jenes unmittelbare
Verfahren nicht gewährt, die Verwaltung, um beitreiben zu können, sich erst den
vollstreckbaren obrigkeitlichen Ausspruch verschaffen muß. Sofern aber eine dazu
berufene Verwaltungsbehörde nicht gegeben ist, führt das mit Notwendigkeit zu
den für „vermögensrechtliche Streitsachen“ allgemein zuständigen Civilgerichten:
die Verwaltung klagt ihre öffentlichrechtliche Gebührenforderung ein. So ins-
besondere bei Nachforderung von Telegraphengebühren.
schied von den civilrechtlichen Kondiktionen, welche wir oben S. 330 anerkannten,
liegt darin, daß dort ein öffentlichrechtlicher Anspruch überhaupt nicht in
Frage war.
gekommen bei v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 373. Ähnlich Pfeiffer, Prakt.
Ausf. III S. 288; F. F. Mayer, Grunds. S. 433; Haus in Lotz Nachrichten
S. 338; Bähr, Rechtsstaat S. 163; Grünhut, Ent.R. S. 10. Überall ist es die
materielle Gerechtigkeit, das gleiche Maß der Belastung, die Gleichheit, welche
man durch eine derartige Schädigung verletzt erkennt. Der Ausdruck „Opfer“,
„besonderes Opfer“, den wir dafür bei Pfeiffer, F. F. Mayer, Bähr, Grünhut
u. s. w. finden, ist in der preußischen Gesetzgebung angenommen: A.L.R. Einl.
§ 75; Ges. v. 11. Mai 1841 über den Rechtsweg gegen pol. Verf. § 4.
v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 373; „aus dem Gesamtvermögen“ wird Entschädi-
gung geleistet: Kgl. preuß. Deklaration v. 4. Dez. 1831; sie ist nur notwendig,
wo nicht ohnehin „eine Ausgleichung unter alle unterstellt werden kann“: Bähr,
Rechtsstaat S. 163. Als Mittel der Verteilung der Last unter die Staatsgenossen
behandeln die Entschädigung vor allem auch jene alten Theorien, welche sie auf
eine actio pro socio oder auf die lex Rhodia de jactu gründen wollen; vgl.
unten Note 5.
jenige, welcher zu befehlen hat.“ — Das Civilrecht, auch wenn es die außer-
kontraktliche Schadensersatzpflicht noch so sehr auf die bloße Verursachung des
Schadens stellt (Gutachten zum 17. deutschen Jur.-Tag, Verhandl. S. 77 ff., 127 ff.),
kommt von dem Gesichtspunkt nicht los, daß das zur Schuld angerechnet wird.
Wo es ausnahmsweise eine Ersatzpflicht auferlegt unter Anerkennung der vollen
Rechtmäßigkeit der Schädigung (tignum junctum; Bayr. Wasserges. v. 28. Mai
1852 art. 89; c. c. art. 643), ist das Hereinragen eines besonderen öffentlichen
Interesses unverkennbar. Ein gemeinsamer Gedanke, auf welchen civilrechtliche
und öffentlichrechtliche Entschädigungspflicht beruhte (Merkel, Encyklop. § 683)
besteht nicht; gemeinsam ist beiden nur die eine Voraussetzung, die Verursachung
des Schadens, die Rücksicht, aus welcher diese haftbar macht, bleibt ver-
schieden.
Lauterbach, comp. jur. XIV, 2, Bocer, de regal. cap. III n. 249 ff., Kreitt-
mayr, Cod. Max. IV cap. 13 § 4 n. 2, wollen die l. 21 D. de lege Rhodia de
jactu auch der Entschädigung für Enteignung zu Grunde legen; wogegen mit Recht
Bayr. Ob.G.H. 12. Mai 1878 (Samml. VII S. 842). — Der franz. Staatsrat findet
den erforderlichen allgemeinen Rechtssatz in Erkl. der Menschenrechte art. 13,
wonach die Staatslasten gleich verteilt werden sollen; Theorie d. franz. V.R. S. 348.
— Außer durch die Analogie des Enteignungsgesetzes würde nach Bl. f. adm. Pr.
1870 S. 345 der allgemeine Entschädigungsanspruch gerechtfertigt sein „auch durch
die Verfassungsbestimmung, wonach der Fiskus vor den Gerichten Recht nimmt“ (!)
— Mittermaier in Arch. f. civ. Pr. IV S. 330 meint einfach, die Justiz dürfe
„voraussetzen“, daß der Regent in solchen Fällen Entschädigung gewähren wolle.
— Beliebt ist auch die Ausdehnung des Deliktsrechts. Sendheim, Prakt. Rechts-
fragen S. 13, erklärt den Staat verantwortlich für den Schaden, weil er seinen Be-
amten die Macht gegeben hat zu verletzen. Auch daß der schädigende Eingriff
v. 14. Juni 1874 (Reger III S. 98): „ein gewisser und unzweifelhafter Rechtssatz
der Gegenwart“; O.Tr. 28. Nov. 1859 (Str. 35 S. 315): „nach den Grundsätzen des
gemeinen Rechts“; O.A.G. Darmstadt (Seuff. Arch. VII S. 219): „aus staatsrecht-
lichen Gesichtspunkten“; R.G. 13. Jan. 1883 (Samml. 12 S. 3): nach gemeinem
Rechte findet „ohne weiteres ein privatrechtlicher Anspruch gegen den Staat auf
volle Entschädigung statt“. Privatrechtlich ist der Anspruch natürlich wieder bloß
gemacht, um die Gerichtszuständigkeit festzuhalten, wozu es gar nicht nötig wäre;
vgl. unten III n. 3.
Rechtsverletzung zu gründen: das Expropriationsrecht beruht allerdings auf Gesetz,
aber ist seiner Natur nach ein „gesetzliches Unrecht“; so Schwab in Arch. f. civ.
Pr. 30 S. 177 Note 186.
besprochene strengere Haftung des Staates für Verlust und Beschädigung von
Sachen, die er in seinen Gewahrsam genommen hat. Diese Thatsache kommt eben
dabei in Rechnung: er hat sich an die Stelle des Eigentümers gesetzt und damit
dessen Hut über die Sache beseitigt; aller Schade ist also von ihm verursacht,
den dieser ordentlicher Weise verhütet haben würde. Dafür gilt jeder andere als
der selbstverschuldete und der von außen kommende mit den gewöhnlichen Mitteln
unabwendbare. Der Staat, der die beschädigte Sache in seinen Gewahrsam ge-
nommen hatte, muß also einen darauf gerichteten Entlastungsbeweis führen. Diese
Regel ergiebt sich aus der natürlichen Würdigung der Kausalität auch ohne be-
sonderes Gesetz. Man hat sich selbstverständlich bemüht, das auf vertragsmäßige
Verpflichtungen zurückzuführen. Aber es gilt ja auch für beschlagnahmte
Sachen, für Werkzeuge, Fuhrwerke u. s. w., die nur zum Gebrauch requiriert
worden waren, vor allem für gerichtliche Hinterlegungen, und zwar ohne
Unterschied, ob die Hinterlegung freiwillig oder gezwungen geschah. Warum muß
(Bd. I § 19 Note 2), klagten die Eigentümer auf Entschädigung wegen der „be-
sonderen Opfer“, die sie zu bringen hatten behufs der Neueinrichtung. O.V.G.
5. Dez. 1881 weist ab; denn „die Interessen des Gemeinwohles darf der Eigen-
tümer ohnehin nicht gefährden; es wird also kein Mehreres von ihm verlangt,
keine neue Beschränkung auferlegt.“ Ähnlich R.G. 12. Nov. 1887 (Samml. 19
S. 353): ein Pulvermüller, der polizeilich gezwungen wird, einen Damm zum
Schutze des Verkehres auf der Landstraße zu errichten, hat keinen Entschädi-
gungsanspruch nach A.L.R. Einl. § 75. Oppenhoff, Ressortverh. S. 355 n. 106,
sagt also mit Recht, daß ein Entschädigungsanspruch nicht begründet wird durch
„Vorschriften, welche lediglich die allgemeinen Grundsätze von der Polizeigewalt
aufrecht erhalten“. Allein das giebt eine brauchbare Abgrenzung nur dann, wenn
man das Wort Polizei in dem Sinne des neuen Rechtes versteht, wie wir ihn
Bd. I § 18 entwickelt haben. Begreift man unter diesem Namen etwas Um-
fassenderes, die ganze innere Verwaltung im Sinne des alten Staatswesens oder
Verwaltung mit Zwang u. dergl. im Sinne noch jetzt gepflegter Theorie, so er-
geben sich allerdings Schwierigkeiten und Wirrsale. Das ist namentlich im
preußischen Rechte eingetroffen. Auf der einen Seite stellt man den Satz auf:
für polizeiliche Anordnungen wird nicht entschädigt; auf der andern Seite rechnet
man es altmodischer Weise auch noch zu den polizeilichen Anordnungen, wenn
Brücken verlegt, Wege aufgelassen, Privatgrundstücke zur Straße gezogen werden,
und sieht sich dann genötigt, dennoch Entschädigung dafür zu gewähren nach
A.L.R. Einl. § 75. So O.Tr. 18. März 1867 (Str. 67 S. 108); C.C.H. 5. Juni 1852
Kleider und sonstige Habe, die der Kranke ins Krankenhaus mitbringt? Über-
haupt, überall wo in öffentlichrechtlichem Verhältnisse der Staat Sachen in seinen
Gewahrsam nimmt, kommen wir mit dieser Auffassung aus, und alles Auffallende,
das man daran sieht, aller Zwang zu Künsteleien verschwindet. Vgl. über diesen
Punkt: Pfeiffer, Prakt. Ausf. II S. 565; Zachariae in Ztschft. f. Stsw. 1863
S. 627 ff.; Scholz in Jur. Wochenschrift f. d. Preuß. Staaten Bd. II (1836)
S. 5 ff.; Bähr, Rechtsstaat S. 176 ff.; v. Sarwey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 305;
Loening, Haftung des Staats S. 133.
von einer „polizeilichen Anordnung“, welche die Bauerlaubnis verweigert im
Interesse des freien Blickes auf das Alsendenkmal in Berlin; das Gericht hat
gleichwohl mit Recht Entschädigung zugesprochen. In andern, ganz ähnlichen
Fällen hat man sie wieder wegen der „Polizeimaßregel“ abgesprochen. Das Ober-
tribunal hat sich schließlich zu der Unterscheidung geflüchtet, ob die Beschränkung
des Grundeigentums gelegentlich eines Neubaues oder gelegentlich eines Wieder-
aufbaues stattfindet: Präjudiz n. 220 bei Str. 26 S. 274; Oppenhoff, Ressortverh.
S. 354 n. 105. Da ist aber gar nicht mehr zu sehen, was die Vernunft der Sache
ist. Vgl. übrigens wegen der besonderen Bauverbote zur Einhaltung der Baulinie
oben § 40 Note 14. — Ganz eigenartig ist nur der Entschädigungsfall wegen nach-
träglicher Unterdrückung einer gewerblichen Anlage, wie Gew.O. § 51 ihn giebt.
Das ist unzweifelhaft eine polizeiliche Maßregel; daß gleichwohl Entschädigung
dafür geleistet wird, erklärt sich aus folgendem Zusammenhang. Es handelt sich
bei jener Bestimmung nur um solche Anlagen, welche nach dem bestehenden
Polizeirechte, mit Einschluß des von der Gewerbeordnung gesetzten, unanfechtbar
sind, insbesondere um solche, die eine erforderliche gewerbepolizeiliche Genehmigung
erhalten haben. Das hebt mit Recht hervor O.V.G. 16. April 1891 (Reger XI
S. 361) und 12. Nov. 1891 (Reger XII S. 254). Die entgegengesetzte Ansicht von
Landmann, Gew.O. I S. 407, wonach eine gewerbliche Anlage auch dann nur
gegen Entschädigung unterdrückt werden könnte, wenn die gewöhnlichen polizei-
lichen Vorschriften, gegen welche sie verstößt, dazu noch ausreichen, widerlegt
sich gerade dadurch, daß da die Entschädigung nicht verständlich wäre. Der
§ 51 giebt aber der höheren Verwaltungsbehörde die Machtvollkommenheit, polizei-
liche Rücksichten zur Geltung zu bringen, auch wo es ordentlicher Weise dafür
ein Mittel nicht giebt oder nicht mehr giebt, die Anlage also innerhalb des Kreises
der Freiheit steht, der gemäß der angenommenen Rechtsordnung gegenüber der
Polizei gesichert sein soll. Nur weil hier der polizeilichen Maßregel erst wieder
Raum geschaffen werden muß durch Aufhebung dieser Sicherheit, ist Entschädi-
gung geschuldet.
voraus einen Eingriff in erworbene Rechte, wohlerworbene Rechte, individuelle
Rechte, Privatrechte: Zachariae, St.R. II §§ 152, 153; Pfeiffer, Prakt.
Ausf. III S. 258; v. Sarwey, Off. R. u. V.R.Pfl. S. 373; Grünhut, Ent.R.
S. 10; Preuß. Ges. v. 11. Mai 1841 § 4 (dazu Oppenhoff, Ressortverf. S. 354
n. 101 ff.); Bayr. Ob.G.H. 27. Okt. 1877 (Samml. VII S. 50). Eine Rechtsverletzung
ist damit nicht in Frage; der Zwang, „Rechte und Vorteile aufzuopfern“ genügt
(A.L.R. Einl. § 75), oder die „Verletzung eines bestehenden rechtlichen Zustandes“
(R.G. 28. Mai 1880; Samml. II S. 353). — Die französischen Juristen bezeichnen
übereinstimmend damit als Voraussetzung der öffentlichrechtlichen Entschädigung
das dommage directe et matériel, wobei natürlich auch wieder von einem droit
lésé geredet wird; Theorie des Franz. V.R. S. 356.
schädigungsansprüche von Hausbesitzern wegen Straßenänderung hervorgehoben
und mit Beispielen belegt. Nicht selten suchen Wirte und andere Gewerbtreibende,
deren Geschäft durch veränderten Eisenbahnbetrieb, Verlegung des Bahnhofs,
Weiterführung der Linie, an deren Kopf sie lagen, und dergl. Schaden leidet,
Ansprüche auf Ersatz geltend zu machen, die ja von vornherein nur denkbar sind
auf den Rechtsgrundlagen der öffentlichrechtlichen Entschädigung. Daß sie nichts
erhalten, beruht einzig darauf, daß ein Schade in dem engen Sinne des besonderen
Opfers bei ihnen nicht vorliegt. — Hierher gehört auch der Fall O.Tr. 25. Sept.
1856 (Str. 24 S. 1): Einer bestehenden Fährgerechtigkeit entzieht der Staat durch
Anlage einer neuen Brücke die Kundschaft; die Klage nach A.L.R. Einl. § 75
wird abgewiesen. Das Gericht sagt: „weil kein Mißbrauch eines fiskalischen
Aber ein besonderes Opfer stellt die Entziehung der Kundschaft nicht dar. —
R.G. 28. Mai 1880 (Samml. II S. 353): Ein Rheindamm, den der Staat baut, ent-
zieht einem Grundstück die befruchtenden Überschwemmungen; Entschädigungs-
klage abgewiesen, „weil kein bestehender rechtlicher Zustand verletzt, also art. 1382
c. c. nicht anwendbar ist“. Von einem délit ou quasi-délit konnte überhaupt nicht
die Rede sein; die öffentlichrechtliche Entschädigung war nicht geschuldet, da ein
besonderes Opfer nicht vorlag; wäre umgekehrt eine schädliche Überschwemmung
verursacht worden, so hätte der Kläger allerdings Ansprüche gehabt. — Unser
Rechtsinstitut giebt insbesondere auch die Grundlage für die Haftung öffentlicher
Anstalten; vgl. oben § 51, III n. 2. Nach seinen Regeln sind die vielen dort auf-
tauchenden Streitfragen zu lösen. Postges. § 6 z. B. bestimmt eine Haftung für
Verzögerung nur dann, „wenn die Sache durch die verzögerte Beförderung oder
Bestellung verdorben ist oder ihren Wert bleibend ganz oder teilweise verloren
hat“. Wenn nun die Ware verspätet, aber in gutem Zustand ankommt, Adressat
verweigert die Annahme wegen der Verspätung, auf dem Rückwege verdirbt sie,
haftet die Post? Dambach, Postges. S. 56, verneint, Schott in Endemann
Handb. S. 546 Note 3, Mittelstein, Beiträge S. 42, und Laband, St.R. II
S. 92 (3. Aufl. S. 85 Note 4), bejahen die Frage. Der Schade ist aber unmittelbar
nicht entstanden durch die verspätete Beförderung, sondern durch die verweigerte
Annahme. Man wird freilich sagen: die Verweigerung der Annahme selbst hat ja
die Post durch ihre Verzögerung herbeigeführt. Allein die verweigerte Annahme
ist eben ein Nachteil, für welchen die Post nicht haftet: sie bedeutet den Verlust
eines geeigneten Abnehmers für die Sache, aber keinen unmittelbaren Schaden an
dieser; was weiter aus der Annahmeverweigerung an Schaden entsteht, ist ihr
nicht zuzurechnen. In diesem Sinne haben, wie Dambach berichtet, die Gerichte
namentlich auch die häufigen Entschädigungsklagen wegen verspäteter Braut-
bouquets abgewiesen. Er will anders entscheiden, wenn es sich um besonders
zurecht geschnittene Kleidungsstücke handelt, deren Annahme wegen Verspätung
verweigert wird (a. a. O. S. 57 n. 16). Allein auch hier hat die Post keinen
Schaden an der Ware selbst angerichtet; wenn das Zeug nutzlos zerschnitten ist,
so hat sie es doch nicht gethan; was sie verursacht hat, ist wiederum, wie bei
den Brautbouquets, nur die „Unverwendbarkeit“ der Ware, ein mittelbarer Nach-
teil aus der Annahmeverweigerung, für den sie nicht haftet.
zweier Gemeinden einen Weg als öffentlichen in Anspruch genommen; die Ge-
meinden haben nach A.L.R. Einl. § 75 den Eigentümer zu entschädigen. O.Tr.
1. Juli 1869 (Str. 75 S. 217): Polizei-Präsidium zu Berlin hat die Bebauung eines
Grundstückes verboten; die Stadt, für deren Straßenwesen es geschab, ist ent-
schädigungspflichtig: es ist „auf das aus der Sache selbst hervorgehende natürliche
Verhältnis zurückzugehen, daß derjenige zu entschädigen hat, dem in Folge der
polizeilichen Anordnung ein Schade abgewendet oder ein Vorteil zugewendet wird.“
O.Tr. 28. Okt. 1869 (Str. 77 S. 1): Polizei-Präsidium verbietet Bau am Königsplatz,
damit das Alsendenkmal ordentlich hervortrete: das ist ein nationales Interesse,
deshalb entschädigt nicht die Stadt, sondern der Fiskus. — Das gleiche Zurück-
gehen auf das „natürliche Verhältnis“ fanden wir schon oben § 41 Note 18 be-
züglich eines anderen Punktes.
bestimmt: „Gegen die Postverwaltung findet ein Anspruch wegen eines durch den
Verlust oder die Beschädigung einer Sendung entstandenen mittelbaren Schadens
oder entgangenen Gewinns nicht statt“. Ein Fall dieser Art bei Dambach,
Postges. S. 95. — Diese Art von Schädigungen ist denn auch das Gebiet der
festen Tarife für die Berechnung des zu ersetzenden gemeinen Wertes: Zeugen-
taxen, Quartierentschädigungen (Servis), Normalsätze für verlorene Sachen.
Bohlmann, Praxis in Expropr.Sachen III S. 18. O.Tr. 1. Juli 1870 (Str. 80
S. 25), 5. April 1872 (Str. 86 S. 75).
Schätzungsmomenten gegenüber als „persönliche Nachteile“, die als solche von der
Entschädigung ausgeschlossen sind: Eger, Ent.Ges. I S. 154.
bleibenden Teil seines Grundstücks die bisher durch das enteignete Stück ver-
mittelte Benutzung eines näheren Weges entzogen; er muß künftig Umwege
machen. Das Gericht bringt diesen Nachteil bei Berechnung der Höhe der Ent-
schädigung in Ansatz. Es bemerkt, daß die nicht enteigneten Nachbarn des
Klägers allerdings ganz den nämlichen Nachteil eines Umwegs erleiden und dafür
Beziehungen, welche durch die Enteignung zwischen ihm und der Expropriation
herbeigeführt sind“. In dieser Ausdrucksweise dämmert etwas von dem wirklichen
Grund des Unterschiedes. Auferlegung von Umwegen ist für sich allein kein be-
sonderes Opfer und wird deshalb überhaupt nicht entschädigt (oben § 37 Note 36).
Entziehung eines Grundstückes ist ein besonderes Opfer und dafür ist zu ersetzen,
was das Grundstück wert war; ein Stück seines Wertes ist aber der Dienst, den
es bisher leistete, einen nähern Weg zu vermitteln. — In der Praxis ergeben sich
auf diese Weise sehr auffallende Ungleichheiten; aber so ist es ja immer mit
großen, folgerichtig durchgeführten Rechtsideen: irgendwo muß durchgeschnitten
werden, und an der Schnittlinie sieht der Nichtjurist keinen rechten Grund, wes-
halb sie gerade da läuft. Zieht man sie aber anders, so entstehen noch viel mehr
neue Bedenken dieser Art.
Rechtsweg über Hoheitsrechte betr. Das Hauptbeispiel bietet die rechtssatzmäßige
Auferlegung von Grunddienstbarkeiten des öffentlichen Rechts; O.V.G. 15. Nov.
1850 (Samml. 20 S. 103); Ducrocq, droit adm. n. 297.
gesetzlichen Verbotes von Gemeindekirchhöfen innerhalb der Stadt: O.Tr. 19. Juni
1863 (Str. 50 S. 139). Ebenso O.Tr. 8. Febr. 1856 (Str. 19 S. 351) im Falle der
Wegräumung von Bauwerken auf öffentlicher Straße (Berliner Fleischer-Scharren),
deren Recht gemäß den Bestimmungen einer Verordnung verwirkt ist.
tung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten S. 53 ff. und
S. 93 ff.
f. Stsw. XIX S. 582 ff.; Heffter in Arch. d. Crim.R. 1851 S. 458; Simon,
Preuß. St.R. I S. 320. Die Civilisten glauben vielfach dadurch helfen zu können,
daß sie den Beamten für ein „Organ“ des Staates erklären, in welchem der Staat
unmittelbar seibst delinquiert; vgl. Loening a. a. O. S. 105.
wey, Öff. R. u. V.R.Pfl. S. 309 Note 3. G. Meyer, St.R. § 149, scheint aller-
dings die ältere Lehre noch vertreten zu wollen. — Sehr entschieden ablehnend:
R.G. 8. April 1884 (Samml. XI S. 206).
recht den Auftraggeber in umfassender Weise haftbar macht. Das Gebiet des
franz. Rechts und des art. 1384 c. c. weist deshalb die Hauptbeispiele auf. Ein kais.
Förster hat im Elsaß in Ausübung des Waldschutzes den fliehenden Holzfrevler
durch einen Schuß, der ein Schreckschuß sein sollte, getötet. Die Schadens-
ersatzklage der Witwe gegen den Staat wurde vom O.L.G. Colmar (Jurist. Ztschft. f.
Els.Lothr. XII S. 79 ff.) abgewiesen; R.G. 8. Dez. 1882 erkennt dagegen: „die Frage,
ob eine dritte Person für die Verbindlichkeiten einer anderen aus Delikten einzu-
des Auftraggebers nach französischem Civilrechte bemerkbar. Er haftet für den
Schaden, den der Beauftragte im Dienste, d. h. wie die herrschende Lehre das er-
läutert, gelegentlich des Dienstes angerichtet hat, à l’occasion des fonctions
B.G.B. grundsätzlich auf die Frage der Haftung des Staates, welcher hier nur in
seiner vermögensrechtlichen Seite in Betracht kommt, anzuwenden. Daß es sich
dabei um Ausübung polizeilicher Befugnisse handelt, ist nicht geeignet, die Haft-
barkeit des Staates auszuschließen.“ Die Frage wäre aber doch wohl zunächst
die, ob das nicht geeignet ist, die Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat
auszuschließen. Oder was sollte sonst dazu geeignet sein, wenn das nicht? Die
Schlußfolgerung: weil die Schadensersatzpflicht des Staates, wenn derselbe dem
Privatrechtssatz unterliegen sollte, privatrechtlicher Natur sein würde, deshalb
unterliegt der Staat hier dem Privatrecht — ist geradezu mustergültig. — Eine
Militärpatrouille hatte bei einer Verhaftung Feuer gegeben, ein Unbeteiligter, der
verletzt worden war, klagt gegen den „Militärfiskus“; O.L.G. Colmar 9. Jan. 1888
(Jurist. Ztschft. f. Els.Lothr. XIII S. 123 ff.) bekennt sich jetzt ausdrücklich zu
jener Rechtskonstruktion des Reichsgerichts und erklärt den art. 1384 für anwend-
bar. — Sträflinge, die in einem elsässischen Gefängnisse zur Arbeit angehalten
werden, kommen dabei in Folge unrichtigen Verfahrens des Aufsichtsbeamten zu
Schaden. Den Einwand, daß der Staat hier in Ausübung seiner Hoheitsrechte
stehe, beseitigt das O.L.G. Colmar, wie das Reichsgericht mit der längst ver-
gessenen Formel des Polizeistaates: der Richter dürfe „auf Grund des art. 1384
den Fiskus für die vermögensrechtlichen Folgen der Handlung des Beamten des
Staates verantwortlich erklären“ (Jur. Ztschft. f. Els.Lothr. IX S. 273 ff., XII S. 317).
— R.G. 21. Dez. 1886 (Samml. XVII S. 105) hat übrigens auch im Gebiete des
weniger handlichen preuß. Rechts den Staat ex delicto zu verurteilen gewußt:
gelegentlich eines Straßenbaues wird ein Haus beschädigt; man hat es hier nur
mit dem „durch den Fiskus repräsentierten Staat“ zu thun; der Fiskus als Privat-
mann, der er ist, unterliegt aber der Strafbestimmung des § 367 n. 14 Stf.G.B.
und folglich auch der aus seiner strafbaren Handlung hervorgehenden Schadens-
ersatzpflicht.
selten zwischen dem erlaubten und dem unerlaubten Eingriffe wird unterschieden
werden können“. Dann kann man aber doch auch nicht von einer Haftung für
rechtswidrige Schädigung sprechen. Vgl. den Fall in R.G. 14. März 1889
Samml. 23 S. 257).
n. 584). Die öffentlichrechtliche Entschädigung geht nicht so weit, das Gelegent-
liche genügt nicht, die Handlung muß noch als Amtshandlung in der öffentlichen
Verwaltung begriffen gewesen sein, damit der Schade angesehen werden könne
als aus dieser hervorgegangen. Nur in dieser Beschränkung wird denn auch der
art. 1384 zur Haftbarmachung des Staates hier verwendet; Dreyer in Ztschft. f.
franz. Civ.R. IV S. 390. Die Beispiele, welche Dreyer a. a. O. S. 390, 391 und
Zachariae in Ztschft. f. Stsw. XIX S. 617 Note 1 anführen, um zu zeigen, daß
der Staat nicht für das haftet, was nur gelegentlich der Amtsthätigkeit ge-
schieht, giebt Laurent a. a. O. XX n. 583 u. 584 gerade als Belege dafür, daß
nach art. 1384 auch in diesem Umfange gehaftet wird. — Ferner: Gegenstand des
Schadensersatzes ist bei einfacher Anwendung des art. 1384 aller Nachteil, welcher
aus der rechtswidrigen Handlung hervorgegangen ist; bei der öffentlichrechtlichen
Entschädigung nur der unmittelbar zugefügte Schade. Entsprechend dem letzteren
Grundsatz hat O.L.G. Colmar v. 2. Dez. 1887 (Jur. Ztschft. f. Els.Lothr. XIII
S. 118) eine Schadensersatzklage gegen die Zollverwaltung abgewiesen: eine Ware
war irrtümlich beschlagnahmt worden, und der Eigentümer hat eine Reihe von
Auslagen machen müssen, um die Freigabe zu bewirken. Das Gericht meint frei-
lich den c. c. anzuwenden und nur wegen mangelnden Verschuldens der Beamten
so zu urteilen. Aber das ist nicht der richtige Grund: wäre die Ware durch die
Zurückhaltung verdorben, so müßte der Staat entschädigen, weil dann ein be-
sonderes Opfer zugemutet wäre, und andererseits würde ein gewöhnlicher Privat-
mann, der durch irrtümliche Ausübung eines Retentionsrechtes dem anderen Aus-
lagen verursachte, wegen Anwendbarkeit des civilrechtlichen Schadensersatzrechtes
auch diese zu erstatten haben.
1863 S. 637 ff.; Loening, Haftung des Staates S. 124 ff. In der Bewegung für
die Entschädigung unschuldig Verurteilter, die in neuerer Zeit so mächtig ge-
worden ist, wird gern auf die Analogie der Enteignung hingewiesen: Kron-
ecker, Die Entsch. unschuld. Verhafteter S. 17; Verh. des 16. Jur.Tags II S. 241 ff.,
S. 345 ff., insbes. S. 265 (Jaques). Auch die Berufung auf ein neueres „objektives
Schadensersatzprincip“ und auf die „Stimme der Humanität“ (Verh. des 22. Jur.-
Tags I S. 530 ff.) berührt sich mit den Grundgedanken unseres Rechtsinstituts.
Daß dieses eigentlich zuträfe und ihm gegenüber eine Ausnahme vorliegt, giebt
jener Bewegung eine eigentümliche Kraft, wenn auch ihre Vertreter sich dessen
nicht immer klar bewußt sind.
Schadensstiftung durch Staatsbeamte § 12; Loening, Haftung des Staates S. 98.
dann keine Entschädigung zu gewähren ist, wenn der Betroffene noch ein Rechts-
mittel hatte und verabsäumt hat, es geltend zu machen. Pfeiffer a. a. O. S. 365;
Zachariae a. a. O. S. 641; Loening a. a. O. S. 125. Wir fingieren mit blindem
Vertrauen, daß das geholfen haben würde; sonst wäre diese Entscheidung nicht
zu erklären. — Gnadenbewilligungen, Vergütungen, die nach billigem Ermessen
gewährt werden, lassen sich mit dieser Auffassung wohl vereinbaren. Aber daß
die Rechtspflege verklagt werden könne auf Schadensersatz, weil sie gefehlt hat,
das ist’s, was dem Gefühl widerstreitet — und wie uns dünkt, einem recht wert-
vollen Gefühl. Wenn man hier helfen will, werden bei dem Widerstreite der
Interessen gesetzgeberische Halbheiten nicht zu vermeiden sein; das in diesem
Augenblicke zur Beratung stehende Reichsgesetz ist eine solche (Binding, Entw.
eines Ges., betr. Änderungen des G.V.G. u. der Stf.Pr.O. S. 28 ff.).
Schadenszufügung durch rein administrative Akte keine Entschädigung verlangt
werden kann, wenn der Verletzte von dem ihm zuständigen Rekurs an die vor-
Dresden 18. Mai 1852 (Seuff. Arch. V n. 288) verweigert deshalb auch für die
dabei angerichteten Zerstörungen die Entschädigung.
lichen Urteilen gleich behandelt werden müssen“. — Die Zeitströmung geht aller-
dings eher auf Beseitigung solcher Ausnahmen vom Grundsatze der öffentlich-
rechtlichen Entschädigung. Bei dem unverkennbaren Zusammenhang dieser Aus-
nahmen mit dem volkstümlichen Ansehen der Behörde und der Machtstellung des
Beamtentums giebt das zu denken.
schen Personen. Daß der gewählte Standpunkt richtig ist, wird sich durch seine
Brauchbarkeit für die Erkenntnis des Rechts unserer juristischen Personen er-
weisen.
bekannten Theorie soll damit nicht an die Stelle der juristischen Person ge-
setzt sein.
nicht aber bildet ein gegebener Wille ihre Grundlage: Bernatzik in Arch. f.
öff. R. S. 193 ff.
S. 41 ff. Die Korporationen und Gemeinen des A.L.R. II, 6 § 25 ff. sind ledig-
lich als derartige juristische Personen des Civilrechts gedacht; § 81: „Korpora-
tionen und Gemeinen stellen in den Geschäften des bürgerlichen Lebens eine
moralische Person vor“; § 82: „Sie werden in Rücksicht auf ihre Rechte und Ver-
bindlichkeiten gegen Andere, außer ihnen, nach eben den Gesetzen, wie andere
einzelne Mitglieder des Staates beurteilt“. — Für die Civilrechtswissenschaft wird
sich die Sache heute noch so darstellen, wenn sie ihren Standpunkt einseitig wahr-
nimmt. Da wird nur der Fiskus als juristische Person in Sicherheit gebracht;
was sonst noch am Staate ist, das ist ein „politisches Wesen“, von dem man
nichts weiter sagen kann. So Arndts, Pand. § 41; Stobbe, D.P.R. I § 49,
IV, 1. — Laband, St.R. I, § 67, verwertet jetzt noch diese Auffassungsweise zur
Erklärung der rechtlichen Natur des Reichslandes. Elsaß-Lothringen ist nach ihm
kein Staat, kein Subjekt „staatlicher Hoheitsrechte und staatlicher Aufgaben“; aber
es ist ein „selbständiges Vermögenssubjekt“ und hat zu diesem Zweck „privat-
rechtliche Persönlichkeit“: es giebt nur einen elsaß-lothringischen Fiskus, der als
solcher den Fisci der deutschen Gliedstaaten gleichbehandelt wird.
Fiskus; die einzelnen Zweige der Staatsverwaltung werden aber dann „weiter
personifiziert“: Militärfiskus, Justizfiskus. Jetzt noch stellt sich O.V.G. 14. Febr. 1881
(Samml. VII. S. 6) das Verhältnis bei der Brücke über den öffentlichen Fluß so
vor, daß „unten der Stromfiskus wirtschaftet und oben der Chausseefiskus“. v. Bis-
marck, Verwaltungsgerichtsges. S. 121: „jede einzelne (fiskalische Kasse) bildet aber
vermöge einer Rechtsfiktion ein besonderes Rechtssubjekt; sie können Rechte und
Forderungen gegen einander erwerben u. s. w.“
S. 181 ff.
folgen bei Weiske, Samml. d. neuen deutsch. Gem.Ges. (1848). Einl. S. X wird zu-
bei Staat und Gemeinde. Erst wird neben den Verband, der für öffentliche
Zwecke gebildet ist, eine civilrechtlich juristische Person gestellt, ein Verbands-
fiskus, wenn man so sagen will; oben § 48 Note 20. Diese geht dann auf in der
vollen juristischen Persönlichkeit der öffentlichen Genossenschaft. Das Zwischen-
glied der zweierlei juristischen Personen fehlt aber hier.
biete des Privatrechts, für Vermögensrechte als eine Person oder juristische Ein-
heit aufzufassen haben“, während die Gemeindegewalt schlechthin auf dem Verein
ruht. S. XI geht es dann weiter: „Will man die Gemeindegewalt auf das Verhältnis
einer Persönlichkeit zurückführen, so könnte man in der Korporation eine öffent-
liche und eine privatrechtliche Persönlichkeit unterscheiden; die letztere bestünde
für die Vermögensrechte. Beide Persönlichkeiten werden aber durch denselben
Vorsteher vertreten.“ Hier schwankt also die Auffassung schon zwischen der
ersten und der zweiten Stufe; die dritte ist Weiske noch verborgen.
2, S. 137, von einer Selbstverwaltung auch in der staatlosen Epoche der „Ge-
schlechter- oder Ständeherrschaft“ spricht. Der Begriff setzt die einheitliche Staats-
gewalt voraus. — Laband, St.R. I. S. 100 (3. Aufl. S. 94), will darin den „Gegen-
satz zum Verwaltetwerden“ sehen; Selbstverwaltung sage von einem Körper aus,
„daß er sich selbst verwaltet,“ während eine höhere Macht besteht, „von der er
auch verwaltet werden könnte“. Allein unseres Erachtens ist der Selbstverwaltungs-
körper allerdings zugleich Gegenstand staatlicher Verwaltung; die Aufsichtsgewalt
(unten § 59) bezeugt das; er wird vermöge dieser thatsächlich verwaltet. Das Selbst-
verwaltungsrecht bedeutet auch nicht, daß er sich selbst verwalte, sondern daß
er gewisse Angelegenheiten, die als die seinigen angesehen werden, selbst
verwalte, während sie sonst der Staat verwalten würde. — Eine gute Übersicht der
mancherlei Meinungen über das, was Selbstverwaltung sei, giebt Gluth, Die Lehre
von der Selbstverwaltung S. 4—64. Vgl. Blodig, Die Selbstverwaltung als
Rechtsbegriff S. 4 ff. Wir überlassen den Ausdruck seinem durch Juristen und
Politiker geschaffenen Schwebezustand und stellen bloß fest, in welchem Sinne
wir das Wort Selbstverwaltungskörper gebrauchen wollen; Folgerungen aus diesem
Worte werden wir nicht ziehen (anders natürlich L. v. Stein, Verw.Lehre I, 2
S. 21); die untergeordnete juristische Person des öffentlichen Rechts ist ein guter
Begriff, an dem lassen wir uns genügen.
nur soweit dem öffentlichen Rechte an, als auch ihre Lebensthätigkeit nach diesem
beurteilt wird. Folgerichtig kommt Bornhak in Ztschft. f. ges H.R. 39 S. 222
zu der Annahme, die juristische Person habe eine wechselnde Natur. „Beant-
wortet sich doch die Frage, ob eine Person eine öffentlichrechtliche oder eine
privatrechtliche ist, lediglich nach den Rechtsverhältnissen, bei welchen sie be-
teiligt ist“. Danach gäbe es überhaupt keine eigenartige juristische Person des
öffentlichen Rechts; sondern die einzige Art juristischer Personen, die wir haben,
nennen wir bloß bald eine eine civilrechtliche, bald eine öffentliche, je nach der
Art der Rechtsverhältnisse, in welche sie sich begiebt. Wir würden so auf eine
sehr wertvolle Unterscheidung einfach verzichten.
gut gekennzeichnet, indem er fordert, daß dieser Zweck sein „Lebenszweck“, das
„Centrum der Persönlichkeit“ sein müsse. Er widerspricht deshalb mit Recht
(Seite 24 Note) v. Stengel, V.R. S. 15, der auch Eisenbahn-Aktiengesellschaften
und Zettelbanken von Aktienvereinen zu den Selbstverwaltungskörpern rechnet.
Aber auch die Reichsbank, welche Rosin geneigt ist den juristischen Personen
des öffentlichen Rechtes beizuzählen (Öff. Gen. S. 50), ist nichts anderes, als eine
beliehene juristische Person nach diesem Muster; der Betrieb der öffentlichen An-
stalt, die ihr überlassen wurde, (ist für sie „nur das Mittel, durch dessen Ver-
wendung sie ihren eigentlichen Zweck, den Vermögensvorteil ihrer Mitglieder, zu
erreichen glaubt“.
deutung der Verleihung der juristischen Persönlichkeit zu überschätzen. Die
Gemeinnützigkeit oder das öffentliche Interesse, die nach ihm durch die Ver-
leihung bekundet werden, können ja möglicherweise gerade in der Schaffung einer
juristischen Person des Civilrechts ihre Befriedigung finden. Das Gleiche gilt von
dem Merkmale, daß die juristische Person durch staatlichen Zwang zustande ge-
bracht wird: Blodig, Selbstverw. S. 25 ff.
welche „kraft öffentlichen Rechts dem Staate zur Erfüllung ihres Zweckes ver-
pflichtet ist“. Darüber Gierke, Gen.Theorie S. 657 Note 1; Bornhak in Ztschft.
f. H.R. 39 S. 222; Tezner zu Jellineks Syst. der subj. öff. R. S. 91; Regels-
berger, Pand. I S. 319 Note 4.
Vereinen betr. Art. 30 Abs. 2, Art. 34. Vor allem gehören aber hierher die mit
öffentlichen Unternehmungen beliehenen Aktiengesellschaften. Tezner zu Jellineks
System S. 91 thut Rosin Unrecht, wenn er ihm vorwirft, daß seine Formel auch
diese Fälle umfasse (vgl. oben Note 11). Aber Haenel, der diese Formel über-
nommen hat, ohne zugleich zu betonen, daß es sich um den „Lebenszweck“ der
Person handeln müsse, kommt thatsächlich dazu, auch Eisenbahngesellschaften,
Zettelbanken, Gewerkschaften als „zur Selbstverwaltung regulierte korporative Ver-
bände“ anzuerkennen. Daß ihr nächster Zweck „privatwirtschaftlicher Gewinn“ des
Unternehmers ist, macht nichts aus, wenn sie nur durch Aufsichtsrechte des
Staates diesem zur Erfüllung ihres Gemeinzweckes verpflichtet sind. Warum sollte
dann ein wohlbeaufsichtigter Einzelunternehmer solcher Dinge nicht am Ende auch
Selbstverwaltung üben? Dieser Selbstverwaltungsbegriff nähert sich bedenklich
dem Roesler’schen, welchen Laband, St.R. 2. Aufl. I S. 97 ff., so scharf gekenn-
zeichnet hat.
nach Rosin, Off. Gen. S. 19, nur das „principale“ Element; dazu kommen erst die
„formalen“ Rechte, welche dem Staate der Genossenschaft gegenüber zustehen,
um ihn zu befähigen, „die Erfüllung jener Pflicht in seinem Interesse zu überwachen
und zu erzwingen.“ Wenn nun solche formalen Rechte nicht bestimmt sind, wie
das z. B. in Elsaß-Lothringen bei Anerkennung eines Vereins als „öffentliche An-
stalt“ geschehen kann, woran erkennt man dann jene Pflicht? Sie ist doch selbst
erst eine Folgerung aus der besonderen Zugehörigkeit zum Staat, die in anderer
Weise festgestellt ist.
mehr oder minder bezeichnende Symptome, nicht dagegen wesentliche und für sich
allein ausschlaggebende Kennzeichen der öffentlichrechtlichen Qualifikation zu er-
blicken. Entscheidend ist vielmehr die Unterstellung des körperschaftlichen
Socialrechts unter gleichartige Gesichtspunkte und Normen, wie sie das staatliche
Gemeinwesen beherrschen“. In diesem Sinne auch, wenigstens bezüglich der
Korporationen, Regelsberger, Pand. I S. 318.
keiten“; Gierke, D.Pr.R. I. S. 469. Ihre Angehörigen sind die „verbundenen
Personen“. Rümelin, Methodisches S. 19, bezeichnet sie als „die beteiligten
Menschen“, Merkel, Encykl. § 190, als „Interessenten“. Der Ausdruck „Selbst-
verwaltungsberechtigte“, den ich in Theorie des Franz. V.R. S. 427 dafür ge-
brauchte, sagt zu viel; Laband in Arch. f. öff. R. II S. 160 hat ihn mit Recht
getadelt. Die einzelnen Erscheinungen unseres wichtigen, aber durchaus noch nicht
eingelebten allgemeinen Begriffes führen verschiedene Namen; zu einer umfassenden
Bezeichnung dürfte das oben gewählte Wort am geeignetsten sein. Der „Staats-
angehörige“ giebt das Vorbild.
in diese Rubriken einreihen; wir haben nicht von ihnen zu handeln. Vgl. darüber
Hinschius in Marquardsens Handbuch I, 1 S. 249 ff.
verbreitet ist, wirkt verwirrend. Denn die Thatsache, daß es öffentliche Anstalten
giebt, mit welchen nicht zugleich eine besondere juristische Person verbunden ist,
bleibt daneben bestehen; das wird z. B. bezüglich der Schule hervorgehoben in
C.C.H. 12. März 1870 (J.M.Bl. 1870 S. 216). Überdies kann ja infolge einer ge-
schehenen Verleihung eine öffentliche Anstalt auch mit einer juristischen Person
des Civilrechts verbunden erscheinen (oben § 49); wenn man sich einmal daran
gewöhnt hat, unter öffentlicher Anstalt schon eine juristische Person des öffent-
lichen Rechtes mitzuverstehen, ist die richtige Beurteilung dieses Falles sehr er-
schwert. Darunter hat besonders die Reichsbank gelitten. Rosin, Öff. Gen.
S. 80 ff., nennt sie eine öffentliche Genossenschaft; darüber Arch. f. öff. R. I
gabe von Mitteln zu einem solchen Zweck (Regelsberger, Pand. § 75 Note 15).
Man muß sich auch hier wieder vor Verwechslungen hüten. Zur Bezeichnung der
juristischen Person würde das Wort namentlich da geeignet sein, wo sie mit einer
solchen Zuwendung thatsächlich begonnen hat. Für ihr Wesen macht das keinen
Unterschied. Sartorius in Wörterbuch, Erg.-Bd. II S. 279: „Ohne rechtliche
Bedeutung ist die Unterscheidung von Stiftungen und Anstalten“. Vgl. auch
Pfeifer, Jur. Pers. S. 127; Bolze, Begriff der jur. Pers. S. 187; Regels-
berger, Pand. I S. 294. Rosin, Öff. Gen. S. 21, 48, will das Wort Stiftung
nur für civilrechtliche Stiftungen gelten lassen: „Die Anstalten des Privatrechts sind
die Stiftungen“. Im Wortsinn liegt das nicht, und der Sprachgebrauch ist gegen
diese Einschränkung.
die Anstalten „lediglich Verselbständigungen eines von dem höheren öffentlichen
Willen abgezweigten Teilwillens“. Solche Verselbständigung geschieht aber doch
nicht wegen eines bloßen Spaltungstriebes; wenn der höhere Wille bloß die An-
Gierke, D.P.R. I S. 637 (öffentlichrechtliche „Verbandsperson“ mit „von außen
eingepflanztem Stiftungswillen“). Vgl. oben § 55 Note 11.
welchen die Stiftung zu Gute kommt“, die sich lediglich „als Destinatäre ihres
Nutzens“ darstellen. Diese Destinatäre sind zwar (S. 970) „durch die Anstalts-
person verbunden und von ihr ergriffen“, aber nur als „Willensobjekt“; sie sind
ein „passiver Bestandteil“, es giebt hier keine „aktive Mitgliedschaft der Ver-
bundenen“. Der nämliche Verband von passiven Mitgliedern schließt sich aber
unseres Erachtens um diese Anstalten auch dann, wenn sie noch nicht juristische
Persönlichkeit haben, und schließt sich um öffentliche Anstalten, die nie mit be-
sonderer juristischer Persönlichkeit ausgestattet werden, wie Gericht, Post, Eisen-
bahn. Daß man unsere juristische Person schlechthin als „öffentliche Anstalt“
zu bezeichnen pflegt, führt eben hier zu der Verwechslung der Destinatäre der
öffentlichen Anstalt mit den Destinatären der dafür gegebenen juristischen Person.
So z. B. auch E. Mayer im Wörterbuch I S. 692. Bernatzik in Arch. f. öff. R. V
S. 250 scheint die ersteren geradezu als die „Genossen“ des „Gemeinwesens“ be-
zeichnen zu wollen, das die Anstalt oder Stiftung vorstellen soll. Auch Merkel,
Encyklop. § 190, fällt in die hier übliche Vermengung. Er bemerkt, daß „bei den
Stiftungen die Interessenten weder korporativ verbunden, noch von vornherein
persönlich bestimmt sind“. Das würde auf unsere „Angehörigen“ passen; auch
der Gegensatz stimmt: „wo die Interessenten korporativ verbunden sind“; das ist
eben der Fall der öffentlichen Genossenschaft, deren Angehörige den grund-
legenden Verein bilden. Allein die Interessenten der Stiftung sollen nach Merkel
doch wieder einfach diejenigen sein, welchen die Anstaltsleistungen zu Gute kommen,
also bei Wohlthätigkeitsstiftungen die Armen. „Statt zu sagen: diese Güter ge-
hören jetzigen und künftigen Armen, für welche diese Güter fruchtbar gemacht
werden sollen durch die Einrichtungen des Armenstifts Sct. Marx, sagen wir kurz-
weg: diese Güter gehören dem Armenstift Sct. Marx“. Wir wollen gleich an
dieses Beispiel anknüpfen. Setzen wir einmal den Fall: diese Anstalt, Sct. Marx
genannt, gehöre nicht einer Stiftung, sondern einem Wohlthätigkeitsverein mit
juristischer Persönlichkeit, einer öffentlichen Genossenschaft, wie das ja möglich
wäre. Da sind dann „die Interessenten korporativ verbunden“, nämlich die Vereins-
mitglieder, die Genossen (unten n. 2). Und die Armen? Ihre Stellung zu dem
Unternehmen, zu der Anstalt bleibt ganz und gar dieselbe, wie im Falle der
Stiftung. Daß sie nicht die Interessenten, die Angehörigen der juristischen
Person sind, ist hier ganz klar. Sie können’s also auch in jenem ersten Falle
nicht sein, sondern andere Menschen, die nicht die Armen sind, müssen dort die
Stelle der Korporationsmitglieder vertreten. Das sind aber die richtigen „Inter-
essenten“, auf die es uns allein ankommt.
selbständigung? Das ist uns die Frage.
sich erfreut, ist ja bestrebt, die juristische Person überall zurückzuführen auf einen
bedeutet eine juristische Person, die einen gegebenen Kreis von Menschen zu einem
„Körper“ zusammenfaßt. Dazu gehört auch die Gemeinde, die ihrerseits nicht
voraussetzt, daß ihre Angehörigen einen Verein bilden, wie das bei der öffent-
lichen Genossenschaft der Fall ist. Vgl. die trefflichen Ausführungen von Rosin,
öff. Gen. S. 40 ff. — In eigentümlicher Weise kommt die richtige Bestimmung des
Gegensatzes zwischen Anstaltspersönlichkeit und Genossenschaft zum Ausdruck
bei Piloty, Reichs-Unfallversicherungs-R. II S. 474 Note 2: „Der rechtliche Unter-
schied zwischen den Korporationen, welche Rosin öffentliche Anstalten nennt,
und den übrigen öffentlichen Korporationen besteht m. E. nur in der verschieden-
artigen Bezeichnung der Mitgliedschaft bei diesen und jenen.“ Darauf gründet sich
in der That alles. Piloty aber sagt das in dem Sinne, als ob damit eine wissen-
schaftliche Unterscheidung nicht genügend gerechtfertigt sei, und nennt beides,
Genossenschaft und Anstaltspersönlichkeit, Korporation. Damit sind wir natürlich
nicht einverstanden.
die juristische Person ihren Anfang genommen hat mit einer freigebigen Zu-
wendung, ergreift man natürlich gern die Gelegenheit, den erforderlichen Willen
von diesem Stifter zu beziehen. Dessen Wille ist der juristischen Person ein-
gepflanzt, in ihr fixiert, perpetuiert, verewigt, erstarrt. Foerster, Preuß. Priv.R. 3.
Aufl. IV S. 404; Gierke, Gen.R. II S. 962; ders., Gen.Theorie S. 12 Note 3;
ders. D.Priv.R. I S. 635; Meurer, Heil. Sachen S. 75 ff. Bei civilrechtlichen
Stiftungspersönlichkeiten, Familienstiftungen u. dergl. wird sich diese Auffassung
vielleicht ohne Schaden durchführen lassen. Auf das öffentliche Recht übertragen
bedeutet sie aber die unnatürliche Zerreißung einer einheitlichen Rechtsgestalt.
Die Anstaltspersönlichkeit ist ganz dieselbe, ob die Mittel für ihr Unternehmen
von Anfang an ganz durch einen Stifter geliefert sind, oder ob eine Gabe den
Anstoß gab, die nur einen Teil des Aufwandes deckte, oder ob sie nur in Hoffnung
auf zukünftige Anteilnahme geschaffen wurde. Ob ausgesprochenen oder mut-
maßlichen Wünschen der Geber bei Gestaltung der juristischen Person Rechnung
getragen wird, macht keinen wesentlichen Unterschied.
Gegensatz der Korporation zur Stiftung darauf stellen will, daß bei jener „Ver-
walter und Destinatär zusammenfällt, bei der Stiftung nicht“. Destinatäre „des
Nutzens“ sind hier gemeint; vgl. oben Note 6. — Es können sogar in einer und
derselben Genossenschaft zweierlei Arten von Mitgliedern vereinigt sein, genießende
(Destinatäre des Nutzens) und nicht genießende; Angehörige des Selbstverwaltungs-
körpers sind sie beide. So in den Orts-, Betriebs- und Baukrankenkassen des
Kr.K.Ges. versicherte Arbeiter und nicht versicherte, aber doch beitragende Arbeit-
geber. Beide sind Mitglieder; Loening, V.R. S. 557. Rosin, Öff. Gen. S. 60,
will die Arbeitgeber nicht als Mitglieder ansehen wegen ihres „verschiedenartigen
Interessenstandpunktes“. Aber das Interesse, welches das Gesetz als ein gemeinsames
für Arbeitgeber und Arbeiter ansieht, ist die Versicherung der Arbeiter; hierfür
dient beiden die juristische Person; daß den Nutzen der Einrichtung die Arbeiter
schließlich allein haben, ändert nichts daran. Hat ja doch die Berufsgenossen-
schaft der Unfallversicherung nur Mitglieder ohne solchen Nutzen.
ihnen (den Korporationsmitgliedern) der Wille der Korporation hervorgehe, und
dieses Natürliche muß als vom Rechte gewollt angesehen werden, soweit keine
abweichende Bestimmung getroffen ist.“ Darauf beschränkt sich für uns das, was
man wohl die „Immanenz des Willens“ der Genossenschaft nennt im Gegensatz
zu der „Transcendenz des Willens“ der Stiftung: Gierke in Holtzendorff Rechts-
lex., Art. Jurist. Pers. II S. 422; ihm folgend namentlich Rosin, Öff. Gen. S. 22,
S. 48. Das Wesen der Genossenschaft wird durch eine abweichende Ordnung ihrer
Vertreterschaft nicht berührt. Nach Gierke a. a. O. S. 422 und Gen.R. II
S. 971 ff. kann die Körperschaft wohl „anstaltliche Elemente“ vertragen, d. h. ein
gewisses Maß von dem Einfluß staatlicher Behörden auf ihre Vertretung, wie er
bei der Anstaltspersönlichkeit die Regel ist. Aber dieses transcendente Element
darf nicht zu stark werden, sonst hört die Korporation auf und wird die Anstalt
daraus. Für uns wäre eine juristische Person, die ihre Angehörigen in einem
Verein geordnet hinter sich hat, auch dann noch Genossenschaft, wenn ein
Regierungskommissar bestellt ist, um ihre Angelegenheiten diktatorisch zu ver-
walten. Umgekehrt kann ja auch eine Anstaltspersönlichkeit mit Ausschüssen
versehen sein, die in irgend einer Weise der an dem Unternehmen interessierten
Bevölkerung entnommen werden; dann spricht man von „korporativen Elementen“
in der Anstalt; Rosin, Öff. Gen. S. 51 Note 42a; G. Meyer, V.R. I S. 659.
der juristischen Personen: Korporationen, Stiftungen, Fiskus. Die Gemeinden
werden als Personengesamtheiten zu den ersteren gerechnet und dem Fiskus
entgegengesetzt. So z. B. Arndts, Pand. I § 47. Eine neuere Auffassung, sichtlich
unter dem Einfluß Gierkes, unterscheidet Anstalten und Stiftungen einerseits
und Körperschaften andererseits; die letzteren begreifen dann Genossenschaften,
Gemeinde und Staat. So z. B. bei Regelsberger, Pand. I § 75 ff. Es scheint
uns wichtig, daß die Cäsur innerhalb der zweiten Gruppe schärfer betont werde.
22. Juni 1889 § 48 ff. Die Anstaltspersönlichkeit bekommt aber dadurch keinen
Verein abgegrenzt, für den sie da ist, und wird kein Mischgebilde; die äußere
Gestalt ihrer Vertretung ist auch für ihr Wesen gleichgültig.
auf: „1. Land und Leute, welche 2. ein höchster Wille beherrscht“. N. 1 giebt
die Bestimmung der Angehörigen der juristischen Person, N. 2 ihre Vertretung.
Diese juristische Person selbst will Seydel allerdings nicht anerkennen. Darüber
Bernatzik in Arch. f. öff. R. V Seite 252 Note.
in Arch. f. öff. R. V S. 464 und Rosin, Öff. Gen. S. 42 ff., betonen mehr die
Bedeutung des Gebietes als räumliche Herrschaftsabgrenzung. Aber diese Be-
deutung hat das Gebiet eben nur auch. Den Gegensatz zwischen Genossenschaft
und Gemeinde, wie Rosin thut, in diese Gebietsherrschaft zu setzen, wird nicht
angehen; die Ortsgemeinde, die Kreise, Provinzen verwalten in ihrem Gebiet, aber
es wird doch darin in ihrem Namen nicht geherrscht, so wenig wie für Wasser-
genossenschaften, Berufsgenossenschaften in deren Sprengel. Preuß hat im wesent-
lichen an Gedanken angeknüpft, die bei Gierke schon entwickelt worden waren,
namentlich Gen.R. II S. 870, 871: „Die Gebietskörperschaft beruht darauf, daß die
territoriale und örtliche Grundlage den ihr entsprechenden Personenverband in
wesentlichen Beziehungen durchdrang“. So bestimmt sich die Mitgliedschaft durch
die Gebietsangehörigkeit und wird das Gebiet, wie Preuß gut sagt, zum
principium individuationis für die juristische Person. Abweichend von Gierke wird
aber hier weiter geschieden: wo die Gebietsangehörigkeit zunächst die Pflicht oder
das Recht erzeugt, einem Verein anzugehören, der seinerseits juristische Persönlich-
keit hat, haben wir eine Genossenschaft vor uns wie eine andere; das Gebiet ist
nur von mittelbarer Bedeutung. Die Gebietskörperschaft in unserem Sinn liegt
nur da vor, wo die Gebietsangehörigkeit unmittelbar auch die Angehörigkeit an die
juristische Person bestimmt. — Aus der Zusammensetzung mehrerer gleichartiger
Gebietskörperschaften kann eine obere Gebietskörperschaft, ein höherer Kommunal-
verband sich bilden. Dabei entsteht entweder für die Einwohner eine doppelte
Angehörigkeit, zu dem unteren und zu dem oberen Körper; oder jeder gehört
unmittelbar nur zu seinem unteren Körper, und diese bilden ihrerseits wieder die
Angehörigen des oberen; vgl. Bl. f. adm. Pr. 1887 S. 290. — Sehr lehrreich O.V.G.
2. März 1889: Dem hannoverischen Amtsversammlungsbezirke war die juristische
Persönlichkeit bestritten worden. Der Gegner behauptete, es gebe bloß zwei
Arten: entweder die Vereinskörperschaft, beruhend auf einer Anzahl physischer
Personen, oder die öffentliche Anstalt oder Stiftung, bestehend aus einem mit
Rechtsfähigkeit versehenen Vermögen (vgl. oben Note 11). Hier treffe keines zu.
Dem stellt nun das O.V.G. die Gebietskörperschaft als das dritte entgegen: „Das
bestehende Recht baut die kommunalen mit Korporationsrechten versehenen Ver-
Gemeindeangehörigen und Gemeindebürgern; die öffentliche Genossenschaft hat
lauter Genossenschaftsbürger. Haenel, St.R. I S. 81 ff., erklärt den Staat für
einen „korporativen Verband“; die Mitglieder dieses Verbandes, die Staats-
angehörigen sind „von Seiten ihrer Pflichtstellung Unterthanen, von Seiten ihrer
Rechtsstellung Staatsbürger“; das ist genossenschaftliche Auffassung. In Wahrheit
bilden aber die allein mit politischen Rechten ausgerüsteten Staatsbürger eine
besonders geordnete Auslese unter den Staatsangehörigen, wie sie die Genossen-
schaft nicht hat.
bestimmten räumlich abgegrenzten Bezirkes durch Wohnsitz, Grundbesitz u. s. w.
in rechtliche Gemeinschaft tretenden Personen, oder auch auf die von kommunalen
Korporationen niederer Ordnung auf.“
Regelsberger, Pand. I S. 308 ff. — Man darf natürlich nicht überall eine
juristische Person finden wollen, wo nur in der Ausdrucksweise, um der an-
schaulicheren Vorstellung willen, Einrichtungen aller Art, namentlich Ämter, be-
handelt werden wie Personen, die Rechte haben, vertreten werden, Geschäfte vor-
nehmen. Ein merkwürdiges Beispiel solcher Verwechslung bietet Bernatzik in
Arch. f. öff. R. V. Ich hatte in Theorie d. franz. V.R. S. 27 ausgeführt, in der
Behördenordnung trete das Amt als das Bleibende „für die praktische Anschauung
in den Vordergrund; es wird behandelt wie ein Wesen für sich, fast persönlich“.
Das citiert Bernatzik a. a. O. S. 174 mit Mißfallen und behauptet dann S. 213
und S. 214 frischweg, ich hätte gesagt, „daß Ämter fast Persönlichkeit besitzen“.
sonders sorgfältig durchzuführen, gelangt alsbald zu der Erkenntnis, daß auch bei
ihrer Entstehung „die öffentlichen Korporationen und die Privatkorporationen
anderen Regeln folgen“ (S. 51).
genug. Man kommt aber in der herrschenden Lehre dadurch an ihr vorbei, daß
man bei der Schaffung einer juristischen Person immer einen Rechtssatz verlangt;
da ist dann freilich die gesetzliche Grundlage unentbehrlich (Bd. I S. 76). Um
das aufrecht zu erhalten, wird selbst im Einzelakt, der eine juristische Person
schafft, ein Rechtssatz gefunden. So besonders scharf Gierke, Gen.Theorie S. 21:
„Wenn daher der Staat Rechtssubjektivität beilegt, so produziert er hierdurch
niemals ein Rechtssubjekt, sondern er schafft entweder oder konstatiert einen
Rechtssatz, welcher das Dasein eines Rechtssubjektes bejaht“. Uns ist durch den
Begriff des Verwaltungsaktes, der, ohne einen Rechtssatz zu schaffen, bestimmt,
was Rechtens sein soll, die Möglichkeit und die Notwendigkeit einer anderen Auf-
fassung gegeben. Die Lösung der Fragen, die damit erst auftauchen, kann nur
gefunden werden durch das Zurückgehen auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze
von den getrennten Gewalten.
juristischen Person scharf zu unterscheiden zwischen dem, „was der Staat als
Rechtsorgan, und dem, was der Staat als lebendiges Machtwesen leisten soll und
kann“. Diese letztere Seite des Staates ist nach uns bei der Entstehung von Selbst-
verwaltungskörpern in Frage; er verwaltet, indem: er sie schafft. Dadurch ist
nicht ausgeschlossen, daß er damit zugleich etwas für die Rechtsordnung Bedeut-
sames setzt.
fachen Vereinsstatuten (Bd. I S. 128), sind nicht zu verwechseln mit den Statuten,
welche die geschaffene juristische Person kraft ihrer Autonomie erlassen mag. Die
letzteren enthalten Rechtssätze, die ersteren nicht. Bei Bolze, Begriff der jurist.
Pers. S. 174, werden diese Dinge durcheinandergeworfen. — R.G. 24. April 1883
(Samml. IX S. 261) und R.O.H.G. 11. Jan. 1873 (Samml. IX. S. 130) handeln von
landesherrlich genehmigten Verfassungsstatuten juristischer Personen des öffent-
lichen Rechts, der Preuß. Rentenversicherungsanstalt und der Provinzial-Feuer-
Societäten. Diesen wird die Eigenschaft von Gesetzen, d. h. von staatlich auf-
gestellten Rechtssätzen abgesprochen. Sie sollen aber im Verhältnis zu den Ver-
sicherten die Bedeutung von „privatrechtlichen Vertragsnormen“ haben, d. h.
wirksam werden als stillschweigend bedungener Vertragsinhalt. Dazu wird aller-
dings das Verfassungsstatut häufig geeignet sein: es bezeichnet das Unternehmen,
dessen Führung den Zweck der juristischen Person ausmacht, und je mehr es dabei
in Einzelheiten geht, desto wichtiger wird es für alle abzuschließenden Rechts-
geschäfte, die sich notwendig darauf beziehen. Es ist für diese eine „Privatnorm“
in demselben Sinne, wie ein Eisenbahnbetriebsreglement für die Frachtverträge der
Bahn. Gierke, Gen.Theorie S. 164 und Note 2 a. E., will jenen Statuten zwar
keinen Theil zugestehen an den „publizistischen Eigenschaften der Gesetze“, aber
daraus wäre „keineswegs der Schluß zu ziehen, daß es sich nicht um objektives
Recht handelt.“ Wir wüßten nicht, welcher Art von Rechtsquelle diese Rechts-
sätze dann zugeschrieben werden könnten.
gruppen, je nachdem der Anstoß ausgeht von der Behörde oder von den Vereins-
genossen. Fertig wird die Sache aber doch immer erst durch „eine Aktion des
Staatswillens“. Danach scheint uns die Frage nach der juristischen „causa efficiens“
(a. a. O. S. 138 Note 37) von selbst beantwortet. Die dritte Gruppe, welche
Rosin außerdem noch anerkennt, umfassend zwei Fälle, wo „dritte Persönlich-
keiten“ maßgebend eingreifen, hat keine Berechtigung; vgl. unten Note 9 und 10.
„Verleihung der juristischen Persönlichkeit“, „Genehmigung der Statuten“, sogar
als „Anerkennung des Vereins als einer öffentlichen Anstalt“.
sie ihre Zustimmung oder Genehmigung nur versagen darf, wenn bestimmte Gründe
vorliegen; Beispiel Gew.O. § 98 b (Innungen). Der Gründungshergang kann auch
geteilt sein, sodaß zuerst darüber entschieden wird, ob die Genossenschaft über-
haupt entsteht, und sodann erst ihre Verfassung und namentlich ihre Vertretungs-
ordnung genauer bestimmt wird durch ein Statut. Dabei ist möglicherweise die
Behörde bezüglich des einen Aktes gebunden, während sie bezüglich des anderen
nach freiem Ermessen bestätigt oder verwirft oder gar den Inhalt selbständig
ordnet; Beispiel in Unf.Vers.Ges. v. 6. Juli 1884, § 12 und 20.
und Entwässerung, Deichschutz, Forstbetrieb; vgl. Bayr. Ges. über Bewässerungs-
und Entwässerungsunternehmungen v. 28. Mai 1852 Art. 6. — Statt von einer
Mehrheit von Angehörigen kann die Vereinsgrundlage auch geschaffen werden von
einem besonders hervorragenden Mitgliede, dessen Willenserklärung das Gesetz
dafür genügen läßt. So nach Krank. Vers.Ges. § 61 vom Fabrikherrn hehufs Er-
richtung einer Fabrikkrankenkasse. Sein Antrag genügt, damit die Behörde er-
mächtigt sei, durch Genehmigung der Statuten die öffentliche Genossenschaft ent-
stehen zu lassen. Beschäftigt er mehr als 50 Arbeiter, so ist er sogar be-
rechtigt zur Errichtung der Kasse, das will sagen, die Behörde ist gebunden,
seinem Antrage Folge zu geben. Für Rosin, Öff. Gen. S. 140, bildet das eine
besondere Art der Entstehung der Genossenschaft, insofern sie hier auf dem
Willensentschlusse einer „dritten Persönlichkeit“ beruhte. Das hängt damit zu-
sammen, daß er unrichtigerweise den Arbeitgeber nicht als Mitglied der Genossen-
schaft gelten läßt (oben § 56 Note 8).
den Bundesrat. Ebendahin gehört die Bildung der Ortskrankenkassen durch die
Gemeinden nach Krank.Vers.Ges. v. 10. April 1872 § 16 ff. Die Gemeindebehörde
beschließt entweder selbständig über die Notwendigkeit (§ 16: „sind berechtigt
zu errichten“), oder wird von der höheren Verwaltungsbehörde dazu angehalten
(§ 17: „kann die Gemeinde verpflichtet werden, .... zu errichten“). Eine Zwei-
teilung des Gründungshergangs besteht wieder insofern, als der besondere Inhalt
des Statuts immer nur unter Mitwirkung der höheren Verwaltungsbehörde fest-
gesetzt wird. Die Gemeinde aber, bei welcher die ordentliche Zuständigkeit liegt,
erscheint an Stelle des Staates als Schöpferin der juristischen Person, gerade so,
S. 102 ff.; Gierke in Schmollers Jahrb. VII S. 1143.
kassen u. s. w. kraft Selbstverwaltungsrechtes zu gründen vermag. Woedtke,
Kom. z. Krank.Vers.Ges. § 16 Note 4: „Die Errichtung der Kasse geschieht durch
Errichtung des Kassenstatuts und liegt als obrigkeitliche Funktion dem Vorstande
der Gemeinde ob“. Rosin, Öff. Gen. S. 140, behandelt das mit Unrecht wieder
als einen Fall der Begründung durch Willensentschluß einer „dritten Persönlich-
keit“. Indem die Gemeinde an Stelle des Staates wirkt, ist sie die erste Per-
sönlichkeit.
fassung nach ist es ein abkürzender Ausdruck, um die Stelle zu bezeichnen, von
welcher der Wille der juristischen Person, d. h. der für sie geltende, ausgeht;
diese Stelle kann von einem oder mehreren oder einer Gesamtheit von Vertretern
gebildet sein. Es steht damit ähnlich, wie mit dem Begriff der Behörde (Bd. I
S. 96 Note 2). Man möchte aber das Organ selbst zu einer besonderen Art von
wollendem Subjekt machen. Gierke, a. a. O. S. 1138, erklärt es als „Glied-
person, in deren Wollen und Handeln sich verfassungsmäßig die unsichtbare
Lebenseinheit der Gesamtheit manifestiert.“ Das entspricht der überall durch-
geführten Lehre von dem „Sich durchdringen“ verschiedener Persönlichkeiten.
Wer diesen Gedanken nicht voll annehmen will, opfert dann entweder das Organ
dem Vertreter oder umgekehrt. So ist bei Bernatzik in Arch. f. öff. R. V
S. 230 ff. jeder Teil des Organismus, welcher an dessen Willensbildung teil hat,
Organ. Also nicht das Gericht wäre das Organ, sondern der Landgerichtsrat.
Jellinek, Subj. öff. Rechte S. 214 ff., wirft Bernatzik mit Recht vor, daß er
damit die von ihm verteidigte „organische Staatslehre“ verleugnet. Er unterdrückt
dafür seinerseits den Vertreter: „Als Staatsorgan ermangelt die physische In-
dividualität der Persönlichkeit“ (S. 140). Der Organwille ist nicht der Wille des
Vertreters, sondern der des Organs (S. 213). Es ist eine „selbstverständliche That-
sache“, daß der Organwille durch Rechtssätze aus dem Individualwillen
„destilliert“ wird (S. 215 Note). Es wird also von dem Vertreter ein Stück Wille
abgelöst, dann braucht man ihn nicht mehr.
gilt die Regel, „daß als das im Bereiche des Körperschaftslebens souveräne Organ
die Mitgliederversammlung fungiert“. So auch bei der öffentlichen Körperschaft
(S. 688 und Note 9 daselbst). Darauf beruht die sogenannte „Immanenz des
Willens“, welche nach Gierke der Körperschaft eigentümlich ist (oben § 56 Note 10).
die Wahl zur Bestellung von Beamten der Genossenschaft. Das Vorbild für die
letzteren giebt die Wahl des Vorstandes der Aktiengesellschaft durch die General-
versammlung (Behrend, Lehrb. d. H.R. S. 838). Nach Piloty, Unf.Vers.R. II
S. 434 ff., wäre auch die Wahl der Vorstände der Berufsgenossenschaft so auf-
zufassen. Allein dieses ist eine Abordnung durch Übertragung der Vertretungs-
macht, jenes ein Rechtsgeschäft namens der Gesellschaft in Ausübung der Ver-
tretungsmacht. Der Vorstand der Aktiengesellschaft tritt in ein Dienstverhältnis
zu dieser; der Vorstand der Berufsgenossenschaft steht nicht in Diensten der-
selben.
auch außerhalb des Bereichs des Vereins und der Genossenschaft, wo immer diese
Form der Vertreterschaft durch Abordnung zur Anwendung kommt. Abgesehen
von der „Volksvertretung“ des staatlichen Verfassungsrechts finden wir solche
„Vertreter“ der Beteiligten, die zugleich Vertreter der juristischen Person sind,
und Alt.Vers.Ges. § 58 und 60; Unf.Vers.Ges. § 24 Abs. 2 und § 25. Daß keine
wirklichen Ämter mit öffentlichrechtlicher Dienstpflicht damit gemeint sind, be-
weisen die Gesetze schon dadurch, daß sie auf diese Ehrenämter gleichzeitig ge-
wisse Regeln des „Amtes des Vormundes“ für anwendbar erklären. Das ist gleich-
falls kein Amt in dem hier geltenden Sinne; Rudorff, R. d. Vormundschaft, I
S. 5 ff. — Die Frage pflegt am ausführlichsten behandelt zu werden im Zusammen-
hange mit Stf.G.B. § 359; vgl. die Kommentare dazu von Oppenhoff, n. 33—37,
Olshausen n. 12; Rüdorff-Stenglein S. 754. Wegen der ebenso zu be-
urteilenden Stellung der Gemeinderatsmitglieder vgl. unten Note 14.
bei Gemeinden; vgl. unten Note 12. Mit der Doppelsinnigkeit dieses Wortes
hängt es zusammen, daß man sich so oft unklar ist über den Willen, der durch
diese Vertreter „zum Ausdruck kommt“, d. h. für wen ihr Wille rechtlich gilt.
Die Stadtverordnetenversammlung z. B. äußert nach Möller, Preuß. Stadt-R.
S. 85, den Willen der Gemeinde, also der juristischen Person; nach Leidig,
Preuß. Stadt-R. S. 69, den der Bürgerschaft, also der Angehörigen der juristischen
Person. Nach Gierke gestaltet sich das Verhältnis zu der bekannten Willens-
verknotung: der Wille der Wähler durchdringt sich mit dem der Gesamtheit,
der Wille der Gewählten mit dem der Wähler, so daß alles zusammen eine
wollende Einheit bildet. Wir sagen: in dem Beschlusse der Stadtverordneten-
versammlung kommt nur der Wille ihrer Mitglieder zum Ausdruck; dieser Wille
in gehöriger Form erklärt, gilt verfassungsrechtlich als Wille der Gemeinde; daß
aber diese Leute die Fähigkeit haben, einen Willen zu erklären, der als Wille der
Stadt gilt, das kommt von dem gehörig erklärten Willen der Bürgerschaft, d. h.
der Wähler her, die ihnen die Fähigkeit verliehen haben.
bildet der Prokurist nach H.G.B. Art. 56. In diesem Begriffe ist lediglich die
Vertretungsmacht gegeben; über das innere Verhältnis zunächst gar nichts. Allein
gewisse Pflichten gegenüber dem Vertretenen sind „eine aus der Stellung des
Prokuristen ohne weiteres hervorgehende Folge“; Behrend, Lehrb. d. H.R. I
S. 368.
eine öffentliche Anstalt zur Verwaltung und Verwendung der eingezahlten Bei-
träge. Die Angehörigen der juristischen Person sind die Beitragszahler, Arbeit-
geber und Versicherte; um ihretwillen ist die juristische Person da. Sie bilden
unter sich keinen Verein. Das Gesetz beruft aber aus ihrer Mitte Abgeordnete,
Überwachung der verwaltenden Beamten, sowie auf Mitwirkung bei Gewährung der
Anstaltsnutzungen (z. B. Stipendien, Krankenbetten) durch bindende Vorschläge.
Das kirchenrechtliche Patronat giebt einigermaßen das Vorbild.
Gemeindeangehöriger gebraucht; dann unterscheidet man wieder jene bevor-
rechteten als die „aktiven“ Gemeindebürger.
juristischen Person teil zu nehmen (§ 48, 51 des Ges.). Es nennt die also Be-
rufenen „Vertreter“ der Arbeitgeber und der Versicherten. Das sind sie wieder
nur in jenem politischen Sinne, indem sie einen Einfluß der Kreise, aus denen sie
entnommen sind, auf die Verwaltung der Anstalt vermitteln. Irgend welches
Rechtsverhältnis zu den von ihnen auf diese Art „Vertretenen“ haben sie nicht.
Zu der Anstaltspersönlichkeit, deren Vertreter sie im juristischen Sinne sind,
stehen sie in demselben Verhältnisse, wie abgeordnete Genossenschaftsvorstände;
vgl. oben Note 6.
Kollegien allgemein üblich, um sie im Gegensatz zum Gemeindevorstand zu be-
zeichnen: Bayr. Gem.O. Art. 70; Jolly in Wörterbuch I S. 518 ff.; Loening,
V.R. S. 169 und Note. Der Letztere hebt mit Recht hervor, daß diese Ausdrucks-
weise juristisch ungenau ist. Sie enthält, wie uns scheint, das Gemisch von zwei
Vorstellungen zugleich: der Gemeinderat ist für die Gesamtheit der Gemeinde-
angehörigen, für die Gemeinde in diesem Sinne, der Vertreter, wie die ab-
geordneten Vertreter der Genossenschaftsmitglieder es sind für diese, also nicht
juristisch, sondern politisch; zugleich vertritt er die Gemeinde als Selbstverwaltungs-
körper gegenüber dem Vorstand, insofern er diesen überwacht und beschränkt. Die
letztere Ausdrucksweise giebt auch Inv. u. Alt.Vers.Ges. § 46 Abs. 3.
verwaltungskörpers öffentliche Beamte sind, ist gerade bezüglich dieser Gemeinde-
vertretungen von besonderer Wichtigkeit geworden. Man hat sie meist mit
richtigem Gefühl verneint. Aber das Gefühl giebt keine sichere Abgrenzung und
mit der juristischen Begründung sieht es sehr mangelhaft aus. Man hängt sich an
Merkmale, die für sich nicht entscheidend sind, wie z. B. an die Art der zu
übenden Thätigkeit, insofern eine bloße Überwachung, ein Zustimmungsrecht
gegenüber den Handlungen anderer Vertreter nicht genügen sollte, um die Beamten-
eigenschaft zu verleihen. Als ob es nicht auch echte Staatsbeamte mit solchen
Geschäftskreisen gäbe! Oder es wird betont, daß es sich nicht um Staats-
angelegenheiten handle. Als ob Angelegenheiten von Selbstverwaltungskörpern
nicht auch öffentliche Angelegenheiten wären! So z. B. ein in späteren Ent-
scheidungen vielfach angerufenes Erkenntnis des Sächs. O.A.G. v. 11. Febr. 1876
(Annalen d. O.A.G. II. Folge Bd. IV S. 221): Gemeinderatsmitglieder sind keine
Beamte; denn der Gemeinderat ist so ausschließlich zur Verwaltung der Gemeinde-
angelegenheiten bestellt, daß nicht die Rede davon sein kann, „als sei er ein
Vgl. auch Schwarze in Sächs. Gerichtszeitung XXII 8. 209, 290. Dann sucht
man wieder das entscheidende Merkmal in der Behördeneigenschaft des Kollegiums:
bildet dieses eine Behörde, so sind auch die Mitglieder öffentliche Beamte. So
O.Tr. 5. Mai 1869 (Oppenhoff, Rspr. X S. 288): Rosin, Arb.Vers. I S. 651;
Piloty, Unf.Vers.R II S. 434. Danach müßte aber z. B. auch der Schöffe Be-
amter sein. — Möller, Preuß. Stadt-R. S. 85, meint vielleicht den richtigen
Gegensatz, wenn er sagt: „Dagegen haben die einzelnen Stadtverordneten nicht
die Eigenschaft öffentlicher Beamten; sie sind bloße Repräsentanten der Stadt-
gemeinden“. — Die Anerkennung der Gemeinderatsmitglieder, ebenso wie der ab-
geordneten Vorstände der unbedeutendsten öffentlichen Genossenschaft, als öffent-
licher Beamter ließe sich garnicht umgehen, wenn nicht das entscheidende Merk-
mal dazwischenträte, das uns die besondere rechtliche Natur der Abordnung selbst
liefert. Sie sind bestellt für einen bestimmten Kreis von Geschäften der öffent-
lichen Verwaltung, in dauernder Weise, um namens des Selbstverwaltungskörpers
darin thätig zu sein, und stehen dabei in öffentlichrechtlichem Verhältnisse zu
diesem. Was zum Begriffe des öffentlichen Beamten bei ihnen fehlt, ist einzig
die öffentliche Dienstpflicht. Diese ist wesentlich zum Begriff des Beamten (oben
§ 42 S. 200), und diese haben sie nicht.
angestellt, die man wohl im Gegensatze zu den Gemeindevertretungsbeamten als
Gemeindebeamte schlechthin bezeichnet: Oertel, Städte-Ord. I S. 211.
rechts vgl. unten § 59, II. Beispiel: die Ernennung des Schultheißen nach
Württemb. V.Ed. v. 1. März 1822 § 12 durch die Regierung aus drei gewählten
Kandidaten.
empfunden: Leidig, Preuß. Stadt-R. S. 149 ff.; Steffenhagen, Handb. der
städt. Verf. u. Verw. in Preuß. S. 252 ff.; Blodig, Selbst-Verw. S. 162 ff.
namentlich auch bestimmt ist, „die angemessene Besoldung festzustellen“.
Modalitäten“ werden perfekt durch die Bestätigung.
vorstandes (Magistrat) und die Gemeindevorsteher ohne weiteres als „Personen,
welche in dienstlicher Unterordnung unter ein Gemeinde-Organ kraft eines speciell
auf ihre Person bezüglichen öffentlichrechtlichen Aktes Geschäfte der Gemeinde zu
besorgen haben“. Als das dienstlich vorgesetzte Gemeinde-Organ kann er sich
nur den Gemeinderat, die Stadtverordneten denken. Das gegenseitige Verhältnis
dürfte aber damit durchaus nicht richtig bezeichnet sein.
dem Bürgermeister eingeräumt ist über die anderen Mitglieder des Gemeinde-
vorstandes; Jolly in Wörterbuch I S. 523.
ihren Ausdruck durch die Bezeichnung der städtischen Beamten als mittelbarer
Staatsbeamten; Leidig, Preuß. Stadt-R. S. 44. Über die Einzelheiten dieser
Disciplinarstrafgewalt: F. Seydel, Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten
S. 224 ff.; Jolly in Wörterbuch I S. 523.
Vorstandes „werden von einem oder mehreren Beamten des weiteren Kommunal-
verbandes oder Bundesstaates, für welchen die Versicherungsanstalt errichtet ist,
wahrgenommen.“ Gehalt und Pension „sind von der Versicherungsanstalt zu ver-
güten.“ — Seydel, Bayr. St.R. IV S. 635: „Die fraglichen Beamten sind, wenn
auch aus Stiftungsmitteln besoldet, Staatsdiener, denn sie führen Geschäfte des
Staates“. Dieser Grund ist allerdings nicht der richtige. — Vgl. auch die Zu-
sammenstellung des geltenden Rechts bei Sartorius in Wörterbuch Erg. Bd. II
S. 284 ff. — In dieser Art der Besetzung des Vorstands der Anstalt oder Stiftung
besteht das, was Gierke die „Transcendenz des Willens“ dieser juristischen
Person nennt.
mundes gegenüber dem Mündel; Inv. u. Alt.Vers.Ges. § 59.
Präsident sind Beispiele. Ebenso die an Stelle eines Bürgermeisters ernannten
Kommissäre nach Preuß. Städte-Ord. § 33 und Els.-Lothr. Ges. v. 24. Febr. 1872.
Der Unterschied ist nicht zu übersehen zwischen diesen Staatsbeamten, welche den
Auftrag haben, den Selbstverwaltungskörper zu vertreten, und den Beamten des
Selbstverwaltungskörpers, welche kraft Aufsichtsrechts staatlich ernannt sind;
vgl. oben Note 15.
des Beamten.
sei jetzt die Aufgabe „nicht mehr wie seither die Leitung des städtischen Wesens,
sondern die Wahrung der Rechte des Staates“.
das nämliche zu sagen, wie von den bekannten polizeilichen Ermächtigungen in
A.L.R. II, 17 § 10 (Bd. I § 20 Note 3): der Form des Verfassungsstaates ist durch
solche übernommene Gesetze genügt, aber im Sinne des Rechtsstaates sind der-
artige schrankenlose Ermächtigungen nicht. Vgl. v. Roenne, Preuß. St.R. II
S. 205 Note 2; Foerster-Eccius, Preuß. Priv.R. IV S. 66a Note.
Grundsätzen des Rechtsstaates (richtiger: Verfassungsstaates) … stehen der staat-
lichen Aufsichtsbehörde zur Geltendmachung ihres Aufsichtsrechts nur diejenigen
Mittel zu Gebote, welche ihr das Gesetz bewilligt“. Bei den Gemeinden, auf die
er sich beruft (S. 107 Note 19; S. 119 Note 26), trifft das allerdings zu; aber bei
diesen findet sich eben auch kein Verfassungsstatut (oben § 57, I n. 3). — Der
Umstand, daß das Statut Verwaltungsakt ist, kann bedeutsam werden, wo etwa
ein Rechtsschutzmittel nur für Verletzung eines „Gesetzes“ gegeben ist (Bd. I
S. 192).
führung“, wie Gierke, Gen.Theorie S. 659, es ausdrückt; S. 658 teilt er ein:
„Je nachdem so ein negatives oder ein positives Verhalten erzielt werden soll,
wird sich die Aufsicht durch Verbot oder Gebot äußern“. Leidig, Preuß.
Stadt.R., der ihm sonst zu folgen pflegt, setzt dafür eine negative und eine positive
Aufgabe der Aufsicht (§ 500 ff.). Das ist keine Einteilung der Mittel mehr,
sondern der Art ihrer Verwendung (unten II). Diese Abweichung von Gierke
rächt sich alsbald durch eine große Verwirrung, vermöge deren er sogar die
Zwangseinschreibung zur Herbeiführung gesetzlicher Leistungen unter die negativen
Aufgaben stellt.
S. 1 ff. Es ist auch denkbar, daß eine allgemein auferlegte Pflicht etwas zu thun,
im Einzelfall dem Selbstverwaltungskörper durch eine Genehmigung abgenommen
wird; Gierke, Gen.Theorie S. 658 Note 2, unterscheidet danach Erlaubnis und
Dispensation.
anderen Formen der Aufsicht stellen, weil sie allein auch nach Zweckmäßigkeits-
rücksichten ausgeübt werden könne. Dagegen mit Recht Gierke, Gen.Theorie
S. 654 Note 2, woselbst auch Beispiele der verschiedenen Bedingtheit all
dieser Akte.
dahin, „daß der Staat an Stelle eines nicht vorhandenen oder nicht ordnungs-
mäßig fungierenden Körperschaftsorgans mit unmittelbarer Wirkung für die
Gesamtperson will und handelt“. Der Umweg über das Organ, zumal über das
nicht vorhandene, ist aber nicht wesentlich.
Inhaber von Innungsämtern nach Gew.O. § 104 Abs. 3, gegen die Kassenvorstände
nach Kr.Vers.Ges. § 45 Abs. 1. Allgemeiner Natur ist die Ermächtigung in
Preuß. L.V.G. § 132, der zweifellos auch für Anordnungen der Aufsichtsgewalt
in Kommunalangelegenheiten gilt. A. M. v. Stengel, Organis.Ges. S. 464. Zu
diesem letzteren Fall ist zu bemerken: Damit, daß den Behörden eine solche
Strafgewalt allgemein verliehen ist, um ihre Anordnungen durchzusetzen, ist noch
gar nicht gesagt, ob und welche Anordnungen von ihnen erlassen werden können.
Dafür bedürfen wir eigentlich einer selbständigen Grundlage. Die preußische
Praxis läßt aber auf Grund des § 132 die aufsichtsrechtliche Zwangsstrafe gegen
die Stadtverordneten oder wenigstens ihren Vorsteher zu für alles, was die Auf-
sichtsbehörde anordnet, ohne zu untersuchen, inwiefern sie berechtigt ist, maß-
gebende Anordnungen für diese Personen zu erlassen; Oertel, Städteord. S. 112
Note 1; Leidig, Preuß. Stadt-R. S. 100 Note 3. Daß die „Erfüllung der Dienst-
pflicht“ in Frage sei (obwohl die Stadtverordneten gar keine haben!), oder daß
wenigstens dem Vorsteher eine „Verantwortlichkeit für die gesetzliche Handhabung
der Geschäfte“ obliege, ist doch nur eine ganz unzureichende Redewendung. Es
scheint hier in der That unbewußt auf die bedenkliche Rechtsgrundlage des
A.L.R. II, 6 § 191 zurückgegriffen zu werden (oben Note 3).
den geltenden Rechtssätzen und gebräuchlichen Statuten. Roesler, V.R. I S. 300,
scheint hier Regeln a priori aufstellen zu wollen für das, was der Staat „nicht
darf“ und „berechtigt ist“. Solche giebt es nicht.
sich darf die Befugnis, die Schriften der Kasse einzusehen und die Kassenbestände
zu revidieren, als ein selbstverständlicher Ausfluß des Aufsichtsrechtes angesehen
werden“ (Drucks. d. Reichst. 1884 n. 13 S. 17). Über dieses selbstverständliche
Recht geht es schon hinaus und bedarf besonderer Grundlage, wenn die Gültigkeit der
Akte des Selbstverwaltungskörpers von solcher Kenntnisnahme abhängig gemacht
werden soll. Beispiel in Gew.Ord. § 104 Abs. 5 und 6.
zwungen wird, so erliegt die übliche Ausdrucksweise der Versuchung, diese
zweierlei Personen durcheinander zu werfen. Es soll ganz dasselbe bedeuten,
wenn Kr.Kass.Ges. § 34 sagt: „Der Vorstand … hat Anzeige zu erstatten“ und
§ 41: „Die Kasse ist verpflichtet … einzureichen“. Vgl. Sächs. Ges. über jurist.
Pers. v. 15. Juni 1868 § 75; Gierke, Gen.Theorie S. 662 Note 1.
Häufig will man mit dem Worte Vormundschaft, Bevormundung, Kuratel der Ge-
meinden die alte polizeistaatliche Auffassung und die Unterdrückung aller Selb-
ständigkeit bezeichnen: Gierke, Gen.R. I S. 745; derselbe, Gen.Theorie S. 643,
644; Jolly in Wörterbuch I S. 495; v. Roenne, Preuß. Städteord. Einl. S. 8 ff.;
L. v. Stein, V.Lehre I 2 S. 147. Dabei scheint aber der Vergleichspunkt ver-
schoben zu werden: als Vormund kann doch nur die Vertretung, nicht die Auf-
sichtsbehörde gedacht sein; wenn diese nur wie ein Vormundschaftsgericht darüber
steht, ist es nicht so schlimm. Der Gegensatz dazu, den man meint, kommt ganz
gut zum Ausdruck in dem äußersten Fall der Einmischung, wo der Staat die
gesamte Verwaltung des Selbstverwaltungskörpers in seine eigene Hand nimmt;
das nennt man die „Einleitung einer staatlichen Kuratel“ über denselben; Gierke,
Gen.Theorie S. 666 Note 2. Also jetzt erst!
Vormundschaft hier werden kann, bezeugt die Bemerkung, welche Trolley,
hiérarchie adm. I n. 286, zu den sog. Amortisationsgesetzen macht: „la tutelle
prend ce caractère d’hostilité etc.“
„Verletzung öffentlichrechtlicher Bestimmungen“ im Gegensatz zur „Verletzung
von Privatrechten“ giebt den Unterscheidungsmaßstab. Sonst müßte auch die un-
gerechtfertigte Bekämpfung einer Steuerschuld oder einer Enteignung hierher ge-
hören. Das natürliche Gebiet der Aufsichtsgewalt allein giebt die Grenze.
„Zwang gegenüber dem Selbstverwaltungskörper“ pflegt man namentlich die sog.
Zwangsetatisierung zu bezeichnen: v. Stengel, V.R. S. 153: G. Meyer, St.R.
S. 342. Auch sie ist das eigentlich nicht, sondern ein Handeln für den Selbst-
verwaltungskörper. Was an wirklichem Zwang hier vorkommt, richtet sich immer
nur gegen seine Vertreter.
S. 213). Möglicherweise ist ihr aber doch ein gewisses freies Ermessen belassen,
um eine schonende Vollziehung zu ermöglichen, namentlich durch Gestattung von
„Das staatsaufsichtliche Verfahren ist danach eine Ergänzung der gemeindlichen
Selbstthätigkeit. Es kann nur dann Platz greifen, wenn sich lediglich Gemeinde
und Staatsaufsichtsbehörde gegenüber stehen“.
rechtliche oder auch für civilrechtliche Verpflichtungen geschehen kann: Loening,
V.R. S. 193, und Oertel, Städteord. S. 402, behaupten ersteres, v. Stengel,
Organis.Ges. S. 252, und Rosin, Öff. Gen. S. 112 Note 43, wollen sie für beides
gelten lassen. Die richtige Antwort setzt voraus, daß man nicht unter dem Namen
Zwangsetatisierung die Pflichtigerklärung und die Einschreibung zusammenwerfe,
sondern beides geschieden halte. Die Pflichtigerklärung ist bloß für öffentlich-
rechtliche, und zwar bloß für aufsichtsrechtlich wahrzunehmende, aus der Aufgabe
des Selbstverwaltungskörpers entspringende Pflichten bestimmt. Die Zwangs-
einschreibung dient diesen und allen anderen, für welche nicht eine andere Art
der Erzwingung vorgesehen ist. In diesem Sinne ist die Befugnis der Zwangs-
etatisierung, wie Oertel a. a. O. sagt, eine „subsidiäre“.
Note 4 zu § 50.
unter Gemeindelasten auch die Gesamtheit des Aufwandes, für welche die Gemeinde-
angehörigen schließlich aufzukommen haben, entsprechend den „Staatslasten“;
G. Meyer, St.R. S. 328; Rosin, Arb.Vers. S. 530. Vgl. oben S. 265.
freien oder aufsichtsrechtlich gebundenen Aufgaben versehen ohne weitere Wahl.
Ausnahme bei der Innung nach Gew.O. § 97a. Die Gemeinden dagegen haben
neben gesetzlichen Aufgaben, an die sie streng gebunden sind (Hauptbeispiele:
Schullast, Wegelast, Armenlast), ein weites Feld selbst zu wählender; O.V.G.
25. Febr. 1885 (Samml, XII S. 158).
geschaffen, kann ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde nicht mehr aufgehoben
werden; Oertel, Preuß. Städteord. S. 402 Note 2 zu § 78.
S. 39 ff.; Neukamp in Arch. f. öff. R. IV S. 407 ff., 540. Loening, V.R.
S. 32, will den ganzen Unterschied beseitigen.
er zugleich die örtliche Polizeiverwaltung führt: Oertel, Preuß. Städteord. I
S. 261, 262; Foerstemann, Pol. R. S. 75 ff.; Neukamp in Arch. f. öff. R. IV
S. 358; Seydel, Bayr. St.R. III S. 61, 62 Note 2.
Seydel, Bayr. St.R. III S. 61. V.G.H. 13. April 1881 (Samml. II S. 652); O.Tr.
22. Febr. 1859 (Str. 32 S. 307); vgl. auch O.Tr. 24 Febr. 1865 (Str. 56 S. 356).
öffentlichrechtliche Kostenerstattungspflicht (Bd. I § 18, II), an die Armenunter-
stützung das Recht zur Geltendmachung der civilrechtlichen Alimentationsansprüche
des Unterstützten (Unterst. Wohns.Ges. v. 6. Juni 1870 § 62). Die Ähnlichkeit mit
der negotiorum gestio ist nur ganz äußerlich.
füllung ihrer Unterstützungspflicht durch einen Privaten. Die civilrechtliche Grund-
lage wird dadurch nicht geändert, daß Formvorschriften das Recht bedingen
(Anzeigepflicht) und daß die Frage der Unterstützungspflicht der Zuständigkeit der
Verwaltungsbehörde vorbehalten ist. O.Tr. 27. Mai 1874 (Str. 93 S. 22); R.G.
10. Jan. 1882 (Samml. III S. 270); V.G.H. 25. Mai 1880 (Samml. II S. 237); B.A.
f. Heim.W. 5. Mai 1879 (Reger I S. 63); O.L.G. Kiel 19. Okt. 1886 (Reger VIII
S. 286); Württemb. V.G. H. 10. Juli 1878 (Württemb. Arch. f. R. 19 S. 388).
in dessen Bezirk die Hülfsbedürftigkeit zu Tage getreten ist, hat eine vor-
läufige Unterstützungspflicht neben der endgültigen des Unterstützungs-
wohnsitzes. Sein Ersatzanspruch soll aus dem Gesichtspunkt der „nützlichen Ver-
wendung“ erklärt werden: O.Tr. 29. Sept. 1862 (Str. 47 S. 62); R.G. 10. Juni 1881
(Reger I S. 378). Wie kann man aber eine kümmerliche Billigkeitsaushülfe des
Civilrechts auf das wohlgeordnete Zusammenarbeiten der öffentlichen Verwaltung
übertragen! — Ähnlicher Natur ist der Ersatzanspruch des benachteiligten Armen-
verbandes im Falle der Abschiebung. Er ist im Gesetz nicht vorgesehen und
doch anerkannt; B. A. f. Heim. W. 29. Nov. 1879 (Reger I S. 63). Sächs. M.
d. I. 5. Mai 1879 (Sächs. Ztschft. f. Pr. I S. 219) behandelt ihn als civilrecht-
lichen Anspruch aus negotiorum gestio, Sächs. C.C.H. 12. Mai 1882 (Reger III
S. 381) als öffentlichrechtlich; es sei, meint das Gericht, weder Delikt, noch
Geschäftsführung die Grundlage; dieselbe sei vielmehr vergleichbar dem gegenseitigen
Verhältnis mehrerer Gesamtschuldner. Darin liegt in der That ein gesunder Ge-
danke. — Die Verteilung der nämlichen Art von Last zwischen den vielen neben-
einanderstehenden Armenverbänden führt sehr häufig auch zu irrtümlichen
Leistungen des einen statt des andern. Ein Ersatzanspruch wird anerkannt
für den Fall des entschuldbaren Irrtums. Der Leistende war also, wie die Sache
zunächst sich darstellte, ordnungsmäßig zur Thätigkeit berufen; nach geschehener
Aufklärung hat der wahre Verpflichtete für ihn einzutreten. Der Grundgedanke
ist wieder der gleiche. V.G.H. 27. März 1883 (Samml. IV. S. 383) macht daraus
eine öffentlichrechtliche cond. ind. auf Grund „des natürlichen Rechts und der
Billigkeit.“ Vgl. die Ausführungen bei Glaessing, cond. ind. des d. öff. R.
S. 67 ff. — Aus einem anderen Verwaltungsgebiet O.Tr. 5. April 1870 (Str. 79
S. 77): Für die örtliche Polizeiverwaltung ist ein Staatsbeamter bestellt, und
gesetzmäßig soll nun der Gehalt vom Staat, die Pension von der Gemeinde ge-
tragen werden. Der Staat, der dem Beamten gegenüber verpflichtet ist, zahlt die
Pension und erhebt Ersatzanspruch gegen die Gemeinde aus negotiorum gestio;
diese kann die Gehaltsabzüge, welche der Staat für die Pension einbehalten hat,
in Abrechnung bringen mit „actio negotiorum gestorum directa“. In Wirklichkeit
zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechtes zu verwenden, wo die
Voraussetzungen der öffentlichrechtlichen Kostenerstattungspflicht nicht zutreffen.
V.G.H. 10. Okt. 1882 (Samml. IV S. 185): Ein ehemaliger Soldat, der hülfsbedürftig
geworden ist, wird im Militärspital verpflegt; dasselbe, d. h. der Staat, erhebt
Ersatzanspruch gegen die Heimatgemeinde; das Gericht erkennt, daß der Ersatz-
anspruch nach denselben Regeln zu beurteilen sei, wie der einer Privatperson:
„Kläger ist nur Privatperson; es macht nichts, daß er juristische Person ist, denn
Privatperson ist jede nicht nach dem Armengesetz zur Hülfeleistung berufene
Person“. Wir würden sagen: jeder Ersatzanspruch, der nicht auf jener öffentlich-
rechtlichen Zusammenordnung der Leistungspflichten beruht, kann nur ein civil-
rechtlicher sein. Es ist aber doch sehr die Frage, ob es zulässig sein kann, daß
die eine Verwaltung sich so ohne weiteres der Aufgaben der anderen bemächtigt,
um dann nach den Regeln des civilrechtlichen Verkehrs Ersatzansprüche zu
erheben.
28. Nov. 1882 (Reger VI S. 344); desgl. 4. Nov. 1885 (Samml. S. 418); B. A. f.
Heim.W. 22. Sept. 1883 (Reger IV S. 167). Andere Fälle: C.C.H. 14. April 1860;
O.V.G. 6. Nov. 1886.
verhältnis. — Ähnlich der Fall der Erstattung von Transportkosten, welche eine
Polizeiverwaltung unterwegs auszulegen veranlaßt war: B.A. f. Heim.W. 18. Jan. 1883
(Reger II S. 260); das Bundesamt erklärt dabei allerdings, seinen besonderen
Gesichtspunkt übertreibend (wie es auch sonst wohl thut), alles für civilrechtlich,
was nicht armenrechtlich ist. — Das Östr. Reichsgericht (Hye 190) hat auf Grund-
lage der negotiorum gestio ein Kronland zur Erstattung der Auslagen verurteilt,
welche dem Staat, der gesetzlich gewisse Gelder für dasselbe zu verwalten hatte,
für Mehrkosten an Gehältern erwachsen waren. — In umfassender Weise er-
scheinen solche Erstattungsansprüche auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung:
Rosin, Arb.Vers. S. 537 ff., wo namentlich S. 540 (2, a) die richtige Be-
gründung gegeben wird.
anspruch begründet in R.G. 2. Febr. 1884 (Samml. XI S. 70). Glaessing, cond.
ind. S. 119, will versuchen, „ob nicht ein öffentlichrechtlicher Kondiktionsbegriff
auf den Sätzen des öffentlichen Rechts aufgebaut werden kann“. Er findet diesen
in dem Rechtsmittel einer öffentlichrechtlichen restitutio in integrum. Unseres
Erachtens kommt es vor allem darauf an, wie aus dem Vollzug des ungültigen
öffentlichrechtlichen Forderungstitels der Rückforderungsanspruch entsteht auch
ohne die nicht nachweisbare besondere Rechtsgrundlage; das Rechtsmittel, um
diesen geltend zu machen, findet sich bei uns wohl von selbst in der grundsätz-
lichen Zuständigkeit der Civilgerichte.
V.R. S. 131; Jellinek, Subj. öff. R. S. 195. — Bl. f. adm. Pr. 1871 S. 31:
Übereinkunft zwischen Gemeinde und Staat wegen Bau und Unterhaltung eines
Gemeindewegs, der dem Staate zugleich als Leinpfad dienen soll; das Ministerium
erklärt das für einen öffentlichrechtlichen Vertrag. Ebenso in Bl. f. adm. Pr. 1874
S. 379 die Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einem Straßenbau. Bl. f. adm.
Pr. 1885 S. 396: Vertrag über gemeinsamen Brückenbau ist öffentlichrechtlicher
Natur, „weil die Ortsgemeinden dabei in Erfüllung öffentlicher Pflichten gehandelt
haben“. Solche „Gemeindeverbindungen zu einzelnen Anstalten und Unter-
nehmungen“ können auch in der Weise geschlossen werden, daß der eine Gesell-
schafter die Anstalt herstellt und betreibt, der andere einen Beitrag zahlen soll.
Um die Zuständigkeit der Civilgerichte für diese Forderung zu gewinnen, be-
handelt man das gern als civilrechtlichen Vertrag. O.Tr. 12. Juni 1859 (Str. 14
S. 52): Straßenbau mit Zuschußversprechen der Gemeinde; O.V.G. 3. Sept. 1884:
aber der Vertrag, wie er sagt, eine allgemeine Rechtsform ist, und „gewisse all-
gemeine Elemente des Vertrags vorhanden sind, die auch ohne ausdrückliche An-
erkennung durch den Gesetzgeber objektives Vertragsrecht bilden“, scheint uns
keine Lösung zu geben. „Gewisse allgemeine Elemente“ sind doch keine Rechts-
sätze, und solche brauchen wir.
neuerdings dem Vertrag an die Seite stellt: Binding, Gründung des Nordd. Bdes.
S. 69 ff.; Jellinek, Subj. öff. R. S. 193 ff.; Kunze, Der Gesamtakt S. 29 ff.
Der letztere findet eine Anwendung dieses Gesamtaktes insbesondere im Gebiete
des Gemeindelebens, „wo eine Anzahl von Einzelgemeinden zu einem Gesamtbunde
zusammentreten“ (S. 56).
9. Febr. 1889: Kreistierarzt von Staat bestellt mit Gehaltszuschuß des Kreises;
Sächs. M. d. K. 17. Juli 1880 (Sächs. Ztschft. f. Pr. I S. 367): gemeinsame Schule
von der einen Gemeinde unterhalten mit Zuschuß der anderen. Die Bayr. Praxis
behandelt auch solche Verträge als öffentlichrechtliche: V.G.H. 29. Dez. 1879
(Samml. I S. 50) und vor allem das bedeutsame Gutachten von Seydel in Bl. f.
adm. Pr. 1886 S. 96 ff.
rechtlichen Körperschaft gegenüber der Privatkörperschaft in Bezug auf die Gestalt
der Vereinsgewalt dem Grundgedanken nach übereinstimmend mit dem Obigen:
„Das Ganze und der Teil erscheinen auch vor dem staatlichen Forum nicht mehr
als gleichwertig. Die Verbandsgewalt stellt sich nicht mehr als Privatgewalt,
sondern als öffentliche Gewalt mit obrigkeitlichem Charakter dar“. — Der hoch-
wichtige Begriff des öffentlichrechtlichen Gewaltverhältnisses, den wir, um seiner
Als Statut wird auch der Akt bezeichnet, der im Einzelfall einer juristischen Person
(Genossenschaft oder Anstalt) die Verfassung bestimmt (oben S. 390). Dieses Statut
kann zugleich wichtig werden für die Dritten, welche mit den Unternehmungen
der juristischen Person zu thun haben, als „Privatnorm“ für das einzugehende
Verhältnis (oben S. 391 Note 5), und ebenso kann es, bei der Genossenschaft
wenigstens, die hier besprochenen Generalverfügungen enthalten zur Ausübung der
Vereinsgewalt. Wenn solche Privatnormen oder Generalverfügungen nachträglich
für sich allein aufgestellt werden, nennt man das auch noch Statut. Also wieder
ein Ausdruck, der mit Vorsicht zu behandeln ist.
stehe, in ihren Statuten Ordnungsstrafen anzudrehen, hat in: Arbeiter-Versorgung
Bd. 6 S. 273, 493 und 525, Bd. 7 S. 130 ff. ein interessanter Meinungsaustausch
stattgefunden zwischen Mugdan, Köhne und Rosin. Die Behauptung, daß
alle Strafgewalt nur entweder auf einer staatlichen Übertragung oder auf Vertrag
beruhen könne (Bd. 6 S. 494), läßt unsere öffentlichrechtliche Vereinsgewalt außer
Ansatz. Da diese die nämliche ist gegenüber freiwilligen wie gezwungenen Mit-
gliedern, fällt auch die unnatürliche Unterscheidung hinweg, wonach die Straf-
drohung nur zulässig wäre gegen jene, und gegen diese nicht (Bd. 6 S. 275). Die
Befürchtung, daß die Kassen dadurch die Freiheit ungebührlich beschränken
könnten, hat Rosin (ebenda Bd. 7 S. 133) richtig widerlegt durch den Hinweis
auf den Zweck der Kasse, der eine Grenze steckt. Diese Grenze steckt er eben
dadurch, daß nur nach dem Maße dieses Zweckes das Gewaltverhältnis durch die
nissen zunächst nur im allgemeinen umschrieben (Bd. I S. 108 Note 13), dürfte
inzwischen durch die verschiedenen Anwendungen, in welchen er aufzuweisen war,
eine genügende Bestimmtheit erhalten haben (Bd. I S. 438 ff.; Bd. II S. 234 ff.,
S. 309 ff., S. 335 ff.).
Wenn das Gesetz die Beitragspflicht regelt und sich dadurch der Materie be-
mächtigt hat, so ist selbstverständlich statutarische Bestimmung darüber nur in-
soweit möglich, als es eine Lücke dafür hat lassen wollen; Rosin, Arbeitervers.
S. 584.
Erachtens zugleich eine gewisse Schranke für die zulässige Höhe der anzu-
drohenden Strafen, die Rosin vermißt. Vgl. auch Rosin, Arbeitervers. S. 803 ff.
— Prager in Arch. f. öff. R. VII S. 412 ff. bringt unseren Fall unter die Rubrik
der „autonomen Strafe“, welche nach ihm den Gegensatz bildet zur „öffentlich-
rechtlichen Strafe“; damit stoßen wir auf eine Verschiedenheit in den Grund-
begriffen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. — Strafandrohung
kraft Vereinsgewalt ist selbstverständlich nur möglich, wo ein Verein ist, also nicht
bei der Anstaltspersönlichkeit. Wenn Ordnungsstrafen auch im Statut der Inv.-
Vers.Anstalten angedroht werden können, so ist das nicht die Folge ihres „ge-
nossenschaftsähnlichen Charakters“ (Rosin, Arbeitervers. S. 806; vgl. oben S. 382
Note 10), sondern ausdrücklicher gesetzliche Ermächtigung. Richtig Piloty, Arb.-
vers.ges. I S. 391.
Über die Beitragspflichten auf Grund einer Vorzugslast oben S. 277 ff.
Schriften des Ver. f. Armenpfl. u. Wohlthätigk. Bd. XVI S. 207 ff. Vgl. auch
R.G. 4. Juli 1882 (Reger III S. 55); Münsterberg in Wörterbuch I S. 85 ff.;
Seydel, Bayr. St.R. V S. 229. Statutenmäßige Ordnungen in Kr.K.Ges. 10. April
1892 § 6a Abs. 2; Unf.Vers.G. v. 9. Juli 1884 § 78. Die durch die letztere Be-
stimmung ermächtigten Unfallverhütungsvorschriften richten sich teils an die Mit-
glieder, teils an Dritte. Den Mitgliedern hätten sie auch ohne Gesetz, kraft Ver-
einsgewalt gegeben werden können; über die versicherten Arbeiter wird nun be-
züglich ihres Verhaltens im Betriebe ein entsprechendes Gewaltverhältnis durch
das Gesetz begründet. Es sind keine Rechtssätze, sondern Generalverfügungen.
B.A. f. Heim.W. 5. Febr. 1881 (Reger II S. 277); 2. Febr. 1884 (Reger VI S. 45).
Dem Bayrischen Heimatssystem, das die Angehörigkeit und damit die Unter-
stützungspflicht wesentlich an die Abstammung knüpft, entspricht es, daß als
Schutzmittel gegen drohende Belastung neben die Aufenthaltsbeschränkungen auch
eine Beschränkung der Eheschließung trete; Seydel, Bayr. St.R. V S. 182.
Beides pflegt unter dem Namen „Armenpolizei“ begriffen zu werden. Polizei im
heutigen Sinn des Wortes (Seydel a. a. O. S. 6) ist es nicht; es besteht nur eine
äußerliche Ähnlichkeit der Formen des Vorgehens gegen den Betroffenen. Der
leitende Gedanke ist das besondere Finanzinteresse des zu belastenden Körpers.
Das Verhältnis zu anderen Lastträgern, das überall hereinzuspielen vermag, giebt
den Rechtsgestaltungen hier auch äußerlich eine Eigenart gegenüber den gewohnten
Erscheinungen des Polizeirechts.
weil hier „öffentliche Rechte … beeinträchtigt werden“.
S. 118; Foerster-Eccius, Preuß. Pr.R. IV S. 680; Stobbe, D. Priv.R. § 62,
4bBrinz, Pand. II, 2 S. 1137; E. Mayer in Wörterbuch I S. 696; Sartorius
ebenda, 2. Erg.Bd. S. 280.
scheid, Pand. § 61; Regelsberger, Pand. I S. 356. Der letztere bemerkt
mit Recht: „Wegen der Unbestimmtheit des Momentes der Vermögenszerrüttung
ist ein Aufhebungsbeschluß der Aufsichtsbehörde Bedürfnis.“ Die Aufhebung
wird allerdings auch stillschweigend geschehen können. Mit Rücksicht auf den
völligen Vermögensverfall unterläßt es z. B. die Behörde, eine Vertretung für den
Körper zu bestellen, wozu sie verfassungsmäßig berufen wäre. So lange sie aber
das nicht thut, sondern fortfährt, dafür Vorkehrung zu treffen, und wäre auch
gar nichts mehr von Vermögen vorhanden, darf man den Körper nicht für unter-
gegangen ansehen.
welches nach Gierke eine Ausnahme bildet, insofern es die Vertretung der Spar-
kassen zur Aufhebung derselben ermächtigt, dürfte nicht so aufzufassen sein.
Die causa efficiens liegt auch hier in der Genehmigung der Behörde, der Beschluß
der Vertretung der Sparkasse hat nur die Bedeutung eines Antrages.
fähigkeit“ dieser juristischen Personen.
(sub modo), ist etwas anderes als Schenkung an eine juristische Person, um ihres
bestimmten Zweckes willen; nur im ersteren Falle ist eine Rückforderung vor-
behalten, im zweiten ist die Schenkung unverumstandet. Ein Beispiel der ersteren
Art in Bayr. C.C.H. 11. Jan. 1859 (Moritz II S. 556). Dem Staat war gegeben
worden behufs Gründung einer Studienanstalt; bei Aufhebung der Anstalt steht
dem Schenker die Rückforderung zu. Wäre die Anstalt mit besonderer juristischer
Persönlichkeit bereits begründet gewesen und dieser geschenkt worden, so wäre
bei Untergang dieser Persönlichkeit keine Rückforderung gegeben. Kraft be-
Stiftungsges.Entw. v. 1869; Meurer, Heil. Sachen I S. 50. Dagegen mit Recht
Roesler, V.R. I S. 218: „Es ist dies ein privatrechtliches Argument, das mit
dem öffentlichen Charakter der Stiftungen unverträglich ist“.
juristische Person selbst „in das größere Ganze, dessen Glied sie war, aufgeht“
und ihr Vermögen nach sich zieht.
S. 869 Note 2, sagt: „Bei Reichsanstalten (wie der Reichsbank) ist natürlich das
Reich heimfallsberechtigt“, so scheint uns das Beispiel nicht zu passen: Die
Reichsbank ist keine öffentliche Anstaltspersönlichkeit, und was Bankges. § 41
vorsieht, kein Heimfallsrecht, sondern das gewöhnliche Rückkaufsrecht des Staates,
wie es bei Verleihung öffentlicher Anstalten vorgesehen zu werden pflegt (oben
S. 317); die Aktionäre der Reichsbank werden ja abgefunden.
wohl auch dann begründet sein: Gierke, Gen.Theorie S. 870 Note. Nur von
selbst versteht es sich nicht.
Civ.R. I S. 318; Seydel, Bayr. St.R. IV S. 623 ff.; Roesler, V.R. I S. 217
Note 10; Sartorius in Wörterbuch II. Erg.Bd. S. 281. Dem gleichen Interesse
dient in abgeschwächtem Maße die Rechtsvorschrift, wonach das heimfallende
Vermögen zu ähnlichen Zwecken wieder Verwendung finden soll; Gierke,
Gen.Theorie S. 870 ff.
teiligten giebt wohl in N. 1 u. 2 unsere Fälle wieder; die N. 3: „Diejenigen,
welche ein erworbenes Recht aus der Stiftung haben“, geht zu weit. Die Gläubiger
der Stiftung brauchen doch nicht zuzustimmen; ihre Rechte bleiben unberührt.
ders., Arbeiter-Vers. S. 671. Sie beziehen sich übrigens dem Wortsinne nach viel-
mehr auf den der juristischen Person zu Grunde liegenden Verein als auf diese
selbst. Meist gehen ja beide wohl zusammen unter; wo das nicht der Fall ist,
wird unsere Ausdrucksweise nicht stimmen. Wir hätten besser eine andere.
verschiedenen Spielarten der Auflösung: Rosin, Öff. Gen. S. 197 ff.
Gen.Theorie S. 846 Note 1. Bei Zustimmung oder Antrag der Genossenschafts-
vertretung sind solche Gründe nicht notwendig: Rosin, Öff. Gen. S. 149.
aufgezählt werden der, wo die Begründung der Genossenschaft in Verletzung gesetz-
licher Vorschriften stattfand; Rosin, Öff. Gen. S. 149. Das ist aber einfach die
überall Platz greifende Rückgängigmachung eines ungültigen Verwaltungsaktes.
Gew.O. § 103 Ziff. 1 hebt sie bei der Innung nur deshalb hervor, um ein be-
sonderes Verfahren zu ordnen; Landmann, Gew.O. I S. 651 Note 1 a.
Mitglied genügen läßt, um den Fortbestand der juristischen Person zu sichern, ist
nicht folgerichtig; Pfeifer, Jur. Pers. S. 113.
System II S. 280, angedeutet: auch nach Verlust aller Mitglieder besteht die
Korporation dann fort, „wenn ihr ein dauernder Zweck von öffentlichem Interesse
zu Grunde liegt“. Ähnlich Böhlau, Rechtssatz und Personenrolle S. 40.
Nach Gierke würde eine Genossenschaftsperson, die ihren Verein verloren hat
und deren der Staat sich annimmt, um die Sache einstweilen fortzuführen, in eine
„reine Anstalt“ verwandelt. Stobbe, D. Pr.R. I § 54 Note 4, hält dem ent-
n. 2. Umfassend A.L.R. II 6 § 189, 190. Gegen die einschränkende Auslegung
von Pfeifer, Jur. Pers. S. 121, wonach damit keine Schließung ermächtigt sein
solle, mit Recht Gierke, Gen.Theorie S. 777 Note 2. Vgl. auch Roesler,
V.R. I S. 257 Note 2, der sich aber irrtümlich auf Pfeifer beruft.
Art der juristischen Persönlichkeit vor sich gehen würde, und folgert aus der Un-
natürlichkeit solcher „Metamorphosen“, daß man eine Fortdauer der juristischen
Persönlichkeit ohne Mitglieder nicht zugeben dürfe. Unsere Auffassung trifft das
nicht. Denn die öffentliche Genossenschaft ist eine juristische Person, die ihrer
Verfassung gemäß für einen Verein von Angehörigen bestimmt ist; als solche bleibt
sie zunächst auch nach dem Verluste dieser Angehörigen gekennzeichnet; sie wird
keine Anstaltspersönlichkeit dadurch, daß, mangels von solchen, der Staat ihre Ge-
schäfte einstweilen besorgt. — Nicht zu übersehen ist freilich, daß die hergebrachte
Ausdrucksweise wieder Schwierigkeiten bereitet. Genossenschaft ist eigentlich der
Name des Vereins; nun gebrauchen wir das Wort zur Bezeichnung der juristischen
Person; diese kann fortbestehen ohne Verein; da wird denn dem Sprachgefühl die
harte Zumutung gemacht, daß man uns reden lasse von einer Genossenschaft ohne
Genossenschaft. Aber doch nur dem Sprachgefühl, die juristischen Begriffe sind
in Ordnung.
standes oder Aufsichtsrates überhaupt nicht in Betracht kommen lassen. Dagegen
richtig Sächs. O.App.G. 6. März 1879 (Sächs. Arch. f. civ.rechtl. Entsch. VI
S. 609 ff.): „Ist den Genossenschaften (den Mitgliedern) das gesetzwidrige Ver-
halten des Vorstandes bekannt gewesen ...., so muß die Genossenschaft (die
juristische Person) auch die Folgen der Verschuldung ihrer Organe tragen“.
Beispiele eines Körperschaftsdeliktes und einer Körperschaftsstrafe. Diesen Be-
griffen, denen doch nun einmal Doktrin und Gesetzgebung abhold sind (a. a. O.
S. 776), würden wir uns aber nur dann fügen, wenn wirklich alle Deutungen auf
polizeiliche Akte, wie Gierke meint nur „kümmerliche Ausflüchte“ sein könnten.
Note 1. Die ältere Gesetzgebung war in dieser Beziehung freilich sehr fiskalisch;
vor allem A.L.R. II, 6 § 193. Daher wird auch jetzt noch häufig der Heimfall
als das vorzugsweise geltende Recht bezeichnet: Pfeifer, Jur. Pers. S. 118;
Roesler, V.R. I S. 237; Foerster-Eccius, Preuß. Priv.R. IV S. 663. Wir
behaupten die obige Regel nur für den Fall, daß gesetzlich nichts anderes be-
stimmt ist. Darauf kommt schließlich auch Rosin, Öff. Gen. S. 152 ff., hinaus.
versammlungsbeschluß, welcher gelegentlich der Auflösung über das Vermögen
verfügt, kann eine einfache Vorwegnahme der Auseinandersetzungsbefugnisse des
liquidierenden Vereins vorstellen und als solche gültig sein; so würden sich die
von Gierke, Gen.Theorie S. 861 Note 2, angeführten Fälle erklären lassen, ohne
die Annahme einer „Testierfähigkeit“ der Vertretung.
allgemeinen Körperschaftsbegriff zusammenwirft, bekommt man das schiefe Er-
gebnis, daß für diese Körperschaft bald das Heimfalls-, bald das Anfallsrecht das
Natürliche ist. Gierke, Gen.Theorie S. 868; vgl. oben § 56 Note 11.
bewohntes Gelände, immer ist sie der rechtlichen Natur der Gemeinde wegen Ver-
fassungsänderung: Seydel, Bayr. St.R. III S. 81; Möller, Preuß. Stadt-R.
S. 60; Christ, Bad. Gem.Ges. S. 5. — Erleichterungen bestehen dagegen für
bloße Grenzberichtigung: Oertel, Preuß. Städte-Ord. S. 10 n. 7.
Art. 3 (Weber, Kom. S. 3); Bad. Gem.Ord. v. 1831 (Christ, Bad. Gem.Ges.
Bayr. Verf.R. S. 245 Note 7: „Der völlige Untergang kann die Folge von außer-
ordentlichen Ereignissen, z. B. des Aussterbens aller Mitglieder oder der Aus-
wanderung derselben oder von Kriegsereignissen sein“. Das ist falsch. Eine Ge-
meinde geht nicht von selbst unter durch den Verlust ihrer Angehörigen, so wenig
wie eine öffentliche Genossenschaft. Der Zustand, in welchen sie dadurch gerät,
ist auf die Dauer nicht haltbar und wird deshalb für den Staat Veranlassung sein,
sie aufzuheben. Das kann insbesondere dadurch geschehen, daß ihr Gebiet einer
anderen Gemeinde oder einem ausmärkischen Bezirk zugeteilt wird. Bis dahin ist
das Gebiet selbständige Gemeindemarkung geblieben (auch nach Pözl a. a. O.
S. 250), und die juristische Person darüber ist fähig, wieder ausgefüllt zu werden
durch die Angehörigen, die sie haben soll. — Anders stände die Sache, wenn die
Gemeinde ihr Gebiet verlöre. Ohne Angehörige kann sie sein, aber nicht ohne
Gebiet. Denn das Gebiet bedeutet für sie die Fähigkeit, Angehörige zu haben, die
ja durch die Gebietszugehörigkeit bestimmt sind, und ohne diese Fähigkeit kann
sie nicht sein. Eine Gemeinde ohne Gebiet wäre in derselben Lage, wie eine
öffentliche Genossenschaft, deren Verein polizeilich verboten ist (oben S. 446),
daseinsunfähig, nicht bloß aufhebbar. Gierke, Gen.Theorie S. 841, erkennt des-
halb ein solches „Wegfallen des sachlichen Substrates“ als einen Endigungsgrund
„ohne darauf gerichtete Handlung“. Allein thatsächlich wird eine Gemeinde ihr
Gebiet kaum anders verlieren, als durch einen staatlichen Willensakt, der es ihr
entzieht; das ist aber doch nur eine Form, wie der Staat seinen Willen ausspricht,
die Gemeinde aufzuheben, eine „darauf gerichtete Handlung“ also. Abgesehen davon
kann das Gebiet auch vom Meere verschlungen werden; da das nur alle tausend
Jahre einmal vorkommt, brauchen wir wohl eine besondere juristische Rubrik dafür
nicht zu bilden.
Domänenfiskus ausgekauft und dann zu Gunsten des ausmärkischen Forstes auf-
gelöst worden ist.
teiligte sind nur die rechtlich Beteiligten zu verstehen. Dies sind lediglich die
Gemeinden, sowie gegebenen Falls die Besitzer gesonderter Markungen, nicht die
einzelnen Gemeindeangehörigen, deren Grundstücke in Frage kommen“. Dazu
Note 5: „Denn grundsätzlich handeln in gemeindlichen Angelegenheiten nur die
Organe der Gemeinden, nicht die Einzelnen“. Der Gegensatz der verschiedenen
Arten von Selbstverwaltungskörpern zeigt sich an diesen „Beteiligten“, die bei Ver-
fassungsänderungen in Betracht kommen, am deutlichsten. Bei der Stiftungs-
persönlichkeit, wenn ihr Zweck geändert werden soll (oben S. 441), gehört jeden-
falls die Vertretung des Körpers nicht dazu; die Stifter und Geber, die Angehörigen
der juristischen Person können unter besonderen Voraussetzungen berufen sein.
Bei der öffentlichen Genossenschaft würde bei einer Verfassungsänderung zweifel-
los die Vertretung des Körpers mitzuwirken haben, und die ist hier gleich-
bedeutend mit der Gesamtheit der Angehörigen. Bei der Gemeinde liegt der
Schwerpunkt wieder in der Vertretung des Selbstverwaltungskörpers, die aber
ihrerseits nur mittelbar mit den Angehörigen desselben zusammenhängt; die An-
gehörigen selbst treten ganz hinter dieser zurück. Selbst wo das Gesetz bei
Gebietsveränderungen die zunächst betroffenen Grundbesitzer zu hören vorschreibt,
verschwinden diese als Einzelne sofort wieder, wenn sie eine geschlossene Ort-
schaft bilden, die für den gegebenen Fall nach dem Muster einer Gemeinde mit
einer Vertretung dieses Gebietsteils ausgestattet werden kann; Weber, Bayr.
Gem.Ord. Art. 4 Note 2.
bracht; vgl. oben S. 97 Note 14.
Binding, Stf.R. I S. 370 ff., giebt für dieses (indem er mit Recht den Ausdruck
mißbilligt) eine ausführliche Auseinandersetzung des grundsätzlichen Standpunktes.
Im wesentlichen trifft das alles auch für unser „internationales Verwaltungsrecht“
zu. Der gemeinsame Gegensatz beider öffentlichrechtlicher Rechtsarten zum Civil-
recht kommt darin zum Vorschein.
kann“, sein Akt „völkerrechtlich nichtig“ ist, geht seine Behörden nichts an, ist
also verwaltungsrechtlich ohne Belang. So mit Recht für den strafrechtlichen
Standpunkt Binding, Stf.R. I S. 375.
Mit Rücksicht auf solches Übergreifen unserer Staatsgewalt spricht Seydel, Bayr.
St.R. IV S. 103, von „zwei Titeln“, auf welche sie sich möglicher Weise stützt:
Gebiet und Staatsangehörigkeit. Diese sind aber an praktischer Bedeutung sehr
ungleich und sind auch keine Titel im Sinne von Rechtsgrundlagen, sondern nur
Anlässe zur Geltendmachung der rechtlichen Macht.
lichen Gebiete angehörigen Verhältnisse können nur für die Angehörigen des Staates
begründet werden;“ und: „die Staatsangehörigkeit entspricht im öffentlichen Rechte
der Rechtsfähigkeit des Privatrechts.“
Rechts“, wonach „der Fremde kein Recht an den Staat hat“. Die Schwierigkeit
in derartigen Dingen ist immer die, die Verknüpfung eines solchen Prinzips mit
irgend einem Rechtssatze aufzuweisen; ohne den kann es nicht wirksam werden.
erst androhen oder auch unmittelbar mit „Schub“ und „Zwangstransport“ vorgehen;
dem Rechtsstaat entspricht es, immer erst den Verwaltungsakt dazwischen zu
schieben, auch ohne daß ein Gesetz es verlangt; vgl. Bd. I S. 66. Wer verbieten
kann, kann auch Bedingungen setzen, unter welchen er gestatten, d. h. nicht ver-
bieten will. Auf diese Weise ist die Regierung jeder Zeit in der Lage, ohne
Gesetz, sofern nur ein entgegenstehendes Gesetz nicht ergangen ist, für Fremde
den Paßzwang einzuführen, ihnen Meldepflichten oder die Einholung von
Aufenthaltserlaubnissen aufzulegen. Eine derartige Anordnung ist kein
Rechtssatz, sondern lediglich eine Drohung mit der Gewaltanwendung, die dahinter
steht, um den Fremden, der sich nicht fügt, abzuweisen oder wegzuschaffen.
Arbeiterversicherungsgesetzen“ und Schulze, D.St.R. I S. 354, über Befreiung der
Ausländer vom Kriegsdienst, wo allerdings die Sache so dargestellt wird, als ob
diese Befreiung durch die Grundsätze des Völkerrechts bewirkt würde, während
sie auf der durch völkerrechtliche Rücksichten bestimmten Enthaltsamkeit unserer
Gesetzgebung beruht.
Ausdruck gekommen als bei Windscheid, Pand. I § 34: die einzelnen Staaten
„schließen sich nicht eifersüchtig gegen einander ab, sondern erkennen sich gegen-
seitig an als Mitarbeiter an der gemeinsamen Arbeit des Menschengeschlechtes …
So erscheint die Rechtsordnung eines jeden zu dieser Gemeinschaft gehörigen
Staates jedem anderen zu derselben gehörigen Staate als Organ der allgemeinen
Rechtsordnung und daher in keinem anderen Lichte als seine eigene Rechtsord-
nung.“ Danach ist es aber klar, daß dieses internationale Privatrecht seiner
Grundlage wie seiner Durchführung nach national ist, d. h. auf dem ausgesprochenen
oder vermuteten Willen unserer Staatsgewalt beruht und auf sonst nichts. Die
Schriftsteller — die romanischen voran — gefallen sich freilich darin, etwas All-
gemeines, über den Einzelstaaten Stehendes daraus zu machen. Daß man „still-
schweigende Verträge“ oder gar „europäisches Gewohnheitsrecht“ dazu braucht
(Laurent, droit civ. int. I S. 12; v. Bar, Int. Priv.R. I S. 9), beweist allein
schon, wie schwach es mit der Begründung bestellt ist.
besonderes öffentliches Interesse ins Spiel kommt; das giebt dann die lois réelles,
die sich auf ihr Gebiet beschränken, aber dort unbedingt wirken (Laurent, droit
civ. int. II S. 341 ff.). Sehr gut Brocher, droit int. priv. n. 142: „Il y a des
lois, qui par leur nature, et généralement aussi dans l’intention des pouvoirs qui
welchen man dem Akte der fremden Behörde beilegt, wird sich auch ohne ein
„allgemeines Gewohnheitsrecht“ (v. Bar, Int. Priv.R. II S. 379 ff.) erklären lassen;
die gegenseitige Anerkennung der Gleichartigkeit und Gleichberechtigung im ab-
gegrenzten Gebiet führt ja von selbst dazu.
territoires étrangers, sauf toutefois à y faire reconnaître et sanctionner dans certains
cas, les effets qu’elles ont produits sur le sol national. Ce sont des lois, qui se
rapportent à l’exercice immédiat de l’autorité ou qui doivent satisfaire à des
intérêts purement locaux.“ Das gilt nach ihm vor allem von dem „droit public et
administratif“. — Der Gegensatz leuchtet am deutlichsten hervor bei vermögens-
rechtlichen Ansprüchen. Eine civilrechtliche Forderung, die im Ausland zu Gunsten
des ausländischen Fiskus entstanden ist, kann bei uns eingeklagt werden: unsere
Gerichte bringen zu Gunsten des Gläubigers das fremde Civilgesetz zur Anwendung
und Durchführung. Eine Steuerforderung in derselben Weise begründet, ist bei
uns nicht geltend zu machen: unsere Behörden verweigern dem fremden Steuer-
gesetz die Handhabung. Alexi in Ztschft. f. int. Priv. u. Stf.R. III S. 494: „Es
gilt der völkerrechtliche (?) Grundsatz, daß kein Staat dem andern Beihülfe leistet
in der Einbringung solcher öffentlicher Abgaben.“ Bezeichnend ist, daß man ver-
sucht hat, dem auswärtigen Staate einen Weg zu eröffnen, um zu seiner Steuer-
forderung zu gelangen, durch Umdeutung derselben in eine civilrechtliche. Gerber,
Öff. Rechte S. 44, giebt einen solchen Fall. — v. Bar, Int. Priv.R., behandelt da-
selbst I S. 317 ff. auch „die Steuerpflicht im internationalen Verkehr“. Insofern
das nur geschieht, um die „Notwendigkeit bestimmter und gerechter Prinzipien“ zu
beweisen, läßt sich nichts dagegen sagen; aber mit der Lehre vom internationalen
Privatrecht hat es nichts gemein. Auch die Expropriation gehört nicht in diesen
Zusammenhang (a. a. O. I S. 629, II S. 687 Note 48 a); daß für sie die lex rei
sitae maßgebend ist, brauchen wir nicht vom internationalen Privatrecht zu er-
fahren.
vertrages erzeugt demgemäß niemals irgend welche Rechtssätze oder Verwaltungs-
normen, sondern er begründet lediglich die Pflicht des Staates zum Erlaß der-
selben“. Demnach sind auch nicht die Verträge selbst Verwaltungsrechtsquellen
(Bd. I § 10), sondern nur die in Erfüllung der Verträge ergehenden Verwaltungs-
gesetze. Ersteres behaupten, obwohl in der Grundauffassung mit Laband über-
einstimmend: G. Meyer, V.R. I S. 7; v. Stengel, V.R. S. 27.
sein.“ In 3. Aufl. S. 263 ff. sind dann allerdings doch noch zwei weitere Arten
internationalen Verwaltungsrechts hinzugekommen: das der Kriegführung und das
autonome; das erstere scheint uns aber kein Verwaltungsrecht zu sein und das
letztere nicht international.
„organisierte Verwaltungsbündnisse“ und „internationale Verwaltungsvereine“.
Stellung der betreffenden Beamten. Von unserem zweiten Fall, dem der eigenen
Beamten der Gesellschaft, sagt er, diese seien „nicht etwa gemeinsame Beamte der
Vereinsstaaten, sondern Angestellte des Vereins als solchen“. Dieser Gegensatz
scheint uns nicht gerechtfertigt; Vereinsbeamte ist so viel wie gemeinsame Beamte,
so lange der Verein nicht zu einem selbständigen Rechtssubjekt des öffentlichen
Rechts wird, d. h. zu einem Bundesstaat.
die von bloß beratenden oder beobachtenden technischen Beamten. Allein das
ist doch kein Grund, weshalb der Vereinsrichter (Oberappellationsgericht Jena)
als gemeinsames Organ der verbundenen Staaten gelten soll, der Vereins-
techniker (internationales Bureau für Maß und Gewicht in Paris) als inter-
nationales Organ des Staatenvereins; so Jellinek a. a. O. S. 168 ff. Daß der
erstere „wesentlichen Zwecken“ der Einzelstaaten dient, der letztere nicht, ist für
die Zugehörigkeit des Amtes, wie für das Dienstverhältnis gleichgültig. Es wird
hier unseres Erachtens eine unnötige Unterscheidung gemacht.
f. Stsw. 1881 S. 317 ff., der den Gliedstaaten die Eigenschaft als Staaten über-
haupt abspricht, andererseits bei Seydel, Kom. z. Reichsverf. S. 3 ff., Ztschft. f.
Stsw. 1872 S. 185 ff., Annalen 1876 S. 641 ff., wo umgekehrt der Bundesstaat für
eine rechtliche Unmöglichkeit erklärt wird. Laband, St.R. I S. 52 ff. (3. Aufl.
S. 50 ff.), obwohl er die Gliedstaaten noch als Staaten anerkennt, steht im wesent-
lichen auf der Seite von Zorn.
Recht eine Chimäre. — Daß man meist von einer Teilung der „Souveränetät“
spricht, verwickelt die Sache unnötigerweise, insofern mit diesem Begriff noch ein
besonderes Absehen verbunden ist. Wir lassen ihn wohl ohne Schaden ganz
bei Seite.
Souveränetät beruhe, ist in die deutsche Rechtswissenschaft eingeführt worden
durch Waitz. Dieser hat sie seinerseits von Toqueville übernommen, dessen
Doktrin er in „präciser Ausprägung und allgemeinerer Fassung“ wiedergab. Dar-
über ausführlich Brie, Der Bundesstaat S. 92 ff. Toqueville, démocratie en
Amérique I S. 190, beginnt seine Darstellung der Nordamerikanischen Bundes-
verfassung mit der Überschrift: Division des pouvoirs entre la souveraineté fédérale
et celle des États, zeichnet kurz nach staatmännischen Gesichtspunkten die daraus
sich ergebende thatsächliche Machtstellung des Bundes, um dann des breiteren
die Verfassung der Bundesgewalt, die pouvoirs fédéraux, zu behandeln, die ihrer-
seits wieder pouvoir législatif und pouvoir exécutif sind. Den geistreichen Aka-
demiker darf man aber nicht behandeln wie einen Pandektisten. Eine Bestimmung
des Bundesstaatsbegriffs hat er nicht anders gegeben als durch die Verweisung auf
„den ihm geläufigen Begriff einer Teilung der Gewalten“ (Brie a. a. O. S. 103).
Will man eine juristische Formulierung daraus ziehen, so muß man damit be-
ginnen, festzustellen, was im lebendigen französischen Verfassungsrecht die Teilung
der Gewalten bedeutet. Das hat man nicht gethan, sondern sich hier, wie in
dieser ganzen Lehre überhaupt, an die Ausdrücke gehalten. Dadurch ist für den
Einzelstaat entstanden, was wir oben Bd. I S. 68 Note 2 einen Popanz nannten,
und für den Bundesstaat, was Laband, St.R. I S. 59, eine Chimäre nennt.
gesetzgebung in ein ähnliches Verhältnis treten, wie im einfachen Staat die voll-
ziehende Gewalt zum Gesetz. Es giebt hier „Ausführungsgesetze“ mit derselben
Gebundenheit und denselben Schranken, wie sie dort die Ausführungsverordnung
hat: Haenel, St.R. I S. 254 ff.
Herr, nach oben Unterthan“. Haenel, St.R. I S. 798: „die Gliedstaaten sind im
Reich gehorsamspflichtige Unterthanen und staatsbürgerlich Berechtigte“. Vgl.
auch Mejer, Einleitung S. 6—8. Die Theorien aus der Zeit vor Gründung des
Reiches wirken hier nach; Brie, Bundesstaat S. 53 ff. Aber die Wirklichkeit
des Reiches ist eben anders ausgefallen.
die Reichsgesetzgebung sich weiter Gebiete der Verwaltung bemächtigt, um sie in
Vorrang vor der Gliedstaatsgewalt zu ordnen. Diese nämliche Kompetenz-Kompe-
tenz hat im einfachen Staate das Gesetz, und doch wird deshalb die vollziehende
Gewalt nicht zum Unterthan. Der Schutz der schwächeren Gewalt liegt hier wie
dort in der bevorzugten Teilnahme ihres Trägers an der Trägerschaft der stärkeren.
von den einzelnen Bundesstaaten verschiedener Staat, welcher eigene Hoheitsrechte
hat“. Thatsächlich werden als die maßgebenden „allgemeinen staatsrechtlichen
Grundsätze“ wohl immer die des führenden deutschen Staates angenommen
werden. Vgl. Bd. I § 16 Note 10.
S. 478, sagt: „Inhaber aller Strafrechte, die gemeinen deutschen Strafgesetzen ent-
springen, ist das Reich und sind nicht die Einzelstaaten.“ Er will die gleiche
Auffassung auch für Zölle und Reichssteuerforderungen durchführen (a. a. O. S. 479
Note 10). Diese gehören aber dem Unterthanen, dem Schuldner gegenüber — und
das allein ist entscheidend — zweifellos dem Gliedstaat; Laband, St.R. II S. 842
Note 1, S. 932 (3. Aufl. II S. 804 Note 1, S. 888). — Ebenso verhält es sich mit
der Militärhoheit. Brockhaus, Das deutsche Heer S. 14 ff., und Bornhak,
Preuß. St.R. III S. 36, wollen diese, in ähnlichem Gedankengange wie Binding,
den Einzelstaaten absprechen wegen des Militärgesetzgebungsrechtes des Reichs.
Dagegen mit Recht Laband, St.R. II S. 555 Note 3 (3. Aufl. S. 534 Note 3).
Das Verständnis für das Wesen der Trennung der Gewalten wird auch hier die
richtige Auffassung erleichtern.
enthalten, erheben sich von selbst zu der Ausdrucksweise, deren die Verfassungs-
urkunden sich bei Aufstellung der Grundrechte bedienen. So Ges. über die Frei-
zügigkeit v. 1. Nov. 1867 § 1: „Jeder Bundesangehörige hat das Recht, innerhalb
einer preußischen Behörde, da er Reichsangehöriger sei. Er war in Gotha natura-
lisiert worden; das dortige Ministerium hatte aber nachträglich diese Naturalisation
als erschlichen wieder aufgehoben. Das O.V.G. unterscheidet: das Ministerium
hatte entweder mit dem letzteren Akte nur eine Entscheidung gegeben, die als
solche die Statusrechte des Klägers nicht ändern, sondern lediglich aussprechen
sollte, was Rechtens ist; dann wirkt die autorität dieses Aktes ohnehin nicht über
die Grenzen seines Staatsgebietes hinaus. Das preußische Gericht hat also selb-
ständig zu prüfen, ob die Naturalisation gültig war. Oder es hat ein Rechts-
geschäft vorgenommen, welches die erworbene Naturalisation wieder beseitigen
sollte; dann sind die Behörden aller deutschen Staaten berechtigt, nachzuprüfen,
ob dieser Akt vor dem Reichsgesetze, um dessen Anwendung es sich handelt, be-
stehen kann. — Beide Sätze sind nur zu messen an den Regeln des „Internatio-
nalen Verwaltungsrechts“ (oben I n. 2); der erste ist richtig, der zweite bedenklich.
Öffentlichrechtliche Rechtsgeschäfte fremder Staatsgewalten innerhalb ihres Macht-
gebietes werden von uns nicht schlechthin nachgeprüft auf ihre Gültigkeit gemäß
dem für sie maßgebenden Rechte. Wir achten den fremden Staat in seinen Akten
und behandeln sie, als hätten sie bei ihm rechtlich gewirkt; unsere Behörden
wirken nur nicht mit zu ihrer Durchführung. Nur im Falle offenbarer Unzu-
ständigkeit oder sonstiger grober Ungehörigkeiten, wo also auch bei uns ein solcher
Akt durch die obrigkeitliche Autorität nicht gedeckt, sondern einfach nichtig wäre,
werden wir ein solches „Rechtsgeschäft“ unberücksichtigt lassen dürfen. So v. Bar,
Internat. Priv.R. I S. 217. Die Frage ist gelegentlich des berühmten Falles
Bauffremont viel besprochen worden. Damals handelte es sich um einen be-
denklichen Naturalisationsakt, der in fraudem legis domesticae vorgenommen war.
Laurent, droit civ. internat. III S. 292, der die strengere Meinung vertritt, unter-
scheidet gleichwohl: „L’acte de naturalisation ne peut avoir effet en France en
tant qu’il ferait fraude à la loi française; en Suisse il subsiste.“ Nach diesen
Grundsätzen war auch der Gothaische Naturalisationsfall zu behandeln. Von einer
S. 145 (3. Aufl. S. 137), sagt von diesem Gesetz, daß es „ein staatsbürgerliches
Grundrecht gewährleistet“. Ein Grundrecht dem Reiche gegenüber ist das natür-
lich nicht, so wenig wie ein Gliedstaatsgesetz, das z. B. die Fischerei freigiebt,
ein Grundrecht bedeuten würde dem Gliedstaat gegenüber. Aber es ist ein Grund-
recht gegenüber der durch den Vorrang des Reichsgesetzes gebundenen Glied-
staatsgewalt.
öff. R. III S. 139 ff. Jellinek, Staatenverbindungen S. 309: „die von den Glied-
staaten unter einander geschlossenen Verträge sind nicht nach dem gemeinen
Rechte des Bundesstaates, sondern nach Völkerrecht zu beurteilen.“
Reichsrecht in Frage war, änderte an dem Verhältnis der Gliedstaatsbehörden
unter einander gar nichts. Naturalisation, wie Zurücknahme der Naturalisation
konnten nur dann nicht berücksichtigt werden, wenn grobe Überschreitungen der
Zuständigkeit es rechtfertigten. Das lag hier nicht vor. Insbesondere war das
O.V.G. im Unrecht, wenn es die Zurücknahme schon deshalb für unbeachtlich er-
klärte, weil das Reichsrecht eine solche nicht vorsieht. Das Gothaische Ministerium
hatte den Naturalisationsakt als rechtsungültig angesehen, und für diesen Fall ist
die Möglichkeit der Zurücknahme selbstverständlich (Bd. I S. 305).
aufgeführten Fälle der „zwischenstaatlichen Rechts- und Verwaltungshülfe“ sämt-
lich zurückführen lassen, soweit sie eben nicht statt zwischenstaatlicher Verhält-
nisse eigene Reichsverwaltung bedeuten.
„Staatenpflege“, die er der Wohlfahrtspflege und der Rechtspflege gegenüber stellt.
Wenn die Einzelstaaten durch diese Ausdrucksweise den Anschein erhalten von
Gegenständen der Verwaltungsthätigkeit des Reichs, so ist damit ihre Stellung
nicht richtig wiedergegeben.
seuchen hat sich dieser Form bedient, um mit der erforderlichen Schnelligkeit ein
einheitliches Vorgehen der gliedstaatlichen Beamten herbeizuführen; Rinderpestges.
v. 7. April 1869 § 12; Reblausges. v. 3. Juli 1883 § 5. Hierher gehören aber
auch die Fälle, in welchen das Reich durch den Bundesrat Verwaltungsvorschriften
aufstellt für die durch gliedstaatliche Beamte zu leistende Thätigkeit; das „plan-
S. 582) wird dabei von selbst zu einem Hauptgesichtspunkt. Die Zollregulative
geben die wichtigsten Beispiele. Was wir besonders hervorheben möchten, das
ist das Außerordentliche, Einschneidende, was in solcher Ausübung der Dienst-
gewalt über Beamte der Einzelstaaten liegt. Auch wer sie nur als Selbstverwal-
tungskörper gelten lassen will, müßte nach diesem Vorbild eine solche Ein-
richtung als eng zu begrenzende Ausnahme behandeln; vgl. oben S. 407. Reichs-
verf. Art. 7 Ziff. 2 dürfte auch nach diesem Gesichtspunkt noch genauer an-
zusehen sein (Laband, St.R. I S. 224; Haenel, St.R. I S. 282 ff.; G. Meyer,
St.R. S. 521).
- License
-
CC-BY-4.0
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- TextGrid Repository (2025). Mayer, Otto. Deutsches Verwaltungsrecht. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bmp6.0